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^MÜNCHENER
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
HERAUSGEGEBEN
VON
CH. BAUMKER, 0. B0LLIN6ER, H. CURSCHMANN, C. GERHARDT, W. ». HEINERE, 6. MERKEL, U MICHEL, H.». RANKE, F. i. WINCKEL, H.». ZIEMSSEN,
Freibiirg i. B. München. Ijeipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Berlin.. München. München. München
R^DIGIRT
HOFRATH D* BERNHARD SPATZ
PRAKT. ARZT.
XL VII. JAHRGANG.
I. Hälfte (Januar—Juni).
\ V
- \ ■
MÜNCHEN
VERLAG VON J. F. LEHMANN
1900 .
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MÜNCHENER -o
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
HERAUSGEGEBEN
CH. BAUIILER, 0. BOLLINGER, H.CURSCHMANN, C. 6ERHARDT, W. i. HEINEKE, 6. MERKEL, J. i. MICHEL, H. v. RANKE, F. i. WINCKEL, H. i. ZIEMSSEN,
Freibarg i. B. Manchen. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Berlin. Manchen. Manchen. Manchen.
RE DI 01 KT
II0FR1TH !)“• BERNHARD SPATZ
PRAKT. ARZT
XL VII. JAHRGANG.
MÜNCHEN
V E KLAG VON J. F. LEHMANN
1900.
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I. Originalartikel.
Seite
Adler, Beitrag zur Lagerungsbehandlung.1517
Aichel, Zur Kenntniss der Nebennieren.1228
Albers-Schönberg und Hahn, Die Therapie des Lupus
und der Hautkrankheiten mittels Röntgenstrahlen. (Aus
dem Röntgeninstitut in Hamburg) .284^ 325, 363
Alexander, Meine Behandlungsmethode der Lungentuber-
culose mit subcutanen Injectionen von Ol. camphor.
Pharm, gefm.291
Althaus, Ein Fall von Leberechinococcus mit Durchbruch
in die Gallenwege .1135
— Beschreibung einer Missgeburt .... .1825
Ammon, Zur Diagnose und Therapie der Augeneiterung der
Neugeborenen (Aus der k. Univ* rs -Augenklinik in
Mönchen.). 12
Ansichten und Bedenken des Metzer Aerztevereins über die
4 Punkte im Programm des Verbands der Aerzte Deutsch¬
lands zur Wahrung ihrer wirthschaftlichen Interessen . 1704
Aveliis, Schleimhautpemphigus als Ursache der Verwachsung
des weichen Gaumens und Heilung derselbe i mittels
besonderer Hartgummibougies. (Illustr.).321
— Typische Form von Kehlkopfneuralgie.1592
nachmann, Dr. August Pyes .159
15aeck, Ueber den Zusammenhang zwischen Skrophulose und
Trachom. (Aus der Augenhcilunstalt für Oberschlesien
in Gleiwitz).255
15ü uui 1 e r. Zur Diagnose der durch gewerbliche Staubinhalation
hervorgerufenen Lungenveränderungen. (Illustr) . . 525
Buginsky, Einrichtung von Heilstätten für tuberculöse Kinder 1128
hatsch, Zur Atropinbehandlung des Ileus.931 j
Bauer, Ueber nervöse Störungen des Herzens und ihre Be¬
ziehungen zum Militärdienst .415
Bayer, Ein Fall von Raupenhaar-Ophthalmie. (Aus der kgl.
Univ.-Klinik für Augenkranke in Erlangen ).730
Becker C., Zum Vollzüge des Impfgesetzes.47 L
Becker Ph F, Ein Fall von neurasthenischem Schtttteltremor
nach Trauma (Aus der medic. Univ.-Klinik zu Bonn.) 314 j
— Bemerkungen zur prognostischen Bedeutung der Diazo- \
Teaction Tuberculöser. (Aus der inneren Abtheilung des i
Louisenhospitals zu Aachen.).1198 j
Beckers, Meine „Lagerungsbehandlung“ bei Gestalts-, Lage-
und Grösse Veränderung des Uterus.1178 |
Behm, Ein Fall von angeborenem Hirnbruch. (Illustr.) . . 1089 i
Bendix, Beiträge zur Ernährungsphysiologie des Säuglings . 1035
Bergmann, Ein Fall von acuter Cocain Vergiftung. 392 j
Berliner und Cohn, Klinische Beiträge zur Diagnose des j
Abdominal-Typhus. (Aus der inneren Abth. des städt. I
Krankenhauses am Friedrichshain zu Berlin. (Illustr.) 1263 |
Besteimeyer, Bemerkung zu dem Artikel von Prof. Heller !
in Kiel: „Zur Lehre vom Selbstmord“. 1780 j
Bettmann, Ueber eine besondere Form des chronischen j
Ikterus. (Aus der Heidelberger med. Klinik) .... 791
Bezold, Drei Fälle von intracranieller Complication bei akuter
Mittelohreiterung. (Illustr).. . . 763
— Ergebnisse der functioneilen Gehörsprtifung mit der
conti nuirlichen Tonreihe, insbcs.’am Taubstummenohr637, 690
Biberfeid, Ein eigenthümlicher Schadenersatzanspruch . . 715
— Die rechtliche Stellung der Gefängnissärzte.902
— Rechtsprechung in Krankencassenangelegenheiten . . 1023
— Die Taxen für das ärztliche Honorar. 1703 j
Bickel, Ueber Compensationsvorgänge.1528
Biedert, Schwangerschaft bei Stillenden. 1256 j
Bier, Ueber die Ursachen der Her/hypertrophie bei Nieren- j
krankheiten . 527 \
Bemerkungen zur Cocainisirung des Rückenmarkes. (Aus i
der kgl Univers.-Khnik in Greifswald.) ... f ... . 1226 j
Seile
Bicnner, Einige Bemerkungen zu der Arbeit des Herrn
Dr. Deckart „Die Hystereuryse in der Praxis“ ... 1046
Bischofswerder, Ueber das Saugen künstlich ernähr!er
Kinder . 139
Bl e n cke, Ein kleiner Beitrag zur Bekämpfung der Curpfuscherei 295
Bloch, Ein Fall von hysterischer Stummheit, jedenfalls her¬
vorgerufen durch Intoxication . .968
Blum, Neue experimentell gefundene Wege zur Erkenntniss
und Behandlung von Krankheiten, die durch Auto*
intoxicationen bedingt sind.1036
Bofinger, Ein Taschensterilisirapparat. (Illustr) .... . 508
Bollinger, Zur Reform des Pension«Vereins für AVittwen und
Waisen bayer. Aerzte.870
Boni, Methode zur Darstellung der Bacterionkapsel auch in
festen Nährböden. (xVusdempatholog.Institutin München) 1262
B r a a tz, Ueber eine bisher unbeachtete Eigenschaft des Alkohols
bei seiner Verwendung zur Händereinigung.1001
— Zur Bedeutung des Alkohols für die Hämle-Desinfeciion 1693
Bräuninger, Ueber einen seltenen Fall von Radiaüslähmung,
geheilt durch Freilegung und Dehnung der Nerven . . 290
Brandenburg, Ueber die Reaction der Leukocyten auf die
Guajaktinctnr. (Aus der 2. med. Klinik zu Berlin.) . . 183
Braun, Ueber das chirurgische Naht- und Unterbindungs-
Brauser, Die Anzeigepflicht im künftigen deutschen Reichs-
Seuchengesetz .■.159
— Aus den preussischen Aerztekammern.229
— Diu neueste Impf Verordnung .541
Breitung, Zur Psychologie der Stimmermüdung.538
— Zur Casuistik der Fremdkörper in der Nase.1630
Brodmann, Neuritis ascendens traumatica ohne äussere Ver¬
wundung. (Aus der psychiatr. Univ.-Klinik zu Jena.) 829, 868
Brun8, Die neuesten Kriegserfahrungen über die Gewebr-
Buchner, Zur Kenntniss der Alexine, sowie der specifisch-
bactericiden und specifisch-haemolytischen Wirkungen.
(Aus dem hygien. Institut der Univ. München.) . . . 277
— Sollen die Mediciner an der humanistischen Vorbildung
festhalten? ... 802
— Immunität.. . . 1193
Burgl, Eine Reise in die Schweiz im epileptischen Dämmer¬
zustände und die transitorischen Bewusstseinsstörungen
der Epileptiker vor dem Strafrichter.1270
Burwinkel, Haemorrhoidalknoten im frühesten Kindesalter 393
Clemens, Die diesjährige Influenzaepidemie in Freiburg i. B.
(Aus der medic. Klinik zu Freiburg i. B.) tllustr.) . . . 925
Cloetta, Ueber die therapeutische Verwendbarkeit de9 „Ferra-
togen“ (Eisennuclein) . 160
Cohn M., Einige Bemerkungen über die basophilen Körnchen
in den rothen Blutscheiben (Aus dem Laboratorium
der 3. kgl. medicin. Klinik zu Berlin.) (Illustr.) .... 186
Cohn Th, Ueber subentane Milzruptur.• *>09
Cohnheim und Krieger, Eine Methode zur Bestimmung
der gebundenen Salzsäure im Magensaft. (Aus dem
physiolog. Institut und der med. Klinik zu Heidelberg) 381
Craemer, Grundsätze des Geburtshelfers für die erste Er¬
nährung des Kindes. Mit 4 Curven.).1585
v. Criegern, Untersuchung eines Falles von angeborener
Sternalspalte mittels fluorescirenden Schirmes. (Aus der
med. Poliklinik der Universität Leipzig.).. 1378
C urschmann, Ueber Cystitis typhosa. (Aus der medic.
Klinik zu Leipzig) . .1449
Dämmer, Mittheiluug über einen Fall von Tetanie nach In¬
toxication. (Aus der med. Univ.-Poliklinik in Jena » . 1587
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
IV
INHALTS-VERZE1CHNISS.
1900.
Seite
Seite
Deckart, Die Hystereuryse in der Praxis. (Aua der kgl. ge-
burtshilfl Poliklinik der Universität Breslau) . . . 565, 611
Deiters, Ein geheilter Fall von multiplen Darmverletzungen 1239
— Beitrag zur Kenntniss der Typhuspsychosen.1623
Demme, Weitere Beiträge zur Atropinbehandlung des Ileus 1665
Dennig, Ueber acute Leukämie. (Aus der med. Klinik zu
Tübingen.).1297
Deppisch, Land- und forstwirthschaftliche Berufsgenossen- j
schaft und Arzt. 433 j
Der kgl. bayer. Operationscurs für Militärärzte.329
Deutscher AerzteVereinsbund und Verband derAerzte Deutsch- .
lands zur Wahrung ihrer wirtbschaftlichen Interessen . 1632 |
Dieudonnö, Ueber die Desinfection mit Carboformal-Glüh- |
blocke. (Aus der bacteriologisehen Untersuchungsstation ,
des kgl. Gamisonslazareths Würzburg.). 1456 I
Dinkler, Zur Pathologie und Therapie der Basedow schen |
Krankheit. 724 |
Doerfler H.-Regensburg, Zur Behandlung der chronischen f
Obstipation im Kindesalter . ..113 j
Doerfler H.-Weissenburg, Casuistischer Beitrag zur Sympto¬
matologie des Pankieatitis acuta.254
Doering, Ueber Infection mit Influenzabacillen und mit Bart,
proteus. (Aus der inneren Abtheilung des städtischen
Krankenhauses in Stettin.). 1580 J
Doernberger, Tannopin (Tannon) qjs Darmadstringens . . 464 i
Dornblüth, Die Behandlung der Neurasthenie. 74 j
Dünschmann, Zur Diagnose des Hungertodes. 1349 j
v. Düngern, Beiträge zur Immunitätslehre. (Aus d. Institut
für experimentelle Therapie zu Frankfurt a/M. . . 677, 962 I
— Eine praktische Methode, um Kuhmilch leichter ver- i
daulich zu machen.1661
Edel, Ueber einen günstigen Erfolg durch Behandlung mit
Nebennieren-Tabletten in einem Falle von Morbus
Addisonii. (Aus der med. Klinik zu Giessen.) ....
Edlefsen, Eine neue Ham- und Zuckerprobe.
Eichel, Ueber Heraia epigastrica.
— Ueber Osteomyelitis acuta des Atlas.
Einhorn, Ueber ein neues Guajacolpräparat.
Eine schwere Gefahr ungeeigneter Tripperspritzen.
Engelhardt, Neuritis optica bei Chlorose; Krankheitsverlauf
und Tod unter den Symptomen eines Hirntumors. (Aus
dem Augustahospital in Köln).
Engelmann, Ersatz des Cocains durch Eucain B bei der
Bier’schen Cocainisirung des Rückenmarks. (Aus der
kgl. Universitäts-Frauenklinik in Bonn).
Erb, Ueber das ..intermittirende Hinken“.
— Zur Frühdiagnose der Tabes.
Erne, Zur Beurtheilung der Desinfection mit den sog. Carbo-
formalgltihblock8. (Aus dem hygien. Institut der Univ.
Freiburg i. B.).
Eschweiler, Ueber Spätdiphtherie im Nasenrachenraum.
(Aus der Univ.-Poliklinik für Nasen- und Okrenkranke
in Bonn) .
Esser, Sklerema neonatorum oedematosum im Zusammen¬
hang mit ausgedehnter Lungenblutung. (Aus dem pathol.
Institut in Giessen).
Eversbusch, Zum 70. Geburtstag von August v. Roth-
mund . ....
Eversmann, Ein Fall v. Selbstbeschädigung auf hysterischer
Grundlage. (Aus der inneren Abtheilg. des Louisen¬
hospitals zu Aachen.) (lllustr.).
1821
826
426
1201
10
393
I
1233
1532 |
224 j
989 |
I
1666
568
352
1082
290
Fehling, Ueber die Berechtigung der Selbstinfectionslehre
in der Geburtshilfe. 1651, 1697
Fein, Die Behandlung der typischen Pachydermia laryngis
mit Salicylsäure. (Aus der Abth. für Halskranke des
Prof. O. Chiari an der allgem. Poliklinik in Wien.) . . 1134
Fl ein er, Neue Beiträge zur Pathologie der Speiseröhre.
(lllustr.). 529, 578
— Ueber Gallenblasenentzündungen und davon abhängige
Magendarmstörungen. (lllustr.).1292
Fölkel, Klinisch-therapeutische Versuche mit „Fersan“. (Aus
der I. medicin. Abth der Allgem Poliklinik in Wien) . 1536
Fraenkel C., Bemerkungen zu dem Aufsatze von Prof. Kopp
über „Persönliche Prophylaxe und Abortivbehandlung
des Trippers“.1780
Fraen kel, Polikliniken für Tuberculöse. 686
Fröhlich, Casuistische Mittheilungen über Schädel- und Ge¬
hirnverletzungen. (Jllustr.).192
Froriep, Beitrag zur Total exstirpation des completen Scheiden-
und Uterus Vorfalles nach A. Martin. (Aus der kgl. Univ.-
Frauenklinik Greifsw r ald.).S09
Gaertner, Ueber das Tonometer. (Zweite Mittheilung) . . 1195
Gerhardt, Blaublindheit bei Schrumpfniere 1
Gernsheim, Zur Behandlung des Brechdurchfalls mit
Biedert’schem (künstlichem) Rahmgemenge .... 1627
Glauning, Ueber die Behandlung inficirter perforirender
Bulbuswunden. (Aus der kgl. Univ.-Klinik für Augen¬
kranke in Erlangen. (lllustr.).1070
Göschei, Ein Fall von Perityphlitis im Bruchsack; Resection
des Coecum und Processus vermiformis. (Aus dem
Nürnberger städt. Krankenhause. (lllustr.).156
Goldflam, Ueber Tendovaginitis capitis longi bicipitis . . 1822
Graes er, Ueber Alkohol verbände. (Aus dem Deutschen
KrankenhauBe in Neapel.).999
Grober, Ueber die Wirksamkeit der Spinalpunction und das
Verhalten der Spinalflüssigkeit bei chronischem Hydro-
cephalus (Aus der medicin. Klinik in Jena) (lllustr.) . 245
Grote, Die Varietäten der Arteria temporalis in ihrer Be¬
ziehung zu Blutdruckbestimmungen.733
G rot he, Zur Behandlung der habituellen Schultergelenks¬
luxation .650
Grusdew, Ueber die Anwendung des Calciumcarbids in der
gynäkologischen Praxis. (Aus der militär-medicinischen
Akademie in St. Petersburg.).832
Guttentag, Ein Fall von idiopathischer Erweiterung des
Oesophagus im unteren Abschnitt.797
Iladenfeldt, Ueber totale Pylorusstenose nach Laugen¬
ätzung. 'Aus dem Anscharkrankenhause in Kiel.) . . . 216
H ä b e r 1 i n, Der heutige Stand der Salzwasserinfusionen, nebst
Beschreibung eines compendiösen Infusionsapparates . 45
Hager, Zur Pathogenese der Gicht. 1101
Hartmann, Casuistisches zum Hungertod.1110
Hahn Fl., Zur Casuistik der Darmlipome. (Aus der Chirurg.
Abth. d. allgeiu. Krankenhauses zu Nürnberg.).288
Hahn M. u. Trommsdorff, Ueber Agglutinine. (Aus dem
hygien. Institut München).413
Hahn E., Nierenblutung bei Haemophilie, durch Gelatine
geheilt.1459
Hauenschild, Untersuchungen über die Einwirkung neuerer
Antiseptica auf inficirte Hornhautwunden. (Aus der
Univ.-Augenklinik zu Würzburg.) . 146
— Ein Fall von spontan anftretender intraocularer Blutung,
die zur Bulbusruptur führte. (Aus der Univ.-Augenklinik
zu Würzburg.).1074
Hausen, Ein neuer geburtshilflicher Zangenhaken. (lllustr.) 867
Hecht, Ein handlicher elektrischer Sterilisationsapparat für
dfls Instrumentarium der kleinen Chirurgie, insbesondere
für Kehlkopf-, Ohren- und Nasen-Instrumente. (lllustr.) 1240
Hecker, Ueber einen Fall von Fremdkörper im linken Bron¬
chus .1132
II e i 1, Ein weiterer Beitrag zur Entstehung des Hautemphysems
nach Laparotomie'. . 1208
v. Heinieth, Ein Fall von Carotisdrüsenperitheliom. (Aus
Dr. v. Heinleth’s Chirurg.-gynäkolog Privat-Klinik in
Reichenhall.) (lllustr.) . 899
Heinz, Studien über Entzündung seröser Häute. (lllustr.) . 213
Heller, Zur Lehre vom Selbstmorde nach 300 Sectionen.
(Aus dem pathologischen Institut zu Kiel ).1653
Henkel, Klinische Beibäge zur Tuberculöse: 1. Ein Beitrag
zur Frühdiagnose der Lungentuberculose — die Punction
der Lunge zum Nachw’eis der Tuberkelbacillen .... 419
— Klinische Beiträge zur Tuberculöse. Ein Fall von ge¬
heilter Meningitis cerebrospinalis tuberculosa. (Aus dem
Neuen Allgem. Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.) . . 799
Henne mann, Zur Behandlung der Spina bifida.1380
Iienrici, Zur Kenntniss der multiplen Neuritis. (Aus der
inneren Abtheilung des Diakonissenkrankenhauses zu
Dresden.).891
Herxheimer und Hildebrand, Ueber Xeroderma pig¬
mentosum. (Aus der dermatolog. Abtheilung des städt.
Krankenhauses zu Frankfurt a. M.).1099
Hijmans, Eine Bemerkung zur Arbeit des Herrn Dr. med.
v. Noorden: „Zur Lymphknotentuberculose“.690
Hildebrandt, Briefe von der Deutschen Ambulanz des
Rothen Kreuzes in Südafrika. 509, 540, 738
Hirsch, Zur klinischen Diagnose der Zwerchfellhernie. (Aus
der med. Klinik zu Leipzig) (lllustr.).996
— und Beck, Eine Methode zur Bestimmung des inneren
Reibungswiderstandes des lebenden Blutes beim Men¬
schen. ( Aus der med. Klinik und aus dem Institut für
angewandte Chemie in Leipzig.) Jllustr.).1685
II o e f 1 m av r, Die subjectiven Beschwerden der Neurastheniker 1594
v. H o e 8 s 1 i n, Ein Fall schwerer Uraemie, geheilt durch
Aderlass.930
Hoffa, Zur Behandlung des Pes valgus. (lllustr.).490
Hoff mann, Ueber die hereditäre progressive spinale Muskel¬
atrophie im Kindesalter. (Aus der med. Klinik zu
Heidelberg.).\ . . . 1649
Hofmeier, zur Verhütung des Kindbettfiebers.1257
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1900.
INHALTS-VERZEICHNTSS.
V
Seite I
Holz, Zur Atropinbeliandlung des Ileus .1664
Hoppe-Seyler, Ueber die Glycosurie der Vaganten . . . 531
Huber, Notizen zur Fleischkunde.1628
Hügel, Mittheilungen aus der dermatologischen Klinik der
Universität Strassburg. L Ein Fall von Lichen obtusus.
II. Ein Fall von Pityriasis rubra pilaris.1737
Hui8mans, Ueber Morbus Addisonii. (Aus der inneren Ab¬
theilung des St. Vincenzhauses in Köln.).421
H uns che. Das Vorkommen des Demodex folliculorum am j
Allgenlide und seine Beziehungen zu Liderkrankungen.
(Aus dem pathol. Institut zu Kiel) .1563
Jacob, Zur Behandlung des Tetanus uteri.1209
Jessen, Ueber die Beziehungen des Oliver*sehen Symptoms
zum Aortenaneurysma und zu intratlioracalen Ge¬
schwülsten. (Aus dem Vereinshospital zu Hamburg) . . 1565 j
Jo ebner, Chirurgische Mittheilungen.1596
.Jungmann, Ein neuer Speitopf für Phthisiker.175 |
Kaufmann, Bericht über die im Sommer 1900 beobachtete
Blatternepidemie. (Aus der inneren Abth. des städt.
Krankenhauses zu Frankfurt a. M.) (Illustr.). 1733 ;
Kehr, Die Verwendung der Gelatine zur Stillung chol-
aemischer Blutungen nach Operationen am Gallen¬
system nebst Bemerkungen über Popperl’s wasserdichte
Drainage der Gallenblase.18», 226 j
— Wie verhält es sich mit den Recidiven nach unseren
Gallensteinoperationen?. 720 ;
Kehrer, Ein eigenartiger Fall von Azoospermie.1 25
Keller, Ueber das Vorkommen von Rhodan im Nasensecret . 1597
Kelling, Zur Frage der Pneumonie nach Laparotomien in
der Nähe des Zwerchfells.1161
Kiefer, Beitrag zur operativen Behandlung des Magen- und
Duodenalgeschwürs. 837 ,
Killian, Die oesophagoskopische Diagnose des Pulsions¬
divertikels der Speiseröhre. (Illustr.).112 j
— Ueber einen Fall von acuter Pericliondritis und Periostitis
der Nasenscheidewand dentalen Ursprungs .155
Kirchgaesser, Fehldiagnose eines Aortenaneurysmas in 1
Folge der Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen. (Aus j
der med. Klinik zu Bonn).646
Kirchner, Eine wenig bekannte Pupillenreaction (Lidschluss-
reflex der Pupille) und ihre therapeutische Vcrwcrthung
1532, 15G7, 1720
K i ss k a 11, Ueber locale Disposition, Erkältung und Abhärtung.
(Aus dem hygienischen Institut Würzburg).110
Kissling, Ein Fall von infantiler Cerebrallähmung mit com-
plicirter Oculomotoriuslähmung (Aus der Nerven-Ab-
theilurtg des Wiener k. k. allgem. Krankenhauses) . . 897 J
Klapp, Ueber die Behandlung von Gelenkergüssen mit
heisser Luft. (Aus der kgl. Chirurg. Univ.-Klinik zu
Greifswald.) . ..•.794
lebs, Zur causalen Behandlung der Tuberculose. (Illustr.) 16*8
lein, Ueber einen neuen verbesserten Respirator. (Illustr) 651
— Der Aderlass bei Hitzschlag . . . . .929
Koch, Zur Kenntnis der acuten Osteomyelitis. (Aus dem
Luisen-Hospital in Aachen.855
Ko ekel, F. V. Birch-Hirschfeld Nekrolog. 53
Köhler und Scheffler, Die Agglutination von Faeeal-
bacterien bei Typhus abdominalis durch das Blutserum.
Aus der medicin. Kliirk und dem hygien. Institut zu
Jena).. .. 757, 800
Köl liker, Ein zweiter Fall von Entfernung des Schulter¬
gürtels wegen Sarkom der Scapula. 53
Kopp, Persönliche Prophylaxe und Abortivbehandlung des
Trippers beim Manne.1662
Kossmann, Casuistische Miscelloneen aus dem Gebiete der
Geburtshilfe und Gynäkologie.. . . 313, 361, 394
Kraemer, Ein Fall angeborener (intrauteriner) complicirter
Fractur des Unterschenkels. 1238
Krapf, Die Distorsion des unteren Fussgelenks. (Aus dem
Reconvalescentenhaus f. Unfallverletzte zu Strassburg i.K | 355
Krec ke, Adenocarcinom des Coecum. Invagination, Resection,
Heilung. (Illustr ). 42
— Ueber Skoliosis ischiadica. (Illustr.).188
— Zur Frage der ärztlichen Unterstützungs-(Streik ) Kassen 1463
Krey und Sarauw, Tetanus traumaticus cornpl. durch üarin-
verschluss. (Laparatomie. Heilung ohne Seruminjection.)
(Aus dem Kreiskrankenhause in Sonderburg a. Alsen.) 1210
Kroemer, Zur Kenntniss der Lithopaedien. (Aus der gynä-
kolog. Abtheilung des Krankenhauses der Elisabetherin-
nen zu Breslau.) (Illustr.). 1153, 1497
Seite
Krönig, Klinische Versuche über den Einfluss der Scheiden¬
spülungen während der Geburt auf den Wochenbetts-
verlanf (Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Leipzig. 1
— Eine kurze Bemerkung zu dem Aufsatz von M. Hof¬
meier: Zur Verhütung des Kindbettfiebers.1422
— und Blumberg, Vergleichende Untersuchungen über
den Werth der mechanischen und Ahlfeld’schen Alko-
holdesinfection gegenüber der Desinfection mit Queck¬
silberverbindungen, speciell dem Quecksilberaethylen-
diainin. (Aus der Univ.-Frauenklinik zu Leipzig.) 1004, 1044
Kühn, Beitrag zur Lehre von der ankylosirenden Entzündung
der Wirbelsäule. (Aus der Rostocker med Klinik. (Illustr.) 1333
K ü m m e 11, Die Gefrierpunktsbestimmung des Blutes und des
Urins zur Feststellung der Functionsfähigkeit der Nieren
vor operativen Eingriffen. (Aus dem Neuen Allgem.
Krankenhaus in Hamburg.). 15*25
Landau, Hundert Jahre Heilkunde. 87
Lamliofer, Zur Behandlung der Augeneiterung der Neu¬
geborenen .253
Lange, J, Ueber Krämpfe im Kindesalter. 37
Lange, F., Ueber periostale Sehnenverpflanzungen bei Lähm¬
ungen. (Aus dem orthopäd. Ambulatorium der kgl.
Chirurg. Klinik zu München ) (Illustr.).486
Lange, L, Tdiopatipche Osteopsathyrosis. (Aus deT Chirurg.
Heilanstalt von Dr. Krecke in München.) (Illustr.) . . 862
Lanz, Asepsis contra Antisepsis (Illustr).492
Lauen stein, Zur Catgut-Frage .501
Lauk, Acht Fälle von Wurstvergiftung.1345
Laves, Ueber das Eiweissnfthrmittel „Roborat“ und sein Ver¬
halten im Organismus, verglichen mit ähnlichen Prä¬
paraten. (Aus dem physiol.-cliem. Laboratorium des
Krankenhauses Hannover).1339
Lehmann, Eine Reise in das russische Hungergebiet . . 468
Leichtenstern, Ueber Kehlkopferkrankungen im Verlaufe
des Diabetes. („Laryngitis diabetica“.). 535, 581
Lengnick, Zur Casuistik der Rückemnarksverletzung durch
Wirbelfractur nebst Beschreibung eines Gehverbandes
für Patienten mit Lähmung beider unterer Extremitäten.
(Aus der kgl. Chirurg. Univ.-Klinik zu Königsberg i,Pr.)
(Illustr.).386
Lent, Otto Leichtenstern f. 430
Leutert, Welchen »Standpunkt dürfen wir jetzt in der Frage
der Therapie chronischer Mittelohreiterungen einnehmen
und wie steht es mit der Cholesteatomfrage? 1329, 1382, 1418
Lewy, Ueber das Saugen künstlich ernährter Kinder .... 634
Liebig, Die Muskelkraft unter dem erhöhten Luftdruck . . 608
Lode und Durig, Ueber die Kohlensäurenusscheidung bei
bei wiederholten kalten Bädern (nach Versuchen an
Hunden). (Aus dem hygienischen Universitätsinstitut
in Innsbruck.).. . 109
Löhnberg, Ein Fall von Stich Verletzung des Ohres mit Aus¬
fluss von Hirnwasser. 81
Loewenfeld, Ueber die nervösen Störungen im Bereiche
des Brachialplexus bei Angina pectoris ...... . 1095
Lohnstein, Ueber die Dauer der Hefegährung in zucker¬
haltigen Urinen .1385
Lotheisen, Ueber die Gefahren der Acthylchloridnarkose.
(Aus Prof. v. Hackers chirurfl. Klinik zu Innsbruck) 601
Lublinski, Zur Behandlung der Pachydermia laryngis mit
Salicylsäure.1629
Lüttgen, Zur Atropin-Behandlung des Ileus.1693
Luxenburger, Experimentelles und Klinisches überOrtho-
forrn. (Aus der chirurg. Univ.-Poliklinik in München) 48, 82
Madien er, Zucker als wehenverstärkendes Mittel.1177
Maillefert, Ein Fall von indirektem Bruch eines Mittelfuss-
knochens. (Illustr.).1237
Manasse, Ueber die Koplik’schen Flecken bei Masern . . 8(0
Marcinowski, Zur Atropinbehandlung des Ileus .... 1492
Marcuse, Pater Bernhard, ein Vorgänger Kneipp’s. Ein
Kapitel aus der Geschichte der Wasserheilkundc . . . 124
— Die Ausstellung für Krankenpflege in Frankfurt a M. . 397
— Die Lehranstalt von Salerno und ihre Bedeutung für
die Entwicklung des Medicinalwesens. . . 695
— Antisepsis und Asepsis im Alterthum.1630
Martin, Zur Indicationsstellung und zur Technik der Mvom-
operationen .1301
Marx, Ueber Intubation in der Privatpraxis.1590
Mayer G., Zur Pathologie derMiliartuberculose. (Aus der Unter¬
suchungsstation am Garnisonslazareth Würzburg ) . 71, 121
— Zur Kenntniss der Infection vom Conjunctivalsack auö 1169
— Reisebriefe aus Ostasien.1793
Mayer W., Revolution oder Evolution des ärztlichen Standes 1667
Menge, Ueber Urinbefunde nach Nierenpalpation.789
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
VI
IMHALTS. VERZEICHNISS.
1900.
Seite
Merkel, Nekrolog auf Dr. Friedrich Ernst Aub.693
Messerer, Ueber den Befund bei Erstickung durch Einwir¬
kung auf den Hals (Illustr). 726, 771
Metzger, Ueber den Einfluss von Nührklysmen auf die Säft-
secretion des Magens. (Aus dermed. Klinik zu Giessen.) 1553
Meusel, Zur Technik der Unterschcnkclaniputhtion .... 1460
Meyer C. F., Ist die Zeiss-Thoma’schc Zählkammer wirklich
vom äusseren Luftdruck abhängig? . . ^.428
— J., Ueber Lohnstein’s Präcisions Saccharometer .... 1240
Meyerson, Bemerkungen zu Prof. Ilofmeier's Arbeit. „Zur
Behandlung der Nachgeburtszeit“. 86
Michaelis, Zwei Fälle angeborener Mikroccphalie. (Aus der
kgl. Univ.-FrauenkJinik zu München.) (Illustr.) ... 605
Michel, Zur Kenntniss der Ursachen einer primären Iritis
auf Grund einer statistischen Zusammenstellung . . . 853
Mock, . Ueber einen Fremdkörper im Augeninnern, dessen
Bestimmung mit Röntgenstrahlen und Magnetextraction.
(Illustr.).932
Model, Schwerste Opiumvergiftung eines atrophischen Kindes 157
— Medicinisch-botanische Streifzüge. Ein verschollenes (?)
heroisches Giftgewächs ans Madagascar .. 1081
— Chloral und Blutungen. (Eigene Erlebnisse).1739
Mond, Schwangerschaft und Ovarialtumor.1230
Morian, Beitrag zu den intratendinösen Ganglien.1766
Moritz, Ueber die Bestimmung der wahren Grösse von Gegen¬
ständen mittels des Röntgen-Verfahrens.509
— Bericht über die medicinische Poliklinik in München im
Jahre 1899 . 611
— Eine Methode, urh heim Röntgenverfahren ans dem
Schattenbilde eines Gegenstandes dessen wahre Grösse
zu ermitteln (Oithodiagraphio), und die exacte Bestim¬
mung d* r Herzgrösse nach diesem Verfahren (Illustr.) 992
Mosbacher, Heilung eines Gesichtserysipels durch Ichthyol¬
salbe in 24 Stunden!.175
— Befreiung von einer blutenden Ohrwarze durch ein
Volksmittel (Urin) .209
Muck, Ueber das Vorkommen von Rhodan iin Nasen- und
Conjunctivalsecret. (Aus der Ohren- und Kehlkopfklinik
in Rostock.! .. 1168
— Ueber das Auftreten der acuten Jodintoxication nach
Jodkaligebrauch in ihrer Abhängigkeit von dem Rhodan¬
gehalt des Speichels, des Nasen- und des Conjunctival-
secrets.• .1732
Mühlig, Epileptiforme Anfälle in der Reconvalescenz eines
Unterleibstyphus.221
Müller J., Ueber Tropon und Plasmon. (Aus dem physiolo¬
gischen Institut zu Erlangen). . . 1769, 1826
Müller R., Mittheilung von zwei Fällen von Tetanus trau-
matieus. (Aus d. Neuen Allgem. Krankenhause Ham¬
burg-Eppendorf.) . 318
— L. R, .Das Studium der inneren Medicin in Frankreich,
England nnd Deutschland .584
— J , Ueber den Zungenbelag bei Gesunden und Kranken.
(Aus der medicin Klinik zu Würzburg.).1125
— J., Zur operativen Behandlung der habituellen Schulter¬
gelenksluxation. (Aus dem Chirurg. Ambulatorium des
Herrn Dr. Kronacher in München.).1380
Muscatello, Zur Frage der Entzündung und Verwachsung
seröser Häute. 688
— Ueber die Gasgangrän. (Aus der Chirurg.-propädeut.
Klinik zu Neapel.).1303
Naegeli, Ueber individuelle Schwangerschaftszeichen nebst
einer Bemerkung über die anatomischen Verhältnisse
des Orificium extr. urethrae.836
Nakinishi, Vorläufige Mittheilung über eine neue Färbungs¬
methode zur Darstellung des feineren Baues der Bacterien 187
— Beiträge zur Kenntniss der Leukoevten und Baeterien-
sporen. (Aus d. hvgien. Institut d Universität München) 680
Nassauer, Hydrorrhoea ovarialis intermittens. (Hydrops
ovarii prolluens.) Die Lehre von den Tubo-Ovarialcysten.
(Illustr.) . 221,256, 293
X ehr körn, Beitrag zur Purpura haemorrhagica. (Aus der
Chirurg. Klinik in Heidelberg.).1372
Neisser und Wechsberg, Ueber eine neue einfache Me¬
thode zur Beobachtung von Schädigungen lebender
Zellen und Organismen. (Bioskopie) (Aus dem kgl.
pretiss. Institut für experimentelle Therapie zu Frank¬
furt a. M).1261
Neuburger, Ueber die neue Dienstanweisung der bayer.
Hebammen hinsichtlich der Verhütung der Augen¬
eiterung der Neugeborenen.1273
Neumayer, Ueber Oxvkampher. (Aus der medic. Univ.-
Poliklinik in München.).349
Nonne, Wilhelm Erb . . . ..1666
voll Noorden, Zur Lymphknotentnberculose.115
— Zur Schiefhals-Behandlung. 323
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Seite
Oberst, Ein Beitrag zu der Frage von den traumatischen
Wirbelerkrankungen. (Illustr.).1347
Oe hl er, Ueber Peritonitis tuberculosa.1823
Opp, Ueber hysterische Aphonie. (Aus der II. medic. Klinik
in Berlin.).729
Ostermaier, Zur Darm Wirkung des Atropins ....... 1695
Ott, Zur Embolie der Mesenterialarterien. (Aus der medicin.
Klinik des Hrn. Geheimrath v. Leube zu Würzburg) . 455
— Ueber den Nachweis des Gallenfarbstoffes im Harne
von Herzkranken. (Alis der med.-propüdeut. Univ.-
Klinik zu München.).928
— Zur Aetiologie der fibrinösen Bronchitis. (Aus der med.
Klinik zu Würzburg ).965
Pagenstecher, Ueber Muskel und Sehnenrisse im Biceps
brachialis.572
Sir James Paget. 158
Papasotiriu, Notiz über den Einfluss des Petroleums auf
den DiphtheriebncillnR. (Aus dem hj'gienischen Institut
der Universität Würzburg.).1381
Paul und Sarwey, Experimentaluntersuchungen über Hände-
desinfection. (Aus dem bacteriolog. Laboratorium der
Univers.-Franenklinik in Tübingen.) 934,968,1006,1038, 1075
Paulsen, Ein Fall von gonorrhoischen Gelenk- und Haut¬
metastasen im Anschluss an Blennorrhoea neonatorum 1209
— Ein Fall von tödtlich verlaufender spontaner Nabel-
bliitung hoi einem haemophilen Neugeborenen .... 1597
Payr, Beiträge zur Frage der traumatischen Nierenbeweglich¬
keit. (Aus derk. k. Chirurg. Klinik zu Prag.) (Illustr.) 1725, 1773
Peters, Aus der Unfallpraxis.360
— J. C, Ueber die Wirkung des Dormiol, eines neuen
Schlafmittels. (Aus dem Luisenhospital zu Aachen ) . 463
— C , Die Alexander-Adams'sche Operation bei Retroflexio
uteri mobilia. 1163
Phelps, Die Behandlung von Abscessen der Gelenke mit
Glasspeculum-Drainage und reiner Carbolsftufe, nebst
einem Bericht über 7o Fälle. (Illustr.).1307
Piorkowski, Zur Arbeit: „Der Werth des Harnnfihrbodens
für die Typhusdiagnose“ von Dr. Ernst Unger und Dr.
Ernst Tortner, Voloyitärärzten .. 87
Plato, Ueber die Beurtheilung des Lebenszustandes und der
Leistungen der Phagocyten mittels der vitalen Neutral-
rothfärbung, (Aus der kgl. Dermatolog Univ -Klinik zu
Breslau).1227
Poppert, Entgegnung auf die Bemerkungen Kehr’s zur Me¬
thode der Cholecystotomie mit wasserdichter Drainage 328
— Heinrich Bose. .. . 1111
Port, Zur Frage der Heilbarkeit der habituellen Skoliose.
(Illustr.) . 1625
Prochownick, Die Anzeigestellung zum chirurgischen Ein¬
greifen bei extrauteriner Schwangerschaft . . . 1093, 1153
Prölss, Heus und Atropin.1223
Rammstedt, Ueber eine eigenthümliche Pfählungsverletzung.
(Aus der kgl. Chirurg. Univ.-Klinik zu Halle a. S.) (Illustr.) 354
v. Ranke, Ueber Eselmilch als Säuglingsemährungsmittel . 597
— Zur chirurgischen Behandlung des nomatösen Brandes.
(Aus der k. Univ.-Kinderklinik zu München.) (Illustr.) 1485
Realgymnasium und Studium der Medicin. Eingabe der
Vorstände der ständigen Ausschüsse der Aerztekammern
an das kgl. Staatsministerium, des Innern um Erhaltung
der humanistischen Vorbildung für das Studium der
Medicin . . 939
Reiche, Zur Klinik der 1899 in Oporto beobachteten Pest-
erkranknngen .... 1061
— Zur Verbreitung des Carcinoms. (Illust.) .1337
Reinecke, Zur Retroflexio uteri gravidi cuin incarcerationo 860
Reuter, Zur Casuistik der Tetanusbehandlung mit Antitoxin 1211
Rieger, Ein sonderbarer Influenzaausbruch auf der Haut, bei
mir und in meiner Umgebung. 7
Rissmann, Heilung und Verhütung der Ketrodeviationen
des Uterus im Wochenbette.312
Roeger, Angina mit Endocarditis. (Aus der inneren Ab¬
theilung des Marienhospitals in Stuttgart.).252
— Metapneumonischer Abscess mit dem Diplococcus pneu¬
moniae in Reincultur. (Aus dem Marienhospital in
Stuttgart.).1415
Röpke, Casuistische Beitrüge zur Schwierigkeit der Diagnose
endocranieller otogener Erkrankungen ....... . 320
Rolly, Klinische Beobachtungen über Ichthalbin bei Darm¬
krankheiten. (Aus der Heidelberger Univ-Poliklinik.) . 576
— und Sa am, Ueber den Einfluss des Ichthalbin auf den
Stoffwechsel und die Damithätigkeifc der Kinder. (Aus
der Heidelberger Univ.-Poliklinik.) (Illustr.) . . . . 460
Rommel, Beitrag z. Behandlung frühgeborener Kinder. (Illustr.) 357
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1000 .
1NHALTS-VERZEICIIN1SS.
r
ltoos, Zur Behandlung der Obstipation. (Aus der mcdic. Poli¬
klinik in Freiburg i. B.). ... 1481
Rosenbach, Ueber cerebrales und eardiales Asthma nebst
Bemerkungen über Stenocardie, Albdrücken und ver¬
wandte Zustände. 683, 735
— Hat die Hyperaemie resp. Cocain-Anaemie der Con-
junctiva palpebralis Einfluss aut' die Weite oder den
Puls der Arteria tempor. superfic ?.1621
Rosenberger, Ueber das Vorkommen von Reitweh an der
Patella.247
Rosenfeld, Zur Topographie und Diagnostik des Magens . 1204
Rosin, Entgegnung auf die ..Kritischen Bemerkungen** der
Herren Dr. Spiegel und Pe ritz in No. 7 dieser Wochen¬
schrift . 294
Rostoski, Untersuchungen über die Lage des Magens bei
Chlorotischen. (Aus der med. Klinik zu Würzburg. (Illustr) 1369
Rothschild, Ein Fall von Skorbut auf dem Lande .... 82
Rotter. Die Herznaht als typische Operation. (Illustr ) ... 79
Rumpf, Zum Stande der Heilstättenfrage für Lungenkranke 1037
Russow, Ileus und Atropin.1406
Sagebiel, Beobachtungen über die Wirkung der Naphthalan-
behandlung bei ekzematösen Erkrankungen des äusseren
Ohres. (Aus der kgl. Univ.-Poliklinik für Ohrenkranke
zu Göttingen.). . 1664
— Beobachtungen über die W rkungen der Amyloform-
behandlung bei chronischen Mittelohreiterungen. Aus
der k. Univ.-Poliklinik für Ohrenkranke zu Göttingen . 1693
Schaefer, Verjährung ärztlicher Forderungen, bestehender
Ansprüche v. Heil- und Pflegeanstalten nach neuem Recht 16
— Erweiterte Concessionspflichtigkeit der Privat kranken-
anstalten.397
Schanz, Biegsame Albuminiumschienen.509
— UeberdieGipsbehandlungderSkoliose. (Ausderorthopäd
Heilanstalt des Dr. med. A. Schanz in Dresden.) . . 1588
Sch attenf roh und Grassberger, Ueber Buttersäurebacillen
und ihre Beziehungen zu der Gasphlegmone. (Aus dem
hygien. Institut der Universität Wien.) . . . 1032, 1077
— Die Beziehungen der unbeweglichen Buttersäurebacillen
zur Rauschbrandaffection. uYus dem hygien. Institut
der Universität Wien.).1733
Schenk und Zaufal, Bacteriologisches zur mechanisch¬
chemischen Desinfection der Hände.503
— Weitere Beiträge zur Bacteriologie der mechanisch-
chemischen Desinfection der Hände (Ans dem bacteriol.
Laboratorium der deutschen Univ.-Frauenklinik zu Prag.) 1558
Scheurer j Zur Therapie der Oholelithiasis. (Aus der Chirurg.
Abtheilung am St. Hedwigkranken hause in Berlin.) . 827
Schiller, Zur Verwendung ungedrehter Rennthiersehnenfäden
als Naht- und Ligaturmaterial. (Aus dem Laboratorium
der Heidelberger Chirurg. Klinik ). . 1555
Schilling, Ein Besteck für Magenuntersuchung. (Illustr.) . 1038
— Häufigkeit und Bedeutung der Krystalle im Stuhl. (Illustr.) 1457
Schmi dt MB, Ueber das Verhältniss der Fettge websnekrose
zu den Erkrankungen des Pankreas. (Aus dem pathol.
Institut zu Strassburg) :.6j0
Schmidt P., Zwei Fälle von Beri-Beri (Panneuritis endemica
Balz) an Bord eines deutschen Dampfers .191
Schmitt, Ueber die Indicationen zur Operation bei Appen-
dicitis. (Aus der kgl. Chirurg. Klinik zu München.) . . 383
Schoedel, Mittheilungen aus der städtischen Diphtherie-
Untersuchungsstation in Chemnitz. ... 895
Scholz, Ein Beitrag zur Frage über die Ursachen des Todes
bei Verbrennungen und Verbrühungen. (Aus dem Neuen
Allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg-Eppendorf.) . . 152
Schorlemmer, Ueber den Nachweis von Gallenfarbstoff in
den Faeces, in Sonderheit mit der Ad. Schmidt’schen
Probe, und über die klinische Bedeutung des Vorkommens
von Bilirubin in denselben. (Aus dem Laboratorium
der med. Klinik zu Bonn.) ..458
Schottenhelm, Ueber einen Fall von WeiPacher Krankheit.
(Aus dem Karl Olga-Krankenhaus zu Stuttgart.) (Illustr.) 966
Schüle, Ueber die Differenz zwischen der Temperatur des
Rectum und der Achselhöhle speciell bei der eitrigen
Appendicitis.603
Schütz, Schleimkolik und membranöser Dickdarmkatarrh 573
Schnitze E., Ueber epileptische Aequivalente .... 416, 465
Schnitze Fr., Ein Fall von anscheinender Maul- und Klauen¬
seuche beim Menschen. (Aus der med. Klinik zu Bonn.) 885
Schulz H.,f Ein Beitrag zur Kenntniss der Terpentinöl Wirkung.
(Aus dem pharmakolog. Institut der Universität Greifs¬
wald). (Illustr.).957
Schulz Fr. N, Eiweiss und seine künstliche Oxydation . . 1521
Schulze-Vellinghausen, Beitrag zur Kenntniss des pri¬
mären Endothelkrebses der Pleura. (Aus dem Kranken¬
haus Bethanien in Berlin.).647
VII
Seite
Schwalbe, Pcbcr Variabilität und Pleomorphismus der Bac-
terien.. . lfilb
Segge 1, Ueber die Naht der Arterien. (Aus der Chirurg.
Klinik in München.). 1105, 1138
Seiffer, Ein Fall von Beri-Beri. (Aus der psychiatr. und
Nervenklinik der kgl. Charit^ in Berlin ) (Illustr.) . . . 762
Seitz, Bericht der k. Universitäts-Poliklinik für Kinderkrank¬
heiten im Reisingcrianum pro 1899 . 193
— Versuche mit localer Alkolioltherapie in der Gynäkologie.
(Aus der kgl. Univ.-Frauenklinik in München) . . . 388
Scssous, Ueber die therapeutische Verwendung desJodipin.
(Aus der med. Klinik zu Halle.).1175
Sicherer, Ueber den antiseptischen Werth des Quecksilber*
oxycyanids. (Aus dem hygien. Inst. d. Univ. München 1002
Siebert, Kurze dermatotherapeutische Mittheilungen. (Aus
der Poliklinik für Kinderkrankheiten im Rcisingerianum.) 1489
Simmonds, Ueber Blutungen des Endometrium bei Sklerose
der Uterinarterien. 5*2
— Ueber Tuberculose des Magens. (Aus dem Allgemeinen
Krankenhause Jiamburg-St. Georg).317
Soxhlet, Ueber die künstliche Ernährung des SäugliDgs 1658, 1699
Spaeth, Das ärztliche Unterstützungswesen in Bayern . . . 871
— Misserfolg mit Dührssen'scher Tamponade bei Atonia
uteri. ... li.06
Spiegel und Peritz, Kritische Bemerkungen über die Rosin-
sche Methode zur Bestimmung der reducirenden Kraft
des Harns u. s w. 225
Starck, Die Verwendung der Divertikelsonde bei Oesovagus-
tumoren. (Aus der med. Klinik in Heidelberg. Illustr.) 1687
Staude und Rösing, Entgegnung auf den Artikel des Herrn
Prof. Dr. Hofmeier: Zur Behandlung der Nachgeburtszeit 261
Steinborn, Ein Fall von Brustdrüse am Oberschenkel. (111.) 734
Steinthal, Ueber die Nachbehandlung schwerer Unterleibs¬
operationen. (Aus der Chirurg Abtheilung der Ev. Dia-
conissenanstalt Stuttgart) ... .. . 251
Stern, Beitrag zur operativen Freilrgung des Herzens nach
Rotter wegen Schussverletzung. (Aus dem städtischen
Barackenkrankenhaus in Düsseldorf).424
Steudel, Biegsame Aluminiumschienen. (Illustr.).390
Stich, Ersatz für versteuerten Waschsäther . 1613
S t ö 11 z i n g, Ein Beitrag zur Aetiologie und Therapie der Epi-
scleritis periodica fugax. (Aus der Univ.-Augenklinik zu
Rostock ) .219
Strasburger, I. Ein verändertes Sedimentirungsverfahren
zum mikroskopischen Nachweis von Bacterien. II. Ueber
den Nachweis von Tuberkelbacillen in den Faeces. (Aus
der med. Klinik des Herrn Prof. Dr. Fr. Schultze in
Bonn.).533
Strohmayer, Die therapeutischen Erfolge mit Unguentum
argenti colloidalis Crede. (Aus dem Diakonissenhause
zu Halle a. S.).1064
Strubeil, Ein neuer Beitrag zur Therapie des Milzbrandes.
(Aus der med. Klinik in Jena.) .642
— Ueber Diabetes insipidus.. . 1008
Strümpell, Ueber Vorkommen und Diagnose der Gicht. . 1289
Struppler, Ueber das cavernöse Angiom des Grosshirnes.
(Aus der U. med Klinik in München.) (Illustr.) .... 1267
Stumpf, Ergebnisse der Schutzpockenimpfung im König-
_„:„U ... : T~T 1 ortd -i n l i «rrrtr
Suchannek, Ueber gehäuftes Vorkommen von Talgdrüsen
in der menschlichen Mundschleimhaut.575
Sutherland, Hauttransfixion als Mittel gegen Neuralgie . . 1683
Tappeiner, Ueber die Wirkung fluorescirender Stoffe auf
Infusorien nach Versuchen von O. Raab. (Aus dem
pharmakolog. Institut München.). 5
— Ueber die Wirkung einiger Gifte auf den Lebergel
(Distomum hepaticum''. (Aus dem pharmakolog. Institut
zu München.).1729
Tendeloo D. E., Siegenbeek van Heukelom.1745
Theilhaber, Die Ursachen der klimakt. Blutungen .... 453
-- Die Gefahren der Scheidenirrigationen ..... . 834
Thiersch, Ueber Corset und Reformkleidung ... ... 1108
Thorn, Zur operativen Heilung der Inversio uteri nebst
einigen Bemerkungen zu ihrer Aetiologie und foren¬
sischen Bedeutung.856
Toff, Eine Verbesserung der „Sonde intrauterine dilatatrice“.
(Illustr.). 224
— Ein Fall von Thoracopagus. (Illustr.).1493
Trautmann, Ueber einen Fall von Jodkaliumparotitis . .117
Treupel, Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kennt¬
nisse von der Tuberculose, speziell der Lungentuber-
culose.821
— und Edinger, Untersuchungen über Rhodan-Ver¬
bindungen.. 717, 767
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1 i>ÖÖ.
VIII
Turban, Bemerkungen zu Schröder s Entgegnung auf meinen
Aufsatz: Die Blutkörperchenzählung im Hochgebirge und
die Meissen’sche Schlitzkammer .42t)
v. ffexküll, Nekrolog auf Wilhelm Kühne.1)37
Volhard, Ueber Resorption und Fettspaltung im Magen
(Aus der medicin. Klinik in Giessen.).IIl, 194
Vulpius, Zur Casuistik der Sehnenzerreisaungen. (Aus der
Dr. Vulpius’schen orthopäd -Chirurg.Heilanstalt in Heidel¬
berg, Abth. für Unfallverletzte.) (Illustr.).569
Wal eher, Ueber die Einschränkung des aseptischen Feldes
bei Operationen ... .497
Walz, Ein einfacher Brutofen für den praktischen Arzt . . . 933
— Ueber die normale „respiratorische Leberbiegung“ und
die Genese der sogenannten Exspirationsfurchen der
Leber. (Aus dem patholog. Institut der Universität
Tübingen.) (Illustr.).1029
Warnecke, Befund von Xerosebacillen bei progredienter
Phlegmone, secundärerWundinfection und Otitis interna.
(Aus der k. Univ.-Ohrenklinik zu Berlin.) (Mit 2 Curven.) 1412
Weiss A., Schulärzte .294
Weiss H., Blutdruckmessungen mit Gärtners Tonometer.
(Aus der medicinischen Abtheilung des k. k. allgemeinen
Krankenhauses in Wien.) (Illustr.).C9, 118
Weissenberg, Mittel gegen Hustenreiz der Phthisiker .1718
W engl er, Die Bertilion sehe Methode der Körpermessung für
praktische Aerzte dargestellt.1493
Wetzel, Ueber Leiehenerscheinungen und ihre Zeitbe¬
stimmung ... . 1767, 1828
Weygandt, Psychiatrisches zur Schularztfrage.148
Seile
Wickel, Ein Fall von Friedreich'scher Krankheit. (Aus der
psychiatrischen Klinik zu Tübingen.).249
Winckler, Zur Behandlung der Stiinhöhleneiterung .... 77
Winkler, Schule für tropische Medicin in London .... 3u7
Winternitz, Erfahrungen über Angiothrypsie. (Aus der
Universitäts-Frauenklinik zu Tübingen). 1765, 1796
Witthauer, Die Behandlung der Gallensteinkrankheit mit
Olivenöl. .1491
Wolf, Zwei Fälle von angeborenen Mist-bildungen. (Illustr.) 766
WolffhÜgel, Ueber die ersten Anfänge d-r idiopathischen
Herz Vergrößerung und die Bedeutung der dilataliveii
Herzmuskelschwäche für die Militärdiensttauglichkeit.
Aus dem k. Garnisonslazareth München) .... 1409, 1460
Wormser und Bing, Ein ein wandsfreier Fall von hysteri¬
schem Fieber. (Aus der Frauenklinik der Universität
Basel) (Mit feiner Curve ). 1373, 1417
Wulff, Ein Fall von Aneurysma der Carotis interna nach
Tonsillarabscess, Heilung durch Unterbindung der Ca¬
rotis communis. (Aus der Chirurg. Abtheil, des israclit.
Krankenhauses in Hamburg).G87
Wunderlich, Zur Einwanderung von Fremdkörpern in den
Dünndarm nach Laparotomie . ..971
Zängerle, Zur Kenntniss des Pseudomucins aus den Eier¬
stockscysten. (Aus der med. Poliklinik zu Marburg.) . 414
-- Agglutinirende Fähigkeit des Blutes bei einem gesunden
Kind einer typhuskranken Mutter, (Aus der med Poli¬
klinik in Marburg.890
Zeltner, Ueber die Wirkung des Digitoxin, crystal isat.
Merck im Vergleich zu der der Digitalisblätter. (Aus
der med Univ.-Poliklinik in Erlangen.).886
Zorn, Ueber einen Fall von Formalinvergiftung. Aus der II
med. Klinik in München).1588
Zum 70. Geburtstag Heinrich v Ranke».652
INHALTS-V KRZEIOHNISS.
II. Namen-Register.
(Die fett gedruebten Ziffern bedeuten Originalartikel.)
Seite
A.
Abadie . . .
. . . 810
Abba ....
. 778, 1503
Abde ....
. 203, 945
Abel R. . . .
... 333
Abel C.-Berlin
1581, 1605
Abraham . .
. . . 1674
Ach.
. . . 1751
Achard . . .
1152, 1282
Achert . . .
1541, 1581
Adamidi .
. . . 1217
Adamkiewicz .
. . . 1502
Adams-Lehmann . . 1060
Adamson. 22
Adler A.-Wien . . . 1517
Adler H.-Wien ... 173
Adickes.1396
Adrian . . 334, 335, 475
Agramonte .... 844
Ahlfeld 513,1352,1425,1636
Ahman.336
Ahrens . . . 1749, 1757
Aichel . 260, 439, 1228
Albanese .... . 545
Albers-Schönberg 284 » 339
Albert.1116
Albrecht P. A. . . . 777
AlbrechtA.-München 129
Albrecht E.-München 164,
742, 777, 80 », 877, 907,
942,975,1012,1051,1088,
1115, 1144, 1184, 1245,
1358, 1602
Seite
Albu 127, 441, 448, 876,
1187, 1280, 1356
v. Aldor.1141
Alexander-Nürnberg 1580
Alexander G.-Wien . 1706
Alexander - Reichen -
hall ....
291
Alexandroff .
1762
v. Alfthern
845
Allara ....
551
Allgeyer . . .
910
Almkvist . .
. 471
552
Alsberg . . .
1441,
1834
Alt.
. . 27
621
Althaus . . .
ms.
1825
Alvarez . . .
1439
Aiy.
881
Alzheimer . .
<•24
Ammann . .
1010
v. Ammon .
12
196
Amsler . . .
701
Amoödo . . .
1141
Anders . . .
.' 443j
1216
Anderson . .
441
Andreae . . .
260
Andrewes . .
1442
v. Angerer .
705
Annandale .
1507
Anschütz
1466
d’Antona . .
1445
Apolant . . .
335
Aporti . . 127,
lOSßj
1613
Apostoli . . .
106
Arcoleo . . .
1016
Arloing . 775,
*1357]
1752
Seite
Arndt.1224
Arneill.1215
Arnheim . . . 27' 1 , 1761
Arning.207
Arnold J.942
Arnold V.-Lemberg . 698
Arnsperger.742
Aron 778, 942, 1184, 1637
Aronson .... 1327
d'Arrigo . . . 1315, 1603
Ascarelli.1613
Asch.343
ABchaffenburg . 812, 1677
Ascher .... 333, 1388
Aschoff Göttingen . 1183
Ascoli A. 954, 1385, 1544
Ascoli G.1673
Askanazy 701, 10 50, 1603,
1670
Assendel ft.201
Atkinson . ... 22
Audion.266
Aue.873
Auerbach B.-Köln . . 750
Auerbach M.-Berlin 334
1605
Auerbach S. - Frank¬
furt .1086
Aufrecht 1277, 1317, 1366
Aujeszky.129
Ausch .’.699
Austerlitz.517
Austin.476
Auvray.1014
Avanzini.1613
Seite
Avellis . . 321, 945, 1592
A versa.746
Aviragnet.174
Aymard.987
Axenfeld . . 172, 983
Azoulay.1577
B.
Baas.1312
Babcock .337
Babes 700, 1543,1676,1677
v. Babo.1602
Babucke .... 263, 975
Baccelli .... . 178
Bach.399
Bachmann . . 159
Bachmann - Helsing-
fors .... 265, 1141
Backhaus.1475
Backmann .... 1540
Badano.1016
Bade.1472
Badei.633
Bäck . . . 255, 401, 1467
Bäcklin.264
Bähr.707
Bärri.515
Bäumler .... 525, 740
Baginsky A. 199, 369, 746
882, 1<*57, 1128, 1242,
1323
Baginsky B.369
Bahls.1711
Seite
Bail-Berlin . .
Bail O.-Prag . .
Bailey . . . .
Bain ...
Baker .
Bäkes.
Baldi.
Baldy.
Balin.
Balint.
Ball.
Ballaban . . .
Ballantync . .
Ballin.
Ballner ....
Balzer.
Bandi . .
. 1671
129, 658
. . 1518
. . 914
. . 1710
. . 298
. . 131
. . 337
. . 1573
. . 589
. . 1468
. . 1576
. 1116
808, 1388
. . 907
. . 1362
. . 1088
Bandler 266,336,471, 618,
1781
Barabo . . 713, 751, 1792
v. Baracz 513, 656, 657,
1143
Barannikow ... 908
Barbacci.1639
Barbe .1440
Barbara .... 986, 1405
Barbier . . 174, 407, 1476
Barbo.942
Bardenheuer 302, 1363
1470, 1471
Bardescu.263
Bardet.981
Barfurth . . . .378, 11*2
Barid.1317
Bariot.922
Difitized by
Gck igle
Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
INHALTS-VERZEICHNISS.
IX
Seite
Barker A. E.943
Barker L. F.844
B&rling. 22
Bariow .... 744, 1781
B&rnax.1389
Barth A.-Danzig . . 666
Barth A.-Winterthur 1604
Barth E.-Brieg . 843, 1572
Bartz.1471
Barueh.776
Basch. 264
Basler.332
Bass.512
Basset-Sinith.... 1444
Basset M. E.-Minne-
sota. 60
Bassi.550
Bätsch. 931
Battlehner .... - 1678
Bauer E.809
Bauer C.-Zürich . . 701
Bauer J.-München 415 , 558,
741
Baumgarten .... 130
Baumholtz . . . .1318
Baup.946
Baur.1426
Bayer C.1635
Bayer-Erlangen . . 730
Bayer C.-Prag . 128, 1635
Bayer H. - Strassburg 163
Baylac.1282
Beatty. 23
Becher J. A.742
Becher W.-Berlin . . 704
Beck C.-Leipzig . . 1685
Beck C.-New York 130,1518
Beck J.-Prag .... 548
Beck M.-Berlin . . . 942
Beck Rud.1612
Becker-Aachen . . . 1471
Becker A.-Aachen . 974
Becker C.-München. 331
471 , 512, 634, 674, 904,
921,941,1141,1276
BeckerE.-Hildesheim 162,
233
BeckerPh. F.-Aachen 315 ,
1198
Beckers . . . . . . 1178
Beckmann.875
Böclere.1281
v. Bechterew . 439, 1314
Beddies .... 483, 1244
Behla. 263, 440
Behm . . . ... 1069
Behrens.586
Behring.129
Behriuann.1751
Belfanti.1544
Beütz-Heimann . . 263
Bell.944
Belotti.1639
Benaroieff.298
Benas.337
Benda 137, 372, 753, 1575
Bender . . . 1087, 1711
Bendersky . . . 1147
Bendix B.-ßerlin 57, 91,
372, 1035 , 1833
Bendix E.-Berlin . . 93
Benedikt . . . 561, 752
Beneke.1574
Benks .659
Bennett.1402
Benzler.334
Berard.815
Berdach.655
Berend.906
Beiger F.906
Berger P. . . . 100, 810
Berger A.«Wien . . 1215
van den Bergh . . 1504
Berghing ..... L247
v. Bergmann A.-Riga 1214
v.Bergmann E.-Berlin 705,
706, 1250, 1640
Bezgmann M.-Wolf-
hagen ....... 398
Seite
Berliner. 1263
Bermann.1215
Bernard . 174, 474, 1283
Berndt.1783
Bernhard.656
Bernhardt M - Berlin 96
1637, 1673
Bernhardt P. - Ste¬
phansfeld .... 234
Bernheim J. ... 1504
Bemheim A -Phila¬
delphia .1246
Bernheim S.-Paris . 1317,
1397, 1399
Bernheimer
Berry . . . .
Bertelsmann
Bertheau . ,
... 58
1116, 1443
. . . 1641
. . . 1357
Berthold. 1705 I
Bertschinger . . . . 1752 i
Bessel-Hagen . 666, 706 i
BeBtelmeyer .... 1780
Bethe.811 I
Bettmann 233,475,791,915 |
Betz.1247
Beuttner . 164, 262, 1352 j
Beyfuss.16H6 !
Bezan<;on. 1646 !
Bezold 637, 763,1248, 1501 j
Bezi.1361
Bial . 241, 587
Biberfeld 715,903,1024,1703 I
Bickel A. . . 1211, 1528 !
Bickel L.-Berlin 703, 1711, ,
1833 i
Bidwell ... 23, 1402
Bie. 59, 451
Biedert . 1256, 1312, 1475
Biedl. 621, 704
Biehl.266
Bienstock.514
Bier. 527, 1226
Biermer H.-Magdebg. 711,
1214
Biermer R.-Wiesbad. 1046
Bihler .775
Bilik.906
Billeter.1215
Billings.879
Binaghi .... 550, 777
Binder.878
Bing.1373
Binswanger .... 232
Binz . . . 1427, 1705
Biondi.1284
Birmingham .... 786
Biro.1246
Bischoff . . . 1388, 1575
Bischofswerdcr . . 139
Blacher .... 18, 1751
Blau.1501
Blauberg.1539
Blecher.1352
Blencke 295,519,1313,1714
Bleuler 260, 472, 872, 1010,
1634
Bliesener . . . 263, 905
Bloch
Bloch R. .
Bloch W. .
Bloch-Berlin
Bloch-Paris
Bloch H.-Nürnberg . 968
Bloch O.-Kopenhagen 811,
840, 1396
Bloch R.-Zborowitz .
Bloodgood . . 23,
Blomqvist . .
Blum F.-Frankfurt .
1051, 1283
Blum V.-Wien
Blumberg L.1243
Blumberg M.-Leipzig 1004 ,
1188
Blumenreich .... 1183
Blumenthal 103, 372, 1762
Blumreich.298
Boas . . 663, 882, 1187
Boccardi ..... 709
J1188
. . 336
. . 369
164, 200
1319
371
844
376
1036 ,
441
Seite
Bock J. .545
Bock H.-Münehen . 843
Bode Fr.127
Boden. 1254 j
Boeck.1361
Boöri. 709, 1639 1
Böhi .... 1543, 1604 j
le Boeuf.879
Bötticher . ... 1351
Böttiger.978
Bofinger. 508
van Rogaert . . . .1114
Boinet . 1250, 1281, 1283
du Bois-Heymond . 872
v. Bökay . . 1541, 1602
Bokenham . . . 1443
Bollenhagen . 776, 1387
Bollinger . . . 653, 870
Bonardi.131
Bonhöffer.622
Boni „. . . . 1262
Bonomo.1320
Borchard.1711
Border.1468
Boree.1117
Bornikoel . . . 60, 1572
Bornstein 553, 662, 1141
v. Borosini ... 1051
Borrmann . . . 907, 1426
Borst ..848
Bosse. 1114
Boston.787
Bott. 19
Bottini.586
Bourgeois.266
Bourget . . . 114S, 1191
Bovee W..1507
Bovet.241
Boyd.1402
Bra.408
Braatz 400, 1001 , 1013,
1243, 1693
Brabec.371
Bracci.1016
Bradford B. H.-Boston 59
Bradford E. il.-Boston 878,
. 1216.
Brähmer.946
Bräuninger . . . 290
Brailey.1443
v. Braitenberg . . . 1115
v. Bramann 1252, 1253,
1712
Brandt .... 272, 557
Brandenburg 183 , 590, 747,
845, 978, 1022, 1118,
1678, 1757
Braquehaye ... 1148
Brasch.332
Brauer . . . .914, 1429
Braun-Berlin . . . 301
Braun H.-Göttingen 706,
1142.
Braun H.-Leipzig 377, 498
Braun R.*Wien . . . 1428
Braun W.-Altona 95, 168,
1018.
v. Braun-Fern wald F.-Wien
293.
v. Braun-Fernwald R.-Wien
18, 473.
Braunstein .... 167
Brauser-München 808,1540
Brauser A.-Regensburg 159 ,
229 , 367 , 400, 541 , 1670
Bregmann.1467
Breitenstein . . 563, 1113
Breitung 538 , 1355, 1630
v. Bremen .... 237
Brennecke .... 134
Brenner.1011
Brentano.666
Bresler.1647
Breuer.1088
Brieger . . 164, 266, 473
Briess.548
Brisson.1014
Brocq 1153,1361,1439,1476
Brodmann-Frankfurt 1677
1573
. . 134
372, 1248
. . 1504
. . 1145 i
. . 1673 i
Seite
Brodmann R.-Jena590,829
Bröse.1425
Bromann 842
Bronstein.265
Brosch . . . 1213, 1748
Brosin.177
Brosius.1439
Brouardel 1222,1634,1646
Browicz.1279
Brown.337
Brubacher . . . 368, 743
Bruce. 986, 1504
Bruck A.-Berlin . . 882
Bruck F.-Berlin 742, 943
Brudzinski
Brueggemann
Brühl ....
van Brüggen
Brugisser . .
Bruhns C. . .
Bruhns-Berlin 1022, 1603 |
De Bruine-Ploos van
Amstel. 620 '
v. Brunn. 1427 :
Brunner A-Triest . 300 !
Brunner C.-Münster- I
lingen . 97, 262, 589 |
Bruno. 478 I
Brunon .... 746, 1439 j
Bruns H.-Strassburg 370, !
405, 439 I
Bruns L -Hannover . 942 |
v. Bruns P.-Tübingen 485,
701
Brunton .755
Bruschettini .... 96
Bruxo.1406
Bryant.780
Bucco.132
Buch .... 1386, 1672
BuchbinderH.Strass-
burg .... 94, 343
Buchbinder H. E.-
Leipzig . . .479, 973
Büchner. 277, 546, 616,
802, 940, U93
de Buck.167
Budin
Büdinger
Bührer
Bürger
Bürkner
Buffet .
Buist .
Bulkley
Bull .
Bullot .
Buist .
Bum .
Bumm
v. Bunge
Bunge-Königs
Burchard
v. Burckardt
Burckhard .
Burghard ,
Burghart
Burgl . . .
Burkardt
Burmeister
Burmin .
Burwinkel .
Bury.1403
zum Busch 23, 167, 270,
661,781,945,1117, 1444,
1507, 1710
Buschhaupt .... 657
Buschke 335,336, 747, 1784
Busquet.810
Buss.163
Busse . 62, 942, 947, 972
Bu8senius.1572
Bussi.1544
Butte.1646
Broca. 175, 921
Brock.334
Buttenberg . . 333, 1714
Buttersack 133, 332, 368,
782, 882, 1748
918,
G.
. . 1399
976, 1674
. . 1543
. . 437
. . 1571
. . 1358
. . 269
820, 1440
. . 844
. . 401
22
94lj 1680
. . 1465
. . 1571
iberg 201, 709
546
906
1387, 1782
. . 1403
338, 1013
480, 1270
. . 656
. . 336
. . 332
Seite
Buxbaum . . . . 1746
Buxton.1405
Byers.1404
C.
Cabannes.548
Caccianiga .... 909
Caccini.1613
Cahen.1324
van Calcar .... 132
Callero.1398
Calmette.549
Camerer jr.1474
Cameron ..... 521
Caininer . . . 782, 882
de la Camp .... 403
Campana.1366
Campbell.343
Canali.1614
Cantlie.1445
Cao.• . . . 1315
Caponago . . . 550, 1143
Capps. 23
Capurro.874
Carbone.1543
Carlier.1283
Caro.747
Carow.1522
Carra.548
Carrasquilla .... 541
Carstanjen .... 1506
de Carvalho .... 1545
Caselü.1114
Caspari.1214
Casper . . 672, 842, 1051
Cassel . . 240, 845, 910
Castaigne . . 1014, 1223
du Castel.1123
Cattaneo.1573
Catani .... 1639, 1640
Causse.786
Cavazzani.633
Cavicchia.550
Cecherelli 550, 709, 746,
1148, 1188
Celli 234,265,440,806,1637
Ceresoie .1427
Cervello.746
Chaleix-Vivie . . . 1398
Champneys . . 268, 1321
Chantemesse . . . 100
Chatin.1576
Chätini&re.1439
Chaumier.1439
Chauvel.378
Cheyne.166
Chiari . . 239, 548, 1394
Chicotot.174
Cbipault . . 1219, 1319
Chlopin.907
Chlumsky 262, 1142, 1387
Cholewa.946
Cholwogoroff . . . 513
Christen.1143
Christiani.1782
de Christmas . . . 1280
Christomanos . . . 809
Chrzelitzer .... 483
Cioffl.909
Cipriani-Mandos . . 1638
Clairmont.907
Clarke J.1403
Clarke M. 22
Clarke W. B.945
Clemens . , . ... 925
Clemow .... 943, 1215
Cloetta .... 760, 1751
Clowes.815
Cnopf . 1020, 1151, 1611
Coates.269
Cobb.1467
Cobbett.1783
Codivilla.1218
Coe.844
Cohen.1113
Cohn.1677
Cohn C..368
Cohn H.-Berlin 241, 399
Cohn J.-Berlin . . . 1278
Digitized b
■V Google
Original fro-m
2
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
X
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900.
Seite
Cohn M.-Berlin 126, 186.
234, 378, 753, 1863, 1679
Cohn M.-Breslau . 1502
Cohn Th.-Barinen 609
Cohn T.-Berlin . . 1214
Cohnheim O.-Heidelb. 381
Cohnheim P.-Berlin . 209,
265, 741, 1147
Coirre.378
Colard.268
Coley.879
Colla. 550, 1327
Colley. 94
Collina.550
Colombini . . . 553, 1091
Colombo.909
Comandini.550
Comby.1439
Cominotti.1428
Concetti .... 202, 402
Conradi . 700, 1315, 1467
Conrads.1475
Coon .... . 1468
Coop.709
Coppez . .97
Coriat. .476
Corlette. 1443
Cornet.775
Coronedi.746
Ccsma.1676
Cossmann .... 1785
Coste.260
Costinesco.1014
Coston.177
Couper.661
Courmont 775, 1357, 1576,
1752
Cox.1675
Cozzolino.369
Craig.476
Cramer A -Güttingen 260,
1708
Cramer H.-Bonn 129, 474,
1437, 1438, 1585
de Crecchio .... 1389
Cred£. 705, 1059
Orevelli.921
v. Crlegern . .171, 1378
Crispino.1544
Cronheim.1541
Croner.1572
Crook.442
Cross.1443
Crowder ..... 1216
Crzellitzer.1707
Csokor.1716
Cullen .... 1285, 1397
Cun£o.1218
Cunningham . . 59, 1710
Curschmann 303,1449,1580
Cushing .... 23, 1216
Outhbert. 21
Czaplewski . . . 930,1748
Czempin.263
Czerny A.-Breslau . . 202
Czerny V.-JIeidelberg
95, 597
v. Czvhlarz99,588 f 619,1709
Seite
Davey . . . .
. 269
David . . . .
. . . 1465
Davidsohn C. .
... 129
Davidsohn Berlin 977,1022
Davidsohn G.-Berlin 1781
Davidsohn H.-Berlin 203
Davidsohn Mackenzie-
London . .
. . . 1403
Davidson . .
. . . 1710
Davis . . . .
. 337, 844
Deane ....
... 844
Debrand . . .
. . . 1280
v. Decastello .
... 588
Deckart .
... 567
Decrolv . . .
... 167
Deetjen . . .
... 376
Deetz ....
... 589
1 Dehio ....
. . . 1708
1 Dehler . . .
. . . 1502
! Deiters . . .
1239, 1623
Delageniere .
1284, 1398
Delbanco 2'.>S,
950, 951,
952, 978
Delezenne . .
. . . 1516
Delmas . . .
. . . 1361
Delorme . . .
. . . 1121
Delpeuch . .
1280, 1599
Delpino . . .
. . 440
Dematei . .
. . . 1247
Demateis . .
. . . 131
Demme . . .
. - 1665
Democh . . .
... 808
Dengel . . .
. . . 976
Denison . . .
. . . 1424
Denker . 472,
1248, 1545
Dennig . . .
. 655, 1297
Dent ....
. 944, 1444
Le Deiitu . .
. 633, 1279
Depage . . .
. 697, 879
Deppisch . .
. . . 433
Derscheid . .
. . . 879
Destol . . .
. . . 1251
Determaun
. 338, 840
Detert . . .
. . . 1605
Dettmer . . .
. . . 1671
Dettweiler . .
. . . 1113
Deutsch E.-Ofen-Pest 699
Deutsch L.-Ofen-Pest 267, -
21 ,
Seite
1468
1468
955
1675
988
1466
1673
1544
1116
1638
88 t
698
711
1430
1363
. 658
975
975
335
97
1512
668
266
1477
1281
1440
1349
1086
1183
1427
1119
1661
22
1445
549
1398
109
442
1215
906
749
710
941
1760
Dahms . .
Daland . .
Dalche . .
Damen . .
Dames . . .
Dämmer .
Damsch . .
Dana . . .
Danlos . .
Dannegger
Dannemann
Dansauer
Danysz . .
Darier . . .
Darling
Dartigims
Dastre .
Dauchez . .
521
1144
Deutsch W.-Wien
Deutschländer
Deutschmann
Devoto . . .
Dietrich . . .
Dietzer . . .
Dieudonne 512, 1385, 1456
Dieulafov . 1121, 1147
Dinkler \ 724, 812, 1433
Dirksen.778
Dirmoser.702
Dirska.1575
Dobbertin.1353
Döderlein 1011,1397,1603,
1635
Dönitz .... 659, 977
Doerfler H.-Regens
bürg ..113
AVeissen-
LG2,
337,
1222,
. 100 ,
1468
1281
, 922
1185
132
1587 I
163 ,
476
753 |
1748 ,
625
813 ,
1280
136 L '
1506 i
1279
17
1439 !
Doerfler H.
bürg
Doering
Doernberger
Dötsch
Dogliotti
Doktor
Doldris
Dollinger
57,
254
1530
464
301
1544
335
1222, 1284
. . . 1635
Domela-'Nieuwenhnis 1143,
1182
de Domenici i . . .
Donath J.-Ofen-Pest.
131
Donath J.-Wien 588,
844, 849
Donati.
Dopt er.
Doran .1404
Dorf.476
Domblüth-Frankfurt 1192
Dornblüth O.-Rostock 74
1281
127,
617,
1352
1279
Douglas.
Douglass ....
Doumer.
Dowd.
Doyle ......
Draghiescu . . .
Draghi .
Drago.
D rake-Brock in a nn
Dräsche 20, 878, 977
Dreesmann . . .
Drohmann . . .
Drescher ....
Dreser.
Dreyer A.-Kohi 12S6,
Dreyer G.-Kopen¬
hagen .
Drever AV'.-Hamburg
lil8
v. Drigalski
Drohnv . .
Druault . .
v. Drygrtlski-!“(*rHn
Dubelir . . .
Dubois . . .
Dubreuilh . .
Dtickwork . .
Duerey . .
Dünschmann .
Dürck 161, 437, 972,
Dülirssen 263, 773,
Duniont.
I Dun bar 975,
v. Dungern 677, 962,
Dünn.
Dupaigne.
Duplay . '.
Dura ute.
Durig.
Dyson ......
K.
Easterbrook . 781, 1405
Eb erhärt.1434
Eberl in ....
ICberth.
Ebner .
v. Ebner V.-AVien
Ebstein 163, 161, 587, 975,
1141, 1539, 1784
Eccles.443
Ecker . 91
Edel. 1278, 1821
Edgar. 337, 844
Edinger 330, 718, 811, 976
Edington . . 1116, 1427
Edletsen 127,374,446, 826
Eger.20
Egger.1144
Ehlers.1176
Ehrendorfer . . 547, 841
Ehrenfest. 438 i
Ehret.135 i
Ehrhardt . . . 233, 261 !
Ehrlich-Stettin . . . 264
Ehrlich P.-Frankfurt 778
Ehrmann 702, 1279, 1440,
1582
Eichel 135, 405, 426, 1201
Eichengrün ... 1469
Eichhorst.1670
Eid.1317
Einhorn A.-München 10
Einhorn M.-New-York 264,
905, 1147, 1243
Einis.1795
v. Eiseisberg ... 1320
Eisenbartl i .... 587
Eisenberg.1752
Eisenmenger . . 275, 441
Eisler.14-41
Eider.780
Elfstrand.546
Eigart.13o9
v. Eljas-Radzikowski 1255
Ellinger.1316
Elliot .... 787, 1468
Elmassian.101
262
1012
334
1598
Seite
Seite
Elmgren.
91
Fermi 1091,1278,1388,1396
Eisberg A.-New-York
674,
Fernet . . . .
785
875
Ferran . . . .
1113
Eisberg C. A.-Breslau
262
PYrrannini 127,
954,
1247
Pdsclmig.
1752
Ferrerv . ,
551
Elsner .
842
Fertig . . .
1142
Elsner Y .
1350
v. Fetzcr . . . .
617
Pilsner-Berlin . . .
265
PYuchtwanger .
95,
841
Elzholz.
591
Fick.
58
Emanuel .
776
P’icker . . . .
701,
1637
Emmerich . . . .
975
1 Fickler . 128,
976,
1081
Enderlein.
1021
PYgaroli . . . .
1086
Enderlen 656, 905,
, 973
: Figini .
1145
Pingel . . 126, 840,
1598
Finger . . . .
1362
Engelhardt A.-Essen
1233
Finizio . . . .
550
Engelhardt G.-Köln 631,
1051, 12-0
Engelmann 1531,1707,1759
Engert .1183
Engstrom. 91
Epstein A. . . 473, 878
Epstein 8.-Prag 439, 907
Erb 224, 811, 812, 989
Erben 201, 840, 1141. 1716
D’Erch ia ..... 776
PYdheim.203
Erdmann.879
Erich.1466
Erlen meyer .... 92
Erne.1666
Emst-Heidelberg 103, 478
Ernst P. Zürich . . 1602
Eseat.946
Esch bäum.164
Esc her. 94
Escherich 1086, 1186, 1322,
1133
Esch weiler .... 568
Esguerra.1188
v. Esmarch . . . . 212
Espina y Capo . . . 710
d’Espine A.1359
Essen-Möller .... 1388
Esser J.-Giessen . . 352
Esslemont. 20
Etienne.407
Engster.1427
PIulenberg.399
Eulenburg 241, 306, 1424,
1430, 1433
274
Pink ....
Pinkelstein .
Finney . . .
Pensen . . .
Firket ....
Fischbein . .
Fischel . . .
Flschenich
Fischer . . .
Fischer Alfons
Irischer A.-Leipzig
Irischer B.-Bonn .
Fischer B.-Kiel
Fischer H.-Berlin
Irischer J -AVienll83,
Fischl R -Prag
Fisher . .
Fisk . . .
Fitz G. M. .
Fitz R. H. .
Flachs . .
Flatau-Berlin
304, 1706
Flatau 8. - N ürnberg
1792
Fleiner . .
Fleischmann
Flesch . .
63
741
1507
1361
1675
1472
1782
1637
178
333
1542
1012
376
1831
1543
909
563
945
66
476
300
1011
163,
Eulenstein
Evans .
Eve . .
Everke
774
844
269
1436
PiVersbusch . . 1017, 1084
Eversinami
Evill
Evler
m
1710
1056, 1092
Ewald 300, 406, 449, 548,
746, 977,1022,1056, 1354
de Fleury .
Flexner . .
Flick . . .
Flint . . .
Flörsheim .
Floresco
Föderl . .
Fölkel .
Folger .
Kolli . . .
Formanek .
Fornario
Forssmann
v. P’orster .
PYrt
. 529, 1292
. . . 202
. . . 305
785
. 306,
1442, 1783
. . . 1315
. 844, 1215
1833
17
714
1536
1661
1613
1051
1317
. 842, 1012
1090, 1581
1320
Ewart
Evforth
1444, 1506
. . . 1312 j
F.
de Fabbro.1320
Faber . . 617, 840, 1315
Fahre.1399
Fabris .... 450, 1602
Fajardo.370
Falk . . 29S, 669, 1715
Falkenheim .... 1473
Falta.1116
Farnarier ..... 1014
Faust.1088
Fauve.1148
Favulla.1147
Fe<le.1323
Feer.1473
Fehling . . . 1434, 1651
Kehr. 58
Feilchenfeld . . . 262
Fein. 1134
Feinberg . 103, 546, 619
Fenoglio.1282
P'eldbausch .... 1574
v. Fenyvessy . . . 266
Fere.810
Ferguson.1216
1709
130,
781
Le Fort.1218
Foss. 592, H)24
Fothergill.56*2
Foulis .1506
Fournier . . . . 1398
Fox.1361
Fraenkel-Heidelberg 655
Praenkel-Nürnberg . 1516
Fraenkel A -Baden- ß |
weiler.1425
Fraenkel A.-Berlin . 137,
337, 449, 1605
Fraenkel A.-Wien
Fraenkel B.-Berlin
440, 545, 551, 681.
Fraenkel C.-Halle 948, 949,
1150, 1356, 1780
Fraenkel E Hamburg 30,
163, 263, 270, 519, 555,
897,911,1388,1669,1758,
1834
Fraenkel L.-Berlin . 298
La Franca ... 1389
Francke-Braunschw. 307
Francke E -Berlin 298, 301
Frank-Chicago 1281, 1352
Frank A.-Göttingen . 163
PYank PI.-Wien . . 438
Frank E.-Köln 1437, 1470
1472
Frank F.-Köln . . . 1788
Difitized b 1
■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
r
INHALTS-VERZEICHNISS.
Reite
Krank J.-Fürth . . . 1090
Frank O.-München . 055
Franke .... 30, 1747
Frankenburger . 785, 1191
Frankenhäuser 1327, 1572
Frankl.841
v Fran<iu6 848, 1420, 1503
Franz.1830
Seite
Gaglio . . . 1390, 1445
Galatti.1470
Galbraith. 23
Galli ...... 1083
Galli-Valerio 129, 44U, 1503
Galliard.11*8
I Gallois.1148
j Gallowav.1301
j Gangitano.1300
Garei.1445
Frasetto.1400
Fredgold.1075
Frei .1752
Fremun.1505
Fremont.953
Frenkel.1314
Frese.1748
Frendenberg 208, 067,1056
Freudenthal . 1468, 1508,
1002
Freudweiler . . 975,1010,
1243
Freund E.-Prag . . 698
Freund G.-Königsberg 742
Freund H.-Strassburg 300,
984, 1434, 1437
Freund E-Wien 918, 1793
Freund R.-Frbg. 1000, 1635
Freund W.-Berlin 1541,
1573
Frev A.-Raden-B. 332, 812,
922
v. Frey M.-Würzburg 872
Frey er ... 815, 1403
Frickenliaus .... 553
Garnier . 1(0, 1014, 1249
I Gane.500
| Gasparino.1255
I Gassmann . . . 474, 1389
] Gaston.178
j Gatta.1545
j Gatti.746
Gaucher . 139, 1440, 1411
Gau pp. 91
Gauthier.1279
Gautier 105, 753, 785,1444
Gay .1153
Godlee . . . ]
GöUell . . .
Goepel . . .
Göppert . . .
dörl.
Goschei . . .
Gola ...
Goldberg-Berlin
Uoldberg B. - ]
Wildlingen .
Goldflam . . .
Goldman . .
Goldmann .
Goldscheider .
Goldschmidt .
Goldzieher . .
Golischewsky
Gomperz . . .
Gordinier . .
Gorini ....
Gotscblieh . .
Gottlieb . . .
Frieben ....
Friedberger . .
Friedeberg . .
Friedeinann . .
Friedheini . . .
Friedjung . . .
Friedländer K. .
271, 446
. . 055
. - 588
. . 1113
. 11S2
. . 1751
. . 1500
Friedländer J. - Frankfurt
621
Friedländer M.-Berlin 1212
Friedmann-Berlin. . 1550
Friedmann F.-Berlin 1353
Friedmann F.-Wien 943,
17*4
Friedmann F. 1*’.-Berlin 908
Friedmann M.-Mannheim
123
Friedrich Jv P.-Kiel 342
Friedrich W. P.-Leipzig 706
Frieser 619, 878, 1246,1709
Fringuet.100
Fritsch 128, 1140, 1436,
1036
Fröhlich. 192
Fromm.973
Frommei.1635
Frommer.619
Froriep. 309
Frntiger.1248
Fry.23
Fuchs A.-Wien . . 702
Fuchs II.-Kiel 618, 1672
Fuchs Th.-Wien . . 405
Fuchsig.1279
Fuerst E-Danzig . 547
Fürst L.-Berlin . . . 402
Fürstner . . 023, 808, 811
Füth. 96
Fütterer.1244
Gavala . . .
Gazert ....
Gebauer . .
Gel »bal d ...
v. Gebhardt
Gebhart ....
Gohrko ....
Geigel ...
Geipel.
Geissler ....
Ee Gendre . . 4
Genersich . . .
Gengou ....
Gentes ....
Geraldini . . .
Gerard ....
Gerber O. l'.-Wiei
Gerber 1*. G.-Köni
9 erg.
Gerhardt C.-Berlin
1424, 1539, 103'*
Gerhardt I). - Stra
bürg.
Germani ....
Gernsheim . . . 0'
Gerstenberg . 124
Gersuny ... 97
. . 1210
. . . 1070
. . 1278
. 545
. . 1070
. . . 808
. . 1758
. . 1574
. . . 373
. 33*, 1574
. 407,1281
. . . 370
. . . 101
. . . 1327 !
. . . 744 I
Seite
1023, 1402
. . - 1142
. . . 09*
. 264, 657
. . . 1120
- 156* 1510
. - . 1076
i . . 987
Köln
. 592,1049
. . . 1822
. . . 839
. 1279
. 25, 103
. .1279
. 972
. . . 201
.371, 1240
. . . 337
Gullstrand . . .
Gunnnert . . .
Gmnpertz . 591,
(mmprecht 587,
1009
Gunning .
Gtmsburg . . .
Gunsett . . . .
Gutmann . . .
Guttenberg . .
Guttentag . .
Giiltmann . . .
Guttmann E.-Brc
Gut/.mann . .
Suite
. . 745
. . 1277
*i*9, 1639
062, 908,
Seite
Hartz.513
Hasenclever .... 1572
Hasenfeld.1783
Ilaskovec. 99
Haslund.336
Hasse.1314
1 lasslauer.621
Hauenschild . 146, 1074
Haultain.1647
Hausen . . ... 867
Ilauser 18, 162, 655, 807,
1069
Hausmann . . 127, 1600
Hawkins. 22
Hawthorn.1024
liaynes.879
Hecht A.1184
Hecht A.-Beuthen621, 1830
Hecht A.-Wien . . . 515
1315
Habart . .
.813
liecht H.-Münehen . 130,
333
157',
Haberda
... 438
552, 946, 1240, 1508
20
Haberkant
. 1073
Hecker . . .
1132, 1610
24,
?98,
12*0,
Habs . . .
1044, 1789
Heddaeus . .
... 745
*1
Hache .
... 1217
I-legar ....
. . . 1671
A. - Bi
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970,
Hadenfcld.it
.216
Hegi ....
. . . 618
Häberlin
. . . 45
Heichelheim .
. . . 17*4
II.-Lire
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202,
I laedkc . .
. . . 1144
Heidenhain E.-
Worms 94,
Haegier . .
.... 840
1000
22,
58
Hürnig
. 913, 1143
1 Leidenhain M
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550
Ilaenel . .
.... 770
18, 55, 1500,
1599, 1633
59
Hagcti-Thurn . . . 201
Heil.
. . . 1208
1389
IEigenbach -
Burck-
: Heile ...
. . . 1603
1049,1140,
1599
lnirdt . .
.... 1389
Heiligenthal .
. 439, 80*
. . 441
rlin 1, 985,
bürg.108*
Germani.1514
Gernsheim . . . 099,1627
Gerstenberg . 1243, 1750
Gersuny . . . 976, 1700
Gerulanos . 233, 900, 1831
Gessler.774
Gessner-Berlin . . . 233
Gessner A.-Erlangen 50,
91, 90,139, 513, 545, 715,
774, 841, 873, 904, 1090,
1277, 1314, 1706, 1750,
1783, 1832
Gessner W.-Hallo . . 514
Giese.1011
Gigli . ..1749
Gilbert 1223, 1249, 1280,
1634, 1(3*3
Gile.s.1444
Gilford.1116
Gilleain.1210
1 Gillet .... 1361, 1439
| M’ Gillivray .... 209
| Giofrcdi.177
Giordano . . 1217, 1358
de Giovanni-Bologna 1390
j de Giovanni-Padua G07
j Giovannini . . . . 334
Digitized fr,
171*
Gottstein I
700
Gowers W.
('iradenigo
Gradwohl
Graef . .
Graes er .... . 999
Graupner.057
Graham. 59
Grand i er.1361
Granier.13“0
Grashey ...... 017
Grassberger f 90.1032,1733
Grassi . . 1037, 1783
Grassmann 200, 297. 544,
054, 097, 774, *07, 810,
*73,973,1049,1182,1212,
1350, 1424, 1510, 1572,
1073,1674,1705,1704,1781
Graul.129
Graupner ... . 18
Grawitz E.-( ’barlotten-
hurg .... 103, 10*
Grawitz P.-Greifswald 170,
230, 338, *77, 947, 975,
1758
Gra/.zi .130
Grebncr.1543
Gregor A.-Innsbruck 619
GregnrK.-Breslau 1087,1114
Griesbach.1746
Griffon.1016
Grisson.133
■Grober 245, 302, 847,1748
Grün hol in.1507
Groff .522
Grohe . , 103,375, 650
Gromakowsky . . . 1245
Gross A.-Strassburg. 1088
Gross II -Strassburg 127
Gross O.-Breslau . . 1832
Grosse-Halle . 706, 1149
Grosse-Stuttgart . . 15<>2
Grossmann ... 1350
Grosz.1674
Hager 132, 340, 378, 450,
551, 744, 807, 910, 915,
917,980,1010,1091, 1101,
1145, 1247, 1390,1390,
1445,1545,1613,1040,1791
Hngnpoff 1188, 1300, 1399
Habu-Bisehofleinitz. 099
Hahn E.-Elmshorn . 1459
Halm Fl.-Nürnberg . 288,
1580
Hahn M.-München . 413
Halm o.-Tiil>ing<*i i94, 588,
875, 1831
Hahn B.-Hamburg . 284,
0 06, 1041, 1757
van der Haide . . . 020
Haike ....... 1248
Haläsz.621
llalban . . 438, 908,1783
Hall A. J.443
Hall B.21
Halle M.-Berlin . . 1245
Halle.1577
Halliburton 450,1110, 1405
llallopcau . . . 3»34, 1441
llalstead.1247
Hamburger 472, 020, 777,
879, 11*5
Hamei.1243
Hamilton ... . 59
Handln.878
Hammer. 94
Hammerselilag Kö¬
nigsberg . . . 941, 1314
Hammerschlag V.
Wien . . . 1210, 1248
Hammcsfahr . . . 1700
Hanel ...... . 875
Ilanneeart.175
Heim.778
Heine A Kopenhagen 1116
Heine ß.-Berlin . . 1245
Heine E-Breslau . . 97
Heinlein . 172, 273, 713
1021, 1151, 1191
v Heinleth .... 899
Heinrich ... . 12*
Heinricius . . 13*7, 17*2
Heinz P. R.1244
Heinz R.-Erlangen . 17,
213, 580, 703
Heitler. 58
Hektoen.1443
Helbing.782
Helfericb 232, 233, 376,
900, 1069
Hellat.130
Helle.1184
Hellendall . . . 059, 1752
Heller-Würzburg 1670,1748
Heller A.-Kiel . . . 1653
Heller A-Nürnberg . 740
Heller J.-Charlotten-
burg 305,333, 1181,13*8,
1515
Heller L-Erlangen . 128,
439, 587, 618, 655, 741
775,808,1213,1243,1277
Hell ström . . . 57, 1637
Heipke.843
Hemmeter .... 1188
Henderson . . . .1710
Hengge 19,298, 1183, 1750,
1781
Henke.452
Henkel 133, 340, 419, 799
Hennemann . . . . 1380
Henrard.879
Fuiinami 1143,
1184, 1574
Girard . . .
. . 709
Grote . . .
.733
Hansemann 270,
1510,
Henrici .
891
Fukala
. . . 547
Giudiceandrea
1010, 1613 1
Grothe . .
650
1637, 1710, 1833
FI en sch en
1049
Fullerton
. . . 944
Giuffre . . .
. . . 710 ;
Grouven
. . . 334
Hansv ......
402
Hensen .
342, 1276,
1608
Fulton .
. . . 1467
Giulini . . .
. . . 560
Grube . . .
. 627, 1721
Hanszel.
300
v. Ilerff .
473, 972,
1672
Funk . .
. . . 842
Glaessner . .
... 908 j
Gruber . .
. . . 1249
Hare . . . 23, 66, *44
Herford .
. . 1315,
1605
Funke .
332
9*4, 1601
Glaser ....
744,1070 '
Griinbaum
1405, 1792
H armer.
13*9
Herhold .
300
Furster .
. . . 1317
Glauning . .
Grueneberg
. 28, 1757
Harn ach .... 057
, 749
Hermes .
400
Futcher .
. . 00, 878
Glax . ...
330, 1706
Grünwald .
... 100
Harnsberger-Catlett .
379
Hern an de?
1219
Glitsch . . .
. . . 1183
Grusdew
. 099, 1314
Harris.
1405
Heron
1476
O.
| Glöckner. . .
. *07,1353
Grzes . . .
. . . 1000
Harrison A.W. . . .
1116
Herrensclimidt. . . .
174
, Gloeckner . .
. . . 875
Guenot . .
. . . 810
Harri sou R.
780
Herrgott
1399
Gabel . .
. . . 165
Glorieux . . .
. . . 167 ,
v. Guerard
1435, 1832
Hart.
1404
Herring .
1506
Gabrilowitsch
1389, 1512
Gluck 60, 706,
711, 1283 ,
Guercini
. . . 909
Itartmann.
1398
Herrmann
E. - Berlin
945,
1 4ache
. . . 126
I Gluzinski . .
. . . 1784
Gilgenheim
1020, 1611
Hartmann-Jena . .
1830
1503
Gaertner
. . 1195
! Glück . . .
. . . 336
Guiteras . .
. 1500
Hartmann Fr.-Graz .
1543
Herrmann G.-Breslau
776
Gaethgens
. . .1749
j Gnauck
. . . 953
Guizzetti . ,
. 346, 744
Hartmann J.-Pfaffen-
Hertwig .
. . . 231,
1391
GafFky
.
. . . 1355
! Gockel . . .
. . . 1432
Gulland . . ,
. . . . 138
1 bofen.
1110
Hervieux
954
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XII
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900.
Seite
Herxheimer . . . . 1099
Herz H.-Breslau . . 870
Herz M.-Wien . 561, 1792
Herz R.-Prag . . . 402
Herzberg.1833
Herzfeld A-Wien 274, 406,
473
Herzfeld J.-Berlin . 1278
Hess .... 1090, 1834
Hesse . . 333, 370, 1315
Hessler.1248
Heubner 60,710,1322,1473,
1474
Hewlett.106
Heymann ... 19, 1761
Heymans.1430
Hijmans.690
Hilbert.658
Hildebrand .... 941
Hildebrand R.-Frank-
furt.1099
Hildebrandt H. . . 1050
Hildebrandt-Hamburg 750
Hildebrandt-Kiel 509, 541,
739
Hildebrandt K.-Berlin 628
Hillmann.813
Hilsum.842
Himmel.552
Hink.1576
Hinterstoisser . . . 1638
Hinterberger . . . 701
Hintnerl71, 713,1120,1792
v. Hippel . . . 914, 1507
Hirota.437
Hirsch-Berlin . . .1581
Hirsch-St. Petersburg 1748
Hirsch-Prag .... 274
Hirsch C.-Leipzig 996,1685
Hirsch H.-Köln 478, 630,
980
Hirsch M.-Wien . . 1246
Hirschberg . .241, 589
Hirschfeld 200, 208, 698,
710, 839, 1833
Hirschkopf .... 1142
Hirschl.1013
Hirechmann . 444, 477
Hirst . ..844
Hirth.883
Hirtz . . 710, 753, 1152
His 587, 655, 064, 1213,
1429, 1469
Hitschmann .... 552
Hitschmann Fr. 438, 1674
Hitschmann R -Wien 137
Hitzig.1603
Hjelmman .... 334
Hoche .... 811, 842
Hochenegg 99, 345, 515
Hochhans . . 1433, 1579
Hochsinger . . . .1473
Hock.878
Hockenjos .... 657
Hödlmoser 20, 1052, 1604
Höher.202
Höflmayr . . . 807, 1594
Hönig. . . 1213
Höniger .... . 948
v. Hoesslin 331, 544, 774,
930
Höttinger.1088
van der Hoeven . . 1504
Hofbauer . . . 332, 588
van t’Hoff.1391
Hoffa 490, 698, 706,1141,
1386
Hoffmann-Greifswald 1758
Hoffmann A.-Düssel-
dorf 662, 742,1212, 1433
Hoffmann J.-Heidel-
berg . . 478, 812, 1649
Hoffmann P. H.-St.
Louis.878
Hoffmann R.-Braun¬
schweig .370
Hoffmann R.-Rostock 167
Hofmann A.-Halle .1011,
1052, 1244
Seit«
Hofmann C.-Bonn 57, 810
1706
Hofmeier . . . 875, 1257
Hofmeister . 874, 1831
Hohlbeck.873
Hoke.1709
Holder. 23
Holländer 619, 630, 707,
1115
Holmboe.1748
Holz. 841, 1664
Holzapfel.1510
Holzhäuser . 1152, 1255
Holzknecht 402, 619, 943,
1316, 1793
Homa.1752
Hornberger E.
Honl ....
Honsell . . .
van Hontum .
Hope ....
Hopmann . .
Hoppe J.-Köln
. . 658
. . 235
94,1831
. . 132
59 t
443^ 1548
1019
Hoppe J. M.-Ucht-
springe. 28
Hoppe-Seyler 342, 531,
1579, 1642
Hoole.1540
Horcicka.164
Horn.1832
Home.1444
Houston . . 1013, 1405
Howard.476
Huber A.474
Huber J. Ch.-Mem¬
mingen 587, 739, 839,
1113, 1276, 1600, 1628,
1708
Huchard . 521, 561, 1317
Hübl. 235,1783
Hübscher
Hügel . .
Htis8y
Hueter
Hughes ,
Hugouwenq
Huismans
Hunner .
Hunsche
Husemann
93, 368
984, 1733
. . 1749
271, 1019
850, 1599
. . 922
. . 421
23, 337
. . 1563
512
Hutchinson 779, 945,1117,
1444, 1506, 1675
Huth.441
Hutinel.1359
Hutton ..... 1444
Huttunen. 91
Jablokoff.549
Jackson .... 945, 1719
Jacob-Marseille . . 1399
Jacob O.-Berlin 168, 547,
1022
Jacob M.-Landau
Jacobi-Freiburg .
Jacobi-New-York .
Jacobs .
Jacobsohn
Jacobson
Jacobsthal
Jaenicke
Jaquet
Jadassohn Bern
Jägerski öl d
1209
630
1321
1320
. . . 306
1142, 1466
. . . 1115
. . 1748
. 174
1360
908
Jaff6 697, 904, 972, 1140,
1187, 1388, 1503, 1571,
1782, 1830
Jahn.874
Jakob Ch.544
Jakob P. Berlin . . 1833
Jakobsthal . .777
Jaks.1707
v. Jaksch .... 300
Janni.873
Japha 985,1057,1541,1174,
1640
Jatta.700
Jawein.1637
Seite
Jayle.1014
Jellinek .... 201, 587
Jelly.1247
Jemma .... 744, 810
Jennings.177
Jentzer.262
Jess. 1607
Jessen . . . 1515, 1565
Imbert.633
Imhofer.1543
Immelmann .... 630
Impallomeni .... 1613
Impens.167
Infeld.1604
Ingiani.297
Inglis.1504
Inglis-Parsons . . . 1398
Intze.1356
Joachimsthal 208,630,1350,
1354
Joal.946
Jochmann.782
Jochner . . . . . . 1596
Jodlbauer.697
Johannessen, 299,332,810,
1322
Johnson.1247
Jolles 447, 714, 849, 1313,
1751
Jolly.306
Jonas.972
Jones.1468
Jones L.1504
Jones Macnaughton 1405
de Jong ..1277
Jonnesco 1217, 1218, 1219,
1358, 1577, 1676
Jordan 265, 335, 700, 1244,
1672
Jores.1012
Joseph .... 335, 475
Joseph J.-Berlin 984,1219,
1605
Jo wett.1443
Isaak.1761
Israel-Berlin ... 133
Israel E.-Berlin . . 843
Israel J.-Berlin . . 664
Israel O.-Berlin . . 1181
Jünger.1213
Jürgens.1056
Jürgensen Chr. . . 93
v. Jürgensen Th.-Tü-
bingen . . . 543, 1633
Juliusberg.553
Jullien.1362
Jung-Greifswald 236. 841,
1711
Jung-Köln . . . 557, 980
JungF.A R.-Washing¬
ton . . 700, 1215, 1672
Jungmann . . 176, 1389
Junkers.408
Justesen .... 93
Justus . . ... 1440
Jutassy.1246
Iwanow.975
K.
Kaberlah.1312
Kaefer .. 94
Kaeppeli.1215
Kafemann ... 1747
v. Kahlden 61, 777, 1704
Kahn.162
Kahnert.1214
Kaiser.973
Kalabin . 95, 1707, 1751
Kalischer 163, 590, 1711
Kalivohäs.668
Kalmus .... 589, 1354
Kalt.1427
Kammer 1115, 1118, 1572
Kane.1468
Kantor.402
Kaposi II. - Heidel¬
berg .1143
Kaposi Wien .371, 475
Seite
Kapper.300
Karamitsas .... 1250
Karcher.1059
Karewski ... 95, 1761
Karfunkel.299
Karplus.593
Kasem-Beck .... 873
Kasper.711
Kassowitz . . . 402, 1246
Katsura.1503
Kattwinkel . . 807, 1670
Katz A.-Wien . . . 1085
Ivatz L.-Nürnberg . 713
Katzenbach .... 1247
Ivatzensteinl470,1831,1833
Kauffmann .... 263
Kaufmann . . . . 475
Kaufmann C -Zürich 1279
Kaufmann M.-Frank¬
furt .1733
Kaufmann O.-Hüsten 513
Kayser .... 874, 1705
Kedzior.514
Keegan.1709
Keen . . . 1319, 1468
Kehr 162, 181, 666, 705,
720
Kehrer E. . . . . . 1570
Kehrer F. A.1225
Keiler.1086
Keith. 21
Keitler.1636
Keller A.-Breslau 57, 1597
Keller C.-Köln 479, 1220,
1545, 1518
Kelling . . . 1161, 1671
Kellner . . 58, 592, 1641
Kelly A. O. J. . . . 476
Kelly H. A. . . 337, 1468
Kemp.476
Kendirdy.1647
Kentmann.473
Kenwood.1405
Kerr. 443, 1710
Kerschensteiner 127, 163,
201, 332, 588, 840, 1142,
1502
Keschraann .... 1215
Kiefer.837
Kienböck 752, 1581, 1612,
1792
Kieseritzky .... 1354
Killian 112, 154, 401, 742
Kirne.634
Kimura.842
King. 337
Kionka.1088
Kirch.942
Kirchgässer . . 589, 646
Kirchhoff.623
Kirchmayr .... 1638
Kirchner-Berlin . . 24
Kirchner-Mülheim . 1022
Kirchner H.-Bamberg 1532,
1720
Kiriak.1398
Kirmisson.296
Kirsch .... 104, 1714
Kirste. 751, 784
Kirstein A.-Berlin . . 1572
Kirstein Fr.-Giessen 1542
KirsteinG.-Königsbg. 1502
Kisch . . 332, 702, 1427
Kisskalt. HO
Kissling.897
Kister-Hamburg . . 1054
Kister-Kiel .... 1118
Kistler.634
Klaatsch . . . . 1441
Klapp.513, 794
Klaussner.1350
Klebs.1688
KleinE.-Londonl245, 1542
Klein G.-München . 1426
Klein K.-Giessen 651, 929
Klein S.-Wien . . . 878
Kleinschmidt ... 55
Klein Wächter . . . 2426
Klemperer 711, 781, [985
Seite
Klett.370
Klingmüller ... . 976
Kluczenko.1504
Klüber .1416
Klyneus .1114
Knap.1504
Knapp H. . . . 744
Knapp Ph. C. ... 844
Knapp L.-Prag . 586, 1636
Knauer.618
Knich.1467
Knöpfe Im ach er . 58, 1574
Knopf.1113
Kobert .... 172, 1614
Koblanck 96, 1503, 1574
Kobler . 547, 702, 977
Kobrak.1388
Koch C.-Nttrnberg 480,1580
Koch E.-Aachen 855, 13fc0,
1427
Koch J.-Greifswald . 1712
Koch M.-Berlin . . 876
Koch R. Berlin 234, 263,
912, 1612, 1784
Kocher . 514, 591, 1086
Kockel .... 53, 343
Koebel.262
Köbner.547
Köhler.697
Köhler F.-Jena 63,655,757,
1243
Kölliker A.-Würzburg 55
Kölliker Th.-Leipzig . 53
König F.-Berlin 203, 209,
629, 656,1013,1050,1387,
1673
König R -Bern . . . 1601
König W.-Dalldorf . 809
Königer.907
Könitzer.1387
Koeppe.1242
Körner . 621, 1248, 1287,
1288
Körte.629
Köster.1748
Kövesi .... 264, 547
Kofmann.1114
Kohlbrugge .... 1574
Kohlhaas.1255
Kohlhardt.587
Kohn H.-Berlin 25,26,103,
136, 137, 168, 209, 270,
3(6, 337, 338, 372, 407,
449, 481, 521, 672, 711,
753, 782, 845, 882, 910,
936, 1515, 1518, 1550,
1581, 1605, 1641, 1761,
1762, 1833
Kohn J.-Berlin . . 1115
Kohnstamm .... 905
Kohts .
Kokoris
Kolb .
Kolbe .
KoliBch
Kolischer
Solle
Koller
Kollmann
Kolster
Koltze
Koplik
1152, 1719
. . . 1215
.655, 740
. . . 1277
. 58, 704
. 699, 1747
... 135
... 742
592, 1287
... 129
. . . 1351
1247, 1361, 1751
Kopp 336, 553, 741, 1010,
1182, 1213, 1242, 1662
Kopytowski .... 334
v. Koranyi.625
Kom. 657
Kornfeld . . . 1366, 1762
Korteweg.620
Kossel A.1423
Kossel H.263
Kossmann . 57, 313, 394,
841, 875, 1425, 1541
Kostjamin.1707
Kothe.482
Kotowtschicoff . . . 127
Kottmann.1184
Kowarsky . . 909, 1708
JKraemer C.-Cannstatt 1366
Digitized b'
■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
Seite
Kraemer O.-Gräfenberg
1238
Kraepelin . . . 367, 811
v. Krafft-Ebing 590, 1011,
1116
Krajewska.1709
Kramer . . . 1600, 1831
Krantz.903
Krapf.355
Kraus-Paris .... 551
Kraus H.-Prag . 663, 779
Kraus K.-Wien . 164, 907
Krause C.-Jena . . 1119
Krause F.-Altonal69, 339,
519. 554, 555, 657, 669,
706, 749, 1019, 1143
Krause F.-Berlin . . 1219
Krause P.-Hamburg 207,
263, 975, 1246
Krause P. F.-Vietz 263,370
Krause R.-Berlin 91, 232
Krebs.876
Krecke 42, 94, 189, 201,
261, 298, 513, 656, 906,
974, 1011, 1050, 1142,
1214, 1351, 1352, 1387,
1463, 1502, 1671, 1831,
1836
Kredel .... 233, 1352
Krehl.19, 1540
Rreibich . . 336, 552, 553
Kreis.1050
Kreisch .1086
Kretschmann. . 134, 404
Kretz . . 475, 1762, 1784
Rreuser . 622, 812, 1673
Kreutzmann .... 1782
Krevet . . . 1352, 1781
Krewer.200
Krey.1210
Krieger-Heidelberg . 381
Kjrjukoff. 202
Krocker.1182
Krömer.1453
Krönig B.-Leipzig . 1, 95,
263, 710, 841, 1004,1284,
1422, 1541, 1673
Krönig G.-Berlin . . 481
Krönlein .... 594, 666
Krohne ..... 1638
Krokiewicz 700,1184,1467
Krompecher . 1353, 1707
Krukenberg .... 172
Kröger.204
Kralle.747
Kruse .... 1191, 1428
y. Kryger.1090
Krzyszkowski . . . 1314
Kudriachoff .... 699
Köhn.1333
Kühnaii.845
Köhne.1011
Kümmell 403, 589, 592,
665, 1515, 1525, 1757
Kürsteiner.1543
Kürt.1639
Küster B.-Berlin . .1671
y. Knester- Berlin . . 201
Köetner .589
Köttner 94, 523, 588, 1832
Kahn-Cassel .... 1425
SSZ; Z
Kakala .
Kuntze . • 975
Karimoto . - •
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Kutner . * •
Kutscher • • Ö 07 1 Sa
Kuznitzky . • • 939
L.
. .1282
.. 13 °*
Laborde. . 105,242,1121
Lacher F. 60,337,879,1248,
1468, 1604
8eite
Lacher M.1604
Lachmanski .... 369
Laitinen.1315
Laman. 522
Lambertz.368
Lambotte.101
Lamhofer . . ... 253
Lampe. 94
Lancereaux . 1222, 1444
Landau L.-Berlin 1636,1708
LandauR.-N ürnberg 87,480
Landolt.307
Landorezy . . . 708, 1222
Landow.1470
Landsteiner .... 514
Lane.943
Laug 714, 909, 1284, 1361
de Langö C.-Ztlrich . 104
Lange F.-München 296,
486,917,1350,1386
Lange J.-Leipzig 37, 592
Lange L.-München . 862
Langemak 375, 1466, 1644
Langhans.473
I NHAL TS-VERZEICHN1SS.
Seite
Levi.548
Levin.1581
xin
370,
701
307
481
1141, 1502
261
840
130
1086
701
778,
Langmann
Langovoy . .
Langstein . .
Lannelongue
Lannois . . .
de Lannoise .
Lanz .4
Lapinsky . .
Laplace . . .
Laquer
. . 1386
. . 1748
. . 1184
. . 668
100, 1317
709, 1424
!, 843, 973
. . 439
. . 59
812
Laqueur . 978, 1050, 1756
Lartigau. 59
Laschtschenko . . . 907
Lasnet ..... . 1224
Laspevres . . . 545, 1670
Lassar 672, 697, 984,1439
Lassar-Cohn .... 973
Latzko . . . 1355, 1680
Lauenstein 93, 270, 340,
501, 1502,1578,1635,1759
Lauk.1345
Laval .549
Laveran.954
Laves . . . ... 1339
Lazarus.164
Lobby. 66
Leber.1366
van Leersum E. C. . 132
Lefas.100
Legros.1152
Leguen.1647
Lehmann 264,333,399,440,
514,546,983,984,1242,
1350,1351
Leichtenstern . . . 535
Leick.237
Lenel.621
Lengemann . . 58, 1182
Lengnick.380
Lenhartz 30,295,1669,1834
Lennander .... 1506
Lenni ..704
Lennhoff.704
Lenoble.1281
Lent.432
Lenz.1279
Lenzmann 515, 516, 1057,
1432, 1753
Leo. 543, 1572
Leopold 19, 298, 401, 1397,
1749
Lepsius.942
Lereboulletl121,1223,1683
Leredde.715
Lermoyez . . 1327, 1508
Leroux .... 954, 1360
Leser.232
Lesser331,1242,1362,1572,
1603,1640
Leasing.169
v. Leube . . . 741, 1120
Leutert .... 621, 1329
Leuw.591
Ldvai .... 1086, 1246
Leven.1014
Levy E.-Strassburg
439, 976
| Levy W.-Berlin
Levy-Neuhofen .
Levy-Dorn . . 164,
Lewandowsky
Lewerenz . .
Lewi ....
; Lewin L. . .
i Lewin C.-Berlin
I Lewin E.-Berlin
! Lewin L.-Berlin 545,
I 1604
1 Lewis.1216
! Lewison.779
j Lewkowicz.402
j v. Lew’Bchin .... 1313
1 Lewtas.1710
, Lewy .... 034, 1184
Lexer .... 706, 1671
1 v. Leyden 92, 133, 136,
1 521,672,1581,1678, 1679,
1762
j Libmann .1426
! Lielitenauer . 656, 1352
! Lichtenstein A.-Mön-
! eben 202,369, 699,
! 906, 1114, 1352, 1751
I Lichtenstein-Neuwiedl751
1 Lichtwitz . 130, 551, 946
i Liebe 545, 776, 1425, 1571,
j 1749
1 Lieberraeister . . . 440
! v. Liebig ■.608
1 Lieblein . . . 1182, 1466
| Liebreich 978, 1856, 1357
Liepelt. 19
I Liepmann.1354
Liermann ..... 94
Liesau.809
Limnel.473
Lindemann E.-Ham¬
burg .522
Lindemann L.-Mün¬
chen . . 587, 807, 1670
Lindemann W.-Mos-
kau.1012
Lindenthal . . 438, 1674
Lindfors . . . 841, 1503
Lindner H. . . 203, 974
Lindner K.874
v. Lingen.298
Linkenheld .... 923
Linser . . . 966,974,1831
v. Linstow.1603
Lipowski.1637
Lipowsky . . . . 809
Lipmann-Wulff 1581, 1679
Lippmann-Berlin 137,1711
Lippmann-Düsseldorf 512
Liscia.1390
Littauer-Berlin . . . 1056
Littauer-Leipzig. 64, 237
Litten. 103, 663
Little.1443
Littlewood ... . 269
Lochte . 272, 373, 556
Lockwood.441
Lode.109
Löb.618
Löffler.947
Löhlein.1467
Löhnberg . . .81, 474
Loeper . 1317
Löw r enbach 474, 942
Loewe nfeld 472, 1095
Löwenstein .... 589
Löwenthal.1572
Loewi.657
Löwit . . 658, 662, 1603
Löwy-Wien .... 1502
Loew r yA.-Berlinl214, 1503
Lohmer.1602
Lohnstein.1515
Lohnstein H. . 845, 1683
Lohnstein R. 58
Lohnstein Th. . . . 1385
Seit«
Lohsse . 1644
Loison . . . 1251, 1280
Lomer.544
Longard 1313, 1471, 1472
Longhurst.1506
Longuet.811
Loos ..1831
LorenzH - Wien 1470, 1502
Lorenz W.-Ybhs . . 1604
Lostorf er.671
Lotheissen 871, 601, 1114
1182, 1600
Lovett.1247
Loza.1518
Lubarsch.1542
Lublinski 552, 591, 1629,
1751
Lubowski.1542
Lueae.621
Lucas H.-Ivöln . . . 127
Lucas-Championiöre. 1251
Lucatello.1544
Luce
Lucke . .
Ludwig G.
heim .
Ludwig H.-Wien
Ludwig-Hamburg
207, 911, 978
. 203, 1013
Heppen-
1677
1428
133
Lühe.546
Lüthje .... 5S7, 1712
Lüttgen.1665
Luitlilen .... 336, 1145
Luke.1507
Luksch . . . 702,1313
Lumbao.1278
Lunz.877
Lutaud.1123
Luttinger.1426
Luxenburger ... 48
Luzzatto 779, 1012, 1573
Lydston.844
Lyon J. P.337
91.
Maas.1550
Mc Adam.878
Mc Bride.1444
Mc Callum . . . 1216
Mc Crae . . . 1216, 1468
Mc Dougall .... 815
Mac fadyan.106
Macharg.441
Mackenzie.1507
Mc Keown .... 1404
Mac Lagan T. G. . . 443
Mc Laren . . 1117, 1674
Mc Lean.476
Macleod .1444
Mc Nair Scoff . . . 1542
Mac William .... 1506
Mc Williams .... 1248
Madelung . . 343, 1152
Madlener . . 841, 1177
Madsen.299
Maeder.700
Maffucci.910
Magnus . 1501
Magnus R.-Heidelberg 657,
1751
Magnus-Levy - Strass¬
burg .703
Maguire.106
Mahler.974
Mahn .... 1327, 1508
Maier.974
Maillart.1832
Maillefert .... 1237
Malartie.1222
Malherbe.1508
Malkoff . . . 547, 1143
Mally.1014
Malvoz.101
Manasse C.-A faltrach 800,
1024
Manasse P.-Strassburg 1087
Mandl.438
Manfredi.129
Mangiagalli .... 1285
Seite
v. Mangolt.G29
Mann.439
Mannaberg . . 617,1187
Mannini.1639
Mansell-Mouliin . . 269
Manz ...... 1466
Maragliano 708,1145,1246,
1425
Marburg . . . 1088, 1709
Marchant.378
Marchesi . 19
Marcinowski . . . . 1492
Marcone.668
Marcus.1427
MarcuseJ.-Mannheim 93,
124, 378, 397, 695, 1442,
1030
Marcuse P.-Berlin .1184
Marechal . . 101, 1321
Marfan . 267, 1323, 1757
Margulies . 59, 371, 1412
Marie.1577
Marini .... 1282, 1613
Marinesco.633
Mariotti-Bianchi . . 1389
Marischier.264
Markl .... 701, 1707
v. Mars.1313
Marsden . . . • . .1116
Marshall.1443
Martens 93, 301, 513, 1502
Martin A.-Greifwald 236,
300, 947, 1301, 1705
Martin E.-Halle . . 1601
Martin E.-Köln 512, 1472
Martini.1353
Martyn. 1443
Marx A.-N ürnberg 560,1590
Marx H-Berlin 93, 1013,
1088, 1245, 1388, 1671
Marx-Frankfurt
Marzinowsky
Mosch ke . .
Masius . .
Massai ongo
Massey G. B.
Massoulard
Mathieu . .
Maticuzo . .
Matschin8ky
Matte . . .
di Mattei .
Matthaei . .
Matthes
Matthev
1012
. 1144
. 843
. 1249
. 633
. 844
. 549
. 1187
. 844
. 1015
. 1248
. 1278
18, 130
. 1746
. 1678
1 Mattirolo . 164, 346, 550
| Matzenauer752, 1476,1708
1 Matzuschita .... 1426
I Mauclaire . . 1283, 1398
1 v. Maudach .... 742
I Maukowski A. . 19, 129
Maurer.1245
May.1670
Mayer-Dresden . . . 1313
Mayer G.-W ürzburg 71,877,
1109, 1244, 1245, 1793
Mayer P.-Berlin . 57, 672
Mayer W.-Fürth 1090, 1607
Mayet.954
Maygrier.1399
Maylard.1320
Mayo Robsnii . . . 1188
v. Meer . . . 1636, 1672
Megele.546
Meier.813
Meinecke. 30
Meinert. 99
Meisel . . 235, 402, 630
Meissei P.-Freiburg . 1600
Melnikow-Rasweden-
kow.1353
. 1386
. 1318
. 449
. 877
1152
Meitzer ....
Menciere . . .
Mendel-Paris . .
Mendel F.-Berlin
Mönötrier
i Menge 263, 513, 789, 1284
j Menko .... 266, 1215
Menn.477
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XIV
INHALTS-VERZErCIINISS.
. 743
175G
334
695
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301, !
Menz.
Menzer . . . 157
Merk.
Merkel G.-Nürnberg.
Merkel H.-Erlangen
1012, 1353, 1303
Merkel J.-Nürnberg
751, 784, 1702
Merkel S.-Nürnberg 1356,
1394, 1396
Merkens.298
Merkl.778
Merklen . 753, 12 >2, 1249
Merttens . . . 202, 1750
Mesce.55U
Messerer . . . ... 726
Metin.1577
Metzger. 1563
Metzner.588
Meuuier.1147
Meusel . . . 513, 1460
Mewius.333
Meyer A.-Berlin . . 1672
Meyer C.-Ziirieh . . 97
Meyer C. F.-Davos . 428
Meyer E. A.-Flamburg 589
Meyer E.-Tübingen 808,
1144, 1708
Meyer G.-Gotha . . 1243
Meyer J. -Berlin . . 1708
Mever J. -Frankfurt . 1240
Meyer M.-Bcrlin . . 298
Meyer M.-New-York . 476
Meyer P.-Berlin . . 521
Meyer R.-Berlin . . 875
Meyer W.-Hildesheim 93
Meyer-Kn egg . . . .1214
Meyer Hans .... 904
Meyer-Altona . . . 555
Meverson . . • 86
Mibelli.336
Michaelis-Berlin . 703
Michaelis G.-Berlin . 546
Michaelis G.-Miinch. 605,
1600
Michaelis L.-Berlin . 753,
1550, 1581, 1605
Michaelis M -Berlin . 474
Michaelsen .... 401
Michailowskv . . . 1218 j
Michaux . / . 1149, 1217
v. Michel J.-Berlin . 853, I
1016, 1507 |
Michel-Paris . . . . 1188 j
Micheli .... 164, 346
Middendorp .... 1318
Mignon.1283
Migula .398
Miller.268
Milo ...... 1313
Mincroini.1149
Minervini . . 201, 1575
Minkowski.662
Minne.1675
Mintz.1144
Mirabeau . . 438, 1314
Mircoli 514, 910, 1246,1247
Miura .... 128, 1427
Miyamato.1115
Mock. 273, 932
Moczutkowski . . . 1719
Model . . 157, 1081, 1739
Modica.1247
Moebius . 99, 1241, 1314
Moeli. 162, 624
Modler A.299
Möller M.1008
Modler A-Belzig 775, 1114
Möller G.-Greifswald 1088
Mönkemöller .... 1673
Mohr L.-Berlin . . 1427
Mohr M.-Ofen-Post . 475
v. Monakow .... 812
Monconge ... . 552
Mond. 1230
Mongour . . . 408, 1327
Monro.1112
Monti.1322
Moor.1283
Seite ; Seite
Moore. 59
v. Moraczewski 200, 1114
Morano.1639
Morax. . 97
Morgan.1505
Morgenroth . . . 778, 908
Morestin 1218, 1279, 1284,
1319
Morian. 1766
Morishima K. ... 19
Morison.1116
Moritz 509, 611, 774, 993
Moro . . 235, 1087, 1573
Morpurgo . . .877, 986
Morris H -London 165,1710
Morris R. T.-Ne w-York 1216
7K2.
. . 1215
175, 210
. . 262
270, 443, 517
1114
1572, 1581
. . 1516
707, 1830
. . 1706
.21. 1675
. . 1614
. . 1576
. . 1359
. . 203
. . 21
621,1168,
. . 1575
656
872,
842
1059
1088
1762
96
232
Morse
Mosbacher
Moser . .
Moses . .
Mosler . .
Müsse
Mosso ....
Most ....
Moszkowicz .
Mott.
Moty ....
Mouchet . . .
Moussous . .
Moxter . . .
Movnihan . .
Muck 130, 620,
1732
Mühlmann . .
Mühsam . . .
Mueller A.-München
1750, 1783
Müller F.
Müller II.
Müller F.-Basd . .
Müller F.-Berlin .
Müller F.-Freiburg
Müller Gg.-Berlin . .
Müller H.-Uchtspringe 27
Müller J.-Beckenried 1380
Müller J.-Wiirzburg . 20,
546, 657,10-8,1125,1751
Müller J.-Erlangen . 1769
Müller L. R.-Erlangen 522,
584,590, 973, 1011,1047,
1084, 1315
Müller O.-Hirschberg 1674
Müller P.-Dresden . 1387
Müller P.-Graz . . . 1707
Müller R.-Berlin . . 591
Müller R -Hamburg . 318
Müller W.-Aachen . 163,
1472
Müller W.-Leipzig 304, 707,
1608, 1643
Müller-Berlin .
Mugdan . . .
Muhlig . . .
Mulder . . .
Mulzer . . .
Munson . . .
Munter . . .
Murphy .
Murray F. W.
Murray G. . .
Murray L. . .
Murray R. W.-l.
pool . .
Murray W.
Murri . .
Muscatello
Musser
Muskat .
v. Mutach
Muus . .
Mazzotti .
Mya . . .
Myers . .
Mygind .
Mysch . .
N.
Nadoleczny . 907, 1249
Nägeli 701, 836, 1243, 1245
1541
942
221
132
1540
1467
1708
1358
1117
1505
1505
ver-
269, 442
442
550
1303
1216
1749
976
163
378
1359
1315
551
233
1255,
Soiti*
Nagel. 55
Nagelschmidt ... 96
Nakanishi 187, 080, 842,
I 1427
i Nanu 1219, 1283, 1319,
| 1320, 1321, 1398, 1677
Napp.334
Narath .203
Nassauer . . 221, 1832
Nathan.334
Nattan-Larrier . . . 1360
Naunyn . 135, 405, 1393
! Nawrateki . . 1011, 1224
I Nebdthau 439, 1254, 1712
| Neck.1502
Nedjelsky.1012
Nehrkorn . ... 1372
Neisser A.-Breslau . 1476
1781
Neisser E.-Slettin . . 1214
Neisser M.-Frankfurt 1261
1784
Net er.1574
Netter 921,1188, 1359,1360
Neubauer A.1543
Neubauer 0.546
Neubauer Th. . . .1709
Neuberg.1762
Neuberger.336
Neuburger . . 1273, 1610
Neu fehl . . . 266, 1388
Neugebauer F. -Mührisch-
ostrau.1389
Neugebauer Fr.-Warschau
741
NeugebauerT.L.-Warschau
KL 5
Neukirch 560, 1715
Neumann E . 1050, 1636
Neumann F.1389
Neumann Jul. . . . 438
Neumann-Halle . 1671
Neumann Reinerz . 1718
Neumann A. E. Berlin 400,
1601
Neumann H.-Berlin . 653,
1605, 1640
Neumann J.-Wien . 548,
1612
Neumann M.-Strassbnrg
812
Neumann R. O.-Kiel 96,
336, 546, 590, 700, 778,
887,907,1013,1051,1315,
1354, 1388, 1542,1603,
1637, 1707
Neumayer .
Neusser . .
Neustatt er
Neve . . .
Nichols E. H
Nichols J.B.AY
ton . .
| Nicolai
! Nicolaier .
| Nicoletti .
Nieolle
Nied . .
Niehues .
Seite
Nove-Josserand . . . 1014
Novv.
1277
Nut fall .
337
O.
Übermüller . . .
1012
Oberndorfer . . .
1114
Oberst.
1347
Obersteiner . .
872
Obrastzow . . 700
1672
Ochsner .
1427
O’Conor .... 22
945
v. Odenius ....
103
Oehler.
1823 ;
Oeh 1 Schläger . . .
lou !
Ölberg .
634 !
Oestreich 845, 942
1352 ;
Ogata.
1278 1
Ohmann-Dumesnil
1192
Oldtield.
1105 S
Ollier.
1251
Olshausen ....
666
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130 !
Opitz .....
262;
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Oppenheim
Oppenheim II
Oppenheim I,
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Orbuch . .
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Orlandi . .
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Ortner . . .
Ortowski . .
Osler . . .
Ostermaier .
Ustermann .
Osterwald .
Ostmann . .
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Ott-Odcrherg
v. Ott-Petersburj
1750
Ott Fr.-Wiirzhur
965
Ottolenghi .
Overlacli . . .
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Berlin
-Basel
729
514
370
620
1 175
553
1711
550
1181
128
1746
1142
1468
1695
517
1751
1500
1286
. . .1670
841,1050.
621,
1285,
455, 928,
100 ,
1315
1635
1504
522
264
P.
Ni essen . .
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| Nölke . . .
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1 eben . .
Noriega . .
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I v. Notthafft
. . 349
. . 627
873, 1312
. . 1710
. . 1216
nshing-
. . ". 59
. . . 1760
. . . 162
. . .1149
. . . 267
. . . 1013
1471, 1472
. . . 1255
. . . 1440
812, 1428
. . . 1280
. . . 1440
. . . 337
. . . 1050
. . . 1783
... 474
140, 545
874, 905
0, 749, 1667
Frank-
. . . 1783
.-Mim-
115, 323, 756
. 1284
. 268
. 337
. 774
Pabedinskv ... 1750
Pabst . . '.908
Paekard . . . . .1216
Paessler ... 480, 1287
Paffrath.820
Page.269
Pagcl. 739, 1113
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baden . . ... 572
PagensteeherF. Elber¬
feld .1354
PagenstecherL.-t )sna-
brück.202
Paine.1683
Pd. 264, 1582
Palleske.1313
Palm. 1277
Palmer.1116
Paltauf.805
Panech.619
Pank.1709
Pantaloni.162
Paoli.744
Papadakis . ... 1517
Papasotiriu .... 1381
Papillon .... 709, 1317
Pappenheim A.-Königs¬
berg ...... 831
Pappenheim A.-Berlin 876,
1087
Papst.1471
Parcel le.1551
Pariser.305
Parisius. 28
1900.
Seite
Parker.
1504
Parreidt.
743
Passin i.
1504
Paste au.
954
Pa ster.
1113
Patella.
709
Pattin.
1405
Paul 968,1006, 1038,
1075,
1541, 1783
Paulesco . . 1317,
1836
Pauli.
849
Pan Isen . . . 1209, 1597
Paunz .
878
Pause .
57
Paviot.
100
Pauloif ......
1439
Pawlowskv ....
700
Paver .... 95,
707
Pavne .
1403
Pavr 233, 1184, 1502,1725
Pearce .
1247
Pech kranz.
99
Peconi .
1613
Peham.
95
Peiper.
63
Pel . . . 127, 626,
1088
Pelicelli.
1613
IVlnar.
235
Pcls-Leusden . 3<)1,
, 656
Pendl.-448,
, 844
Penibres.
746
Pensuti.
909
Pcnzoldt 1635, 1669,
1746
Pdraire . . .1218,
1577
Perez.
549
Pt • ritz.
225
IVrnice Frankfurt
1352, 1750
Perrim.
1440
Perron cito.
1327
Persona li ...
550
Perthes . 237, 906,
1020
Pcstalozza.
1285
Peters.
360
Peters IT. . . . 234,
903
Peters C. Dresden 95, 1163
Peters J. C.-Aachcn
Petersen-Heidelberg
463
705,
881, 1358, 1470
Peteraen Ch.-Kiel
1787
Petit.
1398
Petri.
1144
Petrucci.
1613
Petruschkv . . . .
708
Petterssen.
877
Pezzolini.
1390
Pfalz.
98
Pfaundler.
1323
Pfeiffer L.-Rostock .
561
Pfeiffer L.-Weimar .
1312,
1781
Pfeiffer R.-Königsberg 658
Pflüger .
1465
v. Ptlugk.
745
Pförringer.
975
Pforte.
1574
Pfuhl A.-Hannover
369,
1575
Pfuhl E.-Berlin 263, 1388
Phelps . 275, 1307, 1403
Philippi 106, 175, 450,522,
562, 786, 815, 1023
Philippson
Philippsohn
787
1501, 1638
. . 1516
128
874
475
1670
778
702,
Phisalix
Piccoli . .
Pichler
Pieiardi .
Pick-Prag
Pick A.-Prag
Pick F.-Prag 300, 702, 840,
1011, 1250
Pick L.-Berlin 270, 618.
781, 809
Picque . 1279
Pierallini . . . 200, 1184
Piering. 438
Piffl.173
Pigeaiul.1573
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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... 475
785, 1399
808, 941
633
. 552, 553, 876
. 1352
. 87
. 779
. 909
1900.
Seite
Pilcz
Pinard
Pincus
Pini .
Pinkus
Pinna-Pintor .
Piorkowski . .
I'irone ....
Pisani ....
Piscliinger 126,297,437,617,
18:30
Piza.1515
Placzek . . . 975, 1144
Place.442
Plato.1227
Plattner.588
Plaut .... 402, 978
Plechl.707
Plehn.1579
Pionski.753
Pluder.519,1757
Plucker . 1363
Poduschka.657
Podwyssotzki . . 234, 810
Poensgen . 1386
Pohorecky.618
Pokitoneff.549
Polacco.1544
Polak.1185
Polano .1782
Poljakoff. 58
Pollak E.1145
Pollak J.-Alland 164, 943
Poncet . . . 175, 815
Ponfiek . 126, 474, 1473
Pope8Ciil ... 941, 1183
Poppert . . . 329, 1111
Porak .... 1393, 1399
Porcile.1639
Porges .... 514, 976
Port G.-München 200,1142
Port K.-Nürnbg. 1611, 1625
Porter.1468
Portucalis.1114
Posadas.1014
Posner 709, 1115, 1278,
1603
Posselt .... 99,1276
Potain.954
Poten .... 1214, 1781
Potte vin.101
Pousson.815
Poynton.1683
Powell.660
(d’Arcy) Power ... 21
Pozzi ! . . . 1358, 1397
Pratt.1467
Prausnitz.1394
Preble.1215
Predtetschensky . . 840
Preindlsberger . . . 878
Preiss E -Kattowitz 19,400
Preise O.-Olgersburg 1086
Preobrasliensky . . 590
Prettner .... 234, 975
Pringle .779
Probst.808
Prochaska .1670
Prochownik 374, 749, 784,
911, 1093
Proebsting .
Prölss. . •
Prokess . .
INHALTS-VERZEICHNIS«.
XV
Quincke.1579
Quine .
879
j Rabinowitsch 619, 942, 976
I Rabitsck.1709
| Racovieeanu - Pitesci 1149
v. Rad 480,559,1020,1080,
1150, 1314, 1760
Radaeli.1389
Radzievskv 96, 98, 1278,
1388
Raecke.624
Rager.1749
Rahds.545
Raimann . . . 131, 336
Rambousek .... 1707
Rammstedt 354, 874, 1050
Rancon.955
v. Ranke . . . 597, 1489
lianoletti.1223
Ransom.1674
Ranusoine.545
Rapmund.941
Rapp.546
Rasch.335
Rathery.1280
Rathmann.265
v. Ratz. 1012
Raudnitz ..... 699
Ravaut 1152, l. ) S2, 164(5
Ravogli.476
Raw.1404
Rawitz.26, 514
Raymond.266
Rebensburg . . . .1144
Reber.1215
v. Recklinghausen . 984
Redlich.173
Reed R.-Philadelphia 23
Reed Ch. A.-Cincinnatti 23
Reeve.268
Regnault ... 1577
Rehn.628
Reich.1244
Reichard .778
Reiche . 1061, 1337, 1425
Reichel.630
Reichelt ..... 1316
Reichenbach . 1(53, 619
Reinbach.261
Reineke 1395, 1580, 1829
Reineboth . 163, 587, 617
Reinecke . . ... 860
Reiner.702
Reisinger.666
Reiske .1182
Reitzenstein .... 1089
Remlinger 810, 1279,1445,
1646
Renaut.753
Rendu.174
Rennie. 21
Renon . 1281, 1318, 1646
de Renzi . 709, 745, 909
Respinger.874
R4thi. 58
Prowe . .
Pros . - «
Prutz . -
Pryor . . •
przedborski
pgaltoff - -
Pulle . . «
Pupovac .
Purro
105
1223
387
942
843
1671
23
1508
1321
1185
591
1278
Putiata-Kerschbaumerl275
Qaadflieg.W72
Qaeirolo.bbd
Qnfenu.378
Seite
Richter P. F.-Berlin . 265,
910, 1051, 1572
Richter W.-Kottbus . 878
Ricketts.210
Rigbv. 21
Rieek 876, 947, 1086, 1442
Riecke .1608
Rieder . . 774, 1540, 1747
Riediuger.1086
Riegel A-Giessen . 1501
Riegel W. - Nürnberg 784
Rieger. 7, 1010
Riehl G.1575
Riehl-Leipzig .... 64
Rieken.1575
Riese .... 514, 706
Rieth us . .
Rindfleisch
Ringel . . .
Ringier . .
i Ri sei
1088
129, 1121
. . . 1641
. . . 334
1052, 1149
| Rissmann 312, 1436, 1438
v. Ritook.976
Ritter G.907
Ritter-Kiel.233
Ritter-Greifswald . . 1712
v. Ritter G -Prag . . 1639
Riva . . . 550, 619, 1613
Robert.1439
Robin . . 130, 785, 1222
Robinson . . 879, 1402
252,
Rey E. .
van Rey .
Reynes .
Reynolds
1508
1361
1613
1280
701
1415
130
401
911
300,
444
233
941
Rocas .
Rocchi
Röchet
Rodella
Roeger
Röhr.
| Römer.
Römer O.-Strassburg
Römer P. - Giessen
401, 908, 1013
Röpke .... 319,
Roestel.
Rose .... 200,
Roger .... 100, 1014
Rogers.1542
Rohden.905
Rohnstehl.1115
Rolleston . . . 165, 779
Rolly. 460, 576
Roioff.233
Rommel .... 357, 1610
Rona . . . 475, 552, 842
Roncali.550
Rondelli.1503
Ronsse J.167
Roos . . .1481
Roques de Fursac . 1320
Rosa.550
Rose A.-New-York . 56
Rose E.-Berlin 1142, 1387,
1604
Rosemann ... 62, 169
Rosenbach 400, 683, 840,
1621
Rosenberg.1669
Rosenberger 247, 1021,t470
Rosenfeld G.-Berlin 1573
| Seite
I Rothberger .... 907
I Rothschild D.-Soden 667,
! 745
Rothschild M.-Rand-
Rothschild O.-Frkfrt. 1466
Rothschuh .... 1432
Kolter E.-München 79, 1385
Roder .T.-Berlin 1213, 1504
Rounne.955
Roux.1357
della Rovere
Rovsing . . .
Roxburg . .
Ruata . . . .
Rubeska . ,
Kühner 940,
1354
450
201
22
Seite
Sasuchin.473
Sata . . . 708, 877, 1012
Saul . .
Saundby
Savage
Savor . . .
Saxer . . .
Schaefer R. .
Schäfer F.-M Uneben
483
Schaefer Fr.-Strassbg. 1600
Schaefer K.-München 17,
398
Seliaeffer R. . . . 1143
. 1550
175, 268, 1117
.106
... 20, 591
.1580
842
243,
1051,
Rudin . . .
Rudi off . . .
Rudolph . .
Kühl. 19
Rüge. 700, 1052
Ruhemann . . . 1386
Rumiuo 954, 1016, 1317
Rumpel 270,339,978, 1091
. 746
SchaefferO.-IIeidelbcr
g 55,
. 1759
! 333, 697
1353,
Schalita.
1246
Schambacher ....
94
r , 1315
Sehamelhout . . .
437
. 1678
SchanzA.-Dresden 509, 698,
. 1248
707, 873, 1313, 1588
>, 1190
Schanz F.-Dresden .
333
. . . 1575
1636, 1671
590, 1032,
Rumpf
Rumpf E.-Friedriehs-
heim.
Rumpf Th.-Hamburg
698, 877, 1432
Runeberg
Kupp .
Rupprecht
Ruprecht
Russow .
Ruzicka
ltybalkin
Rybiczka
llydygier
1243,
1641
1037
133,
778
1350
1143
1508
1406
590
1314
371
1320
618, 1437
. . . 1638
. . . 234
S.
Ribbemont - Dessaig-
nes ....
Ribbert 128, 742
1830
Ricci ....
Richardiere .
332, 1244
1211
Rosenfeld G.-Breslau
332,
Salomon V.-Lausanne 1144
100
1204, 1277
Salomonsohn
1640
1474
Rosenfeld E. Nürn-
Salowij . .
1314
1320
berg .... 1580,
1610
Saltarino . .
904
337
Rosenheim . . . .
1572
Salvolini . .
550
265
Rosenstein . . . .
201
Salzer . . .
1276
1018,
Rosenthal . . . 338,
1708
Salzmaim .
368
Rosin 201, 894, 845,
1057, ■
Salzwedel .
842
843
1118, 1354, 1573
Sames . . .
778
Rosinski.
57
Samt er . .
707
1321
Ross.
1444
Samways
944
, 976,
Rossa.
1782
Sander . .
623
de Rossi.
877
Sandmeyer .
1575
1117
Roatoski 1121, 1144,
1245,
Sanarelii
668
1360
1278, 1369
Sansom . .
661
, 945
Rotgans .... 132
, 620
Sansoni . 131, 699,
1283
. 1675
Roth W.
976
Sapelier . .
. . 175
, 921
. 1285
Roth-Berlin ....
200
Sarauw . .
1210
. 986
Roth H.-New-York .
879
Sarfert. . .
. 1.313,
1711
. 265,
Roth O.-Zürich . .
1752
Sarwey968,1006.1038,1075
Roth-Schulz ....
547
1183, 1541,
1783
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Schaper . .
Scharfe . .
Schattenfroh
1353, 1733
Schatz . . .
Schaumann
Schauta . .
Schech 972,16G9,1705,1747
Schede . 1115
Scheele.460
Seheffer J. G. Tb. 132, 657
Seheffer.883
| Seheffer O.-Heidelbg. 1573
! Seheffler . . . 757, 1278
! Scheib A.-Prag . . 619
I Scheib J.-Strassburg 589
! Scheibe 472,621,916,1249,
! 1501, 1571
■ Schenk F.-Prag 263, 503,
547, 1558
Schenk P-Berlin . . 1327
Scheube . . . . . 1634
i Scheuer 827
j Scheurlcn.370
i Schiech.1508
I Schiele.745
Schierbeck.1542
, Schiff-Wien . . . .1213
| Schiff A.-Wien . . . 1243
! Schiff E-Wien ... 918
| Schiller.1555
| Schilling 1038, 1354, 1457
i Schindler.1614
Sehittenhelm . 966, 1243
Schkarin.1011
Schlagintweit ... 93
Schleich. 473
Schlesinger H.-Wien 131,
405, 447, 819, 1467
Schlesinger W.-Wien 275
Schlifka.99
' Schlödte.264
! Schl off er. 94
! Schloth 132,620,118\ 1504
Schmauch . . . 262, 777
I Schmaus.1181
, Schmid-Monnard . . 1441
Schmid R.-Wien . . 1638
Schmidt P.191
Schmidt-Bonn . . . 1475
Schmidt M.-Cuxhaven 233,
298, 974, 1352
Schmidt M. B.-Strass-
I bürg . 343, 640, 1050
| Schmidt W.-Hannover 656
! Schmidt-Rimpler 1052,1278
i Schmieden . . 1115, 1636
i Schmilinsky . 399, 1515
i Schinit . . . 438, 1750
j Schmithuisen . . . 516
Schmitt A.-München 232,
s 383, 447, 814
j Schmitt H.-Wien . . 1707
1 Schreiber E -Göttin-
I gen ... . 163, 1424
! Schreiber P.-Magde-
| bürg.558
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Saal fehl.876
Saarn.460
Sabouraud.1440
Sabrazds.551
Sacerdotti.1087
Sachs-Hamburg . . 1834
Sachs H.-Berlin . . 126
Sachs R.-Breslau . . 1467
Sachse .... 238, 304
Saequep^e.1279
Sae misch 1049, 1141, 1599
Saenger A.-Hamburg 133,
170, 341, 374, 904, 978,
1515, 1606
Sänger M.-Leipzig . 972
Sagebiel . . . 1664, 1693
Saida.975
Saint-Philippe . . . 1361
Salaglii.1540
Salge. 60, 1022
Salimbeni.549
Salkowski 742, 942, 1242
Salomon H.-Frankfurt 234
Salomon M.-Berlin . 1278
XVI__INHALTS-VERZEICHNIS. 1900.
Seite I Seite | Seite 8eite Seite
kJVJUl V/Jf VI • • • • • ... • .. U^V^lVA.XU V m
Schroeder E.-Königs- Schramm. 20 Siredey.1318 Stepp.1612 i
berg. 1502 Schreiber.741 SitBinsky .1314 ' Sterling. 1425 | Tändler.1581
Schröder G.-Schörn- Scott. 23 Sittmann . 775 Stern Breslau . . . 210 i Talamon.820
berg. 976 Scudder. 1247 Sjöbring. 265 Stern-Kassel . . . 1472 Tallqvist.840
Schröder H.-Bonn . 1437 Secklmann . . 209, 241 Skinner. 476 Stern C.-Düsseldorf 434, Talma . . 701, 1115, 1185
v. Schrön ..... 710 Seelig. 1638 Skorscheban . . . 438 j 1471 Tandler ....... 621
v. Schrötter .... 545 Seeligmüller .... 1150 Skschivan .... 1426 I SternM.-Mtinchen 101,175, Tansini.954
Schrohe. 742 Sögale.1218 Slaimer.47G 268, 306, 550, 562, 815, v. Tappeiner . . 6, 1729
Schubert. . . 903,1760 Seggel C. 260,368,399,437, Slawvk. 942 922, 986, 1015, 1280, Taptas.1508
Schuchardt-Stettin298,629, 774, 840, 904, 940, 973, Smit'. 1504 1286, 1324, 1362, 1399, i Tarehetti . . . 1277, 1390
656 1010, 1017, 1049, 1141, Smith F. J. 780 | 1441, 1477, 1516, 1640, j Targett.1404
Schuchardt F.-Berlin 1541 1313, 1466, 1501, 1599, Smith H.1710 I 1646 Tarnowskv.1362
Schudmak A ... 1088 1748 Smith S. A. 269 i Sternberg-Berlin . . 126 Tarulla.1283
Schücking. 657 Seggel R. . . . . 1105 Smith-Lublin .... 1443 Sternberg C.-Wien 909, Tauber.1010
Schüle 235, 264,603, 1184, Sehrwald . . . .99,266 Smith A.- Marbach 662, ! 1388, 1602 Tavel .... 334, 974
1277 Seibert. 473 1469 Sternberg M.-Wien . 943 I Taylor.1318
Schüler. 742 Seifert 130, 973, 983, 1245 Smith-Noble . . . 1443 Sternfeld. 380 Teer E.-Basel .... 810
Schüller A.-Wien . . 878 Seiffer 301, 762,845, 1088, Smits. 874 Steudel .... 390, 877 Temesvary.586
Schüller M-Berlin 262,266, 1315 SneguirefE 18, 66, 368,1285 v. Stejskal . . .201, 840 Tendeloo.1745
658 Seiffert .... 777, 1476 v. Sohlern. 1783 Stich.1614 Tenderich.1387
Schürmayer .... 1434 Seitz.1313 Sokolowsky .... 1143 Sticher. 1782 Terrien.175
Schütz 335, 573, 908, 973, Seitz C-München 193,1780 Solger. 170, 947 Sticker ... 18, 96, 941 Terrier . . 811, 1014, 1397
1214 Seitz J.-Ziirich . . . 401 Sommer. 842 Stiassny S.-Heidelbg. 1600 Terni.1088
Schütze . . . 126, 1013 Seitz L.-München . . 388 Sommerfeld . .369,1466 Stieda A.-Chemnitz 1542 Tesdorpf . 609, 1113, 1514
Schultheiss .... 666 Seitz O.-München 1016,1464 Sonnenberger . . . 662 Stieda L.-Königsberg 1351 Testevint.1445
Schultz. 58 Selberg. 1353 Sonnenburg .... 234 Stierlin .... 873, 905 Thalmann.1013
Schultze 0.19 Selhorst. 1676 Sonntag. 1638 Stinson . . . . 177 Theilhaber 453, 834, 1325
Schultze-Duisburg . 1470 Seligmann.1515 Le Sorel. 1320 Stintzing 544, 741, 1424, Thenen . . . 561, 619
Schultze B.-Jena 1321,1671 Seilheim. 1464 Sorgente. 549 1669 Theodor.906
Schultze E.-Bonn 92, 128, Selter. 1475 Sotow. 1352 Stock .. 98 Thevenot.1577
162, 233, 330, 416, 812 Semon.130 Soubbowitsch . . . 1217 Stöcker. 1707 Thibault.175
1753 Senator 164, 590, 708, 1088 Souligoux. 1357 Stockmann .... 1639 Thiem .1551
Schultze Fr.-Bonn 885,1051 Sendler lu4, 1150, 1609, Soury.471 Stoeckel . . .876, 1436 Thiemich . . 130, 299
Schultzen . . 775, 1425 1714 Soxhlet. 1659 Stöltzing . . . 219 Thierach . . . 1108, 1276
Schulz Fr. N.-Jena .1521 Senger. 750 Spaot . 872 Stoeltzner . . . .60,299 Thiery . . . . 1251, 1320
Schulz H.-Greifswald 957 Senn A.-Wyl . . . 1279 Spaeth . 1206 Stolper. 438 Thilo.399
Schulz J.-Hamburg . 1143 Senn G.-Halle . . . 778 Spaethe.1144 Stolz-Strassburg 134, 343 Thöle.808
Schulze F.-Göttingen 346 Senni. 744 Spalteholz. 18 Stolz M.-Graz . . 1636 Thorna E.-lllenau . . 1314
Schulze-Vellinghausen 647 de Sergneux .... 19 Spatuzzi. 708 Storch . . . 877, 906 Thoma R.-Magdeburg 1749
Schupfer.743 Serieux.1014 Spee . 1607 Strada. 1783 Thomann.369
Schur. 1502 Serono. 1283 Sperling. 333 Stradomsky .... 1386 Thomas P. H. S. . . 132
Schuster F.-Wien . . 843 Sersiron. 747 Spicer. 1444 Straeter. 1246 Thomas E.M.-Gladbach 976
Schuster L.-Aachen . 1467 Sessous . . . . ■ . 1175 Spiegel. 225,976 Strasburger 533, 1314 Thomesco . . 1014, 1476
Schwabe. 1643 Severano . . 1148, 1149 Spiegelberg 202, 940,1539 Strasser. 702 Thompson.1405
Schwalbe E.-Heidel- Severeanu 1218, 1358,1676 Spiegler .... 552, 1440 Strassmann . . 747, 1679 Thomson J.1117
berg .... 975, 1617 Seydel.1182 Spiller. 1468 Stratz. 262 Thomson St.7b0
SchwalbeJ.-Berlinl36,1182, Shattuck. 1467 Spinelli. 1398 Strauch-Berlin . . . 1573 Thomson - Edinburgh 1443
1424, 1539 Shober . . . 23, 476 Spirak. 878 Strauch-Braunschw.. 163 Thorn . . 104, 856, 1609,
Schwartze. 1249 Shukowsky . . 699 Spitta. 778, 1542 704,908,977, 1118,1147, Thornburn.780
Schwarz-Köln ... 631 Siber .... 904, 1276 Spitzer . 1708 1501, 1573, 1756, 1833 Thorndike.1467
Schwarz-Leipzig 1019,1580 Sicard. 1646 Spolverini. 1577 Strauss J.-Frankfurt 331 v. Thümen . . . 952
SchwarzF.-Fünfkirchen942 v. Sicherer. 1002 Sprengel. 705 Strauss W.-Berlin . 1781 Thumim . . . 1603, 1749
Schwarz J.-Baden . . 977 Sick-Kiel. 906 Sprigg.1216 Strebei . . . 1052, 1719 Thursfield.1505
Schwarz K.-Agram . 1709 Sick C.-Hamburg 170, 978 Springer.241 Streber. 952 Tibault.921
Schwarz L.-Prag 172, 703 1641 Springfeld . . . 904, 1276 Ströhmberg . . . .1571 Tichonowitsch . . . 472
Schwarzenbach 95, 1635, Sidler Huguenin 474, 514 Springorum .... 848 Stroganoff 5i8, 1285, 1782 Tietze . . 262, 706, 1387
1672 Siebenmann 31, 401, 943 Ssobolow. 1574 Strohmayer . 1013, 1064 Tillmanns . . 842, 343
Schwenter - Trachaler 553 Siebert. 1489 Stadelmann 126, 300, 587 Strübing. 62 Tilmann .... 62, 1543
Schwertassek . . . 299 Sieberth.1426 Staehelin.1213 v. Strümpell . 1289, 1424 Tirard .1443
Schnabel ... . 753 Siedentopf 480, 848, 1119 Stähler. 1277 Strube.1011 Tischer . . . 483, 1244
Schneider. 444 Siebourg. 1750 Stahl.1215 Strubell . 642,664, 1008 Tittel .... 307, 1116
Schneider F.-Rostock 874 Siegel. 1278 Stamm ... 699, 881 Struppler . . 1267, 1425 Tizzoni.131
Schneider J .-Fulda . 58 Siegert 203, 299, 473, 657, Stapler.5»9 Struycken. 1504 Tjaden.1183
Schneider J.-Prag . . 439 742, 1011, 1087, 1476, Stare.210 v. Stubenrauch . . 629 Tobeitz.906
Schneider L.-Freiburg 204 1541, 1574, 1602 Starck H.-Heidelberg 1687 Sttibben ...... 1395 Toeplitz.1641
Schneider P.-Magde- Siemerling . . 623, 842 v. Starck 376, 699, 1573 v. Stühlern .... 514 v. Török . . 336, 779
bürg. 272 Sieur. 1283 Starke. 703 Stühlinger. 19 Toff 224, 441, 1115,1493,
o-7i om o; o ck. __ dca o*_-f t tnät -tonn
Schober. 1705 Sighicelli. 909 v. Stein St. 840 Stumpf M.741 Tomasczewski E. . . 299
Schoedel . . . . 895 Sigismund. 28 Stein C.-Feudenheim 264 Sturmann. 372 Tomlinson. 60
Schöfer.512 Silberschmidt . 658, 943 Stein L.-Wien 1576, 1708 Stutzer. 1354 Tommasoli . ... 136-
Schoemaker . . . 589 Silberstein . . . 301,1223 Steinborn .... 734 Subbotic.512 Tonsini.1388
Schoen .... 99, 1602 Silex .... 908, 1710 v. Steinbüchel 473, 1183 Suchannek .... 575 Tonta.586
Schoenichen .... 1312 Simmonds 52, 237, 317, Steiner Berlin . 275, 1710 ! Sudeck . . 207, 749, 874 Torggler.438
Scholder. 474 555, 1578, 1758 Steiner J.-Köln . . 1788 Sudhoff.1310 La Torre.1398
Scholefield .... 781 Simon A.-Wien-Berlin 127 Steiner V.-Hagenau . 1601 Sudsuki . . . .942, 1050 Torrey.1468
Scholl.514 Simon M.-Nürnberg Steinhardt. 784 Suleiman Bey . . . 332 Torri.1016
Schölten. 1672 480, 1715 Steinhausen . . 589, 908 Sutherland . . 443, 1683 Torrisi.1640
Scholtz .... 474, 1115 Simonelli. 1639 Steinschneider . . . 876 Svehla .... 545, 1476 Tostevint .... 1646
Scholz F. . . . . . 697 de Simoni . 96, 546, 658 Steinthal . . . 251, 705 Sybel. 1353 Traina.1783
Scholz E.-Hamburg . 152 Simpson A. R. . . . 1117 Stekel.1215 i Sykoff.1313 Trautmann F. . . . 1248
Schorlemmer . 458, 1672 Simpson F. 337 Stembo. 843 i Syms. 879 Trantmann G.-Mün-
Schott . . 628, 702, 943 Sinnreich. 336 Stempel.512 j Szego. 1352 chen.117
Schottelius .... 1251 Sioli. 625 Stenger. 338 j Szili. 1543 Treitel.1761
Schottmüller.... 1184 v. Sion. 908 Stenhouse. 269 v. Szontagh .... 906 Trendelenburg . . . 1020
Schonte. 620 Sion-Moschuna . . . 1466 8tephan .. 620 | Szymonowicz . . . 1633 Treupel ... 718, 821
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
r
1900.
Seite
Trevea . . 443, 984 », 1117
Trias.709
Triboulet.1281
Triepel.339
Tripet.1191
Trnkii.657
Troeli-Peterson . . . 333
Trömner . 749, 1006, 1641
1757
Troitzky. 1352
Trolard.1015
Troller. 127, 264
Trommadorff . . . . 413
Trumpp . . 653, 654, 940
Truneeek.1614
Trunczek .1149
Tsakiris.1439
Tschistowitsch . . . 1015
Tschmarke1150,1190,1191,
1749
Tsehudi. 20
Tuczek.1677
Türck.1149
Türk S. . . . 98, 953
Türk W.-Wien . 515, 662
Tuffier .... 1148, 1251
Tnnniclife.1444
Turban. 429, 775
Turck. 59, 1468
Turner A. J. . 945, 1443
Turner G. R.165
Tuaini.1670
Tuszkai.1386
U. l
Uexküll. 939 !
Ughetti.743
Ugolotti. 1618 ,
Uhlenhut . . . 236, 1673 |
Uhraa. 552 !
Uhthoff . . . 839, 1783 j
Ullmann 1246, 1321, 1752
Umber-Berlin 588, 1502
Umber-Straasburg . . 200
Ungar.1474
Unna . . 553. 807, 1360
Unterberger.513
Urban. 750, 881
Ury.1115, 1706
INHALTS-VERZEICHNISS.
XVII
Seite
Villemin.1280
Villy.1674
Vincent M H -Paria . 101
Vincent-Vai-de-Gritce 1250
Vincenzi.700
Vindevogel .... 1676
Vineberg. 60
Vinci.1445
Virchow 57, 270,984, 1087,
1115, 1183
Vittodini.1145
Vlachos.1088
Voelcker-London . . 1442
Völcker F.-Heidelberg 1182
Vogel G.-Würzbg. 809, 875,
1426,1601,1636,1672,1832
Vogel K.-Marburg . 1353
Vogel M.-Hamburg . 556
v. Vogl.843
Vogt .623
Voigt J. ...... 298
Voigt L.-Hambg 519,1352,
1759
Voinitach-Sianojentzky
1320
Voit 543, 655, 807, 839,
1242
Vold.1673
Volhard .... 142, 1278 ;
Volland. 634 !
Vollbrecht. 1086 I
Vorster. 1678 1
Vorstetter.1679
Vucetic.906
V ulpiua 103,197, 569, 698,
707, 1141, 1313, 1319,
1465, 1471, 1749, 1783
W.
Wälscli ... 475, 552
Wagenmann 63, 272, 301, I
375
Wagner-Karlsruhe 589,1749
Wagner v. Jaureek 743
Seite
WassermannM.-Meran 548
v'. Watraszewskv . . 335
Webb 755
Webber.441
Weber F.1706
Weber F. P.775
Weber-Berlin . . . 512
Weber-Halle . 1052, 1713
Weber H.-London 270,1216
Webster.879
Weehsberg .... 1261
Wechselmann . . . 552
Wegener . . . 301, 1502
Weigmann-Hamburg 1118
Weigmann-Kiel . . 1055
Weil.1707
Weinberger M. . . 336
Weinberger A.-Wien 1246
Weinlechner .... 448
Weintraud . . . 628, 1431
Weischer.1425
Weiss L.744
Weiss A.-München . 295
Weiss A.-Wien . 336, 955
Weiss H -Wien ... 69
Weiss J.-Basel . . . 703
Weiss M.-Wien . . 1543
v. Weiss O -Sarajevo 975,
1279, 1832
Weiss S.-Wien . . . 777
Weissenberg .... 1718
Weissenberger . . . 1541
Weissenfeld .... 1542
Wuisz-Ofen-Pest . . 1670
Welander
Weleminsky
Wells .
Wen ekel,ach
Wen gl er
Werewkina
Wernninn .
. . 335
. . 402
. 1216
332, 627
. 1493
. . 1352
. . 234
Vallas.
Vannini . . . 1051,
Vanzetti.
Vaquez .
Variot .... 174,
Vassmer.
Veau . . . . 1016,
Yeiel.
Veilchenfeld . . . .
Veillon .... 1361,
Veit . 472, 776, 877,
Veraguth.
Verceeco.
Verworn .
Viala .
Vicenzo .
Vidal-Hycres . . . .
Vidal-Kiel .
Vierordt .
Viertel.
Viilar.
Villard.
1576
1145
633
481
1322
1781
1218
1182
208
1439
1436
1314
1359
1428
1795
1639
1249
618
662
1471
1217
1280
Walbaum . . .
-vn», UJ.O
. . 1184
Walcher G. • .
. - 497
Waldeyer . . .
. . 168
Waldvogel 163, 1604, 1673
Waldstein 438 1466, 1749
Walker . . . .
. . 20 1
v. Walla. . . .
. . 776
W aller ....
. . 1516
Wallerstein . .
. . 557
Wallis . . . .
. 1402 !
Walsh . . .
. . 1505 !
Walz .
933, 1029
Walzer . . . .
369, 1052
Wanner P. A. .
. . 975
Wanner F.-München 807.
881
Wappenschmidt
. . 439
Warburg . . .
. . 1221
Ward .
. . 1362
Warnecke . . .
945, 1412
Wamekros . .
. . 1514
Warren . . . .
. . 1467
Washburn . . .
. . 106
v. Wasiliewski .
. . 778
WassermannA.-Berlin 707,
1052
Wassermann M.-Berlin-
München 93, 332, 698,
986, 1056, 1057, 1086,
1386, 1541
Werner 63, 134, 207, 271,
340, 404, 509, 592, 669,
750,912,978,1091,1114,
1606, 1642, 1834
Wertheiin 439, 1716, ! 1752
Wertheilnher A ,-Miinchen
92, 1312, 1781
Wert h ei in be r T h. - N n r n I) er g
560
Wesener .1468
West .... 1443, 1710
Westermark ... 1750
Westphal . . . 808, 1758
Westplialen F.-Flens¬
burg .298
Westphalen H. St.-
Petersburg 58, 2(54, 1244
Wethered.1710
Wettendorff .... 879
Wetzel.1767
Weygandt 148, 368, 1242,
1599, 1673, 1717
Weyl.306
Whiting.620
Wichmann . . . 330,1057
Wickel . . . 249, 1708
Widal 753, 954, 1152,1222
1282, 1646
Widenmann .... 168
Wiedeburg . .
Wiedersheim .
Wiemann . .
Wiener . . .
Wiener E. . .
. . 1541
91, 330
. . 1351
. . 1464
. . 1052
Seite
Wiener J.-New-York 337
Wiesinger 30, 237, 1578,
1757, 1834
Wieting .... 94, 1641
Wild bolz . • .... 512
Wilbrandt.904
Wilks.270
Wille.1388
Willerain. -882
Wilgerodt,.1152
Williams.787
Williams K.1506
Williams II. 1.337
Williams-London . . 1443
Williams J. W.-Balti¬
more . 23
Williams F. II.-Boston 59,
844
Williamson R. T. 443, 1444,
1506
Williamson-Cvpern . 1444
Wilma . . ’. 436, 1020
v. Winckel 1285, 1436, 1437
Winckler E.-Bremen 31,77
Winckler E.-Marburg 1277
Windscheid .... 1019
Winkler A.1751
Winkler F.1085
Winkler K. 307,335, 1602,
1637
Winter-IIagenau . 741
Winter G.-Königsberg 1503
Winterberg H. 333, 546
Winterberg J.-Wien 1428,
1576
Winternitz.474
Winternitz W. ... 658
Winternitz A.-Tübing. 333
Winternitz E.-Tübing. 260,
1435, 1635, 1765, 1796
Winternitz H.-Halle . 1085
Wintgen.1388
Wirtz.1438
Wisniewski .... 334
Wellington .... 1247
Witte ... . . 552
Witthauer 1491,1614,1832
Witzei 698, 810,1706, 1832
Wölfler .... 165, 172
v. Woerz.1314
Wolligem utk 672,707,1214,
1250, 1283, 1543
Woithe . . . 1013, 1245
Woldert.879
Wolf-Berlin .... 1351
Wolf W.-Lüdenscheid 766
Wolff-Berlin .... 370
Wolff A. -Berlin . . . 1353
Wolff A .-Strassburg . 405
Wolff A. -Tübingen . 1013
Wolff B.-Berlin . 18, 618
Wolff F.-Reiboldsgrün 747
Wolff H.-Berlin 129 , 590,
1013
Wolff J.-Berlin 128 , 800,
372, 618, 701, 1510
Wolff M.-Berlin 270, 1051
Wolff O.-Köln 298, 557,881
Wolff berg. 98
Wolffhügel E.-Mün¬
chen .... 808, 1409
Wolffhügel K.-Glau¬
gau .1144
Wollermann .... 1278
Wolpert .... 440, 546
Wood.1505
Seite
Woods.177
Woodson.476
Wormser 1373, 1601, 1636,
1672
Wright .... 269,1504
Wroblewski .... 551
Wülfing.1781
Würz.974
Wulff.687
Wunderli.974
Wunderlich . . . . 971
v. Wunschheim 1115, 1542
Wuth.974
Wybauw 167, 879, 1670,
1751
Wvlie.844
Wyss.974
Yamagivu . . . 809, 1244
Yarrow.878
Zabe.1188
Zabludowski ... 93
Zabolotny.549
Zängerle.414
Zambaco . . 1122, 1444
Zander . . . 242, 841
Zamiko. 63, 946
Zaudy 163, 809, 1144, 1354
Zaufal.... 503, 1558
Zeehuisen. 19
v. Zeissl.1638
Zeitlmann.946
Zeltner.886
Zen.1145
Zengerle.890
Zepler ... 163, 441
Zeroni . . . 1248, 1249
Zettnow.975
Zeuner.1024
Ziegler.774
Ziehen.272
Ziem.946
Ziemann.942
Ziembicki.1318
Ziemssen.1184
Zimmermann F. . . 18
Zimmermann-Halle . 1831
Zimmermann A.-Zürich
1600
ZimmermannE. -Strassburg
134
Zimmermann P.-Berlin 976
Zimmermann W.-Osnabrck.
1183
Zink.912
Zinn 57,61, 133,296, 301,
338, 1085, 1212, 1635,
1706
Zollikofer.1389
Zorn . . .1588
Zotos.1143
Zuckerkandl E. . . 1500
Zuckerkandl 0.-Wien 99,
344, 1669
Zuelzer.1427
Zupitza.299
Zupnik. 20
Zuppinger . . . 659, 1182
Züsch.1244
Zweifel.1398
Digitized b"
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3
Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
xvur
INHALTS-VERZEICHNTES.
1900.
III. Sach-Register.
A.
Abdominal- und Pleuralpunction, von
Hellendall.659
Abdoininaltyphus s. a. Typhus, lleo-
typhus, Unterleibstyphus.
Abdominaltyphus, von Fitz 476, Resul¬
tate der Forschungen gegen —, von
Wright 269, Demonstrationen über
—, von Fraenkel 519, Schutzimpfungen
gegen —, von Fullerton 944, — mit
posttyphöser Schilddrüseneiterung,
von Schudmak und Vlachos 1089,
gangraenöse Dermatitis bei —, von
Stahl 1215, Behandlung des —, von
Musser, Anders und Packard 1216,
Diagnose des —, von Berliner und
Cohn 1263, operative Behandlung der
Peritonitis bei —, von Shattuck, War-
ren u. Cobb 1467, Verbreitungsweise
des —, von Dräsche.1688
Abfallstoffe, Fosses Mouras und ähn¬
liche Einrichtungen zur Beseitigung
der, von Roth und Bertschinger . .1752
Abführmittel der Aloederivatgruppe, von
Esslemont. 20
Abgeordnetenkammer, Finanzausschuss
der bayerischen.307
Abhärtung, von Kisskalt.HO
Abkühlung, Blutveränderung in Folge
von, von Reineboth 163, von Grawitz
163, von Reineboth und Kohlhardt . 587
Abnormitäten, von Saltarino.904
Abortausräumen, Technik des, von Thorn 1790
Abortus arteficialis, von Oehlschläger
1011, Behandlung des unvollständi¬
gen —, von Fischer 1543, Chorea und
Leukaemie als Indication zu künst¬
lichem —, von Merttens.1750
Abscess, subphrenischer, von Strohmayer
1063, von Heinlein 1151, von Godlee
1402, von Krohna 1638, metapneu¬
monischer — mit dem Diplococcus
pneumoniae in Reincultur, vonRoeger
1415, Behandlung von — mit reiner
Carbolsäure, von Phelps 1307, von
Jochner.1596
Abwasser, bacterielle Behandlung der
Londoner, von Clowes.816
Acardii und ihre Verwandten, von Schatz
368, 618
Acardius, von Wolff. 18
Aceton, Entstehung von, aus Eiweiss,
von Blumenthal und Neuberg . . .1762
Acetonausscheidung, von Schwarz 703,
von Voit.807
Acetonglykosurie, von Buschhaupt . . 657
Acetonurie, von Waldvogel 163, puer¬
perale —, von Schölten.1672
Acetopyrin, von Winterberg und Braun 1428
Achillessehnenreflex, Fehlen des, von
Strasburger.1314
Achondroplasie, von Porak und Durante
1398, — im Kindesalter und beim
Erwachsenen, von Marie.1577
Achsencylindertropfen, von Neumann . 1050
Achylia gastrica, von Meyer 521, 672,
Pepsinfrage bei — gastrica, von
Troller.264
Addison’sche Krankheit, von Zaudy 163,
von Huismans 421, von Sergent und
Bernard 1283, von Engelhardt 1286,
Behandlung mit Nebennieren-Tab¬
letten bei —, von Edel.1821
Adenitis, praecoecale, von Marchant . 378
Adenocarcinome, von Grawitz 338, —
des Coecüm, von Krecke. 42
Adenoide Wucherungen, Kopfweh als
Folge von —, von Mc Keown . . . 1404
Adenom der Supraclaviculargegend, von
Becker 1471, malignes —. von Sel-
berg 1353, von Hansemann .... 1637
Adenomyom, lymphangiektatisches, des
Lig.rot., von Rosinski 57, — des Epo¬
ophoron und Paroophoron, von Pick
618, 809, — des Lig. rotundum uteri,
von Engelhardt.
Aderlass bei Uraemie, von Richter 265,
— bei Hitzschlag, von Klein 929,
schwere Uraemie, geheilt durch —,
von v. Iloesslin 930, — bei Säug¬
lingen, von Gregor.
Adnexerkrankungen, conservirende Be¬
handlung entzündlicher, von Ilerr-
mann. . . .
Adnexoperationen, Spätresultate von
doppelseitigen, von Baruch . . . .
Adnextumoren, conservativc Behand¬
lung der eiterhaltigen, von Diilirsseii
Adresse an Prof. Stintzing.
Aerzte s. a. Arzt, Amtsarzt, Bahnärzte,
i Berufsgenossenschaft, Cassenärzte,
| Honorar, Gefängnissärzte, Militär-
j ärzte, Praxis, Qu arantai ne-Aerzte,
i Nothlage, Schematismus, Streik, Ta-
! xen, Unterstützungscassen, Verjahr-
! ung, Verträge.
Aerzte, weibliche, s. a. Medicinstudium,
| Frauenstudium, Aerztinnen.
Aerzte, Vertheilung der, in Deutschland
! 106, Zunahme der — in Oesterreicli
! 240, Conflict zwischen — und Cassen
in Dresden 276, 522, — und Kranken-
cassen 346, weibliche — bei den
Krankeucassen 372, Unterstützungs-
Verein für — in Wien 405, — als
Kläger 520, von — und Patienten, von
Scholz 697, sollen lungenkranke —
Schilfsdienste nehmen? von Freund
| 698, humanistische Vorbildung der —
i 787, Verein zur Unterstützung inva-
| lider hilfsbedürftiger — in Bayern
755, 1718, 1719, 1795, Auskunftsstelle
für Niederlassung deutscher — im Aus¬
lande 920, Besteuerung der — 928»,
, 1018, weibliche — 955, — in Italien
( 1025, Gesundhoitsverhältnisse der - ,
von Kruse 1191, Anstellung weiblicher
! — bei Krankeucassen 1220, Verband
! der — Deutschlands zur Wahrung ihrer
| wirtschaftlichen Interessen 1367,
j 1106, 1407, 1549, 1614, 1632, 1647,
i 1679, 1683, 1684, 1704, 1716, 1717,
1719, 1720, 1763, Fortbildungscurse
I für — in Frankfurt 1583, Sterbecasse
der— Wiens 1612, Annoncirender—,
Aerztebueb, Württembergisches ....
Aerztccursus in Greifswald .
Aerztekammer für Berlin-Brandenburg
107, 343, 716, 787, 923, 1796, 1834, aus
den preussischen —, von Brauser 229,
thüringische —• 243, Umlagereehtder
— 518, österreichische — 593, 1582,
bayerische 850, 1445, Verbescheidung
der bayerischen — 1123, Wiener —
1478, resolute — 1478, Verhandlungen
der bayerischen —.
Aerztekammer-Ausschuss, preussiseher
596, 716,
Aerztekammerblatt, österreichisches . .
Aerztekammerwahl, Berliner.
Aerztetag, Deutscher 755, mittelrheini¬
scher — 788, Einsetzung eines bay¬
rischen —.
Aerzteverein, Ansichten und Bedenken
des Metzer, über das Programm des
V. d. Ae. I). z. W. i. w. I.
Aerztevereinshund, Geschäftsaussehuss
des . . 451, 1583, 1614, 1632, 1647,
Aerzteversainmlung, allgemeine, in Wien
Aerztinnen, Gesuch der Berliner, um
Schularztstellen.
Aerztliche Behandlung der Militär-Ange¬
hörigen .
1051
1087
776
776
1183
1091
1836
347
108
1797
753
520
26
1795
1764
1679
1680
203
1224
1 Seite
| Aerztliche Interessen,Verein zum Schutze
i der, in Ludwigshafen.1517
I Aerztliche Rechts- und Gesetzeskunde,
j von Rapmund und Dietrich ... . 941
I Aerztliclier Stand, neue Wandlungen im,
von Müller 1089, Revolution oder
! Evolution des —, von Mayer . . . 1667
Aerztliclier Verein München, Stiftungs.
I fest des .1583
j Aether s. a. Wasehacther.
Aethermaske, Thermophor bei der Wag-
( ner-Longard’sehen, von Longard . . 1313
Aetheruarkose, vonGunning 1460,Todes-
i fall bei —, von Schneider. 58
j Aethylchloridnarkose, Gefahren der, von
j Lotheisen.601
| Agglutination s a. Typhus
j Agglutination des Milzbrandbacillus, von
Lambotte und Marechal 101, — von
Tuberkelbacillen, von Bendix 372,
— der rotlien Blutkörperchen, von
Malkotf 547, — von Faecalbacterien
durch das Blutserum, von Köhler und
Scheffler 767, - des Koch’schen Ba¬
cillus, von Arloing und Courmont
775, — des Bact. coli, von Rothberger
907, Verwertlibarheit der — für die
Diagnose der Typhusbacillen, von
Sternberg .
Agglutinationslehre, von Köhler . . .
Agglutinationsreaction,von Bezan<pm und
Griffon.
Agglutinationsversuche mit mütterlichem
und kindlichem Blute, von Halban
Agglutininbildung, von Deutsch ....
Agglutinine, von Hahn und Tromrns-
dorff 413, specifische —, von Mal-
voz 101, Beziehungen zwischen —
und Lysinen, von Gengou ....
Airolpaste, Bruns’sche, von Frankl 841,
von Stocekcl ..
Aix-les-Bains in Savoyen, von v. Leyden
Akademie der Wissenschaften in Wien
Akanthosis nigricans, von Burmeister .
Akne urticata, von Löwenbach 474, Be¬
handlung der nekrotisirenden —, von
Luithlen.
Akrolein, Giftwirkung des, von Lewin .
Akromegalie, von Bonardi 131, von Col¬
li na, von Bassi.
Aktinomyceskolben, morphologische Be¬
deutung der, von Benda.
Aktinomycespilz, von Sternberg ....
Aktinomykose, von Poncet und Berard
815, Leber mit —, von Litten 103,
metastasirende —, von Benda 372,
— des Mittelohrs, von Beck 548, Be¬
handlung der —, von Tansini 954,
— der Haut, von Lieblein 1182, Jod-
kaliumbehandlung der menschlichen
—, von Lieblein 1466, — des Fusses,
von Tusini 1670, — des Ober- und
Unterkiefers, von lloffmann .... 1758
Albert, Hofrath Professor Dr. E. f 1400,
— ’s Lehrkanzel 1478, Gedenkrede
auf — . . .1550
Albuminurie des scheinbar Gesunden, 1 ]
von Hawkins 22, Pathogenese der
cyklischen —, von Rudolph 400, —
und Diabetes, von Schupf er 743, mi¬
nime —, von Raudnitz 699, cyklische
—, von Daucliez 1439, intermittirende
— des Kindesalters, von Gillet 1439,
acute — mit Uraemie, von Evill und
West..1710
Albumosurie, Bence-Jones’sche, v. Zuelzer 1427
Alexander’sche Operation, Technik der,
von Török.779
Alexander-Adams’sehe Operation bei Re-
troflexio uteri mobilia, von Peters . 1163
Alexine, Kcnntniss der, sowie specifisch-
baeterieiden und spec.-haemolytischen
1388
1243
1646
968
1144
101
876
92
818
336
1145
545
550
753
909
Difitized b 1
■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
TNHALTS-VERZBICHNISS.
Wirkungen, von Buchner 277, Ex- !
traction von — aus Kaninchenleuko-
cyten, von Laschtschenko. 907 (
Alkohol, Einfluss des, auf die Muskel¬
arbeit, von Scheffer 132, eiweissspa-
rende Wirkung des —, von Rosemann
169, — als Gegengift der Carbolsäure, i
von Phelps 275, von Jochner 1596, t
Einfluss des — auf die Muskelarbeit,
von Scheffer 657, — als Desinfec-
tionsmittel, von Salzwedel und Elsner
842, Verwendung des — zur Hände¬
reinigung, von Braatz 1001, erregende
Wirkung des —, von Gregor 1087, |
nährende oder toxische Wirkung des ,
—, von Kassowitz 1246, Wirkung des
— auf tuberculöse Processe, von Mir-
coli 1246, Einfluss des — auf die
Empfindlichkeit für Infectionsstoffe*
von Laitinen 1315, Pathologie des —,
von Rosenfeld 1573, Bedeutung des —
für die Händedesinfection, von Braatz 1693
Alkoholdämpfe als Desinfectionsmittel,
von v. Brunn .1427
Alkoholismus in den Pariser Spitälern,
von Jacquet 174, Vierteljahrsschrift
für — 564, Behandlung des —, von
Crivelli 921, — der Kinder, von
Brnnon 1439, VIII. intemat. Congress
gegen den —.. . . 1836
Alkoholnarkose, von Matthaei .... 18
Alkoholomanie und Serum alkoholisirter
Thiere, von Broca, Sapelier und Thi-
batilt ... 175
Alkoholverbände, von Graeser . . . . 999
Alkoholtherapie, locale, in der Gynäko¬
logie, von Seitz. 388
Allantoinausscheidung, von Poduschka . 657
Alopecie, von Lassar 1439, Pawloff 1439,
Sabouraud.1440
Alopecia syphilitica, von Gaucher 139,
von Pionski 753, — und Seborrhoea
capitis, von Gessner 715, — prae¬
matura, von Saalfeld 876, durch Rönt¬
genstrahlen geheilte — areata, von
Kienböck 1612, Behandlung der —
mit Radiotherapie, von Freund . . 1793
Alsol, von Frieser.1246
.Alterssklerose, Symptomatologie der, von
Friedmann.943
Aluminiumschienen, biegsame, von Sten¬
del 396 , von Schanz . . . 509
Al varen gapreis.1518
Amblyopie aus Nichtgebrauch, von Silex
908, — nach der Hochzeit, von Hut¬
chinson .1117
Ambossextraction, Instrument zur, von
Zeroni.1249
Ambulanz, Deutsche, in Südafrika . . 523
Ambulatorien, gegen die, in Wien . . 917
Ambulatorienfrage
Amoeba ciliata als Krankheitsträger, von
Graham 59, — coli, von Fenoglio . 1282
Amtsärzte, Jnstrnctionscurse für, in
Oesterreich.1365
Amyloformbehandlung, von Sagebiel . 1693
Amyloid des Larynx etc, von Glöckner 1353
Amyloiderkrankung, Stadien der, von
Davidsohn.• . . . . 129
Amyloidgeschwülste, multiple, der oberen
Luftwege, von Manasse.1087
Anaemie s. a. Blut, Herzgrösse.
Anaeraie, leukopenische, von Decastello
und Hofbauer 588, mit Antistrepto-
coccenserum behandelte perniciöse
—, von Eider 780, perniciöse —,
von Stejskal und Erben 840, von
Caccini 1613, perniciöse — mit
gelbem Knochenmark, von Engel
840, Veränderungen am Digestions-
tractus bei der pemiciösen —, von
Faber und Bloch 840, progressive
perniciöse — im Kindesalter, von
Theodor 906, acute —, von Wanner
975, Kenntniss und Behandlung der
—, von Senator 1088, Stoffwechsel-
versuche bei schwerer —, von Mora-
czewski 1114, rapid verlaufende
schwere —, von Leube 1120, Aetio-
logie der progressiven perniciösen —,
von Bussenius 1572, — mit lymph-
aemischem Blutbild, von Geissler und
Japha 1574, Aetiologie der progres¬
siven —, von Vincenzo 1639, schwere
— bei Knochencarcinose, von Frese 1748 ;
Anaesthesie s. a. Cocain, Localanasthesie.
Anaesthesie, chirurgische, im Mittelalter,
von Husemann 512, Einschränkung
der allgemeinen —, von Bloch 811,
— durch Coeaininjectionen in das
Rückenmark, von Severano 1148, ,
von Racoviceanu-Pitesci 1149, all¬
gemeine — mit Aethylchlorid, von
Severeanu 1358, — durch Cocain- ;
injection in den Lumbalsack, von
Leguen und Kendirdy.1647
Anaesthetica, Wirkung der, auf die
Nieren, von Kemp 476, von Thomp¬
son und Buxton.1405
Analeptica der Athmung, von Impens . 167
Anallist ein, von Meisel .1600
Anastomosenklemme, von Krause . . . 1143
Anastomosis, intestinale, von Ferguson
1216, — vesico-rectalis, von Frank
1284, intestinale und gastro intesti¬
nale —, von Roux 1357, von Souli-
goux.1357
Anatomie, Handatlas der, des Menschen,
von Spalteholz 18, Gaupp’s — des
Frosches, von Ecker und Wieders-
heirn 91, Gestaltung der patliol. —
in Deutschland, von Virchow 1087,
Atlas der topographischen —, von
Zuekerkandl 1500, Lehrbuch der '
mikroskopischen —, von Szymono-
wicz.. . 1633 1
Aneurysma s. a. Aorta, Brustaneurysma.
Aneurysma der Goronararterien, von
Capps 23, — aortae, von v. Leyden
136, — der Aorta thoracica descen-
dens, von Wemberger u. Weiss 336,
traumatisches — der Art. brach., von
Sinnreich 336, Schmerzen bei—, von
Huchard 521, — der Art. brachialis,
von Plattner 588, — der Carotis int.,
! von Karplus 593, von de Fabbro
j 1320, — der Bauchaorta, von v. Ley-
. den 672, — der Carotis interna nach
Tonsillarabscess, von Wulff 687, Be¬
handlung des — mit Gelatineinjec-
tionen, von Futcher 878, — des Ar¬
cus aortae, von Ewald 1622, mit Ge-
hitineinjectionen behandeltes — der
Aorta, von Lancereaux 1222, Behand¬
lung von — durch Elektrolyse , von i
Bernheim 1246, — cordis, von Strauch
1573, — arterio-venosum, von Lewtas
1710, — der Nierenarterie, von Morris 1710
Aneurysmatischer Sack, Draht zur Ein¬
führung in einen, von Reeve . . . 268
Angina mit dem Bac. fusiformis, von
Vincent 101, — mit Endocarditis,
von Roeger 252, — chron. lepto-
thricia, von Epstein 878, Diagnose
der —, von Bezan^on und Griffon
1646, — pectoris, von Salomon 1278,
nervöse Störungen im Bereiche des
Brachialplexus bei — pectoris, von
Löwenfeld 1095, Appendicitis nach
—, von Kretz 1762, Phlegmone des
Proc. vermiformis nach —, von Kretz 1784
Angioelephantiasis, von AVolff .... 330
| Angiokeratoma, von AVisniewski . . . 334
I Angiom, cavernöses, von Heinlein 273,
I Behandlung des —, von Le Dentu
I 633, cavernöses — des Grosshirnes,
von Struppler 1267, — senile, von
| Dubreuilli.1477
I Angiothrypsie, Erfalirungen über, von
Winternitz . . . . 1765, 1798
Anguillula intestinalis, von Zinn 57, In¬
vasion der — intestinalis in die
Darmwand, von Askanazy.701
Anilin, Vergiftung mit, von Landouzy
u. Brouardel.1222
Aniodol, von Hawthorn.1024
Ankylostomiasis, von Goldman 839, von
Giles 1444, — in Centralamerika, von
Prowe.942
Ankylostomakranke, Stoffwechsel der,
von Vannini.1145
Ankylose, vertebrale, von Dana 476,
Wiederherstellung der Beweglichkeit
bei —, von Chlumsky.1387
Annales de l’institut de pathologie et de
bacteriologie de Bucarest.1025
L'annee chirurgicale, von Depage . . . 697
AntelixirendeOperationen,Dauerresultate
der, von Cohn.1502
Anthrax, von Murray u. Coates .... 269
Antialkoholserum, von Broca, Sapelier,
Thibault.921
Antikörper, Vielheit der, von Neisser . 1784
Antileberserum, von Delezenne .... 1516
Antimellin, von Hirschfeld.1833
Antipyrese, von Liebermeister .... 440
Antipyretische Mittel,AVirkungsweise von,
von Krehl, von Stühlinger .... 19
Antipyrin, Einfluss von, u. Chinin auf
den Gaswechsel des Gesunden, von
Liepelt 19, mandelsaures —, von
Frieser.878
Äntipyrinexantliewe, von Apolant 335,
von Wechselmann.552
Antiseptica, Einwirkung neuerer, auf in-
ficirte Plornhautwunden, von Hauen¬
schild .146
Antisepsis, Grundlagen der, von Gottstein
262, — u. Asepsis im Alterthum, von
Marcuse. 1630
Anti.streptocoecenserum,vonScharfel636,
— in der Behandlung des Puerperal-
j fiebers, von Williams, Pryor, Fry u.
Reynolds 23, Behandlung septischer
Lymphangitis mit —, von Stenhouse
269, durch — geheiltes Erysipel u.
Puerperalfieber, von Anderson 441,
— bei pemiciöser Anaemie, von Eider
780, — gegen Erysipel, von Harrison
1116, — bei Epilepsie, von Jones 1505,
durch — geheiltes Puerperalfieber,
von A\ r ood.1505
Antitussin, zweifelhafterAVerth des,gegen
Keuchhusten, von Krause.1246
Antro-Atticotomie, von Baraez .... 656
Antrumeinpveme, Behandlung der, von
Sachse “.304
Anurie, schmerzhafte, von Stepp . , . 1612
Anzeigepflicht im künftigen deutschen
Reichs-Seuchengesetz, von Brauser . 159
Aorta s. a. Brustaorta,
j Aorta, Spontanruptur der, von v. Kahlden
i 62, Aneurysma der —, von Pick 300,
j Ligatur der — abdominalis, von Keen
| 1319, Compressionsinstrument zur Be¬
handlung des Aneurysma der — ab¬
dominalis, von Keen 1319, complete
I Ruptur der —, von Flörsheim . . . 1833
| Aortenaneurysma s. a. Aneurysma, Aorta,
I Gelatine.
| Aortenaneurysma, von Hare u. Holder 23,
von Rasch 335, mitGelatineinjectionen
| behandeltes —, von Fraenkel 337,
| Fehldiagnose eines — in Folge der
| Durchleuchtung mit Röntgen strahlen,
, von Kirchgaesser 646» Elektrolyse bei
! —, von Hare 844, Differentialdiagnose
j zwischen — u. Tumor durch Röntgen-
| strahlen, von Gebauer 1278, Behand¬
lung der — mit subcutanen Gelatine-
injectionen,von Pauleseo 1317, Oliver’-
sche8 Symptom beim —, von Jessen
1565» moderne Therapie der —, von
Rumpf.1641
Aorteninsufficienz, von Schlesinger 447,
rhythmische Kopfbewegungen bei —,
von Delpeuch.1280
Aorteninsufficienzherz, Leistungsfähig¬
keit des fettig entarteten, von Hasen¬
feld .1783
Aortenklappe, Bewegungsphänomene bei
Insufficienz der, von Schlesinger 1467,
i traumatische Zerreissung einer —,
: | von Strassmann.1679
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Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XX
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900 .
Seite i
Seite
Seite
Aortenstenose, von Cassel.1710
Apepsia gastrica, Resorption und Stoff¬
wechsel bei, von Strauss.1573
Aphasie,von v. Leyden 521, uraemische —,
von de Bruine Ploos van Amstel 620,
durch Trepanation geheilte —, von
Steven u. Luke 1507, Behandlung der
—, von Gutzmann.1761
Aphonie, hysterische, von Opp .... 729
Apomorph in als Hypnoticum,von D ouglas 1468
Apotheken, Hygiene der.345
Apothekerverein, Eingabe des, .... 1836
Apothekerwesen, Reform des .... 481
Apparate, orthopädische, und deren An¬
wendung, von Blencke.519
Apparatotherapie bei Erkrankungen des
Centralnervensystems, von Jacob 547
Appendicitis s. a. Darm, Paraappendicitis.
Appendicitis, von Barling 22, von Richard-
son 337, von Terrier 811, Appen¬
dicitis, von Neugebauer 1389, von
Delagöniere 1398, v. Port 1611, Prog¬
nose u. moderne Behandlung der —,
von d’ Arcy Power 21, — u. Darmob-
struction, von Aviragnet und Bernard
174, Indicationen zum Chirurg. Ein¬
greifen bei —, von Mansell-Moullin
269, Bedeutung der —, von Falk 298,
Lokalisation der —, von Curschmann
303, Indicationen zur Operation bei
—, v. Schmitt 383y 814, Pathogenese
der —, von Kelly 476, subphrenische
Abscesse nach —, von Weber 512,
Temperatur bei der eitrigen —, von
Schüle603, — und Schwangerschaft,
von Pinard 785, Chirurg. Behandlung
der —, v. Esguerra 1188, Behandlung
der —, von Le Sorel 1320, Sicherheits¬
methoden bei der operativen Be¬
handlung der —, von Thi<§ry 1320,
Bla8encomplication bei —, v. Reyn&s
1320, — u. Entbindung, von Herrgott
1399, Rectalernähung bei —, von
Ochsner 1427, — larvata, von Lenz¬
mann 1432, — u. Geburtshilfe, von
König 1601, Beziehungen zwischen
— und allgemeinen Neurosen, von
Schauman 1688, — u. Traumen, von
Neumann 1671, — nach Angina, von
Kretz .1762
Appendicitisexperimente, v. Mühsam . 656
Appendicitisfälle, von Kaposi.1600
Appendicitisoperationen, von Merkel . 1792
Approbationen 1898/99 . 451
Aprosexie, von Broeius.1439
Arbeiterwohnungen, von Hope .... 521
Arbeitskraft, Ausnutzung der körper¬
lichen, in hochwarmer Luft, von
Wolpert.546
Archiv, deutsches, für klinische Medicin
587, 617, 655, 740, 774, 807, 1050,
1213,1243,1276,1670,1748, — für kli¬
nische Chirurgie 201, 260, 873, 1010,
1213,1351,1670,—für Gynäkologie 18,
298,368,618,1183,1749,1781, Yirchows
— für patholog. Anatomie 128, 163,
742, 777, 809, 906, 942, 975, 1011.
1050,1037,1114,1143,1183,1244,1352,
1574, 1602, 1636, — für Hygiene
514, 546, 590, 877, 907, 1051, 1353,
1542, 1707, — für Psychiatrie und
Nervenkrankheiten 808, —für Kinder¬
heilkunde 202, 369, 699, 906, 1114,
1352, 1451, — für Verdauungskrank¬
heiten 264, 699, 1243, 1672, — für
experimentelle Pathologie und Phar¬
makologie . . .19, 545, 657, 1088, 1751
Argentum col loidaleCredö, therapeutische
Erfolg mit Ungt. —, von Strohmayer 1064
Arhythmische Störungen, v. ILoffmann 1433
Armenfürsorge, Bedeutung der, in der
Krankenfürsorge, von Buttersack 782, 882
Arsen, Nachweis von, auf biologischem
Wege, von Abel und Buttenberg 333,
Rolle des — im Organismus, von
Gautier.1444
Arsenik im thierischen Organismus, von
Gautier 105, 449, — bei Epithelial-
carcinom, von Trunecek.1614
Arsenvergiftung, von Morishima ... 19
Arsonvalisation s. a. Wechselströme.
Arsonvalisation, von Eulenburg .... 1433
Arterien, Naht der, von Seggel .... 1106
Arterie, Einfluss der Hyperaemie resp.
Cocain-Anaemie der Conjunetiva auf
die Weite oder den Puls der —
tempor.superfic., von Rosenbach 1631,
Verletzung der — brachialis, von Koch 1761
Arterien Varietät, seltene, von Ernst . . 104
Arteriosklerose, Quecksilber in der Be¬
handlung der Herzschwäche bei, von
Morison 1116, klinisches Symptomen-
bilei der —, von Maragliano 1145,
hereditär-syphilitische —, von Berg-
hinz.1247
Arthritis deformans, von Bade 1472, —
blennorrhagica bei Kindern, v. Halld 1577
Arthromotor, von Seholder.474
Arthropathia tabica, von Ähren 1749,
von Dietzer.1760
Arzneibuch, Entwurf für die 4. Auflage
des — für das Deutsche Reich, von
Harnack 749, 4. Ausgabe des — für
das Deutsche Reich . . . 176, 1153, 1223
Arzneimittel, einige neuere, von (Ver¬
lach 400, 1635, Verkehr mit — und
Geheimmitteln 819, ärztliche Gut¬
achten über neu erfundene —, von
liis, Eichengrün, Kayser 1430, 1469,
harnsäureau{lösende —, von Vinde-
vogel.1676
Arznei- u. Arzneitaxwesen , Missstände
im bayr.1795
Arzt s. a. Aerzte.
Arzt, der — und die Heilkunst in der
deutschen Vergangenheit, v. Peters
903, Verantwortlichkeit des — 917,
weiblicher — bei der Sittenpolizei in
Berlin 1399, Approbation als —, . . 1836
Arztwahl, freie, 347, 880, — in Hamburg
307, in München 308, in Berlin 787,
Centralstelle für —.1480
Ascitis, milchweisser, von Poljakoff 58,
chirurgische Behandlung des —, von
Rolleston u. Turner 165, Stoffwechsel
bei —, von Marischier und Ozarkie*
wicz.264
Ascitesflüssigkeit., von Burghart .... 338
Ascitesformen, pseudochylöse, v. Micheli
und Mattirolo.164
Asepsis contra Antisepsis? von Lanz 492 ,
— der Operationen, von Katzenstein
1470, Prophylaxe in der —, v. Hammes¬
fahr .1706
Aseptik der Hände, von König .... 1387
Aspergillose, von Renon.1281
Asphyxie als Cardiotonicum, von Mau-
kowski. 19
Aspirationsapparate, Federventil für, von
Evler. 1056, 1092
Aspirin, von Friedeberg 588, von Liesau
809, von Manasse 1024, von Witthauer
1614, von Gazert 1670, Erfahrungen
mit —, von Dengel 976, von Gold¬
berg 987, therapeutischer Werth des
—, von Renon.1646
Aspirinbehandlung, von Zimmermann . 976
Asterol, von Karcher.1059
Asthma s. a. Bronchialasthma, Bronchi^J- .
musculatur, Bronchitis
Asthma, von Wettered 1710, — dyspep-
tieum, von Ehrlich 264, — bronchiale,
von Fraenkel 449, cerebrales und car-
diales — von Rosenbach 683 , — thy-
micum und sein Verhältnis zum
Status lymphaticus, von Fried jung . 1751
Ataxie, Compensation der sensorischen,
von Bickel 1711, von Bickel u. Jakob 1833
Athemleistung und AthembedÜrf niss, von
von Dreser .1431
Athmung, künstliche, bei Neugeborenen,
von Champneys 1321, von Ribbe-
mont-Dessaignes 1321, von Schultze
1321, — Methoden künstlicher —
Neugeborener, von Schultze .... 1671
Atlas, anatomischer, der geburtshilflichen
Di agnostik n. Therapie, von Schaeffer
55» — n. Grundriss der spec. patho¬
logischen Histologie, von Dürck 161,
stereoskopischer medicinischer —
v. Neisser 331, 635, 1781, — des ge¬
sunden und kranken Nervensystems,
von Jakob 544, — der Lehre vom Ge¬
burtsakt und der operativen Geburts¬
hilfe, von Schaeffer 697, mikrophoto¬
graphischer — der pathol. Mykologie,
von Frankel 807,1669, histologischer
— der Haut, von Unna 807, stereosk.-
medic. — der Ophthalmologie, von
Uhthoff 839, — und Grundriss der
Ophthalmoskopie und ophthalmosk.
Diagnostik, von Haab 940, — der
normalen und pathol. Anatomie in
typischen Röntgenbildern 1350, —
und Grundriss der Verbandlehre, von
Hoffa 1386, topographischer — zur
Anatomie des weiblichen Beckens,
von Seliheim 1464, — der topograph¬
ischen Anatomie des Menschen, von
Zuckerkandl 1500, — von Beleuch¬
tungsbildern des Trommelfells, von
Bürkner 1571, — und Grundriss der
chirurgischen Operationslehre, von
Zuckerkandl.1669
Atmokausi3 s. a. Vaporisation.
Atmokausis, Temperaturmessungen bei
der, von Pincus 941, — des Endo¬
metrium, von Simpson 1117, — und
Zestokausis von Stoeckel.1436
Atmokausisfrage, von Flatau.163
Atrepsie, Harnanalyse bei, von Blacher 1751
Atrophie, juvenile, von Jakob 168, —
und Entwicklung, von Mühlmann . 1575
Atropin s. a. Ileus.
Atropin, temperaturherabsetzende Wirk¬
ung des —, von Ferrarini 1247, Wirk¬
ung des —, von Gaglio 1445, Darm¬
wirkung des —, von Ostermaier . . 1695
Aub, Dr. Ernst Friedrich f, von Merkel 693
Augapfel, Nachbehandlg. b. Operationen
am, von Gutmann.671
Auge s. a. Sehorgan, Bulbus, Lepra,
Pemphigus.
Auge, Lepra des, von Franke 30, Locali-
sation von Allgemeinleiden im —, von
Schoen 99, Glassplitterverletzung des
—, von Wagenmann 272, Durch¬
schnitt durch das menschliche —,
von Salzmann 368, 2 Operations¬
methoden zum Einlegen künstlicher
—, von Fukala 547, Eisen Split ter im
—, von Glauning 744, Wachsthum
des menschlichen —, von Weiss 744,
Neurologie deB —, von Sänger und
Willbrandt 904, Entstehungsweise
einer typischen Missbildung des —,
von v. Hippel 914, — und Sehiess-
leistnng, von Seggel 1017, Sarkom
des —, von Putiata-Kerschbaumer
1275, Kalkverletzungen der —, von
Schmidt-Rimpler 1278, erste Hilfe¬
leistung bei Kalkverletzungen des
—, von Stutzer 1354, Nitronaphtol-
erkrankung des —, von Silex . . .1710
Augenaffectionen, Kopfschmerzen bei,
von Brailey.1443
Augenbewegungen, Beziehungen der vor¬
deren Vierhügel zu den, von Bem-
heimer. 58
Augenblennorrhoe, Behandlung der, mit
Largin, von Almkvist.552
Augeneiterung, Diagnose und Therapie
der, der Neugeborenen, von v. Am¬
mon 13, 108, Behandlung der — der
Neugeborenen, von Lamhofer . . . 253
Augenheilkunde, Handbuch der ges.,
von Graefe-Saemisch 437, 774, 1049,
1141, 1599
Augenhintergrund, neue Untersuchungs¬
methode des, von Wolff.590
Augenkammer, abnormale Fasern in der
vorderen, von Schoute.620
Augenkrankheiten, mit Influenza zu¬
sammenhängende, von Mohr 475,
Therapie der —, von Goldzieher 972,
— des Kindesalters und ihre Be¬
handlung, von Guttmann.1140
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
inhalts-verzeichniss.
XXI
Seite
Augenleiden, Behandlung scrophulöser,
von Heddaeus.745
Augenmaassstörung, bei Hemianopikern,
von Liepmann und Kalmus .... 1351
Augenmagnet, von Türk.953
Augenspiegel, elektrischer, von Wolff . 270
Augenverbände, Celluloidkapseln für,
von Schreiber.558
Ausathmungsluft, Giftigkeit der, von
Forinänek.1051
A ungleich ungs Vorgänge in Krankheiten,
von Leube.741
Ausstellung für Krankenpflege in Frank¬
furt a. M., von Marcuse. 397
Auswurf, diagnostische und therapeut¬
ische Bedeutung der Bacterien im,
von Brieger.473
Autointoxication, von Ewald 300, von
Blum .1283
Axillarislähmung, von Wallerstein . . 557
Azoospermie, von Kehrer. 1225
Babinski'sches Phaenomen, von Giudice-
andrea.1016
Bactericidie und Milzbrandinfection, von
Conradi. ... 1315
Bacterien, s. a. Darmbacterien, Galle.
Bacterien, Reductionsvermögen der, von
Müller 9d, von Radzievsky 96, redu-
zirende Eigenschaften der —, von
Klett370, System der—, von Mignla
398, Einfluss des Sonnenlichtes auf
—, von Kedzior514, Sediraentirungs-
verfahren zum mikroskopischen Nach¬
weis von —, von Strasburger 533,
Bau der —, von Feinberg 516, ther-
mophile—, von Michaelis 546, Wachs¬
thum der —, von Feinberg 619, säure¬
feste, tuberkelbacillenähnliche — bei
Lungengangraen, von Rabinowitscli
619, säurefeste , von Korn 657, bei
höherer Temperatur wachsende —
und Streptothrixarten, vonSames 778,
Romanowski’s Färbung der —, von
Zettnow 975, Reductionsfähigkeit der
—, von Wolff 1013, Differentialdia-
giiose der säurefesten — aus der Tuber-
culosegruppe, von Mayer 1244, Bio¬
logie der —, von Marx und Woithe
1245, — coli, von Radzievsky 1388,
pathogene —, von Libmann 1426,
Rolle der anaeroben — in der Patho¬
logie, von Veillon 1439, active Beweg¬
lichkeit der —, von Gabritsckewsky
1542, Elimination der — durch Leber
und Nieren, von Metin 1577, Varia¬
bilität und Pleomorphismus der —,
von Schwalbe 1618 , Nachweis von —,
von Marx 1671, Diagnostik des —■
typhi und coli, von Rambousek 1707,
Einwirkung flüssiger Luft auf die —,
von Meyer 1708, Chemie der —, von
Bendix.1833
Baeteriencapsel, Darstellung der, in
festen Nährböden, von Boni . . . 1262
Bacterienfärbepräparate, von Feinberg . 103
Bacterienfärbung, von Dreyer ... . 658
Bacterienverdauung, von Purro .... 1278
Bacterienzelle, Empfindlichkeit der, von
Fischer.1542
Bacteriologische Curse für bayerische
Aerzte.139
Bacillus der Athemwege, von Elmassian
101, Pfeifferscher —, von Elmassian
101, Farbstoffproduction des — pyo-
cyaneus, von v. Kuester 201, Koch-
Weeks’scher —, von Hoff mann 370,
— pyocyaneus und — fluorescens
liquefaciens, von Ruzikca 590, — va-
riabilis lymphae vaccinalis, von Na-
kanishi 842,1427, — pyocyaneus und
die Gesetze der Farbstoffbildung, von
Noesske 874, — pyocyaneus, von
Krause 975, neuer farbstoffbildender
—, von Marx und Woithe 1013, —
acidophilus, von Moro 1087, Ver¬
breitung des — tuberculosis in der
Milch, von Klein 1245, — pulmonum
glutinosus, von Martini 1353, — an¬
ein neuer —, von Ceresoie 1427, —
aerogenes capsulatus, von Thorndike
1467, Pratt und Fulton 1467, Koch -
scher — in skrophulüsen Lvmph-
drüsen, von d Arrigo 1603, ausVaccine-
pusteln gezüchteter —, von Ficker 1637
Bad Nauheim.987
| Badconjunctivitis, endemische, von Fehr 58
I Baden und Schwimmen in ihrer hy-
1 giemsch-diätetischen Bedeutung, von
j Marcuse.• . . . . 93
j Bader, Befugnisse der.140
; Bäder, Kohlensäureausscheidung nach
kalten, von Lode und Durig 109, Ein¬
fluss heisser — auf den respiratori¬
schen Stoffwechsel, von Winternitz . 1085
Bahnärzte, Organisation der österreichi¬
schen . 1478
Balantidium coli im menschlichen Darm-
j canal, von Sievers.265
Balneologencongress. 242, 1616
Baineotherapie, Lehrbuch der, von Glax 330
Bandwurm, Abtreibung des, von Kirne 634
Barlow’sche Krankheit, Knochenerkrank¬
ungen bei, von Jakobsthal .... 777
Basedow’sche Krankheit, von Donath
127, von Ehrich 1466, Pathogenese
der —, von Haäkovec 99, Pathologie
und Therapie der —, von Dinkler
725, Verlauf der — bei innerer Be¬
handlung, von Klemperer 781, — mit
Myxoedemsymptomen, von Hirschl
10 i3, Aetiologie der —, von Breuer 1089
Basisfractur, von Jolly.306
Bauchcliirurgie im Privathaus,'vonSchmidt 1352
Bauchdeckenreflex, respiratorischer, von
Schmidt.1638
Bauchfell, schwielige Verdickung des,
von Grawitz.170
Bauchfelltuberculose, von Martens 301,
geheilte — bei Kindern, von Cassel
845, 910, operativ behandelte —, von
Bartz .1471
Bauchhöhle, teratoide Geschwülste der,
von Lexer 706, foetale Inclusion der
—, von Lexer.1671
Bauchnarbenbrüche, Operation grosser,
von Heinrich 128, Verhütung und
Behandlung der —, von Gottschalk 1781
Bauchorgane, Aetiologie und Therapie
der Erkrankungen der, von Reed . 23
Bauchschnitt, Einschränkung des, durch
die vaginale Laparotomie, von
Diihrssen .773
Bauchwassersucht, Nachweis freier, von
Landau.1636
Bauchwunden, Verschluss von, durch
versenkte Nähte, von Witzei . . . 698
Becken, spondylolisthetisches, von v.
Braun-Fernwald 298, Frequenz der
anomalen — in Amerika, von Davis
844, Kindeslagen beim engen —, von
Gloeckner. 875
Beckenechinococeen, von Gräupner . . 657
Beckenenchondrom, von Wilms .... 706
Beckenmessung, radiographische, von
Fahre 1399, innere — an der lebenden
Frau, von Neumann und Ehrenfest 438
Beckenorgane, Beziehungen der, zur
Blutbeschaffenheit, von Reed ... 23
Beckenperitonitis, Behandlung der, von
Stratz.262
Behaarung, abnorme, von Freund . . 1635
Behandlung, manuelle, in der Gynä¬
kologie, von Piering.438
Beiträge, Bruns’, zur klinischen Chirurgie
93,261,588,874, 974, 1142, 1182, 1466,
1600, 1831, Hegar’s — zur Geburts¬
hilfe und Gynäkologie 1600, 1635,
1671, Zieglers — zur pathologischen
Anatomie und allgemeinen Pathologie
777, 842, 1012, 1353, 1602
Bell’sches Phaenomen bei Facialislähm-
ung, von Marguliös . ..371
Bergmann-Commers.716, 748
Beri-Beri s. a. Kakke.
Beri-Beri, von Seiffer 301, 762 , — an
Bord eines deutschen Dampfers, von
Schmidt 191 , Haematozoarie des —
im Gehirn, von Fajardo.370
Beriberikrankheit, klinische Zeichen der,
von Normann.268
Bericht s. a. Jahresbericht.
Bericht der k.Univ.-Poliklinik für Kinder¬
krankheiten im Reisingerianura pro
1899, von Seitz 193 , — über die med.
Poliklinik in München 1899, von
Moritz.ßll
Berufsgenossenschaft, land- u. forstwirth-
schaftliche, und Arzt, von Deppisch 433
Digitized b"
■V Google
i
j Beschäftigungstherapie, von Buttersack 332
Bett, orthopädisches, von Barnax . . . 1359
Bettler- und Vagabundenthum, gross-
städtisches, von Bonhoeffer .... 622
Bewusstseinsstörungen, transitorische,
der Epileptiker vor dem Strafrichter,
von Burgl.1270
Bewusstseinstrübung, idiopathische pas-
sagere, von Placzek .1144
Bezirksverein, ärztlicher, inMünehen 1684,
1716, Leipzig Stadt 1673, Regensburg 1795
Bibliographia medica 276, — derDeutschen
Zeitschriften-Literatur.924
Biceps, morphologische Bedeutung des
kurzen Kopfes des —, von Klaatsch 1441
Bierhefe, therapeutische Anwendung der,
von Coirre.378
Bindehautekzem, pathologische Anatomie
des, von v. Michel.1507
Bindehautentzündungen, Aetiologie der,
von Morax. 97
Bindehaut-Hornhautplastik, von Schwarz 1019
Bilirubin, klinische Bedeutung des Vor¬
kommens von, in den Faeces, von
Sehorlemmer . . . . 458
Biologie, Entwicklung der, im 19. Jahr¬
hundert, von Hertwig.1391
Birch-Hirsclifel, Nekrolog, von Kockel . 53
Blase s. a. Harnblase, Harnröhre.
Blase, Capacität der weiblichen, von
Hunner und Lyon 337, Papillom der
—, von Pendl, von Weinlechner 448,
retrostricturales Oedem der weib¬
lichen —, von Kolischer.699
Blasencarcinom, von Wiesinger .... 237
Blasenchirurgie, von Viertel.1471
Blasendefecte, Transplantation des Netzes
auf, von Enderlin.G56
Blasenektopie, von Krause 554, von De-
lageniere.1284
Blasenfistel, durch Transplantation ge¬
heilte, von Weber.1706
Blasengeschwülste, cystoskopische Ope¬
ration gutartiger, von Kollmann . . 592
Blasengeschwür, von Asch.343
Blasenkrebs, von v. Kahlden. 61
Blasenmastdarmanastomose, von Frank 1352
Blasenmole, vonGeipel 373, bösartige —,
von Salowy und Krzyszkowsky . . 1314
Blasenmolenschwangerschaft, von Poten
und Vassmer.1781
Blasennaht beim hohen Steinschnitt,
von Lotheissen. 371
Blasenneurosen, Behandlung der, von
Auerbach .1086
Blasenplastik, experimentelle, von En-
derlen.666
Blasenruptur, intraperitoneale, von Braun 169
Blasenscheidewand, Autocystoplastik u.
Kolpocystoplastik bei grossen De-
fecten der, von Witzei.1832
Blasenschleimhaut, Verletzung der, von
Schnitzler 371, von Dorf.476
Blasenstein, von v. Rindfleisch 1121,
enormer —, von Schultheiss 666, Be¬
handlung des — durch Lithotomie
und Litholapaxie, von Pank 1709,
Operationen bei —, von Curringham
1710, operative Behandlung von —
in Kashmir, von Neve.1710
Blasenstörungen, cerebrale, von v.Czyh-
larz und Marburg.1709
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900 .
XXII
INHALTS-VERZEICHNISS.
Seite
Seite
Seite
Blasentuberculose, von Casper 711, Pa¬
thologie und Therapie der —, von
Casper.672
Blasen-Uterus-Scheidenfistel, Operation
der tiefen, von Bardescu.263
Blasenwand, Resorptionsvermögen der,
von Hamburger.620
Blasenwurmleiden, geographische Ver¬
breitung des, von Posselt.1276
Blastomyeeten, Aetiologie und pathogene
Rolle der, von Leopold.1397
Blattern, Verbreitung der, durch die
Fliegen, von Hervieux.954
Blatternepidemie, im S. 1900 beob¬
achtete, von Kaufmann . . . . . . 1733
Blaublindheit bei Schrumpfniere, von
Gerhardt. 1
Blei, blutbildende Eigenschaft des, von
Giudiceandrea.1613
Bleilähmung, von v. Rad 1020, Patholo¬
gie der —, von Bernhardt. 96
Bleivergiftung, Parotitis infolge, von
Petit 174, Diagnose der —, von Turner 945
Blennorrhagie, Ursache der Allgemein-
infection bei —, von Lesser, Tomma-
soli. Ward, Balzer.1362
Blennorrhöen, Largin bei, von Allgeyer 910
Blepharitis ciliaris und Acarus folliculo-
rum, von Mulder 132, — marginalis,
von Carra.522
Blinddarmaktinomykose, von Hofmeister 874
Blut s. a. Durst.
Blut, Untersuchung des, bei Krankheiten,
von Gulland 138, toxische und anti¬
toxische Eigenschaften des —, von
Decroly und Ronsse 167, Färbekraft
und Eisengehalt des menschlichen
—, von Rosin und Jellinek 201, Al-
kalescenz des — bei pathologischen
Zuständen, von Burmin 332, Methae-
moglobinbildung im —, von Dennig
655, Verhalten des — bei Magen-
carcinom, von Krokiewicz 700, anti-
bacterielles Vermögen der — und Ge¬
websflüssigkeit, von Hamburger 777,
Pathologie des —, von Lipowski 809,
Schätzung der Färbestärke des —, von
Tallqvist 840, agglutinirende Fähig¬
keit des — bei einem gesunden Kind
einer typhuskranken Mutter, von Zän-
gerle 890, Verhalten virulenter und
avirulenter Culturen gegenüber acti-
vem —, von Nadoleczny 907, che¬
mische Zusammensetzung des — bei
perniciöser Anaemie, von Erben 1141,
chemische Zusammensetzung lymph-
aemischen —, von Erben 1142, jodo-
phile Zellen im —, von La Franca
1389, Bestimmung des inneren Reib¬
ungswiderstandes des lebenden --
beim Menschen, von Hirsch und Beck 1685
Blutabgang, continuirlicher, von der
Bauchhöhle her, von Kossmann . . 394
Blutalkalescenzbe8timmung, Salkowßki’-
sche, von Waldvogel.1604
Blutalkalescenzgehalt, Schwankungen
des, von Karfunkel ..299
Blutbefund, atypischer, von Geisel er 338
Blutbildung, Wirkung von Eisen und Ar¬
sen auf die, von Riva 550, Rolle des
Eisens bei der —, von Hofmann . 1244
Blutdruck s. a. Digitalis.
Blutdruck des gesunden Menschen, von
.Tellinek 587, — bei neuropathischen
Kindern, von Heim 778, — bei Schlaf¬
losigkeit und während des Schlafes,
von Bruce 986,1505, Physiologie und
Pathologie des —, von Hensen 1276,
— vor und nach Operationen, von
Schröder 1437, der — und Lymph-
circulation, von Friedmann .... 1784
Blutdruckbestimmuugen, Varietäten der
Art. temporalis in ihrer Beziehung
zu —, von Grote . . . . 733
Blutdruckmessungen mit Gärtners Tono¬
meter, von Weiss 69 , von Schüle 1184,
— bei Geisteskranken, von Pilcz 475,
— zur Diagnostik von Nervenkrank¬
heiten, von Kornfeld.
Blutentziehungen, N-Umsatz bei, von
Ascoli und Draghi.
Blutgefässgesehw’ulst, diagnostisch inter¬
essante, von Martens 513, Wachs¬
thum und Nomenclatur der —, von
Borrmann.
Blutgefäss- und Nervennaht, von Payr.
Blutgerinnung, von Quincke.
Bluttilarien, Uebertragung der, durch
Stechmücken, von Grassi und Noe .
Blutkörperchen s. a. Iiaemoglobin.
Blutkörperchen, degenerative Veränder¬
ungen an den rothen, von Grawitz
168, kernhaltige rothe — im strömen¬
den Blute, von Jünger 1213, körnige
Degeneration der rothen —von Ha¬
mei 1243, verschiedene Formen der
w r eissen —, von Carstanjen 1541,
Entwicklung der rothen —, von En¬
gel 1598, weisse —, von Carstanjen
Blutkörperchen Vermehrung im Gebirge,
von Gottstein und Schröder . . . .
Blutkörperchenzählung, von Starke 703,
— im Hochgebirge und die Meissen’-
sche Schlitzkammer, von Turban
Blutkrankheiten, jodophile Leukoeyten
bei, von Hofbauer.
Blutpräparate, von Deetjen 376, von Mi¬
chaelis 1550, Fixirung von —, von
Edington.1116,
Blutscheiben, basophile Körnchen in den
rothen, von Cohn.
Blutschwamm, Behandlung des, von Hol¬
länder .. . .
Blutserum, antifermentative, lytische und
agglutinirende Wirkungen des, von
Landsteiner 514, agglutinirende Fähig¬
keiten des menschlichen —, von
Donath .
Blutstillung ohne Ligatur, von Holländer
707, comprimirter Wasserdampf zur
—, von Caponago 1145, neue Art
der —, von Michaux.
Bluttransfusion, Technik der, von Wein-
traud.
Blutungen s. a. Gelatine, Haemophilie,
Haemorrhagie.
Blutungen des Endometrium bei Skle¬
rose der Uterinarterien, von Sim-
monds 52, Gelatine zur Stillung cho-
laemischer —, von Kehr 181, Ur
Sachen der klimakterischen —, von
Theilhaber 453, 1325, Stillung paren¬
chymatöser —, von Ceccherelli und
Caponago 550, zu Bulbusruptur füh¬
rende spontane intraoeulare —, von
Hauenschild 1074, Formoltherapie bei
uterinen —, von Gerstenberg 1243,
— post partum, ihre Verhütung und
Behandlung, von Byers 1404, Behand¬
lung der innerlichen —, von Smith
1443, Chloral bei —, von Model . .
Blutuntersuchung, von Mc I^ean 476,
bacteriologische — bei Pneumonien,
von Prohaska.
Blutwirkungen, von Büchner.
Blutzellen, farblose, von Pappenheim .
Bodenschlamm, pathogene Bewohner
des, der Limmat, von Böhi . . 1543,
Borscht, die, genannte Gährung der
rothen Rüben, von Mann.
Bose Heinrich, von Poppert.
Botalli ductus, von Scharfe 1671, Offen¬
bleiben des —, von Schmilinsky . .
Botulismus, Aetiologie des, von Römer
Brachy- u. Hyperphalangie an der Hand,
von Rieder.
Branchiom, malignes, der Halsgegend,
von Veau..
Brand, chirurgische Behandlung des no-
matösen, von v. Ranke.
Brandwunden, durch industrielle Elektri-
cität verursachte, v. Mally.
Brechdurchfälle, epidemische, in Kinder-
Spitälern, von Escherich 1086, Be-
1762 I
1673!
1107 !
707 !
1579 1
1783
i
1601
976
429
232
1427
186
619
844
1149
1434
1739
handlung der — mit Biedert'schem
Rahmgemenge, von Gernsheim 1627, 1764
Briefe s. a. Reisebriefe.
Briefe, Berliner 26, 203, 372, 517, 880,
1018,1220,1397,1549,1679, Londoner Q
— 1326, Römische — 1681, Wiener —
65, 137, 173, 207, 239, 274, 304, 344,
405, 448, 480, 520, 561, 593, 670, 714,
752, 818, 849, 917, 1365, 1400, 1478,
1550, 1581, 612, 1680, 1715, 1762, 1792
Bromaethyl-Anaesthesie in Rose’scher
Lage, von Malherbe.1508
Bromeigone, von Tischer u. Beddies . . 483
Bromipin von Lorenz 1604, — bei Epi¬
lepsie, von Schulze.. . 346
Bromoform, von Gay.1153
Bromofomivergiftung, von Katz 713, von
Engster 1427, von Longliorst 1506,
von Darling.1506
Brompraeparate, Toleranz dei, bei älteren
Epileptikern, von Fere.810
Bronchialasthma, epidemisches, von
Bellotti.1639
Bronchialdrüse, von Wiesinger .... 1578
Bronchialerkrankungen, Behandlung der,
durch Lagerung, von Jacobson . . . 1466
ßronchialmuHculatur und Asthma, von
Aufrecht.1277
Bronchitis, auf diphtheritischer Infection
beruhende, von Lenhartz 30, —
fibrinosa u. Asthma bronchiale, von
Posselt 99, Aetiologie der fibrinösen
—, von Ott 965, — fibrinosa, von
Schittenhelm 1243, — foetida, von
Parcelle.. . . 1551
Bronchoskopie bei Luneencarcinom, von
Killian.".742
Brüche s. a. Fracturen, Hernien.
Brüche, Behandlung brandiger, v. Krause
706, von Hofmeister 1831, Heilung sub-
cutaner — langer Röhrenknochen, von
Ziegler 774, 214, operativ behandelte
eingeklemmte —, von Springorum . 848
Brütofen, einfacher, für den praktischen
Arzt, von Walz. 933
Bruch, brandiger, von Bayer.128
Bruchoperationen, von Gaben ..... 1324
Bruchpforten, Verscbliessung von, von
Witzei, von Goepol.698
Brustaneurysma, Frühsymptome des, von
Eccles.. . 443
Brustaorta, radiographisches Verhalten
der normalen, von Holzknecht 402,
radiographisches Verhalten patholo¬
gischer Processe der —, von Holz¬
knecht .943
Brust-Bauch Verletzung, v. Zimmermann 134
Brustdrüse am Oberschenkel, von Stein¬
born 734, Cy sten der —, v. Bryant
780, Hypertrophie der weiblichen —,
von Donati.1352
Brustdrüsenextract, Anwendung des, in
der Gynäkologie, von Shober . . . 476
Brustentziindiing, gangraenöse, v. Roger
1670
669
1087
1604
439
1111
339
1013
774
1015
1485
1014
und Garnier.100
Brustkrebs, von Banks Gf>9, Prognose
der operativen Besandlung des, von
Mc Williams.1248
Brustwarze, primäre Geschwulstbildung
der, von Lindfors.841
Bubo, venerischer, und Buboneneiter,
von Adrian.475
Buckel, Streckung des Pott’schen, von
Joseph.984
Bürsten, Keimgehalt und Sterilisirbarkeit
der, von Winternitz.333
Bulbusruptur, von Hauenschild .... 1074
Bulbusverletzungen, conservative Be¬
handlung der perforirenden, v. Römer 4D1
Bulbuswunden, Behandlung inficirter
perforirender, von Glauning .... 1070
Butter, Tuberkelbacillen-Nach weis in, von
Hellström.1637
Buttermilch, Ernährung mit, von Salge 1022
Buttersäurebacillen u. ihre Beziehungen
zur Gasphlegmone, von Schattenfroh
und Grassberger 1032 , Beziehungen
Digitized by
Gck igle
Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900 .
der unbeweglichen — zur Rausch-
brandaffection, von Schattenfroh und
Grassberger. 1733
Buttersäuregährung, von Schattenfroh
und Grassberger.590
€.
t'acodylsäure und deren Anwendung,
v. Dalche 521, v. Widal, Merklen,
Gautier, Danlos, Hirtz.753
Cancroide, Riesenzellenbildung in, von
Becher.742
Cannabis indica-Vergiftung von Foulis 1506
Caput obstipum, operative Behandlung
des, spasticum, von Kalmus 589, neue
Operation bei —, von Föderl . . . 714
Carbolsäure als Specificum geg. Tetanus,
von Woods 176, Werth der —, von
Minervini 201, Behandlung von Abs-
cessen mit reiner —, von Phelps
1307, von Jochner 1596, — gegen
Erysipel, von Jochner.1596
Carcinoin s. a. Infectionstheorie.
Carcinom, von Koch 1612, der Flexura
sigmoidea, von Paltauf 305, geheiltes
Mastdarm- —, von v. Bergmann 706,
zunehmende Verbreitung des —, von
Massey 844, primäres —, des Ductus
choledochus, von Brenner 1011, Aetio-
logie des -, von Jürgens 1056, Supra-
daviculardrüsen in der Diagnose der
abdominellen —, von Tarchetti 1277,
Halstead’sche Operation bei — mam-
mae, von Nanu 1320, Verbreitung
des —, von Reiche 1337, frühzeitige
Diagnose des —, von Cullen 1397,
Aetiologie des —, 1506, von Csokor
1716, — der Pylorusgegend, von Koch
1580, Wachsthum d. Haut u. Schleim¬
haut —, von Lohmer 1602, — cervicis,
von Thorn 1609, Aetiologie des —
und die pathogenen Blastomyceten,
von Leopold.1749
Carcinomatose, Hirnsymptome bei, von
Saenger. 341, 374
Carcinompräparate, von v. Leyden . . 1678
Carcinose s. u. Knochencarcinose.
Cardioptose, von Rummo.1317
Caro porosa, von Huber.1628
Carotis, doppelseitige Ueberbindung der
— communis, von Polak.1185
Carotisdrüsenepitheliom, von v. Heinleth 899
Casein als pyogene Substanz, v. Colard 268
Caseinausnützung, von Knöpfelmacher 58
Cassenärzte, Vorträge für, über Tuber-
culose 203, über ökonomische Recept-
verschreibung 1795, Beeidigung von , 1365
Cassenärztliche Vereine in Berlin . . 1399
Cassen und Aerzte ln Dresden .... 522
Castration in rechtlicher socialer und
vitaler Hinsicht, von Rieger 110, —
bei Vaginaldefekt, von Eberlin 262,
Schwangerschaft u. Entbindung nach
beiderseitiger —, von Kossmann 313,
— zur Heilung inoperabler Brust-
careinome, von Boyd.1402
Castrationsatrophie, von Beuttner . . . 262
Casuistisches und Therapeutisches aus
der Landpraxis, von Neubauer , . . 170^
Catgutfrage, von Lauenstein.501
Catgutsterilisation, von Eisberg .... 875
Cellulosebestimmung im Kothe, v. Mann 439
Centralblatt für innere Medicin, fast in
jeder Nummer, — f. Chirurgie ebenso,
— für Gynäkcologie ebenso, — für
Bakteriologie ebenso, — für Stoff¬
wechsel- u. Verdauungskrankheiten 788
Centralnervensystem, das, von Soury471,
Arbeiten aus dem Institat für Ana¬
tomie und Physiologie des — an der
Wiener Universität, von Obersteiner
872, pathol.-anat. Vorgänge am Stütz¬
gerüst des —, von Storch 877, 906,
postmortale Cystenbildung im -, von
Hartmann.1543
Centralorgane, Bau der nervösen, von
Edinger. 3301
INH ALTS-V E RZE101INISS.
XXIII
Centren, optische, dos Menschen, von
Monakow.812
Cephalea, Therapie der, von Brimton . 755
Cephalocele basilaris, von Tauber . . . 1010
C'ephalopoden, Wirkung des Phosphors
und Pulegons auf die —, von Linde¬
mann, Uraemiebei —, von Lindemann 1012
Cophalotripsie am nachfolgenden Kopf,
! von Targett.1404
j Cerebnillähmung, infantile, von Kissling 897
Cerebrospinalflüssigkeit, v.Lewandowsky
| 1502, Abfluss von — durch die Nase,
j von Freudenthal. 1468, 1602
; Cerebrospinalminingitis,intrauterine,von
j Gradwohl 59, baeteriologisehe Unter-
Buchungen bei epidemischer —, von
1 Faber.1315
Cervicalpolypen, Dignität der, von Keitler 1636
Cervix, Aetzstenose der, von Schenk . 263
Cervixdehnung und Cervixzerreisstmg,
von Hammerschlag.941
Cervixdilatation, Metallinstrument zur,
von Schwarzenbach.. 95
Cervixverkürzung, neue Methode der,
von Fuchs.1672
Chemie, Einführung in die, von Lassar-
Cohn 973, physikalische — in der
Medicin, von Koeppe 1242, Prac-
ticum der physiologischen und pa¬
thologischen —, von Salkowski 2242,
Lehrbuch der anorganischen —, von
Erdmann.1616
China, Sanitätsexpedition des Rothen
Kreuzes nach,.1024
Chininamblyopie, von Schwabe .... 1642
Chinosol in der Hebammenpraxis, von
Tjaden.1183
Chirol, von Kossmann 1425,vonSchaeffer 1143
Chirurgen, Gesellschaft der russischen, 1616
Chirurgie du foie et des voies biliaires,
von Pantoloni 162, Einfluss der mo-
! demen — auf die Medicin, von Smith
780, Grundriss der orthopädischen—,
| von David.1465
I Chloasma, von Bulkley.820
Chloral und Blutungen, von Model . . 1739
| Chloroform, schädliche Nachwirkungen
[ des, von Lengenmann 1182, Einfluss
' des — auf den Herzschlag, von Mac
| William.1506
j Chloroformflasche, von Blumberg . . . 1243
' Chloroformnarkose, von Frankenburger
I 785, Prophylaxe bei der —, von
| Feilchenfeld.262
l Chlorose, heisse Bäder bei, von Brosin
177, elektrische Reizbarkeit hei
I von Aporti und Marini.1618
, Cholaemie, Pathogenese der, von Bickel 1211
i Cholecystectomie, Resultate der,
I Michaux.
j Cholecystitis, Typhusbaeillus bei acuter,
von Hunner 23, experimentelle
von Cushing.
Cholecystotomie mit wasserdichter Drai
nage, von Poppert.
Choledochotomie, transduodenale, von
Pozzi 1358, — und Cholecvstentero
anastomose, von Pendl ....
Cholelitliiasis, von Naunyn 135, Com
plicationen der —, von Kocher 514
• Indicationen zur operativen Behänd
lung der —, von Rotgans 620, The¬
rapie der —, von Scheuer 827, Magen¬
erkrankungen bei —, von Petersen 1470
Cholesteatom, von Körner ....
Cholesteatomfrage, von Leutert . .
Chondromatose des Kniegelenks, von
Reichel.
Chorea s. a. Abort.
Chorea, von Müller 1608, pyogener Ur¬
sprung der — rheumatica, von Mir
coli 514, Psychosen bei —, von v.
Krafft-Ebing 1116, psychische Stö
rungen bei der — chron. progressiva,
von Kattwinkel 807, Huntington’sche
—, von Kattwinkel.
Chorioepitheliome, Histologie und Ver¬
lauf der, von Krebs .
Chorioidealsarkom, von Jung . . .
1217
23
329
844
1288
1329
630
1670
876
557
Digitized b"
■V Google
Seite
Christus als Arzt .408
Chrysarobin gegen Warzen, von Fitz . 66
Chylurie, europäische, von Predte-
tschensky.840
Ciliargegend, Wunden der, von Dünn . 22
Cirrhose, Hanot’sche, von llasenclever,
1572, Erzeugung von — bei Thieren,
voji Flexner 1442, von Hektoen . . 1443
Citrophen,vonTittel 1116, — von Kornfeld 1366
Claudication s. a. Hinken.
Claudicationinlermittente,vonKlemperer
711, von Grassmann.807
Cocainanaesthesie, medulläre, vonTuftier
1148, von Nicoletti.1149
Cocainanalgesie, medulläre, von Schwarz 1709
Cocaininjectionen, von Doleris u. Malartie
1222, — in den Lumbalsack, von
Leguen u. Kendirdy.1647
Cocainisirung s. a. Medullamarkose.
Cocainisirung des Rückenmarks, von
Bier 1226, — von Dumont 1427, Er¬
satz des Cocain’s bei der Bior’schen
j — des Rückenmarks, von Engelmann 1531
Cocainlösungen, Einwirkung der Sterili¬
sationsverfahren auf, von Sidler-
i Huguenin 474, sterile Aufbewahrung
I von —, von Sidler-Huguenin . . . 514
Cocainvergiftung, acute, von Bergmann 392
j Coecum, Gallertkrebs des, von Hahn . 1580
i Coecumcarcinom u.Tuberculose,Diagnose
! des, von Obrastzow.700
| Coffein, Wirkung des, auf das Herz, von
[ Bock 545, Einwirkung des — auf das
| Gesichtsfeld, von Schwabe.1642
| Colitis, chirurgische Behandlung der
I chronischen, von Lindner 974, —
| membranaeea, von Boas, von Manna-
i berg, von Mathieu.1187
| Collodium, Gebrauch des, von Samways 944
' Collumamputation, von La Torre . . . 1398
Colon,entzündliche Stricturen des, sigmoi-
deum und pelvinum, von Rotter . 1213
Coloquinthen, Vergiftung mit, v. Jennings 177
Coma diabeticum, von Sternberg 126,
künstlich hervorgerufenes —, von
Grube 627, traumatisches — diabeti¬
cum, von Spitzer 1708, Pathologie
des — diabeticum, von Grube . . . 1751
Commotio cerebri, von Hauser .... 655
Compensationsvorgänge, von Bickel . . 1528
Compression des Brachialplexus, von
Engelken.1602
Congresse, s. a. u. IV.
Congress für med. Electrologie u. Radio¬
logie 483, — der Krankenpfleger,
Masseure und Heilgehilfen in Dresden
1255, VIII. internat. — gegen den
Alkoholismus.1836
Congresse, Berichterstattung der Tages¬
zeitungen über medicinische .... 1220
Congressnachrichten.379
Conjugata, Relation zwischen Sternum
und, von Kurtz.618
Conjunetivaltuberculo8e, von Jung . . 980
Conjunctivalxerose, Verhornung des
i Bindehautepithels bei infantiler, von
I Dötsch.301
Conjunctivitis, durch Heilserum be¬
handelte, diphtheritica, von Hanne-
cart u. Terrien 175, gonorrhoische —,
von Welander.335
Conservenfabrication, von Bischoff u.
| Wintgen.1388
I Conserviren von Fisch und Fleisch mit
I Salzen, von Petterssen.877
Conservirung pathol.-anat. Präparate, von
| Pick.781
i Contagium, Beyerink’s, vivum fluidum,
> von Reineke.1580
| Contentionsapparat, neuer, von Debrand 1280
Contractionsphänomen, Stelle des Auf-
! tretens des, von v. Herff.473
| Contractionsring, von Rossa ..... 1782
' Contractur, operative Behandlung der
Dupuytren’schen, von Lotheissen . 1114
Controversi, von Henke. 452
Conus, Anatomie des, myopicus, von
Heine 97, Erkrankungen des — ter-
minalis, von Hirschherg.589
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XXIV
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900 .
Seite
Coordination, Tonus und Hemmung, von
Kohnstamm.905
Cornea, Impermeabilität des Epithels der,
für Sauerstoff, von Bullot .... 401
Corpus eavern. tympanicum beim See¬
hund, von Tandler.621
Correspondenz 108, 140, 212, 380, 452,
675 , 756, 820, 1060, 1154, 1256 1684,1764
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte,
fast in jeder zweiten Nummer.
Corset s. a. Stützkorset.
Corset u. Reformkleidung, von Thiersch
: 1108 , orthopädisches — bei Skoliose,
von Htissy.1749
Corsetdruck, von Thiersch.1276
Coxa vara s. a. Schenkelhalsverbiegung.
Coxa vara, von Bähr 707, von Lauen stein
1578, von Wagner 1749, Anfangs-
stadien der —, von Schanz .... 1313
Coxitis, Frtihoperation der, von Blood-
good 844, — hysterica, von Porter . 1468
Credd’sches Verfahren bei Neugeborenen,
von Michaelsen.401
CretinismuB, Ursache des, von Allara
551, endemischer und sporadischer
—, von Wagner u. Jauregg ... 743
Cruralhernie, von Wiesinger 1578, —
im Labium majus, von Stieda . . . 1351
Crurin, von Steiner.275
Cubitus valgus femininus, von Hübscher 93
Culturgläserverschluss, neuer, von Hesse 370
Cultusetat, preussischer.17$
Curorthygiene, von Kuthy.1246
Curpfuseher 1518, Vorgehen gegen —
in Hamburg 955, ärztlicher — u. Col-
legialität 1718, —Anzeigen 1220, —
in illustrer Gesellschaft. 1399
Curpfuscherei, Bekämpfung der 817, von
Blencke. 295
Curpfuscherthiim, Blätter zur Bekämpf¬
ung des .518
Cyanose, von Vierordt.662
Cyclopaedia, annual and analytical, of
practical medicine. 924
Cystadenoma mammae, von Tietze . . 1387
Cyste, von v. Bergmann 1640, — des
behaarten Kopfes 550, — der Darm¬
wand, von Sprengel 705, aus den
Scheidendrüsen hervorgehende —,
von Davidsohn . .. 1781
Cystenbildungen, pathologische Histo¬
logie der, von Kühne 1011, — in
Ovarialresten, von Waldstein . . . 1466
Cystennieren, von Theilhaber 1325, fö¬
tale —, von Mirabeau 438, — eines
Neugeborenen, von Frieben .... 446
Cysticerken im Rückenmarke, von Pichler
702, subretinale —, von Schwarz . . 1580
Cystin und die verunreinigten Wässer,
von Causse.786
Cystitis, von Hillmann 813, Aetiologie
der infectiösen —, von van Calcar
132, blennorrhagische —, von Pini
633, — typhosa, von Curschmann . . 1449
Cystocele lineae albae, von Gerulanos 233
Cystodiagnostik, von Widal u. Ravaut . 1282
Cystofibrosarkome der Mamma mit epi-
dermoidaler Metaplasie, von Grohe . 656
Cy stoma, rasches Wachsthum eines,
ovarii glanduläre, von Kossmann . . 36?
Cystopexie, indirecte, von Petit.... 1398
Cystoskop, neues, von Schlifka 99, von
Kollmann.1287
l>.
Dämmerzustand, Reise im epileptischen,
von Burgl. 1270
Dampfsterilisatoren, Controlapparat für,
von Sticker.18, 941
Dampfsterilisirapparate, Controle von,
von Schüller. ... . 262
Darier’sche Erkrankung, von Doctor . . 335
Darm s. a. Dickdarm, Dünndarm, Colon,
Duodenum etc.
Darm, Achsendrehung des, von Schreiber
163, Physiologie, Pathologie undBac-
Seite
teriologie des —, von Buchbinder
479, — und Mastdarmcarcinome, von
Krönlein 594, .Untersuchungen am
lebenden Thier- und Menschen—,
von Buchbinder 973, Schnürverschluss
des —, von Vollbrecht 1U86, moto¬
rische Thätigkeit des —, von Hem¬
met er 1188, Functionsprüfung des
—, von Philippsohn 1638, Infection
des—, von Buttersack 1748, entzünd¬
liche Erkrankung des — in der Regio
ileocoecalis, von Lenzmann .... 1753
Darmausschaltung, totale, von Payr . . 1184
Darmbaeterien und Darmbacteriengifte
im Gehirn, von Seitz.401
Darmcarcinom, Frühdiagnose des, von
Holländer. 1115
Darmdivertikel, von Bayer. 1635 !
Danneinklemmung, von Meyer .... 93
Darmgries, von Eichhorst.1670
Darminvagination, von v. Bramann 1712,
Chirurgie und pathol. Anatomie der
—, von Brunner.262
Darmlipom, von Hahn 288, von Lange-
niak 14< 6, von Gross.1674
Darmlumen, Verschluss des,von v. Barne/
657, von Haegier.840
Darm naht, von Kuhn.262
Darmocelusion durch Meckel’sehes Diver¬
tikel, von Hohlbeek 873, Diagnose
und Behandlung der —, von v. Berg¬
mann .1214
Darmresection, von Krause.669
Darmruptur, von Engelmann 1707, sub-
cutane —, von Schnitzler.819
Darmspülungen, hohe, von Turck . . 59
Darmstenose, geheilte, von Jochner . . 1596
Darmsyphilis, von Forssmann 842, von
Lereboullet ... ...... 1121
Darmulcera, multiple stricturirende, von
Luce.978
Darm Vereinigung, Technik der, von
Hinterstoisser.1638
Darmverletzung, von Schnitzler 819, ge¬
heilte multiple —, von Deiters 1239,
subcutane —, von Hirstein .... 1502
Darinverschliessungen und Verengerun¬
gen, von Martens .1502
Darmverschluss, angeborener, durch
Atresie, von Sick 170,arterio-mesente-
rialer —, von Albrecht 777, von Stieda
1351, — während der Schwanger¬
schaft, von Tendericli ...... . 1387
Darmwand, Baeteriendichtigkeit der, von
Binaghi 550, Durchgängigkeit der —
für Bacterien, von Posner und Colin 1278
Daumenluxation, von Koch.1612
Daumenplastik, von Noeoladoni .... 1050
Decapitation mit dem Zweifel’schen Tra-
chelorhekter, von Fiith. 96
Decapitationshaken, v. Braun’seher, von
Herzfeld, von v. Braun-Fernwald . . 473
Deciduoma malignmn, von van der
Iloeven. 1504
Deckzellen, Pathologie der serösen, von
Borst.848
Defäcation, psychisch bedingte Störung
der, von Pick . . . 778
Defloration, anatomischer Nachweis der
erfolgten, von Haberda.438
Degeneration, amyloide, von Davidson . 977
Deject.ionen, Bacterienbefunde in, von
Pigeaud.1573
Deltoideslähmung, isolirte, von Stein¬
hausen .908
Dementia, postsyphilitische, von Krause
1119, Herdsymptome bei — paraly*
tica, von Mönkemöller 1673, Früh¬
symptome der — paralytica und ihre
Behandlung, von Hutchinson . . . 1675
Demodex folliculorum, Vorkommen des,
am Augenlid, von Hunsche .... 1563
Dermatitis exfoliativa infantum, von
Luithlen 336, — tuberosa ex jodo,
von Neumann 336, exfoliative —, von
Wolff 405, — herpetiformis, von Hall
443, perifolliculäre pustulöse—, von
Seite*
Huber 474, Histologie der — exfo¬
liativa, von Bender.1087
Dermatologie und Syphilis, Referat über,
334, 474, 552
Dermatologische Vereinigung ... . 243
Dermatomyome, multiple, von Jacobi . 630
Dermoidcysten, von Bandler 266, von
Siedentopf 480, Entstehung der —,
von Bandler 618, von Wilms 1750,
von Bandler.. . 1781
Dermoide der Bauch- und Beckenhöhle,
von Funke.1601
Desinfection s a Alkohol, Bürsten,
Formalin, Formaldehyd, Glycoforrual-
desinl'ection, Hände, Händedesinfec-
t.ion, Marmorseife, Scheindesinfection,
Scheidenkeime.
Desinfection, Bacteriologisches zur, der
Hände, von Schenk und Zaufal 503 ,
— der Hände, von Kossmann und
Zander 841, — der Hände und der
Haut, von Ilanel 875, gastrointesti¬
nale —, von Schütz 908, — inficirter
Badewässer, von Babucke 975, — der
Brunnen mittels Kalium permangani-
eum, von Delorme 1121, —dertuber-
culösen Sputa in Wohnräumen, von
Ottolenghi 1-U5, — mit Carboformal-
Glühblocks, von Dieudonnö 1456, von
Erne 1666- — von Wohnräumen, von
Abba und Roridelli 1503, — der He¬
bammenhände, von Kossmann 1541,
mechanisch-chemische — der Hände,
von Schenk und Zaufal . . ... 1558
Dextroeardie, von Lohsse 1644, reine
angeborene —, von Crispino 1544,
angeborene —, von Löwenthal . . 1572
Diabetes s. a. Coma, Herzkrankheiten,
Nierendiabetes, Ohrenerkrankungen,
Zuckerkrankheit.
Diabetes insipidus, von Strubeil 1608 ?
von Rebensburg 1144, von Niessen
1225, Stoffwechsel bei — insipidus,
von Vannini.1051
Diabetes, von v. Noorden 1783, diäte¬
tische Behandlung des — mellitus,
von Kolisch 58, Lipaemie bei — !
mellitus, von Futscher 60, — und
Akromegalie, von Schlesinger 275,
Kehlkopferkrankungen im Verlauf
des —, von Leichtenstern 535 ? pan-
kreatogener —, von Bauermeister
700, Behandlung des —, von Saundby
1117, — mellitus, Unterleibskoliken u.
Oedeme, von Ebstein 1141, geheilter
Fall von — mellitus, von Zaudy 1144,
Milchdiät bei — mellitus, von Berger
1215, Gangraen bei — mellitus, von
Grossmann 1350, Zuckerausscheidung
bei — mellitus, von Stradomsky 1386,
Blutreaction bei — mellitus, von
Williamson 1506, — mellitus und
Tabes dorsalis, von Croner .... 1572
Diabetesmilch, Rose's, von Sandmeyer . 1575
Diabetikerdiät, Eiweisszufuhr in der, von
Lenne.704
Diät, Stoffwechseluntersuchungen bei
vegetarischer, von Rumpel 133, blut¬
reinigende — bei Galen, von Basler
332, — bei Hyper- u. Hypochlorhydrie,
von Buch 1386, — und Salzsfture-
Tsecretion, von Meyer.1672
Diagnose, antenatale, v. Ballantyne 1116,
Elemente der pathologisch-anato¬
mischen —, von Israel.1181
Diagnostik, 'Taschenbuch der medicin-
ischen, von Seifert und Müller 973,
pathologisch-anatomische —, von Orth 1181
Diaphorese.1153
Diapliragmadivertikel, musculöses, von
Bromann.842
Diarrhoe, Salol und Petroleum bei, der
Kinder von Fothergill 562, Behand¬
lung der — Tuberculöser, v. Doumer
und Rancon.955
Diathese, hamsaure, von Ortowski . . 1142
Digitized by
Gck igle
Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900 .
iNHALTS-VERZEtCIimSS.
XXY
1198
842
261
592
1600
629
716
619
1191
703
1222
745
Diazoreaction, von Damen 1185, Beein¬
flussung der —, von Burghart 338,
diagnostische und prognostische Be¬
deutung der — bei Phthisikern, von
Michaelis 474, Ehrlieh’sche —, von
Arneill 1215, prognostische Bedeutung
der — Tuberculöser, von Becker . .
Dicephalus, von Schaefer ..
Dickdarm, angeborene Abknickung des,
von Göppert.
Dickdarmcarcinom, extraperitoneale Re-
section einer, von Kümmell . . .
Dickdarmresection wegen Carcinom, von
Zimmermann.. .
Dickdarmtumoren, operative Behandlung
der malignen, von Körte.
Dienstzeit, einjährige, der Mediciner
Digitalis, Verhalten des Blutdruckes nach
Darreichung von, von v. Czyhlarz .
Digitalisgaben, chronische Verabreichung
kleiner, von Frankenburger ....
Digitalisgruppe, pharmakologische Wir¬
kung der Stoffe aus der, von Wybauw 1751
Digitalis Wirkung, von Heinz.
Digitoxin, Wirkung des, crystallisat.
Merck im Vergleich zu der der Digi¬
talisblätter, von Zeltner.
Dionin, von Wolffberg 98, — in der Augen¬
heilkunde, von Darier.
Dioptrie, Bedeutung der, von Gullstrand
Diphtherie s. a. Intubation Magendiph¬
therie, Spätdiphtherie, Serumbehand¬
lung.
Diphtherie, v. Walker 20, laryngo-tracheo-
bronchiale —, von Smith 269, bac-
teriologische Diagnose der —, von
Concetti 402, Erbrechen bei —, von
Rolleston 779, 4 Jahre vor und nach
der Serumbehandlung der , von
Siegert 10ö7, 1178 Fälle von von
Richardifcre 1860, Toxicität des Urins
bei —, von Mariotti-Bianchi 1389,
Verlauf der — bei Serum an Wendung,
von Zollikofer 13ö9, bacteriologische
Diagnose der—, von Andrewes 1442,
— und Scharlach, von Wesener 1468,
Serumbehandlung der -, von v. Bökay
1602, Erfahrungen mit -, von Knopf
1611, Prophylaxe der septischen und
phlegmonösen —, von Behrmann
1751, Herz bei —, von v. Leyden
Diphtherieartiger Organismus bei Tauben,
von Macfadyan und Hewlett . . .
Diphtheriebacillen s. a Löfflerbacillen.
Diphtheriebacillen und Heilserum, von
Kassowitz.402
Diphtheriediagnose, bakterioskopische,
von Bronstein.265
Diphtherieheilserum, eigenthümliche Er¬
krankung nach, von v. Szontagh 906,
1000 faches — 1025, 1154, — in Ma¬
drid, von Robert 1439, prophylaktische
Injectionen von - bei masernkranken
Kindern, von Netter und Nattan
Lanrier.
Diphtheriekranke, Zeitraum der An¬
steckungsfähigkeit der, von Ewart .
Diphtherieserumtherapie und Intubation
im Kinderspital in Basel, vonWeissen-
berger. ....
Diphtheriestamm, atoxischer und aviru-
lenter, von Lubowski.1512
Diphtheriesterblichkeit, Abnahme der,
von Munn.477
Diphtherietoxin, Wirken des — auf den
Vagus, von Colla.1327
Diphtheritische Lähmung und Antitoxin,
von Ransom.J674
Diplococcen, Schnellfärbung derNeisser’-
schen, von Uhma.552
Diplogonoporus grandis, von Kurimoto 840
Disposition, locale, Erkältung und Ab¬
härtung, von Kisskalt.110
Distanzbehandlung .447
Distomum hepaticum s. a. Leberegel.
Distomum felinum, von Askanazy 1603,
— hepatis spafchulatum, v. Simmonds 1758
Distorsion des untern Fussgelenkes, von
Krapf
1762
106
1360
1506
. 1541
1674
Sudsaki 1050
1687
850
716
-441
1056
62
463
1540
1144
18
264
707
355
1751
1142
1641
Diurese, von Magnus
Diuretische Wirkung von Digitalis, Stro
phanthus und Diuretin, von Mc Laren
Divertikel am S romanum, von
Divertikelsonde, von Starck .
Doctorjubiläum.
Doctorwiirde, nichtpreussische
Doppeldiaphanoskop, von Gerber
Doppelkatheter, von Frendenberg
Doppelmissbildungen, von Busse
Dormiol, Wirkung des, von Peters
Douchen, in der Hydrotherapie gebräuch¬
liche, von Rieder .
Draht s. a. Knochen, Filigrangeflecht.
Drepanidotaenia-Bloch, von Wolffhügel
Drillingsgeburt, von Wolff .
Drüsen, gastrische, von Basch
Drüsenabscesse, Topographie der retro
pharyngealen, von Most
Druck, osmotischer, thierischer Flüssig¬
keiten, von Senator 164, osmotischer
— zwischen Mutter und Kind, von
Veit 776, intrapleuraler—, von Aron 1184
Druckstauung, von Perthes 906, 1020,
— und Fettembolie, von v. Reckling¬
hausen .984
Ductus, Offenbleiben des, omphalo-
mesentericus, von Cnopf.1020
Dünndarm, Carcinom des, von v. Kahl-
den 61, Achsendrehung des —, von
Fertig.
Dünndarmruptur, geheilte, von Ringel.
Dünndarmstenosen tuberculösen Ur¬
sprungs, von Erdheim.203
Duodenalatresien, congenitale, von Wyss 974
Duodenum, Haemorrhagien des, von
Babes.1676
Duplicitas intestini crassi, von Grobö . 376
Dura, Geschwülste der, mater, von Engert
1183, Bau der — mater, von Melni-
kow-Raswedenkow.1353
Duralmfusion, von Jacob.164
Durst, Einfluss des, auf gewisse Eigen¬
schaften des Blutes, von Wettendorff
Dyes, Dr. August (Nekrolog), von Bach¬
mann . .
Dysenterie, Aetiologie der tropischen,
von Flexner . 1 443, 1783
Dysmenorrhoe, Behandlung der, von
Haultain.1647
Dyspepsie, Eintheilung der, von Frö-
mont .953
Dystocie durch den Contractionsring,
von Veit.472
Dystrophia muscul. progress. adultorum,
von Hess .1090
E.
Echinococcus s. a. Blasenwurm, Cysti¬
cercus , Leber, Leberechinococcus,
Niere
Echinococcus der Orbita, von Wagen¬
mann 63, — des Oberschenkels, von
Delbanco.950
Echinococcusgeschwülste, von Kokoris 1215
Ecraseur, neuer abdominaler, von Jon-
nescu.1676
Eczem s. a. Naphthalanbehandlung.
Eczem, Behandlung des chronischen,
von Neuberger 336, parasitäre Natur
des —, von Scholtz 1115, parasitärer
Ursprung des —, von Unna, Jadas-
sohn 1360, von Galloway, Brocq und
Veillon 1351, — und verwandte
Krankheiten, von Freeman .... 1505
Ehrendoctor.226
Ehrengerichte, ärztliche, in Preussen 179,
675, 755, 817, 850, 1836, Geschäfts¬
ordnung für die ärztlichen — ... 635
Ehrengerichtshof, preussischer . . 522, 1445
Eier, Atrophie der, in den Eierstöcken
der Säuge thiere, von Matschinsky . 1015
Eiereiweiss, Nachweis von, auf biologi¬
schem Wege, von Uhlenhutb . . 1673
879
159
Eierstock, Pathologie des, von Bollen¬
hagen 1387, Geschwülste des über¬
zähligen —, von Stolz 1636, Krank¬
heiten der —, von Martiner .... 1705
Eierstock8cyste,tuberculöse,von Grusdew 1314
Eierstocksgeschwulst, neuer Typus einer
bösartigen, von Gottschalk .... 298
Eihäute, Retention der, von Maygrier . 1399
Eihüllen, Bau der menschlichen, von
Blacher 18, Retention der —, von
d’Erchia ..776
Eileiterschwangerschaft, operative Be¬
handlung der, von Jung . ... 841
Eingeweide-Transplantationen, von Ull-
mann.1321
Einklemmung, innere, von Tillmanns . 343
Einläufe, Wirkung hoher, von Turck . 1468
Einreibungscur und Badecur, von
Schuster.1467
Eisen s. a Harneisen.
Eisen, Resorption des medicamentösen,
von Cloetta.1751
Eisenbahnunfälle, von Saenger 1606, erste
Hilfe bei — 137, Folgezustände nach
—, von Saenger.1515
Eisenpräparate, Wirkung neuer, von
Sehtirmayer.1434
Eisensomatose, von Nathan.334
Eisentherapie, von Müller.1762
Eismeer, medic -klimatologische Erfahr¬
ungen im, von Rawitz.26, 514
Einstülpungsnaht, von Bayer.1635
Eiweiss und seine künstliche Oxydation
von Schulz 1581 Entstehung von
Aceton —, von Blumenthal und
Neuberg.1762
Eiweissbestand, Hebung des im Organis¬
mus, von Bomstein.662
Eiweissfäulniss, Aetiologie der, von Bien¬
stock . 514
Ei weisskörper, Bence Jones’scher, von
Magnus-Levy.703
Eiweisspeptone,Nährwerth der,vonAustin 476
Eiweisspräparate, Verwendung neuer, zu
Culturzwecken, von Glaessner . . . 908
Eiweissprobe, von Jolles. 447
EiweiBsatoffe, von Kosael u. Kutscher . 1423
Eiweissstoffwechsel bei Unterernährung,
von Albu .127
Eiweissumsatz und Zuckerausscheidung,
von Rumpf . 1432
Eklampsie, Prophylaxe und Therapie der
puerperalen, von Davis, Edgar, King,
Reynolds, Norris 337, Pathogenese
der —, von Stroganoff 588, Behandlung
der —, vonPopescul 941, von Mangia-
galli 1285, von Stroganoff 1285, puer¬
perale — mit Pilocarpin behandelt,
von Inglis 1505, moleculäre Concen-
tration des Blutes bei — gravidarum,
von Szili 1543, 58 Fälle von — ohne
Todesfall, von Stroganoff .... . 1782
Eklund’sche Pillen, von Hecht .... 1836
Ekthyma, Aetiologie des, gangraenosum,
von Hitschmann u. Kreibich .... 552
Elastin, Verhalten des, im Stoffwechsel
des Menschen, von Mann.439
Elastisches Gewebe, Regeneration und
Neubildung des, von Jores 1012, —
in der Gebärmutter und im Eierstock,
von Woltke 1012, — der Scheide, von
Obermüller.1012
Elektrische Applicationen, Stütz Vorricht¬
ung für, von Salaghi.1540
Elektrische Ströme, tödtliche Wirkung
der, von Cunningham. 59
Elektrolyse, von Kafemann.1747
Elektrotherapie, das Faraday'sche Gesetz
in der —, von Frankenhäuser . . . 1572
Elephantiasis, von Stern 1640, von Cohn 1679
Elevator, the O’Connor, von Wieting . 1641
Ellenbogengelenk, Complicationen nach
Verletzungen des, von Littlewood . 269
Elytroclisis bei Ureter-Scheidenfistel, von
Kossmann .... . 381
Embolie in der Pulmonalarterie, von
Dräsche.878
I
Digitized b"
■V Google
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XXVI
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900 -
1602
1761
1834
370
699
1501
16 n 2
319
876
810
699
Embryoma ovarii, von Strasamann 747,
RtickbildungsVorgänge an abortiven
—, von Engel .
Empyema neceaaitatis bei Kindern, von
Audion u. Bourgeois 266, chron. —
des Antrum Highmori, von Warneeke
945, — im Kindesalter, von Cnopf
1151, — im Säuglingsalter, von Ru¬
dolph 1190, tubereulöses —, von Sick
1641, langdauerndes —, von Karewsky
Empyemfälle, geheilte, von Lenhartz .
Encephalitis, von Nonne 270, — ac. non
purulenta, von Oppenheim ....
Encephalopathia saturnina durch Hebra*
salbe, von Hahn.
Encyclopädie der Ohrenheilkunde, von
Blau.
Endarteriitis und Endoplilebitis oblite-
rans, von Sternberg.
Endocarditis, von v. Jürgensen 1633, von
Hansemann 1710, ulceröse —, von
v. Kahl den 62, von Barabo 179?, —
'gonorrhoica, von Loeb 618, von Stein
1708, — und ihre Beziehungen zu
anderen Krankheiten, von Litten 663,
maligne —, von Gavala 1246, von
Fraenkel 1605, maligne — bei Gelenk¬
rheumatismus, von Bari6.1317
Endocranielle otogene Erkrankungen,
Schwierigkeit der Diagnose der, von
Röpke .
Endometritis dolorosa, von Sneguireff 18,
- dolorosa Sneguireff b, von Pinkus
Endotlieliome der Haut, von 8piegler552,
— der Knochen, von Berger . . .
Englische Krankheit, von Shukowsky .
Enophthalmin als Mydriaticum, von Ci-
priani-Mandos.1638
Enteroptose, von Herzfeld 274, von Po-
lacco 1544, chirurgische Behandlung I
der —, von Blecher 1352, günstiger i
Einfluss der Schwangerschaft auf die
—, von Maillart. 1832 I
Entfettungscuren, von Kisch. 1427 !
Entgiftung, von v. Czyhlarz und Donath
588, von Heymans 1431, — des Or¬
ganismus, von Ellinger 1316, Lehre 1
von der —, von Meitzer und Lang¬
mann .
Entropie des Keimsystems und erbliche
Entlastung, von Hirth.883
Entwicklungslehre, Elemente der, des
Menschen und der Wirbelthiere, von
Hertwig.231
Entzündung seröser Häute, von Heinz 213
Entzündungslehre, Entwicklung der, im
19. Jahrhundert, von Ponfik .... 474
Enucleatio bulbi, von Schmidt-Rimpier 1052
Epicarin, ein neues Heilmittel, von Ka¬
posi 371, — bei Scabies, von Siebert 1489
Epidermolysis bullosa, von Rona 552,
von Bettmann 915, — bullosa here-
ditaria, von Elliot.1468
Epidiaskop, von Dreyer.1118
Epididymitis, gonorrhoische, von Witte
552, Castration bei — tuberculosa,
von Lanz 973, varicöse —, von Mig¬
non und Sieur . ■.1283
Epignathus, von Martin.236
Epilepsie s.a. Meerschweinchen-Epilepsie.
Epilepsie, von Binswanger 232, rationelle
Behandlung der —, von Laborde 105,
senile —, von Redlich 173, — und
gastrische Störungen, von de Fleury
306, Behandlung der —, von Kothe
482, von Fürstner 808, operativ ge¬
heilte —, von Krause 519, Methylen¬
blau bei —, von Paoli 744, Brom-
medication bei —, von de Fleury 785,
Santonin bei —, von Lydston 844,
corticale —, von Lunz 877, Behand¬
lung der — mit Bromipin, von Lo¬
renz 1604, — und Polyklonie, von
Mannini.
Epilepsiebehandlung, von Biro
Epileptische Aequivalente, von Schultze
Epileptische Anfälle und Harnsäure-
Ausscheidung, von Caro.743
1386
1639
1246
416
Epiphysenlösungen, traumatische, von
Wolff.
Epiphysistumoren, von Neumann . . .
Episcleritis, Aetiologle und Therapie der,
periodica fugax, von Stöltzing . . .
Epitheliom beider Brustdrüsen, von
Dentu und Morestin 1279, multiple
— auf der Basis eines Lupus, von
Pringle 779, verkalkte — und Endo-
theliome, von Linser.
Epithelkörperchen und Thymusstrang,
von Kürsteiner.
Epithel Veränderungen durch Temperatur¬
einflüsse, von Petersen.
Epityphlilis und Cholecystitis, von Meisel
Epuiis und ihre Riesenzellen, von Ritter
Erb Wilhelm, von Nonne.
Erbrechen, nervöses, von Bendersky .
Erfrieren, Tod durch, von Deila Rovere
Ergüsse, pseudoehvlöse, von Gross . .
Erholungsstätten für Cassenmitglieder
in Berlin 26, — vom Rothen Kreuz
in Berlin..
Erinnerungen aus meinem Leben, von
Kölliker.
Erkältung, von Kisskalt.
Erlass, amtlicher: Belehrung über die
Pest 34, Entwurf von Vorschriften
über den Verkehr mit Geheimmitteln
108, Berliner Polizei Verordnung 140,
Ausführungsbestimmungen zu dem
Gesetze, betr. die ärztlichen Ehren¬
gerichte, das Umlagerecht und die
Cassen der Aerztekammern 179, An¬
trag, betr. Umgestaltung des See¬
mannskrankenhauses und Verbin¬
dung desselben mit einem Institut
für Schiffs- und Tropenkrankheiten
(Hamburg) 210, k. Allerhöchste Ver¬
ordnung, den Vollzug des Impf¬
gesetzes betr. 409, Bekanntmachung,
betr. die Verleihung medic. Reise
Stipendien für das Jahr 1900 756, Be¬
kanntmachung, betr. medic. Doctor-
würde nichtpreussischer Universi¬
täten 924, Bekanntmachung, betr. die
Einführung des hundertheiligen Ther¬
mometers 955, Gesetz vom 22. Juni
1900, die Ergänzung und Abänderung
des Polizeistrafgesetzbuches für das
Königreich Bayern vom 26. December
1871 betr. 1026, Gesetz, betreffend
die Bekämpfung gemeingefährlicher
Krankheiten vom 30. Juni 1900 1026,
Bekanntmachung, das hilfsärztliche
Externst in Sachsen betr. 1060, —
betr. die Verhandlungen der Aerzte¬
kammern in Bayern im Jahre 1899
1123, Bekanntmachung, betr die Prü¬
fung für den ärztlichen Staatsdienst
in Bayern vom Jahre 1901 1124, An¬
weisung, betr schulärztliche Unter¬
suchungen im Herzogthum Sachsen-
Meiningen 1160, Bekanntmachung
betr. die Bekämpfung der Lungen¬
schwindsucht 1256, — betr. Vorlage
der bei der Krankenversicherungs¬
novelle besonders in Erwägung zu
ziehenden Fragen an die Aerzte¬
kammern 1367, Entwurf eines Ge¬
setzes, die Standesordnung und Ehren¬
gerichte für die Aerzte des Gross¬
herzogthums Hessen betr. 1446, Be¬
kanntmachung, die Stiftung des In¬
genieurs Dr. A B Nobel in Stockholm
betr. 1519, Vorläufige Ausführungs¬
bestimmungen zu dem Gesetze, betr.
die Bekämpfung gemeingefährlicher
Krankheiten 1519, 1720, Die neue
Promotionsordnung für Mediciner
1583, Morbiditätsstatistik der Infec-
tionskrankheiten betreffend . .
Ernährung der Gefangenen im Zucht¬
hause, von Hirschfeld 698, künstliche
—, von Jacobi 1321, von Heubner,
Monti, Johannessen, Variot 1322, erste
— des Kindes, von Cramer 1437,1685,
Versuchsstation für —, von Biedert
298
812
219
974
1543
881
630
233
1666
1147
4 0
1088
748
55
110
Seite [ Seite
1475, künstliche — des Säuglings, von
Soxhlet. 1658
Ernährungsphysiologie des Säuglings,
von Bendix . 1035 , 1060
Erstickung, Befund bei, durch Einwirkung
auf den Hals, von Messerer .... 726
Ertaubungen, Pathogenese der acuten,
von Baginsky.369
Erwerbsfähigkeit, Begutachtung der, nach
Unfall Verletzungen des Sehorgans,
von Ammann 1010, procentuale Ab¬
schätzung der — durch Aerzte, von
Schindler. 1614
Erysipel, die leukocytäre Formel bei, von
Chantemesse und Rey 100, Therapie
des — von Fischer 178, - und Ery-
sipeloid, von Lenhartz 295, Conta-
giosität des —, von Respinger 874,
— faciei.976
Erythema exsud. multiforme, von Lochte
556, infectiöses — bei Kindern, von
Escherich 1433, —exsudativum mul¬
tiforme nach chemischer Reizung der
Urethra, von Heller.1515
Erythrocyten, endoglobuläre Körperchen
in den, der Katze, von Schmauch . 777
Erythromelalgie, von Personali 550, vaso¬
motorische Reflexe bei —, von Bracci 1016
Erythrophobie, klinische Stellung der
sog., von Friedländer.624
Eselmilch als Säuglingsernährungsmittel,
von v. Ranke .... • . . ... 597
Eserin, Einwirkung des, auf die Circu-
lation im Auge, von Grönholm . . 1507
Etagennaht ohne verlorene Fäden, von
Schoemaker 589, — ohne versenkte
Enden, von Hagopoff.1188
Eupyrin, von Overlach.1635
Europhen, von Saalfeld.563
Exanthem, lenticuläres papulöses, von
Aming 207, Aetologie der acuten —,
von Siegel 1278, — durch Primula
obconica, von Piza.1515
Exercirknochen, von Eichel .405
Exophthalmus, intermittirender, v.Hitsch-
mann 187, pulsirender —, von Widen-
mann 168, von Keschmann 1215, pul¬
sirender — nach Schussverletzung,
von Wagenmann 301, — pulsans,
von Barth.1604
Expectoration, Mechanik der, v. Geigel 1574
Exsudate, ehylöse, von Micheli u. Matti¬
rols 346, von Ascoli 1544, rectale
Exploration und Incision perityphli-
tischer —, von Langemak.1644
Extensionsmethode, functionelle Ergeb¬
nisse der Bardenheuerschen von
Bliesener.905
Externat, hilfsärztliches, in Sachsen . . 1060
Extrauterinschwangerschaft s. a. Gra¬
vid itas, Tube, Tubargravidität, Eileiter¬
schwangerschaft, Tubenschwanger¬
schaft.
Extrauterinschwangerschaft, von Giulini
560, von Stumpf 741, v. Seligmann
1515, — und Intrauternigravidität,
gleichzeitige, von Hermes 400, The¬
rapie der—, von Lindenthal 438, va¬
ginale Operationen bei —, von Madie-
ner 841, — geheilt durch Laparotomie,
von Hock 878, operative Indicationen
bei —, von Prochownik.911
Extremitäten, angeborene Verbildungen
der oberen, von Joachimsthal 1350, tro¬
pische Störungen an den —, v.Paulesco 1836
Extremitätenverletzungen, Mortalität
der, von Kaufmann.1279
F.
Facialis, Lähmung des N., von Köster 1748
Facialiscentren, corticale, von Figini . 1145
Facialislähinung, von Bernhardt 1637,
periphere traumatische —, v. Biehl
266, Symptomatologie der —, von
Mohr 1427, von Bernhard 1673, —
nach Spontangeburt, von Vogel 1832,
— nach Ohreiterung, von Herzberg 1838
Fadenbacterium, neues, von Cozzolino 869
1764
Digitized b'
■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900 .
INHALTS-VERZEICHNISS.
XX VH
Seite i
Fadenreaction, von Eisenberg. 1752 I
Fadenträger, von v. Pflugk. 745 i
Faecalien, Unschädlichmachung der, von !
Houston. 1405 I
Faeces, Intrument zum Durchspülen von, I
von Boas. 882 |
Faecespräparate, von Delbanco . . . , 951
Färbungsmethode, neue, zur Darstellung
des feineren Baues der Bacterien,
von Nakinishi. 188
Fall Neisser.879
Fall Strubeil. 883, 1008, 1024, 1091
Familien-Ikterus, von Gilbert, Castaigne
und Lerebonllet.1223
Farbe, gelbgrüne, der Bleichsüchtigen,
von Bloch . 11>8
Farbenringe um Lichtquellen, v. Druault 97
Farbensinn,Täfelchen zur Prüfung feinen,
von Cohn 399, Apparat zur prakti¬
schen Untersuchung des — von
Evershusch.1017
Farbstoffbildungen des Bac. prodigiosus
von Kuntze.908
Farbstoffe der Galle und der Leber, von
Dastre und Floresco. 17
Farbstoffproduction des Bac. pyocyaneus,
von v. Kuester.201
Fasern, elastische, in Riesenzellen von
Rona.842
Faule Ecken bei Kindern, von Epstein 473
Favus, von Knich 1467, von Riecke . . 1608
Fehlgeburt, von Schwarzenbach .... 1672
Feldzahnarzt.1224
Femurkopfepiphyse,traumatische Lösung
der, von Rammstedt .1050
Fenestra rotunda, von Frutiger .... 1248
Feriencurse in Berlin ..1092
Ferment, diastatisches, in Leukocyten,
von Tarchetti.1J90
Ferratogen, therapeutische Verwendbar¬
keit des, von Cloetta . . . . . .760
Ferropyrin als Haemostaticum, von Toff 1115
Fersan, von Silberstein 1223, klinisch-
therapeutische Versuche mit —, von
Fölkel.1536
Festschrift der physik.-medic. Gesell¬
schaft zu Würzburg.296
Fett- und Seifeabsorption im Dünn- und
Dickdarm, von Hamburger .... 879
Fett, Vorkommen von, in der Haut und
einigen Drüsen, vonSata 1012, Spal¬
tung und Zersetzung von — und
Fettsäuren, von Rubner.1051
Fettbestimmung, Methodik der, von
Rosenfeld. 1277
Fettembolie, von Ribbert 976, — des
Gehirns, von Haemig.1142
Fettgewebsnekrose, von Simmonds 555,
Verhältniss der — zu den Erkrank¬
ungen des Pankreas, von Schmidt
644, multiple —, von Katz u. Wink¬
ler 1085, makro- und mikrochemische
Reaction der —, von Benda . . . .1575
Fettleibigkeit, Behandlung der, von Kisch
70 , von Strasser. 702 j
Fibrin, Herkunft des, von Heinz . . . 1244
Fibrolipom im retroperitonealen und
Beckenbindegewebe, von König . . 1013
Fibrom der Rückenhaut, von Delbanco
952, Selbstau88tos8ung grosser —,
von Weiss 975, multiple —, von Zusch 1244
Fibrombildung der Lippen- und Wangen¬
schleimhaut, von Pluder.519
Fibromyom und Schwangerschaft, von
Hof meier 875, — des rechten Mutter¬
bandes, von v. Mars.1313
Fibrosarkom im Lig. latum, von Limnel
473, — am Halse, von Ritter . . . 907
Fieber, apyretisches, von Ughetti 743,
gibt es ein hysterisches — ? von
Kobler 977, Lehre vom —, von Nebel-
thau 1254, hysterisches —, von
Wormser und\Bing 1373, Behandlung
des —, von Frieser.1709
Filaria s. a. Blutfilarien.
Filaria sanguinis, von Loche.373
Filigrangeflechte, Technik der Anlegung
von, von Witzei.1706
Seite
Finger, der schnellende, von Sudeck 874,
von Tilmann.1443
Finnenkrankheit, von Achard ... .1152
Fischgräte, von Hansemann 270, von
Marx.560
Fissura ani, Pathogenese und Therapie
der, von Rosenbach.400
Fistel der Hinterbacke, von Buffet 1358,
amerikanischeOperationsmethode der
vesicovaginalen —, von Nanu . . . 1677
Fixationsabcesse, von Bauer .... 809
Fixationsstützcorsett, Dr. Zenkers, von
Rhoden.905
Flagellaten des Rattenblutes, von v. Wa-
siliewski und Senn.778
Flatulenz .177
Fleischbeschau-Gesetz.7e6
Fleischconserven, Temperaturzunahme
in, von Pfuhl.. . 1388
Fleischkunde, von Huber.1628
Fleischpräparate, von Gautier ... . 785
Fleisch Verkleinerungsapparat, von Selter 1475
Fliegenlarven als Schädlinge, von Peiper 63
Flimmerepithelcysten, multiple, von Pick 270
Flöhe, Uebertragung der Pest durch,
von Galli-Valerio.129
Flüsse, Verunreinigung und Selbstreinig¬
ung der, von Spitta.1542
Fluidextracte, toxische, von Bührer . . 1543
Fluor, Milchsäure gegen, von Sneguirew 66
Fluorescirende Stoffe, Wirkung von, auf
Infusorien, von v. Tappeiner ... 5
Fluoride als Conservirungsmittel . . . 174
Foetus, Gehalt an Mineralsalzen beim
menschlichen, von Hugounenq 922,
Schwerpunkt des —, von Schatz . . 1437
Folie ä deux, von Jelly.1247
Foramen ovale, offenes, von Veilchen*
feldt.208
Forceps in mortua, von Fleischmann 202,
von Neumann . . . ■.400
Formaldehyd, Anwendbarkeit des, im
Epidemiedienste, von Gruber . . . 174
Formaldehyddesinfection, von Kluczenko 1504
Formalin, Zimmerdesinfection mit, von
Bruns.•.405
Formalindesinfection, von Vogel . . . 556
Formalin Vergiftung, von Zorn 1588, acute
—, von Kl über . . . . .1416
Fortbildungscurse, bacteriologische . . 108
Fossa retromaxillaris, Veränderungen
der, von Wassermann.548
Fracturen s. a. Brüche, Spontanfractur.
Fractura, ungewöhnliche Dislocation bei,
cruris, von Reichenbach 619, — des
tuberculum maj. humeri, von Wohl-
gemuth 672, 7ü7, operative Behand¬
lung uncomplieirter —, vonLane 943,
— durch den Hals des Astragalus,
von Jackson 94 >, Einfluss des Nerven¬
systems auf die Heilung von —, von
Arcoleo 1016, experimentelle — der
Gesichtsknochen, von Le Fort 1218,
operative Behandlung frischer —, von
Scudder 1^47, Fortschritte in der Be¬
handlung der — seit Einführung der
Röntgenstrahlen, von v. Bergmann
1250, Reduction der — durch die
Radiographie, von Tuffier 1251, ver¬
kannte — und die Radiographie, von
Destot 1251, mit methodischen Be¬
wegungen und Massage behandelte
—, von Lucas-Championiere 1251,
Knochennaht bei —, von Thiery 1251,
angeborene complicirte — des Unter¬
schenkels, von Kraemer 1238, Be¬
handlung einfacher —, von Bennett
1402, geheilte — im Lichte der Rönt¬
genstrahlen, von Torrey 1468, — des
Radiushalses, von Mouchet .... 1576
Framboesia, von Hutchinson.1444
Franklinisation, allgemeine concentrische,
von Breitung.1355
Frau, die, als Mutter, von Meyer . . . 904
Frauen, Immatriculation von 451, Zu¬
lassung der — zum medic. Berufe 634,
zunehmende Unfähigkeit der —, ihre
Kinder zu stillen, von v. Bunge . .1571
903
1573
1678
1550
1831
Digitized b'
■V Google
I Frauenkrankheiten, Diagnose und Thera-
j pie der nervösen, von Krantz
, Frauenmilch, von Cohn 753, diastatisches
Enzym in der —, von Moro ....
Frauenparalyse, von Matthey.
| Frauenstudium s. a. Medicin, Prüfungen.
Frauenstudium 1224, — im Auslande,
| von Neustätter 873, — im S. 8. 1900
I 1153, — in Oesterreich 1365, Frauen¬
ärzte über das —.
Fremdkörper s. a. Grasähre, Kirschkern,
1 Knochenstück, Larynx, Magnetex-
i traction, Münze, Trompetenmund¬
stück.
j Fremdkörper, vonMadelung 343, Deutsch¬
mann 749, — der Lunge, von Bärri
515, Wirkungen von — auf den
thierischen Organismus, von Binaghi
777, — im Augeninnern, von Mock
932, Einwanderung von — in den
Dünndarm nach Laparotomie, von
Wunderlich 971, — im Rectum, von
Wilms lu2d, — im linken Bronchus,
von Hecker 1132, — in der weib¬
lichen Blase, von Morgan 1505, — in
der Nase, von Breitung 1630,
Gelenken, von Katzenstein .
Fremdkörperextraction aus dem Gehirn,
von Lewschin . .1313
Frequenz der deutschen medic. Facul-
täten im W.-S. 1899/1900 66, im S.-S.
1900 954, — der Schweizer medic.
Facultäten im W.-S. 1899/1900 139,
im S.-S. 1900 . 1153
Friedreich’sche Krankheit, von Wickel 249
Frucht, Retention einer abgestorbenen,
von Krevet.1781
Frühgeborene, Lage der in den Geburts¬
anstalten, von Deutsch.699
Frühgeburt, 44 Fälle künstlicher, von
Skorscheban 438, künstliche - , von
Grusdew 699, Kiwisch’sehe Scheiden-
douche zur Einleitung der —, von
Sarwey.1183
Furunkelbehandlung, von Philippson . 787
Fuss s. a. Pes, Plattfuss.
Fuss und Vorderarm 850, vordere Stütz¬
punkte des —, von Seitz 1313, Defor¬
mitäten des —, von Frank ... .1788
Fusssohle, Reflexerscheinungen bei Reiz¬
ung der, von Koenig.809
«.
Gährung schwer vergährbarer Zucker¬
arten, von Bendix. 93
Galerie hervorragender Naturforscher
und Aerzte 66, 176, 450, 563, 674,716,
954, 1091, 1122, 1518, 1683, 1763
Galle, Keiragehalt der normalen, von
Ehret 135, Bacteriologisches und Ex¬
perimentelles über die —, von Fraen-
kel und Krause 263, Keimgehalt der
—, von Stolz 343, krampferregende
Wirkung der —, von Bickel 703,
Lyssavirus schädigende Eigenschaf¬
ten der —, von Kraus 907, specifische
bacteriolytische Wirkung der, von
Neufeld 1388, pathologische Verän¬
derungen der —, von Brauer . . . 1430
Gallenblase, carcinomatüse, von v. Kahl
den 61, wasserdichte Drainage der —,
von Kehr 181, von Poppert 328, ver¬
wachsene - , von Sendler.1150
Gallenblasenentzündungen und davon
abhängige Magendarmstörungen, von
Fleiner. 1292
Gallenblasenoperation, Magenblutung
nach, von Dehler .1502
Gallenfarbstoff, Nachweis des, im Ham
von Herzkranken, von Ott 928, Nach¬
weis von — in den Faeces, von Schor-
lemmer . 458, 1672
Gallengangsystem,intracelluläreWurzeln
des, von Fütterer ..1244
Gallensecretion, Physiologie und Patho¬
logie der, von Albu 448, Wirkung
des Methylviolett auf die —, von
Barbara . . . ..986
4*
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
xxvin
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900 .
1491
720
976
Gallensteincrepitus als diagnostisches
Merkmal, von Anders.443
Gallensteine, von Vorstetter 1679, Durch¬
gängigkeit der — für Röntgenstrah¬
len, von Naunyn . . . .1152
Gallensteinerkrankungen, von v. Kryger
1090, — mit den Symptomen einer
Appendicitis, von Reyn&s.1217
GallensteinileuB, von Sendler.1609
Gallensteinkranke, Erfahrungen an, von
Ewald.548
Gallensteinkrankheit, Behandlung der —
mit Olivenöl, von Witthauer .
Gallensteinoperationen, Recidive nach,
von Kehr 666, wie verhält es sich
mit den Recidiven nach unseren —?
von Kehr.
Gallensteinwanderung, von Porges . .
Gallenwege, Geschwülste der, von Ter¬
rier und Auvray.1014
Ganglien, intratendinöse, von Morian . 1766
Ganglienbildung in der Continuität der
Sehnen, von Hofmann. 57
Ganglienzellen veränderungen, von Meyer 1144
Ganglion Gasseri, Weg zum, von Krause
657, intrakranielle Entfernung des
—, von Dollinger.1635
Gangraen s. a. Spontangangraen, Gas*
gangraen.
Gangraen,vonGessnerl090,idiopathische
—, von Krause 169, — an den un¬
teren Extremitäten, von Bunge 706,
symmetrische —, von Tesdorpf 809,
von Wichmann 1057, von Lippmann
1711, spontane — im Wochenbett,
von Wormser.1601
Gangräne foudroyante, von Hämig und
Silberschmidt 943, Pathologie und
Aetiologie der —, von Hitschmann
und Lindenthal.1674
Garnisonsbeschreibungen vom Stand¬
punkte der Gesundheitspflege . . . 1305
Gartner’scher Gang, Persistenz des, von
Vassmer 368, adenomatöse Hyper¬
plasie am Drüsenanhang des —, von
Thumim.1749
Gasflammen im abgeschlossenen Raum,
von Mayer.877
Gasgangraen, von Muscatello. 1303
Gasphlegmone, von Schattenfroh und
Grassberger. 1032
Gastralgie, von Stare.210
Gastrektasie nach Traumen, von Cohn¬
heim .265
Gastritis, chronisch ulceröse, von San-
soni 181,699, nervöse Complicationen
der chronischen —, von Richter .
Gastroenteritiden, secundäre, im Kindes-
alter, von Marfan.
Gastroenteritis der Säuglinge, von Marfan
Gastroenteroplastik, von Reiske . .
Gastroenterostomie, von Sick 978, von
Gangitano 1390, von Chlumsky 1142,
— mittels des Murphyknopfes, von
Kaefer 94, dreimalige —, von Kehr
705, ulcera des Jejunum nach —,
von Steinthal 705, Darmverschlingung
nach —, von Petersen 705, Verein
fachung der —, von Credö 705, In-
dicationen und Resultate der —, von
Bourget 1148, Anatomisches und Chi¬
rurgisches zur —, von Petersen .
Gastroenterostomosis, Gastrostomosis u
Gastroenterostomosis externa, von
Witzei und Hof mann.
GastroptoBe, von Rovsing.
Gastroskop s. u. Gummi-Gastroskop.
Gastrostomie, Technik der, von Lucke
203, — als HilfBoperation, von Hel
ferich.
Gasvergiftungen, Apparat zu, an Thieren.
von Harnack.
Gaswechsel kranker Menschen,
Riethus.
Gaumenmandeln, in den Krypten der,
gefundene Bacillenarten, von Marzi
nowsky.
Gaumenspalten, von Saehs . . .
1244
1751
267
1182
1358
810
201
906
657
1088
1144
1834
Gaumentonsillen als Eingangspforte der i
tuberculösen Infection, v. Friedmann '
908,. 1353 !
Gebärmantel, von Jaks . 1707 j
Gebärmutter, Carcinom der postpuer- !
peral hyperinvolvirten, von Engström
91, totale vaginale Exstirpation der j
rupturirten —, von Iwanow .... 975 I
Gebärmutterblutungen, Behandlung der, |
von Ostermann. 547 |
Gebärmutterhals, Carcinom des, von
Elmgren. 91 j
Gebärmutterkrebs, Behandlung des, von .
Richelot 1285, von de Ott 1285, von '
Cullen 1285, operative Behandlung
des —, von Waldstein 1749, von v.
Ott 1750, von Herzfeld.1752 !
Gebärmuttervorfall, operative Behänd- I
lung des, von Chipault.1782
Gebiss s. a. Magen.
Gebühren fürgerichtsärztl. Verrichtungen 670 j
Gebührenordnung, neue Oldenburgisehe 1796 j
Geburt, Untersuchung während der, von |
Sprigg 1216, Chloroformnarkose bei ,
der physiologischen —, von We¬
stermark 1750, Mechanik der —, von
Rossa.1782
Geburtsact, Atlas des, von Schaeffer . 697
Geburtseintritt, Ursache des, von Thenen
561,.619
Geburtshilfe, Volksbräuche und Aber¬
glauben in der, in Ungarn, von
Temesväry 586, Encyclopädie der —
und Gynäkologie, von Sänger und
von Herff 972, intrauterine Anwen¬
dung des Kautschukballons in der
—, von Rubeska.1749
Geburtsverletzungen , Einfluss der, auf
das Wochenbett, von Zimmermann 1183
GedächtniBs, Mechanik des, von Adam-
kiewicz.1502
Gedankenlesen, von Finizio.550
Gefäliigkeitsatteste, von Görtz ... . 275
Gefängnissärzte. rechtliche Stellung der,
von Biberfeld. 902
Gefängni8spsychosen, klinische Formen
der, von Rüdin.1678
Gefässnaht, von Garre 560, von Hein¬
lein 713, circuläre —, von Kümmell 589
Gefrierpunktsbestimmung des Blutes und
des Urins zur Feststellung der Func¬
tionsfähigkeit der Nieren vor opera¬
tiven Eingriffen, von Kümmell . . 1525
Geheimmittel 379, Vorschriften über den
Verkehr mit —, 107, 108 . ... 210
Gehirn s. a. Hirn, Kleinhirn.
Gehirn, Hemiatrophie des, von Mott und
Fredgold 1675, Ursache der Erschein¬
ungen der — und Rückenmarkser¬
schütterung, von Cavicchia u. Rosa
550, Circulationsstörungen im — , von
Linscr.183 L
Gehirnabscesse, von Westphal .... 808
Gehirnhyperaemie, Behandlung der, von
Sehrwald. 99
Gehirnnervenneuritis, multiple vollstän¬
dige, von v. Rad.1314
Gehirnpräparat, von Barabo.751
Gehirnsection, von Bresler.1647
Gehörgang, Entfernung von Wachs aus
dem, von Ricci 1117, Atresie und
Strictur des —, von Schwartze 1249,
Dehiscenz an der Wand des knö¬
chernen —, von Gruber.1249
Gehörgangsverletzungen, von Hasslauer 621
Gehörgangs Verschluss, erworbener, von
Deutschländer.906
Gehörorgan, Function des, nach Radical*
Operation, von Gomperz 371, ver-
j gleichend anatomische Untersuch¬
ungen über das — der Säugetbiere,
I von Denker 472, Carcinom des —,
von Zeroni 1248, Krankheiten des
! — in der Armee, von Ostmann
| Gehörsprüfung, functionelle, mit der
I continuirlichen Tonreihe, von Bezold
| Gehverband bei Lähmung beider unterer
I Extremitäten, von Lengnick .... 386
1500
637
i
Seite
Geisselfärbungsverfahren, von Hinter¬
berger .701
Geisteskranke, intensivere Fürsorge der
grösseren Städte für die, von Sioli
625, Spätgenesungen bei —, von
Kreuser 812, das Recht Chirurg."Ein¬
griffe bei —, von Aschaffenburg 812,
die hessischen Provinzial -Siechen-
anstalten und die —, von Ludwig . 1677
Geisteskrankheiten s. a. Irresein.
Geisteskrankheiten unter Bleiarbeitern,
von Jones 1405, Organotherapie der
—, von Easterbrook 1405, Sexual
erkrankungen und —, von Jones
1405, Spätgenesungen bei —, von
Kreuser 1673, — u. Geistesschwäche
nach dem B. G. B, von Tuczek ,1677,
erbliche Uebertragung von —, von
Vorster.1678
Geistesstörungen im B. G. B. und in der
Civilprocessordnung, von Moeli 162,
Prognostik der — in Bezug auf
§ 1569 des B. G. B , von Lenel 621,
von Kreuser 622, Aetiologie und
path. Anatomie acuter —, von Sander
623, — bei einem Hunde, von Nissl
812, — nach dem B. G. B., von Wey-
gandt.1717
Gelatine 8. a. Haemophilie.
Gelatine, Verwendung der, zur Stillung
cholaemischer Blutungen, von Kehr
181 , nachtheilige Erfahrung bei der
Anwendung der - als blutstillendes
Mittel, von Freudweiler 1010, — bei
Haemorrhagien, von Rocchi . . . .1613
Gelatinculturen im Brutschrank, von
Bliesener.263
Gelatineinjectionen, von Fraenkel 337,
von Futcher 878, von Gaglio 1390,
subcutane —, von Geraldini, von
Senni 744, parenchymatöse —, von
Pensuti.909
Gelatineschälchen, verbesserte, v. Petri 114 t
Gelbfieber,experimentelles,v.Bruschettini
96, Serumbehandlung des —, v. Mati-
cuzo 844, bac-teriologische Studien
über —, von Agramonte.844
Gelenke, Behandlung v. Abscessen der,
mit Glasspeculum-Drainage u. Car-
bolsäure, von Phelps 1307 , Behänd-
der primär synovialen Eiterungen
der grossen —, von Hartmann 1830,
Fremdkörper in —, von Katzenstein 1831
Gelenkentzündung, verschiedene Formen
chronischer, u. ihre Unterscheidung,
von Rubinstein 338, gonorrhoische —,
von Rubin stein . ..1315
Gelenkergüsse, Behandlung von, mit
heisser Luft, von Klapp. 794
Gelenkerkrankungen,Differential diagnose
der, von Rosenberger 1021, syphiliti¬
sche —, von Isaak.1761
Gelenkkörper, von Martens 93, beweg¬
liche —, v. Torrisi 1640, freie —, v.Franz 1831
Gelenkleiden, multiple, bei einem Tabe¬
tiker, von Massalongo u. Vanzet’i . 633
Gelenkoperationen, chirurgische Technik
der, von Koenig.629
Gelenkrheumatismus s. a. Endocarditis.
Gelenkrheumatismus, von Powell 660,
Trauma u. —, von Schulze-Berge 210,
chronischer — u. Arthritis deformans
im Kindesalter, von Johannessen 332,
acuter u. chron. — des Kindesalters,
von Lachmanski 369, Bacteriologie
des —, von Triboulet 1281, acuter u.
chronischer —, von Weisz 1670, Me-
thylsalicylat bei —, von Cosma 1676,
gonorrhoischer —, von Laquer . . . 1756
Gelenktuberculose, Trauma und, von
Honseil.1831
Generalbericht über die Sanitätsverwal
tung im Königr. Bayern.739
Generalrapport über die Kranken der
k. b. Armee 67, 212, 380, 636, 756,
851, 988, 1154, 1328, 1520, 16.6, 1796
Genitalien, elephantiastische u. ulcera-
tive Veränderungen der, bei Prostitu-
Digitized b 1
■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
INHALTS-VERZEICHNISS.
XXIX
Seite
irten, v. Händler 836, intermittirende
Anschwellung der —, von Lauenstein
340, Missbildungen der weiblichen —,
von Kreisch 10b6, Anatomie u. Phy¬
siologie der weiblichen —, von Klein 1426
Genitalorgane, Geschwülste an den, von
Holz.841
Genitaltuberculose, chirurgische Behand¬
lung der, von Longuet 811, primäre
—, beim Weibe, von Bemheim 1397,
weibliche —von Polano.1782
Geräusch, cardiopulmonales, im Siiug-
lingsalter, von Freund.1541
Gerinnung, extravasculftre, von Schwalbe 975
Geruch, übler, aus dem Mund, von
Fraenkel .... 551
Geschlechtsbestimmung, irrthümliche,
von Neugebauer.1015
Geschlechtskrankheiten, Verbreitung
der, in Preussen 483, Verbreitung der
—.517
Geschlechtsreife, frühzeitige, von besser 1572
Geschwür am Boden der Nasenhöhle,
von Brubacher.713
Geschw ülste, parasitäre Theorie der bös¬
artigen, von Czerny 95, Myxomyceten
als Erzeuger der —, bei Thieren, von
Podwyssotzki 234, Mikroorganismen
in den —, von Sjöbring 265, aus
weichen Naevis hervorgegangene bös¬
artige, von Wälsch 475, scheinbar
primär maligne —, von Lindner 874,
traumatische Entstehung, von Würz
974, pulsirende —, v. Littauer 1056,
retropharyngeale —, von Willgerodt
1152, Casuistik der —, vonDobbertin
1353, Aetologie der bösartigen —, von
Hegar . .1671
Geschwulstbildungim weibl. Geschlechts¬
apparat, von Wülfing.1781
Geschwulstthrombose, von Rosenstein 201
Gesellschaften s. a. u. IV.
Gesellschaft der Aerzte in Wien 481, —
für Natur- u. Heilkunde in Dresden
1683, Deutsche — für Volksbäder
1719, physiologische — in Berlin . .1719
Gesicht, Aufgedunsenheit des, von
Azoulav ..1577
Gesichtsausdruck, melancholischer, von
Kirchhoff .\ 623
Gesichtserysipel, durch Ichthyolsalbe
geheiltes, von Mosbacher. 175
Gesichtslage, von Popescul.11*3
Gesichtsschwindel, aphakischer, von
Klein.87*
Gesundheit, Etat für die, in Bayern . . 820
Gesundheitliche Verhältnisse im J. 1899 1583
Gesundheitsamt 66, Ausstellung des — 98?
Gesundheitspflege, Verein für öffentliche 1327
Gesundheitsgesetze, Handhabung der,
in Preussen, von Springfeld und Siber
904, 1276
Gesundheitsverhältnisse d. Aerzte, Geist¬
lichen und Oberlehrer, von Kruse . 1191
Gesetz zur Bekämpfung gemeingefähr¬
licher Krankheiten 33, 178,1026,1519,1720
Gewebelehre, Köllikeris Handbuch der,
von v. Ebner.1598
Gewehrschusswunden s. a. Schusswunden.
Gewehrschusswunden, neueste Kriegs¬
erfahrungen über die, von v. Bruns 485 , 523
Gewerbehygiene, Lehrstuhl für ... . 674
Gewerbeordnung, Novelle zur.786
Gewerbe-Unfallversicherungsgesetz 674, 715
Gicht s. a. Vogelgicht, Kalk, Diathese.
Gicht, Behandlung der chronischen,
von Bain 944, Pathogenese der —,
von Hager 1101, von Le Gendre
1281, von Duckworth 1281, Vor¬
kommen und Diagnose der —, von
v.Strümpell 1289, — u. Rheumatismus,
von Delpeuch .... 1599
Gichtische Erkrankungen des Magens
und Darmes, von Grube.627
Gichtknoten, Wesen der, von His . . 655
Gichtkranke, Harnsäure im Urin der,
von His.587
Giftprimeln, von Kobert.1644
1607
1315
200
. 1507
Seite
Giftschlangen Nordamerikas, von Kelly 337
Giglisäge s. a. Kraniectomie.
Giglisäge, Führungssonde für die, von
Gross.127
Glasbläsermund, von Scheele.400
Glaskörper, Erkrankungen des, von
Ballaban.1576
Glaskolben zur Herstellung von Nähr¬
böden von v. Borosini .1051
Glaukom, Behandlung des chronischen,
von Cross.1443
Gleichgewichtsstörung, von Rieken . . L>75
Gliome, multiple, des Rückenmarks, von
Schultze.1051
Glottisoedem, acutes, von Müller ... 27
Glutoidkapseln, diagnostische u. thera¬
peutische Versuche mit, von Jobs
G lycerin alB Constituens für Antiseptica,
von v. Wunschheim 1115, — bei
Fieber.1122
Glycoformaldesinfection, von Thomas
und van Hontura 132, von Schneider
439, von Flick.
Glykolyse, von Umber.
Glykosurie, alimentäre, bei Infections-
krankheiten, von v. Bleiweiss 127,
Prognose der — und des Diabetes,
von Hirschfeld 208, alimentäre, spon¬
tane und diabetische —, von Strauss
331, alimentäre —, von Raimann 336,
vorübergehende - , von Hoppe-Seyler
342, — der Vaganten, von Hoppe-
Seyler 531, metatraumatische alimen¬
täre —, von.Haedke 1144, — und
Diabetes in Beziehung zur Lebens¬
versicherung, von Mackenzie
Goldberger-Preis.1550
Gonococcen im Eiter, von Drobny . . 335
Gonococcus, Biologie des, von Scholtz
474, Züchtung des —, von Thalmann
1013, — und seine Toxine, von de
Christmas. 1280
Gonococcenbefunde bei Prostituirten,
von Kopytowski.334
Gonococcenfärbung, von Hornberger
658, — mit Neutralroth, von Herz
Gonorrhoe s. a. Endocarditis, Epididy-
mitis, Gelenkentzündung, Herz,
Hydrotherapie, Myelitis, Peritonitis,
Tripper.
Gonorrhoe, Exantheme bei, von Buschke
336, Todesfälle in Folge von —, von
Kossmann 395, Abortivbehandlung
der —, von Hutchinson 779, Folge¬
erkrankungen der —, von König 1673,
Behandlung der -, von Casper 842,
von Strebei 1719, Pathologie und
Therapie der —, von Buschke .
Gonorrhoetherapie, von Görl . . .
G onorrhoeuntersuchung der Prostituirten,
von Gumpertz.
Gonorrhoische Gelenks- u. Nervenkrank¬
heiten, von Bloch.
Gonorrhoische Gelenk- und Hautmeta¬
stasen bei Blennorrhoea neonatorum,
von Paulsen.
Gonorrhoischer Eiter, eosinophile Zellen
im, von Bettmann.475
Goutte, la, et le Rheumatisme, von
Delpeuch.1599
Gräfe’sches Symptom, diagnostischer
Werth des, von Flatau.1011
| Graefepreis.1367
! Grainger Stewart f.345
I Granula, hypeosinophile, von Bettmann 233
Grasähre in der Lunge, von Habs . . 1644
i Gravidität im Klimakterium, von Flatau 1792
Graviditas tubo-ovarialis, von Leopold . 298
I Graviditas extrauterina infundibulo-
i ovariea, von Alexander u. Moszkowicz 1706
I Gravidität, Einfluss der, auf die Blut-
I alkalescenz, von Blumreich . . . 293 |
Grenzzustände, Behandlung der, in foro, !
I von Cramer. 1708!
’ Griechen, die, und ihre Sprache seit der j
! Zeit Konstantins des Grossen, von
, Rose. 56
Grosshimfaserung, von Vogt.623
402
1784
1120
1639
336
1209
Seite
Grosszehenreflex bei Kindem,von Passim 1504
Grundriss der orthopädischen Chirurgie,
von David.1465
Grundwasser, Keimgehalfc des, von
Pfuhl.263
Guajacolpräparat, neues, von Einhorn 10
Gummi-Gastroskop, von Rewidzoff . . 265
Gynäkologie des praktischen Arztes,
von Nagel. . 55
Gynäkologische Abtheilungen, Ver¬
mehrung der, in Wien. 65
Gynatresien, Behandlung der nicht-
puerperalen, von Engström .... 91
H.
Haarausfall, neue Behandlungsart des,
von Scheffer 883, Behandlung des —,
von H4ron.1476
Haarpflege, von Jackson.1719
Haarschwund, von Gessner.139
Haemamoeba, s. a. Leukaemie.
Haemamoeben Löwit's im Blute Leuk-
aemischer, von Türk 515, 662, Leuk¬
aemie der—, von Hirschfeld 710, —
leukaemiae magna, von Löwit . . . 1603
Haemarthros, Behandlung des, genu, von
O’Conor.945
Haematemesis nach Operation einer
Nabelhernie, von Lauenstein . . 1502
Haematocele, organisirte, von Thorn . 1610
Haematocit, von Daland.1281
Haematokolpos und Haematometra, von
Toff.441
Haematometra, Behandlung der, von
Hermann.945
Haematommole, von Herzfeld .... 406
Haematoporphyrin- und Sulfonalvergift-
ung, von Neubauer.546
Haematologische Untersuchungen, von
Becker.1316
Haemoglobin, Entstehung des, und der
rothen Blutkörperchen, von Aporti
127, Umwandlung des subcutan inji-
■ cirte —, von Laspeyres.545
Haemoglobinurie, paroxysmale, von Man¬
naberg und Donath 617, Schicksal
der rothen Blutkörperchen bei der —-,
von Christomanos 809, — durch
Chiningebrauch, von Pecori und
Ascarelli 1613, neue Form der —,
von Michaelis.1605
Haemolyse, von Michaelis .... .1581
Haemolysine, von Ehrlich und Morgen-
roth 778, — und Antihaemolysine,
von Kraus 164, blutbildende Eigen¬
schaft verschiedener—, vonBelfanti
und Carbone 1544, von Luratello 1544,
von Schwartz.1541
Haemophilie s. a. Nabelblutung.
Haemophilie, von Neumann 1389, Nieren¬
blutung bei — durch Gelatine geheilt,
von Hahn ... . 145 ?
Haemoptoe, Therapie der, von Aronson 1327
Haemoptyse, von Hecht.1836
Haemorrhagie, Serumin jectionen bei
puerperaler —, von Maygrier 1399,
neuropathische — der Geschlechts¬
und Harn organe,von Lancereaux 1444,
der Athemwege, von Lancereaux . 1444
Haemorrhoidalknoten im frühesten Kin¬
desalter, von Burwinkel 393, Exstir¬
pation der —, von Vercesco . . . 1359
Haemorrhoidalleiden, chirurgische Be¬
handlung schwerer, von Sendler . . 104
Haemorrhoiden, von Rounne . . . , 955
Hände s. a. Desinfection, Sterilisation.
Hände, Desinfection der, in der He¬
bammenpraxis, von Kossmann und
Zander 841, Werth der mechanischen
und Alkoholdesinfection der — gegen¬
über der Desinfection mit Queck-
silbersalzen, von Krönig und Blum¬
berg 1004, Aseptikder—, von König
1387, Bacteriologie der mechanisch-
chemischen Desinfection der —, von
Schenk und Zaufal. 1558
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XXX
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900.
Seite
Händedesinficiens, Seifenspiritus als,
von Ahlfeld.1636
Händedesinfection, von Braatz 1693 , Ex¬
perimentaluntersuchungen über
von Paul und Sarwey 934 , 968 , 1006 ,
1038 , 1075 , Bacteriologisches zur —,
von Dellmer .1671
Händedesinfectionsfrage, gegenwärtiger
Stand der, von Döderlein . ... 1603
Händedesinfectionsversuche, Tübinger,
von Ahlfeld 1352, von Paul und Sar¬
wey 1541, Ahlfeld und die —, von
Paul und Sarwey.1783
Hallucinationen, von Vold.1673
Halsfistel, angeborene, von Gugenheim
1020, 1611
Halsmark, einseitige Zellveränderung im,
von Meyer.808
Halsmuskeldefecte, angeborene, von
Kredel. 1352
Halsrippe, congenitale, von Windscheid 1019
HalBsympatbicus, Pathologie des, von
Heiligenthal.808
Halswirbel Säule, polyarthritische Er¬
krankung der, von v. Jaksch . . . 300
Hand, Lipom der, von Richardson . . 1675
Handbuch der ges. Augenheilkunde, von
Graefe-Saemisch 774,1019,1141,1599,
— der Schulhygiene, von Baginsky
1242, — der prakt. Medicin, von Eb¬
stein und Schwalbe 1539, Kölliker's
— der Gewebelehre des Menschen,
von v. Ebner.1598
Ham, Phenylhydrazinprobe im, von
Mayer 57, Nachweis des Phenetidin
im —, von Edlefsen 127, Mucin-
gerinnsel im —, von Frank 163,
quantitative Bestimmung von Queck¬
silber im —, von Eschbaum 164,
Rosiu ’sche Methode zur Bestimmung
der reducirenden Kraft des —, von
Spiegel und Peritz 285 , Reductions-
kraft des —, von Rosin 295 , neue —
und Zuckerprobe, von Edlefsen 374,
446, 826 , Untersuchung des —, von
Hamburger 472, Phenylhydrazinprobe
auf Zucker im —, von Coriat 476,
Einfluss des Alkohols auf die Aus¬
scheidung der reducirenden Sub¬
stanzen im —, von Gregor 619, Acet-
essigsäure im pathol. —, von Arnold
698, Nachweis von Oxybuttersäure
im —, von Michaelis 753, Eiweiss
im — anscheinend gesunder Personen,
von Levison 779, Kohlehydrate des
— bei Diabetes, von Rosin und v.
Alfthem 845, Methode zur Bestimm¬
ung der Purinbasen im —, von Jolles
1313, diagnostische Bedeutung des
Bence-Jones’schen Körpers im —,
von Askanazy 1670, Tag- und Naeht-
—, von Laspeyres 1670, epikritische
Aciditätsabnahme des — bei Pneu¬
monie, von Pick 1670, Modificationen
der Phenylhydrazinprobe zum Nach¬
weis von Zucker im —j, von Ko-
warski.1708
Harnblase, Abreissung der, von Braun
168, Naht der —, von Golischewsky
201, Contusionen der von Laval 549
Hamblasenbruch, Symptomatologie des
eingeklemmten, von Martin .... 512
Hamblasenplastik, experimentelle, von
Enderlen.973
Harncylinder, Abstammung der, von v.
Czyhlarz 99, klinische Bedeutung der
—, von Kobler 547, Conservirung
der —, von Boston.787
Harneisen und Bluteisen, von Jolles und
Winkler.1751
Harnleiter s. a Ureter.
Harnleiter, Implantation der, in den
Darm, von Kalabin.95
Hamleiterkatheterismus, therapeutische
Anwendung des, von Stockmann . 1639
Harngelatine, Piorkowski’sche, von Bi-
schoff und Menzer.1575
Belte
Hamkrankheiten,A11gemeininfectionbei,
von Posner und Kohn.1115
Harnnährboden s. a. Nährboden.
Harnnährboden, Werth des, für die Ty-
phusdiagnose, von Piorkowski ... 87
Harnorgane, Krankheiten d. männlichen,
von Friedländer.1212
Harnröhre, Regeneration dermännlichen,
von Ingiani 297, Erkrankungen der
weiblichen —, von Meyer 298, Er¬
krankungen der weiblichen — und
Blase, von Kolischer.1747
Hamröhrendivertikel bei Knaben, von
B6kay.1541
Harnröhren krebs, Heilbarkeit des, von
Rupprecht.1143
Harnsäure, Verhalten und Reactionen
der, und ihrer Salze in Lösungen,
von His 664, Bestimmung der —,
von Jolles 849, Bildung und Aus¬
scheidung der —, von Halliburton
1405, — unter physiologischen und
pathologischen Bedingungen, von
Schreiber.1424
Harnsäureablagerungen auf den serösen
Häuten, von Richter .910
Harnsäureausscheidung, von Goeppert. 657
Harnsäurebestimmung, Woemer’sche Me¬
thode der, von Lewandowsky . . . 1141
Harnsäurebildung, Einfluss der Benzoe¬
säuren auf die, von Lewandowsky . 1141
Harnsäureinfarcte, von Schreiber ... 163
Harnsediment, Fixation und Conservir¬
ung von, von Cohn .126
Harnsteine, von Zotos 1143, von Posner 1603
Harnstoff, Ausscheidung des, durch die
Haut, von Crook.442
Hamstoffzersetzung, durch Mikrococcus
ureae liquefaciens bewirkte, von Bur-
chard. 546
Harnverhaltung, Verdauungsstörungen
bei chronischer, von Zuckerkand! . 344
Harnwege, Concretionen der, von Zucker-
kandl 99, Geschwülste der grossen
—, von Busse.947
Haut, Resorptionsvermögen der, von
Brock 334, Entzündung und Ver¬
wachsung seröser —, von Muscatello
688 , gegenseitige Beeinflussung von
— und inneren Organen, von Moritz
669, Durchgängigkeit der unversehr¬
ten —, von Vogel 809, Sarkom der
—, von Linser 974, Einfluss des
Lichtes auf die —, von Möller 1008,
Lebensfähigkeit von Transplantations¬
stückchen der —, von Pezzolini . . 1390
Haut- und Geschlechtskrankheiten, En-
cyclopaedie der, von Lesser 1242,
Vorträge über —.1549
Hautanaesthesie, Localisation der tacti-
len — Tabetischer, von Grebner . 1543
Hautatrophie, idiopathische, von Heller
305, von Colombini.653
Hautcarcinome, Natur und Behandlung
der, von Ravogli.476
Hautemphysem, traumatisches, von Ham¬
mer 94, — nach Laparotomien, von
Heil.1208
Hautentzündungen, furunculöse und sep¬
tische, von Ullmann.1246
Hautgeschwüre, Behandlung der, von
Couper.661
Hautkrankheiten, Albuminurie bei, von
Pechkranz 99, Behandlung einiger —,
von Abraham 1674, Radiotherapie der
—, von Hahn.1757
Hautlappen, ungestielter, von Krause . 169
Hautnaht mit Wundagraffen, von Michel 1188
Hautnekrose, spontane, von Hensen . 342
Hautoedem, chronisches, von Buschke
747, diffuses chronisches —, von Ro¬
sin 1354, von Lublinski.1751
Hautsarkom, multiples, von Tietze 706,
von Krulle.747
Hautsarkomatose, von Joseph .... 335
Hautthätigkeit des Europäers und Ne¬
gers, von Rubner.1354
Seite
Hauttransflxion gegen Neuralgie, von
8utherland...1683
Hautwassersucht, von Ebstein 164, Be¬
handlung der —, von Miura . . . 1427
Hautwarzen, Behandlung der . . . 1123
Hebammen, Zusammenwirken der, mit
den Aerzten, von Schwarz 631, neue
Dienstanweisung der bayerischen —,
von Neuburger 1273 , Wiederholungs-
curs für — 1365, Reichsgesetze &
— und Wärterinnen, von Rissmann 1438
Hebammentasche, von Krevet .... 1352
Hedonal, von Nawratzki und Arndt 1224,
von Schüller 878, von Lenz 1279, von
Haberkant 1673, von Heichelheim . 1784
Hefenuclein, neues Spaltungsproductdes,
von Ascoli.13i* 5
Heidelbeerklystiere, von Strauss . . . 634
Heilanstalt Herzogshöhe 462, psychische
Einflüsse in offenen —, vonWiedeburg 1541
Heilerziehungsheim für krankhaft ver¬
anlagte Töchter gebildeter Stände . 675
Heilgymnastik, maschinelle, von Kirsch 104
Heilkunde, hundert Jahre, von Landau 87 ,
Zeitschrift für —.675
Heilmethode, hochmoderne, von WoUer-
mann. 1278
Heilquellen, Wirkung der, auf die Haut,
von Frankenhäuser.1327
Heilserum, Potenzgrad des antitetani-
schen, von Tizzoni 131, prophy¬
laktische Injection mit - , von Kraus 779
Heilstätte s. a. Volksheilstätte, Jahres¬
bericht , Lungenheilstätte, Lungen-
tuberculose, -Sanatorien.
Heilstätte, Deutsche, in Davos 483, —
für tuberculöse Kinder, von Baginsky
1128, — an der See für Rachitiskranke,
von Leroux .1360
Heilstättenbehandlung, Auswahl ge¬
eigneter Fälle für die, von Moeller 775
Heilstattenfrage für Lungenkranke, von
Rumpf. 1037
Heilstättentherapie, von Kammer . . .1118
Heilverfahren, Handhabung des, bei Ver¬
sicherten durch die Hanseatische
Versicherungsanstalt für Invaliditäts¬
und Altersversicherung i. J. 1898 . 297
Heilversuche im Reagensglas,von Moeller 299
Heinze, lex.450
Heissluft s. a. Luft.
Heissluftapparat, elektrischer, von Linde¬
mann .522
Heissluftbehandlung, von Walsh 1505,
— des Lupus, von Holländer 630, Er¬
folge der , von Laqueur.978
Heissluft- und Kältebehandlung, von
Vorstetter.1679
Heissluftdouche, von Frey 332, Behand¬
lung von Neuralgien mit der —, von
Frey .812, 922
Heisswasserbehandlung localer Infec-
tionen, von Moty.1614
Helminthiasis, von Demateis.131
Hemianaesthesie und Hemiplegie, cere¬
brale sensible und sensorielle, von
Hof mann.1011
Hemiathetose, von Hoppe-Seyler . . . 1579
Hemiplegie, der obere Facialis bei der
cerebralen, von Saenger 17u, Athmung
bei —, von Boeri u. Simonelli . . . 1639
Hemisystolie, sog., von Frank u. Voit . 655
Hepatopexie, von Bötticher.1351
Herde, alte tuberculöse, in den Lungen¬
spitzen und croupöse Pneumonie, von
v. Schrön.710
Heredosyphilitische, Descendenz der,von
Tarnowsky, Finger, Jullien .... 1362
Hernien s. a. Bruch, Brüche, Hamblasen¬
bruch, Inguinalhernie, Leistenbruch,
Nabel, Radicaloperation, Zwerchfell¬
bruch.
Hernie, operative Behandlung der, von
Bloodgood 23, — diaphragmatica, von
Benda und Fraenkel 137, von Saxer
1580, — epigastrica, von Eichel 426,
— obturatoria incarcerata, von Bern-
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Gck igle
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
INHALTS-VERZEICHNISS.
Xxxi
bard. 666, Diagnose und Therapie
der — incarcerata, von Syms 879,
— lineae albae congenita, von Keiler
1086, Radicaloperation der —, von
Hirschkopf 1142, Behandlung der —,
von Nosiega 1284, Therapie der —
cruralis, von Bonomo.1320
Heroin, von Brauser 1670, — bei Keuch¬
husten, von Hintner .713
Herpes bei Frauen, von Lewin 701, Nach¬
schmerzen bei — zoster, von Hut¬
chinson 1117, — tonsurans, von du
Castel 1123, Rolle des — bei der
Pneumonie, von Vidal.1249
Herz, Einfluss der Leber auf das, von
Heitler 58, — mit offenem Septum
ventric, von Israel 133, Untersuch¬
ung des menschlichen — mittels
des fluorescirenden Schirmes, von
v. Criegern 171, congenitale Hyper¬
trophie des —, von Hueter 271, Be¬
weglichkeit des — bei Lageveränder¬
ungen des Körpers, von Determann
338,840, active Dilatation des —, von
Herz C70, nervöse Störungen des —
und ihre Beziehungen zum Militär¬
dienst, von Bauer 415, operative Frei¬
legung des — nach Rotter, von Stern
424, Insufficienz des —, von v. Jür-
gensen 543, functionelle Störungen
des —, von Bauer 558, physiologi-
seheErklärung der Arhythmie des —,
von Wenckebach 627, congenitale
multiple Rhabdomyome des —, von
Seiffert 777, Pathogenese der Ueber-
anstrengung des —, von Wolffhügel
808, Lues des —, von v. Leyden 882,
congenitale Missbildung des —, von
Mc Call um 1216, Percussion des —,
von Oestreich 1352, Tiefstand des —,
von Mosse 1581, Erkrankungen des
— im Verlaufe der Syphilis und
Gonorrhoe, von Rosenthal.1708
Herzarhythmie, von Ebstein 687, — bei
Cardiosklerose, von Huchard . . . 1317
Herzbeutel, frei bewegliche Ergüsse in,
von Darnach 162, acut entstandene
Ergüsse im —, von Aporti und Figaroli 1086
Herzcontractionen, Einfluss der Körper¬
lage auf die Frequenz der —, von
Langowoy.1748
Herzdilatation s. a. Malaria.
Herzdilatation, acute, und Cor mobile,
von Hoffmann 742, — nach Trauma,
von Strauss.1756
Herzerkrankungen, functionelle, von
Hochhaus . ..1433
Herzfehler, Diagnose der angeborenen,
von v. Starck 699, — u. Schwanger¬
schaft, von v. Guerard.1832
Herzfleisch, bindegewebige Induration
des, von Dehio .1708
Herzgeräusche, accidentelle, in den
ersten Lebensjahren, von v. Starck 699
Herzgrenzen, Bestimmung der, von Smith 662
Herzgrösse bei Chlorose und Anaemie,
vonWybauw 879, exacte Bestimmung
der — durch Orthodiagraphie, von
Moritz. 992
Herzhypertrophie, Ursache der, bei
Aneurysmen, von Orlandi 550, Ur¬
sache der — bei Nierenkrankheiten,
von Bier.526
Herzinversion, von Henr&rd.879
Herzkrankheiten s. a. Influenza.
Herzkrankheiten, Behandlung der, durch
Merkur, von Beatty 23, pharmako-
therapeutische Bestrebungen bei —,
von Stadelmann 587, Behandlung
der rheumatischen, von Sansom 661,
— auf diabetischer Basis und ihre
Behandlung, von Schott 702, Zu¬
sammenhang von — und Epilepsie,
von 8tintzing 741, rechtsseitiger Hy-
drothorax bei —, von Germani 1544,
—, Behandlung der, von Hellendall 1752
Heran oskelfaaem, Verkalkung von, von
Jacobathal.1115
Herzmuskelschwäche, dilatative, von
Wolffhügel.1409
Herznaht, von Nanu 1320, als typische
Operation, von Rotter 79, Herzwunden
und —, von Eisberg.202
Herzschwäche, dilatative, im Kindesalter,
von Neumann.1601
Herzstörungen, Behandlung der, im Alter
von Ross.1444
Herzstützapparat bei Herzaffectionen,
von Ab4e.203
Herzthätigkeit, Einfluss der Muskelarbeit
auf die, von Staehelin.1213
Herztöne, Messung der Stärke der, von
Bock.843
Herzuntersuchung, von Smith .... 1469
| Herzvergrösserung, Anfänge der idio-
• patbischen, von Wolffhügel .... 1409
| Heilbehandlung, von Ewald.406
' Heufieber, Behandlung des, mit Neben -
I nierenextrakt, von Douglass .... 1468
j Heuschnupfen, Therapie des, von Leh¬
mann .984
* Highmorshöhle s. a. Nasen-Nebenhöhlen,
Stirn- und Kieferhöhle.
Highmorshöhle, Behandlung der chron¬
ischen Eiterungen der, von Sieben¬
mann 31, Empyem der —, von Halle
1245, von Heymann.1761
Hilfsschulen f. schwachbefähigte Kinder,
j von Laquer.812
i Hinken, s. a. Claudication.
j Hinken, intermittirendes, von Erb 224,
von Saenger.750
! Hinterscheitelbeinstellung, von Bollen-
I hagen.776
| Hippokrates als Kinderarzt, von Troitzky 1352
I Hirnabscess, von Ludwig und Saenger
133, — von Hoffmann.1758
Hirnanatomie und Psychologie, von
Edinger.811, 976
Hirnbruch, angeborener, von Behm . . 1069
Hirnnervenlähmung, multiple, v. Seiffert 845
Hirnsyphilis, Prognose und Therapie der
von v. Hoesslin.774
Hirntumoren, Diagnose der, von Nonne
28, — u. Hinterstrangveränderuugen,
von Hoffmann.1433
Hirnveränderungen, syphilitische, von
Mott. 21
Histologie, Atlas der spec. pathologischen,
von Dürck 161, Lehrbuch der —, von
Szymonowicz.1633
Histologische Untersuchung, Technik
der, von v. Kahlden.1704
Hitze, therapeutische Wirkung der
trockenen, von Skinner 476, Krank¬
heitsfälle in Folge grosser —, von
Smit.1504
Hitzschlag, von Klein 929, von Herford 1605
Hoden-Nebenhodentuberkulose, Behand¬
lung der, von Mauclaire.1283
Hoden, in der Bauchhöhle zurückge¬
bliebene, von Fraenkel.1758
Hörcentrum, corticales, von Alt und Biedl 621
Hörreste bei Taubstummen von Keller 479
Hörvermögen, Uhr zur Prüfung des, von
Neubauer.1543
Hofmann, Dr. Ottmar f, von Brauser . 366
Hofmokl, Professor Dr., f . . • . . . 481
Holocain, von Knapp.744
Homoeopathie, Lehrstuhl für . . . 674
Honorare, ärztliche, in Amerika 755,
Taxen für das ärztliche —, von Biber¬
feld .1763
Honorarprocess.1478
Honthin, ein Darmadstringens, von
Reichelt.1316
Hornhaut, Wanderzellenbildung in der,
von Grawitz.975
Hornhautwunden, Einwirkung neuerer
Antiseptica auf inficirte, von Hauen¬
schild .146
Hospitalbrand, von Matzenauer 752,
Aetiologie des —, von Matzenauer . 1476
Hospitäler n. Medicinschulen in London,
von Braner.914
Howard-Medaille.988
Seite
Huchard’sche Pillen.1836
Hüftgelenk s. a. Luxatio, Coxa.
Hüftgelenk, Operationen wegen schwerer
Zerstörungen im, von Barker 943,
Osteotomia subtrochanterica bei
Ankylose des —, von Menci&re 1318,
blutige Reposition von Luxationen
des —, von Payr . . 1502
Htiftgelenksankylose, doppelseitige, v. .
Krause.1019
Hüftgelenksluxation, congenitale, im
stereoskopischen Röntgenbilde, von
Hildebrand 941, congenitale —, von
Nichols und Bradford.1216
Hüftgelenkspfanne, neugebildete, von
Wolff.881
Hüftgelenksresectionen, vorderer Schnitt
bei —, von Röchet.1280
Hüftluxation, angeborene, von Mayer . 1090
Hüftverenkung, Stand d. Schenkelkopfes
bei der angeborenen, von Schanz . 698
Hühnerei, Durchlässigkeit der Schale
des, für pathogene Mikroben, von
Bucco.131
Humanitätsinstitute des Wiener Doc-
| tore Q-Collegiums.480
j Humerusluxation, subacromiale intra¬
capsuläre, von Bum. . . 819
Hungergebiet, Reise in das russische,
! von Lehmann . . . .468
I Hundswuth s. a. Lyssa, Rabies, Tollwuth
i Hundswuth, von Babes 1543, Beeinflus-
l sung der —, durch Injection normaler
, Nervensubstanz, von Babes .... 700
! Hungertod s. a. Verhungern.
Hungertod, von Hartmann 1110, Dia¬
gnose des —, von Dünschmann . . 1349
j Hustenreiz, von Weissenberg.1718
j Hydatidencysten, Behandlung der, durch
Naht, von Cohn.1677
! Hydrastis canadensis, von Lutaud . . 1123
I Hydriatrische Behandlung poliklinisch
! häufiger Krankheitsformen, von Rosin 1573
I Hydrocephalie, Schädelform bei, von
I Regnault.1677
| Hydrocephalus, Verhalten der Spinal¬
flüssigkeit bei acutem, von Grober
245, — luicus, von Neumann . . . 1605
Hydrodiaskop, Lohnstein’sches . . . , 172
Hydronephrose, von Perthes 1020, von
Koblanck und Pforte 1574, Behand¬
lung der —, von Reisinger 666, von
Witzei 1706, acute —, von Rosen¬
feld .1580
Hydrops anasarca, essentieller, von Maz-
zotti.378
Hydrorrhoea ovarialis intermittens, von
Nassauer. 221
Hydrotherapie in der Gynäkologie und
Geburtshilfe, von Tuszkai 1386, —
bei der Behandlung der Syphilis und
Gonorrhoe, von Munter 1708, Lehr¬
buch der —, von Matthes 1746, Lehr¬
buch der klinischen —, von Bux-
baum.1746
Hygiene, Lehrbuch der, von Rubner 940,
deutsche — auf der Weltausstellung
zu Paris 1900 1122, Journal of —■,
1551, Vortragscyclus über — für
Krankencassenmitglieder.1679
Hygienische Erfahrungen in Konstanti¬
nopel, von Weyl.306
Hymenopteraart, Biss einer, von Wil-
liamson. 1444
Hyperacidität s. a. Snperacidität.
Hyperaciditas gastrica, Diagnostik der,
von Schüler 742, diätetische Behand¬
lung der —, von v. Sohlern .... 1783
Hyperaemie, acute toxische, und Nephri¬
tis nach operativen Eingriffen, von
Simpson.337
Hyperchlorhydrie s. a. Diät.
Hyperchlorhydrie, Diät bei, von Buch . 1386
Hyperemesis, Therapie der — gravida¬
rum, von Dirmoser 702, Aetiologie
der —, von Evans 844, Indication
zum Abort bei — gravidarum, von
Walzer 1062, schwere —, von Thom 1790
Digitized b"
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
xxxn
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900.
Seite
Hyperepidermotrophie, von Brocq . . . 1476
Hvperglobulie, künstliche, von Colla
und Mattirolo 550, — und Spleno¬
megalie, von Cominotti.1428
Hyperostose, gonorrhoische, vonHirtz . 1152
Hyperthermie, nervöse, bei Frauen, von
Leven.1014
Hyperidrosis spinalis superior, von Ka¬
posi .475
Hypertrichosis universalia, von Lcsser . 1572
Hypnose, Psychologie und Indicationen
der, von Trömner . . . 1606, 1641, 1757
Hypochondrie, von Alt . 27
Hypophysis, Function der — cerebri,
von Caselli 1145, pathologische Histo¬
logie der —, von Benda 1711, Total¬
exstirpation der — cerebri, von Fried¬
mann und Maas.1550
Hypotrichosis, von Pinkus.553
Hysterektomie, von Flatau 304, — ra-
pida, von Stapler.589
Hystereuryse in der Praxis, von Deckart
565, — in der Praxis Bemerkungen
zu der Arbeit von Dr. Deckart, von
Biermer .... .1046
Hysterie, von Fuerst 547, Lähmungs¬
erscheinung bei —, von Pick 703,
Anschauungen über —, von Schultze
812, Harnveränderung nach Anfällen
der gründe —, von Rybalkin . . 1314
Hysterische Operationssucht, von Latzko 1680
Hystero-cysto ventropexie, von Kiriak . 1398
J.
Jaborandialkaloide, Chemie u pharma¬
kologische Wirkung der, von Jowett
u. Marshall.1443
Jahrbuch für Kinderheilkunde 202, 299,
473, 657, 741, 1011, 1086, 1541, 1573,
1601, — der Photographie und Repro-
ductionstechnik, von Eder 1059, —
derprakt. Medicin von Schwalbe 1182, 1424
Jahresbericht s. a. Bericht.
Jahresbericht des Vereins Heilanstalt
Alland 297, — der Basler Heilstätte
für Brustkranke in Davos und des
Basler Hilfsverein für Brustkranke
für d. J. 1898 297, 30. — über das
Medicinalwesen in Sachsen 1898 654,
— über die Chirurg Abtheilung und
die Chirurg. Poliklinik des Spitals in
Basel 1898 . 940
Jahreszeit, Einfluss der, auf die Gesund¬
heit, von Hutchinson.945
Jahrhundert, zum neuen, von Virchow 1087
Ichthalbin, von Binder 876, von Siebert
1490, Einfluss des — auf den Stoff¬
wechsel und die Darmthätigkeit der
Kinder, von Rolly und Saarn 460,
— bei Darmkrankheiten von Rolly 576
Ichthargan, von Aufrecht 1366, von
Lohnstein.1683
Ichthyoform bei Darmtuberculose, von
Schäfer. ... 483
Ichthyol in der Scharlachbehandlung,
von Seibert 473, — als Laxans, von
Gunsburg.1191
Ichthyosis, von Riehl ... 64
Ictns laryngis u. Asthma, von Moncorg^ 552
Idioten, von Kellner 1641, Sprache und
Sinnesempfindungen der —, von
Kellner. 58
Idiotie, mikrocephalische, u. ihre chirur¬
gische Behandlung, von Löwenstein
589, familiäre amaurotische —, von
Falkenheim 1473, Schilddrüsenbe¬
handlung der myxomatösen —, von
Neumann 1605, myxoedematöse —,
von Neumann.1640
Jejunostomie bei Inanition, von Heiden¬
hain . 94
Igazol, von Cervello.746
Ikterus, besondere Form des chronischen,
von Bettmann 791, Pathogenese des
—, von Browicz 1279, familiärer —,
von Gilbert und Lereboullet.... 1683
Seite
Ikterusepidemie bei Kindern, v. Fringuet 100
Ueosigmoideostomie, von Giordano . . 1358
Ileotyphlitis, hypertrophische, v. Schwarz 1320
Ileotyphus in Wien 480, Wasserbehand¬
lung des —, von Kobler 702, Kalt¬
wasserbehandlung bei —, von Bäum-
ler 740, - u. Scharlach zu gleicher
Zeit, von Le Boeuf.879
Ileus s. a. Atropin, Meckel'sches Divertikel.
Heus, von Murphy 1358, Atropinbehand¬
lung des —, von Bätsch 931, von
Marcinowski 1492, von Holz 1664,
von Demme 1665, von Lüttgen 1665,
das Meckel’Hche Divertikel als Ur¬
sache des —, von Strauch 163, chi¬
rurgische Behandlung des —, von
Schreiber 741, — und Atropin, von
Prölss 1223, von Kohlhaas 1255, von
Russow 1406, operative Behandlung
des postoperativen —, von v. Winckel
1435, mechanischer —, von Flatau . 1792
Hidze, Therme von, von v. Weiss . . . 1279
Immunität s. a. Infection.
Imbecillität, Diagnose der, von Thiemich 130
Immunität, von Büchner, 1193, Lehre von
der — u Idiosynkrasie, von Zeehui-
sen 19, — gegen Proteide, von Myers 1315
Immunitätslehre, von v. Düngern 677, 963
Immunserum, specifisches, gegen Sper-
matozoen, von Moxter 203, l>acteri-
cide u. agglutinirende Eigenschaften
des Pyocyaneus* —, von Müller . . 1707
Impetigo, von Kistler 634, — contagiosa,
von Kaufmann 475, — vulgaris, von
Unna und Schwenter-Trachsler 553,
— circumpilaris, von Minne- . . . 1675
Impfung s. a. Lymphe, Schutzpocken¬
impfung, Variolavaccine.
Impfbestimmungen, die neuen, von Voigt 519
Impfergebnisse, Beurtheilung der, von
Schenk .1327
Impferlass.409
Impfgesetz, Vollzug des, 408, 483, 522,
564,596, von Becker 471 , Ausfübrungs-
bestimmungen zum —.923
Impftechnik, von Flachs.300
Impfung, Erfolg der, auf Portorico, von
Groff 522, — gegen die Tollwuth im
Institut Pasteur, von Viala . . . 1795
Impf Verordnung, neueste, von Brauser
541 , — in Meiningen.820
Impotentia, Therapie der, virilis, von
Zabludowski. 93
Inaugural-Dissertationen 101, 132, 235,
371, 479, 553, 591, 661, 702, 745,
844, 879, 977, 1089, 1116, 1145, 1316,
1429, 1508, 1604, 1640, 1784, 1832
Incarceration, retrograde, von Pupovac 591
Incontinentia urinae, Paraffineinspritzung
bei, von Gersuny 1750, — vesicae . 563
Index Catalogue of the Library of the
Surgeon General's Office, U. S. Army 1763
Indien, 21 Jahre in, von Breitenstein . 1113
Infection s. a. Tröpfcheninfection.
Infection, von Radzievsky 1278, — vom
Conjunctivalsack aus, von Römer 300,
von Mayer 1169» secundäre — der
Kinder, von Baginsky 369, 57 Fälle
puerperaler —, von Macharg 441, —
und Immunität, von Pawlowsky 700,
Reaction des Nervensystems auf die
tuberculöse -, von Papilion 709, von
Adenoiden ausgehende -, von Gallois
1148, experimentelle —, von de Do-
menicis 1281, Theorie der —, von
Marx 1388, puerperale —, von Kalt
1427, Schleimhaut des Magendarm-
tractus als Eingangspforte pyogener
—, von Bail 1671, Morbiditätsstatistik
der —. 1764
Infectionsclauseil.596
Infections- und Acclimatisationskrank-
heit, acute, von Gabel.165
Infectionskrankheiten, Antisepsis und
Isolirung bei den acuten —, von
Grancher, vonBezy 1360, geschlecht¬
liche — in der Charite, von Schaper 1575
Seite
Infectionstheorie bei Sarkomen und Car-
cinomen, von Ritter.1712
Infiltration, seröse, des parauteiinen
Bindegewebes, von Ehrendorfer . . 841
Influenza, von Baccelli 177, von Weiss
955, — in London 107 — in England
140, — in Europa 178, — in Berlin
372, Herz bei —, von Saundby 175,
— Prophylaxe 208, lässt sich —
coupiren? von Fürst 402, Behandlung
der —, vonHuchard 562, — und chro¬
nische Herzkrankheiten, von Schott
628, von Fernet 785, Reinculturprä-
parate von —, von Czaplewski 980,
Pathologie der —, von Wassermann
1052, nach — auf tretende Erkrank¬
ungen des Nervensystems, von Bury
1403, haemorrhagische Form der —,
von Petrucci 1613, bacteriologischer
Befund bei —, von Cantani .... 1640
Influenzaausbruch, sonderbarer, auf der
Haut, von Rieger. 7
Influenzabacillen, Allgemeininfection mit,
von Slawyk 333, Infection mit — und
Bact. proteus, von Doering .... 1530
Influenzaepidemie 1889/90 in der bayer.
Armee, von v. Vogl 843, diesjährige
— in Freiburg i. B., von Clemens 935 ,
Beobachtungen aus der jüngsten —,
von Gerber 976, — 1900, von Möller 1088
Influenzaherz, von Saundby.268
Inlluenzapräparate, von Fraenkel . . . 270
Tnfusionsapparat, compendiöser, von
Häberlin. 45
Inguinalhernie, Radicaloperation der,
von Girard 1284, von Schwartz 1284,
von Morestin.1284
Initialsklerose, Pathologie der, von Ehr¬
mann 1279,1440, seltene Localisation
der, von Ehrmann.1582
Insecten, Arachniden und Myriapoden
als Infectionsträger, von Nuttall . . 337
Inserat aus Shakespeare’s Zeiten . . 1551
Institut für Schiffs- und Tropenkrank¬
heiten 178, 210, 211, klinisches — für
Geburtshilfe und Gynäkologie in St.
Petersburg, von v. Ott 841, Statistik
des — Pasteur zu Algier, von Trolard
1015, Impfungen im — Pasteur zu
Paris 1899 1795, — für medicinische
Diagnostik in Berlin.1018
Instrumentarium zur endovesicalen The¬
rapie, von Mirabeau 1314, — für en-
dovesicale Operationen, von Latzko 1355
Insult, Todesfall durch psychischen, von
Pagenstecher.1354
Intentionstremor, posthemiplegischer,
von Infeld.. . 1604
International Directory of Laryngologists
and Otologists. . . 884
Interviews der Professoren in Wien . . 480
In toxica tion, Tetanie nach, von Dämmer 1587
Intubation, von Quadflieg 1472, von
Steinhardt 784, unblutige operative
Behandlung der Larynxstenosen mit¬
tels der —, von Trumpp 940, Decu¬
bitus und Stenosen nach —, von
Hagenbach-Burckhardt 1389, — in
der Privatpraxis, von Marx .... 1599
Intussusception, chronische, von Ender-
tein.1021
lnvagination, von Rrecke 42 , von Sondier
1714, — ileocolica, von Schmilinsky 1515
Invalidenrentenanwärter, Untersuchung
und Begutachtung der, von Stempel 512
Jochbein, temporäre Resection des, von
Becker.233
Jod, Pharmakotherapie und Toxikologie
des, von Kobert .172
Jodakne, von Giovannini.334
Jodalbacid, Behandlung der Syphilis mit,
von Briese .548
Jodeigone, von Chrzelitzer.483
Jodintoxication, acute, nach Jodkali¬
gebrauch, von Muck. 1738
Jodipin, von Klingmüller 976, von Holz¬
häuser 1152, therapeutischer Werth
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INHALTS-VERZEICHNISS.
lönö.
NXXItl
Reite I
des -, von Frieser619, therapeutische !
Verwendung des —, von Sessous . 1175 |
Jodipintherapie, von Holzhäuser . . . 1255
Jodkaliuunparotitis, von Trautmann . . 117
Jodlösuug zu äusserlichem Gebrauch,
von Eisberg.674
Jodoformgeruch, Beseitigung des, von
Ricketta. 210
Jodoformglycerinemulsion, Intoxication
bei Gebrauch der, von Frommer und
Panek.619
Jodoformogen, von Severeanu .... 1676
Jodoform Vergiftung, von Anschütz . . 1466
Jodoformwirkung und Jodoformersatz,
von Fraenkel . 17o9
Jodopyrin, von Junkers.407
Jodothyrin, von Paulesco.1836
Jodquelle, neue, in Bad Tölz, von Streber 952
Johimbin, Wirkung des, von Loewy . . 1503
Journal,, kleines, für Hygiene.1679
Irrenfürsorge, öffentliche, in Bayern . 715
Irresein, recidivirendes, von Kerr 443,
puerperales —, von Easterbrook 781,
Heilung v. epileptischem—, von Rose 1604
Irrthümer, diagnostische, von Lichten¬
stein . . . 1751
Iridochorioiditis, Aetiologie der chroni¬
schen, von Senn und Spirig . . . 1279
Iritis, Ursachen einer primären, von v.
Michel.853
Ischias, Behandlung der, mit Salzsäure,
von v. Eljas-Radzikowski 1255, —
scoliotica, von Blencke.1714
Ischuria prostatica, von Bottini .... 586
K.
Kaffee, Gebrauch des, von Hutchinson
1506, Wirkung von — und Thee auf
Athmung und Herz, von Binz . . . 1705
Kaiser Franz Joseph-Pavillon im k. k.
allg. Krankenhaus zu Prag.651
Kaiser- und Kaiserin Friedrich-Kinder¬
krankenhaus, 10 jähriges Bestehen des 1518
Kaiserschnitte aus gehäuften Indica-
tionen, von Freund 300, — aus rela¬
tiver Indication, von Martin 947,
wiederholte —, von v. Weis . . . . 1832
Kaiserschnittstatistik, von Gummert . . 1277
Kakke s. a. Beri-Beri.
Kakke, von Yamagiva 809, — der Säug¬
linge, von Hirota.437
Kakkedyspepsie bei Säuglingen, von
Miura.128
Kalender, deutscher militärärztlicher, von
Krocker und Friedheim.1182
Kalk, Einfluss des, auf gichtkranke
Hühner, von Kionka . . j . . . . 1088
Kamerun-Neger, ethnologische und pa- *
thologiBche Verhältnisse, der, von
Plehn.1579
Kapselverengerung bei Gelenkaffec-
tdonen, von Baxdenheuer.1471
Kardioptosis, von Ferranini.127
Kataloge .. . . 1836
Kataplasmen, temperirbare, v. Davidsohn 203
Katarrhe, Behandlung der, der oberen
Luftwege, von Linkenheld .... 923
Katheter, Sterilisationsvorfahren für ela¬
stische, von Kümmell.1757
Katheterismus, von Hottinger .... 1089
Kauen, Zerkleinerung und Lösung der
Speisen beim, von Lehmann . . . 983
Kehlkopf s. a. Pachydermia, Larynx.
Kehlkopf, von Hueter 271, Entfernung
des —, von Gluck 60, Angiome des
—, von Seifert 983, Anleitung zur
Diagnose und Therapie der —, Nasen -
und Ohrenkrankheiten, von Kayser
1705,Lymphgefässapparat von — und
Trachea, von Most.1830
Kehlkopfcarcinom, von Frieben . . . 271
Kehlkopfgeschwür, tuberculöses, von
Eisen barth.5^7
Kehlkopfhälfte, Exstirpation der, von
Krause.339
Kehlkopfkrankheiten währendd Schwan¬
gerschaft, von Przedborski . . . 15'>
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Si:ile
Kehlkopfneuralgie, typische Form von,
von Avellis . . . . .1592
Kehlkopfoperationen, von Klause 169, 554
Kehlkopfschleimhaut, Regeneration der,
von Grawitz.. . . 947
Kehlkopfspiegel, Lysollösung zur Ver¬
hinderung des beschlagens der, von ,
Ruprecht.1508
Kehlkopftuberculose, örtliche Behand¬
lung der, von Heller. 740 1
Keloid, von Joseph.475
Keratitis, Behandlung der, profund«,
von Guttmann.301
Keratoconus, von Krukenberg .... 172
Kernmangel, angeborener, von Heubner 710
Keuchhusten s. a Stickhusten, Pertussis.
Keuchhusten, cerebrale Affeetionen im
Verlaufe des, von Hockenjos 657,
Heroin bei —, von Hininer718, neuere
Behandlungsmethoden des —, von
Fischl 909, Verschicken kranker Kin¬
der bei —, von Schwarz 977, Aetio¬
logie des - , von Luzzatto 1012, Be¬
handlung des —, von Leroux und
P&steau 954, von Tittel 1116, Bella¬
donna gegen den —, von Gillet
1360, Bäder mit eomprimirter Luft
bei —, von Rocas und Delmas 1360,
operative Behandlung des —, von
Smit 1501, Lähmung nach —, von
Arnheim.1761
Kiautschou, Gesundheitsverhältnisse in, 242
Kiefercysten, Behandlung von, and An-
trumempyemen, von Sachse .... 238
Kieferdeformitäten, orthopaedische Be¬
handlung der, von Stern .... 147*2
Kieferfracturen, Behandlung der, von
Wamekros.1514
Kieferhöhlenempyem s. a. Empyem, An¬
trumempyem, Highmorshöhle.
Kieferhöhlenempyem, acutes, von Wro-
blewski 551, Ausgang des acuten —,
von Avellis. . 945
Kind s. a. Säugling, Hilfsschulen.
Kinder, Behandlung frühgeborener, von
Rommel 357 t hereditär-luetische —,
von Lange 592, uneheliche — in
Berlin, von Neumann 653, Extraction
eines lebenden — nach dem Tode
der Mutter, von Kirch 942, Grund¬
sätze des Geburtshelfers für die erste
Ernährung des —, von Cramer 1585 »
Wärmekasten für frühgeborene —,
von rvommei.« . . . .
Kindbettfieber s. a. Puerperalfieber.
Kindbettfieber, Verhütung des, von Hof¬
meier 1257 , von Krönig . 1422
Kinderernährung im Säuglingsalter, von
Biedert.1312
Kinderheilkunde, Lehrbuch der, von
Bendix 91, von Baginsky 199, von
Gerhardt 1539, von Seitz.1780
Kinderlähmung, von Krause 1019, von
Little 1443, spinale — von Krause
555, cerebrale —, von Merz 743, von
Dinkler.1433
Kinderspitäler, Zustände in den in
Wien. 520
Kindersterblichkeit in Norwegen, von
Johannessen 1322, — der Oberplalz,
von Mulzer.1510
Kindertetanie, von Kirchgässer .... 589
Kindertuberculose, von Thomeseu . . 1476
Kindesalter, Krämpfe im, von Lange 37,
Behandlung der chronischen Obsti¬
pation im —, von Doerfler 113, Dia¬
gnose der Imbecillität im frühen —,
von Thiemich 130, Pyelitis im —,
von Hintner 171, Typhus im —,
von Barbier und Herrenschmidt 174,
chron. Myocarditis im —, von Rosen-
stein 201, Lungenentzündungen im
Gefolge von infeetiöser Erkrankung
im frühesten —, von Spiegelberg 2'J.',
Tetanie im —, von Thiemich 299,
chron. Gelenkrheumatismus im -,
von Johannessen 332, Behandlung
des chron. Ekzem im —, von Neu
Seil«
berger 336, Gelenkrheumatismus im
—, von Lachmanski ö69, Haemor-
rhoidalknoten im , von Burwinkel
39J, Ekzem im frühen —, von Pokito-
neff 549, bösartige Nierengeschwülete
im —, von Sorgente 549, l^ebercarci-
nom im —, von Engelhardt 631, Darm¬
krebs im —, von Zuppinger 659,
Kleinhirnerkrankungen im frühen —,
von Hahn 699, pathogenetische Be¬
deutung des Pseudoinfluenzabacillus
im —, von Luzzatto 779, Seelen¬
störungen im —, von Gumpertz 809,
Hypertrophie und Dilatation des Dick¬
darms im —, von Johannessen 810,
Pneumonie im —, von Rheiner 843,
Limanotherapie im —, von Bilik 906,
progressive, pernieiöse Anaemie im
—, von Theodor 906, Bleivergiftung
im —, von Turner 945, Augenkrank¬
heiten des —, von Guttmann 1140,
Empyem im —, von Cnopf 1151,
Myocarditis im —, von Koplik 1247,
Uebertragung und Prophylaxe der
Tuberculose im —, von d’Espine,
Hutinel, Moussous, Richardifcre 1359,
intermittirende Albuminurie des —,
von Gillet 1439, Pneumonie im —,
von Tirard 1443, Milzvergrösßerung
im —, von West 1443, Salol beim
Typhus des —, von Thomeseu 1476,
Laryngoskopie im —, von Kirstein
1572, Skoliosen und Spitzeninfiltratio¬
nen im —, von Mosse 1572, Pneumo-
coccengrippe im —, von Luzzatto 1573,
dilatative Herzschwäche im —, von
Neumann 1601, Tetanie nnd Eklam¬
psie im —, von Hecker 1610, here¬
ditäre progressive spinale Muskel¬
atrophie im —, von Hoffmann 1649,
secundäre Gastroenteritiden im —,
von Marfan 1751, Asthma thymicum
im —, von Friedjung.1751
Kindeslagen, Benennung u. Eintheilung
der, von Müller.1750
Kirschkern im 1. Hauptbronchus, von
Gernsheim.699
Klappenfehler durch Tabak, von Eid . 1317
Kleingewehrverwundungen und Humani¬
tät im südafrikanischen Krieg, von
Dent 944, moderne —, von Dent . 1444
Kleinhirn, cystische Degeneration im,
von Schüle 235*, Beziehungen zwi¬
schen — und optischem Central¬
nervensystem, von Roncali 550, an¬
atomische Beziehungen des — zum
übrigen Nervensystem, von Bruns
942, Functionen des —, von Gatta . 1545
Kleinhirnabscess, von Dieulafoy 1121,
otogener —, von Braun.1018
Kleinhirntumoren, von Schede . . . .1115
Klemmnaht, von Schultze.1470
Klimakterium, von Galbraith 23, Gravidi¬
tät im —, von Flatau.1792
Klimmzuglähmungen, von Sehrwald 266
Klinik, neue, in Prag 207, unheilvolle
Verhältnisse der Kieler medicinischen
—, von v. Esmarch 212, Greifswalder
chirurgische —, 1875—1899, von Hel-
ferich 233, Beschuldigungen gegen
die medic. — in Jena, 833, staat¬
liche psychiatrische — in München
883,955, Mittheilungen aus der medi¬
cinischen — zu Upsala, vonllenschen
1049, — für Ohren- und Kehlkopf¬
kranke zu Rostock, von Körner 1248,
Mittheilungen aus der dermatologi¬
schen — zu Straßsburg, von Hügel
1737 , Besuch geburtshilflicher — in
Paris, Berlin, Leipzig, Dresden und
! Genf, von Kalabin. 1751
; Klop Duvel Klop, von v Bremen . . 237
Klumpfass, offene Durchschneidung bei,
! von Phelps 1403, Behandlung des—
Erwachsener, von Vulpius.1471
Knabengeburten, Ueberschuss an, und
seine biologische Bedeutung, von
Barfurth ..981
5
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XXXEV
INHALTS-YERZElCHKlSS.
Knie, intermittirender Hydrops de«, von
Katzenstein.1838
Kniegelenk, congenitale Luxationen des,
von Drehmann 69s, Contracturen und
Ankylosen im —, von Blencke . .1313
Kniegelenkscontracturen,instrumentelle8
Redressement der, von Lorenz . 1470
Kniephänomen, Fehlen des, von Mar-
guliös. .... 59
Kniereflex, Verlust des, von Williamson 443
Kniescheibenbrüche und ihre Behand¬
lung, von Lichtenauer .... 65(5, 1352
Knieschwund, angeborener, von Luce . 911
Knochen, Inactivitätsatrophie der, von
Sudeck 207, Stossfestigkeit der —,
von Triepel 338, Biologie der —, von
Helferich 376, Farbe des lebenden
rachitischen —, von Muck 621, Ver¬
änderungen des wachsenden — nach
dem Einfluss des Phosphors, von
v. Stubenrauch 629, Draht zum Er¬
satz für Continuitätsdefecte der —,
von Hofmann.1706
Knochenarchitectur, Röntgenbilder der,
von Wolff .701
Knochenatrophie, von Kimura .... 842
Knochenbrüche durch direkte Gewalt,
von Rubinstein.707
Knochencarcinom, Anaemie bei, von
Frese.1748
Knochenendotheliome, von Th^venot . 1577
Knochenerkrankungen, seltene,von Deetz 589 !
Knochengestalt, functioneile, von Wolff 1*8
Knochengerüst, Entwicklung des mensch¬
lichen, von Lambertz ..368
Knochenheteroplastik, von Büdinger . 1674
Knochenmark, rothes und Myeloblasten,
von Naegeli 701, Zusammensetzung
des rothen —, von Pappenheim 876,
blutbildende Function des—, von Zen
1145, — und Blutbildung, von Schur
und Löwy.1502
Knochenneubildung, chirurgische, von
Ollier.1251
Knochenplastik am Unterkiefer, von
Sykoff.1313
Knochenstück, in der Lunge steckendes,
von Killian 401, implantirtes —, von
Grosse.1149
Knochentransplantation, von Frank 1470,
ausgedehnte —, von Klapp . . . . 513 |
Knochenwachsthum, Störungen des, von j
Gilford.1116 1
Knoll, Prof. Philipp f.207 j
Knorpelfett, von Sacerdotti. 1087 I
Knorpelgeschwulst, Verbreitung einer,
in der Blutbahn, von EmBt . . 478, 1602
Kochsalzinfusion, Veränderung der Blut- I
Zusammensetzung nach, von Magnus 657
Kocbsalzinjectionen, subcutane, von
Drago . ..1544
Koeliotomie, vaginale, von Fritsch 1436,
Aufplatzen der Bauchwunde nach —, i
von Kreutzmann.1782
Körnchen, basophile, von Cohn 186, von
Strauss.208
Körnerkrankheit, Bekämpfung der en- j
demischen, von Hirschberg .... 241
Körperform und Lage der Nieren, von
Lennhoff und Becher.701
Körpermaasse, Werth von, zur Beur-
theilung des Körperzustandes von
Kindern, von Schmid-Monnard . 1441
Körpermessung, Bertillon’sche Methode
der, von Wengler. 1494
Kohlehydrate, Untersuchungen über,
von Rosenfeld.332
Kohlenoxydgas-Vergiftung, von Folli . 1613
Kohlensäure, therap. Verwendung der,
und der heissen Luft, von Herz 561,
— bei Erkrankungen derNase, von Joal 946
Kohlensiiureausscheidung bei wieder¬
holten kalten Bädern, von Lode und
Durig.109
Kohlenwasserstoffe, Wirkung einiger ali¬
phatischer, von Elfstrand.546
KoUkschmerzen, von Lucke.1013
Kolon, Missbildungen des, von Concetti
202, — Hamblasenfistel, von v. Bra-
mann.1252
Kolpaporrhexis sub partu, von Belitz-
Heimann.263
Kolpeuryse und Metreuryse, von Bosse
1114, von Müller.1783
Kolpeurynter, s. a. Geburtshilfe.
Kolpeurynterfrage, von Kaufmann . . 513
Kopf, Impression des vorangehenden, in
Walcher’scher Hängelage, von Crarner 1438
Kopfgrind, von Elliot. 787
Kopfklammer, von Schuchardt .... 656
Kopfschütteln, Aetiologie des,mitNystag-
mus bei Kindern, von Thomson . .1117
Korsakoff'sche Psychose, von Elzholz . 591
Kost, kräftige, von Czerny.202
Kothtumor, von Poten.1214
Krämpfe im Kindesalter, von Lange 37,
durch — bewirkte Veränderungen
im Kinderauge, von Schoen .... 1602
Kraniektomie, Technik der, von Gigli . 1749
Krankenanstalten, s. a. Privatkranken¬
anstalten.
Krankenanstalten, Erweiterung der, in
München . ..1327
Krankenbehandlung, Werth der Beschäf¬
tigung in der, von Buttersack . . . 332
Krankenfürsorge der Landesversicher¬
ungsanstalten 1399, von Mugdan . 942
Krankenhäuser, Verpflegungssätze in den
Berliner.203
Krankenhaus, städt., zu Köln.788
Krankenhaus-Erweiterung in München 1024
Krankenhausfrage in Wien .... 239, 818
Krankenhausnoth in Berlin.372
Krankenkassen, s. a. Meisterkranken¬
kassen, Receptur.
Krankencassen 1288, — und Aerzte 107,
804, Fahrpreisermässigung für — 451,
Centralisation der Berliner — 1220,
Vertragsentwurf einer — 1399, Kampf
gegen die —.1715
Krankencassenangelegenheiten, Recht¬
sprechung in, von Biberfeld .... 1023
Krankencassen verband, württembergi-
scher.1406
Krankenküche, Berliner, von v. Leyden 1581
Krankenpflege, Museum für, 210, Aus¬
stellung für — in Frankfurt 210,
Taschenbuch der —, von Pfeiffer . 1781
Krankenverein der Aerzte Wiens . . . 481
Krankenversicherungsgesetz, Novelle z.,
635, 1367, 1684
Krankheilen, Gesetzentwurf über die
Bekämpfung gemeingefährlicher 633,
neue Wege zur Erkenntniss und Be¬
handlung von —, die durch Autoin-
toxicationen bedingt sind, von Blum
1038, — der Frauen, von Fritsch 1140,
Diät in der Behandlung von —, von
Martyn 1443, — der warmen Länder,
von Scheube.1634
Krankheitszustände, Behandlung nervö¬
ser, in Sanatorien, von Poensgen . 1386
Kraniektomie, temporäre, bei Gehirn-
abscessen, von Nanu.1219
Kranio-Rhachischisis, von Lewis . . . 1216
Kraniotomie, Technik der, von Codivilla 1218
Kraurosis vulvae von Jung 236, vonBaldy
und Williams 337, von Heller . . . 1388
Krebs, Zunahme der Sterblichkeit an,
von de Haan 132, Behandlung in¬
operabler —, von Czerny 594, chi- , ,,
rurgische Behandlung des —, von
Fauve 1148, — der Wange, von Mo¬
restin .1218
Krebsaetiologie, von Behla.440
Krebserkrankungen, Zunahme der, von
Maeder.700
Krebsforschung, Comitd für, 308, 787,
1406, geographisch-statistische Me¬
thode der —, von Behla.2G3
Krebsfragen, von Oldfield.1405
Krebsmetastasen der Wirbelsäule, von
Fraenkel. 30
Krebssammelforschung.1446
Belt«
Krebsumfrage, von v. Leyden .... 1679
Kreisarztgesetz, preussisches . . . 450, 674
Kreislauf, Energetik des, von Rosenbach 840
Kreislaufmodell, von Moritz.774
Kreislaufsorgane, Erkrankungen der, von
Jürgensen. 543, 163 5
Kreispflegeanstalten, badische, von Batt-
lehner.1678
Krieg s. u. Südafrika.
Kriegsverband wesen, Reform des, von
Port.1142
Krisen, gastrische, von Favulla .... 1147
Krötenfleisch, von Huber.1628
Kröpfe, chirurgische Behandlung der
gutartigen, von Reinbach 261, ope¬
rative Behandlung der — nach Wölf-
ler, von Preindlsberger 878, geogra¬
phische Vertheilung der — in Frank¬
reich, von Mayet 954, Exstirpation
der —, von Berry 1116, Behandlung
der einfachen —, von Murray . . . 1505
Kropfknoten, von Sendler.1150
Kropfrecidive und Recidivoperationen,
von Brunner.5^9
Krystalle, Charcot-Leyden’scbe, von Lcwy
8 40, — und Spermakrystalle, von Le wy 1184
Küchenkoller, von Leopold . . . 4<)1
Kühne Wilhelm f, von v. Uexküll . . 93 J
Kugelextraction aus dem Gehirn mit
Hilfe des Röntgenverfahrens, von
Chlumsky .262
Kugeln, tingible, von Winkler .... 335
Kuhmilch,praktische Methode, — leichter
verdaulich zu machen, von v. Dün¬
gern ..... .1661
Kuhmilchcasein, Ausnützung des, von
Knoepfelmacher.1574
Kupferarbeiter, Untersuchungen an, von
Lewin. ... . 1604
Kyrofin, von Breitenstein.563
Labenzyme und ihre Antikörper, von
Morgenroth.
Labour, missed, bei Myom und Placenta
praevia, von Hartz ........
Labyrintheiterung, chirurgische Behand¬
lung der, von Körner.
Labyrinthlaesionen, cariöse und trau¬
matische, von Lucae.
Labyrinthsequester, von Pluder . . .
Lacton-hoe .
Ladenpersonal, Sitzgelegenheit f. das 275,
Lähmung, diphtheritische, von Marfan
(00, traumatische periodische —, von
Donath 131, geheilte spondylitische
—, von Tillmanns 342, — des Plexus
cervicalis, von Trömner 749, — des
Acusticus und Facialis, von Saenger
978, — der Schultermuskeln, von
Ahrens 1757, essentielle —, von Grüne¬
berg 1757, Apnoö bei diphtheritischer
—, von Ebstein.
Lagerungsbehandlung, von Adler 1517
— bei Gestalte-, Lage- und Grösse¬
veränderung des Uterus, von Beckers
Lagerungsschienen aus Rohrgeflecht,von
Sarfert.
Lakolk, Nordseebad.
Landkrankenpflege ..
Landtag s. a. Parlamente.
Langenbeck-Büste.
Lanolin.
Laparotomie, von Meusel 513, bei —
zurückgelassene Compresse, von
Merttens 202, Einschränkung der —,
zu Gunsten der vagin. Coeliotomie,
von Schauta 234, Instrument zur —,
von Jonnescu 1577, acute gelbe Leber¬
atrophie nach —, von Selhorst 1676,
Verhütung und Behandlung der
Bauchnarbenbrüche nach —, von
Gottschalk.
Largin, von Allgeyer 910, von Falta . .
Laryngologisch-otologische Gesellschaft
in München .
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1000.
INHALTS-VERZEICHNI8S.
XXXV
Seit«
Larvngo-Rhinologie, Referat über, 131,551, 945
Laryngoskopie im Kindesalter, von Kir-
Btein.1572
Laryngotyphus, Bacteriologie des, von
Vincent. ... 1250
Larynx b. a. Kehlkopf.
Larynx, Fremdkörper im, von Hirsch-
mann 477, Pseudostimme nachTotal-
exstirpation des —, von Gottstein
706, Pathologie und Behandlung der
toxischen Lähmungen des —, von
Williams und Home.1444
Larynxerysipel, sogen., von Sittmann . 775
Larynxkrebs, operative Behandlung des,
von Semon.130
Larynxintubation, von Tsakiris .... 1439
Larynxphthise,Therapie der, von Imhofer 1543
Larynxstridor, congenitaler, von Stamm 699
Larynxtuberculose, Behandlung der, von
Freudenthal.1508
Lauge Vergiftung, von Bornikoel 60, —
bei Kindern, von Johannessen . . 299
Lebensformen, einfachste, des Thier- und
Pflanzenreiches, von Eyferth . . . 1313
Lebens weise,therapeutische Verwendung
der vegetarischen, von Rumpf . . 698
Lebenszeichen, letztes, von Waller . . 1516
Leber s. a. Wanderleber.
Leber, Farbstoffe der, Eisen der —, von
Dastre und Floresco 17, Bedeutung
der —, von Sachs 126, Chirurgie der
— und der Gallenwege, von Panta-
loni 162, cavemöse Degeneration der
—, von Fabris 450, echte Cysten der
—, von Lippmann 512, Wärmebildung
in der —, von Cavazzani 633, Tele¬
angiektasien der —, von Schrohe
742, Ptosis der —, von Treves 1117,
Cirrhose u. multiple Adenombildung
der —, von Schmieden 1115, chirur¬
gische Behandlung der Hydatiden-
cysten der —, von Jonnesco 1217,
neue Art der Blutstillung bei der —,
von Sögalc 1218, forensische Bedeut¬
ung von Glykogen und Zucker in der
— einer Leiche, von Modica 1247,
— bei den Anaemien, von Gilbert
und Garnier 1249, Eiterungen in und
tun die —, von Loison 1280, acute
Fettdegeneration der —, von Sansoni
und Serono 1283, multiple Echino-
coccen der —, von Könitzer 1387,
Glykogenbildung in der —, von Bussi
1544, cavernöse Degeneration der—,
von Fabris 1602, solitäre Adenome
der —, von Barbacci.1639
Leberabscesse, Chirurgie der, von
Smits 874, chirurgische Behandlung
der —, von Giordano, von Adamidi,
von Hache 1217, Behandlung der —,
von Macleod,Cantlie, Smith u.Bassett-
Smith 1444, idiopathische —, von
Beyfuss.. . . 1636
Leberatrophie, acute gelbe, nach Laparo¬
tomie, von Selhorst.1676
Leberbiegung, normale respiratorische,
und die Genese der sog. Exspirations¬
furchen der Leber, von Walz . . . 1029
Lebercareinom im Kindesalter, von En¬
gelhardt .. . . 631
Lebercavernome, von Schmieden . . . 1636
Lebercirrhose, von Kretz 475, milch-
weisser Ascites bei syphilitischer —,
von Poljakoff 58, chirurgische Be¬
handlung des Ascites bei —, von
Rolleston und Turner 165, Darm¬
blutungen bei —, von Stein 264,
hypertrophische —, von Eberth 1012,
letale Magendarmblutungen bei - ,von
Preble 1215, Pathologie der —, von
Voelcker.1442
Leberechinococcus mit Durchbruch in die
Gallenwege, von Althaus. 1135
Lei*rege), Wirkung einiger Gifte auf
den, von v. Tappeiner. 1729
Lebererkrankungen, Entstehung chroni¬
scher, von Hoppe-8eyler,.1642
Leberfieber, intermittirendes, von Pick
Lebergallenfistel, von Albu.
Leberinfarct, von Heile.
Leberlymphome, von Marcuse.
I^eberkrebs, von v. Kahlden 61, Zusam¬
menhang von Distomum felinum mit
—, von Askanazy.
Leberneuralgie, von Fuchs.
Leberruptur, traumatische, von Kirste .
Lebersklerose, praeascitische Oedeme
bei, von Morano.
Leberthraninjectionen, von Zeuner . .
Legat, Dr. Herz’sches.
Lehrbuch der Kinderheilkunde, von Ben-
dix 91 ,von Baginsky 199, von Seitz 1780,
— der Nachbehandlungen von Verletz¬
ungen, von Müller 232, — der chirur¬
gischen Krankheiten angeborenen
Ursprungs, von Kirmisson 296, —
der Balneotherapie, von Glax 330,
— d. Nervenkrankheiten, von Oppen¬
heim 544, —- der Hygiene, von Rub-
ner 940, — für Heilgehilfen und
Massöre, von Granier 1386, — der
spec. Pathologie und Therapie der
innern Krankheiten, von v Strüm¬
pell 1424, —der Kinderkrankheiten,
von Gerhardt 1539, — der anorgani¬
schen Chemie, von Erdmann 1616,
— der Histologie u. mikroskop. Ana¬
tomie, von Szymonowicz 1633, — der
Hydrotherapie, von Matthes 1746, —
der klin. Hydrotherapie, von Bux-
bäum.
Leichenerscheinungen und ihre Zeitbe¬
stimmung, von Wetzel.
Leichenschau, obligatorische 883, Noth
wendigkeit der obligatorischen —
Leichenverbrennung, facultative . . .
Leichtenstem Otto f, von Lent. . .
Leiatenbruch, innerer, von Escher 94,
Radicaloperation der — bei Säuglin¬
gen, von Karewski 95, Operation der
! —, bei kleinen Kindern, von Francke
307, intraparietale —, von Göbell .
Leistengegend, Anatomie der, v. Cushing
Leistenhernien, Radicalbehandlung der
—, von Grosse.
Leitfaden, d. Schwangernuntersuchung,
von Winternitz.
Lepra, von Dönitz 977, — des Auges,
von Franke 30, von Guönot u. Rem-
linger 810, Behandlung der — mittels
des Calmette’schen Serum, von Wood-
son 476, Serumtheraphie der —, von
Carrasquilla 548, Zeitschrift für —
564, Bacteriologie der —, von Baran-
nikow 908, pathologische Anatomie
der —, von Sokolowsky 1143, Heil¬
barkeit der—, von Ehlers 1476, von
Hutchinson 1675, Veränderung des
Muskelgewebes bei —, von Fujinami
1574, — maculosa, von Neumann .
Leprabacillen, Verbreitung der, im
menschlichen Körper, von Uhlenhut
Leprademonstration, von Lassar ....
Leprahäuser sonst u. jetzt, von Kirchner
Leptomeningitis. Aetiologie d. otitisehen,
von Vincenzi.
Leukaemie s a. Haemainoeba, Abort.
Leukaemie, Veränderungen am Central¬
nervensystem bei, von Bloch und
Hirschfeld 200, Stoffwechselversuche
bei —, von v. Stejskal u. Erben 201,
Hautveränderungen bei —, v. Pinkus
552, Parasiten der —, von Löwit
658, 662, — eine Protozoeninfection,
von Vittodini 1145, acute — beim
Kinde, von Mc Crae 1216, acute —,
von Denm'g.
Leukocyten, Reaction der, auf die Gua-
jaktinctur, von Brandenburg 183,
— und Bacteriensporen, von Naka-
nishi 680, Granulafärbung lebender
und überlebender —, von Arnold 942,
polynucleäre —, vou Marini 1282,
intravitale Neutralrothfärbung der —,
8eite
1250
407
1603
1184
1603
405
751
1639
1024
820
1746
1767
919
179
340
1142
1216
1502
260)
1612
236
672
24
700
1297
• Seite
von Marcus 1427, — beim Säugling,
von Japha 1541, eosinophile — in
Tumoren, von Feldbausch.1574
Leukocytenstoffe, mechanische Gewin¬
nung bactericider, von Weleminsky 402
Leukocytose, Entstehung der, von Lenge¬
mann . 58
Leukoplakia oris, von Schütz 335, von
Perrin.1440
Levinsenia pygmala Levinsen, von Jä-
gerskiöld. .... 908
Lexikon, therapeutisches, von Bum 941,
biographisches — hervorragender
Aerzte des 19. Jahrhunderts, von
Pagel.1113
Lichen planus atrophicus und Vitiligo,
von Orback 553, — ruber planus,
von Dreyer 1286, — obtusus, von
Hügel. 1737
Licht s. a. Phototherapie.
Licht, Einfluss des, auf die Haut, von
Möller 1008, chemische Kraft des —,
von Warburg 1221, Anwendungsfor¬
men des — in der Therapie, von
Boden.1254
Lichtheilanstalt in Berlin.243
Lichtprüfer für Arbeitsplätze, von Pfeiffer 561
Lichttherapie, von Strebei 1052, von
Finsen.1361
Lichtwärmestrahlen, Wirkung der, von
v. Drigalski.975
Lidcarbunkel, von v. Förster.1581
Lidgangraen nach übermässiger Eisan¬
wendung, von Plaut.402
Ligamentum patellare, Zerreissung des,
von Koch.1612
Ligaturen, Anlegung von, von Katzen¬
stein .1470
Lignosulfit, von Dannegger.1748
Limane, von Baginsky.1057
Limanotherapie, von Bilik.906
Limbeck, Professor v., f.714
Lingua geographica, von Delbanco 978,
von Carow.1574
Linse, die operative Beseitigung der
durchsichtigen, von Pflüger ... . 1465
Lipaemie, von Ebstein.163
Lipome, Entstehung der multiplen, von
Askanazy 1050, retroperitoneale —,
von Heinricius.1387
Lippen- und Kieferspalten, von Schmidt 343
Literatur, amerikanische 23,59,337,478,
844, 878, 1215, 1246, 1467, belgische
■— 167, 879, 1674, englische — 21,
1«5, 268, 441, 659, 779, 943, 1116,
1505, 1674, 1709, französische — 100,
266, 548, 810, 1014, 1279, 1576, hol¬
ländische - 132, 620, 1185, 1504,
italienische — 131, 550, 743, 909,
1016, 1145, 1246, 1389, 1544, 1639,
österreichische — fast in jeder Nr.,
rumänische —.1675
Lithokelyphos, von Jung ..1711
Litholapaxie, von Pank 1709, von Baker
1710, von Sünder 1710, von Smith
1710, perineale —, von Henderson
1710, — bei Knaben, von Keegan . 1709
Lithopaedien,Kenntniss der,vonKroemer 1453
Little’sche Krankheit, von Mesce 550,
— und conBanguinäre Heirathen, von
van der Heide.620
Localanaesthesie, von Kossmann 1785,
— und Narkose, von Schleich . . . 473
Localisationstabellen zur graph. Dar¬
stellung des Sitzes und der Verbrei¬
tung von Krankheiten, von Pick . . S40
Löfflerbacillus, Pathogenität des, von
Bloch und Sommerfeld . . ... . 869
Lues, von Brueggemann 134, Behand¬
lung der tertiären —, von Stinson
177, — hereditaria tarda in der Wiener
Garnison, von Schuster 843, — here¬
ditaria mit Tabes, von Wilms . . . 1020
Luft, heisse, gegen Atfectionen der oberen
Luftwege, von Lermoyez und Mahu 1327
Luftdruck, Muskelkraft unter dem er¬
höhten, von v. Liebig.698
Difitized b
■V Google
5 *
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XXXVI
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900.
Seite
Seite
Luftfeuchtigkeit, Einfluss der, auf den
Arbeitenden, von Wolpert.440
Luftinfection, Kenntniss der, von Büch¬
ner, Megele und Rapp.516
Luftliegecur, von Neumann ..1718
Lufttemperaturen, Anpassungsfähigkeit
des Menschen an, von Rubner . . 1853
Luftwege, chronische Erkrankung der
oberen, von Neisser u. Kahnert . . 1214
Lumbalhernien, von Borchardt . . . .1711
Lumbalpunction, von Kohts 1152, 1719,
Gefahren der —, von Gumprecht . 908
Lunge s. a. Thierlunge.
Lungenabscess, Klinik des, von Jacobson 1142
Lungenadenom, congenitales, von Linser 906
Lungen aff ectionen, medicamentöse The¬
rapie der —, von Goldmann . . . 1279
Lnngenbrandhöhle, von Lenhartz ... 30
Lungenchirurgie bei Kindern, von Jab-
lokoff.549
Lungenemphysem, von Sudsuki • . 912
Lungenentzündung, Stoffwechsel bei,
von Moraczewski 200, — im Kindes-
alter, von Spiegelberg 202, Entstehung
der, von Müller 304, 704, Behandlung
der acuten —, von v. Koranyi . . 625
Lungenerkrankungen nach chirurgischen
Eingriffen, von Gerulanos . . 1760, 1831
Lungengangraen, von Luce .207
Lungenheilanstalt, Pädagogik in der ge¬
schlossenen, von Moeller.1114
Lungenheilstätte s. a. Volksheilstätte.
Lungenheilstätte, Voruntersuchung zur
Aufnahme in die, am Grabowsee,
von Brandenburg.590
Lungenhernie, Heilung der, von Vulpius 1783
Lungeninduration, braune, von Neu-
mann.1636
Lungenkranke, Dauerresultate der Be¬
handlung von —, von Gabrilowitßch 1389
Lungenkrankheit, infectiöse, der Meer¬
schweinchen, von Strada und Trat na 1783
Lungenmilzgrenze, Percussion der, von
Buttersack.1141
Lungenoedem, Pathogenese des acuten,
von Masius, 1249, — und Uraemie,
von Merklen. . 1249
Lungenphthise, Gerbsäure in der Behand¬
lung der —, von Derscheid .... 879
Lungenschwindsucht, Bekämpfung der,
von Gebhard 515, Behandlung der
— im Krankenhaus und der ärmeren
Praxis, von Burghart 1018, Bekämpf¬
ung der — 1256, Bedeutung der erb¬
lichen Belastung bei —, von Reiche
1425, operative Behandlung der —,
von Sarfert 1711, Prognose der —,
von Gottstein.1718
Lungenspitzentuberculose, percussori-
sches Frühsymptom der, von Krönig
481, Untersuchung mit Röntgen¬
strahlen in den Anfangsstadien der
—, von Williams 59, Behandlungs¬
methode der — mit subcutanen In-
jectionen von Kampheröl, von Ale¬
xander 291 , Frühdiagnose der —,
von Levy und Bruns 370, von Strauss
908, Resultate 20jähr. Krankenhaus¬
behandlung der —, von de la Camp
403, Diagnose und Therapie der —,
von Senator 590, — und Heilstätten¬
behandlung, von v. Fetzer 617, von
Egger 1144, Einfluss von Vaguslae-
sionen auf die Entwicklung von —
von Tria 709, Athemttbungen bei
der Behandlung der —, von Schnitzen
775,1425, Vererbung des Locus inino-
ris resistentiae bei —, von Turban
775, Frühoperation bei sicher dia-
gnosticirter —, von Pahner 1116, Al¬
terationen der Nieren bei —, von
d’Arrigo 13.5, Ursache und örtlicher
Beginn der —, von Aufrecht 131*',
Behandlung der — mit Hetolinjec-
tionen, von Krokiewicz 1467, (ins-
einathmung bei —, von Cervello 1640
Lungenventilation bei Aenderung des
Atmosphärendruckes, von Aron . . 942
Lungenveränderungen, graphische Re-
gistrirung der physikalischen, von
Freudweiler.1243
Lupus s. a. Heissluftbehandlung.
Lupus, mit Röntgenstrahlen geheilter —
faciei, von Kuifas 132, Therapie des
— und der Hautkrankheiten mittels
Rüntgenstrahlen, von Albers-Schön¬
berg und Hahn 284 , Radicalexstir-
pation des - vulgaris, von Buschke
335, — vulgaris laryngis, von Mygind
551, — erythematosus, von Kopp 741,
Behandlung des — mit X-Strahlen,
vonScholefield 781,— erythematodes,
von Kuznitzky* 980, von Hügel 984,
Exstirpation des —, von Lang 1284,
Behandlung des —, von Butte . . 1646
Lupusbehandlung, neuere Methoden der,
von Lassar.697
Lupusfall, geheilter, von Liebreich . . . 1357
Lupusinstitiit in Petersburg.1025
Lupustherapie, von LaDg, Einsen . . . 1361
Luxatio, blutige Behandlung der— clavi-
culae, von Büdinger 976, operative Be¬
handlung veralteter — im Ellenbogen¬
gelenk, von Bunge 201, traumatische
— coxae, von PI ücker 1363, Sub¬
luxationsstellung bei — coxae con¬
genita, von Rager 1749, Behandlung
der congenitalen —, von Schultze 1753
Lymphadenie und myelogene Leuk-
aemie, von Boinet.1250
Lymphaemie ohne Lymphdrüsenschwell-
ung, von Pappenheim.331
Lymphdrtisen, einfache cystische De¬
generation der, von v. Odenius . . 163
Lymphe, neues Bacterium der, von Levy
u. Fickler 976, antipestöse —, von
Terni und Bandi.1088
Lymphganglionsystem, Bedeutung des,
für Infection und Immunität, von Man-
fredi.129
Lymphgefässe, Netz peritonealer, von
Malkoff 1143, gonorrhoische und
syphilitische Erkrankungen der —,
von Nobl. 1440
Lymphscrotum, intermittirendes, von
Lauenstein.1759
Lymphknotentuberculose, von v. Noor-
den 115, 756 , von Hijmans .... 690
Lyssa s. a. Hundswuth, Rabies, Tollwuth.
Lyssa, experimentelle, bei Vögeln, von
Kraus und Clairmont.907
Lyssakranke, Behandlung der, in Japan,
von Karimoto.975
m.
Macula lutea, Lage des Centrums der,
im Gehirn, von Laqueur und Schmidt 1050
Magen s. a. Gummi-Gastroskop,Vormagen.
Magen, Salzsäureausscheidung des
menschlichen, von Jürgensen und
Iustesen 93, Schussverletzungen des
—, von Kukula 99, Resorption und
Fettbildung im —, von Volhard 141,
Pepsinabsonderung bei Erkrankung
des —, von Roth 200, Tuberculose
des —, von Simmonds 237, 317, Ein¬
fluss der Menstruation auf die Thätig-
keit des —, von Elsner 265, Säure-
resection des —, von Talma 701,
Function des —, von Strauss 704,
Formel zur Restbestimmung im —,
von Cohnheim 741, Einfluss des Ge¬
bisses auf die Erkrankung des —,
von Brubacher 743, Toxine des —,
von Robin 785, Gestalt und Stellung
des —, von Birmingham 786, — und
Duodenalgeschwür, operative Behand¬
lung des, von Kiefer 837, Selbstauf¬
blähung des —, von Spirak 878, Be¬
ziehungen des Fettes zu den Func¬
tionen des —, von Strauss 1147, To¬
pographie und Diagnostik des —, von
Rosenfeld 1204 * Syphilis des —, von
Einhorn 1243, Werth der frühzeitigen
exploratorischen Operationen des—,
von Maylard 132ö, Lage des — bei
Chloroti8chen, von Rostoski 1369 ,
Einfluss von Nährklysmen auf die
Saftsecretion des —, von Metzger 1553 ,
Chirurgie des —, von Kelling 1671,
Volvulus des —, von Wiesinger . . 1757
Magenblutung,tödtliche parenchymatöse,
von Reichard 778, — nach Chole-
cystectomie, von Schmidt.974
Magen carcinom, von Herhold 300, Chi¬
rurgie des —, von Lindner 203, Salz-
sftureabsonderung bei —, von Richter
265, - mit Knochenmetastasen, von
Virchow276, eigenartiges Symptomen-
bild des —, von Schütz 1214, Blut-
befund bei —, von OBler und Mc Crae 1468
Magendarmcanal, normale und patholo¬
gische Histologie des, von de Lange
1011, — und nervöse Leiden, von
Pearce ..1247
Magendarmkatarrh, acuter, bei entwöhn¬
ten Kindern, von Cattaneo .... 1573
Magendarmsyphilis, acquirirte, von
Fraenkel.163
Magendefecte, Deckung von, durch tranß-
plantirtes Netz, von Enderlen . . . 905
Magendilatation, Tetanie bei, von Ury
1115, acute postoperative —, von
Müller.1387
Magendiphtherie, bacilläre, von Schoedel 895
Magenektasie, von Cohnheim.209
Magenerosionen, von Einhorn .... 264
Magenerw*eiterung s a. Gastrektasie.
Magenerweiterung, Aetiologie der, von
von Cohnheim 265, diätetische Be¬
handlung der — von Albu 441, acute
—, von Heine.1116
Magenexstirpation, totale, von van Leer-
sum und Rotgans 132, totale —, von
de Carvalho.1506
Magengeschwür, von Dieulafoy 1147,
perforirtes —, von Adamson 22, ope¬
rative Behandlung des —, von Bid-
well 23, Behandlung des chronischen
—, von Richter 332, rundes —, von
Payne 1403, tuberculöses —, von
Struppler 1425, perforirendes —, von
Finney 1507, Behandlung des pep¬
tischen —, von Gluginski.1784
Magengrenzen, Bestimmung der, von
Queirolo 663, Queirolo’sche Methode
zur Bestimmung der —, von Edel
und Volhard.1278
Mageninhalt, gasförmiger, im Säuglings¬
alter, von Leo.1572
Magenkrebs, Diagnostik des, von Schüle 235
Magenoperationen, von Rvdygier, von
v. Eiseisberg.1320
Magenpathologie, von Kövesi.264
Magen Perforation, durch Operation ge¬
heilte, von Davey und Eve .... 2(59
Magenphlegmone nach Gastroenterosto¬
mie, von Stieda.1351
Magenpräparate, von v. Kahlden ... 61
Magen pumpe als Peristalticum, von
Ziemssen.1184
Magensäfte, Haltbarkeit der, von Rath¬
mann . 265
Magensaft, Methode zur Bestimmung der
gebundenen Salzsäure im, von Cohn¬
heim und Krieger 381, Menge des
Labfermentes im —, von Meunier 1147
Magensaftfluss, von Albu und Koch . 876
Magensaftsecretion, künstliche Beein¬
flussung der, von v. Aldorll41, Ein¬
fluss des Morphiums auf die —, von
Riegel. 1501
Magensarkome,^primäre, von Mintz . . 1144
Magenschleimhaut, haemorrhagische
Erosion der, von Pariser.305
Magensecret, Gewinnung reinen —, von
Troller.. . 127
Magenuntersuchung, Besteck für, von
Schilling.1038
Magnetextraction eiserner Fremdkörper
aus dem Augeninnem, von Schreiber 558
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
INH ALTS-VERZEICHNIS.
XXXVII
Seite
Malaria s. a. Blutfilarien, Filaria.
Malaria, von Celli 806, von Hager 915,
Epidemiologie und Prophylaxe der
—, von Celli 265, Mosquitotheorie
der —, von Woldert 879, Befreiung
von — durch Mücken Vernichtung,
von Fermi 1091, Prophylaxe der —,
von Fermi und Lumbao 1278, Pro¬
phylaxe der - , von Fermi und Ton-
sini 1388, nervöse Störungen bei —,
von Boinet 1281, acute Herzdilatation
bei —, von Fornario 1817, Polyneu¬
ritis nach —, von Ewald 1354,
Versuche zur Verhütung der —, von
Grassi 1637, Immunität gegen —, von
Firket.1675
Malariaartiger Blutparasit bei Affen, von
Kossel. .... 263
Malariaconferenz 635, internationale — 820
Malariaepidemiologie, von Celli 1637, —
vom neuesten aetiologischen Stand¬
punkt aus, von Celli und Delpino . 440
Malariaexpedition, Bericht über die i
Thätigkeit der, von Koch 234, 942, j
Koch’s zweite —, von Kohlbrugge
1574, Ergebnisse der —, von Koch 1784
Malariafieber, Prophylaxe des, durch j
8chutz gegen die Schnaken, von di
Mattei. 1278,
Malariaforschungen, neueste, von Fischer
376, Stand der —, von Löffler . . . 947 |
Malariainfection, von Grawitz 877, Im¬
munität gegen —, von Celli 234, — I
durch Ueberimpfung, von Katzen- !
bach.1247
Malariamilz, Exstirpation der, von
Michailowsky.1218
Malarianeuritis, von Sacqu4p£e und
Dopter.1279
Malariaparasit 8. a. Tertianaparasit.
Malariaparasit, Entwicklung des, von
Koch 263, Biologie der —, von Lew-
kowicz 402, Cbromatinfärbung des —,
von Rüge 700, Beziehungen der
Mosquitos zu den —, von Ziemann
942, Diagnosefärbung der —, von
Rüge .1052
Malariaplasmodien,von Engel 126, Geisel¬
formen der —, von Craig.476
Malariastudien in Italien, von Galli . 1681
Malpighi’sche Körperchen, von Herring 1506
Maltafieber, von Brunner 300, Klinik
des —, von Neusser.627
Mammae, von Benas 337, Seifencysten
der —, von Freund.742
Mammacarcinom, in der Heidelberger
Klinik beobachtete Fälle von, von
Mahler.974
Mammitis, chronische, von Massoulard 549
Mann, der versteinerte, von Virchow . 984
Marmorekserum, mit, behandelte Septi-
caemie, von de Sergneux ... .19
Marmorseife, Schleich’sche, von Merkel 784
Marmorstaubseife,Schleich’8, von Fuchsig 1279
Marschiren, über das, von Bradford . . 878
Maschinenverletzung, von Krause . . . 555
Masern s. a Morbilli.
Masern, Koplik’sches Früh Symptom der,
von Cohn 378, Koplik’sche Flecken
bei —, von Manasse 800» — in Halle,
von Weber 1052, Phototherapie bei
—, von Chatiniere 1439, praeliminäre
Ausschläge bei -, von Thursfield . 1505
Ma8emepidemie 1899, von Steinhardt . 785
Massage, Technik der, von Hoffa 1141,
physiologische Wirkung der —, von
Colombo.909
Massagebäder, von Preiss.1086
Massagebehandlung bei tubaren Erkrank¬
ungen, von Palm.1277
Massagekugel, von Toeplitz.1641
Masseure, Zeugnisse der.670
Mastdarm, Resection des, von Levy 701,
fibröse Polypen des —, von Pöraire 1577
Mastdarmamputation und -Resection,Ver¬
besserung der Technik der, von Rehn 628
Jfastdarmcarcinom, von Heinlein . . . 1021
Seite
Mastdarmkrebs, Statistik und operative
Behandlung des, von Christen 1143,
Radicaloperation des —, von Wolf
1351, Bacrale Exstirpation des, von
Prulz.1671
Mastdarmoperationen, vaginale, von Lier-
mann 94,120, Bacrale —, v. Hochenegg 628
Mastdarm Verschwärung, stricturirende,
von Wo! ff.300
Mastdarmvorfall, operative Therapie des,
von Bakes.298
Mastitis, chronische, und das sogenannte
CyBtadenom, von Roloff.233
Mastoiditis, Bezold’sche, bei Kindern,
von Muck.620
Mastoidoperationen, Indicationsstellung
für, von Müller.591
Mathematik, Anlage zur, von Möbius . 1241
Mauerfeuchtigkeit, Bestimmung der, von
de Rossi 877, von Ballner 907, aräo-
metrische Bestimmung der —, von
Markl.1707
Maul- und Klauenseuche, anscheinende,
beim Menschen, von Schultze 885,
— bei Kindern, von Schreyer . . . 1252
Mechanik der Bewegungen im Schulter¬
gelenk, von Thöle.808
Meckel’sches Divertikel und Ileus, von
Schmidt 233, Darmocclusion durch
—, von Hohlbeck.873
Mediastinaltumor, von Benedikt 752, von
Strauss.1118
Medicin s. a. Tropenmedicin, Realgym¬
nasium, Frauenstudium.
Medicin, Zulassung von Realschulabitu-
rienten zum Studium der, 107, 522,
633,754,755,786,817, 1832, Geschichte
der — in Hildesheim während des
Mittelalters, von Becker 162, Schule
für tropische — in London 307, At¬
las der gerichtlichen —, von Lesser
331, Studium der innern — in Frank¬
reich, England und Deutschland, von
Müller 584, Zulassung der Kadetten¬
hausabiturienten zum Studium der
— 635, Einführung in das Studium
der — von Pagel 739, weibliche Stu-
dirende der — 850, Entwicklung der
innern —, einschliesslich der Hygiene
und Bacteriologie im 19. Jahrhundert, j
von Naunyn.1393
Medicinalpflanzen, Köhler’s.697
Medicinalwesen, wissenschaftliche De¬
putation für das 1616, — des Ham-
burgischen Staates, von Reineke . . 1829
Mediciner, Zahl der, in Wien 593, rich¬
tige Vorbildung der —, von Büchner
616, sollen die — an der humanisti¬
schen Vorbildung festhalten? von
Büchner . 802
Medicinisch-botanische Streifzüge, von
Model.1081
Medicinische und klimatologische Er¬
fahrungen im Eismeer, von Rawitz . 26 |
Medicinstudirende, Abnahme der . . . 1025
Medicinstudium.8'0
Medullarnarkose bei Gebärenden, von
Kreis.1050
Meerschweinchenepilepsie, Brown - Se-
quard’sche, von Sommer.842
Meisterkrankenkassen in Wien 593, 670,
1550, 1582, 1680
Mekoniumpropf der Neugeborenen, von
Cramer . . •.474
Mekonium-Abgang, Bedeutung des, von
Kossmann . . 313
Melanosarkom, multiples, von Wagen¬
mann 375, — der weiblichen Scham-
theile, von Torggler.438
Meningeablutungen, von Wiemann . . 1351
Meningealcyste der Medulia oblongata,
von Fabris.. . . 1602
Meningismus und Meningitis abortiva,
von Dauchez. 100
Meningitis, Aetiologie der, cerebrospinalis
epidemica, von Zupnik 20, geheilte
toberculöse —, von Henkel 133, spo
Seite
radische und epidemische — cerebro¬
spinalis, von Stadelmann 126, —
serosa, von v. Leyden 133, von Ham¬
merschlag 124G, — suppurativa durch
Bact. lactis aerogenes, von Scheib
619, — cerebrospinalis tuberculosa,
von Henkel 799, Behandlung der —
cerebrospinalis purulenta, von Netter
921, das*Ependym der Hirnventrikel
bei tuberculöser —, von Walbaum
1184, Lumbalpunction bei —, v. Hirsch
1246, acute nicht tuberculöse —, von
Mya, Netter 1359, von Koplik 1360,
typhöse —, von Hagopoff 1360, Cyto-
diagnose und Cryoskopie der tuber-
culösen —, von Widal, Sicard und
Ravaut.1646
Meningitisepidemie in Trifail 1898, von
Berdach ..655
Meningocele, angeborene, operirte, von
Vogel 875, — spuria traumatica, von
Stamm.881
Meningoencephalocele, von Müller . . 1472
Meningoencephalitis, gummöse, von
Nonne.749
Meningotyphus, von Hof mann .... 1052
Menopause, diätetische Behandlung der
Frauen in der, von Kisch .... 332
Menstruation und Brunstzeit der Thiere,
von Gauthier.1444
Meralgia paraesthetica, von Glorieux . 167
Mercuriol, von Blomqvist.336
Mercurol, von Guiteras.1506
Merkfähigkeit, von Kraepelin.811
MesenterialarterieD, Embolie der, von Ott 455
Mesenterialcyste, von Krause 555, Total¬
exstirpation einer grossen —, von
Schramm. 20
Mesenterium, Cysten des, von Dowd . 1675
Messer, neues, zur Stichelung der Portio,
von Biermer.1214
Mesßingvergiftung, chronische, von Mur¬
ray . ...... . 1506
Metnlldrackrsr, Thorax der, von Stern¬
berg .943
Metatarsalgie, von Duplay.549
Meteorismus, von Rosenthal.338
Methaemoglobin, Umwandlung subcutan
eingespritzten, von Vidal.618
Methylum salicylicum bei Gelenkrheu¬
matismus, von Cosma.1676
Methylxanthin, Wirkungen des, von Al¬
banese .545
Metreurynter, von Preiss .400
Motritis cervicalis, von Döderlein, von
Pozzi, von Mendez de Leon 1397,
Methylenblau zur Behandlung der
blennorrhagischen—,v. Chaleix-Vivie 1398
Migräne mitrecidivirender Augenmuskel¬
lähmung, von Seiffer 1088, — und
Wärmebildung, von Stekel .... 1215
Migraenin, Exanthem nach, von Fraenkel 781
Mikroben, neue pathogene, von Klein . 1542
Mikrocephalie, angeborene, von Michaflis (06
Mikrochemische Technik, von Behrens 586
Mikrochilie, von Fraenkel.130
Mikrococcus intertriginis Rossbach, von
Meyer.476
IVtikrognathie, von Lorenz.1502
Mikroorganismen ans dem Schlamm der
Themse, von Houston 1013, patho¬
gene —, von Danysz 1280, Dauer der
Lebensfähigkeit der — , von Kirstein 1542
Mikroskopie und Chemie am Kranken¬
bett, von Lenhartz.1669
Mikrotom, neues, von Moeli ..... 624
Miliaria, von de Giovanni .... . 1390
Milch s a Muttermilch.
Milch, saure, nnd Zähmilch, von Troeli-
Peterson 333, fermentbildende Mi¬
kroben des Caseins der —, von Jemma
744, Beschaffung einwandfreier —,
von Kühnau 845, polizeiliche Con-
trole des Verkehrs mit —, von Zink
912, Verhalten pathogener Mikro¬
organismen in pasteuri8irter —, von
Hesse 1315, chemische Zusammen-
Digitized b"
■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XXXVTTT
TNHATiTS-VERZETCHNTSS.
1900.
Seite
Setzung der — nach Hungern, von
Barbera.1405
Milchabkochung, Methoden zur, von
Kister 1054, von Weigmann 1055,
— Kister und Weigmann.1118
Milcharten, Eiweissstoffe verschiedener,
von Wassermann. 986, 1057
Milchbacterien, peptonisirende, von Ka¬
lischer 590, pathogene Wirkung der,
von Jernma8l0, Verhalten der — im
Milchthermophor, von Dunbar und
Dreyer.975
Milchcontrole, von Betz.1247
Milchdiät, von Höher.902
1475
Milchgerinnung, von Bankhaus
Milchpräparate, Beurtheilung von, von
Caspari .1214
Milchproducte, Bacteriengehalt von, von
Bloch. .164
Milchsäure ira thierisehen Organismus,
von Morishima 19, — bei Gastroen¬
teritis der Kinder, von Bailey . . . 1518
Milchsäurebacterien, Gährfähigkeit der,
von Schierbeck.1524
Milchsäuregährung, von Epstein . . . <K)7
Milchsecrotion, Eintritt der, von Bndin 1399
Milchsterilisation, von Winter 741, städt¬
ische —, von Harris ..... . 1405
Milchthermophor, von Dunbar 975, 1119,
Verwendung des —, von Sommer¬
feld . . . . . 1466
Miliartnberculose, Pathologie der, von
Mayer 71, Veränderungen der Ilerz-
ganglien bei —, von Sotow . . . 1352
Militärärzte, Studien koste n en tschftdigung
für 1092, Ersatz «ler österreichischen — 1400
Militärärztliche Applicationsschule . . 1400
Militärdiensttaugliehkeit, Bedeutung der
dilatativen Herzschwäche für die,
von Wolffhügel.1409
Militftrgeschosse, moderne, von Keith
und Rigby .. 21
Militärhygiene, Leitfaden der, von ;
Schöfer.512 j
Militärstipendien an Mediciner .... 1400
Milz, Exstirpation der verletzten, von
Moses 270, Pathologie und chirurgi¬
sche Therapie der —, von Subbotic 512
Milzbrand, Therapie des, von Strubeil
642, Inhalations- und Fütterungs—
beim Menschen, von Fraenkel . . . 911
Milzbrandbacillen, Auflösung der, durch 1
Pyocyanose, von Emmerich und Saida
975, Varietät der —, von Phisalix 1516,
Veränderungen der — ausserhalb des
Körpers, von Berndt.1783
Milzbrandfeindliche Eigenschaften des
Hundeorganismus, von Bail .... 658 !
Milzbrandheilserum, Sclavo’sches, von '
Liscia.1390 1
Milznekrose, von Eberhart. 1435 j
Milzpigment, Entstehung des von
Reich . . . 1244
Milzrnptur, von Barabo, von Plücker
1363, chirurgische Behandlung sub-
cuUrner —, von Lewerenz 261, sub-
cutane —, von Cohn . . . .... 609
Milztnmor, Ursachen des acuten, von
Jawein.1637
Milzvergrösserung, Behandlung der, von
Lasnet.1024
Mimik des Menschen auf Grand volun-
taristischer Psychologie, von Hughes 1599
Mineralbäder, Einfluss der, auf den osmo¬
tischen Druck, von Hughes .... 850
Mischgeschwülste, von Wilms .... 436
Mischinfection, Bedeutung der, von
Maragliano 708, von Sata.708
Missbildung, von Barabo 713, angeborene,
von Friedjung 202, von Wolff 766,
von Tschmarke 1749, cyklopische —,
von Drescher 711, — der menschlichen
Gliedmassen, von Klaussner . . . 1350
Missgeburt,'yon 7 Althaus31825, seltene —,
von Parisius . . .. 28
Mitralstenose, von Strauss 1883, familiäre
Erblichkeit der —, von Rnmmo und
Ferrannini 954, rudimentäre, anor¬
male und complicirte Formen von —,
von Rnmmo.
Miltelfussknocben, Spontanbrüche des,
von Muskat 1115, indirecter Bruch
eines —, von Mailiefert.
Mittelohr, Therapie der Verwachsungen
im —, von Gomperz 1246, Pathologie
und pathol. Anatomie des —, von
Haike 1248, Behandlung katarrhali¬
scher Adhaesivprozesse im —, mit
Pilocarpininjectionen, von Fischenich
Mittelohreiternngen, Chirurgie der, von
Zarniko 63, acute —, von Kretsch-
mann 404, Complicationen acuter
und chronischer —, von Leutert 621,
intracranielle Complication bei acuter
—, von Bezold 763, von Scheibe 916,
— u. Hirntumor, von Hessler 1248.
Therapie chronischer —, von Leutert
1329. Amvloformbehandlg. bei chron¬
ischen —, von Sagebiel.
Mittelohrentzündungen, Gefährlichkeit
acuter eitriger, im Alter, von Heine
1245, genuine, acute, exsudative —,
von Nadoleczny 1249, Coupirung be¬
ginnender —, von Einis.
Mittheilungen aus der gynäkologischen
Klinik dos Prof. Engström 91, chirurg¬
ische —, von Jochner 1596, ophthal-
mologisch-klinische —, von Elschnig
Mola hydatidosa, Ursprung der, von
van der Hoeven.. .
Molluscum contagiosum, von Kuznitzky
237, von Hoppe.
Monatsschrift für Geburtshilfe u. Gynä¬
kologie 94, 437, 472. 513, 841, 875,
1277, 1313, 1706, 1750, 1782, 1832
— Deutsche, für Zahnheilkunde . .
Morbillen, Schleimhautaffoctionen bei,
von Cioffi.
Morbidität in Frankreich, von Raymond
Morbiditätsstatistik der Infectionskrank-
heiten für Bavern 67, 244, 348, 484,
524, 676, 852/956, 1124, 1368, 1408,
1552, 1724 .
Morphin, Ersatzmittel des —, von Nied
1013, Gewöhnung an —, von Faust
Morpiones.•.
Morton’sche Krankheit, von Duplay . .
Mt. Sinai hospital reports.
Mucosusbacillen der Ozaena, v. de Simoni
Münze, von Hoffmann.
Mund, offener, von Fraenkel.
Mundhöhle. Resonanz der, von Hensen
1608, Krankheiten der —, des Rachens
und des Kehlkopfes, von Rosenberg
Mundschleimhaut, Talgdrüsen in der
menschlichen, von Suchannek .
Mundspeichel, Functionen des mensch¬
lichen, von Schale.
Mundwässer, von Röse.
Mundwinkel, geschwtirige, bei Kindern,
von Epstein.
Murphyknopf, von Heipke 843, Anwend
ung des —, hei der Gastroenter¬
ostomie, von Merkens 298, Verwend
ung des —, von Kirste.
Muskel, Histologie des, von Koch 1712,
— und Sehnenrisse imBiceps, von
Pagenstecher.
Muskelatrophie, progressive, von Hoppe
. 28, von Naunvn 405, von Bruno 478,
von Placzek 975, von Pick 1011, Kern-
Veränderungen bei —, von Kottmann
1184, hereditäre progressive spinale
— im Kindesalter, von Hoffmann .
Muskeldystrophie, progressive, von Hoe-
niger .
Muskelkrampf, isolirter, von Erben . .
Muskellähiming, Behandlung der Volk-
mann’schen ischaemischen, von Page
Muskelton, Auscultation des, von Herz
Muskeltonus hei Phthisikern, von de
Renzi und Ooop.- .
Muskelverknöcherungen, traumatische,
von Rammstedt . ..
Musculatnr, Histologie d. quergestreiften,
von Haack 1011, —, Untersuchungen
Seite i Seite
über die quergestreifte —, an der
1016 | Erlanger med. Klinik.1047
Mutterbänder, Alexander’s inguinale Ver¬
kürzung der, von Ehrendorfer 547,
1237 | primäre desmoide Geschwülste der
breiten —, von Fuchs.618
Mutterhals, Entfaltung und Nichtent¬
faltung des, in der Schwangerschaft,
von Bayer.163
Muttermilch, Ersatzmittel für, vonButten-
1637) berg.1714
Muttermund, künstliche Erweiterung des,
während der Geburt, von Meyer-Ruegg 1214
Myasthenia gastrica, von Bach .... 1672
Mycosis fungoides, pathologische Ana¬
tomie der, von Gaucher.1441
Myelitis, acute gonorrhoische, von v. Rad 1715
Myelocystocele, von Tschmarke 1190,
multiple —, von Enderlein .... 1021
Myelom, von Winkler. 1602, 1637
1693 | Myocarditis im Kindesalter, von Koplik
1247, chron. —, im Kindesalter, von
Rosenstein 201, Beziehungen der —
zu den Erkrankungen der Arterien¬
wandungen, von Fujinami.1143
1763 | Myomalacie, von v. Kahlden. 62
Myom, Complication von — und Schwan¬
gerschaft, von Walzer 369, cystisch
entartetes —, von Siedentopf 480,
17521 anatomische Veränderungen inter¬
stitieller — im Wochenbett, von
1504 | Hammerschlag 1314, Fehlgeburt bei
—, von Schwarzenbach 1635, — bei
10191 rudimentärem Uterus bicomis uni-
collis, von Heinricius.1782
Myomdegeneration, von Eberhart . . . 143*4
Myometrium, Drüsen, Cysten und Ade-
743 | nome im, von Meyer.875
Myomoperationen , Indicationsstellung
909 I und Technik der, von Martin 130!.
266 I Dauererfolge der —, von Burckhard
1387, Thrombose und Embolie nach
—, von Burckhardt .1782
Myosarkom, verjauchtes, von Flatau . 1792
17641 Myositis ossifleans, von Virchow 984,
— traumatica, von Rothschild 1466,
1088 I — ossifleans traumatica, von Grün-
987 | bäum 1792, von Kienböck.1792
549 Myopie, Rehandlung hochgradiger, von
125! Bull.844
546 Myotonie 8. a. Thomsen’sche Krankheit.
1757 | Myotonia congenita, von Seiffer 845, von
130 Nebelthau.1712
Myxidiotie, infantile, von Siegert . . . 1476
1 Mvxoedem, von Mya 1255, — und Hypo-
’ physis, von Ponfick 126, congenitales
—, von van Brüggen.1504
1669
575
264
200
Digitized b"
■V Google
N.
Nabel, Versorgung des, der Neugebo-
473 | renen, von Martin 300, von Gessner
514, von Rieck . . .876
Nabelbehandlung, von Wirtz.1438
Nabelblutungen, von Hintner 1120, tödt-
781 lieh verlaufene spontane — hei einem
haemophilen Neugeborenen, von
Paulsen . . . . .1597
672 Nabelbrüche, Technik der Operation bei,
von Bessel-Hagen.706
Nabelconcrement. von Hahn.588
Nabelhernie und Enteroptose, von Zabö
1188, Radicalbehandlung der —, von
Piccoli.128
(649 | Nabelinfectionen, von Escherich . . .1116
Nabelschnur, Entstehung der velamen-
948 I tösen Insertion der, von v. Franquö
171 I 848, falsche Knoten in der —, von
Thoma.1749
269 I Nabelschnurhruch, von v. Steinbüchel . 1183
1792 I Nabelschnurrest, Behandlung des, von
Ahlfeld 513, von Rieck 1086, Be-
709 i handlung des — nach Martin, von
Ballin. 808, 1388
874 | Nabelsepsis, von Finkeistein.741
Nabelstrangbruch, von Knap .... . 1604
Nabelvereorgung, von Rieck.947
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
j 90Ö.
INHALTS-VERZEICHtflSS.
XXXIX
Suite
Nachgebartszeit, Behandlung der, von
Meyerson 86 » Entgegnung auf den
* Artikel Hofmeiers zur — ... 260 » 270
Nachgeburtstheile, Pathologie der, von
v. Franqud.1503
Nachtquartiere für die Allerärmsten, von
Pattin.1405
Nachtschweisse, von Coston.177
Nadel im Kniegelenk, von Schnitzler . 305
Nährboden, Piorkowski’scher, von Her¬
ford 1315, Hesse-Niedner’scher, —
von Müller 1707, Hesse’s Nährstoff-
Heyden- —, von Gähtgens . . . .1749
Nährklysmen, Einfluss von, auf die Saft-
secretion des Magens, von Metzger 1553
Nährpräparate, Einfluss neuerer, auf die
Darmfäulniss, von Lewin.1086
Naevus derAugapfelbindehaut,vonHirsch
274, — sebaceus, von Bandler 474,
Histogenese des weichen —, von
Löwenbach ..942
Nagel, Behandlung des eingewachsenen,
von Webb 755, Krankheiten der —,
von Heller . . .1181
Nahrungsmittel und Ernährung der Ge¬
sunden und Kranken, von Hirsch¬
feld 839, Borax und Formaldehyd in
—, von Halliburton 1116, Unter¬
suchung von —, Genussmitteln und
Gebrauchsgegenständen, von Rupp
1350, Praxis des Chemikers bei Unter¬
suchung von —, von Elsner 1350,
Schädlichkeit conservirter —, von
Liebreich 1356, Zusatz von antisep¬
tischen und Färbemitteln zu —, von
Grünbaum.1405
Nahtmaterial, von Krönig 1673, Rennthier¬
sehnenfäden als —, von Sneguireff
368, 1285, chirurgisches — u. Unter¬
bindungsmaterial, von Braun 377,498,
von Rissmann 1436, ungedrehte Renn¬
thiersehnenfäden als — und Ligatur¬
material, von Schiller . . . .... 1555
Naphthalan, von Bloch 371, —behand-
lung bei ekzematösen Erkrankungen
des äusseren Ohres, von Sagebiel . 1664
Narben, Retractibilität der, von Mincroini 1149
Narbenstränge, von Lewin.1581
Narkose, von Koblanck 96, von Czempin
263, — und Irrsein, von Savage 1U6,
— mit Lachgas und Aether, von
Miller 268, Reflexerregbarkeit der
Nasenschleimhaut und —, von Bruck 742
Nase, Lymphgefässe der äusseren, von
Küttner 94, Anatomie der Neben¬
höhlen der —, von Brühl 372, Er¬
krankungen und Behandlung der
Nebenhöhlen der — 881, Erkrank¬
ungen der —, von Seifert 1245, Neben¬
höhlen der —, von Brühl 1248, Elektro¬
therapie der rothen —, von Weiss
1543, Fremdkörper in der —, von Brei¬
tung 1630 , angeborene Spaltung der,
von Lexer 1671, Verbreiterung der
knöchernen —, von Treitel ... .1761
Nasenaffectionen, Behandlung der, von
Lermoyez und Mahu ..1508
Nasenbein, blutige Behandlung der
Brücke des, von Büdinger.976
Nasenhöhle, maligneEpithelialgeschwülste
der oberen, von Herzfeld.1278
Nasenkrebs, Verbreitung des, von Küttner 94
Nasen-Nebenhöhlen s. a. Highmorshöhle.
Xasen-Ncbenhöhlen-Empyeme, Häufig¬
keit der, von Lichtwitz.130
Nasen - Nebenhöhlen- Affectionen, Dia¬
gnose und Behandlung der, von Seifert 130
Nasenöffner, von Roth.976
Nasenplastik, von Krause .... 169, 554
Nasenpolypen, warum recidiviren? von
Kolewa . 946
Nasenrachenfibrom, von Hopmann 443,
Extraction von -, von Escat . . . 946
Nasenrachenraum, Tuberculom im, von
Schraithuisen. 516
Nasenschleimhaut, Reflexerregbarkeit
der, von Brack 742,. Carcinom der —,
von Fluder ........... “57
Seite
Nasen Verkleinerungen, operative, von
Joseph ... .1219, 1605
Nasenverletzung, von Winckler . . . 3i
Natr. cacodylicum, von Imbert u. Badei 633
Natron, saures harnsaures, in Bauch-
und Gelenkhöhle des Kaninchens,
von His.1213
Naturforscher-Versammlung, 71., in Mün¬
chen . 66
Naturheilanstalten.1762
Naturheilbewegung, von Kantor . . . 402
Naturheilmethode, gegen die sogen. . 1478
Naturwissenschaften, Entwicklung der
exacten, von van t’Hoff.1391
Nauheimer Thermalsoolsprudel, neuer,
von Lepsius und Schott.943
Nearthrosenbildung am Unterkiefer, von
Kofmann.1114
Nebennieren, von Aichel 1218, blut¬
drucksteigernde Substanz der -, von
Gerhardt 1088, Functionen der —,
von Boinet.1283
Nebennierenextract, von Landolt 307,
Wirkung des — auf Herz und Ge-
fässe, von Gottlieb 2U, wässeriges —
als Adjuvans zur Cocainanaesthesie,
von Lichtwitz.946
Nebenmerentabletten bei m. Addisonii,
von Edel ... . 1821
Nectrianin, von Bra und Mongour 408,
von Mongour und Gentes.1327
Neisser, Fall.562
Neoplasmen, Erkennung maligner, von
Pelicelli.1613
Nephrectomie, von Thumim.1603
Nephritis, Behandlung der, mit Mineral¬
wässern und Bädern, von Schlagint-
weit 93, Veränderungen des Pankreas
bei —, von Lefas 100, Erblichkeit
der chronischen —, von Pel 127, trau¬
matische —, von Stern 210, — bei
jungen Kindern, von Cassel 240, —
bei Varicellen, von Haenel 776, trau¬
matische parenchymatöse —, von
Yarrow 878, — bei Secundärsyphilis,
von Stepler . . . ..1575
Nephrolithiasis, operativ behandelte, von
Ts<?hudi . . . . .. 20
Nervus, Laesion des, ulnaris, von Payr
233, Schmid-Lantermann-ZawerthaT-
sche Einreibungen am —•, von
Engelken 1602, Erkrankung des
distalen Endes des — medianus, von
Steiner.1788
Nervendehnung, von Chipault ... . 1319
Nervenelemente, Veränderungen der,
bei Infectionen, von Pirone .... 779
Nervenerkrankungen, gonorrhoische, von
Eulenburg. 1431
Nervenfasern, Untersuchung degenerir-
ter markhaltiger mit Polarisations¬
mikroskop, von Brodmänn .... 1677
Nervenkranke, Behandlung von, in der
Familie, von Gnauck. 953
Nervenkrankheiten, Lehrbuch der, von
Oppenheim 644, Diagnostik von —,
durch Blutdruckmessungen, vonKorn-
feld.. . 1762
Nervenleiden, hereditäres, von Gieße
1011, orthopädische Behandlung von
—, von Vulpius ..103
Nervensystem, Atlas der, von Jakob . 544
Nervenzellen des Gehirns und Rücken¬
marks, von Rosin.1057
Netz, entzündliche Geschwülste des, von
Braun 706, chirurgische Pathologie
des —, von Friedrich.706
Netzhautvenenpuls, Entstehung des phy¬
siologischen, von Türk. 98
Netzhauttumoren, von Emanuel . . . 1602
N T e t zin car ceration, retrograde, von v.
Baracz.513
Netzplastik, von Tietze . 262
Netzlorsion, intraabdominale, von Ho-
chenegg. 345, 515
Neubildungen, Coincidenz von gut- und
bösartigen, von Neugebauer 741,
cmitotische Theilung in pathologi-
Selte
sehen —, von Nedjelsky 1012, endo¬
theliale —, von Ssobolew.1574
Neugeborene, Nahrungsaufnahme der,
von Cramer 129, Lage der — in Gebär¬
häusern und Kliniken, von Berend
906, das Baden der —, von Kowarsky
909, chemische Zusammensetzung
des —, von Camerer.1474
Neuralgie, operative Behandlung der —
des Trigeminus, von Tichonowitsch
472, Behandlung der — mit der Heiss-
luftdouclie, von Frey 812, 922, Haut-
Iransfixion gegen —, von Sutherland 1683
Neurasthenie, Behandlung der, von
Dornblüth 74, Entstehung der —, von
Höflmayr 8o7, Arzneibehandlung der
—, von Dornblüth ........ 1192
Neurastheniker, subjective Beschwerden
der, von Höflmayr. 1594
Neuiitis ascendens traumatica ohne
äussere Verwundung, von Brodmänn
829, multiple —, von Henrici 891,
— optica bei Chlorose, von Engel¬
hardt 1233, acute retrobulbäre —,
von Bregmann . . . • . . . 1467
Neurogiia, neue Färbung der, von
Yamagiwa.. . 1244
Neurologie, Semesterbericht der Er¬
scheinungen a. d. Gebiete der, und
Psychiatrie 5v3, — des Auges, von
Sänger und Wilbrandt.104
Neurologisches Institut, Arbeiten aus
dem Wiener, von Obersteiner . . . 1634
Neurolyse u. Nervennaht, v. Kramer 1600, 1*31
Neurom, axillares, des Plexus brachialis,
von Schmidt und Delbanco .... 298
Neuron, von Alsberg 1441, — in Ana¬
tomie und Physiologie, von Verworn 1428
Neuronlehre vom pathologisch-anatomi¬
schen und klinischen Standpunkte
aus, von Nissl 1428
Neurotropismus, von Forssmann . . . 1012
Neuwittelsbach, Curanstalt ..... . 210
Neulralroth zur Diagnose der Bact. coli,
von Scheffler.1278
Nicotin, Wirkung des, auf die Athmung,
von Winterberg . ..546
Niere s. a. Schrumpfniere, Wanderniere.
Niere, embryonale Mischgeschwülßteder,
von Muus 163, operative Spaltung
der —, von Braatz 400, wassersecer-
nirende Thätigkeit diffus erkrankter
—, von Kövesi und Roth Schulz 547,
maligne Nebennierenadenome der —,
von Burkardt 656, Feststellung der
Functionsfähigkeit der — vor opera¬
tiven Eingriffen, von Kümmcll 665,
— und Glykosurie, von Richter 1572,
Echinococcus der —, von Stein 1576,
Angio-Myo-Lypom der —, von Gra*
witz .. . . . . . . . . 1758
Nierenaffectionen, Wichtigkeit der secun-
dären, in der Gynäcologie, von
v. Winckel.1285
Nierenausschaltung durch Harnleiter¬
unterbindung, von Landau .... 1708
Nierenbecken, Papillomatose des, von
Francke. 301
Nierenbeweglichkeit, traumatische, von
Payr 1726
Nierenchirurgie, von Schmitt.447
Nierencysten, congenitale, von Jakob
und Davidsohn.1022
Nierendiabetes, von Eger. 20
Nierendiagnostik, functionelle, von Cas-
per und Richter. 1051
Nierendystopie, von Hochenegg 99, von
Buss. 163
Nierenerkrankung, Wirkung des weissen
und schwarzen Fleisches bei chroni¬
scher, von Pabst 908, Veränderungen
der kleinen Arterien bei —, von
Friedemann.1143
Nierenexstirpation, von Ileinlein 172,
von Prochownik. . . 749
Nierenextracte, organische, von Tarulla 1283
Nierenfunction, von Lipman-Wulf 1679,
Schätzung der —, von Vaquez , , 481
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
TNHALTS-YEBZETCHNTSS.
190Ö
jtt
Seite
Nierengesch wülstc, bösartige, im Kindes-
alter, von Sorgente 549, Bau, Ent¬
wicklung und Eintheilnng der —,
von Busse.942
Niereninfarcte, von Ribbert.128
Niereninsufficienz, von Achard 1282, von
Laache.1282
Nierenkranke, Stickstoffausscheidung u.
Diaphorese bui, von Köhler .... 655
Nierenkrankheiten, Concentration des
Blutes und Ilarnes bei, von Linde¬
mann 587, Behandlung der — mit
Soolbädern, von Leber.1866
Nierenpalpation, Urinbefunde nach, von
Menge. 789
Nierenpapillennekrose, von Chiari . . 239
Nierenrupturen, Behandlung subcutaner,
von Stern.1471
Nierenspaltung, diagnostische, von Barth 666
Nierensteine, von Klemperer 985, Zu¬
sammensetzung von —, von Spiegel
976, — und Uretersteine, Operatio¬
nen bei, von Israel.664
Nierentuberculose, von v. Kahlden 61,
chirurgische Behandlung der —, von
König 209, von Pousson 815, Unter¬
suchungsmethode bei —, von Noble
und Babcock.337
Nierentumor, von v. Kahlden 61, selte¬
ner —, von Krönlein.666
Nirvanin in der Chirurgie, von Braque-
haye.1148
Nitronaphtholerkrankung, von Silex . .1710
Noma, chirurgische Behandlung der, von
v. Ranke . . 1485
Nothlage, Vorschlag zur Abhilfe der, des
ärztlichen Standes.880
Nobelstiftung.1519
Nuclein, Abbau des, im Stoffwechsel,
von Weintraud.628
Nncleinstoffwechsel, von Loewi .... 657
Nncleose als therapeutisches Mittel, von
Bouvet.241
O.
Oberflächenkrebs, drüsenartiger, von
Krompecher . ..1353
Obergutachten, Collegium zur Erstattung
von.851
Oberkiefercarcinome, von Winckler . . 31
Oberkieferresectionen, Technik ausge¬
dehnter, von König 1050, neue Me¬
thode der —, von Severeanu . . . 1218
Oberlid, Mitbewegung des herabgesunke¬
nen, von Neuburger.1611
Obermedicinalausschuss, verstärkter . .1719
Oberschenkelfractur bei einem Tabiker,
von Wiesinger. 30
Oberstabsarztprüfung in Preussen . . .1719
Obstipation, von Roos 1481, Behandlung
der chronischen — im Kindesalter,
von Doerfler 113, habituelle — 276,
Therapie der —, von Fisher 563,
chronische —, von Westphalen . . 1244
Obstruction, Behandlung der nasalen,
von Spicer.1444
Obturator, von Heymann.1761
Ochronose, von Heile.1184
Oculomo oriuslfthmungen, periodische,
von Möbius 1314, doppelseitige —,
von Salomonsohn.1640
Odontologisclies.987
Oedem, malignes, von Brabec ... . 371
Oeffnung,persistente retroauriculäre,nach
Radicaloperation, von Trautmann . 1248
Oelinfusion, subdermale, von Ewald . . 1056
Oelklystiere. Wirkung der, von Koch . 1427
Oe8ophagotom : e, von Wilms.1020
Oesophagus s. n. Soor.
Oesophagus, idiopathische Erweiterung
des, im untern Abschnitt, von Gut-
tentag 797 . ulcus pepticum - , von
Glöckner 807, idiopathische Erweiter¬
ung des —, von Einhorn 1147, chi¬
rurgische Behandlung der spastischen
Verengerungen des —, von Jacobs
Seit * 1
1320, Behandlung der Verengerungen
des —, von Fort 1320, Stenose des
—, von Plücker.1363
Oesophaguscarcinom, von Ewald 449,
von Urban 881, Diagnose des laten¬
ten —, von Hödlmoser 1604, —,
Magen- und Darmcarcinome 200, von
Boas.663
Oe-sophagusdilatation, diffuse idiopathi¬
sche, von Westphalen.264
Oesophagusdivertikel, von Richardson
945, von Heinlein 1191, von Brosch
1213, Diagnostik der —, von Blum
441, Radicaloperation der —, von
Veiel 1182, Diagnose der —, von
Jung.1215
Oesophagusstenose, objectiver Nachweis
der —, von Pauli 849, Diagnose der
—, von Holzknecht.1316
Oesophagustumoren, Verwendung der
Divertikelsonde bei, von Stark . . . 1687
Ohr s. a. Schallüberleitung.
Ohr, Riesenwuchs und operative Ver¬
kleinerung des, von Joseph ... .1219
Ohraffectionen bei Kindern, von Hal-
stead.1217
Ohrerkrankungen der Diabetiker, von
Friedrich 342, von Eulenstein . . . 774
Ohrenheilkunde s. a. Otiatrie.
Ohrenheilkunde, Encyclopaedie der, von
Blau.1501
Ohrenkranke, fahrlässige Behandlung
und Begutachtung von, von Oppen¬
heim .620
Ohrenkrankheiten, Wirkung des Küsten¬
klimas und der Seebäder auf, von
Körner.1248
Ohrenleiden, intranasale Therapie bei,
von Mc Bride.1444
Ohrspeicheldrüsen, symmetrische Affec-
tion der, von van den Bergh . . . 1504
Oidien und Oidiomykose, von Cao . . 1315
Oliver’sches Symptom, von Jessen 1515,
— beim Aortenaneurysma, v. Jessen 1565
Oliver - Cadarelli’sches Symptom, von
v. Ritook 976, — bei Mediastinal¬
tumor, von Auerbach.334
Omphalotripsie, von Porax.1399
Operation, dringende, ohne Einwilligung
der Eltern 175, Vorbereitung zu asep¬
tischen —, von LoCkwool 441, Ein¬
schränkung des aseptischen Feldes
bei —, von Walcher 497 , orthopae-
dische Resultate der Alexander-
Adams'schen —, von Kroenig und
Feuchtwanger 841, inter-ileo-abdomi-
nale —, von Nanu 1319, die typischen
— und ihre Uebung an der Leiche,
von Rotter.1385
Operationscurs, k. b., für Militärärzte . 329
Operationshandschuhe, von Küster 1671,
neue —, von Blumberg.1189
Operationslehre, Atlas der chirurgischen,
von Zuckerkandl.1669
Operationstisch, von Braatz.1243
Operations-Vademecum, von Leser 232, 114
Ophthalmoblennorrhoea der Neugebo¬
renen, von Buist und M'Gillivray . 259
Ophthalmologen - Congress, scandinavi-
scher.988
Ophthalmologie, Referat über, 97, 401,
744, 1016 .. . 1507
Opium, Darm Wirkung des, und Morphins,
von P41.1582
Opium-Bromcur, von Meyer und Wickel 1708
Opi um Vergiftung eines atrophischen
Kindes, von Model 156, tödtliche —,
von Bihler.775
Orbita, retrobulbäre Chirurgie der, von
Doraela-Nieuwenhuis .... 1143, 1182
Orbitalwand, Osteom der obern, von
Schuchard.‘298
Orchitis, vonNeukirch 560, gummöse —,
Delbanco.951
Organismus, Wechselbeziehungen zwi¬
schen Form und Function der ein¬
zelnen Gebilde des, von Wolff . . . 1510
Organsafttherapie, von le Gendre . . 407
Seile
Organtherapie, wissenschaftliche Begrün¬
dung der, von Hansemann .... 1510
Orientierungsmittel der Thiere, von Bethe 811
Orthodiagraphie, von Moritz. 992
Orthoform, von Bardet 378, Experimen¬
telles und Klinisches über —, von
Luxenburger 48 , Misserfolg mit —,
von Katz. 713
Orthopaedie, deutsche, im J. 1899, von
Vulpius. 197
Ossificatio m. brachialis int., von Mysch 233
Osteogenesis imperfecta, von Scheib 588,
von Hildebrandt.1050
Osteoidchondrosarkom der Harnblase,
von Beneke. 1574
Osteomalacie s. a. Ovarium.
Osteomalacie, von Littauer 237, nicht
puerperale, von Littauer 64, männ¬
liche —, von Berger 100, infectiöse
Form der —, von Morpurgo 986, —
in Bosnien, von Krajewska .... 1709
Osteom, centrales, des Humerusschaftes,
von Landow 1470, erbliche multiple
—, von Pulle 1185, — des Sin. fron-
talis, von Zimmermann.1831
Osteomyelitis der Wirbel, von Hahn 94,
chronische —, von Wildbolz 512,
acute —, von Koch 855 , von Becker
974, — acuta des Atlas, von Eichel
1201, — gonorrhoica, von Ullmann
1752, — acuta purulenta sterni, von
Fraenkel 1758, — träum, purul. cranii,
von Fischer.1881
Osteoplastik, von Müller.1472
Osteopsathyrosis, idiopathische, v. Lange 862
Osteotomie, keilförmige, der Tibia, von
Luksch 702, — des Os hyoideum,
von Vallas . . 1576
Otiatrie, Referat über .. 620, 1248
Otitis, localbehandlung der, media mit
Acetanilid, von Libby 66, mykotische,
—, von Kretschmann 134, — tuber-
culosa, von Piffi 173, media mit rhi-
nogenem Gehirnabscess, von Koebel
262, — externa, von Laman, Oxel
und Müller 522, Aetiologie und Pa¬
thologie der — media im Säuglings¬
alter, von Weise.777
Otogene Erkrankungen, endocranielle,
von Röpke .444
Otologie, Unterricht in der, von Körner 621
Ovarialcarcinom, von Rosenfeld . . . .1610
Ovarialcyste, von v. Franqu4 1426, zwei-
kammerige —, von Flatau 304, l'.nt-
stehung einfacher —, von v. Kahlden
777, Infection von —, von Wunderli 974
Ovarialdermoide, Aetiologie der, von
Emanuel.776
Ovarialdermoidcyste, von Habs .... 1789
Ovarialerkrankun gen,Organotherapie bei,
von Shober. 23
Ovarialkystom, von Martin.236
Ovarialmischgeschwulst, von Witthauer 1832
Ovarialreste, Erhaltung von, von Fischer 1183
Ovarialtumoren, aus accessorischen Ne¬
bennierenanlagen entstandene, von
Peham 95, — bei rudimentärem Ute¬
rus und Vagina, von Heinricius . . 1782
Ovarium, Tumor des, von v. Kahlden
61, cystisches Sarkom des —, von
Tkorn 104, Lage des —, von Bena-
roieff 298, Rundzellensarkom des —,
von Siedentopf 480, Dermoidcysten
des —, von Arnsperger 742, mangel¬
hafte Function der —, von Javle 1014,
conservative Operationen am —, von
Dudley 1398, subcutane Implantation
von —, von Mauclaire 1398, klein-
cystische Entartung bei der —, von
v. Babo 1602, osteomalacische —,
von Scharfe 1636, Teratoma des —,
von Falk 1750, Einfluss der — auf
die Entwicklung des Genitales, von
Halban 1783, Papillom des —, von
Thorn.1789
Ovarientransplantation, von Knauer . . 618
Ovariotomie per an um, von Peters 234,
— an der Klinik Schauta, von Büiger 437
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1000.
1N1IALTS-VERZE1C1 INISS.
XL1
Oxalsäure, Entstehung u ml Ausscheidung
der, von Salkowski.”
Oxalurie, alimentäre, von Picrallini . .
<>xydutiunsfermonte, von Stendel . .
Oxyden« *r vivtory.
«Kykamplier, von Neumayer . . . , .
< >xy uriasis cutanea, von Barbagalb» .
«»zaena, von Sicbenmann 401, Aetiologie
und operative Radiealheilung der ge¬
nuinen^ —, von Noebel und Loehn-
berg 474, Bacteriologie der —, von
Perez 540, Mucosusbacillen der —,
von de Simoni 658. Therapie der —,
von Bruck, von Siebenmann . . .
Pachynieningitis.chron.,des Brustmarkes,
von Ziehen .
Pachydermia, Behandlung der typischen,
laryngis mit Salicylsäure, von Fein
1134, — Behandlung der, laryngis
mit Salicylsäure, von Lublinski .
Paget, Sir James (Nekrolog).
Paget s Disease, von Ehrhardt . . . .
Palmarfasciencontractur,Dupuytrensche,
von Nichols.
Panaritium, Behandlung des, paraten-
dinosum und tendinosurn, von Bar¬
denheuer .
Pankreas, zuckerzerstörende Eigenschaf¬
ten des, von Pierallini i00, intravi¬
tale Autodigestion des —, von Chiari
518, Selbstverdauung des —, von
Pförringer 075, Nucleoproteid des—,
von Umber 1502, Haemorrhagien des
—, von Babes . . . ..
Pankreascarcinom, von HOdlmoser . .
Pankreaschirurgie, von Ceccherelli 1183,
von Mayo Robson.
Pankreascyste, haemorrhagische, von
Soiibbovitsch. . .
Pankreaserkrankungen, von Israel 843,
acute —, von Francke .
Pankreasferment, Finfluss der Milz auf
die Bildung von, von Badano . . .
Pankreaskopf, Erkrankung des, von
Robinson.
Pankreasnekrose, von Gessner 233, —
und Fettgewebsnekrose, von Wagner
580, geheilte —, von Brentano . .
Pankreastumoren, Diagnose und Be¬
handlung der, von Yillar.
Pankreatitis mit Fettnekrose, von Scott
23, — acuta, von Doerfler ....
Pankreon, von Gockel.
Pannus, durch Erysipel geheilter, tra-
chomatosus, von Bäck 401, — Be¬
handlung des trachomatösen, mit Je*
«luirity, von Gasparino.
Panophthalmie, von Delbanco . . . .
Paraappendicitis, von Quenu.
Paraeelsisclie Schriften, Versuch einer
Kritik der Echtheit der, von Sudhoff
Paralyse s. a. Dementia, Frauenparalyse.
Paralyse, Aetiologie und Pathologie der
allgemeinen, von Mott 21, Bethei-
ligung des Rückenmarkes bei der
ailg. —, von Fürstner 62 t, Verände¬
rungen im Kleinhirn und Hirnstamm
bei —, von Raccke 624, Aetiologie
der allgemeinen —, von Serieux und
Farnarier.
Paralysis agitans, von v. Krafft-Ebing
590, Aetiologie der —, von Dana 337,
Pathologie der —, von Gordinier . .
Paralyse, Landry sehe, von Kapper 300,
von Wappenschmidt 439, von Dinkler
812, Differentialdiagnose zwischen —,
Polyneuritis und Poliomyelitis, von
Colla 550, ascendirende —, von Guiz-
zetti.
Paraplegie der Beine, von Jacob . . .
PaiaphenylendiaminVergiftung, von Pol-
lak ... ...
Parlamente, aus den, 176, 307, 346, 347,
379, 450, 563, 634, 674, 716, 755, 787,
819 .
Parovarialcyste, doppelseitige, von Thorn
Paste, v. Bruns’sehe, von I Kid er) ein .
Pasteurmedaille.
Patella, angeborene Luxation der, von
Mc Laren.
Patellarbrücbe, Behandlung veralteter
ungeliebter, von Tenderieh ....
Patellarfraeturen, Therapie der, von
Coste 260, — ohne Diastase imRönt-
! genbild, von Wegener.
j Patellarluxation, Behandlung der liabi-
I tuellen, von Schanz .
| Pater Bernhard, ein Vorgänger Kneipp's,
von Marcuse..
! Pathologie, neue Namen und neue Be¬
griffe in der, von Virchow 57, Ent¬
wicklung der — mit Berücksichtigung
der äusseren Medizin, von Chiari .
Paukenhöhle, Entfernung eines Korallen¬
knopfes aus der, von Hirschmann .
| Pectoralisrippendefect, angeborener, von
| Schlesinger. ...
I Pellagra, Pathogenie der, von Babes .
| Pemphigus ac. malignus neonatorum,
! von Bloch 3 >9, — neonatorum acutus,
1 von Bornstein 553, Histologie des —,
von Ivreibich 553, — vegetans, von
Waelsch 552, — der Bindehaut, von
v Michel lol6, Identität von — neo-
1 natoruui und Impetigo contagiosa,
von Matzenauer 1708, —■ und essen¬
tielle Schrumpfung der Bindehaut des
; Auges, von Franke.
Penis, Dermoide des, von Gerulanos .
Penisamputation, von Lucas .....
Peniscarcinom und seine Verbreitung
. auf dem Lymphwege, von Köttner .
i Pensionsverein für Wittwen und Waisen
j bayer. Aerzte 66, 1406, Generalver¬
des b. — 82->, 851, Reform des bayer.
i —, von Bollinger.
Pentosen, psychologische Chemie der,
' und Methylpentosen, von Suleiman-
Bey.
; Pentosurie, von Bial 587, von Lüthje .
' Pepsin, Indicationen des, von Robin .
i Pepsinsecretion, Physiologie und Patho¬
logie der, von Schiff.:
Percnssionsschall, Entstehung des, von
May und Lindeinann.
Perforation des Kindes intra partum, von
Pernicc.
Perforationsperitonitis, von v. Schmitt
446, von Urban 750, geheilte —, von
Waitz . . ..
Periarthrit is lmmero - scapularis, von
Colley. ...
Pericardialergüssc, Percussion der acut
entstandenen, von Schule . . . . :
Pericarditis, mit Bright.'scher Krankheit
verbundene, von Chatin.i
Pericardotomie, von Voinitsch - Siano-
jentzky .
Perichondritis, acute, mit Periostitis der
Nasenscheidewand, von Killian . .
Perigastritis adhaesiva, von Westplmlen
und Fick.
Perineum, Behandlung der Ruptura, von
Huttunen.
Periost, vita propria der Zellen des, von
Groh6 163, von Morpurgo.
Periostitis,multiple typhöse, voq Conradi ;
Peritonealexsudat, tuberculöses, von Sal-
volini und Comandini.
Peritonealhöhle, Behandlung der um-
schriebcnen Abscesse der, vonSonnen-
burg.
Peritoneum, Trauma und Fettgewebs¬
nekrose des, von Simmonds ....
Peritonitis, Behandlung der acuten, von
Laplace 59, Behandlung und Drainage
bei diffuser —, von Bode 127, Heilung
einer — durch Laparotomie, von
Waitz 513, — gonorrhoica, von Metz-
ner 588, durch Laparotomie geheilte
tuberculöse —, von Stamm 699, acute
fortschreitende —, von Burckardt 906,
Behandlung der tuberculösen —, von
Baylae 1282, durch Laparotomie ge¬
heilte tuberculöse —, von Psaltoff
1321, Diagnose der tuberculösen —,
von Löhlein 1467, chronische — und
peritoneale Tuberculöse bei Kindern,
von Ungar 1474, — tuberculosa, von
Oehler.
Peritonsillarabscesse, Behandlung der,
von Thomson.
Perivaginitis phlegmonosa, von v.Lingen
Perityphlitis, von v. Bramann 1253, von
Mareclial 1321, — im Bruchsack, von
Göschei 156, Frühe Radicaloperation
bei —, von Kocher 591, Douglas-
abscesse bei —, von Rotter ....
Perl-Collodiuin, von Credo.
Peroneuslähmung, Zügel bei, von Jacob
| Pertussis, krampfartiges Niesen bei, von
i Szegö .
| Pes valgus, Behandlung des, von Hoffa
| Pes varus compensatorius bei Genu val-
| gum, von Luksch.
i Pes ecpiino-varus,Operation eines doppel-
! seitigen, von Zimbicki 1318, Behand-
' lung des —, von Schultze.
Petroleum, Einfluss des, auf den Diph¬
theriebacillus, von Papasotiriu . . . !
Petroleumöfen, Kohlensäureverunreini-
gung der Luft durch, von Babucke
i Petrosulfol, von Ehrmann.
Pe3t 33, 67, 107, 1J9, 178, 210, 243, 276,
1 308, 34?, 379, 4»8, 451, 483, 523, 564,
596, 635, 675, 716, 755, 7ö7, 851, »84,
924,955,987, 1024, 1092, H23, 1192,
1255, 1288, 1329, 1367, 1406, 1445,
1480, 15)1, 15»3, 1616, 1648, 1684,
1719,1763,1796—, von Deane 844, von
, Schottelius 1251, Belehrung über die
I —, 34, Desinfectionsan Weisung bei —,
i 1(20, — in Ostmongolien, von Zabo-
i lotny 549, — in Glasgow 1326, —
durch grosse Dosen Carbol geheilt,
von Atkinson 22, Uebertragung der
— durch Flöhe, von Galli-Valerio
129, Aetiologie und pathol. Anatomie
der —, von Sata 877, Incubationszeit
der —, von Clemow 943, — durch
Rattenbiss, von Bell 944, klinisches
Bild der —, von Clemow 1215, die
— in Indien und China, von Flint
1215, Massregeln zur Bekämpfung
der —-, von Gaffky.!
Pestbacillen, Fortexistenz virulenter, im
Sputum, von Gotschlich ..... .
Pestbacterium, Morphologie des, von
Skschivan.
Pestbüchlein, von v. Bremen.
Pestcommission, Report der indischen
Pestcurse im Institut fürlnfectionskrank-
heiten in Berlin.
Pestdistricte in Indien, von Barker und
Flint.
Pestepidemie, Bericht über die, in Oporto
und die Serumtherapie, von Calmette
und Salimbeni 549, — zn Kolobovka,
von Tschistowitsch 1015, — in Kobe,
von Ogata 1278, — in Alexandrien
1899, von Gotschlich.1
Pesterkrankungen auf dem Lloyddampfer
Berenice 65, 137, Klinik der 1899 in
Oporto beobachteten —, von Reiche 1
Pestexpedition nach Kisiba 1897/93,
von Zupitza.
Pestkranke, Schnitte aus den Organen,
von Grawitz . . . •.
Pestlaboratorien, Einrichtung und Be¬
trieb von, von Markt 701, — in
Baden.
Pestverdacht, von Risel 1149, unbegrün-
j deter. 1220, 1
| Pfählungsverletzung, von Rammstedt
I 354, von Stiassny.]
Pfeilgifte, von Brieger.
I Pfortaderthrombose, acute, von Stephan
| Phagocytose, Einfluss venöser Stauung
auf die, von Hamburger.
| Phagocyten, Beurtheilung des Lebens-
j zustandes und der Leistungen der,
Digitized fr.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
X MT
1NHALTS-VERZEICHN1SS.
1900.
_ v Seite
mittels der vitalen Neutralrothf ärbung,
von Plato. 1227
Phalangitis, hereditärsyphilitische, der
Säuglinge, von Hochsinger.1473
Pharmakologen-Vereinigung.632
Pharmazeuten, Dienstpflicht der .... 451
Pharyngitis,Behandlung der chronischen
katarrhalischen, von Grazzi .... 130
Pharyngotomia subhyoidea, von Honseil 94
Pharynx, Narbenbildung im, von Fink 63
Pharynxstrictur, totale, von Keller 1220, 1548
Phenylhydrazinaemie, von Kammer und
Rohnstein. .1115
Phenylhydrazinprobe, Neumann’sche
Modiflcation der, von Margulies . . 1427
Phenylhydrazinvergiftung, von Kaminer
782, 882, 1572
Phimosenoperation,Contraindication der,
von Rey.1474
Phlegmasia alba dolens, von Hagapoff 1399
Phlegmone, Sauerstoffwasser bei, von
Chauvel 378, durch Gonococcen ver¬
ursachte —, von Almkvist 474, Be¬
handlung der —, von Bardenheuer 1470
Phloridzindiabetes, von Biedl und Kolisch
704, von Seelig.1638
Phocomelie, von Orgler .1711
Phonationsapparat, von Gluck .... 706
Phonationscentrum, subcerebrales, von
Onodi . •.130
Phosphor, Bedeutung des, für den Stoff¬
wechsel des Kindes, von Cronheim
und Müller 1541, Wirkung des —
und des Pulegens auf die Cephalo-
poden, von Lindemann.1012
Phosphornekrose, von L^vai.1246
Phosphorvergiftung, von Sansoni und
Serono.1283
Photographie, Jahrbuch der, 1059, Miss¬
erfolge in der - , von Müller . . . 1059
Photometrie, praktische, von Crzellitzer 1707
Phototherapie 8. a. Licht.
Phototherapie, von Bie 59, 451, — bei
Masern, von Chatinifcre .1439
Phthirius pubis, von Waldeyer .... 168
Phthise, Anzeigepflicht bei, von Cameron
521, — in der russischen Armee, von
Dubelir 668, Prophylaxe der - auf
den Eisenbahnen, von Sanarelli 66i,
Frühdiagnose der —, von Senator
708, Landouzy 708, Petruschky 708,
Bozzolo 708, Ursprung des Fiebers
bei —, von Giuffre 710, Aetiologie
der —, von Espina y Capo 710,
Therapie der —, von de Renzi 745,
Hetolbehandlung der —, von Ewald
746, Hydrotherapie bei , vonKutby
746, Euphorbininjectionen bei —, von
Penieres 746, Klima der Normandie
bei —, von Brunon 746, Behandlung
vergrösserter Lymphdrüsen bei —,
von Ceccherelli 746, Jodoleine bei —,
von Coronedi 746, Dauerinhalationen
bei —, von Ruata 746, Injectionen
von Myrthol etc. bei — , von Gatti
746, Formaldehydinhalationen bei —,
von Aversa, von Cervello 746, Re¬
sistenz der rothen Blutkörperchen
bei — pulmonum, von Baumholtz . 1318
Phthiseotherapie, neue Medicamente in
der, von Pollak. 164, 943
Phthisikerschweiss, von de Renzi und
Boeri ..* . . . 709
Pikrinsäurevergiftung, von Winterberg. 1576
Piperazin, von Giofredi.177
Pilocarpin, von Harnsberger-Catlett . . 379
Pilocarpininjectionen, von Fischenich . 1637
Pilze, essbare und giftige, von Leh¬
mann .984
Pilzvergiftungen, von Hegi.618
Pityriasis rubra, von Graul 129, — li¬
chenoides chronica, von Juliusberg
553, — rubra pilaris, von Hügel . . 1738
Placenta, menschliche, von Leopold,
Bott und Marchesi 19, Luftembolie
bei — praevia, von Hübl 235, Ana¬
tomie der - praevia, von Ponfick 368,
Beziehungen der tubaren — zum
Seite
Tubenabort, von Aschoff 1183, Ent¬
stehen von Cysten der —, von de Jong
1277, Gefässanomalien der —, von
Möller 1388, Anatomie der —, von
Veit 1436, Pathologie der —, von
Herrmann 1503, von Martin 1601,
— praevia, von Frommei 1635, Ver¬
wachsung der — mit dem Schädel,
von Barabo 1792. Insertion der —
auf einem submucösen Myom, von
Schwarzenbach 1672, Retentio — eor-
nualis, von Thorn 1790, Technik der
manuellen Lösung der —, von Thorn 1790
Placentarpolyp, fibrinöser, von Langhans 473
Placentarreste, von Wertheimber . . . 560
Plasmon und Tropon, von Müller . . . 1789
Plastik mittels quergestreiften Muskel¬
gewebes, von Capurro.873
Platienepitlielialcarcinom der Ulna, von
Maier.974
Plattfüsse, von Petersen.Ii87
Pleura, Endotheliom der, von v. Kahlden
61, primärer Endothelkrebs der—, von
Schulze-Vellinghausen 647,Infections-
wegeder -, von Grober 847, 1748. Re-
sorptionskralt der —, von Castaigne
1014, Durchgängigkeit der — für Natr.
salicyl., von Widal und Ravaut . . . 1152
Pleuritis, eitrige, bei Säuglingen, von
Sclikarin 1011, eitrige — mit Eberth’-
schen Bacillen, von Galliard 1188,
pulsirende —, vonB<*clere 181, durch
Streptothrix bedingte - ulcerosa, von
Ritter. 1639
Plexus, perineuritische Erkrankungen
des, sacralis, von Guttenberg . . . 1431
Pneumathaemie und Schaumorgane, von
Bernhardt.234
Pneumococcengrippe im Kindesalter, von
Luzzatto.1573
Pneumococcenperitonitis, primäre, von
M^n^trier und Legros.1152
Pneumonie, Behandlung der, von Wilks
270, von Weber 270, vonVillard 1280,
Behandlung der croupösen —, von
Pel 626, Ansgang der — in Induration,
von Ribbert 742, Antifebrin bei —,
von Paffrath 820, Argentum nitr. bei
—, von Caccianiga 909, — nach La¬
parotomie in der Nähe des Zwerch¬
fells, von Helling 1161, contagiöse
Form der — bei Kindern, von Weber
1216, Behandlung der fibrinösen —,
von Paessler 1287, Histologie der —
fibrosa chronica, von Vogel 1253,
— im Kindesalter, von Tirard 1443,
Disposition der arabischen Rasse zu
—, vonTestevintund Remlinger 1445,
Harn bei croupöser —, von Pick . 1670
Pneumonieerreger, meningococcenähn-
liche, von Bemheim.1504
Pnoumoniker, Pupillenveränderungen
bei, von Sighicelli .909
Pneumothorax, von Rumpel 1091, von
Morse 1215, Aetiologie des tuber-
culösen —, von Dräsche 20, merk¬
würdige Schallerscheinung bei —,
von Schneider 204, spontan geheilter
tuberculöser von Schlesinger 819,
bilateraler —, von Dräsche 977, Topo¬
graphisch-Anatomisches bei -, von
Rumpel 978, Mechanik des ge¬
schlossenen —, von Aron.1637
Pneumotomie, von Tillmanns.343
Polarisationsmikroskop, von Brodinann 1677
Polikliniken, Behandlung Kassenkranker
in .1519
Polyarthritis chron. villosa und Arthritis
deformans, von Schüller 266, —rheu-
rnatica, von Japha.1640
Polyklonie und Chorea, von Murri . . 550
Poliomyelitis ant. ac. adultorum, von
Gumbertz.591
Polymyositis, von Gowers 58, acute
haemorrhagische —, von Bauer . . 741
Polyneuritis,vonEwald 977,von Hess 1834,
— alcoholica, von Koch 1612,ataktische
Form des — alcoholica, von Hönig . 1213
Seite
Polyposis recti et intestini crassi, von
Rotter.1213
Polyurie, von Marinesco.633
Porencephalie, von Grawitz 170, von
Kellner .592
Porokeratosis, von Mibelli .336
Posticuslähmung, von Bruggisser . . 1145
Pott'sche Krankheit, Diagnostik der, von
Siredev.1318
Praxis, Curiosa aus der, von Mosbacher
209. Verbot der — fremder Aerzte
in Italien.451
Piäcisions - Saccharometer, Lohnstein’s,
von Meyer.1240
Präparirmikroskop, von Pfeiffer . . . 658
Präparate, pathologisch-anatomische, von
v. Kahlden. 61
Praeputium, Gefahren des engen, bei
Neugeborenen, von Saint-Philippe . 1360
Praetuberculose und Erblichkeit, von
Papillon.1318
Preisanfgaben der Hufeland’schen Ge¬
sellschaft 1123, Dr. Unna’s dermato¬
logische — 452
Priiriüraffeet, syphilitischer, m.abnormem
Sitz, von Köbner 547, extragenitaler
—, von Eckstein 155t», — am Auge,
von Alexander 1580, — am obern
Augenlid, von Hahn 1606, — an der
Nasenspitze, von Hahn.1641
Primula, s. a. Giftprimeln.
Primula obconica, von Piza.1515
Privatkrankenanstalten, erweiterte Con-
cessionspflichtigkeit der, von Sehaefer 397
Projektionszeichenapparat für Skoliose,
von Milo .1313
Prolaps, Scheidenexstirpation bei, von
Stöcker.1707
Prolapsoperation, von Fritsch 128, an
der Klinik Schauta ausgeführte peri¬
toneale —, von Schmit 438, Dauer¬
resultate bei —, von v. Herff . . 1672
Promotionsordnung e. a. Rigorosenord-
nung.
Promotionsordnung, neue, für Mediciner 1583
Propaedeutik, physikalisch - chemische,
von Griesbach.1746
Prophylaxe in der Gynäkologie, von
(Joe, Wylie und Edgar ...... 814
Prostata hypertrophica, von Freuden¬
berg 208, Atrophie der -, von Clarko 945
I rostatacarcinom, von Wiesinger 237,
von Engelhardt . . ... 1051
Prostatahypertrophie, Behandlung der,
nach Bottini, von Kümmell 403, Bot-
tioi’sche Operation bei - , v. Freuden¬
berg 667, Castration bei —, von Lanz 843
Prostatasecret, Reaction des, von Lohn¬
stein . . 1515
Prostatectomie, perineale, von Freyer . 815
Prostatitis gonorrhoica, von Goldberg
592, von v. Thümen.952
Prostitution, vom Ströhmberg.1571
Provincial - Siechenanstalten, hessische,
von Ludwig.1677
Prüfungen, Zulassung von Frauen zu
den ärztlichen.1153
Prüfungsordnung, neue.1836
Pruritus, von Lereddo 715, — ani, von
Mnguire 107, von Shervvood Dünn
476, Behandlung des —, senilis, von
Jaonicke.1748
Psammom, von Virchow.1183
Pseudarthrose des Schienbeins, von Hein¬
lein 172, Behandlung der —, mit
Thyreoidin, von Murray 1117, Behand¬
lung der — durch Osteoplastik, von
Lotheissen 11«2, — des Humerus mit
Radialislähmung, von Roques de Fur-
sac.1320
Pseudocysticerkose, von Huber .... 1708
Pseudodiphtheriebacillen, von de Siraoni
96, Differentialdiagnose verschiedener
—, von Gromakowsky.1246
Pseudolebercirrhose, pericarditische, von
Eisenmenger.275, 441
Pseudomucin, Kenntniss des, aas den
Eierstockscysten, von Zängerle . . 414
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19 °°.
Seite
Pseudomyxoma peritonei, von Peters
95, Anatomie des — peritonei, von
Westphalen .• . 298
Pseudotumor, epibulbärer syphilitischer,
von tuberculöser Structur, von Axen-
feld.983
Psoriasis, von Talamon 820, von Ewald
1056, von Brocq 1153, — und Glyko-
surie, von Nagelschmidt 96, — pal-
maris syphilitica, von Duraesnil . 1192
Psorospermioseninfection , allgemeine,
von Posadas.1014
Psoitis, benigne Formen der, von More¬
stin . 1319
Ptomainparalvsen, von Preobrashensky 590
Ptosis. intermittirende, von Abadie . . 810
Psychiatrie, gerichtliche, von Gramer . 260
Psychiatrische Aufgaben des Staates,
von Kraepelin.367
Psychiatrische Literatur im Jahre 1899
von Schucbardt.1541
Psychosen, Beziehungen gynäkologi¬
scher Erkrankungen zu den, von
Tomlinson und Basset 60, Korsa¬
kowsche —, von Raimann 131, von
Dansauer 813, palh. Anatomie der
chronischen —, von Alzheimer 624,
Aetiologie der acuten —, von Knapp 844
Puerperalfieber s. a. Kindbettfieber.
Puerperalfieber, Behandlung des, mit An-
tistreptococcenserum, von Williams,
Pryor, Frv und Reynolds 23, Anzeige¬
pflicht bei —, von Hart 1404, -, durch
Seruminjection geheiltes, von Webber
441, Behandlung des —, von Steiner 1601
Puerperalpsychosen, klinische Formen
der, von Aschaffenburg.1677
Pulmonalton, Semiotik des 2., von Hecht 515
Pulmonalarterien, erworbene Stenose
der, von Kasern Beck.873
Pulpitis, Aetiologie der, von Sieberth . 1426
Puls, Analyse des unregelmässigen, von
Wenckebach 332, — paradoxus ex-
spirator.us, von Dogliotti.1544
Pupillenreaction, paradoxe, von v. Bech¬
terew' 439, wenig bekannte —, von
Kirchner . . . . . 1532, 1720
Pupillenreartionsprüfung, von Wolff . 1013
Pupillen Störungen, von Riegel .... 784
Purinderivate, diuretisclie Wirkung
einiger, von Ach.1751
Puro, von Schäfer . 243
Purpura rheumatica und Angina, von
Bruck 882, Blut bei der —, von Le-
noble 1281, — haemorrhagica, von
Nehrkorn 1372, — bei mit Malaria
behafteten Kindern, von Spolverini 1577
Pyaemie, abgelaufene, von Wegener 301,
ot Bische —, von Meier.813
Pyelitis im Kindesalter, von Hintner . 171
Pyelocystostomose, von Witzei .... 1706
Pyelonephritis, von Perthes 237, — cal-
cnlosa, von Thumim .1603
Pvlonis, Stenosirung des, von Meisel 236,
Carcinom des —, von Krause 1019,
Olivenöl bei Stenosen des —, von
Cohnheim.1147
Pyloruscarcinom, von Becker.1471
Pylorushypertrophie, angeborene, von
Hansy .402
Pyloruskrebs, von Strauss. 977
Pylorusresection, von Rydygier 1243,
von Kümmell .1757
Pylorusstenose, von Heinlein 273, totale
— nach Laugenätzung, von Haden-
feldt 216, — bei Phthisikern, von Pa¬
tella 709, Behandlung der gutartigen
—, von Bidwell.1402
Pvodermite vdgdtante, von Hallopeau . 334
Pyorrhoea alveolaris, von Godlee . . . 1023
Pyosalpinx, von Sieden topf 848, vonThorn 1789
Pyramiden bahnen beim Menschen, von
Ugolotti.1613
Pyramidenkreuzung, von Rothmann . . 809
Pyramidon, von Hoffmann 167, von Rn-
bin und Bardet.1222
Pvrogallol, von Braunstein.167
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INHALTS -VERZEICHNISS.
Sette
4 .
Quarantaine-Aerzte in Alexandrien . . 178
Quecksilber, Bestimmung des, im Harn
und Ausscheidung bei mit — behan¬
delten Kranken, von Eschbaum 164,
Nachweis des — im Harn, von Jolles
714, Wirkungsmecbanismus des —
auf die syphilitischen Veränderungen,
von Justus 1440, Terpentin und —,
von Loza 158, Verhalten des — im
Organismus, von Gola.1676
Quecksilberoxycyanid, antiseptischcr
Werth des, von v. Sicherer .... 1002
Quecksilbervergiftung, Einfluss der, auf
die Darmbacterien, von Katsura . . 1503
Querlage und Wendung bei EMgebären-
den, von Vogel ..1426
Quetschung, schwere, von Göschel . . 1516
R.
Rabies, von Salomon .1144
RachenentzünduDg, diphtherieähnliche,
von Villy .1674
Rachenmandel, Tuberculose der, von
Lewin .130
Rachitis, von Frank 1090, von Hanse¬
mann 1?*33, Behandlung der — mit
Nebennierensubstanz, von Stoeltzner
299, Aetiologie, Prophylaxe tfnd Be¬
handlung der —, von Zweifel 1398,
Theorie der infectiösen —, von Chau-
mier 1439, Behandlung der — mit
Nebennierenextract, von Neter . . . 1574
Rachitische Kinder, eigentümliche Kry-
stalle in den Knochen von, von Stoeltz¬
ner und Salge. 60
Rachitische Verkrümmungen, von Krause 1019
RaehiPsmilz, von Sasuchin.473
Radfahren, Hygiene des, von Merkel . 1394
Radialislähmung, von Müller 1472, —,
geheilt durch Dehnung des Nerven,
von Bräuninger . . —. 290
Radicaloperation, an Lupuskranken aus¬
geführte, von Reiner 702, - der In¬
guinalhernie, von Gerard 1284, von
Schwartz.1284
Radiographie, von Tuffier, Destot, Loi-
son, Ollier 1251, Institute für — in
Oesterreich 2u8, — des Herzens, von
Variot..922
Radiographischer Irrthum, von Beck . 130
Radioskopische Beobachtungen zur Dif
fcrentialdiagnose zwischen Broncho¬
pneumonie und lobärer Pneumonie,
von Variot und Chicotot.174
Radiotherapie, Neuen s über, von Schiff
und Freund.918
Radius, congenitaler Defect des, von
Tschmarke. •.1191
Rahmgemenge, Biedcrt’sches, von Gerns¬
heim . 1627
Ranke Heinrich v. Zu seinem 70. Ge¬
burtstage . 653
Rankenangiom, Alkoholtherapie des,
von Wuth.974
Rankenneurom der weiblichen Genita¬
lien, von Schmauch. 2G2
Raupenhaar-Ophthalinie, von Bayer . . 730
Rassenimmunität, von Prettner . . 234, 975
Rauschbrandaffection 8. a. Buttersäure¬
bacillen.
Raynaud s disease, von Monro ... .1112
Reaction, Gruber-Widal’sche, von Köhler
1243, jodophile —, von Porcile . . 1639
Realencyclopaedie. 523, 1424
Realgymnasien s. a. Medicin
Realgymnasialabiturienten 379, 451, 452,
716, 883
Realgymnasium und Medicinstudium,
von Kussmaul 595, — und Studium
der Medicin. Eingabe der Vorstände
der st. Ausschüsse der b. Aerzte-
kammern. . 939
Realschulabiturienten, Zulassung der,
zum Studium der Medicin.678
XLUI
Seite
Receptur für die Ortskrankenkasse, von
Krüger.204
Rechts- und Linkshändigkeit, von Hecht
und .Langstein.1184
Recidiviren der Infection im Reagens¬
glas, von Saul.1550
Rectalprolaps, Heilung des, von Ott. . 1050
Rectum, Exstirpation des, von Schuchard
629, Resection des —, von Jonnesro
1358, nicht maligne Siricturen des
—, von Wallis.1402
Uectumcnrcinome, Statistik und opera¬
tive Behandlung der, von Pichler
874, Behandlung der —. von Schneider 874
Redressement des Malum Pottii, von
Villemiji.1280
lieflexhyperaesthesien bei Verdauungs¬
krankheiten, von Faber.617
Reflexneurosen, Symptomatologie und
Therapie der nasogenen, von Jonas 972
Reflexzuckung bei Pleuritis und Peri¬
hepatitis, von Schmidt.1638
Regeneration und Neubildung elastischen
Gewebes, von Jores .1012
Regurgitiren, von Bäckltn.264
Reibungswiderstand 8 a. Blut.
Reichs-Fleischbeschaugesetz.563
Reichsimpfgesetz, Ausführung des, von
Risel.1052
Reichs Seuchengesetz 1024, 1026, An¬
zeigepflicht im —. von Brauser 159i
Entwurf des —.. 482, 483, 818
Reichsversicherungsamt, Entscheidungen
des, 407, Geschäftsbericht des —, . 1518
Reisebriefe aus Ostasien, von Mayer . 1793
Reitweh an der Patella, von Rosenberger 247
Reizung, sympathische, von Bäck . . . 1467
Rennthiersehnenfäden s. a. Nahtmaterial.
Rentensätze für glatte Schäden, von Bähr 1092
Resectio synchondrosis sacroiliacae, von
Bardenheuer. .302
Resorbinquecksilber, von Silberstein . 301
Resorption und Fettbildung im Magen,
von Volhard 141, Beeinflussung der
— im Dünndarm durch Adstringen-
tien, von Gebhart.808
Respirationsversuche, von Schattenfroh 1353
Respirator, neuer verbesserter, von Klein 651
Retina, Aetiologie und Therapie der Ab¬
latio der, von Schneider 272, mark¬
haltige Nervenfasern der —, von
v. Hippel .1507
Retroflexionsbehandlung, operative, von
Biermer.711
Retropharyngealabscesse, Behandlung
der, von Schmidt. 656
Rettnngsgesellschaft, Berliner ... 26, 203
Review, the Medical ........ 523
Revolverkugel, von Krause.749
Rhabdomyosarkom, von Fujinami . . . 1184
Rheumarthritis, Pathogenese der, von
Poynton und Paine.1683
Rheumatismus lind die Salicylpräparate,
von Ayraard 976, Ernährungsverhfilt-
nisse bei chronischem —, von Weisz
1086, Behandlung des gonorrhoischen
— mit heisser Luft, von Renon und
Latron 1223, — bei Kindern, von
Barbier 1476, moderne Therapie der
—, von Sontag 1638, — der Hals¬
wirbelsäule, von Hoke.1709
Rhinitis, genuine, fibrinosa, von Spirig
20, — fibrinosa mitDiptheriebacillen,
von Reichenbach ..163
Rhinopharyngitis, Behandlung der, von
Gaston. 178
Rhino-pharyngologischeOperationslehre,
von Kafemann.1747
Rhinosklerom, von Sturmann.372
Rhinoskleromkrankheit, von Rona . . 475
Rhinoskopia, neues Instrument zur,
posterior, von Kraus.551
Rhodan im Nasen- und Conjunctival-
secret, von Muck 1168, — im Nasen-
secret, von Keller . . . . 1597
Rhodangehalt des 8peichels, des Nasen-
und Conjunctivalsecrots, von Muck . 1792
6 *
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XLIV
INHALTS-VERZEICHNISS.
1900.
Seite
Rhodanverbindungen, Untersuchungen
über, von Treupel und Edinger . . 717
Rhodomycee erubescens, von Ascher . 1388
Riberapreis.82o
Rieinvergiftung, von M üller.842
Riesenwuchs, angeborener partieller
symmetrischer, von Schwarz 172, —
und Zirbeldrüsengeschwulst, von
Oestreich und Slawyk.942
Riesenzellen, von Petersen ..... 881
Riesenzellensarkom der Cervix, von
Borrmann.1426
Rigorosenordnung, neue oesterreichische
65, 137, 172
Rinderpest, Schutzimpfung gegen, von
Rogers . . ..1542
Rinderpest Studien.1024
Rindertuberculose, von Marcone . . . 668
Rinne'scher Versuch, Analyse des, von
Wanner.881
Rippen, von Solger 170, Beweglichkeit
der zehnten —, von Meinert ... 99
Rippenknorpel, Uebertragung von, von
v. Mangoldt.629
Roborat, Eiweissn ährmittel, und sein
Verhalten im Organismus, von Laves 1339
Roseola typhosa, von Fraenkel . . . 1388
Rotz, von Zaudy 809, chronischer —
beim Menschen, von Baracz . . . 1143
Rotzbacillus, von Galli-Valerio 1503,
Hyphomyeetennatur des —, von
Conradi.700
Rotzkrankheitbeim Menschen,von Strube 1011
Rothes Kreuz, Centralcomitö des . . . 451
Rothmund, zum 70. Geburtstag August
v., von Eversbusch . . . .... 1082
Rothmund-Feier.1092
Röntgenstr. s. a. Radiographie, Skia-
giamm.
Röntgenaufnahmen, stereoskopische, von
Hildebrandt.750
Röntgenbilder, von Fraenkel 1516, Nieren¬
steinnachweis in —, von Lauenstein
270, — der Knoohenarchitectur, von
Wolff.372
Röntgenlicht, Einwirkung des, auf die
Haut, von Kienböck.1581
Röntgenographie, Irrth ümer der, von Beck 1518
Röntgenphotogramme, von Krause . . 169
Röntgenphotographien, von Kienböck . 1612
Röntgenstrahlen, Untersuchung mit, bei
Lungentuberculose, von Williams 59,
mit — geheilter Lupus faciei, von
Kuifas 132. Therapie des Lupus und
der Hautkrankheiten durch —, von
Albers-Schönberg und Hahn 284,
Untersuchung der Brust mittels —,
von Levy-Dorn 481, günstige Wirkung
der — auf den Lupus, von Himmel
552, diagnostischer Werth der —, von
Williams 844, Durchgängigkeit der
Gallensteine für —, von Naunvn
1152, Behandlung einiger Hautkrank¬
heiten mit —, von Jntassy 1246,
Therapeutische Anwendung der —,
von Straeter 1246, Nachweis der
Schenkelhalsverbiegung durch —,
von Lauenstein 1635, Verwerthung
der — in der Geburtshilfe, von
Wormser.1672
Röntgentechnik, Fortschritt in der, von
Albers-Schönberg339,Verbesserungen
der —, von Davidsohn.1403
Röntgenuntersuchung, Irrthümer bei,
von Holzknecht.1793
Röntgenverfahren, von Immelmann ,
Joachimsthal 630, Kugelextraction aus
dem Gehirn mit Hilfe des —, von
Chlumskv262,Bestimmungder wahren
Grösse von Gegenständen mittels des
—, von Moritz 609, 992, Werth des
—, von Kienböck.752
Rötheln- und Masernepidemie in Halle,
von Weber 1713, Unterscheidung der
— von Masern und Scharlach, von
Koplik.1751
Rubeolaepidemie in CJraz, von Tobeitz 906
! Rückenmark, Reizungsversuche am, von
Enthaupteten, von Hoche 842, mul-
I tiple Gliome des —, von Freudweiler
975, Venenthrombose im —, von
Werewkina 1352, combinirte Strang-
I erkrankungen des —, von Hoch-
! haus.1579
, Rückenmarksaffectionen mit schwerer
i Anaemie, von Marburg.1089
Rückenmarkshäute, Geschwülste der,
I von Schultze.128
! Rückenmarksnerven und ihre Segment-
| bezüge, von Wichmann.330
I Rückenmarkstumor, von Heubner . . .1474
[ Rückenmarksverletzung, Kniephänomen
bei hoher, von Margnlies. 59
Ruhr als Volks krankbeit, von Kruse . 1428
Ruhrbacillus, von Kruse.1428
S.
Saromanum, abnorme Länge und W r eitc
des, von Detert ..1605
Saccharification des Stärkemehls, von
Pottevin.101
Saccharin, Wirkung des, von Bornstein 1141
Saccharometer, Brauchbarkeit der neueren,
von Späthe.1144
Saccharomyces neofonnans Sanfeliee,
von Csokor .1715
Saeralgesehwulst, angeborene, von Hagen-
Thorn.201
Sacto-Salpinx purulenta tuberculosa, von
Martin 286, Entstehung der — und
Tuboovarialcysten, von Orthmann . 128
Sägemnskel, Lähmung des vorderen,
von Steinhausen.589
Säuglinge, Ammoniakausscheidungen bei
den Ernährungsstörungen der, von
Bendix 57, von Keller 57, Mongolis¬
mus und Kretinismus der —, von
Sutherland 443, künstliche Ernährung
des —, von Fraenkel 948, 949, Rolle
der Bacterien bei den Magen- und
Darmkrankheiten der —, von Esche-
rich 1322, von Baginsky, Fede,
Marfan 1323, Stoffwechselstörungen
an magendarmkranken —, von
Pfaundler 1323, Mineralstoffwechsel
beim —, von Blauberg.1539
Säuglingsatrophie, von Heubner . . . 1478
Säugling8ernährung, von Feer 810, von
Schmidt 1475, künstliche —, von
Oppenheimer 1475, Verwendung des
Mehles in der —, von Gregor 1114,
Milchthermophor in der —, von
Kobrak .
Säuglingssterblichkeit und erbliche func
tionelle Atrophie der Schilddrüse
von Bolbnger 653, Ursachen und Be
kämpfung der hohen -, von Praus
nitz .
Säuglingsstuhl, nach Gram färbbare Ba
cillen des, von Moro 235, —, Proteus
vulgaris im —, von Brudzinski . .
Salerno, Lehranstalt von, von Marcuse
Salicylaldehyd, antiseptische Wirkung
von, u. Benzoesäure-Anhydrid, von
Salkowski.
Salicylsäure bei Pachvdermia laryngis,
von Lublinski.1629
Salipyrin auf gynäkologischem Gebiete,
von Beuttner.164
Salol, Einfluss des, auf die Diazo-
reaction, v. Thomescu 1476, Wirkung
des — beim Typhus des Kindes-
alters, von Thomescu.1476
Salpingitis bilateralis, von Lindfors 1503,
— haemorrhagiea, von Tliorn 1789,
Heilung einer — bilateralis, von
Nassauer.1832
Salubratapeten.755
Salzbergschlamm, Jscbler, von Wiener 1052
Salzlösungen, chemische Constitution u.
Wirkung der anorganischen, von
Brasch.332
1388
1394
1573
695
942
Salzsäureabscheidung, Methoden der Un¬
tersuchung der, von Backmann . .
Salzwasserinfusionen, heutiger Stand
der, von Hftberlin.
Samariter- und Rettungswesen, Bedeu¬
tung des, für den deutschen Aerzte-
stand ..
Samaritertag, 4. Deutscher.
Samenstrang, Resection des, von Mau-
claire 12b3, von Carlier 1283, Torsion
des —, von Nanu .
Sanatoria, des, von Knopf.
Sanatorien bei tuberculösen Kindern,
von Baginsky 746, — für Lungen¬
kranke 1328, städtische — für Schwind¬
süchtige, von Raw .
Sanatogen, therapeutische Studien über,
von Rybiezka.
Sanduhrmagen, von Heinlein.
Sanitätscorps, Vermehrung des, in Eng¬
land, von Treves .
Sanitätshilfspereonal, Schaffung und Er¬
haltung eines entsprechenden, von
Bass.
Sanitätsoffieiere, Wahlberechtigung der
preuss. .
Sanitätsübereinkunft, internationale, von
Venedig, von Becker.
Sapo cutifricius, von Unna.
Sarcom s. a. Jnfectionstheorie.
Sarcoma ovarii, von Roxburgh 22, auf
traumatischer Basis entstandene —,
von Grueneberg 28, — idiopath. mul¬
tiplex pigmentosum cutis, von Ber-
nard 474, —, am Halse eines ein
jährigen Kindes, von Cahen . . .
Sarkomatosis cutis, von Merk ....
Sauerstoff, Pinwirkung des, auf Herz-
und Arterienarbeit, von Foss 592,
Apparate zur Bestimmung des — in
Gasgeniengen, von Chlopin 907, the¬
rapeutische Verwerthung des —, von
Foss 1024, Wirkung und Application
des comprimirten —, von Mosso
Sauerstoffeinathmungen, von v. Leyden
Sauerstoffmedication, von Mendel . .
Sauerstofftherapie, von Michaelis . .
Sangen künstlich ernährter Kinder, von
Bischofswerder 138, von Lewy . . .
Scabies, Nicotianaseife gegen, von Mar¬
cuse 378, Behandlung der —, von
Sachs 1467, E^picarin bei —, v. Siebert
Scapula, Sarcom der, von Kölliker 53,
Hochstand der —, von Schlesinger
13*, Totalexstirpation der —, von
Madelung ... . ..
Schade n ersa tzan s pru ch, e i ge nth üml i ch er,
von Biberfeld ... .
Schädel, Verschluss von Defecten am,
von Büdinger 1674, — und Gehirn¬
verletzungen, von P'röhlich . . . .
Schädelbasis, Bruch der, von Depage .
Sehädelbasisfibrom, von Hopmann . .
Schädelbasisfraetur, von Stierlin . . .
Schädelbrüehe, von Tilmann.
Schädelcapacität, Begründung der, von
Virchow.
Schädelstreifschuss, von Stierlin . . .
Schädeltrepanation, von Gross ....
Schallüberleitung, Helmholtz’sche Theo¬
rie der, aut’ das innere Ohr, von
Engelmann. .
Schamlippen, Conglutination der kleinen,
von Menko.
Schanker, experimentelle Erzeugung des
weichen, beim Affen, von Nicolle .
Scharlach, bösartiger, von Variot u. Deve
175, secundäre Lvmphdrüselischwel-
lung bei —, von Steinbo 843, Bacterien-
befund hei —, von Baginsky 882,
Veränderungen der Leber hei —, von
Roger u. Garnier 1014, — und Masern,
von El gart.
Scharlachdesquamation, von Williams .
Schatten probe, Grundriss der Theorie
und Praxis der, von Neustätter . .
Scheide, künstliche, von Sitsinsky . .
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Seite
1540
45
919
1154
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873
62
1115
905
127
1759
1215
267
1389
787
1313
1314
1900.
INHALTS-'VERZEICHNIS.
Scheiden-u Heiss wasserspüler, vonHasse 1314
Scheiden- und Uterosvorfall, Totalexstir¬
pation des completen, von Froriep . 309
Scheidenbruch, vorderer, von Rose . . 1387
Scheiden drüsen, von Davidsohn . . . 1781
Scheidengewölbe, Zerreissung der, sub
coitu, von Schaeffer.333
Scheidenirrigationen, Gefahren der, von
Theilhaber. 834
Scheidenkeime, Bedeutung der, von
Sticher.1781
Scheidensarkom, primäres, von Seilz . 1464
Scheidenspölungen, Einfluss der,während
der Gebart auf den Wochenbett verlauf,
von Krönig. 1
Scheidentampons, Instrument zum Selbst¬
einführen von, von Wille ... 1383
Scheidentumoren, chorio epitheliale, von
Schmitt.1707
Scheindesinfection, von Ahlfeld . . . 1636
Schematismus der Aerzte in Bayern . 78H
Schenk, Prof., entfernt . . 65
Schenkelgeschwüre, Bacteriotherapie der,
von Honl.235
Schenkelhalsverbiegung, Ursachen der
statischen, von Manz 1460, Nachweis
der Kocher’schen — durch Röntgen¬
strahlen, von Lanenstein.1635
Schenkelkopfexstirpation, von Riese . 514
Sehenkelsporn, von Solger.947
Schenkung.1684
Schiefhals, von Hoffa.706
Schiefhals-Behandlung, von v. Noorden 323
Schiffs- und Tropenkrankheiten, Institut
für, in Hamburg .... 178, 210, 211
Schilddrüse, Function der, vonBaldi 131,
— von Gauthier 1279, Verhalten der —
bei Infectionskrankheiten, von Torri
1016, — als entgiftendes Organ, von
Blum. 1051
Schilddrüsenbehandlung der Idiotie, von
Neu mann.1605
Schilddrüsengift, Wirkung und Nach¬
wirkung von, von Porges.514
Schilddrüsensaft, Wirkung des, auf Circu-
lation und Athmung, von v. Feny vessy 266
Schilddrüsentabletten .550
Schlafmittel, von Binz.1427
Schlaflosigkeit, Constatirung der, von
Deutsch ... .
Schlangenbiss geheilt durch Calmette's
Serum, von Rennie . ..
Schlangengift, Chemie, Toxikologie und
Behandlung des, von Brown . . .
S<hk‘ich'schesVerfahren,vonBaumgarten
Schleifenendigung. Hauben bahnen, dor¬
sales Längsbündel und hintere Com-
missur, von Probst .
Schleimbeutelerkrankungen, seltenere,
von Ehrhardt.
Schleimdrüsen, Cysten und Cvstortbroine
der retrotrachf alen, von Simmomls
Schleimkolik und inembranö3er Diek-
darmkatarrli, von Schütz.
Sclileimhautpemphigus als Ursache der
Verwachsung des weichen Gaumens,
von Avellis .
Schlinge,vereinfachte kalte,vonSchneider
SChlitzspeculum, von Zepler.
Schlottergelenke der Schulter, von WölfT
Schmerz in der Gynäkologie, von Lorner
Schraerzempfindungen, Verlegen der, in
d : e Bauchhöhle, von Obrostzow . .
Schmidt sehe Probe, von Schorlemmer
Schmierkur, Ersatz der, von Welander
Schnupfen, Uebertragbarkeit des, von I
Ferrni.
Schock, Verhütung des, bei chirurgischen
Operationen, von Moynihan 21, Be¬
handlung des —, von ITall 21, Methode,
dem — und der Infection bei Opera¬
tionen vorzubeugen, von Türck 1149,
Hypodermoklysis bei —, von Kaue 1468
Schreiben mit der Schreibmaschine, von
Seeligmüller.1150 j
Schrumpfniere, Blaublindheit bei, von j
Gerhardt I, — mit Amyloid, von
Krause.1019
1215
21
337
130
808
261
1578
573
321
444
163
557
544
458
335
. 1-106
Seite
Schütteltremor, neurasthenischer, nach
Trauma, von Becker.314
Schulanaemie, von Starck.1573
Schulärzte, in Berlin *26, 519, — von
Weiss 295, von Sternfeld.380
Schularztfrage, 923, von Lohnstein 58,
von Radziejewski 9**, Psychiatrisches
zur —, von Wevgandt.148
Schulbank, Construetion der, von Brad¬
ford und Stone. 59
Schulconfcrenz.850
Schule s. a. Hilfsschule.
Schulgesundheitslehre, von Eulenberg
und Bach.399
Schulhygiene, von Ilamlin 878, Hand¬
buch der —, von Baginsky 1212, —
in Schöneberg, von Hirsch ... 1581
Sehulinspection, ärztliche, von Mc Adam 878
Schulterblatt s. a. S'apula.
Schulterblatt. Hochstellung des, v. Novd-
Josserand und Brisson ...... 1014
Schulterblatt, Abtragung des, von Picque
und Dartigues . ..1279
Schultergelenksluxation, Behandlung der
habituellen, von Grothe 650, von
Müller.1380
Schultergürtel, Entfernung des, wegen
Sarkom der Scapula, von Kölliker 53,
Verschiebung des —, von Kirsch . .1714
Schulterluxation, Ursachen der habi¬
tuellen, von Samter.707
Schulterverrenkung, Einrichtung der vor¬
deren, von Graef.1389
Schutzimpfungen, Report über die Iluff-
kine'sehen.442
Schutzpockenimpfung, Bericht über die
von Voigt 1352, — Ergebnisse der,
in Bayern i. J. 1899, von Stumpf . . 1741
Schussinfection, experimentelle Studien
über, von Kayser.874
Sehussverletzung, gleichzeitige, an Brust
und Bauchhöhle, von König 203, —
der Leber, von Braun 301, pulsirender
Exophthalmus nach - , von Wageti-
raann 301, — des Schädels, von
Braun.1018
Schusswunden s. a. Gewehrschusswunden.
Schusswunden, von Border 1468, — im
Burenkrieg, von Sick 906, durch
Mauserkugeln, von Cox.1675
Schwangere, Einfluss des Zuckers auf
den Stoffwechsel der, von Payer . . 95
Schwangerenuntersuchung, Leitfaden für
die, von Winternitz.260
Schwangerschaft s. a. Gravi di tas, Extra¬
uteringravidität.
Schwangerschaft, künstliche Unterbrech¬
ung der, von Heymann 19, Erkennen
abgelaufener früherer, von Opitz 202,
— nach Hysterokolpokleisis, von
Menge 513, chirurgisches Eingreifen
bei extrauteriner —, von Prochownik
1093, künstliche Unterbrechung der
—, von v. Braitenberg 1115, Stoff¬
wechsel wahrend der—, von Schräder
1183, — und Ovarientumor, von
Mond 1230, — bei Stillenden, von
Biedert 1256, Complication von —
und Ovarialkystom, von Fehling 1134,
durch Myome des Uterus complicirte
—, von Pahedinsky 1750, Verhütung
der —, von Hager 1791 , Herzfehler
und —, von v. Guerard 1832, günstiger
Einfluss der — auf die Enteroptose,
von Mai Hart.1832
Schwangerschaftsdauer, von v. Winckel 1437
S ch wa n g er.sei laftszei che n, individuelle,
von Naegeli. 836
Schwarzwasserfieber, von Karamitsas
1250, — nach Eueliiniii, von Richter 878
Schweiss, englischer, von Ebstein . . 975
Schweissdrüsen, fehlende, von Taendler 1581
Schweisse, spinale, und Schweissbahnen,
von Schlesinger.405
Schwimmbad, Selbstreinigung eines, von
Ililsum.842
Schwimmbassin, Ansteckungsgefahr der,
von Maschke.813
Digitized b"
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xr.v
Seite
Schwindsüchtige, Ruhe- und Luftliegccur
bei, von Dettweiler.1113
Schwitzen, Einfluss des, auf die Magen-
saftsecretion, von Simon.127
Sclerosensecret, Ueberimpfen von, von
Adrian.335
Scorbut auf dem Lande, von Rothschild
83. Ursache des kindlichen —, von
Corlette 1443, Pathologie und Therapie
des —, von Wriglit.1505
Scrophulose, Zusammenhang zwischen,
und Trachom, von Bäck 255, Therapie
der, und Phthisis incipiens, von Levy
307, Entstehung der von Volland
634, — und Tuberculose, von Ponfick 1473
Seborrhoea corporis, von Török .... 336
Sectio caesarea, von v. Braun-Fernwald
18, — Porro, von Riedinger 1086, —
— in moribunda, von Prokess 368,
Indications8tellung der —, von Frank 438
Sectionsbefunde, seltene, von Kolster . 129
Sectionsprotokoli, von Busse . . . 972
Sectionstisch, Technik undDiagnostik am,
von Graopner und Zimmermann . 18
Secrete, Bacteriologie der puerperalen,
von Döderlein und Winternitz . . . 1635
Secundärnaht des Plexus brachicalis, von
Thornburn.780
Secundärsyphilis, Nephritis bei, von
Stapler.175
Seekrankheit 210, von Washburn 07,
Behandlung der —, von Mc Dougall 815
Sehleistungen von Gemeindeschulabitu-
rienten, von Radziejewski. 98
Sehnen-Muskelumptlanzung, von Müller 163
Sehnennaht, von .Tochner . . ... 1596
Sehnenplastik in der Orthopaedie von
Lange 917, — und Bänderplastik bei
Fussdeformitäten, von Frank . . . 1472
Sehnenrupturen, subcutane, von Kirch-
mayr.1638
Sehnenüberpflanzung, von Vulpius . . 1319
Sehnenverpflanzungen, periostale, hei
Lähmungen, von Lange.486
Sehnenzerreissungen, von Vulpius . . 569
Sehnervenatrophie, glaukomatöse, von
Schnabel.753
Sehorgan,Verletzungen des, mit Kalk etc.,
von Andreae 260, Unfallverletzungen
des —, von Ammann.1010
Sehschärfe und Treffsicherheit, von
Steiger.266
Sehstörungen, Mechanismus corticaler,
von Hitzig.1603
Seifenspiritus als Händedesinficiens, von
Ahlfeld.1636
Seitenstränge, systematische Erkrankung
der, bei Carcinose, von Meyer . . 589
Selbstbeschädigung auf hysterischer
Grundlage, von Eversmann .... 290
Selbstinfectionslehre, Berechtigung der,
in der Geburtshilfe, von Fehling . 1651
Selbstlüftungseoefficient kleiner Wohn-
räume, von Wolpert. 440
Selbstmord, Lehre vom, nach 300 Sec-
tionen, von Heller 1653, Bemerkungen
hiezu, von Besteimeyer.1780
Selenige und teil arische Säure in der
Bacteriologie, von Seheurlen .... 370
Sensibilitätsstörung im Gebiet des N. cut.
femoris ext., von Nawratski .... 1011
Septicaemie, mit Marmorekserum be¬
handelte acute, von de Sergncux 19,
puerperale —, von Doleris 1284, von
Menge u. Krönig 1284, von Pestalozza 1285
Serotaxis durch Aetzkalilösungen, von
Frickenliaus.553
Serratuslühmiing, isolirte, von Brodmnnn 5tK)
Serum s. a. Iminunserum, Marruorek-
serum, Taubenserum.
Serum, Calmette’s, gegen Schlangenbiss,
von Rennie 21, antileukocytäres —,
von Funk 842, zellenlösende —, von
Schütze 1013, ervthrocytenlösendes
—, von Krompeclier.1707
Serumagar, Joos’scher, von Scboedel . 896
Serumenanthemc, Anatomie und Patho¬
genese der, von Seiffert.1476
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
XLVI
INHALTS-YERZEICHN1S3.
1900-
Seite
Serumreaction bei Proteus vulgaris, von
Rodella.701
Serumtherapie, von Wassermann 704,
von Dokenham 1443, von Galatti . 1476
Sexualemp tindung, Behandlung contriirer,
von Fuchs .702
Sexualerkrankungen , Zusammenhang
zwischen — und Geisteskrankheit und
Verbrechen, von Jones.1405
Sexualorgane, Störung der physiologi¬
schen Function der weiblichen, von
lvoblanck .1503
Shakespeare und die Psychiatrie, von
f loche .811
Siderosis, experimentelle, von Nölke . 545
Sidonal, von Blumenthal.372
Siegenbeek van Heukelom, von Tendeloo 1745
Signalhörner, In fectionsgefahr durch, von
Brähmer.946
Silber, Anwendung des, in der Histologie,
von Salge und Stoeltzner ... 60
Silberimprägnirung, von Mosse ... . 782
Singen, Theorie der Abdominalatlmiuiig
beim, von Hellat.130
Sinus, Sondiren des, frontalis, von
Struycken.1504
Sinusblutung, von Bertelsmann .... 1641
Sinusoperntionen, Luftembolie bei, von
Meier.813
Sinuspyaemie, von Kerr ..... .1710
Sinusthrombose, von SteDger 338, von
Gluck 711, klin. Verlauf und Ope¬
rationstechnik bei —, von Whiting, 620
Sirolin, von Oelberg.634
Situs viscerum inversus, von Koller 742,
von Barbo 942, von Impallomeni . 1613
Skiagramme, von Tschmarke .... 1150
Skiaskopie s. a. Schattenprobe.
Skelet, Knochen Veränderungen an prä¬
historischen, von Zambaco . . . .1122
Sklerema neonatorum oedematosurn in
Zusammenhang mit Lungenblutung,
von Esser .... . 352
Sklerodermie, von Rosin 1118, locale —,
von Brandt 557, Casuistik und Thera¬
pie der —, von Lindemann .... 807
Sklerose, herdförmige, von Lannois und
Paviot 100, Aetiologife und pathol.
Anatomie der multiplen —, von Ba¬
hnt 6>*9, pathologische Histologie der
multiplen —, vonThoma 1314, Sensi¬
bilitätsstörungen bei — polyinsularis,
von v. Gebhardt.1670
Skoliose s. a. Corset.
Skoliose, von Williams 1443, — ischia
dica, von Krecke 129, Redression
schwerer —, von Schanz 707, —, Genu
valgum u. PI ttfuss, von Clarke 1403,
— und Spitzeninfiltrationen im Kindes¬
alter, von Mosse 1572, Gipsbehand¬
lung der —, von Schanz 1588, Heil¬
barkeit der habituellen —, von Port
1625, habituelle — , von Bum 16h0,
Pathologie und Therapie der —, von
Kirsch .1714
Skoliosenbehandlung, Fortschritte der,
von Hoffa 69*, portative Apparate in
der —, von Schanz .873
Smegmabacillus, von Pahms.1468
Solan in, Entstehung des, in den Kar¬
toffeln, von Weil.1707
Somnambulismus und Spiritismus, von
Loewenfeld.472
Somnolenz, hysterische, und das Doppel¬
bewusstsein, von Williams .... 1506
Sonde intra-uterine dilatatrice, von Do-
teris, vonToff 224, elektrothermische
—, von Schtlcking.657
Sondirung, indirecte, von Kulm . . . 1425
Sonnenlicht, Einfluss des, auf Bacterien,
von Kedzior .514
Soolen, jodhaltige, von Salso-Maggiore,
von Ceccherelli.1148
Soor, Behandlung des, von Kürt 1639,
Obturationsstenose des Oesophagus
durch —, von Fraenkel.1758
Spiitdiphtherie im Nasenrachenraum, von
Esch woiler. 568
Seite
Spargel als Diureticum, von Hare . . 66
Spasmus nutans, von Ausch .... 699
Speculum, geschlitztes, von Preise 19,
einfaches selbsthaltendes --, von
Steinschneider 876, von v. Mutach . 976
Speichel s. a. Mundspeichel.
Speichel und sein Einfluss auf die Magen¬
verdauung, von Cohn 234, Rhodan¬
gehalt des —, von Muck.1732
Speichel- und Thränendrüsen, symmetri¬
sche Erkrankung der, von Alsberg . 1834
Speiehelsteinbildung, von Hanszel . . 300
Speicheltumor in der Parotisgegend, von
Morestin.1218
Speiseröhre s. a. Oesophagus.
Speiseröhre, oesophagoskopische Dia¬
gnose des Pulsionsdivertikels der,
von Killian 113, Pathologie der —,
von Kleiner 529, Diagnose der Di¬
vertikel der —, von Jung 700, Ver¬
ätzung der — durch Aetziauge, von
Bomikoel 1572, Divertikel und Ekta¬
sien der — , von Rosenheim 1572,
Differentialdiagnose zwischen Diver¬
tikeln und Dilatation der -, von Jung 1672
Speiseröhrenerkrankungen, von Reitzen¬
stein . 1089
Speiserührenerweiterung, chirurgische
Behandlung der spindelförmigen, von
Martin.1472
Speitopf, neuer, für Phthisiker, von Jung¬
mann .175
Spermareaction, Florence’sche, von de
Crecchio.1389
Sperrvorrichtungen im Thierreich, von
Thilo.399
Sphygmomanometer, Riva - Rocci'scher,
von Gumprecht.597
Spina bifida, von Steiner 476, von
Krause 555, von Tschmarke 1190,
von Bartz 1471, Behandlung der —,
von Villemin 882, von Hennemann 1380
Spinalflüssigkeit, neuer Bestandtlieil der
normalen, von Gumprecht . . . 662
Spinallühmtingen, transitorische, von
Krewer.200
Spinalparalyse, spastische und syphili¬
tische, von Friedmann 128, spastische
—, von Democh 808, infantile, fami¬
liäre, spastische —, von v. Krafft-
Ebing 1011, syphilitische spastische
—, von Schubert und v. Rad . . . 1760
Spinalpunction, Wirksamkeit der, von
Grober. 245
Splanchnicus, motorischer Einfluss des,
auf den Dünndarm, von Päl . . . 264
Splenectomie, von Bessel-Hagen 666,
von Jonnesco 1218, — wegen con-
gestiver Hypertrophie, von Boree . 1117
Splenomegalie, hereditäre Form von,
von Minkowski.662
Spondylitis, Drucklähmung des Dorsal-
marks in Folge von — tuberculosa,
von Meisel 402, ankylosirende —,
von Auerbach 750, — typhosa, von
Schanz 873, von Lovett und Wi-
thington 1247, — rhizomelica, von
Menko 266, von Levi 548, von Can-
tani.J 639
Spontanamputation, intrauterine, von
Wolff. ,618
Spontanfractur des Oberschenkels, von
Lauen stein.340
Spontnngangraen, von Sternberg . . . 1602
Sporozoenforschung, Ergebnisse der
neueren, von Lühe.546
Sport, Trainiren zum, von Hoole . . . 1540
Sportathmen, von Matthaei ..... 130
Sprachcentrum, Verletzung des, von
Longard.1471
Spulwürmer, Verdauungscan aj der, als
Sitz von Infectionsträgern, von De-
matei. 1247
Sputumuntersuchungen für Kassenmit¬
glieder in Berlin 243, — durch die
Bnhnttrzte, von Hager .947
Seite
Staatsdienst, Prüfung für den ärztlichen,
in Bayern. 1123, 1124, 1406
Städteasyl, psychiatrisches, von Danne
mann.
Standesordnung, hessische . . .
! Staphylococcus quadrigeminus Czaplews-
ky, von Kieseritzky 1354, — mit Hefe,
von Mc Nair Scoff 1542, Morpho¬
logie des — albus, von Saul .
Staphylococcenenteriti8 der Brustkinder,
von Moro.. . .
StarausziehuDg bei Einäugigen, von
Mendel .
j Staroperation, Fistelbildung nach, von
Elschnig.
Staubinhalation, Diagnose der durch ge¬
werbliche, hervorgerufenen Lungen¬
veränderungen, von Bäumler .
Stauungsascites, Beseitigung von, auf
operativem Wege, von Grisson
Stauungsblutungen nach Rumpfcompres-
sion, von Braun 1142, von Neck
Steine im Ureter, von Morris 165, Ent¬
fernung grosser — aus der Blase
von Freyer .
Steinkohlenfelder, Ausdehnung und Zu¬
sammenhang der deutschen, von
Holzapfel.
Steinkranke, Bericht über 630, von As-
sendelft.
Steinniere, von Steiner.
Stein-Nummer der Indian Med. Gazette
625
1446
1550
1573
877
1752
525
183
1502
1403
1510
201
1710
1709
Steinoperationen in Mooltau, von Da¬
vidson .1710
Stenose, hochgradige, des Athmungs-
canales, von Lenzmann.515
Sterbekasseverein, bayer.451
Sterblichkeit s. a. Syphilis.
Sterblichkeit in Griechenland, von Papa-
dakis 1517, — der hereditär-luetischen
Säuglinge, von Freund ..... . 1573
Sterilisation, s. a. Hände, Desinfection.
S‘erilisation der Hände mittels Chirol,
von Kossmann 875, — der Hände,
von Levai. 1086
Sterilisationsapparat, handlicher elektri¬
scher, von Hecht . . . .1240
Sterilisirung des Nahtmateriales, von
Sticher. 96
Sterilität und Tripper, von Benzler . . 334
Sternalspalte, Untersuchung eines Falles
von angeborener — mittels fluores-
cirenden Schirmes, von v. Criegern 1378
Stickhusten, Bacteriologie des, von Am¬
heim.270
Stickstoffaii8scheidung, Einfluss grösserer
Wassermengen auf die, von Neumann 546
Stichverletzung des Ohres mit Ausfluss
von Hirnwasser, von Löhnberg . . 81
Stillen s. a. Frauen.
Stillen, Unfähigkeit der Mütter, zu, von
Conrads .1475
Stimmermüdung, Psychologie der, von
Breitung. 538
Stimmritzenkrampf, von Fischbein . . 1472
Stirn- und Kieferhöhle s. a. Highmors¬
höhle, Kieferhöhle.
Stirn- und Kieferhöhle, Nachbehandlung
chronischer Eiterungen der —, von
Lenzmann 516, Erkrankungen der —,
von Lipowski .1637
Stirnhöhleneiterung, Behandlung der,
von Winckler. 77
Stirnhöhlenempyeme, Nachbehandlung
operirter, von Muck .130
Stimhöhlengeschwülste, von Moser . . 262
Stirnlagen, Entstehung der, von Glitsch 1706
Stirnlappenabscess, von Stenger . . . 338
Stirnspiegel, sauberer, von Zarniko . . 916
Stoffwechsel, Physik des organischen,
_ j i-»_.T-k_i orn ir^
Strausse, infectiöse Krankheit der, von
Marx.. . 1012
Streckmetall, ein neues Schienenmaterial,
von Hübscher.368
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Gck igle
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
INHALTS-VERZEICHNISS.
XLVII
SritP.
Streik von Spitalärzten.670
Streptococcus, Wahl des Nährbodens
beim Nachweis von, von Menge u.
Krönig 203, anaörober —, von Stern¬
berg 909, nener pathogener —, von
Libmann.1426
Strictoren, Behandlung der callösen
resilienten, von Lohnstein .... 845
Ströme s. a. Wechselströme.
Ströme, häutig unterbrochene, in der
Gynäkologie, von Apostoli 106, An¬
wendung hochgespannter —, von
Eulenburg.241
Strophanthus, Wirkung von, von Pisani 909
Struma, luetische, von Wermann 234,
— suprarenalis, von v. Winckel 1436,
Diagnostik der malignen —, von Hahn 1831
Strychninwirkung, Einfluss derSauerstoff-
athmung auf die, von Osterwald . . 1751
Stümpfe, Erzielung tragfähiger, von
Hirsch. 478, 630, 980
Stülzeorsett,ortbopaedi 8 ches,vonVulpiu 8
707, von Weinberger.1246
Stuhl, Häufigkeit und Bedeutung der
Krystalle im, von Schilling .... 1457
Stummheit, hysterische, durch Intoxi-
cation, von Bloch . . . . 968
Südafrikanischer Krieg 67, 139, 178, 179,
243, 345, 347, 408, 485, 523, 906,1675,
1684, — von Dent 944, Verletzungen
im —, von Treves 986, kriegschirurgi¬
sche Erfahrungen aus dem —, von
Küttner ... 1832
Südafrika, seine vorherrschenden Krank¬
heiten und gesundheitlichen Ver¬
hältnisse. von Kolle 135, Briefe von
der Deutschen Ambulanz des Rothen
Kreuzes in —, von Hildebrandt 509,
540. 738, erste Niederländische Am¬
bulanz in —, von Korteweg 62 O,
Typhus in —von Doyle 988, von
Packer.1505
Südpolarexpedition, Plan und Aufgaben
der deutschen, von v. Drygalski . . 1512
Suggestion und Psychotherapie, von
Dubois.266
Superacidität, diaetetische Behandlung
bei, von Backmann 265, Fettdiät
bei —, von Backmann.1141
Sympatliieus, Resection des Cervical-
abschnittes des, von Jonnesco 1219,
Entfernung des oberen Halsganglion
des —von Burghard 1403, Resection
des von Ball.1468
Symphysenruptur, von Sa vor .... 20
Symphvseotomie, von Bulst 22, — von
Jacob 1399, — von Frank 1437, von
Gross 1832, Indicationsstellung der
—, von Fritsch.1636
Syncytioma malignum, von Franz 950,
beginnendes —, von Poten und
Vassmer.1781
Synovitis, Behandlung der acuten serösen,
von Hoffmann.878
Synthese im Thierkörper, von Hilde-
brandt.628
Syphilide, zonenförmige, von Barbe . . 1440
Syphiiiderma, haemorrhagicum adulto¬
rum, von Piciardi .... ... 475
Syphilis, g. a. Darmsyphilis, Herz, Hirn-
syphilis, Hirn Veränderungen, Hydro¬
therapie, Initialsclerose, Infections-
krankheiten, I^ebercirrhose, Magen,
Nephritis, Orchitis, Phalangitis,Pri mür-
affect, Schmierkur, Sclerosensecret, I
Secundärsyphilis, Spinalparalyse, |
Sterblichkeit, vener. Krankheiten.
Syphilis, tertiäre, von Solger 1/0, Er¬
krankungen der oberen Luftwege im
secundären Stadium der —, von
J/>chte 272, Behandlung der — mit
QnecksiJberinjectionen, von Brandt
273,_in larvirter Gestalt, von Merkel
304, _der Zungentonsille, von Heller
333* von Lublinski 552,591, Persistenz
der histologischen Gewebsverände-
r a n g en bei —, von Hjelmsnn 384,
Rachen- und Kehlkopfaffectionen bri
—, von Jordan 335, Mercuriol bei —,
von Blomqvist und Ahmann 336, — des
Centralnervensystems, von Nebclthau
439, Behandlung der —, mit Jodalbacid
von Bries .548, Einfluss der — auf die
Sterblichkeit unter Versicherten, von
Runeberg 778, viscerale Form der
congenitalen —, von Oberndorfer 1114,
Beziehungen der — zu Tabes und
Paralyse, von ßermann 1215, Ge¬
schichte der —, von Reber 1215, —
des Magens, von Einhorn 1243, —
des Extremitäten, von Sybel 1353, —
in Nicaragua, von Rothschuh 1432,
— und deren Associationsinfectionen,
von Bulkley 1440, Ducrev 1440, Hal-
lopeau 1441, — und asociirte Infec-
tionen, von Neisser 1476, Erschein¬
ungen der —, von Bruhns 1603, Ge¬
schichte und allgemeine Pathologie
der — von Lesser 1603, — innerer
Organe, von Gerhardt 1638, Behand¬
lung der —, von Bruhns 16/3, Re-
infection mit —, von Hutchinson 1675,
Tonsillenschlitzung bei—, von Nicolai 1760
Syphilisaetiologie, von Schüller . . 658
Syphilisbehandlung durch Inhalation,
von Kutner. 96
Syphiliscontagium und Syphilistherapie,
von Lang.714, 909
Syphilisinfection, Stoffwechsel bei fri¬
scher, von Radaeli .1389
Syphiliskörperchen, neue, von Lostorfer 671
Syphilisreaction, Justus’sche, von Jones 1468
Syphilistherapie, von Lang 714, von
v. Watraszewsky.335
Syringomyelie, von Stolz 134, von de
Renzi 909, von v. Rad 1150, Otitis
media bei —, von Matte.1248
T.
Tabes s a. Arthropathia.
Tabes, Pathologie der, von Gowers 22,
— cervicalis ohne Reflexstarrheit der
Pupille, von de Buck 167, sensorielle
Krisen bei — dorsalis, von Umber
588, Therapie der —, von Benedikt
561, Frühdiagnose der —, von Erb
812, 989« von Adams-Lehmann 1060,
Aetiologie und Therapie der — dor¬
salis, von Pel 1088, — dorsalis bei
Kindern, von v. Rad 1090, mechanische
MuskelerregbarkeitundSehnenreflexe
Lei — dorsalis, von Frenkel . . .1314
Tabiker, von Schwarz.173
Tablettenfrage. 66
Tachycardie, paroxysmale, von IJoff-
mann. 666, 1212
Taenia africana, von v. LinstoW 1603,
Durchbohrung des Duodenums und
Pankreas durch eine —, von Stieda 1042
Talent, mathematisches, von Mocbius . 99
Talusextirpation, von Merkel.751
Tannopin, von Tittel 307, — als Dann¬
adstringens, von Doernberger . . . 464
Tarsoptose und Tarsalgie, von Bloch . 1319
Taschenbuch für Dermatologen und Uro¬
logen, von v. Notthafft.774
Taschenphantom, geburtshilfliches, von
Müller.872
Taschensterilisirapparat, von Bofinger . 508
Taubenserum, bacteriolytische Wirkung
des, von Kraus und Clairmont . . 907
Taubheit, Feststellung einseitiger, von
Röhr 130, Diagnose der einseitigen —,
von Wanner 807, Symptomatologie
der hysterischen - , von Barth . . 843
Taubstumme, Untersuchungsergebnisse
bei, von Bezold 1248, die — der Prov.-
Taubstummen-Anstalt zu Soest, von
Denker.1240
Taubstummenanstalten 715, bayerische
— 715, Bericht der — zu Ratibor,
von Hecht.621
Seite
Taubstummheit, lleiralhcu zwischen
Blutsverwandten und, von Huth . . 441
Taubstummenunterricht, Reform des,
von Keller. . 479
Taxen, ärztliche, von Biberfeld .... 1708
Technik der histologischen Untersuchung
pathologisch-anatomischer Präparate,
von v. K ah Iden 1704, mikroskopische
—, von Friedländer ... ... 1500
Temperatur, Grenzen der normalen, von
Marx 93, Differenz zwischen der —
des Rectum und der Achselhöhle bei
der eitrigen Appendicitis, von Schüle
603, — in tropischen Meeren, von
Mayer.1793
Temperatursteigerungen. posttyphöse,
von Riva Olt», Bedeutung ephemerer
—, von Fromm. 973
Tendovaginitis capitis longi bicipitis, von
Goldflam.1322
Tensor tympani, Reflexbewegung des,
von Hammerscblag.1248
Teratoma ovarii, von Falk.669
I Terpentin und Quecksilber, von Loza . 1518
Terpentinölwirkung, von Schulz . . . 357
Tertianaparasit, von Maurer . . 1245
Teslaströme, Wirkung der, auf den Stoff¬
wechsel, von Loewy und Cohn 1214,
therapeutische Versuche mit —, von
Cohn.1214
Tetanie, von Westphal 1758, — und te-
tanoide Zustände im ersten Kindes¬
alter, von Thiemich 299, recurrirende
—, von Hödlmoser 1052, — nach In-
toxication, von Dämmer 1587, — und
Eklampsie im Kindesalter, von
Hecker.1610
Tetanus, von Naunyn 405, Carbolsäure
gegen —, von Woods 177, — trau-
maticus, von Müller 318, durch Anti¬
toxin geheilter —, von Murray 442,
geheilter traumatischer —, von Dyson
412, Behandlung des — der Pferde
j mit Carbol, von Place 442, — puer-
peralis, von Kentmann 4/3, von Sie-
! bourg 175u, Aetiologie des —, von
| Tbalmann 778, — nach Schussver¬
letzung, von Kaposi 1143, mit Gehirn-
I emul 8 ion behandelte Fälle von —
traumaticus, von Krokiewicz 1184,
— traumaticus compl. durch Darm¬
verschluss, von Krey und Sarauw
1210, durch Tizzoni ’ s Te tanusan ti tox in
geheilter Fall von —, von Iloma
1752, — nach gynftkologischer Ope¬
ration, von Menzer .1756
Tetanusantitoxin, von Abbe 945, intra-
cerebrale Injet tion von , von Cutli-
bert 21, Werthbestimmung des —,
von Behring .129
Tetanusbehandlung mit Antitoxin, von
Reuter . . 1211
Tetanusgift, Zerstörung des — im Magen,
von Brusco und Fräsetto .... 1406
Tetanus Vergiftung, von Miyamato . . .1115
Thalsperren wasser, von Fraenkel . . . 1356
Therapie, physikalische, von Goldschei¬
der 25, 103, pneumatische —- von
1875—1900, von Lazarus 164, — mit
Alkalien und Säuren, von Dalche 922,
Kncyclopaedie der —, von Liebreich
973, Technik der speciellen —, von
(rumprecht 1G69, Vorlesungen über
j specielle — innerer Krankheiten, von
, Ortner .1746
Thermalwasser,Schinznacher,vonAmsler 701
I Thermometer, Einführung des handert-
theiligen ..955
Thermophor s. u. Milchtliermophor.
Thermophorapparate, von Aly .... 881
| Thermotherapie, von Thiem.1551
Thiere, wie finden die, nach Hause? von
Bethe.811
Thierlungen, Keimgehalt normaler, von
Müller.1643
Thiol bei Frauenkrankheiten, von Zander 242
Thomsen’Bche Krankheit 8 . a. Myotonie.
Digitized b"
■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Seile
Seite
XIA Ul
1 NII AI /PS- VERZEICHN 1 SS.
1900.
Thomseu’öche Krankheit, von lloffmann
«12, von Beck 1612, von Weiss 1612,
von Koch 1712, neue Behandlung der
— f von Gessler . 774
Thoracopagus.von Palleskel313, von Toff 1493
Thoracoplnslik, vmt Longard.1172
Thoraxscito, 1‘esection der linken, von
Baissier ...... .... 480
Thranenahtluss, Behandlung deHAbstruc-
lion den, von Berry .1443
Thrilnencanälchen, Pilzmassen im, von
Silberschmidt.0:>8
Thrombophlebitis der Sinus, von Riese 706
Thrombose, marantische, von v. Leyden
fc82, — in den Venen des Beckens,
von Lennander.1506
Thymus, innere Secreiion der, von Svehla 545
Thymusdämpfung, von Oestreich 84;),
Von Blumenreich.1183
Thymusdrüse, Rolle der, von Svehla . 1476
Thymushyperplasie, von Proebsting . . 100
Thvmustod, von Kohn .■ 910
Thyreoidin bei Entfettungseuren, von
Schi öd tc .264
Thyreoiditis acuta, von Stamm .... 699
Thyreoptosis, Folge)) der, von Kocher. 1086
Tibia, Absprengungsfractur der, vo)i
Lauenstein 93, Osteoplastik bei De-
fecten der, von Sehloffer 94, con¬
genitaler Defect der —, von Tschmarke 1190
Tibiadefect, von Grosse.706
Tod s. a Hungertod, Verblutungstod.
Tod, Ursachen des, bei Verbrennungen
und Verbrühungen, von Scholz . . 152
Todesfälle: Abbcgg 1446, Acconi 1615,
Acland 1518, Albert 14 8, Althaus 883,
Altmann 1796, Anders 1060, Auderson
1684,Apostoli 755,Arndt l48o,Aub409,
Bergeat 1583, Berger ö2o, Boeckel 348,
Bose 596, Brosin 820, Browning 1552,
Brunetti 179, Bruno 379, Bölau 1615,
Cordes 1480, da Costa 1446, 1518,
Cristeller 1060, Crudeli 850, Deces
348, Del stauche 211, Deroide 1720,
Douglas Maclagan 596, Duplouy 1720,
Eigenbrodt 820, Ellis 716, Embleton
1720, Faesebeck 103, Falconi 1123,
Griggs 1446, Gruber 484, Hammond
179, Hanau 1288, llartlaub 1684, Hirsch
1518, Iloadley 276, Hofmann 308, 366,
Hofmann 924, Hofmokl 484, Holmes
4'j9, Hood 564, Hughes 1615, Knoll
211, Korssakow 755, Kotljar 1480,
Kruse 308, Kühne 883, Kuhn 1367,
Lach 988, Lange 820, Leichtenstern
308, 430, Leonard <16, Leroy 409,
Lewandowski 880, v. Limbeck 716,
Lissa 880, Long 788, Lowe 1446, Ma-
son 179, Mc Guire 14t>0, Meyer 244,
Mich] 1154, Mooren 67, Mosengeil409,
Moxter 244, Murillo 4ö4, Murphy 484,
Nieberding 379, Noyes 1720, Orsi 1C8,
Otis 924, Pacetti 308, Paget 67, Po-
dr#ze 1720, Pristley 564, Quinlan 1720,
Rallis 148H, Ruhinstein 880, Rudolphi
108, de Sande Saccadura Botte 348,
Sarell 1480, Sauer 379, Saxtorph 484,
Sayre 1518, Schaffer 1288, Seoezynski
379, Sgrosso 596, Shaw 308, Siegen-
beck van Heukelom 1552, Simpson
1288,Spinola 1720, Sommer 108, Stein-
hach 379, Stewart 244, 345, Stille 1480,
Stokes 1224, Stscherbakow564,O’Sulli-
van 179, Teijeiro 1552, Thorne 33,
v. Techurtschenthaler 409, Tonrdes
211, Valenti 179, Wagner 1154, Weiss
883, Whistler 409, Widmann 276, Wil-
inot 348, Wynne Foot 1446, Zarewicz 1446
Tölz-Krankenheil.484
Tollwuth s. a. Hundswuth.
Tollwuth, histologisclie Veränderungen
bei, von Laveran 954, Widerstands¬
fähigkeit des Virus der —, von v.
Rdtz 1012, Pasteur’sche Schutzimpf¬
ungen gegen —, von Marx 1088,
Impfungen gegen die — im Institut
Pasteur, von Viala.1795
Tonometer, von Uradenigo 550, von
Gaertner 1195, Blutdruckmessungen
mit Gärtners —, von Weiss .... 69
Timreihe, Untersuchungen mit Bezold’s
eontinuirlioher, von Keller 1545, von
Denker.1545
Tonsille, Sarkom der, von Moses . . . 443
Tonsil!ensehlit/.ung bei Syphilis, von
Nicolai.1760
Tonsillotomieholag, von IJarmer . . . 1389
Torsionsfraeturen, von Zuppinger . . 1182
Tortieollis, operative Behandlung des,
spasmodicus, von Wölf ler . . 165, 172
Totalexstirpation von Scheide umirterus,
von Sippel 201, abdominal# — hei
Myom, von v. Guerard .1435
Toxhaemie, tuberculose, von Maragliauo L425
Toxische Zustände bei Kindern, von
Alvarez.143)8
Toxine in der Aotiologie der Bindehaut¬
entzündungen, von Marax 97, Wirk¬
ung verschiedener — auf die Cornea,
von Coppez. 97
Trachea, eigenartige Foriuveränderuug
der, von Brosch.1748
Traehealcaniile, erprobte, von Gersuny 976
Trachcaldefecte, plustische Deckung vo)i,
vo)i Aue ... •.873
Tracheal- und Kehlkopfstenose)), Be¬
handlung von, von Niehues .... 1471
Trachelorhekter, Zweifel’seher, von Füth 96
Trachcoplastik, vo)i Trnka.6o7
I Tracheotomie hei Compression der Tra¬
chea, von Pcs-Leusdcn301, Einheit s-
) eanüle für —, von Gernsheim 699,
Complicatioii bei —% von Thomas 976
Trachom s. a. Körnerkrankheit.
I Trachom, neuere Behandlungsmethoden
des, von Adler 173, Scrophulose und
—, von Bäck 255, — in der Ost¬
schweiz, von Bauer 701, .Todsäure,
| Gallicin und Jodgallicin bei —, von
: Schiele. 745
Trachomepidemie in Berlin, von Schultz 58
I Traite de medicine et de therapeutique,
von Brouardel und Gilbert .... 1634
Transfusion, von Annandale.1507
Transplantation vonPanniculusadiposus,
von Axenfeld 172, Thiersch’sche
—, von Frank 1090, — eines Meta¬
tarsus, von Bardenheiler.302
Trauma und Gelenkrheumatismus, von
Schulze-Berge 210, — Epiphysen¬
lösung von (’oxa vorn, von Kredel
233, aetiologische Bedeutung des - ,
von Dirska.1575
Trepanation, von Plücker 1363, Fraise-
apparat zur —, von Sudeck 749, ge¬
fahrlose —, von v. Stein 840, —
wegen alter Schädel Verletzungen,
von Peraire.1218
Trepanationsfraise, S m leck ’s, von 11 eiden-
hain.1600
Trepanationsöffnung, Verschluss einer,
von Krause .749
Trichinosis, von Howard.476
Trichophytonculturen, von Plaut . . . 978
Triehoptilose, von Spiegler .1440
Trigeminus, Resectionen im Gebiete des,
von Keen und Spiller.1468
Trigeminusneuralgie 1153, Ammonium-
chlorid gegen , von Campbell . . 346
Trigeminusresectionen, 24 intracranielle,
von Krause .1219
Trinker, Unterbringung heilbarer . . . 240
Trinkerheilanstalt, Berliner.1018
Trinkwasser, Bestimmung der Salpeter¬
säure im, von Kostjamin.1707
Tripper und Ehe, von v. Zeissl 1638,
persönliche Prophylaxe und Abortiv¬
behandlung des — heim Manne, von
Kopp 1662, Bemerkungen hiezu, von
Fraenkel.... .1780
Tripperrheumatismus, Chirurg. Behand¬
lung des, von O'Conor.22
Tripperspritzen, schwere Gefahr un¬
geeigneter .393
.Site
Tröploheninfcction s. a. Tuberculose.
Tröpfcheninfection, von Koeniger . . 907
Trommelfell, Atlas von Beleuchtungs¬
gebilden des, von Biirkner .... 1571
Trommelschlegellinger, von Donath . . 849
Trompetenmundstück, von Hintner . . 1792
Tropen, Truppenverpflegung in den, von
Munson.1467
Tropendiensttauglichkeit.1223
Tropenmedicin s. a. Medicin, Schiffs- und
Tropenkrankheiten.
Tropenmedicin, Schule für .307
Tropou und Plasmon, von Müller . . . 1769
Trunksucht, Entmündigung wegen, nach
dem B. G.-B, von Erlenmeyer ... 92
Tubarabort, von Franz 950, completer —,
von Mandl.438
Tuhargravidität, von Fischei 274, 1709,
geplatzte —, von Franz 950, von
Braun 10.9, — bei gleichzeitiger In-
trauterinschwangersehaft, von Strauss
1781, von Thorn.1789
Tube, Ruptur der schwangeren, von
Flat a u.1706
Tubencarcinom, primäres, vonNovy 1277,
von Witthaiier.. . 1832
Tubenmyome, von Muskat.1749
Tubensäeke, periphere, von Waldstein 438
Tubenschwangerschaft, von Kolbe 1277,
Aetiologie der —, von Glitsch 1183,
— und Ruptur, von Thorn .... 1609
Tuberculose, Polikliniken für —, von
Fraenkel 686. Specialabtheilungen
für die — in Krankenhäusern, von
Aron 778, Eheschliessung der —, von
Gerhardt 975, 1424, toxische Blut¬
beschaffenheit bei —, von Maragliano
1246, verminderte Zurechnungsfähig¬
keit —, von Mircoli 1246, Wirkung
des Alkohols auf — Processe, von
Mircoli 1246, — Erkrankungen vom
Standpunkt des Klinikers aus be¬
trachtet, von Owen 1505, neues
norwegisches Gesetz gegen — Er¬
krankungen, von Holmboe . . . 174S
Tuberculose s. a. Genitaltuberculose,
Kindertuberculose, LungeüSchwind¬
sucht, .Schwindsucht, Miliartubercu-
lose, Phthise, Praetuberculose, Rin-
dertuberculose.
Tuberculose der Kieferhöhle, von R#thi
58, Uebertragbarkeit der — vom
Rind auf den Menschen, von Moore
59, die — in Argentinien, von Gache
126, Diagnose der — von Henkel 133,
Vorträge über die Frühdiagnose der
— in Berlin 178, Vo) träge über —
für Kassenärzte 203, — der serösen
Häute unter dem Bilde der Perl-
sucht, von Pelnär 235, Behandlung
der — nach Koch, von Krause 263,
Diagnose beginnender — aus dem
Sputum, von Brieger und Neufeld
266, — der weiblichen Geschlechts
organe, von Voigt 298, — des Magens,
von Simmonds 317, — der Binde¬
haut und Cornea, geheilt durch Ery¬
sipel, von Kuhnt 401, Häufigkeit der
— in Paris, von Barbier 407, klini¬
sche Beiträge zur —, von Henkel ■
419, Fürsorge und Prophylaxe der
— in England, von Schamelhout 437,
— der weiblichen Geschlechtsorgane,
von Stolper 438, Frühdiagnose der
—, von Fräükel 440, Tröpfcheninfec¬
tion der — und ihre Verhütung, von
Fraenkel 545, Infectionsbedingungen
der —, von Ransome 545, Heilbar¬
keit der —, von v. Schrötter 545,
— als Ursache des vorzeitigen Todes,
von Rabts 545, chronische — der
Herzohren, von Cabannes 548, Ueber-
tragung der — durch rituelle Circurn-
cision, von Neumann 548, Schule und
— der oberen Luftwege, von Ferreri
551, — des Ellbogengelenks, v. Krause
555, Ansteckung mit—,vonVolland634,
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1900.
Behandlung der — mit Zimmtsäure,
von Fraenkel 655, — der Niere, von
König und Pels-Leusden 656, Be¬
kämpfung der — als Volkskrankheit,
von Wintemitz 658, Aussichten, die
— auszurotten, von Dönitz 659, die
Prädisponirten zur —, von de Gio¬
vanni 667, Einfluss des Klimas auf
die —, von Lannelongue 668, Ge¬
setzesplan gegen die —, von Kali-
vohas 668, Prophylaxe der — vom
administrativen Standpunkt, von
Plechl 707, — in Neapel, von Spatuzzi
708, chirurgische Behandlung der —,
von Ceccherelli 709, — unter dem
Wartepersonal der Spitäler, von
Devoto 710, pneumographische Stu¬
dien bei —, von Hirtz 710, Zustande¬
kommen der hereditären — durch
Placentarinfection, von Arrigo 747,
Werth des Fleisches für die Ver¬
hütung und Behandlung der —, von
Weber 775, klinische Beiträge zur —,
von Henkel 799, gegenwärtiger Stand
nnserer Kenntnisse von der —, spe-
ciell der Lungentuberculose, von
Treupel 821, — der Knochen und
Gelenke des Fusses, von Hahn 875,
Uebertragung der — vom Rind auf
den Menschen, von Robinson 879,
Bacillus der menschlichen —, von
von 8ion 908, hereditäre Uebertragung
der —, von Maffucci 910, Werth der
Courmont’schen Serumreaction für
die Frühdiagnose der —, von Beck
und Rabinowitsch 943, larvirte — der
Tonsillen, von Baup 946, Erkran¬
kungen der bayerischen Eisenbahn¬
bediensteten an —, von Zeitlmann
946, Uebertragung der — durch Milch
und Milchproducte, von Rabinowitsch
975, Behandlung der — mit rohem
Fleisch, von Richet 986, — des Manu-
brium sterni, von Krause 1019, wich¬
tige Gesichtspunkte aus der —Lehre,
von Lenzmann 1057, Diagnostik der
—, von Ferran 1113, Paladiumchlorid
bei —, von Cohen 1113, Früherken¬
nung der —, von Knopf 1113, Schnell¬
diagnose der —, von van Bogaert und
Klynens 1114, Syphilis und —, von
Portucalis 1114. — des Coecums, von
Crowder 1216, Häufigkeit, Localisation
und Ausheilung der —, von Nägeli
1245, — und 8yphilis, von Bernheim
1317, rohes Fleich zur Behandlung
der —, von Furster 1317, aetiologische
Rolle der — bei der Raynaud’schen
Krankheit, von Renon 1318, Aetiologie
der —, von Middendorp 1818, Dia¬
gnostik der — durch Sero - Aggluti¬
nation, von Arloing und Co ormont
1357, Behandlung der — nach einer
neuen Methode, von Labadie 1357,
von Bertheau 1357, Uebertragung
und Prophylaxe der — im Kindes¬
alter, von d'Espine, Hutine], Mous-
sous, Richardifere 1359, — verrucosa
cutis, von Dreyer 1363, Behandlung
der — mit Zimmtsäure, von Kraemer
1366, — und Schwangerschaft, von
Bemheim 1399, Eingreifen der Local¬
behörden bei der Verhütung der —,
von Kenwood 1405, Controle der —,
von Denison 1424, Behandlung der
— mit Organotoxin, von de Lannoise
1424, Seehospize zur Prophylaxe der
—, von d’Antona 1445, Natriumper¬
sulfat bei der Behandlung der —,
von Garei 1445, Behandlung der
chirurgischen — mit Zimmtsäure, von
Niehues 1472, Prophylaxe der — im
Kindesalter, von Feer 1478, Scrophu-
lose und —, von Ponfick 1473, von
Uhthoff 1789, Muskelentartung bei
chronischer —, von Schmieden 1686,
Sterblichkeit an — in Frankreich,
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TNHALTS-VERZEICHNTSS.
8eite
von ßrouardel 1646, Seltenheit der
— in Tunis, von Tostevint und
Remlinger 1646, - in Rumänien und
deren Bekämpfung, von Babes 1677,
causale Behandlung der —, von Klebs
1668, Behandlung der — mit Ligno-
sulfit, von Dannegger 1748, Betracht¬
ungen eines prakt. Arztes in Betreff
der -, von Hirsch 1748, Werth der
Serumreaction für die frühzeitige
Diagnose der —, von Arloing und
Courmont 1752, — der Conjunctiva,
von Uhthoff 1783, Preisschrift über
— als Volkskrankheit, von Knopf
1796, Ausbreitung der — im Körper,
von Ribbert .1830
Tuberculose-Commission.987
Tuberculosecongress, s. a. IV. Th.
Tuberculosecongress, britischer .... 1719
Tuberculosecongress in Neapel . . 451, 483
Tuberculoseforschung, einige d. nächsten
Aufgaben der, von Coraet.775
Tubereulide, von Boeck, Fox, Campana,
Darier.1361
Tuberculin R bei Lupus und Scrophu-
loderma, von Adrian 334, von Napp,
von Grouven 334, — und die Früh¬
diagnose derTuberculose, von Fränkel
440, — alsDiagnosticum, von Fraenkel
1425, Wirkung des — auf die Iris-
tuberculose, von Schiech ..... 1508
Tuberculintherapie, Ursachen des Miss¬
erfolges der, 1891, von Krause . . 370
Tuberkelbacillen, s. a. Bacillen.
Tuberkelbacillen, Wachsthum der, von
Tomasczewski 299, Untersuchungen
von Butter und Milch auf —, von
Ascher 333, Nachweis von — in den
Faeces, von Strasburger 633, Wachs¬
thum der — auf sauren Gehimnähr-
böden, von Ficker 701, Injection mit
dem specifischen Gifte der —, von
Boccardi 709, Trennung der —, von
de Launoise und Girard 709, Säure¬
festigkeit der —, von Helbing 782,
Anreicherungs verlahren bei derünter-
suchung auf —, von Jochmann 782,
Wachsthumsgeschwindigkeit des —,
von Römer 908, Modification des —,
von Mircoli 910, Methoden des Nach¬
weises von —, von Wolff 1051, Ver¬
hütung der Ansteckung mit —, von
Mosler 1114, Wucherung der — auf
Heydenagarplatte, von Fraenkel 1150,
Eintrittspforte des —, von Taylor
1318, beschleunigte Züchtung des —,
von Hesse 1315, — im Froschkörper,
von Lubarsch 1542, — Nachweis im
Butter, von Hellström 1637, Nach¬
weis der — im Sputum, von Cza-
plewski.1748
Tuberkelpilze, Verbreitungs weise der,
von Moöller.299
Tubo-Ovarialcysten, von Nassauer ... 221
Tumor, von Delbanco 952, — cerebelli,
von Schtile 235, — in der rechten
Ponshälfte, von v. Rad 559, intra-
thoracischer —, von Holzknecht 619,
parasitärer Charakter der —, von
Podwyssotzki 810, Aetiologie der ma¬
lignen —, von Ziem 946, Behandlung
maligner — mit Arsenik, vonTrunczek
1149, Chlorzinkätzungen bei inoperab¬
len —, von Völcker 1182, Pathogenie
der gemischten parabuccalen —, von
Cunlo und Veau 1218, verimpfbare —,
von Gehrke.1768
Tumorenoperation an der Medulla spina-
lis, von Böttiger . ..978
Tumwesen, Landesinspector für das . 563
Typhlitisanfall, chirurgischer Eingriff
während eines, von Rosenberger . 1470
Typhöse Geschwüre in Vulva und Va¬
gina, von Lartigau. 59
Typhus s. a. Abdominältyphus, Aggluti¬
nation, Unterleibstyphus, Ueotyphus,
Laryngotyphus, Meningotyphus,Ulcus.
XLIX
Seite
Typhus abdominalis, von Köhler 63, von
Rumpf 877, Impfungen gegen —,
von Duckworth 21, Entzündung der
Rippenknorpel nach — abdom. von
Lampe 94, Verbreitungsweise des —
durch Austern, von Horcika 164, —
im Kindesalter, von Barbier und
Herrenschmidt 174, Himdrucksymp-
tome bei —, von Salomon 234, Ur¬
sprung der Antikörper beim —, von
Deutsch 267, Himdrucksymptome
beim —, von Stadelmann 300, —
ohne Fieber, von Etienne 407, — in
Wien 521, Agglutination von Faecal-
bacterien bei — abd. durch das Blut¬
serum, von Köhler und Scheffler 767,
furunculöser Ausschlag im Verlaufe
des — abd., von Busquet 810, — als
Folgekrankheit der Influenza, von
Potain 954, rascher Beginn des —,
von Widal 964, — in Südafrika, von
Doyle 988, von Parker 1505, Kranken¬
hausübertragung des — abdominalis,
von Thomesco und Costinesco 1014,
meningitische Symptome beim —,
von Netter 1188, Myelitis haemor-
rhagica transversalis bei — abdom.,
von Schiff 1213, die Leukocyten beim
— abdominalis, von Naegeli 1243,
Desquamation beim —, von Rem¬
linger 1279, — in Czernowitz 1892
bis 1899, von Luttinger 1426, Salol
bei —, von Thomescu 1476, Agglu-
tinationscurve beim —, von Cour¬
mont 1576, Blutgefrierpunkt bei —
abd., von Waldvogel 1673, Schnell¬
diagnose des — abd. nach Piorkowski,
von Menzer.1756
Typhusagglutinin, Untersuchungen über,
von Winterberg ..333
Typhusähnliche Erkrankung, von Schott¬
müller .1184
Typhusbacillus, von Guizetti 346, Nach¬
weis von — nach Piorkowski, von
Schütze 126, Unterscheidung des —
von Bact. coli, von Maukowstd 129,
Nährsubstrat zur Isolirung von —,
von Maukowski 129, Nachweis von —
in der Haut bei Roseola typhosa,
von Fraenkel 555, Hankin'sehe Me¬
thode zum Nachweis der —, von
Hilbert 658, Züchtung der — aus
dem Stuhle, von Kraus 663, Agglu¬
tination des von Jatta 700, Ver-
werthbarkeit der Agglutination für
die Diagnose der —, von.1388
Typhusbehandlung, von Billings, Quine
und Webster.879
Typhusdiagnose, Werth des Harnnähr¬
bodens für die —, von Piorkowski 87,
neuere bacteriologische Methoden der
—, von Krause 207, Piorkowski’sches
Verfahren der —, von Mayer . . . 1245
Typhusepidemie, von Genersich 370, —
in Löbtau 1899, von Hesse .... 333
Typhusfälle, von Auerbach ...... . 1605
Typhusimpfungen.1025
Typhuskranke, Ernährung der .... 521
Typhuspleuritis, von Widal und Merklen 1222
Typhuspneumonien, Bacteriologie der
lobären, von v. Stühlern.514
Typhuspsychosen, von Deiters .... 1623
Typhus exanthematicus, v. Moczutkowski 1719
V.
Ulcus typhosum, mit Operation behan¬
delte Fälle von, von Marsden 1116,
Behandlung des— ventriculi mitEisen-
chloridausspülungen, von Bourget
1191, — molle und Bubo, von Krulle 1638
Ulna, Architectur der menschlichen, von
Albrecht.1116
Unfall .1648
Unfallfolgen, reelle und eventuelle, von
Pfalz 98, Anleitung zur Begutachtuug
von —, von Müller.282
7
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
INHALTS-'VERZEICHNISS.
1Ö00.
Unfallkranker, von v. Leyden u. Butter-
sack 133, schädliche Suggestionen
bei —, von Seiffer.
Unfallpraxis, aus der, von Peters . .
Unfallrentelasten, Abminderung der
Unfallversicherung, land- uud forstwirth-
schaftliche.5G3,
ünfallversicherungsanstalten und ärzt¬
liche Honorare.
Unfall Versicherungsgesellschaft, Kölnische
Unfallversicherungsgesetz . . . 754,
Unfallversicherungspolicen, Infections-
dausel in den.
Unguis incarnatus, von Kudriachoff
Universalgriff, galvanokaustischer, von
Schneider.
Universitatsnachrichten • Berlin 33, 67,
179,210, G35,675,716,755,788,820,850,
955, 988, 1060,1192, 1224, 1328,1108,
1446, 1836, Bonn 988, Breslau 33, 67,
1024, 1060, 1518, 1551, 1684, Erlangen
716, 1060,1092, 1256, 1408, 1583, Frei¬
burg 67, 179, 1092, Giessen 523, 755,
Göttingen 523, 850, 1367,1518, Greifs¬
wald 108, 179, 210, 409, 1024, 1154,
Halle 179,210,409,523,564,755,883,924,
1123,1192,1256,1446,1647,1796,1836,
Heidelberg 33, 67, 179, 211, 409, 451,
484, 523, 564, 988, 1024, 1060, 1092,
1408, 1446, 1518, Jena 635,1256,1647,
Kiel 716, 788, h83, 1024, 1123, 1551,
1647, Königsberg 755, 850, Leipzig 33,
924, 1024, 1060, 1224, Marburg 379,
716.1060, 1192, München 33,140, 243,
523, 850, 1024, 1256, 1647, 1720,
Rostock 716, 755, 988,1480,1518,1684,
Strassburg 716, 755, 850, 883, 1024,
1060,1256, 1551, 1720,1796, Tübingen
820, 924, 988, 1024, 1060, 1224, 1836,
Würzburg 179,276, 347, 379, 522, 755,
1024, 1154, 1720.
Amsterdam 108, 243, Athen 409,
1285, 1480, Baltimore 924, 1224, Basel
67, Bern 1615, Bologna 346, 523, 924,
1328,1480, Brüssel 1446, Buffalo 1551,
Cagliari 924, 1328, Catania 108, 409,
Charkow 1480, Chicago 924, 955,1092,
1224.1796, Christiania 1552, Cork 409,
924, Dorpat 67,1684,1720,Edinburg308,
1092, Florenz 67, 211, 596,1408,1552,
Genf 67, 409, Genua 140, 347, 755,
924, 955, 1123,1328,1408, 1446,1480,
1552, Glasgow 635, Graz 67, 451, 755,
1518, 1615, Grenoble 1224, Groningen
1796, Helsingfors 1408, Jassy 347,Inns¬
bruck 409,1154,Kasan 67,Kiew 523, Ko¬
penhagen 67, 243,409,1367,1518, Kra¬
kau 347, Lausanne 1123, Lemberg 108»
1684, Lille 635, 924, London 108, 955,
1154, 1828, Lund 243, Messina 347,
924, 955, 1092, 1615, Modena 1408,
Montpellier 924, Moskau 67,379,1615,
Neapel 67, 108, 140, 523, 924, 1092,
1154, 1328, 1408, 1508, 1684, New-
Haven 1224, New-York 347, 788,
Odessa 451, Ofen-Pest 140,1123,1480,
Padua 243, 635, 924, 1060, Palermo
635.924.1060, 1328, Paris 523,564,755,
955.1123.1796, Parma 1328,1552,1615,
Pavia 243, 635, St. Petersburg 140,
523, 635, 755, 924, 955, Philadelphia
635, 1092, Pisa 1552, Prag 140, 451,
523, 596, 788, 1060, 1092, 1154, 1367,
»1408, Reims 379, 1684, Rennes 1224,
[ Rio-de-Janeiro 1446, Rom 211, 523,
1060, 1328, Siena 523, Tours 1720,
Turin 140, 347, 523, Utrecht 523,
Warschau 523, Wien 67, 108, 243,
308, 788, 988,1060,1123, 1720, Zürich
409, 820.
Unterbindung des Truncus innominatus,
von Hernandez.1219
Unterbindungs- s. a. Nahtmaterial.
Unterbindungs- und Nahtmaterial, von
Rissmann.. . . . 1436
Unterkieferfractur, von Bahls .... 1711
Unterleibscontusionen, Operationen
wegen, von v. Angerer.705
Seit« Seite
Unterleibsoperationen, Nachbehandlung
schwerer, von Steinthal.251
1315 Unterleibstyphus, epileptiforme Anfälle
361 in der Reconvalescenz eines, von
482 Mühlig 221» Aetiologie des —, mit
Berücksichtigung der Stadt Mülheim,
883 von Kirchner 1Ö22, Pathologie und
Therapie des —, von Barth 1572,
849 Schnelldiagnose des —, von Btschoff
347 u. Menzer.1575
786 Unterleibsverletzungen durch Btumpfe
Gewalt, von Roestel.233
518 Unterrichtstafeln, augenärztliche, von
699 Magnus.1501
Unterschenkelamputirter mit tragfähigem
444 Stumpf, von Hirsch.980
Unterschenkelamputation, Technik der,
von Meusel. . 1460
Untersuchungen, bacteriologisclie, über
Luft und Wasser, von Minervini . 1575
Untersuchungsanstalten, Geschäfte der
öffentlichen für Nahrungs- und Ge¬
nussmittel 1899 . 1153
Untersucliungsmethode, neue physi-
j kalisclie, von Weisz.370
| Unterstiitzungscasse, württemhergische
ärztliche 788, ärztliche —, von Krecke
1463, wirtschaftliche — für die Aerzte
Deutschlands, von Krecke 1716, von
Dörfler :.1717
Unterstützungswesen, ärztliches, in
Bayern, von Spaet.871
Urachusfistein, von Jahn.874
Uraemie, Venaesectio bei, von Dames 132,
Aderlass bei —, von Richter 265,
schwere —, durch Aderlass geheilt,
von v. Hoesslin.930
Uraemische Zustände der Kindheit, von
Comby.1439
Urein, von Moore.1283
Ureter s. a. Harnleiter.
Ureter, Steine im, von Morris 165,
—Genitalfistel, von Gottschalk . . 1750
Uretercystoskop, von Kollmann . . . 1287
Ureterdivertikel, von Lippmann-Wulff . 1581
Ureterenchirurgie, von Werthheim . . 439
Uretereneinpflanzung, von Bovee . . 1507
Ureterensteine, Diagnostik der, von Kelly 1468
Uretero-Cysto-Anastomosis, abdominale,
von Gottschalk.1750
Uretero-Cysto-Neostomie, von Pemice . 1750
Urethra, Keimgehalt der weiblichen, von
Schenk und Austerlitz 547, Keim¬
gehalt der —, von Savor.591
Urethraldrainage, von Strebei.1719
Urethralfäden, Häufigkeit des Vorkom¬
mens von, von Brauser.808
Urethritis non gonorrhoica, von Barlow
774, Mercurol bei —, von Guiteras . 1506
Urethrostomie, perineale, von Poncet . 175
Urin, Pentosehaltiger, von Bial 241, im
— auftretende Proteine, von Halli-
f 1 burton 450, — bei Erkrankungen des
[ Magens, von Friedberger 655, — nnd
Blutuntersuchung, von Strubell 664,
Dauer der Hefegährung in zucker-
f haltigem - , von Lohnstein 1385» Aus¬
scheidung enterogener Zersetzungs-
producte im —, von Strauss und Phi-
lippsohn.1601
Urininfiltration, extraperitoneale, von
Braun.1019
Urinsecretion, Einfluss des Nervensy¬
stems auf die, von Vinei.1445
Urinuntersuchung mittels Gefrierpunkts¬
und Blutkörperchenmethode, von
Hamburger.1U5
Urogenitaltuberculose, Infectionswege
bei, von Posner.709
Urosinbehandlung bei harnsaurer Dia-
these, von Weiss.703
Urotropin, von Nicolaier 162, von Zaudy
1354, von Ganali und Avanzini 1613,
— in der Behandlung der Oystitis,
von Goldberg 1049, — als UriUanti-
septicum, von Drake-Brockmann . 1116
Urticaria chronica, von Kreibich 836, —
I pigmentosa, von v. Starck.376
Seite
Uterinarterien, Sclerose der, von Chol-
wogoroff 513, Blutungen bei Sclerose
der —, von Simmonds . . . . . . 62
Uterus s. a. Gebärmutter, Totalexstir¬
pation.
Uterus, Geburtsstörungen nach Vagino-
fixation des —, von Rühl 19, Ent¬
fernung der — und Adnextumoren,
von Sigismund 28, Fixatio —, von
Vineberg 60, retroversioflexio — mo¬
bilia, von Krönig und Feuchtwanger
95, — bicornis unicollis, von Bren¬
necke 134, multiples Myom des gra¬
viden —, von Pagenstecher 202, Ca¬
stration bei — rudimentarius, von
Eberlin 262, kreissender — mit Pla-
centa praev. tot, von Fraenkel 298,
Heilung und Verhütung der Retro-
deviationen des — im Wochenbett,
von Rissmann 312, Belastungstherapie
bei Retroflexio — gravidi, von Funke
332, epitheliale Keime der Adeno-
myome des —, von Pick 368, Para¬
lyse des nicht schwangeren —, von
Kossmann 394, Enderfolge der ope¬
rativen Behandlung der Retroversio¬
flexio —, von Halban 438, decidualer
Polyp des —, von Hitschmann 438,
Carcinoma psammosum corporis —,
von Scbmit 438, orthopaedische Be¬
handlung der Lageveränderungen des
—, von Zepler 441, wegen Erkrank¬
ungen des Corpus entfernte —, von
Siedentopf 480, retroflexio — gravidi
part. incarcerata, von Unterberger 513,
Palliativverfahren bei inoperablem
Carcinom des —, von Küstner 589,
Endothelgeschwülste des —, von Po-
horecky 618, Anatomie des — von
Neugeborenen und Kindern, von
v. Maudach 742, ruptura — completa,
von v. Walla 776, myomatöser —,
von Prochownik 784, Operation der
Inversio —, von Hirst 844, operative
Heilung der Inversio —■, von Thom
856, Aetiologie und forensische Be¬
deutung der inversio —, von Thora
856, retroflexio — gravidi cum incar-
ceratione, von Reinecke 860, inversio
—, von Vogel 875, Entzündungen
und Lageveränderungen des —, von
Veit 877, Fusswanderung mit rupturir-
tem —, von Schwarz 942, Lagerungs¬
behandlung des —, von Beckers 1178,
Dührssen’sche Tamponade bei Atonie
des —, von Spaeth 1206, Behand¬
lung des Tetanus —, von Jacob 1209,
Ventrofixatio —, von Gilleain, von
Morris 1216, Duplication des — und
der Vagina, von Wells 1216, Chirurg.
Eingriff bei retroperitonealem Fibro-
myom des —, von de Ott 1286, Liga¬
tur der Gebärmutterarterien bei My¬
omen des —, von Gottschalk 1286,
Achsendrehung des —, von v. Woerz
1314, Fibromyom des Fundus —, von
Pinna-Pintor 1352, Contractions- und
Erschlaffungszustände des — in den
ersten Schwangerschaftsmonaten,von
Beuttner 1352, chirurgische Behand¬
lung des Prolapsus —, von Terrier
1397, Behandlung des — Prolapses,
von Inglis-Parsons 1398, Retrodevia-
tion des —, von Fouraier 1398,
chronische Inversion des —, von
Spinelli 1398, Behandlung der —
-Adnexentztindungen mit vaginalen
Injectionen, von Callero 1398, Fibrome
des —, von Doran 1404, Elevation
des —, von Ludwig 1428, Abort in¬
folge Blennorrhoe des —, von Drag-
hiescn undSion-Moschunal466, Häufig¬
keit der Retroversioflexio —, vcn
ßchroeder 1502, Nebenhora des
doppelten —, von Kehrer 1570, Aus¬
ladung oder Bicomität des — gra-
vidus, von Hink 1576, — bipartitus,
von 8immonds 1578, vom — aus-
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900.
INHALTS-VERZEICHNISS.
LI
Seite
gehende septische Infection, von
Abel 1581,1605, beginnender Cervix¬
krebs des —, von Freund 1600, Tor¬
sion des graviden —, von Thom
1609,In versio—i ncompleta.vonThorn
1609, Myombildung bei doppeltem —,
von Gunsett 1635, Geburt bei — bi-
eornis bicollis, von v. Meer 1636,
Zusammenhang von — und Magen¬
leiden, von Tuszkai 1706, rudimen¬
tärer — unicomis bicollis, von Hin-
ricius 1782, Cystadenoma — cysticum
polyposum, von Fischei 1782, myo-
inatöse —, von Thom 1789, Hyperae-
sthesie des graviden —, von Thom
1790, Carcinom des —, von Thorn . 1790
Uterusbindegewebe, Veränderungen der,
in der Umgebung des Eies, von Spee 1607
Uterasblntungen, mechanische Behand¬
lung atonischer, von Schwertassek 299
Uteruecarcinom, Frühdiagnose des, von
Wiener 337, inoperable, von Ranoletti 1223
Uterusemphysem und Gassepsis, von
Halban .438
Uterusexstirpation, vaginale, als radicale
Krebsoperation, von Winter .... 1503
Uterusfibrome, Naturgeschichte der, von
Champneys .268
Uterusgangraen, puerperale, von Beck¬
mann .•. . 875
Uterusgefässe, von Meinecke. 30
Uteruskrebs, Radicaloperation bei, von
Wertheim .1716, 1752
Uterusmyome, conservative chirurgische
Behandlung der, von Olshausen 666,
— und Diabetes, von Kleinwächter
1426, Complicationen der —, von
Freund .1434
Uterusruptur, von Doctor 57, von Funke
984, von Franz 1437, - während der
Gebart, von Siedentopf 1119, spon¬
tane complete —, von Baur 1426,
—in der Schwangerschaft, von Freund
1437, von Alexandroff 1782, Therapie
der —, von Schmit.1750
Uterusschleimhaut, nekrotische,von Gott¬
schalk . 24
Uterussubstanz, Aufbau der, von Pick . 781
Uterastuberculose, von Michaelis . . . 1600
Uterusvaporisation, von Johnson . . . 1247
Uvealtractus, Prognose des Sarkoms des,
von Stock. 98
V.
Vaccina generalisata, von Haslund 336,
von Vucetic.906
Vaccination, antagonistische Wirkung
von, und Tussis convulsiva, von
Guercini.909
Vaccineerkrankung des Auges, von v.
Förster.1090
Vaccineinfection an den Lippen, von
Jungmann.1389
Vademeccum für den Geburtshelfer, von
Kleinschmidt. 55
Vagina, Atresie der, von Schalita 1246,
Exstirpation der —, von Bröse 1425,
Conception und Abort beiDefect der
—, von v. Meer.1672
Vaginal cysten, Symptomatologie und
Genese der, von Pincus.808
Vaginalsecret, Streptococcen des, von
Stähler und Winckler.1277
Vaginifixur und Geburt, von Rieck . . 1442
Vaginofixation, Dauerresultat nach, von
Kauffmann.263
Valsalva’scher Versuch bei geöffneter
Brusthöhle, von Reineboth ... . 617
Vaporisation s. a. Atmokausis, Wasser¬
dampf, Uteras Vaporisation.
Vaporisation, Technik der. von Dührssen
263, intranasale —, von Berthold . 1705
Vaporisationsapparate, von Freund . . 984
Variola, Behandlung der — vera, von
Kotowtschicoff 127, — und Strepto-
cocceninfection, von Rumpel 270,339,
— und Phthisis, von Sterling . . . 1425
Seite
202
1573
1600
1468
780
Variolavaccine, von Voigt.1759
Varicellen s. a. Nephritis.
Varicellen, gangraenöse, von Krjukoff
Varicellenausschlag, von v. Starck .
Varicen, Veränderungen der Venenhäute
bei, von Janni 873, Unterbindung der
V. saphena bei —, von GrzeB .
Varicocele, Radicaloperation der, von
Narath. .203
Varixbildung der Rückenmarksvenen,
von Coon .
Vasektomie in der Behandlung der Pro¬
statahypertrophie und der atonischen
Blase, von Harrison.
Vegetationen, adenoide, von Goldschmidt
1279, Blutbefund bei den Trägern
adenoider —. von Lichtwitz und Sa-
brazes 551, Operation der adenoiden
, von Rudi off.1248
Vena portae, chirurgische Oeffnung neuer
Seitenbahnen für das Blut der, von
Talma.1115,
Venen, Entzündung, Sklerose und Er¬
weiterung der, von Fischer .
Venenerkrankung, Aetiologie der vari
cösen, von Schambacher ....
Venenpuls der V. saphena, von Launois
und Loeper.
Venerische Krankheiten in Aegypten,
von Rabitsch.
Verband-Compresse.
Verblutungstod aus der unterbundenen
Nabelschnur, von Balin . . .
Verbrecher, Lehre von den geistes
kranken, von Siemerling . . . 623,
Verbrennungen, Tod bei, von Scholz
Verbrühung, von Koth.
Verdaulichkeit verschiedener Eiweiss¬
nahrung, von Beddies und Tischer
Verdauungsleukocystose, von Japha 975,
Verdauungsstörungen, acute, im Säug
lingsalter, von Sonnenberger
Verdopplung des Zeigefingers, von Joa¬
chimsthal .
Vereine s. u. IV.
Vergiftung, alimentäre, mit intermitti-
rendem Fiebertyphus, von Rendu
Vergiftungen in Betrieben und das Un
fallversicherungsgesetz. von Lewin
Verhandlungen der Deutschen Patholo
gischen Gesellschaft 1446, — der
Gesellschaft für Kinderheilkunde
Verhungern, Tod durch, von Frei
Verjährung ärztlicher Forderungen nach
neuem Recht 33, von Schaefer
Verkrümmungen, hochgradige, von Drees
mann.
Verletzungen, Lehrbuch der Nachbehand¬
lung von, von Müller.
Versammlungen s. u. IV.
Verstopfung, habituelle, bei Kindern
von Concetti..
Verträge, ärztliche, mit privaten Ver¬
einigungen .
Verunreinigung der Liinmat durch die
Abwässer der Stadt Zürich, von Tho
mann.
Verurteilungen, ehrengerichtliche
Verwundungsfrage im Kriege und Sani
tätsdienst, von Habart ....
Vesicovaginalfisteln, Methode, zuzu¬
nähen, von Spassokonkozky .
Veterinärmedizin, Abiturientenexamen
als Vorbedingung für das Studium der
Vibrationsmassage, von Achert 1581,
Heilerfolg der—, von Ostmann 621
instrumentelle —, von Achert . . ,
Vioform, von Tavel.974
Viscin, von Riehl.1575
Vitiligo, Aetiologie der, von Gaucher . 1440
Vitium cordis copgenitum, von Henkel 340
Vivisection ..674
Vogelgicht, von Kionka.1088
Dr. v. Vogl’s Rücktritt.178
Volksbäder, Deusche Gesellschaft für
33, 139, 1445, 1719
Volksgesundheitspflege, Blätter für . . 1551
Volksheilstätten s. a. Heilstätte.
1185'
1012
94
1317
1709
1683
1573
842
152
1612
1244
1057
662
1354
174
778
1446
1752
16
881
232
2 " 2
748
Seite
Volksheilstätte des Kreises Altena bei
Lüdenscheid 297, Behandlungsme¬
thode der deutschen — für Lungen¬
kranke, von Wolff 747, IV. Bericht
des Münchener Vereins für — ... 923
Volkshygiene, Verein für, in München 1616
Volkssanatorien in Frankreich, von Ser-
siron.747
Volvulus, Darmausschaltungen bei, von
v. Bergmann 705, — coeci, von Kaiser
973, Resection des — der Flexura
sigmoidea, von Steinthal 705, chro¬
nischer — coeci, von Hausmann 1600,
— des Magens, von Wiesisger . . 1757
Vorhof, Fibromyxom des linken, von
Jacobsthal.1115
Vormagen, von Hoppe-Seyler.1643
j Vulva, Diphtherie der, von Leick . . 237
Vulvovaginitis gonorrhoica der Kinder,
j von G assmann 1389, Behandlung der
- bei kleinen Mädchen, von Siebert 1489
369
1836
843
942
715
1541
Digitized b'
■V Google
w.
Wachsthumshemmung, von Springer 241
Wahlrecht der Frau Doctorin.849
Wanderleber und ihre klinische Bedeu¬
tung, von Einhorn.905
Wanderniere, durch — vorgetäuschte
Gallensteinbeschwerden, v. Mc Lagan
und Treves 443, Fixation der —, von
Biondi 1284, Befestigung der— durch
Filigrangeflecht, von Witzei .... 1706
Wangenlymphdrüsen, Lage und Erkran¬
kungen der, von Buchbinder ... 94
Wärme, therapeutische Verwendung der
feuchten, von Davidsohn.203
Wärmebehandlung, forcirte, von Kroenig 710
Wärmekasten für frühgeborene und
atrophische Kinder, von Rommel . 1610
Wärmestich, von Schultze ...... 19
Warzen, ChryBarobin gegen, von Fitz . 66
Warzenfortsatz, Küsters osteoplastische
Aufmeisselung des, von Pause 57,
Trepanirung des —, von Haläsz . . 621
Waschaether, Ersatz für versteuerten,
von Stich .... .1613
Wasser, Hygiene des, von Levy und
Bruns 439, — der Spree innerhalb
Berlins 1886 und 1896, von Dirksen
und Spitta 778, Anwendung des
siedenden — und Dampfes bei
Wunden, von Braatz 1013, hygie¬
nische Beurteilung des , von Weis-
senfeld.1542
Wasserdampf, Verwendung des heissen,
in der Gynäkologie, von v. Stein¬
büchel 473, Apparat für Erregung
von gesättigtem — und sterilem
Wasser, von v. Wunschheim . . . 1542
Wasserreinigung, Schumburgisches Ver¬
fahren zur, von Pfuhl .369
Wasserstoffsuperoxyd in der Wundbe¬
handlung, von Müller.1674
Wasseruntersuchung, Technik der bac-
teriologischen, von Abba 778, Nähr¬
boden bei der bacteriologisehen —,
von Müller.1707
Wasserversorgung mittels Thalsperren,
von Intze und Fraenkel.1356
Wechselströme s. a. Ströme, Teslaströme
Wechselströme, Anwendung hochge¬
spannter, von Eulenburg 306, Wirkung
der starken — auf den Stoffwechsel,
von Tripot.1191
Weichselzopfstatistik.1836
Weil’sche Krankheit, von Schittenhelm 966
Wendung auf den Kopf, von Horn . . 1832
Widalsche Reaction, Werth der, von
Fischer 333, — und Abdominaltyphus,
von Mewius.333
Wiederbelebung in Todesfällen, von Prus 843
Wirbelcaries, Pathologie und pathol.
Anatomie der Rückenmarkscompres-
sion bei, von Fickler.1084
Wirbelerkrankungen, traumatische, von
Schulz 1143, traumatische —, von
Oberst. 1347
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Lrr
INH ALTS-VE R ZEICHNISS.
1900.
Seite
Wirbelfractur, Rückenmarksverletzung
durch, von Lengnick 386, Statistik
über —, von Chipault.1219
Wirbelsäule Steifigkeit der, von Flesch
305, chronische ankylosirende Ent¬
zündung der —, von Darnach 163,
von Heiligenthal 439, Apparat zur
Extension der —, von Schanz 698,
Ankylose der —, von Glaser 882,
ankylosirende Entzündung der —,
von Kühn .... . 1333
Witterung, Sonnenscheindauer, Infec-
tionskrankheiten, von Ruhemann . 1386
Wochenbett, leichte FiebersteigeruDgen
im, von Franz 1601, spontane Gan-
graen im —, von Wormser 1601,
höchste Tagestemperaturen im —,
von Wormser.1636
Wochenbetterkrankungen, Entstehung
der fieberhaften, von Ahlfeld 1425,
von Krönig.1541
Wochenbettstatistik, von Knapp . . . 586
Wochenbetts verlauf, Einfluss der Schei¬
denspülungen auf den, von Krönig 1
Wochenschrift, Berliner klinische, fast
in jeder Nr., Deutsche medicinische —
eben80, Festnummer der Deutschen
medicinischen —, 67, Generalver¬
sammlung der Herausgeber der
Münch, med. —,379, psychiatrische—, 1025
Wöchnerinnenasyl und Reform der
WochenbettBbygiene, von Sperling . 333
Wörterbuch, medicinisches, d. deutschen
und französischen Sprache, von
Schober.1705
Wohnungen s. a Arbeiterwohnungen.
Wohnungen, die kleinen, in Städten,
ihre Beschaffung und Verbesserung,
von Reineke 1395, von Stübben 1395,
von Adickes.1396
Wohnungsaufsicht, polizeiliche .... 819
Wohnun gsverhältnisse,Verbesserungder 450
„Wolf “-Binde.987
Worttaubheit, transitorische reine, von
Veraguth.1314
Wundbehandlung, Werth der Pulver-
antiseptica bei der, von Brunner und
Mever 97, entzündungserregende
Mittel bei der --, von Meyer . . . 1213
Wunden, Behandlung inficirter, mit Was¬
serstoffsuperoxyd, von v. Bruns 701,
Behandlung der inficirten —, von
Bloch 1396, von Lejars.1396
Wurmfortsätze, exstirpirte, v. Hoffmann 1758
Wurstdarm, Kothrückstände im, von
Schilling.1354
Wurstgenuss, Massenerkrankung nach,
von Pfuhl.1575
8eite
Wurstvergiftung, 8 Fälle von, v. Lank 1345
Wuth, Immunisirting gegen, v. Aujeszky 129
X.
Xeroderma pigmentosum, von Lassar
984, von Herxheimer u. Hildebrandt
1099, von Lesser.1640
Xerosebacillus, sogenannter, von Schanz
333, — bei Phlegmone und Otitis
interna, von Warnecke . . .... 1412
¥.
Yaws, von Hutchinson.1444
Z.
Zählkammer, Zeiss - Thoma’sche, von
Meyer. 428
Zahn- und Mundpflege, von Röse . . 941
Zahnärzte, Promotionsverhältnisse der,
408, — als Peripatetiker.917
Zahncaries, Häufigkeit der, bei den Kin¬
dern, von Berger 906, — und anä¬
mische Zustände, von Billeter . . . 1215
Zahnersatz, Kosten für,.522
Zahnheilkunde, Cursus der, von Cohn
368, — in der gerichtlichen Medicin,
von Amoödo.1141
Zahntechniker, Narkosen bei.1399
Zange als lageverbesserndes Instrument,
von Schäffer.1573
Zangenhaken, neuer gehurtshilflcher,
von Hausen .... . 867
Zehe, Plantarluxation der grossen, von
Scholl.514
Zehenreflex, von Kalischer.. . 163
Zehenschuh, von Rose.1142
Zehnder, Fall . •. 563, 674, 820
Zeitschrift für klinische Medizin, 126,
200, 331, 587, 840, 1011, 1141, 1501,
1572, — für diätetische und physi¬
kalische Therapie 92, 332, 697, 905,
10ö6, 1386, 1540, — für Tuberculose
und Heilstättenwesen 564, 775, 1113,
1424, 1748, deutsche — für Chirurgie
93, 162, 233, 297, 512, 656, 905, 973,
1142,1351,1387,1502,1830,— für ortho¬
pädische Chirurgie 698, 1313,1749, —
für Geburtshilfe und Gynäkologie
262, 776, 875, 13^7, 1425, 1502, 1781,
deutsche — für Nervenheilkunde,
128, 439, 589, 1314, allgemeine — für
Psychiatrie 1541, 1673, — für Hygiene
und Infectionskrankheiten 263, 299,
333, 369, 700, 778, 907, 1315, 1388,
Belte
1542, 1576, - für Heilkunde 675,
medicinische — mit Preisaufgaben . 1679
Zelleinschlüsse, von Gorini .1315
Zellen, Umbildungen an, und Geweben,
von Ribbert 876, eosinophile — und
Knochenmark, von Nösske 905, —
im Auswurf und entzündlichen Aus¬
scheidungen, von Grttnwald 1011,
Methode zur Beobachtung von Schä¬
digungen lebender —, von Neisser
und Wechsberg 1261« eosinophile - ,
von Wolff 1353, eosinophile — im
Phthisikersputum von Ott.1670
Zickzacknaht, verborgene, von Severano 1149
Zimmtsäure, von Kraemer.1366
Zittern, von Levy- Dorn.i 64
Zoonose, von Winternitz.474
Zucker als wehenverstärkendes Mittel
von Madlener . . . .1177
Zuckerabspaltung aus Eiweiss, von Wohl-
gemuth .1214
Zuckerarten, Elimination einiger, durch
den Urin im Kindesalter, von Nobe-
court .1280
Zuckerbestimmung, neue Methode der
quantitativen, von Grober ... . 302
Zuckerbildung aus Eiweies und Fett,
von Lüthje.587
Zuckerkranke, Operationen an, von Fisk 945
Zuckerkrankheit, Wesen der, von Leo . 542
Zuckerrübensäfte, Dunkelwerden der,
von Epstein.439
Zunge s. a. Lingua.
Zunge, Totalexstirpation der ganzen, von
Kümmell 1515, — und Kehlkopfcar-
cinom, von Heinlein 1U21, Exstir¬
pation der — und des Mundbodens,
von Koltze.1351
Zungenbelag bei Gesunden und Kranken,
von Müller . . . . , .1125
Zungenepitheliom, von Renaut .... 753
Zungenspatel, fixirbarer, von Paunz . . 878
Zungenspitze, traumatische Gangraen
der, von Werner.978
Zurechnungsfähigkeit, geminderte, von
Cramer .1708
Zwerchfell, Ruptur und Bruch des, von
Weischer.1425
Zwerchfellbruch, durch Laparotomie ge¬
heilter, von Leuw 591, — bei einem
Kinde, von Kaeppeli.1215
Zwerchfellhernie, klinische Diagnose der,
von Hirsch. 996
Zwergwuchs und seine Pathogenese,
von Gilbert und Rathery.1280
Zwillingsschwangerschaft, zweieiige, von
Wolff.618
IV. Aus Instituten, Kliniken, Krankenhäusern, aus Vereinen, Versammlungen etc.
Seite
Aachen: Louisenhospital. 290, 463, 885, 1198
Altona: Aerztlicher Verein. 28, 168, 554, 1018
Andernach: Provinzial-Irrenanstalt.1623
Barmen: Städtisches Krankenhaus.609
Berlin: II. med. Klinik. 183, 729
— IH. med. Klinik.186
— Universitäts-Ohrenklinik.1412
— Psychiatrische und Nervenklinik der kgl. Charitö . . 762
— Chirurgische Abtheilung am Hedwigskrankenhaus . . 827
— Innere Abtheilung des Krankenhauses Friedrichshain . 1263
— Krankenhaus Bethanien.647
— Medicinische Gesellschaft 24, 102, 135, 168, 208, 240,
270, 305, 338, 372, 406, 448, 487, 671, 710, 753, 781, 845,
882, 953, 984, 1056, 1514, 1550, 1681, 1605, 1640, 1710, 1833
Seite
— Verein für innere Medicin 25, 103, 136, 209, 241, 306,
338, 372, 449, 521, 711, 782, 845, 882, 910, 985, 1057,
1515, 1581, 1605, 1679, 1711, 1833
— Gesellschaft der CharitAAerzte 60, 138, 168 , 301, 337,
747, 845, 977, 1022, 1118, 1678, 1756
Bonn: Medicinische Klinik. 314, 646, 885
— Laboratorium der medicinischen Klinik.458
— Universitäts-Frauenklinik.1532
— Universitäts-Poliklinik für Nasen- und Ohrenkranke . 568
Breslau: Geburtshilfliche Poliklinik.565
— Dermatologische Universitäts-Klinik.1227
— Krankenhaus der Elisabetherinnen.1453
Chemnitz: Städtische Diphtherie-Untersuchungsstation . . 895
Dresden: Diakonissenkrankenhaus.891
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1900.
INH ALT8-VERZEICBNISS.
Seite
Dresden: Orthopädische Heilanstalt des Dr. A. Schanz . . 1588
Düsseldorf*. Städtisches Barackenkrankenhaus.424
Erlangen: Medicinische Klinik. 1047, 10t4
— Universitäts-Klinik für Augenkranke. 780, 1070
— Medicinische Universitäts-Poliklinik.886
— Physiologisches Institut.1769
Frankfurt: Institut für experimentelle Therapie 677, 962, 1261
— Innere Abtheilung des städtischen Krankenhauses . . 1733
— Dermatologische Abtheilung des städt. Krankenhauses 1099
Freiburg: Medicinische Klinik.925
— Medicinische Poliklinik.1481
— Hygienisches Institut.1666
— Verein der Aerzte. 61, 204, 235, 402, 603, 1251
Giessen: Medicinische Klinik. 141, 1553, 1822
— Pathologisches Institut.352
Gleiwitz: Augenheilanstalt für Oberschlesien ... 255
Göttingen: Kgl. Poliklinik für Ohrenkranke . . . 1664, 1693
Greifswald: Chirurgische Klinik. 794, 1226
— Universitäts-Frauenklinik.309
— Pharmakologisches Institut.957
— Medicinischer Verein . . 62, 119, 236, 338, 946, 1711, 1758
Halle: Medicinische Klinik.1175
— Chirurgische Universitätsklinik.364
— Diakonissenhaus.1064
— Verein der Aerzte . . . 749, 948, 1052, 1149, 1252, 1712
Hamburg: Neues Allgemeines Krankenhaus zu Hamburg-
Eppendorf . 152, 318, 799, 1525
— Krankenhaus St. Georg.317
— Chirurgische Abtheilung des israel. Krankenhauses . . 687
— Vereinshospital.1565
— Röntgeninstitut von Dr Albers-Schönberg und Dr. Hahn 284
— Aerztlicher Verein 63, 138, 2« 6, 270, H39, 403, 519, 592,
669, 750, 881, 911, 978,1090, 1442, 1515, 1606, 1641, 1757, 1831
— Biologische Abtheilung des Aerztlichen Vereines 30, 170,
237, 271, 340, 373, 446, 555, 782, 845, 912, 950, 978,
1054, 1118, 1578, 1714, 1758
Hannover: Physiol.-ehern. Laboratorium des Krankenhauses 1339
Heidelberg: Medicinische Klinik .... 381, 791, 1649, 1687
— Chirurgische Klinik. 1872, 1555
— Universitäts-Poliklinik. 460, 576
— Physiologisches Institut.381
— Vulpius’sche orthopädisch-chirurgische Heilanstalt . . 569
— Naturhistorisch-medicinischer Verein . 103, 478, 881, 914
Jena: Medicinische Klinik. 245, 642, 757
— Psychiatrische Klinik.829
— Medicinische Poliklinik.1587
— Hygienisches Institut.757
— Medicinisch naturwissenschaftliche Gesellschaft 63, 272,
301, 375, 813, 847, 1119
Kiel: Pathologisches Institut. 1563, 1653
— Anscharkrankenhaus.216
— Physiologischer Verein 342, 376, 1579, 1607, 1642, 1760, 1787
Köln: Angustahospital.1233
— Innere Abtheilung des Vincenzhauses.421
— Chirurgische Abtheilung des VincenzhauseB .... 650
— Allgemeiner ärztlicher Verein 237, 302, 478, 557, 692,
680,750,881,980,1019,1221,1254,1286,1324,1363,1760, 1788
Königsberg: Chirurgische Universitätsklinik.386
Leipzig: Medicinische Klinik. 996, 1449, 1685
— Medicinische Poliklinik.1378
— Universitäts-Frauenklinik.1, 1004
— Institut für angewandte Chemie . ..1685
— Medicinische Gesellschaft 64, 171, 287, 303, 842, 877, 479,
592, 1019, 1189, 1287, 1580, 1608, 1648
Magdeburg: Medicinische Gesellschaft 104, 134, 272, 404,
480, 519, 558, 711, 813, 843, 915, 1119, 1150, 1190, 1609,
1644, 1714, 1789
Marburg: Medicinische Poliklinik.414, 890
München: H. medicmische Klinik.1267, 1588
— Med.-propädeut. Universitäts-Klinik.929
— Chirurgische Klinik. 383, 1105
— Frauenklinik. 388, 605
— Universitäts-Augenklinik.12
— Universitäts-Kinderklinik.1485
— Pathologisches Institut.1262
— Hygienisches Institut. 277 413, 680, 1002
— Pharmakologisches Institut.5, 1729
— Medicinische Universitäts-Poliklinik.349
— Chirurgische Universitäts-Poliklinik.48
— Orthopädisches Ambulatorium der chir. Klinik .... 486
— Poliklinik für Kinderkrankheiten.1489
— Gamisonslazareth ..1409
— Chirurgische Heilanstalt von Dr. Krecke.862
— Chirurgisches Ambulatorium von Dr. Kronacher . . . 1380
— Aerztlicher Verein 447,558, 669, 814, 916, 952, 1325, 1585, 1610
— Gesellschaft für Morphologie und Physiologie ....
— Aerztlicher Bezirksverein.1684, 1716
Nürnberg: Städtisches Krankenhaus.156
— Chirurgische Abtheilung des allg. Krankenhauses . . . 288
— Medicinische Gesellschaft und Poliklinik 171, 273, 304,
713, 751, 784, 1021, 1120, 1151, 1191, 1761, 1792
— Aerztlicher Verein 480, 559, 1020, 1150, 1516, 158'\ 1610,
1715, 1760
Reichenhall: Dr. v. Heinleth’s chirurg.-gynäkol. Privatklinik 899
Rostock: Medicinische Klinik.1338
— Universitäts-Augenklinik.219
— Ohren- und Kehlkopfklinik.1168
— Aerzte verein. 172, 560, 952, 981, 1287, 1644
Sonderburg a. Alsen: Kreiskrankenhaus.1210
Stettin: Innere Abtheilung des städtischen Krankenhauses 1530
Strassburg: Dermatologische Klinik. 1694, 1787
— Pathologisches Institut.640
— Reconvalescentenhaus für Unfallverletzte.355
Stuttgart: Diaconissenanstalt.251
— Marienhospital. 263, 1415
— Karl-Olga-Krankenhaus.966
Tübingen: Medicinische Klinik.1297
— Universitäts-Frauenklinik. 934, 9 68, 1765
— Psychiatrische Klinik.* . 249
— Pathologisches Institut.1029
Würzburg: Medicinische Klinik. 455, 965, 112 >, 1369
— Augenklinik. 146, 1074
— Hygienisches Institut.110, 1381
— Untersuchungsstation am Gamisonslazareth . . 71, 1456
— Physikalisch-medicinische Gesellschaft . . 848, 983, 1120
— Aerztlicher Bezirksverein.1021, 1717
72. Naturforscherversammlung zu Aachen. 408, 987, 1155
Allgemeine Sitzungen. 1390, 1509
Sitzung der medicinischen Hauptgruppe.1428
Abtheilung für innere Medicin und Pharmakologie 1430,
1468, gemeinsam mit Neurologie.1433
Abtheilung für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten . 1434
Abtheilung für Chirurgie.1470
Abtheilung für Kinderheilkunde.1472
18. Congress für innere Medicin zu Wiesbaden 138, 378, 625,
662, 703
29. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zu
Berlin. 275, 594, 628, 635, 664, 705
Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege 346, 987,
1152, 1355, 1394
21. öffentliche Versammlung der Baineologischen Gesellschaft
zu Frankfurt a. M. 242, 22. öffentliche Versammlung
zu Berlin.1616
Verein der deutschen Irrenärzte.. 179, 562, 621
Anthropologen-Congress. 787, 1441
Deutsche Otologische Gesellschaft. 379, 881
Pharmakologen-Vereinigung.632
Verband deutscher Eisenbahnärzte.953
Verein süddeutscher Laryngologen, 6. Versammlung zu Heidel¬
berg 31, 105, 7. Versammlung zu Heidelberg . . 480, 672
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte zu Köln 443,
477, 515, 1545
25. Versammlung der sttdwestdeutschen Neurologen und Irren¬
ärzte zu Baden-Baden. 379, 715, 811
6. Versammlung mitteldeutscher Psychiater und Neurologen
zu Halle.1479
31. Versammlung der südwestdeutschen Irrenärzte zu Carls-
ruhe. ... . . 1677
17. Hauptversammlung des preussischen Medicinalbeamten-
Vereins.922
Aerztetag, 28. Deutscher.918
— Mittelrheinischer.787
— Mittelfränkischer.1090
Aerzteverein, Altmärker. ... 27
— unterelsässischer. 134, 343, 405, 984, 1152
Wissenschaftliche Wanderversammlung der Aerztevereine des
Kreises Duisburg .. 1022, 1057, 1753, 1785
Generalversammlung des Vereins Pfälzischer Aerzte zu Neu¬
stadt a. H.1517
Bezirksverein, ärztlicher, für Südfranken.1717
— — Regensburg.1795
Oesterreich.
Graz: Chirurgische Klinik.1725
Innsbruck: Chirurgische Klinik.601
— Hygienisches Institut.109
Prag: Deutsche Universitäts-Frauenklinik.1558
— Verein deutscher Aerzte. 172, 239, 274
Wien: Medicinische Abtheilung des k k allg. Krankenhauses 69
— Nervenabtheilung des k. k. allg. Krankenhauses . . . 897
— Hygienisches Institut. 1032, 1738
— Allgemeine Poliklinik.1586
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
LIV
INH ALTS-VERZEICH N ISS.
1900.
8eite
Wien: Abtheilung für Halskranke an der allg. Poliklinik. . 1134
— Gesellschaft der Aerste 137, 274, 805, 345, 406, 448, 481,
561, 593,671,714, 752, 819, 849, 918,1581,1612,1716,1762, 1792
— Medicinischer Club 173, 275, 305, 405, 447, 561, 714, 849,
1612, 1680, 1792
— Medicinisches Doctorencollegium 173, 179, 345, 447, 1631
Schweiz.
Basel: Frauenklinik.1373
England.
Birmingham and Midland Counties Brauch .175
Edinburgh: Medico-chirurgical Society. 138, 986
— Obstetrical Society.1647
Leeds and WeHt Riding: Medico-chirurgical Society . . 521
London: Royal Medical and Chirurgical Society . . . 986, 1023
— Medical Society.815
— Pathological Society. 106, 450, 1683
— Epidemiological Society.521
— Society of Anaesthetists.106
— The Sanitary Institute.815
Manchester: Medical Society. 562, 815
British Medical Association (Jahresversammlung zu Ipswich) 1402,1442
Royal Academy of Medecine in Ireland.786
Italien.
Bologna: Medic.-chirurg. Gesellschaft . 378, 450, 633, 986, 1405
Ferrara: Akademie der Medicin und Naturwissenschaft . . (>33
Florenz: MecL-physiologische Gesellschaft.1255
Genua: Medicinische Akademie ..954
Messina: Akademie.1445
Neapel: Deutsches Krankenhaus.999
— Chirurgisch-propädeutische Klinik.1303
Palermo: Medicinisch-chirurgische Gesellschaft.954
Parma: Medicinisch-chirurgische Gesellschaft .... 346, 1618
Seite
Rom: Lancisiana-Gesellschaft.1613
Sassari: Medicinische Gesellschaft .. 1091, 1405
Siena: Akademie. . 986, 1255
Turin: Medicinische Akademie zu Turin . 346, 450, 633, 1327
Congress gegen die Tuberculose' zu Neapel 451, 483, 562,
667, 707, 745
I^mbardisch-venetianischer Congress zu Padua.1445
Societa italiana per gli studi della malaria.1681
Frankreich.
Paris: Acadämie de Mödecine 105, 174, 241, 449, 663, 785,
815, 921, 953, 1121, 1222, 1444, 1646
— Acad&nie des Sciences . 785, 922, 1191, 1516
— Socitftö de Thörapeutique 138, 306, 378, 562, 785,922, 953, 1222
— Soctet^ mödicale des höpitaux 174, 407, 4nl, 521, 753,
921, 953, 1152, 1222, 1646, 1683
— Soci6t6 de p^diatrie. . 174, 883
— Society de Biologie .. 986, 1646
— Soci^tö de Chirurgie. 378, 815
— XHI. internationaler medicinischer Congress 850 , 8c3,
923, 955, 1059, 1146, 1187, 1192, 1216, 1249, 1280, 1317,
1356, 1396, 1438, 1476
— X. internationaler Congress für Hygiene und Demo¬
graphie . 850, 1092, 1224
— IV. internationaler dermatologischer Congress .... 922
— XIII. internationaler Congress für experimentellen und
therapeutischen Hypnotismus zu Paris . . . 1477, 1513
— IV. intemat. Congress für Psychologie zu Paris 1477, 1513
— Internationaler Congress für ärztl. StandeRangelegen-
bciten zu Paris. 306, 408, 1185
— I. internationaler Congress der medicinischcn Presse . 1059
Russland.
St. Petersburg: Militärmedicinische Akademie.832
Moskau: Gesellschaft der russischen Chirurgen.1616
V. Abbildungen und Curventafeln.
Seite
1 Abbildung zu Krecke, Adenoc&rclnom des Coecum ... 42
1 Curventafel zu Weiss, Blutdruckmessungen mit Gärtner’s
Tonometer . 69
2 Abbildungen zu Rotter, Die Herznaht als typische Ope¬
ration . 79
1 Abbildung zu Killian, Die oesophagoskopische Diagnose
des Pulsionsdivertikels der Speiseröhre.112
4 Abbildungen zu Mayer, Zur Pathologie der Miliartuber-
culose.121
1 Abbildung zu Göschei, Ein Fall von Perityphlitis im Bruch¬
sack; Resection des Coecum und Proc. vermiformis . . 156
1 Abbildung zu Cohn, Einige Bemerkungen über die baso¬
philen Körnchen in den rothen Blutscheiben.186
2 Abbildungen zu Krecke, Ueber Skoliosis lschiadlca .... 188
1 Abbildung zu Fröhlich, Casuistische Mittheilungen über
Schädel- und Gehirn Verletzungen.192
6 Abbildungen zu Heinz, Studien über Entzündung seröser
Häute ..213
2 Abbildungen zu Nassauer, Zur Lehre von den Tubo-Ovarlal-
cysten .221
2 Abbildungen zu Toff, Eine Verbesserung der „Sonde Intra¬
uterine dilatatrice“ von Doleris.224
1 Curventafel zu Grober, Ueber die Wirksamkeit der Spinal-
punetion und das Verhalten der Spinalflüssigkeit bei
chronischem Hydrocephalus.245
1 Abbildung zu Eversmann, Ein Fall von Selbstbeschädigung
auf hysterischer Grundlage.290
1 Abbildung zu Avellis, Schleimhautpemphigus als Ursache
der Verwachsung des weichen Gaumens und Heilung
desselben mittels besonderer Hartgummlbougies . . . 321
2 Abbildungen zu v. Noorden, Zur Schiefhals-Behandlung . . 323
2 Abbildungen zu Ranimstedt, Ueber eine eigenthümlicbe
Pfählungsverletzung.354
6 Curventafeln zu Rommel, Beitrag zur Behandlung früh¬
geborener Kinder.357
1 Abbildung zu Braun, Ueber das chirurgische Naht- und
Unterbindungsmaterial.377
4 Abbildungen zu Lengnick, Zur Oasuistik der Rückenmarks¬
verletzung durch Wirbelfractur.387
Seite
6 Abbildungen zu Steudel, Biegsame Aluminlumschienen . 390
2 Curventafeln zu Kossmann, Casuistische Miscellaneen aus
dem Gebiete der Geburtshilfe und Gynäkologie .... 395
3 Curventafeln zu Rolly und Saarn, Ueber den Einfluss des
Ichthalbin auf den Stoffwechsel und die Darmthätigkeit
der Kinder.460
10 Abbildungen zu Lange, Ueber periostale Sehnenüberpflanz¬
ungen bei Lähmungen.487
5 Abbildungen zu Hoffa, Zur Behandlung des Pes valgus . . 490
5 Abbildungen zu Lanz, Asepsis contra Antisepsis? .... 493
1 Abbildung zu Braun, Ueber das chirurgische Naht- und
Unterbindungsmaterial.499
3 Abbildungen zu Bofinger, Ein Tascbensterilisirapparat . . 508
1 Abbildung zu Bäumler, Zur Diagnose der durch gewerb¬
liche Staubinhalation hervorgerufenen Lungenveränder¬
ungen .525
4 Abbildungen zu Fleiner, Neue Beiträge zur Pathologie der
Speiseröhre.529
2 Abbildungen zu Vulpius, Zur Oasuistik der Sehnenzerreiss-
ungen.569
4 Abbildungen zu Michaelis, Zwei Fälle angeborener Mikro-
cephalie.605
1 Abbildung zu Klein, Ueber einen neuen verbesserten Re¬
spirator .651
6 Abbildungen zu Messerer, Ueber den Befund bei Er¬
stickung durch Einwirkung auf den Hals .... 727,771
1 Abbildung zu Steinbora, Ein Fall von Brustdrüse am Ober¬
schenkel .734
3 Abbildungen zu Seiffer, Ein Fall von Beri-Beri.762
2 Curventafeln zu Bezold, Drei Fälle von intrakranieller
Complication bei acuter Mittelohreiterung.763
3 Abbildungen zu Wolff, Zwei Fälle von angeborenen Miss¬
bildungen .767
1 Abbildung zu Lange, Idiopathische Osteopsathyrose . . . 863
1 Abbildung zu Hausen, Ein neuer geburtshilflicher Zangen¬
haken .867
1 Abbildung zu v. Heinleth, Bin Fall von Carotisdrüsen¬
peritheliom .899
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1900
INHALTS-VERZEICHNISS.
Seite
6 Curventafeln zu Clemens, Die diesjährige Influenza¬
epidemie in Freiburg i. B.925
1 Abbildung zu Mock, Ueber einen Fremdkörper im Augen¬
inneren, dessen Bestimmung mit Röntgenstrahlen und
Magnetextraction .932
3 Curventafeln zu Schulz, Ein Beitrag zur Kenntniss der
Terpentinölwirkung.957
1 Curventafel zu Schittenhelm, Ueber einen Fall von Weil-
scher Krankheit.966
6 Abbildungen zu Moritz, Eine Methode, um beim Röntgen-
verfahren aus dem Schattenbilde eines Gegenstandes
dessen wahre Grösse zu ermitteln.992
3 Abbildungen zu Hirsch, Zur klinischen Diagnose der
Zwerchfellhernien .997
1 Abbildung zu Walz, Ueber die normale „respiratorische
Leberbiegung“ und die Genese der sogen. Exsplrations-
furchen der Leber.1029
1 Abbildung zu Schilling, Bin Besteck für Magenunter¬
suchung .1038
4 Abbildungen zu Behm, Ein Fall von angeborenem Hira-
bruch.1069
3 Abbildungen zu Glauning, Ueber die Behandlung inflcirter
perforirender Bulbuswunden .1071
1 Abbildung zu Mailiefert, Ein Fall von indirectem Bruch
eines Mittelfussknochens.1237
1 Abbildung zu Hecht, Bin handlicher elektrischer Sterili¬
sationsapparat .1240
1 Abbildung zu Berliner und Cohn, Klinische Beiträge zur
Diagnose des Abdominaltyphus.1263
2 Abbildungen zu Struppler, Ueber das cavernöse Angiom
des Grosshirns.1267
1 Abbildung zu Fleiner, Ueber Gallenblasenentzündung und
davon abhängige Magendarmstörungen.1293
3 Abbildungen zu Phelps, Die Behandlung von Abscessen
der Gelenke mit Glasspeculum-Drainage und reiner
..
13 Abbildungen zu Leutert, Welchen Standpunkt dürfen wir
jetzt in der Frage der Therapie chronischer Mittelohr-
LV
Beite
I elterung einnehmen und wie steht es mit der Ohole-
! steatomfrage?.1329,1418
I 1 Abbildung zu Kühn, Beitrag zur Lehre von der ankylo-
I sirenden Entzündung der Wirbelsäule.1333
1 1 Curventafel zu Reiche, Zur Verbreitung des Carcinoms . 1337
I 3 Abbildungen zu Oberst, Ein Beitrag zur Lehre von den
1 traumatischen Wirbelerkrankungen.1347
1 Abbildung zu Rostoski, Untersuchungen Uber die Lage des
Magens bei Chlorotischen.1369
1 Curventafel zu Wormser und Bing, Ein einwandfreier
Fall von hysterischem Fieber.1373
2 Curventafeln zu Warnecke, Xerosebaclllen bei pro¬
gredienter Phlegmone, secundärer Wundinfection und
Otitis interna.1412
3 Abbildungen zu Kroemer, Zur Kenntniss der Lithopaedien 1453
1 Abbildung zu Schilling, Häufigkeit und Bedeutung der
Krystalle im Stuhl .1457
12 Abbildungen zu v. Ranke, Zur chirurgischen Behandlung
| des nomatösen Brandes.1485
1 Abbildung zu Toff, Ein Fall von Thoracopagus ...... 1493
4 Curventafeln zu Cramer, Grundsätze des Geburtshelfers
für die erste Ernährung des Kindes.1585
3 Abbildungen zu Port, Zur Frage der Heilbarkeit der
habituellen Skoliose.1625
I 2 Abbildungen zu Hirsch und Beck, Eine Methode zur Be-
| Stimmung des inneren Reibungswiderstandes des leben¬
den Blutes beim Menschen.1685
1 Abbildung zu Starck, Die Verwendung der Divertikelsonde
bei Oesophagustumoren.1687
1 Curventafel zu Klebs, Zur causalen Behandlung der Tuber-
culose.1688
2 Abbildungen zu Kaufmann, Bericht Uber die im Sommer
1900 beobachtete Blatternepidemie.1733
2 Abbildungen zu Payr, Beiträge zur Frage der trauma¬
tischen Nierenbeweglichkeit.1773
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck von E. Mühlthaler’s Buch* und Kunstdruckerei A.Q, München.
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Original fro-m
UMIVERSITY OF CALIFORNIA
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Die Münch. Med. Wochenschr. erscheint wöchentl.
In Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen.
Preis In Deutschi, u Oest.-Ungarn vierteljährl. H JC,
ins Ausland 7.50 JL. Einzelne No. 60 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren : Für die Redaction
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Boliinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J.». Michel, H.i. Ranke, F.». Wlnckel, H. t. Zlemssei,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
. 1 » 1. 2. Januar 1900.
KVdae.tion: Dr. B. Spatz. < Mo «strasse 1.
Verlag : J. F. Lehmann, IUiisirasse 20.
47. Jahrgang.
Originalien.
Blaublindheit bei Schrumpfniere.
Von C. Gerhardt.
Von Prof. Arthur König wurde in den Sitzungsberichten
der Königl. Preußischen Akademie der Wisseiisrha l’t.eii ISO?,
XXXIV eine Mittheilung über Bla uh lind heit; gemacht, die Sieh
auf Untersuchung von Kranken bezieht. Er fand mit Riehard
Simon zusammen blaublinde Bezirke der Ketioa hei 25 'Per¬
sonen, von welchen 14 an Retinitis albuminurica, 3 an Retinitis
syphilitica, 3 an Retinitis centralis aus unbekannter Prsache.
5 an Ablatio retinae litten. Dabei wird bemerkt, da>s manchmal
bei völlig ausgesprochener Blaublindheit auf dem entsprechenden
Bezirke; der Netzhaut ophthalmoskopisch nur ganz geringe Ver¬
änderungen sichtbar sind, ln mehreren Füllen verschwand mit
der Besserung der Retinitis auch die Blaublindheit. Einmal,
bei Ablatio retinae, wurden die blaublindeii Bezirke wieder voll-
kommen farbentüchtig, wenn sieh die betreffenden Netzhaut-
steilen in Folge einer Punetion anlcgtcn lind blieben es, solange
die Anlegung dauerte. Abgesehen von den Fällen von Ablatio
retinae, wo immer ein grösserer Bezirk befallen war, beschränkte
sieh die Blaublindheit fast stets auf den centralen, nur wenige
Grade im Durchmesser enthaltenden Theil des Gesichtsfeldes.
Gelegentlich einer Besprechung über diese Mittheilung von
Prof. König erinnerte sieh Oberstabsarzt Landgraf, dass
zur Zeit seiner Function als Assistent in meiner Klinik ein
Blei krankeil* mit Schrumpfniere lag, der von selbst klagte, dass
er blaue Gegenstände schwarz sehe, dass er Blau nicht unter¬
scheiden könne. Die Krankengeschichte war trotz allen Suchens
nicht mehr auf zu finden. Inzwischen habe ich öfter Nierenkranke
gefragt nach ihrer Fähigkeit, Farben zu unterscheiden. In zwei
Fällen erhielt ich Antworten, die auf Blaublindheit grösserer
Theile des Gesichtsfeldes hinzuweisen schienen. Der eine Fall
betraf einen älteren Lehrer, der, an vorgeschrittener Sehrumpf¬
niere leidend, auch über Abnahme des Sehvermögens klagte. Auf
meine Frage, ob er alle Farben gleich gut unterscheiden könne,
antwortete er: Ja, alle ausser Blau; wenn ich in meinen Garten
gehe, wundere ich mich immer, dass die Astern mir wie schwarz
Vorkommen. Irgend genauere Prüfung war bin einmaligem
Sehen in der Sprechstunde nicht möglich. Auch den zweiten
Fall sah ich nur flüchtig. Es war ein hochbetagter Handels¬
mann, der, schon seit mehreren Jahren an Nephritis schwer
leidend, durch Digitalis und ähnliche Mittel noch am Leben er¬
halten wurde und über Abnahme des Sehvermögens klagte. Von
vorgehaltenen Gegenständen erkannte er die Farben richtig,
ausser Blau, das er für Schwarz hielt.
Wiewohl ich mir der Unvollständigkeit dieser Angaben be¬
wusst bin, glaube ich doch daraus die Berechtigung entnehmen
zu können, auf die praktische Bedeutung der Entdeckung
A Koni hinzuweisen, die namentlich in dem Vorkommen
gänzlicher oder doch ausgebreiteter Blaublindheit gegeben zu
sein scheint.
So. I-
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Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Leipzig (Geheimrath
Prof. Dr. Zweifel).
Klinische Versuche über den Einfluss der Scheider-
spülungen während der Geburt auf den Wochenbetts¬
verlauf.
Von Dr. K r ö ii i g , Privatdozent an der Universität.
Die Miiassnahmen, welch;- während der Geburt zur Ver¬
hütung des Kindbet t Heber- in den verschiedenen geburtshil i -
liehen Kliniken getroffen werden, sind zur Zeit noch ziemliGf
von einander abweichende. Wenn wir hier abseheu von den Des-
in feetioiisvorsehrifteu, welche der geburtslei totalen Person ge¬
geben werden, so ditferiren die Ansichten betreffs der Desinfe.-
t ion der Krei-sendeii in-ofeni, als die Einen die Asepsis des G -
biiitseinials an und für sieh anerkennen und daher von jed: r
Desinfeetion desselben Al*sraml nehmen, während die Anderen
eine mehr oder weniger intensive Desinfeetion des Scheiden-
und GiTvixcanals intra partum verlangen. Eine vermittelnde
Stillung nehmen diejenigen Geburtshelfer ein, welche nur Vor
geburtshilflichen Opera t innen eine Desinfeetion der Scheide
fördern. So wird z. B. in den Kliniken von Bumm und
Zweifel grundsätzlich jede Scheidcnspiilung unterlassen,
gleichgültig, ob ein operaliver Eingriff sieh nothweiidig macht
oder nicht; in den Kliniken von () 1 s h a u s e n , Winckel,
1) ö d e r 1 e i n , F e h 1 i n g , L e o p o 1 d werden Scheidonspül-
ungen im Allgemeinen nur vor operativen Geburten ausgeführt,
während in den Kliniken von S e h a u t a , II o f m e i e r , A h 1 -
f e 1 d eine Scheidcnspüliing hef jeder Kreissenden vorgenommen
wird.
Zur Entscheidung der Frage, oh eine Desinfeetion des
Seheidencanals int ra partum nothweiidig ist oder nicht, können
klinische Versuche im Allgemeinen nur so angestellt werden,
dass der Verlauf des Wochenbetts von Kreissenden, bei denen
während der Gehurt desinficirende Scheidenspülungen zum
Zweck derAbtödtung oder Entwicklungshemmung der Soheiden-
haeterien gemacht sind, verglichen werden mit dem Wochen-
bettsverlauf solcher, bei denen während der Geburt keine Spül¬
ungen vorgenommen wurden, sondern die Bacterientiora sich
selbst überlassen blieb.
Zahlreiche Resultate derartiger Versuche sind mitgetheilt.
sie weichen aber zum Theil weit von einander ab.
Bumm 1 ) hat in seinem Referate über Aetiologie und
Pathogenese des Kindbettfiebers eine kurze Zusammenstellung
dieser Resultate gegeben.
Es differiren danach zunächst die Ergebnisse ver¬
schiedener Kliniken.
Die Morbidität im Wochenbett beträgt z. B. in der Mar-
burger Klinik 35 Proc., während die Morbidität an der Würz¬
burger Klinik nur 9,5 Proc. beträgt. Und doch wird, wie sieh
Bumm ausdrüekt, in Marburg wie in Würzburg aus Ueber-
zeugung und jedenfalls gründlich gespült. In gleicher Weise
differiren aber auch die Resultate, welche von Kliniken berichtet
werden, bei welchen die Scheidenspülungen unterbleiben; Mer-
m a n n erzielte 6 Proc., Leopold 8,3 Proc., Rosthor o
10 Proc., Zweifel ca. 27 Proc. Morbidität.
*) Bumm: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für
Gynäkologie, VIII. Versammlung 1899, pag. 276.
1
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
2
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Aber selbst dann, wenn die Versuche an ein und der¬
selben Ivlinik ausgeführt wurden, führten sie in den Kliniken
zu verschiedenen Resultaten. Steffek, Ahlfeld, Gün¬
ther und verschiedene andere Autoren berichten über ein
Sinken der Morbidität im Wochenbett nach Einführung
der praeliminaren Scheidenspülung intra partum, während
Leopold, Fehling, Heinricius, Zweifel nach
Aussetzen der Scheidenspülungen zum Theil wesentliche
Besserungen in den Wochenbettserkrankungen erzielten.
Man muss den Ausführungen Bumm’s voll und ganz bei¬
pflichten, dass die Verschiedenheit in den Resultaten viel¬
leicht zum Theil durch Beobachtungsfehler, vor Allem aber
wohl dadurch zu erklären ist, dass auf die Häufigkeit der fieber¬
haften Erkrankungen im Wochenbett nicht bloss die Anwendung
oder das Unterlassen der Scheidenspülungen während der Ge¬
burt Einfluss haben, sondern auch andere wesentliche Momente
in Frage kommen, wie Handhabung der Asepsis bei der Geburt
im Allgemeinen, Art der Händedesinfection, Abstinenz nach
Berührung mit infectiösem Material, Häufigkeit der Untersuch¬
ungen bei der Geburt, Art der Geburts- und Wochenbettsleitung,
Behandlung der lnfection, Art der Temperaturmessung u. s. \v.
Es ist selbstverständlich, dass diese verschiedenen Factoren
in verschiedenen Kliniken nicht in gleicher Weise vorhanden
sind, so dass zunächst hieraus gefolgert werden muss, dass die
Resultate verschiedener Kliniken nicht dazu verwerthet werden
können, um den Einfluss der prophylaktischen Desinfection der
Scheide auf den Wochenbettsverlauf zu bestimmen.
Die Verhältnisse liegen günstiger, wenn an einer Klinik
die Versuche so angestellt werden, dass eine gewisse Zeit, z. B.
zwei Jahre lang, die Scheidenspülung während der Geburt
in jedem Fall durchgeführt wird und dass dann in den folgenden
Jahren jede Scheidenspülung unterbleibt.
In dieser Weise sind bisher fast alle mitgetheilten Versuche
ausgeführt worden. Jedoch auch so ist die Forderung, alle
anderen für den Wochenbetts verlauf in Betracht kommenden
Momente ganz gleich zu setzen, praktisch kaum durchführbar.
Im Verlauf einiger Jahre — dieser Zeitraum ist gewöhnlich
erforderlich, um ein genügend grosses Beobachtungsmaterial zu
haben — wechselt das Personal in einer geburtshilflichen
Klinik; von dem jeweiligen Assistenten der geburtshilflichen
Station ist die Ausführung der antiseptischen Vorschriften
zu einem grossen Theile abhängig; die Behandlung des Puer¬
peralfiebers bleibt nicht die gleiche. Wenn daher an den ver¬
schiedenen Kliniken aus den gleichen Versuchen keine gleichen
Resultate gewonnen sind, so zeigt dies nur, wie schwer es ist,
hier gleiche Versuchsbedingungen zu schaffen.
Diesen Einwand mussten wir auch unseren Versuehsserien
machen, welche an hiesiger Klinik in früheren Jahren ausge¬
führt sind und deren Resultate in einer Dissertation von
Bayer“) niedergelegt sind.
Die Statistik umfasste 3499 Geburten. In einer Serie von
1414 spontan verlaufenden Geburten waren desinfi eilende
Scheidenspülungen gemacht worden, in den folgenden Jahren
war in einer Serie von 1629 Spontangeburten jede Scheiden-
spülung unterlassen.
Das Ergebniss dieser Versuche war, dass die Morbidität im
Wochenbett geringer war bei den während der Geburt nicht
scheidengespülten Wöchnerinnen.
Da diese Versuche aus den angegebenen Gründen nicht ge¬
nügten, um den Einfluss der Scheidenspülungen klar zu er-
Iv( nnen, so entschlossen wir uns im November 1898 zu einer
neuen Versuchsanordnung, welche die Fehlerquellen möglichst
umgehen sollte.
Das Princip der Versuchsbedingungen war gegeben. Da der
Wochenbettsverlauf von sehr vielen Factoren abhängig ist, so
müssen wir, will man einen Factor, also hier den Einfluss
der Scheidenspülung erkennen, in den beiden Versuehsserien
alle anderen Factoren möglichst gleich setzen, und nur den
gesuchten Factor wechseln.
Wir glauben, dieser Forderung in folgender Weise, so weit
es bei klinischen Versuchen möglich ist, gerecht geworden zu
sein.
“) Bayer: lieber den Einfluss des Ausspülens und Tou-
chirens bei der Geburt auf das Wochenbett. Inauguraldissertat.
Leipzig 1894.
Im Aufnahmezimmer des Kreisssaals bekam jede zweite
eintretende Gebärende einen Zettel, wodurch sie dazu bestimmt
wurde, dass bei ihr die Scheidenspülungen vorgenomxnen
werden sollten; bei den anderen unterblieben dieselben.
Die Scheidenspülung wurde nach den Vorschriften von
II o f in e i e r s ) ausgeführt, welche ich hier wiedergebe.
Die Kreissende wird bei der ersten Desinfection auf den
Untersuchungsstuhl gelegt. Nach sorgfältiger äusserliclier
Reinigung und Desinfection der äusseren Geschlechtstheile, so¬
wie der eigenen Hände führt man zwei Finger in die Scheide
ein, setzt den Mittelfinger in den Gebärmutterhals, soweit man
in denselben bequem gelangen kann und dirigirt den Flüssig¬
keit sstrorn (Sublimatlösung 1:2000, lauwarm) möglichst in den
äusseren Muttermund hinein, während man mit dem Zeigefinger
die Scheide auswäscht. Dann wechselt man die Finger, reinigt
mit dem Zeigefinger den Gebärmutterhalscanal und wäscht mit
dem Mittelfinger den noch übrigen Theil der Scheide ab.
Gleichzeitig sorgt man durch Niederdrücken des Dammes für
freien Abfluss der Flüssigkeit.
Das Flüssigkeitsquantum beträgt 1 Liter.
Weiterhin wird die Kreissende nach jeder inneren Unter¬
suchung, sonst alle 2—3 Stunden, auf einem Unterschieber im
Längsbett ausgespült, wiederum mit 1 Liter einer Sublimat-
lö.-ung 1:2000.
Vor einer jeden Ausspülung wurde Irrigator und Schlauch
1 Minute und das Spülrohr 10 Minuten lang in Wasser mit
geringem Sodazusatz ausgekocht.
Die Desinfeetionsvorschrift der Hände war folgende:
Nach sorgfältiger Reinigung des Unternagelraums werden
die Hände und Unterarme mit Bürste und Seife in möglichst
warmem Wasser 8 Minuten lang bearbeitet.
Nach Abspülen mit Wasser werden die Hände 3 Minuten
lang in die Desinfeetionslösung getaucht, bis eine Mahagoni¬
farbe der Oberhaut erzielt ist. Die Desinfeetionslösung wurde
auf folgende Weise hergestellt: 45 ccm Acid. hydrochlorie. pur.
werden mit 1600 ccm Wasser gut gemischt und hierauf 500 cem
feiner 4 proc. Kaliumpermanganatlösung zugesetzt.*)
Nach Behandeln mit dem Desinficienz wurden die Hände
kurze Zeit mit Wasser abgespült und in einer Oxalsäurelösung
entfärbt.
Sobald die Geburt beendet ist, werden die Wöchnerinnen
in das Wochenzimmer gebracht; eine räumliche Trennung der
Frauen, welche während der Geburt mit Scheidenspülungen be¬
handelt waren oder nicht, wurde nicht vorgenommen.
Bei einer derartigen Anordnung des Versuches, bei welchem
die beiden Versuchsreihen also nebeneinan d c r gleichzeitig
ausgeführt werden, ist Gleichheit der Bedingungen, sowohl der
Geburts- als Wochenbettsleitung, ziemlich sicher garantirt.
Ganz ähnliche, parallel laufende Versuche hat Leopold in
der Dresdener Klinik angestellt, nur waren hier in den beiden
Serien die geburtsleitc nden Personen verschieden, einmal Aerzte,
das andere Mal ausschliesslich Hebammen.
Wäre jede Temperatursteigerung im Wochenbett über
eine bestimmte Höhe durch lnfection puerperaler Wunden be¬
dingt, so Hesse sich in der That aus einer Zusammenstellung
der Fieberhöhen im Wochenbett mit grosser Sicherheit der Ein¬
fluss der desinfieirenden Scheidenspülungen für das Puerperal¬
fieber ableiten.
Da aber ein Theil der Temperatursteigerungen im Wochen¬
bett bestimmt auf andere, ausserhalb des Genitales liegende
Ursachen zurückzuführen ist, so müssen auch bei dieser Ver¬
suchsanordnung sehr grosse Zahlen verlangt werden, um den
dadurch entstehenden Fehler möglichst gering zu machen. Es
ist selbstverständlich, dass bei Aufstellung einer derartigen
Statistik alle Temperaturerhöhungen gerechnet werden
müssen, gleichgiltig, ob der Arzt die Ueberzeugung im ein¬
zelnen Fall gewinnt, dass das Fieber hier nicht durch eine Er¬
krankung der Genitalien bedingt ist, weil sonst dem subjectiven
Ermessen des Untersuchers ein zu weiter Spielraum gegeben
*) Vergl. Steffek: Zcitsclir. f. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. XV.
S. 401. — Hofineler: Deutsch, med. Woeliensclir. 1891. Bor!
klin. Wocheusclir. 1898, No. 40.
*) Vergl. Krönig und Paul: Die chemischen Grund¬
lagen der Lehre von der Giftwirkung und Desinfection (Zeitsehr.
f. Hyg. u. Infeetionskrankh. v. Koch u. Flügge, 1897. p. 78.
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
3
i*t; nur eine objective Wiedergabe aller Temperatursteigerungen
ist vollwerthig. Bei grossen Zahlenreihen werden sich bei
gleicher Wochenbettsbehandlung etwaige Differenzen in der
Statistik, welche durch den Einfluss extragenitaler Erkrankung
auf den Wochenbettsverlauf hervorgerufen sein könnten, in
beiden Serien ausgleichen.
Wenn ich im Folgenden über eine Serie von 1100 Geburten
berichte, so anerkenne ich vollständig, dass diese Zahl zu klein
ist; die Veröffentlichung geschieht trotzdem schon jetzt, in der
Hoffnung, dass vielleicht andere Kliniken gleiche Versuche an¬
stellen, wodurch der Entscheid in der schwebenden Frage wesent¬
lich beschleunigt würde.
Bei Ausführung der Versuche ist vor Allem der Thermo-
metrie besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Durch vergleichende Messungen in der Achselhöhle und im
After konnten wir bestätigen, dass die Temperaturmessungen
in der Achsel zu viele Fehlerquellen haben, um für der¬
artige Versuche verwerthbar zu sein. Wir haben bei den
Versuchen die Messung nur dann in der Achsel ausgeführt,
wenn Da Hirnverletzungen, bei der Geburt die Aftermessung ver¬
hinderten. Es ist im Folgenden stets besonders angegeben,
wenn ausnahmsweise in der Achsel gemessen war.
Bei der Messung im After wurde darauf Gewicht gelegt,
dass die Quecksilberkugel stets gleichweit — bis zum Beginn
der Scala — eingeführt war und dass das Ablesen genau nach
einer bestimmten Zeit — 5 Minuten nach Einführen des Ther¬
mometers — vorgenommen wurde.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass viele für die
Thennometrie am Krankenbett bestimmten Thermometer für
genaue Temperaturmessungen unbrauchbar sind. Wir be¬
obachteten, dass manche derartige Thermometer bei längerem
Gebrauch falsch anzeigten; es ist dies dadurch bedingt, dass
aus dem Steigrohr des Thermometers bei der Anfertigung nicht
alle Luft ausgetrieben war; bei häufigerem Senken und Heben
des Thermometers kann dann ein Theil der zurückgebliebenen
Luft unter die Quecksilbersäule gelangen und dadurch natür¬
lich ein zu schnelles Ansteigen der Quecksilbersäule bei Erwär¬
mung bedingen. 5 )
Die Ausführung der Thennometrie bei den Wöchnerinnen
gesell a h folgendermaassen.
Morgens 7 Uhr und Abends 5 Uhr wurden die Messungen im
Rectum vorgenommen. Die Wöchnerinnen wurden dazu in Seiten¬
lage gebracht ; in jedem Wohnzimmer wurden bei allen Wöchner¬
innen gleichzeitig das Thermometer von der betr. Ilebammen-
schülerin eiugeführt und die Höhe der Temperatur nach 5 Mi¬
nuten — die Zeit wurde mit der Rennuhr controlirt — von der
Oberhebamme abgelesen. Dr. Glöckner hat sich im Interesse
der Versuche der grossen Mühe unterzogen, mehrmals wöchentlich
die Temperaturangaben der Oberhebamme zu controliren; er hat
keine nennenswerthen Differenzen feststellen können. Ich
stimme Bum in nach unseren Erfahrungen vollständig bei, dass
wohl geringe Beobachtungsfehler Vorkommen können, dass diese
aber nicht so gross sind, dass sie das Gesammtresultat beein¬
flussen können.
Im Ganzen konnten für die nachstehenden Resultate 1114
Wöchnerinnen verwerthet werden; von diesen waren 577 intra
partum mit Scheidenspülungen behandelt, 537 nicht ausgespült
worden. Dass die Zahl der „Ausgespülte n“ und „N icht-
a u s g e s p ii 11 e n“ nicht übereinstinunt, was man a priori
erwarten sollte, ist dadurch bedingt, dass viele Frauen nach¬
träglich noch von der Statistik ausgeschlossen werden mussten.
So konnten sämmtliche Frauen, bei denen während der Ge¬
burt Eklampsie auftrat oder bei denen Blutungen in Folge
Placenta praevia bestanden, nicht verwerthet werden, weil die
eventuell auszuführende Scheidenspülung nicht exact genug
hätte durehgeführt werden können; ferner mussten alle die
Frauen von der Statistik ausgeschlossen werden, gleiehgiltig ob
dieselben für die Scheidenspülung bestimmt waren oder nicht,
bei denen der Partus während der Vorbereitungen zur Ent¬
bindung — Verabfolgung des Einlaufs, äussere Desinfeetion
*) Während der Yersuchsserie benützten wir ausschliesslich
Thermometer von der Glashandlung F. O. R. G ö t z e - Leipzig.
Bas Stück znm Preise von 3 Mark, Biese zeigten bei allen Nach¬
prüfungen niemals Störungen.
No. 1.
u. s. w. — erfolgte. ‘ Im Ganzen mussten so 158 Kreissendo aus¬
geschaltet werden.
Bei einer vergleichenden Statistik sind für unseren Zweck
besonders die Frauen zu verwerthen, bei welchen jeder operative
Eingriff während der Geburt unterblieb. Bei den Operationen
überwiegt die Möglichkeit der Ausseninfection zu sehr, als dass
der eine Factor, die Scheidenspülung, wesentlich zur Geltung
kommt.
Desswegen ist der Hauptwerth der Statistik auf den
Wochenbettsverlauf der Kreissenden zu legen, welche entweder
gar nicht innerlich untersucht sind, oder bei denen wenigstens
ausser der innerlichen Untersuchung kein weiterer Eingriff vor¬
genommen wurde. Wenn wir also zunächst nur den Wochen-
bettsverlauf derjenigen Kreissenden betrachten, bei welchen
jeder, auch der kleinste operative Eingriff unterblieb, so er¬
gibt sich für unsere Versuchseriell Folgendes:
Die Zahl der Ausgespülten beträgt 515.
Davon hatten:
Temperatursteigerungen
über 38,0 im
Wochenbett 235 = 45,6 Proc.
(im Rectum gemessen)
„ 38,5 „
,,
121 = 23,5 „
„ 39,0 „
„
75 = 14,5 „
„ 39,5 „
* 40,0 *
41 = 7,96 „
.
17= 3,3 „
Eine Wöchnerin starb an Sepsis, welches einer Mortalität
von 0,19 Proc. entsprechen würde.
Die Zahl der Ni eh tausgespülten beträgt 465.
Davon hatten:
Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 177 = 38 Proc.
(im Rectum gemessen) „ 38,5 „ „ 86 = 18 „
„ 39,0 „ ,, 45= 9,6 „
„ 39,5 „ „ 25= 5,1 „
„ 40,0 „ „ 12= 2,5 „
Eine Wöchnerin starb an Sepsis, welches einer Mortalität
von 0,21 Proc. entspricht.
Diese Zahlen differiren im Verhältniss der Temperaturhöhen
der Ausgespülten zu den Nichtausgespülten nicht weit von der
Berechnung, welche Bayer früher in der erwähnten Arbeit
an dem Material der hiesigen Klinik gemacht hatte.
Bayer fand bei Achselmessung der Wöchnerinnen unter
1414 Wöchnerinnen, welche während der Geburt ausgespült
waren, bei 512 Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochen¬
bett = 36,21 Proc.
Darunter 4 Todesfälle an Sepsis, welches einer Mortalität
von 0,28 Proc. entsprechen würde.
Unter 1629 Wöchnerinnen, welche während der Geburt nicht
ausgespült waren, bei 422 Temperatursteigerungen über 38,0 im
Wochenbett = 25,91 Proc.
Darunter 1 Todesfall = 0,06 Proc.
Wenn wir nur völlig Gleichartiges in beiden Serien gegen¬
überstellen wollen, so müssen wir noch in beiden Grüppen die
während der Geburt innerlich untersuchten Wöchnerinnen
trennen von den während der Geburt nicht touchirten Wöch¬
nerinnen. In Wirklichkeit fällt dies weniger in’s Gewicht, weil
schon aus der B a y e r’schen Statistik hervorgeht, dass in hiesi¬
ger Klinik der Einfluss des Touchirens allein nicht deutlich in
der Häufigkeit der Temperatursteigerungen im Wochenbett
zum Ausdruck kommt.
Durch diese Trennung werden die vergleichbaren Zahlen
natürlich noch kleiner und ihre Beweiskraft verringert; trotz¬
dem gebe ich eine kleine Uebersicht hier wieder.
Von den 515 Ausgespülten wurden 123 während der
Geburt tou<?hirt.
Davon hatten:
Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett
(im Rectum gemessen) „ 38,5 , „
»
n
n
39,0
39,5
40,0
»*
n
n
65 = 52,9 Proc.
30 = 24,3 „
16 = 13 „
7= 5,6 „
2 = 1,6 „
Von den 456 Nichtausgespülten wurden 78 tou-
chir*, davon hatten:
Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 26 = 33,3 Proc.
(im Rectum gemessen)
38,5 „
ft
10=12,8
39,0 „
n
4= 6,1
39,5 ,
n
2= 2,5
40,0 „
n
0= 0
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4
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Von den Ausgespülten wurden nicht touchirt 392,
davon hatten:
Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 170 = 43,3 Proc.
(im Rectum gemessen) „ 38,6 „ „ 91 = 23,2
„ 89,0 „ „ 59=15
„ 39,5 „ „ 34= 8,6 „
, 40,0 „ „ 15= 3,8 „
Von den N ich tausgespülten wurden nicht tou-
cliir*: 387, davon hatten:
Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 151 = 39,0 Proc.
n
a 38,5 „
76 = 19,6
1t
n 39,0 „
n
41 = 10,5
» 39,5 „
„
23= 5,9
ft
n 40,0 „
„
12= 3,1
Um nicht bloss zu ermitteln, wie viele Wöchnerinnen Tem-
peraturstcigerung über eine bestimmte Grenze hinaus hatten,
sondern um auch eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie oft
von einer Wöchnerin im Durchschnitt bestimmte Tem-
peraturhöhen erreicht wurden, wurde folgendermaasscn ver¬
fahren. Aus der Temperaturcurvo einer jeden Wöchnerin
wurde abgezählt, wie oft in den Morgen- und Abend¬
temperaturen Temperatursteigerungen zwischen 38,1 und 38,5,
wie oft zwischen 38,6 und 39,0, zwischen 39,1 und 39,5, zwischen
39,6 und 40,0 und über 40,0 verzeichnet waren.
In derselben Weise geschah dies bei den Wöchnerinnen,
welche eine einmalige Temperatursteigerung über 38,0 hatten,
mit der Frequenz des Pulses und zwar in den Grenzen
von 81—100, 101—120, 121—140 und darüber. Die Pulszahl der
Wöchnerinnen war gleichzeitig mit dem Ablesen der Tem¬
peraturen Morgens und Abends festgcstelllt.
Schliesslich wurde die Summe der Verpflegungstage, welche
die Wöchnerinneu über den 10. Tag hinaus in der Klinik zu¬
gebracht hatien, gezogen und auf eine Wöchnerin im Durch¬
schnitt berechnet.
Ueberstieg die Verpflegungszeit in der Klinik 6 Wochen
nach der Entbindung, so wurden Temperatursteigerungen, Puls*
erhöhungen. Verpflegungstage nur bis zu dieser Zeit, also bis
zum 42. Tage .nach der, Entbindung gerechnet. Es ist dies noth-
wendig, weil sonst durch eine fiebernde Wöchnerin die Sta¬
tistik zu Gunsten der einen oder anderen Serie zu sehr beein¬
flusst werden kann.
Da hier nur grössere Zahlenreihen statistischen Werth be¬
sitzen, so habe ich in der nachfolgenden Zusammenstellung nur
die „ A usgespülten“ den ,,N ichtausgespülte n“
gegenübergestellt, ohne Rücksicht darauf, ob diese bei der Ge¬
burt touchirt oder nicht touchirt waren, ob es sich um Erst¬
oder Mehrgebärende handelte.
Tempera¬
turen
im After
gemessen
Aus.gesptilte
Nichtausgespülte
Die 235 Fiebern¬
den hatten
in Summa
Also eine
Fiebernde im
Durchschnitt
Die 177 Fiebern¬
den hatten
in Summu
Also eine
Fiebernde im
Durchschnitt
von 38,1-38,5°
450
1,91
3s0
2,14
„ 38,6-39,0°
194
0,82
143
0,80
„ 39,1-39,5°
119
0,50
57
0,32
„ 39,6-40,0°
66
0,28
40
0,22
„ 40,0°
32
0,13
35
0,19
Pulsfrequenz
von 81—100
1437
6,32
1035
5,84
„ 101-120
438
1,86
244
1,37
„ 121—140
82
0,84
44
0,24
„ 141
10
0,04
4
«
0,02
Verpflegungs¬
tage
über 10
434
1,84
287
1,62
Ich füge hier noch die Zahlen der Bayer’sclien Statistik
an: die Temperaturen sind hier in der Achsel gemessen. Eine
absolute Vergleichung der Zahlen ist daher natürlich ausge¬
schlossen, sondern nur bis zu einem gewissen Grade eine relative
zwischen „Ausgespülten“ und „Nichtausgespülten“.
(Tabelle siehe nebenstehend.)
Soviel geht zur Zeit aus der vorliegenden Statistik hervor,
dass bei den Nichtausgespülten die Höhe der Temperaturstei¬
gerung, die Höhe der Pulsfrequenz und die Verpflegungszeit
Tempera¬
turen
Ausgespülte
Nichtauß ge spülte
Die 512 Fiebern-,
den hatten
in Summa
Also eine
Fiebernde im
Durchschnitt
Die 422 Fiebern¬
den hatten
in Summa
Also eine
Fiebernde im
Durchschnitt
von 38,1-38,5°
1111
2,17
819
1,94
„ 38,6-39,0°
665
1,30
398
0,94
„ 39,1-39,5°
362
0,71
242
0,55
„ 39,6-40,0°
240
0,47
173
0,41
„ 40,1°
130
0,25
83
0,20
Pulsfrequenz
von 81—100
6614
12,92
4333
10,27
„ 101-120
2363
4,62
1206
2,86
„ 121
844
1,65
320
0,92
Verpflegungs¬
tage
über 10
2497
4,88
1144
2,71
geringer sind als bei den während der Geburt mit Sublimat¬
spülungen der Scheide Behandelten. Ob sich dies bei einer
grösseren Serie von Versuchen bestät igen wird, bleibt abzuwarten.
W r ird die Asepsis des Geburtscanals der Kreissenden an¬
erkannt, so können die Scheidenspülungen nicht bloss bei den
spontan verlaufenden, sondern natürlich auch bei den operativ
beendeten Geburten entbehrt werden, eine sichere Asepsis der
operirenden Hände und der verwendeten Instrumente voraus¬
gesetzt.
Eine vergleichende Statistik hat hier natürlich, wie
schon erwähnt, einen viel beschränkteren Wörth für die Ent¬
scheidung der Frage, ob die prophylaktische Scheidenspülung
intra partum nothwendig ist oder nicht. Es überwiegt einmal
zu sehr die Möglichkeit der Ausseninfection im Allgemeinen,
ferner ist, wie Olshauseu hervorhebt, die Gefahr der puer¬
peralen Infection bei den einzelnen Operationen sehr ver¬
schieden. W T ir dürfen nicht aus dem Vergleich des Wochenbetts-
Verlaufs nach Extractionen am Beckenende oder nach Extrac¬
tionen mit der Zange bei im Beckenausgang stehendem Kopf
mit dem Wochenbettsverlauf nach den viel grösseren Eingriffen
der manuellen Placentarlösung, Decapitation u. s. w. einen
Rückschluss machen auf eine während der Geburt in der
einen oder anderen Gruppe ausgeführten oder unterlassenen
Scheidenspülung.
Sicherlich darf die Statistik zweier Kliniken hier nicht ver-
werthet werden.
Ilofmeier sah unter 100 operirten Frauen nur in 6 Fällen,
also in 6 Proc., fieberhafte Wochenbetten bei Achselmessung auf-
treten bei Sublimatspülung der Scheide; wir beobachteten früher
bei Lysolspülung der Scheide in 43,22 Proc. der Fälle Temperatur¬
steigerungen über 38,0 im Wochenbett bei Achselmessung und
neuerdings bei Sublimatspülung der Scheide nach Hofmeier
bei Aftermessung unter 28 operirten Frauen bei 13 = 46,4 Proc.
Temperatursteigerung über 38,0 und bei 7=25 Proc. Temperatur-
Steigerung über 38,5. Es kommen bei den Operationen viel zu
viel andere Faetoren, welche auf den Wochenbett9verlauf von
Einfluss sind, in Betracht, vor Allem kommt es zu sehr auf
die Grösse der betreffenden Eingriffe an; je geringer der opera¬
tive Eingriff, um so besser im Allgemeinen ceteris paribus die
betreffende Statistik.
Hof meier kann daher auch den Vergleich seiner Morbidi¬
tätsstatistik nach Operationen mit der in hiesiger Klinik bei
nicht ausgespülten operirten Frauen erzielten Morbidität nicht
benutzen, um daraus den Werth der prophylaktischen Scheiden¬
spülung abzuleiten. In der Leipziger Frauenklinik waren Tem¬
pera turstei gerungen über 38° im Wochenbett nach Operationen
häufig, gleichgiltig ob die Scheide intra partum desinficirt war oder
nicht; im ersteren Falle 43,22 Proc., im letzteren Falle 49,41
Proc. ö ).
In den jetzigen Versuchsserien waren unter den während der
Geburt ausgespülten Frauen 28, unter den nicht ausgespülten
Frauen 43 operirt. Es sind hier nur diejenigen erwähnt, bei
welchen die Aftermessung im Wochenbett durchgeführt werden
•) Ilofmeier hatte gerade letztere Zahl in der Discusslon
über Puerperalfieber auf dem Gynäkologencongress in Berlin er¬
wähnt. Zweifel äusserte sich, dass ihm diese Zahl etwas hocii
vorkomme und dass vielleicht ein Versehen vorliege. Wir be-
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Gck igle
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
5
konnte. Sobald bei der Geburt ein Dammriss entstanden war,
musste die Achselmessung an die Stelle treten.
Von den 28 ausgespülten operirten Frauen hatten 13
im Wochenbett Temperatursteigerung über 38,0° (im Rectum ge¬
messen).
Von den 43 nichtausgespülten operirten Frauen
hatten 24 Temperatursteigerungen üer 38,0° (im Rectum ge¬
messen).
Eine derartige allgemeine Gegenüberstellung der Tempera¬
turverhältnisse ist bei der verschiedenen Werthigkeit der Opera¬
tionen für die Entscheidung der schwebenden Frage nicht zu
verwerthen, höchstens können gleichartige Operationen in beiden
Serien mit einander verglichen werden.
Wir können allenfalls die Zangenoperationen, die zer¬
stückelnden Operationen, die Wendungen etc. in beiden Gruppen
gegenüberstellen.
Ich gebe hier nur einige wenige Zahlen 7 ):
Bei 17 Zangen Operationen war in 8 Fällen die Sublimat¬
spülung der Scheide nach H o f m e i e r gemacht, von diesen
hatten 6 Temperatursteigerung im Wochenbett über 38,0° (im
Rectum), bei 3 überstieg die Temperatur die Höhe von 38,5 0 (im
Rectum).
in 9 Fällen war keine innere Desinfection vorgenommen, von
diesen hatten 5 Temperatursteigerungen im Wochenl>ett über 38,0°
iim Rectum), bei 4 überstieg die Temperatur die Höhe von 38,5°
<im Rectum).
Benutzen wir bei der Berechnung der Verpflegungstage der
Fiebernden diejenigen Fälle von Zangengeburten mit, bei denen
wegen gleichzeitiger Verletzung des Dammes die Temperatur-
messungen in der Achselhöhle vorgenommen wurden, so hatten in
der Gruppe der Ausgespülten unter 10 Fällen von Zangen¬
geburten 7 Wöchnerinnen Fieber, von diesen hatten 6 keine Ver¬
pflegungszeit länger als 10 Tage, 1 Fiebernde hatte eine Ver-
pflegungszeit von 21 Tagen; in der Gruppe der Nichtausgespülten
hatten von 11 mit Zange entbundenen Frauen 6 Fieber im
Wochenbett, bei diesen überschritt bei 4 die Verpflegungsdauer
in der Klinik nicht den zehnten Tag; eine hatte eine Ver¬
pflegungszeit von 15 Tagen, eine Fiebernde eine Verpflegungs¬
zeit von 18 Tagen.
V on den zerstückelnden Operationen, Per¬
forationen, Kraniotomien und Decapitationen waren in 4 Fällen
die Scheiden desinficirt worden, von diesen hatten 2 Temperatur¬
steigerung über 38,0 ,bei 2 überstieg die Temperatur die Höhe
von 38,5.
Die Verpfleguugszcit betrug bei 5 fiebernden Wöchnerinnen
— es sind hier 3 Wöchnerinnen, bei welchen wegen Damm¬
verletzungen die Achselmessung gemacht werden musste, mit¬
gerechnet — in einem Falle 13 Tage, in einem 15 Tage, in einem
18. in einem 25 Tage, nur in einem Falle nicht über 10 Tage.
In 14 Fällen war die Scheide bei der Vornahme der zer¬
stückelnden Operation nicht desinficirt worden.
Von diesen hatten 7 Temperatursteigerungen über 38°, bei
5 überstieg die Temperatur auch die Höhe von 38,5. Von den
7 Fiebernden — es wurden alle im After gemessen — hatten
6 keine Verpflegungszeit über 10 Tage, 1 eine Verpflegungszeit
von 13 Tagen.
Die Temperatursteigerungen nach Wendungen können
nicht zum Vergleich herangezogen werden, weil die 3 ange¬
führten Wendungen ausschliesslich in die Serie der „Ausge¬
spülten“ fallen, ebenso nicht die Temperatursteigerungen nach
manueller Placentarlösung, intrauteriner Entfernung von Eihaut¬
resten, Einleitung der künstlichen Frühgeburt, weil diese umge¬
kehrt zufällig ausschliesslich in die Serie der „Nichtausge-
spültcn” fallen; nur möchte ich erwähnen, dass von diesen Opera¬
tionen — im Ganzen 4 Fällen — keine Wöchnerin eine Tem¬
pera tursteigerung über 38,5 (im After gemessen) im Wochenbett
hatte, und bei keiner die Verpflegungszeit den 10. Wochenbetts-
tag überschritt.
Bei Dammrissen nach Spontangeburten sind alle Frauen
stets in der Achsel gemessen worden und da die Achselmessung
gewisse Fehlerquellen in sich schliesst, sind die Zahlen nicht
direct mit den früheren vergleichbar.
stätigen die Angaben Hofmeier’s, betonen aber ausdrücklich,
dass diese Zahl schon desshalb nicht für den Werth der Scheiden-
spülungen sprechen kann, weil Temperatursteigerungeu über 38°
nach prophylaktischen Scheidenspülungen fast gleich oft Vor¬
kommen, nämlich in 43,22 Proc. der Fälle.
0 Die ausführliche Arbeit erscheint demnächst als Inaugural¬
dissertation von Dr. Pflug.
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Ich erwähne nur kurz, dass die Temperaturverhältnisse in
beiden Serien ungefähr gleich waren. 35 Proc. Temperaturstei¬
gerungen über 38,0 bei 34 Dammrissen in der Serie der Aus¬
gespülten und 31 Proc. unter 29 Frauen in der Serie der
N ichtausgespülten.
Die vorliegende Statistik von 1100 Geburten ist noch nicht
gross genug, um die Frage nach dem Einfluss der Scheiden-
spülungen auf den Wochenbettsverlauf zu entscheiden. Die Ver¬
suche sollen noch über weitere 2000 Geburten ausgedehnt werden.
Soviel aber scheint sich doch in Zusammenfassung mit der
früheren Statistk von Bayer aus der hiesigen Klinik über
3482 Geburten, wenn dieser auch gewisse Einschränkungen zu
machen sind, zu ergeben, dass eine prophylaktische Scheiden¬
spülung in der Geburt zum Mindesten unnöthig ist.
Die Zahl der Temperatursteigerungeu über 38 ü im Verlauf
des Wochenbettes ist im Vergleich zu manchen anderen Kliniken
scheinbar eine sehr hohe, sowohl in der Serie der Ausge¬
spülten als auch der Nichtausgespülten; es ist dies zum Theil
durch die Art der Temperaturmessung (Messung im Rectum)
bedingt, zum Theil wohl auch dadurch, dass alle Temperatur¬
steigerungen, gleichgiltig welchen Ursprungs, zur Statistik ver¬
wendet wurden.
Dass die Handhabung der Asepsis im Allgemeinen keine
schlechte ist, geht daraus hervor, dass bei 2094 Geburten — 1629
der B a y e r’schen und 465 der vorliegenden Statistik — bei
welchen ausschliesslich nur äussere Desinfection der Kreissenden
aber kein operativer Eingriff statt fand, 2 Wöchnerinnen an
Sepsis starben; es ergibt dies eine Mortalität von ca. 0,1 Proc.,
einProeentsatz, welcher mit zu den besten gerechnet werden darf.
Ich verdanke die Veröffentlichung meinem Chef, Herrn Ge¬
heimrath Zweifel, welchem ich für die Ueberlassung des Ma¬
terials und für sein Interesse meinen Dank ausspreche.
Aus dem pharmakologischen Institut München.
Ueber die Wirkung fluorescirender Stoffe auf In¬
fusorien nach Versuchen von 0. Raab.*)
Von Prof. H. v. Tapp ein er.
Von Binz wurde bekanntlich gefunden, dass Chininsalze
ganz auffallend starke Gifte für Infusorien sind und die
Vermuthung ausgesprochen, dass diese Eigenschaft in einem
inneren Zusammenhang mit der Chininwirkung bei Malaria
stehe ‘).
Spätere Untersuchungen von Grethe und mir 2 ) ergaben
indess, dass diese nähere Beziehung nicht besteht. Wir fanden,
dass andere Substanzen, Phenylchinoline und Phenylacridine
(Phosphine), eine noch bedeutend grössere Giftigkeit für In¬
fusorien besitzen, in ihrer Wirkung auf Malaria hingegen dem
Chinin erheblich nachstehen. Mannaberg, der auf meine
Bitte noch einige weitere Malariafälle mit diesen Substanzen be¬
handelte, kommt zum Schlüsse, dass die Fieberanfälle durch diese
Stoffe wohl mehrere Tage völlig niedergehalten werden können,
nach dem Aussetzen derMedication, mitunter selbst beim Fortge¬
brauche kehren sie in 2—3 Tagen wieder, indem die Malaria¬
parasiten wohl auf einige Zeit gelähmt und an der Sporulation
verhindert, aber nicht zum Zerfall gebracht werden, wie durch
das Chinin.
Die ganz ausserordentlich starke Wirkung der Phenylacri¬
dine auf Infusorien (dieselben tödten noch in einer Verdünnung
von 1:1000 000 in wenigen Stunden) veranlasste mich, diesen
Befund im Auge zu behalten und zunächst Herrn cand. med.
O. Raab die Muttersubstanz des Acridin
Cöll4
/ | T \
\CH/
CeH<
resp. dessen wasserlösliches Chlorid untersuchen zu lassen. Das
Untcrsuchungsobject war wie bisher Paramaecium caudatum,
die Beobachtungen geschahen am hängenden Tropfen in feuchter
Kammer. Es zeigte sich, dass auch das Acridin stark giftig ist,
wenn auch lange nicht in dem Grade, wie sein Phenylderivat:
*) Vortrag, gehalten bei der Versammlung Deutscher Natur¬
forscher und Aerzte zu München in der Abtheilung für innere
Medicin und Pharmakologie, 19. September 1899.
l ) Central bl. f. d. med. Wissenschaften 1807.
*) Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. LVI. 189 u. 308; Münch,
med. Wochenschr. 1896, No. 1.
a ) Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. LIX, 185.
2 *
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e
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Zusatz von 1:1000 zu gleichen Theilen tödtete sofort,
„ „ 1: 5000 in ca. 30 Minuten,
„ „ 1:10 000 in durchschnittlich 60 Minuten.
Als dann zur Auffindung der unteren Grenze der Wirkung
geschritten und eine Lösung von 1 :20 000 untersucht wurde,
erhielt O. Raab ganz verschieden ausfallende Ergebnisse. Bald
waren die Paramaecien nach 60—100 Minuten todt und zerfallen,
bald lebten sie über einen halben Tag (800—1000 Minuten). Die
in Folge des damals herrschenden Witterungscharakters sehr
wechselnden Licht Verhältnisse brachten uns schliesslich auf den
Gedanken, es möchte ein Einfluss des Lichtes bei diesen sonst
ganz unerklärlichen Versuchsergebnissen im Spiele sein. In der
That brachte ein dementsprechend eingerichteter Versuch sofort
unzweifelhafte Gewissheit.
Paramaecien mit Acridinlösung 1:20000 ver¬
setzt starben bei Sonnenlicht in 6 Minuten,
dem zerstreuten Tageslicht ausgesetzt in ca.
60 Minuten, ganz im Dunkeln gehalten, waren
sie noch nach 60000 Minuten (100 Stunden) am
Leben.
Da diese Resultate sich nicht änderten, wenn zwischen Licht¬
quelle und Paramaecien zur Ausschliessung von secundären
Lichtwirkungen, wie Verdunstung und Erwärmung eine 10 cm
dicke Schichte von gesättigter Kupfersulfatlösung eingeschaltet
wurde, so hat man in ihnen einen directen Einfluss des Lichtes
vor sich, wie er unseres Wissens in dieser Weise in der Biologie
noch nicht beobachtet wurde.
Behufs Erklärung konnte man zunächst daran denken, dass
das Licht auf die Acridinlösung chemisch
unter Bildung von Zersetzungsproducten
grösserer Giftigkeit wirkt. Gegen diese Annahme
sprechen indess zwei gewichtige Gründe: 1. Eine dem Sonnen¬
lichte ausgesetzte Acridinlösung ist nicht giftiger, als eine im
Dunkeln bereitete und auf bewahrte; 2. Paramaecien in ver¬
dünnter Acridinlösung, welche dem Lichte bis zu deutlicher
Schädigung ausgesetzt werden, erholen sich alsbald, wenn sie in
dieser Lösung in’s Dunkle verbracht werden.
Als zweite Erklärung bot sich dann die Annahme, dass es sich
um das Zusammenwirken zweier Schädlich¬
keiten handle: der schwach giftigen, ver¬
dünnten Acridinlösung und des Lichtes, die beide
für sich allein nur ganz langsam und unzureichend wirkten.
Dagegen sprechen indess mit Entschiedenheit zwei Gründe:
1. Man kann Licht als solches nicht gut als eine Schädlich¬
keit für Paramaecien ansprechen, da Versuche ergaben, dass
diese selbst directes Sonnenlicht viele Stunden ohne erkennbare
Schädigung ertragen.
2. Der schädigende Einfluss des Lichtes müsste sich auch
bei allen anderen zahlreichen Paramaeciengiften in verdünnten
Lösungen zeigen, was laut folgenden Versuchen keineswegs der
Fall ist.
Lösungen von Morphinchlorid 1:50, Strychnin nitricum
1:100—10 000, salzsaurem Phenylchinaldin 1:1000—20 000 u. a.
tödteten ebenso rasch, mochten sie in directem Sonnenlicht oder
im Dunkeln auf Paramaecien einwirken. Demgegenüber zeigten
sich dem Acridin ganz analoge Differenzen bei folgenden Sub¬
stanzen :
Paramaecien wurden ge- im zerstreuten - n , ,
tödtet durch Zusatz von Tageslicht 1
Methylphosphin 1: «500 000 in 30—120 Min. nach 4 Tagen
Chinin, sulf. 1: 10 000 „ 15 „ in 70 Minuten
Eosin 1: 400 „ 15 „ „ 90 „
„ i: 800 „ 15 „ nach 24 Stunden
„ 1: 40000 „ 80—90 „ nach mehreren Tagen
noch lebend.
Diese Versuche eröffnen indess eine dritte Erklärungs¬
möglichkeit.
Die letztaufgeführten Substanzen haben nämlich mit dem
Acridin hervorragende optiseheEigenschaften gemein¬
sam: Ihre Lösungen besitzen starke Absorption für gewisse
Lichtstrahlen und starke Fluorescenz. Mit der ersten optischen
Eigenschaft, der Lichtabsorption als solches, hat unsere
Erscheinung nichts zu thun. Denn Lösungen solcher Substanzen,
welche in passender Coneentration ungefähr dieselbe Licht¬
absorption besitzen, wie Acridinlösungen, d. h. die Strahlen vom
ultravioletten Ende bis in das Blau absorbiren, aber nicht fluores-
ciren, verhalten sich im Lichte und im Dunkeln völlig gleich.
Es werden getödtet durch im Hellen im Dunkeln
Ferrocyankalium 5:100 nach 15 Min. nach 15 Min.
Phosphormolyldaensäure 1:20 „ 12 „ „ 12 „
Verdünntere Lösungen zeigen ebenfalls keinen Unterschied.
Es bleibt somit nur die zweite optische Eigenschaft: die
Fluorescenz. Dass diese in der That mit der in Rede stehen¬
den Lichtwirkung in Beziehung steht, geht mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit aus folgenden 2 Versuchen hervor, welche zeigen,
dass die Wirkung nur von gewissen, für jeden fluorescirenden
Stoff verschiedenen Strahlen und zwar denselben, welche auch
die Fluorescenz erregen, hervorgerufen wird.
1. Man entwirft mittels Glaslinse und Glasprisma oder, um
mehr ultraviolette Strahlen zu bekommen, mittels Quarzlinse
und Quarzprisma das Spectrum einer Schucker t’schen Pro-
jcctionslampe von 1500 Kerzenstärke auf einen Tisch und stellt
im rothen, grünen, violetten und ultravioletten Theil je eine mit
Eosinlösung 1:800 zu gleichen Theilen versetzte Paramaecien-
cultur auf. Jedesmal zeigte die im grünen Lichte aufgestellte
Cultur in 2—4 Stunden alle Stadien der Wirkung bis zum Tode,
während die anderen keine oder nur geringe Einwirkung be¬
merken Hessen. Bei Eosin sind also die grünen Strahlen die für
Paramaecien wirksamen und bekanntlich wird durch dieselben
Strahlen auch die Fluorescenz des Eosins am stärksten erregt.
(Die Versuche wurden im physikalischen Institut der Univer¬
sität ausgeführt.)
2. Stellt man eine mit Acridinlösung 1:20 000 versetzte Para-
maeciencultur derartig auf, dass alles an sie tretende Licht vor¬
her eine 4—5 cm dicke Schicht einer concentrirten Acridin¬
lösung (1: 500) passiren muss, so tritt die in Rede stehende Licht¬
wirkung nicht mehr ein, die Paramaecien sind noch nach einer
Woche gesund, selbst bei Durchleuchtung mit Sonnenlicht.
Nimmt man hingegen als Vorlage eine Chininlösung, so tritt die
Wirkung in gewohnter Weise ein, offenbar weil jetzt nur mehr
die unwirksamen ultravioletten und nicht die die Fluorescenz
des Acredins erregenden violetten Strahlen von der Vorlage ab-
sorbirt werden.
Der Versuch 2 beweist zugleich, dass nicht das ausgesandtc
Fluorescenzlicht, sondern der Vorgang bei der Fluoreseenz-
erregung selbst das schädliche Moment darstellt. Zum gleichen
Schlüsse führt auch die Beobachtung, dass Paramaecien, welche
von dem Fluorescenzliehte einer in ihrer nächsten Nähe auf-
gestellten Eosinlösung beschienen werden, noch nach mehreren
Tagen völlig gesund sind.
Die auf geführten Versuche lassen sich somit einstweilen in
folgende Sätze zusammenfassen: Licht gewinnt bei
Gegenwart von Acridin, Phenylacridin, Eosin,
Chinin in Verdünnungen, in denendiese Stoffe
für sich allein (im Dunkeln) entweder gar nicht
oder nur noch sehr wenig giftig sind, einen
stark schädigenden Einfluss auf Paramae¬
cien. Diese Wirkung steht mit der Eigenschaft
genannter Stoffe, zu fluoresciren, in geneti¬
schem Zusammenhang. Das Schädliche liegt
indess nicht im erzeugten Fluorescenzliehte,
sondern im Vorgänge der Fluorescenzerreg-
ung selbst.
Wie man sich dieses vorzustellen hat, ist bei der derzeitigen
unvollkommenen physikalischen Kenntniss des Wesens der Flu-
orescenzerregung nicht näher zu pracisiren. Herr O. Raab ver-
muthet, dass es sich um eine Umsetzung der Energie der Licht¬
strahlen in chemische Energie handelt, analog dem Chlorophyll
(einem ebenfalls stark fluorescirendem Körper!), nur mit dem
Unterschiede, dass diese Uebertragung bei den Paramaecien die
Vernichtung, bei den Pflanzen die Fortführung des Lebens be¬
dingt.
Daran schlösse sich nun die Frage, hat diese neue Art von
Lichtwirkung eine allgemeine biologische Bedeutung? Versuche
hierüber stehen noch aus. Man kann es aber als wahrscheinlich
bezeichnen, dass diese Erscheinung doch nicht auf Paramaecien
resp. Infusorien beschränkt ist, sondern auch bei Zellen höherer
Organismen, soweit selbe dem Lichte zugänglich sind, eine nütz¬
liche oder schädliche Rolle spielen kann, und zwar auf zweierlei
Weise:
1. Vermöge des Umstandes, dass einzelne thierische Organe
und Flüssigkeiten, z. B. äussere Haut, Netzhaut, Blut- und
Lymphserum fluoresciren, allerdings meist nur in schwachem
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. •
7
Grade, immerhin aber so, dass es von Seiten der Physiologen und
Therapeuten beim Studium der Einwirkung des Lichtes Beach¬
tung verdient.
2. Durch von aussen aufgenommene fluorescirende Stoffe.
So könnte z. B. die bisher räthselhafto schwere Hautentzündung,
welche bei hellfarbigen Schafen und Schweinen an sonnigen
Tagen nach Aufnahme von Buchweizen auftritt, in der Auf¬
nahme resp. Bildung fluorescirender Stoffe aus dem Futter ihren
Grund haben. Umgekehrt können sieh vielleicht durch Einver¬
leibung resp. Auftragung von gewissen fluorescirenden Stoffen
lx*i Einwirkung des Lichtes auch therapeutisch verwendbare
Wirkungen einstellen, so dass dann solche Stoffe z. B. in der Der¬
matologie eine ähnliche Verwendung finden würden, wie es in
der Photographie empyrisch schon seit ca. 10 Jahren mit dem
Eosin und anderen fluorescirenden Farbstoffen als „Sensibili¬
satoren“ der Fall ist.
Die ausführliche Mittheilung von l)r. (). Raab wird dem¬
nächst in der Zeitschr. f. Biologie, Bd. 89, erscheinen.
Ein sonderbarer Influenzaausbruch auf der Haut, bei
mir und in meiner Umgebung.
Von Dr. Rieger, Professor der Psychiatrie in Würzburg.
Einleitung.
loh darf wohl sagen, dass, auf dem Wege eigener Beobach¬
tung oder mündlicher Mittheilung oder des Lesens, Jahraus
Jahrein, so ziemlich alles zu meiner Kcnutniss gelangt, was aus j
der inneren Mcdicin Neues und Wichtiges zu erfahren ist. Wenn
ich nun von einem sonderbaren Influenzaausbruch, wie ich ihn an j
mir selbst und an einer barmherzigen Schwester meiner Klinik ')
erlebt habe, sonst nichts beobachtet, gehört oder gelesen habe, so
darf ich desshalb daraus mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den j
Schluss ziehen, dass solche Fälle noch nicht in grösserer Anzahl 8
beschrieben worden sind, denn sonst hätten sie wohl meiner
Kenntniss nicht völlig entgehen können. Schon dieses ca-
suistische Interesse dürfte die nachstehende Veröffentlichung
rechtfertigen, wobei ich, selbstverständlicher Weise, mich sehr
gerne eines Besseren belehren lassen werde, wenn die Kopf- und
Gcsichtsschwellungen, um die es sieh handelt, schon anderweitig
beschrieben und von mir bis jetzt doch übersehen worden sein
sollten. Dass die Fälle besonders häufig seien, glaube ich jedoch
desshalb nicht, weil ich im letzten Jahrzehnt, besonders im
Juliusspital, ziemlich viele Influenzakranke beobachtet habe, i
ohne dass ich mich eines einzigen entsinnen könnte, der dir*
sonderbare Krankheitslocalisation gezeigt hätte. Andererseits
dürfte aber auch nicht anzunehmen sein, dass sie s e h r s e 1 t e n
seien. Denn es liegt doch kein Grund dafür vor, dass sic nicht
anderswo etwa in derselben geringen Häufigkeit auftreten sollten,
wie sic in meiner Umgebung aufgetreten sind. Sollte also meine
Annahme richtig sein, dass noch wenig darüber veröffentlicht ist,
so dürfte dies wohl in erster Linie seine Erklärung finden da¬
durch, dass Diejenigen, welche solche Fälle beobachtet haben,
nichts Rechtes damit anzufangen gewusst und aus diesem Grunde
die Beschreibung unterlassen haben. Sollten aber doch schon
zahlreichere Beschreibungen vorliegen, die nur mir entgangen
wären, so wird nachstehende kurze Mittheilung trotzdem dess¬
halb nicht ohne Interesse sein, weil sie, als Selbstbeobachtung,
Einiges enthält, was Beobachtungen an anderen nicht, zu Tage ■
fördern können. Auch ist cs mir erwünscht, mich bei dieser Ge¬
legenheit über einige Punkte allgemein physiologischer und
pathologischer, sowie auch psychologischer Natur zu äussern, i
die schon lange Jahre mein Nachdenken in meiner ärztlichen
Praxis beschäftigen, ohne dass ich mich bis jetzt je öffentlich
habe darüber äussern können.
I. Die Krankheitserschein ungen.
Dass der Krankheitsausbruch, um den es sich handelt,
zur Influenza gehört, ist genügend bewiesen dadurch, * dass
eine barmherzige Schwester meiner Klinik, einige Monate vor
mir, und nachdem sie gleichfalls allgemeine Symptome einer In¬
fluenza infection längere Zeit zuvor gezeigt hatte, ganz die
gleichen Kopf- und Gesichtsschwellungen bekommen hat, wie
ich sie einige Monate später bekommen habe; und zwar ich
gleichfalls nach deutlichen Influenzasymptomen gewöhnlicher
9 und (siehe unten den Schluss) auch au einem Manne meiner
Umgebung.
No. 1.
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Art. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese zwei 2 ) auffallenden
Erkrankungen rein zufälliger Weise, ohne durch das Band der
Influenzainfection verbunden zu sein, sich innerhalb desselben
Zeitraums bei zwei verschiedenen Bewohnern eines und desselben
Hauses gezeigt hätten, ist so gering; die Wahrscheinlichkeit
des Gegentheils so gross, dass der, durch die Influenza ver¬
mittelte, Zusammenhang als sichcrgesteilt gelten darf, und zu¬
mal, da in diesem Frühjahr LS99 so ziemlich die gesummte Be¬
wohnerschaft meiner Klinik von Influenza befallen war, die
sieh aber bei allen übrigen, ohne besondere Merkwürdigkeiten
iiusserte. Als die barmherzig«* Schwester ihre Kopf- und Gc-
siehtssehwellungen hatte, war ich verreist. Ich kann desshalb
über sie nicht aus eigener Anschauung berichten. Der Beschrei¬
bung nach war der Verlauf aber ganz der gleiche wie bei mir.
Ich bekam am ü. .Juli 1899 einen Schüttelfrost, den ich sofort
als einen Intiuenzaanfall desshalb auf lassen konnte, weil ich schon
seit Monaten über schleichende Symptome dieser Krankheit, be¬
sonders über Muskelschmerzen, zu klagen hatte. Eine Specialitiit
dieser meiner Influenza und ebenso der derbarmherzigen Schwester
war aber schon mehrere Monate lang die gewesen, dass wir beide
von unerträglich juckenden Zuständen an Kopf- und Gesichts«
haut gequält wurden. Bei mir habe ich den Verlauf genau ver¬
folgt. Zuerst kamen leichte Neuralgien, dann an deren Stelle
ein heftiger Trieb, so lange die Haut zu kratzen und aufzureiben,
bis sie von Epidermis entblüsst war. An den aufgekratzten Stellen
lagen dann immer seoernirende Drüseuausführungsgiinge bloss.
Alles dies heilte dann immer ganz rasch; aber immer wieder
ging au neuen Stellen der alte Zustand los. Als nun am G. Juli
1891) der Schüttelfrost ausbrach, da trat unter heftigem Fieber,
statt der bisherigen vereinzelten Hauteruptionen, eine gewaltige
Schwellung zuerst der ganzen behaarten Kopfhaut auf, die nun
ganz schreckhaft, nämlich wie eine aufgewölbte Kappe, anzu¬
sehen war. Dabei war diese auf getriebene Haut merkwürdiger¬
weise durchaus nicht etwa besonders roth, sondern eher blass,
und alle Venen traten ganz unheimlich geschwollen hervor, wie
man sie sonst kaum zu sehen bekommt. Ein Bew’eis dafür, dass
es sich im Wesentlichen gehandelt hat um eine Auftreibung der
Haut durch ein Exsudat, war auch dieses: Verschiedene Stellen
an der Haargrenze, die in Folge der vorhin erwähnten Hautauf-
treibungen besonders dünn geworden waren, wölbten sich nun
in diesem Zustand allgemeiner Schwellung ganz besonders her¬
vor, und man bekam von diesen Stellen den Eindruck mächtiger
Auftreibungen. Weil ich mich für den Zustand sehr interessirte.
so beobachtete ich ihn fortwährend sorgfältig mittels des Spiegels
und dictirte auch gleich meine Beobachtungen. Am ersten Tage
war die behaarte Kopfhaut befallen, am zweiten die Stirne, am
dritten die Nasenwnirzel und Umgebung, am vierten die ganze
Nase und die Wangen zur Seite der Nasenflügel. Damit hatte
die Schwellung ihr Ziel erreicht. Auf die Unterkiefergegend hat
sie durchaus nicht übergegriffen. Die Schwellung einer Gegend
dauerte immer nur 24 Stunden. Wenn die Fortsetzung weiter
schwoll, so schwoll das Bisherige ab und zwar genau nach den
vorhin aufgezählten Gegenden. Nase und Wangen wurden
schliesslich auch so dunkelroth, dass der Anblick dem eines Ery¬
sipels glich. Aber dies war doch mir eine ganz äusserllche Aelin-
lichkeit, und im Grunde hatte die Schwellung durchaus keinen
erysipelatösen Charakter, sondern den eines flüssigen Exsudates
unter der Haut. Die Schwellung war im Wesentlichen bilateral
symmetrisch, erstreckte sich von der Medianebene gleich weit
nach beiden Seiten. Sehr bemerkenswertli w’ar die ganz vorzugs¬
weise Uocalisatiou der Schwellung an solchen Stellen, an denen
Knochen unter der Haut liegen. So war die Schwellung viel
stärker an dem knöchernen als an dem knorpeligen Tlieil der
Nase, und besonders an den Wangen w’ar charakteristisch, wie
stark die Schwellung über dem Jochbein war, während sie auf
die rein nmsculösen Partien der Wangen nur sehr wenig Über¬
griff. Es schien durchwegs die Tendenz zu herrschen, das Ex¬
sudat da ahzusetzen. wo es auf harter knöcherner Unterlage die
Haut rasch und stark spannen konnte.
Während <lor vier bis fünf Tage des successiven Ausbruchs der
Exsudats bestand heftiges Fieber. Nach der Beendigung der
Schwellungen war auch das Fieber vorüber, und es trat dann
eine grosse Schwäche mul Abgeschlngenlieit ein, wie nach jedem
Influenzaanfall, woran jedoch nichts Besonderes mehr zu ent¬
decken w’ar. An den Stellen, die geschwollen gewesen waren,
trat durchaus keine besondere Abschuppung ein. wie dies nach
Erysipel in der Regel In sehr hohem Grade der Fall ist, sondern
nachdem das Exsudat geschwunden war, sank die Haut einfach
wieder ein. bekam wieder ihre normale Faltung, nachdem sie
während der Schwellung wie ein gespanntes Wasserkissen ge¬
wesen w’ar. Nur an einigen Stellen traten kleine Pusteln auf.
aber auch nicht in höherem Grade, als sie vor dem Ausbruch
der Schwellungen vorhanden gewesen waren.
II. M o i n E r k 1 ä r u n g s v e r s u c h und w t eitere B e -
t r a e li t u n g e n.
Was war nun diese sonderbare Schwellung ( Nach Allem,
was vorangegangen war, kann ich nichts anderes annehmen,
-) Der, inzwischen neu dazu gekommene, dritte Fall (siehe
unten Schluss) bestätigt, vollends diese Annahme.
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Original from
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
als dass in meiner Kopf- und Gesichtshaut seit Monaten sich be¬
sonders viel Influenzagift auf gespeichert hatte, und dass, als
sich diese Vergiftung immer mehr in die Länge zog, mein
Körper durch eine energische Reaction dieses Gift zu zerstören
versucht hat, und zwar durch eine Art von Verbrühung, indem
er in einem heissen Exsudat den Giftstoff ertränkt hat. Dass
auch bei mir diese Zerstörung völlig gelungen sei, dies kann ich
allerdings heute, am 31. Juli 1899, noch nicht sicher behaupten,
weil die Zeit noch zu kurz ist. Aber der völlig analoge Fall
der barmherzigen Schwester lässt es mich hoffen. Denn diese
ist, nachdem sie gleichfalls vorher Monate lang alle möglichen
Beschwerden gehabt hatte und besonders auch die fortwährenden
lästigen Hauteruptionen, durch dieselbe Schwellungskrise, die
ich jetzt durchgemacht habe, völlig gesund geworden und es
jetzt schon Monate lang geblieben. Besonders imponirt hat mir
die Prjieision und Energie, die in dem ganzen Vorgang in zeit¬
licher Beziehung geherrscht hat. Jeden Tag ein Stück Schwel¬
lung, und dann auch ebenso bestimmt wieder Abschwellung,
dies ging so programmmässig von Statten, wie wenn eine be¬
wusste menschliche Technik eine planmässige Reinigung*- oder
ähnliche Arbeit ausgeführt hätte. Es ist mir bei dieser Gelegen¬
heit wieder besonders klar geworden, wie gross und fein die
Intelligenz unseres unbewussten Körpers ist, unendlich überlegen
aller Thätigkeit, die sich auf dem Gebiet des Bewusstseins voll¬
zieht. Es ist ganz undenkbar, dass es gelänge, mittels einer be¬
wussten Thätigkeit, etwa durch Application von Medieamenten
oder dergleichen, etwas so Zweckmässiges und Feines in unserem
Körpet* zu bewirken, wie dieser Reinigungsproeess war, den wir
viel mehr als Genesungs-, denn als Krankheitsprocess betrachten
sollten. Von besonderem Interesse war es mir, darüber nach¬
zudenken, welche Gründe gerade jetzt ausschlaggebend ge¬
worden waren für den Ausbruch der Krisis? Diese Frage spielt
bei den Infectionskrankheiten für gewöhnlich keine besondere
Rolle* weil in der Regel eine Infectionskrankheit eben dann aus¬
bricht, wenn, nach einer längeren oder kürzeren Incubations-
zeit, 4fer Infectionsstoff diejenige Giftigkeit erreicht hat, die
nothig ist, um die Reaction hervorzurufen, die man Krankheit
heisst. In meinem Falle könnte es nun zwar auch so gewesen
sein, indem gerade zur Zeit des Ausbruchs eine Cumulativ-
wirkung des Gifts eingetreten wäre, die nunmehr nothwendiger-
weise zu einer Reaction führen musste, nachdem vorher Monate
lang die Giftwirkung nur eine so schwache gewesen war, dass
sie keine energische Reaction bewirkte. Allein nothwendig ist
diese Annahme nicht. Sie wäre rein hypothetisch gemacht dazu,
um den Ausbruch der Krisis gerade zu dieser Zeit zu erklären.
Eine Stütze erhält sie z. B. durchaus nicht etwa dadurch, dass,
gerade in den Tagen vor dem Ausbruch, ein besonderes Un¬
behagen vorhanden gewesen wäre als Zeichen steigender Ver¬
giftung, so wie es gewöhnlich am Ende von Incubationszeiten
der Fall ist. Im Gegentheil waren die Tage vor dem Ausbruch
eher besser als viele Tage in den Monaten zuvor. Ich neige dess-
halb mehr zu folgender Betrachtung: Das Gift, als solches, be¬
fand sich immer noch in einem Zustand wie seit Monaten, in
welchem es ohne besonders starke Beschwerden auch noch länger
hätte ertragen werden können. Aber der Körper wollte nun
einmal eine Radicalcur vornehmen. Es war ihm dies zum
vitalen Bedürfniss geworden. Er hätte sich jedoch vielleicht
aus zwingenden socialen Gründen zu einem Aufschub be¬
stimmen lassen, wenn nämlich solche Vorgelegen hätten. Auf
solche Beziehungen muss immer wieder hingewiosen werden,
da Gefahr besteht, dass sie zu wenig beachtet werden vor der
überwiegenden Beachtung, welche dem Krankheitsstoff selbst
geschenkt wird. Es gibt ja zweifellos Infectionen von solcher
Stärke, dass sie gewissermaassen alles über den Haufen werfen;
und solchen gegenüber ist auch ein noch so energischer Trieb
ohnmächtig, der im Körper darauf gerichtet ist, eine Aufgabe
zu erledigen, deren Erledigung mit einer gleichzeitigen stärkeren
Krankheitsreaction nicht verträglich ist. Aber andererseits
lehrt auch, bei allem Respect, den wir vor den Infectionsstoffen
bekommen haben, doch noch manche Erfahrung, dass solche Be¬
trachtungen nicht ganz grundlos sind, wie z. B. folgende, von
11 u f e 1 a n d angestellte s ):
s ) Siehe Immanuel Iv a n t : Von der Macht dos Gemiithw,
durch den blossen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister
zu sein. Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von
0. W. H u f e 1 a n d. (Anmerkung von Hufeland zu dem Ab¬
schnitt vom Schlafe.)
„Unglaublich ist es, was der Mensch vermag, auch
im Physischen, durch die Kraft des festen Willens, und
so auch durch die Noth, die oft allein einen solchen
festen Willen hervorzubringen vermag. Woher kommt es,
dass die arbeitende, durch Noth oder Pflicht zur Arbeit ge¬
triebene Classe viel weniger kränkelt, als die miissig gehende?
Hauptsächlich daher, dass jene keine Zeit hat, krank zu sein,
und also eine Menge Anwandlungen von Krankheiten übergeht,
das heisst, in der Arbeit sie vergisst, und dadurch wirklich liber¬
windet und aufhebt, statt dass der Miissige, den Gefühlen nach¬
gebend und sie pflegend, dadurch oft den Keim zu Krankheiten
ausbildet.
Wie oft habe ich diese Erfahrung in meinem Berufsleben
an mir selbst gemacht und welcher Pflicht- und Berufsmeuseb
hat sie nicht gemacht? Wie oft glaubte ich Früh nicht im Stande
zu sein, wegen körperlicher Beschwerden das Zimmer zu ver¬
lassen. Die Pflicht rief zum Krankenbett oder auf's Katheder,
und so sauer es Anfangs wurde, nach einiger Zeit der Anstreng¬
ung war das Uebel vergessen, der Geist siegte über den Leib
und die Gesundheit war wieder hergestellt. Ja, am auffallendsten
zeigt sich die Kraft des Geistigen bei ansteckenden und epiilc-
demischen Krankheiten. Es ist eine ausgemachte Erfahrungs¬
sache, dass die, welche guten Mutli haben, sich nicht fürchten
und ekeln, am wenigsten angesteckt werden. Aber, dass eine
schon wirklich geschehene Ansteckung noch durch freudige
Exaltation des Geistes wieder aufgehoben werden könne, davon
bin ich selbst ein Beispiel. Ich hatte in dem Kriegsjahre 1807,
wo in Preussen ein pestartiges Faultieber herrschte, viele solche
Kranke zu behandeln und fühlte eines Morgens bei dem Erwachen
alle Zeichen der Ansteckung: Schwindel, Kopfbetäubung, Zer¬
schlagenheit der Glieder, genug, alle Vorboten, die bekanntlich
mehrere Tage dauern können, ehe die Krankheit wirklich aus-
bricht. Aber die Pflicht gebot; Andere waren kränker als ich.
Ich beschloss, meine Geschäfte wie gewöhnlich zu verrichten und
Mittags einem frohen Mahle beizuwohnen, wozu ich eingeladen
war. Hier überlless ich mich einige Stunden ganz der Freude
und dem lauten Frohsinn, der mich umgab, trank absichtlich
mehr Wein wie gewöhnlich, ging mit einem künstlich erregten
Fieber nach Hause, legte mich zu Bett, schwitzte die Nacht hin¬
durch und war am anderen Morgen völlig hergestellt.“
Es bestellt ja gewiss heutzutage allgemein eine Abneigung
dagegen, solches zu glauben, und wenn wir diese Abneigung auf
ihren Grund analysiren, so werden wir als ihr Hauptmotiv dieses
wirksam finden,dass wir uns, vom Standpunkt unseres bewussten
sprachlichen Denkens aus, so schwer vorstellen können, wie so
der n i c h t sprachliche und (lesshalb unbewusste Verkehr
zwischen den Kräften in unserem Inneren von Statten gehen
solle? Aber dass wir uns an die richtige Schätzung dieser hoch-
intelligenten und unbewussten Vorgänge in der ganzen orga¬
nischen Natur gewöhnen müssen, dies ist unerlässlich für jeden
weiteren Fortschritt unserer Naturerkenntniss. welche, in Folge
der Vernachlässigung dieser Betrachtungen, einer sehr schäd¬
lichen Einseitigkeit verfallen ist. Und wenn in unserem Körper
fortwährend ein, unserem Bewusstsein entzogenes, Ineinander¬
greifen von Vorgängen stattfindet, welches nur gekennzeichnet
werden kann als eine Thätigkeit hoher Intelligenz; so liegt auch
kein Grund vor daran zu zweifeln: dass, wofern die vitalen Inter¬
essen nicht zu stark überwiegen, ein starker, im Dienst socialer
Interessen stehender Trieb nach äusserer Bethätigung im ge¬
gebenen Zeitpunkt die Krankheit unterdrücken kann. Die wich¬
tigste Krankheitsreaction gegen eine Infection ist bekanntlich
die Ueberheizung des Körpers, die wir als Fieber bezeichnen.
Die Herde dieser Ueberheizung sind ganz überwiegend die Mus¬
keln. Zugleich sind die Muskeln, vermöge ihrer Zusammen¬
ziehung, auch die einzigen Arbeit wo rgane und, vermöge ihrer
Spannung, die einzigen Denkorgane des Körpers.
Arbeiten und Denken kann man aber, wenn man absieht
von der geringen Arbeit, die der Mensch auf die directe
Nahrungseinfuhr zu verwenden hat und die, weil bloss imDienste
seines individuellen Lebens stehend, nur als vitale Thätigkeit,
zusammen mit der Thätigkeit der Respiration, Circulation, Di¬
gestion etc., betrachtet werden kann; — Arbeiten und Denken,
sage ich, kann man als die socialen Thätigkeiten des Men¬
schen betrachten, deren Ziele von den niedersten (Kochen und
dergl.) bis zu den höchsten (rein wissenschaftliches, politisches
Denken) gehen, die aber alle dieses gemeinsam haben, dass sie
nicht ausschliesslich im Dienste des eigenen Körpers (vcluti
pecora quae natura prona atque von tri oboedentia finxit) 4 ), son¬
dern wesentlich im Dienste des socialen Körpers stehen.
Indem nun in den Muskeln des Menschen sich einerseits die
vitalen Vorgänge abspielen, rein im Interesse der Erhaltung des
eigenen Körpers, andererseits die Muskeln die einzigen Executiv-
apparate sind für die vielfachen socialen Bethätigungen des
Menschen, so muss daraus nothwendiger Weise der Antagonismus
*) S a 11 u s t: Catiliua I.
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
9
entstehen, der das ganze menschliche Dasein beherrscht und der
seinen treffendsten Ausdruck gefunden hat in dem Spruch: der
Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Der Zustand, der in diesen Worten gekennzeichnet ist, muss
immer dann eintreten, wenn die Muskeln, das Fleisch, im ge¬
gebenen Zeitpunkt so sehr durch vitale Bedürfnisse in Beschlag
genommen sind, dass sie für die socialen Bedürfnisse, auch wenn
zu deren Befriedigung eine starke Tendenz besteht, versagen.
Sind aber die socialen Triebe im gegebenen Zeitpunkt sehr
stark, so können sie auch die vitalen unterdrücken, allerdings
häufig zum vitalen Schaden.
find so ist es wohl möglich, dass ira Körper eine vitale Ten¬
denz besteht zur TTeberheizung, behufs Verbrennung eines In-
fectionsstoffs, dass diese Tendenz aber nicht so stark ist, dass sie
die, jetzt gerade übermächtige, sociale Tendenz, die normal ge¬
heizte Muskeln braucht, zu überwältigen vermöchte. Ist aber
die Infection zu stark, dann wirft sie freilich alle entgegen¬
stehenden Tendenzen über den Haufen.
Es ist hier nicht der Ort, näher einzugehen auf diese funda¬
mental wichtigen, physiologischen Betrachtungen. In meinem
Buche: Beiträge zur Physiologie und Psychologie, das in den
nächsten Jahren erscheinen wird, werde ich über alle diese Fragen
eingehend handeln. Aber ganz unerwähnt wollte ich diese Be¬
ziehungen hier doch nicht lassen; und so will ich auch noch
darauf hinweisen, dass unser Verständniss der Hirnfunctionen
vor Allein desshalb heutzutage noch auf das Aeusserste erschwert
ist, weil man, fast ausnahmslos, nur dasjenige als vom Hirn ab¬
hängig betrachtet, was sich in den Muskeln vollzieht als Zu¬
sammenziehung und Spannung im Dienste socialer Interessen,
nicht aber auch dasjenige, was darin lediglich Heizung im vi¬
talen Interesse ist. Je höher das Hirn stellt, und beim Menschen
desshalb am meisten, desto mehr ist das Hirn vor Allem ein
Thermoregulationsapparat, und die, unendlich verschlungenen,
Beziehungen und auch vielfach Conflicte, in welche die Regu¬
lirung der Zusammenziehung und der Spannung in den Muskeln,
im Sinne der Arbeit und des Denkens, geräth mit der Regu¬
lirung der Heizung — diese sind es, welche den Körper zu einem
Schauplatz so wunderbarer, ewig wechselnder, häufig auch tra¬
gischer Zustände und Kämpfe machen. Beim Menschen, in
dessen Ilim Alles, was in den Muskeln geschieht, im höchsten
Grade einheitlich eoncentrirt ist, sind desshalb alle Fiebcr-
reaetionen gegen Infectionsstoffe nur gewissermaassen mit Er-
laubniss des Hirns möglich. Und immer handelt es sich dann
darum, so lange das Gift noch nicht übermächtig ist: Was siegt
im Hirn? Die Tendenz, mit normal geheizten Muskeln weiter
normal zu denken und zu arbeiten? Oder die Tendenz, mittelst
überheizter Muskeln, unter vorübergehendem Verzicht auf nor¬
malen Muskelgebrauch, das Gift zu vernichten?
Man kann sich, bei einiger Abstractionsfähigkeit, leicht vor¬
stellen, dass in den unserem Bewusstsein entzogenen Zuständen
des Hirns in solchen Zeiten das gleiche Schwanken der entgegen¬
gesetzten Tendenzen obwaltet, das wir, in Bezug auf unsere be¬
wussten Geisteszustände, als den Zustand des Zweifels bezeichnen.
Wie aber auch im Gebiete des Bewusstseins höhere Gewalt und
Xothwendigkeit alle Zweifel löst, so kann selbstverständlicher
Weise, eine starke Vermehrung des Giftes auch hier dem „Zwei¬
fel” ein entschiedenes Ende bereiten und die Ueberheizungs-
tendenz so stark provociren, dass bis auf Weiteres der entgegen¬
gesetzte Trieb, der normale Heizung zu erhalten strebt, völlig
unterdrückt wird.
III. Einige psychiatrische Gesichtspunkte.
Endlich gestatte ich mir noch einige, speciell psychiatrische
Bemerkungen. Ich hatte seit meiner Kindheit nie an einer
fieberhaften Krankheit gelitten und dies im theoretischen Inter¬
esse manchmal bedauert, weil ich niemals auf Grund wissen¬
schaftlicher Selbstbeobachtung über Fieberdelirien mitsprechen
konnte. Als nun neulich mein Fieber ausbrach, freute ich mich
wenigstens darüber, dass nun mein theoretisches Bediirfniss
nach eigener Erfahrung über die psychischen Zustände im Fieber
befriedigt werden dürfte. Ich wurde aber sehr enttäuscht,
wenn ich gehofft hatte, solche Merkwürdigkeiten an mir zu er¬
leben, die mir Aufschluss geben könnten über das, was ich, Jahr
aus Jahr ein, an meinen psychiatrischen Objecten beobachte.
Denn obgleich ich so heftiges Fieber hatte, dass ich einige Zeit
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lang in somatischer Hinsicht völlig gelähmt und kraftlos und
in psychischer auch Stunden lang völlig betäubt und in einem so
somnolenten Zustand war, dass er als ein solcher fast völliger
Bewusstlosigkeit bezeichnet werden konnte; so trat doch von
denjenigen Erscheinungen, welche in der psychiatrischen Praxis
mich alltäglich umgeben, so gut wie nichts hervor. Besonders
merkwürdig war mir, wie wenig mir das fehlte, was das deutsche
Wort „Besonnenheit“ treffend bezeichnet und was bei acuten
Geistesstörungen immer in so hohem Grade beeinträchtigt zu
sein pflegt. Mitten aus der grössten Betäubung heraus war ich
im Stande, complieirte Aufträge hinsichtlich meines Berufs
durchaus correct zu dictiren, ohne dass es mir auch nur Sonder¬
liche Mühe gemacht hätte, worüber ich mich am meisten ge¬
wundert habe. Und dass ich wegen meines Hirnzustandes etwas
versäumt oder vergessen hätte, was ich zu erledigen hatte, dieses
scheint mir ganz undenkbar. Die Vorgänge in meinem Hirn
gingen, so weit als es Ort und Zeit erforderte, ganz normal von
Statten, obgleich ich, sobald der Stimulus der Pflicht wegfiel,
in meine Somnolenz zurückfiel. Von dem positiven Unsinn, den
wir in beginnenden Geistesstörungen beobachten, und von der
charakteristischen Loslösung von der Wirklichkeit habe ich bei
mir gar nichts entdecken können.
Auch mein betäubtes Hirn kam nicht eigentlich aus dem
Geleise. Und wenn leichte „Delirien“ vorhanden waren (welches
lateinische Wort, von lira Furche, gerade Linie abgeleitet, ja
Entgleisung bedeutet), so hatte ich doch immer eben so rasch die
Fähigkeit der Correctur und der Selbstbesinnung, wie man sie
immer sofort hat bei den unendlich häufigen Uebergängen, die
man allnächtlich vom Traum zu der Wirklichkeit macht, welche
Fähigkeit aber gerade Geisteskranken in so charakteristischer
Weise fehlt.
Diese Selbstbeobachtung, dass der psychische Zustand im
Fieber etwas ganz anderes ist als eine Geistesstörung, enthält
übrigens nur eine Bestätigung dessen, was jeder erfahrene
Irrenarzt, wenn er es sich nur zum Bewusstsein bringen will,
mit Xothwendigkeit sich abstrahiren muss aus seiner objectiven
Erfahrung, der zu Folge Fälle, in welchen mit guten Gründen
behauptet werden könnte, dass eine wirkliche Geistesstörung ent¬
standen sei in causaler Abhängigkeit von einer acuten Inf ections-
krankheit, verschwindend selten sind. Wenn man freilich alle
Fälle, in welchen ein solcher Causalzusammenhang behauptet
wird, unbesehen als wirkliche Beweise registriren wollte, dann
wäre die Zahl solcher Fälle sogar eine sehr grosse. Aber, sobald
man näher zusieht, zeigt es sich immer, dass die Causalität un¬
möglich zu beweisen ist. Oft sind es Menschen, die einfach dess-
wegen, bei Gelegenheit eines Influenza- oder ähnlichen Krank¬
heitsanfalls, als psychisch gestört declarirt werden, weil sie ein
Arzt bei dieser Gelegenheit kennen lernt und ihren Schwachsinn
oder ihre Paranoia, die schon lange Zeit bestanden hatte, ohne
dass sie Jemand constatirt hätte, notorisch macht. Gerade in
solchen Fällen heisst es dann aber häufig mit besonderem Nach¬
druck, der Kranke sei durch Influenza u. dergl. geisteskrank
geworden.
Schluss.
Ich werde als Psychiater keiner besonderen Entschuldigung
dafür bedürfen, dass ich von meinem einfachen Krankheitsfall
in das Hirnphysiologische und in das Psychologische abgeschweift
bin. Ich will aber zum Schlüsse zurückkommen auf die einfache
und schlichte Casuistik und in dieser Hinsicht Folgendes be¬
richten.
Erstens: Als es der Zustand meiner Reconvalescenz gestat¬
tete, habe ich genaue Umfrage gehalten danach: ob auch sonst
hier in Würzburg eine solche Influenza beobachtet worden sei?
Das Ergebniss dieser Fragen war völlig negativ.
Zweitens: Es war mir in Bezug auf die Hautaffection, die
hauptsächlich in dem Zwang bestand, die Drüsenausführungs¬
gänge aufzukratzen und ihnen dadurch eine blossliegende Oeff-
nung nach aussen zu verschaffen, von grossem Interesse, dass
mir College v. L cube mittheilte: Untersuchungen über das
Influenzagift haben ergeben, dass es besonders durch die
Schweissdriisen aus dem Körper hinausgeschafft werde.
Drittens: Inzwischen ist in meiner Klinik noch ein dritter
Fall auf getreten von Gesichtsschwellung, der auch nicht ein¬
fach als Erysipel aufgefasst werden kann und der meinen Prä¬
parator betroffen hat, welcher sich auch regelmässig auf dem
gleichen Stockwerk aufhält wie ich und die barmherzige
3*
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10
No. 1.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Schwester. Da dieser Krankheitsanfall in eine Zeit fiel, in welcher
ich noch nicht ausgehen konnte, so habe ich ihn nicht persönlich
beobachtet. Der Beschreibung nach war es aber gleichfalls ein Ex¬
sudat, wie bei mir, jedoch mit dem grossen Unterschied in Bezug
auf die Localisation, dass es durchaus nicht bilateral sym¬
metrisch war, sondern im Gegentheil streng auf die linke Ge¬
sichtshälfte beschränkt. Charakteristische Influenzasymptome
waren vorhergegangen.
Wenn somit bei drei Menschen, welche sich vielfach auf
einem und demselben Stockwerk aufgehalten haben, es mit
grösster Wahrscheinlichkeit die Influenza gewesen ist, welche sich
in dieser Weise als Hautkrankheit geäussert hat, dann darf wohl
auch angenommen werden, dass auch anderswo die gleichen
Fälle zur Beobachtung kommen werden. Es würde sich
dabei nur die gleiche Differenzirung an der Influenza voll¬
ziehen, wie bei vielen Infectionskrankheiten, dass sie sich
nämlich localisiren a) im Respirations-, b) im Darmtraetus,
welche beide Localisationen jetzt schon von der Influenza
reichlich bekannt sind; endlich aber auch c*) in der Haut, was.
so häufig es bei einer Masse anderer Inflationen ist, auffallender
Weise bei der Influenza noch selten vorzukommen scheint.
Würzburg, 31. Juli 1899.
Nachtrag bei der Correctur am 16. Deccmber 1899.
Seit ich Vorstehendes niedergeschrieben habe, sind vier und
ein halbes Monat vergangen; und ich habe, während dieser Zeit,
noch des Weiteren überall herumgefragt: ob nicht die gleichen
Fälle auch sonst beobachtet worden sind.
Ich habe dabei den Eindruck gewonnen: dass die Fälle in
der That auch sonst Vorkommen; dass sie aber, meines Erachtens
durchaus fälschlich, als Erysipolfiille aufgefasst werden. Sollte
Jemand diese Anschauung mir gegenüber vertreten, so wäre ich
gerne bereit, meine Gründe dagegen ausführlich darzulegen.
In diesem kurzen Nachtrag kann ich dies jetzt nicht thun, in
welchem ich vielmehr nur noch die epikritische Mittheilung
hinzufügen will: dass meine Prognose völlig in Erfüllung ge¬
gangen ist. Während ich vom 1. April bis zum 6. Juji eigent¬
lich jeden Tag krank war, so erfreue ich mich, seit deT Beendi¬
gung dieser heilsamen Krisis, eines ebenso ungetrübten Wohl¬
befindens wie vor dem April 1899; und, parallel damit, hat, auch
unter den ca. 90 Menschen meiner klinischen Umgebung, das
Influenzaelend, das im Frühjahr 1899 extensiv und intensiv arg
war, völlig aufgehört; bei Mehreren nach offenbar sehr nütz¬
lichen diarrhoeischen Darmkrisen, die ich in Analogie stelle mit
den Hautkrisen der kleinen Minorität.
Während mein Allgemeinbefinden seit Juli 1899 ein vor¬
zügliches gewesen ist, besteht dagegen die locale Hautaffeetion
noch fort, die ich wohl am passendsten vergleichen kann mit
dem, was als „Bromakne“ eine allgemein geläufige, Vorstellung
ist. Ich habe, seit meiner frühen Jugend, einerseits niemals
etwas Medicamentüses in meinen Leib gebracht, andererseits
nie etwas wie Akne gehabt. Seit Frühjahr 1899, wie ich glaube,
in causaler Abhängigkeit- von der Influenza, hat sich diese, nur
auf Kopf und Hals beschränkte, llauterupt ion eingestellt, die
nur sehr.langsam verschwindet. Wenn Niemand daran Ausland
genommen hat, dem pharmakologischen Gift Brom Derartiges
zuzuschreiben; so wird es auch gestattet sein die Aufmerksam¬
keit auf diesen, von mir geglaubten, Zusammenhang mit einem
organischen Infectionsgifte zu lenken, der auch in dem Parallel¬
fall der, sonst kerngesunden, barmherzigen Schwester, die vor
der Influenza auch niemals Derartiges gehabt hatte, eine Stütze
findet.
lieber ein neues Guajacolpräparat.
Von Prof. Dr. Alfred Einhorn in München.
Seitdem S o m m e r b r o d t das Kreosot als wirksames
Mittel zur Bekämpfung der Tuberculose empfohlen hat, ist
dasselbe allmählich immer mehr und mehr in Aufnahme ge¬
kommen und es dürfte heutzutage nicht allzuviele Aerzte
geben, die bei der Tubcrculosebeliandlung auf die Ordi¬
nation von Kreosot oder der neben anderen in demselben ent¬
haltenen Phenole Guajaeol nnd Kreosol, die die wirksamen Be-
standtheile des Kreosots darstellen, verzichten möchten.
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Nichtsdestoweniger ist, man über die Wirkungsweise des
Kreosots, resp. dos Guajacols und Kreosols, bis jetzt noch nicht
zu völliger Klarheit durchgedrungen. Im Wesentlichen stehen
sich hier zwei Auffassungen scharf gegenüber, diejenige, welche
den Heilfactor dieser antiseptisch wirkenden Mittel in der
directen Beeinflussung der Tuberkelbacillen erblickt: vermag
doch nach P. G u t m a n n das Kreosot noch in Verdünnung von
1:4000 das Wachsthum der Tuberkelbacillen zu schädigen, und
die andere, modernere, welche die günstige Wirkung der Prä¬
parate darauf zurückführt, dass sie als Stomachica wirken, die
Magenverdauung günstig beeinflussen und, wenn Störungen vor¬
liegen, durch ihre antiseptische Wirkung die Resorptionsverhält¬
nisse im Darm günstig reguliren. Vielleicht sind bis zu einem
gewissen Grade beide Auffassungen, die sieh ja nicht gerade aus-
sehliessen, richtig, jedenfalls aber haben die klinischen Er¬
fahrungen, was auch auf dem letzten internationalen Tuber-
culoseoongress in Berlin wieder zum Ausdruck gelangte, er¬
geben, dass das Kreosot, resp. die in demselben enthaltenen Phe¬
nole die Tubereulose sehr häufig günstig beeinflussen.
Ein grosser Pöbelst and hat sich bei der innerlichen Dar¬
reichung dieser Präparate schon längst gezeigt, der darin bestellt,
dass dieselben den Magen stark reizen, zu Appetitstörungen,
Aufstossen und Erbrechen, selbst zu Gastroenteritis, Dunkel-
färbung des Harnes und anderen Vergiftungserscheinungen An¬
lass geben.
Die Jatroehomio hat sich daher bemüht, die aus dem Kreo¬
sot isolirten reinen Phenole, das Kreosol und besonders das
Guajaeol, durch Abstumpfung des Ilydroxyls mit einer Säure¬
gruppe — also durch Ueberführung in die Phenolester — in
bekömmlichere Verbindungen überzuführen, denen die störenden
Nebenwirkungen nicht mehr zukommen und die im alkalischen
Darmsaft, resp. im Kreislauf, die Phenole wieder abspalten.
Solche Verbindungen sind z. B. Benzosol, Duotal, Kreosot.al.
Styrakol, Kosot, Geosot, Guajaeolphosphat etc., sie alle erfüllen
nach den klinischen Beobachtungen mehr oder minder ihren
Zweck, was um so auffallender ist, als diese theilweise viel ge¬
brauchten Medicamente sämmtlioh unlöslich sind und e» von
einigen derselben sogar experimentell nachgewiesen worden ist,
dass sie nicht vollständig zur Resorption ‘) gelangen. Da es die
Ansicht vieler Praktiker ist, dass nur die Einfuhr grosser Mengen
der Kreosotphenole in den erkrankten Körper die Tuberculose
günstig beeinflusst, durfte man mit einiger Wahrscheinlichkeit
eine noch ergiebigere. Wirkung von resorptionsfähigeren, lös¬
lichen Guajaeol- und Kreosot Präparaten erwarten. Es hat daher
auch nicht an Bestrebungen gefehlt, solche Verbindungen dar-
zustellon, ein Ziel, welches aber noch nicht erreicht worden ist,
denn das einzige bisher unter dem Namen Thioeol in den Arznei¬
schatz eingeführte lösliche Guajacolpräparat, das orthoguajacol-
sulfosaureKalium, ist bekanntlich im eigentlichen Sinn des Wor¬
tes keine Guajaoolverbindung mehr, da ihr die Fähigkeit, im
Organismus Guajaeol abzuspalten, vollständig abgeht. In Ge¬
meinschaft mit Herrn Dr. II ü t z ist es mir indessen schon vor
einiger Zeit gelungen, die gesuchten wasserlöslichen Guajaeol-
und auch KreosolVerbindungen, welche die gewünschte Eigen¬
schaft besitzen, aufzufinden.
Aus dieser Arbeit, welche wir gemeinschaftlich an anderer
Stelle ausführlich zu publieiren gedenken, sei hier nur mit-
getheilt, dass die betreffenden Verbindungen entstehen, wenn
man auf die OhloraeetylVerbindungen der Phenole unter ge¬
wissen Vorsiehtsmnassregeln substituirte Ammoniake einwirken
lässt, und dass sieh von den so herstellbaren Verbindungen bis
jetzt «las salzsnurc Salz des Diaethylglycocoll-Guajacol 2 )
OCI13
CgIRÜ für modicinischo Zwecke am ge-
O-COCHuNCrjhO.lH'l
eignotsten erwiesen hat.
Dasselbe krystallisirt in weissen Prismen vom Schmelzpunkt
184°, die schwach nach Guajaeol riechen, einen salzigen, bitteren
Geschmack haben und in Wasser ausserordentlich leicht löslich
sind. Die wässerige Lösung rcagirt gegen Lakmus neutral und
lässt auf Zusatz von kohlensauren Alkalien das freie ''Diaethyl¬
glycocoll-Guajacol iiv Form eines basischen Oels ausfallen.
9 Vergl. z. B. Eselile: Zeitschr. f. klin. Med. XXIX, Heft
3 und 4.
*) Dasselbe wird von den „Farbwerken vormals Meister.
Lucius und Brüning“ in Hoechst a. M. dargestellt und uuter
dem Namen „Gujasanol“ in den Handel gebracht.
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
11
Herr Privatdocent Dr. R. Heinz in Erlangen war so
freundlich, die pharmokologische Prüfung der Substanz zu über¬
nehmen und stellte Folgendes fest:
1. Dass sie ungiftig ist, was in der Weise constatirt wurde,
dass einem Kaninchen 2 mal 2 g in den Magen, bezw. nach¬
einander 1 g und 2 g subcutan innerhalb 4 Stunden verabreicht
wurden, wobei keine Wirkungen auf traten und keine patho¬
logischen Veränderungen nachweisbar waren.
Der Harn der Tbiere wurde mir zur Verfügung gestellt und
gelang es nach dem Ansäuern mit verdünnter Salzsäure durch
Extraction mit Aether reichliche Mengen freies Guajacol aus dem¬
selben zu isoliren, welches durch die Benzoylverbindung identifl-
cirt wurde.
2. Dass sie in 2proc. Lösung Wunden nicht reizt, wohl aber
in höheren Concentrationen und dass eine 10 proc. Lösung sehr
empfindliche intacte Schleimhäute deutlich reizt, aber dieselbeu
nicht ätzt und keine pathologischen Veränderungen bewirkt.
3. Dass sie eine leicht anaestliesirende Wirkung besitzt. Eine
5 proc. Lösung erzeugt z. B. nach wiederholtem Eiuträufeln in
das Auge, wobei Anfangs Reizung auftritt, vollständige Auaes
thesie, die aber nicht lange anhält.
4. Dass sie antiseptisch und desodorislrend wirkt.
Herr Prof. Hans Büchner hatte die Liebenswürdigkeit,
die antiseptische Wirkung des Präparates in Gemeinschaft mit
Herrn Dr. P e r u t z genau festzustellen und machte mir darüber
folgende Mittheilungen, für welche ich beiden Herren meinen
verbindlichsten Dank aussprechen möchte.
Die Prüfung auf den desinfectorischen Werth der vorliegen
den Substanz wurde in folgender Weise vorgenommeu.
Es wurden zu Röhrchen mit steriler Bouillon soviel von
einer Stammlösung des betreffenden Körpers zugefügt, dass auf
diese Weise Lösungen von
1:50, 1:100, 1:200, 1:500, 1:1000, 1:2000, 1:10 000
hergestellt wurden. Die Menge von Bouillon -f- Desinficiens be¬
trug jedesmal 10 ccm. Die Einwirkung des Mittels wurde stu-
dirt auf Baet. coli, Pyocyaneus, Staphylococcus pyog. und Fäul-
nlssbacterien. Es kamen dabei 24 ständige Agarculturen zur Ver¬
wendung, aus denen mit einer Platinnadel Spuren in die Bouillon
übertragen wurden. Jede Serie enthielt ausserdem eine Control¬
röhre, in welcher die Bouillon in gleicher Weise infleirt wurde,
der Zusatz des Desinficiens aber unterblieb.
Sämmtliche Röhren kamen in den Thermostaten bei 37 °.
Die im Nachstehenden, in der Tabelle, verzeichneten Resul¬
tate ergaben sich schon nach 24 Stunden und erfuhren in weiteren
24 Stunden keine wesentliche Aenderung.
Bactcrien-
art
1: 60
1:100
1: 200
1:1000
1:1000
1 : 2000
1 :10000
Contrlo-
röhre ohne
Desinficiens
Lösungen
Bact. coli. . .
Bouillon 1 leicht 1
klar | ge trübt | Starke Trübung
Bacterienwachsthum
Starke
Trübung
Pyocyaneus . .
Bouillon 1 leicht 1 Ä ~ ..._
klar (getrübt | StÄrke T^ung
Bacterienwachsthum
Starke
Trübung
Staphylococcus
ppyog. aur. .
Bouillon 1 fast 1 Q . . „ _
klar 1 klar | Starke Trübung
Bacterienwachsthum
Starke
Trübung
Fäulnissbact.
(Proteus) . .
(getrübt | Starke Trübung
. Bacterienwachsthum
Starke
Trübung
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Substanz nur
in Lösungen von 1:50 und 1:100 das Wachsthum der zur Prü¬
fung gekommenen Keime aufhebt; In Concentration von 1:200
zeigt sich noch Wachsthumsbehinderung, am deutlichsten noch
bei Staphylococcus aureus. Alle weiteren Verdünnungen erwiesen
sich wirkungslos; die Trübung der Bouillon wies in allen nahezu
den gleichen Grad auf, wie in den Controlröhrchen.
Hiernach entspricht der antiseptische Werth des salzsauren
Diaethylglycoeoll-Guajacols etwa dem der Borsäure.
Die Ungiftigkeit dieser von Aetzwirkungen freien löslichen
Guajacolverbindung, ihre anaesthesirende antiseptische und des-
odorisirende Wirkung, ihre Fähigkeit, im Organismus Guajacol
abzuspalten, forderten in mehrfacher Hinsicht dazu auf, sie
einer klinischen Prüfung unterziehen zu lassen.
Diese Untersuchungen, welche in gewohnter dankenswerther
Weise zuerst in der medicinischen und chirurgischen kgl. Uni¬
versitätspoliklinik zu München und später in verschiedenen
anderen Krankenhäusern etc. angestellt worden sind und über
die von den Aerzten der betreffenden Anstalten ausführlich be¬
richtet werden wird, haben den therapeutischen Werth des Prä¬
parates zweifellos dargethan.
Bei Behandlung der Phthise wurde das Präparat, an¬
fangend mit 3 g bis zu 12 g täglich, in Oblaten per os und
durch hypodermatische Injection einer concentrirten wässerigen
Lösung verabreicht. Bei letzterem Verfahren wird das Mittel
gut resorbirt und selbst bei gelegentlicher Injection von 3—4 g
No. 1.
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entstehen weder locale Störungen noch Fern Wirkungen auf das
Blut, das Herz, die Niere u. s. w.
Bei beiden Darreichungsformen wird das Mittel sehr gut
vertragen, insbesondere stellen sich niemals Magenstörungen ein
und es wurde beobachtet, dass der Appetit der ihrer gewohnten
Beschäftigung nachgehenden Patienten unter dem Einfluss des
Mittels so gehoben wurde, dass sie, ohne sich einer besonderen
Ernährungstherapie etc. zu unterwerfen, an Gewicht Zunahmen.
Ferner wurde eine günstige Beeinflussung der Erschei¬
nungen der Lungenspitzentuberculose bei täglicher
Darreichung der Substanz constatirt.
Die recht grossen Dosen, in welchen die neue Verbindung
verabreicht werden kann, ohne dass Störungen irgend welcher
Art zu befürchten sind, gestatten, den Organismus in ganz un¬
schädlicher Weise mit Guajacol zu durchschwemmen und so ge¬
langtem unter dem Einfluss des Mittels u. a. tuberculöse
Geschwüre des Larynx ohne örtliche Behandlung zur
Heilung.
Freund 8 ) hat nachgewiesen, dass der mangelhafte Er¬
nährungszustand der Schwindsüchtigen im Wesentlichen auf
unzureichende Verwerthung der Nahrung zurückzuführen ist,
indem ein grosser Theil des zugeführten Eiweisses, der Kohle¬
hydrate und sogar der Cellulose durch Fäulnissprocesse zersetzt
wird und so verloren geht, während nur ein relativ geringer An-
theil der Nahrungsstoffe zur Resorption gelangt, demnach ist
also ein Darmdesinficiens indicirt, und zwar erscheint hier unser
Präparat, weil es wegen seiner Ungiftigkeit in relativ grossen
Gaben eingeführt werden kann, besonders geeignet. In der That
wurden nach zahlreichen Beobachtungen bei innerlichem Ge¬
brauch (3 g) tuberculöse Diarrhoen in der Regel mit
prompter Sicherheit sofort sistirt.
Sehr zufriedenstellende Resultate wurden ferner bei
Ozaena mit dem neuen Präparat erzielt. Die Behandlung be¬
steht in einer Tamponade mit 10—20 proc. Lösung des Salzes,
wobei die Tampons V,—1 Stunde liegen bleiben und der üble Ge¬
ruch dann sehr schnell verschwindet und die Borkenbildung ein¬
geschränkt wird. Bei Unterbrechung der Behandlung macht
sich der Geruch erst nach Wochen wieder bemerkbar.
Als Desodorans hat sich die Verbindung bei Behandlung von
jauchigen Carcinomen — ausgenommen Uteruscarei¬
nomen —, aufgebrochenen Sarkomen, luetischen
Knochenulcerationen etc. bewährt, wobei meistens
Dauerverbände mit 2 proc. Lösung des Präparates zur An¬
wendung gelangten.
Verschiedene Fälle von sehr übelriechender Stomatitis
wurden nach mehrtägigem Spülen mit 1 / 2 —2 proc. Lösungen
oder bei Bepinselung mit 5proc. Lösung des Salzes geruchlos;
in einem Fall von Pylorusstenose, bei welcher der Magen¬
inhalt sehr stark roch und Schwefelwasserstoffreaction
zeigte, verschwand durch Spülungen von 1,0 : 5000 bis 1,0 :1000
der üble Geruch und die Reaction, auch bei Behandlung von
Kieferhöhlenempyemen hat sich die desodorisirende
Wirkung der Verbindung bewährt. In Lösungen von 0,5 bis
1,0 :1000 wurde das Mittel in mehreren Fällen auch als
Blasendesinfieiens benutzt, in denen Salicyl-Borsäure-
spülungen nicht vertragen wurden und bewirkte rasche Besse¬
rung ; stärkere Lösungen bis 3 :1000 und auch innerliche Dar¬
reichung von täglich 8 g leisteten bei jauchiger Cystitis
gute Dienste.
Auch in der Ophthalmologie ist das Präparat in lproc.
Lösung als Reinigungsmittel bei allen oberflächlichen
Verletzungen des Auges brauchbar, wobei sich beson¬
ders die leichte anaesthesirende Wirkung angenehm bemerkbar
macht, ferner bei chronisch entzündlichen Affec-
tionen der Bindehaut, bei welchen die stark adstrin-
girenden und ätzenden Mittel nicht ertragen werden, es wird in
diesen Fällen die Nachwirkung von den Patienten angenehmer
empfunden als bei anderen Mitteln.
Als Resume ergibt sich, dass das salzsaure Diaethylglyeocoll-
Guaiacol:
1. Das einzige leichtlösliche Guajacolpräparat ist, welches im
Organismus Guajacol abspaltet;
2. eine ganz ungiftige Verbindung ist, nicht ätzt, leicht re¬
sorbirt wird und anaesthesirend, antiseptisch und desodorisirend
wirkt;
•) Therap. Monatsh. 1899, S .395. E s c h 1 e : Ibid. S. 808.
4
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
12
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. I.
3. ohne Aufstossen und Erbrechen oder sonstige Schädi¬
gungen zu verursachen in grossen Dosen bis zu 12 g täglich per os
(Dosirung 3 g in Oblate) oder subcutan verabreicht werden kann
und dadurch berufen zu sein scheint, bei der Behandlung der
Tuberculose eine Rolle zu spielen;
4. tuberculose Diarrhoen sofort sistirt;
5. als Desodorans bei Ozaena, Stomatitis, jauchigen Carci-
nomen etc. geeignet ist;
6. als Antisepticum und leichtes Anaestheticum bei der
Blasendesinfection und in der Augenheilkunde Verwendung
finden kann.
Aus der K. Universitäts-Augenklinik in München, Geheimrath
Prof. Dr. v. Rothmund.
Zur Diagnose und Therapie der Augeneiterung der
Neugeborenen.*)
Von Dr. v. Ammon, Oberarzt im K. B. 1. Schweren Reiter¬
regiment, commandirt zur Klinik.
M. H. ! Die eine Zeit lang herrschende Ansicht, dass die
Augeneiterungen Neugeborener in den allermeisten Fällen auf
gonorrhoische Ansteckung zurückzuführen seien, wobei zugleich
die Zeit der Ansteckung in den Verlauf des Geburtsvorganges
verlegt wird, wurde während der letzten Jahre mehrfach ange¬
griffen. Sie verdient aber nicht allein bezüglich der Classifi-
cirung der Infectionsträger, sondern auch hinsichtlich des Zeit¬
punktes der Uebertragung des Virus rectificirt zu werden.
Man spricht gerne von einem typischen Bilde, und so hat
man auch ein typisches Bild der Ophthalmogonorrhoe der Neu¬
geborenen construirt. Das Recht der Benützung desselben zur
Diagnose ist jedoch nur bedingt zuzugeben, da es einerseits eine.
Reihe von Fällen gonorrhoischer Natur gibt, die aus verschie¬
denen Gründen wenig entzündliche Erscheinungen aufweisen,
und da andererseits Fälle zur Beobachtung kommen, bei denen
trotz hochgradigster entzündlicher Veränderungen die Gono-
coccen absolut keine Rolle spielen. Was die Häufigkeit der go¬
norrhoischen Infektionen unter den Augeneiterungen Neuge¬
borener anlangt, so befunden sich unter den von mir unter¬
suchten 100 Fällen 56 gonorrhoische, also ein weit geringeres
Verhältniss der gonorrhoischen Entzündungen, als man all¬
gemein annimmt. In 44 Fällen wurden andere Mikroben ge¬
funden. Bei den 56 Fällen trat die Eiterung der Bindehaut nur
in 15 Fällen zwNohen dem 1. und 3. Tage, davon einmal am
l. Lebenstage auf, bei 18 Fällen zwischen dem 4. und 7. Tage
und bei 23 Fällen erst nach dem 7. Tage.
Während wir aber über die Zeit, welche vom Beginne der
Infection bis zum Auftreten von Krankheitserscheinungen in
der Conjunctiva der Neugeborenen vergehen kann, bei den nicht¬
gonorrhoischen Fällen noch ganz ungenügend unterrichtet sind,
stehen für die Bestimmung der Incubationsdauer der gonor
rhoischen Fälle Vergleiche mit der durch spätere und zeitlich be¬
stimmbare Inf ection entstandenen Conjunctivitis gonorrhoica Er¬
wachsener sowie die Impfversucne von Bumm zur Verfügung.
Die Conjunctivitis gonorrhoica bei Erwachsenen ist einerseits
bereits wenige Stunden nach der Infection der Bindehaut auf-
getreten, andererseits wurde eine längere Incubationszeit als
2 bis 2 l / s Tage noch nicht festgestellt. Michel gibt dieselbe in
seinem Lehrbuche nur zu 36 Stunden an. Ferner ergaben die
1 mpfversuche von Bumm, welche derselbe mit Reinculturen
vorgenommen hat, schon am 2., spätestens am Beginne des
3. Tages ein positives Resultat. In Anbetracht dessen jedoch,
dass die Bindehaut der Neugeborenen für Infectionen irgend
welcher Art erfahrungsgemäss mindestens so empfänglich ist,
wie die der Erwachsenen, darf man die Zeit, welche das gonor¬
rhoische Virus bei der Conjunctiva der Neonati zur Entwicke¬
lung seiner schädlichen Eigenschaften braucht, jedenfalls nicht
länger als auf höchstens 3 Tage bemessen. Mit Rücksicht auf
dieses kurze Incubationsstadium können dann aber alle die¬
jenigen Fälle, welche erst nach dem 3. Tage aufgetreten sind,
nicht mehr auf eine während oder unmittelbar nach der Geburt
geschehene Infection bezogen werden. Auf das Zahlenverhält-
niss unserer Fälle angewendet, würde das so viel bedeuten, dass
•) Vortrag, gehalten am 20. September 1899 in einer gemein¬
samen Sitzung der Abtheilungen für Geburtshilfe und für Augen-
heükunde bei der 71. Versammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte ip München.
nur ungefähr ein Viertel der Ophthalmogonorrhoen der Neu¬
geborenen bei oder kurz nach der Geburt entstanden sind. Die
hohe Wahrscheinlichkeit der Häufigkeit von Spätinfectionen
wird dem sehr klar werden, der sich einmal in den Wohnungen
der Leute umsieht, aus deren Mitte die allermeisten der erkrank¬
ten Kinder stammen. Man muss nur Zusehen, wie dort gelegent¬
lich mit einem Schwamm, in einer Schüssel, mit einer
Seife Alles gewaschen wird, wie die Badewanne des Kindes
auch als Waschbehälter für die gesammte Leib- und Bettwäsche
dient, wie das gleiche Handtuch von Allen zu Allem benützt
wird und man wird sich nicht darüber zu wundern brauchen,
dass die meisten Augeneiterungen Neugeborener in den Kreisen
der minderbemittelten Volksclassen Vorkommen. Das Vorliegen
gonorrhoischer Schleimhautkatarrhe der Mütter allein kann die
Schuld daran nicht tragen, da solche Affectionen auch in besser
situirten Gesellschaftskreisen nicht vergebens gesucht zu werden
brauchen. Die Ansicht, dass die Augeneiterungen der Neu¬
geborenen grösstentheils in Folge einer Infection während oder
kurz nach der Geburt auftreten, scheint mir desshalb den that-
säehlichen Verhältnissen nicht zu entsprechen. Es ist vielmehr
sehr wahrscheinlich, dass die Mehrzahl der genannten Augen¬
erkrankungen einem Mangel an Reinlichkeit von Seiten der
Kindespflege in den auf die Geburt folgenden Tagen ihre Ent¬
stehung verdankt. Wenn wir durch die bei uns jetzt seit
11 Jahren eingeführten Zählkarten feststellen, dass im Bereiche
der Thätigkeit dieser oder jener Hebamme auffallend viele
Augeneiterungen Vorkommen, so ist daran meistentheils nicht
die Hebamme schuld, sondern jedenfalls der Umstand, dass eben
manche Hebammen ihren Beruf in solchen Kreisen ausüben
müssen, wo mangels genügender Mittel, hinreichender Warte¬
kräfte, nothwendiger Reinlichkeit und genügender Einsicht In¬
fectionen eben beschriebener Art die Regel bilden werden. Aus
diesem Grunde wird auch der Erfolg des Kampfes gegen das Auf¬
treten der Augeneiterung Neugeborener weniger von der mehr
oder minder gewaltsam eingeführten Anwendung der Höllen¬
steintropfen, als vielmehr von der allgemeinen Besserung der
socialen Verhältnisse abhängig sein.
Während bei mehr als der Hälfte unserer Fälle im Binde¬
hautseerete echte Gonococcen nachweisbar waren, fiel bei 44 Fäl¬
len dieser Nachweis negativ aus. Und doch befanden sich viele
Fälle darunter, welche die schwersten Entzündungserschei-
ungen darboten. Homhautaffectionen bestunden dabei nur
2 mal, bei den gonorrhoischen Erkrankungen waren 8 mal Horn¬
hautgeschwüre schon beim Eintritt in die Behandlung vorhanden
gewesen. Sind nun aber auch bei den nichtgonorrhoischen Binde¬
hautentzündungen die Reizerscheinungen oft in gleicher Weise
wie bei den gonorrhoischen im Beginne der Krankheit aus¬
gesprochen, so unterscheiden sich die erstgenannten von den
letzteren doch sehr rasch im Verlaufe weniger Behandlungs¬
tage. Der ziemlich schnell erfolgende Eintritt der Besserung
des Zustandes ist dann sehr geeignet, falsche Schlüsse über die
Wirksamkeit dabei angewandter Medicamente zu veranlassen.
Bei nur zweien unserer Fälle, deren acute Symptome in
wenigen Tagen zurückgingen, fanden sich sog. Pseudogono-
coccen. In 15 Fällen fanden sich Pneumoeoccen. Da Pneumo-
cocceninfectionen bei Neugeborenen ein wie es scheint eigenes
Symptom im Krankheitsverlauf darzubieten pflegen, so dürfen wir
ebensogut wie von einer Conjunctivitis gonorrhoica von einer
Pneumoeoccenconjunetivitis sprechen. Die gonorrhoischen Fälle
brauchen nicht nur zu ihrer Heilung sehr lange Zeit, sondern
zeigen auch eine nur ganz allmählich fortschreitende Besserung.
Ganz anders die Pneumoeoccenconjunetivitis. Nach circa 3 bis
5 Tagen sehr starken Katarrhs und profuser Eiterung wird der
Process mit einem Male besser und geht dann auch bald der
Heilung entgegen. Homhautaffectionen habe ich dabei nicht
beobachtet.. Die Heilungsdauer wechselte zwischen 10 und
16 Tagen.
In zwei Fällen fanden sich Staphylococcen in ungeheuerei
Menge wie in einer Reincultur. Es handelte sich um sehr
schlecht genährte Zwillinge, die am 3. Lebenstage mit starker
Lidschwellung und reichlicher Eiterung in Behandlung traten.
Die Augenerkrankung hatte schon zwei Tage bestanden, die
Hornhaut war beiderseits stark diffus getrübt. Am nächsten
Tage zeigten sich Homhautgeschwüre, die auf je einem Auge be¬
reits perforirt waren, am übernächsten Tage trat Exitils letalis
an Brechdurchfall ein. Diese Fälle weisen darauf hin, dass
Staphylococcen gelegentlich ebenso rasch deletär auf die Hprn-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
13
haut einzuwirken vermögen wie die gefürchteten Gonococcen,
wenn die allgemeine Widerstandsfähigkeit des Organismus aus
irgend einem Grunde gelitten hat. Daraus folgt aber, dass man
nicht berechtigt ist, aus einem Leukoma adhaerens noch nach
Jahren die Diagnose auf Ophthalmogonorrhoe zu stellen, ledig¬
lich desshalb, weil die Anamnese die Thatsache einer Augen¬
eiterung im frühesten Kindesalter ergab, wie dies bei einem zu
richterlicher Entscheidung über Entschädigungsansprüche ge¬
kommenen Falle im Anfang dieses Jahres geschehen war.
In 3 Fällen habe ich im Secrete der erkrankten Conjunctiva
kurze Stäbchen mit abgerundeten Enden gesehen, welche von
einer Kapsel umgeben waren und nach Gram entfärbt wurden.
Sie wären also morphologisch mit dem Bacterium pneumoniae
identisch. Culturen wurden jedoch nicht angelegt. Der Verlauf
war mittelschwer und bot nichts Besonderes.
In den übrigen Fällen fehlte ein typischer Mikrobenbefund
und es sollen davon nur noch zwei Fälle besonders erwähnt
werden, welche den von Peters im Jahre 1891 bereits erwähn¬
ten Formen, auf die er neuerdings wieder aufmerksam machte,
einzureihen sind. Es handelte sich um profuse, einseitige Eite¬
rung. Im Eiter fanden sich Staphylococcen. Die Menge des
Eiters war jedoch viel grösser, als es dem wenig gereizten Zu¬
stande der Conjunctiva entsprach. Dagegen fand sich die Ge¬
gend des Thränensackes leicht vorgewölbt, die Haut darüber
jedoch nicht geröthet. Ein starker Druck auf diese Gegend ent¬
leerte aus dem gleichseitigen Nasenloch eine grosse Menge Eiter.
Am 2. Tage konnte in dem einen Falle nur noch ganz wenig,
in dm anderen überhaupt kein Secret durch Druck mehr ge¬
wonnen werden. Die von vornherein wenig entzündete Con¬
junctiva* wurde blass und der Process war am 3.Tage abgeheilt.
Es lag also jedenfalls auch hier ein membranöser Verschluss def
Einmündung des Thränenschlauches in die Nase vor, nach dessen
Sprengung die Affection behoben war. Jedenfalls ist auf diese
Form der Augeneiterung stets zu achten, insbesondere aber bei
einseitig verlaufender Erkrankung.
Bacterienformen, welche zur genaueren Untersuchung auf
Dipbtheriebacillen oder Bacterium coli aufgefordert hätten, habe
ich nicht gefunden. Bezüglich der Thatsache aber, dass es eine
Reihe von Augeneiterungen bei Neugeborenen gibt, die mit Go¬
norrhoe nichts zu thun haben, dass dabei vielmehr auch andere
Mikroben, und von diesen besonders die Pneumococeen eine
wirksame Rolle spielen, stimmen unsere Resultate vollkommen
mit den Erfahrungen überein, welche Groenow in der vorig¬
jährigen Versammlung der ophthalmologischen Gesellschaft zu
Heidelberg vorgetragen hat. Der Name Blennorhoea wäre dess¬
halb am besten ganz zu vermeiden, da er nur ein Symptom ätio¬
logisch ganz verschiedener Processe berücksichtigt. Mindestens
aber sollte für die von amtlicher Seite ausgegebenen Zählkarten
der Begriff der Ophthalmoblennorrhoea neonatorum genau prä-
cisirt werden. Ihrer praktischen Wichtigkeit halber dürften
darunter vorläufig nur die gonorrhoischen Fälle zu verstehen
sein. Mehr Werth als bisher wäre aber auch darauf zu legen,
dass man im einzelnen Falle zu erfahren trachtet, an welchem
Lebenstage bei Neugeborenen eine Augeneiterung zum ersten
Male aufgetreten ist, da wir ohne Berücksichtigung dieses Mo¬
mentes über die Wirksamkeit prophylaktischer Maassregeln
immer im Unklaren bleiben werden. Nach unserer Erfahrung
ist die gonorrhoische Infection bei der Geburt, also die
eigentliche Ophthalmogonorrhoea neonatorum, relativ
selten im Verhältniss zu den Spätinfectionen.
Unter den zur Heilung der gonorrhoischen Conjunctivitis
der Neugeborenen angewandten Verfahren scheint die Argentum
nitricum-Behandlung gegenwärtig noch am meisten im Ge¬
brauche zu sein. Und doch musste G r a e f e seiner Zeit das Ge¬
wicht seiner ganzen Autorität einsetzen, um der Anwendung
des Höllensteins bei der Behandlung der gonorrhoischen Binde¬
hautleiden ihre Einführung zu verschaffen, eine Thatsache, an
die man in unseren Tagen wieder erinnern darf, wo mehr und
mehr gegen die Zuverlässigkeit und Zweckmässigkeit dieser Be¬
handlungsweise eingewendet wird. Es darf bei dieser Gelegen¬
heit auch erwähnt werden, dass man sich im Verlaufe der Jahre
über die Wirkung des salpetersauren Silbers recht verschiedene
Vorstellungen gemacht hat. Die Ueberzeugung von der Noth-
wendigkeit, einer vorhandenen Entzündung eine künstliche
gegenüber stellen zu müssen, ist längst auf gegeben. Vergessen
sind die durch das „Causticum“ angeblich verursachten che¬
mischen Veränderungen des in der Schleimhaut circulirenden
Blutes und Anderes mehr. Lediglich die Verengung der über¬
füllten Blutgefässe sieht man noch als eine erwünschte Folge der
Einwirkung des Höllensteins an und auch diese Wirkungsweise
ist nicht die in erster Linie beabsichtigte. Gegenwärtig tödtet
man eigentlich nur noch Gonococcen, und lange Untersuchungs¬
reihen wurden angewendet, um den dazu nothwendigen Concen-
trationsgrad zu ermitteln.
Dass eine 2 proc. Lösung von Argentum nitricum an sich im
Stande ist, die Erreger der Gonorrhoe im Reagensglase in sehr
rascher Zeit abzutödten, soll nicht bezweifelt werden. Wo aber
bleibt die gonococcen vernichtende Wirkung, wenn das Causti¬
cum am lebendigen Gewebe wochenlang angewendet wird, und
die gefürchteten Mikroben gedeihen immer noch fort ?
Diese Unzuverlässigkeit bezüglich seiner therapeutischen
Leistung einerseits und manche unangenehme Zwischenfälle,
welche bei der Anwendung des Mittels scheinbar nicht ganz zu
umgehen waren, sind denn auch die Ursache dafür gewesen,
dass sich viele Aerzte veranlasst sahen, zu einer anderen Behand¬
lungsweise überzugehen. Insbesondere werden beinahe ein¬
stimmig von Seiten Derjenigen, welche die Argentum nitricum-
Therapie verlassen haben, die unangenehmen Eigenschaften des
Höllensteins dahin präcisirt, dass die Anwendung dieses Mittels
in recht vielen Fällen das Entstehen der Hornhautgeschwüre
nicht nur nicht zu verhindern vermochte, sondern sogar direct
zu verursachen im Stande war. Auch bei der iraAllgemeinen
doch gerühmten Crede’schen Prophylaxe ist die Sicherheit
der Wirkung des Höllensteins nicht über jeden Zweifel erhaben.
Diese Thatsachen rechtfertigen jedenfalls das Bestreben, auf
experimentellem Wege eine Erklärung über die vermutliche
Wirkung der bei der Ophthalmogonorrhoe angewandten Arznei¬
körper zu suchen. Seine gonococcenvernichtenden Eigenschaften
vermag das Argentum nitricum natürlich rur da zu entfalten,
wo es mit den Mikroben in Berührung kommt. Um nun zu
sehen wie weit das Silbernitrat in das Gewebe einzudringen im
Stande sei, habe ich zunächst in den gesunden Bindehautsack eines
Kaninchens einen Tropfen 2 proc. Argentum nitricum-Lösung
gebracht und nach 5 Minuten das Thier getödtet. Das mit-
sammt dem unverletzten Bindehautsacke aus der Orbita ent¬
fernte Auge wurde sofort in gesättigtes Schwefelwasserstoff¬
wasser gebracht, um das in das Gewebe eingedrungene gelöste
Silber in der Form von unlöslichem schwarzen Schwefelsilber
niederzuschlagen, welches seinerseits dann mit dem Mikroskop
bequem nachgewiesen werden konnte. Da mit der Möglichkeit
gerechnet werden musste, dass das Schwefelwasserstoffwasser
nicht so weit in das Gewebe Vordringen könnte, als die Argen¬
tumlösung, so wurde das Glas, in welchem sich das Auge mit
nach aussen umgeklappter Bindehaut befand, */ 4 Stunden dem
grellsten Sonnenlichte ausgesetzt, um auch auf diesem Wege
eine Schwärzung der mit dem Silberpräparate imprägnirten Ge-
webstheile zu erreichen, eine Vorsichtsmaassregel, die sich
übrigens später als überflüssig erwies. Von dem auf diese
Weise gewonnenen Präparate legte ich Serienschnitte an, und
zwar so, dass die Schnittrichtung die Lider, den Bindehautsack
und die Hornhaut traf.
Betrachten wir zunächst die Einwirkung des Höllensteins
auf die Bindehaut des Lides bei dem nach der C r e d eichen
Methode behandelten Auge. Die Epithelien sind beinahe im
Bereiche des ganzen Bindehautsackes in verschiedener Tiefe
schwarz gefärbt, zum grossen Theile so intensiv, dass man die
Zellconturen nur hie und da schwer zu erkemien vermag. Am
meisten in die Tiefe des Epithelzellenlagers geht die Schwarz¬
färbung im Bereiche der unteren und dann der oberen Ueber-
gangsfalte, wo sie stellenweise so tief greift, dass von Silbersalz
freies Epithel überhaupt nicht mehr zu erkennen ist. Während
an einigen Stellen ein Drittel des Epithellagers, an anderen nur
die oberste Epithelzellenlage von der Höllensteinlösung erreicht
worden ist, fehlt aber an mehreren Stellen die Imprägnirung
mit Argentum vollständig.
An der Hornhaut ist die oberste Epithellage durchwegs ge¬
bräunt ; an den unteren Partien reicht die Argentum Wirkung
bis zur 2. Epithelzellenlage. Dann aber sieiit man ein Netz ver¬
zweigter schwarzer Linien, die sich zwischen den einzelnen Epi¬
thelzellen befinden und somit in der Kittsubstanz gelegen sind.
Diese schwarzen Linien gehen tief in das Comealepithel und
hören erst zwei Epithelienbreiten von der Membrana elastica
anterior entfernt auf.
4*
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Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
14
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Es zeigt sich sonach, dass die Höllensteinlösung an ver- 1
schiedenen Stellen sehr ungleich wirkt und dass sich »an manchen
Schleimhautpartien, vermuthlich wegen kleiner vorliegender
Schleimpartikelchen, überhaupt keine Argentumwirkung be-
merklich macht. Was den Einfluss des 11 Öllensteins auf die
Hornhaut betrifft, so erscheint die Zerstörung des Epithels im
Verhältnisse zu der der Bindehaut zwar gering, sie ist jedoch in
Anbetracht der Wichtigkeit des betroffenen Gewebes als durchaus
nicht unbeträchtlich zu erachten. Abgesehen von der directen
Verbrennung stellt sie eine Lockerung des Zellgefüges dar, die
nahezu zwei Drittel des Epithels durchsetzt.
Fragen wir uns nach der Sicherheit der Wirkung des
C red eichen Tropfens als prophylaktisches Mittel, so dürfen
wir uns gewiss der Ueberzeugung hingeben, dass die 2proc.
Höllensteinlösung kurz vor der Anwendung des Mittels in den
Bindehautsack gerathene Mikroben unschädlich zu machen im
Stande ist. Anders aber wird es sich verhalten, wenn Infections-
erreger frühzeitig, bei einer lange andauernden Austreibungs¬
periode eine Infection der Bindehaut bewirkt haben und wenn
sie Zeit hatten, in das Epithellager einzudringen. In Anbetracht
des Umstandes, dass die Höllensteinlösung nicht an allen Stellen
der Bindehaut gleichmässig zur Wirkung kommt, vermögen sehr
wohl inficirte Schleimhautflächen zurückzubleiben. Die darin be¬
findlichen Mikroorganismen finden dann aber keine gesunde,
sondern eine verletzte, in ihrer vitalen Energie jedenfalls nicht
intacto Conjunctiva mehr vor, und es lässt sich denken, dass
trotz der technisch vollkommen richtig ausgeführten Crede’-
schen Methode eine unter Umständen noch stürmischer als sonst
verlaufende Augeneiterung auftritt. Somit wären die Ursachen
der Fehlerfolge der C r e d e’schen Prophylaxe nicht sowohl iu
der mangelhaften Technik Derer, die sie auszuführen haben, wie
Cohn meint, als vielmehr in den Zufälligkeiten und Mängeln,
von denen eben schliesslich kein Verfahren vollkommen frei ist,
zu suchen. Bemerkenswerth ist aber, dass ein mit Höllenstein
behandeltes Auge und vor Allem die Hornhaut einer späteren
Infection, die nach unserer Erfahrung die häufigere ist, ent¬
schieden ungünstiger gegenüber steht als ein nicht prophylak¬
tisch behandeltes Auge. Es scheint mir umso berechtigter zu sein,
darauf hinzuweisen, als seit kurzer Zeit in Bayern die C r e d e’-
sche Behandlung bei einer besonderen Gattung von Fällen offi-
ciell eingeführt ist. Ob es zweckmässig war, den Hebammen die
Diagnose der Krankheit, von der die Anwendung der Prophylaxe
abhängig ist, zu überlassen, soll hier nicht näher berührt werden.
Nim, dass wir deshalb von jetzt ab keine Ophthalmogonorrhoe bei
Neugeborenen mehr zu sehen bekommen werden, ist kaum zu er¬
warten. Wer aber bei der Unfehlbarkeit der Credeisirung festhält,
wird natürlich bei ungeachtet ihrer Anwendung erfolgtem Auf¬
treten einer Augeneiterung Fehler in der Technik verantwortlich
machen wollen, und gegen angebliche Nachlässigkeit in der Pro¬
phylaxe vorzugehen geneigt sein. Mir erscheint es jedoch nicht
gerecht. Anderen Ungeschicklichkeit oder noch mehr zu impu-
tiren, nur um die Methode zu retten. Sollen wir uns vielmehr
von unserem sehr berechtigten Streben, die Zahl der Erblindeten,
welche ihr Sehvermögen in Folge einer Augeneiterung im
frühesten Kindesalter verloren haben, möglichst zu beschränken,
Erfolge erwarten dürfen, dann genügt es nicht, auf der Durch¬
führung einer Maassregel zu bestehen, deren nicht immer
sichere Wirkung das ausschliessliche Zustandekommen einer In¬
fection während oder kurz nach der Geburt zur Voraussetzung
hat, sondern wir müssen vielmehr darnach trachten, dass die
trotz prophylaktischer Maassnahmen aufgetretenen Augen¬
erkrankungen möglichst bald in Behandlung kommen. Aus
diesem Grunde scheint es mir viel rationeller, nur die Hebammen
zur Verantwortung zu ziehen, welche, wie es sehr häufig vor
kommt, die Augeneiterung als eine harmlose, mit der Gelbsucht
zusammenhängende und ärztlicher Hilfe nicht bedürfende
Sache darstellen, als gegen Diejenigen vorzugehen, denen wir
nie werden beweisen können, dass sie die in ihrer Praxis vorkom¬
menden Augeneiterungen Neugeborener mitverschuldet haben.
Sobald die Hebammen aber von der Thatsache, dass infectiöse
Augenerkrankungen bei den von ihnen entbundenen Kindern
Vorkommen, Nichts mehr zu fürchten haben, dann werden sie
auch keinen Grund mehr besitzen, diese Erkrankungen der ärzt¬
lichen Beobachtung zu entziehen, ein Bestreben, das bei dem
jetzigen Verfahren nur zu leicht erklärlich ist.
Um die Einwirkungen der zu therapeutischem Zwecke vor¬
genommenen Höllensteineinpinselungen zu prüfen, habe ich die
umgeklappte Conjunctiva eines Kanninchens mit 2 proc. Höllen¬
steinlösung gepinselt, sodann den Uebersehuss mit Kochsalz¬
lösung neutralisirt. Zur Beurtheilung der gelegentlich vorkora-
menden Aetzungen der Hornhaut durch unbeabsichtigt dahin ge¬
langte Höllensteinlösung brachte ich eine Spur der Lösung auf
die Cornea. Das ebenso wie das erste mit Schwefelwasserstoff¬
wasser weiter behandelte Präparat zeigte die obersten Epithel-
schichten der Lidbindehaut tief gebräunt und theilweise voll¬
kommen schwarz, so dass Zellconturen nicht mehr erkennbar
waren. Die grosse Ungleichmässigkeit der Aetzung fiel auch hier
in die Augen. Während an einigen Stellen nur eine oder zwei
Lagen von Epithelien geschwärzt erschienen, ging die Argentum
nitricum-Wirkung an anderen Stellen bis über die Hälfte und
weiter in das Epithellager hinein. Im Bereiche der oberen
Uebergangsfalte aber finden sich in Folge der zahlreichen Falten
der Schleimhaut viele Stellen, an die überhaupt keine Höllen¬
steinlösung gelangt ist. An der Stelle der absichtlichen Coraeal-
verletzung waren 2 bis 3 Lagen von Epithelzellen vollkommen ge¬
bräunt und theilweise von den daruntergelegenen abgehoben.
So sehen wir, dass auch die Pinselung mit Höllensteinlösung
sehr ungleichmässige Resultate liefert. Die Wahrscheinlichkeit,
durch wiederholte Aetzungen der Conjunctiva alle Gonococceu,
welche im Gewebe sitzen, zu erreichen, ist demnach sehr gering,
besonders im Hinblick auf die Bum machen Untersuchungen
über das Vordringen des Gonococcus im Gewebe. Schon am
2. Krankheitstage sind die Coccen bis über die 4. Epithelzellen¬
lage eingedrungen, in den folgenden Tagen finden sie sich bereits
in noch tieferen Gewebspartien. So weit reichen aber die Aetz¬
ungen nicht, welche vom Auge noch ertragen werden. Die hohe
Gefahr einer öfteren Anätzung der Hornhaut wird selbst von den
unbedingten Anhängern der Argentum nitricum-Therapie zu¬
gegeben; sie liegt aber ungeheuer nahe, wenn 3 bis 4 Wochen
lang und nach manchen Berichten noch länger, täglich von
Neuem Höllensteinpinselungen vorgenommen werden, bei denen
in Folge der plötzlichen Bewegungen, welche oft die zu behan¬
delnden Kinder machen, eine kleine Menge der Höllensteinlösung
nur zu leicht auf die Hornhaut fliessen kann.
Die hier durch das Experiment gewonnenen Schlüsse hat die
Praxis theilweise schon längst aus der klinischen Erfahrung ge¬
zogen und der Wunsch nach einer weniger gefahrvollen Therapie
als die Höllensteinbehandlung zeitigte auch die Versuche, durch
Ausspülungen des Bindehautsackes mit antiseptischen Mitteln
auf das gonorrhoische. Virus einzuwirken. Gegenwärtig stehen
die organischen Silberverbindungen im Vordergrund des Inter¬
esses, und auch unter diesen haben sich verschiedene schon wieder
gegenseitig abgelöst. Den meisten Eingang von diesen Prä¬
paraten hat das Protargol gefunden, und ganz auffallende Wir¬
kungen werden von ihm berichtet.
T)ns neue Silberpräparat sollte insbesondere dadurch ein*’
ganz hervorragende Bedeutung besitzen, dass es eine ausge¬
sprochene Tiefenwirkung ohne Aetzung entfaltet. Frei¬
lich wurde diese Wirkung mehr aus den chemischen Eigen¬
schaften des Mittels gefolgert und vermuthet, als bewiesen. Die
Versuche von B e n a r i o, welcher im Agar eine Tiefenwirkung
erzielte, sind meines Erachtens zwar für die Gallerte beweis¬
kräftig, nicht jedoch für das lebende Gewebe. Mir wurde die
Tiefenwirkung dadurch zweifelhaft, dass man eine gonorrhoisch
erkrankte Conjunctiva 14 Tage, 3 Wochen und oft länger damit
behandeln darf, und die Gonoeoccen sind immer noch vorhanden.
Wo bleibt da die gepriesene Eigenschaft des neuen Antigonor-
rhoicums, wenn es 3 Wochen lang vergebens in die Tiefe wirkt?
Die zur Ermittelung des Grades dieser Tiefenwirkung vor¬
genommenen Versuche haben mich dann aber überzeugt, dass
dem Protargol eine Wirkung in das Innere der Gewebe von dem
Grade, dass dadurch tiefer im Epithel befindliche Mikroorganis¬
men geschädigt würden, nicht zugebilligt werden darf.
Von einem mit 5 proc. Protargollösung 2 Minuten lang aus¬
gespültem und nach der Tödtung des Thieres mit Schwefel¬
wasserstoffwasser behandeltem Kaninchenauge wurden Serien¬
schnitte wie früher durch Lider, Bindehautsack und Hornhaut
gemacht. Im mikroskopischen Präparate sehen wir das Epithel
der Lidbindehaut von einer braunen Schichte überzogen, welche
oft grössere Strecken lang abgelöst ist und darunter die oberste
Grenze der Epithelzellen erkennen lässt. Die erste Lage der
Epithelien selbst erscheint durchwegs, wenn auch in verschieden
starkem Grade, braun gefärbt. Diese Färbung ist am inten¬
sivsten an der Oberfläche und nimmt nach innen zu allmählich
Digitized b'
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Original fro-m
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
15
ab. Weiter gegen die Tiefe zu aber, als der Lage der zweiten
Zellenreihe entspricht, ist eine Protargolwirkung nirgends zu
sehen.
Das Cornealepithel aber scheint dem Protargol ein absolutes
Hinderniss zu sein, da die Hornhautepithelien nicht gebräunt
sind.
Da die Möglichkeit vorlag, dass ein höherer Concentrations-
grad des Mittels eine tiefer gehende Wirkung zur Folge habe,
wurde ein weiteres Präparat durch Ausspülen des Bindehaut¬
sackes mit 10 proc. Protargollösung gewonnen. Dabei zeigt sich
aber lediglich, dass der Niederschlag an der Oberfläche der
Schleimhaut stärker ist, das Eindringen der Lösung in die
Zellen erweist sich dabei nicht intensiver.
Diesen an der gesunden Conjunctiva angestellten Versuchen
wurden solche an der künstlich in pathologischen Zustand ver¬
setzten angeschlossen. Aber auch bei den dadurch gewonnenen
Präparaten sieht man, dass das Protargol nicht tiefer in das Ge¬
webe eindringt und dass durch Erhöhung des Coneentrations-
grades der Lösung ein stärkeres Vordringen der Silberverbindung
in das Gewebe nicht stattfindet.
Es wäre noch der Einwand zu machen, das Protargol
brauche, um in das Innere des Gewebes zu gelangen, eine gewisse
Zeit, welche ihm bei meinen Versuchen nicht gelassen wurde.
Aus diesem Grunde habe ich bei einem an starker Bindehaut¬
entzündung leidenden Hunde eine 2 Minuten lange Ausspülung
des Bindehautsackes mit 10 proc. Protargollösung vorgenommen
und das Thier erst nach */ 4 Stunden getödtet. Die gewonnenen
Präparate beweisen aber, dass die Silberverbindung, anstatt in
die Tiefe zu dringen, nur eine Verdünnung erfuhr. Lediglich die
obersten zwei Epithelzellenanlagen haben das Protargol ange¬
nommen, wie bei den vorhergegangenen Versuchen; von dem
aufgenommenen Medicamente ist aber allem Anscheine nach be¬
reits wieder eine gewisse Menge abgegeben worden, da die im
Präparate sichtbare Braunfärbung nur noch sehr blass aus¬
gefallen ist.
So kann dem Protargol, so schön das auch wäre, eine eigent¬
liche Tiefenwirkung im lebenden Organismus nicht nachgesagt
werden. An ausgeschnittenen Organstücken mag man immer
eine grosse Penetrationskraft nachzuweisen Vermögen. Ebenso¬
wenig wie mit der Anwendung des Höllensteins wird es mit dem
Protargol gelingen, die im Inneren des Gewebes befindlichen
Gonococeen oder andere Mikroben zu erreichen und ich glaube,
dass wir diese Bestrebungen überhaupt werden aufgeben müssen.
Die mit dem Mittel erzielten Erfolge wären daher auf andere
Weise zu erklären. Ich habe die Wirkungsweise der verschiedenen
Verdünnungen des Protargols, seine eigene Wirkung, sowie seine
Wirkung in Verbindung mit Eisumschlägen möglichst genau zu
beobachten versucht und habe zuletzt gefunden, dass bei frisch in
die Behandlung gekommenen Fällen mit den schwächsten Lös¬
ungen am schnellsten ein Rückgang der acuten Entzündungs¬
erscheinungen zu erzielen war. Schliesslich wandte ich in den
ersten Behandlungstagen noch eine andere Flüssigkeit zu Aus¬
spülungen an, von der gewiss Niemand behaupten wird, dass sie
im eigentlichen Sinne bactericid wirkt. Eine sorgfältige Aus¬
spülung des Bindehautsackes mit physiologischer Koch¬
salzlösung in Verbindung mit Eisumschlägen vermochte
die hochgradigsten Lidschwellungen am raschesten zu beseitigen.
Die auf Grund der Behandlung unserer Fälle gewonnenen An¬
schauungen und Erfahrungen haben denn dahin geführt, dass ich
nachfolgende Grundsätze für die Therapie der Augeneiterung
Xeugeborener für richtig halten zu dürfen vermeine.
Da wir ein Mittel, welches auf die Infectionserreger direct
und zuverlässig einzuwirken vermöchte, nicht besitzen und da
das erkrankte Gewebe sich der Infection, solange der Gesammt-
organismus gesund und widerstandsfähig bleibt, selbst zu er¬
wehren vermag, so besteht die Aufgabe der Therapie zunächst
darin, dass sie das Auftreten von Hornhauterkrankungen ver¬
hütet. In Anbetracht aber des Umstandes, dass die Homhaut-
geschwüre in den meisten Fällen jedenfalls primär in Folge
einer Nekrose des durch die hochgradig geschwollenen Lider ge¬
drückten Hornhautepithels entstehen, ist für die im acuten Ent¬
zündungsstadium der Augeneiterung befindliche Conjunctiva
nur diejenige Behandlung zulässig, welche durch rasche Vermin¬
derung der Lidschwellung den Druck der Lider auf die Hornhaut
zu beseitigen und eine möglichst wenig gewaltsame Reinigung
des Bindehautsackes zu ermöglichen vermag. Diese Arbeit kann
durch eine vollkommen reizlose und antiphlogistische Therapie,
No. 1.
welche in der 2 mal täglich vorgenommenen Ausspülung des
Conjunctivalsackes mit physiologischer Kochsalzlösung und
fleissig alle 3 Minuten zu wechselnden Eisumschlägen besteht,
vollkommen geleistet werden. Die Verwendung von antisepti¬
schen Mitteln zur Ausspülung, auch die von dem sog. reizlosen
Protargol, vermag das rasche Zurückgehen der acuten Entzün¬
dungserscheinungen höchstens zu verzögern, nicht zu be¬
schleunigen. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt in der An¬
wendung der Kälte und in der mechanischen Reinigung. Das
Ausspülen des Bindehautsackes muss selbstredend mit grösster
Schonung und vor Allem ohne die Verwendung eines Lidhalters
ausgeführt werden, der bei den ganz unberechenbaren Beweg¬
ungen kleiner Kinder immer eine Epithelverletzung der Horn¬
haut verursachen kann. Am Schlüsse der Ausspülung werden
die Lidränder mit gelber Vaseline bestrichen, um das Zusammen¬
kleben der Lider durch eingetrocknetes Secret und eine Stauung
des Eiters im Bindehautsacke zu verhüten.
Die Wirkung der Kälte besteht nicht in einer Schädigung
der im Gewebe befindlichen Mikroben durch die unter das Tem¬
peraturminimum gebrachte Temperatur, sie ist vielmehr darin
zu suchen, dass durch den immer wieder erneut auf die Haut¬
nerven angewendeten Kältereiz die Innervation der tiefer liegen¬
den Gefässe gesteigert wird, wodurch der Gefässtonus eine Er¬
höhung erfährt. So wird die gesammte Blutmenge des Lides
verringert und die Abschwellung angebahnt. Auch die schmerz¬
stillende Wirkung der Kälte ist zu beachten und äusserst
wünschenwerth, da die kranken Kinder weniger veranlasst sind,
mit den Händen gegen die Augen zu greifen und sich mit den
Fingernägeln Hornhautverletzungen zuzufügen. Damit das
leztere aber nicht doch geschieht — und ich glaube, dass es häu¬
figer ist als man annimmt — ist strenge darauf zu achten, dass
bei kleinen augenkranken Kindern die Hände mit in die Kissen
gebunden werden. Der einzige Fall von Hornhautgeschwür, den
ich unter meiner Behandlung auftreten sah, entstund dadurch,
dass sich das kranke Kind die Hornhaut mit dem Fingernagel
verletzte, nachdem die Augeneiterung schon nahezu abgelaufen
war.
Bei Anwendung der rein antiphlogistischen Behandlung
geht die Lidschwellung und der stärkste Reizzustand der Binde¬
haut so schnell zurück, dass man oft schon am 2., spätestens am
3. Tage die Lidspalte ohne jede Gewaltanwendung leicht zu
öffnen im Stande ist und den Bindehautsack bequem reinigen
kann. Die Eiterung hat ebenfalls abgenommen. Die Kinder
sind bald in der Lage, die Lider spontan etwas bewegen zu
können, wodurch der Eiter keine grosse Ansammlung mehr er¬
fährt. Einer Reinigung der Augen durch die Angehörigen haben
wir nie das Wort geredet, da man nie wissen kann, wie dabei vor¬
gegangen wird.
Sobald die Lidschwellung soweit zurückgegangen ist, dass
die Kinder die Augen selbst wieder zu öffnen vermögen, was nach
3 bis 5 Tagen der Fall ist, kann zu einer adstringirenden Behand¬
lung übergegangen werden. Hiebei nun habe ich das Protargol
als ein sehr geeignetes Mittel befunden. Die bisher an das Medi-
cament noch nicht gewöhnte Bindehaut reagirt nun äusserst gut
darauf, die Secretion nimmt ziemlich rasch ab, die Eisumschläge
brauchen nicht mehr so häufig angewendet werden.
Bis zur völligen Heilung vergehen aber immer ca. 3 bis 4
Wochen. Zu bemerken ist, dass man mit der Protargolinstil-
lation auch einmal aufhören muss, will man nicht den Eintritt
der Heilung bis in’s Unbestimmte verzögern. Bleibt nach ca.
dreiwöchentlicher Behandlung ein gewisser Reizzustand der
Bindehaut mit geringerer Schwellung und massiger Secretion be¬
stehen, so ist mit dem Adstringens abzuwechseln. Das alte Zin-
cum sulfurium leistet dann oft in wenigen Tagen mehr als die
modernen kunstvoll zusammengesetzten Mittel.
Was die Heilungsaussichten bereits vorhandener Homhaut-
geschwüre anlangt, so sind dieselben auch bei der Protargol-
behandlung schlecht. Gerade hier sollte man aber von der be¬
haupteten Tiefenwirkung etwas erwarten dürfen, da doch kein
hinderndes Epithellager dem Mittel mehr im Wege steht, in die
Tiefe zu dringen. Leider dringt aber in der Regel nur das Ge¬
schwür in die Tiefe. Jedenfalls dürfen Eisumschläge dabei nicht
gemacht werden. Sie erscheinen aber auch desshalb nicht mehr
nothwendig, weil mit dem Eintritt von Geschwüren die Eiterung
von selbst geringer zu werden pflegt. Von der Anwendung des
Eserin habe ich keinen deutlichen Erfolg gesehen. Die Haupt¬
aufgabe scheint mir dabei wie bei der Behandlung der Oph-
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Original from
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IG
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
thalmogonorrhoe überhaupt eine sorgfältige Beobachtung des
allgemeinen Ernährungsstandes zu sein.
Bei einseitiger Erkrankung haben wir das andere Auge da¬
durch zu schützen versucht, dass wir täglich einen Tropfen 2proc.
Protargollüsung einträufelten. Ob das Mittel wirksam war,
lässt sich schwer beweisen, jedenfalls ist nie eine Uebertragung
auf das nicht erkrankte Auge vorgekommen. Vielleicht wäre
(lesshalb das Protargol zu prophylaktischen Einträufelungen zu
versuchen, da es die Nachtheile des Höllensteins nicht besitzt
und eventuell ebensoviel zu leisten vermag.
Die nicht gonorrhoischen Fälle wurden ebenso wie die go¬
norrhoischen behandelt, jedoch mit dem Unterschied im Erfolge,
dass die Heilung nur die Hälfte bis ein Drittel der Zeit bean¬
spruchte.
Wenn ich zum Schlüsse meine Erfahrungen zusammen¬
fassen darf, so muss ich sagen: Die Therapie der Augeneiterungen
Neugeborener kann im Beginne der Erkrankung nicht reiz¬
los genug sein. Dass dieser Grundsatz richtig ist, darf man,
wie ich glaube, daraas scliliessen, dass bei den mit gesunder
Hornhaut in unsere Behandlung gekommenen 48 gonorrhoischen
Fällen mit Ausnahme des schon erwähnten, durch eine Verletz¬
ung bedingten Falles keine Hornhautgeschwüre aufgetreten
sind. Wir können desshalb alle Medicamente, die unter Um¬
ständen Schaden verursachen, bei der Behandlung der Augen¬
eiterung Neugeborener entbehren, so dass man nicht mehr zu
sagen braucht, die Ophthalmogonorrhoe der Noonati sei sowohl
an sieh eine sehr gefährliche Erkrankung, als auch in Hinsicht
auf die dabei zur Anwendung kommenden therapeutischen
Mittel.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Verjährung ärztlicher Forderungen, bestehender An¬
sprüche von Heil- und Pflege-Anstalten nach neuem
Recht.
(Gesetzeskraft ab 1. Januar 1000.)
Die bisherigen landesgesetzlichen Vorschriften über die Ver¬
jährung erfahren durch das Inkrafttreten des bürgerlichen Gesetz
1 nclies eine Veränderung in zweifacher Richtung. Einmal stellt
dns bürgerliche Gesetzbuch für ärztliche und andere Forderungen.
\. eiche vom 1. Januar 3000 ab begründet werden, neue, von den
bisherigen Vorschriften abweichende Verjährungsgrundsätze auf.
Weiterhin gibt Art. 300 des Einführungsgesetzes wichtige Ueber-
gaugsbestimmungen für alle diejenigen ärztlichen und anderen
Forderungen, welche noch vor dem 1. Januar 1000, also noch unter
d u* Herrschaft der bisherigen Landesgesetze begründet wurden.
Es ist selbstverständlich, dass alle ärztlichen Forderungen etc.,
welche erst ab 1. Januar 1000 fällig werden, folglich erst von da
ab gerichtlich eingeklagt werden können, unter der Herrschaft des
eenen Rechtes stehen, folglich in den vom bürgerlichen Gesetz¬
buch aufgestellten neuen Fristen verjähren. Dagegen nicht selbst¬
verständlich ist die in Art. 109 des Einführungsgesetzes zum
bürgerlichen Gesetzbuch enthaltene Bestimmung, dass auch die
vor dem 1. Januar 3900 entstandenen ärztlichen und anderen
Forderungen, welche bis dabin nicht eingeklagt sind und deren
Verjährung vom Fälligkeitstage ab nach den alten Fristen läuft,
vom 1. Januar 1000 ab nach den neuen Verjährungsfristen des
bürgerlichen Gesetzbuches zu Verlust gehen, und zwar auch dann,
wenn diese neuen Fristen, wie überwiegend der Fall, kürzer
bemessen sind, als die bisherigen alten Verjährungsfristen. Da¬
durch treten also die bisherigen Verjährungsfristen mit dem
1. Januar 1000 schlechthin ausser Kraft und es treten an ihre
Stelle die neuen Verjährungsfristen des bürgerlichen Gesetzbuches.
Eine Ausnahme hievon folgt weiter unten. Dieser Umstand lässt
os für Alle, welche aus den letzten Jahren noch Forderungen aus¬
ständig haben, geboten erscheinen, sich mit den Neubestimmungeil
bekannt, zu machen. Setzen die neuer) Verjährungsbestimmungen
für die Verjährung der Forderung eine kürzere Frist als bisher,
tu gilt vom 1. Januar 1900 ab nunmehr diese Frist, und zwar in
<’er Weise, dass sie ohne Rücksicht auf den bereits nach der alten
Verjährungsfrist verstrichenen Zeitraum einfach an die Stelle der
; Iten Frist tritt. Die der Forderung nach bisherigem Recht zu
;iit gekommene längere Verjährungsfrist läuft mithin nicht aus,
sondern sie wird um so viel verkürzt, als die neue Frist des bürger-
lieben Gesetzbuches kürzer ist. Der Verlust der vor dem Inkraft¬
treten des bürgerlichen Gesetzbuches entstandenen fälligen ärzt¬
lichen Forderungen tritt daher um so viel eher ein. Ist z. B. eine
Forderung im Jahre 1808 entstanden, welche nach bisherigem
Rechte in 5 Jahren verjährt, nach dem bürgerlichen Gesetzbuch
.Hier in 2 Jahren, so ist die Verjährung der Forderung bereits am
21. Deeember 1002 vollendet. Um andererseits zu verhindern,
dass durch Anwendung der kürzeren Verjährungsfristen des
bürgerlichen Gesetzbuches ältere Forderungen, deren längere Ver¬
jährungsfrist. mich dem lüsherigen Recht demungeachtet früher
als jene abgelaufen sein würde, zeitlich begünstigt werden, so
ist im bürgerlichen Gesetzbuche für diese Fälle wiederum eine
Ausnahme vorgesehen. Kommt nämlich die nach den bis-
herigen Landesgesetzen für die Forderung maassgebende, w’enn
auch längere Verjährungsfrist früher zum Ablauf als die im
bürgerlichen Gesetzbuch bestimmte kürzere Verjährungsfrist,
so bleibt demungeachtet die ältere längere Ve r j ä h rungs¬
frist für die Forderung maassgebend.
Wie ersichtlich, begünstigt die neue bürgerliche Gesetzgebung
den Schuldner und stellt, den Gläubiger schlechter, der sich
nicht frühzeitig genug die Verfolgung seiner Ansprüche angelegen
sein lässt. Das neue bürgerliche Gesetzbuch steht nämlich auf
dem Standpunkt, es soll Jeder künftig innerhalb möglichst kurzer
Fristen seine Forderungen geltend machen, wenn jene
Forderungen sich wie beim Arzt und anderen Berufsstünden aus
den Geschäften des täglichen Verkehrs, der beruflichen Praxis
hersclireiben. Nimmt der Forderiingsbereclitigte aus irgend
welchen Rücksichten Anstand, dies dem einen oder anderen
Pflichtigen gegenüber zu tlnin, so gibt ihm das bürgerliche Gesetz¬
buch ein Mittel an die Hand, den Lauf der Verjährungsfrist zu
sistiren und dadurch den Verlust der Forderung durch Zeltablauf
hintanzuhalten. Es ist dies die Stundung des Betrages. Der
Forderimgsberechrigte, der nicht Klage erhellen will, muss, um
den Ablauf der Verjährungsfrist gegen sich zu hemmen, den
Schuldner benachrichtigen, dass er ilmi die fällige Forderung auf
bestimmte Zeit stunde. Innerhalb dieser Zeit läuft dann gegen
ihn als Gläubiger für die betreffende Forderung die Verjährung
nicht. Ist die Stuiulimgsfrist abgelaufen, so kann der Forderungs-
bereelitigte sein An fordern erneuern oder eventuell, um den Lauf
der Verjährung seines Anspruches weiter zu hemmen, eine neue
Stundungsfrist gewähren. Sieht er aber, (lass auf diesem Wege
nicht an’s Ziel zu kommen ist, so wird er schliesslich seinen
Schuldner auf den Ablauf der Verjährung aufmerksam machen
und wenn dieser zur Begleichung sieh nicht entscliliesst, den
Weg der gerichtlichen Klagestellung bei Vermeidung des Ver¬
lustes der Forderung betreten müssen. Alsdann aber kann Jener
hieran gewiss keinen Anstand mehr nehmen.
Es ist selbstverständlich, dass die Fragen, wann die Ver¬
jährung beginnt, wann und wodurch ihr Lauf gehemmt oder ihre
Vollendung unterbrochen wird, für Forderungen, die erst nach
dem 3. Januar 3900 zur Entstehung gelangen, sich ausschliess¬
lich nach (len neuen Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches
beantworten. Handelt es sicli dagegen um Forderungen, die noch
vor dem 3. Januar 3900 entstanden sind, so entscheidet über
den Zeitpunkt, des Beginnes des Laufes der Verjährung das bis¬
herige Landesrecht, soweit es sieh um Verjährungshemmungen,
-Unterbrechungen oder Verjährungsbeginn In einer vor dem
3. Januar liMM» zurückliegenden Zeitperiode handelt. Spätere Zeit¬
perioden stehen auch in diesen Fragen, z. B. nach eingetretener
Unterbrechung der Verjährung nach altem Recht und darauf ge¬
folgtem Wiederbeginn einer neuen Verjährung, unter der Herr¬
schaft des bürgerlichen Gesetzbuches.
Die auch für Aerzte, Heil- und Verpflegungsanstalten be¬
acht entwert heil Neubestimimiiigen des bürgerlichen Gesetzbuches
über die Verjährung linden sich im 5. Abschnitt desselben,
§§ 300—225, vor. Das neue Recht unterscheidet zwischen einer
längeren und einer kürzeren, allgemeinen, einheitlichen Ver¬
jährungsfrist. Die ersten» beträgt 20 Jahre, die letztere 2 Jahre.
Unter die letztere Verjährung fallen auch die Forderungen der
Aerzte, der öffentlichen mul privaten Heil- und Verpflegungs-
anstalton, einschliesslich der Ansprüche auf Erstattung der in
Folge von Verpflegung oder Heilung gemachten Aufwendungen.
Die kurze Verjährungsfrist ist hier desshalb gewühlt, um bei
längerer Fortdauer der Verpflegung und Behandlung die Ver¬
pflegten vor übermässigen Anforderungen zu schützen, mit denen
die Pfleger nach bewirkter Heilung oder nach Ableben der Ver¬
pflegten den Erbeu gegenüber später mitunter hervortreten.
Den Aerzten und Wundärzten sind im bürgerlichen Gesetzbuch
die Zahnärzte, Thierärzte und Geburtshelfer rüeksielitlich ihrer
Forderung für Behandlung, einschliesslich Ersatz der Auslagen
vollkommen gleichgestellt. Für alle diese Forderungen beginnt
am 3. Januar 1900 die neue 2jährige Verjährung zu laufen,
und zwar auch für die bereits vor diesem Zeitpunkt entstandenen
noch nicht verjährten Forderungen, sofern sie kürzer ist, als die
für die Forderung bisher landesgesetzlich vorgesellriebene Ver¬
jährungsfrist und (1er Ablauf der älteren Frist nicht bereits vor
dem 3. Januar 1002 die Verjährung vollendet haben würde.
G e b ii h r e n a n s p l* ii c li e ärztlicher Personen, welche zur
Besorgung gewisser Functionen öffentlich bestellt oder zugelassen
sind, wie z. B. die ärztlichen und chemischen Prüfungsstellen,
die gerichtssacliverständigen Medicinalbeamten müssen innerhalb
2 Jahren nach Schluss desjenigen Jahres spätestens geltend ge¬
macht werden, in welchem die gebührenpflichtige Leistung er¬
folgt (bisher: beendet worden) ist. Bei gerichtlicher Bethätiguug
verjährt nach (lern Reichsgesetz vom 30. Juni 1878 der Gebühren¬
anspruch schon binnen 3 Monaten nach Beendigung der Tliütig-
keit. In 2 Jahren verjähren auch die Forderungen der privat-
dienstlich (im Heil- und Verpflegungsdienst) Angestell¬
ten. soweit sie auf Gehalt oder andere Dienstbezüge, einschliess¬
lich der Auslagen, gerichtet sind.
Das Entstelningsjalir dos Anspruchs oder der Forderung wird
nicht in die 2 jährige Verjährungsfrist miteingereclinet, die
2 jährige Frist beginnt, vielmehr erst mit dem 31. Deeember des
Entstelnmgsjalires zu laufen, und wenn die Forderung befristet ist,
erst mit dem 31. Deeember des Jahres, in welchem die Frist ab-
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Original ftom
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2. Januar 1900.
.MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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gelaufen ist. Das bürgerliche Gesetzbuch nahm hier auf die Ge¬
pflogenheit. Rücksicht, dass ärztliche Honorare gewöhnlich erst am
Schlosse des Bestelluugsjalires der ärztlichen Dienstleistung ge¬
fordert und beglichen zu werden pflegen. Es deckt sich also die
hier ein tretende Erstreckung der 2 jährigen Verjährungsfrist zu¬
gleich mit der ärztlicherseits eiugeführten geschäftsüblichen
Sumdungsfrist bis zum 1. kommenden Jahres.
Auch die Ansprüche der Privatangestellten im Heil- und Ver-
ptiegungsdlenste beginnen zu verjähren bereits vom Schlüsse
des Jahres au, in welchem die Forderung entstanden ist, während
nach einer Anzahl von Landesgesetzen solche Forderungen erst
vom Schlüsse des Jahres an zu verjähren begannen, in welchem
das Dienstverhältniss des Angestellten sein Ende gefunden hatte.
Die durch das Gesetz bestimmte Verjährungsfrist kann durch
Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger noch weiter ab¬
gekürzt. nicht aber verlängert oder ganz ausgeschlossen werden.
Wer mithin aus berufsgeschäftiieher Thätigkeit etwas zu
fordern hat, hat auch dafür zu sorgen, dass er innerhalb des
laufenden und der zwei folgenden Jahre zu seiner Befriedigung
kommt und sei es auch mittels Erhebung einer Klage oder Er¬
wirkung eines Zahlungsbefehle». Unterlässt er dies (Mahnung,
einfache oder mittels Gerichtsvollzieher setzt den Schuldner nur
in Verzug, hemmt oder unterbricht aber den Lauf der Verjährung
des Anspruches nicht), dann versagt die Rechtshilfe bezüglich
des Anspruches, wenn der Schuldner sich auf dem Zeitablauf vor
Gericht, beruft. Das Schuld Verhältnis» gilt alsdann als rechtlich
nicht mehr bestehend, es hätte eher geordnet, der Versuch zur
Ausgleichung im Rechtswege eher unternommen werden müssen.
Ido bisherigen 0 monatlichen, 12 monatlichen, .1 jährigen (bei
Aerzten z. B. auf der linken Rheinseite unter der Herrschaft des
rheinisch-französischen Rechtest, 3 und r> jährigen besonderen Ver¬
jährungsfristen sind ausnahmslos aufgehoben, auch die sog. unvor¬
denkliche Zeit. d. i. eine über 30 Jahre hinaus reichende Verjährung,
gibt es künftig nicht mehr. Forderungen des Fiskus gemessen
keinen Vorzug mehr, man verjährt vielmehr gegen den Fiskus
in der gewöhnlichen Verjährungszeit.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Hemmung und
Unter b r e c li u n g der Verjährung. Die Hemmung der Ver¬
jährung bewirkt nur, dass die Verjährungsfrist, solange das
llemmniss besteht, nicht weiter abläuft. Fällt das lleinmniss
wieder fort, so beginnt die Verjährungsfrist, soweit sie noch nicht
al»gelaufen war, weiter abzulaufen, wie z. B. bei ärztlicher Stun¬
dung.
Eine U n terbrec h u n g der Verjährung bewirkt dagegen
ei» völliges Aufheben des bis dahin durch Zeitablauf geschaffenen
Verjährung«- und Verlustzustaudos. Es entfällt die bis dahin
abgelaufene, noch nicht beendete Verjährungszeit vollständig und
cs beginnt erst von dem Augenblicke an. wo die Unterbrecliungs-
liandluug zu Ende ist. eine neue, selbständige Verjährungsfrist
für die Forderung. Diese Verjährungsfrist ist in ihrer Zeitdauer
<lie gleiche wie die frühere, nur bei rechtskräftig fest gestellten
»der durch Irrtheil oder Vergleich entschiedenen fälligen An¬
sprüchen tritt (»ine 30 jährige Verjährungsfrist, an die Stelle der
bisherigen. A b w e s e u li e i t des Forderungsberechtigten und
eine hierauf sich stützende Unkeuntniss vom Ablauf der Ver¬
jährungsfrist- bewirken als Regel weder eine Hemmung, noch eine
rnterbreclnuig der Verjährung; ein Abwesender muss sieb eben,
um der Verjährung vorzubeugen, einen geschäftlichen Vertreter
bestellen. Dagegen wird die Verjährung des Anspruches, soweit
sic im Lauf war. unterbrochen und aufgehoben durch eine v o r
Uccndigung der Verjährung durch den Schuldner dem Berech¬
tigten gegenüber (Arzt oder dessen Stellvertreter) erfolgte aus¬
drückliche oder stillschweigende Anerkennung der Ver¬
pflichtung. Als stillschweigendes Anerkenntnis« gelten in dieser
Beziehung: Theilzahlung. Zahlung von Zinsen, Leistung einer
Sicherheit, für die Forderung oder ähnliche Handlungen. Selbst¬
redend bewirkt die gerichtliche Geltendmachung des Anspruches
gegcuiilicr dem Pflichtigen eine sofortige Unterbrechung der Ver¬
jährung. Als solche gilt, aber nicht nur die auf Befriedigung,
sondern auch die auf blosse gerichtliche Feststellung des An¬
spruches gerichtete Klage, das Gesuch um Erlass eines Zahlungs¬
befehle«, die Anmeldung der Forderung im Uoncurs und anderes.
I >ie Zusendung einer Liquidation oder Rechnung bewirkt, keine
rnterbrechung der Verjährung, selbst wenn darin der in Rechnung
gestellte Betrag gefordert wird. Auf bereits verjährte Forde¬
rungen Geleistetes kann nachträglich nicht mehr unter Berufung
auf die Verjährung zurüekverlangt worden, noch kann damit,
gegen eine andere Forderung aufgerechnet werden, es sei denn,
»lass die Forderung zur Zeit, als ihre Aufrechnung zulässig war.
noch nicht verjährt war (siehe § 30 des bürgerl. Gesetz!).). Hat
vom Schuldner ein Anerkenntnis« einer bereits verjährten Schuld
oder eine Sicherheitsleistung für solche in Unkeuntniss der Yer-
jührmig stattgefunden, so ist gegen dieses Anerkenntnis» ein
Widerruf oder die Einrede nicht mehr zulässig, dass die aner¬
kannte Forderung bereits verjährt gewesen sei. Die für die ver¬
jährte Forderung gestellte Sicherheit ist gütig und wirksam.
Bevor man eine Forderung gerichtlich geltend macht, wird
man vor allen Dingen und ganz besonders vom 1. Januar k. Js.
ah wegen der in Geltung tretenden neuen Verjährungsgrund-
sitze genau die Vorfrage zu prüfen haben; Wie steht es mit der
Verjährung? Ist sie nach neuem Recht noch im Lauf? Hat
zwischenzeitlich eine Unterbrechung oder Hemmung der Ver¬
jährung durch Anerkenntniss, Zinszahlung, Theilzahlung, Stun¬
dung der Forderung stattgefunden? Dr. Karl Schaefer.
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Referate und Bücheranzeigen.
A. Dastre und N. Floresco: Recherche» sur les
Mati&res colorantes du foie et de la bile et sur le fer hepatique.
Paris, G. S t e i n h e i 1, 1899. 205 S.
Die Arbeit von D. und F. behandelt 3 Gegenstände: 1. Die
Farbstoffe der Galle, 2. das Eisen der Leber, 3. die Farbstoffe der
Leber.
1. Die normale Galle enthält nach 1). und F. ausser Bili-
rubin (bezw. Bilirubinat) und Biliverdin (bezw. Biliverdinat)
noch zwei weitere Farbstoffe: einen grünen, Biliprasin, und einen
gelben, Biliprasinat, jener eine Säure, das Biliprasinat das Al¬
kalisalz dieser Säure. Während Bilirubin und Bilirubinalkali,
bezw. Biliverdin und Biliverdinalkali die gleiche gelbe, bezw«
grüne Farbe zeigen, schlägt das Grün des Biliprasin» bei Zu¬
satz von Alkali in Gelb, das Gelb des Biliprasinuts bei Zusalz
von Säure in das Grün der Biliprasinsäure, des „Biliprasin^
um. Biliprasin war von Staedeler ein aus pathologischer
Galle gewonnener Farbstoff benannt worden. Derselbe wurde
jedoch als ein Gemenge erkannt, und zwar, wie man anmdnn,
von Biliverdin und Bilifuscin. In Wirklichkeit ist aber Staede-
1 e r’s Biliprasin ein Gemenge von Biliverdin und dem von I).
und F. neu gefundenen Farbstoff, für den sie desshalb den
Namen Biliprasin adoptirt haben. Das Biliprasin ist aus Bili¬
rubin zu gewinnen durch langsame Oxydation (während en¬
ergische Oxydation sofort zu Biliverdin führt); es entsteht aus
Bilirubin u. a .bei Gegenwart von viel Wasser: es scheint also
Oxydation unter Hydratation stattzufinden. D. und F. unter¬
suchten eine Anzahl Gallen: Die Galle vom Kalb enthielt Bili¬
prasin und Biliprasinat, daneben zuweilen als accessorischen
Bestandtheil einen gelben Farbstoff, der auf Zusatz von Säure
sieb in Roth verwandelt (vielleicht identisch mit dem Colo-
haematin von MacMunn.) Die Galle vom Schwein enthält
Bilirubin, Natriumbilirubinat und Natriumbiliprasinat. Die
Galle vom Hund enthält Natriumbiliprasinat und Bilirubinat,
die vom Kaninchen Biliprasin, die vom Huhn, von der Schild¬
kröte, vom Frosch ebenfalls Biliprasin bezw. Biliprasinat.
2. Die Leber besitzt in ausgesprochenem Maasse die Fähig¬
keit, Eisen zu fixiren. Das gilt für Wirbelthiere mit eisonreiehem
Blut, wie für niedere Thierc, deren Blut kein oder nur Spuren
von Eisen enthält. 1). und F. stellten den Eisengehalt der
Leber bei einer grossen Anzahl niederer Thierc fest. Das Ver¬
fahren ist ein colorimetrisches; das Eisen wird, nachdem die
organische Substanz unter bestimmtenVorsiclitsmnassri^eln ver¬
brannt ist, in Eisensulfocyunat verwandelt und mit einer
Lösung desselben Salzes von bekanntem Gehalt verglichen. Bei
Orustaceen, Mollusken, Lamcllibrunehiatcn, (Vphalopoden,
Gastropoden erwies sich die Leber als das bei Weitem eisen¬
reichste Organ; sie enthielt, 5 bis 25 mal mehr als der übrige
Körper. Die Leber besitzt ein specilisches, cleetives Fixirungs-
vermögen für die minimalen Spuren Eisen, die das Blut führt.
Umgekehrt wird das Kupfer, das im Blute vieler Wirbellosen
enthalten ist, in der Leber nicht in wesentlicher Menge abge¬
lagert. Der Eisengehalt ist sehr beständig und von äussere i
E inflüssen, insbesondere der Nahrung, in weiten Grenzen un¬
abhängig. Bei den Wirbelt-bieren stammt ein Theil des Eisens
aus zerfallenden rotben Blutkörperchen. Abgesehen von dieser
besonderen Function der Ilaemolvse bat die Leber der Wirbel-
thiere wie die der Wirbellosen eine allgemeine „fönet ion mar-
tiale“, und zwar besteht dieselbe nach I). und F. in Debertraguiig
von Sauerstoff zwecks Unterhaltung der „langsamen Verbren¬
nung“ organischer Substanzen. Experimentelle Stützen für
letztere Anschauung werden nicht gegeben.
3. Die Pigmente der Lebersubstanz sind dio gleichen bei
Wirbelthieren wie Wirbellosen. Es finden sich zwei Pigment»*
von golbrother Farbe: das eine, Ferrin, in Wasser löslich, reich
an Eisen, das zweite, Cholechrom, löslich in Alkohol und Chloro¬
form, eisenfrei, ein Zwischenproduct zwischen Lipochrom und
Gallenpigment, namentlich in fettreichen Lebern verkommend.
Eine Ausnahme bilden die Schnecken, deren Leber Hacinocbro-
mogen, also die Grundsubstanz des Haemoglobins. enthält.
Schliesslich findet sieh bei zahlreichen Mollusken ein Farbstoff
Hepatochlorophyll (bezw. Hepatoxantliophyll) mit allen Eigen¬
schaften des grünen Farbstoffes der Pflanzen. Dasselbe ist in der
That vegetabilischen Ursprungs, nicht animaler Natur: e«
stammt aus der Nahrung; denn Entziehung derselben macht c-s
aus der Leber verschwinden. Heinz- Erlangen.
5*
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
18
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Werner Spalteholz, a. o. Professor an der Universität
Leipzig und Gustos der anatomischen Sammlungen: Handatlas
der Anatomie des Menschen. Mit Unterstützung von Wilhelm
H i S, Professor der Anatomie der Universität Leipzig. Erster
Band: Knochen, Gelenke, Bänder. Zweite Auflage (4.—6.
Tausend). Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1899. Preis 13 M.
Von dem S p a 11 eh o 1 z’schen Atlas ist nunmehr, noch die
das ganze Werk zu Ende geführt werden konnte, die erste Ab¬
theilung bereits in zweiter Auflage erschienen, ein Beweis, dass
das Werk sich sofort in weiten Kreisen eingebürgert hat. Wir
haben seiner Zeit die erste Auflage referirt und rühmend an¬
erkannt; das Buch erfreut sich mit Recht grosser Beliebtheit
wegen der guten Auswahl der Abbildungen, wegen ihrer An¬
schaulichkeit und wegen der Verlässlichkeit des Textes. Die
neue Auflage der ersten Abtheilung ist im Ganzen wenig ver¬
ändert und empfehlen wir den Ankauf auf’s Neue besonders
für den Gebrauch der jungen und jüngsten Semester, welche das
Buch an die Stelle des bisher beliebten II e it z m u n n sehen
Atlas setzen sollten. Martin II e i d e n h a i n.
R. Graupner und F. Zimmermann : Technik und
Diagnostik am Sectionstisch. Mit 126 Abbildungen in Drei¬
farbendruck auf 65 Tafeln und 25 Abbildungen im Text.
2 Bände. Zwickau SA. Druck und Verlag von Förster
& Borries, 1899.
Das Werk geht über den gewöhnlichen Kahmeu einer
Sectionstechnik hinaus, indem es nicht allein diese enthält,
sondern zugleich auch eine Anleitung für die pathologisch-ana¬
tomische Diagnostik, soweit eine solche am Sectionstisch mög¬
lich und erforderlich ist, geben will. Da die meisten Erkran¬
kungen sich an der Leiche bereits aus den makroskopisch wahr¬
nehmbaren Veränderungen mit Sicherheit erkennen lassen, so
ist das Hauptgewicht in der Diagnostik auf eine möglichst prä-
eise Schilderung der makroskopisch wahrnehmbaren Verände¬
rungen gelegt, unter besonderer Berücksichtigung der dia¬
gnostisch und differentialdiagnostisch wichtigsten Merkmale.
Dem gleichen Zwecke soll auch der dem Werke beigegebene
Atlas dienen, dessen zahlreiche Abbildungen fast ausnahmslos
von den Verfassern selbst nach frischen Präparaten hergestellt
wurden. Man muss anerkennen, dass fast sämmtliehe Ab¬
bildungen nicht allein mit grosser Naturtreue, sondern auch in
technischer Hinsicht vortrefflich ausgeführt sind, so dass der
Atlas ein glänzendes Zeugniss von dein künstlerischen Können
der Verfasser ist. Auch haben die Verfasser es sich angelegen
sein lassen, möglichst charakteristische Fälle von den einzelnen
Krankheiten zur Darstellung zu bringen. Doch wären wohl
manche Abbildungen, wenn mit dem Atlas lediglich dia¬
gnostische Zwecke verfolgt werden sollen, zu entbehren gewesen;
eine Gehirnblutung, eine Thrombose des Sin. longitudinalis,
subpericardiale Blutungen, ein gemischter Thrombus im linken
Herzohr u. s. w. lassen sich wohl auch ohne Abbildungen in
der Leiche erkennen, sofern man sich überhaupt einmal auch nur
kürzeste Zeit, mit pathologischer Anatomie beschäftigt hat, was
von Denen, für die das Buch geschrieben sein soll, immerhin
vorausgesetzt werden kann. Es wäre aber gewiss für die Ver¬
breitung des Werk«* von Vortheil gewesen, wenn durch Re-
ducirung der Tafeln der Preis hätte ermässigt werden können.
Auch die in den Text aufgenommenen Figuren, welche
grösstentheils zur Erleichterung der Sectionstechnik dienen, sind
von guter Ausführung und sehr instructiv gehalten.
Da nicht selten die Natur der Erkrankung aus den makro¬
skopischen Veränderungen allein sich nicht mit Sicherheit stellen
lässt, so haben die Verfasser auch die einfachsten Methoden der
mikroskopischen Technik, soweit sich dieselben im unmittelbaren
Anschluss an die Section am Leichentisch ausführen lassen,
berücksichtigt.
Hinsichtlich der Sectionstechnik schliessen sich die Ver¬
fasser im Allgemeinen den bekannten V i r c h o w’schen Vor¬
schriften an, doch empfehlen sie für besondere Fälle auch andere
Methoden, wie z. B. das Ilerausnehmeii der Brustorgane im Zu¬
sammenhang bei gemeinschaftlichen Erkrankungen der oberen
Luftwege und der Lungen.
Die Anlage des Textes kann Referent nicht praktisch
finden. Durch eine zusammenhängende Darstellung der Sections¬
technik wäre nach seiner Ansicht mehr Uebersicht geboten,
als sie die Angliederung der Vorschriften für die Section der
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einzelnen Organe an die Schilderung der in diesen vorkommen¬
den pathologischen Veränderungen gewährt. Auch trägt es ge¬
wiss nicht zur Uebersicht bei, dass die SectionsVorschriften bald
am Anfang, bald. am Schluss der von den einzelnen Organen
und Organsystemen handelnden Capitol angefügt sind.
Die Ausstattung des Werkes ist eine ganz vorzügliche.
II a u s e r.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für Chirurgie. 1899. No. 48 u. 49.
No. 48. Mattliaei - Danzig: Die Alkoholnarkose.
M. fand durch Versuche an Kaninchen, dass die Narkose mit
Alkoholgas zu lang dauert und nicht, sehr tief ist, dass man aber
durch ein vorhergehendes Klystier von 3—5 g Spiritus auf 10—15 g
in 2—3 Minuten mit Alkoholgas narkotisiren kann, er empfiehlt die
Alkoholnarkosc zuerst an betrunkenen Säufern zu prüfen, während
hei Enthaltsamen vorher ein Weinklystier gegeben werden müsse.
Die Kappeier sehe Maske bedarf für Alkoholnarkose einiger Aen*
derungen. Das gläserne Becken für den Spiritus muss recht breit
und flach sein, damit es grössere Mengen fasst und nicht beständig
gefüllt werden muss, die Maske muss am unteren Rand eine Ver¬
tiefung haben (in der sich der etwa niedergeschlagene Alkohol
sammelt, damit er nicht in den Mund ttiesst) und wird am besten
aus einem schlechten Wärmeleiter hergestellt. Das Becken für den
Spiritus umgibt man zweckmässig mit einer Thermophorschicht. Die
Ausathmungsüffnung kann mit einem Schieber versehen werden,
damit man durch ilire Verengerung die Wirkung steigern kann.
No. 49. Sticker-Breslau: Ein einfacher Controlapparat
für Dampfsterilisatoren.
Empfehlung eines aus der Abbildung ersichtlichen Apparates,
bei dem das bei 98° schmelzende Phenantren in eiiieui entsprechend
kleineren Apparat aus Glas zur Controle benützt wird, dass der
betr. Verbandsstoff etc. mindestens 10 Minuten eilige wirkt hat.
Für Sterilisatoren mit gespanntem Dampf dient das bei 104°
schmelzende Brenzkatechin (das allerdings byposkopisch und dess-
lialb vor Einbringung in das Röhrchen zu trocknen ist) zum Zweck
der Controle der Sterilisation. Sehr.
Archiv für Gynäkologie. 1899. 59. Bd., 2. lieft.
1) Prof. W. E. Sneguiroff - Moskau : Endometritis
dolorosa.
Die nicht sehr seltene Krankheit hat ihren Ilauptsitz in der
Schleimhaut des Fundus oder der Tubengegend oder des inneren
Muttermundes. Eine constante Begleiterscheinung ist Blutstauung
in der Gebärmutter. Pathognomonisehe Schmerzpunkte entsprechen
Nerven aus dem 1. und 2. Wurzelpaar des Lumbalplexus, ferner
dem Plexus hypogastricus solaris und besonders renalis. Prognose:
güiißtig. Therapie: Blutegel in der Steissbeingegend, Dilatation und
Tamponade der Uterushöhle, Ausschabung und, wenn dies versagt,
Hysterotomie sphincterieime anterieure nach Defontaine.
2) Dr. Bruno W o 1 f f : Heber eine Drillingsgeburt mit
einem Acardius. (Aus der geburlsli.-gynäk. Univ.-Polikl. der
Kgl. (Jlmrite.)
Das mit dem Acardius aus demselben Ei stammende Kind
war an Grösse dem dritten Kinde gleich, an Gewicht wenig über¬
legen, dagegen waren Herz und Leber des ersteren absolut und
relativ erheblich grösser als dieselben Organe des vom Acardius
unabhängigen Kindes. — Röntgenbild der injicirten Missgeburt.
3) K. B 1 a e h e r - Reval: Noch ein Beitrag zum Bau der
menschlichen Eihüllen.
Nach seinen Untersuchungen schliesst B.: Die Placenta be¬
steht aus dem in einem verhältnissmässig kurzen Zeitraum hyper-
plastisch entwickelten und zu einem Arterien- nebst Venensysteni
orgaiiisirten Capillarnetz der Uterusschleimhaut, in dessen Scheide¬
wänden ausser den arteriellen Capillaren auch die Chorionzotten
sich entsprechend entwickelt haben. Die Zwischenzottenräume sind
also wirkliche Capillaren.
4) Dr. Richard v. B r a u n - Fernwald: Ueber die in den
letzten 10 Jahren ausgeführten Sectiones caesareae. (Aus der
Klinik des Hofr. Gustav Braun in Wien.)
Bei Brau n traf auf 402 Geburten 1 Kaiserschnitt, bei Leo¬
pold auf 225, Chrohuk auf 901,5. — 74 Fälle: 34 mit Erhaltung,
40 mit Entfernung der Gebärmutter. — Gesammt-Mortalität: 8,1 Proc.;
bei der conservativen Methode 11,8 Proc.; bei der entfernenden Me¬
thode 5 Proc. Kinder: in allen 34 Fällen von conservativem
Kaiserschnitt lebend entwickelt, in den 40 Fällen von entfernendem
K. waren 4 vorher abgestorben, 2 tief asphyktische wurden nicht
mehr belebt.
Die verschiedenen Arten der Schnittftthrung und Nahtanlegung
hält v. B. für ziemlich gleichwerthig; in Fällen schwerer Eklampsie
bei Erstgebärenden hält v. B. bei sehr grosser Frucht die abd.
Sect. caes. für indieirt. Für die conservative 8ect. caes. sind Wehen
nicht unbedingt erforderlich. — Die Symphyseotomie betrachtet
v. B. im Vergleich zum Kaiserschnitt als inindenverthige, zumindest
ebenso gefährliche Operation, dagegen ist der vag. Kaiserschnitt in
den meisten Fällen der Indicationsstellung Dührssen’s mit Er¬
folg anzuwenden.
Original fro-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
19
5) Dr. F. Heymann: Ueber Methode und Indicatlonen
der künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft Erfahr¬
ungen aus 107 Fällen. (Aus dem Wöchnerinnen - Asyl zu Mann¬
heim, Director Mermann.)
Der Verfasser verfolgt vor Allem den Zweck, „die Vorzüge der
erprobten Krause’schen Methode von Neuem in das rechte Licht
zu setzen“. Die Methode besteht darin, dass ohne vorherige Des-
infection der Vagina ein Bougie vollständig in den Uterus einge¬
führt wird bis über den inneren Muttermund hinauf. Dasselbe
kann 4 Tage liegen bleiben. Die Schlusssätze aus den zahlreichen
mitgetheilten Erfahrungen wurden nach H.’s Ausspruch auch von
anderer Seite schon aufgestellt und vertheidigt.
6) Prof. Leopold, Dr. Bott-Würzburg und Dr. Marchesi'
Palermo: Zur Entwicklung und dem Bau der menschlichen
Placenta. (Frauenklinik in Dresden.)
Die Arbeit umfasst die Beobachtungen an einem 7—8 Tage
alten Ei und an fünf Uteris mit Eiern aus dem 2.—4. Schwanger¬
schaftsmonat.
Die Bildung der Decidua capsularis hängt mit der Befestigung
des Eies auf der Uterusschleimhaut eng zusammen. Nach Graf
Spee (Kaninchen) und Peters (2—3 Tage altes menschliches Ei)
bohrt sich das Ei in die Schleimhaut ein. — Auf der freien Ober-
Hache der Capsularis sieht man in frühen Stadien einige Drüsen¬
mündungen.
Das Gewebe der Serotina wird in der ersten Schwangerschaft
zur Decidua, bleibt bis zum 2. Monat fast unverändert, dann ordnen
sich die Zellen der Spongiosa in Längszüge, die Compacta wird zu
einer gleichmässigen Masse mit schwach gefärbten Kernen, die Ober-
Häclie wird durch eine Fibrinschicht gebildet. Drüsen mit deut¬
lichem Epithel konnten bis zum Ende der Schwangerschaft nach-
gewiesen werden. — Die Verbindung der mütterlichen Gefässo mit
den intervillösen Räumen geschieht theils per rhexin wie bei der
Menstruation, theils durch actives Vordringen der Zotten. — In
dem 7—8 Tage alten Leopold’schen Ei finden sich selbst in den
feinsten Zöttehen Blutgefässe. — Eigentliches Serotina-Epithel kommt
nicht vor, beobachtete Beläge der Serotina sind als Syncytium auf-
znfassen, welches von den nächstliegenden Zotten abgelöst wurde
und hängen blieb; vielleicht überzieht das Syncytium nach und
nach die ganze Serotina und foetales Gewebe kleidet alle inter¬
villösen Räume aus. Die Langhans sehe Zellschicht gehört zum
Ektoderm. Dr. A. II engge-München.
Centralblatt für Gynäkologie. 1899. No. 50 u. 51.
No. 50. 1) R. de S erg neu x-Genf: Ein mit Marmorekserum
erfolgreich behandelter Fall acuter Septikaemie.
Verfasser berichtet die Krankheitsgeschichte einer 21jährigen
I. Para, die am Ende der Schwangerschaft ohne jede äussere Ver¬
anlassung eine schwere acute Sepsis bekam. Die einige Tage
darauf eintretende Geburt brachte keine Wendung zum Besseren,
ebensowenig eine subeutane Infusion von G00 ccm physiologischer
Kochsalzlösung. Hierauf injicirte S. 20 ccm Marmorekserum und
nun trat allmählich Heilung ein. S. gibt seihst zu, dass es zweifel¬
haft sein kann, ob das Serum oder die Kochsalzinfusion mehr ge¬
holfen hat, hält es aber doch für richtig, in verzweifelten Fällen
allgemeiner Sepsis das Marmorekserum zu versuchen.
2) Ed. Preiss-Kattowitz 0/S.: Ueber das geschlitzte Spe-
culum.
Technische Vorschläge zur Verbesserung des B a n d 1 sehen
und Cusco’schen Speculums, um Assistenz beim Gebrauch der¬
selben zu Hparen.
No. 51. AVilh. Rü hl-Dillenburg: Zur Behandlung schwerer
Geburtsstörungen nach Vaginofixation des Uterus.
R. kommt auf einen Vorschlag zurück, den er vor 2 Jahren
bereits veröffentlicht, der aber wenig Beachtung gefunden hat.
Es handelt sich um den vorderen Uteru s-Sehei denschnitt
bei GeburtHstörungen nach Vaginoflxation des Uterus. R. erörtert
zunächst die anatomisch-physiologischen Vorgänge hei Geburt nach
vaginaler Fixation, als deren typische Symptome Tiefstand des
Fundus, Hochstand der Cervix und Retroposition der Cervix ge¬
nannt werden. Hierdurch wird die Frucht nach dem Promontorium
zu gepresst und, da das kleine Becken durch die vordere Uterus-
und Vaginalwand überhrückt ist, bleibt kein Raum für den Durch¬
tritt des Kindes und die Ausführung geburtshilflicher Operationen.
Diesem Uehelstande soll R.’s Operation abhelfen, die er ff mal aus¬
führte.
Von seinen 3 Fällen genasen alle 3 Mütter, dagegen nur
1 Kind. Aehnliche Fälle fand R. in der Literatur 8, die mit Sectio
caesarea behandelt wurden und eine Mortalität von 50 Proc. für
die Mütter aufwiesen.
R.'s Operation besteht in der schrittweise ausgeführten Spaltung
der vorderen Muttermundslippe, vorderen Uterus- und Seheiden-
waufi bis zu einer Ausdehnung, dass man bequem die Hand ein¬
führen kann. Es gelingt dann die Wendung und Extraction leicht
and rasch, und vor Allem lässt sich der Uterus nach Entleerung
«eines Inhalts ohne Mühe bisfzur Vulva vorziehen, wo dann die
incidirten Partien durch Naht wieder geschlossen werden. Den
Hanptvortheil seiner Methode vor dem Kaiserschnitt sieht R. in
der Möglichkeit» die Fracht vollkommen extraperitoneal zu ent-
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wickeln, und dadurch weit geringeren Gefahr einer septischen
Infection.
Eine 2. Gefahr der Sectio caesarea, die hier fortfällt, besteht
in Blutungen durch Zerreissung der Scheide beim Versuche, den
Uterus aufzurichten.
Uebrigens glaubtR. mit Dülirssen, dass richtig ausgeführte
Vaginofixationen, d. h. wo nicht der Fundus uteri, sondern ein
tieferer Abschnitt angenäht Avird, keine üblen Folgen für spätere
Geburten haben. Jaffe-Hamburg.
Archiv für experimentelle Pathologie und Pharma¬
kologie. 1899. 43. Bd., 3. u. 4. Heft.
10) L. Krehl: Bemerkungen zu einigen Versuchen über
die Wirkungsweise antipyretischer Medic&mente.
K. L i e p e 11: Ueber den Einfluss von Antipyrin und Chi¬
nin auf den Gas Wechsel des gesunden Menschen.
Stühlin’ger: Ueber fdie Einwirkung [einiger antipyreti¬
scher Mittel auf den Wärmehaushalt gesunder und kranker
Thiere.
ln diesen Arbeiten sucht Krehl im Verein mit seinen beiden
Schülern jene viel umstrittene und für den Praktiker so brennende
Frage zu klären, nämlich wie und ob überhaupt der Arzt das
Fieber beeinflussen soll. Liepelt untersuchte den Gaswechsel
von ff gesunden Personen, die unter der AVirkung von Antipyrin
und Chinin standen, mit Hilfe des Geppert-Zuntz’schen Re-
Kpiration8upparates. Es zeigte sich, dass mittlere Gaben von
Chinin (1,0-1,5 g) keine wesentliche Aenderung des Gaswechsels
gesunder Menschen hervomifen, l>ei Antipyrin (2—3 g) dagegen
wurde eine geringe Herabsetzung der AVärme production beob¬
achtet — Stühlinger beobachtete den AVärmehaushalt bei ge¬
sunden und flel>ernden Kaninchen und Meerschweinchen nach
Verabreichung von Antipyrin, Chinin und salicylsaurem Natron.
Bie benutzten Thierspecies verhielten sich diesen Mitteln gegen¬
über nicht gleich, auch die einzelnen Individuen derselben Thier¬
art reagirten nicht gleic.hmäseig. Uebeihaupt stellte sich heraus,
dass die Wirkungsweise der Antipyretica höchst wahrscheinlich
eine äusserst complicirte ist, dass sich dabei Erregungen lind
Lähmungen in den mannigfachsten Zellen auf das Sonderbarste
mischen. Als Facit von St.’s A T ersuchen lässt sich sagen: Chinin
und die Stoffe der Antipyringruppe führen bei Thieren, deren
wärmeregulirende Apparate durch einen Krankheitszustand ver¬
ändert sind, zu Lähmungserscheinungen und in Folge dessen zur
Verminderung der Eigenwärme. Auf den Menschen sind diese
Ergebnisse nur mit Reserve zu übertragen, immerhin fordern die
lähmenden Eigenschaften der Antipyretica auf, sich dieser Mittel
am Krankenbett nur mit Vorsicht zu bedienen.
11) O. Schultze: Ueber den Wärmehaushalt des Kanin¬
chens nach dem Wärmestich.
Der AVärmestich erzeugt am Kaninchen zunächst eine
Steigerung der Wärmeproduction und nicht entsprechende Ver¬
minderung der Wärmeabgabe. Nach einigen Stunden tritt ein
stationärer Zustand mit gleichmässig erhöhter Temperatur ein, in
dem Production und Abgabe der AVärme erhöht, aber gleichmässig
sind. Darauf kehren beide zur Norm zurück. Im Gegensatz zum
fieberhaften Zustand erfolgt beim AVärmestich die Erhöhung der
Wärmeproduction zum allerkleinsten Theil auf Kosten von Eiweiss.
12) K. Morishima: Ueber das Vorkommen der Milch¬
säure im thierischen Organismus mit Berücksichtigung der
Arsenvergiftung.
Die Hauptergebnisse dieser Untersuchungen lauten:
1. Die Fleischmilchsäure bildet einen constanten Bestandteil,
der frischen normalen Leber, der Nieren, der MagendamiAvand und
des Blutes.
2. Die Lebermilchsäure erfährt post mortem eine Zunahme,
wahrscheinlich auf Kosten des Glykogens. Die Hauptmenge der
gebildeten Milchsäure ist aber Gährungsmilchsäure.
3. Intra vitam vermehrt sich die Milchsäure auch bei der Arsen¬
vergiftung. Aber hier wird nur Fleisch- wie Gährungsmilchsäure
angetroffen. Ein Zusammenhang mit dem Glykogenverlust der
Leber ist hier sehr unA\ahrscheinlich.
13) J. B. Le at lies: Beiträge zur Chemie der Ovartai-
mucoide.
Die Abhandlung ist, weil von speeiell chemischem Interesse
zum Referat in dies. Wochenschr. nicht geeignet.
14) A. Maukowski: Bemerkung zu dem Aufsatz von Dr.
G. N. Durdufi: «Die Asphyxie als Cardiotonicum».
AI. hat in einer früheren Arbeit ebenfalls die Hypothese auf¬
gestellt, dass nicht die Kohlensäure, sondern das Nebennierensecret
bei der Asphyxie eine Erhöhung des Blutdrucks bedingt. In neuerer
Zeit neigt er aber zu der Ansicht, dass ausser dem Nebennieren-
secret noch andere blutdrucksteigemde Momente mitspielen.
AVelcher Art letztere sein sollen, wird aber nicht erwähnt.
15) H. Zeehuisen: Beiträge zur Lehre der Immunität und
Idiosynkrasie: 1. Ueber den Einfluss der Körpertemperatur auf
die Wirkung einiger Gifte an Tauben. (Schluss.)
Als Hauptresultat der angestellten Versuche sei Folgendes
erwähnt: Bei strychninvergifteten Tauben bewirkt die Abkühlung
mit kaltem Wasser oder kalter Luft im Allgemeinen zwar eine
Milderung der Krampferscheinungen, aber bei stärkerer Abkühlung
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
eine Erhöhung der Mortalität gegenüber der normalen Taube.
Dagegen ruft die Erwärmung nicht allein eine geringere Empfind¬
lichkeit gegen die Krampfwirkung des Strychnins, sondern auch
eine Verminderung der Mortalität hervor.
16) E. Essl emo nt: Beiträge zur pharmakologischen Wir¬
kung von Abführmitteln der Aloederivatgruppe.
Nur jene Mittel der Aloegruppe, welche höchst wahrscheinlich
den Anthraeenkern enthalten, wirken purgirend.
17) R. Gottlieb: Ueber die Wirkung des Nebennieren-
extracts auf Herz und Gefässe.
Versuche am isolirten Säugethierlierzen zeigten bei Appli¬
cation von Nebennierenextract eine Vermehrung der Pulsfrequenz
und eine Blutdmcksteigerung, die nur vom Herzen selbst abhängig
sein konnte. Ausserdem konnte an dem überlebenden Katzen¬
herzen nach Langen dort' eine bedeutende Verstärkung der Herz¬
schläge demonstrirt werden. Das Nebennierenextract wirkt also
nicht nur auf die Gefässwände, sondern auch auf die motorischen
Apparate des Herzens ein. J. Müller-Würzburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1809. No. 52.
1) .7. S c h l* a in m - Dresden: Totalexstirpation einer grossen
Mesenterialcyste.
Der allmählich die ganze Leibeshöhle ausfallende Tumor war
bei der 48 jährigen Patientin ohne wesentliche Beeinträchtigung
der Arbeitsfähigkeit gewachsen. Die Geschwulst verursachte
keine Schmerzen, nur hartnäckige Obstipation. Wegen des Pal-
pationsliefuiides wurde sie für eine einkümmerige Ovarialcyste
gehalten. Laparotomie; nach derselben entleerten sich durch
Punction 8 Liter Flüssigkeit. Eine Stielbildung war nicht zu be¬
merken. Emicleation der Cyste, Entfernung des 1. cystisclien
Ovariuins, Naht der Bauch wunde. Nach 4 Wochen völlige Hei¬
lung. Der Ausgang der Cyste war wahrscheinlich von der Wurzel
des Mesenteriums erfolgt. Die hartnäckige Obstipation soll jm
den inarcantesteii Zeichen dieser Geschwülste gehören. Verfasser
widciTÜth die Probepunction der cystisclien Bauchgeschwiilste
zu Gunsten der Probeiueision, der event. die Radicaloperation
anzuschliessen ist.
2) Ed. M e y e r - Berlin: Zur endolaryngealen Behandlung
des Kehlkopfkrebses.
Cfr. das Referat hierüber pag. 1484 der Münch, med. Wochen¬
schrift.
3) J. P e t r u s c li k y - Danzig: Die specifische Behandlung
der Tuberculose.
Referat, erstattet in der Sitzung der Tuberculosecomnilssiou
der 71. Versammlung deutscher Naturforsclier und Aerzte in
München 1899. Vergl. Bericht der Müncli. med. Wocheuschr.
hierüber. Dr. G lass m a u u - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1899. No. 51.
1) H. Braun: Die diagnostische Bedeutung acuter
Flüssigkeitsergüsse in die Bauchhöhle. (Aus der chirurgischen
Universitätsklinik in Göttingen.)
Nach einem Vortrag in der chirurgischen Section der 71. Ver¬
sammlung 'deutscher Naturforsclier und Aerzte in München am
23. September 1899. Referat, siehe diese Wochenschrift No. 50,
pag. 1694.
2) Paul Friedrich Richter: Zur Frage des „Nieren¬
diabetes“. (Aus dem Laboratorium der III. medicinischen Univer¬
sitätsklinik in Berlin.) -
Nach einem Vortrage, gehalten im Verein für innere Medicin
in Berlin am 10. Juli 1899. Referat, siehe diese Wochenschrift
No. 29, pag. 973.
3) Kger-Berlin: Zur Frage des Nierendiabetes.
Im Anschluss an obigen Aufsatz theilt E. zwei von ihm
beobachtete Fälle von Nephritis mit Glykosurie mit. Kr ist ge¬
neigt, das Auftreten von Glykosurie bei chronischer Nephritis
einer acut zunehmenden Insufticienz des erkrankten Organs zuzu¬
schreiben, eventuell einer Intoxication des Organismus durch zu¬
rückgehaltene Stoft'wechselproducte. In diesem Sinne wäre der
Nachweis von Zucker bei chronischer Nephritis auch von diagnosti¬
schem bezw. prognostischem Werthe als ein Zeichen beginnender
Insufticienz und drohender Uraemie.
4) Leo Zupnik: Zur Aetiologie der Meningitis cere¬
brospinalis epidemica. (Aus der I. deutschen medicinischen
Universitätsklinik in Prag.) (Schluss aus No. 50 der deutschen
med. Wochensehr.)
Die Eigenschaft eines specifischen Krankheitserregers der
epidemischen Cerebrospinalmeniogitis wird bekanntlich von einer
Seite dem Weichselb au m’schen Diplococcus intracellularis, von
anderer dem Fraenkelschen Pneumoniecoecus zugesebrieben.
In neuerer Zeit jedoch mehren sich die Beobachtungen, wonach
eine einheitliche Aetiologie dieser Krankheitsform durch einen be¬
stimmten Mikroorganismus trotz ihres epidemischen Charakters
zweifelhaftjerscheint. Hiezu gehört auch der hier beschriebene
Fall, in welchem die bacteriologische Untersuchung einen mikro¬
skopisch dem Weich sei bäum sehen Meningococcus nahe¬
stehenden, culturell aber sich durchaus verschieden verhaltenden
Doppelcoccus ergab, der mit dem jüngst von Pfaundler be¬
schriebenen identisch zu sein scheint.
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5) Karl TH bei eisen- Bad Thalkirchen-München: Ein Fall
von Hysteria virilis.
Casuistische Mittheilung aus der ärztlichen Praxis.
F. Lacher-München.
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXIX. Jnhrg.
No. 24.
E. T s c li u d i - Zürich: Ueber einen Fall operativ be¬
handelter Nephrolithiasis.
Doppelseitige N. mit sccundärer (häufiger Katlierismus wegen
Anurie) Pyelitis durch 2 Nephrotomien (mit einem Zwischenraum
von b Ji Jahren) geheilt. Lumbal schnitt, Luxation der Niere vor die
Wunde, Sectionsschnitt der Niere, Nephropexie nach Ha h n; Kocli-
salzklvstire zur Anregung der Diurese.
Vor der *2. Operation Röntgenaufnahme, mit deutlichem Er-
gebniss (Beilag«*); hierzu praktische Rathschläge.
Aug. W alker- Solothurn: Ueber Diphtherie.
Im Solothurner Bürgerspital (Chefarzt Dr. Aug. Kottmann)
wurden in dt*n letzten 3’/2 Jahren 315 Fälle von Diphtherie (nicht
regelmässig baeteriologisch festgestellt) behandelt. Die Mortalität
betrug 15,8 Proe. (früher gewöhnlich um 50 Proc), bei den (117)
Trachcotomirten 22,6 Proc. Die wi<-btigsten Complicationen, Pneu¬
monie, Herzschwäche etc. werden kurz besprochen, vor derZwangs-
ernälirung wird gewarnt.
In Anwendung kommt durchaus die Sernmtherapic (die übrigens
die Zahl der Tracheotomien nicht beeinflusste), gewöhnlich
1000—1500 A. E. K«*iue schädlichen Nebenwirkungen ausser 4 mal
Pemphigus. Intubation wurde nicht gemacht.
W. S p 1 r i g : Genuine Rhinitis übrinosa oder Nasen¬
diphtherie ?
Kurze Al «Weisung der Bezeichnung genuine Rh. f. bei An¬
wesenheit von Diphthoriebacillcii. (cf. J. Morf., Corr.-Bl. No. 21.)
Pischinger.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1899. No. 51.
1) Drasch e. - Wien • Aetiologie des tuberculösen Pneumo¬
thorax.
Verfasser konnte innerhalb 40 Jahren 19.S Fälle (158 Mänuer,
40 Weiberj voll tubereulösem l’ueumothorax beobachten. An
letzterem erkrankten Männer doppelt, so häutig wie Weiber. Dass,
wie W e i 1 allgibt, 8 10 Proe. aller Tubereiilösen Pneumotliorax
bekonimen, ist unriehtig. Am meisten wird das Alter zwischen
20. und 30. Jahr betroffen. In über 71 Proe. der Fälle fand der
(’avernemliirehbnich in den Oberlappen statt, meist aus einer
Oeffnuug. selten aus mehreren. Gelegenheltsursuelieu bilden
Husten, körperliehe Anstrengungen. Traumen. Die nach der Per¬
foration sich entwickelnde Pleuritis kommt nicht von der eiu-
dringenden Luft als solcher, sondern von den In den Brust raum
gelangenden Infeetionskeimen und destruirten Gewobselementeu.
Die Raschheit, mit welcher der Erguss aus einem serösen ein
eiteriger wird, ist sehr verschieden.
2» G. K a p s u in m e r - Wien: Blutdruckmessungen mit dem
Gaertner 'sehen Tonometer.
0fr. hierüber das Referat pag. 1750 der Müncli. med. Wochen¬
schrift.
3) O. llüdlmoser- Wien: Zur Casuistik, des Pankreas-
carcmoms.
Die Erkrankung begann bei dem erst 27 jährigen Patienten,
einem Schriftcnmnler, mit heftigen Schmerzen im Leib und Kreuz,
Abmagerung; daun trat Ikterus hinzu, ferner wurde ein quer-
gesteliter Tumor in der Oberbuuchgegeud fühlbar; der ausgo-
lieberte Mageninhalt enthielt keine frei«» Ol H, die Leber war zu¬
nächst nicht verändert. Es wurde eiu an der hinteren Magen¬
wand sitzendes Oareinom angenommen. Zucker trat im Ilarn nie
auf. Unter zunehmender Kachexie und Ikterus erfolgte der Tod.
Die Section ergab eiu Oareinom des Pankreaskopfes, das den Duct.
choledoch. umwachsen und das Duodenum bis zum Pylorus in-
Ültrirt hatte. II. bespricht die diagnostischen Schwierigkeiten
des Falles, im Hinblick auf die fehlende Uebereiustimmung mit
den für das Pankreaseareinoin entworfenen klinischen Bildern.
Auch die häutig typische Veränderung des Stuhles fehlte hier.
4) R. Sa vor-Wien: Ueber Symphysenruptur.
An der Cliro b a k’sehen Klinik ereigneten sich binnen
.22 Jahren unter 04 149 Geburten nur 3 Sympliysenrupturen, alle
I. Pa rae. Der 1. Fall betraf (»ine 32 jährige I. Para mit allgemein
gleichmässig verengtem Becken; ein Versuch, das Kind mittels
Zange zu entwickeln, fand statt, doch wurde Craniotomie nöthig.
Heilung mit guter Gehfähigkeit.
Der 2. Fall (28 jährige Frau) zeigte koxalgisch schräg ver¬
engtes Becken; Zangenentbindung uni er mässiger Kraftentwick¬
lung. Zerreissung der Symphyse. Tod der Mutter nach 30 Stun¬
den an Sepsis und Anaemie.
Im 3. Fall (Rhachitiea) wurde wegen Eklampsie kraniotomirt,
dabei Symphysenruptur, trotzdem der extrahirte Schädel enthirnt
war. Unter Anlegung eines Beckengürtels erfolgte Herstellung
guter Gehfähigkeit. Die Artic. saero-iliac. war nicht zerrissen.
Dr. Graasmann- München.
Original frn-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDKTNTSOHE WOCHENSCHRIFT.
21
Englische Literatur.
Sir Dy re Duck worth: Bemerkungen über die Wirkung
von Impfungen gegen Typhus. ( Brit. medio. Journ., 17. Nov.)
Die englischen Truppen, die zum Kampfe gegen die Buren
mich Südafrika geschickt worden sind, haben sieh zum grossen
Tlieile (70 Proe.) freiwillig einer Schutzimpfung gegen Typhus
unterzogen. Duckworth beschreibt hier die unmittelbaren
Wirklingen der Impfung au einem typischen Falle. Der 24 jiihr.
Mann erhielt nach sorgfältiger Reinigung der Haut und aller zur
Verwendung kommenden (Gegenstände am 23. October, Morgens
!i l'lir 30 Min. seine erste Einspritzung von 1 rem der von Prof.
W r i g li t in Netley hergestellten Vaccine. Die vorher normale
Temperatur stieg nach 2 Stunden um 2" F., auch der Puls wurde
frequenter, ausserdem wurde eine stark vermehrte Diurese be¬
obachtet. Der Urin war auffallend hell, aber eiweiss- und zucker¬
frei. Im Laufe des Tages trat Kopfschmerz auf, sowie ein un¬
angenehmes (Gefühl an der Einstichstelle (linke Flanke), dann
Stechen in dem Bein und später auch in der gleichnamigen Schulter.
Um (> Uhr trat plötzlich eine erysipelasähnliche Köthung um die
Kinstichstelle auf. Die Nacht war gut und am folgenden Tage
verloren sich alle abnormen Erscheinungen, so dass der Kranke
am 3. Tage aufstaud und ausging, nur eine gewisse Steitigkeit
im linken Bein wurde noch bemerkt. Am 2. November wurde au
der gleichen Stelle dieselbe Menge Vaccine (‘ingespritzt und waren
die Folgen dieselben. Die ltöthung der Einstichstelle verbreitete
sich sogar noch weiter, aber wieder war am 3. Tage Alles vorbei.
Piazoreaction konnte im Urine nicht nachgewiesen werden. Am
!>. November wurde das Blut untersucht und man fand noch bei
200fa«*ht»r Verdünnung eine sehr ausgesprochene \V i d a l'sche
Ibaction. Verfasser hält bei gesunden Leuten die Einspritzungen
für ganz ungefährlich, empfiehlt aber stets 2 zu machen und den
lnjiclrten einige Tage ganz ruhig im Bett zu halten.
S. J. K e n nie: Schlangenbiss, geheilt durch C at¬
met t e’s Serum. (Ibid.)
Ein 12 Jahr. Hinduknabe war Morgens von einer Cobra ge¬
bissen worden, bald begann der gebissene Finger und der Arm
zu schwellen, dann der ganze Körper, es trat Halbsoitenlühmung
und beiderseitige Blindheit auf, als der Arzt ihn etwa 10 Stunden
später sab. war er benommen und konnte nur mit Mühe auf-
gerüttelt werden. Die Lähmung und die Schwellung bestand
noch, die Athmung war reine Bauchathmnug, er schien sterhcml.
Es wurden sofort 12 ccm des C ulmett e'schon Serum gegen
Schlangengift subeutan injicirt und Brandy- und Beefteaklystiere
gegeben. Die Localbehandlung mit Uhlorgold (U a 1 m e t t e)
unterblieb, da der Fall zu weit vorgeschritten war. Während der
nächsten 15 Minuten nahm die LäInnung der Atliemmuskeln zu
und die Athmung hörte plötzlich ganz auf. Der Puls schlug nur
noch 4 mal in der Minute. Nachdem 30 Minuten lang" künstliche
Athmung gemacht war, arbeiteten die Athcmmuskeln wieder; es
wurde nun noch eine snbeutane Strychnineinspritzung gemacht
und die Klystiere fortgesetzt. Dann erholte sich der Knabe rapid
und war nach 4S Stunden wieder ganz wohl; nur (‘ine Diplopie
blieb noch längere Zeit zurück. Verfasser hat schon mehrere
Fülle mit Erfolg mit dom Serum behandelt und ist fest davon
überzeugt, (lass der Knabe ohne dasselbe verloren gewesen wäre.
C. Firmln Du th b e r t : Intracerebrale Injection von
Tetanusantitoxin. (Ibid.)
Eiu 21 jühr. Mann fiel vom Pferde und zog sich eine stark
verunreinigte Quetschwunde über der Tibia zu, dieselbe wurde
desinfieirt lind genäht. 8 Tage später trat Tetanus auf. Am
selben Tage wurde auf jeder Seite ein Loch in den Schädel ge-
lwilirt mul 2 '/„ ccm getrockneten Serums (gelöst in derselben
Quantität 'Wasser und einer doppelten Quantität des flüssigen
Serum entsprechend) wurde in joden Frontallappen gespritzt.
Patient wurde nach «1er Operation entschieden besser und hielt
sich 2 Tage lang unter fortgesetzten subeutanon Antitoxinein-
spritzungen sehr gut, am 3. Tage delirirto er, wollte aus dem
Heit und sank plötzlich (wahrscheinlich in Folge von Herz¬
schwäche) todt nieder. (Siehe auch Bericht, über 2 auf diese
Weise geheilte Fälle im Brit. med. Journ., T. Januar und 3. Juni
*81)9.)
D'Arcy Power: Die Prognose und moderne Behandlung
der Appendicitis. (Brit. med. Journ., 25. November.)
Diese Arbeit gibt die Anschauungen wieder, die jetzt von den
meisten englischen Chirurgen angenommen sind. Viele Appen-
dicititiden heilen ohne Operation; nie darf Opium im Anfangs¬
stadium angewendet werden, da es die Symptome verschleiert,
am besten bewährt sieh ein Seifenwassereinlanf und Verabfol¬
gung von Magnes. sulphur. (stündlich ein Theelöffel in Wasser
gelöst bis Stuhlgang erfolgt). Local wende man, je nachdem,
einen Eisbeutel oder warme Umschläge au. Dabei leicht ver¬
dauliche. flüssige Kost. Sind die Schmerzen sehr bedeutend, so
gebe der Arzt selbst eine Morphiuminjeetion, beobachte aber
darnach das Befinden des Kranken um so genauer. Am wich¬
tigsten ist die Beobachtung des Pulses, steigt derselbe über 100,
wird er kleiner und weicher, so ist (Gefahr im Anzuge, gesellen
sich dazu noch stärkere Schmerzen im Leibe, Verschwinden der
HaucliatInnung und Erbrechen, so operire man sofort. Meist
legt man den Schnitt parallel dem P o u p a r Uschen Baude zwi-
selien Xaliel und Spina anterior suporior (M cBurne y’s Punkt).
Jedes Suchen nach dem Wurmfortsatz ist zu vermeiden, sobald
ein Abscess geöffnet ist, da die Adhaosioneii, welche die freie
Bauchhöhle abscliliessen, naturgemäss noch sehr zerrcissbar sind.
Findet man dagegen den Wurmfortsatz vorliegend, so entferne
inan ihn stets. Am besten ist es, die Bauehwunde ohne Drainage
ganz zu sehliessen, selbst wenn kleinere Abscesse eröffnet wurden,
grössere wäscht man mit einer Lösung von Binijodidqueeksilber
(1:5000) aus und drainirt. Kommt man erst in späteren Stadien
zur Operation, so bandelt es sich meist um grosse, gut nbgo-
kapselio Abscesse, die oft weit sich ausdehnen, sie müssen gründ¬
lich geöffnet und allseitig zugänglich gemacht werden. Nach der
Operation ist Opium meist indicirt und oft von grossem Nutzen.
Bauchhernien bilden sich auch bei per secundam geheilten Fällen
selten. Ist es schon zu einer allgemeinen Peritonitis gekommen,
so kann mau noch operiren, doch ist der Erfolg meist negativ.
Bei Kranken, die gezwungen sind, oft längere Zeit in menschen¬
leeren (Gegenden zu leben, wie Matrosen, Farmer in (Kolonien etc.
entferne man womöglich den Appendix stets bei der ersten Ope¬
ration. wenn wir auch noch nicht sicher wissen, ob die Entfer¬
nung den Kranken wirklich heilt. Verfasser erzählt von einem
Falle, in welchem ein Kranker, der häutig so schwere Anfälle
hatte, dass er sprachlos wurde, und welcher mehrfach operirr
worden w r ar. Derselbe liess sich zuletzt auf seiue Ileocoeeal-
gegeiul tütowiren: ,,Bitte, öffnen sie meinen Bauch nicht wieder,
der Appendix wurde schon dreimal entfernt.“
Moynihan: Die Verhütung des Schock bei chirurgischen
Operationen. (Ibid.)
Basil Hall: Die Behandlung des chirurgischen Schock
durch grosse Strychnindosen. (Ibid.)
Moynilian glaubt, dass die Verhütung des Shoek in
vielen Füllen möglich sei. Er verwendet einen heizbaren
Operationstisch und hält das Zimmer sehr warm, oft umwickelt
er die Extremitäten mit heissen Wattebandagen und Flanell.
Vor Beginn der Narkose injicirt er 10 Tropfen des Liqu. Stryclini
und wiederholt die Dose während der Operation; man kann
20—30 Tropfen einspritzen, ohne üble Folgen zu bemerken; eben¬
falls vor der Operation macht er einen heissen Salzwassereinlauf
In das Rectum, während der Operation lässt er Transfusionen
von Kochsalzlösung folgen. Am Ende der Operation lässt er
den Kranken nicht sofort in den Saal tragen, sondern lässt ihn
noch längere Zeit im Operationssaal liegen. Natürlich wendet
er alle diese Vorsiehtsmaassregeln nur bei solchen Operationen
an, die naturgemäss leicht zu Schock führen und er ist nament¬
lich von der prophylaktischen Wirkung sehr grosser Stryehnin-
dosen überzeugt.
H a 11 wendet auch beim vollentwickelten Schock das
Strychnin in sehr grossen Dosen an und erläutert seine guten
Erfolge an Krankengeschichten. Die kleinste wirksame Anfangs¬
dose beträgt cg Strychnin subeutan.
Mott: Neurologisches Archiv aus dem Pathologischen
Laboratorium der Londoner Grafschaftsasyle zu Ciayburg.
11. lieft.)
Diese neue Veröffentlichung wird von nun an regelmässig
erscheinen und von dem bekannten Pathologen M o 11 redigirt
werden. Aus dem ersten Bande seien nur horvorgelioben einige
Arbeiten von Mott, die von grossem, allgemeinen Interesse sind.
Pie erste Arbeit beschäftigt sieh mit den gröberen syphilitischen
Hirnveränderungen, wie Gummata, Meningitis, Thrombose im
Gefolge von specifischer Eudarteriitls u. s/w. Die klinischen
Symptome, die Differentialdiagnose und die pathologische Ana¬
tomie dieser AffeetIonen werden genau geschildert. Mott glaubt,
dass diese Erkrankungen häufig verkannt und als Epilepsie oder
Dementia paralytica gedeutet w'erden; leider wird dann der beste
Zeitraum für eine erfolgreiche Behandlung versäumt und die
Kranken verfallen dem zunehmenden Irresein. Eine zw'elte Arbeit
ist betitelt: Beobachtungen über die Aetiologie und Pathologie
der allgemeinen Paralyse. Ist auch die uetlologlsche Bedeutung
der Syphilis noch nicht vollkommen sicher erwiesen, so spricht
doch Alles dafür. Häufig genug wird bei der Anamnese nicht ge¬
nügend auf Syphilis gefahndet und werden auch Spuren iiber-
standener Syphilis übersehen. Dementia paralytica ist selten in
Ländern, in denen Syphilis selten verkommt, ebenso bei Frauen
der besseren Stände. Bei 22 von ihm beobachteten Füllen von
Dementia paralytica bei Kindern war fast immer angeborene
Syphilis nachweisbar. (Diese 22 Fälle bilden den (Gegenstand
einer weiteren Arbeit in demselben Hefte.) Mott glaubt, dass
Dementia paralytica und Tabes pathologisch dieselbe Krankheit
ist, von der verschiedene Tlieile des Nervensystems befallen
werden. Im Blute lind im Liquor cerebrospinalis der Paralytiker
findet sich stets Cholin, das von dem degenerirten Gehirngewebe
geliefert wird. Das Cholin führt zu Thrombosen der kleinen
Venen, wodurch dann epileptiforme Anfälle ausgelöst werden.
Eine Reihe weiterer Arbeiten anderer Autoren beschäftigen sieh
mit anderen Fragen aus dem Gebiete der Dementia paralytica,
während der zweite Tlieil des 550 Seiten umfassenden Archivs
anderen Arbeiten aus dem (Gebiete der Nerveupathologie ge¬
widmet ist. Druck und Papier, sowie Illustrationen der neuen
Veröffentlichung sind vortrefflich, der Preis jeden Bandes, 15 M..
ist ein billiger zu nennen. (lief, wird später über einige andere
Arbeiten aus diesem Bande berichten, möchte aller schon heute
auf das für jeden Neurologen hochwichtige Heft hinweisen.)
Arthur K e i t h und Hugh. M. R i g b y : Moderne Militär¬
geschosse, eine Studie über ihre zerstörende Kraft (Lancet,
2. December.)
Die Verfasser haben vor Allem die Versuche von Prof,
v. Bruns nachgeprüft, der sich, wie bekannt, so entschieden
gegen die von (len Engländern verwendeten (Geschosse der Dum-
Dumclasse und der Marke IV ausgesprochen hatte. Von englischen
Geschossen verwandten sie zu ihren Scldessversuehen das Dum*
Duujgeschoss, ferner die Marken II und IV, das alte Martinl-
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1
22
Henrygeschoss und die Kugeln des Webleydienstrevolvers, der
von den englischen Truppen in Südafrika benutzt wird. Mit diesen
verglichen sie die von den Buren benutzten Mausergewehre und
Mauserpistolen, resp. deren Geschosse. Die Verfasser selbst sagen
in der Vorrede, dass sie ihre Versuche schon lange vor Ausbruch
des Krieges angestellt haben, dass es ihnen aber zur grossen
Freude gereicht, zu wissen, dass weder Dum-Dum- noch Marke IV-
Geschosse in diesem Kriege zur Verwendung kommen. Die sorg-
fiiltige Arbeit ist mit vielen Abbildungen versehen, welche besser
als der Text die Wirkungen der verschiedenen Geschosse er¬
läutern. Setzt man die zerstörende Wirkung des Mausergewehres
gleich 1, so ist die Wirkung der Kugel Marke II gleich 1,7. die
der Marke IV gleich 2 und die des Dum-Dumgeschosses gleich
5,4. Auch die Wirkung der englischen Kevolvorkugeln ist eine
viel zerstöreudere als die der Mauserpistolenkugeln. Für weitere
Einzelheiten muss auf das Original verwiesen werden.
William G owers: Die Pathologie der Tabes in Beziehung
zur Dementia paralytica. (Brit. med. Journ., 9. Deoember.)
Der bekannte Neurologe spricht sich in dieser Arbeit noch
einmal für den Zusammenhang zwischen Tabes und Syphilis aus.
Bei den letzten 100 Fällen von Tabes, die er in der Privatpraxis
sah, fand er in 68 Fällen deutliche Spuren überstandener Syphilis,
bei 12 weiteren Kranken war Syphilis sehr wahrscheinlich, jeden¬
falls hatte ein Schanker bestanden, die übrigen 20 Fülle hatten
wenigstens Tripper durchgemacht und in keinem Falle konnte
Lues mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden, bei allen
Fällen von Jugendlicher Tabes konnte er angeborene Lues nach-
welsen, in einem Falle litten Vater und Sohn an Tabes, der eine
in Folge von erworbener, der andere von angeborener Lues.
Hüuüg schliesst sich Dementia paralytica an Tal>os an. nie geht
sie ihr voraus. Auch die Dementia paralytica ist eine Folge¬
krankheit der Syphilis und zwar müssen wir uns vorstellen, dass
bei beiden Krankheiten die Syphilis eine vorbereitende Rolle
spielt. Die Toxine der Syphilis schwächen das Gentralnerven-
system und bereiten den Boden für die schädliche Wirkung
anderer, uns bisher unbekannter Einflüsse. Antisyphilitica haben
keinen Einfluss auf die Krankheit.
H. P. H a w k i n s : Die Albuminurie des seheinbar Ge¬
sunden. (Ibid.)
Die interessante Arbeit bietet eine gründliche Zusammen¬
stellung der in England über diesen Gegenstand gütigen An¬
schauungen. Es werden besprochen die Albuminurie in Folge von
Anstrengungen, eine neurotische Albuminurie, eine diätetische
und eine Lagerungsalbuminurie. Die Albuminurie in Folge von
Diätfehlern findet sich zumeist bei Leuten, die nebenbei an Oxal-
urie leiden. Die Lagerungsalbuminurie, bei welcher das Eiweiss
nur bei gewissen Lagen des Körpers beobachtet wird, hält Ver¬
fasser für eine vasomotorische Störung. Die Behandlung kann
sich natürlich nur auf die Beseitigung etwaiger Ursachen er¬
strecken.
John 0*0 onor: Die chirurgische Behandlung des Tripper-
rheumatismus. (Lancet, 9. December 1899.)
Seit fast 3 Jahren hat Verfasser alle in seine Behandlung
kommenden Fälle mit Eröffnung des Gelenkes behandelt. Er er¬
öffnet das Gelenk an einer oder mehreren Stellen, wäscht den Er¬
guss aus und drainirt. Auf diese Welse gelang es ihm stets, ein
in den Gontouren und der Beweglichkeit völlig normales Gelenk
zu erzielen, was bei der früheren conservativen Behandlung
häufig unmöglich war.
M ilford A t k i n s o n : Pest durch grosse Dosen von Garbol
behandelt und geheilt. (Ibid.)
Ein 30 jähriger Schotte erkrankte an Pest. Er wurde mit
einer Temperatur von über 40° G. aufgenommen. Es bestand
Delirium und Bubo der Leistendrüsen. Nachdem man im Blute
Pestbacillen mit Sicherheit nachgewiesen hatte, gab man ihm
4 stündlich 0,2 Garbolsüure in Pillenform. Die Dose wurde am
Abend noch gesteigert, da der Gesammtzustand noch bedrohlicher
wurde. Am folgenden Tage war der Kranke besser und man fuhr
mit der Mediein fort, erst nach 3 Tagen gab man etwas weniger
Garbol, da Patient über Brennen beim Urinireu klagte, ohne dass
übrigens Garbolharn aufgetreteu wäre. Erst nach 15 Tagen trat
Garbolharn auf und setzte man die Medieation aus, da die Pest¬
symptome unterdessen bis auf einen grossen, zur Incision
kommenden Bubo alle verschwunden waren. Der Kranke genas
und wurde geheilt entlassen. Verfasser hat die Behandlung ver¬
sucht, da er von den guten Erfolgen gelesen hatte, die B a c c e 11 i
mit Garbolinjeetionen bei Tetanus erzielt hatte.
Peroy I> u n n : Wunden der Ciliargegend und Ihre Be¬
handlung. (Ibid.)
Verfasser verfolgt eine sehr conservative Behandlungsweise,
da er, wenn immer angängig, das Auge zu erhalten sucht. In
vielen Fällen stellt sich, selbst bei anscheinend blinden Augen,
das Sehvermögen zum grossen Theile wieder her, nachdem der
Bluterguss in den Glaskörper sich rosorbirt hat. Er legt ein sehr
grosses Gewicht auf gründliche Desinfection der ganzen Augen¬
gegend und des Conjunctivalsackes mit Chinosol (1 :2000). Auch
während der Behandlung wird die Conjunctiva 2 mal täglich mit
dieser Lösung ausgespült. Suturen legt er nie an, da sich die
Wundränder stets von selbst gut aneinauderlegen. Etwa vor¬
gefallene Iris wird in grosser Ausdehnung abgeschnitten. Bei
einfachen Wunden wird Eserin eingeträufelt, bei solchen mit
traumatischem Katarakt Atropin. Sinkt der Druck im Auge,
so ist Gefahr der Pauophthalmie, da der geringe Druck auf Ein¬
schmelzung des Glaskörpers beruht, solche Augen sind sofort zu
entfernen, ebenso diejenigen, bei welchen die Natur und der Sitz
der Verletzung ein Wiedererlangen des Sehvermögens ausschliesst.
Michell Clarke: Ueber die Temperaturcurve bei Fällen
von Apoplexie und über das Auftreten von'Oedemen und das
Verschwinden des v Patellarreflexesiin denfgelähmten Gliedern
der Hemiplegiker. (Bristol medico-chirurgical Journal, Juni 1899:)
Boi allen Fällen von Hirnblutung ist die Temperatur zuerst
herabgesetzt, sterben die Kranken sehr rasch, so bleibt die
Temperatur subuormal, leben sie dagegen noch einige Stunden,
so tritt meist noch eine l>etrücht liehe Steigerung vor dem Tode
auf. Leben die Kranken noch einige Tage, so folgt der sub-
uormalen Temperatur eine Periode normaler Temperatur, kurz
vor dem Tode kommt es aber stets zu beträchtlichem Fieber.
Bei Fällen, die in Genesung enden, bleibt die Temperatur für
längere Zeit etwas snbnormal. Bei thrombotischer Hirnerwei-
chtmg tritt keine oder doch nur eine sehr geringe anfänglich«»
Temperaturerniedrigung auf, meist steigt die Temperatur sehr
bald an und schwankt dann für längere Zeit in weiten Grenzen.
Bei Hirnblutungen, die zur Hemiplegie führen, ist die Temperatur
aut der gelähmten Seite höher wie auf der gesunden, bei rasch
verlaufender thrombotischer oder embolischer Hirnerweichung
findet sich dies Symptom nicht.
Verfasser hat dann noch die Beobachtung gemacht, dass bei
einem Falle von IIemipl«»gie durch Blutung die Temperatur auf
der nicht gelähmten Seite nach dem Tode noch anstieg, während
auf der gelähmten Seite (die vorher eine um 1 u höhere Tem¬
peratur zeigte) die Temperatur gleich blieb. Vielleicht übt die
gesunde Iliruseite eine gewisse Controle über die Temperatur
der gegenüberliegenden Seite aus, ein Einfluss, der natürlich mit
dem Tode endete. Verfasser spricht dann noch über das Oedem,
das sich manchmal auf der g«»lühmten Seite einstellt und das er
für eine trophisclie Störung hält, häufig ist es mit heftigen
Schmerzen am gelähmten Gliede verbunden. Schliesslich be¬
schreibt er noch 3 Fälle, bei denen der Kniereflex auf der ge¬
lähmten Seite fehlt«», ganz im Gegensatz zu der Regel, dass der
Reflex gesteigert ist.
A. R o x b u rgh : Sarcoma ovarii. (Glasgow Medical Journ.,
December 1899.)
Verfasser gibt genaue Krankengeschichten von 4 Fällen,
aus denen hier nur hervorgehoben sei, dass stets heftige epi-
gastrisch« Schmerzen und Erbrechen schon lange vor dem Auf¬
treten der übrigen Symptome bestanden; Verfasser legt grosses
Gewicht hierauf für die frühe Stellung einer Diagnose, er glaubt,
dass das Erbrechen durch die Resorption von Toxinen zu Stande
komme, welche im Sarkom producirt würden. (Wenn Verfasser
für eine häufigere Untersuchung per vaginam oder rectum ein-
trltt, die in der Privatpraxis ja leider häufig zu spät vorgenommen
wird, so hat er darin gewiss Recht, nur werden die meisten
Aerzte bei Magenschmerzen und Erbrechen, das sich bei jungen
Miidcher. eiustellt. wohl zuerst an ein Magenulcus denken und
nicht gleich toucliiren. Ref.)
R. O. A da mso n ; Zwei weitere Fälle von perforirtem
Magengeschwür. (The Scottish medical and surgical Journal,
December 1899.)
Verfasser hat schon 2 durch Operation geheilte Fälle ver¬
öffentlicht (1. c. April 1898). Von den hier b«»sclirlebenen konnte
nur der eine gerettet werden. Auch hier fand sich wieder das
vom Verfasser schon früher beschriebene Symptom, dass die
äusserst heftigen Magenschmerzen nach der linken Schulter aus-
strahlten. Sehr interessant war, dass eine Morphiuminjection,
die vor der Ueberführung in das Krankenhaus gegeben wurde,
eine völlige Euphorie herbeiführte und alle schweren Symptome
maskirte. (Dies illustrirt sehr deutlich die Richtigkeit des vom
Referenten seit Langem gegebenen ltathes, bei dunklen Ab-
domiualerkrankungen niemals Narkoti«*a zu geben, da sie das
ganze Bild der Erkrankung oft so verändern, dass der beste Zeit¬
punkt für eine Operation verpasst wird.)
R. C. B u 1 s t : Die Nachgeschichte von zwei Fällen von
Symphysiotomie. (Ibid.) '
Wir miisen dem Verfasser dankbar sein, dass er uns heute
die Nachgeschichte von zwei von ihm vor längerer Zeit operirten
Frauen gibt. Fall I, eine IV. Para (die drei ersten Kinder todt
geboren), wurde im 8. Monat nach Frank operirt. Es entstau«!
Tympanitis und das Kind wurde eine Woche nach der Operation
leicht geboren, starb aber nach 13 Tagen an Bronchitis. Das
Becken klaffte stark während der Geburt, wurde nachher nicht
genäht; die Frau konnte nach 2 Monaten mit fest geheilter Sym¬
physe vorzüglich gehen und ihrem Laden vorstehen. Die Opera¬
tion fand am 28. Februar 1897 statt: am 17. August 1899 entband
Verfasser sie nach einer ganz regelmässig verlaufenen Schwanger¬
schaft von Neuem, diesmal zur richtigen Zeit. Er brachte sie
in die W a 1 c li e r'sche Lage und extrahirte ein Kind in Steiss-
lage, darnach ein zweites durch Wendung; beide Kinder uud die
Mutter leben.
Fall II wurde im März 1898 subcutan nach Ayre sym-
physiotomirt und gebar ein gesundes Kind. Obwohl nur eine
fibröse Vereinigung zu Stande kam, konnte die Mutter doch schon
nach 3 Monaten wieder in der Spinnerei arbeiten. Die zweite
Schwangerschaft im Juli 1899 verlief normal und ohne Bo-
schwerden und ein gesundes Kind wurde in der W a 1 c li e r’schen
Lage spontan geboren. Die Symphyse erweiterte sich bei der
zweiten Entbindung nur wenig.
G. Barling: Appendicitis. Die Resultate von 117 Ope¬
rationen mit Bemerkungen über die Diagnose und Prognose
der Krankheit und über Rückfälle. (Fidinburgh med. Journal,
December 1899.)
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
23
Verfasser scheidet von seinen 117 Fällen 42 aus, die er im
freien Intervall operirte (1 Todesfall). Die übrigen 75 Fälle theilt
er ln 4 Gruppen. 1. Der ungefährliche, abgekapselte Abscess, der
sich ohne Eröffnung der*freien Bauchhöhle incidiren lässt,
2. Der abgekapselte Abscess, der aber nicht mit den Bauchdecken
verwachsen ist, wobei also stets die Bauchhöhle eröffnet werden
muss. 3. Die subacute (progrediente) Peritonitis. 4. Die acute
„fulminante“ Perforationsperitonitis. In den beiden letzteren
Classen bildet übrigens das Kolon nicht selten eine Barriöre,
über welche hinaus die Peritonitis nicht nach oben hin weiter¬
schreitet.
Classe I umfasste 19 Patienten, von denen 18 genasen
(1 Todesfall). In keinem Falle wurde der Appendix entfernt,
aber nur in 1 Falle trat 6 Wochen nach der Operation bei heftiger
Bewegung ein Rückfall auf, der zu einer zweiten Operation
führte, bei welcher der Appendix entfernt wurde. Die 21 Pa¬
tienten der Classe II wurden alle geheilt. Bel 13 wurde der Ap¬
pendix nicht entfernt, doch trat kein Recidiv auf. Ein Patient
hat aber eine eitrige Fistel und ein anderer eine Kothfistel zu¬
rückbehalten, die sich nicht haben schliessen lassen.
Von Classe III starben 3 von den 9 Operirten; nur einmal
wurde der Appendix entfernt/-' Es wurde bisher kein Recidiv be¬
obachtet. Von den Gestorbenen starb einer an Oesophagusruptur
während des Brechens; einer der Genesenen hat eine eiternde
Fistel.
Von Classe IV, die 26 Fälle umgriff, starben 13, während
15 geheilt wurden. Bei 15 Kranken wurde der Appendix ent¬
fernt; 7 von diesen starben, von den übrigen 11, bei denen der
Appendix nicht entfernt wurde, starben 4 . Nur in 1 Fall wurde
ein Recidiv beobachtet, das nach einer zweiten Operation zum
Tode führte. Verfasser glaubt, dass die Mortalität bei Kindern
höher ist wie bei Erwachsenen. Viele Fälle sterben, weil zu
spät operirt wird.
Verfasser spricht dann ausführlich über die Diagnose und
die Indicationen zur Operation. Er ist kein B'reund der sofortigen
Operation, will aber den Fall von vornherein mitbeobachten.
Den Appendix entferne man nur, wenn man ihn leicht findet.
Besteht schon allgemeine Peritonitis, so lege man den Schnitt in
der Mittellinie und wasche den Bauch gründlich aus, wonach
drainlrt wird.
Wallace B e a 11 y : Die Behandlung der Herzkrankheiten
durch Merkur. (Dublin Medical Journal, October 1899.)
Merkur wirkt besonders günstig in Fällen von schwerer
venöser Stauung bei Mitralaffectionen, ebenso bei allgemeiner
venöser Stauung bei Herzschwäche im Gefolge von Emphysem
und Bronchitis; schliesslich auch bei Hypertrophie des linken
Herzens im Gefolge der Schrumpfniere. Merkur wirkt als Purga-
tivum und als Diureticum. Man gibt Kalomel oder „Blue pill“
in häufigen kleinen Dosen, jneist zusammen mit Digitalis oder
Scilla, bei starker Diarrhoe verbinde man es mit Opium; meist
tritt nach wenigen Tagen eine gewaltige Diurese ein. Auch bei
der Herzinsufficienz im Gefolge der Schrumpfniere wirkt Kalomel
oft vorzüglich, allerdings meist nur sehr vorübergehend. Stets
achte man auf etwa einsetzende Stomatitis.
J. P. zum Busch- London.
Amerikanische Literatur.
1) Jos. C. B 1 o o d g o o d - Baltimore: Die operative Behand¬
lung der Hernien. (Johns Hopkins Hospital Reports, Vol. VII.)
Ausführlicher Bericht über 459 im Johns Hopkins Hospita
von Juni 1889 bis Januar 1899 beobachtete Fälle von Hernien
unter specieller Berücksichtigung der 268 nach der H alsted’schen
Methode operirten Fälle, sowie der in einzelnen Fällen zur An¬
wendung gebrachten Transplantation des Musculus rectus. Die um¬
fangreiche Abhandlung ist mit zahlreichen vorzüglichen Abbildungen
ausgestattet und zum Specialstudium sehr zu empfehlen.
2» J. W. W 111 i a m s - Baltimore. W. R. Pryor- New-York,
H. D. Fr y- Washington und E. Reynolds - Boston: Ueber den
Werth des Antistreptococcenserums in der Behandlung des
Puerperalfiebers. (American Journal of Obstetrics, Sept. 1899.)
Die von der American Gynaecological Society zum Studium
dieser Frage eingesetzte Commission veröffentlicht hier die Resul¬
tate ihrer eingehenden Untersuchungen. Aus dem Berichte geht
hervor, dass 352 Fälle puerperaler Infection mit Serum behandelt
wurden mit einer Mortalität von 21 Proc. Die Ansicht des Comite’s
geht dahin, dass das Marmorek’sche die ihm zugeschriebene
speeifisehe Wirkung gegen Puerperalfieber nicht besitzt, dass das¬
selbe nur gegen die Infection desjenigen Streptococcus schützt,
von dem es gewonnen wurde, gegen jede andere Streptococcen-
form, und insbesondere bei Mischinfectionen aber absolut wirkungs¬
los ist. Die reine Streptococcen-Endometritis hat überhaupt nur
eine Mortalität von 5 Proc. Es wird empfohlen mit Hilfe der
Döderlein 'sehen Sonde eine bacteriologisclie Lochien Untersuchung
vorzunehmen und den Uterus nach Entnahme der Probe mit 4—5
Liter steriler Kochsalzlösung auszuspülen, bei einfacher Streptococcen-
infection jede weitere Local bei landlung aber zu unterlassen. Andern¬
falls, insbesondere bei Miterkrankung des Peritoneums ist die Curet-
tage mit nachfolgender Gazeausstopfung des Uterus, eventuell Er¬
öffnung und Drainage des Douglas mit Gazestreifen angezeigt.
3) John B. S h o b e r - Philadelphia: Organotherapie bei
Ovari&lerkrankungen. (Ibld.)
Sh. berichtet Über 9 weitere Fälle von Ovarialerkrankung, in
welchen er den Extract der Parotisdrüse mit Erfolg zur Anwen-
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düng brachte. In den betreffenden Fällen handelte es sich meist
um local beschränkte chronische Oophoritis ohne Complicationen.
4) Charles A. R e e d - Cincinnati: Die Beziehungen der
Beckenorgane zur Blutbeschaffenheit beim Weibe. (American
Gynaecological and Obstetrical Journal, Sept. 1899.)
In diesem vorläufigen Berichte (September 1899) schildert der
Autor die interessanten Beobachtungen, welche er bei der Unter¬
suchung eines mehrere hundert Fälle umfassenden Materials über
das Verhältnis der verschiedenen Zustände der weiblichen Becken¬
organe zu der quantitativen und qualitativen Blutbeschaffenheit ge¬
macht hatte. Zu einem positiven Resultate ist er noch nicht ge¬
kommen, doch werden die Untersuchungen fortgesetzt. Auf die
Details der Arbeit kann hier nicht weiter eingegangen werden.
5) A. M. G a 1 b r a i t h - New-York: Physiologische Studie
des Klimakteriums. (Ibid., October 1899.)
In Beantwortung der Frage, ob die Gefahren der Menopause,
oder mit andern Worten die dem Klimakterium eigenthümlichen
Störungen natürlich, durch das Wesen der Climax bedingt oder
acquirirt sind, ist G. geneigt, die Hauptschuld auf das durch die
Lebensverhältnisse, Krankheiten u. s. w. geschädigte Nervensystem
zu werfen. Als Beweis wird die Thatsache angeführt, dass ledige
Frauen in der Regel weniger klimakterische Beschwerden zeigen
als verheirathete. Ferner die Beobachtung, dass von 16 Frauen,
welche abortirt hatten, nur eine in der Menopause von Störungen
frei blieb.
6) L. A. Bldwell - London: Die operative Behandlung des
Magengeschwürs. (American Journal of the Medical Sciences,
September 1899.)
B. gibt eine Uebersicht dieses neuen Eroberungsgebietes der
Chirurgie. Von 783 operirten Fällen von ;Ulcus ventriculi wurden
437 geheilt, also eine Mortalität von 44 Proc. Davon treffen 414
Fälle mit 66,5 Proc. Mortalität auf Perforation mit folgender Peri¬
tonitis, 33 mit 51,5 Proc. Mortalität bei subphrenischem Abscess,
21 Operationen wegen Magenblutung mit 57 Proc. Mortalität, 130
Gastroenterostomie und 185 Pyloroplastik mit 11,5 bezw. 14,5 Proc.
Sterblichkeit. Die Operation ist, abgesehen von den Fällen von
Perforation, indicirt bei lang dauernden oder öfters wiederholten
schweren Magenblutungen, bei heftigen Gastralgien mit hartnäcki¬
gem Erbrechen, wenn die üblichen Mittel erfolglos bleiben, und
endlich bei Magenerweiterung in Folge von Stricturen innerhalb
derselben oder von Verwachsungen mit den Nachbarorganen.
7) J. A. C a p p s : Aneurysma der Coronararterien. (Ibid.)
Beschreibung zw eier Fälle von Aneurysma der Coronararterien
mit Sectionsbefund. Während die Literatur über die Herzaneurys¬
men und die-Aneurysmen des Anfangstheiles der Aorta überreich
ist, sind nur sehr w T enig Fälle obiger Art beobachtet, C. fand in
der Literatur nur 19 derartige Fälle beschrieben.
8) H. A. H a r e - Philadelphia und C. A. Holder: Ueber
Aortenaneurysma. (Ibid., October 1899.)
Die Schlüsse, welche aus dem kritischen Studium von 953
aus der neuern Literatur entnommenen Fällen von Aortenaneurysma
gezogen werden, gehen dahin, dass das Leiden meist bei Männern,
nur selten beim Weibe auftritt, dass hauptsächlich der aufsteigende
Ast des Aortenbogens, viel seltener der absteigende Theil, sowie
der Arcus selbst, beide ungefähr gleich oft betroffen werden. Die
Todesursache ist nicht so oft Ruptur des Aneurysmas als vielmehr
die durch den Tumor bedingte Compression der Brustorgane. Was
endlich die Aetiologie betrifft, so wird nach ihrer Ansicht der Sy¬
philis eine zu grosse Rolle zugeschoben, wenigstens in activer Be¬
ziehung, während ein Einfluss derselben mehr passiver Natur, in¬
dem durch sie ein prädisponirendes Moment von wesentlicher Be¬
deutung geschaffen wird, nicht geleugnet wird.
9) J. A. Scott- Philadelphia: Acute gangraenoese Pancrea-
titis mit Fettnekrose. (Ibid.)
Casuistischer Beitrag zu dieser relativ seltenen, in der letzten
Zeit mit erhöhtem Interesse studirten Krankheitsfonn.
10) Guy L. H u n n e r : Nachweis des Typhusbacillus bei
acuter Cholecystitis und
11) Harw ey C n s h i n g : Ueber experimentelle Cholecys¬
titis. (Johns Hopkins Hospital Bulletin, Aug—Sept. 1899.)
Während H. einen Fall von acuter, eitriger Gallenblasenent-
zündung beschreibt, bei der eR ihm gelang, den Typhusbacillus aus
dem Eiter zu isoliren und in Culturen zu züchten, berichtet C.
über eine Beobachtung während seiner experimentellen Unter¬
suchungen über Gallensteine, wonach bei einem Kaninchen nach
Einimpfung einer Cultur des Eberth’sehen Bacillus in das Ohr,
Bildung von Gallensteinen stattfand.
12) Boardmann R e e d - Philadelphia: Zur Aetiologie und
Therapie der Erkrankungen der Bauchorgane. (Therapeutic
Gazette, September 1899.)
Autor bespricht die durch Verlagerungen, Verwachsungen und
Dilatation der Bauchorgane, durch die Wanderniere, Enteroptose,
Uterusflexionen u. s. w. bedingten Störungen. Dieselben sind beim
weiblichen Gesehlechte weit häufiger als beim Manne, und nach
seiner Ansicht in der Mehrzahl der Fälle die Folge unzweck¬
mässiger Kleidung. Das Resultat seiner Beobachtungen fasst er
folgendermaassen zusammen: Mehr als die Hälfte der innerhalb
drei Jahren von ihm untersuchten Patienten litten an einer oder
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
24
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
mehreren Formen der obenerwähnten Krankheiten, ein Beweis für
die Häufigkeit derselben. Die Mehrzahl dieser Fälle aber ist sich
ihres Zustandes nicht bewusst, wird zum Theil auch an ganz
anderen Krankheiten behandelt — von 362 von ihm constatirten
Fällen war nur 1 Proc. vorher diagnostirt, bezw. entsprechend be¬
handelt worden. — Eine zweckmässige rechtzeitig einsetzende
Therapie hat hier ein grosses Feld, und bewahrt vor der sonst
nöthigen Operation. (Fortsetzung folgt.)
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 20. December 1899.
Demonstration:
Herr Oottschalk demoustrirt die während eines Puer¬
peralfiebers ausgestossene nekrotische TJterusschleimhaut fol¬
genden Falles: Allgemein verengtes Becken; C. v. ca. 9 cm, kräf¬
tige Wehen, trotzdem Kopf nach 3 Tagen nicht iu’s Becken ein¬
getreten. Als G. hinzukam, Kopf im Eingang fest, vordere
Muttermundlippe eingeklemmt, Uterus fest um Frucht contrahirt,
Contractionsreiz deutlich. Hohe Zange ohne Erfolg. Wendung
glückt schliesslich .wenn auch schwer. Kind lebend und am
Leben geblieben. Uterus p. p. gut contrahirt, Placenta in circa
V/ 2 Stunden ausgestossen. Dem behandelnden Collegen war
schon vor der Geburt der frequente Puls aufgefallen. Am fol¬
genden Tag Schüttelfrost. Ausfluss nicht übelriechend;
Singultus, Uterusausspülung mit 1,5 Liter 60proc. Alko¬
hol, was ohne Schmerzen ertragen wird. Trotzdem und trotz
Kampher, Secale u. s. w. Verschlechterung des Allgemeinbefindens
bis zum 6. Tag. Puls unfühlbar; nunmehr subcutane Koch¬
salzinfusion (0,9 prom.) in die Fossa subclavicularis. Von
diesem Moment ab Besserung; kräftige Diurese, die mehrere
Tage sistirt hatte; guter Schlaf; Heilung. Am 15. Tage zum
ersten Male übelriechender Ausfluss und Ausstossung eines un¬
gefähr uterusförmigen nekrotischen Stückes, das sich mikro¬
skopisch als üternsschleimhaut, durchsetzt von Coc-
cen und mit vielen Thromben angefüllt, erweist
Ursache der Nekrose: in Folge der Herzschwäche schlechte
Blutversorgung der Schleimhaut, was durch Eisblase und Secale
gesteigert wurde. Hinzukommendes Moment: nekrotisireude
Wirkung der Bacterien. Und endlich nicht ausser Acht zu lassen
die Wirkung des Alkohols bei der Spülung.
Einen gleich prompten und günstigen Erfolg der Kochsalz¬
infusion sah Vortragender in diesen Tagen in einem zweiten Falle
von .Puerperalfieber.
Tagesordnung:
Herr Kirchner: Leprahäuser sonst und jetzt.
Neben den grossen Fortschritten, welche die Bacteriologie
für die Erkenntniss der grossen Volksseuchen gebracht hat,
sind doch auch manche Räthsel geblieben. Dazu gehört das plötz¬
liche Auftreten von grossen Seuchen und ihr Verschwinden.
Ein solches Beispiel einer grossen plötzlich kommenden Seuche
war das Auftreten der Cholera in diesem Jahrhundert, die bis
dahin in Europa völlig unbekannt gewesen war. Und dazu ge¬
hört auch das räthselhafte Auftreten und Verschwinden zweier
Seuchen, die im Mittelalter die ganze civilisirte Welt decimirten,
der Pest und der Lepra. Und merkwürdiger Weise sind diese
beiden beinahe schon völlig verschwunden geglaubten Seuchen
in den letzten Jahren wieder in unseren Gesichtskreis getreten.
Zwar ist die Lepra bei uns in Deutschland erst in geringer Zahl
in der Ostgrenze des Reiches aufgetreten; wenn man aber nicht
darauf achtet, kann sie bald wieder eine verheerende Volksseuche
werden.
Wie weit sich die heutige Lepra, welche durch die Ent¬
deckung Armauer-Hanse n’s (Leprabacillus) sich nun ge¬
nau abgrenzen lässt, mit dem Aussatze des Alterthums und
Mittelalters deckt, lässt sich nicht genau sagen. Es scheint,
dass gerade unter dem biblischen Aussatze häufig mehrere Haut¬
krankheiten verstanden wurden und auch später vielfach Ver¬
wechslungen vorgekommen sind.
Dass für die Aussätzigen früher nicht sehr gut gesorgt
wurde, kann man sich denken, wenn man sieht, wie noch heuti¬
gen Tages in manchen Ländern mit ihnen umgegangen wird.
Noch bis vor Kurzem, bis zu dem, durch die Wirksamkeit der
Miss Marsten bedingten Wendepunkt, wurden in Sibirien die
Aussätzigen in die Wälder getrieben und ihnen von den An¬
gehörigen Speise und Trank an bestimmte Wege gebracht, von
wo die Kranken sie abholen mussten.
Pipin machte die Leprösen rechtlos und Karl der Grosse
machte die Lepra zum Ehescheidungsgrunde. Es bildete sich
allmählich ein ganz bestimmtes Verfahren aus, die Lepra zu
erkennen; und wenn die dafür aufgestellte Persönlichkeit, Arzt
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oder Bader, Jemand für leprös erklärt hatte, so wurde er ge-
wissermaassen lebendig begraben. Er wurde in der Kirche,
oft auch auf einem Katafalk, eingese®iet, dann nach dem Kirch¬
hof gebracht, dort wurden ihm die Beine mit Erde bestreut und
die Leichenrede gehalten. Von diesem Moment ab war er
bürgerlich todt; sein Vermögen verfiel dem Staate und
er selbst wurde in einer Hüte untergebracht; wenn er sie ver-
liess und unter Menschen ging, musste er besondere Ab¬
zeichen tragen, die Begegnenden von Weitem durch eine
Schelle oder Klapper auf die Gefahr aufmerksam machen.
Den Unterhalt musste er sich durch Almosen verdienen. Bald
kam es zur Gründung von Leprosorien — in Frankreich gab es
z. B. 2000 —, die meist einem Heiligen geweiht waren, theilweise
aber bald ganz in geistliche Hände übergingen.
Aus dieser Zeit stammt auch der Name Lazareth (Lazarus).
Und noch manches heutige grosse Krankenhaus führt seinen
Ursprung auf jene „Guten Leut“-Häuser oder Siechenhäuser
zurück. ^
Anfänglich waren die Leprosorien noch sehr bescheiden
und unhygienisch, aber es gab auch bald bessere, namentlich als
sie durch fromme Stiftungen besser dotirt waren.
Im 16. Jahrhundert war die Lepra bei uns ausgestorben.
In neuerer Zeit entstanden die ersten Leprosorien in Süd¬
russland, wo zu Anfang der dreissiger Jahre die Lepra im Ge¬
biete der Don’schen Kosacken auftrat. Sie gingen jedoch bald
wieder ein, da man damals auf dem Standpunkte war, die Lepra
für nicht ansteckend zu halten. Die nächsten Leprosorien
folgten in Südafrika, im Kaplande; erst etwas einfacher, jetzt
sehr gut eingerichtet und für 700 Kranke ausreichend, auf
einer Insel in der Nähe des Kaps gelegen.
Einen weiteren grossen Fortschritt brachte Norwegen, wo
1856 ein Leprosorium in Bergen entstand; es folgte Schweden,
woselbst die Lepra übrigens sehr viel seltener als in Norwegen ist.
Aus eigener Anschauung kennt Vortragender die dann ent¬
standenen Leprosorien in Russland; dort wurde sie in den
Ostseeprovinzen entdeckt von unserem Chirurgen
v. Bergmann; ein zweiter Herd ist das schon erwähnte Ge¬
biet der grossen Ströme Südrusslands. Jetzt besteht in Riga
ein ausgezeichnetes Leprosorium, welches in einem Wäldchen ge¬
legen, aus 2, durch einen für Wirthschaftsräume bestimmten
Mittelbau verbundenen Pavillons besteht. Mit diesem Mittelbau
sind diese Flügel durch heizbare Corridors vereinigt. Ausserdem
befindet sich dort ein Gebäude für den Arzt, ein vortrefflich ein¬
gerichtetes bacteriologisches Laboratorium, Garten, Feld u. s. w.
Zwar werden die Leprösen als Kranke in Krankenzimmern ge¬
halten, doch wird durch gemeinschaftlichen Speisesaal und
sonstige reichliche Nebenräume das Princip des Krankenhauses
durchbrochen. Die Kranken arbeiten dort, doch ist ihre Arbeits¬
kraft eine geringe.
Diesem folgten dann zahlreiche weitere Leprosorien in Russ¬
land, die freilich nur zum Theil den modernen Anforderungen
entsprechen. In letzter Zeit hat die russische Regierung
100000 Rubel für die Versorgung der Leprösen bewilligt und
damit wird diese Frage einer raschen Lösung entgegengeführt.
Boi uns in Deutschland fanden sich schon in den
achtziger Jahren einzelne Mittheilungen über das Auftreten der
Lepra in den Berichten der Physici. Officiell trat die Re*
gierung der Sache näher im Anschluss an Blaschko’s Vor¬
trag und Reise nach dem Bezirk Memel zum Studium der Lepra.
In Folge dessen schickte der Minister Herrn R. Koch nach
Memel und darauf den Vortragenden nach Russland zum
Studium der dortigen Leprosorien und mit dem weiteren Auf¬
träge, im Kreise Memel ein geeignetes Terrain für eine Lepra¬
heim ausfindig zu machen. Dasselbe war leicht gefunden und es
wurde ca. 4 km von Memel entfernt ein Lepraheim errichtet,
welehcs in der äusseren Anlage dem von Riga entspricht; im
Innern aber so eingerichtet ist, dass die Kranken dort den Com¬
fort eines wohlhabenden Privathauses finden. Für
die Anlage einer eigentlichen Colonie ist die Zahl der Leprösen
zu gering, nämlich 16 sichere und 4 zweifelhafte im Kreise
Memel. Dazu kommen noch 6 innerhalb des Reiches wohnende,
polizeilich bekannte Kranke. Da nach dem jetzigen Gesetze die
Lepra nicht einmal anzeigepflichtig ist (Gesetz von 1835) und
man die Kranken auch nicht zwingen kann in Leprosorien zu
gehen, so muss man sie durch freundliches Zureden dort hin¬
bringen, was auch bei 16 schon gelang.
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.2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Um der Lepra völlig Herr zu werden, bedarf es noch weiterer
Maassnahmen. Den ganzen Kreis, wie Blaschko will, auf
Lepra untersuchen, ist nicht durchführbar. Jedoch muss der
Physikus von Zeit zu Zeit die Angehörigen der notorisch
Leprösen untersuchen. Der Physikus in Memel konnte auch den
Nachweis erbringen, dass die Lepra nicht erst seit dem Anfang
der siebziger Jahre in Preussen auf getreten sei, sondern dass sie
im Jahre 1848 aus Russland eingeschleppt wurde. Um einer
weiteren Einschleppung vorzubeugen, müssten wir dem Beispiele
Amerikas folgen, welches jeden leprösen Einwanderer rück¬
sichtslos zurückschickt. Uns bietet das bestehende Gesetz noch
keine Handhabe, aber in’s neue Reichsseuchengesetz,
welches wahrscheinlich noch in dieser Tagung dem Reichstage
vorgelegt werden wird, sollen aucli Bestimmungen über die Lepra
aufgenommen werden.
Zum Schlüsse weist Vortragender darauf hin, dass die
Hygiene der Siechenhäuser noch sehr vernachlässigt worden sei
gegenüber der der Krankenhäuser, welche auf eine kaum mehr
zu übertreffende Höhe gelangt ist. Wenn schon die Lepra, eine
doch unheilbare Krankheit, nach Aufnahme der Kranken in
Leprosorien ganz auffallende Besserungen zeigen, so sei eine
Erleichterung des Schicksals anderer Siecher gewiss erst recht
zu erhoffen. Ein erfreulicher Anfang sei jüngst in Hannover
mit der Eröffnung eines Heims für Krebskranke und
Aehnliche gemacht worden. Auch der Tuberculösen
nehme man sich jetzt an, aber nur im Anfangsstadium.
Aber gerade dann, wenn diese armen Kranken schwer erkrankt
sind, massenhaften Auswurf entleeren und damit die Gefahr für
deren Umgebung sehr viel grösser geworden ist, dann lasse man
sie zu Hause in den oft kümmerlichsten Verhältnissen. E s s e i
eine Aufgabe des kommenden Jahrhunderts,
für die chronisch Kranken und für Siechen¬
häuser zu sorgen.
Discussion: Herr V i r c b o w dankt dem Vortragenden
und versichert, dass alle Anwesenden seine Wünsche theilen.
Er seinerseits sei zwar betr. der Heilbarkeit der Phthise nie so
weit gegangen, wie man dies jetzt thue. Dies hindere aber nicht,
alle Bestrebungen zu ihrer Bekämpfung zu unterstützen.
Den Aussatz habe er seit Langem verfolgt; im Jahre 1859
sei er zu dessen Studium in Norwegen gewesen. Es habe sich
doch gezeigt, dass die Befürchtung, welche mau damals in Nor¬
wegen hegte, nicht eingetreten und die Lepra verhUltnissmiissig
beschränkt geblieben sei und eine geringe Zahl von Anstalten
zur Isolirung der Kranken genügte. Aus seinen damaligen ein¬
gehenden Studien über die Lepra habe er die Ueberzeugung ge¬
wonnen, dass die Lepra niemals eine sehr grosse
Verbreitung gefunden habe, die etwa der Verbreitung
der Syphilis gleichkäme; nicht einmal nach den Kreuzzügen sei
dies der Fall gewesen.
Dass es sich im biblischen Alterthum wirklich um Lepra ge¬
bandelt habe, sei unzweifelhaft. Die „heiligen Christspitäler“
seien nicht im Zusammenhang mit den Leproserien zu bringen,
jedoch die dem St. Georg geweihten Häuser und die Lazarethe.
Uebrigens sei der Ausdruck Leprosorium barbarisch, Leproserie
genüge völlig.
Jedenfalls sei kein Grund zur Beunruhigung
wegen des neuerlichen Auftretens der Lepra vorhanden. Das
solle aber nicht hindern, mit Bewunderung und Dankbarkeit den
Arbeiten zuzusehen, welche auf die Eindämmung dieser Krank¬
heit gerichtet sind.
Herr L e s s e r knüpft an den Vortrag den Wunsch, die noch
erhaltenen Reste der Leprahäuser und -Institutionen zu sammeln
und dem germanischen Museum in Nürnberg einzuverleiben.
Herr Blaschko: Zwar sei die Verbreitung und Uebertrag-
barkeit der Lepra nicht entfernt so gross, wie bei der Syphilis,
aber gerade da die Wege ihrer Uebertragung rttthselhaft
seien, sei die Isolirung geboten. Die Anlage der Leproserie in
Memel sei eine sehr glückliche; er knüpft daran noch einige kleine
Wünsche, wie Entschädigung oder vielmehr Subvention der
Angehörigen, Besuchszeiten; dann strengere Ueberwachung der
russischen benachbarten Lepraherde.
Herr Kölle: In Südafrika habe die Lepra doch eine gewisse
epidemische Ausbreitung angenommen; so sei im Jahre 1817 dort
der erste Fall eingeschleppt worden und jetzt bereits 6—8 Tausend
Kranke vorhanden.
Herr Kirchner: Die Wünsche Blaschko’s seien z. Th.
schon erfüllt. Eine Unterstützung der Angehörigen könne aber
aas finanziellen Gründen nicht statthaben. Es wird im tPrincip»
daran festgehalten, dass der Kranke für sich selbst bezahle; doch
werde naturgemäss dieses Princip meist umgangen. Würde man
bei den Leprösen die Angehörigen unterstützen, so könnte man
dasselbe für die ungeheure Zahl der Tuberculösen auch fordern.
Die Einwftnde Virchow’s gebe er zu; er habe auch keineswegs
beunruhigen wollen; das habe ihm völlig fern gelegen.
H. Kohn.
Verein für innere Medicin zu Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 18. December 1899.
Herr Goldscheider: Beiträge sur physikalischen
Therapie. (Fortsetzung.)
Vortragender weist des Weiteren auf jenen interessanten
Fall von Spontanheilung einer durch Wirbelaffection be¬
dingten Compressionsmyelitis hin, den er vor einigen Monaten
in diesem Verein demonstrirte. Es können also auch Spontan¬
heilungen Vorkommen, wenn nur erst die Wirbelaffection zur
Ausheilung komme; dies hebe er ausdrücklich hervor, um dem
Missverständnisse zu begegnen, als ob durch die Bewegungs¬
therapie und ähnliche Maassnahmen allein ein Erfolg erzielt
werden könne; die Conditio sine qua non hiefür sei die Aushei¬
lung des Wirbelprocesses.
Vortragender bespricht nun einige Hilfsmomente für die
mechanische Therapie, z. B. einen Bindenzügel zur
Unterstützung der Bewegung bei Peroneuslähmung; um
die Abduction noch mehr zu unterstützen, kann dieser von der
Hand zum kranken Fuss laufende Zügel über eine an der Seite
des Bettes angebrachte Rolle geführt werden. Für Patienten,
die ausser Bett sind, wird ein Stiefel benutzt, an dessen
Sohle seitlich Schnürriemen und Zügel angebracht sind.
Dasselbe Princip kommt bei Radialislähmung und
Hemiplegie zur Behandlung der Hand zur Anwendung in
Gestalt eines Handschuhs, an dessen Rückfläche 8 Schnüre an¬
gebracht sind, und zwar 4 an der 1. Phalange, 4 an dem obersten
Interphalangeajgelenk („Radialishandschuh“). Ein wei¬
teres technisches Hilfsmittel bildet für die Linderung der Be¬
schwerden bei Lungenemphysom ein um die untere
Thoraxapertur mehrfach gelegter Gummigürtel.
Vortragender geht dann über zur Besprechung der Hilfs¬
mittel, welche auf dem Wege der „Bahnung“ und „Hem-
m u n g“ von Nervenimpulsen ihre Wirkung entfalten. Als Bei¬
spiel hiefür gilt die „Thermomassage“ mittels des vom Vor¬
tragenden angegebenen Apparates, dieselbe wirkt bei Schmerzen
und Paraesthesien durch Hemmung der Schmerzleitung mit
Hilfe der Wärme und Massage. Bei dieser Gelegenheit bemerkt
Vortragender gegen Herrn Eulen bürg, dass es wohl sein
kann, dass man früher mit einem Bügeleisen massirt habe. Dass
dies aber doch wenig bekannt geworden sei und sich z. B. in
Eulenburg’s Buch nicht finde.
Ein weiteres Beispiel bildet die Bewegung bei
S c h m c r ze n. Dieselbe ist nicht nur wirksam bei hysterischen
Schmerzen oder Gelenkneurosen, sondern auch bei organischen
Erkrankungen, z. B. bei tabischen Schmerzen. Auch
bei N euralgien, z. B. Ischias; einen für letztere Affection
passenden Stuhl mit verstellbaren Lagern für die Beine zur
Nervendehnung stellt Vortragender vor. Zur Hemmungs-
bchandlung, gleich den vorangehenden, rechnet Vortragender
auch die Luftbäder, z. B. bei Neurasthenikern, die
nicht eiusehlafen können. Aehnlich wirken Umschläge,
Wärmflaschen, besonders heisse Wärmflaschen an den
Fusssohlen.
Als Beispiel für Lähmungsbehandlung führt Vortragen¬
der Faradisation mit wechselndem, d. h. sprung¬
weise wechselndem Angriffspunkt des faradischen Pinsels an;
ebenso die D o u c h e mit wechselndem Angriffspunkt. Bahnend
wirken auch passive Bewegungen mit der Aufforderung,
activ mitzubewegen. Zu den bahnenden Wirkungen
rechnet er auch die Wirkung des heissen Wasser¬
strahles bei schwer heilenden Geschwüren, von dessen guter
Wirkung er sich in 3 Fällen von Mal jperforant du pied über¬
zeugen konnte. Es handelt sich hierbei um einen bahnenden
Einfluss auf die Nerven mit trophischer Wirkung. Es erinnert
dies an die Wirkung des alten Cauterium potentiale.
Vortragender kommt zum Schlüsse nochmals auf den
E ulenbur g’schen Vorwurf (Deutsch, med. Wochenschr.) zu¬
rück, dass es sieh bei der ganzen modernen physikalischen
Therapie um altbekannte Dinge handele. Gewiss sei zuzugeben,
dass ein Theil der angegebenen Mittel schon bekannt sei; aber
es komme darauf an, diese hier und dort geübten Dinge zur all¬
gemeinen Kenntniss zu bringen, so dass sie gleich den pharma¬
kologischen Kenntnissen Allgemeingut der Aerzte werden. Die
Schwierigkeit lag darin, dass bisher ein systematischer Ausbau
fehlte und dass diese Dinge sich auch nicht so einfach mittheilen
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26
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1,
lassen, wie ein pharmakologisches Reeept; sie erfordern eine
genauere Beschreibung bezvv. eine Demonstration.
Die physikalische Therapie soll die pharmakologische nicht
verdrängen, wesswegen die „Naturheilärzte“ auch ganz im Irr¬
thum sind, wenn sie meinen, dass die Schulmediein jetzt in
ihre Bahnen hinüberwandle. Insbesondere sei auch in Zukunft
eine genaue, mit allen modernen Hilfsmitteln zu stellende Dia¬
gnose die Hauptsache für eine gute Therapie.
Schliesslich warnt Vortragender vor der naheliegenden Ge¬
fahr einer Polypragmasie, wie sie sich in manchen An¬
stalten schon jetzt häufig zeige.
Herr Rawitz : Medicinische und klimatologische Er¬
fahrungen im Eismeer.
Vortragender hatte mit einer von der Deutschen Secfi.-cherci-
Gesellschaft ausgerüsteten Expedition mehrere Wochen in diesem
Sommer auf der Bäreninsel verbracht. Das Klima ist be¬
dingt durch die Wechselwirkung zwischen' dem warmen Golf¬
strom einer-, dem kalten Polarstrom andererseits. Im Anfang
seines Aufenthalts war trockenes, klares Wetter auf der Insel
selbst, während in der Umgebung rings herum Nebel lagerte.
Im späteren Theile des Sommers hingegen lag die Insel selbst
im Nebel und die Luft war dementsprechend feucht. Es zeigte
sich der Einfluss des Wetters nun darin, dass im Anfang alle
feuchten Gegenstände, wie z. B. die gefangenen Fische, schnell¬
stens ohne Fäulnis» trockneten, die Wunden bei den Seeleuten
ohne jede Eiterung blieben, aber auch nicht zuheilten. Als der
Nebel aber über der Insel lag, ging Alles schnell in Fäulnis»
über und die Wunden eiterten leicht, kamen aber trotzdem
überraschend schnell zur Heilung. Grosse Panaritien z. B. seien
nach der Incision in 24 Stunden geheilt (!).
Die zweite ärztlich interessante Erfahrung bezieht sich auf
die Leberthranbereitung in Norwegen, aus den Lebern der
Dorsche und Kabeljaus. Der Schellfisch, der hiezu
auch geeignet, kommt im nördlichen Eismeer nicht vor. Der
Leberthran wird nun theils auf kaltem Wege, indem man die
Leber 4 Wochen der Sonne und der Luft aussetzt, gewonnen, was
ohne Fäulniss geschieht, theils auf warmem Wege mittels
strömenden Wasserdampfes. Letzterer, bezw. Medicinleberthrari,
ist aber in Deutschland nicht verkäuflich, da er nicht den An¬
forderungen der Pharmakopoe entspricht. Dieser Umstand und i
die Unmöglichkeit, in unserem Klima die Leber 4 Wochen an
der Luft liegen zu lassen, verhindern die Gewinnung des Leber-:
thrans aus dem in deutschen Gewässern so häufigen Schellfisch.;
Es kommt in Norwegen auch eine Verschlechterung des!
•Leberthrans oder wenigstens eine Vermischung zum Vortheile |
des Verkäufers vor, indem man die Lebern eines 4—5 m grossen j
Haifisches zur Gewinnung des Leberthranes mitverwendet. 1
II. K o h n. |
Berliner Briefe.
(Eigener Bericht.)
Nachklänge zur Aerztekammerw&hl. — Anstellung von<
Schulärzten. — Aerzteverein der Rettungsgesellschaft. —\
Erholungsstätten für Krankencassenmitglieder. jj
Die Aerztekainmerwalilen sind vorüber, und der unlieb-,
same Streit der Parteien ist damit vorläufig zur Ruhe ge-,
kommen. Bedauerlicher Weise sind auch die auswärtigen
Collegen zu Zeugen und Richtern der rein localen Zwistig-"
keiten aufgerufen worden; es wird daher von Werth sein, aus
dem Wahlergebnis einen Rückschluss auf die Ansichten der
Majorität der Berliner Aerzte zu ziehen. Es ist zunächst be¬
merkenswerte, dass trotz der erhöhten Wichtigkeit der dies¬
maligen Wahlen die Wahlbetheiligung eine geringere war als
früher; und man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, 1
dass, abgesehen von dem bei Vielen chronischen und unheil¬
baren Indifferentismus, der Unmuth über den ewigen Hader
an der Wahlenthaltung Schuld w r ar. Von 2075 wahlberechtigten
Aerzten haben nur 1362 (= 66 Proc.) ihr Wahlrecht ausgeübt
gegen 72 Proc. im Jahre 1896. Die Wahl endete mit einem
unzweifelhaften Siege der Standesvereine, deren mit dem Verein
zur Einführung freier Arztwahl gemeinschaftlich aufgestellte
Candidaten sämmtlich gewählt winden. Wenn somit das Wahl¬
resultat den Mitgliedern der Standesvereine eine gewisse Be¬
friedigung bietet, so mischt sich doch auch das Gefühl auf¬
richtigen Bedauerns darüber hinein, dass die mühsam ange¬
knüpften Verbindungen mit der Gegenpartei dabei gelookert,
w enn nicht zerrissen sind. Es scheint, dass die bisher. noch
teeilweise latenten principiellen Gegensätze jetzt manifest ge¬
worden sind. Der Zwiespalt, welcher beide Parteien trennte,
ist grösser als zuvor, und das einzige Bindeglied zwischen
ihnen, die gemeinsame wirthschaftliche Commission, ist bei
dieser Gelegenheit in die Brüche gegangen. Wenn es der
neuen Kammer gelingen sollte, den Bruderzwist zu schlichten
und die streitenden Parteien durch ein festes und dauerhaftes
Band zu vereinigen, so wird sie jedenfalls eine ihrer vor¬
nehmsten Aufgaben erfüllt haben. Ausser den schon von
früheren Kammern behandelten Fragen wie: Freie Arztwahl,
Rettungswesen, Curpfuscherei u. A. harren ihrer zwei neue
Aufgaben, nämlich die Ausübung der Ehrengerichtsbarkeit und
die Organisation des ärztlichen Unterstützungswesens auf Grund
des ihr verliehenen Umlagerechtes.
Mit dem kommenden Jahr wird auch eine andere seit
Langem angestrebte Neuerung, wenn auch vorläufig nur in
beschränktem Umfange verwirklicht werden.
Die Stadtverordneten-Versammlung hat sich endlich ent¬
schlossen, den Fortschritten der Hygiene Rechnung zu tragen
und auch in der Reichshauptstadt Schulärzte anzustellen. Nach
der ersten Anregung, die nach dieser Richtung hin gegeben war,
hatte die Angelegenheit recht lange im Dunkel irgend eines
Actenbündels geruht, und nach dieser jahrelangen Ueberlegungs-
zeit hätte man vielleicht noch etwas mehr erwarten dürfen als
die probeweise Anstellung weniger Aerzte. Aber unsere Stadt¬
väter gehen sehr langsam, sehr vorsichtig, sehr bedächtig vor.
Dir Beschluss geht dahin, dass zunächst ein Versuch mit der
vertraglichen Annahme von 20—24 Schulärzten vom 1. April
1900 ab auf vorläufig 2 Jahre gemacht w r erde. Bei der Be-
rathung kamen wieder die alten imd längst widerlegten Be¬
denken zum Vorschein, dass die Einrichtung Anlass zu Diffe¬
renzen zwischen Schulärzten und Lehrern, sowie zwischen
Schule und Elternhaus geben, und dass der Unterricht empfind¬
liche Störungen erleiden w r ürde. Den Freunden der Vorlage
gelang es zwar, diese Bedenken zu zerstreuen, doch ist es
immerhin schwer verständlich, dass die Reiehshauptstadt mit
ihren über 200 Gemeindeschulen einen zaghaften Versuch mit
20—24 Schulärzten macht, nachdem in mehreren anderen Städten
die Einrichtung längst besteht und tadellos functionirt, ohne zu
den gefürchteten Differenzen zu führen. Wir zweifeln aber
nicht, dass der Versuch gelingen wird, und dass nach Ablauf
der Probezeit für sämmtliche Schulen Schulärzte angestellt
w erden. In dieser Erw artung können wir den vorläufigen Ver¬
such als eine Abschlagszahlung dankbar annehmen.
Am 14. December hielt der Aerzteverein der Rettimgs-
gesellschaft seine diesjährige Generalversammlung ab. Aus
dem Geschäftsbericht entnehmen wir, dass die Thätigkeit der
Rettungswachen in erfreulichem Wachsen begriffen ist., Es
wurde in mehr als 6000 Fällen die erste Hilfe geleistet und
getreu den Grundsätzen der Gesellschaft die Thätigkeit stets
auf die erste Hilfe beschränkt.
Die Zahl der Rettungswachen ist um 3 vermehrt worden,
und die gesammte Einrichtung hat bereits vorbildlich für andere
Städte gewirkt. Einen .nicht zu unterschätzenden idealen Vor¬
theil hat aber, wie v. Bergmann in einem sich an den Ge¬
schäftsbericht anschliessenden Vortrag hervorhob, die Thätigkeit
i der Aerzte im Rettungsdienst für sie im Gefolge gehabt, das
ist die engere Verbindung zwischen den Aerzten und den
Krankenhäusern und ihren Leitern. Es w r ar früher häufig recht
unangenehm empfunden worden, dass der Mediciner mit dem
Verlassen der Universität und dem Eintritt in’s praktische
Leben meist alle Beziehungen zu seinen akademischen Lehrern
verliert und für seine Fortbildung im Wesentlichen auf sich
selbst angewiesen ist. Durch die gemeinschaftliche Thätigkeit
im Dienste der Rettungsgesellschaft wird aber nothw r endiger-
weise wieder ein engerer Connex zwischen den praktischen
Aerzten und den Krankenhausdirectoren hergestellt, der nicht
ohne Einfluss auf die Fortbildung der Aerzte bleiben kann.
Diesem Bestreben soll auch noch durch Einrichtung von Fort-
bildungscursen direct entgegengekommen werden. Es ist in
Aussicht genommen, für die Aerzte der Rettungsgesellschaft
Vorträge über das Rettungswesen, über Vergiftungen, über erste
Hilfe bei Unglücksfällen einzurichten.
Während hier die Aertze als Lernende den Vorträgen bei¬
wohnen werden, sollen sie in einem anderen Cyclus von Vor¬
tragen als Lehrende auftreten. In diesen Vorträgen sollen die
Mitglieder der Krankencassen über die wichtigsten Fragen der
modernen Hygiene Aufklärung erhalten. Man hofft, dass diese
Einrichtung mit dazu beitragen werde, dem Unwesen der Cur-
pfusoherei zu steuern. In einer von der „Centralcommission
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2. .Januar 1 OCX).
MÜNCH EN KR MEDIZINISCHE W 0( ’H EN S( •H RIFT.
2 V
«ler Krankencassen Berlins“ einberufenen Versammlung, zu der
»uie.li die Berliner Aerzte eingeladen waren, konnte mitgetheilt
werden, dass die Vorbereitungen bereits so weit gediehen sind,
dass die Vorträge in allernächster Zeit ihren Anfang nehmen
werden, ln derselben Versammlung wurde auch eine von ärzt¬
licher Seite zuerst auf dem Tuberculosecongress ergangene An¬
regung besprochen, welche bezweckt, ausserhalb, aber in der
Nähe der Städte in passender Gegend Unterkunftsräume zu
schaffen, wo sich erholungsbedürft ige Cassenmitglieder den Tag
über aufhalten können. Im Besitz des rothen Kreuzes befinden
sich eine Anzahl Baracken, welche sich hierzu sehr gut eignen
würden. Auf Verlangen sollen den Kranken bezw. Reconvales-
«eilten gegen massiges Entgelt auch Speisen und auf Kosten
der Krankeneasse Milch verabreicht werden. Diese Anregung
tiel auf fruchtbaren Boden. Auf Veranlassung des Lungenheil-
stätten-Vereins vom rothen Kreuz wird die erste Erholungs¬
stätte demnächst hei Berlin begründet und schon im nächsten
Frühjahr eröffnet werden. Wenn die Einrichtung sich hier
bewährt, so wird der Lungenheilstätten-Verein sich ihre allge¬
meine Verbreitung in ganz Deutschland angelegen sein lassen:
und es wäre damit ein weiterer Fortschritt auf dem Gebiete
der Krankenfürsorge erreicht. Iv.
Altmärker Aerzteverein.
(Officielles Protokoll.)
II. wissenschaftliche Sitzung zu Uchtspringe
a m 15. März 1899.
Vorsitzender: Herr Schnitzer - Stendal.
Schriftführer: Herr Weber- Uchtspringe.
1. Herr A11 - ITchtspringe: Ueber Hypochondrie (mit
Kranken Vorstellung).
Die Hypochondrie ist, wie die Melancholie, gekennzeichnet
durch krankhafte Verstimmung schwerster Art, die
sich bis zu lebhafter Angst steigern kann. Zu ihrer Erklärung
werden auch hier Wahnideen beigezogen; aber, im Unter¬
schied zum Melancholiker, sucht der Hypochonder die wahr¬
hafte Erklärung nicht in einem eigenen V orschulden,
klagt nicht sieh früherer Vergehungen an, sondern den Grund
seiner Verstimmung bilden t h e i 1 s wirkliche, aber
wahnhaft übertriebene, theils eingebildete
krankhafte Zustände des eigenen Körper s.
Sich selbst misst er dabei nur insoweit eine Schuld zu, als er
nicht den richtigen Arzt aufgesucht hat, sich nicht genug ge¬
schont hat u. s. w. Um so lebhafter richten sieh seine An¬
klagen gegen seine Umgebung: gegen die Eltern und Erzieher,
die ihn vernachlässigt, namentlich aber gegen die Aerzte, die
ihn, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Bosheit, falsch behandelt
hätten,'endlich sucht er die Ursache seiner Erkrankung in Nach¬
stellungen geheimer Feinde, die ihn vergiften oder anderweitig
körperlich und geistig zu Grunde richten wollen. Im letzteren
Falle benennt man das Krankheitsbild auch als hypochon¬
drische Verrücktheit.
Liegen den hypochondrischen Wahnideen wirkliche Er¬
krankungen irgend eines Körperorganes zu Grunde, die nur
wahnhaft übertrieben werden, so spricht man von ITypo-
(diondria cum materia, im Gegensatz zur IIypo¬
ch o n d r i a sine materia, bei der eine selbst unbedeutende
Erkrankung des in den Bereich der Wahnideen gezogenen Kür-
pororganes nicht nachzuweisen ist. Die letzte Form ist selten;
in den meisten Fällen entbehren die Klagen der Hypochonder
nicht ganz der thatsächlichen Unterlagen; nicht selten bietet
ein unbedeutendes, aber mit Schmerzen oder langdauernden,
unangenehmen Empfindungen ei nhergehendes, körperliches Leiden
rlio Veranlassung zur hypochondrischen Verstimmung, die auch
noch auftreten kann, wenn die betreffende körperliche Erkran¬
kung längst abgelaufen ist. (Dahin gehört die Hypochondrie
nach Tripper, nach Traumen u. s. w.) In anderen Fällen handelt
os sich um lange sich hinziehende Erkrankungen bestimmter
Organe; in erster Linie ist hier der Verdauungsapparat, zu
nennen, dessen Störungen die Veranlassung zu einer hypochon¬
drischen Verstimmung geben können. Die sogenannten func-
tionellen Magenerkrankungen, namentlich die Ilyperacidi-
t ä t und Anacidität, sowie die continuirliche Hypersecre-
tion sind im Stande, hypochondrische Verstimmungen, die bis
zur lebhaftesten Angst sich steigern können, auszulösen. In
ähnlicher Weise wirken chronische Erkrankungen des Darms,
der Urogenitalapparate, des Herzens und der Lunge.
Die Diagnose der Hypochondrie ist unter Berücksichtigung
der erwähnten Momente eine leichte. Von anderen mit Ver¬
stimmung einhergehenden Geistesstörungen, die differential-
diagnostisch in Betracht kämen, ist zu erwähnen:
' 1. Die Melancholie, bei der die Selbstanklagcn im
Vordergrund stehen (siehe* oben).
2. Die Paranoia in einzelnen Formen.
Dass es eine hypochondrische Paranoia gibt, wurde oben
erwähnt. Je mehr die wahnhaften Verfolgungsideen in dem
Krankhcitsbileie eine Rolle spielen, um so mehr nähert es sieh
der eigentlichen Paranoia, bei der schliesslich das Gefühl der
Schädigung und Beeinträchtigung des eigenen Körpers erst
secundär ausgelöst erscheint.
3. Das F r ii li s t a d i u m d e r progressiv e n P a r a -
1 y s e.
Auch hier kann hypochondrische Verstimmung auftreten;
doch sind die entsprechenden Wahnideen einerseits sehr unwahr¬
scheinlich und auf’s höchste übertrieben, anderseits sehr sprung¬
haft und vorübergehend. Ausserdem werden bei genauer körper¬
licher Untersuchung Lähmungs- oder Reizungserscheinungen
namentlich im Gebiete der Hirnnerven (Augen, Facialis, Zunge)
nicht fehlen.
Zur Diagnose der Hypochondrie gehört endlich eine genaue
Feststellung der etwa zu Grunde liegenden körperlichen Erkran¬
kung; auch bei scheinbar völlig unbegründeten Wahnideen kann
unter Umständen sich eine leichte Veränderung des betreffenden
Organes ergeben.
Die Therapie wird sich in erster Linie mit diesen
körperlichen Störungen zu beschäftigen haben; sie zu beseitigen,
ist ihre erste Aufgabe. Dass diese keine undankbare ist, be¬
weisen die Erfolge, die man z. B. bei den oben erwähnten Magen¬
neurosen erzielen kann, indem man die Säureverhältnisse regelt.
So lässt sieh unter Umständen schwerste hypochondrische Angst,
die auf Hyperacidität des Magens beruht, durch Darreichung
von Natr. bicarb. oder eines Eies beheben; im entgegengesetzten
Fall, bei Mangel an Salzsäure, bei Milch- oder Buttersäure-
production im Magen, leisten Ausspülungen und blando Diät
vortreffliche Dienste.
Indem derartige therapeutische Maassnahmen gleichzeitig
suggestiv wirken,, berücksichtigen sie auch die psychische Seite
der Behandlung; der Kranke sieht eine Besserung des ihn so
tief verstimmenden körperlichen Leidens und gewinnt dadurch
einen Theil seiner Lebensfreudigkeit und die Hoffnung auf die
Zukunft wieder. Es ist weiterhin die Aufgabe der Behandlung,
den Kranken aus der gewohnten Umgebung zu entfernen, seine
Lebensführung einer gründlichen Regelung zu unterwerfen,
alle beruflichen und häuslichen Sorgen und Aufregungen von
ihm fern zu halten. Für Leute, die sich körperlich nicht aus¬
arbeiten, ist das Angewöhnen an eine ermüdende Arbeit (wie
Gartengrahen, Holzhacken u. dergl. mehr) nicht selten ein vor¬
zügliches Mittel, die hypochondrischen Anwandlungen zu ver¬
scheuchen. Die Hypochondrie ist eine der psychischen Erkran¬
kungen, bei der nicht immer Anstaltsbehandlung, wenigstens
nicht immer in einer Irrenanstalt, geboten erscheint; der prak¬
tische Arzt kann hier, sofern es ihm nur gelingt, Einfluss auf
den Kranken zu gewinnen, gute Heilerfolge auch ausserhalb der
Anstalt erzielen. Bei den schwereren Formen, namentlich wenn
es sich um erblich hochgradig belastete Kranke handelt, wenn
die Wahnideen nach der Paranoia hinneigen, ist die Prognose
ungünstiger. Eine vollständige Heilung ist hier kaum, eine
Besserung am ehesten in der Anstalt zu erzielen.
(Krankenvorstellung: eine Dame, bei der ausser erblicher
Belastung thatsächlich schwere körperliche Erkrankung der
Augen den Anstoss und Grund zu schwerer Hypochondrie gab.)
2. Herr Müller- Uchtspringe: Acutes Glottisoedem mit
tödtlichem Verlauf.
Ein 14 jähriger Schwachsinniger, der in der Nähe der An¬
stalt Uchtspringe in Familienpflege war, wurde am 2Ö. I. d. ,T.
wegen einer schmerzhaften Schwellung am Halse in die Anstalt
geschickt. Abends 0 Uhr sah man unterhalb des linken Unter¬
kiefers eine mit dem Knochen scheinbar nicht zusammenhängende,
teigige, druckempfindliche Anschwellung. In Mund- und Itaehen-
höhle war Besonderes nicht zu sehen, nur links eine schmutzig be¬
legte Zahnhöhle, aus der am Tage vorher ein unterer Backen¬
zahn extrahirt war. Eine Behinderung der Athmung war nicht
vorhanden. Der Knabe wurde in der Anstalt behalten und erhielt
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28
MÜNCH KN KR MKDICIN1SCHK WO( ■HENSGllRIFT.
No. 1
einen feuchtwarmen Umschlag. Gegen 8 Uhr wurde eoustutirt,
dass der Kranke 41° Fieber hatte und schlecht atliniete. Eine
Viertelstunde später, bevor eingeschritten werden konnte, er¬
folgte der Exitus letalis unter Zeichen von Atbnumgsbehinderung.
Bei der am nächsten Tag vorgenommenen Section fand sich
links ein wallnussgrosser, jauchiger Itetrotonsillarabscess, an ihn
anschliessend eine phlegmonöse Durchsetzung des lockeren
Bindegewebes zwischen den Muskeln des Zungenbodens, die sich
auch in die linke Submaxillaris hineinzog, ferner (Jedem der
Uvula, der oberen Fläche der Epiglottis und der linken nry-epi-
glottischen Falte. Haemorrhagien an den serösen Ueberziigen
der Brusthöhle. Infectionsmilz.
Mikroskopisch wurde eine fortgeschrittene Nekrose des den
Abscess begrenzenden Gewebes, eine Exsudation mit Leuko-
cytenansammlungeu und Fibrinbildung im lockeren Bindegewebe
der Umgebung, ferner Leukocyteuherde im interstitiellen Gewebe
der Suimiaxillaris festgestellt, während ihr Drüsengewebe in-
tact war. Die bacteriologische Untersuchung ergab: Staphylo-
eoecus pyogenes aureus und albus nebst Fäulnissbaeterien.
Da der Abscess sicher alt ist, muss er als Ausgangspunkt
der Phlegmone angesehen werden. ()1> die Zahnextraction als
veranlassende Ursache zu betrachten ist, bleibt fraglich, ist aber
höchst unwahrscheinlich.
In der Praxis hätte der Fall leicht, zu falscher Beurtheilung
führen können, indem die Zahnextraction als di recte Ursache
der tödtlichen Erkrankung angesehen worden wäre.
3. Herr H o p p e - Uchtspringe stellt einen lljiihr. Idioten
mit der myopathischen Form der progressiven Muskelatrophie
vor, bei dem das Leiden allmählich im 9. Lebensjahr begann
und sich in zwei Jahren bis zu dem gegenwärtigen, überaus cha¬
rakteristischen Krankheitsbilde entwickelte. Befallen ist haupt¬
sächlich die Musculatur des Beckens und der Schulter. Bezüg¬
lich der Therapie legt Vortragender neben der mechanischen
Behandlung der Muskeln mittels Massage und Faradisation das
Hauptgewicht auf eine consequent durchgeführte Uobererniilir-
ung, welche noch am ehesten den stets vorhandenen Kräfteverfall
aufzuhalten vermöchte. Bei dem vorgestellten Knaben, dessen
Körpergewicht früher trotz reichlicher, aber willkürlich gewählter
Nahrung nicht zunehmen wollte, gelang es seit Einführung einer
ganz genau geregelten Ernährung, bei welcher besonders auf
reichliche Eiweisszufuhr geachtet wurde, in 5 Wochen eine Zu¬
nahme von 5 kg zu erzielen.
4. Herr Parisius - Calbe a. M.: Eine seltene Missgeburt.
Am 13 d. M. wurde hier ein Kind männlichen Geschlechts
mit folgenden Hemmungsmissbildungen geboren.
Der rechte Oberarm reichte bis zum Ellenbogengelenke, ist
dort wie abgeschnürt und zeigt dort eine Narbe, wie bei einem gut
verheilten Amputationsstumpf.
Das rechte Bein ist dem linken gegenüber um etwa 2 cm
verkürzt und zeigt auf der Vorderfläche der Tibia, dicht ober¬
halb des Fussgelenks, eine Knochenaufreibung, wie von einer
schlecht geheilten Fractur. Die drei ersten Zehen des rechten
Fusses sind normal entwickelt, während die vierte und fiiufte
nebst den entsprechenden Metatarsalknocheu fehlen.
Der linke Oberarm ist abgeschnürt, wie der rechte, doch ist
noch ein kleiner Theil der Gelenkfläche des Unterarms mit dem
Olecranon vorhanden, ln der Mitte der „Amputationsuarbe“
findet sich ein völlig entwickelter Mittelfinger von normaler Länge
und ein knospenförmiges Anhängsel als Andeutung eines anderen
Fingers.
Der linke Fuss ist normal entwickelt bis auf die fehlende
fünfte Zehe und den zugehörigen Metatarsusknochen. Die Ge¬
burt des lebenden, 4 kg wiegenden Kindes erfolgte leicht in Steiss-
lage. Die Schwangerschaft verlief normal, nur traten in der
letzten Zeit geringe Blutungen ein, auch fehlten die Kindsbewe¬
gungen fast ganz, so dass der Tod der Frucht angenommen wurde.
Die Eltern sind völlig gesund, ebenso wie zwei ältere Geschwister
von drei und zwei Jahren. Missbildungen sind in den Familien
der Eltern niemals vorgekommen.
Altonaer Aerztlicher Verein.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 6. December 1899.
Vorsitzender: Herr W a 11 i c h s. Schriftführer: Herr Hcnop.
Herr Qrueneberg demonstrirt einen Patienten, der vor
3 Jahren wegen eines auf traumatischer Basis entstandenen
Sarkoms im Altonaer Kinderspital operirt -worden war.
Bei dem im Jahre 1883 geborenen Knaben sind keine hereditär
verdächtigen Momente nachzuweisen, er selbst ist stets gesund
gewesen. Juni 1896 stiess sich Patient, als er beim Turnen auf
einen Barren springen wollte, gegen den Unterleib, wodurch eine
Blutung in den Hodensack hervorgerufen wurde, der um das
Doppelte anschwoll. Eisblase, Hochlagerung, Ruhe hatten,
längere Zeit durcbgeführt, ebensowenig Erfolg, wie die vorgenom¬
mene Punction, die nur geringe Quantitäten blutiger Flüssigkeit
entleerte. Als bis September keine Besserung, sondern eher eine
Vergrösserung der Geschwulst auf trat, erfolgte am 10. Scpt. 1896
die Aufnahme in’s Hospital zwecks Operation.
Hier wurde eine harte Schwellung des ganzen, dunkelroth
aussehenden, vergrösserten Hodensackes constatirt, Hoden Messen
sich nur ungenau abtasten, Palpation nur wenig schmerzhaft,
Fluctuation nicht nachzuweisen, keine Drüscnseliwellung. All¬
gemeinbefinden gut.
Bei der Operation zeigte sich ein unregelmässig stark blutig
durchsetztes Gewebe, das sich von den Hoden vollkommen glatt,
von den Scheiden des Samenstranges nur schwer abpräpariron
liess. Naht. Heilung per primam. Die mikroskopische Unter¬
suchung (Dr. Fischer) ergab grosszelliges Spindelzellensar¬
kom, das au einzelnen Stellen kleine Spindelzellen zeigte. Februar
1897 traten in der Narbe ausgedehnte Infiltrate auf, die sofort
entfernt wurden und mikroskopisch dieselbe Structur zeigten.
Seit dieser Zeit ist Patient frei von Kecidiven geblieben, hat sich
körperlich ausserordentlich gut entwickelt und ist ein kräftiger
Schlosserlehrling geworden. Anfangs November 1897 stellte sieh
Patient wieder vor, weil er seit 14 Tagen in seinem Hodensack
eine kleine Geschwulst bemerkte. Dieselbe ist wallnussgross,
kugelig, fühlt sich prall elastisch an, zeigt aur Druck keine
Schmerzhaftigkeit, findet sich unterhalb des Leistencanales und
zeigt nach keiner Richtung hin Verbindungen. Hoden vollkommen
frei. Ferner findet sich in der rechten Leistenbeuge eine schmerz¬
hafte, haselnussgrosse Drüse. Beide Geschwülste werden exstir-
pirt. ln der Hodensackgeschwulst, die blutigseröse Flüssigkeit
im Innern enthält, finden sich mikroskopisch grosszellige Spindel-
zelleu. Die Untersuchung der Drüse hat einen negativen Befund.
Wundheilung p. p.
Zweifellos muss in diesem Falle die Entstehung des Sarkoms
auf das Trauma zurückgeführt werden, da die Geschwulst an der
Stelle des stattgehabten Traumas und in unmittelbarem Zusam¬
menhänge mit demselben entstanden ist. — Demonstration der
mikroskopischen Präparate.
Herr Nonne : Erfahrungen in der Diagnose von Hirn¬
tumoren.
N. bespricht an der Hand eines Materials von 89 Fällen die
..Ailgemeinsymptome“ von Hirntumoren und weist nach, dass
gar nicht selten jcnles einzelne der Symptome: Kopfschmerz, Er¬
brechen, Pulsverlaiigsamung,«Stauungspapillo fehlen kann. Er
berichtet über Fälle, in denen anstatt des bei der Obduction ge¬
fundenen Hirntumors diagnosticirt worden war: Hysterie, Simu¬
lation, Enecphalomalacie, multiple Sklerose, Meningitis tuber-
eulosa, Delirium alcobolicum, Epilepsie, Migräne, Apoplexia
sanguinea, Uraemic, Syphilis cerebri. Sodann referirt Vor¬
tragender über Fällt*, von Complicationen: Tumor und Abscessus
cerebri, Tumor cerebri und eitrige Otitis media, Tumor cerebri
und Meningitis tuberculosa.
Zum Schluss werden Fälle besprochen, in denen ein ursäch¬
licher Zusammenhang zwischen Trauma und Tumor cerebri an¬
genommen und von den Rente ertlieileuden Körperschaften an¬
erkannt wurde, sowie Fälle, in denen ein Causalnoxus zwischen
einem statt gehabten Kopftrauma und einem anatomisch nach-
gewiesenen Hirngummi nicht angenommen werden konnte.
Discussion : Herr Boetticher.
Herr Sigismund : Ueber die Methoden zur Ent¬
fernung der Uterus- und Adnextumoren.
Die Grundlage des Vortrages bildet das Hervorheben der
vaginalen Radicaloperation bei entzündlichen Adnexerkrankungen
gegenüber den anderen, besonders den abdominellen Methoden.
S. stützt seine Ansicht auf die guten Erfolge, die er während
einer vierjährigen Assistentenzeit bei Schwarz in Halle be¬
obachten konnte, der schon seit 1891 den vaginalen Weg bevor¬
zugte. Es werden ferner Landau, P e a n, Doyen, Leo¬
pold und Seliauta angeführt und dessen Statistik aus dem
Archiv für Gynäkologie kurz referirt. S. legt wie S c h a u t a
den Hauptwerth auf die Dauerheilung, die nach seiner
Ansicht nur durch die Radicaloperation sicher erzielt werde.
Ebenso spricht zu Gunsten des vaginalen Verfahrens die weit
geringere Mortalität — nach S c h a u t a 2,7 Proc. zu 10,5 Proe.
bei der abdominalen Radicaloperation. Dem gegenüber darf
die grössere Schwierigkeit in der Technik bei der vaginalen
Methode nicht in Frage kommen. Es wird auch auf die Gefahr
der Bauchhernien hingewiesen und C o h n’s Bericht aus dem
Archiv für Gynäkologie herangezogen, in dem dieser über 28
durch Abel abdominal ausgeführte Adnexoperationen berichtet
und dabei für diese Methode cintritt, trotzdem Abel dabei
18 Proc. Bauchhernien zu verzeichnen hat.
S. ist der Ansicht, dass man — besonders hei der arbeitenden
Classe — sich nicht immer streng auf einen conservativen Stand¬
punkt stellen könne, denn es handele sieh in erster Linie um
eine dauerdo Heilung und völlige Wiederherstellung der Ar¬
beitskraft., die zu erstreben seien.
Damit sei es aber hei der „conservativen“ Methode schlecht
bestellt. So weist Schauta’s Statistik bei einseitiger Adnex¬
operation nicht einmal ein Viertel Heilungen auf!
lleignicr musste hei 56 conservativ durch Punction be¬
handelten Adnextumoren noch 23 inal nachträglich radical ope-
riren. Direct für falsch hält es der Vortragende, die beider-
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2 . .Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
29
zeitigen erkrankten Adnexe zu entfernen und den Uterus zurück¬
zulassen: Stumpfexsudate, Metrorrhagien, profuser Fluor, secun-
<i;ire. tixirto Lageveränderungen mit allen ihren Beschwerden
«•ien zu erwarten. So musste Barden heuer nicht weniger
als 14 mal den isolirt zurückgelassenen Uterus entfernen, Veit
in 2 Jahren 4 mal, S. selbst 2 mal. Aus eben diesem Grunde hält
S. auch Fri tsch's neueste Methode, hei der die Cervix zuriiek-
gelnssen wird, nicht für einen Fortschritt, da die Uterusinnen-
tläeho in diesen Fällen selten harmlos sein dürfte, auch späterer
Entwicklung von Tumoren am Cervixstumpf vorgebeugt werden
müsse.
Häufig erscheine es dem Vortragenden wichtiger zu sein,
< onservativ in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit zu operiren und
aus diesem Grunde sei es dringend geboten, den Bauchschnitt
noch weit mehr als es schon geschehe cinzuschränken.
Aus diesem Grunde bevorzugt S. bei einseitige n, nicht
allzu hoch sitzenden Adnextumoren bis Faustgrösse den vorderen
Scheidenbauchschnitt und erinnert an einen auf diese Art
nperirten Fall von Tubengravidität, den er im Hamburger
Acrzteverein demonstrirt habe.
S. bespricht sodann die Operationen, die bei Adnexiinneren
in Frage kommen:
1. I)ic einseitige und doppelseitige abdominale Adncx-
nperation,
2. die abdominale Radiralexstirpation,
o. die Ineision und Drainage der Tumoren,
4. die Kolpotomien,
5. die vaginale Radiealoperation,
und stellt daraufhin folgende Thesen auf:
I. Sowohl in Bezug auf Dauererfolge als auch auf Mortali¬
tät beansprucht die vaginale Radiealoperation unter ihnen die
«•Me Stellung.
II. Es harnhdt sich nicht in erster Linie darum, die Kranken
von ihren augenblicklichen Leiden zu befreien und über die Ge¬
fahren der Operation hinauszubringen, sondern um eine end¬
gültige. völlige Heilung und dabei ist es häufig nicht angebracht,
>idi auf einen streng conscrvntiven Standpunkt zu stellen.
III. Die Laparotomie ist in Folgt» ihrer Gefahren in Bezug
auf Mortalität und Dauererfolge nach Kräften einzuschränkcn
zu dunsten der Kolpocoeliotomie und der vaginalen Radical-
< »Iteration.
Sodann erwähnt S. noch kurz die Combination des vaginalen
um! abdominalen Verfahrens wie cs in der S e h w a r /'sehen
Klinik seit Jahren üblich war und neuerdings wieder für fort
geschrittene Oarcinome empfohlen wird.
Zum Schlüsse werden für jede Operationsmethode eine An¬
zahl Präparate demonstrirt und kurze Notizen der inter¬
essantesten Krankengeschichten beigegeben.
Für die vaginale Radiealoperation mit 12 Fällen:
o Fälle von Myomen;
1 Fall eines fortgeschrittenen Portiocareinoms; 1 Fall, in
dem die Radiealoperation wegen bedrohlicher Metrorrhagien an¬
gezeigt war, nachdem ein Chlorzinkstift nur ungenügend gewirkt
hatte;
sodann G Fälle von Pyosalpinx bilateralis und 1 Fall von ein¬
mütiger Pyosalpinx mit Salpingitis der anderen Seite. (Folgen
Krankengeschichten.)
Auf die 12 Fälle vaginaler folgen 2 Fälle abdominaler Tolal-
exstirpation.
Im ersten Falle wareu vor 5 Monaten von anderer Seite rechts
Tube und Ovarium, links nur die Tube wegen doppelseitiger Pyo¬
salpinx entfernt worden. Die Patientin blieb wegen unerträg¬
licher Schmerzen arbeitsunfähig und hato obendrein einen Bruch
im unteren Wundwiukel des Bauchschnittes aequirirt. Bei der
Beseitigung des Bruches wurde die Entfernung des Fteius vom
Abdomen aus vorgenommen und die Patientin war in kurzer Zeit
wieder arbeitsfähig.
Im zweiten Falle handelte es sich um Pyosalpinx bilateralis
mit aussergewölmlich ausgedehnten und festen Darm Verwach¬
sungen. An 2 Stellen wurde ein Stück der Sack wand an einer
Darmschlinge belassen. In solchen Fällen pflegt S.. besonders bei
Eitersacken nach dem Douglas oder wenn ein Abschluss der
Bauchhöhle vom kleinen Becken erwünscht ist, mit gutem Erfolge
auch nach oben zu drainiren. Der erste Combinationsfall, der nun
folgt, war dem eben erwähnten ähnlich. Der grössere Theil der
rechten Höhlenwandung bleibt an der Beckenwand sitzen, da
Peritoneum lind Tubenwandung eine starre Schwarte bilden.
Pas ganze kleine Becken bestand aus einer Wundfläche und
«lamm wurde ergiebig nach oben und unten drainirt mit denk¬
bar bestem Erfolge. Der zweite Combinationsfall betraf ein in’s
rechte Parametrium entwickeltes Carcinom, das schon nach der
Vagina perforirt war und dessen Ausgangspunkt noch nicht ganz
*kher steht, vielleicht von Resten des G a r t n e r’selien Ganges.
Zum Schlüsse demonstrirt S. noch einen nicht in das be¬
sprochene Gebiet fallenden Tumor. Es handelte sich nämlich um
ein hoch- und festsitzendes Rectumcarcinom, das er nach der
Krask e’schen Methode entfernte. Obwohl sich hier bei breiter
Eröffnung des Peritoneums die Adnexe als anscheinend normal
erwiesen, musste doch schon nach 6 Wochen ein doppeltfaust¬
grosses Recidiv des rechten Ovariums entfernt werden, das also
rapide gewachsen sein muss. Leider erlag die Fatientin 8 Monate
nach der Operation in ihrer Heimath einem zweiten Recidiv,
das seinen Ausgang von den retroperitonealen Lymphdrttsen ge¬
nommen hatte.
Discussion : Herr Rose bekennt sich zu einem wesent¬
lich eonservativeren Standpunkt als Herr Sigismund, will den
Frauen, wenn irgend möglich, die Conceptionsfähigkeit oder
wenigstens die Menstruation erhalten wissen, hat bei der Nach¬
untersuchung eines grossen diesbezüglichen Materials Macken-
r o d t’s recht befriedigende Resultate gesehen lind unter ca. 50
Patientinnen nur einen Bauchbruch bei einer Patientin, die aber
mit Drainage behandelt war, gefunden. Die Ausfallserschei¬
nungen bei Verlust beider Ovarien sind häufig ausserordentlich
quälend. Eine Berechtigung, bei einseitiger Adnexerkrankung
die gesunden Adnexe desslialb abzutragen, weil sie erkranken
könnten, kann R. dem Operateur nicht zuerkennen; der Uterus
kann zum Ausheilen gebracht werden. Die Frauen können die
Schwere des Eingriffes nicht beurtheilen, sonst würden sie oft
nicht einverstanden sein mit der Totalexstirpation. Ebensowenig
wie ein Chirurg z. B. bei tuberculöser Kniegelenkserkrankung
desslialb, weil bei dem conservativen Verfahren Recidive Vor¬
kommen. ohne Weiteres das Bein amputiren wird, ebensowenig soll
ein Gynäkologe desslialb, weil bei conservativen Operationen
Recidive Vorkommen, die Frauen gleich der ganzen Genitalien
berauben.
Bei der Gegenüberstellung der Mortalität bei abdominalen
und vaginalen Verfahren habe S. die günstige Statistik Z av e i -
f e l's, die von keinem Verfechter der vaginalen Totalexstirpation
erreicht sei. zu erwähnen vergessen.
Herr M. Frank bemerkte in der Discussion, dass er im All¬
gemeinen einer weniger radiealen Behandlung der Aduexaffec-
lionen huldigt. Er suche bei den Operationen vor Allem bei
Frauen, die von der Menopause noch entfernt sind, von den Geni¬
talien zu erhalten, was irgend geht. Er leugnet nicht, dass Fälle
Vorkommen, avo es am rathsa nisten sei, radieal zu operiren, doch
dürften die nicht allzu häufig sein. F. hat 4 mal die Radiealopera¬
tion vorgenommen, 2 mal auf abdominalem und 2 mal auf vagi¬
nalem Wege. In allen Fällen ein guter Erfolg.
F. kommt sodann auf die Wahl des Operationsweges — vagi¬
nal oder abdominal zu sprechen. Er setzt die Lieht- und
Schattenseiten auseinander, wobei er besonders betont, dass nach
den neueren Statistiken die Zahl der Bauclibrüche keine allzu
grosse sei. besonders bei Primalieilung und exacter Schichten-
naht der Bauch wunden, und dass ferner die Mortalitätsstatistik
bei beiden Methoden nicht viel differire.
F. gibt zu. dass wir in dem vaginalen Vorgehen eine be¬
deutende Bereicherung unserer operativen Technik erfahren
haben. Es ist aber nur auf bestimmte Fälle, nach besonderer
Iudication zu beschränken auf:
1. Fälle, wo wir von vornherein radieal Vorgehen wollen, avo
die Adnextumoren nicht weit in’s grosse Becken hineinragen
(Darmadhaesionen) und wo die Zellen vor Allem nicht festere
Verwachsungen mit dem hintern äussern Quadranten des Beckens
eingegangen sind.
2. Fälle von einseitigen Tumoren, wenn letztere nicht zu
starke Verwachsungen, besonders nach der Cortical. sacr.-iliac.
hin aufAveisen, Avenn der Uterus gut beweglich und das Ligam.
infundibul. pelvic. dehnbar ist. Das sind jedoch Fälle, bei denen
man, abgesehen a^oii den Neubildungen, meist auch ohne Operation
Erfolge erzielen kann.
Allo Fälle, die diese Bedingungen nicht erfüllen, besonders
solche, bei denen man keinen genauen Palpationsbefund auf-
lielmien konnte, sind der Laparotomie zuzuweisen.
Herr R a o t h e r erinnert die älteren Collegeu daran, dass
vor ca. 7 Jahren in Altona (zum Theil auch vou ihm) viele Bauch¬
schnitte bei doppelseitigem Pyosalpinx ohne Entfernung des
Uterus gemacht worden seien. Bei geringer Mortalität wären die
Dauerlieilungen mangelhafte gewesen. Avesshalb er Im Allgemeinen
seit Jalireu die Mitentfernung des Uterus bei doppelseitiger Er¬
krankung vorzöge. Aebnliche Einigungen haben vor- und nach¬
her Autoren Avie P 6 a n, Leopold. Landau, Doyen,
Segoud, Schauta, Martin und viele Andere zur Mitent¬
fernung des Uterus gedrängt. Gerade die vom Vortragenden be¬
vorzugte vaginale Methode biete wegen der geringeren Mortali¬
tät grosse Vorzüge für conservatives Vorgehen, da man nach Kolpo-
tomia anterior den Uterus gut vorrücken, Myome und einseitig
erkrankte Adnexe entfernen, eventuell neue Tubenmündungen an-
legen könne etc. und sind die conservativen Operationen ohne
Entfernung des Uterus die weitaus häufigeren, ergeben aber
Avenig zur Demonstration geeignete Präparate. Da die vaginalen
Operationen ungefährlicher sind. Bauchbrüche dabei überhaupt
nicht Vorkommen können, soll man auch die Mühe der schAverereu
Technik uicht scheuen.
Herr Sigismund: Herrn Frau k möchte ich eutgegnen,
dass ich selbstverständlich nur dann radieal operire, wenn ein
radicales Verfahren geboten ist. Ich glaube dies auch in meinem
Vortrag genügend betont zu haben und wenn Sie die 16 hier auf¬
liegenden TTteruspräparate ansehen. so werden Sie zugeben
müssen, dass hier mit «lern besten Willen nichts zu erhalten Aval*.
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30
No. 1
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Was die Neben Verletzungen betrifft, so ist mir bei reichlich
40 vaginalen Totalexstirpationen keine einzige passirt, auch
kommen ja Blutungen und Nebenverletzungen bei abdominalen
Operationen zuweilen vor. Auch Enterocelen sah ich bei einem
sehr grossen Material nicht eine einzige, was vielleicht an der
Methode (Drainage) liegt. Wenn Herr Frank meint, dass man
bei der Kolpocoeliotomie manchmal nicht so conservativ ver¬
fahren könne als vorher beabsichtigt sei, so will ich dies zugebeu,
obwohl ich keine persönliche Erfahrung darüber habe. Sollte dies
aber unter 50—GO Fällen wirklich einmal Vorkommen, so kann dies
doch nicht in’s Gewicht fallen gegenüber den grossen Vorzügen
der Methode, ln Bezug auf die angeführten starken Verwach¬
sungen und die dadurch bedingten Beschwerden bei der Ivolpo-
coeliotomie verweise ich auf meine Resultate bei der Vaginae-
tixatio uteri. Vermeidet man Instrumente beim Vorziehen des
Uterus, und verwendet statt deren Seidenzügel und näht man das
Peritoneum besonders, so wird man auch allzu starke Verwach¬
sungen vermeiden können. Für mich ist dafür der beste Beweis
der Umstand, dass ich in keinem Falle von Vaginaetixatio — von
Prof. Schwa r z, I)r. R a e t li e r und mir operirt — eine einzige
Dystokie erlebte, dagegen konnte ich allein in Altona (5 normale
Partus nach Vaginaetixatio beobachten.
Bauchbrüche, dies möchte ich Herrn Frank mul Herrn
Rose entgegnen, werden nie völlig vermieden werden und je
grösser das Material, je grösser die Zahl der Hernien. Uebrigens
bekommt ja auch der Operateur selbst nicht alle ihm zur Last
fallenden Fälle wieder vor Augen. Wenn die neuesten Statistiken
besonders gute Resultate ergeben sollen, so mag das auch mit
daran liegen, dass die Beobachtungsdnuer eine ungenügende ist.
Die vorzüglichen Resultate Z w e i f e l's mit der Laparotomie
sind mir wohl bekannt, aber dem gegenüber stehen die meisten
Operateure mit besseren Erfolgen bei der vaginalen Methode.
Herrn R o s e’s Verfahren, Uterus und Ovarien allein zurück¬
zulassen, halte ich aus den oben angeführten Gründen direct für
falsch und verweise wieder auf die häutige Nothwendigkeit der
nachträglichen Uterusexstirpation. Sein Vergleich zwischen den
Ovarien und den Beinen scheint mir etwas schwach, denn eine
genitalkranke Frau, besonders eine ältere, wird sehr gerne ihr
gesundes Ovarium opfern, aber eine Frau mit einem kranken Bein
würde sich den Verlust des gesunden kaum gutwillig gefallen
lassen.
Biologische Abtheilunq des ärztlichen Vereins Hamburg
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung v o m 24. O e t o b c r 18 )9.
Vorsitzender: Herr S i m m o n d s,
Schriftführer: Herr Henkel.
Demonstrationen.
Herr Meinecke demonstrirt, im Anschluss an den Vortrag
von Herrn üimmonds, Präparate, welche für eine Arbeit über
Uterusgefasse gemacht sind.
Er hat bei 12 Uteri, die von Frauen von 28 Jahren aufwärts
stammen und ohne Auswahl den Leichen entnommen wurden, in
7 Fällen GefiissVeränderungen gefunden und hat folgende Be¬
funde:
In allen Fällen, auch bei denen ohne pathologische Gefäss-
veräuderungen, erscheint die Muscularls der Uterusarterien stark
entwickelt.
DeformirendeVeränderungen der Intima sind nicht gefunden.
In einem Falle handelte es sich um eine proliferiremle Eiul-
arteriitis.
In den übrigen Fällen betreffen die Veränderungen haupt¬
sächlich die Muscularis, in geringerem Grade die Advcntltia. Die
Media ist enorm verdickt, in ausgedehntem Maasse ist Kem-
schwund der Muskelzellen und hyaline Degeneration eingetreten.
In einem Falle ist viel Kalk in die Media eingelagert. In einzelnen
Fällen ist auch die Adventitia verdickt und zum Theil hyalin de-
generirt.
Es wurde niemals Blutung iu’s Gewebe oder unter die
Schleimhaut oder im Uavum uteri gefunden in der Nähe der er¬
krankten Gefässe.
M e i n e e k e zieht aus diesen Befunden den Schluss, dass
1. nicht so sehr die Intima der Uterusarterien eine deformirende
Veränderung eingeht, als vielmehr sich die Media und Adventitia
pathologisch verändert und dass 2. bei der Häufigkeit von Ver¬
änderungen der Uterusarterien diese nicht so sehr für die von
Herrn S I m m o u d s vorgestellten Blutungen verant wortlich ge¬
macht werden dürfen.
D i s c u s s i o n : Herr S i m m o n d s hat die von Herrn
Mein ecke beschriebenen Arterienveränderungen bei jüngeren
Frauen nur dann gefunden, wenn Schwangerschaften voraus¬
gegangen waren. Er zeigt das Photogramm einer Uterinarterie
einer 21) jährigen Frau, welche P/ 2 Jahre zuvor geboren hatte.
Eine hochgradige Verengerung des Gefüsslnmons war hier durch
Intima Wucherung verursacht worden.
2. Herr Wiesinger legt das Präparat einer Ober-
schenkelfractur vor, welche bei einem seit 25 Jahren an Tabes
leidenden <54 jährigen Manne dadurch entstanden war. dass der¬
selbe an einem Tische stehend plötzlich einknicktc und hinfiel.
Es handelte sich also um eine sogenannte Spontanfractur. wie
sie bei Rüekeumarksleiden. Tabes. Syringomyelie ete. bedingt
durch trophisehe Störung, durch Rareficirung der Knochen zu¬
weilen beobachtet wird. Das Präparat ist insofern von Interesse,
als das proximale Ende in die Markhöhle des distalen eingekeilt
erscheint. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die Cortiealis
des distalen Endes der Länge nach gespalten ist und die Lücken
durch Callusmasse ausgefiillt sind, so dass ein vollständiger
Uylinder hergestellt wird, in welchem das proximale Ende der
Diapliyse steckt.
Bemerkenswerth ist noch, dass im vierten Monat (die Fractur
war nicht consolidirt), während das Bein im Streckverband lag,
eine spontane Vereiterung der Bruchstelle eintrat, hervorgerufen
durch haematogeue Infectiou durch ulcerirende Lungentiibercu-
lose.
3. Herr E. Fraenkel demonstrirt an zahlreichen, theils
frischen, theils eonservirten, zum Theil niacerirten Sägeschnitten
durch die ganze Wirbelsäule, sowie au der Hand von Röntgen-
bildern das Vorkommen von Krebsmetastasen der Wirbelsäule.
Danach ist zu unterscheiden: 1. eine osteomalacische
Fo r m , die zu einem Schwund der Kuochensubstnnz führt, und
die theils in der Form einzelner oder zahlreicher, circumscripter
Knötchen vorkommt, oder aber eine diffuse krebsige Infiltration
der Spongiosa vorstellt. Es lässt sich aber auch für diese Form
nachweisen. dass sie aus der Uonfluenz einzelner Knötchen her¬
vorgeht. 2. eine osteoplastische Form: hier kommt es
zur Neubildung von Knoehonsubstanz; diese Form trifft man
hauptsächlich bei Männern, und zwar bei primärem Prostata-
Uarcinom an. während sie bei Frauen seltener ist und liier nur
nach Mammaearcinom beobachtet wird. 3. Combiuation von
1 und 2.
D i s c u s s i o n. Herr S i m m c> n d s: Gibt es Caremomfälb*.
bei denen die Mctastasenbildung sich lediglich auf die Wirbelsäule
beschränkt?
Herr F raeukel glaubt sich auf das Vorkommen derartiger
Fälle zu besinnen.
4. Herr Lenhartz demonstrirt das anatomische Präparat
eines Falles von acuter fibrinoeser Bronchitis auf diphtheri-
tischer Infection beruhend, bei einem 7 jährigen Knaben. 2 mal
24 Stunden nach dem Auftreten der ersten Kranklieitsersehei-
liimgeu Mar der Exitus eingetreten: das ganze Bronchialsystem
bis in die feinsten Aeste war mit tibrinöseu Gerinnseln atis-
gogossen. Bei Envachsencu hat L. 4 derartig ausgedehnt' 1 Fällt*
beobachtet. Klinisch handelte es sich jedesmal tun acute librinösr
Bronchitis, baeteriologisch um Diphtherie. 2 von diesen Fällen
wurden durch Diphtherieserum günstig beeinflusst, so dass L.
zu dem Resultat gekommen ist, dass ein grosser Theil der echten
fibrinösen Bronchitisfülle auf diphthcritisclie Infection zurück¬
zuführen ist.
D i s e u s s i o n. Herr F r a e n k e 1 : Die Ausführungen des
Herrn Lenhartz gipfeln in der Frage: Gibt es einen acuten
Larynxcroup oder nicht, und ist weiterhin der Diphtheriebacillus
als Erreger dieser Krankheit anzuspreeheu? Fr. hat in 4 der¬
artigen Fällen den Löffle Eschen Dinhtheriebaclllus nach¬
weisen können. Das Freibleiben der Nase und des Nasenrachen¬
raums spricht an sich nicht gegen das Vorkommen des acuten
Larynxeroups. Sodann gibt es eine chronisch recidivirende fibri¬
nöse Bronchitis, die nur bei Erwachsenen verkommt und sich in
Intervallen über Tage und Wochen hiuzieht. Handelt es sich hier¬
bei aetiologisch auch um Diphtherie?
Herr L e n li a r t z : He n o c h negirt im Gegensatz zu L.
das Vorkommen des primären Larynxeroups überhaupt. L. nimmt
jedoch an, dass es sich hierbei sehr wohl um Infection mit dem
Diphtheriebaeillus handeln könne. Ad 2 verfügt er über keim»
eigenen Erfahrungen, möchte jedoch glauben, dass die Aetiologie
dieser Krankheit eine andere sei.
5. Herr Lenhartz demonstrirt den Iuhrtlt einer durch
Operation eröffneten Lungenbrandhöhle.] Der betreffende Kranke
war 1V, Jahr vorher an Empyem (Streptococceninhalt) operirt
M'ordon. Wohlbefinden bis vor l /* Jahr, dann Husten, foetider
Auswurf. Physikalisch wurde eine Uaverne im 1. Unterlappen
festgestellt. Spntummengeii täglich 300 ccm, stark stinkend.
Baeteriologisch dichter Bactcrienraseii, ausserdem Fettnadeln.
Aetiologie des Brandherdes hier unbekannt. Im vorletzten von
L. operirt eil Fall fanden sich in der Höhle Zahnfragmciite. Der
Patient, ist jetzt fast vollständig geheilt, hat nur noch wenig,
nicht riechenden Auswurf.
Vortrag d<»s Herrn Franke : lieber die Lepra des Auges.
Fr. hat gemeinsam mit Dr. Del bauen 3 Augen von 2 In¬
dividuen untersucht, welche an maculüs-anaesthctischer Lepra
zu Grunde gegangen waren.
Das erste Auge stammte von einem 20 jährigen Patienten,
der interstitielle Rnndkeratitis M'älirend des Lebens gehabt hatte.
Das Auge war zuletzt völlig reizlos und gebrauchsfähig gewesen.
Mikroskopisch fanden sich Bacillen in Häufchen liegend im Cilinr-
korper zwischen den Muskelbündeln und im bindegewebigen An
theil, soM’ie den Ciliarfortsätzen. Von dort aus gingen die Bacillen
in die Iriswurzel. Hornhaut und angrenzende Lederhaut üben
Die hinteren Tlieile des Auges waren gesund. Das zweite Auge
zeigte makroskopisch I’lithisis anterior (von der Hornhaut war
nur noch ein Viertel vorhanden). Die Hornhaut war auf etwa ein
Viertel ihres Areals reducirt. Mikroskopisch fand sich die Horn¬
haut in allen Schichten durchsetzt von Bacillen. Irls uud Ciliar
körper Maren aufgegangen in lepröses Granulationsgewebc.
welches den Raum der früheren Vorderkammer füllte und in dem
die Reste der D e s e e m e Vsclien Haut lagen. Dieses Gewebe
enthielt in sehr reichlicher Menge Leprubaeillen. Die Linse war
in der Resorption begriffen, die frei endigenden Liusenfasern
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2. Januar 1900%
MÜNCHEN EU MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
31
waren von Fremdkörperriesenzellen umklammert. Von den vor¬
deren Theilen der Aderhaut war die Suprachoreoidea kolossal ver¬
breitert, die in ihr verlaufenden Ciliarnerven umgeben von Ba¬
cillenhaufen, welche sich auch in den Nerven selbst fanden. Die
vordersten Abschnitte der Netzhaut gleichfalls enorm verbreitert
durch Hypertrophie der Stützfasern; gleichzeitiger Schwund der
nervösen Elemente. In allen Theilen dieses Abschnittes zahl¬
reiche llerde von Bacillen, sowie vereinzelt liegende Exemplare
derselben.
Lederhaut in den vorderen Abschnitten gleichfalls durch¬
setzt von Bacilleu.
Hintere Theile normal, abgesehen von Stauungspapille.
Drittes Auge ähnlich, nur waren die Veränderungen hier noch
weiter fortgeschritten, die Hornhaut fehlte völlig, ebenso die
Binse.
Epikritisch wird darauf hingewiesen, dass das Vorkommen
von Bacillen überall an Granulationsgewebe gebunden war, ab¬
gesehen von der Netzhaut. Allenthalben fanden sich Lymph-
gefässe, die völlig durch Bacillen thrombosirt waren.
Vortragender spricht sich für endogenen Weg der Infcction
in seinen Fällen aus und macht auf das besonders deutliche
Hebergreifen der Infection auf die Aderhaut auf dem Wege der
Nervenbahn aufmerksam.
(Der Vortrag wird durch eine grosse Zahl von mikro¬
skopischen Präparaten und Zeichnungen erläutert.)
VI. Versammlung des Vereins süddeutscher Laryn-
gologen
zu Heidelberg am 3. April 1899.
III.
Demonstrationen. Herr Winckler - Bremen zeigt 1. die
Photographie einer Nasen Verletzung, bei der es sieh um einen
eomplieirten Querbrueh im unteren Drittel der Nasenbeine mit
Luxation des Septumknorpels ln der Verbindung mit dem Vomer
gehandelt hat. Die Reposition wurde in Narkose 2 Tage nach der
Verletzung vorgenommen und die richtige Stellung der Nase
durch Jodoformgazetamponade gesichert, die 10 Tage hindurch in
der Nase liegen blieb. Die nach der Fracturstelle führende kleine
Hautwunde wurde ebenfalls mit einem Jodoformgazestreifen
ausgefüllt, der häufiger gewechselt wurde . Die Heilung ist. wie
eine zweite Photographie zur Anschauung bringt, vollkommen
gelungen.
2. Ich möchte Ihnen sodann 2 Präparate herumgeben, welche
ich im verflossenen Sommer 1898 durch Resection des Oberkiefers
gewonnen habe. Sie bringen gleichzeitig das verschiedenartige
Wachst luirn der Oberkiefercarcinome zur Illustration, ln dem
einen Falle handelte es sich um einen fast die ganze Mundhöhle
einnehmenden Tumor, der dem 67 jährigen Patienten die Nahr¬
ungsaufnahme nahezu unmöglich machte. Ich musste bei der
Operation nicht allein den ganzen rechten Oberkiefer, sondern
auch das von Tumorrnassen zerstörte Septum naiium und den
von der Geschwulst eingenommenen linken Nasenboden entfernen.
S Tage nach der Operation konnte dem Patienten bereits eine
grosse Platte mit Zähnen angefertigt werden, die ihm die Nahr¬
ungsaufnahme auch festerer Form gestattete. Trotz des unglück¬
lichen Zustandes war der Patient jetzt sehr zufrieden. Er wurde
Mitte September operirt. Seit Anfangs November habe ich ihn
nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich wird er ein Recidiv haben
und möglicher Weise nicht mehr am Leben sein. Ohne die Ent¬
fernung der Geschwulst wäre er elend verhungert. Erwähnen
möchte Ich noch, dass Patient angeblich längere Zeit hindurch
mit d< in Galvanokauter behandelt wurde. Dies sei 2 Monate
vor n.einem Eingriff 4 Wochen hindurch geschehen. Darauf sei
Innerhalb kurzer Zeit eine rapide Zunahme des Tumors einge¬
treten. Sie sehen die respectable Grösse der Geschwulst, die mau
als fast faustgross bezeichnen kann. Während nun bei diesem
Fall das seltene Waclisthum der Oberkiefercarcinome vom Antrum
Ilighmori durch die dicke untere Wand nach der Mundhöhle zu
stau fand, die Nasenhöhle selbst nur in den unteren Abschnitten
an dem carcinoinatösen Process betheiligt war, zeigt der zweite
Fall die gewöhnliche Verbreitung des Oberkiefercarcinoms durch
die relativ schwache mediale Antrumwand. Der Fall betrifft
eine 56 jährige Frau, welche etwa seit 3 Monaten an totoaler Ver¬
stopfung der rechten Nase litt. Aeusserst profuse Blutungen,
welche die Patientin innerhalb der letzten Wochen sehr herunter
gebracht hatten, veranlnssten meine Cousultation und meinem
Eingriff. Bemerken möchte ich bei diesem Falle, dass sowohl das
Kiebbein als auch die Keilbeinhöhle der affieirten rechten Nasen¬
seite mit Polypen angefüllt waren, die sich als Schleimpolypen
auf chronisch entzündeter Schleimhaut nach der mikroskopischen
1 Untersuchung herausstellten. Aus der Stirnhöhle, deren Boden
ich ebenfalls eröffnete, wurde ein dickschleimiges Secret entleert.
Polypen wurden bei der Evacuation mit dem scharfen Löffel nicht
heraus befördert. Bei der am 4. VIII. 1898 ausgeführten Resec¬
tion des rechten Oberkiefers glaubte ich in diesem Falle den
rechten Nasenboden und das Septum nariuin, da beide makro¬
skopisch vollkommen normal aussahen, erhalten zu können. Als
Ich nach meiner Ferienreise im October die Patientin wieder sah,
hatte sich lm Septum in der Höhe der mittleren Muschel ein
Tumor entwickelt, der mich zu einer ausgiebigen Resection der
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Nasenscheidewand am 4. XI. 1898 bestimmte. Gleichzeitig ent¬
fernte ich die linke mittlere Muschel, welche dem Tumor dicht
anlag. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Septuiu-
geschwulst Carcinom war. Bis jetzt — ich habe die Patientin am
30. III. 1899 wieder gesehen — ist ein Recidiv nicht zu beobachten.
Ob sie geheilt bleiben wird, kann man nicht wissen. Sicher ist,
dass sie ohne Operation an den Blutungen wohl bald zu Grunde
gegangen wäre, und dass sie seit dem Eingriff au Gewicht zu-
genommeu hat (ca. 10 Pfund). Sie hat bei der Resection, die in
diesem Falle nach vorausgeschickter Tracheotomie — im ersten
Falle ohne den Luftröhrenschnitt — gemacht wurde, nach Aus¬
sage des der Operation beiwohnenden Hausarztes nicht hall) so
viel Blut verloren, wie bei einer der vo rau «gegangenen Nasen-
blutungen. Erwähnen«werth ist noch, dass gleichzeitig mit dem
Recidiv im Septum auch wieder Polypen im oberen ausgeräumten
Abschnitt der Nase zur Beobachtung gelangten, welche wohl
durch Usur der dünnen Haut am inneren Augenwinkel eine
grössere Fistel erzeugt hatten.
Bei dieser Patientin habe ich nun in den breiteröffneten
rechten Sinus sphenoidalis einen weiblichen Katheter gelegt und
eine Röntgenaufnahme machen lassen. Ebenso ist in den rechten
Hiatus semilunaris eine Sonde gesteckt lind veranschaulicht Ihnen
beifolgende Röntgenaufnahme die Lage und Tiefe der Sonde.
Herr Siebenmann- Basel : Die Behandlnng der chro¬
nischen Eiterungen der Higmorshöhle durch Resection der
oberen Hälfte (Pars supraturhinalis) ihrer nasalen Wand.
Im Laufe des letzten Jahres trat in unsere klinische Behand¬
lung ein junger Mann mit beinahe totaler Verstopfung beider
Nasenhöhlen und mit beiderseitiger Naseneiterung. Anamnese
und Untersuchung ergaben, dass vor einiger Zeit wegen Polypen
die Nase „ausgebrannt“ worden war mul dass nun die hyper¬
trophischen Schleimhuutpartion der mittleren Muschel sowohl mit
dem Septum als mit der lateralen Nasenwand derart ausgedehnt
verwachsen waren, dass für die Schlinge sich nirgends Platz noch
Angriffspunkt bot. Das Gebiss war untadelig er¬
halte n. Eine Function der Oberkieferhöhlen ergab beiderseits
eitrigen Inhalt. Ich führte nun in diesem Falle nach voraus¬
geschickter Cocainisiruug den kleinen Finger kräftig und rotireud
bis in die Gegend der mittleren Muschel, trennte auf beiden
Flächen ihre Synechien und entfernte ihre vordere Hälfte mit der
Knochenzange. Dann drückte ich unter der Bulla ethmoidalis
die Wand dos mittleren Nasenganges mit der Kuppe des kleinen
Fingers ein und schlitzte ebenso ohne weiteres Instrument die
gesetzte Oeffnung nach vorn und hinten in der ganzen Länge
der nasalen Wand der Ilighmorshöhle, so dass eine Oeffnung von
etwa 1 r /jj cm Höhe und 2—3 cm Länge entstand und die in der
Highmorsliöhle liegende Fingerspitze deren sulzig geschwellten
höckerigen Wände bequem abtasteu konnte. Ebenso verfuhr Ich
auf der anderen Seite. Eine starke Blutung machte iu der Folge
die Tamponade nothwendig. Nach 4 Tagen wurden die Jodoform¬
gazestreifen ohne weitere Erneuerung entfernt und nun konnten
bequem mit der kalten Schlinge die beim Einreisseu der Wand
entstandenen Fetzen entfernt werden. In den nächsten Wochen
erlernte Patient das Einfuhren unseres Katheters in die beiden
Kieferhöhlen und später auch in die ebenfalls eiternden, von der
Nase aus ziemlich leicht zugänglichen Stirnhöhlen. Eine Controle
ln den letzten Wochen hat uns gezeigt, dass die Kieferhöhlen-
eiterung, nachdem Patient während ca. Y* Jahr täglich selbst zu
Hause die Borausspülung vorgenommen hat, nun nicht mehr
nachweisbar ist. das Stirnhöhlenempyem aber, wenn auch wesent¬
lich gebessert, noch fortbesteht.
Seither haben wir noch 5 weitere chronische Oberkiefer¬
höhlenei terungen auf diese Weise behandelt und sind dabei zu
der Uebcrzeugung gelangt, dass die genannte. Operation nicht
nur in allen Fällen leicht und rasch von Statten geht, sondern
dass auch in der weiteren Folge für den Patienten damit gewisse
Vortheile verbunden sind, auf deren Besprechung ich mir hier
noch kurz einzugehen erlaube.
Dabei möchte ich vorausschicken, dass in der Regel nur ein
chronisches Empyem einen solchen Eingriff erfordert und
erlaubt. Ich würde aber auch bei der acuten Eiterung in
Zukunft ebenso Vorgehen, im Falle dass die Beschwerden über¬
haupt eine Operation verlangen und dass eine Anbohrung von
der Alveole aus durch das Vorhandensein eines i n -
tacten Gebisses verunmöglicht wäre. Zucker¬
kand 1 sagt in dieser Beziehung sehr richtig (vergl. Anatomie
der Mundhöhle, Wien 1891, p. 194): „Bei intactem Gebiss einen
Mahlzahn zu extrahiren, wie dies auch vorgeschlagen wurde,
ist gelinde gesagt eine Barbarei und dürfte überhaupt nur bei
jenen Patienten möglich sein, die mehr behandelt als gefragt
werden“.
I)as eigentliche Gebiet für die Resection der Pars supra-
turbinalis wird indessen die ch ronische Oberkieferhöhlen-
eiterung sein und zwar speciell 1. jene Fälle, wo aus eben ge¬
nannter Ursache vom Alveolarfortsatz (und wohl auch von der
Fossa canina) aus eine Eröffnung nicht gemacht werden darf,
oder 2. wo bei defcctem Gebiss die Höhle zwar iu der Alveolar¬
bucht eröffnet worden ist, die Behandlung aber sich sehr in die
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32
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. i.
Länge zieht und der Canal bei stetiger Tendenz zu Verengerung
wiederholt erweitert werden muss. In letzterem Falle sieht man,
dass oft die Besorgung der Höhle vom Patienten vernachlässigt
wird und dass Letzterer, schon aus Furcht vor dem Schmerz beim
Einführen des Instrumentes durch den verengten Canal, sich in
der weiteren Folge der Behandlung entzieht. Obturatoren,
welche dies verhindern sollen, werden lästig empfunden, schädi¬
gen — wenn sie durch Klammem an benachbarte Zähne fixirt
sind — letztere oft empfindlich und können, wenn sie Nachts
nicht entfernt werden, zu ernsten Gefahren Veranlassung geben.
Trägt der Patient ein Gebiss, so passt ihm dasselbe nach der
breiten Eröffnung vom Alveolarfortsatz aus nicht mehr genau.
Bei sehr ausgiebiger Resection tritt ein näselnder Timbre auf,
bis nach einigen Monaten die Oeffnung sich wieder verengt hat.
Was die Resection der facialen Highmorshöhlen wand
bei intaetem Gebiss anbelangt, so stehen etwas geringere
Hindernisse entgegen. Immerhin kommen auch hier fast die
nämlichen Indicationen und Contraindicationen in Betracht.
Auch das Abfliessen des Eiters in den Mund ist das nämliche wie
nach der Resection der Alveolarbucht, dagegen ist das Risiko
des Eindringens von Speisen geringer. Beides wird vermieden
durch das Verfahren von Mikulicz-Krause. Aber auch
mit den Modificationen von Torwaldt und Schmidt etc.
ist schon das Anlegen des Bohrcanals namentlich bei jüngeren
Individuen schwierig, weil die Knochenwand dick ist und das
Instrument zudem meistens schräg durch diese hindurch ge¬
bohrt werden muss. Noch schwieriger aber ist das Offenbehalten
des Bohrcanals auf einer solchen Weite, dass dem auswärts
wohnenden Patienten eine lange Nachbehandlung ganz über¬
lassen werden kann.
Der mittlere Nasengang bietet die geeignetsten Chancen zur
Anlegung einer grossen persistirenden Oeffnung, da
hier die Wand am dünnsten ist und am raschesten eine lippen¬
förmige Uebernarbung des Wundrandes zu Stande kommt. Die
Möglichkeit, von hier aus die Höhle abzutasten, ist genügend.
Die Ausspülung kann durch den Patienten leicht und gründlich
auf diesem Wege vollzogen werden; ausserdem wird die eiternde
Schleimhautfläche durch die Resection dieses Stückes in vor-
theilhafter Weise verkleinert.
Ein kurzes Wort bedarf noch die Frage, ob die geschilderte
Methode als inferior zu qualificiren sei gegenüber den schon
bestehenden Operationsverfahren bloss desswegen, weil die
eiternde Höhle in ihrer oberen Hälfte eröffnet wor¬
den i s t. Es genügt wohl, in dieser Beziehung darauf hinzu¬
weisen, dass die Abflussverhältnisse hier mindestens so günstig
liegen, als in denjenigen Fällen von Anbohrung der Highmors¬
höhle, wo die Oeffnung in der Alveolarbucht ausser der Zeit der
Ausspülung verschlossen ist, entweder durch Granulation oder
durch einen Obturator.
Bezüglich der Ausführung der Operation wäre etwa noch
Folgendes nachzuholen:
Eine allgemeine Narkose ist durchaus entbehrlich. Vor¬
läufiges Einlegen eines cocaingetränkten Tampons in die Nasen¬
höhle, event. auch Einspritzen einer Cocainlösung in die High¬
morshöhle, rufen eine genügende Anaesthesie hervor, so dass
ich bis jetzt zu keinen submucösen Einspritzungen greifen
musste. Bei sämmtlichen bis jetzt operirten Erwachsenen war
es nur möglich, den kleinen Finger in seiner ganzen Länge
in die Nase hinein zu pressen; bei ganz engem Vestibulum
müsste die Operation mit dem scharfen Löffel ausgeführt werden.
Ich habe denselben übrigens in 2 Fällen, während der Finger in
der Nasenhöhle lag, auch von der Punctionsöffnung des Alveolar¬
fortsatzes aus unterstützend gebraucht und mich also hierbei
dem B ö n n i n g h a u s’schon Verfahren genähert. Für die
rechte Highmorshöhle wird vom Operateur der kleine Finger
der rechten Hand, für die linke Highmorshöhle der kleine Finger
der linken Hand eingeführt. Das Abtasten der Oberkiefer¬
höhle und das Aus wischen der Schleimhaut Wucherungen mit der
Fingerspitze gelingt erst, nachdem die ganze Pars supraturbi-
nalis eingedrückt und aufgerissen ist.
Die Entfernung des fetzigen Randes der
Operationswunde geschieht am besten erst nach erfolgter Blut¬
stillung, d. h. nach 4 tägiger Tamponade. Ausser der kalten
Schlinge findet auch die schneidende Zange, der scharfe Löffel
lind das Sichelmesser Verwendung. Die mittlere Muschel
muss nur da entfernt werden, wo sie abnorm kräftig entwickelt
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ist, und auch hier nur wegen der Erleichterung, welche dem
Patienten bei der Caiiülencinführung undi bei der späteren
Selbstbehandlung hieraus erwächst. Bei gleichzeitig bestehender
Eiterung anderer Nebenhöhlen ist ihre Entfernung wünsehens-
werth. Letztere gelingt um so leichter, als die dünne knöcherne
Platte bei dem von mir beschriebenen Eingriff ja doch gewöhn¬
lich an der Ansatzstelle einbricht. Eine Verletzung des Ductus
lacrimalis ist bei dem beschriebenen Verfahren ganz aus¬
geschlossen, da derselbe am vordersten Ende der Pars supra-
turbinalis liegt und hier von einem knöchernen Mantel um¬
hüllt ist. Indessen ist es doch rathsam, das Sichelmesser und
den scharfen Löffel an dieser Stelle gar nicht oder nur unter
schwachen Druck anzuwenden.
Das hier in Betracht kommende Krankenmaterial und die
Beobachtungszeit sind zu gering, als dass ich Ihnen brauchbare
Zahlenangaben machen köimte bezüglich der auf obige Weise
erzielten Heilungsresultate. Der Zweck des Vortrages war viel¬
mehr der, hinzuweisen darauf, dass wir ein noch wenig geübtes
Operationsverfahren besitzen, welches, trotzdem die Persistenz
der Oeffnung dabei am sichersten garantirt ist, doch zu den
schonendsten gehört.
Herr Fiselienieh hat gegen die Siebenmann’sche
Methode einzuw r enden, dass dieselbe doch nur in einer verschwin¬
denden Anzahl von Fällen möglich ist, da das Eiuführen des
Fingers in die Nase uud das nachträgliche Eindrücken der Sinus¬
wand grosse Schwierigkeiten macht. F. fragt an, ob es sich in
dem ersten Falle nicht gleichzeitig um eine Phlegmone der unteren
Muscheln handelte, wie er über einen solchen Fall, allerdings
mit Betheiligung des hinteren oberen Choanenrandes vor mehreren
Jahren berichtete.
Herr Richard Hoffmaun - Dresden hat in einem Falle
die Kieferhöhle, bezw. einen Nebenraum derselben, worüber noch
berichtet werden soll, vom unteren Nasengang aus eröffnet, nach
Resection der vorderen Hälfte der unteren Muschel. Die an¬
gelegte Oeffnung liess sich in diesem Fall leicht offen halten.
Will man etwa bei intaetem Gebiss die Kieferhöhle von der Nase
aus eröffnen, so erscheint H. die Eröffnung vom unteren Naseu-
gang aus rationeller als das Verfahren von Sieben mann, weil
die Höhle an ihrem tiefsten oder einem relativ tiefen Punkte ge¬
troffen wird. Andererseits erfordert die Freilegung vom unteren
Nasengang aus die partielle Resection der unteren Muschel, was
nicht ohne Bedenken zu sein scheint.
H. demonstrirt eine Trephine für die Freilegung der Kiefer¬
höhle vom unteren Nasengang und ein Winkelhandstück zum
Anschluss an den Elektromotor.
Herr Seifert hält die von Herrn Siebenmann ange¬
gebene Operationsmethode für nicht ganz unbedenklich und zwar
könnte sehr leicht der Arzt sich eine Infection zuziehen.
Herr Jens hat auch wiederholt vom mittleren Nasengang
die Kieferhöhle eröffnet aber nicht mit dem Finger, sondern mit
gebogenen Messern von der hinteren Fontanelle aus, indem er
zwei Schnitte nach vorne führt und das entsprechende Gewebs-
sttick mit einer gebogenen Zange wegnimmt.
Herr K i 11 i a n macht darauf aufmerksam, dass schon im
Jahre 1869 (Langenbeck’s Archiv, Bd. 11) Wagner die Kiefer¬
höhle mit dem kleinen Finger vom mittleren Nasen¬
gang aus eröffnet hat. Auch Bayer (Deutsch, med. Wochenschr.
1899) und Rethi (Wiener med. Presse No. 16, 1896) legten hier
auf instrumentellem Wege grössere Oeffnungen an. Sehr bequem
geht das mit dem K i 11 i a n’schen Sichelmesser, welches in eine
natürliche oder künstliche Oeffnung der Kieferhöhle im mittleren
Nasengang eingeführt wird.
Da man von solchen Löchern aus, auch wenn sie sehr gross
sind, die oedematösen Wülste der Antrumschleimhaut niemals
aus allen Winkeln entfernen kann, so wird die breite Eröffnung
vom Munde aus nach wie vor zu Recht bestehen bleiben.
Herr W i n c k 1 e r hat die Methode des Herrn Sieben mann
im Jahre 1898 bereits 2 mal beschrieben. Er betont, dass es eine
Reihe von Fällen gibt, bei denen sich die Entstehung der com-
binirten Herdeiterung: Siebbein und Antrum durch den ver¬
breiterten Siebbeinbogen nachweisen lässt. Nimmt man die
Operation von der Fossa canina aus vor, so gelingt es unter
Leitung des Auges, unter Umständen bis an die Lam. papyracea-
cribrosa und Keilbeinhöhle zu gelangen, lt. zeigt dann noch eine
Reihe von Präparaten, in denen der Sinus sphenoid. bis an das
Antr. Highmori reicht
Herr Lieven - Aachen sah den Vorgang, den Herr Sieben¬
mann bei seiner Operation vornimmt, in 2 Fällen spontan ent¬
stehen, indem ein grosses Stück aus der lateralen Nasenwand
durch syphilitische Caries abgestossen wurde. Hierdurch konnte
gleichzeitig bestehende Highmorshöhleneiterung rasch der Hei¬
lung entgegengeführt werden.
Herr Slcbenmaun (zu seinem Vortrag) erwidert Herrn
Fischenich, dass eine Phlegmone in dem von ihm ange¬
deuteten Sinne völlig ausgeschlossen gewesen sei, sondern dass
es sich lediglich um ausgedehnte Adhaerenzen von Schleimhautpoly¬
pen handelte. Das von Fischenich betonte räumliche Missver-
hältniss zwischen Finger und Nase kann gewiss hie und da ein¬
mal in Frage kommen; ebenso darf die Infeetionsgefakr für den
operlrenden Finger durch Knochenfragmente nicht unterschätzt
werden. Indessen hat die Erfahrung bis dahin gar keine Ver-
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2. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
33
aulassung zu diesen Bedenken gegeben. Was schliesslich den von
K i 11 i a n erwähnten Vortheil eines gründlichen Curettements
gegenüber demjenigen eines blossen Auswiscliens der Schleim-
hautexcrescenzen durch den betastenden Finger betrifft, so denkt
der Vortragende weniger optimistisch von aller Therapie länger
bestehender Empyeme. Auch er glaubt, dass die geschilderte
Methode für das unheilbare chronische Empyem ihren Haupt¬
werth besitze.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 2. Januar 1900.
— Im Berliner Institut für Infectionskrankheiten
haben Curse begonnen, um für den Fall, dass die Pest auch
uns heimsuchen sollte, gerüstet zu sein und einen 8tab geschulter
Aerzte mit dem erforderlichen Wärterpersonal zur Verfügung zu
haben. Die Aerzte sollen durch besondere Curse befähigt werden,
die Krankheit ihrem Charakter nach sofort festzustellen und den
Erkrankten die geeignete Behandlung angedeihen zu lassen. Das
Medicinalministerium lässt zu diesem Zwecke durch das Institut
für Infectionskrankheiten in einem Laboratorium ausserhalb der
Stadt solche Curse von je zehn Tagen veranstalten. Der erste
Cursus hat Donnerstag, den 28. ds. begonnen und dauert bis zum
8. Januar, der zweite findet vom 15. bis zum 25. Januar, der dritte
vom 29. Januar bis zum 8. Februar, der vierte vom 12. bis zum
22. Februar statt. Zugelassen werden dazu Bacteriologen, die ent¬
weder hygienische oder bacteriologische Institute selbständig leiten
oder an Bolchen Instituten wenigstens ein Jahr als Assistenten ge¬
arbeitet haben. Die Zulassung erfolgt aber nur gegen die Ver¬
pflichtung, sich im Falle des Auftretens der Pest dem Medicinal*
ministerium zur Untersuchung und Feststellung der Krankheit und
zur Krankenbehandlung zur Verfügung zu stellen. Auch Bacteriologen
in nicht staatlicher Stellung können an den Veranstaltungen theil-
nehmen; sie haben ein Honorar von 50 Mk. zu zahlen. Die Leitung
haben der Director des Königsberger Hygienischen Instituts Prof.
Dr. Pf eif f er, der Vorsteher der wissenschaftlichen Abtheilung des
hiesigen Instituts für Infectionskrankheiten Prof. Dr. Frosch und
der Assistent am Institut Prof. Dr. K o 11 e übernommen. Aelin-
liche Curse für Pestuntersuchung und Krankenbehandlung ver¬
anstaltet gleichzeitig das Reichsgesundheitsamt für preussische
nnd nichtpreussische Bacteriologen. Anmeldungen zu diesen Cursen
nimmt der Präsident des Reichsgesundheitsamtes, Wirkl. Geheim.
Oberregierungsrath Dr. Köhler, zu den preussischen Prof. Dr.
Frosch im Institut für Infectionskrankheiten entgegen. Mit der
Unterweisung der Aerzte geht eine Ausbildung der Krankenwärter
Hand in Hand.
— Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung ge¬
meingefährlicher Krankheiten soll, wie verlautet, dem
Bnndesrath in Kürze zugehen. In demselben wird, der Allg. Zeitung
zufolge, die Anzeigepflicht für Lepra vorgesehen und eine Er¬
weiterung des Kreises von Maassregeln zum Schutz gegen die
Uebertragung der Pest beantragt. Unter anderem sollen solche zur
Vertilgung und Femhaltung von Ratten, Mäusen und anderem Un¬
geziefer angeordnet werden dürfen. Auch soll der Buudesrath er¬
mächtigt werden können, über die bei der Ausführung wissen¬
schaftlicher Arbeiten mit Krankheitserregern zu beobachtenden
Vorsichtsmaassregeln, sowie über den Verkehr mit Krankheits¬
erregern und deren Aufbewahrung Vorschriften zu erlassen.
— In der heutigen Nummer bringen wir auf Seite 16 von
sachverständiger Seite eine Darstellung der Bestimmungen des
büigerlichen Gesetzbuches über die Verjährung ärztlicher
Forderungen. Wir bemerken dazu, dass, wie aus dieser Dar¬
stellung hervorgeht, die Angaben, die der Münchener Rechtsschutz¬
verein über die Verjährung nach neuem Recht seinen Mitgliedern
gemacht hat und die auch in No. 50 d. W. mitgetheilt waren, nicht
ganz zutreffend sind und daher der Berichtigung bedürfen.
— Die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder hat
den beamteten Aerzten des Reichs einen Fragebogen Überreicht,
aus dessen Beantwortung der jetzige Stand des öffentlichen Bade¬
wesens in Deutschland hervorgehen soll. Es liegt im Plane, die
gewonnene Uebersicht auf der Pariser Ausstellung des kommenden
Jahres zu allgemeiner Kenntniss und Würdigung zu bringen. —
Demnächst tritt auch das Preisgericht zusammen, welches über Er-
theilung der von der Gesellschaft ausgesetzten Preise für die besten
Entwürfe von kleineren und mittleren Volksbadeanstalten ent¬
scheiden soll. Die eingegangenen Pläne werden im Laufe des
Monats Januar der Öffentlichen Besichtigung zugänglich gemacht,
und zwar. Dank dem Entgegenkommen des Herrn Präsidenten
Dr. Köhler, im Sitzungssaale des Gesundheitsamtes (Klopstock-
strasse 19/20) zur Ausstellung gelangen.
— Pest. Britisch-Ostindien. Die Zahl der während der Woche
vom 18. bis zum 25. des laufenden Monats in ganz Indien bei den
Behörden zur Meldung gelangten Peststerbefälle betrug 2080 gegen¬
über 2968 in der vorhergehenden Woche. In der Stadt Bombay
haben sich diese Todesfälle von 100 auf 136 gesteigert, dagegen
sind die entsprechenden Ziffern für die gleichnamige Präsident¬
schaft von 2055 auf 1714 gesunken; namentlich ist in den südlichen
Marhattastaaten eine bedeutende Besserung eingetreten. Die Prä¬
sidentschaft Madras und der Staat Mysore wiesen keinen erheb¬
lichen Wechsel im Stande der Krankheit auf. In Kalkutta ge-
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langten während der Berichtswoche 48 Peststerbefälle gegenüber
44 in der Vorwoche zur Meldung, und im Saranbezirk in der Pro¬
vinz Bengalen kamen einige vereinzelte Fälle vor. — Paraguay.
In der Zeit vom 31. October bis 6. November incl. sind 6 Todes¬
fälle an Pest constatirt worden, davon 2 ausserhalb der Haupt¬
stadt. Im Monat October sind im städtischen Civilregister im
Ganzen 102 Sterbefälle eingetragen, darunter 22 an Pest.
— In der 49. Jahreswoche, vom 3. bis 9. December 1899, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Bamberg mit 34,2, die geringste Solingen mit 5,9 Todesfällen
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬
storbenen starb an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Gera, Hagen,
Köln, Nürnberg; an Scharlach in Altenburg, Duisburg, Gleiwitz; an
Diphtherie und Croup in Bromberg, Halberstadt. (In der Vorwoche
an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Nürnberg, Plauen, Würzburg).
— In der 50. Jahreswoche, vom 10. bis 16. December 1899, hatten
von deutschen Städten über 40000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Bamberg mit 31,2, die geringste Koblenz mit 8,7 Todesfällen
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬
storbenen starb an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Plauen, Würz¬
burg; an Scharlach in Metz; an Diphtherie und Croup in Bamberg,
Brandenburg, Flensburg, Görlitz, Halberstadt, Linden, Lübeck.
— Prof Hermann Kos sei wurde zum Regierungsrath und
Mitglied des kaiserl. Gesundheitsamtes ernannt.
(Hochschulnachrichten):
Berlin. Geheimrath Prof. Brieger, bisher Vorsteher der
Krankenabtheilung des Instituts für Infectionskrankheiten, hat
einen Lehrauftrag für allgemeine Therapie erhalten. Der Assistenz¬
arzt am hiesigen Institut für Infectionskrankheiten Dr. Wilhelm
Ko Ile ist zum Professor ernannt worden.
Breslau. Der Brest. Ztg. zu Folge soll Geheimrath Dr. Käst
für Halle als Nachfolger von Theodor Weber bestimmt sein,
während Professor Dr. Uhthoff einen Ruf nach Berlin an Stelle
Schweigger’s, dos Nachfolgers Gräfes, erhalten habe.
Heidelberg. Die medicinische Facultät der Universität Heidel¬
berg hat auf Anregung von Seiten der Regierung hin einstimmig be¬
schlossen, F r a u e n als ordentliche Hörerinnen zuzulassen.
Sie haben damit gleiche Pflichten und Rechte wie die männlichen
Commilitonen, können alle Prüfungen wie diese ableisten, müssen
aber das Zeugniss der Reife eines deutschen Gymnasiums erlangt
haben. Ausserordentliche Hörerinnen werden nicht zugelassen.
Die betreffende Sitzung fand Mittwoch, 20. December, statt.
Leipzig. Prof. March and-Marburg hat einen Ruf als Nach¬
folger Birch-Hirschfeld’s erhalten und angenommen.
München. Am 20. December 1899 habilitirte sich für Ana¬
tomie Dr. Ludwig Neumayer aus Freising, Assistent an der ana¬
tomischen Anstalt. Die Probevorlesung behandelte als Thema:
„Die gegenwärtige Kenntniss des Zusammenhangs der Zellen des
Thierkörpers durch Zellbrücken.“ Die Habilitationsschrift führt den
Titel: „Studie zur Entwickelungsgeschichte des Gehirns der Säuge-
thiere“.
(Todesfälle.) In London starb der bekannte Epidemiologe
und Medicinalstatistiker Sir Richard Thorne, früher Arzt am
St. Bartholomew’s Hospital, 58 Jahre alt.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Auszeichnungen: Der Verdienstorden vom heiligen Michael
IV. Classe: Dem Regierungs- und Kreismedicinalrath in Lands¬
hut, Dr. Ambros Herrmann und dem praktischen Arzt Hof-
rath Dr. Guido Jochner in München. Der Titel und Rang
eines k. Medicinalrathes: dem Bezirksarzt und Hausarzt bei der
Gefangenanstalt Sulzbach, Dr. Peter Walter; dem Bezirksarzt
I. Classe in Regensburg, Dr. Julius Bertram; dem Bezirksarzt
I. Classe in Pegnitz, Dr. Georg Teicher; dem Bezirksarzt I. Classe
für den Amtsbezirk München I, Dr. Otto Zaubzer; dem Bezirks¬
arzt I. Classe in Erlangen, Dr. August Maurer. Der Titel und
Rang eines k. Hofrathes: dem praktischen und Bahnarzt Dr. Max
Grünewald und dem praktischen Arzt Dr. Ferdinand May in
München; dem ausserordentlichen Professor an der k. Universität
München, Dr. Friedrich B e z o 1 d; dem praktischen Arzt Dr. Gustav
Herrich Schaeffer in Regensburg; dem praktischen Arzt Dr.
Gustav W o 11 n e r in Hersbruck; dem praktischen Arzt Dr. Heinrich
Welsch in Bad Kissingen; dem praktischen und Bahnarzt Dr.
Carl Fröhlich in Aschaffenburg; dem Oberarzt der chirurgischen
Abtheilung des städtischen Krankenhauses in Augsburg, Dr. August
Schroiber. Der Titel eines k. Geheimen Rathes: dem ordent¬
lichen Professor an der k. Universität Würzburg und Oberarzt des
Juliusspitals daselbst, Dr Wilhelm Olivier Ritter v. Leube; dem
ordentlichen Professor an der k. Universität Erlangen, Dr. Walther
Ritter v. H e i n e k e. Der Titel und Rang eines ausserordentlichen
Universitätsprofessors: dem Privatdocenten an der k. Universität
München, Dr. Carl Schlösser. Das Komturkreuz des Militär¬
verdienstordens: dem Generalstabsarzt der Armee Dr. Ritter v. Vogl,
Chef des Sanitätscorps und der Medicinalabtheilung im Kriegs¬
ministerium. Das Ritterkreuz 2. Classe des Militärverdienstordens:
den Oberstabsärzten 1. Classe Dr. Kratzer, Regimentsarzt im
6. Chev.-Reg. und Dr. Baumbach, Chefarzt des Gamisonslazareths
Neu-Ulm. (Fortsetzung auf Seite 36.)
Original frnrri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
34
MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Amtlicher Erlass.
Deutsches Reich.
Bei der commissarischen Berathung, welche zur Verein¬
barung von Pestmaassnahmen am 28. September 1891) im Kaiser¬
lichen Gesundheitsamte stattgefunden hat, wurde die Zusammen¬
stellung und Veröffentlichung einer ausschliesslich für Aerzte
bestimmten Belehrung über die Pest für uothwendig erachtet.
Mit der Feststellung des Wortlauts einer solchen Belehrung wurde
ein Sonderausschuss, bestehend aus den ausserordentlichen Mit¬
gliedern des Gesundheitsamtes, Herren Geheimen Medicinal-
riithen Prof. Dr. G a f f k y - Giessen und Prof. Dr. Gerhardt-
Berlin, sowie den Herren Prof. Dr. Pfeiffer- Königsberg und
Prof. Dr. S t i c k e r - Giessen, beauftragt. Die Belehrung hat die
nachstehende Fassung erhalten:
Belehrung Uber die Pest.
Die Geschichte der Seuchen lehrt, dass die Pest, so oft sie
sich in Europa gezeigt und gewüthet hat, stets eiugeselileppt
Worden ist. Sie lehrt ferner, dass wiederholt ein einzelner Pest¬
kranker es war, der ein vorher verschontes Land angesteckt hat.
und dass ausnahmslos jede Pestseuche auch dann, wenn die Art
ihrer Einschleppung unbekannt blieb, sich mit vereinzelten Krank¬
heitsfällen langsaip und allmählich angesponnen hat.
Bei drohender Pestgefahr ist also die Erkennung der ersten
Fälle von unberechenbarer Bedeutung, ja die Vorbedingungen für
frühzeitige und wirksame Abwehr weiterer Pestausbreitung.
Die folgende Belehrung hat den Zweck, die Aerzte mit den
wesentlichen Erscheinungen der Pest als Krankheit und a 1 s
Seuche bekannt zu machen und sie so in den Stand zu setzen,
nach Möglichkeit der Verantwortung für das Gemeinwohl gerecht
zu werden, welche sie in Pestzeiten wie sonst bei ansteckenden
Seuchen mit den öffentlichen Gesundheitbehörden theilen.
Die Pesterkrankung setzt meistens plötzlich ein und verläuft iu
der Regel als ein 3 bis 5 tägiges Allgemeinleideu. Eine entzünd¬
liche Schwellung äusserer Lymphdrüsen oder eine Pustel, ein
Carbunkel auf der Haut oder eine Lungenentzündung treten als
örtliche Krankheitserscheinung im Beginn oder irn weiteren Vol¬
lauf hervor oder werden erst an der Leiche gefunden. Das ist.
das allgemeine Bild in den gröbsten Zügen.
Zu alten Zeiten, in welchen die Pest auftrat hat sich gezeigt,
dass selbst hervorragende Aerzte, welche die feineren Züge des
Bildes nicht kannten oder an die Pest nicht dachten, bei den
ersten Krankheitsfällen die Ueberzeugung hegen konnten, sie
hätten es mit einem gemeinen Carbunkel oder mit einer gewöhn¬
lichen Lymphdrüseninfectiou oder mit einer alltäglichen Lungen¬
entzündung oder mit einem rasch oder bösartig verlaufenden
Typhus, Wechselflober, Milzbrand zu thun, und dass sie so lange
in ihrem Irrthum verharrten, bis die Häufung ähnlicher Erkran¬
kungen, die wachsende Zahl der Todesfälle, die zweifellose An¬
steckungskraft der Krankheit ihnen zum Bewusstsein brachte,
dass ein ausserordentliches, unheimliches Uebel unter ihren Augen
sich entwickelt hatte.
Die Krankheit befällt Personen beider Geschlechter in jedem
Alter und jedem Stande; in den Häusern der Armen und Elenden
pflegt sie zuerst zu erscheinen und am bösartigsten aufzutreten.
Dem Beginn des ausgesprochenen Krankseins gehen mitunter
stundenlang oder tagelang Vorboten vorauf: Mattigkeit, Nieder¬
geschlagenheit. Kreuzschmerzen, Kopfweh, Vermehrung des
Durstes, Verminderung der Esslust. Häufig ist der Beginn ganz
plötzlich. Stechende, brennende oder dumpfe Schmerzen an der
Stelle, an welcher sich später oder alsbald die Drüsenentzündung,
der Carbunkel oder die Pneumonie ausspricht, können das erste
o sein ’ zu welchem daun rasch Frösteln bis zum
Schüttelfrost und folgende Fieberhitze sich gesellen. Das Fieber
kann einige Stunden oder Tage bestehen, ehe die örtlichen Zeichen
sich ansbilden.
_ P? n Krankheitsbeginn begleitet fast ausnahmslos ein Gefiil
des Schwindels im Kopf, das sich zum schweren Rausch Steiger
kann und dann mit den äusseren Zeichen grosser Beuommenlie
und mangelnder Herrschaft über die Glieder einherzugehen pfleg
Ekel oder Erbrechen begleitet den Schwindel oft; Herzschwäcl
bis zum Collaps nicht selten.
... ^ e 5 in J ^ er Kl *anke in ärztliche Behandlung kommt, so ist g
wohnlich in schweren Fällen das ICrankheitsbild schon voll en
wickelt. Den Blick in’s Leere gerichtet, das Gesicht gedunsei
schlaff und ausdruckslos, das Augenweiss lebhaft gerötliet m
schwerer, stammelnder Sprache, unsicherem, taumelndem Gan
macht der Kranke ganz den Eindruck eines Betrunkenen. Dies*
Wi L d ™ ltu l lter dadurch vermehrt, dass Abschürfung^
S lge ® eu, S n der Haut, beim Wanken und Hinstürzen d<
Kranken entstanden, Gesicht und Glieder entstellen. Die Zum
ist weisshch, wie mit Kalk getüncht, seltener himbeerähnllch roi
md warzig; die Haut ist am ganzen Leibe trocken und brenner
wi hrond d0 ai 8 e f?* 4 an r GesIcht unfl Rumpf erhöhte Wärm
Ivwonfu k U i ? i ; ls os ? u Glieder schon kühl und mit klebrige
wiliu !?i bed ? Ck , t s L iDd - 1>ie . Athmung ist ängstlich, seufzend, di
Herzschlag stark beschleunigt, die Arterien entspannt, der Pu
dem d Frl?«ni allS dHPPdschlägig, gross oder bereits fadenförmi
dem Erloschen nahe, wahrend der Ilerzstoss noch lebhaft ist
Zu Bette gebracht liegt der Kranke bald in grosser Scliwiicl
l? e H l g ??* murmelt friae oder schwatzt verworren v<
l al hin d n r n M WU Zt ? k ; h unruhI K mi t lautem Irrereden auf de
..In g wiia m \ 1nd r? P , r ’ erhebt sich, beginnt ein rastloses Wandel*
1 ^dtheudes loben und macht unter dem Antrieb der Vorsti
lung: er müsse nach Hause, er müsse an sein Geschäft, er müsse
seinen Durst löschen, Fluchtversuche, wenn er nicht vom Wärter
gehalten oder an’s Bett gefesselt wurde.
Bei genauer Untersuchung gelingt es in den meisten Fällen,
bereits in den ersten Krankheitsstunden den örtlichen Krankheits¬
herd zu finden und damit der Diagnose näher zu kommen. Eine
frisch entstandene Drüsengeschwulst oder eine Hautpustel oder
die Zeichen beginnender Lungenentzündung gehören zum vollen¬
deten Bilde der Pestkrankheit, die also unter drei Formen, als
Drüsenpest, Hautpest oder Lungenpest, auftreten kann.
Magendarmpest ist bisher nur bei Thiereu sicher festgestellt.
Bei der D r ü s e n p e s t oder Bubonenpest, der weitaus häu¬
figsten Form der Krankheit, handelt es sich um die Bildung eines
Bubo, der sich als geringere oder stärkere, rascher oder langsamer
sich entwickelnde, entzündliche Anschwellung einer oder mehrerer
Lymphdrüsen und der sie umgebenden Gewebe darstellt; jede
äussere Lymphdrüse kann erster Krankheitssitz sein. In den
weitaus meisten Fällen entsteht der Bubo in der Leistenbeuge
oder im oberen Schenkeldreieck; häufig in der Achselhöhle oder
— besonders bei Kindern — am Halse; iu einzelnen Fällen sind
die Drüsen am Hinterkopf, in der Ellenbeuge, in der Kniekehle,
die vorderen oder hinteren Ohrdrüsen, die Zungenbeindrüse u. s. w.
Sitz der Entzündung. Sehr oft findet man die äusseren Lymph¬
drüsen iu einem geringen Reizzustand oder scheinbar vom Krank¬
heitskeim übersprungen, während die verborgenen Drüsen zweiter
oder dritter Ordnung zu Bubonen sich entwickeln, so dass z. K.
die Schenkeldrüsen frei bleiben und ein grosser Iliacalbubo oder
Lumbalbubo entsteht, der wie eine perityphlitische Geschwulst
durch die Bauchdecken hindurch gefühlt werden kann; oder eine
Halsdrüse undeutlich geschwollen ist, dagegen eine Dämpfung in
der Schlüsselbeingegend und Druckerscheinungen an den Hals¬
organen die Bildung eines Bubo im obersten Theil der Brust¬
höhle verrathen. Am Bubo lassen sich entweder die einzelnen ver-
grösserten Drüsen deutlich abtasten oder die Entzündung des
Zw’iscliengewebes hat sie zu einein dicken Haufen verpackt, der
sich gegen die Umgebung nur undeutlich absetzt, häufig auch von
teigigem Oedem w r eit in die Nachbargew r ebe und über die Haut
umgeben wird. Am Bubo ist die Druckempfindlichkeit gewöhn¬
lich w eitaus grösser als der spontane Schmerz, so dass der Kranke
bei ruhiger halber Beugung des Gliedabschnittes, über welchem
der Bubo sich entwickelt, keine Qual zu leiden hat. Ein kleiner
Bubo wird von dem Kranken und seiner Umgebung häufig gar
nicht bemerkt, so das er vom Arzt durch Abtasten aller erreich¬
baren Drüsen vorsichtig und wiederholt gesucht w-erden muss.
Pestpustel und Postenrbunkcl sind im Vergleich zum
Pestbubo nicht; häufig. Sie beginnen mit einem flohstichartigen,
etw a linsengrossen Flecken an irgend einer Stelle der Haut. Aus
dem lebhaft schmerzenden Flecken entwickelt sich rasch ein
kleineres oder grösseres Bläschen mit trübem Inhalt. Entweder
bleibt es dann bei der Bildung der Pustel oder die unterliegenden
Gewebe werden derb und hart, um sich bald zu einem tiefgreifen¬
den Karbunkel und weiterhin in ein brandiges Geschwür umzu-
wandelu. Von der Pustel sieht man oft entzündete Lymphgefässe
zu dem nächsten Drüsenlager führen, in welchem dann ein Bubo
zu entstehen pflegt. Auch zum ausgebildeten Karbunkel kann
sich der benachbarte Bubo gesellen.
Die L u n g e u p e s t, w r elche in einzelnen Pestseuchen auf¬
fallend vorherrscht, meistens aber gegenüber der Drüsenpest an
Häufigkeit zurücktritt, verläuft fast genau wie eine gewöhnliche,
heftige, katarrhalische oder w r ie eine croupöse Pneumonie. Sic
kann, wenn auch die schweren Allgemeinerscheinungen ihr oft
von vorneherein ein besonders bösartiges Aussehen geben, im
einzelnen Falle von anderen Lungenentzündungen ohne die bac-
terioskopisclie Untersuchung des Ausw r urfes nicht mit Sicherheit
unterschieden w erden.
Bubo, Pestpustel, Lungenentzündung sind gleich zu Beginn
der Krankheit, mitunter vor dem Fieber, da oder entwickeln sich
deutlich einige Stunden oder Tage nachher; selten verzögert sich
ihr Erscheinen bis zum dritten Tage.
Bei allen Formen der Pest ist die frühe Herzschwäche auf¬
fallend; bei allen können im Beginn Reizerscheinungen am Magen
und Darm, Druckempfindlichkeit in der Gegend des Oberbauches
und in der Blinddarmgegend, heftiges Erbrechen, später auch Ab¬
gang schwarzer Kothmassen auftreten. Mit einiger Regelmässig¬
keit w r erden beobachtet ein leichter Grad von Aufblähung dos
Bauches, eine weiche, tastbare oder percutirbare Milzanschwel¬
lung, Spuren von Nucleoalbumin und Serumalbumin im Harn,
Bluterbrechen oder Blutharnen sind seltener. Eine diphtherische
Erkrankung der Gaumenmandeln wird oft und frühzeitig ge¬
funden, fast regelmässig ist ein geringerer oder stärkerer Grad
von Bindehautreizung, zu der sich häufig und oft rasch eine Horn¬
hautentzündung gesellt, welche zur völligen Vereiterung des
Auges führen kann. Punktförmige oder streifenförmige Blu¬
tungen in der Haut und in den Schleimhäuten sind iu ver¬
schiedenen Epidemien ungleich häufig. Mitunter sieht man im
Verlaufe der Krankheit unterhalb der Bubonen sich Lymph-
gefässentzündungen entw ickeln, im Bereich derselben Blasen auf-
schiessen, neue Bubonen in verschiedenen Körpergegenden sich
den alten hinzugesellen.
Der Verlauf der Pesterkrankung ist, je nach dem Organ,
welches befallen w r urde, insofern verschieden, als manche Fälle
von Hautpest, und Drüsenpest ziemlich milde und gutartig ohne
bedeutende Krankheitszeichen verlaufen können, während die
Lungenpest in der Regel unter schwersten Erscheinungen rasch
zum Tode führt. Unter den Bubonen pflegen die Halsbubonen
den übelsten Krankheitsverlauf zu bedingen; bei ihnen erfolgt
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2. .Januar
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
35
der Tod häufig durch Erstickung. Es gibt auch Fälle, in welchen
vor jeglichen Zeichen einer Localisirung, sogar ehe den Kranken
ihr Leiden zum Bewusstsein kommt, der Tod blitzschnell eintritt.
Der dritte oder auch wohl der vierte Krankheitstag bringt zu¬
meist einen Abfall des Fiebers und sehr häufig zugleich den Tod.
Wenn der Kranke den dritten oder vierten Tag übersteht, so
kann er entweder auch fernerhin fieberfrei bleiben, um zu ge¬
nesen. oder das Fieber beginnt auf’s Neue und verläuft wie bis
dahin ohne oder mit Nachlässen weiter. Am sechsten und am
neunten Krankheitstage zeigen sich dann fast regelmässig wieder
tiefe Einschnitte der Temperatur- und Pulscurve, so dass eine
längere Kranklieitsdauer, welche sich ausnahmsweise selbst über
die zweite Woche hinaus erstreckt, durch Nachschübe bedingt
erscheint, die sich auch im Auftreten neuer secundärer Bubonen
kimdgeben können. Die Körperwärme pflegt im Fieber 3« bis
40 ° c.. oft aber auch weniger zu betragen; ein Ansteigen oder
Verweilen auf 41 u C. und mehr wird namentlich im Beginn der
Krankheit oder eines Nachschubes nicht selten beobachtet. Vor
dem Tode pflegt die Körperwärme mit dem schnellen Verfall der
Kräfte rasch zu sinken oder auch wohl plötzlich abzufalleu; sie
kann jedoch auch noch steigen und selbst in der Leiche 42° C.
und mein* betragen.
Der geschilderte Gang des Pestfiebers wird in manchen
Fällen durch hinzutreteude anderweitige Infectionen gestört;
noch häufiger schliessen sich der eigentlichen Pesterkraukung
andere Infectionen mit dem durch sie bedingten Fieber au, so
namentlich Infectionen mit Streptococcen, Staphylococcen,
Pueumococcen oder Influenzabacilleu.
Der Tod kann den Krankheitsverlauf zu irgend einer Zeit
unterbrechen; in den mit Genesung endigenden Fällen kann der
Abfall aller Krankheitserscheinungen plötzlich oder allmählich
erfolgen. Todesursache pflegt, wo nicht Erstickung durch Hals¬
bubonen oder durch Lungenentzündung eintritt, die allmählich
oder plötzlich eintretende Lähmung des Blutkreislaufes zu sein.
Des Ausganges in Genesung erfreuen sich 10 bis höchstens
etwa 40 Proc. der Erkrankten. Er erfolgt nach der Entfieberung
bei Drüsenpestkrankeu unter allmählicher Zertheilung oder an¬
nähernd ebenso häufig unter Vereiterung des Bubo; bei Kar-
bunkelkranken unter rascher oder langsamer Abstossung der
brandigen Gewebe.
Die Genesung zieht sich in den schweren Fällen lange hin.
Ein plötzlicher Herztod kann scheinbar Geheilte noch früh oder
spät wegraffen. Im Eiterfleber sterben Viele; an später Pest-
meningitis Einige. Secundäre Infectionen, besonders der Luft¬
wege, begünstigt durch mangelhafte Pflege und unsaubere Um¬
gebung. tödten zahlreiche Reconvalescenten. Noch nach Wochen
und Monaten gehen Manche in fortschreitendem Siechthum an
langwieriger Eiterung, an fortschreitender Entartung innerer
Organe oder an zunehmender Blutverarmiing zu Grunde.
Puter den Nachkrankheiten spielen Lähmungen im Bereich
der verschiedensten Nervengebiete eine grosse Rolle.
Die allgemeine Prognose der Pestkrankbeit ist bei der
grossen Tödtliehkeit schlecht. Im einzelnen Falle ist sie nie mit
Sicherheit zu stellen. Man kann sagen, dass, wer nach dem
dritten oder sechsten Tage fieberfrei ist, wahrscheinlich genesen
wird, falls nicht schwere Complicationen bestehen.
Frühzeitiges Auftreten der Bubonen ist verhältuissmässig
günstig; durchaus ungünstig sind blutiges Erbrechen, Bluthamen,
Petechien, nachträgliches Ausbrechen von Furunkeln und Kar¬
bunkeln, Mandeldiphtherie. Singultus kündet den nahen Tod an.
Von Lungenpest genesen Wenige. Vorherbestandene chronische
Krankheiten der Lunge und anderer Eingeweide nehmen die Aus¬
sicht auf Genesung fast ganz. Die Sterblichkeit der Schwind¬
süchtigen, der Syphilitischen, der Säufer pflegt in Pestläufen
ausserordentlich gesteigert zu sein.
Zweimalige Erkrankung au der Pest gehört zu den Aus¬
nahmen. Der zweite Anfall endet meist tödtlich.
Die Diagnose der Pest ist innerhalb der Epidemie aus
dein schnell ausgebildeten schweren fieberhaften Allgemeinleiden
m den meisten Fällen leicht zu stellen, wenn die Ausbildung eines
ertlichen Krankheitsherdes in Lymphdrtisen, auf der Haut, in
der Lunge hinzutritt, und wenn überdies die rauschartige Be¬
nommenheit des Kranken, der wankende Gang, der elende, ausser¬
ordentlich weiche Puls, die Injection des Auges, die weiss-
iMunclite Zunge berücksichtigt werden. Ausserhalb der Epidemie
bleibt sie selbst im ausgebildeten Krankheitsfalle eine Wahr-
s< heinlichkeitsdiagnose, welche Milzbrand, bösartige Wechsel¬
nder oder Typhus, gewöhnliche Pneumonie mit in Betracht zu
ziehen hat. Die leichteren Fälle mit geringen örtlichen und all-
P meine Iv rank hei tszei eben und die schwersten, bei welchen der
Tod vor der Bildung irgend eines örtlichen Krankheitsproductes
eintritt, entgehen der Diagnose, wenn nicht die bacteriologische
1 ntersuchung am Kranken oder an der Leiche hinzutritt.
Teberhaupt schützt vor Fehldiagnosen allein der Nachweis
dt-s Pesterregers, dessen Eigenschaften daher an dieser Stelle
ebenfalls kurz besprochen werden sollen.
Der Pesterrege r ist ein Bacillus ohne Eigenbewegung,
dir in Form und Grösse je nach den äusseren Entwickelungs-
bedingungen, der Beschaffenheit des Nährbodens und dergi. zie.ru-
•kli beträchtliche Verschiedenheiten aufweist, ln der Regel er¬
scheint er als kurzes, an den Enden abgerundetes Stäbchen, dessen
Länge etwa 2 bis 3 mal die Breite übertrifft. Nicht selten ist aber
auch der Unterschied zwischen Länge und Breite so gering, dass
die Stäbchen form wenig hervortritt.
Die Pestbacillen lassen sich in Ausstrichpräparaten leicht
mit den gebräuchlichen Anilinfarben färben. Dabei nehmen die
äusseren Theile des Bacillenkörpers und namentlich die Enden
vielfach die Farbe stärker auf als die Mitte (Polfärbung), eine Er¬
scheinung, welche besonders bei vorsichtiger Färbung mit
Methylenblau hervortritt. Nach der Gram’schen Methode lassen
sich die Pestbacillen nicht färben.
Die künstliche Züchtung der Pestbacillen gelingt bei Luft¬
zutritt auf und in den gebräuchlichen Nährböden und Nährflüssig¬
keiten (Agar-Agar, erstarrtem Blutserum, Gelatine, Bouillon etc.)
leicht; bei Luftabschluss bleibt dagegen das Wachsthum aus. In
zuckerhaltigen Nährböden rufen die Pestbacillen keine mit Gas¬
entwicklung einhergehende Gährung hervor. Ihr Wachsthum ist
bei Temperaturen zwischen etwa 25 und 37 0 C. annähernd gleich
gut Zwischen 10 und 15 ü C. ist es zwar verlangsamt, aber noch
kräftig, und selbst bei einer Temperatur von etwa 5° C. ist es
noch nicht ganz aufgehoben. Wenn die für die Cultur benützte
Aussaat dem pestkranken Körper oder der Pestleiche entnommen
war, so ist das Wachstlium selbst bei günstigen Wärmegraden ein
langsames. Auf der Oberfläche von erstarrtem Agar z. B., das
bei 37 u C. gehalten wurde, zeigen sich unter solchen Umständen
die ersten, mit blossem Auge eben wahrnehmbaren Anfänge der
Colonienbildung uicht vor Ablauf von 24 Stunden, und zur vollen
Entwickelung bedarf es eines Zeitraumes von 2 mal bis 3 mal
24 Stunden. Die Obertiächencultur besteht daun aus zarten,
bei Lupenbetrachtung durchsichtigen, kleinen, tröpfchenartigen
Colonien, welche wenig Neigung zum Zusammentiiessen haben.
In Bouillon gezüchtet, wachsen die Pestbacillen vielfach in Form
von mehr oder weniger laugen streptococcenähnlichen Ketten.
Auf sehr trockenem Agar, namentlich aber auf Agar mit 2 bis
3 proc. Kochsalzgehalt gezüchtet, bilden die Pestbacillen schon in
1 bis 2 Tagen zahlreiche, ganz auffällige Involutionsformen,
grosse kugelige oder unregelmässig gestaltete Gebilde, welche sich
grösstem heils nur mangelhaft mit Anilinfarben färben lassen.
Dauerformen der Pestbacillen sind nicht bekannt. In
Flüssigkeiten sterben die Bacillen schon bei einer Erwärmung
auf 55 bis 60° in 10 Minuten ab. Die Siedehitze tödtet sie sofort.
An Leinwand und dergleichen angetrocknet, können sie sich in
unserem Klima mehrere Wochen lebensfähig erhalten.
Die Pestbacillen finden sich in allen Krankheitsproducten des
Lebenden und meistens ira ganzen Körper des an der Pest Ver¬
storbenen. Der Saft und die Gewebe frischer Bubonen und Kar¬
bunkel, das entzündliche Exsudat in der Lunge enthalten die
Bacillen in ungeheurer Menge. Im Inhalt der spontan auf¬
brechenden oder bei eingetretener Reife aufgeschnittenen Bubonen
werden sie nur ausnahmsweise gefunden, so dass sie in Fällen von
Drüsenpest, die in Genesung endigen, durch Ineision des frischen
Bubo gewonnen werden müssten. Doch geben diese Fülle am
wenigsten Anlass zu diagnostischen Zweifeln und Irrthtiraern.
Die Blasen und Karbunkeln liefern, wenn sie angeritzt werden,
leicht das Material für die bacteriologische Diagnose. In den
weitaus meisten Fällen von Lungenpest giebt der Auswurf, der
stets zahllose Pestbacillen enthält, das sichere diagnostische
Mittel. Fehlt der Auswurf, so gibt die Section oder eine Punction
der Lunge an der Leiche den Aufschluss, falls er nicht schon vor¬
her aus der bacteriologischen Untersuchung des Blutes gewonnen
war. Diese Blutiintersuchung sollte in keinem Pestfalle unter¬
lassen werden, da sie immer leicht aiiszuführen und oft ent¬
scheidend ist. Bei den allermeisten Pestkranken, welche sterben,
findet man während der letzten Lebensstunden, mitunter schon
Tage vorher, im Blutstropfen, welcher durch einen Nadelstich von
irgend einer Hautstelle gewonnen wird, die Bacillen spärlich oder
zahlreich. Aus den normalen Absonderungen, aus Speichel,
Schweiss, Harn, Milch. Menstrualblut, Lochien sind sie schwerer
und weniger häutig zu gewinnen. Massenhaft und regelmässig
erscheinen sie im terminalen Lungenoedern.
War die bacteriologische Untersuchung beim Lebenden aus
irgend einem Grunde unausführbar oder erfolglos, so ist sie an der
Leiche stets leicht und sicher, besonders wenn man die Unter¬
suchung von Gewebsschnitten, Cultureii und den Impfversuch
an einer Ratte oder Maus der mikroskopischen Prüfung hinzu¬
gefügt. Ausser den primären Locallsadenen in der Haut, in den
Drüsen und in der Lunge bieten Blut, Milz, Lungenhypostasen,
Galle, Duralflüssigkeit besonders geeignete Objecte für den Nach¬
weis des Bacillus.
Ueberhaupt stellt erst die Leicheneröffnung viele Pestfälle,
welche während des Lebens unerkannt oder unsicher blieben,
klar. Der anatomische Befund pflegt gleichmüssiger und desshalb
charakteristischer zu sein als das Krankheitsbild. Neben den
Primärläsioneu. den speckig oder markig geschwollenen Lymph-
drüsen mit sulziger, oft blutiger, weit reichender Durchtränkung
der Nachbargewebe ln dem einen Falle, dem Karbunkel mit tief¬
greifender Infiltration seiner Unterlage im anderen Falle, den
lobulären oder lobären Verdichtungen der Lunge im dritten Falle,
findet man fast in jeder Leiche eine weiche geschwollene Milz,
lackfarbenes Blut und wohl ausnahmslos Blutaustritte in ver¬
schiedenen Organen, besonders reichlich im Magen, im Dünndarm
und Coeeuin, in den Nierenbecken u. s. w„ ferner hier und da
herdförmige Nekrosen und hochgradige parenchymatöse Ent¬
artungen der drüsigen Eingeweide, besonders der Leber.
In der Behandlung der Pestkranken ist das Wich¬
tigste die Sorge für ein gutes Lager, für frische Luft, für kühle
Waschungen. Der grosse Durst der Kranken soll unbeschränkt
gelöscht werden. Frisches Wasser, säuerliche Getränke, Milch
nehmen die Kranken am liebsten. Geistige Getränke widerrathen
viele Aerzte bei ausgesprochener Depression des Hirns und der
lebenswichtigen Centren.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEIHCIXISCIIE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Kino Reinigung der Yerdauungsorgane durch Ricinusöl oder
ähnlich«* milde Mittel wird von vielen Aerzten empfohlen und er¬
scheint zweckmässig auf Grund des Leichenbefundes, der gerade
an mechanisch g«*ivizt«»n und dur<*h Kothstauung beschwerten
I tarmtheilen gehäuft«» Hlutaustritte ergibt. Heber die Wirksam¬
keit herzoiTegender Mittel in der IVst sind die Aerzte nicht einig.
Ausbrentieii oder Ansätzen «ler etwa vorhandenen Pestpustel,
Einreibungen von grauer Salbe, Sublimat- oder (’arbolwasserum-
Schläge über Lyiuplig«»füss<*ntzümliingi»n oder Bubonen erscheinen
zweckmässig. Die weitere Behandlung der Bubonen geschieht
nach chirurgischen Grumlsülzcn. Bei Kranken mit Lungenpest
ist die Einathmung einer 1 proc. (’arbolwasserzerstäubung zu ver¬
suchen.
Der wichtigste Schutz für Wärter und Aerzte bildet pein¬
lichste Reinlichkeit. Die grosse Gefahr der Ansteckung durch
das Sputum der Luugeupesi kranken und durch die Lungenoedem-
tliissigkeit der Sterbenden ist besonders zu vergegeinvärUgtm.
Di«» Desinfect io n hat sich auf alle Abgänge des Pa¬
tienten und auf die mit ihm in Berührung kommenden Degen-
Stände zu erstrecken. Von chemischen Desinfektionsmitteln eignen
sich besonders Lösungen von Sublimat (1 prom.i, (’arbolwasser
i.‘> proc.n Kresol sei feil h'jsung. sowie ('hlorkalklösung »2 proc.i.
Als vofb e ugendt'S Mittel wird — namentlich zum
Schutze von Aerzten und Krankt*nptl<*goni die I m p f u n g mit
abgetödteten Pesteulturcn. die sogenannte aclive Immunisirung,
in Frage kommen. Diese Pestschulzimpfung ist. wie die in In¬
dien aiisgeführteu Massenimpfungen gezeigt haben, ungefährlich
und verleilit einen, wenn auch nicht sicheren, so doch unverkenn¬
baren Schulz gegen die Infecuoii. Zu heriieksiclitigen ist dal» i
allerdings, dass, soweit die Tliierv<»rsu«-lu» ein Frtheil gestatten,
die Impfung ihre schützende Wirkung erst nach 7 Tagen entfaltet.
Mail hat nach Analogie des 1 Mplitherieserums aiidi «las Stumm
hochgradig gegen Pestbneillen imnmuisirtcr Thicre sowohl zu
Vorbeugungs- als auch zu Heilzwecken empfohlen. Trotz seiner
im Thierversuche deutlich hervortrötenden spcelüschen Eigen¬
schaften hat aber das Pestserum bei «l«*r Mensehenpest bisher all-
geineiu anerkannte Erfolge nicht zu erzielen vermocht.
E p i d e m i o 1 o g i s c li e s. In der Einleitung ist bereits da¬
rauf hingewiesen worden, dass die Pest nach erfolgter Einschlep¬
pung sieh zunächst langsam aiisbreilet. Vielfach hainhüt «*s sich
anfänglich nur um Fälle in den Familien der Zuerst Erkrankten
und bei Personen, welche bei der Ptlege oder bei Besuchen der
Kranken sich ansteekten. Bald aber ptiegeii. zunächst immer
noch in geringer Zahl, in benachbarten Iläuseru oder in entlege¬
nem! Qunrti«*r»*n Pesterkrankungeii auch bei solch: n IVvs ■ , »i‘i’.
aiifziuivttm. bei welchen eiu<* Beziehung zu früher E/krankt- n in
keim»r Weise sieh naebwew •*» S«* ’*!oet <b<•> Sem-'v*. "<*»
sie einen günstigen B«.«l. ii !t::d t li.m sieh selbst überlassen ineibt.
im Laufe von Wochen lind Monaten allmählich sieh ein. nimmt
dann aber nicht selten verhältnissmässig schnell zu. um nach Er¬
reichung ihres Höhepunktes wied«Ttim erst: schneller dann lang¬
samer abzunehmen. Ihr Erlöschen ist oft nur ein scheinbares;
nach einer Ruhezeit von Wochen oder Monaten beginnt nicht,
selten eine neue Epidemie und auch dieser können weitere folgen.
Epidemien von so plötzlicher Entwickelung, wie sie bei der
asiatischen Cholera und beim Abdominal!yplius in Folge des
Hineingelangens der Krankheitskeime in das Trink- und Brauch¬
wasser zu Stande kommen können, werden bei der Pest nicht be¬
obachtet.
Ein wichtiger Zug in dem Verhalten der Pest ist ihre Neigung,
sieh an einzelne Iliiuser zu heften und in di<‘sen besonders ver¬
heerend aufziitroten. Wenn solche von der Seuche bevorzugte
Häuser geräumt werden, so ptiegeii unter den anderweitig unter-
gebrachten Bewohnern weitere Iufcotionen atiszubleiben.
Für die Verbreitung der Pest kommt in ersttu- Linie die Fcber-
tragung des Krankheitskeimes vom Menschen zum Menschen in
Betracht. Diese Febertragung kann sowohl unmittelbar erfolgen,
als auch in der Weise, dass mit den Kranken in Berührung ge¬
kommene Wäsche- und Kleidungsstücke und sonstige (lebrauehs-
gegenstände die Zwischenträger abgeben.
Auf welchen Wegen die Krankheitserreger den Körper ver¬
lassen, ist bereits früher dargelegt. Die Ansteckungsgefahr ist
im Allgemeinen gering bei den leichteren Fällen von Drüsenpest,
bei welchen die IVstkeiine zunächst in den geschwollenen Drüsen
zurüekgehalteii werden. Dies ändert sich aber kaum, wenn die
Bubonen in Erweichung übergehe» und aufbrechen; denn in der
Regel sind die Pestbacillen unter solchen Umstünden bereits ab¬
gestorben. Ganz anders ist die Ansteckungsfiiliigkeit der schweren
septicaemischen Fälle von Drüsenpest zu bourtheilen, bei welchen
die Krankheitskeime noch während des Lebens mit den ver¬
schiedenen Körperabsonderungen ausgeschieden werden können,
namentlich-aber kurz vor dem Tode massenhaft im Luugeuoedem
erscheinen. Am gefährlichsten sind endlich die Lungenpest¬
kranken. und zwar durch ihr massenhaft IVsthacillen enthaltendes
Sputum, welches beim Husten und selbst schon l>eim Sprechen in
Form feinster Tröpfchen in die Luft gelangt.
Die von Kranken ausgesehiedeueu Pestkeime linden dann
wieder bei Gesunden durch kleinste, meistens unbemerkt bleibende
Epidermis Verletzungen, unbedeutende Kratz wunden, Flohstiche
und dergleichen ihren Eingang in die Lymphbahnen; in anderen
Fällen nisten sie zunächst in der Schleimhaut der Mund- oder
Rachenhöhle oder auf den Tonsillen ein, können auch vom Con-
juncti valsack aus in die Nasenhöhle gelangen oder werden end¬
lich mit der Athmungsluft oder von der Mundhöhle aus in die
Bronchien aspirirt.
Dass diesen verschiedenartigen Infectionen vom Menschen
zum Menschen da besonders Thür und Thor geöffnet ist, wo eine
unreinliche Bevölkerung in engen, dunklen mul überfüllten Woh¬
nungen haust, liegt auf der Hand. Wo Licht und Luft reichlich
vorhanden sind und Reinlichkeit herrscht, limlet die Pest erfah-
rungsgemäss keinen rechten Boden für eine epidemische Verbrei¬
tung.
Die mittelbare und mmi.ittelb.nro Ansteckung im menschlich« n
Verkehr bildet, aber nicht den einzigen Weg. auf dem di«* Pest-
keinn* sich verbreiten. Manche Erscheinungen im Auftreten m:d
Forrsclmüt«*» der Seueh«* word«*n erst verständlich durch die Tliat-
sacln*. «lass auch gewisse in «ler Eingehung «l«*s Menschen lebende
Thier«* von mörd«*riseln>n Epidemien h«ümg«*sinüit wer<l<*n können.
Vor Alhmi kommen hier di«* Ratten in Betracht, welche auch
«ler lVstinfoetion vom Mag«*ndarmcanal aus in höchstem Maass
zugänglich sind. Da sie di«* Gewohnheit. haben, ihre erkrankt«'»
od«*r verendeten Artg«*noss«*n anzimagen, so verbr«*it«*t si«*h di *
Pest unt«*r ihnen, wenn si«* erst einmal aiisgtü>roeln*n ist. überaus
leicht.
Di«» P«*stratt«*n sind aller nicht nur für ihtvsghüclien gefähr¬
lich. Mit ihren Auss«-li«‘idung<*n. die in grossen Meng«»» Pest¬
bacillen «»Inhalten, können um so leichter <Iie menschlichen Woh¬
nung«*» inli«*irt werden, als pestkranke Ratt«*n erfahrungsgeniäSs
die Solu*» vor dem Mensch«*» v«»rlieren, aus ihr«*» Schlupfwinkeln
h«*rvorkomm«*n mul nicht s«*lt«n in «l«*n Wohnungen verenden.
Eint* ähnli«*he Rolle können. wenn auch offenbar in gering«*reni
Maass«*. anscheinend die Mäuse spitdou.
Durch jene zum Tlu*il unterirdischen und ganz uncontrolh-
baren Verbindungen wird uns «las «»rwähnt«* scheinbar zusammen-
hangslos«» Auftreten »(‘tier Pestherde erklärlich, nicht minder auch
die ausg«*sproeh«rm* X«»hrimg «ler P«*st. in übervölkerten. eng«»ii
tjuart i«*r«*n sicli fest zu setzen und s«*lbst mit Fnt<»rbr«»chiingcn sich
zu «*rh;iltcn.
W«*nn die vorst«*h«*inl»*n Ausführung«*» zur Förderung d«*s
Yerstünd»iss«*s von «l«*m Wesen mul der Wrbreitiingsweisi» d«*r
Pest ladt ragen, so ist ihr Zweck erreicht. Mögen sie vor Allem
den Aerzten. falls die S<*iioh<* auch nach Deutschland verschleppt
w«‘r«l«*n sollte, die richtige Beiirtheilung der erst«*n Fälle erleich¬
tern. damit <liest‘lb<*ii alshald zur Anzeige gelang«*!!. Dabei braucht
wohl kaum lmrvorgehobrn zu w«*rden, «lass bei der ausserordent-
licli«»n Tragweite. wel«*ln» d«*r Feststellung des Ausbruches der
Pest an «ünemOrte zukommt, «li«» endgiltig«» Diagnose in den erst«*»
Fäll«*» nur im Einv«*rn«‘lmien mit «lern zuständig«*» M«»dicinal-
hcamtcii und auf (iruml verlässlicher bac-teriologisoher Unter-
suchuug ansg«*sproeh«*u w«*rden «larf.
Personalnachrichten.
Bayern. (Fortsetzung von Seite 33c
Erledigt: Di«* Bezirksarztstelle I. Classe in Wolfstein ist in
Erledigung gekommen. Bewerber um dieselbe haben ihre v«>r-
schriftsnnissig belegten Gesuche bei der ihnen Vorgesetzten k. Re¬
gierung, Kammer des Innern, bis zum S. Januar 1 DDO einzureichen.
Verzogen: Dr. Ilcunig von Göllheim mich Westpreussen.
T>r. Emst Holper (nicht Holpes' von Bayreuth nach Nürnberg.
Versetzt: Der Bezirksarzt. 1. Flusse Dr. Karl Vanselow in
Wolfstein, seiner Bitte «»»sprechend, in gleicher Eigenschaft auf
die Be/irksarztsstelle I. ('lasse zu Bad Kissingen.
Verliehen: Dem prakt. Arzte und Stabsarzte der Landwehr
Dr. Vincenz Bredatier in München, Leibarzte Weiland Sr. Kgl.
Hoheit des Herzogs Maximilian Emanuel in Bayern, der Verdienst¬
orden vom hl. Michael IV. Classe.
Morbiditätssta*istik d.lnfectionskrankheiten für München
in «ler öl. Jahreswoche vom 17. bis 23. December 1899.
Betheil. Aerzte 305. — Brechdurchfall 8 (6*), Diphtherie,
Croup lö (17), Erysipidas 1.'* (7), Intermitt«*ns. Xeuralgia interm.
1 (—), Kindbettthdier 1 (2), Meningitis cerebrospin. . (—), Morbilli
181 (K>0), Oiihthalmo-Blennon'hoea neonat. 4 (4), Parotitis epidem.
4 (9), Pneumonia erotiposa 25 (22), Pyaemie, Septikaemie . (—),
Rheumatismus art. ac. 27 (33\ Ruhr (dysenteria) . (—), Scarlatina
4 8), Tussis «-onvtilsiva 14 (22), Typhus abdominalis 1 v 2),
Vari«-elleii 12 (21), Variola, Variolois . (—). Summa 318 (313).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 51. Jahreswoche vom 13. bis 23. December 1899.
Bevölkerungszahl: 445 000.
Todesursachen: Masern 4 (-—*), Scharlach . (-), Diphtlmrie
und Croup 3 (4), Rothlauf . ( 2 ), Kindbettfieber . (1), Blutver¬
giftung (Pyaemie) . (—), Brecb«lurchfall 1 (1), Unterleibstyphus
. (1), Keuchhusten 2 (3), Croupöse Lungenentzündung 2 (3),
Tubemilosi* a) «ler Lungen 23 (21), b) der übrigen Organe 6 (11),
Acuter Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 4 (2), Unglücksfälle 1 (3), Selbstmord 5 (—), Tod durch
fremde Hand . (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 200 (209), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 23,4 24,4, für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,3 (16,4).
*) Die emgekhimm«*rten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Wring von .1. F. Lehman ii in München. — Druck von E. Mühlllmler s Huch- und Kunstdrucken» A.-G., München.
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We Btftnch. Med. Woehensohr. erscheint wdchentl.
ln Nnnunern von durchschnittlich 4—5 Bogen.
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ins Ausland 7.60 JL Einzelne No. ü0 4 .
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Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redaktion
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh-
mann, Reustrassc 20. — Für Inserate und Beilagen .
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MEDICINISCHE WOCHENSCHBIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ck. Bäumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, G. Gerhardt, W.». Heineke, 6. Merkel, J. 1 . Michel, H. 1 . Ranke, F.». Winckel, H. *. Zlemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. lierliu. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München
Erlaugen.
Nürnberg. Würzburg.
München.
München.
Al 2. 9. Januar 1900.
lledaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Ueber Krämpfe im Kindesalter.*)
Von Privatdocent Dr. J. Lange in Leipzig.
Als mir die ehrenvolle Aufgabe wurde, das Referat über
Krämpfe im Kindesalter zu übernehmen, war ich mir bewusst,
dass es sieh um eine ebenso heikle als wenig dankbare Aufgabe
handelte. Es gibt wenige Gebiete in der Kinderheilkunde, die so
verschwommen erscheinen, bei deren Besprechung die subjective
Anschauung eine so grosse Rolle spielt, wie gerade hier. Es gilt
dieses allerdings nicht für sämintliche Krampferscheinungen,
denen wir beim Kinde begegnen, wohl aber für diejenigen, welche
wir gemeinhin unter der Bezeichnung „Eklampsia infantum“ zu¬
sammenfassen. — Es schien unmöglich, im Rahmen eines Re¬
ferates Alles, was als „Krämpfe“ bezeichnet werden kann, ab¬
zuhandeln und haben wir daher im Einverständniss mit dem Vor¬
stande der Gesellschaft unser Thema auf die „Eklampsia
infantum“ beschränkt und ferner den Laryngospasmus und die
Tetanie nur gelegentlich gestreift, da ja erst 1896 in Frankfurt
a. M. diese das Thema der ausführlichen Referate der Herren
Loos und F i s c h 1 bildeten. Auf diese Weise haben wir es in
der Hauptsache mit den ersten zwei bis drei Lebensjahren zu
thun und — wenigstens scheinbar — ein mehr geschlossenes
Thema vor uns, aber Sie werden sehen, wie ausserordentlich um¬
fangreich es trotz alledem ist. Es wird uns auch so nicht mög¬
lich sein, alle Fragen, die sich beim Betreten dieses wüsten
Gebietes kaleidoskopartig vorschieben, genügend zu erörtern.
Ehe ich mich der naturgemäss interessantesten Seite der
Frage, der Aetiologie und der Pathogenese der Kinderkrämpfe
zuwende, dürfte es gerathen sein, die Symptome in gedrängter
Kürze zu präcisiren, welche wir unter diesem Namen zusammen¬
fassen.
Versuchen wir an der Hand der Beschreibung der Autoren
und eigener Erfahrung den acuten eklamptischen Anfall im All¬
gemeinen zu schildern, so sehen wir, dass er häufig wie aus
heiterem Himmel das scheinbar gesunde Kind überfällt, und
zwar bald mit, bald ohne mehr oder weniger stark angedeutetem
Kehlkopfkrampf, mit tonischer Starre der Extremitäten einsetzt,
um meist sehr bald in klonische Zuckungen überzugehen, die ver¬
schieden lange, von wenigen Secunden bis zu mehreren Stunden,
dauern können, um entweder direct zum Tode zu führen, oder
nach Aufhören der Krämpfe das erschöpfte Kind in Schlaf fallen
lassen, aus dem es unter Umständen durch einen neuen Anfall
aufgeschreckt wird. Dabei ist, bei den schwereren Convulsionen
wohl fast immer, das Bewusstsein erloschen, Pupillen- und Cor-
nealreflex geschwunden, die Augenlider stehen weit offen, die
grosse Fontanelle — falls noch offen — ist vorgewölbt, die Kiefer
sind fest aufeinander gepresst, oder werden krampfhaft ver¬
schoben, Schaum steht zuweilen vor dem Munde, die Lippen, die
Ohren, zuweilen die ganze äussere Haut sind livid bis dunkelblau;
die Athmung ist stertorös, oft unregelmässig, der Puls meist
sehr frequent, oft irregulär und inäqual, es geht oft Harn und
Stuhl unwillkürlich ab — ein Bild, das dem epileptischen Anfall
*) I. Referat, erstattet in der Abtheilung für Kinderheilkunde
der <1. Natinforsch*r Versammlung zu München lc99, von Privat-,
docent Dr. J. Länge-Leipzig.
No. 2. ^
Digitized by V^jOO
gleichen kann, wie ein Ei dem anderen. Ebenso aber, wie wir
bei der Epilepsie eine Reihe von graduell verschiedenen Formen
zu unterscheiden gewohnt sind, von der kurz dauernden Bewusst¬
seinstrübung, vom epileptischen Aequivalent bis zum grossen
Fallsuchtsanfall, ebenso finden wir auch beim Säugling eine
Reihe von Erscheinungen, die oft sehr schwierig zu beurtheilen
sind und wo es schwer hält, sich mit Sicherheit zu entscheiden:
ist der Zustand noch normal, oder haben wir es schon mit mo¬
mentaner Bewusstseinstrübung, mit wirklichen, motorischen
Reizerscheinungen zu thun, die nicht immer mit eompleter Be¬
wusstlosigkeit und Aufhebung der Empfindung einherzugehen
brauchen. Zum Theil sind hierher die sogenannten inneren oder
Kopfkrämpfe — nicht die „convulsions internes“ der Franzosen
— zu rechnen, die sieh bald durch leichtes Verdrehen der Augen,
bald durch leichtes Zucken der Mundwinkel oder anderer Ge-
siehtsmuskeln, Aufschreien und unruhigen Schlaf andeuteil.
Daher sind auch die Meinungen über die Häufigkeit von Pro¬
dromen sehr gctheilt. Es ist dies sehr erklärlich: Wird der
Patient über kurz oder lang von einem unzweifelhaften Anfall
gepackt, dann ist man nur zu leicht geneigt, von Vorboten zu
sprechen, treten keine deutlicheren Symptome auf, so wird man
keinerlei Werth auf derartige Kleinigkeiten legen. Zu erinnern
wäre noch an das Verhalten der Augen, die oft durch Aufwärts¬
rollen der Bulbi, dann wiederum durch wechselnde Erweiterung
und Verengerung der Pupille, durch oscillirende Bewegungen des
Augapfels, durch Schielen und Ausdruckslosigkeit den Anfall
einleiten können. Achten wir genauer auf die Gesichtszüge, so
fällt häufig eine initialeRunzelung der Stirne, ein rüsselförmiges
Spitzen des Mundes, auch wohl einseitiges Verzerren des Ge¬
sichtes u. s. w., auf. Die Respiration ist, unabhängig von einem
gleichzeitigen Glottiskrampf, häufig durch directes Ergriffensein
der Museulatur beeinträchtigt, das zu Asphyxie führen kann.
Der Leib ist krampfhaft gespannt, häufig meteoristiseh aufge¬
trieben, die Magengrube vorgewölbt. Die oberen Extremitäten
werden meist in einer sehr typischen Beugestellnug gehalten, (Tic
Oberarme sind an den Rumpf gepresst, die Unterarme spitzwinke¬
lig zum Oberarm gebeugt, die Hände gewöhnlich zur Faust ge¬
ballt, wobei der Daumen eingeschlagen zu sein pflegt, die Hände
sind ebenfalls gebeugt; seltener beobachtet man ein Spreizen der
Finger. Die Beine sind meist in ausgesprochener Pes equinus-
Stellung, die Zehen stark gebeugt, zuweilen so stark gegen die
Fusssohle und gegeneinander gekrümmt, dass die grosse Zehe
unter die zweite zu stehen kommt. Dabei werden die Extremi¬
täten, oft synchron mit dem Kopfe, in klonische Zuckungen
versetzt, die in einem gleichmiissigen Rhythmus zu verlaufen
pflegen. Zuweilen besteht Opisthotonus, Die Athmung kann
minutenlang sistiren, dann wieder unregelmässig, schnappend
auf treten, offenbar ein Zeichen von Störung der Zwerchfellsinner¬
vation. Was die Dauer des Anfalles betrifft, sind die Meinungen
ziemlich divergent. Die Einen behaupten, der einzelne Anfall
dauere nur ganz kurze Zeit und die Angabe stundenlanger
Krämpfe beruhe nur auf Täuschung, bedingt durch baldiges Ein¬
setzen einer neuen Attaque. Andere wieder haben Anfälle be¬
obachtet, die stundenlang dauerten, ohne dass man eine Pause
wahrnehmen konnte. Es dürfte wohl zuzugeben sein, dass in
Fällen von relativ geringerer Betheiligung der Athemmusculatur
die Zuckungen lange Zeit fortdauem können, ohne den Tod
durch Asphyxie herbeizuführen; ich habe erst in jüngster Zeit
Original from 1
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
38
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2,
einen fast zwei Stunden dauernden Anfall bei einem 7 jährigen
Knaben im Gefolge einer schweren gastrischen Störung be¬
obachtet, wobei thatsächlich gar keine Intermissionen vorkamen.
Sind aber Zwerchfell und die anderen Respirationsmuskeln mit¬
ergriffen, so wird ein intensiver Krampf eben innerhalb kürzester
Frist zum Tode führen müssen. Schon Trousseau, dem wir
überhaupt eine noch heute vollgiltige Schilderung der Sympto¬
matologie verdanken, macht darauf aufmerksam, dass es sich bei
derart lange Zeit dauernden Anfällen streng genommen mehr
um partielle Krämpfe handele, wie wir sie als Theilerschein-
ungen der Eklampsie in verschiedenen Gebieten auftreten sehen.
Die Meinung Trousseau’s, dass in solchen Fällen auch
der Verlust des Bewusstseins kein vollständiger sei, dürfte für
viele Fälle stimmen, da man auch schwaches Reagiren auf Nadel¬
stiche u. s. w. bemerken kann, aber doch nicht für alle. Das Ende
des Anfalles charakterisirt sich meist durch gestörten Rhythmus
der Convulsionen, tiefere Athemzüge, Nachlass der Contracturen,
Blasswerden oder Röthung der Haut und Schweissausbruch.
Fast immer schlicsst sich ein Zustand von Benommenheit an,
in dem die Kinder wohl auf Anrufen reagiren, ohne aber über
das Vorgefallene in’s Klare zu kommen. Treten keine neuen
Krämpfe auf, so verfällt der kleine Patient in Schlaf, um schein¬
bar ganz gesund, oft nur etwas blass und matt, zu erwachen.
Auf nähere Detaillirung der Symptome will ich nicht näher
eingehen, obwohl noch Vieles zu berücksichtigen wäre, vielmehr
zur Hauptfrage, der der Aetiologie des Leidens, mich wenden.
Wir sind, wenn wir uns den ursächlichen Verhältnissen
zuwenden, daran gewöhnt, die Convulsionen des Kindesalters in
organisch bedingte und in functione Ile Krämpfe
zu scheiden, wobei der Unterschied factisch nur darin liegt, dass
wir bei ersteren eine anatomisch nachweisbare Veränderung
nachzuweisen im Stande sind, während uns dieses greifbare Sub¬
strat in letzterem Falle bis dato fehlt. Für eine ganze An¬
zahl von Fällen dürfte dieser Nachweis in Zukunft noch geführt
werden können, da wir doch noch lange nicht die Grenzen der Er¬
kenntnis in dieser Richtung erreicht haben dürften. Bei
anderen wird es dagegen wohl nie möglich sein, da es sich voraus¬
sichtlich um schnell vorübergehende, event. chemisch wirkende
Agentien handelt, die keinerlei bleibende Laesion zu hinterlassen
brauchen. Sind uns besonders die mit Heilung endenden
Eklampsien ausserordentlich schwer zugänglich, so ist auch bei
den zur Obduction gelangenden Leichen die Trennung von Ur¬
sache und Wirkung zuweilen höchst schwierig. In der That sind
die pathologisch-anatomischen Befunde so ausserordentlich dürf¬
tig oder unsicher, dass ich gar nicht darauf eingehen will, zu¬
mal wir es ja nur mit der sogenannten funetionellen Eklampsie
im engeren Sinne zu thun haben. Aber, wie schon gesagt, auch
diese passageren Momente müssen vermuthlich in sehr ähnlicher
Weise auf die betreffenden nervösen Centralorgane wirken, wie
die bleibenden Läsionen, welche wir mit unseren, für diese Ver¬
hältnisse noch recht groben Mitteln und Werkzeugen unseren
Sinnen zugänglich machen können.
Die functioneile Eklampsie wird ferner von den meisten
Autoren in eine sympathische und eine idiopathi¬
sche Eklampsie geschieden, ob mit Recht, lassen wir zunächst
dahingestellt.
Die bei Weitem grössere Mehrzahl ist den sympathischen
Krämpfen zuzurechnen und ist diese Erkenntniss schon recht
alten Datums; so sagt Meissner schon zu Anfang unseres
Jahrhunderts: „Die Convulsionen kommen nur sehr selten als
idiopathisches, um so häufiger aber symptomatisches (sympathi¬
sches) Leiden vor“. Die Eklampsie ist eben keine Erkrankung
essentieller Art, wie etwa die croupöse Pneumonie oder die
Pocken, sie ist nur ein Symptom und es handelt sich meines Er¬
achtens darum, den Nachweis zu führen, dass schon jetzt die
allermeisten Fälle von Eklampsie direct auf einen pathologischen
Vorgang zurückgeführt werden können. Die Diagnose
Eklampsie oder Krämpfe müsste aus dem In-
haltsverzeichniss der Lehrbücher der Patho¬
logie und Therapie ebenso verschwinden,
wie etwa Fieber, Erbrechen oder Kopfschmerz.
Sehen wir zunächst von den idiopathischen Convulsionen ganz ab,
und beschäftigen wir uns vorerst nur mit den sog. sympathi¬
schen, so ist es wohl am einfachsten, wenn wir der Soltmani¬
schen Eintheilung folgen und eine Eklampsia reflectoria von
einer Eklampsia haematogenes trennen, wir werden
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nachher sehen, dass wir damit thatsächlich ganz gut auskommen.
Zu den Reflexkrämpfen werden nach seiner Eintheilung alle
diejenigen gerechnet, die durch irgend welchen „mechanischen
(traumatischen) Reiz, der die sensiblen Nerven, sei es der Haut
oder der Schleimhaut u. s. w. trifft“, ausgelöst werden. Hierzu
werden gerechnet: grosse und plötzliche Temperaturdifferenzen,
zu heisse Bäder, Verbrennungen, ferner Eiterungen, Wunden,
spitze Fremdkörper und dergleichen mehr, Nadelstiche, Um¬
schnürungen einer Zehe mit einem Haar; besonders aber sind es
Reize, die die Schleimhaut des Magendarmcanals und zwar vom
Munde bis zum After treffen, aber auch solche des Urogenital¬
apparates und der Respirationsorgane. Mit anderen Worten:
Auf jeden sensiblen Reiz kann die Antwort in Gestalt eines
eklamptischen Anfalles erfolgen, falls das betreffende
Individuum hiezu disponirt ist. — Hier möchte ieli
die Besprechung der Pathogenese des Krampfanfalles einschieben,
um später auf die verschiedenen Gelegenheitsursachen des
Näheren einzugehen. Nach der bekannten Arbeit von Kuss¬
maul und T e n n e r können durch künstlich herbeigeführte
Anaemie des Gehirns tonisch-klonische Krämpfe ausgelöst
werden, aber auch nervöse Hyperaemie sollte nach L a n d o i s
und Hermann analog wirken. Ferner würden vasomotorische
Störungen, die sowohl zu Anaemie, als auch zu Hyperaemie der
in Frage kommenden Theile führten, auch durch periphere Rei¬
zung sensibler Nerven veranlasst. Nun hat neuerdings Borysch-
polsky auf Grund experimenteller Untersuchungen den Beweis
zu führen unternommen, dass während des Anfalles der inter-
kranielle Druck steigt, die arterielle Zufuhr vermehrt sei. Es
handle sich also um a c t i v e Hyperaemie, die ausschliesslich
durch vasomotorische Factoren (Verengerung der Gefässe der
Körperperipherie und Erweiterung der Hirngefässe) verursacht
werde. Es scheinen demnach verschiedene Füllungsverhältnisse
des feinsten Gehirngefässnetzes Convulsionen hervorrufen zu
können, wenn diese Schwankungen schnell genug eintreten. Von
welchen Stellen aus der Anfall ausgelöst wird, hat besonders
Nothnagel durch Aimahme seines Krampfcentrums in der
Brücke zu erkennen geglaubt, aber Bechterew bestreitet das
Vorhandensein eines solchen und nimmt statt dessen an, dass die
Krämpfe durch die Uebermittlung der Reizung auf die moto¬
rischen Ilimrindenregionen bedingt werden. Für die Epilepsie
nehmen auch W e r n i c k e, G owers und andere Autoren als
Sitz der Affection die motorischen Rindenbezirke des Grosshirns
an. Es dürfte nach Allem, was wir bisher über die Epilepsie und
Eklampsie wissen, zum mindesten sehr berechtigt erscheinen,
wenn wir ähnliche Ursachen und ähnlichen Sitz für beide
Affectioncn annehmen. Nun aber kommt das Dilemma: das,
was wir als Eclampsia infantum bezeichnen, pflegt innerhalb der
ersten 2—3 Lebensjahre, selten noch später aufzutreten, um im
späteren Leben sich nicht wieder zu zeigen, während die Epilepsie
eine, mindestens im Laufe von Jahren, sich fortsetzende Reihe
von Anfällen bedingt, in den allermeisten Fällen aber unheilbar
erscheint; erstere pflegt ohne bleibende Schädigung zu ver¬
schwinden, letztere führt in vielen Fällen zu dauernden, psychi¬
schen Störungen.
Es war ein unbestreitbares Verdienst S o 11 m a n n’s, als
er durch eine Reihe experimenteller Arbeiten den Nachweis
lieferte, warum und wieso gerade das Nervensystem des jugend¬
lichen Säugethieres zu Krampfzuständen besonders neige und
zwar in Folge des Fehlens der psychomotorischen Rindencentren
und des Mangels der Hemmungsapparate im Rückenmark und
Gehirn und der erst herabgesetzten und späterhin gesteigerten
Erregbarkeit, sowohl der sensiblen, als auch der motorischen
Nerven. Durch die Arbeiten Westphal d. Ae. und besonders
Westphal d. J. haben diese Untersuchungen ihre weitere Be¬
stätigung gefunden. Von anderer Seite ist freilich darauf hin¬
gewiesen worden, dass erst nach Ablauf der ersten Lebensmonate
die ocasionellen Verhältnisse gehäuft Vorkommen, die wir für
die Eklampsie verantwortlich zu machen pflegen, so namentlich
die acuten Verdauungsstörungen, Erkältungen, Infectionen
u. s. w. Nach Soltmann ist also in der physiologischen Ent¬
wicklung des kindlichen Gehirns die Disposition der betreffenden
Altersclassen für die Convulsionen zu suchen. Aber diese
schönen Untersuchungen sind schliesslich doch nicht im Stande
gewesen, den Schleier zu lüften, denn sie beweisen zu guter Letzt
doch nur die grössere Disposition des jugendlichen Kindesalters
für die in Frage kommenden Convulsionen. Es ist nicht recht
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
!l Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
89
ersichtlich, warum das eine Kind bei irgend einer Gelegenheits-
Ursache Eklampsie bekommt, das andere Gleichalterige bei der
gleichen Ursache nicht. Ich möchte hierbei gleich an die alte
Lehre von den Zahnkrämpfen erinnern: War ein Kind in dem
entsprechenden Alter und hatte es Convtilsionen, so nannte man
cs und nennt es leider auch jetzt noch „Zahnkrämpfe“ und doch
weiss jeder Laie, dass die überwältigend grosse Mehrzahl der
kleinen Geschöpfe seine Zähne bekommt, ohne je von Krämfen
befallen zu werden. — Die Lehre von den wenig entwickelten
Ilommungscentren gibt uns wohl in Gemeinschaft mit der an¬
fänglich sehr geringen, später aber relativ schnell sich steigernden
Erregbarkeit der peripheren Nerven eine Erklärung, warum ge¬
rade in dem Alter vom 4. Monat bis Ende des 1. Lebensjahres
etwa die Eklampsie relativ häufig auf tritt—a ber die Aetio-
logie selbst lässt sie dunkel.
Nehmen wir den vorhin verlassenen Faden wieder auf, und
sehen wir zu, was reflectorisch Alles Convulsionen auslösen kann,
so finden wir ferner angeführt: Fremdkörper in Nase, Rachen,
Oesophagus; im Ohr, Kehlkopf und Trachea; intensive Haut¬
reize, zu eng anliegende Kleidungsstücke, Nadeln in den Win¬
deln, Hautfurunkel, besonders Incision solcher, Einstechen von
Ohrringen u. s. w. Wenden wir uns dem Digestionstractus zu,
sc» kommen wir gleich zu dem umstrittensten Gebiete: den Zahn¬
krämpfen.
Es kann nicht das Amt eines Referenten sein, in seinem Re¬
ferate seine eigene Meinung ohne Berücksichtigung anderer An¬
schauungen auszusprechen. Im Gegentheil, m. E. ist der Re¬
ferent dazu da, ein möglichst objectives Bild von dem jeweiligen
Srnnde des Themas zu bieten. Wäre dieses nicht der Fall,
so würde ich mich etwa so äussern: Betreffend den Begriff der
Dentitionskrämpfe, den ich leider streifen muss, glaube ich, dass
wir denselben endlich in die Rumpelkammer mittelalterlicher
Anschauungen verweisen müssen. Es gibt kaum so schlecht ge¬
stützte Lehren in unserer an Zweifelhaftem noch recht reichen
Pathologie, als eben diese. Man ist wohl vorsichtiger geworden
mit der Diagnose „Zahnkrämpfe“, man gibt sie nur noch zu,
..wenn anderweitige Krankheitserscheinungen nicht zu entdecken
sind“, — man gehe doch lieber einen Schritt weiter und gestehe
zu, dass man noch nicht in der Lage ist, in jedem einzelnen Falle
den Punkt oder den Weg nachzuweisen, von wo aus der Krampf¬
anfall ausgelöst wird. — Aber, wie gesagt, ich muss objectiv re-
pistriren, dass eine grosse Anzahl von Paediatern sowohl, als auch
besonders von Neurologen die Zahnkrämpfe theils als ganz etwas
Sei!»stverständliches, theils mit der oben erwähnten Clausel ab¬
handelt. So gibt z. B. G o w e r s bei der Aetiologie der Epilepsie
für ca. 10 Proc. Zahnkrämpfc an und ähnlich behandeln andere
Neurologen diesen Begriff gewissermaassen als Glaubenssatz.
Eine Reihe anderer Autoren negiren sie vollständig, so Kasso-
w i t z, Coraby und viele Andere. Ich persönlich habe ebenfalls
bisher noch keine Dentitionseklampsie gesehen. Gehen wir
weiter, so finden wir Hinweise auf den Einfluss von Erkrank¬
ungen und Volumvergrösserungen der Gaumen- und Rachen-
tonsillen (Hahn) und auch die Hypertrophie der Uvula wird
beschuldigt, die eklamptischen Anfälle erregt zu haben. Die
Heilung wurde in einigen Fällen durch Resection derselben an¬
geblich prompt bewirkt. Ferner wird Ueberladung des Magens
mit schwerverdaulichen Massen (klumpigen Caseingerinnseln,
Fremdkörper) acute Gastritis, Erkrankungen des Magendarm¬
canals, beginnend mit einfacher Dyspepsie bis zu schweren dysen¬
terischen Processen, Würmer, Afterfissuren, Mastdarmpolypen,
angeführt. Besonders die Fissura ani kann durch den bei det
Defaecation ausgeübten Reiz zu den schwersten epileptiformen
Krämpfen führen, welche nach Abheilung der Fissur für immer
verschwinden. Nennen wir noch kurz die Störungen von Seiten
der Urogenitalorgane, wie Blasen- und Nierensteine, Katarrhe,
Phimosis, Eichelsteine, Verletzungen u. s. w., so hätten wir ziem¬
lich Alles angeführt, was auf reflectorischem Wege die Krämpfe
auslösen soll.
Wir müssen nun eijier grossen Gruppe von Krämpfen
gedenken, die wir mit einer grossen Häufigkeit im Beginne
von acuten, fieberhaften Infectionskrankheiten beobachten
und die wir daher als initiale infectiÖse Eklamp¬
sien bezeichnen. Es sind hauptsächlich zwei Anschau¬
ungen, die sich hier gegenüberstehen, die Einen machen das
Krämpfen gedenken, die wir mit einer gewissen Häufigkeit im
beginne von acuten, fieberhaften Infectionskrankheiten be-
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obachten und die wir daher als initiale infectlöse
Eklampsien bezeichnen. Es sind hauptsächlich zwei An¬
schauungen, die sich hier gegenüberstehen, die Einen machen das
plötzlich ansteigende, hohe Fieber für die Auslösung des Krampf¬
anfalles verantwortlich, die anderen dagegen die Toxine der z. Z.
noch unbekannten baeteriellen Krankheitserreger. Was die erste
Anschauung anbetrifft, so ist sie aus dem Grunde in vielen
Fällen nicht recht haltbar, weil wir gar nicht selten initiale
Krämpfe bei Pneumonien, Scharlach etc. sehen, ohne dass eine
nennenswerthe Temperatursteigerung stattfindet. Zugegeben,
dass sich dies durch eine ganz besonders gesteigerte Disposition
erklären lässt, so ist es doch viel einfacher, wenn wir eine
bacterielle Giftwirkung annehmen und zwar gerade in Folge der
auffallenden Häufigkeit, mit der die initialen Convulsionen bei
bestimmten Infectionskrankheiten Vorkommen. So ist längst
bekannt, dass besonders die Variola, der Scharlach, gewisse
Formen von lacunären Anginen und acuten Spitzenpneumonien
sich dadurch auszeichnen. Durch die Annahme einer verschieden¬
artigen Einwirkung des specifischen Krankheitsgiftes auf die
nervösen Organe wäre diese Thatsache unserem Verständniss
bedeutend näher gerückt. Nun kann es natürlich auch zu Com-
binationen kommen, insofern Giftwirkung und anatomische
Laesion die Krämpfe gleichzeitig bedingen können; als classi-
sches Beispiel hiefür nenne ich nur die Polioencephalitis und die
Poliomyelitis ac. anterior. Hier handelt es sich doch wohl
immer um anatomische Veränderungen des Rückenmarks, resp.
des Gehirns, die die Bezeichnung f unctionell nicht mehr gestatten,
wenn schon sie nach unseren modernen Erfahrungen als echte
Infectionskrankheiten aufzufassen sind. Eine dritte ältere Auf¬
fassung ist die Vergleichung des initialen Krampfes mit dem
Schüttelfröste des Erwachsenen, den man ja ebenfalls durch den
raschen Fieberanstieg erklären wollte. Als Typus hiefür konnte
besonders die Febris intermittens gelten, aber auch hier kommt
ein unbekanntes, geheimnissvolles Etwas hinzu, denn sonst
müsste jeder Malariaanfall bei jedem Kinde die Convulsionen
auslösen, wenn das Fieber hoch ist — und das ist absolut nicht
der Fall. Meine eigenen Erfahrungen über Malaria sind übrigens
viel zu gering, um eine eigene Meinung hierüber haben zu
können. Schwierig ist es, sich vorzustellen, warum die Krämpfe
bei den meisten Infectionskrankheiten gewöhnlich nur im Be¬
ginn ein- eventuell zweimal auftreten. Man könnte annehmen,
dass es sich um eine sehr schnelle Gewöhnung an das Gift
handelt — aber die Beobachtungen sind wiederum nicht extrem
selten, wo die Anfälle sich mehrfach, ja tagelang wiederholen
können. Die Heranziehung einer Art Idiosynkrasie gegen das
betreffende Toxin ist etwas gewaltsam, aber doch wohl kaum zu
umgehen. Schliesslich muss noch der Möglichkeit kleinster Em¬
bolien im Rindengebiete durch Verschleppung kleinster endo-
carditischer oder bacterieller Massen gedacht werden, wobei
eine klinische Diagnose der Endocarditis nicht einmal nothwendig
zu sein braucht, doch würden das nicht mehr functionelle
Krämpfe sein.
Verlassen wir die acuten Infectionskrankheiten und wenden
wir uns den chronischen Inf ectionen resp. den Constitutionskrank¬
heiten zu, so sind es spcciell die Rhachitis, weit seltener die
hereditäre Syphilis, aber auch die Skrophulose, die angeschuldigt
werden, eine Disposition zu Convulsionen zu schaffen. Obwohl
von anatomischen Laesionen bei im eklamptischen Anfall ver¬
storbenen Kindern so gut wie nicht die Rede ist, so wird doch
immer und immer wieder der innige Zusammenhang zwischen
Rhachitis und Eklampsie—Spasmus glottidis, Tetanie, Contrac-
turen — u. s. w. betont, und es macht dieses Dogma entschieden
grossen Eindruck. Ist aber ein zwingender Beweis für die Ab¬
hängigkeit der Convulsionen von der Rhachitis erbracht? Wenn
wir mit Kassowitz als solchen die günstige Beeinflussung
beider Zustände durch den Phosphor betrachten, dann ja — aber
könnte da nicht mit ähnlichem Rechte Jemand eine Beziehung
zwischen Malaria und Keuchhusten befürworten, die gegebenen
Falles beide günstig auf Chinin reagiren, oder Chlorose und
Chorea auf Arsen und so fort? Es ist sehr schwer, den Beweis
zu erbringen, dass eine derartig verbreitete Krankheit wirklich
die Ursache einer doch relativ seltenen Affection sein soll. Da¬
bei muss immer wieder betont werden, dass man sowohl schwerste
Rhachitis ohne Spur von irgend welchen Krämpfen verlaufen
sieht, nls auch leichteste Rhachitis mit schwersten Convulsionen,
andererseits kommt Eklampsie auch bei Kindern vor, die noto¬
risch keine Spur von Rhachitis zeigen,
1 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
40
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Im letztön Jahrzehnt hat nun eine neue Lehre in die all¬
gemeine Pathologie Aufnahme gefunden; ich meine die Lehre
von den Autoinfectionen und Autointoxicationen. Nichts lag
näher, als dass auch für das dunkle Problem der Eklampsieaetio-
logic diese Autointoxicationen das aetiologische Moment bilden
sollten. Einem grösseren paediat.rischen Publicum sind hierher¬
zielende Anschauungen auf dem Internat, medicinischen Con-
gress in Rom 1893 von Frl. Dr. Chernbach vorgetragen
worden. Die C h e r n b a c h’schen Versuche schlossen sich an
Arbeiten französischer Autoren über die Toxicität des Harns,
speeiell auch eklamptischer Frauen, an, die direct oder indirect
auf das grundlegende Werk B o u c h a r d’s: „Logons sur lcs auto-
intoxications dans los maladies“ (1887), das den klinischen Be¬
griff eingeführt hatte, sich stützten. Es ist nicht möglich, auf
die Autointoxicationslehre hier des Näheren einzugehen, ins¬
besondere da dieses Thema noch sehr umstritten und variirt wird.
Es dürfte für unsere Zwecke vielleicht genügen, zu erwähnen,
dass bereits voriges Jahr Friedrich Müller in Wiesbaden die
sogen, enterogenen Intoxicationcn gestrichen haben wollte. Ge¬
rade diese sind es aber, die für unsere Frage mit besonderer Vor¬
liebe herangezogen werden. Bei diesen Vergiftungen durch die
Aufnahme von Toxinen durch die Gastrointestinalschleimhaut
haben wir es fast ausschliesslich mit „Bacteriemvirkung auf
Darmsecrete und Darminhalt“ zu thun. Bedingung hiefür ist:
vermehrte Giftbildung, abnorme Anhäufung und günstige Re¬
sorptionsverhältnisse. Nach dem Schema von Martius werden
diese wiederum getheilt in 1. Formen, die durch Nachweis des
enterogenen Giftes im Urin fest gestellt worden sind und
2. solche, die klinisch als enterogene Intoxicationcn ohne Nach¬
weis des specifischen Giftes charakterisirt sind. Hierzu rechnet
er speeiell die enterogene Tetanie.
Viel klarer ist die zweite Hauptgruppe, die der Körper-
stoffwechselgifte, wobei es sich um ganz alltägliche Stoffwechsel-
producte handelt, die durch mangelhafte Ausscheidung zu einer
Anhäufung im Organismus und nun zur Giftwirkung führen,
es sind das 1. die C0 2 -Vergiftung bei Insufficienz der Athmung,
2. die Uraemie bei Insufficienz der Niere und 3. das Auftreten
schwerer nervöser Symptome nach ausgedehnten Hautverbrenn¬
ungen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass alle diese
3 Intoxicationen zu schweren Krampferscheinungen führen.
Die C h e r n b a e loschen, an einem sehr grossen Material
gewonnenen Ergebnisse hatten den Nachweis erbracht, daa der
sogen, urotoxische Coeffieient im Ilarne eklamptischer Kinder
ein relativ höherer sei, als im Harne Erwachsener. Abgesehen
davon, dass die Methodik der französischen Schule, die sich an
die Namen Bouchard’s, C h a r r i ns und ihrer Schüler
knüpft, nicht als einwandsfrei bezeichnet werden kann, ja sogar
von Fr. Müller, Brieger u. A. als ganz unzureichend und
grob bezeichnet worden sind, so möchte ich insbesondere darauf
‘ hinweisen, dass es unzulässig erscheint, bei Eklampsien, die bald
scheinbar essentiell, bald im Beginn oder im Verlauf von lnfec-
tionskrankheiten eintreten, bald an Erschöpfungszustände oder
an CXX-Intoxication sich anschliessen, — als von einem nur
einigermaassen vergleichbaren Materiale zu reden. Wir sind
schliesslich doch nur im Stande, uns eine Autointoxication nach
Analogie der uns bekannten exogenen Vergiftungen vorzu¬
stellen.
Wir wissen aber auch, dass gewisse Gifte speeiell auf das
Nervensystem des jungen Thieres, resp. Menschen, auffallend
stärker krampferregend wirken; es sind dieses speeiell die Opiate.
Andere Gifte wirken wiederum weniger intensiv, z. B. das
Chloralhydrat etc. — Nun ist es leider nicht möglich, die Resul¬
tate von Thierversuchen direct auf den Menschen zu übertragen
und zwar besonders, weil schon die einzelnen Thierarten sieh
ausserordentlich verschieden gegen dasselbe Gift verhalten. So
vertragen z. B. Hunde und Katzen beide verhältnissmässig sehr
grosse Mengen Morphium, aber die Wirkung ist zunächst eine
total verschiedene: bei der Katze beobachten wir hochgradigste
Erregungszustände, offenbare Hallucinationen, während auf den
Hund die Morphininjection in prompter Weise als Abführ¬
mittel wirkt, worauf ■ sehr bald tiefer, ruhiger Schlaf eintritt.
Erst bei sehr grossen Mengen zeigen sich Krämpfe, die man
eher als Erstickungskrämpfe auf fassen kann. Fast am meisten
ähneln dem eklamptischen Anfalle die Strychnin- aber auch
Morphinkrämpfe junger Katzen.
Ausgehend von der Idee, dass es doch möglich sein könnte
im Ilarne eklamptischer Kinder durch den Thierversuch krampf-
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erregende Gifte nachzuweisen, ohne dabei so grosse Mengen von
Harn in’s Gefässsystem der Versuehsthiere einzubringen, wie es
die angeführten Versuche thaten, habe ich eine Anzahl Versuche
angestellt. Ich habe einer Reihe von Fröschen, jungen Kanin¬
chen und jungen Hunden kleine Mengen des möglichst frischen
filtrirten Harnes suheutan injicirt. Leider kann ich aber nur
über zwei positive Resultate berichten. Einmal trat bei einer
mittelgrossen Rann esc ul ent a nach Injection von 1 ccm Harn
nach 57 Minuten ein tetanischer Anfall auf, der von einer Reihe
klonischer Zuckungen abgelöst wurde und nach einer weiteren
Stunde unter Erscheinungen von Herzlähmung zum Tode führte,
während Controlinjectionen mit Harn eines gesunden Säuglings
und mit 10 proc. Harnstofflösung bei gleich grossen Fröschen
ohne jede Reaction vertragen wurden. Es handelte sich um ein
siebenmonatliebes rhachitisches Kind mit Spasmus glottidis und
massiger Eklampsie ohne Fieber. Aber ein ca. 800 g schweres,
junges Kaninchen vertrug 5 ccm desselben Harnes, ohne zu
reagiren, und Harn von demselben Kinde, aber drei Tage später
entnommen, nachdem sich inzwischen keine Convulsionen gezeigt
hatten, blieb auch bei Fröschen ohne jeden Einfluss. Der Ver¬
such, aus dem giftverdächtigen Harne mittels Alkoholfällung ein
Toxin zu erhalten, ergab ein völlig negatives Resultat. Für
weitere Untersuchungen war leider die Hammenge zu gering.
Der zweite Fall, bei dem ich mich von einer deutlichen Toxi¬
cität des Harnes überzeugen konnte, betrifft ein lOmonatliches
Kind, massig rhaehitiseh, welches nach einer ca. 10 Tage dauern¬
den Verdauungsstörung plötzlich mit Erbrechen und heftigem
Durchfall, hohem Fieber (40,3 °, Puls 160) und schweren, mehrere
Stunden anhaltenden Convulsionen erkrankte, und dem ich mit
dem Katheter ca. 15 ccm Ham entnehmen konnte. Der Harn
war deutlich sauer, hatte sehr geringen Eiweissgehalt und ging
ein mittelgrosser Frosch nach Injection von 1 ccm filtrirten
Harnes unter allgemeinen Lähmungserscheinungen binnen 55
Minuten zu Grunde. 3 ccm desselben Harnes, einem 16 Tage
alten, 335 g schweren Kaninchen injicirt, verursachten nach ca.
45 Minuten massiges Unbehagen und leichte Zitterbewegungen,
aber schon eine Stunde später war Fresslust und Munterkeit
wieder vorhanden. Leider starb das Kind wenige Stunden später,
ohne dass nochmals Harn erlangt worden wära Die Seetion
wurde verweigert. In einer Reihe von Controlversuchen mit
Harn von nicht an Krämpfen leidenden Kindern habe ich nie
irgend welche Vergiftungserscheinungen gesehen, aber auch nicht
bei Verwendung von Harn von 9 weiteren eklamptischen Säug¬
lingen. Immerhin lehren derartige Versuche, dass durch den
Harn gewisse Stoffe ausgeschieden werden können, die im
Stande sind, krampferregend oder auch lähmend zu wirken, denn
von einer Einwirkung zu grosser Injectionsmengen kann hier
nicht wohl die Rede sein. Wie weit es sich dabei aber um Auto¬
intoxication handelt, ist damit gar nicht bewiesen, e3 kann ebenso
gut eine echte Vergiftung sein.
Wenn ein Kind Krämpfe hat, weil die Amme dem Alkohol
huldigt, so ist das wohl eine Intoxication, aber keine Autointoxi¬
cation. Ich kann auch nicht zugeben, dass es sich um einen
reflectorisclien Krampf handelt, wenn einem Säugling Wein
oder Schnaps eingeflösst wird. Das sind einfache Vergiftungen.
Ebenso muss man die Fälle von Convulsionen bei Darmparasiten,
speeiell Ascariden, auffassen, da die Stoffwechselproducte der¬
selben giftig zu wirken im Stande sind. Uebergehen wir die
Krämpfe bei Intoxicationen mit ectogenen Giften, da sie ja für
unsere Frage nur ditferentialdiagnostisch in Betracht kommen.
Dagegen wäre der Convulsionen zu gedenken, welche wohl
die grösste Rolle bei den Mortalitätsstatistiken spielen, ich meine
die terminalen Convulsionen durch CO,-Intoxication. That-
sächlich sind es diejenigen Krämpfe, die am meisten dem Bilde
entsprechen, das man sich als Autointoxication vorstellen kann.
In der That wird die C0 2 im Organismus selbst erzeugt und nur
durch zu geringe Abgabe und verringerte O-Aufnahme tritt
eine derartige Ueberladung des Blutes mit derselben ein, dass
eine so weitgehende Schädigung des Centralnervensystems zu
Stande kommt, dass sie zu Krämpfen, resp. schnell zum Tode
führt. Klinisch müssen wir hier zweierlei trennen: erstens kommen
hier Erkrankungen der Respirationsorgane in Betracht, wobei
theils durch Verringerung der Respirationsoberfläche O-Mangel
und C0 2 -Ueberladung des Blutes statt hat — das Paradigma
hierzu wäre etwa die acute Capillarbronchitis, ferner die Larynx-
stenose beim Croup, und zweitens die in Folge eines Spasmus
glottidis auftretende Asphyxie, die secundär wieder zur C0 2 -
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Vergiftung führen kann und hierdurch gesteigerte Eklampsie
un d Tod herbeizuführen im Stande ist — ein Circulus vitiosus,
wie er schlimmer nicht gedacht werden kann. Ihn, in gewissem
Sinne, analoge Vorgänge handelt es sich bei den gefürchteten
Convulsionen beim Keuchhusten, der ja schon eine gewisse
Spasmophilie bedingt und wo durch die Asphyxie wiederum
nervöse Stauung im Gehirn erzeugt wird, die ja bekanntlich bis
zu Gehirnblutungen führt.
Wir mögen uns drehen und wenden, wie wir wollen,
e* bleibt immer die Grundfrage, wie wir uns die, ab¬
gesehen von der Altersdisposition, gesteigerte Neigung zu
Convulsionen erklären wollen. Wie ich schon erwähnte, ist
es hier wieder einmal die Rhachitis, dies Mädchen für Alles,
die herhalten muss, und es lässt sich nicht leugnen, dass viele
Gründe für diese Theorie zu sprechen scheinen. Die grosse
Mehrzahl der Autoren vertritt heute diesen Standpunkt, mögen
sie nun die Rhachitis als solche auf das Nervensystem alterirend
wirken lassen, oder wie andere meinen, Convulsibilität und Rha¬
chitis auf die gleichen Ursachen zurückführen. An die Idee
E 1 s ä s s e Fs, dass der Spasmus glottidis durch Druck auf die
rareficirten Hinterhauptsknochen hervorgerufen würden, glaubt
man ja heutzutage meist nicht mehr, aber ich möchte betonen,
dass es doch Fälle gibt, wo man durch manuelle Compression
oder noch eher durch Verschiebung der Schädelknochen, Krampf¬
anfälle hervorrufen kann.
Auch die Kassowit z’sche Ilyperaemielehre hat sich
keine Anerkennung verschaffen können. Eine Erklärung hat
auch G o w e r s versucht, er meint: „Zu der Zeit, in der dieser
constitutionelle Zustand hauptsächlich auf tritt, ist die Entwick¬
lung der Structuren des Nervensystems bereits vollendet. Aber
es ist wahrscheinlich, dass die functionelle Capaeität erst nach
vollendeter structureller Entwicklung ganz vorhanden ist, und
die zuletzt zur Entwicklung gelangten Theile mögen mehr von
dem allgemeinen Entwicklungsdefect betroffen werden, als die¬
jenigen Theile, welche schon länger fertig und gebrauchsfähig
waren.“ Für die Beeinflussung des Nervensystems durch die
Rhachitis spricht ja auch die Beobachtung E p s t e i n’s über
kataleptische Erscheinungen bei Rhachitikern, ferner die An¬
nahme von rhachitischen Lähmungen, besonders der unteren Ex¬
tremitäten, nach der Auffassung von Vierordt und Anderen.
Auch Escherich hat sich mit seiner Lehre von der Tetanie
stark dem rhachitischen Ursprünge derselben genähert. .Nehmen
wir als letzte Ursache der Rhachitis eine Infection oder Intoxi-
cation, vielleicht hereditärer Art an, dann liegt es auch hier
nahe, von Autointoxication zu sprechen, die das Nervensystem
zu dem nothwendigen Grade von Uebererregbarkeit führt, dass
durch sonst harmlose Anlässe der eklamptische Anfall ausgelöst
wird. Auch mit der Reflexeklampsie kommen wir nicht ohne
ähnliche Annahme aus; es gehört nothwendig eine individu-
elleDisposition hinzu. Sonst ist nicht einzusehen, warum
z. B. ein Kind bei Incision eines Furunkels schwere Eklampsie
bekommt, während ein anderes unter genau den gleichen Ver¬
hältnissen den Eingriff mit einem Aufschrei quittirt. Genau
ebenso verhält es sich mit all’ den anderen Anlässen, die reflec-
torisch Krämpfe zu verursachen im Stande sind. Es lässt sich
nicht leugnen, dass die Autointoxicationslehre für das Verständ-
niss des Zustandekommens einer solchen Disposition eine neue
Möglichkeit erschliesst, obwohl sie noch hypothetisch ist. In
diesem Sinne können wir auch die S o 11 m a n n’sche haema-
togene Eklampsie anerkennen, wenn wir sie so auffassen, dass
die betreffenden Schädlichkeiten auf dem Blutwege oder durch
das Blut der Hirnrinde übermittelt werden, während es sich bei
der reflectorischen Eklampsie bald um vasomotorische Störungen,
bald um Blutdruckschwankungen handelt.
Wenn ich mich nun zur Frage der Differentialdia¬
gnose wende, so versteht es sich von selbst, dass es sich in der
Hauptsache darum handelt, ob sich eine directe Ursache für die
Eklampsie in Form eines organischen Leidens, einer Infections-
krankheit u. s. w. finden lässt oder nicht. Am wichtigsten aber
wäre es, festzustellen, ob es sich um Eklampsie, d. h. also um
einen vorübergehenden Zustand handelt oder um wahre Epi- *
lepsie, und gerade hier lässt uns die Diagnostik so gut wie voll¬
ständig im Stich. Der einzelne Anfall als solcher ist überhaupt
nicht von dem epileptischen zu unterscheiden, ja manche Neuro¬
logen, an ihrer Spitze der bedeutende Kenner der Epilepsie,
F 6 r 6, wollen die beiden Zustände gar nicht getrennt wissen.
Das eine ist eine Epilepsie die früh zur Heilung gelangt, das
. No. 2 .
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andere heilt erst spät oder auch gar nicht aus. Weder die Dauer
des Anfalles, noch die verschiedene Schwere der Convulsionen,
noch die Tiefe der Bewusstlosigkeit gibt uns einen Anhaltspunkt
für unser Urtheil. Das Wenige, das wir wissen, lässt sich mit
wenigen Worten sagen: wir werden an Epilepsie denken müssen,
wenn die Anamnese hereditäre Belastung ergibt, sodann wenn
das Wiederauftreten der Krämpfe in verschieden grossen Inter¬
vallen ohne nachweisbare Gelegenheitsursache sich wiederholt
und ferner, wenn in der anfallsfreien Zeit psychische, vaso¬
motorische und andere Störungen sich zeigen, die als epileptoide
imponiren; es gilt dieses natürlich im Allgemeinen nur für
ältere Kinder. Nur eine langdauernde, sorgfältige Beobachtung
kann zur sicheren Diagnose führen. Es ist auch behauptet
worden, dasss die Epilepsie sich erst im Gefolge eines eklamp*
tischen Anfalles, also durch diesen gesetzte corticale Verände¬
rungen, entstehen könne. Wie gross die Anzahl der Epileptiker
ist, die als kleine Kinder Eklampsie gehabt hatten, entzieht
sich einer genaueren Berechnung. Die Angaben, die ich in der
Literatur gefunden habe, schwanken zwischen 8 Proc. und
34 Proc.! G o w e r s gibt an einer Stelle an, dass bei ein Achtel
aller Epileptiker der Beginn des Leidens in die 3 ersten Lebens¬
jahre fällt. Er vertritt auch mit besonderer Schärfe die Idee,
dass Reflcxconvulsionen, die durch verschiedene Ursachen, bei¬
spielsweise durch Wurmreiz bedingt waren, nicht für immer zu
verschwinden brauchen, „vielmehr als idiopathische Epilepsie
weiterbestehen können, augenscheinlich als Folge der im Nerven¬
system durch die primären Convulsionen hervorgerufenen Ver¬
änderungen“. Auf die epileptische Natur der bei älteren Kindern
vorkommenden Salaamkrämpfe, die anfänglich, im ersten und
zweiten Lebensjahre mit den harmlosen analogen Formen bei
— wie Raudnitz meint — in lichtarmen Wohnungen auf-
wachsenden Raehitikern zu verwechseln sind, habe ich bereits
in Braunschweig hingewiesen.
Aber nicht nur als Vorläufer der Epilepsie, sondern auch der
Hysterie ist die Eklampsie beobachtet worden. In letzter Zeit
haben speeiell Bruns, Fürstner und Oppenheimer
hierauf hingewiesen. Jedenfalls ist diese Frage noch nicht ge¬
nügend klar gelegt. Mein Herr Correferent wird weitere dia¬
gnostische Momente berücksichtigen.
Ich muss Ihre Aufmerksamkeit noch für einige Augenblicke
in Anspruch nehmen, um der Therapie einige Worte zu
widmen.
Von prophylaktischen Maassregeln will ich der Kürze halber
absehen. Als selbstverständlich scheint es, dass man bei sehr
erregbaren, vielleicht hereditär belasteten Kindern plötzliches
Erbrechen, Angstzustände und Erregungen möglichst vermeidet.
Eine vernünftige, somatische oder psychische Hygiene wird auch
hier das richtige treffen. Hat das Kind bereits Convulsionen ge¬
habt, so ist es in erster Linie nothwendig, so weit als möglich dar¬
über klar zu werden, ob es sich um eine bestimmte, genauer rubri-
cirbare Form von Eklampsie handelt, etwa um initiale Eklampsie
im Beginne einer Infectionskrankheit u. s. w. In einem solchen
Falle wird man von einer Behandlung der Krämpfe selbst fast
stets absehen können, es sei denn, dass es sich um ganz besonders
schwere und gefahrdrohende Attacken handelt. Anders wenn wir
in der Lage sind, die Stelle aufzufinden, von der aus die Anfälle
ausgelöst werden. Die Entfernung eines Ceruminalpropfes, von
adenoiden Wucherungen, die Operation einer Phimose können
mit einem Schlage die hartnäckigsten Krämpfe beseitigen. Im
acuten Anfall wird es sich um eine rein symptomatische Therapie
handeln.
Wie beim epileptischen Anfall sorgt man für Lockerung
beengender Kleidung, besonders am Halse und am Leibe, um
Athmung und Blutumlauf möglichst wenig zu hindern. Ferner
empfiehlt sich jedenfalls die Anwendung eines lauwarmen Bades
mit vorsichtigen, kühlen Uebergiessungen. Ist ein Bad nicht
zu beschaffen, so können kühle Umschläge, event. auch isolirt,
auf den Kopf empfohlen werden. Von Eisbeutel, kalten Pack¬
ungen und kalten Bädern bin ich persönlich ganz abgekommen,
sie schienen mir öfters sogar erregend zu wirken. Das beliebte
Besprengen des Gesichts und der Brust mit kaltem Wasser hilft
bei schweren Anfällen nichts, in leichteren ist vielleicht eine An¬
regung der Respiration zu erwarten. Auch die Verabreichung
beruhigender oder ableitender Klysmata mit Kamillen- oder
Essigzusatz hat keinen besonderen Effect, für leichtere Fälle
sind sie immerhin empfehlenswerth.
2
Original fro-m
UNIVER5ITV OF CALIFORNIA
42
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Eine weitere Methode besteht in dem Ansetzen von Blut¬
egeln an den Nacken, resp. die Warzenfortsätze, eine Behandlung,
die nur bei sehr kräftigen Kindern und intensivem Blutzudrang
nach dem Kopfe eine Berechtigung hat. In wirklich schweren
Fällen, speciell auch bei Theilnahme der Athemmusculatur bleibt
uns als souveränes Mittel die Narkose. Am ehesten mit
Chloroform, im Nothfalle auch mit Aether. Ich muss gestehen,
dass ich hierin ein warmer Anhänger von Trousseau und
H e n o c h bin, auch insofern, als ich die grosse Angst vor der
Chloroformnarkose nicht theilen kann. Aether erscheint mir
weniger angebracht, weil er, besonders bei Verwendung weniger
reiner Sorten, und bei der Neigung rhachitischer Kinder zu
Bronchialkatarrhen, leicht Congestion der Respirationssehlei m-
haut hervorrufen kann. In prognostisch weniger ungünstigen
Fällen genügt Chloralhydrat, am besten per Klysma beigebracht,
aber in grossen Dosen, bei Kindern unter einem halben Jahre
0,5 g pro dosi, bei älteren 1,0 in 30,0—50,0 Salepsehleim. Kleinere
Dosen sind in ihrer Wirkung unsicher. Der Nachlass der
Krämpfe pflegt innerhalb 10 Minuten, zuweilen noch schneller
einzutreten.
Schliesslich haben wir noch die Fälle zu erwägen, wo immer
wieder in grösseren oder geringeren Pausen Anfälle ver¬
schiedenster Intensität auftreten, wo der Arzt sehr oft gar keine
oder nur rudimentäre, zuweilen auch wohl ausgesprochene
Attacken sieht. Hier sind die sedativen Mittel am Platz, an
ihrer Spitze die Bromsalze. Aber mit kleinen Mengen erreichen
wir nur sehr wenig. Man verordne ruhig eine 5proe. Lösung
und lasse hiervon 2 stündlich 1 Kaffeelöffel, bei Kindern über
1 Jahr auch einen Kinderlöffel voll nehmen, bis deutliches
Nachlassen der Krämpfe erfolgt. Wenig Erfolg haben T. am-
brae c. Moscho, ferner die Flores Zinci etc. Dagegen möchte ich
warm für die Verabreichung des Phosphor bei sogen, idio¬
pathischen Krämpfen eintreten. Schon nach 2, höchstens 3 mal
24 Stunden pflegen die hartnäckigsten Convulsionen zu ver¬
schwinden und gibt man noch einige Wochen Phosphor weiter,
so kommen sie auch nicht wieder. Hierbei handelt es sieh nicht
nur um rhachitische Kinder, sondern auch um solche, bei denen
die Eklampsie vermuthlich auf sonstige Autointoxicationen
zurückzuführen ist. Ich bin der Ueberzeugung, dass Phosphor
direct antispasmodisch wirkt und bin hierin noch bestärkt
worden durch einen Thierversuch, der wegen Mangels an Zeit
leider nicht wiederholt werden konnte. Ich gab einem 3 Wochen
alten Hunde 6 Tage lang ä 0,002 Phosphor intern, während der
Controlhund aus demselben Wurfe keinen Phosphor erhielt. Am
7. Tage injicirte ich jedem Hunde 0,0001 (V 10 mg) Strychn. nitr.
Der Unterschied war ein ganz eclatanter: Während der Phosphor¬
hund einen leichten Tetanusanfall bekam, von dem er sich in
20 Minuten vollständig erholte, bekam der andere schwerste
tetanische Krämpfe, Erbrechen, hetzende Athmung und wurde
nur durch Aetherinhalationen am Leben erhalten. Dabei war
das Lebendgewicht des Phosphorhundes bedeutend geringer.
Wenn auch ein einzelner Versuch nicht beweisend ist, so wollte
ich doch nicht verfehlen, denselben mitzutheilen.
Ich muss schliessen. Eine Besprechung aller in Betracht
kommenden Fragen war mit der zu Gebote stehenden Zeit un¬
vereinbar. Möge die Discussion neue und interessante Gesichts¬
punkte liefern 1
Adenocarcinom des Coecum. Invagination, Resection,
Heilung.
Von Dr. K r e c k e in München.
Seit dem gewaltigen Aufschwung der Magendarmchirurgie
hat sich immer dieCoecalgegend einer ganz besonderen Beachtung
zu erfreuen gehabt. Die Entzündungen dieser Region haben zu
einer solchen literarischen Iloehfluth Veranlassung gegeben, dass
die Bewältigung derselben allein schon eine ganz erhebliche
Summe von Arbeit erfordert. Etwas weniger häufig, aber immer¬
hin mit grosser Gründlichkeit sind die Tumoren der Ileoeoecal-
gegend bearbeitet worden. Nachdem Billroth und Kraus¬
sold schon im Jahre 1876 je eine Coecumresection ausgeführt
hatten, gelang es erst im Jahre 1882 M ay dl, den ersten glück¬
lichen Ausgang bei einer Coecumresection zu erzielen. Die erste
Resection wegen Tuberculose des Coecum machte Czerny im
Jahre 1884. Ausser dem letztgenannten Autor haben sich in
neuerer Zeit besonders König und Körte um die Chirurgie
der Coecaltumoren verdient gemacht.
Im Sommer 1898 hatte ich Gelegenheit, eine mir von Herrn
D. R. v. H ö s s 1 i n zugewiesene Patientin mit Adenocarcinom
der Coecalgegend mit Erfolg zu operiren. Da die Kranken- *
geschichte Gelegenheit gibt, auf eine Reihe der hier in Betracht
kommenden Fragen näher einzugehen, so erlaube ich mir, im
Folgenden dieselbe den Faehgenosson zu unterbreiten.
Frl. N., 63 Jahre alt. Eine Schwester der Patientin starb an
Magenkrebs.
Patientin hat vor 10 Jahren eine sehr schwere, mit vielen
blutigen Entleerungen verbundene R u li r durchgemacht. Sie
musste damals 7 Wochen zu Bett liegen, wurde aber von dieser
Erkrankung vollkommen wieder hergestellt.
Ihr jetziges Leiden datirt von einer im Frühjahr 1897 über*
standenen Influenza her. Sie magerte allmählich sehr beträcht¬
lich ab und begann Mitte Juli an Unregelmässig¬
keit beim Stuhlgang zu leiden. Es stellte sich
neben Appetitlosigkeit hartnäckige Verstopfung
ein, manchmal bestand Erbrechen der genossenen Speisen,
und wiederholt hatte Patientin reichliche blutige Entleerungen
aus dem Mastdarm. Gleichzeitig begann die Kranke über
heftige Schmerzen im Leib zu klagen, bei denen sie die
Empfindung hatte, als ob ein harter, spitziger Gegenstand in
den Leib gedrückt würde. Die Schmerzen stellten sich meistens
Nachts ein, oft nach tage- und wochenlangen Pausen, währten
oft mehrere Stunden lang. In der rechten Seite des Leibes be¬
merkte Patientin eine harte, bewegliche Anschwellung, die bei
Druck Schmerzen verursachte. Das Erbrechen war im September
besonders heftig, 3 mal hatte es k o t li i g e u Charakter.
Patientin fühlte sich gleich vom Anfang der Erkrankung
an so matt, dass sie von Mitte Juli bis zum 20. September das
Bett hüten musste. Das Körpergewicht sank während dieser Zeit
von 118 auf 94 Pfund. Am 29. September Hess sie sich in die
Heilanstalt Neu-Wittelsbach aufnehmen.
In Neu-Wittelsbach blieb die Patientin bis zum 10. Juli 1898.
Nach der mir von Herrn Dr. R. v. H ö s s 1 i n gütigst zur Ver¬
fügung gestellten Krankengeschichte ergab die Untersuchung bei
der Aufnahme in der Mitte zwischen Nabel und Symphyse einen
quer verlaufenden, unregelmässig höckerigen, etwa 20 cm langen
und 5 cm breiten Stra n g, der auf Druck massig empfindlich
war.
Aus der genau geführten Krankengeschichte entnehme ich
ferner, dass im laufe der weiteren Beobachtung die Lage dieser
strangartigen Geschwulst sehr wechselte, dass sie bald
mehr rechts, bald mehr links zu fühlen war, bald von rechts oben
nach links unten, bald umgekehrt verlief, dass sie ferner oft für
mehrere Tage überhaupt, nicht nachzuweisen war.
Am r». October stellte sieh ein richtiger 11 e u s a u f a 11 ein-
reichliches Erbrechen von gelblich gefärbten und kothartig
riechenden Massen, völliges Fehlen von Flatus, aufgetriebenes.
schmerzhaftes Abdomen, kleiner und frequenter, unregelmässiger
Puls. Eine Mageuausspülung brachte alle diese Erscheinungen
bald zum Verschwinden.
Der Stuhl war während der ganzen Beobachtungszeit un¬
gehalten und erfolgte im Allgemeinen nur auf Oel- und Wasser¬
einläufe. Daneben stellten sich sehr häufig blutige und schleimige
Entleerungen ein. Am 6. März 1898 fand ein Abgang von sein-
reichlichem frischem, rothen Blut statt.
Das subjective Befinden war dabei sehr wechselnd, oft fühlte,
sieh Patientin tagelang völlig wohl, dann wurde sie wieder von
Uebelkeiten, kolikartigen Schmerzen im Leib und grosser Un¬
ruhe der Gedärme geplagt. Das Körpergewicht blieb auf
94 Pfund.
Am 14. Juli 1898 bat mich Herr College R. v. H ö s s 1 i n, die
Kranke mit ihm zu untersuchen; es ergab sich jetzt folgender
Status:
Patientin ist mittelgross, von gracilem Knochenbau, sein-
geringem Fettpolster. Haut schlaff und w-elk, in grossen Falten
aufhebbar, von blassgelblichem Colorit. Puls 84, mittelw-eit und
kräftig, regelmässig.
Herz- und Lungenbefund normal, Urin ehveissfrei.
Das A 1) d o m e u erscheint bei der stark abgemagerten Pa¬
tientin etwas vorgebuchtet, besonders in der unteren Hälfte. Bei
längerer Betrachtung sieht, man häufig kräftige peristaltisclie
Wellen unter den Bauchdecken hinlaufen, plötzlich zum Still¬
stand kommen und sich zu 5—6 deutlich sichtbaren rundlichen
Tumoren von etwa Hühnereigrösse ausbilden. Diese Tumoren
fühlen sich meist elastisch an, verschwinden nach einiger Zeit
plötzlich und Alles ist ruhig. Nach einigen Minuten tritt dasselbe
Spiel von Neuem auf. Während dieser heftigen Peristaltik hat
Patientin ausserordentlich starke, kolikartige Schmerzen, an dem
Schluss des Anfalls hört man sehr laute, polternde Geräusche.
Bei ruhender Peristaltik fühlt man in der linken Fossa
i 1 i a c a einen etwa emueigrossen Tumor von ziemlich derber
Conslstenz, leicht unregelmässiger Oberfläche, mässiger Druck-
empfiudlichkeit. Der Tumor lässt sich aus seiner Lage nicht
verschieben, der Percussionsschall über demselben ist leicht ge¬
dämpft.
Der Befund von der Vagina und vom Rectum her ist
negativ.
Unmittelbar vor der Untersuchung hatte Patientin einen
Stuhl von theils breiigen, theils flüssigen Kothmassen, mit zahl¬
reichen, kleinsten flüssigen Schleimfasern vermengt
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
0. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
43
Diagnose: Tumor, wahrscheinlich des Diekdarms, mit
Darmsteuose.
10. Juli 1808. Aethernarkose. Aetherverbraucli 200 g, Dauer
150 Minuten. Vor Beginn der Operation wird nochmal eine Unter¬
suchung des Abdomens vorgenommen. Der Tumor liegt nunmehr
zwischen Nabel und Symphyse, ist etwa emueigross, von derber
Oonsistenz, leicht höckeriger Oberfläche. Er zeigt eine ausser¬
ordentlich grosse Beweglichkeit und lässt sich leicht sowohl nach
rechts, wie nach links, wie auch nach oben verschieben.
Schnitt in der Einen alba vom Nabel bis zur Symphyse. Naeh
Eröffnung des Bauchfelles liegen zunächst einige stark geblähte
Diinndarmschlingen vor. Der gefühlte Tumor liegt im Kolon
ascendens und lässt sich in demselben leicht hin- und h rsehieben.
Bei der grossen Beweglichkeit des Tumors wird zunächst ver¬
mut het, dass derselbe vielleicht stieli'örmig aufsitzt» und ohne
ringförmige Keseetion entfernt werden könne. Daher Eröffnung
des Kolon. Der Tumor sitzt der Dickdarmwaml breitbasig auf,
ist etwa emueigross und hat eine feingekörnto. leicht uleerirte
Oberfläche. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse erweist
sich, dass er mitsummt einem Theil des oberhalb gelegenen Darm¬
rohrs in das Kolon ascendens iuvagiuirt ist, und wie man jetzt
nach dem Coecum sieht, ist dasselbe nicht sichtbar.
Es handelt sich also um einen Tumor am Anfangstheil des
Kolon und eine Invaginatlon des ileocoeealen 1 >arm-
abschnittes in das Kolon ascendens. Eine Entwicklung der In-
vagination erweist sich als unmöglich. Es wird desshalb die
Keseetion des ganzen betheiligten Darmabschnittes be¬
schlossen und ausgeführt. Durchtrennung des Dünndarms ober¬
halb. des Dickdarms unterhalb der Invagination. Abbindung
des Mesenteriums und Durchtrennung desselben.
Es folgt die directe Vereinigung der beiden Darmenden durch
die circulare Naht. Wenn auch das Dünndarmlumen sich weit
grösser erweist als das Dickdarmlumen, so gelingt es doch, eine
exacte, gut scliliessende Naht anzulegen. Schliesslich wird der
Schlitz im Mesenterium durch eine fortlaufende Catgutnaht ge¬
schlossen und die Bauchwunde vernäht. Keine Drainage.
Die ganze Reseetion hat sich gut vor den Bauchdeeken aus-
fiihren lassen, eine Verunreinigung der Bauchhöhle mit Darm¬
inhalt ist vermieden worden.
Patientin ist während der Operation sehr blass geworden,
die Athmung sehr oberflächlich, der Puls klein und unregelmässig.
Noch vor Beendigung der Operation erhält Patientin einen Liter
Kochsalzlösung subcutan. Bald darnach hebt sich der Puls und
wird regelmässiger.
Der Verlauf war ein sehr günstiger. Patientin erholte
sich sehr bald von dem Eingriff. Am 1t). Juli gingen auf ein
kleines Kochsalzklystier sehr reichliche Flatus ab, am 19. Juli
erfolgte der erste Stuhlgang.
Die Temperaturen bewegten sich in den ersten 8 Tagen
zwischen 36.2 und 37,8. Am 20. Juli war die Abendtemperatur
38,2 und innerhalb der nächsten 14 Tage kam es noch 2 mal zu
einer gleich hohen Steigerung. Als Ursache dieser Temperatur¬
erhöhung fand sich nach oben von der Ileocoecalgegend eine etwa
hühnereigrosse, derbe, umschriebene Resistenz, die auf Druck
ziemlich schmerzhaft war. Auch klagte Patientin manchmal über
ziehende Schmerzen an dieser Stelle. Das Allgemeinbefinden war
durch diese Sache in keiner Weise beeinträchtigt. Der Tumor
wurde allmählich von selbst kleiner und war am 15. August völlig
verschwunden.
Patientin machte bei gutem Appetit in ihrer Ernährung
schnelle Fortschritte, am 14. September wurde sie aus der Be¬
handlung entlassen.
Seit der Entlassung hörte ich öfter von der Patientin und
konnte sie zum letzten Male am 10. April 189!) untersuchen.
Patientin fühlt sich, abgesehen von nervösen Beschwerden, völlig
wohl. Von Recidiv keine Spur. Körpergewicht 120 Pfund.
Beschreibung des Präparates.
Das excidirte Darmstück hat im invaginirten Zustand eine
Länge von 15 cm. Nach der Aufschneidung der ersten Schicht
«Kolon ascendens) liegt der invaginirte Theil des Kolon vor und
genau an seiner unteren Kuppe sitzt der einueigrosse Tumor.
Diese untere Kuppe entspricht genau der Ileocoecalklappe. Der
Tumor geht ziemlich breitbasig von der hinteren und inneren
Wand des Coecum aus und wuchert blumenkohlartig in das
Darmlumen vor, sich über die Ileocoecalklappe liinüberlegend.
Die Oberfläche ist sehr unregelmässig mit Stecknadelkopf- bis
kirschgrossen Höckern versehen, die zum Theil einen darm-
schleimhautähnlichen Ueberzug zeigen, zum Theil einen warzen¬
artigen, papillomatösen, stellenweise erodirten Charakter tragen.
Die Consistenz ist eine sehr derbe. Die näheren Verhältnisse der
Invagination ergeben sich am besten aus beistehender Zeichnung.
Auf der Schnittfläche Ist der Tumor im Allgemeinen von
gleichmässlger grauröthlicher Farbe, gleichmässig derber Con-
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sistenz mit nur wenigen Stellen von etwas weicherer Beschaffen¬
heit.
Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigt- der Tumor im
Allgemeinen einen rein drüsigen Bau. Die einzelnen Drüsen¬
durchschnitte zeigen eine einfache runde oder längliche Form,
nur hin und wieder sind grössere Einstülpungen und Ausbuch¬
tungen der Drüsenwand zu sehen. Das auskleidende Epithel ist
ein reines Cylimlerepithel, grössteutheils einschichtig, seltener
mehrschichtig. In dem Driisenlumeu linden sich mehrfach An¬
häufungen von Rundzellen und Detritusmassen. Zwischen den
einzelnen Drüsenschläuchen sieht man ein müssig derbes Binde¬
gewebe. hin und wieder mit nicht sehr reichlichen Rundzellen¬
anhäufungen. An der Oberfläche dos Tumors ist an manchen
Stellen noch die normale Dickdarmdrüsenschicht sichtbar.
Was zunächst die klinischen Erscheinungen der
Ileoeoecaltinneren anbetrifft, so finden wir bei unserer Patientin
nahezu alle charakteristisch ausgesprochen, wie sie uns zumal
die ohissische Darst ellung K ö n i g’s geschildert hat. Es ist selbst¬
verständlich, dass die Symptome, wie sie bei den Coecaltumoren
auftreten, in derselben Weise sieb auch bei allen Kolontumoren
und im Allgemeinen auch bei den Dünndarmtumoren vorfinden.
In Folge der zu mechanischen und chemischen Reizen Veran¬
lassung gebenden Verengerung ist die Ileocoecalgegend ein Prä-
dilectiousort für die Entstehung von Darmtumoren, und die
Symptomatologie derselben kann ganz gut als Paradigma für
alle Darmtumoren gelten.
Der wichtigste Symptomeneomplex ergibt sieh für die Diek-
darmtumoren aus der Behinderung der Stuhlent¬
leerung. Der Koth häuft sieh oberhalb der stenosirten Stell»;
an, und als erste Erscheinung zeigt sieh eine ausserordentlich
hartnäckige Verstopfung. Die Verstopfung kann lange
Zeit das einzige Symptom bleiben, die Kranken fühlen sich dabei
völlig wohl, magern nicht ab, haben guten Appetit, bis plötzlich
wie aus heiterem Himmel ganz schwere Erscheinungen daher
kommen. Derartige Zufälle sind ja zu bekannt, als dass man
noch einmal besonders darauf aufmerksam machen sollte. Ich
habe erst vor Kurzem eine Patientin beobachtet, bei der langt;
Zeit gar nichts weiter nachzuweisen war, als eine hartnäckige
Stuhl Verstopfung. Mitten im besten Wohlsein kam es plötzlich
zum vollständigen Darmverschluss. Wie ich nach 4 Tagen ge¬
rufen wurde, waren sehon die Anzeichen beginnender Peritonitis
vorhanden. Trotzdem machte ich noch auf Drängen der An¬
gehörigen einen operativen Eingriff, der natürlich nur in der
Anlegung eines Kunstafters bestehen konnte. Die Kranke starb
nach 36 Stunden. Die Section ergab ausser einem Carcinom der
Flexur und beginnender eiteriger Peritonitis ausgedehnte nekro¬
tische Verschwärungen im ganzen Kolon.
Bei sehr hartnäckiger Verstopfung können aber manchmal
in Folge der erheblichen Koprostase weitere Erscheinungen auf¬
treten, auf die König die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Die
Patienten verlieren den Appetit, magern rasch ab, und zeigen be¬
sonders eine grosse Theilnahmslosigkeit und Schläfrigkeit.
König erklärt dieses Symptomenbild aus einer Intoxi-
c a t i o n durch die stagnirenden, sich aus den angehäuften
Fäcalinassen entwickelnden Darmgase. Eine gehörige Dosis Rici-
nusöl kann alle die Erscheinungen zum Rückgang bringen.
Neben der Verstopfung sind Durchfälle keine seltene
Erscheinung. Sehr häufig bestehen die flüssigen Entleerungen
allerdings nur aus kothigem Darmschleim. Blutige Bei¬
mischungen zu den Entleerungen sind natürlich ein nicht
seltenes Vorkommniss, doch können sie auch während der ganzen
Dauer der Erkrankung ausbleiben.
Sehr charakteristische Erscheinungen stellen sich ein, wenn
es bei Zunahme der Stenose zu kolikartigen und i 1 e u s -
artigen Anfällen kommt. Oberhalb der Stenose sammeln
sich reichlich Kothmassen und Darmgase an, der betreffende
Darm theil wird erweitert und hypertrophisch in Folge der ver¬
mehrten pcristaltisclien Bewegungen, die das Hinderniss zu über¬
winden suchen. Die vermehrte Peristaltik macht ausserordent¬
lich heftige, wehenartige Schmerzen, man sieht die peristaltischen
Bewegungen deutlich durch die Bauchdecken hindurch ablaufen,
und kollernde und gurrende Geräusche sind weithin vernehmbar.
Plötzlich fällt der Leib zusammen uiul gleichzeitig hört mau ein
Geräusch, als ob Flüssigkeit durch eine enge Stelle getrieben
würde (König). Gelingt es der vermehrten Peristaltik nicht,
das Hinderniss zu beseitigen, so treten antiperistaltischo Be¬
wegungen auf, es kommt zu Uebelkeit, Erbrechen, schliesslich
zum Kothbrechen. Die Krankengeschichte unserer Patientin
lehrt uns, dass bei ihr beide Arten von Anfällen in sehr charakte-
2 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
44
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN SCHRIFT
No. 2.
ristischer Weise aufgetreten sind. F. Crämer -München hat
das Stenosengeräsuch wiederholt beobachtet und bezeichnet es
als Schüttgeräusch. Nach Crämer kommt es dadurch zu
Stande, dass die Kothmassen mit grosser Gewalt gegen die enge
Stelle angetrieben und dann sofort wieder zurückgeworfen werden.
In einer Dissertation von King ist irrthümlicher Weise die
Gräme r’schen Bezeichnung als Spitzenzischgeräusch ange¬
geben.
Der örtliche Befund wird bei den Tumoren des Coe-
cum wie des Kolon überhaupt gewöhnlich ein ganz charakte¬
ristischer sein. In Folge der oberflächlichen Lage des Kolon
wird sich eine Neubildung den palpirenden Fingern alsbald be¬
merkbar machen. Die Lage in der Coecalgegend wird gewöhnlich
für einen von diesem Organ ausgegangenen Tumor sprechen.
Man muss aber bedenken, dass mitunter Tumoren anderer Darm¬
abschnitte, Dünndarm, Querkolon, durch Verwachsungen in der
Ileocoecalgegend festgelegt sein können. Andererseits kann ein
Tumor des Coecum, wie in unserem Falle, so beweglich sein, dass
er an allen möglichen Punkten der Bauchhöhle, so auch in der
linken Fossa iliaca, angetroffen wird. Hätte man den Dickdarm
mit Gas aufgebläht, so würde bei unserer Kranken die Diagnose
wohl mit Sicherheit haben gestellt werden können.
Hüten muss man sich, Anhäufungen von Kothmassen im
Dickdarm für einen Tumor anzusprechen. Vor 2 Jahren be¬
obachtete ich eine 35 jährige Kranke, welche die Erscheinungen
eines schweren Darmleidens darbot und bei welcher das ganze
Kolon transversum und descendens knotig infiltrirt erschien.
Bei der Section fand sich nur ein kleines, ringförmiges Car-
cinom der Flexur, die fühlbar gewesenen Knoten bestanden aus¬
schliesslich aus Kothmassen.
Körte weist auf die recht seltene Abscess- und
Fistelbildung hin, die bei den Ileocoeealtumoren ange¬
troffen wird. Körte fand sie unter 16 Fällen 8mal, 4mal bei
Tubereulose und 4 mal bei Carcinom. Eine solche Eiterung und
Fistelbildung wird natürlich die Differentialdiagnose zwischen
Tumoren und entzündlichen Processen sehr schwierig machen.
Sehr eigenthümliche Erscheinungen können sich einstellen,
wenn der Darmtumor zu einer Invag in ation des betreffenden
Darmabschnittes Veranlassung gibt. Ganz ähnlich wie bei
unserer Patientin war es auch in einem Falle König’s und
einem K ö r t e’s zu einer Invagination des erkrankten Coecums
mit einem Theile des Dünndarms in das Kolon ascendens ge¬
kommen. Auch bei diesen Patienten bestanden die Zeichen
von Störungen der Kothpassage, Verstopfung abwechselnd mit
Durchfall, Koliken, ileusartige Zufälle. Charakteristisch war
bei diesen Kranken das Fühlbarsein eines langen, wurstförmigen
Tumors, der schon am nächsten Tage wieder verschwunden sein
konnte. So war es auch bei unserer Patientin gewesen. Herr
College K. v. Hösslin hatte schon r.m 9. Nov. 1897 einen 20 cm
langen, 5 cm breiten Strang gefühlt, der mehrere Tage lang
deutlich nachzuweisen war, dann aber plötzlich wieder verschwand.
Wir müssen annehmen, dass die Invagination sich bei diesem Be¬
fund immer von selbst wieder löste. Wie die Patientin zur Ope¬
ration kam, war die Invagination eine feste geworden, so dass
sie auch nach Freilegung des Darmes nicht zu lösen war.
Auf die bei Darmtumoren auf tretenden Allgemein¬
erscheinungen wurde schon oben hingewiesen. Ausser der
schon oben genannten Theilnahmslosigkeit und
Schläfrigkeit seien hier nur noch die genügend bekannten
Symptome der Abmagerung, der fahlen Farbe, der
Appetitlosigkeit genannt. Es sei aber nochmals daran
erinnert, dass schwere Allgemeinerscheinungen bei den Darm¬
tumoren oft verhältnissmässig lange ausbleiben.
Ueberblicken wir nach diesen Bemerkungen nochmals den bei
unserer Kranken beobachteten Symptomencomplex, so bietet uns
derselbe fast alle besprochenen Erscheinungen in charakteristi¬
scher Weise dar. Wir haben die hartnäckige Verstopfung, ab¬
wechselnd mit Durchfall, die blutigschleimigen Ausleerungen,
die heftigen, mit vermehrter Peristaltik einhergehenden Koliken,
die ileusartigen Anfälle, das Fühlbarwerden und Wiederver¬
schwinden einer langen, wurstförmigen Resistenz, das Auftreten
eines sehr beweglichen Tumors, die hochgradige Abmagerung
und den Kräfteverfall. Die Diagnose konnte darnach mit Sicher¬
heit auf einen mit Darmstenose einhergehenden Tumor gestellt
werden. Die grosse Beweglichkeit hinderte, einen Tumor der
Ileocoecalgegend anzunehmen.
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Die Operation der Coecaltumoren wird von erfahrenen
Operateuren, wie König und Körte, als ein recht schwieriges
Unternehmen angesehen. Die Belege für ihre Anschauung findet
man in ihren Krankengeschichten, die von schwer zu lösenden
Verwachsungen mit den Bauchdecken, mit den Nachbarorganen,
von der schwierigen Vereinigung der Darmenden erzählen. Um
so angenehmer war ich von der verhältnissmässigen Leichtigkeit
der Operation in unserem Falle überrascht. Nach Klarstellung
der Invaginationsverhältnisse gelang die Exstirpation des er¬
krankten Darmes ohne besondere Schwierigkeiten. Der Grund
für die einfachen Verhältnisse war in der abnormen Länge des
Mesokolons zu suchen, wodurch die Isolirung des Darmes erheb¬
lich erleichtert war, die es auch gestattet hatte, den Bauchdecken¬
schnitt in der Linea alba anzulegen. Auch war dadurch ermög¬
licht, das mediale und laterale Blatt des Mesokolons gemeinschaft¬
lich zu unterbinden, während es sich in der Regel empfiehlt, diese
Unterbindungen getrennt vorzunehmen. Den von mir befolgten
Gang der Operation, erst Durchtrennung des Darmes und dann
Abbindung, würde ich auf K ö r t e’s Empfehlung in Zukunft
umändern, indem ich zuerst den Darm abbinden und dann durch¬
trennen würde. Man vermeidet auf diese Weise am sichersten
eine Verunreinigung des Operationsfeldes durch Darminhalt.
Bei der Unmöglichkeit der Desinvagination war die völlige Ent¬
fernung des Intussusceptum und des Intussuscipiens das ein¬
fachste Verfahren.
Auch die Vereinigung der beiden Enden des Heum und
Kolon gelang ohne besondere Schwierigkeiten durch die fort¬
laufende Naht nach Czerny. Bekanntlich haben sich öfters
sowohl aus der Entfernung der beiden Darmenden von einander,
wie aus der Ungleichheit der Darmlichtungen recht erhebliche
Schwierigkeiten ergeben. Körte redet für solche Fälle sehr der
seitlichen Implantation des Dünndarmes in den Dickdarm das
Wort, die sich viel leichter und schneller ausführen lasse, wie
die directe Vereinigung der beiden Darmenden.
Nachdem die Darm wunde genäht und der Schlitz im Me¬
senterium durch eine fortlaufende Catgutnaht geschlossen war,
wurde bei unserer Patientin ein völliger Verschluss der
Bauchwunde ohne Drainage vorgenommen. Bekanntlich
sind die Ansichten darüber, ob man in einem solchen Falle drai-
niren soll oder nicht, noch getheilt. Körte empfiehlt dringend
die Drainage mit Jodoformgaze, die wohl eine geringe Heilungs¬
verzögerung macht, dafür aber auch eine erheblich grössere
Sicherheit bietet. Nach den Beobachtungen bei unserer Pa¬
tientin möchte ich in Zukunft auch eher zu einer Drainage der
Bauchhöhle geneigt sein. Wie aus der Krankengeschichte her¬
vorgeht, bildete sich an der Stelle der Resection unter leichtem
Fieber ein massig druckempfindliches Exsudat. Ich muss sagen,
dass ich wegen dieses Exsudates mehrere Tage lang grosse Sorge
gehabt habe Und eine Vereiterung desselben als sehr wahrschein¬
lich angesehen habe. Glücklicher Weise kam es nicht dazu.
Wäre die Wunde aber drainirt worden, so wäre man der Sorge
um die Möglichkeit einer späteren Vereiterung enthoben gewesen.
Die unmittelbaren Resultate der Coecumresee-
t i o n haben sich in den letzten 10 Jahren zweifellos erheblich
gebessert. Während B a i 11 e t für 45 ileocoecale Resectionen bis
zum Jahre 1889 eine Mortalität von 37,7 Proc. berechnete, er¬
hielt er für 25 Operationen aus der Zeit von 1889—1894 28,6 Proc.
Mortalität. Diese Zahlen müssen allerdings als zu günstig be¬
zeichnet werden, weil viele Einzelbeobachtungen in denselben
mitenthalten sind. Wölfler berechnet auf 69 ileocoecale Re¬
sectionen eine Mortalität von 42 Proc. Auch ist zu bedenken,
dass unter diesen Resectionsfällen die Fälle von Coecumtuber-
culose mitenthalten sind, die nach der neuesten Statistik von
Conrath eine Mortalität von nur 16,7 Proc. geben. Welche
ausgezeichneten Resultate die Coccumresection in der Hand ein¬
zelner erfahrener Chirurgen gibt, zeigen die Mittheilungen von
Czerny und Körte. Ersterer hatte unter 8 Operationen 1
und Körte unter 9 Operationen keinen Todesfall. Auch J u 1 -
1 i a r d hatte bei 3 ileocoecalen Resectionen keinen Todesfall,
jedoch scheint ein wirklicher Tumor in keinem der 3 Fälle Vor¬
gelegen zu haben. Dass auch in geübten Händen das Resultat
nicht immer ein günstiges zu sein braucht, zeigt die Mittheilung
von F r a n z k e aus der W assilje w’schen Klinik: auf 3 Re¬
sectionen des carcinomatösen Coecums 2 Todesfälle.
Was die Dauerresultate anbetrifft, so ist es bekannt, dass
die Resection des carcinomatösen Dickdarms überhaupt schon
recht erfreuliche Resultate aufzuweisen hat. So ist die von
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Ö. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
45
Martini-Gussenbauer im Jahre 1879 Operirte nach
18 Jahren gestorben, ohne dass Metastasen aufgetreten sind.
Nach Wö 1 f 1 e r’s Zusammenstellung verfügt Mikulicz über
einen Fall, der seit 8 1 / 2 Jahfen gesund ist, Czerny und
Billroth haben je einen Kranken operirt, bei dem die Heilung
noch nach 6 Jahren Bestand hatte. Von Körte’s Kranken mit
Carcinom des Ooecurn ist einer seit 6*4 Jahren geheilt, 2 seit
über 3 Jahren.
Bei unserer Patientin ist jetzt ein Jahr seit der Operation
verflossen, und von Recidiv keine Spur aufgetreten. Hoffen wir,
dass auch dieser Fall später zu den Dauerheilungen von Coecum-
carcinom gehören wird.
Literatur.
König: Die Operationen am Darm bei Geschwülsten. Langenb.
Archiv, 40. Bd., H. 4.
B a i 11 e t : La rösection du Segment ileo-coecal de l’intestin.
Thöse, Paris, 1894.
Körte: Zur chirurgischen Behandlung der Geschwülste der
lleocoecalgegend. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, 40. Bd.,
H. 5 u. a
W ö 1 f 1 e r : Ueber Magendarmchirurgie. Verhandlungen der
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 1896.
Czerny und Rindfleisch: Beiträge zur klin. Chirurgie,
9. Bd., H. 3.
Julliard: Trois cas d’exstirpation du coecurn. Rev. möd. de la
Suisse rom. 1897, S. 386.
Palleroni : Sur un cas d’exstirpation du coecum pour caucer.
guörison. Gazette hebdomadaire 1897, 47.
F r a n z k e : Resection des carcinomatösen Blinddarms. Annal.
der russischen Chirurgie 1898, H. 2. Ref.: Centralbl. f. Chir.
1898, 24.
C o n r a t h : Coecumtuberculose und ihre chirurgische Behand¬
lung. Beitr. z. klin. Chirurg., Bd. 21, H. 1.
Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 1898,
I, 109 ff. (Gussenbauer, Körte).
Der heutige Stand der Salzwasserinfusionen,
nebst Beschreibung eines compendiösen Infusionsapparates.
Von Dr. med. Häberlin in Zürich.
Seit den grundlegenden physiologischen Untersuchungen
von Kronecker und Sander in den Jahren 1878 und 1879
über die Erfolge der Salzwasserinfusionen bei verblutenden
Thieren ist dieses therapeutische Hilfsmittel mannigfach ver¬
sucht worden. Neue Indicationen wurden auf gestellt; im La¬
boratorium und in der Klinik wurde lebhaft an der Ausbildung
der Methode gearbeitet. Obschon noch viele wichtige Punkte der
Aufklärung und der weiteren Prüfung harren, so ist die Methode
zur Zeit doch so weit studirt und gereift, dass sie auch das rege
Interesse des praktischen Arztes verdient.
Es ist die folgende Uebersicht für den praktischen Arzt be¬
stimmt, wobei das längst Bewährte und Bekannte nur kurz er
wähnt, die Punkte dagegen genauer erörtert werden sollen, in
welchen noch keine Einigung erzielt wurde. — Zum Schlüsse
folgt noch die Beschreibung eines compendiösen Apparates,
welcher hoffentlich wesentlich dazu beitragen wird, um die Me¬
thode aus den Kliniken in die Praxis hinauszutragen.
Hie Infusion ist die jüngere Schwester der Transfusion. Der
Unterschied der Leistungsfähigkeit zu Gunsten der Blutzufuhr
ist nach übereinstimmenden Befunden auf jene extremen Fälle
beschränkt, in welchen das verblutete Wesen bereits im Stadium
der anaemischen Paralyse sich befindet, in welcher die Athmung
stockt und Reactionslosigkeit eingetreten ist, in welchen Fällen
nur durch arterialisirtes Blut, aber nimmermehr durch indiffe¬
rente Losungen das Leben zurückgerufen werden kann. Thier¬
blut ist aber nicht zu verwenden, Menschenblut gewöhnlich im
nothwendigen Moment nicht zu haben, wobei die gefährliche
Thatsache nicht übersehen werden darf, dass bei der Transfusion
defibrinirten Blutes ein für das Blut des Empfängers gefährliches
Gift in die Blutbahn gebracht wird.
Aus diesen Gründen wurde die Transfusion durch die In¬
fusion völlig verdrängt.
Lassen Sie uns nun in Kürze die einzelnen Indicationen
Revue passiren, dabei stets zuerst die physiologischen Beobach¬
tungen registrirend und dann die klinischen Resultate an¬
schliessend.
Wir beginnen mit den Infusionen bei acuten Anae-
mien, chirurgischer und geburtshilflicher I
Provenienz. |
No. 2.
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Als physiologische Basis dient die von verschiedenen Autoren
gemachte Beobachtung, dass nicht sowohl der Verlust an Blut¬
körperchen, sondern die Leere derGefässe nach Blutungen lebens¬
gefährlich sei, indem die Herzpumpe „leer“ gehe.
Das Salzwasser füllt die Gefässe wieder, erhöht den arteri¬
ellen Blutdruck und ermöglicht so die Fortdauer des Lebens.
Während nun Kronecker die Infusionen als lebensrettend be¬
zeichnet, so konnten sich andere Experimentatoren (F e y s,
M a y d 1 und Schram m) nur von der belebenden Wirkung
überzeugen.
Klinisch ist die gute Wirkung seit dem ersten Versuch
von B i s c h o f f anno 1881 allseitig bestätigt. Wenn schon na¬
türlicher Weise die Entscheidung, ob sie lebensrettend waren oder
nicht, nur vom subjectiven Ermessen des Beobachters abhängt,
so kann doch daran kein Zweifel sein, dass in
solchen V e r b 1 u t u n g s f ä 11 e n kein Mittel so
schnell und in so hohem Maasse bei absoluter
Gefahrlosigkeit belebend auf die Herzthätig-
keit wirkt, wie die Infusion. Damit ist die Streit¬
frage für den praktischen Arzt erledigt.
Meine Erfahrungen in 3 Fällen von acuter hochgradigster
A naemio nach geplatzter Tubargravidität decken sich damit und
möchte ich mich nicht länger dabei aufhalten, sondern noch auf
eine wichtige Nebenwirkung hinweisen.
Die Injectionen haben zugleich eine haemostatische
Wirkung. Experimente französischer Autoren (Hayem,
Delbet, F a m e y und Füurmeaux) zeigen, dass die Blutung
aus Muskelwunden nach einer Kochsalzinfusion nach l 1 /, bis
3 Minuten aufhört, während sie bei dem Controlthier viel länger
dauert. Diese haemostatische Wirkung soll sogar noch grösser
sein als bei der Anwendung von Blutserum. Dabei handelt es
sich um die vermehrte Auswanderung der Haematoblasten in’s
Blutserum, das noch ziemlich reichlich Fibrin enthält, wodurch
Coagulation eintritt.
Diese blutstillende Nebenwirkung verhindert bei dem durch
die Infusion vermehrten Blutdruck eine erneute Blutung. Die
Einverleibung von kleineren Dosen wurde ebenfalls von den
Physiologen empfohlen bei internen Blutungen, wobei die me¬
chanische Blutstillung ausgeschlossen ist. Dahin gehören Blut¬
ungen aus dem Magen, Darm, Lunge Gebärmutter, Nase und die
Blutungen bei Ilaemophilie.
Klinisch scheint diese Nebenwirkung noch nicht verwerthot
worden zu sein. Hier wird man zweckmässig zuerst kleine Dosen
(100—200 g) einverleiben bis zur hacmostatischen Wirkung und
erst später, nach einigen Stunden, mehr injiciren, um den Blut¬
druck wieder zu heben.
In der mir zur Verfügung stehenden Literatur habe ich
keine klinischen Mittheilungen gefunden, welche die physio¬
logische Beobachtung stützen. In einem Fall von Prof. Sahli
war bei Ulcus ventriculi die Infusion gegen die Folgen der
Perforation und nicht gegen die Blutung gerichtet. Mir haben
per Zufall die geeigneten Fälle gefehlt, um die Wirksamkeit zu
prüfen, doch scheint es mir angezeigt, bei klimacterischen Blut¬
ungen und bei Menorrhagien auf chlorotischer, biliöser und event.
gichtischer Basis in Zukunft die Infusion einer Prüfung zu
unterziehen.
Neben den Blutungen führen heftige und andauernde Diar¬
rhoen zu raschem Flüssigkeitsverlust.
Kochsalzinfusionen wurden desshalb schon durch Cantani
anno 1865 gegen Cholera angewendet. Ausser in Italien hat
man bei der Hamburger Epidemie die Methode in zahlreichen
Fällen systematisch versucht und Sick kommt zum Schluss,
dass durch intravenöse Infusionen eine Reihe von Kranken über
das erste Stadium hinweggebracht wurden.
Noch günstiger sind die Resultate beim acuten Brech¬
durchfall der Kinder. Die Gefahr der Autointoxication,
der Austrocknung der Gewebe wird acut, dabei muss der Magen
geschont werden, Klysmata genügen nicht. Prof. Sahli hat
auf diese stricte Indication hingewiesen und H e u b n e r anem¬
pfiehlt die täglich mehrmals wiederholte Verabreichung von In¬
fusionen von 50, 60 bis 80 g. Da die Gewebe die Flüssigkeit
rasch resorbiren, so ist die Schmerzhaftigkeit des Eingriffes ver¬
mindert, was ja bei Kindern praktisch von grosser Bedeutung ist.
In engem Zusammenhang mit dem eben beschriebenen Zu¬
stand stehen jene, wo durch chronisch beschränkte Wasserauf¬
nahme die Flüssigkeit im Blut und in den Geweben reducirt ist.
3
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
46 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 2.
Es handelt sieli hauptsächlich uni chronische Magen- und Darm¬
leiden mit verminderter Resorptionsfähigkeit. Der Körper hat
sich allmählich an diese Veränderung gewöhnt und ist quasi
wieder im Elüssigkeitsgleichgewieht; aber der geringste Säfte¬
verlust durch Blutung, Diarrhoe oder Erbrechen oder eine acut
eintretende Verminderung der schon spärlichen Zufuhr (Aus¬
schluss der Magenfunction) kann verhängnissvoll werden. In¬
fusionen sind daher häuhg angezeigt nach Operationen am Magen,
Darm, weil hier die beiden erwähnten verhängnissvollen Momente
Zusammenwirken. Ich habe in 2 Fällen von Magenkrebsopera¬
tionen die Ueberzeugung erhalten, durch Infusionen die Pa¬
tienten gerettet zu haben.
Ich gebe einen Fall als Illustration:
Gastroenterostomie nach Roux wegen inoperablen Pylorus-
carcinoms bei einer schwachen, 64 jährigen Frau, welche vor der
Operation Abends trotz Weinklysmas und Injection von 750 ccm
Kochsalzlösung einen kleinen, beschleunigten Puls zeigte (108).
Dauer der Operation 2 Stunden. Puls nachher klein, Athmung
röchelnd. Am ersten Tage 2 Infusionen von 1 Liter und von
100 g, daneben Weinklysmata. Am anderen Morgen Puls rasch,
klein, 124. Kalter Schweiss. Unwillkürlicher Stuhlabgang, Pa¬
tientin sehr unruhig, moribund. Sofort Kampher und Strychnin
subcutan. Nachher 1 Liter infundirt. Die Haut hatte ihren Tonus
verloren und liess anfänglich die Flüssigkeit abüiessen, erst später
kommt der Tonus der Haut und der Sphincteren zurück. Puls
besser. Der fortgesetzten Stimulation gelang es, die Patientin zu
retten.
Natürlich liegt es mir ferne, hier der Infusion allein den
guten Erfolg zuzuschreiben, der Kampher, das Strychnin haben
mitgeholfen, aber nur durch Infusion konnte das Öefässsystem
gefüllt werden. Der Magen und das Rectum funetionirten nicht
mehr.
Da die klinischen Beobachtungen keine einwandsfreie objee-
tive Beweiskraft haben, stets entscheidet der subjective Eindruck
am Krankenbett, so will ich den Leser mit der Wiedergabe des
zweiten ähnlichen Falles nicht ermüden.
Dass man in allen Fällen, wo die Flüssigkeitszufuhr per os
ausgeschlossen ist, den Durst der Patienten auf ungefährliche
Art sicher stillen kann, ist einleuchtend und wurde schon von
Prof. Sahli bei peritonitischen Zuständen und nach Perfora¬
tionen des Darmtractus praktisch verwerthet.
Der Usus der Koche r’schen Klinik, schon vor Magen- und
Darmoperationen durch Infusionen die Kräfte des Patienten zu
heben und ih n gegen die Gefahr der Operation widerstands¬
fähiger zu machen, ist eine durch physiologische Erwägungen
und durch klinische Erfahrungen gleichbegründete Prophylaxe,
die allgemeine Nachahmnug verdient.
Lassen Sie mich noch zum Abschluss dieses Capitels eine
Beobachtung aus den jüngsten Tagen kurz mittheilen, welche
zeigt, welch’ werthvolles Hilfsmittel die Infusion in der Nach¬
behandlung der abdominalen Operationen bei heruntergekom¬
menen Individuen bedeutet.
Am 6. Nov. operirte ich eine 35 jährige Frau, welche seit
Jahren an Magenbeschwerden und wiederholten localen Unter¬
leibsentzündungen litt Die an und für sich schwächliche Frau
gebar rasch 8 Kinder und musste sich in der Haushaltung sehr
anstrengen. Der Appetit sehr gering, bei reichlicherer Nahrungs¬
aufnahme trat Uebligkeit und Erbrechen auf. Bei der erneuten
Gravidität ging der Appetit ganz verloren, die Frau kam sichtlich
herunter, so dass der Hausarzt (Collega Schäppi) die Indication
auf künstlichen Abort in der 7. Woche stellte, welche Therapie
auch mir als absolut geboten erschien. Ausräumung, Jodoform¬
gazetamponade und anschliessend daran Excision der beiden
Tuben, wobei starke Verwachsungen des Darmes mit den inneren
Genitalien und letzterer unter sich sich vorfanden. Mässiger
Blutverlust, Dauer der Operation V« Stunden.
Im Laufe des Nachmittags einmal Erbrechen, dann con-
stantes Erbrechen von Galle und Schleim während der ganzen
Nacht bis zum anderen Nachmittag. Dabei Nahrungsaufnahme
fast null. Die Jodoformgaze wurde nach 20 Stunden entfernt,
weil die Möglichkeit der Jodoformintoxication erwogen wurde.
Keine Nachblutung, der Unterleib nur unbedeutend aufgetrieben,
kein Fieber. Der Puls, der am Morgen des 2. Tages noch gut war
(92), wurde im Laufe des Nachmittags in kurzer Zeit miserabel,
an der Radialis gar nicht zählbar, klein, aussetzend, dabei starkes
Herzklopfen. Patientin fühlte sich sterbendselend. Sofort In¬
fusion von 7a Liter subcutan, worauf der Puls im Verlauf einer
halben Stunde sich hebt, regelmässig und langsamer (132) wird
und der ganze bedrohliche Zustand vorübergeht.
In den späteren Tagen (8—10) der Reconvalescenz trat das
ähnliche quälende Erbrechen von wenig Schleim und Galle wieder
auf, ohne Störung des Allgemeinbefindens.
Der Fall bedarf in therapeutischer Beziehung keiner weiteren
Erklärung. Er scheint mir aber in anderer Hinsicht sehr inter-
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essant, indem er vielleicht geeignet ist, einiges Licht zu werfen
auf jene unerklärlichen Todesfälle nach Laparotomien, die unter
den Erscheinungen des ( ollnpses, des Schocks, des Ileus, des un¬
stillbaren Erbrechens verlaufen, und in welchen die Section
keine nennenswerthen Veränderungen nachweist und die dann
unter der Diagnose: Schock, acuteste Sepsis, unstillbares Er¬
brechen, Pseudoileus figuriren. Es ist hier nicht der Ort, näher
auf die Frage einzugehen.
Gehen wir nun über zu der II. Hauptgruppe, b .? i
welcher das veränderte, erkrankte Blut durch
die I n j e c t i o n e n verbessert werden soll. Es han¬
delt sich um die Intoxicationen und Inf ec t innen.
Wenn wir zuerst in Kürze die experimentellen Resultate bei
der Intoxication und experimentellen Infection erwähnen, so
müssen wir gleich bekennen, dass die Physiologen zur Zeit noch
keine genügende Erklärung über die Wirkung zu geben im Stande
sind. Mehrere Experimentatoren (D a s t r e und de Loge,
L e j a r s , I) e 1 b c t, E nriquez und H a 11 i o n) verloren die
ausgewaschenen Thiere rascher als die Controlthiere. Roger
arbeitete mit Strychnin um sulf. und sah bei kleinen Infusionen
keinen Effect, bei grösseren wurden die Vergiftungssymptome
verlangsamt und vermindert, indem die Absorption des Giftes
verlangsamt, dessen Elimination beschleunigt und der Wider¬
stand der nervösen Centren verändert werde. Bose und V e d a 1
studirten die Coliinfection bei Hunden und fanden bei sehr
starker (die Controlthiere haltenden) Infection verlangsamten
Verlauf der Erkrankung, bei starker Infection Heilung, sofern
die Infusion rasch folgte. Bei mittlerer Infection erfolgte
Heilung, sofern die Infusion fast zugleich gemacht wurde.
Wurde sie dagegen erst 8—T0 Minuten nach der Infection
ausgeführt, so traten die Infectionserscheinungen gefährlicher
auf, dauerten länger und wichen erst erneuten Infusionen. Bei
schwacher Infection endlich konnten die Erscheinungen ganz
unterdrückt werden.
Halten wir an der auch von anderer Seite bestätigten That-
sache fest, dass die Injection nur hilft, wenn sie der Infection
rasch folgt. Sanguirico hat bei Vergiftungen mit Strychnin,
Alkohol, Chlorul, Caffein, Urethan, Paraldehyd etc. gute* Erfolgt*
gehabt, nicht aber bei Morphium und Curare und schliesst da¬
raus, dass die Auswaschung des Blutes nur in jenen Fällen nützt,
wo das Gift weder auf die Gefässcentren noch auf das Herz wirkt
Handelt es sich überhaupt um eine Auswaschung ?
Roger hat experimentell bewiesen, dass sowohl Ferrum
cyankali als Indigo nach Infusion rascher aus dem Körper aus
geschieden wird. Um so überraschender war die Beobachtung
von H a 11 i o n und Carrion, dass selbst bei vermehrter
Diurese eher weniger organische Substanzen ausgeschiedeo
werden.
Was nun die klinischen Erfahrungen anbetrifFt,
so beschränke ich mich auf die Publication von Prof. Sahli
(Correspondenzbl. f. Schweiz. Aerzte 17, 1890) hinzuweisen.
Bei typhösen und uraeinischen Zuständen wurde eine be¬
trächtliche (bis auf’s Doppelte) Mehrausscheidung an trockenen
Substanzen iin Harn nachgewiesen, so dass also die Wirkung
einer Auswaschung gleichkommt.
Neben diesem wichtigen Punkt hat aber Sahli noch auf
andere, auch experimentell festgestellte Nebenwirkungen auf¬
merksam gemacht.
Stets wird der arterielle Druck erhöht, die Diurese und Dia-
pho ?se begünstigt und damit alle Secretionen gefördert. Hand
in Hand geht damit die Verdünnung der im Blut circulirenden
Gifte, wovon ich mich bei einer jüngst beobachteten, tödtlich ver¬
laufenden puerperalen Sepsis mehrmals überzeugen konnte.
Morgens starke Benommenheit, Abends, nachdem Tags über 3
bis 4 Liter infundirt worden, trotz höheren Fiebers, hellte sich
das Sensorium stets auf.
Ueber die klinischen Erfahrungen bei septischen Processen
schreibt L e j n r s (Semaine med. 1896, No. 25):
Selbst in verzweifelten Fällen verlängert die Salzwasser-
infusion das Leben und bedingt oft einen kostbaren Aufschub. —
Bei gut functionirenden Nieren gibt sie bei der Infection un¬
erwartete Resultate und verdient, allgemeine Methode zu werden.
Eine schwere, bedrohliche Infection kann durch eine ausgiebige
Injection von mehreren Litern beschworen oder abgeschwächt
werden; meist ist es nothwendig, die Auswaschung während
mehreren Tagen zu wiederholen und im Ganzen sehr beträcht¬
liche Massen zu injiciren.
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Andere Autoren wollen gar keine Wirkung gesehen haben.
Was ist vernünftiger Weise zu erwarten?
Da die Infusion gemäss den physiologischen Versuchen
(jimd eeupirende Wirkung nur ausübt, wenn sie der Infection,
d. h. der Infection des Blutes, unmittelbar nachfolgt, so kann in
praxi dieser Erfolg höchstens bei pyaemischen Schüttelfrösten in
Frage kommen; in allen anderen Fällen und Stadien kann es
sich nur um die Auswaschung des Körpers, die Verdünnung des
vergifteten Blutes, die Stimulation der Herzkraft mit dem
günstigen Einfluss auf die vegetativen Processe handeln. Die
Grenze dieser Wirksamkeit illustrirt folgende Erfahrung.
Ich wurde vom behandelnden Arzt zu einer Wöchnerin. I. Para,
gerufen, welche vor 48 Stunden vermittels Forceps im Becken¬
ausgang entbunden worden war. Patientin ist eyauotisch, hat
kalte Extremitäten, der Radialispuls ist nicht zu fühlen.
Die Infusion konnte auf die Infection nicht mehr direct ein¬
wirken. Nachdem 3 Liter intravenös zugeführt waren, kehrte der
Puls zurück, wurde regelmässig, klein aber ordentlich gespannt,
128 pro Minute. Die Infusion dauerte 7* Stunden, der Puls hielt
sich nachher noch 1 Stunde. Nach dem Verschwinden des Pulses
blieb auch eine 2. Infusion von 1 y 2 Liter erfolglos.
Bei einer moribunden, septischen Puerpera konnte also die
Herzkraft vorübergehend gehoben werden, wodurch das Leben
um ca. 2 y 2 Stunden verlängert wurde.
In leichteren Fällen wird diese kräftige Stimulation über
die kritische Zeit hinweghelfen können, was auch die Erfahrung
bestätigt.
Aus meinen Beobachtungen glaube ich folgern zu dürfen,
dass ich 1 Patientin dem sicheren Tode entrissen habe und dass
in den anderen tödtlich verlaufenden Fällen den Injectionen
stets vorübergehende Besserungen folgten, indem der Puls kräf¬
tiger, die Diaphorese und Diurese vermehrt und das Sensorium
freier wurde.
Ob nicht meine Resultate bessere gewesen wären, wenn ich
mich dem Vorgehen L e j a r s’ auch in den ersten Fällen grössere
Dosen angewendet hätte, mag die Zukunft entscheiden.
Eine vorhergehende Blutentziehung nach dem Vorschlag von
Pose habe ich nie gemacht aus Furcht, den Organismus zu
schwächen.
Dass neben den Infusionen alle anderen erprobten thera¬
peutischen Maassnahmen ungestört fortgesetzt wurden, ist selbst¬
verständlich. Die Infusionen sind nur Hilfstruppen im Kampfe,
um so werthvoller, wenn die anderen versagen, wenn die Wasser¬
aufnahme durch den Darmtractus aus irgend einem Grunde be¬
schränkt oder ausgeschlossen ist.
Die Zahl der klinischen Erfahrungen ist noch zu gering, um
ein abschliessendes TJrtheil zu bilden. Bei der völligen Gefahr¬
losigkeit der Methode ist zu hoffen, dass sie in Zukunft von
vielen Seiten geprüft werde.
Ausser diesen zwei grossen Krankheitsgruppen sind die In¬
fusionen noch bei den verschiedensten Erkrankungen probirt
worden, z. B. bei der Pneumonie, beim Typhus exanthematicus,
bei der Eklampsie und Epilepsie, bei Tetanus, bei der paroxys¬
malen Tachycardie, haemorrhagischen Pocken, ausgedehnten
Verbrennungen, Phthise, selbst bei den Dermatosen.
Im Allgemeinen ist die Infusion von Kochsalz¬
lösungen indicirt in allen Fällen, wo der Herz-
pumpe das n ö t h i g e Blutquantum fehlt, wo
der Körper du re h Säfteverlust austrocknet,
oder wo die Flüssigkeitsaufnahme darnieder¬
liegt, wo das Blut und die Gewebe durch gif¬
tige Substanzen angefüllt sind, die Herz-
kraft erlahmt, die Drüsenthätigkeit vermin¬
dert ist, die nervösen Centren betäubt sind.
Als Contraindi cation en gelten allgemein die Zu¬
stände von Herzinsufficienz mit Oyanose und Lungenoedem und
hochgradiger Hydrops bei Nephritis.
Gehen wir über zur Injectionsflüssigkeit. Nach
zahlreichen Versuchen benützt man gewöhnlich die 7,5 prom.
Kochsalzlösung, welche die rotlien Blutkörperchen nicht an-
greift und welche bis zur dreifachen Blutmenge dem Versuchs¬
thier ohne Gefahr einverleibt werden kann.
T r i o 11 e t hat unter dem Mikroskop naehgewieson, dass
Lösungen unter 7 Prom. die rothen Blutkörperchen aufblähen
und das Haemoglobin entweichen lassen: bei höheren Concen-
trationen werden sie im Gegentheil zusamrnengepresst , das Wasser
dringt ein und der Blutfarbstoff entweicht in\s Plasma, d. h.
also: Bei 7 prom. Lösungen besteht Gleichgewicht im osmotischen
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Druck des Blutplasma und der Blutkörperchen, ähnlich wie im
normalen Blut. In zu schwachen Lösungen nimmt der os¬
motische Druck im Plasma ab, die Blutkörperchen dehnen sich
aus wegen ihres höheren Druckes. Das Umgekehrte geschieht
bei zu starken Lösungen, wo der Druck des Plasma überwiegt
und die Blutkörperchen zusammendrückt.
Ich habe mich anfänglich der T a v e l’sehen Lösung (7,5
Prom. Na CI und 2,5 Prom. Soda) (Mittheilung von Professor
Kocher) bedient, weil diese Lösung schneller, in */ 4 ständigem
Kochen, sterilisirt werden kann und den gleichen Effect auf das
Blut und die Gewebe hat. Krone cker aber hat eine Mischung
von 6 Na CI und 1 Soda auf einen Liter Wasser als eine gefähr¬
liche Lösung bezeichnet, so bin ich auf die 7 prom. Kochsalz¬
lösung zuriiekgekc.mincn. Schon früher hat Prof. Gaule seiner
Natronhydratlösung (Na CI 0,6 und Na OH 0,005) 3,5 Proc.
Zucker zugefügt und diesem Zusatz eine gute Wirkung nach¬
gerühmt. S c h ii e k i n g (Verhandl. der deutsch. Naturforscher
und Aerzteversammlung, München 1899) will bei puerperaler
Sepsis und bei gefahrdrohenden Blutungen die Wirkung der
Kochsalzlösung durch einen Zusatz von Natr. saeehar. 0,3 bis
1,0 auf 1 Liter in hohem Maasse gesteigert haben und preist das
Natr. saeehar. als ein wirksames Herztonicum.
Für den Praktiker kann es sich zur Zeit nur um die reine
Kochsalzlösung handeln und habe ich bei der Zusammenstellung
des Apparates nur darauf Rücksicht genommen. Die Temperatur
soll 40 0 betragen. Da nach Beobachtungen von R i c h e t und
Lepine intravenöse Infusionen von sehr kalten und sehr
warmen Flüssigkeiten gut vertragen werden, so braucht man in
dieser Hinsicht nicht so ängstlich zu sein, darf aber nie vergessen,
dass bei subcutanen Injcctionen bei übermässigen Temperaturen
Gangraen der Haut und des subcutanen Zellgewebes eintreten
kann.
Darüber sind alle Experimentatoren und Kliniker einig,
dass grosse Quantitäten infundirt werden müssen..
Das t re und de Loge haben bei Thieron mit gesunden
Nieren, ohne die geringsten schädlichen Folgen, bis zu zwei
Drittel des Körpergewichtes eingeführt, weil eben die Nieren
den Ueberfluss sofort wieder ausscheiden.
Bei acuter Anaemie sollen 1—3 Liter rasch eingeführt werden,
wobei natürlich der venöse Weg vorzuziehen ist. Bei Intoxica-
tionen hat Prof. Sahli bis auf 4 Liter pro Tag verabreicht, bei
2 Fällen von Infection Lejars bis zu 14 Liter in 5Tagen und bei
einer pulslosen Patientin am Tage nach einer Ovariotomie 5 1 /,
Liter in 3 Stunden. Ich bin in meinen letzten Fällen bis auf
4 Liter pro die gegangen, glaube aber das erlaubte Maass noch
nicht erreicht zu haben.
Was die Schnelligkeit der Infusion anbetrifFt. so
wurde experimentell festgestellt, dass bei Kaninchen 3 ccm, beim
Hund 1 ccm pro Kilo und pro Minute die Grenze bilden.
Prof. Sahli hat in 10—15 Minuten je 1 Liter subcutan ge¬
geben, musste aber der Schmerzhaftigkeit wegen einmal zur Nar¬
kose seine Zuflucht nehmen. Um die Methode in der Praxis
einzuführen, ist es wohl rathsamer, etwas langsamer vorzugehen,
wobei allerdings etwas mehr Zeit gebraucht wird. Für eine
einmalige Infusion kann wohl jeder Arzt sich Zeit nehmen, bei
täglicher Wiederholung wird der Arzt nur die Infusion einleiten,
die Ueberwachung und die Beendigung aber ganz gut einer
zuverlässigen Wärterin überlassen. Ich brauchte stets im
Mittel eine V 2 Stunde für 1 Liter, wobei ich mich stets nach der
Schmerzhaftigkeit richtete.
Ort der Injection. Wenn wir von der intraperitone¬
alen Methode absehen, welche meist nur nach abdominellen Ope¬
rationen in Frage kommen wird, so bleibt noch der intravenöse
und der subcutaneWeg. Bei intraarterieller Infusion wurde
nämlich einmal Gangraen der Hand beobachtet, so dass diese
Methode kaum mehr riskirt werden dürfte.
Die intravenöse Zufuhr ist angezeigt überall da, wo es sich
um rasche Hilfe handelt, also bei acuter Anaemie und hoch¬
gradigem Flüssigkeitsverlust. Am häufigsten werden die sub¬
cutanen Infusionen gemacht; als besonders günstige Stellen
erwähne ich dieSubclaviculargegenden, die seitlichen Partien des
Abdomens und die Oberschenkel. Nach Ablauf von 24 Stunden
kann die gleiche Stelle event. wieder benützt werden.
Nun noch zum Schlüsse wenige Worte über das nöthige
Inst r u m e n t a r i u m und über meine Zusammenstellung
speciell.
8 *
Original frn-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
48
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Hohlnadel, Schlauch und Trichter oder Irrigator sind die
einzigen nothwendigen Bestandtheile. Den gleichen Dienst thut
im Nothfall eine Spritze, z. B. der P o t a i n’sche Apparat. Das
nöthige Wasser und das Kochsalz sind auch überall zu haben und
so sollte man meinen, ein besonderer Infusionsapparat sei ein
rechter Luxus. In praxi liegt die Sache anders und schon anno
1885 hat Nienhans die Wünschbarkeit eines leicht transpor¬
tabel^ compendiösen Apparates betont. Bis vor Kurzem habe
ich den bekannten Apparat nach Prof. Sahli benutzt. Als
aber zu wiederholten Malen nach langen Vorbereitungen der
Erlen m eye r’sche Kolben noch im letzten Moment in der
Hitze des Gefechtes zerbrach und da der Transport des Glas-
gefässes sammt der verschiedenen Glasröhren immer umständlich
ist und auch nach persönlicher Mittheilung beim Erfinder ge¬
legentlich mit der Ueberschwemmung der Arzttasche endigte,
da habe ich nach einfacheren Mitteln gesucht. Die Anwendung
des Heberprincips macht ein voluminöses Gefäss überflüssig.
Meine Zusammenstellung enthält verschiedene Hohlnadeln (von
Stahl für den subcutanen und von Glas für den intravenösen
Gebrauch), einen ca. 135 cm langen und einen kurzen Schlauch
mit Plongeur und 2 Glasbügel. Dazu kommen die nothwendigen
Hilfsmittel, Kochsalzpastillen 1 ) ä 1,0, Thermometer und eng¬
lisches Heftpflaster.
Wer auch noch die nöthigen Instrumente für die intravenöse
Injection im Apparat vereinigen will, der verschafft sich noch
den Einsatz mit Messer, Scheere, D e c h a m p’scher Nadel,
Schieberpincette, Nadel, Faden.
So ausgerüstet kann die Infusion in kürzester Zeit einge¬
leitet werden. In einer sauberen Pfanne wird die Injections-
flüssigkeit sammt dem chemischen Zusatz, 1, 2 oder mehr Liter,
V 4 Stunde gekocht. Unterdessen sterilisirt man in einer anderen
Pfanne Hohlnadel, Schlauch, Bügel und, wenn nöthig, das chi¬
rurgische Instrumentarium und das Nahtmaterial. Die Des-
infection des Schlauches mit Sublimat führte in einem meiner
intravenösen Infusionen bei acuter Anaemie zu heftigen Intoxi-
cationserscheinungen, wesshalb ich davon abratlie. Will man die
Injectionsflüssigkeit aus der Pfanne in ein anderes Gefäss,
Flasche, Milchhafen etc. giessen, so wird dasselbe ebenfalls ge¬
kocht oder sonst peinlich gereinigt. Während die Injeetions-
tliissigkeit auf ca. 45° abgekühlt wird, kann die Leitung montirt,
die Haut desinficirt werden. Durch Ausstreichen der Luft im
langen Schlauch füllt sich der Schlauch mit Wasser, man lässt
es einige Zeit abfliessen, damit alle Luft sicher entweicht, weil
sonst der Abfluss gehemmt wird und bei intravenösen Infusionen
die Gefahr der Luftembolie entsteht. Das Reservoir wird mit
Vortheil gegen Staub gedeckt und gegen zu rasche Abkühlung
mit einem wollenen Tuche umwickelt. Trotzdem muss gelegent¬
lich mit Spiritus- oder Kerzenflamme nachgewärmt werden.
Bei häufiger Anwendung hat sich das Ganze bis jetzt be¬
währt. Wer mit höherem Druck arbeiten will, muss den Schlauch
verlängern.
Ich fasse die Ausführungen in folgende Sätze zusammen:
1. Die subcutanc intravenöse Infusion ist
bei verschiedenen Krankheiten und patho¬
logischen Zuständen w irksa m.
2. Die Infusion steriler, 0,75 p r o c. Kochsalz¬
lösungen unter aseptischen C a u t e 1 e n ist ab¬
solut und mit dem geeigneten Instrumen¬
tarium leicht und in kürzester Zeit aus-
f ii h r b a r.
Es ist zu hoffen, dass die von Prof. Sahli vor 9 Jahren
ausgesprochene Prophezeiung in Erfüllung gehen möge, dass die
subcutanc Salzwasserinfusion in der modernen Medicin binnen
kurzer Zeit eine häufige und ungeahnt vielseitige Anwendung
finden werde. Fiat!
Anmerkung: Der Infusionsapparat ist zu haben bei Han-
hart & Ziegler, Bahnhofplatz Zürich, zum Preise von Frc. 15
ohne, zu Frc. 30 mit chirurgischen Instrumenten. Die Pastillen
liefert das Sanitätsgeschäft Hausmann in St. Gallen.
') Sollten sich complicirtere chemische Zusätze (Natr. sac-
rharat., Pa CI, etc.) klinisch bewähren, so wäre die Bestellung
der alle (Komponenten in den entsprechenden Gewichtsverhält¬
nissen enthaltenden Pastillen eine einfache Aufgabe.
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Aus der chirurgischen Universitätspoliklinik in München.
Experimentelles und Klinisches Uber Orthoform.
Von Dr. August Luxenburger, Assistenzarzt.
Seit den ersten, vor mehr als Jahresfrist publicirten Berich¬
ten des Herrn Professor Klaussner 1 ) und Dr. Kallen-
b o r g e r *) über die günstigen Erfolge mit dem von Einhorn
und Heinz entdeckten Localanaestheticum Orthoform ist das
Präparat an dem grossen Krankenmaterial der chirurgischen
Universitätspoliklinik in ausgedehntem Maasse weiter zur An¬
wendung gelangt. Die Zeit ist nunmehr gekommen, um an der
Hand der von uns und zahlreichen anderen Autoren gesammelten
Erfahrungen ein definitives Urtheil zu fällen über die Berechti¬
gung, das Orthoform dem Arzneischatz des Arztes, speeiell des
Chirurgen einzuverleiben.
Besonders der Letztere muss von einem neuen, ihm zur
Wundbehandlung empfohlenen chemischen Körper unbedingt
verlangen, dass er neben seiner Zweckerfüllung — hier die locale
Anacsthesirung — nicht schadet, d. h. weder die Wundheilung
noch den Gesammtorganismus irgendwie beeinträchtigt. Das
Orthoform also durfte vor Allem, so wie es die Fabrik liefert,
keine infectiösen Keime enthalten. Nim hat öfteres Einbringen
in Gelatine, Agar und Bouillon gezeigt, dass Orthoform die
erste Bedingung der Sterilität erfüllt. Zum gleichen günstigen
Resultat kamen Lichtwitz und Sabrazes 8 ). Aus ihren
weiteren Versuchen mit genanntem Mittel folgerten sie eint*
mittelmässige autiseptische Wirkung desselben. Seine stark
eiweissfäulnisswidrige Kraft, auf die schon Kallenberger')
hinwies, hat Mosso 1 ) bestätigt, ausserdem die Möglichkeit er¬
wähnt, mit Orthoformzusatz zu offenstehendem Ham die ammo-
niakalische Gährung zu unterdrücken. Von letzterer Thatsache
habe auch ich mich überzeugen können. Bereits 0,5 proe. Ortho-
formbeimengung zum Tlarn verhindert nicht nur die ammonia-
kalisehe Gährung desselben auf Wochen hinaus, sondern auch
das Fortschreiten bereits eingetretener Gährung kann auf solche
Weise sistirt werden und der faulig stinkende Harn wird nahe¬
zu geruchlos. Ebenso wird die Alkobolgährung mittels Hefe in
zuckerhaltigem Urin bei Anwesenheit von Orthoform bedeutend
\ erzögert.
Um die von Licht witz und Sabrazes als mittelmässig
bezeichnet« autiseptische Eigenschaft des Orthoforms näher zu
präeisiren, stellte ich zunächst Ziichtungsversuche verschiedener
Mikroorganismen, besonders der Eiterereger auf den gebräuch¬
lichen Nährböden an unter Zusatz des früher benützten Ortho¬
forms und des jetzt hauptsächlich verwendeten billigeren Ortho¬
forms „neu“, welche Körper sich, wie im Folgenden zu ersehen
ist, ziemlich gleichmässig verhalten.
I. Auf frisch angelegte Agarstrichculturen von Bae. pyo-
cyancus, Staphylococcus albus und aureus wird sofort eine dicke
Schicht Orthoform alt aufgestreut, die Controlröhren in der¬
selben Weise mit Lykopodium und Schwefel behandelt.
Nach 2, 4, 6, 8 tägigem Stehen im Brutofen wird von beider¬
lei Röhren in Bouillonröhren abgeimpft. Es zeigt sich nach
l 1 /, Tagen, dass nur die Abimpfungen von den Orthoformröhren
steril blieben, während die Abimpfungen von den Schwefel- und
Lykopodium röhren die genannten Bacterien aufwiesen.
II. Ebenso wird Orthoform neu auf frische Agarstriehcul-
turen vom Bae. pyoe.. Staphylococcus eitr. und Streptococcus ge¬
streut, die Controlculturen aber mit Lykopodium und Jodo¬
form bedeckt. Wiederum liess sich durch Abimpfungen con-
statiren, dass unter lykopodium und Jodoform die Culturen un¬
beeinflusst gediehen, unter Orthoform neu dagegen jedes Waehs-
thum ausblieb.
Durch diese gleichmässig angelegten Versuche war für beide
Substanzen die gleiche baeterienentwickelungshemmende Wir¬
kung bewiesen und es handelte sich nunmehr darum, diese Ver¬
hältnisse quantitativ zu verfolgen, was um so leichter gelingt,
als beide Orthoformarten sich zu ca. 1 Proc. in Agar, Gelatine
und Blutserum lösen, unter Auftreten einer leichten braungelben
l ) Münch, med. Wochenschr. No. 46, 1897.
a ) Inauguraldissertation, München 1897.
•) Bulletin medical No. 94, 1897.
4 ) Berl. klin. Wochensehr. No. 12, 1898.
a ) Deutsch, med. Wochenschr. No. 26, 1898. (Durch folgenden
Versuch: Soda-Feptonlösung mit Stuhlgang inflclrt faulte nicht,
wenn 0,4 Proc. Orthoform zugesetzt worden war.)
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
r
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
49
Verfärbung 1 , verursacht durch die leicht alkalische Reaction der
ersteren. Nährböden, die in verschiedener Concentration Ortho-
form enthielten, waren demnach leicht herzustellen und schienen
am geeignetsten, den Grad der antiseptischen Qualität deutlich
zu kennzeichnen.
Auf schief erstarrten Agarröhren, die absteigende Concen-
trationen von Orthoform alt und neu enthielten, wurden Bac.
pyocyaneus, Staphylococcus aureus und albus aufgestrichen.
Nach 2 tägigem Aufenthalt im Brutschrank kam das in der
Tabelle dargelegte Resultat zu Gesicht.
Concentration von
Orthoform
1 Proc.
7s Proc.
73 Proc.
7i Proc.
7« Proc.
78 Proc.
7 12 Proc.
1 7 18 Pro«*
j 7 24 Proc.
Bac. pyoevan.
Colonien
0
( ’olonien
0
Colonien
0
sehr wenige
klimmerliche
Colonien
einige Colonien
massig zahl¬
reiche Colontenj
reichliches
Wachsthum,
keiu Farbstoff
sehr dicker Belag,
etwas Farbstoff, deutlicher
Geruch.
Staphyl. aureus ....
0
0
0
sehr wenige
kümmerliche
Colonien
mehrere
Colonien
massig zahl¬
reiche Colonien
sehr viele
Colonien
dicker, gelber Belag.
Staphyl. all>.
0
0
1
I 0
wenige
Colonien
rneh rere
Colonien
viele Colonien
dicker
weisslieher
Belag
ausgedehnt e r wo i sslielio r
Belag.
Concentration von
Orthoform neu
1 Proc.
0,5 Proc. 1
0,32 Proc.
0,25 Proc.
0,17 Proc.
0,125 Proc.
0,1 Proc. 1
0,05 Proc.
Bac. pyocyan.
Colonien
0
Colonien
0
Colonien
0
wenige
Colonien,
kümmerlich
j leichter Belag
dicker Belag
dicker 1 sehr kräftiges
ausgedehnter Wachsthum,
j Belag 1 etwas Geruch
kein Farbstoff.
Staphyl. citr. - . . . .
0
0
0
0
vereinzelte
Colonien
massiger
blassgelber
Belag
dicker, gelber
Belag
dicker, gelber
Belag
Streptococcus.
0
0
0
0
vereinzelte!
Colonien
wenige
Colonien
massiger Belag
{reicher Belag
Mit diesem Ergebniss stimmen die nachfolgenden Versuchs¬
resultate, die mit Orthoformgelatine verschieden hoher Concen¬
tration erhalten wurden, überein. Je 10 ccm dieser Gelatine
wurden mit je einer Oese Bac. pyocyaneus-, Staphylococcus
aureus- etc. Bouilloncultur geimpft, dann nach guter Vertliei-
lung in diesem Medium in gleich grosse Petrischalen gegossen.
Nach 2 tägigem Stehen bei 22 Grad wurde das in der Tabelle
niedergelegte Resultat erhalten.
Concentration von
Orthoform
1 Proc.
7a Proc.
7s Proc.
74 Proc.
7 0 Proc.
78 Proc.
7 12 Proc.
Bac. pyocyan.
Colonien
0
Colonien
0
Colonien
0
durchschnittlich
2 Colonien im
Gesichtsfeld
durchschnittlich
3 Colonien im
Gesichtsfeld
| durchschnittlich |
I 25 Colonien im
Gesichtsfeld
[Unzählige Colonien.
1
Staphyl. albus.
0
0
0
durchschnittlich
1 Colonic im
Gesichtsfeld
durchschnittlich
32 Colonien im
(iesiehtsfeld
unzählige Colonien
Staphyl. aureus.
0
0
» 1
0
durchschnittlich 1
3 Colonien im
Gesichtsfeld
durchschnittlich
5 (’olonien im
Gesichtsfeld
durchschnittlich
12 Colonien im
Gesichtsfeld.
Concentration von
Orthoform neu
1 Proc.
0,5 Proc.
; 0,32 Proc.
0,25 Proc.
0,17 Proc.
0,125 Proc.
Bac. pyocyan.
Colonien
0
_
Colonien
0
Colonien
0
Colonien
0
durchschnittlich
10 Colonien im
Gesichtsfeld
|unzählige Colonien,
kein Farbstoff.
Staphyl. «streus.
0
0
0
0
durchschnittlich
4 Colonien im
Gesichtsfeld
durchschnittlich
9 Colonien im
Gesichtsfeld.
Streptococcus.
0
0
0
0
durchschnittlich l
13 Colonien im 1
Gesichtsfeld. |
durchschnittlich 1
35 Colonien im
Gesichtsfeld. |
Die Platten, welche 0,5 Proc., 0,32 Proc. und 0,25 Proc.
Orthoformgelatine enthielten und keine Spur von Bacterien-
wachsthum gezeigt hatten, wurden bei 37 Grad langsam ver¬
flüssigt und die Concentration durch Ilinzufiigen des 2 fachen
Volumens reiner Gelatine auf den dritten Theil verringert.
Nun war auf ihnen nach 2 mal 24 Stunden ein mehr oder weniger
üppiges Aufkeimen der ursprünglich zurückgehaltonen Bac-
terienarten zu constatiren und somit erkannt, dass 0,5, 0,3 Proc.
etc. nicht genügt hatte, um dieselben abzutödten.
Auf Blutserum w r urde nur mit Orthoform neu gearbeitet,
mit folgendem Resultat:
Concentration von
Orthoform neu
1 Proc.
7 2 Proc.
7s Proc.
74 Proc.
7 5 Proc.
V 10 Proc.
7 1 & Proc.
7'2ö Proc.
Bac. pyocyan.
Colonien j
0
(’olonien
0
Colonien
0
Colonien
0
sehr vereinzelte
Colonien
wenige
Colonien
sehr viele
Colonien
dicker Belag,
keiu Farbstoff.
Staphyloc. citr.
0
0
0
0
0
wenige 1
schwächliche
Colonien '
reichlicher, blassgelber Belag.
Streptococcus.
0
0
0
0
1
0
massiger
Belag
dicker Belag.
Aus dem Vergleich der in den vorausgehenden Tabellen an¬
geführten Zahlen und Angaben lässt sich entnehmen, dass ein
Zusatz von l / 3 Proc. Orthoform zu einem für Bacterienentwiek-
liing günstigen Nährboden sicher jegliches Wachsthum unter¬
drückt; dass meist schon */ 4 Proc. zu diesem Zweck genügt.
Nach diesem zur Entwicklungshemmung nöthigen ziemlich
hohen Procentsatz und der schon vorher mitgetheilten Beobach¬
tung, dass in Concentrationell von 0,5, 0,3 etc. Mikroorganismen
No. 2.
Digitized by
Gck igle
nicht absterben, war eine ausgesprochene bactericide Kraft des
Orthoforms nicht zu erwarten. Die Bestätigung dieser Ver-
muthung lieferte folgender Versuch:
Auf rauhe Glasplättchen (geschnitten aus Mattscheiben)
wurden Rcinculturcn von Bac. pyocyaneus, Staphylococcus albus
und citrcus gestrichen. Nach dem Trocknen in einem Exsiccator
steckte ich dieselben in sterile Reagenzgläser, füllte den übrigen
Raum mit Orthoformpulver aus, so dass die Plättchen ganz darin
Original frtm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
50
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
verschwanden. Nach 14 tägigem, resp. 1 monatlichem Stehen
wurden dieselben herausgenommen, mit sterilem Wasser ab-
gespiilt und in Bouillonröhren versenkt. Die meisten Plätt¬
chen erwiesen durch lebhaftes Baeteriumwaehsthum in den
Bouillonröhren, dass örthoform die angetrockneten Keime nicht
getödtet hatte. Circa ein Viertel der Plättchen war anscheinend
nicht mehr im Stande, die Bouillon zu inficiren. Auch die erstere
Kategorie liess eine Schädigung insofern erkennen, als Control¬
plättchen, die anderweitig steril aufgehoben worden waren, viel
früher eine Trübung der Bouillon hervorriefen.
Diesen Versuch ergänzte ein weiterer, der in ähnlicher Weise
auch von Lichtwitz und Sabraees') angestellt wurde.
Mehrere Tage alte Pyoeyaneus-, Citr.- und Staphylococcus
albus-Bouilloneulturcn wurden reichlich mit Örthoform neu
versetzt und unter häufigem Umschüttoln im Brutschrank ge¬
halten. Nach ca. 3—4 Tagen erwiesen Abimpfungen, dass
die Keime in ersteren abgestorben waren.
Eine geringe bacterieide Kraft des Orthoforms kann, wie
clie eben beschriebenen Versuche erkennen lassen, nicht be¬
zweifelt werden; jedoch ist gemäss der Schwerlöslichkeit des
Orthoforms kaum zu sagen, welche Quantität zu dieser Leistung
erforderlich ist, da man ja nicht weiss, wie viel gerade in Action
tritt.
Mehr Gewicht dürfte auf ein anderes Moment gelegt werden.
In den Tabellen ist öfters bemerkt, dass z. B. Bae. pyoeyaneus
auf den Orthoformnälirböden, selbst niederster Concentration,
kaum Farbstoff und wenig Geruch producirt, dass Staphylococcus
citr. nur blassgelb wuchs; ferner war es leicht, sich zu über¬
zeugen, das abgeimpfte Keime von solchen Orthoformculturen
sehr lange Zeit brauchten, um reine Bouillon zu trüben (sich
gleichsam erst erholen mussten); kurz gesagt, die unter Ortho-
formeinfluss aufgezogenen Bacterien schienen in ihren Lebens¬
äusserungen sehr geschwächt zu sein. Damit war die Frage
nach einer event. derart geschaffenen Virulenzverminderung ge¬
geben. Sie wurde leicht durch einen diesbezüglichen Versuch
gelöst. 3 Kaninchen wurden mit je l / 2 ccm einer virulenten
Streptococcencultur unter der Rückenhaut geimpft, aber mit
dem Unterschied, dass beim Kaninchen A die Cultur 10 Stunden
vorher reichlich mit Örthoform versetzt wurde, bei B 5 Minuten
vorher, bei C wurde die reine Cultur injicirt.
Kaninchen C starb nach V/ a Tagen an Sepsis. Coccen
wurden in Blut und Organen gefunden. B bekam einen grossen
Abscess, starb nach 3 Tagen mit gleichem Sectionsbefund.
A blieb wohl, zeigte an der Injectionsstelle nur eine gering¬
gradige, rasch vorübergehende Schwellung.*)
Auf dem eben besprochenen Wege glaubte ich genügend den
nicht unbeträchtlichen antiseptischen Werth des Orthoforms be-
M'iesen zu haben. Von einem eigentlichen Antisepticum ist das¬
selbe noch weit entfernt, aber als solches soll es ja auch nicht
dienen. Da sich im käuflichen Örthoform keine Keime befinden,
und diejenigen, welche beim Hantircn mit genannter Substanz
oder beim Offenstehen des Vorrathsgefässes hineingelangen,
sicher nach längerem Contaet mit Örthoform meist zu Grunde
gehen oder soviel von ihrer Virulenz einbüsssen, dass sie einen
Schaden nicht mehr anstiften, können Gründe der Asepsis nicht
mehr gegen den Gebrauch, selbst bei nicht inficirten frischen
Wunden in’s Feld geführt werden, auch ohne weitere Sterilisation
des Mittels.
Andere Hinderungsgründe, wie schlimme Nebenwirkungen,
konnte nur die längere klinische Erfahrung lehren, desshalb
ziehe ich es vor, erst nach der Zusammenstellung der mit Ortho-
form behandelten Fälle auf diesen Punkt zurückzukommen.
Zuvor erscheint cs nothwendig, einige allgemeine Angaben
über die an der chirurgischen Poliklinik gebräuchliche Anwen¬
dungsart des Orthoforms zu machen.
Nachdem obige Versuche gezeigt hatten, dass Örthoform
nicht als vollwerthiges Antisepticum gelten kann, war man ge¬
zwungen, falls man nicht überhaupt ganz auf die Anaesthesirung
inficirter Wunden und Geschwüre verzichten wollte, neben dem
Orthoformgcbrauch mit den lang bewährten Desinficientien zu
'} 1. c.
*) Hier sind noch 2 später Angestellte Versuchsreihen nacli-
zutragen, deren Resultat zu Obigem passt: Weisse Mäuse wurden
mit hoch virulenter Typhus- resp. Ilühnercholeracultur inficirt.
Dieselben blieben nur dann am Leben, wenn die betreffenden Cul-
tiireii 2 resp. 4 Stunden vorher mit Örthoform versetzt und öfters
tüchtig geschüttelt worden waren.
Digitized by Google
arbeiten, von welchen bekannt ist, dass sie die Reinigung der
Geschwüre etc. begünstigen. Auch die Combination mit aner¬
kannt granulationsbefördernden und Secretion einschränkenden
Wundstreupulvern, wie Jodoform, Bisinuthsubnitr., Dermatol etc.
schien geeignet, den doppelten Zweck, Schmerzlosigkeit und
Heilung, zu fördern. Nun war zu bedenken, dass vielleicht
länger dauernder Contaet des Orthoforms mit den genanntem
Agentien auf der Wundfläche, zumal beim Hinzutreten alkali¬
scher Secrete, Veranlassung geben könnte zur Bildung neuer, in
ihrer Wirkung unbekannter, event. sogar den Wunden schäd¬
licher chemischer Körper. Heber eine solche Aenderung der
Componenten konnten einige einfache Reagensglasversuche
ziemliche Klarheit verschaffen. Desshalb wurde Örthoform in
völlig gleichrnässigcr Weise mit pulverförmigen und flüssigen
Wundheilmitteln zusammengebracht und, um die Verhältnisse
auf der Wunde einigermaassen nachzuahmen, etwas schwach
alkalische physiologische Kochsalzlösung zugefügt.
Jodoform mit Örthoform und Kochsalzlösung zu einem Brei
angerührt zeigt nach mehreren Tagen ausser minimalem Dunk¬
lerwerden keine Veränderung. Das gleiche gilt für Thiojodoforni,
Dermatol. Zinkpuder, Europhon, Aristol. Bismuthum subnitric.
dagegen wird nach einigen Tagen choeoladebraun. Demnach
wird man gut t-hun, von letzterer Pulvermischung abzusehen;
dem Gebrauch ersterer steht nichts im Wege.
Von grösserem praktischen Interesse war der Nachweis,
dass Aetzmittel, wie Kalomol, Salicylsäure, auf deren wünschens-
werthe Application zuweilen wegen damit verbundener heftiger
Schmerzerregung verzichtet werden muss, durch Örthoform
nicht weiter modificirt werden (abgesehen von unwesentlich ge¬
ringer Bräunung). Der Zusatz des Anaesthetieums ist hier also
besonders empfehlenswerth und hat de facto schöne Erfolge
gezeitigt.
Ferner können wir die genannten Streupulver zusammen
mit den beliebteren Salbenconstituentien zu Salben verarbeiten,
ohne dass der gewünschte Effect des einen oder anderen Mittels
dadurch verloren geht. Das Gleiche gilt für Suppositorien mit
Butyr. Oacao.
Wichtiger noch war die Prüfung des Verhaltens des Ortho¬
forms zu den bekannten flüssigen bactericiden Mitteln, da ab¬
gesehen von frischen Verletzungen (durch Quetschung oder Ver¬
brennung), gerade inficirte Wunden meist lebhaft schmerzen,
also neben dem desinficirenden auch eines schmerzstillenden
Agens bedürfen.
Das zuverlässigste Antisepticum Sublimat gibt in wässeriger
Orthoformlösung eine Trübung; es scheidet sich nach kurzer
Zeit eine gelbe Verbindung aus, offenbar ein Doppelsalz von
Örthoform mit Quecksilberchlorid. Wenn man zu einer Sus¬
pension von Örthoform in Wasser wenige Tropfen verdünnter
Quecksilberchloridlösung zusetzt, so verwandeln sich die Ortho-
formkrystalle tlteilweise in die eben genannte gelbe Verbindung.
Carbolsäure, 3 proc. bis 5 proc., verändert Örthoform nicht.
Aehnliches hisst sich für Lysol- und K r e s o 1 lösungen
constatiren.
Bl eiwasser, Bor und essigsaure Thonerde¬
lösungen lassen das Örthoform anscheinend ganz unberührt.
Mit Chlorzinklösung bildet das Örthoform eine Doppelver¬
bindung.
Die bis jetzt genannten Flüssigkeiten werden durch den
Contaet mit Örthoform nach ca. 48 Stunden gelbbräunlich ge¬
färbt, ausgenommen die essigsaure Thonerdelöaung, die ein
leicht violettes Colorit erhält. Alle lösen etwas Örthoform,
relativ am meisten Borsäure.
Kaliumpermanganat lösung wird durch Örthoform
sofort reducirt; nach mehreren Minuten fällt braunschwarzes
Mangansuperoxydliydrat voluminös heraus, die darüber stehende
Flüssigkeit bleibt sclimutziggelbroth.
In Argentum nitri c.-Lösung ruft Örthoform ebenfalls
in Folge eines Reductionsvorganges einen schwarzgrauen Nieder¬
schlag hervor von metallischem Silber.
Im Contaet mit Formalinlösung entsteht sofort ein leuch¬
tend gelbrotlier, wolkiger Niederschlag, offenbar ein neues Re-
actionsproduct von Formaldehyd mit Örthoform.
Aus diesen einfachen Experimenten geht wohl mit genügen¬
der Sicherheit hervor, dass unter den gebräuchlichen Desinfici-
entien bei gleichzeitiger Ort.hoformauWendung abzusehen ist von
Formalin, Argentum nitricum- und Kal. permanganatlösungen.
Sublimat dürfte kaum durch den Orthoformzusatz seine
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Wirksamkeit einbüssen, sondern entfaltet dieselbe wohl auch
zweifellos noch in Verbindung mit dem Anaestheticum, zumal
die Doppel Verbindung nicht ganz unlöslich sei.
Es erübrigt noch, mitzutheilen, dass Aetzmittel wie Ter¬
pentinöl, J o d t i n c t u r, Cuprumsulfuri c*. - Lösung
sich Orthoform gegenüber ziemlich indifferent verhalten.
Auch eine Combination mit Ichthyol bietet Vortheile, wobei
als bequemer Träger Glycerin oder Collodium ) benützt werden
kann.
Theils allein, meist aber mit den eben aufgefiihrten chemi¬
schen Stoffen, wurde Orthoform an der grossen Reihe der jetzt
zu 1 k- trachtenden Fälle angewendet. Es sind folgende:
35 Fälle von meist stark verunreinigten Abquetscliuugen von
Fingerkuppen mit oder ohne Fractur der Endpluilangen, Gelenk-
eröffnung und Sehnenzerreissungen. Aufpuderiiiig von reinem
Orthoform, darüber feuchter Borsäure- oder essigsaurer Thonerde¬
verband, an 2—3 Tagen hinter einander wiederholt.
22 Fälle von Risswunden, hauptsächlich an den Händen und
Unterschenkeln. 3—4 tägige Orthoformpuderung, darüber Jodo-
fonngazeverband oder wo eine Infeetion sichtbar oder zu ver-
nmtlien war, essigsaure Thonerdeverband.
20 Fälle von inficirteu Schnittwunden, meist mit Lympli-
angitis, 3—4 Tage lang tägliche Orthoformpuderung, darüber
feuchter Bleiwasser- oder Sublimatverband. Die klinischen Er¬
folge sprechen nicht für eine Schwächung des Sublimats durch
die Gegenwart des Orthoforms.
28 Fälle von Hautabschürfungen, besonders an der Vola
inanus und den Schienbeinen. 5—10 proc. Orthoformdermatol-
salbe, wo keine Infeetion vorhanden war.
31 Fälle von Brandwunden 2. Grades durch Benzin,
Spiritus etc., incl. Verbrühungen mit Dampf und Verätzungen
mit Säuren, meist nur Vorderarme, Hände oder Gesicht ein¬
nehmend. Die direct nach dem Unfall in die Anstalt Verbrachten
also ohne wahrscheinliche Infeetion) werden nach Abtragung der
Blasen mit 10 proc. Orthoformdermatolamylumpuder behandelt,
später mit 10 proc. Orthoformdermatolvaseline, wenn sich die
Sccretion in massigen Schranken hielt. Zeichen nachträglicher
Verunreinigung gaben die Indication ab zu Bleiwasserumschlägen
auf die mit Orthoform bestreute Wundfläche.
8 Fälle von luetischen Geschwüren meist am Unterschenkel,
einige bis ln den Knochen reichend. 8—12 tägige Orthoform-
anwondung comblnirt mit feuchten Sublimatverbilnden, oder
Jodoformgaze oder grauer Salbe. Durch mehrtägige Aetzuug mit
Kalomel (3 Theile), Orthoform (1 Theil), darüber Kochsalz-
vcrbawl konnte öfters Reinigung schmieriger Geschwürsflächou
schmerzlos erzielt werden.
3 Fälle tubereulöser Geschwüre (2 am Hals, 3 im Mund) er¬
forderten wochenlange Anwendung von Orthoform und Jodoform
zu gleichen Theileu.
5 Fälle traumatischer Geschwüre amFuss durch St iefeldruek),
meist mit begleitender Lymphangitis. Aufpuderung von Ortho
form, darüber feuchter essigsaure Thonerdeverband.
3 Fälle von Decubitusgeschwüren am Kreuzbein bis zu Haud-
grösse. Bei einem, sehr schmierig belegten und stark übelriechen¬
den. schien der Geruch durch Orthoformanwendung allein sich
zu vermindern. Hier, wie in den anderen Fällen, wurden bis zur
Peinigung der Gescliwürsfläehen neben Orthoformaufstreuung
Bleiwasserverbnnde ohne Guttapercha verordnet, später dann
Orthoforimlermatolstreupulver oder dito Salbe. Allo heilten.
4 Fälle von trophischem Geschwür, volar an der grossen Zehe
\m Tabikern (2), Diabetiker (1), Arteriosklerotiker (1). Aufwen¬
dung von Orthoform und Jodoform oder Orthoform und Glutol,
Orthoformichthyolsalbe. Wo starke Schwielen um das Geschwür
vorhanden waren, Orthoform und Salieylsäure ana. 2 Geschwüre
gelangten zur Heilung, die übrigen sind gebessert.
15 Fälle von varieüsen Untersehenkelgeschwüren, meist leb¬
haft schmerzende, sog. erethische Geschwüre verschiedener
Grösse, einige mit Symptomen massiger Infeetion, reichlich secer-
nirend, einige atonische mit schwieligen Rändern, seröser Seere-
tion, schlecht grauulirendem Grund.
Die lebhaften Beschwerden erethischer, ziemlich gereinigter
Geschwüre wurden mit Orthoform-Permatol-Talgpudor oder dito
Salbe rasch beseitigt; darüber kam ein trockener Gazeverband
mul zentripetale elastische Bindeneinwicklung. Sehr starke
Schmerzen, Fehlen jeglicher Heilungstendenz iiulicirto neben
strenger Bettruhe tagsüber häufig gewechselte Umschläge mit
Büro Wischer Lösung, für Nachts Orthoformaufpudcrung, da¬
rüber Bleiwasserverband.
Stark entzündete Fussgeschwüre wurden mit 2 mal täglich
gewechselten feuchten Verbänden von essigsaurer Thonerde be¬
handelt, nach einmaliger Orthoformbestreuung am Tag, später
oinigeinalo mit 5 proc. Orthoformthon iu Gazecompresseii eiu-
genäht, was bei sehr starker Secretion unbestreitbare Vor¬
züge hat.
Bei atonisehen Geschwüren wurde Orthoform nur benützt.
r ) Auch von Y o n g e (British med. Journal 1898, No. 193G)
empfohlen.
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um die länger dauernde Application eines Aetzmittels schmerz¬
los zu gestalten. Aufstreuung von Kalomel (3) + Orthoform (1),
darüber feuchte Kochsalzcoinpressen werden ebenso anstandslo ;
ertragen, wie eine Aetzuug von 2—5 proc. Chlorzinklösung oder
Jodtinctur, wenn 20 Minuten vorher mit Orthoform anaesthcsirl
worden war.
Um eine Krustcnhilduiig zu vermeiden und jeweils leicht
alle Pulverroste zu entfernen, pflegte ich namentlich bei Pulver-
verbänden vor der Aufpuderung von Orthoform erst eine Schicht;
nicht zu feinmaschiger Gaze auf die Wunde zu legen. Mit
letzterer kann heim Verbandwechsel verbrauchtes Material leielit
entfernt worden. Ferner wurde in fast allen Fällen, die längeres
Tragen feuchter Verbände bcnötliigtcii, die Umgehung des Ge¬
schwürs mit dicker Zinkpasta gedeckt.
Von den 15 Fällen sind 10 mit guter Vernarbung ohne
weiteren operativen Eingriff geheilt, 4 besuchen noch mit Aus¬
sicht auf baldige Wiederherstellung das Ambulatorium, 1 dürfte
wogen allgemeiner Deerepidität ungohcilt bleiben. Unter diesen
Patienten befinden sich solche, die 6 Wochen lang Orthoform
bcnötliigtcii.
Bei 2 S c li u n k e r g e s e h w ii r e n diente die Orthoform-
bestreuung nur dazu, die enorme Schmerzhaftigkeit der 20 Min.
später erfolgenden Cupr. sulfuric.-Aetzuug erträglicher zu machen
(resp. auf ein Minimum herabzusetzen).
Von 5 c arcinomatöse n Geschwüren zeigte eines, an der
Zunge, die deutlichste Rcaction auf Orthoform. Der auaesthesirtc
Patient war glücklich, wieder unbehindert essen zu können und
3—5 Stunden in seinem rebellirenden III. Trigemiuusast Ruhe zu
haben. Den gleichen guten Erfolg bot ein ulcerlremles Penls-
carelnom. Auch hier liess sich nach Orthoformbepiiderung eine
rasche Abnahme des üblen Geruchs nicht verkennen. Ein Patient
mit Rectum- und Analcarcinom fühlte auf Ortlioformsuppositor.
(10proc.) erhebliche Erleichterung. Ein Tonsillarcarcmoinkrauker
wurde nur bezüglich seiner Schluckfähigkeit gebessert. Die bis
in’s Ohr ausstralilenden Schmerzen dauerten fort. Keine Ver¬
dauungsstörungen durch verschlucktes Orthoform.
Bei 3 A n a 1 f i s s u r e n verhüteten 5—10 proc. Butyrcacao-
suppositorien das gewöhnlich bald nach dem Stuhlgang auf-
tretende, höchst lästige Brennen. Aufpuderung von Orthoform
nahm dm* 20 Minuten später ausgeführten Argent. nitric.-Aetzung
ihre Schmerzhaftigkeit, auf den dabei entstehenden schwarz-
grünen Schorf (metallisches Silber) hat bereits Bock 8 ) aufmerk¬
sam gemacht.
An 5 in massigem Grade eingewachsenen Nägeln verschwand
die Schmerzhaftigkeit der Nagelbettgranulationeu, und nach
einigen Tagen diese selbst, unter Deckung mit Aeid. salicylic.
und Orthoform zu gleichen Theileu.
Bei 4 schmerzhaften Fisteln (1 anal, 1 urethral, 2 tubereu-
löse am Hals) bewährten sich 5 proc. t'aeaobutterstäbchen gut
(dieselben können mit höherem Procentgehalt nicht gut her¬
gestellt werden, wegen grosser Brüchigkeit).
3 Geschwüre auf Frostbeulen heilten bald uud mit wenig
Belästigung unter Auflegung von Ichthyolorthoformvaselino
(3,0 : 2,0 : 30,0).
In den bis jetzt angeführten 198 Fällen wurde fast aus¬
nahmslos 8 ) der Zweck der Orthoformapplication, die Schmerz-
befreiung erreicht und zwar trat dieselbe nach geringgradigem
Brennen gewöhnlich nach 3—5 M i n u t e n, seltener nach 8 Mi ¬
nuten ein, unter steter Voraussetzung, dass Coiitinuitiits-
trennungen der Haut den dirccten Contact des Mittels mit den
sensiblen Nervenendigungen ermöglichten. Hieraus erklärt sieh,
dass entsprechend dem einheitlichen physiologischen Vorgänge
des von der Peripherie ausgelösten Schmerzes (ceutripetal fort-
geleitetc Erregung der schmerzempfimlcnden Nerven fasern) die
Aetiologio der Continuitätstrennung der Bedeckungen gar keine
Rolle spielt. Ob dio zu treffende Nervonfaserendigung in einem
luetischen Geschwür am Sternum oder carcinomatösen der Zunge
oder varicösen des Unterschenkels freiliegt, bleibt sich für den
Effect gleich; sic bietet jeweils dem Orthoform einen Angriffs¬
punkt. Ebenso irrelevant ist die Loealisation, Form und Grösse,
ferner die Thatsache, oh ein Geschwür kaum die Famo erreicht
oder sogar in den Knochen vordringt oder eine durch Inflation
verursachte Complication vorliegt. Natürlich wird auf einem
icinen, mit reichlichen Granulationen besetzten Geschwürsgrund,
welche aufgelegte Agentien gierig aufsaugen, ein intensiverer
Effect rascher zu Stande kommen, als dort, wo zäh klebendes
Secrct den Contact des Orthoforms erst allmählich zuliisst.
Die Dauer der Anacsthcsio variirt zwischen Stunden und
*) Therap. Monatsh. No. 7, 1898.
*) Ausnahmen: Einmal wurde ein erethisches Fussgeschwür
mit stärkerer Chlorzinklösung geätzt, worauf lebhafte Schmerzen
eintraten. Das nachträglich aufgelegte Orthoform coupirte die*
selben nicht, ebenso versagte 10 proc. Cocainlösung.
4 *
Original fro-m
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Tagen und ist in erster Linie von der Quantität des Aufwandes
an Substanz abhängig. Ein grösseres Depot, von dem immer
eine Spur gelöst in Wirkung tritt, wird ja weniger raseh auf¬
gezehrt sein als ein kleineres. Wo das Orthoform schlecht haftet,
B. an einem Tonsi 11arcareitiom, und desshalb die Deponirung
ansehnlicher Mengen durch die Localisation sich verbietet oder
dort, wo reichliehe Secretion das Pulver wegsehwoinmt, wird In¬
tensität und Dauer der Anaesthesie verringert werden. Dieser
rebelstand lässt sich durch öftere Application eompensiren.
Durchschnittlich dauerte die Anaesthesin ca. 10 Stunden, oinige-
malo 2 Tagt 1 . Heck e r ‘ ') sah bei La rynxuleerat innen eine
7 tägige Anat stliesie nach einer Einblasung. Die Intensität der¬
selben kann so tief sein, dass es mir ebenso wie Wohl¬
gemut h") öfters gelang, schmerzlos granulirende Flächen
abzukratzen zum Zweck der Vornahme von Transplantationen.
Dies geschieht am besten so: 2—3 Stunden vor der Abtragung
der (iranulationen wird auf dieselben reichlich Orthoform auf¬
gepulvert, darüber Gaze aufgelegt, die mit Borsäure und etwas
Alkohol getränkt ist, zuletzt ein Billrothbattist.
(Schluss folgt.)
Ueber Blutungen des Endometrium bei Sklerose der
Uterinarterien'-).
Von Dr. M. Simmonds, Proscctor am Allgemeinen Kranken¬
hause, Hauiblirg-St. Georg.
M. 11.! Wer oft Sectionen alter Frauen auszuführen Gc-
hgcnhei! hat, weiss, wie ausserordentlich häutig man dabei ab¬
normen Verhältnissen im Dercich des (ienitaltraetus begegnet.
Ich erinnere nur an die Narbenbildungeu der Vagina und der
Cervix, an die mehr oder minder ausgebreiteten Verwachsungen
der Flcrii'unncnHäche mit Ektasie der proximal gelegenen
Höhlung und Erfüllung derselben mit Schleim, Blut, Eiter, an
die Cysten, Myome, Polypen und so manche andere pathologische
Bildungen. Bei Weitem häutiger als allen diesen Dingen be-
g'-gnet man bei Greisinnen einem an der Cterusinnentläche sich
ahspielemh n Processc, der als A p o p 1 e x i a Uteri bezeichnet
werdet) Dt. loh glaube nicht zu hoch zu schätzen, wenn ich sage,
dass bei jeder dritten bis vierten Frau jenseits «lei* sechziger
Jahre dies, r Befund anzut reffei| ist.
Das Vorkommen derartiger Blutungen in der Uterus-
wanduug ist lange bekannt gewesen und schon Cruveilhier
hatte den Namen „Apoplexia Uteri“ angewendet. Späterhin
scheint man indess von pathologisch-anatomischer Seite sich
meht weiter damit befasst zu haben und daher rührt wohl die
überraschende Thatsachc, dass die meisten Handbücher an Stelle
eigener Beobachtung auf die alten Angaben von Cruveilhier
und R o k i t a n s k y liinweisen. Erst im letzten Jahre erschien
dann die Arbeit von v. K a h 1 d e n (Zieglcr’s Beiträge, Bd. 23),
welche in erschöpfender Weise all«' in Betracht kommenden
Punkti' aut Grund von 8 eigenen Fällen behandelt hat. Wenn
ich trotzdem heule noch einmal dieses Thema behandle, so ge¬
schieht das, weil ich Ihnen gern einen Theil meines seit Jahren
angesanu icltcn, nach Dutzenden zählenden Materials verlegen
möchte, dann aber schien es mir danken*werth, hei der Gelegen¬
heit die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Arterio¬
sklerose und Menorrhagien im Klimakterium anzuregen.
Die Veränderungen, welche wir bei der Apoplexia Uteri an¬
treffen, werden Sie am besten an diesem Uterus sollen, den ich
heute Mittag bei der Seetion einer an Oberkieferkrebs ver¬
storbenen 77 jährigen Frau fand. Der Uterus ist klein, die
Höhlung eng. Sie erkennen, dass die glatte Innenfläche dunkel-
brnunrnth gefärbt ist, dass innerhalb dieser blutig tingirten
Fläche wieder intensiver roth gefärbte Punkte und Flecken sich
bilden. Auf dem Querschnitt sehen Sie, dass die liaemor-
ijiagisehe Zone sich nicht auf das Endometrium beschränkt,
sondern noch etwa l J. cm weit in die Musculatur hinein reicht.
Verglci ‘heu Sic* damit die übrigen eonservirten Präparate, so
werden Sie immer wieder dieselben Veränderungen constatiren,
.liir mit dein Unterschied, dass die Ausdehnung der Blutung
( ine verschiedenartige ist. Sie sehen Fälle, wo das ganze Uterus-
innere diese \ eränderuug zeigt. Sie sehen Fälle, wo nur grössere
Kill weiterer Misserfolg hei der Itöntgon-Verbrennung eines
II ysierisi-lieii.
; i Inauguraldissertation, Merlin 181)8.
“) Deutsch, med. Woclieiisclir. No. 17, 181)8.
*) Vorgclragi'ii in der biologischen Abtheilung des ärztlichen
Vereins am IU. Octobcr 1899.
□ igitized by Gougle
Abschnitte, speciell die hintere Wand Sitz der Blutung ist. Sie
sehen Präparate, wo nur fleckenförmige ITnemorrhagien sich vor-
finden. Wie ausgedehnt der Proeess aber auch ist, ausnahmslos
werden Sie die Cervix fast völlig frei von Blutungen treffen,
diese beschränken sieh stets nur auf den Körper des Uterus.
Bei einer derartigen starken blutigen Durchtränkung der
Uterus in neu fläche muss es nun auf fallen, dass es so äusserst
selten zu einer Blutung in die Gebärmulterhühlung kommt.
Nie habe ich frisches Blut und nur ausnahmsweise blutig ge¬
färbten Schleim im Genitalkanal angetroffen und damit stimmt
es auch überein, das man intra vitam in allen meinen Fällen
nichts von Metrorrhagien bemerkt hatte.
Wie sind nun diese Blutungen in der Uteruswamlung auf¬
zufassen? Menstruale Blutungen waren es nicht — es handelte
sieh stets um Frauen jenseits des Klimakteriums im Alter von
55—80 Jahren. Acute Infectionskraukheiten, die gelegentlich
zu Blutungen führen, Vergiftungen, chronische Stauungen durch
Herz- und Lungeukranklieiten waren für die Mehrzahl der Fälle
auszuschlicsscn. Es konnte sich also nur um Blutungen handeln,
die durch locale Veränderungen verursacht worden waren und
hierüber lieferte die histologische Untersuchung Aufschluss.
Bei Durchsicht der aufgcstellten mikroskopischen Prä¬
parate werden Sic sehen, dass neben der hacmorrhagischeii In¬
filtration dos Endometrium und der angrenzenden Muskel“
schichten, oft eine auffallende pralle Füllung der kleinen Venen
und Capillarcn vorhanden ist. Sie begegnen da Bildern, die
völlig dem entsprechen, was man als liaemorrbagiseho In-
farcirnng zu bezeichnen pflegt, und es liegt nabe, vorauszusetzen,
dass der Blutaustritt in das Gewebe eine Folge schwerer Cireu-
lationsstörung ist.
Dass nun in der Tliat solche (’ireidationsstürungen vor¬
liegen können, werden Sie nach einer Besichtigung der aus dem
tieferen Schichten der Uteruswand stammenden, mikroskopischen
Präparate wohl zugeben. Sie sehen, dass überall die schwersten
Veränderungen an den Arterien Platz gegriffen haben. Ihnen
fällt vor Allem an einer grossen Zahl von Gefiissen das Miss¬
verhältnis zwischen Lumen und Wanddicke auf. An manchen
Gefiissen ist das Missverhältnis derart, dass kaum noch ein
Linnen erkennbar ist. lind bei stärkerer Vcrgrösscrung ist
leicht der Nachweis zu führen, dass diese Wandvordickung zum
grossen Theil einer Wucherung der Intima, zum Theil auch
einer Verbreiterung der Media zur Last zu legen ist. Sic sehen
die Intima unregelmässig verbreitert,, kernarm, dagegen reich
an lieugebildcten Fasern und Platten elastischen Gewebes, durch
die Weigert’sehe Methode leicht kenntlich gemacht. Die
Media zeigt vielfach hyaline Degenerationsherde, vor Allem aber
imponiron in ihr die mächtigen Kalkablagerungen, welche be¬
sonders den inneren Lamellen angehören und vielfach auf die
äusseren Schichten der Intima übergreifen, so dass die Elastica
oft nicht mehr nachweisbar ist. Diese Kalkspangen umgreifen
oft völlig ringförmig die Gefässe und geben dadurch zu ganz
eigenartigen Bildern Veranlassung. leb will dann endlich
noch darauf liinweisen, wie häufig man in dem die Arterien um¬
gebenden Gewebe, recht ausgedehnte nekrotische Herde mit
völligem Kernsehwund antrifft.
Bei einer so hochgradigen Veränderung eines grossen Brucli-
theils der zufuhrenden Gefässe, die eine starke Verengerung
ihres Lumens und einen völligen Verlust ihrer Contractilität
erlitten haben, ist wohl vorauszusetzen, dass es unter geeigneten
Verhältnissen zu schweren C’ireulationsstörungeii kommen und
dass dann trotz vorhandener Anastomosen eine richtige In-
farcirung der peripher im Endometrium gelegenen Gebiete sieb
ausbilden kann.
leb sagte „unter geeigneten Verhältnissen“ und damit be¬
rühre ich eine andere Frage, nämlich die, wann jene Haemor-
rhagien sich gebildet haben. Aelteren Datums sind sie keines¬
falls, das zeigt die Farbe des Blutes, das mikroskopische Verhalten,
der Mangel von Pigmentablagerungen und anderen Residuen
älterer Blutungen. Sie können nur aus den letzten Lebens*
tagen odor Lebensstunden stammen, aus einer Periode, wo die
Herzkraft beträchtlich nachgelassen hat und das Sinken des
Blutdrucks mag den Anstoss zu den beschriebenen Circulations-
stürungen im Gebiete der stark veränderten Uteringefässe ge¬
geben haben. I) i e A p o p 1 e. x i a uteri wäre demnach
nur eine atonale oder präagonale Erschei¬
nung, der eine klinische Bedeutung der Regel
nach nicht gebührt.
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
F' ßrRCH-^lRsCHFELD.
Beilage zur Münchener medicinischen
Verlog von J. F. LEHMANN in
I Wochenschrift.
München.
Go gle
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Nun fragt es sich aber, ob nicht doch unter anderen Be¬
dingungen ähnliche schwere Veränderungen der Üterinarterien
zu Blutungen Veranlassung geben können, speciell, ob die in
den klimakterischen Jahren bisweilen beobachteten heftigen
Menorrhagien nicht auch mit der Arteriosklerose in Zusammen¬
hang zu bringen sind. Wissen wir doch, dass gerade 1 die Uterin¬
arterien ein Lieblingssitz dieser (iefässerkrankung ist. Prüft
man regelmässig am Sectionstiseh die Arterien des Uterus, so
wird man erstaunt sein, wie häutig man bei Frauen schon in den
vierziger Jahren auf sklerotische Veränderungen trifft. Dabei
kann die Arteriosklerose bisweilen völlig auf den Uterus be-
sehriinkt sein und das übrige (lefässsystcm zeigt keine oder
nur minimale Veränderungen. Fis liegt, daher nahe, anzu¬
nehmen, dass diese Proeesse im Zusammenhang stehen mit den
nach dem Puerperium normaler Weise an den Gelassen sich ab-
>l»ielenden Umwandlungen.
Von gynäkologischer Seite ist nun die Frage nach einem
Zusammenhänge zwischen Menorrhagien im Klimakterium und
Arteriosklerose bejaht worden. Aus L e o p o 1 d’s Klinik er¬
schien im vorletzten Jahre eine Arbeit von Bei nicke (Arch.
i. Gynäkologie, Bd. 53), der 4 Falle mittheilt, in welchen hart¬
näckige Blutungen zur Fxstirpatio uteri veranlasst, hatten. In
allen diesen Fällen ergab die Untersuchung des Endometrium
keinen Aufschluss über die Ursache der Blutungen, hingegen
Hessen sich regelmässig an den Gelassen Veränderungen naeh-
weisen, welche der Verfasser für die Entziehung der Ilaeinor-
lhngien verantwortlich macht.
Wenn mir nun auch die von II e i n i c k e mitgetlieilteu
histologischen Befunde an den G(‘fassen — Hypertrophie und
massige .Degeneration der Media ohne stärken' Betheiligung der
Intima und ohne Einengung des Arterienlumens — nicht aus¬
reichend erscheinen, um so heftige Blutungen zu erklären, so
glaube ich doch, das man in alle n F ä 11 e n , w o s t ä r k e r e
G e f ä s s a 1 t e r a t i o n c n a n g e t r o f f e n w e r d e n , b e -
r e c h t i g t ist, di e s e m i t <1 e n M e n o r r h a g i e n i n
Z u s a m in e n h a n g z u b r i n g e n. Im (iegensatz zu den
bei der Apoplexia uteri der Greisinnen auftretenden, in erster
Linie durch hochgradige Verengerung der Arterien bedingten
und bei sinkender Herzkruft auf tretenden 1 laemorrhagien,
wären die in den klimakterischen Jahren beobachteten Blutungen
als Folge der Gongestion des Organs während der Menstruation
bei bestehender grosser Starrwandigkeit der Gefasst' aufzufassen.
Ich selbst habt» bisher nur einen derartigen Fall zu unter¬
suchen Gelegenheit gehabt. College L o m e r hatte bei einer
53 jährigen F'rau wegen andauernder bedrohlicher, durch keinen
Eingriff zu beseitigender Menorrhagien den Uterus entfernt.
Ich fand das Organ etwas vergrössert, das Endometrium intaet,
die Museulatur ohne liennensworthen Befund. Hingegen fiel
schon makroskopisch die starke Schlängelung und Starrheit der
Gefasst; auf und mikroskopisch waren Wucherungen am Endo¬
metrium, hyaline und verkalkte Herde an der Muscularis, Ver¬
engerung des Arterienlumens nachzuweisen, kurzum Bilder,
welche stark an die erinnerten, welche ich bei der Apoplexia uteri
zu sehen gewohnt war. Ich habe daher auch nicht gezögert, in
jenem Falle die Sklerose der Uteringefässe für die Ursache der
Verhüngnissvollen Blutungen zu erklären.
In welchen Fallen nun die in den klimakterischen Jahren
so häufigen Menorrhagien auf diesen Factor zurückzuführen
sind, ist. intra vitam wohl kaum zu bestimmen. Die mikro¬
skopische Untersuchung der ausgekratzten Uterusinneuwand
wird stets nur über das Verhalten der Mucosa, vielleicht noch
angrenzender Muskelfasern Auskunft geben. Die Ilauptübel-
thiiter, die sklerosirten Gefässe, sitzen aber in der Tiefe der
Uteruswandung und entziehen sich demnach ganz unserer Be-
urtheilung. Eher wird der Nachweis arteriosklerotischer Pro¬
zesse an anderen Körperrcgionen einen Anhalt geben, während
umgekehrt das Fehlen derartiger Symptome nicht verwerthet
worden darf, da oft genug die Gebärmutter der einzige Sitz der
Gefäßerkrankung ist. Ganz besondere Schwierigkeiten werden
endlich jene Fälle bilden, wo das Vorhandensein von Myomen
oder von Veränderungen des Endometrium das Krankheitsbild
complieirt.
Jedenfalls hat man bei hartnäckige n G e bär-
m u 11 e r b 1 u t u n g e n älterer Frauen nach Aus¬
schluss anderer a ^biologischer Momente a n
die Arter iosklero sc zu denken und bei der bisweilen
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beobachteten Ohnmacht aller therapeutischen Maassregeln in
derartigen Fällen ist die Entfernung des Organs als ultimum
rofugium vollkommen berechtigt.
Ein zweiter Fall von Entfernung des Schultergiirtels
wegen Sarkom der Scapula.
Von Prof. Th. Kölliker in Leipzig.
ln dieser Wochenschrift (1897. No. 20) hat mein Assistent
CL Franc ko über eine von mir ausgefiihrto Entfernung des
Schultergürtels wegen Sarkom der Scapula berichtet. Der
Kranke ist fast 2 Jahre nach der Operation an Metastasen des
Gehirns und der Lunge gestorben.
Inzwischen habe ich die Operation nochmals ausgeführt
und erlaube mir hei der immerhin noeli nicht, grossen Casuistik
dieser Operation (Vcrgl. Könitzer. Zur totalen Entfernung
des knöchernen Selmltergürtels. Deutsche Zeitschrift für Chi¬
rurgie, Bd. 52, Heft 5, (>) kurz über diesen zweiten F'all zu
berichten:
W., 56 Jahre alt, bemerkt seit einigen Monaten eine Schwel¬
lung der rechten Schulterblattgegend. Die Geschwulst von Apfel-
grösse geht von der Spina scapulae aus und füllt die ObergrRten-
grube. Die Elevation des rechten Armes ist behindert und schmerz¬
haft. In der rechten Achselhöhle geschwollene Drüsen. Operation
am 9. Februar 1899. Bildung eines vorderen Hautlappens von der
Mitte der Clavicula ausgehend, über die Scliulterhöhe verlaufend
und durch die Achselhöhle bis zum unteren Schulterblattwinkel
sich erstreckend. Durchtrennung des M. pectoralis major, Durch-
siigung der Clavicula mit der Drahtsäge, Durchschneidung des M.
pectoralis minor und M. suhclavius. Unterbindung der Art. trans¬
versa scapulae, dann der Art. u. V. subclavia hinter dem Schlüssel¬
bein. Durchtrennung des M. latisslmus dorsi. Alsdann wird ein
hinterer bogenförmiger Lappenschnitt vom Ausgangs- und End¬
punkte des vorderen Lappens aus gebildet, der bis über den me¬
dialen Schulterblattrand zurückpräparirt wird. Ablösung des Tra-
pezius von der Clavicula und der Spina scapulae, des M. serratus
anticus major von der Scapula, dann der Mm. rhomboidei und
schliesslich des Levator scapulae. Massige Blutung aus den Aesten
der Art. transversa colli. Naht der ganzen Wunde.
Dauer der Operation, die in Chloroformnarkose ausgeführt
wurde, b /4 Stunden, kein Collaps.
Patient erholt sich rasch und macht eine Reconvalescenz
durch, die nur durch ein Delirium potatorum gestört war. Ein
halbes Jahr nach der Operation erliegt Patient einer Influenza-
Pneumonie. Kein Recidiv.
Die Untersuchung des Präparates ergibt, dass das Sarkom
— ein grosszelliges Randzellensarkom — auf die Kapsel des
Schultergelenkes übergegangen war. In der Achselhöhle eine
Anzahl sarkomatöser Drüsen.
F. V Birch-Hirschfeld.
Nekrolog von Prof. K o c k e 1.
Am l!>. November 1899 verstarb in Leipzig Geheimer Medi-
cinalrath Dr. F'elix Victor Birch-Hirschfeld, Pro¬
fessor der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie,
Director des pathologischen Instituts der Universität.
Es ist ein schwerer Verlust, der den medicinischen Lehr¬
körper der Leipziger Universität betroffen hat.
Birch-llirschfcld war als Mehsch wie als Gelehrter
in gleicher Weise hochbedeutend.
Berührte schon sein Aeusseres achtunggebietend und sym¬
pathisch, so war das in noch viel höherem Maasse der Fall bei
dem ganzen Wesen des Verstorbenem
Eine in hohem Grade ideal angelegte Natur, brachte
Birch-Hirschfeld Allen, die mit ihm in Berührung
kamen, herzliches Wohlwollen entgegen.
Seinen Schülern war er ein väterlicher Freund und gern
stand er ihnen mit Rath und That zur Seite.
Immer besass er ein mildes Herz und eine offene Hand für
die Armen, und selbstlos gönnte er Jedem das Seine; nie ver¬
mochte er es über sich, auf Kosten Anderer sich Vortheile zu ver¬
schaffen.
Neben grosser Bescheidenheit wohnte dem Verstorbenen ein
mächtiges Gefühl für Recht und Pflicht inne; keine Schonung
kannte er gegen seine eigene Person, sondern mit bewunderns-
werther Energie kämpfte er bis zuletzt gegen seine schwere
Krankheit an.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Bireh-Hirschfeld besass einen klaren Verstand, ein
vortreffliches Gedächtnis» und eine scharfe Logik.
Diese Eigenschaften befähigten ihn in hervorragendem
Maassc, die geistigen Produete Anderer richtig zu beurtheilen
und einer sachlichen Kritik zu unterwerfen.
Aber auf die Kritik beschränkte sich die geistige Thätig-
keit des Verstorbenen nicht. Er war vielmehr jederzeit gerne
bereit, seine eigenen Ideen seiner Umgebung mitzutheilen und
verstand es, in der Form zwangloser Unterhaltung durch die
Fülle seiner Gedanken mächtig anregend auf Alle zu wirken,
die ihm nahten.
Immer war seine Diction formvollendet und fesselnd, mochte
es sich um gelegentliche Ansprachen handeln oder um wissen¬
schaftliche Vorträge.
Stets war das, was er sagte, gehaltreich und nicht selten
gewürzt durch feinen Humor oder schlagfertigen Witz.
In seinen Vorlesungen wusste B i r ch - H i r s c h f c 1 d mit
hervorragender didactischer Begabung das Interesse der Hörer
zu wecken und rege zu erhalten; dafür lohntet ihn die warme
Verehrung derselben, und besonders gern baten i h n die Stu-
direnden, bei ihren Festen die erste Stelle einzunehmen.
Die wissenschaftliche Laufbahn Bireh-
H i r s c h f c 1 d’s bietet manches Bemerkenswert he.
Geboren am 2. Mai 1842 in Cluvensieck bei Rendsburg, stu-
dirte der Verstorbene in Leipzig, wo er 1867 promovirt wurde.
Schon 1866 im Choleraspital unter W u n d e r 1 i c h thätig,
war er von 1867 bis zum Herbst 1868 Assistent E. W a g n e r’s,
der zu jener Zeit das pathologische Institut und die medicinischc
Poliklinik leitete.
Nach seinem Weggang von Leipzig war Birch-Hirsch-
f c 1 d ein Jahr lang Hilfsarzt an der Heilanstalt Sonnenstein und
hiernach Assistenzarzt an der gleichartigen Anstalt in Colditz,
von wo er am 1. Februar 1870 als Prosector an das Stadtkranken¬
haus in Dresden berufen wurde.
1875 wurde der Verstorbene unter Ernennung zum Medi-
ciualrath in das sächsische Landes-Medicinalcollegium berufen
und 1881 als Oberarzt mit der Leitung der Irrenabtheilung des
Dresdener Stadtkrankenhauses betraut.
1885 folgte Birch-Hirschfeld einem Rufe nach Leip¬
zig als Nachfolger C o h n h e i m’s und wurde 1892 zum Ge¬
heimen Mcdicinalrath ernannt.
Schon Anfangs des Jahres 1890 entsandte die Universität
den Verstorbenen als ihren Vertreter in die I. Kammer des
sächsischen Landtages, der er bis zu seinem Tode angehört hat.
Die wissenschaftlichen Arbeiten Bireh-
II i r s c h f e 1 d’s tragen fast sämmtlieh ein eigenartiges Ge¬
präge.
Der Verstorbene war kein zünftiger Fachgelehrter, sondern
ein hervorragender Arzt, der durch selbständiges Arbeiten seine
Stellung in der wissenschaftlichen Welt sich errungen hat.
Schon unter E. Wagner gelullten, neben der Pathologie
ärztliche Praxis zu betreiben, ist Birch-Hirschfeld auch
später, besonders in Dresden, in der glücklichen Lage gewesen,
am Krankenbett reiche klinische Erfahrungen zu gewinnen.
Gleichzeitig aber fand er Gelegenheit, als Prosector des Dres¬
dener Stadtkrankenhauses eine Fülle von pathologisch-anato¬
mischen Beobachtungen zu sammeln.
Diese Eigenart seines Lebensganges kommt beinahe in allen
wissenschaftlichen Mit thei hingen des Verschiedenen zum Aus¬
druck.
Immer geht Birch-Hirschfeld bei seinen Unter¬
suchungen von Beobachtungen am Kranken aus und sucht die
Resultate seiner Feststellungen für die ärztliche Praxis zu ver-
werthen.
Bis in seine letzte Lebenszeit war der Verstorbene bestrebt,
den Zusammenhang zwischen pathologischer Anatomie und
klinischer Medicin aufrecht zu erhalten; er war der Ansicht,
dass eine erfolgreiche Weiterentwicklung der beiden Disciplinen
nur möglich sei, wenn die eine mit der anderen Hand in Hand
gehe.
Ohne gegen die modernen aetiologischen Untersuchungs¬
methoden sich ablehnend zu verhalten, legte Birch-Hirsch¬
feld doch immer besonderen Werth auf die pathologische
Morphologie und ihre Bedeutung für die klinische Diagnostik.
Es muss als ein Hauptverdienst Bireh -II irsch¬
fei d’s bezeichnet werden, dass er nie versuchte, die Pathologie
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um ihrer selbst willen zu betreiben, sondern dass er immer be¬
strebt war, sie in den Dienst der kranken Menschheit zu stellen.
Birch-Hirschfeld hat neben einer Reihe kleinerer
Veröffentlichungen, unter denen besonders bemerkenswerth
sind die Arbeiten über „Die Entstehung der Gelb¬
sucht Neugeborener“ (Vircli. Arch. 1887) und „Ueber
das Verhalten der Lebcrzellen in der Amy¬
loid 1 e b e r“ (Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1887), zunächst
mehrere Abhandlungen aus dem Gebiete der Geschwulst-
lehre veröffentlicht
Von besonderem Wert he sind in der Zahl dieser die beiden
1894 und 1899 mitgetheilton über „Sarkomatöse Ge¬
schwülste der Niere im Kind es alt er“ (Centralbl.
f. d. Krankli. d. Harn- u. Sexualorgane 5, bezw. Ziegler’» Bei¬
träge 24).
Das Hauptinteresse B i r c h - II i r s e h f e 1 d’s war von je¬
her den Infectionskrankheiten zugewendet.
Untersuchungen über Pyaemie, Typhus, Syphilis und Milz¬
tumoren zeigen das.
Unter den Infcctionen war es wieder besonders die T ube tr¬
eulose, die der Verstorbene mit Vorliebe zum Gegenstand
seiner Studien machte. Hauptsächlich war er bestrebt, die In¬
fe c t i o n s p f o r t e n dieser Krankheit festzustellen.
Vorbereitende Untersuchungen nach dieser Seite hin stellen
seine Experimente „Ueber die Pforten der placen-
taren I n f e c t i o n des Foetus“ (Ziegler’s Beiträge 9) dar.
Hieran schliessen sich die unter dem directen Einfluss des
Verstorbenen im Leipziger pathologischen Institut entstandenen
Arbeiten über intrauterine Infection mit Tuberkelbacillen beim
Menschen und beim Rind (Ziegler’s Beiträge 9, 16).
Im weiteren Verlaufe seiner Tuberculosestudien schuf
Birch-Hirschfeld die Grundlagen zu seiner bedeutendsten
Publieation: „U eber den Sitz und die Entwicklung
der primären Lungentubereulose“ (D. Arch. f. klin.
Med. 64).
Diese letzte Arbeit erscheint um so verdienstlicher, als sie
völlig Neues auf einem (Jebiete bringt, dessen fernere Be¬
arbeitung vielfach als nicht mehr lohnend betrachtet zu werden
pflegte.
Ungetheilte Anerkennung haben sich seit langer Zeit die
Lehrbücher des Verstorbenen erfreut: Das Lehrbuch
der allgemeinen und s p ec i e 11 e n p athologisc li e n
Anatomie und der G r u n d r i s s der a 11 g e m e i n e n
Pathologie.
Beide Bücher legen ein glänzendes Zeugnis» ab für den
enormen Ueberblick des Verfassers über das Gesammtgebiet
der Medicin und für seine grosse persönliche Erfahrung. Unter
dem Zusammenwirken der beiden Momente sind wissenschaft¬
liche Werke entstanden, in denen das Bekannte zusammen¬
gefasst und durch das reife Urtheil des Verfassers kritisch be¬
leuchtet wird, ohne dass dem didaktischen Werth der Bücher
Abbruch geschehe. Bireh- Hirsch fei d’s Lehrbuch muss
als eine Fundgrube selbst für Denjenigen bezeichnet werden,
der die ersten Anfänge der pathologischen Anatomie über¬
wunden hat.
Kleinere zusammenfassende Artikel sind vom Verstorbenen
in Eulenburg’s „Realencyklopädie“ und in Eulenburg’s
Handbuch des öffentlichen Gesundheitswesens veröffentlicht
worden.
Im verflossenen F rühjahr stellte. I> ir eh- Hirse li f e 1 d
die Resultate seiner Untersuchungen über d i o Wir¬
kung des Giftes der Kreuzotter (Festsehr. z. Feier
d. 50 jälir. Bestehens des Stadtkrankenhauses Dresden-Fr., 1899)
zusammen, die ihn seit mehreren Jahren beschäftigt hatten.
Die Sommermonate dieses Jahres verwendete er zur Aus¬
arbeitung des Vortrages: Medici nif e h e W i s s e n s c h a f t
und Heilkunst (Ber. d. Naturforschervers., München 1899),
der Allen, die im September in München weilten, unvergesslich
bleiben wird.
Diese letzte, glänzende Leistung zeigte so recht, dass
Birch-Ilirsclifeld neben hervorragender wissenschaft¬
licher Begabung auch volles Verständniss für die Interessen des
ärztlichen Standes besass.
Schon während seines Aufenthaltes in München war
Biroh-Hirschfeld schwer leidend.
Original fro-rri
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9. Januar 1900.
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Im Anschluss an eine putride Bronchitis, die der Verstorbene
im Jahre 1886 in Ausübung seines Berufes sich zugezogen hatte,
uud die fast jährlich recidivirte, hatten sieh starkes Lungen¬
emphysem und Herz Veränderungen entwickelt; schwere Anfälle
von cardialem Asthma und Oedeme suchten den Verblichenen in
den letzten Monaten heim, hinderten ilm aber nicht, Anfang
November seine Vorlesungen zu beginnen.
Die zunehmenden Beschwerden zwangen Birch- Hirse Il¬
feld schliesslich, seine Thätigkeit einzustellen, und nach
11 tägigem Krankenlager verschied er, umgeben von seiner
Familie, seinen Freunden und Schülern.
Mit Achtung und Anerkennung werden Alle, die ihn
kannten, des hervorragenden Gelehrten gedenken, mit Liebo und
Verehrung aber werden die, die ihm näher standen, des theuren
Lehrers und unvergesslichen Freundes immer und immer dank¬
bar sieh erinnern.
Referate und Bücheranzeigen.
A. Kölliker: Erinnerungen aus meinem Leben. Mit
7 Vollbildern, 10 Textfiguren und dem Porträt des Verfassers
in Heliogravüre. Leipzig. Verlag von Wilhelm Engel mann,
1899. 899 Seiten.
Vor Kurzem ist mit Kolliker’s Erinnerungen ein Werk
erschienen, welches das ausserordentliche Interesse aller Fach¬
genossen, Freunde und Schüler des Verfassers in Anspruch
nehmen darf. Unter den jetzt Lebenden dürfte kaum irgend
Jemand mehr sein, der dem hochberühmten Gelehrten in seinen
jüngeren Jahren nahe gestanden hat und dem zu Folge be¬
fähigt wäre, über die ersten Anfänge der wissenschaftlichen
Entwicklung v. Kolli ker’s irgend etwas Maassgebliches zu
berichten. Dass der Autor schon in den 40 er Jahren einen
wohlbegründeten wissenschaftlichen Ruf besass, während etwas
später von der Mitte des Jahrhunderts an seine Person und
seine Arbeiten eine fortwährend steigende Bedeutung auf dem
Gebiete der Anatomie und allen verwandten Zweigen des
Wissens gewannen, das ist den nachlebenden Geschlechtern
meist nur vom Hörensagen bekannt, denn jene Zeiten gehören
schon längst der Geschichte der Wissenschaften an. Aber unter
Jen Epigonen gibt es viele, die dem greisen Gelehrten in den
letzten Jahren noch, sei es in wissenschaftlicher, sei es in
freundschaftlicher Beziehung näher treten durften, und Alle,
die mit der Person oder den Werken v. Kolli ker’s auf ihrem
Lebenswege in Berührung gekommen sind, werden gerne diese
..Erinnerungen“ durehblättern, um davon Kenntniss zu nehmen,
aus welchen Quellen dieses schöne, befriedigte und ungewöhn¬
lich erfolgreiche Leben geflossen ist.
Das Buch ist keine Biographie in gewöhnlichem Sinne des
Wortes, durchaus nicht etw r a eine belletristische Ausarbeitung
der reichen persönlichen Lebenserfahrungen im Stile eines für
das lesebedürftige Publicum verfassten Memoiremverkes, sondern
es ist im Grossen und Ganzen betrachtet ein Beitrag zur Ge¬
schichte der biologischen Disciplinen wöhrend der letzten
0 Jahrzehnte des abgelaufenen Jahrhunderts imd ferner eine
Erläuterung der Antheilnahme, w r elche der Herr Verfasser
durch eigene Thätigkeit an der in Betracht kommenden Ent¬
wicklung hatte. Nur die ersten 48 Seiten des Werkes sind
einer allgemeinen Biographie gewidmet, in welcher wir Auf¬
klärung über Eltern, Familie, Erziehung, Schilderungen aus der
Studienzeit, ferner Notizen über die ersten wissenschaftlichen
Bestrebungen und die Anfänge der akademischen Thätigkeit’
schliesslich auch Erwähnung von Freundschaftsverhältnissen
aus früherer und späterer Zeit finden. Leider ist diese allge¬
meine Einleitung bei dem hohen Interesse, w r elches das Publicum
der Person des Verfassers entgegenbringt, zu kurz ausgefallen.
Offenbar hat sich v. Kölliker gescheut, die persönlichen Ein¬
drücke, Anregungen und übrigen Verhältnisse seiner Knaben-,
Jünglings- und ersten Studienjahre in grösserer Breite zu
schildern, obwohl ja gerade diese sehr wichtig, ja meist für
die spätere Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung sind.
Da es nicht Aufgabe des Referenten sein kann, das Buch
zu excerpiren, so sei nur erwähnt, dass v. Kölliker mit
seinem Bruder unter den Augen einer vortreffliche^ Mutter
eine vorzügliche Erziehung erhielt, die das geistige wie körper¬
liche Wohl gleicher Weise berücksichtigte. Eine frühzeitige gute
Ausbildung auf dem Gebiet der modernen Sprachen (italienisch,
französisch, englisch) erleichterte ihm später das Eindringen in
fremde Literaturen und die Ausführung weiter wissenschaftlicher
Reisen in den 40 er und 50 er Jahren (Italien, Frankreich, Holland,
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Spanien, England, Schottland), wodurch der junge Gelehrte in
persönliche Fühlung mit den wissenschaftlichen Kreisen der
bedeutendsten Culturländer trat. Noch wäre* wichtig zu er-
wähnen, dass möglicher Weise vielfache in den Jugendjahren
eifrig betriebene Leibesübungen, als da sind: Turnen, Schwimmen,
Jagen und Reiten, den soliden Grund für die ausserordentliche
physische und intellectuelle Leistungsfähigkeit legten, die alle
Näherstehenden an dem Herrn Verfasser bis in sein jetziges
hohes Alter hinein zu bewundern Gelegenheit haben.
Der zweite Hauptabschnitt des Buches bringt den Abdruck
einer grossen Reihe von Briefen, welche auf wissenschaftlichen
Reisen geschrieben und heimwärts gesandt wurden. Diese
Briefe sind eine hochinteressante Lectlire, indem sie sowohl
ein reichliches Material zur Lebensgeschichte des Autors als
als auch eine Reihe sehr bemerkenswerther Schilderungen, die
wissenschaftlichen Zustände einer vergangenen Zeit betreffend,
enthalten.
Der Rest des Buches, mehr als die Hälfte des ganzen
Werkes, beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Leistungen
und Erfolgen, v. Kölliker gibt uns ausser einem kurzen
Bericht über seine Lehrthätigkeit vor Allem eine Art Autor¬
referat über die schier unübersehbare Menge seiner Schriften.
Es sind fast 250 Nummern, die aufgezählt, viele übrigens
bloss dem Titel nach erwähnt werden. An einigen Stellen
werden umfassende Uebersichten über ganze Serien von
Arbeiten gegeben, zum Theil mit Ergänzungen oder unter
erneuerter Hervorhebung solcher Darstellungen, die früher ge¬
ringere Beobachtung gefunden hatten (z. B. „histologische
Grundanschauungen“ pag. 192 ff, Entwicklung der Blutkörperchen
pag. 210 ff, Nervensystem pag. 235 ff, Eierstock 298 ff, Knochen¬
entwicklung 315 ff, Descendenzlehre 322 ff). Es ist hier indess
nicht der Ort auf Einzelheiten einzugehen und müssen wir auf
das Werk selbst verweisen.
Das mit einer Reihe von Porträts und anderen Bildern,
auch neuen wissenschaftlichen Zeichnungen geschmückte Buch
ist unentbehrlich für den Historiker der Medicin. An der Hand
desselben wird es später auch gelingen, eine eigentlich so
zu nennende Biographie des Autors zusammenzusetzen, welche
allerdings nur zu schreiben wöre an der Hand einer möglichst
vollständigen Kenntniss der Entwicklung der Anatomie und
Physiologie im 19. Jahrhundert. Martin Heidenhain.
G. Kleinschmidt: Vademecumfür den Geburtshelfer.
München, Lindauer’sche Buchhandlung. II. Aufl. Preis 4 M.
0. Schaeffer: Anatomischer Atlas der geburtshilflichen
Diagnostik und Therapie. Lehmann’s med. Handatlanten,
Bd. II, 2. Aufl. Preis 12 M.
O. Schaeffer: Atlas und Grundriss der Gynäkologie.
Lehmann’s med. Handatlanten, Bd. III., 2. Aufl. Preis 14 M.
W. Nagel: Die Gynäkologie des praktischen Arztes.
Berlin, H. Kornfeld.
Jo mehr der Lehrstoff sich vergrössert, desto mehr macht
sich auch das Bedürfniss geltend, neben den ausführlichen Hand-
und Lehrbüchern kurz gefasste Lehrbücher zu besitzen, die es
gestatten, zu gegebener Zeit rasch den Inhalt eines Abschnittes
zu überfliegen. Darin liegt sicherlich die Berechtigung eines
sog. Vademeeum begründet. Seine Benützung setzt allerdings
immer ein eingehendes Studium eines ausführlichen Lehrbuches
voraus. Leider gestalten sich die Verhältnisse immer mehr so,
dass die Studierenden sich mehr und mehr den „kurzgefassten“
Lehrbüchern zuwenden und darüber ein eingehendes Studium
vernachlässigen. Es kann nicht geleugnet werden, dass hierin
ein schwerer Nachtheil zu erblicken ist. Wenn nun gar noch in
einem derartigen Büchlein, wie in dem von Kleinschmidt,
in der Vorrede angegeben wird, „zweitens soll es dem jungen
Arzte, der zur Entbindung gerufen wird, als Vademeeum dienen,
aus dem er bei schwierigen Fällen sich schnell orientiren kann,
ob und wie er operiren soll“, so liegt darin allein schon eine Ver¬
urteilung des ganzen Unternehmens!
Es stände schlimm um unsere „jungen Aerzte“ und noch
schlimmer um ihre Pflegebefohlenen, wenn hiernach gehandelt
werden sollte! Die Ausübung der Geburtshilfe setzt eine solche
Fülle praktischer Erfahrung und theoretischer Kenntnisse vor¬
aus, und das geburtshilfliche Handeln baut sich jedesmal so
folgerichtig aus ihnen auf. dass der mit ihnen und einem gesun¬
den Menschenverstände ausgerüstete Arzt wahrlich eines der¬
artigen „Vademeeum“ entrathen kann! Wer aber nach dem
Untersuchungsbefunde und nach Abschätzung der ganzen Sach¬
lage noch nicht weiss, „ob und wie er operiren soll“, der handelt
Original ffom
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
gewiss klüger und mehr in seinem und der Schutzbefohlenen
Interesse, wenn er seine Hände davon lässt, als wenn er sich
Rath aus dem Büchlein erholt und einen Eingriff unternimmt !
Auf einer ganz anderen, viel höheren Stufe, stehen die beiden
Handatlanten der Geburtshilfe und Gynäkologie von O. S c h a e f-
f e r. Obwohl sie ihrem Texte nach eigentlich nur als Grund¬
risse anzusehen sind, stellen sie doch auf der anderen Seite durch
ihre ausserordentlich zahlreichen, zum grössten Theil vortreff¬
lichen farbigen Abbildungen Ergänzungswerke zu den Lehr¬
büchern dar. Niemand wird den hohen Werth derartiger, dem
Anschauungsunterrichte dienender Werke verkennen wollen.
Da auf die beiden Atlanten schon bei ihrem ersten Erschei¬
nen in dieser Zeitschrift ausführlicher eingegangen wurde, möge
hier nur hervorgehoben werden, dass sich der Verfasser bemüht
hat, nach allen Richtungen hin den Text weiter auszugestalten
und dass es ihm gelungen ist, eine übersichtliche Darstellung
der beiden Fächer in knapper Form zu bieten.
Das Buch Nagel’s ist nicht für den Fachmann, sondern
für den in allgemeiner Praxis beschäftigten Arzt bestimmt. Nach
einigen kurzen Abschnitten über die Vorbereitungen für dia¬
gnostische und therapeutische Eingriffe und über die Unter¬
suchungslehre werden die Erkrankungen der einzelnen Abschnitte
der weiblichen Geschlechtstheile abgehandelt. Jedem Capitel
ist eine Besprechung der normalen Anatomie vorausgeschickt,
die, wie Nagel selbst in der Vorrede meint, „vielleicht Manche
zu ausführlich finden werden“. Dies trifft auch gewiss an man¬
chen Stellen zu, so ist es doch für ein zum Gebrauche des prak¬
tischen Arztes bestimmtes, kurzes Lehrbuch wohl zu weit ge¬
gangen, wenn die normale Anatomie des Ovarium auf fast 13
Seiten (von denen noch l 1 /, Seiten der Betrachtung gewidmet
sind, dass die Verhältnisse an Thieren nicht einfach auf den
Menschen übertragen werden dürfen) abgehandelt wird, während
die pathologische Anatomie des Ovarium demgegenüber nur
10 Seiten füllt. Hierin allein liegt doch schon ein grosses Miss-
verhältniss, das durch die Bedürfnisse der Praxis keinesfalls sich
entschuldigen lässt.
Die Bedürfnisse der Praxis erfordern vor Allem eine genaue
Besprechung der Diagnostik und ferner der sog. „kleinen Gynä¬
kologie“. Erstero wird zwar in der Vorrede versprochen, aber
oft genug entspricht dem der Text nicht, letztere ist geradezu
vernachlässigt.
In einem für den Praktiker bestimmten Buche dürfen nach
des Referenten Ansicht nur solche Anschauungen vorgetragen
werden, die sich der allgemeinen Anerkennung erfreuen. Hegt
der Verfasser andere Ansichten, so sind diese doch höchstens als
eigene Anschauung anzuführen und auch dann nur, wenn
sich der Verfasser an anderer Stelle durch ausführliche Arbeiten
bemüht hat, seiner Ansicht Geltung zu verschaffen. Geradezu
mit Erstaunen liest man aber in Nagel’s Buch, dass die sogen.
Erosionen des Muttermundes wirkliche Geschwüre darstellen,
während „nach einer älteren hier und da noch vertretenen An¬
sicht die Erosion darin besteht, dass das Cylinderepithel aus
dem Cervicalcanal heraustritt, um über die Aussenfläche der
Portio sich auszubreiten“. Soweit dem Ref. bekannt, ist dies
die allgemein herrschende Anschauung, gegen die in neuerer Zeit
auch Niemand mehr Einspruch erhoben hat. Nagel behauptet
ferner, dass die Carcinome des unteren Gebärmutterabschnittes
stets von den Cervicaldrüsen ihren Ausgang nähmen. Die all¬
gemein angenommene Eintheilung in Carcinome der Cervix und
Carcinome der Portio ist nicht nur anatomisch wohl begründet,
sondern es ist auch aus^ diagnostischen Gründen (für Manche
auch aus therapeutischen!) an ihr festzuhalten, wie dies Nagel
übrigens an anderen Stellen auch tliut, und dass es vom Platten¬
epithel der Portio vaginalis ausgehende Carcinome gibt, daran
ist nicht zu rütteln!
Auch sonst finden sich in dem Buche zahlreiche Unrichtig¬
keiten, oder mindestens Ungenauigkeiten. So wird z. B. bei
der Beschreibung der Anatomie des Carcinoma uteri gesagt, die
Schleimhaut bestelle an der entarteten Stelle „aus dicht an¬
einander liegenden, mit mehrkantigen Epithelzellen ausgefüllten
Hohlräumen, deren Wandung von der Basalmem¬
bran der Drüse gebildet wird“. „Die schwerste Form
der Endometritis glandularis, vielfach Adenom oder malignes
Adenom genannt....“ Die gonorrhoische Cystitis wird als die
häufigste Form bezeichnet.
Es geht doch wohl nicht an, wie dies von Nagel geschieht,
die Kraurosis vulvae einfach als eine Form des Pruritus vulvae
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abzuhandeln. Blasenscheidenfisteln entstehen doch wohl kaum,
wie Nagel anführt, wenn der Kopf lange i m Becken stehen
bleibt. Ureterenscheidenfisteln sollen so gut wie nie aus Anlass
einer Geburt entstehen. Neigt m a n wirklich neuerdings der
Ansicht zu, „dass die Parotitis die Theilerseheinung einer durch
die Laparotomie entstandenen Infcction bilde“! Ist es richtig,
wenn Nagel bei der Besprechung der Laparotomie behauptet:
„Man hat desshalb versucht, sie (die Schwämme) durch wollene
(gestrickte), leinene oder Gazestiicke zu ersetzen, stets aber
ist man zu den Schwämmen zurückgekehrt....“?
Diese kleine Zusammenstellung, die leicht noch erheblich
vergrössert werden könnte, möge genügen.
Sehr eigenthümlich hat es den Ref. berührt, wenn Nagel
bei der Besprechung der Nachbehandlung nach Laparotomien
angiebt, dass diesen Vorschriften zum Theile das zu Gründe
liege, was er bei einem längeren Aufenthalte in England gesehen
habe, zumal wenn dann in diesen Vorschriften sich ausser
der Darreichung von heissem Wasser und dem mindesten doch
sehr zweifelhaften Ruthe, bei drohender Sepsis salinische Ab¬
führmittel zu reichen, auch nicht das Geringste findet, was nicht
in deutschen Kliniken allgemein üblich wäre.
Die Sprache enthält ausser vielen Flüchtigkeiten (z. B.
die Labie) leider auch viele Holperigkeiten und selbst
undeutscho Redewendungen. Die zum Theile etwas zu grob-
schematischen Abbildungen lassen vielfach die in der Vorrede
erwähnte „Wahrung der natürlichen Verhältnisse“ vermissen.
A. Gessner - Erlangen.
Dr. Achilles Rose: Die Griechen und ihre Sprache seit
der Zeit Konstantins des Grossen. Nebst einem Vorwort von
D. N. Botassi. Leipzig, Verlag von Wilhelm Friedrich.
X, 332. Preis M. 5.—.
Dieses schöne Werk unseres Collegen, des in New-York
wirkenden hervorragenden deutschen Arztes, correspondirenden
Secretärs der deutschen medicinischen Gesellschaft zu New-
York, sei der Aufmerksamkeit unserer Leser auf’s Wärmste
empfohlen. Der Verfasser, ein begeisterter Philhellene, schildert
im 3.—7. Capitel die Geschichte der Griechen seit der Gründung
Constantinopols, entkräftet viele darüber verbreitete Irrthümcr
und versteht es, unsere Sympathie für die Nachkommen des
edlen Volkes, in dem menschliches Denken und Empfinden einst
zu der herrlichsten Blütho gediehen war, zu gewinnen. Für das
speciell ärztliche Interesse besonders fesselnd sind jedoch das
1., 2. und 8. Capitel, in denen die griechische Sprache und ihre
Verwendbarkeit als internationale Gelehrtensprache behandelt
wird. Der Verfasser weist darauf hin, wie gross das Bedürfnis»
der Wissenschaft nach einem solchen universellen Verstän¬
digungsmittel sei; wie die Eifersucht der Nationen niemals ge¬
statten werde, die Sprache eines der grossen Culturstaaten zur
Weltsprache zu machen; wie schon jetzt die allermeisten Kunst -
ausdrüeke, insbesondere unserer Mediein, aus der griechischen
Sprache stammten, und es demnach das nüchstliegende sei, auf
diese ganz zurückzugehen. Der lateinischen gegenüber habe die
griechische den Vorzug, keine todte Sprache zu sein. Die Sprache
des modernen gebildeten Griechen weiche nur in geringfügiger
Weise von dem elassischen Attisch ab; die Worte selbst seien
zum grössten Theil, die für die Kunstsprache in Betracht
kommenden, ausnahmslos identisch mit denen der elassischen
Sprache oder nach deren Regeln neugebildet, so dass jedes
moderne griechische Lehrbuch uns dazu dienen könne, unsere
durch Unwissenheit zum Theil sehr verderbte Kunstsprache von
ihren Fehlern zu reinigen. Auch würde die Erlernung der
griechischen Sprache als internationalen Verständigungsmittels
nicht mehr Schwierigkeiten machen, als die irgend einer anderen
Sprache, sofern wir sie eben von den heutigen Griechen lernen
wollten. Dazu gehöre dann allerdings, dass wir auf die in unseren
Schulen gelehrte, von Erasmus erfundene, aber zu keiner Zeit
in Geltung gewesene Aussprache verzichteten und uns ent¬
schlössen, das Griechische griechisch auszusprechen. Ucbrigens
würden wir dadurch, dass wir Griechisch als eine lebendige
Sprache erlernten, d. h. dass wir es erst lesen und sprechen
lernten, bevor wir uns in die Grammatik vertieften, auch erst
den wahren Lohn unserer Studien finden, den Genuss und die
geistige Förderung, die die griechischen Classikcr Demjenigen
bieten, der Griechisch mit wirklicher Leichtigkeit liest und
griechisch zu denken vermag. Unsere Schulen seien ja leider
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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weit davon entfernt, ihre Schüler auf diese Bildungsstufe zu
bringen.
Ich habe in Obigem versucht, die leitenden Gedanken aus
dem Werke unseres begeisterten Philhellenen in kurzen Sätzen
wiederzugeben und ich denke, wir Alle werden dem Verf. in den
meisten Punkten, zumal aber darin Recht geben, dass es ein
Nonsens ist, Schülern ein Griechisch zu lernen, das ein Grieche
dem Klange nach überhaupt nicht als seine Sprache wieder zu
erkennen vermag, und sie in alle Finessen der griechischen
Grammatik einzuweihen, ohne dass sie je im Stande wären,
einen eigenen Gedanken griechisch auszudrücken.
Ob aber nicht doch das Lateinische eher, als das Griechische,
geeignet wäre, wieder zur internationalen Gelehrtensprache zu
werden, wage ich zu bezweifeln. Es hatte doch diese Geltung
noch bis in unser Jahrhundert herein; Männer die wir persön¬
lich gekannt haben, besassen noch die Fähigkeit, medicinisehc
Themata schriftlich und mündlich in lateinischer Sprache zu
behandeln; ein Machtwort gegen die Ciceronianer und die gram¬
matikalischen Tüfteler in unseren Gymnasien (die selbst nicht
lateinisch sprechen können) würde genügen, um die auch jetzt
schon dem lateinischen Unterricht gewidmeten zahlreichen
Schulstunden für die wirkliche Erlernung der lateinischen
Sprache nutzbar zu machen. Unsere Kunstausdrücke aber sind
zwar z. Th. griechischen Stammes, aber, abgesehen von den doch
auch recht zahlreichen lateinischen, sind sie uns alle nur in
lateinischer Aussprache und Betonung geläufig. Wenn wir statt
hlennorrhoea sagen müssen wlennörria, imipligfa statt hemi-
plegia, alle d und th mit dem englischen Lispellaut ausspreehen
sollen u. s. w., so wird uns der Umstand, dass blennorrhoea
und liemiplegia von jeher eigentlich griechische Worte gewesen
sind, das Umlernen nur wenig erleichtern. Sicherlich stehen
also der Einführung des Griechischen als internationaler Ge¬
lehr tensprache weit grössere praktische Schwierigkeiten ent¬
gegen, als der Wiedererweckung des Lateinischen.
Wie dem auch sei, die Begeisterung Rose’s für die
griechische Sprache als Quelle höchster menschlicher Kunst und
Weisheit, ist ebenso berechtigt, als sie wahrhaftig ist. Wir
dürfen stolz darauf sein, dass ein deutscher Arzt unter der Last
seines Berufs, im banausischen Getöse der transatlantischen
Weltstadt, einem so edlen Enthusiasmus für die idealsten Güter
der Menschheit treu zu bleiben vermocht hat.
K o s s m a n n.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1899. No. 52.
1) Bernhard Ben d ix-Berlin: Die Ammoniakausscheidung
bei den Ernährungsstörungen der Säuglinge.
Bei einer grösseren Zahl von an Darmstörungen leidenden
Säuglingen war die Ammoniakausscheidung durch den Harn
niedrig. Diese Thatsache würde gegen die Ansicht K e 11 e r’s resp.
Czerny's sprechen, die auf Grund hoher Ammoniakwertlie in
mehreren Fällen diesem Befunde eine wichtige Rolle für die Er¬
klärung der chronischen, zur Atrophie führenden Ernährungs¬
störungen der Säuglinge beimaassen.
2) K e 11 e r - Breslau: Bemerkungen zu obigem Artikel.
K. spricht seine Auffassung dahin aus: „Die Untersuchung
der Ammoniakausscheidung zur Prüfung der Oxydationskraft des
Organismus unter bestimmten Verhältnissen Ist ein werthvolles
Hilfsmittel bei der Beurtheilung der Ernährungsstörungen im
Säuglingsalter“. W. Z i n u - Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1899. No. 50.
Rud. Pause -Dresden: Zu Küste r’s osteoplastischer Auf-
meisselung des Warzenfortsatzes.
Polemik gegen die von Küster angegebene Methode, die P.
für technisch und kosmetisch und betr. Sicherheit der Heilung der
eigenen und Stacke’schen Methode inferior ansieht.
C. Hofmann: Ueber Ganglienbildung in der Continuität
der Sehnen.
Mittheilung eines operativ entfernten in der Continuität der Sehne
des Peroneus III gelegenen (traumatisch entstandenen) Ganglions.
Sehr.
Centralblatt für Gynäkologie. 1899, No. 52.
1) A. D o k t o r - Ofen-Pest: Uterusruptur mit Austritt der Frucht
in die Bauchhöhle. Sectio caesarea. Heilung.
Der Fall betraf eine 30jährige III. Para mit engem Becken,
die 2mal spontan geboren hatte, lmal eine todte, lmal eine
lebende Frucht. Die Ruptur trat nach 20ständigem Kreissen ein,
nachdem vergebliche Extractionsversucbe mit der Zange gemacht
worden waren. Bei der Lapar i :.i!e wir.- .e der Idem* x-uirpirt,
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der Stumpf vernäht. Während der Operation erhielt Patientin 30 (!)
Kampherinjeetinnen, 2 Liter Kochsalzlösung subeutan und Aus¬
spülung der Bauchhöhle mit warmem sterilen Wasser. Heilung bis
auf einen Bauch wandabseess und Bildung einer Blasenscheidenfistel
ungestört.
Die folgenden Bemerkungen des Verfassers bringen nichts
Neues. Sie behandeln die häufigsten Todesursachen nach Uterus¬
ruptur, Verblutung und Sepsis, und versuchen den günstigen Ver¬
lauf im vorliegenden Fall zu erklären.
2) B. R o s i n s k i - Königs! »erg: Lymphangiektatisches Adeno-
myom des Ligamentum rotundum.
Der Fall gehört zu den Geschwülsten, die sich klinisch ul*
Tumoren in der Leistengegend präsentiren und leicht als Hernien
imponiren, anatomisch als lymphektatisehe Fibromyome des runden
Mutterbandes anfzufassen sind, — R.'s Fall betraf eine 51 jährige
Frau, die wegen Fterusmyom in Behandlung kam. Als Neben¬
befund fand sich ein eiförmiger Tumor der linken Tnguinalgegend.
Vaginale Uterusexstirpation. S Tage später entzündliche Schwellung
des Inguinaltumors, der sieh bei der Ineision als frisch entzündete
Cyste auswies. Recidiv nach einem halben Jahre; Exstirpation
einer pHaumengrossen Cyste aus dem Inguinalcanal, die vom Lig.
rotundum ausgegangen war.
Die histologische Untersuchung stellte den in der Ueberschrift
genannten Charakter der Geschwulst lest. J a f f e - Hamburg.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In-
fectionskrankheiten. Bd. XXVL. No. 22., 23. Doppelheft.
1) A. de Simoni-Cagliari: Beitrag zur Morphologie und
Biologie der Pseudodiphtheriebacillen. (Schluss folgt.)
2) F. E. Hellström • Helsingfors: Erwiderung auf einige
Bemerkungen von Dr. Th. Madsen gegen die von mir ver¬
tretenen Ansichten betreffe der Wachsthumserscheinungen des
Diphtheriebacillus.
3' W. Zinn-Berlin: Ueber Anguillula intestinalis.
Verfasser hatte Gelegenheit, bei einem Neger, der wegen
Tuberculose in Behandlung war, 6 Monate lang fortlaufende
Untersuchungen über die Entwicklung der tropischen An-
guillula anzustellen. Zweifellos batte Patient sieb während
eines längeren Aufenthaltes in Ostafrika diese Anguillulainfectioii
zugezogen. Das Züchtungsverfahren zeigte sich am günstigsten,
wenn der Koth mit gekochtem Wasser angerieben und bei ca.
25° stehen gelassen wurde. Man fand die Thierehen dann meist
dicht unter der Oberfläche. Interessant ist nun, dass während der
ganzen Dauer der Beobachtung die Entwicklung der Anguillula-
Embryonen ausschliesslich auf dem Wege der geschlechtlichen
Zwischengeneration erfolgte, während die direete Metamorphose —
d. h also die Umwandlung der Embryonen der Anguillula intesti¬
nalis in filariaförmige Larven, und diese wieder in parasitische
Anguillula — auch nicht ein einziges Mal beobachtet werden
konnte. Es findet durch diese Thatsache die Leichtenstern’schc
Hypothese — dass die Anguillula der gemässigten Zone immer
mehr den viel einfacheren und vom Klima weitaus unabhängigeren
Entwicklungsmodus der directen Umwandlung der Embryonen in
die filariaförmigen Larven begünstige — in sofern eine Stütze, als
Verfasser eben in seinem Falle von tropischer Anguillula diesen
einheimischen Modus nicht vorfand.
4 V M. Lühe-Königsberg: Beiträge zur Kenntniss der Bothrio-
cephaliden.
Arbeit rein systematischen Inhaltes.
R. O. X e u m a n n - Berlin.
> Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 1.
1) R. V i r c h o w : Neue Namen und neue Begriffe in der
Pathologie.
V. kritisirt in diesem „Versuch“ die moderne Lust, neue
Namen für alte Dinge einführen zu wollen und vor Allem auch
die Barbarismen in der medicinischen Sprache. Die Einführung
eines neuen Namens in der Pathologie ist nur berechtigt, wenn
in der That eine neue Krankheit nachgewiesen wird, die keines¬
wegs neu entstanden zu sein braucht, aber noch nicht erkannt
war. V. führt das am Beispiel der Rachitis näher aus.
2) E. L e x e r - Berlin: Operation eines Mesenterialfibromes
mit ausgedehnter Resection des Dünndarms.
Cfr. hierüber Ref. p. 10(52 der Münch, med. Woclienschr. 181>t).
3) P. May er-Berlin: Ueber die Bedeutung der Glykuron-
säure für die Phenylhydrazinprobe im Harn.
Für letztere wird von einzelnen Autoren betont, dass sie auch
positiv Ausfallen und Zucker im Harn vortäuseheu künue, wenn
Glykuronsäureverhindungen im Harn vorhanden seien. Doch lagen
über letztere Möglichkeit systematische Untersuchungen bisher
nicht vor. M. untersuchte nun, ob nach Zufuhr von Substanzen,
die sich im Harn mit der Glykuronsüure paaren, Harne entleert,
werden, die mit dem Phenylhydrazin eine Verbindung liefern.
Er fand, dass Harne, In denen nach Einnehmen von Menthol
Mentholglykuronsüure vorhanden ist, In der Tliat mit Phenyl¬
hydrazin eine krystallinische Verbindung liefern, die dem Glyko-
sazon im Ansehen vollkommen entspricht, daher die Anwesenheit,
von Traubenzucker Vortäuschen kann. Die so mögliche Täuschung
fällt aber nach Ansicht von M. für die klinische Verwerthung der
Phenylliydrazinprobe nicht weiter in's Gewicht.
Original frnrri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
58
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
1) II. Kionka-Berlin: Künstliche Erzeugung von Gicht.
Cfr. die Iieferate der Münch, med. Woeliensehr. über die
Nnturforsohorvt*rsaininlung 1800 in München.
5) P o 1 j a k o f f - Moskau: Ueber einen Fall von milch-
weissem Ascites bei syphilitischer Lebercirrhose.
Bei der 48 jährigen Kranken zeigten sieh klinisch die Er¬
scheinungen oint'r parenchymatösen Nephritis und von Leber-
cirrhose. Die Punction des vorhandenen hochgradigen Ascites
ergab 0 Lit. einer milchweissen Flüssigkeit, in der sich 1,025 Prom.
Eiweiss. überwiegend Serumeiweiss. 1.42 Prom. Harnstoff, ab«*r
nur 0.20 Prom. Fett und extractive Stoffe fanden. Die Ursache
für das milchige Aussehen mancher Aseitesfliissigkeit beruhte in
fast allen bekannten Füllen auf dem Vorhandensein sehr reich¬
lichen Fettes. In dem vorliegenden Falle traf das nicht zu, auch
klärte sich die Flüssigkeit beim Schütteln mit Aetlier nicht auf;
ferner bestand die milchweisse Farbe schon im Momente der
Ablassung der Flüssigkeit, nicht erst beim Erkalten. Die Seetion
ergab eine syphilitische Lebercirrhose.
0) F e h r - Berlin: Endemische Badconiunctivitis.
Verfasser könnt«' im vorigem Sommer «»ine grössere Anzahl
junger Tarnte beobachten, die alle ein ähnliches Bild von Augen-
entzündung darboten. Die Lider waren geschwollen, die Con-
junctiva tief blauroth injicirt und mit auserordentlich zahlreichen,
tiefsitzenden, grossen Körnern bestreut. Anfänglich wurde die
Diagnose auf Trachom gestellt, zumal sich nachweisen licss. dass
die Kranken alle in der nämlichen Badeanstalt, resp. demselben
Bassin gebadet und sich angesteckt hatten. Die schwereren Fälle
brauchten 5—0Wochen zur Heilung: der Verlauf zeigt*.' im (tanzen,
dass man es hier mit einem besonderen, jedenfalls sehr eon-
tngiösen Bindohautloiden. aber nicht mit Trachom, zu thun habe,
dessen — übrigens noch nicht gefundener - - speeifiseher Erreger
in dem selten gewechselten Bassinwasser ein gutes Medium ge¬
funden hatte.
7) P. Schultz-Berlin : ” Ein* Beitrag r zum Charakter, Ver¬
lauf und zur Behandlung' der jüngsten Trachomepidemie in
Berlin.
Sch. beschreibt 20 Fälle, die sich aus der nämlichen Quelle
inficirt hatten, wie jene des vorhergehenden Autors. Er sieht
aber diese Fälle mit aller Bestimmtheit für Trachom an. Es waren
nur männliche Kranke, bei denen die Granulöse sich vorfand.
Letztere zeigte verschiedene Grade der Intensität. 2 Fälle heilten
mit Narbenbildung, manche mit Pannusbildungen und Coinpli-
cationen der Hornhaut. Zu einer Geschwürsbildung an letzterer
kam ('s übrigens in keinem Falle. Die Behandlung bestand in
Ausdrücken oder Allsbrennen der Körner, Reiben der Conjunc-
tiva mit 0.5 prom. Sublimatlösung, bis sie blutete. Einträufelungen
mit. 20 proc. Protargollösung. wodurch im Allgemeinen gute Er¬
folge erzielt wurden. Verfasser fordert bei seiner Annahme echten
Trachoms scharfe Uoborwachung der Schwimmbassins öffent¬
licher Badeanstalten und Erweiterung der Anzoigepflicht bei
Trachomfällen. Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1800. No. 52.
D P. L e n g e m a n n: Ueber die Entstehung der Leukocytose
und von Zellverschleppungen aus dem Knochenmark. (Aus der
chirurgischen Universitätsklinik in Breslau)
Tn diesem in der medicinisehen Seetion der schlesischen Gesell¬
schaft für vaterländische Cultur am 2. Juni 1800 gehaltenen Dcmon-
fltrationsvortrage, auf dessen Details hier nicht weiter eingegangen
werden kann, sucht L. nachzuweisen, dass die histologische Unter¬
suchung des Knochenmarks hei einer weitaus grösseren Zahl von
Frkrankungen mehr oder weniger charakteristische pathologische
Veränderungen ergibt, als bisher angcnommeiUwird. Insbesondere
0i dies für die mit stärkerer Leukocytose einhergehenden Processe.
2) J. Sehn ei der: Ein Todesfall bei Aethernarkose. (Aus
dem Landkrankenhause in Fulda.)
Nach He u sl er ist die Hauptgefahr hei der Aetheramvendung
die Lähmung derAtlnnung als Vorbote der tödtliehen Herzlähmung.
Bei rechtzeitiger Unterbrechung der Narkose kann die Gefahr fast
immer vermieden werden.
Der hier beschriebene Fall einer Herzlähmung, welche der
Rospirationslähmung auf dem Fusse folgte, gehört zu den seltenen
Ausnahmen. Es handelte sich um einen 58jährigen mit Athero-
matose behafteten Mann, der wegen Fussgangraen operirt werden
sollte.
T IT. Wostphalen und W. Fick: Ueber zwei Fälle von
Perigastritis adhaesiva (pylorica). (Aus dem Deutschen Alexander-
Männerhospital in 8t. Petersburg.}
Die Schlüsse, welche aus dem bisher veröffentlichten Material
und den beiden hier beschriebenen Fällen gezogen werden, lassen
sich dahin /usammehfassen, dass die Gastrnlyse, die operative
Lösung der Verwachsungen des Magens mit den Nachbarorganen
nur dann indicirt ist, wenn dadurch eine dauernde Freilegung des
T’vlorus garantirt wird. Ist das nicht der Fall, so ist seihst hei an¬
scheinend leichter Entfernung der Adhaesionen die Gastroentero¬
stomie indicirt, der Hauptpunkt liegt dann in der Functionsaus-
schallung des verwachsenen und fixirten Pylorus.
4j R Loh n s t c i n • Ein casuistischer Beitrag zur Schularzt¬
frage. b\us der Poliklinik für Augenkranke des Vereins für häus¬
liche (icsundheitspfh'iro in Berlin.)
l>cr hier mitgotheiltc Fall ist von actuellem Interesse durch die
Thatsaehc, dass ein wegen congcnilahmi Schichtstaar mit" Erfolg
operirter, sehender Knabe lediglich auf Anordnung des Schulrectors
ohne ärztliche Untersuchung aus der Volksschule entfernt, einer
Blindenschule überwiesen und dort trotz Protest festgehalten wurde.
5) K e 11 n er-Hamburg-Eppendorf: Ueber die Sprache und.
Sinnesempfindungen der Idioten.
Interessanter Bericht über die Resultate der in diesem Sinne
angestellten Untersuchungen an 544 Idioten der Alster lorfer An¬
stalten bei Hamburg. Bezüglich der Einzelheiten muss auf den
Originalartikel verwiesen werden. F. Lacher München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1811b. No. 52.
1) M. Heit ler: Ueber den Einfluss mechanischer Er¬
regung der Leber auf das Herz.
II. hat schon früher beobachtet, (lass bei gewissen Fällen
von Arrhythmie kleinen Pulsen ein grosses Herzvolumen ent¬
spricht und umgekehrt: ferner findet mau bei grosser Herz¬
dämpf ung und kleinem Pulse eine grosse Leber- und Milzdäm-
pfung und umgekehrt. Nun konnte II. an einem 21jährigen, ner¬
vösen Tischlergehilfen Folgendes constatireu: Wenn er bei klei¬
nem Pulse die Leber stark pereutirte oder erschütterte, so wurde
unmittelbar nach dem mechanischen Eingriff der vorher klein«*
Puls gross und voll und das Herzvolumen kleiner. Verfasser
führt das Phänomen mit Bestimmtheit auf die Erschütterung der
Leber zurück, da es beim Percutiren der unteren Partien der 1.
Thoraxhälfte ganz regelmässig nicht eintrat. Einflüsse der Leber
auf das Herz sind lange bekannt.
2) R. K o 1 i s c h - Wien-Karlsbad: Zur diaetetischen Be¬
handlung des Diabetes mellitus.
K. setzt in diesen zu einem kurzen Referat sich schwer
eigneiulen Vorträgen auseinander, «lass die herrschende Calorion¬
lehre für die Ernährung der Diabetiker, resp. für die quantitativen
Diätvorschriften bei denselben nicht maassgebend sein könne un«l
manche Erfahrungen existiren, welche kaum mit der Annahme
einer Störung des Zuckerverbrauches in Einklang zu bringen sind.
Bei Diab. mell, handelt es sich vor Allem auch darum, die Nahrung
quantitativ auf das niedrigste noch ausreichende Maass zu redu-
ciren: besonders ist aber auch die Eiweisszufuhr einzuschränken.
da durch dieselbe die Toleranzgrösse für Kohlehydrate herab¬
gesetzt wird. Einen sehr guten Erfolg bei schweren Diabetes¬
fällen sah K. von einem streng vogetarianischem Regime, wobei
sich die Harnmenge rasch vermindert; grössere Beachtung ver¬
dient auch die Milchdiät.
2) W. K n öpf e 1 ma«* h e r - Wien: Neue Versuche über
Caseinausnützung.
Dieselben sind an Säuglingen angestellt und zwar hat Iv.
die Caseinausnützung auf Grund der Ausnützung des Kasein-P.
berechnet. Auch bei der neuen besseren Methode, die Verfasser
nunmehr angewandt hat. kommt er zum Schlüsse, dass ein
Theil des Caseinphosphors ungenützt in den Faeces ausgeschieden
wird. Bezüglich der zahlenmüssigen Details wird auf das Ori¬
ginal verwiesen.
4) St. Bern hei’mer-Wien öDie"Beziehungen*der vorderen
Vierhügel zu den Augenbewegungen.
B. kritisirt die jüngst an dieser Stelle publicirten Versuche
von Prus - Lemberg und bezeichnet auf Grund seiner eigenen
Versuche an Affen dessen Resultate, dass in den vorderen Vier¬
hügeln ein Centrnm für die synergischen Augenbewegungen be¬
stehe, als irrig. f«'rner wirft er P. vor, dass dieser am nicht nar-
kotisirten Thier operirt habe. B. reproducirt als Ergebnlss seiner
eigenem Versuche gegenüber jenen von P.: Die vordem Vier-
hiigel sind weder ein Reflexcentrum für die Augenbewogungen.
noch ziehen die Neurone zur Hirnrinde durch sie hindurch. Die
Verbindungsneurone von den Au genmuskelkernen zur Rinde des
G.vr. angul. verlaufen gekreuzt, die Kreuzung muss unter dem
Niveau «les Aquaeduct. sylv. stattfinden.
Folgt noch di«' Erwiderung von Prus-Lemberg auf die Aus¬
führungen Bernheimo r’s. Er constatirt, dass er das fragliche
Centrnm im hintern Vierhügel gefunden habe.
Dr. Grassmann - München.
Wiener medicinische^Presse. 1899. No. 51.
L. Röthi-Wien: Ein weiterer Fall von Tuberculose der
Kieferhöhle.
Die Cnsuistik dieser als Empyem auftretenden Erkrankung
umfasst bisher erst 9 Fälle, darunter 2 vom Verfasser publielrt«'.
Ibidem No. 52.
W. G o w e r s - London: Ueber Polymyositis.
Klinische Vorlesung auf Grundlage eines Falles von ehre
nischer Polymyositis mit ausgedehnten Contracturen. G. bringt
die Polymyositis in enge Verbindung mit der Polyneuritis, als
deren Thei lorschein ung er sie hinstellt, wobei die Symptome von
Seite der Mnsculatur. sowohl an Intensität als Extensität ge¬
steigert, in den Vordergrund treten.
Diagnostisch ist demgemäss auf die bilaterale Symmetrie der
Erscheinungen grosserWerth zu legen. In aetiologlscher Beziehung
spielt die Erkältung eine bedeutende Rolle, d. h. nach G.’s Auf¬
fassung Toxine, welche sich in Folge der durch die Erkältung be¬
wirkten Veränderung der chemischen Vorgänge im Organismus
bilden. Vermöge einer gewissen Variabilität in der Wirkung
dieser Toxine entsteht bald das Krankheitsbild der Polyneuritis,
bald das der Polymyositis.
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized ty
'V Google
.Tanuar 1900.
59
MÜNCHENER MEniOINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Wiener klinische Rundschau. 1899. No. 52.
A. M a r g u 1 i 6 . s - Prag : Experimentelle Untersuchungen über
das Fehlen des Kniephänomens [bei hoher Rückenmarksver¬
letzung.
Die klinische Erfahrung am Menschen hat gezeigt, dass
durch totale Querdurchtrennung des llals- oder oberen Bnisi-
theils des Rückenmarkes das Kniephänomen dauernd zum Er¬
löschen gebracht wird. S li e r r i n g t o n fand bei Affen, dass
das so verloren gegangene Phänomen längstens 3 Worhen narb
der Verletzung sich wieder einstellte. Die Versuche Anderer an
anderen Thieivn ergaben übereinstimmend nach Dmvhschneidung
des genannten Rückenmarktheiles eine Steigerung des Knio-
jdiäuomenes. Der Verfasser nun, welcher an Hunden und
Kaninchen experimentirte, beobachtete eine Verschiedenheit
je nach der Art der Verletzung. Bei scharfer Durchs« lmei-
dung stellte sich eine hochgradige Steigerung bis zur völligen
«’ontracturstellung ein, nach Zertrümmerung der Wirbelsäule
und stumpfer Durchtrennueg des Rückenmarks verschwand der
genannte Retlex, um sich bei 2 überlebenden Kaninchen nach ü
bezw. 7 Tagen wieder herzustellen. B e r g e a t - München.
Amerikanische Literatur.
(Fortsetzung u. Schluss^
19) Walter Reed und J. Carroll: Der specifische Erreger
des Gelbfiebers.
14) J. G. Novy: Der Bacillus icteroides.
15) F. Vitale: Gelbfleberinfection auf intestinalem Wege,
und Experimentelle Steatose der Leber und Coagulations-
nekrose. (Medical News 9. und 23. September, 21. Octobcr 1S99.)
Fortsetzung der Controverse über die Speeilität des S a n a r e 11 i ’-
sehen Bacillus icteroides.
19) A J. Lartigau-Newyork: Typhöse Geschwüre in Vulva
und Vagina. (Boston medical and eurgical Journal 7. Sept. 1899.)
Die hier beschriebene Beobachtung von Gesehwürsbildung in
Vulva und Vagina im Verlauf eines Ähdomiiniltyphus bei einem
16-, bezw. 20jährigen Mädchen mit baeteriologischem Nachweis des
Typhusbacillus in den Geschwüren ist neu und in der Literatur
noch nicht erwähnt.
17) Edward Moore-Albany: Die Uebertragbarkeit der Tu-
berculose vom Rind auf den Menschen. ^New-York medical
Journal, 9. September 1899)
M. bestreitet die Möglichkeit der Uebertragung der Tuberenlose
vom Rind auf den Menschen, bezw. der infection durch Milch oder
Fleisch taberculüser Thiere, indem er behauptet, dass durch die
Verpflanzung in einen andersartigen Organismus die pathogene
Eigenschaft des Bacillus verloren geht, analog den Beobachtungen
bei anderen Mikroorganismen. Ausserdem sei noch in keinem ein¬
zigen Falle die Infection vom Thier zum Menschen und umgekehrt
bacteriologisch genau und einwandsfrei nachgewiesen.
18) Ernest La place-Philadelphia: Behandlung der acuten
Peritonitis mittels continuirlicher Irrigation mit warmer Koch¬
salzlösung. (Philadelphia medical Journal, 14. October 1899 )
Vorläufige Mittheilung. Beschreibung eines Falles von schwerer
allgemeiner Peritonitis, bei welcher nach gründlicher Toilette der
Bauchhöhle durch einen mit dem Irrigator verbundenen Glasdrain,
welcher in den Douglas’schen Raum versenkt und am untern
Ende der Bauchwunde fixirt wurde, eine beständige Spülung mit
physiologischer Kochsalzlösung von 38° 0., 72 Stunden lang in
einer Stärke von circa ii 1 /* Liter pro l /\ Stunde, im Ganzen also
über 1600 Liter durch die Bauchhöhle gespült wurden. Die Proce-
<lur wurde ohne besondere Beschwerden ertragen, die Symptome
der Peritonitis schwanden sehr rasch, ebenso wie sich der Allge¬
meinzustand zusehends besserte, und völlige Heilung trat ein. Dem
Verfahren der continuirliehen Irrigation, das sich in anderen Zweigen
der Therapie schon bewährt, scheint sich also bei der acuten Peri¬
tonitis ein weiteres Feld erfolgreicher Anwendung zu eröffnen.
19j Henry G. Gr ah am-Chicago: Amoeba cili&ta als Krank¬
heitsträger. (New-York medical Journal, 30. Sept. und 7. Oct. 1899.)
In einer längeren Abhandlung stellt G. eine neue Theorie
über die Entstehung der Infectionskrankheiten auf, indem er der
im Trinkwasser vorkommenden Form der Amoeba eiliata eine ähn¬
liche Rolle, wrie dem Mosquito für die Malaria, als Träger der ver¬
schiedenen pathogenen Keime zuschreibt. Während die Amoeba
selbst nur von untergeordneter Bedeutung erscheint, erweist sie
sich durch ihr Vermögen, in die innern Organe einzudringen, und
durch den Schutz, den sie den Mikroorganismen gegen die Ein¬
wirkung der Körpersäfte u. s. w. gewährt, als ein wichtiger Factor
in der Aetiologie der infectionskrankheiten. So genial und plau¬
sibel die hier entwickelte Deduction erscheint, ermangelt sic doch
einer genauen bacteriologischen und experimentellen Begründung
und bedarf zunächst erst noch weiterer Untersuchungen, ehe sie
discussionsreif ist.
20) R. B. G r a d w o h 1 - St. Louis: Ein Fall von intrauteriner
Cerebrospinalmeningitis. (Philadelphia medical Journal, 2. Sep-
temberJ1899.)
Bei der Section einer an epidemischer Cerebrospinalmeningitis
gestorbenen Frau fanden sich im Gehirn des 7 Monate alten Foetus
dieselben pathologischen Veränderungen wie bei der Mutter. Die
bacteriologische Untersuchung ergab in beiden Gehirnen das Vor¬
handensein des Diplococcns intercellularis. Der hier beschriebene
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Fall bildet ein Gegenstück zu dem von Herwerden 1S93 ver-
üffentiiehten Fall intrauteriner Meningitis mit Nachweis des Pneu-
mococcus.
21) Fenimi B. T u r e k - (’hieago : Die hohen Darmspülungen.
Journal of the Amoriran medical Association, 7. Oelobor 1899.":
l)io experimentellen Untersuchungen, welche T. an Hunden
und Menschen mit hohen Einläufen, Irrigation des Kolons, wie er
es nennt, machte, orgahon folgende Resultate: Einläufe mit einer
Temperatur von 55° C. bowirkon eine etwa eine halbe Stunde an¬
dauernde Erregung des Herzens und der vasomotorischen f’entren.
Wasser von ls 50° bat eher eine Verminderung, mit 55" (\
dagegen deutliche Erhöhung der Leukorvtose zur Folge. Fheiiso
bewirkt letztere vermehrte Peristaltik Das hiebei auftretende
Schnu rzgefiihl lässt sich durch allmähliche Steigerung der Tempera¬
tur von 5() u zu 55" jedoch vermeiden. Der erregende F.infhiss der
Einläufe auf die Nieren erhebt aus der vermehrten Frin- und
HarnstotVatisscheidung. T. empfiehlt zur Vernähme dieser Spülungen
Rückenlage mit etwas erhöhtem Steiss. Besonders werthvoll er¬
weisen sich dieselben hei uraemisrheu Zuständen und Autointoxi-
calionen.
22) Francis 11. \Y i 11 i a m s - Boston : Ueber den Werth der
Untersuchung mit Röntgenstrahlen in den Anfangsstadien der
Lungentuberculose. (Medical News, 16. September 1>99), und
Röntgenbilder bei Pneumothorax und Pneumohydrothorax.
(Philadcl|>hia medical Journal, 23. Sep'.tunher 1S99.)
Auf Grund der an 165 Patienten mit beginnender Lungon-
1 uherculose, welche Weiterhin durch den Nachweis des Tuherkel-
haeillus oder durch positive* Keaetion der Tuhcrculineinspritzuiur
klinisch festge>telll wurde, - - gemachten Beobachtungen, spricht
\V. der Untersuchung mit Rö n t g e n strahlen hohen Werth zu. Der
lhiupthefund zeigt sich in einer dunkleren Färbung der befallenen
Lungenpartie und verminderter Excursion des Zwerchfells auf der
betreffenden Seite, er ist deutlicher auf dem Schirme als auf der
Photographie zu erkennen. Die Methode versagte nur in 2 von
den 1G5 Fällen.
In dem zweiten Aufsatz bringt W. die ausserordentlich charak¬
teristischen B ö n t ge n hilder eines Falles von Pneumohydrothorax
und zweier Falle von 11vdrothorax.
23) 1L II. (’ u n n i n l; h a m - New-York : Die tödtliche Wirkung
elektrischer Ströme. New-York medical Journal, 21. und 2S. Oc¬
tober 1S99.§
In dieser eingehenden Arbeit weist ('. nach, dass der Tod bei
Einwirkung der aus den städtischen oder industriellen Leitungen
stammenden elektrischen Ströme nicht in Folge von Asphyxie,
sondern durch Ilcr/lähmung {fibrilläre Contraclion) (‘intritt. Die
Lähmung des Centrnlnervensystems erfolgt erst durch die plötzliche
Unterbrechung der Uirculati«>n.
öur in dem Falle, dass der Strom quer durch die Cervical-
portion des Gehirns geht, ist eine Respiratiouslahmung als Todes¬
ursache anzunehmen. - - C. spricht sieh unter anderem auch gegen
die Hinrichtung durch Elektriciiät aus, da nach sinnen Beob¬
achtungen das Bewusstsein theilweise wenigstens erhalten bleiben
kann, wenn auch die Sensibilität aufgehoben wird.
21) Valdemar B i e • Kopenhagen : Phototherapie. (Philadelphia
medical Journal, 7. October 1*99).
Ausführliche Beschreibung der F i n s e n 'scheu Phototherapie
mit Illustrationen. Die Mel linde bestellt darin, dass die chemischen
Lichtstrahlen, welchen die eigentliche Wirkung zugeschrieben wird,
durch eine mit blauer Flüssigkeit gefüllte Sammellinse isolirt werden.
Günstige Erfolge wurden erzielt namentlich hei Lupus vulgaris und
erythematosus, sowie hei Alopecia areata. Die betreffenden Kranken¬
geschichten werden mitgetheilt.
25) W. F. Hamilton- Montreal: Congenitaler Defect beider
Schlüsselbeine. (Philadelphia medical Journal, 14. October 1-99.)
Casuiatisolier Beitrag zu dieser seltenen, in der Literatur nur
in 20 Fällen beschriebenen Missbildung. Der Aufsatz ist durch
zwei Allbildungen illustrirt.
26) J. B. Nichols-Washington: Zur Histologie der Du-
puy tr en’schen Palmarfasciencontractur. (Medical News,
14. October 1*99.)
Die mikroskopische Untersuchung zweier zur Section ge¬
kommenen Fälle von lang bestehender Palmarfasciencontractur, im
Verein mit dem Befunde bei einem schon früher veröffentlichten
Falle mehr acuter Natur ergab folgendes Resultat: ln den ersten
Stadien der Erkrankung besteht bedeutende Vermehrung des Zell-
und vaseulären Gewebes, während späterhin diese beiden Elemente
verschwinden und an ihre Stelle ein dichtes fibröses Gewebe tritt.
Die hypertrophischen fibrösen Stränge bilden sich aus der beson¬
ders längs der zahlreichen kleinen Blutgefässe ausgesprochenen Pro¬
liferation der Bindegewebszellen. Der Charakter der Erkrankung
ist demnach der einer Bindegew ebshypertrophie. Bemerkenswert li
ist der in allen drei Fällen constatirte Nachweis zahlreicher Pacini-
seher Körperchen im Bereich der Affection.
27) P. H. Bradford und J. S. S t o n e-Boston: Die Con-
struction der Schulbank. (Boston medical and surgieal Journal,
5. October 1899.)
Eine, mit zahlreichen Abbildungen versehene Abhandlung
über die Mängel der üblichen Schulbänke und die Anforderungen,
welchen dieselben genügen sollen. Er empfiehlt zum Schlüsse eine
Modification der Millersehen Bank mit verstellbaren Sitz- und
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
60
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Rückentlieil, welch’ letzterer zwei dem Dorsal- und Lumbarabscbnitt
der Wirbelsäule entsprechende Stützen aufweist. Den praktischen
Werth dieser Construction zugegeben, wird jedoch stets das Haupt¬
gewicht auf eine individuell angepasste und zeitlich nicht zu kurz
bemessene, über den ganzen Tag entsprechend vertheilte Gym¬
nastik zu legen sein.
28 ) Hit. Tom lins 011 und M. E. Bas set-Minnesota: Die Be¬
ziehungen der gynäkologischen Erkrankungen zu den Psy¬
chosen. (Journal of the American medical Association, 80. Sept.
1899.)
Die seit 1891 im St, Peter Hospital-Minnesota geführten
Untersuchungen sind ein neuer Beleg dafür, dass der von Manchen
behauptete Causalnexus zwischen Erkrankung «1er Beckenorgane,
und geistigen Storungen beim Weibe im allgemeinen nicht be¬
steht, indem sich einerseits bei den Geisteskranken weder eine
erhöhte Morbiditätsziffer, noch ein Einfluss der gynäkologischen
Behandlung auf den psychischen Zustand nachweisen Hess, direct
operative Eingriffe aller fast stets eine Verschlimmerung «1er Psy¬
chose zur Folge hatten.
29) H. N. Vineberg New-York: Die Fixatio uteri mit vagi¬
naler Vemähung der Ligamenta rotunda. (Journal of the
American medical Association, 21. October 1899.)
Das von V. seit 8 Jahren an 44 Fällen erprobte Verfahren
der vaginalen Vemähung der breiten Mutterbänder ist nach seiner
Ansicht in allen Fällen von Retroversio und Itetroflexio uteri,
welche Beschwerden verursachen, und in denen das Pessar nh-lit
vertragen wird, indicirt. Oomplication durch Adnexerkrankung ist
an und für sich keine Contraimlication, nur bei acut entzündlichen
und schwereren Fällen, ebenso wie bei Infiltration der Ligamenta
lata, bei ausgedehnten Verwachsungen, oder Eiterbildung ist die¬
selbe zu vermeiden.
30) Thomas B. F u teiler-Baltimore : Lipaemie bei Diabetes
mellitus. (Ibidem.)
Während bei Diabetikern post mortem wiederholt schon
Lipaemie eonstatirt. wurde, ist die Beobachtung dieses Phänomens
intra vitam eine ziemlich seltene. Der hier beschriebene Fall be¬
trifft einen 3") jährigen Mann mit starker Polyurie .8 Liter pro die,
spec. Gewicht 1038, Zucker 5 Froc.). Die Symptome des Diabetes
waren erst seit ein paar Monaten stärker aufgetreten. Nach ein-
monatliclier Behandlung war der Zucker ganz aus dem Urin ver¬
schwunden, und das Blut zeigt«; nur mehr Spuren lipaemischer
Veränderung. F. Lac h e r-Münehen.
Vereins- und Congressberichte.
Gesellschaft der Chariteärzte in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 21. Dccembor 1899.
Herr Gluck zeigt mehrere Patienten, an welchen die Ent¬
fernung oder Ausschaltung des Kehlkopfs vorgenommcu ist.
Sämmtliche Kranke sprechen theils mit, tlieils ohne Phonations-
apparat mit deutlicher Stimme.
Herr Widenmann stellt einen Kranken mit halbseitigem
Biesenwuchs vor.
Herr H e u b n e r demonstrirt den neuen Frojectionsapparat
der Kinderklinik in der von ihm für den klinischen Unterricht ge¬
übten Weise.
Herr Bornikoel berichtet über eine Patientin, welche an
einer Laugenvergiftung gestorben ist. Am 8. Krankheitstage
erbrach die Patientin einen zusammenhängenden Abguss der
Speiseröhre von 22 cm Länge, bestehend aus Mucosa, Submucosa
und zum Theil noch aus Muscularis. Das Präparat sowie der
Magen werden demonstrirt.
Herr Stoeltzner und Herr Salge: Ueber das Vor¬
kommen von eigenthümlichen Krystallen in den Knochen
von mit Nebennierensubstanz behandelten rachitischen
Kindern.
Die Vortragenden haben in den 3 Fällen, in welchen bis¬
her eine histologische Untersuchung der Knochen von mit Neben-
liierensubstanz behandelten rachitischen Kindern vorgenommen
werden konnte, jedesmal eigenthümliche Krystalle gefunden,
welche vordem noch niemals in rachitischen Knochen gesehen
worden sind.
In den histologischen Präparaten (Fixirung in Alkohol, Ent¬
kalkung in alkoholischer Salpetersäure, Einbettung in Celloidin)
präsentirten sieh diese Krystalle in Gestalt von ansehnlich
grossen, ra< bärgest reiften Kugeln, welche zum Theil auch eine
Art eoiieeii Irischer Schichtung erkennen Hessen, und über deren
Oberfläche vielfach kleine Spitzchen oder Häkchen hinausragten.
Diese Kugeln waren besonders zahlreich in den Markräumen
angehäuft; manche Markräuino waren in toto erfüllt von zu-
sum inengesinterten, offenbar aus dem gleichen Material bestehen¬
den Massen. Chemisch zeichneten diese Krystalle sieh aus
durch ihre sehr starke Affinität zum Silber (s. den nächsten
Vortrag).
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Bei längerem Verweilen der Schnitte in dünnem Alkohol
wandelten sich die Kugeln in dünne Nadelbüschel um, in de-
stillirtem Wasser lösten sie sich vollständig auf.
Beim Verdunsten des wässerigen Extractes krystalhsirte die
Substanz unter Aufnahme von Krystallwasser in Formen aus,
welche von denen der Sperminkrystalle dem Aussehen nach nicht
zu unterscheiden waren (abgestumpfte Spindeln, Sternformen,
Holzscheit- und Pleurosigmaformen).
Eine bestimmte Ansicht über die chemische Natur der
Krystalle glauben die Vortragenden jedoch noch nicht aus-
spreehen zu sollen. Vorläufig ist nur soviel sicher, dass es sich
um eine in Alkohol und in alkoholischer Salpetersäure minde¬
stens sehr schwer lösliche, in Aether imlösliche, in Wasser lös¬
liche Substanz handelt, die aus dem wässerigen Extract unter
Aufnahme von Krystallwasser in denselben Formen wie das
Spermin auskrystallisirt, und welche eine besondere Affinität
zum Silber hat. (Demonstration.)
Herr Salge und Herr Stoeltzner : Eine neue
Methode der Anwendung des Silbers in der Histologie.
Die histologischen Silberfärbungen beruhen darauf, dass
manche Gewebsbestandtheile eine grössere Affinität zum Silber
haben als andere. Diese Gewebsbestandtheile ziehen, wenn man
die Präparate in eine Silberlösung bringt, mehr von der Silber¬
verbindung an sieh, und fesseln sie an sich trotz Auswaschens.
Durch Niederschlagen von metallischem Silber aus der Silber¬
verbindung werden dann die chemischen Affinitäten für das
Auge unmittelbar sichtbar gemacht.
Die Vortragenden haben nun den Weg eingeschlagen, dass
sie in den Präparaten Brom- resp. Jodsilber entstehen Hessen,
und diese Silberverbindungen dann der Einwirkung eines photo¬
graphischen Entwicklers aussetzten. Sie haben den sauren Eisen-
entwiekler sehr brauchbar gefunden; von den alkalischen Ent¬
wicklern bewährte sich ihnen besonders gut der sehr bequeme
Amidolentwickler. Das Verfahren war somit dieses, dass die
Schnitte zunächst auf 3 Minuten in eine 0,5 proc. Argent. nitric.-
Lösung kamen und dann nach kurzem Abspülen in destillirtem
Wasser auf eine Minute in eine 5proe. Brom- bezw. Jodnatrium¬
lösung übertragen wurden. Nach abermaligem Abspülen in
Wasser wurden die Schnitte sodann im Amidol (dieselbe Lösung,
wie sie in der Photographie gebraucht wird) entwickelt. Das
Resultat ist eine prachtvolle Kernfärbung, sowie an Präparaten
von rachitischen Knochen eine elective Färbung der verkalkt ge¬
wesenen Knochensubstanz, mit ausgezeichneter Differencirung
gegen die osteoide Substanz auch an entkalkten Objecten; im
Knorpel rachitischer Knochen werden dieselben Gewebsbestand¬
theile gefärbt, welche auch vom Saffranin, Fuchsin etc. gefärbt
werden. Ein besonderer Vortheil liegt noch darin, dass die nach
diesem Verfahren gesilberten Präparate sich ganz ungewöhnlich
gut für die photographische Reproduction eignen. Wird die
Färbung nicht, kräftig genug, so kann das Verfahren an einem
und demselben Schnitt mehrfach wiederholt werden.
Der schöne Erfolg, welchen die Vortragenden durch die Ein¬
führung der photographischen Entwickler in die histologische
Technik erreicht hatten, veranlasste sie, noch andere in der
Photographie übliche Methoden an histologischen Objecten zu
versuchen. Sie haben in Verfolgung dieser Absicht die ge¬
silberten Präparate noch nachträglich platinirt, vergoldet und
mit Quecksilber verstärkt. Alle diese Methoden gaben recht gute
Resultate, ohne jedoch wesentlich mehr als die einfache Silber¬
färbung zu leisten. Sehr gut hat sich den Vortragenden dagegen
die Verstärkung mit Uran bewährt. Der metallische Nieder¬
schlag erhält durch diese Nachbehandlung einen sehr schönen
röthlich-gelben Farbenton; die so präparirten Schnitte eignen
sich sehr gut sowohl zum mikroskopischen Studium, als auch
besonders zur farbigen Projection. Die Entwicklung mit Eisen
ist fiir Präparate, welche uranirt werden sollen, nicht zu em¬
pfehlen, weil, wenn nicht sehr gründlich vor dem Uranbade aus¬
gewaschen wird, durch Zusammenkommen des Ferrosalzes aus
dem Eisenentwickler und des Ferrisalzes aus dem Uranbade Ber¬
liner Blau entsteht, welche Färbung im Laufe der Zeit grünlich
oder grau und dadurch unansehnlich wird.
Als Contrastfarben empfehlen die Vortragenden für die
einfach gesilberten Präparate das Lithionearmin, für die ura-
nirten Präparate das Methylblau und das Wasserblau IIIB.
Das Lithionearmin färbt nach den Erfahrungen der Vortragen -
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UNIVER3ITY OF CALIFORNIA
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
61
den an rachitischen Knochen eleetiv die osteoide Knochensub¬
stanz, auch an entkalkten Objecten.
Zum Schluss sprechen die Vortragenden die Hoffnung aus,
dass das neue Princip der Einführung der photographischen
Entwickler in die histologische Technik sich auch für andere
Organe als gerade für rachitische Knochen als ein Fortschritt
herausstellen wird. (Demonstration.) W. Zinn- Berlin.
Verein Freiburger Aerzte.
(Officielles Protocoll.)
Sitzung vom 27. October 1899.
Herr v.Kahlden: Demonstration pathologisch-anatomi¬
scher Präparate.
1. Die grosse Geschwulst, die ich Ihnen zunächst demon-
8trire, stammt von einem 48 Jahre alten Manne, bei dem sich zum
ersten Male vor 8 Jahren Symptome von Schmerzen beim Stuhl¬
gang und Abgang von Blut gezeigt haben. Wie Sie sehen, hat
sich der Tumor zwischen Blase'und Mastdarm entwickelt und ist
wesentlich gegen den Mastdarm hin vorgewachsen, während die
Blase verschont geblieben ist. Eine Operation wurde ^verweigert.
Der Tumor füllte bei der Section das Becken vollständig aus
und ragte über die Symphyse noch handbreit empor. In der
Vorderwand des Mastdarms befindet sich ein 7—8 cm im Durch¬
messer haltendes Geschwür, in dessen Grund die polypöse Ober¬
fläche der Geschwulst hineinragt. Im Centrum derselben verläuft
ein länglicher, mit Eiter gefüllter glattwandiger Abscess.
Da die Prostata vollständig in dem Tumor untergegangen
ist, kann man sie wohl als den Ausgangspunkt ansprechen.
Wie Sie sehen, enthält die Leber eine Unmasse von kirsch-
bis faustgrossen Metastasen.
Das Hauptinteresse nehmen die histologischen Verhältnisse
in Anspruch. Die primäre Geschwulst ist aus bündelförmig an¬
geordneten Spindelzellen zusammengesetzt; die Bündel sind theils
im Längs-, theils im Querschnitt getroffen, so dass der Tumor ganz
und gar einem Fibromyom des Uterus gleicht. Genau denselben
Bau zeigen sämmtliche Metastasen der Leber. Wie Sie sich an
den aufgestellten Präparaten überzeugen wollen, ist die Ueberein-
Stimmung dieser metastatischen Leberknoten mit einem gewöhn¬
lichen Fibromyom eine so vollständige, dass auch der Geübteste
zu einer falschen Diagnose verleitet werden könnte, wenn ihm
nur eine Stelle aus der Mitte einer derartigen Metastase, ohne an¬
grenzendes Lebergewebe, vorgelegt würde.
2. Dieser grosser Nierentumor wurde bei der Section
eines 7 Jahre alten Knaben gewonnen. Die linke Niere ist zum
grössten Theil in eine Geschwulst verwandelt, nur am oberen
Pol ist ein 5 mm breiter Saum von Nierengewebe erhalten, gegen
den die Geschwulst abgekapselt ist. Die letztere hat eine Länge
von 20 cm, eine Breite von 18 cm und eine Dicke von etwa 15 cm.
Der Durchschnitt ist zum Theil haemorrhagisch, zum Theil grau-
roth, zum Theil gelb gefärbt, die Consistenz sehr weich, in den
haemorrhagischen Partien fast breiig. Unmittelbar an den Nieren¬
tumor grenzt, mit diesem stellenweise noch ganz locker verbunden,
eine kindskopfgrosse Lymphdrüsenmetastase. Die Leber ist enorm
vergrössert und von zahllosen Metastasen durchsetzt, auch beide
Lungen sind sowohl unter der Pleura, wie im Innern von Ge¬
schwulstknoten durchsetzt. In der Spitze der linken Lunge sehen
Sie eine kleinapfelgrosse Metastase.
Aas den mikroskopischen Präparaten ersehen Sie, dass es
sich um eine Mischgeschwulst, um ein Adenosarkom handelt,
welches aus Rundzellen und aus rundlichen und länglichen Hohl¬
räumen zusammengesetzt ist, die mit hohem Epithel ausgekleidet
sind.
Nicht nur in der histologischen Struetur, sondern auch in
dem makroskopischen Verhalten und in dem jugendlichen Alter
des Trägers der Geschwulst besteht vollständige Uebereinstimmung
mit einem Nierentumor, den ich vor einiger Zeit hier demonstrirt
habe Ich kann mich daher bezüglich der Genese auf das damals
Gesagte beziehen.
3. Bei der Section eines 63 Jahre alten Mannes wurde dieses
Endotheliom der Pleura gefunden, welches mit einem Theile
der Rippen und der rechten Lunge im Zusammenhang heraus¬
genommen wurde Als Ausgangspunkt ist die Pleura diaphrag-
matica anzusehen, das Zwerchfell ist in eine 2—3 cm dicke, grau-
weisse Tumormasse von fester Consistenz verwandelt, während die
Pleura pulmonalis nur eine ganz geringe, nicht tumorartige Ver¬
dickung zeigt. Dagegen ist die Pleura costalis, namentlich im
vorderen Theil, ebenfalls an der Geschwulstbildung betheiligt. Die
hochgradige Compression der Lunge ist nur zum Theil durch die
Geschwulst, der Hauptsache nach durch Blut und Coagula im Pleura¬
raum bedingt. In den Bronchialdrüsen und in der Pleura der
anderen Lunge wurden einzelne Metastasen gefunden. Ferner
waren die supraclavicularen Drüsen rechts und die retroperitonealen
Drüsen von Metastasen befallen. Eine letzte Metastase von
Hühnereigrösse fand sich endlich ,3 cm unterhalb der rechten
Scapula zwischen der Haut und der Musculatur.
In den aufgestellten mikroskopischen Präparaten sehen Sie
schmale, längliche Züge und kleine Nester von epithelähnlichen
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Zellen, die in ein ausserordentlich reichliches, derbes, bindegewe¬
biges Stroma eingelagert sind.
4. Dem Gebiete der Geschwulstlehre gehört auch der manns¬
faustgrosse Tumor des linken Ovariums an, der bei der Section
einer 48 Jahre alten Frau gewonnen wurde. Er stellt ein Rund¬
zellensarkom dar; seine ausserordentlich weiche Consistenz ist
theils durch Nekrosen, theils durch die zahlreichen Haemorrhagien
bedingt, welche Sie auf der Schnittfläche sehen. Als einzige
Metastase fand sich ein erbsengrosses Knötchen auf der Oberfläche
des anderen Ovariums.
5. Der ausgedehnte Blasenkrebs, den ich Ihnen hier
zeige, stammt von einem 52jährigen Manne. Die ganze hintere
Wand der Blase ist von einem blumenkohlförmigen, mehr wde
kinderfaustgrossen Tumor eingenommen, der an der Oberfläche
nur ganz geringe Zerfallserscheinungen zeigt. Die Gegend des
Trigonum und der Plarnröhrenöffnung ist frei, ebenso die ganze
vordere und seitliche Wand. In den retroperitonealen Lymph-
drüsen fanden sich Metastasen.
6. Dieser primäre Leberkrebs wurde bei einem 43 Jahre
alten Manne gefunden. Der grösste Theil des rechten Lappens
ist von einer infiltrativ gewachsenen, markigen Geschwulst ein¬
genommen. Im linken Leberlappen finden sich einige kirsch¬
grosse metastatische Knötchen.
7. Die carcinomatöse Gallenblase stammt von einem
44jährigen Manne. Sie sehen die ganze Gallenblase in einen
2-3 cm dicken, markigen Tumor verwandelt, durch welchen das
Lumen auf einen ganz kleinen Hohlraum reducirt ist. In diesem
sitzt, fest eingekeilt, ein Gallenstein. Im Gegensatz zu diesem
Präparat zeige ich Ihnen hier eine geschrumpfte Gallen¬
blase, welche ebenfalls, aber nicht carcinomatös, einen Stein
fest umschliesst.
Dennoch ist an dem ausserordentlich prädisponirenden Ein¬
fluss der Gallensteine für Entstehung von Carcinomen nicht zu
zweifeln. Gegen die secundäre Entstehung der Gallensteine
sprechen die anatomischen Verhältnisse der im Anschluss an ein¬
geklemmte Steine carcinomatös werdenden grösseren Gallengänge,
und die Thatsache, dass das Carcinoin der Gallenblase bei Frauen
häufiger vorkommt, wie bei Männern, entsprechend der grösseren
Häufigkeit der Gallensteine. Die 80 Jahre alte Frau, von welcher
dieser Gallenstein stammt, hatte, wie Sie hier sehen, noch einen
bohnengrossen Nierenstein und eine ungewöhnlich hochgradige
Sklerose der Aorta.
8. Das kaum kirschgrosse, flache Carcinom des Dünn¬
darms hatte bei einer 76 Jahre alten Frau trotz seiner Kleinheit
schwere Symptome hervorgerufen. In der Umgebung der einzigen
metastatisch erkrankten Mesenterialdrüse war eine narbige Schrum¬
pfung des Mesenteriums entstanden, die zur Abknickung des
Darmes und zu Erscheinungen von Heus geführt hatte.
9. Kehlkopftuberculose bei einem 51 Jahre alten Manne
und Tractionsdivertikel der Oesophagus an der typischen
Stelle durch den Zug einer ttiberculösen Lymphdrüse.
10. An diesem Magencarcinom eines 58 Jahre alten Mannes
können Sie die Entstehung aus einem Ulcus besonders deutlich
sehen, insofern nur die Ränder des tiefen, mit dem Pankreas ver¬
wachsenen alten Geschwürs carcinomatös sind.
11. Interessante Verhältnisse bietet der Magen eines 40 Jahre
alten Mannes, der an Darmtuberculose, tuberculöser Peritonitis und
alter Spitzentuberculose gestorben ist. In der Magenschleim¬
haut liegen ausserordentlich zahlreiche, stecknadelkopf- bis erbsen¬
grosse Geschwüre, die bei der Section einen gelblichen Grund
zeigten und deren Gesammtzahl weit über 100 betrug.
Frische Tuberkel waren makroskopisch in der Nachbarschaft
nirgends zu sehen, ebenso überzeugen Sie sich an den ausgestellten
mikroskopischen Präparaten, dass es sich nur um einfache, nicht tuber-
culöse Magengeschw’üre handelt. Man kann an eine Entstehung
aus multiplen haemorrhagischen Erosionen denken. Dass solche
bei Phthisikern manchmal in grosser Anzahl Vorkommen, beweist
Ihnen dieser Magen eines 24 Jahre alten, mit Knochen-
tuberculose behafteten Phthisikers. Die meisten Haemorrhagien
liegen in noch nicht zerfallener Schleimhaut, nur an den grösseren
können Sie die beginnende Erosion wahrnehmen. Hanau konnte
in einem Falle von Miliartuberculose für die zahlreich gefundenen
nicht tuberculösen Magengeschwüre eine embolische Entstehung
für diese nachw^eisen. Ein solcher Nachweis w r ar in dem vorliegen¬
den Falle nicht zu erbringen, wiew ohl auch multiple kleine Embo¬
lien die ausserordentlich grosse Zahl der Geschw’üre gut erklären
w'tirden.
12. Die nachfolgenden Präparate von Nieren- resp. Uro¬
genitaltu bereulose, die ich Ihnen vorlege, sind alle dadurch
ausgezeichnet, dass auch die Blase von der Tuberculose be¬
fallen ist.
1) 16 Jahre alter Lehrling, der trotz der hochgradigen Ver¬
änderungen noch bis 5 Tage vor seinem Tode gearbeitet hat. Die
linke, stark vergrösserte Niere ist von einer beträchtlichen Anzahl
stecknadelkopf- bis haselnussgrosser käsiger Herde durchsetzt, von
denen einzelne in Zerfall begriffen sind. Das ganze Nierenbecken
ist mit einer zusammenhängenden Käsemasse ausgekleidet, die sich
durch den ganzen erweiterten und verdickten Ureter bis zur Blasen¬
mündung fortsetzt. Links in der Niere, dem Nierenbecken und dem
Ureter ganz ähnliche Verhältnisse. Die Schleimhaut der weiten
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UNIVERSITtf OF CALIFORNIA
62
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Blase ist mit zahlreichen, verschieden grossen gelben Plaques be¬
deckt. In der Gegend des Trigonum Ulcerationen. Prostata, Hoden
und Nebenhoden sind frei. Lungentubereulose. In den mikro¬
skopischen Präparaten sehen Sie unter der käsigen Oberfläche ver¬
einzelte typische kleinste Tuberkel.
2) 10 Jahre altes Mädchen. Die rechte, vergrösserte Niere
ist in der ganzen Marksubstanz von grossen, kurzen, in Zerfall be¬
griffenen Herden durchsetzt, in deren Nachbarschaft miliare Tuberkel
liegen. Die Schleimhaut des ganzen erweiterten und verdickten
Ureters ist verkäst. Die Schleimhaut der Blase enthält kleine
Haemorrhagien, miliare Tuberkel, halblinsengrosse Ein- und Auf¬
lagerungen und grössere membranartige Verkäsungen. Linke Niere
und Ureter sind frei, ebenso die Genitalorgane. Doppelseitige
Lungentuberculose.
In den mikroskopischen Präparaten sehen Sie an einzelnen
Stellen das Epithel noch erhalten und unter diesem typische Tu¬
berkel. An anderen Stellen fehlt über den bis dicht an die Ober¬
fläche reichenden Tuberkeln das Epithel und an noch anderen
Stellen sehen Sie die Oberfläche in verkäsendes tuberculöses Gra¬
nulationsgewebe verwandelt, dem an einzelnen Stellen kleine
Incrusta'ionen aufgelagert sind.
3) 36 Jahre alte Frau mit Phthisis pulmonum und frischer
Miliartuberculose.
Der untere Theil der Ureteren ist in pelveoperitonitische
Adhaesionen eingelagert, oberhalb deren sie zu bleifederdicken
Strängen erweitert sind. Das erweiterte rechte Nierenbecken war
mit gelber Flüssigkeit gefüllt. In der Marksubstanz zahlreiche
käsige Herde. Auch die linke Niere enthält bis taubeneigrosse
käsige Herde.
Die Schleimhaut der Ureteren ist in eine käsige Masse ver¬
wandelt.
Die Schleimhaut der Blase ist mit zahlreichen käsigen Plaques
bedeckt. Mikroskopisch sehen Sie nur an vereinzelten Stellen unter
diesen bis auf die Muscularis reichenden Nekrosen kleine Tuberkel.
4) 21 Jahre altes Mädchen. Tod an tubtrculöser Basilar-
meningitis und Phthisis pulmonum.
Linke Niere enorm vergrössert und von einem System von
tuberculösen Herden durchsetzt. In der rechten Niere nur ein grösserer
käsiger Herd. Rechts stellt der Ureter ein dickes starres Rohr dar,
seine innere Oberfläche ganz mit Käsemassen bedeckt. Linker
Ureter frei.
Die Schleimhaut der Niere ist an einzelnen Stellen mit um¬
fangreichen käsigen Plaques bedeckt, an anderen Stellen liegen
Geschwüre frei zu Tage. Rechtsseitige Tubentuberculose.
In den mikroskopischen Präparaten fehlt die Schleimhaut fast
vollständig, sie ist, ebenso wie der grösste Theil der Submucosa
ersetzt durch tuberculöses Granulationsgewebe, welches aus Rund¬
zellen, epitheloiden Zellen und zahlreichen Riesenzellen zusammen¬
gesetzt ist.
Wie Sie aus den bisherigen Präparaten ersehen, kann die
Blasentuberculose in drei, oft neben einander vorkommenden
Formen auf treten, als miliarer Tuberkel, als Geschwür und am
häufigsten in der Form der Verkäsung.
Besondere Verhältnisse zeigt der folgende Fall:
5) 43 Jahre alte Frau mit Tuberculose der Lungen, des Darms
und der Tuben, während Nieren und Ureter intaet waren.
Die Schleimhaut der Blase ist ausserordentlich dicht mit stark
8tec*knadelkopfgroBsen, harten prominenten Knötchen besetzt, die
gross und glänzend sind, und in Folge ihrer Farbe, festen Resistenz
und starken Prominenz eine gewisse Aehnlichkeit mit Reiskörper¬
chen besitzen.
Das Epithel ist, wie Sie in den Präparaten sehen, vielfach
zwischen den Knötchen noch erhalten. Auf der Höhe der Knöt¬
chen fehlt es; die letzteren bestehen ans grossen blassen Zellen
und kleinen Rundzellen.
Der Umstand, dass unter 5 Fällen von Blasentuberculose 4
Personen weiblichen Geschlechts betreffen, zeigt Ihnen deutlich,
dass dieses gegen Blasentuberculose durchaus nicht immun ist,
wie man früher irrthümlich angenommen hat.
13. Die Blase eines 17 Jahre alten Mannes, die ich Ihnen
hier vorlege, ist in Folge einer langdauernden Cystitis unbekannten
Ursprungs bis zu Taubeneigrösse geschrumpft, die Wand ent¬
sprechend stark verdickt und bretthart. In der linken Niere finden
sich zahlreiche Abscesshöhlen, die mit einer glatten Membran aus¬
gekleidet sind, in der rechten Niere neben solchen älteren Abscessen
auch umfangreiche frischere eitrige Infiltrate und frische Abscesse.
14. Eine noch hochgradigere Schrumpf ung bis zu Daumen¬
grösse weist die Blase einer 44 Jahre alten Frau auf, die eben¬
falls an langdauemder Cystitis und einer feinen Blasenscheiden¬
fistel gelitten hatte. Der grösste Theil der rechten Niere ist in
einen Abscess mit eingedicktem, stellenweise verkreidetem, gelblich-
weissem Inhalt verwandelt.
15. Verkäste Nebennieren ohne Broncefärbung.
16. Eitrige Convexitätsmeningitis bei croupöser
Pneumonie.
17. Appendicitis durch ein fast bohnengrosses Concrement
bei 9 jährigem Knaben. Von vornherein war hochgradige allgemeine
Peritonitis aufgetreten.
i F fc,18. Sporadische Dysenterie des Dickdarms und des
untersten Theiles des Dünndarms.
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19. Ausgedehnter embolischer Erweichungsherd in der
linken Hemisphäre.
20. Uleeröse Endocarditis der Aorta und Mitralis-
Namentlich an letzterer neben ausgedehnten thrombotischen Auf¬
lagerungen ziemlich hochgradige Zerstörungen an einzelnen Stellen.
21. Myomalacie nach Thrombose der sklerotischen Coronar
arterie, des grösseren Theils des Septum ventriculorum und des an¬
grenzenden Theils der hinteren Wand des linken Ventrikels bei einem
39jährigen Manne. An dieser letzteren Stelle eine Perforation, die
Haemopericard veranlasst hatte.
Ich möchte Sie besonders auf die fibrinöse Pericarditis auf¬
merksam machen, die, wie in manchen anderen Fällen auch in
diesem mehrere Tage vor der Perforation über der erweichten Partie
und deren Nachbarschaft aufgetreten war und die geeignet ist,
intra vitam werthvolle diagnostische Anhaltspunkte zu geben.
22. Spontanruptur der Aorta bei einem 38 Jahre alten
Manne. Sie sehen 1V* cm oberhalb der Klappe einen 2 cm breiten,
querverlaufenden, etwas zackigen RisR, der schräg nach unten gegen
das Herz hin verläuft, so dass der obere Rand des Risses ziegel¬
artig über den unteren vorragt: aussen mündet der Riss dicht über
der Abgangsstelle der Aorta an deren hinterer Fläche mit einer
l ji cm weiten Oeffnung. Der Herzbeutel war enorm durch Blut
ausgedehnt. Zwei derartige Blutklumpen, der eine fast mannsfaust-
der andere kinderfaustgross liegen dem Präparate bei.
Wie Sie sehen, sind an der Aorta ascendens nur ganz gering¬
fügige atheromatöse Veränderungen vorhanden. Ein ähnliches
Verhalten zeigte die Aorta in ihrem ganzen Verlaufe. Auch speciell
an der Rissstelle sind keinerlei besondere Wand Veränderungen zu
bemerken. Von Interesse ist die hochgradige linksseitige Herz-
hypertropliie, für die sich in der Leiche eine Ursache nicht ergab,
die Nieren sind unverändert.
Auch in einem früheren Falle von Aortenruptur an der Durch¬
trittsstelle durch das Zwerchfell, den ich Ihnen hier demonstrirt
habe, waren keine hochgradigen atheromatösen Veränderungen der
Aorta vorhanden. In dem früheren Falle war auf den 6 cm langen
zackigen Längsriss noch ein kleiner Querriss aufgesetzt.
In der Literatur, soweit sie mir bekannt ist, sind etwas über
vierzig Beobachtungen von spontaner Aortenruptur veröffentlicht.
Atherom ist etwa nur in 1 /s der Fälle notirt, scheint also bei
dem Zustandekommen dieser Risse, die meist quer, seltener in anderer
Richtung verlaufen, keine Rolle zu spielen. Damit stimmen auch
die Altersangaben der Verstorbenen tiberein, es finden sich darunter
ungefähr doppelt so viel Fälle zwischen 20 und 40 Jahren, wie
zwischen 40 und 70 Jahren. Das Alter zwischen 70 und 80 Jahren
ist dann wieder bedeutend häufiger befallen.
Die meisten Rupturen liegen intrapericardial, ein Bluterguss
in das Pericard ist in nahezu 30 Fällen angegeben. Vondemextra-
pericardialen Theil ist die Aorta descendens etwas häufiger der Sitz
von Rupturen, wie der Arcus.
Etwa in der Hälfte der Fälle ist linksseitige Herzhypertrophie
besonders hervorgehoben, die ja auch an dem hier demonstrirten
Herzen ausserordentlich stark ausgesprochen ist.
Greifswalder medicinischer Verein.
(Eigener Bericht.)
Sitzung am 24. October 1899.
Vorsitzender; Herr Landois; Schriftführer: Herr Busse.
1. Herr Rosemann demonstrirt den Tonographen nach
Gärtner und den Blutdruckmesser nach Frey.
2. Herr Busse bespricht die verschiedenen Gruppen der
Doppelmissbildungen, demonstrirt Präparate von menschlichen
und thierischen Doppelinissbildungen und erklärt die näheren ana¬
tomischen Einzelheiten.
In der Discussion macht Herr Martin darauf aufmerksam,
dass die Geburt der Missbildungen oft leicht und spontan vor
sich gehe.
Herr Bonnet führt aus, dass die Entstehung der Doppel¬
missbildungen in die allererste Zeit der Entwicklung zu verlegen ist.
3. Herr Strübing stellt einen 63jährigen Patienten mit
Aortenaneurysma und dadurch bedingter linksseitiger Recurrens-
lähmung vor. Die auf Grund des physikalischen Untersuchungs¬
befundes gestellte Diagnose wurde im vorliegenden Falle durch das
Röntgenbild gesichert.
4. Herr Le ick demonstrirt einen an juveniler progressiver
Muskelatrophie (Erb) leidenden Patienten.
5. Herr T i 1 m a n n: Experimentelles über Sch&delbrüche.
Im Anschluss an seinen Vortrag im Februar 1898: „Ueber
Sohädelschüsse“ berichtet T., dass die damals festgestellte Theorie
noch zu Recht bestehe. Krönlein habe auf dem Cliirurgen-
congress allerdings zwei Fälle mitgetheilt, die dagegen sprechen
sollten. T. führt aus, dass der erste Fall, bei dem das Gehirn in
toto aus dem Schädel geschleudert wurde, immöglich durch einen
gewöhnlichen Gewehrschuss verursacht sein konnte. Der zweite
Fall sei nicht genügend klargestellt und widerspricht ganz den
herrschenden Ansichten. Auch, bei den Schädelfracturen trägt
das Gehirn zur Verschlimmerung der Knoclienzertrümmerung bei,
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
fl. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
63
wie Fall- und Schlagversuche mit entliirnten oder vollen Schädeln
zeigen. Die eigenthiimliche Wirkung des Contrecoup erklärt T.
auf Grund von Versuchen mit Gelatineklösen durch directe Fort-
leitung des Stosses im Gehirn selbst.
6. Herr Peiper: Fliegenlarven als Schädlinge des
Menschen.
Das durch Fliegenlarven hervorgerufene Krankheitsbild der
Myiasis dermatosa und der Myiasis intestinalis wird besprochen
und 3 neue Beobachtungen der letzteren mitgetheilt.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 2. Januar 1900.
Vorsitzender: Herr Rumpf.
Demonstration:
Herr Fink stellt eine eigenthiimliche Narben- und Mem¬
branbildung im hinteren Pharynx bei einem 5 jährigen Knaben
vor. Derselbe hatte vor 2 Jahren eine unter Serumbehandlung
abheilende Diphtherie. Seit jener Zeit leidet er au einer exqui¬
siten Dyspnoe, die sieh bei Anstrengungen bedenklich steigert.
Dieselbe wird verursacht durch eine vom oberen Ende der hintereu
Daumenbögen entspringende, die Gaumen bögen verbindende, sieb
bis zur hiuteren Rachemvand erstreckende Membran, die sich
bis zu den Seiten der Epiglottis fortsetzt und damit den Aditus
laryngis verlegt. Eine derartige, zur Strictur führende • Bilduug
narbiger Verwachsungen und Membranen ist nach Diph¬
therie bisher nicht beobachtet.
Vortrag des Herrn Z a r n i k o : Ueber einige Fort¬
schritte in der Chirurgie der Mittelohreitemngen. (Fort¬
setzung.)
Im zweiten Theil seiner Ausführungen gibt der Vortragende
ein Referat über die Entwicklung der ohrchirurgischen Behand¬
lung der Mittelohreiterungen in den letzten 10 Jahren. Er be¬
spricht zunächst die bis vor 10 Jahren allein herrschende sogen,
typische Eröffnung des Warzenfortsatzes nach Schwa rtze,
die Indientionen und Zwecke der Operation, ihre Mängel, die
besonders in der Unübersichtlichkeit des Operationsfeldes, in
der mühsamen, lang dauernden Nachbehandlung (B 1 e i n a g e 1)
und in der immerhin recht grossen Unsicherheit des Erfolges be¬
stehen. Er berührt dann die Küste Fsehe Operation, die über¬
all da indicirt ist, wo die Warzenzellen und das Antrum erkrankt
sind, während die Veränderungen im Kuppelraum und an den
Gehörknöchelchen rückbildungsfähig sind. Sodann erläutert Z.
die von Halle aus inaugurirte Extraction der Gehörknöchelchen,
die er nur nach Erschöpfung aller conservativen Methoden in
Fallen isolirter Gehörknöchelchenerkrankung vorgenommen
wissen will. Als die Idealoperation zur sicheren Ausheilung von
Mittelohreiterungen bezeichnet er die Radicaloperation nach
Z a u f a 1 und Stacke, deren Ziel die Herstellung einer gemein¬
samen Höhle, gebildet durch das Antrum, den Kuppelraum und
den Mentus extemus, ist, die den Vorzug hat, dauernd frei un 1
übersichtlich und der Nachbehandlung und Revision zugänglich
zu sein. Auch das Hörvermögen wird bei dieser Operation eher
gebessert. Mittels der Körner’schen Plastik ist auch der cos-
metisehe Effect ein guter. Die Anwendung des „Schützers“ gegen
Facialisverletzung widerräth er.
Discussion: Die Herren IM u d e r, T h o s t und der
Vortragende. Weruer.
Hedicinisch-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena.
Section für Heilkunde.
Sitzung vom 9. November 1899.
Vors. : Herr Bockeimann. Schriftf.: Herr Gumprecht.
1. Herr Köhler: Mittheilungen über^Typhns abdomi¬
nalis aus der medicinischen Klinik.
Seit 1887 sind bis heute 215 Fälle von Unterleibstyphus iu
der hiesigen medicinischen Klinik zur Behandlung gekommen.
In diesem Jahre erreichte die Statistik den Höhepunkt mit
40 Fällen, welche besonders auf die Monate Juli, August und
September fallen. Die Mortalität betrug von 1887—1898
10,8 Proc. Vortragender geht auf die Gründe der in den letzten
Jahren zu constatirenden Tendenz des Typhus zu einer besseren
Prognose ein und glaubt, dafür Verbreitung wie Einbürgerung
der Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit der hygienischen
Maassregeln beim grossen Publicum, wahrscheinlich aber auch
eine Umwandlung des Charakters beim Unterleibstyphus, ähn¬
lich wie bei der Pneumonie und Diphtherie, anführen zu dürfen.
□ igitized by Google
Bei der diesjährigen kleinen Epidemie ist in der Klinik kein
Todesfall vorgekommen.
Die Aetiologie der diesjährigen gehäuften Fälle in Jena
ist noch unklar. Da aus den verschiedensten Theilen der Stadt
und aus zahlreichen Dörfern Thüringens Fälle eingeliefert worden,
lasse sieh die reine Trink wassertheorie nicht aufrecht erhalten,
es handele sich höchst wahrscheinlich um zur Typhusverbreitung
disponirende klimatische und tellurisehe Einflüsse.
Die Diagnose war meist leicht. K. referirt über mehrere
Fälle, deren Erkennung zunächst Schwierigkeiten bereitet habe,
so über einen Fall, der zuerst ausgesprochene meningitische Sym¬
ptome dargeboten habe, bei dem indess die W i d a l’sehe R e -
a c t i o n bis zur Verdünnung 1 :160 ein positives Resultat ergab
und der nach Ablauf der später erst unzweifelhaft typhösen
Symptome in Genesung überging. Bei einem anderen Fall ge¬
lang durch die Augenuntersuchung (Chorioidealtuberkeln) und
den positiven Bacillenbefund in der Spinalflüssigkeit die Dia¬
gnose auf Meningitis tubcrculosa ante mortem. WidaFsche
Reaction war völlig negativ.
Interessant, weil selten beobachtet, war ein haemor-
rhagischer Typhus mit 4 maligen Darm-, Zahnfleisch-
und Nasenblutungen, sowie Hautblutungen nach Art des Morbus
Werlhof. Curschmann sah diese Art unter 5000 Fällen nur
6 mal, Liebermeist ij r unter 1900 nur 3 mal, Andeutungen
von haemorrhagischem Typhus, welche nicht selten sind, wurden
2 mal beobachtet.
Recidive kamen in 18,4 Proc. vor, als Complicationen
2 mal Darmblutungen,Phlebitis, Periostitis, Pneumonie, Muskel-
abscesse.
Dio W i d a l’sche Reaction wurde 35 mal mit durchaus
befriedigendem Resultat angewandt. Sie verlief in 30 Fällen
positiv, meist bis zur Verdünnung 1:160. Die Reaction wurde
in jedem Fall serienweise mit Verdünnungen 1:160, 1: 80, 1: 53,
1: 40, 1:32, 1: 20 angestellt. Einmal blieb die W i d a 1 -
Reaction bei einem unzweifelhaft klinisch sicheren, aber
leichten Typhus negativ. Die Reaction gelang meist schon vom
5. Tage ab; die späteste Untersuchung erfolgte am 97. Tag mit
positivem Erfolg. Bei 3 suspeeten, negativen Ausfall zeigenden
Fällen ergab auch die klinische Diagnose keinen Typhus.
Bei der Behandlung wurden u. a. einfache und kohlen-
saure Bäder angewandt. Letztere wurden besonders gut
vertragen, ohne dass indess eine stärkere Fieberremission fest¬
zustellen war. Ueber Blutdruckmessungen etc. wird M a 11 h e s
an anderer Stelle berichten.
Die Ausführungen werden in extenso in den Correspondeiiz-
blättern des ärztlichen Vereins für Thüringen erscheinen.
An der Discussion betheiligten sich Herr Binswanger
und Herr Stintzing.
2. Herr Wagenmann berichtet über einen Fall von
Echinococcus der Orbita bei einem 6 jährigen Knaben.
Die richtige Diagnose konnte erst durch die pathologisch¬
anatomische Untersuchung gestellt werden.
Die Eltern des Kindes hatten etwa seit einem Jahr am linken
Auge eine Geschwulst bemerkt, die Anfangs weiter nach dem
inneren Lidwinkel sass, später aber mehr unter die Mitte des
oberen Lids gerückt war. Seit etwa 8 Wochen bestand stärkere
Schwellung der Geschwulst und Köthung des Auges. Bei der
Aufnahme fand sich die Mitte des linken oberen Lids durch eine
Geschwulst stark vorgetrieben; das obere Lid hing schlaff herab,
konnte nicht gehoben werden, wohl aber schloss sich noch die
Lidspalte vollkommen.
Bei mässlgem Exophthalmus war das Auge nach unten innen
verschoben und iu seiner Beweglichkeit nach oben stark be¬
schränkt. Nach dem Ektropioniren des oberen Lids zeigte sich
ein kegelförmiger subconjunctivaler, der Mitte der oberen Bulbus¬
hälfte auf sitzender, auf der Sklera leicht verschieblicher Tumor,
der ca. r/ 2 cm prominirte und sich offenbar noch weit in die
Orbita fortsetzte. Der sichtbare Theil der Geschwulst war von
stark injicirter Bindehaut bedeckt. Die vordere stumpfe Spitze
des Tumore Hess eine gelbliche Farbe durchschimmern uud
fluetuirte leicht. Der Bulbus selbst war anscheinend normal,
der Augenhintergrund ohne Veränderung. Das Sehvermögen be¬
trug circa ein Drittel der Norm.
Man war nach dem klinischen Befund am meisten geneigt,
eine im Durchbruch begriffene Dermoidcyste der Orbita anzu-
nehmen.
Da bei Beginn der Operation die gelbliche Spitze der Ge¬
schwulst perforirte und sich etwas Eiter entleerte, wurde zu¬
nächst die Perforationsstelle mit einer Sutur geschlossen uud die
kegelförmige Spitze durch einen Seidenfaden abgebunden, so
dass sich nichts mehr entleeren konnte. Nach der Erweiterung
ler äusseren Lldcommissur durch einen Scheerenschnitt wurde
die Bindehaut rings um die Spitze des Tumors durchtrennt und
Original frnrri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
64
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
die Geschwulst freigelegt. Die eine derbe Kapsel besitzende Ge¬
schwulst liess sich verhilltnissmUssig leicht, theils durch stumpfes
Lösen, theils durch einige Sclieereuschnitte ohne nennenswerthe
Blutung ausschiilen. Ihr hinteres Ende reichte tief in die.
Orbita hinein. Die Conjunctivalwunde wurde durch 3 Suturen,
der gespaltene äussere Lidwinkel durch 2 Suturen geschlossen.
Die Heilung verlief glatt. Am 11. Tage nach der Operation konnte
ler Knabe mit starker Ptosis und Beweglichkeitsbeschränkung
des Auges nach oben entlassen werden. Der gehärtete Tumor,
der etwa 3,5 cm lang und 2 cm dick war, wurde in der Mitte
durchschnitten. Man erkannte nun, dass die Geschwulst aus einer
derben, 3 mm dicken Kapsel bestand und aus einem ebenfalls für
sich zusammenhängenden weicheren Inhalt, in dem schon makro¬
skopisch eine gefaltene Membran sich abgrenzen liess.
Mikroskopisch besteht die Kapsel aus einer dicken Lage
sklerosirten, aber stark eitrig iniiltrirten Bindegewebes. Die
Fibrillen sind durch gleichmässige Züge von Leukocyten aus¬
einander gedrängt und aufgelockert. Neben der diffusen, in
den innersten Schichten am dichtesten Infiltration sind auch noch
zahlreichere circumscripte, etwas grössere Infiltrationsherde,
zum Theil in deutlicher Knötchenform ausgelagert. Die äusseren
Lagen der Kapsel bestehen ans infiltrirtem jungem Bindegewebe.
Ausserdem finden sich zum Theil ln der Kapsel eingeschlossene,
zum Theil in deutlicher Knötchenform eingelagert. Die äusseren
Muskelgewebe, dessen Fasern verschieden hochgradig hyalin
degenerirt sind. Auch infiltrirtes und mit Granulationsgewebe
durchsetztes Fettgewebe grenzt an die Kapsel. Der inneren
Oberfläche haften stellenweise homogene oder feinkörnige
Detritusmassen an. Der Inhalt der Kapsel besteht aus einer
stark gefalteten, mehrfach unterbrochenen, regelmässig ge¬
schichteten Membran, die ohne Weiteres als die veränderte Cysten¬
wand eines Echinococcus anzusprechen ist. Die gefaltete Mem¬
bran Ist in ein Exsudat eingebettet, das aus feinkörnigen geron¬
nenen Eiweissmassen und zahlreichen, gleiclimässig vertheilten
Zellen besteht. Die Zellen haben verschiedene Form; man er¬
kennt einfache Rundzellen und mehrkörnige Eiterkörperchen,
daneben Fettkörnchenzellen und Zellen mit grossem Protoplasma¬
leib, in deren Innern feinkörnige, zum Theil noch mit Eosin färb¬
bare Partikelchen verschiedenster Art eingeschlossen sind, da¬
neben grosse Zellen mit mehreren Kernen, Zellen mit hyalinem
Inhalt etc. Die verschiedenartigen Zellen deuten darauf hin, dass
eine lebhafte Resorption des Geschwulstinhalts im Gange war.
Die Chitinmembran selbst erscheint vielfach durch Leukocyten
deutlich angenagt, durch eingedmugene Zellmassen aufgelockert
und aufgeblättert; einzelne an das Exsudat grenzende Schichten
sind feinkörnig verändert und im Zerfall begriffen. Auch gegen
Farbstoff verhalten sich einzelne Schichten verschieden, woraus
man auf gewisse chemische Veränderungen schliessen kann. In
dem Exsudat, das sämmtliche Falten der Membran ausfüllt,
finden sich des Weiteren zahlreiche freie Köpfchen mit deutlichem
Hakenkranz und Saugnäpfen, die zum Theil durch Leukocyten-
einwanderung bereits stark verändert und ebenfalls in Resorp¬
tion begriffen sind.
Grössere Riesenzellen wurden weder in der Kapsel noch in
dem Exsudat der Blase angetroffen.
Nach dem mikroskopischen Befund lag also ein Echino¬
coccus der Augenhöhle vor, der spontan abgestorben und in voller
Resorption begriffen war. Die starke Entzündung mit aus¬
gesprochen eiterigem Charakter ist allein auf die entzündung-
erregende Wirkung des Entozoons zu beziehen.
Der Vortragende demonstrirt die Präparate seines Falles
und besprach an der Hand der bisher bekannten Fälle zusammen¬
fassend das Vorkommen, die Symptomatologie, die Diagnose und
Therapie der Echinococcenerkrankung der Augenhöhle.
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Officielles Protocoll.)
Sitzung vom 5. Decmber 1899.
Vorsitzender: Herr Curschmann.
Schriftführer: Herr Braun.
Herr R i e h 1 hält den angekündigten Vortrag über Ichthy-
osis in klinischer Beziehung.
Einleitend bemerkt R., dass die Ichthyosis von Seiten des
praktischen Arztes mehr Beachtung verdient, als sie bisher
gefunden.
R. schildert die Formen der Ichthyosis und der verwandten
resp. ähnlichen Proeesse. Verlauf, Therapie, Anatomie und
Aetiologie.
Ausführlicher werden die localisirten Ichthyosisformen be¬
sprochen — so die Ichthyosis der Flachhände und Füsssohlen,
der behaarten Kopfhaut, der Brauen, Lider etc.
Differentialdiagnostisch werden besonders die Nervennaevi,
D a r i e r’s Krankheit, Porokeratitis, Hauthörner, Schwielen,
Keratoma palmare hered., die Pachydermie u. a. verglichen und
Bilder, Moulagen und lebende Kranke demonstrirt,
Digitized by Google
Ebenso wird die Besprechung der Ichthyosis foetalis und
ihrer Beziehung zur Ichthyosis vulgaris durch Demonstration
zweier Neugeborener und mehrerer Abbildungen illustrirt.
Bezüglich der Häufigkeit der Ichthyosis theilt R. mit, dass
in Sachsen spec. bei der kleineren Rasse der Bevölkerung Ich¬
thyosis ausserordentlich häufig, wenn auch in geringer Intensi¬
tät, gefunden werde. R. sieht auch Ichthyosis serpentina in
seiner Poliklinik häufiger als in Wien.
Eingehend bespricht R. die Complieationen der Ichthyosis.
Da diese andere Krankheiten keineswegs ausschliesse, seien auch
Complieationen nicht selten. Einerseits übt die Ichthyosis Ein¬
fluss auf complieirende Krankheiten, andererseits wird sie selbst
beeinflusst.
(Demonstration von Furuneulosis und Akne mit Ichthyosis
bei zwei Patienten.)
Fieberhafte Allgemeinkrankheiten oder entzündliche Local¬
erkrankungen können die Ichthyosis in toto oder theilweise
bessern oder zum Schwinden bringen, z. B. Erysipel etc. oder
Variola, Morbilli (II e b r a).
Nicht selten sei die Combination von Ichthyosis und Psoria¬
sis; sie bedingt keine Vermehrung der Schuppenauflagerung,
sondern meist Abstossung derselben, ja Nässen. Ichthyotische
Psoriasiskranke sind gegen Chrysarobin und Pyrogallustherapie
sehr empfindlich, erkranken leicht an Erythema und Dermatitis.
Die wichtigste Complication ist die mit Ekzem. Sie ist
schon vielfach erwähnt, aber mehr als Folge des Kratzens oder
zufällige und seltene Complication aufgefasst worden.
Ekzem ist nach R. eine sehr häufige Begleiterscheinung
der Ichthyosis, da aber besonders die niederen Entwicklungs¬
grade der Ichthyosis für Ekzem disponiren, werde dies meist
übersehen.
Die Ichthyosis leichten Grades bildet geradezu das häufigste
prädisponirende Moment in Fällen von hartnäckig recidiviren-
dem Ekzem und ist oft die Ursache der Erblichkeit der Ekzem¬
disposition in Familien (Herpetismus, Arthritismus der älteren
französischen Autoren).
Dieses Ekzem befällt namentlich die von ichthyotischen
Veränderungen frei gebliebenen Beugen der grossen Gelenke
(öfters scharf begrenzt), Hände und Gesicht, zeigt grosse Nei¬
gung zu Recidiven und zu chronischer Verdickung der Papillar-
schicht.
Die Haut Ichthyotischer ist weit empfindlicher als normale
Haut, daher sind bei Ichthyosiskranken Gewerbeekzeme sehr
häufig.
R. weist auf analoge Disposition der Prurigokranken hin.
Ichthyosisekzeme widerstehen der macerirenden Behandlung
hartnäckig, heilen aber prompt auf Theer- und Schwefelbehand¬
lung, selbst weim diese Mittel im Stadium des Nässens an¬
gewendet werden.
Besserung der Ichthyosis durch sorgfältige Hautpflege
bessert auch die Neigung zur Ekzemerkrankung.
(Demonstration mehrerer Kranker.)
Herr Littauer stellt 2 Fälle „nicht puerperaler Osteo-
malacie”, die er mit Phosphor behandelt hat, vor; die eine Pa¬
tientin ist seit zwei Jahren geheilt, die andere, seit 1 / 4 Jahr in
Behandlung stehende, ist wesentlich gebessert.
Im Anschluss an die Vorstellung erwähnt Vortragender, dass
die Zahl der Osteomalaciefälle von Jahr zu Jahr beträchtlich
zunähme, dass die Verbreitung der Osteomalacie eine ziemlich
allgemeine geworden sei und dass bereits 42 Fälle viriler Osteo¬
malacie bekannt seien.
Die Erkrankung hängt meist mit den Zeugungsvorgängen
zusammen; für die „nicht puerperalen Formen“ gibt es zur Zeit
keine genügende Erklärung.
Bei schwangeren Frauen haben die anatomischen Unter¬
suchungen II a n a u’s eine physiologische Osteomalacie ergeben.
Die Therapie der Osteomalacie hat lange im Argen gelegen, bis
Fehling erkannte, dass die Castratiou die Krankheit heilen
könne. Gegenüber 20 Proc. Heilungen in früherer Zeit kann
man durch Wegnahme der Ovarien 83,1 Proc. Heilung erzielen.
Die Untersuchung der Eierstöcke Osteomalacischer hat als
wesentlichen Befund hyaline Degeneration, namentlich der Ge-
fässe, ergeben, doch kann man hierbei nicht von einer typischeu
Erkrankung reden.
Dass ein Zusammenhang zwischen Keimdrüsen und Knochen¬
wachsthum besteht, ist sicher; für die Beziehungen det Osteo-
Üriginal fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
65
malacie zu den Ovarien sind wir aber nur auf Hypothesen an¬
gewiesen. Die Einen meinen, die Wirkung der Castration liege
allein in der anticipirtcn Climax; Andere (Fehling) erklären
die Osteomalacie für eine von erkrankten Ovarien reflectorisch
ausgelöste Trophoneurose, während Kehrer neuerdings einen
von den Eierstöcken producirten, die Knochensubstanz lösenden
Körper anschuldigt.
Aehnliche Wirkung wie die Castration erzielt bei der Osteo¬
malacie ein chemischer Körper, nämlich der Phosphor, jedoch
nur dann, wenn er nach Sternberg genügend lange Zeit in
grossen Dosen verabreicht wird.
Die Phosphortherapie ist unbequemer und unsicherer als
die Castration; sie ist aber weniger gefährlich und lässt den
Frauen functionirende Ovarien.
Bei fehlschlagender Phosphortherapie kann noch immer die
Castration vorgenommen werden, während andererseits auch
schon einige vergeblich mittels Castration behandelte Frauen
durch Phosphor Genesung fanden.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Wien, 30. December 1899.
Eine neue medicinische Rigorosenordnung. — „Bere¬
nice“-Kaffee,. — Mehr gynäkologische Abtheilungen. —
Prof. Schenk entfernt.
Das neue Jahr hat die Publieation einer neuen Rigorosen¬
ordnung gebracht, welche das Resultat jahrelanger Berathungen
der maassgebenden Corporationen ist. Die bisher in Wirksam¬
keit befindliche Prüfungs- und Studienordnung datirt seit dem
Jahre 1872, war aber schon seit langer Zeit reformbedürftig,
da sie Uebelstände in ihrem Gefolge hatte, welche die wün-
schenswerthe praktische Ausbildung der Medioiner geradezu
unmöglich machte. Folgende Reformen greifen Platz.
Die drei Collegien in Zoologie, Botanik und Mineralogie
und die entsprechenden Prüfungen aus diesen drei Fächern
entfallen in Hinkunft. An deren Stelle kommt eine Prüfung
aus allgemeiner Biologie, welche dem ersten Rigorosum orga¬
nisch einverleibt wird. Das ist ein Fortschritt, da der Mediciner
von heute die ersten 4 Semester mit den „Vorprüfungen“ (Ten-
tamen physicum) verzettelte und hiebei seinen Studien in Ana¬
tomie und Physiologie nicht vollkommen gerecht werden konnte.
Das gesammte Studium umfasst — wie bisher — 10 Semester.
Nach 4 Semestern kann der Studirende das 1. Rigorosum (Ana¬
tomie, Physiologie, Chemie , Histologie — alle vier Disciplinen
mit gleichzeitigen theoretischen und praktischen Prüfungen —
endlich allgemeine Biologie und Physik) ablegen; er muss es
aber nicht, doch zählt ihm nicht die etwa durch Nichtablegung
des ersten Rigorosums verlorene Zeit, da der zweite Studien¬
abschnitt mindestens 6 Semester umfassen muss. Das erste
Rigorosum verliert seine Giltigkeit, wenn das zweite Rigorosum
5 Jahre nach Ablegung des ersten noch nicht begonnen wurde.
Das zweite und dritte Rigorosum können — wie bisher —
erst nach lOsemestriger Studienzeit abgelegt werden: neu ist,
dass diese 2 Rigorosen eine grosse Einheit in dem Sinne bilden,
dass sie beide in der Maximalzeit von 6 Wochen absolvirt sein
müssen. Das z w e i t e Rigorosum umfasst also eine Uebersichts-
prüfung aus Anatomie und Physiologie, eine praktische und
theoretische Prüfung aus pathologischer Anatomie imd patho¬
logischer Histologie, dann Pharmakologie u. Receptirkunde, end¬
lich — wieder neu — Hygiene. Das dritte Rigorosum, welches
innere Medicin, Chirurgie, Geburtshilfe, Augenheilkunde, Psy¬
chiatrie, Kinderheilkunde, Dermatologie und Syphilis und gericht¬
liche Medicin umfasst, wird in der Weise abgehalten, dass für
die ersten beiden Gegenstände eine getrennte praktische und
theoretische Prüfung eingeführt wird; doch wird für dieses
Rigorosum eine grössere Vorbildung in Geburtshilfe und Gynä¬
kologie wie bis jetzt verlangt, da diesem Gegenstände nunmehr
zwei klinische Semester (bisher eines) gewidmet w r erden müssen.
Diese praktischen Prüfungen in der internen Medicin werden
sich — nicht wie bisnun über je V* Stunde, sondern — über
2 Tage erstrecken, so dass sich der Examinator von den Kennt¬
nissen des Examinanden auch gründlich überzeugen kann.
Schliesslich werden auch eine Neuerung — die ausserordent¬
lichen Professoren und Docenten als Examinatoren herangezogen
werden.
Man hofft, dass durch diese neue Prüfungsordnung eine
Vertiefung und Verbreiterung des Wissens und Könnens des
Arztes erzielt werden wird, man wünscht den Mediciner so aus-
Difitized by Google
ziibilden, dass er als denkender, selbständiger Mann mit prak¬
tischen Kenntnissen und Fertigkeiten reich ausgerüstet die
Hochschule verlässt. Ob dieses Resultat auch wirklich erreicht
werden wird, das können wir heute nicht erörtern; das Eine
ist sicher, dass der künftige Mediciner vom ersten Tage ab und
recht viel wird arbeiten müssen, um in Ö'^ — 6 Jahren sein
Ziel zu erreichen. Das Studium der Medicin wird also in
Oesterreich um Vieles erschwert sein. Die neue Rigorosen-
Ordnung tritt vom nächsten Schuljahre an (1900/1) in Wirk¬
samkeit.
Unter dem Schlagworte: „Berenice“-Kaffee haben die poli¬
tischen Zeitungen Wien’s jüngst die sanitäre Behandlung des
Lloyddampfers „Berenice“, der bekanntlich einige Pestfälle an
Bord hatte, ehe er in Triest landete, und der hauptsächlich
Kaffeeballen als Ladimg führte, in spaltenlangen Artikeln be¬
sprochen. Nunmehr liegt hierüber der officielle Bericht vor,
welcher lautet: „Nach Ankunft des Schiffes im Seelazarathe
Valle S. Bartolomeo wurde dasselbe noch vor Eröffnung der
Laderäume einer eingehenden Revision und Desinfection unter¬
zogen. Ratten waren während der letzten Wochen der Fahrt
von der Schiffsmannschaft an Bord nicht beobachtet worden,
auch konnten lebende Ratten bei den seit der Ankunft des
Schiffes im Lazarethe eitrigst gepflogenen Durchsuchungen
nicht vorgefunden werden. Die Löschung der Ladung erfolgt
im Lazarethe, und hängt die endgiltige Entscheidung über die
weitere Behandlung derselben von dem bei der Löschung sich
ergebenden sanitären Befunde ab. Das im Lazarethe befindliche
ärztliche und Wärterpersonal, sowie die zur Durchführung der
Löschungsarbeiten aufgenommenen Hafenarbeiter wurden durch
Injection von Pestserum immunisirt. Die Arbeiten, welche vor
zehn Taigen in Angriff genommen wurden, und ungefähr drei
Wochen in Anspruch nehmen dürften, werden unter strenger
ärztlicher Aufsicht vorgenommen: Die bisher ausgeladenen
Kaffeesäcke zeigen keine Spur einer Annagung oder
Verunreinigung von Ratten. — Der Gesundheitszustand
der Schiffsmannschaft, sow r ie der Hafenarbeiter und aller übrigen
im Lazarethe befindlichen Personen ist ein andauernd günstiger.
Die mit dem Schiffe heimgesandte Ausw r andererfamilie wurde
nach zehntägiger ärztlicher Uebenvachung im Lazarethe unter
den entsprechenden Vorsichtsmaassregeln in ihre Heimath nach
Avio, Bezirk Rovereto, befördert, wo sie bereits eingetroffen
ist. Die Reinigungs- und Desinfectionsarbeiten wurden ununter¬
brochen fortgesetzt; dieselben sind nunmehr bis auf jene in den
Laderäumen durchgeführt.“ — Man denkt also nicht daran,
w as von einzelnen politischen Zeitungen allen Ernstes in Vor¬
schlag gebracht wurde, den gesammten „Berenice“-Kaffee zu
vernichten, man hofft, die werthvolle Ladung durch sanitäre
Maassnahmen ohne Schädigung der Bevölkerung retten zu
können.
Da es nur wenige gynäkologische Abtheilungen in den
grossen öffentlichen Spitälern Wien’s gibt, das reiche Material
also sich an den Kliniken ‘ zusammendrängt und dasselbe kaum
aufgearbeitet werden kann, sicherlich aber nur w’enig zur
Heranbildung tüchtiger Fachmänner in dieser so eminent
wichtigen Disciplin der Medicin verwendet w r ird, hat sich der
oberste Sanitätsrath jüngst mit dieser Frage eingehend be¬
schäftigt und hat die Förderung der fachmännisch gynäkologi¬
schen Behandlung, insbesondere in den Krankenanstalten Wien’s
durch Vermehrung der gynäkologischenAbtheilun-
gen beantragt. An tüchtigen Gynäkologen, welche diesen vu
creirenden Abtheilungen vorstehen könnten, hat es in Wien
keinen Mangel.
Vor circa 2 Jahren erschien eine aufsehenerregende Bro¬
schüre des ordentlichen Professors der Embryologie in Wien,
des Dr. L. Schenk, in welcher eine neue Theorie entwickelt
wurde, wie das Geschlecht des Kindes schon in utero beein¬
flusst werden könnte. Man wird sich wohl erinnern, dass
Schenk behauptete, durch Regelung der Ernährung des Weibes
während der ersten Wochen der Schwangerschaft (Ueber- resp.
Unterernährung) nach Belieben ein w eibliches oder männliches
Kind erzielen zu können. Es braucht w r ohl nicht gesagt zu
w T erden, dass die Unhaltbarkeit dieser Theorie bald von allen
Seiten dargelegt wurde. Damit war aber nicht die ganze Sache
abgethan. Die Art und Weise, in welcher Professor Schenk
seine „Erfindung“ in den politischen Zeitungen bekannt gab,
■ resp. durch Inspirirung der Tagesblätter bekannt geben liess,
erregte den lebhaften Unwillen der Aerzte Wiens, so dass selbst
die damalige Aerztekammer, welcher Professor Schenk nicht
angehörte, die Angelegenheit dem medicinischen Professoren-
, collegium an’s Herz legte. Eine Disciplinaruntersuchung gegen
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
66
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Professor Schenk, die in der Richtung geführt wurde, oh
Schenk „für seine angeblich wissenschaftliche Entdeckung um
seines geschäftlichen Vortheiles willen Reelame gemacht habe“,
endete damit, dass er vor dem akademischen Senate eine Rüge
erhielt. Das Professorencollegium begnügte sich aber nicht
damit, sondern stellte heim Unterrichtsministerium noch den
Antrag, man möge Professor Schenk von der Universität
amoviren resp. ihn pensioniren. Monate lang lag dieser Act,
jetzt wurde die Sache acut. Das Unterrichtsministerium theilte
dem Collegium vor einigen Tagen mit, es nehme den Spruch
des Disciplinarrathes zur Kenntniss, wünsche sodann, dass dem
Professor Schenk nahegelegt werde, aus Gesundheitsrücksichten
freiwillig in den Ruhestand zu treten; sollte Professor Schenk
dies nicht tliun, dann werde das Ministerium die Pensionirung
verfügen. Gleichzeitig verfügte das Ministerium, dass Professor
Schenk einen Urlaub auf unbestimmte Zeit anzutreten und
damit die Leitung des embryologischen Institutes niederzulegen
habe. Letzteres hat Schenk sofort gethan.
Verschiedenes.
Frequenz der deutschen medicinischen Facultäten.
Winter-Semester 1899/1960. 1 )
1
1
| Winter 1898/99 |
| Sommer :
1899 |
Winter 1899/1900
j In- I Aus- 1 ) 1
ÜRnder IRnder
Summa
Iu- 1 Aus--)
iRnder lRnder® umma
. Summa
IRnderi IRnder,
Berlin
783
307
1090
914
397
1311
909
i
437
1346
Bonn
318
19
337
240
12
1 252
237
7
244
Breslau
350
14
364
313
8
321
240
20
260
Erlangen
140
176
316
160
165
325
154
145
299
Freiburg
82
364
446
107
287
394
öl
235
3^
Giessen
86
143
229
79
136
215
67
97
164
Göttingen
175
50
225
171
48
222
155
45
200
Greifswald
298
25
323
—
—
318
261
27
1 288
Halle
200
45
245
197
44
241
221
4
1 225
Heidelberg
55
217
212
69
171
240
67
186
1 253
Jena
59
153
212
56
138
194
52
110
162
Kiel
306
122
428
253
68
321
267
93
360
Königsberg
220
29
249
219
29
248
222
17
239
Leipzig
299
287
586
315
328
643
299
328
627
Marburg
224
50
274
217
53
270-
180
44
224
München
458
724
1182
439
642
1081
462
636
1098
Rostock
51
45
99
82
23
105
60
45
105
Strassburg
163
161
324
172
163
335
170
145
315
Tübingen
133
145
278
148
113
261
150
121
271
Würzburg
176
451
627
198
452
650
176
376
552
Zusammen
H
3277
7947
4540
3334
7874
4430
3118
7548
*) Nach amtlichen Verzeichnissen Vergl. d. W. 1899, No. 29.
2 ) Unter Ausländern sind hier Angehörige anderer deutscher
Bundesstaaten verstanden.
Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.
Unserer heutigen Nummer liegt das 99. Blatt bei: F. V. Birch-
Hirschfeld. Nekrolog siehe Seite 35.
Therapeutische Notizen.
Chrysarobin als Specificum gegen Warzen. G. M.
Fitz empfiehlt, die Hautwarzen nach Abtragung der oberen Schichten
mittels Messer, Glas oder Sandpapier bis Blutung eintritt, Abends
mit einer lOproc. Chrysarobin-Oollodiu in- oder Aetherlösung einzu¬
pinseln. Nach ein- bis höchstens dreiwöchentlicher Behandlung
tritt Heilung ohne Narbenbildung ein. Hühneraugen werden durch
diese Frocedur nicht beeinflusst. (Boston, med. and surg. Journal,
29. Juni 1899.) F. L.
Spargel als Diureticum, Die allgemein bekannte harn¬
treibende Eigenschaft des Spargels wurde von Hare-Philadelphia
einer klinischen Prüfung unterzogen. Er verwandte ein von Parke,
Davis & Co. hergestelltes Fluidextract und constatirte unterdessen
Anwendung rasches Schwinden eines allgemeinen Hydrops mit
Anasarka in Folge von Lebercirrhose und in einem anderen Falle
von Hydrops bei Mitralinsufficienz eine Steigerung der Diurese von
700 auf 1200 ccm pro die, so lange die Mediation erfolgte. Die
Dosirung des Mittels bestand in der auf drei Portionen vertheilten
Darreichung von 10 g des Extractes pro die. (Therapeutic Gazette,
September 1899.) F. L.
Localbehandlung der Otitis media mit Acetanilid.
G. F. Li bby-Portland hat seit drei Jahren Versuche mit der An.
wendung feinpulverisirten Acetanilids bei acuten und chronischen
Mittelohreiterungen angestellt und damit sehr befriedigende Resul¬
tate erzielt. Z Die Krankengeschichten von 10 aus einer Serie von
75 nach dieser Methode behandelten Fällen werden mitgetheilt.
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L. ist ein Gegner der allgemein üblichen Ausspritzung des Ohres,
welche er nur bei Fremdkörpern und Ceruminalpfröpfen angewendet
wissen will. An deren Stelle verwendet er Wasserstoffsuperoxyd,
dessen mechanisch reinigende und desinficirende Wirkung das Feld
für das gleichfalls antiseptisch wirkende und austrocknende Acet¬
anilid vorbereitet. (Medical News, 14. October 1899.) F. L.
Milchsäure gegen Fluor. Ausgehend von derThatsache»
dass der Vaginalschleim unter normalen Verhältnissen saure Re’
action zeigt, welche auf den Gehalt an Milchsäure zurückzuführen
ist, zog Sneguirew den Schluss, dass d’eser Säure eine natür¬
liche antiseptische und antibacterielle Wirkung zukomme. Die darauf¬
hin angestellten Versuche ergaben, dass durch Anwendung von
Irrigationen mit einer 3 proc. Lösung von Acid. lact. in kürzester
Zeit profuse und übelriechende Leukorrhoen zum Schwinden ge¬
bracht wurden. Milchsäure in Substanz oder Lösung direct in den
Cervix oder das Cavum uteri gebracht, bewirkten unter starker
Epithelabstossung Heilung endocervicaler und endometritischer
Entzündungsorscheinungen. Ueber einen Einfluss der Milchsäure
auf Gonococcen wird nichts erwähnt. (Journ. de m6d. de Paris,
30. Juli 1899.) F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 9. Januar 1900.
— Der Verwultungsrath des Pensious Vereins für
Witt w e n und Waisen bayer. Aerzte hat nach dem Ab¬
leben seines verdienten Vorstandes Hofrath Schnizlein au
dessen Stelle Obermediciualrath Prof. Bollinger, als stell¬
vertretenden Vorstand Hofrath Dr. Stiel er und als Cassier
Prof. Dr. S c h e c li gewählt.
— Der Ausschuss der preussischen Aerztekammern hat sich in
seiner Sitzung vom 9. December 1899 mit der ,,Tabletten-
frage“ beschäftigt. Die Berl. klin. Wochensclir. thellt darüber
Folgendes aus dem Protokoll mit:
„Punkt 3 der Tagesordnung betrifft die Anfrage des Herrn
Ministers über die Verwendung zusammengesetzter Tabletten.
Den hierzu vorliegenden schriftlichen Bericht von Körner-
Breslau vertritt l’artsch. Er bedauert, dass die Aerztever-
tretung zu diesem Gegenstände erst nachträglich gehört wird,
und bittet in dem Antwortschreiben an den Herrn Minister dies
hervorzuheben. Eine allgemeine Besprechung wird nicht beliebt.
Die Schlussätze des Referats werden in folgender Form an¬
genommen:
1. Das ursprüngliche Verbot Ist aufzuheben, weil es a) ganz
unklare Verhältnisse schafft und ganz willkürlich gegen einzelne
Arzneiformen sich wendet mit Gründen, die gegen andere ähn¬
liche Formen nicht geltend gemacht werden, obwohl diese dann
alle logischer Weise aus denselben Gründen dem Verbot unter¬
liegen müssten, b) eine für die Kranken bequeme und billige Ver¬
ordnungsform trifft.
2. Auch bei Einschränkung des Verbots auf Tabletten mit
Stoffen aus den Tabellen B. und C. des Arzneibuches ist dasselbe
nicht aufrecht zu erhalten a) weil dadurch die Unklarheit,
an der das Verbot leidet, nicht geändert wird und ebenso wenig
der Charakter desselben als Ausnahme, b) weil sich durch
entsprechende Ueberwachuugen etwa zu befürchtenden Schädi¬
gungen der Kranken Vorbeugen lässt.
3. Dagegen ist Sorge zu tragen: a) für geordnete, scharfe,
sachverständige Controle der betreffenden Grossbetriebe und
ihrer Erzeugnisse, etwa in ähnlicher Weise, wie das für Dlph-
therieheilserum geschieht, b) für zw'eckmässige Vorschriften über
das Vorrüthighalten dieser Tabletten in den Apotheken, e) für
strenge Untersagung der Abgabe aller Tabletten, welche Stoffe der
Tabellen B. und C. enthalten, im Hand verkaufe, d. h. anders als
gegen schriftliche ärztliche Verordnung.
Dagegen lehnt der Ausschuss ab, die Gewiihrung eines Zu¬
schlages beim Verkauf dieser Tabletten durch die Apotheker zu
befürworten.“
— In die biologische Abtheilung des kaiserlichen Gesundheits¬
amtes sind Dr. Hiitner, bisher Assistent an der pflanzenpbysio-
logischen Versuchsstation zu Tharandt und in die bacteriologische
Abtheilung Dr. Tjaden, bisher Kreisassistenzarzt zu Giessen, zur
comtnissarischen Beschäftigung berufen worden. — An Stelle der
ausgeschiedenen Militärärzte, kgl. bayer. Oberarzt Dr. Martius und
kgl. säciis. Stabsarzt Dr. Böder wurden der kgl. bayer. Assistenz¬
arzt Dr. Mayer und der kgl. sächs. Oberarzt Dr. Fritz sehe zur
Dienstleistung am kaiserlichen Gesundheitsamt vom 1. Januar 1900
ab commandirt. — Der kgl. preuss. Oberstabsarzt Dr. Mus eh old
schied aus dem Commandoverhältniss zum Gesundheitsamt aus.
— Die Geschäftsführung der 71. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte in München hat nach nunmehr
beendigter Abrechnung einen weiteren Beitrag von 2070 M. 80 Pf.
für die Hochwasserbeschädigten in Bayern dem kgl. Staats¬
ministerium des Innern überreichen lassen. Die von Seiten der
Naturforschervereammlung zu diesem Zweck überwiesenen Beiträge
(die Bruttoeinnahmen aus den öffentlichen Vorträgen der Professoren
Chun und Nansen, besondere während der Versammlung einge¬
zahlte Beiträge und die Einnahmen aus der Garderobe und dem
Verkauf von Ansichtspostkarten) haben somit eine Gesfanmteumme
von 10070 M, 80 Pt ergeben,
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
9. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
67
— Die Deutsche medicinische Wochenschrift
ist mit Beginn dieses Jahres in ihren 26. Jahrgang eingetreten.
Das Jubiläum ihres 25 jährigen Bestehens feiert das Blatt durch
Herausgabe einer Festnummer, in welcher eine Reibe berufener
Autoren Rückblicke auf die Entwicklung der verschiedenen
Zweige der Medicin in den letzten 25 Jahren geben.
— Pest. Portugal. In Lissabon ist ein Soldat der dortigen
Garnison, welcher in Porto auf Urlaub war, an der Pest erkrankt.
Umfassende Desinfections- und Absperrungsmaassregeln wurden laut
amtlicher Mittheilung vom 27. Dezember alsbald getroffen. — Britisch-
Ostindien. In der Woche vom 25. November bis zum 2. Dezember
v. J. hat die Pest erheblich abgenommen. Die Gesammtzahl der
in der Berichtswoche gemeldeten, durch die Seuche herbeigeführten
Sterbefälle betrug 1946 gegenüber 2080 in der Vorwoche. Die zuerst
genannte Zahl schliesst jedoch annähernd 300 Fälle ein, welche im
Staate Hyderabad früher erfolgt, aber erst jetzt zur Kenntniss der
Behörden gelangt sind, ln der Stadt Bombay sind die Ziffern für
die Peststerblichkeit innerhalb der gedachten Zeit von 136 auf 129
und in den zu der gleichnamigen Präsidentschaft gehörigen ver¬
schiedenen Staaten und Bezirken von 1714 auf 1274 zurückgegangen.
In den Centralprovinzen kamen 11, im Punjab keine Pesttodesfälle
während der Berichtswoche zur Anzeige. Im Staate Mysore ist der
Stand der Seuche unverändert geblieben, dagegen sind die Zahlen
der gemeldeten Peststerbefälle in Kalkutta von 48 auf 52 und in
der Präsidentschaft Madras von 17 auf 23 gestiegen. — Japan.
Zufolge einer Mittheilung vom 21. November s : nd seit dem Auf¬
treten der Seuche in Kobe G Erkrankungen amtlich festgestellt,
welche alle tödtlich verliefen. — Mozambique. In Magude hat laut
amtlicher Nachricht vom 18. November die Pest immer noch nicht
aufgehört, scheint sich indessen auf diesen Ort beschränkt zu haben.
—• In Louren^o Marques ist kein pestverdächtiger Fall mehr vor¬
gekommen. Trotz der Ansammlung von mehreren Tausend Flücht-
ÜDgen, deren Ernährung nur unvollkommen erfolgen kann, und
trotz regnerischen Wetters ist dort der Gesundheitszustand gut. —
Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des Nationalgesundheits-
rathes zu Asuncion sind im Monat Oktober 27 Personen, davon 23
in Asuncion, 4 in benachbarten Ortschaften an der Pest gestorben.
Vom 3. bis 16. November kamen 8 Todesfälle an der Pest in und
bei Asuncion zur Anzeige, ferner 6 erwieseno und 2 verdächtige
Erkrankungen. V. d K G.-A.
— In der 51. Jahreswoche, vom 17. bis 23. December 1899, hatten
von deutschen Städten über 40000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Altendorf mit 48,3, die geringste Dessau mit 10,8 Todesfällen
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel a'.ler Ge¬
storbenen starb an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Köln, Nürn¬
berg; an Scharlach in Bochum und Elberfeld; an Diphtherie und
Croup in Plauen.
— Wie man in England jetzt Alles, was an Mannschaften auf-
geboten werden kann, nach Südafrika entsendet, so wird auch
die Hilfe von Civtlärzten zur Unterstützung des Sanitiitscorps
jetzt ausgiebig in Anspruch genommen. Ausser den bereits an der
Front befindlichen Chirurgen MacCormac, Treves und
M a k i n s wurden jetzt noch Sir William Stokes, Watsou
Olieyne, 6. L. Cheatle und Kendal Franks zu consul-
tlrenden Chirurgen ernannt. Ferner wurden zahlreiche praktische
Aerzte mit einem Gehalt von 1 L. St. pro Tag als Chirurgen für
die Armee angeworben. Erstaunlich ist, dass die obengeuaunten
consultirenden Aerzte, die jetzt doch wahrlich Arbeit genug be¬
kommen haben, Zeit finden, den Londoner Fachblättern ausführ¬
liche Berichte über ihre Thätigkeit zu senden. So bringt Brit.
med. Journ. spaltenlange Berichte von M a k i n s vom Oranjefluss,
Lancet solche von MacCormac. Beide betonen die ausser¬
ordentlich günstige Heiltendenz der durch Mauserkugeln gesetzten
Wunden; von den am Modderfluss Verwundeten soll bereits ein
Drittel geheilt sein. Makins erklärt, dass er nicht einen ein¬
zigen Fall gesehen habe, der auf eine explosive oder Dum-Dum-
Kugel zurückzuführen sei. Der Lancet-Berichterstatter im Wyn-
berg-Lazareth (Kapstadt) wundert sich darüber, dass Ver¬
letzungen der Wirbelsäule unter den am Modderflusse verwundeten
Hochländern die häutigsten gewesen seien; die Erklärung für diese
Thatsache ist doch nicht schwierig. Treves hat sich auf den
Natal-Kriegsschauplatz begeben und wird sieh dort speciell der
Behandlung von Bauchwunden widmen. Nach den Urtheilen der
englischen Fachpresse haben sich die Vorkehrungen des englischen
Sanitütscorps auch den jetzt gesteigerten Anforderungen gegen¬
über als genügend erwiesen, die Times dagegen klagt in jüngster
Zeit über Unzulänglichkeit der Lazaretlieinrichtungen in Wyn-
berg-Kapstadt. Das Verhältnis zwischen Todten und Ver¬
wendeten auf englischer Seite, das wir in No. 52 v. J. auf 1 :5,3
angegeben haben, hat sich inzwischen nach den letzten grossen
Schlachten verschlechtert, es beträgt nach Brit. med. Journ. jetzt
1 :3,6, während der bisherige englische Gesammtverlust ebenda
auf 908 Todte, 3524 Verwundete und 2321 Vermisste, zusammen
auf 6813 Mann, einschliesslich 438 Ofüciere, angegeben wird.
(Hochschulnach richten):
Berlin. Prof. Dr. Gustav Fritsch, bisher ausserordentlicher
Professor für mikroskopische Anatomie an der Berliner Universität
und Vorsteher der Abtheilung für Histologie am physiologischen
Institut, ist zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt worden. —
Privatdocent Dr. Windisch, bisher technischer Hilfsarbeiter im
Kaiserl. Geundheitsamt ist zum Vorstand der oenochemischen Ver-
Buchstation in Geisenheim a/Rhein ernannt worden.
B r e 81 a o. Privatdocent Dr. Arthur G r ö n o u w (Ophthalmologe)
wurde zum Professor ernannt.
Digitized by Gougle
Freiburg i. B. Dr. Otto Manz, Assistent der chirurgischen
Klinik, hat sich als Privatdocent für Chirurgie habilitirt. Geheim¬
rath He gar feierte am 6. ds. seinen 70. Geburtstag.
Heidelberg. Der Professor der Chemie, Geheimrath Curtins,
erhielt das Ritterkreuz vom Orden Berthold I. Der Professor des
patholog. Anatomie, Geheimrath Arnold, erhielt das Commandeur-
kreuz I CI. vom Orden vom Zähringer Löwen. Der Professor der
Hygiene, Hofrath Kn auf f, wurde zum Geheimen Hofrath ernannt.
Basel. Die ausserordentlichen Professoren an der hiesigen
Hochschule Dr. L. G. Courvoisier (Chirurgie), Dr. Karl Mel-
linger (Ophthalmologie) wuirden zu ordentlichen Professoren er¬
nannt.
Dorpat. Der ausserordentliche Professor der Geburtshilfe
und Gynäkologe an hiesiger Universität, Dr. Muratow, ist zum
ordentlichen Professor ernannt worden,
Florenz. Dr. M. Salaglii, bisher Privatdocent an der medi-
cinischen Facultät zu Neapel, habilitirte sich für Orthopädie an der
medicinischen Schule.
Genf. Dr. L. Bard, Professor der Hygiene an der medici-
nischen Facultät zu Lyon, wurde zum Professor der medicinischen
Klinik ernannt.
Graz Der aussero r dentliche Professor der Ohrenheilkunde
an hiesiger Universität Dr. J. Hab er mann ist zum ordentlichen
Professor ernannt worden.
Kasan. Habilitirt: Dr. W. A. Arnoldow für Hygiene.
Kopenhagen. Dr. Rovsing wurde zum Professor der
Chirurgie ernannt.
Moskau. Habilitirt: Dr. V. F. Poliakow für Krankheiten
der Respirationsorgane.
Neapel. Habilitirt: Dr. G. BelliBari für Neurologie.
Wien. Professor Dr. Hofmokl, seit 1885 Professor der
Chirurgie, ist aus Gesundheitsrücksichten um seine Pensionirung
eingekommen.
(Todesfälle.) ln Düsseldorf starb am 31. vor. Mts. der aus¬
gezeichnete Augenarzt, Geh. Medicinalrath Professor Dr. Albert
Mooren, im Alter von 71 Jahren.
In London starb im Alter von 85 Jahren Sir James Paget,
einer der hervorragendsten Chirurgen der älteren englischen Schule,
der sich hauptsächlich durch seine pathologisch-anatomischen und
histologischen Untersuchungen berühmt gemacht hat.
Generalrapport Uber die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat November 1899.
Iststärke des Heeres:
64 964 Mann, 16 Invaliden, 209 Kadetten, 149 Unteroff.-Vorschüler.
1. Bestand w r aren am
31. October 1899:
Mann
Invali¬
den
Kadetten
Unter-
Offlzier-
vor-
sehiiler
1366
2
6
2
2. Zugang: j
[ im Lazareth:
im Revier:
[ in Summa:
1617
4011
5628
1
1
2
21
23
23
23
Im Ganzen sind behandelt :
°/oo der Iststärke:
6994
107,6
3 1
187,5 1
29
138,7
25
167,7
3. Abgang: <
dienstfähig:
u /oo der Erkrankten:
gestorben:
°/uo der Erkrankten:
invalide:
dienstunbrauohbar:
anderweitig:
, in Summa:
4761
680,7
5
0,71
32
158*)
252
5208
1
333,3
1
24
827,6
24
1 23
! 920,0
23
4. Bestand
bleiben am
30. Nov. 1899.
f in Summa:
°/oo der Iststärke:
1 davon im Lazareth:
1 davon im Revier:
1786
27,5
1115
671
2
125,0
2
5
23,9
5
2
13,4
2
Von den in Ziffer 3 aufgefiihrlen Gestorbenen haben gelitten
an: Acuter Miliarluberculose 1, Lungentuberculose 2, Magen- und
Lungenkrebs 1, Lungenentzündung 1.
Ausserdem endeten 2 Mann durch Selbstmord, davon 1 durch
Erschiessen, 1 durch Erhängen.
Der Gesammtverlust der Armee durch Tod betrug demnach im
Monat November 7 Mann.
*) Darunter 132 gleich bei der Einstellung.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Heinrich Beer, approb. 1893, hier.
Verzogen: Dr. Ernst Meixner von Michelau nach Birkenfelp«
Dr. Wolfgang Kaspar, approb. 1893, von Frankenthal nach Wörth
a. M. Dr. Ar c li e n a u e r von Fridolfing nach Steinweg, Post Stadtamhof.
Auszeichnungen (Nachtrag): Der Titel und Rang eines kgl.
Hofrathes dem praktischen und Bahnarzt Dr. Ludwig Es er, Ober¬
arzt des Domcapiterschen Krankenhauses in Regensburg.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
fi8
Ahscliiod bewilligt: Dem Oberstabsarzt I. CI. Dr. Popp,
Regimentsarzt im 14. Inf.-Reg., unter Verleihung des Charakters
als Generaloberarzt mit der gesetzlichen Tension und mit der Er¬
laubnis zum Tragen der Uniform mit den für Verabschiedete
vorgeschriebenen Abzeichen; ferner dem Assistenzarzt Dr. Friedr.
Bock des 12. Inf.-Reg. behufs Uebertritts in Königlich Preussische
Militärdienste; dem Oberarzt Dr. Otto Dees der Landwehr 2. Auf¬
gebots (Wasserburg.)
Ernannt: Zum Regimentsarzt der Stabsarzt Dr. Flasch,
Abtheilungsarzt vom 4. Feld.-Art. - Reg, im 14. Inf.-Reg. unter Be¬
förderung zum Oberstabsarzt 2. CI; zum Abtheilungs (Bataillons-)
Arzt der Stabsarzt Dr. Hillenbrand im 4. Feld-Art.-Reg. und
der Oberarzt Dr. Deichstetter vom 1. Feld-Art.-Reg. im 2. Inf.
Reg. unter Beförderung zum Stabsarzt.
Versetzt: Der Stabsarzt Dr. Rapp, Bataillonsarzt vom 2. Inf.-
Reg., zur Inspection der Militftr-Bildungsanstalten und die Assistenz¬
ärzte Dr. Lutz vom 23. Inf.-Reg. zum 1. Feld-Art.-Reg.; Dr. Wiede¬
mann vom 3. Chev.-Reg. zum 19. Inf.-Reg., Dr. W ä 1 d i n vom
10. Inf.-Reg. zur Reserve des Sanitätscorps und der Assistenzarzt
Paul Iftner von der Landwehr 1. Aufgebots (Erlangen) zur Reserve.
Befördert: Zu Oberstabsärzten I. CI die Oberstabsärzte 2. CI.
Dr K öl liker mit einem Patente vom 20. Juli 1899 und Dr.
Heim, Beide ä la suite des Sanitätscorps, dann überzählig die
Oberstabsärzte 2. CI. und Regimentsärzte Dr. Koch im 13. Inf.-
Reg., Dr. v. Graf enstein im 5. Feld-Art.-Reg. und Dr. Baudrexl
im 2. Fuss-Art.-Reg.; zum Stabsarzt der Oberarzt Dr. Schlier im
15. Inf.-Reg.; zu Oberärzten die Assistenzärzte Dr. Hasslauer
im 3. Inf.-Reg. T Dr. Riedl im 4. Inf.-Reg., Dr. Heckenlauer
und Dr. Tüshaus im 9. Inf.-Reg., Dr. Wiedemann im 19. Inf.-
Reg., «ämmtliche überzählig.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 52. Jahreswoche vom 24. bis 30. December 1899.
Betheil. Aerzte 295. — Brechdurchfall 8 (8*), Diphtherie,
Croup 12 (16), Erysipelas 10 (15), Intermittens, Neuralgia interm.
I (1), Kindbettfieber 3 (1), Meningitis cerebrospin — (—), Morbilli
228 (181), Ophthalmo-Blennorrhoea neonat. 1 (4), Parotitis epidem.
6 (4), Pneumonia crouposa 43 (25), Pyaemie, Septikaemie — (—),
Rheumatismus art. ac. 23 (27), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
II (4), Tussis convulsiva 17 (14), Typhus abdominalis 3 (1),
Varicellen 14 (12), Variola, Variolois — (—). Summa 380 (313).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller..
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 52. Jahreswoche vom 24. bis 30. December 1899.
Bevölkerungszahl: 445 000.
Todesursachen: Masern 1 (4*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup — (3), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 1 (D, Unterleibstyphus
1 (—), Keuchhusten 1 (2), Croupöse Lungenentzündung i (2),
Tuberculose a) der Lungen 23 (23), b) der übrigen Organe 4 (6),
Acuter Gelenkrheumatismus 4 (1), andere übertragbare Krank¬
heiten 4 (4), Unglücksfälle 2 (1), Selbstmord 3 (5), Tod durch
fremde Hand — (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 207 (200), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 24,2 23,4, für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,9 (15,3).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: October 1 ) und November 1899.
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Bcvölkcrungsziffcm : Oberbayern 1,186,950, Niorterbayern 078,52:1, Pfalz 765,991,
Oberpfalz 540,884, Oberfranken 680,001, Mittelfranken 787,181, Untorfranken 082,688,
Schwaben G89.41G. Augsburg 81,8%. Hamberg 88,940, Fürth IG.72G, Kaiserslautern
•10,828, Ludwigshafen 89,799, München 111,001, Nürnberg 198,890, Regensburg 41,471,
Würzburg G8.747.
Einsendungen fehlen ans der Stadt Fürth und den Aemtern Laufen, Bogen«
Dingolfing, Neumarkt, Neunburg v/W., Neustadt a/WN., Sulzhaeh, Hof, Dinkels¬
bühl, Neustadt a'A., Nürnberg, Ebern, Hassfurt, Königshofen, Mellrlehstadt,
Obernburg und Augsburg.
Höhere Erkrunkungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet
aus folgenden Aemtern bezw. Orten:
Diphtherie, Croup: Fortsetzung der Epidemie im ärztlichen Bezirke
Auerbach (Eschenbach) 81 behandelte Fälle; kleine Epidemie in Nordheim (Schein¬
feld); Städte Freising 28, Pirmasens 42, Aemter Höchstadt a/A. 75, München II 61
(hievon 38 im iirzt. Bezirke Wolfratshausen), Hersbruek 30 behandelte Fälle.
Morbilli: Fortsetzung der Epidemien in den Städten Ansbach (315), Bam¬
berg (3G2), Nürnberg (1144) und Würzburg (1213), ferner in Lohberg (Kötzting),
bisher 4 Kinder gestorben, Schulschluss, in 7 Gemeinden des Amtes Forehheim
fl 15), in Untersteinaeh (Stadtsteinach), weitere Verbreitung auf Outtenberg, Bez -
Amt Feuchtwangen (56), Günzenhausen (hier G0), ausserdem Epidemie in vielen
anderen Orten des Amtes, im District Lauf (Hersbruek), 47 behandelte Fälle, im
Stadt- und Landbezirk Schwnhach, gegen Süden fortschreitend (Stadt 33, A.-G.
Sehwabach 48, A.-G. Roth 284 Fälle), Stadt Weissenburg, Ellingen, Dorsbninn,
theihveise Schulschluss, in Zellingen (Karlstadt) 15 Sterbfälle, bloss 31 behandelte
Erkrankungen, Amt Kitzingen (110), gutartig, Stadt Neuburg n/D. und 3 weiteren
Gemeinden 91 behandelte Fälle; in der Stadt Sehwcinfurt (09) gegen Ende des
Monats erloschen, ebenso in 4 Orten des gleichnamigen Amtes, dagegen in 8 Orten
weiter verbreitet 102 behandelte Fälle. Epidemisches Auftreten ferner in Ge¬
meinde Derching (Friedberg), in Passau (Altstadt), in Marxgrün Naila), vom
Amte Forehheim eingebraeht, im Amte Rothenburg a/T., Schulschluss in Unter-
weissonbrunn und Unsieben (Neustadt a/S.), im Amte Donauwörth, von der
2. Novemberwoche ab in Ammerfeld (von 40 Schülern 21 krank, Schulschluss),
Ende November erloschen, endlich ausgebreitete Epidemie In Ammerdingen (Nörd-
lingen), leicht. Aemter Tölz 58, Wimsiedel 45, Bamberg I und II 22 und 33,
Parsberg 28 behandelte Fälle.
Parotitis epidemica: Epidemie unter Schulkindern in Lauenstein
(Teusehnitz), keine ärztliche Behandlung, ferner einige Verbreitung in der Stadt
Ingolstadt.
Scarlatina: Fortsetzung der Epidemie im ärztl. Bezirk Auerbach (Eschen¬
bach) neben Diphtherie, 35 behandelte Fälle; Epidemie in Weyher (Landau i Pf.',
von der letzten Novemberwoche ab häufigere Erkrankungen im Amte Ebersberg.
Tussis convulsiva: Fortsetzung der im September im Amte Ingolstadt
begonnenen Epidemie in den Gemeinden südlich der Donau; Epidemie in Tirschen¬
reuth und Umgebung, in 3 Orten des Amtes Sehwcinfurt (nach Masern), endemisch
in der Stadt Pegnitz, selten ärztlich behandelt.
Typhus abdominalis: Fortsetzung der Fpidemie im Amte Karlstadt
(in Laudenbach und Thiingen Je 0 behandelte Fälle, von letzteren 5 in einer
Hausepidemie) und in Weilbaeh (Miltenberg). Aemter Zweibrücken 9, Berg¬
zabern 7, Kusel und LiehtenfeLs je 0, Unterfrank (Pfarrkirchen) 5, von Metz ein-
g.-bracht; Hausepidemie (i von 12 Kindern einer Familie) in Iggelsheim (Ludwigs¬
hafen), Kröppen (Pirmasens) 4 behandelte Fälle.
Varicellen: Epidemisch in der Stadt Deggendorf.
Variola, Variolois: 1 tödtlieh verlaufener Fall in Untermenzing
(München I), 2 leichte Fälle von Variolois in der Stadt München.
Influenza: Epidemisch in einigen Orten des Amtes Erding, Städte Augs¬
burg 07, Nürnberg 27, Stadt- und Landbezirk Ansbach 23, ärztl. Bezirk Furth i/W.
(Cham) 20, ausserdem mehr oder weniger vereinzelte Fälle aus der Stadt Bamberg,
den Aemtern Ebersberg, Garmisch, Ingolstadt, Bamberg I, Forehheim und Alzenau.
Im Interesse grösserer Vollständigkeit und Ermöglichung rechtzeitiger
Veröffentlichung des Gesammtergebnisses vorliegender Statistik für das Jahr 1899
wird um Einsendung der Anzeigen für December sowie um Mit¬
theilung allenfalls noch nicht zur Anzeige gelangter Fälle aus
früheren Monaten als Nachträge (ausgeschieden nach Monaten) an das
K. Statistische Bureau bis längstens 20. Januar dringend ersucht.
- Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind
durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welehe sich im
Bedarfsfälle unterAngabe der Zahl der sich betheiligenden Aerzte
an das K. Statistische Bureau wenden wollen.
J ) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 49) eingelaufener Nachträge. — 8 ) Im Monat Octobcr einschliesslich der Nachträge 1480-
.*) 40. mit 43. bezw. 44. mit 48. Jahreswoche.
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck von E Mühlthnler’s Buch- und Kunstdruckerei, A.-G. München.
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Originell from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
We Ifftaeh. lled. Woohensohr. erscheint wöchentl. "TIT VVXT/Pi TT Tjl"VT*Ij! TF Zusendungen sind m. adre«*iren : Für die Redaetion
to Hummern von durchschnittlich 4 — 5 Bogen. |w| I 1 l\ U j rl lii l\ |1 j rC, Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh-
PreU in Deutschi. u. Oeat.-Üngam viertel]'äbrl. 6 JL> KJ Ai v 1 mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen
Ina Ausland 7.50 JL Einzelne No. 60 *f. an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16.
EDICINISCHE WOCHENSCHBIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Heraasgegeben von
Ck. Biislir, 0. Boliliger, H. Curscbssnn, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J.». Michel, H. i. Rinke, F. ?. Wlnckel, H. v. Zlenssen,
Freiburg I. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 3. 16. Januar 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
Originalien.
Aus der medicinischen Abtheilung des. Prim. Doc. Dr. P a 1 im
k. k. allgemeinen Krankenhause in Wien.
Blutdruckmessungen mit Gärtner’s Tonometer.
Von Dr. Hugo W e i s s , Secundararzt.
Die Mängel der bisher bekannt gewordenen Apparate zur
Bestimmung des Blutdruckes veranlassten Gärtner, ein neues
Instrument zu construiren. Er richtete sein Augenmerk auf die
kleinsten Arterien und die Capillaren. Da es gleichgiltig ist,
an welcher Stelle des Arterienrohres man den Druck misst, so
wählte Gärtner das Gebiet der feinen Digitalarterien. Die¬
selben gestatten eine gewisse Controle ihres Füllungszustandes
durch die Beobachtung der Injection ihres Capillargebietes und
werden überdies am wenigsten von sklerosirenden Procossen be¬
troffen. Der Blutdruck ist allerdings am grössten an den grossen
Arterien und wird gegen die Capillaren zu langsam geringer,
bis er in den Venen fast schwindet. Es ist aber der Unterschied
zwischen dem Druck an den Arteriae digitales und der Radialis
kein erheblich verschiedener, seine Schwankungen kommen da
wie dort deutlich zum Ausdruck.
Das G ä r t n e Esche Tonometer, auf dessen genaue Be¬
schreibung in der Wiener med. Wochenschr. 1899, No. 30, ich
verweise, besteht aus einem pneumatischen Ring, der mit einem
Gummiballon und einem Manometer in Verbindung steht. Der
Druck auf den Ballon vertheilt sich im ganzen pneumatischen
System gleiehmässig. Gemessen wird an den Fingern der Hand
derart, dass aus der Fingerbeere das Blut ausgepre st, der Rück¬
fluss desselben durch Aufblasen des pneumatischen Rings an
der II. Phalange gehindert und dann mit dem Druck so lange
nachgelassen wird, bis sich die Fingerkuppe wieder röthet, was
deutlich und plötzlich geschieht unter gleichzeitigem Gefühl
eines mit dem Herzpuls synchronischen Klopfens. Die Com-
pression der Arteriae digitales geschieht mit demselben Drucke,
den das Manometer (Quecksilber oder Aneroid) anzeigt. „Die
Arterien können, da die Compression von allen Seiten gleich¬
zeitig erfolgt, nach keiner Richtung ausweichen und der Druck
überträgt sich durch die um einen knöchernen Ring gleiehmässig
vertheilte, weiche, aber incompressible Umgebung in idealer
Weise auf die Blutgefässe.“
Eine solche Messungsmethode kann natürlich keine absolute
GrÖsee für den Blutdruck angeben. Der letztere ist die Resul-
tirende aus dem durch die Herzcontraction auf die Blutmasse
übertragenen Impuls und den Widerständen im Gefässsystem.
Der Experimentator misst diesen Druck direct durch Ein¬
führung einer Canüle in eine Arterie. Am lebenden Menschen
ist auf diese Weise der Druck gelegentlich von chirurgischen
Eingriffen auch gemessen worden, so von Faivre 1 ), Albert*).
Die Messung am unverletzten Arterienrohre muss hingegen
eine indirecte bleiben. Was sich hier darbietet, ist nicht
der Blutdruck allein, sondern ein Conglomerat von Factoren,
die an verschiedenen Individuen ebenso schwanken, wie an einem
und demselben.
*) Faivre: Gazette m6d. de Paris 1856, p. 727.
*) Albert: Med. Jahrbücher 1883, p. 248.
No. 3.
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47. Jahrgang
Allen diesen Methoden haftet von vornherein der Fehler an,
dass sie eben indirecte Methoden sind. Sie basiren auf dem
Satze, dass Arteriendruck gleich ist Arterienspannung. Ihre
Principien sind von den Versuclisergebnissen an elastischen
Röhren hergenominell, welche lauten: 1. Die Spannung einer
Röhre ist. gleich der Summe aus der Wandspannung und dem
inneren Druck der Flüssigkeit. 2. Der innere Druck (wie auch
die Wandspannung) bezieht sich auf eine Oberfläche, welche dem
doppelten Längen- und dem doppelten Breitcndurchmesser der
Pelotte, also dem vierfachen Flächendurchschnitte derselben ent¬
spricht (W aldenburg).
Bei den Arterien handelt es sich aber um lebende Gewebe
mit Eigenspannung und selbständiger Contractionsfähigkeit, so¬
wie einem von vielerlei Ursachen abhängigen Tonus. Dazu
kommt noch die Länge des Gefässsysteras, die variable Con-
tractilität seiner einzelnen Abschnitte (Bau der Capillaren!),
die Elasticität der Arterienwandung und die Beschaffenheit der
umgebenden Weichtheile. Es kommt der Füllungszustand der
Gefässe, die Quantität des Blutes in Betracht, demnach
Momente, welche bedeutenden Schwankungen unterworfen sind.
Dass dementsprechend das Messungsresultat nur relativ zu
nehmen ist. liegt auf der Hand. W aldenburg betont, dass
aus diesen Gründen der Blutdruck der Arterienspannung nicht
proportional sein könne.
Man müsste also bei Zahlenangaben jedesmal auch die
aceidentellen Momente berücksichtigen, um zu erfahren, auf
Rechnung welches Factors die grössere Hälfte des erhaltenen
Resultates zu setzen sei.
Der Gefässtonus ist eine Grösse, die bei der Berechnung der
Widerstände nicht sehr in die Wagscliale fällt (v .Base h), er
regulirt aber doch einerseits die Vertheilung des Blutes, und be¬
einflusst andererseits die Dicke der (»efässwände.
Durch nervöse Einflüsse wird die Wandstarrheit zweifellos
vermehrt, was insbesondere bei kleinen und kleinsten Arterien
von Wichtigkeit ist, während bei grösseren Arterien die active
Dilatation und Oonstriction ziemlich belanglos ist.
Von den zahlreichen Instrumenten und Methoden zur in-
directen Messung — ich nenne nur Marey, Waldenburg,
Potain, v. Basch, Hürthle, Mos so, Frey, Riva-
R o c c i etc. — konnte sich bloss das Sphygmomanometer von
Basch Eingang in die Praxis verschaffen, und die meisten
neueren Arbeiten über Blutdruck basiren auf seiner Verwendung
(Zadek, Federn, Kornfeld. Gerhardt etc.). Das
geistvoll erdachte Instrument fördert inconstante Werthe zu
Tage, weil es schwierig zu handhaben ist. Es bedarf gründlicher
Einübung und eines gut ausgebildeten Tastgefühls, wodurch es
zu einer rein subjectivcn Methode wird. Bei Tigers ted t.*)
finden sieh die Fehlergrenzen des Instrumentes mit 32 mm bis
78 mm Hg angegeben.
Die G ä r t n e Esche Idee ist im Princip schon von anderen
Autoren herangezogen worden. N. v. Kries hat die Spannung
menschlicher Hautcapillaren durch den Gewichtsdruck her-
stimmt, der erforderlich ist, um eine Hautstelle zu anaemisiren.
a ) Tigerstedt: Lehrbuch der Physiologie des Kreislaufs.
1893.
*) W i e s s n e r : lieber Blutdruckmessungen während der
Menstruation und Schwangerschaft (Discussion). Sitzung der Ges.
f. Geburtsh. zu Leipzig, 19. Juni 1899.
1
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
70
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Dieser Druck lässt sich leicht in hydrostatischen Druck re-
duciren, wenn die Grösse der eomprimirten Fläche bekannt ist.
Mar ey bediente sich zu dieser Berechnung des Luft- und
Wasserdrucks, indem er einen ganzen Vorderarm luftdicht in
ein Glasgefüss brachte und die Luft darin so lange comprimirte,
bis der Arm blass wurde. Der im Moment des Farbenweehsels
gemessene Luftdruck ist gleich dem Blutdruck in den Arterien
des Vorderarmes.
Ch. S. R o y und Graham Brown haben den Blutdruck in
den kleinsten Arterien, Venen und Capillaren an der Frosch¬
schwimmhaut gemessen.
Beim Apparat von R i v a - R o c c i, wird der Oberarm durch
einen Schlauch circular comprimirt bis zum Verschwinden des
Pulses, in welchem Momente man die Höhe des Blutdrucks am
Manometer ablesen kann. Der Zeitpunkt des Erscheinens und
Schwindens dos Radialpulses ist oft schwer festzustellen; ferner
wirkt der Druck nicht direct auf die Brachialis, sondern zunächst
auf das umliegende Gewebe von beträchtlichem Umfang und
endlich liegt die Brachialis nicht auf fester Unterlage, sondern
mitten im Oberarm, so dass sie ihre Lage leicht ändert und
schwer eomprimirbar ist.
Vor allen diesen Apparaten hat das G ä r t n e rische Tono¬
meter die Eigenschaft der überaus leichten Handhabung und
der prägnanten objectiven Controle voraus. Es muss aber aus¬
drücklich hervorgehoben werden, dass es sich bei den damit er¬
haltenen Zahlen um relative Werthe handelt, die eigentlich nur
Schlüsse auf ein und dasselbe Individuum gestatten. Wie die
übrigen Instrumente hat auch dieses seine Fehlerquellen, be¬
deutet jedoch schon dadurch einen Fortschritt, weil dabei auf
das subjectiv so sehr variirende Tastgefühl gänzlich verzichtet
werden kann.
Methode der Messung.
Bei den Messungen wurden alle von Gärtner angegebenen
Bedingungen streng beobachtet.. Soweit es anging, wurden die
Kranken liegend gemessen, die Hand in Herzhöhe, jedesmal an
der gleichen Phalange. Neben dem Hg-Manometer fand ein
sorgfältig geprüftes Aneroid Verwendung, das häufig durch das
erstens nacheontrolirt wurde. Die meisten Bestimmungen
wurden öfters wiederholt, wobei sich kaum jemals nennenswerthe
Differenzen ergaben. Bei schwieliger Haut waren die Werthe
nur um ein Geringes erhöht, immer innerhalb der zulässigen
Grenzen, so dass dieser Umstand füglich vernachlässigt werden
konnte. Bei nur einiger Uebung gelingt eine Messung in einer
halben Minute, doch ist es von Wichtigkeit zu bemerken, dass
man mit dem Druck im Ballon langsam und von 5 zu 5 Theil-
strichen nachlassen muss, weil hei zu raschem Oeffnen des Com-
pressoriums (das vortheilhaftor ist als die blosse Hand) höhere
Zahlen resultiren als beim suecessiven Nachlassen.
Die Anaemisirung der Fingerkuppe gelingt am besten mit
den kleinen Kautschukringen, während der dem Apparat bei¬
gegebene Fingerhut unverlässlich ist.
Von den Fehlerquellen wäre als wichtig hervorzuheben das
VerhäJtniss der Grösse des pneumatisehen Ringes zur Finger¬
dicke. Bei einem dünnen, mageren Finger bedarf es bis zur Be¬
rührung desselben mit der aufgeblähten Kautschukmembran
schon einer ganz beträchtlichen Druckgrösse, die bei einem
starken Finger entfällt. Und wenn auch bei dom letzteren wieder
die Wcichthcile massiger sind, so weiss man die Grösse des
hieraus resultirenden Fehlers nicht anzugeben. Ferner sind die
sternförmigen Falten am Ring nicht gleichgiltig, denn die
Druckgrösse ist auch abhängig von der Grösse der gedrückten
Fläche, die bei verschieden dicken Phalangen variirt. Man muss
demnach, um exact vorzugehen, verschieden grosse Ringe haben
und bei den Resultaten auch die Ringgrösse angeben.
Des Weiteren wäre auf die gleiche Qualität des Kautschuk
zu achten, dessen Dehnbarkeit bei verschiedener Dicke sich
ändert.
Bei meinen Messungen habe 1 ich getrachtet durch Auswahl
der Fälle dem Missverhältniss zwischen Finger und Ring zu be¬
gegnen, da mir nur eine Ringsorte zur Verfügung stand.
M e s s u n g e n an Gesunden.
im Allgemeinen lassen sieh die an Gesunden gefundenen
Resultate dahin zusammenfassen, dass Männer eine höhere tono-
nietrisehe Zahl ergaben als Frauen, ferne# dass kräftige, grosse,
gutgeniilirte Leute höhere Zahlen hatten als schwächliche, untcr-
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ernährte, was wohl mit den erhöhten peripheren Widerständen
zusammenhängt, gegeben durch die dickeren Gefässwände und
den grösseren Gefässdurchmesser und in Folge dessen die höhere
Herzenergie. Dieses Resultat findet seine Bestätigung bei
W aldenburg, der bemerkt, dass die relativen Schwankungen
des Blutdruckes gesunder Personen abhängen von der Grösse des
Individuums, von seinem Körpergewicht und noch manchen
anderen erst noch zu erforschenden Umständen.
Als mittlere Zahl fand ich bei Männern 120 mm, bei Frauen
100 mm. Die untere Grenze bei Männern 90 mm, bei Frauen
80 mm, die obere Grenze unbestimmbar, weil sich zuweilen
Zahlen ergaben, die als pathologisch bezeichnet werden müssten,
trotzdem sich absolut kein Anhaltspunkt für eine Erkrankung
auffinden liess. Z. B.:
Dr. S., 29 Jahre alt, sehr gross, kräftig, starker Cigaretten¬
raucher, ohne Beschwerden, mit normalen Darmfunctionen, der
unregelmässigen Lebenswandel führt, Veneri et Baccho tapfer
huldigend, zeigt den Durehschnittsdruck von .150 mm nach
Gärtner. Keine Hypertrophie des linken Herzens, Lues aus¬
geschlossen. Manchmal sinkt der Druck auf 120 mm.
Man könnte sich vielleicht in diesem Falle die Blutdruck¬
steigerung als unter nervösen Einflüssen entstanden denken, wo¬
zu im Abusus von Tabak und Alkohol Anhaltspunkte gegeben
sind. Dagegen spricht ein zweiter Fall.
Ein anderer, nicht minder kräftig gebauter, gut genährter
College, Dr. M., 26 Jahre alt, ohne jedwede Beschwerde, weder
Raucher noch Trinker, der nie grössere Excesse begeht, hat
160 mm Druck. Keine Herzhypertrophie, nichts Auffallendes
an den peripheren Gefässen, im Harn keine pathologischen Be¬
standteile.
Diese 2 Beispiele sind Extreme; für gewöhnlich darf man
die oben angegebenen Zahlen erwarten, wobei es auf 10 mm
mehr oder weniger nieht ankommt. Jede höhere Zahl bringt
den meist berechtigten Verdacht auf eine innere Erkrankung,
gewöhnlich der Gefässe oder der Nieren. 2 eclatante Fälle werde
ich im Capitel Arteriosklerose erwähnen.
Die Messungen wurden, wie bereits erwähnt, im Liegen ge¬
macht. Der Unterschied zwischen Liegen und Sitzen ist nur
gering. Auf die Art der Fingerhaut, die Dicke der Phalangen,
Oedem etc. wurde Rücksicht genommen.
Den geringen Einfluss einer Fingerschwiele auf die tono-
metrisehe Zahl zeigte ein 20 jähriger Typhusreconvalescent, der
stark herabgekommen war, verminderte Herzaction hatte und
dessen Fingerhaut überaus dick war. Bei ihm resultirte die
Zahl 70 mm Hg, wie nach der Pulsfühlung an der Radialis zu
erwarten war.
Ausschlaggebend war ausgiebige körperliche Bewegung. Ich
fand, dass nach raschem Gehen, Stiegensteigen, körperlicher
Arbeit, wenn sie nicht anstrengend war, die tonometrische Zahl
grösser wurde, während bei ermüdender Muskelarbeit der Druck
sank, weil vermuthlich ein Affiuxus zu den arbeitenden Muskeln
statt fand, wodurch der Blutstrom von der Peripherie abgelenkt
wurde. Das Gleiche zeigte sich nach der Mahlzeit, wobei der
periphere Druck sank durch Ableitung der Blutmasse in die
Därme.
Psychische Emotionen brachten zuweilen hohe T. Z. (tono-
metrische Zahlen). Ich beobachtete mehrmals Anstieg um 30 bis
40 mm Hg-Druek nach Aufregungen. Ausführlich hat diese
Frage Kornfeld mit dem Sphygmomanometer von Basch
studirt; ich konnte mich nur auf wenige Fälle beschränken. Dass
Nerveneinflüsse den Blutdruck zu steigern vermögen, steht
übrigens ausser Frage. Wahrscheinlich handelt es sich um Reize
auf Hie Gefässnerven und damit Erhöhung der peripheren Wider¬
stände.
Einigemal mass ich den Druck nach Magenausheberungen,
wonach eine Drucksteigerung von 5—30 mm Hg sich ergab:
1. W. Johann, 41 Jahre, Neoplasma ventric., zeigt am 1. Ring¬
finger vor der Ausheberung 108 mm T. Z.
2. K. Johann, 65 Jahre, Neoplasma ventric., vor der Aushebe¬
rung 100 mm, nach der Ausheberung 110 mm T. Z.
3. Sch. Jos., 79 Jahre, Care, ventr. inclp. und Arteriosklerosis,
vor der Ausheberung 130 mm, nach der Ausheberung 150 mm T. Z.
4. G. Ferdinand, 62 Jahre, Myodeg. cordis, vor der Aushebe¬
rung 80 mm, nach der Ausheberung 90 mm T. Z.
5. M. Josef. 52 Jahre, Care, ventr., vor der Ausheberung
70 mm, nach der Ausheberung 75 mm T. Z.
Interessant war ferner die constant wiederkehrende That-
•nche, dass star k e Raucher hohe tonometrische Zahlen auf-
Qrigiraal fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16.* Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
71
wiesen; dass die Ursache in einer toxischen Tonuserhöhung der
peripheren Arterien gelegen sei, wage ich nur zu vermuthen.
Der Blutdruck des Gesunden steht unter dem Einfluss ver¬
schiedenartiger äusserer Zufälligkeiten, die an einer Curve gut
ersichtlich sind, welche die Tagesschwankungen zeichnet.
Dr. H. f 30 Jahre alt, gesund, kräftig, klein, leicht erregbar.
Dieses Paradigma
zeigt die Erhöhung
des Blutdruckes nach
körperlicher Arbeit
(Herumgehen, Trep¬
pensteigen) und ge¬
ringere nach psychi¬
scher Erregung, starke
Depression der Curve
zur Zeit der Verdau¬
ung, kleinere bei gei¬
stiger Anstrengung. — Systematische Untersuchungen über den
Einfluss der Muskelarbeit auf den Blutdruck haben Grebner und
Grün bäum 6 ) mit dem Gär tner’schen Tonometer angestellt. Es er¬
gab sich während der Arbeit Steigerung des Drucks, die be¬
deutend wurde bei sehr angestrengter Arbeitsleistung und bei
raschem Arbeitstempo.
Messungen an Kranken.
Dass die Ergebnisse der tonometrischen Messungen am
Kranken sehr variabel sein müssen, liegt in der Natur der Sache.
Abgesehen von den Tagesschwankungen wie bei Gesunden,
kommen doch die beiden Addenden des Blutdrucks, Herzarbeit
und Widerstände, im kranken Organismus ganz besonders in
Betracht. Ich habe zu erheben versucht, in wiefern sich die
tonometrischen Messungen praktisch verwerthen lassen.
Ich fand, dass hohe Zahlen einen wichtigen Fingerzeig
geben, dass schwere pathologische Veränderungen vorhanden
seien, welche den Blutdruck steigern. Beispiele dafür bietet
insbesondere die Arteriosklerose. Mittlere Zahlen sind schwer
verwerthbar. Dem Einwand gegenüber, dass die gebräuchliche
Pulsuntersuchung annähernd zureichende Aufschlüsse über die
Beschaffenheit des Seitendruckes gibt, kann ich in Ueberein-
stimmung mit v. Basch 0 ) auf das Bestimmteste erklären, dass
diese Annahme nicht gerechtfertigt ist. Es ist zwar im All¬
gemeinen sehr wahrscheinlich, dass man einen hohen Druck von
einem niedrigen wird unterscheiden können, über diesen Rahmen
jedoch gehen die Schätzungen nicht. Das Tonometer, wie die
anderen Apparate, liefert aber gerade bezüglich der Schwan¬
kungen bei hohem Druck wesentlich positivere Resultate. Ich
hatte wiederholt Gelegenheit mich zu überzeugen, dass die
Druckschätzungen von sehr erfahrenen Fachleuten, insbesondere
da, wo es sich um Erweiterung des Gefässgebietes handelte, sehr
häufig irrige waren. Der tastende Finger vermag eben nie ver¬
lässlich über Herzenergie, Innendruck und Arterienzustand zu
urteilen. Bekanntlich täuscht oft eine dicke, nicht rigide,
jugendliche Arterie mit guter Füllung, hohen Druck vor ( Aorten -
insufficienz, Anaemie etc.) während das Messungsresultat ganz
entgegengesetzt ist. Federn, der eine grosse Erfahrung auf
diesem Gebiete gesammelt hat, macht in seiner Arbeit über Blut¬
druck und Darmatonie auf diese Täuschungen aufmerksam.
Wieder ist es die Arteriosklerose, welche diesbezüglich leicht
irreführt. Man findet oft an den tastbaren Arterien keine
Sklerosirung> während in der Aorta hochgradiges Atherom be¬
steht. Das gerade sind die Fälle für’s Tonometer.
Jedenfalls wird also der Apparat, soweit er mit seinen re¬
lativen Zahlen verwerthbar ist, insofern von praktischer Be¬
deutung sein, als man ein Hilfsmittel in die Hand bekommt,
um einem Ueberschätzen der subjectiven Beschwerden des
Patienten aus dem Wege zu gehen. Es wird dann beispielsweise
die frühzeitig erkannte Arteriosklerose, die Nephritis, der Satur-
nismus etc. an Stelle der oft schablonenhaft diagnosticirten
Hysterie, Neurasthenie, des Magenkatarrhs u. a. treten.
(Schluss folgt)
*) Grebner und Grünbaum : Wien. med. Presse 1899,
No. 4».
•) v. Basch: Wien. med. Presse 1895, No. 15.
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Aus der Untersuchungsstation am Garnisonslazareth Würzburg.
Zur Pathologie der Miliartuberculose.
Von Assistenzarzt Dr. Georg Mayer.
Der im Folgenden geschilderte Fall von Miliartuberculose
zeigte einerseits in der Krankengeschichte, andererseits im Sec¬
tio nsbei und und bei der histologischen Li ntersuchung einige nicht
uninteressante Befunde. Die Krankheitsgeschichte ist in Kurzem
folgende:
Sebastian S., 21 Jahre alt, zugegangen am 6. Januar v. Js.,
an geringem Husten und Auswurf leidend, sowie Athemuoth bei
körperiiciien Anstrengungen, schlecht genährter, schwächlich
gebauter Alaun, Schallverkürzung 1. li. o., feinblasige Kassel-
gerausche Uber dem linken Überlappen, ziemlich kräftiger Spitzen-
stoss, schwacher, weicher Puls; an der Beugeseite des rechten
Handgelenks eine 2 cm lange blauröthliche, 3 mm breite Hautnarbe,
über der Unterlage verschieblich, handbreit darüber ein 1 '/a cm
breites, J / a cm trichterförmig in die Tiefe gehendes Gesekwürcken,
dünn weissgelbliches Secret entleerend, Abendteinperaturen um
38 ’, keine iuherkeibacillen im Auswurf. Zustand bis 18. 11.
ziemlich gleich, abendliche Temperatursteigeruugen bis 38,5 u .
18. 11. plötzlich Abends 39,1 '. aui 23. II. bei heftigem Husten
Erbrechen, 39,0". Abends Schwellung der Haut beider Unter¬
schenkel, gedunsenes Gesicht, Harnmenge 330 ccm, speciüsches
Gewicht 10^5, Ei weissgekalt l,3Proc. Gesammte Urinmenge centri-
fugirt, zeigt keine Tuberkeibacilien im Sediment. Leberwand
stumpf sich anfühleud, Milz palpabei. Im Sputum Tuberkel¬
bacillen. Augeukintergrund normal. — Blutbefund: Zahl der
weissen zu der der rothen Blutkörperchen wie 1: 720, vereinzelt
eosinophile Zellen mit a. Granulationen, hauptsächlich polynucle-
ure mit neutrophiler Körnung. 20. II. Naclnn. 4 Uhr wiederum
plötzlich heftiger Husten, Brechreiz, Beschleunigung der Athmung
auf 48, des Pulses tbis dahin zwischen 70—80) auf 108. Herz-
thatigkeit leise, regelmässig. Leber beiden Lungen reichliche,
leine Kasselgeräusche, Ternp. 37,9 u ! Harnmenge 970 ccm, kein
Eiweiss! speciüsches Gewicht 102o. Zustand nur in halbliegender
Stellung auf der linken Seite erträglich, ausserdem sofort hef¬
tigste Athemuoth. 27. II. Status id. 28. II. merkwürdiges Wohl-
beündeu trotz erhöhter Athemnotli Nachmittags, Gesicht geröthet,
Lippen bläulich, Schweiss auf der Stirne, heftiger Hustenreiz, in
dem geringen Auswurf keine Tuberkeibacilien. Herzthätigkeit
leicht unregelmässig, Zahl der Herztöne 100, Puls kaum zu fühlen
trotz Exeitantien, an der Herzspitze ein fernes, schwaches, un¬
bestimmtes Geräusch, synchron mit den Herztönen; mehrmals
Erbrechen, keine Harnabsonderung, Temperatur 37,5 ", Athmung
00. 1. All. subjectives Wohlbefinden, Harnmenge 250, speciüsches
Gewicht 1030, 1.2 Proc. Eiweiss. Ternp. 30,5, Athmung 02, syn¬
chron mit den Herztönen, feine, unbestimmte Geräusche, Herz¬
thätigkeit sehr unregelmässig, sehr leise, Puls nicht fühlbar. 2. III.
Ternp. 36,0, Harnmenge 250, speciüsches Gewicht 1028, 2 Proc.
Eiweiss, Athmung 60, starker Husten mit blutigem, geringem
Auswurf, keine Tuberkeibacilien, mehrere Durchfülle, am Herzen
deutliches Geräusch, synchron mit den schwachen, unregelmässig
lauten und unregelmüsig sich folgenden Herztönen. Die Art des
Geräusches ist bald ähnlich den blasenden, bald wieder den rei¬
benden Geräuschen. 3. III. Temp. 36,5 u , Athmung 62, keine Harn¬
absonderung, Herztöne fast vöüig verdeckt durch ein lautes, dem
reibenden ähnliches Geräusch, Wohlbefinden subjectiv bis kurz
vor dem Nacfirn. 2 Uhr plötzlich erfolgenden Exitus.
Auszug aus dem Sectionsprotokoll: Am rechten Arm, zwi¬
schen Hand- und Ellenbogengelenk unregelmässige, leicht ein-
gezogene, weisslieh strahlige, verschiebliche, kleine Narben, ausser¬
dem zwei l / a cm breite, mit weissgelblichen Krusten und schwam¬
migen Granulationen versehene seichte Geschwürcken, in ihrer
Umgebung linsengrosse, blauröthliche, leicht erhabene Fleckchen.
— Unterhautzellgewebe oedewatös durchtränkt — Lungen wenig
retrahirt, gebläht, leicht lösliche Verwachsungen mit der Pleura
costalis; 1. L., O. L.: Schnittfläche dunkelrütklich grau, schaumig¬
blutige Flüssigkeit entleerend. In der Spitze stark zerfallene
Cavemen, dazwischen Kalkeinlagerungen, Verkäsungen. Die
ganze wallnussgrosse Partie gegen die Umgebung durch eine
schmale, grauweisslicke Bindegewebszone deutlich abgegrenzt;
übrige Schnittfläche durchsetzt von zahllosen, hirsekorngrossen,
graugelblichen Knötchen. Auf der hinteren Seite eine weisslich-
strahlige, breite Einziehung, in deren Mitte eine feine, für die
Sonde eben durchgängige Oeffnung. Von der Narbe zieht sich
ein derber, weisslick rötklich gefärbter Bindegewebszug keilförmig
in die Tiefe. — U. L.: dunkelgrauroth, mit zahllosen Knötchen.
Ii. L., O. L.: hinten unten wiederum eine derbe bindegewebige
Einziehung, Schnittfläche graugelbliekrotk, Knötchen im Zerfall.
R. L., M. L.: Zahl der Knötchen geringer. K. L., U. L.: Rundliche
Kalkeinlagerung 1 cm breit auf der Pleura, Obertkeil der Schnitt¬
fläche lebhaft hellgraurotk mit massig zahlreichen Knötchen und
einer haselnussgrossen, glattwandigen, kugeligen Höhle. Unter¬
teil dunkelblauroth, fast frei von Knötchen. — Retrobronchial-
drflsen vergrössert, Durchschnitt schwarzröthlichgrau. — Im Herz¬
beutel 200 ccm hellseröse, Flüssigkeit. Herz: Gewicht 288 g, Um¬
fang am Annulus eartilagineus 26 cm, Länge von der Aortawurzel
zur Herzspitze 13 cm, Dicke des rechten Vorhofes 1 mm, des
linken 2 mm, des rechten Ventrikels im Conus 3,2 mm, des linken
8,5 mm; Epicard fettarm, stellenweise sehnig getrübt, Farbe gelb-
röthlieh, am rechten Herzen fast weissgelblichröthlich, Sulci der
Gefässe abgeflacht, Venen stark geschlängelt, rechtes Herzohr
1 *
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72
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
und die angrenzenden Vorhofpartien dunkelblauroth, hart, linkes
Ilerzohr röthliehbläulich, ebenfalls hart, beide Iierzohren fest den
Ursprung von Aorta und Pulmonalis umlagernd, die Herzhöhlen
mit Cruonuassen gefüllt; nach deren Entternung erscheint, ein
buntes Bild; das rechte Herzohr ist ausgefüllt von einem weiss-
röthiichen Thrombus, der bis zu den Forainina Thebesii herab-
reicht und an seinem Ende fein ausgezackt ist; in der Fossa ovalis
steckt ein l'/ 2 cm langer, gegen die Tricuspidalis dick und kugelig
werdender, glatter, weisser Thrombus, mit einem 2 mm dicken
Stiel. In zwei Forainina Thebesii weissliclie, runde, kleinerbsen¬
grosse Thrombeu. ln fast allen, auch den kleinsten Kecessus zwischen
den Muse, pectinati kugelige und längliche, weissröthliclie, auf der
Musculi pectinati kugelige und längliche, weissröt bliche, auf der
Oberfläche thcils fein gerippte, tbeils rhomboid gefelderte Throm¬
ben von Linsen- bis Haselnusskerngrösse. Der rechte Ventrikel
von der Spitze bis zum Ansatz der Tricuspidalis 7 cm hoch, ist
von der Spitze aufwärts in einer Höhe von 2 l /a cm ausgefüllt von
einer weisslichen, theils innen erweichten, theiis röthliclie Schich¬
tung zeigenden Thrombusmasse, über welche gerippte, weisse
Thromben, davon einer kleinkirschgross, hervorragen; ausserdem
in allen Kecessus zwischen den Fapillariuuskeln und den Trabe-
culae carneae Thromben bis Haselnussgrösse, endlich noch feinste,
kleinste in den Winkeln der Selmenfädeu der Tricuspidalis.
Das linke Herzohr ausgefüllt von einem weisslichen, innen
tlieilweise erweichten Thrombus, dessen in den Vorhof reichendes
Ende ebenfalls zackig, ln der Gegend des früheren Foramen
ovale ein grau weisser, feingerippter, 1 cm langer, an dem Mitralis¬
ende kugeliger, mit feinem Stiel dem Septum scheinbar glatt auf-
sitzender Thrombus. In der Spitze des linken Ventrikels verfilzte,
weisse Thrombenmassen, über welche andere bis haselnussgrosse
hervorrageu. i.L.i.h-n. .u ia..,«-. s.-us, lerner Kleine unter
der Ansatzstelle der Mitralis.
Das Myocard sehr schlaff, graugelblich-röthlich, namentlich
im rechten Ventrikel, theilweise mit feinsten, weissgelblichen
Pünktchen durchsetzt. Endocard, soweit sichtbar .ebenfalls gelb-
röthlich und namentlich an den Papillarmuskeln des rechten Her¬
zens mit zahlreichen, kleinsten, weissgelblicheu Fleckchen. Die
Trabekel abge flacht. Klappen: Tricuspidalis normal, Breite
2,82 cm, Pulmonalis ebenso, Breite 2,9 cm, gefensterte Halbmonde.
Aorta: Breite 2,4 cm, Halbmonde lebhaft geröthet, undurchsichtig,
zwischen dem vorderen und rechten eine röthliclie arrodirte Stelle,
zwischen dem rechten und linken eine rundliche, scharf um¬
schriebene Röthung; Mitralis: Breite 3,2 cm mit knötchenförmigen,
derben, weisslicbröthlichen Verdickungen an den Ansätzen der
Chordae tendiueae. Intima der Aorta an zahlreichen Stellen mit
feinen, weissgelblichen Streifen. Linke Coronararterie: Lumen
etwas starr, Abgang normal, Oeffnung nicht verengt, ebenso die
rechte. Lumen der Kami descendentes beider Kranzarterien
makroskopisch starrer als die übrigen Verzweigungen.
Bauchhöhle: ln den abhängigen Tlieileu mässlge, hellseröse
Flüssigkeit, Leber nach Gewicht und Volumen vergrössert. Kapsel
weisslich getrübt, Schnittfläche gelbbräunlich, scharf marmorirt.
Milz gering vergrössert, Kapsel mit zahlreichen weisslichen Trü¬
bungen, Schnittfläche braunroth, theilweiso deutliche Balkeuzeieh-
nung. Linke Niere geringe Fettkapsel, derbe Substanz, Länge
13, Breite 7, Dicke 4,5 mm, Kapsel ziemlich löslich, Oberflächen¬
farbe gelbbräunlich, lebhaft bläuliche Venenstämmchen, Rinden¬
substanz verbreitert, hervorquellend, graugelblich; M a 1 p i g h i’-
sche Pyramiden lebhaft roth. Nierenbecken oedematös, rechte
Niere Rindensubstanz noch heller, graugelblich, sonst wie links.
Kopfhöhle ohne Besonderheiten.
Bei der Untersuchung im Zupfpräparat sind die Herzmuskel¬
zellen sehr leicht abstreifbar, erfüllt mit Albuminoid-, dagegen
leer von Fetttropfen, unter Muskelflbrillen mit unkenntlichem
Kern kleine, glänzende Schollen: Amyloidreaction negativ, da¬
gegen intensive Färbung mit Saffranin. Ein Theil der Muskel¬
zellen in zwei bis drei Bruchstücke zerrissen, ein anderer mit ver¬
dünnter Essigsäure feine, hellglänzende, quer und schräg unregel¬
mässig, namentlich in der Nähe der Kerne verlaufende Linien
zeigend.
Im Oberlappen der linken Lunge wurden die Bronchien und
Gefässe bis an den Spitzenherd mit Hilfe der Lupe aufgeschnitten,
um eventuell eine Stelle zur Untersuchung auf Einbruch der
Miliartubereulose zu finden: Resultat negativ.
Ductus thoracicus, sonst leicht freizulegen, in der Höhe der
2. Rippe in mittelstarke, bindegewebige Massen eingebettet und
an dieser Stelle lebhaft geröthet. Untersuchung auf Tuberculose
in Serienschnitten war, wie ich vorausschicke, negativ.
Zur histologischen Schnittbehandlung diente die Lupusgegend
nebst einer 10 cm oberhalb jeder makroskopisch sichtbaren Ver¬
änderung gelegenen Hautpartie in Serienschnitten, ebenso die
ganze Spitzenverdichtung der linken Lunge, ferner Theile aus allen
Lappen, die Retrobronelnaldriison, Theile von Leber, Niere, Milz;
am Herzen: Aortaklappen, Mitralsegel, Gegend des Foramen ovale,
ein von der Spitze bis zum Herzohr reichender, 2 cm breiter Keil
aus jeder Herzliiilfte. der, soweit mit Thromben besetzt, voll¬
ständig in Serienschnitten, ausserdem in 3 Schnitten aus jedem
Würfel untersucht wurde.
Fixirung in Formalin, Z e n k e r’scher Lösung, Hermann’-
scher Lösung mit Holzessigbehandlung, Färbung nach Z1 e h 1,
Weigert, van G i e s o n , mit Haematoxylineosin, Saffranin,
auf Amyloid nach V i r e h o w und Birch- Hirschfeld;
Einbettung in Paraffin; Schnittaufklebung mit Wasser.
Lunge: Herd in der Spitze durch eine breite Zone zellreichen,
engmasehigeu, gefässnrmen. lungenschwarzhaltigen, in die mit
dicken, bindegewebigen Auflagerungen versehene Pleura sich fort-
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setzenden Bindegewebes gegen das übrige Gewebe deutlich in
ganzer Ausdehnung abgekapselt, einige Käseherdchen mit Riesen¬
zellen, In denen vereinzelt Tuberkelbacillen, vorgelagert und mit
breiten Bindege webskapseln versehen. Der obigen Zone folgt eine
doppelt so breite, von Bindegewebe durchzogene Lymphoidzellen-
aitHäufung mit geschrumpften Alveolen von verdickten Wan¬
dungen. Es folgen verkäste Tuberkel, ihrerseits von weitmaschigem,
keruarmeu Bindegewebe umschlossen; am Rande gegen die um¬
spinnenden Lymphoidzellenanliäufuugen zahlreiche Capillaren
mit bindegewebig verdickten Wänden. Die grösseren Gefässe
ebenfalls mit bindegewebig verdickter Adventitia; in Media und
Intima wenige Kerntheilungen und polynucleäre Leukocytenaus-
wanderungen. In den Riesenzellen einige gut gefärbte Tuberkel¬
bacillen, daneben ungefärbte, etwas dickere, lichtbrechende, sonst
gleichgross«? Gebilde. Aul diese Zone folgt ein anfangs
eng-, spater weitmaschiges, durch breite zellarme Bindegewebs-
massen abgeschlossenes Cavernensystem mit zwdschengelagerten,
verkreideten Tuberkeln, an deren Rand tuberkelbacnlennaltige
Riesenzellen. Die Gefässe mit enorm verdickter Wandung, viele
thrombosiri, namentlich in der Nahe der Cavemen. ln Letzteren
fettigkörniger Detritus, weisse Blutkörperchen, Coccen und Stäb¬
chen, keine Tuberkelbacillen, keine rothen Blutkörperchen.
Die übrigen Lungenlappen zeigen nächst der Gefässe ge¬
legene, typische Miliartuberkel in verschiedenen Verkäsungs¬
stadien, um die Riesenzellen feine Fibrinfädchen; die Epithelold-
zellenzone durchzogen von feinen Fibrinoidfasern, die, in das
Innere der Verkäsung coucentrisek einstrahlend, ein feines Netz
bilden; an der Grenze von Lymphoid- und Epithelioidzeilen zahl¬
reiche zusammeugeklumpte Tuberkelbacillenhäufchen. Meist
neben diesen Tuberkeln liegen kleine, 4—5 Alveolen mit zellreicher
dicker Wandung umfassende, pneumonische Herdchen, erfüllt
von Leukoeytenhäufclien und spärlichen Epithelioidzeilen, das
Ganze dick durchflochten von Fibrinfasern, zwischen den Zellen
zahlreiche, einzeln liegende Tuberkelbacillen. Die umgebenden
Alveolen gebläht; theil weise,, ebenfalls lobulär, mit gering ver¬
dickter, von wenigen Leukocyten durchsetzter Wandung mit
strotzend gefüllten Capillaren. Im Lumen abgestossene Epi-
thelien, weisse und rothe Blutkörperchen, Häufchen von Strepto¬
coccen.
Die glattwandige Höhle Im rechten Unterlappen war eine
sackförmige Bronehiectasie.
Haut: a) Geschwürsgegend: Theil weise ganz normales Bild
aller Schichten bis in die unterliegende Musculatur. An ziemlich
scharf begrenzt«*u Stellen und zwar fast ausschliesslich in der Um¬
gegend der Haare und der Haarbälge Veränderungen: Stratum
corneum sich verdünnend, Stratum germinativ. in immer grösseren
Zapfen zwischen die Papillen tretend, die letzteren sich stetig
vergrössernd, immer mehr von Zügen polynucleärer neutrophiler
Leukocyten und von immer mehr Capillaren durchzogen. Zu¬
nächst des Haaraustrittes liegt das Stratum germinativ. bloss,
zieht nur kurz in die Tiefe, geht über in ein von obigen Leuko¬
cyten durchsetztes, an Bindegewebszellen und Capillaren reiches
Bindegewebe, das sich in der Breite der vergrösserten PapUlen
fortsetzt bis zur Mündung des Ausführungsganges der Gl.sebaceae.
Der bindegew ebige Haarbalg sammt Haar, w r o dies erhalten, liegt
abgestossen, von Leukocyten durchsetzt in dem so entstandenen
Canal, der reichlich Strepto- und Staphylococcen enthält- In der
Gegend der meist noch gut kenntlichen Ausführungsgänge der
Talgdrüsen liegen an und in kleinen Verkäsungen Langhans'-
sehe Riesenzellen. Die Talgdrüsen untergegangen, an ihrer Stelle
typisch gebaute Tuberkel mit einzelnen Tuberkelbacillen am Rand
von Lymphoid- und Epithelioidzeilen; zahlreiche Bindegewebs¬
zellen und Fasern, sowie Capillaren ziehen bis in die Lymphoid-
zellen hinein. Abwärts vom Ausführungsgang erscheint das
gleiche Gew’ebe in gleicher Breite, wie oberhalb beschrieben, bis
zur Gegend der Haarpapille: Diese verändert zu einer unförmigen
Masse, gebildet von polynucleären Leukocyten, hauptsächlich aber
grossen, runden und polygonalen, mit Kerntheilungen versehenen
Zellen, dazwischen Bindegew r ebszüge. Kranzförmig um die Pa¬
pille gelagert, theil weise in Klümpchen liegende, Tuberkelbacillen
enthaltende Tuberkel von oben geschildertem Aussehen. Das die
erkrankten Haarbälge umgebende Gewebe durch einen breiten
Leukocytemvall geschieden und durch Bindegewebsanhäufung in
geringem Umkreis verdichtet.
Ferner setzen sich von den Haarbalgherdchen Züge der Leu¬
kocyten längs der Ilaarbalggefässchen fort, ebenso erscheinen um
dieLymphcapillaren des papillären Netzes, w r eiter um die grösseren
Lymphgefässe, die Venen des subpapillaren und cutanen Netzes,
und zw-ar dicht der theils bindegewebig verdickten, theils von
Wanderzellen durchsetzten, mit Theilungen der Endothelzellen
versehenen Wand angelagert, längliche und rundliche Leukocyten-
häufchen, manchmal unter Ihnen eine Epithelioidzelle, ganz ver¬
einzelt in einigen der grösseren Häufchen nach Z i e h 1 gefärbte
Tuberkelbacillen. An einer einzigen Stelle nun und zwar an einer
unter einer normalen Gl and. sudoripara entlang ziehenden mitt¬
leren Vene des cutanen Netzes (im Schnitt schräg getroffen)
greift ein Häufchen auf die Venenwand über;
an der Übrigen Wand das gleiche Bild wie sonst, nur grössere
Massen von Wanderzellen, zwei Drittel der Wand aber sind In
eine dichte Anhäufung einer sich durch die Wand fortsetzenden,
sowohl auserhalb wie im Innern einen Epithelioidzellenherd ent¬
haltenden Anhäufung von Lymphoidzellen umgewandelt Diese
Anhäufung steht im Lumen der Vene in Verbindung mit einem
kleinen, centripetal gerichteten Zellpolypen mit verdicktem Ende,
in w’elclr letzterem zwar die (mit Carmin) gut gefärbten Kerne,
nicht mehr aber (bei van Gieson) das Zellprotoplasma sicht¬
bar war. In der Gegend des Herdes das Endothel theil weise
abgehoben, mit fibrinösen Auflagerungen, die Zellen nekrotisch, ihr
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
lü. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
73
Kernrand (mit Saffraniu) intensiv gefärbte, halbwoiidartige Stellen
enthaltend. In dem Epithelioidherd ausserhalb der Venenwand
in einem Schnitt 2' Häufchen von Tuberkelbacillen (Z i e h 1).
b) Hautstück an der Vereinigung der V. medianae und
■cephalicae: Epidermis und Corium bis zum Str. reticulare normal,
ln letzterem an den Venen und nachstgelegeneu grosseren Lyrnpli-
gefässen des cutanen .Netzes massige Anhäufung von Leukocyteu
unregelmässig längs der Wand; an einer Stelle neben einem
Lymphgefass eine vollständig kreisrunde dichtere Anhäufung,
umgeben von einer dünnen .Lage zellarnien Bindegewebes. An
einer weiteren Stelle, zwischen einer V. mediana und einem unter
ihr gelegenen grosseren Lymphgefässe lindet sich eine durch
3 zusammenhängende typische, nicht verkäste Tuberkel gebildete,
m der Nahe einer Biesenzelle tuberkelhaciilenhaltige, von einem
breiten Leukocyteuwall umschlossene .Neubildung.
Herz: a) Linker Ventrikel: Epicard mit wenig Fetttropfen,
vereinzelt kleine Anhäufungen von Wauderzellen dicht unter dem
Epithel; Muskellibrillen zum grossen Tlieil gut quergestreift,
gteichiuässige Kernform, gut gezeichneter Kernbau, Perimysium
irei von Zellanhiiufungeu. Partienweise, und zwar mehr in den
transversal und den inneren, longitudinal gerichteten Muskel¬
fasern, erscheinen verschieden grosse Fibrilleiitlieile, namentlich
oft nur das Sarkoplasma U>ei den Haemato.xylinfärbungeni, un¬
gefärbt, hellgelb, Querstreifung verwischt, gefärbte Panien ver¬
schmälert, zugespitzt oder auch in der Mitte aufgebauclit; es treten
mit Saffraniu bezw. Säurefuchsin färbbare, hellglänzende, kern¬
grosse Massen neben dem Kerne, ebenso runde und längliche,
entlang der Fibrillen liegend, auf; Kernleib eigenthiimlich zackig,
mit tiefen Einschnitten, intensiver Kandfarbung oder auch
Chromutiu klumpig in der Mitte verdichtet; die nächstgelegeueii,
nur blassgefärbten, grossen Tlieils verschmälerten Fibrillen haben
reichliche, Längsstreifung vortäuschende, mit Osmium nicht ge¬
schwärzte, licht brechende Körnchen im Sarkoplasma, wie in den
Fibriilenbiattern. In den geschilderten Herden, sowie in kurzer
Entfernung davon, verlaufen durch die Muskelfasern fein ge¬
zackte Limen, die ihnen zunächst liegenden Fibrilleiitlieile un¬
gefärbt; andere Fasern in Stücke zerfallen, au einigen Hervor¬
treten der Kittlinieu. Wiederum diesen Partien entspricht am
Endocard Vermehrung der Endothelzellen, zahlreiche Theiluugs-
tiguren, stärkere Capillarfüllung, ferner in das Stratum der
elastischen Fasern erfolgte Einwanderung von Leukocyteu, die
sieh in kurzen Zügen in die nächsten Perimysieu fortsetzen; end¬
lich entsprechen den Endocard Wucherungen an den Thromben die
Haftstellen, welch' letztere ausserdem gewöhnlich nicht au den
tiefsten Stellen der Trabekelwinkel sind: die Thromben bestehen
aus (mit Haematoxyliii oder Saftrauin) leicht diffus gefärbten,
faserigen und körnigen Massen, denen Herde von mehr oder
weniger gut erhaltenen, weissen und rotheu Blutkörperchen und
von Blutfarbstoff eiugelagert sind; am Bande der Thromben
ziehen stärker gefärbte Fibrinfaserzüge, ihnen folgt eine ziemlich
regelmässige Leukoeytenschiclit, ihrerseits von feinfaserigen
Fibrinzügen bedeckt; au den Haftstellen nun ist grösstentheils
Endothel und Thrombus durch dichte Fibrinzüge getrennt. Stellen¬
weise werden aber letztere durch keilförmig sich vordräugende
Züge von Leukocyteu, untermischt mit länglichen Zellen mit
langen, scharf tlugirtcu Kernen, durchbrochen, während an den
gleichen Stellen Fibrinfasern in das Thrombusinnere ausstrahlen
und die Thrombusmassen auseinander gedrängt erscheinen.
b) Linker Vorhof: Wand Veränderungen geringgradig stärker,
Thromben fast rein weiss, Beziehungen zur Herzwaud wie oben,
namentlich auch die des grosseu Thrombus im Herzohr, desseu
Haftstelleu hauptsächlich iu der Gegend der Oeffuuug in den
Vorhof liegen.
c) Beehter Vorhof: Epicard wie links, Muskeltibrillen in
grösster Unordnung, vielfach zerbrochen, dabei gequollen, an
zahlreichen Stellen kleine Anhäufungen rother Blutkörperchen;
Kerne entweder mit Haematoxylin und Karmin ungefärbt, bei Be¬
handlung nach II e r m a u n mit feinsten rotlien Körnchen er¬
füllt, theilweise nur schwärzliches Gerüst zeigend, oder au Stelle
-der Kerne saplirauophile, klumpige, unregelmässige Körner. Es
durchsetzen iu Zügen und Schollen die meisten Muskelfibrillen
/eine glänzende Massen, nur mit Saffraniu und wenig mit Säure¬
fuchsin färbbar, quer getroffene Fibrillen sind oft wie von einem
feinen Bing umschlossen, von dem aus kurze Fortsätze in die
Fibrillen gehen. Eine Differeucirung von Sarkoplasma lind
Fibrillen blättern ist nicht mehr sichtbar, dagegen liegen auch,
dem erstereu entsprechend, sowie um die Keragegend, die be¬
schriebenen glänzenden Massen in kleineren Streifen und
Körnern. Interfibrilläre Capillaren bedeutend erweitert, nament¬
lich in der Gegend von Venen mit gemischten Thromben, Endocard
lu grosser Ausdehnung, namentlich im Herzohr abgestossen,
nnderorts Endotbelzellen gequollen mit pykuotiselien Kernen. Die
Thromben, speciell der im Herzohr, durch geringe Fibrinlagen
mit den Endocardresten verbunden, enthalten grosse Klumpen von
rotheu Blutkörperchen, bestehen im Uebrigen aus gleichmässigen
feinkörnigen Massen, dicht durchsetzt von verschieden gut er¬
haltenen Leukocyteu, nirgends Orgauisationsersclieinungen.
d) Gegend des Foramen ovale: Die hier beiderseits auf sitzen¬
den rein weissen Thromben durch reichliche Fibrinfasern mit dem
Endothel verklebt, an diesem wenige Kemtheilungs- und Zell¬
vermehrungsvorgänge. Thrombus im linken Vorhof haftet in
einer trichterförmigen Einziehung, Endocard hier durch Binde-
gewebseinlagerungen erheblich verdickt. Kerne der Muskel-
flbrillen dicht zusammengedrängt, Veränderungen der Fibrillen
etwas stärker wie am linken Vorhof, kleine, interflbrillär gelegene
Leukocytenherdchen kommen hinzu.
e) Mitralklappe: Die knötchenförmigen Verdickungen bedingt
durch reichliche Einlagerung von Bindegewebszügen, Epithellage
No 3.
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Gck igle
allenthalben gering verdickt, die kleinen Thrombusmassen durch
Fibriufäden angeklebt.
f) Aortakinppen: Die Bindegewebsseliicbt reichlich durch¬
setzt von zusammenliegenden Zügen von Bindegewebszellen; am
Endothel kleine Verluste mit entsprechender Leukoeyten-
auluiutuug; die Bütliuug au der Berühruugsstelle zweier Klappen
entspricht einem etwas grösseren Endotheldefect mit Leukocyieu-
auhuufung in der Umgebung und Kry stall nadeln und körnigem
Detritus am Grunde.
h) Beeilter Ventrikel: Die Veränderungen sind geringer wie
am rechten Vorliof, erscheinen herdweise und geben sehr deut¬
liche, fast schematische Bilder: die Muskeltibrilleu zum Theil
normal, namentlich in der Gegend des Auuulus, weiter gegen die
Spitze alhumiuoide Körnung, Chromatiuumlageriiugen der Kerne;
nächst der Spitze, im Bereich des Bamus desceudens, nament¬
lich die Trabekel betreffende eigenthümlicbe llerdchen: die Kör¬
nung verwandelt sich am Bande der letzteren iu feinste, die
Fibrillenblätter auseinander drängende Streifen, der Band der
Fibrillen tritt durch stärkere Färbung wie eine Membran hervor,
das Sarkoplasma hebt sich deutlich als heller gekörnte Masse ab.
Weiter werden die Streifen breiter, die Fibrillenblätter mehr aus¬
einander gedrängt, die Fasern sind am Ende auf gebaucht und
gehen in wurzeliormig auseinander tretende Fäden über. Die
hellbläuliehen Fibrillenblätter treten gegen die gelbe Zwischen¬
substanz (Haematoxylin-Eosin) immer mehr zurück, sind zuerst
noch als dicklädiges, später als ganz feines Netz vorhanden, der
Band der Muskel!asern intensiv blau gefärbt. Das Netzwerk ver¬
schwindet dann, die Fasern erscheinen bei schwacher Vergrösse-
rung homogen gelb, mit blauem Baud, bei Oe. J. dagegen sind sie
aus kleinen, unregelmässigen Schollen zusammengesetzt, denen
einzelne, noch starker licht brechende eingelagert; weiter ver¬
schwindet auch der blaue Band, die Schollen bleiben als helle,
nur mit Blende sichtbare Massen. Auf Querschnitten erscheinen
die Fibrilleuründer mit Zunahme der Scholleuanhäufung immer
unregelmässiger, die Fibrillenblätter zuletzt als feines Netz. Auch
am Sarkoplasma werden die Körner allmählich zu Schollen, zuerst
in der Nähe der Kerne, die helle Substanz desselben differeneirt
sich immer weniger, ist beim Auftreten des dickfädigen Netzes
nicht mehr zu erkennen. Die Kerne sind iu den gekörnten Fasern
zunächst laug gestreckt, die Membran getüpfelt, das Chroma¬
tin wie bei Kerntheilung, iu 2 rundlichen Massen. In anderen
Fasern liegen 2 längliche Kerne dicht aneinander. Bei Beginn der
Fibruienbiätterstreifuug ist die Kernwand dickblau punktirt,
weiter das Innere fast homogen hellblau, es erscheinen im Innern
dickblaue Chromatiupunkte, zwischen diesen zur Zeit der Blätter-
auffaserung, glänzende Pünktchen, letztere werden im dicken
Netz zu Schollen, die Ohrornatinmassen erscheinen als breite
Leisten um dieselben, die Kemmembran ist verbreitert und
weniger gefärbt. Im feinen Netz liegt das Chromatin, in 2—3
klumpigen, kleinen Massen, eingebettet in glänzende Schollen.
Nach Verschwinden des Netzes ist das Chromatiu als feines Faden¬
werk zwischen den Kernschollen sichtbar. Nach Verschwinden
des blaugefärbten Fibrillenrandes sieht man noch die Kern¬
membran, später auch diese nicht mehr, die Kerngegend ist nur
noch bei enger Blende und Oe. J. als stärkerer Schatten zu er¬
kennen. Die quergetroffeueu Kerue zeigen die gleichen Bilder.
In der Gegend der Herde sind die Venen mit homogenen, glasigen
Thromben erfüllt, denen einige schlecht erhaltene, weisse Blut¬
körperchen eiugelagert sind. In den zugehörigen Capillaren und
auch Arterien liegen die rotlien Blutkörperchen, untermischt mit
spärlichen weissen, dicht zusammengepresst. Die Musculatur der
Arterien, namentlich die ringförmigen Fasern, zeigen genau die
gleichen Veränderungen, wie die Herzmuskelfibrilleu; in der In¬
tima einige Wauderzellen, die Kerne mit klumpigen, grossen
Chromatinmassen. Die Fragmeutirung ist im ganzen rechten
Ventrikel auffallend gering und daun fast nur an den Albuminoid-
körnclien enthaltenden Fibrillen vorhanden; im interfibrillären
Bindegewebe zahlreiche, grosse Zellen, namentlich am Bande
obiger Herde, erfüllt mit Saffrauinkörnchen und einen polygonalen
Kern enthaltend, dessen Membran mit Gentianaviolettkörnchen
punktirt; ferner am Bande der Herde und auch der Fibrillen zahl¬
reiche Bindegewebszellen; nirgends Leukocyteu. Die Thromben
sind an den Trabekelu mit obigen Veränderungen bei schwacher
Vergrösserung scheinbar homogen glasig, bei starker ebenfalls aus
kleinen Schollen zusammengesetzt, dabei gehen sie au den Haft¬
stellen, denen das Endocard gänzlich fehlt, scheinbar direct in
die glasigen Gewebstrümmer über; im Uebrigen gehören sie zu
den gemischten, enthalten den Blutfarbstoff hauptsächlich in
Haematoidinkrystallform; au den Ventrikeltheilen mit annähernd
normaler Muskulatur ist das Endocard theilweise erheblich ver¬
breitert, das Stratum der bindegewebigen und elastischen Fasern
mit Leukocytenzügen durchsetzt, die sich iu das iuterfibrilläre
Bindegewebe fortsetzen, die Endothelzellen mit zahlreichen Ivern-
spindeln, zwischen ihnen kleine Häufchen von Leukocyteu und
grosse Zellen mit langgestreckten Kernen, die schon iu der Binde-
gewebssehiclit erscheinen; aus den geuanuten Zellformen be¬
stehende Massen erheben sich zapfenartig und dringen, wo Throm¬
ben haften, in diese, wobei die Bindegewebszellen sich in Zügen
ordnen, an anderen Stellen in feine spitzige Fasern übergehen,
wieder an anderen der Abgang dieser Fasern leicht ausgehöhlt er¬
scheint; die Fasern sind miteinander durch Verzweigungen ver¬
bunden und enthalten in ihrem Verlauf langgestreckte Zellen;
wo die Bindegewebszellen erscheinen, sind sie begleitet von gut
erhaltenen Leukocyteu; diese Vorgänge treten hauptsächlich am
Rande der Thromben auf, gleichgiltig, ob die Haftstelle die Spitze
oder die Breitseite des Thrombus betrifft; eine schmale Schicht am
äussersten Rand des Thrombus aber nimmt, entfernter von den
Haftstellen, wiederum nicht theil. Tiefer lm Thrombuslnnem
I findet man nur einzelne Bindegewebszellen. — Die mehrfach ge>
Original from 2
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
74
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
schilderte, glänzende Substanz wird bei Saffranin hellroth, bei
Säurefuchsin hellpurpurroth. bei Haematoxylineosin gelb, bei
Weigert leicht bläulich, bei Carrain nicht, bei Fuchsingeutiana-
violett tiefdunkelroth gefärbt. Die Färbung nach Z i e h 1 ergab
in allen Herztheilen keine Tuberkelbacillen. Die Färbung auf
Amyloid nach Birch- Hirschfeld war stets negativ.
Leber: erweiterte, strotzend gefüllte Läppclieneapillaren. ln
den Zellkernen oft unförmige Chromatinmassen, im Protoplasma
reichlich braune Pigmentkürnchen, ebensolche um die Central¬
venen und zwischen den Leberzellen.
Milz: venöse Bluträume erweitert, Pulpa dicht von Erythro-
cyten erfüllt, Trabekel theilweise schon bindegewebig verdickt.
Niere: alle Blutgefässe prall gefüllt, in einzelnen Gloraeruli
das Epithel abgestossen, dazu Blutaustritte; in den gewundenen
Harncaniilchen die Epitlielien stellenweise mit ungefärbten, nur
noch chromatische Gerüstzeichnung aufweisenden Kernen, Proto¬
plasma in oberflächlicher Abstossung, Anordnung der Altman n’-
schen Granula gestört, zwischen den Epithelzellen Anhäufungen
bräunlichen Pigmentes, im Lumen der Canälchen glänzende, mit
abgestossenen Epithelien untermischte Cylinder.
(Schluss folgt.)
Die Behandlung der Neurasthenie.
Von Dr. Otto Dornblüth, Nervenarzt in Rostock.
Mehr noch als andere Krankheiten erfordert die Neur-
astenie das Eingehen auf den einzelnen Fall, die Behandlung des
Kranken als Mensch. Dazu gehört vor Allem, dass der Arzt dem
Kranken menschlich näher tritt. Das im Gedränge der Kassen¬
praxis oft genug zum Schema werdende Verfahren, durch kurze
Frage und Antwort auf eine annähernde Diagnose zu kommen
und diese schnell durch Untersuchung zu sichern, ist gegenüber
dem Neurastheniker nicht angebracht. Hier kommt es zunächst
darauf an, dass der Kranke Zeit und Ruhe hat, sich auszu¬
sprechen; er muss behaglich und breit erzählen können. Das gibt
ihm eine gewisse Erleichterung, und zugleich verschafft es dem
Arzte den unentbehrlichen Einblick in das „Milieu“, dem der
Kranke und oft auch die Krankheit entstammt. Ueber einer
solchen Aussprache kann freilich leicht eine halbe Stunde oder
auch mehrere solche vergehen, aber die Zeit ist nicht verloren,
weder für den Kranken noch für den Arzt, denn sie wird in der
Behandlung wieder eingebracht. Am besten lässt man den
Kranken zunächst erzählen, was ihn augenblicklich bedrückt;
man erleichtert ihm durch kleine Zwischenfragen die Voll¬
ständigkeit des Berichtes und geht dann allmählich auf die Vor¬
geschichte, auf seine Entwicklung von der Kindheit her ein.
Zum Schluss kann man durch Befragen die erbliche nervöse Ver¬
anlagung feststellen, aber mit Vorsicht, denn die Kranken stehen
durch die Mittheilungen der neueren Literatur ohnehin meist
sehr unter dem Banne tragischer Vorstellungen in dieser Rich¬
tung, und man hat oft Mühe, schwer hypochondrische Vorstel¬
lungen solcher Art zu beseitigen, die durch unvorsichtige ärzt¬
liche Fragen angeregt worden sind. In Wirklichkeit bedeutet
bei reiner Neurasthenie die nervöse Belastung, wenn sie
nicht übermässig schwer ist, gar nichts Ungünstiges, vielmehr er¬
klärt sie oft nur, wesshalb verhältnissmässig geringe Ursachen zu
neurasthenischen Erscheinungen geführt haben.
Ist so die Anamnese vollkommen erhoben, so schreitet
man zur Untersuchung. Wie die Haut und die sichtbaren
Schleimhäute gefärbt sind, ob die Pupillen besonderes bieten, ob
die Nase frei ist, ob Mund und Rachen krankhafte Erscheinungen
aufweisen, ob Drüsenschwellungen am Halse oder an den Ellen¬
bogen vorliegen, ob das Herz für Percussion und Auscultation
normal ist und ob der Leib aufgetrieben und der Darm überfüllt
ist, endlich ob die Patellarreflexe normal sind, sollte in jedem
Falle festgestellt werden, denn damit schützt man sich vor Irr-
thümem in der Diagnose und in den Verordnungen. Eine Geni¬
taluntersuchung sollte nur vorgenommen werden, wenn besondere
Erscheinungen (namentlich erheblichere Menstruationsstörungen)
darauf hinweisen, dann soll man sie aber nicht unterlassen. Im
Allgemeinen wünscht auch der Kranke eine vernünftige Unter¬
suchung; er sieht daran, dass der Arzt die Sache ernst nimmt,
und wird über mancherlei hypochondrische Vorstellungen hin¬
weggebracht, so dass in mancher Hinsicht auch die Untersuchung
einen Theil der Behandlung darstellt. Wo der Verdacht auf
Chlorose oder Anämie vorliegt, ohne dass die gewöhnliche Unter¬
suchung einen sicheren Aufschluss gibt, ist die Untersuchung des
Blutes mit dem Mikroskop und mit dem Gowers-Sahli-
schen Haemoglobinometer zur Entscheidung heranzuziehen.
□ igitized by Google
Der Praktiker wird vielleicht einwenden, dass diese Vor¬
schriften dem Arzte zu viel Zeit kosten, wenn es sich doch nur
um ein functionelles Leiden handelt, das keine Gefahr für den
Kranken mit sich bringt. Ich kann diesen Standpunkt nicht für
richtig halten; übernimmt der Arzt die Behandlung eines
Kranken, so muss er ihm alle Sorgfalt zuwenden, einerlei, oh
das Leiden seiner Meinung nach ernst oder unbedeutend ist. Der
Kranke hat das berechtigte Verlangen, von seinen Beschwerden
befreit zu werden, und wenn die Neurasthenie für gewöhnlich
auch keine gefährliche Krankheit ist, so kann sie doch dem
Kranken sein Leben sehr schwer und seinen Beruf unerträglich
machen. Jedenfalls erwächst dem Arzt, wenn er ein Mann der
Wissenschaft und kein Gewerbetreibender sein will, die heilige
Pflicht, wenn er selbst nicht Zeit oder Lust zu sorgfältiger Be¬
handlung solcher Kranken hat, sie rechtzeitig einem Special¬
arzte zuzuweisen. In dieser Hinsicht stellt es augenblicklich
überall in Deutschland, wie ich aus eigener Erfahrung und von
zahlreichen Fachgenossen weiss, noch sehr traurig. Kaum
10 Proc. der Neurasthenischen, die zum Specialarzt kommen,
sind von ihrem Hausarzte dazu veranlasst; von den übrigen
90 Proc. ist vielleicht ein Drittel vom Hausärzte ernst genommen
und einer Behandlung (leider oft nicht einer sachgemässen)
unterzogen, der Rest ist mit der Versicherung abgesteuert
worden, dass die Krankheit nur nervös sei, dass damit nichts zu
machen sei oder doch nichts gemacht zu werden brauche. Kein
Wunder, dass darauf hin Tausende den Naturheilkünstlern, Heil-
magnetiseuren u. s. w. in die Hände fallen. Wenn man sich die
Mühe nimmt, von solchen Patienten, die vorher in der Cur von
Pfuschern gewesen waren, herauszubringen, wie sie dazu gekom¬
men waren, so ergiebt sich in den meisten Fällen der für den
Aerztestand lief betrübende Thatbestand, dass der Patient zum
Curpfuscher gegangen war, weil ihn der Arzt in der angegebenen
Weise im Stich gelassen und dabei auch versäumt hatte, ihm
etwa den Weg zu einem Specialarzte zu weisen. Professor
Rubner hat in seinem bekannten Vortrage die Meinung aus¬
gesprochen, die Curpfuscherei sei dadurch gefördert worden,
dass das Publikum sich zu sehr an die Befragung von Special¬
ärzten gewöhnt habe. In Wirklichkeit liegt die Sache anders.
Viele Aerzte haben eine ganz unüberwindliche Abneigung gegen
Specialärzte und suchen ihre Kranken auch da, wo ihre eigene
Kenntniss nicht ausreicht, von deren Befragung zurückzuhalten;
der Patient geht dann um so eher zum Curpfuscher, weil er sich
hier vor Verrath an den Hausarzt um so sicherer fühlt. Es ist
nicht angenehm, diese Dinge zu berühren, weil dabei zu leicht
Missdeutungen hervorgerufen werden; ich weiss aber durch
Mittheilungen von Specialfachgenossen, dass diese Verhältnissse
in ganz Deutschland ziemlich gleich sind und wirklich einen
Krebsschaden für den deutschen Aerztestand bedeuten.
Also nach gründlicher Vernehmung des Kranken eine hin¬
reichende gründliche Untersuchung; daran schliesse ich dann
eine vernünftige Belehrung über die Art und Bedeutung der
Krankheit und eine ausführliche, genaue Verordnung. Man
muss bei der Belehrung, wie immer, wenn man ärztliche Dinge
mit Laien bespricht, nichts bringen, was sie nicht verstehen oder
was sie missverstehen können; man muss vermeiden, sie durch
das Gesagte zu beunruhigen, aber man soll sie auch nicht allzu
leicht davon kommen lassen, weil sie dann die Verordnungen un¬
genau befolgen und sich wahrscheinlich nur das davon heraus¬
suchen, was ihnen bequem und einleuchtend erscheint. Bei der
grossen Neigung der Neurasthenischen, mit Leidensgenossen
über ihre Krankheit zu sprechen und therapeutische Erfahr¬
ungen auszutauschen, thut man gut, jedesmal, wenigstens bei
allen eingreifenderen Verordnungen, zu sagen, dass die Verord¬
nung nur für den vorliegenden Fall gelte u. s. w. Sonst kann
man es bald erleben, sich als den Urheber der einseitigsten Ur-
tlieile citirt zu sehen.
Bei der eigentlichen Behandlung der Neurasthe¬
nie muss man einen gewissen Unterschied machen zwischen den
acuten neurasthenischen Zuständen, wo die reizbare Schwäche,
die Erschöpfung des Nervensystems im Vordergründe steht, und
den chronischen Zuständen. Die an letzterer Form Leiden¬
den pflegen allerdings auch, wenigstens zunächst, während einer
vorübergehenden V erschlimmerung zum Arzte zu kom¬
men, und dann steht ihr Zustand, was die Behandlung anlangt,
der acuten Neurasthenie gleich. Bei der acuten Krankheit wie
bei der vorübergehenden Verschlimmerung heisst das erste Gebot
der Behandlung Ruhe. Man glaubt gar nicht, wie sinnlos hier-
Qriginal fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
75
gegen gefehlt wird. Der Kranke, dessen Nervensystem durch
geistige Ueberarbeitung, Gemüt hsbewegungen, Nachtwachen,
Alkoholmissbrauch u. s. w. geschwächt oder zerrüttet ist, soll nun
in ausgedehnten Spaziergängen und körperlichen Hebungen Ab¬
lenkung und Erholung finden. Die Ablenkung tritt ja in
leichteren Fällen ein, aber die wirkliche Erholung wird vereitelt,
liier ist der Punkt, woran so manche Cur einer Neurasthenie
scheitert. Das verdient besondere Beachtung zu einer Zeit,
wo die Errichtung eigener Arbeitscuranstalten für Nerven¬
schwäche bei den weniger Eingeweihten leicht den Glauben er¬
weckt, dass nun das Allheilmittel gefunden sei. Wir werden
später sehen, für welche Fälle die Arbeit das Heilmittel bildet.
Für die acuten Zustände, einerlei, ob sie dem Beginn der Krank¬
heit oder einer Schwankung im Befinden angehören, ist die Ruhe
das einzig richtige und zwar am besten die B e t t r u h e. Es ist
geradezu überraschend, wie schnell oft schwere nervöse Magen¬
störungen, völlige Schlaflosigkeit, quälende Angst zustande,
Schwindel und Kopfdruck der einfachen Bettruhe weichen. Von
dem Grade der reizbaren Schwäche hängt es ab, wie lange die
Bettbehandlung andauern muss; sie kann von 8 Tagen bis zu
6 Wochen ausgedehnt werden. Längere Zeit wird nur in ganz
besonderen Fällen angezeigt sein, im Allgemeinen kommt dann
eine Zeit, wo weniger die schonende Wirkung der körperlichen
Ruhe als ein erschlaffender Einfluss bemerkbar wird, und der
muss natürlich unter allen Umständen vermieden werden. In
leichteren Fällen hält es schon aus äusseren Gründen oft schwer,
die Kranken zur Bet truhe zu überreden, obwohl die Wirkung auch
i ier gewöhnlich sehr glänzend ist. Man verordnet dann wenig¬
stens, dass der Kranke alle freie Zeit dazu benutzt, sich flach hin¬
zulegen, und seien es nur 5 oder 10 Minuten mehrmals am Tage.
Gerade in den leichteren Fällen der Neurasthenie, z. B. bei der
einfachen Ueberarbeitung, tritt so oft eine nervöse Rastlosigkeit
hervor, die den schwächenden Einfluss des mangelhaften Schlafes
in sehr unerwünschter Weise steigert ; die Kranken verrichten
alle ihre Arbeit mit unruhiger Hast, eilen von einem Geschäft
zum anderen, rennen in der Zwischenzeit ohne rechten Zweck im
Zimmer oder auf der Strasse umher und sind schliesslich selbst
höchst erleichtert, wenn der Arzt sie auf das Verkehrte dieses
Verhaltens aufmerksam macht. Haben solche Kranke, die ihren
Beruf fortsetzen müssen, so wenig Zeit, dass ihnen nur die Wahl
bleibt, entweder auf die eingeschobenen Liegepausen oder auf den
täglichen Spaziergang zu verzichten, so rathe ich regelmässig,
den Spaziergang fahren zu lassen, und ich bin mit den Erfolgen
sehr zufrieden. Um so eher kommt die Zeit, wo die Körper¬
bewegung im Freien Nutzen schafft. Nur die Erfahrung kann
natürlich den richtigen Zeitpunkt erfassen lehren. Meist geht
es so, dass der Kranke, der sich zunächst etwas ablehnend und
widerwillig in die Verordnung möglichster Ruhe oder in das
Bettliegen gefügt hat, nach einigen Tagen den guten Erfolg
deutlich wahrnimmt und nun gar nicht mehr an’s Aufstehen
denkt; sobald aber die Wirkung genügend ist, kommt ganz von
selbst wieder das Verlangen, aufzustehen. Im Volke findet man
vielfach die Meinung, dass „das Bett zehrt“. In Wirklichkeit
ist das da, wo Ruhebedürfniss besteht, nicht der Fall. Nach
längerem Liegen erfordert das Wiederauf sein natürlich eine ge¬
wisse Gewöhnung, das Aufstehen verursacht, dann Anfangs etwas
Schwindelgefühl u. dgl., worauf natürlich Rücksicht genommen
werden muss, aber schon beim zweiten und dritten Versuch treten
die guten Erfolge hervor. Die Bettruhe begünstigt ja den
Schlaf, die psychische Ruhe und meist auch die Nahrungsauf¬
nahme, es ist daher selbstverständlich, dass die Kräfte wachsen
müssen. Oft ist die Gewichtszunahme sehr beträchtlich. Bei
der bekannten Mastcur ist, wie ich durch vergleichende Beobach¬
tungen gefunden habe, die geistige und körperliche Ruhe bei
Weitem das wichtigste Moment, die Menge der zugeführten
Nahrung thut lange nicht so viel!
Für die psychische Ruhe ist es nicht unwesentlich, dass der
Kranke den Einwirkungen des Verkehrs entzogen wird. Die
Einsamkeit ist in den acuten Zuständen der Neurasthenie etwas
sehr Günstiges für den Kranken. Hütet er das Bett, so ist sie
am leichtesten durchzuführen, aber auch sonst kann man durch
nachdrücklichen Hinweis vielfach von dem unglücklichen Miss¬
griff abhalten, dass der Kranke durch Besuche und Verkehr zer¬
streut, abgelenkt werden müsse. Gerade die Neigung zum
Grübeln, die der Laie nothwendig mit Ablenkung und Be¬
schäftigung bekämpfen zu sollen glaubt, weicht der völligen gei¬
stigen und körperlichen Ruhe des Krankenzimmers am besten.
Erst wenn richtige Ruhe eingetreten und die Widerstandsfähig¬
keit wieder genügend geworden ist, darf an Verkehr wieder ge¬
dacht werden.
Neben der Ruhe ist die Diät von grosser Wichtigkeit. Man
könnte sich kurz darüber fassen, wenn die Regeln einer normalen
Ernährung schon Allen in Fleisch und Blut übergegangen wären,
denn im Wesentlichen bedarf der Neurastheniselie nur einer
normalen Ernährung. Ich verstehe darunter fünf Tages -
mahlzeiten, die je durch 2 l / 2 —3 ständige Pausen getrennt sind.
Ich erlaube Kaffee und Thee und alle nicht übermässig schwer
verdaulichen Speisen, verbiete aber ein für allemal die alkoho¬
lischen Getränke, denn es ist sicher, dass sie dem Neur-
astheiiischen nur das trügerische Gefühl einer Erleichterung be¬
reiten, aber stets eine Erschlaffung hinterlassen und die Er¬
hol u n g s f ü h i g k e i t des Nervensystems schädi¬
gen, die ja ohnehin darniederliegt. Eine solche normale Kost
lasse ich auch den Neurastheniker mit nervöser Dyspepsie inne¬
halten, seit ich gesehen habe, dass solche Kranke, denen die raffi-
liirtesten Vorschriften der Magenärzte keinerlei Nutzen gebracht
hatten, nachher unter Ruhe und rationeller Allgemeinbehand¬
lung die normale Kost vortrefflich vertragen und ausnutzen.
Nur bei höchster Reizbarkeit des Magens, die sich in heftigen
Schmerzen nach dem Essen und in Erbrechen äussert, beginne
ich mit einer Kost, wie sie sonst in der Behandlung des Magen¬
geschwür üblich ist; oft genügt es auch, wenn man alle andert¬
halb Stunden abwechselnd feste und flüssige Kost verabreicht.
Diese Trennung der festen und flüssigen Mahlzeiten wirkt auf
den reizbaren Magen oft ganz überraschend gut (zum Theil ge¬
wiss auf suggestivem Wege). Im Allgemeinen ist Ruhe nach den
grösseren Mahlzeiten werthvoll; manche kräftigeren Kranken
kommen übrigens besser über die vibrirenden und sonstigen Em¬
pfindungen in der Magengegend hinweg, wenn sie sich unter¬
halten können. Ein grosser Theil der Magenbeschwerden bei
Neurasthenie hängt von ungenügender Darmentleerung ab und
verschwindet, wenn man durch geeignete Diät u. s. w. diese be¬
seitigt.
In dritter Linie stehen die Heilwirkungen der Hydro¬
therapie. So mannigfach sich diese gerade unter den viel¬
fältigen Anforderungen der neurasthenisehen Zustände ab¬
stufen und verändern lassen, so einfach kann sich der Praktiker
darin zurecht finden, wenn er die Besonderheiten, die „Speeiali-
täten“, den Anstalten überlässt und sich selbst nur auf die An¬
wendungen beschränkt, die in der Praxis leicht durchführbar sind.
Ich glaube, dass man hier immer mit dem Priessnitz’schen
Leibumschlag, dem Ha 1 bbad und der nassen Ab¬
klatschung auskommen wird. Man muss nur nicht, wie es
leider immer noch geschieht, diese Anwendungen sämmtlich für
gleichbedeutend halten, und man muss vor Allem genaue Vor¬
schriften dafür geben, wenn man bestimmte Wirkungen erzielen
will. Ich lasse beim Priessnitz’schen Umschlag das Lein¬
tuch in stubenwarmes Wasser (ca. 12° R.) einweichen, gut aus¬
ringen und rings um den Leib legen. Die Patienten haben oft die
Neigung, das Wasser wärmer zu nehmen, aber damit fällt gerade
der anfängliche Schock fort, der zu einem guteu Theil die er¬
wünschte Wärmereaction bedingt. Darauf muss man also be¬
sonders hinweisen. Uebcr das Leintuch kommt dann ein Um¬
schlag von trockenem Flanell, der mit Sicherheitsnadeln oder
Bändern gut befestigt werden muss. Das Ganze bleibt bis zum
anderen Morgen liegen; bei Bettruhe kann man den Tag über
einen Morgens erneuten Umschlag anlegen. Der Priess¬
nit z’sche Umschlag in dieser Form wirkt beruhigend, man
könnte sagen, als mildeste Form der allgemeinen Wasserbehand¬
lung, und zugleich anregend auf Magen- und Darmthätigkeit.
Das II a 1 b b a d, ein Bad in gewöhnlicher, aber nur halbgefüllten*
Wanne, wobei Beine und untere Rumpf hälfte des Badenden im
Wasser sind, der freie Oberkörper vorn durch den Badenden,
hinten durch den Badediener beständig mit dem Wasser des
Bades bespült wird, hat für unseren Zweck am besten eine
Wärme von 25—22° R. und eine Dauer von 4 Minuten; man lässt
es bald nach einer kleineren Mahlzeit nehmen und lässt den
Badenden nachher eine Viertelstunde ruhen. Im Bade und beim
Abtrocknen soll nicht frottirt werden, denn dadurch erzielt man
ebenso wie durch kühlere Bäder, eine kräftige Anregung,
während hier nur eine beruhigende, sanft umstim¬
mende Wirkung erwünscht ist. Das ist auch der Grund,
wesshalb die wegen ihrer Einfachheit in unserer badestuben-
armen Zeit so beliebten nassen Abreibungen den Neurasthenisehen
2 *
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76
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN SCHRIFT
No. 3.
gewöhnlich so schlecht bekommen. Ich verwende sie, wenn nicht
der ganze Zustand eine kräftige Reizwirkung erfordert, nur
selten und nur in der Form der Abklatschung, wobei nicht
gerieben, sondern nur das nasse Laken überall angedrückt wird,
und mit nachfolgendem sanften Abtrocknen und in einer Wärme
von 24° R. Auch für allgemeine Abwaschungen und für sog.
Schwammbiider lasse ich das Wasser von 24 °R. nehmen, in der
warmen Jahreszeit von 22 0 R.
Als vierten Theil der Allgemeinbehandlung, der wirklich in
den meisten Fällen mit Vortheil angewendet werden kann, be¬
trachte ich die allgemeine Farad isation mit schwa¬
chen Strömen, am besten mit der faradischen Hand. Bezüglich
der Anwendung verweise ich auf meine „Klinik der Neurosen für
den praktischen Arzt“ (Leipzig 1897, Hartung & Sohn).
Dies vortreffliche Heilverfahren, das auch bei Chlorose Gutes
leistet, sollte viel mehr geübt werden.
Neben diesen körperlichen Maassnahmen steht schliesslich
als unentbehrliches Glied der Behandlung die Psychothera
p i e, die geistige Beeinflussung des Kranken. Sie wird einge¬
leitet durch die vorhin ausführlich besprochene Art der ersten
Unterredung mit dem Kranken, und sie wird fortgesetzt mit
jedem Wort, das der Arzt zum Kranken spricht. Hie Beständig¬
keit dieser Aufgabe erfordert cs. dass man immer nur streng die
Wahrheit sagt, und nur sagt, was man weiss. Jede Abweichung
davon bringt in die Gefahr von Widersprüchen, die das Ver¬
trauern erschüttern. Man soll auch vor Allem nicht glauben,
dem Kranken durch grosse Worte seine Krankheit ausreden zu
können. So gewiss es Fälle gibt, wo der Kranke nach der ersten
Unterredung mit dem Sachverständigen „fast geheilt“ ist, so
sicher geht diese Suggestions- oder BeruhigungsWirkung wieder
zurück, und eine wirkliche Besserung oder Heilung tritt nur
ein, wenn es gelingt, die functionelle, aber doch that-
säehlich vorhandene Erschöpfung des Nerven¬
systems auszugleichen. Hann tritt nachher die wich¬
tige, oft überaus schwierige Aufgabe an den Arzt heran, dem
Genesenen solche Wege zu weisen, dass er mit seinen Kräften und
Anlagen möglichst gut durch die Fälirlichkeiten des Lebens hin¬
durchkommt. Hier vereinigen sich die Forderungen für die
Behandlung der acuten und der chronischen nervösen Zustände.
Aber die Aufgabe gegenüber den acuten Zuständen ist noch
nicht erschöpft. Zu den besprochenen allgemeinen Maassregeln,
die in jedem Falle die Grundlage der Behandlung bilden sollen
kommen die Verordnungen, die der Befund bei dem einzelnen
Kranken erfordert. Ein grosser Theil der Neurasthenischen
leidet an mangelhafter Rlutbesch affenheit - Ich
sage absichtlich nicht Anaemic oder Chlorose, denn es handelt
sich lange nicht immer um deren klaren Befund. Hemgemäss
wirken auch die antichlorotisehen Specifiea, vor Allem das an-
organische Eisen, bei der neurasthenischen Bysaemie meist gar
nicht oder sehr unvollkommen. Es ist oft wirklich erstaunlich,
was die Kranken schon an mehr oder minder vollkommenen
Eisenmitteln genommen haben. Natürlich spielen die mit so
grosser Reclame in Laienzeitungen angenriesenen Mittel wie
Haematogen TI o m m e 1 dabei eine grosse Rolle, leider meist nur
zu Gunsten des Fabrikanten, nicht des Kranken. Teil bin seit
vielen Jahren zu der Meinung gekommen, dass man deut¬
lichen Nutzen am häufigsten von den Kr c welschen San-
guinnlpillen und von Arsenik sieht. Bas Wirkungs-
gehiet, beider ist natürlich nicht ganz dasselbe; je deutlicher die
klinischen Zeichen der Anaemie, um so mehr erwarte ich von
Sanguinal, während ich Arsenik besonders in den Fällen ver¬
ordne. die sieh durch neuralgische und rheumatische oder gichti¬
sche Erscheinungen der von den Franzosen angenommenen ar-
tliritischen Krankheitsgruppe nähern. Wesentlich ist die
Bosirung. Von den Sanguinalpillen verordnet man am besten
Anfangs 3 mal täglich 2. nach einer Woche 3 mal täglich 3 gleich
nach dem Essen, lässt im Ganzen 3 Gläser zu 100 Stück nehmen
und bei der 2. Hälfte des letzten Glases die Zahl wieder auf 3 mal
täglich 2 einschränken. Je nach dem Einzelfall kann man statt
der einfachen Sanguinalpillen auch ihre neueren Zusammen¬
setzungen mit Chinin, liydrochl. 0,01 oder mit Extr. Rhei 0,05
pro Pille verwenden.
Ben Arsenik verordne ich gewöhnlich in Form der asia¬
tischen Pillen, 0,1 Acid. arsen. mit Pip. nigr. 2,0, Pulv. Liq. 5,0
und Muc. q. s. auf 90 Pillen, davon 3 mal täglich eine im Verlauf
der Mahlzeit zu nehmen. Nach 8—10 Tagen steigt man damit
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auf 5—6 Pillen pro Tag, lässt soviel etwa 3 Wochen lang nehmen
und geht dann noch für 10 Tage auf 3 Pillen pro Tag zurück.
Oft ist es übrigens von Vortheil, noch grössere Gaben zu verab¬
reichen.
Auf die Einzelheiten der symptomatischen Behandlung will
ich nicht eingehen. Sie ist natürlich von Wichtigkeit für die
Praxis, vor Allem kommt es aber doch darauf an, dass der Arzt
sich an die allgemeine Behandlung hält, die allein zu bleibenden
Erfolgen führen kann. In dieser Richtung schliesst sich den be¬
reits angeführten Methoden für alle schweren und namentlich
lieh für die depressiven Formen der Neurasthenie die von
mir empfohlene systematische Behandlung mit C o d e i n an.
Es ist höchst überraschend, wie oft auf diese Weise die mit
anderen Verfahren vergeblich angestrebte Beruhigung und Er¬
holung der Nerven in kurzer Zeit und mit bleibender Wirkung
herbeigeführt wird. Irgend ein Nachtheil oder eine Gefahr
haftet dem Verfahren nicht an, wie ich nach meinen viel¬
jährigen, ausgedehnten Erfahrungen mit dieser Methode be¬
stimmt versichern kann. Mit wachsender Erfahrung verstärkt
sich mir der Eindruck immer mehr, dass es sich nicht um eine
narkotische Wirkung handelt, sondern um eine trophische, jeden¬
falls um eine Wirkung, die die Wiederherstellung der nervösen
Funct ion begünstigt. Sehr auffallend kann es sein, wie in Fällen,
wo Ueberarbeit ung zu schwerer Erschöpfung mit anhaltender
Müdigkeit und Schläfrigkeit bis zu völliger Arbeitsunfähigkeit
geführt hat, schon nach den ersten Codeindosen die Leistungs¬
fähigkeit grösser wird. Bie Bedingung des Erfolges ist hier wie
überall richtiges und planmässiges Vorgehen. Wer einem Neur¬
astheniker nur Codein verordnet, ohne die allgemeinen Verord¬
nungen daneben zu stellen, wird immer nur flüchtige Besse¬
rungen sehen. Ebenso wichtig ist es, dass man mit geringen
Gaben, etwa 3 mal täglich 0,01. anfängt, sie allmählich steigert.,
nötigenfalls bis zum 10 fachen der Anfangsgabe, und dann
eben so allmählich wieder die Bosis verringert. Zu wirklichen
Erfolgen führt immer nur die Erfahrung, die jede Einzel¬
heit des Curplanes dem Einzelfalle anzupassen versteht.
Bie Bedeutung der Erfahrung für die Behandlung der Neur¬
asthenie tritt sehr deutlich in den wachsenden materiellen Er¬
folgen und in der zunehmenden Zahl den Sanatorien für
N e r v e li k r a n k e hervor. Während die praktischen Aerzte,
wie mir scheint, noch zu sehr an der Empfehlung klimatischer
Curorte mit freier Behandlung oder gar ohne ärztliche Behand¬
lung für die Nervenkranken festhalten, haben die Kranken selbst
schon seit längerer Zeit herausgebracht, dass es für sie weit mehr
auf den Arzt und auf günstige Verhältnisse in Wohnung , Ver¬
pflegung u. s. w. ankommt, als auf ein bestirntes Klima. Bie
Neurasthenie ist eben eine Krankheit, deren Heilung — zum
Glück möchte man sagen — nicht an Ort und Jahreszeit gebun¬
den ist. Bie Erfolge würden noch viel mehr für die Anstalts¬
behandlung sprechen, wenn es nicht gar zu viel Anstalten gäbe,
die den Namen einer Heilanstalt mit einigem Unrecht in An¬
spruch nehmen. Zumal manche Wasserheilanstalten sind wirk¬
lich nichts weiter als „Hotels mit ärztlicher Bedienung“, wie
sich einmal eine Patientin scharf ausdrückte; es wird eine Zahl
von Kranken aufgenommen, die weit über die Leistungsfähig¬
keit des Arztes hinausgeht, und nun ein Ourplan aufgestellt,
der weniger auf individueller Beurtheilung zu beruhen, als auf
reichliche Beschäftigung für den Kranken berechnet zu sein
scheint. Bie Unsitte, aus dem Verbrauch alkoholischer Ge¬
tränke Gewinn zu ziehen oder gar die ganze Anstalt als ein ein¬
trägliches Restaurant zu betreiben, verbessert natürlich die Cur-
erfolge auch nicht. Es ist zu hoffen, dass die guten Wasser¬
heilanstalten, woran es zum Glück auch nicht fehlt, allmählich
die Alleinherrschaft oder doch den allgemein bekannten Vorrang
gewinnen. Es wird Sache der Aerzte sein, durch sorgfältige Aus¬
wahl der Anstalt, z. B. mit Hilfe der durch grössere Erfahrung
genauer unterrichteten Specialärzte, das Richtige zu finden.
Vor Allem muss man wissen, dass sich nicht jede Anstalt
für alle Kranken eignet. Bie grösseren Sanatorien mit ihrem
Reichthum an Geselligkeit können für leichtere Kranke und für
Reeonvalesccnten von unschätzbarem Werth sein, aber für
schwerere Kranke und zumal für solche, die individueller Behand¬
lung und psychischer Beeinflussung in reicherem Maasse be¬
dürfen, völlig versagen. Ich mache bei den Kranken, die mich um
Rath fragen, einen sehr grossen Unterschied und schicke sie je
nach dem, was ihnen noth thut, in grosse oder mittelgrosse Sena¬
te rigi raa I fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE^WQCHENSCHRIFT.
11
torien oder nehme sie in meine Privatklinik auf, wo sie zwar alle
für die Behandlung in Frage kommenden Einrichtungen und
individuelle Sorgfalt finden, aber der Anregungen eines grösseren
geselligen Lebens entrathen müssen. Diese Auswahl allein
sichert dem Arzte und dem Kranken nachträgliche Zufriedenheit.
Ob der Neurasthenische einem Sanatorium zuzuführen ist
oder nicht, muss wesentlich nach den häuslichen Verhältnissen
entschieden werden. Im Ganzen kann man sagen, dass eine
Hausfrau selten in ihrer eigenen Häuslichkeit die zu einem durch¬
greifenden Erfolge nöthige Ruhe finden wird. Nur in recht
leichten Krankheitsfällen wird man also hier Gutes erwarten
dürfen; die mittleren und namentlich die schweren neurastheni-
schen Krankheitszustände werden das Sanatorium erfordern.
Bei dem Hausherrn fragt es sich, ob beim Verbleiben am gewöhn¬
lichen Wohnorte eine genügende Loslösung von den geschäft¬
lichen und geselligen Beziehungen zu erwarten ist und ob die
Pflege unter den häuslichen Verhältnissen den Anforderungen
der Cur entsprechen können wird. Unselbständige Familien¬
glieder finden am ehesten dalieim ein geeignetes Milieu für die
Cur. Schickt man aber den Kranken fort, so wähle man gleich
ein gutes Sanatorium oder wenigstens einen Ort mit sicherer
fachmännischer Autorität; der aus Sparsamkeit so oft vorge¬
zogene freie Aufenthalt an einem Curort, zu blosser Erholung,
erweist sich allzuoft hinterher als unnütze Geldausgabe. Beach¬
tung verdient auch der Erfahrungssatz, dass man dem Kranken
als Begleitung nicht den anderen Ehegatten mitgebe, weil damit
gerade die erwünschte Loslösung aus den gewohnten Denkkreiseu
verloren geht. Die Frauen pflegen zwar den entsprechenden
ärztlichen Rath mit einiger Verstimmung aufzunehmen, aber
auch die liebe- und verständnissvollste Frau ist nicht davor
sicher, durch ihre Gegenwart die Ruhe der Cur zu stören.
Wir kommen nun zu der Frage wie die chronisch-
neurasthenischen Zustände zu behandeln sind. In
den meisten Fällen — wenigstens so weit ich nach dem mir vor¬
kommenden Material urtheilen kann — bedürfen sie Anfangs
derselben Behandlung, wie sie vorhin geschildert ist. Die
Kranken wenden sich ja gewöhnlich dann an einen neuen Arzt
oder suchen wieder eine Hilfe, wenn eine Verschlimmerung ihres
Leidens sie dazu treibt. Es gibt zahllose Neurasthenische, die seit
Jahren hier und da in Behandlung gewesen sind, aber niemals eine
vernünftige Cur gründlich durchgemacht haben. Leider gehören
hierzu viele Kranke mit traumatischen Neurosen, die
nach Heilung ihrer ursprünglichen Verletzung mit einer Rente
abgefunden sind und nun ganz arbeitslos oder mit beschränkter
Arbeit ein trauriges Leben führen. Man sieht oft genug, dass
sie nach einer geeigneten Cur wieder vollkommen arbeitsfähig
werden und Lust zur Arbeit haben, die ihnen vorher manchmal
in recht harter Weise abgesprochen worden war. Die Errichtung
von Nerve nheilstätten für Unbemittelte und von
Sanatoriumstheilen für Unbemittelte verspricht hier für die Zu¬
kunft reichen Segen. Nach der Beseitigung der Erschöpfung
und der erheblicheren Beschwerden hat hier die Erziehung
zur Arbeit einen ausgezeichneten Wirkungskreis. Sie hat
ihn aber auch bei den zahlreichen Neurasthenisehen der wohl¬
habenderen und reicheren Classen, die nicht eigentlich krank
sind, aber bei einer gewissen Widerstandslosigkeit gegen die Be¬
schwerden des Lebens nie zu einer vernünftigen Anwendung ihrer
Kräfte kommen, zum Theil gerade desswegen, weil sie nicht die
richtige und ihrer Fähigkeit angemessene Art der Arbeit ge¬
lernt haben. Viele von ihnen bedürfen auch der ärztlichen Lei¬
tung und des geordneten Anstaltsbetriebes, um aus ihrer
Alkoholgew <^h n h e i t herauszukommen, in die sie theils
aus eigenem Antriebe und nach den Trinksitten der heutigen
Gesellschaft, theils beklagenswerther Weise durch ärztliche Ver¬
ordnungen hineingekommen sind. Die Gewöhnung an Ordnung
und Arbeit bedeutet hier eine sociale Rettungsarbeit von un¬
schätzbarem Werth! Gelegentlich sind, wenn der psychische
Einfluss des Arztes und die Willenskraft des Kranken aus-
reichen, auch ohne Anstaltshilfe in dieser Richtung schöne Er¬
folge zu erreichen. Es kann aber nicht dringend genug betont
werden, dass zuerst die Krankheit beseitigt oder wenigstens ein¬
geschränkt werden muss; fängt man zu früh mit körperlichen
Anstrengungen an, so ist man um den Erfolg betrogen.
No. 3.
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Zur Behandlung der Stirnhöhleneiterung.*)
Von Dr. Winckler in Bremen.
M. H.! Die Freilegung der erkrankten Oberkieferhöhle ist
eine relativ einfache Operation. Es bleibt weder nach der Fort-
nahme der facialen, noch nach Entfernung der medialen Wand
des Antrum Highmori eine Entstellung der äusseren Form des
Gesichtsschädels zurück. Ferner haben wir es mit der Neben¬
höhle zu thun, welche im Vergleich zu der Stirnhöhle wie der
übrigen Nebenräume eine im Ganzen ziemlich gleich bleibende
Gestalt und Grösse auf weist. Endlich bedingen die individuellen
Differenzen, welche die Oberkieferhöhle in ihren Beziehungen
zum Siebbeinlabyrinth wie eventuell zur Keilbeinhöhle darbieten
kann, keine wesentliche Aenderung der Operationsmethode.
Ganz anders liegen die Verhältnisse, wenn es sich um die
Eröffnung der erkrankten Sinus frontales handelt. Dass man
bei allen chronischen Stirnhöhleneiterungen, wie ich dies vor
2 Jahren ausdrücklich betonte, das Siebbein nicht unberück¬
sichtigt lassen darf, scheint nunmehr anerkannt zu sein. Auch
bei den acuten Eiterungen wird es, falls sie die Eröffnung von
aussen nothwendig machen, immer zweckmässig sein, sein
Augenmerk auf das Siebbein zu richten. Das freizulegende
Operationsfeld ist demnach bei den Erkrankungen der Stirn¬
höhlen: der Sinus frontalis und das Siebbeinlabyrinth. Die
nahen Beziehungen der Sinus frontales zu einander können zu-
näclist einen Unterschied in dem operativen Vorgehen in der
Weise bedingen, dass der Eingriff sich nicht unwesentlich modi-
ficirt, wenn es sich um eine einseitige oder um eine beiderseitige
Erkrankung der Stirnhöhlen handelt.
Wer sich mit der Anatomie der Stirnhöhlen näher be¬
schäftigt hat, weiss, wie ausserordentlich variabel dieselben in
ihrer Form und Grösse sind, und wie gross der Wechsel in ihren
Beziehungen zum Siebbeinlabyrinth ist. Da ich das Verhalten
der Nebenhöhlen zu einander sowohl für die Entstehung als auch
für die Behandlung der combinirten Nebenhöhleneiterungen
durchaus der Beachtung werth erachte, so möchte ich auch an
dieser Stelle nochmals das betonen, was ich bereits im verflossenen
Jahre in 2 Arbeiten des Längeren für alle Nebenräume aus¬
geführt habe. Es gibt Stirnhöhlen, die von dem Siebbeinlabyrinth
mehr oder weniger ganz isolirt sind, und es gibt Stirnhöhlen, in
denen der mediale Abschnitt des Bodens hinter dem Ostium, zu¬
weilen auch vor ihm vollkommen vom Siebbein gebildet wird.
Ferner möchte ich erwähnen, dass die Form der Stirnhöhlen für
die Wahl der Operationsmethode von Bedeutung werden kann,
wenn es sich herausstellt, dass die eröffnete Stirnhöhle eine mehr¬
zellige Kammer ist, oder wenn sie durch Septen in einzelne mehr
oder weniger geschiedene Hohlräume getheilt wird, dann ist eine
vollkommene Klarlegung des Sinus erforderlich. Endlich möchte
ich noch darauf hinweisen, dass zwar die Tiefe des Stirnhöhlen¬
bodens sehr variabel ist, dass aber, wie ich schon vor ca. 6 Jahren
im Archiv für Laryngologie berichtet habe, der mediane Ab¬
schnitt des Bodens stets so gross angetroffen wird, dass seine
gänzliche Entfernung eine gute Communieation des Sinus fron¬
talis mit der Nasenhöhle ergeben muss. Welche Rolle hierbei
die Spina ossis frontis spielen kann, habe ich ebenda auseinander¬
gesetzt.
Vor 2 Jahren habe ich ebenfalls im Archiv für Laryngologie
die bis dahin beschriebenen Operationsmethoden, welche bei der
Behandlung der Stirnhöhlenerkrankungen in Frage kommen
können, besprochen. Dass die Autoren derselben nach ihren
Berichten mit denselben gute Erfolge erzielt haben, zeigt uns,
dass jede Methode ihre guten Seiten hat und im gegebenen Falle
allen Verhältnissen Rechnung tragen kann. Es ist nunmehr
aber wohl an der Zeit, sich über gewisse Punkte zu einigen und
für die verschiedenen Operationsmethoden bestimmte Indica-
tionen aufzustellen. Ich halte es für recht einseitig, wenn man
in jedem Falle von chronischer Stimhöhleneiterung sich auf
die sog. Kuhn t’sche Methode in der Weise, wie dies noch kürz¬
lich von Röpke in Solingen empfohlen ist, beschränken wollte,
oder wenn man in jedem Falle nach dem Vorschlag von J ansen
vom Stirnhöhlenboden und der Lamina papyracea aus die in
Rede stehende Erkrankung angreifen würde, und glaube sicher,
dass bei solchem steten principiellen Festhalten an einer Me-
*) Vortrag, gehalten ln der VI. Versammlung des Vereins
süddeutscher Laryngologen zu Heidelberg am 3. April 1899.
8
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
78
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
thode Manches zum Schaden der Patienten nicht genügend ge¬
wahrt wird.
Um zunächst die Methode von Jansen zu erledigen, so
ist meiner Ansicht nach letztere nur dann indicirt, wenn durch
die Eiteransammlung in der Stirnhöhle bezw. im Siebbein das
Auge in sichtbarer Weise in Mitleidenschaft gezogen ist. Han¬
delt es sich um einen Durchbruch des Stimhöhlenempyems oder
der Siebbeinzellen in die Orbita, und hat derselbe zu entzünd¬
lichen Erscheinungen im orbitalen Fettgewebe geführt, so ist
der J a n s e n’sche Schnitt nach der alten Regel — ubi pus, ibi
evacua — durchaus gegeben, wenn ich auch selbst über einen
Fall berichtet habe, bei dem mir durch ein anderes Vorgehen die
Heilung gelungen ist. Fehlen dagegen an dem Orbitalinhalt
alle entzündlichen Erscheinungen, so halte ich den Eingriff nach
Jansen nicht für geboten und zwar aus dem Grunde, weil ich
den bisher noch Ungeschädigten Orbitalinhalt durch die opera¬
tive Behandlung der vorliegenden Stirnhöhlenerkrankung doch
gerade vor allen eventuellen Folgen schützen will. Es ist meiner
Meinung nach durchaus verkehrt, den gesunden Augapfel, der
zwar Vieles vertragen kann, irgend welchen Insulten auszu¬
setzen, wenn sich dieses durch die Wahl einer anderen Opera¬
tionsmethode vermeiden lässt.
Ich komme nun zu der Kuhn t’schen Methode, die sich der
grössten Anhängerzahl zu erfreuen scheint. Auf die Nachtheile
derselben und die kosmetischen Endresultate bei geräumigen
Stirnhöhlen habe ich bereits wiederholt aufmerksam gemacht
und verweise auf meine Arbeiten im Archiv für Laryngologie,
sowie die in der Bresgen’schen und Haug’schen Sammlung.
Wenn trotzdem Röpke die Kuhn t’scho Methode als die allein
zum Ziele führende wieder empfiehlt und meine Erwägungen
durch die Aufführung einer grösseren Anzahl von guten Re¬
sultaten als hinfällig zu bezeichnen meint, so möchte ich ihm
empfehlen, meine Ausführungen etwas genauer durchzulesen.
Principiell habe ich die Kuhn t’sche Methode nicht verworfen.
Ich halte es aber principiell für falsch, wenn sie bei allen Fällen,
ohne Rücksicht auf die anatomischen und besonderen patho¬
logischen Verhältnisse, angewendet wird. Dass die Fortnahme
der vorderen Stirnhöhlenwand bei kleinem Sinus kaum eine Ent¬
stellung zurücklässt, habe ich wiederholt selbst gesehen und
dafür auch in der Hau g’schen Sammlung eine Abbildung ge¬
bracht. Bei grösseren Stirnhöhlen gibt es stets eine Delle, die
ich gerade nicht als kosmetisch sehr günstig bezeiclmen möchte.
Dass diese Methode sich so schnell eingebürgert hat, möchte viel¬
leicht darauf beruhen, dass sie gar keine technischen Schwierig¬
keiten bietet. Dies ist aber doch kein Grund, principiell in
jedem Falle das Gesicht in einer Weise zu verunstalten, dass
der Ausdruck ein vollkommen anderer wird. Ich bleibe noch
heute auf dem Standpunkt, dass die Fortnahme der vorderen
Stimbeintafel und die Abflachung des Stirnhöhlenbodens durch
Abkneifen des Orbitalrandes, sowie die Abflachung der Nasen¬
beine an dem Uebergang in den Stimtheil eine ganz ab¬
schreckende Entstellung ergibt. Noch kürzlich sah ich mit Be¬
dauern einen solchen Fall, der im ärztlichen Verein in Bremen
als kosmetisch günstiges Ergebniss vorgestellt .wurde. Nun,
über die Geschmäcke lässt sich nicht streiten, und kann man den
Operateuren, die dies für schön halten, nur bestens zu einer so
grossen Anspruchslosigkeit gratuliren. Heute möchte ich auf
diesen Punkt nicht weiter eingehen, sondern vielmehr zur Er¬
wägung anheimgeben, ob in jedem Fall von Stirnhöhlenerkran¬
kung uns die Berechtigung gegeben ist, mit der Knabber¬
zange gesunden Knochen fortzuknabbern. Denn in der Mehrzahl
der Fälle ist die vordere Stirnbeintafel gesund und ebenso der
Stirnhöhlenboden wie das Os nasale. Ich glaube, dass diese Be¬
rechtigung doch entschieden nicht vorhanden ist, zumal da es
andere Methoden gibt, die erkrankten Nebenhöhlen der Behand¬
lung zugänglich zu machen und zur Ausheilung zu bringen.
Die Kuhn t’sche Methode kann meiner Meinung nach nur
indicirt sein, wenn folgende Bedingungen gegeben sind:
1. Erkrankung der vorderen Sinuswand (Fistelbildungen,
Nekrosen etc.).
2. Rhinogene Cerebralerkrankung oder Verdacht, dass ein
Durchbruch durch die hintere Wand stattgefunden hat.
3. Unter Umständen mehrzellige Stirnhöhlen, deren osteo¬
plastische Freilegung nicht gelingt.
4. Lasse ich die Kuhn t’sche Eröffnung bei kleinem Sinus
frontal, und isolirter Stimhöhleneiterung gelten.
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ad 2 möchte ich noch erwähnen, dass, falls bei Verdacht
bezw. sicher nachgewiesener rhinogener Hirnerkrankung eine
breite Trepanation indicirt ist, ich stets eine osteoplastische
Freilegung des Stirnhirns, ohne Berücksichtigung des Sinus,
vornehmen würde, wie ich dies vor 2 Jahren beschrieben habe.
ad 3 und 4 kommen meiner Meinung nach nur bei einseitiger
Erkrankung in Betracht, während bei doppelseitiger Stirnhöhlen-
affection stets osteoplastisch vorzugehen ist.
Wenn die aufgezählten 4 Gründe nicht vorliegen, so gebe
ich anderen Methoden den Vorzug.
Trotz der auf gezählten Resultate von Röpke behaupte ich,
dass die an die Kuhn t’sche Methode angeschlossene Ausräu¬
mung des Siebbeins selbst nach partieller Fortnahme des Nasen¬
beins — sofern dabei die mittleren und hinteren Siebbeinzellen
in Frage kommen — im Allgemeinen eine Operation im Dunkeln
ist. Man kann sich diese Zellen nur dann zugängig machen,
wenn die Sinus frontales sehr tief sind — wenn sie also ausnahms¬
weise eine Tiefe von 30—40 mm haben. Bei den Sinus mit
2—2 % cm Tiefe findet die Operation an den mittleren und
hinteren Siebbeinzellen oder gar an der Keilboinhöhle trotz
aller elektrischen Stirnlampen nicht unter Controle der Augen
des Operateurs statt. Hievon habe ich mich an 12 nach Kuhnt
operirten Stirnhöhlen, sowie an 150 Leichenuntersuchungen ge¬
nügend überzeugt, so dass ich meinen Standpunkt trotz aller
gegnerischen Behauptungen nicht aufgebe. Um das Siebbein¬
labyrinth und die Stirnhöhle gleichzeitig in ganzer Ausdehnung
freizulegen, bedarf es grösserer osteoplastischer Operationen am
Nasengerüst, welche ich in den erwähnten Arbeiten beschrieben
habe. Wenn demnach als sog. Radicaloperation, um mich dieses
schrecklichen Ausdruckes zu bedienen, die Kuhn t’sche Methode
nicht oder nur selten ausreichend ist, sie also nur in der Mehr¬
zahl der Fälle eine breite Verbindung zwischen Stirnhöhle und
Nasenhöhle herzustellen ermöglicht — wesshalb dann die fort¬
dauernde principielle Empfehlung dieser Methode? Das Gute,
welches sie bringt, die Veroedung des Sinus — d. h. dass nach
Fortnahme der vorderen Wand an die hintere das Periost der
Stirnwand anheilt — ist nur bei flachen Stirnhöhlen vol kommen
zu erreichen.
Seitdem C z e r n y und Küster durch die osteoplastische
Resection der vorderen Stirnlamelle gezeigt haben, dass man den
Sinus zur Ausheilung bringen kann, ohne die Configuration
des Gesichtschädels zu beeinträchtigen, ist es unsere Pflicht, auf
die Kosmetik Rücksicht zu nehmen. Es gelingt, wie mich wieder¬
holte Versuche lehrten, den Sinus dadurch vollkommen klar zu
legen, und auch mehrzellige Stirnhöhlen in einen glatten Hohl¬
raum umzuwandeln. In einem Falle habe ich die lateral ge¬
legenen Zellen mit Erhaltung des grössten Theiles der vordoren
Stirnbeintafel, isolirt von aussen her, jederseits veroedet (Photo¬
graphie). Dass dies gelingt, beweist der Umstand, dass bei dem
Patienten nach einer über Jahresfrist währenden Beobachtung
keine Spur von Eiterung nachweisbar ist. Operirt am 12. XI.
1897. Letzte Controle 29. III. 1899. Also unbedingt gibt das
Vorhandensein eines mehrkammerigen Sinus noch keine Indica-
tion für die Kuhn t’sche Methode. Auch Polypenbildung in
den Sinus front, kann mit Erhaltung der vorderen Stirnbein¬
tafel, d. h. durch osteoplastische Freilegung der Höhle, zur Aus¬
heilung gebracht werden. Daher kann auch diese nicht ohne
Weiteres den Grund zur Fortnahme der vorderen Sinuswand
geben.
Eine vollkommene Verödung und Ausräumung der Sinus¬
schleimhaut ist bei polypöser Entartung derselben nothwendig.
Diese ist aber wohl stets mit hochgradigen gleichen Verände¬
rungen der angrenzenden Siebbeinräume combinirt. Erfordert
die Stirnhöhle also Eröffnung und Freilegung, so hat man die
Methode zu wählen, welche alle kranken Räume zugleich trifft.
Dies können nur die osteoplastischen leisten, welche ich in
meinen Arbeiten erwähnt habe.
In vielen Fällen — namentlich wenn jede Polypen- und
Cystenbildung auf der Sinusschleimhaut fehlt — halte ich eine
vollkommene Verödung der Sinusschleimhaut nicht für nÖthig.
Es scheint dann durchaus zu genügen, wenn zwischen Sin. front,
und Nasenhöhle eine breite Communication besteht, und wenn
das Siebbein in toto ausgeräumt ist. Letzteres ist die Haupt¬
bedingung. Die Idee K i 11 i a n’s, eine genügende Abflussöffnung
aus dem Sinus zu schaffen, ist im verflossenen Jahre von
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
79
Barth 1 ) auf dem Chirurgencongress wieder angeregt worden.
Die Methode selbst ist schon vorher von Gussenbauer zu
anderen Zwecken versucht worden. Beifolgende Photographien
erläutern Ihnen am besten die Schnittführung und Freilegung,
sowie das Endresultat: die kleine Narbe, welche ebenso gering
entstellt, wie die von Grünwald angegebene Eröffnung in
der Corrugatorfalte. Man kann den Hautschnitt auch ganz in
die Augenbrauen und seine Verlängerung mehr nach dem
Augenwinkel verlegen, während der Knochenschnitt in der
Medianlinie gemacht wird. Für die einfachen chronischen
Eiterungen ohne Polypenbildung ist dieser kleine Schnitt an¬
scheinend ausreichend
Kürzlich bin ich auch so vorgegangen, dass ich in die Naso-
labialfalte einen Schnitt legte und nun den Proc. nasal, oss.
front, und oss. max. durchmeisseltc, oben seitlich einkerbte und
dann durch Umkippen des Knochenlappens nach innen mir die
Stirnhöhle nebst angrenzendem Siebbein sichtbar machte.
(Photographien.)
Dass man sich durch beide kleine Eingriffe für die intra¬
nasale Nachbehandlung einen breiten Zugang schaffen kann,
zeigen Ihnen diese Röntgenaufnahmen.
Ich glaube, dass wir bei der Behandlung der Stirnhöhlen-
eiterungen alle Methoden zu berücksichtigen haben und nicht
principiell einer, z. B. der bequemen Kuhn t’schen Knabber-
zangenoperation, alle Patienten ausnahmslos zu unterwerfen
berechtigt sind. Die jedesmal vorliegenden Verhältnisse haben
die Operation zu bestimmen und nicht die Vorliebe des Opera¬
teurs für diese oder jene Methode. Handelt es sich um eine
doppelseitige Stirnhöhlen- und Siebbeinerkrankung, so bestimmt
die Configuration des Gesichtsschädels — die Dicke der vorderen
Stirnbeintafel — ,falls eine osteoplastische Operation zu wählen
ist, ob die vordere Stirnhöhlenwand nebst Nasengerüst von oben
nach unten oder von unten nach oben umgeklappt werden
müssen. Besondere Höhe und Breite der Nase lassen unter
Umständen auch das Auseinanderklappen der oberen Nasen¬
partien zu. Ob man bei einseitiger Erkrankung von innen nach
aussen oder in umgekehrter Richtung umklappt, richtet sich
darnach, was man von dem Naseninnem zu sehen wünscht. Be¬
merken möchte ich nur, dass die Operationen, welche eine osteo¬
plastische Resection des ganzen Nasengerüstes bezwecken, tech¬
nisch recht schwierig sein können. Der Blutverlust lässt sich
bei vorsichtigem Präpariren auf relativ minimale Mengen be¬
schränken. (Demonstration der verschiedenen Operations¬
methoden an der Hand von photographischen Aufnahmen.)
Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass ich bei der
Nachbehandlung der eröffneten Nebenhöhlen nunmehr voll¬
ständig alle Spülungen aufgegeben habe und lediglich trocken
mit Gazetamponade bezw. mit Insufflationen und Inhalationen
behandele.
Die Herznaht als typische Operation.')
Von Oberstabsarzt Dr. Emil Rotter.
Der glänzende Erfolg, welchen R eh n - Frankfurt vor
| Jahren mit seinem kühnen chirurgischen einschlägigen Vor¬
gehen erzielte, musste den Wunsch nahe legen, diese Operation,
bei welcher man der Sachlage nach meist nichts zu verlieren
und viel zu gewinnen hat, recht bald in typischer Art so aus-
gebaut zu sehen, dass sie Eigenthum aller Aerzte werden kann.
Wie die Tracheotomie, Trepanation und übrigen Dringlichkeits¬
operationen sollte Jeder, und insbesondere auch jeden- isolirte
College auf dem flachen Lande, die Freilegung des verwundeten
Herzens systematisch, mit ihren Einzelheiten und Pointen, er-
fahrungsgemäss zu erwartenden Zwischenfällen u. dergl. sieh art¬
eignen, sie gelegentlich seiner Sectionen am Kadaver üben können
und dadurch schliesslich ihre Ausführung vollkommen beherr¬
schen. Das Bestehen dieses Wunsches beweisen mehrseits bereits
gemachte Vorschläge systematischer Verfahren, auf Grund der
bisherigen, durchweg ohne typisches Vorgehen, „nur den Ein¬
gebungen des Augenblickes folgend“, behandelten Fälle, sowie auf
Grund von Studien an der Leiche. Ich habe nun versucht,
fussend auf allen bisherigen bezüglich mitgetheilten klinischen
*) Barth: Zur Operation des Stirnhöhlenempyem. Arch.
f. klin. Chirurg., 57. Bd., H. 4.
•) Vortrag in der militärärztlichen Section der Naturforscher-
Versammlung in München, 1899,
Erfahrungen und kritisch am Kadaver nachprüfend, eine Grund¬
form für diese Operation zu gewinnen, welche für die Praxis
nach allen Richtungen möglichst geeignet sei, ihr Gerathen zu
gewährleisten.
Die Anforderungen an eine Operation von der Eigenart der
vorliegenden formuliren sich einfach und bestimmt. Sie muss
1. ausgiebigen Zugang zum ganzen Herzen schaffen (beson¬
ders auch desshalb, weil die nicht operative diagnostische Fest¬
stellung des getroffenen Herzt heiles erfahrungsgemäss höchst
unsicher ist);
2. muss rasch ausgeführt werden können, besonders bei den
gefährlichen Symptomen der Rose’schen Herztamponade;
3. sie muss für möglichst alle therapeutisch überhaupt
zugänglichen Fälle von Herzverletzung passen und
4. mit geringster Assistenz ausführbar sein.
l)i esen Anforderungen kommt das nachstehende Verfahren
am nächsten. Dasselbe ist naheliegend. Es wurde von N i n n i -
Neapel an der Leiche ersonnen, dann aber von diesem selbst und
seiner Schule, aus meiner Ansicht nach nicht stichhaltigem
Grunde, verlassen. Hierauf ist zurückzukommen.
Die Methode ist folgende: Man schneidet 1,5 cm vom linken
Sternalrande beginnend entlang dem unteren Rande der 3. Rippe
10 cm weit lateralwürts, dessgleichen entlang dem unteren Rande
der 5. Rippe etwa 8 cm weit, und verbindet die Endpunkte dieser
beiden ersten Schnitte durch einen dritten innerhalb der Mamilla
herab. Diese Schnitte gehen durch die ganze Brustwand und
eröffnen somit den linken Pleurasack. Im lateralen Schnitte
durchtrennt man nun die beiden freigelegten Rippen und klappt
den jetzt thürflügelförmigen Weiehtheilknochenlappen mit
medialer Basis nach letzterer um, indem man die Rippen in
ihrem Brustbeinansatz luxirt. Das gibt einen Raum von durch¬
schnittlich 12 cm Diagonale.
Zur Unterbindung kommen die Enden der 4 .und 5. Inter-
costalarterien, sonst nichts. Man schiebt nun die von links her
immer in den Schnitt hereinragende Lunge lateralwärts und er¬
öffnet in der Diagonale von innen oben nach aussen unten den
Herzbeutel. Das nach der Natur gezeichnete Resultat dieses
Vorgehens gibt Fig. 1: Das Herz ist in ausgezeichneter Weise
h \
breit freigelegt, kann emporgehoben, genau untersucht und von
allen Seiten gut zugänglich mit der Naht behandelt werden,
sogar an seiner Hinterfläche. Wo nöthig, kann man noch die
3. Rippe in den Lappen einbeziehen, bei complicirteren Ver¬
wundungsverhältnissen, etwa der wenig mobilen Vorhof s-
8 *
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Original frnm
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80
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
gependen oder wo man kleinere Herzwunden zu suchen hat,
welche, wie die von Taschenmessern oder kleineren Revolver¬
kugeln, erfahrungsgeinäss übersehen werden könnten. Die aus¬
giebige Bloslegung des Herzens ist aber mit diesem Verfahren
eine überraschend einfache Sache, von einem cinigermaassen ge¬
übten Operateur leicht in kurzer Zeit ausgeführt. Es kommt
ja in praxi gewöhnlich noch eine kleine, gleich zu besprechende
Voroperation hinzu, zur Orientirung, wie tief die Verletzung
geht und ob Pericard und das Herz selbst überhaupt ge¬
troffen sind.
Die Blutung ist bei dieser Lappenbildung, wie man sieht,
sehr gering. Die Mammaria int. kommt überhaupt nicht in Be¬
tracht, deim dieselbe verläuft nach J o e s s e 1 vom Sternalrande
„5 bis höchstens 10 mm“ entfernt. Ich habe das an meinen
Leichen nachgemessen und als grösste Entfernung nur 8 mm
gefunden. Ich erwähne das desshalb, weil nach Abbildungen in
sonst klassischen Werken, wie II e n 1 e, die Entfernung dieser
Arterie vom Brustbeinrando viel grösser erscheint. Mit dieser
also kommen die horizontalen Schnitte gar nicht in Berührung;
denn wenn man sie erst 1,5 cm vom Sternalrande beginnen
lässt, genügt dies nach meinen Versuchen für die Mobilität des
Lappens vollauf.
Aber auch mit wenig Assistenz kommt man zu diesem
Verfahren der Freilegung des Herzens aus. In den äussersten
Nothfällen, um welche es sich hier oftmals handelt, muss und
kann bei dem relativ kleinen und immer gut überblickbaren
Operationsfeld ganz sicher auch sogar cinigermaassen intelli¬
gente Laienassistenz genügen, wenn ärztliche fehlt. Nun ist
das gerade der Punkt, welcher die Neapler nachträglich ab¬
schreckte: sie verlangen für das Verfahren wenigstens 2 Assi¬
stenten, weil der luxirte Weichtheilknochenlappen zu seiner
Fixation einen eigenen erfordere und erklären für die anerkannt
gerade hier oft vorkommenden Fälle der Nothwendigkeit, ohne
genügende Assistenz rasch zur Operation zu schreiten, den
Postempsk i’schen rechteckigen Lappen mit der Basis nach
unten als die passende Methode, weil dieser heruntergeklappt
sich von selbst in seiner Lage erhält. Das geht zu weit. Und
wäre ein schlechter Eintausch, denn der Postempsk i’sche
Lappen ist mangelhaft ernährt, wie die anatomische Ueber-
legung zeigt, sei er mit unterer oder oberer Basis angelegt, und
bietet dadurch, besonders bei sehr anaemischen Individuen, die
Gefahr partieller Nekrose; letztere ist auch thatsäehlieh bereits
einem Operateur widerfahren, Paria vecchio, welcher ihn
für eine Zwerchfells Verletzung verwendete.
Nein, dem gewiss unbequemen Assistentenmangel muss und
kann man hier, wie in anderen Nothfällen, wo sofort operirt
werden muss, einfacher abhelfen: durch Vorräthighalten in dem
Instrumentarium von einigen Gewichtskettenhaken, wie man sie
bei den Physiologen sieht, für deren Operationen als sehr vor-
theilhaft erwiesen, aber trotzdem in die Praxis der Chirurgen
noch recht wenig eingebürgert. Ich habe an diese Haken zu
ihrem gewöhnlichen Hänggewicht von etwa 50 g neben diesem
2 Carabiner anbringen lassen, um durch Anhängen weiterer
Gewichte, in Nothfällen für den isolirten Arzt auch anderer
Beschwcrungsmittel, etwa eines Schlüsselbundes, ja einer Com-
presse oder eines Taschentuches mit eingelegten beschwerenden
Steinen (es ist ja weit genug vom Operationsfelde weg: die mit
Gummisehläuehen überzogenen Kettchen sind 45 cm lang) ihre
Wirksamkeit erhöhen zu können. Mit diesen modificirten Ketten¬
haken kommt man, meiner Ueberzeugung nach, in Nothfällen
mit einer auf das Darreichen beschränkten Assistenz aus.
Die kleine Voroperation besteht in bemessener Er¬
weiterung der äusseren Wunde nach beiden Seiten hin und
sehichtweisem Tiefergehen. Sie wird zur Orientirung über die
Tragweite der Verletzung meist vorausgeschickt werden müssen,
wenn die Allgemeinerscheinungen sie nur irgendwie zulassen.
Ihr Nutzen ist einleuchtend, und meist wird sie auch möglich
sein, denn nach den bisherigen Erfahrungen geben die Herz¬
verwundungen oftmals a / 4 bis 1 Stunde Zeit zu einem operativen
Eingriff. Man verliere sie nicht mit allgemein excitirenden
Mitteln! Ein Erguss angesammelten Blutes aus dem Pleura¬
sack, der hier Vorkommen kann, darf nicht verblüffen: Aus¬
stopfen des Pleuralraumes mit sterilem Mull und Jodoformmull
abwechselnd stillt die Blutung aus der etwa mitverletzten Lunge.
Stellt sich bei der Voroperation aber die Wunde als nicht pene-
trirend heraus, so ist durch erstere immerhin die sichere primäre
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Desinfection des Wundcanals geschaffen, gegebenen Falles auch
die Gelegenheit zur Blutstillung in ihm.
lieber die nach der Freilegung des Herzens nun folgende
Behandlung der Herz Verletzung selbst, in der aus den Ver¬
öffentlichungen bekannten Weise ist keine Controverse und hier
nichts anzuführen. Es wäre nur etwa aus neuester Zeit zu er¬
wähnen, dass W e h r - Lemberg in seinen jüngst mitgetheilten.
51 Thierexperimenten fand, dass auch an den blutenden Herz¬
stellen der Fingerdruek das beste Verfahren ist, für den Augen¬
blick der Blutung so Herr zu werden, dass die Naht dadurch er¬
leichtert wird. Ferner, dass das Langlassen der ersten Naht¬
schlingen, wie s. Z. von Rehn, so auch jüngst von Pagen-
Stecher- Elberfeld warm empfohlen wird, ebenfalls um die
Fortführung der Naht zu erleichtern. Letzterer benutzte seine
langgelassenen Fadenschlingen von Celluloidzwirn auch mit Vor¬
theil gleich zur Drainage, indem er sie zur Pericardwunde
herausleitete.
Gerade der Umstand, dass man ein so einfaches Operations¬
verfahren zur Frcilegung des Herzens aufstellen kann, macht
die Erfolge von Rehn, Parozzani und Pa gen steche r
so verlockend, ja so verheissungsvoll. Denn viele Praktiker
würden sonst, in so verzweifelten Fällen, wie sie Herzverwun¬
dungen an sieh schon darstellen, sehr komplicirte und lang¬
wierige Verfahren in den oft komfortlosen ausserklinischen Ver¬
hältnissen mit einem gewissen Rechte ablehnen. Von dieser
Ueberlegung aus kann ich schliesslich nicht umhin, meinen
Standpunkt auszusprechen zu denjenigen operativen Vor¬
schlägen für die vorliegende Aufgabe, welche bisher von
deutscher »Seite ausgegangen sind; bis jetzt 3, jüngst von
Pagenstecher und kurz vor ihm bekanntlich von Wehr
und dem um die Fortschritte der deutschen Chirurgie sehr ver¬
dienten Ry dygier - Lemberg, alle 3 ebenfalls auf Grund von
Studien an der Leiche gemacht. Diese 3 unter sieh ver¬
schiedenen Methoden haben die Bemühung gemeinsam, bei dem
Vordringen gegen das Herz den Pleurasack intact zu erhalten:
durch sorgsames subperiostales, mehr weniger weit gehendes Re-
seciren des Sternums und von Rippentheilen rechts und links
von ihm. Dadurch kommen sie eben zu komplicirten oder doch
wenigstens subtil präparatorischen, zeitraubenden Methoden, wie
sie mir für die dringenden Verhältnisse dieser Operation nicht
zu passen scheinen, und der wünschenswertlien Verbreitung der¬
selben als Gemeingut hinderlich sein müssen. Nun frage ich
aber: braucht man denn überhaupt, aus Rücksicht auf die In-
tacterhaltung des Pleurasackes diese komplicirteren Methoden
unumgänglich ? Ich glaube, für die Praxis nicht. Denn die An¬
schauung guter Thoraxdurchschnitte, wie der hier (Fig. 2) ab¬
gebildete von Joes sei zum Beispiel, durch den 3. Zwischen¬
rippenraum und durch die Mitte des 8. Brustwirbels, zeigt
uns, dass von beiden Seiten her die Pleurasäcke so weit
hinter das Sternum sich herüberziehen, dass bei Herz¬
verletzungen immer schon durch die Verletzung selbst der auf
dem Weg der letzteren gelegene Pleurasack eröffnet sein muss,
jene gute Absicht also zu spät kommt. Man könnte also
höchstens für Herzrupturen ohne äussere Zugangswunde diese
präparatorisch zeitraubenden therapeutischen Verfahren gelten
lassen. Allein in diesen Fällen wiederum überholt erfahrungs-
gemäss gewöhnlich der Tod sogar die Diagnose.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
81
Ein Fall von Stichverletzung de$ Ohres mit Ausfluss
von Hirnwasser.
Von I)r. Löhnberg in Hamm i. W.
Der 19 jährige Kaufmann C. L. stürzte am 24. IX. Abends,
während er in einem hiesigen Balllocal mit einem Freunde tanzte,
unter dem Ausruf: „Ich bin in’s Ohr gestochen“ ohnmächtig zu
Boden. Einen Moment darauf erhob er sich, von seinem Freunde
gestützt und liess sich auf einen Stuhl nieder. Hier ergriff ihn
heftiger Schwindel und Uebelkeit; er begab sich desshalb, von
seinem Freunde geführt, auf den Hof. Seinen Bekannten, die
über seinen schwankenden Gang lachten, rief er dabei zu: „Ich
bin nicht betrunken! Mich hat Einer gestochen.“ Während er
ging, hatte er das Gefühl, als ob er von der geradlinigen Richtung
immer nach rechts abweichen müsste. Draussen stürzte er zum
zweiten Male nieder. Sein Freund hob ihn auf und führte ihn in
seine nahe. Wohnung. Unterwegs erbrach Ti. Da« Erbrechen
hielt die ganze Nacht an; dazu gesellten sich heftiges Sausen im
linken Ohr und Kopfschmerzen. Am nächsten Tage blieb er zu
Bett. Fast unaufhörlich schwindelte ihn. Speise nahm er gar
nicht zu sich, klagte aber viel über Durst. Als seine Mutter ihm
das Ohr untersuchte, fand sie vor dem Gehörgangseingang ge¬
ronnenes Blut, das mit einer klaren, wässerigen Flüssigkeit unter¬
mengt war. Abends versuchte L., sich die Strümpfe anzuziehen,
um auf den Abort hinauszugehen; als er sich hierbei auf den Bett¬
rand setzte, fiel er rücklings in’s Bett zurück. Später klagte er
viel über Schmerzen im Kopf und jammerte lange: „Mein Ohr,
mein Ohr“. Die Nacht zum 26. IX. war sehr schlecht; L. klagte
viel über Schwindel und „phantasirte“. Da die Mutter Morgens
wieder Blut „und Wasser“ vor dem Ohre fand, hielt sie ärztlichen
Rath für nöthig. Um 9 Uhr Vormittags führte sie den Kranken in
meine Sprechstunde. Ich erhob folgenden Befund.
Der ungewöhnlich kräftig gebaute Mann von 19 Jahren —
übrigens dutzendfach preisgekrönter Radfahrer — ist nicht im
Stande, ohne Unterstützung sich auf den Beinen zu halten und
gar zu gehen. Auch gestützt taumelt und schwankt er derart,
das er zum Zwecke der Untersuchung nur mit Mühe auf dem
Stuhl zu flxiren ist. Der Gesichtsausdruck ist leidend und nicht
unähnlich dem eines Betrunkenen. Haut blass und oedematös.
Bewusstsein klar. Patient klagt über Schwindel, Uebelkeit und
Sausen im linken Ohr. Ueber den Hergang der Verletzung weiss
er nichts anzugeben. Nach Erkundigungen, die ich bei seinen
Kameraden einzog, ist es am wahrscheinlichsten, dass L. im Tanz
heftig gegen eine Dame angerannt ist und sich deren Hutnadel
in s Ohr gebohrt hat. Im linken Gehörgang eine massige Menge
wässeriger Flüssigkeit, vielleicht Wasser, das ihm beim Ab¬
waschen des Ohres hineingeflossen ist. An der hinteren oberen
Wand eine kleine blutige Schrunde. Trommelfell getrübt, Ge¬
wisse injicirt, vom Hammer nur der kurze Fortsatz sichtbar. Im
hinteren oberen Quadranten eine stecknadelknopfgrosse Perfora¬
tion, auf deren unterem, nach innen umgebogenen Rande ein
pulsirender Lichtreflex. Eine nähere Untersuchung und Gehör¬
prüfung erscheint bei dem elenden Zustande des Kranken nicht
angebracht. Ich tupfte das Ohr sorgsam mit Watte aus, legte
einen sterilen Mullstreifen ein, verband es lege artis und liess den
Kranken unter Anordnung absolutester Ruhe und flüssiger Kost
zu Bett bringen.
26. IX. Abends befand sich Patient subjectiv sehr wohl.
Kein Schwindel, kein Erbrechen mehr. Nur Sausen im Ohr und
viel Durst. Temp. 36,9°, P. 54.
27. IX. Verbandwechsel. Bei Herausnahme des Tampons
heftiger Schwindel mit Uebelkeit und schnell vorübergehender
Bewusstlosigkeit unter Aussetzen des Pulses. Der Mullstreifen
ist völlig durchtränkt mit einer wasserhellen, dünnen Flüssigkeit.
Dieselbe tropft zusehends aus dem Gehörgange ab und benetzt
die Umgebung des Ohres und die Wange. Ich fing eine geringe
Menge davon auf und untersuchte sie auf Eiweiss und Kochsalz.
Weder die Kochprobe noch die Schichtungsprobe mit Salpeter¬
säure ergab Albumen; dagegen fiel bei Zusatz von Höllenstein¬
losung reichlich Chlorsilber aus. Ich konnte also mit Sicherheit
annehmen, dass die Flüssigkeit Hirnwasser sei. Temp 37 0°
W r e b e r : Stimmgabel (Kl. C.) vom Scheitel nach links. Weitere
Stimmgabelprüfung nicht angängig.
27. IX. Abends. Subjectives Befinden befriedigend. Im Ohr
pnlsatorisches Klopfen. Dabei Klirren. Beim Aufrichten Schwin¬
del. P. 48, Temp. 36,4 °.
28. IX. Patient hat wenig geschlafen. Belm Erwachen
Schwindel. Vorübergehend Ohrenschmerz. Beim Verband¬
wechsel Schwindel, aber weniger wie gestern. Tampon nur wenig
durchfeuchtet. Flüstersprache ca. 1 m. P. 54, Temp. 35,8°.
, s i.? 8 ’ i X .' ^ bends - Befinden sehr gut. Nur vorübergehend
leichter Schwindel und etwas Uebelkeit P. 48, etwas arhvth-
rnisch, Temp. 36,4°.
29. IX. Tampon nur am Ende etwas feucht. Bei Heraus-
nahme plötzlich Schmerzen in Stirn und Hinterkopf, zugleich
Schwindel und Asphyxie. Darnach wieder relatives Wohl¬
befinden.
29. IX. Abends. Patient ist in bester Stimmung und be¬
hauptet, absolut nicht krank zu sein. Appetit ausgezeichnet.
Keinerlei Ohrerscheinungen. P. 54, Temp. 36,8 °.
30. IX. Morgens beim Aufsetzen Schwindel. P. 60, Temp. 37 °.
1. X. Beim Tamponwreehsel Schwindel. P. 54 leicht
irregulär.
No. 3.
Abends sah ich den Kranken nicht. Angeblich hat er Stirn-
und Hinterkopfschmerzen gehabt, später Schwindel. Nacht un¬
ruhig durch wirre Träume.
2. X. Befinden gut. P. 60, Temp. 37,2°.
2. X. Abends. Beim Aufrichten und Aehnlichem immer noch
etwas taumelig. Tampon völlig durchtränkt.
3. X. Befinden sehr gut. Nachts einmal unter Schwindel er¬
wacht. Nachmittags sitzt Patient 4 Stunden auf. Viel Durst.
Urin frei von Zucker und Eiweiss.
4. X. Befinden ausgezeichnet. Beim Gehen mit geschlossenen
Augen leichtes Abweichen nach rechts, Stehen etwas unsicher.
Tampon wieder durchtränkt. P. 54. Patient sitzt den ganzen Tag
auf. Nachts wieder viel wirre Träume.
Am 5. X. kommt Patient in die Sprechstunde. Unterwegs
fasst ihn bei dem Lärm einer Fabrik leichter Schwindel. P. 66.
Stimmgabeluntersiichung: Weber (Kl. C. u. Gr. C.) nach links.
Rinne links negativ. Uhr ad conch., an Knochen unsicher, llör-
feld lückenlos, Galtonpfeife bis zur normalen oberen Grenze*.
Fliisterstimme hohe Töne 3 m, tiefe 0,70 m.
7. X. Befinden andauernd sehr gut. Aus der Trommelfell¬
öffnung etwas geruchloses, eitriges Secret. P. 60.
9.X. Perforation geschlossen.
21. X. Flüsterstimme („Weihnachten“) links 9 m. Weber
(Gr. C.) angeblich nach links, Rinne (Gr. C.) links negativ; mit
Kl. C. W e b e r im Kopf. Knochenleitung nicht verlängert. Hör¬
feld lückenlos, Uhr ad conch. Im hinteren oberen Trommelfell¬
quadranten eine lineare Narbe; Trommelfell sonst völlig normal.
Patient wird aus der Behandlung entlassen.
Directe Verletzungen des Labyrinths sind äusserst selten
(Moos). 1 ) Die ersten gut beobachteten und analysirten Fälle
sind von Schwartze veröffentlicht. Sch wart ze®) verletzte
im Jahre 1875 bei einer Aufmeisselung des Warzenfortsatzes die
Labyrinthhöhle und zw'ar den Can. semicirc. ext. und dasVesti-
bulum — mit dem Handbohrer — und sah darnach Schwindel,
Erbrechen, Gleichgewichtsstörung und Hinüberhören der Stiinm-
gabeltöne vom Scheitel nach dem gesunden Ohr, während vor¬
her die Töne nach dem kranken Ohr lateralisirt worden waren.
„Soviel mir bekannt ist“, bemerkt Schwartze, „liegt in dieser
Beobachtung der erste sichere experimentelle Beweis am Menschen
vor für die Abhängigkeit dieser Erscheinungen von einerVerletzung
des Ohrlabyrinths.“ 5 Jahre später beobachtete Schwartze 8 ) eine
„Stichverletzung des Ohres mit Ausfluss von Liquor cerebro¬
spinalis“ vermittels einer Stricknadel. Auch hier folgte Schwindel,
Erbrechen und nahezu völlige Taubheit; dagegen war „kein auf¬
fälliges Schwanken oder Taumeln bemerkbar“, und wurden Stimm¬
gabeltöne durch den Knochen nur im verletzten Ohr wahrge¬
nommen.
Schwartze lässt in diesem Falle die Frage offen, ob that-
sächlich das Labyrinth eröffnet werden und etwa „der acustische
Endapparat im Labyrinth nur partiell zerstört war“, oder aber,
ob die Nadel unter Trennung des Hammer-Ambossgelenkes
ihren Weg durch das Tegmen tympani genommen und nach
Perforation der Dura die subarachnoidealen Räume eröffnet hat.
Ein Pendant zu diesem nennt Ko er n er 4 ) seinen Fall von
„Sehussverletzung des Ohres mit Ausfluss von Liquor cerebro¬
spinalis“. Hier folgten auf das Trauma — es handelte sich um
einen Selbstmordversuch mit Revolver — Schwindel, Gleich¬
gewichtsstörung (Reitbahnbew r egung) und Taubheit auf dem ver¬
letzten Ohr; eine Stimmgabehmtersuchung fand nicht statt.
Wahrscheinlich lag eine Fractur des knöchernen Labyrinths
mit Einriss des häutigen Theils vor.
Dass in unserem Falle eine Verletzung des Labyrinths statt¬
gefunden hat, erscheint mir sehr zweifelhaft, wenn nicht aus¬
geschlossen. Da« Erbrechen, der Schwindel, die Störung des
Gleichgewichte, in der man zur Noth eine Reitbahnbewegung
angedeutet sehen könnte, sprechen ja dafür: aber der Stimm-
gabelbefund und die relativ geringe Herabsetzung der Hörweite
sprechen zu sehr dagegen.
Weit plausibeler erscheint die Erklärung, zu der Schwartze
seinem Fall hinneigt, dass nämlich eine Perforation des Tegmen
tympani und der Dura und eine directe Eröffnung der subarach¬
noidealen Räume vorliegt. Dagegen lässt sich ja geltend
machen, dass die Erscheinungen von Seiten des Hirns und seiner
Häute nur minimale gewesen sind (geringgradige Bewusstlosig¬
keit, Kopfschmerzen, Delirien [?], Angstanfälle, wdrre Tiäiu ).
dass die Temperatur niemals einen febrilen Grad erreicht bat.
und dass das subjective Befinden des Kranken meist auffallend
gut gew r esen ist. Wenn wir aber — aus den angeführten
Gründen — eine Labyrinthlaesion aussehliessen, so fällt dafür
Alles in’s Gewicht, was anSymptomen^übrig bleibt: Abfluss
q Schwartze’s Handbuch der Olirenheilk., Bd. I, p. 499.
2 ) Arch. f. Ohrenlieilk., Bd. XII, p. 332.
3 ) 1. c„ Bd. XVII, p. 117.
4 ) 1. c., Bd. XVII, p. 195.
4
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82
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
von Hirnwasser, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Erbrechen
daneben Pulsverlangsamung (Vagusreiz?) und Polyurie. Dass
die directe Entleerung von Hirnwasser aus den subarachnoidealen
Raumen ohne jegliche Himerscheinungen erfolgen kann, lehrt
ein von Jansen auf dem Moskauer Congress 1897 mitgetheilter
Pall aus der Praxis von Lucae, welchen Letzterer neuerdings
ausführlich publicirt hat-. 6 )
Wahrscheinlich handelt es sich also in unserem Falle um
eine Durchbohrung des Paukendachs und der Arachnoidea,
welche völlig aseptisch und ungewöhnlich leicht verlaufen ist.
Ein Fall von Scorbut auf dem Lande.
Von Dr. M. Rothschild, prakt. Arzt in Randegg (Baden).
Während Scorbutepidemien im Allgemeinen schon aus
ältester Zeit bekannt und ihrem Wesen nach studirt und oft
beschrieben wurden, ist dies bei sporadisch auftretenden Fällen
immerhin in viel geringerem Maasse geschehen und was das
Auftreten sporadischer Fälle in gewissen Gegenden betrifft,
bis jetzt überhaupt unterblieben. Aus diesem Grunde möchte
ich es mir nicht versagen, einen von mir beobachteten Fall von
Scorbut seinem ganzen Verlaufe nach an dieser Stelle zu schil¬
dern, da derartige Fälle im südlichen Baden gar nicht oder doch
höchst selten zur Beobachtung gelangt sind und keine genauere
Schilderung erfahren haben.
Allgemein bekannt ist, dass die epidemische Form des
Scorbut hinsichtlich seines geographischen Auftretens die käl-
leren Zonen bevorzugt und dass derselbe im hohen Norden bis
heute am meisten beobachtet wurde. Audi im nördlichen Deutsch¬
land sind Fälle bekannt geworden, deren Aetiologie manche Er¬
klärungen gefunden hat, jedoch bis jetzt noch nicht hinreichend
erklärt werden konnte.
Von fast allen Autoren werden als Ursachen dieser Er¬
krankung hygienische Missstände, Abnormitäten der Ernährung,
eine von der gewohnten Lebensweise verschiedene, ungenügende
und wenig abwechselnde, insbesondere Mangel an gemischter
Nahrung angegeben; auch schlechtes Trinkwasser, feuchte Kälte,
schlechte Wohnungsverhältnisse, feuchte, wenig gelüftete Wohn-
l'äurae, enges Zusammenleben grösserer Menschenmengen und
individuell stark deprimirende Gemüthsaffecte finden als Haupt-
ursachen, auch des sporadisch auftretenden Scorbut, aetio-
logisch Verwerthung.
Der am hiesigen Orte (etw-a 450 m ii. Meer) beobachtete Fall
von Scorbut betrifft eine 25 jährige, ledige, gut genährte, etwas
anaemische Patientin, die mit Ausnahme von Erkrankungen an
Scharlach und Diphtherie im Kindesalter und Muskelrheumatis-
mus vor einigen Jahren nie wesentlich krank und stets heiterer Ge-
müthsstimmung war. Hereditäre Belastung nach irgend welcher
Richtung ist nicht nachzuweisen. Der Vater starb 45 Jahre alt
an Lungenentzündung; die Mutter ist 64 Jahre alt und leidet an
Degeneratio adiposa cordis; ein Bruder hat in Folge eines mehrere
Jahre dauernden Gelenkrheumatismus etwas Steifheit eines Knie¬
gelenkes. Alle anderen Geschwister sind gesund und, was für
unseren Fall von besonderer Wichtigkeit ist, sind Haemophilen
in der Familie bisher nicht zur Beobachtung gekommen. Auch
Patientin selbst hat ausser einigem Nasenbluten in früheren
Jahren niemals stärkere Blutungen gehabt; einige vor nicht langer
Zeit von mir vorgenommene Zahnextractionen verliefen ganz
normal.
Die oben erwähnten aetiologischen Momente können in diesem
Falle von Scorbut nicht in Betracht kommen. Die Lebensweise
der in guten Verhältnissen lebenden Patientin war immer eine
geregelte, die Ernährung völlig ausreichend, die Wahl der
Nahrungsmittel, was deren Mischung betrifft, normalen Verhält¬
nissen entsprechend, insbesondere hinsichtlich des Genusses von
frischem Fleische und frischen Gemüsen. Die Wohnung ist sehr
sauber gehalten, geräumig, nur von wenigen Personen bewohnt,
trocken und sonnig, hat hohe, luftige Zimmer und genügende
Ventilation. Das Trinkwasser hier ist vorzügliches Quellwasser.
Der Ort selbst hat gemässigt mildes Klima, liegt am Berges-
abhaug mit gutem Wasserabfluss und ist grundwasserfrei. Ein
Scorbutfall ist in unserer Gegend bisher nicht, vorgekommen oder
wenigstens nicht zur Veröffentlichung gelangt.
Alle diese Momente sind aetiologisch für diesen Scorbutfall
nicht zu verwerthen; allenfalls die für dieses Frühjahr hier wie
überall auf tretende und ziemlich lang anhaltende feuchte Kälte.
Da diese jedoch in unserer Gegend keine weiteren Scorbut-
crkraukuugen veranlasst hat, müsste in unserem Falle nur eine
persönliche Disposition angenommen werden.
Patientin erkrankte etwa 8 Wochen vor Eintritt des Exitus
letalis an Rheumatismus der Muskeln und verschiedener Gelenke,
war jedoch am Ausgehen nicht, behindert. Aerztliche Hilfe wurde
erst etwa in der 5. Woche seit Bestehen der Gelenkschmerzen
in Anspruch genommen und wurde der Aufenthalt, zu Bette als
Berl. kl in. Wochenschr. 1899, No. 40.
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dringend nothwendig empfohlen. Selbstverständlich verlangte die
Erkrankung ein ärztliches Eingreifen und wurden thatsächlich die
rheumatischen Beschwerden durch Gaben von Salipyrin, Salicyl-
säure u. s. w. zum Rückgänge gebracht, so dass Patientin einige
Male das Bett verlassen konnte.
Während der ganzen Zeit waren Appetit und Schlaf normal,
und Patientin auch, wenn nicht gerade durch Schmerzen belästigt,
heiterer Gemüthsstimmung. Rheumatische Beschwerden waren
an einem Kniegelenk, den Hand- und Fingergelenken, längs des
ganzen Unterkiefers bis zu dessen Gelenken vorhanden und der
ganze Unterkiefer besonders schmerzhaft, ein Umstand, der mir
später den Gedanken nahe legte, ob nicht schon die ganze Art
dieses Rheumatismus scorbutischer Natur war, da verschiedene
Autoren gerade die Unterkieferschmerzen als typisch bei Scorbut
bezeichnen und von Manchen überhaupt Gelenk- und Muskel¬
aff ectionen als Prodromi des Scorbut genannt werden. Es ist
wohl einleuchtend, dass ein Praktiker, in dessen Wirkungskreis
und w r eit darüber hinaus Scorbutfälle nicht Vorkommen oder
wenigstens nicht bekannt geworden sind, bei Gelenkschmerzen
viel eher an Gelenkrheumatismus als an Scorbut denken wird.
Nachdem die Gelenkschmerzen, abwechselnd mehr oder
weniger heftig, etwa 2 Monate bestanden hatten, da veränderte
sich auf einmal das Bild. Es traten zuerst mässige, dann heftigere
Blutungen des Zahnfleisches, mit Ausnahme der Stellen, wo
bereits die Zähne fehlten, auf; die Haut wurde trocken, von
lividem, erdfahlem Aussehen, Lippen und Wangen cyanotisch;
es stellte sich Appetitmangel und später häufiges Erbrechen,
heftiges Kopfweh, besonders in der Stirngegeud, ein. Fieber war
während des ganzen Verlaufs der Erkrankung nicht vorhanden.
Am zw-eiten Tage der Blutungen wurde das Zahnfleisch wmlstig
geschwollen, blauroth verfärbt und es bildeten sich Ulcerationen
mit Substanzverlusten. Weicher Gaumen und Uvula zeigten
starke Ecchymosen. Die immer heftiger werdenden Zahnfleisch¬
blutungen, die mit einem selbst der Patientin sehr lästigen
Foetor ex ore verbunden waren, veranlasst durch die zersetzten
fauligen Blutcoagula aus den gangraenös gewordenen Zahnfleisch-
theilen, konnten wieder durch verschiedene adstringirende Mund¬
wässer, noch durch subcutane Ergotininjectiouen zum Stehen
gebracht werden; erst durch Tamponade der Mundhöhle längs
des ganzen Zahnfleisches vor und hinter den Zähnen mit Eisen¬
chloridwatte wurden die Blutungen nothdürftig gestillt, um bei
geringem Loslösen der Watte bei flüssiger Nahrungsaufnahme
(vermittels Glasröhre), oder beim Erbrechen wieder von Neuem
unaufhaltsam hervorzuquellen und dadurch einer vollständigen
Anaemie entgegenzuführen. Auch Metrorrhagie war zu be¬
obachten. Der immer heftiger werdende, ein dauerndes Stöhnen
der Patientin veranlassende Kopfschmerz war durch aufgelegte
Eisblase nicht zu mildern; wahrscheinlich haben auch Gefäss-
zerrei8sungen im Gehirne stattgefunden. Ein Collaps folgte dem
anderen und machten den fortgesetzten Gebrauch subcutaner
Aether- und Kampherinjeetionen nothwendig, konnten aber eben¬
sowenig wfle eine Autotransfusion und rectale Kochsalzinfusion
die Katastrophe auf halten; und unter dem Bilde grösster Anaemie
und allgemeiner Kachexie trat 3 Tage nach Beginn der Blutungen
der Tod durch Erschöpfung ein.
Es ist wohl kaum zu leugnen, dass dieser fast typisch ver¬
laufene Scorbutfall ganz besonderes Interesse bietet, weil der¬
selbe ohne jegliches beweiskräftiges aetiologisches Moment in
einer Gegend und unter Verhältnissen auftrat, unter welchen
nach den bisherigen Erfahrungen nicht gerade, zahlreiche Scor¬
butfälle zur Beobachtung gelangt sind. Es widerspricht auch
im Allgemeinen den Anschauungen über die Krankheits a r t
des Scorbut, da gerade der oben beschriebene Fall w’eder als eine
miasmatische Infeetionskrankheit auf gefasst werden kann, noch
auch irgend welche Contagiosität nachzuweisen ist. Auch als eine
Inanitionskrankheit ist der Scorbut bezeichnet worden, wobei
als Krankheitsursachen neben mangelhafter Ernährung andere
schädigende Factoren, insbesondere solche hygienischer Natur,
ganz besonders hervorgehoben sind. Dieser Krankheitsart liess
sich dieser sporadische Scorbutfall wohl noch am ehesten unter¬
ordnen, obgleich auch dafür die Aetiologie nur mangelhaft be¬
weiskräftig zu verwerthen ist, wenn wir nicht gerade ein einziges
aetiologisches Moment — die allgemeine feuchte Kälte — als
Krankheitsursache anzuerkennen Willens sind.
Aus der chirurgischen Universitätspoliklinik in München.
Experimentelles und Klinisches Ober Orthoform.
Von Dr. August Luxenburger, Assistenzarzt.
(Schluss.)
Die guten Dienste, welche Orthoform bei den zufälligen
Verletzungen, die dem Chirurgen in die Hände kommen, geleistet
hat, auch für den Nachschmerz nach Operationen nutzbar zu
machen, war ein sehr naheliegender Gedanke. In dieser Absicht
haben Andere schon vom Orthoform Gebrauch gemacht und
Nutzen gesehen, so rühmt Blondel 1 *’) die Orthoformtamponade
”) Revue Je Thörapeutique No. 10, 1898.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
83
nach Auskratzungen des Uterus. Gomperz“*) will dieselben
nach Operationen in der Nase und im Ohr angewendet wissen.
Üreyf uss“) benutzte Orthoform nach einer Phimosenopera¬
tion. Sollte es gelingen, mit einer massigen Orthoformappli-
cation dem Kranken nach der Operation die wohlverdiente
Ruhe zu verschaffen, so wäre dieses Verfahren, da es den All¬
gemeinzustand nicht weiter zu alteriren schien, den bisher ge¬
bräuchlichen Morphininjectionen in vielen Fällen gewiss vorzu¬
ziehen. Die Anwendung von Orthoform in den gleich auf¬
zuzählenden Fällen hat nun gezeigt, dass es sehr oft möglich ist,
den Nachschmerz ganz zu ersparen, meist aber auf ein so erträg¬
liches Maass herunter zu drücken, dass nur selten zum Morphium
zurückgegriffen werden musste.
Bei 8 Transplantationen liess lOproc. Ortlioformsalbe den
sonst sich einstellenden brennenden Schmerz an der Entnahme¬
stelle der Hautläppcheu nicht aufkommen.
Nach Incision von 5 Abscessen verschiedener Regionen und
2 eitrigen Bursitiden des Olecranon und Tamponade mit mit
Orthoform bepuderter Gaze blieb das Wohlbefinden ungestört.
16 Panaritien, 5 Paronychien, 8 Phlegmonen verursachten
nach Incision, Tamponade mit Orthoformgaze, kaum Beschwerden
mehr.
6 Furunkel und 2 Carbunkel belästigten nach Orthofonn-
einstäubung und Anlage eines essigsaure Thonerdeverbandes nur
mehr durch geringe Druckempfindlichkeit den Träger der Affec-
tion (Controle durch einige nicht so> behandelte, gleichzeitige
Furunkel an demselben Patienten).
Nach 5 Auskratzungen verkäster, tuberculöser Ilalsdrüsen,
einer Aktinomykose der Halshaut versicherten die betreffenden
mit Orthoformgaze behandelten Kranken, bei geringen Beschwer¬
den gut geschlafen zu haben. Aehnliches gilt für
3 Auskratzungen inguinaler Bubonen.
9 Auskratzungen von meist tuberculösen Knochenherden
hatten auf Jodoform-Orthoformgazetamponade nur sehr massigen
Nachschmerz im Gefolge
Bei 7 Thermokauterisationen wegen Angiom (1). Lupus (2),
Naevus (2), Analfisteln (2) äusserte Orthoformdermatolsalbe resp.
-gaze sehr gute Wirkung.
Nach 6 Zahnnarkosen hinderte Orthoformeiustäubuug nicht
nur das Auftreten des Nachschmerzes, sondern auch des üblen
Geruchs, der sonst sich öfters unangenehm bemerkbar macht.
Bei 3 Excisionen eingewachsener Nägel sammt Nagelbett
hatte Orthoformgazeauflage ein sehr gutes Resultat.
Diese letzten drei Operationen bildeten den Uebergang zu
der Verwendung des Orthoforms nach aseptischen Eingriffen.
Wenn auch bei ihnen im Allgemeinen das Bedürfniss nach einem
Mittel zur Bekämpfung des Nachschmerzes nicht so gross ist,
als bei den zuvor aufgezählten Eingriffen, so dürften doch ge¬
wisse Operationen, wie die an Knochen oder Periost und Sehnen,
welche für gewöhnlich intensive Schmerzen für 1 oder 2 Tage
nach sich ziehen, den berechtigten Wunsch nach Linderung
derselben laut werden lassen. Als Hinderungsgrund der Ortho-
formanwendung hätte man neben dem bereits erledigten Moment
der event. gefährdeten Sterilität der Wunden nur eine Störung
der primären Verklebung durch die Anwesenheit des Orthof orms
ansehen dürfen. Dass eine solche nicht zu befürchten war,
schienen bereits Thierexperimente zu lehren. Einem Kaninchen
zerquetschte ich einige Oberschenkelmuskeln mittels Klemmen,
streute reichlich Orthoform darauf und nähte zu. Es resultirte
glatte Heilung ohne besondere Secretion nach wenigen Tagen.
Bei mehreren Thieren erwiesen sich einige durchschnittene
mit Orthoform bestreute und genähte Sehnen nach 16 Tagen
fest verwachsen, ebenso nach 3 Wochen der durchsägte Radius
bei 2 Thieren.
Zum klinischen Experimentirobject wurden die zahlreichen
Atherome des Gesichts, Rückens etc. gewählt. Da sie öfters mul¬
tipel Vorkommen und zuweilen Patienten sich in einer Sitzung
mehrere solche Gesehwülstchen entfernen lassen, konnte, man
genau vergleichen, ob eine mit Orthoform eingestreute Excisions-
wunde ebenso rasch und gut verklebte, als eine ohne diese Zu¬
gabe, ob eine bemerkenswert he Secretion dabei auftrat. Ein
Unterschied in der Heilungsdauer verschieden behandelter Ex-
cisionswunden war nun nicht zu constatiren, dagegen machte
sich ein anderer, wenn auch zu vernachlässigender Uebelstand
bemerkbar: nämlich bereits trockne Wunden fangen für kurze
Zeit wieder etwas parenchymatös zu bluten an 11 ), wenn Ortho-
form eingewirkt hat, sie färben sich dabei anfangs grau und er¬
halten dann ein braunschwarzes, unschönes Aussehen. Die Ver-
muthung, es könnte sich dabei um eine Verwandlung des Blut-
u *) Monatssehr. f. Ohrenheilk. No. 6, 1899, S. 256.
“) Münch, med. Wochensehr. No. 17, 1898.
w ) Ist beim Jodoform auch in geringem Maasse zu sehen.
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farbstoffes in Methaemoglobin handeln, Hat sich nicht bestätigt,
denn die spektroskopische Untersuchung defibrinirten, mit Ortho¬
form für längere Zeit gemischten Blutes zeigt deutlich den
Streifen des reducirten Haemoglobins oder, mit Luft geschüttelt,
die zwei charakteristischen Streifen des Oxyhaemoglobins.
Die Bräunung des Blutes rührt desshalb wohl von der so
häufig eintretenden und hier schon mehrfach angeführten Ver¬
färbung des Orthoforms her, die wir auch öfters an 2—3 Tage;
alten Pulverkrusten, z. B. an Quetschwunden, bemerken können.
Der Hcilungs verlauf von 25 Atheromen, 2 Lipomen,
4 Drüsenoperationen zeigte ferner, dass die Anwesenheit von
Orthoform die Etablirung einer Wundinfection nicht begünstigt.
Es sind auch bei den folgenden kleineren Operationen nicht
mehr Eiterungen zu verzeichnen gewesen, als in der Zeit vor dein
Orthoformgebrauch. Diese erklären sich leicht aus dem Um¬
stand, dass viele Patienten bereits mit infieirten Wunden er¬
scheinen, andererseits dadurch, dass diese kleineren chirurgischen
Leiden meist als Uebungsobjecte für jüngere Mediciner, die mit
den Regeln der Asepsis noch nicht sehr vertraut sind, dienen.
Bei 4 Bubononexstirpationen, 4 Excisionen von Lupus und
Careinomen, 9 Fingeramputationen, 5 Spaltungen zur Extraction
von Fremdkörpern, 2 Phimosenoperationen, 5 Sehnennähten
konnte den Patienten durch Bestäubung der Wunden mit Ortho¬
form die sonst gefürchtete erste Nacht nach der Operation be¬
deutend erträglicher gemacht werden, so dass auch hier der Ge¬
brauch des Mittels gerechtfertigt erscheint.
Die Hoffnung, dass bei den grössten chirurgischen Eingriffen
durch Orthoform die Morphingaben ausnahmslos erspart werden
könnten, dürfte sich wohl nicht erfüllen, da zur Erreichung
dieses Zweckes wohl zu grosse Orthoformgabeu benöthigt würden.
Nun scheint ja nach den bisherigen Erfahrungen das Mittel un¬
giftig zu sein, aber gewiss nur wegen seiner Schwerlöslichkeit.
So ertragen Hunde 3—6 g Substanz innerlich, 3 g in einer Haut-
tasche eingebracht 15 ). Kaninchen, denen ich 1—l l / 3 g in einer
Hauttasche ausgebreitet hatte, zeigten keine Intoxieationss.ym-
ptome. Ein Patient von Klaussner 1 ®) erhielt ohne Störung
60 g pro Woche auf ein Hautcarcinom. Neumeyer 17 ) sah
keine besonderen Erscheinungen bei Medication von 3—4 g pro
Tag. In diesen Fällen kamen aber keine besonders ausgedehnten,
resorbirenden Flächen in Betracht, wie dies z. B. eine Ampu¬
tationswunde von Arm und Bein darstellt, auf der unzählige
durchschnittene Venen und Lymphgefässe in der kürzesten Zeit
grosse Massen, selbst corpusculärer Elemente aufsaugen können.
Dass hier mit einiger Vorsicht zu Werk gegangen werden
muss, lehren die Versuche von Soulier und Guinard 18 ),
die von der gut resorbirenden Peritonealhöhle aus tödtliclie In-
toxieationen sahen bei einer Dosis von 0,5 pro Kilo Hund. In
Venen eingespritzt genügte 0,012 pro Kilo Hase. Nun sind das
ziemlich beträchtliche Dosen, so dass daraus entnommen werden
kann, dass der Mensch mehrere Gramm Orthoform in einer
Wunde wohl gut verträgt. (Einige oben figurirende Verbren¬
nungen erhielten einige Tage hinter einander täglich 2 g auf
die wohl gut resorbirenden Wunden auf gestreut.)
An den gleich aufzuführenden Patienten, deren zum Theil
ausgedehnte Wunden meist mit 1 g Orthoform beschickt wurden,
Hessen sich nie Symptome einer Intoxication constatiren* trotz
rascher Resorption des Mittels. Nach 2 Stunden konnte im
Ham mit Eisenchlorid die violette Orthoformreaction erhalten
werden.
Bei 3 Nekrotomien an der Tibia wegen Osteomyelitis wurde
mit Orthoform die Knochenlade ausgerieben, ferner das Periost
und die Hautränder bestreut. 1 mal Tamponade mit Jodoform¬
gaze, 2 mal rasche Heilung unter S c li e d e’sehem Blutschorf.
Die sonst äusserst heftigen Nachschmerzen wurden auf ein er¬
trägliches Maass vermindert.
Ferner 3 Hernienradienloperationen au 2 Patienten. Dem
doppelseitig Operirten wurde nur in die rechtsseitige Wunde eine
Orthoformborsäuremischung (4:1) eingestreut. Heilung per
priinam in 10 Tagen. Secretion beiderseits minimal. Patient
verspürt in den ersten Tagen nach dem Eingriff recliterseits gar
nichts, links Brennen und Stechen. 1 Mann mit Blasenselmitt
klagt nur etwas über den Verweilkatheter.
Bei 3 Unterschenkelamputationen, 1 wegen arteriosklero¬
tischer Gangraen, 2 wegen Erfriergangraen wird die genannte
Orthoformborsäuremischung hauptsächlich an die durchsclinit-
15 ) Kallenberger: Berl. klln. Wocheuschr. No. 12, 1898.
18 ) Münch, med. Wochenschr. No. 46, 1897.
1T ) Münch, med. Wochenschr. No. 44, 1897.
“) Repertoire de Pharmacie No. 9, 1898.
4*
Original frn-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
84
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3
tenen Nervenstämme, an’s Periost, an die Fascien und Haut¬
ränder gebracht Die sonst sich einstellenden reissenden Schmerzen
erschienen erheblich gemindert .
Bei einer Tracheotomie war nichts Bemerkenswerthes zu
verzeichnen.
Ueber die Nützlichkeit des Orthoforms und die Berechti¬
gung seiner Anwendung bei grossen chirurgischen Operationen
kann ich, da die Zahl derselben noch zu gering ist, kein ab¬
schliessendes Urtheil aussprechen, doch scheinen die bisherigen
Versuche zur Fortsetzung derselben zu ermuntern.
Von anderer Seite 10 ) ist mehrfach auf den zweckdienlichen
Zusatz von Orthoform zu den sonst starken Schmerz erregenden
Arseninjectionen aufmerksam gemacht worden. Kalomelortho-
forminjeetionen empfiehlt Pouchet 20 ). Bei den in unserer
Anstalt zahlreich vorgenommenen Jodoformglycerinin jectionen
konnte ich mich 14 mal überzeugen, dass Beifügung von 5 Proc.
Orthoform nicht nutzlos und nicht schädlich ist.
Eine besondere Besprechung verlangen die hervorragenden
Leistungen, welche Injectionen von Orthoform bei schmerzhaften
Blasenaffectionen geboten haben.
3 Fälle von Blasenstein (2 mit schwerer, 1 mit leichter Cystitis
und öfterem Blutabgang) erhielten täglicli Abends 1 g Orthoform
aufgeschwemmt in ein möglichst kleines Quantum physiologischer
Kochsalzlösung nach voraufgegangener Borsäureausspülung. Da¬
rauf sank nicht nur die Frequenz der gezwungenen Blasen-
entleerungen (von ca. 16 auf 3 Nachts), sondern auch die be¬
gleitenden Tenesmen nahmen an Heftigkeit ab. Selbst der Reiz¬
zustand der Blasenmusculatur, der nur eine Füllung des Cavums
von ca. 50 ccm erlaubte, verringerte sich so, dass nach einigen
Tagen schon eine Füllung auf 150—200 ccm möglich wurde. Auch
konnten die Patienten sich wieder leichter bewegen, ohne gleich
einen Schmerzanfall in Folge des herumrollenden Steines zu ris-
kiren.
Ein Fall von tuberculöser Cystitis lehrte dasselbe.
Dagegen sah man bei 2 gonorrhoischen Cystitiden gar keine
Besserung der allerdings nicht hochgradigen Beschwerden.
Einen vollen Erfolg erlebte ich an 2 Prostatikern mit jauchiger
Cystitis. Neben der erheblichen subjectiven Erleichterung war
die rasche Besserung des Hambefunds bemerkenswerth. Der
Harn verlor früher seinen stinkenden Geruch durch die bereits
oben erwähnte, auch im Glas constattrbare Unterdrückung am-
moniakalischer Gährung, als bei der bis jetzt bei uns geübten
Therapie (alleinige Salicylborsäuresptilungen und innerliche Medi-
cation von Urotropin).
Das Gleiche gilt für einen Fall schwerer Cystitis bei trau¬
matischer Strictur der Harnröhre mit Harnfistel am Perineum.
Bei diesem, wie in einem ähnlichen Fall w T urde nach Exeision der
Strictur für längere Zeit ein Verweilkatheter eingelegt. Zum
Einfetten des letzteren diente Orthoformvaseline (10 proc.).
Oefters wurde neben dem Verweilkatheter ein sehr dünner,
elastischer Katheter eingeführt und an den Blasenhals und Pars
prostatica Orthoformöl (Orthoform 1,0, Oleum olivar. 20,0) injicirt.
Diesem Verfahren glaube ich es verdanken zu müssen, dass der
Verweilkatheter in einem Fall mit geringer Belästigung
3 Wochen lang ertragen wurde.
Ein Patient mit Blasencarcinom zeigte erhebliche Besserung
der subjectiven Beschwerden und des Urinbefundes. Derselbe
erhielt mehrere Wochen lang Orthoform ohne bemerkbaren
Nacht heil.
Demnach hatten die gewöhnlich Abends vorgenommenen
Injectionen von 1— l l / 2 —2 g Orthoform überall einen deutlich
günstigen Einfluss auf die schmerzhaften Tenesmen, auf die
Blasenspannung, Zahl der Mictionen und Urinbef und, ausge¬
nommen bei 2 gonorrhoischen Cystitiden. Das Ausbleiben einer
Besserung des subjectiven Wohlbefindens erklärt sich hier, wie
sonst überall bei Affectionen der Haut und Schleimhäute, aus
dem wahrscheinlichen Mangel an Substanzverlusten, resp. Ge¬
schwüren. In 2 Fällen (einer tiibereulösen, einer jauchigen Pro¬
st atiker-Cystitis) konnte ich mit dem Cystoskop Geschwüre mit
auf geworfenen Rändern sehen. Es liegt desslialb nahe, aus dem
Eintritt der subjectiven Besserung auch in den übrigen Fällen
(zumal dort, wo Steine vorhanden w r aren) auf die Anwesenheit
von Substanz Verlusten zu schliessen und hier bezüglich der
Affcctionen der Blase gerade so wie dies von anderer Seite für
die Kehlkopf- und Magenschleimhaut behauptet und mehrfach
bestätigt worden ist, dem Orthoform einen diagnostischen Werth
zuzusprechen, natürlich nur für den positiven Ausfall der
Probe.
Nach diesen eigenen günstigen Erfahrungen wunderte es
mich Anfangs, die von N o g u e s M ) berichteten Misserfolge zu
lesen. Bei 3 Steinen, 5 tuberculösen und 4 anderen Cystitiden
”) Czerny und Trunececk: Semaine medieale No. 20,
1808 und Sinestous: Gazette hebdomadaire etc., 10.April 1898.
20 ) Progrös mßdical, 29. April 1899.
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erlebte er meist Vermehrung der Beschwerden, keine Besserung
der Schmerzen nach Orthoformtherapie. Der Grund für dieses
schlechte Resultat ist nur in der von ihm gewählten Anwendungs¬
weise zu suchen. Er benützte als Träger des Orthof orms Glycerin,
da dasselbe Orthoform im Verliältniss von 5:100 löst, instillirte
davon täglich 2—3 mal, wie viel ist nicht gesagt. Nun ist be¬
kannt, w T ie heftig Glycerin in Hautschrunden brennt, wie rasch
es ferner von der Mastdarmschleimhaut Contractionen der Mus-
culatur auslöst. Aus diesen Gründen schon ist es als ungeeignetes
Vehikel anzusehen, da doch die Bubstanzverluste der Blase eben¬
falls mit Brennen und die Musculatur mit Contractionen re-
agiren wird, bevor überhaupt das gelöste Orthoform Zeit hat,
seine Wirkung zu entfalten. Letzteres fällt überdies bei der
Berührung mit dem wässerigen Urin sofort aus; es hat also eine
Lösung von Orthoform in Glycerin keinen Zweck. Ausserdem
ist es unmöglich, mit Instillationen eine genügende Menge
Orthoform in die Blase zu bringen, es wäre dazu von einer 5 proc.
Lösung die kaum verwendbare Menge von 20 g Glycerin notli-
wendig. Eine physiologische Kochsalzlösung, die weder Blascn-
musculatur noch Geschwüre tangirt, ist desslialb als Aufschwem¬
mungsmittel (1: 30,0 oder 50,0) sicher vorzuziehen. Mit ihr kann
der Versuch der Schmerzbefreiung aller in ihrem Allgemein¬
befinden schwergestörten Bla senk ranken unbedingt empfohlen
werden.
Man könnte an eine Begünstigung der Steinbildung durch
die Gegenwart dos schwerlöslichen Pulvers denken. Sicheres
darüber vermag nur die Erfahrung bei weiterer Anwendung
lehren. Wahrscheinlich ist mir eine solche Eventualität nicht,
da sowohl saurer als alkalischer Urin immer etwas Orthoform
löst, ferner durch Mictionen oder Spülungen die Hauptmasse
bald wieder weggeschafft wird, ferner von den Nieren her fort¬
während neue Lösungsflüssigkeit abgesondert wird. Auch han¬
delt es sich in den wenigsten Fällen um einen dauernden Ortlio-
formgebrauch (nur bei malignen Neubildungen).
Eine sehr gute Anaesthesirung der Blase mit Abnahme über¬
mässiger Spannung durch Orthoform in Borsäure suspendirt
sah auch Mirabeau 31 ), so dass es ihm möglich war, selbst sehr
empfindliche Blasen unter vollkommener Toleranz zu cystosko-
piren.
Die Erfolge bei der grossen Zahl der in 2 Jahren mit Ortho¬
form behandelten Fälle (ca. 330) lehrten, dass das Mittel den
Hauptzweck, von Wunden aus Anaesthesirung hervorzurufen,
mit seltenen Ausnahmen erfüllt. Ferner liefert der Umstand,
dass sich ernstere Zwischenfälle selbst bei wochen- und monate¬
lang fortgesetzter Verwendung des Orthoforms nicht einstellten,
den brauchbarsten Beweis der Ungefährlichkeit bei maassvoller
Anwendung. Nur einige localisirt bleibende Störungen mussten
auf die Anwesenheit des Anaestheticums zurückgeführt werden.
Diese, meist vesiculöso oder pustulöse Ekzeme, die unter
massigem Jucken in der nächsten Umgebung der Wunde auf-
traten, habe ich meist nur dort beobachtet, wo in überaus reich¬
lichem Maasse Orthoform aufgepudert wurde, z. B. bei einer
grossen Verbrennung an Hand und Vorderarm, ferner an Stellen,
die besonders zu Ekzemen geneigt sind, also auf der varicösen
und chronisch oedematosen Unterschenkelhaut alter Leute oder
an Stellen, wo viel Sehweiss secernirt wird und stagnirt, wie in
der Inguinalgegend (z. B. an einer hier localisirten Röntgenver¬
brennung, au einer schankerös vereiterten Leistendrüse, an zwei
Fussgeschwüren). Auch A s a m ") beschrieb 4 Ekzeme, eines
darunter mit Neigung zur Generalisation. Mailland 2 *) be¬
richtet über 4 Fälle universellen Erythems nach überaus reich¬
licher Orthoformapplieation auf ausgedehnte Wundflächen.
Diese nach unserer Erfahrung seltenen Ekzeme sind, wenn
auch nicht besonders unangenehme Ereignisse, so doch geeignet ,
den Heilverlauf der Wunden aufzuhalten und ängstliche Pa¬
tienten zu beunruhigen. Um den Gründen der Entstehung der
Ekzeme auf die Spur zu kommen, war es nothwendig, sich über
eine eventuelle Reizwirkung des Orthoforms zu orientiren.
21 ) Centralbl. f. Gynäk. No. 11, 1899 u. Monatssehr. f. Geburtsh.
Bd. XI. . i
2Ü ) Annales des maladics des Organes genito-urinaires 1898,
S. 347.
") Münch, med. Wochenschr. No. 8, 1899.
") La Province mödicale No. 12 u. 13, 1899.
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
85
Boisseau**) sah auf der Bindehaut des Auges kaum eine
Reaction durch das eingestäubte Orthoform. Injectionen in
seröse Höhlen, wie Pericard, Pleura und Peritonealhöhle des
Kaninchens rufen, wie ich mich mehrfach überzeugt habe, keine
Entzündung oder Fibrinablagerung, nur minimale Exsudation
seröser Flüssigkeit hervor. Die Einspritzung in einen durch
Punction entleerten Hydrocelensack in der Absicht, eine event.
Verklebung der serösen Blätter zu erreichen, hatte nur die Folge
einer etwas schnelleren Wiederanfüllung bei völligem Fehlen
reactiver Entzündungserscheinungen. An einem durch Arthritis
difformans erheblich destruirten Gelenk waren nach Inject ion
von Orthoform weder besondere subjective noch objective Sym¬
ptome zu constatiren.
Bei 2 acuten Ekzemen wurde Orthoform unter den gewöhn¬
lich verordneten Zinkpuder gemischt. Dieselben heilten ohne
weitere Ausbreitung ebenso schön, wie 3 chronische Ekzeme,
denen eine Mischung von Orthoform, Ol.Rusci und Spiritus auf-
gepinselt worden war. Auch von Korn”) ist bereits Orthoform
zur Behandlung von Ekzemen, Prurigo und Herpes empfohlen
worden, von Hanszel”) 10proc. Orthoformsalbe für Nasen-
ekzeme.
Nach diesen Versuchen kann ein allgemeiner Satz, wie:
Orthoform ist ein jeweils reizender Körper und macht desshalb
leicht Ekzeme, nicht ausgesprochen werden, selbst abgesehen da¬
von, dass die grosse Reihe obiger, nicht mit Ekzemen complicirter
Fälle dasselbe beweist. Noch andere klinische Experimentir-
objecte liessen diese Ansicht nicht aufkommen. Bei 2 Patienten,
deren Haut auf Anwendung von Jodoform resp. Sublimat bald
mit einem Ekzem reagirte, wurde Orthoform benützt. Dem einen
davon, mit symmetrischen Hautabschürfungen an beiden Unter¬
schenkeln, acquirirt durch Fall, hat die Auflegung von Jodoform
rechterseits eine erhebliche Reaction verursacht, Orthoform links
nicht. Einen anderen naheliegenden Entstehungsgrund für Ek¬
zem hätte man in einem unreinen Präparat oder in eventuellen
Zersetzungsproducten des Orthoforms suchen können, zumal,
da dieses sich bei langem Stehen am Licht etwas bräunt. Gegen
erster© Annahme sprach neben der Zuverlässigkeit der das Prä¬
parat liefernden Firma die Thatsache, dass von derselben Portion
Orthoform, welche einmal Ekzem verursacht hatte, an anderen
Individuen kein Nachtheil gesehen wurde; letztere Annahme
wurde durch Versuche mit einem 2 Jahre alten, ziemlich gelb¬
braunen Präparat und den schwärzlichen und bräunlichen Zer¬
setzungsproducten des Orthoforms hinfällig, die sich bilden,
wenn alkalische Lösungen des Präparates längere Zeit an der Luft
stehen bleiben oder mit Wasserstoffsuperoxyd oxydirt werden.
Die mit derartigen Zersetzungsproducten bestreuten Geschwüre
verschiedener Regionen liessen keine auffallenden Veränderungen
erkennen und auch ihre Umgebung blieb intact.
In der Art der jeweiligen Application wurde ebenfalls keine
befriedigende Erklärung gefunden für den Widerspruch, dass
Orthoform in den meisten Fällen ohne Nachtheil in grossen
Mengen ertragen wird, in wenigen anderen schon kleine Dosen
locale Reaction mit Ekzemen veranlassen. Ich musste mich daher
begnügen, diese Lücke der Erkenntniss mit dem Worte Idiosyn¬
krasie auszufüllen, ohne damit mehr sagen zu wollen, als dass
gewisse Individuen Orthoform gegenüber eine ebenso merkwürdig
geringe Widerstandskraft haben, als gegenüber anderen Mitteln,
wie Jodoform, Salicylsäure, Wismut, Quecksilber. Dazu war
umsomehr Berechtigung, als ein von Schroppe") veröffent¬
lichter Fall eine passende Illustration bietet. Ein Mann bekam
im Laufe eines Jahres 3 mal in grösseren Zwischenräumen ein
Orthoformekzem, 1 mal nach Betupfung eines Zungengeschwürs,
1 mal nach Einblasung in’s Ohr, das 3. Mal nach Einlage einiger
Körnchen Orthoform in einen hohlen Zahn. Nun kann doch
die Wirkung einer Quantität, die in einen hohlen Zahn geht,
gewiss nur durch eine höchst seltene Intoleranz weniger Menschen
erklärt werden. In gleicher Weise ist aufzufassen ein Fall von
Brocq"), in dem einmalige Betupfung einer Vulvafissur
einen Ausschlag zur Folge hatte und der einzige bis jetzt be-
*•) Gazette hebdomadaire des Sciences mödlcales de Bordeaux
No. 51, 1897.
“) Aerztl. Praxis No. 13, 1898.
") Wiener klin. Wochenschr. 1898, No. 49.
*) Petersburger med. Wochenschr. No. 12, 1899.
*) Presse mödicale, 15. April 1899.
No. 8.
Digitized by Google
obachtete Fall wahrscheinlicher Intoxication, den Epstein 29 )
veröffentlicht hat. Auf Injection von Kalornel zusammen mit
0,08 Orthoform waren mit Wahrscheinlichkeit 6—8 Stunden
dauernde Erscheinungen wie Nausea, Schwindel, Erbrechen zu
beziehen.
Ebenso wie man für die Entstehung von Orthoformekzemen
eine Idiosynkrasie einzelner Menschen verantwortlich machen
muss, verdient dieselbe Ansicht, wen igstens bis zu einem gewissen
Grade, für die wenigen beschriebenen Fälle tiefgehenderer Ge¬
websveränderungen nach Orthoformgebrauch den meisten Glau¬
ben. So schrieb A s a m ’°) über 5 Fälle von Gewebsnekrose auf
varicösen Geschwüren nach 3—14 tägiger Anwendung 2—10 proc.
Salbe, Miodowskv 31 ) über einen Fall. Mir selbst kamen
2 Fälle von gangraenösem Belag auf varicösen Fussgeschwüren
zu Gesicht. Beide Individuen hatten ohne Oontrole sich selbst
mit täglicher Ort.hoformpulverbestreuung 14 Tage bis 4 Wochen
behandelt. Es war jeweils auf einem nicht ganz handtellergrossen
Geschwür mit etwas gerötheter Umgebung ein fünfmarkstiiek-
grosser, grauschwarzer, hornartiger, gegen Berührung unempfind¬
licher Belag zu constatiren. Unter Borsäureumschlägen hob sich
der beschriebene Schorf ringsum am Rande pilzförmig ab, sass
aber noch eine geraume Zeit in der Mitte des Geschwürs mit
einem Stil fest. Nach Abstossung desselben, 10—14 Tage später,
lag ein schön gereinigtes, granulirendes Geschwür vor. Da ich
um diese Zeit noch nicht vom causalen Zusammenhang des
Orthoformgebrauehs mit einem derartigen Wundbefund über¬
zeugt war, puderte ich wegen Schmerzen weiter Orthoform auf
und zwar erhielt :
No. 1, ein Mann, der seine Arbeit nicht aussetzen wollte,
täglich Orthoform, darüber feuchter Borsäureumschlag ohne
Guttapercha.
No. 2, eine Frau, lag auf meine Verordnung im Bett, machte
sich Anfangs fortwährend Bleiwassermnsehläge, dabei Morgens
und Abends Orthoformaufstreuung. Später Orthoform-Dermatol-
ta lepuderverba nd.
Nach 5 Tagen bekam das Geschwür des No. 1 einen grau-
weissen, nicht abwischbaren Belag aus nekrotisirendem Gewebe,
der auf Slstirung der Orthoformbehnndlung nach 3 Tagen wieder
verschwand. No. 2 wurde ohne Störung bald wieder bergest«'!lt.
Die Verschiedenheit des Verlaufs beider gleichartiger Fälle
war merkwürdig. Nahezu dieselbe Behandlungsweise wurde den
gleich grossen und tiefen Geschwüren zu Theil, die beide circa
ein halbes Jahr bestanden hatten, dasselbe Aussehen boten,
auf stark varicösen und etwas oedematösen Unterschenkeln mit
atrophischer, theilweise pigmentirter Haut sassen. Demnach
musste neben der Idiosynkrasie, die ja beide Fälle bewiesen
hatten, noch ein anderes Moment in Action getreten sein. Ge¬
klärt wird nun die Sache durch das verschiedene Verhalten
beider Kranker. Die besser situirte Patientin hielt strenge Bett¬
ruhe ein, so dass die venöse Stase in der Haut auf ein Minimum
reducirt wurde. Der zum Broderworb gezwungene, nicht von
einer Kasse unterstützte Arbeiter bot mit seinen fingerdick dila-
tirten Venen in Folge 10 stündiger, stehender Beschäftigung als
Maurer für eine Gewebsnekrose die denkbar günstigsten Ver¬
hältnisse. Die Beobachtung, dass Stauung einer Gangrän Vor¬
schub leistet, ist ja allbekannt. So verursacht oft ein minimales
Trauma (Contusion) oder eine unbedeutende Infection durch
Kratzen ein locales Absterben circumscripter Partien an varicös
gestauter Unterschenkelhaut. Andererseits hat schon mancher
Fuss durch Beseitigung der Stauung mittels Suspension vor der
Gangraen gerettet werden können. Kommt nun auf ein Ge¬
schwür, dessen Ernährung in Folge der nahezu gänzlich stag-
nirenden Blutcirculation auf ein Minimum herabgesunken ist.
ein Mittel, welches schmerzempfindende Nervenendigungen für
längere Zeit ganz ausser Function setzt, desshalb mit einiger
Wahrscheinlichkeit auch trophischc Fasern afficirt. so kann
dieses wohl ein Absterben von kleineren Gewebspartien ver¬
ursachen, was nicht weiter wunderbar erscheint. Sowohl in
A s a m’s Fällen als in dem von Miodowskv handelte es sich
um schlecht ernährte Regionen, die unter dem Einfluss hoch¬
gradiger Stauung standen.
Abgesehen von dem Moment der Stauung, die eine un¬
erwünschte Orthoformwirkung zuweilen nach sich zieht, kommt
aber noch zuweilen Anderes in Betracht. Oefters sind Schmerzen,
welche einen Orthoformgebrauch indiciren, ein Hinweis auf die
“) Dermatolog. Centralbl. No. 5, 1899.
") Münch, med. Wochenschr. No. 8, 1899.
n ) Münch, med. Wochenschr. No. 12, 1899.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
86
Anwesenheit von Infectionskeimen in der Wundfläche. In der
Vorort hoformzeit hahen die Beschwerden den Kranken veranlasst,
sein krankes Bein zu schonen und lindernde Umschläge zu
machen. Jetzt bekommt er ein Mittel, das ihm die Schmerzen
wegzaubert, er hält sich in Folge dessen für beinahe gesund,
setzt sein Bein mit sammt dem inficirten Geschwür der Schäd¬
lichkeit. der täglichen Anstrengungen und der Stauung aus.
Unter dem üblichen Ort.hoformpuder- oder Salbenverband, den
sich der Kranke selbst kritiklos anlegt, bleibt das abgesonderte
Secret (was früher durch Umschläge entfernt wurde) sitzen und
übt einen fortwährenden Reiz aus. Auf diesen wurde der
Patient früher durch lebhaftes Brennen aufmerksam, mit Ortho-
forrn anaesthesirt merkt er von dem Uebelstand nichts und fährt
mit der ungeeigneten Therapie fort. Da ferner die massige
antiseptische Kraft des Orthoforms nicht genügt, um als Ersatz
der sonst üblichen Desinficientien dienend, der vorhandenen Ge-
schwürsinfection Einhalt zu gebieten, ausserdem letzterer noch
die Soeretanhäufung zu Gute kommt, ist eine Nekrotisirung
schlecht ernährter Gewebstheile durch Zusammentreffen mehrerer
begünstigender Umstände leicht erklärlich. Orthoform an und
für sich, ohne die Mitwirkung genannter Fnetoren. verschuldet
keine Nekrosen. Zur Bekräftigung liessen sich die oben er¬
wähnten Fällt* (3 wegen Gangraen amputirte Unterschenkel,
2 trophUehe, 3Doeubitusgesohwüro),die unterOrthoformgebrauch
anstandslos heilten,, nochmals hcranziehen, obwohl sie gewiss zu
einer Gangraen günstigen Boden bildeten, wo aber Stauung.
Infcction fehlten.
Eesmnirend glaube ich über die unangenehmen Nachwir¬
kungen des Orthoforms Folgendes aussprechen zu können.
Nach den diesseitigen Erfahrungen sind Orthoformekzeme
selten (5 unter ca. 330 Fällen), Gangraen noch seltener. Zur
E n t s t e h u n g des Orthoformekze m s geh ö r t in
erster Linie eine selten vorkommende In¬
toleranz des Individuums. Zu reichliche Auf-
P u 1 v e r u n g u n d L o c a 1 i s a t i o n d e r z u behandeln¬
den A f f e c t i o n dürften dabei noch eine Rolle
spielen.
Das Auftreten einer Orthof ormnekroso er-
f o r d er t neben eine r I d i o s y n k r a s i e des Indivi¬
duums hauptsächlich an und für sich schlecht
ernährte Gewebstheile, die uni e r d e m u n gün¬
stigen Einfluss einer Blutstauung oder auch
einer Tnfection stehen.
Aus diesen Sätzen ergibt sieb von selbst ein Wegweiser
zur Vermeidung der in Rede stehenden Nachtheile. Vor Allem
darf Orthoform nur unter häufiger Controle des Arztes benutzt
werden. Relbstbehandlung ist, da der Patient sich über sein
Befinden täuscht, verwerflich. Der Arzt kann den Ekzemen in
vielen Fällen aus dem Wege gehen durch anfängliches Vermeiden
zu luxuriösen Gebrauchs, durch Deckung der Geschwürsum¬
gebung mit dicker Zinkpaste. Tritt es doch auf, so ist mit
Aussetzen des Orthoforms und 2—3 tägigem Puderverband etc.
dem kleinen Schaden leicht abgeholfen.
Zur Verhütung von Gangraen ist Leuten mit starker
venöser Stauung in den Beinen (um diese Extremität handelt
es sich ja immer) strengste Bettruhe anzuempfehlen, ferner ist
bei vermut.hlieher Infection der Geschwüre, die desinficirende
Behandlung mit den gebräuchlichen Antisepticis nicht zu ver¬
säumen.
Einer kurzen Erwähnung bedürfen noch zwei Punkte. Von
verschiedener Seite ist dem Orthoform sowohl eine secretions-
Ix‘schränkende, als auch eine heilende Eigenschaft, nachgeriihmt
worden. Kallenberger 8 *) überzeugte sich bei Transplan¬
tationen und einem carcinomatösen Geschwür von ersterer
Fähigkeit. Kassel 33 ) sagt, dass bei Anwendung im Larynx
die seröse Secretion vermindert wird, auch Hanszel") rühmt
diesen Vortheil und glaubt, dass eine Heilung von Larynx-
geseh wären begünstigt wird. Ebenso F reudenthal *'). Auch
J e s s e n ) und Wittkowsky 8 ‘) bezüglich der Geschwüre
der Proeesse im Mund. Ich selbst sehe mich genüthigt, mit Vor-
IMss. inaug.. München 1898.
“i Tlierap. Monatsh.. Octoher DSPS.
Wien. klin. Woehensohr. No. 4t), DSPS.
::v > Monatsschr. f. Ohronheilk. No. DSPP.
3i ) Deutsch, zaliniirztl. Zeitschr. No. IS, 181)8.
* 7 ) Odontol. Blätter No. 10, 1898/90,
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sicht ein Urtheil auszusprechen, das im Ganzen nur nach einer
Summe allgemeiner, desshalb ungenauer Eindrücke, gefällt
werden kann. Im Vergleich möglichst ähnlicher Geschwüre
oder Verletzungen, wie z. B. Hautabschürfungen, Fingerkuppen¬
abquetschungen etc., die theils mit Orthoform, theils mit Jodo¬
form etc. behandelt wurden, kam ich nicht zum constanten
Resultat, dass Orthoform jeweils in allen Fällen die Secretion
deutlich beschränkt, oder schnellere Heilung bietet. Letzteres
konnte ich nur an 3 chronischen Ekzemen feststellen, wo Unter¬
drückung des Juckreizes ermöglichte, dass die Patienten ihre
Affection in Ruhe liessen und das Heilungshindemiss des fort¬
währenden Kratzens wegfiel.
Andererseits erschien nach eben denselben Versuchen das
Resultat aber zweifellos, dass Orthoform weder die Secretion
vermehrt, noch die Wundheilung verzögert. Meiner Ansicht nach
braucht man von ihm mehr nicht zu verlangen. Es genügt voll¬
ständig, dass es bei maassvollem Gebrauch, besonders in der
Hand des Arztes, ein absolut unschädliches Localanaestheti-
cum ist, welches dem Chirurgen gestattet, mit geradezu ver¬
blüffender Sicherheit den Wundschmerz zu beseitigen.
Schliessend ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem
Chef. Herrn Prof. Klaussner, für die liebenswürdige Ueber-
lassung des Materials und das freundliche Interesse, welches er
diesen Untersuchungen entgegen gebracht hat, meinen besten
Dank auszusprechen.
Bemerkungen zu Prof. Hofmeier’s Arbeit: „Zur
Behandlung der Nachgeburtszeit“.
Von Dr. S. M e y e r s o n in Treuehtlingen..
Der in No. 48 dieser Wochenschrift erschienene Artikel von
Prof. H o f m e i e l* „Zur Behandlung der Nachgeburtszeit“, der
weniger zur Erörterung einer wissenschaftlichen Streitfrage, son
dern vielmehr als Directive für den praktische^ Arzt bestimmt
ist dürfte durch seine autoritativen Ausführungen von bedenk¬
lichem forensischen Interesse sein und in weiten Kreisen der prak¬
tischen Aerzte Beunruhigung hervorrufen.
Es ist gewiss sehr zweckmässig, dass Hof meier die Gren¬
zen der Indication zur Placentarlösung durch intrauterinen Ein¬
griff möglichst enge zieht, da in der Infectionsgefährlichkeits-
scala der geburtshilflichen Operationen die manuelle Placentar¬
lösung die höchste Stelle einnimmt. Man wird damit einverstanden
sein, wenn er auch bei Blutungen den Arzt nur dann ziir'so-
f o r t i g e n operativen Entfernung der Nachgeburt für be¬
rechtigt hält, wenn die Blutung 1—l 1 /. Liter beträgt.
Ist keine Blutung vorhanden, so hält Hofmeier den Arzt
erst nach 3—4 Stunden post partum dazu berechtigt Diese
Vorschrift ist in einer Klinik, in der ständig ein Assistent ist,
sehr leicht zu befolgen; dem beschäftigten Arzte, der oft 2 Stunden,
ja noch weiter zu eiher Entbindung über Land fahren muss, ist
aber ein so langes Warten kaum zuznmuthen, und, da. Hof-
meier selbst zugibt, dass dieser Zeitbestimmung eine gewisse
Willkürlichkeit anhaftet, so dürfte das Einhalten der von Runfee
und S p i e g e 1 b e r g angegebenen Wartezeit von 2 Stunden
in derartigen Ausnahmefiillen genügen, um vor dem Vor¬
wurfe eines Kunstfehlers zu schützen.
Wenn Hofmeier für eine Verpflichtung des Arztes
zur Placentarlösung bei Fehlen von Blutungen keinen Zeitpunkt
angibt, weil längeres Zuwarten bis zu 12 Stunden und darüber
hinaus an sich die Verhältnisse nicht verschlechtere, so habe ich
bei der Verteidigung des praktischen Arztes gegen die Möglich¬
keit. ihm ans dem § 222 des Strafgesetzbuches unberechtigt 'einen
Strick zu drehen, keine Veranlassung. Bedenken zu üussern.
Peinlich wird die Mehrzahl der Aerzte berührt sein .von
H o f m e i e r’s Vorschriften über die Notwendigkeit der gründ¬
lichen inneren objectlven Desinfection der Kreissenden, deren
Unterlassung er einen durch den § 222 des Strafgesetzbuches zu
ahndenden Kunstfehler nennt. . . ..
Die Notwendigkeit sorgfältigster Reinigung der äusserep
Geschlechtsteile unter Anwendung desinflclrender Mittel _ von
eigentlicher Desinfection kann man ja hier nicht sprechen, da
Alkohol Waschungen und Heisswassorseifenbürstungen der Vulva
der Schmerzen wegen undurchführbar sind — wird allgemein an¬
erkannt.
Ganz anders steht es mit der Desinfection der Vagina. Die
Bestrebungen nach innerer Desinfection stützen sich darauf,”dass
bei bacteriölogisehen Untersuchungen des Scheidensecrets in *40
bis 50 Proe. der Fälle pathogene Mikroorganismen gefunden
•wurden: Cuiturversuehe und Injeetionen ergaben aber, dnss die¬
selben nicht im Zustande der Virulenz, dass sie durch das
Scheidonsecret geschwächt waren.
Hierbei ist zu bedenken, dass bei dem zu Unterrichtszwecken
von Studenten vielfach mit nicht einwandsfreier sublectiver
Antisepsis untersuchten klinischen Materiale eher pathogene
Keime in der Vagina vorhanden sein dürften, als bei den Ge¬
bärenden der Privntpraxis.
Bel geburtshilflichen Operationen wird flie Innere Desinfec¬
tion von einer grossen Zahl hervorragender Geburtshelfer unter-
Qrigiraal fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900. MÜNCHENER M EDICINISCHE WOC HENSCH RIFT.
lassen und ihre Morbiditätsstatistik ist sogar günstiger als die
der Anderen 1 ).
Was versteht übrigens Ho f m e i e r unter gründlicher Des-
infection der VaginaV Er spricht sich darüber gar nicht aus,
obwohl der Begriff nicht ohne Weiteres klar ist.
Sind es gründliche desinücirende Abreibungen der Scheide,
so sind solche, wenn man nicht eine Scheiudesinfection treiben
will, wohl in einer Klinik, bei einem fast militärisch subordinirten
Kranken material ausführbar; in der Privatpraxis aber würden
sich die Patientinnen diese höchst schmerzhafte Procedur, deren
Nützlichkeit übrigens von vielen Seiten geleugnet wird, nicht ge¬
fallen lassen.
Oder sind es desinücirende ScheidenausspiiluugenV
Mögen solche immerhin in der Mehrzahl der Fälle v o r der
Geburt des Kindes als unschädlich zugestandeu werden, voraus¬
gesetzt, dass Spülwasser und Irrigator nebst Zubehör gekocht
sind. Erfüllt der Arzt nicht gewissenhaft diese umständlichen
Arbeiten, so kann die Ausspülung Gefahr bringen. Gefährlich
werden kann sie auch durch Einschwemmen von Keimen aus der
Vagina in den Uterus; gefährlich wird sie sein bei Placenta
praevia centralis mit schon theilweiser Piacentarlösung und
offenem Muttermunde durch die Möglichkeit einer acuten Lysol-
etc. -Intoxication oder einer Luftembolie in die offenen mütter¬
lichen Placentarsinus.
Doch H o f m e i e r’s Thema ist ja die Desiufection der
Scheide nach der Geburt des Kindes. Hier hat doch schon in
gewissem Maasse eine natürliche Reinigung der Scheide — von
Desiufection kann man freilich nicht sprechen — stattgefundeu,
nämlich eine mechanische Abreibung durch das austretende
Kind und ausserdem eine Abspülung mit dem Fruchtwasser, wo¬
durch die Infectionsgefahr etwas verringert ist. Kanu nun eine
2proc. Lysolausspülung nach der Kindsgeburt als eine unter
keinen Umständen schädliche Maassregel bezeichnet werden, wie
Hofmeier sagt? Durchaus nicht.
Nachgeburtsoperationen werden meist wegen Blutungen aus¬
geführt; es ist also meist ein Theil der Placenta schon gelöst,
und die entsprechenden mütterlichen placeutaren Uterinsinus
stehen offen, da sich der U terus in der Regel nicht fest coutrahirt,
so lange die Placenta in ihm ist. Es kann somit, besonders wenn
starke Blutungen stattgefunden haben, und dadurch der schon
sonst geringe Blutdruck in den Venen negativ geworden ist, so
dass eine venöse Saugwirkung statttindet, leicht zu einer acuten
Desinfteiensintoxication und vor Allem zu einer Luftembolie
kommen.
Mag auch sorgfältigst Irrigatorschlauch und -ansatz luftfrei
gemacht sein, das Eindringen des Wassers in die Vagina bringt
die dort und besonders die im schlaffen Uterus vorhandene Luft
vorübergehend unter höheren Druck, und das kann zur Luft¬
embolie, d. h. zu sofortigem Tode führen.
Ebenso gefährlich, vielleicht noch mehr, sind Ausspülungen,
besonders gründlich desinücirende, nach der Entfernung der Nach¬
geburt, auch hier kann sehr leicht acute Intoxication oder Luft¬
embolie, abgesehen von Keimverschleppung, eintreten.
Ich Habe früher stets, wie ich es auf der Universität gelernt
hatte, vor und nach der Entbindung, Anfangs desinücirende,
später aseptische Ausspülungen gemacht, bis ich trotz Beobach¬
tung aller Cautelen und niedrigem Stande des Irrigators 2 mal
acut den Tod unmittelbar auf die Ausspülung nach der Entbin
düng eintreten sah, das erste Mal bei einer 1 proc. Lysol-
ausspiilung, das zweite Mal bei Ausspülung mit gekochtem
Wasser, in beiden Fällen offenbar durch Luftembolie. Seitdem
mache ich keine Ausspülungen mehr nach der Geburt des Kindes,
auch nicht vor Nachgeburtsoperationeu, deren ich in den letzten
2 Jahren 5 gemacht habe, die gänzlich fieberfrei blieben.
Die subjective Desinfection mache ich selbstverständlich in
peinlichster Weise: 10 minutenlange Heisswasserseifenbürstungen
mit gekochter Bürste und oft wiederholtem Wasserwechsel, dann
Alkohol-, Sublimat- und zuletzt Lysolbürstungen, ein Verfahren,
das der Bequemlichkeit des Arztes mehr zumuthet, als die ob-
jective Desinfection der Kreissenden.
Sollten die angeführten Unglücksfälle als ganz ungewöhn¬
liches Pech bezeichnet werden, so bemerke ich, dass mir Collegen
ähnliche Erfahrungen mitgetheilt haben, auch dürften die obigen
Ausführungen ergeben, dass die Möglichkeit eines solchen Un¬
glücks bei Spülungen nach der Kindsgeburt stets vorhanden, der
Eintritt desselben im einzelnen Falle weder voraussehbar, noch
ganz sicher abwendbar ist.
Ne noceas ist und war stets dar erste Princip des Arztes.
Erkennt man das an, so darf man nicht mit dem Finger auf den
§ 222 des Strafgesetzbuches weisend den Arzt zu einer Maass¬
regel zwingen wollen, über deren Nützlichkeit noch sub judice
lis est, und deren mögliche Schädlichkeit schon mancher Arzt
schaudernd erfahren hat.
*) Unterdessen erschien in der vorigen Nummer der Münch,
med. Wöchenschr. die sehr exacte Experimentalstatistik der Leip¬
ziger Klinik, auf Grund deren K r o e n i g Ausspülungen Intra
partum für „mindestens unnöthig“ erklärt
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Zur Arbeit: „Der Werth des Harnnährbodens für die
Typhusdiagnose 11 von Dr. Ernst Unger und Dr. Ernst
Portner, Volontärärzten.
Von Dr. Piorkowski.
Die in No. öl dieser Wöchenschr. erschienene Arbeit der oben
genannten Herren, die im Grossen und Ganzen eine dankeuswerthe
Bestätigung meiner Angaben über den Werth meiner Methode
bildet, kommt zu folgenden Resultaten:
1. Fehlen gefaserte Golouien in mehreren Aussaaten, so liegt
kein Typhus vor.
2. Zahlreiche langgefaserte Colonien sind für Typhus be¬
weisend.
3. Kürzer gefaserte Colonien sprechen im Verein mit klini¬
schen Zeichen für Typhus, sind aber ohne sie nicht zu verwertheu.
►Sicherheit bringt erst die weitere bacterioiogiselie Prüfung.
Die betreuenden Befunde stimmen jedoch nicht in allen
Punkten mit den von mir angegebenen überein und scheint mir
die Ursache hiefür darin zu liegen, dass die betreffenden Herren
sich nicht in ganz exacler Weise an die von mir gegebenen Vor¬
schriften gehalten haben, wie sie dieselben auch in der betreffen¬
den Arbeit nicht richtig wiedergebeu.
Im Interesse der ssaehe selbst erscheint es mir desshalb ge¬
boten, auf diese Punkte hinzuweiseu.
Zunächst (das sei nebenbei erwähnt) habe ich nirgends davon
gesprochen, dass der Harn im Brutschrank alkalisch ge¬
macht werden soll, ich habe nur gesagt ‘), dass normaler Harn
einige Tage bei Zimmertemperatur stehen soll, bis er eine leicht
alkalische Reaction angenommen hat.
Der nun folgende Passus, der in der gegebenen Fassung
leicht, die Deutung zulässt, als wäre er die Fortsetzung meiner An¬
gaben, gibt die Auffassung der 1 teilen Autoren wieder. Ich habe
ferner -) darauf hingewiesen, dass eine künstlich herbei¬
geführte Alkalesceuz nicht zu empfehlen ist, weil hierbei
der Typus der Ausfaseruug nicht so charakteristisch
ist.
Diesem Umstande darf wohl auch zugeschriebeu werden,
dass in 9 Typhusfülleu erst bei wiederholter Aussaat die ersten
Colonien sichtbar wurden, während mir bei einem Material von
einigen 40 Fällen eine sterile Aussaat niemals vorgekom¬
men ist, aber auch die Typhuscolonien stets bei der ersten Im¬
pfung au ft raten.
Ferner bemerken die Herreh Verfasser obiger Arbeit, dass
nach meiner Ansicht „alle mit Ausläufern versehene Colonien,
auch die kürzer gefaserten, dem Tjphusbaelllus augehören, Coli-
colonien dagegen stets in kreisrunder Gestalt auftreten“.
Nun habe ich allerdings in meiner ersten vorläufigen
Mi 11 h e ! 1 u n g ') gesagt, dass die Colonien des Bact. coli coinmuu.
sich rund, gelblich, feinkörnig und seliarfrandig präsentiren. Die
Verfasser weisen in ihrer Veröffentlichung aber nicht nur auf
meine Ausführungen in der Berl. klin. Wöchenschr., sondern auch
auf die Sitzungsberichte des Vereins für innere Mediciu vom
30. X. 1809 hiu. Sie müssen also wissen, dass ich dort gesagt
habe: „Die Ausfaserungeu der Typhusbaeterien siud deutlich zu
differenziren von anderem Ausstülpungen, die mehr höcker¬
artig siud und es höchstens bis zu kleinen Stacheln bringen, die
mitunter den Colibacterien eigen sind.“
Zum Schlüsse möchte ich noch darauf hlnweisen, dass die
von den Herren Verfassern bestätigten Angaben W i 11 i c h’s
betr. Abstiche in Harngelatine von Coli und Typhus, die Bestäti¬
gung meiner Angaben siud, wie ja auch Herr Witt ich augibt.
ich freue mich umsomehr dieser Bestätigung seitens der Herren,
als laut Discussion im Verein für innere Medicin-Berlin *) zu jener
Zeit seitens eines der Herren die diesbezüglichen Resultate W i t -
t i c h’s nicht übereinstimmend gefunden worden sind, übrigens
der Harunährboden für die Frühdiagnose sehr werthvoll gehalten
wurde, während heute nach der Ansicht desselben Autoren von
einer solchen im Allgemeinen nicht gesprochen werden kann?!
Ich darf hoffen, dass, wenn die Herren gemäss der von mir
angegebenen Methode mit den von mir präcisirten Cautelen ar¬
beiten w erden, sie zu noch günstigeren Resultaten gelangen
werden.
Hundert Jahre Heilkunde.*)
Von Dr. med. Richard Landau in Nürnberg.
M. H.! Der diesjährige Neujahrstag bedeutet zugleich zweier
Jahrhunderte Scheidepunkt. Ein Jahrhundert ist zu Ende ge¬
gangen, das in seinem Schoosse gewaltige politische Ereignisse
getragen hat, das mit seinen wissenschaftlichen, seinen künst¬
lerischen, seinen technischen Errungenschaften der Welt ein
neues Antlitz gegeben hat. Die gewaltigen Wogen, welche es
mit elementarer Gew r alt durchfluthet habeu, Hessen unsere schöne
Wissenschaft — ,,der Wissenschaften edelste, well ihr Object,
der Mensch, der Schöpfung Krone ist“ (Roderich a Castro) —
Hessen die Heilkunde wahrlich nicht unberührt Wenn officiell
angeordnet wurde, im öffentUchen Leben des scheidenden neun-
9 Vereinsbeilage No. 44 der Deutsch, med. Wöchenschr. 1899.
a ) eod. loc.
3 ) Berl. klin. Wöchenschr. No. 7, 13. Februar 1899.
4 ) Vereinsbeilage No. 44 der Deutsch, med. Wöchenschr. 1899.
*) Vortrag, gehalten im Aerztlichen Verein zu Nürnberg am
4. Januar 1900.
6 *
Ongiral frer
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
88
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
zehnten Jahrhunderts zu gedenken, so treibt uns der Zug dos
Herzens, im engen Kreise gleichgesinnter Facligenossen auf das¬
selbe im Hinblick auf die Heilkunde zurüekzuschauen.
M. 11.! Es wäre vermessen, im Kähmen eines kurzen Vor¬
trages hundert Jahre Heilkunde, wie die letztvertiossenen, als
ein geschlossenes Ganze festlialten zu wollen, Ihnen darin eine
Geschichte der Medicin des XIX. Jahrhunderts liefern zu wollen.
Lias liegt mir ferne — nur kurze Züge des gewaltigen, ja über¬
wältigenden Hildes will ich Ihnen vor Augen führen, welche Sie
die Bedeutung des Gesammtbildes ahnen lassen mag und Sie an¬
regen mag, in seine Einzelheiten sich selbst zu versenken.
AA'enn wir ganz im Allgemeinen den Beginn des XIX. Jahr¬
hunderts kennzeichnen wollen, können wir es nicht, besser als
mit der auch von Vircho w gewählten Benennung als philo¬
sophisches Zeitalter. Die Philosophie, welche seit den Zeiten der
Reformation die Vorherrschaft im wissenschaftlichen Leben be-
sass und alle Zweige desselben aus ihren Wurzeln ernähren wollte,
hatte gerade zu Ende des XV11L. Jahrhunderts und zu Beginn
des XIX. Jahrhunderts auch der Heilkunde ihr gedankenreiches,
methodisch zurechtgeschnittenes Gewand umgehängt. Wie das
System in der l'hilosophie herrschte, so in der Medicin; dorten
löste deu Kritieismus K a u t’s 11 e g e l’s System ab, und S c li e 1 -
ling schuf sich eine neue Seele; hier folgten das B r o w n’sehe
System, in Deutschland wesentlich durch Markus in Bamberg
gestützt, der Vitalismus mit seiner Spaltung in die französische
Richtung von Bordell und die deutsche von Reil, die in
11 u f e 1 a n d einen mächtigen Fürsprecher fand, M e s m e r’s
tliierischer Magnetismus , 11 a h n e m a n n ’ s liomoeopathische
Lehre und R a d e m a c h e r's Erfahrungshelllehre. Was gilt uns
Aerzten heute das SystemV! — vor hundert Jahren galt es alles!
Besonders Schöllings Naturphilosophie, die Lehre von der
Identität der Natur und des Geistes, fand unter den Aerzten und
Naturforschern zahlreiche begeisterte Anhänger. Die Einen be¬
mühten sich auf empirischem Wege „die Gesetze der Welt aus
denen des menschlichen Denkens zu entwickeln" (Kiel m e y e r,
Oken) — die Anderen auf dem Boden phantastischer Speculation
(W aguer - Würzburg. Hendrik Steffens). Diesen Ein-
iluss S c h e 11 i n g’s schildert A. G. Siegmund in einem Rück¬
blick mit folgenden Worten; „Die oberste Staatsbehörde selbst
räumte der Philosophie das Recht ein, für alle Zweige der AA r issen-
schaft die leitenden Grundsätze festzustellen, und, als es König
Friedrich Wilhelm IV. gelang, Herrn v. Sc hell in g zur Ueber-
siedlung nach Berlin zu bewegen, da pries man diesen Erfolg als
ein Ergelmiss von hoher Bedeutung. Man erwartete von dem neu
gewonnenen Lehrer die wunderbarsten Aufschlüsse über das
Wesen der Natur. Die ersten Männer der Wissenschaft, unter
ihnen Alexander v. H nmboldt, mischten sich im Hörsaal unter
die eigentlichen Schüler.“
Doch schon während dieser Epoche vielfacher geistiger Ver¬
irrungen erwachte das Interesse an den exacten Naturwissen¬
schaften, au Physik und Chemie, und selbst der preussische Kron¬
prinz »der nachmalige König Friedrich Wilhelm 111.) hatte
bereits zu Ende des XV111. Jahrhunderts deu privaten Vorlesungen
des Arztes Markus Hirsch über die Experimentalphysik bei-
zuwohuen Interesse genug gehabt. Der Werth exacter Forsch¬
ung statt philosophischer Speculation musste um so mehr in die
Augen springen, als sie in der Physik sowohl, als in der Chemie,
grundlegende Erfolge zeitigte, die Entdeckung von der Constanz
der Kraft, die ldentiliciruug von Magnetismus und Elektricität,
die Atomenlehre u. a. m. L ud auf dem engeren Gebiete der Me¬
dicin liesseu die schönen Ergebnisse experimenteller Forschung
von Purkinje, welcher 181b zuerst wieder den subjeetiven
Versuch in der Physiologie auf nahm, den Werth solcher Methoden
ahnen.
So konnte sich allmählich aus der dualistischen Lehre von
der Lebenskraft, jenem unbestimmten Etwas, das, im Organismus
nach einem Plane wirksam, nicht nur fähig war, deu Körper auf¬
zubauen, sondern sogar ihn zu verbessern als eine Vis medicatrix
naturae — das, ohne an ein bestimmtes Substrat gebunden zu
sein, während des Lebens den anorganischen Kräften im Körper
das Gleichgewicht halten sollte, bei der Zeugung sich in’s Unend¬
liche vermehren, mit dem Tode spurlos verschwinden sollte, der
Monismus entwickeln und sich Geltung erringen, nach dem in
organischen und anorganischen Individuen die gleichen Kräfte
wirksam sind. Noch das universelle Genie Johannes M ü 11 e r’s
lag in den Fesseln dieser mystischen Lebenskraft; seine Schüler
entsagten dem A'italismus und verhalten dem Monismus zum
Siege. Doch gerade Johannes Müll e r und seine Schüler stützten
sich auf »las Experiment und auf nüchterne, exacte Beobachtung
und schufen dadurch deu Boden für unsere moderne Medicin. So
hat Müller selbst, um eines zu erwähnen, die fast vergessene
Entdeckung von Charles B e 1 1. dass die Sensibilität der Rücken¬
marksnerven den hinteren Wurzeln entspringt, durch das Experi¬
ment am Frosche neu erhärtet und als grundlegendes Axiom der
ärztlichen Wissenschaft fest längefügt. In seinem Laboratorium
„ist die Thierzellenlehre geboren (1839). von hier aus machte ihr
Autor Theodor Schwann seine Studien über die Gährung, die
Basis der heutigen Bacteriologie, bekannt; von hier aus nahm der
Prosector und Privatdocent Pr. Heule mit seinen berühmten
„pathologischen rntersuclnmgen“. in denen zum ersten Male die
theoretischen Beweise für das Contagium animatum geliefert
wurden, ferner die Holm hol tz. Du B o i s - R e y m o n d.
Brücke, die A'orkiimpfer der physikalisch-chemischen Richtung
der Physiologie, ihren Weg: hier machten R e i c h e r t und R e m a k
ihre ent wicklungsgeschichtlichen Studien; hier erhielten Rein¬
hardt, Vircho w, Meckel, T raube, die Begründer der
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experimentellen Pathologie in Deutschland, die erste Anregung zu
wissenschaftlichen Arbeiten.“ l )
Dankbar ist in der Reihe dieser Pfadfinder modernen medi-
cinischen Forschens und Denkens des so früh verstorbenen
B i c h a t (1771—1802) zu gedenken, der in einem einzigen Winter
000 Leichenöffnungen vomahm, und durch seine wesentlich in den
Jahren 1800 und 1801 veröffentlichten Ergebnisse der Begründer
der Gewebelehre geworden ist. A r on ihm rührt die Erkenntniss
her, dass jedes Gewebe für sich allein erkranken kann, und dass
die Veränderungen, welche die Gewebe erleiden, in allen dieselben
enthaltenden Organen die gleichen sind. H a e s e r bezeichnet ihn
in geschichtlichem Sinne als unmittelbaren Nachfolger Albrechts
v. Halle r, der mit seiner Entdeckung von der Irritabilität des
Muskels den ersten Schritt auf dem Gebiete der experimentellen
Erforschung der fundamentalen Vorgänge des thierischen Lebens
gethan hatte.
Ein entschiedener und begeisterter Anhänger der experi¬
mentellen Methode und bereits ein Vorkämpfer gegen den Altalis-
mus ist der Landsmann B i c h a t’s, Francois M a g e n d i e
(1783-1855). „Für ihn“, sagt Pagel : ), „gab es nur e 1 ne Quelle
der Erkenntniss, das Experiment.“ „Speeiell um die Physiologie
sind seine Verdienste immens; in derselben hat er fast jedes
Capitel, besonders die über Absorption, Herz, thierische Wärme,
A T erdauuug, Nervenpliysiologie etc. durch seine bahnbrechenden
Experimente an lebenden Thieren erheblich bereichert und um-
gestaltet." J ) Erbe seines Amtes und Erbe seines Ruhmes ward der
noch in die Neuzeit hineinragende Claude Bernard, der die
Bedeutung des Pankreas für die Fettverdauung, die zuckerbilden-
deu Eigenschaften der Leber, die vasomotorischen Functionen des
Sympathicus u. v. a. zuerst erkannt und erwiesen hat.
Unter den deutschen Schöpfern und Förderern der experi¬
mentellen Methode haben wir Purkinje, den Entdecker des
Keimbläschens im Ei höherer Thiere, schon genannt; zu ihm ge¬
sellt sich sein Mitarbeiter Gabriel Gustav Valentin, mit dem
er seine „Beobachtungen über Flimmerbewegung“ 1835 gemein¬
schaftlich veröffentlichte. Dazu kommen die drei Brüder
AA 7 e b e r, von denen die beiden jüngeren, Wilhelm und Eduard,
uns die „Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge“ lehrten
(1830). Nicht zu vergessen ist der Einfluss Justus v. Liebig’s
auf unsere Kenntniss von den A 7 erdauungsvorgängen durch seine
Untersuchungen über die Bedeutung der Eiweissstoffe und der
Kohlehydrate.
Die exacte Methode der Forschung musste naturgemäss auch
neues Licht in die Entwicklungsgeschichte des Menschen, welche
in der zweiten Hälfte des vorangegangenen Jahrhunderts durch
Caspar Friedrich AV o 1 f f begründet worden war, werfen. Hein¬
rich Christian v. P a n d e r vertiefte sicli zu Würzburg in die
denkwürdigen „Untersuchungen über die Entwicklung des Hühn¬
chens im Ei“, welche die Bahn für eine lange Reihe späterer Unter¬
suchungen bildeten und allgemeine Theilnahme erregten (1817) *).
Der geniale Karl Emst v. B ä r gab wenig später die Resul¬
tate seiner embryologischen Studien bekannt, die in der Ent¬
deckung des Säugethier-Eies (1827) gipfelten. Beide waren Schüler
von Ignaz I) ö 11 i n g e r , der selbst zu den tüchtigsten und eif¬
rigsten Verfechtern der naturwissenschaftlichen Richtung in der
Heilkunde zu zählen ist und selbst zahlreiche anatomische, physio¬
logische und embryologische Thatsachen aufgefunden hat In
dieser Schule entstand die Lehre von den Keimblättern. B ä r’s
„Entwicklungsgeschichte der Thiere“ darf nach dem vollwichtigen
Urtheil K ö 111 k e r’s „sowohl wegen des Reichthums und der
A r ortreff 1 ichkeit der Thatsachen als auch der Gediegenheit und
Grösse der allgemeinen Beobachtungen halber unbedingt als das
Beste bezeichnet werden, was die embryologische Literatur aller
Völker und Zeiten aufzuweisen hat“ 4 ). Ausser dem wahren
Ovulum der Säugethiere entdeckte Bär die Chorda dorsalis und
die Entwicklung des Amnion. Diese grundlegenden Unter¬
suchungen wurden dann gefördert und ausgebaut von Rudolf
Wagner, Remak, Reichert, His, Waldeyer,
K ö 11 i k e r u. A. m.
Der praktischen Medicin nähern wir uns jetzt auf dem Wege
der pathologischen Anatomie, welche vorzüglich durch B i c h a t’s
Untersuchungen eine exacte Grundlage gewann. Von einem Zeit¬
genossen des Franzosen, dem Oesterreicher Alois Rudolf Vetter,
der seit 17117 die Prosectur des AViener allgemeinen Krankenhauses
verwaltete und später eine Professur ln Krakau bekleidete,
stammt die erste deutsche Schrift über diesen Gegenstand, d. s.
die 1803 erschienenen „Aphorismen aus der pathologischen Ana¬
tomie“; er gab zuerst eine allgemeine systematische Eintheilung
aller pathologischen Veränderungen und Neubildungen. Seine
Arbeiten gründen sich auf eigene Untersuchungen; er rühmte sich
bereits im 30. Lebensjahre mehrere tausend Sectionen gemacht zu
haben. Besonders auf dem Gebiete der Teratologie erwarb sich
Johann Friedrich Meckel, der berühmteste dieser Arztfamilie,
welcher im ersten A T iertel des 19. Jahrhunderts der Universität
Halle weithin strahlenden Glanz verlieh, unsterbliche Verdienste;
sein AVissen umfasste gleichzeitig die normale, die pathologische
und vor Allem auch die vergleichende Anatomie, und sein Denken
ist schon so durchaus modern naturwissenschaftlich gewesen,
dass sich in seinen Lehrsätzen Anklänge an die Descendenztheorie
vorfinden. In Strassburg gründete etwa zu gleicher Zeit Lob-
‘) P a g e 1 : Die Entwicklung der Medicin in Berlin, Wies¬
baden 1897, p. 60.
-) Biograph. Lexikon der hervorragenden Aerzte, Band IV,
p. 93, AV’ien und Leipzig 1886.
*) K ö 11 i k e r : Grundriss der Entwicklungsgeschichte des
Menschen. Leipzig 1884, p. 8.
Original fram
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
89
stein ein pathologisch-anatomisches Museum, und wenig später
begann A1 b e r s einen ersten deutschen Atlas der pathologischen
Anatomie zu Bonn herauszugeben, während 2 Jahre vor ihm in
Frankreich ein ähnliches Werk von Cruveilhier zu er
scheinen begonnen hatte. Im Vaterlande Bichat’s war nämlich
besonders durch die Lehrtliätigkeit und die Forscherarbeit des
hervorragenden Corvisart die pathologische Anatomie zu
hoher Blütho gelangt. Dafür zeugen die Arbeiten Corvisar t’s
selbst über die Herzkrankheiten, die Bayl e’s über die Phthisis.
die Bretonuea u’s über die Diphtherie, die Bostan’s über
Gehirnerweichung, die Gabriel And r al s über Nerven- und Ge
hirnkrankheiten u. A. m.
Johann Friedrich Meckel, Lobstein und Andral
ijaben Karl v. Rokitansky nach seinem eigenen Zeugniss
die ersten Anregungen zu seinen pathologisch-anatomischen
Studien, die ihren höchsten Glanz in seinem „Handbuch der
pathologischen Anatomie“ entfalteten. Die Krasenlehre dieses
Forschers, seine Hypothesen vom erkrankten Eiweiss und Faser¬
stoff, erlagen der vernichtenden Kritik Rudolf V i r e h o w’s, und
auf dessen Cellularpathologie, welche die Krankheit einfach ais
Leben unter veränderten Bedingungen bezeichnet und deren Ort
in die Zelle verlegt, hat sich die heutige pathol. Anatomie aufgebaut.
Die grundlegenden Entdeckungen Virchow’s und seiner
Schüler zusammenstellen zu wollen, ldesse eine Geschichte der
modernen pathologischen Anatomie schreiben und würde den mir
bemessenen Kaum weit überschreiten.
Die Einführung der pathologischen Grundlage in die Klinik,
die Uebertragung der an der Leiche gesammelten Erfahrungen
auf das Leben, den Vergleich der Symptome in vivo und in
mortuo, also kurz die klinische Medicin, ist wohl wesentlich auf
den schon genannten Gabriel Andral zurückzuleiten und auf
seine Clinique mödicale, ein fünfbändiges Werk, das zuerst 1S23
bis 1827 erschien; er betonte die Vergleichung der pathologisch¬
anatomischen Befunde mit den Krankheitserscheimmgen der
Lebenden als wichtigste Aufgabe der Klinik, und er verlangte
die Analyse jedes Krankheitsfalles und aus den gewonnenen ana¬
lytischen Elementen eine Gruppirung in methodischer Weise, um
so zu wohlumgrenzten Krankheitsgruppen zu gelangen. „Der
Gang seiner Darstellung ist im Allgemeinen der, dass die ab¬
zuhandelnde Kranklieitsspecies zuerst an einer Reihe von klini¬
schen Einzelfällen exemplificirt wird, die in knappen und kurzen
Zügen das Bild des Krankheitsverlaufes, sowie eventuell den
Sectionsbefund nebst kurzem, epikritischem Commentar des
letzteren vorführen. Daran schliesst sich alsdann erst die ein¬
gehende und ausführliche Gesammtbetrachtung der Krankheit 6 ).“
In Deutschland verdanken wir die Durchführung dieser
exacten Methode vor Allem Nasse, Krukenberg und
Schönlein. Nass e’s Thätigkeit fällt haupsächlich nach
Gönn, die Krukenberg’s nach Halle, wo er N a s s e’s Nach¬
folger ward und als einer der beliebtesten Lehrer zahlreiche
Schüler um sich versammelte. Johann Lukas S c h ö n 1 e i n end¬
lich, ein Bamberger, Anfangs in Wtirzburg und in Zürich thätig,
seit 1840 in Berlin: „der für die Klinik etwa eine ähnliche Re¬
formation anbahnen sollte, wie sie durch Joh. Müller für die
Biologie erfolgt war*)“, ist, obgleich er anfänglich von Schel-
ling’s Lehre beeinflusst ward, so recht ein Vertreter der exacten
klinischen Methode, einer von Denen, die die Heilkunde zu einer
Naturwissenschaft umgewandelt haben. „Ausgerüstet mit
genialer Begabung, glänzendem Lehrtalent, gediegener natur¬
wissenschaftlicher Bildung, gründlicher Kenntnis« der Literatur
und Geschichte der Medicin und einem seltenen Umfange von
praktischer Erfahrung, gründete er die klinische Unterweisung
auf die umfassendste physikalische, mikroskopische, chemische
und pathologisch-anatomische Untersuchung des kranken Zu¬
standes“ (H a e s e r). S c h ö n 1 e i n ist als Entdecker des Favus¬
pilzes der Begründer der Lehre von den Dermatomykosen. Seine
klinischen Vorträge hielt er im Gegensatz zu seinen Vorgängern
nicht mehr in lateinischer, sondern in deutscher Sprache.
Hervorragende Begabung bekundete Schönlein auch in
der Wahl seiner Schüler und Assistenten; deren Bedeutendster
darf Ludwig Traube genannt werden, der noch unter Pur¬
kinje studirt und sich an den Werken der grossen französischen
Kliniker fortgebildet hatte. Er zählt in der deutschen Heilkunde
zu den Ersten, die experimentellpathologische Forschungen unter¬
nahmen; unter ihnen sind die Versuche über Vagusdurchschnei¬
dung wohl die bekanntesten; von hervorragender Bedeutung sind
auch seine Untersuchungen über das Verhältnis zwischen den
Erkrankungen der Nieren und des Herzens. Sowohl S c h ö n 1 e i n
als der Pariser Schule verdankte seine Ausbildung Hermann
Lebert, welcher mit zuerst die Wichtigkeit des Mikroskops
für die pathologische Anatomie erkannte und zahlreiche patho¬
logisch-anatomische, biologische und klinische Arbeiten veröffent¬
lichte.
Als Schüler Krukenberg’s erwähne ich noch den durch
sein weit verbreitet gewesenes „Handbuch der specielleu Patho¬
logie und Therapie“ bestbekannten Felix v. Niemeyer, der
in Magdeburg, Greifswald und Tübingen gewirkt hat.
S c h ö n 1 e i n’s Lehren stellte sich theilweise entschieden
entgegen Karl Reinhold August Wunderlich, ein Württem-
berger, der Anfangs in Tübingen und Stuttgart, dann in Leipzig
eine segensreiche Wirksamkeit entfaltete; er bekämpfte vorzüg¬
lich die Ueberschätzung der medicinischen Hilfswissenschaften
nnd stellte die exacte physiologische Forschung an die Spitze.
*) A. Eulenburg im „Biogr. Lex. d. hervorrag. Aerzte“,
Bd. I, p. 137.
*) Pagel: Die Entwicklung der Medicin in Berlin. Wies¬
baden 1897, p. 70.
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Sein mit seinem Freunde Griesinger seit 18*2 heraus¬
gegebenes Archiv für physiologische Heilkunde wurde sehr rasch
der Sammelpunkt für die Arbeiten der Anhänger exaeter medi-
cinisclier Forschung. „Er war ein feinsinniger Beobachter, ein
scharfer Dialektiker und besass eine seltene oratorische Be¬
gabung, die ihm beim klinischen Unterricht gestattete, das Bild
der Krankheit klar und bündig darzustelleu“ (Thiers c h). Zu
seinen Schülern gehört der verstorbene Ernst Leberecht Wagner
und der lebende Otto 11 e u b n e r.
Alle diese erfolgreichen Vertreter der klinischen Medicin
durften sich auf die grossnrtigen Bereicherungen der medicinischen
Diagnostik stützen, auf Auscultation, Percussion,
e x a c t e T li e r m o m et r i e.
Die Percussion war bekanntlich 1754 von A uenbrugger,
Arzt am spanischen Hospital zu Wien, zuerst geübt worden; die
Ergebnisse seiner 7 jährigen Untersuchungen gab er 1761 bekannt,
ohne damit eine grössere Beachtung zu tiiideu. Erst Cor¬
visart, der nach 20 jähriger Prüfung dieser Untersuchungs¬
methode am Krankenbett Aueubruggo r’s Buch in französi¬
scher Sprache 3808 neu herausgab, verschaffte ihr die verdiente
Würdigung. Pier ry erfand wenig später das Plessimeter und
veröffentlichte 1828 seine Abhandlung über Percussion, die preis¬
gekrönt ward und auch in deutscher Sprache erschien.
Ergänzt wurde die Percussion durch die Auscultation, mit
der uns Laennec beschenkte; er demonstrirte seine Methode
bereits 1815 der Akademie und beschrieb sie 1819 in seiner Ab
handlung: De l’auseultation mödiate. ln ihrem Wert he wurde
diese Neuerung in der Diagnostik zuerst besonders von englischen
Klinikern, von F o r b e s in London und von W. Stokes in
Dublin, erkannt; namentlich der Letztere bevorzugte die physi¬
kalische Untersuchung in der Klinik und verfasste hochbedeut¬
same Werke über die Erkrankungen der Brustorgane (1837 und
1854).
Den vollsten Glanz verliehen die neuen physikalischen Unter¬
suchungsmethoden der Wiener klinischen Schule, wo ein Joseph
Skoda denselben rationelle Grundlagen und methodischen Aus¬
bau verlieh, wo Johann Oppolzer 21 Jahre lang, von einem
dichten Kreis wissensdurstiger und lernbegieriger Schüler um
drängt, sie übte und lehrte. Von Skoda rühren die Unter
Scheidungen in vollen und leeren, hellen und dumpfen und in
tympanitischeu Percussionston, in vesiculäres, bronchiales und
unbestimmtes Athmen her, und von ihm geht der Grundsatz aus
dass der Arzt nur durch Verbindung von pathologisch-anatomi¬
schem Wissen mit Verwerthung der durch die physikalische
Untersuchung gewonnenen Ergebnisse eine Krankheit richtig
erkennen könne.
Von Laennec und von Skoda unterrichtet, kam Ludwig
Traube nach Berlin und ertheilte dort seit 1843 seine weit be¬
rühmten Percussions- uud Auscultatiouscurse, die er, als er 1849
der erste Civilassistent von S c h ö n 1 e i u geworden war, in dessen
Klinik verlegte. Traube zählte auch zu den Ersten, die die hob.*
Bedeutung der Tliermometrie im vollen Umfange erkannten.
Dieser Zweig der modernen Krankenuntersuchung wurde beson¬
ders an der Hallenser Klinik Krukenberg’s gepflegt; die von
hier ausgegangenen „Untersuchungen über die Temperaturver¬
hältnisse des Foetus und des erwachsenen Menschen im gesunden
und im kranken Zustande“, welche Felix v. Biirens p r u n g
1851 und 1852 erscheinen Hess, bilden einen Markstein in der Ge¬
schichte der Medicin. In spätere Zeit (1868) fällt das Erscheinen
des Wunderlic h’scheu Buches über „das Verhalten der Eigen¬
wärme in Krankheiten“, das, in mehrere fremde Sprachen über¬
setzt, der regelmässigen Temperaturmessung am Krankenbett
wesentlich mit ein dauerndes Bürgerrecht in der Heilkunde ver¬
schaffte.
Vervollständigt wurden diese ungeheueren Fortschritte in der
Krankenuntersuchung durch die Erfindung des Augenspiegels
durch H e 1 m h o 11 z und seine methodische Anwendung von
Albreeht v. Gräfe und durch die Erfindung des Kehlkopfspiegels.
Die Entdeckung des Augenspiegels fällt in das Jahr 1851. der
geniale Entdecker Hess in den Jahren 1856—1866 sein Handbuch
der physiologischen Optik folgen, in dem die wesentliche Grund
läge für unsere heutige Kenntnis« vom Sehen und von den Licht¬
phänomenen enthalten ist. G r ä f e’s hervorragendste That, die
er mit dem Augenspiegel gewann, ist neben der Lehre von der
Amblyopie wohl die Aufklärung über die Beziehungen des Augen
hintergrundes zu somatischen Erkrankungen. Den Kehlkopf¬
spiegel erfand ursprünglich ein Laie, der Gesanglehrer Manuel
Garcia in London, .1854, ohne freilich seinen Werth für die
Heilkunde zu ermessen; Ludwig Türck in Wien erfand den
Spiegel von Neuem, und Johann Nepomuk Czermak begründet.'
mittels dieses Instrumentes die moderne Laryngoskopie.
M. H.! Der Satz qul bene diagnoscit, bene medebitur, musste
bei dieser Bereicherung unserer diagnostischen Kenntnisse zur
Wahrheit werden. Das neunzehnte Jahrhundert hat uns die
rechten Waffen in die Hand gegeben zum Kampfe gegen unseren
Feind, gegen die Krankheit, und hat damit die Heilkunde ihrem
letzten Ziele, das, um mit Oppolzer zu reden, das Heilen
ist, ein gutes Stück näher gebracht. Weit voran auf diesem
Wege ist vor Allem im abgelaufenen Jahrhundert die Chirurgie
geschritten. Sie, einst missachtet und lange Zeit als Handwerk
der Heilkunst schroff entgegengesetzt, hat sich zu einer stolzen
Höhe emporgesehwungen und ward aus der Magd der inneren
Medicin die gleichgestellte und bewunderte Schwester! Das hat
vor Allem Sir Josef L i s t e r, der Erfinder der antiseptischen
Methode der Wundbehandlung (1873), erreicht; „wir haben“, sagt
E s m a r c h, „die unermesslichen Fortschritte der neueren Wund¬
behandlung nur dem grossen Chirurgen Joseph Lister zu ver¬
danken“. Es Messe Eulen nach Athen tragen, wollte ich in diesem
Original fro-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
90
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Kreise Wesen und Werth dieser Methode, die sieh unter unsereu
Augen allmählich zur Aseptik umgewaudelt hat, beleuchten.
Wer von uns kennt noch die accidentellen Wundkrankheiten:
ilospitalbrand, Wunddiphtherie u. s. w., die einst die Verwundeten
dahinraff len? Wer von uns empfände es nicht als Pflicht,
die keinen Ruhm bedeutet, seinen verletzten Kranken Erysipel,
Wuudtieber, Pyaemie und Septikaemie hintanzuhalten und zu
ersparen? Und wer will ermessen, wie viele Tausende solcher
Art vor langem, schmerzhaften Krankenlager, vor Siechthum und
Tod gewahrt wurden und täglich noch gewahrt werden!
Zu dieser Grossthat der Chirurgie gesellt sich eine andere,
an Jahren ältere — die allgemeine Verwendung der Narkose.
Häser theilt die Chirurgie des XIX. Jahrhunderts geradezu in
diese drei Perioden - - die erste, welche die ersten vier Decenuien
umfasst und durch die eifrige Pllege der chirurgischen Anatomie
und Pathologie ausgezeichnet ist, in der Antonio S c a r p a seine
Arterienunterbindungen ausführte, der ältere G r ä f e die Rhino¬
plastik neueinführte, Lorenz i> i e f f e n b a c li durch seine sub¬
cutanea Tenotomien, seine Schieioperationen und seine plastischen
Operation glänzte, D u p uytreu zu Paris als Meister der
Technik seine Zeitgenossen überragte — bis zur Entdeckung der
anaesthesirenden Inhalationen rechnend, die zweite von da bis
zur Einführung der Antiseptik und die letzte von dort an datirend.
In der Geschichte der Narkose gebührt der erste Platz Sir James
Young Simpson, der 184b sein ciussisehes Werk über „An¬
wendung von Chloroform und Aether" erscheinen Hess. Die erste
Aetherisirung scheint der Zahnarzt M ortou am 3U. Sept. 1840
ausgeführt zu haben; Simpson wandte sie zuerst am 19. Januar
1847 bei einer Entbindung an; derselben folgte am 4. Nov. 1847
die erste Entbindung unter Chloroformnarkose. Er hat sich, wie
Gurlt sagt, „als Entdecker der Chloroformanaesthesie allein
den Dank der Nachwelt gesichert“. Zur allgemeinen Narkose ge¬
sellte sich die locale Betäubung, Anfangs der Uichardso n'sche
Aetherspray, dann die Anwendung von Aethylchlorid und neu-
estens die Cocain- und Eucaiueinspritzungen, die sich durcli
Schleich zur Methode vervollkommneten.
Es würde zu weit führen, wollte ich aufzählen, was die Chi¬
rurgie unter der Herrschaft der Narkose und der Antiseptik, bezw.
Aseptik geleistet hat: wir alle kennen ja die klangreichen Namen
eines Langeubec k, eines V o 1 k m a n n, eines Billrot li,
eines N u s s b a u in, eines S y m e, eines V e 1 p e a u u. A., um
nur der gestorbenen Grossen zu gedenken! Auch nur andeuteu
kann ich, wie sich die operative Gynäkologie in unserer Zeit unter
dem Scepter von Narkose und Antiseptik zu einer ungeahnten,
ruhmreichen Höhe ent wickelt hat; begründet ward sie in Deutsch¬
land von Karl Wilhelm Mayer in Berlin, der freilich schrift¬
stellerisch ohne Bedeutung Ist und vor Allem von Erz. K iwlsch
von Rotterau, der in Würzburg von 1S45—1850, später in Prag
wirkte. „Noch höhere Verdienste“, sagt von ihm Klein-
w achter 7 ) nach Würdigung seiner Bedeutung als Geburts
helfet*, „erwarb sich Iv i w i s c li um die Gynäkologie. Das, was
vor ihm in Gynäkologie gearbeitet und publicirt wurde, ist ent¬
weder total unbrauchbar oder besitzt nur ein historisches Inter¬
esse. Seine „Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der
Krankheiten des weiblichen Geschlechts“ stellen das erste
deutsche wissenschaftliche, gynäkologische Werk dar, welches
Jahre hindurch das einzige in seiner Art blieb.** In der Folgezeit
erwarben sich ausser dem schon genannten Simpson, Marion
Sims und Karl Schroeder unsterblichen Ruhm auf dem
Felde der operativen Gynäkologie.
L i s t e r‘s Ruhmesthat übte endlich auch auf die moderne
Geburtshilfe ihren Einfluss auf. Doch hat hier der grosse Brite
einen würdigen Vorläufer in dem zu Lebzeiten verkannten und
vielgeschmähten, erst jetzt nach Gebühr geschätzten Ignaz
Semmel weis, dem Entdecker der Ursache des Kindbett¬
fiebers, der ektogenen Infection der Kreissenden durch unreine
Hände und Instrumente, die er selbst in das Jahr 1847 verlegt;
1860 erschien dann weiter „Die Aetiologie, der Begriff und die
Prophylaxis des Kindbettfiebers“. Mit vollem Rechte erklärt
Ferdinand Hüppe auf dem VIII. internationalen Congress für
Hygiene zu Pest im Jahre 1804, dass man gezwungen sei,
Semmelweis als den wahren, seiner Zeit weit vorgeeilten
Begründer auch der antiseptischen Wundbehandlung anzu¬
erkennen.
Es mag an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die
wissenschaftliche Geburtshilfe im 19. Jahrhunderte, von der eben
berichteten Thatsache abgesehen, besonders durch Gustav
Michaelis, der „das schrägverengte Becken“ uns meisterhaft
dargestellt hat, durch Franz Karl N a e g e 1 e , der sich gleichfalls
um die Lehre vom engen Becken, ferner um die Lehre vom
Geburtsmechanismus u. a. m. verdient gemacht hat, durch
Busch, der die Methode der Wendung verbesserte und die
Lehre von der künstlichen Frühgeburt ausbaute, und manchen
Anderen wesentlich gefördert wurde.
Hervorzuheben ist, dass der schon im Beginn des 19. Jahr¬
hunderts anhebende Kampf gegen die Polypragmasie in der Ge¬
burtshilfe, wie sie noch Benjamin O s i a n d e r befürwortete
— geführt von dem bayerischen Arzte Lukas Johann B o e r ,
der die Notliwendigkeit von Kunsthilfe bei Gesichts-, Steiss- und
Fusslagen in der Mehrzahl der Fälle leugnete und den Gebrauch
der Zange wesentlich einschrünkte —, am Ende des Jahrhunderts
den Sieg davongetragen hat. Das ist fürwahr kein kleiner
Ruhmestitel, den das 20. Jahrhundert vom 19. übernimmt.
T ) Biogr. Lex. d. hervorrag. Aerzte, Bd. III, p. 485.
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M. H.! Die heute nur allzu zahlreichen Specialdisciplinen der
Heilkunde, soweit ich sie bisher nicht berührt habe, in ihrer Ent¬
wicklung im abgelaufenen Jahrhundert zu betrachten, muss ich
mir versagen, so reizvoll das auch in mancher Hinsicht wäre. Nur
eines Zweiges habe ich noch die unabweisliche Pflicht zu ge¬
denken — eines Zweiges, der ein Kind des 19. Jahrhunderts ist
uud, einem rüstigen, in der Blüthezeit prangenden Manne gleich,
in das 20. hinübertritt, um ihm gewiss die reifsten Früchte zu¬
fallen zu lassen —, nämlich der Hygiene! Sie ist, wenn ich so
sagen darf, das Bindeglied zwischen medicinischer Wissenschaft
uud deu breiten Volksschichten geworden — sie ist aber auch in
einem gewissen Sinne die Krone der Heilkunde, weil sie bestrebt
ist, die Menschheit gesund zu erhalten, weil zu ihren Auf¬
gaben zählt, die Seuchen, die Geissein des Menschengeschlechts,
von seinen Wohnstätten zu verbannen. Pettenkofer, der
ehrwürdige Greis, der noch in unserer Mitte weilt, von einer
ganzen Welt gepriesen und bewundert, geliebt von Allen, die ihn
jemals sahen oder hörten, trägt den Namen des Vaters der
modernen Hygiene. Was wir Assanirung der Städte nennen,
das ist im Wesentlichen sein Werk! Gerade in dieser Hinsicht ist
aber auch der Mitarbeit Rudolf V i r c h o w’s dankbar zu er¬
wähnen.
Wenn wir in das Gebiet der Hygiene die Prophylaxe der
Seuchen einbeziehen, so wäre hier der Platz, an das Verschwinden
der Pocken zu erinnern, dorten, wo der Impfzwang, die Folge der
segensreichen Entdeckung der Vaccinatiou durch Edward
Jenner, eingeführt ist. In Deutschland ging in dieser Hin¬
sicht allen Ländern Bayern voran, das schon 1807 den Impfzwang
vorschrieb, im übrigen Europa Schweden, das seit 1810 den Impf¬
zwang eingeführt hat.
Zur Hygiene hat sich seit Robert K o c h’s bahnbrechenden
Arbeiten über Aetiologie des Milzbrands, der Wundinfections-
krankheiten und der Tuberculose in den Jahren 1876—1882, denen
später seine Cholera-, Pest-, Rinderpest-, Malariaforschungen ge¬
folgt sind, die Bacteriologie gesellt. Um Koch hat sich eine
ganze Generation von Aerzten als Schüler geschaart, von denen
ich nur Behring, Kossel, Ehrlich, Kitasato.
Pfeiffer nennen will. Eine praktische Frucht dieser zunächst
theoretischen Wissenschaft ist noch am Ende des scheidenden
Jahrhunderts iu der Serumtherapie entstanden. Es wäre ver¬
früht, schon jetzt ein endgiltiges Urtheil über dieselbe fällen zu
wollen. Ihre höchsten und unbestreitbaren Erfolge hat sie in
der Behandlung der Diphtherie gefeiert, und es ist wohl zur Zeit
unmöglich, an der geringeren Mortalität uud an dem milderen
Verlauf dieser tückischen Krankheit unter der Herrschaft der
von Behring innugurirten Serumbehaudlung, dieser ihren
wesentlichen oder alleinigen Autheil daran abzusprechen. Frei¬
lich reicht keiner der zahlreichen anderen serumtherapeutischeil
Versuche an das Ergebniss des Diphtherieheilserums nur an¬
nähernd heran. Das 20. Jahrhundert wird das letzte Wort über
diese jedenfalls interessanten und auf rationeller Basis stehenden
Heilbestrebungen sprechen dürfen. Sollte es einen Irrthum darin
erkennen, wird es den Männern, die ihre Lebensarbeit darin
fanden, doch nicht Anerkennung und Bewunderung versagen
und wird sie unter Denen nennen, die strebten, die Seuchen zu
unterdrücken zum Segen der Menschheit.
Der Kampf gegen diese gehört überhaupt zu den Merkmalen
des letzten Decenniums des 19. Jahrhunderts und hat auch die
mächtige Bewegung aller Orten und bei fast allen civilisirten
Nationen gezeitigt, deren Wogen brausend hinüberschallen in's
neue Jahrhundert — ich meine den Kampf gegen die Tuberculose.
diesen grausamsten Feind menschlichen Glücks und Friedens,
diesen unersättlichen Würgengel in den dichtbewohnten Volks¬
vierteln unserer modernen Gressstädte! Was die Rückkehr zur
diaetetischen Behandlung dieser Krankheit und die Errichtung
von Volkssanatorien, die diesem Zwecke dienen, leisten wird,
auch das muss die Zukunft klären und entscheiden.
M. II.! Was ich Ihnen vor Augen zu führen versucht habe,
ist eine gewaltige Summe bemerkenswerther Thatsachen, und
dennoch bin ich, ich wiederhole es, bewusst und unbewusst un¬
vollständig in meinem Berichte gewesen. Doch hoffe ich, Sie über¬
zeugt zu haben, dass w ir voll berechtigten Stolzes hinüberschreiten
dürfen in die neue Zeit. Das 19. Jahrhundert, das wir scheiden
sahen, hat die Heilkunde zu einer Naturwissenschaft im besten
Wortsinn umgestaltet; es hat uns Dank der emsigen Arbeit scharf¬
sinniger Köpfe neue und geschärfte Waffen zum Kampfe gegen
die Krankheit in die Hand gegeben; es hat Fortschritte in der
Würdigung von Krankheitserscheinungen und in deren wirksamer
Behandlung gezeitigt, welche — das darf man ohne Ueberhebung
sagen! — viele Tausende von Menschenleben gerettet, viele
Tausende vor Elend und traurigem Siechthum bewahrt, welche
die Gesundheit des Volkes um ein gutes Stück gefördert und ge¬
hoben haben! An uns ist es zunächst, dass wir nach dem Dichter-
wort, was wir ererbt von unseren Vätern haben, erwerben, um
es zu besitzen! An uns Ist es aber auch, unbeirrt von Irrwegen,
die Manche auch in diesem Zeitraum abseits und rückwärts ge¬
führt haben, die gerade Strasse zu wandeln, empor zur Vollen¬
dung — an uns, das stolze Gebäude der modernen Heilkunde vor
Verfall zu schützen, gegen Unbill zu stützen und daran weiter
zu bauen! Denn mit Recht sagt V i r c h o w , „es wäre eine Thor-
heit. zu glauben, dass wir am Ende seien mit der Forschung,
dass wir sicher wären vor neuen Gefahren; nicht einmal die alten
sind vollständig überwunden“. Gar manche schöne und grosse
Aufgabe harret noch der Lösung, gar manchen Kampf noch gilt
es gegen Unverstand und Aberglaube, und auch das 20. Jahr¬
hundert wird von Enttäuschungen nicht frei bleiben. Aber gleich¬
em ri§i na I from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDTOTNTSCHE WOCHENSCHRIFT.
91
viel — unseren Theil haben wir zur Vollendung der Heilkunde
beigetragen, wenn wir fortfahren, nach dem Leitworte des Niko¬
laus van Tulp, im Dienste für die Mitwelt unsere Kräfte zu
verbrauchen.
Referate und Bücheranzeigen.
Ecker A. undWiedersheim K.: Anatomie des Frosches.
Auf Grund eigener Untersuchungen durchaus neu bearbeitet von
Ernst Gaupp. II. Abtheilung. II. Hälfte. Lehre vom Gefäss-
system. II. Auflage. Braunschweig, Friedrich View eg & Sohn.
Mit dem eben erschienenen, circa 20 Bogen starken Heft
liegt nun die H. Abtheilung des Gaupp’schen Werkes voll¬
endet vor. Wir sagen „Gaupp’sches Werk“, denn von dem
„Ecker-Wiedersheim“ ist nur noch der Titel geblieben, das
beweist wiederum das vorliegende Heft. Alles, was zum Lobe
der beiden früheren Hefte gesagt wurde, gilt auch für das vor¬
liegende. Eine vorzügliche Bearbeitung, wie sie nur Derjenige
schreiben kann, welcher seinen Stoff aus eigenen, umfang¬
reichen Studien durchaus beherrscht. Ebenso vollendet in der
Durcharbeitung, wie in der Darstellung.
Die vorliegende Hälfte behandelt das Gefässsystem. Hier
sind ganze Capitel neu hinzugekommen, welche namentlich
die histologische, embryologische und vergleichend anatomische
Seite des Gegenstandes betreffen. Vor allem anderen aber er¬
schien uns die Beschreibung des Herzbaues und die Darstellung
des so complicirten Systems der Lymphsäcke hervorragend ge¬
lungen.
Hoffen wir, dass der Verfasser uns recht bald die HI. Ab¬
theilung bescheert, welche Eingeweide, Sinnesorgane und In¬
tegument behandeln soll. Wir werden dann noch einmal aus¬
führlich auf das ganze Werk zu sprechen kommen.
Rudolf Krause-Berlin.
Mittheilungen aus der gynäkologischen Klinik des Prof.
Dr. 0. Engström. Bd. II, Heft 3. S. Karger. Preis 3 M.
25) O. Engström: Zur Kenntniss und Behandlung der
nichtpuerperalen Gynatresien mit consecutiver Retention von
Menstrualblut bei einfachem Utero-Vaginalcanal. Genaue Be¬
schreibung von 5 Fällen.
I. 18jähriges Mädchen, mit 2'/« Jahren „Diphtheria labiorum
pudendi“; jetzt Atresia vaginae. Haematokolpos, Narben an den
äusseren Geschlcchtstheilen und in der Scheide, Einschnitt und
stumpfe Erweiterung: Die Kranke hat später 3mal glücklich ent¬
bunden.
II. 21jähr. Mädchen, erste Regeln mit 16 Jahren, mit 19 Jahren
starker Fluor albus, darnach Atresia vaginae, Haematokolpos inter-
mittens. An den Scheidennarben öffnet sich zeitweise, während
in Folge der Regeln starke Beschwerden aufgetreten sind, eine
haarfeine Oeffnung und lässt das eingedickte, theerartige Blut ab-
fliessen. Stumpfe Erweiterung. An der ohne Beschwerden Ver-
heiratheten läset sich später kaum noch etwas von dem früheren
Verschlüsse nachweisen.
p j; IH. 43jährige Bauersfrau, nie menstruirt gewesen, vielleicht ist
der Zustand auf einen Typhus zurückzufühlen: Atresia vaginae,
Haematokolpos, Haematometra. Durchtrennung der 2 cm dicken
Narbenschicht und stumpfe Erweiterung. Heilung.
IV. 17 jähriges Mädchen. Atresia oris uteri extern! Haemato-
metra, Beschwerden bestehen seit einigen Monaten, Eröffnung mit
dem Troikart. Heilung.
V. 21 jähriges Mädchen, nie menstruirt gewesen. Atresia oris
intemi uteri. Haematometra et Haematosalpinx bilateralis. Bei
der Laparotomie wird die rechte stark ausgedehnte Tube entfernt.
Da angenommen wurde, es liege ein Myom des Fundus uteri vor,
wurde darauf eingeschnitten: es handelte sich aber um die durch
Blut ausgedehnte Gebärmutterhöhle, nun wurde von der Höhle aus
die Narbenmasse durchstossen, die Wunde im Uterus geschlossen.
Die linke Tube blieb zurück. Völlige Heilung.
Im Anschluss an diese Fälle bespricht Engström des Ge¬
naueren alle in Betracht kommenden Punkte, besonders ausführ¬
lich die Frage der Entstehung des Haematosalpinx. Er glaubt
nicht, dass es sich hier um eine einfache Rückstauung des Blutes
handeln kann Da es sich in seinem Falle um zahlreiche Blut¬
ergüsse in die Umgebung der inneren Geschlechtstheile und be¬
sonders auch in die Wandungen der Tube handelte, so glaubt
Engström, dass von hier aus in Folge einer allgemeinen, sämmt-
liehe Generationsorgane umfassenden Blutfluxion die Blutansamm-
lang in den Tuben entstehe. Es werden ferner ausführlich die Er¬
scheinungen und die Ausgänge besprochen. Wahrscheinlich erlischt,
in nicht behandelten Fällen die Menstruation allmählich unter dem
hohen Druck, der in der Gebärmutter entsteht, auch Durchbrüche
des Blutes nach aussen werden in Nachbarorgane kaum eintreten,
die mitunter durch entzündliche Veränderungen eingeleitet werden.
Die Behandlung wird eingehend erörtert. Ist Haematosalpinx fest¬
gestellt, so ist die Eröffnung des Leibes •wegen der grossen Gefahr
des Platzens eines solchen Sackes stets angezeigt, verstümmelnde
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Eingriffe müssen vermieden werden. Vielleicht lassen sich auf dem
im V. Falle eingeschlagenen Wege Fälle behandeln, die von der
Scheide aus nicht angegriffen werden können,
26) J. E. Huttunen: Zur Behandlung der clcatrisirten
Ruptura perinei completa nach der Methode von Lawson
Tait.
An der Hand von 15 Fällen wird das Verfahren wegen seiner
Einfachheit und der Sicherheit des Erfolges empfohlen. Einige
der Kranken haben später, ohne dass eine Verletzung des Dammes
eingetreten wäre, geboren.
27) O. Engström: Zwei Fälle von Carcinom der post¬
puerperal hyperinvolvirten Gebärmutter.
Im ersten Falle Portiocarcinom, 9 ’/-2 Monate nach der Gehurt
bis dahin hatte die Kranke gestillt) vaginale Totalexstirpation.
Recidiv nach 13 Jahren nicht nachweisbar.
Im zweiten Falle Cervixcarcinom, 3 Monate nach der Geburt
vaginale Totalexstirpation. Tod einige Monate später unter den
Erscheinungen eines Magencarcinoms.
E. nimmt an, dass in beiden Fallen die Carcinomentwickelung
erst nach der Geburt aufgetreten sei; er konnte ähnliche Fälle
nicht in der Literatur finden.
28) R. E1 m g r e n: Beobachtungen, von Carcinom des Gebär¬
mutte rhalses bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.
Im ersten Falle wurde ein lebendes Kind mit der Zange ent¬
wickelt. Im Wochenbett Auskratzung und Ausbrennung, einige
Monate später Tod. Im zweiten Falle Aceouchement force bei im
5. Monat abgestorbener Frucht. Spätere Behandlung und Ausgang
wie im ersten Fall. Der dritte Fall ist desshalb bemerkenswert!!,
weil ein Carcinom der vorderen Lippe mit Amputation dieser Lippe
(von anderer Seite!) behandelt wurde, bald darauf trat Conception
ein. Nachdem im 5. Monat die Geburt erfolgt war, wurde das weit
vorgeschrittene Carcinom ebenfalls mit Auslöffelung nnd Aus¬
brennung behandelt. Alle 3 Fälle zeigten im Anschluss an die
Schwangerschaft einen raschen Verlauf.
A. Gcssner-Erlangen.
Dr. B. Bendix, I. Assistent an der Universitäts-Kinder¬
poliklinik der k. Charite zu Berlin: Lehrbuch der Kinderheil¬
kunde für Aerzte und Studirende. 2. Auflage * von Weil.
Prof. Uffelmann’s Handbuch der Kinderheilkunde. Mit 12
Holzschnitten. Urban und Schwarzenberg, 1899. Preis
10 Mark.
Im Untertitel bezeichnet sieh das uns vorliegende Werk
als 2. Auflage des im .Jahre 1893 erschienenen U f fe 1 in a n lo¬
schen Handbuches; in Wirklichkeit aber ist es durch die gründ¬
liche Umgestaltung, bezw. Neubearbeitung der einzelnen Capitol
sowie durch die Einfügung einer grossen Anzahl vorher nicht
vorhandener Artikel ein neues, selbständiges Werk geworden;
nur die Herzkrankheiten und die pathologisch-anatomischen
Einleitungen zu den einzelnen Abschnitten sind zum grossen
Theile in der ihnen von Uffelrnann gegebenen Fassung ver¬
blieben. So wie das Buch sich gegenwärtig darstellt , bietet
es ein klares, übersichtliches Bild des vorgeschrittensten Stand¬
punktes der darin abgehandelten Disciplin. Neben mannigfachen
Bereicherungen aus des Verfassers eigenem Beobachtungskreise
begegnen wir allenthalben den Anschauungen und Lehren
Heubner’s, und so trägt das Werk die ausgesprochene Sig¬
natur der Schule, aus der es hervorgegangen.
Unter den von Bendix neu aufgenommenen Krankheits-
formen sind hauptsächlich solche vertreten, deren nähere
Kenntniss uns erst in den letzteren Jahren erschlossen wurde,
wie z. B. der Scorbutus infant. (B arlow’sehe Krankheit), die
Oolicvstitis. die angeborene Pylorusstenose und die verschie¬
denen Formen der chronischen Nephritis (zumeist nach Heub¬
ner’s bekannter Monographie bearbeitet). Dass auch der Sinus¬
thrombose, wenngleich sie nur eine Folgeerscheinung anderer
krankhafter Zustände, ein eigenes Capitel gewidmet ist, er¬
scheint durchaus berechtigt im Hinblick auf deren häufiges
Vorkommen im Kindesalter und auf die Wichtigkeit der Pro¬
phylaxe.
Von den hervorragendsten Artikeln des Buches seien hier
nur die Magen-Darmkrankheiten der Säuglinge, die Tuberculose,
die acuten Exantheme und die Diphtherie erwähnt. In einem
der umfassendsten Abschnitte gibt Bendix eine sowohl in
wissenschaftlicher wie namentlich auch in praktischer Hinsicht
vollendete Darstellung der letztgenannten Krankheitsform; ins¬
besondere ist das Heilserum und dessen Anwendung in einer
der Bedeutung des Gegenstandes vollkommen entsprechenden
Ausführlichkeit abgehandelt.
Dass in einem Werke, welches sich über ein so weites
Gebiet erstreckt , auch manche Lücke vorhanden und manche
anfechtbare Angabe mit unterläuft, ist wohl nicht allzu streng
zu beurtlieilen. Nur einige wenige Pimkte mögen kurz berührt
werden: Die Symptomatologie des echten Croup wird ein-
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
92
geleitet mit den Worten: „Die Laryngitis crouposa beginnt fast
immer urplötzlich, in der Regel spät Abends oder in der Nacht.
Nachdem die Kinder noch völlig gesund (!) zur Ruhe gebracht
worden, erwachen sie aus dem Schlafe mit dem Gefühle der
Beengung und mit einem charakteristischen Husten“. 4 ) Diese
Schilderung entspricht genau dem Beginn des Pseudocroup;
gerade das unvermittelte und plötzliche Auftreten der Larynx-
stenose ist bezeichnend für die Laryngit. catarrhalis. während
dem echten Croup der allmählige Beginn und die progressive
Steigerung der stenotischen Erscheinungen eigen ist. In dem
Capitel über die Parotitis epidemica vermissten wir irgend
wolclie Andeutung über die nicht gar seltene und beachtens-
werthe Anomalie, bei der unter gänzlichem Freibleiben der
Ohrspeicheldrüse nur die Submaxillaris ergriffen wird (sub-
inaxillarer Mumps). Die Forderung des Verfassers, auch bei den
Masern die gesunden Geschwister des Erkrankten von der
Schule auszuschliessen (eine Maassregel, die zeitweise fast zu
einer Entvölkerung der Schulen führen würde) dürfte schwer¬
lich vielseitige Zustimmung finden. Zur Behandlung der Pru¬
rigo empfiehlt Bendix unter Anderem 5 proc. Naphtol- und
2—5 proc. Pyrogallolsalben. Erwägt man, dass es sich hier
namentlich um Säuglinge oder Kinder in den frühesten Lebens¬
jahren handelt und dass der Ausschlag meist über grössere
Flächen ausgebreitet ist, so erscheint die Anwendung der ge¬
nannten Arzneikörper durchaus nicht unbedenklich (Haemoglo-
binurie, Collaps!); überdies leisten sie nicht mehr als das weit
unschädlichere Ichthyol (als 2 proc. Ichthyol- oder Ichthyol-
tumenolsalbe).
Selbstverständlich sollen und können diese vereinzelten
Ausstellungen den Werth des im Ganzen vortrefflichen Buches
in keiner Weise schmälern. W e r t h e i m h e r.
Albrecht Erlenmeyer: Die Entmündigung wegen
Trunksucht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Goblenz und
Leipzig, W. Gross. 1899. 76 Seiten.
Die vorliegende Arbeit ist die mit einem Preise gekrönte
Lösung der bekannten Preisaufgabe des Deutschen Vereins
gegen den Missbrauch geistiger Getränke; diese lautete:
„Welche Anforderungen sind an die künftige Einrichtung und
Verwaltung von Trinkerheilanstalten und Trinkerasylen zu
stellen, und welcher weiteren Maassnahmen auf dem Gebiete
der Gesetzgebung, Verwaltung und Vereinsthätigkeit bedarf es
zur wirksamen Durchführung der Bestimmungen des bürger¬
lichen Gesetzbuches über die Entmündigung wegen Trunksucht ?“
Der erste Abschnitt erörtert die Voraussetzungen der im
B. G.-B. vorgesehenen Entmündigung wegen Trunksucht und
ihre Wirkung in socialer, medicinischer und rechtlich-administra¬
tiver Hinsicht. E. hebt besonders hervor, dass jetzt zum ersten
Male von juristischer Seite die Trunksucht als ein krankhafter
Zustand, als eine Krankheit der eigenen Kraft, des eigenen
Willens, somit als eine Seelenstörung aufgefasst sei. Zu ihrer
Heilung bedarf es einer unter Umständen zwangsweisen Deten-
tion; soll diese gerechtfertigt erscheinen und nicht einer straf¬
baren Freiheitsberaubung gleichkommen, so sind auch nach
verhängter Entmündigung weitere gesetzliche und administrative
Verordnungen unbedingt noth wendig. Dass deren Erlass
dringend wünschenswerth erscheint, wird gewiss jeder zugeben,
nicht aber, dass nach den vorliegenden Bestimmungen der
Vormund ein Recht habe, seinen trunksüchtigen Mündel gegen
dessen Willen in eine Anstalt unterzubringen. Von juristischer
Seite wurde mir entgegengehalten, dass die Anstaltsunter¬
bringung eines Trunksüchtigen durch einen Vormund nicht den
Charakter einer „widerrechtlichen“ Freiheitsberaubung habe;
und andererseits könne man keinem die so weitgehende Ver¬
antwortung für die verbotenen oder unerlaubten Handlungen
Dritter, w r ie sie § 832 auferlegt, zumuthen, wenn nicht der
Vormund befugt sei, seinen trunksüchtigen Mündel, der weiter
trinke und Andern Schaden zufüge, auch zwangsweise zu de-
tiniren. Die herbe und sicherlich berechtigte Kritik, die E. an
dem sog. Besserungsparagraphen 681 der G.-P.-O. ausübt, trifft
heute nicht mehr zu, da der genannte § inzwischen eine ver¬
ständigere Fassung bekommen hat. Gleich vielen Andern be¬
mängelt es E., dass dem Staatsanwalt das Recht versagt sei,
den Antrag auf Entmündung zu stellen, sowie, dass die Ent-
mündung einer Person wegen Trunksucht von dem Amts¬
gericht öffentlich bekannt zu machen sei. ('§ 687 G.-P.-O.)
') Wie wir nachträglich fanden, sind die oben citirten Worte
unverändert aus Uffelmann's Handbuch 1. Aufl. herübergenom¬
men. — Ref.
Dass mit den Bestimmungen des B. G.-B. allein nicht die
Aufgabe der Bekämpfung der Trunksucht gelöst werden kann,
gibt die oben citirte Preisfrage in ihrer Fassung deutlich an;
im engen Anschluss an diese bespricht E. in einem zweiten
Abschnitt die weiteren Maassnahmen auf dem Gebiete] der
Gesetzgebung, Verwaltung und Vereinsthätigkeit.
Zu den ersteren gehört ein Sondergesetz über die Ver¬
sorgung der Gewohnheitstrinker und Trunksüchtigen, welches
deren Heilung, auch gegen ihren Willen, also unter Umständen
zwangsweise anstreben soll. E. ist der Ansicht, dass für viele
Fälle die Irrenanstalt der geeignete Ort sei; ich fürchte, es
werden Wenige seinen Standpunkt theilen, wiewohl es heute
an öffentlichen Trinkeranstalten sehr mangelt, und viele der
vorhandenen Trinkeranstalten nicht allen berechtigten oder
auch nur wünschensworthen Anforderungen genügen. Auch
ein Irrengesetz, wie es E. schon früher in einer bekannten
Brochüre „Reorganisation unseres Irrenwesens 1896“ angegeben
hat, kann die einschlägigen Fragen regeln. Besteht aber
weder ein allgemeines Irren- noch ein besonderes Trinker¬
versorgungsgesetz, so können die Aufnahme und Entlassung
der Kranken, die Leitung und Einrichtung der Anstalten sowie
deren Beaufsichtigungauf administrativem Wege durch Ministerial-
verfügungen geregelt werden; E. theilt mit, wie er sich deren
Wortlaut denkt.
Vielen Erfolg verspricht sich E. von den Abstinenz- sowie
Temperenzvereinen, besonders, wenn sich viele Ortsgruppen
bilden, und diese in einen innigen Verkehr mit der Anstalt
treten; Aufgabe dieser Vereine ist es auch, sich der Familie
des in der Anstalt untergebrachten Trinkers sowie der aus der
Trinkeranstalt Heimkehrenden anzunehmen. Leider trifft E. ? s
Bemerkung nur zu sehr zu, dass es heutzutage keine Vereins¬
thätigkeit gebe, bei der nicht getrunken wird; Abhilfe ist
dringend notluvendig, aber werden wir sie noch erleben?
Das Schlusscapitel gibt kurz die Anforderungen wieder,
die an die künftige Einrichtung und Verwaltung von Trinker¬
heilanstalten und Trinkerasylen zu richten sein werden. So
sehr E. auch die Errichtung öffentlicher Trinkerheilstätten
befürwortet, so verkennt er doch keineswegs die Hindernisse,
die sich einem derartigen Unternehmen schon vom fiscalischen
Standpunkte in den Weg stellen, und als Ausweg empfiehlt
er die Unterbringung der Trinker in besondern Abtheilungen
von öffentlichen Irrenanstalten, wie es bekanntermaassen beispiels¬
weise in Berlin geschieht.
Die Frage der gesetzlichen Fürsorge der Trunksüchtigen
ist eine recht actuelle dank dem baldigen Inkrafttreten des
B. G.-B., und andererseits ist sie so wichtig und greift in so
viele Interessensphären ein, dass sich auch der praktische Arzt
mit ihr beschäftigen muss. Mit Rücksicht hierauf durfte eine
kurze Inhaltsangabe des zu besprechenden Buches berechtigt
erscheinen, wenn sie auch nicht die Lectüre des Buches er¬
setzen kann.
Nicht alle Ausführungen E.’s werden auf ungeteilten
Beifall rechnen dürfen, wie das schon Referent angedeutet hat;
das liegt einmal an der Materie selbst, um die wir uns in
Deutschland nach der praktischen Seite hin fast zu wenig ge¬
kümmert haben, sowie daran, dass Rechtsfragen eines erst in
Geltung tretenden Gesetzbuches in Betracht kommen. Meinungs¬
differenzen sind also hier zum mindesten begreiflich. Aber sie
beeinträchtigen den Werth des Buches nicht, und bei der sach-
gemässen Behandlung und klaren Darstellung der zu erörtern¬
den Fragen kann es allen Betheiligten als Rathgeber nur
empfohlen worden, und das um so mehr, da die Schrift, wie
sich das schon im voraus erw-arten liess, e ner lebendigen
Frische und einer scharfen Kritik nicht entbehrt, zweier Eigen¬
schaften, die sicherlich das Gute haben, eine Lectüre zu er¬
leichtern und genussreicher zu gestalten. Emst Schultze.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie.
1899. 3. Bd. 7. Heft,
1) v. Leyden: Aix-les-Bains in Savoyen (Schwefelbad,
Douchemassage.)
Verfasser lenkt die Aufmerksamkeit der deutschen Aerzte
auf das während seiner letzten Ferienreise persönlich besuchte
Schwefelbad, welches durch seine malerische Lage (am Lac de
Bourget in den savoyischen Alpen), als auch durch seine beson¬
dere Heilmethode (fast ausschliesslich Anwendung von Douchen
mit der natürlich heissen Quelle von 45—46° C. und gleichzeitiger
Massage), namentlich bei chronischen Gelenkleiden, Asthma,
Neuralgien, Lähmungen, Muskelatrophie und Syphilis jeder Art,
sich von Altere her sehr grosser Berühmtheit erfreut.
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16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
93
2) Chr. Jtirgensen und I. J u s t e s e n - Kopenhagen:
Experimentelle Untersuchungen über die Salzsäureaüsschei-
dong des menschlichen Magens bei verchiedener Nahrung.
Während bis in den letzten Jahren die Eiweissdiät bei Super¬
acidität des Magens von den meisten Klinikern (zur Bindung des
freien HCl) bevorzugt wurde, hat sich in der letzten Zeit ein
Umschwung der Anschauungen geltend gemacht, iusoferue die
vegetarische Nahrung bei Hyperacidität und Magensaftfluss auf
liruud zahlreicher klinischer Erfahrungen und entsprechender
T.li ierexperimente sich einzubürgern beginnt.
Gleichwohl harrt die Entscheidung der Frage, welche Diät
■len Vorzug verdient, noch der stricten wissenschaftlichen Begrün¬
dung, namentlich durch beweisende Versuche am Menschen.
Zu diesem Zwecke nun liess J. bei zweckmässiger Darstel¬
lung von Versuchsmahlzeiten, bestehend aus Brod, Brod und
Flcischmischung und Fleisch unter Zusatz von jedesmal gleich-
lilcibenden Mengen von Milch und Salz durch cand. mod.
.1 ii s t e s e n an eigener Person Untersuchungen anstellen, welche
M Aspiriren des Mageninhalts 1. in verschiedenen Zeiten nach
der betreffenden Probemahlzeit am selben Tage (Methode der
»■intägigen Curve), 2. in verschiedenen Zeiten nach derselben
Frobemahlzeit. aber an einanderfolgenden Tagen (Methode der
mehrtägigen Curve) zur Aufgabe hatten, den HCl-Gohalt zu be¬
stimmen (Bestimmung der Gauzacidität, Totalsalzsäure, freie
Salzsäure). Durch Berücksichtigung der Durchschnittszahlen
aus lw?iden Curven glaubte J. manche Versuchsfehler auszu-
>diliessen.
Ohne aus der zu geringen Anzahl der Versuche bindende
Schlüsse zu ziehen, kommen die Verfasser zu dem Resultate, dass
bei ihrer Versuchsanordnung der Totalsalzsäuregehalt des Magens
proportional dem Fleischgehalte der Probemahlzeiten steigt und
auch die Verdauung bei fleischhaltiger Nahrung entsprechend
länger dauert als ohne Fleisch.
3) Marx: Die Grenzen der normalen Temperatur. (Aus
ihm Institute für Infectionskrankheiten zu Berlin.)
Die iu fast alle Lehrbücher übergegangenen Temperatur-
Grenzen (Aehselhöhlenmessung) Wunderlic h’s, der als sub-
normal 3(5,0—30,5°, normal 3(5.0—37,4°, subfebril 37,5—38,0° an¬
gegeben hat, seien au über 200 Männern angestellteii Messungen
•los Verfassers nicht zutreffend; denn die Temperatur des Ge¬
sunden bewege sich normalerweise unter 37 0 und zwar zwischen
•1(5,0 und 37.0°.
Gelegentliche Temperatursehwankungen bis 37,2 0 würden
auch bei Gesunden beobachtet, aber nur bei besonderen Ursachen
iz. B. Verdauung). Temperaturen über 37,2° seien stets mit kör¬
perlichem Unbehagen und demgemäss schon dadurch als völlig
ausser dem Normalen liegend deutlich kenntlich gemacht.
Temperaturen etwas unter 30,0° kämen auch vor, ohne dass
cs sich um Collaps handelt.
Es gebe zahlreiche Phthisiker mit noch im Gange befindlichen
rein tuberculösen Processen, deren Temperaturen sich in diesen
normalen Grenzen bewegen.
4) .T. Zabludowski - Berlin: Zur Therapie der Impo-
tentia virilis.
Verfasser schildert eine, wie er sagt, bei Zuständen von Pol¬
lutionen, Spenuato-Prostatorrhoe und Impotentia coeundi wohl-
b<-währte Methode der Massage, welche local an den Genitalien
'Hoden und Damm) beginnt, daun aber in allgemeine Massage
'les Körpers (Oberschenkel, Analgegend, Bauchdeeken, Rücken,
Nacken, Prostata, Blase) übergeht.
Zur speciellen Behandlung obiger Arten der Impotenz gibt Z.
ausserdem noch besondere liathschUige.
5) F. S c h l a g i n t w e i t - München-Bad Brückenau: Zur
Behandlung der Nephritis mit Mineralwässern und Bädern.
Verfasser warnt auf Grund zahlreicher Beobachtungen von
N'phritikern vor rein schematischer MineralwasserVerordnung,
"ie sie gemeiniglich geübt wird.
Genaue klinische Beobachtung und im Speciellen Berück
s khtigung der Wasserbilanz (Verhältniss der per os aufgenoin-
"iciien zu der durch den Urin abgegebenen Flüssigkeit iu 24 Stun-
'loiu. des spcciflscheu Gewichts und des proeentualiter bestimmten
Kiweissg4‘lialtes lieferten ihm den Beweis, dass mau in jedem
Falle, sei es dass cs sich um eine parenchymatöse oder indurative
Form von Nephritis handelt, streng individualisiren müsse.
Als Wirkung der Wernarzer Quelle auf die Nierenfuuction de.*
dosundeu ergab sich bei einem nicht über 1000 ccm gehenden Er-
s ;'t7. einer bisher gegebenen Flüssigkeit durch Wernarzerwasser
' lue erhöhte Wasser- und Stoffausfuhr, d. h. eine iu 24 Stunden
V'Tiuehrte Wasserausfuhr bei vermehrtem oder wenigstens nicht
"Tinimlertein spoeiflsehen Gewichte.
Die Erfahrungen an Kranken nun zeigten, dass der gleiche
Truikeffect (Vermehrung der Urinmenge mit Erhöhung des spe¬
zifischen Gewichtes) wie bei der gesunden Niere auch bei der
pathologischen als Idealforderung in Betracht komme.
Während mehrere Krankengeschichten beweisen, wie Zu¬
führung von willkürlich grossen Mengen Mineralwassers stets
'ine Schädigung des Zustandes herbeigeführt hat, ist zur ratio¬
nellen Durchführung der Cur eine methodische Controle der
-1 ständigen Harnmenge, des speciflschen Gewichts und des Ei-
weissgehalts und dementsprechende individuelle Verordnung der
” asseraufuhr nothwendig.
6) Ernst Bendix-Berlin: Ueber die Gährung schwer ver-
gährb&rer Zuckerarten. (Aus dem Laboratorium der I. medicin
Klinik. Director: Geheimrath von Leyden.)
Verfasser hat auf Anregung B u r g h a r t’s und Blumen-
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t h a l’s die Einwirkung organischer Substanzen, wie Pankreas,
Ovarium, Milz, Darm, Albumoseu und Peptone, unter Hinzu¬
fügung von verschiedenen Baeterien auf verschiedene Zuckerarten
studirt. Es stellte sich dabei heraus, dass unter diesen Be¬
dingungen Zuckerarten vergähreu, die bisher als schwer oder gar
nicht vergälirbar galten, wie z. B. Xylose, Raumose, Arabiuosc,
Galactose. (Vergl. Bendix: 1800, 2. Bd., 3. Heft, p. 218 d.
Zeitschr. f. diiitet. u. pliysik. Therapie.. Sollte es sich bei den
damaligen so interessanten Mittheilungen nicht auch um Bac
terieueinwirkung gehandelt habenV Der Bef.)
7) Julian Marcuse-Mannheim: Baden und Schwimmen in
ihrer hygienisch-diätetischen Bedeutung.
Nach einem Ueberblicke über die Physiologie der Haut und
die Wirkung kalter Hautreize im Allgemeinen führt M. des
Weiteren aus. wie das Schwimmbad durch Combination von
Muskelbewegung in freier Luft mit dem abhürtenden und die
Wänneregulirung übenden Reiz des kalten Wassers und dem dar¬
aus resulti remlen Einfluss auf Blutbescliaffenheit, Stoffwechsel,
Her/-, Lungern hat igkeit und Nervensystem ein unübertreffliches
und vor Allem — auch für die lieranwaehsende Jugend nicht zu
unterschätzendes Volksgesundheitsinittel sei.
M. Wasser m a n n - Berlin.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1899. 53. Bd., 5. u. (5.
Heft, November. Leipzig. Vogel.
13) IIübseher-Basel: Ueber den Cubitus valgus femininus.
Bezüglich der genannten Anomalie ist Verfasser zu sehr be-
merkenswerthen, für <hm Anatomen, Chirurgen und Künstler gleich
wichtigen Resultaten gekommen. Bekanntlich bildet der im Ell¬
bogengelenk gestreckte Vorderarm mit dein Oberarm keine gerade
Linie, sondern in der Regel einen nach aussen offenen Winkel,
den physiologischen Cubitus valgus; die seltener vorkommende
Varietät des nach innen offenen Winkels heisst Cubitus varus.
Nachdem schon früher mehrere andere Autoren sich mit der Sache
befasst hatten, hat Verfasser an 225 Armen mit Hilfe seines
Winkelmaasses sehr genaue Messungen angestellt. Ans denselben
ergibt sich die sehr interessante Thatsache, dass Männer und
Knaben, sonne Mädchen bis zum 12. Jahre einen mehr oder
weniger geradlinigen Arm besitzen. Mädchen über 13 Jahre und
besonders erwachsene Frauen haben einen Cubitus valgus bis zu
30°. Das Auftreten des Cubitus valgus beim Weibe fällt also zu¬
sammen mit der Zeit der Pubertät. Die Stelle der Verkrümmung
sitzt regelmässig an der Grenze des mittleren und unteren Drittels
vom Humerus, nicht im Ellbogeugelenk.
Die Entstehung des Cubitus valgus femininus wird von II.
mit der in den gleichen Zeitraum fallenden Umformung .'des weib¬
lichen Beckens in Verbindung gebracht: der herabhängende Vorder¬
arm wird von den in die Breite wachsenden weiblichen Hüften
nach aussen gedrängt (Bei Skoliose konnte ein bedeutender
Unterschied beider Arme bis zu 10° beobachtet werden.) Ferner
ist in Betracht zu ziehen eine Zugwirkung der Beugemusculatur,
deren Masse bekanntlich am Ellbogen viel mächtiger ist, wie die
der Streckmusculatur. Da die gewöhnliche Haltung des Frauen¬
armes die gebeugte ist, so muss der Ellbogen eine Knickung im
Sinne des Muskelzuges erfahren.
In der klassischen Kunst hat II. einen Cubitus valgus nicht
auffmden können. Verschiedene B öckli n’sehe Bilder zeigen
aber ausgesprochene Valgusarme bis zu 25°.
Für die Chirurgie hat der Cubitus valgus seine hauptsächlichste
Bedeutung bei der Behandlung der Fracturen am unteren Humerus¬
ende. Besonders die Fractura supracondylica und die Fracturen der
Condylen lassen leicht seitliche • Verschiebungen zurück. Zur
Vermeidung der letzteren empfiehlt sich am meisten die primäre
Fixation in Streckstellung.
14) C. L a u e n s t e i n - Hamburg: Eine typische Absprengungs-
fractur der Tibia.
L. beobachtete in 4 Fällen neben anderen Verletzungen der
Unterschenkelknoehen eine Absprengung einer trapezförmigen
Knochenplatt«' ans der Vordcrlläche des unteren Tibiaendes. In
drei Fällen führte das abgebrochene Stück zu Störungen der Ge¬
lenkbewegungen, wesswegen es exstirpirt werden musste. Im vierten
Falle musste wegen einer schweren Phlegmone die Amputation
des Unterschenkels gemacht werden.
Zu der Literatur konnte L. nur eine Bemerkung von Volk-
mann über eine ähnliche Beobachtung auffinden.
15j Martens: Zur Kenntniss der Gelenkkörper. (Charite
Berlin.)
In diesem 2. Abschnitt behandelt ,M. diejenigen Gelenkkörper,
welche nicht ein Stück der Gelenkfläche darstellen, sondern im
Gelenk neu gebildet worden sind. Dazu gehören zunächst die sel¬
tenen abgebrochenen Eechondrosen. M. rechnet dieselben nicht
zur Arthritis deformans. Von letzterer wurden 9 Fälle beobachtet.
Die einschlägigen Krankengeschichten werden genau mitgetheilt.
Zum Schluss gibt M. einige diagnostische Anhaltspunkte und betont
die Wichtigkeit der Röntgenuntersuchung.
16) Friedrich- Leipzig: Experimentelle Beiträge zur Kennt¬
niss der chirurgischen Tuberculose.
S. d. W. 1899, S. 1313.
17) W. Meyer: Ueber 2’ I Fälle von»Darmeinklemmung in
noch nicht ^beschriebenen Bauchfelltaschen. (Städt. Kranken¬
haus Hildesheim.)
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
94
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. S
Der erste Fall kam zur Section und konnte genau untersucht
werden. Mit der vonBrösike beschriebenen Hernia parajejunalis
stimmte die Sachlage insofern überein, als das Anfangsstück des
Jejunum mit der hinteren Bauchwand verlöthet war und der Bruch¬
sack zum grösster! Theil in der rechten Bauchhälfte lag. Dagegen
fehlte die grössere Arterie im vorderen Rande der Bruchpforte,
auch war an demselben die Wurzellinie des Dünndarmgekröses
nicht angeheftet. Verfasser glaubt trotzdem, dass es sich in diesem
Falle ursprünglich um eine Hernia parajejunalis gehandelt hat,
die sich in Folge des queren Verlaufes der Mesenterialwurzel ins
retroperitoneale Bindegewebe der rechten unteren Bauchhälfte ge¬
schoben hat.
Der zweite, durch die Operation geheilte» Fall zeigte ähnliche
Verhältnisse.
18) E s c h e r-Triest: Ueber den inneren Leistenbruch beim
Weibe.
E. hat von dieser allgemein für sehr selten gehaltenen Hernie
bei 600 Leistenbruchoperationen 5 Fälle beobachtet, bei im Ganzen
49 Leistenbrüchen bei Weibern.
19) Colley: Die Periarthritis humero-scapularis. (Chirurg
Klinik Marburg.)
C. möchte die Aufmerksamkeit auf die genannte Erkrankung
richten, welche in Frankreich als Duplaysche Krankheit be¬
zeichnet wird. Dieselbe besteht im Wesentlichen in einer binde¬
gewebigen Veränderung der Bursa subacromialis und subdeltoidea
bei völligem Intactsein des Gelenks. Die Erkrankung schliesst
sich an ein leichtes Trauma und belästigt die Kranken durch die
ausserordentlich heftigen Schmerzen. Bei der Untersuchung findet
man eine starke Atrophie der Schultermuskeln und eine beträcht¬
liche Beschränkung der Abductionsbewegung, während die Pendel¬
bewegungen von vorn nach hinten und die Rotationsbewegungen
unbehindert sind. Die Behandlung hat baldigst Massage und
passive Bewegungen anzuwenden, bei chronischen Fällen müssen
zunächst in Narkose die Verwachsungen an den Schleimbeuteln
gesprengt werden.
Verfasser berichtet über 45 derartige Kranke. 29 wurden
völlig geheilt, 11 relativ.
20) Schambacher: Ueber die Aetiologie der varicösen
V enenerkrankung.
Auf Grund eingehender mikroskopischer Untersuchungen
kommt Verfasser zu dem Ergebniss, dass die Steigerung des Blut¬
druckes als eine Ursache der Venenerweiterung anzusehen ist. Die
gesteigerte Druckwirkung ist eine Folge der als Alterserscheinung
oder als Bildungsfehler auftretenden Klappeninsufficienz. Zu der
Druckwirkung hinzu tritt dann noch eine Schwächung der Gefäss-
wand, bedingt durch die abnorme Entwicklung der musculösen
und elastischen Elemente. Die verschiedenen Grade und Formen
der Ektasie entstehen dann je nach der Art der in der Gefässwand
sich findenden abnormen Verhältnisse: massige Ektasie bei
schwacher Entwicklung der elastischen Elemente, partielle Ektasie
bei streckenweiser Schwächung der elastischen Elemente.
21) Lampe-Bromberg: Ueber die Entzündung der Rippen¬
knorpel nach Typhus abdominalis. (Chirurg. Stadtlazareth Danzig.)
L. hat bei einem Falle von typhöser Rippenknorpelentzündung,
in derenEiter Typhusbacillen nacligewiesen wurden, sehr eingehende
histologische Untersuchungen der resecirten Rippenknorpel vor¬
genommen. Darnach ergibt sich, dass die genannte Erkrankung
nur bei Patienten jenseits des 2. Deeenniums vorkommt, d. h. erst
dann, w r enn der Knorpel seine Altersveränderungen in Form der
Vascularisation und Markraumbildung eingegangen ist. Der Process
besteht dann in einer eitrigen Entzündung des Knorpelmarkes mit
Nekrotisirung und Einschmelzung des benachbarten Knorpels; die
Betheiligung des Perichondriums ist erst eine secundäre. Der Pro¬
cess kann in 3 Formen auftreten: einfache Auftreibung, Auftreibung
und Erweichung mit nachfolgender Vernarbung, Auftreibung, Er¬
weichung, Knorpelnekrose und Fistelbildung. Die Therapie der
letzten Form hat in der Resection des erkrankten Knorpels zu be¬
stehen.
22) Heidenhain: Ueber Jejunostomie bei Inanition durch
Ulcus ventriculi (duodeni) und Folgezustände derselben. (Städt.
Krankenhaus Worms.)
H. empfiehlt bei solchen Kranken, welche an Ulcus ventriculi
leidend in einen Zustand vollkommener Inanition gerathen sind
und eine Gastroenterostomie nicht mehr aushalten können, die
Jejunostomie an einer der obersten Dünndarmschlingen auszuführen.
H. hat diese Operation 2mal mit befriedigendem Erfolge ausgeftihrt;
es wurde ein Drain nach Witzei in den Dünndarm eingenäht.
23) Kaefer: Zur Casuistik der Gastroenterostomie mittels
des Murphyknopfes. (Rothes Kreuz-Krankenhaus Odessa.)
Verschiedene nach einer Gastroenterostomie aufgetretene Stör¬
ungen glaubt Verfasser auf den Murphyknopf zurückführen zu
müssen und warnt vor der Anwendung desselben. Krecke.
Beiträge zur klinischen Chirurgie. Red. von P. v. Bruns.
Tübingen, Laupp. XXV. 1. Heft, mit 11 Abbild, im Text und
4 Tafeln. Mk. 15.50.
Das 1. Heft des neuen Bandes eröffnet eine Arbeit von Hammer:
traumatisches Hautemphysem durch Pulvergase, in der im An¬
schluss an einen in der Freiburger Klinik beobachteten Fall von
□ igitized hy Google
derartigem Emphysem an Hand und Vorderarm in Folge einer in
der Hand explodirten sogen. Schlagröhre über das Auftreten trau¬
matischen Hautemphysems durch Pulvergase entsprechende Ver¬
suche mitgetheilt werden, die positives Resultat ergaben.
H. Buchbinder berichtet aus der Strassburger Klinik über
die Lage und die Erkrankungen der Wangenlymphdrüsen
und möchte diese Drüsengruppe neben den bisher unterschiedenen
sublingualen, submaxillaren und periauriculären Drüsen näher prä-
eisiren, da ihre Kenntniss zur Vermeidung diagnostischer Schwierig¬
keiten und Jrrthümer nöthig ist. Unter Berücksichtigung der Mit¬
theilungen von Poncet u. A. fand B. hauptsächlich folgende
Gruppen von Wangenlymphdrüsen, die bei entzündlichen und raeta-
slatiKchen Erkrankungen eventuell zu berücksichtigen sind:
I. Eine Gruppe (2 Drüsen auf der äusseren Fläche des Unter¬
kiefers vor dem Masseter in dem Raum vor den Kaumuskeln hinter
den seitlichen Kinnmuskeln etwa V* cm oberhalb des unteren
Kieferrandes, (die Glandulae maxill. super.). 2. Hinter dem Kiefer¬
winkel die Gland. buccinator., nämlich auf dem Muse. bucc. liegen
2 weiter vorn (Bucc. ant.) zwischen Art. max. int. und Vena facial.
ant. und 3. 2 mehr nach hinten an der Einmündungsstelle des
Ductus Stenonianus (Buccinat. post.). 4. Solche auf dem Ober¬
kiefer. Nach Albert in, Vigier beobachtet man acute entzünd¬
liche Schwellungen und Erkrankungen dieser Drüsen am häufig¬
sten hei cariösen Zähnen, aber auch tuberculöse u. a. chronische
Erkrankung dieser Drüsen werden beobachtet; (Ref. hat auch mehr¬
fach die tuberc. erkrankte gland. buccinat. entfernt); sodann wird
die Differentialdiagnose zwischen der Tuberculöse der Wangendrüse
und der Tuberculöse der Wangenhaut (Skrofuloderma) näher be¬
rücksichtigt ; nicht selten sind diese Drüsen der Sitz von Metastasen
bei malignen Neubildungen, bei kleinen Epitheliomen an der Nase,
dem Augenlid, der Wange und den Lippen.
Küttner: Ueber die Lymphgefässe der äusseren Nase
und die zugehörigen Wangenlymphdrüsen in ihrer Beziehung
zu der Verbreitung des Nasenkrebses hat im Anschluss an
2 Fälle von Care, nasi der Tübinger Klinik, die beide Frauen von
60 Jahren betrafen und bei denen an der gleichen Stelle der Wange
eine haselnussgrosse, resp. w T allnussgrosse Lymphdrüse constatirt
w’urde, die Lymphgefässe der Nase näher studirt und theilt seine mit
den Buchbinder ’schen Befunden erfreulich übereinstimmenden Re¬
sultate näher mit; K. fand auch chronisch geschwellte Lymphdrüsen
der Wange, die dem Lymphgebiet der Nase zugehören und empfiehlt
für die Praxis, bei jedem Carcinom der Nase und deren Umgebung
die Weichtheile der Wange einer genauen Untersuchung zu unter¬
ziehen, um eventuell Drüsenmetastasen baldigst zu exstirpiren.
.1. Wieting berichtet unter genauerer Mittheiluug von
<; Fällen des neuen Hamburger allgemeinen Krankenhauses zur
Anatomie und Pathologie der Spina bifida und Zweitheilung
des Rückenmarkes.
H. Schloff er: Zur Osteoplastik bei Defecten der Tibia
theilt aus der Prager Klinik einen wegen Verlustes eines grossen
Theiles der Tibia durch Osteomyelitis mittels Ueberpflanzung eines
Hautperiostknochenlappens operirten Fall und einen ebenfalls mit
der Müller’schen Plastik erfolgreich operirten Pseudarthrosefall mit
und kommt zu dem Schluss, dass der Müller sehen Plastik bei der
operativen Behandlung von Pseudarthrosen der Tibia ein weiteres
Feld offen steht, als ihr bisher eingeräumt wurde.
W. L i e r m a n n berichtet aus dem städtischen Krankenhaus
Frankfurt a. M. (L.Rehn): Ueber vaginale Mastdarmoperationen
und glaubt den Bew r eis erbracht zu haben, dass für eingreifende
Mastdarmoperationen beim Weibe (Carcinom, Strictur) der vaginalen
Methode der Vorzug vor den sacralen, perinealen und combinirten
Methoden gebührt; von einer cireulären Darmnaht will er aller¬
dings, auch wenn die Möglichkeit hiezu vorliegt, abselien und
empfiehlt (selbst, wenn der grösste Theil der Pars perinealis recti
frei ist), doch diesen Theil mit Schonung der Sphincterenfasem zu
excidiren oder durch Excision der Schleimhaut anzufrischen, da
man darnach, sobald der centrale Stumpf im Analring befestigt ist,
sofort den Vortheil eines geschlossenen Darmrohrs hat. Er führt
die günstigen Erfolge des Verfahrens auch darauf zurück, dass
während der Operation nach vaginaler Methode der Inhalt des
Wundtrichters jederzeit abfliessen kann und späterhin Drainage gut
functionirt.
P. S u d e c k berichtet aus dem Hamburger neuen allgemeinen
Krankenhaus: Ueber die Behandlung des nicht tuberculoseu
Totalempyems mit der Sched e’schen Thoraxresection.
B. Hon seil bespricht (aus der Tübinger Klinik) die Pharyngo-
?omia subhyoidea*im Anschluss an 4 Fälle genannter Klinik, in
denen die Operation sehr verschiedenen Zwecken (Fremdkörper¬
entfernung, Geschwmlstexstirpation) dienen musste, und die er be¬
treffs Technik präliminärer Tracheotomie etc. unter Berücksichtigung
von 93 Fällen der Literatur analysirt und in kurzen Krankenge¬
schichten zusammenstellt.
O. Hahn berichtet aus der gleichen Klinik über die acute
infectiöse Osteomyelitis der Wirbel und reiht seiner früheren
Arbeit vom Jahre 1895 2 weitere Beobachtungen der Tübinger
Klinik und 27 aus der Literatur an, so dass das heutige Material
41 Fälle umfasst (12 w r eibliche, 23 männliche Individuen) 7 mal;Hals-
wirbel, 12 mal Brustwirbel, 17. Lendenwirbel betreffend. Nach H.
nimmt die acute Osteomyelitis der Wirbel keine Ausnahmestellung
gegenüber der anderer Knochen ein, weist aber häufig schwere Com-
Qrifjinal fro-m
UNIVERSUM OF CALIFORNIA
Iß. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
95
plicationen auf (durch Uebergreifen auf die Körperhöhlen, nervösen
(Yntralorgane), nur in letzteren Fällen oder bei Pyaemie wird die
Diagnose unüberwindliche Schwierigkeiten aufweisen. Die Prognose
j>t ernst, vom Charakter der Infection, Sitz, AllgemeinzAistand etc.
frühem Erkennen und Eingreifen abhängig. Die Therapie soll so
frühzeitig als möglich, und möglichst activ eingreifen, bei schweren
Complicationen hat sie natürlich ihre Grenzen.
W. Braun gibt aus dem städtischen Krankenhaus in Altona
klinisch-histologisohe Untersuchungen über die Anheilung un¬
gestielter Hautlappen, die durch entsprechende Tafeln gut illustrirt
werden; schliesslich erörtert:
V. Czerny das Thema: Warum dürfen wir die parasitäre
Theorie für die bösartigen Geschwülste nicht aufgeben? und
fasst die Gründe zusammen, die ihn vorläufig an dieser Theorie
Ysthalten lassen. Nach den klinischen Erfahrungen muss eine
Disposition und eine Ursache für die Entstehung vorhanden sein,
als locale Disposition gelten chron. Reizungen aller Art, vielleicht
auch chemische Reize. C. bespricht die verschiedene Localisation
der Hautkrebse und entstehen nach ihm z. B Hautkrebse im Ge¬
sicht fast ausschliesslich bei Leuten, die Seife fast nie gebrauchen.
Das Lippencarcinom ist allein in den letzten 30 Jahren seltener
geworden (wohl, weil das Pfeifenrauchen aus der Mode gekommen
und die Zähne besser gereinigt werden), jedenfalls entstehen die
Krebse in der Regel an der Oberfläche der Haut oder Schleimhaut
an Stellen, die durch chron. Entzündung oder Narben disponirt
sind, oder an welchen leicht Schmutz oder Darminhalt für längere
Zeit haftet. Bis zu einem gewissen Grad wirkt excessive Reinlich¬
keit prophylaktisch. Analog den entzündlichen Neubildungen, von
denen die Tumoren sich nicht scharf trennen lassen, nimmt C an,
dass wir auch für die vielgestalteten Tumoren eventuell eine grosse
Zahl verschiedener Geschwulsterreger annehmen müssen. Auch die
Fälle von Uebertragung des Krebses von einem Individuum auf
das andere, die Implantationsmetastasen, das relativ häufige
Erkranken von Geschwistern oder Eheleuten in der gleichen
Wohnung bald hintereinander, die Vox populi, (die wie für die
Tuberculose auch für die Krebse eine Contagiosität anzunehmen
geneigt ist), zieht C. heran, um die parasitäre Theorie zunächst
noch festzuhalten und cgegen eine vorzeitige Unterdrückung der¬
selben durch absprechende Urtheile hochverdienter Forscher»
(Ziegler, Hauser etc.) zu plaidiren. Betreffend der Therapie
der Krebse ist die operative Behandlung immer weiter auszubilden,
doch tritt C. der Coley'schen Ansicht bei, dass etwa 75 Proc. aller
Krebse unserer Therapie mit dem Messer unzugänglich sind; un¬
vollständige Operationen beschleunigen oft das Waehsthum und
die Dissemination der Krebse, während Chlor/.inklösung oft noch
Lei inoperablen Carcinomen gute Erfolge (temp. Heilungen) ergibt
und versichert C., dass erz. B. manche inoperable Carcinomedes Uterus,
in der Submaxillargcgend durch combinirte Methode (Ausschabung
der erweichten Massen mit scharfem LöfFel, Heissluftgebläse und
Chlorzinkgazetamponade (30-50 Proc,)) noch heilen konnte. C. be¬
spricht schliesslich noch die Frage der Spontanrückbildung von
Geschwülsten und theilt einzelne entsprechende Beobachtungen
von Rückbildung unter den Coley’schen Streptococcus prodigiosus-
Milchsterilisatinjectionen mit, die zeigen, dass selbst ganz ver¬
zweifelte inoperable Fälle von bösartigen Neubildungen durch eine
combinirte, zielbewusste Behandlung einer Heilung zugängig sind.
Sehr.
Centralblatt für Chirurgie. 1899. No. 51.
F. Karowskl - Berlin: Zur Radicaloperation der Leisten-
brüche bei Säuglingen.
Karewski hält für die Radicaloperation der Leistenbrüche bei
Säuglingen resp. Kindern vor 3 Jahren die complicirteren Methoden
(Bassini) nicht für nöthig, er sah stets glatte dauernde Heilung
nach stumpfer Ablösung des Bruchsacks und möglichst hoher
Fnterbindung am inneren Leistenring, auch er behandelt diese
Fälle meist ambulant. K. betont es übrigens als sicherstehend,
dass die überwiegende Mehrzahl kleiner Brüche bei Säuglingen
unter dem Gebrauch eines Bruchbandes zur Heilung kommt. Bei
älteren Kindern ist nach K. die Aussicht auf Spontanheilung eine
viel geringere und die operative Beseitigung häufiger angezeigt.
J. Kalabln - Moskau: Zur Frage von den Veränderungen
in der Schleimhaut des Darmes und der Nieren nach der Im¬
plantation des Harnleitersin den Darm.
Mittheilung der Resultate entsprechender experimenteller Ver¬
suche an Hunden, es fand sich bedeutende, gleichmässig diffuse
Wucherung des Bindegewebes besonders in der Medullarschicht
zwischen den Hamcanälchen und das Epithel in den H e n 1 e ’schen
Schlingen gequollen und theilweise in körnigem Zerfall. Sehr.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. X,
Heft 6 (December).
1) H. Peham-Wlen: Aus accessorischen Nebennieren¬
anlagen entstandene Ovarialtumoren.
Verfasser beschreibt 2 Eierstocksgeschwülste, die ln Ihrem
Baue völlig den bekannten bösartigen Nierengeschwülsten ent¬
sprachen, die auf versprengte Nebennierenkeime zurtickgeftikrt
werden. Er nimmt desshalb an, dass auch die von ihm be¬
schriebenen Geschwülste von versprengten Nebennierenkeimeu
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ihren Ausgang genommen haben, die ursprünglich im Eierstock
oder in dessen nächster Nähe gelegen waren.
2) B. Krönig und J. Feuchtwanger : Zur klinischen
Bedeutung der Retroversioflexio uteri mobilia.
Iu neuerer Zeit haben sich die Stimmen gemehrt, die ge¬
neigt sind, der Retroversioflexio uteri eine geringere Bedeutung
zuzusprechen, als dies früher für diese Falschlage von fast allen
Seiten geschah. Gehen doch sogar Einzelne so weit, die Klagen
vieler Kranker, die diese Verlagerung zeigen, auf andere Ur¬
sachen, wie Hysterie, Enteroptose u. s. w. zurückzuführen und
rathen desshalb von jeder Behandlung der einfachen Lagever-
änderung ab. Andere wiederum sehen in der Verlagerung der
Gebärmutter einen krankhaften Zustand, der früher oder später
zu Krankheitsersclieinuugon führen muss, und rathen desshalb
in allen Fällen, einerlei ob zur Zeit Klagen bestehen oder nicht,
die Gebärmutter in eine richtige Lage zu bringen. Es ist ja
höchst merkwürdig, dass über eine scheinbar so einfach liegende
Frage die Anschauungen so weit auseinander gehen. Jeder Bei¬
trag zur Klärung dieser Frage muss daher begriisst werden, be¬
sonders wenn die Untersuchungen in so sorgfältiger Welse an¬
gestellt werden, wie die. über die in dieser Arbeit berichtet
wird. Einzelnes aus den Ergebnissen möge hier nur hervor¬
gehoben werden. Frauen mit Anteversio und Retroversioflexio
uteri gaben ungefähr gleich oft Beschwerden und auch gleich¬
artige Beschwerden an. Bei einer grösseren Anzahl von Frauen
mit richtig gelagerter Gebärmutter musste nach der Unter¬
suchung Hysterie angenommen werden, ebenso aber auch bei
Frauen mit beweglicher Retroversioflexio uteri. Es ist jedoch
höchst unwahrscheinlich, dass diese LageVeränderung Hysterie
hervorruft.
Da Frauen mit Anteflexio und Retroflexio uteri ungefähr
gleich oft besehwerdefrei waren, da Frauen mit Anteflexio oft
„Retroflexkmsbesehwerden“ hatten, die in vielen Fällen auf
Hysterie zurückzufilhren waren, so liegt kein Grund vor, wenig¬
stens in einem Theile der Fälle, dieselben Beschwerden bei
Retroflexio uteri auf eine nachweisbare Hysterie zu beziehen.
Dies wurde auch oft genug durch die Art der Behandlung be¬
stätigt. Sicherlich Ist oft der der Lageverbesserung zuge¬
schriebene Erfolg der Behandlung nur als auf Suggestion be¬
ruhend anzusehen.
Hoffentlich werden weitere, an einer noch grösseren Anzahl
von Frauen angestellte Untersuchungen uns in den Stand setzen,
zu einem endgiltigen Schlüsse über die klinische Bedeutung der
Retroflexio uteri zu kommen.
3) C. P e t e r s - Dresden: Pseudomyxoma peritonei.
Unter eingehender Berücksichtigung der bisher beschriebenen
Fälle veröffentlicht. Verfasser 4 neue Fälle, aus der Werth’-
schen Klinik. Die von Werth gegebene Erklärung wird völlig
aufrecht erhalten. Neben den eigenthiimliclien Veränderungen,
die das Peritoneum durch den Austritt gallertiger Massen aus
einem Kystoma ovarii iu die freie Bauchhöhle erfährt, muss man
noch eigentliche „Implantationsmetastasen“ unterscheiden. Selbst
ausgebreitete Veränderungen in der Bauchhöhle dürfen nicht von
einer möglichst vollständigen Entfernung der Massen abhalten,
da mau oft eine Rückbildung zurückgebliebener kleinerer Theile
der Neubildung beobachten kann. Rückfälle treten mitunter erst
nach langen Jahren ein, so dass bei der im Allgemeinen un¬
günstigen Vorhersage jedenfalls erst nach einer Jahre langen Be¬
obachtung von einer wirklichen Heilung gesprochen werden darf.
4) Schwarzenbach-Zürich: Ein Metallinstrument als Er¬
satz für den Ballon bei der_Cervixdilatation.
Das Instrument setzt sich aus 4 dünnen Metallblättern zu¬
sammen, die aneinander gelegt die Form einer Tulpe bieten. Es
soll die gleichen Vortheile wie der Ballon, ohne dessen Nach¬
theile besitzen. Es lässt sich auch bei feststehendem Kopfe an¬
wenden, ist leicht durch Auskochen keimfrei zu macheu. Bei
seiner Anwendung lässt sich die Sprengung der Blase, die weitere
Ablösung der Eihäute oder des tiefsitzenden Fruchtkuchens,
sowie der Vorfall der Nabelschnur oder kleiner Theile ver¬
meiden.
In 8 Fällen kam das Instrument zur Anwendung und 6 mal
liess sich ein sehr günstiger Einfluss auf den Fortschritt der Ge¬
burt feststellen.
Die Tulpe kann zur Anwendung kommen, wenn der Hals¬
canal für einen Finger durchgängig ist, wenn der kleinste Becken¬
durchmesser den grössten Durchmesser der Tulpe um etwa V* cm
übertrifft, wenn in dem Eintreten kräftiger Wehenthätigkeit keine
Gefahr erblickt werden muss.
Verfasser empfiehlt desshalb die Tulpe zur Einleitung der
künstlichen Frühgeburt, wenn das Kraus e’sche Verfahren sich
als ungenügend erweist, wenn eine möglichst rasche Entbindung
nothwendig ist; ferner bei eingetretener Geburt: bei Welien-
seliwäche, wenn die übrigen Mittel sich als wirkungslos erwiesen
haben, bei Starrheit des Muttermundes, wenn mit Rücksicht auf
die Mutter oder das Kind eine baldige Beendigung der Geburt
wüuschenswerth oder nothwendig ist.
5) A. Payer-Graz: Ueber den Einfluss des Zuckers auf
den Stoffwechsel der Schwangeren und auf den Geburtsverlauf.
(Schluss.)
Je weiter die Schwangerschaft vorgeschritten ist, desto
leichter tritt die alimentäre Glykosurie auf. Erstgebärende neigen
mehr hierzu, besonders jüngere. Bei Mehrgeschwängerten be¬
obachtet man kein Sinken der Aufnahmefähigkeit für Trauben¬
zucker mit dem Alter.
Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3-
Im zweiten Theile der Arbeit berichtet Verfasser über Ver¬
suche an Kreissenden und kommt hierbei zu folgenden Schlüssen:
Die Wirkungen des Zuckers während der Geburt sind
folgende:
1. Wehen Verstärkung und Geburtsbeschleuniguug durch ein¬
malige oder wiederholte geringe Zuckergaben (30—00 g) bei
Wehenschwäche in den verschiedenen Geburtsabschuitten, be¬
sonders während der Austreibungszeit.
2. Beeinflussung des Gesamm tablauf es der Geburt durch
grosse Zuckergaben (100—130 g) vor ihrem Beginn.
3. Herabsetzung der Schmerzhaftigkeit der Wehen.
A. G e s s n e r - Erlangen.
Centralblatt für Gynäkologie. 1899, No. 1.
1) S t i e h e r - Breslau: Ueber Sterilisirung des Nahtmateriales.
S. stellt folgende Anforderungen an ein Nahtmaterial, das zu
aseptischen Operationen, speciell versenkten Nähten, verwendbar
sein soll: Es muss 1. absolut steril sein und bleiben bis zur Ope¬
ration; 2. haltbar sein; 3. die Umgebung der Wunde nicht reizen
und 4. billig sein. Von allen Herstellungsweisen erfüllt nur die
Erhitzung des Nahtmaterials in Cumol bei 155—160° naehKrönig
die erste Hälfte der Forderung 1. Die übrigen Forderungen
werden auch durch das Krönig’sche Catgut nicht erfüllt. 8.
glaubt dies mit dem von Küstner empfohlenen Hanf erreichen
zu können, den er in näher beschriebener Weise ebenfalls mit Cu-
raol sterilisirt. Der also präparirte Hanf soll absolut steril und vor
dem nachträglichen Hineingelangen von Keimen geschützt, ferner
haltbar sein, die denkbar geringste Fremdkörperwirkung entfalten
und sowohl billig als leicht herstellbar sein.
2) H. Füth-Leipzig: Ueber die Decapitation mit dem
Zw eifei'sehen Trachelorhekter.
F. weist zunächst die von Herzfcld gegen das Zweifel’sche
Instrument erhobenen Einwände zurück und betont nochmals die
Mängel, welche dem Braun’sehen Schlüsselhaken anhaften. Der
Trachelorhekter hat sich bis jetzt in 17 Fällen gut bewährt, von
denen keiner an Sepsis gestorben ist Es starb von diesen über¬
haupt nur 1 Frau in Folge von Erschöpfung nach grossem Blut¬
verlust. In allen Fällen ging die Durchtrennung der Wirbelsäule
auffallend schnell und leicht vor sich; sie liess sich auch unter
den schwierigsten Verhältnissen in situ luxiren. Versagt hat das
Instrument bisher noch nie. Zweifel hat die Indication für seine
Anwendung noch dahin erweitert, dass man bei überdehnter Cervix
und todtem Kinde nie mehr die Wendung versuchen, sondern nur
decapitiren soll.
31 Koblanck-Berlin: Zur Narkose.
Als Zeichen drohender Chloroformasphyxie bezeichnet K.
athetotische Fingerbewegungen, die zuerst die Gefahr an¬
kündigen sollen, während Puls und Athmung noch ungestört,^'die
Pupillen eng oder mittelweit, aber reactionslos sind. Beim Auf¬
treten dieses Symptoms warnt K. dringend vor weiteren Gaben
Chloroforms.
Bei eingetretener Asphyxie weist K. von neuem auf den be¬
kannten Handgriff hin, die Epiglottis direct mit dem Finger vor¬
zuziehen. Dieser Handgriff ist vielfach bekannt,* wird aber in der
betreffenden Literatur meist nicht erwähnt. Jaff ^-Hamburg.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In-
fectionskrankheiten. Bd. XXVI., No. 24., 25.
1) Al. R a d z i e v s k y - Bern: Beitrag zur Kenntniss des
des Bacterium coli. — Biologie. — Agglutination. — Infection.
Die bekannte Mannigfaltigkeit in den Eigenschaften der der
„Coligruppe“ angehörenden Mikroorganismen, veranlasste Verfasser
an einer grossen Anzahl selbst isolirter Colistämme Untersuchungen
anzustellen, ob sich nicht in Bezug auf Biologie, Agglutination und
Infection einheitliche Momente auffinden liessen. Er züchtete
64 Stämme, vorwiegend aus dem Darm, fand aber meist, dass
in morphologischer und besonders biologischer Beziehung unter
den isolirten Arten grosse Mannigfaltigkeit herrschte. Auch die
Virulenz und das Phänomen der Agglutination schwankten unge¬
mein, so dass nach Ansicht des Verfassers die Coligruppe noch
in weit mehr Unterabtheilungen als bisher zerfallen müsste.
Die hervorgerufene tödtliche Infection beim Meerschweinchen
durch Coli fasst Verfasser als durch 2 Processe entstanden auf,
und zwar ist der eine die Vermelirung der Bacterien im Organismus,
wodurch die Entstehung des Giftes erklärt wird, und der andere
ist die Degeneration und Auflösung derselben, wodurch der sterile
Befund der Säfte und Gewebe bei der Seetion der Thiere seine
Erklärung findet.
2) A. de S 1 m o n i - Cagliari: Beitrag zur Morphologie und
Biologie der Pseudodiphtheriebacillen.
Zur Entscheidung der viel umfochtenen Frage, ob die „Pseudo¬
diphtheriebacillen* mit den echten Diphtheriebacillen identisch
seien, stellte Verfasser mit zahlreichen selbstisolirten Arten ausge¬
dehnte Versuche an. Durch seine Resultate glaubt er zu der An¬
nahme berechtigt zu sein, dass Pseudodiplitheriebacillen für die
gewöhnlichen Versuchsthiere vollkommen unschädlich seien, jedoch
bisweilen durch Symbiose mit anderen virulenten Keimen toxisch
zu wirken im Stande sind. Die Virulenz gehe aber sehr leicht
wieder verloren. Ausser dieser hervortretenden Eigenschaft der
Nichtpathogenität sei aber auch eine Gosanunthoit von morpho¬
logischen und biologischen Eigenschaften der Pseudodiphtheri«*'
bacillen im Stande, dieselben von den echten Diphtheriebacill<?ir
unterscheiden zu lassen. Die Pseudodiphtheriebacillen seien nicht
als einzige Bacillenart,wohl aber als eine Gruppe anzusehen, deren
zahlreiche Arten durch Beibehaltung gewisser fundamentaler Eigen¬
schaften sich durch beständige Unterschiede innerhalb bestimmt er
Grenzen unterscheiden lassen.
3) A. Bruscliettini - Turin: Beitrag zum Studium dies
experimentellen Gelbfiebers.
Verfasser theilt in seiner ausführlichen Darlegung die Resul¬
tate mit, die er innerhalb zweier Jahre mit dem Sanarelli’sclit*n
Bacillus icteroides gefunden hat. Von seinen zahlreichen
obachtungen sei unter anderen erwähnt, dass er alle mögliche*u
Thierarten durch Injectionen krank machen konnte, eine Gelbfieher-
infection vom Magen aus gelang ihm aber nicht, obwohl er «tark
verseuchte Organe gefallener Thiere verzehren liess. Ueber Impfung
und Immunisirung mittels Serum resp. anderem immunisirenden
Material lässt sich sagen, dass 1. In der Leber und der Milz SLin
meisten immunisirende Substanz sich befindet und 2. dass die*
Emulsion dieser Organe im Stande ist, die Thiere gegen Gelbfieber-
infection zu schützen, wenn auch das Blut noch keine Schutz-
wirkung angenommen hat.
4) V. D i a m a r e - Neapel: Einige Bemerkungen zur Ant¬
wort an Hm. Dr. L. Cohn.
Polemischer Natur!
5) Friedrich M ül 1 er-Freiburg: Ueber das Reductionsvermögen.
der Bacterien.
Die Farbenveränderung verschiedener Farbstoffe, w r elche durch
die reducirenden Stoffwechselproducte der Bacterien hervorgerufen
w’erden, sind noch nicht allgemein zur Beurtheilung der biologischen
Charaktere der Bacterien herangezogen worden, da der Ausführung
solcher Untersuchungen gewisse Schwierigkeiten entgegenstehen.
Verfasser unterzieht desshalb alle bisher benützten bekannteren
Farbstoffe wie Methylenblau, Lackmus, Indigocarmin und Rosa-
nilin einer neuerlichen Untersuchung, deren Hauptergebnisse fol¬
gende sind: 1. Bei der Untersuchung über das Reductionsvermögen
der Bacterien sind nur Farbstoffe von bekannter Constitution zu
verwenden. Am geeignetsten scheint das schon von Ehrlich vor¬
geschlagene Methylenblau. 2. Die Reduction der Farbstoffe findet
ausserhalb des Bacterienleibes statt und zwar durch ausgeschiedene
Stoffwechselproducte. Letztere werden allmählich durch den Sauer¬
stoff der Luft zerstört. 3. Viele Bacterien können während des
Lebens Farbstoffe aufnehmen, nicht scheint dies der Fall zu sein
bei farbstoffbildenden Bacterien und bei Milzbrand, Bacill. subtil,
und Proteus. 4. Bei 20 Arten Bacterien und einigen Schimmelpilzen
wurden reducirende Eigenschaften angetroffen.
6) M. D e e 1 e m a n n - Dresden: Vergleichende Untersuchungen
über coliähnliche Bacterienarten.
Zu kurzem Referat nicht geeignet. R. O. Neumann-Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 2.
1) M. Kirchner-Berlin: Aussatzhäuser sonst und jetzt.
Zu kurzem Referate ungeeignet.
2) M. Bernhardt -Berlin: Beitrag zur Pathologie der Blei¬
lähmungen.
B. publicirt 2 bei Malern vorgekommene Fälle von Blei-
lähmung, die dadurch interessant und selten sind, dass sie eine
isollrte Lähmung der kleinen Handmuskeln darboten, während,
entgegen der gewöhnlichen Beobachtung, die sonst zumeist und
zuerst ergriffenen Strecker der Hand und Finger durchaus int&ct
blieben. In dem 1. Fall (19 jähriger Kranker) konnten die
atrophischen Muskeln auch durch sehr starke faradische Ströme
nicht erregt werden; beim 2. Fall (41 jähriger Kranker) erwiesen
sich ausschliesslich die rechten M. interossei afficirt und zeigten
ebenfalls Entartungsreaction. Es können also, entgegen der Regel,
bei Bleivergiftung die kleinen, dem Medianus- oder Ulnarisgebiet
oder beiden ungehörigen Muskeln der Hand vor den Streckern
der Hand und Finger gelähmt werden. Dann beschreibt Verfasser
noch 3 Beobachtungen bei Feilenhauern: Der 1. litt wohl häufig
an Bleikolik, aber nie an Lähmungszuständen; der 2. zeigte rechts
neben Lähmung der Hand- und Fingerstrecker eine Betheiligung
der Zwischenknochen und Daumenballenmuskeln, links fast nur
Schwäche und Lähmung der M. interossei lind des Adduct.
pollicis; der 3. Kranke zeigte rechts Parese der M. interossei und
der Thenarmuskeln, links nur eine Herabsetzung der elektrischen
Erregbarkeit der eher hypertrophischen Daumenballenmuskeln.
3) Fr. K önig-Berlin : Ueber gleichzeitige Schussverletzung
von Brust- und Bauchhöhle. (Fortsetzung folgt.)
4) Frz. N a g e 1 s c h m i d t - Berlin: Psoriasis und Gly-
kosurie.
Zunächst theilt N. einen von Senator beobachteten Fall
mit, wo bei einer 32 jährigen psoriatischen Frau ein Diabetes
mellitus sich entwickelte. Verfasser selbst untersuchte an
25 Psoriatikern deren Disposition zu alimentärer Glykosurie und
fand letztere bei 8 Personen vorhanden. Bei 3 dieser Psoriasis¬
kranken bestanden noch weitere, zur Glykosurie prädisponirende
Zustände. Eine erhöhte Disposition für Glykosurie ist demnach
bei Psoriasis gegeben.
5) R. K u t n e r - Berlin: Eine neue Methode der Syphilis¬
behandlung durch Inhalation.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Iß. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
97
K. lässt Hg-Salbe iu einem Kasten verreiben und die Patien¬
ten mittels Maske den sich entwickelnden Hg-Dampf tätlich circa
eine halbe Stunde inkaliren. Vergiftungen. Stomatitis kamen bis¬
her nicht vor, der therapeutische Effect war befriedigend, nach
„einer Anzahl“ Inhalationen fanden sich ..nennenswerthe" Mengen
Ilg im Harn. Eine ausführliche Arbeit soll über diese neue
Methode noch folgen. Dr. G r a s s m a u n - München.
• - 7 T '
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 1.
1) E. v. Leyden: Die innere Klinik und die innere Medicin
in den letzten 25 Jahren.
2) V. Czerny-Heidelberg: Fortschritte der Chirurgie in den
letzten fünfundzwanzig Jahren.
3) H. Schmidt-Rimpler: Rückblicke auf ein Vierteljahr¬
hundert Ophthalmologie.
4) Heinrich Fritsch: Die Gynäkologie und Geburtshilfe
des letzten Vierteljahrhunderts.
5) Karl v. Bardeleben: Ein Ueberblick über das letzte
Vierteljahrhundert der Anatomie und Entwickelungsgeschichte.
6) Hugo R i b b e r t - Zürich : Allgemeine Pathologie und patho¬
logische Anatomie in den letzten 25 Jahren.
7) C. Flügge-Breslau: Rückblick auf die Entwicklung der
Hygiene und Volksgesundheitspflege in den letzten 25 Jahren.
8) Schjerning: Die letzten 25 Jahre im Militär-S&nitäts-
wesen <1874—1899).
Sämmtliche Aufsätze sind mit den Porträten der hervor¬
ragendsten Vertreter der einzelnen Fächer illustrirt.
F. Lach er-München.
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg.
No. 1.
Conrad Brunner- Münsterlingen und Carl Meyer- Zürich :
Praktische Erfahrungen und kritische Bemerkungen über den
Werth der Pulverantiseptica bei der Wundbehandlung. Mit¬
theilung über Bismuthoxyjodidtannat. (Ibid.)
Das feine Pulver Ibit (Oxy-Jodid-Bismuth-Tannat) ist als Streu¬
pulver und zur Gazeimprägnation ein sehr empfehlenswertlus Er
satzmittel des Jodoforms. Vor diesem hat es voraus die Geruch¬
losigkeit, Sterilisirbarkeit und hochgradige Unschädlichkeit, theilt
mit ihm die Fähigkeit zu desodoriren und durch allmählich frei¬
werdendes Jod (im Urin ausgeschieden) auf Bacterienculturen (Nähr¬
böden) entwicklungshemmend und z. Th. tödtend zu wirken, während
entwickelte Culturen nicht deutlich beeinflusst werden, wohl aber,
wenn (reducirender) Eiter zugesetzt wird. Zahlreiche Versuchsreihen
dienen zum Beleg. Pisehinger.
Ophthalmologie.
Morax: Di© Wirksamkeit der Toxine in der Aetiologie
der Bindehautentzündungen. (Ber. über die Verhandlungen des
IX. internat. Ophthalm.-Congr. in Utrecht. Zeitsehr. f. Augenheilk.
IM. II. Ergänzungsheft. S. 51.)
Die Mehrzahl der Bindehautentzündungin wird durch die
Entwickelung gewisser Mikroorganismen (Gonoeoccus, Pneumo-
coceus etc.) auf oder in den oberen Schichten der Gonjunc-
tiva hervorgebracht. Vortragender hat durch Instillation von
Diphtherietoxin iu das Kanincbenango erwiesen, dass man hier¬
nach eine der Coujunct. diphtlier. beim Menschen ganz ähnliche
Entzündung beobachten kann. Es genügt also schon das Toxin
allein, um die locale Reactiou hervorzubringen. Im Einzelnen war
zu bemerken, dass bei einer normalen Schleimhaut 8—10 Stunden
bis zum Auftreten der ersten Entzündungserscheinungen vergingen:
nach 3<>—48 Stunden war die fibrinöse Absonderung auf ihrem
Höhepunkt.
Ein auf 100° erhitztes Toxin erwies sich nicht mehr als wirk¬
sam. Wie verhält es sich nun mit der blennorrhoischen, I’neiimo-
eoccen- etc. Conjunctivitis?
Die Erreger dieser Entzündungen kommen auf der thierischen
Conjunctiva nicht fort. Wenn man aber z. B. aus einer (T>—*5 Tage
alten) Gonococcencultur in Bouillon alle 2 Minuten 5—0 Stunden
hindurch einen Tropfen lu den Bindehautsack eines Kaninchens
eintropft, so sicht man nach Ablauf dieser Zeit die Bindehaut sich
entzünden und anschwellen. Die Entzündung ist am folgenden
Tage geschwunden. Sie ist um so heftiger, je virulenter die be¬
nützte Cultur ist. Eine auf 58 u erwärmte Oultur gibt noch die¬
selben Wirkungen, wie die mit den lebenden Mikroben; also auch
hier geht in die Culturflüssigkeit. ein speciflsch wirkender Stoff
aus dem Baeterienleibe über. Erhitzen auf 120° hebt jede ent¬
zündliche Wirkung auf. Bel Instillation in das Auge des Menschen
beobachtet man ganz ähnliche Wirkungen; doch scheint die
menschliche Bindehaut noch etwas sensibler zu sein.
Man hat in der Behandlung des Trachoms zur Umstimmung
der Heiltendenz die Inoeulation einer acuten blennorrhoischen
Ophthalmie empfohlen. Morax hat diesen Versuch durch In¬
stillation von Culturflüssigkeit in 4 Fällen gemacht. Der thera¬
peutische Erfolg war negativ. — Mit der Cultur des Koch-
W e e k s’sclien Bacillus, des Diplobaeillus und des Stapliylococ-
cus erhält man bei Thieren ähnliche, doch weniger heftige ent¬
zündliche Reizungen wie mit dem Toxin der Gonococcen.
Man kann also hiernach behaupten, dass bei Erzeugen der
Bindehautentzündungen lösliche und speciflsch wirkende Stoffe, «i
die von den Mikroorganismen geliefert werden, von besonderer
Bedeutung sind.
C o p p e z : Wirkung verschiedener Toxine auf die Cornea.
(Ibid., S. 72.)
Vortragender fasst folgende zwei Punkte iu’s Auge:
1. Au f w e 1 c 1» e m \V ege k ö n u e n Toxine, die i n
d e n Bin d e li aut« a c k geträufelt w e r d e n. auf die
Hornhaut e i n w i r k e n V Man kann als Krankheitstypus
die Diphtheritis der Conjunctiva nehmen. Ein Theil des Toxins
geht in den allgemeinen Kreislauf über, ein anderer breitet sich,
gemischt mit den Thriincn, auf der Conjunctiva bulbi und der
Cornea aus. Auf der Conjunctiva bulbi wird die Absorption ge¬
ring sein: Diese absorbirt im Zustande der Entzündung schlecht,
und die Toxine gehen in Folge des grossen Volumens ihrer Molc-
cüle nur mühsam durch thicrische Membranen. Demgemäss ent¬
faltet das Diphtheriegift seine Haupt Wirksamkeit auf der Vorder¬
fläche der Cornea. Das Epithel setzt dieser Wirkung zunächst
einen gewissen Widerstand entgegen, aber sobald es zerfällt, ver¬
ändert sich die Hornhaut rasch. Alle die Umstünde, welche eine
Verletzung der vorderen Oberfläche der Hornhaut herbeiführen,
werden also die Affeetion verschlimmern. Das Epithel kann durch
Eingriffe des Arztes oder der Umgebung verletzt werden, durch
eine bestehende Erkrankung, durch Reiben der Membranen, end¬
lich durch die Wirkung des Toxins selbst, welches das Epithel
nach ca. 48 Stunden zerstört. Die Tliräneii scheinen keine anti-
toxische Wirkung auf das Diphtheriegift zu haben.
2. W e 1 c li e s ist die j e d e m Toxin e i g e n t h li m -
lieh e W i r k u n g V
a) Das Diphtheriegift äussert eine starke Wirkung auf die
Hornhaut, wie Vortragender lst>7 dargelegt lmt.
b) Das Abrin, in den Bindehautsaek gebracht, führt Trübung
und Nekrose der Cornea herbei. Der Gebrauch des Jequirity hei
Pannus granulosus zeigt, dass das Abrin nicht dadurch auf die
Hornhaut wirkt, dass es die Ciivulatiou in den pericornealen
Gefässen unterbricht. Im Gegeilt heil, die Toxine haben eine vas-
cularisircnde Wirkung.
c) Das Gift des Streptococcus übt eine sehr geringe Wirkung
auf die Cornea aus. Die bei Experimenten erhaltenen Erschei¬
nungen rühren nicht vom Toxin selbst, sondern von beigemengten
Substanzen her.
di Das Toxin des Pneumococcus hat ebenfalls geringe Wir¬
kung auf die Cornea. Das hängt nicht allein mit der besonderen
Widerstandsfähigkeit des llornliautepithels diesem Gifte gegen¬
über zusammen, sondern auch und besonders mit der geringen
Energie des letzteren.
el Die Toxine des Staphylocoecus würden im Kleinen die
Wirkungen des Staphylocoecus selbst liervorbringen.
Druault: Ueber Farbenringe, die man normaler Weise
und bei pathologischen Zuständen um Lichtquellen herum
sehen kann. (Ibidem S 62.)
Diese Farbenkreise sind sehr zahlreich; drei von ihnen sind
etwas eingehender studirt: der Farbenring bei Glaukom und zwei
physiologische Farben ringe. Einer der letzteren entsteht durch
die Faserstructur der Linse. Manche Menschen sehen ihn in nor¬
malem Zustand und die meisten Menschen können ihn seien,
wenn die Pupille erweitert ist: cs genügt das Einträufeln eines
Cocain tropf ens. um ihn entstehen zu lassen. Bei Atropinein-
triiufehmg könnte sein Auftreten au einen Glaukomanrall denken
lassen. Wenn mau aller die Pupille nach und nach mittels eines
Lichtschirms verdeckt, so verschwindet der Farbenring auf beiden
Selten auf einmal, sobald die Pupille ein wenig mehr als liali)
verdeckt ist, was ohne Weiteres seine Diagnose gestattet. Das
ist in (1er That der einzige von allen Farbenringen des Auges,
der diese Erscheiuung darbietet, die leicht aus der strahlenart igen
Anordnung der Linsenfasern verständlich wird. Der scheinbare
Durchmesser dieses Ringes beträgt ungefähr 0° für die gelbe
Farbe.
Der zweite physiologische Ring ist etwas kleiner, sein Durch¬
messer betrügt nur 4°. Wenn man ein Licht durch eine in Wasser
gebrachte Hornhaut betrachtet, so sieht man um dieses Lieht
herum einen Farbenring von genanntem Durchmesser. Dieser
letztere Ring entsteht auf dem hinteren Endothel, denn wenn man
dasselbe abkratzt, auch nur ganz leicht, so verschwindet der Ring.
Andererseits, wenn man das vordere Epithel vollständig mittels
Curette entfernt, ohne das hintere Endothel zu berühren, so bleibt
der Ring.
Den Glaukomring schreibt man einer Störung in den tieferen
Schichten der Hornhaut, zu. Donders und Andere nach ihm
haben diesen Ring mit dem Linsenring verglichen. Nun aber hat
der Glaukomring einen Durchmesser von 8°; er verschwindet
nicht auf zwei entgegengesetzten Punkten, wenn man die Pupille
verdeckt. Er muss also verschieden sein vom Linsenring.
Uebrigens zeigt die Rechnung .dass die Gebilde, die ihn hervor¬
bringen, ungefähr die Grösse der Gebilde der tiefen Schiebt des
Honilmutepithels haben.
Andere Ringe wurden beobachtet hei Bindehautentzündung,
nach Einwirkung von Wasser- oder von Osmiumsäuredämpfen
auf die Hornhaut, oder auch beim Erwachen des Morgens.
Ileine: Anatomie des Conus myopicus. (Ibid., S. G5.)
Die mikroskopischen Untersuchungen Hein e’s beweisen,
dass die für das myopische Auge charakteristischen Verzerrungen
an der Pupille und deren Umgebung bedingt sind durch ein dif¬
ferentes Verhalten der drei Bulbushüllen gegenüber den dehnenden
Kräften. Da die elastischen Elemente der Aderhaut weniger nach¬
geben als Retina und Sklera, so zieht die Lamina elastica clio-
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
98
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
roideae bei ihrer „relativen Retraction“ eine Sehnervenfalte keil¬
förmig zwischen Retina und Sklera hinein. Im Bereiche der re¬
lativen Lamina retractiva atropliirt die Choroidea und so entsteht
der temporale Conus.
Wolffberg: Heber die mit Dionin zu behandelnden
Augenkrankheiten. (Wochenschr. f. Therap. u. Hyg. d. Auges,
3. Jahrg., No. 4.)
Verfasser hat mit Anwendung des Dionin bedeutend raschere
und bessere Erfolge erzielt als mit anderen Mitteln bei allen den¬
jenigen Affectionen der Cornea, welche nicht, wie z. B. der
Pannus traehomatosus, Folgezustände eines Bindehautleidens
sind; speciell eignet sich jede traumatische, skrophulöse und Meso¬
keratitis für die Dioninbeliandlung. Besonders empfiehlt Ver¬
fasser dieses Mittel noch für jede Bulbusoperation und bei allen
Verletzungen des Augapfels, sowie des Bindehauttractus. End¬
lich erklärt er Dionin für ein Unterstützungsmittel für die Be¬
handlung des grünen Stares. Die Wirkung des Mittels besteht in
einer Lymphüberschwemmung des Auges, also in einer activen
Infiltration, welche die Widerstandskraft des Gewebes gegen pa¬
thogene Mikroben erhöht. Bezüglich der A n w e n d u n g s -
form gibt Verfasser an, dass er in den Fällen, wo eine schnelle
und kräftige Wirkung erzielt werden soll, das Pulver in Substanz
anwende und es mit einem Hartgummilöffel einbringe. Bei Horn¬
hau taffectionen verwendet er 35 proc. Cacao-Dioninstäbchen, die
je nach Umständen stündlich bis zweistündlich eingelegt werden.
Stock : Zur Prognose des Sarkoms des Uvealtractus. (Die
ophthalm. Klinik 1889, No. 20, 5. Nov.)
Unter 72 618 in der Augenklinik zu Tübingen behandelten
Patienten fanden sich 28 Fälle von Sarkom des Uvealtractus,
die zur Operation kamen. Hinsichtlich der Prognose theilt Ver¬
fasser die Fälle in 4 Stadien ein, in denen sie zur Zeit der Opera¬
tion standen:
1. Stadium des reizlosen Verlaufes;
2. Stadium der Entzündung mit glaukomatösen Erschei¬
nungen;
3. Stadium des Auftretens episkleraler Knoten, Perforation
des Bulbus:
4. Stadium der Generalisation (Bildung von Metastasen).
Es wurden operirt im ersten Stadium 9 Fälle, im zweiten
11 Fälle, im dritten 8 Fälle, im vierten keiner.
Zur Bestimmung der Prognose verwendet Verfasser nur die¬
jenigen 17 Fälle, bei denen mindestens 3 Jahre seit der Operation
verflossen sind. Davon sind 8 Fälle — 47 Proc. als geheilt zu
betrachten. Von den im ersten Stadium Operirten stellt sich der
Procentsatz auf 80 Proc.; von den im zweiten Stadium Operirten
auf 57,14 Proc.; von den im dritten Stadium Operirten ist Keiner
als geheilt zu zählen. Diese Statistik zeigt, dass, je früher operirt
wird, desto günstiger sich die Prognose für den Patienten stellt.
Radziejewski : Untersuchung, betr. die Sehleistungen
von Gemeindeschulabiturienten; ein Beitrag zur Schularzt¬
frage. (Wochenschr. f. Therap. u. Hygiene d. Auges 1899, 5.,
3. Jahrg.)
Verfasser stellt am Schlüsse seines Berichtes folgende Forde¬
rungen auf:
1. Dass jedes Kind vor dem Eintritt in die Schule ein genaues
Attest über seine Sehfähigkeit etc. bringen soll, damit es gehörig
in der Classe placirt und im Unterricht eventuell auf dasselbe
Rücksicht genommen werden kann;
2. dass jedes Kind beim Austritt aus der Schule sich zunächst
den ärztlichen Rath einholt, ob es sich für den Beruf, den es sich
gewählt hat, eignet oder nicht, resp. zu welchem anderen, ihm
sympathischen, ärztlich zu rathen sei;
3) dass auch während der Schulperiode bereits auf die ge¬
ringsten Klagen seitens der Augen, der Auffassung, der Auf¬
merksamkeit und Kopfschmerzen besonders u. a. m. sofort ge¬
achtet wird, damit ungesäumt die erforderlichen Maassregeln ge¬
troffen und — befolgt werden;
4. dass Nachmittags die Schulstube nicht dem Unterricht,
sondern der Anfertigung der häuslichen Arbeiten, und nur diesen,
geöffnet sein solle.
Türk S.: Untersuchungen über die Entstehung des physio¬
logischen Netzhautvenenpulses, (v. Gräfe’s Archiv f. Augenheilk.
Bd. XLVIII. Abth. 3. 8. 512.)
Ueber die Entstehung des Netzhautveneupulses existiren
2 von einander abweichende Grundanschauungen. Nach der einen
kommt dieser Puls durch die Thätigkeit des rechten Herzens und
zwar des rechten Vorhofes zu Stande. Die andere Anschauung
lässt den Netzhautvenenpuls durch die Action des linken Herz¬
ventrikels entstehen.
Verfasser hat die Ergebnisse seiner sehr sorgfältigen Unter¬
suchungen in folgende Sätze zusammengefasst:
1. Der physiologische Netzhautvenenpuls entsteht durch con-
tinuirliche Fortpflanzung der Pulswellen von den Arterien auf
dem Wege durch die Capillaren in die Venen. Er ist also ein
sogen, „progressiver” Venenpuls, bei welchem die pulsatorisehe
Erweiterung, wie in den xlrterien durch die Herzsystole entsteht.
2. Diese, verglichen mit anderen Körpertheilen, abnorm weitf
Ausbreitung der Pulswellen wird durch den verhältnissmässig
hohen extravasculären Druck verursacht, dem die Gefässe im
Auge physiologischer Weise unterworfen sind.
3. Die Thatsache, dass die Pulswellen im Netzhautgefäss
System erst an den papillären Enden der Venen in deutlichen
Erscheinung treten, beruht darauf, dass an verengten Abschnitten
einer Strombahn ein gleicher pulsatorischer Fliissigkeitszuwachs
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eine verhältnissmässig stärkere Ausdehnung verursachen muss
als an weiteren Stellen.
4. Die Verengerung, die an den Venenenden in den Pulsinter-
vallen \orhanden ist, stellt eine Erscheinung dar, die am Ende
eines unter äusserem Drucke stehenden, dünnwandigen, nach¬
giebigen Strömungsrohrabsclmittes bei einer gewissen Druckhöhe
sich immer zeigt und unter bestimmten Bedingungen als dauern¬
der Gleichgewichtszustand bestehen bleiben kann.
Pfalz: Reelle und eventuelle Unfallfolgen. (Zeitsclir. f.
Augenheilk. Novemberheft 1899, S. 516.)
Die Verletzungen des Sehorgans nehmen hinsichtlich ihrer
Bedeutung für die Erwerbsfähigkeit unter den Verletzungen von
erwerblich gleich wichtigen Körperorganen dadurch eine eigen¬
artige (ja mau kann sagen einzigartige) Stellung ein, dass jede
der beiden Hälften, die dasselbe als Ganzes zusammensetzen,
auch allein für sich ersetzend für das Ganze einzutreten vermag.
Einseitige Erblindung kann bei den vorwiegend in Betracht
kommenden Erwerbsgebieten kein dauernd schädigendes
Moment darstellen. Verfasser unterscheidet ausdrücklich
zwischen Leistungsfähigkeit und Erwerbsfähig¬
keit und erblickt die Hauptaufgabe des ärztlichen Gut¬
achtens in der Beurtheilung der verbliebenen Leistungs¬
fähigkeit, während die daraus auf die Erwerbsfähig¬
keit zu ziehenden Schlüsse wesentlich Aufgabe der Berufs-
genossenschaften und der weiteren entscheidenden Instanzen sind.
Auf Grund seiner Erfahrung über die Vervollkommnung des
monoculären Sehactes bei einäugig Gewordenen kommt Verfasser
zu dem Satze: „dass, so lange das unverletzte Auge
normal ist, die Leistungsfähigkeit Einäugiger nach Ablauf
eines je nach Alter, Intelligenz und Strebsamkeit verschiedenen
Zeitraums — in maximo ca. 1 Jahr — derjenigen Zweiäugiger
nicht oder nicht erheblicli nachsteht.“ Dies gilt in gleichem
Maasse von der Leistungsfähigkeit aller einseitig Augenverletzten,
bei denen das binoculäre Tiefenschätzungsvermögen aufgehoben
ist, z. B. bei einseitigem Linsenverlust, einseitiger Beweglichkeits¬
störung, so dass ein Auge der Doppelbilder wegen vom Sehact
ausgeschlossen werden muss. Bei allen einseitigen Sehstörungen,
wo das binoculäre Tiefenschätzungsvermögen intaet ist, ist die
Leistungsfähigkeit des Gesammtsehorgans von vornherein über¬
haupt nicht gestört.
Für complicirte Verhältnisse, wenn also das unverletzte Auge
nicht normal ist, ergeben sich die weiteren Folgerungen aus
den Erfahrungen, die wir über die erwerbliehe Leistungsfähigkeit
bei verschiedenen Sehschärfegraden, Refractionsanomalien etc.
des einzelnen Auges — bei Einäugigkeit des einzigen, bei Zwei-
äugigkeit. des besten Auges — haben. Addirt man dazu die Nach¬
theile, welche sich aus gezwungenem Wechsel der Arbeitsstelle,
verminderter Gelegenheit zu voller Ausnutzung der vorhandenen
Leistungsfähigkeit, durch Vorurtheile der Arbeitgeber oder aus
Rücksicht auf die zu vermeidende Gefahr ergeben, so erhält man
die reellen Unfallfolgen für die Erwerbsfähig¬
keit. Diesen stellt Verfasser die eventuellen Unfall¬
folgen gegenüber und versteht darunter: 1. Die Unfallfolgen,
welche in späterer Zeit als möglich denkbar sind durch Ver¬
schlechterung des Zustandes des verletzten Auges. 2. Die Unfall¬
folgen, welche als Folgen der Verletzung auch das unverletzte
andere Auge betreffen können. Hier kommt wohl lediglich die
sympathische Entzündung in Betracht. Die Ansicht ist zurüek-
zuweisen, als sei die Gefahr sympathischer Entzündung ein die
Rente erhöhendes Moment. Eine Gefahr kann nicht durch eine
Rente entschädigt werden. Die Factoren, welche zu sympathischer
Erkrankung führen, liegen in anderem, als in einer Berufsthätig-
keit. Wenn die sympathische Entzündung wirklich ausbricht,
dann wird die bis dahin eventuelle Unfallfolge reell, dann wird
sie voll entschädigungspflichtig.
3. Fasst Verfasser als eventuelle Unfallfolgen auch diejenigen
Nachthelle in’s Auge, welche der einseitig Verletzte bei Schädi¬
gung des unverletzten Auges, gleichgiltig aus welcher Ursache,
erleiden kann. Auch sie hält er, wenn sie reell werden, für ent¬
schädigungspflichtig.
Für die meisten Berufsarten liegt heute die Sache so, dass
die für die Einäugigkeit gezahlte Rente keine wirkliche Ent¬
schädigung, sondern einen Zuschuss zu dem gegen früher nicht,
oder nicht wesentlich herabgesetzten Lohn darstellt, so dass sich
thatsächlich der einäugige Arbeiter vielfach wirthschaftlich besser
steht als seine unverletzten Collegen. Dies ändert sich, sobald
das einzige Auge durch nicht entschädigungspflichtige Ursache
einen schweren Schaden erleidet. Dann wird aus dem gut be¬
bezahlten Handwerker ein schlecht bezahlter Taglöhner oder gar
arbeitsloser Invalide. Es wäre Sache der Berufsgenossenschaft,
den Versicherten gegen die durch einen Unfall erhöhte weitere
Unfallgefahr zu versichern. Also bei einseitigen Augenverletz¬
ungen, die nur die Sehschärfe eines Auges herabsetzen, hat nach
Ansicht des Verfassers die Rente keinen Sinn. Die Entschädi¬
gungspflicht der Berufsgenossenschaft sollte ruhen, solange die
Unfallfolgen nur eventuelle bleiben, um sofort beansprucht
zu w erden, sobald die Nachtheile einen reellen Charakter bekom¬
men. Einer Aenderung des Gesetzes bedarf es dazu nicht, nur
einer Aenderung der Anschauung über die Bestimmungen des
§ 5 und § 65 des U.-V.-G.
Diesen Ausführungen sind folgende „Entscheidungen des
Reichsversichernngsamtes“ nebst den zu Grunde liegenden Ver¬
letzungsfällen angefügt:
1. Ist eine wesentliche Besserung im Sinne des § 65 des
U.-V.-G. bei einem einseitig Staroperirten in der Besserung des
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENer MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
99
staroperirten Auges zu erblicken? Bejaht. R.-E. vom 15. XI. 1898.
(Eine 20 proc. Rente war wegen Besserung durch Starglas ge¬
strichen, auf Recurs zu 10 Proc. erkannt worden.)
2. Bei jugendlichen, einseitig Staroperirten mit normalem,
unverletzten Auge kann trotz Aufhebung des binoculären Seh-
acts und massiger Schielstellung des operirten Auges mit gelegent-
licben Doppelbildern eine Rente von 10 Proc. als ausreichend er-
avlitet werden. R.-E. vom 5. IX. 1898.
3. Die Verweigerung rechtzeitiger Enueleation begründet bei
nachfolgender sympathischer Erkrankung nicht die Ablehnung
völliger Entschädigung der Erwerbsbeschränkung. R.-E. vom
14. XI. 1898.
4. Einseitige Herabsetzung der Sehschärfe innerhalb miissiger
Grenzen bei intacter Leistungsfähigkeit begründet an sich noch
keinen Anspruch auf Rente. Rente ist keine Risicoprämie. R.-E.
vom 11. IV. 1899. Rhein- München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 1.
1) Zur Jahrhundertwende.
2) E. v. C z y h 1 a r z - Wien: Beitrag zur Lehre von der Ab¬
stammung der Harncylinder.
C. referirt zunächst über die verschiedenen Anschauungen,
welche hinsichtlich der Abstammung und Zusammensetzung
namentlich der hyalinen Cylinder bestehen. Auf Grund eigener
histologischer Untersuchungen glaubt Verfasser betreffs der
granulirten Cylinder, dass dieselben aus Detritusmassen ent¬
stehen, welche sich in den gewundenen Harncanälchen bei par¬
enchymatöser und fettiger Degeneration reichlich linden, wobei
auch ein starker Zerfall der Epithelien dieser Canälchen zu be¬
merken ist. Diese Entstehuugsart gilt aber nicht für alle Fälle.
Die Nierenepitheleylinder entstehen hauptsächlich durch Des¬
quamation der Epithelien in den Sammelröhrchen. Die im Harn
gefundenen Nierenepithelzellen können aus den oberen, speciell
den gewundenen Harncanälchen kaum stammen, weil ihre Grösse
dagegen spricht.
3) J. H o c h e n e g g - Wien: Zur klinischen Bedeutung der
Nierendystopie. Ein Fall von operirter Beckenniere.
Die 52 jährige, mit schweren nervösen Erscheinungen be¬
haftete Patientin litt seit Jugend an hartnäckiger Obstipation,
deren Grad später noch zunahm. Die Untersuchung ergab einen
piuseeigrossen, glatten Tumor im kleinen Becken, der für ein
Myom gehalten wurde. Bei dem Versuch einer vaginalen Opera¬
tion fand sich der Tumor jedoch retroperitoneal in der Kreuzbcdn-
höhlung liegend. Daher beschloss II. die Entfernung auf sacralem
Wege. Der Tumor war eine 3 eckige, gelappte Niere, mit dem
Hilus nach vorne stehend. Abbindung des letzteren, Entfernung
des Organs. Während der Wundheihing traten psychische Stö¬
rungen auf, schliesslich völlige Heilung mit Verschwinden der
Obstipation. Verfasser gibt eine anatomische Darlegung über
diese Form der Beckenniere, die dadurch entsteht, dass die physio¬
logisch beim Foetus statttindende Aufwärtswanderung der einen
oder beider Nieren vom Promontorium bis zur Stelle der Neben¬
niere ausbleibt. Das verlagerte Organ kann besonders auch Ge¬
burtsstörungen bewirken. Die meist vorhandenen Defaecations-
störungen beruhen auf Verschiebung des Reetums, wie auch im
vorliegenden Fall. Die Diagnose wurde bisher nur 1 mal in vivo
gestellt. Wichtig wäre Ureterensondirung. Für die operative
Entfernung ist der sacrale Weg entschieden der Laparotomie
vorzuziehen.
5) O. Z u c k e r k a n d 1 - Wien: Einige seltenere Con-
cretionen der menschlichen Hamwege.
Verfasser beschreibt zuerst 3 Fälle, bei denen Steine in der
Harnröhre vorhanden waren, wohin sie aus der Blase gelangen
oder autochthon entstehen. Die Folgen sind zunächst ver¬
schiedene Formen von Dysurien. Der eine, mit Erfolg operirte
Patient war ein erst 3 l / a jähriger Knabe; der 2. Kranke entleerte
das Concrement (cfr. Abbildungen!) spontan. Für die Diagnose
sind geknöpfte weiche Bougies zu empfehlen. Andere Steine
kommen in seltenen Fällen im Praeputium vor. Verfasser be¬
schreibt einen solchen Fall bei einem l>3 jährigen Kranken, ferner
Befund und Operation bei einem Harnleiterblasenstein (55 jährige
Frau), der radiographisch sichtbar gemacht werden konnte. Be¬
merkenswerth ist die Form („Hantel“) dieser Steine. Selten fin¬
den sich Concremente im Ureter.
6) M. S e h 1 i f k a- Wien: Ein neues Cystoskop zum Kathe¬
terismus der Ureteren.
Bezüglich Abbildung und Beschreibung des Instruments, das
nach dem Princip des C a s p e r’schen Ureterencystokops con-
struirt ist, verweist Referent auf das Original.
Dr. Grassmann - München.
Wiener medicinische Wochenschrift. 1899. No. 51, 52.
S. Pechkranz -Warschau: Albuminurie und acute diffuse
Nephritis im Verlauf einiger Hautkrankheiten.
S. hat bei 128 männlichen Skabieskranken, vorwiegend im
Alter von 9—20 Jahren, mit mehr oder weniger starkem Kratz¬
ekzem vor Einleitung irgend einer Therapie den Urin untersucht
und bei 24 Albuminurie, bis zu 2 Prom., nachweisen können.
Ibidem 1900, No. 1.
W. S c h o e n : Her Einfluss der Beizung auf die Localisation
von Allgemeinleiden im Auge.
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Wir können hier nicht näher auf den Gedankengang des Ver¬
fassers eingehen und müssen uns mit der Wiedergabe seiner
Hauptsätze begnügen. Der Symptomencoinplex: häufiger Lid-
schiag, Thräneu und Drücken im Auge, welcher in so vielen Fällen
für genügend zur Diagnose Conjunctivitis erachtet, und gegen den
die Therapie mit mancherlei Mitteln vorgeht, ist, abgesehen von
den Fällen, wo chemische, thermische, Fremdkörper- oder Licht¬
reize vorliegen, in den meisten Fällen nichts anderes als ein dis-
ponireuder Roizzustand in Folge von Accomodatiousaiiomalien,
Ametropie, Astigmatismus, Insul'fieienz. „Alle Leute mit länger
dauernder, öfters wiederkehrender oder chronischer Conjuncti¬
vitis sind Hypermetropen, Astignmtiker, Presbyopen oder leiden
an Insufficienz.“ Diejenigen Kinder erkranken an Lid- und Horn¬
hautekzem, bei welchen jene Reizung die Eiubruehspforte schafft,
d. h. die hypcrmctropischen und astigmatischen, bei den arnetro-
pisclien locallsiren sich Masern und Scharlach auf der Conjunc-
tiva. Auch die Cataracta diabetica kommt nur bei solchen Dia¬
betikern zu Stande, welche gleichzeitig an Ametropie oder In-
sufficienz leiden.“ Die Unterlassung der Refractionsprüfung und
der Ausgleichung der Fehler bei jeder vermeintlichen Bindehaut¬
entzündung und jeder Ekzemkeratitis ist „geradezu ein Kunst¬
fehler“.
S e h r w a 1 d - Freiburg i. B.: Zur Behandlung der Gehirn -
hyperaemie.
Bei einem Fall mit bedrohlichen Hitzsclilagersclieinungen
hat S. nach Fehlschlagen anderer Mittel einen raschen und an¬
haltend günstigen Erfolg erzielt, indem er beide Beine und die
untere Rumpfiiülfte in Leintücher einschlug, welche iu sehr
heisses Wasser getaucht waren. Darauf legte er dicke wollene
Decken und erzielte einen lebhaften Selnveissausbrueh, dem er
den günstigen Effect zumisst.
Ibidem No. 2.
L. llaskovec - Prag: Neue Beiträge zur Pathogenese der
Basedow'sehen Krankheit.
Durch intravenöse Injectiou wässerigen frischen Schild-
drüsenextracts wird bei Hunden vorübergehende Tacliycardie er¬
zielt, welche auch nach Atropindosen und nach Durchschneiduug
der N .vagi nicht ausbleibt. Dagegen kommt die Pulsbesclileuni-
gung nicht zu Stande, wenn vor der Injection das Rückenmark
an der Stelle durchschnitten wird, wo die Accelerationsfasern
nach dem Ganglion stellatum abgehen. Verfasser schliesst dar¬
aus, dass bei seinen Versuchen die Tacliycardie durch Reizung
des Nervus aceelernns entstanden ist.
E. M e i u e r t - Dresden: Ueber die Beweglichkeit der
zehnten Bippe als angebliches Merkmal vorhandener Entero-
ptose.
Stiller hatte der „Corta fluctuans decirna“ die im Titel be-
zeiclinete pathognomonisclie Bedeutung zugeschrieben. Diese
stellt M e i n e r t bestimmt in Abrede auf Grund klinischer und
anatomischer Studien, welche eine grosse Verschieblichkeit der
X. Rippe als einen normalen Befund (90 :100) ergaben.
Wiener klinische Rundschau. 1899. No. 51—53.
O. Kukula - Prag: Beitrag zur Pathologie und Therapie
der Schussverletzungen des Magens.
Dass Verfasser auf Grund seiner, allerdings meist ältere Fälle
umfassenden Statistik einem möglichst frühzeitigen operativen
Eingreifen das Wort redet, bedarf fast nicht der Erwähnung.
Bemerkenswert!! ist, dass er bei 2 Kranken in dem direct ent¬
nommenen Mageninhalt das Bact. lactis aerogenes nachweisen
konnte. Inwieweit dieses für die Entstehung einer Perforations¬
peritonitis beim Menschen in Betracht kommt, Ist noch unent¬
schieden. Bei einem Kaninchen entwickelte sich nach intra-
peritonealer Injection eine sero-fibrinöse Peritonitis. Dem Magen¬
safte scheinen antiseptische Eigenschaften nicht in dem ihm zu¬
geschriebenen hohen Grade eigen zu sein.
Ibidem No. 2.
P. Möbius: Ueber das mathematische Talent.
Aehnlich der musikalischen Begabung gibt es auch ein be¬
sonderes mathematisches Talent, das an manchen Personen in
hervorragendem Maasse zur Entwicklung gelangt, anderen, auch
sonst geistig hochstehenden, völlig versagt ist, den Frauen im All-
gmeinen fast ganz zu fehlen scheint. Schon Gail hat versucht,
einen gewissen Typus der Gesichtsbildung als den körperlichen
Ausdruck dieser specifischen Fähigkeit aufzustellen. Moebius
hat neuerdings den Gegenstand aufgegriffen und erklärt, G a 1 l’s
Angaben bestätigend, eine bestimmte ungewöhnlich starke Ent¬
wicklung des äusseren Augenhöhlenwinkels, der Stirnecke, als
bezeichnend für die mathematische Begabung. Besonders die
linke Seite zeichne sich charakteristisch aus. Als das cerebrale
Centrum des mathematischen Talentes lasse sich mit Wahr
scheinlichkeit der vordere Theil der dritten Stirnwindung an¬
nehmen, deren starke Ausbildung dem Bau der Stirnecke das be¬
zeichnende Gepräge verleihe. B e r g e a t - München.
Prager medicinische Wochenschrift. 1899. No. 52.
A. P o s s e 11 - Innsbruck: Zur vergleichenden Pathologie
der Bronchitis flbrinosa und des Asthma bronchiale.
Die umfangreiche Arbeit führt zu folgenden Schlüssen:
Es Ist nicht gerechtfertigt, die Bronchitis flbrinosa nur als
eine Steigerung des asthmatischen Proeesses aufzufassen, sie ist
eine völlig unabhängige Erkrankung. Es gibt eine selten auf¬
tretende, gewöhnlich chronisch verlaufende, reine Form dieser
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
100
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Bronchitis ohne jedes Asthmasymptom, bei welcher das Sputum
fast nur aus Fibrin besteht mit sehr spärlichen Zellelementen
und Schleimbeimengungen; daun eine zweite, mit Asthma com-
plicirte Form, welche im Sputum sehr zelleureiche Gerinnsel mit
Krystallbildung und Spiralen sowie reichlichere Schleim¬
beimengung: aufweist. Der Verlauf ist mehr acut und schwerer.
Französische Literatur.
Lannois und Paviot, ausserordentl. Professoren zu Lyon:
Herdförmige Sklerose in Folge einer tuberculösen Schulter¬
gelenksentzündung. (Revue de m^deeine, August 1899.)
Die 46jährige Patientin war seit ihrem 18. Lebensjahre mit
einer alten Tuberculose des rechten Schultergelenkes behaftet,
welche sich lange Zeit in fast torpider Weise dahin zog, es traten
im Alter von 44 Jahren allmählich zunehmende Lähmungserschein¬
ungen der rechten Körperhälfte auf, wobei das Gesicht (Facialis)
unversehrt blieb, die Sehnenreflexe erhöht waren und epileptoide
Krämpfe sich einst eilten. Die Erscheinungen bulbürer Affection
traten erst gegen Ende der Krankheit ein, ebenso wie die Störungen
der linken Seite, so dass zu Lebzeiten vor Allem eine Neuritis an¬
genommen wurde, welche auch im Rückenmark eine mehr oder
weniger diffuse irritirende Laesion verursacht hatte. Erst bei der
genauen Autopsie wurde die richtige Diagnose gestellt. Was die
beiden Autoren als Resume ihres Falles besonders hervorhoben,
ist die grosse Rolle, welche lnfectionen bei der Aetiologie der herd¬
förmigen Sklerose spielen, es scheint ihnen nicht zweifelhaft,
dass dieselbe hier unter dem Einfluss der Schulteraffeetion ent¬
stand und fügen die Tuberculose als aetiologisches Moment jenen
Fällen zu, wo Typhus, Blattern, Masern, Scharlach, Cholera u. s. w.
ursprünglich die Sklerose verursacht haben,
H. Daucliez: Meningismus und Meningitis abortiva. (Revue
mensuellc des maladies de l’enfanee, August 1899.)
Unter Meningismus versteht man eine Summe klinischer Er¬
scheinungen, welche unabhängig von jeder wirklichen Laesion der
Meningen, auf dynamische und functionelle Störungen der Gehirn-
und Gehirnhaut-Circulation zurückzuf(ihren ist und mit wahrer
Meningitis nicht verwechselt werden darf. Der Meningismus ist aus¬
gezeichnet durch die ncuropathische Anlage des befallenen Indi¬
viduums (Hysterie), durch den plötzlichen Beginn, die fast absolute
Apyrexie, die Regelmässigkeit des Pulses, Geringfügigkeit derllaupt-
symptome der Meningitis (Fieber, Verstopfung, Erbrechen'), von
welchen einige meist fehlen, durch die Dauer, welche entweder
kürzer oder länger wie die der Meningitis ist, und schliesslich den
Ausgang, welcher stets ein günstiger ist. D. beschreibt .‘5 Fälle von
solchem Meningismus, von welchen der erste hei einem einjährigen
Kinde im Verlaufe einer Influenza-Enteritis mit gleichzeitigem poly¬
morphem Erythem vorkam, die zwei weiteren Fälle nach Influenza
resp. Pneumonie sich einstellten; letzterer endete schliesslich mit
wirklicher Meningitis und Tod. Bei dem Meningismus oder der
abortiven Meningitis handelt es sich, wie die 3 Fälle beweisen,
meist um infectiöseu Ursprung, wobei jedoch eine neuropathische
Disposition mit vorhanden ist. Beim hysterischen Meningismus
fehlt die Leukoeytose (Hayem), die Erdphosphate und Alkalien
vermindern sich im Allgemeinen bei der sogen, falschen Meningitis
im Verhültniss von 1: 2 oder 1:1 statt 1: 3 (bei der wirklichen
Meningitis). In zwei Tabellen sind die Differentialmerkmale dieser
beiden Affectionen übersichtlich einander gegenüber gestellt.
M. Marfan: Die diphtheritische Lähmung. (Annales de
medecine et Chirurgie infantiles, August 1899.)
In dem einen der zwei Fälle, welche M. beobachtete und genau
beschreibt, war die Lähmung des weichen Gaumens einige Tage
nach dem primären Leiden, in dem zweiten erst 14 Tage nach der
Heilung des Halsleidens eingetreten. In dem ersten Fall war die
Lähmung ziemlich gutartiger Natur und ging nach 14 Tagen zurück,
in dem zweiten trat nach 1 Monat erst Heilung ein; es war com-
plete Lähmung des Gaumensegels und beinahe vollständige Dys¬
phagie, Lähmung der Nackenmuskeln, unvollständige Lähmung der
Uiiterextreinitäton mit atactischem Gang und Aufhebung des Patellar-
reflexes vorhanden. Die Ernährung mit der Sonde war nicht noth-
wendig, sondern die Anwendung des galvanischen Stromes hat rasch
die Lähmung der Schhindmusculatur beseitigt. M. glaubt nun, dass
die erster», leichtere Art der Lähmung durch die Wirkung der Diph¬
theriegifte auf das centrale und periphere Nervensystem, die auf
dem Wege der Blutgefässe ergriffen würden, entstehe, während bei
der zweiten, schwereren Form das Gift langsam vom Rachen in das
verlängerte Mark vermittels der eentripetalen Nerven, wie die Toxine
der Hundswuth und des Tetanus, gelange. Im verlängerten Mark
angelangt, verbreite sich das Gift durch die Nerven oder den Liquor
cerebrospinalis auf das Rückenmark und von da auf die peripheren
Nerven. Marfan ist jedoch nicht der Ansicht, dass die letztere,
schwere Form, wie Mya glaubt, speeiell die Folge der zu spät oder
ungenügend behandelten Diphtherie sei und die gutartige Form nur
bei den geeignet behandelten Fällen vorkomme. Beide vorliegende
Fälle wurden nicht mit Heilserum behandelt und nach Marfan
sprechen dieselben insofern auch günstig für die Anwendung des
Serums, als er glaubt, dass seit und mit Anwendung dieses Mittels
die Zahl der diphtheritischen Lähmungen abgenommen habe. Die
zwei wirksamsten Mittel der letzteren sind die Elektricität (täglich
einmal Faradisirung bei den gutartigen, Galvanisirung bei den
schwereren Fällen) und die Nux vomica (Tinctura strychni 5 —15
Tropfen täglich); bei ausgesprochenen Schlingbeschwerden gibt
man den Kranken nur halbflüssige Nahrung, stimulirende Mittel
u. a, m.
E. Lefas: Die Veränderungen des Pankreas bei Nephritis.
(Presse medicale, No. 51, 1899.)
Die Fälle von Nephritis, welche L. in dieser Beziehung studirt
hat, waren solche von Syphilis des Neugeborenen, bei Bleivergiftung
und Diabetes, Bright’sclier Krankheit, Amyloiddegeneration. Die
Veränderungen des Pankreas vertheilen sich in solche der Zellen
(trübe Schwellung, Coagulationsnekrose, in manchen Fällen fettige
und amyloide Degeneration) und der Gefässe (Endarteriitis oder
Endophlebitis der kleineren Gefässe); fast constant besteht aus¬
gesprochene Congestion in den Venen, die Veränderungen der Ca-
pillaren im Verein mit Hyperaemie und Oedern des interstitiellen
Bindegewebes wurden bei der Heredosyphilis beobachtet. Die secer-
nirenden Canäle selbst zeigen in der Regel entweder keine oder
nur geringfügige Veränderungen. Im Allgemeinen gehen die Ver¬
änderungen des Pankreas sowohl der Zeit wie dem Grad nach
Hand in Hand mit jenen der Nieren, ist bei ersterem bereits Skle¬
rose eingetreten, so fehlt sie auch nicht bei den Nieren. Die Be¬
deutung der verschiedenen Veränderungen am Pankreas ist nun
ziemlich verschieden: die Zell Veränderungen, wie Coagulations-,
fettige Nekrose, amyloide Degeneration, hängen speeiell mit Auto
intoxication zusammen, die Veränderungen der Gefässe und des
Bindegewebes, Sklerose, (ledern u s. w. müssten der Wirkung des
primären Processes, welcher die Nephritis verursacht und gleicher¬
weise das Pankreas beeinflusst, zugeschrieben werden. Was nun
den e : gcntlichen Einfluss der Pankreasveränderungen auf den Sym-
ptoinencomplex der Nephritis betrifft, so glaubt L. mit Klippel,
dasH sie jedenfalls von Bedeutung für die (infectiöse) Uraemie sind
und besonde rs die dabei vorkommenden Verdauungsstörungen von
der Erkrankung des Pankreas abhängen.
Paul Berger: Männliche Osteomalacie mit ausserordent¬
lich schweren Skelettveränderungen. (Presse mödicale No. 52,
1899.1
Der seltene Fall von männlicher Osteomalacie, welcher einen
20jährigen Mann betraf und radiographisch (3 der Bilder sind
wiedergegeben) studirt wurde, ist in seinem ganzen Verlauf genau
beschrieben. Die Krankheit wurde von keiner Art Medication,
weder P, Leberthran, Glycerophosphaten u. s. w. beeinflusst, der
progressive Verlauf ist ein unaufhaltsamer und das deletäre Ende
vorauszusehen. Der Gedanke, die doppelseitige Castration, welche
leim Weibe viel Erfolg gegeben, vorzunehmen, scheiterte an dem
Zustande des Patienten (Nephritis).
Prof. Chantemesse und E. Rey: Die leukocytäre Formel
beim Erysipel. (Ibidem.)
Aus der durch eine Reihe von Curventafeln verständlich ge¬
machten Arbeit geht hervor, dass der Reichthum an Leukocyten,
besonders vielkernigen, im Blute beim Erysipel in directem Zu¬
sammenhang mit der Schwere der Krankheit steht. Man kann
also beim Erysipel nicht wie bei vielen Infectionskrankheiten (z. B.
Pneumonie) eine günstige Prognose aus der Hyperleukocytose stellen.
Die Zahl der weissen Blutkörperchen steht in directem Verhältnis
zu der Menge der Toxine. Wenn der Erfolg dieser phagocytären
Invasion nicht direct heilend ist. so liegt beim Erysipel die Todes¬
ursache nicht in der Blutinfection, sondern meist in Organverände¬
rungen und speeiell der Entwicklung einer Streptococcencultur in¬
nerhalb des Gehirns des Rückenmarks. Ist die Reincultur ent¬
wickelt, so wirkt der Mikroorganismus direct auf die nervösen
Centralorgane durch seine Secrete und die Hyperleukocytose ist
nur ein äusserster, machtloser Vertheidigungsact.
Fringuet: Eine Ikterusepidemie bei Kindern. (Presse
mödicale, No. 53, 1899.)
Bei 7 Kindern im Alter von 7—13 Jahren, welche die gleiche
Schule besuchten, aber von verschiedenen Orten stammten, beob¬
achtete Fr. kurz hintereinander das Auftreten von Ikterus, wobei
die Symptome fast immer die gleichen waren: Anfangs allgemeine
Schwäche, Appetitlosigkeit, Verdauungsbesehwerden, Uebelkeit, Er¬
brechen, Nasenbluten, nach 4—5 Tagen ikterische Verfärbung der
Haut, die Leber war fast immer hypertrophisch, auffallend war die
Pulsverlangsamung (bei dreien der Patienten), welche selbst noch
bestand, nachdem die Leber die normale Grösse wieder angenom¬
men hatte. Die Behandlung bestand in Purgantien und Salol,
Vichysalz, Milch. Die Prognose der Krankheit ist stets eine gute,
von allen Symptomen verschwindet der Ikterue am langsamsten
(8 — 10 Tage nach der völligen Reconvaiescenz). Ueber Ursprung
und Ursache dieser Epidemie, welche noch mehr Kinder ergriff,
konnte Nichts ermittelt werden; die meisten Kinder waren bis zu
dieser Krankheit gesund gewesen, Influenza oder Typhus damals
nicht vorhanden.
Roger und Garnier: Ein Fall von gangraenöser Brust¬
entzündung. (Presse mödicale, No. 58, 1899.)
Der Fall betraf eine 17jährige Frau, welche rechtzeitig ent¬
bunden hat. Schon zur Zeit der Schwangerschaft war die linke
Brust entzündet, später ulcerirt und es trat trotz aufmerksamer Be¬
handlung theihveise Gangraen ein. Am 7. Tage nach der Ent¬
bindung stellte sich als weitere Complication Scharlach ein, welcher
Anfangs schweren Charakter zeigte, aber bald auf Kaltwasserbehand¬
lung wich; die Wunde an der Brust brauchte ca. 3 Wochen bis zur
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10. Januar 1900.
MÖNCH EN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
101
völligen Heilung. Nach der bacteriologiselieii Untersuchung lag
hier ein ganz ßpecifischer Bacillus zu Grunde. Die (iangraen der
Brust scheint übrigens beim Menschen ausserordentlich selten zu
sein; bei Thieren kommt sie häufiger vor. Bei der rntersnchung
von 22 Fällen von Mammitis bei Kühen fandLoicet 10 mal Mikro-
coccen, welche mit jenen im vorliegenden Falle eine gewisse Aehn-
lichkeit haben; aber aus den vergleichenden Studien von Roger
und Garnier ergibt sich, dass der bei der Mammitis des Menschen
gefundene Mikroorganismus eine gewisse Individualität bewahrt
und seine culturellen Eigenschaften wie die pathogene Wirkung
für die Versuchsthiere ihn mit anderen ähnlichen Arten nicht ver¬
wechseln lassen.
M. H. Vincent: B&cteriologische Untersuchungen über
die Angina mit dem Bacillus fusiformis. (Annales de l’institut
Pasteur, August 1899.)
Die in Rede stehende Affection, welche V. seit dem Jahre 1893
zu beobachten Gelegenheit hatte, steht den Fällen von pseudo¬
membranöser Angina, welche die Diphtherie simuliren können,
nahe; sie ist in der That, besonders am Anfänge, durch ein weiss-
graues, speckiges Exsudat, welches sich auf der Oberfläche der
Tonsillen bildet, ausgezeichnet. Sie ist von Adenitis, oft ziemlich
ausgesprochener, von Dysphagie, Fieber, begleitet und zeigt so die
Hauptsymptome der diphtheritischen Angina. Sie ist jedoch von
einem charakteristischen Bacillus, der leicht von dem Lö f f le L r'schen
zu unterscheiden ist, abhängig. Es gibt wieder zweierlei Arten
dieser Angina, je nachdem der Bacillus für sich allein oder mit
einem anderen assoeiirt vorkommt. In dem ersteren Falle ist die
Affection eine diphtheroide, bei welcher die Pseudomembran eine
unbedeutende oder leichte Exulceration bedeckt, diese Form ist
die weniger gewöhnliche und ähnelt völlig der Diphtherie. Bei der
zweiten Form wird die diphtheroide eecundär eine geschwürig-
membranöse. Die Diagnose dieser Affection, welche bei Kindern
einen sehr schweren Verlauf haben kann, bei Erwachsenen meist
günstige Prognose hat, gründet sich vor Allen auf mikroskopischer
Untersuchung. Der Bacillus fusiformis (spindelförmig) wird wegen
seiner an beiden Enden verdünnten und in der Mitte ziemlich
dicken Form so genannt; er hat eine Länge von ca. 8—42 p, ist
also viel grösser und ganz anders geformt als der Löf fl er'sehe
Bacillus, er färbt sich leicht mit Anilinfarben (Thionin, Ziehl’scher
Lösung), nicht aber nach Gram und Weigert wieder im Gegen¬
satz zum Diphtheriebabillus. Die Culturversuche dieses Bacillus
sind weder bei noch ohne Luftzutritt bis jetzt gelungen, ebenso¬
wenig Ueberimpfungen auf Thiere. Bei der ulcero-membranösen,
der häufigeren Form der Affection ist dieser Bacillus mit einer Art
von Spirillen, welche oft sehr zahlreich sind, associrt. Er kann
auch bei gewissen Eiterungen in der Nähe der Mundhöhle Vor¬
kommen (Oberkieferempyem nach Lichtwitz und Sabraz&s).
Am Schlüsse der mit 2 Abbildungen versehenen Arbeit führt V.
an, dass sowohl vom klinischen wie bacteriologisehen Standpunkt
aus zwischen dieser Ilalsaffection und dem jetzt beinahe ganz ver¬
schwundenen Hospitalsbrand grosse Aehnlichkeit besteht. Beide
Affectionen sind durch die Bildung einer Membran charakterisirt,
die Analogie geht sogar bis zur Aehnlichkeit der Baeterienarten bei
beiden Leiden, nur der eine Unterschied ist vorhanden, dass beim
Hospitalsbrand die Drüsen nicht geschwellt sind. Die Frage, ob
es sich um ein und dasselbe Leiden, welches hier im Rachen, dort
an der Oberfläche einer chirurgischen oder zufälligen Wunde sich
loealisirt, handelt, muss noch eine offene bleiben, da die Rein-
cultnr der Bacillen für beide Affectionen trotz zahlreicher Versuche
noch nicht geglückt ist.
Elmassian: Ein Bacillus der Athemwege und seine Be¬
ziehungen zu dem Pf eiffer’schen (Influenza-) Bacillus. (Ibid.).
E. wurde im Laufe seiner Untersuchungen über die Aetiologie
des Keuchhustens auf einen kleinen, feinen Bacillus aufmerksam,
welcher mit dem von Pfeiffer gefundenen Influenzabacillus die
grösste Aehnlichkeit hatte und nur durch die Art der Reineultur
auf Serum von demselben verschieden war. Unter 32 Fällen von
Keuchhusten wurde der fragliche Bacillus 8mal im Bronchialsecret
isolirt, jedoch auch in Fällen acuter Bronchitis ohne Keuchhusten
bei Erwachsenen und Kindern gefunden, so dass ihm E. eine aetio-
logische Bedeutung für den Keuchhusten nicht beimisst. Anderer¬
seits untersuchte er das Bronchialsecret von 6 Influenzakranken
und fand bei 3 derselben den Pfeifferschen Bacillus, welcher all’
die von dem Entdecker hervorgehobenen Eigenschaften zeigte und
völlig identisch mit dem obigen Bacilhn war. E. glaubt daher, dass
der Pfeif fer’sehe Bacillus, dessen Rolle bei der Influenza nur eine
sehr wahrscheinliche und nicht völlig bewiesene sei, einer Bacterien-
art angehöre, welche saprophytisch auf der Schleimhaut der Athem-
wege'existire, ähnlich wie der Pneumococcus. Dieser Mikroorganismus
vermehrt sich und kann im Laufe anderer Infectionen der Lungen-
luftröhrenßchleimhaut (Pneumonie, Keuchhusten u. s. w.) pathogen
werden. Mit dieser Erklärung, welcher eine längere Beweisführung
vorausgeht, würde E. die von ihm gefundenen Thatsachen für ver¬
einbar halten.
P o 11 e v i n : Die Saccharlflcation des Stärkemehles. (Ibid.)
Aus den eingehenden, mit genauen Berechnungen versehenen
Untersuchungen geht hervor, dass das Stärkekömehen, welches
physikalisch eine heterogene Masse bildet, nach der Gelatinisation
heterogen bleibt; die weniger cohärenten Theile geben eine Stärke-
masse, welche sich rasch in Dextrin und Zucker umwandelt. Die mehr
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cohärenten Theile geben eine Masse, welche sich nur langsam in
Dextrin und Zucker umbildet, sie stellen die Residualdextrine dar,
welche nicht unangreifbar, aber jedenfalls schwer bei jeder am
Ende angelangten Sacclmrification zu verändern sind.
Malvoz: Ueber das Vorhandensein speciflscher Agglu-
tinine in den Bacterienculturen. (Ibid.)
Lambotte und Marechal: Die Agglutination des Milz¬
brandbacillus durch das normale Menschenserum. (Ibid.)
Gengou: Die Beziehungen zwischen Agglutininen und
Lysinen. (Ibid.)
Die 3 Arbeiten, welche aus dem pathologisch bacteriologischen
Institut von Liege hervorgehen, suchen im Grundprincip und als
Ergebnis« aller Forschungen, zu welchen der Milzbraiidbacillus und
dessen Reinculturen gewählt wurden, das Wesen der Agglutination
zu ergründen. Lambotte und Marechal fanden, dass das
Serum von Menschen, gesunden oder an allen möglichen Affec¬
tionen (Tuberculose, Pneumonie, spastische Paralyse, Nephritis
u. s. w) erkrankten, den Milzbrandbacillus agglutinire und zwar in
solcher Verdünnung, dass man das Serum in diesen Fällen als
wirklich specifisch ansehen könnte. Alan muss also beim Milz¬
brand bezüglich der Serumdiagnose sehr vorsichtig sein. Malvoz
schliesst aus seinen Versuchen, dass, beim Milzbrand wenigstens,
die agglutinirende Eigenschaft des Serums, nicht wie die präven¬
tive oder antitoxische, aus Reactioncn der Zellen hervorgehe,
sondern aus einer ganz speciellen Thätigkeit der Organe unter
dem Einflüsse der Baeterien oder deren Producto, deren Natur wir
nicht kennen, die aber in Gegenwart gewisser Substanzen wie
Bouillon u. s. w. ein die Baeterien umhüllendes Coagulum oder
eine specielle Klebrigkeit (der Bncterienstäbchen) bilden. Am ein¬
gehendsten studirte Gengou die Agglutination speciell beim Milz¬
brand, auch seine Untersuchungen schliessen dahin, dass dieselbe
keine Erscheinung ist, welche bei der Immunität und der Selbst-
vertheidigung des Organismus die Rolle spielt, welche ihr noch
vor Kurzem von Grube r u. A. zugeschrieben wurde. Es besteht
weder zwischen natürlicher Immunität und Agglutination noch
zwischen bactericider Eigenschaft eines Serums und der letzteren
irgend ein Zusammenhang. Die bactericiden Körper und die Anti¬
körper entstehen aur. den Zellen des Organismus, sei es im Blut
oder in gewissen Organen (Milz, Knochenmark), die Agglutinine des
Milzbrands scheinen keinesfalls diesen Ursprung zu haben und die
Zellen vielmehr eine ganz passive Rolle dabei zu spielen.
Stern-München.
Inaugural-Dissertationen.
Universität Berlin. October 1899. (Nachtrag.)
51. Schw arzweiss Leo: Die Augenheilkunde des Alcoatim aus
dein Jahre 1159 (Theil V).
November 1899.
52. Gasteazoro Mariano: Ueber den Lupus und dessen Behänd
lang.
53. Elia sc he ff Israel: Zur Casuistik der Hirntumoren im Säug¬
lingsalter.
December 1899.
54/Windmüller Ernst: Die Augenheilkunde des Alcoatim aus
dem Jahre 1159 (Tractat IV).
55. Allard Eduard: Die Augenheilkunde des Alcoatim aus dem
Jahre 1159 (Theil VI). Zum ersten Male in’s Deutsche übersetzt.
56. Tb ure -Brandt Aimö: Zur manuellen Therapie der Wander¬
niere.
Universität Bonn. December 1899.
21. Wiese Wilhelm: Ueber Strumectomien.
22. Corsten Joseph: Ueber das Verhalten der elastischen Fasern
in den Arterien bei der Arteriosklerose.
Universität Breslau. November und December 1899.
28. Deckart P.: Ueber Ileus in Folge von Thrombose oder Embolie
der Mescntorialgcfflsse.
29. Stabr Hermann: Der Lymphappar.it der Nieren.
30. Brey er Anton: Die praktische Verwerthung des Pyramidons
als fieberwidrigen und schmerzstillenden Mittels.
31. Leipziger Richard: Ueber Stoffwcchselversuclie mit Edestin.
32. Bib e rf e 1 d David: Ueber die Druekverhältnisse in der Schleich-
schen Quaddel.
33. Ostermann Arthur: Die Ergebnisse der Behandlung der
Diphtherie mit Heilserum in der kgl. Medicinischen Klinik zu
Breslau.
34. Niemczyk Richard Emanuel: lieber teratoide Geschwülste
der Mund- und Rachenhöhle.
35. Saloschin N.: Ueber Ozaena und ihre Combination mit Nasen¬
polypen.
Universität Erlangen. December 1899.
39. Naegelsbach Wilhelm: Ueber die während der letzten 12 Jahre
in der Erlanger chirurgischen Klinik zur Behandlung gelangten
Oberkieferturaoren.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
102
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Universität Freiburg. December 1899.
56. ]) o b b e r k e Frederik Carel: Ueber vocal- und instrumental-
musikalisclie Störungen bei der Aphasie.
57. Schäfer Paul: Ein Fall von Bulbärlähmung mit Beiheiligung
der Extremitäten ohne anatomischen Befund.
58. Natterer Martin: Ueber Irradialionshallucinationen.
Universität Giessen. November und December 1899.
23. Seybold Carl: Ueber das Melanom.
24. Riegel Alfred: Ueber die Myome der Harnblase.
25. M ä u s e r t Adolf : Zur Casuistik der Vena cava superior sinistra
und der einen Spitzenlappen der rechten Lunge abschnürenden
Anomalie der Vena azygos.
26. K 1 e w i t z Karl: Zur Casuistik der primären Fibromyome des
Beckenbindegewebes.
27. Hegar Karl: Embryom oder Dermoid des Beckenbindegewebes?
28. Berberich Emil: Eine Epidemie von acutem Erythem bei
Kindern in der Umgebung von Giessen. (Erythema infectiosum
acutum.)
Universität Halle. December 1899.
11. Barthel Reinhold: Ueber Geburten nach Vagino* und Vesico*
fixatio uteri.
12. Nuernberg Franz: Ueber chronische Invagination.
13. Scheunemann Emil: Ueber den Einfluss heisser Bäder auf
den Gaswechsel beim Menschen.
Universität Heidelberg. December 1899.
31. Die hl August: Ueber die Eigenschaften der Schrift bei Ge'
sunden.
32. Haas Reinhard: Ueber Trepanation bei Hirntumoren.
Universität Jena. December 1899. (Nichts erschienen.)
Universität Leipzig. August bis November 1899.
47. Hahn Robert: lieber das Wesen und die Ursache der im An¬
schlüsse an die Narkose auftretenden Lungenentzündungen.
48. IkedaHideo: Ueber die Resection des Darms bei Ileus mittels
des Murphyknopfes.
49. Röper Wilhelm: Ueber die Ursachen des Todes bei Morbus
Basedowii und über den acuten Verlauf desselben.
50. Schlesier Hans: Die Gastroenterostomie und ihre Anwendung
in der chirurgischen Universitätsklinik zu Leipzig seit 1895.
51. Schmidt Diedrich: Ein Fall von isolirter Chorioidealruptur
bei Stich Verletzung des Auges.
Universität Marburg. December 1899.
29 Schmidt Otto: Ueber operative Behandlung der Epilepsie im
Anschluss an zwei in der Marburger chirurgischen Klinik
operirte Fälle.
30. Hellenthal Wilh.: Ueber traumatische Darmrupturen und
ihre Beziehungen zu Brüchen.
31. Zillassen Otto: Ueber Erkältung als Krankheitsursache.
Universität München. December 1899.
114. Hammelbacher Angelo: Ueber Radicaloperationen von
Inguinalhernien im Kindesalter. Mit 1 Abbildung.
115. Bachauer Josef: Ein Fall von künstlicher Frühgeburt mittels
des Metreurynters.
116. Mindak Paul: Ueber einen Fall von Otitis media purulenta
acuta nach Influenza.
117. Albert Ludwig: Ueber Tuberculose der platten Schädel¬
knochen.
118. HertkornR.: Ein Fall von cystösem Gliom der rechtseitigen
Corpora quadrigemina.
119. Wiedemann Georg: Ueber trophische Störungen bei Tabes
dorsalis im Anschlus an einen Fall von Mal perforant du pied.
120. Feurer Otto: Ueber einen Fall von Gallertkrebs des Darms.
121. Zink Franz: Ein Fall von traumatischer retroperitonealer
Ruptur des Duodenums ohne Verletzung der Bauchdecken.
Universität Strassburg. December 1899.
33. Sc hi ekele Gustav: Beiträge zur Morphologie und Entwicklung
der normalen und überzähligen Milchdrüsen.
34. Bernhardt Paul: Die Radicaloperation der Leistenbrüche nach
Kochers Verlagerungsmethode.
35. Reeb Moritz: Weitere Untersuchungen über die wirksamen
Bestandtheile des Goldlacks (Cheiranthus Cheiri L.).
36. Hoch Albert: Ueber Inversio uteri nebst Mittheilung eines
Falles von Inversio uteri completa, complicirt mit Prolapsus
uteri totalis, geheilt durch Totalexstirpation per vaginam.
Universität Tübingen. November und December 1899.
November 1899 nichts erschienen.
December 1899.
40. Niederstein Friedrich: Flüssigkeitsentziehung bei der Behand¬
lung von Fettleibigkeit.
Universität Würzburg. October bis December 1899.
105. Braun N.: Zur Casuistik der Blutungen bei Bright’scher
Nierenkrankheit.
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106. Brehme: Ueber eine klinisch verwerlhbare Methode der Be¬
stimmung des Blutzuckers im Menschen nebst Untersuchungen
des Blutzuckers in der alimentären Glykosurie.
107. Casott: Ein primäres Sarkom der Milz.
108 Ehrensberger: Ueber habituelle Patellarluxationen und
ihre Behandlung.
109. F erger: Ueber einen eigenthümlichen Fall von intermittirendem
Herzgeräusch.
110. Ha s: Die hyperplastischen Erkrankungen der haematopoöti sehen
Organe mit besonderer Berücksichtigung der Leukaemie und
Pseudoleukaemie im Anschluss an einen Fall von malignem
Lymphom.
111. Kotzen berg: Untersuchungen über das Rückenmark des Igels.
112. Lebram: Das Diverticulum Meckelii und die von ihm aus¬
gehenden pathologischen Störungen.
113. Mayer: Ueber den Zusammenhang zwischen schwerer Ge¬
burt und der Little'sehen Erkrankung.
114. Mulzer: Toxicologische Studien über das Natriumnitrat mit
Beziehung auf andere Natronsalze.
115. Preis werk: Beiträge zur Corrosionsanatomie der pneuma¬
tischen Gesichtshöhlen.
116. Rost.oski: Ueber Echinococcus multilocularis hepatis.
117. Stamm: Ueber Uterusprolaps bei Schwangerschaft und Geburt.
118. Stoeckle: Die Behandlung der Cancrolde des Gesichts und
das Auftreten der Recidive nach den Ergebnissen der Würz¬
burger chirurgischen Klinik 1887—1897.
119. Wagner: Ueber angeborenen Mastdarm Verschluss.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 10. Januar 1900.
Ordentliche Generalversam m lu n g.
Die Gesellschaft hat z. Z. nahe an 1200 Mitglieder und ein
Vermögen von ca. 140 000 Mark.
Der erste Vorsitzende wurde durch Stimmzettel gewählt
und es fielen von 366 abgegebenen Stimmen 362 auf Rudolph
Virchow. Der übrige Vorstand und die verschiedenen Com¬
missionen wurden per Acelamation wiedergewählt.
Hierauf tritt die Versammlung in die Berathung des von
den Herren Z a d e k und Freudenberg gestellten An-
trages ein : „dem § 4 der Sitzungen der Berl. med. Gesellseh.,
welcher lautet: Ordentliches Mitglied der Gesellschaft kann
jeder in Berlin oder dessen Umgebung wohnhafte approbirte
Arzt oder Doetor niedieinae rite promotus werden etc.“, folgende
Fassung geben:
„Ordentliches Mitglied der Gesellschaft
können alle in Berlin oder dessen Umgebung
wohnhafte Aerzte oder Aerztinnen oder rite
promovirte doctores niedieinae werden.“
Hiegegen beantragte der Vorstand folgende Aenderung
des § 4: „Ordentliches Mitglied der Gesell¬
schaft kann nur ein für das Deutsche Reich a p
probirter Arzt werden.“
Hiezu waren noch 3 Amendements eingegangen, von deren
Anführung wir absehen können. Sie wollten theils den Begriff
„Arzt“ so fassen, dass darüber kein Zweifel bestehen konnte,
dass auch weibliche Aerzte mitinbegriffen seien, theils wollten
sie nur die Aerzte von Berlin und Umgebung darin haben, theils
sollten auch nicht im Deutschen Reiche approbirte Aerzte aus¬
nahmsweise Aufnahme finden können, wenn es um die Wissen¬
schaft besonders verdiente Persönlichkeiten wären.
Auf Wunsch des Vorsitzenden sah man von einer General-
diseussion ab und beschränkte sich auf eine Specialdiscussion
der einzelnen Anträge.
Herr Zadek : Derselbe gibt eine kurze Geschichte selues
Antrages, welcher dadurch veranlasst worden war, dass eine in
der Schweiz approbirte Aerztin sich zur Aufnahme gemeldet und
von der Aufnahmecommission mit Hinweis auf die Statuten ab¬
gelehnt worden sei. Der Antrag des Vorstandes bedeute zwar ein
Entgegenkommen, indem er in Deutschland approbirte Aerztinnen
zulassen wolle, scbliesse aber gleichzeitig einen Rückschritt in
sich, indem er nationale Grenzen ziehe.
Herr Vircho w begründet den Antrag des Vorstandes. Der
Vorstand stellte sieh einfach auf den Boden der Gesetzgebung,
ohne dieser zu priijudiciren, was nicht Sache der Medicinischen
Gesellschaft wäre. Es würden sonst gewissermaassen 2 Kate¬
gorien von Aerzten geschaffen, solche, welche vom Staate diplo-
mirt seien und solche, die die Medicinische Gesellschaft diplomirt
habe. Das sei eine entschieden gefährliche Situation, die den
Versuch zu Täuschung und Confusion sehr nahe lege. Der An¬
trag des Vorstandes stelle sich einfach auf den Standpunkt, wer
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1H. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE^WOCHENSCHRIFT.
108
von der Gesetzgebung des Reiches als Arzt anerkannt ist, ist es
auch von uns. Dies sei correet, nicht aber das Umgekehrte.
Der Ausdruck Doctor rite promotus in der alten Fassung der
Statuten rühre aus jener Zeit, in der es noch Aerzte zweiter Ord¬
nung ohne Approbation gegeben.
Nachdem noch die 3 übrigen Antragsteller zu ihren Amende¬
ments gesprochen, wird ein Schlussantrag mit grosser
Mehrheit angenommen und es erhalten die Antragsteller das
Schlusswort.
Herr F reudenberg begründet unter fortgesetztem Pro¬
test der Gesellschaft, unter Schlussrtifen und einem unerhörten
Lärm nochmals seinen Antrag.
Herr v. Bergmann sprach in Vertretung des durch eine
katarrhalische Indisposition zur Uebergabe des Vorsitzes an
Herrn Abraham veraulassten Herrn V i r c h o w nochmals
ganz kurz über den Antrag des Vorstandes. Er sei sowohl in
Russland, wie in Deutschland approbirt und könne versichern,
(lass im Auslände Niemand es der medicinischen Gesellschaft
verübeln werde, wenn sie die im Anträge des Vorstandes ge¬
gebenen nationalen Grenzen ziehen würde. Feber den Antrag
des Vorstandes hinauszugehen, sei heutzutage ganz gewiss nicht
zeitgeinäss. „Lasst uns sein ein einig Volk von Aerzten.“
Es folgte die Abstimmung, in welcher siimmtliehe Anträge
nbgclehnt wurden bis auf den des Vorstandes, der mit
überwältigender Majorität zur Annahme ge¬
langt.
Berichtigung zum Sitzungsberichte vom 20. December 1809.
Das von Herrn Gottsclialk demonstrirte. aus dem IIterus
ausgestossene nekrotische Stiiek bestand nicht bloss aus Schleim¬
haut, sondern umfasste noch ein dickes Stück Muscularis mit.
H .Koli n.
Verein für innere Medicin zu Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 8. -Januar 1900.
Herr Blnmenthal berichtet in Kürze über die
ö() jährige Feier der Society de Biologie in Paris, der er als Ver¬
treter des Vereins beigewohnt hatte. Aus dem Berichte über
die Festsitzung hebt er mit Recht einen dort über Claude
Bernard gefallenen Ausspruch hervor, dass dieser grosse
Forscher die ganz exeeptionelle Eigenschaft hatte, von seinen
Schülern nicht zu wünschen, dass sie seine
Forschungsresultate nach Möglichkeit zu
> t ii t z e n suchen, sondern, dass sie diese nach
Kräften bekämpfen; denn nur dadurch könne der Wahr¬
heit näher gekommen werden.
Demonstrationen.
Herr Oesterreich : Ein Gehirn mit doppelseitiger
frischer Hirnblutung.
Herr L i 11 en : Leber mit Aktinomykose; am Nabel ein
fistulöses Geschwür, aus welchem sich drusenlialtiges Secret ent¬
leert hatte.
Herr Feinberg: Baeterienfürbepräparate, in welchen
nach dem Vorgänge von Romanow sky und Z 1 e h m a n n mit
einem Gemische von Eosin und Methylenblau, d. h. mit dem durch
Mischung dieser Körper entstandenen neuen Farbstoff eine Dar¬
stellung von Zellhülle und Zellkern möglich ist.
Ziehmann hatte in Sprosspilzen und Spirillen diese
Dlffereucirung erzielt und Vortragender dies Verfahren auf
Amoeben und Spaltpilze ausgedehnt. In allen untersuchten
Bacterien, auch in Coccen, z. B. Gonocoecen, glaubt Vortragender
diese Unterscheidung ermöglicht zu haben. Er lässt es dahin¬
gestellt, in wie weit diese Iverae den Keinen in thierischen und
anderen pflanzlichen Zellen entsprechen; doch, meint er, wäre es
möglich, dass die von Ihm gesehenen Einschnürungen analog den¬
jenigen bei der amitotischen Kerntheiluug sein könnten.
Discussion zum Vor trage des Herrn Gold-
scheider : Beiträge zur physikalischen Therapie.
Herr Georg Mayer demonstrirt ein Buch aus dem Jahre
1734, iu welchem Quellmals eine „Anleitung zu einer gesund-
heits-dienlichen neuen Art der Bewegung“ gibt und worin u. a.
schon der aus den medico-meehanischen Instituten bekannte
Reitsattel abgebildet ist.
Herr Zabludowski bespricht seine Erfahrungen auf dem
Gebiete der Bewegungstherapie und Massage.
Herr Jakob erwähnt zwei auf der Leyden’sclieu Klinik
mit Extension und gutem Resultate behandelte Fälle von Com-
pressiousmyelitis und bestätigt die Goldscheide r’sche An¬
sicht, dass man auch hei blossem Verdacht auf Caries der Wirbel¬
säule extendiren (durch Corsett) soll, ein Verfahren, das sich ihm
in einem prägnanten Falle bewährt habe.
Herr Goldscheider: Schlusswort.
Herr C. Gerhardt berichtet, dass er in einem englischen
Journale letzthin Angaben über das Auftreten von diffusen Ery-
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themen nach Klystiereu gelesen habe mul fragt, ob Aelmliehe;’.
von dem Anwesenden beobachtet worden sei 7 Es meldet sich
Niemand zum Wort. H. Kohu.
Naturhistorisch-Medicinischer Verein Heidelberg.
(Medicinische Sectio n.)
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 17. November 1899.
Herr Vulpius: Ein Fall von willkürlicher Verrenkung
des Kniegelenks.
Wird an anderer Stelle mitgetheilt werden.
Derselbe: Die orthopaedische Behandlung von Nerven¬
leiden.
Die Beziehungen zwischen Orthopädie und Neurologie sind
in jüngster Zeit bedeutender geworden, sowohl quantitativ bezüg¬
lich der Zahl zu orthopädischer Therapie geeigneter Fälle, als
qualitativ hinsichtlich der erreichbaren Resultate.
Unter den spinalen Affectionen ist besonders wich¬
tig die Kinderlähmung. Während der ersten Monate ist,
orthopädische Prophylaxe angezeigt, um Contracturen u. dergl.
zu vermeiden. Nach Ablauf der Restitutionsfrist (V 4 —1 Jahr)
stehen wir vor partieller oder totaler Lähmung. Seihst
die letztere bedingt nicht durchaus ein therapeutisches Ein¬
greifen, entscheidend ist nur die praktische Störung der Ge-
brauehsfähigkeit gelähmter Extremitäten. Bei totaler Lähmung
aller Muskeln eines Gelenkes muss letzteres in irgend einer Weise
festgestellt werden. Bei partieller Lähmung ist Beschränkung
oder Regulirung der Bewegung zu erstreben, sind Contracturen
oder secundäre Deformitäten zu beseitigen.
In der Hauptsache haben wir zwischen 3 Methoden die Wahl:
1. Orthopädische Apparate vermögen verschiedene
Zwecke zu erreichen:
a) Absolute Feststellung eines Gelenkes in starrer Hülse.
b) Leitung der Gelenkbewegung in physiologischer Bahn
durch Scharniere.
c) Hemmung der Bewegung in beliebiger Phase.
d) Ersatz mancher Bewegungen durch sog. künstliche
Muskeln.
Die moderne Apparatteehnik der Modellhülsen ist gerade¬
hin von Werth, weil diese weniger emährungsstörend wirken,
als die alten strangulirenden Sehienengurtapparate.
2. Die Arthrodese fixirt das Gelenk ohne Apparat, frei¬
lich unter dauernder Opferung des Gelenkes.
Da ausserdem Contracturen manchmal auf die Operation
folgen, soll dieselbe auf gewisse Indicationen eingeschränkt
werden.
3. SehnenOperationen dienen entweder in Form der
Tenotomie, der Sehnenplastik zur Beseitigung von
Contracturen oder als Ueberpf lanzung zur Beseitigung von
Functionsverlusten, zur Wiederherstellung wichtiger Gelenk¬
bewegungen, zur tendinösen Fixation von total lahmen Gelenken.
Die Wahl unter diesen Methoden ist von Fall zu Fall ver¬
schieden, immerhin lassen sieh einige Normen aufstellen: Am
Schultergelenk ist die Arthrodese dankbar, falls der Vorderarm
gut ist. Am Ellbogengelenk ist eine in jedem Winkel feststell¬
bare Schamierhülsc zu verwenden. Für das Handgelenk kommt
Sehnenüberpflanzung und Verkürzung in Betracht zur Erzielung
der Dorsalflexion, an den Fingern gelegentlich eine Ueberpflan-
zung.
Das Hüftgelenk bedarf meist nur wegen Contractur eines
Eingriffes, der in Durchtrennung der Beuger besteht, sehr selten
wegen paralytischer Luxation.
Im Kniegelenk gibt das Schlottern, Genu recurvatum, val-
gum Indication zur Arthrodese, die Beugecontractur entweder
zur Tenotomie oder zurVersteifung mittels Apparat resp. Arthro¬
dese. Der Ersatz des Quadrieepa durch Transplantation kann
gelegentlich versucht werden.
Für partielle wie totale Lähmung des Sprunggelenkes ist
die Sehnenüberpflanzung die Operation der Wahl.
Periphere Lähmungen (z. B. des N. radialis, peroneus)
sind ebenso wie spinale der Sehnentransplantation bisweilen zu¬
gänglich.
Die Contracturen im Gefolge der Myelitis trans¬
versa werden durch Tenotomie und Redressement beseitigt.
Die Behandlung der sog. Compressionsmyelitis
mittels exacter Fixation und permanenter Extension hat über-
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
104
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3
raschend gute Resultate ergeben. Die Lamincctomie ist nur in-
dicirt, wo die Lähmung trotz Extension fort schreitet, Blase und
Mastdarm ergreift, ferner bei Bogencaries.
Die jüngst aufgestellte Indication der Compression durch
Enge des Wirbeleanals (dislocirte Sequester etc.) ist patho¬
logisch-anatomisch richtig, in praxi nie zu gewinnen. Ein Ver¬
such mit C a 1 o t'schem Redressement ist berechtigt, ehe zur
Operation geschritten wird.
Die T a b e s ist mit wechselndem Erfolg resp. Misserfolg
behandelt worden mittels Suspension. Ungefährlicher und
stundenlang zu verwenden ist die horizontale Extension im Bett.
Ein Bügclcorsett vermag nicht zu extendiren, nicht zu heilen,
wird aber als Stütze angenehm empfunden. Oomplicirtere Ap¬
parate vermögen hochgradige Ataxie zu bessern.
Unter den spastischen Affectionen ist die Litt-
1 e’sche Krankheit hervorzuheben, welche durch multiple Teno-
tomien, Sehnenüberpflanzung, Fixirung in Uebereorrectur und
sorgliche Nachbehandlung recht günstig zu beeinflussen ist.
Das Gleiche gilt für die cerebrale Kinderlähmung.
Nach Ueberpflanzung schwinden manchmal die Spasmen.
Orthopüd. Behandlung der a poplect i seht* n II e m i -
plegic hat bisher wenig Beachtung gefunden, selten bieten
Dystrophia muscularis, hysterische Contracturon u. a. m. Ge¬
legenheit hierzu.
Auf dem geschilderten Grenzgebiet ist gewiss nicht Alles
vom Orthopäden zu heilen, aber doch manches Leiden wesent¬
lich zu bessern.
Herr Ernst demonstrirt als seltene Arterieuvarietät un¬
paarigen Ursprung der Intereostal- lind Lumbalarterien aus der
Aorta und erörtert die Beziehungen dieser Anomalie zur Onto-
und Phylogeuie. (Seither erschienen in der Zeitschr. f. Morphologie
u. Anthropologie, Bd. 1, H. 3.)
Sitzung vom 21. November 1899.
HerrPassow: Küster’s osteoplastische Aufmeisselung
des Warzenfortsatzes (mit Krankenvorstellung).
In No. 49, 1899 dieser Wochenschrift veröffentlicht.
Herr Jordan: Die Zerreissung der Arteria meningea
media, ihre Folgen und ihre Behandlung (nebst Vorstellung
eines durch Operation geheilten Falles). Erscheint in dieser
Wochenschrift.
Sitzung vom 5. December 1899.
Herr Bettmann: Der praktische Werth der eosino¬
philen Zellen. (Erscheint in Volkmann's klinischen Vor¬
tragen.)
Herr Kiefer- Mannheim: Ein operirtes Ulcus duodeni.
(Wird in dieser Wochenschrift veröffentlicht.)
Sitzung vom 19. December 1899.
Herr Jordan: Vorstellung dreier Fälle von Trepa¬
nation nach Schädelverletzungen und Besprechung der Aus¬
füllung des Defectes durch Autoplastik und Heteroplastik.
(Erscheint in dieser Wochenschrift.)
Herr Cohnheim (nach gemeinschaftlichen Untersuchungen
mit Dr. Krieger): Eine Methode zur Bestimmung der ge¬
bundenen Salzsäure im x Magen.
(Wird kurz in dieser Wochenschrift, ausführlich in der Zeit¬
schrift für Biologie veröffentlicht werden.)
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 9. November 1899.
Vorsitzender: Herr S e n d 1 e r.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr T h o r n ein mäch¬
tiges cystisches Sarkom des linken Ovarium, das ausgezeichnet
ist durch eigenthiimliche pilzförmige Vortreibungen der Ober¬
fläche. Der Tumor sass noch zum Theil im linken Ligament, lat.,
theils war er durchgebrochen und die erwähnten Excrescenzen
schienen dadurch zu Stande gekommen zu sein, dass einzelne
Partien des Ligment. lat. stärkeren Widerstand dem Wachsthum
entgegengesetzt hatten und scheinbar fest die Stiele der pilzför¬
migen Gebilde um schnürten. Der Tumor war total mit Netz, zahl¬
reichen Darmschlingen, Peritoneum parietale, Rückwand des
Uterus und Douglas verwachsen und erschien zunächst inoperabel.
Doch gelang es allmählich, allerdings unter starker Verletzung der
Darmwand an verschiedenen Stellen, ihn zu Isoliren und in toto
abzutragen. Das rechte Ovarium war in gleicher Weise im Be¬
ginn der Erkrankung, ebenfalls total adhaerent und wurde mit¬
entfernt. Die Verletzungen des Darmes wurden, soweit es tech¬
nisch möglich war, vernäht; eine Resection hätte an verschiedenen
Stellen gemacht werden müssen und wäre in Anbetracht des
kaehektischen Zustandes der Kranken ein Wagnlss gewesen. Von
Metastasen war nichts tastbar; es bestand ziemlich reichlicher
Ascites.
Die Kranke überstand die Operation zunächst durchaus gut.
Bei der ersten Stuhlentleerung am 3. Tage fand sich allerdings
ein frisches Blutcoaguluin im Koth, sicher von einer der ver¬
letzten Darmstellen herrührend. Doch functionirte der Darm
in der nächsten Zeit durchaus gut; die höchste Temperatur betrug
38,5° am 2. Tage, der Puls hielt sich in guter Qualität stets zwi¬
schen 80—90 Schlägen. So schien die Heilung unerwartet günstig
von Statten zu gehen, als am 12. Tage ganz plötzlich die Erschei¬
nungen einer Perforation sich zeigten. Der Leib wurde sofort
geöffnet, die zerstörte Darmschlinge in die Wunde geheftet, die
Bauchhöhle ausgcsptilt und drainirt, doch war das Ende nicht
abztiwenden; 24 Stunden später trat der Exitus ein.
Sodann hält Herr Kirsch einen Vortrag: Ueber maschi¬
nelle Heilgymnastik.
Herr K i r s c li bespricht einleitend die Wichtigkeit körper¬
licher Bewegung für Erhaltung und Wiederherstellung der Ge¬
sundheit, sowie ihre verschiedenen therapeutisch verwendbaren
Formen als: Sport, deutsches Turnen, Spazierengehen, Berg¬
steigen, manuelle und maschinelle Heilgymnastik. Unter dem
Apparaten werden die Z a n d e Eschen ihrer Construction nach
besprochen. Am wichtigsten sind die activen Widerstands-
apparate, welche einen Gewichtshebel haben. Der an- und ab¬
schwellende Widerstand derselben kann trotz der von Herz-
Wien erhobenen Bemängelungen als gleichmässig wirkend und
als physiologisch begründet angesehen werden.
Therapeutisch findet maschinelle Gymnastik vielfache Ver¬
wendung in der Chirurgie und Orthopädie, namentlich zur Nach¬
behandlung von Verletzungen, andererseits aber auch im Bereich
der inneren Medicin, bei Herzkrankheiten, bei Emphysem, den
funotionellen Neurosen, der Gicht etc. Die grösste Einwirkung
findet auf das Gefässsystem statt. Bei Herzkranken müssen die
Bewegungen so gegeben werden, dass jedenfalls keine Erhöhung
der Pulsfrequenz stattfindet. Gymnastik soll nicht sym¬
ptomatisch angewandt werden, sondern sich immer in Berück¬
sichtigung des Gesammtzustandes in den Heilplan einfügen.
Es folgt der Vortrag des Herrn Sendler: Zur chirur¬
gischen Behandlung schwerer Haemorrhoidalleiden.
Herr S e n d 1 e r gibt zunächst einen kurzen Abriss des
Krankheitsbildes schwerer Haemorrhoidalleiden und ihrer Folge-
/ustiinde und empfiehlt für diese Fälle auf Grund eigener, an
53 glatt und gleichmässig verlaufenen Operationen gesammelten
Erfahrungen die blutige Entfernung der Haemorrhoiden in
Form der circulürcn Exeision mit nachfolgender Vemähung der
Schleimhaut des Rectum mit der Analhaut.
Diese Methode ist allen anderen überlegen, weil durch die¬
selbe die Primärheilung ermöglicht, die Heilungsdauer ab¬
gekürzt und die Bildung von Strieturen vermieden wird, so
dass sehr bald ganz normale Functionsverhältnisse des Mast¬
darms erreicht werden.
Der Vortrag wird in etwas anderer Form im Druck er¬
scheinen.
Disoussion. Zum Vortrag des Herrn Kirsch nimmt
Herr T sch marke das Wort und hebt insbesondere die Vor¬
züge der Heilgymnastik bei Herzkranken hervor.
Zum Vortrag des Herrn Sendler bemerkt Herr Habs
historisch, dass das von Sendler geschilderte Operationsver-
fahreti bereits im Jahre 1882 von Walter Whitehead ent¬
worfen wurde (Brit. med. Journ., 4. Febr. 1882). — Im Jahre 1887
veröffentlichte Whitehead dann eine grosse Zahl nach diesem
Verfahren operirter Fälle (Brit. med. Journ., Febr. 1887). — Zu
gleicher Zeit erschien eine Veröffentlichung von F. Lange
(Philadelph. Medical News, Febr. 1887), welcher, ohne von White-
chead’s erster Veröffentlichung Kenntniss zu haben, gleich¬
falls eine grössere Zahl von Fällen nach dem gleichen Verfahren
head’s erster Veröffentlichung Kenntniss zu haben, glelch-
dann auch Lange dies Verfahren als zw r eckmässigstes.
Herr Hei necke empfiehlt Pessarbehandlung und Dehnung
des Sphincter; Herr Gremse hält von der ersteren nichts.
Herr T h o r n bemerkt zur Controverse zwischen Send*
1 e r und Habs über die Urheberschaft der Operation, dass die
amerikanischen Veröffentlichungen wenig bekannt waren und
dass voraussichtlich eine ganze Anzahl Operateure schon vorher
in gleicher Weise operirt hat, so auch Th. selbst. Th. kam zuerst
zu diesem Verfahren bei dem den Prolapsus uteri et vaginae
häufig complieirenden Prolapsus recti, der häufig mit starken
Haemorrhoiden vergesellschaftet ist, und hat es später sehr häufig
bei Haemorrhoiden, die einen Eingriff erheischten, angewandt.
Th. pflichtet durchaus in der Werthung dieser Operation Send¬
ler bei und hält sie bei fehlender stärkerer Entzündung für das
einzig richtige Verfahren. Eine Opiumtherapie, um den ersten
Stuhl zu retardiren, hält Th. nicht für nöthig; ist der Darm ante
operat. wirklich gründlich entleert, so kommt bei flüssiger Diiit
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Gck igle
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16 . Januar
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
105
vor dem 8. Tage kaum je Stuhlgang und bis dahin ist die Heilung
genügend vorgeschritten. Th. hat zumeist noch ein mit Jodoform¬
gaze umwickeltes, nicht zu dickes Gummirohr eingelegt. Bei
starker Entzündung ist zunächst eine kräftige Dehnung des
Sphincter nothwendig: Th. hat in solchen schweren und anderer¬
seits in leichten Fällen, die zur Operation nicht aufforderten,
mit der Glycerintamponade sehr gute Erfolge erzielt und kann
diese nur angelegentlichst empfehlen. Th. hat seit einem Decen-
nlnin kein Glüheisen bei Hacmorrhoiden mehr angewandt.
VI. Versammlung des Vereins süddeutscher Laryn-
gologen
zu Heidelberg am 3. April 1899.
IV.
12. Herr Win ekler- Bremen: Zur Behandlung der Stirn-
höhleneiterung.
Der Vortrag ist an anderer Stelle dieser Nummer abgedruckt.
Wegen vorgerückter Zeit wird auf eine Discussion ver¬
zichtet.
13. Herr Proebating- Wiesbaden: Demonstration eines
Präparates von Thymushyperplasie bei einem an inspiratori¬
schem Stridor gestorbenen Kinde.
M. H.! Auf unserer letzten Versammlung hat Herr Avellis
eine interessante Mittheilung über den sogen, typischen inspira¬
torischen Stridor der Säuglinge gel -rächt und dabei die Ansicht ent¬
wickelt, dass diese Affection durch die Compression der unteren
Trachea und der Bronchien durch die vergrössertc Thymus bedingt
sei, dass es sich also nicht um eine Neurose, um eine dauernde
Heizung der corticalen Kehlkopfcentren, wie Semon u. A. meinten,
handle, sondern um eine rein mechanische „Tracheostenosis thymica“.
In der Discussion hoben die Herren Schech und Killian
hervor, dass es doch Fälle von typischem Stridor gebe, bei denen
nervöse Einflüsse die Trachealstenose bedingten.
Da die Discussion im Vorjahre wegen der vorgerückten Stunde
abgekürzt werden musste, und die Meinungen nicht überein stimmten,
da ferner die Pathologie der Thymus, dieses „merkwürdigen Organs“,
wie Fr. Albin Hoff mann in Nothnagels Handbuch sagt, bisher
vernachlässigt erscheint und besonders Seetionsbefunde von Kindern,
die an inspiratorischem Stridor gestorben sind, nur vereinzelt be¬
kannt geworden sind, so erlaube ich mir, Ihnen folgendes Präparat
zu zeigen.
Es handelte sich um ein Kind von 9 Monaten, das Mitte
Februar 1899 Btarb — es wurde Morgens unerwartet todt im Bett-
chen gefunden — nachdem ich es seit Anfang December 1898 wegen
des typischen inspiratorischen Stridors beobachtet hatte. Das Kind
hatte den eigenthümlichen Athmungstypus gleich nach der Geburt
gezeigt und stets beibehalten und zwar Nachts, und wenn es ruhig
lag, weniger, als wenn es schrie, trank oder sich bewegte. Zwei
Geschwister von 8 und G Jahren sind gesund, aber gracil gebaut
und etwas blass aussehend. Ein Bruder ist an acuter Krankheit,
anscheinend Diphtherie, verstorben. Bei der ersten Untersuchung
fand sich der Bachen frei, die Epiglottis nach hinten stehend und
ihre Seiten zusammengedrückt, so dass ein Einblick in den Larynx
unmöglich war. Die Nasenathmung schien auch behindert, obwohl
das Kind auch bei zugehaltenem Mund durch die Nase athmen
konnte. Am Hals fühlte man Kehlkopf und Schilddrüse normal
und neben dem unteren Theil der Trachea einen rundlichen, von
der Schilddrüse getrennten Tumor, der sich bis unter das Sternum
verfolgen liess. Der Percussionsscball auf dem Manubrium sterni und
rechts von demselben ist verkürzt. Nach meiner Ansicht handelte es
sich hier um die hyperplastische Thymus. Das Kind war schon
damals in der Ernährung entschieden zurückgeblieben, die Epiphysen
verdickt, die Kopfknochen sehr weich, die Fontanellen weit offen,
kurz die Rachitis war schon ausgesprochen vorhanden. Ich stellte
das Kind den Herren Collegen Cramer und W. Cuntz vor, um
mit ihnen wegen der eventuellen Operation nach Art des Rehn-
schen Falles Rücksprache zu nehmen. Wir konnten uns indessen
zur Opeiation, zum Herauszerren und Festnähen der Thymus nicht
entschliesscn, da bei der Lage des Organs das Herausziehen des¬
selben aus dem Mediastinum durch den damit verbundenen Druck
und Zerren vitaler Nerven und wichtiger Gefässe nicht unbedenk¬
lich erschien, auch der Effect der Operation bei der Grösse des
Organs zweifelhaft war, und Einer von uns (Cuntz), der sich viel
mit dieser Affection beschäftigt hat, wesentliche theoretische Be¬
denken gegen die supponirte Tracheostenosis thymica erhob.
Wir haben dem Kinde also Phosphorleberthran gegeben, ich
habe ihm den Nasenrachenraum mittels Gottstein ausgeschabt und
freigemacht, wodurch der Stridor allerdings in keiner Weise beein¬
flusst wurde — und so schien der, Fall, wie die meisten dieser Art,
ruhig verlaufen zu wollen, die rachitischen Erscheinungen traten
indessen weiterhin noch mehr hervor und am 14. Februar trat der
plötzliche Tod des Kindes ein
Die Section wurde am selben Tage durch Herrn Coli. Koeni’g
vorgenommen und hier habe ich das Präparat. Sie sehen die ver-
grösserte Thymus, die bis zur 6. Rippe herabreichte, links oben ver¬
wachsen mit der Carotis und dem N. vagus. Sie sehen die Trachea
vollkommen rund und ohne eine Spur von Compression. Die
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Knorpelringe sind, wie man besonders an der frischen Leiche bei
der Section sehen konnte, absolut normal elastisch und rund. Der
Kehldeckel ist eigentümlich nach der Mitte zu comprimirt und der
Larynxeingang wesentlich verkleinert.
Bei der Section überzeugten wir uns, dass in diesem Fall, wo
die Luftröhre durchaus nicht comprimirt war und wo die Thymus
sehr weit nach unten reichte, die Eröffnung des Mediastinum und
Versuche, die Thymus heraufzuholen und oben festzunähen, ganz
zwecklos gewesen und das Kind durch die Zerrung der Carotis,
des Vagus und Recurrens nur in grosse Gefahr gebracht haben
würde.
Ob ich nun die Erfahrung, die wir in diesem Fall machten,
verallgemeinern und überhaupt die Tracheostenosis thymica als Ur¬
sache des inspiratorischen Stridor leugnen sollte, lasse ich dahin¬
gestellt. Jedenfalls wird man in der Diagnose der Tracheostenosis
thymica und in dem Entschluss zur Operation nach Rehn vorsichtig
sein müssen und noch weitere Beobachtungen abwarten.
Erfahrene l*raktiker, die eine Reihe solcher Fälle beobachtet
haben, sind der Ansicht, dass der Stridor sich meist nach dem
2. Lebensjahre verlöre, und dass der plötzliche Tod, wie in unserem
Fall, nur die Ausnahme sei und demgegenüber sei die gefährliche
Operation nicht zu rechtfertigen.
14. Herr Gustav Killian- Freiburg i. B.: Die oesophago-
skopische Diagnose des Pulsionsdivertikels der Speiseröhre.
15. Herr Gustav Killian- Freiburg i. B.: Ueber einen
Fall von acuter Perichondritis und Periostitis der Nasen¬
scheidewand dentalen Ursprungs.
Beide Vorträge erscheinen in extenso in dieser Wochen¬
schrift.
16. Sir Felix Semon- London, als Gast: Die Stellung
der Laryngologie bei den internationalen Congressen und
die Frage ihrer Vereinigung mit der Otologie bei diesen
und ähnlichen Gelegenheiten.
(Der Vortrag erscheint ausführlich in den Verhandlungen des
Vereins.)
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Acad6mie de Mädecine.
Sitzung vom 5. December 1899.
Das Vorkommen von Arsenik im normalen Organismus.
Gautier konnte constatiren, dass das Arsenik normaler
Weise in sehr kleinen, aber trotzdem wägbaren Dosen im Gehirn,
in der Schilddrüse, ln noch kleineren Mengen in der Haut und in
der Thymusdrüse sich findet, aber keine Spur davon in den
anderen Eingeweiden vorhanden ist. Das Arsenik exlstirt als Ver¬
bindung mit Nuclein (Arsennucleln), welches neben den gewöhn¬
lichen Phosphornucleinen im Zellkern eine wichtige und sogar
nothwendige Rolle spielt. Bei den verschiedenen Krankheiten
jener Organe, wo es normaler Weise vorkommt und woraus es
im kranken Zustande verschwindet, ist die Verabreichung des
Arseniks als Medicament von Nutzen. Die Schilddrüse enthält
bei einem Gewicht von 21 g nur 0,16 mg Arsenik, d. i. = ■/woooooo
des Totalgewichts des Menschen; und dennoch genügt diese
schwache Dosis, dass die Drüse normal functionirt. Es ist also
anzunehmen, dass im Organismus specifische latente Functionen
existiren, bei welchen chemische Reactionen Vorkommen, die
charakterisirt sind durch die Anwesenheit und Fixirung gewisser
specieller chemischer Körper in gewissen Zellen. Das ist der
Fall für das Mangan, welches man in einigen oxydirenden Fer¬
menten findet, das Jod in der Schilddrüse, Fluor in den Knochen,
Arsenik im Gehirn, in der Haut und Schilddrüse. Diese all¬
gemeine Annahme, welche auf genauen chemischen Analysen be¬
ruht, führt zu einer Art speeifischer Therapie, welche den ver¬
schiedenen Organen den unumgänglich nothwendigen chemischen
Körper zuführt, der ihnen bei diesem oder jenem bestimmten
Fall fehlt. Schliesslich haben diese Thatsachen auch vom ge¬
richtsärztlichen Standpunkt aus Ihre Wichtigkeit; man kann ln
Zukunft nicht mehr das Arsenik der verschiedenen Eingeweide¬
organe zusammen dosiren, da man im normalen Zustande da¬
von abwägbare Mengen in der Schilddrüse, Haut und im Gehirn
finden kann. In Folge dessen ist der Arsenikbefund nur dann
von gerichtsärztlicher Bedeutung, wenn die Untersuchung auch
auf die anderen Organe, wo As sich normaler Weise nicht findet,
ausgedehnt wird.
Zur rationellen Behandlung der Epilepsie.
L a b o r d e behauptet, dass zur wirksamen Behandlung der
Epilepsie es nicht nöthig sei, den Organismus der Mineralsalze
zu berauben, wie es Ric he t und Toulouse in der letzten
Sitzung vorgeschlagen und begründet haben, sondern dass es
genügt, das Bromkali oder -natrium durch Bromstrontium zu
ersetzen. Der Organismus besitzt ln der That eine beträchtliche
Toleranz für dieses Salz, dessen physiologische oder therapeu¬
tische Wirkung mindestens ebenso gross ist wie die des Bromkall.
Bei einem Epileptiker, welcher 14—15 g Bromkall täglich nahm
und Bromismus ibereite^ hatte, 1 hatj F e rjö plötzlich und unver¬
mittelt dieses Salz durch dieselben Dosen Bromstrontium er¬
setzt, sah den Bromismus schwinden und Beruhigung eintreten.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
106
No. 3.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Laborde selbst erzielte in viel schwereren Fällen vortreffliche
Resultate, indem er mit 4 g Bromstrontium begann, jeden Tag
uml g stieg, ohne jemals 8—10 g zu überschreiten, und hat 5 Fälle
dieser Art, wo die Heilung seit 2—3 Jahren anhält.
Zur Anwendung des häufig unterbrochenen Stromes ln der
Gynäkologie.
Apostoli wandte diese Form Elektricität seit 3 Jahren
in seiner Klinik an, sie ist absolut unschädlich, wird gut ver¬
tragen und wirkt einerseits analgesirend, andererseits resolvirend
oder decongestionirend. Sowohl vom symptomatischen wie ana¬
tomischen Gesichtspunkte aus scheinen die intrauterinen Appli-
cationen des häufig unterbrochenen Stromes energischer und
lösender zu wirken als die ähnlichen Applicationen in der Vagina
und sind besonders angezeigt bei mangelhafter Involution der Ge¬
bärmutter und in all’ den Fällen, wo es sich darum handelt,
mehr oder weniger schmerzhafte oder Congestionserscheinungen
zu lösen. Der häufig unterbrochene Strom vereinigt in sich die
Eigenschaften des galvanischen und faradischen Stromes und
bildet nach Apostoli eine werthvolle Bereicherung in der
conservirenden Therapie der Frauenleiden. An 308 Kranken
wandte ihn A. im Ganzen 4232 mal an.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Society of Anaesthetists.
Sitzung vom 3. November 1899.
Narkose und Irrsinn.
G. H. Savage besprach diesen Gegenstand von folgenden drei
Gesichtspunkten aus: 1. Die Narkose als ein aetiologisches Moment
hei der Entstehung des Irrsinns. 2. Die Arten des auf Narkose
folgenden Irrsinn« und die Bedeutung der verschiedenen Arten der
Narkose. 3 Die Wirkung, welche die Narkose auf Irrsinnige, hoch¬
gradig Neurotische und auf genesene Irre ausübt. Die gewöhn¬
lichsten Geistesstörungen, welche man nach der Narkose beobachtet,
sind Manie, sowie Stupor und Verwirrtheit. Ausser bei Personen,
welche durch Erschöpfung, früheres Irresein oder dergl. stark prä-
disponirt sind, sieht man nur verschwindend selten Geisteskrank¬
heiten auf diese Weise sich entwickeln. Gewiss ist gelegentlich
auch die vorgenommene chirurgische Operation mit ihren Neben¬
umständen an sich von aetiologischer Bedeutung. Die Art des Be¬
täubungsmittels scheint weniger ausschlaggebend zu sein. S. hat nach
Verabreichung von Lachgas behufs Zahnextraction eine acute Manie
auftretcn sehen. Ferner hat er gelegentlich nach Geburten, bei
denen Anaesthetiea angewandt worden waren, Geistesstörungen
auftretcn sehen. Auffallend ist das vermehrte Auftreten von Stupor
von mehrwöchiger Dauer nach Operationen am Mastdarm und der
Blase, Besonders gefährlich ist die Narkose bei Personen, welche
an recurrentem Irrsein leiden. Recidive in directem Anschluss an
dieselbe sind bei solchen keineswegs ganz selten. Bei wirklich
Geisteskranken dagegen sieht man dadurch keine Verschlimmerung
des Zustandes eintreten. Ein Nutzen ist davon aber auch nicht zu
erwarten, ausser vielleicht in einzelnen Fällen von grosser Schwäche
nach manischer Erregung.
W. Tyrell erwähnt eine Beobachtung an einem kleinen
Mädchen, das nach zeitweilig klarem Bew usstsein nach der Narkose
in einen dreitägigen Stupor verfiel.
Frau Scharlieb berichtet über eine Dame, welche zweimal
nach der Narkose vorübergehend geistesgestört war. Einige ihrer
Wahnvorstellungen bestehen noch fort.
Crouch berichtet über einen Patienten, der im Anschluss
an Betäubung durch Lachgas und Aether wegen einer Zahnoperation
heftiges Delirium mit nachfolgender lebenslänglicher Demenz ac-
quirirte.
J. F. W. Silk (Vorsitzender) glaubt an einen gewissen Zu¬
sammenhang zwischen dem Delirium nach Aethernarkosen und
dem Ausbleiben von Erbrechen. Er hat auch verschiedentlich Fälle
von Manie im Anschluss an Resectionen des Rectums beobachtet.
Philippi.
Pathological Society of London.
Sitzung vom 7. November 1899.
Ueber einen diphtherieartigen, bei Tauben yorkommenden
Organismus berichtet A. Macfadyan und R. T. Hewlett
Es war ihnen ohne nähere Angabe eine Portion von dem Inhalt
des Rachens einer Taube geschickt worden, und sie hatten die
Diagnose auf Diphtherie mit Kl ebs-Löff 1 ersehen Bacillen ge¬
stellt. Als ihnen der Ursprung des Präparates bekannt wurde,
untersuchten sie eine Reihe von sowohl gesunden Thieren als auch
von solchen, welche, wie der erste Fall, an „pigeon cancer“, Krebs¬
schaden der Tauben, litten. Diese Krankheit beifällt sowohl den
Kopf als den Schlund der Vögel und bildet theils trockene,
warzige Knoten. theils sehr fest haftende Membrane auf der
Schleimhaut. Bei allen fanden sich neben Coccen auch Bacillen,
welche betreffs Grösse, paralleler Anordnung und Färbew'eise
typische Erscheinungen wie echte Diphtheriebacillen aufwiesen.
Sie sind nicht beweglich und geben, nach Gram gefärbt, zwei
Unterarten. Die erste gibt auf Serum eine trockene, festhaftende
Cultur wie der Xerosebacillus sowie auf Bouillon ein Häutchen wie
der Parkes sehe Diphtheriebacillus, während die zw'eite Art in
ihrem Wachsthum mehr dem gewöhnlichen Diphtheriebacillus
ähnelt. Erstere war von den äusseren Knötchen gewonnen und
gibt eine schwache Indolreaction, letztere stammte vom Rachen
her und gibt eine deutliche Reaction auf Indol Beide Arten ent¬
wickeln Säure wie der Diphtheriebacillus. Die Affection lässt sich
von einer Taube zur anderen direct übertragen, doch ist bisher
eine Impfung mit den Reinculturen noch nicht geglückt.
Verschiedenes
Vertheilung der Aerzte in Deutschland.
Die Zahl der Aerzte in Deutschland betrug nach dem „Personal-
verzeichniss“ in Börner’s Reichsmedicinal-Kalender pro 1900, II.Th.,
:»m 15. October 1899 26689 (gegen 25 757 im Vorjahre). Ee treffen also
bri einer Bevölkerungszabl von 52 251 917 Einwohnern auf 1957 Ein¬
wohner 1 Arzt, auf 10 000 Einwohner 5,1 Aerzte.
Im Jahre 1886 (s. diese Wochenschrift 1887, No. 4) betrug die
Zahl der Aerzte 16 292 bei einer Bevölkerungszahl von 46 840 687,
also 1; 2875 und 3,4:10 000. Die Zahl der Aerzte hat sonach am
63,8 Proc., die Einwohnerzahl Deutschlands um 11,5 Proc. zuge-
genommen.
Auf die wuchtigsten Einzelstaaten vertheilt, gestaltet sich das
Verhältniss folgendermaaßsen:
Preussen . .
Bayern ....
Sachsen . . .
W ürttemberg .
Baden .
Hessen ...
Elsass-Lothriiieen
28 313 833,9 347131 855 12s!l6 103 l:302»ll: 1978
5 416 180 1 973 1 5 797 414 2 947 1:2745111:1967
3 179 168 1156, 8 783 014 1 968 1:275011:1922
1994 849 614i 2 080 898 8701:8248111:2392
1600 839 685J1 725 470 1 027 1:2 336j|l: 1680
956170! 414 1 1039 388 661 1:280911: 1572
1563145! 496 1 641220 7661:3151 1:2140
Proc!
72.3
50.3
70,2
41,7
59,1
59,6
54.4
Die stärkste Zunahme fand somit in Preussen, die geringste
in Württemberg statt.
In den deutschen Städten mit über 100000 Einwohnern ge¬
staltete sich die Zahl der Aerzte und deren Verhältniss zur Zahl
der Einwohner wie folgt:
1886 1899
Berlin. 1320 000 1193 1:1106 1 833 147 2314 1: 725
Hamburg. .. 518712 319 1:1624 675351 544 1:1241
München.... 260 005 333 1: 780 411001 637 1: 640
Leipzig. 170 076 214 1: 794 399 963 411 1: 973
Breslau. 299 405 273 1:1096 373166 510 1: 732
Köln. 161 270 135 1:1194 360 047 330 1: 974
Dresden .... 245515 240 1:1023 354285 408 1: 868
Frankfurt a. M. 154 504 154 1:1003 229 279 328 1: 699
Magdeburg... 114 298 76 1:1503 214 424 169 1:1269
Hannover . . . 139 746 122 1.1145 209 535 235 1: 892
Düsseldorf ... 115183 79 1:1458 176 025 158 1:1114
Königsberg .. 151 177 141 1:1072 172 796 256 1: 675
Nürnberg. . . . 114 632 72 1:1592 162 386 146 1:1111
Chemnitz. . . . 110 808 38 1:2916 161017 100 1:1610
Charlotten bürg — — — 160 000 308 1: 513
Stuttgart .... 125906 127 1: 991 158321 200 1: 792
Stettin. — — — 151813 160 1: 780
Altona. 104 719 46 1:2276 148 944 87 1:1712
Bremen. 118 615 64 1:1846 141937 115 1:1234
Elberfeld.... 106 500 40 1:2662 139 341 73 1:1909
Strassburg ... 112220 118 1: 949 135313 215 1: 629
Barmen. 103 066 33 1:2916 127 002 73 1:1740
Aachen. — — — 126 345 112 1:1128
Danzig. 114 822 69 1:1664 125 639 146 1: 860
Halle. — - - 116 304 203 1: 573
Braunschweig . — — — 115 138 110 1:1046
Dortmund ... — — — 111232 77 1:1445
Krefeld. — — — 107 278 60 1:1787
Am reichsten ist also Charlottenburg mit Aerzten versorgt (1:513);
es folgen, in aufsteigender Linie geordnet, Halle, Strassburg, München,
Königsberg, Frankfurt a. M., Berlin, Breslau, Danzig, Dresden, Stettin,
Hannover, Leipzig, Köln, Braunschweig, Nürnberg, Düsseldorf, Aachen,
Hamburg, Bremen, Magdeburg, Dortmund, Chemnitz, Altona, Barmen,
Krefeld, Elberfeld (1:1909).
Es zeigt sich hier einerseits der Einfluss der Universitäten an
einer auffallend grossen, der Einfluss der Krankencassen in grossen
Industriecentren an einer geringeren Anzahl von Aerzten; der Durch¬
schnitt beträgt 1:1063.
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
107
Im Jahre 1886 hatte von den Städten mit mehr als 100000 Ein¬
wohnern die meisten Aerzte München mit 1:780, die wenigsten
Barmen mit 13123, der Durchschnitt betrug damals 1:1515.
Die Bevölkerung hat sich in Berlin um 38,8 Proc., in München
um 58,7 Proc., die Zahl der Aerzte in Berlin um 93,9 Proc., in München
um 91,3 Proc. vermehrt.
Die 2947 bayerischen Aerzte vertheilen sich auf die einzelnen
Kreise wie folgt: Oberbayern 991 (davon München 637), Mittel-
franken 397, Unterfranken 385, Pfalz 325, Schwaben 304, Ober¬
franken 200, Niederbayern 184, Oberpfalz 161.
50,0 Proc. der bayerischen Aerzte leben in Städten mit über
10000 Einwohnern, 40 Proc. in Städten mit über 40000 Einwohnern,
21 Proc. in München. Auf dem Lande und in Städten bis zu 10000
Einwohnern hat die meisten Aerzte Oberbayem ^1:2300), es folgen
Unterfranken (1:2500), Schwaben (l -2600\ Pfalz (1:3000), Mittel-
franken (1:3300), Oberfranken (1:4300), Niederbayern (1:4500) und
Oberpfalz (1:4700).
Auf 100 qkm wohnen im Deutschen Reiche im Durchschnitt
4,94 Aerzte und zwar am dichtesten in Sachsen (13,13), am wenigsten
dicht in Bayern (3,88) Jedoch wohnen hier in Oberbayern 5,92,
in der Pfalz 5,47, in Mittelfranken 5,24 Aerzte auf 100 qkm, in
Niederbayern dagegen 1,71, in der Oberpfalz 1,67.
Es ergibt sich aus diesen Zahlen, dass die Zahl der Aerzte in
Deutschland in den letzten 13 Jahren in viel stärkerem Maasse ge¬
wachsen ist, als der Zunahme der Bevölkerungsziffer entspricht,
und dass namentlich der Zugang in den grossen Städten «ranz un-
verhältnissmässig gross ist. Unter solchen Umständen ist die un¬
günstige Lage des ärztlichen Standes leicht erklärlich, und eine
Besserung nicht zu erhoffen, solange der Zudrang zum ärztlichen
Berufe sich nicht vermindert. R. S.
Therapeutische Notizen.
Pruritus ani. Maguire empfiehlt in Therapeutie Progress
folgende nach gründlicher Reinigung des Afters äusserlich sowohl
wie in die unteren Rectumpartien zu applicirende Salbencomposition:
Rp.: Creolin
Resorcin äa 1,25,
Lanolin 30,0.
M. f. ugt. F. L.
Seekrankheit. Nach dem Motto: «Similia similibus>, wie
es scheint, lässt L. C. Washburn zur Vermeidung der Seekrank¬
heit */a Liter Seewasser trinken. Die Folge davon ist natürlich Er¬
brechen, sehr oft wirkt dasselbe auch als salinisches Abführmittel.
Die prophylaktische Wirkung dieser etwas heroischen Procedur soll
in keinem Falle ausbleiben. (Merck’s Archives, August 1899.) F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 16. Januar 1900.
— Im deutschen Reichstag ist am 13. ds. bei Berathung des
Etats des Reichsamts des Innern die Frage der Zulassung von
Realschulabiturienten zum Studium der Medicin zur
Sprache gekommen. Dabei hat sich der Staatssekretär Graf Posa-
dowsky für diese Zulassung ausgesprochen. Er führte etwa Fol¬
gendes aus*.' „Ich stehe in diesem Punkte auf einem etwas moder¬
nen Standpunkt. Wie ich entschieden dafür eingetreten bin, dass
weibliche Personen als Aerzte approbirt werden können, so möchte
ich mich auch .mehr bejahend als verneinend aussprechen in der
Frage, die der Vorredner an mich gerichtet hat. Der Kreis der
Aerzte wird ein recht geringer sein, der noch die Werke griechischer
und lateinischer Aerzte im Urtext studirt. (Sehr richtig! links.)
Jene Werke haben doch mehr eine historische Bedeutung. Ich
könnte mir desshalb wohl denken, dasB man den Realsehulabitu-
rienten unter Umständen den Zutritt zu dem ärztlichen Beruf er¬
öffnen könnte, vielleicht unter der Voraussetzung, dass der Unter¬
richt des Lateinischen, wo das verlangt wird von zuständiger Stelle,
etwas vertieft und dementsprechend eine Aenderung des Lehrplans
der Realschule vorgenommen wird. Aber ich bitte, mich auf diese
Erklärung nicht festnageln zu w-ollen. Es ist eine persönliche Auf¬
fassung, und ich kann keine Erklärung zur Zeit abgeben, wie sich
die verbündeten Regierungen dazu stellen werden, insbesondere,
welche Stellung die preussische Regierung dazu einnimmt. (Hört!)
Ich habe aber immerhin den Eindruck, dass auch diese einen in¬
transigenten Standpunkt einzunehmen nicht gedenkt.“ — Der Herr
Staatssekretär unterschätzt hier die deutschen Aerzte. In wenigen
belehrten Berufen wird man eine so grosse Zahl von Männern fin¬
den, die sich zum Zweck historischer Studien eingehend mit den
alten Klassikern beschäftigen, wie unter den Aerzten. Es wäre
leicht, eine ansehnliche Reihe von Aerzten zu nennen, die noch
in den letzten Jahren wichtige Ergebnisse ihrer medicinisch-histo-
rischen Quellenstudien veröffentlicht haben. Aber davon abgesehen
lernen wir doch Latein und Griechisch nicht nur desshalb, um die
alten Klassiker im Urtext lesen zu können, sondern w r eil man dieses
Studium als die beste Schulung des Geistes und die Beschäftigung
mit den Alten für geeignet betrachtet, die Bildung der Jugend mit
einem höheren sittlichen Inhalt zu erfüllen. Wenn dies zutrifft,
so kamt die humanistische Vorbildung der Aerzte nicht preis-
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gegeben werden, denn kein anderer Beruf stellt an seine Jünger
so hohe sittliche Anforderungen, wie der ärztliche. Erkennt aber
der moderne Standpunkt, auf dem der Herr Staatssekretär steht, diese
veredelnde Wirkung der humanistischen Studien nicht an . hat
das Studium der alten Sprachen wirklich keinen tieferen Zweck
als die Leetüre der Klassiker im Urtext, so quäle man allerdings
unsere Jugend nicht länger mit diesem Studium, sondern werfe es
über Bord, aber nicht nur für die künftigen Aerzte, sondern allge¬
mein und überlasse es Denen, die die alten Sprachen für ihren
Beruf brauchen, sich die Kenntnis» derselben auf dem Wege des
Fach Studiums zu erwerben. Die Forderung der Aerzte muss immer
die bleiben, dass dem ärztlichen Nachwuchs die höchste überhaupt
erreichbare allgemeine Bildung zu Theil wird.
— Was Vorstände von Krankenoassen ihren Cassenürzten Alles
zu bieten wagen, davon hat man ja unter der Herrschaft des
Krankenversieherungsgesetzes manch hübsche Probe erlebt; niemals
aber dürfte zu Aerzten eine impertinentere Sprache geredet worden
sein, als sie der Vorstand der Ortskrankeneasse VIII der Stadt
München seinen Cassenärzten gegenüber sich zu führen erlaubt.
Diesen ist vor Kurzem seitens des Cassenvorstandes ein Schreiben
zugegangen, das folgenderinaassen anhebt:
«Bei der heutigen Auszahlung der Krankengelder musste
leider die Erfahrung gemacht werden, dass die Herren Cassenärzte
ihre Pflicht nicht gethan haben! Es ist nach dem Resultat des
heutigen Tages ganz unmöglich, dieses harte Urtheil auch nur in
etwas abzumindern. Wir wenden uns daher an Sie mit der Hoff¬
nung, dass Sie das Versäumte nachholen und erklären ausdrücklich,
dass wir nicht einmal untersuchen w f ollen, wer Alles an diesem
«Erfolg» schuld ist und dass der oben erhobene Vorwurf nicht
denEinzelnen, sondern die Gesammtheit der Herren Cassen¬
ärzte trifft.»
Das Schreiben weist sodann ein starkes Anwachsen des
Krankenstandes und der auszuzahlenden Krankengelder nach und
führt dies darauf zurück, dass Leute als arbeitsunfähig behandelt
würden, die dies keineswegs sind und «dass den Meisten lediglich
ein leichter Katarrh anhafte, wie ihn im Winter die Mehrzahl der
Menschen habe.» Es fehle an der Energie, mit der diesen Leuten
gesagt werden müsse, dass sie zwar möglicherweise krank, auf
keinen Fall jedoch arbeitsunfähig seien.
«Kann denn», fährt das Schreiben fort, «absolut nicht aus¬
einandergehalten werden, dass es sich lim eine Krankencasse
handelt?
Aus deren Mitteln kann und darf doch aus gar keinen Gründen
Armen- oder Arbeitslosenunterstützung angewiesen werden!! Auch
dann nicht, wenn sich der Arzt beliebt machen will!»
Es folgen dann eine Reihe von Vorschlägen, von deren stricter
Erfüllung allein Erfolg erwartet wird.
Es ist selbstverständlich, dass die Aerzte der Casse diese grobe
Verunglimpfung nicht ruhig hingenommen haben. Vor Allem
haben sämmtliche Polikliniken, sowohl im Reisingerianum wie in
den Krankenhäusern, die weitere Behandlung von Mitgliedern
dieser Casse sofort eingestellt und die übrigen in Betracht kom¬
menden Aerzte haben eine sehr entschiedene Entgegnung an die
Casse gerichtet, in der sie verlangen, dass das Schreiben unter
dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen werde. Die Casse
ist somit durch die Grobheit ihres Vorstandes in eine wenig ange¬
nehme Lage gerathen und dürfte wohl dafür sorgen, dass ihre
Beamten in Zukunft sich mit dem Ton, der gebildeten Männern
gegenüber geziemt, besser vertraut machen.
— Die neue Aerztekammer für Berlin-Brandenburg wählte zu
ihrem Vorsitzenden wiederum den Geh. Sanitätsrath Dr. Becher.
Als Delegirter zur wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal-
wesen wurde Prof. Mendel mit Prof. Landau als Stellvertreter
gewählt. Mit der Vertretung der Aerztekammer im Medicinal-
collegium der Provinz Brandenburg w r urden Dr. G o c k, Director der
Landesirrenanstalt in Landsberg a. W., und Prof. Dr. Thiem-Kott-
bus als Mitglieder und Sanitätsrath Dr Lewandowsky-Berlin und
Prof. Dr. Kossmann-Berlin als deren Stellvertreter betraut. In
den Ausschuss der Aerztekammem wurden Geheimer Sanitätsrath
Dr. Becher-Berlin als Mitglied und Geheimer Medicinalrath Dr.
Wiebecke-Frankfurt a. O. als Stellvertreter abgeordnet,
— An anderer Stelle dieser Nummer veröffentlichen wir den
Entw’urf von Vorschriften über den Verkehr mit Geheim¬
mitteln, der zur Zeit dem Bundesrath vorliegt. Der Entwurf
verbietet die öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln und die
Feilhaltung von schwindelhaften und gesundheitsgefährlichen Ge¬
heimmitteln. Welche Mittel Geheimmittel im Sinne dieses Ge¬
setzes sind , bleibt der Entscheidung der Behörden überlassen, ein
Vorbehalt, der dadurch nothwendig w’urde, dass eine zutreffende
Definition des Begriffes „Geheimmittel“ bisher nicht gefunden wurde.
— In London herrscht z. Z. eine heftige Influenza-
Epidemie. Dieselbe verursachte in der Woche vom 31. December
bis 6. Januar 316 Todesfälle, gegen 38, 69 und 193 in den drei
vorhergehenden Wochen. Die Hälfte dieser Todesfälle betrifft Leute
im Alter von mehr als 60 Jahren.
— Pest. Britiseh-Ostindien. In der Woche vom 2. bis 9. De¬
cember v. J. hat die Pest im Ganzen weiter abgenommen. Die
Gesammtzahl der in jener Zeit gemeldeten, durch die Seuche her¬
beigeführten Todesfälle betrug 1579 gegenüber 1946 in der Vor-
Qrifjinal fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
108 MÜNCHENER MEDICINISCJIE WOCHENSCHRIFT. No. 3.
woche. In der Präsidentschaft Bombay sind die entsprechenden
Sterblichkeitsziffern auf 1161 von 1274 zurückgegangen; sämmtliche
dortige Bezirke, mit Ausnahme desjenigen von Sholapur, wiesen
eine Besserung auf. Dagegen ist die Zahl der Peststerbefälle in
der Stadt Bombay von 129 auf 159 gestiegen. In der Provinz
Madras haben sich die gemeldeten tödtlichen Fälle in der Be*
riehtswoche auf 10 und in den Centralprovinzen auf 11 von
23 bezw. 16 in der Vorwoche vermindert. Im Staate Mysore
war kein Wechsel im Stande der Seuche eingetreten; im Jullun-
der*Bezirk im Punjab kamen 9 tödtliclie Fälle vor, in Kalkutta
haben sich dieselben von 52 auf 56 gesteigert. — China. In der
portugiesischen Colonie Makao ist zufolge Mittheilung von Ende
Deeember v J. die Pest ausgebrochen. — Madagaskar. In Tama-
tave ist in der Woche vom 5. bis 11 Deeember 1899 eine Er¬
krankung und ein Todesfall an der Pest festgestellt; vom 12. bis
18. Deeember wurde eine Erkrankung, Jedoch kein Todesfall an
der Pest gemeldet — Sandwich-Inseln. In Honolulu sind am
11. Deeember v. J. 2, am 25. Deeember 3 Fälle von Pest beobachtet
worden. V. d. K. G.-A.
— In der 52. Jalireswmche, vom 24. bis 30. Deeember 1899, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Danzig mit 34,6, die geringste Kottbus mit 8,9 Todesfällen
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬
storbenen starb an Masern in Bamberg, Danzig, Essen, Frankfurt
a. O., Köln, Plauen; an Diphtherie und Croup in Kaiserslautern,
Osnabrück.
— Bacteriologisclie Fortbildungscurse für amt¬
liche und praktische Aerzte. Wir machen aufmerksam auf
eine Bekanntmachung im nicht-redactionellen Theil des Blattes,
wonach der nächste derartige Curs im kommenden März im hygie¬
nischen Institut München, ein weiterer im Herbst in Erlangen
stattfindet.
— An der Universität Greifswald wird für die 'zweite Hälfte
des Juli auch dieses Jahres ein Aerztecursus geplant, der von den
Professoren der Universität in Verbindung mit den Privatdocenten
und Assistenten abgehalten werden wird. Dauer des Cursus ist
entsprechend den bei früheren Gelegenheiten geäusserten Wünschen
der Theilnehmer auf 14 Tage festgesetzt.
(Hochschulnachrichten.)
Amsterdam. Dr. J. K. A. Wertheim-Salomonson wurde
zum a. o. Professor der Neurologie, Elektrotherapie und Radiographie
ernannt.
Catania. Der Privatdocent an der medicinischen Facultät
zu Neapel D. G. Traversa habilitirte sich für experimentelle Phar
makologie und Therapeutik.
Lemberg. Dem Privatdocent für medicinische Pathologie
Dr. O. v. Widmann wurde der Titel eines ausserordentlichen
Professors verliehen,
London. Der Professor der Materia medica und Therapeutik
Dr. N. J. C. Tirard wurde zum Professor der Medicin an King's
College ernannt.
Neapel. Habilitirt: Dr. F. Matoni für medicinische Patho¬
logie; Dr. C. Colucci für Neurologie; Dr G Angiolella für
Psychiatrie; Dr. A. Sanduli für operative Medicin.
Wien. Als provisorischer Leiter des embryologischen Institust
wurde nach Prof. Schenk’s Beurlaubung Prof. Schaffer bestellt.
(Todesfälle.) Dr. Fr. Orsi, Professor der medicinischen Klinik
zu Pavia.
Hofrath Dr. Faesebeck in Braunschweig, 90 Jahre alt, einer
der ältesten noch prakticirenden Aerzte in Deutschland.
Dr. Wilhelm Sommer, Director der Provinzialirrenanstalt in
Allenberg (Ostpreussen), 47 Jahre alt.
Obermedicinalrath Dr. Adolf Rudolphi zu Neustrelitz, seit
1896 Mitglied und seit 1897 stellvertretender Vorsitzender des Aus¬
schusses des Allgemeinen Mecklenburgischen Aerzte-Vereins.
Amtliches.
Die Pharmaceut. Zeitung veröffentlicht folgenden, dem
Bundesrath vorliegenden
Entwurf von Vorschriften über den Verkehr
mit Geheimmitteln.
Der dem Bundesrath vorliegende Entwurf hat folgenden
Wortlaut;
$ 1. Auf den Verkehr mit Geheimmitteln, die zur Verhütung
oder Heilung von Menschen- und Thierkrankheiten bestimmt sind,
finden die Vorschriften der nachstehenden §§ 2 bis 6 Anwendung.
§ 2. Welche Stoffe, Zubereitungen und Gegenstände als Ge¬
helmmittel im Sinne dieser Vorschriften zu gelten haben, wird
durch die Landescentralbehörde bestimmt.
Als Geheimmittel werden in der Regel nicht erklärt Stoffe
und Zubereitungen, welche
1. in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen worden sind
und unter der dort angewendeten Bezeichnung angeboten werden;
2. in der medicinischen Wissenschaft und Praxis als Heil¬
mittel allgemeine Anerkennung gefunden haben;
3. lediglich als Desinfectionsmittel, kosmetische Mittel,
Nahrungs- und Genussmittel oder Kräftigungsmittel angeboten
werden.
§ 3. Die öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln ist
verboten.
§ 4. Die Gefässe und die äusseren Umhüllungen, in denen
Geheimmittel abgegeben werden, müssen mit einer Inschrift ver¬
sehen sein, welche den Namen des Geheimmittels und den Name;»
oder die Firma des Verfertigers deutlich ersehen lässt. Ausserdem
muss die Inschrift auf den Gefässen oder den äusseren Umhül¬
lungen den Namen oder die Firma des Geschäfts, in welchem
das Geheimmittel verabfolgt wird, und die Höhe des Abgabe¬
preises enthalten.
Es ist verboten, auf den Gefässen oder äusseren Umhül¬
lungen, in denen Geheimmittel abgegeben werden, Anpreisungen,
insbesondere Empfehlungen, Bestätigungen, gutachtliche Aeusse-
rungen oder Danksagungen, in denen eine Heilwirkung oder
Schutz Wirkung dem Geheimmittel zugeschrieben wird, anzu¬
bringen oder solche Anpreisungen, sei es bei der Abgabe von Ge¬
heimmitteln, sei es auf sonstige Weise zu verabfolgen.
§ 5. Auf die Verabfolgung von Geheimmitteln in den Apo¬
theken finden die §§ 1 bis 8 der vom Bundesrath am 13. Mal 1896
(§ 293 der Protokolle) beschlossenen Vorschriften, betreffend die
Abgabe starkwirkender Arzneimittel u. s. w„ Anwendung.
Der Apothekeninhaber ist verpflichtet, sich Gewissheit da¬
rüber zu verschaffen, dass die Verabfolgung der von Ihm vor-
räthig gehaltenen Geheimmitteln im Handverkaufe den In Abs. 1
bezeichneten Vorschriften nicht zuwiderläuft.
Geheimmittel, über deren Zusammensetzung der Apotheken¬
inhaber sich nicht soweit vergewissern kann, dass er die Zulässig¬
keit der Abgabe im Hand verkaufe zu beurtheilen vermag, dürfeu
nur auf schriftliche, mit Datum und Unterschrift versehene An¬
weisung eines Arztes, Zahnarztes oder Thierarztes, in letzterem
Falle jedoch nur beim Gebrauche für Thiere verabfolgt werden.
Die wiederholte Abgabe ist nur auf jedesmal erneute ärztliche,
zahnärztliche oder thierärztliche Anweisung gestattet.
Bel Geheimmitteln, welche nur auf ärztliche Anweisung ver¬
abfolgt werden dürfen, muss auch auf den Abgabegefässen oder
den äusseren Umhüllungen die Inschrift „Nur auf ärztliche An¬
weisung abzugeben“ angebracht sein.
§ 6. Geheimmittel, durch deren Verwendung die Gesundheit
gefährdet wird, sowie solche Geheimmittel, durch deren Vertrieb
das Publicum in schwindelhafter Weise ausgebeutet wird, dürfen
nicht angeboten oder feilgehalten werden. Welche Gehelmmittel
diesem Verbote unterliegen, bestimmt die Landescentralbehörde.
Correspondenz.
In meiner Publication In No. 1 dieses Jahrganges findet sich
die Bemerkung, dass die Pneumococcenconjunctivitis nach meinen
Beobachtungen ein „wie es scheint“ eigenes Symptom im
Krankheitsverlaufe, nämlich eine Art von kritischem Abfall der
Eutzündungserscheinungen darzubieten pflegt. Den Ausdruck
„wie es scheint“ habe ich deshalb gewählt, weil die Anzahl
der in dieser Hinsicht beobachteten Fälle relativ gering war. Von
Herrn Prof. Dr. A x e n f e 1 d - Rostock erfahre ich nun brieflich,
dass er, wie mir allerdings nicht bekannt war, die gleiche Be¬
obachtung des kritischen Verlaufes schon früher gemacht hat und
dass er diesen Verlauf für typisch und sichergestellt hält, wie er
in No. 44 der Deutsch, med. Wochenschr. vom Jahre 1898 aus-
geftihrt habe.
Von dieser Mltthellung möchte ich ira Interesse einer ge¬
rechten Feststellung der Priorität der Beobachtung Kenntnlss
geben.
München, 10. Januar 1900.
Dr. v. Ammon.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheitqnfür München
in der 1. Jahreswoche vom 31. Dec. 1899 bis 6. Jan. 1900.
Betheil. Aerzte 286. — Brechdurchfall 6 (8*), Diphtherie,
Croup 14 (12), Erysipelas 5 (10), Intermittens. Neuralgia intenn.
1 (1), Kindbettfieber — 1 3), Meningitis cerebrospin — (—), Morbilli
414 (228), Ophthalmo-Blennorrhoea neonat. 12 (1), Parotitis epidem.
3 (6), Pneumonia crouposa 17 (43), Pyaemie, Septikaemie — (—),
Rheumatismus art. ac. 27 (23), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
7 (11), Tussis convulsiva 16 (17), Typhus abdominalis 3 (3),
Varicellen 23 (14), Variola, Variolois — (—). Summa 531 (380).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 1. Jahreswoche vom 31. Dec. 1899 bis 6. Jan. 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000.
Todesursachen: Masern 6 (1*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 8 (—), Rothlauf — (—), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall — (11, Unterleibstyphus
— (1), Keuchhusten 2 (1). Croupöse Lungenentzündung — (1),
Tuberculose a) der Lungen 19 (23), b) der übrigen Organe 4 (4),
Acuter Gelenkrheumatismus — (4), andere übertragbare Krank¬
heiten 4 (4), Unglücksfälle 4 (2), Selbstmord 2 (3), Tod durch
fremde Hand — (—).
Die Gesammtzahl der 8terbefälle 201 (207), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 23,1 <24,2), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,8 (15,9).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
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Verlag von J. F. L>
Google
Lehmann in München. — Druck von E. M itlthilu'f lul- nd
Ki mc »u c Inti, A. O. Kirdcn.
Original from
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Pfe Mfinch. Med. Wochenschr. erscheint wöohentl.
ln Nummern von . durchschnittlich 4—1 > Bogen.
Preis ln Deutschi, u Oest.-Ungam vlcrteljährl. 6 JC,
ins Ansland 7.50 JC. Einzelne No. *X) 4 .
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redaciioä
Ottostracae 1. - Für Alionnement an J. F Leh¬
mann, Heustrasse 20. Für Inserate und Beilagen
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz ifi
MEDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäuraler, 0. Bollinger, H. Gurschmann, C. Gerhardt, W. r. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H, t. Ranke, F.». Winckel, H,». Zlenssen,
Vreiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
Jß. 4. 23. Januar 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Aus dem hygienischen Universitätsinstitute in Innsbruck.
(Jeher die Kohlensäureausscheidung bei wiederholten
kalten Bädern (nach Versuchen an Hunden).
Vorläufige Mittheilung von Prof. A. Lode und Dr. A. D u r i g.
X a s a r o f f') hat unser<*s Wissens zuerst die bedeutsame
Thatsache festgestellt, dass Versuehsthiere, und zwar Hunde,
nach täglich wiederholten Bädern es dahin bringen, dass die
Differenzen zwischen den vor dem Bade und nach dem Bade ab¬
gelegenen Beetaltemperaturen allmählich kleiner werden. Selbst¬
verständlich muss die Badetemperatur, um den Versuch ein¬
deutig zu machen, so niedrig gewählt werden, dass der Abfall
der Körpertemperatur bei den ersten Bädern ein beträcht¬
licher ist.
Es findet also durch irgend eine sieli ausbildende Ein¬
richtung des Organismus eine Art Anjuissung des Körpers an
diese Wänneentziehungen statt, als deren Resultat das zähere
Festhalten des Körpers an seine normale Körperwärme anzu¬
sehen ist.
Dass hierzu eine Leistung des Körpers erforderlich ist, geht
auch daraus hervor, dass hungernde und herabgekommene Thiere
sieh abweichend von der eben erwähnten Norm verhielten und
eine „Anpassung“ nicht zeigten.
Da in der Literatur die Beobachtungen N a s a r o f Fs ,
wenigstens unseres Wissens, nicht weiter erwähnt wurden,
waren wir Anfangs etwas skeptisch den Ermittelungen gegen¬
über. Bald überzeugten uns aber Nachprüfungen, die von Einem
von uns schon im hygienischen Institut des Herrn Professors
G r über in Wien begonnen worden waren, von der voll¬
kommenen Richtigkeit der erwähnten Tlmtsachc.
So ergab, um nur einen allerdings besonders günstigen Ver¬
such anzuführen, der Hund D. bei einer Badedauer von 10 Min.
und einer Wassertempelatur von rund 10° C. am ersten Tage
einen Temperaturabfall von 5,6° C., am zweiten Badetage von
6,3 0 C., am dritten von 3,4 0 C., am vierten von 2,8 0 C., am fünften
von 0,9 11 C., am sechsten und siebenten von 0,3 0 C.
Ebenfalls in Uebereinstiinmung mit Nasaroff konnten
wir feststellen, dass junge oder schlecht genährte Hunde diese
allmähliche Anpassung nicht zeigten, sondern unregelmässig,
vielfach von Tag zu Tag mehr Körperwärme im Bade ein-
büssten.
Nachdem also, wenigstens bei kräftigen Thieren, die Ver¬
minderung des Temperaturabfalles nach wiederholten kalten
Bädern, gemessen im Rectum mindestens 10 cm oberhalb der
Analöffnung, als eine gesetzmässige Erscheinung festgestellt
worden war, eine Erscheinung, für welche wir die Bezeichnung:
N a s a r o f f’schcs Phänomen vorzusehlagen uns erlauben, legten
wir uns die Frage vor, ob es möglich sei, durch Experimente
klar zu legen, in welcher Weise diese merkwürdige Verminde¬
rung des Temperaturabfalles zu Stande kommt.
Es waren vor Allem 2 Möglichkeiten zu erwägen. Es konnte
dieses Phänomen verursacht sein entweder durch eine Aenderung
*) Einige Versuche über künstliche Abkühlung und Erwär¬
mung warmblütiger Thiere lAus dem Laboratorium für ex¬
perimentelle Pathologie des Herrn Prof. Paschutln zu St.
Petersburg). Virchow’s Archiv Bd. 90, pag. 482.
No - Digitized by C^t OOQ IC
der Wärmeabgabe in dem Sinne, dass die Thiere es allmählich ler¬
nen, weniger Wärme an das Badewasser abzugeben. Die zweit Mög¬
lichkeit bestand in einer progressiv sich steigernden Wärme-
produetion. Nach der letzteren Annahme käme also eine all¬
mähliche Steigerung des Stoffwechsels und die durch diese be¬
dingte erhöhte Wärmeerzeugung in Betracht.
Schliesslich wäre eine Combination beider Möglichkeiten
denkbar.
Die Aenderung der Wärmeabgabe könnte auf dem Wege der
oxactcn Messung der Wassertemperaturen vor und nach den
Bädern ermittelt werden, wobei selbstverständlich die Wärme¬
abgabe des Badewassers an die Wanne, an die umgebende
Luft etc. in Rechnung gezogen werden müsste. Wenn man in
dieser Hinsicht nicht zu falschen Schlüssen gelangen wollte,
müsste die subtile Technik calorometrischer Versuche in An¬
wendung kommen. Diese in Anwendung zu bringen war jedoch
aus vielen Gründen unmöglich. Um nur Einiges in dieser Hin¬
sicht anzuführen, sei darauf hingewiesen, dass die Thiere unter
keinen Umständen zu bewegen sind, im Bade von IO' 1 C. ohne
Anwendung von Gewalt zu verbleiben. Sie müssen also gehalten
werden. Werden die Thiere gefesselt, beraubt man sie eines
möglicher Weise wichtigen Regulationsmittels, der Bewegungen
ihrer Musculatur. Hält man aber die Thiere, wie wir es
machten, mit den Händen im Bade fest, so kommt die Wärme¬
abgabe der haltenden Hände und Arme, welche sich theilweise
ebenfalls im Wasser befinden, als ein durch eine Correctur nicht
zu bestimmender Factor zur gesammten dem Wasser mitgetheil-
ten Wärme dazu und macht eine exacte Berechnung ebenfalls
illusorisch. Weiters lässt sich die Wassermenge kaum mit ge¬
nügender Genauigkeit bestimmen. Stets mussten wir, um die
gewünschte gleiche Temperatur des Badewassers zu erzielen,
entweder warmes Wasser zugeben oder durch Eis die Temperatur
des Wassers herabsetzen. Genau diese Mengen zu ermitteln ist
kaum bei rascher Arbeit möglich; arbeitet man aber langsam,
so ändert während der Arbeit das Wasser abermals seine
Temperatur. Dazu kommt noch, dass durch die Abwehr¬
bewegungen des Hundes unter Umständen grössere und abermals
nicht messbare Wasserquantitäten verspritzt werden.
Die Wärmeabgabe aber, wie dies Nasaroff gethan hat,
aus der Körpertemperatur resp. Mastdarmtemperatur unter Be¬
rücksichtigung des Körpergewichtes des Hundes zu berechnen,
ist grundsätzlich falsch und muss unbedingt zu Irrthümem
führen, da die verschiedenen Körperbestandtheile ver¬
schieden temperirt sind. Legt man der Berechnung der ge¬
sammten vorhandenen Körpertemperatur die Mastdarmtempera¬
tur zu Grunde, so miisson die Werthe für die Körpertemperatur
zu hoch ausfallen, da Haut, Unterhautzellgewebe und die diesem
anliegenden Muskeigruppen sicherlich niedriger temperirt sind.
Legt man die übrigens aus technischen Gründen schwer zu be¬
stimmenden Hauttemperaturen zu Grunde, so fallen die Werthe
weitaus zu klein aus. Zieht man das arithmetische Mittel
dieser beiden Temperaturen und berechnet hieraus die im Körper
vorhandene Wärmemenge, so hat man wiederum kein auch nur
annähernd zutreffendes Urtheil für die gesuchte Zahl.
Wir mussten also von vorneherein auf die vielleicht be¬
quemere Ermittelung der Wärmeverluste verzichten und die
Wärmeproduction durch die Bestimmung einer den Stoffwechsel
indicirenden Constante ermitteln.
Original fmm ^
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
110
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Wir bestimmten zunächst die Grösse der gesammten,
während des Versuches ausgeschiedenen Kohlensäure nach einer
Methode, deren genauere Beschreibung wir für die ausführliche
Mittheilung unserer Versuche auf sparen wollen. Die Bestim¬
mung des Sauerstoffverbrauches unterliessen wir bei den bis¬
her abgeschlossenen Versuchsreihen. Da aber diese Grösse zu
kennen von Wichtigkeit ist, sowohl zur Controle für unsere
CO a -Werthe, als auch zur Berechnung des sogenannten Re¬
spirationsquotienten, schliessen wir solche Bestimmunmgen eben
an, und behalten uns deren Veröffentlichung ebenfalls für die
ausführliche Publication vor.
Im Wesentlichen bestand unsere bisher geübte Methode
darin, dass den Versuchsthieren eine eigens construirte und
exact gedichtete Athemklappe vor Mund und Nase fixirt- war;
durch zu- und abführende weite Glas- und Kautschukröhren
wurden die Respirationsproducte mit Plilfe Mülle r’scher mit
Oel gefüllter Ventile in einen grossen, ca. 60 Liter fassenden
Glasballon geleitet, in welchem sich titrirtes Barytwasser befand.
Der Ballon wurde durch Schwingen stets intensiv bewegt, so
dass die ausgeathmete CO, sofort fast vollständig an das Baryt¬
wasser gebunden wurde. Der aufgebrauchte Sauerstoff wurde
mit äusserst geringem Ueberdruck (ca. 1—3 cm Wassersäule)
in den Ballon geleitet. Nach Beendigung des Versuches wurde
der Titre des Barytwassers abermals ermittelt und mittels auf
Kohlensäure gestellter Oxalsäure die ausgeschiedene C0 2 be¬
rechnet.
Die Methode hat vor Allem den Vorzug leichter Ausführbar¬
keit, sie lässt sich mit ein paar Glasröhren und einem Säure¬
ballon improvisiren, ist sehr expeditiv und erfordert keine Ab¬
lesung der Lufttemperatur und des Barometerstandes, keine Um¬
rechnung von Volumen auf Gewicht, indem sie direct das Ge¬
wicht der ausgeschiedenen CO, angibt.
Die erhaltenen Zahlen betrachten wir übrigens keineswegs
als absolut genommen richtig; wir legen diesen nur einen Werth
als Vergleichszahlen bei, einen Werth, den man ihnen zuerkennen
kann, wenn man bedenkt, dass für eine Versuchsreihe nicht nur
dieselben Versuchsbedingungen eingehalten, sondern auch das¬
selbe Versuchsthier verwendet wurde.
Die Muskelthätigkeit auszuschliessen haben wir uns eben¬
falls nicht bemüht. Da der sich bewegende Muskel nicht nur
C0 2 bildet, sondern auch Wärme entwickelt, stellt eben die Mus¬
kelaction ein wichtiges Regulationsmittel dar, welches ausge¬
schaltet vielleicht das Phänomen beeinträchtigt hätte.
Bezüglich der Kohlcnsäureausscheidung war bei Hunden,
welche das N a s a r o f f’sche Phänomen zeigten, gesetzmässig:
1. Eine ausserordentliche Erhöhung der Kohlensäurepro-
duetion während und nach den kalten Bädern, welche in manchen
Fällen mehr als das Dreifache der im normalen Zustande (Zim¬
mertemperatur) ermittelten betrug. Sicherlich spielen durch
den Reiz des kalten Wassers ausgelöste willkürliche und unwill¬
kürliche Muskelbewegungen hierbei eine wesentliche Rolle.
2. Die Menge der ausgeschiedenen Kohlensäure änderte sich
nicht w'esentlich bei der Wiederholung der kalten Bäder; ins¬
besondere war ein irgendwie gesetzmässiges Ansteigen der C0 2 -
Ausscheidung im Sinne eines sich allmählich steigernden Stoff¬
wechsels nicht zu erkennen. Die Kohlensäureproduetion stieg
an, wenn die Wassertemperatur erniedrigt, fiel ab, wenn letztere
erhöht wurde.
Wir können also sagen: ein allmählich sich steigernder
Stoffwechsel oder, was wenigstens im Allgemeinen gleichbedeu¬
tend ist, eine progressiv sich steigernde Wärmebildung kann
nicht die Ursache der merkwürdigen Anpassung sein. Nachdem
also die Production nicht ansteigt, kann nur die Wärmeabgabe
geringer werden . Die Aenderung der Wärmeabgabe ist als
Function der Haut, resp. der in derselben sich befindlichen Blut¬
gefässe zu betrachten. Je rascher, intensiver und anhaltender
die Hautgefüssc sich nach der Einwirkung des Kältereizes zu¬
sammenziehen, umso geringer muss die Abgabe von Wärme an
die Umgebung werden und umso geringer die Entwärmung des
Gesammtorganismus.
Bei Beurtheilung der Vorgänge, durch welche es zu den
genannten Veränderungen des Gefässlumens kommt, wird man
nach zwei Richtungen auszublicken haben; einerseits kann man
an eine Gewöhnung der Hautgefässmuskeln denken, welche in
Folge der Uebung die Fähigkeit erlangen, durch energischere und
raschere Contractionen dem Wärmeverlust entgegenzuarbeiten,
Digitized by Google
No. 4.
andererseits ist aber bei den gewiss intensiven Kältereizen in
Frage zu ziehen, ob diese nicht bei längerer Dauer der Einwir¬
kung als Schmerzreize aufgefasst werden müssen und ob es sich
durch die Wiederholung der Schmerzreize im Verlauf mehrerer
Tage nicht um eine Gewöhnung an diese — eine Abstumpfung
gegen diese — handeln könne, so dass die Gefässe erst nach
immer längerer Zeit aus ihrem dem Kältereiz entsprechenden
contrahirten Zustand in den dem Schmerzreize entsprechenden
Zustand der Erweiterung übergehen.
Es handelt sich also bei dieser Anpassung, welche wir im
Wesentlichen als ein Analogon jenes Erscheinungscomplexes zu
betrachten geneigt sind, welcher als Abhärtung bezeichnet
w T ird, um eine von der Haut, resp. von deren Gefässen erworbene
Fähigkeit, die Wärmeabgabe herabzusetzen. Die Regulation be¬
steht, um einen üblichen Ausdruck beizubehalten, auf physi¬
kalischen und nicht auf chemischen Vorgängen innerhalb des
Organismus.
Aus dem hygienischen Institut Würzburg.
Ueber locale Disposition, Erkältung und Abhärtung.
Von Dr. Carl Kisskalt, Assistent des Instituts.
Seitdem Bier [1] gezeigt hat, dass es durch Anwendung
künstlicher Stauungshyperaemie gelingt, infectiöse Processe
günstig zu beeinflussen, ist von verschiedenen Seiten versucht,
worden, eine Erklärung für diesen Vorgang zu finden. Während
die einen Autoren daran dachten, dass die Kohlensäure an sich
die Entwicklung der Bacterien beeinträchtigt, die anderen dies
einer vermehrten Auswanderung von Leukocyten zuschrieben,
kommt Hamburger [2] zu dem Schlüsse, dass es hauptsäch¬
lich die vermehrte Alkalinität sei, die die bactericide Wirkung
der Stauungslymphe erhöhe. Er schliesst dies besonders aus
den Versuchen, die beweisen, dass nach der Einwirkung von
Kohlensäure auf das Blut das Serum stärker alkalisch reagire
und auch stärker bactericid wirke als das Serum normalen
Blutes, und dass letzteres nur noch in geringem Grade der Fall
war, wenn es mit so viel Normalsäure versetzt wurde, dass sein
Alkaligehalt mit dem des normalen Serums übereinstimmte.
Ferner kam er in anderen Arbeiten zu dem Resultate, dass die
phagocytäre Wirkung der weissen Blutkörperchen an dem Zu¬
grundegehen von Milzbrandbacillen in einem in venöser Stauung
befindlichen Glied«* nicht Theil habe. — Schon vorher hatte
v. F o d o r entdeckt, dass man durch Injection von Alkali in die
Blutbahn die Widerstandsfähigkeit von Thieren gegenüber
Milzbrand steigern kann und dass beilnfectionen der Alkaligehalt
des Blutes abnimmt, wenn das Thier zu Grunde geht, dagegen
steigt, wenn es die Infection überlebt.
Diese Arbeiten legten den Gedanken nahe, ob das Gegentheil
der venösen Hyperaemie, die arterielle Ilyperaemie, die sich in
Bezug auf Alkalinität gerade entgegengesetzt verhält, auch den
entgegengesetzten Einfluss auf die Entwicklung der Bacterien im
Gewebe ausübt, d. h. ob sie die Disposition der Gewebe für ihre
Ansiodlung erhöht und den Verlauf der Krankheit verschlim¬
mert.
Im Folgenden soll nur der erste Punkt untersucht werden,
während ich mir Vorbehalte, auf den zweiten in einer späteren
Arbeit zurückzukommen.
Versuche über das Schicksal der Bacterien in künstlich
arteriell hyperaemisch gemachten Gliedern liegen in der Litera¬
tur in grosser Anzahl vor. Sie wurden meist in der Weise ange¬
stellt, dass einem Kaninchen der Ischiadicus einer Extremität
durchschnitten und nach vollendeter Heilung der Wunde in
eine Vene pathogene Bacterien injicirt wurden.
Die ersten Versuche dieser Art stammen von Her¬
mann [3], der mitStapliylococccen experimentirte; er fand, dass
sich in den Gelenken der enervirten Extremität sehr bald reich¬
liche Coccen angesiedelt hatten, während die der normalen Ex¬
tremität in den ersten Tagen stets und auch nach längerer Zeit
fast immer davon frei blieben. Das Knochenmark der enervirten
Seite war gewöhnlich röther, als das der anderen und enthielt
ebenfalls stets reichliche Coccen, das der nicht enervirten Seite
wenige oder gar keine.
Zu dem gleichen Resultate kam Kasparek [4], der die¬
selben Versuche mit Staphylococeen, Streptococcen und Pneumo-
coccen anstellte, ferner Nekäm [5] der an der entnervten
Niere mit demselben Erfolge experimentirte.
Original frarn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
111
Durch diese Versuche war aber noch nicht bewiesen, dass
e s die Lähmung der vasomotorischen Nerven ist, die diese er¬
höhte Disposition der enervirten Extremität hervorruft. Dies
wurde erst durch die sehr ausführlichen und consequent durch¬
geführten Arbeiten von Hofbauer und Czyhlarz [6] dar¬
gelegt. Ihre Versuche unterscheiden sich von den vorigen ein¬
mal dadurch, dass die Injection der Bacterien nicht erst nach
der Heilung der bei der Durchtrennung des Nerven gesetzten
Wunde gemacht wurde, da der Effect derselben wegen der Ana-
stomosen mit der Gegenseite bald hätte verschwinden können;
und ferner dadurch, dass die Ursprünge des Ischiadieus vor
ihrem Zusammentritt einzeln durchschnitten wurden. So konn¬
ten die Verfasser zunächst bestätigen, dass sich bei einseitiger
Resection des Ischiadieus und darauffolgender Einspritzung von
Bacterien in die Blutbahn in den Gelenken und im Knochenmark
der enervirten Extremität mehr Bacterien vortinden als in der
gesunden; ferner eonstatiren sie, dass genau dasselbe eintrat,
wenn statt der Durchschneidung d(>s Tschiadicus die einseitige
Exstirpation des Grenzstranges des Bauehsympathious vor-
genominen wurde; und drittens, dass bei Hemiseetion des
Rückenmarks in der Höhe des 3. Lendenwirbels und darauf¬
folgender intravenöser Bacterieninjection sich im Knochenmark
und in den Gelenken der unteren Extremitäten gleich wenig,
in den Gelenken manchmal gar keine Bacterien nachweisen
li essen.
Hiedurch war also nachgewiesen, dass der reichliche Bac-
U-rienbefund in der enervirten Extremität nicht durch eine
Lähmung der motorischen, sensiblen oder trophisehen, sondern
allein der vasomotorischen Nerven verursacht war und auf der
dadurch hervorgerufenen Hyperaemie des betreffenden Organes
beruhte. Es liesse sich aber noch der Einwand machen, dass die
Vermehrung der Bacterien nicht an Ort und Stelle, durch be¬
sonders günstige Bedingungen veranlasst, stattgefunden hätte,
sondern dass einfach mit der vermehrten Blutzufuhr zu der
enervirten Extremität auch eine grössere Zahl von Bacterien
oingeschwemmt worden wäre. Abgesehen davon aber, dass die
Differenz der Zahlen der Vorgefundenen Bacterien viel zu gross
ist um dies anzunehmen, spricht auch noch eine Reihe von in
anderer Weise vorgenommenen Versuchen dagegen. Wenn man
niimlich wie vorhin den Nerven eines Organes durehschneidet
lind nun statt einer intravenösen Infection die subcutane
Impfung an dem (dadurch stets hyperaemisch gewordenen)
Organe vornimmt, so entsteht eine Eiterung schon bei viel
kleineren Dosen, resp. tritt sie bei gleichen Dosen viel inten¬
siver auf als am normalen Organe. Solche Versuche wurden
vorgenommen am Ohre von R o g e r [7] durch Durchschnei-
dung des N. auriculo-temporalis, von Ochotinc [8] ebenfalls
am Ohre durch Exstirpation des obersten Cervicalganglion,
ferner von Charrin und Ruf f er [9], F renkel [10] und
Dache und M a 1 v o z [11] an der hinteren Extremität durch
Durchschneidung des Ischiadieus. Ueber den späteren Verlauf
der Krankheit gehen allerdings die Meinungen der Autoren aus¬
einander, indem die einen (Charrin und Ruffer, Ochotine)
darin einen ungünstigen, die anderen (Roger, Erenkel,
Dache und M a 1 v o z) einen günstigen Effect sehen: darin aber
stimmen sie sämmtlich überein, dass in einem solchen Organe
sich die Bacterien Anfangs schneller vermehren, also günstigere
Bedingungen zur Ansiedlung haben als in einem normalen
Organe.
Wahrscheinlich lässt sich ebenso, nämlich durch Wirkung
der arteriellen Hyperaemie, auch ein Theil der Versuche erklären,
die beweisen, dass gewisse Partien des Körpers, die mechanisch
“der chemisch „gereizt“ wurden, erst dadurch für die Infection
empfänglich werden; so gelingt es z. B. nur äusserst selten,
durch Einbringen von Reineulturen in die Bauchhöhle eines
Thiercs eitrige Peritonitis hervorzurufen, während man bessere
Resultate erhält, wenn man neben den Bacterien noch mecha¬
nische oder chemische Reize wirken lässt, z. B. Krotonöl, con-
eentrirte Salzlösungen, Carbolsäure [12]. Auch im Blute circu-
hrende Pneumococccn und Staphyloeoccen setzen sich besonders
na Hautstellen fest, die durch Chemikalien gereizt worden
dnd [12]. Ferner kommen auch im Anschlüsse an Traumen,
ohne Verletzungen der Haut, durch die Einschwemmung von
Bacterien oft Erkrankungen vor; ich erinnere nur an die ex¬
perimentell erzeugte Osteomyelitis, sowie an die Entstehung der
Kniegelenkst ubcrculose beim Menschen, An besonders gut mit
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Blut versorgten Stellen pflegen sich im Blute eirculirende Bac¬
terien sogar ohne Trauma festzusetzen, z. B. bei den gewöhn¬
lichen Formen der Osteomyelitis. Ganz evident ist ferner der
Einfluss des arteriellen Blutes bei den Erkrankungen der Herz¬
klappen, wobei fast ausschliesslich die des linken Herzens be¬
fallen werden.
Umgekehrt ist cs eine schon von Rokitansky erwähnte
1 Thatsaehe, dass sich in der in venöser Hyperaemie befindlichen
Stauungslungc keine Tuberculose entwickelt.
Nun mag allerdings der Gedanke Anfangs auffallend er¬
seheinen, dass, wenn der Körper anscheinend mit allen Kräften
bemüht ist, einem betroffenen Theile mit arterieller Hyperaemie
zu Hilfe zu kommen, dies sogar noch schädliche Wirkungen für
ihn haben soll. Aber ist es nicht ebenso erstaunlich, dass in
einem gestauten, also schlecht ernährten Gliede die Heilung in-
fectiöser Processe schneller vor sich geht als in einem gut er¬
nährten f Oder dass Arterienunterbindung die Infection an
dem zugehörigen Gebiete hemmt [12], obwohl dieses überhaupt
nicht mehr ernährt wird?
Fragen wir nun nach den Ursachen, warum der Körper
trotzdem auf eine ihn betreffende Schädlichkeit mit Blutfülle
rengirt, so kann man entweder annchmen, dass dies einfach ein
reflektorischer Vorgang ist, dass es ganz gleichgiltig ist, auf
welche Weise eine Nervenfaser erregt wird, ob durch Ver¬
wundungen, Zerrungen oder chemische Reize, und dass die Wir¬
kung auf das betreffende Endorgan sich ausschliesslich nach der
Intensität der Erregung richtet [13]. Trifft aber den Körper
ein Trauma ohne gleichzeitige Invasion von Bacterien, so ist es
sicher das Beste, wenn sofort eine grosse Blutfülle entsteht, um
die entstandenen Schädigungen auszugleiehen. Ausserdem kann
aber der Zweck der arteriellen Hyperaemie gerade der sein,
dass eine Eiterung zu Stande kommt, da hiedurch bekanntlich
der Körper in den meisten Fällen vor einer Allgemeininfection
geschützt wird*).
Wir sahen also im Vorigen, dass ganz im Allgemeinen eine
reichliche Versorgung der Gewebe mit arteriellem Blut die Dis¬
position zur baeteriellen Invasion erhöht. Eine solche eon-
gestive Hyperaemie kommt aber auch zu Stande, wenn ein Theil
des Gefässsystems für das Blut mehr oder weniger unpassirbar
geworden ist; es muss dcsslialb, wenn sieh z. B. die Hautgefässe
in grösserer Ausdehnung contrahirt haben, eine Hyperaemie
der inneren Organe eintreten. Da nun hierbei eine Erweite¬
rung der Gefässe stattfindet, so muss nach dem Gesetze der
Strömung in Capillarröhren der Blutstrom beschleunigt sein
(wie auch dierecte Beobachtungen lehren) und das Blut in die
Venen noch arterieller als gewöhnlich kommen [14].
Dass wirklich bei einer Einwirkung von Kälte auf die Haut
die inneren Organe reichlich mit Blut gefüllt sind, zeigten
Afanassiew, Liebermeister, Winternitz, Lassar
u. A. Dass an dieser Hyperaemie der inneren Organe auch die
Gefässe der Schleimhaut theilnehmen, zeigt der von Ross¬
bach [15] angegebene und von Anderen mit dem gleichen Er¬
folge wiederholte Versuch, dass sich an der Trachea des Kanin-
l ) Anmerkung: Eine Thatsaehe scheint allerdings da
gegen zu sprechen, dass die Invasion der Bacterien gerade durch
arterielle Hj r peraemie begünstigt wird: es ist dies die von Bier [lj
gemachte Beobachtung, dass man durch Hervorrufen einer Stau-
ungshyperaemie, welche den Verlauf bestimmter Infections-
kranklieiten günstig beeinflusst, die Entwicklung und das Fort¬
schreiten anderer Infectioneu bedeutend erleichtert. Ich
möchte mir diese Thatsaehe auf folgende Weise erklären, ohne
mir zu verhehlen, dass wohl auch noch andere Deutungen zulässig
sind:
Die erwähnten Erkrankungsproeesse, tlieils Erysipel, theils
Wiederaufbreclien alter Abscesse. schliessen sich meist an ein
Trauma an. Durch ein solches Trauma werden aber gleichzeitig
Zellen abgetödtet, und das um so leichter, als sie schon vorher
durch die schlechte Ernährung weniger widerstandsfähig ge¬
worden sind. In der absterbenden Zelle gehen aber gewisse Pro¬
cesse vor sich, wodurch den Mikroorganismen die Ansiedluug er¬
leichtert wird: es findet z .B. Säurebildung statt, die, wenn die
Alkalinität das Wirksame an der gesteigerten bactericiden Wir¬
kung des Stauungsblutes ist [2], dieselbe neutralisiren würde.
Es handelt sich dabei zwar nur um kleine Territorien, doch genügen
dieselben bei der Kleinheit der Bacterien vollständig zur Ansiede¬
lung. Hat diese aber erst stattgefunden, so werden die nächst-
liegenden Gewebe um so leichter den Toxinen der Bacterien unter¬
liegen, als sie ebenfalls bereits durch die schlechte Ernährung
geschwächt siud.
1 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
112
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
chens die Gefässe bei plötzlicher Abkühlung der Bauclihaut nach
anfänglicher momentaner Contraction bedeutend erweitern.
Dies ist nun der gewöhnliche Vorgang bei der Erkältung
und zwar werden, wie der Versuch gleichzeitig beweist, nicht nur
bei der am stärksten ausgesprochenen Form derselben, wie sie z. B.
durch vollständige Durchnässung der Kleider hervorgerufen wird,
die inneren Organe hyperaemisch, sondern sie werden es auch,
wenn verhältnissmässig kleine Hautgebiete abgekühlt wurden.
Unter diesen Umständen werden nun die pathogenen Bae-
terien, die sich ja regelmässig im Pharynx befinden, in besonders
günstige Bedingungen kommen, wodurch sie in Stand gesetzt
werden, sich zu vermehren und nun dem Organismus durch Her-
vorrufung einer Angina schädlich zu werden. Auf dieselbe Weise
erklärt sich auch die Entstehung der Erkältungskrankheiten
der Athemwege, z. B. Schnupfen und Bronchitis, denn
auch auf der Schleimhaut der grösseren und mittleren
Bronchen finden sich nach den Untersuchungen von Barthel
[15] regelmässig pathogene Coccen. Von den Bronchen aus
können diese auch noch weiter in die Alveolen der Lunge hinab¬
wandern und hier croupöse Pneumonie hervorrufcn, um so
leichter als das Blut, wie erwähnt, arterieller als gewöhnlich in
die Lunge kommt und hier noch weiter artcrialisirt wird, am
stärksten da, wo es wegen seiner Schwere am längsten verweilt,
nämlich im Unterlappen. Es mag dies mit ein Grund sein,
warum die Pneumonie gerade hier beginnt.
Die individuellen Verschiedenheiten bei der Erkältung,
durch die es kommt, dass bei dem Einen regelmässig dieser, beim
Anderen jener Theil betroffen wird, erklären sich nun einfach
durch geringe Verschiedenheiten im Blutreichthum der betref¬
fenden Gebiete.
Es beruht also die Erkältung auf einer durch die Contrac¬
tion der Hautgefässe hervorgerufenen Hyperacinie der inneren
Organe, durch welche diese zur Ansiedelung resp. Vermehrung
der Bacterien disponirt werden .
Die Hautgefässe eontrahiren sich aber nicht an allen Stel¬
len des Körpers mit gleicher Promptheit: Stellen, die oft der
kalten Luft ausgesetzt sind, wie die Hände, reagiren nicht so
stark darauf, wie z. B. die Haut des Rückens. Dieselben Ver¬
schiedenheiten wie hier zwischen einzelnen Körpertheilen, be¬
stehen auch zwischen verschiedenen Personen. Solche, die sich
z. B. durch tägliche kalte Waschungen am ganzen Körper gegen
die Einflüsse der Kälte abgehärtet haben, d. h. die ihre Haut¬
gefässe gewöhnt haben, nicht mehr so slark auf Kältereize zu
reagiren, erkälten sich erfahrungsgemäss viel seltener als ver¬
weichlichte Menschen. s )
Auch die Erfahrung, dass mässiger Alkobolgcnuss eine Zeit
lang vor Erkältung schützen kann, lässt sich einfach auf die
dadurch bewirkte Erweiterung der Hautgefässe zurückführen.
Wenn nun einerseits arterielle Ilyperaemic zu Infections-
krankheiten disponirt und andererseits Contraction der Haut¬
gefässe eine arterielle Hyperaemie der inneren Organe hervor¬
ruft, so muss es auch an Thieren, die für gewöhnlich durch ihren
Pelz gegen Erkältungen geschützt sind, leichter gelingen, Er¬
krankungen hervorzurufen, wenn sie dieses Kälteschutzes be¬
raubt sind. Solche Versuche sind in grosser Ausdehnung von
Lode [16] mit dem zu erwartenden Resultat gemacht worden.
Die Thiere wurden durch Rasieren oder durch Eintauchen in
kaltes Wasser abgekühlt und theils subcutan theils durch Ein-
athmung inficirt. Die abgekühlten Thiere erlagen der Infection
allein oder wenigstens schneller als die Control thiere, und in
ihren inneren Organen fanden sich stets grosse Mengen der be¬
treffenden Bacillen. Wurden die rasierten Thiere dagegen be¬
kleidet, so verhielten sie sich wie normale Thiere. Lode kommt
allerdings am Ende seiner Ausführung zu dem Schlüsse, dass
die Herabsetzung der Eigenwärme es sei, die die Thiere gegen
*) Anmerkung: Man findet allerdings vielfach die Mei¬
nung ausgesprochen, dass bei abgehärteten Personen die Haut¬
gefässe prompter reagiren; dass dies jedoch nicht richtig ist, geht
aus Folgendem hervor: Wir frieren nur dann, wenn sich die
Hautgefässe eontrahiren, w'obei sich die Haut kalt anfühlt; es
müsste also abgehärtete Leute mehr frieren, als verweichlichte,
was den Thatsachen widerspricht. Auch an sich selbst kann man
leicht eine ähnliche Erfahrung machen, wenn man z. B. ein
Bein, also einen nicht abgehärteten Körperthell, ohne Bedeckung
der kalten Luft aussetzt: dasselbe fühlt sich nach kurzer Zeit
kalt an. Ebenso lehrt die Erfahrung, dass wir uns erst dann er¬
kältet haben, wenn wir an irgend einem Körpertheile gefroren
haben, was nicht der Fall ist, solange die Hautgefässe erweitert
sind.
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die Infection weniger widerstandsfähig gemacht habe. Wenn
dies richtig wäre, dann müssten aber auch einzelne Körpertheile
deren Eigenwärme herabgesetzt worden ist, sich weniger wider¬
standsfähig erweisen, dann müsste z. B. der Anfangs beschriebene
Versuch mit der Modification, dass man statt der Durehsehnei-
dung des Nerven die Abkühlung der Extremität vomimmt, das
Ergehn iss haben, dass sich die intravenös injicirten Bacterien
wieder in weit grösserer Zahl in der abgekühlten Extremität vor-
finden, als in der normalen; dies ist aber nach Versuchen von
IC a s p a r e k [4] und von L o d c selbst nicht der Eall, wie auch
die gewöhnliche Erfahrung bei der Erkältung dagegen spricht.
Wenn wir zmn Schlüsse die Ergebnisse dieser Arbeit zu-
sammenfasson, so kommen w T ir zu folgenden Resultaten:
1. Arterielle Hyperaemie steigert die Disposition zu Er¬
krankungen.
2. Eine solche gi>steigerU» Disposition durch arterielle Hyper¬
aemie der inneren Organe, einschliesslich der Schleimhaut der
Athemwege, ki.nnnt zu Stande hei der Erkältung durch Con¬
traction der Hautgefässe, ein Vorgang, der sich auch am ab¬
gekühlten Thiere nachahmen lässt.
3. Die Abhärtung gegen Einwirkungen der Kälte hat zur
Folge, dass die Gefässe der Haut nicht mehr so prompt auf jeden
Kältereiz durch Contraction reagiren, so dass jene Disposition
nicht mehr so leicht zu Stande kommt.
Die Beantwortung der Fragen, wodurch die Disposition der
Gewebe hei arterieller Hyperaemie bedingt ist, und welches der
Einfluss arterieller Hyperaemie auf bestellende Krankheiten ist,
sei einer späteren Arbeit Vorbehalten.
Zum Schlüsse erübrigt mir nur noch die angenehme Pflicht,
meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Dr. K. B. Lehmann,
auch an dieser Stelle für seine beständige Unterstützung und Be¬
rn thung meinen besten Dank auszusprechen.
Literatur.
1. Bier: Heilwirkung der Hyperaemie. Münch, med. Wochen-
sehr. 1897, No. 32.
— Die Behandlung des chronischen Gelenkrheumatismus etc.
Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 31.
— Feber verschiedene Methoden, künstliche Hyperaemie zu
Heilzwecken hervorzurufen. Münch, med. Wochenschr. 1899
No. 48.
2. II a m b u rger :IYber den Einfluss von Kohlensäure bezw.
von Alkali auf das antibaeterielle Vermögen von Blut- und
Gewebsflüssigkeit etc. Virchow’s Arek., Bd. 156, H. 2.
Leber den Einfluss venöser Stauung auf die Zerstörung
von Milzbrandvirus im Fnterhautzellgewebe. Centralbl. f.
Baeteriol., XXIV, S. 345.
3. Hermann: Variation» du terrain orgauique. Annales de
l’Inst. Pasteur, 1891, S. 243.
4. Kasparek: Feber den Einfluss des Nervensystems auf die
Loeallsation ete. Wien. klin. Wochenschr. 1895, S. 570.
5. N £k dm : Feber Innervation und Disposition. Ref. Centralbl.
f. Baeteriol., XVI, S. 932.
6. Hof baue r und Czyhlarz: Feber die Ursachen des
Nerveneinflusses auf die Localisation vou pathogenen Mikro¬
organismen. Centralbl. f. allg. Patli. u. path. Anat. 1898,
S. 657.
7. Itoger: C. R. de la Sociötö de Biol. 1896.
8. Ochotine: De rinfluence de la paralysie vaso-motrice etc.
Ref. Centralbl. f. Baeteriol., XIII, S. 287.
9. C li a r r i n und R u f f e r : C. R. de la Soci6t6 de Biol. 1889,
S. 208.
10. Frenkel: Arehives de möd. oxper. 1892.
11. Dache und Mal voz: Annales de lTnst.Pasteur 1892, S.538.
12. Flügge: Die Mikroorganismen, I.
13. v. Rindfleisch: Elemente der Pathologie.
14. Schmaus: Grundriss der path. Anatomie.
15. Barthel: Ueber den Bacteriengehalt der Luftwege.
Centralbl. f. Baeteriol., XXIV, S. 401.
16. Lode: Beeinflussung der individuellen Disposition zu In-
fectionskrankheiten durch Wärmeentziehung. Archiv für
Hygiene, Bd. 28.
Die oesophagoskopische Diagnose des Pulsions¬
divertikels der Speiseröhre.
Von Prof. Dr. Gustav Killian in Freiburg i. B.
Neulich hat Rosenheim einen Fall von typischem, wall¬
nussgrossem Pulsionsdivertikel der Speiseröhre beschrieben
(Deutsch, med. Wochenschr. 1899, No. 54), welches erst bei der
Section richtig erkannt worden war.
Auch die oesophagoskopische Untersuchung hatte nicht zur
diagnostischen Klarlegung des Falles geführt. Der Tubus stiess
in einer Tiefe von 22 cm auf eine „blasse, wie gespannt
aussehende Schleimhautfläche. Die Einstel-
Original from
UNIVERSITtf OF CALIFORNIA
23. Januar 1900*
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
113
lung eines Speise roh re nlumens durch vorsichtige
Seitwärtsbewegungen des Tubus oder beim Herausziehen des¬
selben gelang nich t.“
Diese Mittheilung interessirte mich ganz besonders dess-
wegen, weil ich zur Zeit 2 Fälle von typischem Pulsionsdivertikel
in Behandlung habe, in welchen es mir gelungen ist, durch die
Oesophagoskopie einen ganz klaren und Jedem
demonstrablen Befund zu erheben. Von 2 weiteren
Fällen, die ich während der letzten Jahre sah, wurde einer, ein
Mann von 61 Jahren, nicht oesophagoskopisch untersucht, da er
sich nur einmal in der Sprechstunde vorstellte; in dem anderen,
der einen jungen Mann von 33 Jahren betraf, war es mir wie
Rosenheim nur gelungen, mit dem Oesophagoskop bis in den
Sack vorzudringen, so dass ich immer nur dessen glatte, ge¬
spannte Wand zu sehen bekam. Patient wurde später (1896)
in der K r a s k e’schen Klinik operirt (vergl. B a r t e 11, Inaug.-
Diss., Freiburg 1898).
Die beiden Patienten, ■welche uns hier näher beschäftigen
sollen, stehen im Alter von 73, bezüglich 53 Jahren. Bei dem
ersten begannen die im allgemeinen leichten Beschwerden vor
6, bei dem zweiten vor einem Jahre. Sie sind ganz typischer Art,
ebenso die Untersuchungsergebnisse, so
dass ich es mir erspare, darauf näher ein¬
zugehen. Die Pulsionsdivertikel sitzen bei
beiden genau au der hinteren Speiseröhren¬
wand. dicht unter der liingknorpelplatte
und haben nur eine massige Grösse. In
dem einen älteren Falle ist der Sack 4, in
«lern anderen 2 cm tief. Von der Zahnreihe
bis zum Fundus des Divertikels misst man
bei dem ersteren 21 cm, bei dem letzteren
19 cm. Bei dem dritten Patienten lH'trug
diese Entfernung 20 cm. Kose n h e i m
mass in seinem Falle 22 cm. Die Ueber-
einstimmung der Maasse in diesen
4 Fällen wdire wahrscheinlich noch eine
viel grössere, wenn man nicht bis zum
Fundus der verschieden tiefen Säcke, son¬
dern bis zur Schwelle des Einganges
in den Sack — ich meine damit die untere
Umrandung des Einganges (vergl. Fig. s)
— gemessen hätte. So erhält man in den
beiden, jetzt noch in meiner Beobachtung
befindlichen Fällen 17 cm. Ausserdem er¬
geben sich auch Differenzen aus den In¬
dividuellen Grössenunterschieden ’), der
Form des Oberkiefers uhd der Zalin-
f - Fundus, # --- Eingang, Stellung, bezüglich dem Mangel der
Schwelle des Eingangs, Scluieidezähne. Diese fehlen bei meinen
beiden Patienten. Trifft man also bei
Sondirung der Speiseröhre in einer
Tiefe von ungefähr 20 cm auf einen unüberwindlichen Wider¬
stand, so sollte man schon von vornherein die Möglichkeit des
Vorhandenseins eines Pulsionsdivertikels in’s Auge fassen.
Pafirittalselinitt durch ein
I^ilMousdivertikel (schema¬
tisch) ; d — Divertikel,
— Speiseröhre.
Was nun die oesopliagoskopische Untersuchung angeht,
welche ich stets am sitzenden Patienten vornehme, so ist es mir
in beiden Fällen gelungen, mit d e m Rohre aus d e m
Sack in die Speiseröhre und wiederum aus
der letzteren in den Sack zu gelangen und da¬
bei die ganzen anatomischen Verhältnisse ge¬
nauzuübersehen.
Bei der Einführung des Rohres kam ich zunächst in das
Divertikel una sah beim Andrängen die leicht geröthete, glatte,
anscheinend dünne Schleimhaut des Fundus. Bevor ich das
Rohr zurückzog, las ich die Länge des von den Schneidezähnen
an eingeführten Theiles ab. Dann wurden bei langsamem
Jlerausziehen die Wände des Divertikels betrachtet. Plötzlich
gelangte man so zur Schwelle des Einganges. Dieselbe hatte
das Aussehen eines dicken Schleimhautumschlages. Die
Schleimhaut war hier blass und gefaltet. Das Lumen der
Speiseröhre wurde noch nicht eingestellt. Es erfolgte zu¬
erst eine erneute Ablesung, um die Tiefe des Sackes be¬
stimmen zu können, welche durch die Differenz der beiden ge¬
nannten Ablesungen gegeben ist. Darauf drängte ich das Ende
des Rohres über die Schwelle weg nach vorn, um nach dem
Oesophagus zu gelangen. Nach vorn von der Schwelle legte sich
die Schleimhaut in dichte, dicke Falten; ein Speiseröhrenlumen
klaffte nicht. Einmal passirte es mir allerdings, dass der Patient
zufällig in diesem Augenblick schluckte, wobei das Lumen plötz¬
lich zum klaffen kam, so dass man noch eine Strecke weit in den
Oesophagus hinein sehen konnte. Ich benutzte diesen günstigen
Augenblick, um mit dem Rohre in die Speiseröhre einzugehen.
l ) Meine beiden Patienten waren 161 und 178
No 4.
I ■ gitized by
Gck igle
cm
gross.
Es empfiehlt sich wohl, wenn man Schwierigkeiten hat, das
Lumen zu finden, den Patienten zu Schluckbewegungen aufzu¬
fordern.
Gewöhnlich gibt sich der Eingang in den Oesophagus in
der gefalteten Schleimhaut nach vorn von der Schwelle aus
wenig zu erkennen. Man erräth ihn mehr aus der Stellung und
eventuellen Convergenz der Schleimhautfalten. Schliesslich
kommt es nur auf den Versuch an, das Rohr mit möglichst nach
vorn dirigirtem Ende an der muthmaasslichen Stelle des Lumens
nach abwärts zu drängen. Ich hatte eigentlich keine Schwierig¬
keiten in meinen beiden Fällen, den gesuchten Weg in die
Speiseröhre zu finden.
Die Betrachtung derselben in dem oberen, dem Sack be¬
nachbarten Theile ergibt nichts Besonderes. Schon nachdem
man einige Centimeter nach abwärts gegangen ist, fängt die
Speiseröhre an zu klaffen.
Um sich die ganze Situation noch einmal klar zu machen,
geht man am besten auf demselben Wege wieder zurück in das
Divertikel, was sehr leicht ist. Man kommt zunächst wieder zur
Schwelle und nach hinten davon in den Sack.
Ist es möglich, mit dem Oesophagoskop von Anfang an
auf dem durch Bougirung genügend bekannten Weg direct
in die Speiseröhre zu gelangen, so genügt es auch für die Dia¬
gnose, von dieser aus den Weg nach aufwärts zur Schwelle und
von da in das Divertikel aufmerksam beobachtend zurückzulegen,
um zu einer klaren Diagnose zu gelangen.
Zur Reinigung des Sackes kann man, wenn Austupfen nicht
genügt, eine einfache Säugpumpe benutzen, welche ich schon seit
lange mit bestem Erfolge beim Oesophagoskopiren zur Rein¬
haltung des Gesichtsfeldes verwende.
Dieselbe; besteht aus einem gewöhnlichen Gummiklysopomp
(Patent Ingram) mit umgekehrt gestellten Ventilen, so dass
dasselbe nur als Sauger wirkt. Damit saugt man die Luft aus
einem Glase, an dessen Boden ein langer, dünner Heber endet.
Der lange Schenkel des Hebers wird durch die oesophago-
skopische Röhre eingeführt. So gelingt es leicht, sämmtlichen
Speichel und Schleim vom oesophagoskopischen Gesichtsfeld ab¬
zusaugen.
Zur Behandlung der chronischen Obstipation im
Kindesalter.
Von Dr. Heinrich Doerfler in Regensburg.
Gelegentlich des diesjährigen oberpfälzischen Aerztetages
in Amberg berichtete ich kurz über eine von mir versuchte und
in zahlreichen Fällen erprobte Behandlung der chronischen
Verstopfung im Kindes- resp. Säuglingsaltcr mit frischer
Butter.
Die Erfolge dieser einfachen Therapie waren derart günstig,
dass ich die Methode zur eifrigen Nachprüfung angelegentlich
empfehlen möchte, zumal da ja alle unsere bisherigen therapeuti¬
schen Hilfsmittel gegen dieses oft sehr hartnäckige und gesund¬
heitsstörende Uebel nur allzu häufig im Stiche lassen und somit
die Frage der Behandlung dieser Erkrankungsform mit ihren
Folgezuständen noch durchaus als nicht gelöst bezeichnet werden
muss. Diese Lösung durch Erwähnung meines einfachen Ver¬
fahrens zu fördern, ist der Zweck dieser Zeilen.
Es ist eine feststehende Thatsaehe, dass die „k ü n s 11 i c h“
ernährten Kinder sehr viel häufiger an habitueller Verstopfung
leiden als die Brustkinder; besonders intensiv gestaltet sich die¬
selbe bei denjenigen Kindern, welche mit einem der üblichen Kuh-
milclnvassergemengo ernährt werden. Es ist mir nun ferner auf¬
gefallen, dass bei den Kindern der ärmeren Volksclassen und der
Landbewohner, so weit sie gesund bleiben und nicht an Darm¬
katarrhen zu Grunde gehen, trotz weniger sorgfältig gemischter
und bereiteter Nahrung die Obstipation viel seltener ist als bei
den nach den neuen Errungenschaften der Säuglingsemährung
in der sorgfältigsten Weise ernährten Kindern der besser situ-
irten und intelligenteren Volkselassen. Der Gebrauch der Ver¬
dünnung oder Vermischung der Kuhmilch mit reichlichen
Wassermengen in den ersten Monaten der Säuglingsernährung
ist schon sehr alt und tief in’s Volksbewusstsein eingewurzelt.
Als S o x h 1 e t sein segensreiches Sterilisationsverfahren angab,
da hatte man wohl ein mächtiges Mittel zur Verminderung der
Kinderdarmkatarrhe gefunden, allein die Frage der chronischen
Obstipation der Säuglinge war damit nicht aus der Welt gc-
2
Original fro-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
114
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
schafft, im Gegentheil schienen diese Störungen unter diesem
Verfahren noch häufiger aufzutreten wie früher. Dieser bald
allgemein gemachten Erfahrung suchte man durch Zusatz grosser
Milchzuckermengen zur Wassermilchmiscliung entgegenzutreten,
allein zumeist ohne den gewünschten Erfolg. Die Heubner-
S o x h 1 e t’sclie Mischung von Kuhmilch mit milchzuckerhaltiger
Mehlabkochung, Biedert’s Rahmgemenge, G ä r t n e Fs Fett¬
milch, Monti’a Wiener Milch, S t e f f e n’s Milchmischung
und andere neuere Milehpräparate konnten die Calamität der
chronischen Verstopfung der Säuglinge nicht beseitigen. Wo¬
rin liegen oder lagen nun die Gründe dieser Erscheinung?
Der Grund dafür, dass alle diese Kuhmilcligemenge zwar
sehr wohl geeigenschaftet sind, damikatarrhalische Störungen zu
verhüten, aber andererseits sehr oft zur Verstopfung schlimmster
Art führen oder sie wenigstens nicht verhüten können, liegt in
der ausserordentlichen Verdünnung derselben mit
Wasser oder Schleimwasser oder Molke oder Kalbsbrühe u. dergl.
Jeder von uns hat wohl schon hundert Male die Beobachtung
gemacht, dass die Harnabsonderung der mit Kuhmilchwasser¬
gemenge von Soxhlet, Bidert etc. ernährten Kinder eine
unverhältnissmässig reichliche ist, dass diese Kinder in 24 Stun¬
den oft 30 und 40 Windeln vollständig durchnässen im Gegensatz
zu den Brustkindern, die zwar auch sehr oft uriniren, aber nur
immer kleine Mengen. Mütter, die ihre Kinder vorher gestillt
hatten und dann aus irgend einem Grunde zur Soxhletnahrung
oder Anderem übergehen mussten, haben mir zu Dutzenden ge¬
klagt, wie durchnässt und jeder Zeit „patschnass“ jetzt ihre
Kinder seien, gegenüber der Zeit, wo sie Brustnahrung bekamen,
Ebenso zeigte sich, dass diese Kinder nach kürzester Zeit schon
wieder Hunger resp. Durst haben, viel mehr als Brustkinder,
die doch viel weniger Milch jedesmal zu sich nehmen. Da
auch die Harnabsonderung der Brustkinder um sicher zwei Drittel
geringer ist, der Menge nach, als diejenige der künstlich er¬
nährten Kinder, so ging mir daraus mit Sicherheit hervor, dass
diese ein viel zu grosses Flüssigkeitsvolumen
in sich auf nehmen.
Das Zustandekommen dieser übermässigen Harnsecrotion
stelle ich mir nun folgendermaassen vor: Durch die zu grossen
alsNahrung eingeführten keimfreien Flüssigkeitsmengen wird
zunächst nur ein zu starker physiologischer Reiz auf Magen- und
Darmschleimhaut ausgeübt, auf welchen dieselbe mit lebhafter
Resorption der Flüssigkeit reagirt. Durch den continuirlichen
Reiz der immer neu zugeführten, zu grossen Flüssigkeitsmengen
entsteht nun eine Hyperaemie der Darmschleimhaut und ihrer
Drüsenapparate, wodurch auch die Aufsaugung der Wasser¬
mengen vermehrt und dadurch naturgemäss auch die Vermehr¬
ung der Harnabsonderung hochgradig gesteigert wird. Ist der
Darm widerstandsfähig genug, auf diese Ueberschwemmung
nicht mit Darmkatarrh zu reagiren und dieselbe durch vermehrte
Resorption auszugleichen, so wird sich nach und nach der Zu¬
stand chronischer Hyperaemie und schliesslich auch der Hyper¬
plasie der Darmschleimhaut und ihrer Bestandtheile einstellen.
Den Beweis für diese beiden pathologischen Veränderungen gab
mir die Section eines an Diphtherie gestorbenen Kindes, das seit
Monaten an hartnäckigster Obstipation gelitten hatte. Die
Schleimhaut bot makroskopisch das deutliche Bild ausge¬
sprochenster Hyperplasie und noch gut wahrnehmbarer Hyper¬
aemie. — Der ganze Darmtractus richtet sich also gewisser-
maassen nur noch auf die Beseitigung der grossen Flüssigkeits¬
mengen ein und die festen Bestandtheile, die jene enthalten,
bleiben zum Theile unverbraucht liegen, ballen sich zusammen,
werden für die an sich verdünnten Verdauungssäfte un¬
durchgängig und führen schliesslich, ausgesogen wie sie sind,
zum Zustand der chronischen Obstipation; es bilden sich die
sattsam bekannten steinharten Scybala von meistens sehr heller,
weissgrauer Farbe und zähester Consistenz. Diese Kothballen
sind ausserordentlich fettarm und reich an halb- und ganz un¬
verdauten Caseinflocken. Heubner’s Untersuchungen haben
den exacten Beweis geliefert, dass das Kuhmilchcasein ebenso
leicht verdaulich ist wie das Frauenmilchcasein. Die reiche An¬
wesenheit des Caseins in den Scybalis ist desshalb nur ein Beweis
dafür, dass seine Verdauung durch andere Momente behindert
worden ist. Das fast, gänzliche Fehlen der Fettbestandtheile ist
wiederum auf die starke Milch Verdünnung zurückzuführen. Wird
nun diese Wassermilch in den Darm gebracht, so wird Magen-
un<l Darmsaft so beträchtlich durch dieselbe verdünnt, dass das
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Casein vom Kinderdarm nicht mehr überwältigt werden kann
und sich im Verein mit den übrigen Trockensubstanzen zu einem
trockenen, zähen Speisebrei und später Koth zusammenballt,
der durch seine Wasscrarmuth dann auch träge lange Zeit liegen
bleibt.
Wir sehen also, dass in Form von Kuhmilch-Wassergemengen
und ähnlichen Mischungen eingeführte Nahrung 1. zu wasser¬
reich und voluminös, 2. zu fettarm ist und dass 3. die Casein¬
verdauung im Kinderdarm durch die übermässige Verdünnung
des Magen- und Darmsaftes und wohl auch der Galle in gesund¬
heitsschädlicher Weise gehemmt ist. Magen und Darm sind also
dadurch in ihrer physiologischen Thätigkeit behindert und eine
normale Ausnützung und Verwerthung der künstlichen Nahrung
fast gänzlich unmöglich. Es ist somit in erster Linie die
chronische Obstipation kein eigentlicher Krankheits¬
zustand, sondern ein Heminungsvorgang. Dass unter
diesen Verhältnissen auch eine Herabsetzung, wenn nicht häufig
völlige Lahmlegung der kindlichen Darmperistaltik stattfindet,
die wiederum aus der ursprünglich rein mechanisch veranlassten
Obstipation einen das kindliche Leben doch wohl sehr schwer be¬
einträchtigenden Krankheitszustand sich entwickeln lässt, sei der
Vollständigkeit halber hier eingeschaltet.
Von diesen Erwägungen ausgehend, suchte ich nun diesen
Ueberschwemmungsreiz zu vermindern durch Verabreichung
kleinere r und mehr Milch enthaltender Nahrungsmengen
und erreichte dadurch hie und da Besserung der Obstipation.
Da ich aber mit all’ den bisherigen Traditionen zu brechen nicht
so kurzer Hand riskieren wollte, so strebte ich darnach, der bis¬
herigen Nahrung (meist Soxhletmilch) ein Medium zuzusetzen,
dass die Nahrungsbestandtheile der Milchwassermischung reiz¬
los reichlich vermehrt und andererseits die gehemmte
Darmthätigkeit anregt, ohne den Darm aus seiner physio¬
logischen Verfassung zu bringen, und welches schliesslich auch
den Speisebrei rein mechanisch leichter beweglich macht und
dessen eventueller Ueberschuss an Nährstoffen endlich auch reiz¬
los per vias naturales wieder abgeht. Ein solches Medium, das
stets nützte, nie schadete, fand ich in der frischen, süssen
Butter.
Sie ist vom rein praktischen Standpunkte aus ein ebenso aus¬
gezeichnetes wie einfaches Mittel, leicht und angenehm unter er¬
freulicher Hebung des allgemeinen Ernährungszustandes der
Kinder die Obstipation zu beseitigen und zu heilen.
Auf empirischem Wege an einem reichen Kindermaterial,
das ich in den letzten 6 Jahren wegen habitueller Verstopfung
behandelte, gelangte ich zu folgenden Sätzen:
1. Die Butter muss stets frisch und bester Qualität sein,
am besten sogen. Gebirgsbutter (Centrifugenbutter). Auf dem
Lande liess ich stets ganz frisch bereitete gewöhnliche Butter ver¬
abreichen.
2. Die Einzelgabe muss streng individualisirt werden und
Anfangs stets vom Arzte angegeben werden. Nach den Lebens¬
monaten geregelt wurde die Butter folgendermaassen verordnet:
1. Lebensmonat: Da die Verstopfung in dieser Zeit gewöhn¬
lich noch nicht hartnäckig ist, so kann so lange Klysmabehand¬
lung durchgeführt werden, bis man sich überzeugt hat, dass sich
der Darm der künstlichen Nahrung adaptirt hat. *
2. und 3. Monat: Täglich Früh und Abends ein halber bis ein
Kaffeelöffel voll und zwar so lange, bis normaler Stuhlgang er¬
folgt, dann nur alle 2 Tage diese Dosis.
3. und 4. Monat: 2—3 Kaffeelöffel täglich; ist Stuhlgang ge¬
regelt, dann wird Butter nur im Bedarfsfälle in derselben Menge
alle 2—3 Tage gegeben.
Vom 5. Monate an bis zu einem Jahre alle 2—3 Tage I—3
Esslöffel, längere Zeit hindurch.
Von da ab nach Bedarf und Nothwendigkelt.
Die Butter darf nur im Naturzustände gegeben
werden, nie in Milch gelöst oder in andere Vehikel verrührt, da
die absolut harmlose Wirkung der frischen Butter durch
die beim Zerlassen oder Erwärmen eintretenden chemischen Ver¬
änderungen verloren geht und dem Kinderdarm dadurch die
Möglichkeit entzogen wird, aus dem normalen unveränderten
Milchfette, wie es auch in der Muttermilch vorhanden, seinen Be¬
darf sich selbst zu nehmen und den Ueberschuss einfach wieder
abzugeben. Die Verdauungsthätigkeit des Darmes der Butter
gegenüber wird stets der Milch Verdauung am ähnlichsten sein,
daher auch die überaus gute Bekömmlichkeit des Milchfettes
(Butter). Vollständig verändert sind jedoch die Verdauungs¬
verhältnisse, sobald die Butter durch Erwärmen in Milch oder
Brei u. dgl. in Schmalzfett umgewandelt ist.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
115
Butter, die schon mehrere Tage alt ist, muss vermieden
werden. Uebrigens sind die kleinen Patienten in Bezug auf ge¬
naue Unterscheidung einer guten Butter von minderwerthiger,
in ihrem Geschmack schon etwas veränderter, auffallend fein¬
fühlig. Sie weisen letztere mit geradezu frappirender Sicherheit
zurück, während sie ausnahmslos — ich habe noch keinen
Fall erlebt, wo es nicht so gewesen wäre — gute, frische Butter
mit grossstem Wohlbehagen verzehren. Schädliche Folgen durch
Verabreichung derselben habe ich noch nie gesehen, trotz des
grossen Bacterienreichthums der Butter. Der Stuhl tritt meist
nach 4—5 Stunden in breiiger Consistenz auf und wird mühelos
entleert. Diarrhoischen Stuhl sah ich nur bei übertriebenster
Gabe und selbst da nur sehr selten und vorübergehend.
Die günstigen Erfolge, die mit dieser Buttertherapie erzielt
werden, beruhen, kurz recapitulirt, nach meiner Ueberzeugung
darauf, dass erstens der Gehalt der bisher verabreichten Wasser¬
milchgemenge an Nährwerthen leichtverdaulichster Art bedeu¬
tend erhöht wird und dieselben der normalen Milch durch Zu¬
satz reichlicher Mengen von Fett und etwas Eiweiss in best-
emulgirter Form nähergebracht werden, dass zweitens ein ge¬
nügend grosser Theil der zugesetzten Nährstoffe zum Aufbau des
ganzen Organismus günstig verwendet wird, dass drittens der
Ueberschuss derselben reizlos und unbcnützt durch den Darm
geht, die vorher träge Darmperistaltik durch seinen Gehalt an
den verschiedenen, noch unschädlichen Fett- und Buttersäuren
unschädlich anregend und schliesslich auch den Speisebrei rein
mechanisch, ebenso wie später die Kothsäule beweglich machend.
Dieselbe wird eben gut eingefettet und rutscht nun bei der an¬
geregten Peristaltik leichter vorwärts. Die Wasserresorption
kann dabei ungehindert weitergehen, weil ja der Darm nun
brauchbares Ernährungsmaterial genügend, ja im Ueberschuss
zurückbehält: mit einem Worte, in jedem einzelnen Falle war der
Erfolg ein geradezu glänzender — ich zähle aus eigener Praxis
etwa 80 Fälle, aus der Praxis befreundeter Collegen gegen 25.
Alle aus der Obstipation hervorgegangenen Beschwerden schwan¬
den überraschend schnell, das Allgemeinbefinden hob sich, die
Entleerungen des jetzt weichen, „schönen“, gelbgefärbten Stuhles
bildeten einen scharfen Contrast zur bisherigen Beschaffenheit
desselben.
Durch die Förderung des Allgemeinbefindens der Kinder er¬
höht sich noch der Werth der Butterbehandlung. Der Er¬
nährungszustand besserte sich rasch unter dem Einfluss der¬
selben, aus den blassen, aufgedunsenen, pasteusen Kindern
werden meist schon nach Ablauf von 3—4 Wochen frische,
rothwangige Wesen, die den Unbilden des ersten Lebensjahres
gegenüber widerstandsfähig gewesen sind und — last not least
für den praktischen Arzt wenigstens — die Dankbarkeit der
Mütter ist gross.
Nebenbei sei bemerkt, dass mich diese günstige Beeinflus¬
sung der kleinen Patienten durch Butterzusatz zu ihrer Nahrung
veranlasst hat, auch anaemische Kinder mit Neigung zu Rachitis,
Kinderatrophie etc., auch wenn sie nicht an Verstopfung litten,
auf diese Weise nebenbei zu behandeln und ich habe in solchen
Fällen recht ermunternde Resultate erzielt.
Ein Punkt bleibt noch besonders zu betonen: Die Kinder
dürfen selbstverständlich nur dann Butter bekommen, wenn
sie eben nur an Verstopfung und deren Folgen leiden. Es darf
kein Magenkatarrh, kein Dünn- oder Dickdarmkatarrh etc. be¬
stehen, die Ernährung musss einigermaassen rationell bisher
durchgeführt worden sein und weiter durchgeführt werden, die
Kinder müssen ihre bisherige Nahrung vertragen und dabei
relativ gediehen, d. h. wenigstens langsam an Gewicht zu-
genommen haben. Alle Erkrankungen dagegen, deren Ursache
die Obstipation ist, sind keine Contraindication — im Gegen-
theil!
Soviel steht fest: Die hartnäckigste Obstipation mit allen
Chikanen kann durch die frische Kuhbutter bei sonst nicht
kranken Kindern spielend beseitigt und dauernd ge¬
heilt werden, das Allgemeinbefinden der Säuglinge und auch
älterer Kinder bis zum 5. und 6. Lebensjahre herauf in günstiger
Weise beeinflusst werden.
Wie weit die strenge Wissenschaft mit meinen Ausführungen
einverstanden ist, weiss ich nicht. Genauere unantastbare Unter¬
suchungen über die Faeces vor und nach der Butterbehandlung,
wie sie mir wünschenswerth erschienen, anzustellen, erlaubte
mir eine ausgedehnte ärztliche Praxis nicht. Aber so viel ist
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sicher: All* die bisherigen Heilmethoden vom Klysma und dem
Abführmittel bis zur Massage können ruhig ad acta gelegt
werden, denn sie sind durch diese Buttertherapie
unnöthig geworden.
Als ich mich daran machte, diese in den letzten 6 Jahren ge¬
machte Erfahrung der Oeffentlichkeit zu übergeben, erschien im
Decemberheft der Therap. Monatsh., XIII. Jahrgang, 1898, eine
treffliche Arbeit Schlesinger^ „Ueber künstliche Säuglings¬
ernährung“ und im Märzhefte 1899, XIV. Jahrgang, ibidem eine
weitere Abhandlung „Ueber Säuglingsernährung mit unver¬
dünnter Kuhmilch“. Zu meiner freudigen Ueberraschung er¬
sah ich aus den klaren Arbeiten, dass Schlesinger auf streng
wissenschaftlichen Bahnen zu demselben Resultate gekommen
war, zu welchem mich der praktische Weg, ein gesundheits¬
schädliches Uebel zu beseitigen, geführt hatte, mir ein Beweis,
dass es richtig war, zu dem Resultat nämlich:
1. dass die heute üblichen täglichen Nahrungsmengen und
Einzel Portionen viel zu gross sind und dass sie
2. zu sehr verdünnt sind.
Schlesinger ging dann einen bedeutenden Schritt
weiter und verlangt, dass reine Kuhmilch den Säuglingen
von Anfang an gegeben wird, in kleinen Portionen und nicht zu
oft. „Wenig, aber gut“ wie er schreibt. Ich blieb auf halbem
Wege stehen, indem ich die Wassermilchgemengo auf die Hälfte
der bisherigen Dosen reducirte, da ich nur den therapeutischen
Zweck im Auge hatte und durch Nebenernährung mit Butter
den Nährwerth der Wassermilchgemenge etc. demjenigen der
normalen Milch möglichst nahe zu bringen suchte, um damit
die Verstopfung zugleich zu beseitigen. Schlesinger hat
nuu in sehr eingehender und klarer Weise seine Thesen auf-
gestellt und an der Hand der Wissenschaft bewiesen — ich ver¬
weise dringend auf das Studium der beiden Arbeiten des
Autors — und ich freue mich, dieselben durch meine eigenen
Beobachtungen voll und ganz bekräftigen und dadurch beitragen
zu können, dass seine eine volle Umwälzung in der Säuglings¬
ernährung bedeutenden Grundsätze zur Annahme und Anerken¬
nung gelangen möchten. Wird die von ihm vorgeschlagene, ein¬
fache natürliche Ernährung der Neugeborenen mit reiner Kuh¬
milch dereinst Allgemeingut werden, so ist mein bescheidener
Vorschlag zur Behandlung der Verstopfung wenigstens theil-
weise überflüssig geworden. Da sich aber alles Gute nur lang¬
sam Bahn bricht — ich meine SchlesingePs Vorschlag —
so möge bis dahin mein einfaches Verfahren segensreich wirken.
Verstopfung wird es aber aus anderen Gründen auch in
Zukunft noch geben, und desswegen füge ich zum Schlüsse noch
bei, dass auch alle anderen Formen gutartiger Obstipation
acuter und chronischer Art, bei Brustkindern sowohl wie
bei „künstlich ernährten“, sonst gesunden Kindern mit
Butter erfolgreich und ohne störende Nebenwirkung behandelt
und geheilt werden können.
Zur Lymphknotentuberculose.
Von Dr. von Noorden in München.
In welchem Maasse die jugendliche Bevölkerung mancher Ge¬
genden zumal mit geschwollenen Lymphknoten behaftet ist,
lehrten Massenuntersuchungen, ange3tellt, um den Gesundheits¬
zustand der Zähne kennen zu lernen. Odenthal fand bei
70 Proc. der Kinder Anschwellungen. S t a r c k vermisste bei
6 bis 9 jährigen Kindern seines Materials fast niemals vergrösserte
Halslymphknoten. Die Untersuchungen von Vollandt an
2506 Schulkindern fielen höchst ungünstig aus. Es krankten im
7.—9. Lebensjahr 96 Proc. an Anschwellungen, im 10.—12.
Lebensjahr 91,6 Proc., im 13.—15. Lebensjahr 84 Proc., im 16.—18.
Lebensjahr 69,7 Proc., endlich im 19.—24. Lebensjahr 68,3 Proc.
Lase Fs Nachforschungen an Schulkindern eröffnen, dass unter
1216 Kindern 137 Kinder keine Verdickungen hatten.
Schon diese wenigen Mittheilungen aus statistischen Er¬
hebungen kennzeichnen die Rolle, welche die Lymphknoten in
der Kinderpathologie und in den ersten Decennien spielen; um
so mehr fordern sie Aufmerksamkeit als rachgerade genügend
Beweismaterial beigebracht ist, dass die Lymphknoten Aufstape¬
lungsplätze und Ausfallsthore für später vernichtende Krank¬
heiten sein können.
Als chronisch-hyperplastische Lymphknotenanschwellung be¬
zeichnet die allgemeine Pathologie den Zustand, welchen der
2 *
Ürigiral frei
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118
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 4.
Lymphknoten annimmt, sobald vom Wurzelgebiete Dauerreize
ausgingen, in Folge derer das Gewebe nicht mehr zur Norm zu¬
rückkehren kann. Ist Intensität und Qualität geeignet, so folgt
der Zustand auch durch kürzer einwirkende (acute) Reize. Dass
die Lymphknoten secundäre Entzündungsstellen werden, ist
durch anatomische Anordnung gegeben; in ihr waltet ein teleo¬
logisches Princip. Durch staffelförmigen Aufbau seiner Hilfs¬
truppen erwehrt sich der Organismus eindringender Feinde.
Man erkannte als Ursache der Schwellungen vor Allem
Entzündungen vielfacher Art mit Sitz im zugehörigen Wurzel¬
gebiet der Lymphe. Unzählige Varietäten also; beispielsweise
die vielen Gelegenheiten, die von der Mundhöhle mit ihren
Organen vom Lippensaum bis zur Pharynxwand ausgehen, Ueber-
gänge von Schrunden bis zu den schwersten Haut- und Schlei m-
hautaffectionen, die sich allgemeiner Infection zuzugesellen
pflegen.
Das klinische Gesammtbild verleiht oft der Lymphknoten¬
anschwellung den Namen; Schwellung nach Scharlach, Masern,
nach cariösen Zähnen, Mandelentzündungen und so fort. Damit
ist, wenn auch in vielen Fällen nicht erschöpfend, die Schwel¬
lung charakterisirt. Häufig ging keine derartige oder wahr¬
nehmbare Krankheit voraus, aber das seit Alters bekannte Bild
der skrophulösen Constitution bot sich dar; die Heilkunde
spricht von skrophulösen Lymphknoten als eine Art für sich.
Ein Theil dieser beharrt, oder bildet sich annähernd zurück, oder
nimmt eine Gewebedegeneration für Tuberculose typisch an.
Wieder andere Lymphknoten behalten den Charakter der chro¬
nischen Hyperplasie nur kurze Zeit, sie sind tuberculös, erscheinen
primär tuberculös.
Die Masse der Fälle im jugendlichen Alter lässt sich klinisch
unter diese drei grossen Gruppen einreihen, so mannigfach auch
die Bilder durch secundäre Beeinflussung (Mischinfectionen) und
degenerative Processe sich gestalten.
Ich schliease mich denen an, die durchaus Skrophulose und
Tuberculose trennen und dieses auch für die Lymphknoten-
erkrankung durchgeführt wissen wollen. Wir kennen eigent¬
lich, trotz aller klinischen und pathologischen Arbeit, die seit
Mitte des 18. Jahrhunderts (soviel mir bekannt zuerst ernst auf
Anregung der französischen Akademie 1749) verwandt wurde,
über Skrophulose nur Symptomatisches; fest steht, dass die Skro¬
phulose ganzen Familien eigen ist und darin als ein Erbstück,
schwer oder gar nicht ausrottbar, fortlebt. Neben der ange¬
borenen Anlage zählen noch Gelegenheitsursachen die Skrophu¬
lose zu erzeugen scheinen. Es mag einmal der physiologischen
Chemie Vorbehalten sein zu ergründen, worin die Gewebe- und
Saftversehiodenheit zwischen einem gesunden und skrophulösen
Körper besteht und was die sich vererbende Minderwertigkeit ist.
Die Erreger der Tuberculose suchen diese von der Norm ab¬
weichenden Gewebe und finden zuträgliche Ansiedelungsbeding-
ungen in ihrem Nährboden, eine Erscheinung, auch von anderen
pathologischen Geweben (Diabetes, unterernährte Gewebe) genug¬
sam bekannt. Sei es, dass die Erreger immer durch die Lymph-
lmhnen von aussen und vom Respirations- und Darmtractus
oder auch auf andere Wege eindringen, es bleibt eine Erschei¬
nung, dass die Lymphknoten der skrophulös Behafteten dazu nei¬
gen in Reizzuständen zu beharren, vornehmlich aber geeignet
sind, eingedruTigene Tuberkelbacillen festzuhalten. Die ein¬
tretende Gcwebereaction birgt wenig Widerstand gegen deren
Entwicklung in sich. So betrachte ich, nach alter Anschauung,
Tuberculose in Beziehung zur Skrophulose als einen Parasit, als
als etwas Ilinzugekommenes, nicht Identisches.
Auf den Uebergang der Tuberculose auf skrophulöses Ge¬
webe ist das Hauptaugenmerk des prophylaktischen Arztes zu
richten. Die Prognosen fallen zu gut, zu schlecht aus, weil in
diesem Punkte gerade die ärztliche Erkenntniss Schwierigkeiten
hat. Aber sehr viel hängt daran, in diagnostischer Beziehung
den Einzelfall bald sicher zu übersehen. Belangloser wäre es,
wenn die Allgemeinheit sich nicht gewöhnt und erzogen hätte,
skrophulösen Lymphknoten gegenüber indifferentes Verhalten
einzunehmen, diese Krankheit populärer Weise als Störung au-
zusehen, die dem Pubertätsalter, den Soolbädern und dem Leber-
thran weicht. Indifferentismus wird oft schwer bezahlt. Ernstere
Auffassung sollte sich im Interesse des Volkswohles verallge¬
meinern, dahingehend, dass der Erreger der Tuberculose keinen
vorbereiteteren Boden als dieskrophul. Gewebe eines Kindes findet.
Erspriossliches therapeutisches Handeln ist nur dann möglich,
wenn ärztliche Beobachtung durchschaut, wann die Lymphknoten
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aufhören bloss entzündliche harmlose Reaction zu sein und auf¬
gedeckt wird, wann ein Kind mit dem vielen Weh-Weh den viru¬
lenten Keim der schwersten Plage des Menschengeschlechtes in
seine Lymphknoten aufgenommen hat. Hohe Pflichten erwachsen
dem Hausarzt, ein Feld für scharfe Beobachtung steht dem
Schularzt offen; die prophylaktische Richtung der Medicin
unserer Tage strebt an, die Krankheiten im allerersten Entstehen
zu ahnen und zu sehen. Was frommt dem Einzelindividuum mit
vorgeschrittener Lungenphthisis die Volksheilst ättc, was frommt
es, das skrophulose Kind Wald-, See- Salinenluft erst danu
athmen zu lassen, wenn Tuberculose sesshaft wurde. Schon dem
Einschleichen und frühester Ansiedelung muss man nachspüren;
unselige Bemäntelung der offenen und geschlossenen Lungen-
tuberculose mit dem Worte Spitzenkatarrh, auch Heiserkeit,
wurden oft Wermutstropfen.
In der diagnostischen Kunst sind die Pathologen seit
S c h ü p p e Fs Zeiten den Aerzten vorausgeeilt; wo Mikroskop
und Farbe leicht oder recht mühsam Tuberkulose nachweist,
lassen klinische Hilfsmittel noch im Stich. Die Gewebe ver¬
bergen den Anmarsch der Tuberkelbacillen; Bacillen und Sporen
verursachen, wie andere Infectionserreger mit lebhaftem Tempo,
keine wahrnehmbare Reaction in oder unter der Cutis oder an der
Eingangsstelle; dazu ermangelt der Arzt um diese Zeit zumeist
subjectiver Klagen. Rückschauend und rückfragend wird Spär¬
liches beigebracht. Die Angaben lauten: Dann und wann hätten
Laesionen und irgend welche Krankheiten bestanden — die aller¬
dings unsere Aufmerksamkeit um so mehr in Anspruch nehmen,
wenn die Kinder in solchen Zeiten herabgesetzten allgemeinen
oder localen Widerstandes zur Umgebung eines tuberculösen
Vaters, einer solchen Mutter, der Geschwister, des Dienstper¬
sonales gehörten. Auffallender Weise schätzen Ansichten, die
der Laboratoriumsarbeit entspringen, directe Infection mit
Bacillen oder deren Sporen durch trockene und feuchte Medien
nicht sehr. Aber Umschau in Häusern mit einem bis zum Maxi¬
mum gesteigerten Zusammenleben drängt uns auf, die Harm¬
losigkeit des einmal abgesonderten oder ausgespuckten Krank-
heitsproducte3 in derartigen hygienischen Verhältnissen nicht
hoch anzuschlagen. Eine Nachforschung in New-York ergab
beispielsweise, dass von 633 Häusern 248 mit Tuberculösen er¬
füllt waren, dass in 3 Jahren in diesen Wohnungen 541 Fälle
von Tuberculose vorkamen. An der Ueberzeugung von mittel¬
barer und unmittelbarer Uebertragung müssen die Aerzte fest-
halten, auch vom pädagogischen Gesichtspunkte, soll nicht
grösste Lässigkeit die Gefahr fördern. Dem Einzelnen mag über¬
lassen bleiben, sich nur geschwächte, vulnerable, irritable,
disponirte etc. Kinder und Erwachsene für die Krankheit zu¬
gänglich zu dünken und in der allgemeinen Widerstands¬
schwächung ein nothwendiges Erforderniss zu erblicken oder
anzunehmen, dass die Infection des Gewebes, gesund oder krank,
dann erfolgt, wenn eben der Ansturm der Tuberkelbacillen gross
genug ist und die Frage damit zu einer quantitativen zu machen.
Bemühungen aber, die die Tuberkulose zur Constitutionskrank¬
heit zurück drängen, die sie des infectiösen Charakters entkleiden
möchten, können sich nur auf Unkenntniss der Geschichte der
Tuberculose von Villemin bis Koch aufbauen.
Muss man nun, falls klinische Mittel und Erfahrung im
Schwanken lässt, verzichten, die frühe Diagnose zu fördern? Ich
meine nein, und zwar dürfen und sollen wir wieder öfters neben
der Probeexcision, die auch energisch zu vertreten ist, obwohl
das Verlangen zum kleinen Eingriff gerne an gegebenen Verhält¬
nissen scheitert, zum Tuberculin greifen. Diagnostischen
Werth hat dieses behalten, trotz aller Gegenkritik. Für Herab¬
setzung der grossen, bahnbrechenden Entdeckung ist genügend
gesorgt; der Arzt, welcher die Injection zu diagnostischem Zweck
in der Privatpraxis befürwortet, stösst auf Widerstand und
kommt der Rath nicht von sehr autoritativer Seite, so sieht er
ein wohlgemeintes Vorhaben scheitern. Der Chirurg kann das
Tuberculin in diesem Sinne nicht entbehren, nicht bei Knochen-
und Gelenkerkrankungen zweifelhafter Art, noch bei mancher
Tuberculose in Weiebthcilen, und sei es wie es sei, selbst der
innere Arzt kommt in geeigneten Fällen darauf zurück. An ein¬
zelnen Stellen ist ein therapeutisches Ziel mit dem Tuberculin
auch jetzt nicht aus dem Auge gelassen, wie mir von geschlos¬
senen Anstalten und Behandlung der Lungentuberculose in Bade¬
orten bekannt ist. Ich stütze mich auf eine Anzahl älterer und
neuerer Fälle von Lympliknotenanschwellungen, die mittels Tu¬
berculin zur Frühdiagnose auf Tuberculose kamen, bei welchen
Original ffom
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23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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ich auf klinische Beobachtung hin nicht gewagt hätte, Tuber¬
eulose anzunehmen. Es sind Erfahrungen, die gewiss Anderen
auch zustehen, doch wird nicht mit genug Nachdruck das dia¬
gnostische Hilfsmittel aufrecht gehalten. Nicht immer reagiren
tuberculöse Lymphknoten der Anfang- und Spätform, das ist
zuzugeben, aber in anderen Fällen treten wieder alle Nuancen
von kaum merkbarer Spannung bis zur hochgradig schmerz¬
haften, mit Entzündung einhergehenden Begleiterscheinung auf
und dies individuell, bei steigernder, vorsichtig gereichter Dosis
von Milligramm bis Centigramm der wirksamen Substanz. Wohl-
bedachte Dosirung schädigt nicht; mit Recht verblieb Tuber¬
kulin dem Arzneischatz und oft kann die Reaction wie ein
offenes Buch erzählen.
Mit Eintreten der localen — und vorsichtiger Weise auch
der allgemeinen Reaction — benöthigt sicht- und tastbare
Lymphknotenschwellung chirurgische Erwägung, ebenso wie es
nach einer auf anderem Wege gesicherten Diagnose sein sollte.
Damit ist ein überhastiges Eingreifen nicht zugestanden; aber
der Arzt, dem chirurgische Verantwortung zufällr, muss bald
Gelegenheit zum Einleben in den Fall finden. Dies würde, wie
jeder, so auch dieser Operation nützen; es ist unthunlich, ohne
möglichste Kenntniss der inneren Organe (Lungen, Herz,
Nieren, Blutverhältnisse in Bezug auf Haemoglobin und Zellen,
Bauch- und Brustlymphknoten) zu operiren. Bei Nichtbeachtung
werden viel zu weit vorgeschrittene Fälle operirt Beschränkung
gegen solche hat man sich aufzuerlegen, sie kommt den Patienten
und der operativen Heilkunde für dieses Gebiet und im Allge¬
meinen zu Gute.
Neben Probeexcision, in Verbindung mit ihr oder allein
zur Injection eignen sich 'wohl:
1. Fälle, welche chronisch-hyperplastische Lymphknoten¬
anschwellungen darbieten, ohne dass begleitende Symptome Tu-
berculose vermuthen lassen, demnach leicht die Diagnose ver¬
zögert und die radicale Therapie beeinträchtigt wird.
Jene Lymphknoten, die Schüppel als tuberculöse Granu¬
lome beschrieb — von E. Ziegler grosszellige Lymphome ge¬
nannt — finden sich auch bei robusten jugendlichen Menschen
mit normalem Haemoglobingehalt. Man ist überrascht, selbst
in winzigen Lymphknoten vorgeschrittene tuberculöse Degene-
rationsproducte mit dem Messer nachzuweisen. Manche stabile
hyperplastische Schwellung kann, obwohl Heredität und Ver¬
hältnisse, selbst an anderer Stelle localisirte Tuberculöse auf
Tuberculöse hinweist, grosse diagnostische Schwierigkeit be¬
reiten.
2. Fälle, in denen geschwellte Lymphknoten mit irgend einer
anderen localen Bildung zur Differentialdiagnose auf Tuber-
culose in Frage stehen.
Hierher sind Raritäten zu rechnen. Schwellungen im
Parotisgebiet, im Thränen- und Speicheldrüsengebiet (Miku¬
licz), dann kleine Netzbrüche, Sarkome, seltene subcutane Der¬
moide und gleicher Weise seltene Atherome am Halsring. So¬
dann H o d g k i li’sche Krankheit und die neuerer Zeit von
Baumgarten beschriebene pseudoleukaemischeLymphknoten¬
tubereulose, die besonders unsicher erkannt wird.
3. Fälle, in denen bei evident skrophulösen Kindern nach
Abheilung von Entzündungen im Lymphknotenwurzelgebiet und
nach Einwirkung allgemein roborirender, hygienisch-diätetischer
Maassnahmen geschwollene Lymphknoten nicht zurückgehen oder
gar Empfindlichkeit verrathen.
4. Fälle, in denen der Arzt eines Nachdruckes bedarf, um
die Umgebung oder den Kranken aus einer gewissen Gleichgiltig¬
keit heraus zu reissen. Injection oder Probeexcision überzeugen.
Ich zweifle nicht, dass bei vielen in Tannenwäldern, im Sool-
und Seebad sich tummelnden skrophulösen Kindern unsere Nach¬
forschungen auf Tuberculöse gegen Erwartung betrübend au3-
fallen würden. Man wird Angesichts solcher Kinder recht ope¬
rativ gestimmt, und ist es nicht einem Zufall überlassen, ob
das Gewebe der eingeschlichenen Tuberculöse Herr wird? Es
deckt sich nicht mit unserer prophylaktischen Auffassung, leicht
zugängliche schädliche Herde in den Geweben zu lassen, ihnen freie
Maulwurfsarbeit zu erlauben. Für Krankheiten, deren Charakter
in Metaplasie der Gewebe mit ungezügelter Wucherung beruht,
wurde diese Ansicht längst bei Arzt und* Laien durchschlagend;
für chi r. Tuberculse, besonders die der Lymphknoten, trotz der über¬
zeugenden Erfolge, welche viele Statistiken der letzten zwei De-
cennien nachweisen, noch nicht; dies lehren wenigstens abscheu¬
liche Krankheitsfälle in Stadt und Land, für die wir nur den
No. 4.
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Ausruf haben: Warum kamt ihr nicht früher. — Man könnte an
eine Ueberwachung der skrophulösen Kinder mit Probeexcision
und Probcinjection denken, sich die Erfahrungen der Veterinär¬
heilkunde für letztere zu Nutzen machend.
Auf Grund erneuter Durchsicht der Literatur l ), die sich mit
den Endresultaten der operativen Lymphknotenbehandlung be¬
schäftigt, ist dringend zu wünschen, dass die Erkrankten mög¬
lichst bald der Operation zugeführt werden und dieses nach dem
Säuglingsalter in jedem Alter, falls der Kräftezustand und die
äusseren Verhältnisse nicht dagegen sind. Der prophylaktische
Charakter soll der Operation bewahrt bleiben, ein Standpunkt,
den ich auf Grund des Tübinger Materiales (v. Noorden:
Beiträge zur klinischen Chirurgie, Bd. VI) schon 1889 unter¬
stützen konnte und der seither oftmals statistisch, besonders an
deutschem Klinikmaterial, bestätigt wurde. Uebrigens dürfte
man schon auf Vorgänger neuerer Empfehlung auf bauen. Das
Mittelalter lehrte den Satz: Strumae s. glandulae nunquam
sanabuntur nisi exstirpantur und das eindringliche Mahnwort
H ü t e Fs zu Beginn der modernen Chirurgie konnte nicht ver¬
hallen. Die chirurgische Thätigkeit muss heute jedenfalls für
solche Fälle, die ihren muthmaasslichen Weg nicht durch die
Lungenwurzeln und die dortigen Lymphknoten nehmen, auch von
Zaghaften anerkannt werden. Wenn jüngst ein frischer Zug,
durch Selbsterhaltungstrieb der Völker (Isolirungen), Humani¬
tät und therapeutische Ueberzeugung angefacht, in der Medicin
weht, indem auch Prophylaxe gegen Tuberculöse bis in’s Minuti¬
öseste ausgedacht und scheinbar ausgeführt wird, .so vergesse man
nicht dort den Hebel anzusetzen, wo ein Vorbeugen möglich,
nämlich bei Kindern und Erwachsenen, die kleine, angreifbare
tuberculöse Herde mit sich tragen. Unterlassung bedeutet oft
späteres Siechthum für das Individuum und Schaden für die Mit¬
menschen, denn schliesslich sind Tuberculöse dem Schwachen ge¬
fährlich, dem Starken drohend. Der Zusammenhang zwischen
Lymphknotentuberculose und Lungentuberculose zu hohem Pro¬
zentsatz steht fest, damit gebe ich Bios recht, wenn er über den
Einzrlfall hinweggehend den tuberculösen Lymphknoten ein
Interesse in grossem Stil, praktischer und theoretischer Natur,
aufprägt.
lieber einen Fall von Jodkaliumparotitis.
Von Dr. G. Trautmann in München.
Bei den Intoxicationen, die durch Jodpräparate hervor¬
gerufen werden, können die Erscheinungen, die durch locale
Applieirung in Nase, Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf etc. ent¬
stehen, abgesehen von denen am Behandlungsort, die gleichen
sein, wie diejenigen bei innerer Verabreichung des Medicaments.
Die Vergiftungssymptome sind genugsam bekannt. Sie
äussern sich in Salivation, Jodschnupfen, Kopfschmerzen,
Larynxoedem, Asthma, Lungenblutungen, Albuminurie und
Haemoglobinurie. Hautexantheme kommen häufig vor, unter
anderem Urticaria, erysipelatöse Schwellung, Akne und maligner
Pemphigus. Der Puls ist klein und frequent. Ferner beobachtet
man Psychosen und bei schweren Formen einen Zustand, der
unter dem Bilde einer Meningo-Encephalitis mit den Zeichen
einer Gehirnparalyse verläuft und tödtlich endet.
Todesfälle sind schon mehrfach im Anschluss an Jodbehand¬
lung vorgekommen.
Das sind die Erscheinungen, die man bei der Beschreibung
der Intoxicationen allgemein aufgezählt liest.
Wenn nun auch an einzelnen Stellen des Ergriffenseins der
Parotis Erwähnung gethan wird, so scheint ein solches doch nicht
so häufig aufzutreten, dass es nothwendigerweise zum Vergif¬
tungsbilde gehöyt, und verschiedene Autoren haben es für wertb
gehalten, Fälle dieser Art zu veröffentlichen.
Nach der mir zugänglichen Literatur hat im Jahre 1887
Francis V i 11 a r (Jodisme ä localisation parotidienne, La France
mödicale No. 64) eine Parotitis dieser Art beschrieben.
Ein Patient, def früher viel an Drüsenschwellungen und Eite¬
rungen gelitten, sucht wegen einer Brandwunde das Hospital auf.
Die linken Achseldrüsen sind in der Grösse des Eies einer Trut¬
henne, die Subclaviculardrüsen beiderseits enorm geschwollen;
in der Leistengegend sind ebenfalls kleinere Knoten. Im Verlauf
*) Ein gutes Literaturverzeichniss finde ich bei O. K u r o n ,
Diss., Breslau 1898. Ausser Lehr- und Handbüchern nenne ich
noch hinzu: B. Ruschenbusch, Diss., Erlangen 1891. —
F. M a n i t z, Diss., Erlangen 1892. — H. M. Hymans, Diss.,
Leiden 1897. — Bios, Diss., Heidelberg 1899.
3
Origii frer
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118
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
von 3 Stunden hatte Patient 3 g Jodkalluw erhalten, ein Medica-
luent, das er früher noch nie zu sich genommen hatte. Nach
weiteren 2 Stunden begann plötzlich neben starker Cephalalgie und
Erbrechen unter grossen Schmerzen eine Anschwellung der Parotis
beiderseits einzusetzen, welche unter entzündlichen Erscheinungen
in der Zeit von zehn Minuten sich beträchtlich vergrösserte
und schmerzhafter wurde.
Diese foudroyante Parotitis nahm am nächsten Tage bei fre¬
quentem Pulse, allgemeiner Niedergeschlagenheit und einer Haut¬
eruption auf Stirne und Nase zu, und zeigte nach sofortigem Aus¬
setzen des Mittels erst am 3. Tage die Tendenz zur Abschwellung
und zum Nachlassen der übrigen Symptome. Beim Austritt des
Patienten aus dem Hospital nach mehreren Tagen hatte die beider¬
seitige Parotisgegend noch nicht ihr normales Aussehen erhalten.
Von demselben Autor werden in seiner Abhandlung noch 3
gleiche Fälle citirt, die Re y n i e r vor ihm beobachtet hatte.
Sodann berichtet L. R e n o n und R. F o 11 e t in der Sociötß
m£dicale des höpitaux, 3. I. 1898 (Therap. Mouatsh. 1898, S. 567)
über eine doppelseitige Parotitis.
Nach Einpinslung der Brust mit Jodtinctur bei einem 51 jähr.
Mann entstand Tags darauf links und ca. 5 Tage später rechts
eine schmerzhafte, entzündliche Anschwellung der Parotis.
G u e 11 i o t theilt mit, dass er nach einer Injection mit .Tod-
tinctur in eine Hydrocele eine kurzdauernde Parotitis gesehen
habe und Le Gendre sagt, dass nach Anwendung von Jod¬
kalium in grosser Dosis recht häutig schmerzhafte Erscheinungen
von Seite der Parotis zur Beobachtung gekommen seien.
Ich habe ebenfalls Gelegenheit gehabt, eine Parotitis zu be¬
handeln, deren Entstehung zweifellos auf Rechnung der Wirkung
von Jodkalium zu setzen ist.
Der Fall ist folgender:
G., 32 Jahre alt, kräftiger Mann, hat im September 1898 Ulcus
durum acquirirt und bereits eine Schmiercur durchgemacht. Von
October bis December keine Erscheinungen mehr.
13. NIL 1898 grosser und kleinerer weisser Plaque auf der
linken Tonsille und ein ebensolcher in der Grösse eines kleinen
20 Pfennigstückes nahe der Mittellinie des Zungenrüekens an der
Grenze des vorderen Drittels.
Submaxillar- und Cervicaldrüsen mässig geschwellt. Patient
wird local mit Sol. Arg. nitr. 4/100 behandelt, worauf in der
nächsten Zeit diese Erscheinungen zurückgehen.
27. XII. 1898 erhält Pat, Decoct. Sarsaparillae 30/150, Kal.
j o d a t. 8, Hydr. b i j o d. 0,1, Sacch. lact. 30. Wegen direeter Ab¬
neigung des Patienten zu dieser Medieation am
28. XII. 1898 Sol. Kal. jod. 4/200.
30. XII. 1898 plötzlich Furunkel von der Grösse einer kleinen
Pflaume in der Schildknorpelgegend. Aussetzen von Jodkall. Im
Verlauf der folgenden Tage Fluctuation, wesslialb der Furunkel
am 11. I. 1899 incidirt wird.
Nach einigen Tagen nimmt Patient aus eigener Initia¬
tive Jodkali weiter bis zum 31. I., so dass er die erste Jodkali¬
lösung eingerechnet, auf ca. 35 Tage vertheilt 3 Flaschen — 12 g
pro die 0,8 (3 Esslöffel), pro dosi 0,26 zu sich genommen hat.
31. I. 1899 bietet Patient folgende Erscheinungen:
Starke Schmerzen in der Stirne und in der rechten Gesichts¬
hälfte. Hitzegefühl im ganzen Körper. Puls 96, grosse allgemeine
Niedergeschlagenheit. Keine Schwellung der Submaxillar- und
Cervicaldrüsen mehr. Halsfurunkelincision vernarbt, kaum eine
Infiltration ringsherum zu fühlen.
Dagegen ist die rechte Parotisgegend kleinfausU
gross geschwellt, die Haut blau bis violett verfärbt und stark
gespannt, die Wangenschleimhaut derselben Seite hochroth.
Die Palpation des Tumors ist sehr schmerzhaft, ergibt
an einigen Stellen Nachgiebigkeit des geschwellten Parotis-
gewebes, aber nirgends Fluctuation.
Die Schwellung erstreckt sich nach oben bis zum Joch¬
bein, nach vorne bis zu einer Linie, die vom äusseren rechten
Augenwinkel senkrecht nach abwärts geht, nach hinten bis
zum Proc. mastokl. und verliert sich nach unten bis in die Gegend
des unteren Randes des Unterkiefers.
Die linke Gesichtshälfte zeigt nichts Anormales.
Mundhöhle frei von luetischen Erscheinungen.
Auf diesen Befund hin wurde der Weltergebrauch von Jod
kali sofort verboten. Cataplasma sem. lini. Abführmittel.
Nachts: w r enig Schlaf erhebliche Kopfschmerzen, Ziehen
in der rechten Gesichtshälfte.
1. II. 1899. Parotis etwas abgeschw r ollen, äussere Färbung
blasser, Spannung geringer, Schmerzen nicht mehr so Intensiv.
In den darauffolgenden Tagen geht die Schwellung immer
mehr zurück und nach einer Woche sind die Erscheinungen völlig
verschwunden.
Das Zurückgehen der Erscheinungen nach Aussetzen des
Medieaments darf mit Sicherheit die Aetiologic dieser Parotitis
in der Jodkaliumeinnahme finden lassen.
In der Symptomengruppe der Jodkaliintoxication ist das
Auftreten einer solchen keinesfalls ein geradezu sel¬
tenes. Immerhin aber ist es ungewöhnlich, und es
dürfte wohl ein neuer Fall eine Notiz verdienen.
Aus der medicinischen Abtheilung des Prim. Doc. Dr. Pal im
k. k. allgemeinen Krankenhause in Wien.
Blutdruckmessungen mit Gärtner’s Tonometer.
Von Dr. Hugo Weiss, Seeundärarzt.
(Schluss.)
Arteriosklerose.
Eine grosse Rolle spielt die Erhöhung des Blutdruckes bei
der Gefüssverkalkung. Ihre Diagnose ist in den Initialstadien
schwierig oder eigentlich nur vermuthungsweise zu stellen,
namentlich in den Fällen, in welchen die peripheren Arterien
nicht ergriffen sind. Mit einem Blutdruckmessapparat aber sind
wir im Stande, gerade den Vorboten der Arteriosklerose, die hohe
Gefässspannung, zu erkennen. Nur auf diese Weise ist es
v. B a s c h gelungen, die von Traube klinisch beobachtete, aber
nicht erklärte Thatsaehe der erhöhten Spannung, für die
Iluchard einen Gefässkrampf annahm, zu deuten. Thatsäch-
lich handelt es sieh um Verlust der Elasticität in den kleinen
und kleinsten Gefässen, in Folge dessen Steigerung des Innen¬
drucks, das oftmals langdauernde Stadium der erhöhten Span¬
nung. In der zweiten Phase erst erscheint, die Verdickung bis
Verkalkung der grösseren Arterien. Der erstere Zustand lässt
sich aber instrumentell naehweisen und er allein ist auch (nach
v. Basch) der Zeitpunkt, wo der Arzt einiges zu leisten im Stande
ist, indem er der Natur in der Abwehr des sich steigernden
Druckes einigermnassen nachhilft durch Ausschaltung gewisser
Schädigungen, angestrengter körperlicher Thätigkeit, oder gei¬
stiger Arbeit, Vermeidung von Alkohol- und Tabakgenuss, Diät¬
vorschriften, kurz durch Vermeidung aller den Blutdruck stei¬
gernder Momente.
Ich will nun aus meiner Sammlung die wichtigsten ein¬
schlägigen Fälle anführen.
Bei dem ca. 60 jährigen Herrn S c h., der niemals ernstlich
krank gewesen w r ar und in den besten Verhältnissen gelebt hatte,
stellten sich seit kurzer Zeit allerlei als nervös aufgefasste
Störungen ein, namentlich von Seite der Verdauungsorgane. Herr
Primarius P a 1 fand etw r as Eiw-eiss, geschlängelte und w r eite Ge-
fässe, Hypertrophie des linken Ventrikels, Accentuation des
zweiten Aortentoues und bei wiederholten Messungen auffallend
hohe tonometrisehe Zahlen, zuletzt 240 mm Hg. Der Patient
wurde mit Rücksicht auf, diese deutlichen Zeichen von Atheroma-
tosis ermahnt, sich möglichst ruhig zu verhalten. Wenige Tage
nachher trat unmittelbar im Anschluss an eine starke psychische
Alteration ein apoplektischer Insult ein, der noch am selben Tage
zum Tode führte. Ich selbst beobachtete den Kranken in den
letzten Lcbensstundon und konnte an den peripheren Arterien
keine hochgradige Sklerosirung finden. Bis zum Eintritt des
Athmungsstillstandes war der Puls gespannt und voll. Die Ob-
duction wurde nicht gemacht.
Der Fall ist von besonderer Bedeutung. Die Incongruenz
zwischen dem objectiven Befund, der nur auf eine leichte Ar¬
terienerkrankung hindeutete, und den enorm hohen tonometri-
schen Zahlen war von vornherein auffällig und der Zwischenfall
der psychischen Erregung und der Hirnblutung ein Beleg für
die Wichtigkeit der instrumentellen Messung.
Anna G., 83 Jahre alt, mit hochgradigem Atherom der peri¬
pheren Gefässe; kleine schwächliche Person, Stenosis et Insuff,
valv. mitralls (musikalisches Geräusch), Hypertrophia cordis.
3. Aug.: liegend 170 mm (r. Ringfinger),
8. „ „ 200 „ (träger Stuhlgang),
9. „ „ 130 „ (Herzschwäche).
Franz B., 54 Jahre, grosser, starker, gut genährter. Mann.
Diabetes mellitus. Gangraena pedis diabetica. Arteriosclerosis;
Radialis eng, rigid, gespannt, Welle niedrig. Accentuirter
II. Aortenton.
T.Z. am rechten Ringfinger 200 mm. Bei mehreren Messungen
gerifige Schwankungen. Im Harn auch Eiweiss.
Anna G r. 67 Jahre alt, mittelgross, fett, kräftig. Arterio¬
sclerosis, Myodegen. cordis, Stauungshyperaemie der Organe.
Grosse Mengen Albumin im Harn, keine Niereuelemente. Arterie
eng, hoch gespannt.
22. Sept.: T. Z. 120 mm am r. Ringfinger,
6. Oct.: 190 „ „ „
(Nachts uraemiselier Anfall, Arythmle.)
Moritz L., 67 Jahre, mittelgross, gut genährt, leicht rigide
Arterien, Accentuation des II. Pulm.- und Aortentons. Alte II ein i-
plegia sin. Obstipation.
3. Aug.: 170 mm T. Z.,
25. „ 100 mm (nach dreitägiger Obstipation
auf Rheum reichlicher Stuhl).
Marie W., 68 Jahre, kräftig, mässiger Pannlculus adiposus.
Hypertrophia ventric. sin. Accent. II. Pulm.- und Aortenton.
Spitzen8toss ausserhalb der MammlUarllnie. Starkes Atherom
der Gefässe.
T. Z. 220 mm (liegend, 1. Mittelf.).
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23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
119
Marie IC., 51 Jahre, mittelgross, massiger Panniculus adi-
Ik»8us, schlalTe Musculatur. Hypertrophie des linken Ventrikels.
Accent. II. Pulm.- und Aortenton. Etwas rigide Arterie. Bron¬
chitis chronica. Cirrhosis hepatis. Ascites.
30. Sept.: 170 mm (r. Ringfinger',
2. Oct: 130 „ (., „ ).
Diese wenigen ausgewählten Beispiele betreffen Fälle mit
guter Herzkraft. Die Zahlen sind sämmtlich über der Norm
und das Resultat der erhöhten Herzarboit wegen gesteigerter
peripherer Widerstände und der rigideren (Jcfiisswand, zu deren
Unterdrückung ein höherer Aussendruek nothwendig ist. # Hier¬
her gehören aueli die Fälle von Hirnblutung in Folge von
Arteriosklerose, von denen einer ganz besonders hohe T. Z. auf¬
wies.
Jacob H., 50 Jahre alt, mittelgross, kräftig, mit stark ent¬
wickeltem Panniculus adip., blass. Hemiplegia sinistra. Ilypcr-
rrophia cortlis praecipua sin. Accent. II. Pulm.- und Aortenton.
Arterie eng, massig gefüllt, hoch gespannt. prom. Eiweiss
i E s b n c h). Oedeme.
T. Z. 240 nun.
Die Obduetiou des Falles bestätigte das hochgradige
Atherom, in dessen Folge arteriosklerotische Schrumpfniere und
frische, mehrfache Haemorrhagien in der rechten Hirnhemi-
sphäre erschienen waren.
Ein zweiter Casus von Ilirnhnemorrhngic auf arteriosklero¬
tischer Grundlage zeigte am Tage der Blutung und wenige Tage
danach hohen Druck und dann erst allmähliche Wiederkehr zur
Norm.
Amalie W., 54 Jahre, mittelgrosse, ziemlich kräftige Patien¬
tin. mit leicht geschlängelten, nicht rigiden Gefässen, ohne Herz¬
hypertrophie und mit Spuren von Albumin im Harn. Hemiplegia
dextra.
Ich maass am
1. Oct.:
160
und 200 mm
(r.
Mittelfinger',
o
210
„ 190 ..
u
(.,
\
5.
130
160 ..
%
6. „
180
„ no ,
(„
j.
9. „
150
» 150 „
u
„ \
10. „
125
„ 125 „
).
In dieser Höhe erhielt sich unter den gewöhnlichen Schwan¬
kungen fortan die Zahl. Inzwischen ist die apliasische und sehr
demente Patientin sehr heruntergekommen, es trat Incontinentia
jdvi et urinae ein, der Blutdruck hat nicht mehr die anfängliche
Höhe erreicht, ist im Gegentheil noch weiter abgesunken.
Eine andere Gruppe von Fällen mit hochgradigem Atherom
bot auffallend niedrige tonometrische Ergebnisse.
Josef F., 77 Jahre, klein, mager, Arterien sehr rigid. Leise
Herztöne, schwache Herzaction.
T. Z. 00 mm Hg.
Karl L., 53 Jahre, mittelgross, kräftig, gut genährt, Arterie
rigid, ziemlich gut gefüllt, Spannung gering, lusuff. mitralis.
T. Z. 80 mm.
Adalbert M., 59 Jahre, schwächlich, mittelgross, rigide
Arterien, Myodegen. cordis. Spannung unter der Norm.
T. Z. 90 mm.
Josef S c h., 64 Jahre, klein, gracil, schlecht genährt,
Arterien verkalkt, geschlängelt. Spitzenstoss ausserhalb der
Mammillarlinle.
T. Z. 90 mm und 95 mm.
Josef Sch 1., 74 Jahre, mittelgross, kräftig, schlecht genährt.
Dumpfe Herztöne. Atherom.
T. Z. 85 mm.
Diese Resultate stehen in strengem Gegensatz zu denen der
vorigen Gruppe. Die Erklärung dafür liegt wohl in der schwachen
Ilerzaction, so dass gerade bei solchen Fällen die tonometrische
Messung jeweilig einen guten Maassstab für die Herzarbeit ab¬
gab. Von der Richtigkeit dieser Annahme konnte ich mich
durch die Beobachtung des Effectes nach Kampherinjectionen
überzeugen.
Jolianu K., 08 Jahre, gross, dumpfe Herztöne. Hochgradiges
Atherom der Gefässe, Cyanose, Herzschwäche, Obstipation.
Einphvsema pulmonum, haemorrhagischer Iufaret der Lunge,
spärlicher Harn, marantische Oedeme.
7. Aug.: T. Z. im Liegen 100 mm
8. „ T. Z. „ „ 50 „ (Herzschwäche).
Patient erhält 3 Kampherölinjectionen.
Nach 10 Minuten 75 mm 96 Pulse,
„ 15 „ 82 „ 96 „
„ 20 „ 90 „ 106 „
Walpurga K., 55 Jahre, mit sehr rigiden Arterien. Emphysema
pulmonum. Myodegen. cordis. Dilatatlo ventr. dextri acuta.
14. Aug. 100 mm T. Z. Später Collaps, T. Z. 80 mm.
l'atient erhält auch 3 Kampherölinjectionen.
Nach 8 Minuten 120 mm,
„ 15 „ 125 „
Allmählich sinkt die T. Z. auf 310 mm ab.
15. Aug. Neuerlicher Collaps. T. Z. 85 mm; 3 Kainpherinj.
nach 3 Minuten 120 mm, nach 10 Minuten 140 mm,
„ 5 „ 138 „ „ 12 „ 138 „
„ 7 „ 150 „ „ 14 „ 120 „
„ 8 „ 155 „ „ 16 „ 130 „
„ 9 „ 145 „
Diese Beispiele zeigen die Wirkung des Kamphers auf die
Herzthätigkeit einerseits und die Abhängigkeit des gemessenen
Drucks von der Arbeit des Herzmuskels, ferner wie rasch nach
der Injcction das Medicainent zur Geltung kommt.
Es ergibt sich somit, dass bei der Arteriosklerose mit dem
Tonometer hohe Zahlen resultiren und dass überall, wo klinisch
die Diagnose festst cht und die T. Z. niedrig ist, ein Erlahmen
der Herzkraft, eonstatirt werden kann. Natürlich muss gerade
hier auf die relative Körperbeschaffenheit und andere aceidentelle
Momente Rücksicht genommen werden.
Nephritis.
Die zweite Krankheitsgruppe, welche hohen Blutdruck zeigt,
ist bekanntlich die Nephritis. Bei ihr sind sehr hohe, ja die
höchsten tonometrischcn Zahlen überhaupt zu finden. Hier
leistet das Instrument sehr gute Dienste, weil es schon vor der
Harnuntersuchung die Diagnose der Nierenentzündung anzeigen
kann.
Dass bei der arteriosklerotischen Schrumpfniere mit Hyper¬
trophie des 1. Ventrikels hohe T. Z. resultiren müssen, ist selbst¬
verständlich und für solche Fälle wäre das Instrument entbehr¬
lich. Aber bei chronischer Nephritis jugendlicher Individuen
ist eine hohe T. Z. ein wichtiger Indieator; sie deutet auf die
Folgezustände des erhöhten peripheren Widerstandes hin als:
Hypertrophie des 1. Ventrikels, Verdickung der Arterienwände
(Drahtarterie). Bei frischen, kurzdauernden Nephritiden hin¬
gegen fanden sich normale, selbst subnormale Zahlen, so dass
man die tonometrische Messung zur Differentialdiagnose der
Art der Nierenerkrankung benützen konnte. Kurzdauernde,
parenchymatöse Nephritis hat noch keinen hohen Druck, während
die chronische mit Secundärerscheinungen erheblich hohe Zahlen
liefert.
Marie H., 20 Jahre alt, gracil. gut genährt, erhöhte Arterien-
Spannung, hat einen Scharlach mit Hydrops universalis während
der Gravidität überstanden. Diagnose: Morbus Brightii. Hyper-
tropliia ventr. sin. et dextr. Aecentuation des II. Aortentous.
7, Prom. Albumin (Esbach) im Harn: Nierenelemente im Sedi¬
ment. Die T. Z. schwanken zwischen 150, 175, 195 und 200 mm.
Agnes M. f 22 Jahre, klein, gracil, sehr blass, gedunsen,
massiger lind schlaffer Panniculus adip. Im Harn reichlich Albu¬
min (6 Prom., Esbach), zahlreiche Nierenelemente, häufige
Uebelkeiten, Erbrechen, uraemische Anfälle gehäuft.
T. Z. 20. Sept.: 280 mm,
1. Oct.: 245 „
9. „ 240 „
10. „ 255 „
Klinische Diagnose: Chronisch parenchymatöse Nephritis
durch die Obduction bestätigt. Bei dieser Patientin habe ich die
höchste tonometrische Zahl überhaupt gefunden, nämlich
280 mm Hg.
Leopold H., 45 Jahre, blasser, kräftiger Manu, gedunsen.
Herzhypertrophie, Oedeme, Arterie nicht rigid, nicht geschlängelt,
hoch gespannt.
Im Harn reichlich Albumin (3 '/ x Prom. Esbach). Im
Sediment rothe Blutkörperchen, zahlreiche Cylinder. Diagnose:
Nephritis chronica.
T. Z. 190 mm.
Josef P.. 30 Jahre, mittelgross, kräftig. Hypertrophie des 1.
Ventrikels. 3 7, Prom. Albumin. Diagnose: Nephritis chronica.
T. Z. 140 mm und 90 mm je nach dem Herzzustand.
Ludwig !>., 31 Jahre, gross, mager, anaemisch; Nephritis
haemorrhagien. Arterie nicht hoch gespannt, keine Aecentuation
des II. Aortentons.
T. Z. 90 mm und 60 mm.
In einem Falle von Nephritis mit umemisehen Anfällen
konnten wir die Druekverhältnisse unter der Einwirkung von
Kochsalzinfusionen studiren. Wesentliche Aenderungen fanden
sich hier, wie in anderen mit Kochsalzinfusionen behandelten
Fällen, nicht.
Anna Z., 50 Jahre, gross, kräftig, sehr reicher Panniculus.
Diagnose: Morb. Brightii, Uraemie, Arterie rigid., hart ge¬
spannt.
22. Oct. T. Z. 230 mm (5 uraem. Anfälle). Venaesection
(300 ccm Blut). Infusion von 600 ccm einer 0,6proc. Kochsalz¬
lösung. T. Z. 220 mm. Von 12 Uhr Mittags bis 8 Uhr Früh
weitere 16 uraemische lusulte.
23. Oct. T. Z. 220 mm; neuerliche Infusion von 600 ccm
Na CI. 7* Stunde darnach ein Anfall, der sich bis Nachmittag
stündlich wiederholt Auf 0,02 Morphin, mur. subcutan ruhiger
Schlaf.
24. Oct. T. Z. 200 mm. Ruhiges Verhalten. Puls schwach.
Infusion von S50 ccm Na CI. T. Z. 170 mm.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4
25. Oct. Exitus letalis.
Wie ersichtlich, hatte die Zufuhr von Flüssigkeit keinen
wesentlichen Effect auf die Höhe des Blutdrucks.
In diese Kategorie gehören auch die Fälle von Saturnis¬
mus c h r o n i c u s, bei denen die Verdickung der Arterien, die
Nieren Veränderung und die eonsecutive Vermehrung der Herz*
arbeit zur Steigerung des Blutdrucks führt.
Leopold H., 23 Jahre, Anstreicher, kräftig, stark gespannte
Arterie. Aecentuation des II. Aortentons, Bleisaum.
T. Z. 140 mm.
Julius Pr., 43 Jahre, Anstreicher, gracil, mittelgross, schlecht
genährt.
T. Z. 140, 130 mm.
Josef W., 22 Jahre, Anstreicher, schwächlich, blass, ge¬
spannte Radialis. Colica saturnina.
T. Z. 140, 160 mm.
Mathias B., 31 Jahre, Schlosser (Miniumarbeiter), mittelgross,
gracil, Bleisaum, Herz normal, Puls hart.
T. Z. 160 mm.
Karl K., 29 Jahre, Anstreicher, klein, gut genährt, Herz nor¬
mal, II. Aortenton accentuirt, Arterie hart. Im Ham kein Eiweiss.
T. Z. 215 mm.
Ferdinand G., 63 Jahre, Anstreicher, mittelgross, kräftig,
Herz normal, Aecentuation des II. Aortentons. Puls gespannt.
Bleisaum. Eiweiss im Ham.
T. Z. 180 mm.
Diese Fälle können als rein gelten, insofern sie keine
grösseren Complicationen auf weisen, die zur Blutdrucksteigerung
hätten beitragen können. Sie betreffen grösstentheils junge
Männer ohne Gefässverkalkung, aber mit den typischen Bleiver¬
änderungen am Gefässsystem. Bei ihnen unterstützt bloss die
tonometrische Messung die klinische Diagnose.
Herzerkrankungen.
Das Gebiet, auf welchem man von den Leistungen eines
Blutdruckmessaparates am meisten erwartet, sind die Herzkrank¬
heiten. Ich habe mich auch bemüht, an einer grossen Reihe von
Herzkranken die Blutdruckverhältnisse mit dem Tonometer zu
studiren, um zu sehen, welche praktischen Schlussfolgerungen
man ziehen könnte und glaube, dass gerade hier alle Rückschlüsse
nur mit grösster Reserve zu machen sind. Die den Blutdruck
beeinflussenden Factoren sind hier eben zu mannigfach und
nirgends ist es schwerer, die Ursachen der Blutdruckänderung
zu finden.
Wir haben in der Pathologie Beispiele genug, wo bei ganz
gesundem Herzen im Gefässsystem niedriger Druck constatirt
werden kann und umgekehrt, bei offenkundiger Herzinsufficienz,
wenn auch nur vorübergehend hoher Druck. Es fehlen gar oft
die Kriterien dafür, ob in einem gegebenen Augenblick das Herz
oder die peripheren Widerstände ausschlaggebend sind. Mit
einem Blutdruckapparate sind wir immer nur im Stande, die
Spannung in einem bestimmten Momente zu messen. Von dem
blossen tonometrischen Befund auf den Herzzustand zu schliessen,
wäre ungerechtfertigt, wenn nicht zugleich die Beschaffenheit
der Herztöne und die des II. Aortentons insbesondere Berück¬
sichtigung findet.
Ich glaube mit voller Berechtigung sagen zu dürfen, dass
Relationen von allgemeinem Werth in Bezug auf den Blutdruck
bei den Ilerzaffectionen keine Berechtigung haben, dass jedoch
im Einzelfalle Blutdruckmessungen manches zu leisten vermögen.
Ich verweise dabei auf meine Beobachtungen bei Kampher- und
Digitaliswirkung und anderen therapeutischen Effecten, bei
denen eine gewisse Controle der Herzarbeit durch das Tonometer
möglich war. Ich entnehme meiner Sammlung wieder die
schönsten Fälle:
Hermine H., 20 Jahre, mittelgross, kräftig, gut genährt.
Arterien weich, nicht geschlängelt, dem Anscheine nach wenig
gespannt. Keine Oedeme, kein Ehveiss im Harn.
Diagnose: Insuff. Aortae et mitralis. Hypertrophia cordis.
Die gefundenen Zahlen lauten bald höher, bald niedriger, je
nach dem Zustand des Herzens:
T. Z. 195, 190, 180, 200, 1G5, 190, 175
wobei theils Digitalis, theils Strophanthus verabreicht wurde.
Josef F., 44 Jahre, mittelgross, unterernährt, schwachknochig,
Anfälle von Herzinsufficienz, Puls klein, Füllung und Spannung
klein.
Diagnose: Stenosis et Insuff, mitralis.
T. Z. 110, 120, 150, 110.
Leopoldine N., 45 Jahre, mittelgross, gracil, gut genährt, ge¬
dunsen, blass. Diagnose: Insuff. Aortae. Mässiges Atherom.
Hypertrophia cordis. Allgemeine Stauung. Albumin im Ham.
Atrophia renum ineipiens. II .Pulmonal- und Aortenton aceen-
tr.irt. Zeitweise Oedeme, Uebelkeit, Erbrechen, dann Besserung in
um 9 Uhr 45 Min.
— 90
„ 9
, 50 „
— 100
9
, 55 „
— 105
„ 10
, 00 „
— 105
„ 10
, 10
— 110
„ 10
„ 20 „
— 105
weiter jede halbe
Stunde
Folge reichlicher Diurese nach Diuretin, wieder Verschlimmerung,
endlich Exitus letalis.
T. Z. 160, 165, 145, 150.
Sub finem rasche Abnahme des Drucks.
Besonderes Interesse bot ein Fall von Insuff, et Stenosis valv.
mitralis, der unter Erscheinungen eines Delirium cordis zur Be¬
obachtung kam.
Marie L., 23 Jahre, schwächliche, sehr anaemische Patientin,
mit kaum fühlbarem, frequentem Puls. Hochgradige Dyspnoe,
Cyanose, 72 Respir., 240 Pulse in der Minute. Spuren Eiweiss
im Harn. Dilatatio cordis, anaemische Geräusche. Arterie weich,
gerade, eng, schlecht gefüllt. Patientin hatte seit 3 Tagen Digi-
talisinfqs. (1,0:200,0 Aq. d.). Delirium cordis. — Nach 3 Spritzen
Kampheröl:
T. Z. 17. Aug.:
»1
hält weiter jede halbe Stunde einen Esslöffel
voll Digitalisinfus.
um 12 Uhr 30 Min. — 85 mm (4 Essl. Digitalis),
„ 5 „ 00 „ — 95 „ (9 „ „ ).
18. Aug : 9 Uhr früh — 85 mm, Puls 198, Resp. 48,
5 „ nachm. — 104 „ „ 104, „ 36,
Wohlbefinden, Digitalis fortgesetzt.
19. Aug.: 9 Uhr früh — 105 mm, Puls 66, Resp. 34,
5 „ nachm. — 110 „ „ 72, „ 36,
20. Aug.: 9 „ früh — 80 „ „ . 62, „ 32.
Digitalis ausgesetzt.
25. Aug., 9 Uhr Früh, 110 mm, Puls 57, Resp. 28. Vollkom¬
menes Wohlbefinden, langsamer, kräftiger Herzschlag, keine
Dyspnoe.
Die prompte Wirkung der Digitalis ist an den tonometrischen
Zahlen nicht minder ersichtlich als an Puls und Respiration.
Auch aus dieser Gruppe beobachtete ich einen Fall, der mit
Kochsalzinfusionen behandelt wurde.
Liborius W., 29 Jahre, kräftiger Mann, cyanotisch, hoch¬
gradige Dyspnoe.
Diagnose: Rheumatismus articulorum acutus. Endocarditis.
Pericarditis. Pneumonia lobularis beider Unterlappen. Tem¬
peratur 38,5.
4. Nov. T. Z. 80 mm. Infusion von 250 ccm Na CI. Druck
darnach 70 mm. Temp. 37,8.
6. Nov. T. Z. 90 mm. Temp. 38,5. Kochsalzinfusion 300 g.
Nach derselben 70 mm.
9. Nov. Temp. 38,2. Abermals 400 ccm Na CI. T. Z. 80 mm.
Magdalena P., 35 Jahre, mittelgross, schlecht genährt, Insuff,
et stenos. mitralis im Stadium der Incompensation. Hochgradige
Oedeme, Dyspnoe, Cyanose.
8. Juli: T. Z. 105 im Liegen.
108 am 1. Mittelfinger | 8tehcndj
112 ” 1 .' ”
115 „ r. ,,
Die linke Oberextreraität oedematös .
7. Sept. T. Z. 100. Pleuraler Erguss, Herzschwäche, Athem-
noth.
8. Sept. Punetio thoracis (Potain); ante punctionem 100
sitzend, post punctionem 50 sitzend (starke Aufregung, Herz¬
schwäche). 30 gtt. Strophantliustinctur. Allmähliche Erholung
T. Z. 90 mm.
4. Oct. Hochgradige Oedeme der Unterextremitäten. Punc-
tion mit S o u t h e y’schen Troikarts. Reichlicher Abfluss. Wohl¬
befinden. T. Z. 100 mm.
9. Oct. Oedeme abgefallen. Cor debile. T. Z. 90 mm. Exit.
letalis.
Auch der Versuche mit Amylnitrit will ich Erwähnung thun,
bei denen ich einen Anstieg der tonometr. Zahlen um 10—20 mm
beobachten konnte. T. B.
9. Aug.: T. Z.
sitzend.
Dr. Robert R., 26 Jahre, mittelgross, kräftig, gut genährt,
Arterien weich, dickwandig, Füllung gut, Cor normal.
T. Z. 140 mm.
Nach Inhalation von 2 Tropfen Amylnitrit 150 mm (nach
2 Min.), 140 nach 3 Min.
Johann K., 33 Jahre, sehr musculöser, gut genährter Mann
mit normalem Herzen und weichen Arterien
T. Z. 140 mm.
nach 2 Tropfen Amylnitrit 160 nacb 1 Min.,
» 2 „ „ 160 „ 3 ,,
„ 2 „ „ 140 „ 5 „
Ich habe mich im Vorliegenden darauf beschränkt, die Ver¬
wendbarkeit des G ä r t n e rischen Tonometers zu beprechen und
komme zu dem Schlüsse, dass wir mit demselben insofern einen
wichtigen Behelf für die klinische Untersuchung gewonnen
haben, als es zur Beobachtung des Einzelfalles und zum Studium
von gewissen, das Herz und die Herzthätigkeit beeinflussenden
Vorgängen, insbesondere medicamentösen Einwirkungen, Ge¬
legenheit bietet. Die Messungsresultate haben hier ebenso, wie
bei den anderen Apparaten selbstverständlich als relative Grössen
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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zu gelten. Das Tonometer zeichnet sich aber in erster Linie
durch seine überaus leichte Handhabung und die Objectivität
der Methode aus. Wer sich freilich gegen die sphygmomano-
metrische Messung überhaupt ablehnend verhält oder dieselbe
gar nur als klinische Spielerei betrachtet, wird von dem Apparat
auch nicht befriedigt werden.
Es gereicht mir zur angenehmen Pflicht, meinem sehr ver¬
ehrten Chef, Herrn Primarius Pal, für seine liebenswürdige
Unterstützung und die Ueberlassung des Krankenmaterials auf’s
Wärmst« zu danken.
Aus der Untersuchungsstation am Garnisonslazareth Wiirzburg
Zur Pathologie der Miliartuberculose.
Von Assistenzarzt Dr. Georg Mayer.
(Schluss.)
Die Krankheitsgeschichte bringt einen plötzlichen Beginn
der schwereren Erkrankung mit hoher Temperatursteigerung, ge¬
folgt nach 5 Tagen von dem Erscheinen von Tuberkelbacillen
im Auswurf bei heftigem Hustenreiz, von Hautoedemen, von
Verringerung der Menge des specifisch sehr schweren und sehr
ei weisshaltigen Harnes, ferner von Verminderung der Zahl der
weissen Blutkörperchen. Nach weiteren 3 Tagen folgt eine
zweite, noch erhöhtere Steigerung der Symptome: hochgradige
Beschleunigung der Athemzüge auf 48 bis zu 62 in der Minute,
geringe Vermehrung der Herzt hätigkeit auf 108, zugleich aber
beginnendes Erlahmen der letzteren; es treten plötzlich normale
und später subnormale Temperaturen auf, das vorübergehend aus
dem Harne verschwundene Eiweiss steigert sich bis zu 2 Proc.
Der Kranke selbst befindet sich merkwürdig wohl. Am 4. Tage
vor dem Tode erscheinen bei ausgesprochener schwerer Herz¬
schwäche, synchron mit den Herztönen, Anfangs leise, später
immer lauter werdende Geräusche über der ganzen Herzgegend
von unbestimmter Art, welche bis in die unvermittelt ein¬
setzende und kurze Agone hinein andauern. Die in 13 Tagen
ad exitum führende Krankheit documentirte sich demnach als
Miliartuberculose der Lungen, welche eine rasch einsetzende,
schwere Schädigung des Herzmuskels, verbunden mit Stauungs¬
erscheinungen an Niere, Haut und Magendarmcanal, weniger
an Leber und Milz erkennen liess.
Dabei ist als nicht ganz gewöhnlich zu bezeichnen: Das
plötzliche, marantische Absinken der Temperatur; das Erscheinen
von Tuberkelbacillen, specifisch auf pulmonale Tuberkel (s. u.)
deutend; der hohe Eiweissgehalt des Harnes, erklärbar mit einer
Schädigung der Nierenepithelien durch Verlangsamung des
Blutstromes (Heidenhain) und der durch die Kachexie be¬
dingten Beschaffenheit des Blutes (E i c h h o r s t). Das Auf¬
fallendste waren die Herzgeräusche: Dieselben konnten durch
eine tuberculöse Endocarditis bewirkt sein, ferner durch Dila¬
tation der Ventrikel (F. Fischer [1]), begünstigt durch die bei
Tuberculöse bekannte Dünnheit und Schlaffheit des Muskels
(E. Leyden [2]), ferner durch Myocarditis, wie erst
G. F r e u n d [3] wieder erwähnte. Weiter war die Anwesenheit
von Herzthromben möglich, bei welchen die Erklärung von
G e i g e 1 [4] über Entstehung der Herzgeräusche herangezogen
werden konnte: dass nämlich das Blut sich an der Herzwand
reibt und die Wand bei vorkommenden Unebenheiten durch die
strömende Flüssigkeit in Schwingungen versetzt wird, die das
Ohr als Geräusche wahrnimmt. Es konnten noch die Aus¬
einandersetzungen Gerhardte [5] in Betracht kommen, nach¬
dem schwirrende Geräusche an Aorta und Pulmonalis entstehen
können durch Anlagerung und Druck der von Thromben er¬
füllten und dadurch harten Herzohren, wobei nebenbei Ver¬
worrenheit der Herzaction, Kleinheit des Pulses, starke Dys¬
pnoe, grosse Hinfälligkeit besteht. Geräusche dieser Art sind
ausser von Gerhardt erwähnt von Bozzolo [6], von zum
Busch [7], von Letzterem bei Miliartuberculose (erster und
dritter Fall). Die durch v. Ziemssen [8] geschilderten
Zeichen gestielter Herzthromben kamen für unseren Fall weniger
in Betracht.
Die Section ergab einen Befund, welcher ganz mit der
klinischen Diagnose übereinstimmte und namentlich eine Er¬
klärung für die eigenthümlichen Herzsymptome bot: es fanden
sich in den sämmtlichen Herzhöhlen Thromben von ungewöhn¬
licher Zahl, Ausdehnung und Haftstelle. Dieselben gehören
ihrer Art nach zu den von W. Hertz [9] auf geführten ersten
beiden Hauptformen: den wandständigen bezw. Herzabschnitte
füllenden Thromben, welche als marantische im Gefolge von die
Herzkraft schwer schädigenden Krankheiten nicht allzu selten
auftreten. Während ferner gewöhnlich nur die Trabekelnischen
der Herzspitzen, namentlich rechts, bezw. die Herzohren be¬
troffen sind, finden wir im vorliegenden Fallf einerseits die
Herzspitzen und die beiden Herzohren erfüllt, andererseits haben
sich auch in den Winkeln der Sehnenfäden und an der glatten
Vorhof Scheidewand beiderseits in der Gegend fies Foramen ovale,
ferner der Foramina Thebesii Thromben gebildet; die glatte
Vorhof Scheidewand aber ist bekanntlich sonst nur der Sitz der
gestielten, sogen, echten Herzpolypen, wie sie v. Reckling¬
hausen, Hertz [9], v. Ziemssen [8], Claus [10],
Osler [11], Veillon [12], Schmorl [13], Krumb¬
holz [14], F r a e n k e 1 [15], Krumm [16], V o elk e r [17],
Schilling [18], E w a r t and Rolleston [19] mitgetheilt,
von denen Pawlowski [20] 25 Fälle zusammenstellte. Als
begünstigende Momente für das Entstehen marantischer Throm¬
ben werden Endotheldefeete (Cohnheim, Gerhardt [5],
Hertz [9], E i c h h o r s t, Schrötter [21]), Verminderung
der Ilerzkraft (V irchow u. A.), fettige Degeneration
(v. Recklinghausen), Myomalacie (Ziegler, Krumm [14]),
interstitielle Infiltrationsherde (Krelil [22]) angeführt, nach
Orth genügen Circulationsstörungen im Verein mit Fettherz
allein, ohne Veränderungen der Intima; im Allgemeinen sollen
jedoch Endocardveränderungen, Schwächung der Herzkraft und
Herderkrankungen im Myocard Zusammenwirken, wobei die
Thromben an den am schwersten betroffenen Stellen zuerst ent¬
stehen. In unserem Falle bestand 2 Tage schwere Herzschwäche,
als die Geräusche erschienen; wie namentlich die histologische
Untersuchung ergab (s. u.), waren schwere Laesionen des Endo-
cards und des Herzmuskels entstanden, mit denen die Grösse
der Thromben parallel ging; am schwersten bezw. grössten im
rechten Vorhof, demnächst im rechten Ventrikel, linken Vorhof,
linken Ventrikel. Es soll sich ferner nach der Zusammen¬
setzung der Thromben die Schnelligkeit ihres Entstehens be-
urtheilen lassen (v. Recklinghausen), so dass die rothen
am schnellsten sich bilden; es würde nach dem Aussehen die
Thrombose des rechten Herzohrs zuerst und am schnellsten, dem¬
nächst die im rechten Vorhof, zuletzt die im linken Vorhof ge¬
bildet sein. Die Rippen- und Thrombenbildung auf der Ober¬
fläche, sowie die Vordickung in der Richtung des Blutstromes,
traten deutlich hervor. Zu ihrer Erklärung hat Zahn [23]
die wellenförmige Totalbewegung der Thromben, bedingt durch
den in Folge des Pulsschlages intermittirenden Charakter der
Blutbewegung angegeben, Bencke [24] die unter einem be¬
stimmten Winkel auf jede sich bildende Thrombusschicht wir¬
kende, gleichmässige Blutbewegung.
Betreff des Herzgewichtes, bekanntlich eines der sichersten
groben Zeichen von Atrophie, wäre zu bemerken, dass es mit
255 g zurückbleibt hinter dem für das Alter von 21—40 Jahren
für tuberculöse Männer von Kalmansohn [25] auf 294,7 g,
für normale von Hamilton [26] auf 311—404,3, von Zun-
ker [27] in 63 Proc. auf über 300 g (mindestens) berechneten
Gewichte.
Kommen wir nun nochmals auf die Entstehung der Herz¬
geräusche zurück, so ist aus dem Sectionsbefund im Verein mit
dem histologischen (s. u.) ersichtlich, dass zur Genese ein Zu¬
sammenwirken der verschiedenen weiter oben angeführten
Punkte (ausgenommen Endocarditis tub. und gestielte Thromben)
als wahrscheinlich zu bezeichnen ist.
Der histologische Befund am Herzen ergibt in den ver¬
schiedenen Herztheilen verschieden weit vorgeschrittene und
zwar vorherrschend die als wachsartig bezeichnet« albuminöse
Degeneration des Myocards. Dieselbe wird bekanntlich von
v. Zenker, auch am Herzen, zuerst beschrieben, von v. Reck¬
linghausen (dem sich neuerdings N e s t i [28] anschloss) zu
seinen hyalinen Degenerationen, von K1 e b s zu den reinen Ge¬
rinnungsvorgängen, ähnlich von den meisten übrigen Autoren
zu den Cohnheim-Weigert’schen Coagulationsnekrosen
gerechnet (nach der Lubarsch’schen Bezeichnung extra-
eellulär entstehendes, conjunctivales Coagulationshyalin), gehört
ferner zu den hyalinen U m Wandlungen der Gewebe (im Gegen¬
satz zu den Ein lagerungen von paraplastischem Hyalin,
K1 e b s), geht oft aus einer körnigen Trübung hervor (K1 e b s,
v. Recklinghausen, Orth), soll durch weitere Anhäufung
No. 4.
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122
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4
ungelöster oder gefällter Eiweisskörper entstehen, als eine Art
Exsudat (nach v .Recklinghausen durch Scheidung der
flüssigen und festen Theile der contraetilen Muskelsubstanz).
Allgemein wird zuerst Quellung der Muskelfaser, dann Verlust
der Querst reif uug, weiter homogenes, glänzendes Aussehen,
scholliger Zerfall, Verschmelzen der Schollen geschildert; schon
frühe schwinden die Kerne durch langsames Absterben, der Pro-
oess erscheint nach der Angabe der älteren wie der neueren
Autoren (R oraberg [29], Schemm [30], Schamschin
[31]) mit Vorliebe* bei acuten Infeetionskrankheiten durch Ein¬
wirkung toxischer Substanzen bei Ausschluss ausgedehnterer
Leukocytenansammlung. Vergleichen wir nun die Aifeetion im
vorliegenden Falle, so finden wir das Myocard in der auf steigen¬
den Reihe: „linker Ventrikel, linker Vorhof, Septum, rechter Ven¬
trikel, rechter Vorhof“ ergriffen; es erscheint zunächst eine weitver¬
breitete, albuminöse Trübung der Fibrillen, wobei sich die Fasern
mit albuminöserTrübung deutlich gegenüber denen mit dem Rol-
1 e t’scben körnigen Sarkoplasma unterscheiden, die Körnung
geht kleinerentheils diffus streifenförmig, grösstentheils herd¬
weise über in Anfangs kleine, nach dem Centrum der Herde
wachsende, glasige Schollen, welche deutlich zuerst der Fibrillen¬
substanz eingelagert sind, dieselbe später förmlich auseinander
drängen und zum Schwinden bringen. An den Kernen erscheinen
in den albuminös veränderten Fasern theilweise wohl auf Kern-
theilung zu beziehende Vorgänge, in den schollig degenerirten
zuerst eine Kernwandhyperchromatose (Schmaus und
Albrecht [32]), weiter Chromatinumlagerungen, ähnlich der
Pyknose (2. Form 1. c.), alsdann treten in der Kernmasse An¬
fangs kleinste, dann wieder wachsende glänzende Schollen auf,
zwischen welchen das Chromatin allmählich verschwindet, zu¬
letzt auch die Kernmembran. Während so diese Vorgänge haupt¬
sächlich unter dem Bilde der Kleb s’schen Karyolyse (auch nach
dem färberischen Verhalten zu Haemotoxylin) ablaufen, finden
wir theilweise auch, speciell im rechten Vorhof, der Karyo-
rhexis entsprechende (Vorgänge von vaeuolärer Kerndegenera¬
tion kamen nicht zur Beobachtung). Diese Veränderungen der
1 vcnie sowie der Fibrillensubstanz erscheinen beide mit dem
Auftreten der Schollen, die Gewebssubstanz hat dabei das Aus¬
sehen, als ginge sie durch Druck sich einlagernder und immer
zunehmender Masse zu Grunde. Zu erwähnen ist noch, dass die
Kernmembran im Innern der Herde verschwindet ohne Kem-
wandsprossungen(l. c.); dass der lange blau gefärbt bleibende
Fibrillensaum auf eine widerstandsfähigere Muskelprimitivbündel¬
hülle im Sinne G laser’s u. A. bezogen werden könnte, sei nur
kurz angeführt. Die Schollen nehmen nur mit Säurefuchsin
die nach v. Recklinghausen charakteristische Hyalin¬
färbung an, zeigen dagegen durch die W e ig e r t - Färbung die
bekannten Beziehungen zum Fibrin, andererseits aber, allerdings
nicht durch die Färbung, sondern die Art von Auftreten und
Lagerung, Beziehungen zum Amyloid, indem die Bilder auf¬
fallend denjenigen gleichen, wie sie W i c h m a n n [33] für das
Erscheinen der Amyloidschollen beschrieb. Für die Entstehung
der Herde können nun speciell in der rechten Herzhälfte Ge-
fässVeränderungen Ursache sein, indem in einzelnen Venen ge¬
mischte und hyaline Thrombose, in den zugehörigen erweiterten
Oapillaren, sowie in einigen kleineren Arterien Stasis erscheint
und die Wand der nämlichen Arterien hyalin degenerirt ist;
cs handelte sich dann um herdeweise Degenerationen mit secun-
därer Coagulationsnekrose als Folge einer durch Gefässerkran-
kung bedingten ungenügenden Blutzufuhr, in Analogie mit der
allerdings mit Vorliebe in der Spitze des linken Ventrikels er¬
scheinenden Myomalacia cordis Ziegler’s durch Coronar-
sklerose (von Barth zuerst constatirt), bei welcher Veränderung
schon K. Huber [34] hyaline Metamorphose und Kernschwund
beschrieb. Wir hätten eine circulatorische Nekrobiose durch
Venenthrombose mit secundärer Stasis in Capillaren und Ar¬
terien (nach Virchow ist der Verschluss der Arterien, nach
lv 1 e b s der der Capillaren das Primäre); die Gefässverände-
rungen sind jedoch, nach der Stasis zu schliessen, jüngsten
Datums, theilweise vielleicht am rechten Vorhof zusammenzu¬
bringen mit der Verhinderung des Blutabflusses durch Thromben-
verschluss der Foramina Thebesii, durch welche Löcher nach
Unterbindung der Kranzvenen noch Blut in die Herzhöhlen ge¬
langt (M i cli ael i s [35]). Es wirkten wohl die Gefässverände-
rungen sooundär ein auf den schon vorher durch die acute tuber-
cuiöse Infcetion schwer geschädigten Herzmuskel. Es kam zu¬
erst zu diffuser, körniger Trübung, dem ersten Ausdruck gestei-
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gerten Eiweisszerf alles (B i r c h - Hi r s c h f e 1 d), fortwährender
Weiteranhäufung nicht assimilirter Eiweisskörper, hyaliner
Degeneration derselben, Zusammensintern unter Auseinander-
drängung der absterbenden Fibrillensubstanz, und Untergang
der letzteren in Coagulatiofisnekrose.
Betreffs der Beziehungen der Thromben zur Herzwand ist
zu betonen, dass wir allgemein am Endocard Veränderungen
finden, einerseits von geringfügiger Endothelzellenvermehrung
fortschreitend zu Leukocyten- und Bindegewebszellenanhäufung
bis zu directen Wucherungen, andererseits nekrotischen Zerfall
bis völligen Untergang des Endocards. Es entsprechen ferner
die ersteren Veränderungen den besser erhaltenen, die letzteren
den hochgradig degenerirten Myocardtheilen. Es finden sich an
allen Thromben Haftstellen, und zwar vornehmlich an den pro¬
gressive Erscheinungen zeigenden Endocardpartien. Der Throm¬
bus ist gewöhnlich durch fädiges Fibrin mit dem Endothel ver¬
bunden. Stellenweise dringen Leukocyten und jugendliche
(H e n k i n g und Thoma [36]), sowie entwickelte Bindegewebs¬
zellen in die Thromben. Im rechten Ventrikel dringen die Endo¬
card Wucherungen in den Thrombus, und es gehen von ihnen
typische Organisationserscheinungen in ausgedehnteren Rand-
theilen der Thromben aus in Form bindegewebiger Umwandlung
mit eben beginnender Capillarenbildung. Die Organisation
marantischer Thromben in ausgedehnterer Art wird vielfach in
Abrede gestellt. Hertz [9] erwähnt beginnende Organisation
und Gefässbildung bei den grössere Abschnitte der Herzhöhlen
erfüllenden Thromben. Im Allgemeinen wird höchstens verein¬
zeltes Auftreten spindelförmiger Fibroblasten angegeben
(Busch [7], Freund [3]) bei geringer Endothelwucherung
des deutlich sichtbaren Endocards tmd deutlichem schmalen
Spalt zwischen Thrombus und Herzwand, wobei als Erklärung
die in den letzten Stunden des Lebens oder erst in der Agone er¬
folgende Bildung der nicht lagenweise, sondern auf einmal ent¬
stehenden Thromben bezeichnet wird; im Gegensatz dazu ist von
gestielten Thromben oft Organisation berichtet Hertz [9],
Krumm [16], Krumbholz [14], Völker [17]): Gefäss¬
bildung, Endothel Überzug; allerdings handelt es sich nach
Boström [37] theilweise vielleicht um thrombosirte Varicen.
Für unseren Fall lässt sich nach den Herzgeräuschen wohl eine
Entstehung der Thromben ungefähr am 4. oder 5. Tage vor dem
Tode annehmen und damit die Möglichkeit der Organisirung,
da nach v. Rindfleisch in 7 Tagen in Thromben überhaupt
schon reichliche Gefässbildung erfolgt. Ein längerer Bestand
geht aber auch daraus hervor, dass einerseits die erst spät in
Thromben (N e u m a n n) erscheinenden Haematoidinkrystalle
(und zwar gerade in den sich organisirenden) vorhanden sind,
andererseits die Thromben eine hyaline Beschaffenheit annehmen
an den hyalin degenerirten Trabekeln, mit deren hyalinen Zer¬
fallmassen zusammensinterten, demnach das Plasma schon
längere Zeit zur Durchspülung (Weigert [38]) Gelegenheit
hatte.
Die vorhandene Fragmentation der Muskelfibrillen verhält
sich in ihrer Ausbreitung analog der Wachsdegeneration. Es
waren nicht die in den Herden liegenden, stärkst veränderten,
sondern vor Allem die in der Herdeumgebung befindlichen al¬
buminös degenerirten Muskelfibrillen betroffen, entsprechend der
Beschreibung v. Recklinghausens (10. internationaler
Congress). Israel [39] und v. Karcher [40] haben die
stärkst degenerirten Stellen am meisten betroffen gesehen; ferner
waren Blutextravasate an den Rissstellen, hellglänzende Linien
in unversehrten Fasern, ein herdweises Auftreten (gemäss den
Schilderungen v. KarehePs [40]) vorhanden; höchstgradig
ergriffen erschien der rechte Vorhof. Nach Oestreich’s und
v. Karcher’s Angabe soll Segmentation in den Vorhöfen selten
sein. Die Ausdehnung im Vorhof war übrigens derartig, dass
die neuerdings durch v .Karcher wieder vertretene Anschau¬
ung französischer Autoren eines allmählichen, chronischen Auf¬
tretens als gewöhnliche Erscheinung regressiver Metamorphose
(gegenüber dem in der Agone) wenigstens für die Vorhofsmuscu-
iatur dieses Falles kaum annehmbar ist.
Die Miliartuberkel in der Lunge geben schöne Bilder für
die productiv käsige und exsudativ fibrinöse Form der durch
Tuberkelbacillen bewirkten Gewebsschädigung, wobei erstere vor¬
nehmlich die interstitiellen, letztere die Pulmonaltuberkel be¬
trifft. Der Spitzenherd befindet sich in ausgesprochen abgekap¬
seltem, völlig reactionslosem Zustand, die geringfügigen Tuberkel¬
propagationen vor seinem Rande zeigen durch den nämlichen
Original frn-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
123
Zustand, dass sie alten Datums sind. Für die Genese der mili¬
aren Eruption lieferte auch die histologische Untersuchung
weder des Ductus thoracicus, noch der Lungenvenen, noch der
sonstigen in Brust- und Bauchhöhle, Becken- und Ilalsgegend
zugänglichen Venen zunächst eine Erklärung. Bekanntlich hat
Laennec (1837) [42] die Zusammengehörigkeit der miliaren
und diffus käsigen tuberculösen Processe erkannt, Buhl (1856)
[43] die Entstehung der Miliartuberculose durch Resorption in
den Käseherden enthaltener Gifte angenommen, Huguenin
(1876) [44] die Arrosion kleiner Venen, das Fortschreiten der
Tuberculose in Lymphbahnen zuerst gesehen, W eigert (1878)
[45] die Genese durch Einbruch in die Venen festgestellt, Pon-
f i e k (1877) [46] die Entstehung durch Erkrankung des Ductus
thoracicus, welche wohl Astley C o o p e r (1798) [47] zuerst sah.
Gehen wir zu der tuberculösen Erkrankung der Haut des
Vorderarmes über, so stellt sich diese durch ihre ausgesprochene
Tendenz zu Zerfall, die ungewöhnlich massenhafte Anwesen¬
heit von Tuberkelbacillen, die exquisite Bildung von Epithel-
lioidtuberkeln mit Riesenzellen und centralem käsigen Zerfall
dar als zu der Tuberculosis cutis propria K a p o s i’s [48] ge¬
hörig. Die Erkrankung ist zunächst eine ausgesprochene Tuber¬
culose der Elemente der Haarbälge: Einen ähnlichen Process
hat v. Besser [49] für die Schweissdrüsenknäuel beschrieben,
dagegen hat Hallopeau (1897) am Dermatologencongress
zu London, sowie Schwimmer in der dermatologischen Sec-
tion des Congresses zu Moskau (1898) eine von Ersterem mit dem
Lichen skrophulos., von Letzterem mit der Akne cachecticorum im
Aussehen verglichene Tuberculose der Haarfollikel geschildert,
die sich nach der Beschreibung völlig mit unserem Falle deckt.
Die Hauttuberculose, sowie der Lupus, den C h i a r i zuerst als
tuberculose Erkrankung beschrieb, werden bekanntlich vielfach
auf directe Inoculation bezogen und sind verschiedene hiefür
mehr weniger beweisende Fälle berichtet (dies bezüglich Stein-
thal [50], Deneke [51], Jadassohn [52], Doutrele-
pont [53], Cramin [54], M. Wolters [55], Philipp¬
sohn [56], P. Neisser [57], Riehl und P a 11 a u f),
w’ährend Baumgarten dies nur für Ausnahmefälle zugibt;
obwohl in unserem Falle ein Beweis für die Entstehung durch
Inoculation nicht erbracht ist, so scheint doch gerade diese Form
(nach Analogie mit Milzbrand) sehr dafür zu sprechen; es käme
allerdings auch die haematogene Entstehung von dem tuber¬
culösen Spitzenherd in Betracht, wobei jedoch wiederum auf den
vollständigen Ruhezustand desselben hingewiesen sei. Direct
von der Hauttuberculose sich fortsetzend, findet sich eine ganz
frische, unzweifelhafte Fortleitung der Tuberculose, aufsteigend
um die Lymphgefässe und die perivenösen Lymphspalten. Auch
diese Affection ist schon mehrfach nachgewiesen und beschrieben
(Merk len [58], Ka rg [59], Leloir [60], Kaposi [61],
Deneke [51], Westberg [62]). Es fand sich aber ferner
im Verlaufe einer Vena cephalica ein echter, frischer Einbruch
eines perivenösen Tuberkels in das Gefässlumen: Derselbe
reicht mit einem zellhaltigen, centralwärts gerichteten Köpfchen¬
thrombus in das Lumen einer mittleren Vene, das Endothel der
Umgebung ist in Coagulationsnekrose, dabei von Fibrin bedeckt,
das Gefäss selbst dem Blutstrom durchgängig, ferner sitzt der
Herd nicht an einer etwa thrombotischen Gefässtheilung, hat
in der Adventitia eine grössere Ausbreitung wie in der Intima,
enthält Tuberkelbacillenhäufchen, die jedoch nicht mehr direct
an der Blutbahn liegen: Die Stelle bietet demnach alle Zeichen
eines verhältnissmässig älteren Einbruches im Sinne Wei-
g e r Fs [63] (wobei ich bemerke, dass sie durch eine sehr grosse
Anzahl von Serienschnitten gesucht wurde). Für die Art der
Entstehung der Miliartuberculose von Venen und Ductus her
hat neuerdings B e n d a [64] eine Modification der Weigert’-
schen Erklärung der Entstehung durch Einbruch von aussen
gebracht: Er wies nach, dass oft die Intima am meisten und
an so zahlreichen Stellen ergriffen sei, dass eine Infection der¬
selben durch Tuberkelbacillenansiedelung vom Blut- bezw.
Lymphstrom her grössere Wahrscheinlichkeit bietet, als oft¬
maliger Durchbruch von aussen, und bezeichnet diesen Vorgang
als Endangitis tuberculosa; in unserem Falle trifft seine Schil¬
derung nicht zu, sondern die W e i g e r t’s. Die bei B e n d a [64],
sowie namentlich bei S i gg und Hanau [65] ausführlich und
eingehend besprochene casuistische Literatur über die Einbruch¬
stellen der Miliartuberculose führt keinen Fall auf von Einbruch
in eine Vena cephalica oder überhaupt eine Armvene, verbunden
mit einer im Anschluss an specifische Hauttuberculose entstan-
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denen tuberculösen Lymphangitis; auch in den anderen (oben
erwähnten) Fällen findet sich kein so prägnanter Befund angegeben
wie in unserem: Nachdem in der Lunge ein ganz abgekapselter
Process, in den übrigen, gewöhnlich betroffenen Gefässen kein
Befund vorliegt, die Hauttuberculose als eine floride Affection
mit reichlichen Tuberkelbacillen auf trat, ist es nicht ganz un¬
wahrscheinlich, dass die Miliartuberculose, welche bei der kurzen
Krankheitsdauer, wie so oft, nur die Lungen als stets nächst
betroffenes Organ befiel, durch Einschwemmung der Tuberkel¬
bacillen an der geschilderten Stelle einer Vena cephalica erfolgt
und damit ein im Anschluss an Hauttuberculose entstandener
Einbruch an einer bisher noch nicht beschriebenen Stelle ge¬
funden wäre. August 1899.
P hotographien.
1. Tubereulöser Haarbalg: Oben beiderseits tuberculös veränderte
Talgdrüsen, mit L a u g li a n s’schen Riesenzellen, unten kranz¬
förmig um die Papille gelagerte, verkäsende Tuberkel. Vergr.
L e i t z. Oc. III. Obj. 2 — 47.
2. Tuberkel der Vena cephalica: In der Mitte in’s Lumen ragender
Polyp, rechts sich fortsetzend in die tuberculose Venenwand;
links verhältnissmässig wenig veränderte Venenwand. Vergr.
Leitz. Oc. III. Obj. 4 = 110.
3. Organisirung eines Thrombus des r. Ventrikels: In die Stiel-
haftstelle einstrahlende und etwas einwärts vom Thrombus-
Ürigiral from 4*
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 4.
124
MÜNCHENER MEPICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
rand fortziehende Bindegewebszellenzüge, Endoeard verdickt,
Musculatur ziemlich normal. Vergr. Leitz. Oc. III. Obj.
2 = 47.
4. Vorgeschrittenere Organtsirung eines Thrombus des r. Ven¬
trikels: In die die Längsseite des Thrombus betreffende Haft¬
stelle eindringende Eudocardwucherungen. durchsetzt von
Bindegewebszellzügen, im Thrombus zahlreiche sich ver¬
ästelnde Bindegewebsfasern und Kerne, sowie Leukoeyten-
züge. Vergr. Leitz. Oc. I. Obj. 7 370.
Literatu r.
Die auf Lehrbücher (Baumgarten, B i r c h - II i r Seh¬
feld, Eichhorst, Ivlebs, Orth, v. Recklinghause n.
v. Strümpell, v. Ziemssen, Z i e g 1 e r), bezw. die „Ergeb¬
nisse etc.“ von Lubarsch und O s t e r t a g, bezüglichen Stellen
sind nicht numerirt.
1. Bristol, med. cliir. journ.. Juni 1805.
2. Deutsch, med. Wochensehr. 1800, No. 1 u. 2.
3. Berl. klin. Wochenschr. 1808, No. 40.
4. a) Virchow’s Arch. Bd. 140, 2. b) dto. 141, 1. c) Münch, med.
Wochenschr. 1800, No. 15.
5. Würzburg. med. Zeitsclir. 1803, No. 4, 5.
0. Itiforma med. 1800, No. 0, 10.
7. Inaug.-Diss. Freiburg 1801.
8. Verhandlungen des IX. med. (Kongresses 1800.
0. Ziemssen’s Arch. Bd. 37.
10. Verhandlungen des X. internationalen (Kongresses, Abth. III.
11. Johns Hopkins Hosp. Rep. II, 1. 1890.
12. Bull. d. 1. Soc. anat. 13., S. 301, Mai 1802.
13. Bericht der med. Gesellseh. zu Leipzig, Sitzung vom 23. II. 1802.
14. Arbeiten aus der med. Klinik zu Leipzig. 1893, S. 328.
15. Sitzung des ärztlichen Vereins zu Hamburg, 1. Mai 1804.
10. Deutsch. Arch. f. klin. Medicin Bd. 54.
17. Verhandlungen der pathol. Gesellschaft zu London, Bd. 44.
18. Münch, med. Wochenschr. 1805, No. 10.
10. Clinical Transact., Bd. XIII.
20. Zeitsclir. f. klin. Med., Bd. 20, 5, 0.
21. Handbuch v. Ziemssen.
22. Ziemssen’s Arch. Bd. 48.
23. Festschrift für Virchow II.. p. 199, 1801.
24. Schmidt’s Jahrbücher 1803, No. 239, S. 9 .
25. Inaug.-Diss. Zürich 1897.
20. Journ. of. Anat. a. Physiol. norm. a. Path. XXIII. N. S. III., 1.
1888.
27. Münch, med. Wochenschr. 1894, No. 41, 43, 44.
28. Lo Sperimentale 1894, F. 4.
29. Arch. f. klin. Med., Bd. 4S, Heft 3 u. 4.
30. Virchow’s Arch. 121.
31. Ziegler’s Beiträge, Bd. 18.
32. a) Virchow’s Arch. 138. Suppl. b) dto. 144, Suppl.
33. Ziegler’s Beiträge, Bd. 13.
34. Virchow’s Arch., Bd. 89.
35. Zeitsclir. f. klin. Medicin. Bd. 24, 3, 4.
30. Virchow’s Arch., Bd. 109.
37. Ziemssen’s Arch., Bd. 55.
38. a) Virchow’s Arch., Bd. 79. b) Deutcli. med. Wochenschr. 1885,
No. 44 ft\
39. Virchow’s Arch., Bd. 133.
40. Deutsch. Arch. f. klin. Medicin, Bd. 00, Heft 1.
41. Virchow’s Arch., Bd. 135.
42. Traitö d’auscultation, 4. Aufl., 1837.
43. Zeitsclir. f. rathende Medicin., Bd. 8; 1850.
44. Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte 1870, S. 320.
45. Bericht der deutsch. Naturforscherversammlung zu Cassel 1878.
40. Bericht der deutsch. Naturforscherversamml. zu München 1877.
47. Med. Itec. and Research. Vol. I, London 1798.
48. Wiener med. Wochenschr. 1897. No. 40 u. 41.
49. Deutsch, med. Wochenschr. 1888. No. 29.
50. Deutsch, med. Wochenschr. 1888, No. 10.
51. Deutsch, med. Wochenschr. 1890, No. 13.
52. Virchow’s Arch., Bd. 121.
53. Deutsch, med. Wochenschr. 1892, No. 40.
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54. Brun’s Beiträge, Bd. 10, S. 500.
55. Deutsch, med. Wochenschr. 1892, No. 30.
50. Centralbl. f. allg. Pathologie 1893.
57. Berl. klin. Wochenschr. 1805, No. 3.
58. Gaz. hebdom. de m£d. et de chir. 1885, No. 27.
59. Centralbl. f. Chirurg., 12. Jahrg., S. 505.
00. Annal. de Deriuat. et de Sypliil., p. 328, 1880.
01. Pathol. und Therap. der Hautkrankheiten 1887, S. 758.
02. Inaug.-Diss. Freiburg 1892.
03. Virchow’s Arch., Bd. 88, S. 377.
04. Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 20, 27, 29.
05. Annal. Suiss. d. Sciences. möd. S. IV, L. 4. 1800.
Pater Bernhard, ein Vorgänger Kneipp’s.
Ein Capitel aus der Geschichte der Wasserheilkunde.
Von Dr. Julian Marcusc in Mannheim.
ln der Geschichte der Medicin ist kaum ein Theilgebiet für
die Culturgeschichte der Menschheit so interessant wie die Ent¬
wicklung der Lehre von der Hydrotherapie. Der unklare Drang,
das Sehnen nach einem Allheilmittel durchzieht wie ein rother
Faden alle Perioden der Weltgeschichte, gerade als ob mit dem
Verluste des Paradieses, jener erträumten herrlichen Urzeit, auch
die Panacee gegen Tod und Siechthum verloren gegangen wäre.
In seelischer Verbindung mit dieser Ideenwelt tritt als das erste
in der Geschichte der Medicin die tiefsinnige Fabel weit der orien¬
talischen Völker an uns heran, die Medicin als ein Gottes- oder
Gottnaturdieust, der Arzt ein Priester, die Schule ein Tempel.
Dieser kindlich-naive Glaube wurde zu einer Gedankenwelt, als
durch das Wachsthum der gesellschaftlichen Verbindungen, die
der Mensch eiuging, die Zahl der Uebel wuchs, und naturwidrige
Gebräuche, ein Uebermaass sinnlicher Genüsse und entkräftender
Luxus, die Volksgesundheit untergruben. In solchen Zeiten der
Decadence hat man immer, vor Jahrtausenden wie noch heute,
den unverdorbenen Naturzustand, in dem die Menschen über die
Grenzen einer geistigen Kindheit nicht weit hinaus sind, herbei¬
gesehnt und hat versucht, trotz der geänderten Verhältnisse ihn
künstlich zu erzeugen. So entstand die Fiction von der Allgewalt
eines Mittels, das im Heilschatz der Natur allerdings eine hervor¬
ragende Rolle spielt, vom kalten Wasser.
Es ist eine keineswegs neue Erscheinung, dass man dem
kalten AVasser die Kraft eines Universalmittels zuschreibt und
es in solcher Meinung den mannigfachsten Leiden gegenüberstellt.
Diejenigen, welche in diesem Streben nur ein Product der Mode
sehen und achselzuckend die „ephemere“ Doctriu anblicken.
kennen ebensowenig die Geschichte der Medicin im Allgemeinen,
wie die der Kaltwasseranwendung im Besonderen. Sie reicht
vielmehr bis in die grauesten A r orzeiten zurück und ist immer
wieder aus der A r ergessenheit oder A r ernachlässigung, in die sie
zeitenweise versank, zu neuem Leben und neuer Kraft empor-
getaucht. Es ist merkwürdig, dass immer das AVasser, das natür¬
lichste Product der organischen AVelt, es sein musste, das der
Wissenschaft der Heilkunde feindlich gegenüber trat und in den
Kanpf mit den Doctrinen, wie mit den Vertretern dieser trat. Ein
solches Phänomen kann kein zufälliges sein, es müssen seine
Fäden mit den innersten \ r erhältnissen der die Menschheit be¬
wegenden Fragen und Ideen Zusammenhängen. Man kann nicht
in vornehmer A r erachtung an den Erscheinungen eines Antonius
M u s a, eines Charmis, eines Paracelsus, Hahn,
Priessnitz, Kneipp und wie sie Alle heissen mögen, vor¬
übergehen, sondern muss die ursächlichen Momente jenes immer
wiederkehrenden Durchbruchs bestimmter Anschauungen und
Lehren prüfen, will man in dieser für die Heilkunde wie für die
Aerzte so bedeutungsvollen Frage Klarheit gewinnen.
Laien waren es vor Allem, die informatorisch unter dem
Zeichen der AVasserbehandlung gegen die Lehren der medi-
cinischen AVissenschaft auftraten, ein sehr begreiflicher Umstand,
wenn man einmal die uralte Neigung des A r olkes zum Selbstcuriren.
wenn man ferner die Vorurtheile des Laien gegen den Arzt den
der grosse Haufe nicht als Freund, sondern mehr als auf¬
gedrungenen Helfer betrachtet, und an dessen Kunst ihn das
grosse Heer ungeheilter und unheilbarer Krankheiten zweifeln
lehrt, berücksichtigt. Beide Momente werden, mag man auch
noch so sehr Aufklärung und naturwissenschaftliche Kenntnisse
fördern, nie verschwinden, denn sie liegen nur allzu sehr im
innersten Wesen des Menschen begründet. Diese Schwächen
des Menschen haben von jeher gewissenlose Volksbetrüger be¬
nutzt, um aus ihren Mitmenschen Nahrung zu saugen, und mit
Hilfe des Wassers „Wundereuren“ zu vollbringen.
Auf der einen Seite das freche A r ordringen halbgebildeter
Laien, auf der anderen Seite die vornehme Zurückhaltung der
Wissenschaft, die — und mit vollem Recht — eine allzu grosse
Ausdehnung dieses Heilmittels für lächerlich fand und schwieg,
dabei aber sehr zu ihrem Nachtheil vergass, eine streng wissen¬
schaftliche Begrenzung und Erörterung, eine Prüfung durch That-
sachen vorzunehmen. Und so kam es, dass die Verachtung für
Neid, das Stillschweigen für Zugeständniss. die AViderlegung für
eine Unmöglichkeit angesehen wurden; und die Lehre, welche in
ihrem Kern so vieles Gute enthält, blieb fast ausschliesslich in
den Händen von Laien, zum Schaden der Wissenschaft wie nicht
zum Mindesten der Kranken. Denn mag man das kalte Wasser
als diätetisches Mittel weit und breit an wenden, immer ist es,
Original fro-m
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wie jedes andere, den Principien der Physiologie und Diätetik*
unterworfen, mag man es als Heilmittel benutzen, immer fällt es
unter die uralten Gesetze der Mediein. Als solches erfährt es die
Erklärung seiner Wirkung durch die Gesetze der Physiologie,
als solches seine Anwendung nach den Normen der Pathologie
mid Therapie, als solches erhält es seine Stellung unter den
{ihrigen Heilmitteln und somit seinen relativen Werth, als solches
wird seine Dosis, seine Form, seine Anwendungsweise wissen¬
schaftlich festgestellt. Die Erfahrung aber handhabt die Wissen¬
schaft, die rationelle Praxis des individualisirenden Arztes steht
obenan und dictirt ihre Befehle nach der Sachlage der Dinge.
Dieser allein vernunftgemiissen Benutzung des Wassers zu
therapeutisehen Zwecken steht die unterschiedslose, oft geradezu
verbrecherische Anwendung desselben in Laienhänden gegenüber,
von denen die Geschichte der Wasserheilkunde so überaus reich
ist. Eines dieser interessantesten Experimente knüpft sich an
ileii Namen eines Mannes, der in mannigfacher Beziehung mit
jüngsten Apostel des kalten Wassers, mit Pfarrer Kneipp.
Ähnlichkeit hat. wenn auch der Erneuerer der Blitzgüsse (denn
•Ho Erfindung rührt nicht von Kneipp her, sondern war schon
lange vor ihm bekannt) in seinem therapeutischen Verfahren als
mild zu bezeichnen ist gegenüber seinem nicht minder berühmten
Vorläufer.
Der Kapuzinerpater Bernardo Maria de Castrogiaue,
■/M seiner Zeit allgemein Medico dell’ acqua fresca genannt, dessen
Berühmtheit die ganze Welt erfüllte, und der schon damals an
•lern Orte seiner Wirksamkeit, der Insel Malta, einen Zulauf hatte
wie Pfarrer Kneipp, war der Sohn eines Apothekers und hatte
neben seinen geistlichen Studien Mediein und Chemie getrieben.
, Kin Schüler eines Arztes R o v i d a, der 1699 in Neapel sich durch
seine Eiswassercuren berühmt, machte, erlangte er den medi-
cinischen Doctortitel und kam 1724 nach der Insel Malta. Dort
hin strömten nun binnen kurzer Zeit die Leidenden von ganz
Italien und weiterhin von fast allen Ländern Südeuropas zu¬
sammen. um Heilung und Genesung durch Pater Bernhard zu
linden. Vor Allem war es die hohe Geistlichkeit, Cardinäle und
Bischöfe, dann aber auch der gesainmte niedere Klerus, der die
mit der priesterlichen Weihe verbundene Heilkunst des Kapuziners
der profanen Wissenschaft vorzog und nach ihnen kamen Herzoge
und Fürsten, Ritter und Grafen und unzähliges Volk aus aller
Herren Länder.
Schliesslich überliess ihm der Bischof von Malta ein grosses
Spital, und wir finden Pater Bernhard, unterstützt von seinem
Bruder, der regelrecht Mediein studirt und Arzt geworden, aber
in die Fusstapfen des Kapuziners getreten war, als Krankenhaus-
director wieder. In dieser Thätigkeit verblieb er Jahre lang und
soll im Zenitli seines Ruhmes von einer tückischen Krankheit
dahingerafft -worden sein.
Als Heilmittel wandte er ausschliesslich Eiswasser, das er
durch Mischung von Eis oder Schnee mit frischem Wasser lier-
s'cllen liess, an und zwar in dreierlei Formen: Einmal äusser-
1 i c h als Auf- oder Umschläge mit darin eingetauchten • Lein¬
tüchern oder als eine Art von Massage durch Reibung der leiden¬
der Theile mit ganzen Eisstücken, zweitens innerlich als Ge¬
tränk zu 6—8 Maass (Quart, Kannen) des Tages über und drittens
iil>- Klysma, letzteres besonders bei der Behandlung der Ruhr.
Während dieser Cur, die in ihrer Art fast immer die gleiche
blieb, nur in der Quantität des angewandten Wassers variirte,
wurde eine üusserst strenge Diät innegehalten. In den ersten
lagen eine totale Hungercur, als Nahrung nur Eiswasser, in ein¬
zelnen Krankheiten, besonders geschlechtlicher Natur wurde diese
Hungercur auf 25—30 Tage ausgedehnt, später 5—6 Eidotter täg-
lä b. in einzelnen Fällen kleine Portionen Huhn oder Taube. Oft
mich reichte er nach der ersten Hungercur in einer Zwischenpause
\on 8—10 Tagen Nahrung, um die Cur wieder mit einer Zeit des
Ilungerns zu schliessen. Andere Nahrung, als die oben erwähnte,
untersagte er streng, vor Allem Suppen und Mehlspeisen.
Ausserdem suchte er mit physikalischen Factoren ein-
zmvirken: Die bettlägerigen Kranken mussten bei offenem
IVnstor, nur leicht bekleidet, liegen, das Haar geschoren, die,
welche ausser Bett waren, meistentheils barfuss gehen. Diese
Maassnahmen werden geschildert in den unzähligen Kranken¬
geschichten, die im Mercure historique de l’an 1724 enthalten sind,
und von denen ich eine im Folgenden wiedergebe: „Insel Malta,
12. Juli 1724. Der Graf v. Beverens, ein Deutscher, war seit
2 Jahren mit einem starken Herzklopfen und heftigen Krämpfen
behaftet und litt an solchem Frost, dass er auch In den Hunds-
Buren die wärmste Luft nicht vertragen konnte. Er trug be¬
ständig Pelzwerk auf der blossen Haut und war überdies noch
mit Westen und Oberkleidern versehen. Ausserdem war er auch
im Bett sehr warm zugedeckt und in der Nacht durfte er unter
der Decke nicht einen Finger Vorbringen, so fing er schon an zu
frieren und bekam den Krampf. Pater Bernhard, der seine
Our mit ihm anfing, nahm ihm sogleich die überflüssigen Ober¬
kleider weg, brachte ihn an die freie Luft und bewirkte mit Eis¬
wasser binnen 24 Stunden so viel, dass der Graf von der Schwäche
seiner Brust und von dem gewöhnlichen Frost, mit dem er ge¬
blagt wurde, nichts mehr empfand, von Krämpfen verschont
blieb, gut schlief und bald völlig gesund wurde.“ Wer erinnert
s mh dabei nicht an die beliebten schwäbischen Kernworte, mit
<b non Kneipp die in alle möglichen Kleidungsstücke vergrabenen
Kranken, die zu ihm kamen, bewillkommte?
Der rohe Empirismus des Pater Bernhard bedurfte keiner
theoretischen Grundlage; nichtsdestoweniger hat er sich, jeden¬
falls der Wirkung nach aussen wegen, auch ein kleines System
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zusammengebraut. Das Wasser soll nach ihm dazu dienen, die
Krankheitsstoffe aufzuregen und abzuführen und zwar vornehm¬
lich durch den Urin und durch die Faeces; Krisen durch die Haut,
also Schweisserzeugung, liegt nicht In den Intentionen seiner Cur.
Er verbietet sogar das Schwitzen und will in den heissen Tagen
seine Eiswasserproeeduren nicht unternehmen, um den Schweiss
zu vermeiden.
Das Eiswasser wird in bestimmten Zwischenräumen und in
grösseren Quantitäten auf einmal getrunken und zwar Tags und
Nachts; die ganze Zeit über ist der Kapuzinerarzt in der unmittel¬
baren Umgebung des Kranken, untersucht den Puls, die Finger¬
nägel, Augen und Zunge. Puls und Nägel sind ihm maassgebend
für die Wirkung des eingenommenen Wassers und je nach den An¬
zeichen verdoppelt oder verringert er die Gabe.
Natürlich wendet er das Eiswasser als Panacee gegen alle
Krankheiten, selbst gegen die zu seiner Zeit auf der Insel Malta
auf tretenden Blattern an und immer mit Erfolg! ! ! Die Eisklys-
mata verordnet er vornehmlich bei der Ruhr, Blutabgängen etc.,
Einreibungen mit Eisstücken bei grosser Fieberhitze, bei der
auch Umschläge verabreicht werden, bei Hüftweh, Seiten¬
stechen etc.
Diese Eisenbartcuren Hessen, wie allgemein berichtet wird,
im frommen Glauben au die Heilkraft ihres Arztes Hoch und
Niedrig, Gross und klein ergebungsvoll über sich ergehen und
priesen laut in alle Winde die Wunder ihres Retters.
Ist dies Weltgeschichte, Weltelend oder Weltironie?-
Referate und Bücheranzeigen.
Mt. Sinai hosnital renorts. Vol. I for 1898. Ed. by
P. E. M u n d e., 1899.
Uebcr das seit 1856 bestehende Hospital, das jetzt ca. 3000
jährl. Aufnahmen zählt und das eine medicinische, chirurgische
gynäkologische, pädiatrische, Augen- und Ohren-Abtheilung und
unter seinen Aerzten auch einen consultirenden Neurologen und
Dermatologen zählt, soll von nun ab ein Jahresbericht er¬
scheinen, wie Ja co bi in seiner Vorrede hervorhebt. Nach
statistischen Darstellungen der medicinischen Abtheilung gibt
R u d i s c li eine Studie der seit 1883 beobachteten Typhusfälle,
A. Mayer eine nähere Statistik über 500 Fälle lobärer Pneu¬
monie und Notizen über die W i d a l’sche Probe bei Typhus und
schildert einen Fall von pernieiöser Anaeraie mit Fettherz
während der Schwangerschaft; E. B r i 11 berichtet über einen in
die Lunge perforirten Lebcrabscess, einen auch die Pulmonar-
arterienklappe betreffenden Fall von uleerativer Endocarditis;
Morris M a n g e s bespricht einen durch Laparotomie geheilten
Fall acuter Pankreatitis und disseminirter Fettnekrose des Peri¬
toneum, eine multiple Knochencarcinose nach Mammacareinom
bei nur wenigen Metastasen in den Eingeweiden; Henry Berg
bespricht einen Lebereehinococcus mit Absonderung von Tochter¬
blasen durch den gemeinsamen Gallengang.
Barnim Scharlau erstattet den statistischen Bericht über
die Kinderabtheilung und referirt über mehrere interessante Be¬
obachtungen (6 Fälle chronischen Empyems nach D e 1 o r m e
operirt, aeute Anaemie etc.). B. Sachs gibt eine Arbeit über
Erythromelalgie im Anschluss an einen betreffenden Fall, in
dem wegen ausgedehntem ITleus cruris amputirt werden musste
und dessen histologische Befunde näher besprochen werden.
A. G. G e r s t e r gibt den Bericht der Abtheilung betr. all¬
gemeine Chirurgie (aus dem u. a. eine nähere Darlegung betr. der
Vorschriften über die Führung der Krankengeschichten hervor¬
gehoben sein soll), sowie die statistische Darstellung der Nar¬
kosen (631 Chloroform, 94 Aether, 48 gemischte, 133 locale An-
aesthesien). Nach der statistischen Registrirung der Fälle und
Operationen (1052) geht G e r s t e r auf die letzteren näher ein
(unter anderem 158 Appendicitisoperationen bei 149 Patienten
mit 27 Todesfällen, 73 Herniotomien mit 3TodesfäUen, 22 Opera¬
tionen an der Niere mit 1 Todesfall) und schildert im Verlauf
eine Reihe seltener Fälle (z. B. ein mit Ligatur der Iliaca int. be¬
handeltes vasculäres Sarkom des Darmbeins etc.). Die Hilfe¬
leistungen bei Unfällen werden besonders statistisch behandelt,
ebenso die Todesursachen. H. Lilienthal bespricht ein stric-
turirendes Adenom der Flexura hepat. mit Ausgang in Heilung
nach ausgedehnter Reseetion des Kolon. W. F1 u h r e r erstattet
die Statistik betr. der Abtheilung für Geschlechts- und Ham-
krankheiten und schildert 3 Fälle von Prostatectomie. Munde
gibt den Bericht über die gynäkologische Abtheilung (480 Fälle
mit 572 Operationen, 13 Todesfälle) und zeigt die grosse Zu¬
nahme dieser Fälle gegenüber den früheren Jahren. G r ü n i n g
berichtet statistisch über die Augen- und Ohrenabtheilung und
bespricht, speciell die Operationen am Warzenfortsatz bei acutem
Empyem und bei Caries (248 Fälle in 20 Jahren). Charl. May
Original from
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No. 4.
berichtet über einen Fall von Herstellung des Conjunctivalsackes
bei totalem Symblepharon durch Thierse h’sche Transplan¬
tationen; C. Koller über einen Fall von Thrombophlebitis des
Sinus sigm. und der Jugularvene, während schliesslich Man-
d e 1 b a u m und E. Libmann über eine Reihe ungewöhnlicher
pathologischer Befunde — eine Art Auslese aus den Autopsie¬
berichten — referiren. Sehr.
Samuel G a c h e : La tuberculose dan& la rtpublique
Argentine. Buenos-Ayres 1899. A. Etchcpareborda.
XIII, 356 p.
Der Zweck des hoehverdienstliehen breit angelegten Werkes
ist die Bekämpfung der Tuberculose in Argentinien. Dieselbe
beginnt füglich mit der Belehrung über die Infectionswege
(speciell Inhalation und Ingestion), über Heilbarkeit, über In-
fectiosität von Milch und Fleisch, über Desinfectionsmethoden,
über die Gefahren der Tuberculoseübertragung durch Eisenbahn¬
wagen, Wäsche etc., durch „Hausthiere und Insecten“; und
damit eng verbunden ist überall der unermüdliche eindringliche
Hinweis auf die Gefahren der Tuberculose, die Nothwendigkeit
ihr entgegenzutreten und die hiebei einzuschlagenden Wege.
Die Grundsätze entsprechen meist den bei uns anerkannten,
doch erscheint manches etwas extrem z. B. (für Curorte) eontrole
medical des hötels et pensions raeublees pour reconnaitre les
tuberculeux et les soumettre ä des regles convenables.
Bei allen Problemen werden reichliche Referate und Citate
aus der Literatur, besonders der französischen, vorgebracht,
während die Deutschen etwas zu kurz kommen; auch sanitäts¬
polizeiliche Vorschriften werden vielfach wiedergegeben. Die
Stellungnahme des Verfassers in den verschiedenen Streitfragen
ist öfters nicht ganz klar (Erblichkeit), oder sie zeigt sich nur in
den Umrissen (Disposition, Höhenklima). Manchmal erscheint
der einem Referat gewidmete Raum verhältnissmässig etwas
gross (Fall von Dewevre: Ein Mann soll durch die
Wanzen im geerbten Bett seines an Phthise verstorbenen
Bruders tubereulös geworden sein), anderseits dürften 5 V,
Zeilen für eine Würdigung Brehmer’s nicht genügen.
Die allgemein-literarische Bedeutung des Werkes beruht auf
den sehr zahlreichen und genauen statistischen Angaben über
Klimatologie, Hygiene und besonders Morbidität und Mortalität
von Argentinien, denen mehr als die Hälfte des ganzen Um¬
fanges gewidmet ist und woraus einige Einzeltheile wohl all¬
gemein interessiren dürften.
Das gewaltige Land Argentinien bietet klimatisch maneh-
fache Gegensätze, an der Küste theils sehr gesunde, milde, gleich-
mässige, theils feuchte und heisse, oder sturmreiche, im Innern
des Landes trockene und heisse, endlich im Gebirge sehr gesunde,
aber meist rauhe Regionen. Buenos-Ayres ist eine gesunde
Stadt mit enorm steigender Einwohnerzahl: Sterblichkeit
19:1000, Geburtsziffer — 44:1000; dazu viele Einwanderer.
25,6 Proe. der Gesammtsterblichkeit treffen auf Kinder unter
1 Jahr; auf Tuberculose 8 Proc. (spec. in den dicht bewohnten,
armen Stadttheilen), während früher 20 Proc.,was besonders auf die
neuerliche Assanirung, die gute Bodendrainage zurückzuführen
ist (seitdem ist auch die Typhussterblichkeit wesentlich geringer
geworden). Von hygienischen Einrichtungen in Buenos-Ayres
erwähne ich die obligatorische Tuberculinimpfung alles Schlacht-
und Milchviehes in der Stadt, 2 gut eingerichtete Isolirkranken-
häuser für infectiöse Kranke, das eine mit getrennter Abthei¬
lung für Tuberculose (Spucknäpfe aus emaillirtem Eisen mit
Carbolwasser, der Auswurf kommt in Closetgruben und wird mit
Vax» Sublimat behandelt; im Militärhospital Spucknäpfe aus
Pappe zum Verbrennen), gute Schlachthauseinrichtung.
Ausser Buenos-Ayres haben noch mehrere andere Städte
gute hygienische Vorkehrungen, Tuberculinimpfung des Milch¬
viehs; die Tub.-Sterblichkeit ist überall eine geringe, im Mittel
etwa 7—8 Proc. der Gesammtmortalität, nur in Corrientes
12 Proc. Für die Morbidität und Mortalität kommen weiterhin
besonders in Betracht in einzelnen Gegenden Typhus (schlechte
Brunnen), in sumpfigen Regionen Pneumonie und Malaria. 1890
starke Influenza im ganzen Lande. Die Blattern haben seit Ein¬
führung der Impfung wesentlich abgenommen. Alkohol spielt
eine grosse Rolle. Die Indianer und Neger sind im Aussterben
begriffen, Tuberculose, Blattern und Alkohol haben sie decimirt.
Eine grosse Gefahr bildet die sehr zunehmende Tuberculose unter
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dem gewaltigen Viehstand, hauptsächlich in Folge der Mischung
mit eingeführten Rassen (Durhara).
Ira Gebirge und an der Küste sind zahlreiche Orte, die
als Curorte von Tuberculösen viel besucht werden, doch meist
hygienisch schlecht eingerichtet sind ; in einem derselben,
Mendoza, der früher fast tuberculosefrei war, soll seit dem Zu¬
gang von Curgästen die Tuberculose auch unter den Eingeborenen
deutlich um sich gegriffen haben.
In Mar del Plata besteht ein kleines Seehospiz für skrophu-
lose Kinder, ein zweites ebendort und ein grosses Sanatorium
für Tuberculose im Gebirge, in Capella del Monte (989 in ü. M.),
sind in Aussicht genommen. Die für letzteres aufgcstellten
Grundsätze stimmen mit den in deutschen Sanatorien üblichen
fast durchweg; auf einen Schlafsaal sollen höchstens 10 Patienten
treffen. Wunder hat mich der Satz genommen: on essaiera
autant que possible, de composer le personnel subalterne de tuber¬
culeux (übrigens vom Comite schliesslich verworfen).
Schliesslich werden auch die Sanatorien, Curorte und sta¬
tistischen Verhältnisse betreffs Tuberculose in den anderen
amerikanischen Staaten und in Europa zusammengestellt. Eines
ist mir noch aufgefallen: Paraguay hat sehr gute klimatische
Verhältnisse und sehr wenig Tuberculose; Verfasser glaubt aber
Vorhersagen zu können, dass in nicht ferner Zukunft die Tuber¬
culose sehr häufig sein wird, wegen zum Theil schlechter socialer
Verhältnisse.
Das ernst und warm geschriebene Werk wird hoffentlich in
seinem Vaterland gebührenden Dank ernten und viel Segen
stiften; aber auch jedem Phthisiotherapeuten und Statistiker
wird es manclifache Anregung bieten. Die Ausstattung ist
durchaus gediegen. Pischinger.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medicin. XXXVIII. Bd., 1., 2.
u. 3. Heft.
1) E. P o n f i c k - Breslau: Myxoedem und Hypophysis.
Ein Fall von Myxoedem zeigte starke, degenerativ-entzünd-
liehe Atrophie der Thyreoidea, noch stärkere Atrophie der Hypo¬
physis mit vollständigem Schwund des drüsigen Tlieiles, bei Er¬
haltensein des bindegewebigen. Der Process in beiden Organen
war offenbar ein paralleler und gestattet auch an eine Ueberein-
stimmung der physiologischen Function zu denken. Der histo¬
logische Befund wird durch 6 Tafeln illustrirt
2) M. Cohn- Berlin: Ueber Fixation und Gonaervirung
von Harnsediment.
Zur Darstellung der organisirten Sedimente empfiehlt sich
Fixirung mit Formalin und Färbung mit Sudan und Haema-
toxylin.
3) C. S. E n g e 1 - Berlin: Können Malariaplasmodien mit
Kernen kernhaltiger rother Blutkörperchen verwechselt
werden P
Bei den von Plehn beschriebenen und als Form von
Malariakeimen aufgefassten „karyochromatophilen Körnchen“
kann es sich auch um Kemfragmente kernhaltiger, rother Blut¬
körperchen gehandelt haben, wie sie im embryonalen Blut und
bei den verschiedenen Formen der pemieiösen Anaemie Vor¬
kommen.
4) Schütze -Berlin: Ueber den Nachweis von Typhus¬
bacillen in den Faeces und in der Milz nach dem Verfahren
von Fiorkowski.
Bei 5 Typhusfällen leistete die Züchtung auf Harngelatine
nach Piorkowski gute Dienste und erlaubte die Stellung
einer sichern Diagnose nach 15 bis 24 Stunden.
5) S t a d e 1 m a n n - Berlin: Sporadische und epidemische
Meningitis cerebrospinalis.
Beschreibung eines Falles von eitriger Meningitis, der in
Heilung ausging und von einem eigenartigen plumpen, sehr be¬
weglichen Bacillus verursacht wurde. Im Anschluss daran Be¬
sprechung der Aetiologie der nicht tuberculösen Meningitis. Ein
einheitlicher Erreger für die epidemische Form ist nicht anzu¬
nehmen, auch nicht der Meningococcus intracellularis, sondern es
kann wahrscheinlich jeder Fall Idiopathischer Meningitis der
Ausgangspunkt für eine Epidemie sein.
6) S t e r n b e r g - Berlin: Chemisches und Experimentelles
zur Lehre vom Coma diabeticum.
Aus theoretischen Gründen ist als Ursache des Goma diabeti¬
cum und als Muttersubstanz der ^-Oxybuttersäure die /J-Amido-
buttersäure anzusehen. Thierversuche ergaben in der That eine
stark narkotisirende Wirkung dieser Säure bei gleichzeitiger Er¬
regung von Blutdruck und Athmung, während ihre Ueberführung
in /tf-Oxybuttersäure im Thierkörper noch nicht gelungen ist.
7) H. S a c h s - Berlin: Bedeutung der Leber für die Ver-
werthung der verschiedenen Zuckerarten im Organismus.
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Es wurde an einer grossen Anzahl von Fröschen das Auf¬
treten der verschiedenen Zuckerarten im Harn nach subcutaner
Injeetion verschiedener Mengen vor und nach Exstirpation der
Leber verglichen. Die Toleranz gegenüber Glykose, Galaktose
und Arabinose wurde durch Eutleberung in keiner Weise herab¬
gesetzt, wohl aber gegenüber Laevulose. Auch an 8 leberkranken
Menschen konnte bei Darreichung von 100 g Laevulose per os
ein abnorm häufiges Auftreten alimentärer Laevulosurie constatirt
werden. Es kann daraus geschlossen werden, dass die Toleranz
des Organismus für Laevulose in höherem Grad von der intacten
Function der Leber abhängig ist, als dies gegenüber den übrigen
Zuckerarten der Fall ist.
8) F e 1 - Amsterdam: Die Erblichkeit der chronischen
Nephritis.
Die Geschichte einer Familie, die in 3 Generationen 18 Fälle
von Nephritis auf wies, stützt die Annahme, dass auch bei dieser
Krankheit, wie bei so vielen andern, die Erblichkeit eine Rolle
spielen kann.
9) A. Simon- Wien-Berlin: Heber den Einfluss des künst¬
lichen Schwitzens auf die Magensaftsecretion.
Starkes Schwitzen, gleichviel ob durch Schwitzbäder, durch
Trinken heisser Getränke oder durch Pilocarpin erzeugt, setzte
bei Gesunden und bei Kranken mit Hyperacidität — weniger
regelmässig bei anderen Magenerkrankungen — die Menge, die
Gesammtacidität und die freie Salzsäure des Magensaftes be¬
trächtlich herab. Es ist dies als Schutzeinrichtung des Organis¬
mus gegen Chlorverarmung aufzufassen.
10) J. Donath- Ofen-Pest: Beiträge zur Pathologie und
Therapie der Basedo w sehen Krankheit.
1. Jod kann im Harn bei Basedo w’scher Krankheit ebenso¬
wenig nachgewiesen werden wie im normalen, was gegen die
Theorie einer Ueberproduction normalen Schilddrüsensecretes
spricht 2. Geschichte eines Falles von Basedo w’scher Krank¬
heit der durch partielle Resection des rechten und linken Hals-
sympathicus wesentlich gebessert wurde.
11) T r o 11 e r - Giessen: lieber Methoden zur Gewinnung
reinen Magensecretes.
Eine Nachprüfung des Talma’sehen Verfahrens, die bisher
üblichen Probcmahlzeiten durch Trinkenlassen von Fleisch-
extractlösung zu ersetzen uud damit reineren Magensaft zu er¬
halten, ergab, dass diese Methode durchaus keine Vorzüge vor
den üblichen aufweist. Im zweiten Theil der Arbeit wird der Ein¬
fluss des Kauens auf die Magensaftsecretion erörtert Reine Ge¬
schmacksreize (Citronenschalen, Senf) waren sehr wirksam, noch
weit mehr solche, die mit psychischen, appetiterregenden Vor¬
stellungen verbunden waren (gebratene Gans, Beefsteak). Neben
den directen Reizen der Magenschleimhaut — die übrigens je
nach den einzelnen Stoffen erregende sind (Eiweiss, Stärke) oder
hemmende (Zucker, Fett) — spielen die indirecten, reflectorischen
also eine sehr grosse Rolle.
12) L a p i n s k y - Kiew: Zwei weitere Fälle von sogenannter
trophischer Gefässerkrankung im Laufe der Neuritis.
Zu kurzem Referate nicht geeignet.
13) A1 b u - Berlin: Heber den Eiweissstoffwechsel bei
chronischer Unterernährung.
Belm gesunden Menschen ist Erhöhung des Eiweissbestandes
durch Ueberernälimmr ii.-n, • aber gelingt es bei
chronischer Unterernährung. Das bei 5 Versuchen verwendete
Präparat — S i e b o 1 d’s Milcheiweiss — erwies sich zu diesem
Zwecke sehr geeignet.
14) Kotowtschlcoff - Kazan: Heber die Behandlung
des Eiterungsstadiums der Variola vera.
Mehrere Beobachtungen haben gezeigt, dass 2 mal täglich
wiederholte Vaccinationen von sehr günstigem Einfluss auf die
Schwere des Blatternverlaufes siud, nicht bloss wenn sie im Pro¬
dromalstadium begonnen werden, sondern auch wenn sie später
bis zum 2. Tag nach der Eruption, zur Anwendung kommen.
Kerschen steiner - München.
Centralblatt iür innere Medicin. 1899. No. 1 u. 2.
No. 1. 1) Edlefsen -Hamburg: Zum Nachweise des
Phenetidins im Harn.
Das Phenacetin geht nach Friedrich Müller als Phenetidin
in den Harn über und ist als solches direct und im Aetherextract
nachweisbar. Verfasser gibt eine Modiflcation der von Müller
vorgeschlagenen Probe an. welche auch den Nachweis kleiner
Mengen von Phenetidin ermöglicht. Kochen des Harns mit HCl,
Erkaltenlassen, Zusatz von 2—3 Tropfen lproc. Natriumnitrit¬
lösung. Die eine Hälfte dieser Mischung versetzt man mit 1—2
Tropfen alkoholischer (4—5proc.) a-Naphthollösung und macht
mit NaOH alkalisch: Rothfärbung; nach HCl-Zusatz rothviolett
werdend. — Die zweite Hälfte der Mischung versetzt man mit
1—2 ccm 3proc. Carboiwassers und macht mit NaOH alkalisch:
Gelbfärbung, die bei Ansäuern mit HCl blassroth wird.
2) L. Ferrannini: Anomalien des Körperbaues bei
Kardioptosis. (Aus der allgemeinen medicinischen Klinik der
Universität Palermo, Prof. R u m m o.)
Verfasser beschreibt 4 Fälle von Kardioptosis, einem Zustand,
auf den R u m m o aufmerksam gemacht hat. Die Ptosis des
Herzens ist hiebei eine primäre und oft auch lsolirte. Der Haupt¬
factor bei Entstehung der Herzsenkung, die eine besondere Art
der allgemeinen Eingeweidesenkung darstellt, ist eine angeborene
weitgehende Alteration der Stützsubstanz. Es handelt sich um
eine Entwicklungshemmung. Als Beweis für die Richtigkeit dieser
Hypothese betrachtet Verfasser die Anomalien Im Körperbau und
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die Degenerationszeichen, die er bei seinen Fällen gefunden hat.
No. 2. 1) Ferrante A p o r t i : Heber die Entstehung des
Haemoglobins und der rothen Blutkörperchen. Experimentelle
Untersuchungen. [4 Tafeln.] (Aus der medicinischen Poliklinik,
Prof. A. Ri v a, der Universität Parma.)
Verfasser liefert sehr interessante experimentelle Beiträge
zu klinischen Beobachtungen, welche .über den Einfluss intra¬
venöser Eisen- und Arseninjectionen bei der Behandlung primärer
Anaemien in der Klinik R i v a’s seit längerer Zeit gemacht werden.
Er zieht folgende Schlüsse:
1. Es existirt unzweifelhaft eine gewisse Unabhängigkeit
zwischen der Bildung des Haemoglobins und der rothen Blut¬
körperchen. 2. Es gibt Stoffe, welche nur die Bildung der rothen
Blutkörperchen anregen, einer der ersten ist das Arsen. 3. Es
gibt Stoffe, welche hauptsächlich, ja fast ausschliesslich, auf die
Haemoglobinbildung einen Einfluss ausüben, vor Allem das Eisen.
2) II. Dömeter v. B 1 e i w e i s : Ueber alimentäre Glykosurie
e saccharo bei acuten fieberhaften Infektionskrankheiten. (Aus
der medicinischen Klinik, Prof. Kraus, in Graz.)
Verfasser theilt eine Versuchsreihe mit, welche darthut, dass
die Zuckerausscheidung bei Infectionskrankheiten schon nach Ver¬
bitterung recht geringer Mengen von Traubenzucker häutig zu
erzielen ist, und dass dabei auffallend hohe Werthe der Zucker¬
ausscheidung Vorkommen. Die Resultate entsprechen im Allge¬
meinen denjenigen P o 1 l’s und Campagnoll e’s.
W. Zinn- Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 1 und 2.
No. 1. H. Lucas - Köln: Beitrag zur Fenisamputation.
In Anbetracht der nach Penisamputation meist eintretenden
Strictur am vorderen Urethralende empfiehlt L. im Anschluss an
3 betreffende Fälle ein besonderes Verfahren, bei dem mau die
Urethra weiter isolirt und vorzieht, so dass die Schleimhaut im
Laufe der Heilung sich um das Corp. cavernos. urethrae um¬
schlägt und ein ca. V, cm über das Hautniveau vorstehendes
Ostium nach der Verwachsung mit der äusseren Haut erhält. Die
Incision wird vom vorderen Scrotumwinkel beginnend, über die
Unterseite der Corpora cavernosa urethrae geführt und letztere
soweit unten und seitlich freipräparirt, dass man die folgende
Quertrennung im Gesunden durchzuführen annehmen kann, dann
wird die Urethra auch vorn isolirt und nach unten gelegt, der
restirende Theil des Penis durch einen Querschnitt abgetrennt,
so dass die isolirte Urethra 3—4 cm weit aus der Wunde hervor¬
ragt Eine Naht durch die Ränder der Tunica albuginea der Corp.
cavernosa (die diese mit einander verbindet) senkt den Penisrest
in die Tiefe und nun werden die Hautwundränder mit einander
und mit den Seitenflächen der Urethra (ohne Mitfassen der
Schleimhaut) vernäht. Für die ersten Tage wird ein Dauer¬
katheter eingelegt.
H. Gross- Strassburg: Eine Führungssonde für die Gigli-
säge zum Gebrauch bei Schädeltrepanationen.
Beschreibung einer 15 cm langen, 4—5 mm breiten Hohlsonde
mit massivem vorderen Knopf, die zum Einhängen der Endöse
der Giglisäge in dre flachen Rinne hinter dem Kopf einen kleinen,
nach vorn stark gekrümmten Haken trägt (s. Abbildnug).
Th. Hausmann : Beitrag zu den Lageanomalien des
Darmes. Mesenterium commune, Fostposition des Dickdarmes
(Colon transv.) hinter dem Dünndarm (Duodenum), Achsen¬
drehung, Laparotomie, Tod.
Genaue Beschreibung dieser seltenen Lageanomalie gelegent¬
lich des Sectionsbefundes.
No. 2. Fr. Bode: Eine neue Methode der Peritoneal¬
behandlung und Drainage bei diffuser Peritonitis.
Die im Frankfurter Krankenhaus bewährt gefundene
Methode besteht darin, dass in Beckenhochlagerung (meist medial)
ausgiebig laparotomirt und unter Ueberrieselung mit warmer
physiologischer Kochsalzlösung der gesammte Peritonealinhalt
eventrirt wird; ausserhalb der Bauchhöhle werden die einzelnen
Darmschlingen in mit Kochsalz getränkte Compressen einge¬
schlagen und von Zeit zu Zeit durch erneutes Uebergiessen vor
Abkühlung geschützt Die Perforationsöffnung des Darms —
die häufigste Ursache der Peritonitis — wird so leicht gefunden
und verschlossen, danach die Bauchhöhle mit 30—40 Liter Koch¬
salzlösung systematisch ausgeschwcmmt unter Berücksichtigung
der Buchten und Nischen des Feritoneum, die an den tiefsten
Punkten sich ansammelnde Flüssigkeit ausgetupft und nun unter
Ueberrieselung zur Reposition geschritten. An einer etwa der
Mitte des Bauches ungehörigen Dünndarmschlinge wird das zu¬
gehörige Mesenterium durch Emporheben gespannt und an einer
von Gefässen freien Stelle nahe der Radix ein Schlitz angelegt
und ein dickes, entsprechend langes Drainrohr durchgezogen, das
durch je eine neue seitliche Incision der Bauchgegend unmittel¬
bar über dem Kolon nach aussen geleitet wird. Ausserdem wird
je ein Drainrohr von den beiden Seitenöffnungen und ein viertes
vom medialen Laparotomieschnitt in’s kleine Becken gelegt, event.
(wenn nöthig) in Leber oder Milzgegend; hierauf die Bauchhöhle
mit durchgreifenden Peritonealfasciennähten geschlossen, die
Luft durch weiteres Kochsalzgiessen entfernt, so dass von letzterer
Flüssigkeit eine nicht unbeträchtliche Menge im Leib bleibt. Pat.
wird nach Anlegung des Verbandes mit erhöhtem Kopf gelagert,
damit etwa neu entstehende Eiterungen der Schwere nach von oben
nach unten in die Nähe des Spülrohrs herabfliessen, um von dort
mittels 2—3 mal täglich vorgenommener Kochsalzspülung heraus¬
befördert zu werden. Häufig wurde Anregung der Peristaltik
durch die Spülungen (Abgang von Blähungen) beobachtet Auch
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
128
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
gegen eine permanente Spülung wäre nichts einzuwenden. Nach
3—4 Tagen konnte meist das Spülrohr entfernt werden. Die
Pat. waren meist nach 3 Wochen geheilt.
E. PI c c o 1 i-Lendiuara: Zur Radicalbehandlung der Nabel-
heraien.
Die von P. angewandte Operation der Nabelbrüche, eine Ver-
schiebungs- und Uebereinanderlagerungsplastik der Itectusränder,
besteht zunächst in Incision 10—12 cm lang (bis auf die Apo-
neurose der liecti vertieft), der Bruchsack wird besonders in der
Halsgegend isolirt, der Bruchiuhalt reducirt, der Sack an seiner
Basis mit kleiner Klemme gefasst, der äussere Theil resecirt und
die so entstandene Wand mit fortlaufender Seidennaht ge¬
schlossen. Nun wird die peritoneale Oberfläche mit dem Finger
von der hinteren Abdominalwand isolirt, diese unter Leitung des
Fingers nach oben, wie nach unten etwa je 3 cm lang mit Scheere
durchschnitten und mit in der Regel 4 (seltener mehr als 5)
Nähten in der Weise vernäht, dass zunächst starke Seidenfäden
2—3 mm vom freien Rande entfernt auf einer Seite angelegt, ge¬
knüpft und lang gelassen werden, vom mittleren der so angelegten
Knoten wird dann einer der Fäden mittels kräftiger, stark ge¬
bogener Nadel unter den entgegengesetzten Rand eingegangen und
derselbe 3 cm vom freien Rand entfernt druchbohrt, ebenso wird
dann mit dem zweiten Faden verfahren, wonach nun beide
Fäden mit einander verbunden werden. Das Gleiche geschieht mit
den übilgen Fäden, je näher nach oben und unten, um so näher
dem Rande werden die Fäden durch die entgegengesetzte Wand
hindurchgeführt, danach die oben liegende und frei gebliebene
Wand mit mittelstarker Seide durch Knopfnähte an die ihr unter¬
liegende Abdominalwand angenäht, so dass beide Nahtlinien eine
ellipsoide Doppellage aus Muskel und Aponeurose umschliessen
und die Bruchpforte als musculoflbröses Schild schliessen.
C. Bayer-Prag: Wahrnehmungen an einem brandigen
Bruche.
Fall mit anfänglich ischäm. Spasmus des abführenden Darm-
stückes und heftiger Nachblutung aus dem vernähten Mesenterial¬
spalt, die 2 mal zum Wiederhervorziehen der Schlinge Anlass gab.
Sehr.
Centralblatt für Gynäkologie. 1899, No. 2.
1) H. Fritsch- Bonn: Prolapsoperation.
Freund’s Methode der plastischen Verwerthung des Uterus
zur Heilung grosser Fisteln ist von diesem auch zur Heilung
grosser Prolapse in Vorschlag gebracht worden. Fritsch hat
in einem Falle mit Erfolg eine solche Prolapsoperation mit einigen
Modificationen ausgeführt. Er combinirte die sogen. Neu¬
gebauer- oder L e f o r t’sche Operation, welche die vordere
und hintere Vaginalwand am herabgezogenen Uteruskörper flxirt,
mit der F r e u n d’schen Methode. Hierbei bleibt auf jeder Seite
ein Weg zur Portio vaginalis übrig, so dass Seerete abfliesseu
können. Da der Coitus unmöglich gemacht wird, so eignet sich
das Verfahren natürlich nur für Greisinnen nach Aufhöreu der
Menstruation. In dem operirten Fall trat voller Erfolg ein. Der
Uterus zog sich während der Heilung mehr und mehr nach oben
zurück, Urin und Faeces wurden spontan ohne Schmerzen ent¬
leert. Auch nach dem Auf stehen hatte Patientin nicht die ge¬
ringsten Beschwerden.
2) Heinrich -Bremerhaven: Ueber die Operation grosser
Bauchnarbenbrüche.
H. hat in einem Falle von enormem Bauchbruch, der
12 Jahre nach einem conservativen Kaiserschnitt zur Beobachtung
kam, eine erfolgreiche Operation ausgeftthrt, die er in mehrfacher
Beziehung für vortheilhafter hält, als den jüngsten Vorschlag
Bum m’s, eine Naht der Fascie in kauernder Stellung der Pat.
vorzunehmen. H. schloss die Bruchpforte durch einen halbmond¬
förmigen Fascienlappen, den er durch Ablösen aus der oberen
Aponeurose des rechten M. rectus erhielt, nach der anderen
Seite umschlug und an das obere Blatt der eröffneteu linken
Rectusscheide annähte. Die Nahtlinie verlief in möglichst verti-
caler Richtung, um eine Muskelzerrung nach Kräften zu ver¬
ringern. Zur Naht der Fascie empfiehlt H., kein Catgut zu
nehmen, sondern ein schwer resorbirbares Material, wie Seide
oder Silkworm. Der Heilungsverlauf war in H.’s Fall ungestört.
Ueber den Dauererfolg lässt sich wegen der Kürze der Zeit noch
nichts Sicheres aussagen. J a f f 6 - Hamburg.
Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 16. Band.
1. und 2. Heft.
1) F 1 c k 1 e r : Studien zur Pathologie und pathologischen
Anatomie der Rückenmarkscompression bei Wirbelcaries. (Aus
der medicinischen Klinik Erlangen.)
Vorliegende Arbeit wird von anderer Seite ausführlich be¬
sprochen werden.
2) Schultze-Bonn: Ueber Diagnose und erfolgreiche
chirurgische Behandlung von Geschwülsten der Rückenmarks«
häute. ****** K-**-
Verfasser berichtet über 4 Fälle von RUckenmarkstumoren.
In den ersten beiden Fällen war es möglich, aus dem Symptomen-
complex den Sitz der Geschwülste genau zu bestimmen, so dass
es bei dem operativen Eingriff sofort gelang, denselben richtig zu
finden und die Geschwülste zu exstirpiren. Einmal handelte es
sich um einen extraduralen Tumor in der Höhe des 4. und 5.
Brustwirbels, das andere Mal um ein intradural gelegenes Fibro-
sarkom in der Höhe des 7. Brustwirbels. In beiden Fällen war
der Erfolg der Operation ein günstiger, indem sowohl die Stö-
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rungen auf motorischem, wie sensiblem Gebiet fast völlig zurück¬
gingen. Bei den beiden weiteren Fällen liegen autoptische Be¬
funde vor, doch war auch bei diesen intra vitam die Diagnose
auf Tumor wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit gestellt,
jedoch nach dem ganzen Verlauf der Erkrankung von einem
operativen Eingriff abgesehen worden. Im 1 .Fall fand sich ein
extradurales Fibrom, welches das Foramen magnum in der einen
Hälfte verschloss, im 2. ein intramedulUires Gliom, das vom
Conus medullaris bis hoch in den dorsalen Theil des Rücken¬
markes reichte. Bei den ersten 3 Fällen, welche für einen opera¬
tiven Eingriff nur in Betracht kommen können, war eine Aehn-
lichkeit der Symptomatologie nicht zu verkennen. Allen war ge¬
meinsam mehr oder minder langes neuralgisches Vorstadium,
halbseitige Drucksymptome von Seiten des Rückenmarks in Form
von Paraesthesien und Schwächezuständen, schliesslich Erschei¬
nungen einer transversalen Drucklähmung, Fehlen der Bauch¬
deckenreflexe. Einen operativen Eingriff hält Verfasser nur dann
für gerechtfertigt, wenn die Diagnose auf einen langsam wachsen¬
den, circumscripten, extramedullären Tumor gestellt werden kann,
während Neubildungen mit erheblicher Höhenausdehnung und
raschem Wachsthum davon auszuschliessen sind.
3) Friedmann - Mannheim: Zur Lehre von der spasti¬
schen und insbesondere von der syphilitischen Spinalparalyse.
(Mit 2 Tafeln.)
Verfasser bespricht zunächst die bisher in der Literatur ver-
zeichneten Fälle von Spinalparalyse und theilt im Anschluss daran
Krankengeschichte und Sectionsbefund eines Falles eigener Be¬
obachtung mit, der sich sowohl hinsichtlich der klinischen Er¬
scheinungen, als auch des anatomischen Befundes als ein nur
durch eine Spätapoplexie complicirter Fall von regulärer Lateral¬
sklerose darstellt. Da die mikroskopische Untersuchung eine aus¬
gedehnte, das gesammte Gebiet der Basalarterien umfassende
Endarteriltis obliteraus ergab, -wofür Verfasser keine andere
Ursache als erworbene Lues verantwortlich machen kann, so
zählt er den genannten Fall der syphilitischen Spinalparalyse
E r b’s zu. Auf die Einzelheiten des klinischen Bildes, wie der
mikroskopischen Befunde und deren Deutung näher einzugehen,
ist an dieser Stelle nicht möglich. Heller- Erlangen.
Virchow’s Archiv. Bd. 155. Heft II.
1) R i b b e r t: Beiträge zur Kenntnis der Niereninfarcte.
Die Gestalt der Rindeninfarcte der Niere ist für gewöhnlich,
entsprechend den Gefässanordnungen, nicht keilförmig, sondern
von vierseitiger Begrenzung (rechteckig, quadratisch, trapez¬
förmig). Auch die keilförmigen Infarcte, welche Mark und Rinde
zugleich durchsetzen, entsprechen nicht den keilförmigen Infarcten
anderer Organe, da die Verstopfung nicht an der Spitze des Keils,
sondern an der Grenze von Rinde und Mark liegt. Künstlich er¬
zeugte Infarcte zeigten nach 10—24 Stunden die Kerne im Infarct
selbst noch erhalten, während dieselben in der Peripherie (Durch¬
strömung) zu dieser Zeit schon fast geschwunden sind. In den
ersten Tagen lassen sich ausser dem eigentlichen Infarct unter¬
scheiden eine Zone zelliger Infiltration, weiter eine hyperaemische
und eine partiell nekrotische Zone. Die Infarctherde sind von
vornelierein nicht völlig anaemisch, vielmehr stellt sich anfäng¬
lich stets ein, wenn auch völlig ungenügender collateraler Kreis¬
lauf ein. Von der 16. Stunde ab tritt, in Folge Auslaugung der
Erythrocyten in dem nunmehr stagnirenden Blute die typische
Abblassung der liyperaemischen Zone eiu. Die zellige Infiltration
hat für die Resorption geringe Bedeutung: sie beschränkt und
slstirt in Folge der Verstopfung der Capillaren den Collateral-
kreislauf. Die fettige Degeneration ist stets geringfügig und
findet sich nicht im Innern der typischen Infarcte. Ueber die von
der äusseren Zone ausgehende Organisation, das Schicksal der
nicht nekrotisirten Hnrueanälcheu und die Neubildungsprocesse
am Epithel s. d. Orig.
2) E. G. Orthmann: Ueber die Entstehung der S&cto.
salpingen und Tuboovarialcysten.
Bringt gegenüber Zahn (Vircli. Arch. Bd. 151) neue Belege
für die Richtigkeit der B u r n i e r’schen Theorie, welche den Ver¬
schluss des Östium abdom. tubae aus eutztindlicher Verklebung
der Peritonealflächen der Fimbrien mit Einstülpuug der Epithel-
flächeu ableitet. Bei primärer Ovarialeyste kann, abgesehen von
der Rupturtkeorie, eine fläckenkafte Verwachsung der Fimbrien¬
enden an der Cystenoberfläcke mit nachfolgender Druckatrophie
der Cystenwandung zur Bildung einer Tuboovarialeyste führen.
3) R. V o g e 1 : Zwei Fälle von abdominalem Lungengewebe.
4) J. W o 1 f f : Die Lehre von der functioneilen Knochen-
gestalt.
Eine eingehende kritische und historische, mathematische
lind anatomische Begründung der R o u x - W o 1 f f’schen Lehre
von der „functioneilen Gestalt“ des Knochens. Der 5. Abschnitt
bringt besondere interessante neue, mittels Röntgendurchstrahlung
rachitischer Knochen und eines mit Etappenverband behandelten
Genu valgimi gewonnene Bestätigungen des Transformations¬
gesetzes. Es kann heute als nachgewiesen betrachtet werden,
dass „die Knoehengestalt sowohl unter normalen, wie unter ab¬
normen Verhältnissen gewissermassen als das mathematische
Gcsammtbild aller Beanspruchungen aufzufassen ist, welche bei
den verschiedenen Muskelwirkungen und bei den verschiedenen
für das betreffende Körperglied erträglichen Belastungen mög¬
lich sind“.
5) M. M i u r a : Pathologisch-anatomischer Befund an
den Leichen von Säuglingen mit der sog. Kakkedyspepsie.
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
2‘1 Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
129
An 4 Fällen wird bestätigt, dass die Kakke schon im Säug¬
lingsalter Vorkommen kann.
6) G. Beyfuss: Tropenmalaria und Acclimatisation.
Beobachtungen in Nieder ländisch-Indien.
Nicht zu kurzem Auszuge geeignet.
T) L. Manfred!: Heber die Bedeutung des Lymph-
ganglionsystems für die moderne Lehre von der Infection
und Immunität. Versuche und Schlussfolgerungen.
Die vom Verfasser gemeinsam mit mehreren Schülern an-
gestellten zahlreichen Versuche setzen die Bedeutung der Lymph-
drüsen für den Kampf des Organismus mit den Infectionserregern
in ein neues Licht. In einer Voruntersuchung wird der schon
mehrfach untersuchte latente Mikrobismus in den Lympliganglien
ln eingehender Weise dargethan: in 75 unter 85 Fällen zeigten die
untersuchten Lymphdrüsen von normalen Thieren einen, wenn
auch geringen Bacteriengehalt. Weitere Versuchsreihen zeigen,
dass die Lymphdrüsen, entsprechend der geläufigen Vorstellung,
als Filter für die eingedrungenen Bacterien wirken, dass aber
deren Lebensfähigkeit kürzere oder längere Zeit erhalten bleibt.
Dagegen wird die Virulenz der im adenoiden Gewebe retinirten
Bacterien herabgesetzt oder vernichtet; ferner ist es demgemäss
durch entsprechende Versuchsanordnung möglich, vom Lymph-
wege her (vordere Augenkammer) m. w. vollständige Irnmuni-
sirung zu erzielen. (Immunisiruug von Meerschweinchen gegen
Milzbrand, von Meerschweinchen und Kaninchen gegen Typhus.)
Versuche zur Ermittelung einer Lymphdrüsenimmunisirung und
Lymphdrüsentherapie sind im Gange.
8) Kleinere Mitthellungen.
1) W. Rindfleisch: Ein Fall von Corpus liberum in der
Bauchhöhle.
Abgelöstes Fibromyoma subserosum uteri.
2) C. Davidsohn: Zur Erkennnung zweier Stadien der
Amyloiderkrankung.
Vergleich der Organbefunde von 2 Mäusen mit experimentell
erzeugtem wirklichem Amyloid (Jodschwefelsüure-Reaction positiv)
und von einem Fall amyloider Degeneration des Menschen (Syphi¬
lis, chronisches Mastdarmgescliwtir), welcher in der Milz neben¬
einander Rothblau- (Follikel) bezw. Grünblaufärbung (Gefäss-
wünde) zeigte. Verfasser leitet daraus die Nothwendigkeit der
neuerdings mehr vernachlässigten Jodschwefelsäure-Reaction für
alle Fälle ab, in denen man über das Studium der amyloiden
Degeneration Aufschluss erhalten will.
3) R. K o 1 s t e r : Seltene Sectionsbefunde.
Fall I: Totale Querruptur der Aorta ascendens bei hoch¬
gradiger Arteriosklerose. Fall II: Hochgradige chron. Myocarditis
und Arteriosklerose im frühen Alter (27 jähr. Diabetiker). Fall III:
Congenitale Missbildung des Coecum, Mangel des Proc. vermif.
Fall IV: Mediastinaltumor als Metastase eines Rundzellensarkoms
der Epididymis. Fall V: Ausgedehnte Metastasen eines Sarkoms
des r. Auges (in Hirn, Rückenmark und Nerven). Fall VI: Zwei
Foeten verschiedener Schwangerschaften in demselben Tubensack
(ein reifer Foet neben Skelettheilen eines vor 6 Jahren abgestor¬
benen Kindes).
4) A. Lejeune: Ueber eine enorme varicöse Geschwulst
der linken Bauchwand.
Eugen Albrecht - München.
11 Centralblatt für Baeteriologie, Parasitenkunde und In-
fectionskrankheiten. Bd. XXVH., No. 1.
1) Bruno Galli-Valerio - Lausanne: Les puces des rats
et des souris jouent-elles un röle important dans la trans-
mlssion de la peste bubonique ä l’homme.
Verfasser wendet sich gegen die Auffassung Simon d’s,
dass Flöhe von Ratten und Mäusen, unmittelbar nachdem sie auf
den Menschen oder den Hund gelangt seien, diese Individuen
sofort durch den Stich verletzten und so die Pest übertragen
müssten. Dies kann aber nach den Untersuchungen des Verf.
nicht ohne Weiteres als richtig angenommen werden, da die ein¬
zelnen Floharten sich ganz verschieden verhalten. S i m o n d
stellte bei seinen Experimenten die Art der betreffenden Flöhe
leider nicht fest und so bleibt der Vorwurf des Verfassers bestehen,
dass man nicht wisse, ob er den gewöhnlichen „Menschenfloh“
Pulex irritans, oder den gewöhnlichen „Mäuse- oder Ratteufloh“,
Typhlopsylln inusculi, oder event. den Schmarotzer auf der Feld¬
maus, Pulex fasciatus, vor sich gehabt habe. Wenn überhaupt
die Uebertragung durch die Flöhe erfolgt, so glaubt V a 1 e r i o,
dass dieselbe eher durch Pulex irritans von Mensch zu Mensch
stattfindet, als durch Typhlopsylla musculi, weil diese Art den
Menschen unbehelligt lässt.
2) A. Aujeszky - Ofen-Pest: Ueber Immunisirung gegen
Wuth mit normaler Nervensubstanz.
Aehnlieh wie man versucht hat, Mäuse mittels normaler
Nervensubstanz vom Meerschweinchen gegen Tetanusgift oder
Hunde gegen Wuth mit normaler Nervensubstanz vom Schaf zu
schützen, so versuchte Aujeszky durch hypodermische In-
jectionen mit einer Markemulsion vom Rind Hunde und Kanin¬
chen gegen schwächeres Wuthvirus widerstandsfähig zu machen.
Er fand zunächst, dass Kaninchen bei Weitem empfindlicher
gegen die Injectionen sind als die Hunde und dass es nicht gelingt,
die Thiere gegen ein stärkeres Wuthvirus zu schützen. Und wenn
auch gegen ein schwächeres Virus ein gewisser Schutz erzielt
werden kann, so ist er doch für eine nach Wochen wiederholte
neue Infection ungeeignet.
3) Oskar Bail- Prag: Vergleichende Untersuchungen über
milzbrandfeindliche Eigenschaften im Organismus des Hundes
und des Kaninchens.
Die lesonswerthe und interessante Arbeit kann in kurzem
Auszug nicht genügend wiedergegeben werden.
4) A. M a u k o w s k 1 - Kiew: Ein Verfahren zum schnellen
und leichten Unterscheiden von Culturen des Typhusbacillus
vom Bacterium coli.
Das Verfahren besteht darin, dass 2 Mischungen: a) 1 proc.
Kalilauge mit Säurefuchsin gesättigt und b) eine wässrige ge¬
sättigte Lösung von Indigokarmin mit einander (von a: 2 ccm, von
b: 1 ccm, Aq. dest. 22 ccm) gemischt werden und nun diese
Flüssigkeit tropfenweise entweder direct auf die Agarculturen
geträufelt, oder dem neutralen Agar vor der Beimpfung zuge¬
setzt, oder der durch Abwaschen der Culturen erhaltenen Spül¬
flüssigkeit beigefügt wird. Bei Typhus soll eine rothe, bei Coli
eine griiulichblaue Färbung entstehen, welch’ letztere bald ver¬
schwindet.
5) A. M a u k o w s k i - Kiew: Ein neues Nährsubstrat zur
Isolirung von Typhusbacillen und des Bacterium coli com¬
munis.
Verfasser empfiehlt ein Pilzdecoct, dem 1 */, Proc. Agar,
1 Proc. Pepton und x / i Proc. Na CI zugesetzt wird. Im Verein
mit der vorhorerwähnten Farblösung soll ein Unterscheiden von
Coli und Typhus leicht möglich sein. Wie weit das verschiedene
morphologische Verhalten beider Arten auf diesem Nährboden
auch wirklich zur sicheren Diagnose herangezogen werden kann,
müssen erst noch weitere Nachuntersuchungen lehren.
6) M. B r a u n - Königsberg: Die Fasciolidengattung Clino-
stomum Leidy.
Arbeit systematischen Inhalts.
7) L. A. J ä g e r s k i ö 1 d - Upsala: Diplostomum macro-
stomum n. sp. R. O. Neumann - Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 3.
1) J. H i r s c h b e r g - Berlin: Die Entwicklung der Augen¬
heilkunde im 19. Jahrhundert. (Schluss folgt.)
2) J. Lazarus- Berlin: Die pneumatische Therapie von
1875—1900. (Schluss folgt.)
3. G. Graul- Würzburg: Casuistische Beiträge zur Sym¬
ptomatologie der Pityriasis rubra (H e b r a).
Verfasser berichtet über (> Fälle dieser Erkrankung, deren
erster 4 Jahre lang beobachtet werden konnte; bemerkenswerth
an ihm war die Mitbetheiligung der Nägel, ferner Schwellung der
oberflächlichen Lymphdrüsen, Auftreten von beträchtlichen Tem¬
peratursteigerungen. Die 4 anderen Fälle wurden nur kurz be¬
obachtet, auch hier fand sich 2 mal Miterkrankung der Nägel.
In 1 Falle erzielte Behandlung mit indifferenten Salben und lauen
Bädern Erfolg, möglicher Weise hat auch die Darreichung von
Jodothyrin dazu beigetragen.
4) H. W ol ff - Berlin: Ueber syphilitische Papel der Aug¬
apfelschleimhaut.
Die Papel hatte sich nach aussen von der Hornhaut bei dem
16 jährigen Kranken entwickelt und verschwand bei specifischer
Behandlung. Verfasser stellt noch 6 ähnliche Fälle aus der
Literatur zusammen.
5) Fr. K ö n i g-Berlin: Ueber gleichzeitige Schussverletzung
von Brust- und Bauchhöhle. (Fortsetzung folgt.)
Dr. Grassmann -München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 2.
1) E. Behring- Marburg: Die Werthbestimmung des
Tetanusantitoxins und seine Verwendung in der menschenärzt¬
lichen und thierärztlichen Praxis.
Die Serumbehandlung soll längstens 30 Stunden nach Erken¬
nung der ersten Tetanussymptome eingeleitet werden; die auf
einmal subcutan gegebene Antitoxindosis darf nicht weniger als
100 Antitoxineinheiten betragen. Nur wenn diese Bedingungen
erfüllt sind, kann eine Heilwirkung des Serums erwartet und
der Fall statistisch verwendet werden. Das B e h r i n g’sche
Serum, dargestellt in den Höchster Farbwerken, hat gegenüber
dem T i z z o n i’schen Trockenserum, welches von Merck-
Darmstadt hergestellt wird, und anderen ausländischen Präpa¬
raten, den höchsten und constantesten Werth von Antitoxinein¬
heiten.
Zur prophylaktischen Behandlung genügen bereits 10—20
Antitoxineinheiten.
2) H. C r a m e r : Ueber die Nahrungsaufnahme der Neu¬
geborenen. (Aus der Universitäts-Frauenklinik in Bonn.)
Das Resultat dieser an Säuglingen angestellten interessanten
Untersuchungen lässt sich dahin zusammenfassen, dass diejenige
Ernührungsmethode die beste ist, welche bei möglichst geringer
Najirungszufuhr den möglichst grössten Gewichtszuwachs sichert.
Daraus ergibt sich, dass ein Haupterforderniss für künstliche
Ernährung die Innehaltung der physiologischen Grenzen ist. Von
Interesse ist ferner die Beobachtung, dass die Grösse der Arbeits¬
leistung bei der Nahrungsaufnahme, wie sie beim Stillen durch
das Saugen bedingt wird, von grossem Einfluss auf die Nahrungs¬
aufnahme sowohl, wie auf das Allgemein verhalten der Kinder ist,
indem durch dieselbe ein gewisses Ermüdungsgefühl mit dem Be¬
dürfnis nach Ruhe geschaffen wird, welches bei der künst¬
lichen Ernährung durch den Wegfall des nöthigen Widerstandes
sehr oft fehlt, ein Umstand, welcher zur Erklärung der Unruhe
und des Schreiens mancher künstlich genährten Kinder wohl in
Betracht gezogen werden muss.
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
130
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
3) Martin T h i e in i c h : Heber die Diagnose der Imbecilli-
tät im frühen Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik
in Breslau.)
Von hauptsächlich diagnostischem Werthe ist die Prüfung der
Schinerzempfindung, der Geschmacksempfindung und der Auf¬
merksamkeit. Wesentlich wichtig ist hiebei natürlich der Aus¬
schluss aller anderen körperlichen Krankheiten, welche ebenfalls
Störungen dieser Functionen bewirken können.
4) II. Röhr: Zur physikalischen Feststellung einseitiger
Taubheit, resp. Schwerhörigkeit. (Aus der Poliklinik für Hals-,
Nasen-, Ohrenkrankheiten von Prof. Babinsky in Berlin.)
Die von Lucae im Archiv f. Ohrenlieilk. lSfif) angegebene
Methode erfährt hier auf Grund eingehender Nachprüfungen eine
Widerlegung und wird derselben ein praktischer Werth zur Er¬
kennung einseitiger Taubheit, bezvv. Schwerhörigkeit ab¬
gesprochen.
f>) Carl B e c k - New-York: Ueber einen verhängnisvollen
radiographischen Irrthum.
Dieser in der Deutschen medicinisclien Gesellschäft zu New-
York demonstrirte Fall zeigt, dass bei der Deutung der Rönt¬
genbilder nur mit grosser Vorsicht verfahren werden darf. Von
den 3 reprodueirten Radiogrammen einer Schrägfractur der Tibia
zeigt das erste von vorn nach hinten aufgenommene Bild nicht
die Spur einer Veränderung, während sich bei einer seitlichen
Aufnahme das deutliche Bild der Fraetur ergab.
6) George Meyer- Berlin: Die Anwendung des Sauerstoffs
auf dem Gebiete des Bettungswesens.
Nach einer Demonstration im Verein für innere Medicin am
30. October 1890. Referat siehe diese Wochenschrift No. 45. p. 1515.
F. L a c her- München.
Laryngo-Rhinologie.
1) O n o d 1 - Ofen-Pest: Das subcerebrale Phonationscentrum.
(Areh. f. Laryngol. u. Rhinol., Bd. 9, Heft 3.)
Das experimentell beim Hunde nachgewiesene subcerebrale
Phonationscentrum „existirt auch beim Menschen und zwar in
ähnlicher Weise zwischen den hinteren Corpora quadrigemiua
und dem Vagusgebiete“. Untersuchung perforirter Neugeborener
und Missgeburten, die kurze Zeit lebten und phouirten.
2) B a u m g a r t e n - Ofen-Pest: Das S c h 1 e i c h’sche Ver¬
fahren bei den Operationen der Septumverbiegungen und
Leisten. (Ibid.)
Erfolgreicher Versuch der intra nasalen Verwendung
dieser Methode; eingehende Besprechung der Technik.
3) Leon L e w i n : Ueber Tuberculose der Bachenmandel.
(Ibid.)
Die Untersuchung von 200 exetdirten, hypertrophischen Ra¬
chenmandeln ergab — mit Berücksichtigung des klinischen All¬
gemeinbefundes — folgendes Resultat: In ca. 5 Proc. der Fälle
hyperplastischer Rachenmandeln fanden sich tubereulöse Herde,
und zwar ohne üusserlich erkennbare Merkmale — „latente“ Tu¬
berculose der Mandeln. Diese „latente“ Tuberculose — bisweilen
wahrscheinlich primär und ausschliessliche Localisafion an der
Tonsille — ist. gewöhnlich mit anderweitiger Tuberculose, insbe¬
sondere der Lungen, eombinirt. Die locale Tuberculose — für
die Aetiologie der Hyperplasie ohne erheblichen Einfluss — kann
„durch Elimination der Rachenmandel, auch bei gleichzeitiger
Lungentuberculose, definitiv beseitigt werden“.
4) II e 11 a t - St. Petersburg: Die Theorie der Abdominal -
athmung beim Singen. (Ibid.)
Bei der reinen Brustathmung (Clavicular- und Costaltypus)
dienen hauptsächlich Rachen-, Nasen- und Mundhöhle als Reso¬
natoren; die Verengerung und Erweiterung des Brustkorbes werden
vermittels der starren Thoraxwandung ausgeführt, und damit
zwei wichtige» Resonatoren — Brustkasten und Lungen — als
Resonanzhöhlen beeinträchtigt. „Bei der reinen Abdominalath-
mung dagegen verharrt der Brustkorb in der einmal eingenom¬
menen (inspiratorischen) Stellung, während die urgirten Exeur-
sionen durch die Bewegungen des Zwerchfelles allein zur Aus¬
führung gelangen“; dadurch bleibt die Form des Thorax constant.
in grösst möglichster Ausdehnung und bietet für die Resonanz die
günstigsten Verhältnisse. Während bei der Brustathmung die
Muskelwirkling auf starre Wandungen stattfindet, wirkt die Ab-
dominalathmung durch elastische Muskel wand (Zwerchfell) und
compressible Baucheingeweide auf die Lungen, ein Umstand, der
eine erhöhte Gradationsmöglichkeit der Bauchmuskeln in ihrer
Anpassung an die einzelnen Willensimpulse ermöglicht. Auf diesen
beiden Punkten beruht der Vorzug der abdominellen AtInnung
gegenüber der eostalon beim Singen. Untersuchungen Hellat’s
ergaben, „dass das Luftquantum bei beiden Athmuugsarten un¬
gefähr gleich gross ist, der Ton jedoch unter sonst gleichen Um¬
stünden vermittels der Abdominalathmung sich länger halten
lässt“.
5) B. F r a e n k e 1 - Berlin: Offener Mund und kurze Ober¬
lippe in Folge Straffheit des Frenulum labii superioris. (Ibid.)
Mikrocliilie nennt Fraenkel die bisher noch nicht
beschriebene Verkürzung der Oberlippe, die — Mundathmung als
Folge behinderter Nasenathmung vortäuschend — nur auf einer
zu tiefen Insertion des zu kurzen Frenulum beruht. Einfache
Spaltung mit der C o w p e r*sehen Scheere nach Umklappung der
Oberlippe beseitigt sofort sämmtliche Störungen.
0) S e m o n - London: Einige Bemerkungen zu der neuen
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S e n d z i a k’schen Statistik über die operative Behandlung
des Larynxkrebses. (Monatsschr. f. Ohrenheilk. etc. No. 11, 1899.)
Auf’s Neue befürwortet S e m o n 'warm die Thyreotomie bei
malignen Neubildungen des Kehlkopfes und erwähnt — im Gegen¬
satz zu der allgemeinen Statistik Sendziak’s mit 22 Proc. —
aus seiner Praxis im Laufe der letzten 7 Jahre 83.3 Proc. dauernder
Heilungen, die er auf folgende 3 Umstände zurückführt: 1. früh¬
zeitige Diagnose, 2. richtige Auswahl der Fälle, 3. frühzeitige,
energisMie Operation. ___
7) Mat t liaei- Danzig: Das Sportathmen, ein hygienisches
Hilfsmittel bei Nasen-, Bachen- und Ohrenkrankheiten. (Ibid.)
Unter Sportathmen versteht Mattliaei „eine besondere
Art des Tiefathmens; es besteht in, wenn möglich, stundenlangem
TiefatInnen bei geschlossenem Munde bis zur äussersten Grenze
der Möglichkeit mit anschliessendem Anhalten des Athems auf
etwa V* Minute oder 4—8 Schritte beim Gehen“. Vollständige
Alkoholabstinenz ist Vorbedingung. Matthaei will hierdurch
günstige Resultate — neben entsprechender Therapie — erzielt
haben.
8) Muck-Rostock: Ein einfaches Verfahren, um bei”der
Nachbehandlung operirter Stirnhöhlenempyeme die Drainage
der Wundhöhle nach der Nase'hin zu unterhalten. (Zeitschr.
für Ohrenheilkunde etc., Bd. 35, Heft 4.)
„Die Enden eines ca. 30—40 cm langen Stückes von gewöhn¬
lichem Blumendraht werden zusanimeugelöthet und der so ent¬
standene Drahtring zusammen ged rückt, bis die beiden Hälften des
Drahtes dicht aneinander nnliogon.“ Bei isolirtem Stirnhöhlen-
empyem mit engem Ductus uasofrontalis wird dann dieser Draht
von der Operationswunde gewissermaassen als Sonde durch den
Canal iu die Nase eingeführt. Zwischen den beiden Branchen des
Drahtringes, die noch aus der Operationshöhle herausragen, wird
dann ein Gazestreifen durchgezogen und derselbe durch den Canal
in die Nase gehütet. Durch dieses Durchführen des Drainstreifens
von aussen her kommt sicher keimfreie Gaze in die Operations¬
höhle, während bei der Drainage von unten nach oben, von der
Nase her, die Möglichkeit einer neuen Infection der Stirnhöhle
durch verschleppte Keime aus der Nase nicht auszuschliessen ist.
9) Grazzi - Florenz: Neue Behandlungsart der chronischen
katarrhalischen Pharyngitiden, insbesondere in ihren Be¬
ziehungen zu Ohrenerkrankungen. Mit 5 Abbildungen. (Annales
des maladies de l’oreille etc. No. 10, 1899.)
In ..unlieber Weise, wie die Rollenapparate zur Massage ein¬
zelner Körperregionen, liess sich Grazzi aus Metall im Winkel
gebogene Rollen anfertigen, die, in verschiedener Weise den indi¬
viduellen Verhältnissen des Rachens und Nasenrachenraumes an¬
gepasst, zur Massage dieser Gebiete angewandt wurden. Autor
erzielte mit. dieser mechanischen Therapie, die er der chemischen
lind kaustischen Behandlung der Pharyngitiden vorzieht, günstige
Erfolge. Auch consecutive Ohraffectionen katharrhalischer Natur
wurden günstig beeinflusst.
10) Lichtwitz: Missverhältniss zwischen der Häufigkeit
der Nasen-Nebenhöhlen-Empyeme am Lebenden und bei
Autopsien. (Ibid. No. 11.)
Unter 915 Autopsien (Untersuchungen von Harke, E.
Fraenkel, Lapalle und Klee r) fanden sich 240 Highmors¬
empyeme, 104 Keilbeinhöhlen-, 30 Stirnhöhlen- und 24 Siebbein-
zellenempycme. Dies ergibt also einen Durchselmittsproccntsatz
von ca. 30 Proc. Nebenhöhlenerkraukungen, die bei Sectionen
nachgewiesen werden konnten, während nach den Untersuchungen
von Chlari und Liohtwitz unter nahezu 15000 Kranken nur
ca. 2 Proc. Nebenhöhleneiterungen gefunden wurden. Verfasser
erklärt dieses Missverhältniss aus der Schwierigkeit einer exacten
Diagnose einerseits und andererseits aus dem gewissermaassen
latenten Verlauf vieler derartiger Affectionen.
11) SJeifert- Würzburg: Zur Diagnose/und Behandlung der
Nasen-Nebenhöhlen-AfFectionep. (Revue hebdomadaire de laryn-
gologie etc., No. 50, 1899.)
Als weiteres Hilfsmittel zur Diagnosenstellung bei zweifel¬
haften Nascimebonhöhlcnerkrankiingcn wendet Seifert das
von ihm so benannte „negative P o 1 i t z e r’sche Verfahren“ an.
Nach gründlicher Reinigung der Nase und des Nasenrachenraumes
werden die unteren und mittleren Muscheln ausgiebig cocainisirt,
um möglichste Absehwelluug der Schleimhaut und damit Frei¬
werden der Nebenhöhleiiausführungsgünge zu erzielen. Dann
nimmt der Patient einen Schluck Wasser in den Mund, ein
comprimirtor I* o 1 i t z e r’ scher Ballon wird in das Nasen¬
loch der vcnnuthlich erkrankten Seite luftdicht eingeführt, und
das andere Nasenloch mit dem Finger eomprimirt. Während nun
der Kranke das Wasser schluckt — der Mund muss natürlich stän¬
dig geschlossen bleiben — lässt man den comprimirten Ballon
Luft aufsaugen. In Folge der hiedurch entstehenden Luft-
verdünnung in der Nasenhöhle wird in einer Nebenhöhle etwa
vorhandenes Keeret angesaugt, und zeigt sich bei der nun folgenden
erneuten Untersuchung an den betreffenden Ausführungsgängen.
Eine mehrmalige Wiederholung des Experimentes ist bisweilen
nötliig; ist im Verlaufe mehrerer Sitzungen auf diesem Wege nie¬
mals eine anormale Seeretion nachweisbar, so darf man den
Schluss ziehen, dass die Nebenhöhlen nicht erkrankt sind.
Seifert konnte mit. dieser Methode in einer Reihe von Fällen
eine exaeto Differentialdiagnose sowohl In positivem, wie nega¬
tivem Sinne stellen. Hecht- München,
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDTCTNISCHE WOCHENSCHRIFT.
131
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 2.
1) H. S c h 1 e si n ge r- Wien: Zur Lehre vom angeborenen
Pectoralisrippendefect und dem Hochstande der Scapula.
Nach kurzer Darstellung des klinischen Befundes, welcher
sich hei congenitalem Peetoralisdefect ergibt, beschreibt Verfasser
einen Fall, der eine Combination dieses Defectes mit der sog.
..Spre n g e l’sclien Difformität“, d. h. dem angeborenen Scapula-
hoehstand repräsentirt. Der Patient war ein 22 jähriger Bernstein¬
drechsler, bei dem, wie das Radiogramm ergibt, tlie 1. und 2. Rippe
1. knöchern verschmolzen sind, die 3. Rippe nur rudimentär vor¬
handen ist, die 4. Rippe blind in einiger Entfernung vom Sternal-
rand endigt Ausser dem Peetoralisdefect besteht mediane Lage
des Herzens und der grossen Gefässe, ferner steht die etwas
hypoplastische l. Scapula höher, was sicher als congenital anzu¬
sehen ist.
Bei einem 2. Fall, einem 48 jährigen Maschinisten, war der
Peetoralisdefect ohne letztere Veränderung, aber mit eigenartigen
Ilautveriinderungen coinbinirt (kolossale Naevi vaseulosii.
In einem 3. Falle muss die Möglichkeit erwogen werden,
das s der linksseitige Peetoralisdefect aeliologiscli mit einer
schweren linksseitigen Pleuritis in Zusammenhang stand. In
diesem Falle bestand eine abnorme Bildung auch des rechtsseitigen
PectoraJis. Die Ursache dieser Defectbildungen sieht S. in einem
..Fehlen des Wachsthumstriebes“, nicht in Entwicklungshem¬
mungen.
2) E. R a i m a n n - Wien: Polioencephalitis superior acuta
und Delirium alcoholicum als Einleitung einer Korsako w’-
schen Psychose ohne Polyneuritis.
Ganz acut trat am r. Auge eines 37 jährigen Mannes eine
Ophthalmoplogia ext. und interna ein, rechts und links Abduceus-
parese, ferner Miosis bei Lähmung des Sphincter irid., retiecto-
rische Pupillenstarre, eingeleitet durch einen epileptiformen
Anfall mit schwerer Trübung des Bewusstseins. Während nun
kein Anzeichen für eine Betheiligung des peripheren Nerven¬
systems auftrat, entwickelte sich die sog. Korsak o w’sclie
Psychose, der Hauptsache nach bestehend in Erinnerungstäusch-
ungen und Gedäclitnissdefecteu, die sich auf die jüngste Ver¬
gangenheit beziehen. Bezüglich der detaillirten Besprechung der
klinischen Symptome wird auf das Original verwiesen.
3* J. D o n a t h - Ofen-Pest: Ein Fall von traumatischer
periodischer Lähmung.
Bei einem 25 jähr., anaeniischon Mädchen, das verschiedene
Infectionskrankheiten durchgemacht hatte, trat nach einem Un¬
fälle mit heftigem psychischen Schock zum erstenmal eine all-
gemeine motorische Lähmung ein, die sieh dann bei x j t ständiger
bis 8 tägiger Dauer öfter wiederholte. Während der Dauer der
schweren Lühmungszustände erfolgtem Hitzegefühl, Durst,
Schweissausbruch, Delirien. Die elektrische Erregbarkeit der
Muskeln war verschwunden. Von Hysterie kann hiebet nicht die
Rede sein. Durch Versuche an Hunden fand Verfasser, dass es
sich Ikü der aetiologiseli noch unaufgeklärten periodischen Läh¬
mung jedenfalls nicht um Curarewirkung handeln kann, da bei
letzterer die elektrische Erregbarkeit nicht vermindert ist.
4) M. Bernhardt- Berlin: Notiz zur Lehre von der in¬
fantilen Pseudobulbärparalyse.
Der Artikel bringt nur literarische Hinweise auf frühere
Arbeiten des Verfassers. Dr. Grassmann - München.
Italienische Literatur.
In einer durch klinische Beobachtungen und Thierexperimente
gestützten Arbeit über die Function der Schilddrüse (il Morgagni
1S99, No. 8 u. 9) kommt Bai di zu dem Schlüsse:
Dass die verschiedenen, mehr weniger künstlichen Schild¬
drüsenpräparate, wie das Jodothyrin Bau man n’s, das
II u t c h i u s o n’sclie Schilddrüsenextract, das T h y reo-
i d i n von K n o 11 und von llowitz lind Vermehren
nicht die Wirkung der Schilddrttsenproducte
repräsentiren.
B. hält es für möglich, dass auch die Erscheinungen des
Thyreoidismus in den häufigsten Fällen von Unreinigkeiten des
Präparates oder von beginnender Fäulniss der Drüse ablningen;
j(Hlenfalls sei nicht nur gegen das Myxoedem, sondern auch gegen
alle Erscheinungen der Schilddrüsemitrophie. auch wenn sie von
noch so langer Dauer sind, der beständige Gebrauch des Schild¬
drüsensaftes ein promptes und sicheres Mittel. Der Schilddrüsen¬
saft befördere die Lymphausscheiduug in ähnlicher Weise wie der
Harnstoff: unter seinem Einfluss wird der N. iu grösserer Quanti¬
tät ausgeschieden: wahrscheinlich auch das Chlor und der Phos¬
phor. Der Scliilddrüseusaft begünstigt die Diurese und sein
Fehlen bewirkt eine Vermehrung des Wassergehalts Im ganzen
Nervensystem und veränderte chemische Beschaffenheit und Func¬
tion desselben.
Beim Hunde lasse sich experimentell nacliweisen, dass Ex¬
stirpation der Schilddrüse zu einem vollständigen Auf hören der
gastrischen Secretion führe, so dass die Speisen lange nach der
Mahlzeit ohne alle Vermischung mit Verdauungssäften gefunden
werden.
Das Fehlen des Schilddrüsensaftes Im Körper soll den Zell¬
stoff Wechsel hindern und bewirken, dass derselbe nicht bis zu
den Endproducten des Stoffwechsels gelangt, sondern sich Inter¬
mediäre Producte anhäufen, welche zu Intoxlcationeu führen.
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Eine Abhandlung über Akromegalie, den Morbus Marie der
Italiener, bringt aus Pavia (11 Morgagni 1899, No. 9) Bonardi :
Der ausführlichen, die ganze Literatur über diese Krankheit
berücksichtigenden Arbeit sind 4 eigene, sorgfältige Beobach¬
tungen mit Abbildungen angefügt, die eine mit dem Resultat der
Autopsie.
Der erste Fall betrifft Akromegalie mit Paralyse des rechten
Radialis, der zweite Akromegalie mit locomotoriseher Ataxie, der
dritte Akromegalie mit Arteriosklerose und Atrophie der Schild¬
drüse, der vierte Akromegalie mit Riesenwuchs und schwerer
Störung der Function des linken Halssymputhicus.
Die Arbeit ist Jedem zur Beachtung zu empfehlen, der sich
mit diesem noch der Aufklärung harrenden Krankheitsbilde be¬
schäftigt.
In einer durch 0 Nummern der Riforma medica 1899
241—240 hindurchgehenden Abhandlung über den gegenwärtigen
Stand der Serumtherapie des Tetanus plaidirt Tizzoni für
eine s i e h e r e B e s t i m in u n g des Potenzgrades des
antitetanischen Heilserums. Bel der Art und Weise wie
Behring diese Potenz bestimme, sei für Andere eine Nach¬
prüfung unmöglich.
Eine sichere Bestimmung dieses Potenzgrades sei jetzt dess-
lmlb möglich, weil man ein sicheres Toxin gewinnen könne von
gleich bleibender Kraft, und zwar dadurch, dass man hei Culturen
von höchstem Virulenzgrade das Toxin in festem Zustande dar¬
stelle. Dieser Virulenzgrad sei ein solcher, dass von ‘/iooq g 1 kg
Kaninchen in 4 Tagen gotödtet werde.
Am besten bestimme man in Zukunft den Werth eines
Tetanusheilserum, indem man verfahre wie beim Diphtherieheil¬
serum und in einem Glase toxische Einheiten (UT) und immuui-
sirende Einheiten (UJ) bis zur Neutralisation mische.
Tizzoni beschreibt zum Schlüsse sein Verfahren folgender-
maassen:
Ich prüparire 2 Lösungen, eine vom Toxin und eine vom
Serum: die erste in destillirtem Wasser, die zweite iu 0,75 proc.
Salzwasser. Ich mische von beiden Lösungen dt*r Quantität,
welche ich prüfen will. Diese Mischung bringe ich durch Wasser¬
zusatz auf 1 ccm und nachdem die Mischung eine halbe Stunde
gestanden hat, spritze ich den ganzen Cubikcentimeter einem
Kaninchen von 1 kg Gewicht ein.
Wenn ich den Versuch bei einer Maus anstelle, so mische
ich von jeder der Lösungen von Toxin und Serum eine Portion,
welche dem zehnten Tiieil der Quantität entspricht, welche ich
prüfen will, bringe die Mischung wieder auf 1 ccm durch Wasser¬
zusatz und spritze nach halbstündigem Stehen 4 Zehntel ein.
Der Wertli des Serums wird immer berechnet auf die Probe
der Mischung, welche bei deu Thlereu keinerlei Krankheits¬
ersehe iuu j igen macht.
ln einer längeren Abhandlung über Helminthiasis (Rif. med.
231—234, 2899) betont Demateis, dass, wenn auch ein Zu¬
sammenhang zwischen Kindereklampsie und Wurmkrankheit zu¬
zugeben sei. doch viele ältere Angaben über den Einfluss von Ein¬
geweidewürmern auf Erkrankung des Nervensystems auf Irrthum
und Suggestion beruhen.
Erhöhung de r lv ö r perteuiperatur, welche unter
dem Einfluss der verschiedensten Infectionskrankheiten erfolge,
sei als die dominireude Ursache für die Auswanderung
der Spulwürmer iu die verschiedensten Körper¬
höhlen a n z u s e li e n. Unter diesem Einfluss
könnten Lnmbricoideu auch die Darmwand ver¬
letzen u nd durchdringen.
Eine Post mortem-Wanderung der Spulwürmer ist nicht an¬
zunehmen: auch in solchen Fällen ist die dem Tode vorhergehende
Temperatursteigerung die Ursache der Auswanderung.
Auch für die Bandwürmer ist erhöhte Bluttemperatur der
Grund, wesshalb sie ihre gewohnte Stätte verlassen. Bei Taenia
soliurn kommt iu Betracht, dass unter dem Einfluss der durch
Fieber bewirkten Auswanderung eine A u t o i u f e c 11 on mit
Cysticerken stattfinden kann.
Iu No. 35, 30, 1897 dieser Wochenschrift hat Nauwerek
eine Form von chronisch ulceröser Gastritis beschrieben. Eine
gleiche Form beschrieb D i e u 1 a f o y unter dem Namen Exulce-
ralio Simplex, La i n 6 als haemorrliagiselie Erosionen des Magens.
Sansoui führt aus der Turiner Klinik drei
gleiche in diese Rubrik gehörende Fälle an.
Sie sind eliarakterisirt durch das constante Fehlen der Salzsäure
im Magen, welches nicht auf irgend eine maligne Neubildung
zu beziehen ist, ferner durch die relative Gutartigkeit der Fälle
uud drittens durch den Befund oberflächlicher
S c li 1 e i m h a u tp a r t i k e 1 c li e n mit leicht blutig In¬
fi 11 r i r t e n Rändern, welche die Ausspülung aus dem
leeren Mageu zu Tage fördert.
S. hält im Gegensatz zu D 1 e u 1 a f o y diese Kraukheitsform
nicht für eine symptomatische, bei Tuberculösen, Uraemikern,
Herzkranken zu beobachtende, sondern für eine essentielle Krank¬
heitsspeeles, die vom Magengeschwür und vom chronischen Magen¬
katarrh gut abzugreuzeu und auch sicher zu diaguosticiren Ist.
(Riforma medica 1899, No. 219—222.)
Ueber die Durchlässigkeit der Schale des Hühnereies
für pathogene Mikroben, welche a priori zweifelhaft erscheinen
möchte, existiren bereits eine ganze Reihe positiver Angaben, so
In Deutschland von Schuberg (Coccidien im Ei, Jahresberichte
von Baumgarten, 1895), ferner W 11 m (Ueber die Einwanderung
von Choleravibrionen ln’s Hühnerei, dieselben Berichte, 1897).
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
132
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
Bucco prüfte diese Frage im pathologisch-anatomischen
Institut des Hospitals zu Neapel und berichtet über das Resultat
in 4 Nummern (120—130) der Riform. med. 1899. Für die
gewöhnlichen hier in Betracht kommenden In-
fectionstriiger fiel die Untersuchung positiv
aus: so für Typhus-, Diphtheriebacillus, Staphylococcus und
Bacterium coli. Der Typhusbacillus vermag aus virulenten Cul-
turen innerhalb 12 Stunden in das Eiweiss und auch in den Ei¬
dotter einzudringen; ebenso umgekehrt wird Wasser mit Typhus¬
bacillen durchsetzt, in welches vorher künstlich inficirte Eier mit
sorgfältig desinficirter Schale liiueingelegt werden und zwar
ebenfalls in der gleichen Zeit.
Praktische Wichtigkeit können die obigen Resultate dadurch
erlangen, dass die Eier vielfach bei warmer Temperatur in sehr
unreinen Medien aufgehoben werden. So birgt mau dieselben in
der Umgegend von Neapel zur Zeit der grössten Production viel¬
fach in feuchter Erde, in den Ställen u. s. w.
B. bemerkt noch, dass bei hoher Temperatur (134°) gekochte
und durch hohen Druck hart gemachte Eier sich im Gegensatz zu
gewöhnlich gekochten sehr lange fäuluissfrei halten, ferner, dass
auch in frisch gelegten und reinlich behandelten Eiern Keime
sich befinden können, welche vor der Bildung der Schale hinein¬
gelangt sein können. Hager- Magdeburg-N.
Holländische Literatur.
H. J. Danies: Venaesectio bei Uraemie. (Weekblad van
liet Nederl. Tydschr. voor Geueeskunde, II, No. 15, 1899.)
Beschreibung eines Falles von parenchymatöser Nephritis bei
einem 43 jährigen Erdarbeiter, in welchem der Aderlass lebens¬
rettend wirkte. Bei dem bereits moribunden Patienten ver¬
schwanden die drohenden Erscheinungen wie mit einem Schlage.
Heilung.
Prof. M. E. M u 1 d e r : Blepharitis ciliaris und Acarus oder
Demodez folliculorum. (Ibid. No. 17.)
Die zuerst von Rählmann wieder betonte Thatsache, dass
der bekannte Acarus die Ursache einer Reihe von Augenlid¬
erkrankungen ist, konnte M. nicht nur bestätigen, sondern er¬
weitern. Er fand ihn fast bei allen Patienten mit leichter Ble¬
pharitis ciliaris, sowohl bei Bl. SQuamosa; als auch bei der
Form, bei welcher zwischen den Cilien ein gelber, wachsartiger
Stoff sitzt, wahrscheinlich das Product der Glandulae sebaceae.
Im Gegensatz zu Rählmann fand er ihn ferner auch bei
Bl. furfuracea und der nicht diffusen Form der Bl. ulcerosa, sowie
in 2 Fällen von recldivirender Hordeola, einmal auch in den
M e i b o m’schen Drüsen und in einem Chalazion. Das von
Rählmann empfohlene Baisamum Peruvianum fand Verfasser
nicht genügend wirksam.
A. K u i f a s : Zwei Fälle von Lupus faciei, geheilt durch
Behandlung mit Röntgenstrahlen. (Ibid. No. 18.)
Der erste Fall betraf ein Mädchen von 19 Jahren mit Lupus
von Nase, Wange und Unterkinn und starker Drüsenschwellung.
Nach 72 Sitzungen war der Lupus bis auf ein linsengrosses
Fleckchen geheilt, die Drüsenschwellung verschwunden. Im
zweiten Falle handelte es sich um einen 27 jährigen Studenten
mit der gleichen Affection. Heilung nach 23 Sitzungen.
P. H. Simon Thomas und G. van Hontura : Die Glyko-
formaldesinfection. (Ibid. No. 19.)
Verfasser machten ihre Versuche im Kraukenhause zu
Rotterdam mit dem Apparate von Walter-Schlossmann.
Ihre Schlussfolgerungen lauten: Eine genügende Oberflächen-
desinfection ist nach 3 Stunden erreicht. Nur Milzbrandsporen,
in „todten Ecken“ ,aufgestellt und in Blutserum suspendirt
werden nicht constaut vernichtet, aber im Wachsthum bedeutend
gehindert. Die reizende Wirkung der Formaldehyddämpfe auf
Schleimhäute wird durch Verdampfung von Ammoniaklösung
völlig beseitigt. Den sogen. Breslauer Apparat halten sie für
den brauchbarsten.
J. de Haan: Die Zunahme der Sterblichkeit an Krebs.
(Ibid. No. 20.)
Aus der Statistik erzielt sich auch für Holland eine wesent¬
liche Zunahme der Sterblichkeit an Krebs in den letzten
25 Jahren. Sie stieg von 0,471 auf 0,859, berechnet auf 1000 Ein¬
wohner.
E. C. van Leersum und J. Rotgans: Totale Magen¬
exstirpation. (Ibid. No. 21.)
Es handelt sich um ein 22 jähriges Mädchen, das über jahre¬
lang bestehendes Brechen, sowie über zunehmende Schmerzen in
der Magengegend klagte. Gewichtsabnahme bis zu 23 kg. Die
chemische Untersuchung des Magensaftes ergab Fehlen von
freier und gebundener Salzsäure bei positiver Milchsäurereaction.
Mikroskopisch Bacterien, Hefezellen, viele grosse Plattenepithe-
lien. Die Magensonde fand bei einem Abstande von 41_42 cm
einen Widerstand.
Erste Operation den 7. VII. 1898. Magen sehr klein (12 zu
6 cm), die Wand hart und ungefähr einfingerdick, das Lumen für
den kleinen Finger nicht durchgängig. Gastroplastik im Sinne
der Pyloroplastik nach Heineke -Mikulicz, ohne Erfolg.
Am 24. IX. 1898 zweite Operation: Ausschneidung des
ganzen Magens und Anheftung des Duodenums
andieCardia. Nachdem Patientin trotz dieser Eingriffe auch
noch eine Pneumonie und Pleuritis überstanden hatte, erholte sie
sich und konnte bald 200—300 ccm Milch bei sich behalten. Später
bekam und vertrug sie welche Eier, Bisquit, Fleisch, Brod, Reis,
Kartoffeln, Gemüse, sogar Erbsen und Bohnen, aber Alles nur ln
□ ifitized by Gck sie
kleinen Quantitäten, so dass sie 5 Mahlzeiten im Tage zu sich
nahm. Das Brechen hörte auf, das Körpergewicht nahm zu,
ebenso die Diurese, und so lebt Patientin in erträglichem Zustande
noch jetzt.
Die Wanddicke des ausgeschnittenen Magens beträgt 1,6 cm,
das Lumen zeigt sich bis zu Bleistiftdicke verengt. Im Uebrigen
sind die pathologischen Veränderungen durchweg gutartiger Na¬
tur und bezeichnen Verfasser den vorliegenden Zustand als
Endogastritis obliterans.
Vorgenommene Untersuchungen der Faeces zeigten keine be¬
sonderen Abweichungen von der Norm, auch nicht bei vorwiegen¬
der Fleischkost! Die Urinabsonderung nach der Operation
schwankte zwischen 1000 und 2000 ccm per Tag; der Harn war
dünn, hatte ein specitlsches Gewicht von etwa 1014, womit die
gelinge Gefrierpunkterniedrigung, welche sich zwischen 0,80° und
1,19° bewegte, sowie der niedrige Na Cl-Gelialt von 0,51—0,81 Proc.
übereinstiramte. Eine Erhöhung des Aciditätsgrades des Harns,
die man bei dem Wegfalle der Magensaftsecretion hätte erwarten
sollen, trat nicht ein, derselbe schwankte zwischen 0,024 und
0,035 in 24 Stunden.
J. C. Th. Scheffer: Experimentelle Untersuchungen über
den Einfluss des Alkohols auf die Muskelarbeit. (Aus dem
physiol. Laboratorium der Universität Utrecht.) Ibid. No. 23.
Verfasser, über dessen Versuche an sich selbst wir bereits
im Vorjahre referirteu, benutzte dieses Mal als Versuchsobject
das Frosclmiuskelprüparat und zwar den isolirten Muse, gastro-
cnemius, welcher durch elektrische Reizung zu mechanischer Ar¬
beit gezwungen wurde, nachdem dem betreffenden Thiere eine
bestimmte Zeit vorher eine Quantität Alkohol eingeführt worden
war. Das Resultat seiner Experimente, deren Beschreibung im
Rahmen eines kurzen Referates nicht möglich ist, fasst er in
Folgendem zusammen: Massige Gaben von Alkohol haben zur
Folge, dass während kürzerer oder längerer Zeit das Arbeitsver¬
mögen des motorischen Apparates zuerst vermehrt und später ver¬
mindert wird. Diese Vermehrung resp. Verminderung des Arbeits¬
vermögens kommt vornehmlich zu Stande durch eine anfängliche
Zunahme, gefolgt durch eine Abnahme der Erregbarkeit der
motorischen Nerven und kann nicht einem Einflüsse des Alkohols
auf die Muskeln selber zugeschrieben werden.
R. P. vanCalcar: Die Aetiologie der infectiösen Cystitis.
(Ibid. No. 25.)
C. fand zunächst in allen untersuchten Fällen von Cystitis
(12) das Bact. coli; ferner den Bac. liquef. sept. (2), Staph. pyog.
alb. (2) und Streptoc. pyog. sept. (1). Die Untersuchung der Urethra
ergab bei zweien von vier untersuchten Fällen ein positives Re¬
sultat.
In einer zweiten Serie wurde die Bacterienflora der Urethra
untersucht und zwar in ihren einzelnen Abschnitten. Die Urethra
fand sich mit Ausnahme eines Falles In allen übrigen bei einem
Abstande von 2 7*—3 cm vom Orificium externum steril, ein
Beweis für die grosse Seltenheit einer Cystitis ascendens.
Weitere Untersuchungen an Kaninchen über die Fragen, wie
sich der Blase gegenüber eingedrungene Bacterien verhalten,
sowie über den W e g der Blasenlnfection, führten zu folgenden
Conclusionen:
Bei einer grossen Zahl von Fällen infectiöser Cystitis findet
die Blaseninfection nicht von aussen oder auf urethralem Wege
statt, sondern vom Darm aus und zwar nicht auf renaiem oder
circulärem Wege, sondern direct. Sehr Wahrscheinlich nehmen
die Mikroben den subperitonealen Weg.
Die wichtigsten prädisponirenden Momente für das Zustande¬
kommen der infectiösen Cystitis sind: Retention und Blasen¬
dilatation. Gründe:
1. Kommen bei Cystitis meistens ganz andere Organismen
vor, als in der Urethra nachzuweisen sind;
2. ist sowohl die gesunde wie die kranke Urethra beinahe
steril für den Cystitiserreger par excellenee, das Bact. coli;
3. zeigen die Mikroben der Urethra bei vorhandenen praedis-
ponirenden Momenten für Cystitis keine Neigung zur Ascendenz;
4. findet man die Mikroben der Cystitis, wenigstens die
wichtigsten, praeexistent Im Darm;
5. kann man die Mikroben, welche vom Darm aus unter patho¬
logischen Umständen die Blase inficiren, stets eher in diesem
Organ nachweisen, wie im Blute oder im Urin des Ureteren.
Dr. Schloth - Bad Brückenau.
Inaugural-DisseTtationen.
Universität Greifswald. December 1899.
73. H e n z e Wilh.: Ueber Narben und Fistelcarcinom an den Glied¬
massen.
Universität KieL November und December 1899.
73. Oltmann Wilhelm: Ein Fall von hernienartiger Vorwölbung
des Zwerchfells mit Achsendrehung und Zerreissung des Magens.
74. Graeve Otto: Ueber interstitielles Emphysem der Lungen und
des Mediastinums.
75. Jach Emil: Ueber Duodenaldivertikel.
76. Koch Konrad: Ueber die Urogenitaltuberculose des Mannes.
77. Ramm Friedrich: Zur Casuistik der Transposition der grossen
arteriellen Gefässe des Herzens.
78. Kumm Robert: Ein Fall von vereiterndem Aneurysma der
linken Arteria glutaea.
79. J acobsen J acob: Ueber traumatische Kniegelenks Vereiterungen.
Original frorn
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
183
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft und Verein, für innere
Medicin in Berlin siehe Seite 000.
Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 4. Januar 1900.
Der Vorsitzende, Herr Schaper, nimmt die Neuwahl des
Vorstandes vor. Der bisherige Vorstand, bestehend aus den
1 lerreu Sehaper, Senator, Jolly, Spinola, wird
durch Zuruf wiedergewählt.
Herr v. Leyden gibt in der ersten heutigen Sitzung im
la uen Jahrhundert einen Ucberbliek über die Geschichte der
Charite.
Herr v. Leyden. Kraukeuvorstellungen: 1. 34 jähriges
Dienstmädchen, welches 1894 nach Influenza eine Ohreiterung
In kommen hatte. 1895 Aufmeisselung des linken Antrum mastoi-
ileum. 15. IN. 1898 Uadicaloperution. 25. X. 1899 Ptosis rechts.
Rechter Arm paretisch. Lähmung beider Beine mit Streekeon-
tracturen. Liimbalpuuction. Als Ursache wird angenommen eine
Meningitis serosa mit Fortsetzung auf das Rückenmark, weniger
wahrscheinlich ist ein enceplialitisolier Herd. Nach der Luinbal-
punetion trat eine allmähliche Besserung der activen und passiven
Beweglichkeit der Beine ein, nach 14 Tagen war die Beugung
der Kniee möglich. Hebungen und Bäder haben die Besserung
soweit gefördert, dass die Kranke jetzt im Gehstuhl gehen kann.
Der Vortragende betont besonders die guten Erfolge methodischer
Rewegungsübimgen in solchen Fällen.
Discussion: Herr Müller, der seiner Zeit die Kranke
operirt hat, bemerkt, dass es sich um einen der seltenen Fälle
von Meningitis serosa gehandelt hat. Die Drainage des Schädel-
imiern erwies sich hier als nothwendig lind erfolgreich, da die
seröse Secretion eine ungewöhnlich reichliche war.
2. Herr v. Leyden zeigt die Wirkung von Sauerstoff -
einathmungen an einer 30 jährigen Arbeitersfrau mit diffuser
eitriger Bronchitis und starker Cyanose. Das letztere Symptom
schwindet während der Sauerstoffinhalation, die mehrmals am
Tilge, jedesmal kurze Zeit hindurch, verordnet wird.
Discussion : Die Herren Senator, v. Leyden.
Zinn, Michaelis.
Herr v. Leyden lind Herr Buttersack: Vorstellung
eines TJnfallkranken.
Der Elseuarbelter H. ist seit vielen Jahren an einer Eisen-
schlelfmaschine beschäftigt, eine Thätigkeit, bei welcher sich die
fortdauernden Erschütterungen auf den rechten Arm, der ver¬
mittels einer Kurbel die abznschleifenden Eisenblöcke zu diri-
giren hat, unausgesetzt fortpflanzen. Am 28. II. 1899 erhielt er
von einem zerrissenen Treibriemen einen Schlag auf den Hinter¬
kopf. Erst am 0. IV. 1899 stellten sich Kopfschmerzen, Schwindel¬
gefühl und zeitweiliges Zittern ein, wegen deren Verschlimmerung
er am 18. IX. 1899 in die Cliaritö gebracht wurde. Hier bot er bei
Bettruhe völlig normale Verhältnisse, dagegen im Stehen starkes
Zittern des Kopfes und Coordinationsstörungen von Seiten der
Beine: dabei Schmerzhaftigkeit des Hinterkopfes vorhanden.
Sensibilität und motorische Kraft normal; Sprache fliessend. In
den nächsten Wochen traten in rascher Folge allerlei Ver¬
schlimmerungen dazu: Schlaflosigkeit In Folge zunehmender
Kopfschmerzen, Muskelrigidität; hauptsächlich aber hochgradiges
Stottern, grossschlägiges. fast schleuderndes Zittern des rechten
Armes und rechtsseitige Hemianaesthesle; das Zittern des rechten
Armes liess sich durch Druck auf verschiedene Punkte, z. B. auf
die lieiden Supraelaviculargruben oder Malleolen u. s. w. auf heben;
Coiupressiou des Kehlkopfs machte die Sprache sofort fliessend.
Mitte November wurde ziemlich gleichzeitig mit zeitweiligen, 24
bis 3); Stunden dauernden Fixationsverbänden des rechten Arms
und methodischen Respirationsübungen begonnen. Die schnell
fortschreitende Besserung wurde 3 mal in unliebsamer Weise
unterbrochen: durch eine intercurrente Angina, durch eine ihn
beunruhigende Nachricht von Hause, durch einen Fall, den er
sieh durch zu grosses Vertrauen in die Wiederkehr seiner Kräfte
zugezogen. Durch Hypnose gelang es, die Amiestliesle zu be¬
seitigen. Der Erfolg der Behandlung erwies sich auch während
eines 14 tägigen Weihnachtsurlaubs als dauerhaft: Das Zittern ist
nur noch gering, die Sprache kaum merklich behindert — er kann
in einem Athemzuge bis 30 zählen — die Sensibilität ist rechter-
seits wieder normal. Dagegen bestehen nocli die Kopfschmerzen
und der taumelnde Gang.
Organische Läsionen des Kleinhirns oder der linken inneren
Kapselgegend lassen sich weder durch den klinischen Verlauf,
noch durch Röutgenbilder beweisen; auch Paralysis agitans,
Tolanie, Athetose bieten ganz andere klinische Bilder dar, so dass
kaum eine andere Deutung des Krankheitsbildes als die einer
functioneilen Neurose von hysterischem Charakter zulässig er¬
scheint (traumatische Hysterie).
In der Discussion zieht Herr Jolly noch die multiple
Sklerose differentialdiagnostisch in besondere Erwägung, erklärt
sich aber seinerseits gleichfalls für die Diagnose: traumatische
Hysterie.
Herr Israel: demonstrirt ein Herz mit offenem Beptum
ventriculorum und angeborener Pulmonalstenose. Die Arteria
pulmonalis entspringt aus dem rechten und linken Ventrikel.
W. Zinn-Berlin.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 16. Januar 1900.
Vorsitzender: Herr Rumpf.
I. Demonstrationen.
1. Herr Ludwig und Herr S a e n g e r deinonstriren einen
jetzt wieder völlig gesunden und arbeitsfähigen Cnpitiin der
Woermannlinie, der im Anschluss au eine Ohrenentzündung
ausser einer Sinusthrombose und einem perisinösen Abscess
einen Himabscess acquirirt hatte, bei dem der Krankheitsverlauf
höchst eigentlnimlich war. Die Otitis entstand im Sommer nach
starker Erkältung an der afrikanischen Küste, war nur leicht,
war aber mit den intensivsten Kopfschmerzen verbunden. Am
22. September machte L. die Paracentese. die aber nur wenig Er¬
folg hatte. Schüttelfröste, die in den nächsten Tagen auftrateu,
sowie der schwere Allgemeinzustand, gaben die Iudication für
die Warzenfortsatzeröffmmg. Bald nachher stellten sich wieder
sehr heftige Kopfschmerzen ein, die in Verbindung mit Puls-
verlangsamung, unregelmässigem Fieber und einer doppelseitigen
Stauungspapille au einen Himabscess denken Hessen. Saeuger
fand selten hochgradige Stauungspapillen. Fehlen beider Fatellar-
reflexe, vorübergehendes Doppeltsehen, schwankenden Gang. S.
rieth zur sofortigen Operation — „auf mehr Zeichen warten
heisst auf mehr Leichen warten“ — und erwog die Localdiagnose,
ob der Abscess im Kleinhirn oder im Schläfenlappen sei. Für
ersteren Ort sprachen der Fehlen der Patellarreflexe, die Früh¬
zeitigkeit und Hochgradigkeit der Stauungspapille und der
schwankende Gang. Hingegen wiesen das vorübergehende Dop¬
pel tselien und die PupUlarerwelteriing auf den Schläfenlappeu,
über dem zu trepaniren S. rieth. Die Trepanation (17. Oct.) er¬
gab nichts. Das Allgemeinbefinden des Kranken besserte sieh
Anfangs. Am 25. Oct. traten wieder starke Stirn- und Nacken¬
schmerzen und eine rechtseitige Stauungspapille auf, die eine
2. Trepanation an der gleichen Stelle veranlassten, ohne dass
wiederum Eiter gefunden wurde. Nur der thrombosirte Sinus
transversus lag wie beim ersten Male vor. Da der Kranke eiumal
Lues acquirirt hatte, wurde an einen nebenher bestehenden gum¬
mösen Tumor gedacht und Traitement mixte eiugeleitet. aber ohne
Erfolg. Einige Zeit nachher zeigten sich ephemere Oedeme des
Gesichts und kurz nachher auf der Höhe des Scheitelbeins ein
fluctuirender Tumor, der nach vorangehender Probepunctiou bei
der operativen Freilegung als ein durch die Schädel-
k a p s e 1 an eine m Emissär! u in durchgebro c heuer
intr a d u r a 1er Abscess (Streptococceneiter) erkannt wurde.
Nach der Operation wurde vorübergehend Arm- und Beiiilähunmg
constatirt.
2. Herr G r i s s o n stellt eine Kranke vor, bei der er die
Beseitigung von Stauungsascites auf operativem Wege nach
dem Vorschläge von T n 1 m a in Utrecht versucht hat. Die 49 jülir.
Patientin hatte hochgradigen Ascites, ob in Folge von Lebercir-
rliose oder Ffortaderverscliluss, ist zweifelhaft, der in einigen
Monaten 7 malige Function erfordert hatte. Eine von anderer
Seite vorgeuommeue Explorativlaparotomie hatte gezeigt, dass
Tuberculose und Careinom nuszuscliliesseu seien . G. trennte das
Peritoneum parietale von der miisculösen Bauch wand weit ab,
erüffnete dasselbe in der Nabelgegend und zog durch die Oeffnung
das grosse Netz hindurch und nähte es extraperitoneal zwischen
Bauchwand lind dem von dieser losgelösten Bauchfell in seiner
ganzen Ausbreitung fest. Alan sieht jetzt an dem neuen Sitz des
Netzes, wie sich um dasselbe herum neue Blutgefässe entwickeln,
als Ausdruck der physiologisch interessanten und wichtigen
Thatsaclie. dass Oollateral bahnen zwischen Pfort¬
ader g e b i e t und Bauch decken auf künstlichem
Wege hergestellt werden können. Die Operation fand
Ende November statt. Seitdem geht der Ascites langsam aber
stetig zurück; gleichzeitig hat sich die Diurese von 390 ccm auf
1 \/.j —2 Liter geholten. Gleichwohl ist der Flüssigkeitserguss
noch jetzt recht erheblich.
3. Herr Henkel stellt einen 10 jährigen Knaben vor, der
von einer baeterioskopisch sicher gestellten tuberculösen Menin¬
gitis geheilt ist.*) In der durch Lumbalpunction gewonnenen
Spinalflüssigkeit wurden Tuberkelbacillen nachgewieseu und dem¬
gemäss die Prognose ungünstig gestellt. Gleichwohl erholte sich
der Kranke und gesundete, zeigt allerdings intellectuelle Defeete,
ist auffallend ruhig und theilnalnnslos und bietet einen auffal¬
lenden Haarausfall. — Als zweiten Fall stellt II. einen jungen
Menschen vor, bei dem die exacte Sicherstellung der Diagnose:
Tuberculosis pulmonum schwierig war, da der Kranke absolut
kein Sputum entleerte. Es bestand eine durch Lungeninttltratiou
bedingte Uuterlappendümpfung. Es wurde punetirt und in
einigen Tropfen Aspirationsflüssigkeit Hessen sich Tuberkel nach-
weisen. II. betont die Wichtigkeit des frühzeitigen exacten
Bacillcnnacliweises und bespricht die im Eppendorfer Kranken-
lmuse in dieser Richtung üblichen IJntersuchungsmethoden.
II. Vortrag des Herrn Rumpf : Stoffwechseluntersuch-
ungen bei vegetarianischer Diät.
*) Ein analoger Fall ist von F r e y h a n beschrieben.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
134
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
Redner bespricht einleitend die Zusammensetzung der streng
vegetarischen Diät, sowie die Lebensweise der minder rigorosen
Vegetarianer, die Milch, Käse und Eier gestatten. Er geht dann
auf die von V o i t an einem Falle vorgenommenen Stoffwechsel¬
untersuchungen ein, deren Ilauptergebniss war, dass die Re¬
sorption der Vegetabilien im Darmcanal eine schlechte ist und
demgemäss trotz genügender Calorienzufuhr das betreffende so
ernährte Individuum an Kürpereiweiss zusetzt. Das V o i t’sclie
Untersuchungsobjoot nahm pro die 54 g Eiweiss, 22 g Fett,
551 g Kohlehydrat — entsprechend 2700 Calorion — zu sich.
Vom Eiweiss wurden 41 Proc., vom Fett 30 Proe., von den Kohle¬
hydraten 6 Proc. im Kotli und Urin wieder ausgesehieden, so
dass der Kranke 2,5 g pro die an seinem Körpergewicht während
der Versuchsperiode verlor.
Rumpf untersuchte während einer 7 tägigen Periode den
Stoffumsatz bei einem strengen Vegetarianer, der 19 Jahre alt
war und 62 kg wog und demonstrirt das Ergobniss an einer Reihe
von Tabellen. Von den Zahlen seien nur die wichtigsten hervor¬
gehoben. Der Kranke genoss täglich im Mittel:
Grahambrod
Aepfel
Datteln
Oats
Reis
Zucker
N tisse
333
1161
258
140
100
75
27,r> K
darin sind
Stickstoff 5,25
0,33
0,96
1 3,35
1,10
l
0,83
i
Kohlehydr. 166,8
149,19
134,4
9P41
78,48
74,25
1 3,58
Fette —
—
[■ ' ]
1134
0,88
16,42
Dieser mein* als 3000 Calorien betragenden Hinnahme steht
gegenüber: Stickstoffausscheidung im Urin im Mittel 5,91 Proc.,
im Kotli 4,01 Proc. Es kommt also nahezu 40 Proc. des einge¬
führten Stickstoffs im Kotli wieder zur Ausscheidung, mit an¬
deren Worten: die Ausnützung des vegetabilischen Eiweisses ist
sehr unvollkommen, wie V o i t das schon gefunden hat. Trotz¬
dem ergibt die Stickstoffbilanz ein Plus von 0,6 g N pro die:
Das Versuchsobject hat also von seinem Körpereiweiss nicht nur
nichts verloren, sondern sogar angesetzt.
Einer Einnahme von 28 g Fett j>ro die steht eine 7,58 g be¬
tragende Ausgabe (im Koth) gegenüber. — Trotzdem also eine
nur 73 g betragende Menge täglich verzehrten vegetabilischen
Eiweisses genügte, das Gewicht- des Untersuchten zu heben —
eine Thatsache, die im Gegensatz zu V o i Us Ergebnissen Be¬
achtung verdient — bezeichnet R. die streng vegetabilische Diät
doch als eine Ilungerdiät und weist nachdrücklich auf die Ge¬
fahren, die dieselbe mit sich bringt, hin. Darin aber, dass die
überreiche Eiweissernährung vermieden wird, die bei manchen
gesunden Individuen Schädlichkeiten setzt, und bei Kranken
nicht selten absolut contraindicirt ist, und in der ausgezeich¬
neten Anregung der Darmthätigkeit liegen die in therapeutischer
Hinsicht nicht zu unterschätzenden Vortheile der vegetariani-
schen Lebensweise. Die von den Vegetarianern mit Emphase
aufgestellte Behauptung, die Aschenbestandtheile ihrer Nahr¬
ungsmittel seien gerade diejenigen, die der menschliche Organis¬
mus benöthige, widerlegt. Redner. Gegen die rein vegetabilische
Ernährungsweise spricht schon allein die physiologische That¬
sache, dass unser Darmcanal vegetabilisches Eiweiss nur mässig
resorbirt; ferner aber auch die lange Zeit, die auf die Nahrungs¬
aufnahme verwandt werden muss, das verhältnissmässig unge¬
heuere Quantum der Nahrungsmengen, das Kauwerkzeuge und
Magen kaum überwinden können, endlich die nationalökouomisch-
sociologische Thatsache, dass die Nationen, die animalische Er¬
nährungsweise haben, emporgeblüht und gross geworden sind,
während Völker, die hauptsächlich von Gemüsen leben, im Cul-
turkampf kaum eine Rolle spielen.
In der Pathologie kann man vegetarianische Diät empfehlen,
in Fällen, in denen eine Hungercur angezeigt ist, bei frühzeitiger
Reife des Geistes (sexuelle Reizzustände), bei chronischer Obsti¬
pation, bei einzelnen Ilerzerkrankungen, wo eine Herabminde-
rung der Pulszahl angestrebt wird, bei Morbus Bastxlowii u. s. w.
Redner bespricht hierbei die Arbeiten von F. A. II o f f m a n n
und v. Ziem ss eil. Bei Gicht ikern, bei denen der Eiweiss-
bestand kein sehr guter zu sein pflegt, warnt er vor einer vege¬
tabilischen Diät. Bei Diabetes tritt diese Ernährungsweise
gleichfalls in ihr Recht, da Fleisch zu den Zuckerbildnern gehört.
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Man wird also die übertriebene Fleischkost einschränken und
kohlehydratarme Gemüse in geeigneten Fällen empfehlen. Doch
warnt R. vor Verallgemeinerung. Werner.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Ofticielles Protokoll.)
Sitzung vom 23. November 1899.
Vorsitzender: Herr Hirsch.
Herr Kretschmann bespricht einen Fall von myko¬
tischer Otitis, hervorgerufen durch Aspergillus und demonstrirt
das dabei gewonnene Präparat.
Herr Brennecke berichtet über einen von ihm beobach¬
teten und operirten Fall von Uterus bicornis unicollis mit ver¬
kümmertem und verschlossenem linken Horn, wde folgt:
Patientin, ein 23 jähriges Mädchen, war seit dem 16. Lebens¬
jahre regelmässig inenstruirt. Meist am 3. Tage der Periode
pflegten sich heftige kolikartige Schmerzen links im Leibe ein-
zustellen. Im Februar er. hatte sie normal geboren, das Wochen¬
bett verlief ohne Störung. Im September consultirte sie mich
wegen der wiedergokehrten Menstruationskolikeil. Ich fand
Scheide und Portio vagiuae normal. Uterus stark dextroponirt
und vertirt. Dem linken Uterusrand breibasig anlagernd fühlte
man einen prallgespannten Tumor von ovaler Form, mit seiner
Längsachse nach der liuken Beckenwand gerichtet. Der Tumor
war druckempfindlich, nach links und hinten nicht scharf abzu¬
grenzen und unbeweglich. Anamnese und Befund erweckten mir
sofort den Verdacht, dass es sich wohl um einen Uterus duplex mit
Ilnematoiuetra im verschlossenen linken Horn handeln möge.
Erst 2 Monate später kam Patientin wieder. Der Tumor erschien
wesentlich kleiner, minder gespannt mul weniger empfindlich.
Die Menstruationsbeseliwerden waren inzwischen dieselben ge¬
blieben. Ich rieth zur Laparotomie. Bei der am 20. November
vorgenommenen Operation fand sich ein kräftig entwickelter,
rechts gelagerter Uterus mit gesunden Adnexen. Seinem Huken
Rande sass in etwa 5 cm breiter Ausdehnung ein kleinapfelgrosser,
harter, rundlicher Tumor auf, der sich ohne Weiteres als ein
linkes Uterushorn dadurch kennzeiehnete, dass die linke entzünd
lieh verdickte Tube und das linke Ing. rotundum in typischer
Weise in ihn übergingen. Die linke Tube lind das linke Ovarium
waren in massige, pelviperitonitisehe Schwielen und Schwarten
eingepackt. Nachdem sie freigemacht und unterbunden, schnitt
Ich auf den Fundus des linken Uterushorus ein. Es fand sich,
wie erwartet, eine nussgrosse, mit Schleimhallt ausgekleidete
und mit einer klaren strohgelben Flüssigkeit prall gefüllte Höhle.
Eine Coniinunication derselben mit dem Cervicalcanal konnte
nicht entdeckt werden. Darauf wurde der liuke Uterus aus der
Wand des rechten Uterus, ohne Eröffnung desselben, keilförmig
excidirt und die Wunde durch fortlaufende Catgutnaht sorgfältig
geschlossen. Die Reconvalescenz verlief ohne jede Störung.
Nach dem bei der Operation erhobenen Befunde ist es wohl
zweifellos, dass der anfängliche, bei der ersten Untersuchung im
September constatirte Tumor, welcher sich spontan binnen
weniger Monate so erheblich verkleinerte, nicht als Haematometra
zu deuten, sondern auf die begleitenden pelviperitonitischen Pro-
cesse zu beziehen war.
Herr R renn ecke schildert sodann die jetzt von ihm ge¬
übte Bauchdeckennaht und empfiehlt dazu den Celluloidzwim.
Herr Schneider bespricht einige Methoden der Pterygium-
operation.
Herr Brueggemann berichtet über einen verhältniss¬
mässig schweren Fall von Lues bei einem 22 jährigen Manne,
dessen Vater vor 30 Jahren schwere Syphilis durchgemacht und
dessen Mutter stets gesund war. Es spricht dieser Fall gegen
eine rein paterne Vererbung sowohl von absoluter, wie von rela¬
tiver Immunität. In Rücksicht darauf, dass bisher kein sicherer
Fall von Vererbung der Immunität von Seiten des Vaters vorUegt
fasst man das Profeta’sclie Gesetz am besten in seinem ur¬
sprünglichen Sinne auf. nämlich, dass nur die gesund geborenen
Kinder syphilitischer Mütter gegen eine Infection in der Regel
immun bleiben. (Mitgetheilt im Dermatolog. Centralbl.)
Unterelsässischer Aerzteverein.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 16. Deeember 1899.
1 \ I. Demonstrationen:
Herr Zimmermann stellt einen Fall von Brust-B&uch-
verletzung vor. Der Stich hatte den 8. Rippenknorpel links
durchbohrt beim Ansatz an’s Sternum, das Zwerchfell und
den Magen. Blutung im Pleurasack und Abdomen. Schnitt
längs des linken Rippensaumes, Naht des Magens. Eröff¬
nung des linken Pleurasackes durch Erweiterung der Einstichöff¬
nung, Entfernung der Blutgerinnsel, Tamponade. Abgesehen von
Erbrechen 2 Stunden nach der Operation normaler Verlauf. Vor¬
tragender betont die schwere Zugänglichkeit des obersten Abschnittes
der Bauchhöhle bei operativen Eingriffen und die Gefahren in Folge
gleichzeitiger Eröffnung des Pleurasackes.
Herr Stolz demonstrirt 2 Fälle von Syringomyelie, type
Morvan, bei denen besonders in einem Fall die trophischen Stör¬
ungen: schwere Panaritien, Phlegmone, Arthropathien, Spontan-
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
135
fractur eines Humerus im Vordergrund des Krankheitsbildes stehen.
Auffallend bei dem einen Fall ist es, dass die anaesthetisdien Be¬
zirke durchaus nicht mit denen zusammenfallen, die Störungen in
dem Gefühle für kalt und warm zeigen.
Herr Eichel stellt einen operirten und einen noch nicht
operirten Fall von Hemia epigastrica vor. Die ausführliche Mit-
iheilung erscheint in dieser Wochenschrift.
H. Vorträge:
Herr Ehret berichtet über die experimentelle Ermittelung
des Keimgehaltes der normalen Galle.
E. untersuchte mit Stolz gemeinschaftlich unter verschie¬
denen Umständen die normale Galle bei Meerschweinchen,
Hunden, Kühen und Ochsen. Während die Galle bei dem bis¬
her allgemein beliebten Verarbeiten von kleinen Mengen auch
K. und St. oft steril zu sein schien, ergab die Verarbeitung
grosser Mengen, resp. des ganzen Gallenblaseninhaltes beim
Meerschweinchen in 15 Fällen von 20 die Anwesenheit von
Hacterien, auch wenn vor der Eröffnung der Ductus choledochus
unterbunden war; bei 00 Ochsen und Kühen 47 mal, aber auf¬
fallender Weise in 2 Fällen von Gallensteinen keine Bacterienü
Auch der Füllungszustand zeigt sich von grösstem Einfluss:
hei leerer oder fast leerer Gallenblase finden sich Bacterien
selten, bei voller oder gar gestauter fast ausnahmslos. Die
Resultate des Vortragenden lassen sich etwa folgenderrnaassen
zusammenfassen: 1. Die normale Thiergalle ist meist nicht
steril, besonders bei stark gefüllter Gallenblase. Nur leere oder
fast leere Gallenblasen sind am ehesten frei von Bacterien.
2. Der Schluss: Galle ist keimfrei, wenn ihre intraperitoneale
injection keine Infection bedingt, beweist nichts, da spärliche
Keime nicht zur Infection führen. 3. Ueber den Bacteriengehalt
normaler Galle erhält man sicheren Aufschluss nur, wenn
grosse Mengen, am besten die ganze Galle, zur Untersuchung
verwandt werden.
Herr Nannyn bespricht „einige seltenere Vorkommnisse
bei der CholelithiasiB“. Was die Aetiologie derselben anlangt, so
sprechen zwei Thatsachen neben andern Beobachtungen für die
aetiologische Bedeutung der Bacterien: die experimen¬
telle Erzeugung von Gallensteinen durch Gilbert beim Thierver-
sueh nach Impfung mit Typhusbacillen und sodann die auffallende
Häufigkeit acuter Cholecystitis mit oder ohne frische Steinbil-
dting heim Typhus abdominalis. So demonstrirt N. 15 w inzige,
offenbar ganz junge Steine als Sectionsbefund bei einem löjüh-
rigen Knaben, der typhösen profusen Darmblutungen erlag. Als¬
dann bespricht N. die sogenannte Spontanheilung der Gho-
lelithiasis. Eine völlige Latenz ist möglich bei riesiger Anzahl
kleiner Steine oder bei dem Vorhandensein selbst eines grossen
Solitäre. Der Vortragende warnt vor der Probepunction
des Gallenblasentumors, um zu protestiren gegen die in
der Literatur öfter wiederkehrende Angabe, dass er dieselbe
empfehle. Von einer thatsächlichen Heilung kann man sprechen,
wenn eine Fistula vesico-duodenalis oder vesico-coliea sich ge¬
bildet hat. Gelegentlich ferner kann Heilung eintreten d u r c h
Zersplitterung eines grossen Steines und Abgang der Splitter,
aber wohl selten. Im Gegentheil beweist ein demonstrirtes
Präparat, dass die Splitter sofort den Kern zu zahlreichen neuen
Steinen abgeben können. Zum Schluss seines Vortrages warnt
N. vor dein vorzeitigen Urtheil: „Heilung“ nach erfolgreich
ausgeführter Operation. Unbestreitbar leistet die Chirurgie
gerade auf dem Gebiete der Cholelithiasis ganz Hervorragendes
und die Lehre dieses Leidens hat durch Chirurgen eine grosse
Förderung erfahren. Vortragender selbst hat mit Vorliebe der
operativen Behandlung das Wort geredet. Die Häufigkeit der
Recidive aber ist vielleicht etw'as unterschätzt worden, so dass
es sich empfiehlt, auch nach erfolgreicher Operation die Pro¬
phylaxe der Cholelithiasis nicht zu vernachlässigen, den Dauer¬
erfolg nicht zu bestimmt zu versichern.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 17. Januar 1900.
Herr Kolle a. G.: Südafrika, seine vorherrschenden
Krankheiten und gesundheitlichen Verhältnisse.
Vortragender, der bekanntlich längere Zeit in Südafrika als
Nachfolger seines Chefs Robert Koch zur Bekämpfung der
Rinderpest thätig war, und soeben von dort zurückgekehrt ist,
berichtet in dankenswerther Weise über die dortigen sanitären
Verhältnisse. Dieselben haben für uns noch ein besonderes Inter-
rs< e dadurch, dass nach der, wie Vortragender überzeugt ist,
f ü r (1 i o Buren glücklichen Beendigung des Krieges,
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dort ein sehr günstiges Feld für deutsche Aerzte eröffnet würde,
des jetzigen Kriege«, der nach dos Vortragenden Aeusserung
nicht, wie fälschlich vielfach geglaubt wird, ein von den Miuen-
bositzorn herauf beschworener Krieg sei, sondern bloss die acute
Krisis eines hundertjährigen Rassenkampfes.
- Vortragender würdigt die Verdienste der Buren um die
Colonisirung dieser Länder und Niederhaltung der Kaffern¬
st ämme. Die Zahl der Buren in Südafrika beträgt jetzt ca.
800,000 Seelen, während die Engländer sich nur in den Kiisten-
distrieten und einzelnen im Innern befindlichen Handels-
emporien befinden. Das Verhiiltniss der W e i s s e n zu den
Schwarzen betrage etwa 1 : 6.
Das K1 i in a : Es finden sieh in Südafrika (bis zum Zambesi
gerechnet) alle Uebergänge vom tropischen zum gemässigten
Klima; es stellt mit das gesundeste Klima der Welt dar.
Während in Europa die Mortalität vorwiegend durch die Tu-
bcrculose bedingt wird, tritt diese in Südafrika in den
Hintergrund und treten die Tropenkrankheiten, Malaria,
gelegentlieh gelbes Fieber und Cholera als bestimmende Fac-
toren auf.
Das Sa nität-s wesen steht fast auf europäischer Stufe;
es gibt ein Gesundheitsministerium, Districtärzte, Laboratorien
mit allen Hilfsmitteln der Neuzeit u.- s. w.
Eine Schwierigkeit erwächst der Hygiene aus den un¬
günstigen W a s s e r v e r h ä 11 n i s s e n, worauf auch ein
grosser Theil der Krankheiten zurückzuführen ist. Man ist fast
überall auf Oberflächenwasser angewiesen und die zu
seiner Reinigung eingeführten Hausfilter haben sich als
unzweckmässig erwiesen.
Darum leidet auch die englische Armee, wie Vor¬
tragender aus zuverlässiger, amtlich-medicinischer Quelle weiss,
schon sehr an Infeetionskrankheiten. Insbesondere kommt für
diese Wasserverhältnisse der Typhus in Frage, der dort eine
so hohe Mortalität hat, dass man auf die irrige Idee einer Misch-
infection von Typhus und Malaria kam. Es sind für die eng¬
lische Expeditionsarmee schon 80 000 Typhusimmun i-
sirungsdosen verwendet worden. Es wird sich bald zeigen,
mit welchem Erfolge. Und da ein Bruchtheil der Armee, auf
persönlichen Wunsch der zu Immunisirenden, nicht geimpft
wurde (mit abgeschwächten Typhusculturen), so ist das ganze
Verfahren einem Experiment im grössten Stiel gleichzusetzen.
An Bedeutung die nächste Krankheit ist die Dysenterie,
die in der englischen Armee schon bedeutend stärker auftreten
soll, namentlich in der Methuen’s, als man öffentlich zugibt.
Auch die Malaria wird den Engländern schwer zu schaffen
machen. Sie tritt sowohl als Tertiana, wie als Tropica auf. Was
die Mosquitotlieorie anlangt, so finden sich die Mosquitos
zwar in ganz Südafrika, nicht aber die Malaria. Die Theorie kann
falsch sein; braucht es aber trotz obiger Beobachtung nicht zu
sein, da es ja möglich ist, dass nur bestimmte Arten von Mos¬
quitos als Zwischemvirthe dienen.
Die Pest, das gelbe Fieber, die Cholera haben
trotz wiederholter Einschleppung dort nie festen Fuss fassen
können. Dass die Pest, obwohl sie im vergangenen Sommer an
den Ufern eines kleinen, in die Delagoabai sich ergiessenden
Flusses auf trat, keine weitere Verbreitung gefunden, ist dem
Umstande zu verdanken, dass es in Südafrika keine
Ratten gibt. Das Einschleppen dieser Thiere wird durch die
Verordnung verhütet, dass pestverdächtige Schiffe ihre Ladung
ausserhalb dt« Hafens löschen müssen und diese Thiere auf der
hohen See den Uebergang vom Schiff auf die kleinen Boote ver¬
meiden.
S e o r b u t tritt unter den Schwarzen in sehr schwerer
Form auf; er trat namentlich im Betschuanaland auf, nachdem
durch die Rinderpest die Fleischnahrung so sehr herabgesetzt
worden war. Auch Europäer leiden daran, wenn sie Ent¬
behrungen ausgesetzt werden, namentlich wenn sie das in Süd¬
afrika so schwer zu beschaffende Gemüse nicht bekommen
können. Auch in der Truppe M e t h u e n’s soll der Scorbut
herrschen.
Pellagra kommt fast nicht vor.
Eine Geissei der Schwarzen ist die Syphilis, die unter
acutesten Formen auf tritt und oft zu Verwechslungen Anlass
gibt, bis die specifische Therapie klärend und helfend eingreift.
Die Tuberculose ist unter den eingeborenen Holländern
fast unbekannt und steht in einem gewissen Gegen¬
sätze zur Lepra.
Original frn-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
136
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
Diese letztere ist erst im Anfang dieses Jahrhunderts dort
eingeschleppt worden und ist jetzt schon fast epidemisch aus¬
gebreitet, so dass es ca. 8—10 000 Lepröse gibt; das wäre soviel,
wie wenn es in Deutschland 60—80 000 gäbe, eine erkleckliche
Zahl. Die Tubereulose hingegen ist zwar stets in grosser Menge
eingeschleppt worden, aber nie zu einer grösseren Ausbreitung
gelangt.
Die Theorie, welche beide Erkrankungen als Affectionen
der Athmungsorgane hinstellt und durch Einathmung entstehen
lässt, erleide dadurch einen Zusammenbruch. K. ist der Meinung,
dass zwar bei der Tuberculose die Infection durch Einath¬
mung stattfindet, was bei den den ganzen Tag im Freien, in
einem Lande mit so mächtiger Insolation lebenden Menschen
nicht allzu häufig stattfindet; die Lepra hingegen werde durch
Einreiben in Haut und Schleimhäute durch beschmutzte
Tücher und Hände erzeugt. Da dieses Land so günstig für die
Heilung der Tuberculose ist, so wurde es schon lange von Tuber-
culösen auf gesucht und der bekannte R h o d e s gründete in
Kimberley ein solches für 2000 Betten zum Preise von 200 000 M.
Wenn erst mehr Comfort dort zu haben, die Bewaldung eine
bessere sein und dadurch die Extreme des Klimas mehr aus¬
geglichen sein werden, so wird Südafrika der beste Ort zur
Heilung der Tuberculose sein.
Die Pneumonie bei den Negern wurde früher für eine
besondere Krankheit gehalten; sie ist aber durch dieselben Er¬
reger, wie bei uns bedingt, nämlich A. Fraenkel’s Diplo-
coccus, Influenzabacilleu und Streptococcen. Sie verläuft bei
den Negern nur desslialb so furchtbar schwer, weil fast jeder
Neger Alkoholist ist. Der Alkohol ist überhaupt die
wichtigste Ursache der hohen Negersterblichkeit. Und die Eng¬
länder sollten hier eine Aenderung ihrer Handelsprincipien ein¬
führen.
Die Hauptursache des Zurückgehens der Negerbevölkerung
ist aber die hohe Kindersterblichkeit, welche auf die
künstliche Ernährung zurückzuführen ist; die Buren, deren
Frauen durchweg selbst stillen, haben nicht bloss eine enorme
Fruchtbarkeit, sondern auch eine sehr geringe Kindersterblich¬
keit. 12 Kinder sind nicht selten, 24 noch nicht das Maximum.
Daher ihre enorme Vermehrung.
Während Menschen seuchen in diesem Lande keine
grosse Rolle spielen, sind die Thierseuchen um so er¬
schreckender. So wurden z. B. durch eine nicht näher
charakterisirte Lungenseuche-in den siebenziger Jahren
von 3 Millionen Schafen der Kapcolonie 2 Millionen hingerafft.
Die Räude der Schafe ist neuerdings durch strenge
Desinfection mit Kalkwasser zurückgedrängt worden und wird
wahrscheinlich in einigen Jahren ganz aufhören.
Die Haematurie der Kinder (red water), eine Art
Malaria, wird bedingt durch einen kleinen in den Blut¬
körperchen lebenden Parasiten (Thomas Smith)
und wird mit Sicherheit durch Zecken übertragen;
eine Angabe, die R. Koch bestätigen konnte.
Die berühmte horse s i c k n e s s ist so furchtbar, dass es
Gegenden gibt, in welchen das Halten von Pferden fast unmög¬
lich ist. Die Ursache dieser merkwürdigen Krankheit ist un¬
bekannt. Die Absicht, etwas zu ihrer Erforschung zu thun,
wurde durch den Krieg vereitelt. Ihre Ueberstehung immuni-
sirt gegen weitere Infection.
Eine für alle Thiere gefährliche Krankheit ist die Zeze-
krankheit, welche in manchen Theilen so verbreitet ist, dass
man keinen lebenden Vierhuf er zu sehen bekommt. Sie wird ver¬
ursacht durch ein Protozoon, das im Blut der Thiere lebt und
mit Sicherheit durch die Zezefliege übertragen wird. Es
ist sehr unwahrscheinlich, dass man hiegegen eine Schutz¬
impfung finden wird, da es keine natürliche Immunität dagegen
gibt.
Sehr verbreitet ist auch der Milzbrand, was mit Rück¬
sicht auf die enorme Insolation des Landes merkwürdig ist. Es
werden vielfach P a s t e u r sehe Schutzimpfungen dagegen vor¬
genommen. Sehr gefährlich sind die im Sommer trockenen
Flussbette, so dass zuweilen von einer solche Flussbette passiren-
den Heerde fast jedes Thier an Milzbrand erkrankt.
Eine sehr grosse Rolle spielte die Rinderpest, welche
vor einigen Jahren vom Norden her in Südafrika einbrach und
mit verheerender Wirkung bis zu den Grenzen Betschuanalands
vorgedrungen war. Bedenkt man, dass in Südafrika ca. 9 Mil¬
lionen Rinder gehalten werden, so waren im Jahre 1895, als die
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Rinderpest mit ihrer Mortalität von 90—100 Proc. (I) auf trat,
ganz enorme Summen in Gefahr, nämlich 60—70 Millionen
Pfund! Daraus erhellt auch, welch’ ungeheurer materieller
Werth der Entdeckung innewohnt.
R. Koch erzählt, dass er gehört habe, bei einer früheren
Pestepidemie im Oranjefreistaat sei es gelungen, Rinder durch
Fütterung mit Galle an Pest gefallener Thiere
zu immunisiren. Dies ist zwar nicht richtig, da
Galle vom Darm aus nicht immunisirt. Immerhin brachte es ihn
auf die Idee, die Galle der an Pest gefallenen Rin¬
der anderen Thieren subcutan zu iüjiciren und sie
dadurch thatsächlich gegen Rinderpest immun zu machen —
eine ganz wunderbare Erscheinung. Die Immunisirung hält
zwar nur einige Wochen an, immerhin war es dadurch gelungen,
die Pest an den Grenzen von Betschuanaland und Natal auf¬
zuhalten.
K o 11 e gelang es dann weiterhin dadurch, dass er den ge¬
sunden Thieren auf der einen Seite vollvirulentes Blut von
kranken Thieren und auf der anderen Seite des Leibes
gleichzeitig Serum von hochimmunisirten Thieren
einspritzte, eine dauernde Immunität zu erzielen; die
Thiere bekamen auf die Einspritzung eine leichte »Infection
waren aber dann „gesalzen“, wie die Buren bei der Pferdekrank¬
heit sagen, und blieben dauernd immun. Für dieses grosse
Werk, das den vereinigten Regierungen Süd¬
afrikas ca. 45 Millionen Pfund, also rund eine
Milliarde Mark rettete, bekamen Koch und
Kolle nicht einen Pfennig!
Beide Herren hatten eben im Vertrauen auf die anständige
Gesinnung der Regierungen vorher ein Honorar zu vereinbaren
unterlassen. H. Kolm.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 15. Januar 1900.
Herr J. Schwalbe richtet namens der Redacfionsconi-
mission der Vereinsberichte an die Mitglieder die Bitte, die
Stenogramme pünktlicher zurückzusenden und ersucht dabei,
die heutzutage einreissende Unsitte eigenmächtiger Abkür¬
zungen, wie z. B. der Basedow, der Addison, das Coli, der
Kümmell, möglichst zu unterlassen.
Demonstrationen.
Herr v. Leyden: Ein Aneurysma aortae, welches intra
vitam nur wenig Symptome gemacht hatte, Parese des linken
Stimmbandes und Singultus, sodass man zuerst an eine hysterische
Affeetion dachte. Dyspnoe. Das Röntgenbild sicherte nunmehr die
Diagnose. Später Stridor, der nachweislich links entstand durch
Druck auf den linken Bronchus; Verlangsamung der Athmung
durch Verengung der Luftwege, zeitweises Absinken der Athmung
auf 7 Respiratonen in der Minute. Die Dyspnoe eine exspiratorische.
Zur Aetiologie bemerkt Vortragender, dass er die Syphilis nicht
als Ursache der Aneurysmen anerkennen kann, der Tod erfolgte
unter Respirationslähmung mit einige Zeit anhaltender Fortdauer
der Herzthätigkeit. Dass die Herzthätigkeit noch einige Stunden
nach Aufhören der Athmung anhält, soll beobachtet sein, nament¬
lich bei asphyktiseh geborenen Kindern, wo selbst bei der Autopsie
noch zuckende Bewegungen am Herzen beobachtet worden sein
sollen. Vortragender weist auf die Bedeutung solcher Beob¬
achtungen für die Erklärung von der Automatic des Herz¬
muskels hin.
Discussion: Herr A. Fraenkel weist auf die Wichtigkeit
des Olliver'schen Symptoms hin. Dasselbe kommt aber ausser
bei Aneurysmen (Fortleitung der Pulsation auf den linken Bronchus)
auch bei Mediastinaltumoren oder Lungentumoren vor.
Für die exspiratorische Dyspnoe bei Aneurysmen komme die
Schwellung der Bronchialschleimhaut und deren ventilartige Vor¬
wölbung bei der Exspiration in Betracht.
Die Syphilis halte er mit allergrösster Wahrscheinlichkeit
für eine wichtige Ursache der Aneurysmen; er theile darin
durchaus Heller’s Ausführungen.
Was die Gelatininjectionen anlangt, so habe er 6 Fälle so be¬
handelt. Zwei mit gutem Erfolg. Wie viel davon auf die Liege -
cur kommt, lasse sich nicht entscheiden. Immerhin sei es eben
leichter, unter Anwendung dieser Injectionen zu einer längeren
Liegecur anzuhalten.
Herr v. L e y d e n ist bezüglich der Gelatine ganz derselben
Meinung und hält deren Wirkung für theils psychisch, theils durch
die Liegecur bedingt; ebenso aber auch die einer Inunctionscur.
Herr O. Benda weist darauf hin, dass Heller s Ansichten
auf dem Aerztetag in München von keinem der anwesenden Patho¬
logen getlieilt wurden.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
137
Herr C. Ben da und Herr A. Fraenkel: Sectionsbefund
von linksseitiger Hemia diaphragmatica bei einem 7 jährigen
Knaben. Die Diagnose war im Leben nicht gestellt worden.
Tagesordnung.
Herr Lippmann: Ueber Rückfälle.
Vortragender setzt- in ausführlicher Weise auseinander, dass
es sich bei den Rückfällen von Krankheiten für gewöhnlich
nicht um Reinfectionen, sondern um ein Wiedorauffiackern
latenter Herde handeln. Auch den unklaren Begriff der ver¬
mehrten Disposition nach Ueberstehung gewisser Krankheiten
z. B. Rheumatismus, kann man durch den klaren der latenten
Herde ersetzen. II. Kolm.
Wiener Briefe.
Wien, 20. Januar 1900.
Die neue medicinische Rigorosenordnung. — Die erste
Hilfe bei Eisenbahnunfällen. — Intermittirender Exophthal¬
mus und ausgebreitete Phlebektasien im Bereiche der Jugular-
venen. — Die Pesterkrankungen auf dem Lloyddampfer
„Berenice”.
Die neue medicinische Prüfungsordnung, deren Grundzüge
wir jüngst an dieser Stelle erörtert haben, steht noch immer im
Mittelpunkte der ärztlichen Discussion. Die medicinischen
Fachblätter Wiens bringen längere Betrachtungen über die neue
Rigorosenordnung, der Referent der medicinischen Angelegen¬
heiten im Unterrichtsministerium, Ilofrath Prof. Sigmund
E x n e r (Physiologe), hat letzten Freitag in unserer Gesell¬
schaft der Aerzte über dieses Thema einen Vortrag gehalten
und das Unterrichtsministerium selbst hat seither eine Reihe
erläuternder Instructionen kundgemacht, um eine entsprechende
und gleichmässige Durchführung derselben zu sichern.
Die Fachblätter kritisiren die neue Rigorosenordnung, der
Medicinalreferent nimmt sie naturgemäss in Schutz und be¬
zeichnet sie als wesentlichen Fortschritt. Die Prüfung aus all¬
gemeiner Biologie bei erstem Rigorosum halten die Fachblätter
für eine überflüssige Erschwerung und Verschlechterung des Zu¬
standes, ebenso die sogen. „Uobersichtsprüfung“ über Anatomie
oder Physiologie beim zweiten Rigorosum. Die Vermehrung
der Prüfungsgegenstände, sogar um specialist ische Fächer, ge¬
nügt dem einen Kritiker noch nicht, er hätte cs gerne gesehen,
wenn die wichtigen physikalischen Heilmethoden, also Hydro-,
Elektro- und Mechanotherapie (Massage) als weitere Lehr- und
Prüfungsgegenstände auf genommen worden wären, ein anderer
Kritiker dagegen bemängelt schon die Prüfung aus medi-
cinischer Physik, deren Inhalt er der Physiologie überliefern
möchte und hält den Curs über Impfkunde für einen schweren
Anachronismus, da der Professor der Kinderheilkunde die Tech¬
nik dos Impfcns demonstriren könnte. Einen ernsten Einwand
erheben mehrere Kritiker, indem sie darauf himveisen, dass von
gewichtiger Seite die Einführung eines obligatem einjährigen
Spitalsdienstes im Anschlüsse au die Promotion behufs Er¬
langung der Venia practieandi warm empfohlen wurde und dass
man hierauf keine Rücksicht nahm. Diese .Nichtbeachtung des
dringenden Wunsches der Aerzteschaft, zwischen Promotion
und Eröffnung der Praxis ein Arbeitsjahr am Krankenbette ein-
zusehalten, könne nur lebhaft bedauert werden. Endlich wird die
fast vollständige Aufhebung der Lernfreiheit an den medi-
cinisehen Facultäten Oesterreichs sehr beklagt.
Diese Betrachtungen in den Fachblättern sollen fortgesetzt,
desgleichen wird das Thema vor dem Forum der Gesellschaft der
Aerzte in Discussion genommen werden. Wir halten dafür,
dass sich schon der Herr Medicinalreferent Prof. Exner zu
spät mit seinem Vortrage eingestellt hat, dass eine Discussion
und eine noch so gerechte Kritik jetzt, nach der Publieation
der bezüglichen Verordnungen ,ziemlich oder sogar völlig zweck¬
los sein wird. Post festum! Man hätte die Grundzüge dieser
neuen Rigorosenordnung vor der offiziellen Verlautbarung der¬
selben zur Discussion stellen sollen, da man jetzt wohl nicht so
bald an eine Ummodelung derselben gehen wird. Jetzt wird man
Erfahrungen sammeln.
Es sei uns gestattet, noch auf einen Punkt aufmerksam zu
machen, der uns zeigt, wie intensiv das Studium der ein¬
zelnen Fächer sich gestalten soll. In der Instruction zu der
Verordnung wird unter anderem darauf hingewiesen, dass es
gewisse Grenzgebiete der Disciplinen gibt, um deren Prüfung
2 oder gar 3 Professoren streiten könnten. Da müssen die be-
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treffenden Lehrer ein Uebereinkommen treffen, wer dieses oder
jenes Gebiet vorträgt resp. prüft. „So wird es dem Ueberein¬
kommen überlassen, oh Embryologie vom Anatomen, Histo-
logen oder Physiologen geprüft wird, wo innerhalb der zu
prüfenden physiologisch-chemischen Methoden die Grenze der
Gebiete des Chemikers und des Physiologen ist, ob also z. B.
die Bestimmung des spezifischen Gewichtes
des Blutes, seines Haemoglobingehaltes, der
Blutkörper c h c n zahl u. s. w. dem Ersten oder dem
Zweiten zufällt, ob die Grundzüge der Bacteriologie zu der all¬
gemeinen und experimentellen Pathologie, der pathologischen
Anatomie oder der Hygiene gerechnet werden“ etc. Diese In¬
struction zeigt, uns also, welche Ansprüche die Prüfer an die
Rigorosanten in Zukunft stellen werden, resp. stellen werden
müssen. Es genüge der blosse Hinweis, der geehrte Leser
möge sich selbst den Commontar dazu machen.
Trotz aller Vorschriften, trotz zahlreicher Bahnärzte,
Rettungskästen etc. hat es sich hei grösseren Eisenbahnunfällen
immer wieder gezeigt, dass die ärztliche Hilfe sehr spät in aus¬
reichender Weise intervemrte, dass das Verbandmaterial un¬
genügend war, dass der Weitertransport der Verletzten nicht be¬
friedigte — kurz, das Publicum stets reichlichen Anlass zu Be¬
schwerden hatte. Die Verwaltung unserer Staatsbahnen hat
daher letzthin angeordnet, dass in allernächster Zeit in den
Maschinenstationen der k. k. üsterr. Staatsbahnen, in welchen
behufs erster Hilfeleistung hei Eisenbahnunfällen Hilfszüge mit
den nöthigen Requisiten bereitstehen, eigene Rettungs¬
wagen aufgestellt werden. Diese Wagen, deren Gesammtheit
sieh vorläufig auf 40 Stück belaufen wird, werden ausschliess¬
lich für die ärztliche Hilfeleistung und für die Ueberführung
der Verletzten eingerichtet, zu welchem Zwecke die schon bis¬
her bei den ITilfszügen befindlichen grossen Rettungskästen
und je 8 Trägheiten liehst anderen Utensilien in denselben unter¬
gebracht. werden. Gleichzeitig wird in allen Maschinenstationen
ein Theil des daselbst stationirten Personals, welches über die
erste Hilfeleistung bei Unfällen und plötzlichen Erkrankungen
vor der Ankunft eines Arztes bereits den allgemein vor-
goschriebencn praktischen Unterricht erhalten hat, noch ein¬
gehender belehrt und oingeiiht und sodann zu eigenen Sani¬
tätscorps organisirt werden, welche in der Lage sein werden,
ohne Verzug am Unfallsorte zu erscheinen und unter ärztlicher
Leitung den Verunglückten die sachgemässe erste Hilfe zu
leisten. Die Vertheilung der Rettungsapparate in den einzelnen
Stationen, sowie deren Einrichtung und Instandhaltung im
Sinne der bestehenden Vorschriften wird auf sämmtlichen öster¬
reichischen Bahnen durch eine fortwährende Controle über¬
wacht.
Einen seltenen Fall von intermittirendein Exophthalmus
und ausgebreiteten Phlebektasien im Bereiche der Jugularvenen
stellte Dr. R. II i t s c hm a n n der Gesellschaft der Aerzte vor.
Der 23 jährige Mann besitzt eine grosse Struma, die zum Tlieile
auch substernal gelegen ist. Unterhalb des rechten Ohrläpp¬
chen eine kleinapfelgross«*, flach höckerige Geschwulst, die sieh
leicht, eomprimiron lässt und nicht, schmerzhaft ist; die Haut
darüber normal. An der Stirne deutlich pulsirende Arterien
und erweiterte Venen; die Geschwulst setzt sieh bis in die Stirn¬
gegend fort, pulsirt aber nicht. Comprimirt man die Jugular-
vene unterhalb der Geschwulst, so tritt diese mächtig hervor
und gleichzeitig tritt der rechte Bulbus langsam und stetig vor.
Nach ca. 15 Secunden hat dieser Exophthalmus sein Maximum
erreicht; hört die Oomprcssion am Halse auf, so sinkt der Bul¬
bus wieder zurück, ja sogar auf leichten Druck tiefer in die
Orbita hinein als auf der anderen Seite. Am harten Gaumen
und an der Zungenspitze befinden sich ebenfalls kleine blaurothe
Knoten, offenbar durch erweiterte. Venen bedingt.
Der Vortragende erörterte eingehend die Gefüssverhältnisse
an diesem Auge, wies auf die, bisher bekannten Fälle ähnlicher
Art hin und führte die Entstehung des intormittirenden Ex¬
ophthalmus auf Dilatation der Orbitalvenen zurück, wozu noch
eine Erschlaffung derjenigen Fascien kommen müsse, welche den
Augapfel an die Orbitalränder befestigen, resp. in Suspension
halten.
Die neueste Kummer des Oesterr. Sanitätswesen vom
18. Januar 1. J. enthält eine interessante Abhandlung über die
Pesterkrankungen auf dem Lloyddampfer „Berenice“ und die
sanitäre Behandlung derselben im Seclazarcthe zu St. Barto-
lomeo bei Triest. Die ausführlichen Krankengeschichten lieferte
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
1 38
der Schiffsarzt Dr. D i t. tricli. 4 Erkrankungen, die siimmt-
licli letal endeten. „Bei Allen haben die Prodromalerseheinung'en
gefehlt, oder sie waren nur kurz angedeutet. Alle 4 erkrankten
fast plötzlich und mit sieh sehr früh nianifestireiiden Locali-
sationen (Bubo). Diese erschienen bei den ersten 2 in den
Leisten, beim Kind unter der Achsel und beim 4. Falk* (32 jähri¬
ger Schiffskellner) seltsamer Weise am Halst«, was ich nur bei
Kindern gesehen habe. Es waren also alle Bubonen formen mit
Ausnahme der oubitalen vertreten. Von (Vmplieationen sind
nur 2 zu erwähnen: 3 Oarhunkcl auf der Oberlippe und eine
kurzdauernde Lähmung des Sphinetcr vesicae.“ Anhaltende
Kaltwasserbehandlung, da jedes Antipyretieum Brechreiz oder
Erbrechen hervorruft. Ein Kranker verweigert hartnäckig auch
diese Behandlung.
Ueber die sanitäre Behandlung des Schilfes im Seelazarethe
haben wir bereits ausführlich berichtet.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Soci6t6 de Th6rap£utique.
Sitzung vom C. Docember ]X99.
Die Indicationen des Pepsins.
Aus dem langen Berichte, welchen A. R o b i n über dieses
Thema bringt, ist folgendes Hauptsächliche hervorzuheben: Das
Pepsin ist angezeigt: 1. bei der Dyspepsie der Kinder, 2. bei den
Erwachsenen mit Hyperaeidität, wenn a) die Menge der Salzsäure
nicht im Verhältniss mit der Menge des sccernirteii Pepsins stellt
und b) die Hyperaeidität mit Pepsinurie begleitet ist und diese zur
Zeit der Verdauung nicht zuniinint. 3. bei <ier Ilyporacidität, wenn
die Pepsinurie nicht vorhanden ist und 4. schliesslich beim chro¬
nischen Magenkatarrh, R. gibt im Allgemeinen sehr hohe Dosen,
nämlich 1—2 g Pepsin am Schlüsse jeder Mahlzeit. Dem sehr be¬
schäftigten Praktiker, der eine genaue chemische Diagnose nicht
machen kann, riitli er, in den meisten Fällen von Dyspepsie Pepsin
zu gelien, jedoch damit aufzuhören, wenn der Kranke gar keinen
Nutzen von diesem Mittel hat (sie!).
F rcquy hebt hervor, wie verschiedenartig der Werth des
im Handel verkommenden Pepsins sei, so dass bei einem Patien¬
ten das eine sehr wirksam war, während («in anderes Präparat
völlig ohne Erfolg blieb.
Pouehot. hält, es für unmöglich, auf einmal während der
Mahlzeit eine genügende Menge Pepsin zu geben, da dasselbe im
Magen fortwährend mit vorübergehenden Exacerbationen secer-
nirt wird; Rohin erinnert daran, dass (1. See das Pepsin auf
3 oder 4 mal während jeder Mahlzeit nehmen liess.
Frömont hat an Thieren festgestellt, dass die Secretion
von Salzsäure und Pepsin von einander unabhängig ist, ferner
gezeigt, dass bei Hyperaeidität sehr intensive Magengährimg vor¬
handen ist. während dieselbe bei Hypoaeidität viel seltener ist.
Pm die Magengährimg zu hindern, ist Salzsäure bei Hyperaeidität
nicht angezeigt, jedoch sehr wirksam bei verminderter Säure¬
bildung, besonders bei hebernden Kranken.
II u o h a r d liat sehr gute Erfolge mit Salzsäure in ganz
kleiner Dosis (0.3 :000,0, ein Lhiueiirglas am Schlüsse jeder
Mahlzeit), verschreibt nie Amara bei Dyspepsie und constatirt,
dass man die Salzsäure durch Milchsäure u. s ,w. ersetzen kann.
Robin bricht schliesslich völlig den Stab über die Salz-
siiurcmedieation. welche nun völlig abgethan sei. sie könne un¬
möglich die Salzsäure im Magen ersetzen, könne bloss bei
schwachen Dosen Erfolg geben und zwar ohne Zweifel durch
Verhinderung der Salzsäurcabsonderung; ein Gemisch von
Schwof cf- und Salpetersäure (2,4 : 0,8 auf 18,0 Alkohol) sei ihr
jedenfalls vorzuziehen.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Edinburgh Medico-Chirurgic&l Society.
Sitzung vom 1. November 1899.
Die Untersuchung des Blutes bei Krankheiten.
E. L. Gull and machte zu diesem Thema folgende Bemerk¬
ungen: Aus der Zahl lind Beschalfenheil der rothen Blutkörperchen
ist im Allgemeinen nicht viel zu entnehmen , da sie in den ver¬
schiedensten Affectionen, z .1». Haemorrhagien ans Ilaenmrrlmiden,
Magenkrebs und Septikämie die gleichen Verhältnisse darbieten ;
doch ist ihr \ erhalten zur Erkennung der Schwere des jeweiligen
Falles nützlich, llaemoglohingchalt und Heichthum an rothen Blut¬
körperchen gehen gewöhnlich Hand in Hand, nur bei der perni¬
ziösen Anaemie findet, eine relative Steigerung 1 des Ilaemoglobin-
gehaltes statt.
Aus der Zahl der Blutplättchen ist weniger zu entnehmen,
ebenso aus der Fibrinbildung, wenn auch diese zur Unterscheidung
zwischen Eiterung und maligner Neubildung nützlich ist, indem bei
erstcrer Affection eine Vermehrung slatttindet, während die Menge
bei Neoplasmen unverändert i«t. Die wichtigsten Aufschlüsse erhält
man aus dem Verhalten der weisson Blutkörperchen, Eeukncytose
und Leukopenie. Als ein paradigmatisrhes Beispiel führt G. fol¬
genden Fall vor: Ein junger Mann, der eine rein kosmetische Ope-
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ration durchgomaclit hatte, erkrankte am 5. Tage p. o. an Fieber,
wofür, keine Erklärung gefunden werden konnte. G. constatirte
am 7. Tage eine Verminderung der rothen Blutkörperchen auf
2000000 mit ca. 30 Proe. des Ilnomoglobingchalts und 24200 weissen
Blutkörperchen , welche fast sämmtlich polymorphe Kerne hatten.
Diagnose: Septikiimie. Trotz Eröffnung der Wunde, an der eich
nichts Abnormes fand, und Inject ion von Antistreptococcenserum
erfolgte am 9. Tage der Tod. Zur Begründung der Diagnose führt
G. an, dass Influenza keine Leukocyto.se hervorruft, dass Tonsillitis
nicht eine so enorme Abnahme der rothen Blutkörperchen bewirken
könnte, und Ilaomorrhugten andererseits nicht eingetreten waren.
Ferner berichtet Redner über einen Patienten mit exsudativer
Pleuritis und Pericarditis, bei dem die Entstehung auf rheumatischer
Basis wegen Mangels an Lcukncytose ausgeschlossen wurde. In
der That ergab sich bei der Autopsie miliare Tuberculose als Grund¬
lage der Krankheit.. Während bei Masern keine Vermehrung der
Lcukoeyten eintritt, findet sich bei 99 von 100 Fällen von Pneu¬
monie eine deutliche Leukocytose; sie fehlt nur bei den aller¬
leichtosten, sowie bei den schwersten, hoffnungslosen Erkrankungen.
Sehr wichtig ist das Auftreten derselben bei Perityphlitis (anglico
Appemlieitis', indem man daraus mit Zuverlässigkeit, auf Eiterbil¬
dung sehliossen kann. Ferner deutet sie in Fällen von malignen
Tumoren auf ein Fortschreiten rosp. Recidiviren des Leidens.
Malaria bewirkt wie Influenza) keine Steigerung der Leukocytenzahl.
Im Allgemeinen kann man an gefärbten Streichpräparaten für
praktische Zwecke genügende Anhaltspunkte finden. Ausser Me¬
thylenblau und den Säuren kommt Eosin hauptsächlich zur An¬
wendung. Bekanntlich sind die eosinophilen Zellen bei Pemphigus
und Dermatitis horpetiformis, namentlich aller bei Trichinosis ver¬
mehrt. Während dieselben normaler Weise etwa 5 Proc. betragen,
hat man sie bei letzterer Affection bis auf 68 Proc. steigen sehen.
XVIII. Congress für innere Medicin zu Wiesbaden.
Der 18. Congress für innere Medicin findet vom 18.—21. April
1900 statt.
Präsident ist Herr v. Ja k s c li - Prag.
Folgende Themata sollen zur Verhandlung kommen:
Am ersten Sitzungstage, Mittwoch, den 18, April 1900: Die
Behandlung der Pneumonie. Referenten: Herr v. K o r ii n y i -
Ofen-Pest und Herr P e 1 - Amsterdam.
Am dritten Sitzungstage. Freitag, den 20. April 1900: Die
Endocarditis und ihre Beziehungen zu anderen Krankheiten.
Referent: Herr L i 11 e n - Berlin.
Folgende Vortragende haben sich bereits gemeldet:
Herr N e u s s e r - Wien: Thema Vorbehalten. Herr W e n ke¬
il a e h - Utrecht: Feber die physiologische Erklärung verschiedener
Herz-Puls-Arhythmien. Herr K. Grube- Neuenahr - London:
Ueber gichtische Erkrankungen des Magens und Darmes. Herr
M. B r e s g e n - Wiesbaden: Die Reizung und Entzündung der
Nasensehleimhaut in ihrem Einliiisso auf die Athmung und das
Ilcrz. Herr S e h o t1 - Nauheim: Influenza und chronische Herz¬
krankheiten. Herr Martin M e n d e 1 s o h n - Berlin: Ueber ein
Herztonicum. Herr W eint r a u d - Wiesbaden: Ueber den Abbau
des Nucleines im Stoffwechsel. Herr Herrn. Hildebrandt-
Berlin: Feber eine Synthese im Thierkörper.
Theilnehiner für einen einzelnen Congress kann jeder Arzt
werden. Die Theilnehmerkarte kostet 15 Mark. Die Theilnehmer
können sieh an Vorträgen, Demonstrationen und Discussionen be-
theiligcn und erhalten ein im Buchhandel ca. 12 Mark kostendes
Exemplar der Verhandlungen gratis.
Mit dem Congress ist eine Ausstellung von neueren
ärztlichen Apparaten, Instrumenten, Präpa¬
rate n u. s. w.. soweit sie für die innere Medicin Interesse haben,
verbunden. Anmeldungen für dieselbe sind an Herrn Sanitätsrath
Dr. Emil P f e i f f e r - Wiesbaden, Parkstrasse 13, zu richten.
Verschiedenes.
Ueber das Saugen künstlich ernährter Kinder.
P f a u n d 1 e r wies vor Kurzem (pag. 1480 der Münch, med.
Wochcnsehr.) darauf hin, dass man heim Saugen der Brustkinder
die ..primitive Saugbewegung“, welche nur eine Füllung der
äusseren Milchwege zu Stande bringe, und eine Kaubewegung
zu unterscheiden habe, die sie auspresse, ..gewissennaassen aus¬
melke“. Er konnte mich weisen, dass kräftige Saugbewegungen
auf die seerelorische wie die motorische Thätigkeit des Magens
einen wesentlichen, fördernden Einfluss haben. Bei künstlicher
Ernährung erfordert nur die Schlauchflnsehe nctives Saugen, der
grosse Saugkorken gestattet dem Kinde eine fast passive
Nahrungsaufnahme, der Magen füllt sieli schneller und stärker,
als es sein sollte, das bekömmliche Nahningsmaximum wird leicht
überschritten, mul gerade in diesen Fällen beobachtet man am
häufigsten Fnruhe mul Erbrechen kurz nach dem Saugen, auf
die Dauer auch Ernährungsstörungen*
Der Vortheil, den der Saugschlauch vor dem Saugkorken
bietet, wird bekanntlich dadurch wieder illusorisch gemacht, dass
der erstere sich schlecht reinigen lässt.
Nun kann man auch am Saugkorken sehr einfach einen Wider¬
stand einschalten, der vollkommen genügt. Da in der Discussion
über den Vortrag P f a u n d 1 e Fs Niemand darauf hingewiesen
hat, hielt ich für angebracht, es nachzuholen.
Original frn-rri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
23. Januar 1900.
MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 139
Ganz allgemein wird die OelYmuig. so gemacht, dass mail eine
glühende Haarnadel durch die Kuppe des Saugkorkens sticht.
Diese Unterlässt ein kreisrundes Loch von etwa */ t mm Durch¬
messer, durch welches die Milch bei sehr geringem Druck in
häufigen grossen Tropfen, bei stärkerem hingegen, wenn man die
Flasche etwas nach abwärts geneigt hält, in vollem Strahl heraus-
tliesst. Dass daun die Milch zu leicht und zu schnell kommt, ist
keine Frage.
Die Säugöffnung muss vielmehr ein Schlitz mit dicht an¬
einander liegenden Rändern seiu, so dass die Milch nur im Augen¬
blicke des Saugens herausfliesst und mit dom Nachlass der Be¬
wegung der Strahl wieder abgeschnitten ist. Ich lasse ein spitzes
Messer oder die eine Klinge einer Scheore soweit durch die Kuppe
stechen, dass die Oeffnung 3—4 mm lang ist. Sobald die Klinge
zurückgezogen wird, verkürzt sieh natürlich der Schlitz. Man
gibt dem Kinde die Flasche so in den Muml, dass der Schlitz der
Mundspalte parallel ist, damit er nicht beim Druck der Lippen
klaffe; das Milchquantum ist vorher genau bestimmt. Nach
10 Minuteu siebt man nach, ob lind wie viel an demselben fehlt;
sehr oft fehlt trotz kräftigen Saugens noch nichts. Dann wird
der Schlitz ein wenig verlängert und das Experiment wiederholt,
bis die passende Länge gefunden ist.
Die Unruh e u n d das st a r k e E r b r e c li e n n a c h
dem Saugen hören dann sofort auf.
Sobald der Gummi an Klasticität oingobüsst hat, bricht er
leicht. Der Schlitz verlängert sich dann und die Mileli kommt zu
stark. Dann muss der Korken erneuert werden.
Dr. K i s e h o f s w e r d e r.
F r e <i u e n z der S c li w e i z e r m e d i e i n i s c h e n F a -
c u 11 ä t e n. W.-S. 1899/1000. Basel 130 männliche, 3 weibliche
Studirende; Bern ISO m., 144 w.; Genf 2<>2 m.. 125 w.; Lausanne
00 m., 45 w.; Zürich 224 m., 124 w. In Summa 1255 iS44 m., 411 w.j
Medicinstudirende, darunter 032 (008 in., 24 w.) Schweizer.
Therapeutische Notizen.
Haarschwund. Ein Haarwasser, dessen Anwendung bei
vorzeitigem Ausfall der Haare ohne specitische Ursache nach einer
Mittheilung von Gessner in der Revue de Therapie sehr gute
Resultate gibt, ist nach folgender Formel zusammengesetzt:
Rp.: Resorcin. 2,5,
€hloral. hydrat.
Acid. tannic. ää 5,0,
Tinct. benzoes 1,5,
Ol. Rieini 4,0,
Spirit, vini ad 250,0.
MDS. F. L.
Alopecia syphilitica. Zur Behandlung Iler Alopecia syphi¬
litica gibt G a u eher in der R i f o r m a m e d i c u vom 23. August 1*99
folgende Vorschriften: Das Haar ist kurz zu halten und der Ilaar-
boden abwechselnd mit den unten erwähnten Präparaten, Ein-
waschung und Salben, täglich zu bearbeiten.
Rp.: Sublimat. 0,2,
Chi oral, hydrat. 4,0,
Resorcin. 2,0,
01. Rieini 1,0,
Spirit, vini 90 proe. ad 200,0.
MDS.: Haarwasser.
ferner Rp.: Kalomel. 2,5,
Aeid. Salicyl. 0,5,
Vaselin ad 50,0,
M. f. ugt,
oder bei gleichzeitiger Seborrhoe und Pityriasis des Haarbode ns.
Rp.: Sulfur, praecip. 1,5,
Vaselin ad 30,0.
M. f. ugt. F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 23. Januar 1900.
— Das k. b. Staatsininisteriuin des Innern wird im Einver¬
ständnisse mit dem k. Staatsministerium des Innern für Kirchen-
und Sehulangelegenheiten im laufenden Jahre 23 Aerzten, welche
die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst bestanden haben, in
Bayern ihren Beruf ausüben, aber nicht in einer der drei Uni¬
versitätsstädte Bayerns wohnen, Aversalbetriige von je 250 M. be¬
willigen, um ihnen die Theilnahme an einem mindestens vierzelni-
täglgen, au einer der drei Landesuniversitäten stattfindenden,
bacteriologischen Curse zu erleichtern, wobei es jedem Einzelnen
überlassen bleibt, an welcher der drei Landesuniversitäten und
zu welcher Zeit des laufenden Jahres er einen solchen Curs mit-
niachen will.
Amtsärzte und praktische Aerzte, welche sich um solche Aver-
salbeträge bewerben wollen, haben ihre (Jesuche spätestens bis
15. Februar 1. Js. beim k. Staatsministerium des Innern eiuzu-
reichen.
— Im Kaiserlichen Gesundheitsamte trat dieser Tage unter
dem Vorsitze des Herrn Oberbaudirectors Hinckeldeyn das
von der Deutschen Gesellschaft für Volks¬
bäder berufene Preisgericht zusammen, welches über die ein¬
gegangenen Entwürfe zu Volksbädern entscheiden soll. Die preis-
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gekrönten Eni würfe werden vom 21. d. M. an einige Tage zur
öffentlichen Ausstellung gelangen.
- — Die Besorgnisse, die in der vorigen Woche wegen des
Schicksals der auf dem deutschen Postdampfer „Herzog“ befind¬
lich« n, für Transvaal bestimmten A mbulanzcorps gehegt wurden,
haben sich erfreiilieher Weise nicht bestätigt. Das Schiff ist mittler¬
weile in Loureiieo Marques angekommen und die Expeditionen,
nämlich die zweite vom deutschen rothen Kreuz ausgerüstete und
die zweite belgische Expedition haben ihre Reise nach lVätoria
fortgesetzt. —- Pie englischen Behörden waren also liberaler als der
Wortführer der Centralstelle des Rothen Kreuzes in Berlin, der in
einer den Zeitungen zmreM eil teil Uorrespondenz mit Bezug auf die
Nachricht, dass einer russisch-holländischen Sanitätsabordnung für
Transvaal Schwierigkeiten bereitet würden* gesagt hatte, „mail
könne vom sachlichen Standpunkt eine derartige Maassregel nur
mit Freuden begriissen“ und von dem oben erwähnten bel¬
gischen Corps als von einem „fragwürdig zusammengesetzten“
gesprochen batte, von dem es nicht Wunder nehmen könne, wenn
es englischerseits ein 'wenig näher auf seinen Ursprung untersucht
werden sollte. Solche von privaten Comitös getroffene Maass¬
nahmen dienten nur dazu, die von den „allein berechtigten
und befähigten“ Faetoren organisirten Hilfeleistungen „in ihrer
Thätigkeit zu hemmen und zu discreditiivn.“ Der Ton dieser
Correspomlenz ist geradezu nnmnassend und hat auch allseitige
Zurückweisung gefunden. Die belgische Expedition ist vortrefflich
ausgerüstet; sie besteht aus zwei belgischen und drei deutschen
Aerzten, aus einem belgischen Ookonomen, einem belgischen Apo¬
theker, sechs belgischen und sechs deutschen Kranken Wärterinnen
und zwölf belgischen und neun deutschen Krankenwärtern, und
führt für ist HM > Fr. chirurgische Instrumente und Medienmente und
für 2tHtU Fr. Lebensmittel mit sich. Unter den Aerzten befindet
sieh auch ein Münchener College, Privat docent Dr. Fessler, der
schon im türkisch-griechischen Krieg als Arzt einer Ambulanz sich
bewährte. Ho wäre die Feindseligkeit, mit der der Verfasser jener
Correspondenz den Schwestereinrichtungen sich gegemiberstellt, fast
nicht zu begreifen. Aber das Antwerpener Comite wurde auch aus
Deutschland, hauptsächlich vom Alldeutschen Verband, mitGoldmitteln
reichlich unterstützt und das scheint den Zorn jenes Herrn erregt zu
haben. Das ist derselbe Geist., der auch die deutsche Heilstätte in
Davos vom reinen Concurrenzstandpunkt aus bekämpft. Fs wäre wirk¬
lich an der Zeit, dass man sich bewusst würde, dass dieser gehässige
Ton gleichgerichteten Bestrebungen gegenüber, den wir schon aus
der ,,Heilstätteii-Correspondcnz“ zur Genüge kennen und jetzt in
dem Vorgehen gegen die belgischen Ambulanzen in verschärftem
Maasse wiederlinden, der Würde einer der Nächstenliebe dienenden
Gesellschaft nicht entspricht.
— Die „Lancet“ bringt in ihrer Nummer vom 20. ds. eingehende
militärärztlichc Schilderungen aus der Feder Sir William Mac
Cormac’s von der Schlacht bei C ölen so. Offenbar hat das
englische Sanitätscorps sich der schweren Aufgabe, die diese Nie¬
derlage ihm stellte, vollkommen gewachsen gezeigt. Trotz heftigen
Feuers wurden die Verwundeten auf dem Schlachtfeld aufgesucht,
sofort verbunden, mit einer die Art der Verwundung angebenden
Tafel versehen und dann nach dem Feldspital gebracht. Hier wur¬
den die leichteren von den schwereren Fällen gesondert, was durch
die genannte Tafel sehr erleichtert war und Letztere neu verbun¬
den und operirt. Ueher 800 Verwundete passirten am 15. December
das Feldspital; nachdem um 2 Uhr der Kampf eingestellt war, waren
um 0 Uhr Abends sämmtliche Verwundete vom Schlachtfeld herein-
geholt. Am 2. Tag nach der Sehlacht, am 17., war das Feldspital
geräumt und sämmtliehe Verwundete nach den Lazarethen und
Hospitalschiffen in Esteourt, Pietermaritzburg und Durban verbracht.
Mac Cormac fügt seinem Bericht eine reiche Casuistik bei.
— Pest. Britisch-Ostindien. In der Woche vom 9. bis 16. De¬
cember v. Js. hat die Zahl der Todesfälle an Pest wieder etwas
zugenommen; sie betrug 1686 gegen 1579 in der Vorwoche. Das
Ansteigen ist hauptsächlich durch die aus Hyderabad nachträglich
gemeldeten Fälle bedingt. — Zanzibar. An Bord eines am 12. Dec.
v. Js. in Zanzibar eingetroffenen deutschen Dampfers war laut
Sterberegister unterwegs eine Indierin an der Pest verstorben. Dem
Schiff, welches schon in Momhussa zum freien Verkehr nicht zu-
gelassen war, wurde in Zanzibar eine zweitägige Quarantäne auf¬
erlegt. Verdächtige Erkrankungen waren an Bord sonst nicht
beobachtet. — Brasilien. Zufolge einer Mittheilung vom 9. Januar
sind in Sao Paulo innerhalb der letzten zwei Wochen 10 Fälle von
Pest, davon 4 mit tödtlicheni Verlaufe festgestellt worden. —
Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des Nationalgesundheits-
raths zu Asuncion kamen vom 17. bis 24. November v. Js. 3 er¬
wiesene, 5 verdächtige Erkrankungen und 1 Todesfall an der Pest
zur Anzeige, vom 25. November bis 1. December 5 erwiesene Er¬
krankungen, 1 verdächtiger Krankheitsfall und 4 Todesfälle, vom
2. bis 9. December 1 Erkrankung und 2 Todesfälle. Nach derselben
Quelle sind bis zum 24. November dort 100 erwiesene Fälle von
Pest (von denen 46 mit dem Tode endeten) vorgekommen, und
zwar wurden beobachtet im Militärspital bis zum 4. September 28
(14), sonst im September 25 <7), im October 32 (19), im November
15 (6). — Neu-Caledonien. In Numea sind am 26. December v. J.
25 Pesterkrankungen mit 15 Todesfällen festgestellt worden, vom
26. bis 31. December 12 Erkrankungen und 6 Todesfälle.
V. d. K. G.-A.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
140
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
— Nicht allein London (s. vor. No.), sondern noch viele andere
grössere englische Städte sind zur Zeit von der Influenza heim-
gesucht und weisen daher, im Gegensatz zu gewöhnlichen Zeiten,
sehr hohe Sterblichkeitsziffern auf; so betrug die Sterblichkeit aufs
Jahr und 1000 Einwohner berechnet in Portsmouth 42,11, in Ply¬
mouth 49,7, in Croydon 40,5, in Brighton 44,9, in Nottingham 40,8,
in Preston 42,5.
— In der 1. Jahreswoche, vom 31. Dec. 1899 bis 6. Januar 1900,
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste
Sterblichkeit Danzig mit 33,9, die geringste Ulm mit 9,7 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen Btarb an Masern in Köln, Mühlheim a. Rh., Plauen;
an Scharlach in Borbeck, Duisburg; an Diphtherie und Croup in
Görlitz.
— Aus Anlass der Eröffnung der Lungenheilstätte in Belzig
hat Geheimrath v. Leyden den Itotlien Adler-Orden II. CI. mit
Eichenlaub, Geheimrath B. F r ii n k e 1 denselben Orden UL CI.
mit der Schleife erhalten.
(Hochschulnachrichten.)
M ii n c h e n. Am zahnärztlichen Institute der k. Universität
München werden 3 Abtheilungen errichtet, eine Abtheilung für
Zahn- und Mundkranklieiten, eine Abtheilung für conservirende
Zahnheilkunde und eine Abtheilung für Zahntechnik. Die
Leitung der Abtlieilung für Zahn- und Mundkranklieiten wurde
dem Institutsvorstande, ausserordentlichen Professor Dr. Jacob
Berten, dann die Function eines ersten Lehrers am zahn¬
ärztlichen Institute und Leiters der zalintechnisclien Abthei¬
lung desselben dem Privatdocenten für Zahnheilkunde ah
der kgl. Universität München Dr. Gottlieb Fort lind die
conservirende Zalmheilkunde an diesem Institute dem approbirten
Zahnarzt und dermaligen prakt. Zahnarzt in Braunschweig, Hof¬
zahnarzt Dr. Otto Walk ho ff übertragen; zugleich wurde der
erste Lehrer, Privatdoceut Dr. Port, mit der Stellvertretung des
Institutsvorstandes betraut.
Genua. Ilabilitirt: Dr. G. Lusena für allgemeine Patho¬
logie.
Neapel. Habilitirt: Dr. A .Z i n n o für allgemeine Patho¬
logie, Dr. A. Virdia für chirurgische Anatomie und operative
Medicin, Dr. E. Rossi für chirurgische Pathologie, Dr. G. Pic-
c o 1 i für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Ofen - Pest. Der a. o. Professor an der med. Facultüt
zu Tübingen, Dr. M. v. Lenhossö k, wurde an Stelle des ver¬
storbenen Prof. Mihalkovicz zum o. Professor der Anatomie
ernannt. Habilitirt: Dr. W. Friedrich für Gewerbekrank¬
heiten.
St. Petersbu r g. Habilitirt an der militär-medicinischen
Akademie: Dr. L. P o p e 1 s k y für Physiologie, Dr. D. Kurajeff
für medicinische Chemie, Dr. C. Georgiewsky für innere
Medicin.
Prag. Habilitirt: Dr. A. He ve roch für Neurologie und
Psychiatrie an der czecliisclien med. Facultüt.
Tnri n. Habilitirt: Dr. J. A r s 1 a n und G. Strazz a für
Oto-Rhino-Ln ryngologie.
Amtliches.
Der Berliner Polizeipräsident hat unterm 1. Januar 1900
folgende Verordnung erlassen:
Auf Grund der §§ 143 und 144 des Gesetzes über die allge¬
meine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Ges.-S. S. 195 ff.) und
der §§ off. des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März
1850 (G.-S. S. 205) wird hierdurch nach Zustimmung des Gemeinde¬
vorstandes für den Stadtkreis Berlin Folgendes verordnet:
§ 1. Gegenstände, Mittel, Einrichtungen und Methoden, welche
dazu bestimmt sind, die Empfängniss zu verhüten oder geschlecht¬
liche Erregungen hervorzurufen, dürfen weder öffentlich angepriesen,
angekündigt, noch in öffentlichen Anstalten (Badeanstalten, Cur-
anstalten und ähnlichen) in Anwendung gebracht werden.
§ 2. Gegenstände, Mittel, Einrichtungen und Methoden zur
Verhütung oder Beseitigung von Geschlechtskrankheiten oder der
Folgen geschlechtlicher Ausschweifungen dürfen weder öffentlich
angepriesen noch angekündigt werden.
§ 3. Gegenstände oder Mittel der in den §§ 1 und 2 bezeich-
neten Art dürfen in Schaufenstern oder in dem Publicum zugäng¬
lichen Localen nicht öffentlich ausgelegt, auch nicht durch Auto¬
maten verkauft werden.
§ 4. Verordnungen approbirter Aerzte, welche dazu bestimmt
sind, Gefahren für Leben und Gesundheit zu verhüten oder zu
beseitigen, werden von den Bestimmungen in den §§ 1—2 nicht
betroffen.
§ 5. Uebertretungen dieser Verordnung werden, soweit nicht
nach den bestehenden Gesetzen eine höhere Strafe verwirkt ist,
mit Geldbusse bis zu 30 Mark bestraft, an deren Stelle im Nicht¬
beitreibungsfalle verhältnissmässige Haft tritt
Correspondenz.
Nach längerer Abwesenheit zurückgekehrt, finde ich eine Er¬
klärung des Herrn Prof. v. Esmarch in der Münch, med.
Wochenschr. vom 26. XII. 1899 gegen meinen Artikel über die un¬
heilvollen Verhältnisse der medicinischen Klinik in Kiel. Den
Artikel hatte ich mit meinem Namen nicht unterzeichnet, um die
Ansicht nicht auf kommen zu lassen, dass er durch meinen früheren
verehrten Chef, Geheimrath Quiucke, veranlasst sei, der von
meinem Vorgehen absolut keine Kenntuiss hatte. Es handelte
sich auch nicht um persönliche, sondern um sachliche Fragen.
Die Person des Herrn Prof. v. Esmarch musste hinein-
gezogen werden, weil er die Ursache dieser unglücklichen Verhält¬
nisse ist. Statt auch nur eine der vielen angeblichen Unwahrheiten
und entstellten Thatsachen richtig zu stellen, verwaist Herr Prof,
v. E s m arcli nur auf seine künftig erscheinenden Erinnerungen,
deren Leserkreis naturgemäss ein beschränkter ist, und beschliesst
seine Ausführungen mit einem unqualifleirbaren Ausfall gegen den
Verfasser. Demgegenüber halte ich meine Darstellung vollständig
aufrecht; denn sie ist nach actenmässigen und feststehenden That¬
sachen gegeben. Sollte Herr Prof. v. Esmarch wirklich noch
im Zweifel darüber sein, so möge er sich an seine sämmtlichen
Facultätsgenossen wenden.
Kiel, 14. Januar 1900.
Dr. med. N ö 1 k e ,
früher Oberarzt an der med. Klinik zu Kiel.
Briefkasten.
Herrn Dr. Sc lim. in H. Ihre Anfrage, ob cs zulässig ist, dass
ein appr. Bader Keeepte verschreibt und ob für den Fall der Nicht¬
zulässigkeit eine Anzeige an das zuständige Bezirksamt von Erfolg
sein wird, bezw T . ob gegen den betr. Bader auf die diesbezügliche
Anzeige vorgegangen werden muss, ist dahin zu beantworten, dass
es unzulässig ist, wenn ein approb. Bacler Keeepte verschreibt.
Nach der Königlichen Verordnung vom 31. März 1899, die Verhält¬
nisse der Bader betr., £ 5 Ziff. 3 gehört zu den Befugnissen der
Bader „die erste Hilfeleistung bei sonstigen Erkrankungen, jedoch
mit Ausschluss der Verordnung innerer Arzneien.“
Badern, welche ihre Befugnisse überschreiten, kann das Bezirksamt
die Berechtigung zur Führung des Titels „Bader 4 entzogen werden;
zu einem s tra f re c li 11 i ch e n Einschreiten gegen die Bader wegen
Ueberscbreitung ihrer Befugnisse fehlen die nöthigeri gesetzlichen
Handhaben. Dagegen macht sich der Apotheker strafbar nach § 367
Ziff. 5 des Strafgesetzbuches, wenn er die Recepte von Badern an¬
fertigt, da er durch £ 20 Ziff. 3 der Verordnung vom 8. December 1890
Recepte von Personen, welche notorisch nicht zu den berechtigten
Medicinalpersonen gehören, unbedingt zurückzuweisen hat.
Personalnachrichten.
(B a y e r n.)
Niederlassung: Dr. Hans Kirchner, appr. 1896, als Augen¬
arzt in Bamberg. Dr. Albert Reichel, appr. 1898, in Bayreuth.
I)r. Jul. Gotthard t, appr. 1895, aus Weilburg a. L. in Zeil a.M.
Verzogen: l)r. Georg Adam von Zeil a.M. nach Kolmar.
Dr. Ernst Meixner von Michelau nach Liehtenfels (nicht
Birkenfels, wie es in No. 2 hiess).
Berufung: Zu der Function eines Mitgliedes des Kreismedi-
cinalausschusses von Oberbayern w r urde der praktische Arzt Dr.
Georg Ritter und Edler v. Dali’Armi in München berufen.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten fdr München
in der 1. Jahreswoche vom 31. Dec. 1899 bis 6. Jan. 1900.
Betheil. Aerzte 280. — Brechdurchfall 11 (6*), Diphtherie,
Croup 20 (14), Erysipelas 13 (5), Intermittens, Neuralgia interm.
3 ( - ), Kindbettfieber — (—), Meningitis eerebrospin — (—), Morbilli
372 (414), Ophthalmo-Blennorrhoea neonat. 1 (1), Parotitis epidem.
8 (3), Pneumonia crouposa 23 (17), Pyaemie, Septikaemie — (—),
Rheumatismus art, ae. 45 (27), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
5 (7), Tussis convulsiva 14 (16), Typhus abdominalis 2 (3),
Varicellen 19 (23), Variola, Variolois — (—). Summa 536 (531).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
(Berichtigung.) In der 44. Jahreswoche 1899 wurden irr-
thtimlicher Weise zwei Fälle von Variolois zur Anzeige gebracht
und in No. 4(5 d. W. veröffentlicht; von hier aus wurden sie auch
vom Kgl. Statistischen Bureau entnommen und in No. 2 des Jahres
1900 der medic. Wochenschrift unter „Morbiditätsstatistik der In-
fectionskrankheiten in Bayern: October und November 1899“ wieder
auf geführt. Die zwei Fälle von Variolois sind aber lediglich — wie
hiermit berichtigt wird — Varicellen.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 2. Jahreswoche vom 7. bis 13. Januar 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000.
Todesursachen: Masern 11 (6*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 2 (3), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 3 (—), Unterleibstyphus
1 (—), Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündung — (—),
Tuberculose a) der Lungen 28 (19), b) der übrigen Organe 6 (4),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 6 (4), Unglücksfälle 1 (4), Selbstmord — (2), Tod durch
fremde Hand 6 (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 196 (201), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 22,0 (23,1), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,6 (15,8).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck von E. Mühlthaler’g Buch- and KunBtdruokerel A.G., München.
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Original from
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Die Münch. Mc<l. Wochenschr. erscheint wöchentl.
in Nummern von durchschnittlich 4—5 Bogen,
l’rels In Deut«chl. n Oest.-Ungam vlerteljfthrl. 6 JC,
ms Ausland 7.50 JL Einzelne No. 60
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: Für die Rednetion
Ottostrasse 1. — Für Abonnement nn J. F. T.eli-
mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Belingen
an Rudolf Mossc, rromcnndejdntz 10.
äDKMISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ck. Blamier, 0. Bollinger, H. Carschnann, C. Gerhardt, W. ?, Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F. ». Wlnckel, H.». Zlenssen,
Freibarg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
M 5. 30. Januar 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
i\us der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Professor
Dr. F. Riegel iu Giessen.
lieber Resorption und Fettspaltung im Magen.
Von Dr. Franz V o 1 h a r d , Assistenzarzt an der med. Klinik.
Von den 3 Functionen des Magens, der secretorischen, der
motorischen und der resorptiven Function sind uns die beiden
erstoren in ihrem normalen und pathologischen Verhalten un¬
gleich besser bekannt, als die dritte. Zwar haben zahlreiche
Forscher [1] die Resorption im Magen — meist des Hundes —
untersucht, und v. M e r i n g [2] sowohl wie Moritz [3]
sind dabei u. a. zu dem höchst überraschenden Ergebnis» gelangt,
dass diese Function des Magens — der Wasser gar nicht, Zucker
z. B. nur aus ungewöhnlich concentrirter Lösung, Alkohol sehr be¬
gierig resorbirt — von einer viel geringeren Bedeutung ist, als
man bisher gemeinhin annahm. Allein gerade durch diese exacten
Untersuchungen wurde die einzige Methode, welche man bisher
zur klinischen Prüfung der in Rede'stehenden Function besass,
als unbrauchbar erkannt.
v. Mering [4] wies durch überzeugende Versuche nach,
dass diese von P e n z o 1 d t [5] und F a b e r angegebene Methode
der Resorptionsprüfung durch Eingabe von Jodkali und Be¬
stimmung des Zeitpunctes der ersten Jodreaction in Speichel oder
Ilam auf einer falschen Voraussetzung beruhe.
Im geschlossenen Magen wird Jodkali, wie schon Brandl [1]
für verdünnte, wässrige Lösungen dieser Substanz gefunden hatte,
gar nicht resorbirt, um so begieriger nach Verlassen des Magens
im Duodenum.-
Demnach ist diese Methode eher geeignet, die Bewegungs¬
energie des Magens zu prüfen, nicht aber die resorptive Thätig-
keit.
In der That hatten auch alle auf diese Methode basirten
Untersuchungen [6] über das Verhalten der Resorption im
kranken menschlichen Magen übereinstimmend nur das eine er¬
geben: Verlangsamung der Resorption bei Magendilatationen
wegen Pylorusstenose.
Ebenso ungeeignet erschienen v. M e r i n g [4] Versuche [7],
nach Einverleibung concentrirter. Zucker- oder Salzlösungen in
den Magen, aus Abnahme der Concentration auf Resorption zu
sehliessen, nachdem er selbst eine starke Verdünnung concentrir-
ter Lösungen durch Wasserabscheidung in den Magen bewiesen
hatte.
Um diese uncontrolirbare Fehlerquelle auszuschalten, kam
v. Mering [8] auf die ingeniöse Idee, der Zuckerlösung eine
Substanz als Begleitung mitzugeben, welche vollständig gleich-
massig vertheilt, gleicnen Antheil nähme an der durch Wasser¬
abscheidung bewirkten Verdünnung und an der durch die moto¬
rische Thätigkeit des Magens bewirkten Verminderung der ein¬
geführten Gesamintfliissigkeit, dagegen im Magen nicht resorbirt
und nicht verändert werde.
Diese Bedingungen schien das Fett in Form einer feinen
und beständigen Emulsion zu erfüllen und v. Mering schlug
vor, zur Prüfung der Resorption eine Eigelbemulsion von hohem
Ti aubenzuckergehalt zu verwenden, da diese sehr leicht herzu¬
stellen und ausgezeichnet haltbar ist. Es leuchtet ohne Weiteres
ein, dass das Verhältniss von Zucker zu Fett in einer derartigen
No. 5.
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Emulsion weder durch Verdünnung geändert wird, noch durch
Verminderung der Gesammtmenge, vorausgesetzt, dass:
1. das Fett in der Emulsion ganz gleichmässig vertheilt ist,
2. das Fett im Magen keine Veränderung, keine Resorption
erleidet.
In der That fand v. Mering in mehreren gleichen Por¬
tionen einer Eigelbzuckeremulsion die gleichen Gewichtsmengen
Aotherextract, gleichgiltig, ob die Eigelbemulsion durch Pepsin¬
salzsäure der künstlichen Verdauung unterworfen war; er ge¬
wann aus dem doppelt unterbundenen Hundemagen in 2 Ver¬
suchen das als Eigelbzuckeremulsion eingeführte Fett nach
4 Stunden so gut wie quantitativ zurück, und er fand die Emul¬
sion nach dem Aufenthalt im Magen noch fein vertheilt.
v. Mering [4] untersuchte mit dieser Methode die Resorption
an 5 Gesunden und 7 Magenkranken, fand eine Resorption von
ca. 15 Proe. Traubenzucker in 2—2‘/ 2 Stunden und kommt zu dem
Schlüsse, dass bezüglich der Resorption bei gesundem und kranken
Magen kein nennenswerther Unterschied besteht, gemäss seiner
Auffassung, dass lediglich osmotische Kräfte, keine Lebensthätig-
keit der Schleimhaut, für die Resorption in Betracht kommen.
Die erste Mittheilung über seine neue Methode machte
v. Mering auf dem Congress für innere Medicin im Jahre 1897.
Schon im Winter jenes Jahres hatte Herr Dr. Grote, früherer
Assistent von Herrn Geheimrath Riegel, im Giessener medici-
nischen Laboratorium diesbezügliche Versuche angestellt, ohne zu
befriedigenden Ergebnissen zu gelangen. Bald darauf versuchte
ich, unabhängig von ihm, das Gleiche, und im Winter 1898 be¬
gannen wir gemeinsam von Neuem. Die meisten Schwierigkeiten
fanden wir darin, mit, der üblichen Methode, Trocknen auf Sand
und Extraction im S o x h 1 e t’schen Apparat, übereinstimmende
Fettanalysen zu erhalten.
Unglücklicher Weise musste ich die 8 Versuche von einer
grossen Reihe, bei denen es endlich gelungen war, einigermaassen
stimmende Analysen zu erhalten, nachträglich ausschalten, weil
uns die Eigenschaft frisch bereiteter Zuckerlösungen, ganz er¬
heblich stärker das polarisirte Licht zu drehen, als ihrem Gehalt
an Dextrose entspricht, leider unbekannt war.
Dieser höchst mühsamen und zeitraubenden Methode der
Fettbestimmung — die Emulsion musste sehr lange und ganz
sorgfältig mit Sand getrocknet und die steinharte Masse äusserst
vorsichtig und fein pulverisirt werden, um leidlich brauchbare
Zahlen zu erhalten — wurde ich durch die grosse Liebenswürdig¬
keit meines hochverehrten früheren Lehrers enthoben.
Herr Prof. v. Mering theilte mir nämlich gelegentlich
eines Besuches sein überraschend einfaches und schönes Verfahren
der Fettbestimmung mit, wofür ich ihm nochmals meinen auf¬
richtigsten Dank ausspreche.
Ich habe nun eine grössere Anzahl von Versuchen an Ge¬
sunden und Kranken angcstellt, deren Ergebniss ich im Folgenden
mittheile. Leider verlor ich bei Beginn der neuen Serie die Mit¬
arbeiterschaft des Herrn Dr. Grote, der damals eine grössere
Reise antrat. Ich möchte aber nicht verfehlen, ihm auch an
dieser Stelle für seine liebenswürdige und werthvolle Hilfe bei
zahllosen, leider vergeblichen Versuchen meinen allerherz¬
lichsten Dank zu sagen.
Die Fettbestimmung in der Eigelbemulsion vor und nach
ihrem Aufenthalt im Magen geschah nach der von v. M e -
ring [4] jüngst veröffentlichten Methode:
1
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
142
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
10 ccm der Flüssigkeit wurden mit 15 g Kaolin und einer
Messerspitze Calciumcarbonat in einer Porzellanschale zu einer
bröckeligen Masse verrieben, nach einigen Stunden 10 g Natrium
sulfuricum purissimum siccum innig zugemischt und mindestens
24 Stunden stehen gelassen. Während derselben liess sich die
Masse ohne Mühe zu einem staubfeinen Pulver verreiben. Dieses
wurde im S o x h 1 e t’schen Extractionsapparat 8 , später 24 Stun¬
den extrahirt. Der Rückstand im Trockenschrank mehrere
Stunden getrocknet und gewogen.
Die Zuckerbestimmung geschah auf Rath Grote’s nicht
durch Titration, sondern durch Polarisation, nach Klärung der
Eigelbzuckeremulsion mittels HOI und Phosphorwolframsäure.
20 ccm der Flüssigkeit wurden in ein 100 ccm Messkölbchen
mit Pipette abgemessen, 5 —10 ccm concentrirte HCl und etwa
30—40 ccm 5proc. Phosphorwolframsäure zugefügt, und bis zur
Marke mit Wasser aufgefüllt. Hierauf wurde durch ein trockenes
Filter filtrirt, die erste kaum getrübte Portion wieder in der
Messflasche auf gefangen und das ganz klare, wasserhelle Filtrat
polarisirt, die abgelesene Zahl mit 5 multiplicirt. Da mehrfache
Drppelbestimmungen stets genau gleiche Zahlen ergaben, wurde
in der Versuchsreihe die Zuckerbestimmung nur einfach aus¬
geführt ! ).
Im Folgenden habe ich die Versuchsprotocolle in Form einer
Tabelle zusammengestellt. Ich habe absichtlich vermieden,
Mittelzahlen anzuführen, sondern bringe die Werthe in Milli¬
gramm für je 2 Fettanalysen aus der Stammlösung und der aus¬
geheberten Flüssigkeit, und in Folge dessen 4 mögliche Werthe
für resorbirten Zucker, von denen jedesmal der grösste und
kleinste procentisch berechnet wurde.
0 Die Fehlerquellen des Apparates waren klein und constant:
sie wurden an genauest hergestellten Lösungen von chemisch
reinem Traubenzucker geprüft und waren bei der Ablesung von
0—4 Proc. — 0, bei höheren Werthen —0,15 bis 0,2 Proc.
Haupttabelle.
1 Nummer
Fett
Zucker
auf 10 g Fett
R e sorbirter
Zucker
in g | in Proc.
Dauer des
Aufent¬
halts im
Magen
Stdn.
Menge des
Aus-
geheberten
ccm
name
magnose
mg in
Stamm
[0 ccm
Versuch
g in 100 ccm
Stamm j Versuch
kommen Zucker
in g
Stamm j Versuch
9
10
M. K.
Hysterie 530
Hyperacidität j, 530
Atonia levis
282
284
32,5
14,5
_ |
«1 39 ! 51 > 42
61,32 | 51,06
i
9,9
10,26
16,i
16,7
l l /2
300
Fr. P.
572
Carcin. hepatis.
Achylia gastr.
315
300
35,75
19,5
6,24
6,19
6,50
0,5
0!
0,8
0!
17.
—
11
V.
l ! 637
Cystenniere
Cholelithiasis (f)
' 644
317
306
35
15,5
54,9
54,3
48,8
50,6
6,1
4,3
5,5
3.7
11,1
6,8
i
Vji 325
1
12
E. L.
Mitralstenose und ! 442
Insuff. Organische ■
Tricuspidalinsuff. |
108
114
31,5
7,5
71,2
70,0
69,4
65,8
1,8
5,4
0,6
4,2
7,6
0,86
17*
sehr gering
-f 100 H 2 O
13
M. K.
I 1 429
cf. No. 9
|| 422
li
282
317
270
272
33
19,5
16
76,9
78,2
69.1
61.2
7,8
9,1
15,7
17,0
10,15
21,7
72
70
59,2
58,8
17,7
19,0
18,0
19,4
23
24,8
17*
180
14
V.
I
508
cf. No. 11
508
294
276
179
168
31
16,75
8,25
61,02
60,69
56,97
0,33
5,05
0,54
8,27
7«
80
46,09
49,11
14,93
11,91
24.4
19.5
172
280
15
W. H.
■ 496
Hysterie ,
Anaemie 1
p 493
254
267
200
214
33,25
19,25
14,5
67,04
67,44
75,79
72,13
f
4
f
♦
7*
80
72,5
67,76
f
♦
»
♦
172
150
16
W. H.
il
; 478
|!
cf. No. 15
ij 470
298
310
174
148
34
21,25
13,75
71,13
72,34
71,31
72,13
1,03
0,21
1,42 1
0,29
V 2
110
79,02
93
i 1 i
♦
172
155
17
H. W.
fci \\ 530
Alkoholismus
1 538
| 324
290
38,5
24,25
___J
72,64
71,56
; 74,84
! 83,62
!
♦
i
♦
7*
80
18
H. W.
cf. No. 17
500
493
274
300
30,25
19,5
60,5
61,36
71,16
65,0
!
♦
t
♦
72
75
19
H.
Nephrodynie „
359
334
-
20,5
60,5
61,36
57,10
61,38
3,4
4,26
5,6
6,9
72
105
20
W. II.
i
1 514
cf. No. 15
530
l !
152
! 149
144
j 162
34,5
10,5
13,0
67,10
65,09
nS9,13~“
! 70,47
i 90,2
1 80,2
j
\
♦
f
♦
i
♦
7*
172
80
215
Digitized by
Gck 'gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
143
tu
a
Fett
Zucker
a u f 10
g Fett
Resorbirter
Dauer des
Aufent-
Menge des
Aus-
Name
Diagnose
i _
halts im
Magen
a
3
mg in
10 cc
g in 100 cc
Kommen zmcaer
in g
Zucker
geheberten
Stamm
Versuch
Stamm
Versuch
Stamm
Versuch
in g
in Proc.
Stdn.
ccm
21
M. G.
Chlorosis gravis
295
285
20
67,10
67,09
67,79
70,17
i
♦
f
♦
7»
90
155
9,25
61,66
5,44
3,34
7,42
6,41
5,27
V/2
175
150
59,68
11,06
560
358
56,69
3,55
6,26
22
Fr. D.
Neuralgie
31,75
19,0
53,14
'h
90
576
357
55,12
1,98
3,72
369
18,75
56,69
50,95
5,75
7,3
4,17
5,72
13
7,
90
380
55,12
49,4
7,5
23
E. K.
Chlorose
Mitral insuff.
199
176
7,5
37,69
„ t" ■" *"’• ‘ h
42,61
19,00
14,08
17,43
12,51
33,5
22,7
1 '/*
125
24
P.
Hernia
epigastriea
621
268
36
13,5
58,03
50,37
7,66
8,69
8,16
9,19
13,27
l l /2
_
615
274
58,53
49,34
15,8
260
58,03
48,08
9,95
8,63
14,9
25
Fr. D.
cf. No. 22
12,5
l»/2
—
253
58,53
49,40
10,45
9,13
16,1
Ren. mobilia
626
296
55,51
3,15
5,7
26
Frl. H.
34,75
15,5
52,36
l'/i
240
Hysterie
622
296
55,88
3,52
6,3
248
64,51
f
f
27
Frl. R.
Hysterie
16
„
r/2
260
237
67,38
i
545
244
62,96
63,52
—
—
28 j
|
C. W.
3
Hysterie
i_ _ i
540
255
34
15,5
62,29
60,78
2,18
1,51
3,46
2,4
V/2
260
249
62,25
0,71
0,04
0,064
29 j
K.
cf. 19
!
15,5
V/2
180
1
, i
252
” j
61,51
1,45
0,78
2,3
30
Frl. R.
cf. 27 |
KB. In den folgenden i
Versuchen wurde die <
556
! (0,5)
220
(5,8)
13,0
53,33
59,09
J
J
150
Acidität der Extracte 1
l>estimmt. Die eiuge-
klammerten Zahlen be- !
deuten ecmy 10 NNaOH.
596
| (0,5)
232
(6,1)
29,75
49,88
56,03
2
155
175
87,1
f
♦
t
♦
31
1
|
Fr. K.
Hysterie
”
174
(5,8)
13,5
77,0
2
210
1
200
(5,9)
67,5
658
' (0,6)
225
(6,0)
I
j
53,3
f
f
17*
32
C. W.
cf. 28
31,5
12,0
47,72
275
658
232
51,7
(0,6) j
(6,0)
33
B. L.
’i
Gastroenteritis
acuta j ”
278
(9,0)
309
(8,2)
”
15,0
-
53.2
48.2
?
♦
!
♦
l v»
265
34 ,
551
(1,0)
264
(6,4)
55,9
58,71
\
♦
♦
l'/a
Fr. K.
cf. 31
30,75
j 15,5
— •
i
554
(0,9)
250
(6,0)
1
1
!
55,5
62,0
197
(5,3)
58,37
—
—
35 j
H. R.
Psoriasis
208
«
11,5
-
55,29
0,61
1,1
Vfa
—
(5,4)
0,21
0,38
1 *
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
144
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5
(h
Fett
Zucker
auf 10
g Fett
Resorbirter
Dauer des
Aufent-
Menge des
Aus-
Name
Diagnose
_
kommen
Zucker
halts im
a
3
10 cc
g in 100 cc
geheberten
mg in
in
g
Magen
Stamm
Versuch
Stamm
Versuch
Stamm
Versuch
in g
in Proe.
Stdn.
ccm
36
:
E. G.
Skrophulose
Ekzem
578
( 0 , 6 )
575
( 0 , 6 )
171
(4,3)
156
(4,0)
30,5
8,0
52,78
53,04
46,78
51,28
6,0
6,26
1,5
1,76
11,8
2,8
l */2
125
37
M. A.
Hysterie
341
(5,3)
18,75
54,99
!
t
IV*
185
345
( 6 , 1 )
54,34
712
( 0 , 6 )
296
(7,2)
33,93
40,54
!
1
l '/2
38
E. G.
cf. 36
28,75
12,0
—
720
(0,7)
297
(7,5)
40,38
40,40
140
(3,7)
55,35
t
f
17*
39
H. R.
cf. 35
126
(3,3)
”
7,75
”
61,50
40
Fr. B.
Carcinoma
ventriculi
589
( 0 , 6 )
579
( 1 , 0 )
315
(8,5)
244
(6,9)
27,75
13,25
47,11
47,92
42,06
54,30
5,05
5,86
10,7
12,2
17*
150
222
(6,7)
58,5
—
—
41
Fr. J.
Tumor omenti?
i
„
276
))
13,0
»
47,10
0,01
0,021
i V*
160
(7,2)
1 0,82
1,1
662
( 0 , 6 )
224
(5,7)
41,16
36,83
4,33
3,72
9,17
l */2
42
K.
Achylia gastrica
672
1 (0,7)
229
(5,8)
27 25
8,25
40,55
36,03
5,13
4,52
12,4
263
(7,4)
34,60
6,56
5,95
15,9
43
H.
1
Hypochylia gastr. j
n
261
( 6 , 8 )
”
9,1
”
34,86
6,30
5,69
13,8
17 *
Ektasia ventr. Py¬
|| 562
! ( 0 , 8 )
197
(M)
50,71
45,68
5,03
3,97
9,9
8
44
Fr. W.
lorusstenose
28,5
9
17*
350
Motor. Insuff. H Gr.
574
( 0 , 8 )
170
(4,2)
49,65
52,94
—
—
680
( 0 , 8 )
137
(3,8)
42,64
76,71
\
t
200
45
K.
1
cf. 42
j
|\ 689
i ( 0 , 8 )
148
(3,9)
29
10,5
42,09
70,94
17*
1
275
(7,8)
41,81
0,83
0,28
0,67
17 *
46
Fr. W.
cf. 44
„
11,5
240
;
283
(8,9)
|
40,63
2,01
1,46
4,8
Carcinoma ventr.
| 460
315
58,15
56,34
1,81
3
47
Fr. Sch.
Ektasie. Stenosis j
j
26,75
17,75
17*
300
Pylori.
477
362
( 10 , 0 )
56,07
49,03
9,12
5,4
15,6
9,6
47a
Fr. Sch.
i
cf. 47 ;
577
1 ( 1 , 0 )
291
(6,4)
Eidottercmulsion ohne Zucker, das Ausgehebertc bildet eine
tojdenartipe, kaum messende Masse.
17 *
280
i 587
I 1 (0,7)
177
(4,5)
43,41
56,49
\
t
47b
M. H.
Hysterie
‘ 592
: (0,7)
174
(4,5)
25,7
10
43,81
57,47
17|
260
48
Fr. Sch.
cf. 47
598
(1,1)
263
(7,0)
29
13,75
48,49
52,28
1
♦
i
♦
4
450
49
_
J. M.
Ektasia ventr. !
Stenosis pylori,
(benigna).
1 554
| (i,o)
381
(6,24)
31
21,5
55,95
56,43
i
♦
1
♦
17*
285
50
1
A. S.
1
Hypochylia
, 809
j (1,0)
286
(7,6)
30
11,3
37,08
39,51
—
—
17 *
235
gastrica
!
, 802
(1,0)
326
(8,5)
37,40
34,66
2,42
2,74
6,5
7,3
Digitized by
Goi igle
Original ftom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
14b
v>
<S>
Fett
Zucker
auf 10
g Fett
Resorbirter
Dauer des
Aufent-
Menge des
Aus-
B
Name
Diagnose
_
halte im
Magen
B
3
mg in
10 cc
g in 100 cc
Kommen ziucKer
in g
Zucker
geheberten
Stamm
Versuch
Stamm
Versuch
Stamm
Versuch
in g
in Proc.
Stdn.
ccm
Carcinom ventric.
939
! (1,2)
301
(8,88)
35,67
26,57
9,10
9,53
26,7
51
J. W.
ad pylor. et curv.
33,5
8,0
2
280
minor.
944
1 (U2)
306
(8,88)
35,48
26,14
8,91
9,34
25,1
52
M. B.
Arthritis rheuma-
tica
986
(0,95)
966
356
(8,7)
330
(8,3)
27,5
10,65
27,89
28,46
29,91
32,27
t
♦
t
♦
2*/2
130
53
K.
Tabes dors. Hypo-
chylia gastrica
"
422
(11,3)
382
(10,5)
9,25
21,91
24,21
5,98
6,55
3,68
4,25
23
13,2
2»/*
180
! C. Sch.
967
(1,0)
354
(10,6)
27,92
29,66
f
I
54
Phthisis incipiens
27
10,5
2*/*
125
1
998
_(°^L..
288
(8,5)
27,05
34,45
55
! J. B.
Geheiltes Ulcus
ventric.
; „
177
(5,2)
256
1 (7,5)
-
7,3
n
41,24
28,51
!
♦
1
♦
2 v*
135
; 1209
1 (1.8)
160
(4,5)
23,16
37,5
t
1
56 j
M. B.
cf. 52 i
j
28
6
21/2
150
1
! 1194
L_(1l 3 )_.„
180
(5,0)
23,45
33,3
Tabes mesaraica?
465
1 (2,0)
207
(4,7)
49,68
41,06
7,3
15
57
M. K.
(Verdaute Eidotter-!
23,1
8,5
IV*
35
| emulsion 1)
l !
470
, (2,2)
153
(4,6)
49,01
55,55
—
-
Taenia 1
222
(0,4)
; 112
(3,7)
11,26
14,73
—
—
58
L. O.
i (verdaute Milch j
mit Lab gefällt) j
230
' (0,7)
169
(5,5)
25
17,5
10,87
10,35
0,91
0,42
8,1
3,8
iv*
125
Für das uns zunächst interessirende Ziel, der Untersuchung
der Resorptionsverhältnisse im Magen, ist das Resultat wenig be¬
friedigend.
Zunächst fällt am meisten auf, dass in einem grossen Theil
der Fälle von Gesunden wie Kranken gar kein Zucker resorbirt
zu sein scheint.
Resorptionstabelle I.
Laufende
Nummer
Name
Diagnose
.
Resorbirter
Zucker
in Proc.
Dauer des
5? Aufent-
p- haltes im
| Magen
15
W. H.
Hysterie, Anaemie.
—
IV*
16
» n
n w ......
—
iv*
20
n » .
—
IV*
27
Frl. R.
Hysterie .
—■
2
30
fj .* *
—
2
31
Fr. L. K.
—
IV*
32
Ch. W.
iv*
33
B. L.
Gastroenteritis acuta . .
l»/2
34
Fr. L. K.
Hysterie . ....
l‘/2
37
M. A.
n .
l*/2
38
E. G.
SkrophuloBe. Ekzem ....
_
11/2
39
H. R.
Psoriasis .
—-
IV,
45
H. K.
Achylia gastrica .
—
11/2
47b
M. H.
Hysterie
—
l*/2
48
Fr. Sch.
Carcin. ventr. Ektasie
Stenosis pylori ....
—■
4
49
J. M.
Stenosis (benigna) pylori.
Ektasie .
—
11/2
52
M. B.
Acuter Gelenkrheumatismus .
—
, 2V*
54
Ch. Sch.
Phthisis pulmon. incipiens . .
—
, 2 V*
55
J. B.
Geheiltes Ulcus ventr. .
—■
I 2‘/a
56
M. B.
Acuter Gelenkrheumatismus .
—
I 2*/2
[15]
W. H.
Hysterie, Anaemie .
—
[20] |
*i
. „ .
—-
1 V*
[21] |
| M. G.
Chlorosis gravis.
—
i V*
Digitized by Google
Resorptionstabelle n.
Laufende 1
Nummer
Name
Diagnose
Resorbirter
Zucker
in Proc.
alle 4 Werthe
berechnet
Dauer d.Aulent-j
haltes im Magen] |
Bemerkungen
St.
10
Fr. P.
Carcinoma hepatis
Achylia gastrica
0.0. 0,8
l«/2
28
Ch. W.
Hysterie .
0.0. 3,5 2,4
35
H. R.
Psoriasis.
0.0. 1,1 0,38
40
Fr. B.
Carcinoma ventric.
0. 0.10,7 12,2
41
Fr. J.
Tumor omenti ....
0.0. 1,1 0,02
44
Fr. W.
Ektasie. Pylorus¬
stenose .
0.0. 9,9 8
50
A. S.
Hypochylia gastr.
0.0. 6,5 7,3
57
! M. K.
Tabes meseraica . . .
0.0. 7,3 15
IV*
NB. verdaute Ei¬
gelbemulsion
■ 58
! L. Oe.
Taenia.
0.0. 8,1 3,8
11/4
NB. verdaute
Milch
[19]
H. K.
Nephrodynie.
0.0. 5,6 6,9
v*
47
Fr. Sch.
Carcinoma ventr.
Ektasie. Pylorus¬
!
I
stenose ....
0.3. 9,615,6
(Resorptionstabelle III siehe nächste Seite.)
In einem anderen Theil sind von den 4 möglichen Werthen,
retultirend aus den 2 Paar Fettzahlen für Stammlösung und für
ausgeheberte Flüssigkeit, 2 Werthe positiv zwischen 0,8 und
15 Proc. und 2 Werthe negativ = 0.
Im 3. Theile ist von Gesunden wie Kranken Zucker resorbirt
worden in sehr wechselnder Menge, von Spuren bis zu 33,5 Proc.
Von einer auch nur annähernd fixirbaren Mittelzahl für den Ge¬
sunden kami keine Rede sein. Sogar die erhaltenen Zahlen für
den einzelnen Versuch weichen meist soweit von einander ab,
dass es unerlaubt scheint, eine Mittelzahl zu berechnen, man ver-
Qriginal from 2
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
140
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Resorptionstabelle in.
Laufende 1
N u mrner
Name
| Diagnose
1
Zucker
resorbirt
in Proc.
Grenzwerthe
ii jii
jli“il4
Bemerk¬
ungen
I
Proc 1 St,
9
M. K.
Hvpcracidität
'
1 A t o n i a levis. Hysterie
10,1
16,7
3,0 1 '/■>
11
II. V.
] Cvstenniere (-|-) Chole-
j litliiasis.
11,1
0,8
39 .1 1 / 2
12
E L
j Herzfehler .
7,0
0,80
88,7 !l-/a
13
M. K.
j II y p e r a c i d i t ii t
i A t o n i a 1 o v. 1-Ivsterie
23
24,8
T.ätVl'/s
14
H V.
Cvstenniere <-}-) Chole-
! litliiasis.
24,4
19,5
20 Vh
15
M. G.
Chlorosis gravis . . .
5,27
11,00
52,3 'l'/s
23
E. K.
1 Chlorose, Mitralinsuff.
33,5
22,7
33,2 ii /-.*
24
H. P.
j Ilernia epigastrica . .
13,2
15,8
16,4 l'/*l
25
Fr. D.
: Neuralgie .
14,9
10,1
7,4 'r/,'
20
Frl. H.
' Ren. mnbilis. Hysterie
5,7
0,3
9,5 ’l'/•.*!
29
H. K.
i Nephrodvnie ...
0,004
2,3
97,2 l'/2
30
E. G.
j Skrophulose, Ekzem
11,8
2,8
70,2 .l'/al
42
II Kl.
j A c h y 1 i a g a s t r i e a .
9,17
12,4
20 1 7-j 1
40 1
Fr. W.
Ektasie. Stenosis
!
1
1 Pylori.
0,07
4,8 ;
so 1 17_>,
51 !
.T. W.
Care i n o ma v e n t r.
20,7
25,1
5,9 i2‘ sl
Gärung!
53 II K.
! H y p o e h v 1 i a g a s t r.
i
I
Tabes dorsalis . . .
23
13,2 1
12,0 2‘/2
Gärung !
[13];
M. K.
II y p e r a e i d i t ä t
1
i
Atonia lev. Hysterie
10,15
21,7 1
53,5 '/,
[14] |
II. V.
cf. 11.
0,54
8,27
93,4 '/,
r22]
Fr. D.
cf. 25.
0,26
3,72 !
40,5 i */s
i*s;
1
E. K.
i
cf. 23.
33,5
22,1 j;
!4 >/, |
• i
Fehlertabelle.
No.
Differenzen in
mg zwischendei
2 Werthen der
AetUerextrncte
der j des
Stamm- Ausge-
lösung hebert.
Differenzen in
Proc zwisch den'
2 Werthen der
Aetherextracto
der des
Stamm- j Ausge-
losung ! hebert
No.
Differenzen in
mg zwischen den
2 Werthen der
Aetherextracto
der des
Stamm-, Ausge-
lösung hebert.
Differenzen in
Proc. zwisch. den
2 Werthen der
Aotherextracte
der j des
Stamm- ■ Ausge-
lösung I hebert.
9
0 1 2
0
1
07
! 32
0
i
i 7
0
3,0
10
1 15
0.17
4,7
| 33
0
31
0
1 10,0
11
7 ; n
1.1
3,4
! 34
3
14
0,54
5,3
12
8 0
1.8
5„3
1 35
3
■ 11
0,54
1 5,3
[13]
7 . 35
1.6
11,0
36
3
15
0,5
! 8,8
1.)
[14]
; 2
1.6
0,73
, 37
3
4
0,5
i.i
0 1 18
0
. 0,1
j 38
8
1
1,1
! 0,3
14
11
0
1 0.1
1 39
8
14
1.1
10,0
[15]
3 7
0 0
2,0 1
40
10
71
1,7
i 22,5
15
14
0.0
6,5
! 41
10
| 54
1,7
19,5
f IG]
8 12
1.7
3,9 ,
42
10
5
1,5
1 2,2
10
20
1.7
15,0 !
1 43
10
_2
1,5
0,76
17
8 , 34
1.5
10,5 !
1 44
12
27
2.1
13,7
18
7 26
1.4
8,7 |
! 45
9
11
1,3
7,4
.19
7 25
1.4
7,0
1 46
9
8
1,3
2,8
[20]
10 3
3
2 ;
1 47
17
47
3,4
13,0
20
IS
3
11,1 i
47 b
5
3
0,84
1,7
[21]
10 10
3
3,4 j
50
7
40
0,86
12,2
21
5
3
3,2 1
51
5
5
0.53
1 1,6
[22]
10 1
2.8 1
0,28
51 a
14
6)
1,5
! 15,5
[23]
10 11
2 8
3
52
20 1
20
2,1
7,3
23
23
2 8
1,1
j 53
20
40
2,1
9,5
[24
0 0
0 97 !
2 2
54
31
60
3,1
18,6
25
0 7
0.97 ;
2j ;
55
31
79
3,i |
30,8
26
4 0
0.04 i
0
56
15
20
i,2
18,1
27
4 11
0.04
4,4 !
57
5
54
1,06 |
1 26
28
29
5 11
0.9
4,5
58
8
57
3,4 |
I 34
5 3
0.9
1,2 [
Sa. »7 Doppelextraction.
90 96 1
448.87
30
31
40 12
40 20
0.7 i
0.7 ■
j
5.1
11,5 j
mit einem durchs« hnitt-
liehen Unterschied von
1.59
7.87
Die eingeklammerten Zahlen bedeuten '/* ständige Versuche
gleiche die Wert he 0,54 und 8,27, oder aus der vorhergehenden
Reihe 0 und 7,3, 9,9, 12,2, 15.
T in die Grösse des Fehlers in den positiven Versuchen zu
illustrireu, habe ich ihn in Tabelle III proecntiseh aus der Diffe¬
renz zwischen größtmöglichem und kleinstmöglichem Werth be¬
rechnet und in den Columnen daneben aufgeführt.
Digitized by Google
Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass diese grossen Differenzen
in den Werthen für resorbirten Zucker, gleichgiltig ob die
absoluten Zahlen für den Zuckergehalt von Stammlösung
und Ausgehebertem richtig sind, unter allen Umständen auf die
Fettanalysen zurückzuführen sind. Wir müssen uns also die
Zahlen der Aetherextracto genauer betrachten. Zu dem Zweck
stelle ich in einer Fehlertabelle die Differenzen zwischen
den beiden Werthen der beiden Lösungen zusammen und berechne
aus den Differenzen den jedesmaligen procentischen Fehler.
(Fehlertabelle siehe auf nebenstehender Spalte.)
Es fällt sofort ein grosser Unterschied auf. Die Aether-
extraete der Stammlösung halten sich innerhalb bescheidener
Fehlergrenzen. Von 57 Extractionen beträgt in 21 der procen-
tische Fehler weniger als 1 Proe., in weiteren 20 ist er kleiner als
2 Proc.
Hingegen finden wir bei den Aetherextracten des Ausge¬
heberten grosse Fehler. Nur in 6 von 57 ist der Fehler kleiner
als 1 Proc., in 4 unter 2 Proc. und sogar in 18 von 57 beträgt der
Fehler mehr als 10 Proc.!
Dementsprechend beträgt der durchschnittliche Fehler aller
Werthe der Stammlösung 1,59, des Ausgeheberten 7,87 Proc.
Aus dieser auffallenden Erscheinung ergibt sich, glaube ich,
ohne Weiteres, dass der Hauptgrund für derartige grosse Diffe¬
renzen nicht in der Extractionsmethode und nicht in der Technik
der Methode liegen kann, in ungenügend sorgfältiger Aus¬
führung, da die zu extrahirenden Theile der Stammlösung wie
der ausgeheberten Flüssigkeit stets gleichzeitig und gleichmässig
angesetzt und behandelt wurden»
(Schluss folgt)
Aus der Universitäts-Augenklinik zu Würzburg, Professor
v. Michel.
Untersuchungen über die Einwirkung neuerer Anti-
septica auf inficirte Hornhautwunden.*)
Von Dr. Wilhelm Hauepschild, Oberarzt im 2. Feld-Art.-
Reg., commandirt zur Augenklinik.
Seitdem die glänzenden Erfolge der L i s t e r’schen Wund¬
behandlung im Fluge die Runde durch die ganze medicinische
Welt gemacht haben, ist dieselbe allüberall mit einer Anhänglich¬
keit und Ueberzeugungstreue geübt worden und wird vielfach
auch heute noch geübt, die insofern etwas Ueberraschendes hat,
als man inzwischen mancherlei Lücken in dem exacten Aufbau
der neuen Theorie aufdeckte. Es entstand zwar eine grosse
Reihe von Untersuchungen über die desinficirende Wirkung der
verschiedenen Antiseptica, denn jedes neue der uns von der
Chemie in so übergrosser Zahl zur Verfügung gestellten Mittel
wollte daraufhin geprüft sein, aber gewöhnlich wurde dieselbe
im Reagcnsglas, in der Bouilloncultur, am Seidenfaden aus¬
geführt, nicht am lebenden Körper. Man nahm scheinbar als
selbstverständlich an, dass, wenn pathogene Mikroorganismen
binnen einer gewissen Zeit durch ein Antisepticum auf Nähr-
matcrial abgetödtet würden, die gleiche desinficirende Wirkung
auch auf der inficirten Wunde eintreten werde.
Erst in den letzten Jahren ging man dazu über, die Wirkung
der Antiseptica direct an inficirten Wunden zu versuchen, eine
unzweifelhaft exactere Prüfungsmethode, deren Hauptvertreter
S o h i m m e 1 b u s c h l ) wurde. In überraschender und fesseln¬
der Weise gab derselbe an der Hand seiner classischen Versuche
bekannt, dass, wenn man bei Mäusen oder Kaninchen in ver-
hältnissmässig glatte Schnittwunden infectiöses Material in
Cultur oder Gewebssaft in nicht einmal übergrosser Menge ein¬
reibt, trotz sofort eingeleiteter Wunddesinfection unter Be¬
nutzung der kräftigsten Desinfectionsmittel (lprom. Sublimat,
5 proc. Carbolsäure, concentrirter Carbolsäure, Salpetersäure,
kochendem Wasser) auch nicht in einem einzigen Falle eine
Maus oder ein Kaninchen vor dem Ausbruch der Allgemein-
infection und damit vor dem Tode an Anthrax oder Strepto¬
coccensepsis bewahrt werden könne. Ja selbst wenn bei Mäusen,
die am Schwanzende mit Milzbrand inficirt waren, später der
*) Nach einem in der Abtheilung für Ophthalmologie der
71. Naturforscherversammlung zu München gehaltenen Vortrag.
9 Schimmelbusch; Die Deslnfection septisch infleirter
Wunden. Verhandl. d. Deutsch. Ges. f. Chirurgie, XXII. Congress,
1893, S. 111.
Original fro*m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
147
Schwanz in einer Entfernung von ca. 2 cm von der Wunde mit
dem Thermokauter amputirt wurde, gingen alle Thiere an All-
gemeininfection zu Grunde, bei denen die Absetzung 10 Minuten
und länger nach der Infection erfolgt war.
Als Erklärung für diese Misserfolge mit der antiseptischen
Wundbehandlung, bedingt durch die überaus schnelle resorptive
Verbreitung der Infectionserreger bei der Wundinfection, fand
Nissen 2 ) zuerst Milzbrandbacillen von einer peripher an einer
Extremität angelegten inficirten Wunde bereits nach V/ t Stun¬
den im nächstgelegenen Lymphdrüsenpackete und bald darauf
konnte Schimmelbusch*) schon */, Stunde nach vollzogener
Wundinfection Milzbrandkeime in den Lungen, Leber, Milz,
Nieren der getödteten Versuchsthiere culturell nach weisen und
nur 5 Minuten nach Infection der Schenkelwunde eines
Kaninchens Pyocyaneuskeime ebenfalls in den inneren Organen.
Es ist das Verdienst F r i e d r i c h’s 4 ) in jüngster Zeit dem
allzuweit gehenden Pessimismus, welcher der antiseptischen
Wundbehandlung gegenüber auf diese Versuche gestützt begann,
entgegen getreten zu sein, indem er zunächst betonte, dass
Schimmelbusch bei all’ seinen Versuchen eine Infection
erreichen wollte, dass man also aus diesen Versuchen in Be¬
zug auf die Tnfectionsmöglichkeit nicht ohne weiteres
Rückschlüsse auf die gewöhnlichen Verletzungswunden ziehen
dürfe, und auf die Unterschiede in Bezug auf Zahl, Art, Vitali¬
tät zwischen den hierbei verwendeten, unter den günstigsten
Lebensbedingungen gezüchteten Bacterien und den bei der ge¬
wöhnlichen, nicht operativen Verletzungswunde in Betracht
kommenden hinwies. In der Machtlosigkeit der Antiseptica
ggenüber der erfolgten Infection stimmte er allerdings mit
Schimmelbusch überein, denn auf Grund eigener Versuche
kommt Friedrichzu dem Schlüsse, dass bei sorgfältiger Aus¬
räumung des Infectionsmaterials aus dem Wundgebiet nach ver¬
schiedenen Zeiten kein chemisches Verfahren mehr, ja die
meisten nicht das Gleiche leisten, als die Einleitung einer mehr
weniger das Wundgebiet offen haltenden Wundbehandlung,
worin überhaupt die Kunst in der Vorbeugung und Behandlung
der Infection bestehe; und dass sich ferner eine grosse Menge
experimenteller und klinischer Desinfectionserfolge erledige
mit der Klarstellung des Umstandes, dass bei ihnen mit der
Desinfection die partielle oder totale offene Wundbehandlung
eingeleitet wurde.
Auf der anderen Seite aber zeigte Friedrich“), dass bei
der Wundinfection die physikalischen Verhältnisse des Wund¬
gebietes ausschlaggebend seien, dass die Resorption virulenter
Bacterien von Seiten offener Wunden vom örtlichen Druck im
Wundgebiet, vom „bacteriellen Widerlager“ abhängig sei und
zwar für die Sporen die mechanischen Factoren hinsichtlich
der Baeterienproliferation viel günstiger lägen als für die
Bacillen. (Es mag hier auch auf Erfahrungen der experimen¬
tellen Pathologie am Auge hingewiesen werden, wonach es viel
leichter gelingt, Infectionen an der straffen, unter höherem
Drucke stehenden und gefässlosen Hornhaut, als an der lockeren,
unter geringerem Drucke stehenden und gefässreichen Binde¬
haut hervorzurufen.) Bei Mäusen, deren Schwanz quer amputirt
war, konnte, wenn jeglicher Druck ausgeschlossen war, das
Schwanzende über 3 Stunden in hochvirulenter Milzbrand-
bouilloncultur frei suspendirt sein, ohne dass Keimaufnahme
erfolgt wäre, und bei Verwendung von Milzbrandsporenemulsion
ergab sich, dass eine Infection bis zu 45 Minuten anhaltendem
Eintauchen noch nicht erfolgen müsse. Ja wenn die ampu-
tirten Schwanzenden 30—90 Minuten in Sporenemulsion ein¬
getaucht waren, danach eine zweite Amputation vorgenommen
*) Nissen: Ueber den Nachweis von Toxin im Blute eines
an Wundtetanus erkrankten Menschen. Deutsch, med. Wochen-
schr. 1893, No. 24.
*) SchimmelbuSch: Die Aufnahme bacterieller Keime
von frischen, blutenden Wunden aus. Deutsch, med. Wochenschr.
3894, S. 575.
Schimmelbusch : Ueber Desinfection septisch inficirter
Wunden. Fortschr. d. Med. 1895, No. 1.
4 ) Friedrich: Die aseptische Versorgung frischer Wunden
unter Mittheilung von Thierversuchen über die Auskeimungszeit
von Infeetlonserregern in frischen Wunden. Verhandl. d.
Deutsch. Ges. f. Chirurgie, XXVII. Congress 1898, S. 46.
*) Friedrich: Experimentelle Beiträge zur Frage nach
der Bedeutung 1. der Luftinfection für die Wundbehandlung,
2. des innergeweblichen Druckes für das Zustandekommen der
Wundinfection. Verhandl. d. Deutsch. Ges. f. Chirurgie, XXVIII.
Congress 1899, S. 335.
und die Thiere 30 Minuten bis zu 58 Stunden nach dieser
zweiten Amputation getüdtet wurden, so Hessen sich in keinem
einzigen Falle Milzbrandkeime in den inneren Organen naeh-
weisen.
Speciell für die Augenheilkunde hatte u. A. Evers-
busch 0 ) die keimtüdtende Wirkung einiger Antiseptica durch
sehr eingehende Versuche bncteriologisch festgestellt. Dann
hatte Bach 7 ) verschiedene Antiseptica auf ihre desinficirende
Wirkung geprüft, indem er auf der Hornhaut von Kaninchen
mit inficirten Lanzen oberflächliche Verletzungen setzte und
diese mit verschiedenen Antisepticis bespülte, wobei es ihm bei
14 Versuchen mit Bespülen mittels Sublimt^lösung 1 :1000 nur
1 mal gelungen war, sämmtliche Staphyloeoeeen zu vernichten,
während meist noch eine grosse Anzahl von Colonien wuchsen.
Als keimtödtend hatten sich nur lproc. und 2 proc*. Hydrargyrum
oxycyanatum, 1 prom. Jodtricldorid und lproc. und 2proc.
Pyoktanin erwiesen.
Trotzdem herrschen, wie aus den therapeutischen Maass¬
nahmen immer und immer wieder hervorgeht, über die Wirkung
der Antiseptica, speciell auch des Sublimats, bei den Ophthal¬
mologen vielfach ganz falsche, durchaus unbegründete Anschau¬
ungen. Es schien mir daher angezeigt, der hier in Betracht
kommenden Frage näher zu treten und zwar habe ich mich,
unter steter Beihilfe des Herrn Privatdocent Dr. Bach, damit
beschäftigt, zu sehen, wie verschiedene Antiseptica auf die ober¬
flächlich inficirten Ilornhautwunden einwirken.
Zur Zeit erfreut sich in der Augenheilkunde als desinfi-
cirendes und keimtödtendes Mittel das Hydrargyrum oxycyana¬
tum grosser Beliebtheit, da es trotz dieser Eigenschaften die
gesunde und erkrankte Schleimhaut möglichst wenig reizt und
durch seine weniger eiweisscoagulirende Eigenschaft nicht so
in seiner desinfieirenden Kraft beeinträchtigt wird wie das
Sublimat. Ausserdem ist in den letzten Jahren manches Loblied
auf das Protargol als Desinficienz und Adstringens gesungen
worden, das bei grosser antiseptischer Tiefenwirkung trotzdem
die Schleimhaut möglichst wenig schädigen soll. Ich prüfte
dosshalb besonders diese beiden Mittel experimentell auf ihre
antiseptischen Eigenschaften und daneben mehr als Control-
mittel das Argentum nitricum und die reine Oarbolsäure.
Die Versuchsanordnung war folgende: Eine krumme Lanze
wurde mit Reinculturen von virulentem Mikrococcus pyogenes
aureus infieirt und mit derselben oberflächlich gelegene Taschen
in den centralen Partien der Hornhaut ätherisirter Kaninchen
angelegt. Um eine wünschenswerthe annähernde Gleichheit in
der Anzahl der übertragenen Keime zu erzielen, wurden nach
den ersten Versuchen jedesmal 6 solcher Taschen angelegt, bei
einzelnen Versuchen auch die Hornhaut einmal perforirt. So¬
dann wurde der Sperrlidhalter eingelegt und die inficirten Stel¬
len mit dem Antisepticum aus einer sog. Undine berieselt. Nun
wurde mit einem sterilen Linearmesser die Hornhaut abgetragen,
eine Minute lang mit physiologischer Kochsalzlösung abgespült,
um die äusserlich noch haftenden Reste des Antisepticum ab¬
zuwaschen, und das Hornhautstück mit sterilen Instrumenten
in 4—5 Stückchen geschnitten. Die Stückchen wurden gleich
in mit 1 proc. Agar gefüllten Röhrchen aufgefangen, tüchtig
durchgeschüttelt und dann in Petr i’schen Schalen ausgegossen,
die 2—3 Tage im Brutschrank und darnach 3—4 Tage bei Zim¬
mertemperatur beobachtet wurden. Einige Male enucleirten
wir auch nach Anlegung der Taschen den ganzen Bulbus, legten
denselben in toto in das Antisepticum und dann erst wurde die
Hornhaut abgetragen, mit Kochsalzlösung abgespült und eine
Platte gegossen.
Ich habe nun 10 Versuche mit lproc., 5proc. und 10proc.
Protargol, 4 Versuche mit lproc. und 2proc. Argent. nitric.
und 14 Versuche mit Hydrarg. oxycyan. in Lösungen von 1: 5000
bis zu 1:100 angestellt und zwar sowohl die frisch inficirte Horn¬
haut bespült als Hornhäute, die bis zu 30 Stunden infieirt waren.
Bei allen ergab sich das Resultat, dass die Mikroorganismen
durch das Antisepticum in ihrer Vitalität in keiner Weise be¬
einträchtigt waren, denn alle Platten waren mit Colonien von
Mikroc. pyog. aur. dicht besät, ausgenommen 2 Versuche mit
e ) E versbusch : Ueber die Anwendung der Antimycotica
in der Augenheilkunde. Centralbl. f. prakt. Augenheilk. 1890.
XIV, S. 65.
7 ) Bach: Experimentelle Untersuchungen über das Stapliylo-
coccengeschwür der Hornhaut und dessen Therapie. Arch! f
Ophthalm. 1895, XXXXI, 1, S. 56.
2 *
Difitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
148
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 5.
Hydrarg. oxycyan. 1: 5000 und 1:3000, bei denen ich fast sterile
Platten erhielt, deren Ergebnisse aber wegen der fraglichen
Virulenz der verwendeten Reineultur nicht einwandsfrei sind.
Als ich dagegen bei 3 Versuchen mit reiner Carbolsäure nur
1 Minute lang bespülte, wobei die Hornhaut sofort dicht ge¬
trübt wurde und ein milchiges Aussehen annahm, erhielt ich
vollständig sterile Platten.
Die auffallende Thatsache, dass ich bei diesen ersten Ver¬
suchen selbst bei Verwendung von Hydrarg. oxycyan. 1:100 auf
den angelegten Platten unzählige Colonien erhielt, stand aber
in Widerspruch mit den oben erwähnten früheren Versuchen
B a c h’s, der nach 8 Versuchen mit 1 proc. und 2 proc. Hydrarg.
oxycyan. stets sterile Platten erhalten hatte und konnte der
Unterschied nur in der Versuchsanordnung begründet sein.
Bach hatte nämlich bei seinen Versuchen die Hornhaut mit
einer grossen Menge des Antisepticum unter höherem Drucke
vermittels eines Irrigators bespült, es war also fraglich, ob die
Wirkung des Antisepticum theilweise abhängig ist von der ver¬
wendeten Quantität und von dem Druck, unter dem dasselbe
auf die Wunde applicirt wird.
Während ich bei den vorhergehendenVersuchen die Hornhaut
nur mit 80—100 ccm Antisepticum aus höchstens 5 cm Höhe be¬
rieselt hatte, verwandte ich desshalb bei den folgenden Versuchen
jedesmal 1 Undine voll Antisepticum — also 250—300 ccm —
und liess dieselben aus einer Höhe von ca. 25 cm herabfallen.
Jetzt erhielt ich nach 8 Versuchen mit Hydrarg. oxycyan. in
Lösungen von 1: 3000 bis 1:100 sterile Platten oder doch Platten,
die eine verhältnissmässig geringe Anzahl von Colonien bis zu
300 aufwiesen. Bespülte ich dagegen in gleicher Weise kürzere
oder längere Zeit zuvor infieirte Hornhäute mit 5 proc. oder
10 proc. Protargol, so waren die Platten mit mehreren Tausend
Colonien dicht besät.
Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass von den geprüften
Antiseptici8 das beste praktisch verwendbare Mittel das Hydrarg.
oxycyan. ist und dass durch dasselbe — zumal bei der Verwen¬
dung in stärkeren Lösungen — bei längerer Berieselung unter
(Mitsprechend hohem Druck pathogene Keime mit ziemlicher
Sicherheit abgetödtet werden können; es ergibt sich ferner,
dass die von mancher Seite geübte Betupfung von Geschwüren
mit reiner Carbolsäure vom bacteriologischen Standpunkt aus
wohl empfohlen werden kann; es ergibt sich aber auch, dass das
Protargol in seiner Wirkung durchaus nicht seinem hohen Preise
und der grossen Reelame entspricht, die damit getrieben wird.
Die Versuche belehren uns des Ferneren, welch’ eitlen Hoff¬
nungen wir uns vielfach hingeben, wenn wir durch die 1 oder
2 malige Durchspülung des Bindehautsackes mit Antisepticis,
die, entsprechend dem obersten Grundsatz aller Medicin: „Nil
nooere“, mit Rücksicht auf die Schleimhäute des Auges doch
immer nur in schwacher Concentration angewandt werden
können, oder wenn wir durch 1 oder 2 maliges Einstreichen des-
inficirender Salben einen beachtenswerthen Einfluss auf die Dcs-
infootion des Bindehautsackes oder die Vitalität der in der
Hornhaut befindlichen Mikroorganismen erwarten. Die auf
diese Weise erzielten Erfolge dürften wohl sicher eine andere
Ursache haben und nicht in der bactericiden Wirkung der Anti-
soptica zu suchen sein.
Ich verkenne keineswegs die Nothwendigkeit, noch durch
weitere Versuche Aufschluss über die eine oder andere sich an¬
schliessende Frage anzustellen, doch glaube ich, dass ich den bis¬
her angestellten Versuchen schon eine gewisse praktische Be¬
deutung zumessen darf, sofern sie dazu beitragen, die vielfach
noch herrschenden, zu weit gehenden Erwartungen in Bezug auf
die Wirkung der Antiseptica, speciell in der Augenheilkunde,
auf ihren wahren Werth zurückzuführen.
Psychiatrisches zur Schularztfrage.*)
Von Dr. phil. et med. W. Weygandt, Privatdocent in Würzburg.
Wenn ich in dieser Versammlung ein Thema anschlage,
das die Frage der geistigen Ueberbiirdung so nahe berührt, in
der wir einen der wichtigsten Angriffspunkte für die psychiatri¬
sche Prophylaxe zu erblicken haben, so bedarf ich wohl keiner
besonderen Entschuldigung. Um so mehr aber möchte ich an
*) Nach einem auf der 30. Jahresversammlung des Vereins
der siidwestdeutschen Irrenärzte am 18. November 1890 zu Frank¬
furt gehaltenen Vortrag.
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die Nachsicht der Versammlung desshalb appelliren, weil mein
Vortrag nicht beabsichtigt, neue Forschungsergebnisse mitzu-
theilen, sondern nur eine Klarlegung der gegenwärtigen Lage
dieses Gebiets und eine Stellungnahme zu diesen Fragen, nicht
ohne einen praktischen, um nicht zu sagen agitatorischen Neben¬
gedanken, anstrebt.
Eine gewisse Beruhigung und Klärung scheint betreffs der
Schulhygiene nachgerade eintreten zu wollen. Darüber ist kein
Zweifel, dass es im Wesentlichen 3 Einzelgebiete sind, auf denen
sie sich zu bethätigen hat: 1. Die Hygiene der äusseren Schul-
einrichtungen, also Bau, Heizung, Beleuchtung, Schul¬
bänke u. dgl.; das eigentliche Arbeitsgebiet des Hygienikers
wird hier am nächsten berührt; 2. Schutz vor körperlichen
Schäden und 3. Schutz vor geistigen Schäden. Weiterhin
ist ersichtlich, dass auf jedem dieser Gebiete nach 2 Richtungen
zu arbeiten ist: a) zunächst ist eine wissenschaftliche Grundlage
vorzubereiten, von der aus der einzelne Fall behandelt werden
kann; b) es ist dafür Sorge zu tragen, dass die wissenschaftliche
Erkenntniss in jedem Einzelfall stets auch zur Anwendung ge¬
langt. Auf dem Gebiet der hygienischen Einrichtungen ist
nun die Wissenschaft zu allseitig anerkannten Schlüssen gelangt,
so dass es hier nur gilt, das als richtig Anerkannte im Einzelfall,
insbesondere bei Schulneubauten, entsprechend anzuwenden. Kein
Einsichtiger wird sich dagegen sträuben, dass hier den hygie¬
nischen Forderungen Rechnung getragen wird. Ihre mehr oder
weniger ausgiebige Befolgung ist meist nur eine Finanzfrage.
Eine dauernde Ueberwachung dieser Einrichtung ist relativ ein¬
fach. Die hygienischen Grundsätze an sich sind hier schon so
gefestigt, dass der Pädagog und der Bautechniker zur Noth
auch allein auskommen könnten, ohne in jedem Fall noch erst
den Hygieniker zu fragen. Zweifellos wird das Wichtigste ge-
than sein, wenn in der centralen Schulbehörde der Länder oder
Provinzen die neuen Baupläne auch von hygienischer Seite be¬
gutachtet werden.
Bei der zweiten Frage, nach dem Schutz der Schulkinder
vor körperlichen Schädigungen, sind die wissenschaftlichen Vor¬
bereitungen selbstverständlich auch alle vorhanden. Sie be¬
ruhen eben auf dem Stand der Medicin, wie sie überhaupt in die
Praxis tritt. Höchstens kommen neben dem, was jeder praktische
Arzt, insbesondere jeder Kinderarzt, zu leisten hat, noch ein
paar specialistisehe Fragen in Betracht, vor Allem die Unter¬
suchung der Augen, Ohren, Rachenorgane und allenfalls der
Zähne. Nach welcher Richtung hin aber in der Praxis hier etwas
geschehen soll, das ist noch eine strittige Frage. Dass es den
Kindern der Volksschule heutzutage in den meisten Fällen an
ärztlicher Ueberwachung völlig mangelt, bedarf keines besonderen
Nachweises. Dass den Kindern eine Wohlthat geboten und der
Schule eine Verantwortung abgenommen würde, wenn durch
Vermittlung der Schule eine gesundheitliche Ueberwachung
stattfände, sollte Jedermann einleuchten. Aber doch haben
sich die Lehrer hiergegen immer und immer wieder ereifert
und es für einen Eingriff in ihre Rechte erklärt. Ein paar medi-
cinische Curse, hiess es, würden die Lehrer so weit bringen, das¬
selbe zu leisten wie Schulärzte, die doch mindestens 5—8 Jahre
Vorbereitungszeit hinter sich haben. Was dabei herauskommt,
erhellt aus dem Vorschlag des Berliner Lehrers Suck 1 ),
welcher meint, der Gesangslehrer könnte z. B. die Lungencapaci-
tät an der Zeit messen, während welcher der Schüler einen Ton
auszuhalten fähig ist! Mit dem oft geäusserten, vornehm ab¬
lehnenden Wort: „Dazu ist die Schule nicht da“ ist absolut
nichts geleistet. Die Armee ist gewiss auch nicht dazu da, der
ärztlichen Wissenschaft zu dienen, aber doch hat die Militär-
medicin schon vieles rein wissenschaftlich Werthvolle geliefert.
Der Schularzt .soll nicht allein die Kinder gegen die Schädi¬
gungen durch die Schule, sondern vor Allem auch den Schul¬
betrieb gegen die Schädigung durch das Haus schützen. Auf
Grund der ärztlichen Autorität wird es möglich sein, ganz
anders als bisher durch die Ermahnungen des Lehrers den vieler¬
lei Missständen vorzubeugen, vor Allem den Schädigungen der
Volksschüler durch Erwerbsthätigkeit und den Gefahren der
Gymnasiasten u. s. w. durch verfrühte „gesellschaftliche“ In¬
anspruchnahme . Gerade in letzterem Punkt lässt sich die Autori¬
tät des beamteten Schularztes durchaus nicht ersetzen, wie Geh.
3 ) Die gesundheitliche Ueberwachung der Schulen. Ham¬
burg, Leipzig, 1899.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
149
Oberschulrath Schiller 5 ) meint, durch die Wirksamkeit das
Hausarztes in bemittelten Familien. Im Ganzen ist aber auch
die Stimmung der Lehrer, die lange Zeit durch die exorbitanten
Forderungen der Schulhygieniker abgeschreckt worden waren,
immer geneigter geworden gegen die Einführung von Schul¬
ärzten mit der Aufgabe, die körperliche Gesundheit der Kinder
dauernd zu überwachen. Auch Schiller verhält sich (a. a. O.)
nicht schroff ablehnend, sondern empfiehlt ein versuchsweises
Vorgehen, vor Allem auf Grund nichtamtlicher Initiative. In
der combinirten Sitzung der Schulmänner und Aerzte, die auf
dem letzten Naturforscher- und Aerztetag in München am
21. September 1899 abgehalten wurde, Hess sich in der Debatte
über Ihesen zur Schulreform und Unterrichtshygiene überhaupt
kein Wort des Widerspruchs gegen die Anstellung von Schul¬
ärzten mehr hören, ja es fehlte nicht viel, so wäre die ursprüng¬
liche TI Lesenfassung angenommen worden, die den Schulärzten
die Aufgabe zuweisen wollte, „in den oberen Classen elementaren
Unterricht in der Hygiene, namentlich auch auf sexuellem Ge-
biet ;< zu ertheilen! Es ist freilich nicht zu übersehen, dass die
pädagogischen Theilnehmer dieser Sitzung vorzugsweise Real-
gymnasial- und Realschulmänner waren, die durch ihren Kampf
um die Gleichberechtigung sich von vornherein in einer anderen,
oppositionelleren Stellung zu den bestehenden Einrichtungen
befinden als die herrschenden Gymnasialpädagogen.
Doch im grossen Ganzen ist es unleugbar, dass die über¬
wiegende Stimmung der einschlägigen Kreise immer freund¬
licher auf die schulärztliche Ueberwachung des leiblichen Wohls
der Schüler zu sprechen ist und dass in der Praxis bereits er¬
freuliche Versuche nach dieser Richtung hin unternommen sind.
Die Mittel und Wege dazu waren verschieden. Mancherorts ver¬
fuhr man sehr einfach, indem man kurzer Hand die Bezirksärzte
mit der Ueberwachung der Schulen betraute. Soweit das die
Schulenirichtungen angeht, wäre es wohl angängig; im übrigen
aber steht nicht viel zu erhoffen, wenn man einem ohnehin viel¬
beschäftigten Physikus die zeitraubende Aufgabe der gesund¬
heitlichen Ueberwachung der Schulkinder auflädt. Zweck-
mässigere Versuche sind meist von städtischer Seite aus gemacht
worden. Ein bestimmt ausgearbeiteter und allgemeiner ver¬
breiteter Arbeitsplan existirt noch nicht. Doch wurde von seiten
einer Commission des preussischen Cultusministeriums *) die
Einrichtung, wie sie von der Stadt Wiesbaden getroffen
worden ist, als mustergiltig hingestelllt. Hier hatte man zu¬
nächst 1895 die 4 Armenärzte mit der Untersuchung von 7000
Volksschülem beauftragt. Etwa ein Viertel dieser Zahl gab zu
Bemerkungen Anlass wegen Krankheit, krankhafter Constitution,
Ungeziefer, UnreinHchkeit u. A., bei 8 Proc. fand sich Bruch¬
anlage, bei 7 Proc. Wirbelsäulenverkrümmung. Die 1897 auf-
gestellte Dienstordnung 4 ) bestimmte als wesentlichste Aufgabe
der Schulärzte die Untersuchung der Neuaufgenommenen und
Anlegen eines Gesundheitsscheins, der mit Unterstützung durch
die Lehrer das Kind dauernd begleiten soll, sodann alle 14 Tage
eine Sprechstunde in der Schule mit eventueller Mittheilung an
die Eltern, ferner Untersuchung von Kindern in deren Wohnung,
besonders bei Schulversäumniss, jedoch nur auf Antrag des
Schulleiters, und weiterhin halbjährliche Revision der Räumlich¬
keiten. Von den vorgesehenen Vorträgen in Lehrerversammlungen
kam man bald zurück. Im Uebrigen bewährte sich die Einrich¬
tung recht gut. Besonders erfreulich war, dass die Abneigung
der Eltern bald schwand, so dass nur 2 Proc. der neuaufgenom-
menen Kinder durch hausärztliches Attest der schulärztlichen
Untersuchung entzogen wurden; auffallend hartnäckig gestaltete
sich der Kampf gegen das Ungeziefer. So anerkennend sich der
nach den Bestimmungen des Cultusministers veröffentHchte Be¬
richt über die Wiesbadener Schularztverhältnisse äusserte, so
zutreffend wurde doch dabei betont, dass die Sache nicht ohne
Weiteres auf Landschulen oder auf höhere Schulen übertragen
werden könne.
Bei den Schülern höherer Lehranstalten wird in der Unter¬
suchung auf körperliche Leiden der Hausarzt das Nöthigste
meist schon vorweggenommen haben; der Kampf gegen die Epi¬
zoen spielt jedenfalls keine Rolle mehr, während die Frage der
Ermüdung und Ueberbürdung in den Vordergrund tritt. Hier
haben wir den 3. Punkt der Schulhygiene erreicht, die Fürsorge
gegen geistige Schädigung der Schuljugend. So nebenbei sollte
*) Die Schularztfrage. Berlin 1899.
No. 5.
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man die ärztliche Seite dieser Frage nicht behandeln, wie es etwa
Schiller thut, indem er als Schulspecialisten die Augen-,
Ohren-, Nerven- und Zahnärzte in eine Reihe stellt. Von den
meisten Autoren wird mit Recht gerade auf diesen Punkt der
allergrösste Nachdruck gelegt, wenn freilich auch die Frage, in
wie weit der Arzt hier mitzureden habe, meist geradezu auf Ab¬
lehnung stösst. In einem dem ärztlichen Bezirksverein München
erstatteten Referat über die Schularztfrage glaubt W e i s s 6 ) auf
die psychohygienisehe Thätigkeit des Schularztes einfach ver¬
zichten zu müssen, weil die Schule sich hier eben nicht drein¬
reden lasse; wenn das letztere Argument ausschlaggebend wäre,
gäbe es überhaupt keine Schularztfrage, denn ganz aus eigenem
Antrieb hätte die Schule wohl niemals den Aerzten ihre Pforte
geöffnet. Aber mit einem Anschein von Recht hat sich die
Schule in diesem Punkt am sprödesten verhalten, denn hier ge¬
rade haben sich die Aerzte bei ihrem Eifer für die Sache die
stärksten Uebertreibungen zu Schulden kommen lassen, hier
haben sie bei vereinzelten Versuchen in praxi noch ausserordent-
Hch wenig geleistet, und hier sind vor Allem auch die wissen¬
schaftlichen Grundlagen noch zu unsicher, als dass ohne Weiteres
im einzelnen Fall daraufhin losgearbeitet werden könnte. Be¬
treffs der Uebertreibungen und Entstellungen von ärztlicher
Seite verweist Schiller auf den Vortrag des Hallenser Kinder¬
arztes Schmid-Monnard, der behauptet hatte, nach
Schiller’s Vorschlag hätten die Tertianer 4 Gesangsstunden
wöchentlich, während es sich in dem betreffenden Plan nur um
4 Gruppenübungen für Sopran, Alt, Tenor oder Bass handelt
und jeder Schüler doch nur eine der 4 Stimmen singt! Eine
andere Uebertreibung bietet Griesbach°), der von einem
Lehrercollegium spricht, das nicht weniger als 8 Neurastheniker
auf zu weisen hatte, von denen einer durch Selbstmord endete;
bei diesem suicidalen Lehrer, den ich persönlich kannte, handelte
es sich nicht um eine Folge der Ueberbürdung, sondern um
einen Fall von Epilepsie, die dem Betreffenden schon lang, ehe
er in’s Lehramt eintrat, starke Beschwerden, besonders Verstim¬
mungen bis zum Taedium vitae verursacht hatte.
Was in der Praxis bisher von Aerzten zur Feststellung des
Status psychicus der Schulkinder geleistet wurde, rechtfertigt in
der That das Wort des Berliner Rectors Hintz 7 ), dass dabei
nichts Neues für die Lehrer herausgekommen sei.
Es wurde vor zwei Jahren eine Commission von Aerzten,
vorzugsweise Paediatem, durch die BerHner städtische Schul¬
deputation ermächtigt, Gemeindeschüler körperlich und geistig
zu untersuchen. Dabei wurde nun die Intelligenzprüfung bei
jedem Kind in 5 Minuten abgemacht durch Vorlegen einer Reihe
von Fragen: Wie alt? Wo wohnst du? Was ist der Vater? Wie
viel Geschwister hast du? Was hast du gestern zu Mittag ge¬
gessen? Gehst du gern zur Schule? Bist du schon krank gewesen?
Was hast du am liebsten, Lesen oder Rechnen? Kennst du das
schlesische Thor? Wie lange gehst du, bis du zur Schule kommst?
Wie heisst der Kaiser? Wo wohnt der Kaiser? Kannst du gut
rechnen? Hast du schon das Einmaleins gelernt? Ein paar
Multipli cationsexempel schlossen die Prüfung. Dass auf
eine solche, nahezu kindliche Weise über den Geisteszustand
kein sicheres Urtheil zu gewinnen ist, sollte man sich von
vornherein sagen. Mit Recht verlangt Hintz, die Aerzte
müssten für solche Aufgaben psychologisch und psychiatrisch
vorgebildet sein; zugleich sollten sie aber auch eine gewisse
pädagogische Vorbildung haben, um auf die Individualität der
Kinder Rücksicht nehmen zu können.
In Leipzig ist es üblich, dass die Gemeindeschüler, die zu
den dort bestehenden Schwachsinnigenclassen ausgehoben werden,
vor einem Arzt Revue passiren, der dann in aller Eile ein Ur¬
theil über sie abgibt, wobei für die Betrachtung des psychischen
Zustandes natürlich auch nicht viel herauskommt.
*) Schmidtmann: Der Schularzt in Wiesbaden. Viertel¬
jahrsschrift für gerichtliche Medicin und öffentliches Sanitäts¬
wesen, XVI, 1898, p. 1227.
4 ) K a 11 e : Zur Lösung der Schularztfrage ln Wiesbaden.
Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege.
XXX, p. 433, Braunschweig 1898.
ft ) Münch, med. Wochensehr., Jahrgang 46, No. 28, p. 927,
1899.
®) Hygienische Schulreform, p. 32, Hamburg, Leipzig, 1899.
*) Die ärztliche Untersuchung hiesiger Gemeindeschüler.
Pädagogische Zeitung, Hauptorgan des Deutschen Lehrervereins,
XXVI, p. 384, 1897.
Q
Original fre•
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Google
150
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
Man darf sich über Misserfolge gar nicht wundern, wenn
man erwägt, wie wenig vorgeschritten unsere wissenschaftliche
Erkenntnis^ über die gesunde und kranke Psyche des Kindes
ist, wie wenig entwickelt unsere Untersuchungsmethoden auf
diesem Gebiet sind, und wenn man dazu berücksichtigt, dass es
fast durchweg gar nicht einmal psychologisch und psychiatrisch
durchgebildete Aerzte waren, die sich bisher auf diesem Gebiet
bethätigten, sondern im günstigsten Fall Neurologen und
Pädiater.
Zwei verschiedene Aufgaben würden nach dieser Seite hin
im Wesentlichen de« praktischen Schularztes harren. Einmal
die Beurtheilung der neuaufgenommenen Kinder und dabei die
Ausrangirung der wirklich psychopathisch Minderwerthigen, für
die sich in grösseren Städten die Einricht ung besonderer Sehwach-
sinnigenclassen recht gut bewährt hat. Diese? Aufgabe sollte
jeder psychiatrisch vorgebildetc Arzt, wenn er sich nur einiger-
maassen auch mit der Frage der Imbeeillität und Idiotie befasst
hat, schliesslich durchführen können.
Schwieriger ist die zweite Aufgabe: Eine Grundlage zu
finden für die Untersuchung und Beurtheilung der psychischen
Störungen, die bei vorher normalen Kindern während der Schul¬
zeit und vermuthungsweise durch die Schularbeit aufget.reten
sind. Vor Allem kommen dabei die Fälle von plötzlichem Nach¬
lass der Leistungen, sowie von Nicht.erreichen des Olassenziels
als besonderer Beachtung bedürftig mit in Betracht. Im ein¬
zelnen Fall zu entscheiden: Liegt hier eine geistige Ueberbür-
dung vor, wodurch ist sie entstanden, wie können ihre Folgen
beseitigt werden, ist ausserordentlich schwer, weil unsere psycho¬
logischen Kenntnisse vom Wesen der Ueberbürdung noch recht
gering, die Untersuchungsmethoden noch unentwickelt und doch
bereits ziemlich schwierig zu handhaben sind. So billig und
plausibel die Behauptungen der enragirten UeberbürdungsVor¬
kämpfer sind, 6 bis 7 Stunden Schlaf ist zu wenig, 3 / 4 Stunden
Schulweg ist zu viel, 5 Stunden Unterricht hintereinander lassen
sich nicht ertragen, der Nachmittagsunterricht ist vom Uebel
u. dergl., so schwierig ist der psychologische Nachweis im spe-
ciellen Fall, dass und in welchem Grad hier eine Schädigung
vorliegt.
Ich kann mich an dieser Stelle nicht einlassen in eine detail-
lirte Schilderung der mannigfachen methodologischen Versuche.
Allgemein bekannt ist dasPrincip der psychologischen Methoden,
die während der Unterrichtszeit von Stunde zu Stunde kleine
Probearbeiten ei lisch i eben, aus deren Vergleichung wir einen
Schluss auf dieWirkung des Unterrichts ziehen können. Während
K r ä p o 1 i n "),"), ,0 ), “), O e h r n '*), A m b e r g 13 ), Rivers”)
u. A. sieh um die Feststellung einer zuverlässigen Methodik und
Theorie zunächst durch Experimente an Erwachsenen be¬
mühten, haben andere Forscher, vor Allem Schulmänner wie
B u r g e r stein ’ 5 ), II ö p f n e r ,ü ), Richter ,T ), Fried-
r i eh ls ), Schulze"), Kein si es'"), doch auch Aerzte wie
S i k o r s k y "’) und L a s e r "') derartige Methoden direct an
Schulkindern in Anwendung gebracht. Man nahm nun viel¬
fach daran Anstoss, dass diese Prüfungsmethoden mit einfachen
”) lieber geistige Arbeit. Jena 1804, II, 1807.
") Zur Hygiene der Arbeit. Jena 1890.
10 ) Zur TJeberbürdungsfrage. Jena 1807.
”) Der psychologische Versuch in der Psychiatrie. In den
Psychologischen Arbeiten, I, p. 1, Leipzig 1800.
”) Experimentelle Studien zur Individualpsychologie. Psycho¬
logische Arbeiten, I, p. 02.
Kl ) lieber den Einfluss von Arbeitspausen auf die geistige
Leistungsfähigkeit. Psychologische Arbeiten, I, p. 300.
II i v e r s und Kräpelin: Ueber Ermüdung und Er
liolung. Psychologische Arbeiten, I, p. 027.
,a ) Die Arbeitscurve einer Schulstunde. Zeitschrift für
Schulgesundheits])flege 1891.
ly ) Ueber geistige Ermüdung von Schulkindern. Zeitschrift
für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, VI, p. 101, 1803.
,7 > Unterricht und geistige Ermüdung. Halle 1805.
1S ) Untersuchungen über die Einflüsse der Arbeitsdauer und
Arbeitspausen auf die geistige Leistungsfähigkeit der Kinder,
/eitschr, f. Psyeliol. u. PhysioJ. d. Sinnesorgane, XIII, 1, 1890
w ) 500 000 ltecheiiaufgabeu, eine experimentelle Unter¬
suchung. Per Schulmann, XL, IV, p. 340.
Arbeitshygiene der Schule auf Grund von Ermüdung»
messungen. Perlin 1808.
*') > s '»r les effets de la lassitiide provoquäe par les travaux
intellectuels chez les enfants de l’Age scolaire. Annales d’hygiöne
publique, Paris 1879, p. 458.
-) Ueber geistige Ermüdung beim Unterricht. Z. f. Schul¬
gesundheitspflege, VII, p. 2, 1804.
□ igitized by Gouäle
Additionen, Die taten, Auswendiglernaufgaben doch nur künst¬
lich die Verhältnisse des richtigen Unterrichts nachahmten, dabei
aber durch ihre Einförmigkeit viel ermüdender wirken müssten,
als die abwechslungsreiche Schulstunde. Ebbinghaus”) hat
eine complicirtere Methode vorgeschlagen, die jenem Vorwurf
minder ausgesetzt war. Indess, auf diesen Einwand kommt es
gar nicht an. Ich habe auf Grund ausgedehnter Versuche”)
nachweisen können, dass die Abwechslung als solche keinen
wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat. Jene Me¬
thoden sollen überhaupt gar nicht den Unterricht nachahmen,
sondern sie liefern nur ein bequem zu ermittelndes psycho¬
logisches Maass, das jedoch die Experimentatoren vor eine ganz
andere Schwierigkeit stellt: Die Deutung der Ergebnisse ist
nicht so einfach, wie Manche glaubten. Man fand mit diesen
Methoden oft genug, dass die Leistungen eines jeden Prüfungs¬
abschnittes im Laufe des Schultages immer grösser wurden, statt
deutlich durch Verminderung den erwarteten Ermüdungs¬
einfluss kundzugeben ,und schloss darauf hin vorschnell gegen
die Methode oder gegen die Annahme einer Anstrengung durch
den Unterricht. Aber in jener Mehrleistung steckte eben doch
schon die Ermüdung drin, nur ist für gewöhnlich die daneben
auftretende, ganz normale Uebung so stark, dass sie lange Zeit
die Ermüdung verdeckt. Ohne die Ermüdung würden eben die
Resultate bei jenen kleinen Prüfungsarbeiten, Additionen,
Zahlenauswendiglemen u. dergl. im Laufe des ganzen Versuchs
noch viel stärker anwachsen auf Grund der Uebungswirkung.
Ferner unterliessen die Beurtheiler meist die Abgrenzung der
ganz physiologischen Ermüdung, die an sich unvermeidlich ist
und zweifellos gleich mit Beginn der geistigen Arbeit zu wirken
beginnt, von der Erschöpfung, die erst wirklich als eine Schädi¬
gung, als ein pathologischer Factor angesprochen werden kann.
Nicht näher erörtern kann ich hier manche andere Schwierigkeit
in der Versuchsdeutung, so die Beurtheilung der individuellen
Eigenheiten, vor Allem des Morgen- oder Abendarbeitstypus
u. a. ra. Es ist auf’s lebhafteste zu bedauern, dass diese psycho¬
logischen Methoden, offenbar wegen der Deutungsschwierigkeiten,
in den letzten Jahren nicht viel verständnisvolle Weiterbildung
gefunden haben.
Ebenso zu beklagen, wie diese Nichtanwendung der psycho¬
logischen Prüfungsmethoden, ist aber auch die immer ver¬
breitetere Anwendung einer anderen Methodik, die auf mehr
physiologischem Wege die Ueberbürdung nachweisen will.
Griesbach”) hat vor 5 Jahren geglaubt, die Erfahrung, dass
sich mit dem Schwanken der Aufmerksamkeit auch die Unter¬
schiedsempfindlichkeit der Haut für Berührungsreize ändere, für
die Schulhygiene verwerthen zu können. Seine Versuche gingen
darauf hinaus, mit dem Tasterzirkel festzustellen, wie die be¬
kannten Webe raschen Tastkreise mit dem Anwachsen der durch
den Unterricht hervorgerufenen Ermüdung immer grösser und
grösser werden, wie also die Raumschwelle steigt. Er hat eine
grosse Anzahl von Ermiidungscurven veröffentlicht; wenn er auch
auf dem Deutschen Naturforscher- und Aerztetag zu Düsseldorf
1898 in einer Discussion ”) zugab, „dass die aesthesiometrische
Methode zu Massenuntersuchungen nicht geeignet ist“, hat
Wagner“ 7 ) die Methode gerade durch Massenuntersuchungen
noch populärer gemacht; es werden neben den Ermüdungscurven
ganze Scalen der verschiedenen Unterrichtsfächer nach ihrem
Ermüdungswerth auf gestellt, wobei in Versammlungen der Um¬
stand, dass die Religionsstunde am wenigsten anstrengend wirkt,
regelmässig einen billigen Heiterkeitserfolg erzielt. Wie ich
auf dem Münchener Naturforscher- und Aerztetag ersehen
konnte, sind Schulmänner und Aerzte von den schönen Er¬
müdungscurven, die ihnen da gezeigt werden, in einer höchst
kritiklosen Weise begeistert, ich möchte sagen fascinirt; eine
Nachprüfung hat wohl Keiner, nicht einmal die Referenten, ver¬
sucht; alle fühlen sich beeinflusst von der Macht des anschau¬
lichen, handgreiflichen Befunds. Ich muss gestehen, dass es mir
”) Ueber eine neue Methode zur Prüfung geistiger Fähig¬
keiten und ihre Anwendung bei Schulkindern. Z. f.Psychol. u.
Physiol. d. Sinnesorgane 1897.
24 ) Ueber den Einfluss des Arbeitsw r echsels auf fortlaufende
geistige Arbeit. Krüpelin’s Psychol. Arb., II, S .118, Leipzig 1807.
“j Energetik und Hygiene des Nervensystems in der Schule.
München und Leipzig 1895.
“) Bericht über die Versammlung, p. 222.
”) Unterricht und Ermüdung. Berlin 1898.
Original frnrn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
ÜMNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
151
anfänglich selbst nicht viel anders erging”), aber sobald ich ein¬
mal denTasterzirkel in die Hand genommen und die Berührungs¬
empfindlichkeit festzustellen begann, fingen auch meine Zweifel
an, die durch ausgebreitete Versuche, welche seit 2'/ 2 Jahren
von verschiedener Seite im psychologischen Laboratorium der
Heidelberger Universitätsirrenklinik angestellt worden sind,
immer weiter bestärkt wurden, so dass ich jetzt die Methode als
eine fehlerhafte und für den Schulzweck unbrauchbare hinstellen
muss. Die glatten Resultate von Griesbach und W a g n e r
kann ich mir nur durch Mitwirkung lebhafter Autosuggestion
cutstanden denken.
Bei dem gewöhnlichen Tasterzirkel ist es schon schwer, die
Spitzen gleichzeitig aufzusetzen und einen erheblichen Druck zu
vermeiden. Mit dem Griesbaeh’schen Aesthesiometer, den ich
nicht für einen verbesserten, sondern einen plumper und unhand¬
licher, weil viel schwerer gewordenen Tasterzirkel halte, ist die
Messung noch unsicherer. Sein Gewicht ist beträchtlich, so dass er
mit grösserer lebendiger Kraft aufgesetzt wird als der gewöhnliche
Zirkel; auch das gleichzeitige Aufsetzen der Spitzen ist ent¬
schieden schwieriger. Die beigefügte Druckscala, die mit einer
Genauigkeit von 0,1 g den Druck bis zu 50 g angeben soll, hat
in dieser Ausführung wenig Zweck, da ein Gewicht von 5 g die
Haut schon beträchtlich deformirt und in grösserem Umkreis
niederdrückt. Vor Allem aber lassen alle diese Zirkelmessungen
in durchaus fehlerhafter Weise die Anatomie der Haut unbe¬
rücksichtigt; wahllos werden empfindliche und unempfindliche
Stellen getroffen.
Die heutige Physiologie stellt andere Anforderungen an eine
Untersuchung des Tastsinns, v. Frey 20 ) hat nachgewiesen, das?
die Druckpunkte ganz bestimmte, verschieden dicht gesäte Haut¬
stellen sind; an den behaarten Körperstellcn sind die empfind¬
lichen Organe die Nervenkränze der Haare, an unbehaarten
Stellen die M e i s s n e rächen Körperchen. Die Zahl der haar¬
losen Druckpunkte schwankt stark: am Handgelenk kommen
16—20, am Handteller 50—100 auf den Quadratcentimeter. Weit
zahlreicher sind die Schmerzpunkte, etwa 100 auf den Quadrat¬
centimeter. v. Frey bediente sich äusserst subtiler Methoden,
vor Allem verwandte er zum Berührungsreiz straffe Haare, vor¬
zugsweise Chinesenhaare, die ganz genau auf ihren Durchmesser
geprüft und in Bezug auf die Widerstandskraft, die sie einer
Zusammendrückung in der Richtung der Längsachse entgegen¬
setzten, geaicht waren. Weiterhin hält er es für nothwendig,
bei exacten Untersuchungen scharf zu unterscheiden zwischen
Succesiv-, Richtungs- und Simultanschwelle. Eine solche
feine Methodik ist für praktische Zwecke in der Schule
noch nicht anwendbar. Auch die jüngsten Heidelberger
Versuche 20 *) mit einem modificirten Tasterzirkel sind
für die Praxis schon zu complicirt: Um eine Schwelle
einigermaassen genau festzustellen, wurde da eine halbe bis eine
Stunde lang experimentirt; im Lauf dieser Zeit ist eine etwaige
Ermüdung natürlich schon zum Theil vergangen, während durch
den Versuch selbst wieder eine vielleicht ganz andersartige Er¬
müdung hervorgerufen wird. Wenn Griesbach und Wagner
nun in den paar Minuten einer Schulpause nahezu eine halbe
Classe von Schülern (10) durchprüfen wollen, so darf ein solches
Experiment keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit erheben. Eben¬
sowenig Brauchbares kann Kemsics “') mit seinem unvoll¬
kommenen Ergographen oder V a n n o d mit seinem Algosio-
meter erreichen. Auch Schiller constatirt, dass die Befunde
Griesbach’s und Kemsies’ nicht übereinstimmen.
Viel Sicheres hat die Psychologie also noch nicht erbracht,
während die alltägliche Beobachtung der Schüler doch die deut¬
lichsten Fingerzeige für psychohygienischc Eingriffe bietet und
die öffentliche Meinung zweifellos auch immer geneigter wird,
den Arzt in der Ueberbürdungsfrage ein Wort mitreden zu
lassen. Hier, m. H., haben die Psychiater in erster Linie cin-
-*) Experimentalpsyehologie und Ueberbürduutrsfrage. Deut¬
sche Schulpraxis, XVIII, 1—3, p. 3 ff.
") Untersuchungen über die Sinnesfunctiouen der mensch¬
lichen Haut. I. Abhandlung: Druckempfindung und Schmerz.
XXIII. Band der Abhandlungen der mathematisch-physikalischen
Classe der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, No. III,
p. 175 ff. Leipzig 1896.
**) Ein Theil derselben ist veröffentlicht von L e u b a in
„Psychological Review“, 1899, letztes Heft.
") La fatigue intelleetuelle et son Influeuce sur la seusibilltö
cutanöe. Diss. Genf 1896.
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| zusetzen. Von unkritischer Seite aus ist bisher manches verfehlt
worden, so dass die ganze Ueberbürdungsfrage schon in mancher
Hinsicht disoreditirt ist. Psychologisch durchgebildete Psych¬
iater sind zunächst die einzigen Sachverständigen, wenn es gilt,
unter den neu aufgenommenen Schulkindern die psychisch Min¬
derwertigen herauszulesen, um sie den Sehwachsinnigenclassen
einzuverleiben. Aber s ie 1 >br-u auch ein lebhaftes Interesse
daran, die Prophylaxe der Geisteskrankheiten zu treiben im
Kampf gegen die geistige Erschöpfung und LTeberbürdung. Dass
eine solche vorkommt, vorzugsweise an den höheren Lehranstalten
mit ihrem weit gesteckten Sehulziel, bedarf wohl nicht der Er¬
örterung; die Frage ist nur, wie können wir ihr Vorhandensein
und ihren Grad in jedem Einzelfall nachweisen, wie lässt sie
sich wieder ausgleichcn und wie soll man ihr Vorbeugen. Psycho¬
logisch gebildete Psychiater sollten durch die ganze Denkrich¬
tung ihres Berufs befähigt sein, die psychischen Laesionen bei
Schülern eher und treffender zu beurtheilen als die Kinderärzte
und auch als die Lehrer. Das Wort Kant’s, Begriffe ohne An¬
schauung sind leer, und Anschauungen ohne Begriffe sind blind,
könnte in seiner ersten Hälfte auf die vielfach übliche Denk¬
weise der Lehrer, in dem zweiten Theil auf die zahlreicher Aerztc
gemünzt sein. Der Modieiner wird von früh an gewöhnt,
anschaulich zu denken, seine geläufigsten Vorstellungen sind
Bilder dos räumlich Ausgedehnten und somit fällt es ihm später
schwer, sich in die psychologische Denkweise hineinzufinden,
die auf der inneren Wahrnehmung beruht und deren psychische
Gebilde auf die subjeetive Seite der Empfindung zurückgehen
unter Abstraction von dem der Ausscnwolt entstammenden In¬
halt. Der klinisch und psychologisch durchgebildete Psychiater
kann hier am ersten die richtige Betrachtungsweise treffen,
während die Mehrzahl der Aerzte Gefahr laufen wird, über ihrer
detaillirten Kenntnis? vom Bau des Nervensystems zu vergessen,
dass es nur einen psychologischen Parallelismus, aber keine Ver¬
bindungsbrücke zwischen physiologischen Vorgängen und psycho¬
logischen Gebilden gibt. Alle Hypothesen von der Anhäufung
von Ermüdungsstoffen in den Zellen oder von spät ausreifenden
Markscheiden u. dgl. werden die Ueberbürdungsfrage nicht för¬
dern. Sie kann nur von der psychologischen und klinisch-psych¬
iatrischen Seite aus in Angriff genommen werden; desshalb
sollten hier die Psychiater Die Vorhand vor den übrigen medi-
einisehen Disciplinen haben und ihre sachlich begründeten
Rechte auch geltend machen.
Ich glaube, dass sich gerade für die jüngeren Psychiater in
grösseren Städten, namentlich also an Kliniken und Stadtasylen,
hier ein Arbeitsgebiet findet, das ernster Beachtung werth wäre.
Es würde ein uneinbringlicher Verlust sein, wenn es hier gehen
sollte wie mit der Hypnose, die sich die Psychiater fast völlig aus
der Hand winden Hessen, so dass sie jetzt meist von den Ver¬
tretern anderer Disciplinen ausgeübt wird, oft genug zum Schaden
der Kranken und sicher nicht zum Vortheil der Theorie. So
willig die Psychiatrie Vorspanndienste für die normale Anatomie
und Physiologie geleistet hat, so sollte sie darüber doch nicht
völlig Fragen ausser Acht lassen, die so eng die Seelenheilkunde
berühren wie die Ueberbürdungsfrage und die Probleme der
geistigen Hygiene. Es gilt hier einmal den unwissenschaftlichen
Methoden übereifriger Reformer Einhalt zu gebieten, dann neue
Methoden zur Prüfung geistiger Leistungen, insbesondere auch
der Erschöpfung, zu schaffen, sowie die anderen Methoden in
ihrer Verwendbarkeit zu prüfen und auszubauen.
Welche Ziele damit zu erreichen wären, dafür will ich mir
nur noch einen kurzen Hinweis erlauben: Die heutigen Schul¬
zeugnisse, die aussagen, was der Schüler in Latein oder Grie¬
chisch, Geometrie oder Religionsunterricht sich für eine Dressur
angeeignet hat, sind für die Berufswahl und für die ganze Zu¬
kunft des jungen Mannes ziemlich werthlos; daran ändern auch
nichts die knappen und streng pädagogisch gehaltenen Notizen
über Betragen, Fleiss und Aufmerksamkeit. Wenn es gelingen
sollte, neben den Faehcensuren auch noch psychologische Eigen¬
schaften zu kennzeichnen: wie verhält es sich mit den Sinnes¬
organen, wie mit Wahrnehmung und Auffassung, wie ist das
associative Denken beschaffen, wie das Gedächtnis?, welche Ein¬
drücke haften am besten, optische oder acustische oder moto¬
rische, wie äussert sich die Psychomotilität und der Wille u. s. w.,
so wäre mit dieser psychologischen Charakterisirung in den Cen-
suren nicht nur für die normale Psychologie ein grosser Gewinn
erzielt, sondern es würde den Eltern des Schülers ein namentlich
3*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
152
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
für die Berufswahl werthvolles Document humain in die Hand
gegeben. Ausserdem könnte sieh die Psychiatrie nur freuen,
wenn sie Öfters Anamnesen mit so zuverlässigen Daten über
die Psyehogenese erhalten würde.
Ich kann hier nicht näher darauf eingehen, wie im Einzelnen
nun die Schulärzte eine solche Vorbildung erwerben sollten. Ich
gestehe ruhig zu, dass die heutige Psychiatrie, auch wenn sie
durch psychologische Studien wirklich unterstützt wird, viel¬
leicht noch nicht völlig hinreicht, um sofort grosse Erfolge auf
unserem Gebiet erwarten zu lassen. Hier muss eben die künftige
Aufgabe befruchtend auf die Vorbereitungsgelegenheit zurück¬
wirken. Dass schulhygienische Vorlesungen oder besser noch
(’urse und Golloquia eingerichtet werden sollen, ist schon oft ge¬
fordert worden und steht, wohl der Verwirklichung nahe. Aber
so gut wie neben dem Fach der forensischen Mediein die ver¬
wickelten Specialfragen der forensischen Psychiatrie gewöhn¬
lich noch ihre besondere Behandlung durch den Lehrer der
Psychiatrie finden, so wird dereinst auch die Psychohygiene der
Schule voraussichtlich eine besondere Berücksichtigung von
psychiatrisch - psychologischer Seite erfahren. Freilich die
nächsten Erwartungen dürfen wir noch nicht so weit
richten. Es ist klar, dass eine psychiatrisch-psychologische Vor¬
bildung vorzugsweise in Betracht kommt bei den Schulärzten
an höheren Lehranstalten, wo die ITeberbürdungsgefahr eine
weitaus brennendere ist, als an Volksschulen. Auf jenen Stellen
sollte für die Schulärzte eine psychologisch-psychiatrische Aus¬
bildung, etwa durch ein Anstaltsjahr, obligatorisch sein, während
für die Volksschulen eine solche vorzugsweise nur dann von Be¬
lang ist, wenn die Auswahl für die etwaigen Schwachsinnigen-
classen getroffen werden soll, im fiebrigen allenfalls noch gegen¬
über hartnäckigen Repetenten u. dergl. In Bezug auf die
sonstige Ausbildung, die bei Schulärzten verlangt werden kann,
sind alle von der Universität kommenden Mediciner gleich und,
wenn einmal entsprechende Curse über Schulhygiene gehalten
werden, auch mit hinreichender Grundlage versehen; eine etwaige
Assistentenzeit des Arztes an inneren, chirurgischen oder Frauen¬
kliniken wird für seine Thätigkeit, die Schulkinder körperlich
zu überwachen, nicht allzuviel ausmachen, von der allgemeinen
Berufssicherheit natürlich abgesehen. Eine möglichst gediegene
psychiatrisch-psychologische Vorbildung, die freilich nicht allein
durch Curse oder Klinikanhören angeeignet werden kann, sollte
den Bewerbern um Schularztstellcn, insbesondere wenn es sich um
höhere Schulen handelt, unbedingt einen gewissen Vorrang ver¬
leihen. Da erfahrungsgemäss durchaus nicht alle psychiatri¬
schen Assistenten bei ihrem Specialfach bleiben, würde für einen
Theil derselben sich nach jener Richtung hin ein ergiebiges Ar¬
beitsfeld eröffnen. Somit hätte die ganze Frage auch einen
bemerkenswerthen praktischen Hintergrund für die Psychiater.
Dass die Schularztfrage aber in erster Linie nach der theo¬
retischen Seite für uns von Wichtigkeit ist, glaube ich mit
meinen Ausführungen hinlänglich angedeutet zu haben.
In Kürze lassen sich meine Darlegungen etwa folgender-
maassen zusammenfassen:
1. Die Verwendung von Schulärzten für die psychische
Ueberwachung der Schüler steht noch im Stadium des Versuchs.
2. Zur Ausbildung der Theorie sind in erster Linie Psycho¬
logen und Psychiater berufen, schon um bisher begangenen
methodischen Fehlern entgegenzutreten.
3. Für die Schularztstelllen, insbesondere an höheren Lehr¬
anstalten, hat heute schon der psychologisch und psychiatrisch
vorgebildete Arzt die geeignetste Grundlage.
4. An den Volksschulen ist vorzugsweise die Aushebung der
schwächer begabten Schüler für die (in grossen Städten ein¬
gerichteten) Sch wachsinn igenchissen, sowie die Ueberwachung
der letzteren unter Beihilfe von psychiatrisch vorgebildeten
Acrzten vorzunehmen.
Aus dem Neuen Allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg-
Eppendorf.
Ein Beitrag zur Frage über die Ursachen des Todes
bei Verbrennungen und Verbrühungen.
Von Dr. E. Scholz.
Durch zahlreiche Arbeiten von Kleb» [1], P o n f i c k [2],
W c 1 t i [3], Silbermann [4], Frankel [5] und Lesser [6]
ist der Nachweis geführt worden, dass bei Verbrennungen der
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Haut hochgradige Blutveränderungen stattfinden. Diese be¬
stehen entweder in einer Herabsetzung der funetionellen, den
Gasaustausch betreffenden Eigenschaften der rothen Blutkörper¬
chen oder in einer Verminderung ihrer Resistenzfähigkeit gegen
verschiedene äussere Einflüsse, ferner aber in einer directen,
sei es vollständigen, sei es unvollständigen morphologischen Zer¬
störung. Die Folge dieser verschiedenen Schädigungen ist ein¬
mal die Unmöglichkeit, den Gasaustausch in normaler Weise
weiter zu bewerkstelligen, andererseits aber finden in Folge von
Gerinnungen und Verklebungen der veränderten Blutkörperchen
und der Blutkörperehentrümmer Verlegungen zahlreicher Ge-
fässe statt, welche ganz bedeutende Störungen im Gefolge
haben und wohl im Stande sind, einen ganzen Theil der klinischen
Erscheinungen beim Verbrennungstod zu erklären. Hierher ge¬
hören z. B. die venöse Stase, die arterielle Anaemie, die Ath-
mungsanomalien, die Krämpfe, die Albuminurie, die Geschwürs¬
bildung. Die intravitale Entstehung dieser Thrombosen hat
Silber ma n n durch intraarterielle Infusion einer Eosinlösung
nachgewiesen. Es blieben die verstopften Gefässgebiete unge¬
färbt, während die dem Blutstrom offenstehenden eine intensive
Eosinfarbe annahmen. Die directe Zerstörung zahlreicher rother
Blutkörperchen bei Einwirkung von Hitze über 52 Grad ist von
vielen Forschern bestätigt. Ausser dieser Thatsache gibt Lesser
der intensiven Schädigung der rothen Blutkörperchen im fune¬
tionellen Sinne die Hauptschuld an den schweren Folgen von
Verbrennungen. Wenn nun auch von Hoppe-Seyler [7]
nachgewiesen ist, dass die Aufnahmefähigkeit für Sauerstoff beim
Blute Verbrannter durchaus nicht geringer als normal ist, so
sind doch die ihrer Form nach erhaltenen Blutkörperchen nicht
völlig unversehrt. Es untersuchte Silbermann das Blut
von Hunden und Kaninchen vor und nach Hautverbrennungen
und fand dabei, dass die noch erhaltenen Erythrocyten eine
bedeutend verminderte Resistenz gegen schädliche Einflüsse be¬
sitzen. Während sich unter Paraffinabschluss bei 25° normales
Blut innerhalb 5 Stunden nach der Entnahme nicht wesentlich
verändert, zeigt das Blut Verbrannter schon nach 2 Stunden viele
Schatten, sehr viele gequollene Blutkörperchen, Fragmente und
Mikrocyten. Erwärmung auf einer Kupferplatte bis zu 44°
während 20 Minuten hat auf normales Blut nur geringen Ein¬
fluss, während das Verbrannter schon nach 5 Minuten und bei
einer Temperatur von 32 0 sich ganz wesentlich verändert. Auch
Trocknung bei 36° bringt in dem Blut Verbrannter schon in
wenigen Minuten deutliche pathologische Bilder hervor. Ge¬
sundes Blut bleibt innerhalb der nächsten Stunde unter den¬
selben Bedingungen fast normal. Ferner sind die an Form noch
erhaltenen Erythrocyten Verbrannter empfindlicher gegen Com-
pression; bei geringem Druck zerplatzen sie in grosser Zahl,
wogegen beim gesunden Blut nur ganz wenige diesen Vorgang
zeigen. Kochsalzlösung quillt und entfärbt gesunde Blutkörper¬
chen lange nicht so schnell wie verbrannte und Methylviolett¬
lösung färbt gesundes Blut langsamer als Verbrennungsblut.
Dass also ausser den kurz nach der Entnahme mikroskopisch
sichtbaren Veränderungen rother Blutkörperchen von Ver-
brennungsthieren noch in ihrer Resistenz wesentlich geschwächte
Blutkörperchen vorhanden sind, deren pathologisches Verhalten
erst nach Vornahme bestimmter Manipulationen hervortritt,
steht fest. Es fragt sich nur, ob diese Erscheinungen alle nur
durch die Hitzewirkung entstanden sind, oder ob sie durch Re¬
sorption von irgend welchen Stoffen auftreten, die sich am Orte
der Verbrennung im Gewebe oder im Blute während derselben
bilden. Es kommt hier eine Theorie in Betracht, die Lust¬
garten [8] aufgestellt hat, und die darin gipfelt, dass sich unter
Einwirkung von Fäulnissbaeterien in den Hautschörfen ein Pto¬
main bildet, welches resorbirt wird und dann die weiteren Er¬
scheinungen hervorruft. Diese Theorie trifft nicht für alle Fälle
zu, da schon Verbrennungen ersten Grades, bei denen sich gar
keine Hautsehörfe bilden, einen tödtlichen Ausgang nehmen
können. Es zeigt sich hier aber der Gedanke, dass es sich bei
Hautverbrennungen um eine acute Vergiftung mit Ptomaincn
handeln könnte, welche resorbirt entweder gleich toxisch wirken
oder aber ihrerseits wieder Gifte bilden, welche die schweren
Krankheitserscheinungen resp. den Tod herbeiführen. Diese Er¬
wägungen sind der Ausgangspunkt für die neuen Arbeiten auf
diesem Gebiete gewesen.
Nach Kijanitzin [9] erleidet das Blut beim Durchfliessen
des verbrannten Bezirks bedeutende Veränderungen. Dieses
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
163
Blut kreist eine gewisse Zeit im Körper, bis es durch die Nieren,
die Leber oder andere Organe aus dem Kreislauf ausgeschieden
wird. Während dieser Zeit nun unterliegt es dem Einfluss der
im Blute stets enthaltenen und unter normalen Verhältnissen
nicht schädlichen Fäulnisskeime. K. verarbeitete dann Blut,
Organe und Urin von verbrannten Thieren und fand, dass sich
in denselben ein Ptomain bilde, welches grosse Aehnlichkeit mit
B r i e g e Fs Peptotoxin habe, einem Körper, der bei Eiweiss¬
zersetzung entsteht und äusserst giftig ist. Auf die Wirkung
dieses dem Peptotoxin verwandten Giftes bezieht er das Fallen
der Temperatur, die Schwäche der Herzthätigkeit, langsames,
oberflächliches Athmen, Durchfall, Brechen, Schlaffheit und
Schläfrigkeit. Die Quelle der Bildung, dieses Ptomains lässt er
offen und sagt, dass es sich entweder im Blut selbst bildet oder
im Organismus als ein pathologisches Product der Lebensthätig-
keit der durch die Verbrennung veränderten Zellelemcnte der
Gewebe oder des Blutes. Während nun Kijanitzin das ent¬
stehende Gift nicht chemisch genau feststellte, fand R e i s s [10],
dass sich bei ausgedehnten Verbrennungen der Haut Pyridin im
Harn nachweisen lässst, und dass es sich bei der Aehnlichkeit
der Symptome bei Pyridinvergiftungen und Hautverbrennungen
um eine Intoxication mit diesem Körper handle. Als Beispiel
für stickstofflose, organische Substanz erhitzte R e i s s Cellulose
im Verbrennungsrohr und machte dann davon eine 0,6proc.
Xa CI-Auflösung, die aber auf Thiere nur einen geringen Ein¬
fluss hatte. Dagegen zeigte erhitztes Serumalbumin, als Beispiel
der stickstoffhaltigen organischen Substanzen gewählt, eine be¬
deutende Toxicität. Er glaubt daher, dass bei den Hautverbren¬
nungen brenzliche Produete entstehen, welche die klinischen Er¬
scheinungen hervorrufen, und dass unter diesen das Pyridin
eine bedeutende Rolle spielt. Jedoch führt er nur die Fälle auf
eine Pyridinvergiftung zurück, die weder durch Schock, noch
durch Sepsis, noch durch irgend eine andere Complication er¬
klärt werden können. Eine Nachuntersuchung dieser beiden
Arbeiten unternahm Spiegler, doch konnte er unter Benutz¬
ung derselben Methode wie Kijanitzin, als auch einer Con¬
trolmethode den Befund von K. nicht bestätigen. Auch der An¬
sicht von R. tritt Spiegler [11] entgegen. Wenn sich das Pyri¬
din in der verbrannten Haut bildet, und dann resorbirt als Toxin
wirkt, so darf es nicht als solches im Urin erscheinen, sondern
müsste in Folge der Einwirkung auf den Körper in irgend einer
Weise verändert werden, oder es kann das Pyridin, welches im
Harn auftritt, nicht toxikologisch wirksam gewesen sein. Auch
sind bei Verbrühungen die Bedingungen für die Entstehung
von Pyridin (trockene Destillation) nicht vorhanden. Er führt
dann ein Beispiel an, bei welchem trotz der denkbar günstigen
Bedingungen für das Zustandekommen von Pyridin kein solches
im Harn gefunden ist. Es handelt sich hier um eine Verbrennung
dritten Grades beider Hände und des linken Vorderarmes mit
tiefer Gewebsnekrose bei einem epileptischen Individuum, das
sich diese Verletzungen im bewusstlosen Zustande zuzog. Es
kann sich also nach Spiegler wegen des mangelnden Befundes
an Pyridinderivaten wegen seines inconstanten Vorkommens
und wegen der nicht immer vorhandenen Entstehungsbeding¬
ungen der Befund von Pyridin nur dadurch erklären lassen, dass
neben anderen toxisch wirkenden Substanzen das Pyridin als
Nebenproduct abgeschieden wird.
Um dann ferner nachzuweisen, dass in der Haut selbst
nicht die Bildungsstätte der giftigen Substanzen sei, nahm
Spiegler Haut vom Rücken einer Leiche, erhizte dieselbe
und machte davon ein wässeriges Extract und ein Destillat.
Dieselben erwiesen sich für Kaninchen als durchaus unschäd¬
lich. Sp. bestätigt dann ferner die anatomischen Veränderungen
des Blutes und machte folgenden Versuch als Beweis, das die
directe Erhitzung des Blutes bis 42° keinen schädlichen Ein¬
fluss auf den Organismus habe. Er entnahm einem Hunde in
Narkose ca. den 5. Theil seiner Gesammtblutmenge, versetzte
denselben mit 10 ccm einer lproe. Na Citric-Lösung zwecks Ver¬
hütung der Gerinnung und erhitzte auf 52° C., dann liess er
wieder auf 40 0 abkühlen, und das Blut unter dem leichten Druck
in die Vena jugularis fliessen. Die Veränderungen des Blutes
entsprachen nur etwa der Verdünnung auf die Gesammtmenge
und verschwanden nach einer halben Stunde. Hieraus schliesst
Sp., dass durch directe Schädigung eines grossen Antheils des
circulirenden Blutes ein letaler Ausgang sich nicht erklären
lässt. Auf Grund dieser beiden Versuche kommt Sp. zu dem
N °' 6 ' Dlgltlzed by GoOölC
Schluss, dass es sich beim Verbrennungstod, da weder durch die
Haut primär toxische Substanzen erzeugt werden, noch das
durch Erwärmen geschädigte Blut toxisch wirkt, um eine im
Organismus sich abspielende Giftbildung handelt, und zwar
bildet sich höchst wahrscheinlich nicht ein einziges Gift, sondern
es treten mehrere beim Eiweisszerfall entstehende Substanzen in
Action. In dieser Richtung hat nun auch Sp. weitergeforscht
und in einer kurzen Mittheilung dargelegt, dass bei der Ver¬
brennung ein pathologischer Eiweisszerfall im grossen Maass¬
stabe stattfindet, und dass ausser dem Pyridin noch zwei andere
Körper gefunden werden, die auf denselben zurückzuführen sind.
Wenn es nun überhaupt schon schwierig ist, nach einem Ex¬
periment mit Leiehentheilen auf ähnliche Vorgänge im lebenden
Körper zu schliessen, so wird die Schwierigkeit noch erhöht,
wenn es sich dabei um einen einzelnen Versuch handelt, wie
dies bei Sp.’s Experiment mit der Rückenhaut einer Leiche der
Fall ist. Gerade bei den feinen chemischen Vorgängen, welche
sicher bei dem Verbrennungsprocess die grösste Rolle spielt, ist
es meiner Ansicht nach unbedingt nöthig, dieselben am lebenden
Körper anzustellen. Ferner aber hat Reiss auf Grund seiner
chemischen Arbeiten mit verschiedenartigen Harnextracten Ver¬
brannter nachgewiesen, dass das wässerige Extract für Versuehs-
thiere völlig unschädlich ist, und dass nur das alkoholische die
toxischen Stoffe enthält (0,2—0,3 ccm tödtete schon eine Maus).
Destillirt man dies alkoholische Extract, so verliert es seine
toxische Wirkung. Man kann also aus diesen Gründen den
Spiegle rächen Versuch, der auf einem wässerigen Extract
und dessen Destillat basirt, nicht als stricten Beweis dafür an-
sehen, dass sich in der Haut keine toxischen Substanzen bilden.
Es haben sich in jüngerer Zeit weiterhin Markusfeld t [12]
und Steinhaus mit Experimenten über Verbrennungserschei¬
nungen beschäftigt. In ihrer Arbeit bestätigen sie zunächst die
anatomischen Blut- und Organbefunde, sodann constatiren sie
Temperatursteigerungen bis 43 und sogar 45°, am Schluss der
Verbrühung durch während einer Stunde bis auf 66 0 erwärmtes
Wasser. Eine Abkühlung der Thiere mit Wasser während des
Versuchs war ohne irgend einen Einfluss. Um nun die Hitze¬
wirkung auf das Blut auszuschalten, unterbanden sie die grossen
Ohrgefässe bei Kaninchen und verbrühten dann in derselben
Weise. Die Thiere blieben am Leben, es traten keineTemperatur-
steigerungen, eher ein Sinken der Temperatur auf. Die quali¬
tativen Blut Veränderungen waren dieselben, blieben aber quanti¬
tativ weit hinter denen bei strömendem Blut zurück. Zuletzt
führen sie den Tod auf die capillären Thrombosen zurück, die sie
in allen Organen, besonders im Gehirn und verlängerten Mark,
gefunden haben. Diese Versuche können kein klares Bild geben,
da erstens die Ohren der Thiere vorher nicht blutleer gemacht
worden waren und zweitens die Circulation nachher nicht wieder
hergestellt worden ist. Etwa in der Haut gebildete Toxine hätten
gar keine Möglichkeit gehabt, in den allgemeinen Kreislauf zu
gelangen.
Zwecks Ermittelung des Einflusses der Haut bei der Bil¬
dung von Toxinen im lebenden Körper habe ich zwei Reihen
von Versuchen ausgeführt. In der ersten stellte ich die Er¬
scheinungen bei gleich grossen Brandwunden der Haut und des
Peritoneums einander gegenüber, in der anderen wurden die¬
selben bei Hautverbrennungen unter strömendem Blut und bei
Blutleere mit einander verglichen.
Vorher möchte ich noch bemerken, dass Hunde nicht ver¬
wandt werden konnten, da sie eine ganz unglaubliche Wider¬
standsfähigkeit gegen Verbrennungen haben. Lesser und
Silbermann heben dies ebenfalls hervor. Lesser schiebt
diese Erscheinung auf die Dicke der Haut, während Silber-
mann nebenher auch der grossen Widerstandsfähigkeit der
Hundeblutkörperchen die Schuld gibt. Dies scheint auch der
richtige Standpunkt zu sein, da ich z. B. einen ca. 4 kg schweren
unechten Foxterrier fast das ganze erreichbare parietale Peri¬
toneum mit dem Paquelin verbrannt habe, ohne auch nur ein ge¬
ringes Sinken der Temperatur beobachten zu können. Nun zu
meinen Versuchen. Es wurden zu jedem Experiment 2 mög¬
lichst gleichschwere gesunde Kaninchen gewählt, bei dem einen
wurde nach Abrasiren der dicken Haardecke, um ein dem Ver¬
hältnissen beim Menschen möglichst ähnliches Operationsfeld
zu haben, vermittels des Paquelin eine Brandwunde von be¬
stimmter Grösse angelegt, bei dem anderen wurde die Bauch-
Ürigiral frci v 4
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
154
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. r>.
höhle eröffnet und eine genau gleich grosse Brandwunde des
Peritoneum ebenfalls mit dem Paquelin gesetzt.
Versuch 1 a. Weisses, weibliches Kaninchen. 2000 g.
Morph. 0,01, Chloroform 18 Tropfen. Auf der Bauchhaut eine
Brandwunde von 14 X 4.5 — 03 qcm angelegt. Das Thier ist
nach dem Erwachen aus der Narkose noch etwas apathisch
frisst aber bald gut und erholt sich schnell. Ausgedehnte \ er-
brenuung 2. und 3. Grades.
Temperatur:
Tag 1. 2. 3 4. 5. 6.
Morgens — 38,6 39,2 33,9 39 38,0
Abends 39,6 39,4 39 38,6 39,2 38,5
Versuch lb. Graubraunes weibliches Kaninchen. 2000g.
Morph. 0,01, 15 Tropfen Chloroform, Laparotomie in der Mittel¬
linie, 2 Brandwunden rechts und links vom Schnitt auf dem parie
tu len Peritoneum angebracht. 0 X 6 -f- 7 X 4 04 qcm. Peritoneal¬
naht , Muskelhautnaht, Jodoformgaze-Collodiumverband. Das
Thier hat sich bald nach der Narkose erholt und nimmt Futter
Temperatur:
Tag
1 .
2 .
3.
4
5.
Morgens
—
38,6
38,8
37,6
35,9
Mittngs
—
—
—
37
35
Abends
39,4
38,4
38
36,1
—
Am 5. Tage Abends Exitus.
Section: Ilyperaemie sämmtltcher Bauchvenen, dessgleicheu
der Lungenarterien; rechtes Herz voller Blut in Diastole. Nieren.
Leber, Darm makroskopisch nicht verändert. Peritoneum auf dem
verbrannten Bezirk gelbbraun verfärbt, Nähte p. p. verheilt, keine
Adhaesionen.
Versuch 2 a. Gelbes, weibliches Kaninchen. 2000 g.
Morph. 0,01. Auf der Bauchhaut eine Brandwunde mit dem Pa
quelin angelegt, von 14 X 9 = 126 qcm. Starke Verbrennung 2.
und 3. Grades. Das Thier erholt sich bald.
Temperatur:
Tag
1 .
2 .
3.
4
5.
Morgens
38,5
40,2
38,8
39,4
39,1
Abends
36,5
39,6
39,2
39,2
39,4
Am 10. Tag ist die Temperatur wieder normal auf 38,5.
Versuch 2 b. Gelbes, männliches Kaninchen. 2000 g.
Morph. 0,01, 9 Tropfen Chloroform. Laparotomie. Medianschnitt
zu beiden Seiten des Peritoneum parietale. Zu beiden Seiten das
Peritoneum parietale versengt. 8.5 X 7 -f 10 X 7 “ 1-9,5 qcm.
Peritonealnaht, Muskelhautnaht. Jodoformgaze-Collodiumverband.
Gleich nach der Verbandanlegung klonische Krämpfe der vorderen
und hinteren Extremitäten, Athmung sehr verlangsamt und ober¬
flächlich, das Thier erholt sich dann etwas wieder, um dann an
dem der Operation folgenden Tage einen tiefen Collaps durch¬
zumachen.
Temperatur:
Tag 1.
2 .
3
4.
5.
6 .
Morgens —
34,5
38,2
38
39
38,6
Mittags —
34,3
—
—
—
—
„ —
35
—
—
—
—
Abends 38,6
37,2
39
39,2
38,9
38,5
Glatter Heilungsverlauf.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Haut jedenfalls
nicht die ausschliessliche Bildungsstätte der Toxine ist, da sonst
die Thiere mit den Hautwunden bedeutend schwerere Erschei¬
nungen hätten bieten müssen. Beide Male aber haben sich diese
sehr schnell erholt, während das erste der Kaninchen mit der
Peritonealwuude am 4. Tage zu Grunde ging und das zweite
schwer erkrankte.
Bei der zweiten Versuchsreihe musste es vor Allem darauf
ankommen, die Hitze allein auf die Haut wirken zu lasssen,
und nachher dafür zu sorgen, dass die eventuell in der Haut
gebildeten Toxine in den allgemeinen Kreislauf gelangen
konnten. Zu dem Zweck wurden die Ohren eines Kaninchens
durch Streichen mit den Fingern blutleer gemacht und darauf
dicht an der Wurzel des Ohres eine Schede’sche Darin-
klemme so angelegt, dass jegliche Blutcireulation stockte. Es
wurde dann die Verbrühung mit heissein Wasser vorgenommen
und zwar so, dass das Thier in ein dickes, starkes Handtuch
geschlagen wurde, aus dem nur die beiden blutleeren Ohren
herausssahen, um es vor den Wasserdämpfen zu schützen.
Hierauf wurden die Ohren in Gefässe mit Wascsr von verschie¬
denen Temperaturen getaucht. 40, 50, 60, 65, 70, 75°. Diese
Procedur darf nicht zu lange dauern, da sonst die Blutgefässe
so verändert werden, dass sich die Circulation nicht wieder her¬
stellt. Ich habe bei 4 Versuchen eine langsame Erwärmung der
blutleeren Ohren versucht, doch machten die Ohren schon bei
70° den Eindruck, als wenn sie gekocht wären, sie schrumpften
während der Verbrühung, und das Blut trat nachher überhaupt
nicht wieder in die Gefässe ein. Wenn die Erwärmung ca.
3—4 Minuten dauert, so erhält man schon wenige Stunden nach
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der Operation eine starke Blasenbildung. Da es bei diesem \ er¬
suche nur auf die Wirkung auf die Haut ankommt, welche der
Erwärmung in ihrer ganzen Ausdehnung sofort ausgesetzt ist,
so hat eine längere Anwendung der Hitze keinen Zweck. Anders
ist es beim blutdurchströmten Ohr, wo nur ein kleiner Blut-
theil in jedem Moment im Ohre enthalten ist, und zwecks Ein¬
wirkung auf das ganze strömende Blut eine längere Erhitzung
nothwendig ist. Wenn die Ohren der höchsten Temperatur von
70° ausgesetzt warenj wurden sie schnell in Wasser von 10 ab¬
gekühlt, und dann erst die Circulation des Blutes wieder frei
gegeben. Auf diese Weise wird das Blut vor der Erhitzung be¬
wahrt, dient andererseits aber dazu, die durch die Verbrühung
in der Haut etwa gebildeten Toxine fortzuschaffen und auf den
Organismus wirken zu lassen. Es ist eine bekannte, zuerst von
Klebs mitgetheilte und seitdem vielfach nachgeprüfte That-
sache, dass Kaninchen, deren Ohren in heissem Wasser langsam
erwärmt werden, unfehlbar unter Krämpfen zu Grunde gehen.
Es wurden im Ganzen 3 Versuche und ein Control versuch an¬
gestellt.
Controlthi^r 1. Verbrühung beider Ohren bei bestehen¬
der Circulation. Dauer 15 Minuten. Wassertemperaturen 4U, 5<>.
55, 60, 65, 70, 75, 80, 85 °. Tod unter klonischen Krämpfen.
V e r s u c li 2. Weisses. männliches Kaninchen. 2000 g. Vor
brühung beider Ohren bei Blutleere, 4 Minuten, Wassertempeia-
turen 40, 50, 55, 60, 65, 70°. Starke Verbrennung 2. Grades.
Temperatur:
Tag 1. 2. 3. 4. 5.
Morgens — 39,3 40,2 40 39,3
Abends 37,2 39,8 39,9 39,8 39,6
Nach ca. 8 Tagen beginnt das Ohr von der Spitze ab all
mählich zu vertrocknen, und fällt nach ca. 2 Wochen ab. 11 Tage
post operationem ist die Temperatur normal.
Versuch 3. Schwarzes, weibliches Kaninchen. 2500 g.
Verbrühung beider Ohren unter Blutleere, 3 Minuten, Wasser¬
temperatur wie bei 2. Starke Verbrennung 2 .Grades.
Temperatur:
Tag 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Morgens 38,8 p. op. 39 39,1 39 38,8 39,1
Abends 39 38,9 38,8 39,1 39 38,7
Am 8. Tage ist die Temperatur normal, am 30. begiuut auf
beiden Seiten die Ohrspitze zu vertrocknen, beide Ohren gehen zur
Hälfte verloren.
Versuch 4. Graugelbes, weibliches Kaninchen. 2200 g.
Verbrühung beider Ohren bei Blutleere, Dauer 4 Minuten, Wasser-
temperatur wie hei 2 und 3. Verbrennung 2. Grades.
Temperatur:
Tag
1 .
2 .
3.
4.
Morgens
38,5
38,8
39,1
38,7
Abends
39
39
39,2
39
Am 3. Tage wirft das Thier Junge und ist vollständig munter.
Circulation vollständig erhalten.
Gleich nach Abnahme der Klemmen, die die Olirwurzcl
comprimiren, stellt sich die Circulation wieder ganz her. Bei
durchscheinendem Lichte kann man die strotzende Fülle der
Gefässe sehr deutlich sehen, ca. 2—3 Stunden nachher ist das
Oedem ausgebildet, auch beginnt meist schon die Blasenruption.
Tritt in Folge zu langer Wirkung der Hitze die Blutcireulation
nicht wieder ein, so entsteht nie Oedem des betreffenden Ohres.
Die unter Blutleere verbrühten Thiere zeigten nie eine auch nur
irgend wie bedeutende Störung ihres Allgemeinbefindens. Die
Temperatur erreichte in den folgenden Tagen 39—39,9°, nur
selten 40° und mehr, zeigte aber nie Collapsgradc. Krämpfe
traten nie ein, und ausser einer Anfangs etwas oberflächlichen
Athmung war an den Thieren nichts Abnormes zu constatiren.
Es muss noch hervorgehoben werden, dass die Anlegung der
Klemmen so geschehen ist, dass die Nervenleitung noch ununter¬
brochen war, da Kneifen und Stechen in dem blutleeren Bezirk
vor dem Eingriff mit deutlichen Schmerzäusserungen erwidert
wurde. Es hätte demnach eine eventuelle Shockwirkung auch
bei diesen Thieren zu Stande kommen können.
Aus dem prompten Tode des Controlthieres, sowie aus der
geringen Beeinflussung der 3 anderen Thiere geht also hervor,
dass bei Verbrühungen die Hautveränderungen chemisch keine
Rolle spielen, sondern dass es sich dabei um Hitzewirkung auf
das Blut handelt. Die Richtigkeit dieser Anschauung findet
auch in der ersten Versuchsreihe ihre Stütze. Bei der Peritoneal¬
verbrennung sind sicher eine sehr grosse Anzahl von Blutkörper¬
chen verändert worden, da erstens nach Eröffnung der Bauchhöhle
sich sehr bald Gefässhyperaemie einstellt, und zweitens keine
dicke, schützende Epidermisdecke der Hitzewirkung entgegen-
Qritjiraal fro-rn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
155
nt an«]. So erklären sieh auch die wesentlich schwereren Erschei¬
nungen bei den Thieren mit der Peritonealwunde leicht und
ungezwungen. Da nun einerseits die Verbrennung einer be¬
stimmten Hautoberfläche den Organismus nicht so intensiv schä¬
digt, wie z. B. eine gleich grosse Brandwunde am Peritoneum,
andererseits aber die Verbrühung einer blutleeren Hautfläche,
deren gleichartige Verletzung bei Blutcirculation den sicheren
Tod herbeiführt, auch nach Wiedereintritt des Blutstroms, ohne
irgend welche schwere Folgen für das Individuum abläuft, so
kann man die Bildungsstätte der toxischen Substanzen jeden¬
falls nicht in die Haut verlegen, auch findet die Blut Veränderung
nicht durch Resorption giftiger Stoffe aus derselben statt, son¬
dern es handelt sich beim Tode durch Verbrennung oder Ver¬
brühung um die combinirte Wirkung der durch die Hitze er¬
zeugten physikalischen und chemischen Zerfallproduete des
BluttK? selbst.
Die vorliegenden Untersuchungen wurden auf Veranlassung
des Herrn Dr. Lomer in Hamburg gemacht, der eine Arbeit
über die Therapie des Carcinoms, in welcher auch die Ursachen
des Verbrennungstodes gestreift werden, unter der Feder hat
und durch Beschäftigung mit der Literatur dieses Gegenstandes
auf die.-e Fragestellung gekommen war. Ich will nicht versäumen,
Herrn Dr. Lomer für das rege Interesse und die liathschläge,
mit denen er meine Arbeit unterstützt hat, meinen besten Dank
zu sagen. Das Thiermaterial stellte mir Herr Director Prof.
R u m p f zur Verfügung, dem ich für sein Entgegenkommen an
dieser Stelle ebenfalls meinen Dank ausspreche.
Literatur.
1. Klebs: Münchener Xaturforscherversammlung 1S77.
Po n fick: Münchener Naturforscherveisammiung 1N77.
’■ W e 11 i : Beiträge z. patliol. Anat. u. allg. Pathol. v. Z i e g 1 e r
und X a u w e r k , Bd. 4, 1889.
4. Silbermann: Vircliow's Archiv, Bd. 119.
•"> Fraenkel: Deutsch, med. Wochensehr. 1889, Xo. 2.
o. Besser: Vircliow’s Archiv, Bd. 79.
7. H o p p e - S e y 1 e r : Zeitschr. f. pliys. Chemie. Bd. 5.
s. Lustgarten: Wiener klin. Wochensehr 1891, Xo. 29.
9. K 1 j a n i t z i n : Vircliow’s Archiv. Bd. 131.
10. Re iss: Archiv f. Dermatol, u. Syph. 1893. Ergänzungsheft.
11. 8 p i e g 1 e r: Wiener med. Blätter 189(5, Xo. 17—20, 1897. Xo.
12. Mnrkusfeldt und Steinhaus: Centialbl. f. allg. Patli.
u. patli. Anat.
Ueber einen hall'von acuter Perichondritits und Peri¬
ostitis der Nasenscheidewand dentalen Ursprungs.*)
Von Prof. Dr. Gustav Ivillian in Freiburg i. Br.
Dass eine einfache, nicht t r a u m a t i s c li e Perichon-
dritis der Xasenseheidewand vorkonimt, war schon den älteren
AiTztcn genugsam bekannt. Immerhin sind solche Fälle ver-
lüiltnissinässig selten. Ich habe im Verlaufe von 12 Jahren
keinen einzigen zu Gesicht bekommen. In der kleinen darüber
vorhandenen Literatur fand ich nur zweimal eine Zahncaries
mit Wurzelhautentzündung, bezüglich Alveolarperiostitis als
wahrscheinliche Ursache der Perichondritis septi narium an¬
gegeben. Es sind das der zweite Fall von Fischenich (Ver-
handl. (1. Naturforscherversamml. Nürnberg 1893, 8. 263) und
Beobachtung 10 von E. Fried heim (Diss. Berlin 1897) aus
der B. F r a e n k e l’sehen Poliklinik. Ein Fall aber, in dem eine
vereiternde Zahncyste die fragliche Affection veranlasste, ist
bisher allein Anscheine nach noch nicht beobachtet worden.
Ein junger Mann in den dreissiger Jahren, nicht erblich be¬
lastet. der aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie an Lues ge¬
litten hatte, erkrankte an Zahnweh und zwar am 2. linken oberen
Schneidezahn. Nach 2 Tagen begann sich die Nase zu verstopfen,
es traten heftige Schmerzen in der Stirne über der Nase und hohes
Fieber (bis zu 40.0°) auf. In den folgenden Tagen wurde die
Verstopfung der Nase bei massigeren Temperatiirstoigerungeii
eine vollständige. Am siebenten Tage stellte sich plötzlich ein
kolossaler Ausfluss höchst übelriechenden Eiters aus der linken
Nase ein. Da die Eiterung und die Schmerzen fortdauerten, kam
der Kranke nach einigen Tagen zu mir.
Ich fand in der linken Nase gelben, übelriechenden Eiter.
1 de Septumschleimhaut buchtete sich über dem ganzen Septum,
tun meisten aber vorn vor und schien von ihrer Unterlage ab¬
gehoben zu sein. Auch rechts bestand eine solche weiche Ver¬
richtung, aber nur im Bereiche des knorpeligen Septums; weiter
hinten war hier die Schleimhaut nur etwas geschwollen. Die An¬
wesenheit von Eiter links bewies zwar, dass eine Durchbruchs-
*) Vortrag, gehalten in der VI. Versammlung des Vereins
süddeutscher Laryugologen zu Heidelberg am 3. April 1899.
Öffnung da sein müsse; dieselbe, im vorderen Theile der Scheide¬
wand gelegen, war aber so fein, dass ich sie erst nach einiger
Mühe finden konnte. Patient hatte immer noch leichtes Fieber
und heftige Kopfschmerzen, namentlich in der Gegend der Nasen¬
wurzel und der angrenzenden Stirnregion.
Ich spaltete die Septumsehleimhaiit links breit vom Xasen-
eingang bis zur Vomergrenze. wobei noch etwas Eiter abfloss.
Die genauere Untersuchung bei auseinandergehaltenen Wund¬
rändern zeigte zu meinem Erstaunen, dass ein grosser Theil der
knorpeligen Xasonschcidcwaiul durch den eitrigen Entzüudungs-
process zur Auflösung gebracht worden war. Ausserdem konnte
man mit der Somlc nach oben bis in die Nähe der Lamina cribrosa
und nach hinten bis zum hinteren Rande des Vomer Vordringen.
Es war fast die gesummte Septumsehleimhaiit von ihrer Unterlage
abgehoben. Die Knoclienobertläche des Vomer und der vertiealen
Siebbeinlamelle Ing frei.
Die Wunde wurde mit Gaze ausgestopft, welche in eine
Lösung von essigsaurer Thonerde (Liqu. ulum. acet. 5:100 Aqu.)
getaucht war.
Als nach 3 Tagen noch ziemlich viel Eiter unter dem nicht
gespaltenen Theil der Septumschleimhaut hervorkam, verlängerte
ich den Schnitt bis an das hintere Ende der Nasenscheidewand.
Einen interessanten Anblick hatte man bei der Rhinoskopia
posterior. Die gerötliete und geschwollene Schleimhaut gab dem
hinteren Ende des Septum eine solche Breite, dass die Choanen
dadurch stark verengt wurden.
^ Im Verlaufe von 14 Tagen heilte der Process vollständig aus,
ohne dass die Abstossung eines Sequesters nachfolgte, was ich
sehr gefürchtet hatte. Offenbar war der Knochen von der rechten
Seite aus noch genügend ernährt.
Die Schmerzen an dein linken oberen Schneidezahne hatten
im Anfänge nur 2 Tage gedauert und waren nicht wiedergekehrt.
Der Zalm zeigte äusserlich keine Erkrankung und stand fest.
Wiewohl ich ihn im Verdacht hatte, dass er zu der Nasensclieide-
wanderkrankuug in einer gewissen aetiologischen Beziehung
stände, so rieth ich doch dem Patienten, den Zahn einstweilen
noch stehen zu lassen und abzuwarten. Am Kiefer war keinerlei
Difformitiit nachweisbar, auch später nicht, was ich hier aus¬
drücklich betonen möchte.
Etwa nach einem halben Jahre kam der Kranke wieder zu
mir und erzählte mir, dass sich vor 2 Monaten wieder Schmerzen
in dem bezüglichen Zahne eingestellt hätten, was ihn veranlasste.
die Extraction vornehmen zu lassen. Dabei floss eine Portion
Eiter ab und es eiterte von da ab aus dem Zahnloch immer fort.
Ich sondirte und konnte einen 2 1 /, cm tiefen, bis zum Nasen¬
boden und Septum sich erstreckenden und ganz in dem keilförmi¬
gen vorderen Theil des Oberkiefers verborgenen Hohlraum nacli-
weisen, der von einer Membran ausgekleidet war; es handelte
sich um eine Zahn wurzoley ste.
Unter localer Anaestliesie wurde am nächsten Tage das Zahn¬
fleisch vorn gespalten, zurückgeschol>en und mit der Knochen¬
zange die ganze vordere Cystenwand entfernt. Die eiternde
Cystenmembran kratzte ich heraus. Unter Tamponade. Anfangs
mit Jodoform-, später mit Thonerdegaze verkleinerte sich die
Höhle allmählich und wurde von dem Epithel der Mundhöhle aus
epithelialisirt. Jetzt nach 8 Wochen ist nur noch eine kleine
Xisehe vorhanden.
Ich glaube nicht, dass nach dem geschilderten Verlauf die
Entstehung der Septumatfection von der eiternden Zahncyste
aus in Zweifel gezogen .werden kann. Ob die Cyste unter die
Septumschleimhaut durchgebrochen war, liess sich selbstver¬
ständlich nachträglich nicht mehr feststellen; ich halte das
aber für das Wahrscheinlichste.
Auflösungen des Knorpels der Nasenseheidewand in kleinerer
oder grösserer Ausdehnung werden fast in allen Fällen von acuter
Perehondritis non traumatica beobachtet. Das gehört also zur
Regel. Fast immer scheint sich der Process auf die Cartilago
quadrangularis beschränkt zu haben. Eine Ausdehnung auf den
Vomer und die Lamina perpendicularis ossis ethmoidei wird Hin¬
ein einziges Aral (vergl. Schröder, Berlin. Klin. Wochensohr.
1893, S. 1128) beschrieben.
Der üble Geruch des Eiters weist auf die dentale Entstehung
hin; auch in dem F r i e d h e i llöschen Falle wurde Derartiges
beobachtet.
Wiewohl die Zerstörung des Naseiiseheidewandknorpels eine
sehr ausgedehnte war, so hat sich doch kein Einsinken des
Nasenrückens eingestellt, wie es vielfach nach einfacher Peri¬
chondritis beobachtet worden ist.
Mit dem Erfolge meines therapeutischen Vorgehens war
ich sehr zufrieden; nur würde ich in einem analogen Falle von
vorneherein schon die ganze Septumschleimhaut vom Nasenein¬
gang bis zum hinteren Vomerrand durchsclmeiden. Die feuchte
Behandlung mit Lösungen von essigsaurer Thonerde ist der mit
trockenen antiseptischen Pulvern bei weitem vorzuziehen.
4*
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156
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
Aua dem Nürnberger städtischen Krankenhause.
Ein Fall von Perityphlitis im Bruchsack; Resection
des Coecum und Processus vermiformis.*)
Von Hofrath Dr. C. Göschei, Oberarzt der chirurgischen
Abtheilung.
Wilhelm L., Bäckermeister, 35 Jahre alt, wurde uns von aus¬
wärts zugeschickt am 26. Juli 1898.
Patient erzählte, dass er seit etwa 10 Jahren mit einem
rechtsseitigen Leistenbruch behaftet sei. Er trug ein Bruchband,
doch blieb der Bruch trotzdem stets im Hodensack. Er wurde
am Tag vorher Früh 7 Uhr von Schmerzen befallen, der Bruch
wurde grösser und konnte nicht zurückgebracht werden. Der
in der Nacht darauf hinzugerufene Arzt versuchte die Reposition
ohne Erfolg. Patient hat seit gestern Früh 3 mal erbrochen,
das letzte Mal in vergangener Nacht.
Status : Patient ist klein, schwächlich, trägt die Zeichen
von früherer Rachitis, Skoliose der Brustwirbelsäule, blass.
Temperatur 38.2. Puls 120, klein. Eine strausseneigrosse,
die rechte Hälfte des Hodensackes völig ausfiillende
äussere Leistenhernie, die prall gespannt und bei Druck sehr
schmerzhaft ist. Die subcutanen Venen stark gefüllt, die Haut
livid. Leicht crepitirendes Gefühl bei Betastung der Hernie,
kein eigentliches Oedem. Bauch nicht besonders gespannt oder
meteoristisch. Erbrechen und Aufstossen haben auf gehört. Die
Diagnose wurde auf eingeklemmte Leistenhernie gestellt, die
Hernlotomie ohne vorherige Repositionsversuche in Ghloroform-
narkose sofort ausgeführt. Die Hüllen des Bruches zeigen sich
stark verdickt, schwartig, nicht zu unterscheiden. Bei Eröffnung
des Bruchsackes quillt eine mehrere Esslöffel betragende Menge
Bruchwasser heraus. Dasselbe riecht fade, ist trüb, mit Fibrin¬
gerinnseln gemischt. Der im Bruchsack liegende Darm ist mit
Fibrinauflagerungen bedeckt, die theils lose, theils fester in
dichteren Schichten haften. Die Darmschlingen sind mit dem
Bruchsack und unter einander fest verlöthet. Erst nach längeren
Versuchen, dieselben aus einander zu legen, gelingt es zu unter¬
scheiden, welche Darmtheile man vor sich hat. Es befinden sich
im Bruchsack das Coecum mit dem Processus vermiformis und
mehrere Dünndarmschlingen. Der Processus ist stark verdickt,
ebenso sein Mesenterium. Im Anfaugsdrlttel des Processus eine
kleine Perforation, aus der Eiter ouillt. Die Bruchpforte ist
weit, der Finger bequem durchzuführen, an den hervorgezogenen
Darmtheilen kein Einschnürungsring zu sehen, auch sie sind
mit Fibringerinnseln bedeckt, verklebt, es fliesst trübe
Flüssigkeit reichlich aus der Bauchhöhle. Es wird nun
die Resection des Processus. vermiformis ausgeführt dicht am
Coecum, der Stumpf vernäht. Dann wird ein Streifen Jodoform¬
gaze in die Bauchhöhle geschoben, der Bruchsack mit Jodoform¬
gaze ausgefüllt, der aussen liegen gelassene Darm damit bedeckt
und ein grosser Schutzverband angelegt.
Der Processus hat enorm verdickte Wand, im Innern Eiter
und 3 Kothsteino. In deren Umgebung sackartige Erweiterung,
Schleimhaut theilweise zerstört. Perforation au der Stelle, wo
der eiste Stein liegt, etwa einen Centimeter vom Coecum entfernt.
Der Verlauf nach der Operation gestaltete sich sehr günstig.
Die Temperaturen fielen allmählich und erreichten am Ende der
ersten Woche normales Verhalten, ebenso der Puls. Schon am
Tag nach der Operation spontaner Stuhl, kein Erbrechen mehr,
Leib weich. Der Darm und die Wunden überziehen sich rasch
mit Granulationen. Die Kräfte und der Appetit heben sich.
Es war also selbstverständlich die Reposition unterlassen
worden. Erstlich wäre sie nur mit dem Bruchsack möglich ge¬
wesen, weil das Coecum nahezu zur Hälfte seines Umfanges
untrennbar auf der dicken schwartigen Unterlage aufsass und
auch der aussenliegende Dünndarm mit dem Bruchsack verlöthet
war. Dann aber war die Reposition verboten durch die im
Bruchsack bestehende Perforationsperitonitis. Es würde ohne
Zweifel die an sich schon drohende diffuse Peritonitis dem Leben
ein rasches Ende bereitet haben.
Nachdem nun aber die Peritonitis zurückgegangen war und
Patient sich wohl befand, trat auf’s Neue die Frage heran, was
soll mit dem aussenli egenden Darm werden. Eine Ueberhäutung
der ilm überziehenden Granulationen wäre nach Ablauf von
mehreren Wochen zu erwarten gewesen, damit aber doch ein für
den Patienten noch nicht besonders erfreulicher Zustand: Eine
irreponible, sich vergrössernde Hernie, deren Narbe jederzeit
sammt dem dicht unter ihr liegenden Darm beschädigt werden
konnte. Ablösung der Hernie und secundäre Reposition war
wegen der fortdauernden Eiterung nicht zu wagen. So blieb nur
ein Weg übrig, der freilich auch nicht ungefährlich war, aber
doch günstige Heilungsverhältnisse versprach: Die Resection des
Bruchinhaltes.
Patient ging auf diesen Vorschlag ein.
Am 3. August wurde diese zweite Operation ausgeführt.
Der Gang derselben war folgender: Chloroformnarkose. Reini-
*) Mitgetheilt In der Sitzung des Aerztlichen Vereins vom
0. October 1898.
gung der Umgebung, Bedeckung des Bruches mit steriler Gaze.
Dann Avird der in den Bruchsack einmündende Dünndarm etwas
aus dem Bruchsackhals liervorgezogen, abgeklemmt und ab
geschnitten, das centrale Ende vernäht. Ebenso wird mit dem
Kolon verfahren. Es sollten diese Darmtheile am Schluss der
Operation durch seitliche Anastomose vereinigt werden. Es wird
nun der Bruchinhalt im Ganzen von der Umgebung abgelöst.
Da ein Auseinanderwirren der Darm schlingen nicht möglich war,
konnte nicht anders verfahren werden. Es zeigte sich aber da¬
bei noch ein unversorgtes Darmlumen, das in eine zur Bauch¬
höhle führende Schlinge führte. Bei der Untersuchung des Prä¬
parates fand sich später auch ein corespondirendes Darmlumeu.
das unterste Ende des Ileum. Damit war klar, dass bei der Ite
section an der Bruchpforte eine höher gelegene Ileumschlinge
durchschnitten war und bei der Ablösung der Dünndarm nocli
eiu zweites Mal, nämlich ein unterer Abschnitt desselben, unter
das Messer gekommen war. Es wurde desshalb das distale En<D
der oben durchschnittenen Ileumschlinge nicht weggenommen,
sondern von dem Bruchinhalt abgelöst und mit dem centralen
Ende durch Enteroanastomose wieder vereinigt. Nun wollte ich
das untere Darmlumen,
welches bei der Resection
des Bruchinhaltes gefunden
worden war, mit dem Ko¬
lon in Zusammenhang
bringen, es gab aber nicht
nach. Es wurde desshalb
auch dieses Darmlumen
vernäht und eine seitliche
Anastomose zwischen der
untersten noch erreich¬
baren Schlinge des Ileum
und dem Kolon ascendens
mittels Murphyknopfs her¬
gestellt. Diese Darmtheile,
deren Vereinigung voll
ständig ausserhalb der
Bauchhöhle geschah, wur¬
den dann reponirt und die
Wunde ausgestopft.
Patient war nach der lange dauernden Operation etwas er¬
schöpft, erholte sich aber auf Kochsalzinfusionen und Kampher
bald vollständig. Schon am Nachmittag gehen Winde ab. Er¬
brechen hört schon am zweiten Tag auf, der erste Stuhl erfolgt
am 5. Tag. Vollständig fieberfreier Verlauf. Täglich spontaner
gutverdauter, geformter Stuhl. Patient bald bei gutem Appetit
und erfreulichem Kräftezustand.
Mit fast geheilter Wunde am 10. September entlassen. Stellt
sich nach 6 Wochen wieder vor bei vollkommenem Wohlbefinden
und mit fester Narbe. Ein Bruchband vorerst nicht nöthig.
Der Murphyknopf wurde in den Stühlen nicht gefunden.
Bei Röntgendurchleuchtung konnte er nicht gesehen werden. Es
ist wahrscheinlich, dass er doch abgegangen ist, da gar keine
Beschwerde zu klagen war. Möglicher Weise könnte er aber
auch in den blind endigenden Darmtheil geratlien sein.
Es ist kein so sehr seltenes Vorkommniss, dass bei Hernio-
tomien das Coecum im Bruchsack gefunden wird, noch häufiger
scheint der Process. vennif. allein den Bruchinhalt zu bilden.
Unter anderen Veröffentlichungen über Process. vermif. im
Bruchsack best ätigen eine Reihe von Radicaloperationen, dass der
Process. vermif. allein ira Bruchsack Vorkommen kann.
Ueber Perityphlitis im Bruchsack existirt eine Anzahl von
Mittheilungen. Einige Dissertationen beschäftigen sich damit,
so Fleisch, Zürich 1895, Bary, Greifswald. Auch bei
Sonnenburg finden sich solche Fälle. Die Autoren stimmen
darin überein, dass die Diagnose zwischen Incarceration und
Perityphlitis im Bruchsack vor der Operation nicht zu machen
ist. Nur darauf kann man sich stützen, dass die entzündlichen
Erscheinungen überwiegen. Schmerzen, Anschwellung, Fieber
werden nicht fehlen, die Incarcerationserscheinungen, wie Er¬
brechen, Meteorismus, Stuhlverstopfung sind weniger deutlich
ausgeprägt. Diese Umstände genügen aber kaum zu einer Wahr-
scheinlichkeitsdiagnose. Glücklicherweise ist diese von geringem
Einflus auf unser therapeutisches Handeln. Die Erscheinungen
werden immer zur Operation drängen und diese klärt den
Sachverhalt auf.
Die Operation wird sich meist complicirt gestalten. In den
bisher veröffentlichten Fällen war der Ausgang in der Mehr¬
zahl ein ungünstiger. Wiederholt gelang es überhaupt nicht,
sich zurechtzufinden. Der Tod trat meist durch Sepsis ein. Ein¬
zelne Fälle gingen günstig aus, erforderten aber auch Spaltungen
weit über die Grenzen der Bruchpforten, um die Eiterherde bloss-
zulegcn und zu drainiren. In unserem Fall gelang die Erkennt¬
nis der Sachlage erst nach Lösung der verklebten Darmschlingen.
Es wurde dann der rächstliegenden Indication genügt durch Re¬
section des perforirten Process. vermif. Eine weitere Spaltung
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
157
der Bauchdecken wurde unterlassen und nur durch die offene
Bruchpforte drainirt.
Es wäre nur noch zu rechtfertigen, dass als zweite Operation
die Resection des Bruchinhaltes vorgenommen wurde. Die
Gründe, die dazu bewogen, sind bereits genannt. Ich gestehe,
dasss der Operationsplan etwas heroisch war, aber ich konnte mir
keinen anderen Ausweg denken, der dem Patienten hätte einen
erträglichen Zustand schaffen können. Es lässt sich fragen, ob
es nicht richtiger gewesen wäre, bei der Ausführung der Resec¬
tion zuerst den Darm überall abzulösen und erst dann zuführen¬
des und abführendes Ende zu durchschneiden. Es ist wohl denk¬
bar, dass dann die nicht beabsichtigte zweite Darmdurchschnei-
dung vermieden worden wäre. Es war aber die Verknäuelung
und die Verwachsung der Art, dass ich wohl annehmen durfte,
die Operation rascher auszuführen, wenn zunächst vor der Bruch¬
pforte der Darm durchschnitten wurde. Es konnte dann das
ganze Convolut nach Abbindung des Mesenteriums rasch im
Ganzen exstirpirt werden. Die unbeabsichtigte doppelte Durch¬
schneidung des Darms schuf eine recht complicirte Lage, die
dadurch noch schwieriger wurde, dass die untere Darmschlinge
nicht so weit beweglich gemacht werden konnte, um sie mit dem
Coeeum zu vereinigen. Es musste eine andere bewegliche
Schlinge herbeigezogen werden, um durch Enteroanastomose
die Continuität des Darms herzustellen. Dabei war freilich eine
partielle Darmausschaltung unvermeidlich.
In solchen Fällen muss der Operateur sich selber helfen,
da es sich um ganz atypische Verhältnisse handelt, für die es
Vorbilder oder besondere Schulregeln nicht gibt. Ich könnte den
Erfolg zu meiner Rechtfertigung dienen lassen. Ich glaube aber,
auch abgesehen davon, bei nachträglicher Ueberlegung mich über
die Frage beruhigen zu können, ob nicht doch ein einfacherer
Weg zum Ziel geführt hätte.
Schwerste Opiumvergiftung eines atrophischen Kindes
von 10 Wochen. Zehnstündige Faradisation des
Phrenicus. Heilung.
Mittheilung von Dr. August Model, kgl. Bezirksarzt a. D.
in Weisscnburg a. S.
Dieser merkwürdige Fall, welcher betreffs Constellation und
Ungunst der Verhältnisse in der wenn auch überreichen Ge¬
schichte der Opiumvergiftungen fast isolirt dastehen dürfte, hat
sich während meiner Thätigkeit als Amtsarzt zu Neu-Ulm am
16. März 1884 in der Schlossbrauerei des benachbarten Dorfes
Offenhausen ereignet.
Ich glaube, denselben, wenn auch „unlieb verspätet“, noch
mittheilen zu sollen, indem ich einer früheren Aufforderung
eines hochverehrten Freundes (und zugleich eines unserer be¬
deutendsten Toxicologen) Folge leiste. Zweitens auch desshalb,
weil dieses seltene Erlebniss insoferne grosse Aehnlichkeit hat
mit einem später behandelten, nicht minder denkwürdigen Fall
einer absolut hoffnungslos aussehenden Carbolintoxication eines
Diphtheriekindes (cf. Therap. Monatsh., October 1889), als in
beiden Fällen die Rettungsversuche längere Zeit anscheinend an
einer Leiche ausgeführt werden mussten.
Ich hatte damals zu Offenhausen ein schwach entwickeltes,
am 8. Januar 1884 geborenes, an profusen Diarrhoen erkranktes
weibliches Kind zu behandeln, welches künstlich ernährt worden
war, und hatten sich die Erscheinungen bald zu dem bekannten
Symptomencomplex des sog. Hydroceplialoids gesteigert. Fonta¬
nelle tief eingesunken, starke Atrophie des kleinen Körperchens,
welke, schlaffe, fettlose Haut, greisenhaftes oder äffchenartiges
Aussehen des Gesichts, fortgesetztes Wimmern bei oft hinauf¬
gezogenen Beinclien. hie und da ein lauter, kurzer Aufschrei.
Die bisherige Kuhmilchmischung wurde sofort ausgesetzt,
dafür Bieder t’sches Rahmgemenge, Priessnitz und Camillen-
thee verordnet, sowie dazwischen etwas geschabtes, rohes Ochsen
fleisch mit wenig Rothwein vorsichtig schlucken zu lassen ver¬
sucht. Dieses Verfahren hatte sich mir früher bei so vielen
schweren Darmkatarrhen kleiner Kinder sehr gut bewährt. Da
aber die häufigen, sclrwiiehenden Entleerungen nicht nachliessen.
sollten einige Tropfen einer aromatisch-bitteren Tinctur einem
Tässchen Camillenthee beigefügt und daraus — ausser reinem
Camillenthee — event. einige Male täglich kaffeelöffelweise ge¬
geben werden. Diese tonische Tinctur enthielt auch ein wenig
Tinctura Opii.
Trotz meiner Abneigung, bei kleinen Kindern überhaupt
opiumhaltige Medicamente zuzulassen, glaubte ich in diesem
Falle in dem von mir beabsichtigten Grade und in Ansehung
meiner wiederholten ganz genauen und eindringlichsten Wei¬
sungen an die Wartepersonen, eine vorsichtige Ausnahme machen
zu dürfen. |
No. 5.
□ igitized by Gougle
Das fortwährende Wimmern des Kindes war, wie Ich sah,
für die Umgebung, besonders für die zärtliehst besorgte, ohnedies
schon durch den grossen Haushalt überanstrengte Mutter höchst
angreifend und durch Sclilafberaubung erschöpfend, und das
dringende Ansuchen wurde w iederholt, w enn irgend möglich, dem
ohnehin von den Angehörigen bereits aufgegebenen, schlummer¬
losen Kinde doch wenigstens eine Linderung seiner Leibschmerzen
und Beruhigung zu verschaffen. Dabei gestehe ich offen, dass
mir selbst in diesem Falle — auch im Hinblick auf die geringe
Entwicklung des Kindes — die Prognose entschieden schlecht zu
sein schien.
Nachts war dann eiue ganz alte Wartefrau da, w eil die Mutter
die Schlaflosigkeit und fortwährende peinliche Aufregung nicht
mein* aushalteu und nur mehr hie und da nachselien konnte.
Wahrscheinlich hatte die alte Wärterin meine mit aller
w'ünschensw’ortlien Deutlichkeit gegebenen Anweisungen und
Warnungen doch nicht recht verstanden und gewürdigt und,
wie mir später versichert wmrde. hatte die Tinctur bei der von
mir befohlenen Beschränkung auf einige Tropfen in einer Tasse
Camillenthee (nur selten ein Löffelchen zu geben) nichts geholfen,
w r eil die ersehnte Beruhigung des Kindes nicht eintrat.
Jedenfalls wurde aus letzterem Grunde in der Nacht auf den
10. März — direct gegen meine Erlaubniss — viel zu viel von der
Tinctur verbraucht, bis schliesslich das unaufhörliche Wimmern
und zeitweise Schreien allerdings vollständig aufgehört hatte.
Am 10. März — des Morgens dringend gerufen — fand ich
jedoch um 7 l j 2 Uhr das Kind anscheinend als Leiche vor.
Status praesens: Schwach entwickelter, atrophischer
Kindskörper von bleicher, etwas livider Hautfarbe, sehr kühl,
fast kalt anzuftthlen, kein Athemzug und Herzschlag mehr, nir¬
gends eine Spur von Puls zu entdecken. Alle Reflexe vollkommen
erloschen. Halb offene, gebrochen aussehende Augen, Bulbi mit
paralleleu Sehachsen nach oben starrend, beim Herumschieben
in den Augenhöhlen ohne den mindesten Reflex. Lider schlaff,
unbeweglich in jeder Stellung. Pupillen mässig weit, ohne
Reaction auf Licht.
Obw T ohl Myose nicht (oder nicht mehr) vorhanden war, so
hatte ich im Hinblick auf das wenn auch wenig tröstliche Krank¬
heitsbild des verflossenen Abends doch den Eindruck, dass das
Kind an Opiumintoxication gestorben sei, nicht ex Cholera in¬
fantum resp. Ilirnanaemie. Sofort manuelle, künstliche Ath-
mung. Zuführung frischer Luft, Hautreize aller Art, Erwärmungs¬
versuche, Hervorziehen der bleich-lividen Zunge, Kitzeln der
Fauces etc. Alles ohne jede Wirkung. Zugleich erhielt ein Bräu¬
knecht den Auftrag, so schnell als nur möglich nach Neu-Ulm
(ca. 7- Stunde Weges) zu fahren und meinen Inductionsapparat
(S t ö h r e r) zu holen, welcher glücklicher Weise actionsbereit
stand. In unglaublich kurzer Zeit rasselte das Fuhrwerk mit den
zwei schweren Rossen wieder in den Schlosshof herein und gleich
darauf war auch der elektrische Apparat über die zwei hohen
Treppen heraufgebracht, an welchen sich das letzte Hoffnungs¬
fünkchen bei mir knüpfte.
Bald war ich so glücklich, sagen zu dürfen: Der rettende
Apparat. Denn die mittlerweile beharrlich fortgesetzte manuelle
künstliche Respiration, sowie alle anderen Belebungsversuche
hatten nicht den mindesten Erfolg gehabt, nicht den flachsten
Athemzug oder Reflex ausgelöst, oder Herzschlag und Puls hör-
und fühlbar gemacht. Das Kind war geblieben, wie es war —
anscheinend todt.
Bald jedoch sollte sich die Scene ändern. Eine breite
Plattenelektrode kam auf das Epigastrium und als die Knöpfeheu
elektrode den linken Phrenicus traf, wo derselbe auf dem Scaleuus
anterior reitet, da auf einmal erfolgte — für mich deutlich ver¬
nehmbar — ein kurzes, schwaches, schlürfendes Inspirium.
Als damit der Nachweis der noch nicht ganz untergegangenen
nervösen Erregbarkeit geliefert war, hielt ich bereits nach den
ersten künstlichen Athemzügen die Sache für gewonnen —
wenigstens quoad Opiumvergiftung.
Die Faradisirung fand — abwechselnd an beiden Phrenicis
— intermittirend und rhythmisch statt, im Allgemeinen etw r a
14—16 mal in der Minute. Nach jedem Stromschluss trat wieder
die schlürfende Inspiration ein, aber nur sehr langsam etw T as deut¬
licher und ausgiebiger werdend. Ab und zu w r urde die Faradi¬
sation auch etwas länger ausgesetzt, um zu sehen, ob nicht einmal
wieder ein leichter spontaner Athemzug stattfinde.
Als ich jedoch nach bereits stundenlanger intermittirender
Einwirkung des Inductionsstromes sah, dass nach Unterbrechung
desselben kein spontanes Inspirium einsetzte, wurde ich doch
wieder vorsichtiger in meiner Prognose.
Dieses Ausbleiben jeder Spontanathmung, welche in deut¬
licher Weise erst gegen Abend sich vollzog (und da noch beun¬
ruhigend flach und unregelmässig), war mir damals umso auf¬
fallender, als man gegen Mittag mit der Knopfelektrode jederzeit
die mimischen Gesichtsmuskeln zu wunderlichen Grimassen
spielen lassen konnte. Auch w r ar noch gegen Mittag kein Puls-
fädclien an den oberflächlichen Arterien zu constatiren. Dabei
war auch noch kein Lidschlag oder sonst ein Bewegungsversuch
am Körper zu bemerken.
Lange Zeit machte es den Eindruck, als hänge es von der
Willkür ab, durch Weglassen der Faradisation das kleine Würm¬
chen immer wieder in jenen absolut leichenhaften Zustand zu¬
rückzuversetzen, welcher vor Beginn des Elektrisirens bestand —
solange, bis die nie versagende Wirkung des letzteren wieder
eintrat
5
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158
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
In den Pausen wurde auch die methodische Compression der
unteren Thoraxpartie bei tiefliegendem Kopfe wieder aufgenom¬
men, auch Hautreize u. s. w. fortgesetzt. Erst Nachmittags
glaubte man hie und da ein schwaches Pulsfädchen an der
Tibialis poster. oder Eadialis zu fühlen, welches aber nach Strom -
Unterbrechung mit der Künstlich erzielten Inspiration immer
wieder verschwand.
Erst etwa in der Mitte des Nachmittags war auch einige
Wirkung auf die Temperatur deutlich, wenn auch die Haut immer
noch kühl und bleich-livide blieb.
Zugleich waren auch die Pupillen weniger weit geworden,
aber nicht myotisch. Iteactionsfähigkeit auf Licht war jedoch
noch so wenig constatirbar als Bewegungen der Bulbi und Be¬
wegungen überhaupt. Das Alles trat allmählich erst gegen Abend
ein und auch da noch schwach genug.
Die Faradisation der Phrenici war des Morgens etwa um
8 Uhr begonnen worden und musste mit erst gegen Abend all¬
mählich etwas länger gestatteten Unterbrechungen volle
10 Stunden fortgesetzt werden.
Wenn ich kleine Pausen eintreten lassen musste, d. li. durch
langes Stehen und fortgesetztes Manipuliren öfters erschöpft war,
übernahm meine Tochter, welche mir von Anfang an assistirte,
getreulich meine Function. Erst Abends nach 6 Ühr konnte Ich
das Kind beruhigt verlassen, als die Spontanrespiration regel¬
mässig vor sich gegangen war. Wiederholt war vorher versucht,
dem Kinde etwas flüssige Nahrung und Rothwein einzuflössen,
wobei man äusserste Vorsicht anwenden musste, um nichts in
die Luftwege zu bringen.
Ich hatte sehr bedauert, den elastischen Katheter nicht bei
mir zu haben, besonders in Erinnerung an verschiedene Fälle,
worin ich ganz kleine Kinder bei abundanten und weit hinab¬
steigenden Soorwucherungen verbaltnissunissig leicht mittels des
Katheters ernähren konnte. Ich hätte dann den Mageninhalt,
der allerdings gering genug gewesen sein mag. nach Verdünnung
wiederholt entfernen und Analeptica einspritzen können, was die
Faradisationszeit vielleicht immerhin abgekürzt hätte.
Seit dieser möglichst gründlichen Opiumvergiftung blieben
die diarrhoischen Stühle völlig aus, die Symptome der Blutleere
des Gehirns schwanden, das kleine Wesen erholte sich bei vor¬
sichtiger passender Ernährung und thunliehster Roborirung all¬
mählich vollständig und gedieh zur grossen Freude seiner Eltern.
Zu meinem grossen Bedauern erhielt ich von Letzteren später die
Nachricht, dass das 1884 schon todt geglaubte und, wie man fast
sagen darf, wiedergefundene Kind ihnen doch noch durch den
Tod entrissen worden ist — 1891 in Folge von Diphtherie.
Im Hinblick darauf, dass seit dem Morgen des 16. März gar
keine diarrhoisohe Entleerung mehr erschienen, also damit der
eigentliche Grund progressiver Schwächung und Hirnoligämie
plötzlich fortgefallcn war, habe ich mich gefragt, ob dieses Kind
ohne die mehr als derbe Opiumwirkung auch durchgekommen
wäre, ob nicht vielmehr die schwächenden Momente bei Befol¬
gung meiner vorsichtig beschränkenden ärztlichen Verordnungen
fortbestanden und das Leben vernichtet hätten, wie fast immer,
wenn Kinder so zarten Alters durch gleiche Krankheit so weit
herabgekommen sind. In diesem Falle wäre dann die Ueber-
tretung meiner Vorschriften geradezu ein Glück für das Kind
gewesen. Jedenfalls dürfte feststehen, dass Letzteres — wie man
sagt — „eine gute Natur“ gehabt hat.
Trotzdem, dass ich geneigt bin, diese Frage in suspenso zu
lassen, möchte ich am allerwenigsten der Anwendung von, wenn
auch noch so schwachen Opiatmischungen bei ganz kleinen Kin¬
dern noch dasWort reden. Und dies bei der Möglichkeit strengster
ärztlicher Beaufsichtigung bei häufiger Controle, am Ende
weniger aus physiologischen resp. pharmakodynamischen Grün¬
den, als vor Allem desshalb, weil der Arzt, auch wenn er noch so
genau und oft seine Weisungen geben kann, doch so häufig mit
Unachtsamkeit, Unverstand, falschem Mitleid, ja auch direetem
Ungehorsam des Wartepersonals zu kämpfen hat, Eigenschaften,
welche bekanntlich so oft den Erfolg vereiteln.
Sir James Paget.
Am 30. December 1899 starb der bekannte englische Chirurg
Sir J am es Paget, der Nestor der englischen Chirurgen. Er
hat nicht allein in England ein auserordentliches Ansehen ge¬
nossen, auch in anderen Ländern, nicht zum wenigsten bei uns
Deutschen, war sein Name hochgeachtet. Worin lag das be¬
gründet ? Welches waren seine hervorragenden Leistungen?
Der äussere Lebensgang des ausgezeichneten Mannes war
ein relativ einfacher; er hob sieh durch eigene Tüchtigkeit aus
den einfachsten Verhältnissen zur höchsten Stellung. Tm Jahre
1814 zu Great Yarmouth geboren, hatte er während seiner Stu¬
dienzeit mit materiellen Sorgen zu kämpfen und war genöthigt,
die Mittel zum Studium in der Hauptsache sieh selbst zu ver¬
dienen. Doch schon bei der ersten Prüfung fiel er seinen Exami¬
natoren auf, und durch glückliche Umstände kam er in die für
ihn günstigste Laufbahn, indem er im Jahre 1839 als Demon¬
strator für pathologische Anatomie an dem St. Bartholomaeus-
Hospital in London angestellt wurde. Nun gehörte Paget
zu dem Staff dieses grossen, weltberühmten Hospitalen, in dessen
Räumen vorwiegend die Ausbildung der englischen Mediciner
in ihren theoretischen und praktischen Studien vor sich ging; er
rückte Stufe für Stufe aufwärts als assistant surgeon, dann von
1861 bis 1871 als full surgeon, später noch als Consulting surgeon.
Offenbar war Page t’s Talent für sorgfältige und minutiöse
Forschung am Krankenbett wie am anatomischen Präparate
ebenso gross wie seine Begabung fär Demonstrationen und Vor¬
träge beim Unterricht der Studirenden. Es wird ihm von seinen
Zeitgenossen nachgerühmt, dass er die anatomischen Unter¬
suchungsmethoden, namentlich aucli die Verwendung des Mikro-
skopes, voll beherrschte und dass er sieh schon von früher Jugend
an als ein vortrefflicher Lehrer und Redner bewährte. Die
Sammlung pathologischer Präparate im Bartholomaeus-IIospital
wurde von ihm neu regist rirt und aufgestellt, wobei seine Gabe,
das Wesentliche der Präparate kenntlich zu machen, allseitige
Anerkennung fand. Neben seiner Arbeit im Bartholomaeus-
Hospital war Paget von 1842 bis 1849 damit beschäftigt, den
neuen Catolog der pathologischen Abtheilung des Hunter’-
schen Museums auszuarbeiten.
Diese verdienstvolle Arbeit, welche in der 1870 verfassten
zweiten Auflage noch heute für die Besucher des Museums von
Wichtigkeit ist, ist nicht bloss ein Beweis seines Fleisses und
seiner Sorgfalt, sondern auch seiner Sachkenntnis, war aber zu¬
gleich für ihn selbst und die Richtung seiner speciellen Studien
von grösster Bedeutung. In diesen anatomischen Untersuch¬
ungen war vorwiegend die Grundlage zu den berühmten Vor-
tiägcn gegeben, welche er in den Jahren 1847—1852 über zahl¬
reiche Capitel der allgemeinen Chirurgie hielt, und welche später
(1875) von seinem langjährigen Assistenten, Mr. Howard Marsh
als „Gesammelte Vorträge“ herausgegeben wurden. Von Page t’s
Originalarbeiten sind namentlich 2 weiter bekannt geworden: die
eine über das Carcinom des Warzenhofes der Mamma, sogen,
disease of the nipple oder „Pa ge t’s disease“, die andere über
Osteitis deformans.
Page t’s Erscheinung bot eigentlich nichts Glänzendes
oder Imponirendes: eine lange schmale Figur ohne stramme
Haltung; aber ein überaus sympathischer Ausdruck in seinem
freundlich ernsten Gesiebt; von vornehmer Gesinnung, mildem,
wohlwollendem Urtheil, tact vollem Auftreten bei allen Gelegen¬
heiten. Dazu eine grosse Arbeitskraft und ein eiserner Fleiss,
welche ihn selbst in den Tagen seiner grössten praktischen
Tbätigkcit in den Stand setzten, theoretische Studien fortzu¬
setzen und alle Vorträge und Reden, die er zu halten hatte, vor¬
her gründlich auszuarbeiten.
Diese Eigenschaften waren es, welche Paget die allge¬
meine Achtung und Verehrung brachten, deren er sich von den
60 er Jahren bis zur Mitte der 90 er Jahre zu erfreuen hatte.
Erstaunlich ist es, was auf ihn gebürdet und von ihm geleistet
wurde. Von 1869 an war er Präsident der Clinieal Society in
London, 1875 wurde er zum Präsidenten der Medical and chirurgi-
cal Society gewählt, und noch in seinem 73. Lebensjahre wurde
er Präsident der Pathological Society. Auf dem grossen inter¬
nationalen medicinischen Congresse,* welcher 1881 in London
stattfand, war Paget als Präsident, MeCormac als erster
Secretär thätig, und es ist noch in aller Erinnerung, in welch’
glänzender Weise diese Beiden den Congress leiteten und den
Diuek der Verhandlungen fast zauberhaft schnell fertig stellten.
Wenn Paget dann auf den späteren internationalen medi¬
cinischen Congressen erschien, so war er im Verein mit Spencer
Wells und J. Li ster der hervorragendste Vertreter der eng¬
lischen Aerzte.
So ragt Paget nicht durch unvergängliche Neuerungen,
nicht durch wichtige Entdeckungen oder durch Erfindung neuer
Operationen, auch nicht durch besondere literarische Leistungen
hervor. Er verdankt seine hohe Stellung und die grosse Ver¬
ehrung, welche er genoss, in erster Linie seiner Persönlichkeit.
Er war kein einseitiger Chirurg, sondern ein gebildeter Arzt und
brachte der Stellung des praktischen Arztes volles Verständniss
und Interesse entgegen; dazu ein biologisch wohl geschulter
Naturforscher, dessen anatomische Studien für seine Erfahrungen
am Krankenbett von hohem Werthe waren. In der Frage der
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30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
159
Antivivisection vertrat er die Wichtigkeit des Thierexperimentes,
und war überhaupt trotz streng kirchlicher Gesinnung ein Freund
jedes wissenschaftlichen Fortschrittes. Die medicinische Literatur
des Auslandes blieb ihm nicht fremd, zumal er mit manchen der
bedeutendsten Vertreter der Medicin, besonders auch Deutsch¬
lands, persönlichen Verkehr pflegte. Sein Name wird noch lange
in Ehren gehalten werden. H.
Dr. August Dyes.
Am 7. December 1899 starb zu Hannover im 87. Lebensjahre
der Oberstabsarzt I. Classe a. D. Dr. August Dyes.
Dyes trat nach vorzüglich bestandenen Examina zuerst als
Assistenzarzt am hannoverschen städtischen Krankenhause ein,
wandte sich aber bald darauf der militärärztlichen Laufbahn zu.
Er diente 37 Jahre lang theils in alten königlich-hannoverschen,
theils in liannoversch-preussischen Regimentern. Den französi¬
schen Krieg machte er als Feldlazarethdirector und Divisionsarzt
mit. 1876 liess er sich jedoch pensioniren und prakticirte seitdem
bis in sein höchstes Greisenalter mit grossem Erfolge als Privat¬
arzt in Hannover. Hauptsächlich erst in seinen letzten 10 Lebens¬
jahren ist Dyes auch schriftstellerisch sehr rührig gewesen, in¬
dem er die ärztlichen Erfahrungen seines langen reichen Lebens
in Zeitschriftenartikeln und Broschüren niederlegte. Im Jahre 1896
feierte er, körperlich und geistig noch völlig rüstig, sein 60 jähriges
Doctorjubiläum.
Die beiden Haupteigenschaften dieses seltenen Mannes waren
Originalität und Consequenz. Ich will gleich voraussenden, dass
trotz aller seiner Beharrlichkeit und seinem fast fanatisch zu
nennenden Eifer der Erfolg bei der Ausbreitung seiner Lehren
sehr gering war. Ausser in der als unwissenschaftlich geltenden
Art seiner Darstellung wird man die Schuld seines mangelhaften
Lehrerfolges aber besonders darin zu suchen haben, dass Dyes’
Theorien den modernen pathologischen Begriffen gar zu sehr wider¬
streiten.
Dennoch kann nur Derjenige 60 jährige Erfahrungen und
thatsächlich grosse Heilerfolge eines consequent denkenden und
handelnden Arztes unbeachtet bei Seite schieben, welcher nach
heutiger Art von der Vollkommenheit der modernen Heilkunst
überzeugt ist. Wer aber die Dinge anders ansieht, wer die heutige
Heilkunde nicht als ein fertiges Bauwerk betrachtet, sondern nur
als ein grosses Arbeitsfeld, wo Jeder nach seiner Eigenart das
Beste liefert, oder als ein üppig wachsendes Saatfeld, wo unend¬
lich viele Keime und Hülmehen um den Sieg beim Kampfe lim
ihre Existenz ringen, der wird sich nicht der Einsicht verschliessen
können, dass auch die Erfahrungen eines Mannes wie Dyes volle
Beachtung verdienen.
Ausserdem, dass Dyes ein hippokratisch-denkender Arzt
reinsten Wassers war, der z. B. schon in den 40 er bis 60 er Jahren
einen unerbittlichen Kampf für Ventilation in den Krankenhäusern
und Lazarotlien führte, und der physiologische Reize über alle
Mittel schätzte, Drogen aber nur sparsam verwandte, bestand das
Rückgrat seiner ganzen Therapie im Aderlass und im Chlor¬
wasser. Diese beiden Mittel waren streng logisch aus seinen
Grundanschauungen über das Wesen des Krankheitsprocesses her¬
vorgegangen. Dyes folgerte nämlich so: Der Organismus assimi-
lirt stets neue Stoffe zu seinem Aufbau, folglich muss er auch stets
verbrauchte Stoffe auswerfen. Beide Vorgänge geschehen durch
das Blut und die Lymphe. Diese Flüssigkeiten müssen sich also
gewisser Stoffe entledigen, was ohne Zweifel auf dem Wege der
Drüsen stattfindet. Störungen dieser Ausscheidungen, Zurück¬
bleiben solcher Verbrauchsstoffe im Körper verursachen Krank¬
heiten. Aus der makroskopischen Betrachtung von Aderlassblut
— schliesslich bei 12 000 von ihm gemachter Aderlässe — glaubt«?
er die hauptsächlichsten Erreger von Krankheiten in den „Eiter¬
körperchen“ gefunden zu haben, als welche er die ungefärbten
bezw. entfärbten „Blutkügelcheu” ansprach, die nach ihm End¬
produkte der rothen Blutzellen seien. Sein Hauptmittel zur Rei¬
nigung der Blutgefässe von diesen abgestorbenen Zellen, wie eines
Flusslaufes von Schlamm, war nun der Aderlass. Ausserdem er¬
kannte er eine Anzahl Infectionskrankheiten als solche an, deren
„animale“ Erreger durch Mund und Verdauungscanal eindrlngen;
gegen letztere Schädigungen richtete er dann den innerlichen Ge¬
brauch des Chlorwassers.
Beide Mittel, die ja bekanntlich lange vor Dyes in Gebrauch
waren, hat Dyes nun aber in sehr erheblicher Weise modificirt.
Der kleine Aderlass nach Dyes ist ein physio¬
logisches Reizmittel zur Blutbildung und zur
Evacuation. Auch das Chlorwasser hat Dyes anders ge-
handhabt, als Schönlein, Hufeland, Brand u. A. Er
hat es in einer Concentration gebraucht, die Niemand vor ihm
wagte, innerlich anzuwenden, und hat viele neue Indicationen für
dasselbe aufgestellt, wie z. B. Cholera, Typhus, Ruhr, Diphtherie,
Scharlach, Trichinose.
Der kleine, periodisch wiederholte Aderlass, nach Dyes’ spe-
cielleu Vorschriften ausgeführt und angewandt, gilt bei ihm ganz
besonders als ein Mittel gegen chronische Krankheiten, das
Chlorwasser gegen acute.
Auch sonst verdienen Dyes’ reiche praktische Erfahrungen
unser Interesse. Seine Schriften geben uns gar manches zu denken.
Dyes’ Anhänger behaupten, dass er uns grosseWahrlieiteu aus den
alten Zeiten der humoralpathologischen Lehren — vicariirende
Ausscheidungen, Wesen der Erkältungskrankheiten u. s. w. — über
Google
eine Zeitspanne eines halben Jahrhunderts hinüber durch eine allzu
rationalistisch gestaltete Zeit hindurch gerettet habe. Wer sich
näher über Dyes’ Lehren unterrichten will, der lese sein Büchlein
mit dem allerdings Paracelsusartig klingenden Titel „Zwei Haupt¬
mittel zur Verlängerung des menschlichen Lebens, der Aderlass
und das Chlorwasser“ (Heuser’s Verlag 1895).
Fünfzig Jahre ganz allein gegen den grossen Strom zu
schwimmen, dazu gehört an und für sich schon ein hohes Maass
an Kraft, Muth und Treue. Wer aber das Glück hatte, mit diesem
seltenen Manne persönlich bekannt zu sein, der wird sagen: ein
Heros an Geist und Charakter ist mit ihm geschieden.
Dr. Bachmann.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Die Anzeigepflicht im künftigen deutschen Reichs-
Seuchengesetz.
Von Hofrath Dr. Brauser.
Wie offieiös versichert wird, soll schon in der laufenden par¬
lamentarischen Campagne, sei es auf dem einen oder anderen
Wege, der Versuch gemacht werden, wirksame Vorschriften zur
Verhütung von Seuchengefahreu und zur Bekämpfung von Epi¬
demien zu erreichen.
Diese Nachricht lässt uns hoffen, dass die schon viel¬
besprochene und beschriebene Frage eines Reichsseuchen¬
gesetzes wieder einmal auf der Oberfläche unseres deutschen
Parlamentes erscheinen wird, von welcher sie im Jahre 1893
nach nur einmaliger Berathung wieder verschwand. Die
Choleraepidemie in Hamburg im Jahre 1892 hatte wohl da¬
mals die Reichsregierung bestimmt, dem deutschen Reichstag
vom Jahre 1893 den Entwurf eines Reichsseuchengesetzes in Vor¬
lage zu bringen, nach welchem die allgemeine Volksstimme leb¬
haft verlangte. Jetzt mag die drohende Invasion der Pest beige¬
tragen haben, dem längst fühlbaren empfindlichen Mangel gleich-
heitlieher Abwehrbestimmungen für das Deutsche Reich endlich
abzuhelfen, und wir Aerzte nicht nur, alle Volksclassen sehen dem
gestellten Gesetzentwurf mit höchster Spannung entgegen.
Alle einzelnen deutschen Bundesstaaten besitzen bereits Ge¬
setze und Verordnungen über die Abwehr von Seuchen und über
die Mittel zu ihrer Bekämpfung; doch sind dieselben so verschie¬
den und aus so verschiedenen Zeiten stammend, dass manche der¬
selben den Fortschritten der heutigen Wissenschaft absolut nicht
mehr entsprechen. Abänderungen dieser Bestimmungen, neuer
Erlass von zeitgemiissen Verordnungen, wurde bereits von vielen
Seiten beantragt und dringend gefordert. Die Einzelregierungen
zögerten damit, diesem, von ihnen selbst als berechtigt anerkannten
Verlangen zu entsprechen, nur in der sicheren Erwartung eines
baldigst zu erlassenden Reichsgesetzes, dessen endliche Fertig¬
stellung dem jetzigen deutschen Reichstag hoffentlich gelingen
wird.
Aus den vielen hochwichtigen Fragen, welche ein solches
Gesetz zur definitiven Lösung bringen wird, möchte ich heute nur
eine der wichtigsten herausgreifen: „Die Anzeigepflich t“.
Für eine rechtzeitige und wirksame Bekämpfung beginnender
Epidemien ist w r ohl das dringendste Moment die frühzeitige Kennt
niss der einzelnen Fälle. Diese kann den zuständigen Behörden
nur von Personen geliefert werden, welche sofort mit den Erkran¬
kungsfällen in Berührung kommen; das sind zunächst die Haus¬
haltungsvorstände und Familienväter, dann die behandelnden
Aerzte. Im Interesse eines rechtzeitigen Eingreifens der Behörden
liegt es, solche Persönlichkeiten gesetzlich zur Anzeige der ihnen
bekannt werdenden Erkrankungsfälle zu verpflichten. Es ent¬
halten auch alle bisher in den deutschen Ländern erlassenen Vor¬
schriften Bestimmungen über die Anzeigepflicht bei Infections¬
krankheiten. Aber schon bei der Feststellung der Persönlichkeiten,
welche zur Anzeige zu verpflichten sind, ergeben sich ganz wesent¬
liche Verschiedenheiten, welche hier etw'as näher hervorgehoben
w r erden müssen, um die daraus gezogenen Schlussfolgerungen
zu begründen. Ich entnehme diese Thatsaclien einer Zusammen¬
stellung der in Deutschland gütigen, gesetzlichen Bestimmungen
über die Anzeigepflicht bei ansteckenden Krankheiten, w’elche der
k. Regierungs- und Geheime Medicinalratli Dr. Rapmund-
Minden als Referent der XXIII. Versammlung des deutschen
Vereines für öffentliche Gesundheitspflege zu Köln Im Jahre 1898
zu dem Thema: „reichsgesetzliehe Regelung der zur Bekämpfung
gemeingefährlicher Krankheiten erforderlichen Maassregeln“ in
Vorlage gebracht hat. (Siehe Bericht des Ausschusses jenes Ver¬
eines über die genannte Versammlung 1898.)
Aus dieser Zusammenstellung sehen wir, dass Schon in den
36 Regierungsbezirken des Königreiches Preussen wesent¬
liche Verschiedenheiten in den Verordnungen über die der Anzeige¬
pflicht unterliegenden Persönlichkeiten obwalten. Während die
Aerzte in allen 36 Regierungsbezirken zur Anzeige verpflichtet
werden, verlangen 14 Regierungsbezirke daneben auch die Anzeige
von allen die Heilkunde gewerbsmässig aus¬
übenden Personen, also von den Curpfuschern, je 3
fordern dies nur bei Diphtheritis, Puerperalfieber und Cholera.
Die Hebammen werden in 24 Verordnungen zur Anzeige des
Puerperalfiebers, in 3 zur Anzeige der Ophthalmia neonatorum ver¬
pflichtet. Geistliche und Lehrer werden in 16 Regierungs¬
bezirken zur Anzeige von Lepra verpflichtet. Ausserdem finden
wir Haus wirthe 35mal, Gastwirthe 25mal, Familien¬
häupter 24 mal als anzeigepflichtig speclell genannt. Schon
6 *
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160
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
allein diese verschiedenen Auffassungen der Anzeigepflicht in
einem einzigen Staate zeigen die dringende Nothwendigkeit des
Erlasses einer diese Verhältnisse gleichheitlich regelnden Gesetzes
Vorlage.
Aehnliche Verschiedenheiten finden wir auch in den übrigen
deutschen Staaten. Bayern verpflichtet in seiner Allerhöchsten
Verordnung vom 22. Juli 1891 Aerzte, Wundärzte (Chi¬
rurgen) und Bader zur Anzeige von jedem Auftreten von
Blattern, Cerebrospinalmeningitis, Cholera, Dysenterie, Puerperal¬
fieber, Typhus abdominalis, Typhus recurrens, Milzbrand, Rotz-
krankheit, Trichinose und Wuth. Von allen übrigen Infeetions-
krankheiten, Diphtherie, Scharlach, Masern, Keuchhusten, egyp-
tlsche Augenentzündung, Influenza muss Anzeige erstattet werden,
wenn dieselben in grösserer Verbreitung und besonderer Heftig¬
keit auftreten.
Königreich Sachsen fordert Anzeige von den Aerzte n,
bei Pocken auch von den Famllieuhiiuptern, bei Febris
puerperalis von den Hebammen.
Königreich Württemberg verpflichtet zur Anzeige die
Angehörigen und Krankenpfleger, insbesondere die
Aerzte und zwar bei Cholera, Pocken und Tollwuth.
Grossherzogthum Baden die Aerzte, bei Febris puer¬
peralis die Hebammen, bei Cholera und Pocken auch die A n -
gehörigen.
Im Grossherzogthum He s s e n finden wir neben den Aerz-
t e n zur Anzeige verpflichtet jede andere Persönlich¬
keit, welche die Behandlung übernimmt; diese letztere Bestim¬
mung, dass Curpf UBCher zur Anzeige ansteckender Krank¬
heiten verpflichtet werden, Anden wir auch in Oldenburg,
Braunschweig, Coburg-Gotha, Schwarzburg-
Sondershausen, Reuss jüngere Linie und Lippe-
Detmold.
In allen diesen Staaten werden neben den Acrzten auch
die Personen zur Anzeige verpflichtet, welche sich gewerbs¬
mässig mit der Heilkunde beschäftigen. In allen
übrigen deutschen Staaten werden neben den Aerzten genannt
die Haushaltungsvorstände, Familienhäupter,
Hebammen (bei Febris puerperalis), Haus- und Gast-
w i r t h e , einmal auch die Todtenf rauen.
Dass diese so verschiedenen Verordnungen im Deutschen
Reiche eine gleichheitliehe Behandlung der beim Ausbruch von
Epidemien nothwendig werdenden Maassregeln nicht ermöglichen,
braucht kaum bewiesen zu werden. Bei unserem heutigen Ver¬
kehr sind die kleineren Landesgrenzen doch zu eng, um bei ver¬
schiedenen gesetzlichen Bestimmungen eine einheitliche lieber-
wachung und Bekämpfung einer beginnenden Epidemie zu ge¬
statten. Ebenso zweifellos ist es, dass eine Volksseuche keine
Landesgrenzen respeetirt, und desshalb erscheint es neben den,
unter den civilisirten Nationen bereits vereinbarten inter¬
nationalen Vorkehrungen gegen ansteckende Krankheiten
dringend nothwendig, dass ein grösserer Staatencomplex, wie das
Deutsche Reich, sich einheitliche Bestimmungen darüber gibt,
wie der Seuchengefahr am gründlichsten zu begegnen, wie sie von
den Grenzen abzuhalten, und wie sie beim Ausbruch einer solchen
Krankheit am raschesten und sichersten zu bekämpfen sein wird.
Dazu erscheint vor Allem nothwendig. dass die Behörden mög¬
lichst rasch und sicher von jedem Ausbruch einer Epidemie, also
gleich von den ersten Fällen aus authentischen Quellen
Kenntniss erhalten, es erscheint nothwendig, dass die A n -
zeigepflicht gesetzlich für das Reich geregelt wird, und
möchte ich hier nur die eine Frage herausgreifen: „Wer soll
zur Anzeige verpflichtet werden?“
Diese Frage ist, wie aus obiger übersichtlicher Zusammen¬
stellung zu sehen, nicht nur in der Gesetzgebung der einzelnen
deutschen Staaten verschieden beantwortet, es haben sich mit
derselben auch mehrfach grössere Versammlungen von Sachver¬
ständigen befasst, und möchte ich, ehe ich mein eigenes Urtheil
darüber abgebe, jene Verhandlungen in Kürze recapituliren.
Schon der IV. Deutsche Aerztetagzu Düsseldorf
1876 beschäftigte sich mit der Anzeigepflicht der Aerzte. Derselbe
erklärte mit grosser Mehrheit, dass die Aerzte die Verpflichtung
zur Anzeige ansteckender Krankheiten bereitwillig auf sich
nehmen würden, wenn dieselbe durch Reichsgesetz festgestellt
werde, verwahrten sich jedoch dagegen, dass zugleich eine
zwangsweise Morbiditätsstatistik auch anderer als ansteckender
Krankheiten zur Einführung gelange; dagegen wurde die Noth¬
wendigkeit der Einführung der obligatorischen Leichenschau be¬
tont mit Verpflichtung der Aerzte zur Angabe der Todesursachen.
Die Verhandlungen knüpften an einen bekannt gewordenen Ge¬
setzentwurf an, welchen der Bundesrath dem Reichstag schon
damals vor?ulegen beabsichtigt hatte, betreffend die Anzeige
Pflicht der Aerzte, in welchem zunächst für Cholera
und Pocken die Aerzte und Familienhäupter zur
Anzeige bei der nächsten Polizeibehörde verpflichtet werden
sollten, während die Anzeige anderer gemeingefährlicher Krank
heiten den Aerzten durch Bundesrathsbeschluss zur Pflicht ge¬
macht werden könnte. Bei den Verhandlungen im Aerztetag
waren schon einzelne Stimmen laut geworden, welche die Anzeige
Pflicht auch auf andere Personen ausgedehnt wissen wollten, die
sich gewerbsmässig mit Ausübung der Heilkunde beschäftigen.
Begründet wurde diese Anschauung damit, dass man befürchtete,
das Publicum, welches die Anzeige und ihre Folgen fürchte,
würde um so mehr den Curpfusehern Zuströmen, wenn diese nicht
zur Anzeige verpflichtet würden. Von anderer Seite wurde ganz
richtig entgegnet, vom ärztlichen Standpunkt müsse die Cur-
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Pfuscherei ignorirt werden, und wenn der Staat die Hereinziehung
der Curpfuschor in die Anzeigepflicht nicht für nöthig erachtet
habe, sollte dies nicht seitens der Aerzte angeregt werden, was
auch von der Mehrheit anerkannt wurde.
Der XI. Deutsche Aerztetag zu Berlin 1883 be¬
schäftigte sich gleichfalls mit der Vorberathung über ein Reichs¬
seuchengesetz, und beschloss bezüglich der Anzeigepflicht die fol¬
gende These: „Die Anzeigepflicht über das Auftreten gemein¬
gefährlicher Krankheiten ist den Aerzten, dem niederärztlichen
Personal, wo solches besteht, und den Leichenschauern, und zu¬
gleich bei Cholera und Pocken auch den Haushaltungsvorständen
und deren Stellvertretern aufzulegen. Dies iuvolvirt die obliga¬
torische Einführung der Leichenschau in allen den Staaten, in
welchen sie noch nicht besteht.“ Auch bei diesen Verhandlungen
wurde von einzelnen Rednern die Nothwendigkeit betont, ausser
den Aerzten auch alle anderen, die Behandlung von Kranken ge¬
werbsmässig betreibenden Individuen zur Anzeige von anstecken¬
den Krankheiten zu verpflichten, wie es im Grossherzogthum
Hessen und anderwärts bereits gesetzlich l>cstimmt sei. Zugleich
wurde aber auch die Nothwendigkeit der Wiederein¬
führung des Cur pfuscherei verbot es einerseits und
der Erlass einer deutschen Aerzteordnung anderer¬
seits lebhaft betont.
Nun kam das Jahr 1892 mit seiner Choleraepidemie, wodurch
die Reichsregierung veranlasst wurde, dem Reichstage den Ent¬
wurf eines Reichsseuchengesetzes in Vorlage zu bringen, welcher
jedoch nach der ersten Lesung wieder verschwand. In Folg«»
dieser bekannt gewordenen Vorlage hat sich der XXI. Deutsche
Aerztetag zu Breslau 1893 wieder mit der Frage be¬
schäftigt, und jenen Entwurf auf die Tagesordnung gesetzt. Aus
den lehrreichen und ausführlichen Verhandlungen hebe ich nur
wieder die Beschlüsse über die Anzeigepflicht hervor. Dieselben
lauteten:
1. „Die Anzeige soll eine einmalige sein, uud an die
M e d I c i n a 1 b e li ö r d e erstattet werden.“
Der dem Reichstag vorgelegte Gesetzentwurf hatte die
Polizeibehörde als diejenige Stelle bezeichnet, bei welcher
die Anzeige zu machen sei.
2. „Zur Anzeige verpflichtet sind nur die Aerzte und die
Haushaltungsvorstände, sowie deren Stellvertreter.“
Hier hatte der Gesetzentwurf auch alle Gurpfuscher, d. li. all *
Personen, welche sich gewerbsmässig mit der Ausübung der Heil
künde beschäftigen, als anzeigepflichtig aufgeführt.
Auch in dieser Versammlung waren verschiedene Ansichten
darüber zum Ausdrucke gekommen, ob Curpfuscher zur Anzeige
verpflichtet werden sollen oder nicht. Durch den allgemein und
positiv gehaltenen Beschluss ist ausgesprochen, dass die Anzeige¬
pflicht nur auf Aerzte und H a u s h a 11 u n g s v o r s t ü n «l e
zu beschränken sei.
Der Deutsche Verein für öffentliche Ge¬
sundheitspflege hat iu verschiedenen seiner Jahresver¬
sammlungen die Frage der Infectionskrankheiten und der, zum
Schutze gegen dieselben zu ergreifenden Maassregeln behandelt,
so 1879 in Stuttgart die Bildung einer internationalen Sanitäts-
commissiou, 1885 in Freiburg die Maassregeln bei ansteckenden
Kinderkrankheiten, 1889 in Strassburg die Verhütung der Tuber-
culose, 1894 in Magdeburg die Maassregeln gegen Cholera, 1896
in Kiel die Bekämpfung der Diphtherie, endlich 1898 in Köln die
reichsgesetzliche Regelung der zur Bekäm¬
pfung gemeingefährlicher Krankheiten er¬
forderlichen Maassnahmen. Letzterer Congress be¬
schloss hierüber auf Grund eines ausführlichen Referates
Dr. Rapmund’s im Allgemeinen:
„Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege ist eine
einheitliche Regelung der zur Bekämpfung gemeingefährlicher
Krankheiten erforderlichen Maassnahmen auf dem Wege der
Reichsgesetzgebung dringend erwünscht. Hiebei ist die
Aufsicht über die Ausführung dieser Maassnahmen neben den
ordentlichen Polizeibehörden den zuständigen Medicinalbeamten
zu übertragen.“
Bezüglich der Anzeigepflicht hatte Referent In seiner Aus¬
führung sich dahin ausgesprochen, dass auch die Curpfuscher zur
Anzeige verpflichtet werden müssen, und begründete diese An¬
sicht ausführlich. Ein Beschluss der Versammlung über die vom
Referenten aufgestellten Leitsätze wurde, mit Ausnahme der oben
angeführten Resolution, nicht gefasst.
Gegenüber diesen Ansichten Dr. Rapmund’s über die Bei-
ziehung der Curpfuscher zur Anzeigepflicht hat der Geheime
Medicinalrath Dr. Oscar Schwartz in Köln im zweiten Hefte
des XXXI. Bandes der Deutschen Vierteljahrs¬
schrift für öffentliche Gesundheitspflege einen
Aufsatz veröffentlicht, worin er Dr. R a p m u n d’s Ansichten zu
widerlegen und nachzuweisen sucht, dass die Verpflichtung nicht
approbirter, aber die Heilkunde gewerbsmässig ausübender Per¬
sonen zur Anzeige ansteckender Krankheiten weder nothwendig
noch nützlich sei, dass die Reichsgewerbeordnung von einer ge¬
werbsmässigen Beschäftigung mit Heilkunde durch nicht appro-
birte Personen überhaupt gar nicht spreche, und dass desshalb die
Behandlung ansteckender Krankheiten durch nichtapprobirte Per¬
sonen leclit gut verboten werden könne, ohne mit der Gewerbe¬
ordnung iu Widerspruch zu kommen. Ein solches Verbot sei der
Anzeigepflicht der Curpfuscher vorzuziehen, weil durch die letztere
die Berufstätigkeit der Curpfuscher erst recht reichsgesetzlich
anerkannt werde, was die Reichsgewerbeordnung bisher nicht
thue.
*
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
161
Auf Grund dieser Aufzählungen der bisher in der Frage der
Anzeigepflielit laut gewordenen Ansichten möchte ich nun schliess-
lfch ganz objectiv die Frage untersuchen:
„Sollen in einem zu e r w arte n den Reichs-
scuchengesetze neben den approbirten A e r z t e n
auch solc h e Persönlichkeiten zur Anzeige an¬
steckender Krankheiten verpflichtet werden,
welche die Heilkunde gewerbsmässig a u s ii b e n.
ohne dazu vom Staate a p p r o b i r t zu sein ?“
Was will ein Reichsse u c h engesetz ? Es will für
das ganze deutsche Reich gleiehheitliclie Bestimmungen erlassen,
durch welche einerseits dem Auftreten von Infectionskrank-
lieiten vorgebeugt werden kann, andererseits bei bereits er¬
folgtem Auftreten solcher Erkrankungen deren Weiter v e r -
breit u ng von Person zu Person, von Ort zu Ort möglichst
verhindert oder eingeschränkt wird. Wenn dieser
Zweck erreicht werden soll, müssen die einschlägigen Behörden in
erster Linie von jedem vorkommenden Falle einer gemeingefähr¬
lichen Erkrankung möglichst rasch und sicher in Kenntniss ge¬
setzt werden. Dies kann nur dadurch geschehen, dass Personen,
welche von dem Auftreten solcher Erkrankungen Kenntniss er¬
halten, gesetzlich verpflichtet werden, sofortige Anzeige bei der
zuständigen Behörde, sei es nun die Ortspolizeibehörde oder die
Medicinalbehörde oder beide, zu machen.
Eine Krankheit kann aber nur Derjenige zur Anzeige bringen,
welcher dieselbe in ihrem Auftreten und ihren Erscheinungen
kennt, also die Aerzte oder Derjenige, welcher Seitens eines
Arztes über die Natur der Krankheit aufgeklärt worden ist; dahin
gehören die Personen der nächsten Umgebung, die F a m i 1 i e u -
li ä u p t e r und II aushaltungsvorst ä n d e. Diese Letz¬
teren können bei Krankheiten, deren Auftreten auch von Laien
leicht erkannt werden kann, wie Pocken oder Cholera
während einer Epidemie, zur Anzeige verdichtet werden, -weil sie
noch früher als der gerufene Arzt Kenntniss von dem einzelnen
Fall erlangen. Damit ist allerdings noch keine Garantie dafür
gegeben, dass bei einer beginnenden Epidemie alle vorkommenden
Fälle möglichst rasch zur wünschbaren Anzeige kommen; denn
in Folge der Freigabe der Curpfuseherei werden viele Fälle auch
von ansteckenden Krankheiten von Laien in Behandlung genom¬
men, welche die Heilkunde gewerbsmässig ausübeu. Es ent¬
stehen dadurch Lücken in der Anzeige; es gehen manche Fälle
von ansteckenden Krankheiten der Cognition der Behörden ver¬
loren, und dieser Umstand ist es, welcher manchen Arzt und
Hygieniker veranlasst, zu verlangen, dass die Anzeigepflicht auch
auf diejenigen Personen ausgedehnt werde, welche, ohne dazu
approbirt zu sein, die Heilkunde gewerbsmässig ausüben. Zugleich
wird von dieser Seite als Grund angeführt, dass das Publicum die
Anzeigen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten so
fürchte, dass es sich lieber zum Curpfuscher als zum Arzt wende,
wenn es bei Ersterem eine Anzeige nicht zu befürchten habe.
Die Curpfuscher würden also gleichsam einen Freibrief für die
Behandlung ansteckender Krankheiten o h n e Anzeigepflicht er¬
halten, welcher ihnen noch mehr Zulauf bringen würde.
Allen diesen Ein wänden zu Gunsten der Anzeigepflicht der
Curpfuscher möchte ich Folgendes entgegenhalten: Wenn wir auch
nach der heutigen Lage der Gesetzgebung nicht verhindern können,
dass sich Leute mit der Behandlung von Krankheiten befassen,
welche nichts davon verstehen, so dürfen wir doch absolut nicht
zugeben, dass sie durch irgend eine gesetzliche Bestimmung zu
einer Function verpflichtet werden, welche die Erkenntuiss von
Krankheiten voraussetzt; wir dürfen nicht zugeben, dass ihre
gewerbsmässige Ausübung der Heilkuust dadurch gesetzlich legiti-
mirt werde, dass ihnen das Gesetz Verpflichtungen auferlegt,
welche nur uns Aerzten zukommen und nur von Aerzten erfüllt
werden können. Wir dürfen nicht zugeben, dass sich überhaupt ein
Gesetz mit den die Heilkunde gewerbsmässig ausübenden Cur-
pfuschern beschäftige, und sie dadurch gleichsam in ihrer Thätig-
keit legitimire, nachdem in dem bisher einzig zuständigen Gesetze,
der R eichsgewerbeordnung, von einer gewerbs-
iuässigenAusübungderHeilkunde gar nicht die Rede
ist. Ich muss diese Behauptung noch etwas eingehender begründen.
Die Reichsgewerbeordnung in der Fassung vom
6. August 189(> sagt in § 0 ausdrücklich, dass dieses Gesetz
„kein e“ Anwendung linde auf Fischerei u. s. w., auf die
Ausübung der Heilkunde nur insoweit, als das¬
selbe ausdrückliche Bestimmungen darüber
enthält. Diese „a usdriickllchen B e s t i m m u n g e n“
finden wir in den §§ 29, 30, 53, 80 und 144. $ 29 handelt von der
Approbation, welcher diejenigen Personen bedürfen, welche sich
als Aerzte oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen. § 30
handelt von den Privatkranken-, Privatentbindungs- und Privat¬
irrenanstalten und der hiezu nothwendigeu Concesslon der höheren
Verwaltungsbehörde, § 53 von der Entziehung der Approbation,
§ 80 von den Taxen der Apotheker und Aerzte, und § 144 von den
Zuwiderhandlungen gegen die Berufspflichten und der Aufhebung
derjenigen Bestimmungen, welche bisher den Medicinalpersonen
einen Zwang zur Hilfeleistung unter Strafandrohung auferlegten.
In allen diesen Paragraphen ist von einer gewerbsmässigen Aus¬
übung der Heilkunde durch nicht staatlich approbirte Personen
keine Rede, lind da die Gewerbeordnung nach ihrem eigenen § 0
auf die Ausübung der Heilkunde nur insoweit Anwendung findet,
als sie ausdrücklich Bestimmungen darüber enthält, so kann man
mit Recht behaupten, dass die Reichsgewerbeordnung das gewerbs¬
mässige Curpfuseherthum vollkommen ignorirt, also gar nicht
kennt. Sollen wir jetzt selbst dazu den Anstoss geben, dass in
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einem neuen Gesetz, in dem künftigen Reichsseuchengesetz, die
gewerbsmässige Ausübung der Heilkunde dadurch als zu Recht
bestellend und berechtigt anerkannt wird, dass die sich mit ge¬
werbsmässiger Ausübung der Heilkunde Beschäftigenden zur An¬
zeige ansteckender Krankheiten verpflichtet werden ? Um Gottes-
willen nicht! Das hiesse unseren ganzen bisherigen Bestrebungen
auf Abänderung der Gewerbeordnung und Wiedereinführung des
CurpfuschereiVerbotes den Boden unter den Füssen wegnehmen.
Dazu wollen wenigstens wir, die Aerzte, nicht selbst beitragen.
Soviel über die Gewerbeordnung. Nun ist aber auch noch fest¬
zustellen, dass die Curpfuscher gar kein Interesse an der recht¬
zeitigen Aufdeckung des Vorkommens ansteckender Krankheiten
haben. Es fehlt ihnen vollkommen alles und jedes Verständniss
für Hygiene und für die Verhütung der Krankheiten, sie wollen
mit den Krankheiten nur Geschäfte machen, und hüten sich, dem
Publicum durch Anzeigen lästig zu werden. Auch wenn ihnen die
Anzeigepflicht gesetzlich auferlegt wird, sie würden nicht an-
zeigen, und wenn sie dann vom Richter wegen nachgewiesener
Unterlassung der Anzeige zur Rede gestellt würden, so würden sie
behaupten, die Krankheit nicht gekannt zu haben, und der Richter
müsste sie in Anbetracht dieser ihrer Unkenntniss und mangelnden
Vorbildung freisprechen, wie es schon jetzt vielfach gegenüber
Curpfuscliern geschehen muss, welche wegen körperlicher Beschä¬
digungen zur Verantwortung gezogen werden.
Die Anzeigepflicht der Curpfuscher kaun also unmöglich in
das neue deutsche Reichsseuchengesetz auf genommen werden.
Wie aber dem UebelStande abhelfen, dass viele Fälle an¬
steckender Krankheiten desshalb nicht zur Kenntniss der Behörden
gelangen, weil sie von Curpfuscliern behandelt werden?
Schwartz (1. e.) glaubt, man könne mit Rücksicht auf die
eben angeführten Bestimmungen der Gewerbeordnung in dem neuen
Reichsseuchengesetze „die Behandlung genau zu bezeichnender,
gemeingefährlicher, ansteckender Krankheiten durch nicht appro¬
birte Personen verbieten und unter Strafe stellen, ohne mit der
Gewerbeordnung in Widerspruch zu kommen“.
Weiters weist S c h w a r t z nach, dass in dem noch gütigen
preussischeu Sanitätsregulativ vom 8. August 1835 die Polzei-
beliörden ausdrücklich angewiesen werden, „gegen die Behandlung
ansteckender Kranker durch nicht approbirte Personen mit gleicher
Strenge vorzugehen, wie gegen die Abgabe heftig wirkender Arznei¬
mittel ohne ärztliche Vorschrift“.
Das klingt Alles recht schön und gut, aber es sind doch nur
halbe Maassregeln, die ich in einem neuen deutschen Reichsseuchen¬
gesetz nicht aufgenommen wissen möchte.
Dieses neue Gesetz muss die Anzeige ansteckender Krank¬
heiten in erster Linie den Aerzten zur Pflicht machen und so¬
weit deren Kenntnisse reichen, den F a m i 1 i e n h ä u p t e r n und
Haushalt u n g s v orst ä n de n. Um aber vor allen vor¬
kommenden Fällen irgend einer ansteckenden Krankheit möglichst
sicher und rasch Kenntniss zu erhalten, muss v o r Erlass eines
Reichsseuchengesetzes das Curpfuscher ei v er b o t, wie es
früher bestanden hat, wieder eingeführt werden. Es muss die
Reichste w e r b e o r d n u n g dahin abgeändert werden, dass
zur Ausübung der Heilkunde nur diejenigen Personen berechtigt
sind, welche vom Staate dazu approbirt werden, und es muss in
das Strafgesetzbuc li die Bestimmung aufgenommen werden,
dass einer empfindlichen Strafe Derjenige unterliegt, welcher, ohne
approbirt zu sein, die Heilkunde gewerbsmässig ausübt. Solange
diese beiden, von uns Aerzten nun seit 30 Jahren erhobenen For¬
derungen nicht eifidlt werden, wird auch jedes künftige Seuchen¬
gesetz lückenhaft und wirkungslos bleiben.
Referate und Bücheranzeigen.
Hermann D ü r c k : Atlas und Grundriss der speciellen
pathologischen Histologie. I. Band: Circulations-
organe, Respirationsorgane, Magendarm-
c a n a 1. München 1900. V erlag J. F. Le li m a n n (L e h -
mann’s medicinische Handatlanten Bd. XX). Breis 11 M.
Der vorliegende Atlas ist in erster Linie dazu bestimmt,
dem Anfänger als Leitfaden bei pathologisch-histologischen
Uebungen zu dienen, indem er ihm durch den Vergleich mit
naturgetreuen Abbildungen das Verständniss des mikro¬
skopischen Präparates erleichtern soll. Thatsächlich entsprechen
die sorgfältig ausgeführten Tafeln diesem Zweck vollkommen;
denn nicht allein sind für die Darstellung der verschiedenen
Krankheitsprocesse möglichst typische und klare Präparate ge¬
wählt worden, sondern es muss auch die Ausführung der ein¬
zelnen Abbildungen im Allgemeinen als eine ganz vorzügliche be¬
zeichnet werden. Der erläuternde Text ist klar und präcis. Er
gliedert sich in eine kurz gehaltene Erklärung der Abbildungen
und in eine kurze allgemeine Schilderung des betreffenden
Krankheitsprocesses.
Der vorliegende I. Band des Atlas umfasst die Krankheiten
der Circulationsorgane, lvespirations- und Digestionsorgane und
enthält 60 Tafeln mit 125 Figuren. Sämmtliche Abbildungen
sind nach Originalpräparaten des Verfassers von dein Universi¬
tätszeichner C. K r a p f in München mittels des Zeis s’schen
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
162
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
Prismas entworfen und meistens in den Original färben des Prä¬
parates ohne jede Schematisirung ausgeführt.
Das Werk, welches insbesondere den Studirenden warm
empfohlen sei, ist Herrn Obermedicinalrath Prof. Dr. B o 1 -
1 i n g e r gewidmet. Hauser.
J. Pantaloni : Chirurgie du foie et des voies
biliaires* Paris. Institut de bibliographie scientifique. 1899.
Ich bewundere den Fleiss des französischen Collegen, der
in einem 625 Seiten und 348 Figuren enthaltenden Bande die
Chirurgie der Leber und Gallenwege beschrieben hat. Jeder
Chirurg, der sich mit der Gallensteinchirurgie eingehend be¬
schäftigt, sollte sich das ausgezeichnete Werk anschaff en und er
wird erstaunt sein über die gewaltigen Fortschritte, die dieser
Zweig der Chirurgie gemacht hat. Pantaloni hat allerdings
wohl kaum eine Operationsmethode vergessen aufzuführen und
schon das 30 Seiten lange Inhaltsverzeichniss beweist, dass der
Inhalt ein sehr reichlicher sein muss. Besonders zu loben ist,
dass P. die deutsche Chirurgie recht eingehend berücksichtigt
hat: Die Namen Czerny, Langenbuch, Riedel sind
sehr häufig genannt. Sehr instructiv sind die vorzüglichen Ab¬
bildungen, wie überhaupt der Druck und die Ausstattung muster-
giltig ist.
Das Buch zerfällt in 3 grosse Theile. An dem ersten wird
die Punction der Leber, die Injectionstherapie beim Abscess und
Echinococcus, die verehiedenen Methoden der Laparotomie
bei Leberaffectionen (abdominaler, transpleuraler, lumbaler
Weg) eingehend besprochen. Es folgt dann die Thermokauterisa-
tion der Leber, wobei der Name Holländer, Sneguireff
und Krause genannt werden, ein Beweis, dass auch P. die
Vaporisation nicht unberücksichtigt gelassen hat. Der Tampo¬
nade bei chirurgischen Eingriffen an der Leber wird sogar ein
eigenes Capitel gewidmet; ebenso ist der Entfernung von Fremd¬
körpern aus der Leber, der Curetage beim Leberabscess, der ver¬
schiedenen Nahtmethoden an der Leber — ein mustergiltiges
Capitel! — sehr ausführlich Erwähnung gethan. Die Hepato-
tomie, Hepatostomie, Hepatectomie und Hepatopexie werden so
ausführlich behandelt, dass man nirgends eine Lücke entdecken
kann.
Im zweiten Theil wird die Chirurgie an den Gefässen der
Leber und ihrer Bänder besprochen; auch die Exstirpation der
Drüsen am Cysticus und Choledochus ist nicht unberücksichtigt
geblieben.
Im dritten Theil werden die Untersuchungsmethoden bei
der Gallensteinkrankheit (mit der Radiographie) kurz besprochen
und dann eine Uebersicht über sämmtliehe Operationsmethoden
an den Gal len wegen gegeben. Katheterismus der Gallen wege,
die Injection in dieselben, Lufteinblasungen, nichts ist vergessen.
Und dann erst beginnt die eigentliche Chirurgie der Gallenwege
— von der Cholelithotripsie bis zur Cysticoenterostomie. Es
ist in der That unmöglich, im Rahmen eines Referats über den
reichen Inhalt des Buches zu berichten, welches auch im letzten
Theile zeigt, wie gut der Verfasser über die Chirurgie der Gallen¬
wege orientirt ist.
Im vierten Theil ist die Chirurgie des Choledochus auf ca.
100 Seiten abgehandelt und ich vermisse dabei nichts. Ebenso
ist die Ilepaticuschirurgie mit grosser Gründlichkeit abge¬
handelt.
Das Buch ist ja ganz anders geschrieben, wie z. B. die vor¬
treffliche Chirurgie der Leber- und Gallenwege von Langen¬
buch. Jedes Capitel ist nach einem Schema, welches das ganze
Buch durchzieht, zu Papier gebracht. Es fehlt nicht die De¬
finition und Geschichte jeder Operation. Dann wird genau das
Operationsverfahren, seine Indicationen und Resultate aus¬
einandergesetzt. So eignet sich das Buch besonders als Nach-
schlagebuch, aber als solches ist es auch für den deutschen Chi¬
rurgen nicht zu entbehren.
Ich freue mich, dass die erste Kritik, die ich überhaupt
bisher in meinem Leben geschrieben habe, so gut ausfällt; ich
kann mir einbilden, ohne unbescheiden zu sein, genau die chi¬
rurgische Literatur der Gallenwege zu kennen, und kann docli
an dem Werke P a n t a 1 o n i’s nichts aussetzen.
Hans K erh r.
C. M o e 1 i: Die Geistesstörungen im Bürgerlichen Gesetz¬
buch und in der Civilprocessordnung. (20. V. 1899.) Berlin
1899. Aug. Hirschwald. 47 S.
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M o e 1 i beabsichtigt in vorliegender Arbeit, die einem im
Berliner psychiatrischen Vereine gehaltenen Vortrage entspricht,
unter Hintansetzung einer Kritik die gegebenen Bestimmungen
in ihrer Bedeutung für den Arzt zu erörtern und zu versuchen,
die Frage zu beantworten, wie sein Handeln sich zu gestalten
habe, um dem Sinne und Willen des Gesetzes möglichst zu ent¬
sprechen.
M. theilt den Stoff folgendermaassen ein: I. Entmündigung
wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche. II. Strittige Ge¬
schäftsfähigkeit. III. Pflegschaft. IV. Entmündigung wegen
Trunksucht. V. Delictsfähigkeit für unerlaubte Handlungen
Dritter. VI. Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Scheidung der Ehe.
Den bei Weitem grössten Raum der Arbeit beansprucht die
Erörterung der Entmündigung wegen Geisteskrankheit und
Geistesschwäche; unabhängig von der klinischen Terminologie
ist das alleinige Kriterium für ihre Anwendbarkeit die recht¬
liche Folge. Geisteskrankheit und Geistesschwäche sind die
juristischen Aequivalente zweier anderer im Gesetz vorgesehener
Gruppen, der Kinder bis zum 7. Jahre und der Minderjährigen
vom 7.—21. Jahre; die erstere Kategorie ist geschäftsunfähig, die
letztere beschränkt geschäftsfähig und somit im gewissen Sinne
erwerbsfähig. Die Beurtheilung des Einzelfalls ist maassgebend
für die Entscheidung der Frage, ob Geisteskrankheit oder
Geistesschwäche im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches vor¬
liegt; die klinische Form der Psychose ist belanglos. Natur¬
gemäss verweilt er des Längeren bei der Besprechung des Wort¬
lauts „seine Angelegenheiten nicht zu besorgen“.
Sehr bemerkenswerth sind seine ausführlichen Auseinander¬
setzungen zum Capitel „Pflegschaft“; dass dieses Institut M.
zu mancherlei Ausstellungen Veranlassung gibt, kann nicht
Wunder nehmen. Vor Allem bedauert er, dass mit dieser Ein¬
richtung nicht die Möglichkeit garantirt wird, auf kurzem und
einfachem Wege eine gesetzliche Vertretung der Kranken her¬
zustellen; eine solche ist aber oft genug erwünscht für die
Geisteskranken, die nicht als freiwillige Pensionäre in Anstalten
untergebracht sind, sowohl aus ärztlichen wie rechtlichen Rück¬
sichten.
Die Schrift, deren Fülle an Gedanken und Anregungen
sich nur bei der persönlichen und der genaueren Bekanntschaft
erschliesst, wird Denen ein guter und zuverlässiger Führer sein,
die sich zu unterrichten wünschen über die Stellung und Be¬
handlung der Geisteskranken, welche sie in unserm neuen Ge¬
setzbuche erfahren. Ernst S c h u 11 z c.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medicin. XXXVIII. Bd. ? 4., 5.
u. 6. Heft.
(Festschrift, Herrn Geh. Med.-Rath Professor Dr. Ebstein
gewidmet.)
16) D a m s c h - Göttingen: Zur Lage frei beweglicher Er¬
güsse im Herzbeutel.
Injectionen des Pericardialsackes an der Leiche mit Agar er¬
gaben folgende Resultate: Kleinere Flüssigkeitsmengen sammeln
sich im abhängigsten Theil des Herzbeutels, d. i. in der Gegend der
Herzspitze. Grössere Mengen füllen dann zunächst den „Herz-
leberwinkel“ genannten rechten, unteren Theil, später den vor¬
deren Theil des Pericardialsackes. Bei prall ausfüllenden Fltissig-
keitsmassen (es wurden bis zu 500 ccm injicirt) bleiben nur mehr
die Hinterwand des linken Vorhofes und zum Theil des linken
Ventrikels mit dem Pericard in Berührung. Hier ist also auch
noch bei grossen Ergüssen Gelegenheit zur Entstehung von Reibe¬
geräuschen geboten. Der geeignetste Ort zur Herzbeutelpunction
ist möglichst nahe der Herzspitze und zwar um Pleura und Vasa
mammaria zu vermeiden im V. oder VI. Intercostalraum, hart am
linken Sternalrand.
17) Beck er- Hildesheim: Die Geschichte der Medicin in
Hildesheim während des Mittelalters.
Schilderung der sanitären und ärztlichen Verhältnisse einer
deutschen mittelalterlichen Stadt, die ein treffliches Bild der
ganzen Culturverliältnisse gibt und im Original nachzulesen ist.
18) N i c o 1 a i e r - Göttingen: Experimentelles und Klinisches
über Urotropin.
Das Urotropin (Hexamethylentetramin) wird aus Formal¬
dehyd und Ammoniak dargestellt und ist im Harn nach inner¬
licher Darreichung leicht mit Bromwasser nachzuweisen. Seine
Lösungen und auch die Urotropinharne besitzen starke antibae-
terielle Wirkung, aber nur bei 37°, nicht bei Zimmertemperatur.
Sie beruht wahrscheinlich auf der Abspaltung von Formaldehyd,
die erst bei Bmttemperatur eintritt. Ebenso ist auch die beträcht¬
liche harnsäurelösende Wirkung, die Urotropin und Urotropin¬
harne besitzen, auf die Entstehung einer leichtlöslichen Harnsäure-
Formaldehydverbindung Zurücks führen. Therapeutisch war die
Urotropinbehandlung, welche in Dosen von 0,5 2—4 mal täglich
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT.
163
auzustellen ist, in 8 von 10 Fällen aminoniakalischer Hamgährung
von vorzüglichem Erfolg, ebenso in 7 von 10 Fällen acuter gonor¬
rhoischer Gystitis, bei chronischer gonorrhoischer Cystitis und
Urethritis, bei Cystitis nach Katheterismus; weniger bei Strepto¬
coccen- und Colicystitis, ganz erfolglos nur bei Tuberculose. Auch
bei harnsaurer Diathese und Phosphaturie leistet Urotropin gute
Dienste.
19) Schreiber - Göttingen: Ueber die Entstehung der
Hamsaureinfarcte.
Harnsäureinfarcte entstehen bei Ueberschuss von Harnsäure,
wie er bei Neugeborenen vorhanden ist, und gleiciizeitiger Schä¬
digung der Nierenepithelien, die eine Folge der Reizung durch die
Harnsäure ist.
20) S c h r e i b e r - Göttingen: Zur Casuistik der Achsen¬
drehung des Darmes.
Fall von Volvulus mit gegenseitiger Umschlingung von Je¬
junum und Kolon aseendeus in Folge freier Beweglichkeit des
Blinddarms und des aufsteigenden Dickdarms.
21) Müller- Aachen: Ueber Sehnen-Muskelumpflanzung
zur functionellen Heilung veralteter peripherischer Nerven¬
lähmungen.
Fall von erfolgreicher Ueberpflanzung der Sehne des Muse,
tlexor cnrpi ulnaris auf die Dorsalseite der Hand bei traumatischer
Radialislähmung.
22) B u s s - Brenlen: Zur Dystopie der Nieren mit Missbil¬
dung der Geschlechtsorgane.
Fall von hochgradiger Missbildung der weiblichen Genitalien.
Es fehlte Yagina, Uterus, rechte Tube, rechtes Ovarium und rechte
Niere. Die in’s kleine Becken verlagerte linke Niere wurde irr-
thtimlicher Weise exstirpirt, worauf der Tod an Uraemie eintrat,
merkwürdiger Weise erst nach sieben Tagen.
23) Buss- Bremen: Zwei Fälle von Pachymeningitis in¬
terna haemorrhagica nach Trauma. Casuistischer Beitrag zur
Aetiologie dieser Krankheit.
24) Z a u d y - Göttingen : Peritonitisartiger Symptomen-
complex im Endstadium der A d d i s o n’schen Krankheit.
Schwere Unterleibssymptome bei einem Mann ohne auf¬
fällige Pigmentanomalien. Die Section ergab Verkäsung beider
Nebennieren.
25) Strauch- Braunschweig: Das M e c k e Psche Diver¬
tikel als Ursache des IleuB.
Abschnürung einer Dünndarmschlinge durch einen Ring, der
von dem an der Wurzel des Mesenterium ilei fixirten Meckel-
schen Divertikel gebildet wurde.
26) Darnach- Göttingen: Ueber die chronische anky
losirende Entzündung der Wirbelsäule und der Hüftgelenke
(Strümpell.)
Von der Rechtere w’sehen „Steifigkeit der Wirbelsäule”
ist die Strümpei l’sche „ankylosirende Entzündung der Wirbel¬
säule” zu trennen. Beschreibung eines zu dieser gehörigen Falles.
27) F ra n k - Göttingen: Ueber Mucingerinnsel im Ham.
Allfallsweises Auftreten von massigen Schleimgerinnseln im
Urin eines Kindes, die manchmal den vollständigen Abguss eines
Nierenbeckens darstellten und auf eine rechtsseitige Pyelitis mit
tonischem Krampf der Nierenbecken- und Ureterenmusculatur
zurückzuführen waren.
28) Reichenbach: Ein Fall von Rhinitis fibrinosa mit
Diphtheriebacillen.
Baeteriologisch genau untersuchter Fall, welcher bestätigt,
dass die anscheinend gutartige und wenig contagiöse Rhinitis-
tibrinosa durch echte virulente Löffle rische Bacillen ver
ursacht wird.
29) W r aldvogel - Göttingen: Zur Lehre von der Acetonurie.
Das Aceton entsteht nicht aus Eiweiss oder Kohlehydraten,
sondern wahrscheinlich aus Fett, sowohl aus dem in Form von
Fettsäuren in das Blut gelangenden Nahrungsfett, wie aus dem
Zerfall von Körperfett. So erklärt sich die Acetonurie bei all¬
gemeiner Inanition, bei Diabetes, bei einseitiger Eiweisskost, bei
starker Fettaufnahme, bei Verlust von Nährstoffen in Folge von
Dyspepsie. Sie muss als ungünstiges Ereigniss aufgefasst werden.
Kohlehydrate wirken als Fettsparer acetonvermindernd. Subcutan
eingeführt wirkt aber merkwürdiger Weise Fett nicht acetonver¬
mehrend, -während Kohlehydrate die Acetonurie steigern. Diese
Schlüsse werden aus einer Anzahl von Versuchen gezogen, welche
auch den klinischen Werth der L e g a l’schen Nitroprussidreaetion
als sehr zweifelhaft erscheinen lassen.
Kerschensteiner - München.
Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 3.
1) Reineboth: Blutveränderungen in Folge von Ab¬
kühlung.
Eine Entgegnung auf E. G r a w i t z’s Mittheilung: „Ueber
die Beeinflussung der Blutmischung durch kurzdauernde Kälte¬
einwirkungen“.
Verfasser hält entgegen den Ausführungen Grawitz’ (rief.
Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 48) an seiner Ansicht fest,
wonach starke Abkühlungen bei Kaninchen eine Haemoglobin-
aemie hervorrufen.
2) E. Grawitz: Erklärung zu den Bemerkungen von
Beineboth über „Blutveränderungen in Folge von Ab¬
kühlung”.
G. erhebt gegen die Methodik Reineboth’s Einwände,
welche er bereits in der früheren Arbeit ausgesprochen hat.
W. Zinn- Berlin.
Digitized by Google
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 3.
1) H. Bayer- Strassburg: Britisches zur Lehre von der
Entfaltung und Nichtentfaltung des Mutterhalses in der
Schwangerchaft.
Die Arbeit ist wesentlich eine Polemik gegen die unlängst
erschienenen Untersuchungen und Erörterungen zur Cervixfrage
von v. Franquö und desshalb zum Referat nicht geeignet. B.
kritisirt den oft citirten Medianschnitt einer Schwangeren von
W a 1 d e y e r, der gegen die Entfaltungstheorie verwendet werde,
aber, da das untere Uterinsegment fehlt, als abnormer Fall anzu¬
sehen sei. Ebenso widerlegt B. die Schlüsse, die v. F. aus 3‘Prii-
päraten gegen die B.’sche Lehre ziehen zu können glaubte. Doch
hofft B., dass sich eine Verständigung erreichen lasse, wenn nur
anerkannt wird, dass der Uterus in den späteren Schwanger¬
schaftsstadien von unten her einen Zuwachs erfährt, und dass
dieser Zuwachs aus einem functioneil anders beanlagten Material
besteht. Die Entfaltung der Cervix kann dabei stattfinden oder
nicht; im letzteren Falle fehlt dann nach B.’s Auffassung ein
eigentliches unteres Segment.
2) F 1 a t a u - Nürnberg: Zur Atmokausisfrage. Einige Worte
zur Abwehr.
Eine persönliche Polemik gegen P i n c u s, dem F. vor Allem
vorw'irft, dass er in seiner jüngsten Arbeit das Discussionsergeb-
niss der letzten Naturforscherversammlung in München einer
„Umprägung“ unterzogen habe, da diese Discusslon eine Nieder¬
lage des intransigenten Standpunktes P i n c u s’ gewesen. Wir
haben keine Veranlassung, auf diese persönliche Polemik näher
einzugehen.
3) G. Z e p 1 e r : Weiteres zum Schlitzspeculum.
Z. gibt zu, die bereits früher erfolgte Empfehlung der Schlitz-
specula durch Biermer, We b e r und P r e i s s nicht gekannt zu
haben, und bedauert besonders, letztere Veröffentlichung übersehen
zu haben. Eine Verbindung der Fixirung des Uterus mittels Kugel¬
zange und Application des Spectilums, wie We b e r und P r e i 8 s
wollen, hält Z. nicht für angebracht. Zum Schluss betont Z. die
Grenzen der Leistungsfähigkeit seines Instrumentes und erwähnt
mehrere technische Verbesserungen. J a f f 6 - Hamburg.
Virchow’s Archiv. Bd. 155. Heft III.
1) N. It. M u u s : Ueber die embryonalen Mischgeschwülste
der Niere.
Beschreibung von G Tumoren, welche aus den Nieren-
anlagen abgeleitet werden.
2) B. G r o h 6 : Die Vita propria der Zellen des Periosts.
Periostklappen von Kaninchen zeigten noch, wenn 100 Stun¬
den (5 Tage) nach dem Tode entnommen und transplantirt, Pro¬
liferationsvorgänge, Neubildung von elastischen Fasern, Knorpel
und osteoidem Gewebe.
3) M. v. O d e n i u s: Ueber einfache cystische Degeneration
der Lymphdrüsen. Ein casuistischer Beitrag.
Eingehende Beschreibung von 4 Fällen dieser Art der Cysten¬
bildung, welche als besondere Form neben die cystischen Lymph¬
angiome und die mehr weniger vollständig zu Cysten umge¬
wandelten Lymphadenocelen gestellt werden muss.
4) Kalischer: Ueber den normalen und pathologischen
Zehenreflex.
Die eingehende Untersuchung bestätigt in der Hauptsache
B a b i n s k y’s Angaben über die physiologische Plantar flexion
der Zehen bei Reizung der Planta und gibt eine Analyse des Zehen¬
reflexes nach seinem physiologischen Zustandekommen, wie nach
seinen pathologischen Veränderungen, namentlich Dorsalflexion,
besonderes Verhalten der Grosszehe in Krankheitsfällen. Zumeist
sind es Erkrankungen im Gebiete des I., seltener solche im Bereiche
des II. motorischen Neurons, welche die Abweichungen erzeugen.
.Insbesondere scheint die Dorsalflexion der Grosszehe (in Folge
Hypertonie des Extensor halluc.) die Regel bei Störungen der
Pyramidenbahnen und stellt vielleicht ein Frtihsymptom derselben
dar. Ueber die einzelnen auf den Zehenreflex untersuchten Krank¬
heiten s. Original.
5) E. Fraenkel : Zur Lehre von der acquirierten Magen-
darmsyphilis.
Ausführliche Beschreibung des pathologisch-anatomischen Be¬
fundes von einem erst post mortem mikroskopisch diagnosticir-
baren Fall. Charakteristisch sind makroskopisch: 1. die Infiltra¬
tion der Gewebe auch da, wo die innerste Wandschicht zerstört
ist, der speckige Grund der beetartigen Geschwüre liegt in an¬
nähernd demselben Niveau wie die meist etwas aufgeworfenen
Ränder; 2. die in der ganzen Circumferenz gleichmässige Be¬
schaffenheit der Ränder; 3. auch die Multiplicität der Geschwüre.
Mikroskopisch:Gummöse Neubildungen, obliterirende Endarteriitis,
theilweise Panarteriiitis, productive Eudophlebitis mit oder ohne
gummöse Infiltration der Wand. Als unzweifelhaft speciflschen
Ursprungs können nur die mit gummösen Erkrankungen des
Magens und Darms einhergehenden Geschwüre betrachtet werden.
Nach den spärlichen bisherigen Angaben scheint die Erkrankung
sehr selten und zu den besonders malignen Formen constitutio-
neller Syphilis zu gehören.
G) Th. Kocher: Ueber glykogenhaltige Strumen.
7) M. B. Schmidt: Ueber ein ganglienzellenhaltiges
wahres Neurom des Sympathicus.
8) W. Ebstein: Beitrag zur Lehre von der Lipaemie, der
Fettembolie und der Fettthrombose bei der Zuckerkrankheit.
Beschreibung eines classischen Falles und Erörterungen über
die Genese der Lypaemie — deren Quelle vielleicht im Blute selbst
Original fro-rri
UNIVERS1TY OF CALIFORNIA
164
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
55 U suchen ist — mul iler Fetttlirombösen nicht eigentliche F ett-
einbolien).
IX. Kleinere MIttheilunRcn.
1) W. Ebstein: Ueber die Localisation und einige Be.
Sonderheiten der Hautwassersucht in einem Palle von diffuser
Nierenentzündung.
Nephritis glomerulosa et interstitialis. Besonders starkes
Oedem am Bücken zwischen den unteren Rippen und dem oberen
Beckenrande, welches bei Function nur einige Tropfen Flüssig¬
keit .entleerte und auf Fingerdruck — entgegen dem Verhalten
der übrigen oedematösen Function des Körpers — keine Gruben¬
bildung zeigte (,,e lastisehes Oe de m“).
2 ) Levy-I)orn: Beitrag zur Lehre vom Zittern.
Die Zahl der in der Zeiteinheit möglichen Zitterbewegungen
bei verschiedenen Arten von Tremor erwies sich als entsprechend
der Anzahl der jeweils möglichen willkürlichen Bewegungen.
Eugen A 1 b r e c h t - München.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In-
fectionskrankheiten. Bd. XXVH.. No. 2. 1900.
1) Bruno Schürmayer-Hannover: Ueber Aktinomykose
des Menschen und der Thiere. (Schluss folgt.)
2) G. Gabritschewsky - Moskau: Ueber einige Streitfragen
in der Pathologie der Spirochäteninfectionen.
3) Theodor Odhner-Upsala* Aporocotyle Simplex n. g. n.
sp., ein neuer Typus von ektoparasitischen Trematoden.
4) P. S. de Magalhäes- Rio de Janeiro: Eine sehr seltene
Anomalie von Taenia solium.
5) L. A. Jägerskiöld-Upsala: Ein neuer Typus von Copu-
latlonsorganen bei Distomum megastomum.
6) James H. Wright- Boston: A simple method for anaero-
bic cultivation in fluid media.
R. 0. Neumann-Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 4.
1) J. Hirs e h b e r g - Berlin: Die Entwicklung der Augen¬
heilkunde im 19. Jahrhundert. (Schluss.)
Zu kurzem Referate an dieser Stelle nicht geeignet.
2) C. Fosuer und M. V e r t u n - Berlin: Ueber die Gift¬
wirkung des normalen Harns.
Cfr. Referat pag. 1698 der Münch, med. Wochensclir. 1899.
3) J. L a z a r u s - Berlin: Die pneumatische Therapie von
1875—1900.
Im Anschlüsse an die Arbeiten, welche im obigen Zeiträume
aus dem pneumatischen Institute des jüdischen Krankenhauses
in Berlin hervorgegangen sind, wirft L. einen Rückblick auf die
Entwicklung dieses, Anfangs mit sehr weiten Indicotionen arbei¬
tenden Zweiges der Therapie und die darauf bezüglichen Theorien
und praktischen Ergebnisse. Unter den rationellen Indicationeu
für active pneumatische Therapie nennt Verfasser den chronischen
Bronchialkatarrh, die Folgezustiinde nach Pleuritis und Pneumonie,
chronische Infiltrationen des Lungenparenchyms. Wie aus einer
Uebersiclit der Publicationen hervorgeht, ist die Erklärung der
mechanistdien und chemischen Wirkung des Aufenthaltes in eom-
primirter Luft z. Z. noch nicht gelungen, trotzdem über manche
Funkte Einigung erzielt ist. Iudieationen für das pneumatische
Kabinet sind Pleuritis, Schrumpfungen und chronische Infil¬
trationen der Lungen, chronischer (asthmatischer) Bronchial¬
katarrh, consecutive Circulationsstörungen ohne organische Ilerz-
erkrankung, Chlorose und Anaemle; zu den Contraindieationen
gehören Verknöcherung des Thorax, Arteriosklerose, Neigung
zu Blutungen.
4) F. K ö n i g - Berlin: Ueber gleichzeitige Schussverletzung
von Brust- und Bauchhöhle. (Schluss folgt.)
5) B 1 o c h - Berlin: Ueber den Bacteriengehalt von Milch-
producten und anderen Nährmitteln.
Verfasser hat das Plasmon, Eulactol, Nutrose. Thein-
hard t’s Hygiama auf ihren Keimgehalt untersucht, ferner auch
Mehl- und Hafermehl. Der Keimgehalt des Plasmon ist zwar sehr
hoch, aber nicht höher als bei anderen Milchproducten oder im
Mehl und Hafermehl. Allein es handelt sich um nicht pathogene
Keime. Der Gehalt an Keimen überhaupt ist für die Güte solcher
Präparate nicht ausschlaggebend. So enthalten auch das täglich
verwendete Mehl, sowie Butter eine kolossale Anzahl von Keimen.
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 3.
1) Brieger : Weitere Untersuchungen über Pfeilgifte.
(Aus dem Institut für Infectionskraukheiteu in Berlin.)
Anschliessend an die in No. 39 der Deutsch, med. Wochensclir.
1899 berichteten Untersuchungen über das Pfeilgift der in Deutsch-
Ostafrika ansässigen Wakamba behandelt vorliegende Arbeit das
von deu Wagogo. ebenfalls in Deutsch-Ostafrika, benutzte Pfeil¬
gift, welches aus dem Safte der Candelabor - Euphorbie bereitet
wird.
2) Paul Jacob: Klinische und experimentelle Erfahrungen
über die Duralinfusion. (Aus der I. medicin. Universitätsklinik
in Berlin.)
Nach einem am 20. November im Verein für innere Medicin
gehaltenen Vortrage. Referat siehe diese Wochenschrift No. 48.
pag. 1626.
3) M. Senator: Weitere Beiträge zur Lehre vom osmo¬
tischen Druck thierischer Flüssigkeiten. (Aus der inneren Ab¬
theilung des städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin.)
Vorliegende Untersuchungen schliesseu sich an die Arbeiten
von K o r a n y i, L i n d e m a u n u. s. w. an und beruhen, wie diese,
auf der Bestimmung des Gefrierpunktes in Harn und Blut. Auf
die Details kann hier nicht näher eingegangen werden.
4) v. d. O r o n e - Hohenlimburg: Ein durch Serumbehand¬
lung geheilter Fall von Tetanus traumaticus.
Casuistische Mittheilung. . ,
5 ) Friedrich Eschbaum - Berlin: Ueber eine neue klinische
Methode zur quantitativen Bestimmung von Quecksilber im
Harn und die Ausscheidung dieses Metalles bei mit löslichem
metallischem Quecksilber behandelten Kranken.
Die Methode besteht im Wesentlichen darin, dass das im Ham
befindliche Quecksilber zunächst unter Beachtung gewisser Cau-
teleu in der bisher üblichen Weise an Kupfer gebunden wird. Durch
Erhitzen wird es von dem letzteren getrennt und mittels eines
Stückchen metallischen Silbers von den Wandungen des Reagens¬
glases abgenommen. Durch Wägung des Silberplättchens vor und
nach der Amalgamirung findet man die Menge des vorhandenen
Quecksilbers. F. L a c h e r - München.
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg.
a. Steiger- Zürich: Untersuchungen über Sehschärfe und
Treffsicherheit. (Schluss folgt.)
Oscar Beuttner-Genf: Ueber die therapeutische Ver-
werthung des Salipyrins auf gynäkologischem Gebiete.
Salipyrin hat einen günstigen Einfluss auf Gebärmutter¬
blutungen, wenn keine gröberen anatomischen Veränderungen vor¬
liegen, wirkt beruhigend auf Menstruationsbeschwerden, besonders
bei concurrirenden psychischen Depressionszustäuden: Dosis 3mal
tägl. 1 g. Tabelle, im' ganzen 24 Fälle. Pischinger.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 3.
1) R. Kraus-Wien: Ueber Haemolysine und Antihaemo-
lysine.
Aus den zahlreichen im Original aufgeführten Versuchen
geht als Hauptresultat hervor, dass verschiedene Mikroorganis¬
men (z. B. Tetanus. Bact. coli. Cholera) den Blutkörperchen ver¬
schiedener Thierarten gegenüber haemolytische Gifte entwickeln
und dass normale Blutsera im Stande sind, diese haemoly tischen
Wirkungen aufzuheben. Die Haemolysine sind schon in eintägigen
Culturen vorhanden, sie schwanken in ihrem Werthe bei ein und
derselben Cultur und können sogar verschwinden. Die Haemo¬
lysine bewirken ausser einer Auflösung der rotheu Blutkörperchen
oft auch eine Umwandlung des Haemoglobins.
2) F. M i c h e 1 i und G. Mattirolo-Turin: Beitrag zur
Kenntniss der pseudochylösen Ascitesformen.
Es sind mehrfach Fälle beschrieben, wo eine milchige Trü¬
bung der Ascitesflüssigkeit bestand, ohne dass die Untersuchung
einen Fettgehalt der betreffenden Flüssigkeiten ergab, der jenes
Aussehen hätte erklären können. Die Verfasser publiciren nun
4 Fälle mit ähnlichem Befund und glauben zur richtigen Erklärung
desselben gelangt zu sein. Die untersuchten Flüssigkeiten wiesen
ebenfalls nur geringe Fettmengen auf, dagegen alle einen Procent¬
satz von Lecithin, der, wie weitere Versuche zeigten, weitaus
hinreichend war, Opalesccnz resp. Trübung in der betreffenden
Flüssigkeit zu bewirken. Der Beweis, dass gerade die Lecithine
befähigt sind, derartige milchige Trübungen hervorzurufen, konnte
auf chemischem Wege geführt werden.
3) J. P o 11 a k - Alland: Einige neue Medicamente in der
Phthiseotherapie.
Das Duotal (Guajacol. carbon. puriss.) wurde von 32 Patienten
Wochen hindurch in einer Tagesdosis von 0,5—3 g genommen:
bei 5 dieser Fälle trat Appetitverschlechterung ein; bei den übrigen
besserte sich derselbe, auch erfolgten nicht unbedeutende Gewichts¬
zunahmen; auf Husten, Auswurf etc. war kein Einfluss zu be¬
merken. Das Pyramidon. Abkömmling des Antipyrin, erwies sich
in einer Tagesmenge von 0,5 g (binnen 4—6 Stunden genommen)
bei Phthisikern als verlässiges Autipyreticum; es wirkt nicht
schädlich auf das Herz; das Heroinum hydrochlor., vom Morphium
abstammend, bewährte sich als ein den Husten gut linderndes
Mittel; wenn nicht mehr als 0,005 g einmal Abends gegeben wurde,
traten meist keine Intoxicationserscheinungen ein.
Dr. Grassmann - München.
Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 2, 3 u. 4.
J. Horcicka - Pola: Beitrag zur Verbreitungsweise des
Typhus abdominalis durch den Genuss von rohen Austern.
In Pola ist der Typhus abdom. heimisch und nimmt öfters die
Form grösserer Epidemien an. Ein besonders flagrantes Vor-
kommuiss lenkte auch hier die Aufmerksamkeit auf die Austern
als Infeclionsvermittler. H. hat Austern aus verschiedenen Tlieilen
des dortigen Hafens baeteriologisch untersucht und in denselben
zwar keine Typhusbacillen nachweisen können, fand dagegen
unter 40 Stück 37 mit Faecalien hochgradig verunreinigt. Er hat
ferner eine Anzahl Austern mit einer Reincultur von Typhus
bacillen gefüttert. Noch 20 Tage nach der Fütterung liessen sich
aus den zu Brei verriebenen Thieren die Bacillen fortzüchten.
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
80. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
165
Schliesslich hat Verfasser verschiedene Istrier und Dalmatiner
Weinproben mit Culturen versetzt. Diese erwiesen sich bereits
nach 24 Stunden als abgestorben; es dürfte demnach diesen Weinen
eine Bedeutung für die Uebertraguug des Typhus, wie sie auch
vermuthet wurde, nicht zukommen.
W. Gabel- Ofen-Pest: Eine acute Infections- und Accli-
matisationskrankheit.
An drei bestimmten Orten der südlichen Herzegovina, welche
durch ihre eigentümliche Lage und übermässige Sommerhitze
ausgezeichnet sind, kommt in der heissen Jahreszeit bei den Trup¬
pen eine von den Einheimischen als „Hundskrankheit“ bezeichnete
Krankheitsform zur Beobachtung. Dieselbe beginnt plötzlich mit
hohem Fieber, grosser Prostration, gastrischen Störungen und
intensiven Muskelschmerzen, besonders der unteren Extremi¬
täten. Nach 2 Tagen gewöhnlich kritischer Temperaturabfall, nach
ca. 5 Tagen volle Genesung. Bleibt der Kranke an dem Orte, so
erfolgt nach 2—5 Wochen ein ganz ähnlicher, aber verstärkter
Anfall mit 4—6 tägigem Fieber, der nach kritischem Temperatur¬
abfall in 10—14 Tagen zur Genesung kommt. Durch Klimawechsel
wird dieser zweite Anfall sicher vermieden. Cornjilicationen
ernsterer Art oder gar Todesfälle wurden nie beobachtet. Die
grosse Mehrzahl der zugehenden Mannschaften ist der Krankheit
unterworfen, welche eine gewisse Aehnlichkeit mit der Febris re¬
currens zeigt. Nach den Krankheitserregern wurde bisher ver¬
geblich gefahndet.
Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 1 u. 2.
J. S c h n i t z 1 e r - Wien: Ueber Epiploitis im Anschluss an
Operationen.
Ausführliche klinische Abhandlung, zu kurzem Referat nicht
geeignet.
Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 2.
A. W ö 1 f 1 e r - Prag: Zur operativen Behandlung des Torti-
collis spasmodicus.
Bel einem Falle von ausgeprägtem, nach links gerichtetem
Tortieollis hat W. durch ein in England augebildetes, in Deutsch¬
land noch wenig befolgtes Verfahren völlige Heilung erzielt. Die
ausgiebige Resection des rechten Nervus aecessorius brachte zwar
nach einem Jahr die entsprechende Museulatur zur Atrophie, doch
nur sehr unvollkommene Besserung, der Kopf blieb nach links
gedreht und nach hinten gezogen durch die stark gespannte links¬
seitige Nackenmusculatur. Daher wurde der II. und III. linke
Cervicalnerv auch resecirt und — da die Freilegung des I. Cervical-
nerven sehr complicirt wäre — der M. oliquus inferior völlig durch¬
trennt. Nach glatter Wundheilung war ein völlig befriedigender
und dauernder Erfolg erreicht. B e r g e a t - München.
Englische Literatur.
Henry Morris: Steine im Ureter. (Lancet, 16. Dec. 1899.)
Der bekannte Nierenchirurg des Middlesex Hospital gibt in
dieser Arbeit eine auf fremde und eigene Beobachtungen gestützte
Zusammenfassung unserer derzeitigen Kenntnisse auf dem Ge¬
biete der Uretersteine. Er hat 47 Fälle (darunter G eigene) zu¬
sammengestellt und tabellarisch geordnet. Fast alle Uretersteine
entstehen ursprünglich in der Niere, primäre Uretersteine sind
äusserst selten und bestehen aus Niederschlägen phosphorsaurer
Salze auf ein Ulcus oder einen Fremdkörper (Katheter en de-
meure) im Harnleiter. Ein Stein kann sehr lange im Ureter ver¬
weilen, doch ist es schwer, genaue Angaben darüber zu machen,
weil wir zur Zeit noch nicht zwischen Nierenbecken und Ureter¬
steinen die Differentialdiagnose machen können. Verfasser hat
während 19 Jahren 6 mal vergeblich die Niere nach Steinen ab¬
gesucht, In 5 dieser Fälle wurde später ein Stein per vias naturales
entleert, der schon während der Operation im Ureter gesessen
haben muss, im 6. Falle starb der Patient nach ungefähr Jahres¬
frist, auch in diesem Falle ergab die Section einen Harnleiterstein.
Bei den 5 zuerst genannten Kranken blieben alle Symptome un¬
verändert nach der Operation bestehen, um nach Passiren des
Steines sofort zu verschwinden, was beweist, dass der Stein
sich schon zur Zeit der Operation im Harnleiter befand. Ist die
durch den Stein gesetzte Obstruction nicht vollkommen, so kann
die Niere weiter functioniren. Es empfiehlt sich in allen Fällen
von Nephrolithotomie den Ureter zu sondiren; namentlich darf
das nie unterlassen werden, wenn man in der Niere keinen Stein
findet. Im normalen Harnleiter finden sich 3 engere Stellen,
eine 5—10 cm unterhalb des Nierenhilus (2 cm unterhalb des An¬
fanges des Ureters), die zweite dort wo der Harnleiter den Becken¬
rand kreuzt und die dritte an der Einmündung des Harnleiters in
die Blase. An diesen Stellen wurden nun sowohl bei Sectionen
wie auch bei Operationen zumeist die Steine gefunden und zwar
am häufigsten am Anfangs- und Endtheil des TTreters. Die Harn¬
leitersteine sind ihrer Zusammensetzung nach natürlich ebenso
mannigfaltig wie die Nierensteine, zuweilen erhalten sie während
ihres Verweilens im Ureter einen neuen Ueberzug von Harn¬
salzen. sind mehrere Steine vorhanden, so können sie facettirt sein.
Die Diagnose auf Harnleiterstein kann nur dann mit Sicher¬
heit gestellt werden, wenn es gelingt, den Stein durch die Bauch¬
decken oder von Rectum, Vagina oder Blase aus zu fühlen; sonst
wird die Diagnose meist erst während einer Nephrolithotomie
gemacht, bei welcher stets der Ureter sondirt werden muss. Eine
transperi tonen! e Freilegung des Ureters zu diagnostischen Zwecken
(Ha, 11) ist durchaus zu verwerfen. Der Ureterenkatheterismus
ist nur dazu zu gebrauchen, um ein Hinderniss festzustellen über
die Art des Hindernisses (Strictur oder Stein) gibt er keine Auf¬
klärung. Was die Differentialdiagnose anlangt, so können wir
einen Ureterstein (ausser wir fühlen ihn) durch die Symptome
nicht von einem Nierenstein unterscheiden; ebensowenig von
eiuem „eneysted bladderstoue“ (Blasenstein, der in einer Tasche
liegt), solche Blasensteine sind wahrscheinlich häufig Uretersteine,
die zwischen die Blasenwände vorgedrungen sind und hier einen
Sack für sich gebildet haben. Der Zustand der Niere gibt ge¬
legentlich Aufschluss über die Herkunft solcher Steine (Atrophie
der Niere nach UreterenVerschluss).
Gar nicht selten werden in der Praxis Nieren- und Harn¬
leitersteine mit Blasenkatarrh verwechselt, stets untersuche man
den Urin genau, bei NicrenalTection ist er meist sauer und ent¬
hält nur sehr wenig Schleim, bleibt auch nach langem Stehen
trübe (weil der Eiter innig mit dem Harn gemischt ist). Der
Harn bei Cystitis reagirt alkalisch, enthält viel zähen Schleim,
der meiste Eiter tritt bei Beginn und Ende der Harnentleerung
auf. Ein in die Blase vorragender Ureterstein, der Cystitis ver¬
ursacht, lässt sich stets nach weisen. Von entzündlicher, nament¬
lich tuberculöser Ureteritis kann man den Ureterenstein nicht
unterscheiden. Täuschungen kommen nicht selten dadurch vor,
dass die Tubereulose zu Verdickungen führt, welche als Steine im-
poniren können. Unter Umständen gelingt es, Tuberkelbacilleu
im Urin naclizuweisen. Es ist auch schon vorgekommen, dass ein
prolabirtes Ovarium für einen Ureterenstein angesehen wurde
(Cullingworth); Verfasser gibt desshalb differentialdiagnos¬
tische Zeichen.
Wie schon mehrfach erwähnt, sind die Symptome des Harn¬
leitersteines meist die des Nierensteines; ebenso ist schon erwähnt,
dass es manchmal gelingt, einen Stein im Ureter zu fühlen oder
cystoskopisch nachzuweisen; manchmal führt der Harnleiterstein
zu Prolaps des Ureters in die Blase, ja bei der Frau kann der
Ureter durch die Urethra vorfallen und in der Vulva erscheinen.
Die Prognose ist für die Niere des steinhaltigen Harnleiters
bei längerem Bestehen der Krankheit meist schlecht, besteht voll¬
kommener Verschluss, so atrophirt die Niere sehr rasch, während
es bei nicht vollkommenem oder intermittirendem Verschluss bald
zur Hydro- oder auch Pyonephrose kommt: manchmal bildet sich
nach mehrjährigem Bestehen eines Harnleitersteines Krebs in der
gleichseitigen Niere. Kommt cs zu einfacher Atrophie der Niere
und ist die andere Niere gesund und steinfrei, so ist die Prognose
für das Leben gut, kommt es aber zu Pyonephrose oder erkrankt
die zweite Niere an Stein, so kann nur eine baldige Operation
zur Heilung führen. Nach genauer Schilderung der pathologischen
Veränderungen in Harnleiter und Niere geht Verfasser auf die
Behandlung über. Lässt sich das Vorhandensein eines Harnleiter¬
steines schon vor der Operation feststellen, so kommt die Uretero-
lithotomie und zwar nur die extraperitoneale in Frage, dieselbe
Operation wird gemacht, w r enn man bei einer Nephrolithotomie
zur Ueberzeugung kommt, dass es sich um einen Harnleiterstein
handelt, gelingt es nicht, den Stein in das Nierenbecken oder die
Blase zu schieben und ihn von hier aus zu entfernen, so legt man
den Ureter durch Verlängerung des Lumbarnierenschnittes frei.
Bei zweifelhafter Diagnose ist es besser, jeden Ureter extraperi¬
toneal freizulegen und abzutasten, als eine probatorische Laparo¬
tomie vorzunehmen. Wird bei einer Laparotomie ein Ureterstein
gefunden, so schliesst man die Bauchwunde und entfernt den
Stein extraperitoneal. Stets versuche man den Stein etwas nach
oben zu schieben, um ihn von einer Stelle zu extrahiren, die nicht
der pathologisch veränderten Einklemmungsstelle entspricht. Die
Wunde im Ureter oder im Nierenbecken wird genäht. Tief sitzende
Steine (an der Blasenmündung des Ureters) entfernt man beim
Weibe durch die Harnröhre, beim Manne durch den perinealen
oder suprapubischen Blasenschnitt.
H. D. R o 11 e s t o n und G. R. Turner: Die chirurgische
Behandlung des Ascites bei Lebercirrhose durch Schaffung
peritonealer Adhaesionen. (Ibid.)
Vor Kurzem konnte ich über die dasselbe Thema behandelnde
Arbeit von D r u in m o n d und M o r i s o n berichten (Brit. med.
.Tourn., Vol. II, 1896; Transact. Medic. Society, London, 11. Dec.
1899). Rolleston und Turner geben hier die Kranken¬
geschichte von 2 Fällen.
Im ersten handelte es sich um einen 45 jährigen Mann, der
wiegen Haematemesis zur Aufnahme kam. Es bestanden die
Symptome einer Lebercirrhose, und da innere Behandlung erfolg¬
los blieb, so wurde er am 31. Juli operirt, nachdem kurz vorher
16 Pinten Ascites abgelassen wmrden waren. Während der Opera¬
tion entleerte sich noch reichlich Ascites. Die Incision lief parallel
dem Rippenrande rechts und war 13 cm lang. Die Oberfläche der
eirrhotischen Leber und das Diaphragma wurden mit dem Finger¬
nagel wund gekratzt. Dann wrurde eine Ivüngarusehne durch Leber,
Omentum und die Schnittfläche des Peritoneums gelegt, so dass
das Omentum zwischen Leber und Zwerchfell zu liegen kam.
Die Bauchwamde wurde durch Etagennähte geschlossen. Der be¬
deutend gebesserte Patient verliess das Hospital am 27. August.
Am 11. Dezember befand er sich sehr wohl, die vorher stark ver-
grösserte Milz w r ar stark geschrumpft, doch konnte eine geringe
Menge von Ascites nachgewiesen werden. Der zweite Patient,
ein 52 jähriger Mann, wurde durch die Operation, die etwas anders
ausgeführt wurde, in keiner Weise gebessert. (Schnitt in der
Mittellinie, Abkratzen der Leberoberfläche, Vernähen des Leber¬
randes mit der vorderen Bauchwand.) Die Verfasser rathen, die
Operation möglichst frühzeitig vorzunehmen, ehe noch die Kranken
zu sehr geschwächt sind; die Operation scheint sehr gefährlich
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166
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
zu sein, da von 10 veröffentlichten Fällen 5 an Peritonitis resp.
Schock (?) gestorben sind. Ist einmal das Lebergewebe völlig ent¬
artet, so kann auch die durch die Operation beabsichtigte ver¬
mehrte Oirculation nichts mehr helfen. Der bei der ersten Opera¬
tion verfolgte Plan scheint ihnen der beste, vor Allem legen sie
grosses Gewicht darauf, das Omentum in engen Zusammenhang
mit Leber und Rauchwand zu bringen. Ist viel Flüssigkeit im
Rauche vorhanden, so empfiehlt es sich, die Rauchhöhle auf supra
pubischem Wege zu drainiren. Eventuell kann man später noch
eine ähnliche Operation an der Milz vornehmen . Die Verfasser
halten den Ascites nicht für durch einfache Pfortaderstauung
bedingt, sie glauben, dass er eine Folge von Toxaemie ist. Die
cirrhotische Leber ist nicht im Stande, gewisse (iifte zu zerstören,
welche vo'm Darincanal aus in die Leber und von hier aus in die
allgemeine Rlutbalm gelangen. Diese (iifte haben einen lymph-
t reibenden Einfluss und führen zu Oedemen der Reine und zu
Ascites. Die durch die Operation bedingten Adliaesionen führen
zu vermehrtem Rlutzufluss in die Leber und geben den Leberzellen
< ielegenheit, sich zu erholen und zu hypertropliiren. Ist: diese
Hypothese wahrscheinlich, so muss, wie die Verfasser fordern,
die Operation möglichst frühzeitig unternommen werden.
W. Watson C heyne: Die Behandlung der chirurgischen
Tuberculose. (Brit. Med. Journ., 10. Dcc.. 23. I)ec., 30. Dee. 1800.)
Es scheint mir nützlich, die ausführliche Arbeit des um das
Studium der chirurgischen Tuberculose so verdienten Verfassers
etwas genauer zu referiren; ausserdem aber möchte ich die Fach¬
genossen auf das Studium des Originales verweisen, das nebeu
manchen bekannten doch auch eine Fülle neuer Anregungen ent¬
hält und vor Allem erkennen lässt, dass der Verfasser alle Rath-
schläge erst nach reichlichen eigenen Beobachtungen und Erfah¬
rungen gibt.
Verfasser betont im Anfang seiner Arbeit, dass jede tuber-
culöse Erkrankung zuerst eine Localerkrankung ist, wenn es auch
namentlich bei tiefer sitzenden Erkrankungen oft schwierig ist,
den primären Herd nachzuweisen. Treten multiple Erkrankungen
zusammen oder kurz nacheinander auf, so kann man ziemlich
sicher sein, dass irgendwo im Körper noch ein bisher latent ge¬
bliebener primärer Herd sich befindet. Stets muss es das Bestreb n
des Arztes sein, den primären Herd möglichst frühzeitig und
gründlich zu entfernen, dasselbe gilt übrigen» auch für viele
secundäre Herde. Verfasser betrachtet dann zuerst die tuber-
culösc Drüsenerkrankung, wie sie sich besonders am Halse findet.
Als Eingangspforte schuldigt er besonders cnrinne Zähne an.
während er aus näher nuseinandergesetzten Gründen nicht glaubt,
dass die Mandeln häufig den primären Herd enthalten. Zahn¬
en ries, Ohrenttnss und andere Krankheiten führen zu Entzün¬
dungen der Lymphdrüsen. die hierdurch geschwächte Drüse leistet
dem Eindringen der Tuberkelbacillen, die meist aus dem Blute
stammen, nur geringen Widerstand. Findet man eine Anzahl
kleiner, harter, leicht verschieblicher und nicht wachsender
Drüsen, so lasse man sie in Ruhe und behandle den Kranken mit
Arsenik, guter Nahrung und ovent. mit Landluft, meist ver¬
schwinden dann die Drüsen. Wachsen dagegen die Drüsen und
führen sie zu Entstellung, so schreite man bald zur Operation,
die in der Entfernung aller erkrankten Drüsen zusammen mit dem
umliegenden Fett zu bestehen hat. In einer anderen ("lasse von
Fällen verläuft die Adenitis viel rascher, es treten bald Erwei¬
chungen und Verwachsungen auf und man operire desshalb mög¬
lichst bald, womöglich ehe es zur Abseessbildung gekommen ist.
Verfasser verwirft ganz die Auskratzung und befürwortet die
Toialausräumung, da bei der Auskratzung Recidive der operirten
oder baldige Vergrösserungen der benachbarten, schon vor der
Auskratzung erkrankten Drüsen nicht ausbleiben; auch folgt dem
Kratzen manchmal allgemeine Tuberculose. Die radicale Opera¬
lion ist dagegen meist von dauerndem Erfolg: stets entferne man.
wenn möglich, die primäre Quelle der Drüsenentzündung, wie
einen cariösen Zahn, vergrösserte Mandeln, man öffne alte
Mastoideiterungen etc. Hat sich schon ein Abseess gebildet, der
aber noch klein ist. so nehme man ein ovales Stück der Halshaut,
sowie den Abseess und die Drüsen in toto heraus und bemühe sich,
den Abseess während der Operation nicht zu eröffnen. Oft muss
die Vena jugularis zum Theil mitentfernt werden. Findet man
einen grossen Abseess, der die Fascie durchbrochen und zu einer
bedeutenden Ansammlung von Eiter unter der gerötheten und
verdünnten Haut geführt hat. so operire man zweizeitig. Zuerst
entleere man den Abseess und gebe der Haut Zeit, sich zu erholen,
nach etwa 3 Wochen erfolgt die Radicaloperation. In alten, mit
vielen Fisteln complicirten Fällen entferne mau ebenfalls womög¬
lich alles erkrankte Gewebe, verbietet die Ausdehnung der Krank¬
heit ein so radionlos Vorgehen, so werden die Fisteln ausgekratzt
und mit reiner farbolsäure behandelt. Ist also überhaupt eine
Operation angezeigt, so sei dieselbe gründlich, da eine Operation
bei einem Recidiv stets schwieriger wird. Man beschränke sich
nicht auf Entfernung der scheinbar erkrankten Drüsen, sondern
verfahre wie bei der Ausräumung der Hals- und Achseldrüsen bei
("arcinom, d. h. man entferne alle erreichbaren Drüsen summt
Fett. Die Incision verläuft entweder entlang der Neekenfalte oder
entlang dem Sternomastoideus; bei nusgodehnterDrtisenerkrankung
gibt ein hufeisenförmiger Schnitt sehr gute Resultate. Gleich im
Beginn der Operation eröffne man die tiefe Fascie unterhalb der
Dnisensehwollung und lege die Vena jugularis durch Spaltung der
Gofässsclieide frei. Meist kann dann ein flaches Instrument oder
Much der Finger zwischen Vene und Drüsenpacket geschoben und
letzteres von der Vene abgelöst werden. Bestehen feste Verwach
sungen, so ist am besten, von vornelierein die froigelegte Vene zu
unterbinden und zu durehschnehlen. Es gelingt dann stets ohne
Mühe, die Vene zusammen mit den Drüsen von Carotis und Vagus
abzuheben. Der Verlust der .Tugularvene wird gut vertragen. Daun
sucht man den N. accessorius auf und verfolgt ihn in seinem Ver¬
laufe, bis er in die Drüsenmassen sich einsenkt; aus diesen muss
er herauspräparlrt werden, was meist ohne Mühe möglich ist.
Manchmal ('besonders dann, wenn die Drüsen fest mit der über die
Wirbelquerfortsüt.ze ziehenden Fascie verbunden sind! muss der
Stornocleidomastoideus durchschnitten werden. In jedem Falle
wird das ganze Drüsenpacket sammt allem umgebenden Fett aus
gelöst und nach abwärts gezogen und dann noch die Unterfläche
des Sternomastoideus und theil weise des Trapeeius gesäubert.
Häufig kommt es nach dieser Operation zu einer Lähmung des
Mundwinkels, doch geht dieselbe stets nach einiger Zeit wieder
vorüber. Verfasser führt sie auf Durchschneidung des Platysma
zurück. Nach dieser gründlichen Operation tritt fast nie ein Re¬
cidiv auf.
Verfasser bespricht dann die chirurgische Behandlung der
Bauchfelltuberculose. In einer Reihe von Fällen ist das ganze
Peritoneum mit kleineren und grösseren Tuberkeln besetzt, die
Bauchhöhle enthält dann meist ziemlich viel freien Ascites. In
anderen Fällen ist die Adhaesionsbildung zwischen den Eingewei-
den und die Verhärtung des Omentum und Mesenterium die Haupt¬
sache. In diesen Fällen ist seltener Flüssigkeit vorhanden; findet
mau Ascites, so ist er meist abgekapselt. In einer dritten Classe
von Fällen kommt cs zu einer Verschmelzung und Erweichung der
Tuberkel, so dass man grosse Käseherde in den Adliaesionen, dem
Netze, auf dem Peritoneum und in den mesenterialen Drüsen
findet. Daneben finden sich starke Schrumpfungsvorgänge im
Netz und Mesenterium sowie meist Danngeschwüre und häufig
eingekapselte, nicht selten eiterige Flüssigkeitsansammlungen.
Oft findet man auch Kothfisteln. Bei allen 3 ("lassen von Fällen
kann die Erkrankung auf einen Theil des Peritoneums beschränkt
sein, besonders oft sah Verfasser tuberculose Erkrankungen um
die Tubenostion und um den Wurmfortsatz. Als primäre Erkran¬
kung tritt die Bauchfelltuberculose nur sehr selten auf: abpr auch
in diesen Fällen stammen die Bacillen wohl aus der Blutbahn und
nicht aus dem Darminhalt. (Verfasser glaubt nicht, dass die
Tuberkelbacillen die Darmwaud durchwandern.) Secundär kann
die Krankheit im Gefolge von intra- und extranbdominalen tuber-
culöseu Erkrankungen auftreten. Die Krankheit scheint häufiger
bei Frauen vorzukommen, doch glaubt Verfasser, dass dies so zu
erklären ist, dass mehr Frauen operirt werden, besonders in Folge
von falscher gynäkologischer Diagnose. Andererseits scheinen,
wenn man nach den Soctionsprotokollen geht, mehr Männer an der
Krankheit zu leiden und zu sterben. Vielleicht kommt dies aus dem¬
selben Grunde. Frauen werden häufiger operirt und geheilt, einerlei
ob in Folge falscher oder richtiger Diagnose, während Männer intern
behandelt werden und sterben. Verfasser geht dann des Näheren
auf die häufig schwierige Diagnose ein und bespricht die Prognose,
die er bei innerer Behandlung für recht schlecht hält: dagegen
glaubt er. dass etwa 75 Proc. der laparotomirten Kranken geheilt
werden, gelingt die Heilung ‘nicht der ersten Operation, so darf
man dieselbe wiederholen, da zuweilen erst nach mehreren Laparo¬
tomien Heilung auftritt. Am günstigsten für eine operative Hei¬
lung sind die Fälle, in denen es sich um die fibrinöse Form mit
viel Ascites handelt, aber auch in anderen, selbst sehr ungünstig
aussehenden Fällen, wird Heilung nicht selten beobachtet. Tod
durch Peritonitis sollte nach der Laparotomie nicht Vorkommen,
ebenso lässt sich Tod an Schock vermeiden, wenn man nicht zu
spät operirt. Zuweilen gelangte der Operateur gar nicht in die
freie Bauchhöhle und doch trat Heilung ein. Gelegentlich bildet
sich nach der Operation eine Kothfistel aus, selbst wenn an¬
scheinend der Darm nicht verletzt wurde.
Lungenphthise leichteren Grades oder Pleuritis bilden keim*
Gegenanzeige, werden im Gegentheil durch die Operation oft
günstig beeinflusst. Fälle mit Darmgeschwüren sind dagegen
meist recht ungünstig für die Operation. Was die beste Zeit für
die Operation anlangt, so operire man nicht zu früh, da man in
diesen Fällen leicht Recidive sieht, und auch nicht zu spät, da
dann der Kranke zu schwach ist. In acuten Fällen warte man
etwa 4—0 Wochen, in chronischen ebenso viele Monate. Ist nach
dieser Zeit trotz interner Behandlung keine Heilung eingetreten,
so operire man: ist man im Zweifel, ob man operiren soll oder
nicht, so ist es meist richtiger zu operiren. Im Allgemeinen sei
die Operation eine ganz einfache. Eröffnung des Bauches in der
Mittellinie unterhalb des Nabels, Ausfliessenlassen (Lagewechsel)
resp. Austupfen des Ascites und Schluss der Wunde. Das Ein¬
bringen antiseptischer Stoffe oder das gründliche Auswaschen oder
Austupfen des Bauches sind zwecklos und meist gefährlich.
Eiteransammlungen dagegen werden ausgewaschen und die
Höhlen mit .Todofonnglycerin behandelt. Adliaesionen lasse man
so viel wie möglich in Ruhe, nur bei Knickungen und Verenge¬
rungen dos Darmes müssen sie getrennt werden, zuweilen muss
man auch eine Anastomose anlegen. Drainage Ist überflüssig,
selbst bei Eiterungen, nur solche Eiteransammlungen, die stark
jauchig riechen, sollen drainirt werden. Tuberculös erkrankte
Tuben. Wurmfortsätze u. dergl. entferne man nur, wenn die Peri¬
tonitis beschränkt ist und die Organe sich leicht entfernen lassen,
sonst lasse man sie in Ruhe. Functionen der Bauchhöhle können
die Laparotomie nicht ersetzen, ausserdem sind sie sehr gefähr¬
lich, da in Folge von Adhaesionen die Därme oft dicht der Rauch¬
wand anliegen und leicht von der Nadel durchbohrt werden, was
häufig zu Peritonitis geführt hat. Verfasser spricht dann über die
Art, in welcher die Laparotomie heilend wirkt. Er vergleicht die
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MED1CINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
107
Operation mit der Eröffnung eines Abseesses. operirt man zu früh,
so gelingt es häufig nicht, die Eiterung sofort zum Stillstände zu
bringen (ebenso wie bei den Frühlaparotomien bei Peritonitis
leicht Reeidive auftreten). Während des Stadiums der Eiterbil¬
dung bilden sich im Blute Antitoxine, wird nun der Abscess ent¬
leert. so ergiesst sich eine Menge Serum über die Abscess wände;
die in dem Serum enthaltenen Antitoxine zerstören die Batterien
in der Abscess wand und hindern so den Fortschritt der Eiterung.
Wird zu früh operirt, so hat das Blut noch nicht den genügenden
Grad von bacterientödtender Kraft und die Eiterung bleibt weiter
bestehen. Aehnlich dürften die Verhältnisse bei der Peritonenl-
tuberculose liegen, auch hier führt die plötzliche Entfernung von
Flüssigkeit oder bei trockener Peritonitis das Lösen von Ad-
haesionen und der Reiz der Operation zu einer Ueberschwemiuung
des Peritoneums mit Serum, das, wenn man nicht zu frühe operirt,
Antitoxine enthält Histologisch bilden sich in und um den
Tuberkel Spindelzellen (aus den epitheloiden Zellen?), welche all¬
mählich den Tuberkel in Bindegewebe um wandeln und zum
Schrumpfen bringen. .So kommt es auch, dass die Laparotomie
am besten wirkt in den Fällen, in denen keine Adhaesionen und
Abkapselungen bestehen, in denen also die ganze erkrankte Peri¬
tonealhöhle sowohl von der Operation, wie von der nachfolgenden
augenommenen Serumausschwitzung betroffen wird.
Den Schluss der Arbeit bietet die Besprechung der Uro-
genitaltuberculose. Primäre Tubereulose dieser Theile beginnt
häutig in der Epididymis, während seeumläre meist in den Nieren
beginnt und von da nach abwärts sich verbreitet. Vorher¬
gegangener Gonorrhoe weist Verfasser keine aetiologische Bedeu¬
tung zu. In den Nebenhoden gelangen die Bacillen gewöhnlich
durch die Blutbahn, bei kleinen Kindern geht übrigens die Tuber-
culose nicht selten vom Peritoneum auf die Tuuica vaginalis und
den Nebenhoden über, ln manchen Fällen ist der Gang der Er¬
krankung ein acuter, dann beginnt die Tubereulose fast immer im
Hoden, in den meisten chronischen Fällen finden wir zuerst den
Globus rnajor der Epididymis ergriffen. Geht die Erkrankung,
wie gewöhnlich auf das Vas deferens über, so verbreitet sie sich
selten innerhalb des Vas, meist kriecht sie in den Lympligefässen
der Wandung weiter, um bald die Samenblasen und die Prostata
zu ergreifen. Die Behandlung der Genitaltuberculose muss meist
eine operative sein, nur in mit anderen schweren Leiden cotupli-
eirten oder in ganz chronisch verlaufenden Fällen ist eine ab¬
wartende Behandlung am Platze. Verfasser empfiehlt Guajacol
und Leberthran, vor Compressionsverbündeu des Hoden warnt er,
ebenso wie vor Injectionen mit Chlorzink oder Jodoform. Die
operative Behandlung kann radical sein, Castration, oder partiell,
dann beschränkt man sich auf Entfernung der Epididymis oder
auf Auskratzen; letzteres mache man nur in Ausnahmefällen
(wenn der Patient keine grössere Operation zugibt), nach dem Aus-
kratzen ätze man mit reiner Carbolsäure und tamponire mit Jodo¬
formgaze. Die Castration ist indicirt, wenn der Testikel primär
oder sectmdär in grösserer Ausdehnung ergriffen ist. Die Opera¬
tion hat grosse Schattenseiten, da viele Kranke nach derselben
Selbstmord begangen haben; besonders gefährlich ist, dass man
nie weiss, ob nicht die andere Seite, wie so häufig, bald nachher
ergriffen wird. Psychische Störungen treten meist bei älteren
Männern auf, alle Versuche, Glaskugeln u. s. w. an Stelle des ent¬
fernten Hodens einzuheilen, sind zu verwerfen. Die eintretenden
Störungen beruhen wahrscheinlich auf dem Ausfall der inneren
Secretion der Hoden. Nach vom Verfasser au Hunden angestell-
ten Versuchen scheint es auch, als ob castrirte Hunde leichter der
Tubereulose erliegen, als solche, deren Hoden erhalten sind oder
die mit Hodensecret gefüttert werden. Aus allen diesen Gründen
soll womöglich die Entfernung der Epididymis allein vorgenommen
werden; nach diesem Eingriff bleibt die innere Secretion der
Hoden erhalten, ebenso wie die Libido sexualis. Findet man
Herde im Hoden, so kann man dieselben gleichzeitig local be¬
handeln. Stets muss ein möglichst grosses Stück des Vas deferens
mit entfernt werden.
Die Tubereulose der Prostata führt oft zu Durchbruch von
Abscessen in Urethra und Rectum oder es erscheint ein Abscess
am Damme. Besteht schon ein Durchbruch in das Rectum, so
erweitere man die Fistel und kratze von ihr aus den Abscess aus,
ln allen anderen Fällen suche man die Prostata vom Damme aus
zu erreichen, zur Nachbehandlung wird bei Bestehen einer
Urethralfistel ein Dauerkatheter eingelegt.
Sehr schwierig und undankbar ist die Behandlung der Blasen¬
tubereulose, die meist am Trigonum localisirt ist. Innerlich sind
die Roborautien, Arsenik,Benzoesäure und Milchdiät zu versuchen.
Blasenspülungen mit Bor oder .Todoformöl sind nutzlos und oft
schädlich, besser wirken Sublimatinstillationen (1: 3000 bis
1:5000) und auch der Versuch einer allmählichen Ausdehnung
der Blase durch täglich steigende Injectionen ist zuweilen auge¬
zeigt. Immer wieder wird man zu einem radicaleren Eingriff sich
gedrängt fühlen. Man macht den hohen Blasenschnitt und kann
von der Wunde aus die tuberculösen Stellen brennen oder kratzen.
Die Hauptsache aber ist die durch Drainage bewirkte Ruhig¬
stellung der Blase, man muss nur sehen, dass das Drain nicht
an die hintere Blasenwaud anstösst, wo es oft reizt. Die Drainage
soll mindestens 2 Monate lang fortgesetzt werden, Verfasser hat
mit Nutzen bis zu (5 Monaten drainirt. Er hält die Operation für
sehr nützlich, da etwa 20 Proc. geheilt, der Rest gebessert werden.
Bei der Nierentubereulose liegt die Hauptschwierigkeit in der
Diagnose der Gesundheit der anderen Niere. Am besten schneidet
man auf beide Nieren ein und zwar extraperitoneal. Nephro¬
tomie führt meist zur Nephrectomie, die dann sehr schwierig sein
kann. Ist man also sicher, dass die zweite Niere gesund ist, so
entferne man die kranke sofort, allerdings wird man manchmal
die Nephrotomie nicht umgehen können. Nierenresectionen
können bei frühzeitigen- Operation von grossem Nutzen sein.
J. P. zum Busch- London.
Belgische Literatur.
G 1 o r i e u x : Drei Fälle von Meralgia paraesthetica. (La
Policliuique, 3. December 181)9.)
Die Meralgie wurde selten bei Frauen beobachtet. Sie kenn¬
zeichnet sich durch Schmerzanfälle, Hautjucken, Stiche, Gefühl
von Brennen in der Hautgegend, welche vom Nerv, cutaneus femo¬
ralis externus innervirt wird. Während der Ruhe des Gliedes ist
kein Schmerz vorhanden; auf Druck ist der Nerv sehr empfindlich.
Es werden 3 Fälle vollständig beschrieben; es handelte sich 2 mal
um junge Frauen, wovon die eine allerdings auch hysterische Sym¬
ptome darbot. Chirurgisch soll nur in ganz seltenen und hart¬
näckigen Fällen eingegriffen werden.
Braunstein- Charkow (Russland): Einfluss des Pyro-
gallols auf die Ausscheidung der Kohlensäure bei den Thieren.
(Arcli. internat. de pliarmacodynamle VII1, 3—4.)
O-absorbirende Substanz; grössere Galten zerstören die rothen
Blutkörperchen. Für den Hund sind 2 bis 3 g schon toxisch. Die
Temperatur wird stark herabgesetzt, es entstellt Brechen, nachher
Coma. Nach D a n i 1 o w s k y entsteht die Erniedrigung der Tem¬
peratur durch Erniedrigung der Oxydationen im Körper. Verf.
hat die Ausscheidung von CO, unter dem Einfluss von Pyrogallol
untersucht; er bediente sich des S e h u 1 z’schen Verfahrens. Er
stellte folgende Thatsaclien fest: 1. das Pyrogallol erniedrigt die
ausgeschiedene CO,-Menge; 2. bei den Warmblütern werden die
Athnumgszüge während der ersten Stunden frequenter und tiefer,
nachher findet das Gegentheil statt; 3. die Temperatur sinkt be¬
denklich; 4. die Reizbarkeit wird erniedrigt.
Impens: Ueber Analeptica der Athmung. (Arch. intern, de
pharmacodynamie et de thörapie. VIII, 1 u. 2.)
Es bestehen keine zuverlässigen Methoden, die genaue Er¬
gebnisse liefern über den Luftwechsel in den Lungen. So war Ver¬
fasser dazu genötliigt, selber erst einen Apparat bauen zu lassen,
welcher plethysmographisch das Athmungsvolum misst, ohne dass
seine Anwendung per se nachtheilige Wirkungen auf die Athmung
der Tliiere haben könnte. Auf die Beschreibung des Apparates
müssen wir hier natürlich verzichten. Er wurde benutzt zur Prü¬
fung vieler Substanzen, Coffein, Kampher, Oxykamplier (dass das
Athmungsvolum erhöht, die Frequenz dagegen etwas erniedrigt),
Strychnin, Chlorammonium, ossigsaures Ammonium, Atropin,
Thebain, Narcotiu, Aspidospermin u. s. w. Es besteht kein zuver¬
lässiges Analepticum.
Impens hat die interessante Thatsache beobachtet, dass die
Grösse der Athmungsbewegungen und das Athmungsvolum gar
nicht parallel steigen . Er erklärt das durch eine gewisse Inco-
ordination iu den Bewegungen, so dass sehr tiefen Zwerchfell-
bewegungen andererseits durch die unzutreffende Contraction
anderer Muskeln theilweise entgegengewirkt wird. Er konnte
diese Thatsachen graphisch nacliwoisen.
De Buck: Ein Fall von Tabes cervicalis ohne Reflex¬
starrheit der Pupille. (Medisch Weekblad voor Noord en Zuid
Nederland, September 1899.)
In dem vom Verfasser beobachteten Falle waren alle Reflexe
verschwunden. Auch bestanden Störungen des Gehörs. Nach den
beobachteten Symptomen konnte man die Krankheit zuerst auf
der Hölie des 8. Hals- und des 1. Dorsalwirbcls localisiren. Später
wurde auch die Lumbalgegend betroffen. Ganz auffallend war
die völlig normale Reaction der Pupille. Leyden und Gold-
scheider fassen die Pupillenphänomene als constant auf. Der
Fall musste doch unbedingt als ein Fall von Tabes cervicalis an¬
gesehen werden. Nach W o 1 f f ’s Beobachtungen würde die
Pupillenstarrheit von der Erkrankung der hinteren Stränge in
dem Cervicalmark abhängig sein. Nach H o u b e n und Hu e t.
Schüler von W i n k I e r aus Amsterdam, besteht in dieser Gegend
ein besonderes Centrum für die Pupillenerweiterung. Anderer¬
seits ist im Kern des 3. Nerven (Oculomotorius) ein Centrum für
die Verengerung nachgewiesen. Diese Thatsachen ermöglichen
die Erklärung des oben beschriebenen Falles.
Hoffmann - Rostock: Vergleichende Reactionen von
Antipyrin, Pyramidon und Verwandten und Schicksal des
Pyramidon im Thierkörper. (Archives intern, de pharmaco¬
dynamie et de thörapie. VI, 3, 4.)
Aus dieser fast ausschliesslich pharmakologischen Arbeit sind
nur wenige Punkte für die praktische Medicin wichtig. Verfasser
rühmt tias Pyramidon sehr und untersuchte gründlich die chemi¬
schen Eigenschaften desselben. Der Harn der Patienten kann
nach Pyramidoneingabe eine rüthliclie Farbe annehmen, doch
brauche dies keineswegs immer der Fall zu sein. Bei Phthisikern
ist die dunkle Farbe ausgeprägter, doch wird der Körper voll¬
ständig im Organismus zersetzt. Beim gesunden Menschen ist die
Zersetzung nicht so vollständig. Es ist Verfasser nicht möglich, den
Ort der Zersetzung festznstellen.
D o c r o 1 y uml J. R o n s s e : Toxische und antitoxische
Eigenschaften des Blutes nach intravenöser Einspritzung von
Schlangengift, Toxinen oder Antitoxinen. (Arch. intern, de
pharmacodynamie et de thörapie. VIII, 2, 3.)
Folgendes Verfahren wurde von den Verfassern gebraucht:
Einem kleinen Kaninchen wurde durch eine in die Jugularis ein¬
geführte Ganüle das Blut aus der Carotis eines grossen Kanin-
Original fro-rri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
Digitized b'
'V Google
108
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
chons hergebracht. Zwischne beiden ist eine Bürette mit Kochsalz¬
lösung eingeschaltet, so dass man nach Belieben auch diese
Lösung in die Jugularis des kleineren Thieres einfliessen lassen
kann. Dem kleineren Kaninchen wird nun die einfache letale
Gabe des Giftes eingespritzt; nach einer gewissen Zeit lässt man
das Thier verbluten, bis Krämpfe eintreteu. Dann wird Kochsalz¬
lösung zugelassen, das Thier wieder verblutet, und endlich lässt
man vom grossen Thier eine entsprechende Menge normalen Blutes
einfliessen.
Auf dieser Weise ist das Blut der injicirten Kaninchen fast
ganz erneuert.
Es ergibt sich nun Folgendes:
Für das Schlangengift ist der Tod unvermeidlich, wenn man
die Transfusion des normalen Blutes nach 10 Minuten voruimmt;
für Tetanin (B r i o g e r) hilft überhaupt keine Transfusion, und
für das Diphtherietoxin kann der Tod bloss verzögert werden.
Andererseits, wenn das grosse Thier vergiftet wird, und man
sein Blut dem kleinen Tliiere nach einer gewissen Zeit statt des
normalen Blutes iufuudlrt, so merkt man auch hier, dass das Blut
bald seine toxischen Eigenschaften einbtisst, sehr schnell für das
Tetanin, langsamer für die beiden anderen Gifte.
Diese Experimente stellen die Thatsache fest, dass die Gifte
aus dem Blut in einem kurzen Zeitraum verschwinden.
Selbst während die Thiere die deutlichsten Symptome der In-
toxication zeigen, ist ihr Blut ganz wirkungslos.
Das Antitoxin bleibt längere Zeit im Blute fortbestehen, aber
verschwindet auch wieder.
Diese Substanzen werden also bald in den Geweben fixirt.
Widersprechende Resultate anderer Forscher müssen dem zuge¬
schrieben werden, dass die Verfasser immer die einfache letale
Dosis gebraucht haben. Es muss also angenommen werden, dass die
Immunisationsvorgänge nicht im Blute stattflnden, sondern in den
Geweben selbst, in den Zellengruppen und von einem bestimmten
< Je webe oder von einer bestimmten Zellart, wie die Leukocyten,
im Wesentlichen nicht abhängen. It. W y b a u w - Brüssel.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 24. Januar 1900.
Tagesordnung:
Herr ßrawitz : Die klinische Bedeutung und experi¬
mentelle Erzeugung degenerativer Veränderungen an den
rothen Blutkörperchen (mit Demonstration).
In Fortsetzung schon früher publicirtcr Versuche unter¬
suchte Vortr. an einer grossen Zahl von Kranken das Blut auf
jene kleinen basophilen Körnchen, die vor Kurzem im Verein f.
inn. Medic. eine ausführlichere Besprechung gefunden und in
dieser Zeitschrift (1899, Dee.) besprochen wurden.
Vortr. hält dieselben, wie schon berichtet, für Dogonerations-
productc und zwar nicht des Kerns, sondern des Protoplasmas.
Ihre Kcnntniss bietet eine Bereicherung unseres sonst ja noch
so geringen Wissens von der Anaemie und ist gerade in jenen
Fällen von besonderem Interesse, in welchen sich keine ander¬
weitigen histologischen Befunde zur Erklärung der Blutarmuth
bieten, wie z. I>. bei der Bleivergiftung. Bei letzterer linden sie
sich sehr oft und können in zweifelhaften Fällen zur Sicherung
der Diagnose beitragen. Auch bei vielen anderen mit Blut¬
zerfall einhergehenden Krankheiten kommen sie vor, z .B. bei der
Sepsis, bei Krebskachexie; sie werden jedoch nicht gefunden bei
uncomplicirter Lungentubereulose.
Von den sehr selten, z. B. bei äusserst schwerer Krebs¬
kachexie, zu beobachtenden Kernfragmenten sind diese Körnchen
nach G r a w i t z wohl zu unterscheiden. Prognostisch sind sie
nur insofernc von Bedeutung, als ihr Auftreten und Wiederver-
sehwinden parallel der Verschlimmerung und Besserung der
Krankheit geht.
Sehr häufig findet man sie auch bei Malaria. Ob zwischen
diesen Körperehen und den von A. P 1 e h n besprochenen und
von diesem Forscher als Vorstufe der Malariaplasmodien ange¬
sehenen Körnchen ein Unterschied besteht, lässt Vortr. unent¬
schieden. Es könne sein, dass Herr Plehn mit seiner Auf¬
fassung Reelit habe und zwei ganz verschiedene Blutkörperchen-
arlen nebeneinander bei Malaria Vorkommen.
Bei Chlorose kommen sie auffallender Weise für ge¬
wöhnlich nicht vor.
Vortragender hat auch in einigen Fällen diese Körnchen bei
Mäusen, die längere Zeit im Brutschrank gehalten wurden, ex¬
perimentell erzeugt. Wie weit zwischen dieser schädlichen Wir¬
kung der Hitze und der Tropenanaemie der Europäer ein Paral¬
lelismus besteht, muss vorläufig dahingestellt bleiben.
D i s e u s s i o n. Herr A. 1» lehn gibt zu, dass er früher
zwischen seinen Körnchen und den in der Discussion stehenden
nicht unterschieden habe. Er halte aber an der Bedeutung der von
ihm beobachteten und für Entwieklmigsformen der Malariaplas-
modien betrachteten fest.
Fenier sprachen die Herren Senator, U 11 m a n n, B 1 o c h,
Engel, G r a w i t z. H. Koh n.
Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 18. Januar 1900.
Herr Waldeyer stellt eine an Syphilis leidende Patientin
vor, bei welcher sich der Phthirius pubis auch auf dem behaarten
Kopfe angesiedelt hat. Eine ähnliche Beobachtung ist bisher
nicht bekannt geworden.
Herr Jacob stellt mehrere Kranke vor, bei welchen durch
mechanische Methoden der Behandlung. gute Erfolge erzielt
wurden.
1. Patientin mit juveniler Atrophie der Füsse, Unter¬
sehe n k e 1, 11 ä n d e. Keine Contractu ren, keine Entartungs-
reaction. Seit 13 Jahren sind die erkrankten Theile der Extremi¬
täten völlig funetioiisunfUkig. Patientin erhielt Schienen für die
Beine, machte dann Gehversuche im Gehstuhl, später bekam sie
besondere Gehstützen, die sie mit deu Händen zu gebrauchen
lernte. Jetzt kann die Kranke allein (nur mit Gehschienen ver¬
sehen) etwa eine halbe Stunde lang gehen.
2. Demonstration eines Zügels zuui Gebrauche bei Peroneus¬
lähmung. Der Zügel hebt Hie Fussspitze und vermeidet so das
Gleiten derselben am Boden.
3. 44 jährige Färbersfrau mit Paraplegie der Beine und
Beugecontractur. Bei der Aufnahme Cystitis, Incontinentia urinae
et aivi, Decubit us. I »iugnose: Myelitis luetlc a. Antisyphi¬
litische Cur ohne Erfolg. Es gelang allmählich, besonders durch
Bäder und Hebungen im Bade die Contracturen zu beseitigen.
Die Kranke hat sich so weit gebessert, dass sie jetzt im Gehstuhl
gelieu kann.
Discussion: Die Herren S t ö 1 z n e r , Jacob, Zinn,
W i d e li m a n n, Jacob.
Herr Widenmann : Weitere Mitteilungen über einen
Fall von pulsirendem Exophthalmus.
Der Vortragende berichtet über deu Obductionsbefund des
Falles, den Herr Gerhardt in der Sitzung vom 29. Juni v. J.
(Referat in N. 29, J899 dieser Wochenschrift) vorgestellt hat. Die
Orbita stand — der Exophthalmus war rechtsseitig — rechts tiefer;
zwei Drittel des knöchernen Daches der rechten Orbita fehlten.
Der rechte Bulbus direct von der Dura bedeckt, darunter lym-
plioides Gewebe ; rechter Sinus cavernosus nicht erweitert.
Carotis int. d., im Sinus cavernosus, stark erweitert,
Nervus abduceus mit ihr verklebt, keine Perforation. Arteria oph-
thalmica, Venen der Orbita frei. Nach dem Befunde ist wahr¬
scheinlich, das die Pulsation des rechten Augapfels bedingt war
durch die starke Erweiterung der rechten Carotis interna; der
Puls derselben wurde auf deu Sinus cavernosus übertragen und
auf die Orbita fortgeleitet. Auffällig ist bei dieser Sachlage die
sehr starke Pulsation des Bulbus iutra vitam. Für den Knochen-
defect der rechten Orbita ist eine sichere Erklärung nicht zu geben.
Ein Trauma hat stattgefunden. — Patient litt an einer schweren
Anaemie, die Sectiou ergab als Todesursache eine Tuberculose des
Bauchfells.
Discussion: die Herren Oestreich, Buttersack,
Widenman n.
Herr Brandenburg : Reaction des Eiters auf Guajak-
tinctur. ( Der Vortrag erscheint unter den Originalartikeln dieser
Wochenschrift.) W. Zinn- Berlin.
Altonaer Aerztlicher Verein.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. Dccember 1899.
Vorsitzender: Herr W a 11 i c h s. Schriftf.: Herr Henop.
1. Herr Braun stellt 2 von ihm auf der chirurgischen Ab¬
theilung operativ behandelte Fälle von Verletzungen des männ¬
lichen Harnapparates vor.
a) Einen Knaben mit Abreissung der Harnblase sammt Pro¬
stata von der Pars membranacea urethrae, welche zu extraperi¬
tonealer Urininfiltration geführt hatte.
Der 11 jährige Knabe war überfahren worden; die Sym¬
ptome verhielten sich zunächst unbestimmt; die Urinentleerung
war spontan unmöglich, mit Hilfe des Katheters gelang es, bis
zu 150 ccm Urin auf einmal zu gewinnen; dieser war zuweilen fast
ganz klar, zuweilen mit mehr oder weniger Blut vermischt. Die
24 stündige Urinmenge betrug etwu 300 ccm. In Folge dessen
wurde eine subcutane Nierenquetschung mit Contusion des
Bauches für wahrscheinlicher als eine Blasenverletzung gehalten.
Da sich das Allgemeinbefinden bei der exspectativen Behand¬
lung auffallend verschlechterte. Erbrechen und leichte Somnolenz
eintraten, das Abdomen aufgetrieben, äusserst schmerzhaft und
oberhalb der Symphyse bretthart wurde, zudem Sugillationen und
Oedeme in Damm- und Oberschenkelgegend auftraten, wurde ein
operativer Eingriff vorgenommen. Schnitt über der Symphyse; es
entleerte sich nach Eröffnung der Rectusseheide etwas klare Flüs¬
sigkeit; bei weiterem extraperitonealem Vorgehen In’s kleine Becken
Difitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
169
zeigte sieh dieses völlig mit blutig verfärbtem Urin gefüllt; die
Blase sammt Prostata war aus dem kleinen Becken nach oben
gedrängt. Die Schambeine waren nicht fraeturirt, das contra-
hirte Rectum an normaler Stelle. Unter dem hinteren Ramie d r
Symphyse liess sich das periphere Ende der Urethra palpireu.
Ausgiebige Drainage des kleinen Beckens.
Patient erholte sich schnell, der Urin floss gut ah; Weiter¬
behandlung theilweise im permanenten Bade. Jetzt, nach 5 1 ,\
Wochen, fliesst der Urin durch ein Drain in der Dammgegend ab.
Es wird sich nunmehr nach Reinigung der Wunde um die voraus¬
sichtlich ziemlich schwierige Wiedervereinigung der beiden
Urethraenden handeln.
b) Einen 56 jährigen Kranken mit intraperitonealer Blasen¬
ruptur.
Patient, der tabische Symptome zeigt, fiel in der Trunkenheit
in eine Grube. Es traten bald nach der Einlieferung die Sym¬
ptome der intraperitonealen Blaseuzerreissung auf. Es war freie
Flüssigkeit im Abdomen in grosser Menge nachweisbar: mit Hilfe
des Silberkatheters, der sich abnorm weit (gegen die Bauchhöhle)
vorschieben liess. wurden etwa 100 ccm fast reinen Blutes ent¬
leert; es bestanden starke Schmerzen im Epigastrium; Abdomen
etwas aufgetrieben, aber weich. Temp. 04,0". Puls klein. Laparo¬
tomie: Nach Eröffnung des Peritoneums strömte blutiger Urin in
Menge hervor. Mit dem Finger liess sieh nun ein etwa 0 cm langer
Riss in der hinteren Blasenwand feststellen. Nach Schutz der
Därme mit Bindentamponade wurde die Blasenwunde mit Klem¬
men gefasst und möglichst vorgezogen, damit zugleich die Blutung
gestillt. Es wurden daraufhin grosse Mengen von Blutgerinnseln
aus der Blase entfernt und die Risswunde mit dreietagiger Naht
verschlossen. Wegen des schlechten Allgemeinbefindens wurde
nach Möglichkeit die Bauchhöhle von der Flüssigkeit gesäubert;
jedoch wurde auf eine völlige Entleerung verzichtet und durch
Bindentamponade und Drainage die Bauchhöhle geschützt und
die nachträgliche Entleerung der Flüssigkeit eingeleitet. Dauer¬
katheter durch die Urethra in die Blase.
Das Befinden besserte sich schnell. Am 3. Tage war keine
Spur eines Flüssigkeitsergusses in der Bauchhöhle nachweisbar,
daher wurden nach 4 Tagen die Tampons entfernt. Nach 5 Tagen
versuchte Patient in einem Zustande der Verwirrtheit aufzu¬
stehen und presste dabei ein Convolut Darmsehlingen nach aussen
unter den Verband. Die Därme wurden abgewaschen und repo-
nirt. die Bauchhöhle von neuem tamponirt. Die oberen Theile
der Bauchwunde wurden dann einige Tage später nach Wegnahm?
des Tampons vernäht, der unterste Theil locker tamponirt.
Die Blasennaht hat völlig dicht gehalten. Die Capacität
der Blase beträgt augenblicklich bei vorsichtigem Versuch
200 ccm. Die Wunde ist in dem offen gebliebenen Theile
mit guten Granulationen bedeckt und in schneller Heilung.
2. Herr F. Krause: 3 Kehlkopfoperationen.
a) Laryngofissur: Der 12jälirige Knabe litt seit zwei
Jahren an allmählich zunehmender Heiserkeit und Athmungs-
besehwerden. Laryngoskopisch ergab sich als Ursache liiefür
ein grosses, von der Basis der Epiglottis ausgehendes und den
Kehlkopfeingang fast ganz verscliliessendes Papillom; bei Ilusten-
stössen wurden in der Tiefe des Kehlkopfes noch mehrere ähnlich
aussehende Neubildungen sichtbar. Nach Ausführung der Laryngo¬
fissur unter Benutzung der M i c h a e Bachen Tamponcanüle und
nach Abtragung mehrerer theils stecknadelkopfgrosser, theils breit¬
auf sitzender 7*—1 cm grosser und dicker papillomatöser Wuche¬
rungen, mit denen die ganze Kehlkopfschleimhaut und das linke
Stimmband wie übersät war, wurden ihre Ansatzstellen durch
den Paquelin verschorft. Die Operationswunde ist geheilt, die
früher bestehende Aphonie und Dyspnoe geschwunden, nur noch
geringe Heiserkeit vorhanden.
b) Exstirpation der linken Kehlkopfhälfte
und der vorderen Wand des Oesophagus mit
plastischem Ersatz. Dem 58jährigen Patienten war vor
einem Jahre ein von den Lymphdrüsen des Halses ausgehender,
auf Kehlkopf und Oesophagus nicht übergreifender linksseitiger
Tumor exstirpirt, wobei die durch den Tumor throrabosirte Vena
jugularis bis zur Clavicula herab resecirt werden musste. Die
mikroskopische Untersuchung ergab ein Endotheliom. Nach
einem Jahre ist nun ein locales Recidiv aufgetreten und zwar war
die linke Kehlkopfhälfte und die vordere Wand der Speiseröhre
ergriffen. Der grösste Tbeil der Epiglottis, die ganze linke und
ein geringer Theil der rechten Kehlkopf hälfte, sowie die vordere
Wand des Oesophagus bis zur Höhe der Trachea mussten ent¬
fernt werden. Die Neubildung erwies sich wieder als Endotheliom.
Der Defect des Oesophagus wurde durch einen der oberen Brust¬
gegend entnommenen gestielten Hautlappen ersetzt und auf diese
Weise vollkommener Abschluss gegen die Trachea erreicht. Pa¬
tient ist, wie demonstrirt wird, im Stande, Getränke und Speisen
zu schlucken, wenn die noch vorhandene Oeflfnung im hinteren
Abschnitte des Mundbodens zugehalten wird. Die rechte Kehl¬
kopfhälfte liegt noch frei zu Tage, ihr gegenüber der eingepflanzte
Hautlappen. Durch eine Nachoperation (Anfrischung und Naht)
muss noch der Mundboden und das Kehlkopflumen verschlossen
werden.
c) Totalexstirpation des Kehlkopfes. Wegen
eines branchiogenen Careinoms, das auf Larynx und Oesophagus
tibergegriffen hatte, musste dem 60 jährigen Patienten der ganze
Kehlkopf, ein Theil des Zungenbeins, der Oesophagus bis auf
einen ganz schmalen Streifen der hinteren Wand, die rechte Vena
Jugularis interna und Carotis communis exstirpirt werden. Die
Trachea wurde nach vorn gezogen und an der Brusthaut durch
Nähte flxirt, um der Gefahr, dass das Secret der Wundhöhle in
die Luftröhre hinabliefe, vorzubeugen. Behufs Neubildung der
Speiseröhre wurde zunächst die Haut des Halses vor dem grossen
Defect zusammengezogen und durch Nähte vereinigt. Nachdem
in der Medianlinie und auf der Unterlage Verwachsung erfolgt
war, wurde die Haut beiderseits in der Längsrichtung einge¬
schnitten und abpräparirt, medianwärts umgeschlagen und in der
Mittellinie vernäht, so dass ein allseitig von Epidermis ausge¬
kleideter Schlauch entstand.
Der Zustand des Patienten ist ein guter, das Körpergewicht
hat 15 Pfund zugenommen; zum Ersatz der Stimme soll der
Glue k’sche Apparat benutzt werden.
Idiopathische Gangraen.
Die 23 jährige Patientin hat im 10. Lebensjahre Scharlach
und Diphtherie gehabt. Die Herzdämpfung ist bis jetzt zur vor¬
deren Axillarlinie nach links verbreitert, der II. Pulmonalton
klappend, ausserdem ist die Kranke in mässigem Grade chloro-
tisch. Bei der ersten Vorstellung in der Poliklinik zeigte die
Haut dicht über dem rechten Handgelenk und an der Streck¬
seite des rechten Oberarms zwei fast handtellergrosse, intensiv
rothe, heisse und druckempfindliche, im Centrum dunkelblau aus¬
sehende Flecken. Anfänglich konnte der Verdacht aufkommeu,
dass das Leiden artificiell erzeugt sei (Hysterie), indessen musste
er schwinden, als nach Aufnahme in’s Krankenhaus und nach An¬
legung eines trockenen aseptischen Verbandes, die rechte Hand
und das untere Drittel des Unterarms plötzlich blauroth an¬
schwollen, sich ganz kalt anfühlten und entsprechende Geftihls-
störungen auftraten. Diese sehr bedrohlichen Symptome sind
zurückgegangen, nur einzelne blaue Hautstellen werden brandig.
Der Puls der Radialis und Ulnaris sind heute in normaler Stärke
zu fühlen, so dass die Vermuthung, es könne sich um einen em-
bolischen Process handeln, aufgegeben werden muss. Es können
daher nur trophoneurotische Störungen vorliegen.
Nasenplastik.
Vor 8 Tagen ist dem 55 jährigen Kranken die linke Hälfte
der Nase wegen Cancroids entfernt, der Defect durch einen ge¬
stielten Hautlappen aus der Stirn ersetzt worden. Die Stirnhaut
wurde soweit als möglich durch Nähte zusammengezogen, der
noch bleibende obere Winkel nach Thiersch überhäutet,
während nach definitiver Anheilung des Nasenlappens dessen Stiel
in einer zweiten Sitzung wieder nach oben in den jetzt noch be¬
stehenden Stirndefect zurückgepflanzt w r erden soll.
Ungestielter Hautlappen.
Es handelt sich bei dem 25 jährigen Arbeiter um eine schwere
Maschinenverletzung der rechten Hand, die zu einer Abreissung
des II.—V. Fingers in den Metacarpophalangealgelenken geführt
hatte, während die Haut fast bis zur Handwurzel abgerissen war.
Um die ganze Mittelhand dem vollkommen normalen Daumen
gegenüber als brauchbares Gegenlager zu benützen, wurde die
grosse Wundhöhle, nachdem sie aseptisch geworden, mit einem
einzigen Hautlappen aus dem Oberschenkel gedeckt. Der Lappen
ist im Niveau der normalen Haut vollkommen angeheilt und so
dem Patienten ein sehr brauchbarer Handstumpf erhalten.
Röntgenphotogramme.
a) complicirte Unterschenkelfractur, Gussenbauer’sche
Klammer, Gipsverband.
b) medulläres Rundzellensarkom der Fibula, deren oberes
Drittel zerstört ist. Amputatio femorls.
c) 8 cm betragende Symphysendiastase bei angeborener
Blasenektople.
d) congenitale doppelseitige Htiftgelenkluxation; Trochanter-
anstand 6 cm oberhalb der Roser-Nölato n’schen Linie.
L e s s i n g - Altona.
Greifswalder medicinischer Verein
(Eigener Bericht.)
f Si t*z u n g ain*2.*Decemberl899.
Vorsitzender: Herr Landois. Schriftführer: Herr Busse.
1. Herr Falleske-Loitz demonstrirt einen Thorako-
pagus und schildert den Geburtsverlauf.
2. Herr Rosemann : lieber die angebliche eiweiss-
sparende Wirkung des Alkohols.
R. hat als Ergebniss seiner Stoffwechselversuche über den
Alkohol gefunden, dass der Alkohol wohl Fett, aber nicht Eiweiss
zu sparen vermöge, dcsshalb als Nahrungsmittel nicht ge¬
eignet sei. Diese Ergebnisse sind neuerdings von Neumann
(Areh. f. Hyg., Bd. 36) und Off er (Wien. klin. Wochenschr.
XII, No. 41) angegriffen worden . R. weist nun die Angriffe zu¬
rück, indem er einmal die Einwände widerlegt und zum andern
die Untersuchungsresultate von N e u m a n n als fehlerhaft, die
von O f f e r als völlig unzutreffend nachweist. N e u m a n n
hatte sich zunächst in Stickstoffgleichgewicht gesetzt, darauf
von seiner Nahrung Fett fortgenommen und dabei 1,63 g Stick¬
stoff täglich abgegeben; nun wird dieser Nahrung Alkohol zu¬
gegeben und es tritt zunächst ein täglicher Stickstoffverlust von
3,05 g ein, dann aber stellt sich ungefähr Stiekstoffgleichgewicht
ein. Jetzt wird unter Beibehaltung des Alkohols die erste Menge
Fett wieder zur Nahrung verwandt und ein Stickstoffansatz von
1,35 g täglich erzielt. Neumann vergleicht die letzte Periode
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
170
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5*
mit der ersten und führt den Stickstoffansatz von 1,35 g auf den
Alkohol zurück, während Rosemann dagegen geltend macht,
dass so weit auseinanderliegende Perioden nicht verglichen
werden dürfen, sondern vielmehr die unmittelbar aufeinander¬
folgenden verglichen werden müssen, und die unterscheiden sich
im vorliegenden Falle nicht durch die Menge des Alkohols, son¬
dern durch die Menge des Fettes in der Nahrung; mithin ist der
Stickstoffansatz, alias die Ersparnis an Eiweiss, auf das Mehr
von Fett zurückzuführen.
Einer eingehenden Kritik unterzieht R. darauf die Arbeit
von O f f e r, dessen Methodik und Versuchsresultate als in vielen
Punkten unzuverlässig und zweifelhaft geschildert werden; als
Widerlegung der R/schen Arbeiten dürfte diese Arbeit wohl
kaum ernstlich in Betracht kommen.
3. Herr Grawitz: a) demonstrirt Präparate von schwie¬
liger Verdickung des Bauchfells, welche der Leiche einer etwa
50 jährigen Frau entstammen. Wegen eines 30 Pfund schweren
Ovarialkystoms hatte Herr Martin die Ovariotomie gemacht
und hierbei bereits grosse Stücke einer mächtigen Schwiele ent¬
fernt, welche nahezu die ganze Innenfläche der stark ausgedehnten
Bauchdecken wie ein 3 cm dicker, knorpelharter Panzer überzogen
hatte. Es war acute Peritonitis eingetreten, und bei der Section
fanden sich die Darmschlingen von chronisch verdickter, grau-
weisser Seröse überzogen, mit frischer, eitriger Peritonitis,
während die Reste der grossen Bauchdeckenschwiele ein ge¬
runzeltes, sammetartiges, rauhes Aussehen hatten, welches mikro¬
skopisch am frischen wie am gehärteten Präparate viel klarer,
als die normale Serosa, die fibrinoide Umwandlung des Binde¬
gewebes erkennen Hess. Unter Erwähnung der fibrösen Peri¬
splenitis und der Perihepatitis (Zuckergussleber) weist Grawitz
auf die grosse Seltenheit derartiger peritonealer Bauchdeckeu-
scliwieleu hin und erörtert die dadurch bedingten Hindernisse
in der Resorption und die Gefahr für die Ansiedlung von Eiter¬
erregern.
b) Demonstration eines Falles von Forenenphalie bei einer
Frau, welche vor Jahren eine schwere Schädel Verletzung erlitten
hatte. Die Spuren des Traumas waren in einem Knocheudefect
am r. Tuber parietale und elfenbeinerner Hyperostose der Tabula
int. an der Stelle des Stosses und des Gegenstosses deutlich zu
erkennen. Das Gehirn zeigte hier einen grossen, von der Ober¬
fläche bis in den Seiten Ventrikel führenden Canal, an dessen
Grunde man das Ammonshorn liegen sah. Die Ausheilung dieser
Gehirncontusion war so vollständig, dass nur mit Hilfe des Mikro¬
skops Reste von Pigment in dem zarten Narbengewebe nachge¬
wiesen werden konnten.
4. Herr S o 1 g e r demonstrirt a) die durch einen Median¬
schnitt halbirte Nasenhöhle eines 48 jährigen weiblichen Indivi¬
duums, deren Wandung die Muscheln ganz oder theilweise fehlen.
Gegenbaur führt in einem ähnlichen Falle die Veränderung
auf mangelhafte Ausbildung zurück. Herr Soiger sieht sie
als Product „tertiärer Syphilis“ an, woran das Individuum nach¬
weislich gelitten hatte.
b) Querschnitte von Rippen junger Kätzchen, in denen sich
nach Fixirung in Zenke Fächer Lösung und Haematotoxylin-
färbung an der Grenze zwischen alten und neuen Knochen eine
Zone violett gefärbter Körnchen zeigt, die vielleicht in Beziehung
zur normalen, fibrillären Structur des Knochens zu bringen sind.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 21. November 1899.
Vorsitzender: Herr Sick. Schriftführer: Herr Henkel.
Demonstrationen:
Herr Sick: Demonstration einiger Fälle von angeborenem
Darmverschluss durch Atresie.
1. Fall von Verschluss des Duodenum dicht ober"
halb der Einmündungsstelle des Ductus choledochus-
Das Kind erbrach alle Nahrung, die Magengegend war ausge"
dehnt, vom Anus aus nichts zu fühlen. Es wurde ein künstlicher
After angelegt, aus dem sich Meconium entleerte. Am folgenden
Tag Tod. Die Autopsie ergab: Verlauf und Beschaffenheit des
Darmcanals weicht nicht von der Norm ab; im Duodenum, etwas
unterhalb des Pylorus findet sich ein Verschluss des Darmes; der
Magen und Anfangstheil des Duodenom stark ausgedehnt, der übrige
Darmcanal zeigt normalen Befund. Nach Herausnahme des Darmes
findet sich ein vollkommener Verschluss des Duodenum, der Ductus
choledoclius mündet jenseits des Verschlusses und konnte seinen
Inhalt in den Darm entleeren. Eine eigentliche Unterbrechung des
Darmes hat nicht stattgefunden, das oben erweiterte Duodenum
endet als Blindsack, dem sich seitlich der Rest desselben anlegt.
Der Oesophagus und Magen sind hypertrophisch, dilatirt. Nament¬
lich dev Oesophagus zeigt ein um etwa die Hälfte stärkeres Lumen
und \Y an (klicke als bei einem normalen Neugeborenen.
2. Fall von Verschluss des 11 e u m.
Das neugeborene Kind erbrach reichlich grünliche Massen;
der Leib war aufgetrieben. Vom Anus aus gelangte man mit der
Sonde hoch hinauf in den Darm; aus dem Anus entleerte sich
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schleimige farblose Flüssigkeit in geringer Menge. Anlegen eines
künstlichen Afters im Verlaufe des stark ausgedehnten Dünn¬
darms, da der Dickdarm nicht gefunden wurde. Tod. Bei der
Autopsie fanden sich in Bezug auf den Verlauf des Darmes keine
Veränderungen, nirgends Stränge oder dergleichen. Das stark er¬
weiterte Ileum endete an einer Stelle blind, dem sich der weitere
Darm als dünner, gänsekieldicker Strang unmittelbar anschloss.
Der Dickdarm war gleichfalls dünn, nicht ausgedehnt, zeigte nor¬
male Wandung und war ebenso wie der Dünndarm überall durch¬
gängig für eine feine Sonde. Der Darm ist abwärts von der Atresie
nur desshalb so eng und strangförmig geblieben, weil er ausser
dem geringen eigenen Secret keinen Inhalt von oben her, nament¬
lich keinen Gallenzufluss bekam im Gegensatz zu Fall 1, wo der
Dünndarm, in den nur Galle und kein Fruchtwasser gelangen
konnte, ziemlich weit war.
Ferner zeigt Vortragender zwei Präparate von angeborener Atresie,
die bereits früher im ärztlichen Verein demonstrirt worden sind.
1. Ein Fall von Atresie des Duodenum, bei dem die
Atresie eben unterhalb der Einmündung desDuctus chole-
dochus sich findet. In diesem Falle konnte keine Galle in den
Darm gelangen.
2. Einen Fall von Atresie des Ileum, der dem demon-
strirten Fall 2 ähnlich ist, bei dem jedoch Bildungsanomalien des
Mesenterium des Dünndarms und Strängebildung zu beobachten
ist, so dass man eventuell an eine sogenannte foetale Peritonitis
als Ursache der Atresie denken kann.
Zum Schluss berichtet Vortragender noch über einen Fall
von Atresie des Oesophagus und Anus.
Es handelte sich uin ein Kind, das wegen Atresia anj auf¬
genommen wurde. Das Kind erbrach alle aufgenommene Nahrung.
Da der Darm durch Incision vom After aus nicht gefunden wurde,
so nähte man die Flexura sigmoidea ein und eröffnet« sie. Ent¬
leerung von reichlichem Meconium. Trotzdem fortdauerndes Er¬
brechen und Tod. Die Autopsie ergab, dass der erweiterte Oeso¬
phagus etwa in der Höhe der Bifurcation blind endigte, dann war
der Verlauf des Rohres eine kurze Strecke unterbrochen, um etwa
172 cm oberhalb der Cardia wieder blind zu beginnen. Der
sonstige Befund war normal, der Mastdarm endete etwa 2 cm
oberhalb des Anus gleichfalls blind.
Discussion: Herr Simmonds berichtet über zwei von ihm
beobachtete Fälle von angeborenem Darmverschluss. Im ersten
Falle hatte das Kind die Erscheinungen von Melaena geboten und
bei der Autopsie fand sich eine Atresie des Duodenums der Mün¬
dung des Choledochus mit enormer Ektasie des Magens und An*
fnngstheiles des Zwölffingerdarms. Im zweiten Falle hatte das
Kind von Geburt an die Erscheinungen von Darm Verschluss gezeigt.
Bei der Laparotomie fand sich eine starke Ektasie des J ejunum
eine Atresie am Uebergang zu dem sehr engen Ileum, während,
der Dickdarm wieder fast fingerdick war. Es wurde eine Ana-
stomose zwischen Ileum und Kolon angelegt, indess hielten die
Verschlusssymptome an und bei der Autopsie zeigte sich ausser der
ersten Atresie im Dünndarm eine zweite in der Flexura sigmoidea.
In beiden Fällen fehlten Zeichen einer foetalen Peritonitis, die
wohl nur in einem kleinen Theil der Fälle für die Genese des
Darm Verschlusses anzuschuldigen ist.
Herr Lochte: Congenitale Erweiterungen des Oesophagus
seien selten; der Fall S. zeigt, dass congenitale Stenosen im Oeso¬
phagus auch auf andere Weise entstehen können als durch Ab¬
schnürung von der Trachea her.
Herr SAenger: Ueber den oberen Facialis bei der
cerebralen Hemiplegie.
Nachdem der Vortragende die verschiedenen Ansichten
(von Exner, F6r6, Carville, Hitzig, Mendel, Ober¬
st einer, Wernicke, Strümpell, Miralliö, v. Monakow
und Roux) betreffs des Verschontseins des oberen Facialis
bei der cerebralen Hemiplegie angeführt hatte, theilte er seine
Erfahrungen hierüber mit und hob hervor, dass man zwischen
einer leichten, ganz flüchtigen Affection und einer schwereren,
yon längerer Dauer unterscheiden müsse.
Die erstere findet man, wie Vortragender sich seit Jahren
überzeugt hat, und worauf die Franzosen schon seit langer Zeit
hingewiesen haben, fast bei jeder cerebralen Hemiplegie in der
allerersten Zeit. Man muss aber speciell darauf achten und
danach suchen. Man wird dann eine unzweifelhafte Schwäche
im Orbicularis oculi constatiren können. Dieselbe ist meistens
nicht so beträchtlich, dass es zu einem richtigen Lagophthalmus
kommt. Beim Versuch jedoch, die geschlossenen Lider mit Gewalt
zu öffnen, fühlt man einen geringeren Widerstand in den Lidern
der gelähmten als in denjenigen der gesunden Seite.
Die Innervationsschwäche im Orbicularis lässt sich auch
dadurch demonstriren, dass man die Hemiplegischen auffordert,
beide Augen längere Zeit fest geschlossen zu halten. Stets
öffnet sich das Auge der gelähmten Seite sehr viel früher.
Es scheint, als ob die Kraft im Orbicularis sich rasch erschöpfe,
so dass der Tonus im Müller’schen Muskel genüge, um die
Lider zu öffnen.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
171
Ferner fand Vortragender fast stets bei Hemiplegisehen
das eigne de Forbiculaire de la paupiere (Revilliod u. A.),
welches in der Unfähigkeit des Gelähmten besteht, das Auge
der hemiplegisehen Seite willkürlich für sieh allein zu sehliessen.
Indess bemerkt Vortragender, dass dieses Zeichen nur einen be¬
dingten Werth besitze, den er in Uebereinstimmung mit Bo i adi e w,
Pugliese undMilla gefunden habe, dass mancher Gesunde nicht
iin Stande sei, jedes Auge allein für sich zu sehliessen.
Wie die beiden letztgenannten italienischen Autoren hat
Vortragender des öfteren bei der Hemiplegie Abschwächung
der Frontaliscontraetion auf der Seite der Lähmung constatirt.
Es gibt nun einzelne Fälle mit starker Betheiligung des
oberen Facialis bei der Hemiplegie, so dass es aussah, als ob
eine periphere Facialislähmung die centrale Affection complicirte.
Derartige Fälle sind von Chvostek, Hallopeau, Huguenin,
Brissaud, Mill, Rossolmio, Tiling, Magnus und Grasset
beschrieben worden, in w elchen indess der Grad der Parese ein
verschiedener w r ar.
Vortragender hat in letzter Zeit 3 derartige Fälle beob¬
achtet, die in der Neurologie des Auges von Wilbrand und
Saenger eingehend beschrieben sind. In dem einen Falle,
von welchem 3 Photographien herumgegeben wurden, handelt
es sich um eine rechtsseitige Hemiplegie bei einem 21jährigen,
an Syphilis erkrankten Commis. Bei demselben w ar neben der
totalen Lähmung der rechten oberen und unteren Extremität
der ganze Facialis gelähmt. Die Schwäche im Orbicularis war
so hochgradig, dass es zu einem Lagophthalmus kam. Bei An¬
näherung eines Lichts oder der Hand schloss sich reflectorisch
der Orbicularis. Die faradische und galvanische Untersuchung
ergab in allen Facialiszweigen direct und indirect ganz prompte
Zuckungen. Diese Kriterien Hessen eine peripherische Facialis¬
lähmung ausschliessen.
Das Resultat seiner Beobachtungen fasst Vortragender dahin
zusammen, dass der Facialis in der Hirnrinde mehrere Vertret¬
ungen habe, und dass dem oberen Facialis ein anderes Rinden¬
feld als dem unteren zukäme. Bis jetzt könne man das Rinden¬
feld des oberen Facialis im unteren Drittel der vorderen Central¬
windung, in der 2. Stirnwindung und im Lobus parietalis inf.
localisiren.
Würden nun bei einer Affection alle diese Foci zusammen
oder die zu denselben verlaufenden Fasern zerstört, so entstehe
eine complete centrale Facialislähmung.
Die bei fagt jeder Hemiplegie anfänglich nachweisbare,
kurz vorübergehende Lähmung des oberen Facialis sei durch
Fernwirkung oder auch dadurch zu erklären, dass die Muscu-
latur des oberen Facialis von jeder Gehirnhemisphäre aus ver¬
sorgt werde.
Es ist Aufgabe der Zukunft, mehr als es bisher geschehen
ist, auf die Lähmung des oberen Facialis bei der Hemiplegie
zu achten und einschlägige Fälle klinisch und pathologisch
genau zu verarbeiten, um die Anzahl und Lage der Foci des
Facialis, sowie dessen supranucleären Faserverlauf genau fest¬
zustellen.
Discussion: Herr Embden: Der obere Facialis sei nach
seinen Erfahrungen bei allen cerebralen halbseitigen Lähmungen
mitbetheiligt. Unbekannt sei bisher noch die Erklärung jj für den
Ausfall der Thränensecretion auf der gelähmten Seite, sobald der
Facialis in seinem Verlauf an der Basis cerebri zerstört sei. Weiter¬
hin gälte es noch die Frage zu beantworten, wie sich bei sehr
hochgradigen Apoplexien mit Betheiliguug des oberen Facialis der
Weinact verhielte.
Herr Trömner: Die Beobachtungen von Marin esc o deckten
sich mit denen S.’s. Der obere Facialis wird zunächst nicht von
beiden Himhemisphären durch Associationsfasern, die quer durch
den Balken ihren Weg nehmen müssten, innervirt, sondern es be¬
stände für den ganzen Facialis der einen Seite eine einzige, ge¬
meinsame Innervation auf derselben Seite. Die Function des
Facialis in den einzelnen abhängigen Gebieten sei lediglich
Uebnngssache und nicht die Folge einer anatomischen Thatsache.
Um den Facialiskem beständen ebenfalls Streitigkeiten, und zwar
darüber, ob der obere Facialis*ein anderes Kerngebiet habe als der
untere. Marinesco habe nun sämmtliche Aeste der Faciales
durchschnitten und habe dann in Folge der consecutiven Degene¬
ration der Zellen im Kern der Faciales den Nachweis bringen
können, dass sowohl für den oberen, wie für den unteren Faciales
ein gemeinsamer Kern existire.
Herr Böttiger gibt zu, dass er früher Anhänger derMendel-
schen Theorie bezüglich der Facialiskerne gewesen sei; jetzt sei
er jedoch ebenfalls der Ansicht, dass nur ein Kern für den ganzen
Facialis der einen Seite vorhanden sei.
Herr v.Krause erwähnt einen Fall, in dem im Anschluss an eine
Ganglienexstirpation sich eine halbseitige Lähmung der gegenüber
liegenden Seite eingestellt hatte. Der Orbicularis palpebrarum war
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hier sicher nicht betheiligt, sondern functionirte normal, während
sich der untere Facialast als paralytisch erwies. Die Lähmungen
des Beines und des Facialisastes gingen innerhalb weniger Tage
vollständig zurück, die der Arme war nach 3 Wochen ebenfalls
verschwunden.
Herr Embden: Nach überstandenen oder bei älteren cere¬
brospinalen Hemiplegien könne inan stets noch an der Herab¬
setzung der groben Kraft des Orbicularis den Nachweis führen,
dass thatsächlich früher der obore Ast des Facialis ebenfalls mit
befallen war.
Herr Saenger (Schlusswort): In einem seiner mitgetheilten
Fälle hatte Vortragender beobachtet, dass beim Weinen die Thränen¬
secretion auf beiden Seiten eime gleiche war.
Herrn Trömner erwidert Vortragender, dass Exner und
Paneth auf experimentellem Wege die Frage der doppelseitigen
Innervation des Orbicularis oeuli zu lösen suchten Sie kamen zu
dem Resultat, dass es sieh nicht um Associationsfasern handeln
konnte, die durch den Balken gingen, sondern lim eine quere
Verbindung beider Facialiskerne im Pons.
Vortragender ging dann auf die von Trömner und Böttiger
angeregte Kernlocalisation des Facialis ein und besprach die
Mendel’sche Theorie vom Ursprung des oberen Facialis im
Oculomotoriuskern und die Go wer Seche Ansicht vom Ursprung
des unteren Facialis im Hypoglossuskern. Auf Grund eigener Be¬
obachtungen und Untersuchungen sei Vortragender zu der Ansicht
gelangt, dass der obere und untere Facialis einen gemein¬
schaftlichen Kern habe, was jetzt auch Böttiger zugebe und
was endlich durch die neuesten Untersuchungen von Marinesco
bestätigt würde.
Herrn Krause gegenüber hebt Herr S. hervor, dass es gewiss
auch Fälle von cerebraler Hemiplegie gäbe, bei denen der obere
Facialis auch im Anfang nicht afficirt erscheint. Bei diesen Fällen
handelt es sich wahrscheinlich um eine individuelle Verschieden¬
heit. Ist es doch auch eine constatirte Thatsache, dass es
Menschen gibt, welche nicht im Stande sind, jedes Auge allein für
sich willkürlich zu sehliessen. Bei solchen Leuten hat natürlich
der Nachweis des signe de l’orbiculaire de la paupiöre keinen
Werth.
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Offieielles Protokoll.)
Nachtrag zum Bericht über die
Sitzung vom 21. November 1899.
(Vergl. d. Wochenschr. 1899, No. 51.)
Ueber die Bemerkungen, welche Herr Prof. F. A. Hoff-
mann in der Discussion über den Vortrag des Herrn Dr.
v. Criegern „Ueber die Ergebnisse der Untersuchung
menschlicher Herzen mittels des fluorescirenden Schirmes”
machte, geht uns nachträglich folgendes Autoreferat zu:
„Die Beobachtung des Menschen am Röntgenschirme ist für
lins Kliniker jedenfalls zur Zeit wichtiger als das Photographiren,
denn wir könneu Bewegungen beobachten und den Kranken in
zahlreichen, verschiedenen Stellungen betrachten, die uns dann die
Handhabe zu w'erthvollen Combinationen geben. Wohin sollen die
Kosten einer Untersuchung steigen, wenn wir die entsprechende
Zahl von Photographien wollen anfertigen lassen? Für die Unter¬
suchung des Mediastinums habe ich ganz besonders von Herrn
v. Criegern gelernt, w T ie wichtig es ist, den Menschen in den ver¬
schiedensten Stellungen zu betrachten. Die von ihm gefundene
und beschriebene Mediastinalspalte muss ich der Auf¬
merksamkeit aller inneren Mediciner empfehlen. Freisein der¬
selben, Trübungen und Veränderungen in derselben werden meines
Erachtens für die Diagnose der Erkrankungen in dieser so schwie¬
rigen Gegend Anhaltspunkte geben, die gegen früher einen sehr
grossen Fortschritt bedeuten.“
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
(Offieielles Protokoll.)
Sitzung vom 10. November 1899.
Herr Mansbach demonstrirt ein neugeborenes Kind mit
Epispadie und Eversion der Blase.
Herr Hi n t n e r : Ueber Pyelitis im Kindesalter.
Der Vortragende gibt zunächst eine genauere Schilderung
der Aetiologie, der pathologischen Anatomie und Symptomatologie
der Pyelitis und hebt besonders hervor, dass die bei Kindern so
häufigen Darmerkraukungen In zahlreichen Fällen für die Ent¬
stehung einer Pyelitis von Bedeutung sein können. Bezüglich der
Infectionserreger spielen neben den bekannten Gonoeoeeen
Tuberkelbacillen u. a. die Darmbacterien bei der Infection der
Harnw r ege eine grosse Rolle; obenan steht hier das vielgenannte
Bacterium coli commune. Was nun die Frage betrifft, auf
welchem WT‘ge die Darmbacterien in die Harnwege gelangen, so
glaubt Vortragender 3 Möglichkeiten annehmen zu können:
1. Können die Mikroorganismen bei Mädchen direct vom Anus
aus zur Vulva und Urethra und von hier aus ascendirend zur
Blase und zur Pelvis gelangen. 2. Können die Bacterlen vom
Darm aus in den Blutkreislauf gelangen und von hier aus in
der Niere abgelagert werden und 3. könnten nach Roosing
Anastomosen zwischen den Lymph- und Blutgefässen der be-
Qriginal from
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treffenden Darmpartien und des Nierenbeckens vorhanden sein,
wodurch sich ein mehr directer Uebergang der Mikroben denken
Hesse.
Daran anschliessend beschreibt Vortragender einen von ihm
in der Praxis beobachteten Fall von Pyelitis bei einem 4 jähri¬
gen Mädchen. Ans der Anamnese ist als wichtig hervorzuheben,
dass die kleine Patientin mit 2 Jahren an schwerem Brechdurch¬
fall erkrankte, und dass seitdem fortwährend Unregelmässig¬
keiten und Störungen in der Verdauung (Durchfälle, Verstopfung,
Appetitlosigkeit) bestanden haben. Bei der Untersuchung konnte
ausser einer auffallend schlechten Ernährung und starken Ab¬
magerung des ganzen Körpers zunächst nur der bestehende
chronische Darmkatarrh festgestellt werden. Erst nach einigen
Wochen trat bei beständiger Verschlimmerung des Allgemein¬
befindens Fieber auf, das die Höhe von 40.0 und 40,5 erreichte
und einen deutlich remittirenden Charakter hatte. Zugleich wurde
auch ein häufiges, schmerzhaftes Uriniren beobachtet.
Durch die mikroskopische Untersuchung des Urins wurde
eine Erkrankung des Nierenbeckens, eine Pyelitis festgestellt.
Der Harn leicht diffus getrübt, hatte saure Reaction und zeigte
spärlichen Eiweissgehalt. Mikroskopisch fanden sich vereinzelte
Epithelzellen, dagegen Eiterkörperchen in erheblicher Anzahl und
häufig zu sogen. Eitercylindern zusammengeballt vor. Ausserdem
waren zahlreiche Bacterien vorhanden. Es waren kurze, plumpe
Stäbchen, die keine Eigenbewegung besassen. Aus dem Fehlen
der letzteren Eigenschaft allein glaubt Vortragender annehmen
zu können, dass es sich in diesem Falle nicht um das Bacterium
coli commune gehandelt habe.
Therapie: Zunächst Behandlung des Grundleidens. Gegen
die Pyelitis Urotropin 2 mal täglich 0,25 g XX St. und nach einer
Pause von 8 Tagen abermals XX St. ä 0,5 g. Der Erfolg war sehr
gut. Das Fieber sank am 4. Tage nach der Behandlung und er¬
reichte am 7. Tage die Norm. Die Veränderung des Harnes wurde
durch öftere Untersuchungen controlirt. Die Eiterkörperchen und
Bacterien schwanden mehr und mehr und nach ca. 3—4 Wochen
zeigte der Harn normales Verhalten.
Herr Heinlein, a) Demonstration: Derselbe legt das
skeletirte Leichenpräparat einer anderwärts durch Einschlagen
von Elfenbeinstiften erzielten Heilung einer Pseudarthrose des
Schienbeines eines 00 jährigen, an Lungentuberculose ver¬
storbenen Maurers vor, welcher vor 5 Jahren durch Sturz vom
Baugerüste einen Schienbeinbruch erlitten hatte. Das Präparat
illustrirt sehr anschaulich die durch das oben erwähnte Verfahren
erzielte stattliche Knochenneubildung, dessgleichen auch die vor¬
handene beträchtliche seitliche Abweichung und Längsverschie¬
bung der Bruchstücke, welche offenbar die Pseudarthrose ver¬
anlasst hatten. H e i n 1 e i n glaubt nach mehrfacher eigener
Erfahrung, dass in manchem ähnlichen Falle länger fortgesetzte
Stauung durch Kautschukring oberhalb der Bruchstelle — nach
H e 1 f e r i c h’s Vorgang — im Verein mit immer und immer
wieder anzustrebender Verbesserung der wohl fast stets vor¬
handenen Stellungsabweichuug der Bruchstücke ebenso sicher
zum Ziele führt und das im geschilderten Fall zur Anwendung
gekommene eingreifende Verfahren überflüssig macht.
b) Ueber Nierenexstirpation. Vortragender gibt nach vorauf¬
geschicktem historischen Excurs einen casuistiselieu Beitrag
zur Exstirpation der Niere nach subcutaner
schwerer Verletzung derselben mit angeschlossener
Epikrise. Mittheilung desselben wird in extenso erfolgen.
Rostocker Aerzteverein.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 11. November 1899.
Herr Krukenberg stellt 2 Fälle von Keratoconus vor,
von denen der eine mit Erfolg operativ beseitigt worden ist.
während der andere sich noch in Behandlung befindet. Bei
letzterem wurde vor der Operation eine eigenartige rhythmische
Pulsation der Hornhautmitte beobachtet, die synchron mit der
Pulswelle in der Radialarterie erfolgte. Der vermuthete Zusam¬
menhang des Phänomens mit der Herzaction liess sich dadurch
mit Sicherheit erweisen, dass bei Compression der Carotis com¬
munis auf derselben Seite die Pulsation aussetzte, um bei Weg¬
nahme des coraprimirenden Fingers sofort wieder einzusetzen.
Wie W a g e m a n n, der den ersten derartigen Fall beschrieb,
annimmt, kommt die Pulsation durch directe Uebertragung der
Pulswelle der kleinen intraoculären Arterien auf den Bulbusinhalt
und von da auf die stark verdünnte Hornhautmitte zu Stande.
Während bei Wagemann die Bewegungen der Hornhaut bei
seitlicher Einstellung der Z e h e n d e r’schen Lupe beobachtet
werden konnten,waren bei dem von Krukenberg vorgestellten
Patienten die Ausschläge so gering, dass man sie nur mittels des
Java l’schen Astigmometers an der regelrechten Verschiebung
der Hornhautbildchen constatiren konnte.
Interessant ist, dass die Pulsationen auch subjectiv wahr¬
genommen werden können. Liess man den Patienten im Dunkel¬
zimmer ein Licht fixiren, so sah er dasselbe in Folge seiner hoch¬
gradigen Kurzsichtigkeit als einen grossen Zerstreuungskreis.
Die Peripherie desselben machte rythmische Bewegungen derart,
dass der Kreis abwechselnd grösser und kleiner wurde. Die er-
scheinung war dem Patienten so deutlich, dass er die Pulsation
mit Sicherheit zählen konnte. Auch hierbei zeigte sich eine fast
vollständige Uebereinstimmung der subjectiv empfundenen Pul¬
sationen mit den Herzschlägen. Nach W a g e m a n n ist die
Erscheinung so aufzufassen, dass durch die Hin- und Herbewe¬
gung der Hornhautmitte eine Zu- und Abnahme der Myopie und
damit eine regelmässige Aenderung der Grösse der Zerstreuungs¬
kreise auf der Netzhaut eintritt, die von dem Patienten subjectiv
empfunden wird.
Zum Schluss demonstrirt Herr Krukenberg das Lohn¬
st e i n’sche Hydrodiaskop, mit Hilfe dessen sich die Sehschärfe
bei seinem Patienten vom FingerzHhlen in 2 Metern bis auf */ ie
der normalen heben lässt.
Herr Axenfeld stellt einen Fall von Transplantation
von Panniculus adiposus zur Beseitigung einer adhärenten
Knochennarbe vor.
Im Anschluss an eine fistelnde Caries des unteren Orbital¬
randes hatte sich vor ca. 0 Jahren bei der jetzt 13 jährigen, sonst
gesunden Patientin eine adhärente Narbe gebildet. Der Knochen
war eingesunken, das Unterhautzellgew r ebe fast in der ganzen
Breite des Lides geschwunden; durch den Narbenzug klaffte die
Lidspalte abnorm, wenn auch kein eigentliches Ektropium be¬
stand. Da gleichzeitig das Auge in Divergenz stand, w r ar die Ent¬
stellung hochgradig. Vortragender hat desshalb nach dem Vor¬
schläge von Silex eine Fetttransplantation vorgenommen, aber
nicht einzelne Klümpchen benutzt, sondern von der Bauchhaut
ein ca. 7 cm langes, 2—3 cm breites Stück des Panniculus adiposus
exstirpirt. Nach ca. 3 cm breiter Durchtrennung der Hautnarbe
wurde das Lid und die Fascia tarsoorbitalis vom Knochen gelöst
und völlig unterminirt, das Panniculusstiick eingeschoben, dann
der Musculus orbicularis mit versenkten Nähten geschlossen und
darüber die Haut vereinigt. Der Anfangs übergrosse Effect hat
sieh allmählich ausgeglichen und jetzt, nach 4 Monaten, ist das
Ergebniss vollkommen befriedigend, die Niveaudifferenz ganz aus¬
geglichen. Vortragender möchte aber trotzdem noch kein defini¬
tives Urtheil abgeben, da eine weitere allmähliche Rückbildung
noch nicht ausgeschlossen ist. Man fühlt zur Zeit unter der Haut
eine derbelastischo Masse. Auf der anderen Seite dürfen solche
Transplantationen nicht ohne Weiteres unnütz genannt werden,
w r eil das Fettgew r ebe naturgemäss nicht lebend einheile, sondern
es ist. nicht unmöglich, dass dasselbe zu einer Einschaltung neu-
gebildeten Bindegewebes führt.
Im Anschluss hieran berichtet Herr Schultz einen anderen
Fall von Fetttransplantation, wo v. Bergmann bei einer Schau¬
spielerin eine fehlende Mamma durch ein Lipom der G1 u -
taealgegend ersetzt habe. Des Weiteren stellt in der Dis-
cussion Herr A. Thierfelder bei der Frage, ob das trans-
plantirte Fett schwinden oder dauernd den Defect ausgleichen
werde, die Hypothese auf, dass ähnlich wie bei einem in die
Bauchhöhle gebrachten Stückchen Schwamm ein Durchwachsen
mit Bindegewebe statthaben könne.
Herr Kobert : „Zusammenfassender Bericht über Phar¬
makotherapie und Toxikologie des Jods und seiner Präparate”
mit Demonstration von 25 Jodpräparaten. (Der Vortrag er¬
scheint anderweitig.) «
In der darauf folgenden Discussion empfiehlt unter anderem
Herr Schultz die Methode der Jodva sogen verbände bei Ulcera
cruris.
Verein deutscher Aerzte in Prag.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 20. October 1899.
Vorsitzender: Herr W ö 1 f 1 e r.
Herr W ö 1 f 1 e r stellt eine Kranke vor, welche an einem
schweren Torticollis spasmodicus litt und durch mehrere opera¬
tive Eingriffe geheilt w r urde. Die Patientin litt an continuirlichen
Drehungen des Kopfes nach links und rückwärts. Die Resectiou
des rechten Nervus accessorius hatte ein nur unvollkommenes
Resultat zur Folge. Es wurde desshalb nach Noble S in i t h
der linksseitige Nervus cervicalis II und III resecirt, während
anstatt der liesection des tief gelegenen ersten Cervicalnerveu
die quere Durchtrennung des mächtigen M. obliquus inferior aus¬
geführt wurde. Der Erfolg w r ar ein vollkommener und bleibender;
die Heilung besteht seit 3 Jahren.
W. bespricht hierauf an der Hand von Abbildungen die
Technik dieser Operation und ihre Resultate, die er mit der Re-
section des N. accessorius und der queren Durchschneidung der
krampfenden Nackenmuskeln auf Grund der statistischen Er
fahrungen vergleicht. (Vergl. das Referat auf S. 165.)
Sitzung vom 3. November 1899.
Herr Schwarz demonstrirt zwei Fälle aus der I. medi-
clnischen Klinik, die beide durch hochgradige Veränderungen an
den Gelenken ausgezeichnet sind.
Im 1. Falle handelt es sich um eine Combination von ange¬
borenem partiellen symmetrischen Riesenwuchs, der die beiden
Zeigefinger betrifft, mit Arthritis urica bei einer 60jährigen
Patientin. Die erste Gelenkschwellung soll vor ungefähr 20 Jahren
an einem der hypertrophischen und seit jeher ankylotischen Zeige¬
finger aufgetreten sein. Gegenwärtig bestehen an mehreren Fin¬
gern und Zehen typische Tophi, sowie mehrfache Uratablager-
nngen in Sehnenscheiden und Schleimbeuteln. Die G a r r o d’sclic
Blutfadenprobe ist positiv. Die Demonstration wird durch
Röntgenbilder der beiden Hände unterstützt, deren Einzelheiten
der Vortragende näher erläutert.
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30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Der 2. Fall betrifft einen 62 jährigen Tabiker mit beträcht¬
lichen Athropathien beider Kniegelenke, einer Pseudoarthrose nach
Traumatischer Fractur des 1. Oberschenkels, Atrophie der Muscu-
latur beider Unterschenkel mit Fehlen der elektrischen Erregbar¬
keit ohne E. It., beiderseitigem Pes equinovarus und Subluxation
des 1. Schultergelenkes.
In der anschliessenden Discussion hebt Herr C h i a r i die
Bedeutung der interarticulären Sensibllitätsstörungeu für die
Genese der Arthropathien hervor. Der Vortragende glaubt für den
vorliegenden Fall auch trophisclie Störungen heranziehen zu
müssen. In der Pseudoarthrose wenigstens ist die Sensibilität
nicht erloschen, daselbst bestehen Schmerzen bei Bewegungen.
In den athropathisch deformirten Kniegelenken siud auch passive
Bewegungen in Folge von Ankylosen so gut wie unausführbar, so
dass man über die intraarticuläre Sensibilität der Kniegelenke
kein Urtheil gewinnen kann.
Herr P i f f 1 demonstrirt hierauf die Präparate eines Falles
von Otitis tuberculosa mit tumorartiger Frotuberanz in die
Schädelhöle. Bei der Section eines in der Irrenanstalt gestorbenen
öö jährigen Mannes (psych. Diagu.: Paralys. progr.i fand sich als
Nebenbefund eine Erkrankung des linken Schläfenbeines, die zu
ausgebreiteter Zerstörung des Knochens im äusseren Gehörgang,
in der Paukenhöhle, an der Pyramide, am Warzenfortsatze und
am angrenzenden Hinterhauptbeine gefühlt hatte. Die Dura
mater war an der Innenseite der erkrankten
Partien, besonders auf der oberen und hinteren
P y r a in i d e n f 1 H c h e kolossal verdickt. Diese Ver¬
dickung war scharf umschrieben, höckerig, derb und sah aus wie
Hu echtes Neoplasma, erwies sich aber histologisch als
Tuberculose. Die mikroskopische Untersuchung des La¬
byrinths ergab pathologische Eröffnung desselben an 4 Stellen
Vorhof, Ampullen, Bogengänge und die unteren Schneckenwin¬
dungen waren erfüllt von tubereulösem Granulationsgewebe, das
häutige Labyrinth vollständig zerstört. Nur in der oberen
Schneckenwindung war das Co r t i’sche Organ noch stellenweise
erhalten. Acusticus und Facialis waren bis vor ihrem E in-
t r i 11 in den inneren Gehörgang tubereulös erkrankt. Die inneren
Meningen waren nirgends inficirt worden, der Tod war augen¬
scheinlich durch die ausgebreitete L u n g e n t u b e r c u
lose eingetreten.
Wiener Briefe.
Wien, 27. Januar 1900.
Hofrath Albert’s Bemerkungen zur neuen Rigorosen-
ordnung. — Senile Epilepsie. — Neuere Behandlungsmethoden
des Trachoms. — Zulässigkeit der Fluoride zur Conservirung
von Lebensmitteln. — Das Desinfectionsverfahren mit Formal¬
dehyd im Epidemiedienste.
Wenn auch der Vortrag des Hofrathes Professor Albert
über die neue Rigorosen-Ordnung eigentlich post festum kam,
so brachten ihm die Mitglieder der Gesellschaft der Aerzte gleich¬
wohl das regste Interesse entgegen, zumal Albert ein ebenso
tiefsinniger als gewandter Redner ist, der jedes Thema anziehend
und belehrend zu behandeln weiss. So auch diesmal, wo er nicht
bloss die neue Studien- und Prüfungsordnung, sondern — weit
ausholend und in die Tiefe gehend — den modernen Unterricht
an den Schulen überhaupt und die Art seiner Reformbedürftig¬
keit, den complicirten Unterricht an der Universität, das Yer-
hältniss zwischen Theorie und Praxis, die Nothwendigkeit des
praktischen Unterrichtes der Aerzte, endlich den Einfluss der
neuen Prüfungsordnung auf die psychische Oekonomie der Stu-
direnden erörterte. Die Zuhörer wurden nicht müde, wiewohl
Albert mehr als 1V 2 Stunden lang sprach. Der Vortrag ist in
seiner Gänze in No. 4 der „Wiener klinischen Wochenschrift“
veröffentlicht und müssen wir auf diese Publication verweisen,
da ein selbst ausführliches Excerpt die geistreichen Deductionen,
die mit vielen hübschen Beispielen illustrirt wurden, nicht Wieder¬
gaben könnte.
Schliesslich ist es ja bekannt, dass Erlässe auch abgeändert
werden können; es wäre also immerhin noch möglich, dass
A1 b e r t’s schwere Bedenken an maassgebender Stelle in letzter
Stunde noch Beachtung fänden.
Im Wiener medieinischen Club sprach Docent Dr. E. Red-
^ \ c h «über senile Epilepsie”. Der Vortragende versteht darunter
die Fälle von Epilepsie, die erst nach dem 60. Lebensjahre ein-
s Hzon. Die Fälle sind nicht gar selten, R. hat etwa ein Dutzend
derselben gesehen. Selbstverständlich darf man jene Fälle niclu
uorherzählen, in welchen epileptische Anfälle als Symptom eines
anderen schweren Leidens des Seniums auf treten, so der Nephri-
tlN ^ Diabetes, vieler cerebraler Processe (Blutungen, Erweich¬
ungen) etc. Zuweilen wird die Differenzirung, ob die Epilepsie
als solche oder epileptische Anfälle symptomatischer Natur vor
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173
liegen, z. B. bei Cysticercus cerebri, sich recht schwierig ge¬
stalten.
Was nun die Ursachen der eigentlichen senilen Epilepsie an¬
belangt, so legt R. der Heredität keine besondere Bedeutung bei,
sondern ist der Ansicht, dass diese Epilepsie durch Alkoholismus,
Schädeltraumen, Syphilis, jedes für sich allein oder combinirt
ein wirkend, verursacht werde. Fälle seniler Epilepsie bei chroni¬
schen Geisteskranken sind noch zweifelhaft. Eine wichtige
Gruppe seniler Epilepsie ist die sogenannte arterioskle¬
rotische, als deren Prototyp der Vortr. die von Naunyn
beschriebenen Fälle heranzieht. Hier gelang es durch Com-
pression der Carotiden den spontanen ähnliche Anfälle zu er¬
zeugen. Das Bestehen der arteriosklerotischen Epilepsie kann
als sichergestellt gelten, während die cardiale Epilepsie noch
zweifelhaft sei.
Behufs Erklärung der arteriosklerotischen Epilepsie wird
man sieh vorzustellen haben, dass durch die Arteriosklerose der
Hirnarterien die Ernährung des Gehirnes geschädigt wird und
dadurch Veränderungen der Hirnelemente ausgelöst wer den, die
im Vereine mit einer etwa vorhandenen Disposition das Auftreten
epileptischer Anfälle auslösen können. Im Anschlüsse daran be¬
spricht R. kurz die pathologische Histologie der Epilepsie, vor
Allem die von C h a s 1 i n beschriebene Gliose, sowie eigene, als
miliare Sklerose bezeichnete Befunde bei zwei Fällen seniler Epi¬
lepsie. Die vorhandenen Befunde gestatten derzeit noch kein ab¬
schliessendes Urtheil.
In symptomatischer Beziehung gleicht die senile Epilepsie
vollständig der gewöhnlichen Epilepsie, mit ein Grund, sie dieser
zu zu rechnen. Vortragender erwähnt kurz Fälle seniler Epilepsie
mit postepileptischen Psychosen, Lähmungserscheinungen nach
Anfällen, dauernder Sprachstörung u. s. w. Die häufige Demenz
bei der senilen Epilepsie ist weniger auf Rechnung der Epilepsie
als solcher zu setzen, als vielmehr Folge der stets vorhandenen
senilen Hirnatrophie. In therapeutischer Beziehung gelten die
gleichen Indicationen, wie sonst bei der Epilepsie; freilich sind
die Chancen eines Erfolges im Allgemeinen geringe.
An den Vortrag schloss sich eine Discussion, in welcher von
Dr. Lauterbach und Docent Dr. II. Schlesinger die
causalen Beziehungen zwischen Herzkrankheiten und Epilepsie
eingehend erörtert wurden.
Im Wiener medieinischen Doctorencollegium sprach jüngst
Professor Hans Adler über neuere Behandlungsmethoden des
Trachoms. In prophylaktischer Hinsicht empfahl der Vor¬
tragende den Gebrauch fliessenden Wassers in den Waschbecken
der Ambulatorien und die stricte Separation der Trachom¬
kranken von anderen Menschen; im Spitale sollen sie sogar ihr
eigenes Wartepersonal erhalten. Die Therapie kann eine drei¬
fache sein: 1. eine medicamcntöse, 2. eine mechanische und
3. eine operative. In ersterer Beziehung wendet man in neuerer
Zeit, abgesehen von den noch immer wirksamen älteren Mitteln
(Silbernitrat, Kupfersulfat und Belladonnasalbe), die folgenden
an: Sublimat in schwachen und concentrirten (bis 1:100)
Lösungen, Ichthyol, Jodoform, Jod in verdünnten Lösungen,
Jodkali, Borsäure, Antipyrin, Chinin, Opiumtinctur, Carbol-
säure, Pyoktanin etc. Als wirksame mechanische Behandlungs¬
methode empfiehlt Adler die Massage mit verschiedenen Salben,
namentlich als Abwechslung zwischen 2 Behandlungsmethoden,
den Spray mit verschiedenen Medicamenten, endlich die Galvano¬
kaustik mit dem spitzen Brenner, auch ambulatorisch gut aus¬
führbar. Alle 8 Tage eine galvanokaustische Sitzung, zwischen¬
durch medicamcntöse Behandlung. Sehr empfehlenswerth für
grosse, einzelstehende Knoten. Unter den chirurgischen Metho¬
den, deren Adler eine ganze Reihe aufzählt und bespricht,
empfiehlt er das Anstechen und Excochleation der einzelnen
Follikel nach Bardenheuer-Sattler, am besten mit der
von Herrn heiser empfohlenen Pincette. Sehr gute Re¬
sultate gibt auch das Ausquetschen mit der Knapp’schen
Rollpincette, bei welcher nicht bloss die Follikel getroffen wer¬
den, sondern auch das dazwischen liegende Gewebe günstig be¬
einflusst wird. Empfehlenswerth ist noch das Ausquetschen mit
dem Kuh n’schen Expressor und für hartnäckige Fälle die sog.
Knorpelausschälung nach K u h n t. All’ diese und noch andere
Verfahren müssen zweckentsprechend combinirt werden, wobei
oft recht befriedigende Resultate erzielt werden.
Leber Anfrage eines Fabrikanten, ob ein Conservirungs-
mittel für Lebensmittel, welches im Wesentlichen aus Flusssäure
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
174
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
bestehe, für den allgemeinen Verkehr zulässig sei, hat der
Oberste Sanitätsrath (Ref. Professor Dr. M. G r u b e r) ein Gut¬
achten erstattet, welches in seinen Schlusssätzen lautet: „Aus
den vorliegenden Erfahrungen geht hervor, dass die Gefährlich¬
keit der Fluoride eine geringe ist und oft die Aufnahme kleiner
Mengen von Fluoriden, wie sie z. B. zur Weinconservirung er¬
forderlich sind (2—3 g Fluor für 100 Liter Wein) keinen Schaden
bringen würde. Trotzdem spricht sich der Oberste Sanitätsrath
dafür aus, den Zusatz von Fluoriden als Conservirungsmittel zu
Nahrungs- und Genussmitteln zu verbieten, da sie wie andere
Conservirungsmittel deren reinliche und sorgfältige Behandlung,
in welcher der wichtigste Gesundheitsschutz liegt, mehr oder
weniger überflüssig und den unerwünschten Erfolg möglich
machen würden, bereits in Zersetzung begriffene oder inficirte
Lebensmittel in geniessbarem Zustande zu erhalten. Von diesem
Gesichtspunkte aus muss insbesondere die Conservirung von
frischen Fleischpräparaten, wie z. B. Hackfleisch und Würsten,
von Milch, Butter, Fruchtsäften, Marmeladen, Obstmusen und
Bier mit Hilfe von Fluoriden verworfen werden.. .. „Die Ver¬
wendung der Fluoride zur Conservirung von ganzen, unver¬
sehrten Eiern in der Schale, wobei die Conservensalze mit dem
Inhalte nicht in Berührung kommen, kann unbedenklich zu¬
gelassen werden.“
Die Wochenschrift: Das österr. Sanitätswesen, No. 4 vom
22. Januar 1900, enthält auch ein Gutachten des Obersten Sani-
tiitsrathes betreffend die Anwendbarkeit des Desinfeetions-
verfahrens mit Formaldehyd im Epidemiedienste. Auch hier
fungirte Professor Dr. Max Gruber als Referent. Im All¬
gemeinen hat sich, nach Gruber,die Desinfection mit Formal-
dchyd in der letzten Zeit in hohem Maasse verbessert, sie stellt
in ihren neuesten Formen eine wichtige Erleichterung und be¬
deutende Erhöhung der Sicherheit der Wohnungsdesinfection
dar, da es mit den neuen Apparaten in der That gelingt, binnen
wenigen Stunden die ganzen, frei zugänglichen Oberflächen in
einem Raume zu desinficiren, mit einem so geringen Aufwande
von Mühe und Arbeitszeit, wie sie das Abdichten der Be¬
grenzungsflächen und das Füllen und Heizen der Apparate er¬
fordern. Trotzdem gibt es da noch vielerlei zu erwägen und
müssen wir darum jene Aerzte, die sich für dieses Verfahren
interessiren, auf die ausführliche wissenschaftliche Arbeit Prof.
Grub e r’s, in welcher zum Schlüsse auch der Modus einer
exacten Zimmerdesinfeetion genau beschrieben wird, verweisen.
Hier in Wien liegt die Desinfection der Krankenzimmer, wie
der Referent so nebenbei erwähnt, noch im Argen, wovon er
sich bei einer Desinfection in seinem eigenen Haushalte nach
einem Masernfalle zu überzeugen Gelegenheit hatte. Freilich
tragen hieran, was hinzuzufügen wäre, nicht die ärztlichen
Organe Schuld, sondern die Herren Magistratsräthe, denen jeder
für prophylaktische Zwecke ausgegebene Heller in die Augen
sticht, da sie ihn als hinausgeworfen betrachten.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Soci6t6 mädicale des höpitaux.
Sitzung vom 8. December 1899.
Appendicitls und Darmobstruction.
Aviragnet und Bernard haben 2 Fälle von perforiren-
der Appendicitls erlebt, welche mit Darmobstruction eoincidirte;
im ersten Falle war die Obstruction die Folge eines Dickdarm¬
krebses und die Appendicitls wurde erst bei der Autopsie mit der
Peritonitis, die heraus hervorging, constatirt; im zweiten Falle
konnte die Ursache der Obstruction, welche mit einer wohl er¬
kannten perforirenden Appendicitls eoincidirte, nicht erkannt
werden, eine Sectiou wurde nicht gemacht. Für den ersten Fall
glauben die Berichterstatter an eine einfache Coincidenz, für
den zweiten aber halten sie dafür, dass die Appendicitis das Pri¬
märe und die Occlusion das Secundäre war: Lähmung des Darmes
in Folge der Veränderungen am Wurmfortsatz und Bauchfell. Die
beiden Fälle zeigen auch, dass Appendicitis und Peritonitis ohne
besonders heftige Symptome auf treten und dieselben sogar unter
der Darmobstruction völlig verborgen sein können.
Haye m erinnert daran, dass in solchen Fällen die Blut-
iintersuchung die Peritonitis klar machen würde, denn bei eite¬
riger Entzündung des Bauchfells ist immer Vermehrung des
Fibrins und Leukoeytose vorhanden.
Parmentier hat sich mit Erfolg dieses diagnostischen
Mittels bedient und Dank der Blutuutersuchung eine tiefliegende
Eiterung bei Appendicitis diagnosticiren können, was ohne dieses
Mittel nicht möglich gewesen wäre.
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Der Alkoholismus in den Spitälern von Paris.
J a c q u e t gibt einen ausführlichen Bericht über dieses
Thema im Namen einer Commission des Vereins (der Spitalärzte).
Er glaubt, dass die zunehmende Zahl der Krankheitstage in den
Krankenhäusern von Paris pro einzelnen Fall, welche trotz der
verbesserten Behandlung eine auffallende sei (von 2 8S7 094
Tagen im Jahre 1878 auf 4 343 990 Tage im Jahre 1894 bei einer
Bevölkerungszunahme von nur 23 Proc.), vor Allem dem Alkoholis¬
mus zuzuschreiben sei. Derselbe sei dreierlei Art, der all¬
gemeine, gewöhnliche Alkoholismus, der medicamen-
t ö s e und der administrative. Die beiden letzteren ent¬
stehen in den Krankenhäusern durch die allmählich viel zu reich
bemessene Darreichung von stärkenden Weinen, Champagner
u. s. w. und die aus diesem Gebrauch entstandene Gewährung
von Alkohol an die Krankenwärter, die Assistenten u, s. w. In
dem Gutachten der Commission werden den Krankenhaus¬
verwaltungen daher folgende Vorschläge gemacht: 1. Jedermann,
männlichen oder weiblichen Geschlechts, werden beim Verlassen
des Krankenhauses, ein oder mehrere kurze Anweisungen über
die Gefahren des Alkoholismus übergeben. 2. Um das Pflege-
Personal vor der Phthise zu bewahren, welche ihm zu oft in
Folge der doppelten Gefahr der Ansteckung und des Alkoholis¬
mus droht, soll man in jedem Krankenhaus eine Erholungsstätte
mit Spielen, Zeitungen, Büchern gründen, wo da* Personal seine
freien Stunden zubringen kann und wodurch es vom Wirthshaus-
besucli abgehalten wird. 3. sollte eine gpecielle ständige
„Alkoholcommission“ ernannt werden, welche im Laufe desJahres
die bezüglichen Fragen studiren, die Einhaltung der zuerst ein¬
geführten Reformen überwachen, neu einzuführende erwägen und
einen jährlichen Bericht über diese verschiedenen Punkte liefern,
kurz das Fortschreiten der bezüglichen Erfolge versichern sollte.
Diese 3 wichtigsten Punkte wurden einstimmig von den zahlreich
erschienenen Spitalsärzten angenommen.
A. Petit stellt einen Kranken vor, welcher mit doppelseitiger
Parotitis in Folge Bleivergiftung behaftet ist; die
Ursache der Speielieldrüsenaffection liegt nach seiner Ansicht in
der Eliminirung des Pb durch den Speichel.
Sitzung vom 22. December 1899.
Alimentäre Vergiftung mit intermittirendem Fiebertypus.
Bendu beschreibt genau den Fall eines 17 jährigen Mannes,
welcher nach dem Genuss von Nahrungsmitteln sehr zweifelhafter
Beschaffenheit unter typhusähnllcbn Erscheinungen (Kopfschmerz,
Delirien, grosse Schwäche, jedoch keine Darmsymptome) er¬
krankte; gleichzeitig trat ein scharlachähnliches Erythem an den
Extremitäten ein, welches nur einige Tage dauerte und ohne Ab¬
schuppung verschwand* Der Verlauf der Krankheit und diese
Hauteruption liess Typhus ausschliesseu und eher an eine Ver¬
giftung mit Nahrungsmitteln denken. Der Fiebercyklus war rein
intermittirend und erinnerte völlig an das Bild der Tertiana, 5—0
solcher Fieberanfälle stellen sich so ein, bis das Fieber unter dem
Einfluss von Chinin völlig fiel. Dieses periodische Auftreten von
Fieber, sowie die günstige Wirkung des Chinin Hessen auch an
Malaria denken, in den Antecedentien des Kranken fehlt jedoch
jeder Anhaltspunkt dafür und so musste obige Diagnose allein ver¬
bleiben. Zu den Affectionen, welche in intermittirendem Typus
auftreten und die man früher ausschliesslich der Malaria zu¬
schrieb, kämen nun nach R e n d u ausser der infectiösen Endo-
carditis und Aortitis die auf Vergiftung mit Nahrungsmitteln be¬
ruhenden Erscheinungen. In dem vorliegenden Falle konnten
weder kalte Bäder noch Abführmittel und Lavements die Fieber¬
anfälle modifleiren, sondern nur Chinin in subcutaner Anwendung
brachte nach der fünften Dosis das Fieber complet zum Stillstand.
V a r i o t und Chicotot berichten über radioskopische
Beobachtungen zur Differentialdiagnose zwischen Broncho¬
pneumonie und lobärer (croupöser) Pneumonie bei Kindern. Bei
letzterer sind die Zeichen der Radiographie deutlicher und bestehen
in einer etwas verminderten Durchsichtigkeit der Lungen und zwar
häufig auf der Seite, wo die Veränderungen mehr confluirend und
deutlicher sind; ausserdem sind die Grenzen des radiographischen
Herzschattens ungenau. Diese Zeichen scheinen V a r i o t nicht
so sicher wie die der Auscultation und zwischen beiden besteht
auch meist keine Wechselbeziehung; mit den Fortschritten der
Radiographie könnte jedoch eine Modiflcation dieser nur provi¬
sorischen Beobachtungen eintreten.
Soci6t6 de pädi&trie.
Sitzung vom 12. December 1899.
Der Typhus im Kindesalter. Discussion über die dringenden
Operationen ohne Einwilligung der Eltern.
Barbier und Her reu Schmidt bringen die Typhus¬
statistik am Spital Trousseau im Jahre 1899. Die Morbidität stieg
von 4 im Monat März allmählich auf 27 im August und sank
dann wieder; die Mortalität, Anfangs 8,6 Proc., ist in den letzten
Monaten auf 4,3 Proc. lierabgegaugen, was für weniger schwere
Fälle in dieser Zeit spricht. Complicationen (Angina, Stomatitis,
1 Perforation) war selten, Recidive in einem Viertel der Fälle.
Die Behandlung bestand in Milchdiät, kalten Lavements von
1 Liter Wasser Morgens und Abends, kalten Waschungen alle
2—3 Stunden, Excitantien. Die kalten Bäder, glaubt Barbier,
können Collaps, wenn auch nicht tödtliclien, verursachen. In einer
Anzahl von Fällen wurden warme Bäder gegeben, besonders bei
Original ftom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
30. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
175
Delirium, Angstgefühl, Sinken des arteriellen Druckes und zwar
3. 2, höchstens 3 Bäder pro Tag.
Der Fall von Perforation, welcher nach der Ansicht von B.
und H. bei sofortiger Operation sicher hätte gerettet werden
können, wozu aber die nicht sofort zu erholende Einwilligung der
Eltern nöthig war, ging tödtlich aus. In der lebhaften Debatte,
welche dieser Umstand hervorrief, erklärten Lannelongue
und Sevestre, dass sie in solchen Fällen ohne Scrupel sofort
operiren würden, selbst auf die Gefahr der strafrechtlichen ^ er-
folgung, die sich aus den Gesetzen ergibt, hin. Die Sociöte de
pMiatrie beschloss daher einstimmig folgendes Votum: „Eine
Anzahl Kinder sterben in den Krankenhäusern nur in Folge
Hinausschieben einer wuchtigen Operation, welche Verzögerung
der Nothwendigkeit entspringt, vor der Operation stets die Ein¬
willigung der Eltern zu erholen. In solch’ dringenden Fällen
Bollte der Chirurg ermächtigt sein, ohne diese Einwilligung vor¬
zugehen.
Franz G 16nard spricht sich energisch für die Behand¬
lung des Typhus bei Kindern mit kalten Bädern
aus. Die Typhusmortalität sinkt dabei auf 2,5 Proc., während sie
bei der gemischten Behandlung 9 Proc., bei der rein medicamen-
tösen 15 Proc. beträgt. Weder beim kalten Bad mit zu niedriger
Temperatur, noch bei zu langer Dauer besteht die Gefahr des
Collapses, w T elche so oft hervorgehoben wird. Derselbe wird viel¬
mehr durch ein zu warmes Bad oder ein kaltes Bad, wenn es zu
spät im Verlaufe der Krankheit, ohne die für das Herz nöthigen
medicamentösen Mittel gegeben wird, verursacht. Die systema¬
tische Behandlung des Typhus bei Kindern mit kalten Bädern
hält wie bei Erwachsenen Alles, was man sich davon versprechen
kann und ist der Abdominaltyphus unter dieser Bedingung, aber
nur unter dieser (systematischen Bäderbehandlung), eine sehr
gutartige Aflfection.
V a r i o t und D e v 6 bringen zw T ei Beispiele von bös¬
artigem Scharlach, der bei der Uebertragung von einem
Kinde auf das andere seinen schlimmen Charakter behielt (in
aüen 4 Fällen Tod nach 2—3 Tagen). Die Erklärung dieser Fälle
ist noch eine dunkle. Stern.
Aoadämie de Mädecine.
Sitzung vom 26. December 1899.
Die Resultate von 23 Fällen perinealer Urethrostomie.
Poncet bespricht nochmals diese Operation, w r elche er im
Jahre 1892 auf dem französischen Chirurgencongress zum ersten¬
mal vorgebracht hat und deren Zw eck die Neubildung einer künst¬
lichen Harnröhrenöffnuug am Perineum ist. Sie ist angezeigt bei
Substanzverlusten (äusseren Verletzungen) und bei unheilbaren
Stricturen der Harnröhre, die weder der inneren und äusseren
Urethrotomie noch der Urethroplastik zugänglich sind oder bei
welchen diese Operationen nicht den gewünschten Erfolg gebracht
haben. Ein Punkt ist vor Allem bei der Urethrostomie hervor¬
zuheben, das sind die guten Erfolge der Operation, indem in allen
Fällen Heilung ohne besondere Zufälle eintrat. Das ist zu erklären
mit der Leichtigkeit, mit welcher die Miction wrieder möglich ist,
mit der Wohlausführbarkeit der Blaseuausspülungen, wenn sie
nothwendig sind, mit dem Ausschluss der Dauersonde und den
Versuchen, zu katheterisiren. Die Operation, von absoluter Noth¬
wendigkeit, opfert ein mehr oder weniger grosses Stück der männ¬
lichen Harnröhre, trotzdem bleibt die Miction eine willkürliche,
die Urinretention eine physiologische, da der Sphincter der Blase
und Prostata nicht betroffen wird; die Art des Urinirens wird aber
ähnlich der des Weibes, an w r elche kleine Unannehmlichkeit sich
der Patient allmählich gewöhnt. Ernster ist die eine schwer¬
wiegende Folge der Operation, dass die Geschlechtsfunction nicht
mehr in normaler Weise möglich ist, worauf man die Patienten
stets vorher aufmerksam machen muss.
Die Alkoholomanie und das Serum alkoholisirter Thiere.
Bei der chronischen Alkoholvergiftung soll es ein sogen,
latentes Stadium geben, bei welchem vor Eintritt der Verände¬
rungen des chronischen Alkoholismus der Alkohol nur als Nerven¬
gift wirke; dieser Zustand hat Aehnlichkeit mit der Morphinomanie
und Broca, Sapelier und Thibault nannten ihn daher
Alkoholomanie. Eine Anzahl Forscher haben nun früher ge¬
funden, dass, wie die Gifte bacterieilen Ursprungs, ebenso die ani¬
malischen, vegetabilischen oder mineralischen, besonders die¬
jenigen, an welche sich der Organismus leicht gewöhnt, im Blute
antitoxische Substanzen oder Stimuline (Metschnikoff) ent¬
wickeln. Jedes dieser Stimuline, mit dem Serum in einen anderen
Organismus injicirt, verleiht demselben eine grössere Resistenz in
Bezug auf das correspoudirende Gift. Es wurde von obigen
3 Forschern beim Pferd eine künstliche Alkoholgewöhnung her¬
vorgerufen, indem das Thier per os Alkohol gerne nahm. Dessen
Blutserum w r urde nun Thieren injicirt, die vorher die Gewohnheit
und selbst Vorliebe für den Alkohol hatten, und hat bei diesen
einen solchen Abscheu vor dem Alkohol erzeugt, dass sie lieber
kein Getränk oder gar keine Nahrung zu sich nahmen als weiter
den Alkohol zu nehmen. Die in dem Serum enthaltene, noch un¬
bekannte Substanz wird Antiethylin genannt; bei den Thieren ver¬
ursachte die subcutane Injection selbst hoher Dosen von diesem
Serum keine locale oder allgemeine toxische Erscheinung irgend
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welcher Art. Die au Trinkern oder Alkoholikern gemachten Er¬
fahrungen bestätigen die Thierexperimente, dieselben verlieren
durch das Antiethylin den Geschmack am Alkohol, stark alko¬
holischen Getränken, wfle Absinth, Rum u. s. w., bekommen wieder
Lust an Wein (!) und gewinnen ihren Appetit und ihre Kräfte
wieder. Die Wirkung des Antietliylins scheint sich auf die ge¬
nannte. sogen, latente Periode des Alkoholismus zu beschränken
und hat sich bis jetzt noch nicht gegen die durch den Alkohol be¬
wirkten organischen Veränderungen bewährt.
Hannecart und T e r r i e n berichten über einen Fall
primärer Conjunctivitis diphtheritica, welcher mit Heilserum
behandelt und g e h e i 11 wurde (durch eine einzige Injection von
4 ccm subcutan und 3 gtt. unter die Cöujunctiva); sie scliliessen
daraus, dass die Diphtherie der Augen ebenso zu behandeln sei,
wie die übrigen Erscheinungen der Krankheit.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Birmingham and Midland Counties Branch etc.
Sitzung vom 12. October 1999.
Das Herz bei Influenza.
Saundby führte aus, dass bei dieser Krankheit das Herz
sehr häufig mit afficirt sei, doch habe man in der Literatur dieser
Thatsache bisher nur w'enig oder gar keine Beachtung geschenkt.
Bei gelinderen Fällen beobachtet man nur Aenderungen in der
Stärke, der Frequenz und dem Rhythmus des Pulses. Es könne
nach einer Influenzaattaque Monate lang ein schwacher, inter-
mittirender und unregelmässiger Puls gefunden werden, Hieraus
erkläre sich wohl auch zu einem grossen Theile die so häufig zu
beobachtende Hinfälligkeit und geistige Niedergeschlagenheit nach
Influenza. Bei intensiveren Fällen ist das Herz erweitert und
bietet die Zeichen von Erschöpfung dar. Zur Behandlung empfiehlt
Saundby namentlich eine rationelle Schott’sehe Cur, sei es in
Nauheim oder einem anderen mit den nöthigen Einrichtungen aus¬
gestatteten Orte. Philipp i.
Verschiedenes.
Gurlosa aus der Praxis.
Heilung eines Gesichtserysipels durch Ich¬
thyolsalbe in 24 Stunden!
In der Sprechstunde erscheint der polnische Fabrikarbeiter
... ow T ski hochfiebernd, mit blaurothem, stark angeschw'ollenem
Gesichte, auf dem sich in der Stirn- und Wangengegend einzelne
Blasen zeigen, die Augen kaum sichtbar wegen Lidoedem. Dia¬
gnose: Erysipelas (bullös.) faciei. Therapie: Bettruhe, Diät, 10 proc.
Ichthyolsalbe (50 g).
Am nächsten Morgen kommt die Frau des Patienten sehr er¬
regt in mein Sprechzimmer und macht mir Vorwürfe, dass ich
ihrem Manne eine so entsetzlich schmeckende und so heftig wir¬
kende Medicin verschrieben habe. In ihrem polnischen Dialecte
schildert sie, dass ihr armer Josef die ganze Nacht „zu Hof“ ge-
gegangen sei und grässliche Leibschmerzen gehabt habe; auch habe
er immer jammernd den Esslöffel voll Medicin lange Zeit in der
Hand gehabt, ehe er sich entschliessen konnte, den entsetzlich
schmeckenden Teufelsdreck liinunterzuwürgen: er habe auch nicht
Alles genommen, nur dreimal einen Esslöffel voll. — Ich konnte
mir, trotz des Ernstes der Situation, kaum das Lachen verbeissen.
Ich versprach zu kommen und besuchte kurz darauf den Mann,
den ich wirklich nicht mehr erkannte. Zwei grosse blaue Augen
schauten mich aus dem gerunzelten, mit grossen Schuppenlamellen
bedeckten Gesichte dankbar an. „Hot ganz abscheilich geschmeckt,
hot sich aber gut geholfen die Medicin von Panje Doetor!“ rief
er mir entgegen. Er w r ar vollkommen fieberfrei, keine Spur von
Erythem war zu sehen, die Kopfschmerzen waren verschwunden.
Der Salbentopf war bis auf einige Gramm geleert. Der gute Polen-
solm hatte die Salbe, statt sie nach Vorschrift aufzustreichen,
auf ge—gesseu. Trotz dieses eclatanten Erfolges habe Ich bis jetzt
Ichthyol bei Erysipel noch nicht innerlich verordnet.
Dr. F. Mosbaeher - Bochum.
Ein neuer Speitopf für Phthisiker.
Die häufigen Beobachtungen von Uebertragung der Tubercu-
lose durch das Sputum Tubereulöser, Beobachtungen, die durch
die Untersuchungen von C o r n e t und Flügge eine experimen¬
telle Stütze gefunden haben, veranlassten mich, einen Speitopf zu
construiren, der eine möglichste Isolirung und event. Desinfection
des Sputums zuliess, dabei aber dem behandelnden Arzte jeder¬
zeit die Uebersicht über den Auswurf gestattete und nicht wfle bei
den sonst treffliehen D e 11 w e i 1 e r’sclien Fläschchen, ausser¬
ordentlich schnell gefüllt ist. Das Gefäss, das die allgemein in
Krankenhäusern übliche Form hat, trägt einen halbkugeligen Ver¬
schluss, der durch leichten Druck des Kranken geöffnet wird,
nach Gebrauch sich wieder von selbst sch Hess t. Der Ver¬
schluss als solcher ist durch eine leichte Drehung vom Glasgefäss
abzunehineu, letzteres daher leicht zu reinigen.
Wie in der Privatpraxis, so glaube Ich noch vielmehr, dass
in Krankenhäusern, Lungenheilanstalten, w r o viele schwer Tuber-
culöse Zusammentreffen, eine Isolirung des Auswurfes — zumal
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
176
MÜNCHENER MEDICINISCHE .WOCHEN SCHRIFT.
wenn er etwa übelriechend ist — schon im Interesse der anderen
Kranken und des Pflegepersonals angestrebt werden muss. Habe
ich ja des Oefteren bemerkt, dass in Berliner Krankenhäusern die
Speigefässe mit runden Holzdeckeln, die lose herumlagen, als
Nothbehelf zugedeckt wurden. Endlich dürfte es wohl auch dem
im Laboratorium beschäftigten Collegen angenehmer sein, ein ge¬
schlossenes Gefäss vor sich zu sehen, als das Sputum immer frei
vor Augen zu haben. Den Vertrieb des Speigefässes hat die
Firma Wiskemann & Co. in Cassel bereitwilligst über¬
nommen. Dr. Jungmann.
Hofgeismar, den 8. December 1899.
Zur 4. Ausgabe des Arzneibuches für das Deutsche Reich.
Der Entwurf zur 4. Ausga.be des Arzneibuches für das
Deutsche Reich (Pharmakopoea Germanica Editio IV), welcher zur
Zeit dem Bundesrath zur Beratliung vorliegt, enthält u. a. folgende
Aenderungen und Zusätze, welche für die medicinischen Kreise
von besonderem Interesse sind.
Neu aufgenommen sind die Artikel:
Adeps Lanae anhydricus, Adeps Lanae cum Aqua, Aether pro
narcosi, Alcohol absolutus, Arecolinum liydrobromicum, Baryum
chloratum, Bismutum subgallicum, Bromoformium, Coffelno-
Natrium sallcylicum (für Coffeino- Natrium benzoicum), Gelatina
alba, Hydrargyrum salicylicum, Hydrastininum hydrochloricum.
Mel, Methylsulfonalum, Oleum camphoratum forte, Oleum Chloro-
formii, Oleum Santall, Pilulae Ferri carbonici Blaudli (für Pilulae
Ferri carbonici), Pyrazolonum phenyldimethylicum salicylicum,
Semen Erucae, Serum antidiphthericum, Tela depurata, Tubercu-
linum Kocld, Unguentum Adipis Lanae, Vinum Cliinae.
Gestrichen sind folgende Artikel:
Auro-Natrium chloratum, Coffeinum natrobenzoicum, Kalium
aceticum, Keratinum, Liquor Ferri subacetici, Moschus, Pilulae
Ferri carbonici, Thallinum sulfuricum, Tinctura Ferri acetici
aetherea, Tinctura Moschi; die bisherigen besonderen Artikel
Tabulae und Trochisci sind durch eine erweiterte Fassung des
Artikels Pastilli erledigt worden.
Die Aufnahme von Mitteln, welche durch Patent geschützt
sind, ist thunlichst vermieden worden. An Stelle der, einzelnen
Personen geschützten Namen für Arzneimittel sind die wissen¬
schaftlichen Bezeichnungen der betreffenden Mittel gesetzt worden.
Die Bezeichnungen der III. Auflage sind dahin abgeändert
worden:
Für Diuretin in Theobromin um natrio-sali-
c y 11 c u m = Tlieobrominnatriosalicylat;
für Salol in Phenyl um salicylicum = Phenyl-
salicylat;
für A n t i p y r i n in Pyrazolonum phenyldime¬
thylicum = Phenyldimethylpyrazolon.
Unter den neu aufgenomnienen Mitteln haben folgende aus
gleichen Gründen eine Aenderung der sonst üblichen Bezeichnung
erfahren:
Salipyrin in Pyrazolonum phenyldimethy¬
licum salicylicum = Salicylsaures Phenyldimethylpyra¬
zolon ;
Dermatol in Bismutum subgallicum = Basisches
Wismuthgallat;
Lanolinum in Adeps Lanae cum Aqua = Wasser¬
haltiges Wollfett;
T r i o n a 1 in Methylsulfonalum = Methylsulfonal.
Da in der pharmaceutischen Presse gegen die Richtigkeit des
Namens für Trional Bedenken geäussert worden sind, so sei auf
Folgendes hingewiesen:
Die empirische Formel des Sulfonal ist: C 7 H 16 S 2 0 4 ,
und seine Constitutionsformel:
CH 3v S 0 2 C 2 Hft
\C{
Ch/ X 802 C 2 H &
d. h. es ist ein Diaethylsulfondimethylmetlian.
Die empirische Formel des Triouals ist: C* H,„ S. 0 4 ;
das Trional unterscheidet sich vom Sulfonal also durch ein Plus
von CH 2 . Ersetzt man nämlich ein II-Atom einer CH, (Methyl-)
Gruppe im Sulfonal durch eine Methyl gruppe, so wird die ur¬
sprüngliche Methylgruppe zur A e t li y 1 gruppe; die Constl-
t u t i o n s formel des methylirten Sulfonals = Trional ist
demnach:
CHs—CH 2
CHs
\n/
SO2C2H5
SO2C2H5
C2H5 SO2C2H5
\q/
ch / X SO a CiHb
d. h. es ist ein Diaethylsulfonmethylaethylmethan.
Die Tabelle A (Maximaldosen) hat eine wesentliche Uinge-
gestaltung erfahren:
Von den neu aufgenommenen Mitteln haben Max imaldo.se 11
erhalten: • •
Bromoformium.0,5
Coffeiuo-Natrium salicylicum .1,0
Hydrargyrum salicylicum.0,02
Hydrastininum hydrochloricum .0,03
Methylsulfonalum .2,0
Von den bereits im Arzneibuche 3. Ausgabe enthaltenen Mit¬
teln, die noch keine Maximaldosen besassen, erhalten:
1,5
3,0
0,1
4,0
Herba Lobeliae .0,1 0,3
Podopliyllinum .0,1 0,3
Pulvis Ipecacuaahae opiatus.1,5 5,0
Bei folgenden aus der 3. Ausgabe in die 4. Ausgabe über-
gegangeneu Mitteln wurde die Einzelgabe wie folgt abgeändert:
Extractum Hyoseyami .0,2 in 0,1
Fructus Colocynthidis.0,5 in 0,3
Gutti .0,5 in 0,3
Herba Conii.0,5 in 0,2
Herba Hyoseyami .0,5 in 0,4
Kreosotum .0,2 in 0.5
Scopolaminum hydrobromieum. 0,0005 in 0,001
Für die Tages gäbe ist im Allgemeinen die drei fache E i n -
z e 1 gäbe festgesetzt worden mit folgenden Ausnahmen:
Amylenum hydratum.4,0 8,0
Chloratum formamidatum.4,0 8,0
Chloratum hydratum.3,0 6,0
Extractum Strychni.. 0,05 0,1
Folia Digitalis.0,2 1.0
Methylsulfonalum .2,0 4,0
Paraldehydum .5,0 10,0
Pilocarpinum hydrochloricum . 0,02 0,04
Semen Strychni .0,1 0,2
Strychninum nitricum.0,01 0,02
Sulfonalum.2,0 4,0
Theobromiuum natrio-salicylicum.1,0 6,0
Tinctura Strychni.1,0 2,0
Abrundungen nach oben finden sich bei allen Mitteln,
die in der Eiuzeldosis die Ziffern 15 oder 3 auf weisen:
Argentum nitricum. 0,03 0,1
Extractum Opii.0,15 0,5
Fructus Colocynthidis.0,3 1,0
Gutti .0,3 1,0
Hydrastininum hydrochloricum. 0,03 0,1
Morphinum hydrochloricum. 0,03 0,1
Opium.0,15 0,5
Pulvis Ipecacuanhae opiatus.1,5 5,0
Tinctura Digitalis.1,5 5,0
Tinctura Opii crocata und Simplex.1,5 5,0
Preussischer Cultusetat.
Ueber die im preussischen Cultusetat enthaltenen Forde¬
rungen für Medicin und die medicinischen Facultäten entnehmen
wir der Berl. klin. Wochensehr, folgende Angaben:
Unter allen, die Medicin betreffenden Positionen des Cultus-
etats ist die grösste und wohl auch überraschendste eine Forde¬
rung von 1100 000 M., welche zur Deckung eines Fehl¬
betrages bei der Kgl. Charitö bestimmt ist. Dieser
Fehlbetrag ist dadurch entstanden, dass die Bettenzahl (wie be¬
kannt) in den letzten Jahren wesentlich eingeschränkt ist: sie be¬
trug früher 195G, jetzt nur noch 1454. Dieser Ausfall bedeutet
eine Mindereinnahme von ca. 300 000 M. jährlich, und soll durch
die vielfach besprochene Erhöhung der Verpflegungssätze wett
gemacht — das inzwischen angewachsene Deficit aber durch ein¬
malige Zahlung beseitigt werden, damit dann ein wirthschaft-
liches Gleichgewicht eintritt. Eine Erhöhung des Freibettenfonds
der Cliaritö um 13 687.50 M. wird hier übrigens einen, wenn auch
nur geringfügigen Ausgleich bilden.
Im Uebrigen werden für Fortführung des Charitö-
Umbaues im diesjährigen Etat nur 550 960 M. flüssig gemacht
Dieselbe vertheilen sich wie folgt: Neubau der Kinderklinik,
I. Rate 150 000 M.; Neubau der psychiatrischen und Nervenklinik,
III. Rate 13 060 M., Aussenanlagen hierfür 100 000 M.; Neubau der
Hals-, Nasen-, Ohrenklinik, II. Rate 58 300 M.; innere Einrichtung
hierfür 19 800 M., Verwaltungsgebäude, innere Einrichtung,
27 500 M.; Kapelle, innere Einrichtung, 10 500 M.; endlich Ankauf
des Grundstücks Luisenstr. 3 für das Institut für Röntgenunter¬
untersuchungen und Einrichtung des Hauses Luisenstrasse 13 zur
provisorischen Unterbringung der Augenklinik 117 300 M.
Die eben erwähnte Einrichtung eines besonderen Baues für
das Institut zur Untersuchung mit Röntgenstrahlen stellt
auch eine der wesentlichsten Neuerungen im Etat für die Uni¬
versität Berlin dar. Sie erscheint im Ordinariat als Forderung des
Gehalts für einen ausserordentlichen Professor mit
4150 M.; für einen Assistenten 1350 M.; für photographische Hilf-
leistungen 1900 M., endlich für Ausgaben 8250 M.; im Extraordi-
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Gck igle
Original frorri
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30. Januar
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
177
narium werden für Einrichtung des Hauses zum gedachten Zweck
12 850 M. ausgeworfen. Es wird jedenfalls allgemein befriedigen,
dass diese Disciplin als Lehrgegenstand anerkannt, die Einrich¬
tungen hierfür auf die Höhe der Zeit gehoben werden und der
bisherige Director eine seinen Verdiensten und seiner Mühewal¬
tung entsprechende Stellung erhält.
Endlich erhöht sich der Cliaritöetat um 48 000 M. in
Folge der Uebernahme der Krankenabtheilung des Instituts
für Infeetionskranke. Für die Hundswuthabt hei-
lung sind mehr 3000 M.. für Aufnahme von Kranken, welche ein
besonderes wissenschaftliches Interesse bieten, 4000 M. ausge¬
worfen.
Im Uebrigen werden für Berlin mehr verlangt: im Ordi¬
när i« m ein (künftig wegfallendes) Ersatzordinariat, bedingt
durch Geh. Rath Schweigger’s Pensionirung mit 5400 M.;
Physiol. Institut, Assistentenstelle 1350 M.; Erhöhung des Fonds
2500 M.; Med. Poliklinik, Zuschuss 2000 M.; I. und II. Med. Klinik
für wissenschaftliche Zwecke 3500 M.; chir. Poliklinik der Charite
3800 M.; Hals-, Nasen- und Ohrenklinik, für wissenschaftl. Zwecke
2700 M.; psychiatr. Klinik dessgl. 1000 M.; Poliklinik für Ilaut-
und Geschlechtskranke, Fonderhöhung 2000 M. Für die Ber¬
liner Universität iusgesammt beträgt die Erhöhung im Ordi-
uarium nicht weniger als 208483 M. Im Extraordinariura
erscheint besonders beachtenswerth eine Forderung von 29 500 M.
für den Unterricht in der Hydrotherapie, wovon 9500 M.
auf bauliche Einrichtungen hierzu im Maschinenbaus der Charitö,
20 000 M. auf Anschaffung von Apparaten entfallen; ob diese For¬
derung mit der neuen B r i e g e r’schen Professur in Zusammen¬
hang steht, ist nicht ersichtlich. Sonst sind zu notireu: Anatom.
Institut. Anschaffung von Mikroskopen 5000 M., Deckung von Fehl¬
beträgen beim physiol. Institut 7500 M„ bei der meicin. Poliklinik
4500 M„ bauliche Veränderungen am pliarmakol. Institut 9400 M.,
am anatom. Institut 5870 M., am Klinikum 12 300 M., Instrumente
und Apparaten für die psychiatr. Klinik 18 000 M.
Von den übrigen Universitäten erwähnen wir nur die wesent¬
lichsten Mehrforderungen:
Königsberg. Ord. Umwandlung eines Ersatzordinariats
für Hygiene in ein Ordinariat 2750 M. Assistenzarzt an der
Frauenklinik 1200 M. Extraord. Hygien. Institut, Neubau,
II. und letzte Rate 27 500 M., Beschaffung von Instrumenten
6000 M.. Errichtung einer Baracke für Trachomkranke an der
Augenklinik 25 000 M.
Greifswald. Ord. Ersatzordinariat (innere Medicin)
0240 M., Prosectur am anatom. Institut 2000 M. Frauenklinik,
Assistent 1200 M., Fondverstärkung 8000 M. Augenklinik, Assi¬
stent 1200 M., Fond Verstärkung 1000 M. Extra ord. Anatom*
Institut. Instrumente 7000 M., bauliche Aenderuugen 5000 M.,
dessgl. im Krankenhaus 23 500 M., Chirurg. Klinik, Instrumente
9000 M., Neubau der Chirurg. Klinik (auf 553 (HK) M. veranschlagt)
I. Rate 120 000 M., Frauenklinik, Um- und Erweiterungsbau
I. Rate 120 000 M., Hygien. Institut, Instrumente 6000 M.
Breslau. Ord. Anatom. Institut Fondverstärkung
3000 M., Physiol. Institut Assistent 800 M. Klinische Anstalten
Fondverstärkung 6000 M., Medicin. Klinik Assistent 1200 M„
Kinderkrankenhaus Assistent 1200 M., do. Fond Verstärkung
2000 M. E x t r a o r d. Anatom. Institut Neubau, Ergänzungs¬
rate 10 000 M., Klin. Anstalt Fehlbeträge 20 000 M., Kinderklinik
Neubau, I. Rate 100 000 M. (Anschlag 118 500 M.), Hygien. Institut,
Instrumente 5000 M.
Halle. Ord. Chirurg. Klinik, Oberarzt 800 M. Extra-
o r d. Erweiterung der medic. Klinik 97 400 M. (bezieht sich auf
bessere Unterbringung syphilitisch Kranker, von deren bisherigem
Aufenthalt In Kellerräumen der Etat eine sehr erbauliche Schil¬
derung gibt!) Pharmakologisches Institut, Instrumente 6000 M..
Hygienisches Institut, Brutzimmer 7500 M.
Kiel. O r d. Ordentliche Professur für Psychiatrie 6160 M.
Patholog. Institut, Prosectur 800, Kliniken Freistellen 7665, Chir.
Klinik. Fonderhöhung 17 000 M., Hals-, Nasen-. Ohrenklinik Sub¬
vention 1800 M. E x t r a o r d. Erweiterungsbau der Frauen¬
klinik, Ergänzungsrate 12 000 M„ Medic. Klinik, Neubau, III. Rate
120 000 M„ Irrenklinik, Neubau, III. Rate 250 000 M., Hygien.
Institut, Einrichtung von Arbeitsplätzen 5000 M., Chir. Klinik,
bauliche Veränderungen 9500 M.
G ö 111 n g e n. Ord. Anatom. Institut. Fondverstärkung
4227 M. Extraord. Anat. Institut, Neubau 5750 M., Hygien.
Institut, Apparate 5000 M. Klin. Anstalten, Fehlbetrag 18 800 M„
Poliklinik für Ohrenkrankheiten, Erweiterungsbau, 8000 M.
Marburg. Ord. Chirurg. Klinik, Fondverstärkung
11000 M. Augenklinik desgl. 800 M. Extraord. Anatom.
Institut, Neubau, II. Rate 150 000 M. Hygien. Institut, zur Fort¬
setzung der Versuche mit Tuberkelgiften bei Rindertuberculose
9000 M., Chirurg. Klinik, Fehlbetrag 12 500 M.
Bonn. Ord. Ohrenklinik, Subvention 600 M. Extraonl.
Med. Klinik, Instandsetzungsarbeiten 40 000 M., Hautklinik desgl.
und Anschaffung von Apparaten 8000 M., Augenklinik, Neubau,
I. R. 120 000 M., Hygien. Institut, Instandsetzung 4800 M.
Das Institut für experimentelle Therapie in
Frankfurt a. M. erscheint mit einer Forderung von 65 000 M.,
davon Gehalt für den Director 6900 M., sonstige persönliche Aus¬
gaben 12 500 M., sachliche Ausgaben 45 600 M. Dem gegenüber
stehen an Einnahmen 38 000 M. Gebühren für Serumprüfung und
dergleichen, 10 000 M. Zuschuss der Stadt Frankfurt.
Das Leprahelm im Kreise Memel macht 5000 M. Mehr¬
ausgabe nöthig (im Ganzen jetzt 15 000 M.), das Hygienische In¬
stitut in Posen 4500 M. Für Bekämpfung der Granulöse sind
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wie im Vorjahr 35000 M., für Studium der Maul- uud Klau e n -
scuche 30 000 M. ausgeworfen, die Curse in Psychiatrie für
die Regierungsmedicinalriithe erfordern wiederum 40 000 M.
Mittel zur Ausführung der sogen. Medicinalreform
sind im diesjährigen Etat noch nicht vorgesehen.
Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.
Unserer heutigen Nummer liegt, im Anschluss an den auf S. 158
enthaltenen Nekrolog, das Porträt Sir J a m e s I* a ge t’s bei. Da¬
mit ist das erste» Hundert unserer Blätter vollendet. Wir hoffen,
dass die Sammlung dauernd den Beifall unserer Leser hat und
werden ihr in dieser Annahme auch in Zukunft die grösste Auf-
nierksa mkei t zu wenden.
Therapeutische Notizen.
C a r b o 1 s li u l* e als Specific u m g e g c ii T o t a n u s.
D. F. Woods- Philadelphia berichtet, dass er bei den vielen
Fällen von Tetanus, die er nach verschiedenen Methoden behan¬
delt hatte, nur eine Heilung erzielte und zwar durch Anwendung
der Carbolsäure in heroischen Dosen. Er wendet dieselbe zunächst
in Form hypodenuatischer Injeetion einer 10 proc. Carbollösung au.
zuerst 10 Tropfen, nach einer Viertelstunde 20, nach einer weiteren
Viertelstunde 30 Tropfen, mit dieser Dosis wird in V*—2 stünd¬
lichen Pausen fortgefahren bis Patient wieder schlucken kann,
was in dem beschriebenen Falle im Verlaufe des zweiten Tages
eiutrat. Von da ab wurde die Lösung in der Dosis von 3—5 g
mit Glycerin zunächst dreistündlich, dann in allmählich abneh¬
mender Menge und Frequenz weitergegeben. Diese Heilwirkung
der Carbolsäure wird durch eine weitere Beobachtung von H. B.
C o x an einem mit Tetanus erkrankten Pferde bestätigt. (New-
York medical Journal, 9. Sept. 1899.) F. L.
Behandlung der tertiären L u e s durch intra-
musculäre Injeetion unlöslicher Quecksilber -
salze.
J. Coplin Stinson - San Francisco empfiehlt auf Grund
seiner Erfahrungen die Injeetion der unlöslichen Quecksilbersalze,
insbesondere des salicylsauren Hydrarg.vrums zur Behandlung der
tertiären Formen. Dasselbe wird von der Mehrzahl der Patienten
gut vertragen, Abscessbildung wurde von ihm nie beobachtet, die
Resorption ist eine sehr rasche. Er verwendet eine sterilisirte
Lösung von 0,1 g Hydrarg. salicyl. auf 2,0 g Ol. amygdal. dulc.
pro Injeetion. Dieselbe wird in der Gegend der Nates intramus-
eulär unter Beobachtung der Regeln der Antiseptik npplicirt.
und ist beinahe schmerzlos. Er empfiehlt bei den Tertiürformen
3 Jahre hintereinander . jährlich 4 mal eine Serie von 9—10 In-
jectiouen (2 mal wöchentlich), daneben den Gebrauch von Jodkall.
Ein Fall derart behandelter Gehirnsyphilis wird beschrieben.
(New-York Med. Journ., 2. September 1899.) F. L.
Vergiftung mit C o 1 o q u i n t h e n. W. E. Jen-
n i n g s - Brooklyn berichtet, über einen Fall von Coloquintlieu-
vergiftung, welcher trotz der enormen Dosis In Heilung ausging.
Eine 29 jährige Frau nahm, um künstlichen Abortus herbeizu-
fiihren, eine ganze Coloquintlienfrucht (10—15 g) in ca. 120 g
Gin (Wachholderschnaps) aufgelöst innerhalb 24 Stunden. Die
ersten Intoxicationssymptome traten eine Stunde nach Einnahme
der ersten Dosis auf. Heftige Gastroenteritis folgte. Die Maximal¬
dosis des Mittels betrügt 1 g pro die, tödtliche Vergiftungen sind
schon bei 3 g beobachtet worden. Eine Abortivwirkung trat trotz
der hohen Dosis und der starken Rection nicht ein. (New-York
med. Journ., 2. September 1899.) F. L.
n.- -
Naclitscbwoisse. In der Therapeutic Gazette vom
15. März 1899 empfiehlt Coston die Kamphersäure als bestes
Mittel gegen die schwächenden Naehtschweisse, wie sie besonders
nach acuten Infectionskrankheiten, Typhus u. s. w., auftreten.
Eine einmalige Dosis von 1—2 g genügt meist für mehrere Tage
Das Pulver wird am besteu eine Stunde vor dem zu erwartenden
Schweissausbruch trocken auf die Zunge genommen uud mit
Wasser oder Milch hinuntergespült. F. L.
Heisse Bäder bei Chlorose. B rosin erzielte mit
der Anwendung heisser Bäder bei ca. 50 Fällen von Chlorose sehr
gute Resultate. Die Behandlung besteht in der dreimal wöchent¬
lich erfolgenden Darreichung eines Bades von 32 0 R., 15—30 Minut.
lang, während desselben kalte Compresseu auf den Kopf, nach dem
Bade eine kurze kalte Douclie und tüchtige Abreibung. Die
Proeedur wird 4—6 Wochen lang fortgesetzt. Das subjective Be¬
finden bei dieser Behandlung ist ein vorzügliches, die lästigen Sym¬
ptome kommen sehr rasch zum Schwinden. (Progressive Medicine.
Juni 1899.) F. L.
Flatulenz. In der Union Mödicale du Canada wird
zur Verhütung dyspeptischer Fermentation der Gebrauch eines
Pulvers von 0,1 g Beta-Naphthol und 0,4 g Carbo ligni pulv. un¬
mittelbar nach der Mahlzeit empfohlen. F. L
H y p o (1 e r in a t i s c h o A n w e n d u n g d e s P i p e r n -
zins. G i o f r e <1 i berichtet in der Gazetta degli Ospedali vom
20. August 1S99 über einen Fall von (licht, in welchem es ihm ge¬
lang. eine bisher alleu Mitteln trotzende Uratablagerung in der
Sehnenscheide des Peroneus longus durch 10 direct in den Tophus
applicirte Einspritzungen von je 0,5 g Piperazin, welche in 0,5 g
Original fro-rri
UNIVERSUM 0F CALIFORNIA
178
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5*
AVasser gelöst waivn, zu definitivem Schwinden zu bringen. Die
Schmerzhaftigkeit der Injection lässt sich durch vorhergehende
Anwendung eines Aetliersprays und folgende Application eines
Eisbeutels vermeiden. F. L.
Influenza. B a c e 11 i empfiehlt bei Influenza die An¬
wendung folgender von ihm erprobter Combination:
Rp. Chinin, salicyl. 0,2
Phenacetin 0,15
Camphor. 0,0*25
M. f. p. Dt. tal. dos. No. VI.
S. Innerhalb 24 Stunden zu nehmen.
(Duzettu degli ospedali e delle cliniche.) F. L.
Z u r T h e r a p i e de s E r y s i p e 1 s. Auf Grund einer
5 jährigen Beobachtung über den Werth der verschiedenen Be¬
handlungsmethoden des Hauterysipels kommt Fischer zu dem
Schlüsse, dass die Alkoholbeliandliing die besten Resultate gibt.
Das von ihm angewandte Verfahren ist ein sehr einfaches. Die
befallene Hautpartie wird ein paar Mal lose mit Mullbinden um¬
wickelt und der Verband mit 85—05 proc. Alkohol durchtränkt,
durch Nachgiessen ist derselbe stets feucht zu erhalten. In der
Regel genügen 1—3 Liter Alkohol die Affeetion zur Heilung zu
bringen. Abseessbildung wird, wenn auch nicht ganz vermieden,
doch sehr selten und in geringem Maasse beobachtet. 25 derart
behandelte und geheilte Fälle werden mitgetheilt. Die Methode ist
nach Ansicht des Autors auch bei Phlegmonen und anderen ent¬
zündlichen Processen angezeigt. (St. Petersburg, med. Wochenschr.
No. 38. 1808.) F. L.
Behandlung der Rhinopharyngitis bei klei¬
nen Kindern. Gastou empfiehlt als einfachste locale Be¬
handlung obiger Affectiouen die 3—4 mal täglich zu wiederholende
Einführung eines Wattetampons, der mit Borvaseliu, eventuell
mit Zusatz ciues Adstringens nach folgender Formel getränkt ist:
Rp. Antipyrin 0,5—1,0
Acid. boric. 0,3
Vaselin ad. 20,0
M. f. ugt.
Begegnet die Einführung der Tampons grossem Widerstande,
so können statt dessen Morgens und Abends eiu paar Tropfen
einer 10 proc*. Lösung von Menthol in Mandelöl in jedes Nasenloch
eingeträufelt werden. Ist directe locale Behandlung des Pharynx
angezeigt, so erfolgt dieselbe am Besten durch Schluckenlassen
einer Jodglycerinlösung zu gleichen Theileti. i.Tourn. of the
Amor. Med. Ass.. 2. Sept. 185«).) F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 30. Januar 1900.
— Nach offieiöser Mittheilung wird der Entwurf eines Ge
s e t z e s über die Bekämpfung gemeingefähr¬
licher Krankheiten Anfangs Februar im Reichstag ein¬
gebracht werden.
— Auf Antrag des Cultusmiuistors hat der Prinzregent einigen
hervorragenden auswärtigen Theilnehmern der Münchener Natur¬
forscherversammlung Auszeichnungen verliehen, nämlich dein
Geheimen Admiralitätsrath N e u m a y e r - Hamburg das Kom-
tliurkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone, F r i t h j o f
Nansen die* erste Classc des Verdienstordens vom Heiligen
Michael und die zweite ('lasse desselben Ordens dom Professor
C h u n - Leipzig.
— Einen schweren Verlust erleidet das bayerische Militär¬
sanitätswesen durch den aus Gesundheitsrücksichten erfolgten
Rücktritt des Generalstabsarztes der Armee, Dr. v. V o g 1. V.
hat sich während seiner langen militärärztlichen Laufbahn um
das Militärsanitätswesen die grössten Verdienste erworben. Selbst
durch eigene klinische Arbeiten ein hervorragender Förderer der
Wissenschaft, hat er vor Allem die wissenschaftliche Weiterbildung
der Militärärzte sich zur Aufgabe gemacht: sowohl als Vorstand
des Operationscnrses für Militärärzte, wie als Generalstabsarzt
hat er hierin Grosses geleistet. Die jüngere militärärztliche
Generation wird ihm dafür immer zu Dank verpflichtet sein. Von
allerhöchster Stelle wurden V o g l’s Verdienste anlässlich seines
Rücktrittes durch die Verleihung des Ranges als Generalleutnant
mit dem Prädicate Excellenz anerkannt.
— Der Senat von Hamburg hat der Bürgerschaft eine Vor¬
lage zugehen lassen, durch welche mit dem Seemannskrankenhaus
(*in Institut für Schiffs - und Tropenkrankheiten
verbunden werden soll. Die Errichtung des Instituts geschieht auf
Grund eines Uebereinkommens mit der Colonialabtheiluug des aus¬
wärtigen Amtes Hamburg übernimmt die Errichtung des In¬
stituts. an dessen Spitze ein Chefarzt gestellt wird, der von Ham¬
burg im Einvernehmen mit der Colonialabtheilung ernannt wird.
Das Colonialamt betheiligt sich financiell an den Kosten der Er¬
richtung des Instituts. Der Senat beantragt jetzt zunächst bei
der Bürgersschaft die Bewilligung einer Summe von 110000 M.
zum Zweck des Umbaus des Seemannskrankenhauses.
— Von der Direotion der Berl. Charite werden mit Genehmigung
des Cultusministeriums Ende Februar und im Monat März für
Aerzte. namentlich Cassenärzte, regelmässig jeden Donnerstag,
Abends 7 ‘/ a Uhr, im Charitekrankenhause unentgeltlich V o r -
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träge über den Werth und die Methoden der
Frühdiagnose der Tuberculose, über die Behandlung
der Anfangsformen dieser Krankheit, sowie über einige damit
zusammenhängende, besonders für die Krankencassen wichtige
Fragen, veranstaltet werden. Im Anschluss daran werden zu der¬
selben Zeit in noch zu bestimmenden Stunden in der Poliklinik,
Louisenstrasse 18, und in der kgl. Anstalt für Röntgenphotographie
Demonstrationen statfinden. Zur Uebernahme der Vorträge haben
sich bereit erklärt die Herren: Gerhardt, v. Leyden,
Schaper, Senator, B. Fraenkel, Brieger, Dönitz,
Brandenburg, Burghart, Grunmach, Mugdau,
Michaelis, Pannwitz, M. W o 1 f f u. A. Der Zutritt zu
den Vorträgen und Demonstrationen ist den Aerzten freigestellt;
da aber die Zahl der Plätze in den zur Verfügung stehenden Hör¬
sälen eine beschränkte ist, so werden Eintrittskarten ausgegeben
werden, welche bei der Direction der Charitö und in dem Bureau
des Vereins der freigewählteu Cassenärzte, Potsdamerstr. 136/137.
vom 15. Februar in Empfang genommen werden können.
— Einem Beschluss des internationalen Gesundheitsrathes in
Alexandrien zu Folge hat die dortige Quarantäneverwal¬
tung fünf Stellen für Aerzte ausgeschrieben. Dieselben sollen im
Quarantänelager in Tor während der Zeit der diesjährigen Pilger¬
fahrt, also etwa von April bis September, thätig sein. Die Ent¬
schädigung beträgt 20 egyptische Pfunde monatlich. Die Be¬
werber haben bei ihrer Meldung, welche bis Ende Januar an die
Quarantäneverwaltung (Administration quarantenaire ä Alexau-
drie) zu richten ist, eine Abschrift des von einer Facultät ausge¬
stellten Zeugnisses als Doctor der Medicin und Chirurgie oder eines
staatlichen Zeugnisses, sowie andere zur Darlegung ihrer Be¬
fähigung geeignete Zeugnisse einzureichen.
— Eine intensive Influenzawelle geht zur Zeit über
Europa. Aus den verschiedensten Ländern kommen Nachrichten
über heftige Epidemien, so ausser aus England, wo die Epidemie
bereits im Nachlassen ist, aus Spanien, Italien, Deutschland. Auch
in München dürfte seit dem ersten Erscheinen der Influenza im
Jahre 1889/90 ein so massenhaftes Auftreten nicht mehr be¬
obachtet sein.
— Pest. Britisch-Ostindien. In der Woche vom 16. bis
23. December v. J. hat die Zahl der Todesfälle an Pest in ganz
Indien wiederum abgenommen, sie betrug 1384 gegen 1686 in der
Vorwoche. In der Stadt Bombay dagegen ist sowohl die Gesammt-
zahl der Todesfälle, wie auch die Zahl der Pesttodesfälle weiter
gestiegen, erstere von 1305 auf 1552, letztere von 209 auf 278. In
der Präsidentschaft Bombay sank die Zahl der gemeldeten Pest¬
todesfülle von 1008 auf 808. in Kalkutta von 81 auf 50, in dem
Puujab von 5 auf 3. Etwas zugenommen hat die Seuche in der
Präsidentschaft Madras, ebenso in den Centralprovinzen, aus denen
13 Pesttodesfälle gegen 8 in der Vorwoche gemeldet wurden. Im
Staate Mysore blieb die Lage unverändert. — Japan. Bis zum
8. December lagen aus ganz Japan Meldungen von 20 Erkran¬
kungen an Pest vor. welche 18 mal tödtlich geendet hatten. —
Mauritius. Die seit Anfang August v. J. in Port Louis aufgetretene
Pest hat sich daselbst während der Monate August, September,
Oetober so heftig ausgebreitet, dass allein in der Stadt bis zu
72 Todesfälle in einer Woche festgestellt wurden. Während des
Monats Oetober griff die Seuche auch in den ländlichen Bezirken
der Insel um sich, doch nahmen dann mit Eintritt der heissen
Witterung gegen Ende Oetober die Todesfälle in Port Louis an Zahl
merklich ab, Avas auch bis Mitte December anhielt.
V. d. K. G.-A.
In der 2. Jahreswoche, vom 7. bis 13. Januar 1900, hatten von
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Königshütte mit 29,9. die geringste Schöneberg mit 10,4 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Masern in Köln, Plauen; an Scharlach in
Duisburg, Elberfeld, Oleiwitz, Halberstadt; an Diphtherie und
Croup in Flensburg.
— Von der ausserordentlichen, jetzt tausendfach bestätigten
Gutartigkeit der Mauserkugel sind die englischen Aertze. die über
ihre Erfahrungen auf dem südafrikanischen Kriegs¬
schau p 1 a t z in den Fachblättern berichten, geradezu überrascht.
Wir entnehmen darüber einem sehr lebendigen Berichte von F re¬
de r i c k Treves über die Thätigkeit des Sanitätscorps während
und nach der Schlacht bei Colenso Folgendes: Die Mauserkugel
ist sehr gutartig und nie habe ich einen Fall gesehen, in dem, wie
behauptet worden war, die Spitze des Geschosses entfernt war. Der
Effect der Mauserkugel hängt wesentlich \*on der Entfernung ab.
Auf 1500 bis 2000 Yards schlägt sie durch wie eine Nadel; auf 500
Yards oder weniger zersplittert sie einen Femur oder Humerus in
Fragmente. Die Eingangsöffnung ist sehr klein und leicht zu über¬
sehen; die Ausgangsöffnung oft auch sehr klein, oft aber auch
spaltförmig. Mehrere Patienten wurden durch den Bauch ge¬
schossen, ohne üble Folgen. Bei einigen von diesen Avar der Darm
durchbohrt, Avie der blutige Stuhl bewies. Das A r on der Kugel ge¬
setzte Loch im Darm ist sehr klein und kann mit 3—5 Lembert-
näliten geschlossen Averden. Mehrere Fälle von Schüssen durch Leber
und Niere verliefen symptomlos. In mehreren Fällen durchbohrte
die Kugel das Gehirn, ohne dass merkliche Symptome auftraten,
und die Fälle heilten A'ollständig; so drang in einem Falle die
Kugel durch das Scheitelbein ein, ging durch das Gehirn, den
harten Gaumen, die Mundhöhle und trat am Hals aus; ausser Kopf-
Aveh und etwas Strabismus zeigten sich keine Erscheinungen.
Auch die Folgen von Schüssen durch die Brust bestehen oft nur
in vorübergehender Haemoptoe. Absolut tödtlich sind, wie
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
HO. Januar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
179
,F. Hutchinson sagt, nur Wunden des Herzens. 2 Drittel aller
Verwundeten sollen nach etwa 14 Tagen fähig sein wieder Dienst
zu machen.
— Auch vom schweizerischen Rothen Kreuze ist jetzt eine
ärztliche Hilfsexpedition für Transvaal ausge¬
nistet worden, die am 1. Februar ihre Reise nach Prütoria an-
troten soll. Die Aerzte der Expedition sind Dr. J. de Mont¬
mol 1 i n - Neuenburg, Dr. Ren6 K ö n i g - Bern und Dr. Fritz
S u t e r - Basel.
— Die Bewegung in Deutschland zu Gunsten der facnl-
iat.lrou Leichen Verbrennung ist in stetem Zunehmen
liegriffen. Auch scheint sich der Gegensatz zur Kirche, der An¬
fangs durch Zufälligkeiten in die Bewegung gerathen war, mehr
und mehr auszugleichen. Vom Standpunkt, der Hygiene erscheint
die Leichen Verbrennung zwar zunächst nicht unbedingt notlnvendig,
nachdem die Assanirung des Bodens mit grossen Aufwendungen
im Allgemeinen auch unter dem alten Regime als erreichbar er¬
kannt ist. Indess stellt uns die rapide zunehmende Bevölkerung
hi«-r vor immer neue und grössere Schwierigkeiten, und es ist vom
medicinischcii Standpunkte aus mit Freuden zu begrüssen, dass
mit der Feuerbestattung die Aussichten auf zukünftige dauernde
Assanirung des Bodens verbessert werden. Leichen Verbrennungen
hallen in Deutschland im Jahre 1899 stattgefunden:
in Gotha.190 gegen 179 im J. 1898, Zunahme 20,
„ Heidelberg.152 „ 125 „ „ „ ,, 26,
„ Hamburg.111 „ 98 „ „ „ „ 13,
Jena (2. Betriebsjahr) . . 40 „ 21 „ „ „ 25,
„ Offenbach (neueingerichtet) 1 „ — „ „ „ 1-
508 „ 423 „ „ „ „ 85,
gegen eine Zunahme von 51 im Jahre 1898. I). med. W.
— Die Jahressitzung des „Vereins der deutscheu Irrenärzte'*
findet: zu Frankfurt a. M. am 20. und 21. April 1900 statt.
Auf der Tagesordnung steht: 1. Die Prognostik der Geistesstörungen
in Bezug auf § 1569 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Ehescheidung).
Ref.: Director Dr. K r e u s e r - Schussenried. — Corref.: Prof. Dr.
v. C a 1 k e r - Strassburg. 2. Heber den heutigen Stand der Lehre
von der Betheiligung des Rückenmarks bei der allgemeinen Para¬
lyse. Ref.: Prof. Dr. F ü r s t n e r - Strassburg. Vorträge sind bei
dem Vorstand bis 1. März 1900 anzumelden. Das Localcomite
haben die Herren S i o 11 und Alzheimer, Städtische Irren¬
anstalt in Frankfurt a. M., übernommen.
— Das Wiener m e d i c i n is c h e Doctoreneolle-
gium hat im vorigen Jahre das seltene Jubiläum seines 500 jähri¬
gen Bestehens begangen und liat dieses Ereiguiss durch Heraus¬
gabe einer Festschrift gefeiert, die den Titel führt: „Ein
halbes Jahrtausend. Festschrift, anlässlich des 500 jährigen Be¬
standes der Acta facultatis medicae Vindobonensis herausgegeben
vom Wiener med. Doetoreneollegium, redigirt von Dr. Heinrich
Adler.“ ln der Festschrift gibt zuerst einen Ueberblick über
die Geschichte der Wiener mediciulsehen Facultät der unterdessen
verstorbene Prof. Th. Puschmann. Eine Reihe von folgen¬
den Artikeln schildern Episoden aus dieser Geschichte, so „Das
medic. Doetoreneollegium im 15. Jahrhundert“ von Schmarda,
„Die Pest in Wien im 17. Jahrhundert“ vou v. Töply, „Wiener
Aerztefamilien der theresianischen Zeit“ von Demselben. Eine
ausführliche Schilderung erfährt „Der gegenwärtige Stand der
Wohlfahrtseinrichtungen des Wiener med. Doctorencollegiums“
von R e i 11 e r. Dr. Adler bespricht die medicinisclie Publi-
eistik in Wien“. Besonderes Interesse bietet der Abschnitt
„Wiener Aerzte und die schönen Künste im 19. Jahrhundert“ von
Kronf eld. Man staunt, wie viele dichterisch veranlagte
Geister die Wiener Schule hervorgebracht hat. So waren Feuch¬
tersieben, Lenau, Adolf Pichler, Eduard Mautner
Schüler der Wiener med. Facultät; einer der talentvollsten unserer
modernen deutschen Dramatiker, der Dichter des „Grünen
Kakadu“, Arthur Schnitzler, ist ein junger Wiener Arzt.
Von Brücke, Billroth, Meynert, Albert, Heitler,
Alois Pick und vielen Anderen werden Proben ihrer künst¬
lerischen Begabung mitgetheilt. Das Wiener med. Doetoren-
eoliegium hat sich mit dieser Festschrift ein würdiges Denkmal
gesetzt
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Geheimrath v. Pettenkofer wurde zum stimm¬
berechtigten Ritter des Ordens pour le niGrite für Wissenschaften
und Künste ernannt
Freiburg i. B. Als Nachfolger Claus’ wurde Professor
Ludw. Knorr auf den Lehrstuhl der Chemie berufen.
Greifswald. An Stelle des Professors M o s 1 e r ist der
ausserordentliche Professor Dr. A. Gold scheider in Berlin als
ordentlicher Professor der inneren Medicin an die hiesige Uuiversi-
versität berufen worden.
H a 11 e a. S. Geheimrath K a s t in Breslau hat den Ruf als
Nachfolger Webefs abgelehnt. Ausser Käst sind, vor¬
geschlagen: v. M e l* i n g - Halle, L i c h t li e 1 m - Königsberg und
81 i n t z i n g - Jena.
He i d e 1 b e r g. Hofrath Prof. Dr. W. Fleiner erhielt das
Badische Ritterkreuz des Ordens Berthold des Ersten.
W ü r z b u r g. Als Nachfolger R ö n t g e n’s wurde Professor
Wien- Giessen berufen.
(Todesfälle.) Dr. L. B r u n e 11 i, früher Professor der
pathologischen Anatomie zu Padua.
Dr. A. V a 1 e n t i, ausserordentlicher Professor der allge¬
meinen Pathologie zu Rom.
Dr. S. R. M a s o n, Professor der Geburtshilfe und Gynäko¬
logie zu Dublin.
I)r. St. O’Sullivan. Professor der Chirurgie zu Cork.
Dr. W. A. H a m in o n d. früher Professor der Neurologie und
Psychiatrie zu New-York.
Amtliches.
Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetze, betr. die ärztlichen
Ehrengerichte, das Umlagerecht und die Cassen der Aerzte-
kammern.
Berlin, den 21. December 1899.
Zur Ausführung des Gesetzes, betreffend die ärztlichen Ehren¬
gerichte, das Umlage recht und die Cassen der Aerztekammeru,
vom 25. November 1899 (Ges. S. S. 565), bestimme ich auf Grund
des § 58 des Gesetzes Folgendes:
1) Die am 1. April 1900 in Wirksamkeit tretenden ärztlichen
Ehrengerichte haben ihren Sitz an dem Amtssitze des Ober-
Präsidenten der betreffenden Provinz. Das ärztliche Ehrengericht
für die Provinz Brandenburg und den Stadtkreis Berlin, sowie
der ärztliche Ehrengerichtshof haben ihren Sitz in Berlin. Die
Sitzungen des ärztlichen Ehreugerichtshofes tinden in den Ge¬
schäftsräumen des Ministeriums der Medieinal-Angelegenheiten
statt.
2) Das ärztliche Ehrengericht führt die Amtsbezeichnung
„Aerztliches Ehrengericht für die Provinz.” (Ost-
preussen, Westpreussen, Pommern, Posen, Brandenburg und den
Stadtkreis Berlin, Rheinprovinz und die Hoheiizollern’schen Lande
u. s. w.);
Die Vorladungen und Beschlüsse in dem Verfahren behufs
Beilegung von Streitigkeiten (§§ 4, 10 des Gesetzes) ergehen jedoch
unter der Bezeichnung
„Der ärztliche Ehrenrath der Provinz.“.
Der ärztliche Ehrengerichtshof führt die Amtsbezeichnung:
„Aerztlicher Ehrengerichtshof“ ohne weiteren Zusatz.
Das ärztliche Ehrengericht lind der Ehrengerichtshof führen
ein den heraldischen Preussisclien Adler enthaltendes Siegel mit
der Umschrift: „Aerztliches Ehrengericht für die Provinz.
„Aerztlicher Ehrengerichtshof“.
3) Von dem Vorstande jeder Aerztekammer ist unverzüglich
ein Verzeichnis der zu der Aerztekammer wahlberechtigten appro-
birten Aerzte des Kammerbezirkes aufzustelleu. Bei jedem der
in das Verzeichniss auf genommenen — nach Vor- und Zunamen,
Stand und Wohnort genau zu bezeichnenden — Aerzte ist zu
vermerken, ob derselbe nach § 2 des Gesetzes der Zuständigkeit
des ärztlichen Ehrengerichts unterworfen ist oder ob er zu den
von der Zuständigkeit des letzteren dauernd ausgenommenen Aerz-
(§ 2, No. 1 u. 2 des Gesetzes) gehört, ln Zweifelsfällen ist der Ver¬
merk näher zu begründen und die Entscheidung des Ober-Präsi¬
denten einzuholen.
ln der Liste ist ausserdem anzugebeu, ob ein Arzt als Militär¬
oder Marinearzt dem Beurlaubtenstande angeliört.
Der Vorstand der Aerztekammer hat die Aerzte dieser Kate¬
gorie aufzufordern, von ihrer Einziehung zur Dienstleistung
spätestens nach Empfang des Gestellungsbefehls Anzeige zu er¬
statten.
Die Liste ist dauernd richtig zu erhalten und alljährlich gegen
Ende December neu aufzustellen.
Eine beglaubigte Abschrift der Liste und ihrer nachträg¬
lichen Abänderungen ist dem Ober-Präsidenten einzureichen, ein
zweites Exemplar ist zu den Acten des Ehrengerichts zu nehmen.
4) Die zur Constituirung der ärztlichen Ehrengerichte und
des Ehrengerichtshofes erforderlichen Wahlen sind mit besonderer
Beschleunigung, die erstmaligen Wahlen im Jahre 1900 spätestens
bis zum 15. Februar vorzunehmen.
5) Die Wahl der ärztlichen Mitglieder des Ehrengerichts und
ihrer Stellvertreter (§ 7 Abs. 1 des Gesetzes) erfolgt unter sinu-
gemässer Anwendung der für die Wahl des Vorstandes der Aerzte¬
kammer gegebenen Vorschriften in der in dem § 8 Abs. 1 der
Verordnung, betreffend die Einrichtung einer ärztlichen Standes¬
vertretung, vom 25. Mai 1887 (Ges. S. S. 169) bezeiehneten Wahl¬
versammlung der Aerztekammer. Voraussetzung ist hierbei jedoch,
dass in dieser Wahlversammlung mindestens zwei Drittel der nacli
§ 2 des Gesetzes wahlberechtigten Mitglieder der Aerztekammer
oder deren Stellvertreter anwesend sind. Bei geringerer Tkeil-
nehmerzahl ist eine neue Wahlversammlung nicht über zw r ei
Wochen hinaus anzuberaumeu. In der neuen Wahlversammlung
sind die Wahlen nach den vorstehenden Bestimmungen ohne
Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder vorzunehmen.
In dem Einladungsschreiben ist hierauf ausdrücklich hinzuweisen.
In dem Wahlprotokoll ist die Wahlberechtigung der Walil-
theilnehmer und die Wählbarkeit der Gewählten im Sinne des
§ 2 des Gesetzes besonders festzustelleu.
In den Fällen der nachträglichen Ablehnung oder des späteren
Ausscheidens eines ärztlichen Mitgliedes des Ehrengerichts oder
eines Stellvertreters durch Tod, Verzicht, Verlust der Wählbarkeit
oder Ausscheiden aus dem Kammerbezirk ist für die unverzügliche
Vornahme der erforderlichen Nachwahl auf die restliche Dauer der
Amtszeit des Ablehnendeu oder Ausgeschiedenen Sorge zu tragen.
6» In der zu 5 bezeiehneten Wahlversammlung ist von den
wahlberechtigten Theilnehmern
a. über die Reihenfolge, in der die Stellvertreter der ärztlichen
Mitglieder des Ehrengerichts zu berufen sind (§ 7 Abs. 1 No. 1 des
Gesetzes),
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
180
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
b. über die Sätze der Tagegelder und lteisekosten, welche den
ärztlichen Mitgliedern des Ehrengerichts gewährt werden sollen
<§ 7 Abs. 3 des Gesetzes). Beschluss zu fassen.
7) Die vorstehend zu 5 und (5 getroffenen Bestimmungen finden
auf die Wahlen der von dem Aerztekammerausschus.se zu wählen¬
den vier Mitglieder des ärztlichen Ehrengerichtshofes und ihrer
Stellvertreter (§ 43) sowie auf die dabei zu fassenden Beschlüsse
des Aerztekammerausschusses mit der Maassgabe sinngemässe An¬
wendung. dass die Wahlen und Beschlüsse für jede Amtsperiode
in der ersten beschlussfähigen Sitzung des Aerztekammeraus¬
schusses nach t’onstituirung desselben stattzufinden haben und
dass von dem Ergebnisse unter Beifügung des Sitzungsprotokolls
bis zum 20. Februar des betreffenden Jahres, bezüglich der erst¬
maligen Wahlen und Beschlüsse bis zum 20. Februar 1900 mir
Anzeige zu erstatten ist.
8) Die Wahl des richterlichen Mitgliedes des ärztlichen Ehren¬
gerichts und seines Stellvertreters (§ 7 Abs. 1 No. 2 des Gesetzes)
erfolgt in der ersten beschlussfähigen Sitzung des Vorstandes der
Aerztekammer nach Beginn der Amtsperiode. Die Wahl erfolgt in
gesonderten Wahlgängen nach absoluter Stimmenmehrheit; bei
Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
In derselben Sitzung ist auch über die Höhe der dem richter¬
lichen Mitgliede des Ehrengerichts und seinem Stellvertreter zu
gewährenden Vergütung <§ 7 Abs. 2 des Gesetzes) Beschluss zu
fassen.
Ueber die Beschlussfassung und über die Wahlhandlung ist
ein Protokoll aufzunehmen, welches von dem Vorsitzenden binnen
einer Woche dem Oberpräsldenteu einzureichen ist.
Findet der Oberpräsident nichts zu erinnern, so hat er sich
wegen Herbeiführung der Genehmigung zur Annahme der Wahl
und zur Führung des Nebenamtes mit dem zuständigen Oberlandes-
gerichts-Präsidenten in Verbindung zu setzen.
Wird die Genehmigung versagt, so ist die Wahlhandlung zu
wiederholen: der betreffende Richter scheidet dabei aus der Zahl
der Wahleaudidaten aus.
Die Wahlhandlung ist auch zu erneuern, falls der Gewählte die
Wahl ablehnt oder nachträglich verzichtet oder an einen anderen
Ort versetzt wird oder die Richtereigenschaft verliert.
9) Gehört der Vorsitzende der Aerztekammer zu den in dem
§ 2 des Gesetzes bezeichueten, der Zuständigkeit des Ehrengerichts
nicht unterworfenen Aerzten, oder lehnt er den Vorsitz des Ehreu-
grichts ab oder ist er sonst dauernd behindert, so haben die Mit¬
glieder des Ehrengerichts nach § 9 des Gesetzes einen Vorsitzenden
aus ihrer Mitte für die Dauer ihrer Amtszeit zu wählen. Die
Wahl erfolgt nach absoluter Stimmenmehrheit; bei Stimmengleich¬
heit entscheidet das von dem ältesten Mitgliede zu ziehende Loos.
Der Zusammentritt des Ehrengerichts behufs Vornahme der
nach Absatz 1 erforderlichen Wahl ist von dem-Oberpräsidenten
herbeizuführeu, sobald die Wahlen der Mitglieder beendet sind.
Die Wahlhandlung wird von dem seinen Jahren nach ältesten
Mitgliede geleitet. Das Wahlprotokoll ist «lern Oberpräsldenteu
einzureichen.
10) Dem Ermessen des Oberpräsideuteu wird anheimgestellt,
ob er sich iu dem ehrengerichtlichen Strafverfahren durch einen
dauernd oder für den einzelnen Fall bestellten Beauftragten ver¬
treten lassen will ($ 12 des Gesetzes).
11) In der ersten beschlussfähigen Sitzung jeden Jahres hat
die Aerztekammer den nach § 49 des Gesetzes erforderliclien Be¬
schluss über die Festsetzung des jährlichen Beitrages, welcher von
den zur Aerztekammer wahlberechtigten Ärzten des Bezirks zu er¬
heben ist, zu fassen. Der erstmalige Beitrag ist für die Zeit vom
1. April bis 31. December 1900 festzusetzen.
12) In der ersten beschlussfähigen Sitzung des Vorstandes
der Aerztekammer, welche in der neuen Amtsperiode stattflndet,
ist die Wahl des Cassenführers nach § 51 Abs. 2 des Gesetzes vor-
zfinehmen.
Von der Wahl ist dem Oberpräsideuteu Anzeige zu erstatten.
13) Seitens des Oberpräsidenten ist mir über die Erledigung
der vorstehenden Anordnungen bis zum 20. Februar 1900 Bericht
zu erstatten.
14) Der Erlass von Geschäftsordnungen für die ärztlichen
Ehrengerichte, sowie für den Ehrengerichtshof bleibt Vorbehalten.
15) Die Gasse der Aerztekammer führt die Amtsbezeichnung:
„Gasse der Aerztekammer für die Provinz.“
Diese Amtsbezeichnung ist auch auf dem von der Gasse zu
führenden, den Preussischen heraldischen Adler enthaltenden Siegel
zu verwenden.
10) Für die Gasse der Aerztekammer ist Seitens des Vor¬
standes der Aerztekammer eine Gassenordnung auszuarbeiten und
dem Oberpräsidenten einzureichen.
Findet dieser nichts zu erinnern, so ist sie der Aerztekammer
zur 'Genehmigung vorzulegen.
Die Gassenordnuug hat Bestimmungen über den inneren und
äusseren Geschäftsbetrieb der Gasse, insbesondere über das Ge¬
schäftsjahr. über die zu führenden Bücher (§ 52 Abs. 3 des Ge¬
setzes), über die Oasseupriifungen (§ 54 Abs. 1 des Gesetzes), über
die Dauer der Aufbewahrung der Bücher und Belege, über die Bei¬
träge und sonstigen Aussenstände (§§ 46, 47, 53 des Gesetzes) sowie
über die Rechnungslegung und Entlastung (§ 54 Abs. 2 und 3 des
Gesetzes» zu enthalten.
17) In dem letzten Monat des ersten und jedes folgenden
Geschäftsjahres ist von dem Vorstände der Aerztekammer ein Vor¬
anschlag über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der
Gasse der Aerztekammer für das nachfolgende Geschäftsjahr auf¬
zustellen und der Aerztekammer spätestens in der zu 11 bezeich
neten Sitzung zur Beschlussfassung vorzulegen.
Beglaubigte Abschrift des Voranschlages ist dem Oberpräsi-
deuten einzureichen. Stud t.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Samuel Gilde, appr. 1898, in München.
I )r. Hans Kirchner, appr. 1896, als Augenarzt in Bamberg.
Dr. Albert Reichel, appr. 1898, in Bayreuth.
Befördert: im activen Heere: Die Unterärzte Dr. Hans Heim
des 5. Inf.-Iteg. und Dr. August Beck des 4. Feld.-Art-Reg. zu
Assistenzärzten in ihren Truppentheilen; im Beurlaubtenstande:
zu Stabsärzten in der Reserve die Oberärzte Dr. Karl M a y (Augs¬
burg), Dr. Friedrich Bauer (Nürnberg) und Dr. Eugen Popp
(Wiirzburg); in der Landwehr 1. Aufgebots der Oberarzt Dr. Karl
S c h ö p p n e r (Roseuheim); zu Oberärzten in der Reserve die Assi¬
stenzärzte Dr. August Feuchtwang e r, Theodor Seliauber,
Dr. Claus Schilling, Friedrich Kreituer und Dr. Rudolf
Rönsberg (I. München), Dr. Alfred Mayerhofer (Passau),
Dr. Richard Höher (Augsburg), Dr. Wilhelm B Utters (Er¬
langen), Dr. Eugen Welte, Dr. Adolf Kalm, Dr. Nikolaus
Maassen und Dr. Wilhelm Winterstein (Kissingen), Dr.
Haus Mantel und Dr. Karl S e i t z (Wtirzburg), Dr. Karl
Jellinghaus, Dr. Adolf Schulze und Emst Claus
(Aschaffenburg), Dr. Hugo W ö r n 1 e i n, Dr. Karl Brendel.
Richard K a n d t, Dr. Wilhelm Richstein, Dr. Samuel
Swarsensky und Dr. Georg Kanzow (Hof), Ludwig W e i s s
(Bayreuth), Wilhelm Dietzler (Kaiserslautem), Dr. Theodor
Hirsch (Ludwigshafen) und Oskar Wächter (Landau); in der
Landwehr 1. Aufgebots die Assistenzärzte Dr. Arthur Dreyer
(I. München), Dr. Bernhard D i e t m a i r (Kempten), Dr. Karl
M o r i a n (Augsburg), Gregor Weber (Kitzingen), Dr. Johann
M e r x (Bamberg), Franz Wohlsecker (Kissingen), Dr. Fried¬
rich S e h m i d und Dr. Friedrich Klein (Aschaffenburg), Dr.
Heinrich Jost (Kaiserslautem); in der Landwehr 2. Aufgebots
der Assistenzarzt Dr. Ernst W i 1 h e 1 m y (Aschaffenburg); zu
Assistenzärzten in der Reserve die Unterärzte Dr. Maximilian
Rothschild (Aschaffenburg), Dr. Karl Grosch und Alfons
Lehr (Wiirzburg), Dr. Hans v. Gosen, Dr. Richard Sauter.
Richard Piltzmaun und Maximilian Adam (I. München).
Dr. Adolf V a n d e n h o f f (Würzburg). Dr. Ludwig Schrei b e r
(I. München) und Emil Becker (Aschaffenburg).
Abschied bewilligt: Der Generalstabsarzt der Armee, Chef
des Sauitütseorps und der Medicinalabtheilung im Kriegs-
mlnisterhim, Dr. Ritter v. Vogl, wurde iu Genehmigung seines
Abschiedsgesuches und unter Verleihung des Ranges als General¬
lieutenant mit dem Prädicate Excellenz mit der gesetzlichen Pen¬
sion zur Disposition gestellt. Dem Stabsarzt Dr. Julius M a y r der
Landwehr 1. Aufgebots (Straubing) mit der Erlaubniss zum Tragen
der Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Ab¬
zeichen.
Ernannt: Der Generalol>erarzt Dr. Bestei meyer im
Kriegsministerium unter Beförderung zum Generalarzt ohne
Patent zum Chef der Medicinalabtheilung im Kriegsministerium.
Uebertragung: Dem Generalarzt Dr. Bestelmeyer, Chef
der Medicinal-Abtheilung im Kriegsministerium, wird die Stell¬
vertretung des Generalstabsarztes der Armee übertragen.
Gestorben: Dr. Eugen Schech in Dorfen. Dr. Franz
Bergmair in München. Dr. F1 e i s c h m a n n in Freinsheim.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten fdr München
in der 3. Jahreswoche vom 14. bis 20. Janua 1900.
Betheil. Aerzte 272. — Brechdurchfall 13 (11*), Diphtherie,
Croup 13 (20), Erysipelas 10 (13), Intermittens, Neuralgia interm.
— (3), Kindbettfieber 1 ( - ), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli
52J (372), Ophthalmo Blennorrhoea neonat. —(1), Parotitis epidem.
6 (8), Pneumonia crouposa 23 (23), Pyaemie, Septikaemie — (—),
Rheumatismus art. ac. 28 (45), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
10 (5), Tussis convulsiva 17 (14), Typhus abdominalis 1 (2),
Varicellen 9 (19), Variola, Vario’ois — (—). Summa 654 (536).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München.
während der 3. Jahreswoche vom 14. bis 20. Januar 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000
Todesursachen: Masern 11 (11*), Scharlach — ( —), Diphtherie
und Croup 2 (3), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 3 (—), Unterleibstyphus
1 (—), ' Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündung — (—),
Ttiberculose a) der Lungen 28 (19), b) der übrigen Organe 5 (4),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 6 (4), Unglttcksfälle 1 (4), Selbstmord — (2), Tod durch
fremde Hand 6 (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 196 (201), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwolxner im Allgemeinen 22,0 (23,1), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,6 (15,8).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Verlag von J. F. Lehmann iß München. — Druck ron S. Mühlthaler’a Buch- und Kunatdruokerel A.Q., München.
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Gck igle
Original ftom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
ß le Müiich. Med. Wochenschr. erscheint wöchentl.
> Nummern von durchschnittlich 4—5 Bogen.
Preis ln Deutschi, n Oest.-Ungarn vierteljfthrl. 6 JL,
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(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. ßerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J.». Michel, H.». Ranke, F. i Wfnckel, H. i Zierassen,
Freiburg i. B. Miinchc-u Leipz.g. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
J2 6. 6. Februar 1900. - Redaction: Dr - B - s P atz - ottoetrasse i.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Die Verwendung der Gelatine zur Stillung cholaemi-
scher Blutungen nach Operationen am Gallensystem
nebst Bemerkungen über Poppert’s wasserdichte
Drainage der Gallenblase.
Von Prof. Dr. Hans K e h r in Halberstadt.
Die cholaemische Blutung nach chirurgischen Eingriffen an
ikterischen Menschen ist ein von uns Aerzten sehr gefürchtetes
Ereigniss.
Ich habe solche Nachblutungen bei nunmehr 470 Gallenstein-
laparotomien, die ich in meiner Privatklinik ausgeführt habe,
verhältnissmässig selten beobachtet, obgleich ich bei Ikterischen
74 Choledoehotomien resp. Hepaticusdrainagen vorgenommon
habe. Im letzten halben Jglire haben sieh aber diese Blutungen
merkwürdig gehäuft: Bei 3 Kranken traten dieselben so heftig
auf, dass man recht wohl an einen fatalen Ausgang denken
konnte. Ich benutzte, wie ich gleich voraus bemerken will, zu
ihrer Stillung die von Lanceraux 1 ) empfohlene subcutane
Injection einer 2proc. Gelatinelösung und hatte die Freude, dass
sofort die Blutung selrwäeher wurde und bald aufhörte.
Es ist gewiss sehr schwer, bei einer Blutung mit Bestimmt¬
heit zu sagen, dass das angewandte Mittel, besonders wenn es ent¬
fernt vom Orte der Blutung applicirt wird, auch in der That eine
blutstillende Wirkung gehabt hat. Denn wie viele Blutungen
stehen ohne unser Zuthun, wenn der Organismus schliesslich
durch den Blutverlust auf das Aeussersto geschwächt ist! Ich
glaube aber, dass das sonst in der Heilkunde so berüchtigte Wort:
„Post hoe, ergo propter hoc!“ doch auf meine Fälle angewandt
werden darf, weil allgemein bekannt ist, dass gerade cholaemische
Blutungen eine sehr geringe Tendenz zum spontanen Aufhören
haben, und weil ich von der Wirkung der Gelatinelösung bei
meinen 3 Beobachtungen einen so regelmässigen Erfolg
sah, wie ich ihn beim Gebrauch anderer Mittel niemals be¬
obachten konnte.
Ich habe nach Operationen am Gallensystem die verschieden¬
artigsten Nachblutungen kennen gelernt.
Entweder blutete es, wie bei der ersten Küste r’sehen 2 )
Choledochotomie aus dem Wundtrichter, der sich nach der Tam¬
ponade, die zum Schutz des Peritoneum bis auf die Choledochus-
naht geführt war, gebildet hatte oder es blutete in den Darm,
Magen oder in die Gallengänge hinein. Im ersteren Fall wird
man in erster Linie nach Irrigation mit möglichst heisser
0,6 proc. Kochsalzlösung eine feste Tamponade mit steriler Gaze
vornehmen oder auch zum Paquelin greifen.
Von inneren Mitteln empfiehlt Majo Robson 3mal täg¬
lich 1,8 Calciumchlorid per os oder 3,6 dieses Mittels per klysma.
Ich habe auf p. 272 meiner „A nleitung zur Erlernung
der Diagnostik der einzelnen Formen der
Gallensteinkrankheit“ einen Fall erwähnt, bei dem
ich dieses Mittel angewandt habe.
9 Sorgo: Behandlung der Aneurysmen mit subcutanea
Gelatineinjectionen. Centralbl. f. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir.
II. Bd., No. 1, 1809, p. 10.
a ) Küster: Ein Fall von Choledochotomie. Aroh. f. klin.
Chir. 43. Bd., p. 216.
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Ob scliwef eisaures Natron') (in 1 st findigen Dosen von 0,1)
bei eholaemisehen Blutungen etwas nützt, weiss ich nicht: mir
fehlt darüber die Erfahrung.
Jedenfalls dürfte bei der Reiclmng blutstillender Mittel
(Secale eoniut., Liquor, ferr. sesquiehlor.) die directe Be¬
kämpfung der Blutung au Ort und Stelle nicht zu verabsäumen
sein.
Ich habe in den unten zu erwähnenden Fällen die Tampo¬
nade des blutenden Wundtrichters immer erst vorgenommen, ehe
ich, gezwungen dureli das Weiterbluten, bei der Gelatine meine
Zuflucht suchte.
Es würde zu weit führen, all’ die Arbeiten und die dort
niedergelegten Ansichten aufzuführon, die sieh mit der Gela¬
tine als Blutstillungsmittel beschäftigen. Ich will nur darauf
hinweisen, dass schon C a r n o t *) bei Blutungen aus Wund-
canälen eine stärkere Lösung von Gelatine (5—10 proc.) direct
in die Wunde eingegossen hat. Diese Methode habe ich nicht
versucht, ich habe die subcutane Injection einer 2 proc. Gelatine¬
lösung in Anwendung gezogen.
Die Technik ist sehr einfach. Ich liess vom Apotheker
10 g weisse Gelatine in 500 ccm 0,7 proc. NaCl-Lösung sterili-
siren und spritzte davon 200 ccm, auf 38,0° C. erwärmt, unter allen
Regeln der Asepsis subcutan ein. Die Injection erfolgte mit
einer ausgekochten Spritze (D i e u 1 a f o y) und zwar benützte
ich sowohl die äussere Fläche des Oberschenkels, als auch die
Brusthaut. Irgend welche Nebenerscheinungen (heftige Schmer¬
zen, Fieber etc.) habe ich nicht beobachtet.
In allen 3 Fällen habe ich den Eindruck gewonnen, dass
das Mittel geholfen hat. Aber wer will das auf Grund von 8 Be¬
obachtungen beweisen! Jedenfalls ist bei der gefürchteten
eholaemisehen Blutung eine Prüfung des Mittels angezeigt und
ich werde bei Ikterischen, die operirt werden müssen und schon
vorher an Blutungen litten, das Mittel schon ante Operationen
injiciren.
Viele Chirurgen stehen allerdings auf dem Standpunkte,
dass man bei Cholaemischen, die an Blutungen leiden, eine Opera¬
tion unterlassen soll. Habe ich die Ueberzeugung aber, dass dem
Kranken nur durch das Messer zu helfen ist, so operire ich auch
dann, wenn die Neigung zur Blutung besteht.
Ich habe schon so manchen Choledochusstein an das Licht
des Tages befördert, der seinem Träger sicheren Untergang ge¬
bracht hätte. Will man nur die Kranken operiren, die noch
kräftig genug sind, dass sie den Eingriff mit grösster Wahr¬
scheinlichkeit überstchen, so können wir uns keiner besonderen
Leistung rühmen. Aber ein Menschenkind, das durch Blutver¬
luste so geschwächt ist, dass es am Rande des Grabes herum¬
taumelt, durch die Operation vor sicherem Tode zu retten, das
ist eine dankbare und würdige Aufgabe.
Auszuschliessen von unseren chirurgischen Eingriffen sind
möglichst all’ die Ikterischen, deren Gelbsucht durch Leber¬
ei rrhose, Krebse* am Pankreaskopf, Duodenum etc. hervorgerufen
wird, und es ist unsere Aufgabe, durch eine Verfeinerung der
Diagnostik die einzelnen Formen des Ikterus in aetiologischer
9 It e v e r d i n : Le sulfate (le soude it faibles doses comrne
hümostatique. Revue müd. de la Suissc romande. 1897, No. 1.
9 Paul C a r not: Emploi de la gülatine comme hemostatique.
Journ. de müd. et Chirurg, pratique 1897, p. 862.
Original from 1
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
182
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Hinsicht von einander zu trennen. Leider ist eine differentielle
Diagnostik nicht in allen Fällen möglich.
Ich gebe nun in möglichster Kürze die 3 Fälle wieder, an
denen ich die Wirkung der Injection von Gelatine zu beobachten
Gelegenheit hatte.
1. Frau D., 43 jühr. Kaufmannsfrau aus Stockholm. Aufnahme
31. V. 1899. Operation 2. VI. 1899. Choledochotomie. Hepaticus-
drainage. Entlassung 13. VII. 1899. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese und Vorleben ohne Be¬
sonderheiten. Winter 1894 erkrankte Patientin mit Schmerzen in
der Gallenblasengegcnd, letztere war druckempfindlich und der
behandelnde Arzt stellte die Diagnose: Gallensteinleiden und ver-
anlasste Patientin im Sommer 1895 Karlsbad aufzusuchen. Auf
der Reise nach dort - - in Berlin — mehrtägige, iiusserst heftige
Kolik. Eine Autorität auf dem Gebiete der inneren Mediein wurde
eonsultirt und fühlte auch die Gallensteine in der Gallenblase,
ln Karlsbad wochenlangesKrankenlager in Folge häufiger schwerer
Koliken mit Ikterus, Fieber. Schüttelfrost, nie Steinabgang, Un-
gebessert und in sehr desolatem Zustande kehrte Patientin nach
Stockholm zurück, liier November 1895 Operation durch H. Prof.
B., die nach einem nach hier mitgetheilt.cn ausführlichen Schrei
beri desselben folgendes Resultat hatte: zahlreiche, starke Adhae-
sionen, Gallenblase geschrumpft und pathologisch verändert; weder
Steine in der Blase noch im Choledochus zu fühlen; Cystectomie.
9 Tage post operat. platzt die fast verheilte Narbe auf und es ent¬
leert sich reichlich Galle, ein Vorgang, der sich in den nächsten
Wochen noch mehrere Male unter gleichzeitigem Auftreten von
Fieber, Ikterus und Schmerzen wiederholt. Allmählich seltenere
Anfälle von geringerer Intensität. Sommer 1890 lind 1897 nach
Brunuencur fast völliges Wohlbefinden. Seit ca. (5 Wochen hat
sich wieder eine progressive Verschlechterung eingestellt: nachdem
schon Monate vorher leise Mahnungen sich geltend gemacht hatten,
setzte langsam ein in seiner Intensität wechselnder, aber doch
stetig zunehmender Ikterus ein mit Hautjucken, dabei fast jeden
2. Tag Koliken verschiedenster Intensität, die auf Morphium
zuriiekgingeu; der Urin war gallenstoffhaltig. Seit 10 Tagen soll
sich auch Eiweiss im Urin finden, seit derselben Zeit sind leichte
schmerzhafte Oedeme an beiden Ftisseu aufgetreten. Der Stuhl¬
gang soll seit 4 Jahren fast stets grau gewesen sein, nur selten
braune Farbe gehabt haben. Patientin begibt sieb auf den Rath
des Herrn Prof. Dr. B. in meine Klinik.
Status praesens: Graeile Frau mit intensivem Ikterus,
spärlichem Fettpolster und leichtem Oedem um die Knöchel beider
Füsse. Urin stark gallenfarbstotfhaltig, kein Eiweiss, kein
Zucker. Stuhlgang tlionfärben. Puls 70, Temperatur (Abd.) 38
Herz und Lungen gesund. Am Abdomen: Gallenblasengegend
nicht druckempfindlich, kein Tumor dort, Leber und Milz leicht
nachweisbar vergrössert, kein Ascites, entsprechend dem Aussen-
rande des rechten Reet, abdomin. eine ca. 15 cm lange Laparo-
tomienarbe.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 2. VI. 1899. Hakenschnitt nach Czerny.
Nach Lösung vieler Verwachsungen zwischen Leber und Intestinis
wird der Choledochus frei gelegt, in seinem supraduodenalen Theil
ein walzenförmiger Stein gefühlt. Excision. Im Hepaticus trübe
eingedickte Galle. Hepaticusdrainage. Tamponade. Naht. Dauer
der Operation 1 / i Stunde. Gute Chloroformnarkose.
V erla u f : Fieberfrei. Galle fliesst gut ab. Am 10. Tage
Verbandwechsel, viel Blut im Verband. Cholaendsche Blutung.
Tamponade ohne Nutzen. Desshalb Injection von 200 g 2proc.
Gelatinelösung. Blutung lässt nach. Am nächsten Tage wieder¬
holt sich die Blutung. Nochmalige Injection von 150 g 2 proc.
Gelatinelösung. Die Blutung tritt nicht wieder auf. Gallenfluss
bis Anfang Juli. Daun Nachlassen desselben. In ausgezeichnetem
Wohlbefinden Mitte Juli entlassen. Der Patientin geht es, wie aus
einem erst kürzlich erhaltenen Briefe hervorgeht, ganz ausge¬
zeichnet, die Gewichtszuualime beträgt ca. 30 Pfund.
Die Blutung, besonders die erste, war immerhin recht besorg-
nisserregend. Die Tamponade, die fest in die Wundhöhle ein¬
gedrückt wurde, war bald wieder von Blut durchtränkt, so dass
ich dem besorgten Gatten den Ernst der Situation auseinander-
selzen musste. Patientin, die durch den erheblichen Blutverlust
recht geschwächt war, erholte sich aber bald wieder, so dass schon
am nächsten Tage die Gefahr vollständig beseitigt schien.
Nebenbei habe ich der Kranken viel Weingelbe essen lassen;
ob diese diätetische Vorschrift zur Stillung der Blutung etwas
beigetragen hat. lasse ich dahingestellt.
2. Frl. Oh. St. aus Harpstedt (Prov. Hannover). 62 jähr. Auf¬
nahme 9 . VIII. 1899. Operation 11. VIII. 1899. Choledochotomie.
Cystectomie. Gallenblasenkolonfistel. Entlassung 18. X. 1899,
fast geheilt.
A n a m n e s e : Familienanamnese ohne Besonderheiten; Pa¬
tientin war gesund und kräftig, bis vor ca. 10 Jahren ein Stechen
in der r. Oberbauchgegend sich einstellte, welches bisweilen auf¬
trat, nach dem Magen hinübergriff und Uebelkeit nebst Erbrechen
im Gefolge hatte. Die ersten Anfälle in 7 . jährigen Zwischen¬
räumen. Vor 6 Jahren wirkliche Koliken, im Jahre etwa 4 mal;
dieselben mit Erbrechen endend. Der Zustand hielt mehrere
Jahre an und die Zwischen räume wurden kürzer. Seit einigen
Jahren Gelbsucht nach den Anfällen von mehrtägiger Dauer (nicht
über 4 Tage). Seit reichlich einem Jahre sind die Zwischenräume
sehr viel häufiger geworden, die Pausen währen nicht länger als
0 Wochen; dazu bestand starke Gelbsucht, die ludesseu in ihrer
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Intensität wechselte, dabei war der Stuhl heller, der Urin dunkel.
Völlig verschwand die Gelbsucht niemals (seit 1 Jahre). Vor
2 Monaten äusserst starke Kolik, seitdem immerwährende Schmer¬
zen stechender Art. Der Appetit ist zur Zeit ziemlich gut, indessen
ist Abmagerung erfolgt, im Ganzen (letztes Jahr) um 40 kg. Bei
den Koliken Schüttelfröste. Steinabgang nie beobachtet. 3 Curen
in Carlsbad (1894, 1896, 1897) ohne Erfolg.
Status praesens: Mittelgrosses, kräftig gebautes, sicht¬
bar abgemagertes, stark ikterisehes Fräulein. Organbefund nor¬
mal, rechter Leberlappen stark vergrössert, ebenso die Milz, welche
handbreit unter dem rechten Rippenbogen zu palpiren ist. Gallen-
blasengegond druckempfindlich. Urin stark gallenfarbstoffhaltig,
ohne Eiweiss und Zucker.
Diagnose: Geschrumpfte steinhaltige Gallenblase, Ver¬
wachsungen, mehrere Steine Im erweiterten Choledochus, einer
retroduodonal (ev. auch Empyema vesicae felleae). •
Operation 10. VIII. 1899. Längsschnitt im rechten Muse,
rect. abdom. Verwachsungen zwischen Leber und Perit. pariet
Trennung. Leber gross, hintere Fläche mit Netz und Kolon ver¬
wachsen. Mühsame Lösung. Sorgfältige Unterbindung (Cholaemle).
Gallenblase geschrumpft mit verdickter Wandung, enthält einen
wallnussgrossen Stein. Gallenblasen-Kolonflstel.. Abtrennung.
Versorgung des Lochs im Kolon mit 5 Seidennähten. Im Chole¬
dochus ein grosser und zwei kleine Steine. Im retroduodenalen
Theil viele Steintrümmer. Im Hepaticus ein Stein. Ausräumung.
Papille dann frei. Drainage mit zwei Gnmmiröhren, eins im
Hepaticus, das andere im duodenalen Theil des Choledochus. Ver¬
kleinerung der Ckoledochusincision durch Catgutnfthte. Chole¬
dochus sehr weit mit verdünnter Wand. Excision der morschen
Gallenblase. Umstechung des blutenden Leberbettes. Ausgiebige
Tamponade. Naht der Bauchw r and. Ein ziemlich grosser Nabel¬
bruch, dessen Radicaloperation geplant war, wird nicht operirt,
da sonst der Eingriff zu complicirt wurde. Dauer der Operation
5 Viertelstunden. Sehr gute Chloroformnarkose. Verlauf voll¬
kommen fieberfrei. Das Rohr aus Choledochus und Hepaticus
wird 10 Tage post operationem entfernt. Wunde sehr gut geheilt.
Tägliche Ausspülung des Choledochus mit steriler Kochsalzlösung.
Allmählich lässt das Gallenlaufen nach. Pat. steht Anfang Sep¬
tember auf. Stuhlgang ist braun gefärbt. Der Ikterus schwindet
sehr langsam. Beim Verbandwechsel ist die Blutung aus dem
Wundcaual immer sehr bedeutend, die Tamponade genügt nicht
sie zu stillen. Erst nach Injection von 100 g 2 proc. Gelatine-
lösung hört die Blutung sofort auf. Die Injection wird bei der
sehr ängstlichen Patientin, die mit Schrecken die hervorquellenden
Blutmassen sah, unter Schleie h’scher Anaesthesie in die
Bauchhaut vorgenommen, ohne dass die Kranke etwas davon
merkte. Sie erhielt im Verlauf von 1 7 * Wochen im Ganzen 4 In-
jectionen ü 100 g 2 proc. Gelatinelösung. Man konnte schon
10 Minuten nach der Injection eine deutliche Abnahme der Blu¬
tung beobachten. Bei der Entlassung am 18. X. 1899 bestanden
noch geringe Spuren von Ikterus, bei jedem Verbandwechsel tritt
eine lebhafte Blutung aus dem Wundcanal ein, aber es gelingt,
durch Einlegen von steriler Gaze, die Blutung zu stillen. Pat. reiste
nach Nordhausen zu Verwandten und begab sich dort in die Be¬
handlung des Herrn Dr. E i 1 e r s, meines früheren Assistenten.
Weitere Nachrichten über das Befinden der Pat. sind mir bisher
nicht zugegangen.
3. K. H., 28 jähriger Arbeiter aus Stiege. Aufnahme 28. IV.
1899. Operation 29. V. 1899. Clioleej r st-Duodenostomie. Ent¬
lassung 29. VII. 1899. Geheilt.
Anamnese: Vater und Mutter todt, an Typhus und Pneu¬
monie gestorben. 4 Geschwister leben und sind gesund. Pat.
mit 17 Jahren Typhus. Mit 23 Jahren Driiseuvereiterung in der
rechten Axilla. Ein Jahr später begann das Leberleiden. H. wurde
häufig ohnmächtig, verlor den Appetit, bekam Erbrechen und
Drücken in der rechten Seite und wurde ikteriseh (März 1895).
Im Herbst desselben Jahres Koliken nach eingenommener Mahl¬
zeit Viel Erbrechen (dabei Blut). Die Krampfanfälle wieder¬
holen sich alle 3 Wochen, die Schmerzen strahlen nach dem
Rücken zu aus. Der Stuhlgang war Immer grau oder gelb, nie
braun (von 1895—99), die Gelbsucht wechselte aber. Das Jucken
hat in der letzten Zeit nachgelassen. Seit 2 Jahren haben die
Koliken sich gebessert. Appetit wechselnd, in der letzten Zeit auch
nach leichten Speisen Drücken. Stuhlgang im Allgemeinen regel¬
mässig. Urin war meist braun. Am 24. Juni 1896 Aufnahme des
Pat. in die chirurgische Klinik zu Halle a. S. Am 9. Juli Operation.
Entlassung am 21. August. Pat. kann nicht angeben, welche Dia¬
gnose dort gestellt wurde und welcher Eingriff zur Ausführung
kam. Der Ikterus ist nicht geschwunden, das Gesammtbefinden
blieb sich gleich. Manchmal hat Pat. bei der Defaecation etwas
Blut verloren. Lues wird in Abrede gestellt.
Status praesens: Kleiner, schmächtiger Mann mit in¬
tensivem Ikterus. Im rechten Hypochondrium eine Quernarbe
(Leberrandschnitt nach C o 11 r v o i s i e r), 3 Silberdrähte sehen aus
Granulationen hervor. Dieselben werden entfernt. Pat. gibt an,
dass dieselben schon ein Jahr laug aus der Narbe hervorsehen.
Milz vergrössert. Unterer Leberrand reicht bis zur Nabelhöhe.
Kein Ascites. Lungen und Herz gesund. Im Urin Gallenfarbstoff.
Die Diagnose wird auf Verschluss des Choledochus durch
Narbe oder Tumor (Duodeualulcus) gestellt Kein Steia
Operation: Nach Eröffnung der Bauchhöhle durch den
C z e r n y’sclien Hakenschnitt Freilegung der Gallenblase. Diese
in Adhaesionen eingehüllt. Pankreaskopf sehr hart. Leber ver¬
grössert, aber nirgends Knoten. Kein Stein im Choledochus. Chole-
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
183
eyst-Duodenostomie schwierig, weil die Gallenblase sehr morsch
ist und leicht einreisst.
Verlauf fieberfrei. Am 5. Tage Erbrechen grosser Mengen
blutig gefärbten Inhalts. Dasselbe wiederholt sich am 6. und 7.
Tage. 3 malige Injection einer 2 proc. Gelatinelösung unter die
Brusthaut. Die Blutung hört auf, Patient erholt sich. Der Quer¬
schnitt weicht auseinander (schlechte Ernährung wegen der ersten
Narbe). Ikterus schwindet, Blutung nicht wieder. Guter Appetit.
Am 29. VII. mit nur noch geringen Spuren von Ikterus, gutem
Appetit, erheblicher Gewichtszunahme entlassen. Dem Patienteu
geht es nach neueren Nachrichten vorzüglich.
Das Bluterbrechen machte in diesem Fall bei uns Allen
einen recht beängstigenden Eindruck. Besonders am 6. Tage
war der Kranke so schwach und anaemisch,, dass Niemand an
seine Erhaltung glaubte. Das Erbrechen erfolgte alle halbe
Stunden und stand auch bei vollständiger Abstinenz nicht. So¬
bald eine halbe Stunde nach der Injection verflossen war, sistirtc
das Erbrechen, und Patient erholte sich langsam. Hier haben
v.ir natürlich durch Nährklystiere und Einläufe von Kochsalz¬
lösung den Kräftezustand zu bessern gesucht.
Weitere Versuche mit der Injection von Gelatinelösung wer¬
den zeigen, ob nicht doch dem Mittel Nachtheile anhängen, die
gerade bei meinen 3 Fällen sich nicht geltend machten und ob
es immer gelingt eine blutstillende Wirkung zu erzielen. Be¬
weisen, wie gesagt, 3 Beobachtungen nicht viel, so möchte ich
doch die Facheollegen auf fordern, in geeigneten Fällen sich
dieser Mittheilung zu erinnern.
In diesen 3 beschriebenen Fällen handelte es sich um eho-
laemische Nachblutungen. Ich habe noch in einem vierten
Fall einen erfreulichen Erfolg von der Anwendung der Gela¬
tinelösung gesehen und obwohl es sich nicht um eine cholaemische
Blutung handelte, möchte ich doch ganz kurz über diesen Fall be¬
richten.
Es handelte sich um einen 42 jährigen Herrn, der in seiner
Bauchhöhle recht complicirte pathologische Processe verbarg:
1. einen in der Mitte abgeknickten und stenosirten Processus
vermiformis, der resecirt wurde (Pat. hatte öfters Attacken von re-
cidivirenden Appendicitis durchgemacht). 2. Eine mit dem Kolon
durch eine enge Fistel verbundene Gallenblase, welche einen
grossen Stein enthielt. Wegen dieser Gailensteinbesch werden
wurde er operirt, der Stein wurde enfernt, die Fistel zerstört, das
Loch im Kolon zugenäht. 3. Einen harten Tumor, der hinter dem
Duodenum lag und entweder der hinteren Darmwand oder dem
Pankreas angehörte. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus,
dass vom Lig. hepato-duodenale resp. Choledoehus Verwachsungen
zum Duodenum zogen und die Anamnese (Bluterbrechen und
blutiger Stuhl) sprachen dafür, dass es sich um ein Ulcus duodeni
handelt mit entzündlichen Verdickungen in der Nachbarschaft. Um
einer möglichen Verlegung des Choledoehus vorzubeugen, wurde eine
Cholecyst-Duodenostomie ausgeführt und weil die Gefahr einer
Duodenalstenose nach dem aufgenommenen Befund sehr nahe lag,
eine Gastroenterostomie nach v. Hacker und zur sicheren Ver¬
meidung eines Circulus vitiosus eine Entero-Enterostomie nach
Braun. Die Operation dauerte etwas über 2 Stunden. Nach
einem vollständig fieberfreien Verlauf stellte sich am 6. Tage post
operationem eine sehr schwere Magendarmblutung ein. Der Puls,
der immer gegen 90 betrug, erreichte eine Frequenz von 150. Es
trat eine sehr bedrohliche Anaemie ein. Nach einer Injection von
200 g einer 2 proc. sterilisirten Gelatinelösung hörte die Blutung
auf und Patient erholte sich in 24 Stunden derartig, dass die Ge¬
fahr beseitigt war. Nach der Operation stieg die Temperatur, die
immer normal war, auf 38,8 0 C. (4 Stunden nach der Injection), um
dann auf 38,0 0 C. zu sinken und 2 Stunden später wieder 39,4 0 C.
zu betragen. Dabei zeigte sich von Seiten des Peritoneum nicht
die geringste Reaction (spontane Blähungen, Leib weich und un¬
empfindlich). Nebenbei bekam Patient 2 stündlich 0,05 Opium als
Suppositorium und durfte nun dann und wann einmal ein Stück¬
chen Eis schlucken. Am letzten Tag betrug die Temperatur am
Morgen 38,1 0 C., am Abend 37,8 0 C., Puls 110 und kräftig.
Ich glaube nicht, dass die Blutung aus den Magen-, Gallen¬
blasen- oder Darmschnitten erfolgt war, denn ich habe überall
Schleirahautnaht gemacht, sondern ich bin überzeugt, dass die
Blutung allein aus dem Duodenum stammte. Die Steigerung
der Temperatur führe ich zurück auf die Gelatineinjection.
Auch anderwärts ist trotz Befolgung der strengsten Asepsis eine
Erhöhung der Körperwärme nach der Injection von Gelatine be¬
obachtet worden.
Ich erwähne diesen in pathologisch-anatomischer und auch
chirurgisch-technischer Hinsicht sehr interessanten Fall nur kurz
lind werde über denselben in dem jährlich erscheinenden Be¬
richte meiner Klinik ausführlicher berichten.
(Schluss folgt)
Aus der 2. medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Ger¬
hardt zu Berlin.
Ueber die Reaction der Leukocyten auf die Guajak-
tinctur.
Von Dr. Kurt Brandenburg, Assistenten der Klinik.
In der bekannten, v< n Van Deen angegebenen, Blutprobe
wird das Blut im Urin dadurch naebgowio.-en, dass es aus
Guajaktinetur bei Gegenwart von Terpentinöl einen blauen
Farbstoff bildet.
Es ist von Bedeutung, dass das Blutroth zur Bildung des
blauen Farbstoffs des Zusatzes eines Mittels benöthigt, welches,
wie das Terpentinöl, activen Sauerstoff abgibt. Man hat daher
bekanntlich das alte harzige Otd empfohlen, das seine bleiehcnde
Wirkung schon am Korkstopfen documentirt.
Eiter im Urin lässt sieh im Gegensatz zum Blute da¬
durch erkennen, dass die zum Harn zugesetzte Guajaktinetur
ohne weiteren Zusatz eines leicht Sauerstoff abgehenden Mittels
blau gefärbt wird; bei reichlicherem Filergehalt wird der Urin
sofort tief blau, bei geringeren Eitermcngcii tritt erst nach
einigen Minuten eine blaugraue Tönung allmählich ein.
Diese Eiterprobe ist in neuerer Zeit wohl zum Theil ohne
Berechtigung in Misscredit gekommen und vielfach der Ver¬
gessenheit anheimgefallcn. So wird sie nicht erwähnt in den ge¬
bräuchlicheren Lehrbüchern und Handbüchern der physio¬
logischen Chemie, bei II o p p e - S e y 1 e r , Neumeister,
Salkowski-Lpube und in den Taschenbüchern und Grund¬
rissen der klinischen Diagnostik von M ü 11 e r - S c i f e r t und
Klein per er. Bei der Aufzählung der Blutproben findet sieh
vielfach die Bemerkung, dass die V a n I) e e lösche Blutprobe
auch bei Harnen, die nicht Blut, sondern Eiter enthalten, posi¬
tiv ausfällt, und dass sie daher als nicht zuverlässig anzusehen
ist. Die wichtige Thatsaehe. dass Eiter die Guajaktinetur auch
oline Zusatz eines Ozonträgem blau färbt, wird nicht in dieser
Form liervorgehoben. Dennoch verdient diese Reaction dos
Eiters vom theoretischen Standpunkt«* aus besonder«** Interesse,
und es lässt sieh ihre praktische Verwendung sehr wohl be¬
gründen und erweitern.
Bei weiterem Umschauon in der Literatur findet man, dass
diese Reaction mehrfach« 1 ! Bearheilung gefunden hat.
Von E. Brücke' 1 ) ist LSS8 töne Arbeit über Van De. chi/3
Blutprobe und Vital i's Fiterprobg <Tsehi<>neii, in welcher die
älteren Untersuchungen über den Gegenstand zusamniengefasst
und durch neue Beobachtungen ergänzt wurden.
D. V i t a 1 i J ) hatte 1887 angegeben, dass Eiter die Eigen¬
schaft hat, zugesetzte Guajaktinetur blau zu färben, und darauf
hingewiesen, dass ein Gehalt an Eiter die Probe Vau Deen’s
für die Aufsuchung von Blut im Urin nicht unbrauchbar macht.
Brücke schlug vor, um eine mögliche Täuschung bei der Blut¬
probe auszusehliessen, V i t a 1 i's Regel zu befolgen und zunächst
die Tinetur allein zuzusetzen und zu beobachten, ob Blämmg
eintritt oder nicht. Tritt durch die blos.se Tinetur schon Bläu-
ung ein, so solle man abfiltriren und den Filterrüekstand mit der
Tinetur auf Blaufärbung prüfen; oder man könne den Urin auf-
kochen. Eiter verliert durch Kochen die Eigenschaft der Bläu-
ung, während das Blutroth durch Kochen in seiner Wirksam¬
keit auf (luajakterpentinöl nicht erheblich gestört wird.
Es sei hier hervorgeholx n, dass in der Brück (Vscheu
Arbeit ein älterer Vorschlag oitirt wird 1 *), bei der Van Deo n’-
schen Blutprobe an Stell«» des Terpentinöls das Wasser¬
stoffsuperoxyd zu nehmen, eine Combination, die neuer¬
dings wieder empfohlen worden ist *).
Nach unseren Untersuchungen empfahl es sieh bei An¬
stellung dieser Probe so zu verfahren, dass inan etwa einem
') E. Brücke: Van Deen's Blutprobe und V i t a 1 i’s
Eiterprobe. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissen¬
schaften. Math, nnturw. C. XCV1II. Bd., 1. Abth. III.
2 ) D. Vitali: Chemisch. Centralbl. 1887, S. 1528.
3 ) ln einem Bericht von V i 11 s t e i n (Archiv d. Pharmaeie
Bd. CCV, S. 128) nach dem Repertoire de Pharmaeie, Juli 1873,
heisst es. dass eine Commission hei Prüfung von Van Deen’s
Probe Nasenschleim aetlv gefunden habe gegen Guajak und
Wasserstoffsuperoxyd, dessen ätherische Lösung die Commission
statt des Terpentinöls empfahl (eit. nach B r ii c k e).
*) E. Siefert: lieber die Verwendbarkeit der Guajak-
Wasserstoff Superoxyd reaction ' zum Nachweis von Blutspuren in
forensischen Fällen. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med., 3. F., XVI,
1, p. 1, 1898.
1 *
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Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
184
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
CubikcentimeterOuajaktinctur soviel von der gewöhnlichen kauf-
liehen, etwa 3proe. Wasserstoffsuperoxydlösung zugiesst, dass
die Mischung beider eben noch klar bleibt, und die dreifache
Menge an Urin hinzufügt. Unter lebhaftem Schäumen in Folge
der Spaltung des ILO, tritt bei einigermaassen reichlicherem
Gehalt an Blutroth schnell eine tiefblaue Färbung ein. Bei ge¬
ringeren Blutmengen (unter 0,2—0,3 Proc.) wurde die Farbe
nicht so blau, wie bei der Verwendung von Terpentinöl, sondern
schmutzig-grün.
Im Gegensatz nun zum Blutroth haben eine Reihe von an¬
organischen und gewisse organische Stoffe, unter anderem der
Eiter, die Eigenschaft, Guajaktinctur blau zu färben, ohne Zu¬
satz eines Trägers von activem Sauerstoff, wie Terpentinöl oder
Wasserstoffsuperoxyd.
So bläuen gewisse Pflanzenstoffe die Guajaktinctur,
wie kalt bereiteter Malzauszug oder kalt bereitete Mimosen¬
gummilösung, welche beide Brücke empfahl, um das Reagens
Guajaktinctur auf seine Wirksamkeit zu prüfen. Auch
durch anorganische oxydirende Agentien, wie
Eisenchlorid, salpetrige Säure, Kaliumpermanganat, Ozon,
Chlor, Chromsäure, färbt sich das Guajakharzpulver und seine
alkoholische Lösung tiefblau.
Die Erklärung für die Eiterreaction beschäf¬
tigte V i t a 1 i und Brücke. Diese Autoren kommen zu dem
Ergebniss, dass auch wässerige Auszüge aus Eiter im Stande
waren, Guajak zu bläuen, und dass die wirksame Substanz durch
Alkohol gefällt wurde und unter Alkohol einige Zeit aufbewahrt,
das Vermögen Guajak zu bläuen, nicht verloren hatte, ebenso
wenig wie der bei gewöhnlicher Temperatur eingetrocknete Eiter.
Sie schlossen, dass in den Eiterkörperchen eine vom Leben unab¬
hängige Verbindung existirte, welche die Oxydation vermittelte,
und dass diese Substanz eine colloidale sei.
Um zu einer weiteren Einsicht in die Natur dieser eigen-
thümlichen Wirkung des Eiters zu kommen, wurde versucht, den
wirksamen Körper aus demselben darzustellen.
Zu den Untersuchungen über die guajakbläuende Substanz
in den Eiterkörperchen wurden 2 Liter Eiter verarbeitet, welche
einem kalten Abscess der Wirbelsäule entstammten. Derselbe
war geruchlos, frei von den gewöhnlichen Eiterbacterien, und
mikroskopisch fanden sich in demselben nur wohlerhaltene
1 .eukocyten.
Ein Theil des Eiters wurde mit der dreifachen Menge
chloroformhaltigen Wassers 12 Stunden bei 37" digerirt und das
ungelöste durch Coliren entfernt. Die trübe, zellenfreie
Flüssigkeit bläute stark Guajak. Sie wurde mit Essigsäure an-
gesäuert. Es setzte sich danach ein dichter Niederschlag ab, der
durch wiederholtes Decantiren gewaschen und abfiltrirt wurde
und die bläuende Substanz des Extractes darstellte, denn das Fil¬
trat von demselben hatte nicht mehr diese Fähigkeit.
Der Niederschlag wurde in dünner Sodalösung gelöst, filtrirt
und wiederum mit Essigsäure gefällt. Durch Wiederholen dieser
Prooed ur wurde schliesslich ein Ei weisskör per ziemlich
rein erhalten, welcher Wasserstoffhyperoxyd unter
lebhaftem Auf schäumen zerlegte und in klein¬
ster Menge die Fähigkeit h esass, Guajak zu
b 1 ä u e n. — Die Bliiuung trat auch dann noch ein, wenn von dem
mit Essigsäure ausgefälltem Eiweisskörper soviel in Wasser suspen-
dirt wurde, dass die Flüssigkeit nur mehr schwach opalcscirte und
nach dem Stehenlassen einen sichtbaren Niederschlag nicht mehr
zeigte.
Der Eiweisskörper wurde mit verdünnter Schwefelsäure
4 Stunden auf dem Wasserbadc gekocht; nach dem Abfiltriren
wurde mit Magnesiamischung gefällt. Das Filtrat gab mit
ammoniakalischer Silberlösung eine reichliche Fällung von
Purinbasen.
Etwa ein halbes Gramm der gereinigten unter Alkoholäther
aufbewahrten Substanz wurde mit salzsaurem Wasser und mit
salzsaurem Alkohol wiederholt gewaschen und nach der von
Albert, Neumann 5 ) angegebenen Methode mit einem Gemisch
von Schwefelsäure und Salpetersäure zu gleichen Theilen im
Kjcldahlkolben verascht. Die durch dies Verfahren erhaltene
wasserklare Lösung der Aschenbestandtheilo gab mit Ammon-
nitrat erhitzt und mit Ammonmolybdat versetzt einen reichlichen
f ) A. Neu mann : Verhaudl. d. pliysiol. Gesellscli. zu Berlin,
Sitzung vom 10. November 1899, in His-Engelmann’s Archiv f.
Anat. u. Physik, 1899.
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gelben Niederschlag. Die Lösung gab mit Sulfoammonium-
cyanat eine dunkelrothe, mit Ferroeyankali eine grünliche Fär¬
bung.
Der Ei weisskörper enthielt also Phosphor
und Eisen in organischer Bindung im M o 1 e c ü i.
Auch durch Extrahiren des Eiterzellenbreies mit dünner
Soda- und Ammoniaklösung Hessen sich Filtrate gewinnen,
welche Guajaktinctur bläuton, und aus welchen ein wirksamer
Eiweisskörper mit Essigsäure ausgefällt wurde. Der Rückstand
selbst, der vielfach extrahirte Zellenbrei, hatte trotz wiederholter
Auszüge nicht seine Wirksamkeit verloren
Nach dem oben angeführten chemischen
Ve r halten musste der aus den Leukocyten des
Eiters dargestellte Eiweisskörper, welcher
Guajaktinctur noch in sehr starker Verdün¬
nung blau färbte, in die Classe der Nucleo-
proteide eingereiht werden. Die eigentüm¬
liche oxydirende Wirkung des Eiters dürfte
durch dieses in den Eiterzellen enthaltene
Nucleoprotei d b e ding t we r d e n.
Der Nachweis einer eigentümlich oxydirende Wirkungen
zeigenden Substanz in den Eiterkörperchen wies auf die Be¬
obachtungen, welche über die Oxydationen durch tierische Ge¬
webe in grösserer Zahl vorliegen.
Seit den ersten Untersuchungen von Schmiedeberg fl )
und Ehrlich 7 ) wurde dieses Thema besonders durch die Ar¬
beiten von Jaquet"), Salkowski 0 ) und Röhmann und
Spitzer 10 ) gefördert.
Es wurde beobachtet, dass t hierische Gewebe im
Allgemeinen die Eigenschaft haben, auf ge¬
wisse leicht oxydirbare Substanzen in der Art
einzuwirken, dass diese Sauerstoff auf¬
nehmen, sich oxydiren. Diese Eigenschaft lässt sich
unter anderem dadurch demonstriren, dass man fein zerteilten
Organbrei mit gewissen Chromogenen mischt. So wird durch
Lebergewebe in kürzester Frist aus cr-Naphthol, Soda und Para-
phenylcndiamin blaues Indophenol gebildet und ähnliche Farb¬
stoffe in gleicher Weise durch die Einwirkung von Organbrei
sofort erzeugt, welche beim blossen Stehen an der Luft aus den
Mischungen ohne Hinzufügen von Körperzellen erst allmählich
sich bilden. u ).
Leberbrei und Milzbrei haben ferner die Fähigkeit, gewisse
Aldehyde zu oxydiren und aus Salicylaldehyd Salicylsäure zu
bilden. Eine Lösung von Wasserstoffsuperoxyd wird durch
Organzellenbrei unter lebhafter Gasentwicklung energisch zer¬
legt. Die einzelnen Organe verhalten sich in ihrer oxydirenden
Kraft verschieden stark, so dass man nach dem Umfange der
Salicylsäurebildung oder der Gasentwicklung aus H 2 0* eine In¬
tensitätsscala für die einzelnen Organe aufgestellt hat, in welcher
an erster Stelle das Leber- und das Thymusgewebe rangiren.
Es war allen Autoren, die sieh mit der Frage der Oxy¬
dationen durch todte Substrate animalischer und pflanzlicher
Natur beschäftigt haben, bekannt, dass das wirksame, von den
Meisten als ein „Oxydationsferment“ bezeichnet© Princip aus
den Geweben durch Wasser oder Kochsalzlösung gewonnen wer¬
den kann.
Aus dem Zellenbrei der verschiedenen Organe lässt sich mit
Wasser ein Eiweisskörper ausziehen, welcher dieselbe oxydirendt?
Eigenschaft hat wie der Zellenbrei. Diese Substanz wurde von
Spitzer 12 ) aus dem Extract mit Essigsäure ausgefällt, ge¬
reinigt und für ein Nucleoproteid erklärt.
In ähnlicher Weise, wie S p i t z e r es beschrieben hat, wurden
bei unseren Untersuchungen aus Leber, Milz und Thymus Nucleo-
«) Sch m iedeberg : lieber Oxydationen und Synthesen
im Tliierkörper. Arch. f. exp. Patliol. u. Pharm., Bd. 14, 1881.
•) Ehrlich : Das Sauerstoffbedürfniss des Organismus.
Berlin 1SS5.
K j j a q u e t : Ueber die Bedingungen der OxydationsVorgänge
in den Geweben. Arch. f. exp. Patliol. u. Pharm., Bd. 29, 1892.
°> Salkowski und J a m a g i v a : lieber das Oxydations-
fernient der Gewebe. Centralbl. f .die med. Wissenseh. 1S1U.
S a 1 k o w ski: Arcli. f. patli. Anat. 1897, Bd. 147.
"') Külinin n n und Spitzer: Ueber Oxydations Wirkungen
tliierisclier Gewebe. Ber. d. Deutsch, chem. Gesellsch., Bd. 28,
1895.
3l ) W. Spitzer: Die Bedeutung gewisser Nucleoproteide für
die oxydative Leistung der Zelle. Pflüger’s Arch. Bd. 67, 1897.
’ 2 ) Spitzer:!, c.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
ß. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
186
proteide dargestellt. Dieselben wurden mit dom Nuclooproteid
aus Eitor vorglichen.
Es wurde der fein zerhackte Organbrei mit der dreifachen
Menge Chloroformwassers 24 Stunden stehen gelassen, das Un¬
gelöste durch Coliren abgetrennt und filtrirt. Die trübe Flüssig¬
keit wurde durch vorsichtigen Zusatz von Essigsäure ausgefällt,
durch Decantiren gewaschen, mit Aimnoniakwasser gelöst, filtrirt,
und die Procedur des Fällens und Lösens 2mal wiederholt. Durch
Waschen mit Alkohol und Aetlier wurden die Nucleoproteide
ziemlich rein erhalten. Mit salzsaurem Wasser und salzsaurem
Alkohol gewaschen und nach Neumann 13 ) verascht fand sich
in ihnen Phosphor und Eisen.
Die Nucleoproteide aus Leber, Milz und
Thymus hatten sämmtlich die Eigenschaft,
Wasserstoffsuperoxyd unter starkem Auf¬
schäumen energisch zu zerlegen, keines der¬
selben färbte jedoch Guajaktinctur blau.
Unter den daraufhin untersuchten Organen vermochte nur
ein einziges in demselben Grade wie der Eiter die Guajak¬
tinctur zu bläuen, nämlich das Knochenmark. Besonders
stark war die färbende Eigenschaft bei dem rothen Mark,
während bei dem gelben Mark wegen des überwiegenden Fett¬
gehaltes nur in einzelnen Flecken und Streifen die Bläuung
sich zeigte.
Aus den obigen Untersuchungen wurde das bemerkenswerthe
Resultat gewonnen, dass die »Nucleoproteide aus den Organen
Leber, Milz und Thymus und aus dem Eiter, welche in gleicher
Weise dargestellt waren, und ähnliche chemische Eigenschaften
aufwiesen, sich zur Guajaktinctur verschieden verhielten;
während das Eiterproteid die Guajaktinctur
noch in sehr starker Verdünnung blau färbte.
Hessen die übrigen Organproteide dieselbe
auch in starker Concentration unverändert.
Die Eiterreaction wurde, soweit unsere Untersuchungen sich
erstreckten, nur von Leukocyten oder leukocytenreichem Gewebe,
wie dem Knochenmark, hervorgerufen. Die Leukocyten
dürften sich durch die Fähigkeit, die Guajak¬
tinctur blau zu färben, nicht nur von den
Organzellen der Milz, der Leber und der Nieren
unterscheiden, sondern auch von den Lympho¬
zyten, wie sie in der Thymus und in den Lymph-
d r ü s e n an gehäuft sind.
Es wäre für einige Fragen der Haematologie von Interesse,
wenn es sich durch weitere Beobachtungen bestätigen sollte, dass
die Guajakreaction es gestattet, die Zellen der Leukocytengruppe
von denen der Lymphocyten zu trennen, doch möchten wir her¬
vorheben, dass die bisherigen Untersuchungen zu einer sicheren
Entscheidung noch nicht genügten. Auch sei hier ein Einwand
hervorgehoben, der für die Erklärung der sämmtlichen oxyda¬
tiven Wirkungen durch thierisehe Gewebe oder durch die aus
deren Extracten dargestellten Nucleoproteide gilt, für die Zer¬
legung von H 2 0 2 ebenso wie für die Bläuung der Guajaktinctur
durch den Eiter. Es Hess sich nämlich denken, dass die oxydirende
Fähigkeit nicht eine Wirkung der Nucleoproteide war, sondern
dass sie einem fermentartigen Körper anhaftete, welcher durch
das Reinigungsverfahren von dem Nuclooproteid nicht getrennt
werden konnte. Wenn diese Auffassung auch mancherlei Gründe
gegen sich hatte, so müsste doch dieser Punkt noch durch weitere
Untersuchungen geklärt werden.
Durch ihre Eigenschaft, die Guajaktinctur blau zu färben,
Hess sich die Anwesenheit von Leukocyten in einigen Fällen
erkennen. So dürfte hierauf die Thatsaclie beruhen, dass der
Speichel mancher Menschen die Eigenschaft hat, Guajak zu
bläuen. Nach dem Spülen des Mundes und sofort nach dem
Essen pflegte die Reaction zu fehlen, und es lässt sich wahr¬
scheinlich machen, dass sie an den Speichelkörperchen haftete,
und nicht an Fäulnissproducten oder Bacterien. Dem leukocyten-
roichen Rachen- und Bronchialsecret eignete sie besonders stark,
dem Mucin und Fibrin fehlte sie. Durch Fäulnis« wurde mit
den Leukocyten auch die bläuende Substanz zerstört, so wurde
sie bei einem jauchigen Empyem vermisst.
Eine gewisse praktische Bedeutung hatte vielleicht die That-
sr.che, dass das B 1 u t b e i der Leukaemie, und zwar
schon in den kleinsten Mengen in den a u s -
13 > N e u ni n n n : 1. c.
No G
sprochenen Fällen, die Guajaktinctur blau
färbte.
Die Probe wird wohl am zweekmässigsten in der Form an¬
gestellt, dass 2—3 Tropfen Blut in etwas Wasser verdünnt und
durch ein kleines Filter filtrirt werden. Dasselbe wird einmal
mit Wasser gewaschen und darauf mit einigen Tropfen Guajak¬
tinctur betropft. Es färben sich darauf die mit Blut benetzten
Partien des Filters intensiv blau. In einem Falle von myelogener
Leukaemie färbten noch 0,04 ccm Blut das Guajakfilter tief blau.
Bei einem Falle von myelogener Leukaemie, der in V/ 2
Jahren tödtlich endete, wurden Stückchen aus den einzelnen
Organen in Schalen mit Guajaktinctur geworfen. Nach einigen
Minuten färbten sich die Blutgefässe bis in die feinsten Stämm-
chen tief blau, so dass sie wie mit einer blauen Masse injicirt
aussahen. Das übrige Organgewebe färbte sich nicht, nur das
rothe Knochenmark aus dem Oberschenkel bläute sich, während
Leber, Milz, die geschwollenen Lymphdrüsen, die Muskeln, der
Knorpel sich nicht veränderten.
Während das rein dargestellte Nucleoproteid aus Eiter noch
in sehr starker Verdünnung die Eigenschaft hatte, Guajaktinctur
blau zu färben, trat bei eiterhaltigem Urin erst bei einem be¬
trächtlicheren Eitergehalt, der etwa ’/, Prorn. Eiweiss entsprach,
Blaufärbung ein. Dieser Umstand erklärte sich daraus, dass der
Urin reducirende Substanzen enthält, welche
das Eintreten der Reaction verhindern. Wurde
das Nucleoproteid der Leukocyten in Wasser suspendirt und mit
Urin versetzt, so liess sich imschwer zeigen, dass dadurch einer¬
seits das Auftreten der Blaufärbung in schwächeren Lösungen
verhindert wurde; andererseits wurde der schon gebildete blaue
Farbstoff durch Hinzufügen von normalem Urin allmählich
zum Verschwinden gebracht.
Es empfahl sich daher für den Urin zum Nachweis geringer
Eiterbeimengungen das Verfahren, welches bei dem leukae-
misehen Blute angewendet wurde. Eine geringe Menge Urin,
je nach dem Eitergehalt 1 Tropfen bis 1 ccm wurde auf ein
kleines glattes Filter gegossen. Dasselbe wurde mit Wasser ge¬
waschen und mit einigen Tropfen Guajaktinctur betropft.
Es möge noch erwähnt werden, dass das bei verschiedenen
Krankheitszuständen reichHcher im Urin auftretende Nucleo-
albumin auf seine Fähigkeit die Guajaktinctur zu bläuen ge¬
prüft wurde.
Bekanntlich tritt bei manchen fieberhaften Krankheiten u ),
bei Hvterus und bei der Leukaemie ,s ) häufig im Urin ein Eiweiss¬
körper auf, der bei Zusatz von Essigsäure schon in der Kälte
ausfällt, und welcher neuerdings als Nucleoalbumin an-
gesprochen wird I0 ). Dieser Eiweisskörper hat eine gewisse prak¬
tische Bedeutung, weil er unter Umständen für Serumalbumin
oder -globulin gehalten werden kann und dann zu der irrthüm-
lichen Annahme einer Nierenentzündung verleitet. Es wurde
das aus dem Urin mit Essigsäure fällbare Eiweiss dargestellt bei
fieberhafter Phthise, bei Penumonie, bei Typhus, bei Masern, bei
Ikterus nach Cholelithiasis, und bei einem Falle von myelo¬
gener Leukaemie.
Das Nucleoalbumin verschiedener Herkunft, welches
durch wiederholtes Lösen in Ammoniakwasser und Fällen mit
Essigsäure gereinigt war, hatte in keinem Falle die
Eigenschaft, die Guajaktinctur blau zu fär-
b e n. Durch dieses Verhalten wurde es wahrscheinlich gemacht,
dass das Nucleoalbumin nicht einProduct vonLeuko-
c y t e n war, sondern von Organzellen, vielleicht, wie von man¬
cher Seite angenommen wird, von der Marksubstanz der Nieren
stammte.
Zum Schlüsse seien die wesentlichen Ergebnisse der Unter¬
suchungen in Kürze zusammengefasst:
1. Die Eiterreaction mit Guajaktinctur
verdient als bequemes Reagens auf Eiter im
Urin und verschiedenen Excreten eine wei¬
tere Ve rbreitung. Da der Urin reducirende S u b-
s t a n z e n e n t h ä 11, welche das Ei n t r c t e n der Blau»
u ) K. R e i s s n e r : Virehow's Arch. Bil. 24, 18(52
u ) Friedr. M ü 11 e r : Leber einen durch Essigsäure fällbaren
Eiweisskörper. Mittlieil. aus d. med. Klinik zu Wiirzburg, I, 1884.
lfi ) Vergl. bes. E. Obermayer: Ueber Nucleoalbuminaus-
scheidung im Harn. Centralbl. f. klin. Med. Bd. 13, 1892. Pich¬
ler und Vogt: Zur Lehre von der Nticleoalbuininurie. Centralbl.
f. Innere Med. 1894.
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18(5
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6,
färbung erschweren bezw. verhindern, em¬
pfiehlt es sieh in manchen Fällen, eine Urin-
probe abzufiltriren und die Eeaction auf dem
Filter anzustellen.
2. ln dergleichen Weise durch Abfiltriren
einiger Tropfen in Wasser gelösten Blutes,
lässt sich bei der Leukaemieauf demFiltei
eine blaue Färbung mitGuajaktincturlier-
v o r r u f e n.
3. Die Eigenschaft des Eiters, die Gua j ak¬
tin c t u r blau zu färben, beruht mit Wahr¬
scheinlichkeit auf der Wirkung von Nucleo-
p rot ei de n, welche noch in sehr starker Ver¬
dünnung wirksam sind. Die aus Leber, Milz
und Thy musin dergleichen Weise dargestell¬
ten Nucleoproteide bläuten Guajak nicht.
Aller Wahrscheinlichkeit nach kommt die
Ilcaction im Wesentlichen den Zellen der
Leukocytengruppe zu (Knochenmark), so dass
sie unter Umständen benutzt werden kann
zur Erkennung dieser, gegenüber gewissen
Organ zellen und den Zellen des adenoiden
Gewebes, den Lymphocy ten.
Aus dem Laboratorium der III. Kgl. medicinischen Klinik zu
Berlin.
Einige Bemerkungen über die basophilen Körnchen
in den rothen Blutscheiben.
Von Dr. Martin Cohn, Vol.-Assistenten der Klinik.
Im Jahre 1893 machte Askanazy’) von dem Vorkommen
eigenthümlicher Körnchen in den rothen Blutkörperchen bei rapid
verlaufenden Anaemien Mittheilung, welche bei Färbungen im
Gegensätze zu dem acidophilen Plasma der Blutscheiben eine
ausgesprochene Affinität zu basischen Farbstoffen aufwiesen!
Askanazy ist geneigt, in ihnen Producte des Kernzerfalls zu
sehen. 3 Jahre später berichtete Lazarus 2 ) über eine grössere
Zahl von Fällen perniciöser Anaemie, bei denen er diese Gebilde
gleichfalls nachweisen konnte.
ln neuerer Zeit ist die allgemeine Aufmerksamkeit durch
eine Veröffentlichung von A. Plehn 3 ) auf diese körnigen Ele¬
mente von Neuem gelenkt worden; genanntem Autor gelang es,
die basophilen Körnchen vielfach bei Malariaanaemien aufzu¬
finden, wesshalb er sie als Keime der Malariaplasmodien gedeutet
wissen wollte. Indess ist durch mehrfache Untersuchungen
(G r a w i t z ‘). Litten 6 )) der Nachweis geliefert worden, dass
diese „polychromatophilen Körnchen“ Plehn’s keineswegs etwas
der Malariaanaemie Eigenthümliehes darstellen, sondern dass sie
sich bei Anaemien verschiedenster Art und Aetiologie darstellen
lassen. So traf sie Litten bei 9 Fällen, von denen 4 zum
Krankheitsbilde der B i e r m e r’schen Anaemie gehörten, während
3 derselben posthaemorrhagisehe Anaemien und je eine eine
solche bei einem Carcinoin olme Blutungen und eine Chlorose
betrafen. Litten spricht sich übrigens dahin aus, dass nach
seinen Erfahrungen diesen Körnungen keinerlei diagnostische
noch prognostische Bedeutung beizumessen sei. Auch G r a w i t z
fand die in Frage stehenden Körnungen bei Fällen von perni¬
ciöser Anaemie, bei 2 Fällen von Leukaemie, sowie ferner bei
Anaemien, die carcinomatöse und septische Processe begleiteten.
Wenn ich meine eigenen Erfahrungen hier anschliessen darf, so
möchte ich bemerken, dass mir in 3 Fällen von progressiver per¬
niciöser Anaemie der Nachweis solcher gekörnter Erythrocyten
gelang, während ich sie in je einem Falle von myelogener Leu¬
kaemie und Anaemia splenica vergeblich suchte. j
Steht somit das mannigfache und sicherlich einer wesent¬
lichen diagnostischen Bedeutung ermangelnde Vorkommen der
basophilen Körnchen ausser Frage, so gehen doch bezüglich ihrer
Provenienz und Natur die Meinungen auseinander. G r a w i t z
deutet sie als Degenerationserscheinungen des Blutkörperchen¬
plasmas, wofür die Thatsache zu sprechen scheint, dass sie sich
vielfach in polychromatophil degenerirten Blutscheiben finden
sowie ferner, dass sie gerade bei solchen Erkrankungen vor-
*) Askanazy: Zeitsehr. f. klin. Med., Bd. 23.
u ) Lazarus: Deutsche med. Wochensehr. 1890, No. 23.
*) I* 1 e h n : Deutsche med. Woehensehr. 1899, No. 28.
*i G r a \v i t z : Deutsche med. Woeliensehr. 1899. Xu. 30.
b ) Litten: Deutsche med. Woeliensehr. 1899, No. 44. |
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kommen, die erfahrungsgemäss einen schädigenden Einfluss auf
die rothen Blutkörperchen ausüben. Litten und Lazarus")
hingegen sehen in den Körnchen Kernreste; gestützt wird ihre
Ansicht wesentlich durch Untersuchungen Engel’s 7 ), welcher
darthun konnte, dass im Blute von Mäuseembryonen in einem
bestimmten Entwicklungsstadium die Kerne mancher Erythro-
blasten nicht im Ganzen ausgestossen werden, sondern durch
Karyorrhcxis zu Grunde gehen, wodurch ähnliche Bilder im
mikroskopischen Bilde zu Stande kommen, wie man sie bei
Anaemien sehen kann, d. h. eine Erfüllung des Blutkörperchens
mit feinen, basophilen Körnchen.
Bei posthaemorrhagischen oder chronischen Anaemien, bei
denen „punctirte Erythrocyten“ (Lazarus) nachweisbar sind,
gelingt es nicht, nebenher kernhaltige, rothe Blutkörperchen oder
gar Uebergangsbilder, welche die Kernauflösung zeigen könnten,
aufzufinden; Litten glückte es dagegen, bei einem Falle von
perniciöser Anaemie, kurz ante exitum, kernhaltige, basophil
gekörnte rothe Blutkörper und neben diesen solche, deren Kern
deutliche Auffaserung und Zerfall in einzelne Kernbröckel
zeigte, naclizuweisen; auch im Knochenmark des betreffenden
Patienten fanden sich die gleichen Bildungen.
Die bislang erwähnten basophilen Granula sind wesentlich
verschieden von etwas grösseren derartigen Gebilden, welche
Schmauch') in den rothen Blutzellen der Katze fand. Die
letzteren („endoglobulären Körperchen”) kommen meist solitär vor
und ähneln in ihrem chemischen und tinctoriellen Verhalten den
Kerusubstauzeu, sie sind nach des gen. Autors Untersuchungen
mit grösster Wahrscheinlichkeit als Kernreste anzusprecheu.
Ausserdem aber beschreibt auch Schm auch punatirte
B 1 u t z e 11 e n , d. li. solche, die mit multiplen, basisch färbbaren
feinen Körnchen erfüllt sind. Dieselben fanden sich bei allen
stärker anaemisclieu Thiereu und konnten durch künstliche Auaerni-
siruug vermittels Pyrodininjection oder nach Behandlung mit Band-
wurmextract nachgewiesen werden. Bezüglich der letzteren Gebilde
ist Schmauch der Ansicht, dass es sich um degenerative Plasma-
processe im Sinne der E h r 1 i e h’schen „unaemischen Granula”
handele.
Es erschien naheliegend, der Frage nach dem Auftreten
dieser gekörnten Erythrocyten bei experimentell hervorgerufenen
Anaemien näher nachzuforschen. Ein gehäuftes Auftreten so
veränderter Blutscheiben in unmittelbarem Anschluss an
eine grössere Blutentziehung sprächen für die Anschauung Derer,
welche diese Granula vom Kern ableiten, insofern als das Kno¬
chenmark zu einer excessiven Thätigkeit angespornt werde und
alsdann auch unfertige Elemente, d. li. solche, deren Kern noch
nicht völlig eliminirt sei, in die Blutbahn eingeschwemmt
würden, wenngleich zu berücksichtigen wäre, dass gerade mit Be¬
zug auf liaematologische Untersuchungen die Ergebnisse des
Thierexperimentes sich nur mit gewissem Vorbehalt auf mensch¬
liche Verhältnisse übertragen lassen.
Zu vorgenanntem Zwecke habe ich an einer Anzahl von
Thieren (Kaninchen) grössere Blutentziehungen vorgenommen
und im Anschluss an dieselben alsdann die Veränderungen des
Blutbildes studirt. Es handelte sich um die Entziehung von ca.
einem Drittel des Gesammtblutes der betreffenden Thiere aus
einer freigelegten Carotis.
Sonach konnte ich bei Thieren mit vorher histologisch nor¬
mal befundenem Blutbild das Auftreten dieser Körnchen in auf¬
fallend vielen Blutscheiben beobachten (cfr. tigur , Z e i s s
Immers. 1 / 1V Oeular II). Indessen traten diese Körnchen n i c h t
unmittelbar nach der Blut¬
entnahme auf, sondern waren
erst am folgenden oder über¬
nächsten Tage zu constatiren;
weiterhin ergab sich die That¬
sache, dass diese punktirten
Erythrocyten durch Blutent¬
ziehungen nicht bei allen Thie¬
ren zu erzielen waren. Die
Körnchen lagen zum grösseren
Theile in polychromatophil ent¬
arteten Blutscheiben, zum klei¬
neren in solchen mit normal
färbbarem Protoplasma. Ausser¬
dem fanden sich oft polychromatophil degenerirte Blutkörperchen
ohne Einlagerung von Granulis. Die Körnchen waren bei Thieren,
•) Ehrlich und Lazarus: Die Anaemie. II. Bd., p. 114.
7 > Engel: Zeilsclir. f. klin. Med.. Bd. 38.
•) iS c b ui a u e h : VIrchow’s Archiv, Bd. 150.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
187
welche die Blutentnahme so lange überlebten, noch bis zum
7. Tage nach dem Eingriff aufzufinden.
Bezüglich der Frage nach der Natur der in Frage stehenden
Körnchen glaube ich nun, mich der Ansicht von G r a w i t z an-
schliessen zu dürfen, d. h. in ihnen partielle Plasmadegenera¬
tionen zu erblicken; dazu führte mich besonders die Erwägung,
dass die Körnchen erst einige Zeit nach der Blutentziehung in
die Erscheinung traten. Es ist bekannt und durch mehrfache
Untersuchungen erwiesen, dass ein grösserer Blutverlust eine
Hydra emie zu Wege bringt., die erst ein bis mehrere Tage nach
demselben ihren höchsten Grad erreicht.*) Ich nehme an, dass
das Auftreten der punctirten Blutscheiben in Beziehung zu dem
sich ausbildenden Grade der Hydraemie zu setzen ist; hiefiir
spricht auch der Umstand, dass die Körnchen auffällig häufig
in polychromatophil entarteten Blutscheiben liegen. In einigen
Fällen traten gekörnte Erythrocyten nicht auf; bei diesen
konnten dagegen Blutkörperchen angetroffen werden, welche die
höchsten Grade von Polychromatophilie aufwiesen, am Rande
aufgefasert erschienen und überdies die übrigen Blutscheiben
an Grösse übertrafen, was offenbar als Quellungserscheinung auf-
zufassen war; für diese Fälle bin ich geneigt anzunehmen, dass
in ihnen die chemische Veränderung des Blutserums eine beson¬
ders hochgradige war.
Auf die Verhältnisse beim menschlichen Blut lassen sich
diese Anschauungen insofern übertragen, als man bei allen An-
aemien, primärer oder secundärer Art (mit Ausnahme der Chlo¬
rose), eine hydraemische Veränderung des Blutserums nachweisen
kann 10 ), wenngleich dieselbe nie besonders hohe Grade erreicht.
Es erscheint mir dem zu Folge wahrscheinlich, dass die be¬
schriebenen punktförmigen basophilen Körnchen in den Blut¬
soheiben als Protoplasmadegenerationen aufzufassen sind, welche
in einer gewissen Abhängigkeit von der chemischen Alteration
dos Blutserums stehen, wie sie sich bei Anaemien stets nach¬
weisen lässt.
Vorläufige Mittheilung über eine neue 'Färbungs¬
methode zur Darstellung des feineren Baues der
Bacterien.*)
Von Dr. K. N a k a n i s h i, a. o. Professor der inneren Medicin
an der Universität Kyoto in Japan.
Im Archiv für Dermatologie und Syphilis, L. Band, 2. Heft
(misgegeben November 1899) beschreibt U h m a eine Methode,
welche N e i s s e r’sche Gonococcen im Eiter schnell und different
von anderen Bacterien färbt. Seine Methode ist folgende:
Die Objectträger werden mit einer */,—lproc. alkoholischen oder
ossigsauren Lösung von Neutralroth (Grübler) benetzt und ge¬
trocknet. Nach Bedarf nimmt man auf ein Deckgläschen ein
kleines Tröpfchen Eiter, legt es auf den so vorbereiteten Object-
träger, drückt an und untersucht sofort das Präparat. Es sollen
alsdann die Gonococcen fast die ersten Dinge sein, die in dem
mikroskopischen Bilde rot.h gefärbt erscheinen, so dass eine ge¬
wisse Differentialfärbung gegenüber ähnlichen Coccen, welche
>ich mit Methylenblau gut färben, vorhanden wäre. Ferner
färben sich die in manchen Zellen vorkommenden kugeligen
Elemente roth, die mit Neutralroth färbbaren Granulationen
der Leukocyten gelb.
Da ich mich seit längerer Zeit mit einem Färbeverfahren
beschäftige, welches mit dem oben beschriebenen insofern eine
Aehnlichkeit aufweist, als es sich dabei im Wesentlichen auch um
die Färbung auf dem Objectträger, der mit einer dünnen einge¬
trockneten Farbstoffschicht bedeckt ist, handelt, so sehe ich mich
durch die oben genannte Publication veranlasst, schon jetzt die
von mir befolgte Methode und deren Resultate kurz zu veröffent¬
lichen.
Mein Färbeverfahren, welches sowohl auf rein wissenschaft¬
lichem, als auch auf mehr praktischem Gebiete ausgedehnte An¬
wendung finden kann, ist folgendes: Die gut gereinigten Object-
träger werden mit einer in der Wärme gesättigten, wässerigen
*) F. A. Hoffmann: Lehrb. der Constltutionskrankh. 189?
10 ) Askanazy: Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 59, p. 38.“
*) Die erste Hälfte dieser Untersuchungen wurde schon iu
. lire 1S ®7 In der med. Klinik der Universität Tokio, die Übrigei
in den letzten 10 Monaten im hiesigen hygienischen Institut an
jestellt. Die ausführliche Mittheilung hierüber wird In nächste
Kurze erfolgen.
Difitized by
Gck igle
Lösung von Methylenblau angestrichen. Man träufele dabei zu¬
nächst frisch abfiltrirte Farblösung auf einen Objectträger, und
streiche mit Leinwandläppehen oder Filtrirpapier einigemale hin
und her, wische dann von der Farblösung, bevor dieselbe einge¬
trocknet ist, geschwind so viel ab, bis das Glas die gewünschte
himmelblatte Farbe bekommt.
Oder man kann auch so verfahren, dass man Objectträger mit
fast siedend heisser Methylenblaulösung bestreicht, und nach dem
Trocknen, welches momentan eintritt, mit einem trockenen Läpp¬
chen abwischt, bis die geeignete Farbnuance erzielt ist. Nun
werden die Präparate in der Weise hergestellt, dass kleine Tröpf¬
chen der zu untersuchenden Flüssigkeit auf Deckgläser gebracht
und die letzteren auf den gefärbten Objectträger gelegt werden.
In den Fällen aber, wo die Untersuchungsobjecte nicht flüssig,
sondern fest sind, wie z. B. Bacterienculturen auf festen Nähr¬
böden, müssen dieselben zuerst in irgend welchen flüssigen Medien
aufgeschwemmt werden. Selbstverständlich muss die Flüssigkeit,
w'elche zur Aufschwemmung dient, den Farbstoff rasch und gut
zu lösen vermögen.
Ich habe viele Anilinfarben durchprobirt und das Methylen¬
blau für diese Zwecke am meisten geeignet gefunden. Es löst
sich sehr leicht in Wasser, Blutplasma resp. -Serum, in thieri-
schen Gewebssäften, Exsudaten, Transsudaten, Secreten, Ex-
creten, Bouillon, in dem Condenswasser gebräuchlicher Nähr¬
böden etc. etc.
Unter verschiedenen Sorten von Methylenblau haben sich
einige als besonders geeignet für diese Zwecke erwiesen; ich
brauche gegenwärtig Methylenblau BB mit gutem Erfolg.
Die Hauptpunkte der Resultate meiner bisherigen Unter¬
suchungen sind folgende:
A) Blut und Blutparasiten der Frotozoenclasse.
1. Leukocyten. Die verschiedenen Formen von Leuko¬
cyten im frisch entnommenen Blute reagiren auf diese Färbung
sehr verschieden.
Solche polynucleären Leukocyten, bei welchen sich die Kerne
unmittelbar nach der Anfertigung des Präparates bereits intensiv
gefärbt zeigen, sind wohl als todte oder wenigstens im Absterben
begriffene Individuen aufzufassen. Die amoeboid beweglichen
Leukocyten nehmen nie Farbstoff auf, so lange ihre Bewegung
sichtbar ist. Bei den grösseren und kleineren mononucleären
runden Zellen ist die Färbung im Allgemeinen schwach; das
granulirte Protoplasma zeigt schwach blaue Farbe, während der
Kern blass, mehr homogen aussieht und kleine, runde, tiefer tin-
girte Kernkörperchen sichtbar werden. Beim Eiter, in welchem
die Mehrzahl der Leukocyten offenbar ihrer Lebensthätigkeit be¬
raubt ist, ist die Farbenreaction ganz anders.
Durch verschiedene Intensität und wechselnde Nuance der
Farbe, welche das Protoplasma und die Kerne zeigen, lassen sich
die Leukocyten in ihren verschiedenen Degenerationsstadien
eingehend studiren.
2. Erythrocyten. Erythrocyten, welche im ganz
frischen Präparate entweder diffusblaue Färbung oder blaue
Risse, Blitzfiguren, Pünktchen etc. zeigen, sind als pathologisch,
d. h. todte oder in irgend welcher Weise geschädigte, zu deuten.
3. Sämmtliche Varietäten von Malariaparasiten im
menschlichen Blute lassen sich in allen Entwickelungsstadien
immer gut färben. Dabei treten alle bis jetzt uns bekannten
feinen Details der Structur. in aussergewohnlicher Klarheit zu
Tage; nur gelang es mir nicht, Chromatinkörner im Laveran’-
schen Halbmonde deutlich zu färben, was Z i em a n n und Gau ¬
tier erreicht haben. Bei den intraglobulären, lebhaft beweg¬
lichen Parasiten tritt die Färbung erst dann ein, wenn die amoe-
boide Bewegung vollkommen aufgehört hat.
B) Bacterien.
4. Sämmtliche Bacterien nehmen den Farbstoff sehr rasch
und gut auf. So färben sich z. B. Tuberkelbacillen und
Leprabacillen, welche im fixirten Präparate schwer Farb¬
stoff auf nehmen, nach dieser Methode schon in einigen Secunden.
5. Die Färbung nach diesem Verfahren ist keine diffuse, wie
die bei den bisherigen Methoden, sondern eine fein differenzirte,
d. h. die einzelnen Bestandtheile der winzigen Organismen, sowie
die Ausscheidungsproducte derselben nehmen den Farbstoff in
verschiedenem Maasse auf, mit anderen Worten, sie reagiren ver¬
schieden stark. Die feinste Structur der Bacterien kann durch
diese Färbung deutlich sichtbar gemacht werden.
2 *
Ürigiral frem
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
188
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 6.
6. Die Aufnahme des Farbstoffes ist auch der Art und dem
Alter der Bacterien, der Beschaffenheit der Nährböden etc. nach
von verschiedenem Grade.
7. Die lebenden Bacterien verhalten sich dabei anders als die
todten. Wenn es bei gewissen Bacterien auch gelingt, ohne vor¬
herige Behandlung, Chromatinkörnchen (Kerne) deutlich hervor¬
treten zu lassen, so muss man doch bei der Mehrzahl der Bacterien
dieselben vorher abtödten. Dies geschieht am besten
durch Formalindämpfe.
Das Abtödten bietet hierbei noch einen Vortheil, nämlich
den, dass dadurch bei gewissen Bacterien die durch die Farb¬
lösung möglicher Weise hervorgerufene Plasmolyse ausgeschaltet
wird.
8. Alle Bacterien sind in ihrem jugendlichen Stadium, wenn
sie. imter günstigen Bedingungen gewachsen sind, e i n k e r n i g e,
kurze Z eilen.
9. Das Protoplasma der Bacterienzelle stellt die Haupt¬
masse der letzteren dar. Es sieht homogen aus, und hat geringe
Affinität zum Methylenblau (höchst wahrscheinlich auch zu an¬
deren Kernfarben) namentlich, wenn die Zolle jung ist. Wenn
die Zelle aber alt geworden ist, d. h. wenn sie aufgehört hat, sich
in normaler Weise zu theilen, so tritt eine Veränderung des Proto¬
plasmas in seiner Beschaffenheit auf, und zwar derart, dass mehr
chromophile Substanz erscheint, und dementsprechend das Proto¬
plasma intensiver gefärbt erscheint.
10. Der Kern der Bacterienzelle ist rund oder oval gestaltet
und verhältnissmässig klein. Er sitzt gewöhnlich in der Mitte
der Zelle. Durch meine Methode lässt er sich sehr gut färben.
Dabei zeigt er in der Regel nicht dieselbe blaue Nuance, wie das
Protoplasma, sondern ein mehr röthliches Blau, was bei Leuko-
eyten auch der Fall ist. Ferner besitzt der Kern gewisser Bac¬
terien, z. B. des Milzbrandbacillus, die Eigenschaft, bei der Ein¬
wirkung von gewissen Protoplasmagiften die Zelle zu verlassen.
Das kommt auch bei Leukoeyten vor. Unter von mir unter¬
suchten 16 Arten von Bacterien (Staphylococcus, Milzbrand¬
bacillus, Bacillus megatherium, Typhusbacillus, Colibacillus,
Prodigiosus, Rhinosklerombacillus, Pneumobacillus, Cholera¬
vibrio, Diphtheriebacillus, Leprabacillus, Tuberkelbacillus, Spir.
serpens, Spir. volutans und zwei von mir gefundene Bacterien-
arten) war diese röthliche Farbe bei Bac. variabilis lymphae vac-
cinalis') am meisten ausgesprochen.
11. Die Membran bildet bei der Bacterienzelle, wie mir
scheint, keinen absolut nothwendigen Bestandteil. Während
sie bei einigen Bacterienarten, wie z. B. Staphylococcus, Milz¬
brandbacillus, Bacillus megatherium mächtig entwickelt ist,
scheint sie bei den anderen, wie z. B. bei Bacillus variabilis
lymphae vaccinalis, nur ganz rudimentär entwickelt oder sogar
total zu fehlen, wenigstens bei jugendlichen Individuen.
12. Bis jetzt ist es mir noch nicht gelungen, Geissein zu
färben, selbst bei dem grossen Spir. serpens. Demnach schliesse
ich, dass die Geissein aus einer ganz besonderen Substanz zu¬
sammengesetzt sein müssen.
13. Beim künstlich gezüchteten Rhinosklerombacillus und
Pneumobacillus sieht man noch röthlichblau färbbare Schleim-
kapseln, die sich nach einiger Zeit auflösen und unsichtbar
werden. Bei Tuberkelbacillus und Streptothrix actinomyces aus
Culturen färbt sich der Schleim in feinsten Fäden.
14. Die Zelltheilung folgt bei den Bacterien genau wie
bei den höheren Thieren und Pflanzen immer der vorangehenden
Kerntheilung. Zuerst nimmt der Kern die Form einer Sanduhr
an, theilt sich dann in zwei Hälften, welche beide neue Kerne
darstellen und sich weiter theilen. Kurz darauf tritt die Thei-
lung des Protoplasmas ein, welche mit dem Erscheinen einer
Scheidewand beginnt und durch darauffolgende Abschnürung an
dieser Stelle oder durch einfache Abtrennung der Glieder vol¬
lendet wird. Solche Bilder sieht man genug bei allen Bacterien,
am schönsten aber bei Staphylococcus, Milzbrandbacillus, Bac.
megatherium und Rhinosklerombacillus. Es gibt Fälle, in denen
das Protoplasma wächst, ohne sich weiter zu theilen, während die
Kerntheilung normal vor sich geht; oder das Protoplasma ist
durch Scheidewände in mehrere Abschnitte getheilt, welche nicht
auseinandergehen, sondern eine Zeit lang fest Zusammenhängen.
Im ersten Falle bekommen wir mehrkernige Stäbchen,
im zweiten Falle Bacterienverbände. Die Mehrzahl von
*) üeber diese, von mir gefundene Bacterienart wird dem¬
nächst eine Publlcation lm Centralbl. f. Bact. erfolgen.
Digitizer! by Google
Staphyloeoccen ganz junger Culturen, ca. 90 Proc. derselben, zei¬
gen das Bild eines Diplococeus, als Ausdruck der raschen Zell¬
theilung.
15. Lebhaft bewegliche Choleravibrionen (auch andere beweg¬
liche Bacterien) können viel Farbstoff aufnehmen. Hier handelt
es sich aber wahrscheinlich nicht um Färbung im gewöhnlichen
Sinne, sondern die stärkere Farbstoff auf nähme ist bedingt durch
active Thätigkeit des lebenden Protoplasmas.
16. Die Spore ist nichts anderes als ein veränderter Bae-
tcrionkern; sie bleibt durch Färbung nach meiner Methode voll¬
kommen farblos. Der Kern wird grösser, verliert allmählich die
Eigenschaft, Farbstoff aufzunehmen, und wird Spore. Solche
Uebergänge habe ich beim Milzbrandbacillus beobachtet. Beim
Leprabacillus sieht man im Innern des gewachsenen Kerns oft
kleine, stark lichtbrechende Körnchen, welche dem Aussehen nach
den Sporen anderer Bacterienarten sehr ähnlich sind.
17. Das hier beschriebene Färbeverfahren eignet sich auch
zur Untersuchung von Transsudaten, Exsudaten, Secreten und
Excreten auf morphotische Elemente. Es ist z. B. auch anwend¬
bar für die Untersuchung des Harnsediments auf Cylinder, der
Faeces auf Ainoeben, des Trippereiters auf Gonococcen.
München, den 31. Januar 1900.
Ueber Skoliosis ischiadica.
Von Dr. K r e c k e in München.
Wenn sich zu einer Ischias eine seitliche Ausbiegung der
Wirbelsäule hinzugesellt, so sprechen wir von einer Skoliosis
ischiadica oder einer Ischias skoliotica. Der Name hat mehr¬
fach gewechselt. Gussenbauer, der das Verdienst hat, auf
das Symptomenbild im Jahre 1878 als Erster aufmerksam ge¬
macht zu haben *), bezeichnete dasselbe als Skoliosis neuropathica.
Später hat man, wohl vor allen Dingen auf K o c h e Ps Vorgang
hin, der auch schon im Jahre 1878 derartige Fälle gesehen hat,
den Namen Ischias skoliotica angenommen bis zum Jahre 1895,
wo Vulpius wieder auf die alte Gussenbauer’sche Be¬
zeichnung zurückgriff. Auch B ä h r sprach sich vor Kurzem im
Sinne V u 1 p i u s* aus, und es scheint in der That, dass der Name
Skoliosis ischiadica s. neuropathica das Wesen der Erkrankung
am besten bezeichnet. Denn es soll doch ausgedrückt werden,
dass es sich um eine Skoliosis auf Grund einer Ischias handelt,
und das besagt der Name Skoliosis ischiadica, während die andere
Bezeichnung doch leicht die gegenteilige Auffassung hervor-
rufen könnte.
Das Bild, das die ischiadische Skoliose bietet, kann ein
wechselndes sein. In den zuerst bekannt gewedenen Fällen
handelte es sich regelmässig um die sogenannte heterologe
Form: Verschiebung des Oberkörpers nach der gesunden Seite,
Convexität der Lenden- nud unteren Brustwirbelsäule nach der
kranken Seite.
Erst im Jahre 1890 machte Brissaud auf einen anderen
Typus, den homologen, aufmerksam: Neigung des Ober¬
körpers nach der kranken Seite, Convexität der Lenden- und
Brustwirbelsäule nach der gesunden. Remak schliesslich be¬
schrieb im Jahre 1891 einen Kranken, der im Stande war, durch
Auf stützen der Arme auf einen festen Gegenstand die eine Form
der Skoliose in die andere überzuführen: Skoliosis ischiadica
alternans. Und bei einem Kranken H i g i e Ps trat, dieser
Wechsel der Skoliose unwillkürlich ein: unwillkürlich
alternirende Form der Skoliosis ischiadica.
Für alle diese 4 Formen, die heterologe, die homologe, die
willkürlich und die unwillkürlich alternirende, sind im Laufe
der Jahre eine grosse Reihe von Beispielen beschrieben worden,
und die darüber vorliegende Literatur hat sich zu einer sehr
beträchtlichen angehäuft. Selbstverständlich war es von vorn¬
herein das Bestreben eines jeden Autors, eine zutreffende Er¬
klärung für das Zustandekommen der Skoliose zu geben.
So lange nur die heterologe Form bekannt war, erschien dies
Unternehmen verhältnissmässig einfach, und doch wurden auch
schon damals die widersprechendsten Meinungen geäussert. Als
nun aber der homologe und schliesslich auch noch der alter¬
nirende Typus bekannt wurde, gingen die Meinungen ganz aus-
9 Wie Fopp auf Grund seiner Literaturstudien mittlieilt,
hat V a n z e 11 i schon im Jahre 1860 auf das Vorkommen von
Rumpfverbiogung bei Isehiaskranken aufmerksam gemacht, und
im Jahre 1878 hat V a n z e 111 dem ihn besuchenden B i 11 r o t h
eine Kranke mit der In Rede stehenden Affection vorgestellt
Original frn-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6 . Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
189
einander, und man kann wohl sagen, dass jeder Autor seine be¬
sondere Erklärung des Krankheitsbildes gegeben hat, die sich
völlig mit keiner anderen deckt.
Es würde hier zu weit führen, auf alle diese verschiedenen
Erklärungen genauer einzugehen, denn eine einigermaassen ge¬
naue Wiedergabe der einzelnen Ansichten von etwa 20 Autoren
würde sicherlich mehrere Seiten füllen. Man kann aber ver¬
suchen, die verschiedenen Theorien unter gewissen Gruppen zu¬
sammenzufassen und die Hauptdinge derselben in kurzen Zügen
zu skizziren.
Wenn wir uns rein theoretisch das Zustandekommen einer
Skoliose bei Ischias zu erklären versuchen, so können wir das in
vierfacher Weise thun. Die erste und einfachste Möglichkeit
wäre die, dass der Patient in rein mechanischer Art diejenige
Stellung einnimmt, die ihm die durch die Ischias verursachten
Schmerzen so gut als möglich erträglich macht—E ntlastung.
Zweitens kann man sich vorstellen, dass es in dem Sacro lumbalis
der einen Seite in Folge der neuritischen Processe zu einer
Functionsuntüchtigkeit gekommen ist, dass in Folge
dessen der Sacrolumbalis der anderen Seite das Uebergewicht be¬
kommt und die Wirbelsäule in entsprechender Weise verbiegt.
Diese Functionsuntüchtigkeit kann sich drittens zu einer
richtigen Parese steigern, welche ein Umfallen des Rumpfes
nach der Seite bewirkt. Viertens kann sich, wiederum in Folge
der Neuritis, eine Contractur in dem einen Saero-lumbalis
ausbilden, die zu der Rumpfneigung Anlass gibt.
Auf einen dieser vier Gesichtspunkte — Entlastung, Func¬
tionsuntüchtigkeit, Contractur, Lähmung — kommt schliesslich
jede der einzelnen Theorien hinaus, wenn auch in den Einzel¬
heiten jeder Autor sich wieder von den anderen unterscheidet.
Da manche Autoren mit einer Erklärung für alle Arten der
Skoliose nicht auskommen, so haben sie nicht selten auf zwei
Theorien zurückgegriffen.
Die Annahme einer Entlastung und Entspannung
der schmerzhaften Stellen stammt von den ersten Autoren
(Albert, Charcot, Babinski, Brissaud) und ist bis
in die neueste Zeit hinein lebhaft vertheidigt worden (V alen-
tini, Schmitt, Bähr, Remak, Guse, Erben). Den all¬
gemeinsten Ausdruck gibt dieser Theorie Remak, der die Form
der Skoliose einfach von den mechanischen Bedingungen ab¬
hängig macht, unter welchen das kranke Glied von dem Körper¬
gewicht einigermaassen entlastet wird. Guse und Bähr
nehmen an, dass zur Entlastung zunächst eine Schiefstellung des
Beckens eintritt, und dass auf Grund der letzteren erst secundär
sich eine Skoliose ausbildet; die Skoliose ist somit als eine
statische aufzufassen. Die sorgfältigste Ausbildung hat der
Entlastungstheorie in einer vorzüglichen Arbeit Erben gegeben.
Er hat 63 selbst beobachtete Fälle genau analysirt und nachge¬
wiesen, dass die Vorgefundenen Variationen der Rückgratsver¬
krümmung im Zusammenhang stehen mit der verschiedenen
Localisation der Nervenerkrankung (der Schmerzhaftigkeit),
welche mit sich bedingt, dass in dem einen Falle dieser, in dem
anderen jener Körpertheil vor Druck geschützt wird. Als eben¬
falls für die Entlastungstheorie sprechend muss man wohl die
aus der Heidelberger medicinischen Klinik hervorgegangene
Arbeit E c k a r d t’s ansehen. E c k a r d t legt allerdings den
Hauptwerth auf den Nachweis, dass der Ischias und Skoliose
ein neuritiseher Process zu Grunde liegt, er hebt aber zugleich
hervor, dass die verschiedene Localisation des Processes die ver¬
schiedenen Arten der Skoliose dadurch bedingt, dass der Kranke
in der entsprechenden Stellung die grösste Erleichterung sucht.
Der Erste, der der mechanischen Auffassung der Skoliose
entgegentrat und dieselbe auf einen in den entsprechenden Mus¬
keln sich abspielenden neuritischen Process und dadurch bedingte
Functionsuntüchtigkeit derselben zurückführt, war
S c h ü d e 1. Ihm haben sich eine ganze Reihe der nachfolgenden
Autoren angeschlossen, so Gussenbauer, Sachs, Fisch er
und Schönwald, Masurke, Hiltbrunner. Auch die
von Nicoladoni angenommene intravertebrale Erkrankung
der Nervenstämme dürfte hier genannt werden können. Das
Gemeinsame der verschiedenen Autoren ist das, dass durch das
Weitergehen des neuritischen Processes Contracturen des Sacro¬
lumbalis der kranken Seite vermieden werden, und so der Muskel
der gesunden Seite das Uebergewicht bekommt.
Eine directe Lähmung des einen Sacro-lumbalis nehmen
Mann und Bregmann an. Mann war zu seiner Auffas¬
sung dadurch gelangt, dass er bei vielen Ischiadikern Paresen
No. 6.
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zumal in den Unterschenkelbeugen gefunden hatte. Eine solche
Parese glaubt er dann auch in dem Sacro-lumbalis voraussetzen
zu dürfen.
Die Contractur des einen Sacro-lumbalis wurde zuerst
von Brissaud als Ursache der von ihm zuerst beschriebenen
homologen Skoliose geltend gemacht, nachdem ihm das für die
heterologe Form angenommene Princip der Entlastung für die
homologe nicht angewandt werden zu können schien. Halbseitige
reflectorische Contractionen des Rückenmuskels nennt Vulpius
als wesentliche Ursache aller Formen der Skoliose. Fischer
und Schönwald, die die heterologe Skoliose im Wesentlichen
im Sinne der Muskelinsufficienz erklären, nehmen für die homo¬
loge Form ebenfalls eine Muskelcontractur an, allerdings nicht
nach dem Vorgänge B r i s s a u d’s, sondern eine Contractur, be¬
dingt durch eine Erkrankung der vorderen Aeste der Lumbal¬
nerven, des N. ileo-hypogastrious, ileo-inguinalis, genito-femo-
ralis und cutancusfemoris. Sie sagen, dass im Falle einer Erkran¬
kung dieser Nerven der Kranke das Bestreben hat, ihre distalen
Enden den proximalen zu nähern, dass er eine homologe Skoliose
annimmt.
Wie aus dieser kurzen Zusammenstellung hervorgeht, haben
einige Autoren, um die verschiedenen Formen der Skoliose zu
erklären, zu verschiedenen Erklärungsversuchen gegriffen, wie
Brissaud, Fischer und S c h ö n w a 1 d. So ist es natürlich,
dass manche Beobachter sich von keiner der angeführten Theo¬
rien recht befriedigt fühlen, so H i g i e r, Fopp, der allerdings
der Ann ahme von Contracturen zuneigt, und dass Andere einen
vermittelnden Standpunkt einnehmen, so G o r h a n.
Die grössten Schwierigkeiten hat der Deutung immer die
alternirende Skoliose bereitet. Von dieser Form sind bis¬
her nur verhältnissmässig wenig Fälle beschrieben worden;
selbst Erben, der über ein so grosses Material verfügt, hat sic
nur einmal gesehen. Ausser der Erbe n’sehen Beobachtung
sind mir die Fälle von Remak, Higier, Fischer und
Schönwald, Vulpius, Mayer, Eckardt, Fopp be¬
kannt geworden, zwei Fälle von F o r n a c a (Arch. ital. di clin.
XXXV, ref. V irchow-Hirsch) konnte ich leider im Original
nicht einsehen.
Im vergangenen Winter hatte ich selbst Gelegenheit, einen
Fall von alternirender Skoliose zu beobachten, dessen Kranken¬
geschichte ich im Folgenden mittheile.
L. G., 33 Jahre, Taglöhner von München.
Patient wurde im Mai 1898 bei der Arbeit stark durchnässt
und spürte schon am nächsten Tage ziemlich heftiges linksseitiges
Kreuzweh. Die Schmerzen wurden nach einigen Tagen so stark,
dass er die Arbeit auf geben musste. Ende Juli traten auch
Schmerzen im linken Bein auf, vornehmlich in der linken Wade.
Trotz mehrfacher Behandlung, auch im Krankenhause, keine
Besserung. Die Schmerzen sind zumal beim Gehen sehr stark,
so dass Patient sich ganz krumm halten muss. Bel Rückenlage
im Bett fühlt sich der Patient am behaglichsten.
Auf genaueres Befragen gibt Patient an, dass er bis Ende
1898 beim Gehen immer den Körper nach rechts gekrümmt hielt.
Seit dieser Zeit war es ihm möglich, auch eine nach links geneigte
Haltung einzunehmen. Er musste sich zu diesem Zwecke mit
den Händen an irgend einem Gegenstände anhalten und konnte
dann unter massigen Schmerzen den Oberkörper nach links
hinüber schieben. Durch den Stellungswechsel empfand er immer
wesentliche Erleichterung, und er vollführte denselben bis zu
20 mal im Tage. Mit der Zeit lernte er auch den Stellungswechsel
vorzunehmeu, ohne dass er sich mit den Händen an einem Gegen¬
stände anhielt.
In der rechten Hüfte und im rechten Bein hatte Patient nie
über Schmerzen zu klagen.
Status praesens vom 15. IV. 1899. Patient ist ein mittel¬
grosser, ziemlich gut genährter Mann von kräftiger Museulatm
und normaler Hautfarbe.
Bei aufrechter Stellung (s. Fig. 1) erscheint die rechte Schulter
stark nach rechts hinüber geneigt, und etwas höher stehend wie
die linke. Die Leudemvirbelsüule und der untere Theil der Brust¬
wirbelsäule zeigt eine ziemlich starke Krümmung mit der Con-
cavität nach der rechten Seite. Der obere Theil der Brustwirbel¬
säule verläuft ziemlich senkrecht. Fällt man von der Vertebra
prominens ein Lotli nach abwärts, so erreicht dasselbe den Boden
1 cm nach aussen vom rechten Malleolus externus. Von der
Analspalte ist dieses Lotli 7 cm entfernt. Die Entfernung vom
rechten Rippenbogen zura Darmbeinkamm beträgt rechts 6, links
8 cm. Die rechte Spina anterior superior steht um 2 cm höher
wie die linke. Der rechte Sacrolumbalis erscheint etwas dick¬
bauchiger wie der linke, in seiner Consistenz aber nicht verändert,
während der linke fest contrahirt ist und sich hart anfühlt. Der
linke M. obliquus externus fühlt sich fester an als der rechte.
Das linke Hüftgelenk erscheint ganz leicht gebeugt, ebenso das
linke Kniegelenk; die Körperlast ruht auf dem rechten Bein,
die linke Ferse ist etwas erhoben.
3
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
190
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. e
Die linke untere Extremität erweist sieb um 1 cm dünner als
die rechte. Die rohe Kraft der Muskeln ist beiderseits ziemlich
gleich.
Die Sensibilität am ganzen Körper, besonders am linken
Bein völlig unversehrt, Patellarsehnenreflex beiderseits gleich
stark, von gewöhnlicher Intensität. Bauchdecken-, Cremaster-
reflex normal. Kein Fussphänomen.
Der Druck auf die Austritttsstelle des linken Ischiadieus ist
ziemlich empfindlich; sonstige Druckpunkte fehlen.
Bewegungen im Hüftgelenk sind völlig frei. Bei stärkerer
Abduction klagt Patient über Schmerzen an der Austrittsstelle
des linken Ischiadieus.
Fig. 1. Fig 2
Legt man den Patienten auf den Bauch, so ist von der Ver¬
biegung der Wirbelsäule nichts mehr zu sehen. Auch beim Sitzen
gleicht sich die Skoliose völlig aus.
Bei der länger dauernden Beobachtung fällt nun auf, dass
Patient mit der schiefen Körperhaltung wechselt. Dabei ver¬
fährt er folgendermaassen: Er schiebt den oberen Tlieil der
Wirbelsäule nach links hinüber, wobei, nachdem eine Mittel¬
stellung überschritten ist, die Lenden- und untere Brustwirbel¬
säule mit einem Ruck eine liuksconcave Biegung annehmen. Ist
der Oberkörper zur Ruhe gekommen, so stützt sich Patient auf
das linke Bein, beugt ein wenig das rechte Hüft- und Kniegelenk
und hebt die rechte Ferse.
Die jetzt eingenommene Stellung (s. Fig. 2) ist im Grossen
und Ganzen das Spiegelbild der oben beschriebenen.
Die linke Schulter tritt stark nach links heraus, erscheint
allerdings etwas niedriger wie die rechte. Die Lenden- und untere
Brustwirbelsäule beschreibt eine liuksconcave Krümmung; das
von der Vertebra prominens gefällte Lotli geht durch den linken
Malleolus externus und bleibt 4 cm nach links von der Aualfurche.
Der linke Arm hängt senkrecht herunter, während der rechte
etwas abducirt erscheint. Das linke Bein ist in allen Gelenken ge¬
streckt; Patient stützt sich nur auf dieses, das rechte ist im
Hüft- und Kniegelenk leicht gebeugt. Die rechte Spina stellt um
1 cm tiefer wie die linke. Der rechte M. sacrolumbalis und
obliquus externus fühlen sich fester contrahirt an, im Gegensatz
zu den entsprechenden Muskeln der linken Seite, welche ganz
schlaff sind.
Patient vermag sowohl aus der links- wie aus der rechts-
concaven Stellung den Rumpf nach vorwärts zu beugen. Er klagt
bei dieser Bewegung über Schmerzen au der mehrfach genannten
Stelle. Linksseitwärtsbeugung des Rumpfes kann nur bei links-
eoncaver Stellung ausgeführt werden unter lebhafter Contraction
des rechten Sacrolumbalis; Schmerzen treten bei dieser Bewegung
nicht auf. Andererseits kann Rechtsseitwärtsbeugung des
Rumpfes nur bei rechtsconcaver Stellung unter Contraction des
linken Sacrolumbalis ausgeführt werden. Dabei klagt Patient
über heftige Schmerzen an der genannten Stelle. Rückwärts¬
biegung des Rumpfes ist aus beiden Stellungen nahezu un¬
möglich.
Beim Stützen auf ein Bein und Erheben des anderen vermag
Patient sowohl rechts wie links das Becken recht gut zu halten:
beim Stützen auf den linken Fuss und Emporheben des rechten
Beines klagt er über sehr schmerzhafte Empfindungen am
Fora men ischiadicum sinistrum.
Während der Untersuchung wechselt Patient wiederholt die
beiden beschriebenen Stellungen. Sobald ihm die eine unbequem
ist, geht er in die andere über, weil es ihm daun für eine Zeit be¬
haglicher ist. Im Verlaufe von 3 Minuten wechselt die Stellung
6 mal. Der Grad der Skoliose ist ein sehr wechselnder, beim
Gehen nimmt er immer zu. Manchmal zeigt es sich, dass die
Wirbelsäule fast ganz gerade steht, und nur der linke Erector
trunei stark contrahirt ist. Linkes Hüft- und Kniegelenk sind
dabei leicht gebeugt, linke Beckenhälfte gesenkt: leichtester Grad
der heterologen Skoliose. Fordert mau jetzt den Kranken auf,
die Stellung zu ändern, so tritt unter den oben beschriebenen Er¬
scheinungen homologe Skoliose auf.
Es ist natürlich nicht angängig, auf Grund einer einzelnen
Beobachtung weitgehende Schlüsse zu machen, immerhin dürfte
der mitgetheilte Fall doch zu einzelnen Bemerkungen Ver¬
anlassung geben und als weiteres Beispiel der seltenen Skoliosis
isehiadica alternans von einiger Bedeutung sein.
Wenn wir uns noch einmal die Hauptpunkte des Krankheits¬
bildes vergegenwärtigen, so handelt es sich um Folgendes: Ein
34jähr. Arbeiter erkrankt in Folge einer starken Durchnüssung
an einer typischen linksseitigen Ischias. Im Verlaufe der¬
selben stellt sich allmählich eine Verbiegung des Oberkörpers
nach der rechten Seite ein, mit der Zeit lernt Patient seinen
Körper auch nach der linken Seite verbiegen. Die Untersuchung
ergibt einen schmerzhaften Druckpunkt am Foramen ischiadi¬
cum sinistrum und eine stets wechselnde Verbiegung der Lenden-
und Brustwirbelsäule. Entweder Concavität nach rechts, Con-
tractur des linken Sacro-lumbalis, Beckensenkung links —
heterologe Skoliose. Oder Concavität nach links, Contractur des
rechten Sacro-lumbalis, Beckensenkung rechts — homologe Sko¬
liose. Beim Sitzen und Liegen gleicht sich die Skoliose aus.
Wie haben wir uns die Verbiegung zu erklären?
Dass es sich weder um Functionsuntüchtigkeit,
noch um L ä h m ung dos einen Sacro-lumbalis handeln konnte,
ergibt sich aus dem Angeführten ohne Weiteres. Die Seitwärts¬
biegung konnte nach rechts sowohl, wie nach links in durchaus
kräftiger Weise vorgenommen werden, und es erfolgte daher eine
kräftige Contraction des entsprechenden Sacro-lumbalis. Aller¬
dings war dabei auffallend, dass Patient aus der Neigung nach
links nicht ohne Weiteres eine Seitwärtsbeugung nach rechts
vornehmen konnte, und ebenso wenig umgekehrt. Er musste
dazu erst diesen eigenthümliclien Schiebeprocess durchmachen,
durch den die Skoliose in ihr Gegentheil verkehrt wurde, und
zu dem wahrscheinlich complicirtere Muskelcontractionen noth-
wendig waren (Fixation des Beckens durch die Beckenfemur¬
muskeln). Dass die Verbiegung der Wirbelsäule hierbei das Pri¬
märe war, und dass erst dann die Senkung des Beckens auf die
andere Seite erfolgte, war vollkommen deutlich sichtbar. Es ist
also auch nicht angängig, die Skoliose durch eine Beckensenkung
zu erklären, indem man sie als eine statische auffasst.
Der Schreiber dieser Zeilen möchte die Gelegenheit nicht
vorüber gehen lassen, ohne mit ein paar Worten auf die höchst
bemerkenswerthen Studien einzugehen, welche Erben bezüglich
der Function des M. sacro-lumbalis angestellt hat.
Erben wies nämlich nach, wovon sich Jeder leicht überzeugen
kann, dass die Seitwärtsneigung des Stammes nach rechts von
von den linken Rumpfmuskeln und die nach links von den rechts¬
seitigen erhalten wird, also von dem Antagonisten zu der ent¬
sprechenden Bewegung. Darum war in unserem Falle bei der
Neigung nach links der rechte Sacro-lumbalis, und bei derjenigen
nach rechts der linke Sacro-lumbalis contrahirt zu fühlen. Dies
von Erben gefundene Gesetz, das, so einfach es ist und so offen¬
kundig es zu Tage liegt, doch vollkommen neu erscheint, wirft in
der Tliat, wie Erben sehr richtig ausführt, alle die Theorien,
welche bei der heterologen Skoliose in einer Insufficienz des
Sacro-lumbalis der kranken Seite die Ursache der Skoliose sehen,
über den Haufen.
Auch eine Contractur des einen Sacro-lumbalis lässt
sich bei unserem Patienten, der ja mit Leichtigkeit eine der ver¬
meintlichen Contracturstellung entgegengesetzte einnehmen
konnte, mit Sicherheit ausschliesen. Dass die Contractur über¬
haupt nicht als die Ursache der Skoliose angesehen werden darf,
hat Erben für seine sämmtliclien Fälle dadurch nachgewiesen,
dass er bei jedem Kranken durch Lage- oder Stellungsänderung
des Rumpfes den harten Muskel schlaff machen konnte.
Wenn so Muskelinsufficienz, Lähmung, Contractur nicht im
Stande sind, die Skoliose in unserem Falle zu erklären, so bleibt
nur noch die vierte Möglichkeit, die Entlastung der schmerz¬
haften Theile zu ihrem Verständniss heranzuziehen. Erben
hat uns hier den Weg gezeigt, wie man in jedem Falle von Skoli¬
osis isehiadica durch eine sorgfältige Abwägung der Symptome
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Original frorri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
(>. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
191
das Zustandekommen der Rückgratsverkrümmung sich klar
machen kann. Bei unserem Kranken liegt ja die Sache verhält-
nissmassig einfach, da er nur einen Druck- und Schmerzpunkt
aii der Austrittsstelle des linken Ischiadicus hat. Um diesen
vom Druck möglichst zu entlasten, neigt er den Rumpf nach
rechts und senkt das Becken auf der kranken Seite. Ganz
schmerzfrei bleibt er aber dadurch nicht. Um den Stamm nach
rechts geneigt zu halten, muss er eine andauernde kräftige Con-
traction des linken Sacro-lumbalis ausführen. Durch diese
starke Muskelcontraction werden die hinten an der Lende aus¬
tretenden Hautnerven dauernd gedrückt, nach einiger Zeit wird
dem Kranken der Druck zu stark, und durch Verkrümmung der
Wirbelsäule in die homologe Form wird der linke Sacro-lumbalis
schlaff und der Druck auf die Nerven hört auf. Dafür stellt sich
dann wieder der Schmerz am Fora men ischiadieum ein, und so
wiederholt sich dasselbe Spiel immer von Neuem.
Wie das Bild der homologen bezw. lieterologen Skoliose ein
sehr wechselndes ist, und jeder Fall für sich auf seine Pathologie
geprüft werden muss, so ergeben sich auch bei Betrachtung der
9 bekannt gewordenen Fälle von alternirendcr Skoliose eine ganze
Reihe von Verschiedenheiten.
Während in den meisten Fällen, wie auch in dem unserigen,
»'ine. einseitige Ischias bestand, handelte es sich bei den
Kranken von Fischer-Schönwald, V ulpius und Fopp
um eine doppelseitige Affeetion der Ilüftnerven. Es ist klar,
dass diese Fälle bei der Analyse ganz anders beurtheilt werden
müssen.
Der Vorgang der Umkrümmung selbst zeigt auch ein
wechselndes Bild. Bei dem Kranken von 11 i g i e r trat der Stel¬
lungswechsel unwillkürlich ein, in derselben Weise scheint auch
d(*r Hergang bei Eckardt’s Patienten stattgefunden zu haben.
Die Patienten von Remak, Mayer, Fopp, ebenso auch, wie
es scheint, der von V ulpius, konnten die andere Form der
Skoliose nur dann einnehmen, wenn sie die Hände irgendwo auf¬
stützen ; der Kranke von Erben konnte sein Kunststück nur im
Sitzen machen; unser Patient schliesslich konnte jederzeit im
Stehen willkürlich den Stellungswechsel vornehmen, nachdem
er allerdings in einer früheren Periode seiner Ischias sich auch
mit den Händen hatte auf stützen müssen. Bei E c k a r d t er¬
folgte die Umkehrung langsam und ohne Schmerzen, bei V u 1 -
pius, Mayer, Fopp und unserem Patienten war ein deut¬
licher Ruck bemerkbar.
Die Beckenstellung wechselte bei unserem Kranken
mit der Skoliose, ebenso war das Verhältniss bei dem von Fopp
beschriebenen Falle. Bei V ulpius standen beide Spinae gleich
hoch und bei Erben blieb die linksseitige Beckenneigung auch
bei der anderen Skoliose bestehen.
Fopp konnte bei seinem Kranken ausser der lieterologen
und homologen Stellung noch eine dritte Haltung beobachten,
wobei eine V erkrüm in u n g in a utero- p o s t e riorer
Richtung in der Weise auftrat, dass an Stellt' der physio¬
logischen Lendenlordose eine Kyphose und an Stelle der normalen
Dorsalkyphose eine Lordose trat. F. glaubt annehmen zu müssen,
dass dieses Verhalten das primäre gewesen sei.
Man sieht schon aus diesen kurzen Andeutungen, wie schwer
cs ist,, selbst in die wenigen Fälle von alternirendcr Skoliose ein
System zu bringen. Wir können dabei nur wiederholt darauf hin-
weisen, jede einzelne Beobachtung auf dem von Erben ange¬
gebenen Wege nach allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten
zu analysiren. Nur so kann es gelingen, für jeden einzelnen Fall
von Skoliosis ischiadica eine befriedigende Erklärung zu geben.
Hei solchem Verfahren ist es aber kein Zweifel, dass man jeden
Skoliosenfall auf eine grosse gemeinsame Ursache, auf die Ent¬
lastung bestimmter Theile von Druck, zurück¬
führen kann.
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Fopp: Zeitsclir. f. orthopäd. Chir. 1899, Bd. 6, Heft 3 u. 4.
Zwei Fälle von Beri-Beri (Panneuritis endemica Balz)
an Bord eines deutschen Dampfers.*)
Von Dr. P. Schmidt.
Fälle von Beri-Beri (japanisch Kakke) auf Schiffen der ost-
asiatisehen Dampferlinien gehören nicht zu den Seltenheiten.
Bisher ist die Krankheit mit einzelnen Ausnahmen immer nur
unter der chinesischen Besatzung, den Heizern aufgetreten. Wenn
man weiss, wie schwer i*s den arbeitsamen und fleissigen Chinesen
ankommt, die Arbeit einzustellen und sich krank zu melden, und
wie viele Fälle rudimentär mit nur geringfügigen Symptomen
verlaufen, so ist man geneigt, eine viel grössere Häufigkeit der
Beri-Beri anzunehmen, als sie bisher statistisch festgestellt ist.
Zudem ist das Krankheitsbild so mannigfaltig und im Allge¬
meinen so wenig bekannt, dass viele Fälle unter anderer Diagnose
in das statistische Material eingereiht sein mögen. Niemals
ist die Krankheit bisher in einem einzigen Falle, sondern immer
nur in kleinen Epidemien auf den Schiffen beobachtet worden,
oft bei besonderen Gelegenheiten, z. B. stürmischen, kalten
Winterreisen. Wie dieses zeitweilige epidemische Auftreten auf¬
zufassen sein dürfte, wird später erörtert werden. Hier sollen
vorerst einmal die Krankengeschichten unserer beiden Fälle
folgen. Wenn dieselben wichtige, zur Vollständigkeit des Krank¬
heitsbildes nothwendige Angaben vermissen lassen, so liegt das
einerseits an der Schwierigkeit der Unterredung mit den nur
ein klägliches pigeon-Englisch sprechenden Chinesen und anderer¬
seits an der mangelhaften Ausrüstung der Schiffe mit Unter¬
suchungsmaterialien. Die Schiffe unserer Handelsflotte dienen
naturgemäss nur materiellen Interessen und sind selbstverständ¬
lich nicht über das Maass der polizeilichen Vorschriften medi-
cinisch ausgerüstet. Eine Stätte für wissenschaftliche Unter¬
suchungen werden sie nie sein sollen und nie sein können.
I. Fall. lml. Fall handelt es sich um einen 22 jährig, schlecht
genährten Mann von gracilern Knochenbau und schmalem, flachem
Thorax.
Aus Kowloun, einem niedrig nahe dem Wasser gelegenen Ort
gegenüber Hongkong gebürtig, wurde er in Hongkong als Heizer
für das Schiff angeumstert und bot damals keinerlei Krankheits-
orschoinnngcn dar. Wie ich nachträglich ermitteln konnte, hat er
etwa 2 Wochen vorher an Geschwulst der Fiisse gelitten, wessh&lb
er von seinem letzten Dampfer als arbeitsunfähig entlassen worden
war. Bis etwa nach Pcnang hatte er während unserer Reise seine
Arbeit wie jeder Andere verrichtet, als er mir bei Eintritt des
kühleren Südwestmonsums Anfang October im Golf von Ben
galen vorgeführt wurde, da er nicht mehr wie sonst arbeiten
könne. Die äussere Betrachtung des Mannes ergab nichts
weiter als ein geringfügiges Oedem des Fussrückens und der
Malleolargegend. Der Gang war, ohne noch besonders charak¬
teristisch zu sein, langsam schleichend und machte den Eindruck
grosser Mattigkeit. Die inneren Organe erwiesen sieh als normal
bis auf das Herz, dessen Act Ion vermehrt und dessen zweiter Ton
in ein leises blasendes Geräusch timgewandelt war. Aceentuation
des 2. Pulmonaltons und Verbreiterung der Herzdämpfung Hessen
sich nicht nachweisen. Milz und Leber zeigten normale Grenzen.
Die Reflexe waren bis auf den vollständig fehlenden Patellarreflex
intact. Das Tastgefühl war beiderseits an der Innenfläche der
Füsse herabgesetzt. Temperatursinn, Ortssinn, Schmerzgefühl
boten nichts Besonderes. Die rohe Kraft der unteren Extremitäten
war vermindert.
Es soll noch ausdrücklich hervorgehoben werden, das weder
Ataxie, noch R o m b e r g’solies Pliäuomen, noch Erscheinungen
von Seiten der Pupillen constatirt werden konnten. Der Urin ent¬
hielt weder Eiweiss noch Zucker. Im Uebrigen klagte der Patient
über Müdigkeit und Schwere in den Beinen und über eine starke
*) Auf demselben Schiffe herrschte bereits im vorigen Winter
eine Beri-Beri-Epidemie. die von Dr. W. S p 1 i e d t Im Arch. f.
Schiffs- u. Tropenhygienc Bd. III, Heft 4, Aug. 1899 beschrieben
worden ist.
3*
Original ftom
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
192
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Schmerzhaftgkeit der Waden auf Druck. Seit einigen Tagen litt
er an Appetitlosigkeit und hartnäckiger Verstopfung.
Bei diesen Erscheinungen konnte die Diagnose Beri-Beri
keinem Zweifel mehr unterliegen. Die Krankheitssymptome ver¬
schlimmerten sich rasch, und eine Woche später war der typische
Beri-Bcri-Gang ausgebildet: breitspurig, die Fussspitzen nach
aussen gerichtet, bewegt sich der Kranke mühsam vorwärts, an
den Füssen wie an einer schweren Last ziehend und von einer
Seite auf die andere fallend.
Man hat den Eindruck, als ob dem Kranken bei der grössten
Mattigkeit die Fiisse an dem Boden haften blieben. Atactisch
war der Gang nicht. Gleichzeitig vervollständigten schmerzhafte
I’alpitationen das Krankheitsbild. Diese schwanden jedoch mit-
sammt dem Oedem der Fiisse vollständig. Leider bildete sich
kurz darauf eine Parese der Beine und Arme mit Paraesthesien
in den Fingerspitzen aus. Dieser Zustand dauerte unverändert an,
bis wir in den nördlichen Theil des rotheu Meeres kamen, wo uns
nach vorausgegangener immenser Hitze ein kalter Nordwind über¬
raschte. Da trat plötzlich, vielleicht unter dem Einflüsse des
schroffen Temperaturwechsels, am 23. X. unter Athemnoth, hoch¬
gradigen’ Cyanose und rapidem Kräfteverfall eine Herzinsuffizienz
ein, der objectiv eine Dilatatio cordis entsprach. Tags darauf er¬
folgte der Exitus letalis, nachdem einige Stunden vorher die
Sprache bereits aphonisch und die Athmung irregulär geworden
war. Mit der Vagusliihmuug mochte eine gleichzeitige Lähmung
dos Phrenious und der Zweige für den Kehlkopf eingetreten sein.
Eine Section wurde leider durch die Umstände vereitelt.
II. Fall. Der 2. Fall betrifft einen 20jährigen kräftig ge¬
bauten und gut genährten Mann, der bisher immer gesund gewesen
sein will. Derselbe hat, bevor er in Hamburg für dieses Schiff an-
gcmustert wurde, im Mai eine Reise nach Amerika gemacht auf
einem Dampfer, auf welchem Beri-Beri herrschte. Diese Reise
war. wie ich höre, vom Wetter begünstigt gewesen. Kurz vor An¬
kunft in Singapore den 20. Juli kam er zum ersten Male in meine
Behandlung wegen ziemlich beträchtlichen Oedems der Füsse.
Ausser dieser Geschwulst war objectiv und subjectiv nichts Auf¬
fälliges zu constatiren. Er wurde 2 Tage der Arbeit enthoben,
während welcher das Oedem durch Hochlagerung der Füsse und
Gompressionsverband vollständig zurückging. Auf der ferneren
Reise nach Japan und zurück erfreute er sich der besten Gesund¬
heit, bis er auf der Heimreise bei Penang Anfangs October etwa
zu gleicher Zeit wie der Andere auf’s Neue an Oedem der Füsse
erkrankte. Diesmal aber war dasselbe complieirt mit subjeetiven
Beschwerden, mit Schmerzen in den Waden und dem Gefühl von
Schwere und Mattigkeit in den Beinen. I ch konnte leichte
Sensibilitätsstörungen an der Innenfläche der Füsse und eine Ver¬
minderung der rohen Kraft der Beine feststellen. Nach wenigen
Tagen gesellten sich Erscheinungen von Seiten des Herzens hinzu;
percutorisch war eine ausgesprochene Verbreiterung der Herz¬
dämpfung nach rechts, links und oben, und auscultatorisch ein
lautes blasendes Geräusch über dem ganzen Herzen, besonders
deutlich oberhalb der Spitze, an Stelle des II. Tons, zu constatiren.
Dasselbe setzte sich bis in die Carotiden mit gleicher Deutlichkeit
fort. Das Befinden war dabei verhältnissmässig gut. der Appetit
andauernd vorzüglich. Gleichzeitig konnte eine deutliche Schwel¬
lung der Leber und eine Vergrösserung der Milz percutorisch
festgestellt werden. Was hier noch besonders hervorgehoben
werden soll. ist. dass die ersten Krankheitserscheinungen, die
Schwellung der Füsse mit einem Luftröhrenkatarrh einhergingen,
der im Laufe einer Woche wieder verschwand. Der Gang war im
Beginn der Krankheit vollkommen ungestört und gestaltete sich
erst ganz allmählich zu einem typischen, der sich bis zur Stunde
unverändert erhalten hat. Auch breitspurig und schwerfällig, wie
bei dem Anderen, ist er hier kraftvoller und durch ausgiebigere
Bewegungen ausgezeichnet. Während die Fussspitzen weit nach
aussen gesetzt werden, knickt der Körper auf dieser Seite in den
Hüften (»in. so dass er beim Gehen wie ein umgekehrtes Perpen¬
dikel von einer Seite auf die andere schwankt. Auch hier hat man
den Eindruck, als ob die Füsse gewaltsam vom Boden abgezogen
werden müssten. Beim Stehen mit geschlossenen Augen geräth
der Kör]»er. auch wenn das Schilt vollständig still liegt, Anfangs
leicht in’s Wanken. Filter dem Einflüsse der Hitze des rothen
Meeres wurden auch die Unterschenkel und das Gesicht in der
Umgebung der Augen oedematös. Kurz vor Gibraltar, nach einer
herrlichen Fahrt bei lauem Siidwest durch das Mittelmeer, war
davon bis auf eine ganz unbedeutende Schwellung des Fussnickens
nichts mehr zu sehen: das Herzgeräusch war vollkommen ge¬
schwunden. die 'Verbreiterung der Dämpfung aber noch vorhanden.
Der offenbar mittlerweile eingetreteneiiHerzhypertrophie entsprach
jetzt ein besser gespannter und gefüllter, allerdings immer noch
frequenter Puls. An den Sensibilitätsstörungen der Füsse hatte
sich nichts geändert, nur die Wadensehmerzeu waren gebessert.
Die medicamentöse Behandlung bestand hier ebenso wie im vorigen
Falle in Tct. Strophantin und Kalomol.
Diese beiden Fälle sind in mehr als einer Hinsicht von be¬
sonderem Tut ('resse. Die Ansicht, dass sich die Prognose des ein¬
zelnen Falles nach dem Befund am Herzen stellen Hesse, und
dass die kräftigeren Individuen immer von der gefährlicheren
Form der Beri-Beri befallen würden, hat sich hier nicht bestätigt.
Die atrophisch«' Form, die im ersten Falle vorlag, pflegt immer
als eine gutartige angesehen zu werden. Für den zweiten Pa¬
tienten mit der hydropischen Form habe ich von Anfang an
wegen der erheblichen Mitbetheiligung des Herzens mehr ge¬
fürchtet. Der Kranke ist, wie sich aus dem Schiffsjournal ersehen
Hess, mindestens 5 Monate in keiner Beri-Beri-Gegend gewesen bis
zum Ausbruch der ersten Symptome in Singapore. Wenn die Beri-
Beri eine rein miasmatische, endemische Krankheit wäre, ähnlich
der Malaria, die man nur an Ort und Stelle acquiriren konnte,
so ergäbe das eine Incubationsdauer von mindestens 5 Monaten,
eine kaum annehmbare lange Zeitdauer. Viel verständlicher
würde der vorliegende zweite Fall sein, wenn das Virus ent¬
weder contagiös-miasmatischer oder rein contagiöser Natur wäre.
Das häufige epidemische Auftreten der Beri-Beri auf Schiffen
stünde damit in vollem Einklänge. Wie schon erwähnt, hat nun
auf dem letzten Schiffe, dem der Patient angehörte, bevor er für
diesen Dampfer angemustert wurde, eine Beri-Beri-Epidemie
geherrscht, bei der Einer gestorben ist. Zwischen der mittleren
Zeit dieser Epidemie und den ersten Krankheitssymptomen in
Singapore Hegt ein Zeitraum von etwa 10 Wochen, oder von An¬
fang der Epidemie an gerechnet von rund 12 Wochen. 10—12
Wochen wäre also die Incubationsdauer der Beri-Beri, voraus¬
gesetzt, dass die Infection thatsäehlich unterwegs bei der letzten
Epidemie erfolgt ist. Dass oft lange Zeiträume auf den Schiffen
vollständig frei von Krankheiten sind, könnte daran liegen, dass
das Virus einerseits bald abstirbt, andererseits erst wieder bei
vollkommen ausgebildeter Krankheit, nicht aber während der
Incubation frei wird. Dass in den beiden vorliegenden Fällen
der ausgebildeten Krankheit lange Zeit vorher, bei dem einen
10 Wochen, bei dem anderen etwa 4 Wochen, passagere
Prodrome vorausgingen, ist vielleicht nicht zufällig gewesen.
Sollten sich vielleicht ähnlich wie bei Malaria, nur langsamer,
verschiedene Entwicklungsstadien des angenommenen Virus ab¬
spielen, denen geringfügige, oft gar nicht beachtete Symptome
entsprechen? Man wird bei Beurtheilung der Aetiologie neben
umfänglichem statistischen Material vor Allem mikroskopische
Untersuchungen von berufener Seite abzuwarten haben. Die bis¬
her in Japan, theils von europäischen, theils von - japanischen
Aerztcn angcstclltcn Untersuchungen haben noch zu keinem
Resultat«' geführt.
Casuistische Mittheilungen über Schädel- und Gehirn¬
verletzungen.
Von Dr. Carl Fröhlich, Bahn- und Krankeuhausarzt
in Aschaffenburg.
I. Schwere Schädel- und Gehirnverletzung. Ansgang in
Genesung.
J. L., 14 Jahre alt. Meehauikerlekrling dahier, fiel am 8. Oc¬
tober vor. Js. in einen etwa 10 m tiefen Schacht, wobei der schwere
Deckel des Schachtes nachstürzte, und dem Genannten eine sehr
erhebliche Schädel- und Gehirnverletzung beibrachte. Die ärzt¬
liche Untersuchung des sofort in das hiesige städtische Kranken¬
haus transferirten Patienten ergab folgenden Befund:
Vollständige Bewusstlosigkeit, complete Lähmung der linken
Körperhälfte. Am Schädel fand sich ein 6 cm langer, 2 cm breiter
Knochendefect, uud zwar von der unteren Hälfte des Vorder¬
randes des rechten Seheitelbeiues und des Hinterrandes des Stirn¬
beines gegen die Vereinigungsstelle des Scheitel-, Stirn-, Joch-
und Schläfenbeines, etwas schräg von oben und hinten nach vorn
und unten verlaufend. Aus dieser Schädelöffnung hing zerfetzte
Gehirnmasse und Blutgerinnsel in ziemlicher Menge heraus, und
war ein grösserer Theil hervorgedrungener Gehirnmasse von dem
Patienten mittels seines rechten, ungelilhmten Armes über das
Kopfhaar gerieben und fest mit demselben verklebt. (Reflex¬
bewegung!)
Nach Entfernung der Haare, Reinigung der Kopfschwarte
und Wegnahme der zerfetzten Gehirnmasse stiess die eingeführte
Sonde auf das eingetriebene Knochenstück, welches mit der Längs¬
seite in senkrechter Stellung, wie ein Messer, in die Gehirnmasse
innerhalb des Schädels eingetrieben, und von derselben vollständig
verdeckt war. Nachdem dieses Stück mit der Kornzange erfasst
und behutsam extrahirt war, ergoss sich ein dicker, schwach pul-
sirender Blutstrom aus der Tiefe des Gehirns, und zwar mit solcher
Mächtigkeit, dass der Puls zunehmend schwächer wurde, und das
Ableben des Patienten jedeu Augenblick zu erwarten war. Es
wurde nun sofort ein aseptischer Gazetampon eingeführt, ein
leichter Verband, welcher die Einwirkung der Eisblase nicht be¬
einträchtigen konnte, darüber angelegt, und Patient zu Bette ge¬
bracht.
Die Blutung liess rasch nach, sistirte nach etwa 30 Minuten
vollständig, und bereits am nächsten Tage zeigten sich die ersten
Spuren des wiederkehrenden Bewusstseins.
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6: Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.'
193
Fieber war nicht vorhanden, die Beweglichkeit der rechten
Körperhälfte völlig intact, linkerseits dagegen complete Lähmung.
Schluckbewegungen konnten, wenn auch mit Mühe, ausge¬
führt werden.
Am dritten Tage war das Sensorium ziemlich frei. Patient
konnte bereits Auskunft über den Hergang des Unfalles geben.
Die Sprache war in Folge der linksseitigen Gesichtslähmung aller¬
dings noch sehr schwerfällig, jedoch verständlich.
Nach Ablauf von 3 Tagen wurde der Verband geöffnet, und
der Tampon vorsichtig entfernt. Die Blutung war gestillt, die Ge-
himmasse hielt das Niveau der äusseren Kopf schwarte. Schmerzen
waren keine vorhanden, wie auch während des ganzen übrigen
Krankheitsverlaufes niemals ernstlich über solche geklagt wurde.
Von da ab wurde der Verband täglich erneuert. Die Gehirn-
inasse drängte sich noch weiter über den Rand der Schädelöffnung,
und bildete schliesslich einen pilzförmigen Prolaps mit engerem,
der Knochenöffnung entsprechendem Stiele. Dieses Hervordräugen
konnte nicht verhindert werden, da ein nur massiger Gegendruck
auf die Gehimmasse heftigen Schmerz verursachte.
Am 3. November wurde, da ein weiteres Vorschieben des
Prolapses nicht mehr eingetreten war und auch nicht mehr zu be¬
fürchten stand, zur Abtrennung desselben geschritten, und zwar
mittels continuirlicher Unterbindung, da solche die beste Garantie
gegen etwaige Nachblutung zu bieten schien.
1 / 9 cm hinter dem einen Ende des, im Querschnitte eine lang¬
gezogene Ellipse darstellenden Stieles -wurde ein doppelter steriler
Seidenfaden durchgezogen
und an der Nadel N durch¬
trennt. Die eine kürzere
Hälfte diente zur Unter¬
bindung des äusseren
Theiles a, die andere lange
wurde nochmals in die
Nadel gefasst, */* cm wei-
ter nach innen durch den
Stiel geführt und wieder¬
um am Nadelöhr durch- j
trennt. Der zweite Faden |
der ersten Nadel und der ;
eine der letzteren dienten j
nun zur Unterbindung des
Sector b, und so wurde ;
weiter gefahren, bis der i
ganze Stiel unterbunden j
war. Am nächsten Tage lag der Prolaps abgestossen, und ohne \
die geringste Blutung oder sonst irgend welche Reaction verursacht
zu haben, im Verbände.
Die Lähmung nahm vom Beginne der dritten Woche an meAt-
lich ab. Zunächst wurde der linke Fuss beweglich, später, jedoch
bedeutend langsamer, der Arm. 2 weitere kleine Knochenfrag¬
mente, welche bei der ersten Untersuchung der Beobachtung ent- i
gangen waren, traten zu dieser Zeit an die Oberfläche und wurden j
entfernt. j
Nach Ablauf eines Vierteljahres war L. bereits im Stande, }
mit Hilfe eines Stockes im Zimmer herumzugehen.
Von einer beabsichtigten osteoplastischen Operation behufs i
Schliessung des Knochendefectes wurde auf Verlangen der Ange- j
hörigen, denen der bis jetzt erreichte ferfolg genügte, abgesehen, ]
und so schloss sich die Kopfschwarte durch Narbenbildung über |
dem Knochendefecte, und bildet eine letzterem entsprechende
leichte, pulslrende Einsenkung, über welcher zum Schutze ein j
Metalldeckel getragen wird. t
Die psychischen Functionen, die Intellectuelle Sphäre hatten I
durch die Verletzung in keiner Weise gelitten, im Februar war das !
Gehen auch ohne Stock ermöglicht, der anfangs ausgesprochene j
Hahnentritt schwand mehr und mehr, die Ernährung und der j
Kräftezustand waren vorzüglich, nur der rechte Arm, insbesondere j
die Hand, Hessen in ihrer Gebrauchsfähigkeit noch viel zu wün- j
sehen übrig. Faradische Behandlung hatten auch hier wesentliche |
Besserung zur Folge ,so dass L. am 14. Mai, als keiner weiteren ;
ärztlichen Behandlung mehr bedürftig, jsu seinen Angehörigen ent- j
lassen wurde. j
Auch jetzt, nach Ablauf eines Jahres von der Verletzung ab j
gerechnet, haben sich keinerlei beängstigende Symptome einge- '
stellt, Patient ist frisch und munter, waghalsig wie zuvor, klettert .
auf Leitern und Bäume, nur der immer noch halb gelähmte rechte
Arm erinnert an die erlittene schwere Verletzung.
Im Anschlüsse an vorstehende Krankengeschichte möchte ich i
noch über einen weiteren Fall berichten, der im letzten Stadium
vor nunmehr 10 Jahren im hiesigen Krankenhause in meine Be¬
handlung kam, und letal endete.
II. Schussverletzung des Schädels. Nach einem Jahre trau¬
matische Encephalitis. — Tod.
K. R., lediger Bursche von Neuschönfeld bei Leipzig, 21 Jahre ,
alt, schoss sich am 19. December 1888 aus Lebensüberdruss eine ;
Revolverkugel (9 mm) in die rechte Schläfengegend. In bewusst¬
losem Zustande wurde derselbe in eine Klinik nach Leipzig ver¬
bracht, woselbst nach seiner Angabe erfolglos nach der Kugel ge- ,
sucht wurde. Er verblieb daselbst 3 Wochen. Bei seiner Ent¬
lassung war die Schusswunde bereits vollständig vernarbt, jedoch j
das Sehvermögen auf dem rechten Auge gänz¬
lich erloschen. Schmerzen verspürte er keine mehr, begab 1
No. 6.
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sich auf die Wanderschaft, und gelangte Mitte November 18,89
hierher nach Aschaffenburg. Am 23. November traten plötzlich
heftige Kopf- und Genickschmerzen auf, und wurde R. noch am
selben Tage in das hiesige Krankenhaus aufgenommen.
Die äussere Untersuchung ergab eine strnhlige. trichterförmig
tief eihgezogene Narbe an der rechten Schlüfengogend direct hinter
dem aufsteigenden Aste des Jochbogens. Die Stelle war schmerzlos
beim Betasten, und liess in der Tiefe nichts Abnormes erkennen.
Eine Ausschussöffnuug war nirgends wahrnehmbar, und nach An¬
gabe des Patienten sollte die Kugel sich noch in der Schädelhöhle
befinden. Rechtes Auge vollständig erblindet, massiger Enopln
thalmus. Fieber massig, Puls verlangsamt, unregelmässig.
Am folgenden Tage steigerten sich die Schmerzen um ein Be¬
deutendes, und erreichten im Laufe der nächsten Tage eine un¬
erträgliche Höhe.
Es traten Störungen auf im Bewusstsein, Delirien, Convul-
sionen, Opisthotonus, und nur Eis, sowie reichliche Mengen Cliloral
und Narcotiea vermochten einigermaassen Linderung zu schaffen.
Gesicht stark geröthet, Conjunetiva hochgradig injicirt.
Vom G. December an Lähmung der linken Oberextremität,
von da ab Fortschreiten der Lähmung, Bewusstlosigkeit, Coma,
am 12. December Exitus letalis.
Sectionsergebniss: An der, dem Einschüsse ent¬
sprechenden Stelle des blossgelegten Schädels, und zwar an der
Verbindungsnaht des grossen Keilbein Hügels mit dem Stirnbeine,
zeigte sich ein herzförmiger, mit der Spitze nach vorn gerichteter,
zur Hälfte auf den Iveilbeintliigel. zur Hälfte auf das Stirnbein
übergreifender, und sich noch auf den kleinen Keilbeinflügel und
die Fissura orbitalis superior erstreckender, im Ganzen etwa fiiuf-
pfenniggrosser Knochendefect. Durch diese Oeffnung hatte man
glauben müssen, sei die Kugel unbedingt in die Gehirnhöhle ein¬
gedrungen, doch dem war nicht so, wie der weitere Verlauf der
Obduction lehrte.
Direct vor der Spitze dieser genau herzförmigen, 12 mm weiten
Oeffnung, und zwar au der Stelle, wo Joch-, Stirn- und Keilbein zu-
sammenstossen, fand sich eine zweite, bereits wieder verheilte
Knochennarbe von strahligem Baue. Dieser entsprechend an der
Pars orbitalis des Stirnbeines in der Augenhöhle zeigte sich
die Knochenmasse radiär zersprungen, und einen gegen den Bulbus
gerichteten stumpfen Hügel bildend. Direct unterhalb dieser,
durch Callusmasse wieder verlötheten Stelle lag das Projectil,
eine Spitzkugel, stark doformirt, und an ihrer breit geschlagenen
Spitze mit eingetriebenen Knochenfragmcnfen besetzt.
Die Kugel war demnach unter sehr spitzem Winkel an die
Superficies teniporalis des Keilbeines angeschlagen, hatte die dünne
Knochenwandung an der Keil-Stirnbeinnaht eingetrieben, ohne in-
dess in die Gehirnhöhle zu gelangen, drang an der oben beschrie¬
benen Stelle in die Augenhöhle ein, wo sie nach Zerstörung des
Opticus keinerlei weitere Schmerzen verursachte, und fast ein
Jahr lang gelegen hatte.
Die Dura mater war au der, dem Knochendefecte entsprechen¬
den Stelle etwas verdickt, und am Vorderlappen des Gehirnes zeigte
sich eine nussgrosse, erweichte Stelle von gelber Farbe. Sömmt-
liche Blutgefässe im höchsten Grade hyperaemisch.
Auf der ganzen Gehirnbasis beiderseits dicker eitriger Belag.
Gehirnhöhlen mit trüb-eitrigem Exsudate gefüllt, auf der Basis
derselben eitrig-fibrinös. Ebensolches an der Basis des Klein¬
hirnes, der Medulla oblongata und dem oberen Theile der Medulla
spinalis.
Bericht der kgl. Universitäts-Poliklinik für Kinder¬
krankheiten im Reisingerianum pro 1899.
Von Professor I)r. C. Seftz.
Im abgelaufeneu Jahre hatte die Kinderpoliklinik im Reisin¬
gerianum eine Frequenz von 11 894 kranken Kindern — von diesen
wurden 8957 ambulant, 2937 in ihren Wohnungen behandelt. Von
11894 Patienten waren 5987 Knaben, — 3207 Mädchen. Dem
Alter nach standen 3729 Kinder im 1. Lebensjahr, 4097 im
2.—5. Lebensjahr, 2250 im (>.—10. Lebensjahr, 1818 im 11.
bis 16. Lebensjahr. Der Zugang an Patienten nach den
einzelnen Monaten gestaltete sich wie folgt: Januar 1057 (1090) %
Februar 828 (807), März 650 (1084), April 822 (1016), Mai 1146 (1024),
Juni 1161 (1041), Juli 1178 (913), August 1307 (1069), September
1088 (1021), October 817 (804), November 1028 (863), December 812
(776). Durchschnittlich gingen per Tag 32—33 neue Patienten zu.
Bei der erwähnten Gesammtfrequenz von 11 894 (11 508) waren
414 (443) Todesfälle zu verzeichnen. Von den gestorbenen Kindern
standen 251 im 1. Lebensjahr, 149 im 2.—5. Lebensjahr, 10 im
6.—10. Lebensjahr, 4 im 11.—16. Lebensjahr. Es trafen auf
Bronchopneumonie 124 (120), Todesfälle [davon 23 bei Pertussis,
21 bei Enteritis, 5 bei Morbilleu], auf Gastroenteritis 112 (108),
auf Tubereulose 56 (63) Todesfälle [davon 22 Meningitis. 5 Miliar-
tuberculose, 7 Peritonealtuberculose, 12 Plithisis pulm.], auf Atro¬
phie 35 (36), Cholera infantum 20 (21), Eklampsie und Laryngo-
spasmus 16 (18), Lues congenita 15 (12), Debilitas vitae 8 (10).
Enteritis follicularis 9(7), Meningitis simplex 0(7), Diphtherie 1 (7).
Scarlatina lind Folgekrankheiten 0 (6). Pneumonia crouposa 6 (6),
Broneiiitis capillaris — (6), Sepsis 4 (3), Nephritis chronica 2 (3)
Todesfälle, auf Vitium cordis, Neubildung, Pericarditis, Epilepsie,
Fremdkörper, Skleroedem je 1 Todesfall.
*) Die in runden Klammern beigesetzten Ziffern bedeuten im
Folgenden stets die entsprechenden Ziffern des Vorjahres.
4
Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
194
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Die an <leu 11 894 Kindern zur Beobachtung bezw. Behand¬
lung gekommenen Krankheitsfälle waren — nach dem Reiebs-
schenia geordnet — folgende:
I. Entwicklungskrankheiten: Angeborene LebenssclnvHche
10 (17). angeborene Missbildungen 99 (70), Atrophie der Kinder 71
(93), Menstruationsanomalien 1 (8).
II. Infections- und allgemeine Krankheiten: Varicellen 130
(142). Scarlatina 51 (108), Morbilli 197 (180), Parotitis epidemica
44 (21), Erysipelas 24 (15), Diplitherie 90 (131), Pertussis 348 (307),
Cholera infantum 52 (130), Polyarthritis 33 (19), Blutanomalien
108 (92), Sepsis 5 (2), Entozoen 140 (130), latente Tuberculose 315
(285), Skrophulose 117 (08). Rachitis 598 (778), Neubildungen 1 (7).
gonorrhoische Vulvovaginitis 44 (45), Lues congenita 109 (78).
III. Localisirte Krankheiten: A. Krankheiten des
Nervensystems: Geisteskrankheiten 23 (22), Hirn- und
Hirnhautentzündung 32 (35), andere Krankheiten des Gehirns 30
(20), Epilepsie 19 (22), Eklampsie und Laryngospasmus 114 (78),
Tetanus 1 (—). Tetanie 2 (2), Chorea 13 (7), Rückenmarkskrank¬
heiten 27 (10), andere Krankheiten des Nervensystems 104 (80).
B. Krankheiten der Ohren: Des äusseren Ohres 88
(54), des inneren Ohres 77 (84).
C. Krankheiten des Auges: Contagiöse Augeukrauk-
heiten 01 (72), andere Augenkrankhelten 177 (192).
D. Krankheiten der A t: li m u n g s o r g a n e : Krank¬
heiten der Nase und Adnexe 115 (95), Laryngitis und Pseudocroup
81 (33), acuter Bronchialkatarrh 2272 (2458). chronischer Bronchial¬
katarrh 90 (38). Lungenentzündung 780 (401), Brustfellentzündung
00 (42), Lungenblutung 1 (4), Lungenschwindsucht 101 (115), andere
Krankheiten der Athmuugsorgane 27 (10), Kropf 43 (33).
E. Krankheiten derCirculationsorgane: Herz-
und Herzbeutelentzündung 23 (23). Klappenfehler und andere Herz¬
krankheiten 02 (52), Lympligefäss- und Lymphdrüsenentzündung
1(53 (133).
F. Krankheiten des Verdauungsapparates:
Der Zähne und Adnexe 1042 (1330). Stomatitis uud Soor 185 (251),
Mandel- und Rachenentzündungeu 029 (515), Dyspepsie 448 (390),
acuter Magendarmkatarrh 1384 (1313), chronischer Mageudarm-
katarrh 53 (302). habituelle Verstopfung 317 (251), Peritonitis und
Perityphlitis 20 (18), Invagination 1 (2), Prolapsus ani 6 (0), Her¬
nien 158 (253), Krankheiten der Leber und ihrer AusfUhrungsgänge
58 (49), Milzhyperplasien 5 (25).
G. Krankheiten des Urogenitalapparates:
Nierenentzündungen 33 (42), Krankheiten der Blase 10 (32). Phi¬
mose 70 (82), Wasserbruch 34 (30).
H. Krankheiten der äusseren Bedeckungen:
Scabies 115 (112), acute Hautkrankheiten 743 (421), Panaritium und
Phlegmone 88 (34), andere Krankheiten der äusseren Bedeckungen
159 (242).
I. Krankheiten der Bewegungsorgane: Der
Knochen- und Knochenhaut 70 (50), der Gelenke 48 (18), der Mus¬
keln und Sehnen 12 (15).
K. Mechanische Verletzungen: Quetschungen und
Zerreissungen 20 (30), Knochenbrüche 12 (27), Verstauchungen 0 (0),
Wunden 85 (102), Verbrennung 21 (28), Erfrierung 10 (2).
Ein Rückblick auf die allgemeinen Morbiditäts- und Mortali-
Iätsverhältnis8e ergibt auch für dieses Berichtsjahr eine inässige
Frequenz an Infectionskrankheiten, von welchen, wie Im Vorjahre,
nur Pertussis hervorragt; gegen Ende 1899 begann die z. Z. herr¬
schende Morbillenepidemle. Wenn auch Maseru und Keuchhusten
im Allgemeinen relativ leichten Verlauf nahmen, so ist doch die
wesentlich angestiegene Frequenz an Pneumonien und wohl auch
die Zunahme an Tuberculose mit dem häutigeren Vorkommen der
ersterwähnten prädisponirenden Infectionskrankheiten ln Zu¬
sammenhang zu bringen. Scharlach und auch Diphtherie treten
mehr zurück, doch kamen von letzterer wiederholt schwere Fälle
vor, an welchen die segensreiche Wirkung der Serumtherapie
sehr wohl zum Ausdruck kam; von 90 Diphtherien starb eine;
von bislang etwa 800 i n j i c i r t e n Diphtherie n mit 5 bis
8 Proc. Mortalität waren über 000 Fälle bei Anwendung der
Serumtherapie frei von Larynxstenose, keiner derselben steigerte
sich im weiteren Verlauf zu schweren Stenosesymptomen; auch
wo solche beim Eiusetzen der Serumtherapie vorhanden waren,
trat meist noch unverkennbar eine günstige Wirkung der Injection
hervor. — Die acuteu Magendarmstörungen hatten gegenüber dem
Vorjahre eine erhöhte Frequenz; bei der Behandlung bewährten
sich am besten die diätetisch-mechanischen Methoden. In der Diä-
retik der chronischen Verdauungsstörungen des Säuglingsalters
wurden zahlreiche Versuche mit Kelle Fs M a 1 z s u p p e ge¬
macht: mit dieser praktischen Modiflcatiou der altbewährten
Liebigsuppe konnten wohl mehrfach gute Erfolge erzielt werden,
jedoch nicht in der überwiegenden Zahl der Fälle. Ausführliche
Mittheilungen über dieselben und andere therapeutische Er¬
fahrungen werden in dieser Wochenschrift erfolgen.
Als Assistenten fungirten neben Herrn Dr. R o m m e 1. die
Herren Volontärärzte DDr. Meier, v. Schönebeck, Hönigs-
b e r g e r , Gilde, Sichert, ferner in semestralem Turnus
die Herren DDr. Horn, Theilheimer. Oppler, Rush,
H i r t, Scholz, finderlein. Den genannten Herren sei auch
an dieser Stelle der beste Dank zum Ausdruck gebracht für ihre
pflichttreue Thätigkeit. Allen, welche auch die humanen Zwecke
der Kinderpoliklinik im Reisingeriauum irgendwie gefördert haben,
sei auch hier der wärmste Dank ausgesprochen.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Professor
Dr. F. Riegel in Giessen.
lieber Resorption und tettspaltung im Magen.
Von Dr. Franz Volhard, Assistenzarzt an der med. Klinik.
(Schluss.)
Wie erklärt sich ein so unterschiedliches Verhalten von
2 Eigelbzuckeremulsionen, von denen die eine im Magen war, die
andere nicht ? Gerade ein entgegengesetztes Resultat hätte man
vielleicht vermuthen können, nach den schönen Untersuchungen
von Pflüger und Dormeyer [9], welche für genaue quan-
titative Fettbestimmungen die vorherige künstliche Verdauung
der zu extrahirenden Organe empfehlen.
Die einzige Möglichkeit bleibt nach unseren bisherigen Vor¬
stellungen die, dass das Fett, das thatsächlich in der Stamm¬
lösung gleichmässig verthcilt ist, in der Eigelbemulsion,
die den Magen passirt hat, nicht mehr so gleichmässig suspendirt
erscheint.
In der That habe ich stets an der ausgeheberten Flüssigkeit
einige merkwürdige Eigenschaften beobachtet. Die Flüssigkeit
ist heller gelb als die Stammlösung, die einen mehr röthlich-
gelben Farbenton hat. Sie ist meist stark verdünnt, nicht selten
aber auch im Gegentheil erheblich dickflüssiger als die Stamm¬
lösung, tropfenweise aus der Pipette flieesend. Sie ist nicht wie
die Stammlösung gleichmässig gebunden, sondern durch zahl¬
lose feine gelbe Flöckchen getrübt. Endlich ist die ausgeheberte
Flüssigkeit keine, wahre, ideale Emulsion mehr, wie die Stamm¬
lösung, sondern sie scheidet sich in kurzer oder längerer Zeit in
2 Schichten, eine fast durchsichtige klare, wässrige untere, und
eine rahmartige, dickliche, geltye obere. Sie ist keine wahre
Emulsion mehr, denn sie lässt sidh glatt filtriren, und man erhält
ein klares Filtrat, während das Filtrat der Stammlösung sich von
dieser selbst in nichts unterscheidet.
Einen weiteren Unterschied können wir an den Aether-
extracten beobachten. Das der Stammlösung ist klar, durchsich¬
tig, hellgelb, fast farblos, vorausgesetzt, dass es nicht zu stark er¬
hitzt wurde, vor Allem flüssig, das Aetherextract der aus¬
geheberten Flüssigkeit ist fest, gelblich, undurchsichtig,
krystallinisch, von einzelnen Sternchen durchsetzt.
D'ese Beobachtungen, dass die Emulsion von Eigelb im
Magen zerstört wird, und dass das Aetherextract vor dem Auf¬
enthalte im Magen flüssig, nach demselben fest ist, verursachten
mir viel Kopfzerbrechen. Ich versuchte zunächst durch Zusatz
von Pepsin Salzsäure oder Magensaft zur Stammlösung das
Gleiche zu erreichen. Aber vergeblich. Weder die Emulsion
wurde zerstört, noch das Aetherextract fest. Endlich brachte
mich der Anblick der festen Aetherextracte auf den Gedanken,
dieselben mit alkoholischer Natronlauge zu titriren.
Das Resultat war in höchstem Maasse überraschend. Da3
Aetherextract der Stammlösung zeigte eine verschwindend kleine,
das der ausgeheberten Flüssigkeit eine auffallend hohe Acidität
und zwar ganz constant in 28 Versuchen.
Es konnte keinem Zweifel unterliegen, dass diese Acidität
auf einem hohen Gehalt an freien Fettsäuren beruhte.
Salzsäure war aus mehreren Gründen ausgeschlossen:
1. Gab die ausgeheberte Flüssigkeit fast nie eine positive
Congoreaction — übrigens ein Beweis für die starke Herab¬
setzung der HCl-Secretion durch Fett und Traubenzucker.
2. Waren die zu extrahirenden Portionen mit CaCo, ge¬
trocknet.
3. Gab die Stammlösung mit HCl bis zur starken Congo¬
reaction oder mit Pepsinsalzsäure oder mit reinem Magensaft
vom Hunde versetzt kein saures Extract.
4. Das saure Extract gibt an H 2 0 keine Säure ab.
Kohlensäure war durch die Trocknung der Extracte bei 80
bis 100° ausgeschlossen.
Die Milchsäureprobe fiel negativ aus.
Die hochgradige Fettspaltung trat auch in Eigelbemulsion
ohne Traubenzucker auf (cf. 47 a).
Um mir eine Vorstellung von der Grösse der Fettspaltung
im Magen zu machen, versuchte ich dieselbe procentuarisch zu
berechnen. Dazu musste ich zunächst ermitteln, wie viel freie
Fettsäure aus Eigelb durch 1 ccm l / I0 Normalkalilauge gebuudeH
wird. Zu dem Zwecke dienten folgende Versuche.
1. Die Extracte des Ausgeheberten von Fall 52 wurden nach
Titration (mit 1 / l0 Normalalkali und Phenolphtallein) mit H 2 0 ver¬
dünnt und das Neutralfett mit Aether ausgeschüttelt
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6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
196
Der SeifenrUckstand wird ahgesäuert und wieder mit Aether
mehrfach aufgeschüttelt
Ich fand aus a) 356 mg Aetherextract von der Acidität 8,7
= 229 mg Fettsäure Acid. 7,3
und 112 mgfNeutralfett Acid. 0,76.
1 ccm , /io Normalalkali entspräche -yy = 31.8 mg Fettsäure
erhalten als Fettsäure 67 Proc.;
b) 330 mg Extract von Acidit. 8,3 = 167 mg Fettsäure Acid. 5,2,
127 mg Neutralf. Acid. 1,8,
1 ccm */io Normalalkali = = 80 mg Fettsäure
erhalten als Fettsäure 65,3 Proc.
2. Die Extraete der Stammlösung wie des Ausgeheberten von
Fall 56 wurden in aetherischer Lösung durch Natrium metallicum
[10] verseift-Der voluminöse Seifenniederschlag wird mehrfach
aurch Aether ausgewaschen, aus den Seifen nach Ansäuern die
Fettsäuren extrahirt.
Stammlösung: 1194 mg Ac. 1,3 ergeben 1000 mg Fetts. Ac. 32,5
und 111 mg Neutralf. Ac. 0,
1 ccm */ 10 Normalalkali entspäche 7 ^ = 30,8 mg Fettsäure
erhalten als Fettsäure 90 Proc.
Versuch: 180 mg Ac. 5 ergeben 151 mg Fettsäure Ac. 5,
* 19 mg Neutralfett Ac. 0,
1 ccm 7*0 Normalalkali — — 80,8 mg Fettsäure
erhalten als Fettsäure 88,8 Proc.
3. Von derselben Stammlösung (56) werden 10 ccm mit einer
kleinen Messerspitze Pankreatin und etwas Na, CO, versetzt
48 Stunden im Brutschrank gelassen.
Extract: 1246 mg Acid 14,2 ergibt 314 mg Fettsäure Ac. 11,2
' 926 mg Neutralf. Ac. 1,3,
1 ccm Normalalkali ~ zz 28 mg Fettsäure,
erhalten als Fettsäure 25,3 Proc.
4. Berechnung aus dem Moleculargewicht der 3 in Betracht
kommenden Fettsäuren.
Palmitinsäure . . . 256
Stearinsäure . . . 284
Oelsäure.282
Alle 8 ln gleicher Menge »822
vorausgesetzt, durch- — rr 274
schnlttlich .... 3
1 ccm */io Normalalk. =z 25,6 mg
1 „ > * =28,4 ,
1 „ Vio „ = 28,2 „
1 „ 7io n = 27,4 .
Ich habe, da es sich doch nur um ungefähre Zahlen handelt,
der Einfachheit der Rechnung wegen die Zahl 30 gewählt, und
mit dieser in der nachfolgenden Aciditätstabelle die Anzahl der
beim Titriren verbrauchten Cubikcentimeter 1 / i0 NaOH multipli-
cirt imd so das procentische Verhältniss der Fettspaltung be¬
rechnet.
(Aciditätstabeile siehe nebenstehend.)
Es ergibt sich somit nach einer ungefähren Berechnung eine
Fettspaltung von ca. 78,8 Proc. des eingeführten Fettes im
Durchschnitt aus 52 Extractionen. Sicher ist die Zahl um einige
(ca. 5) Procente zu hoch, auch sind ca. 3 Proc. für präformirte
Fettsäuren, wie sich aus den geringen Aciditätszahlen der
Stammlösungsextracte ergibt, abzuziehen. Jedenfalls erscheint
eine ganz bedeutende Fettspaltung des fein emulgirten Eierfettes
damit bewiesen, zumal selbst bei Verseifung mit Na met. nur
90 Proc. Fettsäuren erhalten werden. Diese Beobachtung ist
desshalb so überraschend, weil man bisher ganz allgemein an¬
nahm, dass Fett vom Magen so gut wie nicht verändert würde.
Es existiren mehrere Arbeiten über die Frage der Fettverdaüung
im Magen von Marcet [11], Cash [12], Ogata [13],
Klemperer und Scheurlen [14], Marpmann [15].
Alle constatiren nur eine minimale Fettspaltung, allerdings
wurde niemals Fett in emulgirter Form in den Magen gebracht.
Ich bin noch nicht in der Lage zu behaupten, dass die Form der
Emulsion allein wesentlich und die Art des Fettes gleichgiltig
sei. Es wäre natürlich von hohem Interesse, auch einfacher zu¬
sammengesetzte Fette als das Eierfett auf ihr Verhalten im
Magen zu prüfen. Ein Versuoh mit einer Olivenölgummi-
emulsion fiel negativ aus, doch hielt die 30 Proc. Traubenzucker
enthaltende Emulsion sehr schlecht und rahmte zusehends ab.
Dagegen habe ich einen Versuch mit Milchfett angestellt (vergL
No. 58), der ein positives Ergebniss hatte.
Natürlich musste die Milch erst in eine säurebeständige
Form gebracht werden. Dies geschah durch Fällen mit Lab und
künstliche Verdauung mit Pepsinsalzsäure (cf. Neumeister,
Lehrbuch der physiol. Chemie)* Nach 48stündiger Verdauung
wurde die saure Milchfettemulsion gekocht und mit 25 Proc.
Traubenzucker in den Magen gebracht. Auch hier finden wir
eine grosse Acidität des Aetherextractes nach 1V 4 ständigem
Difitized by
Gck igle
A c i d i t ä t’s t a b e 11 e.
No.
Aetherextract der 1
ausgeheb. Flüssig- II
fceit ln mg ||
s=
o O
O 01
a*
:*j t
~ O
■O?.
’S o
berechnete Fett- 1
säure in mg 1 ccmil
*' l0 NaOH -~ M)_mg||
Fettsäuregebalt 1
in Proc. 1
~B 1
5g
I 533
s
< j
Stdn. J
No.
'Aetherextract der 1
ansgeheb. Flüssig- II
keit in mg 1
Acidität in ccm 1
V l0 Norm. NaOH 1
W
O Et 1
ZB^
a ä ts
Fettsäuregehalt 1
in Proc. 1
~ Aufenthalt im 1
p Magen ||
30
220
232
174
200
5,8
6,1
5.8
5.9
174
183
174
177
79
79
2
45
148
187
275
283
3,9
3,8
117
114
79
83
17-2
31
100
88
2
46
7,8
8,0
234 , 86
240 1 85
17 *
32
225
232
6,0
6,0
180
180
80
77,6
l 1 /»
47
315
362
10,0
300
83
l‘/a
33
309
278
9,0
8,2
270
246
87
89
73
72
17 *
47a 291
6,4
192
66
Vji
34
264
250
6,4
6,0
192
180
1 7 *
47b
175
4,5
135
77
17 »
35
197
208
5.3
5.4
159
162
81
78
17*
48
263
7,0
210
80 | 4
1
36
171
156
4,3
4,0
129
120
75
77
LH
v/, [
49
381
6,24
187,2
49
VI,
37
341
345
5,3
6,1
159
183
47
53
50
326
8,51
255
78
r/2
38
297
| 296
7,5
7,2
225
216
76
<3
E
51
301
806
8,88
8,88
266,4
266,4
88
87
2
39
140
1 126
3,7
3,3
111
99
79
1 78
1-/2 1
52
356
330
8,7
8,3
261
249
73
75
2 «/ 2
40
315
244
8,5
6,9
255
207
80
85
! 7 .
53
422
382
11,3
10,5
839
318
80
75
27a
41
276
222
7,2
6,7
216
201
78 1 ii
90 1 1 2
54
354
288
10,6
8,5
318
255
89
88
272
42
224
1 229
5.7
5.8
171
174
76
76
VI,
55
177
256
5,2
7,5
156
225
88
88
2 ‘a
43
263
261
7,4
6,8
222
204
84
78
VI, \
56
160
180
4,5
5
135
150
84
89
272
44
197
170
4,4
4,2
132
126
67
74
1
Sa. 52 Extractionen
Im Durchschnitt
| 4098
-= 78.8
62
Aufenthalt der Milchfettemulsion im Magen; der Aether riecht
intensiv nach Buttersäure.
Stammlösung: 222 mg Fett, Acid. 0,4
230 „ „ „ 0,7
Ausgehebert: 112 mg „ Acid. 3,71
169 „ „ 5,61
Dieser Versuch beweist schon, dass die Pepsinsalzsäure nicht
im Stande ist, in nennenswerthem Maasse das angewandte Fett
zu spalten, auch nicht in der 20 mal längeren Zeit. Das gleiche
beweist der vorliegende Versuch (57) mit einer verdauten Eigelb¬
emulsion.
Dieselbe war 60 Stunden bei Bruttemperatur einer sehr
wirksamen Pepsinsalzsäure unterworfen worden, nach Abnahme
einer gallertartigen oberen Schicht gekocht und neutralisirt
worden, und wurde mit 23 Proc. Traubenzucker getrunken.
In diesem Versuch lässt sich zwar eine deutliche Fettspal¬
tung bereits in der Stammlösung constatiren. Nach 60 ständiger
künstlicher Verdauung ergibt die Extraction derselben 465 und
470 mg mit 2 bezw. 2,2 ccm Acidität, welche ungefähr 13 Proc.
Fettsäuren entsprächen, also doch 10 Proc. mehr, als die ge¬
wöhnliche Eigelbemulsion durchschnittlich enthält. Gleichwohl
ist die Acidität des Ausgeheberten unvergleichlich höher, beträgt
in der einen Analyse 4,7 ccm auf 207 mg = ca. 68 Proc., in
der anderen 4,6 ccm auf 153 mg = ca. 90 Proc.
Dieser letzterwähnte Versuch war angestellt worden, um
zugleich den Beweis zu liefern, dass nicht etwa irgend welche
Gerinselbildung bei der Eiweissverdauung die Zerstörung der
Eigelbemulsion bedinge, sondern einzig und allein die Fettsäure¬
bildung. Die künstlich verdaute Stammlösung zeigte denn auch
gar keine Neigung, sich in 2 Schichten zu trennen, sondern
blieb ideal emulgirt und filtrirte unverändert, im ausgesprochenen
Gegensatz zur ausgeheberten Flüssigkeit.
Die saure Milchfettemulsion war von Anfang an keine wahre,
filtrirbare Emulsion, sie theilte sich, wenn auch sehr langsam, in
2 Schichten. Nach 5 Viertelstunden war in dem Reste der
Stammlösung noch kaum eine schmale Zone Molke sichtbar,
4*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
196
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. Ö.
während in dem Ausgeheberten unregelmässige, durchsichtige
Molkenpartien mit weisen Üockigen Partien abwechselten.
Uebrigens lässt sieh der Beweis dafür, dass die Fettsäure¬
bildung Schuld ist an der Zerstörung der Emulsion, auch posi¬
tiv erbringen. Wenn man in einer Eigelbemulsion durch Zusatz
von Pankreatin Fettsäurebildung künstlich hervorruft, so zeigt
dieselbe die gleichen Eigenschaften, wie eine Eigelbemulsion,
die im Magen gewesen ist, sie bildet 2 Schichten und lässt
sich durch Filtriren vom Fett befreien.
Man könnte einwerfen, diese Fettspaltung rühre her von zu-
riickfliessendeni Pankreassaft. Wenn dem so wäre, so bliebe die
Thatsache nicht minder merkwürdig. Doch beweisen schon
die Versuche 44, 46, 47. 48, 49 das Gegentheil, bei denen
trotz ausgesprochener Pylorusstenose und motorischer Insuffi-
cienz II. Grades, trotz hochgradiger Ektasie und Peristaltik
diese auffallend starke. Fettspaltung, welche die des Pankreas
übrigens anscheinend noch übertrifft, zu Stande kam. Abgesehen
davon würde zurückfliessender Pankreassaft auch nicht emul-
girtes Fett verseifen. Dias geschieht aber im Magen, wie
K 1 e m p e r e r und Scheurlcn [14] gezeigt haben, so gut wie
nicht.
Gleichzeitig zeigen die Fälle von Careinom, sowie eine An¬
zahl von gutartigen Achylien (42, 43, 45, 50, 53) das interessante
Verhalten, dass der Magen, der keine oder nur sehr wenig freie
Salzsäure mehr absondert, bezüglich der hochgradigen Fettspal-
tung sich wie ein gesunder verhält.
Um nun auf den Ausgangspunkt der Untersuchung wieder :
zurückzukommen, so bin ich zu meinem grossen Leidwesen ge¬
zwungen, die Methode meines hochverehrten früheren Lehrers,
Professor v. M e r i n g, zur Prüfung der Resorption im
Magen, aus dem gleichen Grunde für nicht einwandsfrei erklären
zu müssen, aus welchem er die Penzold t’sclie Jodmethode |
verwarf. Sie beruht gleichfalls auf einer Voraussetzung, welche I
sich nunmehr als falsch erwiesen hat, dass die Fette im Magen •
nicht verändert werden. Der Umstand, dass mit der thatsäch- i
lieh statt findenden Veränderung des angewandten Fettes im i
Magen — Spaltung in freie Fettsäuren — gleichzeitig eine Zer- ji
Störung der ursprünglich idealen Emulsion einhergeht, ist am i;
schwerwiegendsten. Denn von dem Moment ab, wo eine Zwei- *
Schichtung möglich ist — ob sic im Magen bei der, nach Art der
eingeführten Substanzen sicher verminderten Peristaltik wirk¬
lich stattfindet, kann ich vorläufig nicht beantworten —, ist der
ursprünglich so einleuchtende und schöne Gedanke, das Fett als ,
Standardzahl zu benutzen, unzuverlässig. Die Möglichkeit lässt
sich dann auch nicht ausschlicssen, dass analog dem normalen
Mageunieclianismus mit einer einzigen Oeffnung des Pförtners •
ein Theil des oben schwimmenden Fettes in den Dünndarm ge¬
spritzt und damit das Verhältniss von Fett zu Zucker in un-
controlirbarer Weise geändert wird.
Der andere Nachtheil der Methode, die auffallend grossen
Fehlerquellen bei der Bestimmung des Fettgehaltes der ausge-
heberten Lösung, hängt wahrscheinlich gleichfalls mit der ..
Kettsäurebildung und einer dadurch bedingten ungleichen !
Vertheilung des Fettes in der zerstörten Emulsion zusammen.
Ob der jedesmalige Zusatz von Ua Co, zu dem Caolin, das die
zu extrahireude Flüssigkeit aufnimmt, etwa, trotzdem das Ganze !
sofort eine bröcklige, nicht einmal breiige Masse bildet, eine ge-
ringe Seifenbildung zulässt und dadurch die ungenügende Ueber- :
i iiistimmung der Resultat«- verursacht, erscheint sehr fraglich, ;
kann aber leicht erwiesen werden. I
Nachdem ich eingesehen hatte, dass die Zerstörung der Ei- j
gelbemulsion im Magen eine Folge der Fettspaltung ist, lag es *
nahe, zur Prüfung der Resorption im Magen den glücklichen ;
Gedanken v. M e r i n g’s beizubehalten und nur das Fett zu,
wechseln. Ich suchte ein leicht emulgirbares und schwer spalt- i
bares Fett und war fest überzeugt, es gefunden zu haben, als ich j
in einer Arbeit von (■ ci n n s t e i n [16] las, Lanolin sei ein’
äusserst schwer spaltbares und sehr leicht zu emulgirendes Fett. !
In dieser Arbeit folgert er aus diesen Eigenschaften und dem |
Umstund, dass Lanolin vom Hunde nicht resorbirt, sondern {
quantitativ wieder mit dem Koth entleert wird, dass für die Fett- .
resorption lediglich die Spaltbarkeit des Fettes in Betracht j
kommt. i
Eigene Versuche belehrten mich bald, dass dieser Schluss j
ein Trugschluss war, denn die Voraussetzung, dass Lanolin ein *
Digitized by Google
sehr leicht emulgirbares Fett sei, ist falsch, leider. Die Herren
Apotheker der Klinik sowohl, als ich, versuchten mit viel Opfern
an Zeit und Geduld, mit und ohne Zusatz von Seife, Soda etc.
eine Lanolinemulsion zu Stande zu bringen. Das Lanolinum
purissimum nahm kein, das Lanol. anhydricum 30 Proc. Wasser
auf, und blieb ebenso wie ersteres eine Salbe und keine Emulsion.
Auf meine Frage theilte mir der Autor denn auch mit, dass er
in dem Lanolinum purissimum eine 30 Proc. Wasser enthaltende
Wollfettemulsion erblicke. Dies ist aber eine Emulsion von
Wasser in Fett, die mit Fett in jedem Verhältniss mischbar
ist und nicht eine Emulsion von Fett in Wasser, die mit
W a s s e r in jedem Verhältniss mischbar, und dadurch den Ver¬
dauungssäften zugänglich ist. Desshalb ist es auch nicht auf¬
fällig, dass der Hund diese zähe unangreifbare Salbe wieder aus¬
scheidet, nicht weil ihr Fett schwer spaltbar, sondern weil es
gänzlich unemulgirbar ist.
Fasse ich die Ergebnisse meiner Arbeit kurz zusammen:
1. Im Magen findet eine sehr weitgehende Spaltung von fein
emulgirtem Eier- und Milchfett statt.
2. Hierdurch wird die Emulsion in soweit zerstört, als eine
Zweischichtung eintritt und die Fette durch Filtration von der
Lösung getrennt werden können.
3. Desshalb erscheint die Methode von v. M e r i n g, be¬
ruhend auf der Bestimmung des Verhältnisses von Fett zu
Zucker in einer Eigelbzuckeremulsion vor und nach dem Auf¬
enthalt im Magen, als nicht ein wandsfrei.
4. Die Methode v. M e r i n g’s, fetthaltende Flüssigkeiten
behufs Extraction im S o x h 1 e t’schen Apparat, auf Caolin mit
Natrium sulfuricum siccum zu trocknen, ist die denkbar ein¬
fachste und bequemste.
5. Die Behauptung Connstei n’s, für die Resorption des
Fettes käme weniger seine Emulgirbarkeit als vielmehr seine
Spaltbarkeit in Betracht, ist unbewiesen. Ihr Beweis ist falsch,
da auf falscher Voraussetzung beruhend.
Lanolin ist kein leicht emulgirbares, sondern ein äusserst
schwer oder gar nicht emulgirbares Fett.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem
hochverehrten Chef, Herrn Geheimrath Riegel, für sein an¬
regendes Interesse und die grosse Liberalität, mit der er mir sein
reiches Material an Magenkranken zur Verfügung stellte, meinen
aufrichtigsten und herzlichsten Dank zu sagen.
Literatur.
1. Tappeiner: Zeitschr. f. Biol. Bd. 16, S. 497.
v. A u r e p : Aich, f .Anat. u. Physlol. Physiolog. Abtheilung
1881, S. 504.
Brandl: Zeitschr. f. Biol. N. F. XI. Bd., S. 286.
Ausführliche Literaturangaben bei:
Röte und Strauss: Zeitschr. f. klin. Medicin 1899, Bd. 37,
S. 145.
2. v. M e r i n g : Verhandl. des XII. Congresses für innere Medi¬
cin 1893. Therap, Monatsh. 1893, S. 201.
3. Moritz: Belichte der 65. Versammlung der Naturforscher
und Aerzte 1893.
4. v. Mering: Klinisches Jahrbuch Bd. 7, S. 341.
5. .P e n z o 1 d t: Berliner klin. Wochenschr. 1882.
Faber: Inaug.-Diss. Erlangen 1882.
6. Wolff: Zeitschr. f. klin. Medicin 1883, Bd. VI.
Quetsch: Berl. klin. Wochenschr. 1884.
Zweifel: Deutsch. Arch. f. klin. Medicin Bd. 39.
H ä b e r 1 i n : Ebenda Bd. 45.
7. Miller: Arch. f. Verdauungskrankheiten.
8. v. Mering: Congress f. innere Medicin 1897.
9. Dormeyer: Pflüger’s Arch. für die gesammte Physiologie
Bd. 61, 8. 341, Bd. 65, S. 90.
10. K o s s e 1 und Obermüller: Zeitschr. f. physiol. Chemie
Bd. 14, S. 599.
11. Marcet: The medical Times and Gazette. New Series
Vol. XVII., S. 210.
12. Cash: Dubois Archiv 1880, S. 323.
13. O g a t a : Ebenda 1881, S. 115.
14. Klemperer und Scheurlen : Zeitschr. f. klin. Med.
XV, 8. 370.
15. Marpmann: Münch, med. Wochenschr. 1888, p. 485.
16. Connstein: Arch. f. Anat. u. Physiolog. Physiol. Abth.
1899, p. 30.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
197
Referate und Bücheranzeigen.
Die Deutsche Orthopädie in Jahre 1899.
Von Oscar Vulpius in Heidelberg.
Das zur Neige gehende „grosse“ Jahrhundert hat auch für
die Orthopädie grosse Aenderungen und Fortschritte gebracht.
So liegt die Versuchung nahe, den Rahmen der von einer ver-
ehrlichen Redaction gestellten Aufgabe zu überschreiten und
einen Säcularbericht statt der gewünschten Jahresübersicht zu
liefern. Indess, unsere Zeit drängt nach praktischem Vorwärts¬
arbeiten, nicht nach behaglich zurückschauendem Reflectiren.
Und darum beschränkt sich der folgende Bericht auf die ortho¬
pädischen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten im ver¬
flossenen Jahre, insoweit dieselben in deutscher Sprache nieder¬
gelegt worden sind.
Um mit der allgemeinen Orthopädie zu beginnen,
so bezwecken zwei Abhandlungen des Referenten über „Um¬
fang, Bedeutung und Leistungen der Orthopädie” [1] und über
„blutige und imblutige Orthopädie” [2], möglichst weite Kreise
für die moderne Orthopädie zu interessiren.
Von grosser Bedeutung war die ausgiebigere Erschliessung
der Neurologie als eines reichen und dankbaren Grenzgebietes.
Nachdem schon Referent die neuen Beziehungen zwischen
„Orthopädie und Neurologie“ [3] kurz besprochen hatte, wählte
Hoffa das gleiche Thema zu einem ausführlichen Vortrag auf
der Naturforscher- und Aerzteversammlung in München [4].
Unter den hier in Betracht kommenden Affectionen ist für
die Orthopädie die wichtigste die spinale Kinderlähmung, deren
moderne orthopädisch-chirurgische Therapie vom Referenten
in einer Skizze dargestellt wurde [5].
In der Behandlung der Lähmungen hat die Sehnenüber¬
pflanzung vermehrte Bedeutung und vielseitige Beachtung er¬
langt. Es konnte vom Referenten ein vorläufiges Indi-
cationsgebiet abgegrenzt und zusammenfassend beschrieben
werden [6]. Es kommen namentlich in Betracht: traumatische
Defecte von Sehnen, periphere, spinale, cerebrale Laesionen,
schlaffe und spastische, partielle und totale Lähmungen. Lud-
w i g [6a] empfiehlt die Ueberpflanzung für partielle Lähmung,
die Arthrodese für völlige Paralyse.
Aus der Hoff a’schen Anstalt berichten dieser selbst und
G o c h t [7, 8] über eine Reihe günstiger Resultate, W aller-
stein hat einen Fall von Little’scher Krankheit durch die
Operation wesentlich gebessert [9]. Ueber zum Theil mehr¬
jährige Dauerresultate aus seiner Serie von 80 Ueberpflanzungen
machte Referent auf dem Chirurgencongress Mittheilungen
[10], Etwas modificirt wurde die Technik von Lange, der
den abgetrennten Sehnen durch Vernähung mit dem Periost
günstigere Insertionspunkte schaffen will [11].
Dass die cerebrale Kinderlähmung einer activeren, chirur¬
gischen Therapie häufig zugänglich ist, zeigt eine Arbeit von
Bock er [12]. Das orthopädische Mittel der Suspension zur
Behandlung von Nervenkranken erprobte Hoffmann [13]
und sah Erfolge bei Myelitis und Tabes, keine schädlichen Wir¬
kungen.
Auf ein weiteres Arbeitsgebiet wies Rosenfeld hin, der
die höchst dürftige Krüppelfürsorge in Deutschland
schildert [14]. Es existiren höchstens 550 Betten für ein Heer
von mindestens 7000 pflegebedürftigen Krüppeln!
Von grossem wissenschaftlichen Interesse sind mehrfache
Untersuchungen über die „Pathogenese der Knochendeformi¬
täten“ von G h i 11 i n i [15, 16], Experimente über „mechanische
Störung des Knochenwachsthums“ von Maas [17], und Beide
wenden sich gegen W o 1 f f, der ausserdem noch mit seinem alten
Gegner Bähr polemisiren musste [18].
In einer Klarheit schaffenden Arbeit von Joachimsthal
[19] über „Zwergwuchs und verwandte Wachsthumsstörungen“
spielen die Röntgenaufnahmen eine wichtige Rolle, die v. B e r g -
mann zum Theil auf der Naturforscherversammlung als riesige
Project ionsbilder demonstrirte.
Ueber eigenartige Knochenverkrümmungen, durch entzünd¬
liche oder verwandte Erweichung entstanden, aus der Praxis der
Referenten berichtete S c h a r f f [20].
Eine kleine Monographie über das Blutergelenk rührt von
Gocht her [21]. In älteren Fällen mit Contracturen kommt
orthopädische Behandlung in Betracht.
□ igitized by Google
Zur Keimtniss und Erklärung des fettembolischen Todes
nach orthopädischen Eingriffen, trägt eine Arbeit von Payr
[22] bei, welcher mehrere solcher Fälle erlebte und den regel¬
mässigen Sectionsbefund des Status lymphaticus resp. thymicus
mit dem Exitus in Beziehung bringt. Auf die erneute Empfeh¬
lung seines Apparatsystems durch Bum [23] antwortete
Krukenberg mit einem geharnischten Artikel [24].
Aber auch Zand e r erfuhr einen schweren Angriff durch
seinen früheren Anhänger Jagerink [25], dem sich mit
frischer Kampfesfreude Bähr anschloss [26]. Nicht nur Zan-
d c r\s Skoliosenmessbilder, sondern auch seine Indicationen für
Zandergymnastik wurden vernichtend kritisirt..
Einen verbesserten Fingcrpendelapparat gab Bähr an
[26a].
Von neueren Materialien für die Herstellung portativer
Apparate wird die Cellulose empfohlen von Port [27], die Horn¬
haut sehr gelobt von Hildebrandt [28], die Draht-Celluloid¬
mulltechnik beschrieben von S e i t z [29], endlich als geheimniss-
volles Novum aus Amerika von Wiener [30] Fiber ange¬
priesen. Bügle [31] verwendet statt der Hülsen ein System
von Stahlbändern, welche den Gelenken Rotationsbewegung ge¬
statten sollen. Umgekehrt bezwecken theilweise Fixirung der
Gelenke kleine llülsenapparate, welche Ilasobroek [32] zur
Nachbehandlung von Verstauchungen tragen lässt. Thilo [33]
wieder eonstruirt einfache Apparate resp. Verbände für Beugung
und Streckung, mn Gelenkversteifungen an der oberen Extremi¬
tät entgegenzuarbeiten. Müller [33a] hebt hervor, dass die
modernen Schienenhülsenapparate, da sie kein Monopol H e s -
si ng\s mehr sind, auch in der Unfallpraxis zu verwerthen sind.
Er empfiehlt sie namentlich zur Entlastung des Kniegelenks bei
chronischem Hydrops.
Wir wenden uns nun zur speciellen Orthopädie und
beginnen mit den Erkrankungen der Wirbelsäule.
Hier liegen mehrere bedeutsame anatomische Arbeiten vor.
Schulthess [34] hat eine leichte rechtsconvexe Total¬
skoliose gründlichst studirt, hat erstmalig concavseitige Torsion
am Präparat nachgewiesen und namentlich die asymmetrischen
Bewegungsbeschränkungen der Wirbelgelenke untersucht.
Albert [35] beschäftigte sich mit dem „Mechanismus der
skoliotischen Wirbelsäule“ und stellte fest, dass die Windung
durch Rotation der Wirbel gegeneinander zu Stande kommt,
während die Torsion innerhalb der einzelnen Wirbel eine secun-
däre Erscheinung ist.
Bach mann [36] erlebte das Erscheinen seines breit an¬
gelegten Buches über „Die Veränderungen an den inneren Or¬
ganen bei hochgradigen Skoliosen und Kyphosen” nicht mehr, es
wurde der klinische Theil von Schubert-Schweidnitz
hinzugefügt.
Zwei Präparate endlich von angeborener Skoliose veran-
lassten Hirschberger, alle derartigen Fälle zusammen zu
zu tragen [37].
Die Aetiologie der habituellen Skoliose sucht P i u t -
schovius [38] wieder einmal in den erschlafften convex¬
seitigen Rückenmuskeln, die weniger gut elektrisch erregbar
sind.
Auf der Grundlage Schulthess’scher Messbilder bearbei¬
tete Hess [39] die Totalskoliose, S t a h e 1 [40] die Lenden¬
skoliose.
Ersterer erklärt die totale Skoliose für eine Dauerform,
nicht für den Uebergangszustand zu einer zusammengesetzten
Verkrümmung. Letzterer stellt die Prognose der Lendenskoliose
gut, da schwere Torsion nicht einzutreten pflegt.
Der Skoliosentherapie im Allgemeinen gilt eine zusammen¬
fassende Darstellung von O. v. L e y [40], während H a n d e c k
[41] besonders die Gymnastik hervorhebt. Schanz [42]
empfiehlt das modellirende Redressement schwerer Skoliosen
und Festhaltung der Correction im Gipsverband während 2 bis
3 Monaten.
Einen neuen Redressionsapparat beschreibt R a d i k e [43].
Bezüglich des Stützcorsetts traten verschiedenartige Mei¬
nungen zu Tage. Während Schanz [44] sogar dem normalen
Frauencorsett das Wort redet, behauptete Schulthess [45]
bei Skoliosen einen geradezu schädigenden Einfluss des Corsettes
constatirt zu haben. Seinen extremen Anschauungen wider¬
sprachen allerdings Hoffa, Lange, Joachimsthal,
Kölliker [46] und Referent.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
198
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ß.
Letzterer demonstrirte bei dieser Gelegenheit seine starren
Mieder und seine modificirten Bügelcorsette und gab Indieationen
für beide.
Bleneke [47] vertritt dieselben Ansichten und schildert
die Technik der wichtigsten modernen Stützcorsetto eingehend.
Die Verwendung der Nachtstunden zur Extension und
Lagerung in einem gleitenden Redressions-Gipsbett. wurde vom
Referenten [49] empfohlen.
Der Streit um die Aetiologie der Skoliose nach Ischias dauert
weiter: Ehret [50] und Sachs [51] erblicken in ihr eine Ent-
spannungshaltung. Fopp [52] und IIerdtmann [53] einen
Muskelspasmus. Vielleicht haben beide Parteien gelegentlich
recht!
Auf dem Gebiet der Spondylitis ist es viel ruhiger ge¬
worden. Das bisher in der Literatur vorliegende Spondylitis-
material suchte Referent [54] nach verschiedenen Richtungen
statistisch zu bearbeiten.
Die gegenwärtig geübte Therapie wurde dargestellt von
H o f f a [55], Lange [56], P e r 1 [57] und vom Referen¬
ten [58].
Das Redressement nach C a 1 o t wird nur bei Lähmung noch
gemacht.
Dagegen empfiehlt Lange die vorsichtige erneute para-
gibbäre Lordosirung, auf die wohl auch Hoffa's Etappen-
redressement hinausliiuft. Die Arbeit des Referent e n stellt
die therapeutischen Ergebnisse aus der neueren Spondylitislitera-
zusammen.
An anderer Stelle berichtet Referent [59] über die Be¬
handlung im Gipsbette und seine Resultate bei 100 Fällen.
Einen praktischen Baderahmen zeigte Katzen stein [60]
auf dem Chirurgencongress.
Mit dem Retropharyngealabscess speeiell befasste sich
Haas [61], der ihn vom hinteren Rand des Kopfnickers aus
zu incidiren räth.
Die pathologische Anatomie der zweiten wichtigen Compli-
eation, der Lähmung, ist Gegenstand einer Arbeit von Fickler
[62], welcher in 20 Fällen das Rückenmark inikoskopisch unter¬
suchen konnte. Fast stets ist, so folgert er, Störung der Lymph-
circulation die Ursache der Degeneration, jene bedingt durch
epidurale tuberculöse Granulationen. Eventuelle Heilung tritt
ein durch Neubildung von Nervenfasern. Die operative Be¬
handlung der Lähmung mittels Laminektomie hat bei vorsich¬
tiger Auswahl Trendelen bürg [63] gute Erfolge gegeben,
Tillmann [64] verspricht sich ein Resultat nur bei wirklicher
Can al Verengerung.
Dagegen ist die Indieation zu dieser Operation gegeben bei
der Caries der Wirbelbogen wie bei den Fällen von Martin [65].
Die sog. Kümmel Fache Krankheit, die Spondylitis trau¬
matica wurde auf der Naturforscherversammlung nach einem ein¬
leitenden Vortrag von Schulz [66] ganz plötzlich zu Grabe
getragen.
Es dürfte sich hier meist um eine nicht erkannte Wirbel-
fraetur mit Callusverbiegung handeln, eine* Annahme, die auch
B ii h r [67] ausspricht.
Dafür ist das neue Krankheitsbild der Spondylitis typhosu
von Quincke [68] aufg^tellt worden, K ö nitzer [69] hat
bereits einen casuistischen Beitrag hierzu geliefert.
Merkwürdig zahlreich sind die Mittheilungen über die
ohronisch-ankylosirende Entzündung der Wirbelsäule. Müller
[70] und v. Bechterew [71] verfügen über hierher gehörige
anatomische Präparate. Letzterer nimmt eine primäre Wurzel-
affeetion als Ursache an, die Fälle von Hoffman n [72] und
Kirchgässer [73] machen rheumatischen Ursprung wahr¬
scheinlich, Schwalbe äusserte sich bei einer Demonstration
M a y e r\s [74] dahin, dass es sich um eine seltene Localisation
der Arthritis deformans handle. Senator [75] glaubt ver¬
schiedene Formen unterscheiden zu können, und lloffa [76]
ist in seiner Monographie bemüht, das echte Krankheitsbild, das
auch durch einen Fall von Mutterer [77] gegeben ist, von
Pseudoformell abzugrenzen.
Eine höchst, seltene Ursache für die Kyphose endlich wird
von Hals [78] als Abdomen obstipum beschrieben, die ange¬
borene Verkürzung der Bauchmuskeln.
An der o b e reu E x t r e m i t ä t ist der Hochstand der
Schulter als angeborene Deformität von Port [79] und II o n -
seil [80], von Letzterem sogar doppelseitig beobachtet worden.
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Gross [81] und Kölliker [82] berichten über die
gleiche Anomalie als erworbenen Zustand.
Noch seltener ist wohl die Varitas des Schultergelenks, die
R i e d i n g e r [83] in Parallele zur Coxa vara stellte.
Bei schwerer Deltoideslähmung hat Krön [84] das Heben
des Armes ermöglicht durch Hebung des Pectoralis, Buch¬
binder [85] durch Arthrodese des Gelenkes.
In einer sorgfältig vorbereiteten Arbeit beschäftigt sich
Hübscher [86] mit dem Cubitus valgus, der beim weiblichen
Geschlecht einen normalen Befund darstellt.
Sehnenüberpflanzungen wegen Lähmung am. Vorderarm
wurden von Müller [87], Merkel [88] und Keiler [89]
ausgeführt mit z. Th. erstaunlichem Erfolg.
Dio Klumphand operirte v. Bardeleben [90] nach
Bardonheuer mit gutem Erfolg, Merkel [91] eine ange¬
borene Handgelenksluxation mittels Resection. Ein Beitrag zu
den Defectbildungen der oberen Extremität lieferte Pagen-
Stecher [92].
Die Dupuytren’sche Fingercontractur bringt Gom-
m e 1 [93] in ursächlichen Zusammenhang mit der Gicht.
Von den Krankheiten der unteren Extremität
haben diejenigen des Hüftgelenkes auch in diesem Jahr das
grösste Interesse für sich beansprucht, und unter ihnen wieder vor
allen Dingen die angeborene Hüftluxation. Mit
ihrer Aetiologie beschäftigt sich Drehmann [94], der ausser
der intrauterinen Zwangsstellung für manche Fälle das Trauma
intra partum heranzieht. Letztere geben naturgemäss günstigere
Chancen für den Repositionsversuch. Einen Fall von Hüftluxa¬
tion bei einem 8 monatlichen Foetus beschreibt F r o n i n g [95].
Bezüglich der Therapie haben sich die Erfahrungen mit der
blutigen wie insbesondere mit den verschiedenen Methoden der
unblutigen Reposition so gemehrt, dass Serienberichte von
mehreren Operateuren erscheinen konnten.
Soviel steht also fest, dass eine gewisse Zahl von Gelenken
auch im Sinn des Anatomen reponirt wird, wie Röntgenbilder
zeigen. Ueber solche Bilder in ziemlicher Zahl verfügen u. A.
Hoffa [96], Lorenz [97], Wolff [98], Waitz [99].
Die Röntgenaufnahmen erklären aber auch das häufig be¬
obachtete günstige funetionelle Resultat trotz misslungener Re¬
position dadurch, dass der Kopf höher oben am Becken ein knö¬
chernes Lager findet. Was nun den Procentsatz, die Güte und die
Dauerhaftigkeit der Erfolge und Heilungen anlangt, so befinden
wir uns geradezu einer Scala von Urtheilen gegenüber, deren
tiefsten Punkt die recht trüben Mittheilungen von Petersen
[100] einnehmen, während Lorenz dem hohen Ziel nahe zu sein
glaubt.
Mit Lorenz suchen auch Andere durch Verbesserung der
Technik die Resultate der unblutigen Reposition noch zu bessern,
so namentlich Lange [101], der in Folge seiner Vorschläge mit
Schanz [102] in eine Fehde gerieth.
Trotz des grossen Materiales ist eine Entscheidung noch
nicht zu fällen. Es werden wohl, wie Hoffa dies betont, manche
schwere und ältere Fälle nur einer blutigen Behandlung zugäng¬
lich sein, sei es der künstlichen Pfannenbohrung, der subtrochan-
teren Osteotomie (Rondring [103]), der Resection event. mit
einem von Seliger [104] vorgeschlagenen, die Bildung einer
Nearthrose bezweckenden Modification.
Es wird andererseits, wenn ein Gelingen denkbar ist, stets
zuerst die unblutige Methode versucht werden müssen als die
ungefährlichere. Dass auch sie nicht gefahrlos ist, beweisen die
Mittheilungen über Fracturen, Lähmungen, Zerreissungen, von
denen namentlich Lorenz berichtet.
Eine typische Form von Hemia cruralis im Anschluss au die
unblutige Reposition beschreibt Narath [105]. Dass starker
Sehraubenzug Ilerzcollaps herbeiführen kann, hat Senger [106]
an einem Fall selbst erlebt, in dem er allerdings die blutige Ein¬
renkung ausführen wollte. Für letztere beinahe vernichtend wäre
es vielleicht, wenn Reine r’s Beobachtung [107] allgemein be¬
stätigt würde, dass die operative Beckenseite im Wachsthum zu¬
rückbleibt durch Störung der Epiphysenfuge, und dass diese De-
formirung ein Geburtshinderniss darstellt.
Eine eingehende Bearbeitung hat die Coxa vara nebst
ihrem Gegenstück, der Coxa valga, durch Albert [108] ge¬
funden, der ausgezeichnete Präparate abbildet. Alsberg [109]
beschreibt einen Fall, der einerseits congenitale Hüftluxation,
andererseits eine auch wohl angeborene Coxa vara besass.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
199
Auf den gewiss oft traumatischen Ursprung (Fractur)
der Schenkelhalsdeformität machen J oachimsthal [110],
Sprengel [111], Busse [112], S u d e c k [113] aufmerksam.
Eine weitere Arbeit der Letzteren enthält Untersuchungen über
die Ivnochenstructur des Schenkelhalses, welche die Verbiegung
durch übergrosse Belastung verständlich machen [114].
Den hohen Werth der conservativen C o x i t i s behandlung
weist Binder [115] nach. Während er Schienenhülsenapparate
empfiehlt, zeigt Fort [116], der ebenfalls warm für die ortho¬
pädische Therapie eintriit, wie ein einfacher Stützapparat ge¬
nügt und herzustellen ist.
Bei alten Coxitiden empfiehlt Sprengel [117] zur Besei¬
tigung nicht zu schliessender Fisteln seinen Darmbeinrandschnitt,
Hof f a [118] zur Correctur fehlerhafter Ankylosen die Osteo¬
tomie, die in ihren verschiedenen Formen auch bei anderen
Affectionen des Hüftgelenkes Vorzügliches leisten kann.
Auch mit dem Kniegelenk beschäftigt sich eine ausführ¬
liche Arbeit A1 b e r t’s [119], der entgegen Mikulicz nicht
eine Spätrachitis, sondern mechanische Einflüsse für die Ent¬
stehung des Genu valgum und varuni verantwortlich macht. Bis
in den Fuss hinunter machen sich diese Einflüsse geltend.
Ein angeborenes Genu varum hat W a i t z [120] beobachtet.
Die Patellarluxation, deren angeborene Form S t einle r
[121], deren pathologische Mechanik Spitzy [122] bespricht,
hat Hoffa [123] mittels Kapselfaltung erfolgreich in Angriff
genommen.
Dass die rachitischen UnterschenkelVerkrümmungen meist
bis zum 6. Lebensjahr ausheilen, davon hat sich II e u t e r [124]
durch Nachuntersuchungen überzeugt.
Die Entstehung des congenitalen Klumpfusses verlegt
Heusner [125] bereits in die 6. Woche und bringt sie in
Zusammenhang mit dem zu dieser Zeit physiologischen Nabel¬
schnurbruch.
Bezüglich der Therapie empfiehlt er seine Specialschiene,
um die lästige Innenrotation zu beseitigen.
Auch Hoffa [126] kehrt merkwürdiger Weise, wenigstens
zum Theil, zur Maschinenbehandlung zurück, welche auch in
Xeuber [127] einen Fürsprecher gefunden hat.
K r a u 8 e [128] hält die F h e 1 p s’sche Operation für das
beste Verfahren bei schweren Fällen, Merkel [129] hat mit
der Talusexstirpation Erfolg gehabt.
Beim angeborenen Klumpfuss ist Referent [130] stets
mit dem modellirenden Redressement ausgekommen, auch bei
hochgradigen und veralteten Deformitäten, beim paralytischen
Pcs varus ist ihm die Sehnenüberpflanzung die Operation de»*
Wahl. Die Aehillotenotomic räth Schanz [131] erst einige
Wochen nach dem Redressement zu machen, welch’ letzteres auch
von S c h u 11 z e [132] empfohlen wird. Dass man mit demselben
unter Umständen Unglück haben kann, zeigen 2 Beobachtungen
von Kaposi [133], eine Osteomyelitis und eine schwere Neu¬
ritis des Nerv, plant, nach denn Redressement.
Das Auftreten des Flattfusses nach Verletzungen des
Beines ist nach B ä h r [134] bedingt durch die abnorme Gangart
und fehlerhafte Belastung.
Auf die mannigfaltige Art der Plattfussbeschwerden macht
Schanz aufmerksam [135]. Therapeutisch bringt weder er
noch Walter [136] wesentlich Neues vor.
Der mit congenitalem Fibuladefect. verbundene Fes valgus
wird nach Tausch [137] am besten durch Spaltung der Tibia
(»der durch Equinus-Arthrodese beseitigt, falls man sich nicht
mit der Fixirung im Hülsenapparat begnügt.
Den paralytischen Pes calcaneus endlich hat J o a c h i m s -
t h a 1 [138] erfolgreich mit Sehnenüberpflanzung behandelt.
Wir sind am Schlüsse.
Das Erbe, das die Orthopädie des neuen Jahrhunderts an-
tritt, ist ein erhebliches. Immerhin sind grosse und wichtige
Aufgaben noch zu lösen, von denen nur die Heilung der Skoliose
hier angeführt sei. Hoffentlich können künftige Jahresberichte
von fortschreitenden Erfolgen der deutschen Orthopädie auch
*»uf diesen bisher weniger dankbaren Gebieten berichten.
L i t e r a t u r.
1. Wiener klin. Rundschau No. 33. — 2. Deutsche Aerzteztg.
No. 3. — 3. Deutsche Praxis No. 3. — 4. Münch, med. Woclieuschr.
N'o. 41. — 5. Der Kinderarzt Heft 7. — 6. Klin. therapeut. Woelien-
schr. No. 11. — 6n. Zur modernen Behandlung von Lähmungen etc.
Diss. med., Breslau. — 7. Berl. klin. Wochenschr. No. 30. —
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8. Zeitschr. f. orthop. Cliir. Kd. 7, II. 1. — 9. Münch, med. Wochen¬
schr. No. 39. — 10. Münch, med. Wochenschr. No. 17. — 11. Central¬
blatt f. Chir. No. 48. — 12. Zeitschr. f. orthop. Cliir. Bd. 7, Heft 1. —
13. Zeitsehr. f. diät. u. phvsik. Therapie Bd. 3, Heft 5. — 14. Zeit¬
sehr. f. orthop. Chir. Bd. (5. Heft 3 n. 4. — 15. Ibidem. — 16. Arcli.
f. klin. Cliir. .“18. Bd., 2. Heft. — 17. Münch, med. Wochenschr. —
18. Virchow’s Arcli. Bd. 1.16, 157, 158. — 19. Deutsch, med. Wochen¬
schr. No. 17 u. 18. - 20. Zeitsehr. f. orthop. Cliir. Bd. 7, Heft 1. —
21. Verhandl. d. Chirurgeiioongresses. -- 22. Zeitsehr. f. orthop.
Chir. Bd. 7, lieft 2 u. 3. — 23. Monatssehr. f. Unfallheilk. No. 2. —
21. Zeitsehr. f. orthop. Chir. Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 25. Ibid. Bd. 7,
lieft 1. — 26. Ibid. Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 26a. Centralbl. f. Chir.
No. 52. p. 1384. - 27. Miiueh. med. Wochenschr. No. 1. — 28. Ibid.
No. 23. — 29. Zeitsehr. f. orthop. Cliir. Bd. 7, Heft 1. — 30. Ceutral-
blntt f. Cliir. No. 1. — 31. Müneli. med. Woclieuschr. No. 23. —
32. Ibid. No. 30. — 33. Monatssebr. f. Unfallheilkunde No. 7. —
33a. Centralbl. f. Cliir. No. 52. — 34. Zeitschr. f. orthop. Chir.
Bd. 6. lieft 3 u. 4. — 35. Monographie, Wien, Verlag A. Holde r.
— 3<». Bibliotheea lncdica. Abtli. D 1, Heft 4. — 37. Diss. med.,
Würzburg. — Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 7, Heft 1. — 38. Diss.
med., Greifswald. — 39. Zeitsehr. f. orthop. Chir. Bd. 6, Heft 3 u. 4.
— 40. Müneli. med. Wochenschr. No. 17. — 41. Zeitschr. f. orthop.
Chir. Bd. 7, lieft 1. — 42. Deutsch, med. Woclieuschr. No. 22. —
43. Zeitschr. f. orthop. Cliir. Bd. 7. Heft 2 u. 3. — 44. Deutsch, med.
Wochenschr. No. 29. — 45. Xaturforscher-Vcrsainml.. Münch, med.
Wochenschr. No. 50.: — 46. Centralbl. f. Cliir. No. 50. — 47. Zeitsehr.
f. orthop. Chir. Heft 2 it. 3. — 48. Müneli. med. Woclieuschr. No. 4.
— 49. Deutsche med. Woclieuschr. No. 49. — 50. Grenzgebiete der
Med. u. Cliir.. Bd. IV. Heft 5. — 51. Aerztl. Saehverständ.-Zeitung
Xo. 18. — 52. Skoliosis neuromuscularis etc., Diss. med. Würzburg.
— 53. Monatssehr. f. Fnfallheilk. No. 6. — 54. Arch. f. klin. Chir.,
Bd. 58. 2. Heft. — 55. Prager med. Wochen sehr. No. 31—34. —
56. Wiener Klinik 1899, 1. Heft. — 57. Arch. f. Kinderheilk. Bd. 16.
— 58. Centralbl. f. d. Grenzgebiete, II. Bd., Heft 17 u. 18. —
59. Therapeut. Monatshefte. Februar. — (50. Centralbl. f. Cliir.
No. 27. — 61. Diss. med. Tübingen 1899. — 62. Deutsche Zeitschr.
f. Nervenlieilk., 16. Kd., Heft 1 u. 2. — 63. Langenbeek’s Archiv,
Bd. 59, Heft 3. — 64. Münch, med. Woehensehr. No. 40. — 65. Ibid.
No. 43. — 06. Centralbl. f. Chir. No. 50. — 67. Monatsschr. f. Un¬
fallheilk. No. lo. — (»8. Mittli. aus d. Grenzgebieten, 4. Bd., 2. Heft.
69. Müneli. med. Wochenschr. No. 35. — 70. Ibidem No. 41. —
71. Deutsche Zeitschr. f. Nervenlieilk., 15. Bd., 1. u. 2. Heft. —
72. Ibidem. — 73. Müneli. med. Wochenschr. No. 41. — 74. Ibidem
No. 46. — 75. Ibidem No. 45. — 76. Samml. klin. Vorträge No. 247.
— 77. Deutsche Zeitschr. f. Nervenlieilk., 14. Kd., Heft 1 u, 2. —
78. Zeitschr. f .orthop. Cliir.. Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 79. Münch, med.
Wochenschr. No. 24. — 80. Beitr. z. klin. Chir., Bd. 24, He^3. —
81. Centralbl. f. Cliir. No. 40. — 82. Münch, med. Wochenschr. No. 34.
— 83. Ibid. No. 49. — 84. Deutsche Zeitschr. f. Nervenlieilk.. Bd. 15,
Heft 1 u. 2. — 85. Münch, med. Wochenschr. No. 28. — 86. Deutsche
Zeitschr. f. Cliir., Kd. 53, Heft 5 u. 6. — 87. Zeitschr. f. klin. Med.
38. Bd.. 4.—6. Heft. — 88. Müneli. med. Wochenschr. No. 34. —
89. Centralbl. f. Cliir. No. 42. — 90. Deutsche med. Wochenschr.
No. 14. — 91. Münch, med. Wochenschr. No. 5. — 92. Deutsche Zeit¬
schrift f. Cliir., 50. Bd.. Heft 5 u. 6. — 93. Deutsche med. Wochen¬
schrift No. 18. — 94. Ceiitralblatt f. Chirurgie No. 13. — 95. Diss.
Bd. 59, Heft 2. — 97. Berl. klin. Wochenschr. No. 3—6. — Chirurg. -
Congress. Therapeut. Monatshefte No. 8 u. 9. — 98. Berl. klin.
Wochenschr. No. 18, 19, 21. — 99. Münch, med. Woclieuschr. No. 5.
— 100. Cliir.-Congr. — Deutsche Zeitschr. f. Cliir., 50. Bd.. 5. und
6. Heft. — 101. Samml. klin. Vortr. No. 140. — Berl. klin. Wochen¬
schrift No. 16. — 102. Zeitschr. f. orthop. Chir., Bd. 7. Heft 1. —
103. Diss .med. Würzburg 1899. — 104. Virehow’s Archiv, Bd. 154,
Heft 2. — 105. Chinirgeii-Congress. — Arch. f. klin. Chir., Bd. 59,
Heft 2. — 106. Cliiriirgen-Congress. — 107. Naturforscherversamm-
lung München. — 108. Zur Lehre von der sog. Coxa vara und valga.
Wien 1899. Verl, von A. Holder. — 109. Zeitschr. f. orthop. Cliir.,
Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 110. Arch. f. klin. Cliir., Bd. 60, Heft 1. —
111. Ibidem, B<1. 59. Heft 4. — 112. Diss. med. Erlangen 1899. —
113. Centralbl. f. Cliir. No. 13. — 114. Chirurg.-Congress. — Arcli.
f. klin. Cliir.. Bd .59. Heft 2. — 115. Zeitschr. f. orthop. Chir., Bd. 7,
Heft 2 u. 3. — 116. Münch med. Wochenschr. No. 29. — 117. Zeit¬
schrift f. orthop. Cliir., Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 118. Die Osteotomie
bei der Behandlung der Hüftgelenksdeformitäten. Würzburg 1899,
Stuber's Verlag. — 119. Seitliche Kniegelenksverkrtlmmungen
lind compensatorische Fussforinen. Wien 1899, Verl. A. Holde r.
— 120. Münch, med. Wochenschr. No. 20. — 121. Zeitschr. f. Heilk.,
Bd. 19, Heft 4. — 122. Zeitsehr f. orthop. Chir.. Bd. 6, Heft 3 u. 4.
— 123. Arch. f. klin. Cliir., Bd. 59, Heft 2. — 124. Diss. med. Kiel
1899. — 125. Chirurgeu-Congress. — 126. Deutsche Praxis No. 11 ff.
— 127. Arcli. f. klin. Chir., Bd. 59, Heft 2. — 128. Münch, med.
Wochenschr. No. 27. — 129. Ibidem No. 52. — 130. Aerztliche Praxis
No. 2. — 131. Centralbl. f .Chir. No. 25. — 132. Naturf.-Versamml.
München. — 133. Müneli. med. Wochenschr. No. 23. — 134. Monats¬
schrift f. Unfallheilk. No. 7. — 135. Zeitschr. f. orthop. Chir., Bd. 6,
Heft 3 u. 4. — 136. Münch, med. Wochenschr. No. 14. — 137. Natur¬
forscher-'Versamml. München. — 138. Centralbl. f. Chir. No. 4.
Dr. Adolf B a g i n S k y, a. o. Professor der Kinderheilkunde
an der Universität Berlin, Director des Kaiser- und Kaiserin-
Friedrich - Kinderkrankenhauses : Lehrbuch der Kinderheil¬
kunde für Aerzte und Studirende. Sechste, vielfach vermehrte
und verbesserte Auf läge. Braunschweig, Verlag von Fr. Wreden,
Original ftom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
200
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Im Jahre 1882 hat das Lehrbuch von Baginsky zum
1. Male seine Ausreise in die medicinische Welt angetreten,
heuer liegt die 6. Auflage vor uns, so dass das ja allenthalben be¬
kannte Werk eine ca. 3 jährige Verjüngungsperiode sein eigen
nennen darf, wohl ein sprechender Beweis für das gute Funda¬
ment, auf dem seine Anlage ruht, und für die ihm hieraus flies¬
sende Beliebtheit bei Aerzten und Studirenden. Seit der 5. Auf¬
lage, welche Ref. eingehend an dieser Stelle besprochen hat unter
ausführlicher Darlegung der Stellungnahme B a g i n s k y’s zu
verschiedenen klinischen Fragen, ist eine irgend principielle
Aenderung dieser Anschauungen nirgends in den Vordergrund
getreten, namentlich ist B a g i n s k y nach wie vor der treueste
Anhänger der Serumtherapie der Diphtherie geblieben, allein
an fast allen Capiteln des Buches ist den seit der letzten Auflage
erzielten wissenschaftlichen Fortschritten Rechnung getragen
und das Buch damit von seinem Autor wieder auf den aller¬
modernsten Standpunkt erhoben worden. So können auch Jene
damit zufrieden sein, welche sogar bei einem Lehrbuch — aus
einer gewissen Ueberscliätzung des „Neuesten“ heraus — die An¬
forderung stellen, dass ein 2 Monate vorher erschienener Journal¬
artikel darin berücksichtigt sei, um wie viel mehr noch der andere
Theil der Leser, die in einem Lehrbuch eine Sammlung fest¬
stehender Thatsachen und Anschauungen erblicken. Die reiche
klinische Erfahrung B a g i n s k y*s, die in dem Buche nieder¬
gelegt ist und allen theoretischen Frontveränderungen gegenüber
jederzeit dessen eisernen Bestand darstellen wird, macht das
Werk gerade für die praktischen Aerzte zu einer Fundstelle ver¬
lässigen Rathes, während sein ganz modernes Gewand ihm auch
nach wie vor unter den Studirenden viele Freunde sichern wird.
Bei seiner Verjüngung ist das Buch wieder um ein halbes Hun¬
dert Seiten gewachsen. Die Ausstattung ist die bekannt vor¬
treffliche. Dr. Grassmann - München.
Dr. Rose- München: Untersuchungen über die Mund¬
wässer. (Oesterr.-ungar. Vierteljahrsschrift für Zalmheilkunde.
Wien 1899.)
Wenn auch die mechanische Reinigung der Mundhöhle mit¬
tels Zahnbürste und Zahnstocher die Grundlage jeder Mund¬
pflege bilden muss, so reicht diese allein doch meist nicht aus,
sondern muss durch Anwendung antiseptischer Mundwässer
unterstützt werden. Ein gutes Mundwasser muss drei Eigen¬
schaften haben:
1. vollkommene Unschädlichkeit,
2. hinreichende antiseptische Wirkung,
3. guten Geschmack und Geruch.
Vor Allem sind allgemein giftige Mittel zu verwerfen, dann
solche, welche die Mundschleimhaut verätzen, wie * Sublimat,
Formaldehyd und alle wasserlöslichen Alkalien. Zu letzteren
zählen auch die Zahnseifen, da alle Seifen alkalische Reaction
zeigen. Nicht minder schädlich wirken die sauren Mundwässer,
weil diese die Zähne entkalken. Daher soll ein gutes Mundwasser
völlig neutral reagiren.
R ö s e untersuchte eine Reihe der gebräuchlichsten Mund¬
wässer und prüfte nicht nur ihre momentane Wirkung, sondern
auch ihre Dauerwirkung, indem er feststellte, wie sich der
Keimgehalt nach V 4 , l /„ 2 */, und 4 Stunden verhielt.
Diese Versuche brachten höchst beachtenswerthe Resultate
zum Vorschein. Es ist eine allen Praktikern bekannte Thatsache,
dass Kal. chloric. und besonders Kal. hypermanganic. bei Krank¬
heitsvorgängen in der Mundhöhle sich ganz vortrefflich bewähren.
Gleichwohl sprach ihnen Miller, welcher nur die momentan
bactericide Wirkung der verschiedenen Mittel prüfte, fast jeden
Werth ab. Rose wies nach, dass sie allerdings momentan eine
recht schwache Wirkung zeigten, dass aber ihre Dauer¬
wirkung eine beträchtliche sei.
Odol ist nach Rose ein gutes Mundcosmeticum. Zu den
einzelnen Mundwässern übergehend, wird zuerst das Subli¬
mat besprochen. Es ist das stärkste Mundantisepticum, aber
wegen seiner saueren Reaction und seiner Aetzwirkung auf die
Mundschleimhaut als täglich zu gebrauchendes Mundwasser völlig
ungeeignet.
Alkohol hat beträchtliche antiseptische Eigenschaften,
er erleichtert, da er das Mucin löst, wesentlich die mechanische
Reinigung und ruft endlich eine arterielle Fluxion hervor, unter
deren Einflüsse die venöse Stase des kranken Zahnfleisches all¬
mählich schwindet. Von den verschiedenen probirten Concen-
Digltlzed by Google
ffo. 6.
centrationsgraden, erwies sich der 60 proc. Alkohol als am wirk¬
samsten. Alkohol ist sicher ein vorzügliches Heilmittel für die
erkrankte Mundschleimhaut, ob es sich aber als täglich zu ge¬
brauchendes Mundcosmeticum eignet, muss erst noch die Er¬
fahrung ergeben.
Physiologische Kochsalzlösung, blutwarm, hat
beachtenswerthe bactericide Eigenschaften. Sie empfiehlt sieh
be sonders als Volksmittel und bei Schwerkranken.
Aetherische Oele sind in der Concentration, wie sie
gewöhnlich als Mundwässer verwandt werden, vollkommen wir¬
kungslos.
Wasserstoffsuperoxyd enthält stets Säure, der
nascirende Sauerstoff verätzt die Schleimhaut und endlich ist der
Geschmack des Mittels unangenehm.
Kal. permanganic. hat eine intensive Dauerwirkung,
ist aber zum täglichen Gebrauche nicht verwendbar, da es
sich in Sauerstoff, Kalilauge und Braunstein zersetzt, erstere
Stoffe ätzen die Schleimhaut, der Braunstein verfärbt die Zähne.
Dagegen ist es vorzüglich als Heilmittel zur Nachbehandlung von
Kieferbrüchen etc.
Kali chloricum theilt mit dem Kali hypermang. die
ätzenden Eigenschaften und ist schon wegen seiner allgemein
giftigen Wirkung als Mundcosmeticum auszuschliessen.
Port- München.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medicin. XXXIX. Bd., 1. u. 2. Heft.
1) Roth-Berlin: Zur Frage der Pepsinabsonderung bei
Erkrankung des Magens. (Aus dem Augustahospital. Professor
Ewald.)
Die Bestimmung des Pepsingehaltes geschieht für praktische
Zwecke am Besten nach dem Met t’schen Verfahren (Glascapil-
laren mit geronnenem Htthnereiweiss werden 24 Stunden bei Brut¬
temperatur in dem zu untersuchenden Safte gelassen; Messung der
verdauten Strecke). Die Schwankungen sind beträchtlich: die
höchsten Wertlie finden sich bei Reizzuständen: Ulcus, nervöser
Hypersecretion; die niedersten bei chronisch atrophischem Ka¬
tarrh und nervösen Störungen. Die Pepsinbestimmung ist prak¬
tisch von viel geringerem Werthe als die der HCl.
2) Umber: Zur Lehre von der Glykolyse. (Aus dem phy-
siol.-chem. Institut Strassburg.)
Nachprüfung der Blumentha Psclien Versuche, wonach
Pankreassaft, den er nach E. Buchner’s Methode als Presssaft
gewann, eine stark zuckerzersetzeude Wirkung besitzt, ergab,
dass dieses Resultat nicht eintritt, sobald aseptisch gearbeitet
wird, also auf Rechnung bacterieller Verunreinigung zu setzen ist.
Dagegen besteht eine glykolytische Wirkung des Blutes, auch des
sterilen, aber nur in geringem Maasse. Ein Unterschied zwischen
arteriellem und venösem Blut, speciell auch dem der Vena pan-
ereatico-duodenalis, ist in dieser Hinsicht nicht vorhanden. Die
Störungen beim Pankreasdiabetes lassen sich also nicht durch den
Wegfall eines glykoly tischen Fermentes erklären.
3) P i e r a 11 i n i - Berlin: Kommen dem menschlichen Pan¬
kreas (post mortem) und dem Ham zuckerzerstörende Eigen¬
schaften zuP (Aus dem Laboratorium der I. med. Klinik, Geh.-
Ratli v. L e y d e n.)
Menschliches Pankreas zeigte im Gegensatz zu den von
Blumenthal am Thiere gewonnenen Erfahrungen sehr geringe
und inconstante zuckerspaltende Wirkung, ohne Beziehung zur
den Tod verursachenden Krankheit. Eine Entscheidung über den
etwaigen Wegfall einer glykolytisehen Function beim Pankreas¬
diabetes zu gewinnen, ist auf diesem Wege nicht möglich. —
Steriler Harn besitzt keine glykolytische Wirkung.
4) Bloch und Hirschfeld - Berlin: Zur Kenntnis der
Veränderungen am Centralnervensystem bei Leukaemie. (Aus
dem städt. Krankenhaus Moabit.)
Beobachtung acuter myelitischer Herde in der grauen Sub¬
stanz des Rückenmarkes eines an Leukaemie verstorbenen Kindes.
5) v. M o r a c z e w s k i - Lemberg: Stoffwechsel bei Lungen¬
entzündung und Einfluss der Salze auf denselben. (Aus der med.
Klinik des Prof. G 1 u z i n s k i.)
Eingehende Stoffwechselversuche, die im Originale nachzu¬
lesen sind. Verfasser geht von dem Gedanken aus, dass beiin
Fieber eine Verminderung der Concentration der Säfte besteht.
In Folge dessen kommt es zur Salzretention. Versuche, das Salz¬
bedürf niss des fiebernden Organismus durch erhöhte Salzzufuhr
zu unterstützen, "waren von keiner constanten Wirkung auf die
N-Ausscheidung, doch -wurde Steigerung der Diurese und Verkür¬
zung der Reconvalescenz beobachtet.
6 ) Krewer-St. Petersburg: Ueber transitorische Spinal¬
lähmungen. (Aus dem Obuchow’-Frauenhospitale.)
Es existiren Fälle von acuten, in Heilung übergehenden
Lähmungen, die nicht neuritischer oder hysterischer Natur sind,
sondern zweifellos vom Rückenmark ausgehen. Sie erinnern an
die acute Myelitis, sind aber von ihr pathologisch-anatomisch zu
trennen und als „transitorische Spinalparalysen“ zu bezeichnen.
Der zu Grunde liegende Process besteht vielleicht in einer Hae-
morrhagie oder Embolie eines kleinen Gefässes. Zwei derartige
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
201
Fälle werden mitgethellt, ebenso ein dritter ähnlicher, der aber
nicht in Heilung, sondern in chronische Myelitis ausging.
7) Ros in und J e 11 i n e k - Berlin: Ueber Färbekraft und
Eisengehalt des menschlichen Blutes. (Aus der k. Universitäts-
Poliklinik, Geh.-Rath Senato r.)
Vergleichende Untersuchungen des Blutes au einer grossen
Anzahl von Patienten mit dem verbesserten Fleischlichen
Haemoglobinometer und dem Jolle s* scheu Ferrometer ergaben,
dass Eisengehalt und Färbekraft durchaus nicht immer Hand in
Hand gehen — nur in 32 von 104 Fällen — sondern viel öfter —
53 mal — die Färbekraft den Eisengehalt überwog, manchmal —
19 mal — aber auch geringer war. Es ist daraus zu schliessen,
dass Eisengehalt, Färbekraft und Haemoglobin von einander ganz
unabhängige Dinge sind. Die Färbekraft wird ausser durch das
Haemoglobin noch sehr beträchtlich durch die Farbstoffe des
Serums beeinflusst, ebenso ist der Eisengehalt des Blutes nicht
allein im Haemoglobin zu suchen, welches selbst nicht einmal
einen constanten Eisengehalt hat. Für die einzelnen Krankheiten
ergab sich: hohe Färbekraft, geringer Eisengehalt bei Herzfehlern,
Ikterus, Diabetes, Morbus Basedowii; verminderte Färbekraft mit
verhältnissmässig geringerer Verminderung des Eisens bei Chlo¬
rose und Anaemie.
8 ) Rosenstein: Ueber chronische Myocarditis mit Herz¬
aneurysma im Kindesalter, zugleich ein Beitrag zur Aetiologie
derselben. (Aus dem pathol. Institut zu Königsberg, Prof. Neu-
m a n n.)
Ein wegen Coxitis operirter Knabe starb nach zwei Tagen,
bei der Section ergab sich Tuberculose der Lungen, tuberculöser
Niereninfarct, chronische Peri- und Myocarditis mit beginnendem
Aneurysma des linken Ventrikels. Die Herzmuskelerkrankung
ist wahrscheinlich auf tuberculöser Basis entstanden.
9) C. v. S t e j s k a 1 und F. Erben: Klinisch-chemische
Studien. Stoffwechselversuch bei einem Fall von lymphatischer
und einem von lienal-myelogener Leukaemie. (Aus der II. med.
Klinik Wien, Hofrath Prof. Neusse r.)
Die Resorption war in diesem normal, in jenem vermindert.
Die Harnsäureausscheidung war bei der lienalen Leukaemie hoch-
normal, bei der lymphatischen geringer. Bei dieser trat nach
Unterernährung Eiweissausatz auf, es ist bei ihr nicht wie bei der
lienalen Leukaemie eine eiweisszerstörende Kraft thätig. Auf¬
fällig war die hohe Kalkausscheidung bei der lymphatischen Leu-
kaemie (Knocheneiuschmelzung).
K ersehe n Steiner - München.
Archiv für klinische Chirurgie. GO. Band, 3. Heft. Berlin,
Hirschwald, 1899.
18) Bunge: Zur operativen Behandlung der veralteten
irreponiblen Luxationen im Ellbogengelenk. (Chirurg. Klinik
Königsberg.)
Bericht über 17 Fälle. Von den am Gelenk Vorgefundenen
Veränderungen interessirten besonders die Absprenguugen von
Knochenpartien, die nur in 3 Fällen vermisst wurden. In der
Regel stammten sie von der Gegend der Epicondylen.
Als Grundpriueip der zur Anwendung gekommenen Opera¬
tionstechnik bezeichnet B. die ausgiebige Skeletirung der Gelenk¬
theile, die, mit Ausnahme zweier Fälle, von zwei, einige Male auch
von einem Längsschnitt aus vorgenommen wurde. Diese Ske¬
letirung gestattet eine ausgiebige Besichtigung der ganzen Um¬
gebung des Gelenkes bei vollständiger Schonung des Streck¬
apparates. Die sich vorflndenden Narbenstränge, geschrumpfte
Band- und Ivapseltheile werden ebenso wie die Vorgefundenen
Knochenstücke exstirpirt. Mit dem Skeletireu darf man nicht
eher aufhören, als bis man sümmtliehe Bewegungen im Ellbogen¬
gelenk frei ausführen kann. Nach exactester Blutstillung wird die
Wunde in der Regel vollständig vernäht. Der Verband wird in
leicht stumpfwinkliger Stellung bei voller Pronation angelegt.
Sehr grosses Gewicht ist auf eine baldige sorgfältige Nachbehand¬
lung zu legen; besonders gute Erfolge wurden mit der Heus-
n e r’schen Spiralschiene erzielt.
Grundbedingung für den Erfolg ist eiu aseptischer Wundver¬
lauf. Nur 3 mal wurde eine Störung desselben beobachtet, einer
derselben ging septisch zu Grunde.
Von den übrigen 16 Fällen können 2 als zu kurz beobachtet,
für den Enderfolg noch nicht herangezogen werden. 2 der 14
Fälle zeigten zum Schluss ein schlechtes Resultat. 1 wurde mit
rechtwinkliger Ankylose entlassen. 1 wurde secundär resecirt, die
übrigen 11 Fälle wiesen gute, zum Tlieil vorzügliche Resultate aut'.
19) Rosenstein: Zur Casuistik der Geschwulstthrom.
böse. (Patholog. Institut Königsberg.)
Bei einem Falle von Myxosarkom der linken Niere fand sich
ein aus wirklichem Geschwulstgewebe aufgebauter Thrombus, der
von der linken Nierenvene sich durch die Cava inferior bis in den
rechten Vorhof erstreckte und in letzterem einen wallnussgrossen
platten Tumor bildete.
Nur in 3 von den aus der Literatur zusammengestellten Fällen
reichte der Tumor bis zum Herzen, und nur in einem erfüllte er
die Herzhöhlen noch mit.
20) v. K u e s t e r : Versuche über die Farbstoffproduction
des Bacillus pyocyaneus. (B e r g m a n n'sehc Klinik Berlin.)
Die Farbstoffbildung des Bacillus pyocyaneus wird bekannt¬
lich durch verschiedene Dinge beeinflusst, v. K. hat den Einfluss
verschiedener Autiseptiea, des Phenols, der Borsäure und der
essigsauren Thonerde auf die Farbstoffbildung geprüft. Aus den
Versuchen ergab sich, dass die 3 Mittel, in geringen Mengen dem
Nährboden zugesetzt, die Farbstoffproduction des Pyocyaneus
steigern, bei einem höheren Procentsatz sie aufheben und bei
einem noch höheren die Entwicklung des Bacillus selbst ver¬
hindern.
Des Weiteren berichtet v. K. über Versuche von Kimara,
die ergeben, dass der Bacillus pyocyaneus im Harn bezw. in der
Blase wohl vorkommt, dass aber seine Farbstoffproduction doch
ausbleibt, v. K. scliliesst sich dieser Anschauung an, und führt
aus. dass die Farbstoffproduction in der Blase gehindert wird
durch die Temperatur von 39 °, durch den Luftabschluss und
durch die Einwirkung des kohleusauren Ammoniaks in grosser
Menge.
21) Hagen-Thor n : Ein operativ behandelter Fall von
angeborener Sacralgeschwulst beim Erwachsenen. (W e 1 -
j a m i n o f f’sche Klinik St. Peterburg.)
Der Tumor bestand aus einer Kapsel und in derselben als
Inhalt ein Convolut von Darm schlingen. Bei der mikro¬
skopischen Untersuchung fanden sich: glatte Muskelfasern, Binde¬
gewebe, Fettzelleu, Nervenstämme, hyaline Knorpel; in dem
Darm fanden sich alle mikroskopischen Bestaudtheile eines
solchen vor.
Verfasser betrachtet die Geschwulst mit Recht als einen sub-
cutanen Parasiten.
22) Golischewsky : Zur Frage über die Naht der
Harnblase. (Chirurg. Klinik Kasan.)
G. berichte»! über die Resultate der von R a s u m o w s k y
seinerzeit angegebenen Methode der primären Blasennaht, bei
der siimmtliche Nähte nachträglich entfernt werden können, und
bei der die Blase an die vordere Bauchwand befestigt wird
(Cystopexie). In den praevesicalen Raum kommt ein Gazestreifen,
der 5—6 Tage liegen bleibt. Ein Verweilkatheter wird in der
Regel nicht eingelegt; ist .‘1—4 Stunden nach der Operation eine
Urineutleerung nicht erfolgt, so wird der Urin mit dem Katheter
entfernt. Contraindieirt ist die primäre Binsennaht bei starker
Cystitis, bei bedeutender Hypertrophie der Blasenwand, bei Hae-
mopliilie, bei sehr tief unten liegendem Schnitt und bei Nieren-
affection.
Auf 45 primäre Blasennähte kommen 2 Todesfälle, bei beiden
fanden sich tiefgreifende chronische Veränderungen fast aller
inneren Organe. Von den übrigen 43 Operationen sind 40 ge¬
lungen; 3 mal musste man zur offenen Methode übergehen.
23) A s s e n d e 1 f t : Bericht über 030 stationär behandelte
Steinkranke.
Die erstaunliche Zahl vou 630 Steinkranken xvurde vom Ver¬
fasser während 20 Jahren in dem Privatspital des Herrn Pasch-
k o f f im Dorfe Wetoschkino Gouvernement Nischni-Nowgorod
behandelt. 600 von diesen Kranken wurden operirt., 460 mittels
des hohen Steinschnittes. Die Verhältnisse des Spitals — Ver¬
fasser hat nur einen Collegen zur Assistenz — bringen es mit sich,
dass A. auf die primäre Blasennaht grundsätzlich verzichten muss.
Die Blase wird drainirt, die Bauclideckenwunde etagenförmig ver¬
näht. Wenn man von der Zahl der Operirten 5 Todesfälle, die
unabhängig von der Operation eintraten, ausscheidet, so kommt
auf 455 Operationen 10 mal ein letaler Ausgang.
24) M i n e r v i n i : Ueber die bactericide Wirkung der
Carbolsäure und ihren Werth als Desinfectionsmittel in der
chirurgischen Praxis. (Chirurg. Klinik Genua.)
Verfasser hat von Neuem Versuche über die antiseptische
Wirkung der Carbolsäure angestellt und gefunden, dass die Car¬
bolsäure in milden Lösungen, wie es naturgemäss die wässerigen
sind, nur eine begrenzte bactericide Wirkung hat, und dass sie in
der Praxis der chirurgischen Desiufeetion kaum Vertrauen ver¬
dient. Zunächst hat M. die Methode der mit verschiedenen Bac-
terien inficirten Seidenfäden benutzt. Hier ergab sich z. B. für den
Staphylocoecus aureus, dass er bei Einwirkung einer 3 proc. Car-
bollösung nach 30 Minuten abstarb. Des Weiteren hat M. In¬
strumente, Gummisachen. Nähmaterial in verschiedener Weise in-
ficirt und hier im Allgemeinen noch schlechtere Resultate erzielt.
Catgut- und Seidenfäden konnten nicht einmal in einer 5 proc.
Carbollösung innerhalb 6 Stunden sterilisirt werden.
25) S u d 1 o f f : Weitere Beiträge zur Pathogenese und zur
Therapie des Rectumprolapses. (Chirurg. Klinik Königsberg.)
S. d. Woehenschr. 1899, S. 611.
26) R o v s i n g - Kopenhagen: Ueber Gastroptose und ihre
chirurgische Behandlung.
R. hat in den letzten 2 Jahren 3 Fälle der von ihm sogen.
Gastroptosekachexie zu behandeln Gelegenheit gehabt. Es han¬
delte sich bei diesen Kranken um ein Tiefersiuken des Magens,
wodurch es mit der Zeit zu ganz unerträglichen Schmerzen nach
jeder Nahrungsaufnahme und hochgradiger Abmagerung gekom¬
men war. R. hat bei allen 3 Kranken einen überraschenden Er¬
folg durch die G a s t r o p e x i e erzielt: der Magen wird gehoben
und durch einige Seideufiiden an die vordere Bauchwand ange¬
heftet.
Bei einer 4. Patientin, bei welcher der höchste Grad von
Kachexie vorlag. wurde nur die Gastroenterostomie — auch mit
Erfolg — ausgeführt: die Kranke ging aber nach einiger Zeit
an Miliartuberculose zu Grunde. Krecke.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 4.
1) A. S i p p e 1-Frankfurt a. M.: Totalexstirpation von Scheide
mit Uterus wegen Carcinom.
8. beschreibt einen Fall von primärem Scheidencarclnom bei
einer 64 jährigen Frau, wo er die genannte Totalexstirpation in
der Weise ausführte, dass er durch einen seitlichen, zwischen
Anus und Tuber Ischii gelegenen Schnitt das Cavuiu ischio-rectale
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
202
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
eröffnete und Uterus mit Vagina iu Ihrem natürlichen Zusammen
hang uneröffnet abtrug. Der Heilungsverlauf war günstig. Als
\ ortheile seiner Methode nennt S.: 1 . die Übersichtlichkeit und
Zugänglichkeit aller iu Betracht kommenden Theile und 2 . die Mög¬
lichkeit, die Operation zu Ende zu führen, ohne dass irgend etwas
mit dem Carcinom und Scheideninhalt. in Berührung kommt S be¬
fürwortet den Uterus in allen solchen Fällen mit zu entfernen.
Ol» man die Scheide total oder nur partiell fortnehmeu soll, hängt
VOn J >p f ünderen r »Ständen des Falles ab. Zum Schluss
empfiehlt S. die von ihm gewählte Schnittführung auch zur Opera¬
tion der angeborenen oder erworbenen Atresie der Scheide.
2) Page n Stecher - Osnabrück: Ein Fall von multiplem
Myom des graviden Uterus.
oj n 01 P \ > o7" 1 > :l - >ht0t ° iH der Feberschrift genannten Fall bei
einei 29 jährigen Nullipara, die wegen heftigen Urindrangs
Kreuzsehmerzen, eitrigen Fluor und Obstipation laparotomirt
\uirde. Es handelte sich um einen Uterus, der 4 verschiedene
Myome trug und in Innern eine ca. 6 Wochen alte Frucht barg.
Heilung in der o. Woche beendet.
Hl igo Fleisch mann- Ofen-Test: Forceps in mortua.
hebendes Kind.
n 30 ^ hri *o L Pnra mit Herzfehler (Insuff. der Mitralis)
eollabirte, während die Zange eingeführt wurde. Trotz 10 Minuten
langen Wiederbelebungsversuchen blieb die Mutter todt. Das
Kind wurde mit der Zange asphyktisch extrahirt, konnte aber
leicht wiederbelebt werden und blieb am Leben.
. 4) Merttens-Düsseldorf: Ein Fall von Einwanderung
einer bei Laparotomie zurückgelassenen Compresse in den
Dünndarm.
Der Fall betraf eine 28 jährige Frau, die im März 1899 wegen
Beckeneiterung eine schwere Adnexoperatiou durchgemacht hatte
o Monate lang war Patientin gesund: dann stellten sich krampf¬
artige Schmerzen im Leibe ein. M. fand neben dem Nabel einen
faustgrossen Tumor, den er für einen Fremdkörper hielt. Bei der
Laparotomie erwies sich der Tumor als spindelförmige Anschwel¬
lung einer Diinndarmschlinge. die während der Operation einriss
und als Inhalt eine Ci a z e c o m presse aufwies. Roseetion
des veränderten Darms und circuläre Darmnaht. Heilung
Aelinliehe Fälle haben R e h n (28. Uhirurgencongress' 1899)
und M i c h a u x veröffentlicht. P i 1 a t e beobachtete sogar 6 1 /,
Monate nach einer Operation den Abgang einer im Bauche zurück-
gelassenen Compresse mit dem Stuhle. .T a f f e - Hamburg.
Archiv für Kinderheilkunde. 27. Band, 5. u. 6. Heft,
, Pro *-- L - C o n c e 11 i - Rom: Ueber einige, bei Kindern die
Kolon 1 * VerSt ° pfung hervorrufenden Missbildungen des
Die angeborenen Erweiterungen des Kolon nehmen erst in
neuerer Zeit, namentlich seit den Arbeiten Hirschsprung ’s,
das Interesse der Pädiater iu Anspruch. C. beschreibt 2 eigene
Fälle: der erste betraf ein 2 >/, Jahre altes Mädchen, welches schon
vom 2 . Lebenstage an einen stark aufgeschwollenen Bauch bekam-
dieser Meteorismus, bei dem es sich nie um Ascites handelte,
steigerte sich in kolossaler Weise und blieb bestehen, das Kind
entwickelte sich ziemlich normal, obwohl die Defaecation oft nur
alle 5—6, manchmal sogar nur alle 15—16 Tage erfolgte. Bei
der Peristaltik traten Darmschlingen an der äusseren Bauchwand
so stark hervor, dass man sie mit Händen umgreifen konnte.
Später nahm das Kind ab, verfiel immer mehr, bis unter unwill¬
kürlichen Ausleerungen der Exitus eintrat. Bei der Section zeigte
sich der Dickdarm enorm, tlieilweise taschenartig, erweitert, ohne
Stenose und an einer verdünnten Stelle fand sich ein perforirtes
Geschwür, welches auch die Todesursache war. Mikroskopisch
fand sich am Darm eine jedenfalls angeborene Aplasie der Mus-
cularis, ferner Arteriitis und Periarteriitis. Der 2. Fall betrifft
einen 8 jährigen Knaben, der eine ähnliche Anamnese hatte, wie
der vorhergehende Fall, chronische Obstipation und Meteorismus
seit der Geburt; in den letzten Monaten verschlimmerte sich der
Zustand und zur Zeit der Spitalsaufnahme hatte das Kind seit
genau einem Monat keine Ausleerung gehabt. Die Therapie
war zunächst machtlos, das Kind verfiel, operatives Vorgehen
erschien dringend nöthig, bis doch zuletzt auf Eingiessuug von
200 g Glycerin mit ebensoviel Wasser Stuhl erfolgte und nun ent¬
leerte der Patient in etwas mehr als 3 Tagen über 10 7 . kg
Fäcalien; Patient wurde gebessert entlassen. Verfasser erörtert
ausführlich die einschlägige Literatur (30 Fälle) und die patho¬
logisch-anatomischen Verhältnisse, bezüglich derer auf das Ori¬
ginal verwiesen werden muss. Hervorgehoben sei, dass die Pro¬
gnose der angeborenen Vcrgrüssorung und Ektasie des Dickdarms
deren Oonsequenzen enormste Konrostasen. Meteorismus,
Darmfäulniss, Toxinresorptionen. eveut. Perforation sind — eine
sehr schlechte ist und die meisten Fälle daran zu Grunde gehen.
H. Spiegelberg - München: Zur Frage der Entstehungs¬
weise der im Gefolge infectiöser Erkrankungen, insonderheit
der Magendarmkrankheiten, des frühesten Kindesalters auf¬
tretenden Lungenentzündungen. Histologische und bacterio-
logische Untersuchungen.
Die Frage des Zusammenhanges von lobulären Lungenent¬
zündungen mit gleichzeitigen Gastro-Enleritiden ist eine strittige
und war eine Erklärung in verschiedenem Sinne versucht worden.
Zu ihrer Lösung unternahm S. eine grosse Reihe pathologischer
und bacteriologischer Untersuchungen, deren Details im Original
nachzusehen sind. Nach ihren Ergebnissen kommt Verfasser zu
dem Schluss, dass die in Frage stehenden Pneumonien hauptsäch¬
lich bronchogene Infeetionen sind, dass sie im ungünstigsten Falle
selbst zur Quelle einer Sepsis werden können, aber sonst keine
Theilerscheinung einer gastro-enteritisehen Allgemeininfection
bilden und mit Sepsis nichts zu thun haben.
J.. b r i e d j u n g : Beiträge zur Casuistik angeborener
Missbildungen. (Aus dm- Kinderspitalsabtheilung der Allg Poll-
klinik in Wien [Prof. Monti].)
1. B a uch-Beck e n - B 1 a s e 11 s p a 11 e , S p i 11 a bi¬
fida.
2. H e r n i a f u n i e u 1 i umbilicalis. E v e u t r a t i o.
3. Eine annähernd symmetrische Missbil¬
dung der beiden Küsse und ein analoger Befund
an einer Hand.
A. Krjukoff - Moskau: Ein Fall von gangraenöser Vari¬
cella.
Beschreibung eines Falles von Varicellen, bei dem sich an
den Pusteln tiefgehende Ulcerationen entwickelt hatten; Exitus.
Auf den von den Geschwüren angelegten Culturen wuchsen echte
Klebs- L ö f f 1 e r’sclie Stäbchen, die auch durch den Thier-
versueh verificirt wurden. Dieselben Stäbchen fanden sich auch
in den durch die Pusteln angelegten Schnitten. In einem anderen
Fall von gangraenösen Varicellen, zu dem sich dann ein letales
Erysipel gesellte, fanden sich Strepto- und Staphylococcen. Ver¬
fasser glaubt, dass es sich bei solchen Fällen um eine Allgemein-
infection des Organismus mit dem Diphtherie- resp. Erysipelvirus
handle, welches in den Varicellen einen Locus minoris resistentiae
finde.
II ö f 1 e r - Bad Tölz: Ueber Milchdiät.
Verfasser rätli bei Kindern, namentlich bei einer Jod- oder
Quecksilbercur, zur Milchdiät, die sich angeblich am besten be¬
währen und, auch bei grösseren Kindern, immer durchführen
lassen soll.
Referate. I, ichtenstoiu - München.
Jahrbuch 5 für Kinderheilkunde. Band 51, Heft 1 vom
12. Januar 19C0.
Iu der Einleitung theilt die Redaetion — Heubner —
mit. dass iu Folge des erfreulichen Aufschwunges der Paediatrie
in den letzten Jahren, der von wenigen Kinderspitälem zu einer
Reihe klinischer, an Zahl und Umfang zunehmender Universitäts-
Institute geführt hat, auch die literarische Production so zuge¬
nommen hat, dass Verlagsbuchhandlung und Redaction sich ent¬
schlossen haben, dem Jahrbuch das neue, den neuen Anforderungen
entsprechende Gewand zu geben. Allmonatlich wird von jetzt ab
ein Heft erscheinen, welches neben den nun rascher zum Abdruck
gelangenden Originalartikeln Referate über die neuesten Arbeiten
auf dem Gebiete der Paediatrie bringen wird, welche dem Jahr¬
buch zugleich die Vorzüge eines Ceutralblattes der Kinderheilkunde
verleihen. Dem Wunsch der Redaetion, dass das Jahrbuch auch
„den kommenden Generationen von Kinderärzten der treue Be¬
gleiter und Informator werde, der es den älteren gewesen ist,“
möchte Referent den weiteren hinzufügen, dass gerade die Aerzte
im Allgemeinen, welche als Hausärzte vor Allem iu der Lage sind,
praktische Kinderheilkunde auszuüben, in rasch wachsender Zahl
zu regelmässigen Lesern des Jahrbuches werden; den kleinen
Patienten zum Segen, ihnen zur willkommenen Anregung.
1) Esc h e r i c h : Studien über die Morbidität der Kinder
in verschiedenen Altersclassen. (Aus der Universitäts-Kinder¬
klinik zu Graz.)
Vortrag, gehalten in der Section für Kinderheilkunde der
Naturforscherversammlung in München 1899; referirt in No. 45 ,
Seite 1512, Jahrgang 1899 dieser Wochenschrift.
2) A. C z e r n y : Kräftige Kost. (Aus der Universitäts-Kinder¬
klinik zu Breslau).
Mit der „kräftigen Kost.“ wird viel Unfug getrieben in den
ersten Jahren nach dem Säuglingsalter. Sehr zeitgemäss weist
Verfasser darauf hin, dass in durchaus verwerflicher Weise von
Aerzten wie Laien, sei es prophylaktisch, sei es in der Reconvales-
cenz, die Kinder dieser Periode durch ein Uebermaass von Milch,
Eiern und Fleisch geschädigt werden und macht auf mehrere
häufige, aber wenig beachtete und bearbeitete Krankheitsbilder
aufmerksam, iu deren Actiologie das Uebermaass von Eiweiss bei
ungenügenden Alknlisalzen und Kohlehydraten die Hauptrolle
spielt. So ist die einseitige Ueberfütterung mit Kuhmilch häufig
die Ursache habitueller, keiner Medication weichender, jahrelanger
Obstipation bei Kindern, welche durch Eisenpriiparate von ihrer
schweren Anaemie nicht zu befreien sind. Gemischte, vorwiegend
vegetabilische Kost bringt rasche Heilung. Eine zweite Kategorie,
ebenfalls mit „kräftiger Kost“ in grössten Quantitäten über¬
fütterter Kinder leidet im Gegeutheil an hartnäckigen, leicht
wiederkehrenden Diarrhöen mit profusen, schleimigen Ent¬
leerungen, besonders häufig bei zu reichlicher Zufuhr von Eiern.
Eine andere Gruppe von (»her blühend ausseheudeu, bald sehr
mageren, bald fetten Kindern zeigt bei fast ausschliesslicher
Fleischkost übergrosse Ausscheidung von Uraten im Harn, die
Mädchen oft eine hartnäckig reeidivirende Vulvitis. Auch hier
bringt gemischte Kost schnellen Erfolg. Bei starker Ueber-
ernahrung mit Eiweiss haben die sonst kniffigen Kinder einen
fahlen, gelben Teint bei schlechtem Aussehen, oder es treten
häufig wiederkehrende Ekzeme, vorwiegend pruriginöser Natur
auf, welche der localen Behandlung nicht weichen wollen. In
anderen Fällen wird als Hauptsymptom unruhiger, oft unter¬
brochener Schlaf beobachtet, selbst Neurasthenie und ausge¬
sprochene Hysterie. Aber auch der prophylaktische Nutzen der
„kräftigen Kost“ ist keineswegs erwiesen: sehr fette, so ernährte
Kinder leisten im Gegeutheil z. B. bei Skrophulo-Tuberculose
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6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT.
203
keinen grossen Widerstand und noch weniger gewissen Iufeetions-
krankheiten, z. B. der Searlatiua (und Diphtherie. Anmerkung dos
ltefer.). Gerade die Quantität, in geringerem Maasse auch die
Qualität der an Alkalisalzen und Kohlehydraten zu armen Kost
dürfte für den Schaden der „kräftigen Kost“ verantwortlich zu
machen sein. Dem Verlangen des Verfassers nach kritischen Be¬
obachtungen und eingehender Bearbeitung des noch wenig ge-
kaunten Gebietes der rationellen Ernährung gesunder und kranker
Kinder in der Zeit nach der Entwöhnung wird jeder Kinderarzt
gern zustimmen.
3j W. Camerer- IJraeli: Die Verdauungsarbeit, ihre Grösse
und ihr Einfluss auf den Stoffwechsel, insbesondere den Stoff¬
wechsel des Säuglings.
Sehr lesenswertlie, allgemein interessante Erörterungen. Zu
kurzem Referat ungeeignet.
4) II e u b n e r - Berliu: Ueber die Verhütung der Tubercu-
lose im Kindesalter in ihren Beziehungen zu Heil- und Heim¬
stätten.
Vortrag, gehalten in der Section für Kinderheilkunde auf der
Naturforscherversammlung in München, September 1800.. lte-
ferirt in No. 40, Seite 1Ö47, Jahrgang 1800 dieser Wochenschrift.
o) Soltmann : Ueber Landr y’sche Paralyse. (Aus der
leipziger Universitäts-Kinderklinik.)
Referirt ibidem.
0) Stoeltzner: Ueber Behandlung der Bachitis mit
Nebennierensubstanz. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu
Berlin.) (Fortsetzung folgt.)
7) T li i e m i e h : Ueber Tetanie und tetanoide Zustände im
ersten Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu
Breslau.) (Fortsetzung folgt.)
Literaturbericht. — Kleinere Mittheilung. — Besprechungen.
Siege rt - Strassburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 5.
1) H. L 1 n d n e r - Berlin: Zur Chirurgie des Magen-
carcinoms.
Im Allgemeinen steht L. auf dem Standpunkte, dass zur Zeit
kein ausreichender Grund gegeben ist, die für die Magenopera¬
tionen jetzt anerkannten IndicatIonen zu durchbrechen, da die
Versuche hiezu alle zu gewissen Nachtheilen geführt haben. Ver¬
fasser ist kein Freund des von Mikulicz geübten Verfahrens,
bei Operationen von Magencarcinomen die benachbarten Lyrnph-
drüsen aufzusuchen und mitzuentfernen, einmal weil die Lympli-
gefässe unmöglich alle entfernt werden können und weil zweitens
die nach kommenden Recidive am Magen selbst auftreten. L. plä-
dirt bei Fällen, wo keine Radiealoperation mehr gemacht werden
kann, mehr für die Gastroenterostomie, als für die partielle Resee-
tion; denn die Erfolge der ersteren sind für das Befinden der
Kranken besser; es empfiehlt sich, principiell jeder Gastroentero¬
stomie eine Enteroanastomose zwischen den Schenkeln des
Jejunums anzuschliessen. Für manche Fälle ist die Jejunostomie
am Platze.
2) M. S c h ü 11 e r - Berliu: Polyarthritis chronica villosa
und Arthritis deformans. (Fortsetzung folgt.)
3) H. D a v i d s o h n - Berliu: Zur therapeutischen Ver¬
wendung der feuchten Wärme. Temperirbare Kataplasmen.
Für die heissen Kataplasmen, welche die intensivste Form
der localen Anwendung feuchter Wärme auf den Körper dar¬
stellen, ist Fango das beste Material. Die Q u i n c k e'selien
Thermophoren eignen sich sehr gut dazu, die Wärmezufuhr an
die Haut ganz allmählich zu steigern, ebenso der vom Verfasser
angegebene und beschriebene Apparat, welcher den Vorzug hat,
billig und in jedem Haushalt anwendbar zu sein. Er besteht im
Wesentlichen aus Gummiröhren, die auf ein Stück Gummistoff
auf genäht werden, und durch welche Wasser von beliebig hoher
Temperatur geleitet werden kann. Letzteres dient dann zur Er¬
wärmung der zu applicirenden Fangokataplasmen. Cfr. Abbil¬
dung des „Schlauchkissens“ im Original. Das Ivataplasma kanu
so nach Belieben temperirt und die anzuwendende Wärme dosirt
werden.
4) Fr. König- Berlin: Ueber gleichzeitige Schussver-
letzung von Brust- und Bauchhöhle.
Aus den sehr ausführlichen Darlegungen des Verfassers
mögen folgende Gesichtspunkte hervorgehoben sein: Verletzungen
im 5. Intercostalraum links einwärts von der Mam.-Linie können
den Herzbeutel allein treffen. Bei spontaner Heilung derselben
tritt Synechie der Pericardialblätter ein. Bei bedrohlichen Er¬
scheinungen ist der Versuch einer Punction erlaubt; erst beim
Versagen letzterer kommen operative Eingriffe in Betracht.
Deutet die Schusslinie auf gleichzeitige Verletzung der Bauch¬
höhle, so ist nur die Laparotomie indicirt, um die Blutung zu be¬
seitigen und gleichzeitige Verletzungen anderer Organe aufzu¬
finden. Fern vom Schusscanal können durch die explosive Kraft
der Kugel schwere Organlaesionen erzeugt werden, z. B. ein Ulcus
ventriculi, Nekrose der Leber, traumatische Hepatitis, secundäre
parenchymatöse Degeneration und Leberabscess. Jede, auch
kleine, sicher diagnosticirte Leberwunde erfordert wegen Gefahr
der Sepsis und Pyaemie die Laparotomie. Die Wunde ist durch
eingelegte Jodoformgaze breit offen zu halten.
Dr. Grassmann - München.
l L Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 4.
1) M o x t e r : Ueber ein specifisches Immunserum gegen
Spermatozoen. (Aus dem Institut für Infectionskrankheiten ln
Berlin.)
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Die Immunsera besitzen nicht nur eine baeteriol 3 T tische, son¬
dern auch eine haematolytisclie Eigenschaft. Zum Studium der
letzteren stellte M. Versuche über das Verhalten des Thierkörpers
gegen andere thierisclie Zellen an, und wählte zu diesem Zwecke
die leicht isolirbaren Spermatozoen des Hammels. Seine Resultate
sind der Hauptsache nach folgende: Durch Vorbehandlung von
Kaninchen mit Ilammelspermatozoen lässt sich ein Zustand von
Immunität erzeugen. Der Immunkörper tüdtet die Spermatozoen
innerhalb des thierisclien Organismus ab, ausserhalb desselben ist
er wirkungslos. Eine Auflösung der Spermatozoen findet nicht
statt, dagegen besitzt das Serum eine speciliseli auflösende Wir¬
kung gegenüber den rothen Blutkörperchen des Hammels, vor¬
übergehend auch eine speeitisch agglutinirende Wirkung auf die
Hammelspermatozoen, unter gewissen Bedingungen auch auf die
Erythrocyten.
2) Paul Jacob: Klinische und experimentelle Er¬
fahrungen über Duralinfusion. (Aus der I. mediciuischen Uni¬
versitätsklinik in Berlin.) Schluss aus No. 3. Referat siehe diese
Wochenschrift 1899, No. 48, pag. l(»2(j.
3) Martin C o li n : Untersuchungen über den Speichel und
seinen Einfluss auf die Magenverdauung. (Aus der III. rnedi-
cinischen Universitätsklinik in Berlin.) (Schluss folgt.)
4) A b e e - Nauheim: Ueber Anwendung eines Herzstütz¬
apparates bei Herzaff ectionen, insbesondere bei cardialer
Dyspnoe.
Unter Hinweis auf den in No. 37 v. J. dieser Wochensehr, ver¬
öffentlichten Aufsatz berichtet Autor über die günstigen Resul¬
tate, welche er bei 29 Fällen von Herzleiden verschiedener Natur
mit der von ihm empfohlenen „Herzstütze“, einer Pelotte, durch
welche das erkrankte Organ gehoben und gestützt und seine
Function in Folge dessen erleichtert wird, erzielt hatte. Durch
die Anlegung des Apparates wird das Herz nach oben geschoben,
der Spitzenstoss in Folge einer Achseudrehung des Herzens
medianwärts verlagert, der Radialpuls wird langsamer und voller,
die Lungeugrenzen treten entsprechend tiefer. Der Effect tritt in
einzelnen Fällen beinahe momentan ein. Die subjectiven Be¬
schwerden, namentlich die Dyspnoe und das erschwerte Gehen,
wurden in sümmtlichen Fällen sehr bald gehoben oder mindestens
wesentlich gebessert. F. Lacher- München.
Oesterreichische Literatnr.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 4.
1) A. Narath-Utrecht: Zur Badicaloperation der Varicocele.
N. bespricht die von verschiedenen Autoren geübten Opera¬
tionsmethoden bei Varicocele mit Würdigung der Vor- und Nach¬
theile derselben und macht darauf aufmerksam, dass bei Varicocele
gleichzeitig häufig ein weiter Leisteueanal gefunden wird. Durch
diese Coiucidenz kam N. auf die Idee, die Hauptstämme der
N. spermat. intern, im Leistencanal selbst zu reseeiren und dann
diesen nach dem Typus der Bassin i’schen Radiealoperation
bei Leistenhernien zu verschliessen. Die einzelnen Acte der Opera¬
tion sind im Original genau beschrieben. Verfasser ist in der
Lage, über 21 derartig operirte Fälle zu berichten. 17 dieser
Fälle heilten per primarn mit sehr gutem Resultat, die übrigen
per seeundam, bei einem der letzteren trat Atrophie des Hodens
ein. Die Methode ist also zu empfehlen.
2) S. E r d h e i m - W’ien: Ueber multiple Dünndarmstenosen
tuberculösen Ursprunges.
Verfasser konnte in relativ kurzer Zeit 5 derartige Fälle be¬
obachten und zumTheil selbst operiren, deren eingehende Kranken¬
geschichten er hiemit veröffentlicht. Alle 5 beruhten auf secun-
dären Infectionen, bei den 2 obducirten Fällen fand sich eine
chronische schrumpfende Spitzentuberculose. Die vorhandenen
Strietureu gingen 3 mal aus tuberculösen Geschwüren hervor, bei
2 Fällen handelte es sich um sogen, hypertrophische Tuberculose.
Eine sichere Diagnose der Multiplicität der Strietureu ist nur in
sehr wenig Fällen möglich. Die Therapie bestand in Anlegung
von Enteroanastomosen, resp. Darmresection.
3) R. Lucke- Altenburg: Zur Technik der Gastrostomie.
Verfasser empfiehlt eine auf dem Princip der Canalfistel¬
bildung beruhende Methode, die sich durch Einfachheit und
Schnelligkeit der Ausführung empfiehlt. Wegen der technischen
Details der Operation muss auf das Original verwiesen werden.
Dr. Grassmann - München.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere
Medicin in Berlin siehe Seite 208.
Berliner Briefe.
Erhöhung der Verpflegungssätze in den Krankenhäusern.
— Vorträge für Cassenärzte über Tuberculose. — Rettungs¬
gesellschaft. — Gesuch um Berücksichtigung der Aerztinnen
bei Besetzung der Schularztstellen.
Die Verwaltung des Charitekrankenhauses hatte sich veran¬
lasst gesehen, die Verpflegungssätze von 2 M. auf 2,50 M. für
Erwachsene und von 1,50 M. auf 2 H. für Kinder pro Tag zu
erhöhen. Das gab den städtischen Krankenhäusern Veranlassung,
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
204
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
das Gleiche zu thuu, weil sonst eine Ueberfüllung derselben zu
gewärtigen wäre; und bald darauf folgten die Besitzer der Pri-
vatklinikcn ebenfalls dem Beispiel der öffentlichen Kranken¬
häuser. Es war das eine fiskalische Maassregel, die uns Aerzte
im Grunde genommen gar nichts anginge, wenn nicht die Vor¬
stände der Krankeneassen, und zwar unter Führung der ihnen
politisch nahestehenden Aerzte, sie auf’s heftigste bekämpften
und geradezu als eine schwere Schädigung, nicht etwa nur der
materiellen Verhältnisse der Krankencasse, sondern der Volks¬
gesundheit überhaupt zu brandmarken versuchen. Die Mehr¬
kosten, so hiess es, welche den Krankeneassen durch die erhöhten
Verpflegungssätze auferlegt werden, verhindern sie, eine Ver-
bessscrung der Krankenbehandlung zu bewirken, und raube ihnen
die Mittel, die sonst zum Kampf gegen die Tubcrculose verfüg¬
bar gewesen wären; somit stände die Maassregel auch in schrei¬
endem Gegensatz zu den schönen Reden, die von den Regierungs-
Vertretern auf dem Tuberculosecongress gehalten wurden. Wir
können es getrost den Krankeneassen Vorständen überlassen, wie !
sie sich mit ihrem Budget einzurichten haben; es kann uns auch
ziemlich gleiehgiltig sein, dass sie nun einen Grund mehr haben,
die Erhöhung der ärztlichen Honorare ad calendas graecas zu
verschieben, denn freiwillig hätten sie das ohnehin nie gethan;
bedauern müssen wir es aber, dass sie in ihrem blinden Eifer sich
soweit hinreissen Hessen, eine Boykottirung der Charite, als der
Hauptsünderin, bezüglich des Lehrmaterials zu empfehlen. Den
Mitgliedern der Krankeneassen, die in der Charite behandelt
werden, soll aufgegeben werden, dass sic sich nicht zum medi-
cinischen Unterricht verwenden lassen sollen. Wie sehr dieses
Kampfmittel nach kleinlicher Rache schmeckt, und wie sehr es
ferner den eigenen socialen Grundsätzen der politischen Partei,
der die Mitglieder und Vorstände der Krankeneassen zum grossen
Theil angehören, widerspricht, braucht nicht näher angeführt zu
werden. Im Uebrigen aber wird diese Drohung von der Unter¬
richtsverwaltung sehr ruhig und kühl aufgenommen, wenigstens
hat sie sich bis jetzt überhaupt noch nicht dazu geäussert. Wer
das ungeheuere Krankenmaterial, das in den Berliner Kranken¬
häusern angehäuft ist, kennt, weiss auch, dass, selbst wenn jene
Drohung wahr gemacht werden sollte, damit der Unterricht noch
lange nicht brach gelegt wird.
Zu derselben Zeit, wo gegen die Chariteverwaltung von
socialistischer Seite der Vorwurf erhoben wird, dass sie den
Kampf der Krankeneassen gegen die Tubcrculose erschwere, er¬
lässt sie eine Veröffentlichung, welche das Gegentheil zu beweisen
geeignet ist. Mit Genehmigung des Cultusministeriums sollen im
Februar und März in der Charite für Aerzte, besonders für Cassen-
ärzte, Vorträge über den Werth und die Methode der Frühdiagnose
der Tuberculose, ferner über die Behandlung der Initialformen und
über einige andere mit diesem Thema in Verbindung stehende,
speciell für die Krankeneassen wichtige Fragen veranstaltet
werden. Eine Reihe namhafter Universitätslehrer hat sich zur
Uebernahme dieser Vorträge bereit erklärt, an die sich noch
Demonstrationen in der Universitäts-Poliklinik und im Institut
für Röntgenphotographie anschliessen sollen. Der Zutritt steht
allen Aerzten unentgeltlich frei.
Mit diesen Vorträgen findet eine Einrichtung dankenswerthe
Nachahmung, welche bereits auf die Initiative v. Bergmann’s
hin für die Aerzte der Rettungsgesellschaft getroffen ist.
v. Bergmann, dessen unermüdlicher Thatkraft bekaimtlich
die Rettungsgesellschaft ihre Entstehung und zum grossen Theil
auch ihre gedeihliche Entwicklung verdankt, hatte bisher neben
dem Amt des Vorsitzenden auch die Geschäfte eines ärztlichen
Direetors der Gesellschaft besorgt. Wie er in einem Anschreiben
an die Aerzte mittheilt, ist ihm dies durch das beständige Wachsen
des Geschäftskreises der Gesellschaft unmöglich geworden. Der
Vorstand hat daher einstimmig beschlossen, Herrn Dr. George
Meyer zum ärztlichen Director zu ernennen. Bei der bewährten
Sachkenntniss des um die Entwicklung des Rettungswesens hoch¬
verdienten Collegen ist diese Theilung der Arbeit als eine sehr
glücklicher Gedanke zu betrachten, der sicherlich eine weitere
Förderung der Ziele der Gesellschaft zur Folge haben wird.
Durch die aufopfernde Weise, in der Herr v. Bergmann
seine Zeit und seine Kraft dem Wohle der Bürgerschaft und zu¬
gleich den Interessen der Aerzte gewidmet hat, hat er sich in
hohem Grade die Sympathie der Letzteren erworben; so dass sie
das Bedürfniss empfanden, ihren Dank in irgend einer Form zum
Ausdruck zu bringen. Das soll durch Veranstaltung eines grossen
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v.Bergmann - Commerses geschehen, zu dem ein grosser Theil
der Berliner Aerzte bereits seine Theilnahme zugesagt hat.
Der Versuch, unseren weiblichen Collegen die Mitgliedschaft
der „Medicinischen Gesellschaft“ zu ermöglichen, ist nicht ge¬
lungen, weil die Majorität der Ansicht des Vorstandes war,
dass wir kein Recht haben, weibliche Aerzte als solche anzuer¬
kennen, ehe der Staat es gethan hat. Nun ist zwar von Seiten der
Regierung eine Regelung dieser Frage in nahe Aussicht gestellt,
so dass wir voraussichtlich sehr bald in Deutschland approbirte
Aerztinnen haben werden. Die Damen sind aber ungeduldig
und halten sich, schon ehe dieser Zeitpunkt erreicht ist, für be¬
rechtigt, amtliche Functionen für sich in Anspruch zu nehmen.
Kaum war die probeweise Anstellung von 20—25 Schulärzten
beschlossen, so gelangte schon eine Eingabe an den Magistrat,
in der der Wunsch ausgesprochen wurde, dass unter den 20—25
Aerzten auch eine Aerztin sich befinden möge. Also ganz abge¬
sehen davon, dass der Erfüllung dieses Wunsches gesetzHche
Schwierigkeiten im Wege stehen, wird von einer kleinen, etwa
6—7 Personen umfassenden Gruppe da eine Stelle praetendirt,
wo unter 200 Candidaten 20—25 ausgewählt werden sollen, ein
nicht gerade sehr bescheidenes Verlangen. Das Gesuch wurde
vom Magistrat abgelehnt mit der Begründung, dass er gegen¬
standslos sei, da es Deutschland zur Zeit keine Aerztinnen gebe.
K.
Verein Freiburger Aerzte.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 24. November 1899.
Herr G. Krüger: Die Receptur für die Ortskranken-
casse.
Redner bespricht zuerst die allgemeinen Regeln einer Re¬
ceptur für die Ortskrankencasse und verweist dabei auf die be¬
stimmten Verordnungen, welche in dem zwischen dem Verein
Freiburger Aerzte und der hiesigen Ortskrankencasse bestehenden
Vertrag enthalten sind. Darauf zur Form der Recepte übergehend
empfiehlt derselbe vor Allem die Verordnungen nach
der Handverkaufstaxe. Letztere muss aber dem Bedürf-
niss entsprechen, d.h. sie muss alle Medicamente umfassen, welche
jeder Mensch in jeder Apotheke ohne Recept erhalten kann und
welche gesetzli ch dem freien V erkehr überlassen sind.
Praktisch bewährt hat sich die bayerische Handverkaufstaxe und
diese wird desshalb sowohl für die Berechnung seitens der Apo¬
theker als auch für die Verordnung seitens des Arztes als maass¬
gebend empfohlen. Als Wegweiser resp. Anleitung sollte die
ökonomische ärztliche Verordnungsweise von
Dr. Dresdner und Rieder dienen.
Nach Regelung der Verhältnisse zwischen Cassenvorstand,
Apothekern und Aerzten sollte eine regelmässige vierteljährliche
Controle der Recepte stattfinden, um die berechneten Preise
seitens der Apotheker und die Verordnungen seitens der Aerzte
einer Kritik zu unterziehen. Diese Aufgabe, eine vierteljährUche
Receptrevision nebst Bericht an den Ortskrankencassenvor-
stand und an die für die Casse prakticirenden Aerzte, sollte von
einem Arzte der Casse übernommen werden. Der Vortragende
empfiehlt diese Methode als das beste, gründlichste und scho-
nendste Mittel, etwaigen Uebelständen abzuhelfen. In Rücksicht
auf die erwähnten Punkte revidirte der Vortragende die Recepte
eines Quartals des laufenden Jahres und begründet mit Zahlen
und Belegen seine Ausführungen.
Herr L. Schneider: lieber eine merkwürdige Schall-
erscheinnng bei Pneumothorax.
M. IL.! Im August dieses Jahres hatte ich Gelegenheit, bei
einem Fall von Pneumothorax eine merkwürdige Schallerschei¬
nung zu beobachten, über welche ich Ihnen in kurzen Worten be¬
richten möchte. Den Patienten selbst kann ich Ihnen leider
nicht demonstriren, da derselbe bald an seinem Leiden zu Grunde
gegangen ist. Ich habe desshalb bei einem anderen Patienten,
dessen Ueberlassung ich der Güte der medicinischen Klinik ver¬
danke, die damals gefundenen Schallbezirke aufgezeichnet, da
ich glaube, dass wir uns auf diese Weise leichter über dieselben
orientiren werden.
Wie ich schon gesagt habe, handelte es sich um einen Fall
von Pneumothorax, und zwar um einen linksseitigen Pneumo¬
thorax. Der Kranke war stark dyspnoisch, blau im Gesicht, hatte
eine Pulsfrequenz von 140 Schlägen. Ueber der ganzen rechten
Lunge war sehr verschärftes Vesiculäratbmen und diefPes. m’ttcl-
Qriginal from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
205
grossblasiges Rasseln zu hören; der Percussionsschall über der
Spitze war gedämpft tympanitisch, weiter unten hinten und vorne
voll.
Die linke Thoraxhälfte blieb beim Athmen zurück
und zeigte im Uebrigen einen eomplicirteren Befund.
Ueber der Spitze war gleichfalls gedämpft tympanitischer
Percussionsschall vorhanden, derselbe reichte vorn bis in den
II. Intercostalraum, hinten bis in die Höhe der IV. Rippe. In der
gleichen Ausdehnung war leises Bronchialathmen zu hören, fast
verdeckt von kleinblasigen, feuchten, klingenden Rasselgeräuschen.
Unterhalb von diesen Grenzen schloss sich ein grosser Be¬
zirk vollen dumpfen Percussionsschalles an,
sogenannter Schachtelton. Dieser Bezirk überschritt die normalen
Lungengrenzen, reichte vom in der Mammillarlinie über die VII.
Rippe hinaus; die Herzdämpfung war stark nach rechts gedrängt
um drei Fingerbreiten über den rechten Stemalrand hinaus. Der
Percussionsschall war vorne und hinten von der gleichen Be¬
schaffenheit, Athemgeräusch war in dem ganzen Bezirk über¬
haupt nicht zu hören, man hörte lediglich ein ganz schwaches, wie
von fernher klingendes Rasseln, und auch dieses nur nahe den
oberen Grenzen des Bezirkes.
Schon aus diesem Befunde, zusammen mit den schweren all¬
gemeinen Erscheinungen, der starken Dyspnoe u. s. w. war
die Diagnose eines linksseitigen geschlossenen
Pneumothorax zu stellen.
Nun sehen Sie hier, m. H., in der hinteren Scapularlinie,
etwa handbreit von der Wirbelsäule entfernt, am oberen Rand der
XII. Rippe, einen kleinen, etwas über fünfmark-
stückgrossenBezirk eingezeichnet, und dieser Bezirk ist
es, auf den ich ihre Aufmerksamkeit lenken möchte. Hier war
nämlich in sitzender Stellung des Patienten bei starker Per¬
cussion ein ganz eigenartiger, hoch tympani¬
tischer, leicht metallähnlicher Percussions¬
schall zu hören. Diesen eigenthümlichen Schall kann ich un¬
gefähr nachahmen, wenn ich in dieser Weise über einem leeren,
nach oben offenen Cylinderglase percutire. Der so producirte
Ton ist nicht so laut als der, welchen ich bei meinem Kranken
erhielt, aber er gibt ziemlich gut den Klangcharakter desselben
wieder: es ist ein ausgesprochen musikalischer
Klang, von sofort in’s Ohr fallender Tonhöhe; wie Sie sich
überzeugen, ist es ein sehr hoher Ton, ein Ton von grosser
Schwingungszahl; ich habe dieses Glas durch Füllen mit Wasser
ungefähr auf die richtige Tonhöhe gestimmt.
Wie kam dieser Klang zu Stande, was sollte man sich unter
demselben vorstellen?
Ein solcher exquisit tympanitischer Klang kann entstehen
nur in einem glattwandigen, lufthaltigen Hohl-
raum, dessen Wandung einer nicht zu starken Span¬
nung unterworfen ist. Einen solchen Hohlraum musste man
also auch hier annehmen, und der nächstliegende Gedanke war
naturgemäss der, dass derselbe unter der percutirtcn Stelle der
Brustwand, in der Brusthöhle selbst gelegen sei. Aber wie sollte
hier ein solcher Hohlraum zu Stande gekommen sein? An der
untersten, tiefst gelegenen Stelle des Brustraumes, abgegrenzt
von einer fast den ganzen linken Thorax einnehmenden Luft¬
ansammlung, die doch ihrerseits unter Verhältnissen stand,
welche tympanitischen Schall nicht entstehen Hessen? Das war
kaum zu denken.
Ich ging also an eine genauere Untersuchung des inter¬
essanten Schallbezirkes heran und stellte zunächst fest, dass
Metallklang bei Stäbchenplessimeterpercus¬
sion in demselben nicht vorhanden war. Hätten wir einen
unter der Brustwand gelegenen Hohlraum von der Beschaffen¬
heit, dass er den geschilderten tympanitischen Klang geben
konnte, vor uns gehabt, so hätten wir mit Stäbchenplessimeter¬
percussion Metallklang erwarten müssen. Ferner liess ich den
Kranken den Mund öffnen und schliessen : der Klang
veränderte sich nicht; ebenso wenig trat eine Verschiedenheit der
Klanghöhe bei den verschiedenen Respirations¬
phasen auf. Nun versuchte ich es mit dem Lagewechsel,
ich Hess den Kranken sich auf die rechte Seite legen, etwas
weiter nach vorn als bei der bekannten Lage zur Milzpercussion:
und nun zeigte sich eine Erscheinung, über die ich
im ersten Augenblick auf’s Höchste überrascht
war, das eben noch so deutliche Schallphänomen war vollständig
verschwunden, an seiner Stelle hatten wir jetzt vollen Schachtel¬
ten, wie über der ganzen linken Thoraxhälfte. Und als ich den
verschwundenen SchaUbezirk suchte, da fand ich ihn auch wieder,
und zwar vorne am Thorax, neben der Herzdämpfung, an der
Stelle dee Pleuraraums, die dem zungenförmigen Lungenlappen
Difitized by Gouole
entspricht: wie Sic sich überzeugen, wiederum an der tief st-
gelegenen Stelle des ganzen Brustraumes. Nun,
m. H., jetzt war es klar: Ein abgekapselter Hohlraum unter der
Brust wand, in der Brusthöhle, konnte das nicht sein, ebenso
wenig eine Luftansammlung überhaupt; denn es wäre nicht zu
verstehen gewesen, wie dieselbe jedem Gesetz der Schwere ent¬
gegen sich immer den tiefstgelegenen Platz aussuehen sollte. Im
Gegentheil: das was sich da so frei in der Pleurahöhle bewegte
und bald hier bald da, immer an der tiefsten Stelle unter dem
pereutirenden Hammer sich darbot, das musste Flüssig¬
keit sein, ein an Menge offenbar ganz geringfügiges Ex¬
sudat.
Nun, wenn dies zutraf, so musste an der Grenze dieses Ex¬
sudates Succussio ITippokratis zu erhalten sein. Ich Hess den
Kranken sich schütteln, thatsächlich war Succussio zu hören;
und den strictestcn Beweis verschaffte ich mir durch eine sofort
vorgenommene Probepunction, welche ja auch aus thera¬
peutischen Gründen angezeigt war, denn wenn ich Eiter gefun¬
den hätte, so hätte man an eine Operation denken müssen. Ich
stach also bei sitzender Stellung des Kranken hart an der Grenze
des tympanitischen Bezirkes ein, hob zuerst die Spitze der Nadel
ein wenig und erhielt Luft, dann senkte ich die Spitze der Nadel
und erhielt reines, helles Serum. Damit war also bewiesen, dass
in dem tympanitischen Schallbezirk ein Ex¬
sudat der Brustwand anlag, dessen Grenzen, nach oben
hin wenigstens, genau mit denen des tympanitischen Klanges
zusammenfielen.
Der tympanitische Klang selbst war damit freilich noch
nicht erklärt. Wo war der Hohlraum mit nicht zu stark ge¬
spannter Wandung, dem der Klang seine Entstehung verdanken
musste? Augenscheinlich war er so gelegen, dass er durch
die Exsudatflüssigkeit hindurch percutirt
wurde. Jetzt war auch erklärt, warum der tympanitische Schall
nur bei starker Percussion zu hören war, während bei schwacher
Percussion an seiner Stelle absolute Dämpfung zu finden war.
Das Eine konnte von vomelierein gesagt werden, dass der Hohl¬
raum in unmittelbarem Contact mit der
Flüssigkeit stehen musste. Und da blieben zur Erklärung
nur 2 Möglichkeiten. Entweder lag der Hohlraum in der
Brusthöhle, dann konnte er nur der Lunge angehören, und
es musste dann angenommen werden, dass ein noch luft¬
haltiger Theil der am Hilus, sowie durch Pleuraverwach¬
sungen an der Spitze festgehaltenen Lunge in das Exsudat
eintauchte und so von aussen her percutirt werden konnte. Oder
aber der Hohlraum lag überhaupt nicht in der Brusthöhle, son¬
dern wurde durch irgend ein lufthaltiges Organ der
Bauchhöhle dargestellt, am wahrscheinlichsten durch den
Magen, welcher ja nur durch das ZwerchfeH von dem Exsudat
getrennt war. Diese letztere Annahme schien die wahrschein¬
lichere zu sein, denn ich konnte mir nicht denken, dass die oben
festgehaltene Lunge bei der ausserordentlich geringen Ausdeh¬
nung des Exsudates bis in dieses hineinreichen könne. Die
Lunge ist ja beim geschlossenen Pneumothorax nicht einfach
collabirt, sondern sie ist, soweit Verwachsungen, wie bei unserm
Fall an der Spitze, dies nicht hindern, auf ein ganz geringes
Volumen comprimirt durch den positiven Druck in der Pleura¬
höhle. Diesen positiven Druck kann man bekünntHch mano¬
metrisch bestimmen, er beträgt im Durchschnitt 4—6 cm Queck¬
silber.
Bei der 2 Tage später vorgenommenen Autopsie zeigte
sich denn auch, dass die Lunge hoch an der Wirbelsäule und am
Mediastinum hinaufgezogen war und nicht bis in das Exsudat
hinabreichte. Die Menge des Exsudates betrug etwa 300 bis
400 ccm. Von der stark verdickten Pleura parietalis zog ein
ganzes System schwacher, frischer, fibrinöser Verwachsungs¬
stränge und Membranen zur comprimirten Lunge. Diese Fäden
waren alle sehr locker, Hessen sich leicht lösen. Der zwischen
den alten festen Pleuraverwachsungen an der Spitze ausge¬
spannte Theil der Lunge war noch lufthaltig, mit Cavemen
durchsetzt. Dieser Theil hatte noch geathmet, der übrige Theil
der Lunge war vollständig atelectatisch.
Ich glaube also zu dem Schluss kommen zu müssen, dass der
besprochene eigentümliche hochtympanitische Klang
im Magen oder in Darmtheilen entstanden und
durch die geringe Flüssigkeitsansammlung
hindurch nach aussen fortgeleitet worden ist.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
206
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Wie kommt es nun aber, dass dieses Phänomen nicht bei
jedem einfachen pleuritischen Exsudat beobachtet
wird? (Man hört allerdings bei hochgradigem Exsudat zuweilen
über den tiefsten Exsudatschichten Tympanie, jedoch hat diese
durchaus keine Aehnlichkeit mit dem scharf charakterisirten
Klang, von dem wir hier gesprochen haben.)
Der Grund ist folgender: Ein tympanitischer, so rein musi¬
kalischer Klang, wie in unserem Falle, entsteht nur durch regel¬
mässige Schallwellen, er kann fortgeleitet werden nur durch ein
Organ, welches in regelmässige Schwingungen versetzt werden
kann. Das einfache pleuritische Exsudat aber ist mit der ela¬
stischen Lunge luftdicht eingeschlossen, es ist also ganz natürlich,
dass die Spannungsverhältnisse des Exsudates durch den ela¬
stischen Zug des Lungengewebes modificirt werden, so lange die
Exsudatmenge nicht so gross ist, dass die Lunge ihr Elasticitats-
gleichgewicht erreicht hat.
Ebenso, wie nun das elastische Lungengewebe selbst das Zu¬
standekommen regelmässiger Schwingungen der in ihm vorhan¬
denen Luftmassen verhindert, so verhindert das einfache pleuri¬
tische Exsudat die Fortlei tung regelmässiger Schallwellen,
während die entspannte Flüssigkeit unterhalb der Luftmassen
des Pneumothorax zu dieser Fortleitung sehr wohl geeignet ist.
Auch wenn das Lungengewebe durch den Druck eines mäch¬
tigeren Exsudats seine Elasticität verloren hat, oder gar compri-
mirt ist, sind beim einfachen pleuritischen Erguss Verhältnisse
gegeben, welche regelmässigen Schwingungen in dem Exsudat
hinderlich sind. Ich nenne hier nur die elastische, und durch den
Druck des Exsudats in Spannung gehaltene Thoraxwand. Diese
Verhältnisse werden unwirksam sein, so bald über der Flüssigkeit
freies, comprimirbares und dehnungsfähiges Gas auf tritt. Die
freie Luftansammlung über der Flüssigkeit ist also
Bedingung für das Auftreten des Schall¬
phänomens, mit anderen Worten: Der Nachweis des
Schallphänomens kann als Beweis angesehen
werden für das Vorhandensein eines Pneumo¬
thorax. Zum Nachweis des Phänomens gehört selbstverständ¬
lich einmal das Auf finden des eigen thümlichen Klanges, sodann
aber die Feststellung, dass an der Stelle desselben Flüssigkeit der
Thoraxwand anliegt.
Was die Häufigkeit der geschilderten Schallerscheinung be¬
trifft, so muss ich bemerken, dass ich dieselbe weder in dem be¬
kannten W e i Fachen Handbuch der topographischen Percussion,
noch in dem Gerhard t’sehen Lehrbuch der Percussion
und Auscultation (Ausgabe von 1890) erwähnt finde. Ich habe
leider nicht die nöthige Zeit zur Verfügung gehabt, um die
Literatur genauer durchzusehen, es ist mir überhaupt eine Publi-
cation über dieselbe nicht bekannt. Demnach sollte man an¬
nehmen, dass die Erscheinung eine ausserordentlich seltene sei.
Ich kann dieser Ansicht jedoch nicht beipflichten, denn der Ihnen
vorgetragene Fall ist in den letzten drei Jahren bereits der dritte,
von dem ich Kenntniss erhalte. Auf der medicinischen Klinik
hier wurde das Phänomen in dieser Zeit an zwei Fällen von
Pneumothorax beobachtet, den einen Fall habe ich als Assistent
der Klinik gesehen, von dem anderen ist mir die Kranken¬
geschichte in gütigster Weise zur Verfügung gestellt worden.
In dem einen Falle ist auch durch Probepunction festgestellt
worden, dass in dem hoehtympanitischen Schallbezirke Flüssig¬
keit der Brustwand anlag.
In diesen beiden Fällen war der Pneumothorax rechtsseitig.
Nun liegt auf der rechten Seite zwischen Pleurahöhle und luft¬
haltigen Organen des Abdomens die Leber. Ich will es dahinge¬
stellt sein lassen, ob es möglich ist, durch Exsudat und Leber hin¬
durch auch mit sehr starker Percussion Darmtheile zu percutiren.
Nehmen wir an, dies sei nicht möglich, so müsste zur Erklärung
des Phänomens auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass
die Lunge in Folge von festen Verwachsungen mit der Pleura
parietalis reap. diaphragmatica nicht vollständig luftleer com-
primirt ist und in die Flüssigkeit cintaucht. Thatsächlich han¬
delt es sich in beiden Fällen um ein sehr reichliches Exsudat, in
das die Lunge möglicherweise hinabreichen konnte. Das Vor¬
handensein der grösseren Flüssigkeitsmonge machte im übrigen
in beiden Fällen den Befund wesentlich complicirter als in
meinem Falle. Erwähnen will ich nur, dass nicht über der
ganzen Flüssigkeitsansammlung der tympanitisehe Klang zu er¬
halten war, sondern nur in einem bezw. in 2 getrennt liegenden,
kleinen Bezirken innerhalb der von der Flüssigkeit bedingten
Digitized by Gougle
absoluten Dämpfung. Man müsste also, wenn man die Er¬
klärung von der Entstehung des Klanges innerhalb der vielleicht
noch lufthaltigen Lunge gelten lassen will, annehmen, dass diese
Bezirke dem Schall gebenden Lungentheil besonders nahe lagen;
Hiermit lässt sich sehr gut die interessante Beobachtung in Ein¬
klang bringen, dass in den tympanitischen Bezirken der Brust¬
wand auch auscultatorische Erscheinungen (Athemgeräusch)
jedenfalls doch fortgeleitet zur Wahrnehmung gelangten, die
ausserhalb derselben nicht gehört wurden.
Dass derbe, leitungsfähige Verwachsungen von der Lunge
her die Schwingungen durch die Flüssigkeit zur Thoraxwand
leiteten, glaube ich desshalb nicht annehmen zu dürfen, weil die
geschilderten Schallbezirke in beiden Fällen bei Lagewechsel ver¬
schieblich waren.
Wenn es wirklich die Lunge, bezw. die in ihr befindlichen
grossen Bronchien sind, welche den Schall geben, so sollte man er¬
warten, dass beim Oeffnen und Schliessen des Mundes Schall-
höheiiwechsel auftritt, vorausgesetzt, dass der zuführende Bron¬
chus nicht an einer Stelle verlegt ist. Dieser Schallhöhenwechsel
wäre dann als W T i 11 a m s’scher Trachealton zu bezeichnen.
Ich möchte zum Schlüsse wiederholen, dass ich das
Phänomen, von dessen Beobachtung ich Ihnen berichten durfte,
für weit häufiger halte, als man bei dem gänzlichen Unerwähnt¬
bleiben desselben in Abhandlungen über Pneumothorax ver-
muthen sollte. Die Bedingungen für das Zustandekommen des
Phänomens sind, wie meines Erachtens schon die Vergleichung
der genannten 3 Fälle zeigt, in den verschiedenen Fällen ver¬
schieden. Eine allseitig befriedigende Erklärung wird in vielen
Fällen sehr schwierig sein. In dem von mir beobachteten Falle
waren so glücklich einfache Verhältnisse vorhanden, dass ich ge¬
glaubt habe, den Fall und die Erklärung, die sich bei Beobach¬
tung desselben mir auf drängte. Ihnen vortragen zu sollen.
Discussion: Herr Geh.-Rath Bäumler kann die Häufig¬
keit des Vorkommens eines umschriebenen Bezirkes tympani¬
tischen Schalles im unteren hinteren oder seitlichen
T h e i 1 der Brust, auch bei Vorhandensein reichlichen Ergusses
inmitten der Dämpfung, bei Pneumothorax bestätigen. Den
ersten derartigen Fall habe er als Hausarzt am deutschen Hospital
in London im Jahre 1864 längere Zeit zu beobachten Gelegenheit
gehabt, für die Entstehung dieser höchst auffallenden Erschei¬
nung aber keine befriedigende Erklärung zu finden vermocht.
In jenem Fall hätte, da sich die Erscheinung auf der rech¬
ten Seite oberhalb der Leberdämpfung fand, von
Entstehen regelmässiger Schwingungen in einem lufthaltigen
Organ des Abdomens (Magen oder Flexura coli dextra) und von
Fortgeleitetwerden derselben durch Leber und Erguss hindurch
nach der hinteren Seite des Thorax keine Rede sein können. Zu¬
dem sei der Erguss ein sehr reichlicher gewesen. Die Annahme
von in spinnw'ebenartigen Fibrinnetzen innerhalb des Exsudates
o<ler unter Fibrinmembranen sich verfangenden Luftblasen,
welche bei Lageveränderungen des Kranken aus dem Luftraum
des Pneumothorax zwischen dieselben hinein gelangen könnten,
würde die grosse Coustanz der Lage und Beschaffenheit des tym¬
panitischen Schalles von Tag zu Tag nicht haben erklären können.
Auch die Autopsie habe in jenem Fall keine sichere Aufklärung
gegeben. Ebenso sei es ihm in ziemlich zahlreichen anderen
Fällen nicht gelungen, eine sichere Erklärung für das Phänomen
zu finden. Wintrich 'scher Schallhöhen Wechsel sei in keinem
einzigen Fall nachweisbar gewesen. Die namentlich in Fällen
mit reichlichem Exsudat sehr frappante Erscheinung sei von ihm
auch mehrfach in der Klinik demonstrirt worden.
Die von Herrn Schneider versuchte Erklärung möge für
den speciellen Fall, in welchem nur eine geringe Flüssigkeits¬
menge im Pleuraraum vorhanden war, zutreffend sein, doch könne
man dieselbe nicht verallgemeinern, da jeder Fall neben der
Haupterscheinung doch wieder Besonderheiten biete. Es sei
sehr dankenswert!!, dass Herr Schneider die Aufmerksamkeit
auf den Gegenstand gelenkt und damit zu eingehenderen Studien
der Erscheinung angeregt habe.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 30. Januar 1900.
Vorsitzender: Herr R u m p f.
Demonstrationen.
1. Herr Waitz zeigt einen durch Laparotomie geheilten
Fall von Perforationsperitonitis. Es handelte sich um ein per-
foiirtes Magenulcus, das an der kleinen Curvatur, nahe der Cardin
sass. Die peritonitischen Erscheinungen setzten stürmisch ein.
21 Stunden danach laparotomirte W., eröffuete die Bauchhöhle
durch eine vom Processus xiphoideus bis zur Symphyse reichenden
Schnitt, wusch In ausgiebigster Weise mit physiologischer Koch¬
salzlösung aus, suchte die Perforationsöffnung auf, excidirte das
Ulcus und nähte den Magen; nach nochmaliger Auswaschung
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
207
wurde die Bauchhöhle völlig geschlossen. W. empfiehlt die Er¬
öffnung der Bauchhöhle durch grosse Schnitte und die Wasch¬
ungen mit Kochsalzlösung (als Anregung für die gelähmten
Därme).
2. Herr A r n i n g demonstrirt einen Syphilitischen mit dicht
stehendem, lenticulären papulösen Exanthem. Sodann stellt A.
den am 21. Februar 1899 demonstrirten Kranken mit einer dia¬
gnostisch schwierigen und eigentliümlicheu Hautaffection — nun¬
mehr geheilt — vor. (Diese Wochenschrift 1889, No. 9, pag. 30).
Der Fall passt zu dem im Journal of cutaneous and genito-urinai
diseases, December 1899 von C. B o e c k als multiple benign sar-
coid of the skin beschriebenen Krankheitsbilde. Die Heilung er¬
folgte nach ca. 50 Injectionen von cacodylsaurem Natron.
3. Herr Luce bespricht unter Demonstration der zugehörigen
Organe über einen Fall von Lungengangraen. Die Kranke ent¬
leerte 30—50 ccm foetides Sputum pro die, fieberte unregelmässig
remittirend und bot eine geringe Oberlappendämpfung. Die
Untersuchung mit Röntgenstrahlen liess einen der
Basis des Oberlappens entsprechenden, scharf prouoncirten, delta¬
förmigen Schatten neben einer geringen Zahl von kleineren
Herden in der Umgebung erkennen. Auf diesen Befund hin eröff-
nete L. nach vorheriger Pleuropulmonalnaht den
Gangraenherd. Danach hörten die Gangraenerscheinungen auf
und die Höhle heilte aus, wie das Präparat beweist. Trotzdem
verfiel die Kranke, und ging unter den Zeichen einer Hemiparalyse
zu Grunde. Die Gehirnsection ergab hierfür keinen Befund. Inter¬
essant ist, dass die mit dem stinkenden Inhalt der Gangraenhöhle
beschickten anaeroben und aeroben Culturen steril blieben.
4. Herr S u d e c k demonstrirt mit dem Apparat von Lar-
v e y eine Anzahl von Röntgenplatten, betreffend die Inactivitäts-
atrophie der Knochen.
Auf Röntgenbildern erkennt man Knochenschwund, besonders
der spongiösen Substanz der Extremitätenknochen sehr deutlich.
Der Knochen wird durchscheinender und heller an den atrophi¬
schen Stellen. Die Structur entspricht oft noch genau der nor¬
malen, doch sind die einzelnen Bälkchen weniger massig und
haben grössere Zwischenräume. Bisweilen ist die Structur bis
zum völligen Verschwinden verwischt. Als Beispiele w r erden Fuss-
bilder gezeigt, die in Folge von Pseudarthrosenbildung nach Unter¬
schenkelbruch der Inactivitätsatrophie verfallen waren. — Be¬
sonders hochgradige Atrophie zeigt das Fussskelet eines Mannes,
der mehrere Jahre an einer schlaffen Lähmung der Beine iu
Folge von Myelitis transversa leidet. Dagegen konnte irgend
welche Atrophie in einem Falle von spastischer Lähmung
der Beine nicht nachgewiesen werden. Dies ist verständlich, weil
bei der spastischen Lähmung nur die statische Inanspruchnahme
der Knochen wegfällt, während der Muskelzug ununterbrochen
auf das Skelet einwirkt und eine Inactivitätsatrophie nicht zu
Stande kommen lässt.
Bei entzündlichen Processen des Handgelenks (tuberculös,
phlegmonös, gonorrhoisch) tritt in erstaunlich kurzer Zeit eine auf¬
fallende Atrophie in den seitdem ruhig gestellten, nicht entzün¬
deten Köpfchen und Basaltheilen der Metacarpalknochen und der
Phalangen ein. In einzelnen Fällen ist die Atrophie innerhalb
weniger Wochen so hochgradig, dass man kaum annehmen kann,
dass die secundäre Ruhigstellung die alleinige Ursache ist. Wahr¬
scheinlich kommt noch ein anderes Moment hinzu, analog der
„reflectorischen“ Atrophie der Muskeln, die ein entzündetes Ge¬
lenk umgeben.
Herr Krause bespricht die neueren bacteriologischen
Methoden der Typhusdiagnose.
Nach kurzer Einleitung, mit specieller Kritik der W i d a lo¬
schen Reaction, berichtet K. über die Methode der Züchtung
der Typhusbaeillen aus Roseolenblut, welche von
Neufe 1 d wieder eingeführt und von Cursehmann an
20 Fällen nachgeprüft ist. K. gelang es in 6 Fällen 6 mal, meist
untersuchte er 3 Roseolen, in einem Falle 5, ehe er positive Re¬
sultate erhielt. Wesentlich ist, dass man möglichst frische Rose¬
olen untersucht, vor Austritt des Bluts einen Tropfen steriler
Bouillon darauf bringt und sowohl auf Glycerinagar, wie in
Bouillon züchtet.
Sodann bespricht K. die Piorkowsk i’sche Methode. Der
Nährboden wird aus einem in zwei Tagen alkalisch gewordenen
Ham vom spec. Gewichte 1020 hergestellt, zu dem 3,3 Proc.
Gelatine und 0,5 Proc. Pepton gebracht wird. Innerhalb 17—24
Stunden kann man dann die Typhusbacillen vom Baeterium coli
durch unterschiedliches Wachsthum unterscheiden. Das Ver¬
fahren wurde nachgeprüft a) an 8 Typhusfällen, einmal mit durch¬
aus negativem Resultat, wahrscheinlich weil der Fall schon zu
alt war, b) an 5 alten, künstlich weitergezüchteten Typhusstäm-
men und au 6 alten Baeterium coli-Stämmen. Der Pior¬
kowsk Fache Nährboden ist eine Bereicherung der bacterio-
logischen Untersuchungsmethoden, es ist aber durchaus noth-
wendig, das Recept für denselben noch besser zu lixiren. Ein
Ham, der allen P i o r k o w s k Pschen Postulaten entspricht,
konnte unter etwa 80 Hamen nur 2 mal aufgefunden werden.
Ausserdem sind in vielen Harnen soviel zufällige Bestandtlicile,
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die ein Wachsthum der Bacterien häufig doch sehr beeinflussen
werden, wie z. B. Medicamente (Jod etc.).
Discussion über den Vortrag des Herrn Kumpf:
Ueber den Stoffumsatz bei vegetabilischer Diät.
Herren Edlefsen, Thost, Cohen, Bonne, Sclimi
1 i n s k y und der Vortragende. W erue r.
Wiener Briefe.
f Hofrath Professor Dr. Philipp Kn oll. — Neue medi-
cinische Kliniken in Prag. — Vorkehrungen gegen Influenza.
— Bedingungen für die Errichtung und den Betrieb von In¬
stituten für B.adiographie und Radiotherapie.
Am 31. Januar 1. J. verschied hier Hofrath Dr. Philipp
K n o 11, ordentlicher Professor der allgemeinen und experimen¬
tellen Pathologie, 59 Jahre alt. Er litt an einem Aneurysma
aortae und in den letzten Tagen an Pneumonie. Ende 1898 war
Knoll an Stelle Stricker’s von Prag nach Wien berufen
worden und es ist ein sonderbares Verhängniss, dass nunmehr
schon drei hervorragende Kräfte hintereinander, welche von Prag
nach Wien gingen — Kahler, Breisky und Knoll — nach
kurzer Thätigkeit in Wien rasch dahinschieden.
Knoll war in Carlsbad geboren, besuchte als Mediciner die
Prager Universität und wurde hier 1864 zum Doctor promovirt.
Als Assistent der I. medicinischen Klinik in Prag oblag er phy¬
siologischen Studien bei Eckhardt in Giessen, so dass er 1868
dahin berufen und zum Assistenten der physiologischen Lehr¬
kanzel ernannt wurde. In Giessen liabilitirte er sich auch als
Docent, ging aber bald darnach nach Prag zurück, woselbst er
1872 zum ausserordentlichen und 1879 zum ordentlichen Professor
der allgemeinen und experimentellen Pathologie ernannt wurde.
Knoll’s zahlreiche Publicationen bewegten sich auf dem
Gebiete der pathologischen Physiologie am Krankenbette. „Kno 11
— so schrieb Docent Dr. Herrnheiser im Jahre 1898 — der
die Bedeutung des Thierexperimentes im vollkommenen Umfange
zu würdigen weiss, verkannte nie die NothWendigkeit, den an¬
gehenden Medicinern die pathologischen Phänomene auch am
Menschen zu demonstriren, und verlangte hiezu klinischen Unter¬
richt, den er selbst in seiner propädeutischen Klinik ertheilte.“
Speciell befasste sich Knoll mit dem Studium der Kreislauf lehre
und der Athmungsinnervation; er studirte die Entstehung und
Beschaffenheit der Harncylinder und suchte die krankhaften
Veränderungen an der quergestreiften Musculatur zu eruiren.
Aus K n o 1 Fs Laboratorium und aus seiner Prager propädeu¬
tischen Klinik gingen zahlreiche Arbeiten hervor und zählte er
M. Löwit, O. Kahler, Ewald Hering jun., Alois Pick,
R. F i s c h e 1, E. K a u f m a n n, R. F u n k e u. v. A. zu seinen
Schülern und Mitarbeitern. Auch in Wien sollte Knoll, wie
erst jüngst in den medicinischen Zeitungen verlautete, schon
demnächst in den Besitz einer propädeutischen Klinik gelangen.
Philipp Knoll erfüllte aber zeitlebens noch eine zweite
wichtige Aufgabe, er war nämlich Politiker, eine Zierde der
deutsch-fortschrittlichen Partei in Böhmen, eine führende Per¬
sönlichkeit. Wiederholt Vertreter seines bedrängten Volkes im
böhmischen Landtage, hatte er das grösste Verdienst, dass zum
Schutze der alten deutschen Prager Universität eine Zweitheilung
derselben in eine deutsche und tschechische durchgeführt wurde.
Dass trotzdem die Prager deutsche Universität sich seither im
Niedergange befindet, war wohl nicht seine Schuld, er selbst war
jederzeit bemüht., ihr ihre historische Stellung zu bewahren. Als
man vor wenigen Tagen daran dachte, dem Ministerium einen
„deutschen Landsmannminister“ einzuverleiben, da wurde auch
Hofrath Dr. K n o 11 als Candidat genannt; so hoch stand er auch
als Politiker im Ansehen.
Nun er hingeschieden, ist die Trauer um ihn eine tiefe und
weitverbreitete; die Wiener medicinisehe Facultät hat abermals
einen gewissenhaften und ausgezeichneten Lehrer, eine wissen¬
schaftliche Capacität ersten Ranges, verloren. Friede seiner
Asche!
Wenn es auch in erster Linie der leidige Nationalitätenhader
war, der den in Prag befindlichen deutschen Gelehrten und Leh¬
rern das Leben verleidete, so litt speciell die deutsche medici-
nische Facultät daselbst überdies an unzureichenden und schlecht
bestellten Localitäten. Wir freuen uns nun, mittheilen zu können,
dass am 1. Februar 1. J. die feierliche Eröffnung des im Prager
allgemeinen Krankenhause errichteten Kaiser Franz Josephs-
Pavillons stattfand, in welchem die interne Klinik des Professor
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208
München kr mkdicinisohk Wochenschrift.
No. 0 .
v. J a k s c h, die Augenklinik des Professor C z e r m a k und die
geburtshilflich-gynäkologische Klinik des Professor S a e n g e r
untergebracht sind. Der Deean der Facultät, Professor Czer-
m a k, begrüsste die Gäste, worunter sich auch mehrere Wiener
Universitäts-Professoren befanden, wonach Professor v. J a k s c h
die Festrede hielt. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass auch
die anderen, gegenwärtig noch in dem alten Gebäude unterge¬
brachten Kliniken und Abtheilungen in absehbarer Zeit in neue,
zweckdienliche Räume übertragen werden würden. Sections-
ehef K u s y, unser Referent im Ministerium des Innern, der
ebenfalls anwesend war, sagte dies im Namen der Regierung zu;
für die Fortentwicklung der Prager Universität solle geschehen,
was nur möglich sei. — Das wäre sehr zu wünschen, da bisher
leider viele Jahre lang Vieles versäumt wurde.
Dem Ministerium des Innern sind Nachrichten zugekommen,
dass die Influenza in mehreren Städten Süd- und Süd Westeuropas
in heftiger Form epidemisch aufgetreten ist. Es steht daher
möglicher Weise eine Verbreitung dieser Infectionskrankheit
über ausgedehnte Gebiete des Continents wieder zu besorgen.
Das Ministerium setzt daher die politischen Landesbehörden hie¬
von in Kenntniss und ladet sie zugleich ein, die Unterbeliörden
anzuweisen, dass sie dem Auftreten von Influenza die entspre¬
chende Aufmerksamkeit zuwenden und mit Rücksicht auf die
im Falle eines häufigeren Vorkommens der Krankheit voraus¬
sichtliche grössere Inanspruchnahme der öffentlichen Spitals¬
pflege die rechtzeitige Bereithaltung der noth-
wendigen Spitalsunterkünfte zu bewirken trachten.
Im Falle eines epidemischen Auftretens der Influenza ist in
gleicher Weise wie über die anderen Infectionskrankheiten, hin¬
sichtlich welcher die Anzeigepflicht besteht, zu berichten.
Ein eben publicirter Erlass der niederösterreichischen Statt¬
halterei betrifft die Bedingungen für die Errichtung und den
Betrieb von Instituten für Radiographie und Radiotherapie. In
dem Erlasse heisst es unterer Anderem: „Die Verwendung von
Röntgenstrahlen zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken
ist nur den zur Praxis berechtigten Aerzten gestattet. Der prak¬
tische Arzt, der in seiner Ordination Röntgenstrahlen zu thera¬
peutischen Zwecken verwendet, trägt, die volle Verantwortung
für alle etwaigen schädlichen Consequenzen “ (Dieser Satz ist
gesperrt gedruckt, erscheint uns aber als selbstverständlich. Der
Rcf.) „Die Verwendung von Röntgenstrahlen zu therapeutischen
Zwecken in speziellen, als Institut oder Anstalt bezeichneten
Localen ist an eine behördliche Coneession gebunden.“
Der Concessionsbewerber muss sich mit speciellen Studien und
praktischen Erfahrungen ausweisen können, muss den Nachweis
erbringen, dass sein Apparat von einem Fachmanne aufgestellt
und eingerichtet sei; die Localitäten müssen den allgemeinen
hygienischen Anforderungen entsprechen; die therapeutischen
Maassnahmen dürfen nur unter steter ärztlicher Controle vorge¬
nommen werden; über die behandelten Fälle sollen Kranken¬
geschichten geführt, endlich an die Vorgesetzten Behörden peri¬
odische Berichte erstattet werden.
Im Weiteren wird der Wiener Magistrat aufgefordert, in
dieser Richtung eingehende Erhebungen zu pflegen, die Aerzte,
welche keine Coneession zur Führung des Titels „Institut“ be¬
sitzen entweder zur Ablegung dieser Titelführung oder zur Er¬
langung einer Coneession zu verhalten. Einzelne dieser reclamen-
hai teil, unberechtigten Ankündigungen werden dem Magistrat zur
weiteren Veranlassung zugemittelt.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 31 . Januar 1900.
Demonstrationen.
Herr Veilchenfeld: 6 jähriger geistig und körperlich
sehr zurückgebliebener Knabe mit starker Cyanose und Trommel-
schlügel-Fingern, bei dem er auf Grund des Befundes am Herzen
auf ein offenes Foramen ovale und einen Mitralklappenfehler U)
schliesst.
An demselben Knaben demonstrirt Herr Joachimsthal
einen Sehenkelhalsdefect am rechten Oberschenkel, das Fehlen
der rechten Patella und eine starke Einwärtsbiegung des linken
Oberschenkelhalses. (Röntgenbild.)
Herr S t r a u s s : Mehrere Präparate von basophilen Körn¬
chen in Erythrocyten und schliesst aus deren Lage, dass sie,
tiotzdem sie ziemlich zahlreich sind, durch Kcrnzerfall entstanden
sind.
Herr Bloch stellt fest, dass diese Körnchen mit den von
ihm und Grawitz in der letzten Sitzung besprochenen proto-
plasmatischeu Körnchen nicht identisch seien.
Herr Strauss erklärt, dass er dieses auch gar nicht be¬
hauptet habe.
Herr Freudenberg : Zwei Präparate von Prostata
hypertrophica ; die Patienten, an denen die B o 11 i n i’sche
Operation vorgenommen war, sind an intercurrenten Krankheiten
gestorben. Beide Präparate zeigen, dass die Operation wohl ge¬
lungen war. Trotzdem hält F. es für sehr wünschenswerth die
Operation nicht ohne Controle des Auges auszuführen. Das von
\\ ossidlo in der letzten Sitzung demonstrirte Instrumente
halt er aber nicht für zweckmässig, da durch die Blutung nach
dem 1 . Schnitte das Gesichtsfeld durch Blut verdunkelt werde
und ausserdem der Knopf zum Einhakeu in die Prostata fehle.
Herr W o s s i d I o hält diese Einwände auf Grund einer
bereits ausgeführten Operation für rein theoretisch und hinfällig.
Tagesordnung.
Herr F. Hirschfeld: Zur Prognose der Glykosurie
und des Diabetes.
II. unterscheidet zwischen einer einfachen Glykosurie von
kurzer Dauer und Diabetes. Letzteren hält er für unheilbar. Im
Gegensatz zu 0 a n t a n i, der Besserung des Diabetes durch Ent¬
ziehung von Kohlehydraten nur bei leichteren Fällen gesehen
haben will, schwere Fälle für unzugänglich hält, hat II. häutig
auch bei schweren Fällen bedeutende Besserung gesehen; eine
strenge längere Entziehung hält Vortragender für unthunlich, er
gibt daher 50—100 g Kohlehydrate täglich. Vortragender be¬
tont in U eberein Stimmung mit Külz und Rumpf die grosse
Labilität der Glykosurie. Bei frischen Fällen, in denen etwa
1 Sechstel des einverleibten Zuckers durch den Urin wieder aus-
geschioden wurde, sali II., wenn er Anfangs 50—60 g, später
ca. 200 g Kohlehydrate gab, nach einiger Zeit Besserung; bei
längerem Bestehen der Krankheit war die Besserung viel seltener,
er sah stets Verschlimmerung durch Ueberlastung mit Kohle¬
hydraten. Fand Vortragender ausser Glykosurie die Acetonaus¬
scheidung vermehrt, so zeigte sieh viel grössere Neigung zur spou-
tanen Verschlimmerung; bei verschlechterter Resorption der
Nahrung, die er in verhültnissmässig wenigen Fällen antraf,
lässt II. eine Verschlimmerung der Glykosurie dahingestellt sein.
Als äussere Momente für die Verschlimmerung sind inter¬
currente Krankheiten zu nennen, besonders Influenza (oft Koma,
Zunahme der .Glykosurie), dann schmerzhafte Koliken, die häufig
mit Gallensteinkoliken verwechselt werden (Durchfälle, wechselnd
mit \ erstopfung). Man muss hier an Pankreaserkrankung den¬
ken. Einfache Durchfälle wirken in der Regel günstig auf die
Glykosurie. Furunkel, Karbunkel, Gangraen verschlimmern die
Glykosurie, nach Operation tritt Besserung ein. Pneumonie,
Pleuritis, Typhus abdominalis, Perityphlitis sind meist ohne Ein¬
fluss (auf die Glykosurie), hei einzelnen Fällen tritt sogar Besse¬
rung ein, wahrscheinlich durch die Inanition.
Psychische Afl'eete und schmerzhafte Affectionen wirken un¬
günstig. Herzschwäche soll man nicht als so wichtig behandeln
wie die Glykosurie, da die Herzbeschwerden bei antidiabetischen
Maassregeln zurückzugehen scheinen. Bezüglich des Ernährungs¬
zustandes bemerkt Vortragender, dass gutes Aussehen nicht
immer Zeichen von Besserung wäre, in 3 seiner Fälle sei trotz
Zunahme des Körpergewichts die Zuckerausscheidung ge¬
wachsen; in leichten Fällen soll man nicht zu viel überernähren!
Bei Alkoholikern sei Diabetes selten. Auf Grund seiner Er¬
fahrung hält Vortragender die leichten Fälle prognostisch für
viel günstiger, als man bisher glaubte. Für relativ geheilt hält er
die lalle, in denen die Patienten fortdauernd 200 g Kohlehydrate
ohne Schaden vert ragen. Doch soll man solche Leute vom Zueker-
genuss fernhalten. Frauen soll man vor dem Heirathen warnen,
wegen Öfters (‘intretender Verschlimmerung während der
Schwangerschaft.
„ , . , . , . ; - — . v j,i 1 11ivv'iiui Keinen unter¬
schied zwischen einfacher Glykosurie und Diabetes au. Er hält
den Diabetes junger Leute für gefährlich, den älterer Leute für
günstiger. Doch kommen auch Ausnahmen vor. Fälle mit stark
positiver Acetessigsäurereaetion hält er für sehr schwer, und den
betreffenden Diabetes pankreatischen Ursprungs; ist die Reaction
schwacher, hält er die Fälle für nicht ganz so ungünstig.
K. hält im Gegensätze zu Hirschfel d die Herzschwäche
bei Diabetes für sehr gefährlich, und warnt vor Entziehungscuren
In diesen Fallen. Nervösen Diabetes hält K. für viel günstiger
als pankreatischen. Er vermisste in II.’s Vortrag die Erwähimn-
der Albuminurie bei Diabetes; Patienten mit Albuminurie bei Dia
*) Combinntion von Messer und Cystoskop.
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6. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
209
bctes soll man nicht mit ängstlicher Diät behandeln, besonders
ältere, auf diese machen Kohlehydrate oft keinen Eindruck.
Herr Veilchenfeld will im Gegensatz zu Hirsch
feld völlige Heilungen von Diabetes gesehen haben, viele Fälle
seien unabhängig von der Diät.
Herr Senator will junge Mädchen, die heiratlien wollen,
besonders desshalb gewarnt wissen, weil Uebertraguug des Dia¬
betes auf die Nachkommen sehr oft vorkomme.
Herr Silex erzählt von alten 70—80jährigen Leuten, die
seit 25 Jahren ihren Diabetes hätten und keine Diät hielten. Bei
Leuten mit Netzhautblutungen sah er nach Besuch von Karlsbad
oder diätetischer Heilanstalten wohl Besserung des Diabetes, aber
Zunahme der Netzhautblutungeu.
Herr Hirschfeld: Schlusswort.
Max Secklmau n.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 29. Januar 1900.
Demonstration:
Herr Paul Cohnheim: einen 54 jährigen Mann mit
..intermittirender Form“ von Magenectasie, d. h. es wechselten
Zeiten gutenWohlbeflndens mit schlechten ab. Die letzten beiden
Attacken durch Oelcur, nämlich Eingiessung von 100—150 g in den
ausgewaschenen Magen, schnell zur „Heilung“ gebracht. Als
Ursache der Beschwerden nimmt Vortragender ein recidivireudes
Ulcus am Pylorus an, das durch das Oel günstig beeinflusst wird.
Gleicher Erfolg in zwei ähnlichen Fällen.
Tagesordnung.
Herr Geh.-Rath Koenig a. G.: Die chirurgische Be-
handlung der Nierentuberoulose.
Die Nierentuberculose war noch zu einer Zeit, die er selbst
miterlebt, eine so gut wie unbekannte Krankheit. Vor Allem hat.
sich die Chirurgie nicht darum gekümmert. Zuerst wurden die
*ogen. „chronischen Blasenkatarrhe“ als Tubercu-
1o*en erkannt und zwar der Nieren.
Eine unbefangene Betrachtung beginnt erst mit der Zeit, als
der Beweis erbracht war, dass Menschen auch mit einer Niere
leben können. Nicht sofort wandte man sich mit Bewusstsein
dazu, tuberculöse Nieren zu entfernen; man entfernte sie im An¬
fang unter anderem Titel, doch schon 1883 und 84 gibt es eine
Statistik der Operation der Nierentuberculose. Man muss 2 Zu¬
stände auseinander halten, die Erkrankung der Niereusubstanz
olme Betheiligung des Nierenbeckens und die sogen, pyelitische
Form. Letztere kann entweder aus der orsteren durch Durch¬
bruch eines Nierenherdes entstehen, oder umgekehrt durch Ueber-
g reifen einer Nierentuberculose auf die Nierensubstanz. Die
erstere Eorcn, d. h. die Erkrankung der Niere ohne Betheiligung
des Nierenbeckens bietet der Diagnose solche Schwierigkeiten,
dass sie meist erst auf dem Sectionstisch erkannt wird; doch
konnte Vortr. zweimal diesen Uebergang beobachten und zwar
einmal nach einer Gonococceninfcction und einmal nach Terp-
pentininhalationen.
Die pyelitische Form bietet auch bei fehlendem Bacillen-
bofund ein typisches Bild: Chronischer Blasenkatarrh, der all¬
mählich mit trübem Harn beginnt und Lost immer mit häufigem
Harndrang und Schmerzen in der Harnröhre, namentlich der
Frau, einhergeht. Kommen dazu die typischen Nierenschmerzen,
bald leicht und ziehend, bald kolikartig, so wird die Diagnose
um so sicherer, wenn nur eine Seite befallen erscheint. Der Boden¬
satz des Harns enthält Epithelien, namentlich sogen. Uebergangs-
epithelien, Eiterkörperchen, eigenthümliche Faserstoffklümpchen,
welchen Blut in allen Formen anklebt, Blutungen sind nicht
selten der Anfang des ganzen Leidens; es kommt dabei zuweilen
zu einem förmlichen Blutsturz.
Die Niere ist sehr häufig gesenkt und ein Tumor an der¬
selben zu fühlen. Endlich kommt dazu das oft in Schüben exa-
cerbirende hectische Fieber und die auffallende Blässe der
Patienten.
Diese Symptome berechtigen heutzutage zur Diagnose einer
Nierentubercodose, auch dann, wenn die Bacillen im Harn fehlen.
Die Bacillen sind trügerisch, Verwechslungen mit Smegmabacillen
nicht selten. — Cystoskopisch sieht man in der Blase an der
T T rctermündung ganz bestimmte Formen von Schwellung und
Erosionen.
Sind diese Symptome vereinigt, dann sind, wie er sich
selbst überzeugte, alle internen Mittel vergeblich; es hilft nur
eine Operation.
Es gab eine Zeit, in der er hoffte, bei Gelenktuberculosen
durch Ausschälung der kranken Herde viel erreichen zu können.
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Tn derselben Befangenheit befinden sich heutzutage noch Viele
gegenüber der Nierentuberculose. Doch bleibe Resection
von Nierenstücken nur für seltene und besondere Fälle. Auch
die von ihm mit Spaltung der Niere Behandelten sind
kläglich zu Grunde gegangen, wenn er nicht noch rechtzeitig
die einzig angebrachte Operation ausführt, die Exstir¬
pation der ganzen kranken Niere.
Vor deren Vornahme muss man sich natürlich zu überzeugen
suchen, dass der Kranke noch eine zweite Niere hat. Die Huf ■
eisen li iere kann man zumeist fühlen, schlimmsten Falls ge¬
lingt es von dieser, aus der Verschmelzung zweier Nieren ent¬
standenen, die kranke Niere abzutragen.
Gefährlich könnte aber die Operation bei Solitärniere
werden; doch ist diese häufig zu diagnosticiren, da meist der
gleichseitige Hoden fehlt.
Die Frage, welche Niere erkrankt ist, lässt sich zumeist cysto¬
skopisch an dem abnormen Abfluss des Harns erkennen, und zwar
ohne den gefährlichen Katheterismus des gesunden
Ureters.
Tn einer Reihe von Fällen ist es aber nicht möglich, die
Nierentubcreulose zu diagnosticiren und in einer anderen Reihe
nicht zu entscheiden, welche Niere die erkrankte ist. Unter 20
vom Vortr. operirten Fällen war zweimal eine falsche Diagnose
gestellt und keine Tuberculöse gefunden worden. Ein oder zwei¬
mal war er „auf die Smegmabacillen reingefallen“.
Drei von den übrig bleibenden 18 sind an Uraemie gestorben,
davon war in dem einen die zurückgelassene Niere ebenfalls käsig
entartet, während in den beiden anderen eine acute Anurie auf¬
trat, für deren Zustandekommen die Section eine starke Degene¬
ration des Nierenepithels aufdeckte. Sie stammen aus einer Zeit,
in der noch starke Desinficientien im Unmaass angewendet
wurden.
Die Frage, ob man überhaupt operiren kann, wenn die andere
Niere auch erkrankt ist, muss entschieden bejaht werden, da sich
das Befinden nach der Operation bedeutend bessert. Mit Bewusst¬
sein hat er die Operation ruhig ausgeführt, wenn er wusste, dass
die Blase oder der Hoden oder die Prostata tuberculös erkrankt
sind.
Von den 18 Operirten mit Tuberculöse der Nieren waren
12 Frauen, 6 Männer. 6 starben mehr oder weniger im Anschluss
an die Operation; 3 von diesen starben an anderweitiger Tuber¬
eulose, 3—9 Wochen p. op.
12 blieben erhalten, wovon einer zwar erst in der 5. Woche,
aber auf dem Wege völliger Reeonvalescenz ist. 3 sind ideal ge¬
heilt, darunter solche, die schon dem Tode nahe waren und Tuber¬
eulosen anderer Organe, wie des Hodens oder der Prostata hatten.
Die Heilung hält schon viele Jahre an. 3 weitere sind 2—2 l / f
Jahre geheilt.
Von den nicht völlig Geheilten sind einige Daten interessant.
Im einen Falle bestand eine Nierenblutung, die aber aus
der gesunden Niere gestammt haben muss, da sich nach der Ope¬
ration der kranke Ureter völlig obliterirt zeigte. Nachdem dies
erkannt und damit die Diagnose auf Erkrankung beider Nieren
umgeändert worden war, war das Erstaunen um so grösser, als
sieh die Patientin erholte. 7 Jahre vergnügt lebte und dem Sport
huldigte; gegen den Rath des Vortr. heirathete sie und starb im
Puerperium.
In einem anderen Fall wurde einer fast in extermis befind¬
lichen Frau ein sehr grosser Abscess eröffnet, die damit communi-
cirende tuberculöse Niere entfernt und die Frau erholte sich auf’s
Beste. Jetzt schreibt der Gatte, Arzt, dass es seiner Frau alF die
Jahre ausgezeichnet gegangen sei, abgesehen von häufigem Harn¬
drang; erst in der letzten Zeit hätten sich Beschwerden auf der
anderen Seite eingestellt.
Also auch in solch’ verzweifeltem Falle lässt sich noch was
Gutes durch die Operation erreichen.
Discussion: Die Herren Litten, Landau, Cas-
per, M. Wolff, Fürbringer. H. Kohn.
Verschiedenes.
Curiosa aus der Praxis.
Befreiung von einer blutenden Ohrwarze durch
— ein V o 1 k s m 111 e 1 (Urin!).
Eine 58 jährige Frau hatte in der Fossa intercruralls des
rechten Ohres eine Warze, die ihr seit einiger Zeit dadurch Be¬
schwerden machte, dass sie schon bei geringer Berührung, beim
Waschen, Kämmen der Haare etc. zu bluten anflng und dann
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
210
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
durch die oberflächlich sitzenden Blutgerinnsel sehr auffiel. Ich
machte, da bekanntermaassen aus derartigen epidermoidalen Ge¬
bilden sich leicht Carcinome entwickeln, der Dame den Vorschlag,
ich wolle die Warze vollständig herausschneiden, es gelinge voll¬
kommen schmerzlos (nach Schleie h) und hinterlasse eine
kaum sichtbare Narbenlinie. Allein die messerscheue Patientin
ging nicht darauf ein. Ich hörte nichts mehr von ihr, bis ich
nach etwa 3—4 Wochen zu ihr gerufen wurde. I)a fand ich die
Frau hochfiebernd im Bette, mit einem auf die rechte Gesichts¬
hälfte beschränkten Erysipel: es reichte genau bis zur Mittel¬
linie, die Stirne und der Nasenrücken waren bis dahin geschwollen
und setzten sich scharf gegen die andere Hälfte ab. Praeauricu-
lar-, Maxillar- und Sublingualdrüsen der rechten Seite waren stark
infiltrirt und druckempfindlich. Nach einigen Tagen heilte das
Erysipel ab — und damit schwand die Warze. Diese Erscheinung
ist ja nicht neu, dass durch Erysipel Neubildungen, ja selbst
Sarkome und Carcinome schwinden können (siehe No. 7. 1890 d.
Münch, med. Wochensclir.), hat doch Prof. R. E m meri c li sogar
sein Heilserum gegen Milzbrand, Tuberculose. Carcinom etc. auf
Grund solcher Beobachtungen aus abgetödtoten Erysipelcoccen-
culturen hergestellt (Jahrg. 1.894. No. 28 dieser Wochensehr.). Aber
diese meine Auffassung, die ich allerdings nicht vorbrachte,
fand keine Gnade vor den Augen der Patientin. Lächelnd zeigte
sie mir ihr von der Warze befreites Ohr. .Ta, oft meinen die
Doctoren, es ginge nur mit Schneiden, aber im Volke seien doch
gar manche Mittel bekannt, von denen die gelehrten Herren nichts
wüssten. So habe ihr eine „alte“ Frau gcrathen. die Warze
jeden Morgen mit dem Naehtharu einer Jungfrau zu benetzen,
und das habe geholfen. Allerdings: der Effect war da, und der
Urin war auch die Causa efficiens. indem er sicherlich die Ver¬
anlassung zu dem heilenden Erysipel bot.
Dr. F. Mosbachcr - Bochum.
Therapeutische Notizen.
Ein Zusammenhang zwischen Traum a u n «1
acutem Gelenkrheumatismus wird bekanntlich von
den einschlägigen Lehrbüchern nicht anerkannt. Schulze-
herge glaubt aus 2 eigenen Beobachtungen, bei denen sich die
Gelenkerscheinungen fast unmittelbar an das Trauma ausehlossen,
schliessen zu müssen, dass ein solcher Zusammenhang doch be¬
steht. (Monatsehr. f. Unfallheilkunde. 12, 1899). Seitz berichtet
über 38 Fälle, die er aus 771 Krankengeschichten des La za rot hs
Neu-Ulm zusammengestellt hat, und die ihm alle für den ge¬
nannten Zusammenhang zu sprechen scheinen. (Dieselbe Zeitschi*..
11, 1899.) In einem von C. Müller berichteten Fall waren schon
fast 4 Monate seit der eisehlügigeu Verletzung verstrichen. (Die
selbe Zeitschr. 8, 1899.) K r.
r • •
Zur Frage der traumatischen Nephritis
iiussert sich in der Monatsschrift für Unfallheilkunde 11, 1899
Stern- Breslau. Er erwähnt zunächst, diejenige Nierenverletz¬
ung, bei welcher der Harn während der ersten Tage demjenigen
bei acuter Nephritis gleicht, wo sich aber bei der Autopsie nur
ausgedehnte Nekrosen finden. Bei den nicht letal verlaufenden
Fällen gehen die Erscheinungen in der Regel wieder vollkommen
zurück. In den selteneren Fällen, wo die Albuminurie bestehen
blieb, sind bisher sonstige Erscheinungen von Nephritis nicht
beobachtet worden. In denjenigen Fällen, bei denen nach einem
Nierentrauma eine wirkliche Nephritis zurückblieb, hat diese
wahrscheinlich schon vor dem Trauma bestanden. K r.
Gastralgie. Stare empfiehlt bei Gastralgien ohne posi¬
tiven Befund im Anfall je einen Theelöffel folgender Mischung
zu nehmen:
Rp. Chloral. hydrat. 1.0,
Natr subsulf. 2.5,
Aq. menth. pip. 30.0.
M. D. S.
(Medical News, 5. August 1899.)
F. L.
Seekrankheit. Dem Boston med. and surg. Journal vom
27. Juli 1899 entnehmen wir folgende Vorschrift, welche zwar
ebensowenig eine Panacee gegen Seekrankheit ist, wie alle übrigen
bisher empfohlenen Mittel, nach den eigenen Erfahrungen des
Referenten aber immerhin in manchen Fällen ein werthvolles
Mittel gegen das Erbrechen und die Nausea bildet, und auch pro¬
phylaktisch zu empfehlen ist. Die Vorschrift lautet:
Rp. Menthol. 0.1,
Cocain, muriat. 0.2,
Syr. simpl. 30 0,
Spir. dil. 00.0.
M. D, S. stündlich ein Theelöffel. F. L.
Beseitigung des Jodoformgeruchs. Nach
R i c k e 11 s lässt sich der unangenehme, nach Jodoformanwen¬
dung an den Händen haftende Geruch am einfachsten und
sichersten durch eine nach gründlicher Waschung mit Seife
erfolgende Einreibung mit etwa ein Kaffeelöffel voll Weinessig
entfernen. (Medical News, 1. Juli 1899.) F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 6. Februar 1900.
— Die Hamburger Bürgerschaft hat den Antrag, betreffend
die Umgestaltung des Seemannskrankenhauses
und Verbindung desselben mit einem Institut für Schiffs¬
und Tropenkrankheiten, am 24. v. Mts. angenommen.
Die Frage eines deutschen tropenhygienischen Instituts ist damit
in glücklicher Weise gelöst. Der Wortlaut des Antrages, der
genauere Angaben über die geplanten Einrichtungen enthält,
findet sich auf S. 211 d. Nummer.
— Der Bundesrath hat den (in No. 3, S. 108 mltgetheilteid
Entwurf von Vorschriften über den Verkehr mit
Geheimmitteln in seiner Plenarsitzung vom 25. v. Mts. ge¬
nehmigt. Das von den Centralbehörden zu erlassende Verzeichniss
der als Geheimmittel anzusehenden Arzneimittel wird In allen
Bundesstaaten gleichlau(end sein. Man wird dasselbe so her-
steilen, dass alle Bundesregierungen zur Einreichung von Listen
aufgefordert werden, die dann im kaiserlichen Gesundheitsamte
gesichtet werden sollen und aus denen ein von dem Bundesrathe
zu genehmigendes, für alle Bundesstaaten maassgebendes Ver¬
zeichniss aufgestellt werden soll.
— Der bei der Berliner Ausstellung für Krankenpflege er¬
zielte Uebersehuss von 14 000 M. wurde als erstes Kapital für die
Begründung eines Museums für Krankenpflege be¬
stimmt.
— Anlässlich des in Frankfurt im Mürz tagenden Balneo-
logen-Congresses veranstaltet die Baineologische Gesellschaft eine
Ausstellung für Krankenpflege, welche vom 8. bis
18. März in der Landwirthsehaftlichen Halle stattfinden wird. Es
hat sieh zu diesem Zwecke ein grosses Comitö gebildet, dem die
Spitzen der Behörden in Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Mainz
etc. sowie die hervorragendsten Aerzte dieser Städte und Kliniker
der Universitäten Giessen, Heidelberg, Marburg und Wtirzburg
angehören.
— Pest. Türkei. Laut Bericht aus Assyr vom 25. November
v. J. ist in Beni Scliehir die Pest aufgetreten und hatte bereits 15
Todesfälle verursacht. — Britiscli-Ostindien. In der Woche vom
23. bis 30. December v. J. hat die Zahl der Todesfälle an Pest in
ganz Indien nur unbedeutend weiter abgenommen, sie betrug 1370
gegen 1384 In der Vorwoche; dagegen sank in der Präsidentschaft
Bombay die Zahl der gemeldeten Todesfälle erheblich, von 808 auf
700. und in Kalkutta von 50 auf 33. Weiter gestiegen ist die Zahl
der Pesttodesfälle in der Stadt Bombay, und zwar von 278 auf 295,
auch stieg die Gesammtzalil der Todesfälle daselbst von 1552 iu
der Vorwoche auf 1077. — Japan. Bis zum 19. December v. J.
waren 20 Fälle von Pest in Japan amtlich festgestellt, 22 derselben
hatten bis dahin einen tödtlichen Ausgang genommen. — Mada¬
gaskar. Seit dem 31. December v. J. werden den aus Tamatave
abgehenden Schiffen wieder reine Gesundheitspässe ertheilt. da
die Pest in diesem Hafen erloschen ist. —Neu-Oaledonien. Vom
1. bis einschl. 4. Januar sind in Numea noch 5 Erkrankungen und
5 Todesfälle an der Pest festgestellt.
— In der 3. Jahreswoche, vom 14. bis 20. Januar 1900, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Danzig mit 30,7, die geringste Schöueberg mit 8.1 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Masern in Danzig. Plauen, Wtirzburg; an
Diphtherie und Croup in Aachen. Plauen.
— Die Aeadömie de mödecine zu Paris hat die Herren K a -
p o s i - Wien, Erb- Heidelberg und Hansen- Bergen zu corre-
spondirenden Mitgliedern ernannt.
— Die Cur anstatt Neu witteis b ach hat eint?
Sammlung für Gründung von halben und ganzen Freiplätzen für
minderbemittelte Kranke der gebildeten Stände eröffnet. Wie wir
hören, betheiligt sich Dr. v. H o e s s 1 i n durch Gründung eines
Freiplatzes aus eigenen Mitteln, während die aus dem Ergebniss
der Sammlung auf genommenen Kranken zu einem unter dem
Durchschnitts-Selbstkostenpreis der Anstalt stehenden Satze auf
Rechnung des Freiplatzfonds verpflegt und unentgeltlich ärztlich
behandelt werden. Die Aufnahmebedingungen werden später
bekannt gegeben. Ueber die Aufnahme der Patienten wird eine
Commission von Aerzten entscheiden.
— Kurz vor dem XIII. Internationalen medicinischen Congress
findet zu Paris (vom 23.—28. Juli) der 1. „Congrds inter¬
national de mödecine professionelle et de döon-
tologie inödicalo” statt. Als Verkehrsbureau für diesen
Congress functionirt das Reisebureau „Voyages pratiques“ zu
Paris, 9, rue de Rome, durch w*elches jede nähere Auskunft ertheilt
wird.
— Die von M. B r e s g e n im Verlage von C. M a r h o 1 d in
Halle herausgegebene „Sammlung zwangloser Abhandlungen aus
dem Gebiete der Nasen-, Ohren-, Mund- und Halskrankheiten“ er¬
scheint in Zukunft als Monatsschrift.
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Prof. Goldscheider hat den Ruf nach Greifs-
w*ald abgelehnt.
Greifswald. Der ordentl. Professor und Director der
medicinischen Poliklinik in Marburg, Prof. Dr. K r e h 1. hat einen
Ruf als Director der hiesigen medicinischen Klinik erhalten und
angenommen.
Halle a. S. An Stelle von Herrn Geheimrath Prof. Dr.
Weber, der am 1. April 1900 seine Stelle als Director der
k. medicinischen Klinik niederlegt, ist der ordentliche Professor
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6. Februar 1900.
MÜNCHENER MFÜICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
211
und Director der mediciniselien Poliklinik, Dr. Frlir. v. Meriug,
ernannt worden.
Heidelberg. Geb. Rath Prof. Pr. Erb wurde von der
Pariser Akademie der Medicin zum auswärtigen convxp.unlirenden
Mitglied gewählt.
Florenz. Habilitirt: Dr. A. Mugnai für Chirurgie.
Rom. Habilitirt: Pr. G. Mazzoni für Gynäkologie.
(Todesfälle.)
Dr. Tourdes, früher Professor der gerielitliehen Mediein
zu Nancy.
In Brüssel der Ohrenarzt Pr. Charles Del stau che.
39 Jahre alt.
In Wien Hofrath Dr. Philipp Knol 1. Professor der allge¬
meinen Pathologie (s. den Nekrolog auf S. 207.)
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Der prakt. Arzt und bezirksärztliche Stellvertreter Pr. Joseph
Bernpointner In Iminonstadt wurde zum Bezirksarzt I. CI.
in Wolf stein ernannt.
Amtliches.
(Hamburg.)
Mittheilung des Senats an die Bürgerschaft.
Hamburg, den 13. Januar 1900.
Antrag, betreffend Umgestaltung des Seemannskrankenhauses
und Verbindung desselben mit einem Institut für Schiffs- und
Tropenkrankheiten.
Nach dem Gesetz, betreffend Anstellung eines Hafenarztes,
vom 24. März 1893 ist der Hafenarzt verpflichtet, auf Anordnung
des Senats die Leitung einer Krankenabtheilung in einem Hospi¬
tal zu übernehmen. Zur Begründung dieser Verpflichtung war in
dem Senatsantrage vom 17. März 1893 ausgeführt. es erscheine
wünsehenswerth, dass derHafenarzt der praktischenMediciu nicht
ganz entfremdet werde. Schon bald nach Beginn der amtlichen
Thätigkeit des Hafenarztes stellte sich indess heraus, dass diese
Thätigkeit nicht nur die Erhaltung einer allgemeinen Verbindung
mit der praktischen Medicin erfordert, sondern dass die neuen und
eigenartigen Aufgaben des hafeuärztlichen Dienstes es nothwendig
machen, dass der Hafenarzt möglichst viele der im Hafen inner¬
lich erkrankten Seeleute selbst beobachtet und behandelt.
Die Krankheitsverhältnisse der Seeleute bieten nicht nur hin¬
sichtlich ihrer Entstehung, sondern auch bezüglich ihres Verlaufes
eine Reihe wichtiger Besonderheiten, die mit dem moderneu
Schiffsleben im engsten Zusammenhänge stehen und zur Zeit nach
manchen Richtungen hin noch nicht genügend erforscht sind. Die
raschen lind zu immer grossartigeren und complicirteren Verhält¬
nissen drängenden Fortschritte im Bau und Betriebe der modernen
Schiffe haben auch die alten Anschauungen über die Sehiffs-
hygiene vollständig über den Haufen geworfen. Die Fortbildung
der Schiffshygiene bildet daher eine Hauptaufgabe des Hafen¬
arztes, der nach der bei Schaffung seines Amtes verfolgten Absicht
seine Thätigkeit nicht auf die routinemässige Controle der Schiffe
behufs Abwehr der Einschleppung fremder Volksseuchen be¬
schränken soll, sondern, wie in dem Senatsantrage vom 17. März
1893 hervorgehoben, als „der Vertreter eines hochwichtigen
wissenschaftlichen Specialfaches“, nämlich der Schiffshygiene an¬
zusehen ist. Die moderne Schiffshygiene aber muss erst auf
einer genauen Kenntniss und dauernden Beobachtung der Krank¬
heitsverhältnisse der Seeleute aufgebaut werden.
Um nun dem Hafenarzt die erforderlichen Kraukenbeobach-
tungen möglich zu machen, wurde ihm, nachdem er schon vorher
vorübergehend Im Seemauuskrankeuhaus thätig gewesen war, im
Mal 1895 eine Abtheilung von 25 Betten für innerlich erkrankte
Seeleute Im Alten Allgemeinen Krankenhause zur oberärztlichen
Leitung überwiesen. Für später war schon damals in Aussicht
genommen, ihn mit der Leitung des Seemannskrankenhauses zu
betrauen. Inzwischen ist daun im § 17 der neuen Medicinal-
ordnung ausdrücklich bestimmt, dass die Leitung des Seemanns-
krankenhauses fortan mit dem hafeuärztlichen Dienst verbunden
sein soll. Damit wird das Seemannskrankenhaus seiner ursprüng¬
lichen Bestimmung zurückgegeben werden, nachdem es seit Jahren
immer mehr ein chirurgisches Krankenhaus für Unfallverletzte im
Hafen, einerlei ob Seeleute oder andere Personen, geworden war,
sodass sich die Mehrzahl der Aufgenommenen aus Schauerleuteu
und Werftarbeitern zusainmeusetzte. Diese Unfallverletzten
sollen fortan dem Hafenkrankenhaus überwiesen werden.
Wenn nun das Seemanuskrankenbaus zu einer Stätte ausge¬
bildet werden soll, in der die Besonderheiten der Krankheiten der
Seeleute nicht nur beobachtet und behandelt, sondern auch mit ein¬
ander verglichen, gesammelt und zur Weiterbildung der Schiffs¬
hygiene benutzt werdeu, so ergeben sich daraus in unmittelbarer
Folge noch zwei weitere wichtige Aufgaben. Zunächst die Vor¬
bildung von Schiffsärzten der Handelsmarine für ihren Beruf.
Die Nothwendigkeit einer besonderen Vorbildung dafür ist all¬
seitig anerkannt, und sie nach Kräften zu fördern, dürfte in erster
Linie der Beruf Hamburgs sein. Sodann die Förderung der
Kenntniss und der Erforschung der Tropenkranklieiten. Hamburg
hat einen sehr grossen Verkehr mit den Tropen und unter den
krank hier ankommenden Seeleuten bilden die mit tropischen
Krankheiten behafteten eine Anzahl und Auswahl, wie sie kaum
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in einem anderen Hafen des europäischen Festlandes und sicher
nirgends in Deutschland reichhaltiger zu Anden ist. Zum Studium
dieser Krankheiten und zur Vorbildung von Aerzten für unser«*
tropischen Colonien und Handelsniederlassungen gibt es daher in
Deutschland keinen geeigneteren Platz als Hamburg.
Dieser Ansicht ist auch die, einer Erforschung der Tropen¬
krankheiten erklärlicher Weise (las lebhafteste Interesse entgegen¬
bringende Colonialabtlieilung des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Zuerst hatte dieselbe au die Errichtung eines Tropen hygienischen
Instituts in Berlin gedacht. Bei den hierüber gepflogenen Ver¬
handlungen aber, an denen auch als »Sachverständiger der hiesige
Hafenarzt Pr. Nooht theilgenonnuen. ergab sich, dass für das
gewünschte Institut Berlin wegen des dort fehlenden Kranken-
material« nicht der richtige Ort ist. Nachdem die Colonialabthei¬
lung dann von der in Hamburg geplanten Umgestaltung des
Seemannskrankenhauses zu einem dem Hafenarzt unterstellten
Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiton Kenntniss erhalten,
hat sie dem Senate gegenüber den Wunsch ausgesprochen, für die
Vorbildung ihrer Tropenärzte und die gutachtliche Beurtheilung
hygienischer Fragen in unseren Colonicn sich an dem hier in Aus¬
sicht; genommenen Institut in geeignet erscheinender Weise be¬
theiligen zu können. In Folge dessen haben Verhandlungen
zwischen Vertretern der Colonialabtheilung und des Senats unter
Zuziehung von Sachverständigen stattgefunden und ist auf Grund
derselben das Folgende vereinbart worden.
1. Hamburg übernimmt die Errichtung eines Instituts für
Schiffs- und Tropenkrankheiten.
2. Dem Institut steht, ein Chefarzt vor, der von Hamburg im
Einvernehmen mit der Colonialabt heilung ernannt wird. Pie
Stelle des Chefarztes soll thunliehst mit dem Amt des Hafeuarztes
verbunden sein.
3. xVn dem Institut werden ferner beschäftigt:
a) ein klinischer Assistent und ein Volontärarzt.
b) ein medieinischer Assistent zur Unterstützung des Hafen¬
arztes bei den nicht klinischen wissenschaftlichen Untersuchungen
und bei Ausübung der Lelirthätigkeit.
c) ein chemischer Assistent zur Vornahme von pharma
een tischen lind chemisch-hygienischen Untersuchungen.
4. Pie zu 3a und 3c genannten Persönlichkeiten werden von
Hamburg im Einvernehmen mit der Colonialabtlieilung eruannv.
Pie letztere behält sich vor, für die Stelle des Chemikers erst¬
malig einen in den Tropen besonders bewährten Pharmaeeuten
in Vorschlag zu bringen, dessen Gehalt näherer Festsetzung Vor¬
behalten bleibt, jedenfalls aber nicht unter 5000 M. betragen soll.
In die zu 3b genannte Stelle wird die Colonialabtlieilung im
Einvernehmen mit Hamburg einen geeigneten Arzt entsenden, der
von Hamburg freie Station und, wenn es sich eiurichten lässt, auch
freie Wohnung erhält
5 Hamburg wird einstweilen 10—12 Arbeitstische einrichten
und davon 5 gegen eine jährliche Zahlung von je 1000 M. zur Ver¬
fügung des Reiches halten.
(i. Hamburg stellt die erforderlichen Krankenbetten jederzeit
in der von der Colonial Verwaltung gewünschten Anzahl zur Ver¬
fügung. Für die Behandlung und Verpflegung der Kranken sind
die für die Hamburgisclien staatlichen Krankenhäuser allgemein
üblichen Sätze seitens dos Reiches zu vergüten.
7. Als Pflegepersonal sollen Schwestern Verwendung finden.
8. Das Institut soll am 1. October 1900 in’s Leben treten.
Per Senat erachtet diese Vereinbarung l'tir den Umständen
angemessen. Die wissenschaftliche Behandlung der Schiffs- und
Tropenhygiene in dem vom llafenarzt geleiteten Seemanns
krankeuhaus auf Grund des hier in reichem Maasse vorhandenen
Krankenmaterials bildet eine wesentliche Ergänzung unseres
hafenärztlichen Dienstes und eine nur in enger Verbindung mit
diesem zu lösende Aufgabe, die demnach naturgemäss Hamburg
zufällt. Anderseits entspricht der geplanten Benutzung des von
Hamburg zu errichtenden und zu leitenden Instituts für die
Colonialinteressen des Reichs die in Aussicht genommene finan-
cielle Betheiligung der Colonialabtlieilung des Auswärtigen Amts
und ein Einfluss derselben auf die Besetzung der wissenschaft¬
lichen Beamtenstellen, llinznzufügen ist noch, dass die Zahl der
der Colonialabtlieilung zur Verfügung zu stellenden Betten nach
den bisherigen Erfahrungen 20 nicht übersteigen wird und dass
gefährliche ansteckende Krankheiten, wie Pocken, Cholera, Pest,
im Seemanuskrunkenlmuse nicht Aufnahme finden sollen.
Bezüglich der vorzunehmenden baulichen Aenderungen ist das
Folgende zu bemerken. Das Seemannskrankenhaus besteht,
gegenwärtig aus dem an das Seemannskrankenhaus angebauten
Hauptgebäude und einem daneben im Hofe des Seeiuannshauses
befindlichen einstöckigen Pavillon. Das Hauptgebäude, in dem
zur Zeit noch eine Anzahl Kranker untergebracht ist, erscheint
nach modernen ärztlichen Anschauungen zur Aufnahme von
Fieberkranken und anderen innerlich schwer erkrankten Personen
nicht geeignet Es sollen desshalb hierher die bisher an anderer
Stelle befindlichen Bureauräume des Hafenarztes verlegt und es
sollen ferner hier die erforderlichen Laboratorien mit der vor¬
gesehenen grösseren Zahl von Arbeitsplätzen und die Wohnungen
für einzelne Angestellte hergerichtet werden. Der Pavillon, in dem
sich jetzt 30 Kranke befinden, muss, um 00 Betten auf nehmen zu
können und ferner Wohnräume für die mit der Krankenpflege zu
betrauenden »Schwestern zu bieten, seiner ganzen Länge nach um
ein zweites und im Mittelbau noch um ein drittes Stockwerk er¬
höht werden. Das Nähere über die hiernach in Aussicht ge¬
nommenen Umbauten ergibt sich aus deu von der Baudeputation
ausgearbeiteten Bauplänen, die mit dem Kostenanschläge auf der
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
212
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ß.
Kanzlei der Bürgerschaft niedergelegt sind. Die Baukosten sind
auf 96 000 M. geschätzt. Zu denselben kommen noch 20 000 M.
für die Herstellung einer massiven Umfriedigung des Anstalts¬
terrains, die im Interesse der Aufrechterhaltung der Krunkeuhaus-
ordnung und insbesondere zur Verhinderung eines Verkehrs der
Patienten mit dem draussen befindlichen Publicum dringend er¬
forderlich Ist, sowie eine Vergütung von 13 (HX) M. au die See-
mannscasse, die einen Theil des ihr gehörigen, für ihre Zwecke
sehr werthvollen Terrains bei dem Seemannshause hergibt, um
das Anstaltsterrain zu vergrössern, und im Hinblick auf die au
sie gestellten erheblichen Ansprüche sowohl wie auf ihre Leis
tungen Anspruch auf eine billige Entschädigung für das von ihr
gebrachte Opfer hat. Bezüglich der Grösse und Gestalt des An¬
staltsterrains, das zum Theil als Garten für Reconvalescenteu
dienen soll, wird auf den auf der Kanzlei der Bürgerschaft nieder¬
gelegten Lageplan verwiesen.
Die Kosten des Inventars und der inneren Einrichtung der
Laboratorien mit Instrumenten etc. sind zur Zeit noch nicht ge¬
nügend zu übersehen, doch werden dieselben nach der Schätzung
der Baudeputation und des Hafenarztes voraussichtlich 92 000 M.
nicht übersteigen. Die jährlichen Kosten des Seemannskranken¬
hauses und des damit zu verbindenden Instituts für Schiffs- und
Tropenkrankheiten werden sich gegenüber den bisherigen Kosten
des Seemannskrankenhauses (73 000 M.) um etwa 23 000 M. er¬
höhen; denselben stehen übrigens, w r ie bisher, die Einnahmen au
Krankengeldern, sowie ferner die oben erwähnten Beiträge des
Reiches gegenüber Auch wird die bisherige Miethe für die
Bureauräume des Hafenarztes Wegfällen.
Was endlich die Frage betrifft, welcher Verwaltungsbehörde
das Seemannskrankenhaus und das demselben angegliederte
wissenschaftliche Institut zu unterstellen seien, so hat das Medi-
cinalcollegium in Uebereinstimmung mit dem Krankenhaus
collegium das Folgende vorgetragen: Der Betrieb des Kranken¬
hauses und des Instituts müsse in engster Verbindung mit dem
hafenärztlichen Dienst stehen. Insbesondere sei es wünschen»-
werth, die Hilfsärzte ohne Weiteres sowohl im Aussendienst wie
im inneren Krankendienst verwenden zu können, damit einerseits
den hafenärztlicheu Assistenten Aussichten auf eine spätere kli¬
nische Thätigkeit eröffnet und so bessere Kräfte für den hafeu-
ärztlichen Dienst gewonnen werden können, andererseits aber eine
vorübergehende Vertretung des Hafenarztes auch im Aussendienst
durch den älteren klinischen Assistenten ermöglicht werde.
Dazu komme, dass es nicht ratlisam erscheine, den Hafenarzt be¬
züglich verschiedener Theile seiner doch ein einheitliches Ganzes
bildenden Thätigkeit von 2 verschiedenen Behörden abhängig zu
machen. Der Senat erachtet diese Ausführungen der betheiligten
Behörden für sachgemiiss und hat sich daher in Uebereinstimmung
mit denselben dahin entschieden, das umgestaltete Seemanns¬
krankenhaus und das mit demselben zu verbindende Wissenschaft
liehe Institut dem Medicinalcollegium zu unterstellen.
Auf Grund des Vorstehenden beantragt der Senat, die Bürger
Schaft wolle es mitgenehmigen,
* 1. dass das Seemannskrankenhaus zu einer Heilanstalt für
innerlich erkrankte Seeleute und Tropenkranke umgestaltet und
mit einem wissenschaftlichen Institut für Schiffs- und Tropen¬
krankheiten verbunden w^erde;
2. dass das Seemannskrankenhaus und Institut für Schiffs¬
und Tropenkrankheiten dem Medicinalcollegium unterstellt werde:
3. dass zum Umbau des Seemannskraukenhauses 116 000 M.
und als Vergütung an die Seemannscasse für dieUeberlassung eines
Theiles ihres Terrains bei dem Seemannshause 15 000 M. bewilligt
werden, und dass die Finanzdeputation ermächtigt werde, diese
Summen bestmöglich anzuleihen.
Angenommen von der Bürgerschaft am 24. Januar 1900.
Correspondenz.
An die Redaction der Münchener medicinischen
Wochenschrift.
Die unheilvollen Verhältnisse der Kieler medicinischen Klinik.
In No. 4 Ihrer Wochenschrift ist wiederholt mein Name ge¬
nannt als Urheber der „unheilvollen** Verhältnisse der Kieler
medicinischen Klinik.
Ich will hier die in Betracht kommenden Thatsachen
kurz mittheilen, damit die zahlreichen Collegen, welche Ihre so
weltverbreitete Zeitung lesen, sich ein Urtheil über die Sach¬
lage bilden können.
1. Ich habe vom Jahre 1873 bis zum Jahre 1892 nicht ein¬
mal, sondern sechsmal bei der Königlichen Regierung den
Antrag gestellt, mir, wegen unerträglich gewordener Zustände,
eine neue chirurgische Klinik zu bauen und das alte
Krankenhaus der medicinischen Klinik zu überlassen. Ich habe
dazu ausführliche Baupläne eingereicht und als besten Bau¬
platz diejenige Stelle vorgeschlagen, wo jetzt noch das alte
Pockenhaus und die alten Holzbaracken stehen und wo jetzt die
hohen Stangen aufgerichtet sind. Im dritten Stockwerk des
Hauptgebäudes sollten die Assistenten wohnen.
Erst im Jahre 1892 habe ich erfahren, dass, ohne mein
Wissen, der Plan gemacht war, eine neue medicinische
Klinik, und zwar im Garten meiner Dienstwohnung, zu bauen
und der chirurgischen Klinik das alte Krankenhaus zu lassen.
Gegen diesen Plan habe Ich Einspruch erhoben, denn ich
bleibe bei meiner Ansicht, dass, wenn überhaupt eine neue Klinik
gebaut werden soll, dies im Interesse der Universität nur die
chirurgische sein darf.
2. Mir sind nicht einmal, sondern viermal Berufungen
au andere Universitäten zu Theil geworden. Bei der Ablehnung;
der drei letzten Ist mir Seitens der Regierung jedesmal zugesagt
w r orden, dass meine Dienstwohnung mir bis an mein Lebensende
gelassen w T erden solle und dass die Aussicht von derselben und
von meinem Garten aus niemals verbaut w r erden würde.
3. Die Vergrösserung meiner Dienstwohnung
wurde mir im Jahre 1884 von der Regierung bewilligt als eine Ent¬
schädigung dafür, dass dennoch der grösste Theil der Aussicht
verbaut w r orden war, weil die im Schlossküchengarten errichteten
Gebäude (das physiologische Institut und das zoologische Museum)
viel höher geworden w^aren, als ich es den Baumeistern zuge¬
standen hatte.
Dies ist mein letztes Wort in dieser Sache!
Dr. Friedrich v. E s m a r c h.
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat December 1899.
Iststärke des Heeres:
63836 Mann, 16 Invaliden, 210 Kadetten, 147 Unteroff.-Vorschüler.
Unter-
Maun
Invali¬
den
Kadetten
Offlaier-
ror-
schüler
1. Bestand waren am
30. November 1899:
1786
2
5
2
[ im Lazareth:
1204
—
1
14
2. Zugang: <
im Revier:
3274
—
14
—
[ in Summa:
4478
—
15
14
Im Ganzen sind behandelt:
6264
2
20
16
°/oo der Iststärke :
98,1
125,0
95,2
108,8
dienstfähig:
4542
—
18
15
°/oo der Erkrankten :
725,1
—
900,0
937,5
gestorben:
8
—
—
—
3. Abgang: •
°/oo der Erkrankten :
invalide :
1,3
23
z
I
—
dienstunbrauchbar :
110*)
—
—
—
anderweitig :
242
—
2
—
in Summa:
4925
—
20
15
4. Bestand
bleiben am j
30. Nov. 1899.
[ in Summa:
1339
2
—
1
°/oo der Iststärke :
1 davon im Lazareth :
1 davon im Revier:
21,0
926
413
125,0
2
—
6,8
1
Von den in Ziffer 3 aufgeführten Gestorbenen haben gelitten
an: Bauchfell Taberculose 1, Geschw’ulstbildung im Gehirn 1, Lungen¬
entzündung 5 ^darunter zweimal Complication mit Brustfellent¬
zündung, je einmal mit Herzbeutel- und eiteriger Hirnhautent¬
zündung), an allgemeiner Bauchfellentzündung (in Folge Durch¬
bruchs des Wurmfortsatzes) 1.
Ausser militärärztlicher Behandlung starb noch 1 Mann in
Folge von Hufschlag auf die Vorderseite der Brust (Herzlähmung).
Der Gesammtverlust der Armee durch Tod betrug demnach im
Monat December 9 Mann.
*) Darunter 49 gleich bei der Einstellung.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 4. Jahreswoche vom 2h bis 27. Januar 1900.
Betheil. Aerzte 287. — Brechdurchfall 7 (13*), Diphtherie,
Croup 15 (13), Erysipelas 8 (10), Intermittens, Neuralgia interm.
3 (-), Kindbettfieber 2 (1), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli
451 (623), Ophthalmo Blennorrhoea neonat. 5(—), Parotitis epidem.
5 (6), Pneumonia crouposa 42 (23), Pyaemie, 8eptikaemie — (—),
Rheumatismus art. ac. 36 (28), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
4 (10), Tussis convulsiva 22 (17), Typhus abdominalis 4 (l),
Varicellen 12 (9), Variola, Variolois — (—). Summa 616 (654).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 4. Jahreswoche vom 21. bis 27. Januar 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000.
Todesursachen: Masern 19 (21*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 1 (2), Rothlauf 1 (3), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (1), Brechdurchfall 2 (5), Unterleibstyphus
1 (—), Keuchhusten — (1), Croupöse Lungenentzündung 2 (1),
Tuberculose a) der Lungen 31 (82), b) der übrigen Organe 4 (8),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 8 (5), Unglücksfftlle 5 (4), Selbstmord — (1), Tod durch
fremde Hand 1 (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 270 (196), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 30,3 (27,6), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 21,1 (17,5).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
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Verlag von J. F. Lehrnjann in München. — Druck von X. Mühlthaler’a Buch- und Kunatdrackerel A.Q., München.
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VjUVJVIC UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Iffmch. Med. Wochenschr. erscheint wöchcntl, TI/T"! Y"\T/''iTX Zusendungen sind rn adressiren: Für die iUdaciion
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MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ck. Blamier, 0. Bollinger, H. Cirsefeiatw, C. Gerhardt, W. i. Helaeki, 6. Merkel, i. i. Michel, H.». Ranke, F. v. Wlnckel, H. r. Zlensaen,
Fretburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
M 7. 13. Februar 1900.
Redaction: Dr. B. Spats, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
sssssseasaa
Originalien.
Studien über Entzündung seröser Häute.
Von Dr. med. R. Heinz in Erlangen.
Untersuchungen über die Wirkung entzündlicher Agentien
hat inan an den verschiedensten Geweben und Organen ange¬
stellt. Insbesondere sind, der günstigen localen Verhältnisse
wegen, die Haut bezw. das subeutane Bindegewebe, und die sicht¬
baren Schleimhäute vielfach zu Entzündungsstudien benützt
wurden. Man hat Stoffe auf oder in die Conjunctiva, oder die
Cornea , oder auch in den vorderen Kammerraum gebracht
(lieber u. A.), man hat Substanzen der äusseren Haut aufge¬
tragen, oder in dieselbe eingerieben, oder unter die Haut injicirt
(J anowski u. v. A.); als günstiges Beobachtungsobject ist
namentlich das Kaninehenohr viel benützt worden (Samuel etc.).
Als ganz besonders geeignet für das Studium experimentell her¬
vorgerufener Entzündung haben sich ferner die serösen Membranen,
insbesondere Pleura und Peritoneum, erwiesen. Ihre ausgedehnten
Flächen gewähren ein übersichtliches Bild der Veränderungen,
so dass man sofort die Art der Entzündung erkennen kann; der
Füllungszustand der Gefässe, die Beschaffenheit und Menge des
Exsudates kann leicht berurtheilt werden; Blutungen, Eibrin-
auflagerungen, Verwachsungen fallen sofort in’s Auge. Auch
für die mikroskopische Untersuchung bieten Pleura und Perito¬
neum mannigfache Vortheile. An den grossen Serosazellen sind
nekrotische wie regenerative Processe leicht zu erkennen; an den
unter der Serosa gelegenen Organen lässt sieh feststellen, in
welcher Weise das entzündliche Agens auf die Gewebe eingewirkt
hat, und wie tief die Einwirkung sich erstreckt. Namentlich das
Mesenterium ist für das Studium der Entzündung ein sehr ge¬
eignetes Object, da man bei der Durchsichtigkeit der Gewebe die
ablaufenden Processe an allen Gewebsbestandtheilen: Blutge¬
fässen, weissen und rothen Blutkörperchen, Gewebszellen, direct
übersehen kann.
Ich habe zunächst die entzündungserregenden Eigenschaften
von Terpentin und Jod an Pleura und Peritoneum studirt. Man
erhält dabei Bilder, die typische Beispiele für zwei generell ver¬
schiedene Arten von Entzündung bieten. Terpentin bewirkt
herdförmige eiterige Entzündung mit Nekrose der unmittelbar
getroffenen Gewebselemente und, auf eine schmale Zone sich er¬
streckender, reactiver Entzündung. Die Wirkung des Jods er¬
streckt sich weiter in die Tiefe; sie besteht in diffus-entzündlicher
Heizung der Gewebe — ohne Gewebsnekrose — mit Bildung eines
reichlichen serösen Exsudates, und Auswanderung zahlreicher
weisser und namentlich rother Blutkörperchen; auf die freie
Oberfläche von Pleura bezw. Peritoneum wird typisches Fibrin
abgeschieden; einander anliegende seröse Membranen verwachsen
miteinander. Eine Schilderung dieser beiden Entzündungstypen
habe ich in meiner Arbeit: lieber Jod und Jod Verbindungen
(Virehow’s Archiv, Bd 155) gegeben. Hier sollen die feineren
histologischen Vorgänge, die sich bei dem Zustandekommen von
Eiterung, Fibrinbildung und Verwachsung seröser Häute ab¬
spielen, näher untersucht werden.
Bei den Versuchen mit Terpentin hatte ich den kleinen
Kunstgriff gebraucht, das Terpentinöl nicht rein, sondern in mög¬
lichst feiner Emulsion (mit der 10 fachen Menge physiologischer
Kochsalzlösung) zu injiciren. Dadurch erreichte, ich, dass das
No. 7.
Digitized b)
Google
Terpentinöl in Form kleinster Tröpfchen zur Einwirkung kam,
und jedes solche Tröpfchen einen kleinen Entzündungsherd mit ten
in gesundem Gewebe erzeugte. Dies war namentlich deutlich in
der Peritonealhöhle. Hier fanden sich auf den Därmen, auf dem
Netz, auf dem Mesenterium, zahlreiche isolirte kleine Eiterherde.
Dieselben sind rund, scharf umgrenzt, und ragen bläschenartig
über das Niveau der Darmoberfläche etc. hervor. Ein Querschnitt
durch die Darm wand mit einer solchen Eiterkappe (s. Eig. 3) zeigt
die letztere wie einen Pilz, mit ausspringenden Rändern, der
ersteren auf sitzen. In der unmittelbaren Nähe der Eiterkappe
ist die Serosa gelockert und verbreitert, die Grundsubstanz ver¬
waschen, die Korne schlecht oder gar nicht gefärbt: kurz die Se¬
rosa zeigt nekrotische Erscheinungen; auch die äussere Muskel¬
schicht erscheint zum Theil degenerirt. Die innere Muskelschicht
wie die Schleimhaut mit ihren Drüsen und Zotten zeigen keine
V eränderungen.
Wie entstehen nun diese Eiterkappen und welches ist ihr
feinerer Bau? Auf den ersten Blick scheinen die Verhältnisse
’f ^hr einfach zu liegen: Die Terpentintröpfchen wirken, wo sic*
haften bleiben, offenbar chemotactisch und verursachen Aus¬
wanderung massenhafter Leukocyten in ihrer unmittelbaren
Nähe. Indem immer mehr Leukocyten auf die freie Oberfläche
wandern, erheben sie sieh zu einem bläschenförmigen Gebilde,
das der relativ wenig veränderten Serosa oberflächlich aufsitzt.
Durch die schädigende Einwirkung des Terpentins gehen zahl¬
reiche Leukocyten unter, und das Innere der Eiterbläschen ist
daher zum grossen Theil von nekrotischen Massen erfüllt. —
Die« ist aber nicht die wirkliche Entstehung der Eiterbläschen.
Eine durch Terpentin an gelockte Auswanderung
der weissen Blutkörperchen auf diefreie Oberfläche der
Serosa findet nicht statt. Der Vorgang ist vielmehr ein ganz
anderer. Bei genauer Durchforschung des Eiterbläschens ent¬
deckt man nämlich in demselben hier und da — ausser Leuko¬
cyten und deren Zerfallsproducten — andere Gewebselemente:
Bindegewebsfasern und Bindegewebskernc, die zuweilen ganze
Nester bilden. Solche Bindegewebsinseln finden sich, freilich oft
stark verändert, bis unmittelbar unter den freien Rand des Eiter-
Gewebsreste im Eiterherd
Entstehender Eiterherd
VvWV'VVWW wwwww-vw
Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3.
Terpcnt infnjeetion.
bläschens (s. Fig. 3). Das letztere ist also nicht allein aus Leuko¬
cyten gebildet; an seiner Zusammensetzung betheiligen sich auch
bindegewebige, offenbar von der Serosa abstammende Elemente.
'Betrachtet man nun die kleinsten, bezw. jüngsten Herde, so er¬
kennt man, dass in der äussersten Serosaschicht ein spindel¬
förmiger Eiterherd eingelagert ist (s. Fig. 1). In der Mitte ver¬
decken die Eiterkörperchen das Grundgewebe fast ganz; am
Rande aber sieht man, wie die Leukocyten den Bindegewebsfasern
zwischengelagert sind. Auch sieht man die äussere Fläche des
spindelförmigen Eiterherdes, wenigstens stellenweise, mit Endo¬
thel überzogen; es ist alo kein Zweifel, dass die Einlagerung von
Original fre- 1
UNIVERSITtf OF CALIFORNIA
214
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Eiterkörperchen innerhalb der oberflächlichen Gewebsschichten
erfolgt. Diese Einlagerung wird immer stärker; die Serosa wird
halbkugelig aufgetrieben; dieLeukocyten verdrängen immer mehr
Gewebe, das bis auf geringe Reste verschwindet (s. Fig. 2);
schliesslich ist eine pilzförmige Kappe entstanden, die auf den
ersten Blick ganz aus Eiterkörperchen zusammengesetzt erscheint
(Fig. 3).
Es fragt sich, ob eine locale stärkere Auswanderung von
Leukocyten auf die freie Oberfläche der Serosa überhaupt vor¬
kommt. Um dies zu entscheiden, müsste man den Entzündungs¬
reiz bedeutend abschwächen, so dass die nekrotisirende Wirkung
auf die Gewebe wegfiele. Noch besser würden sich rein chemo-
tactisch wirkende Substanzen eignen, die neben der leukocyten-
anlockenden keine gewebsreizende Wirkung besitzen. Auch hier
w'ürde sich das Einbringen kleinster fester Partikelchen
besser als die Injection diffus sich verteilender Lösung eignen,
weil man wiederum localisirte kleine Herde erhielte, deren Zu¬
sammensetzung und Genese leicht zu eruiren wäre. Es würde
hierbei auch das Verhältniss zwischen chemotactischer Wirkung
und Entzündungsvorgang, bezw. zwischen Leukocytenanlockung
durch chemischen Reiz und Leukocytenauswanderung durch ent¬
zündliche Irritation klargelegt werden können. Ich hoffe, später
über die Resultate derartiger Versuche berichten zu können.
Bei dem Studium der entzündungerregenden Eigenschaften
des Jods hatte sich ergeben, dass Injection von L u g o Pseher Lö¬
sung reichliche Ablagerungen von typischem Fibrin auf Pleura
und Peritoneum hervorruft. Nun ist gerade in der letzten Zeit
über die Herkunft des Fibrins auf serösen Häuten lebhaft dis-
cutirt worden. Ich habe desshalb die Jodinjection als Mittel be¬
nützt, solche Fibrinmembranen zu erzeugen, und an ihnen die
Entstehung des Fibrins zu studiren.
In der Frage nach der Herkunft des Fibrins stehen sich zweier¬
lei Anschauungen st riet gegenüber: Nach der einen — der älteren
und auch heute noch allgemeiner angenommenen — entsteht das
Fibrin durch Exsudation plasmatischer Flüssigkeit aus den Ge¬
lassen und nachträgliche Gerinnung des Exsudates — nach der
anderen wird es durch Umwandlung — sog. „fibrinoide Degene¬
ration“ — aus den oberflächlichsten Gewebsschichten gebildet.
Welches sind die Gründe, die für letztere Anschauung angeführt
werden ?
1. Das Verhalten des Endothels. Wenn die Fibrinschicht
durch Exsudation sich bildete, so müsste das Serosaendothel
unterhalb derselben verlaufen. Nun findet sich aber — wenn
auch nur selten und stellenweise — die Fibrinschicht nach
aussen von Endothel überkleidet. Folglich sei sie aus den
obersten Serosaschichten hervorgegangen. Nun muss aber zuge¬
geben w f erden, dass dennoch nicht selten eine fortlaufende Endo-
thelschicht unter der Fibrinmembran sich finde.
Dies wird dann so gedeutet, dass jenes Endothel nicht Serosa¬
endothel darstelle, sondern irgend einer Lymphspalte der Serosa-
angehÖre, längs welcher die Abtrennung der äusseren, fibrinoid-
degenerirten, Schicht erfolgt sei.
2. Directer Uebergang von Fibrin in Bindegewebe. Mittels
seiner sogenannten Pikroearminmethode, mittels deren Fibrin
gelb, Bindegewebe roth gefärbt wird, zeigte N e u m a n n , dass
häufig gelbe Schollen direct in roth gefärbtes Bindegewebe über¬
gingen, wodurch die Entstehung von Fibrin aus degenerirendem
Bindewebe bewiesen sei.
3. Vorkommen von Bindegewebselementen in der Fibrin¬
schicht. Grawitz gibt an, dass man bei frischer Untersuchung
von Fibrinmembranen, auf Zusatz von Essigsäure stets Reihen
von schmalen Kernen: deutlichen Bindegewebskemen, consta-
tiren könne, dies beweise zwingend die Abstammung aus Binde¬
gewebe.
Meine Beobachtungen an Schnitten durch die oberfläch¬
lichen Lungenpartien sammt der aufsitzenden Fibrinschicht, er¬
gaben Folgendes: Die Fibrinschicht erscheint als durchscheinende
der Lungenoberfläche mehr minder fest anhaftende Membran.,
Dieselbe zeigt sich unter dem Mikroskop zusammengesetzt aus
einem Netzwerk feinster Fasern. Um körperliche Elemente,
z. B. um Leukocyten herum, sind diese Fasern strahlig ange¬
ordnet; sie gehen von dem Zellleib selbst aus, verzweigen sich
mannigfach und bilden ein dichtes Netzwerk feiner Fäden. In
den Knotenpunkten dieses Netzwerkes sind Körnchen eingelagert,
so dass dasselbe wie bestäubt erscheint. Es ist genau dasselbe
Bild, das entsteht, wenn man einen Tropfen Plasma unter dem
Mikroskop zur Gerinnung bringt. In der That bietet die Fibrin¬
schicht völlig den Eindruck eines geronnenen Exsudates; von, in
Umwandlung begriffenem, Bindegewebe ist nichts zu sehen; von
Gewebs- bezw. körperlichen Elementen sind nur Leukocyten,
bezw. einzelne Erythrocyten in der Fibrinschicht zu constatiren.
Es kann kein Zweifel sein, dass wir es hier mit Exsudatfibrin,
nicht mit fibrinoid degenerirtem Gewebe zu thun haben.
Wie verhalten sich nun die Pleuraepithelien ? Von diesen
sieht man auf weite Strecken nichts; sie sind in Folge des Ent¬
zündungsreizes abgestossen worden. An anderen Stellen sieht
man jedoch das Endothel in fortlaufender Schicht unter der
Fibrinmembran: es.hat also die Exsudation durch die Pleura¬
elemente hindurch stattgefunden. An manchen Stellen dagegen
hat der Exsudatstrom das Endothel abgehoben und vor sich her¬
geschoben; es kann uns daher nicht wundern, dass die Fibrin¬
membran streckenweise nach aussen von Endothel über¬
kleidet ist.
Das Exsudatfibrin stammt aus den oberflächlichen Gefässon
der Pleura und der Lunge. Der Exsudatstrom hat, um auf die
freie Oberfläche zu gelangen, die peripheren Gewebsschichten zu
durchdringen. Hierbei wird aber, noch innerhalb des Gewebes,
ein Theil des Exsudates in Form von Fasern und Netzen ausge-
fällt, und erfüllt das Gewebe manchmal so dicht, dass die Structur
desselben stellenweise ganz verdeckt ist. Mit Fibrinfärbemitteln
färbt sich auch dieses dem Gewebe eingelagerte Fibrin specifisch,
und es kann so die Täuschung entstehen, dass das Gewebe selbst
zu Fibrin umgewandelt sei, während es in Wirklichkeit in seiner
Structur erhalten und nur von Exsudatfibrin stellenweise dicht
imprägnirt ist.
Nach dem Gesagten scheint die Entstehung des Fibrins bei,
durch Jodinjection hervorgerufener, acuter adhaesiver Entzündung
vollständig aufgeklärt zu sein. Die einfachen, hier vorliegenden
Verhältnisse werden aber complicirt durch eigenthümliche Vor¬
kommnisse. ln der hellen, durchscheinenden Fibrinschicht finden
sich nämlich hier und da dunkle, opake Stellen (s. Fig. 4), theils
mit blossem Auge, theils mit der Lupe erkennbar. Dieselben
zeigen unter dem Mikroskop einen von dem Exsudatfibrin ganz
abweichenden Bau:' man findet sie zusammengesetzt aus Gewebs-
fasern und Zellen, bezw. Zellkernen. Von den Fasern sind ein¬
zelne stark lichtbrechend und spiralig gewunden; die Kerne sind
theils oval und gross, theils spindelförmig, klein. Fasern wie
Zellen sehen verändert, gequollen und verwaschen aus. — Was
haben diese Gewebsinseln zu bedeuten? Haben wir es mit
„fibrinoid degenerirtem“ Gewebe zu thun, und wie kommt das¬
selbe mitten in das Exsudatfibrin hinein? — Um diese Fragen zu
entscheiden, habe ich den Fibrinbildungsprocess in seinen ein¬
zelnen Stadien verfolgt, und vor Allem die Exsudat- bezw. Fibrin¬
massen frisch (in physiologischer Kochsalzlösung — mit Essig¬
säure — unter Anwendung von Versilberung, Macerirung etc.)
untersucht. Es wurde einer Anzahl Kaninchen je V, ccm 1 proc.
Jod-Jodnatriumlösung in den Pleuraraum injicirt und nach 6,
12, 18, 24 etc. Stunden untersucht. 12 Stunden nach der Jod¬
injection fand sich in der Pleurahöhle reichlich hellgelbe oder
schwachröthlich gefärbte, zähe Flüssigkeit, die, in einem Schäl¬
chen aufgefangen, sofort gerann. In dieser durchsichtigen Gal¬
lerte beobachtet man kleine opake, weissliche Flocken und Fetzen:
theils membranartige, theils spiralig gewundene Gebilde. Bringt
man dieselben unter das Mikroskop und zerzupft oder macerirt
sie, so findet man sie aus folgenden Bestandteilen zusammen-
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216
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 7.
Gründen ist das Jod wie kein anderes Mittel geeignet, rasche Ver¬
einigung von serösen Wänden (z. B. bei einer Hydrocele) herbei¬
zuführen. Nach meinen Versuchen erscheint hierzu eine 1 bis
2proc. Lösung von Jod (in 2—4proc. Jodnatriumlösung) voll¬
ständig ausreichend. Die Jod-Jodnatriumlösung, die sogen.
„LugoPsehc Lösung“, ist entschieden der alkoholischen Jod¬
lösung, der „Jodtinctur“ vorzuziehen, weil diese durch den hohen
Alkoholgehalt den — ja durchaus unnötliigen — FTntergang zahl¬
reicher Gewebselementc herbeiführt.
Unsere Versuche haben zu Resultaten geführt, die mit den
von Graser gewonnenen vollständig übereinstimmen; auch eine
neuere, unter Ziegler ausgeführte Arbeit kommt zu demselben
Ergebnis«: Die E n d o t h e 1 i e n seröser Häute schützen vor
Verwachsung ; dieselbe kommt erst zu Stande, wenn die
Endothelien aus irgend einem Grunde verloren gegangen sind.
Diese Thatsache ist durchaus nicht überraschend. Sie fügt sich
der allgemeinen Beobachtung ein, dass alle im Körper vor¬
kommenden engen Spalträume mit Endothel bezw. Epithel aus-
geklcidet sind. Wir wissen, dass wenn unbedeckte Bindegewebs-
schichten au einander stossen, dieselben in kürzester Zeit mit
einander verwachsen. Damit dies nicht geschehe, sind die serösen
Höhlen, die Lymphspalten, die Hirn- und Rückenmarkshöhlen mit
Endothel ausgckleidct. Erst wenn durch irgend ein schädliches
Agens das Endothel entfernt ist, verwachsen die bindegewebigen
Unterlagen mit einander.
Aus dem Anscharkrankenhause in Kiel.
Ueber totale Pylorusstenose nach Laugenätzung.
Von Dr. A. Hadenfeldt, Assistenzarzt.
Eine der minder häutigen Ursachen der Magendilatation,
die sonst im Kindesalter 1 ) als Folge eines chronischen Magen-
katnrrrhes eine nicht gerade seltene Erscheinung ist und ihren
Grund zumeist in der relativen Muskelschwäche der Magen¬
wandung hat, ist die der Pylorusstenose. letztere kann veran¬
lasst sein durch die Vernarbung eines — häufig tuberculösen —
Geschwüres. Von den Nachbarorganen hinziehende Bänder und
Stränge können von aussen her einen mehr oder weniger grossen
Verschluss herbeiführen. Manche Autoren (Lebert*), Rosen¬
heim 3 ) berichten ferner von Fällen von congenitaler stenosirender
Pylorushypertrophie. Fälle von Pylorusstenose, welche das End-
ergebniss von localer Einwirkung ätzender Substanzen sind,
kommen relativ wenig zur Beobachtung, da im Ganzen nach Ver¬
giftung durch Säuren und Alkalien die Verengerung der Speise¬
röhre (cf. Lebert, pag. 557) die gewöhnliche Stenose ist und
die des Pylorus mehr die Ausnahme bildet.
Für die Seltenheit derartiger Fälle spricht auch der Umstand,
dass ich beim Durchsohen der diesbezüglichen Literatur nur auf
einen dem zu besprechenden ähnlichen Fall gestossen bin; cf. Re¬
ferat im Centralblatt f. Chirurgie (1897) über den französischen
Chirurgeneongress 1896, gemäss welchem II a r t m a n n-Paris
über einen durch Gastroenterostomie geheilten Fall von Narben¬
enge des Pylorus nach Verbrennung (Salzsäure) berichtet.
Was die pathologisch-anatomischen Verhältnisse bei Magen¬
verätzung anlangt, so will ich mich hier kurz fassen. Ist eine
gewisse Menge von Säure oder Lauge in den Magen gelangt,
so ent faltet, sie hier, je nach dem Füllungszustand und Inhalt
desselben und je nach ihrer Intensität, ihre destruetive Wirkung
von einfacher katarrhalischer Schwellung bis zur sofortigen Per¬
foration mit consocutivor allgemeiner Peritonitis. In den Fällen
von mittlerer Schwere kommt nach Abstosscn des entstandenen
Schorfes die relative Heilung durch die aus dem Granulations¬
gewebe hervorgehende Narbe zu Stande. — In Betreff der Einzel¬
heiten muss ich auf die bekannten Handbücher der Pathologie,
Toxicologie und gerichtlichen Medicin verweisen. Eine recht
empfehlenswerthe Abhandlung ist auch die von A. Lessor
„Die anatomischen Veränderungen des Verdauungscanales durch
Aetzgiftc“ (Virehow’s Arch. 83. Bd., 2. Heft.).
Ein kürzlich im hiesigen Anscharkranken hause beobachteter
und durch operativen Eingriff geheilter Fall von totaler Pylorus¬
stenose' durch Laugenätzung, der in seiner Eigenartigkeit als
Unicum bezeichnet werden dürfte, gibt mir Gelegenheit, näher
9 Baginsky: Lehrbuch der Kinderkrankheiten.
2 ) Lebert: Die Krankheiten des Magens. Tübingen 1878.
3 ) R o s e n h e i m : Ueber stenosirende Pylorushypertrophie.
Perl. klin. Wochensohr. 1899, No. 32.
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auf denselben einzugehen. Meinem verehrten Chef, Herrn Prof.
Peterscn, gestatte ich mir für die gütige Ueberlassung des
Falles und für seine liebenswürdige Unterstützung meinen er¬
gebenen Dank auszusprechen.
Der Arbeiterssolm Theodor J., G 3 / 4 Jahre alt, aus Kiel, trank
am 10. März v. J. Morgens 8 Uhr auf nüchternen Magen, nachdem
er am Abend vorher um 7Uhr seine letzte Mahlzeit genossen, eiueu
guten Schluck von einer in einer Bierflasche aufbewahrten, zum
Fussliodenrelnigen benutzten Lange, an deren Stelle er Kaffee
verimithete. Laut schreiend stürzte er zur Mutter, „er habe sich
mit dem heisseu Kaffee den Mund verbrannt“. Diese forschte nach
und gab. als sie die eigentliche Ursache erkannte, dem Jungen
alsbald Milch zu trinken, die auch der gerufene Arzt, Herr Dr.
Mose, der uns die anamuestischen Daten freuudliehst überliess,
für's Erste verordnete, da er noch nicht sogleich kommen konnte:
bald darauf beim Besuch verordnete derselbe noch Mixt, oleos.
Patient erbrach sofort blutig schwärzliche Massen. Der Junge
befand sieh darauf gauz wohl.
Nach 8 Tagen stellten sich die Erscheinungen einer Oeso-
phagusstiictur — 25 cm von der Zulmreihe — ein, welche jedoch
durch eine systematisch durchgeführte Bougirmig innerhalb aclu
Tagen ziemlich schwanden; das Bett hatte Pat. schon früher ver¬
lassen. Dieser Zustand der Euphorie dauerte ungefähr 1 Woche.
Plötzlich wurde dann am Cliarfroitag (31. 111.) der Arzt wieder
gerufen, weil der Leib des Kranken sehr aufgetriebeu sei. Der¬
selbe fand deu meteoristisch aufgetriel>enen Leib von geringer
Schmerzhaftigkeit; Stuhlgang normal. Auf Klystiere erfolgte keine
Besserung, eben so wenig auf längeren Gebrauch von Ricinusöl.
Der Herr College hatte neben der Möglichkeit, dass es sich uni
eine von der unlängst erlittenen Laugeiivergiftung abhängigen,
allerdings erst sehr spät einsetzeude Peritonitis handelte, auch
noch Verdacht auf eine unabhängig davon entstandene tuberculüse
Peritonitis. [Temperaturerhöhung (38,2“) hatte nur an 1 Tage
bestanden.]
Anamuestisch ist nämlich uoch uachzutragen, dass mehren*
Familienangehörige, eine Tante und eiu Bruder, an Tubereulosi*
gestorben. Die Eltern leben und sind gesund. Der Patient soll,
abgesehen von einem im Winter durchgemaeilten Keuchhusten,
nie ernstlich krank gewesen sein; in Sonderheit sind von Seiten
des Intestinalcanales vorher deu Eltern bemerkbare Regelwidrig¬
keiten nie in die Erscheinung getreten.
Da in dem Zustand des kleinen Patienten keiue Besserung
eintrat, letzterer im Gegeilt heil sehr stark abmagerte, so vernii-
lnsste der Herr College M. am 8. IV. Nachmittags die Ueber
fiiliruug iu’s Anscharkraukenhaus.
Status praesens: Seinem Alter entsprechend grosser
Knabe; Haut blass, trocken, lässt sich in Falteu abheben; Schleim¬
häute ebenfalls sehr blass. Musculatur gering. Fettpolster mini¬
mal. Temp. 37,0. Herz und Lungen ohne krankhaften Befund.
Das ganze Abdomen ist gleichmässig tonneuförmig aufgetrieben;
überall tympanitisclier Schall; nur der Blase und dem Kolon asceu
dens entsprechend dumpferer Schall. Der tympanit Ische Schall
breitet sich auch an deu Seiten tief aus. Flüssigkeitsansammlung
nicht nachweisbar.
10. IV. Pat. hat Milch getrunken und etwas gegessen. Kein
Fieber; er liegt immer theilnahmslos da. Wenig Schmerzen.
Während der gauzen Nacht fester Schlaf. Urin und Stuhl spontan.
Versuch, durch tiefe Einführung eines Gummirohres in Mastdarm
Meteorismus zu beheben, vergeblich.
11. IV. Seit gestern Abend hat sich der Bezirk, der dumpfen
Schall zeigt, sehr ausgebreitet, so dass solcher namentlich iu den
seitlichen Partien und nach unten zu herrscht, elamso von rechts
über Mittellinie hinaus. Leib erscheint etwas welcher. Befinden
nicht gut, jedoch afebril. Pat. hat wenig Milch genossen und die¬
selbe grossentbeils sofort erbrochen: sonst auch Brechneigung,
befördert aber nur Schleim heraus. Auf Seifonklystier ziemlich
reichlicher, fester Stuhlgang. Abends etwas Erbrechen.
12. IV. Befinden etw r as besser. Stuhlgang nach Klystier.
Kein Erbrechen. Nimmt wenig Nahrung (Milch) zu sich.
13. IV. Schmerzen gering. Leib weicher. Stuhlgang nach
Klystier. Kein Erbrechen. Urin spontan.
14. IV. Wietier etw'as Erbrechen von Schleim. Befinden ver-
liältnissmüssig gut. Dämpfung geht von beiden Selten weit nach
vorn, veränderlich bei Lagewechsel. Tympanltischer
Schall nur auf Wöllningskuppe. Zwerchfellhochstand. Es wird
Operation für nächsten Tag beschlossen.
Zusammenfassung. Das Resumö des Krankheits-
Verlaufes war also folgendes: Bei einem früher gesunden, jedoch
familiär tuberculös belasteten Kinde tritt 3 Wochen nach einer
Verätzung, die eine nachweisbare Oesophagusstrictur verursacht
hat, ein allmählich zunehmender abdominaler Meteorismus auf,
8 Tage später langsam ansteigender Erguss innerhalb der Bauch¬
höhle unter gleichzeitigem Schwunde des Meteorismus. Erbrechen
ist zeitweise vorhanden, aber nicht eigentlich von Mageninhalt,
und zumeist sogleich nach der massigen, hauptsächlich flüssigen
(Milch) Speisenaufnahme. Anfangs sogar reichlicher Stuhlab¬
gang (nach Klystieren). Keine Peristaltikvermehrung constatir-
bar. Wenig Sehmerz und Druckempfindlichkeit. Kein Eiehcr.
Puls etwas beschleunigt. Bedeutende Abmagerung des etwas
apathischen Patienten.
Original frn-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
217
Es fragte sich nun, wie weit sich aus diesen Merkmalen eine
präeise Diagnose stellen liess, und welche. Es kam in Betracht:
a) Perforationsperitonitis. Tympanie und Däm¬
pfung Hessen sich wohl damit in Einklang bringen. Erbrechen
war vorhanden, aber nicht eigentlich von Magendarminhalt, auch
fehlte das besonders von v. N u s s b a u m betonte „Hinaufgiessen“
des intestinalen Inhaltes. Dagegen sprach ferner den* afebrile
Zustand, das Fehlen besonderer Schmerzhaftigkeit. Die Erschei¬
nungen hätten dann auch wohl etwas acuter auf treten müssen.
Auch die im Sprenge Ischen Aufsatz „Oeelusion, Peri¬
tonitis, peritoneale Blutung“ 4 ) u. a. O. hervorgehobene „Kanten¬
stellung“ der Leber durch peritonitischen Meteorismus fehlte.
Ferner ward obige Annahme sehr zweifelhaft gemacht durch die
Grösse des zuletzt vorhandenen und durch die bei Lageverände¬
rung wechselnde Dämpfung documentirten Ergusses im Yer-
hültniss zum geringen tympanitischen Bezirk.
b) Gleichsam als Unterart von der soeben besprochenen Mög¬
lichkeit wurde auch folgende Annahme erwogen: In einem durch
die derzeitige Laugenaufnahme gesetzten Substanzverlust der
Magenschleimhaut sei es durch eine Art von Selbstverdauung
durch den Magensaft zu einer allmählichen localen Corrosion der
ganzen Magenwand gekommen. In der Umgebung sei vorher all¬
mählich durch Adhaesivprocessc eine Abkapselung erfolgt. Durch
die geschaffene Communieationsöffnung hindurch sei durch
weiterhin hineingelangenden Mageninhalt eine zunehmende Er¬
weiterung des Hohlraumes entstanden. Doch hiergegen sprach
nur allzu klar der anfängliche allgemeine Meteorismus und die
Art der Flüssigkeitezunahme von der Peripherie zum Centrum
hin, statt umgekehrt, wie es dann hätte sein müssen.
c) Es war auch die Frage einer inneren Einklem-
m u n g, einer mechanischen Oeelusion, in Betracht zu ziehen,
unabhängig von der stattgefundenen Laugen Vergiftung. Es ist
dabei ja möglich 5 ), dass sich immense Mengen von Flüssigkeit,
Bruchwasser, ansammeln, theils als Folge vermehrter Absonde¬
rung der gereizten Schleimhaut, theils als ein Transsudat in
Folge venöser Stauung. Yon den Symptomen Hessen sich jedoch
mit dieser Annahme nicht vereinigen: das Fehlen vermehrter Peri¬
staltik, von ruptusartigem — gewöhnlich f a e c u 1 e n t e m — Er¬
brechen und das Vorhandensein von normalem Stuhl. Auch hätte
der Erguss sich dann rapider entwickeln müssen.
d) Die Eventualität einer inneren, womöglich von Zeit zu
Zeit sich wiederholenden Blutung in die Peritonealhöhle
kam auch nicht in Betracht, weil Collapssymptome in dieser Hin¬
sicht fehlten.
e) Manche Aehnlichkeit hingegen zeigte der vorliegende Sym-
ptomenconiplex mit dem bei chronischer, tuberculÖser
P e r i t. o n i t i s, indem ich hierbei auf Babinsky (pag. 580)
hinweise: nur dass wir die zusammengebackenen Darmeonvolute
vermissten, die bei dem dann nothwendigen Fortgeschrittensein
der Erkrankung zu constatiren hätten sein müssen. Tuberculöse
Belastung war ja vorhanden.
Indem wir die Brechneigung und das dann und wann erfol¬
gende Erbrechen meist gleich nach der Nahrungsaufnahme
hauptsächlich auf die Oesophagusstrictur und eine sich event.
oberhalb derselben heranbildende Erweiterung bezogen und dazu
auch eine gute Berechtigung hatten, weil das selten Erbrochene
durchaus nicht faeculenten Charakter, ja nicht einmal den der
Magengährung hatte, gingen wir an die Operation als eine
Explorativlaparotomie heran, eine genaue Diagnose in suspenso
lassend, und die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf tuberculöse
Peritonitis stellend, für die sich auch der hinzugezogene Herr
Professor v. S t a r c k ausgesprochen hatte.
15. IY. ^Peration. Aethernarkose. Urin mit Katheter
abgelassen. Medianschnitt. 3 Finger breit unterhalb des Nabels
anfangend, 6 / 2 cm nach abwärts. Durchtrennung der Schichten
leicht. Vorliegen eines prallen, seidenpapier-
dunnen, d u n k e 1 b 1 ä u 1 i c h durchschiramemden
e y s t e n a r t i g e n T u m o r s. Eingehen mit der Hand lässt
erkennen, dass der Tumor bis zur Symphyse reicht. Nir¬
gends Verwachsungen, nirgends Därme vorliegend. _ Vergrös-
seruug des Schnittes 5 x / 2 cm nach oben links um den Nabel
herum. Die Kuppe der Cyste lässt Grenze zwischen
I 1 ü SS I g k e it u nd Luft scharf erkennen. Nach oben
gelangt man bis zum Zwerchfell, ohne etwaigen
Cv st en insertionspunkt zu erreichen. Seitwärts
Weichengegenden durch den Tumor ausgedehnt.
4 ) Deutsche .Aerztezeitung 1899. lieft 3 u. 4
*) cf. *) pag. 51.
No.' 7.
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Gck igle
auch hier keine Grenze zu errrtüchen; die ein¬
gehende Hand wird zwischen Bauchwand und
dem prallen Tumor förmlich eingeklemmt. Ver-
muthung: Enorme Magendilatation.
Punction mit Troicar; es fliesst sofort dunkelgrünliche, mit
helleren Bröckelchen und Flöckchen durchmischte, säuerlich#»
Flüssigkeit unter starkem Druck ab. noch stärker neben Punc-
tionsöffnung. Möglichster Schutz der Peritonealhöhle durch Ser¬
vietten. Seitlich von der Oeffnung werden 2 Seidenfäden hin¬
durchgezogen und Oeffnung durch Schnitt erweitert. Flüssigkeit
strömt im Strahl ab. auch durch die Stichcanäle. Dann Aushebe¬
rung des Mageninhaltes (mittels steriler physiologischer Kochsalz¬
lösung). Der letzte Rest wird mit sterilen Tupfern ausgewischt.
Die ganze Flüssigkeitsmenge ist anf mindestens 5 Liter
zu taxiren. Die Gedärme liegen hyperaemisch, stark contrahirt.
ohne peristaltische Bewegung hinter dem dilatirten Magen, —
Magen contrahirt sich allmählich fast zur
Norm und legt sich stark in Falten. Abtastung
der Mageninnenwand: Cardia nicht erreicht, man fühlt jedoch
das Herz deutlich über dem Finger pulsiron. In der P.vlorus-
gegend glaubt man von innen lier einen Wulst zu palpiren; jedoch
unsicher wegen der starken Faltung des Magens. Desshalb wird
von aussen, vom Duodenum her, der Pylorus durch die gesetzte
Magenöffnung hervorgestülpt und so zu Gesichte gebracht :
Dicker Wulst mit kleiner kraterförmiger
Delle in der Mitte. Die nach hinten liegende
Partie des Pylorus zeigt wie Granulationen
aussehendos Gewebe. die vordere ist mehr
gelblich gefärbt. Auch die feinste Sonde pas
sirt nicht Pylorusluraen; also Totalstenose
desselben.
Starker Collaps des Patienten nöthigt zu schleunigster Be¬
endigung der Operation. Zweireihige Vernähung der Punctions-
öffnung und der Schnittstelle, die nach der Contraction wie zackig
eingerissen aussieht. Dann Gastroenterostomia an¬
terior in der Magenmittellinie. Dreietagige Bauchnaht (Seide).
Der noch immer bestehende starke Collaps des kleinen Pat.
wird mit Excitantien etc. weiter bekämpft.
10. IV. Befinden verhältnissmässig gut. Pat. unterhält sicli
mit seinen Nachbaren. Kein Fieber, leichte Pulsbeschleunigung.
NH hrkly stiere.
Ich will mit den ausführlichen Berichten der weiteren
Krankengeschichte die Aufmerksamkeit der Leser nicht ermüden,
sondern nur Folgendes anführen. Abgesehen von einer einmaligen
Temperaturerhöhung (38 3°) am 21. IV. verlief der Process völlig
fieberlos. Schmerzen bestanden nur in den ersten Tagen p. op.
in geringem Grade. Am 21. IV. wurde an Stelle der Nährklystiere
Milch. Ei. Tropon per os verabreicht. 22. IV. Entfernung der
Bauchnähte: Heilung p. p. Am 6. V. Auf stehen. Allmählich
Febergang zu consistenterer Fleischnahrung: dann nnd wann
Erbrechen, aber nur von Fleischspeisen, die Pat. nicht liebte. Die
Oesophagusstrictur wurde mit Bougirnng systematisch weiter-
bohandelt. so dass Anfang Juni Bougie No. 30 leicht passirt, später
noch viel stärkere Nummern. Eine vorgenommene Magenauf¬
blähung (0O 2 ) ergibt untere Magengrenze bis zum Nabel (vorher
2 Finger breit oberhalb des Nabels).
Mitte Juni kam es dann plötzlich zu Temperaturerhöhungen,
als deren Ursache sich ein kleiner Ahscess in der Bauchdecken-
narbe fand (in der geringen Eitermenge zahlreiche Strepto-, wenig
Stapliylocoecen pyog. alb.). Es treten in der Folgezeit noch einige
kleine Abscesschen an selbiger Stelle auf. Dann sehr gutes
Allgemeinbefinden. Pat. wird am 20. VII. im besten Wohlsein
entlassen.
Ueberblicken wir den durch die Operation klargestellten Fall,
so interessirt uns in erster Linie die totale Pylorusstenose mit
ihren Folgezuständen. Sie ist. durchaus als Folge einer localen
Verätzung aufzufassen, wofür der während der Operation an Ort
und Stelle gemachte Befund, der einen noch in der Abheilung be¬
griffenen Process kennzeichnete, mit voller Sicherheit spricht.
Ftwa eine congenitale stenosirende Pylornshypertrophie im Sinne
Rosenhei m’s, die durch die Aetzeinwirkung in einen Reiz¬
zustand getreten, anzunehmen, liegt kein Grund vor.
Zu gleicher Zeit liefert der Fall einen Beitrag zur Topo¬
graphie des leeren Magens. Ein tüchtiger Schluck
Lauge ruft zwei von einander getrennte Verätzungen und deren
Folgen bei einem 6V.,jährigen Kinde hervor: 1. am untersten
Theil des Oesophagus, 25 cm von der Zahnreihe entfernt, also
gleich oberhalb der Cardia, 2. am Pylorustheil des Magens. Diese
beiden Punkte lassen sieh durchaus nicht in Einklang bringen,
wenn man die landläufige, noch überall in den meisten Lehr¬
büchern vertretene Luschka’sche Ansicht von einer Art von
Horizontal läge annimmt, dass heim leeren Magen die grosse
Ourvatur nach abwärts, die kleine aufwärts gewandt ist. Es
müsste dann ein durch den Oesophagus herunterspritzender
Flüssigkeit «strahl immer die Fläche der grossen Ourvatur treffen.
Dies ist aber absolut nicht der Fall, sondern nach den Sections-
befunden ist die Praedileetionsstelle für Aetzungen gerade die
kleine Ourvatur und die Pars pvloriea. Ebenso kommt bekannt¬
lich das Ulcus rotundum fast ausschliesslich an der Hinterwand
2
Original frem
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
18
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
(clor klomm Curvatur) und besonders an der Pars pylorica vor*) 7 ),
was man für eine mechanisch-thermische EntstehnngsurSache der¬
selben verwerthet hat, „indem alle Ingesta zuerst an diesen Ort
kommen und hier liegen bleiben, so dass sie je nach ihrer Natur
ehernisoh oder mechanisch wirken können“.
In einer neueren Abhandlung „Beiträge zur Magendiagnostik“
ist nun Rosen f cid -Breslau 8 ) auf Grund seiner Untersu¬
chungen an Leichen zu dem Resultat gekommen, dass die klinisch
für eine Ausnahmestellung angesehene Yertiealstellung in der
linken Körperhälfte die Normallage sei, indem die kleine Cur¬
vatur nicht einmal senkrecht von oben nach unten, sondern von
der Cardia aus nach links und unten gehen soll. Auf diese Weise
„treffen die Speisen mit ihren ganzen thermischen und mecha¬
nischen Reizen die kleine Curvatur“, auf die die Speiseröhre aus-
hidet. Indem nun nach R. der Pylorus im leeren Magen ziemlich
der tiefste Theil sein soll, „ist gerade er der am meisten und
dauerndsten von den Einwirkungen der Speisen betroffene Ab¬
schnitt“.
Diese Ausführungen haben sehr viel Verlockendes für sich
und würden sich ja auch für den vorliegenden Fall ganz gut ver¬
wenden lassen.
Es steht aber dieser Ansicht die von Herrn Prof. Heller
entgegen, wie er sie auf Grund zahlreicher gerade hierauf bei
Scetionen gerichteter Untersuchungen bei Besprechung des
runden Magengeschwürs vertrügt (cfr. auch Anmerkung 6 u. 7):
Tn dem sogenannten leeren Zustande des Magens, der jedenfalls
sehr selten ist, indem sich immerhin mindestens etwas Schleim
in demselben befindet, nimmt zwar derselbe normalerweise höch¬
stens eine m ii s s i g e S c h r ä g 1 a g e von links oben nach rechts
unten- ein, dergestalt, dass die grosse Curvatur nach unten sieht.
Wenn sieh aber —- wie wohl gewöhnlich der Fall —
eine geringe Gasaufblähung des sogenannten leeren Magens vor¬
findet, hebt sich die grosse Curvatur etwas nach
vorn und oben, wodurch dann die Hinterfläche zur
unteren wird und in der Gegend der kleinen Curvatur
gleichsam als schiefe Ebene in der Fortsetzung des
Oesophagus liegt. Daher können auch geringe Flüssigkeits¬
mengen hier schnell hinuntergleiten und am Pylorus liegen
bleiben. Dieser eontrahirt. sich stark auf die einen Reiz aus¬
übende Substanzeinwirkung, und die Aetzung kann noch stärker
vor sich gehen.
Herr Professor Heller hatte die Güte, mich zur Prüfung
seiner Ansicht an etlichen Kinderleichen — denn bei ihnen
kommen pathologische Lageveränderungen natürlicherweise re¬
lativ noch ain seltensten vor — den Magensitus beobachten zu
lassen, wobei Alles, was auf eine künstliche Veränderung der
Lage von Einfluss sein konnte, nach Möglichkeit vermieden
wurde. In diesen Fällen habe ich stets die Helle Fsche Ansicht
bestätigt gefunden, während mir ein Fall von Verticalstellung
nicht vorgekommen ist.
Tch will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass auf der
kürzlich stattgefundenen 71. Versammlung deutscher Natur¬
forscher und Aerzte M e i n e r t - Dresden *) sich ebenfalls ent¬
schieden gegen die Publication von Rosenfeld ausgespro¬
chen hat.
Da ein weiteras genaues Eingehen auf die Magenlage den
Rahmen meiner Arbeit überschreiten würde, und andererseits
erst eine grössere Anzahl von Beobachtungen, wozu eine geraume
Zeit, nöthig sein wird, m i r das Recht zu einer Kritik der Ansicht
von Rosen f cid geben würde, so muss ich mich hier mit diesen
Ausführungen begnügen. Hoffentlich werde ich Gelegenheit
haben, diese interessante Frage noch weiter verfolgen zu können.
Kehren wir nach dieser kleinen Abschweifung zur Bespre¬
chung unseres Falles zurück, so ist des Bemerkenswerthen noch
Manches zu erwähnen.
Die totale Unpassirbarkeit des Pylorus wird sich, wie wohl
anzunehmen ist, erst allmählich herangebildet haben; bis dahin
konnte eine immer kleiner werdende Menge des Mageninhalts
•> flreiss: Zur Statistik des runden Magengeschwürs.
Tnang. Hiss. Kiel 1879.
b .Tohannsen: Beitrag zur path. Anatomie und Histologie
des Magengeschwürs. Tnaug.-Diss. 1886.
b Zeitschr. f. klin. Mediein 1899. Bd. 37, Heft 1 u. 2.
°'t Laut Referat in der Münch, med. Wochensohr. 1809. H 40
nag. 1311.
wohl noch den Pförtner passiren. Sie bildete dann mit den Grund
der späteren, noch erfolgenden Stuhlgänge.
Ausserordentlich auffallend ist sodann die ganz enorme,
relativ schnell entstandene Ausdehnung des Magens von Sym¬
physe bis zum hochstehenden Zwerchfell, die dazu seitlich die
Weichengegend vorwölbte, so dass die Magenwandung von praller,
seidenpapierdünner Beschaffenheit war. Irgend welche Schichten
der Wandung waren daran nicht zu unterscheiden, sondern Alles
gleich massig durchschimmernd. Die Gefahr einer Ruptur durch
einen etwas heftigen mechanischen Insult wäre also leicht mög¬
lich gewesen, so lange die Magenwandung noch nicht so fest der
Bauch wand anlag. Um so wunderbarer fast ist — als Zeichen
einer immensen Elasticität — die nach der Entleerung des Ma¬
gens innerhalb einer kleinen halben Stunde spontan geschehende
Oontrnetion des Magens, der sich so stark dazu in Falten legte,
dass die Naht der geschaffenen Abflussöffnung wie auch die der
Gastroenterostomie ohne Schwierigkeit in gewöhnlicher Weise
vor sich gehen konnte (ersterer konnte nämlich ihrer bei der
Zusammenziehung sich als ungünstig erweisenden Lage wegen
nicht hei der Schaffung der neuen Magendarmpassage verwendet
werden).
Um den Umstand zu erklären, dass immer, wenn auch ge¬
ringe Flüssigkeitsquanta noch aufgenommen werden konnten,
ohne dass der Magen dagegen durch einen gehörigen Vomitus
rebellirte, muss man wohl eine, mit der Oesophagusstrictur viel¬
leicht in gewissem Zusammenhang stehende Art von Klappen-
VeTitilmecbauismus an der Cardia annehmen, indem beim An¬
drängen von oben nach unten Eröffnung und umgekehrt Ver¬
legung erfolgte. Nachdem dann die Magenmusculatur einmal
übermässig ausgedehnt war, war sie zu antiperistaltischen Be¬
wegungen zu schwach. Auf diese Wbüse konnte sieb wohl die un¬
gewöhnlich grosse Magendilatation entwickeln.
Der Inhalt der Därme ist bis auf minimale Reste auf natür¬
lichem Wege entleert worden; und so hat das eigenthümliche,
ruhige Durcheinanderliegen der hyperaemischen Darmschlingen
— vielleicht als Folge der Aufhebung des starken Druckes durch
den ausgedehnten Magen — zu Stande kommen können.
Beaebtenswert.il, als ein Beispiel dessen, was der Organismus
unter Umständen alles vertragen kann, ist die Heilung der Bauch-
wunde per primam und das Ausbleiben von peritonealer Reizung.
Denn sicherlich sind die Bauehdeekenränder mit dem ausfliessen-
den Mageninhalt beschmutzt worden; und ich glaube ebenso
sicher, dass trotz aller angewandten Vorsicht manch pathogener
Keim bei obiger Manipulation sich in die Bauchhöhle verirrt, hat,
falls sich welche im saueren Mageninhalt 10 ) befunden haben.
Ebenso bemerkenswerth ist dann das Auftreten von Abseessen
durch Fadeneiterung erst 7 Wochen nach der Operation bald hier,
bald da in der Bauchnarbe, für die wohl eine derzeit stattgehabte
bacterielle Verunreinigung der Bauchränder mit verantwortlich zu
machen ist.
Was die operative Wiederherstellung einer Magendarm-
passage anlangt, so wäre neben der angewandten Methode der
Gastroenterostomia anterior noch die Pyloroplastik und die
Pylorusresection in Frage gekommen. Erstere wurde bei Seite
gelassen, weil die ganze Pylorusgegend infiltrirt und lumenlos
war, letztere, weil sie sicherlich zeitraubender als der von uns
eingeschlagene Weg gewesen wäre; und bei dem tiefen Collaps
des Patienten lag uns vor Allem daran, die Operation möglichst
schnell zu beenden.
Zu verschiedenen Malen habe ich späterhin versucht, durch
ein verabreichtes Probefrühstück über die chemische Function dos
Magens mir Klarheit zu verschaffen. Doch immer vergebens,
indem nach V, Stunde schon Mageninhalt sich nicht mehr ge¬
nügend aushebem liess. Vielleicht, dass durch die künstlich
geschaffene Magendarmverbindung hindurch der Speisebrei sehr
schnell aus dem Magen herausbefördert wird?
Dieser Fall gibt uns die Lehre, worauf ich zum Schlüsse noch
einmal besonders hinweisen möchte, in jedem Fall von Ver¬
schlucken auch geringer Mengen von Aetzgiften von vomeheroin
neben der Laesion der Speiseröhre auch an eine solche des Magens
zu denken, und bei intestinalen Störungen, die sich durch eine
entstandene Oesophagusstrictur allein nicht erklären lassen, auf
zugleich entstandene Pylorusstenose zu fahnden, damit man
10 ! Eine baeteriologisohe und chemische Untersuchung des
Mageninhaltes hat nicht stattfinden können.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13.* Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
219
durch möglichst frühzeitigen Eingriff hiergegen Vorgehen und
so den betreffenden Patienten vor allzu grosser Entkräftung be¬
wahren kann.
Aus der Universitäts-Augenklinik zu Rostock.
Ein Beitrag zur Aetiologie und Therapie jder Epi-
scleritis periodica fugax.
Von Dr. med. W. Stöltzing, prakt. Arzt in Hersfeld.
Die Bezeichnung „Episeleritis periodica fugax“ wurde von
E uchs im Jahre 1895 eingeführt für eine eigenartige
Erkrankung, die im Wesentlichen in einer Entzündung des ge-
fass reichen, episkleralen Gewebes besteht, und sich „durch ihre
Flüchtigkeit, sowie durch ihre Neigung zu Recidiven aus-
zeielinet“. 1 ) Zuerst beschrieben findet sich diese Affection bei
A. v. Gräfe') als Subconjunctivitis oder Xenonitis partialis
anterior. Fuchs*) stellte 22 selbstbeobachtete Fälle der immer¬
hin seltenen Krankheit zusammen, und deutete in seiner Arbeit
weiterhin Hutchinson’s 4 ) „hot eye“, ferner 4 Fälle Nett-
1 e s h i p s s ) von „recidivirender Iritis ohne Exsudation“, eine von
Swan M. Burnett“) beschriebene „vasomotorische Störung“,
2 Fälle Largeau’s 7 ) von Selerito rheumatismale, sowie
G a 1 e z o w s k Fs *) Episeleritis periodica als hierhergehörig.
Anscheinend gelangten weitere einschlägige Beobachtungen
nicht zur Veröffentlichung, theils weil offenbar die in der Zwi¬
schenzeit beobachteten Fälle nicht aus dem Rahmen des von
Fuchs eingehend entworfenen Bildes heraustraten, theils wohl
auch wegen der grossen Seltenheit typischer Fälle. Und doch sind
trotz der ausgezeichneten Arbeit von F uchs eine ganze Reihe
von Fragen, besonders die Pathogenese und Therapie betreffend,
noch unentschieden. Desshalb scheint mir die folgende, lange
Zeit hindurch fortgesetzte Beobachtung mittheileuswerth, die
gerade in dieser Hinsicht neue Gesichtspunkte bietet. Die ge¬
nauen Notizen über den Verlauf verdankt Verfasser der Liebens¬
würdigkeit des Herrn Professor Dr. Axenf eld, zu dessen
Privatklientel Patientin gehörte. Herrn Axenf eld sei für
Ueberlasöung dos Falles auch an dieser Stelle der verbindlichste
Dank ausgesprochen.
Frau X., Agentengattin, 64 Jahre alt, machte im Alter von
Ui Jahren angeblich ein „Wechselfieber“ durch, an welchem da¬
mals die ganze Familie (in Gürlitz, Mecklenburg) erkrankte J );
später blieb sie von Krankheit verschont bis zum 59. Lebensjahr.
Damals, im Jahre 1894, zeigte sich zum ersten Male im rechten
Auge ein „kleiner rother Fleck“, der nach 3 Tagen schmerz- und
spurlos wieder verschwand. Ca. 14 Tage später trat die gleiche
Erscheinung auf dem anderen Auge ein, und nun folgten in un¬
regelmässigen Zwischenräumen von ca. 4 Wochen derartige
Attacken abwechselnd auf dem rechten und linken Auge; im
Frühjahr 1894 wurden vorübergehend beide Augen gleichzeitig
befallen, und seitdem stellte sich deren Verhältniss zu einander
meist so, dass der Abheilung des rechten Auges In
wenigen Tagen die Entzündung auf dem linken
uachfolgte, worauf alsdann ein mehrwöchentlicher Waffen¬
stillstand eintrat, um dann neuen Recidiven Platz zu machen.
Eine zweite Etappe des Leidens setzte im November 1894 ein,
insofern die Entzündung nicht nur einen höheren Grad erreichte,
sondern auch zu wandern anfing. Die Richtung dieser Wande¬
rungen war eine verschiedene. Sie begannen auch ihrerseits
mit dem Auftreten eines kleinen rothen Punktes auf
der Lederhaut, der in 3—4 Tagen die Hornhaut
umkreiste. Gleichzeitig traten in steigender Heftigkeit
Schmerzen am, über deren Charakter noch weiter unten ge¬
nauere Mittheilung folgt. Für diese Zeit sind wir noch lediglich
auf die anamnestischen Angaben der körperlich und geistig noch
rüstigen Dame angewiesen, da ärztliche Hilfe bei der vorüber¬
gehenden Natur der Einzelaffectionen nicht augerufeu wurde.
(Patientin hat sich jedoch in ihrer langen und qualvollen Leidens¬
zeit genau beobachtet und sich besonders die Vorboten und den
Verlauf Ihrer Anfälle gemerkt, deren Aufeinanderfolge sie viel¬
fach ganz richtig voraussagte.)
*) Lehrbuch der Augenheilkunde. VII. Aufl. 1S98, S. 253.
*) A. v. G r ä f e’s klin. Vorträge, gesammelt von Hirsch-
berg. Berlin 1871. pag. 161.
*) Arch. f. Ophthalm. Bd. IV, Abth. IV, S. 229 ff., 1895.
4 ) Transact. of the Ophtha iociety of the unit. Kingdom.
Vol. IV, pag. 3, 1884.
5 ) Ibidem Vol. VIII, pa*. 94.
«) Archlves of ophth. XXI. Bd., 1892.
7 ) Thfcse de Paris. 18. Mal 1895.
•) Ibidem citirt.
*) Dass diese Krankheit etwa eine eigentliche Malaria ge¬
wesen, Ist unwahrscheinlich; die nur einmalige Erkrankung,
welche später nicht wiederkehrte, spricht dagegen Die Milz ist
z. Z. nicht vergrÖ88ert (Prof. Martius).
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Erst im Uctober 1895 sah sich Palicutin durch immer heftiger
werdende, auch die Nachtruhe beeinträchtigende Schmerzen hier¬
zu geuötliigt. Diese einseitigen, also „migräneartigen" Kopf¬
schmerzen begannen bereits vor Sichtbarwerden der Augenent¬
zündung, und zwar leiteten ziemlich regelmässig
Schmerzen in Stirn und Margo supraorbitalis
einen process in der oberen Augenhälfte der
betroffenen Seite ein, indess solche in der
Scheitelgegend, bezw. Empfindungen, welche
Zahnschmerzen ähnelten, einen Beginn in den
unteren Abschnitten signalisir tenZu ihrer
Bekämpfung wurden von Prof. Berlin (j\) Coeaininstillationen
verordnet, ohne jedoch wesentliche Erleichterung zu verschaffeu.
Im folgenden Sommer (1896) waren die Anfälle, wie über¬
haupt in der warmen Jahreszeit, besonders heftig.
März bis Juni 1896 liess sieb Patientin wegen Obstipation mit
Magendruck uud Aufstossen in die M a r t i u s’sche Privatklinik
auf nehmen; der Mangel an Peristaltik mit seinen Folgezuständen
wurde auch behoben, ohne dass diese Besserung eine günstige
Rückwirkung auf das Augenleiden geäussert hätte. Erst im
Winter 1896/97 trat wieder ein ziemlich erträglicher Zustaud ein,
und in gleicher Weise, id est mit sommerlicher Exacerbation,
verlief 1897.
Ostern 1898 bemerkte Patientin zum ersten Male eiue eigen
artige ltotli bruu nf ü rbung der Handrücken. Dies«*
seitdem öfters wiederkehrende Erscheinung wurde zumeist Mor¬
gens, „wegen des (Kontrastes mit der weissen Bettdecke” zuerst
bemerkt, hielt einige Zeit au, um dann allmählich ahzublassen
und bis zum anderen Morgen spurlos zu verschwiudeu. Solche
„Röthungen“ gingen in dieser Zeit mit Vorliebe einem Augeu-
recidiv voraus; Patientin hatte sich daran gewöhnt, aus der Er¬
scheinung auf eine nahende Augenentzündung zu schliessen. Es
sei vorgreifend bemerkt, dass dieses eigenartige Symptom seiner
Flüchtigkeit wegen von Prof. A x e n f e 1 d , in dessen Sprech¬
stunde Nachm. 3 Uhr Patientin kam, nur einmal (am 6. VIII. 1898;
persönlich mit Sicherheit beobachtet werden konnte. An diesem
Tage waren die Handrücken „in der That dunkel geröthet, ohne
Oedeme und andere Eruptionen, ohne subjective Beschwerden.”
Die Röthung ging ohne scharfe Grenze in die umgebende Haut
über. Seit dem October 1898 ist diese Erscheinung nicht mehr
aufgetreten. Um diese Zeit (Ostern 1898; stellten sich weiterhin
ziehende Schmerzen in den Gliedern ein, auch schwollen bisweilen
die Fiisse Abends in unbedeutendem Maasse an. Als Patientin am
26. IV. 1898 wegen der inzwischen (mit Beginn des Sommerhalb¬
jahres!) wieder zu fast ununterbrochenen Schmerz- uud Entziin-
dungsanfällen gesteigerten Beschwerden in die Behandlung trat,
wurde folgender Befund erhoben:
Beiderseits recidivirende, schmerzhafte Episkleritis mit
frischer Irishyperaemie.
L. Eminct.ropie S
= jt knapp.
Presbyopie -f- 3,0 I>.
R. Myopie 2,0 D. S
_ 4
“ 12
Presbyopie -j- 1,5 1).
Therapie: Natron salicyl. 1,5 g pro die in 2 Hälften. Atropin
0.1, Cocain 0,2, Aq. 10,0, zweimal täglich. Kalomel jeden zweiten
Tag. Umschläge mit warmem Kamilleiitliee.
Das Salicyl musste bereits am 4. V. wegen Erbrechen wieder
ausgesetzt werden; auch die Einträufelungen brachten wiederum
nur ganz vorübergehend Linderung; beifolgende, aus dem Kranken¬
journal zusammongestellte Beobacbtimgsreihe charakterisirt am
anschaulichsten die Eigeuart uud Schwere des ganzen Proeesses
und sei desshalb etw’as ausführlicher mitgetheilt. (Die Angaben
beziehen sich auf Sitz und Intensität episkleraler Injectlouen.)
R.
1898
L.
Oben Innen linsengross (seit
dem 14. V.).
16. V.
Oben. Allsgebreitete Jnjection
von geringer Intensität.
Ganz blass.
18. V
Aussen.
Innen.
20. V.
Etwas stärker.
HVeiter nach unten.
21. V.
Erheblich blasser.
’ Unten stärker, besonders
23. V.
Unten, stärker.
gegen den Aequator.
Blasser.
24. V.
Weiter nach unten-innon.
Ganz blas s.
26. V.
Nach innen zum horizontahm
Meridian.
Ganz oben kleiner Her«],
27. V.
Innen-oben.
sehr bald geschwunden.
Recidi v.
31. V.
—
Fast allgemeine Röthung.
Punct. raaximum aussen.
1. VI.
Ganz blass
• Nur aussen.
2. VI.
Oben-aussen vereinzelte Ge-
fässe.
Besser.
4. VI.
Aussen.
Noch besser.
6. VI.
Status idem.
Blass.
7. VI.
Blasser.
—
8. VI.
Etwas weiter nach unten-
aussen.
10 ) Fuchs: loc. eitat.
”) Letztere Angabe fand z. B. durch Beobachtung vom 27. VI.
1898 ihre objective Bestätigung. Vergl. daselbst.
2 *
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
220
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No* 7.
R. 181)8 L.
Innen (seit 9. VI. bemerkt). 10. VI. Unten Injection geringer.
Ausserdem a. u. einige Ge¬
wisse nahe Uebergangsfalte.
Item. Mehr Gefässe. II. VI. Etwas nach innen.
Unten geringe Injection. 13. VI. Mehr nach Innen-unten (sub¬
horizontal).
Blass. (Abends unten eine 16. VI. Oben-innen.
Stunde lang roth.)
Unten einzelne Gefasse. 17. VI. üben am stärksten, auch;
innen, ferner vereinzelt auch
unten.
Unten nahe Uebergangsfalte 18. VI. Total. Oben Maximum, sehr
einzelne Gefasse. druckempfindlich.
Aussen relativ frei. Rothe
Handrücken (vgl. o.).
Blass. 20. VI. Maximum aussen, sonst
blasser. (Also in 18 Tagen
biszum Ausgangspunkt
zurückgewandert und
zwar in der Richtung
der Uhrzeiger.) Aussen
4 nun vom Limbus entfernt
kleines episkleritisches
Infiltrat.
— 23. VI. Etwas tiefer nach aussen-
unten. Infiltrat nicht mehr
deutlich.
— 20. VI. Tief aussen-unten.
— 27. VI. t Unten bis unten-innen.
Unten. 29. VI. —
— 30. VI. üben. Etwas geringer.
Unten, intensiv druckein- 1. VII. üben-aussen. Blasser.
pfindlieh.
Im Abblassen. 6. VII. Innen-unten.
Innen neue beginnende 9. VII Weiter nach unten.
Röthung.
Es war somit innerhalb von noch nicht 2 Monaten der rechte
Oculus nicht weniger als 7 mal ergriffen und wieder abgeheilt, der
linke während dieser Zeit, bei häufigem Wechsel der injicirten
Stellen, überhaupt nur einmal entzündungsfrei gewesen, also nun¬
mehr beide Augen gleichzeitig ergriffen. Da beschwerdefreie
Pausen überhaupt nicht mehr eintraten, entschloss sich Patientin
am 16. VII. 98 zur Aufnahme in die Privatklinik. Hier wieder¬
holten sich, in den ersten 14 Tagen, fortgesetzte Recidive in der
Weise, dass die episklerale Röthung an einer Stelle einsetzte, sie
jedoch sehr bald wieder frei gab, indem die Injection weiter¬
wanderte. Gerade in dieser Zeit wurde mehrfach eine Umkreisung
der Hornhaut in wenigen Tagen beobachtet Es behielt also be¬
züglich der einzelnen befallenen Stelle auch jetzt noch die Krank¬
heit ihren Charakter als „fugax“, doch wurden die Augen nie
allenthalben entzündungsfrei. Die Behandlung bestand in Atropin
cocain, hydropathisehem Verband, Galvanisirung, kleinen Dosen
Natron salicyl. Am 31. VII. trat rechtsseitig eine heftige Iri¬
tis c h e Reizung hinzu, zu deren Bekämpfung am 2. August
J o d k a 1 i gegeben wurde. Schon in der ersten Nacht
spürte Patientin auffallende Linderung, und
am 9. VIII. zeigte die seit wenigstens 3 Monaten
ununterbrochen schwer erkrankte Dame sub-
jectiv und objectiv absolut reizlose Augen.
An diesem Tage fand sich bei der Entlassung aus der Klinik, dass
die Zahl der hinteren Synechien sich um einige vermehrt hatte.
Entlassen mit Atropin-Cocain. Wegen Neigung zu Magen-
störungen wurde das Jodkali ausgesetzt.
Am 16. VIII. bekam Patientin beiderseits einRecidiv, kam aber
erst am 17. VIII. damit in Behandlung; es bestand starke epi¬
sklerale Injection; unter erneutem Jod kaligebrauch wurden die
Augen am 19. bereits fast reizlos. Das gleiche Spiel wiederholte
sich am 1. IX. 98 (am 5. IX. coupirt). Von da ab wurden Recidive
überhaupt seltener und waren unter Jodkali in 2 Tagen beendet.
Innerhalb der letzten 3 Monate (Juni—August 1899), in denen
Patientin von einer 50 proc. Lösung Jodkalium 17 Tropfen täglich
einnahm, erkrankten beide Augen nur je einmal, zuletzt am
10. August 1899, (Schmerzhaftigkeit, Röthung — sofortiger Rück¬
gang auf JK.), und als sich Patientin Ende August 1899 (NB. ledig¬
lich im Interesse der vorliegenden Arbeit) vorstellte, zeigten sich
beide Augen absolut reizlos.
Nachtrag.
Am 25. October 99 hörte Patientin auf, einzunehmen, w-eil
sie bei der Dauer der entzündungsfreien Zeit glaubte, jetzt ohne
Medieln auskommen zu können. Bereits nach 2 Tagen begann sich
beiderseits innen, symmetrisch, eine episklerale Injection zu bilden,
doch ohne besonders heftige Schmerzen. Auf Jodkali sofortige
Rückbildung.
Bemerkt sei noch, dass der Urin in der ganzen Beobach¬
tungszeit normal war.
In den mitgetheilten Krankengeschichten findet sich von
den von Euch s , ") discutirten aetiologischen Mo-
'■) Fuchs fand bei seinen 22 Fällen: Echte Gicht 0; rheuma¬
tische Beschwerden 2 mal; enorme Kälteempfindlichkeit 2 mal;
ni eilte n für die (bei echter Skleritis in erster Reihe rangirende)
uratisehe Riathese keinerlei Andeutung. Die „rheumatischen 14
Schmerzen etc. der Sechzigerin dürfen jedenfalls in diesem Sinne
nicht verwerthet werden. Auch die Deutung des in der Anamnese
vertretenen, weit zurückdatirenden „Wechselfiebers 44 als Malaria
haben wir bereits oben zurückweisen müssen. Die Milz fand sich
nicht vergrößert. Wie zumeist 13 ), waren auch hier beide
Augen ergriffen, und zwar im späteren Verlaufe gleichzeitig,
was im Ganzen seltener beobachtet wurde. 14 ) Die Dauer des
Leidens betrug bis jetzt 5 Jahre 15 ), und es ist wohl nicht zu viel
gesagt, wenn wir annnelmien, dass die Zahl der einzelnen An¬
fälle, beide Augen zusammengenommen, in dieser Zeit weit über
100 betragen hat. Stets handelte es sich hierbei lediglich um
Gefässinjectionen: Kur einmal wurde ein kleines epi-
s k 1 e r i t i s c h e s K n ö t c h e n 10 ) gefunden (vergl. sub 20. VI.
1898), das schon nach 24 Stunden nicht mehr deutlich war. In
der Zeit, wo der Bulbus wochenlang (bis zu 4 Wochen) überhaupt
nicht entzündungsfrei wurde, näherte sich das ganze Bild der
gewöhnlichen Episkleritis, die bekanntlich auch wandert. Doch
waren Ortsveränderung und Röthung immer noch auffallend
schnell und vielfach sprunghaft.
Von Co in plicationen 1T ) zeigte sich der seltene Be¬
fund einer gleichzeitigen Iritis (vergl. April 1898 und 31. VII.
1898). ln der grossen Mehrzahl der Anfälle aber waren ent¬
zündliche Erscheinungen an der Iris nicht nachweisbar. Die
Pupille erweiterte sich auf Atropin ohne Mühe, soweit die ein¬
zelnen alten Synechien das zulicssen (d. h. R. über Mittelweite,
nach oben ganz frei, L. etwas weniger). Die Pupillenerweitenmg
hatte auf den Verlauf, das Wandern und die Beschwerden in
diesem Falle keinen Einfluss. Nur einige Male bestand deut¬
liche Irishyperaemie resp. Iritis. Es sei dies ausdrücklich her¬
vorgehoben, da sonst der Eindruck entstehen könnte, es habe sich
überhaupt um eine Iritis gehandelt. Dass dies nicht der Fall,
zeigt schon Ablauf und Zahl der Anfälle.
Das in der Krankengeschichte berichtete Hauterythem
auf dem Handrücken würde man am besten in Congruenz mit
der Skleralerkrankung als Erythema fugax bezeichnen können,
wenn nicht dieser Name bereits jenes ausserordentlich flüchtige
„Verlegenheits 44 -rothwerden bezcichnete, wie es bei leicht erreg¬
baren Personell, namentlich weiblichen Geschlechtes, nicht gerade
selten beobachtet wird, und von welchem sich die vorliegende
Affection durch die mindestens nach einer grösseren Anzahl von
Stunden zu berechnende, längere Dauer, sowie die braun-
rothe Färbung unterscheidet.
Die Annahme einer abortiven Urticaria scheitert an der
langen Dauer und dem subjeetiv reizlosen Auftreten des Ery¬
thems. Zudem kommen solche angioncurotischen Erytheme (Urti¬
caria, Riesenurticaria, Urt. massive, acutes angioneurotisehes
Oodem), wie Fuchs betont, in Gesellschaft einer Lidschwellung
vor, die er als „acutes recidivirendes Lidoedem 44 bezeichnet und
von der Episcl. p. f. streng geschieden wissen will. Die Augen-
affection ist in diesen Fällen nur das Symptom eines auf Haut
und Schleimhäute (besonders der Nase: sog. nervöser Schnupfen)
auftretenden, ausgebreiteten Processes, der neuerdings von
Schlesinger 16 ) unter dem Gesannntbilde des Hydrops hypo-
strophos zusammengefasst wurde.
deutliche Milzvergrösserung, auf Chinin rengirend. 1 mal; milssige
Milzvergrösserung 1 mal; Malariaverdaeht 1 mal; Chinin wirksam
2 mal.
18 ) Fuchs im Verhältniss 20 :2.
* 4 ) Ibidem: 3 mal.
iS ) Beobachtet wurde 1 mal eine Krankheitsdauer von
20 Jahren (ibidem).
“) Ibidem: 1 mal.
,T ) An Complicationen ad oculuru wurden gefunden (unter deu
22 F u c h s’schen Fällen): Keine 6 mal; Uebergang zu randstün-
digeu. recidivirendcn Hornhautinflltraten 1 mal; punktförmige
Hornhauttrübung 1 mal; Iris und Ciliarkörper hyperaemisch 3 mal:
Aoeomniodntionsschmerzen und-krampf lmal; Llnsenastigmatismns
1 mal; Bewegungen schmerzhaft 3 mal; Bewegungen beschränkt.
Protrusio bulbi, Lidsuffusion in einem Falle.
,8 ) Hydrops hypotrophos. Ein Beitrag zur Lehre der acuten
angioneurotischen Oedeme. Münch, med. Wochensehr. 1899,
No. 35.
Neuere Veröffentlichungen über acutes Lidoedem:
T e r s o n : Oedöme aigue de la conjonctive. Clin, ophth.
1899, No. 1.
Duane: Angio-neurotie oedema of the conjunct. The Ophth.
Record. 1899, No. 4.
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13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
221
Für die noch nicht besprochenen Erythemformen, Erythema'
exsudativum multiforme und Erythema nodosum 1# ) fehlt jeder
Anhaltspunkt.
Es spricht unsere Beobachtung jedenfalls dafür (wie dies
auch zu dem ganzen, flüchtigen Charakter der Krankheit am
besten passen würde), dass es sich vorwiegend um vaso¬
motorische Reize handelt, auf deren Localisation die
Nerven von Einfluss zu sein scheinen, einerseits wegen der
merkwürdigen, oft so präcis localisirten und der Augenstörung
vorausgehenden Trigeminusneuralgien, dann auch wegen der
hochgradigen localen Schmerzen, welche zu dem Grade und der
Ausdehnung der Injection öfters in einem auffallenden Missver¬
hältnisse zu stehen schienen.
Die Therapie bezeichnet Fuchs als „zumeist erfolglos:
Am meisten Erfolg haben noch Chinin und salicylsaures Na¬
tron.“ In dieser Zusammenstellung fehlt somit dasjenige Mittel,
welches bei der gewöhnlichen Epi- und Scleritis neben dem Salicyl
eine Hauptrolle zu spielen pflegt, und unter dessen Gebrauche
in unserem Falle nach mehrmonatlichem, intensivstem Bestehen
der Aflection eine überraschend günstige, sofortige Wendung
zum Besseren eintrat, das J o d k a 1 i. Die ausserordentlich
prompte Wirkung des Mittels, nach vergeblicher, monatelanger
Behandlung auf andere Weise, berechtigt wohl zu dem Schlüsse,
dass es sich hier um ein „propter hoc“ handelt. Das geht ferner
ans der wiederholten, mit der Sicherheit eines Experimentes er¬
folgenden Beobachtung hervor, dass die Anfälle beim Fortlassen
des Mittels sofort wiederkommen, um nach seiner Darreichung ,
wieder zu verschwinden.
Jedenfalls berechtigt die hier gemachte Erfahrung bei der
Ohnmacht sonstiger Therapie zu dem Rathe, bei Behandlung der
Episeleritis periodica fugax das altbewährte Universalmittel
Jodkali in erster Linie heranzuziehen.
Eine syphilitische Aetiologie der Krankheit aus dem Erfolge :
der Jodtherapie zu schliessen, scheint mir nicht statthaft, da
alle anderen Anhaltspunkte fehlen und da beim Fortlassen des
Jodes sofort immer ein Recidiv hervortritt. Syphilitische Er- ;
seheinungen, wenn sie durch Jodkali so vollständig und schnell
beseitigt werden, pflegen sich nicht in dieser Weise zu verhalten.
Epileptiforme Anfälle in der Reconvalescenz eines
r -r?7rT„ ft ?? (Unterleibstyphus.
Von Prof. Dr. F. Mühlig, Arzt am deutschen Krankenhause
in Constantinopel.
Patient ist der 23 jährige Kroate M. Er ist früher niemals
krank gewesen, war Soldat und ist ein kräftiger, gut gebauter
Mensch. In seinerFamilie sind keine Spuren irgend einer nervösen
oder Geisteskrankheit Am 7. November 1898 sah ich den Kranken
zum ersten Male. Er klagte über Mattigkeit, Kopfschmerzen und
Appetitlosigkeit. Die objective Untersuchung ergab Folgendes:
Meteorismus, geringer Milztumor; Temperatur 39,5°. Puls 120.
Patient gab an, dass er sich seit etwa einer Woche nicht wohl
gefühlt habe. Abends war die Temperatur 39,4°, am nächsten
Tage 39,6°, 39,4° und 39,8*. Die Temperatur hielt sich in den
nächsten Tagen in den Grenzen zwischen 39.9° und 38,5°. Es
traten Roseolen und Diarrhoen auf. Auch stellte sich ein ziemlich
heftiger Husten ein, ohne dass sich über den Lungen etwas nach-
**) Bel Erythema e. multiforme beobachtete man (nach Ter*
s o n : Troubles oculaires dans l’örythöme polymorphe, citirt nach
Schmidt-Rimpler: Die Erkrankungen des Auges im Zu¬
sammenhänge mit anderen Krankheiten. Nothnagel’s
Specielle Pathologie und Therapie, XXI. Band, 1898, S. 550.) das
Vorkommen von Knötchen auf der Conjunctiva bulbi. Ausserdem
findet man gelegentlich eine Mitbetheiligung der Lidhaut. Ein
einschlägiger Fall kam in der Augenpoliklinik Rostock zur Be¬
obachtung: Der 55 Jahre alte Drehorgelspieler N. erkrankte am
fl. V. 1899 mit Frost und Fieber, ohne Gelenkschmerzen; am 9. V.
stellte sich ein stark juckender Ausschlag auf Händen, Füssen und
Nacken ein, der am 10. V. auch die Augenlider ergriff. Die Unter¬
suchung ergab am 11. V. beiderseits röthliche Färbung der Lider,
die sich oben und unten ln Form einer Bogenlinie mit leichten
Einkerbungen abgrenzte (E. gyratum). Diese Theile waren ge¬
schwollen, fühlten sich heiss an und zeigten weiche Consistenz.
Dazu diffuse starke Conjunctivitis, doch ohne umschriebene Erup¬
tionen. Auf der Wange schlossen sich runde, röthliche Quaddeln
von Fünfpfennigsttickgrösse an, die im Centrum bläulich verfärbt
erschienen. Am übrigen Körper der typische Befund des sym¬
metrischen E. multiforme.
Ein Erythema nodosum mit charakteristischen Knoten auf
der Conjunctiva bulbi stellte Kaposi am 10. Februar 1897 in
der. Dermatologischen Gesellschaft zu Wien vor. (Sitzungsbericht,
Wien. kün. Wochenschr. 1897, No. 8, pag. 198.)
No. 7.
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weisen Hesse, mit Ausnahme vereinzelter bronchitischer Ge¬
räusche. Kurz Patient zeigte das Bild eines Typhus abdominalis.
Während der Dauer der Krankheit schlief Patient auffallend viel
und delirirte des Nachts häufig. Am 12. XI. fiel die Temperatur
plötzlich auf 36,4°, um am nächsten Tage wieder auf 39,3° zu
steigen Eine Ursache hierfür Hess sich nicht nachweisen. Die
Behandlung bestand in einer leichten Salzsäurelösung und in
kalten Abwaschungen (4 mal täglich) mit Eau de Cologne. Als
Nahrung diente ausschliesslich Milch, Bouillon und Wein (Marsala).
Gegen den heftigen, manchmal krampfartig auftretenden Husten
wurde während dreier Tage ein Senegalnfus mit Liquor ammonil
anisati verordnet Am 23. XL war der Kranke fieberfrei. Am 14.
fieberfreien Tage bekam Patient zuerst ein Ei und von da ab täg¬
lich leichte Speisen, Reis, Ei und Hühnerfleisch.- Am 20. fieber¬
freien Tage trat plötzlich um 3 1 /, Uhr Morgens, nachdem der
Kranke sich Abends noch sehr wohl befunden hatte, aber noch
immer das Bett hütete, ein epileptiformer Anfall auf. Patient
wird bewusstlos; es treten klonische Krämpfe zuerst an den beiden
letzten Fingern der linken Hand auf. Alsdann gehen diese Krämpfe
auf das linke Augenlid und schliesslich auf den ganzen Körper über.
Dauer dieses Anfalles l / a Stunde. Die Pupillen sind erweitert und
reactionslos. Drei Stunden darauf wiederholt sich dieser Anfall
unter denselben Erscheinungen und in derselben Reihenfolge.
Dauer 20 Minuten. Um 12 Uhr Mittags dritter Anfall in derselben
Weise von 10 Minuten Dauer. Abends 6 Uhr tritt der letzte, wel¬
cher mit Unterbrechungen von 1—5 Minuten 1 Stunde dauerte, auf.
Von da ab kein weiterer Anfall. Zwischen den einzelnen Anfällen
fühlte sich Patient verhältnissmässig wohl. Er klagte diese ganze
Zeit über und noch zehn Tage später nur über das Gefühl von
Kriebeln und Ameisenkriechen an den zwei letzten Fingern der
linken Hand. Im Urin war weder Eiweiss noch Zucker, am
Herzen nichts Abnormes bemerkbar.
Vom Beginn des ersten Anfalles an bekam der Kranke
Bromkali, 4 g steigend bis 8 g pro die. Acht Tage nach dem letzten
Anfalle wurde mit diesem Medicamente ausgesetzt.
Die Reconvalescenz ging ohne weitere Störung von statten.
Patient hat seitdem, also nach einer Beobachtung von einem
Jahre, keinen Anfall mehr bekommen und ist ganz gesund.
Meines Wissens nach sind derartige epileptiforme Anfälle
in der Reconvalescenz eines Unterleibstyphus bisher noch nicht
beschrieben worden. Eine Erklärung für das Zustandekommen
dieser Erscheinung ist schwer zu finden. Handelte es sich um
eine Gehirnembolie oder um eine acut aufgetretene Gehirn-
anaemie — wir wollen es an dieser Stelle nicht entscheiden.
Bemerkenswerth ist jedenfalls einmal die schnelle Aufein¬
anderfolge und lange Dauer der einzelnen Anfälle, dann aber
die Thatsache, dass die Krämpfe sich nur an einem Tage zeigten,
um dann nicht mehr aufzutreten.
Hydrorrhoea ovarialis jntermittens.
(Hydrops ovarii profluens.)
Zur Lehre von den Tubo - Ovarialcysten.*»
Von Dr. Max Nassauer, Frauenarzt in München.
Die Erklärung des Zustandekommens der Tubo-
Ovarialcysten ist noch eine sehr strittige. Die relative
Seltenheit derselben hat das Gebiet zu wenig erforschen lassen.
So fand Olshausen im Jahre 1886 nach 300 Laparotomien
nur 3 Fälle und sagt: „Man sollte nach den nur vereinzelten
Beobachtungen der neuesten ovariotomienreichen Zeit denken,
dass die Tuboovarialcysten grosse Seltenheiten seien. Doch fehlt
wohl im Allgemeinen noch die Bekanntschaft mit diesen inter¬
essanten Gebilden und wird die Zahl der Fälle gewiss bald sich
vermehren.“ Das ist nun nicht eingetroffen. Sie sind seltene
Gebilde geblieben.
Anatomische Präparate, beweiskräftig für die Ent¬
stehung derselben, liegen bis jetzt recht wenig vor.
Klinische Erscheinungen, welche die Diagnose
einer Tubo-Ovarialcyste bei Lebzeiten, vor einer Operation,
Sicher machen, sind noch spärlicher zur Beobachtung gekommen;
geschweige solche, die an sich etwa für die Theorie der Genese
dieser Tumoren verwerthbar wären. Soweit ich die Literatur
verfolgen konnte, sind die klinischen Erscheinungen
eines solchen Falles, wie ich ihn beobachtet habe, überhaupt noch
nicht beschrieben. Das dann durch die Laparotomie gewonnene
anatomische Präparat entspricht so sehr der seltenen klinischen
Beobachtung, dass ich glaube, mit der ausführlichen Beschrei¬
bung
a) der klinischen Erscheinungen einer Tubo-
Ovarialcyste mit temporär durch Uterus und Scheide profluiren-
dem Ovarialeysteninhalt,
*) Im Auszug vorgetragen in der Münchener gynäk. Gesell
Schaft am 24. I. 1900.
3
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222
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
b) der vorliegenden anatomischen Verhält¬
nisse hei der Laparotomie und des Befundes der exstirpirten
Geschwulst
einen lehrreichen Beitrag zur Lehre von den Tubo-Ovarial-
cysten, sowie des „Ausflusses“ in klinischer, wie ana¬
tomischer Beziehung liefern zu können und zu sollen.
Fall: 25. Februar 1898.
Frau E. Sch., 34 Jahre alt, verheirathet. Mutter lebt, ge¬
sund, lm hohen Alter. 2 lebende gesunde Schwestern, mehrere ge¬
sunde Brüder; Vater an Lungenentzündung gestorben. Als Kind
ausser Kinderkrankheiten gesund. Vor Jahren Gelenkrheumatis¬
mus. Vor 3 Jahren einen Bandwurm, den sie selbst abgerissen
hat. so dass voraussichtlich damals der Kopf desselben nicht mit
»1 »gegangen war.
Periode bot nichts Besonderes; regelmässig. 3—4 Tage dau¬
ernd, schmerzlos, Blut ohne Besonderheiten. 5 mal geboren.
4 Geburten ohne Bemerkenswerthes.
Im September 1897 5. Geburt. 3 Wochen vor der Geburt soll
das Kind abgestorben sein; dasselbe kam ausgetragen, aber in
todtfaulem Zustande zur Welt. Weiss keine Ursache dafür anzugeben.
Lebt seit 4 Jahren getrennt von ihrem Manne; verkehrte mit
anderen Männern geschlechtlich.
Seit der Geburt, also seit 5 Monaten, fühlt sie sich nicht mehr
wohl. Kreuzschmerzen, Herzklopfen, Magenbeschwerden, Kopf¬
schmerzen, Verstopfung, ..Ausfluss“, Druck auf den Mastdarm.
.Appetit ziemlich gut. Letzte Periode vor 8 Tagen.
Status: Grosse, sehr anaemische, hinfällige Person, mit
starkem Fettpolster. Macht einen sehr nervösen Eindruck.
Schleimhäute sehr blass. Puls weich, frequent. Am Herzen
anaemische Geräusche; kein Klappenfehler; Lunge nichts Be¬
sonderes. Urin frei von abnormen Bestandtheilen. Unterleib
sehr schlaff. Percussion ergibt nichts Besonderes; rechte Inguinal¬
hernie.
Blmanuelle Untersuchung: Alter Dammriss, Scheideneingang
klafft etwas; Schelde weit. Portio weich, äusserer Muttermund
klafft. Uterusfundus steht sehr hoch, ist nicht
abzutasten ; ebenso sind die Anhänge nicht zu fühlen. Pa¬
tientin ist sehr empfindlich gegenüber der Untersuchung. Ein
Tumor auf keinen Fall nachzuweisen. Portio im Speculum bläu¬
lich verfärbt; bei der Sondirung Uterushöhle normale Länge,
Uterus anteflectirt, sehr leicht durchgängig: blutet bei der Son¬
dirung.
Allgemeineindruck der einer hysterischen Person.
Der ziemlich negative Befund lässt als positive vorläufig»*
Diagnose nur zu: Hysterie, Anaemie mit Verdacht auf einen Band
wurm, Endometritis (?). Patientin wird mit der Anweisung, auf
Bandwurmgliederabgang zu achten, mit Verordnung von Ferrum
Präparaten entlassen und wieder bestellt.
4 Tage später kommt Patientin wieder, vor Schmerzen im
Unterleib sich krümmend und bricht unter hysterischen Anfällen
zusammen. Jammert über fürchterliche Leibschmerzen, so dass
die geringste Berührung des Unterleibes die stärksten Schmerzens-
äusserungen hervorruft. Eine Untersuchung ist ganz unmöglich.
Puls etwas beschleunigt, aber voll und regelmässig; grosse Blässe
des Gesichtes. Morphin 0,01 subcutan, Cognac. Nach einiger Er¬
holung per Droschke nach Hause transportirt. mit dem Rathe, so¬
fort zu Bett zu gehen, heisse Umschläge auf den Leib zu machen:
Opium innerlich.
Verdacht auf Stieldrehung eines undiagnosticirt gebliebenen
Adnextumors. Die Schmerzen waren Im Unterleib so vertheilt,
dass nicht einmal eine Seite als besonders schmerzhaft ange¬
sprochen werden konnte. Der anfängliche Verdacht auf eine
ovent. Innere Blutung wird durch die ca. 1 ständige Beobachtung
des Pulses in der Sprechstunde von der Hand gewiesen.
2. III. Nächster Tag, Patientin im Bett; Leib weniger em¬
pfindlich; aber immer noch so schmerzhaft, dass die geringste Be¬
rührung nicht ertragen wird. Der untere Leberrand ist ebenso
empfindlich, wie die Milzgegend, dessgleichen der ganze Unter¬
leib. Eine digitale Untersuchung dos Rectum ergibt im Darm
nichts Besonderes; von Ihm aus kein Tumor zu fühlen. Kein
Fieber. Oleum Rlcini; dann Opium; heisse Kataplasmen; Bett¬
ruhe; Diät
3. III. Nach Darmentleerung etwas besser. Untersuchung
noch unmöglich.
4. III. Etwas Ausfluss aus der Scheide: darauf¬
hin der Leib nicht mehr so druckempfindlich, so dass man ihn vor
sichtig palpiren kann; allerdings nur sehr unvollkommen. Dabei
scheint sich links im Unterleib ein beweglicher,
cystisoher, dünnwandiger Tumor herauszu¬
stellen, der für die erweiterte Tube sammt
einer Ovarialcyste anzusprechen sein dürfte.
Aeusserer Muttermund für einen Finger durch-
g ä n g 1 g.
5. III. Fühlt sich etwas besser. Statt Opium. Morphium¬
tropfen. Lässt sich trotz Verwarnung in eine andere Wohnung
transportiren.
6. III. Hat auf dem Transport ungeheure Schmerzen ge-
liabti darnach hat sich im Bett ein ausserordent¬
lich stinkender, reichlicher Ausfluss aus der
Scheide eingestellt: derselbe hat das ganze
Hemd gesteift; sah geronnener Milch ähnlich.
Hierauf viel besseres Befinden. Um nicht neue Schmerzen hervor¬
zurufen keine Untersuchung.
7. III. Stuhlgang; Leib nicht mehr so schmerzhaft; grosse,
theilweise hysterische Angst vor Berührung. Schwindel; Ohn¬
machtsanfall
9. III. Periode; schmerzlos. 11. III. Sehr gutes subjective*
Befinden. In Folge dessen ist Patientin aufgestanden; musste sieh
wegen rasender Schmerzen wieder legen.
11._14. III. Nachlass der Schmerzen; Bettruhe; Zahn¬
geschwür.
14_ 99
ttt \ ii«sor Bett* diätetische, roborirende Behand¬
lung.
23. III. Sehr vorsichtige und In Folge der Angst und-Schmer¬
zen der Kranken nur unvollkommene Untersuchung. Uterus steht
sehr hoch; kein Tumor zu differenziren. Die Anhänge nicht ab¬
zutasten. von Därmen überdeckt. Der Hochstand des Uterus
wird auf einen von einem Tumor herrührenden Zug zurück¬
geführt: wegen des noch bestehenden übelriechenden Ausflusses
eine Lysolausspttlung des Uterus.
26. III. Recht gutes Befinden. Seit der Uterusspülung kein
Stuhlgang. Der „Bandwurm steigt ihr in die Höhe bis zum Hals“.
Bis jetzt kein Abgang von Gliedern. Leib noch Immer sehr druck¬
empfindlich; daher keine gründliche Exploration möglich.
Patientin fühlt, wie sich bisweilen von links
nach rechts beim Lagewechsel ein „K1 o s s“ be¬
wegt. Man fühlt über den linken Adnexen eine gewisse Span¬
nung und Resistenz. Aber keine Wandung, keine Geschwulst. Es
scheint, dass sich die theoretisch anzunehmende Geschwulst ent¬
leert hat und die schlaffwandige Cyste nun keinen Inhalt mehr
gibt für eine Palpation und Diagnose.
2. IV., also 27 Tage nach dem ersten Ausfluss, wieder viel
wässeriger Ausfluss. Obstipation. Lysolausspülung des Uterus.
Im Laufe des Sommers öfters starke Attaquen von Leib¬
schmerzen, so dass Patientin während derselben oft kaum sitzen
oder stehen kann. Unterzieht sich jedoch nur einer Behandlung
gegen die Schmerzen, so dass ausser Narkotlcls, Leibbinde, Aus¬
spülungen und diätetischen Vorschriften nichts gethan werden
kann, eine Untersuchung in Narkose und Operationsvorschlag an¬
gewiesen wird.
7. XI. Vor 14 Tagen wieder starke Leib¬
schmerzen, die von Tag zu Tag stärker werden, schliesslich
so stark, dass die Kranke Selbstmordgedanken hegt \ Dann
bekam sie 8 Tage später plötzlich auf der Strasse
ungemein starken Ausfluss aus der Scheide, so
dass sie glaubte, es sei die Blase gesprungen
wie bei einer Schwangerschaft. Die Flüssig¬
keit durchtränkte das Hemd, die Unterkleider,
füllte beide Stiefel an und sickerte auf den
Boden der Strasse. Sie gibt die Menge auf ca.
■/* Liter Wasser an; sehr übelriechend, schlei
mig, mit Flocken vermischt. Daraufhin wieder
vorzügliches Befinden. Heute. 8 Tage nach dem Wasser¬
sturz, fühlt man vor dem Uterus, etwas nach links,
eine cystische, gut faustgrosse Geschwulst un¬
deutlich durch. Es scheint, dass sie von Därmen
überlagert Ist. mit welchen sie sich hin- und
herschieben lässt, was starke Schmerzen verursacht.
Wiederholter Rath zur Operation.
2. XII. Keine deutliche Geschwulst mehr nachweisbar; nur
undeutliche Resistenzen links; nach der Untersuchung hysterische
Anfälle mit Erbrechen in der Sprechstunde. Dabei kommt —
gegen 5 Uhr — das um 12 Uhr genossene Fleisch und Gemüse
völlig unverdaut zum Vorschein.
3. XII. Wieder wohl. 3. XII.—16. XII. Starker Ausfluss
und Ansteigen der Schmerzen.
16. XII. Endlich Aufnahme in die Klinik behufs Operation.
16. XII. Nach stärkerem Ausfluss und entsprechendem
Nachlassen der Schmerzen Untersuchung in Narkose in der
chirurgischen Klinik des Herrn Dr. Krecke.
Status: Uterus eher klein als gross; die linken Anhänge
heute etwa kleinfaustgross, in Verwachsungen eingehüllt. mit den
Därmen etwas verschieblich; deutlich vom Uterus abgrenzbar.
21. XII. (5 Tage später) Laparotomie: Herr Dr. Krecke und
Verf. Aethemarkose; 200 ccm Verbrauch; Narkose sehr gut; Dauer
der Operation 1 Stunde. Beckenhochlagerung.
Nach Durchtrennung der Bauchdecken zeigten sich der Uterus
und die beiderseitigen Anhänge so sehr mit den Därmen ver¬
wachsen, dass eine Orient!rang sehr schwierig ist. Nach Zurück -
schlagung der Kolonschlingen ist der Uterusfundus in der Mittel¬
linie gerade mit der Kuppe zu sehen; alles Uebrige ist In Därme
eingepackt; links schaut zwischen solchen etwa pflaumengross
und auch pflaumenfarbig die Kuppe der linksseitigen Anhänge
hervor. Es wird, von links her, der mit dem Uterus flächenhaft
verwachsene Darm mit den Fingern stumpf loszuschälen be¬
gonnen, nach Anhackung des Uterusfundus und Emporziehen mit
Museux’. Dabei reisst dieser aus und schlitzt den ganzen Uterus¬
fundus auf, der sofort mit 3 Seidenknopfnähten genäht wird. Man
gelangt allmählich beim Abschälen der Därme auf die vordere
Uteruswand, dann auf die hintere Blasenwand, die vollständig
mit Därmen und den linken Anhängen verwachsen war. Die
Blase wird ebenfalls sehr mühsam stumpf losgelöst; sie fällt
dann nach vorne: Ihre ganze hintere Wand, die verwachsen war.
ist nunmehr eine einzige grosse Wundflächt* geworden. Nun erst
Ist es möglich, die Därme von den linken Anhängen loszuschälen.
Dabei reisst plötzlich eine dünne Wand ein und es entleeren sieb
etwa 2—3 Tassen seröser etwas blutiger Flüssigkeit aus der von
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13. Februar 1900.
MÜNCHENER MED1C1NISCHE WOCHENSCHRIFT.
223
dieser zarten Wand theihveise gebildeten Höhle, deren Angehörig¬
keit noch nicht zu erkennen ist. .Nack weiterer Losschülung er¬
weist sie sich als eine dem Eierstock ungehörige Cystenwand. In
dieser Flüssigkeit keine Spur von Eiter. Beim Ausschälen der
ganzen Geschwulst quillt nun, nachdem man hinten auf dicke
Schwarten gekommen ist, nach Zerreissuug dieser, grünlich-gelber,
flüssiger Eiter hervor, der nach Möglichkeit sofort auf getupft und
entfernt wird. Nun gelingt es allmählich, die ganzen Anhänge
herauszuschälen. Sie werden am uterinen Ende mit Dechamps
umstochen, und so schrittweise abgebundeu; dann weiter aus dem
Lig. lat. ausgeschält, wobei mehrere spritzende Gefässe unter¬
bunden werden. So gelingt es schliesslich, das Geschwulst-
convolut zu entfernen, das nach der Herausnahme noch etwa
apfelgross ist.
Es werden die zerfetzten Ränder des Lig. lat. so gut als mög¬
lich zur Deckung der von der Serosa entblössten linken Wand des
Uterus benutzt, das Ligament vernäht. Keine Blutung; auch die
hintere Blasenwand blutet nicht mehr.
Rechts sitzen an der hinteren Uterusfläche ebenfalls Darm¬
schlingen angelöthet, darunter auch der Processus vermiformis.
Die rechte Tube normal geschlängelt; rechter Eierstock normal
gross. Es werden hier die Därme nicht gelöst, da sie event. doch
wieder anwachsen würden und ausserdem linkerseits schon über¬
reich Darmschlingen ihrer Serosa entblösst wurden. Während
der Bauchnaht (2 Etagen) presst Patientin so stark, dass der
Magen zur Hälfte aus der Bauchwunde hervorquillt. Entfernung
der vor der Operation zum Empordrängen des Uterus in die
Scheide applicirten Tampons. — lteconvalescenz durch ein eitriges
linksseitiges Exsudat etwas gestört, das 16 Tage nach der Opera¬
tion durch die Scheide incidirt und entleert w r ird (6. 1. 99).
19. I. 1899. 4 Wochen post oper. bei vorzüglichem Befinden
entlassen.
28. I. 99. Periode; 3 Tage dauernd; beschwerdelos.
ln den folgenden Monaten vorzügliches Befinden. Kein Aus¬
fluss; keine Verstopfung; keine Beschwerden beim Wasserlassen.
Bisweilen geringe Schmerzen rechts im Unterleib (an der Stell«?
der nicht gelösten Adhaesioneu des Blinddarmes mit dem Uterus).
Etwas Magenbesclnverden.
1. IV. Bauchwmnde völlig vernarbt; Uterus normal gross;
links im Unterleib Narbengewebe; nicht empfindlich.
1. VIII. Vorzügliches Befinden; hat um sehr vieles im Ge¬
wicht zugenommen; sieht blühend aus. Trägt aus Eitelkeit keine
Leibbinde.
1. IX. Vorzügliches Befinden; Neigung zum Bauchbruch. —
Das gewonnene Präparat im frischen Zu¬
stand zeigt die um sich selbst und in sich selbst in auf- und
absteigenden Linien verwachsene, mehrfach verschlungene Tube».
Sie ist etwa kleinfingerdick, allseitig von Adhaesionsmembranen
straff eingehüllt, nach dem Uterus zu spitzer und dünner werdend;
hier ein kaum steckuadelkopfgrosses Lumen. Die Tube läuft
laieralwärts in eine Geschwulst hinein, ähnlich wie etwa ein viel¬
fach gewundener, verkrüppelter Stengel eines Pilzes in den Kopf
desselben. Dieses breite unregelmässige runde Ende zeigt auf der
Vordertiüche einen ca. 2 cm langen Riss, der in eine Höhle führt.
Sieht man in diese hinein, die vorne und aussen ganz dünne Wan¬
dung hat, so sieht man das Fimbrienende der Tube hineinragen,
allseitig von der Cysten wand umwachsen. Aus dem Fimbrien¬
ende quillt ungemein deutlich die Schleimhaut der Tube blauroth
heraus und in die Cystenhöhle hinein, so dass im unversehrten
Präparate unzweifelhaft die Fimbrien im Cysteninhalt ttottiren
mussten. Die Cyste zeigte medianwärts und nach unten zu mit
blossem Auge normales Eierstocksgewebe; dieses hinwiederum
trägt am unteren freien Pol einen haselnussgrossen, sprungreifen
Follikel. An der hinteren Fläche der Geschwulst sind zahlreiche
frische Verwachsungen zu sehen, die bei der Operation stumpf ge¬
löst waren und zwischen welchen einerseits, und den Därmen
andererseits die erwähnte bei der Operation hervorquellende Eiter-
ansammlung bestand.
Es wird aus der Tube, aus dem Fimbrienende je ein Stück
zur mikroskopischen Untersuchung genommen, dessgleichen vom
Tubensecret.
Nach Einlegung in Formalin, dann in 90 proc. Alkohol reprä-
sentirt sich das Präparat folgendermaasseu:
Das Präparat ist etwas geschrumpft. Insbesondere sind die
Cysten Wandungen zusammengefallen und die Höhle ist auf ein
kleines redueirt, immerhin noch etw'a pflaumengross. Die Höhle
des am unteren Ende befindlichen sprungreifen Follikels etwa
erbsengross.
Die Tube in der Vorderansicht stark auf Fingerstärke
verdickt, gewunden; an den Windungsstellen sind die äusseren
Flächen fest, untrennbar mit einander verwachsen, so dass
sehr scharfe Knickungen bestehen. Die Tube steigt zuerst
gerade in die Höhe, knickt sich dann an der Oberfläche etwas ein.
um sich wieder nach aussen weiter zu strecken, biegt dann fast im
rechten Winkel nach unten ab, um sich wie ein geknickter
Schlauch gleich darauf wieder senkrecht in die Höhe zu strecken
und sofort wieder ganz kerzengerade senkrecht in die Tiefe zu ver¬
sinken und so mit dem abdominalen Ende in der unter ihr liegen¬
den Geschwulstmasse zu verschwinden. Hier beim Einsinken
min in diese ist die Tube allseitig von derbem, sehr festem Gewebe
umschlossen, so dass es z. B. ein vergebliches Bemühen wäre, di«*
Tul»e wie einen Stiel «aus dem übrigen Gewebe herauszureissen.
Insbesondere ist dies von hinten her vorzüglich zu sehen, wo, wie
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wir sehen werden, sich sehr derbe Membranen gebildet haben. Di«*
ganze Tube würde, wenn man sie in die Länge ziehen könnte, was
in Folge der starken peritonitischen Verwachsungen der äusseren
Wandungen natürlich unmöglich ist, um ein gut Stück über die
Norm verlängert erscheinen, genau wie sie au Dicke und
Breite zugenommen hat. Eine schmale, flache Furche grenzt
lür das Auge deutlich auf der Vorderfläche das dem Eierstocke
zugehörige Gewebe von der unteren Fläche der Tube ab, w r enn
sie auch untrennbar verbunden siud. Die ganze Vorderfläche des
Präparates, also Tube und Ovarium, ist mit kleinen Fetzclien ver¬
sehen, Spuren von der Ausschälung. Nur die Cystenkuppe ist
glatt, ebenso die unterste Spitze, auf der der Follikel sass.
Von hinten gesehen ist die Geschwulst viel instructiver.
Tube
Ov. »-'-S
Wir sehen die starken Wandungen der Tube, dieselben Knick¬
ungen, w’ie von vorn, dieselben Adhaesioneu an den Tubenw’an-
dungen. Was aber ganz besonders schön zu Tage tritt, das ist die
senkrechte Einsenkuug des abdominalen Tubenendes in die Eier¬
stocksmasse. Das abdominale Drittel ist das breiteste der Tube,
«lie überhaupt vom uterinen Ende her an Umf.ang allmählich zu-
nimmt. Hier ist es über 1 cm breit und verschwindet so in dem
Ovarialgewebe, dass es von diesem vollständig mit einem derben
starken Ring umschlossen ist. Es erinnert das Bild auch etwas
an einen sich in die Glans verlierenden Penisschaft; oder, wie beim
frischen Präparat bemerkt, einen im Stengel verkrüppelten Pilz.
Die Kuppe des Pilzes entspricht der Kuppe der Cyste. Noch
deutlicher wie von vorne markirt sich in einer gewundenen Linie
die Abgrenzung der dem Eierstock ursprünglichen Substanz vor
der der Tube.
Die ganze Wand ist hier hinten mit derben Membranen be
deckt.
Hier au dieser hinteren äusseren Fläche der Geschwulst in
der Tiefe w r ar der bei der Operation nach Entleerung der Cyste
hervorquellende Abscess. Diese hintere Geschwulstwand bildete
zugleich die vordere Abscesswand. Die so gebildete Abscesshölile
war unzweifelhaft unabhängig von «1er Cystenhöhle. Sie lag ganz
ausserhalb der Geschwmlstmasse. Auf die Bed«*utung dieser Eiter¬
ansammlung für das Zustandekommen des ganzen Processes
w erde ich später zurückkommen.
Um nun den Zusammenhang des Tubeulumens und der Tube
überhaupt mit der Eierstocksgesctnvulst zu erkennen, wird das
letzte senkrechte, etwa 3—4 cm lange Tubeneude an der oberen
Kuppe senkrecht eingeschnitten und von dieser Oeffnung aus
eine feine Sonde in den Tubencanal nach unten gegen die
Geschwulstmasse zu fortgeführt. Wenn mau nun in die Cyste durch
den Riss hineinsieht, sieht man die Sonde aus der Tube frei in die
Höhle ragen, inmitten der Fimbrienenden.
Nun wird die ganze Geschwulst der Länge nach auf ge¬
schnitten, so dass der Tubencanal in die Schnittfläche fällt.
(Fifj. 2 siehe nächste Seite.)
Vor Allem sehen- wir sofort frei in der Cystenhöhle die ge¬
quollene Tubenschleimhaut flottiren. Dies war schon im frischen
Präparat sehr schön zu sehen. Und obw r ohl, wde erwähnt, im
frischen Präparat von diesen Tubenfransen ein gut Theil zur
mikroskopischen Untersuchung mit der Scheere entfernt word«»n
w'ar, ragten noch im geschrumpften Präparate wunderschön frei
In die Cystenhöhle die verdickten und an Zahl stark vermehrten,
untereinander nicht verklebten Fimbrienfrnnsen. Zum Ueberfluss
ragte aus ihrer Mitte die von oben eingeführte Sonde frei in di«»
Höhle, so dass es ganz unzweifelhaft ist, dass sich das Fimbrien-
emle frei in der Eierstockcyste befindet und, solange diese noch
mit Flüssigkeit angefüllt war, darin flottiren musste. Das Fransen
convolnt ist nun natürlich zusamm«»ngelegt und etwa 0,9 cm lang.
3*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
224
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7 .
nt.Ende
d Tube
Ov.
Tuben-Lumen
Tube
Offenes
Um¬
brien-
ende
Follikel
Mit der flachen Fingerkuppe lassen sich die Fransen zwanglos
uuseinanderdrängen und mau sieht trichterförmig in das gerade
für die dünne Sonde durchgängige Tubenlumen hinein. Trichter¬
förmig strahlt die Basis der vielen Fransen zur Tubenöffnung hin.
.Nun sieht mau auch sehr deutlich, wie allseitig der Eierstock die
Tube umklammert: Die grössere Masse des Eierstockes liegt unten,
die kleinere oben. Die untere etwa 1,5 cm, die obere 1 cm im
Durchmesser haltend. Die Cystenwuud nach hinten, wo sich die
starken Membranen auflageru, 0,7 cm dick, die vordere bis auf
'i mm reducirt, am dünnsten nach aussen zu, wo die Kuppe der
Cyste lag.
Die Cyste ist innen von glattem, etwas blutig tingirtem Aus¬
sehen. Im geschrumpften Präparat ist die dünne Wand zusammeu-
gefaltet. Das untere grössere Segment des Eierstocks enthält ein
Corpus luteum von Mandelgrösse auf dem Durchschnitt. Die
erbsengrosse Follikelhöhle im unteren Pol liegt nicht in der Schnitt¬
fläche. Sonst zeigt sich das Eierstocksgewebe makroskopisch
glatt, bisweilen winzige Löchelchen aufw’eisend, besonders im
unteren Theil; sehr spärlich, aber unzweifelhaft, im oberen; beide
als Ovarialgewebe eharakterisirend. Zwischen dem uterinen
Ende des Ovariums und der unteren Fläche der Tube spannen
sich auf dem Schnitt dicke Adhaesionen und Ligamentfasern.
Die Tube ist so glücklich durchschnitten, dass fast zwei Drittel
des Canals in der Schnittlinie liegen. Ungemein deutlich zeigen
sich die Krümmungen und Schlängelungen des Canals, analog den
äusseren Windungen. Wie ein Keil schiebt sich die von aussen als
Einschnürung sich markirende Tuben wand am Beginn des äusseren
Drittels in den Canal und bringt auch diesen zu ziemlich starker
Knickung. Die Tubenwand ist stark verdickt. Deutlich zeigt sich
makroskopisch die Muscularis allseitig auf 4 mm verdickt; die
Mucosa ist noch verdickter, etwa 0,5 cm, stark gewuchert,
und den Canal als etwa 2 mm breite Furche zwischen sich fassend.
Jetzt wird es erst doppelt klar, dass diese Tube ganz unmöglich
eine grössere Ausdehnung ihres Volumens und ihres Canals je
hätte haben können; dass es ganz ausgeschlossen ist, dass zu
Zeiten eine Hydrosalpinx hätte bestehen können. Wie die
Adhaesionen von aussen, so wirkte die mächtig verdickte Wand
von innen dem entgegen. Das innere, dünnste Drittel der Tube
üel nicht in die Schnittfläche.
Der mikroskopische Befund, den Herr Dr. Lange,
Assistenzarzt der chirurgischen Klinik des Herrn Dr. Krecke,
aufzunehmen die Liebenswürdigkeit hatte, ergab in einem der
wenigen frisch genommenen Seeretproben aus der Tube ein Diplo-
coccenpaar, das jedoch mit Bestimmtheit als Gonococcen nicht an¬
zusprechen war; von der Cystenflüssigkeit konnte leider kein
Präparat gewonnen werden.
Schnitte durch die Tube zeigen die Schleimhaut gewuchert,
mit einschichtigem Epithel; die Tuben wand hypertrophisch.
Der untere Pol der Cysten wand zeigte unzweifelhaftes Eier¬
stocksgewebe, kleinere und grössere Follikel in nicht geringer
Anzahl. Sehr viel Bindegewebe mit kleinzelliger entzündlicher
Infiltration. Auf dem oberen Pol konnte in dem kleinen zur mikro¬
skopischen Untersuchung entnommenen Stückchen kein Eier-
stocksgewebe mehr nachgewiesen werden, wenigstens
waren keine Follikel mehr zu sehen. Nur dichte, derbe Züge mit
Bindegew ebe, Gefässen und kleinzellig infiltrirt. Durch allseitigen
Druck ist das Eierstocksgewebe hier wohl als solches zu Grunde
gegangen. Denn gerade hier waren die Schwarten besonders dick
und hier sass auch noch hinten die Eiteransammlung. Aber auch
wenn kein Eierstocksgewebe mehr zu differenciren ist, so wäre
cö eben die von der Cystenmembran und dicken Schwarten ge¬
bildete hintere obere Cystenwand; was nichts an der Deutung der
Genese des Befundes ändert.
Eine Untersuchung der freien Cystenwandung, um eventuell
an ihrer Innenfläche Fimbrien nachzuweisen, konnte unterbleiben,
da diese makroskopisch zu sehen waren.
Der Schnitt durch diese in die Cyste ragenden Fimbrien ergab
herrliche Bilder der vielfach baumartig verzweigten, stets ein¬
schichtigen Tubenschleimhaut mit unversehrtem Oberflächen¬
epithel.
Eine besondere aetiologische Ausbeute bietet der mikro¬
skopische Befund nicht, was auch gar nicht zu erwarten war.
(Fortsetzung folgt.)
Eine Verbessung der „Sonde intra-uterine dilatatrice“
von Doleris^
Von Dr. E. Toff, Frauenarzt in Braila (Rumänien).
Das Vornehmen einer intrauterinen Ausspülung ist ein
häutiges Ereigniss der ärztlichen Praxis, es ist also von Wichtig
Ueit, hierzu ein verlässliches und zweckentsprechendes Instrument
zu besitzen. Die an manchen Kliniken benützten, verschieden
artig geformten Glascanüleu. dürften sich in praxi kaum eiu-
biirgern, da dieselben schw r er transportirbar sind und gewöhnlich
gerade dann brechen, wenn mau sie am dringendsten benöthlgt;
Kautschuksonden sind nicht sterilisirbar, es kommen daher nir
metallische in Betracht. Upter den zahlreichen doppelläufigen
hat sich in Deutschland namentlich diejenige von Bozemann-
Fritsch eingebürgert, obgleich dieselbe noch lange nicht tadel¬
los ist
Von den französischen Sonden ist diejenige von D o 1 6 r i s
sehr praktisch, insoferne sie zu gleicher Zeit auch Dilatations¬
instrument ist. was namentlich bei Placentaretentionen nach
Abortus und nach Cürettirungen von besonderem Vortheile ist.
Nichtsdestoweniger hat dieselbe zw r ei grosse Fehler: sie bildet ein
starres nicht zerlegbares Ganze und die beiden Sonden¬
arme haben eine rechtwinkelige Abknickung. Es ist daher
an eine innere Reinigung gar nicht zu denken, in Folge dessen
sich durch Ablagerung von Schmutz und Rost, namentlich in den
erwähnten Winkeln, das Lumen baldigst verstopft und so das In¬
st rument ganz unbrauchbar wird.
Um diesen Uebelstünden abzuhelfen, habe ich diese Sonde,
wie Fig. 1 u. 2 zeigen, modificirt. Darnach ist dieselbe zerleg¬
reinigt werden. In Ermangelung eines solchen Wischers kann
man auch ein langes Stück Draht, dessen Ende mit etwas Watte
unnvickelt wird, benützen. Selbstverständlich ist «auch ausser¬
dem, vor jedesmaligem Gebrauche, die Sterilisirung durch Kochen
oder Spiritusflamme nicht zu unterlassen.
Fig. 1. Vorderansicht (geschlossen). */ 2 der natürl. Grösse.
o~—-- - w— —.
Fig. 2. Seitenansicht (geöffnet und zerlegt).
b a r und die beiden symmetrischen Theile h.aben nur eine sanfte,
wellenförmige Biegung; nirgends ist ein todter Winkel und
das Innere kann mittels eines dünnen metallischen Biirstchens
(öcouvillon, Fig. 3) in seiner ganzen Ausdehung gründlich ge-
Fig. 3. Metallwischer.
Das Instrument wird in drei Grössen hergestellt: von 7, 9
und 12 mm Querdurchmesser in geschlossenem Zustande, len
habe die mittlere Grösse (9 mm) als die verwendbarste und für
alle Zwecke tauglichste gefunden .*)
Ueber das „intermittirende Hinken“.
Literarische Notiz von Prof. Dr. E r b in Heidelberg.
In dem vor Kurzem erschienenen reichhaltigen Bande 66
des Deutsch. Arch. f. klin. Mcdic., der Herrn Geheim - Rath
v. Ziemssen als Festschrift zur Vollendung seines 70. Lebens¬
jahres überreicht w T urde, findet sich auch (auf S. 500 u. ff.) eine
Arbeit von Dr. Grassmann in München: Beitrag zur Kennt-
niss der „Claudication intermittente“, in welcher der Verf.
einen von ihm beobachteten ganz interessanten und typischen
♦^Derartige Sonden habe ich von C o 11 i n in Paris (6, Rue de
l'l^colc-de-Mödecine) construiren lassen.
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
225
Fall dieser Erkrankung mit allerlei literarischen Nachweisen
und eigenen epikritischen Bemerkungen begleitet.
Es dürfte für den Autor nicht ganz uninteressant sein zu er¬
fahren, dass ich bereits vor fast 1 l / s Jahren in der Deutsch. Zeit¬
schrift f. Nervenheilk., Band XIII (erschienen am 11. Aug. 1898)
eine ziemlich umfassende Arbeit: „lieber das intermittirende
Hinken etc.“ publieirt habe, die von verschiedenen Seiten Beach¬
tung gefunden hat und in allen möglichen Centralblättern und
anderen Zeitschriften referirt worden ist. Eine Art Supplement
zu dieser Arbeit erschien dann noch im April 1899 in den „Mit¬
theil. aus den Grenzgebieten der Medici n und Chirurgie“, Bd. IV,
unter dem Titel: „lieber Bedeutung und praktischen Werth der
Prüfung der Fussarterien bei gewissen anscheinend nervösen Er¬
krankungen.“
Ich gestatte mir diesen Hinweis, damit nicht die Arbeit des
Herrn Dr. Gr., wie es nach seinen einleitenden Bemerkungen
unvermeidlich wäre, den Anschein erwecke, als ob man in
Deutschland dem Syndrom des „intermittirenden Hinkens“ so
gut wie gar keine Beachtung geschenkt habe.
Heidelberg, 29. Jan. 1900.
Kritische Bemerkungen über die Rosin’sche Me¬
thode zur Bestimmung der reducirenden Kraft des
Harns u. s. w.
Von Dr. L. Spiegel und Dr. G. P e r i t z.
In No. 44 der Münch, med. Wochensehr, hat Herr Dr. Itosin
eine Methode zur Bestimmung der reducirenden Kraft des Harns,
Blutes und anderer Körperflüssigkeiten veröffentlicht. Er bedient
sich dazu des Kaliumpermanganates unter Zuhilfenahme des
Methylenblau bezw. seines Leukokörpers als Indicators. Die Vor¬
schriften, die Rosin für seine Methode angibt, sind folgende:
.,In ein E r 1 e n m e y e r - Kölbchen von 100 ccm Inhalt werden
ftö ccm des um das 5 fache verdünnten, nur noch schwach gelb-
gefärbten Harns gegossen und 1 ccm ofificinellen Liq. Kal. caust.
hinzugefügt. Sodann wird Paraff. liquid, in 3facher Höhe über die
Mischung geschichtet und das Ganze vorsichtig bis nahezu zum
Sieden erhitzt. Man muss dafür sorgen, dass die Luft völlig ab¬
geschlossen bleibt, und so muss man auch das Sieden verhindern,
durch welches Luft und Flüssigkeitsblasen an die Oberfläche ge¬
schleudert werden und eine Communication mit der äusseren Luft
hergestellt werden kann.
In die erhitzte Flüssigkeit fügt man aus einer Bürette, deren
Abflussrohr so lang ist, dass es unter die Paraffinschicht tauchen
kann. 1 ccm einer Methylenblaulösung (Chlorhydr.) 1:3000 und
erhält die Flüssigkeit auf dem Drahtnetz weiter erhitzt. Nach
wenigen Secunden ist die blaue Farbe stets verschwunden. Jetzt
fügt man aus einer anderen Bürette in die stets weiter erwärmte,
aber vor dem Sieden behütete Flüssigkeit so viel von einer
7 ;w . - Normalpermanganatlösung, bis die blaue Farbe wiederkehrt,
d. h. bis die Flüssigkeit eben beginnt einen blaugrünen Schimmer
zu bekommen.“
Die Benutzung eines Indicators bei der Titration mit Per¬
manganat erregte unsere nicht geringe Verwunderung, da be-
kanuterraaassen das stark färbende Mangansalz bei Beendigung
der Titration den Umschlag in seine Eigenfarbe sehr deutlich
und scharf zeigt. Allerdings pflegt man in saurer Lösung zu
titriren, weil in alkalischer das Permanganat nicht die ihm eigene
Kothfärbung, sondern die Grünfärbung des Manganates hervor¬
ruft. Aber gerade auf Eintritt einer blaugrünen Färbung titrirt
It o s i n. Einige Vorproben, die wir anstellten, belehrten uns aber,
dass es sich um eine Bestimmung des ReductionsVermögens gegen¬
über Permanganat nicht handeln konnte, denn Harn wie andere
mlueirende Flüssigkeiten, allein mit Permanganat titrirt. ergaben
einen grossen Mehrverbrauch an Flüssigkeit gegenüber dem ge¬
ringen bei Anwendung des vorgeschriebenen Indicators.
Wir müssen daher den Titel, den R o s i n seiner Methode ver¬
liehen hat als falsch zurückweisen. Es wird nicht die absolute
redueirende Kraft des Harns etc. bestimmt, sondern nur die rela¬
tive, das Verhältniss von Substanzen, welche leichter oxydirt
werden als Leukomethylenblau, d. h. als ein durchaus willkürlich
gewähltes Vergleichsobject. In solcher Einschränkung könnte
man der Methode vielleicht einigen Werth zusprechen, wenn ihr
Autor sich die Mühe gegeben hätte, festzustellen, dass die Eiu-
h.'iltung seiner Angaben gleichmässige Resultate gewährleistet,
dass diese durch wechselnde Mengen normaler Hambestandtheile
nicht beeinflusst werden; welche anormalen Bestandteile einen
Einfluss ausüben und schliesslich, ob die Aenderungen der Werthe
dem wechselnden Gehalte an diesen proportional verlaufen. Von
allen diesen notwendigen Grundlagen einer quantitativen Me¬
thode, die nicht lediglich der Titrirsucht Vorschub leisten soll, ist
in der Publication R o s i n’s nichts zu Anden. Wir haben daher,
nachdem einmal unsere Aufmerksamkeit wachgerufen war, eine
Prüfung der Methode in dieser Beziehung für nützlich gehalten.
Zu unserer Ueberraschuug fanden wir, dass die Methode schon
dem ersten Erforderniss nicht genügt. Trotz möglichst genauer
Einhaltung der Rosin’schen Vorschrift erhielten wir bei dem-
No. 7.
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selben Harn durchaus wechselnde Werte. So gab beispielsweise
eine Serie von 4 Versuchen einen Verbrauch von 2,4—7,3—8,8—
9.2 ccm der Permanganatlösung. Wir konnten als Ursache dieser
grossen Verschiedenheit nur Temperaturungleichheiten annehmen
und versuchten daher, durch genaue Regulirung der Temperatur
zum Ziele zu gelangen, indem wir als Rührer ein Thermometer
benutzten und die Höhe der Heizflamme, sowie den Einfluss der
Titrirflüssigkeit so regelten, dass die Temperatur nur um 2—3 ,;
schwankte. So wurden bei 9Ö—92° in 3 Versuchen 2,8—1,6—2,3 ccm
Permanganatlösung verbraucht, für einen anderen Harn (b) iu
2 Versuchen 0,7 und 0,75 ccm. Weitere Erhöhung der Temperatur
unterhalb 100 0 änderte an dem Resultate nichts. Dagegen ergab
sich bei 79—82° ein wesentlich höheres Resultat, nämlich für
Harn b in 2 Versuchen 1,9 und 1,7 ccm Permanganatlösung. Bei
Einhaltung der R o s i n’schen Angaben sind Schwankungen zwi¬
schen 80 und 92°, wohl auch in noch weiteren Grenzen, recht mög¬
lich und die thatsäclilich von uns beobachteten Resultate mögen
hierin ihre Erklärung finden.
Es ergibt sich also 2., dass R o s i n’s Methode nur den rela¬
tiven Gehalt an Substanzen nachweist, welche unter ganz be¬
stimmten Temperatur Verhältnissen leichter als Leukomethylenblau
von Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung oxydirt werden.
Da das Reductionsvermögen des Leukomethylenblaus umsomehr
gegenüber den normalen Harnbestandtheileu zurücktritt, je tiefer
die Temperatur ist, so zeigt uns die Titration nach R o s i n ein
Verhältniss an, das von dem unter physiologischen Bedingungen
allem Anschein nach durchaus verschieden ist.
Die weiteren Titrationen wurden sämmtlich bei 90—92 0 an-
gestellt.
Dass normale Hambestandtheile auch unter den für das
Leukomethylenblau günstigsten Bedingungen noch an der Oxy¬
dation durch Permanganat sich vor jenem betheiligeu, zeigten uns
Versuche mit Harnsäure. Die Titration desselben Harnes (bi
unter Zusatz von 1 ccm einer 1 proc. Harnsäurelösung ergab einen
Permanganatverbrauch von 1,30, übereinstimmend bei 2 Ver¬
suchen, also einen Mehrverbrauch von 0,5—0,0 gegenüber dem
reinen Harn. Die Harnsäure wird demnach wenigstens theilweise
vor dem Wiedereintritt der Blaufärbung oxydirt.
Wir wendeten uns alsdaun den pathologischen Harnbestand-
theilen zu, indem wir einige Versuche über deu Einfluss des
Traubenzuckers auf den Ausfall der Methode anstellteu. Wie zt:
erwarten war, erhöhte dieser den Permanganatverbrauch. Wir
fanden für 1 ccm einer 1 proc. Dextroseiösung, zu 25 ccm verdünnt,
unter Zusatz von Methylenblau 2,5—2,7 ccm Permanganatver¬
brauch. Ein Control versuch zeigte, dass auch im Harn durch ent¬
sprechenden Zusatz eine gleiche Erhöhung des Permanganat¬
verbrauches eintritt. für Harn b mit 1 ccm Zuckerlösuug 3,2 ccm.
Andererseits aber ergab sich, dass eine vollständige Oxydation
des Traubenzuckers vor der Inangriffnahme des Leukomethylen-
blaus nicht eintritt. Eine Probe der austitrirten Lösung, mittels
Pipette entnommen und mit F e h 1 i n g’scher Lösung versetzt,
reducirte dieselbe noch deutlich, enthielt also noch unoxydirten
Zucker. Als Gegenprobe nahmen wir durch Zink redueirtes Leu-
komethylenblau. Diese reducirte Fehlin g’sche Lösung in
keiner Weise. Wir können also daraus schliessen, dass alle oxy-
dablen Substanzen des Harns zu gleicher Zeit angegriffen werden,
nicht eine Körperclasse, wie etwa die Zucker, bevorzugt wird,
und dass der Wiedereintritt der Blaufärbung durchaus nichts mit:
der Beendigung der Oxydation, selbst eines einzelnen reinen Kör¬
pers, zu thun hat.
Unter solchen Umständen ist zu erwarten, dass hier die
Regeln des Massenwirkungsgesetzes zur Geltung kommen, d. li.
dass der Mehrverbrauch von Permanganat bei steigenden Mengen
Dextrose nicht im gleichen, sondern in einem stärkeren Verhältniss
steigt, entsprechend dem Verhältniss der chemischen Massen (das
Product aus Verwandtschaftskraft und Masse) von Dextrose und
Methylenblau. Der Versuch bestätigt dies.
Titration von 1 ccm Zuckerlösung ergab 2,5 —2,7 ccm Permanganat,
für 2 ccm wurden verbraucht 4,95—5,15 „ „
für 3 ccm aber 12,6 u. 12,7, also nicht wieder
2,5 ccm mehr, sondern circa 7,5 ccm.
Für die verhältnissmässig einfachen Gemische von Dextrose
uud Leukomethylenblau liesse sich wohl auf Grund exacter Ver¬
suche eine Correctionsformel berechnen. Doch würde dieselbe für
die complicirteren Verhältnisse von Körperflüssigkeiten, Harn
u. s. w., bei denen noch eine ganze Anzahl chemisch uud nume¬
risch unbekannter Componenten in Betracht kommt, nicht zu-
treffen, und es würde sieh hierfür auch keine entsprechende Cor
rectionsformel berechnen lassen.
Eine weitere Unrichtigkeit enthält die Angabe zur Berechnung
der reducirenden Kraft des Harns. R o s i n sagt: „Aus den ver¬
brauchten Cubikceutimetern der Permanganatlösung wird der Ver¬
brauch an Sauerstoff berechnet. Diese verbrauchte Menge gibt die
redueirende Kraft des Harns an.“ Den Verbrauch au Sauerstoff
zu berechnen, ist aber bei dieser Methode nicht möglich. Während
Permanganat, in schwefelsaurer Lösung titrirt, durchweg zu
Manganoxydul reducirt wird, die Sauerstoffabgabe also einheitlich
ist, stellen die in alkalischer Lösung entstellenden Niederschlägt'
ein Gemisch von Mangandloxyd und niederen Oxydationsstufen
dar, ohne dass sich hierfür Regeln feststellen lassen. 1 )
Wir glauben durch unsere Versuche Folgendes bewiesen zu
haben: 1. Die Methode von Rosin, nach seiner Vorschrift aus-
’) Vergl. Groeger: Chem. Zeitg. 18, 743.
4
Original frem
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
226
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
geführt, gibt keine gleichmässigen Resultate; es ist vielmehr Ein¬
haltung einer ganz bestimmten Temperatur nothwendig. Je
niedriger die Temperatur ist, umsomehr kommen andere Sub¬
stanzen dem Leukomethylenblau gegenüber zur Oxydation. Die
nach dieser Methode erhaltenen Resultate lassen sich demnach
zur Beurtheilung des Oxydationsbestrebens unter physiologischen
Verhältnissen nicht verwertlien.
2. Zu den Substanzen, welche die Resultate beeinflussen, ge¬
hören normale Harnbestandtheile, sicherlich die Harnsäure.
3. Die Oxydation der „reducirenden Körper“ ist keine quanti¬
tative.
4. Die Beeinflussung der Resultate durch pathologische redu-
cirende Substanzen verläuft nicht proportional dem Gehalt an
solchen.
5. Die Methode gibt keinen zlffernmässigen Maassstab für den
Sauerstoff verbrauch.
Die Verwendung der Gelatine zur Stellung cholaemi-
scher Blutungen nach Operationen am Gallensystem
nebst Bemerkungen Uber Poppert's wasserdichte
Drainage der Gallenblase.
Von Prof. I)r. Hans Kehr in Halberstadt.
(Schluss.)
Da ich nun einmal bei meinem Lieblingscapitel, der Gallen¬
steinchirurgie verweile, möchte ich die Gelegenheit benützen,
um auf eine in No. 50, 1899 der Deutsch, med. Wochenschr.
kürzlich erschienene Arbeit von P o p p c r t. : „D i e Chole-
cystotomie mit wasserdichter Drainage der
G all enb läse“ mit einigen Worten einzugehen.
Der Arzt, der nicht genau in der Geschichte der Gallenstein¬
chirurgie bewandert ist, muss aus den Darlegungen Poppert’s
den Schluss ziehen, dass die Methode, die er zur Entfernung von
Steinen sowohl aus grossen, als auch aus geschrumpften Gallen¬
blasen empfiehlt, nämlich die wasserdichte Drainage,
etwas ganz Neues vorstellt. Wer aber in der Gallenblasen¬
chirurgie einigermaassen Bescheid weiss, wird sich erinnern, dass
ich schon im Jahre 1894 auf dem Chirurgencongress über ein
Verfahren berichtet habe, welches bei geschrumpften Gallen¬
blasen zur Anwendung kam und von mir den Namen
„Schlauchverfahren“ erhielt. Beide Verfahren,
das von Poppert und das meinige, decken sich
nun vollständig. Auf dem Chirurgencongress 1898 hat
das Poppert auch schon theilweise zugegeben, wenn er sagt:
„Das beschriebene Verfahren ist, wie Sie sehen, also nur eine
Vervollkommnung der sogen. „Schlauchdrainage“ von K e h r“,
aber in seiner neuesten Arbeit, in welcher er nach Besprechung
der verschiedenen Operationsmethoden bei geschrumpfter Gallen¬
blase auch mein Verfahren nennt, stellt er — ich bin überzeugt,
dass dies absichtslos geschieht — den Sachverhalt so dar, dass
der Leser unwillkärlieh auf den Gedanken kommen muss, als ob
die von ihm geübte Methode von der meinigen in der Idee und
Technik weit abweicht, resp. mit derselben gar nichts zu thun
habe. Dieses Gefühl hatten auch andere Collegen, welche der
Angelegenheit natürlich objectiver gegenüberstehen, als ich
selbst. Liest man die Worte Poppert’s: „All’ die genannten
Schwierigkeiten, die sich dem Operateur bei kleiner Gallenblase
entgegenstellen, lassen sich nun leicht durch eine einfache Modi-
fieation der C-ystostomie überwinden, die man am zweck-
massigsten mit dem Namen wasserdichte Drainage bezeichnet.
Veranlasst zu dieser Modification wurde ich etc.“ — so muss ein
Jeder sich sagen, dass die vorher genannten Methoden, darunter
auch mein Schlauchverfahren, von der Popper t’schen Methode
sämmtlich in den Schatten gestellt werden. Ob Poppert das
Hecht hat, von einer eigenen Modification der Cystostomie zu
reden, darüber mag der geehrte Leser entscheiden, doch mochte
ich zur Klarlegung der Angelegenheit einige historische Daten
über mein Schlauch verfahren anzuführen nicht unterlassen.
Zuerst habe ich, wie schon oben erwähnt, auf das Schlauch¬
verfahren aufmerksam gemacht in einem Vortrag, den ich 1894
auf dem Chirurgencongress „Ueber die Entfernung des einge¬
klemmten Gallensteins aus dem Ductus cysticus durch In-
cision dieses Ganges“ gehalten habe. Der betreffende Passus
lautete: „Man kann in solchen Fällen auch” — nämlich bei ge¬
schrumpfter Gallenblase — „wie ich das 3 mal ohne Schaden für
das Peritoneum that., die sofort eröffnete Gallenblase mit einem
langen Rohr versehen, dasselbe mit recht viel Gaze umwickeln
und so die Bauchhöhle vor einer Infection durch die nach aussen
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abgeleitete Galle schützen”. 6 ) Dann habe ich in meiner im Jahre
1896 erschienenen Monographie: „Die chirurgische Behandlung
der (irtllensteiukrankheit” auf p. 25 und 116 schon von 6 Fällen
berichtet, welche nach dem Schlauchverfahren operirt, glatt ver¬
liefen. Aus der auf p. 116 niedergeschriebenen Krankengeschicht e
geht hervor, dass die Drainage wasserdicht angelegt sein müsst**.
Allerdings habe ich dabei nicht besonders bemerkt, dass der
Schnitt in der Gallenblase so weit zugenäht wurde, dass ein
wasserdichter Abschluss entstand. Aber ich hielt die abschlies
sende Naht für eine so selbstverständliche Beigabe
des Schlauch Verfahrens^ dass ich es nicht der Mühe werth hielt,
die Faclicollegen auf dieselbe hinzuweisen. Es versteht sich wohl
ganz von selbst, dass wenn man ein mit Flüssigkeit sich füllendes,
in der Tiefe der Bauchhöhle gelegenes Hohlorgan drainiren will,
man das Kohr so befestigt, dass sämmtliche Flüssigkeit durch
dasselbe nach aussen abfliesst. Ist also der Schnitt in der Gallen¬
blase von vornherein zu gross gewesen, so muss man ihn verklei¬
nern. war er zu klein, so muss man ihn vergrössern.
Das ist aber alles doch so selbstverständlich, dass meiner An¬
sicht nach der Chirurg darüber einer besonderen Belehrung nicht
bedarf.
P o p p e r t gibt nun an, dass ich von meinem Schlauch¬
verfahren „wieder zurückgekommen“ sei. Ich habe aber
nur gesagt, dass es in der letzten Zeit von mir nicht mehr so
häufig angewandt wurde. Dass ich nicht von dem Verfahren
zurückgekommen bin, werden unsere Fälle ihm beweisen, die in
meinem nächsten Jahresbericht über die Thätigkeit in meiner
chirurgischen Privatklinik veröffentlicht werden sollen.
Die Gründe, die mich bewogen haben, das Schlauchverfahren
einzuseliränken, bitte ich in dem Vortrag, in der Sammlung
klinischer Vorträge von v. V olkmann No. 225: „Die Resultate
von 360 Gallensteinlaparotomien unter besonderer Berücksich¬
tigung der in den letzten zwei Jahren ausgeführten 151 Opera¬
tionen“, nachzulesen; es würde zu weit führen, dieselben siimint-
lieh zu wiederholen.
Ich lege übrigens auf sogenannte Prioritätsrechte gar kein
Gewicht und desshalb ist es mir vollständig gleichgiltig, ob da -
Verfahren Schlauchdrainage, oder wasserdichte Drainage genannr,
oder ob es auf den Namen Poppert oder Kehr getauft wird:
auch will ich nicht in das Klagelied eines verdienten Chirurgen
einstimmen, „dass dem Erfinder gegenüber ein schweres Unrecht
geschieht, wenn nach geringfügigen Modificationen eine Ope¬
ration mit einem neuen Namen in Verbindung gebracht wird“.
Für mich bleibt immer die Hauptsache, dass die Erfindung, gleich¬
viel ob sie von diesem oder von jenem Chirurgen stammt, gut
ist und einen Fortschritt bedeutet. Ob das bei der wasser¬
dichten Drainage der Fall ist, darüber werde ich mir weiter unten
einige Bemerkungen gestatten. Jedenfalls steht fest, dass die
Idee zum Schlauchverfahren nicht von Poppert, sondern von
mir stammt. Der Unterschied ist nur der, dass P o p p e r t es für
nöthig hielt, auf die Anlegung einiger Nähte hinzuweisen, wäh¬
rend ich es unterliess, dieselbe als etwas Selbstverständliches be¬
sonders zu betonen.
Neu ist — das gebe ich gern zu — an der Mittheilung
Poppert’s, dass er das Schlauchverfahren nicht nur bei ge¬
schrumpften, sondern auch bei grossen Gallenblasen anwendet;
ob das immer gut ist, ist eine andere Frage.
Am Schluss seines Vortrages bespricht Poppert die wasser
dichte Drainage am Choledochus. Auch hierbei muss der in die
Geschichte der Gallensteinchirurgie nicht gehörig eilige weihte
Leser nach der ganzen Art der Popper t’schen Darstellung auf
den Gedanken kommen, dass die wasserdichte Drainage beim
Choledochus erst die Conscquenz des von ihm an der Gallen¬
blase geübten Verfahrens sei. Wenn man aber die Beschreibung
Poppert’s mit der meinigen, schon vor 2 4 / 4 Jahren erfolgten,
vergleicht, so wird man ersehen, dass unsere beiden Opera¬
tionsmethoden auch nicht um ein Haar von ein¬
ander abweichen. Poppert sagt: „Der Katheter wird
auch hier zuerst durch eine Naht in der oben beschriebenen
Weise in einem Wundwinkel angeheftet, die übrige Incisions-
wunde im Choledochus schliesst man durch eine einreihige, meist
durch die ganze Dicke der Wandung dringende Naht und leitet
die Fadenenden nach aussen. Die Aussstossung dieser Fäden
erfolgt stets sehr leicht.“ Ich habe in einem Vortrag, den ich am
6 ) Arcli. f. klin. Chirurg. Bd. 48, Heft 3.
Original fro-m
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1 3. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
227
23. September 1897 in Braunschweig bei Gelegenheit der Natur-
forscherversaminlung gehalten habe, über einen Fall berichtet,
an welchem ich am 26. April 1897, also vor nunmehr 2 s / 4 Jahren,
nudnc erste Hepatieusdrainage ausführte. In No. 41 dieser
Woclienschr. 1897 heisst es auf pag. 1129 folgendermaassen:
„Nach Entfernung der Steine legte ich mir die Frage vor, ob ich
den Oysticus- und Choledoehusschnitt wieder vernähen sollte.
Heide Hessen sich bequem zugänglich machen und die Naht-
anlegung wäre voraussichtlich auf keine besonderen Schwierig¬
keiten gestossen. Aber, da mir wegen der cholangitischen Erschei¬
nungen eine möglichst ausgiebige Drainage des Gallensystems als
die Hauptsache erschien, verzichtete ich auf die Naht und führte
die directe Drainage des Ductus hepatieus auf folgende Weise aus.
Es wurde ein langes, recht weiches, zeigefingerdickes Gummi¬
rohr gewählt, welches ca. l / 4 Stunde lang in Sodalösung aus¬
gekocht war und genau dem Lumen des Hepatieus entsprach, so
dass es seinen Wandungen fest anlag. Dasselbe wurde ca. 5 cm
weit im Hepatieus vorgeschoben und seine Austrittsstelle durch
ganz oberflächliches Abschneiden eines Gummi Stückchens kennt¬
lich gemacht. Die Marke dient zur Oricntirung, ob das Rohr
noch tief genug im Hepatieus steckt, denn während der weiteren
Operation, besonders bei Vornahme der Tamponade, kann es sich
bücht verschieben. Um das ganz sicher zu vermeiden, wurde
ausserdem der Gummisehlaueh durch eine feine Seidensutur am
Stumpf des Cysticus befestigt. Die Choledoehusincision wurde bis
zur Austrittsstelle des Rohres aus dem Hepatieus durch eine ein¬
reihige Naht geschlossen. Dann folgte eine gründliche Reinigung
dos Operationsterrains und eine ausgiebige Tamponade um das
Rohr herum. Alle Nähte um Cysticus und Choledochus herum
wurden mit langen Streifen steriler Gaze belegt und diese dann
summt dem Rohr zur Bauchwunde herausgeleitet.“
Man sieht aus dieser Beschreibung, dass ich schon vor 2 3 / 4
Jahren genau nach der allerneuesten Vorschrift Poppert’s
operirt habe, und dass meine Drainage ebenso wasserdicht war,
wie die seinige, geht daraus hervor, „dass sämmtliche Galle, welche
die Leber der Patientin producirte, von dem Rohr auf gefangen
worden ist. An dem Verband wurde 10 Tage lang nichts vorge¬
nommen, dann wurde er entfernt, die tamponirende Gaze durch
reichliches Spülen mit physiologischer Kochsalzlösung erweicht,
das Rohr aus dem Hepatieus nach Beseitigung der Gaze und
siimmtlicher Fäden am Cysticus und Choledochus herausgezogen.“
Ich kann nicht annehmen, dass P o p p e r t mein Operations¬
verfahren nicht genau gekannt hätte, vielmehr beweist er durch
häufige Nennung meines Namens, dass er meine Arbeiten gelesen
hat, aller sicherlich wäre es richtiger gewesen, wenn er, wie er
das auf dem Chirurgencongress 1898 that, seine Methode wenig¬
stens als eine Vervollkommnung der meinigen hingestellt hätte.
Wiewohl zwar ein principieller Unterschied keineswegs besteht,
so konnte er doch darauf hinweisen, dass ich bei dem an der
Gallenblase angewendeten Schlauchverfahren keine abschliessende
Naht besonders betont habe, wenn ihm auch aus der ausführ¬
lich beschriebenen Technik der Hepatieusdrainage her¬
vorgehen musste, dass ich für eine wasserdichte Drainage in
a 11 e n Fällen gesorgt hatte.
Das Wohl der Gallensteinchirurgie wird indes* nicht geför¬
dert, wenn zwei Vertreter derselben sich um die Vaterschaft einer
Methode streiten: „Eintracht macht stark, Zwietracht zerstört“.
Und desshalb will ich mich nicht dagegen auflehnen, wenn mein
Schlauch verfahren in Vergessenheit geräth und durch den besser
klingenden Namen „wasserdichte Drainage“ ersetzt wird. Auch
habe ich mich keineswegs zurückgesetzt gefühlt, dass P o p p e r t
meine Methode nicht genügend gewürdigt hat; ich freue mich
vielmehr, dass die Mittheilung P o p p e r t’s mir Gelegenheit gibt,
mich in Sachen meiner Lieblingsbeschäftigung einmal wieder
zu äussern.
In erster Linie möchte ich die Frage behandeln, ob in der
That die wasserdichte Drainage all’ die Vorzüge besitzt, welche
Poppert ihr nachrühmt? Ich muss auf Grund von nunmehr
470ausgeführtenGallensteinlaparotomien mich dahin aussprechen,
• lass die Cyrtotomie, gleichgiltig, ob wir nach Tait, Riedel,
Lauenstein oder Poppert operiren, zwar gute augenblick-^
liehe Resultate aufweist, im Hinblick auf die Dauererfolge
aber manches zu wünschen übrig lässt. Zwar habe ich noch nie¬
mals ein richtiges Reeidiv erlebt, aber wie ich schon öfters in
meinen Arbeiten darauf hinweisen konnte, habe ich nach aus¬
geführter Cystostomie Beschwerden auftreten sehen, welche auf
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entzündliche Processe in der erhaltenen Gallenblase hindeuten.
Das bei der Fistelbildung geschonte Hohlorgan tritt in mehr oder
weniger ausgiebiger Verwachsung mit der Bauchwand und den
Intestinis; die Herausschaffung der sich dort stauenden Galle
wird gehemmt und desshalb kommt es immer wieder zu entzünd¬
lichen Processen der Gallenblasenschleimhaut. Daran ändert
auch nichts Popper t’s wasserdichte Drainage bei grossen
Gallenblasen. Ich bin desshalb auf Grund der Erfahrungen in
den letzten Jahren zu der Ueberzeugung gekommen, dass es
das Beste ist, wenn man die Gallenblase ent¬
fern t.
Demnach muss die ausgedehnte Anwendung der wasser¬
dichten Drainage, deren Technik so leicht ist, dass sie gern an
Stelle der Cystectomie geübt werden wird, für einen Rück¬
schritt in der Gallensteinchirurgie betrachten, jedenfalls kann
ich mich nicht für diese Operation begeistern.
Poppert stellt als einen Vortheil der Methode besonders
die Einfachheit der Technik hin und seine Beschreibung klingt
so verlockend, dass ich bei der Lectüre der Popper t’schen Dar¬
stellung unwillkürlich an das melodische Glockenliedehcn in Mo-
zart’s Zauberflöte: „Das klingt ja so herrlich, das klingt ja so schön!“
erinnert wurde. Es gibt allerdings nichts Einfacheres, als einen
Bauch aufzuschneiden, die Gallenblase zu punctiren und zu in-
cidiren, ihren Inhalt zu entleeren und nach Einlegung eines
Gummikatheters wasserdicht zu verschliessen: Was wird die
Folge der Popper t’sehen Empfehlung in der Praxis sein? Die
wasserdichte Drainage wird jetzt geübt werden auch von solchen
Chirurgen, die bisher an eine Gallensteinoperation sich nicht
herangewagt haben, weil sie vor der schwierigen Technik zurück¬
schreckten. Jetzt aber werden sie, bezaubert von der Einfachheit
der wasserdichten Drainage, muthig darauf los schneiden, sicher
nicht zum Besten der Gallensteinchirurgie. Wer meine „Dia¬
gnostik“ besitzt, wird auf p. 119 folgende Worte finden: „Die
Chirurgie der Cholelithiasis soll — das ist mein Streben! —
nicht das Monopol einzelner Weniger bleiben, sondern soll
Allgemeingut der Chirurgen werden. Aber Allgemeingut der
praktischen Aerzte wird die Gallensteinchirurgie nicht werden,
dazu ist die Sache doch zu schwierig!“ Ich fürchte aber fast, dass
mancher praktische Arzt, in dem chirurgisches Blut fliesst, aus
dem Popper t’schen Vortrag den Eindruck gewinnt, dass das
Gallensteinschneiden jetzt eine Kleinigkeit sei und dass man
dazu Krankenhäuser und Kliniken nicht mehr bedürfe. Und
doch halte ich es für im höchsten Grade bedauerlich, wenn Gallen-
steinoperationen in Privathäusern vorgenommen werden, weil
hier aus Gründen, die ich eingehend in meiner „Diagnostik“ auf
p. 116—120 geschildert habe, eine erfolgreiche Behandlung fast
unmöglich ist. Wer sich wegen Cholelithiasis operiren lassen
will, gehört in ein Krankenhaus oder eine Klinik, der ein in Ab¬
dominaloperationen erfahrener Chirurg vorsteht!. Von diesem
Standpunkte lasse ich mich nicht abbringen. Man wird mir
Egoismus vorwerfen — ich bin darauf gefasst ! — aber das kann
mich nicht abhalten, meine Meinung offen auszusprechen. Ich
habe nun einmal die Gallensteinchirurgie liebgewonnen und
würde es schwer beklagen, wenn sie im kommenden Jahrhundert
statt Fortschritte Rückschritte machte. Auch Poppert wird
in dieser Beziehung meiner Meinung sein, doch fürchte ich, dass
seine wasserdichte Drainage mehr schaden als nützen wird. Denn
wer wie ich 470 mal in eine Bauchhöhle geblickt hat, in welcher
Gallensteine ihr Unwesen getrieben haben, der weiss, dass mit
der Ineision und Drainage der Gallenblase den Patienten wenig
genützt ist. Der Hinweis Poppert’s, dass auch die Gallen¬
gänge abgetastet werden müssen, ist so beiläufig und ohne grosse
Betonung gemacht, dass ich es auf Grund meiner Erfahrungen
für meine Pflicht halte, den Satz auszusprechen: Wollen wir
unseren Kranken eine dauernde Heilung ver¬
schaffen, so dürfen wir in der Mehrzahl der
Fälle uns nicht nur mit der Drainage oder Ex-
cision der Gallenblase begnügen, sondern
müssen auf eine genaue Abtastung und Son-
d i r u n g der G a 11 e n g ä n g e das Hauptgewicht
legen. Die Abtastung, welche auch Poppert empfiehlt,
bietet nicht genügend Sicherheit im Nachweis der Steine im
Oyrtieus und Choledochus.
Desshalb entferne ich, bis auf bestimmte Ausnahmen, die
Gallenblase, um vom Cysticusquerschnitt aus den Choledochus zu
sondiren und scheue mich nicht, auch dann den Choledochus auf-
Qrigiroal from
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228
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7
zuschneiden, wenn keine klinischen Symptome auf seine Verlegung
hindeuteteii, und wenn wir bestimmt glaubten, es lediglich mit
einer einfachen Entzündung der Gallenblase, event. mit einem
Stein im Cysticus zu tliun zu haben. Oft genug fand ich Steine
im Choledochus, obwohl weder Ikterus noch Leberschwellung je¬
mals vorhanden waren. Es kann gar nicht genug dar¬
auf hiiigewioscn werden, dass auch im Chole-
dochus die Steine sich ebenso latent verhalten
k ü n n e n wie in der Gallenblase, nicht nur Monate,
sondern Jahre lang. Für diese Behauptung könnte ich mehrere
Fälle als Beweise anführen.
Ich kann hier unmöglich meine Ansichten über die Auswahl
der Operationsmethoden bei der Gallensteinkrankheit ausführlich
erörtern, möchte aber doch ganz kurz meinen Standpunkt in
dieser Frage in einige Sätze zusammenfassen.
1) Bei acuten, serös-eitrigen E n t z ündungen
in der vergrösserten Gallenblase lege ich fast ausnahms¬
los eine Fistel an, und zwar scheint mir die altbewährte Methode
der Einnähung hier richtiger als die wasserdichte Drainage, um¬
somehr, als ich in solchen Fällen niemals, auch bei tagelangem
Erbrechen ein Durchschneiden der F ä d e n beobachtet
habe. Wo Serosa der Gallenblase ohne Spannung an das Peri¬
toneum parietale sich heranbringen lässt, finde ich keinen Grund,
die dichte Vereinigung durch Einlegen von Gaze zu stören. Nur
einmal habe ich, ohne dass es zu allgemeiner Peritonitis oder gar
zum Exitus kam, bei straff fixirter kleiner Gallenblase ein Nach¬
lassen der Fäden beobachtet, indess wurde damals Catgut ver¬
wandt. während ich seitdem bei Benutzung von Seide ein derartig
fatales Ereigniss niemals wieder gesehen habe. Für mich war
die Mittheilung Popp er Pi von dem häufigen Durchschneiden
der Seidenfäden völlig neu, und ich kann mich nicht erinnern,
ausser bei diesem Catgutfall etwas derartiges erlebt zu haben.
Bauehbrüehe sind mir bei der von mir geübten Technik ebenso
wenig begegnet, wie Poppert bei seiner wasserdichten Drainage,
übrigens sind unsere beiderseitigen Beobachtungen noch zu
frisch, als dass man in dieser Hinsicht ein abschliessendes Urtheil
fällen kann. Wenn ich auch bei dem Schlauchverfahren selbst
keine Peritonitis auf treten sah, so ist die Möglichkeit der Ent¬
stellung einer solchen sicherlich grösser, als wenn es uns gelingt,
die Gallenblase fest und ohne Spannung an der Bauchwand zu
befestigen. Ich freue mich, dass P o p p e r t meine theoretischen
Bedenken in Bezug auf Entstehung der Peritonitis durch zahl¬
reiche praktische Erfahrungen vollständig zerstreut hat, ich habe
aber persönlich bei der von mir angewandten Technik gar keinen
Grund, bei grossen Gallenblasen das Sehlauchverfaliren einzu¬
führen. Wenn das Peritoneum leicht zerreisslich und die Nar¬
kose schlecht ist, so dass hei dem fortwährenden Würgen die
Xalitanlegung auf Schwierigkeiten stösst, nehme ich gern den
Vorschlag von P o p p e r t , auch bei grossen Gallen-
b 1 a s e n die w a s s e r d i e h t c 1) r a i n a g o zu benutzen, an.
A m liebsten w ii r d e i c li i m m e r , auch bei der acuten
sorös-.eitlägen Entzündung in einer vergrösserten Gallenblase,
dies e e n t fern e n , aber bei dem schwer entzündeten, mächtig
ausgedehnten Organ ist eine Cystectomie ein schwieriger und
blutigen Eingriff und dann gelingt es uns fast niemals, die tiefen
geschwollenen Gallengänge so abzutasten und freizulegen, dass
eine genaue Orientirung über den Sitz der Steine ermöglicht
wird. Es wird uns desshalb bei der Operation der acut-serösen,
eitrigen Cholecystitis in grossen Gallenblasen gelegentlich immer
einmal passiron, dass wir einen Stein zurücklassen, weil wir uns
mit der Cystostomie begnügen müssen.
2) Bei aeut serös-eitrigen Entzündungen in der geschrumpf¬
ten Gallenblase verwende ich in erster Linie die Excision
der Galle n blase, erst in z w eitcrLinie das Schl a u c h-
verf a h r c n.
3) Bei der sogenannten recidivirenden Form, bei welcher wir
gewöhnlich im Zeitpunkt der Ruhe, resp. bei geringfügiger Ent¬
zündung zur Operation kommen, entferne ich fast immer die
(iallonblase. Dann wird vom C.vsticiisquerschnitt aus eine Sonde
bis in den Choledochus vorgeschoben, und auf dieser der im Liga¬
mentum hepatoduodenale verlaufende Thoil des Cysticus bis in
den Choledochus hinein gespalten. Darauf wird der Ilepaticus
und Choledochus sondirt und zwar nicht nur mit dünnen, sondern
mit recht dicken Sonden. Findet man keine Steine, so folgt eine
Serosanaht, welche beide Gänge versehliesst. Die Seidenfäden
werden lang gelassen und bei Entfernung der immer notli-
wendigen Tamponade herausgezogen (2—3 Wochen nach der
Operation). Finden sieh Steine im Choledochus, so füge ich fast
immer die Hepatieusdrainage an, wie ich sie schon vor 2 3 / 4 Jahren
beschrieben habe.
Ich bin in der letzten Zeit genau wie Poppert mit der
Hepatieusdrainage viel freigiebiger gewesen, wie früher und bin
mit meinen Erfolgen selbst bei inficirter Galle, die nach Riedel s
Ansicht, eine Heilung fast niemals aufkommen lässt, sehr zu¬
frieden.
Bei Männern, die erfahrungsgemäss eine Narkose, resp.
eine Operation an den Organen der Bauchhöhle und ein Abtasten
der Gallengänge nicht- so gut vertragen wie Frauen, möchte ich
mehr für die Cystostomie stimmen und bei schwachen Frauen,
für welche die blutige Excision einen immerhin nicht zu unter¬
schätzenden Eingriff darstellt, ziehe ich die Cystostomie der
Cystectomie vor.
Schon aus diesen kurzen Bemerkungen — auf die Opera¬
tionen am Cysticus und Choledochus gehe ich gar nicht weiter
ein — geht hervor, dass genaue Regeln über die Auswahl der
Operationsmethoden sieh überhaupt nicht aufstellen lassen.
M an muss von Fall zu F a 11 e n t s c h e i d e n und nur
bei grosser Hebung und Erfahrung wird man
das R i e h t i g e t r e f f e n. Der Anfänger, der sich mit der
Gallcnsteinchirurgie beschäftigen will und jeder Chirurg muss
erst allmählich aus sich selbst heraus oder belehrt durch Andere
die Kunst des guten Operirens bei der Cholelithiasis erlernen. —
Er muss desshalb wissen, dass es weniger darauf ankommt, ob
man wasserdicht cystostomirt oder radical ectomirt, sondern, dass
die Hauptsache bei allen Gallenstein Operationen,
wenn irgend möglich, die Freilegung, Palpation und
S o n d i r u n g der Gallengänge ist.
Diesem Punkt hätte ich an Stelle Popper t’s ebenso scharf
betont, wie er die Nützlichkeit, der Anwendung der Tamponade
bei der wasserdichten Drainage in das richtige Lieht gesetzt hat,
wenn ich auch zugeben will, dass Poppert dadurch von seinem
eigentlichen Thema, der Beschreibung der wasserdichten Drainage,
etwas abgekommen wäre. Aber will man den praktischen Arzt, für
die G a 1 le i i s t ei lieh i r urgi i: werben, so darf man ihm nicht nur von
der Einfachheit der Technik erzählen, sondern soll ihn auch an
die ungeahnten Schwierigkeiten der Freilegung der Gallengänge
und ihrer Säuberung von Steinen erinnern. Dadurch hält man den
Unkundigen von unüberlegten Eingriffen ab und damit erwirbt
man sieh in der Gallensteinchirurgie, wenn auch nur indirect,
ein grosses Verdienst.
Poppert sagt am Schluss seines Vortrages: „Seitdem wir
die Modificalion der wasserdichten Drainage regelmässig an¬
wenden, haben wir das Gefühl der unbedingten Sicherheit des
Gelingens der Operation, sowohl in den einfachen wie in den eom-
plicirten Fällen etc.” Ich wollte, ich wäre auch in der Lage, eine
so stolze Aeusserung tliun zu können.
Man kann wohl verlangen, dass an einer wasserdichten Drai¬
nage, wenn nicht: gerade die Narkose uns einen Streich spielt,
kein Kranker sterben wird. Auch ich habe bei den uncomplicirten
Oystotomien an den directen Folgen der Operation keinen
Kranken verloren, daher mein Rath, dass der Kranke sich f r ii h-
zeitig operiren lassem solle, ehe die Steine in die tiefen Gänge
geratheil.
Aber wenn wir uns bei den complicirten Fällen bestreben,
die Gallengänge vollständig von den ungebetenen Gästen zu
säubern, d. h. völlige Heilungen herbeizuführen suchen, so werden
wir das nur erreichen durch langdauernde Operationen, durch
mühsamen Cystieotomien und schwierige Choledochotomien und
da werden wir nach Schluss der Operation nie in a 1 s das Gefühl
der unbedingten Sicherheit, des Gelingens der Operation
haben. Unsere Technik hat es herrlich weit gebracht, unsere Er¬
folge sind glänzende, aber in den complicirten Fällen, wie
Riedel t reifend sagt, am Ende der Tragödie fehlen nicht die
Todesfälle, ohne die eine Tragödie selten verläuft. Auch dir
„wasserdichte Drainage“ wird den Würgengel Tod aus den best-
geloiteten chirurgischen Kliniken nicht gänzlich vertreiben und
immer werden wir an die Grenzen chirurgischen Könnens und
Wissens gemalmt werden. Ich bin sehr neugierig auf die von
Poppert versprochene Zusammenstellung der von ihm erzielten
Resultate»
Wir stehen jetzt an der Wende des Jahrhunderte und darum
haben wir Aerzte einen besonderen Grund, Rückblick zu halten
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13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
229
auf die bisher geleistete Arbeit. Nirgends sind auf einem so
relativ kleinen Gebiete, wie die Gallensteinehirurgie darstellt, so
grosse Wandlungen zu verzeichnen, wie grade hier. Ich brauche
dabei nur daran zu denken, wie oft ich meine Ansichten über die
Auswahl der Operationsmethoden bei der Gallensteinkrankheit
im Laufe des letzten Deccnnium geändert habe. Vor 10 Jahren
schwärmte ich für die Cystcnyse, dann operirte ich zweizeitig,
schliesslich nur noch einzeitig. Zur Cystostomie fügte ich die
Cystieotomie, ich bediente mich bei geschrumpften Gallenblasen
des Selilauchverfahrens und je mehr ich Choledochotomien aus-
fülirte, um so weniger verwandte ich dabei die Naht. Jetzt ist
die gebräuchlichste Methode an meiner Klinik die E c t o m i e,
wenn möglich in Verbindung mit der Cystieotomie und Chole-
dochotomie. Unter 470 Gallensteinlaparotomien kommen auf
159 Oystostomien 41 Cysticotomien, 195 Ectomien und 74 Chole-
doehotomien resp. Hepatieusdrainagen, abgesehen von den häufig
ausgeführten Anastomosen an den Gallenwegen und den zahl¬
reichen, begleitenden Eingriffen am Magen und Darm.
Aber nicht die Zahl der augenblicklichen Erfolge — die Mor¬
talität der Cystotomie betrug nur 1 1 / 2 Proc., die der Cystectomie
nur 4 Proc. und die der Choledochotomie ca. 8 Proc. — ist rnaass-
jjrebend für unser Handeln, sondern die Zahl der Dauererfolge,
d. h. die definitive Befreiung des Kranken von Steinen und
Schmerzen. Diese Dauerheilungen werden sich erst im neuen
Jahrhundert fest stellen lassen. Aber jetzt schon weiss ich, dass
in dieser Beziehung die Eetomie mit Cystieotomie
und Hepaticusdrainagc c o m b i n i r t, der C y s t o -
s t o m i e mit ihren zahlreichen Modificationen, somit auch der
„wasserdichten Drainage“, weit überlegen sein wird.
Ich bin zur Zeit damit beschäftigt, eine Umfrage bei meinen
siimmtliehen Gallensteilloperirten zu halten und werde auf dem
diesjährigen C h i r u r g e n c o n g r e s s einen Vortrag
halten, der sich mit den sog. „Recidiven“ nach unseren
Gallensteinoperationen beschäftigen wird. Ich kann schon jetzt
verrathen. dass die E c t o m i e viel bessere Dauerresul-
t a te gibt, als die Oy s t o s t o in i e, wenn ich auch nicht in Ab¬
rede stellen will, dass die Eetomie manche Nachtheile aufweist,
welche die Cystostomie nicht mit sich bringt. AIP diese Punkte
habe ich in früheren Arbeiten schon eingehend besprochen, so
dass ich auf diese verweisen kann.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Aus den preussischen Aerztekammern.
Von Hofrath Dr. Brauser.
Seit der königlichen Verordnung vom 25. Mai 1887, welche
die ärztliche Standesvertretung in Preussen staatlich organisirte,
sind nunmehr 12 Jahre verflossen. Die vierte 3 jährige Wahl¬
periode hat mit dem Jahre 1899 ihr Ende erreicht, und bereits im
November 1899 wurden die Neuwahlen zu den Aerztekammern
in den 12 Kammerbezirken vollzogen.
Es hat mir von Anfang an grosses Interesse gewährt, die
Arbeiten unserer preussischen Collegen auf dem weiten Gebiete
des ärztlichen Standeslebens aufmerksam zu verfolgen. Meine
jährlichen, kurz zusammenfassenden Berichte darüber wurden
ermöglicht- durch die liebenswürdige Uebersendung der Protokolle
der meisten Aerztekammervorstände, wofür ich nicht ermangele,
gleich hier meinem verbindlichsten Dank Ausdruck zu verleihen.
Das letzte Jahr der 4. Wahlperiode, das Jahr 1899, über welches
ich heute berichten will, hat den Abschluss jahrelanger Verhand¬
lungen innerhalb der ärztlichen Kreise und zwischen der ärzt¬
lichen Standesvertretung und der königlichen Staatsregierung
gebracht, indem unterm 25. November 1899 das Gesetz betreffend
die ärztlichen Ehrengerichte, das Umlagerecht und
die Fassen der Aerztekammern erlassen wurde, welches am
1. April 1900 in Kraft treten wird. Wer die Verhandlungen der
Aerztekammern über den Entwurf dieses Gesetzes, die ministeri¬
ellen Antworten auf die Wünsche und Anträge des Kammeraus-
M'husses, endlich die Berathung des Gegenstandes im preussischen
Abgoordnetenhause aufmerksam verfolgt hat, wird zugeben
müssen, dass das Gesetz nach vielen Richtungen den Wünschen
des ärztlichen Standes entspricht, dass aber manche von den
ärztlichen Vertretungen dringend gewünschte Abänderungen
des Entwurfes ein Entgegenkommen Seitens der k. Staats¬
regierung nicht gefunden haben, so namentlich die exemte Stel-
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lung der amtlichen und Militärärzte gegenüber diesem Gesetze,
wodurch dieselben, auch wenn sie ärztliche Praxis ausüben, der
Disciplinargewalt der Vereine und Aerztekammern gänzlich ent¬
zogen sind. Den Militär- und Marineärzten ist durch Verordnung
vom 23. Januar 1899 in Abänderung der früheren Bestimmungen
sogar das active und passive Wahlrecht entzogen worden, ebenso
den im Beurlaubtenstande befindlichen Militär- und Marine¬
ärzten für die Dauer ihrer Dienstleistung. Es ist hiemit für
eine grosse Zahl preussi scher Aerzte eine Ausnahmestellung ge¬
schaffen, welche die Einheit des ärztlichen Standes wesentlich
beeinträchtigt. Auch das von Seiten der Aerzte beanstandete
Berufungsrecht des Vertreters der Staatsgewalt im Ehrengerichte,
die Stimmberechtigung des richterlichen Mitgliedes, die Herein¬
ziehung des ausserberufliehen Verhaltens der Aerzte unter die
Disciplinargewalt des Ehrengerichtes wurden im Gesetze bei¬
behalten. Es würde mich zu weit führen, hier eine Besprechung
des Gesetzes einzufügen; dies wird am besten in einer eigenen
Abhandlung erfolgen, wenn die gegenwärtig dem bayerischen
Landtage vorliegende Ehrengerichtsordnung für die bayerischen
Aerzte Gesetzeskraft erlangt hat, und einen Vergleich mit der
preussischen Verordnung möglich macht.
An diese Betrachtung über die Ehrengerichtsordnung reiht
sich logisch ein Wort über die Staudesordnung, w T elche
nach unseren Begriffen ein integrirender Bestandtheil dieser
neuen Standesorganisation sein muss, wie auch unsere bayerische
Staatsregierung den Erlass einer Standesordnung auf dem Ver¬
ordnungswege in Aussicht gestellt hat, deren Entwurf aus ärzt¬
lichen Kreisen stammt und vom verstärkten Obermedieinal-
aussehuss aeeeptirt worden ist.
Die k. preussisehe Staatsregierung hat auffallenderweise den
Erlass einer Standesordnung im Anschluss an die Ehrengerichts¬
ordnung für unthunlich erklärt. Nun ist aber die Durchführung
einer Ehrengerichtsordnung gar nicht denkbar ohne eine Standes¬
ordnung, welche doch als Grundlage der richterlichen Entschei¬
dung dienen muss, wie für jeden anderen Richter das Strafgesetz.
Um beurtheilen zu können, ob ein Arzt sich gegen seine Standes-
p flicht eil verfehlt hat, müssen doch diese Standespflichten in
einem Codex festest eilt sein. Ebenso nothwendig erscheint eine
Standesordnung als erziehliches Moment für jeden jungen Arzt,
der in die Praxis eintritt, vollkommen unbekannt mit den Ver¬
pflichtungen, welche er damit auf sich nimmt, gegenüber dem
ganzen ärztlichen Stande, gegenüber den Collegen und gegenüber
dem Publicum. Unsere preussischen Collegen haben die Noth-
wendigkeit einer Standesordnung recht wohl erkannt und suchen
die Lücke in dem Regierungserlass dadurch auszufüllen, dass
alle Kammern beschlossen haben, sich selbst eine Standesordnung
zu geben. Theils ist der Entwurf einer solchen in der Ausarbei¬
tung begriffen, theils schon fertiggestellt und den Vereinen zur
Begutachtung übergeben, theils schon definitiv angenommen, und
liegt der Wortlaut der Entwürfe den meisten Protokollen bei.
Hoffentlich gelingt es später dem Kammerausschuss, aus den
12 verschiedenen Entwürfen eine für alle preussischen Aerzte
gemeinsame Standesordnung zu schaffen, denn die Verhältnisse des
ärztlichen Standes sind in ganz Preussen, ich möchte behaupten
in ganz Deutschland, so wenig verschieden, dass es nicht schwer
fallen dürfte, gleiche Grundsätze für das ärztliche Standesleben
auch im Einzelnen festzustellen.
Ein weiterer, alle Kammern lebhaft beschäftigender Gegen¬
stand war die in Aussicht gestellte Medicinalreform, auf
welche viele Erwartungen gesetzt worden w r aren. Man hatte eine,
den jetzigen Ansprüchen der Gesundheitspflege entsprechende
Reorganisation der Medicinalbehörden in allen Instanzen gehofft,
wie sie schon längst allseitig für dringend nothwendig erklärt
worden war. Der dem Landtage vorgelegte Gesetzentwurf
schrumpfte zusammen auf einige Verbesserungen der Kreismedi-
cinalbeamtenstellen, unter dem Titel: „Gesetz, betreffend die
Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundheits¬
commissionen vom 16. September 1899“. Schon in seiner Sitzung
vom 23. November 1898 hatte der Kammerausschuss den vor¬
liegenden Gesetzentwurf einer eingehenden Prüfung unterzogen,
und unter Bedauern über die Verkümmerung der früheren Fas¬
sung durch die jetzige eine Reihe von Forderungen aufgestellt,
der Ausschuss forderte eine 5 jährige Frist von der Approbation
bis zur Anstellung als Kreisarzt, um die Möglichkeit der Ueber-
tragung des Amtes auf dem Wege der Protection auszuschliessen.
Der Ausschuss forderte eine 5 jährige Frist von der Approbation
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
230
mittelbarer Staatsbeamter sei, als solcher Gehalt und Wohnungs-
geldzuschuss beziehe, und auf Pension, Wittwen- und Waisen¬
versorgung Anspruch habe. Ebenso soll derselbe eine entspre¬
chende Dienstaufwandsentschädig'ung erhalten. Im Kreisaus¬
schuss soll der Kreisarzt nicht nur eine berathende, sondern auch
eine beschliessende Stimme haben. Er soll die Gesundheitsver¬
hältnisse seines Kreises aus eigener Anschauung beobachten, und
zu diesem Zwecke seinen Amtsbezirk ohne besonderen Auftrag
periodisch bereisen können. Dabei wurde die Trennung der ge¬
richtsärztlichen von der kreisärztlichen Thätigkeit verlangt.
Dem Kreisarzt, welcher Privatpraxis nicht ausüben soll, sollen
Assistenten beigegeben werden, auf welche jedoch das Verbot der
Praxisausübung nicht ausgedehnt werden solle. Schliesslich be¬
schloss der Kammerausschuss, den Aerztekammern seine eben
skizzirten Anschauungen über den Entwurf mitzutheilen, welcher
in seiner vorgelegten Fassung werthlos und unannehmbar sei,
und die nothwondige Umgestaltung des preussischen Medicinal-
wosens nur vereiteln oder auf unbestimmte Zeit hinausschieben
werde.
Diesen Ansichten ihres Kammerausschusses schlossen sich die
Aerztekammern des Jahres 1899, soweit sie darüber berathen
haben, übereinstimmend an, auch hier die specielle Forderung
stellend, dass der Kreisarzt ein vollbesoldeter, unmittelbarer
Staatsbeamter ohne Praxis sein müsse, und dass die Aufzählung
seiner Dienstesobliegenheiten in’s Gesetz aufgenommen werde.
Das Gesetz nun, wie es aus den Landtagsverhandlungen hervorge¬
gangen, und unterm 16. Sept. 1899 erlassen worden ist, hat zwar
einige, aber bei Weitem nicht alle Wünsche der ärztlichen
Standes Vertretung berücksichtigt. Es nennt den Kreisarzt den
staatlichen Gesundheitsbeamten, der als technischer Beratlier des
Landrathes, in Stadtkreisen der Polizeibehörde, fungirt, und un¬
mittelbar unter dem Regierungspräsidenten steht. Ueber seine
Rang- und Gehaltsverhältnisse ist nichts Näheres bestimmt,
doch ist er pensionsberechtigt. Nur für die, im höheren Aufträge
vollführten Reisen werden die Kosten ersetzt, also nicht auch
für selbständige Beobachtungsreisen im Amtsbezirk. Unter den
Bedingungen für die Anstellung ist auffallend, dass die medi-
cinisclie Doctorwürde an einer preussischen Universität erworben
sein muss, eine Bestimmung, die mit der für das ganze Deutsche
Reich gütigen Prüfungsordnung nicht zu harmoniren scheint.
Die Ausübung der ärztlichen Praxis ist dem Kreisarzt untersagt.
Die Theilnahme an den Verhandlungen des Kreisausschusses und
Kreistages ist nur eine berathende. Der zweite Abschnitt des
Gesetzes handelt von den Gesundheitscommissionen, deren Ein¬
führung in Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern obliga¬
torisch, in den übrigen faeultativ ist.
Die lange und sehnlichst erwartete Reform des gesammten
Medieinalwesens in Preussen, deren Nothwendigkeit aus den
jahrelangen Bemühungen der Aerzte für dieselbe mit Bestimmt¬
heit hervorgeht, reducirte sich demnach wieder auf eine Um¬
gestaltung des Kreisarztes und Bestimmungen über die Bildung
von Gesundheitscommissionen. Gelegentlich dieser Verhand¬
lungen ist ärztlicherseits mehrfach der Wunsch aufgetaucht, das
Medicinalwcsen aus dem Ressort des Cultusministeriums, dem
es merkwürdiger Weiso zugetheilt ist, zu entfernen, und dem
Ministerium des Innern unterzuordnen, dem es, wie unsere Er¬
fahrung in Bayern bestätigt, doch mit viel mehr Berechtigung
und auch mit Erfolg angeboren sollte.
Ich habe mich hei diesem Thema etwas länger aufgehalten,
als der Raum dieser Zeilen vielleicht gestattet, ich halte aber ge¬
rade die Reform des Medieinalwesens in Preussen für eine, für
den ärztlichen Stand so einschneidend wichtige Frage, dass einige
ausführlichere Bemerkungen darüber wohl am Platze waren.
Von hoher Bedeutung, auch für den ganzen ärztlichen Stand
in Deutschland, sind die Verhandlungen der preussischen Aerzte-
kainmnra über die Frage des C ur pfuschereiverbotes.
Der Kampf gegen die Curpfuscherei und ihre schweren Nach¬
theile für die Gesundheit und das Vermögen des deutschen Volkes
beschäftigt, schon seit Jahren die deutsche Aerztewelt und immer
lauter, immer dringender ertönt der Ruf nach Wiedereinführung
des Curpfuscherei Verbotes als einzigen Mittels gegen diese, immer
drohender werdende Gefahr für das nationale Wohl. Und nicht
etwa die allerdings empfindliche Schädigung ist es, welche der
ärztliche Stand selbst durch das Ueberwuchern der Curpfuscherei
zu erleiden hat, die ihm diesen Kampf aufnöthigt. Die wahre,
echte Wissenschaft wird doch endlich den Sieg erringen über ge¬
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winnsüchtigen Betrug und absichtliche Täuschung des leider
noch bis in die höchsten Bildungsstufen so leichtgläubigen Volkes.
Die Schädigung der Volksgesundheit ist es in erster Linie, welche
dem Arzte, dem natürlichen Wächter derselben, den Kampf gegen
Dummheit und Aberglaube, gegen Betrug und Schlechtigkeit mit
elementarer Gewalt aufzwingt. Unsere preussischen Collegen
führen seit Jahren diesen Kampf so energisch, dass sich das
k. preussische Staatsministeriura veranlasst sah, mittels Erlass
vom 13. Januar 1899 an den Ausschuss der preussischen Aerzte¬
kammern die Aufforderung zu richten, sich nach Anhörung der
Aerztekammern darüber zu äussern:
„Ob und welche Missstände auf dem Gebiete der Gesund¬
heitspflege in Folge der Freigabe der Heilkunde hervorgetreten
sind, sowie eventuell das Vorhandensein solcher Missstände durch
Beibringung schlüssigen, thatsächliehen Materials aus den ein¬
zelnen Bezirken zu erläutern, und zugleich zu erörtern, welche
Maassnahmen zur Beseitigung der beklagten Missstände und in
welchem Umfange sie in Aussicht zu nehmen seien.“
Dieser Ministerialerlass wurde seitens des Ausschusses den
Kammern mitgethcilt, und haben die meisten derselben sich im
Laufe des Jahres mit der Beantwortung dieser Fragen be¬
schäftigt. ln der Kammer von Brandenburg und Berlin wurde
die Verbreitung populärer Schriften beschlossen, und sind seit¬
dem als gekrönte Preisschriften erschienen: „Es werde Licht!“
und „Wahre und falsche Heilkunde“ von Dr. Alexander-
Breslau. Ein Antrag gegen die Zulassung von Gurpfuschern zur
cassenärztlichen Behandlung wurde eingebracht. In dieser, wie
in den übrigen Kammern wurden eigene Commissionen zur Er¬
ledigung des ministeriellen Auftrages niedergesetzt, und Frage¬
bogen an die Vereine hinausgegeben, über welche auch grössten-
tlieils bereits Bericht erstattet worden ist. Das allgemeine Resul¬
tat dieser Erhebungen war, dass die Curpfuscherei sich ent¬
schieden ausgebreitet und vermehrt habe, aber auch in ihrem
Auftreten viel frecher geworden sei, dass dadurch nicht nur die
Kranken selbst geschädigt werden, sondern auch das Volkswohl
im Allgemeinen, speciell auch die Moral durch die ungestrafte
Verübung facti scher Betrügereien, ferner die Krankencassen und
die Unfallversicherung durch falche Behandlung oder Verschlep¬
pung heilbarer Fälle, welche dann den Cassen zur Last fallen.
Endlich und zwar von wesentlicher Bedeutung erscheine die Ver¬
hinderung einer richtigen Prophylaxe bei Infectionskranklieiten,
deren möglichst frühzeitiges Bekanntwerden für eine rationelle
Bekämpfung derselben von grösster Wichtigkeit sei. Das Schluss¬
resultat aller dieser Verhandlungen war die unbedingte Forde¬
rung der Wiedereinführung des Curpfuscherei Verbotes. Die von
einer Kammer gestellte Forderung, dass Pfuscherannoncen in der
Presse zu verbieten seien, würde sich dann von selbst erledigen.
Als hierher gehörig muss noch eines Ministerialerlasses vom
8. März 1899 an den Kammerausschuss erwähnt werden, in
welchem .eine Zusammenstellung über die vom 1. Januar 1890 bis
31. December 1897, also in 8 Jahren bei den Landgerichten der
Monarchie gegen nicht approbirte Heilkünstler wegen fahrlässiger
Tödtungen und Körperverletzungen, welche anlässlich der Be¬
handlung von Krankheitsfällen begangen sind, rechtskräftig ergan¬
genen Verurthcilungen enthalten ist. Diese sehr dankenswerthe
officielle Zusammenstellung zeigt im Ganzen 177 Verurtheilungen
zu 63 Jahren Gefängniss und 8233 Mark Geldstrafen. Letztere
stehen im minimalsten Verliältniss zu den Summen, welche die
Curpfuseher dem leichtgläubigen Publicum abnehmen. Wir
dürfen unseren preussischen Collegen für ihre Arbeiten auf
diesem Gebiete sehr dankbar sein, wollen deren Bestrebungen
durch gleiche Arbeiten möglichst unterstützen, und uns der
sicheren Hoffnung hingeben, dass doch einmal Wahrheit und
Licht über Trug und Finsterniss siegen werden.
Ein Erlass des k. Staatsministeriums an den Kammeraus-
sehuss, welcher von diesem zunächst allen Kammern mitgetheilt
wurde, hatte den Wunsch ausgedrückt, es möchte die Benützung
von F r e m d w ö r t e rn in ärztlichen Attesten, Gutachten
u. dergl. seitens der Aerzte möglichst vermieden werden. Der
Kammerausschuss beschloss, die Kammern aufzufordern, den
Aerzten die Vermeidung von Fremdwörtern nahezulegen. Diesem
Ausschussbeschlus wurde seitens der Kammern grösstentheils zu-
gestimmt. Die ostpreussische Kammer bemerkte dazu ganz rich¬
tig, es sollte schon auf den Hochschulen darauf Rücksicht ge¬
nommen werden. Nur eine Kammer glaubte, keinen Einfluss
auf die Aerzte ausüben zu können.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHE NSCHRIFT.
231
Eine Reform (1er geburtshilflichen Ordnung im
preußischen Staate war von der Aerztekammer der Provinz
Sachsen beantragt worden, und hatte diese Kammer durch eine
dazu niedergesetzte Commission eigene Grundzüge dazu ausge¬
arbeitet. Dieselben wurden dem Ausschuss und den übrigen
Kammern mitgctkeilt. Nachdem bis zur jüngsten Sitzung des
Kammerausschusses, am 9. December 1899, erst 4 Kammern dem
sächsischen Anträge zugestimmt, beschloss der Ausschuss die
Vertagung des Gegenstandes.
Sehr interessant und eingehend waren die Verhandlungen
fast aller Kammern über eine für nothwendig erachtete Revision
des Reiehsgesetzes über die Krankenversiche¬
rung der Arbeiter. Es wurden seitens des Ausschusses eine
Reihe von Forderungen aufgestellt, in erster Linie die allgemeine,
sehr berechtigte Forderung, dass künftighin vor Einbringung
resp. xVbänderung socialpolitischer Gesetze die Aerzte in ihren
staatlich anerkannten Vertretungen zu hören seien. Die vom
Ausschuss für nothwendig erklärte freie Arztwahl wurde all¬
gemein angenommen. Einstimmig wurde die Forderung ge¬
stellt, dass zur ärztlichen Behandlung von Mitgliedern der staat¬
lich organisirten Krankencassen nur approbirte Aerzte zuzulassen
seien, und dass dies bei einer künftigen Revision des Gesetzes
ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden müsse. Es ist diese
Auslegung des Reichsgesetzes schon in seinem jetzigen Wortlaute
des § 6 „freie ärztliche Behandlung“ so zweifellos, dass eine
bereits früher schon erfolgte Weigerung des deutschen Reichs¬
tages, diese Auslegung direct auszusprechen, geradezu unbegreif¬
lich gewesen ist. Die Ausübung cassenärztlicher Thätigkeit ist
durch einen schriftlichen Vertrag zwischen Arzt und Cassen-
vorstand festzusetzen, welcher der Genehmigung seitens der
staatlich anerkannten Standesvertretung unterliegt. Diese und
einige andere Forderungen wurden seitens des Kammeraus¬
schusses in einer Denkschrift an den Minister überreicht, ohne
bisher eine Rückäusserung erfahren zu haben. Diese Grundsätze
des Kammerausschusses wurden von fast allen Kammern ange¬
nommen. Hiebei wurde eine Reducirung der ärztlichen Ge¬
bühren nur dann für vorübergehend möglich erklärt, wenn es
der Gassen best and unbedingt erfordert.
Eine Prüfung der Statuten der Krankencassen
durch eine Commission wurde für nothwendig erklärt. Die Kam¬
mer für Schlesien hat eine sehr werthvolle Arbeit herausgegeben:
„Ergebnisse der auf das Berichtsjahr 1896 sich erstreckenden
Enquete über die Krankencassen der Provinz Schlesien“, welche
im Druck vervielfältigt wurde. Es ist sehr wünschbar, dass bei
einer in Aussicht stehenden Revision des Reichsgesetzes über die
Krankenversicherung der Arbeiter den wohlberechtigten und
wohlbegriindetcn Ansprüchen der deutschen Aerzte seitens des
Reichstages mehr wohlwollende Beachtung zu Theil werden wird
als bisher.
Auch das Verhältniss der Aerzte zu den Be¬
rufsgenossenschaften kam in 2 Kammern zur Sprache;
die eine forderte eine Erhöhung der Honorare für Atteste, die
andere beantragte, dass die Fundberichte der Bezirksärzte durch
die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft honorirt werden.
Die Kammer von Hannover beantragte eine Revision der
Verordnungen über die Anzeigepflicht der Aerzte bei
ansteckenden Krankheiten, ein gewiss berechtigter Antrag, wenn
man weiss, welch’ verschiedene Bestimmungen über die Anzeige¬
pflicht in den einzelnen Regierungsbezirken Preussens Geltung
haben. Wenn die neuerdings wieder in Aussicht gestellte Schaf¬
fung eines Reichsseuchengesetzes zur Thatsache wird, dürften
fliese Bestimmungen endlich für das ganze Deutsche Reich ein¬
heitlich werden, was im Interesse der richtigen Bekämpfung der
rufectionskrankheiten dringend zu wünschen ist.
Ich erwähne noch den Antrag der Kammer von Schleswig-
Holstein, über die Lebensversicherung der Aerzte
eine Enquete zu veranstalten, dann den Antrag der west-
phälisehen Kammer auf bessere Honorirung der Im¬
pfung, endlich den Antrag derselben Kammer, den Taub¬
stummenunterricht nach dem Muster Bayerns zu ver¬
bessern, und habe hiemit die Arbeiten der Aerztekammem vom
Jahre 1899 kurz auf gezählt.
Aus den Verhandlungen des Kammerausschusses habe ich
noch nachzutragen, dass derselbe an das k. Staatsministerium die
Bitte stellte, dass die sich niederlassenden jungen Aerzte bei Zu¬
stellung der Approbation angewiesen werden, sich ebenso wie
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beim Kreisphysikus auch bei dem Vorstand der Kammer anzu-
meklen. Es erscheint dieses Ersuchen im Interesse der Evident¬
haltung der Wählerlisten und der Zahlungspflichtigen Aerzte für
die Kammervorstünde sehr berechtigt, wurde aber trotzdem ab-
gewiesen, dagegen bestimmt, dass die Kammervorsitzenden
monatliche Mittheilungen der Behörden über den Zugang an
neuen Aerzten erhalten. Für geeignete Listenfüllrung hätten
demnach die Aerztekammem selbst zu sorgen.
Der Vollständigkeit wegen erwähne ich noch, dass am 25. Oc-
tober die höchste preussische Medicinalstelle, die wissen¬
schaftliche Deputation für das M e d i c i n a 1 -
wese n in Berlin zu einer Sitzung zusammentrat, deren Tages¬
ordnung lautete: 1. In welcher Richtung ist die schon bestehende
Bewegung für die Gründung von Heilstätten für Genesende zu
fördern? 2. Die Aufgaben der ärztlichen Sachverständigen in
den Fällen des § 6 No. 1 und des § 140 No. 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuches, lieber die Verhandlungen selbst ist kein Bericht
veröffentlicht worden.
Ein reiches Material von Berathungsgegenständen liegt hier
vor uns, welches unsere preussisehen Collegen im abgelaufenen
Jahre beschäftigt hat. Der Grundzug der durch alle Verhand¬
lungen geht, ist der auch bei uns schon längst zur Ueberzeugung
gewordene Satz, dass die deutschen Aerzte, wenn sie etwas er¬
reichen wollen, dies nur durch engsten Zusammenschluss aller
Collegen, durch Einigkeit und energisches Auftreten erreichen
können. Unsere neue Organisation, welche der Standesvertre¬
tung eine, wenn auch beschränkte Disciplinargewalt über alle
Aerzte verleiht, auch über die dem Vereinsleben ferne stehenden
Collegen, kann einer derartigen einheitlichen Arbeit nur förder¬
lich sein, und desshalb begrüssen wir dieselbe mit Freuden.
Möchte es in absehbarer Zeit gelingen, nicht nur die Aerzte der
einzelnen deutschen Staaten, sondern alle deutschen Aerzte in
einer gleichheitlichen Organisation zu vereinigen durch eine
deutsche Aerzteordnung, dem idealen Ziele unserer Bestrebungen !
Referate und Bücheranzeigen.
Oscar Hertwig: Die Elemente der Entwicklungslehre
des Menschen und der Wirbelthiere. Anleitung und Repeti¬
torium für Studirende und Aerzte. Jena. Gustav Fischer.
1900. Preis brosch. M. 7.50.
Als im Jahre 1886 das Hertwig’sche Lehrbuch der Ent¬
wicklungsgeschichte erschien, da füllte es thatsächlich eine klaf¬
fende Lücke in unserer wissenschaftlichen Literatur aus. Der
frische, anregende Ton, die lebendige Darstellung versetzten es
alsbald in die Reihe unserer am meisten gelesenen Compendien,
machten es zu einem Lieblingsbuch des deutschen Studenten.
Dass es diesen Rang beibehalten hat, beweisen wohl am besten die
in 12 Jahren erschienenen 6 Auflagen. Aber mit jeder Auflage
hat auch der Umfang des Werkes zugenommen, wie es in einer
so mächtig fortschreitenden Wissenschaft nicht anders möglich
ist. Der Verfasser hat sich desshalb in gewiss dankenswerther
Weise entschlossen, dem Anfänger in der Entwicklungsgeschichte
unter möglichster Vermeidung alles Nebensächlichen und weniger
Wissenswerthen gleichsam einen Auszug aus dem Lehrbuch zu
geben, ohne dass dadurch die Einheitlichkeit der Darstellung
beeinträchtigt worden wäre. Auch das neue Werkchen präsentirt
sich uns wie aus einem Guss geformt, dieselbe leichte, flüssige
Darstellung, die den Leser anzuregen und zu fesseln versteht.
Die Einthcilung und Anordnung des Stoffes ist genau die¬
selbe, wie in dem Lehrbuch, nur Alles knapper und enger zu¬
sammengerückt. Dass die Literaturangaben weggeblieben sind,
versteht sich von selbst. Jedem Capitel sind die wichtigsten Er¬
gebnisse in Form kurzer Leitsätze als Repetitorien angegliedert,
eine Einrichtung, die auch das Lehrbuch enthielt und wohl in Zu¬
kunft dort in Wegfall kommen dürfte, deren Bedeutung für den
Siudirenden hier aber gar nicht zu verkennen ist.
Wenn der Verfasser den Text so kurz wie möglich gefasst
hat, so hat er dagegen mit den Abbildungen einen gewissen
Luxus getrieben. Enthält doch das nur 25 Bogen starke Werk¬
chen weit über 300 Abbildungen, fast ebensoviel als das Lehr¬
buch. Das wird dem Lernenden natürlich sehr angenehm sein,
da sie in hervorragender Weise das Verständniss des Textes
fördern.
Die technische Ausführung der theilweise mehrfarbigen
Figuren ist eine ganz vorzügliche, die übrige Ausstattung die be-
Qriginal fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
282
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
kannte gediegene des Fische r’sehen Verlags. Es muss desshalb
der Preis des Ganzen als ein ausserordentlich niedriger bezeichnet
werden.
Ohne Zweifel werden die „Elemente“ denselben Erfolg haben,
wie das „Lehrbuch“, sie werden das letztere bei dem Anfänger
ersetzen und so die gedeihliche Weiterentwicklung des Lehrbuchs
nicht mehr hindern. R. Krause- Berlin.
Prof. Dr. E. Leser: Operations-Vademecum für den
praktischen Arzt. Mit 144 Abbildungen. Verlag von S. Kar¬
ger, Berlin, 1900. Preis o M.
Das kleine Buch verdankt seine Entstehung einer Aufforde¬
rung der Verlagshandlung, wie der Herr Verfasser in der Vorrede
sagt, also buchhändlerischem Unternehmungstriebe. Wenn der
Verleger aber ein solches kleines Buch über Operationslehre für
praktische Aerzte wünschte neben den bekannten mehr oder
weniger umfangreichen Büchern von Bayer, von Bergmann
und R o c h s , von E s m a r c h und Kowalzig, L <"> b k e r ,
Kocher, Rottor, Zuckerkand 1 und Anderen, so hätte
er einem als Professor der Chirurgie thätigen Autor bezüglich
der Abbildungen Besseres zur Verfügung stellen sollen, als es hier
geschehen ist. Der Autor musste leider mit der Wiedergabe
einiger, zum Theil wenig gelungener, flüchtiger Skizzen vorlieb
nehmen und im übrigen zur Darstellung anatomischer und opera¬
tiv-technischer Details fremde Bilder entlehnen. So sind unter
den 144 vom Verleger auf dem Titel erwähnten Abbildungen 32
dem bekannten vortrefflichen Buche von Kocher, 17 dem
schönen Atlas von Zuckerkandl, 5 dem Lehrbuche von
lvoenig, 20 dem grossen Sammelwerke von Pitha-Bill-
roth, 6 Roser’» Vademecum, 4 dem II e n 1 e’schen Lehr¬
buche etc. entnommen. Abgesehen davon, dass eine so massen¬
hafte Benutzung fremder Bilder für ein solches Buch zum Minde¬
sten nicht angemessen ist und auch den bona fide handelnden
Verfasser in eine schiefe Lage bringt, bedingt sie eine solche Ver¬
schiedenheit der einzelnen Bilder schon in technischer Hinsicht,
dass jede Einheitlichkeit verloren geht. Auch kann der Text
mit den fremden Abbildungen natürlich nicht überall in voller
IJcbereinstimmung stehen. In Folge dieser Versehen des Ver¬
legers kann dem kleinen Buche ein ehrenvoller Platz neben den
oben genannten Büchern nicht zuerkannt werden.
Helferich - Kiel.
Georg Müller -Berlin: Kurzgefasstes Lehrbuch der
Nachbehandlung von Verletzungen, nebst einer Anleitung zur
Begutachtung von Unfallfolgen. Berlin. Enslin. 1898.
M.’s Buch bietet dem Arzte, der sich viel mit der Nach¬
behandlung und Begutachtungen von Verletzungsfolgen zu be¬
schäftigen hat, nicht gerade viel absolut Neues, aber doch eine
Menge von werthvollen Anhaltspunkten und Winken. Es gibt
eigentlich mehr, als der Titel verspricht. Im allgemeinen Theil
werden zunächst eine Reihe von Folgezuständen nach ver¬
schiedenen Verletzungen (Narbe, Callus, Oedem, Exsudate in Ge¬
lenken, Gelenksversteifungen u. s. w.) abgehandelt; dabei sind die
Abschnitte über „nervöse Erkrankungen“ und „Uebertreibung
und Simulation“ kurz, aber recht gut besprochen. Der speeielle
Theil befasst sich kurz mit den einzelnen Verletzungen des
Stammes und der Extremitäten und ihrer möglichen Folgen,
während der Nachbehandlung ein etwas breiterer Raum gewährt
ist; natürlich werden ausser den üblichen allgemeinen Maass-
nahmen besonders die manuelle und maschinelle Nachbehandlung
eingehender besprochen, wobei in zweckmässiger Weise auch auf
die physiologische Wirkungsweise der einzelnen Bewegungen
und Handgriffe an den Apparaten bezw. bei der Massage Rück¬
sicht genommen wird. Doch gehören, wie ich glaube, in ein Buch,
das sich vorwiegend mit den Folgezuständen nach Verletzungen
befasst, auch wenigstens Hinweise auf die Folgen nach Verletz¬
ungen des Schädels und Gehirns, sowie des Unterleibes, welche
M. kurzweg den Neurologen und Psychiatern bezw. den Inter¬
nisten zuweist; gerade in solchen Fällen, die nicht ganz alltäglich
sind, sucht der praktische Arzt oft Rath in einem „Specialbuche“.
Auch das Oapitel „Unterleibsbrüche“ dürfte ausführlicher sein.—
Im dritten Theile werden die wichtigsten Bestimmungen dc*r Un-
fallgesetzgebung, eine kurze Anleitung bei der Abgabe der ärzt¬
lichen Gutachten und eine Uebersicht über die procentuale Ab¬
schätzung der Erwerbsbeschränkung gegeben. Zu begriissen ist,
dass M. darauf aufmerksam macht, dass seine Apparate, die
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wesentlich auf dem Princip des Pendels und Hebels beruhen,
und die den Vortheil grosser Einfachheit, Billigkeit und aus¬
giebiger Verwendbarkeit haben, weder patentirt, noch vor Nach¬
ahmung geschützt sind. Ihre Anwendung und Construction ist
durch eine Reihe von Abbildungen erläutert. Dagegen kann ich
nicht damit einverstanden sein, dass M. „aus rein äusserlichen
Gründen“ es unterlässt, die Namen der Autoren, deren Arbeiten
er benützt hat, an entsprechender Stelle anzuführen. Wer in red¬
licher Arbeit das Anderen zugänglich macht, was er selbst aL
neu gefunden oder als richtig und wisseuswerth erkannt hat,
der hat auch Anspruch darauf, dort genannt zu werden, wo von
seiner Arbeit Geh rauch gemacht wird.
Adolf Schmitt- München.
Otto Binswanger:Die Epilepsie. Speeielle Pathologie
und Therapie von Nothnagel. Bd. XII. I. Theil. I. Abth.
Wien. Alfred Holder, 1899. 502 Seiten, 1 Abbild. Preis für
Abonnenten M. 9.60. Einzelpreis M. 11.—.
Während die französische Literatur aus der letzten Zeit
2 Monographien über Epilepsie, die von F e r e und von V o i s i u ,
aufzuweisen hat, fehlt es in der neueren deutschen Literatur
an einer solchen. Diese von Vielen schmerzlich empfundene
Lücke füllt, die soeben erschienene Bearbeitung der Epilepsie
von B i n s w a n g e r aus.
Dass 1» i n s w a n g e r die Aufgabe, eine erschöpfende Ueber¬
sicht und Darstellung des heutigen Standes von der Lehre der
Epilepsie zu geben, durchaus gelungen ist, das sei vorweg be¬
tont. B. ist. in der That durch seine zahlreichen experimentellen
Arbeiten, durch seine mannigfachen Beobachtungen hierzu wie
geschaffen, und dass er auch in der ungeheuren Literatur über
Epilepsie Bescheid weiss, das zeigt seine Bearbeitung des Artikels
Epilepsie in der 3. Auflage der Kulenburgsehen Realency-
elopädie.
An diesen Aufsatz, der der Mehrzahl der Leser nicht un¬
bekannt sein dürfte, lehnt sich die vorliegende Monographie, die
nur ungleich ausführlicher ist, mehr oder weniger an.
Tn den ersten Capiteln bespricht Bi ns wange r die Be¬
griffsbestimmung und Eingrenzung des zu schildernden Krank-
lie.itshild(‘s, die allgemeine Pathologie und Pathogenese, die Er¬
gebnisse der einschlägigen experimentellen Forschungen, sowie
die Aetiologic. Dass er die Lehre von den Ursachen, gleichgiltig
oh sie vorbereitende oder auslösende sind, so eingehend behandelt,
dafür wird man dem Autor nur danken, da uns so Winke ge¬
geben werden für eine Prophylaxe, die schliesslich immer noch
die wirksamste Therapie darstellt. Dass auch das Trauma als
aetiologisches Moment der Epilepsie besonders gewürdigt wird,
das braucht bei der weitgehenden Bedeutung, die heute die Un¬
fälle mit ihren Folgen für sich in Anspruch nehmen, kaum be¬
sonders hervorgehoben zu werden.
Bei der Symptomatologie unterscheidet Binswanger die
Epilepsia gravior, den gewöhnlichen, voll entwickelten epilep¬
tischen Anfall, den unvollständigen, rudimentären Anfall, der
neben der Bewusstlosigkeit tonische oder klonische Zuckungen
aufweist, und abortive Anfälle, die entweder durch eine schnell
vorübergehende Bewusstseinsstörung oder kurz dauernde, moto¬
rische Entladungen gekennzeichnet sind. Dieser letzteren
Gruppe sohliesst er die Besprechung der sogen, psychisch-epilep¬
tischen Aequivalente an, der acut einsetzenden und schnell ah-
klingeudeu psychischen Störungen, für welche die ganz eigen¬
artige Bewusstseinsstörung charakteristisch ist.
Die weiteren Abschnitte sind der Schilderung der inter-
paroxysmalen Zustände, der pathologischen Anatomie, der Dia¬
gnose, Prognose und Therapie gewidmet. Die Behandlung der
Epilepsie hat ebenfalls eine sehr eingehende Besprechung er-
faliren, und B i n s w a n g c r folgt dem Zuge der Zeit, wenn er
bei dieser Gelegenheit des Ausführlicheren die operative Behand¬
lung erörtert. Die für die Aufstellung der operativen Indieation
maassgebenden Gesichtspunkte stellt er zusammen und verhehlt
nicht, dass die bisher erzielten Ergebnisse, schon bei der trau¬
matischen Epilepsie, wenig ermuthigend seien.
Bei der hohen Bedeutung, die die Epilepsie dank ihrer
grossen Verbreitung, ihrer vielgestaltigen Erscheinungsweise, der
Möglichkeit ihrer Heilung oder doch Besserung, dank ihrer be¬
denklichen Folgen für das Individuum selbst, für seine Umgebung
und seine Familie insbosonders auch bei dem praktischen Arzt,
dem Berathcr der Familie, haben muss, kann das Buch diesem
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
233
sehr empfohlen werden, und das gilt um so mehr, als gerade die
Capitel, welche die für den Praktiker wichtigsten Gesichtspunkte
umfassen, eine eingehende Bearbeitung erfahren haben.
Referent bedauert nur, dass Binswanger seine um¬
fassende und brauchbare Literaturübersicht aus der Eulen-
burgesehen Realencyclopädie nicht vorliegender Monographie
einverleibt hat. Ernst Schultze - Andernach.
Neueste Joumailiteratux.
Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 5.
H. Bett mann - Heidelberg: Ueber hypeosinophile Gra¬
nula.
Die von Grünwald (Centralbl. f. innere Med. 1899, No. 30,
Virch. Arch. Bd. 158) beschriebenen bypeosinophilen Körnchen in
weissen Blutzellen erkennt B. als eine neue Art von Granula¬
tionen nicht an. Die Bezeichnung hypeosinophil sollte ausdrücken,
dass diese Körnchen zwar durch Eosin färbbar sind, aber durch
Säuren und grösstentheils auch durch Alkalien wieder entfärbt
werden können. B. hält die bypeosinophilen Granula für iden¬
tisch mit der neutrophilen Körnelung;- die färberischen Ver¬
schiedenheiten treten nur durch eine nachträgliche äussere Ein¬
wirkung hervor: Eintrocknung der Präparate allein macht die
Granula hypeosinophil, Eintrocknung und Hitzewirkung neutro¬
phil. Die Befunde Grünwald’s sind nur an den Zellformeu
festzusteilen, deren neutrophile Körnelung sicher ist. Die Schluss¬
folgerungen G r ü n w a 1 d’s sind daher nach B. nicht aufrecht zu
erhalten. W. Zinn- Berlin.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 18Ü9. 54. Bd., 1. u. 2.
Heft, December. Leipzig, Vogel.
1) Kitter: l>ie Epuiis und ihre Riesenzeilen. (Chirurg.
Klinik Kiel und Greifswald.)
Die Untersuchungen des Verfassers wurden au 7 Fällen von
Epulis angesteiit und bezogen sich in erster Linie auf das Wesen
der Riesenzeilen. K. hält die Riesenzeilen für keine selbständigen
Zellen, sondern für Ausläufer von Gelassen, deren Endothel direct
in das Protoplasma der Riesenzeilen übergeht. Das Spindelzeileu-
sarkomgewene hangt sehr oft direct mit den Riesenzeilen zu¬
sammen und geht andererseits unmittelbar in Capillaren über.
Das Spindelzeiieugewebe stammt also ohne Zweifel vom Gefäss-
gewebe ab.
Des Weiteren beschäftigten sich lt.’s Untersuchungen mit dem
den Epuliden eigenthümiiehen Blutgehalt. Er glaubt denselben
nicht auf in das Gewebe erfolgte Blutungen beziehen zu müssen,
sondern weist nach, dass die Blutraume als venös,- Sinus aurzu-
tässen sind, in die das arterielle Getässsystem Capiliarsprossen
hineinsendet.
Die einschlägige Literatur findet sich in sehr übersichtlicher
Weise erörtert.
2) Becker: Ueber eine neue Methode der temporaren Re-
section des Jochbeins. (Städt. Kranaenhaus Hildesheim.)
Bezüglich der Einzelheiten der Methode muss auf die Arbeit
verwiesen werden. Sie schallt ausgezeichnet Platz, verletzt weder
Kaumuskel uoch Facialis und gibt ein günstiges kosmetisches
Resultat.
3) Gessner: Ueber Pankreasnekrose. (.Friedrichshain
Berlin.)
Bericht über 3 Fälle dieser seltenen Erkrankung. 2 im acuten
Anfall operirte Kranke starben, 1 nach schon vollendeter Nekrose
operirter wurde geheilt. Bei der letzteren Patientin wurde der
ganze Tumor unter sehr starker Eiterung ausgestossen.
Auf Grund seiner eigenen und der in der Literatur uieder-
gelegten Beobachtungen zeichnet Verfasser das Bild des Beginnes
der Erkrankung folgendermaassen: Blitzartiges Einsetzen unter
schweren Schockerscheinungen, reichliches galliges Erbrechen, nur
geringe auf das Epigastrium beschränkte Auftreibung. Der Beginn
ähnelt am meisten einem acuten Duodenalverschluss oder einer
Gallensteinkolik. Im weiteren Verlaut wird das Bild beherrscht
durch die parapankreatische Eiterung, durch deren Nachweis auch
zuweilen die Diagnose gelingt.
Die Operation im acuten Anfall hat nur einmal zur Genesung
geführt; im Allgemeinen ist in solchen Fällen ein Eingriff verboten.
Von 20 im Stadium der vollendeten Nekrose operirten Fällen
wurden 6 geheilt.
4) R o 1 o f f : Ueber chronische Mastitis und das sogen. Cyst-
adenom. (Bergmannstrost Halle a. S.)
R. beschreibt genau einige Falle von Cystadenoma mammae
und schüesst sich der Auffassung K ö n i g’s an, die in diesen Ge¬
bilden das Product rein entzündlicher Processe sieht. Den Ver¬
such von Schimmelbusch, das Cystadenom als eine den Ge¬
schwülsten zuzuzählende Erkrankung hinzustellen, weist er zurück.
Chronisch entzündliche Veränderungen Ündet man auch sehr
häufig in carclnomatösen Brustdrüsen, sowohl parenchymatöse wie
interstitielle, von manchmal progressivem, manchmal regressivem
Charakter.
Das Entstehen von Carcinoinen auf dem Boden von chronisch-
entzündlichen Processen der Mamma scheint ihm in zwei beob¬
achteten Fällen sicher bewiesen zu sein; einmal handelte es sich
um eine seit 24 Jahren vorhandene Fistel, einmal um eine Narbe
nach eitriger Mastitis.
5) Ehrhardt: Ueber Paget’s Disease. (Chirurg. Klinik
Königsberg.)
Genaue mikroskopische Untersuchung eiues charakteristischen
Falles der genannten Erkrankung. In der Epidermis fanden sieh
die hellen protoplasmareichen, oft ln Nestern vereinigt liegenden
Zellen. In der Cutis zeigte sich zwischen elastischem Faseruetz
und Epidermis eine oft mächtig entwickelte Schicht von Granu¬
lationsgewebe. Au den ältesten Stellen der Erkrankung fand sich
in die Mamma hinein vorgeschoben ein hühuereigrosses Carcinom,
dessen Zellen oft an die veränderten Epidermiszellen erinnerten.
Eine Metastase in den axillaren Lymphdrüsen Hess in ihren Zellen
eine Aehnlichkeit mit den hellen Zellen in der Epidermis nicht
mehr erkennen.
In den hellen Zellen möchte Verf. den Anfang einer Ent-
differenzirung der Zellen sehen. Jedenfalls haben sie mit Coccidien
nichts zu thuu. Eine Kapselbildung liess sich nirgends beobachten.
Den ganzen Krankheitsprocess von Paget’s Disease erklärt Verf.
wie die meisten neueren Autoren als ein primäres Hautcarciuom.
0) M. Schmidt- Cuxhaven: M e c k e i’sches Divertikel
und Ileus.
Zu den bisher bekannt gewordenen Formen von acutem Dann
Verschluss durch ein M e e u e l’sehes Divertikel fügt Verf. eine
chronische Form. Bei einem 15 jährigen Mädchen mit einer Fistel
in der Mageugegeud bildete sieh im Verlauf von 4 Wochen unter
den Erscheinungen des Ileus eine ganz hochgradige Abmagerung
aus. Bei der Operation fand sieh neben einer Verwachsung des
dem Divertikel anliegenden zu- und abführenden Darmschenkels
eine Verwachsung einer Ileusselilinge an’s L'oecum, Achsendrehuug
dieser Ileumsclilinge und Abkniekung. Die Operation vermochte
eine Heilung nicht mehr herbeizuführeu.
Aus der Literatur hat Verf. zw ei ähnliche Fälle von C h i a r i
und G o o d zusammengestellt. Die Operation wird bei derartigen
Verwachsungen zunächst nur in der Anlegung eiues Kunstafters
zu besteheu haben.
7) K r e d e 1 : Ueber den Zusammenhang von Trauma, Epi¬
physenlösung und Coxa vara. (Kinderheilanstalt Hannover.)
Bei einem 4 '/Jährigen Mädchen, das nie eine Verletzung er¬
litten hatte, fanüen sich die typischen Zeichen der Coxa vara.
lloehstand des linken Trochauters um 1—2 em, völlig freie Be¬
weglichkeit im Hüftgelenk mit Ausnahme der Abduction. Die
Röntgenuntersuchung zeigte eine deutliche Continuitätstrennuug
am Schenkelhälse, die grösstentheils der Epiphysenlinie folgte.
Verf. möchte annehmen, dass in den ähnlichen in der Literatur
als Coxa vara traumatica beschriebenen Fällen es sich um Epi¬
physenlösungen in einem schon kranken Schenkelhälse handelt.
8) Payr: Ueber Laesion des Nervus ulnaris bei Verletz¬
ungen am Eilenbogengelenk. (Chirurg. Klinik Graz.)
a) Unvollständige Lateralluxation beider Vorderarmknochen,
Compression des luxirten N. ulnaris zwischen Trochlea und abge¬
rissener Epitrochlea. Arthrotomie. Reposition des Nerven. Völ¬
lige Heilung.
b) Schrägbruch der unteren Humerusepiphyse. Einheiluug
des Nerv, ulnaris in einen bindegewebigen Callus an der Fractur-
stelle der Epitrochlea. Wiederherstellung einer Rinne für deu
Nerven. Völlige Wiederherstellung der UInarisfunction.
c) Weichtheil Verletzung. Ulnarislähmung. Operation. Der
Nerv durch Narbengewebe aus seiner Rinne herausgehoben und
abgekniekt. Exstirpation der Narbenmassen und Rücklagerung
des Nerven. Völlige Heilung.
9) Gerulanos: Ueber Cystocele lineae albae. (H el¬
fe r i e h’sche Klinik.)
Der beschriebene Fall ist einzig in seiner Art In der Lite¬
ratur findet sich nur noch ein von Richter erwähnter, der aber
hicht ganz aufgeklärt ist.
Die Durchtrittsstelle des Blasenbruches befand sich dicht
oberhalb der Symphyse zwischen den Ansätzen beider Mm. recti.
Als Ursache scheint eine angeborene schwächere Stelle der Linea
alba in Verbindung mit mehreren Schwangerschaften anzuschul¬
digen zu sein. Der ausgestülpte Theil der Blase hatte mit der Zeit
die Form eines Divertikels angenommen. Vor dem Divertikel be¬
fand sich eine Cyste, die aber keine Abstammung von der Blasen¬
wand erkenen liess. Der Bruch hatte die Symptome der Blasen¬
einklemmung hervorgerufen. Die Exstirpation des Divertikels
brachte völlige Heilung.
10) Roestel - Görlitz: Zur Casuistik der Unterleibsverletz-
ungen durch stumpfe Gewalt. (Seemannskrankenhaus Hamburg.)
Ein unter den schwersten Schockerscheinungen im Kranken¬
haus auf genommener Fall von Bauchcontusion mit Perforations¬
peritonitis ging unter exspectativer Behandlung in Genesung aus.
Verf. glaubt, dass bei primärer Laparotomie bestimmt der letale
Ausgang eingetreten wäre.
ID Mysch - Kaluga (Russland): Ossificatio M. brachialis
intemi als eine Complication der hinteren Luxation im Ellbogen¬
gelenk.
Durch Exstirpation der Knochenmasse wurde völlige Heilung
erzielt. ,
Ueber die Aetiologie der Verknöcherung kann man nur Muth-
maasungen haben (Verletzung des Periostes? Abreissuug eines
KnochensttickesV).
12) Saul: Polemisches zur Catgutfrage. M i n e r v i n i :
Ebenso.
13) Helferich : Die Greifswalder chirurgische Klinik
in den Jahren 1885—1899.
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284
MÜNCHENER MED1CINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
H. gibt einen kurzen, aber sehr interessanten Ueberblick über
die Verhältnisse der Greifswuliler Klinik während der 14 Jahre
seiner Leitung.
lief. Avusste aus den vielen werthvolleu literarischen Mit-
theilungen, wie reich das Greifswalder Material ist, er war aber
doch von der Grösse der Zahlen überrascht. II. hat den Kranken¬
stand von 907 im Jahre 85/86 auf 2021 im Jahre 98/99 gebracht,
die Zahl der Operationen stieg von 626 auf 1311. K r e c k e.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In-
fectionskrankheiten. Bd. XXV1L, No. 3. 1900.
1) W. Podw r yssotzki-Iview: Myxomyceten, resp. Plasmo-
diophora Brassicae Woron. als Erzeuger der Geschwülste bei
Thieren.
Verf. erweiterte seine Uebertragungsversuelie bösartiger Ge¬
schwülste, wozu er bisher das Material von Menschen und Thier
genommen hatte, insofern, als er sich zur Infection Stückchen von
parasitären Geschwülsten mancher Kohlarten (Kohlkropf, lvohl-
liernie) bediente und • dieselben Kaninchen, Meerschweinchen,
Fröschen und Axolotlen unter die Haut brachte. In diesem Zell¬
gewebe der erkrankten Pflanze beüudet sich ein, von Woroniu
entdeckter Myxomycet Plasmodiophora Brassicae, welcher in
seinen Entwickelungsstadien viele Aeknliehkeit mit manchen Zell¬
einschlüssen in Krebsen und Sarkomen hat.
Das Resultat seiner Versuche war ein ganz unerwartetes, da
schon nach 15—18 Tagen beim Kaninchen und beim Meerschwein¬
chen über der inficirten Stelle eine wallnussgrosse bösartige Ge¬
schwulst auf trat. Mikroskopische Präparate zeigten im Gew'ebe
solcher Geschwülste Sporen von Plasmodiophora Brassicae Woron.
Im Innern von Riesenzellen, die sich an manchen Stellen um
mehrere Sporen gebildet hatten, verschwinden letztere. An ein¬
zeln mit Sporen beladenen Zellen sind schöne Mitosen nachweis¬
bar, was wohl beweist, dass der Parasit eine Kernproliferation
erregt. — Die Untersuchungen werden fortgesetzt.
2) Bruno S c h ü r m a y e r - Hannover: Ueber Aktinomykose
des Menschen und der Thiere.
Zu kurzem Referat nicht geeignet.
3) A. Celli-Rom: Ueber Immunität gegen Malaria-
infection.
Aus seinen ausgedehnten experimentellen Untersuchungen
über Malariainfection zieht Verf. folgende Schlüsse: 1. Einige
Personen besitzen eine angeborene Immunität gegen Malaria-
iufection, auch in den verseuchtesten Gegenden und selbst gegen
experimentelle Malaria. Andere erlangen eine Immunität durch
überstandene Krankheit. 2. Die Ursache der Immunität lässt
sich bis jetzt noch nicht auf Grund der Serumtherapie erklären,
da wieder Toxin noch Antitoxin bei diesen lnfectionon gefunden ist.
3. Weder durch krankhafte Producte der Malaria anderer Thiere,
noch durch Blutserum oder organische Säfte der gegen Malaria
immunen Thiere, noch durch Säfte der nicht oder Malaria tragen¬
den Stechmücken kann man eine künstliche Immunität bewirken,
sondern nur durch kräftige Dosen von Euchinin und Methylenblau.
4) M. Prettner - Prag: Beitrag zur Rassenimmunität.
(Vorläufige Mittheilung.)
Verf. beobachtete bei der thierärztlichen Untersuchung von
3912 Büffeln auch nicht ein einziges Mal Tuberculose, während
einige Autoren die Empfänglichkeit des Büffels für Tuberculose
behaupten. Zur Entscheidung dieser Frage injicirte er 2 Büffel¬
kälbern und 2 zur Controle dienenden gewöhnlichen Kälbern
intraperitoneal und in die Vene eine grössere Menge Tuberculose-
bouillonculturen. Circa 5 Wochen nach der ersten Injection wurden
die Büffel getödtet, wobei keine Tuberculose constatirt werden
konnte. Von den beiden Controlkälbern war eins bereits an
Tuberculose eingegangen, das andere zeigte sich beim Tödten
perlsüchtig. R. O. Neu mann - Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 6.
1) A. C e 11 i - Rom : Epidemiologie und Prophylaxis der
Malaria vom neuesten aetiologischen Standpunkte aus. (Schluss
folgt.)
2) H. S a 1 o m o n - Frankfurt a. M.: Ueber Hirndruck-
symptome beim Typhus.
Mehrfach fiel es dem Verfasser auf, dass bei Typhus die
Sehnervenpapille leichte Veränderungen zeigte, wie sie bei Zu¬
ständen mit erhöhtem Hirndruck Vorkommen. Er untersuchte
desshalb mittels der Quinck e’sehen Lumbalpunction den
Druck, unter welchem der Liquor cerebro-spin. bei Typhuskranken
steht. Zunächst fand sich letzterer steril, ferner fehlte ihm das
Vermögen der Agglutination, besonders aber war der Druck in
allen Fällen erhöht, vielleicht in Folge einer serösen Traussudation
aus den Meningen, deren Entzündung oft im Bilde des Typhus
hervortritt. Aus der Drucksteigerung würde sich auch die relativ
geringe Pulsfrequenz bei Typhösen erklären lassen. Die Lumbal¬
punction wirkte in allen Fällen erleichternd auf die subjectiven
Symptome.
3) H. M a a s s - Berlin: Ueber mechanische Störungen des
Knochenwachsthums.
Cf. Referat pag. 1698 der Münch, med. Wochenschr. 1899.
4) E. Wormann - Dresden: Ueber luetische Struma.
Bei einem 24 jährigen Mann, der bereits gummöse Erschei¬
nungen (Gumma an der hinteren Wand des Velum palatiu.) auf¬
wies. trat während einer Jodcur und nach verschiedenen Schmier-
curen eine rapid zunehmende, gleichmässige Schwellung der Schild¬
drüse auf, die sofort zurückging, als eine Hg-Behandlung ein¬
geleitet wurde. Aus diesen Umständen scliliesst W. auf eine
luetische Strumitis, die als secundäre, einfach hyperplastische Er¬
krankung anzusehen ist. Interessant ist besonders das Versagen
der Jodwdrkung, andererseits der prompte Effect der Hg-Tberapie.
5) M. Schüller- Berlin: Polyarthritis chronic, villosa
und Arthritis deformans. (Schluss folgt.)
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 5.
1) Sonnenburg: Die Behandlung der umschriebenen
Abscesse der Peritonealhöhle. (Aus dem städtischen Kranken-
lmuse Moabit in Berlin.)
S. knüpft seine Ausführungen an die in No. 33 und 34 der
Berliner klinischen Wochenschr. erschienene Veröffentlichung von
Riedel. Der von diesem betonten Nothwendigkeit der sofortigen
operativen Behandlung eines Anfalls von Appendieitis stehen
nach seiner Ansicht zwei Bedenken entgegen, erstens die Schwierig¬
keit der Differentialdiagnose einer eitrigen und nicht eitrigen
Appendieitis im Anfangsstadium, und weiterhin die Erfahrung,
dass bei kleinen Abscessen in einer grossen Anzahl der Fälle
Spontanheilung innerhalb weniger Tage eintritt. Dazu kommt
feiner, dass die von Riedel angegebene Operationsmethode
weder den einfachsten, noch den ungefährlichsten Weg einschlägt.
Der Weg durch das Peritoneum zum Abscess soll, insbesondere
bei einem acuten Anfall von Appendieitis, nicht als Regel, sondern
nur als Ausnahme gewählt w r erden.
2) Lewerenz: Casuistischer Beitrag zur Invaginatio
ileocolica. (Aus dem Lazaruskrankenhause in Berlin.)
Casuistische Mittheilung, vorgetragen in der Sitzung der
freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am 13. November 1899.
3) Martin Cohn: Untersuchungen über den Speichel und
seinen Einfluss auf die Magen Verdauung. (Aus der III. medic.
Universitätsklinik in Berlin.) (Schluss aus No. 4.)
Studie über die Beeinflussung des Verdauungsprocesses
durch die chemische Veränderung oder totale Ausschaltung der
Speichelflüssigkeit ohne wesentlich neue Resultate.
4) Paul Bernhardt: Ein Fall von Pneumathaemie und
Schaumorganen. (Aus der Bezirksirrenanstalt Stephansfeld
[Eisass].)
Interessante Mittheilung des Krankheits- und Sections-
bericlites, sowie der histologischen und bacteriologischen Unter¬
suchungsresultate eines Falles von „Pneumathaemie“ bei einem
51jährigen Idioten. Nachweis des Bacillus aerogenes capsulatus,
Einbruch der Infection in den Körper vom Darm her durch die
Ausführungsgänge der grossen Unterleibsdrüsen.
5) Tropenhygiene und Tropenkrankheiten.
R. Koch: Zweiter Bericht über die Thätigkeit der Malaria¬
expedition. (Von der Colonialabtheilung des Auswärtigen Amtes
zur Veröffentlichung übergeben.)
Aus diesem Bericht, welcher die Thätigkeit der Expedition
wührend ihres Aufenthaltes in Niederländisch-Indien (Batavia
u. s. w\) vom 21. September bis 12. December 1899 schildert, geh:
zunächst hervor, dass die Malaria daselbst in Folge der von de
Regierung getroffenen hygienischen Maassnahmen lange nicl»
mehr die Rolle spielt wie früher. Als nachahmenswerthes Bei¬
spiel w r ird u. a. die unentgeltliche Abgabe von Chinin an die Be¬
völkerung (durchschnittlich ca. 2000 kg Chinin pro Jahr) an¬
geführt. Die Untersuchungsresultate selbst bestätigen die Richtig¬
keit der sogen. Mosquitotheorie. F. Lacher- München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 5.
1) F. S c h a u t a - Wien: Ueber die Einschränkung der La¬
parotomie zu Gunsten der vaginalen Coeliotomie.
Die Vortheile der letzteren liegen begründet in der um etwa
die Hälfte geringeren Mortalität, in dem schmerzlosen, uncompli-
cirten Heilungsverlauf, in dem Wegfall der Bauchwunde mit den
conseeutiven Narben, Eiterungen, Hernien. Die weitere Ausbil¬
dung der vaginalen Operationen ist daher anzustreben. Nachdem
Verfasser die Resultate der in Betracht kommenden vaginalen
und abdominellen Operationen auf Grund seiner eigenen langen
Erfahrungen (cfr. Uebersichtstabelle im Original) eingehend be¬
sprochen, kommt er im Allgemeinen zu folgenden Grundsätzen:
Für radical vorzünehmende Eingriffe eignet sich mehr die vagi¬
nale Coeliotomie. Als Ausnahme sind zu betrachten gewisse Fälle
von Ovarialcysten, w r o conservativ vorgegangen w r erilen muss,
und die Fälle von vaginaler Fixation des Uterus. Für conser-
vative Operationen eignet sich mehr der abdominelle Weg, also
für die festen Eierstockstumoren, die adhaerenteu oder multi-
loculären cystischen Tumoren, alle malignen Eierstocksgeschwülste,
bei denen die durch die Enge des vaginalen Weges notlnvendige
Verkleinerung verboten ist, endlich die Fälle von Myomen ucloa
tionen und der conservative Kaiserschnitt.
2) H. Peters: Ovariotomie per anum.
In der Literatur lagen bisher 3 derartige Fälle vor, über die
Verfasser referirt. In seinem Falle bestand ein grosser Rectum-
prolaps, der in Folge des schlechten Ernährungszustandes der
37 jährigen Patientin mit der gleichfalls vorhandenen Ovarialcyste
in einer Operation entfernt werden sollte. Der Douglas wurde
breit eröffnet, das Rectum provisorisch abgehunden, durch einen
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13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEP1CTNTSCHE WOCHENSCHRIFT.
235
2. Operateur die Cyste’hembgeliolt'und exstirpirt, dann die Prolaps¬
operation beendigt. Der Verlauf war fast fieberfrei, der Erfolg
der Prolapsoperation allerdings nicht sehr befriedigend. Die auf
diesem seltenen Wege exstirpirte Cyste war ein einkammeriges,
seröses Cystadenom.
3) H. Hübl-Wien: Ueber Luftembolie bei Placenta
praevia.
Die 2 mitgetheilten Fülle stammen aus der Braun’schen
Klinik. Der 1. Fall (40jähr. Rachitiea), bei dem in der Narkose
die Wendung ausgeftihrt wurde, verlief acut tödtlich: die Section
ergab die Ausfüllung der rechten Herzkammer mit Luft, an der
oberen Grenze der abgelösten Placenta ein klaffendes, rabenfeder¬
kieldickes Gefässlumen.
Im 2. Falle (36jähr. IV. Para) erfolgte der Tod erst 8 l / 2 Stun¬
den nach der in Narkose vollführten Wendung, nachdem mehrere
Collapsanfälle voran gegangen waren. Eine Section fand in diesem
Falle nicht statt. Verfasser bespricht noch die Diagnose dieser
Luftembolien, die häufig schwer vom Chloroformtod zu trennen
sind, ferner die Bedingungen, unter denen der Lufteintritt in die
Venen ermöglicht werden kann. Wichtig ist besonders auch das
rasche Abfliessen grosser Frucht wassermengen; die bei der
Wendling nöthigen Manipulationen befördern natürlich das Ein¬
dringen von Luft in das Cavum uteri.
4) E. Moro-Graz: Ueber die nach Oram färbbaren Ba¬
cillen des Säuglingsstuhles.
Escherich hat schon 1898 aus diarrhoischen SiUiglings-
siüblen eine Spaltpilzart in Form von Stäbchen isolirt. M. theilt
nun ein Verfahren mit, aus dem Stuhl normaler Brustkinder einen
nach Gram färbbaren Bacillus zu züchten, der das Charakte
ristische hat, dass stark saure Bierwürzebouillou, auch Molke oder
ungesäuerte Bouillon einen electiven Nährboden für ihn darstellt,
wcsshalb Verfasser ihm den Namen Bacillus acidophilus beizu¬
legen vorschlägt. Ueber das Culturverfahren ist das Original zu
vergleichen. Dr. Grassmann -München.
Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 3 u. 4.
F © 1 n ft r - Prag: Zwei Fälle von Tuberculose der serösen
Haate beün Menschen unter dem makroskopischen sowie
mikroskopischen Bilde der Perlsucht. (Strahlpilzähnliche
Formen der Tuberkelbaeillen.)
In 2 Leichen mit multipler Tuberculose hat P. einmal am Peri¬
card, das andere Mal auf der Darmserosa und dem Mesenterium
derbe, kleine, meist gestielte Geschwülstchen gefunden welche
makroskopisch wie mikroskopisch grosse Uebereinstimmung mit
den bei Thieren vorkommendeu kleinen Perlknoten aufwiesen.
Dieselben enthielten die — im Ganzen spärlichen — Tuberkel
An C Ji!f n in häufchenförmiger, aktinomycesähnlicher
Anordnung mit fadenförmigen Verzweigungen.
Universität SträsSbUrg. Januar 1900.
1. Held mann Adolf: Beschreibung eines im höchsten Grade
osteomalaciseli veränderten Beckens.
2. Leipprand Gustav: Kritische Beleuchtung der Behandlung
der Nachgeburtsperiode.
3. Bernhard Carl: Ueber die Immunisirung durch die Milch
typhöser Ammen.
4. Deidesheimer Gustav: Ueber Resultate der Behandlung
der chronischen Ischias durch blutige Dehnung des Nervus
iseliiadicus.
5. Müller Fritz: Ueber Gangraen von Extremitäten bei Neu¬
geborenen.
Universität Tübingen. Januar 1900.
1. Bode Heinrich: lieber primäre Conjunctivaltuberculose.
2. Gelbrich Paul: Ueber Streptococcen in faulendem Thier¬
blute.
3. Holzapfel Gotthold: Ungewöhnlicher Ursprung und Ver¬
lauf der Arteria subclavia dextra.
4. K I s s 1 i n g Karl: Kopftrauma und Psychosen.
5. Meyer Ernst, Dr.: Beitrag zur Kenntnis» der acut ent¬
standenen Psychosen und der katatonischen Zustände. Hab.
Schrift.
Universität Würzburg. Januar 1900.
1. Diez W.: Beiträge zur Aetiologie der Keratitis parenchyma-
tosa.
2. Fuss Engelbert: Die Betheiligung der Nerven an den Schwan¬
kungen in der Pupillenweite.
3. H e i 1 m a i e r Georg: Beitrag zur Frage des Zusammen¬
hanges von Augen- und Nasenerkrankungen.
4. Kasztan Georg: Beitrag zur Frage der Augendiphtlierie.
5. Krause Erich: Beitrag zur cystischen Degeneration der
Niere bei Erwachsenen.
G. Müller Ottmar: Ein Fall von primärem Tubencarcinom.
7. Schade Georg: Vier seltene Fälle von Magenkrebs.
8. Schwenk Arthur: Die Behandlung der Psoriasis mit Naf-
talan.
9. Xylander O.: Ueber die Ausscheidung von Jod im Harn
nach Application von .Todsalbcn.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere
Medicin in Berlin siehe Seite 242.
Verein Freiburger Aerzte.
(Eigener Bericht.)
Sitzung v o m 22. D c c e ni b e r 1899.
Ibidem No. 5.
geschwüre° nl Pfag: XTeber Bacteri otherapie der Schenkel
npÄ2 ei r tra fiH US Pyocyaneusculturen — nach Buch
n e r s Methode hergestellt — haben H o n 1 und B u k o v s k v zui
5^3“ Behandlung von Unterschenkelgeschwüren angewende
5Srf? aml | t aus “ el l m ? nd Erfolge bei 100 Kranken erhielt. E«
dürfte eine bactericlde Wirkung auf die zahlreichen Mikro
Organismen stattfinden, welche auf dem günstigen Nährboden dei
SSSTrSSfw gedeiheu und den Heil^oceJ bis ™ einem ge
*tonzuhalten scheinen. Vor Kurzem haben übri
E m m e r i c h und X, u w die bactericlde Wirkung der Pvo
aueusenzyme auf experimentellem Wege festgestellt. 7
B e r g e a t - München.
Inaugnral-Dissertationen.
Universität Giessen. Januar 1900.
1 ‘l899 e " er Heinrlch: Ueber dlc behaarten Raehenpolypen.
3 n?™' : ® erlch I. flber 52 Myopieoperatiouen.
1899 ff E t ' DI s P° ntane Darmruptur bei Neugeborenen.
4 ' m nelder Hermann: Ueber den bilateralen Nlerendefect.
5 ' ungeD. 6 Ge<>rg: Z " r Casul8tlk der s'.bcutanen Nierenverletz-
Universität Heidelberg. Januar 1900.
1- Kehrer Erwin: Das Nebenhorn des doppelten Uterus.
Universität München. Januar 1900.
V r i A v d ? 1 5:t Die Beeinfla ssuug der Resorption im Dünn-
0 dar m durch Adstringentien.
“• ^-j 8 ™p: Beitrag zur traumatischen Erkrankung der
J fracUir gami -^ ane8uke: Ueber die coinplicirte Schädel-
L Yamasa ki Toyosaburo: Casuistischer Beitrag zur Lehre
von den Harnblasens&rkomen.
T Ofto: Zwei Fälle von Meningitis tubereulosa mit Herd-
erscheinungen von Seite der Gehirnrinde.
1. Herr Privatdocent Dr. S c h ü 1 e demonstrirt a) das Gehirn
eines an Hydrocephalus internus verstorbenen Kindes.
b) ein Präparat von Tumor cerebelli (hemispli. dextra).
Klinisch hatte die Geschwulst ausser den allgemeinen Symptomen
des Hirntumors auch noch einige Hirnnervenlähmungen ver¬
ursacht. Es fand sich X und VIII rechts, XII links affieirt. Diese
Paresen wurden i. v. nicht als Herdsymptome gedeutet, sondern
durch Druck des Tumors auf die Medulla oblongata und die aus¬
tretenden Nerven. Die Autopsie bestätigte diese Annahme.
c) Präparat einer cystischen Degeneration fast des ganzen
Oberwurms im Kleinhirn. Ein Tumor fand sich uicht. Der
Patient war in Folge eines Sturzes an cerebralen Symptomen er¬
krankt, welche auf eine Geschwulst hindeuteten.
(Die nähere Beschreibung des Falles erfolgt a. a. O.)
Sodann bespricht Vortragender an der Hand eines ausser-
gewöhnlicli verlaufenen Falles von Magencarcinom die Diagnostik
der Magenkrebse und die Bedeutung der diätetischen Therapie
bei consutnptiv verlaufenden Affectionen.
(Der Vortrag wird in extenso in der Zeitschrift für prakt.
Aerzte veröffentlicht werden.)
Discussion : Herr Geheimrath B ä u m 1 e r hebt bei dem
von Dr. Sehüle zuletzt erwähnten Fall namentlich die lange
Dauer der Erkrankuug hervor. Die ersten Beschwerden traten
vor nahezu 6 Jahren auf: Schmerzen In der Magengegend; zu¬
weilen nach dem Essen geringere Beschwerden als vorher.
In den folgenden Jahren langsame Zunahme der Beschwerden
und Abnahme des Körpergewichts von 72,1 bis 65,8 kg. Zeit¬
weise Uebelkeit, aber kein Erbrechen. Magendilatation, Tumor
oder Lebervergrösserung waren nie nachzuwelsen. Ein Auf¬
enthalt an der See im Herbst 1896 bekam dem Patienten sehr gut;
ebenso ein Aufenthalt in Tarasp, Sommer 1897. Erst in der
letzten Zeit waren die Erscheinungen so, dass eine Krankenhaus¬
behandlung indicirt erschien.
Herr R o o s, der den Kranken ebenfalls kurze Zeit ambulant
beobachtet hat, bemerkt, dass sich im März 1899 starke Reste
im nüchternen Magen bei den morgendlichen Aus¬
spülungen fanden, und dass einmal bei der Ausspülung kaffee¬
satzartiges Blut entleert wurde. „Freie Salzsäure“ fand
sich allerdings ständig, wenn auch ln verringerter Menge.
2. Herr M e i s e 1 theilt im Anschluss an die Ausführungen
des Herrn Dr. Sehüle über die Diagnose des Magencarcinoms
aus der chirurgischen Klinik von Herrn Hofrath Eraske einen
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Gougle
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
236
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
diagnostisch interessanten und jedenfalls bisher noch selten be¬
obachteten Fall von Stenosirung des Pylorus mit. Des allge¬
meinen Interesses wegen soll der Fall hier kurz besprochen
werden.
Bei einer 43 jährigen Frau Br. bestanden seit etwa 3 Monaten
die ausgesprochenen Zeichen einer Magenerweiterung.
Es wurden nur noch dünnflüssige Speisen befördert, während
festere und sogar breiige Speisen nach kürzerer und längerer Zeit,
wieder erbrochen wurden. Bei der ersten Magenspülung in der
Klinik wurden noch Reste von Speisen entleert, die vor 8 Tagen
srenossen worden waren. Während der letzten Monate war die
Kranke rasch abgemagert, eine allmähliche Abnahme des Körper¬
gewichts aber "war schon in den letzten beiden Jahren beobachtet
worden. In dieser Zeit hatte die Kranke wiederholt Anfälle von
Magenschmerzen, welche in den Rücken zogen. Einmal
waren dieselben so heftig und anhaltend, bei gleichzeitigem Er¬
brechen. dass sie etwa 2 Wochen zu Bett liegen musste. Fieber
wurde dabei nicht beobachtet. Für Blutungen ergab die Anam¬
nese keine Anhaltspunkte.
Jetzt fühlte die Patientin nun selbst durch die schlaffen,
mageren Bauchdecken eine Geschwulst und hielt diese für eine
Krebsgeschwulst. Ihr Arzt, der ihr beistimmte, schickte sie zum
Zweck einer Operation in die chirurgische Klinik.
Die Geschwulst lag etwas nach rechts von der Mittellinie
zwischen Nabel und Schwertfortsatz. war leicht nach links und
rechts zu verschieben und änderte etwas ihre Lage bei ver¬
schiedener Füllung des Magens. Der kinderfaustgross geschätzte
Tumor war regelmässig gestaltet, von glatter Oberfläche und auf
Druck empfindlich. Der Mageninhalt nach einem Probefrühstück
ergab eine sehr deutliche Salzsä urereaetion. Blut
war nicht vorhanden. Trotzdem wurde ein Carcinom des Pylorus.
vielleicht auf einem Ficus entstanden, für das Wahrscheinlichste
gehalten und eine Gastroenterostomie, wenn möglich eine Re-
section des Pylorus in Aussicht genommen. Die Prognose wurde \
nicht ungünstig gestellt. Die Kranke hatte trotz ihres kachek-
iischen Aussehens einen guten Puls. Die den Rippenbogen etwas
überragende Leber fühlte sich weich an und auch sonst wurden
gesunde Organe gefunden.
Nach Eröffnung der Bauchhöhle bot sich nun ein überraschen-
der Befund. Von einem Tumor war Nichts zu sehen.
Erst durch Palpation konnte ein harter Körper im Anfangs-
theil des Duodenum, dicht unterhalb des Pylorus festgestellt
worden. Der Körper sass im Duodenum fest eingekeilt. Er liess
sich zwischen Pylorus und einem vorerst nicht zu erkennenden
Hinderniss nur sehr wenig hin- und herschieben. Der Körper
hatte walzenförmige Gestalt und an seinen beiden Enden Coneavi-
täten. so dass er sich anfühlte wie ein grosser Murphyknopf.
Das Duodenum wurde durch einen Längsschnitt eröffnet und nach
mehreren Einkerbungen des Pvlorusringes ein grossser wal¬
zenförmiger Gallenstein mit 2 Facetten heraus¬
gezogen. Das Duodenum, welches nach der Gallenblase zu etwas
verzogen war. war für den eingeführten Zeigefinger bequem durch¬
gängig. zeigte aber an der Stelle der Verziehung einen das Lumen
verengernden Ring. Die Gallenblase war leer.
Es folge eine sorgfältige Darmnaht. Die Bauchwunde wurde
bis auf eine kleine Oeffnung. durch welche ein Gazestreifen auf die
Nahtlinie geführt wurde, durch Naht geschlossen. Die Heilung
erfolgte ohne Störung. Die Patientin ist seit der am 3. August
1899 von Herrn Hofrath Kraske ausgeführten Operation voll¬
ständig frei von Schmerzen, sie verträgt wieder alle Speisen und
hat an Körpergewicht so zugenommen, dass sie kaum wieder
zu erkennen ist.
Nach dem autoptisehen Befund handelte es sich also nicht
um eine eigentliche Pylorusstenose. Diese wurde viel¬
mehr vorgetäuscht durch eine fast vollständige Obstructio
duodeni durch einen Gallenstein. Der Mechanis¬
mus war wie bei der bestgekannten Gruppe von Fällen des
Gallensteinileus so, dass durch das Missverhältniss der Grösse
des Steines eine relative Stenose des Darms zu einer vollständigen
gemacht wurde. Dass aber in diesem Fall der Stein nach dem
Magen zu gedrückt wurde und zu einem Pylorus Verschluss führte,
macht diesen Fall, wie es scheint, zu einem TTnieum. Das Zu¬
standekommen dieser eigentümlichen Verhältnisse ist wohl so
zu erklären: Es waren 3 Steine in der Gallenblase, von denen
der operativ entfernte Stein der mittlere und grösste war. Der
vor ihm liegende trat durch eine Gallenblasenduodenalfistel in den
Darm und ging ah. Jetzt trat der mittlere ein und wurde von
dem naehrüekenden Stein, mit dem er durch eine tiefe Facette
wie zu einem Stücke verbunden war, nach dem Anfangstheil des
Pylorus zu geschoben. Nachdem beide in’s Duodenum gelangt
waren, ging durch die inzwischen entstandene Verengerung des
Duodenum der letzte kleinere Stein ab, während der mittlere in
Folge seiner Grosse diese nicht passiren konnte. Durch nach¬
trägliche Narbenschrumpfung wurde die Obstruction mehr und
mehr eine vollständige und führte schliesslich zu einem Pylorus-
verschluss.
Greifswalder medicinischer Verein.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 6. Januar 1900.
Vorsitzender: Herr Landois. Schriftführer: Herr Busse.
1. Herr Uhlenhut : Ueber die Verbreitung’ der Lepra¬
bacillen im menschlichen Körper; mit Demonstrationen.
IT. hat einen im Institut für Infectionskrankheiten behan¬
delten und obducirten Fall von Lepra mixta klinisch und ana¬
tomisch genau studirt. Fast in allen Organen fanden sich Lepra¬
bacillen; besonders reichlich, ja fast in unglaublichen Mengen
fand er sie in der Haut, den Schleimhäuten der oberen Luftwege,
zumal der linken oberen Muschel, der Zunge, Tonsille, Schleim¬
haut des Mundes und des Rachens, in der Epiglottis und den
Stimmbändern. Unterhalb des II. Trachealringes war die
Schleimhaut frei von Leprabacillen. Sehr zahlreich lagen sie
ferner in der Milz, im Knochenmarke, den subcutanen Lymph-
driisen im Hoden, der Leber, vereinzelt in der Lunge, den .Bron¬
chialdrüsen und der Musculatur des Herzens und Körpers. Der
Danntractus enthielt keine Leprabacillen, ebenso die Wandung
der Harnblase, die Speichel-, Talg-, Schleim- und Schweissdrüsen
und das Epithel der Haut. Die Bacillen liegen meistens in
Zellen eingeschlossen, gewöhnlich zu grossen Massen als sogen.
Lepraschollen in den von V i r c h o w als Leprazellen bezeieb¬
neten eigenartigen, durch Vaeuolenbildung ausgezei ebneten
Zellen. Dort, wo die Bacillen in geringer Menge liegen, machen
sie gar keine Gewebsveränderungen, bei massenhafter Anhäufung
entsteht eine entzündliche Wucherung, besonders in der Um¬
gebung der Gefässe. In den peripheren Nerven (N. peroneus, N.
ulnaris, N. saphenus) zeigt sich eine weitgehende Degeneration
und Schwund der Nervenfasern, in dem dazwischen liegenden
verdickten interstitiellen Gewebe massenhafte Leprabacillen.
Der N. vagus zeigt bei absolutem Mangel von Bacillen völligen
Schwund der nervösen Theile, ähnlich, nur nicht so stark, waren
die Veränderungen im N. sympathicus. In den Spinalganglien
lagen die Bacillen innerhalb der Ganglienzellen, ebenso in dem
Vorderhorn des Rückenmarkes. Das Gehirn war frei von Lepra¬
bacillen, ausgenommen die P u r k i n j e’schen Zellen des Klein¬
hirns. Die Se- und Excrete waren mit Ausnahme des Nasen -
secretes und Auswurfs frei von Leprabacillen, hier aber waren
sie in ungeheuren Mengen vorhanden, was für, die von Koch
und Sticker vertretene Ansicht spricht, dass die Lepra durch
das Nascnsecret übertragen werde und die Nasenschleimhaut
zuerst befiele. Die Verbreitung erfolgt nach U. nicht nur durch
die Lymphbahnen, sondern auch durch die Blutgefässe.
Demonstration zahlreicher mikroskopischer Präparate und
Zeichnungen.
2. Herr Grawitz demonstrirt eine Anzahl von mikro¬
skopischen Schnitten aus den Organen Pestkranker, die Herr Dr.
Henkel- Eppendorf übersandt hat. In den Bubonen, Lungen,
in der Milz und dem Herzen finden sich die Bacillen in wirklich
enormer Menge. Grawitz erläutert die Präparate durch Mit¬
theilung der pathologisch-anatomischen Veränderungen, die sich
bei Pestkranken finden.
3. Herr Martin demonstrirt:
a) einen weiblichen Eplgn&thus, der von Herrn Dr. Bor-
c h e r t - Stolp übersandt worden ist. Die Frucht wurde mit der
Zange entwickelt. Aus dem weitgeöffneten Munde ragt ein grosser
Tumor heraus, an dem nnten ein rudimentärer Steiss, im Innem
grössere Knochen zu constatiren sind. Das Kind hat noch */« Std.
geathmet. Nach dieser Missbildung wurde noch ein gut ausgebil¬
deter Knabe geboren.
b) eine Sacto-Salpinx purulenta tuberculosa, deren- Entfer¬
nung äusserst schwierig gewesen ist. Nach M.’s Angabe liegt hier
ein Fall von primärer Tubereulose der Tube vor. Der Eiter erwies
sich steril. In der Wandung der Eitersäcke fanden sich verkäste
Stellen, Riesenzellen und Tuberkelbacillen.
e) Ein 27 Pfund schweres Ovarialkystom, welches zusammeü
mit dem stark myomatös erkrankten Uterus bei einer 53 jährigen
Patientin entfernt worden ist. Einige derbe Knoten an dem
grossen Tumor erwiesen sich als gutartige Kystadenome im Gegen¬
satz zu einem zum Vergleich vorgelegten cystischen Ovarialtumor
bei einem 16 jährigen Mädchen, an dem krebsige Entartung näeh-
zuweiseu war.
4. Herr Jung demonstrirt ein makroskopisches und mehrere
mikroskopische Präparate von Kraurosis vulvae. An dem vor¬
liegenden Falle findet sich eine Complication mit Oancrold. Alle
mikroskopischen Präparate zeigen das Stadium der Atrophie; man
sieht darin Sklerosirung des Corium, Verstreichen der Papillen.
Verschmälerung der Horn- und Epitheldecke, sowie völligen
Schwund der elastischen Fasern. Aetiologie dieses Falles, wie der
Kraurosis überhaupt, dunkel. Therapie so weit vorgeschrittener
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
237
Fälle kann nur in völliger Exstirpation der gesammten erkrankten
Hautpartie bestehen.
5. Herr L e i c k berichtet über einen auf der inneren Klinik
zur Beobachtung gekommenen Fall von primärer Diphtherie der
Vulva, verursacht durch Löffle r’sche Diphtheriebacillen.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 5. December 1899.
Vorsitzender: Herr Sick; Schriftführer: Herr H enkel.
1. Herr Wiesinger: Demonstration eiues Prostata-
carcinoms.
Es ist eine schon öfter hervorgehobene Tliatsaclie, dass die
localen Erscheinungen des Prostatacareinoms so gering sein
können, dass erst die Section dieselben nachzuweisen vermag,
und wir haben Fälle beobachtet, die auch da makroskopisch nicht
sicher erkannt werden, sondern erst mikroskopisch diagnosticirt
werden konnten. Umgekehrt gibt es auch Falle, die von vorn
herein örtlich deutliche Erscheinungen machen.
Zu den letzteren gehört das Präparat, welches ich Ihnen zeigen
möchte, welches von einem Ö0 jährigen Manne stammt, bei welchem
die starke Vergrösserung und die höckerige, harte Form die Dia¬
gnose ohne Weiteres stellen liess.
Das Präparat ist dadurch ausgezeichnet, dass nicht nur die
Prostata in einen apfelgrossen Tumor verwandelt ist, sondern die
krebsige Infiltration die Blasenwandung diffus durchsetzt und die
Blasenschleimhaut durch haselnuss- bis wallnussgrosse Ge¬
schwülste in das Blaseninuere vorbuckelt. Ausser Metastasen
der Lunge, lieber und Knochen, waren auch hier zahlreiche Me¬
tastasen der Wirbelsäule vorhanden, die bei Lebzeiten keine Er¬
scheinungen gemacht hatten und die im Gegensatz zu der meist
osteoplastischen Form bei Prostatacarcinom, die Knochensubstauz
erweiche und zerstört hatten.
2. Demonstration eines Blasencarcinoms, welches aus einer
Sectio alta-Wunde hervorwuchernd einen mehr als kiudskopf-
gros8en Tumor auf den äusseren Bedeckungen gebildet hatte.
Vortrag des Herrn Simmonds: Ueber Tuberculose des
Magens.
(Erscheint in extenso in dieser Wochenschrift.)
Discussion: Herr Schmilinsky. Die Diagnostik
der tuberculösen Magengeschwüre am Lebenden sei sehr schwierig,
du dieselben meist keine Beschwerden verursachten. Die höhere
Acidität des Magensaftes, die fast stets eine Begleiterscheinung
des gewöhnlichen runden Magengeschwürs sei, fehle bei dem
tuberculösen Magengeschwür. Und dieses Fehlen des stark sauren
Magensaftes könne einerseits die Ansiedlung von Tuberkelbacillen
begünstigen, andererseits eine Anätzuug der Gesellwürsfläche und
das Auslösen von Pyloruskrämpfen verhindern.
Herr Fraenkel verfüge nur über ein relativ geringes Ma¬
terial an tuberculösen Magengeschwüren. Bezüglich der P e-
uuschk i'sclien Veröffentlichung sei er durchaus nicht von der
Richtigkeit der Diagnose überzeugt. Tuberculose Magengeschwüre
habe er nur bei ganz hochgradigen Phthisikern gefunden.
Tuberculose Erkrankungen kommen einmal in der Form von
Ulcerationen, dann als miliare Tuberkel und schliesslich noch als
tuberculose Geschwülste vor. Bei einer derartigen Geschwulst,
die am Pylorus sass und klinisch als Careinom angesprochen und
mit gleichzeitiger Resection des ganzen Pylorus entfernt worden
war, wurde der tuberculose Charakter erst durch die histologische
Untersuchung erkannt.
Herr Simmonds: Bei den von ihm untersuchten Fällen von
tuberculösen Magengeschwüren sei Intra vitam eine Untersuchung
des Magensaftes nicht vorgenommen worden. Ihm scheinen die
von Sch. angeführten aetiologischen Momente der tuberculösen
Magengeschwüre und die Gründe ihres symptomlosen Verlaufes
sehr acceptabel.
Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 10. Juli 1899.
Vorsitzender: Herr Leichten stern.
Schriftführer: Herr Dreesmann.
Vor der Tagesordnung stellt Herr Kuznitzky einen
Patienten mit Molluscum contagiosum vor. Die Effloreseenzen
sitzen an der Wüirzel des Penis, auf der Dorsalseite. Einige von
ihnen sind durch Kratzen entzündlich verändert, so dass die Dia¬
gnose eventuell auf Schwierigkeiten stossen könnte. Vortragender
bespricht eingehend die klinische Differentialdiagnose der Mollus-
cum-Efflorescenzen, ohne jedoch auf ihre Histologie einzugehen,
da er diese bereits bei früherer Demonstration auseinanderzusetzen
Gelegenheit hatte.
1. Herr Huismans : Meningitis basilaris tranm. (Der
Vortrag ist anderweitig veröffentlicht.)
2. Herr v. Bremen: Das in Köln 1514 gedruckte Pest-
Michloin „Klop Duvel Klop”.
Der Verfasser ist nicht genannt, doch geht aus der Art der
Beprechung der Pestfrage hervor, dass derselbe wohl dem ärzt-
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liehen Stande angehört. Das Büchlein ist für Laien bestimmt.
Es ist in Frage und Antwort gehalten.
Zuerst wird die Prophylaxe besprochen und empfohlen,
zu Pestzeiten nicht in verseuchte Häuser zu gehen, noch mit
Personen zu verkehren, die mit Pestkranken in Berührung ge¬
kommen sind. An die inficirteu Häuser sollen Strohbunde aus¬
gehängt werden und alle Bewohner derselben einen weissen
Stecken tragen. Dann wird Vermeidung aller Ausschreitungen
und ruhiges, gleiehfiiässiges Leben anempfolileii. Im 2. Capitel
wird erst die Taugniss der Wachholderbeeren besprochen, denen
Heilkraft gegen sehr zahlreiche Krankheiten beigelegt wird, und
die, spcciell mit Essig zubereitet, als Prophylactieum gegen die
Pest empfohlen werden. In den folgenden Capiteln werden die
ersten Anzeichen der Krankheit und das Aderlässen behandelt.
Ueber letzteres werden minutiöse Auseinandersetzungen gegeben,
da der Ort der Blutentziehung sich genau richtet nach dem Ort
der Pestbeule, und dabei auch die Monats- und Tageszeit berück¬
sichtigt werden muss. Das 5. Capitel bringt dann die Pflege und
Wartung des Kranken, was er essen, was er trinken soll, wie er
zum Schwitzen zu bringen ist, wie Oeffnung zu erzielen ist etc.
Der folgende Abschnitt enthält dann Recepte für Reiche und
Arme, lnfuse, Latwergen, Thees und Aquae vitae. Einige der¬
selben werden besprochen, so enthält eines nicht weniger als
24 Bestandtheile der verschiedensten Art. Die letzten Capitel
bringen dann noch Recepte als Sicherung gegen die Ansteckung
und zur Bereitung von Salben und Pflastern, die die Pestbeule
heilen sollen.
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 19. December 1899.
Vorsitzender: Herr Curschmann, dann Herr B a li r d t.
Schriftführer: Herr Braun.
1. Vorstandswahl. Der bisherige Vorstand wurde wieder¬
gewählt.
2. Herr Perthes demonstrirt die r. Niere einer 40jähr. Pat..
welche er wegen Pyelonephritis exstirpirt hat. Die Symptome der
von einer Cystitis ausgehenden, seit lö Jahren bestehenden Er¬
krankung hatten in JSchmerzanfällen von dem Charakte de Niere
steinkolikeu, Eitern hgaug mit dem Urin und Ausbildung einer druck¬
empfindlichen Resistenz, in der rechten Lumbalgegend bestanden,
eine exacte Diagnose war jedoch erst durch das Cystoskop ermög¬
licht. Bei Druck auf die rechte Nierengegend sah man cysto-
kopisch aus der rechten Ureterüffnung einen Strom dickflüssigen
Eiters ausfiiessen. Der Katheterismus des linken Ureters ergab
klaren aber ei weisshaltigen Urin. Trotzdem wurde mittels
Koni g’scher Schnittführung die rechte Niere exstirpirt. Die
Patientin hat sich gut erholt und der Eiweissgehalt des von der
zurückbleibenden linken Niere gelieferten Urins ist jetzt — drei
Monate nach der Operation — verschwunden. Die exstirpirte Niere
weist ausser den typischen Veränderungen der Pyelonephritis
(Kleinheit des Organs, welches von einem System von Abscess-
höhlen durchsetzt und in derbe fibröse Schwarten eingebettet ist)
als besonderer Befund eine fast völlige Obliteration der rechten
Nierenarterie auf. (Autoreferat.)
3. Discussion über den Vortrag des Herrn Littauer:
Ueber Osteomalacie («. 5. December).
Herr Lohse berichtet über einen selten beobachteten Fall
von Osteomalacie auf nervöser Basis und demonstrirt Photogramme
desselben. Herr B a h r d t fragt nach der Höhe der verabfolgten
Phosphordose. Herr M e i n e 1 weist auf die Seltenheit der kind¬
lichen Osteomalacie hin und berichtet über einige derartige, selbst
beobachtete Fälle.
Herr His jun.: Die Osteomalacie interessirt den Internisten
einmal als Stoffwechselkrankheit, andererseits in differential¬
diagnostischer Hinsicht. Nachdem die älteren, rein chemischen
Hypothesen über das Wesen der Krankheit (Milchsäuregehalt, ver¬
minderte Alkalescenz des Blutes) gefallen sind, hat zur Zeit die
Ansicht F e h 1 i n g’s die meiste Berechtigung, wonach die Osteo¬
malacie eine Trophoneurose sei, hervorgerufen durch abnorme
Thätigkeit der Ovarien. Nur darf man sich nicht verhehlen, dass
unter den Krankheiten, die auf Veränderungen der „Inneren Se-
cretion“ von Organen zurückgeführt werden, die Osteomalacie
diejenige ist, für welche die Beweisreihe die klaffendsten Lücken
aufweist. Weder zeigt sie unzweideutige Spuren von Erkrankung
oder fehlerhafte Entwicklung der betreffenden Organe, wie etwa
Myxoedem, Cretinismus, Basedo w’sche und Addiso n’sche
Krankheit und Akromegalie, noch spricht ein so frappanter Thier¬
versuch für den Zusammenhang mit dem Organ, wie etwa die Ex¬
stirpation des Pankreas beim Diabetes. Wäre die übermässige
Thätigkeit des Ovarium wirklich Ursache der mangelnden Kalk¬
ablagerung, so müsste man bei Castration das Gegentheil, eine
Osteosklerose, erwarten; statt dessen findet man bei castrirten
Menschen und Thleren lediglich eine längere Persistenz knorpe-
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
238
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
ligerDIaphysen und ein zwar deutlich, aber geringfügig vermehrtes
Langenwachsthum der Knochen. Wenn also die F e h 1 i n g'sche
Hypothese zunächst die wahrscheinlichste ist, so braucht sie dess-
lialb nicht für bewiesen angesehen zu werden, was übrigens ihr
Autor selbst am klarsten ausgesprochen hat.
Diagnostisch bereiten vor Allem die nervösen Symptome
Schwierigkeiten, welche die Osteomalacie so häufig begleiten, und
welche Koppen zuerst ausführlich besprochen hat. Für die
Frühdiagnose sind vor Allem wichtig: die Druckempfindlichkeit
der Knochen, die Schwäche der lleopsoas und der Adductoren
(Watschelgang). Sicher würde Osteomalacie• häufiger rechtzeitig
diagnosticirt, wenn man in Zweifelsfällen an sie denken wollte.
Schliesslich kann die Diagnose ex juvantibus gestellt werden, wenn
mau einen Versuch mit Phosphorleberthran macht, dessen Wir¬
kung ja in vielen Fällen zweifellos festgestellt ist. Jedenfalls kann
dieses relativ unschädliche Mittel (oder nach Trousseau’s Vor¬
schrift: Phosphor mit frischer Butter auf Brodschnitten) in allen
Fällen versucht werden, ehe man zur Castration schreitet.
(Autoreferat.)
4. Herr Sachse : lieber moderne Behandlung von Kiefer¬
cysten und Antrumempyemen.
Die moderne Behandlung der Cysten bezweckt, dieselben
ohne Zerstörung des Cystensackes zum Ausheilen zu bringen,
bezw. zu veranlassen, dass der Cystensack gewissermassen als
Fremdkörper von dem Organismus ausgestossen werde. Um die
Grundlagen dieser Therapie zu erläutern, ist es nothwendig, kurz
auf die Pathogenese der Cysten einzugehen.
Man unterscheidet an den Kiefern folliculäre und peri-
odontale Cysten. Die ersteren entstehen durch cystöse Degenera¬
tion eines Zahnkeimes und im jugendlichen Alter; der gebildete
( ystensack hängt in der Mehrzahl der Fälle an einer unvollkom¬
men ausgebildeten Zahnkrone. Das Vorkommen dieser follicu-
laren Cysten ist so ausserordentlich selten, dass wir hier nur von
den periodontalen Cysten sprechen wollen. Diese sind relativ
häufig und kommen auffallend häufig beim weiblichen Geschlecht
vor, ein Umstand, der wohl durch den zarteren Knochenbau der
Frauen zu erklären ist.
Die erste Veranlassung zur Bildung einer periodontalen
Cyste bietet ein chronischer, chemisch-entzündlicher, auf das
Periodoutium wirkender Reiz. Dieser wird in den meisten Fällen
(91 Proc.) geliefert von den zersetzten Massen einer gangraenös
gewordenen Pulpa des Zahnes; doch nur die Eitererreger be¬
wirken bei ihrer Durch Wanderung durch das Foramen apicale
eine acute, mit allgemeiner oder circumscripter eiteriger Schmel¬
zung des Periodontiums einhergehende Entzündung desselben.
Die grosse Zahl der anderen Mikroorganismen dagegen — welche,
ist noch nicht festgestellt — rufen zunächst eine Irritationshyper-
aemie am Periodontium hervor, welche wieder die Proliferation
der an der Wurzelspitze liegenden epithelialen Reste der sog.
II ortwi g’schen Scheide begünstigt. Hierdurch entstehen an
der Spitze der Wurzel kleine, hanf- bis kirschkerngrosse, ent¬
zündliche Neubildungen, welche stets einen bestimmten ana¬
tomischen Bau zeigen: Nach aussen ist die Neubildung auf gebaut
aus einem derben, straiffaserigen Bindegewebe, welches nach dem
Zahne zu in ein meist unregelmässig entwickeltes Granulations-
gewebo übergeht und sich in eigenartigen Vorsprüngen und Wül¬
sten erhebt, wodurch das granulirte Aussehen der Innenwand der
Fungosität hervorgerufen wird. Die Furche zwischen den kleinen
Erhabenheiten, sowie die freie Fläche deckt eine theils einschich¬
tige, theils mehrschichtige, nicht selten sogar die papilläre Form
der Rete Malpighi nachahmende Lage epithelialer Zellen
(P a r t s c h).
Eingehende Untersuchungen von Partsch, Jul. Witzei
u. A. haben gezeigt, dass diese im Innern dieser kleinen Cysto -
granulome vorkommende Epithelbekleidung direct von der
Schmelzkappe der Zahnleiste abstammt — dass somit das Cysten¬
epithel phylogenetisch gleiehwerthig dem Mundhöhlenepithel ist.
Ueber die erste Entstehung des Hohlraumes in der Neubildung ist
völlige Klarheit noch nicht erzielt, doch hat zur Zeit die An¬
sicht von Römer, dass die innersten Epithellagen der trüben
Schwellung anheimfallen und dann zerfallen, die meiste Wahr¬
scheinlichkeit für sich.
Die Weiterentwicklung solcher Cystogranulome zur grösseren
Kiefercyste wird jetzt besonders von dem Widerstand des um¬
gebenden Knochen abhängig sein; wo der Knochen den geringsten
Widerstand bietet, dorthin wird das weitere Wachsthum statt¬
finden: die Härte des Unterkieferknochens mag es bedingen, dass,
trotzdem Fungositäten an den unteren Zähnen gleichfalls Vor¬
kommen, diese doch so selten der Ausgangspunkt von Cysten
werden. w ^
Am Oberkiefer entwickelt sich die Cyste am häufigsten nach
aussen, der facialen Wand zu; dann aber wächst sie auch be¬
sonders gern nach der Kieferhöhle zu, weil sie dort freie Bahn
findet. „Widerstandslos kann sie, wenn einmal die dünne
knöcherne Scheidewand zwischen Zahnwurzel und Boden des An¬
trums aufgelöst ist, die zarte Kieferhöhlenschleimhaut vor sich
hertreiben und die Höhle mehr und mehr verengen, ohne dass
nach aussen hin dieses Wachsthum bemerkbar ist.“ Bei
weiterem Wachsthum kommt es dann noch zu einer Ausbuchtung
der viel zarter gebauten, dünnen nasalen Wand des Oberkiefers
und hierbei ist eine Spontanperforation des Cystensackes nach der
Nase zu nichts Seltenes, während nur wenige Fälle bekannt sind,
in denen eine Cyste in’s Antrum hinein geborsten ist und danach
secundär die Schleimhaut der Höhle inficirte.
Die Diagnose der periodontischen Cysten, welche sich nach
der facialen Seite entwickelt haben, ist meistens sehr leicht: das
langsame Wachsthum, die Schmerzlosigkeit, die Fluctuation, das
Pergamentknittern des Knochens oder der vollständige Schwund
desselben, im Verein mit der scheinbaren Weichtheilscliwel-
lung, während dieselben in Wirklichkeit völlig normal frei ver¬
schieblich sind, sowie das leichte Eindringen der Punetionsnadel
in eine mehr weniger grosse Höhle, sichern bald die Diagnose.
Schwierig ist dagegen die Differentialdiagnose zwischen einer
ins Antrum gewachsenen Cyste, deren Inhalt sich eitrig zersetzt
hat und einem Antrumempyem, da sich hier oft die gleichen Sym¬
ptome finden. Es empfiehlt sich in zweifelhaften Fällen die
Probeausspülung durch die Nase zu machen; schon die Art des
Eiters — Cyste dünnflüssig, Cholestearinempyem, zähe, glasig¬
gelbliche Eiterzöpfe, oft nach Heringslacke riechend — sichen
die Diagnose.
Die Therapie geht nun von dem Grundsatz aus, dass einmal
die Cyste nur weiter wächst durch den von der Flüssigkeit aus¬
geübten Innendruck, andererseits die Cystenmembran ähnlich der
Mundschleimhaut gebaut ist. Hebt man desshalb den Innen¬
druck in der Cyste durch Excision eines grösseren Stückes
Cysten wand auf und lässt die Wundränder sich nicht vereinigen,
sondern sich überepithelisiren, so wird allmählich die ganze
Cyste von dem Organismus als Fremdkörper ausgestossen; sic
verkleinert sich immer mehr und verschwindet schliesslich voll¬
ständig; der die Cyste heraustreibende Knochen hat die Höhle
vollständig ausgefüllt. Die Methode der Operation ist folgende:
In Nirvaninanaesthesie wird ein grösseres Stück Zahnfleisch
und Cystensack zugleich mit der C o o p e Fachen Scheere exeidirt
und die Cyste ausgespült. Die Blutung steht auf Jodoformgaze¬
tamponade sofort, der Tampon bleibt 3—5 Tage liegen; nach
dieser Zeit hat die Epithelisation der Wundränder begonnen
und hat man jetzt nur noch dafür zu sorgen, dass die Oeffnung
sich nicht durch den Wangendruck verkleinert. Zu diesem
Zwecke setzt man — bei grösseren Cysten — einen Glasstab ein,
welcher an dem einen Ende einen, das Hineinrutschen ver¬
hindernden lappenförmigen Ansatz trägt (P a r t s c hscher Glas¬
conus). Der Patient kann den Glasstab leicht herausnehmen und
die Cyste ausspiilen; man benutzt dazu am besten nur abgekochtes
Wasser und nimmt nur bei Cysten, deren Inhalt vereitert war,
im Anfang ein leichtes Antiseptieum. Hat sich die Cyste soweit
verkleinert, dass die Wand an den Glasstab anstösst, so muss
man, um die Heilung nicht zu verzögern, denselben verkürzen
lassen oder kann ihn ganz weglassen und den Patienten nur an¬
weisen, täglich nach dem Essen die Höhle auszuspritzen. Unter
dieser Behandlung heilt eine etwa hühnereigrosse Cyste in etwa
6—8 Monaten aus, während eine wallnussgrosse Cyste schon in
6—8 Wochen ganz verschwunden ist.
Sehr wichtig ist bei dieser Therapie die Frage der Erhaltung
der die Cyste verursachenden Zähne. Es ist in allen
Fällen möglich, die Cyste ohne Extraction
des betreffenden Zahnes zur Heilung zu
bringen, wenn der betreffende Zahn sich über¬
haupt noch für eine antiseptische Wurzelfül¬
lung eignet. Es ist dann der Wurzelcanal von allen gan-
graenösen Massen zu reinigen, zu sterilisiren und massiv zu
füllen; ferner wird man oft von der geöffneten Cyste aus die
nekrotische Wurzelspitze reseciren müssen — welche Operation
sich besonders bei Frontzähnen empfiehlt —; aber die Verbin¬
dung des Zahnes durch gesundes Periodontium mit der Alveole
Ist in fast allen Fällen noch so stark, dass die Extraction solcher
an sich noch zu erhaltender Zähne direct als Kunstfehler be-
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13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
239
zeichnet werden muss, die Schrumpfung- des Cystensackes ganz
ohne Rücksicht auf den Zahn vor sich geht.
Die P a r t s c h’schen Glaseonusse eignen sich gleich treff¬
lich zum Verschluss des von der Fossa canina aus breit er-
öffneten Antrum Highmori. Diese Eröffnungsstelle ist bei
Weitem vorzuziehen der Eröffnung von der Nase oder der Alveole
aus, da es durchaus nöthig ist, die erkrankte Schleimhaut aetio-
logisch zu behandeln — man also vorher, sei es durch Abtasten
mit dem Finger oder besser durch Hineinleuchten, sich über den
Zustand derselben vergewissern muss. l)a ferner das Antram
durch eine Crista sehr oft in 2 Theile gespalten wird, so liegt die
Gefahr nahe, dass man, bei der Eröffnung von der Alveole oder
der Nase aus, nur die eine Höhle ausspülen kann, während in
»ler anderen der Eiter liegen bleibt. Von weiterer Bedeutung
ist, dass man nicht nöthig hat, einen Zahn zu opfern und dass
die Operation viel weniger unangenehm für den Patienten ist,
wie die Eröffnung von der Nase aus.
Die von Dcsault-Küster angegebene Operations¬
methode hat Part sch wesentlich verbessert. Er schreibt dar¬
über: „Partsch operirt jetzt so, dass er bogenförmig etwa vom
zweiten Bicuspidaten bis hinter den zweiten Molar incidirt, dann
mit der Coope Eschen Schcere den Sehleimhautperiostlappen
abpriiparirt, denselben während der Operation durch kleine
Häkchen nach oben weghalten lässt und ihn dann nach Durch¬
bohrung des Knochens mit der Jodoformgaze in die Höhle
hiuoinschlägt, gewissermassen mithineintamponirt.. Dadurch
wird erreicht, dass der obere Wundrand sofort nach aussen zu
von Epithel bekleidet ist und nun mit der gegenüberliegenden
Wundfläche nicht mehr verwachsen kann. Da dieser Lappen
schon in sehr kurzer Zeit verheilt, ist man in der Lage, schon
nach 5—6 Tagen die Tamponade fortzulassen- Das Bohrloch
wird oberhalb des ersten Mahlzahnes in der Crista angelegt, die
vom ersten Molar aufsteigend nach dem Process. zygomatic.
des Oberkiefers zieht, wodurch erreicht wird, dass die Verkleine¬
rung des Einganges durch den Wangendruck nur sehr langsam
vor sich geht...
Das durch einen Partsch’sohen Glaseonus offen ge¬
haltene Antrum kann man nun theils mit Ausspülungen (Koch¬
salz-, Argent. nitr.-, Alum. acetic-Lösungen), theils durch Ein¬
blasungen von Airol oder Itrolpulver behandeln; grosser Werth
ist darauf zu legen, dass die Communication mit der Nasenhöhle
frei ist, so dass Patient bei verschlossener Nase den Luft.ström
durch das Antrum pressen und so am schonendsten das Antrum
reinigen kann.
Tritt eine erhebliche Besserung ein, so nimmt man all¬
mählich immer dünnere Glasstäbe, bis man sie endlich ganz weg¬
lässt, worauf sich die Oeffnung rasch vollends schliesst.
Auch hier ist es von Wichtigkeit, zu entscheiden, ob ein
oder mehrere Zähne zu extrahiren sind oder nicht. Bei dem
meist dentalen Ursprung des Empyems empfiehlt es sich,
alle wurzelkranken Zähne zu extrahiren. Da¬
gegen geht Grünwald sicher zu weit, welcher auch Zähne mit
nur geringen, die Pulpa noch nicht inficirt habenden Defecten.
extrahirt wissen will. (Autoreferat.)
Verein deutscher Aerzte in Prag.
(Eigener Bericht.)
In der Sitzung vom 10. November 1899 spricht Herr Chiari
iil>ei einen Fall von Obliteration der Hauptstämme der Venae
hepaticae bei einem 20jähr. Manne, welcher Fall am 2. XI. 1899
von der ersten med. Klinik (Vorstand Hofr. Prof. Pribram) zur
Sectlon gelangte.
Das Individuum hatte seit der Kindheit oft an Bauch¬
schmerzen und Durchfällen gelitten. Von einer syphilitischen Er¬
krankung war nichts bekannt geworden. Mitte September 1899
waren angeblich nach dem Genüsse von verdorbenem Obste wieder
Bauchschmerzen und Durchfälle aufgetreten. Die Bauchschmerzen
steigerten sich, es stellte sich stärkere Ausdehnung des Unterleibes
ein und suchte desshalb der Patient Mitte Oetober die Spitalshilfe
auf. Unter Zunahme der Ausdehnung des Unterleibes kam es
schliesslich durch Hochstand des Zwerchfells zu Lungenoedem,
welches den Exitus letalis bedingte.
Bel der Sectlon fand sich leichter Ikterus, Ausdehnung des
Unterleibes (Nabelhöhenumfang = 95 cm). Oedem der unteren
Extremitäten und der Rückseite des Rumpfes, mässiger bilateraler
Hydrothorax, stärkerer Hydrops ascites. Hochstand des Zwerch¬
fells, Oedem der Lungen und vielfache Blutaustritte. Die Leber
gewöhnlich gross. Ihr Peritoneum erschien zart. Mit Ausnahme
des Lohns Spiegeln und einer mannsfaustgrossen Partie der Leber
in der Nähe des Hllus, welche Theile hellgelb erschienen und deut-
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liehe Läppchenzeichnung auf wiesen, war das Leberparenchym
lief dunkelroth gefärbt und ohne Läppeheuzeichnung. In diesen
rothen Abschnitten der Leber waren die Venae hepaticae throin-
bosirt und in ihrer Wand stellenweise verdickt. Die Ostien der
»rossen Hauptstämme der V. hepaticae iu dem obersten Antheile
des intrahepatischen Stückes der V. eava inferior waren vollstan
dig zugewachsen, während sich nach unten davon noch einigt*
offene Lumina von kleineren V. hepaticae fanden.
C li. fasst den Fall dahin auf, dass schon in der ersten Kind¬
heit des Patienten die Obliteration der Hauptstämme der V. hepa¬
ticae durch eine selbständige Eudoplilebitis obliteraus stattgohabt
hatte und dass erst durch eine im September 1899 eiusetzeude
Thrombose der Wurzeln der Venae hepaticae die Circulalions
Störung in der Leber so hochgradig geworden war, dass es in Folge
dessen endlich zum Exitus letalis kam.
Bezüglich des aetiologischeu Momeutes kann hier eventuell
au Syphilis hereditaria gedacht werden. Dieser Fall ist ganz
gleichartig mit den Fällen, welche Oh. in dem XXVI. Bd. der
Ziegler’sehen Beiträge zur path. Anat. u. allg. Path. publicirt hat.
Herr Pribram glaubt bei der Seltenheit des vorliegenden
Falles mit einigen Worteu auf das Bild, welches der Kranke in
den letzten Lebenstagen geboten hat, eingelien zu müssn.
Quincke hat in seiner letzten Arbeit über die Leberveuen-
verstopfung hervorgehoben, dass für sie das Vorhandensein eines
hepathogenen Ascites mit gleichzeitiger gleichmüssiger Vergrösse
rung der Leber und Milz und Fehlen des Ikterus charakteristisch
sei. Iu einem Falle gleichzeitiger schwerer Herzerkrankung schloss
er im Leben auf die Anwesenheit des Lebervenen Verschlusses aus
dem Missverhältnis zwischen den schweren Stauungen an der
Leber und den relativ geringen Stauuugssymptomen seitens der
oberen Körperhälfte. Der vorliegende Fall zeigt, dass bei Leber-
venenversclduss die Milz nicht gross zu sein braucht und Ikterus
vorhanden sein kann. Bei Erscheinungen hochgradiger Stauung
im Pfortaderkreislauf und Verkleinerung der Leber muss man
an Cirrhose, bei nicht wesentlicher Volumszunahme derselben au
ein Kreislaufhinderniss in der Pfortader und bei erheblicher Ver-
grösseruug an einen Verschluss der Leberveuen denken.
Eine stricte Diagnose lässt sich jedoch nicht stellen. Wichtig
für dieselbe ist die Anamnese; im vorliegenden Falle war sie sehr
verlockend für die Vermutbung einer Tuberculose des Bauchfells
und des Darmes, denn der Kranke hatte schon seit Jahren an
Bauchschmerzen und Diarrhoen gelitten, sein Vater war an Tuber¬
culose gestorben, er selbst hatte Husten und Heiserkeit und ausser
Darmblutungen, ohne sonstige Zeichen einer haemorrhagisclieu
Diathese auch starke renale Haematurie. Die Untersuchung von
Ilarn, Stuhl und Sputum auf Tuberkelbacillen war negativ.
Als das am meisten charakteristische Moment hebt P. hervor,
dass nach Vorausgegangensein früherer ähnlicher Erscheinungeu
nach längerem Intervall eine schubweise, plötzliche, schmerz¬
hafte Volumszunahme des Abdomens mit den Erscheinungen des
hepatischen Ascites eingetreten ist, während bei Cirrhose die Ent¬
wickelung des Zustandes eine allmählige, lentescirende ist und
bei Pfortäderthrombose die Lebervergrösserung fehlt. Auffallend
ist, dass die Mehrzahl der berichteten Fälle Frauen betrifft, die
eine Zeit zuvor normale Entbindungen durcbgemacht haben.
Herr Chiari hält hierauf seinen angekündigten Vortrag
über Nierenpapillennekrose bei Hydronephrose.
Bereits im Jahre 1877 hat Friedreich auf das Vorkommen
von Nekrose der Nierenpapillen bei Hydronephrose hingewiesen
und die Meinung ausgesprochen, dass diese als mechanischer
Effect allzusprechende Nekrose häufiger Vorkommen dürfte, die¬
selbe aber desswegen selten zu sehen sei, weil die nekrotisch ge¬
wordenen Papillen sich leicht ablösen.
Ch. hat im Jahre 1882 über dieselbe Nekrosenform an den
Nierenpapillen berichtet und die gleichen Anschauungen wie
friedrelch geäussert Nun berichtet derselbe über eine ein¬
schlägige Arbeit, welche in seinem Institute von Herrn Dr. S t o u
densky aus St. Petersburg ausgeführt wurde. Es wurden
von dem genannten Herrn einerseits eine Reihe neuer solcher
Fälle von Menschen untersucht und dabei die Sequestration der
nekrotischen Papillen studirt, andererseits Thierexperimente
am Kaninchen ausgeftihrt. Bei den Experimenten, die so ange¬
stellt wurden, dass der eine Ureter per laparotomlam ligirt wurde
und die Thiere nach einem bis 17* Monaten getödtet wurden,
zeigte sich, dass bereits ln dieser Zeit in der deutlich hydro-
nephrotischen Niere Nekrose der Papillen eingetreten war, ja
auch bereits Sequestration stattgefunden hatte. Es liess sich aber
dabei auch erweisen, dass nur das mechanische Moment der Harn¬
stauung die Papillennekrose bedingte, indem die bacteriologische
Untersuchung des in dem Nierenbecken gestauten Harnes ein voll
kommen negatives Resultat ergab.
Ch. weist schliesslich noch darauf hin, dass diese Nieren¬
papillennekrose bei Hydronephrose klinisch nicht ohne Bedeutung
sei, insoferne es denkbar wäre, dass sequestrirte Nierenpapillen
im Harn gefunden werden könnten.
Wiener Briefe.
Wien, 10. Febrüar 1900.
Die Wiener Krankenhausfrage. — Die Unterbringung
heilbarer Trinker. — Zunahme der Aerztezahl, Abnahme der
Zahl der Mediciner in Oesterreich.
Seit Decennien gibt es in Wien eine Krankenbausfrage, bei
welcher es sich aber nicht so sehr um die Unterbringung von
Original fro-m
UNIVERSUM OF CALIFORNIA
240
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Kranken handelt, als um die vielleicht wichtigere Frage der
Schaffung von Einrichtungen für den modernen klinischen
Unterricht, Im ..Allgemeinen Krankenhause“ in der Alserstrasse,
inmitten eines stark bevölkerten Stadtviertels, befindet sich seit
mehr als 100 Jahren ein Riesenbau mit vielen Höfen, Zu- und
Anbauten, das „sog.“ Universitätsspital, in welchem stetig mehr
als 2000 Kranke liegen und tausende ambulante Kranke täglich
Hilfe suchen. Alle Kliniken sind seit Jahrzehnten nothleidend,
sie haben entweder keine oder sehr schlecht bestellte, enge Arbeits-
ränme, manche Kliniken haben keine eigenen Hörsäle, andere
wieder ganz unzulängliche; die Professoren, Docenten und Assi¬
stenten klagen jahraus-jahrein, nicht minder das hilfesuchende
Publicum, das sich stundenlang in engen Gängen zusammen¬
drängen muss, ehe es abgefertigt wird. Zu gewissen Zeiten,
so bei der Neubesetzung einer Klinik oder wenn ein Pestfall die
Oeffentlichkeit allarmirt, spielt die Krankenhausfrage eine grosse
Rolle; bald glätten sich aber wieder die erregten Wogen und die
ganze Sache bleibt unverändert.
Nun soll es wirklich anders — d. h. besser werden. In dieser
Woche tagte hier, unter dem Vorsitz des Unterriehtsministers
Ritter v. Härtel, eine aus Vertretern der Ministerien, der Univer¬
sität, des Landes und der Stadt zusammengesetzte Commission,
welche auf Grund einer kaiserlichen Ermächtigung einberufen
wurde, um diese wichtige Frage der Lösung zuzuführen. Dem
officiellen Communique über diese Sitzung entnehmen wir, dass
der Unterrichtsminister an die. auserwählte Versammlung eine
längere Ansprache hielt, in welcher er die NotliWendigkeit der
Abhilfe und die bisher vorliegenden Projeete, welche diese Ab¬
hilfe für längere Zeit in Aussicht stellen, eingehend erörterte.
„Die Unzulänglichkeit des Allgemeinen Krankenhauses und seiner
Einrichtungen für den modernen klinischen Unterricht hatte —
wie der Unterrichtsministcr sagte — zur Folge, dass zahlreiche,
und gerade die hervorragendsten wissenschaft¬
lichen Kr ä f t e, die einst an der einst so berühmten Wiener
Schule herangebildet wurden, in’s Ausland wandorten, wo ihnen
die Mittel zur Entfaltung einer wirkungsvollen Thätigkeit ge¬
boten wurden, und wir haben es in den letzten Jahren erlebt,
dass begehrenswert he Kräfte, die geneigt schienen,
einen durch die Vorgänger berühmt gewordenen Lehrstuhl an-
zunehmen, den an sie ergangenen Ruf ablehnten, nachdem
sie die betreffenden Kliniken besichtigt hatten. Hier also handelt
es sich um eine Lebensfrage unserer Facultät und
mit ihr unserer Universität. Wollen wir den Ruf der ersteren
erhalten, so muss Wandel geschaffen werden.“
Man sieht, der Unterrichtsminister beschönigt nichts, er
sehnt die gründliche Sanirung des Uebels herbei. Behufs radi-
caler Abhilfe wurden nun im Laufe der Jahre mehrere Vorschläge
gemacht, welche der Minister nunmehr einzeln in ihren Details
besprach. Es würde uns zu weit führen, wollten wir ihm hier
folgen und es genüge an dieser Stelle, dass der Minister drei
Projeete in ernste Erwägung zog: 1. den Umbau des Spitales
nach Erwerbung eines anstossenden Complexes (derzeit Kaserne),
2. einen Neubau auf dem Grunde der (unweit gelegenen) Landes¬
irrenanstalt und 3. die Verlegung des ganzen Krankenhauses in
eine entferntere, derzeit wenig bebaute Vorstadt (Ottakring).
Jedes Projeet hat seine Vor- und Nachtheile, die ersten
2 Projeete den Vortheil der günstigeren Lage in der Nähe der
anderen, zum Theile neueren Institute, das dritte Projeet besitzt
dafür den Vortheil der unbedingten räumlichen Ausdehnung,
wogegen es den Nachtheil der Trennung und grossen Entfernung
hat; letztere würde die Hörer und auch die bisher so reiche
Ambulanz stark schädigen.
An die Darlegungen des Ministers schloss sich, dem Berichte
zu Folge, sofort eine lebhafte Debatte, an welcher sich die Ver¬
treter der einzelnen Curien betheiligten. Selbstverständlich
werden die Sitzungen fortgesetzt und wir wollen über das Er¬
gehniss derselben später berichten.
Der niederö.sterreiohische Landesausschuss gibt bekannt,
dass bis auf Weiteres li e i 1 b a r e T r i n k e r , d. h. solche Trunk¬
süchtige, welche durch den gewöhn hei tsmässi gen Missbrauch alko¬
holischer Getränke zwar in ihrer psychischen und physischen
Constitution Schaden erlitten haben, aber noch Aussicht auf
Rettung bieten, auf Grund einer freiwilligen Eintrittserklärung
im Abstinenzsanatorium Prachthof bei Mühldorf, nächst Spitz
a. d. Donau, und zwar Unbemittelte vollständig auf Kosten des
niedorösterreichischen Landesfonds, theilweise Bemittelte gegen
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eine angemessene Beitragsleistung zu den Verpflegskosten von
3 Kronen per Kopf und Tag untergebracht werden. Leiter dieses
(bisher privaten) Trinkerasyls ist Dr. E. Hacker. Die Alko¬
holiker müssen, wie erwähnt, freiwillig eintreten und sich ver¬
pflichten, beim Eintritte in die Anstalt Geld und Geldeswerth
zu deponiren, die Hausordnung genau zu befolgen und mindestens
6 Monate lang in der Anstalt zu verbleiben. Trinker im Alter von
ü b e r 40 Jahren, ferner solche, welche durch physische und mora¬
lische Entartung keine Aussicht auf Heilung bieten und endlich
solelie, welche mit dem Strafgesetze in Conflict gerathen sind,
erscheinen von der Aufnahme ausgeschlossen.
Die Behandlung im Sanatorium besteht in der Anwendung
einer hydrotherapeutischen Cur unter Einhaltung vollkommener
Abstinenz von Alkohol und Tabak. Die Erfahrungen, welche bei
dieser versuchsweisen Unterbringung von heilbaren Trinkern in
einer Privat- Trinkeranstalt auf Kosten öffentlicher Fonds ge¬
wonnen werden, sollen für das weitere Vorgehen des niederöster¬
reichischen Landesausschusses in der Frage der Errichtung von
öffentlichen Trinkerheilanstalten bestimmend sein.
Nach dem alljährlich von der geschäftsführenden Aerzte
kammer ausgegebenen Verzeichnisse der österreichischen Aerzte
ist die Zahl der kammerangehörigen Aerzte von 7594 im Jahre
1895 auf 9325 im «Jahre 1899, also in 5 Jahren um 1731 ge¬
stiegen. Hiebei sind die Aerzte der der ungarischen Krone
ungehörigen Länder n i c h t mit eingerechnet. Hingegen ist die
Abnahme der Frequenz an den medici ui sehen Facultäten eine
allgemeine. Die Zahl s ä m m 1.1 i c h e r , im laufenden Winter¬
semester in den cisleititanischen Universitäten inscribirten Hörer
der Mcdicin des I. Jahrganges erreicht nicht einmal die Ziffer,
die in früheren Jahren die medieinische Facultät in Wien
allein aufzuweisen hatte. Es sind inscribirt: In Wien 218,
Prag, deutsche Facultät 35, ezeehische 37, Graz 39, Innsbruck 24,
Lemberg 13, Krakau 11, in Summa 377 Hörer. Maassgebend
für die Zahl der neu eintretenden Hörer ist der von uns schon er¬
wähnte Unstand, dass mit dem laufenden Schuljahre die bisher
bestandene Reeiproeität in Oesterreich und Ungarn hinsichtlich
der Freizügigkeit nach Erlangung des Doctordiplomes auf gehört
hat. Die Ungarn, welche in ihrer Heimath practiciren wollen,
müssen von nun ab an einer ungarischen Universität ihre Pro¬
motion erlangen, oder um Nostrifieation des österreichischen Di¬
plomes ansuchen und vice versa. Daher die von uns auch voraus¬
gesagte rasche Abnahme der Zahl der neu eintretenden Medioiner
an unseren Facultäten.
Berliner medieinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 7. Februar 1900.
Herr J. Cassel: Ein Beitrag znr Nephritis bei jungen
Kindern.
Vortragender fand in 9 Fällen bei Kindern im Alter von
6 Wochen bis 2V 2 Jahren allgemeine Oedeme, bei dreien mit
Ascites, ohne dass eine vorausgegangene Erkrankung von Schar¬
lach erwiesen werden konnte; in allen Fällen war das Herz voll¬
ständig intact, im Urin fanden sich, trotzdem derselbe des
Oeftcren und zu allen Tageszeiten genau untersucht wurde, weder
Eiweiss noch irgend welche Formelemente.
2 der Kinder hatten (14 Tage vor Auftreten der Oedeme)
ein Exanthem, wahrscheinlich Varicellen, eines hatte Morbilli,
5 Verdauungsstörungen, in einem Falle war keine Aetiologie fest¬
zustellen. Die Diurese war in einigen Fällen gering, in anderen
reichlich.
Von den 9 Patienten blieben 2 aus der Behandlung fort,
4 wurden geheilt, 3 starben.
Die Autopsie ergab in 2 Fällen bei intaetem Herzen eine
weiche Consistenz der Nieren, scharfe Abgrenzung der stark ge-
rötheten Rinden- und Marksubstanz. Mikroskopisch fand sich
an frischen Präparaten in beiden Fällen trübe Schwellung der
Epithelien, an gefärbten Präparaten in dem einen Falle eine
sehlauchartige Erweiterung der Hameanälchen, die mit Detritus¬
massen, Epithelzellen und anderen Zellen angefüllt waren, die
Vortragender für polynucleäre Zellen hält; ausserdem Nekrose
der Nierenepithelien, in dem anderen Falle waren die Glomeruli
kernreich, der Kapselraum erweitert, es fanden sich zahlreiche
Zellherdo in der ganzen Rinde, die Gefässe waren stark mit Blut
gefüllt.
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13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCRHIFT.
241
Nach der Meinung des Vortragenden kommen derartige
Oedeme besonders bei acuten Verdauungskrankheiten der kleinen
Kinder öfter vor, als angenommen wird. Sie wurden von vielen
Beobachtern ausser bei Scharlach, noch bei verschiedenen Krank¬
heiten, wie Masern, Varicellen. Typhus etc. gefunden.
Die Deutung der Oedeme und des Hydrops besonders ohne
Albuminurie ist höchst unsicher. Jedenfalls muss man bei Ana-
sarka ohne Albuminurie stets an Nephritis denken.
Discusslon: Herr Senator sucht das Fehlen der Al¬
buminurie durch Verstopfung der HarncanHlehen (mit Detritus)
zu erklären.
Herr Israel hat auch bei Erwachsenen Fälle von acuter
Nephritis beobachtet, bei denen sich weder Eiweiss noch Form¬
elemente fanden.
Herr Baginsky findet Hydrops bei Kindern unter
schlechten Emährungsverhültnissen nicht selten. Ohne die Rich¬
tigkeit der Deutung der mikroskopischen Befunde des Herrn
Cassel anzuzweifeln, mahnt er zur grössten Vorsicht bei der¬
artigen Nierenpräparaten kleiner Kinder auf Grund seiner Be¬
obachtungen an gesunden Nieren.
Herr H e u b n e r hält die mikroskopischen Präparate Herrn
C a s s e 1 ’s für nephritische. Er hält die Fälle Cassel**
nicht für absolut ein wandsfrei, da der Tagesurin
nicht aufgefangen und untersucht werden konnte.
Im Schlusswort weist Herr Cassel die Einwände des Herrn
Baginsky als gegenstandslos zurück.
Herr Hirschberg: Zur Bekämpfung der endemischen
Körnerkrankheit.
Vortragender berichtet an der Hand einer statistischen
Tabelle über die im Zeitraum von 3 Jahren in verschiedenen ost-
und westpreussischon Landschulen, Stadtschulen und Mittelschulen
in Folge der Regierungsmaassregeln erzielten Resultate in der
Behandlung der Kömerkrankheit.
Er sah in allen Fällen, in denen die vorgeschlagenen Maass¬
regeln, wie Vergrösserung der Schulräume und örtliche Behand¬
lung der inficirten Kinder, besonders Ausquetsehung der Körner
befolgt wurden, entschiedene Verringerung der Erkrankungs¬
durchschnittsziffern vom Jahre 1896, andernfalls aber eine Zu¬
nahme derselben.
Er zieht aus seinen Beobachtungen den Schluss, dass weniger
Statistik und mehr Behandlung noth thue. Er schlägt vor Ver¬
wendung tüchtiger Augenärzte, Anstellung von Schwestern, die
nach Anordnung der Aerzte Vorgehen sollten, und Errichtung
fliegender Baracken an verseuchten Orten; dann könnte man
nach Ablauf etwa eines Menschenalters auf Eindämmung der
Seuelie rechnen.
Discusslon: Herr Kirchner: Vortragender eon-
statirt eine Zunahme der Tracliomgefalir bei dem wachsenden
Verkehr. Schon sei die Affectlon ausser in Ost- und Westpreussen
auch in Pommern, Poseu, Hannover, Schlesien endemisch auf ge¬
treten. Da nicht nur die Arbeitsfähigkeit breiterer Volks¬
schichten herabgesetzt -werde, sondern auch die Erziehung beein¬
trächtigt und die Wehrfähigkeit vermindert werde, habe sich der
Staat dieser Angelegenheit angenommen. Eiue vollständige und
schnelle Abhilfe sei indessen schon desshalb nicht zu erwarten,
da es sowohl au dem nöthigen Aerzte- und Pflegepersonal, als auch
an ausreichenden Geldmitteln, sowie oft auch au dem guten Willen
der Erkrankten fehle. Immerhin seien mit den vorhandenen
Hilfsmitteln schon nicht zu unterschätzende Resultate erzieh
worden, besonders seit der Staat sieh mit den betroffenen Ge¬
meinden in Verbindung gesetzt habe behufs Tragung der Kosten
und Anstellung von geeignetem Personal. Aerzte besuchen eine
bestimmte Anzahl von Ortschaften und untersuchen Kinder und
Erwachsene unentgeltlich; sie erhalten hiefür ein Fixum: Ope-
rationsfälle werden bestimmten Krankenhäusern zugeführt, der
Staat trügt hiefür die halben Kosten: Leute, die ihre Arbeit
zwecks Augenbehandlung versäumen, erhalten Entschädigung-
Lehrer werden mit gutem Erfolge zur Behandlung herangezogen.
Schwestern zu gleichem Behufe angestellt. Eine grössere Anzahl
von Aerzten -wird in Cursen mit Diagnose und operativer Be¬
handlung des Trachoms vertraut gemacht. M. Secklmauu.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Eigener Bericht)
Sitzung vom 5. Februar 1900.
Herr B i a 1 demonstrirt eineu Pentose-haltigen Urin. Er
Konnte diesen von Salkowski zuerst beobachteten Stoff iu
- fallen constatireu. Die Pentose ist dadurch charakterisirt,
!n n~ le Zwar dIe T r o m m e r’sche Reductionsprobe. nicht aber
T. fl hruug8 ' und Polari8 ationsprobe liefert. Es sind also hei
oDerflächiicher Untersuchung Verwechslungen von Peutosurie
mit Glykosurie bezw. Diabetes möglich. Docli unterscheidet sich
zuweüen die Tromm e r’sehe Probe bei der Peutosurie schon
( , n Ö «T hei Glykosurie, indem die Reduction bei ersterer erst nach
lera Kochen und manchmal dann ganz plötzlich eintritt.
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Discusslon: Herr Jastrowitz macht darauf auf¬
merksam, dass manchmal gleichzeitig Diabetes besteht
Herr Eulenburg: Heber Anwendung hochgespannter
Ströme von starker Wechselzahl (D’Arsonval-Tesla-Ströme) mit
Demonstrationen.
Yortr. gibt zunächst einen kurzen Ueberblick über die Ent¬
wickelung der Theorie und Praxis der hochgespannten Wechsel¬
ströme und erwähnt daun die eingehenden schon seit Jahren an-
gestellten Versuche des französischen Physiologen ITArson-
v a 1, die physiologische Wirkung dieser Ströme und die Möglich¬
keit ihrer therapeutischen Verwendung aufzuklären. Es war näm¬
lich sowohl Tesla als unabhängig davon D\A rsonval aufge-
fallen, dass diese Ströme von enormer Spannung (50—100,000
Volt) durch den menschlichen Körper ohne jede Schädigung hin¬
durchgeleitet werden können. Von anderer Seite wurden die thera¬
peutischen Versuche weiter fortgesetzt und auch Vortr. hat die
Untersuchungen aufgenommen. Mit Hilfe eines von Hirsch-
m a n n eonstruirten Apparates hat er in den letzten Monaten
Versuche angestellt, die jedoch nicht über eine Reihe physio¬
logischer Untersuchungen hinausgelangt sind.
Mit Rücksicht, auf die Vielseitigkeit der (angeblichen) thera¬
peutischen Verwendbarkeit, welche eine ganze Anzahl von Speeia-
listen erfordert und mit Rücksicht auf die Kostspieligkeit des
Apparates, schlägt Vortr. vor, dass der Verein für innere
Medicin eine Commission liiedersetze, welche die phy¬
siologische und therapeutische Verwendbarkeit der hochgespann¬
ten Wechselströme zu studiren habe.
Discusslon: wird vertagt, es. bemerkt nur kurz Herr
Goldscheider, dass er seit mehreren Monaten eingehende
Untersuchungen über die therapeutische Verwendbarkeit der hoch¬
gespannten Wechselströme mache,
Herr Becher, dass er schon vor Jahresfrist auf die Mög¬
lichkeit einer therapeutischen Verwendung hingewiesen habe
(D’A r 8 o n v a 1’8 Versuche greifen aber fast ein Jahrzehnt zu¬
rück. Ref.).
Herr Toby Cohn, dass in der Mende l’schen Klinik schon
seit geraumer Zeit die obenerwähnten Untersuchungen vorge¬
nommen werden. H. Cohn.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Ac&dtmie de Mldecine.
Sitzung vom 9. Januar 1900.
Ueber Wachsthumshemmung.
Springer studirte die Ursachen dieser Anomalie und
glaubt, dass Zurückbleiben des Grössenwachsthüms auf erworbene
oder von den Eltern übertragene Intoxicationen zuriiekzuführen
sei; solcher Art sei die Wirkung von Alkohol, Blei, Morphium, den
ersten Rang unter allen verursachenden Krankheiten aber nehme
die ererbte Syphilis ein. Alle toxi-infeetiösen Erscheinungen
können zu allgemeiner Schwäche führen und Veränderungen des
Gefässsystems verursachen, die die Entwicklung hemmen. Die
Magen-Darmstörungen chronischer Art verändern den Chemismus
der Verdauung uud hindern so die Assimilation von Nahrungs¬
stoffen, welche die zum Wachsthum nothwendigen Bestandteile
liefern sollen; eine häufige Folge dieser abnormen Stoffweebsel-
vorgänge ist die Lebereongestion. Wiederholte Autointoxieationen
führen zu chronischer Hepatitis, überhaupt spielen die Störungen
in der Leberfuuction eine wichtige Rolle bei der Wachst ums-
heminung, wodurch zum Theil die so schädliche Rolle des Alko¬
hols erklärt wird. Die mangelhafte Function der Schilddrüse
kann gleicherweise mitspielen und die Einnahme frischer Schild¬
drüse günstig wirken, die adenoiden Vegetationen können ferner
ungenügende Athmnng, dadurch mangelhaften Stoffwechsel und
Waehsthumsanomalien verursachen: ihre Entfernung wird auch
letztere zum Verschwinden bringen. Schwedische Heilgymnastik
bildet ein wichtiges Unterstützungsmittel bei der Behandlung.
Als letztere empfiehlt S p r. ausser dem Hg bei der Heredosyphills
die Verabreichung von Salina und Hydrotherapie bei der lympha¬
tischen Diathese. die Cerealien (gut abgekoeht) und besonders
locale Reizmittel auf die Epiphysenkuorpel. Dazu gibt es ver
sehiedene Mittel: Nachts Application von Compressen, welche mit
einer Salzlösung (von Meerwasser und Kochsalz) durchtränkt sind.
Abreibungen uud Massage, besonders aber Elektrieität. Mit letz¬
terer erhält man rasch vorzügliche Resultate, wenn man den
statischen und faradisehen Strom combinirt auf die Muskeln ein-
wirken lässt, welche den unteren Epiphysenknorpel des Femur
umgeben. Jedoch ist. zumal bei Verabreichung der sonst vor¬
züglich wirkenden, aber stark fermentirenden Cerealien, wichtig,
dass die Verdauungsorgane gut functionireu; im gegenteiligen
Falle könnte diese Medieatiou eher schaden und man muss vor
jeder weiteren Behandlung vorhandene Magendarmstörungeu be¬
seitigen.
Die aus den vegetabilischen Nucleoalbuminen gewonnene
Nucleose als therapeutisches Mittel.
B o v e t bringt eine sehr beweiskräftige Arbeit über die
physiologische, klinische und therapeutische Rolle der Nueleoseu
Original from
UNIVERSIT7 OF CALIFORNIA
242
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
(gemischten Eiweisskörpern), welche von den vegetabilischen
Nucleoalbumineu stammen. Als Nahrungsmittel wirkt die
Nueleose kriiftig anregend auf die Gesainmteriiührung, woher Zu¬
nahme des Körpergewichts; es erklärt sieh das durch die natür¬
liche Zusammensetzung des Mittels, welches aus Eiweiss. P, Dia-
stase, mineralischen Salzen besteht und sich auch im thierischen
Gewebe und in den Organsäften (Blut. u. s. w.) vorfindet. Als
Medicament wirkt die Nueleose durch ihre Spaltung in Nuclein-
säure und Albumin. Im Körperhaushalt wird sie ein anti¬
septisches, bactericides und pliagoeytäres Mittel, wie es die Ex¬
perimente von Kossel, Salkowski und die klinischen Be¬
obachtungen von Bovet bewiesen haben. Die Nueleose besitzt
eine unzweifelhafte diuretisclie Wirkung, wodurch sie die Elimi¬
nation der organischen Abfallstoffe und der verschiedenen von
lnfectionskrankheiten herstammenden Toxine begünstigt. Thera¬
peutisch kommt das Mittel daher in Betracht bei langsam wirken¬
den Vergiftungen, bei Krankheiten mit zurückgebliebener Ernäh¬
rung. verschiedenen Arten von Uraemie u. s. w. Als Nährmittel
empfiehlt es Bovet bei chronischer Tubereulose, Diabetes,
manchen neurasthenischen Zuständen, bei den meisten Formen
von Dyspepsie, gewissen Herzaffectionen, besonders bei jenen
arteriellen Ursprungs, wo ungenügende Function der Nieren und
alimentäre Toxaemie eine vorwiegende Rolle spielen, wie die Ex¬
perimente und Beobachtungen II u c li a r d’s lehren.
Laborde zeigt sehr interessante Radiographien, welche
das Wiedereintreten der Zwerchfellsbewegungen unter dem Ein¬
fluss der rhythmischen Tractionen der Zunge beweisen.
Batneologische Gesellschaft.
XXI. öffentliche Versammlung in Frankfurt a. M.
Freitag, den 9. März, Abends 7 Uhr. 1. Herr L i e b -
r e ich- Berlin: Eröffnungsrede. 2. Ansprachen. 3. Herr Brock-
Berlin: Bericht über das verflossene Vereinsjahr. 4. Wahl des
Vorstandes. 5. Herr K i s c h - Marieubad: Feber uterine Herz¬
beschwerden und ihre Balneotherapie. 6. Herr v. N o o r den-
Frankfurt: Die Indieationen der Wasserbeschränkung bei Eut-
1‘ettungscuren. 7. Herr v. R e i n a c h - Frankfurt: Geologisches
aus dem Tauuusgebirge. 8. Herr G r o e d e 1 - Nauheim: Zur Bal¬
neotherapie der chronischen Nierenaffectionen. 9. Herr Straus s-
Frankfurt: Ueber die Behanglung der harnsaureu Nierenconcre-
tIonen mit kohlensaurem Kalk und mit kalkhaltigen Mineral¬
wässern.
Sonnabend, den 10. März. Vormittags 9 Uhr und Nach¬
mittags 3 Ulir. 10. Herr P a r i s e r - Homburg: Chronische ner-
vöse Diarrhoe und ihre Behandlung. 11. Herr Frey -Baden: Die
therapeutische Bedeutung der heissen und kalten Luftdouehe.
12. Herr S c h o 11 - Nauheim: Ueber Herzleiden auf diabetischer
Basis und deren Behandlung, 13. Herr L e n u e - Neuenahr: Zur
Therapie des Dial>etes mellitus. 14. Herr S t i f 1 e r - Stehen: Bnl-
neologische Mittheilungen. 15. Herr W i n t e r n i t z - Wien :
Unsere bisherigen Erfahrungen mit elektrischen Lichtbädern.
H>. Herr Hughes- Soden: Ueber den Einfluss der Miueralbäder
auf den osmotischen Druck des Blutes. 17. Herr A b ö e - Nauheim:
Arteriosklerose und Myocarditis in ihren Beziehungen zu Angina
pectoris. 18. Herr B 1 u m - Frankfurt: Ueber die Aufnahmefähig¬
keit der Haut für bestimmte Metallverbindungen und über das
Schicksal derselben im Organismus. 18. Herr S c h u s t e r - Nau¬
heim: Verdauungsorgane und Herz.
Sonntag, den 11. März, Vormittags 9 Uhr. 20. Herr
K ö n i g - Frankfurt: Neuere Forschungen über die Beziehungen
zwischen Elektricität und Materie. 21. Herr L i e b r e i e li - Ber¬
lin: Ueber die Zweckmässigkeit der Anwendung pharmakodynami-
sclier Hilfsmittel bei der Behandlung der Lungenschwindsucht.
22. Herr Kühler- Kreuznach : Kinderheilstätten und Tuber
culoseprophylaxe. 28. Herr S t e i n e r - Prag: Ueber die Quell-
verliältnisse von Homburg und Sollen. 24. Herr Scherk - Hom¬
burg: Enzymwirkuug und Trinkcur. 25. Herr Franken hä user-
Berliu: Die praktische Bedeutung der elektrochemischen Erschei¬
nungen für die Balneotherapie. 20. Berichte der Gruppenvor¬
steher und Neuwahl derselben. 27. Anträge aus der Versammlung.
Montag, den 12. März, Vormittags 9 Uhr. 28. Herr Beissel-
Aachen: Bericht über die Commission internationale d*Hydrologie
mödicale. 29. Herr F o s s - Driburg: Die Blutgase in der Balneo¬
therapie. 80. Herr L o e bei- Dorna: Die Behandlung der Arterio¬
sklerose mit Moorbädern. 81. Herr L a n g e b a r t e 1 s - Nau¬
heim: Ueber Einrichtung zur Verbesserung stark kohlensäure-
haltiger IJiermalbäder. 32. Herr W e i s z - Pystian: Zur Ab¬
grenzung des chronischen Gelenkrheumatismus. 33. Herr Schütze-
Kösen: Die Hydrotherapie des Myxoedems 34. Herr Müller
de la F u e n t e - Schiangenbnd : Bäderbehandlung bei Men-
slruationsanomalien. 35. Herr lt o t h s c li i 1 d - Soden : Con
stitutiou und Curort mit specieller Berücksichtigung von Soden.
30. Herr L e b e r - Homburg: Ueber die Behandlung der Nieren-
krankheiten mit kohlensauren Soolbiidern.
Die Sitzungen finden statt i m grossen S a a 1 e d e s
S e n c koubergi a n u m i n F r a n k f u r t, Eschenheimer
Thor.
Verschiedenes
Die Oesundheitsverhältnisse in Kiautschou.
Aus dem Bericht über das Gesundheitswesen in Kiautschou.
welcher in der Denkschrift „betreffend die Entwick¬
lung des Kiautschougebietes in der Zeit vom
October 1898 bis October 1899“ niedergelegt ist. lässt sich
ersehen, dass der Gesundheitszustand und die hygienischen Ver¬
hältnisse in der Colouio wohl noch Manches zu wünschen übrig
lassen, dass aber auch in Folge der energischen sanitären Maass
nahmen, welche zur Bekämpfung der Krankheiten getroffen sind,
bereits eine wesentliche Besserung oonstatirt werden kann.
Die Erfahrung scheint zu lehren, dass die Gesundheitsver¬
hältnisse der Civilbevölkeruug und der Besatzungstruppeil nicht
wesentlich von klimatischen Einflüssen abhängig sind. Es
häuften sich zwar in den Sommermonaten die acuten Darm-
katarrlie, doch trat die gefürchtete Malaria nie in den \ order¬
gründ. Eine während des Sommers ausgebrochene Flecktyphus
und Rückfallfieberepidemie, die ln der Provinz Sehantung ihren
Ursprung hatte, konnte im September durch geeignete Desinfec-
tions- und Absperrungsmaassregeln zum Schwinden gebracht
werden. Die Sterblichkeit belief sich bei den Besatzungstruppen
in dem Berichtsjahr 1898—99 auf 13 Fälle (9,1 Prom.). 7 Leute
starben an Darmtyphus. 3 an Ruhr und je 1 Mann au Malaria.
Bauchfellentzündung und Lungenentzündung. 10 starben in den
Sommermonaten, 3 in den Wiutermonaten.
Relativ weit verbreitet waren Darmtypbus und Ruhr, Krank¬
heiten. welche zweifellos auf die, durch die chinesische Schmutzig¬
keit bedingte Bodeuverunreinigung. auf schlechte Wohnungsver¬
hältnisse und mangelhafte Wasserversorgung zurückgeführt wer¬
den müssen.
Es ist desshalb in allererster Linie darauf Bedacht genommen
worden, die Abfuhr zu regeln, eine centrale Wasserleitung zu
schaffen, die Canalisation in Angriff zu nehmen und die Woh
nungsverhältuisse zu verbessern. So wurde z. B. das schmutzige
Oberdorf von Tsingtau und ein grosser Tlieil des Unterdorfes be¬
seitigt. den Chinesen bei Strafe verboten, Strassen und Plätze zu
verunreinigen und ihnen überhaupt verweigert, sich in der Euro-
püerstadt. niederzulassen.
Zur Förderung der hygienischen Verhältnisse wurde eine
hygienisch-chemische Untersuchungsstation mit bacteriologiscliem
Laboratorium eingerichtet, die Fleischschau eingeführt und di**
Milchwirtschaften der sauitütspolizeilichen Controle unterstellt.
Noch dringlicher gestaltete sich die Forderung nach dem Bau
eines Lazarethes, da bisher die Kranken nur in I) ö c k e r*sehen
Baracken provisorisch untergebracht waren. Dasselbe ist für
15u Betten berechnet und soll aus 3 eingeschossigen Pavillons
und einem Isolirpavillon bestehen. Letzterer, nebst einem ein¬
geschossigen Pavillon sind bereits der Benutzung übergeben.
Ebenso sind von den zum Lazaretli gehörenden Nebengebäuden
das Oekonomie-, das Wärter- und das Apothekengebäude fertig
gestellt, während das Waschhaus mit Desinfectionsraum und das
Leichenhaus später vollendet werden.
Erwähnt mag werden, dass auch die Anlage eines, den ge¬
sundheitlichen Anforderungen entsprechenden Friedhofs ins
Auge gefasst ist.
Die Wasserversorgung der Colonie erfolgte bis jetzt
nur durch Brunnen, die jedoch den liygieuisehen Anforderungen,
besomles nach Regengüssen, wegen der schlecht filtrirendeu und
durchlässigen Bodenschicht, nicht genügen können. Ausserdem
trat in dem ausserordentlich trockenen Sommer 1899 durch einen
immensen Wasserverbrauch der bei den Wohnungen belogenen
Ziegeleien theilweise Wassermangel ein. Dieser wurde zwar in
Folge Herstellung von neuen Brunnen behoben und dadurch dieser
Calami tat allgeholfen, doch trägt man sich mit dem Project einer
Centralwasserleitung, welches entweder in der Anlage einer Thal¬
sperre in dem vom Dorfe Hsiau pau tau nach Südosten sich er¬
streckenden Thale seine Realisirung finden würde oder mau wird
versuchen, das von den Höhen in der Nähe des Dorfes Hai po
herabströmende Grundwasser zu sammeln und falls es den hygie¬
nischen Anforderungen entspricht, zur Trinkwasserversorgung
verwenden.
Auch ein drittes Project ist in’s Auge gefasst, und zwar
eine Hochquellleitung aus dem Lauschaugebirge, die jedoch wegen
der erheblichen Kosten erst in letzter Linie in Betracht kommen
könnte.
Die Schlussbetrachtungen in dem eben besprochenen Capitol
der Denkschrift laufen darauf hinaus, dass man sich bewusst ist.
nur durch energische Fortführung der Verbesserungen etwas
Gutes schaffen zu können, dass man aber auch vor übertriebenen
Besorgnissen über die Entwickelung der gesundheitlichen Ver¬
hältnisse nachdrückliohst warnen müsse. Man darf im Gogen-
tlieil der vollen Uoberzeugtmg sein, dass „die ungünstigen Gesuud-
lieitsVerhältnisse durch die erörterten Maassnahmen dauernd ge¬
bessert werden und zwar voraussichtlich so erheblich, dass Kiau¬
tschou daun zu den gesundesten Plätzen in Ostasien gehören
wird“.
Man darf hierbei eben nicht iiboVsehen, dass die in der Colonie
auf tretenden Krankheiten zu denen gehören, die in einer jeden
jungen Colonie im entsprechenden Eutwickluugsstadium be
obachtet werden.
Therapeutische Notizen.
Ueber die Anwendung des Thlol bei Frauen¬
krankheiten berichtet Zander aus der Poliklinik von
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Gck igle
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13. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
243
Kossmann in Berlin. Das Mittel kam in ca. 100 Fällen bei
den verschiedensten entzündlichen Reizzuständen des Genital-
tractes, insbesondere bei hyperaemischen Zuständen und bei peri¬
tonealer Reizung zur Anwendung, und zwar entweder als Thiolum
liquidum oder als Thiolglycerin (Thiol. sicc. 12,0, Glycerin ad 100).
Während beim reinen Thiol die schmerzlindernde Wirkung in den
Vordergrund tritt, erhöht der Zusatz von Glycerin die wasser-
entziehende, Abschwellung der Gewebe bedingende Wirkung.
Die Anwendung geschah mittels Tampons, welche in der Regel
Tage liegen blieben. In allen Fällen erwies sich das Thiol als
.schmerzlinderndes und die entzündliche Reizung beseitigendes
Mittel. Gegenüber dem Ichthyol hat es den Vorzug der fast voll¬
ständigen Geruchlosigkeit, der grösseren Reinlichkeit, da Thiol-
flecken sich sehr leicht aus der Wäsche entfernen lassen, und des
billigeren Preises. (Der Frauenarzt, 1899, No. 10.) R. 8.
In der Krankenabtheilung des Zuchthauses • München wurde
von Bezirksarzt Dr. S c h ä f e r bei Unterernährung und Inanition
der Gefangenen, „Abgegessensein“, sowie bei Anaemie mit gutem
Erfolge der Fleischsaft „Puro“ zur Anwendung gebracht. Der¬
selbe wurde, ohne Zusatz oder auf Sehwarzbrod, dreimal täglich
theelöffelweise gegeben. Ueberraschend war die anregende, toni-
sirende Wirkung. In allen Fällen trat erhebliche Besserung der
Krankheitserscheinungen und Gewichtszunahme ein. Um eine
nachhaltige Wirkung zu erzielen, müssen mindesens 0—8 Fläsch¬
chen des Präparates verbraucht werden. (Wiener med. Blätter,
1899, No. 38.) B. S.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 13. Februar 1900.
— Der allgemeine ärztliche Verein von Thüringen hat in
seiner ausserordentlichen Generalversammlung vom 11. Januar
I. .1. den ihm vorgelegten „Entwurf einer Aerztekammer für die
siimmtlichen thüringischen Staaten“ (vergl. S. 1759 v. J.) mit ge¬
ringen Aenderungen angenommen.
— Zwischen der Königlichen Poliklinik für Lungenleidende
in Berlin und dem Vorstande des Vereins der freigewählten
(’assenärzte ebenda ist folgendes Abkommen getroffen worden:
1. Jeder dem Verein der freigewählten Cassenärzte angehörende
Arzt ist berechtigt, seine lungenleidenden Casseundtglieder zur
Sputum- und sonstigen Untersuchung der Poliklinik zu über¬
weisen. 2. Die Poliklinik wird das Resultat der Untersuchung bei
den überwiesenen Kranken nicht diesen, sondern dem behandeln¬
den Arzte und zwar schriftlich mittheilen. 3. Andere Cassen-
mitglieder der von dem Verein der freigewählten Cassenärzte ärzt¬
lich versorgten Krankencassen, als die von den Vereinsärzten
überwiesenen, wird die Poliklinik nicht zulassen.
— Pest Britisch-Ostindieu. Die Zahl der Pesterkran¬
kungen in Bombay stellte sich in den 2 letzten Wochen des Jahres
1899 auf 415 und 397. — Argentinien. Am 27. Januar ist der Aus¬
bruch der Pest in Rosario amtlich verkündet und der Hafen ge
.schlossen worden. Von 7 der Pest verdächtigen Krankheitsfällen
waren bis zum 28. Januar 2 tödtlich verlaufen. — Brasilien. Von
den 10 Pestfällen, welche letzhin in Sao Paulo festgestellt worden
sind, entfallen 5 noch auf den December, je 2 Kranke sind am
1. und 5. Januar, ein Kranker am 4. Januar in das Isolirspital ein¬
geliefert. Die Häfen von Rio de Janeiro und Santos sind Mit¬
theilungen vom 29. bezw. 30. Januar zu Folge für pestfrei erklärt
worden. — Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des National¬
gesundheitsraths zu Asuncion sind dort vom 9. bis 21. December
noch 4 Todesfälle durch die Pest verursacht worden, sonstige Er¬
krankungen an der Pest kamen nicht mehr zur Anzeige. — Neu-
Siid-Wales. Zu Folge einer Mittheilung vom 29. Januar ist in
Sydney ein Fall von Pest amtlich festgestellt worden. — Neu-
Caledonien. Vom 5. bis einschl. 16. Januar sind in Numea 11 Er¬
krankungen und 7 Todesfälle an Pest angezeigt.
— Auf Anregung von Geheimrath N e i s s e r hat sich in
Breslau eine Dermatologische Vereinigung gebildet,
welche sich die Förderung des Specialfaches und gemeinsame
wissenschaftliche Arbeit zur Aufgabe stellt. In den beiden ersten
Sitzungen, die am 6. Januar und 5. Februar stattfanden, wurde eiu
reiches Demonst'rationsmaterial vorgeführt. Die Sitzungsberichte
werden im Archiv f. Derm. u. Syph. veröffentlicht werden.
— Einem Berichte des Sir W. MacCormac. der am
S. Januar aus Natal wieder in Kapstadt eingetroffen ist, vermuth-
weil die nächsten schweren Kämpfe in der Kapcolonie erwartet
werden, entnehmen wir die Mittheilung, dass 2 deutsche Militär
iirzte — Stabsarzt Dr. Schmidt und Stabsarzt Dr. Kru-
macher — nach Kapstadt vom Modderflusse zurückgekehrt
sind, wo sie bei dem Sanitätscorps der Gardebrigade Hilfe ge¬
leistet hatten. Dieselben w T aren in der Schlacht bei Magersfontein
zugegen und hätten ihre volle Befriedigung und Bewunderung
über die Leistungen des Sanitätscorps ausgesprochen. Mac
tormac hebt hervor, dass diese beiden deutschen Aerzte die
einzigen militärärztlichen Vertreter fremder Mächte seien, was
um so mehr auffalle, als alle Mächte militärische Vertreter für
luetische Zwecke gesandt hätten. Er empfiehlt für künftige
Feldzüge die Entsendung militärärztlicher Attaches, da diese alles
ärztlich Interessante zu sehen bekämen, was bei den Mitgliedern
fremder Ambulanzen nicht der Fall sei.
Nach einer Zusammenstellung des Brit. med. Journ. betragen
die britischen Gesammtverluste in den Kämpfen am Tugela vom
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18.—27. Januar ausser 317 Gefangenen 251 Todte und 1170 Ver¬
wundete. Nach den bisherigen Erfahrungen wird angenommen,
dass von den Verwundeten 8 Proc. sterben, während von dem
Rest 2 Drittel innerhalb 3 Wochen wieder kampffähig sein werden.
Dass unter diesen Umstünden die Buren den englischen Ambu¬
lanzen die Abholung ihrer Verwundeten gestatten, statt dieselben
als Kriegsgefangene zu erklären (eine Grossmutli, die bekanntlich
nicht auf Gegenseitigkeit beruht), ist ein weiterer Beweis für die
humane Art der burischen Kriegsführung.
Wer englische Zeitungen v o r dem südafrikanischen Krieg
gelesen hat, der weiss, dass dieselben von der körperlichen und
geistigen Verfassung der Buren die ungünstigsten Schilderungen
zu geben pflegten; die Darstellungen der Buren auch in ernsten
englischen illustrirteu Zeitungen waren oft geradezu Carrieaturen
der menschlichen Gestalt. Die Lehren des Krieges lassen nun
aber allmählich eine gerechtere und richtigere Beurtheilung der
Buren seitens ihrer Gegner aufkommen. Charakteristisch für
diesen Wechsel der Anschauungen ist ein Artikel in Lancet vom
10. Februar über die K ö r p e r b e s c h a f f e n li e i t der
Buren (the Ph.vsique of the Boers). Hier wird der Bur gerade¬
zu als eine menschliche Idealgestalt geschildert. Er ist au Grösse,
Stärke und kräftiger Constitution dem Engländer überlegen.
Buren von 6 Fuss 6 Zoll sind häufig, ja mau hat ihre mittlere
Grösse auf 6 Fuss 2 Zoll angegeben; alle Reisenden bezeugen den
prächtigen Bau (the magnifieent pliysique) dieser Leute. Und ln
dem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. Alkoholismus
und Laster und damit verbundene Krankheiten, so häufig unter
der britischen Armee, sind dem Buren unbekannt. Nicht nur ist
fast jeder Bure fähig die Waffen zu tragen und für sein Vater¬
land zu kämpfen, sondern er gibt einen stärkeren, gesünderen und
grösseren Soldaten ab, als die besonders ausgewülilten Mann¬
schaften der englischen Armee. Wenn die gesummte männliche
Bevölkerung Englands im Alter von 14—00 Jahren ohne Auswahl
unter die Waffen zu treten hätte, welch trauriges Schauspiel
würde diese Truppe bieten, verglichen mit dem ebenso zusammen¬
gesetzten Heer der Buren! Unter den Ursachen für die physische
Ueberlegenheit des Buren über den Briten führt der Verfasser
ausser den Einflüssen der Lebensweise und des Klimas auch den
Mangel an verfeinerten sanitären Einrichtungen an. Schwächliche
Individuen, die bei uns durch Sorgfalt und Pflege erhalten bleiben,
gehen dort zu Grunde, wodurch eine bessere natürliche Auswahl
zu Stande kommt. Andererseits macht er für die „Decadenz der
Kriegstüchtigkeit der britischen Rasse“ den Rückgang der acker¬
bautreibenden Bevölkerung und den Uebergang zum Industrie¬
staat verantwortlich. Die anerkennende Würdigung, welche die
burisclie Rasse hier von englischer Seite findet, muss jeden
Burenfreund mit Genugtliuung erfüllen; leider unterlässt es der
Verfasser, den so naheliegenden Schluss zu ziehen, dass ein so vor¬
treffliches, tüchtiges Volk auch ein Recht auf Unabhängigkeit hat.
— In der 4. Jahreswoche vom 21. bis 27. Januar 1900, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einvohner die grösste Sterb¬
lichkeit Danzig mit 37,9, die geringste Remscheid mit 7,8 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Masern in Danzig, an Scharlach in Alten
dorf, Regensburg, an Diphtherie und Croup in Bamberg.
— Die im April 1897 begründete Lichtheil-, Cur- und Bade¬
anstalt „Karlsbad“, Potsdamerstrasse 27a in Berlin, ist in den Be¬
sitz einer neu gebildeten Gesellschaft übergegaugen, welche den
Namen „Lichtheil, Physikalisch - diätetische Heilanstalt G. m.
b. H.“ führt. Mitglieder des Aufsichtsrathes sind die Herren
Professor Dr. Budde, Director der A.-G. Siemens & Halske, Frhr.
J. v. Hünefeld und W. A. Hirschmann. Die ärztliche
Leitung hat Dr. Deus übernommen. Die Anstalt stellt sich
die Aufgabe, in engster Fühlung mit der medicinischen Wissen¬
schaft, das für die physikalischen Heilmethoden erforderliche
Instrumentarium in technisch vollkommener Weise auszugestalten
und an der Weiterbildung derselben unter besonderer Berücksich¬
tigung der Lichttherapie mitzuarbeiten. Deutsch, med. W.
(Hochschulnachrichten.)
München. Die medicinische Facultät hat Seiner Exeellenz
Frliru. v. Feilitzsch, Staatsminister des Innern, die Würde
eines Doctor medicinae honoris causa verliehen.
Amsterdam. Habilitirt: Dr. J. H. Eberson für Dia¬
gnostik.
Kopenhagen. Conferenzrath Prof. Dr. med. R e i s s ist.
70 Jahre alt, mit dem 1. Februar in den Ruhestand getreten. Mit
ihm scheidet aus dem Lehrkörper der Universität einer der hervor¬
ragendsten Mediciner aus, der seit mehr als 36 Jahren als Hoch¬
schullehrer und Kliniker gewirkt hat. In den Jahren 1801—1803 war
er unter den jüngeren Aerzten, die sich in Berlin um Virchow
schaarten; heimgekehrt, wurde er alsbald Privatdoeent der patho¬
logischen Anatomie, daun Oberarzt am Friedrichshospital und
ordentlicher Professor an der Universität. Kränklichkeit veran¬
lasst den verdienten Gelehrten jetzt zum Rücktritt.
Lund. Dr. J. Borelius wurde zum Professor der Chi¬
rurgie an der medicinischen Facultät ernannt.
Padua. Der Professor an der medicinischen Facultät zu
Messina, Dr. E. T r u z z i, wurde zum ordentlichen Professor der
geburtshilflichen Klinik ernannt.
P a v i a. Der Professor an der medic. Facultät zu Palermo.
Dr. C. M o n d i n o. wurde zum ordentlichen Professor der psychi¬
atrischen Klinik ernannt.
Wien. Vom medicinischen Professorencollegium, der
deutschen Universität in Prag wurde an Stelle des seiner Zeit
nach Wien berufenen und kürzlich verstorbenen Professors
Original ftom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
244
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Kuoll dessen ehemaliger langjähriger Assistent Docent l>r.
Hermann Ewald Hering als ordentlicher Professor für all¬
gemeine und experimentelle Pathologie beim Unterrichtsmini¬
sterium vorgesehlagen. Dr. Hering ist ein Sohn des Physio¬
logen Heri n g.
(T o d e s f ii 11 e.)
Geheimrath Professor Dr. L. M e y e r in Göttingen ist am
8. ds. nach langem Leiden gestorben. Eine Biographie, sowie das
Bild dieses hervorragenden Psychiaters brachten wir anlässlich
seines 70. Geburtstages in No. 51, 1807 dieser Wochenschrift.
ln Berlin starb Oberarzt Dr. Moxt e r, commandirt zum In¬
stitut für Infectionskrankheiten, 20 Jahre alt.
Sir Thomas Grainger S t e w a r t. Professor der klinischen
Medicin an der Universität Edinburg, 02 Jahre alt, einer der her¬
vorragendsten klinischen Lehrer Grossbrittaniens. Er war auch
in Deutschland wohl bekannt und geschätzt: er hatte in Berlin,
Prag und Wien studirt und war Schüler von V i r c li o w, Schön-
1 e 1 u. T raube, Bokitansk v u. A. In vor. Jahre vertrat
er die Universität Edinburg auf dein Tuberculosecongress in
Berlin.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Befördert: Der Unterarzt Dr. Joseph Huber des 2. Chev.-
Iteg. zum Assistenzarzt in diesem Regiment.
Ernannt: Seitens des stellvertretenden Generalstabsarztes der
Armee wurden die einjährig-freiwilligen Aerzte Dr. Wilhelm M a y
vom 3. Feld-Art.-Reg. im 1. Inf.-lieg, und Karl M a y e r vom
1. Schweren Reiter-Iteg. zu Unterärzten ernannt und mit Wahr¬
nehmung offener Assistenzarztstellen beauftragt.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 5. Jahreswoche vom 28. Januar bis 3. Februar 1900.
Betheil. Aerzte 304. — Brechdurchfall 14 (7*), Diphtherie,
Croup 21 (15), Erysipelas 7 (8), Intermittens, Neuralgia interni.
3 (3), Kindbettfieber —(2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli
427 (451), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 5 (5), Parotitis epidem.
13 (5), Pneumonia crouposa 40 (42), Pyaemie, Septikaemie 1 (—),
Rheumatismus art. ac. 35 (36), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
7 (4), Tussis convulsiva 15 (22), Typhus abdominalis 2 (4),
Varicellen 12 (12), Variola, Varioiois — (—). Summa 602 (616).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 5. Jahreswoche vom 28. Januar bis 3. Februar 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000
Todesursachen: Masern 24 (19*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 1 (1), Rothlauf 1 (1), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) 1 (—), Brechdurchfall 3 (2), Unterleibstyphus
1 (1), Keuchhusten 3 (—), Croupöse Lungenentzündung 8 (2),
Tuberculose a) der Lungen 28 (31), b) der übrigen Organe 7 (4),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 37 (8), Unglücksfälle 5 (5), Selbstmord 3 (—), Tod durch
fremde Hand — (1).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 312 (270), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 35,0 (30,3), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 26,3 (21,1).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: November' und December 1899.
Regierungs¬
bezirke
bezw.
Städte mit
über 30,000
Einwohnern
äS
- s
ij
Diphtherie,
Croup
Erysipelas
'
Intermittens,H
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Bevölkenmgsziffem: Oberbayem 1,186,950, Niederbayern 673,628, Walz 765,991,
Oberpfulz 546,8:14, Oberfranken 586,061, Mittelfranken 737,181, Unterfranken 632,588,
Sehwaben 689,416. — Augsburg 81,896, Bamberg 38,940, Fürth 46,726, Kaiserslautern
40,828, Ludwigshafen 39,799, München 411,001, Nürnberg 193,890, Regensburg 41,471,
Würzburg 68,747.
Einsendungen fehlen aus der Studt Fürth und den Aemtern Bruck, Bogen,
Dingolfing, Straubing, Neumarkt, Neunburg v/W., Neustadt a/WN., Sulzbach, Hof,
Dinkelsbühl, Fürth, Üffenheim, Brückenau, Königshofen, Obernburg und Augsburg
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet
aus folgenden Aemtern bczw. Orten:
Diphtherie, Croup: Fortsetzung der Epidemie in Pirmusens — 42 be¬
handelte Fälle. Stadt- und Landbezirke Bayreuth 46 (2 gestorben), Forchheim
49, Städte Freising und Schweiufurt je 19, Aemter Wertingen 54 und Höchstadt
a/A. 28, München II 36 Fälle (hievon 26 im ärztlichen Bezirke Wolfratshausen).
Erysipelas: Epidemisches Auftreten in Heinersreuth (Stadtsteinach).
Morbilli: Fortsetzung der Epidemien im Bezirke Passau (42 behandelte
Fälle), im Stadt- und Landbezirke Forchheim (76), Ansbach 112/, Gunzenhausen
(29), Hersbruck (eine Gemeinde nach der anderen befallen, häutig Schulschluss,
58 Fälle), Schwabach (Epidemie in ltoth, Georgsgemünd und Umgebung, 259 F.),
Weissenburg (gehäufte Fälle in Kettenhochstadt, keine ärztliche Behandlung),
Karlstadt (Fortsetzung in Zellingen, 4 Sterbefälle; bösartige Epidemie mit
schweren Nachkrankheiten in Mödesheim, Keulburg, Retzstadt und Grainschatz,
Schulschluss; Im Ganzen 127 behandelte Fälle), Schweinfurt (ab November in
7 Orten erloschen, in 4 weiteren neu aufgetreten; Stadt 15, Land 78 behandelte
Fälle), Neustadt a/S. (Schulschluss in Bischofsheim v/Rh., in 8 Orten erloschen),
Donauwörth (Anfangs December in Gansheim die Hälfte der Schüler erkrankt,
Ende December wieder erloschen, gutartig!, Neuburg a/D. (in der Stadt und
8 weiteren Orten, 45 behandelte Fälle. Epidemie ferner in den Aemtern Tölz
(130 Fälle, hievon 90 im ärztlichen Bezirk Lenggries), Pegnitz (in Pottendorf von
65 Schulkindern 58 erkrankt, keine ärztliche Behandlung), Stadt Erlangen (77),
Gerolzhofen (in Rimbach), Marktheidenfeld (starke Epidemie in einigen Orten,
ärztliche Behandlung selten), Würzburg Land (174/. Gehäufte Fälle ferner in
Zaisering (Rosenheim/ und Iphofen (Kcbeinfeld); im Amte Stadtsteinach Epidemie
Im Erlöschen. Aemter Bamberg I 57, Erding und Hilpoltstein je 33, Burglengen¬
feld 36, Neustadt a/A. 37 behandelte Fälle.
Parotitis epidemica: Fortsetzung der Epidemie im Amte Teuschnitz
(unter den Schulkindern in Nurn). Epidemisches Auftreten ferner in der Stadt
Günzburg und den Aemtern München II (36 behandelte Fälle im ärztlichen Bezirk
Seefeld), Landau i/Pf. (in Offenbacb), Ludwigshafen (In Mundenheim in der
3. Decemberwoche die Hälfte der 62 Schüler der 6. Glosse erkrankt), Stadt-
steiuach (in Pressack), Wertingen (in Buttenwiesen, 65 behandelte Fälle).
Pneumonia crouposa: Bezirksamt Hersbruck 65 behandelte Fälle.
Scarlatina: Iin Stadt- und Landbezirk Bayreuth (neben Diphtherie!
25 behandelte Fälle, 3 Sterbfälle, im Amte Neustadt a/S. In Wargelshausen und
Junkershausen Schulschluss.
Tussis convulsiva: Fortsetzung der Epidemie im Amte Tirschenreuth
(in Bärnau und Umgebung) und in Pegnitz (29 behandelte Fälle); Epidemie ferner
in den Aemtern Mellrichstadt (ln Oberstreu) und Günzburg (in Jettingen und
Burtenbach).
Typhus abdominalis: Fortsetzung der Epidemien in den Aemtern
Ludwigshafen (Hausepidemie in Iggelsheim, nunmehr auch das 5. und 6. vonjden
12 Kindern erkrankt) und Karlstadt (in Laudenbach weitere 9 Fälle mit 2 Sterb¬
fällen, in Thüngen ein weiterer Fall gleichfalls mit tödtlichem Verlaufe). Stadt-
und Landbezirk Eichstätt 8 Fälle, in Rinnthal (Bergzabern) 4 Fälle, von einem
verunreinigten Brunnen stammend.
Varicellen: Ziemliche Verbreitung im ärztl. Bezirk Muruau (Weilheim
und in Steingaden (Schongau).
Variola, Varioiois: Die im Vormonate gemeldeten 2 Fälle von
München beruhten auf irrthümlichem Einträge (statt Varieellen).
Influenza: Zahlreiche Erkrankungen im Amte Friedberg, dessgleiehen
bei Kindern und Erwachsenen) im Amte Garmisch, sowie im Stadt- und Land¬
bezirke Nördlingen (von der 2. Decemberhälfte an, meist massig schwer) ; Epidemie
in Pottenstein (Pegnitz) und Umgebung, mehrere schwere Formen (theils katar¬
rhalische Pneumonie, Gehimhyperaemie, auch gastrische Formen) im ärztlichen
Bezirk Starnberg (München II). Städte Augsburg 107, Nürnberg 18, Aemter
Zweibrücken 19, Cham 16, Berchtesgaden und Landsberg je 10, Donauwörth 9 etc.
behandelte Fälle.
Im Interesse grösserer Vollständigkeit und Ermöglichung rechtzeitiger
Veröffentlichung des Gesammtorgebnisses vorliegender Statistik für dos Jahr 1899
wird um Mi ttheilung allenfalls noch nicht zurAnzeige gelangter
Fälle aus früheren Monaten als Nachträge (ausgeschieden nach Monaten)
an dasK.Statistische Bureau bis längste ns 15. Februar dringend ersucht
Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind
durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welche sich im
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl dersich betheiligenden Aerzte
an das K. Statistische Bureau wenden wollen.
*) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 2 47. Jahrgang) eingelaufener Nachträge. — *) Im Monat November einschliesslich der
Nachträge 1376 — •) 44. mit 48. bczw. 49. mit 62. Jahreswoche.
Verlag von J. F. Lehm an n ln München. — Druck von E. Mühlthaler’s Buch- und Kunstdruckerei A.G., München.
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Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Münch. Med. Woohenschr. cr^rhelnt wrtchenll.
Id Nummern von durchschnittlich 1-5 Bogen.
Preis In Deutsch!. 11 Oest.-Ungarn vlerteljährl. H JL,
Ine Ansland 7.50 Ji. Einzelne No. 60 4 .
MÜNCHENER
Zusendungen sind rn «drewlren: Für die R«*da/ ,, lon
Otiostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
CI. Blamier, 0 . Bollinger, H. Curscbmann, C. ßerlardt, W. 1, Heineke, 6 . Merkel, J. 1 Michel, H. 1. Ranke, F, 1 . Wlnckel, H. ». Zlemssen,
Frei bürg i. B. München Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 8. 20. Februar 1900.
Redaction: Dr. B. Spats, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Aus der medicinischen Klinik in Jena (Prof. Dr. Stintzing).
lieber die Wirksamkeit der Spinalpunction und das
Verhalten der SpinalflUssigkeit bei chronischem Hydro-
cephalus.
Von Dr. Jul. A. Grober, II. Assistenten der Klinik.
Feber den Werth der Spinalpunction haben seit der Inaugu-
rirung der Methode (Quincke 1891) bei verschiedenen Gelegen¬
heiten Debatten stattgefunden (Gongress für innere Medicin 1893
und Berliner medic. Gesellschaft. 1895) und zwar weniger in Be¬
zug auf die diagnostische als auf die therapeutische Bedeutung.
Für die tuberculüse Meningitis, für durch Hirntumoren gestei¬
gerte Drucksymptome und für den acuten Hydrocephalus wird
fast von allen Seiten eineWirkung und zeitliche Besserung notirt;
dagegen geben die meisten Kliniker an, dass ihnen bei chronischer
Vermehrung der Spinalflüssigkeit ein dauernder Erfolg nicht ge¬
glückt sei und überhaupt wohl nicht zu erwarten stünde. Wohl
berichtet man von Fällen *), wo eine augenblickliche Erleich¬
terung der schweren Himdrucksymptome eingetreten ist.
Doublier") meint, dass es sich wohl immer um einen Glücks¬
fall handele, wenn zufällig die Entleerung der Flüssigkeit mit
dem Versiegen jenes unbekannten Reizes oder Agens zusammen*
trifft, das in den meisten Fällen die baldige Rückkehr des hydro-
cephalisehen Ergusses bewirkt.
Nun hat es sich bei den bis jetzt bekannten Fällen von
Hydrocephalus chronic, meist nur um einige Punctionen ge¬
handelt, die an ein und demselben Patienten ausgeführt worden
sind, theils weil die Personen bald starben, theils aus äusseren
Verhältnissen. Kieken n ) theilt einen Fall mit, in dem er vier¬
mal punctirt hat, Heubner 4 ) einen, wo er dreimal Flüssigkeit
abgelassen hat. Beide geben an, dass kein dauernder Erfolg er¬
reicht worden sei.
Von dem Gedanken ausgehend, dass der Ilirnsehädel eines
hydrocephalischen Kindes weich genug sei, sich dauernd verän¬
derten Iiihaltsverhältnissen anzupassen, hat Verfasser bei zwei
Kindern, die an der genannten Krankheit litten, eine Reihe von
regelmässig aufeinander folgenden Punctionen ausgeführt (25
und 12 mal) und in dem einen Fall eine Heilung, in dem anderen
eine, wenn auch geringe, anhaltende Besserung erreicht.
Die Krankengeschichten der beiden Patienten seien hier kurz mit-
gc-t heilt:
1. Hans H., 3 Jahre alt. von unehelicher Herkunft, von Here¬
dität nichts zu eruiren. Wurde am 5. V. 99 in die Klinik aufge-
nonien. — Rachitischer Körperbau, starke Verkrümmung des Fe¬
mur beiderseits, Rosenkranz deutlich zu fühlen. Epiphysenenden
verdickt. Drüsen am Rande des M. sterno - eleido - mastoid. in
Strängen zu fühlen.
Der Umfang des Kopfes über das Os frontale und das Tuber
occipitale gemessen, betrug 49.5 cm. die Entfernung der Nasen¬
wurzel vom Tuber occipitale über den Scheitel gemessen 29.5 cm 5 ),
b Fürbringer: Berl. klin. Wochonsclir. 1895. S. 272 ff.
Heubner: Ebenda, Discussion.
Frankel: Ebenda, Discussion.
■) Heubner: Gesellschaft der Chariten rzte 1894. 1. Xov.
*) Archiv f. klin. Medicin 1896. Bd. 56.
‘) Heubner: 1. c.
*) Nach Liharzlk, Gesetz des Wachsthums (eitirt nach
'ierordt, Tabellen) entsprechen diese Wert he den Zahlen,
die inan bei 12 l / a jährigen Kindern findet.
No. 8.
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Gck igle
die Fontanelle hatte die Grösse eines Rechtecks von 19:16 mm
Seiten. Musciilatur atrophisch, willkürliche Bewegungen der Ex¬
tremitäten fehlen; wenigstens kann Fat. nicht greifen, nicht stellen
und gehen, auch den Kopf nicht bewegen. Geistige Fähigkeit ganz
unentwickelt, Fatient spricht kein Wort. Kein Nystagmus, keine
Stauungspapille.
Bei besonders guter Hautpflege, reichlicher Ernährung, mas¬
sigen Gaben von Fliosphorleberthrau und unter wöchentlich
wiederholten Spinalpunctionen allmähliche Besserung. Die Mus-
culatur wurde zuerst kräftiger, fast gleichzeitig fing Fatient an,
einige Worte naehzusprechen; am 1. VIII. war die Fontanelle
18:13 mm gross: im September begann das Kind zu laufen. Am
6. XII. war die Fontanelle eben zu fühlen, etwa linseugross. Fat.
läuft frei umher, spricht wie ein Kind von 3 '/■. Jahren. Die Drüsen
am Hals sind verschwunden.
2. Oskar M., 2 Jahre alt, Eltern beide gesund, weder Lues noch
Tuborculose nachweisbar, 1 Bruder leidet an englischer Krank¬
heit, 1 Bruder an Krämpfen gestorben. Bei der Geburt normaler
Kopfumfang: nach l / 2 Jahr wurde der Kopf grösser. Es wurden
vor der Aufnahme 2 Punctionen des Kopfes vorgeuommen, die
keinen dauernden Erfolg hatten. Aufnahme am 30. IX. 1899.
Stark rachitischer Körperbau, Verkrümmungen und Epiphysen¬
auftreibungen au den Extremitäten, Rosenkranz an den Iiippen-
kilorpelenden. Abdomen stark aufgetrieben, am Ilals und am
Rande des Deltoideus vergrösserte Drüsen. Beiderseits Krypt¬
orchismus. Schädel enorm vergrössert, die Venen verlaufen sicht¬
bar in rinnenförmigen Vertiefungen in den Knochen; die hintere
Seite des Schädels ist völlig platt. Der Umfang des Kopfes (wie
oben gemessen) betrug 60,5 cm; die Entfernung der Nasenwurzel
vom Tuber ossis occipit. über den Scheitel gemessen 40.5 cm. Die
grosse Fontanelle hat einen Längsdurchmesser von 12. einen Q-uer-
durehmesser von 18 cm. die kleine ist nicht zu fühlen. 0 ) Das Kind
ist geistig völlig unentwickelt geblieben, spricht und greift nicht,
kann nicht sitzen, geschweige denn stehen und gehen.
Unter der oben erwähnten Behandlung verkleinerte sich die
Fontanelle auf 11 und 13,5 cm. Die Kräfte des Kindes nahmen
entsprechend einer Besserung der Muskelatrophie zu. Der im An¬
fang vorhandene Nystagmus rotatorius zeigte sich nur noch bei
Gelegenheit psychischer Erregungen, z. B. bei der Vornahme der
Spinalpunction. Das Kind hat nicht sprechen und sitzen gelernt,
greift jedoch nach vorgehaltenem Spielzeug.
Die Technik der Spinalpunction habe ich so benutzt, wie
seiner Zeit von Quincke 7 ) angegeben worden ist. Es stund
mir zu diesem Zweck ein A s s m a n n’sches Besteck der hiesigen
Klinik zur Verfügung. Nur wurde es später notliwendig, weil bei
dem ersten Patienten durch die Öftere Punction sieb an der Stolle
des 3. und 4. Zwischenwirbelraumes reichliches Narbengewebe
gebildet batte, eine etwas stärkere Nadel zu Hilfe nehmen.
F ii r b r i 11 g e r 5 ) empfahl, entgegen dem ursprünglichen
Quincke 'sehen Verfahren, die Bestimmung des Druckes als
unnöthig zu unterlassen und zwar, weil er gefunden hatte, dass
auch bei normalen Menschen ein cinigermaassen hoher Druck
herrschen könne, auch ohne dass derselbe Reizsymptome verur¬
sachte. Nichtsdestoweniger haben viele Kliniker an der Bestim¬
mung des Druckes festgehalten und zwar weniger desshalb, um
aus der Höhe des Druckes diagnostische Schlüsse zu ziehen, als
vielmehr um nicht den Normalwerth des Spinaldruckes nach
unten zu überschreiten. Quincke 8 ) hat denselben zu 150 mm
•) Die angegebenen Zahlen überschreiten die Maasse des ge¬
sunden Erwachsenen um ein Bedeutendes. Vergl. Vlerordt,
Tabellen. S. 30—37.
7 ) Ueber Hydrocephalus. Verhandl. des X. Congr. f. inn. Med.
1891.
") Münch, med. Wochenschr. 1895, p. 296.
•) Congress f. innere Medicin 1895. Handbuch der Therapie
inn. Krankheiten. 2. Aufl. Bd. V, S. 328.
Original fron l
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Wasserhöhe angegeben, S t i n t z i n g ,0 ) geht nicht unter 120 mm
Miniinalclruek bei der Punction herunter. Bei den ausgeführten
Pu net innen war mehrfach Gelegenheit zu beobachten, welche un¬
angenehme Folgen es hat, wenn der Druck unter 100 mm sinkt.
Der ältere kleine Patient, der seinen Empfindungen Ausdruck
zu geben gelernt hatte, klagte über starke Kopfschmerzen in der
Stirngegend. Bei dem kleinen stellten sich einmal klonische
Krämpfe in den Extremitäten ein, des Oeftercn warf er den
Kopf gewaltsam hin und her und schlug mit den Händen danach.
Eine Aspiration der Spinalflüssigkeit wie sie im Anfang der
Methode geübt worden ist. “), möchte daher kaum zu empfehlen
sein.
Der Druck wurde sofort nach dem Aufsetzen des Conus auf
die Caniile und während der Dauer der Punction wiederholt
mittels Centimetermaass gemessen. Die beigefügte Curve gibt
über die Aenderungen im Druck Auskunft, ebenso über die ent¬
leerten Mengen von Flüssigkeit.
?. 3 4 5 6 7 0 9 10 *■ * <3 «. a
Sie bezieht sich auf die Pimctionen bis gegen Ende Sep¬
tember; von da ab entwickelte sich eine gewisse Stabilität der
Verhältnisse, indem nämlich regelmässig ein Anfangsdruck von
300—200 mm notirt wurde und ca. 15 ccm entleert werden
konnten. Die höchsten Druekwerthe, die sich bei dem Patienten
— No. T, Hans H. — ergaben, waren 700 und 600 mm, ganz wie
Ri e k e 11 1 ~) und Q u i 11 c ke ’ 3 ) angegeben haben. Die hohen
Zahlen dieser Autoren haben sich allerdings nur bei entzünd¬
lichen Erscheinungen seitens der Meningen ergeben. Die Curve
zeigt am 10. August eine vierwöchige Unterbrechung, die veran¬
lasst wurde durch die Absicht, fcstzustellen, ob der Druck sich
in der einmal erreichten Mittellage halten würde. Das war nicht
der Fall, denn bei der folgenden Punction am 11. September
zeigte sich unser Steigrohr von 70 cm Länge als zu kurz. Dess-
halb sind die Punctionen auch jetzt noch nicht ausgesetzt worden,
trotzdem das Kind jetzt die körperliche und geistige Reife seines
Alters erreicht und so eine Entwicklung nachgeholt hat, die
andere Kinder vielleicht in 2 l / a Jahren durehmaehen.
Beobachtet man den Meniscus der Flüssigkeitssäule in dem
gläsernen Ansatz des Steigrohres genauer, so bemerkt man ohne
Mühe, dass bei Schreien des Kindes ein Steigen des Druckes statt¬
findet, ebenso, wenn man auf die Fontanelle drückt. Man beob¬
achtet auch, dass bei starken Exspirationen sowohl die Fontanelle
vorgebucht ei wird, und zu gleicher Zeit die Flüssigkeit empor¬
steigt, und zwar um Wert he, die sich 100 mm nähern. Genauere
und längere Beobachtung ergibt, dass jede Athembewegung sich
auf den Inhalt des Spinalcanales in der Weise überträgt, dass bei
der Exstirpation ein Ansteigen, bei dem Inspirium ein Abfallen
des Druckes stattfindet.
Im Anschluss an die Bewegungen des Gehirnes hat bereits
Ecker 14 ) in der Mitte des Jahrhunderts darüber berichtet und
sie zu erklären versucht, indem er sagte, dass die starrwandigen
Sinus der Schädelkapsel während der Inspiration nicht so tief
einsänken, sie schwellen während der Exspiration aber nicht
so stark an, wie die Venenplexus des Wirbeleanales. Auch
Q u i n e k e ' R i e k e 11 ' S t i 11 1 z i n g Ji ) u. A.. sprechen
K ‘) Gum p recht, Technik d. spec. Therapie, gibt als Mini¬
mum 40 mm an.
") F reyhan : Berl. klin. Wochenschr. 1805. S. 280.
Fürbringer: Deutsche med. Wochensclir. 1805. S. 7:10,
bos. die Anmerkung.
r -) Archiv f. klin. Medicin 1800. S. 22. Tabelle III.
53 ) f'ongr. f. Inn. Med. 1803. 8. 202.
u ) R. Ecker: Physiolog. Untersuchungen über die Beweg¬
ungen des Gehirns und Rückenmarks. Stuttgart 1843.
“) L. c.
von Schwankungen des Druckes, sowohl gleichzeitig mit den
Athembcwegungen als auch — nebenhergehend mit der Herz¬
action. ohne jedoch auf ihre Entstehung näher einzugehen.
Zweifellos kommen dieselben durch die Stauung des Blutes im
Venenkreislauf während der Ausathnmug und den erleichterten
Abfluss zum Herzen während des Einathmens zu Stande.
R i e k e 11 berichtet auch über 3 Fälle, bei denen sieh ein umge¬
kehrtes Verhalten gezeigt habe, ohne indessen eine Erklärung für
dies merkwürdige Phänomen geben zu können.
Was nun die entleerte Flüssigkeit selbst angeht, so floss bei
den allermeisten Punctionen der beiden hydrocephalischen Kinder
der bekannte wasserklare Liquor cerebrospinalis aus. Des Öf¬
teren zeigten sieh während des langsamen Ablaufens schwach
röthlich gefärbte Stellen, die wohl auf eine Untermengung von
Blut in Folge der Stichverletzung zu beziehen waren. In ein¬
zelnen seltenen Fällen entleerte sieh, wie die Untersuchung ergab,
fast reines Blut mit unveränderten rothen und weissen Blut¬
körperchen. Das Vorkommen von Blut in dem subarachnoidalen
Raume und seine diagnostische Bedeutung hat sehr verschiedene
Beurtheilung erfahren. Quincke 1 *) gab einen Fall an, bei dem
aus blutig tingirter Spinalflüssigkeit die Diagnose eines Blut¬
ergusses mit Durchbruch in den Ventrikel gestellt und durch die
Section bestätigt wurde, er meint, dass ein solcher Punctions-
befund sehr wohl einen Anhaltspunkt zur operativen Entfernung
des Blutergusses aus der Schädelhöhle geben könne. Ebenso legt
E reyhan 17 ) besonderen Werth darauf wegen einer Indication
zu chirurgischem Eingreifen, z. B., wenn es sich darum handelt,
festzustellen, ob eine schwere Gehirnerschütterung oder eine sub¬
durale Blutung stattgefunden hat. F ürbr inger“) spricht
von Verletzungen der die Nervenwurzeln umspinnenden Gefässe
und daher blutiger Spinalflüssigkeit, während Lichtheim 14 )
sich dafür entscheidet, dass eine Verletzung des Wirbelkörpers
stattgefunden haben müsse. Heubner'’ 0 ) endlich, und mit dem¬
selben stimmen auch die Beobachtungen an den Punctionen
unserer Patienten überein, nimmt an, dass die Blutung aus den
subduralen resp. pialen Venen stammen. Dieselben umspinnen,
wie man sieh am anatomischen Präparat leicht überzeugen kann,
auskleidend fast die gesummte Wand des Wirbeleanales und ohne
Zweifel müssen bei der Punction desselben manchmal diese
Venenploxus verletzt werden. Allerdings möchte eine rein blutige
Flüssigkeit, falls die Nadel den subarachnoidalen Raum sicher er¬
reicht hat, eine ernstere Bedeutung haben, während Verletzung
einer Vene mit nachfolgender Durchstossung derselben sich in
der nur kurz dauernden Rothfärbung des entleerten Fluidums
erkennen lassen wird.
Mehr noch als Blut als Bestandtheil der Spinalflüssigkeit
hat das Eiweiss und die Menge desselben Anlass zu Erörterungen
gegeben, insbesondere, ob aus der Quantität des Eiweisses ein
Schluss auf die entzündliche resp. auf die rein transsudative
Natur der Meningealerkrankung zu ziehen sei. F ürbringer 51 )
sowohl wie F reyhan sprechen sich dahin aus, dass ein hoher
Eiweissgehalt auf eine Steigerung der Exsudation, resp. auf Ent¬
zündung hin weise, der Letztere gibt an, dass er bei tuberculöser
Meningitis stets über 1 Prom. gefunden habe; Quincke gibt an
als Normalwerth bei Gesunden 0,5—1 Prom. R i e k e n “) gibt
aus seinen 34 verschiedenen Fällen eine Zusammenstellung, wo¬
nach bei Hirntumoren und bei tuberculösen Fällen von Menin¬
gitis über 2 Prom., bei acutem Hydrocephalus 1,84 Prom., wäh¬
rend der chronische Hydrocephalus und die sog. seröse Meningitis
0,95 Prom. an Eiweissgehalt ergaben. Zweifellos besteht also wohl
eine Beziehung zwischen demselben und der Art der Erkrankung;
Senator“) meint zwar, dass sich das Eiweiss einer Flüssigkeit
sowohl bei Stauung, wie bei Entzündung mehre; indessen wäre
dann hier der Einwand zu machen, dass die aetiologische Be¬
gründung des chronischen Hydrocephalus bei unserer mangel¬
haften Kenntniss davon nicht ohne Weiteres allein in der Stau¬
ung zu suchen ist.
Um den Eiweissgehalt der von den beiden Kranken zur Ver¬
fügung stehenden Flüssigkeit genauer zu bestimmen als mit dem
1 ‘) Quincke: Verhandl. des Congr. f. inn. Medio. 1891.
1T ) Freyhan : Münch, med. Wochenschr. 1895, S. 2iM».
1S ) Berl. klin. Wochenschr. 1895, S. 274.
1# ) eodem loco S. 272.
Gesellschaft der Charitßärzte. 1. November 1894.
Berl. klin. Wochenschr. 1895. S. 272 ff.
Hinken: Arch. f. klin. Med. 1896, S. 22.
"*) Berl. klin. Wochenschr. 1895, S. 288.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
247
K s l) a c li’schen Albuminimeter möglich, wurde derselbe theils
durch Fällung und Wägung, theils durch Bestimmung der
Trockensubstanz, der organischen und anorganischen Bestand¬
teile festgestellt: cs ergab für Fall I aus 17 Untersuchungen als
Mittel: 0,94 Proc. Trockensubstanz, 0,84 Proc. Asche, 0,12 Proc.
Eiweiss; für Fall II aus 11 Untersuchungen als Mittel: 1,09 Proc.
Trockensubstanz, 0,78 Proc. Asche, 0,31 Proc. Eiweiss, wobei zu
l>erüeksichtigen ist, dass bei der fast gänzlichen Abwesenheit
anderer organischer Bestandteile die Differenz zwischen Trocken¬
rückstand und Asche ohne Weiteres als Eiweiss berechnet werden
konnte, vor Allem, da die direeteWägung das gleiche Resultat gab.
Zu den Werten des Falles I passen die Zahlen Neu-
meiste r’s 24 ), wie er sie an der durch Punction eines Hirn¬
ventrikels entleerten Flüssigkeit bestimmte: er fand 0,97 Proc.
Tiockenrückstand, 0,78 Proc. Asche und 0,18 Proc. organische
Verbind ungen.
Der Fall II mit einein Eiweissgehalt von 3 Prom. würde sich
seliou mehr einer exsudativen Form nähern. Das specifische Ge¬
wicht (bestimmt mit der Wage von Westphal) hielt sich in
Grenzen, wie man sie bei Exsudaten sonst nicht gewohnt ist,
es betrug als Mittel von vielen Untersuchungen bei dem älteren
so sehr gebesserten Kinde 1006,5, bei dem excessiven Hydro¬
zephalus 1006,9. Das weist schon darauf hin, dass sich in der
Spinalflüssigkeit keine Substanzen finden, die das specifische Ge¬
wicht, wie z. B. im Pleuraexsudat, so erhöhen, also vor Allem
kein „Fibrin“, was man auch immer darunter verstehen will;
Spiualfliissigkeit gerinnt nie. Weitere Best andtheile sind vor
Allem Kochsalz, kohlensau res und phosphorsaures Natron, die
lihosphorsauren Erden. Das Eiweiss lässt sich leicht durch
Fällung mit Ammonsulfat und Coagulirung bei 75° als Serum¬
globulin erkennen. Reducirende Substanz, Traubenzucker ”)
konnte ich bei den beiden Patienten nicht nach weisen. Dahin¬
gegen gelang es mir, wie schon Cavazzani 1896 2fl ) durch einen
( infachen Verdauungsversuch, in der Spinalflüssigkeit des Falles I
ein diastatisches Ferment nachzuweisen. Wenn man eben so viel
Stiirkekleister unter die Flüssigkeit mischte, dass Jod deutliche
Illaufärbung eines Tropfens bewirkte, alsdann dieselbe im Wärme¬
schrank 24 Stunden stehen liess, so fand sieh am nächsten Tage
keine Stärkereaetion mehr, dagegen fiel die Trommer’sche
Frohe positiv aus und cs liess sich durch Yergährung Zucker
nach weisen.
Die klinische Bedeutung der beiden mitgetheilten Fülle liegt
ohne Zweifel darin, dass es gelungen ist, einen chronischen Hydro¬
zephalus — ob dauernd, ob nur auf Zeit, muss die weitere Be¬
obachtung lehren — zu heilen. Dass die häufige Wiederholung
der Spinalpunction dabei eine ausschlaggebende, wenn nicht die
hauptsächlichste Rolle gespielt hat, scheint nach den Beobach¬
tungen über andere hvdroeephalische Kinder höchst wahr¬
scheinlich.
lieber das Vorkommen von Reitweh an der Patella.*)
Von J. A. Rosenberger in Wiirzburg.
Das Reitweh an der Patella, das nach meiner Anschauung
unter bestimmten Bedingungen nicht selten vorkommt, scheint
mir desshalb wichtig genug, einmal zur Sprache gebracht zu
werden, weil dasselbe, wie ich mich überzeugt habe, verhältniss-
miissig wenig bekannt ist. Am diesjährigen Chirurgencongress
habe ich erfahren, dass von einer grösseren Anzahl von Fach¬
chirurgen, die ich gesprächsweise darüber befragte, mehrere gar
keine Kenntnis« davon hatten, während andere das Bild wieder
ganz genau kannten. Den ersten Fall, der mir vorkam, sahen
nacheinander zwei namhafte Chirurgen, von denen der eine An¬
fangs an gonorrhoische Schmerzen dachte, während der andere
Gicht nicht für ausgeschlossen hielt.
Die meiste Erfahrung darüber werden wohl diejenigen Mili-
tärcollegen haben, die bei einer berittenen Abtheilung waren.
Im Ganzen habe ich 3 Fälle beobachtet, deren Kranken¬
geschichten ich kurz mittheile.
1. Herr Artillerieleutnant D. verspürte am Morgen des
*7. März 1890, nachdem er schon 2 Jahre Officier war, einen
I4 ) R. N e u m e i s t e r : Physiol. Chemie, S. 478.
**) Vergl. hierüber Neumeister, 1. e„ S. 479.
Fürbringer: Berl. klin. Wochenschr. 1895, S. 273.
*) Cavazzani: Centralbl. f. Physiologie Bd. X, S. 145.
*) Nach einem Vortrage in der militärärztlichen Section-der
Naturforscherversammlung zu München.
„schauderhaften Schmerz“ im rechten Kniegelenk, der
ihm das Beugen und das Strecken unmöglich machte. Der Schmerz
befand sieh, wie ich dann constatirte. nur an der Kniescheibe und
war besonders stark am inneren Rande derselben, wo der geringste
Druck aber so empfindlich war. dass der Patient nicht einmal eine
leichte Decke darüber ertragen konnte.
Eine Ursache konnte nicht angegeben werden.
Die Untersuchung ergab gar keine V eriiude r u n g.
Das Knie war weder geschwollen, noch zeigte es eine Röthung
oder Blutunterlaufung. Im Gelenke selbst war keine Flüssigkeits¬
ansammlung, auch hatte es denselben Umfang wie das der linken
Seite.
Ich dachte in erster Linie an einen Druck von der Reithose
und sprach diese Vermuthung auch sofort aus. Dieselbe wurde
vom Patienten weder beifällig auf genommen, noch wurde ihr
wider«]) rochen.
Bei ruhiger Lage Hessen die heftigen Schmerzen schon nach
einigen Tagen nach, dafür blieben aber noch längere Zeit Schmer¬
zen zurück, die besonders beim Beugen des Kniegelenkes und bei
Druck auf den inneren Rand der Kniescheibe sich deutlich
machten, so dass D. längere Zeit keinen Dienst machen konnte.
Vom 27. März bis 2. Juli war er in meiner Behandlung. Ich em¬
pfahl weiter den Gebrauch des Bades Aibling.
Nach melirwöehentlicher Cur kam I). l>edeutend gebessert
zurück, um dann noch einmal auf 0 Wochen zur Gur nach Wildbad
zu gehen. Von dort kehrte er geheilt zurück und nahm bald da¬
rauf seinen Dienst wieder auf.
Im Jahre 1891 musste D. bei starkem Regen weiter 3 Stunden
lang exerciren und dann am Schlüsse noch einen Galopprltt an das
Ziel machen, worauf die Schmerzen wieder auftraten. D. schildert
den Vorgang mit eigenen Worten folgendermaassen: „Ganz plötz¬
lich traten die Schmerzen im höchsten Maasse wieder auf; die enge
ganz durchnässte Reithose hatte sich am Oberschenkel und am
Gesäss festgezogen, so dass sie am Knie nicht mehr nachgeben
konnte. Dadurch wmrde ein heftiger Druck auf die Kniescheibe
ausgeübt.“
Bei Ruhe schwanden die Schmerzen allmählich wieder, immer¬
hin blieb aber D. vom 25. September bis 19. October in meiner
Behandlung. Er kam dann in die Artillerieschule, wo sich der
Schmerz allmählich vollständig verlor.
Auf die gemachte Erfahrung hin liess D. die Reithose ändern
und hat seither keine derartigen Schmerzen mehr empfunden,
obgleich er öfter im Regenwetter mit nasser Reithose zu reiten
gezwungen war.
Wie mir D. erst vor Kurzem mittheilte, hätten die jetzigen
Reithosen, nach der sogenannten englischen Mode augefertigt,
am Knie verhältnissmässig viel mehr Spielraum als die früheren.
2. Herr Artillerieleutnant K. wachte am Morgen des 5. Mai
1890 mit heftigen Schmerzen an der rechten Kniescheibe auf, so
dass er nicht Im Stande war. aufzustehen. Da dieselben an der
rechten Kniescheibe vorhanden w r aren. so vermuthete K„ dass
er sich beim Reiten gegen einen T-Hacken gestossen habe. K.
war schon ein Jahr Leutnant und hatte vorher niemals ähnliche
Schmerzen verspürt.
Der örtliche Befund war vollständig negativ, nur
klagte Patient beim leisesten Druck auf die Kniescheibe, beson¬
ders am inneren Rande derselben über äusserst heftige Schmerzen.
Auf Grund meiner bei Herrn Leutnant D. gemachten Er¬
fahrungen stellte ich sofort die Diagnose auf Reitweh an der
Kniescheibe, hervorgerufeu durch Druck einer engen Reithose.
Die heftigen Schmerzen verschwanden nach einigen Tagen,
dagegen verblieb K. vom 5. bis 29. Mai In meiner Behandlung
und war fast 2 Monate zum Dienste unfähig.
Die Reithose liess K. vor Wiederaufnahme des Dienstes weiter
machen und hat seitdem ähnliche Schmerzen trotz dos angestreng¬
testen Reitens nicht mehr bekommen, nur will er durch den Druck
einer nassen Reithose, selbst durch den Druck einer straff an¬
gezogenen Streifonhose sofort eine Andeutung von Schmerz an
der rechten Kniescheibe auch jetzt noch verspüren.
3. Der Einjährig-Freiwillige. Arohiteet E.. der früher schon
viel geritten hatte und am 1. October 1897 beim 2. Artillerie-
Regimente eingetreten war. empfand im Februar 1898. als mit der
Packtasche ohne Bügel im Freien geritten wurde, einen heftigen
„brennenden“ Schmerz an beiden Kniescheiben, besonders
an der linken Seite. Der Sehmerz wurde am heftigsten am
inneren Rande empfunden. Einige Wochen versuchte er noch
Dienst zu thun. als die Schmerzen aber heftiger wurden und
einen ..stechenden“ Charakter annahmen. so dass das Reiten
unmöglich wuirde. meldete er sich zum Arzte. Ende März kam
er in meine Behandlung. Der Befund an beiden Kniegelenken
war vollständig negativ. Die Reithose, welche ich mir sofort zeigen
liess. w\‘ir enge und übte nach den Angaben E/s einen starken
Druck auf die Kniescheibe aus. Ich verordnete ruhige Lage und
Prlessn it z’sche Umschläge.
Ende April wurde mit einer weiteren Reithose* der Dienst
wieder nufgenommen. Anfangs soll nach längerem Reiten immer
noch ein gewisses Schmerzgefühl vorhanden gewiesen sein, das
aber allmählich immer weniger wurde, so dass es während des
Manövers vollständig verschwunden war.
Bei einer 8 wöchentlichen Uebung. die E. in diesem Jahre
mitmachen musste, hat er an den Knieen gar nichts mehr ver¬
spürt.
E. ist der Ueberzeugung, dass die Schmerzen nur von der
engen Reithose kamen.
1 *
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
248
MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 8.
Die gebrachten Krankengeschichten zeigen, dass in Folge
des Reitens an den Kniescheiben so intensive Schmerzen auf-
t re teil können, dass das Reiten und Gehen unmöglich wird. Wenn
ich diese Schmerzen mit dem Namen „Reit w e h an der
P a teil a“ bezeichnet habe, so lässt sich über die Richtigkeit
dieser Bezeichnung streiten. Düms') nennt den Zustand Knie*
schmerz der Reiter.
Dass beim Erlernen des Reitens Reitweh vorkommt, dass
überhaupt beim Beginne aller körperlichen Hebungen, die mit
einer gewissen Ausdauer und Anstrengung betrieben werden,
ein schmerzhaftes Gefühl an denjenigen Stellen der Extremi¬
täten, sowie des ganzen Körpers, die durch die Hebungen in
ausscrgewühnlieher Weise in Anspruch genommen werden, auf-
tritt, ist allgemein bekannt. Diese Schmerzen schwinden bei
fortgesetzten Hebungen aber vollständig, um auch trotz der
grössten Anstrengungen bei der betreffenden Uebung, voraus¬
gesetzt, dass letztere nicht längere Zeit unterbrochen wird, nicht
wieder aufzutreten. Beim Reitweh an der Patella, wenn ich
diesen Namen vorerst einmal bei behalten will, ist das Verhalten
ein ganz anderes. Dasselbe tritt nicht etwa beim Beginne des
Reitens auf, sondern ganz unregelmässig und kann bei Leuten
Vorkommen, die das Reiten vollständig beherrschen und über die
Schmerzen am Körper, die mit dem Erlernen desselben auf treten,
weit hinaus sind.
Das Reitweh an der Kniescheibe, um das es sieh in meinen
3 Krankengeschichten gehandelt hat, hat mit dem eigentlichen
Reiten nichts zu thun, es ist vielmehr die Folge eines fortgesetzten
Druckes auf den Knochen und muss desshalb als ein Druck¬
schmerz aufgefasst werden, der auch durch ändert* Ursachen und
an anderen Knochen hervorgerufen werden kann. In meinen
Fällen war immer eine enge Reithose die Ursache. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass eine durchnässte Reithose öfter den Anlass
gibt und vielleicht gerade in den Fällen, in denen der Schmerz
ganz acut, sozusagen über Nacht auftritt. In den beiden ersten
Fällen liess es sich nicht mehr feststellen, dagegen spricht aber
die präcise Beschreibung des Herrn Leutnant D. bezüglich des
Recidivs umso deutlicher dafür, ebenso die Angabe des Herrn
Leutnant K., nach der durch den Druck einer nassen Reithose
immer eine Andeutung von Schmerz an der früher befallenen
Kniescheibe sich bemerkbar macht. Im 3. Falle hatte der Zu¬
stand allmählich sich ausgebildet, so dass mit Bestimmtheit dieser
Grund nicht angegeben werden konnte, obgleich ich darnach mich
erkundigt habe.
Dass in den 3 Fällen der innere Rand der Patella als beson¬
ders schmerzhaft bezeichnet wurde, ist sofort einleuchtend, wenn
man bedenkt, dass gerade diese Stelle von der Reithose am
stärksten gedrückt werden muss, wenn der Reiter vorschrifts¬
mäßig zu Pferde sitzt und mit den angedrückten Schenkeln den
Schluss anstrebt.
Die Kniescheibe erträgt für längere Zeit keinen starken
Druck, weil das Fettpolster zwischen Haut und Knochen sehr
gering ist oder ganz fehlt. Beim Knieen kommt die Kniescheibe
auch nicht auf den Boden, höchstens berührt denselben nur der
untere Rand der Patella am Abgänge des Ligamentum patellare.
Versucht man beim Knieen auf fester Unterlage sich mit dem
Körper nach vorne zu neigen, so dass die vordere Fläche der
Kniescheibe auf die Unterlage kommt und gedrückt wird, so
steigert sich die schmerzhafte Empfindung an derselben sofort
zur Unerträglichkeit. Dieselbe Erscheinung beobachtet man an
allen Knochen, die unmittelbar unter der Haut liegen und eine
breite Angriffsfläche bieten. Ganz besonders empfindlich sind
in dieser Beziehung die innere Fläche des Schienbeins, das mitt¬
lere Drittel des Schlüsselbeins und die Stirne. Schon ein ge¬
ringer Druck wirkt am Knochen desshalb so energisch, weil dieser
der einwirkenden Kraft gegenüber einen fortgesetzten Gegen¬
druck unterhält. Derselbe Druck, der an den vorgenannten
Knochen, sowie auch noch an vielen anderen geeigneten Stellen
in ganz kurzer Zeit die heftigsten Schmerzen auslösen kann,
würde in derselben Zeit an den Hinterbacken, am Oberschenkel,
an der Wade, am OIkt- und Vorderarm noch nicht einmal die
geringste schmerzhafte Empfindung hervorzurufen im Stande
sein. Aus meiner As-dstentcnzeit erinnere ich mich eines Stu-
‘) Diinis: Handbuch der Militärkrankheiten. Aeussen*
(chirurgische) Krankheiten. Leipzig. Verlag von Eduard Besold
iArthur Georgi). 189d. pag. 7ö.
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deuten, der nichts weniger als empfindlich war und dem ich wegen
einen geplatzten Aneurysmas in einer Narbe an der Stirne ein
Schnallentourniquot abgelegt hatte und der sich nach einer
halben Stunde in Folge des durch den Druck der gepolsterten
Pelotte hervorgerufenen Druckschmerzes wie rasend geberdete.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass gewisse Knochen auch
druckempfindlicher sind, denn nach der Untersuchung von
Carazzani") und Anderen exisliren nicht nur an gewissen
Hautstellen verschiedene Leitungsfasern für Drucksinn und
Temperatursinn, sondern es ist auch in grösseren Nerven das \ er-
hältniss der Temperatursinnfasern den Drucksinnfasern gegen¬
über ein verschiedenes.
Die örtlichen Veränderungen, die das Reitweh in meinen
Fällen begleiteten, waren mit Ausnahme des Schmerzes und der
dadurch bedingten absoluten oder relativen Unbrauchbarkeit der
Extremität gleich Null, denn nach den Krankengeschichten war
keine Schwellung vorhanden, auch fehlten alle Erscheinungen
von Entzündung oder Blutextravasaten. Die Möglichkeit, dass
sich einmal Blutextravasate nachweisen lassen, muss man zu¬
geben, wenn man bedenkt, dass der Reiter unter L mständen
gezwungen sein kann, den Druck längere Zeit ertragen zu müssen.
Nach I) ii in s ist die Schmerzhaftigkeit meist durch eine ent¬
zündliche Schwellung der Sehne des Musculus quadrieeps femoris
veranlasst. Manchmal soll auch ein deutliches Crepitiren zu
fühlen sein. Ich kann den Schmerz nicht anders, als die Folge
eines Druckes auf die Nerven der Knochenhaut und des Knochens
auffassen. Nach K. v. Barde leben gehören die Untersuch¬
ungen über die Periost- und Knochennerven zu den Finessen der
Anatomie und sind auf diesem Gebiete noch weitere Unter¬
suchungen erwünscht und nothwendig, aber so viel steht fest, dass
die Knochenhaut und der Knochen von zwei histologisch und
physiologisch verschiedenen Arten von Nerven versorgt werden.
Die Nervenfasern, welche vom Gehirn und Rückenmark kommen,
hält man für sensibel, die anderen Fasern stammen vom S.vm-
pathicus und sind vasomotorisch. Der fortgesetzte Druck auf
diese Nervenbahnen ist als ein Reiz aufzufassen, durch den die
Erregbarkeit der Nervenbahnen, spceiell der sensiblen Ganglien¬
zellen, in übermässiger Weise gesteigert wird. Hat der Druck
einige Zeit eingewirkt, dann werden auch ganz unterwerthige
Erregungen als äusserst schmerzhaft empfunden und es entstellt
ein Zustand, den man als Hyperacsthesie bezeichnen kann.
Derartige Ilyperaesthesien durch fortgesetzten Druck kom¬
men auch an der Haut, deren Nerven vom Gehirn und Rückenmark
stammen und nur sensibler Natur sind, vor. Dieselben werden
als besonders empfindlich an den Füssen und zwar meist an den
Zehen wahrgenommen, wenn es dort zu den lästigen Verdickungen
an der Epidermis, zu den sogen. Hühneraugen gekommen ist.
Thatsächlich werden diese Schmerzempfindungen schon durch
Witterungseinflüsse gesteigert, selbst wenn der örtliche Druck
durch die Fussbekleidung beseitigt ist, so dass bekanntlich die
betreffenden Schmerzen allgemein als Wetterzeichen betrachtet
werden. Die Nerven der Haut scheinen bei dem Reitweh der
Patella auch öfter aff|eirt zu sein, denn in den beiden ersten
Fällen, besonders aber im Falle D. war die Haut so empfindlich,
dass man sic gar nicht berühren durfte.
Je nach der Intensität des Druckes und der Dauer der Ein¬
wirkung desselben auf die Kniescheibe ist beständiger Schmerz
— subjective Empfindungsstörung — vorhanden, so dass das Knie
gar nicht gebeugt und gar kein Druck über der Haut ertragen
werden kann oder der Schmerz stellt sieh nur bei Bewegungen
— objective Empfindungsstörung — ein, während die Haut
einen Druck erträgt, so dass auch das Geben noch möglich ist.
wie der Fall E. zeigt, in welchem noch einige Wochen der Diens:
eines Artillerieeinjährigen trotz der Schmerzen verrichtet
wurde. Individuelle Veranlagung dürfte, wie bei allen Sehnicrz-
cmpfinduiigen, so auch hier in Betracht kommen.
Die Prognose des Reitwehs an der Patella ist eine absolut
günstige. Wenn die Ursache, d. h. der Druck beseitigt wird, so
schwindet auch der Schmerz, wenn mitunter auch erst nach
mehreren Monaten. Der heftige Schmerz verschwindet schon in
den ersten Tagen. Dass eine gewisse Disposition zu ähnlichen
Schmerzen zurückbleibt, dürfte der Fall K. beweisen, in welchem
2 ) Sur la diffgrenclntlon des orgaues de In sensibilitö ther-
mique de coux du sens de la pression: pnr Carazznni. Arch.
ital. de Riol. XVII. 3, p. d13, 1892.
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20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
249
schon eine straff angezogene Tuchhose eine Andeutung des
früheren Schmerzes jetzt noch hervorruft. Die Disposition ist
möglicher Weise auch nur psychisch begründet.
Therapeutisch sind in erster Linie Beseitigung des Druckes
und absolute Ruhe, die sich in schweren Fällen übrigens von
selbst gebietet, angezeigt. Bei dieser Behandlung wird wohl
immer Heilung eintreten, wenn es aber die übrigen Verhältnisse
erfordern, dass noch ein grösserer Heilapparat aufgeboten wird,
so wären dann die bekannten Mittel, wie Wasserumschläge, Ein¬
reibungen und der Gebrauch eines Bades empfehlenswerth.
Massage kann in der ersten Zeit sicher nicht in Betracht kommen,
da dadurch die Schmerzen wesentlich verstärkt würden.
5 Fälle von Hygrombildung über dem Condylus femoris in¬
ternus, welche von Le F o r t und Albert') beschrieben wurden,
sowie auch ein Fall von V e 1 p e a u, welcher nach diesen Autoren
früher schon beschrieben wurde, haben mit dem Reitweh an der
Patella nichts gemein, wenn dieselben auch als die Folgen eines
andauernden Reizes beim Reiten aufgefasst werden und wenn
es auch gar nicht unwahrscheinlich ist, dass auch bei dieser Er¬
krankung dieselben Ursachen in Betracht kommen, wie beim
Reitweh an der Kniescheibe, nachdem es sich in diesen Fällen
um die Bildung eines accidentellen Schleimbeutels an der Stelle
des stärksten Druckes handelt.
Zum Schlüsse möchte ich noch auf den Umstand aufmerk¬
sam machen, dass beim Reitweh an der Patella wegen des absolut
negativen Befundes der Arzt auf den Gedanken kommen kann,
dass Simulation oder wenigstens Uebertreibung vorliegt.
Erkundigungen nach vörausgegangenen Schädigungen hin¬
sichtlich eines stattgehabten Druckes und der Verlauf dürften
in solchen Fällen leicht Klarheit bringen.
Aus der psychiatrischen Klinik zu Tübingen
(Prof. Siemerling).
Ein Fall von Friedreich’scher Krankheit.
Von Dr. C. Wickel, Assistenzarzt der Klinik.
Nachdem Friedreich im Jahre 1863 und 1876 in seinen
Arbeiten: „Ueber degenerative Atrophie der spinalen Hinter¬
stränge“ 1 ) und „Ueber Ataxie mit besonderer Berücksichtigung
hereditärer Formen“ *) ein neues Krankheitsbild beschrieben und
durch eine Reihe von Fällen belegt hatte, folgte später eine nicht
unerhebliche Anzahl von Mittheilungen gleicher und ähnlicher
Fälle.
Im Jahre 1889 konnte Griffith*) in einer Monographie
über das inzwischen auf Vorschlag des Franzosen Brousse
nach Friedreich benannte Leiden „die Friedreich’sche
Krankheit“ 145 Fälle dieser Art zusammenstellen.
Nach Fr. Schultze 4 ) gehören allerdings einige der
von Griffith in seine Statistik aufgenommenen 145 Fälle
nicht zu der Friedreich’schen Krankheit. Im Jahre 1898
gab Fr. Schultze') die Zahl der beobachteten Fälle auf unge¬
fähr 180 an.
Immerhin dürften jedoch auch jetzt noch reine Fälle allge¬
meineres Interesse beanspruchen.
Ich erlaube mir daher im Folgenden über einen Kranken zu
berichten, welchen ich im Laufe dieses Jahres in der Klinik zu
beobachten und zu untersuchen Gelegenheit hatte.
Es handelt sich um einen jetzt 12 Jahre 4 Monate alten
Bäckerssohn, Wilhelm Sp. aus Wachendorf.
Nach den Angaben der Mutter sind weder in der Familie des
Vaters noch ln ihrer eigenen Geistes- oder Nervenkrankheiten,
Trunksucht, Fallsucht, Selbstmord etc. vorgekommen. Einmal
wurde Lues des Vaters angegeben, später bestimmt in Abrede ge¬
stellt. Jedenfalls hatte er Jahre hindurch an Husten gelitten und
war 1893 an Phthisis pulmonum gestorben. Die Mutter selbst
will gesund sein. Patient ist das 4. von 5 Geschwistern. Die
beiden ältesten sind gesund. Das 3. starb an Gichtern, das 6. starb
*) Hygroma des cavaliers; par R. Le Fort et E. Albert.
Revue de Chir. XIII, 7, p. 568, 1893.
*) Virchow’s Archiv 1863, Bd. 26, p. 391 ff. und Bd. 27, p. 1 ff
*) Virchow’s Archiv 1876, Bd. 68, p. 145 ff.
8 ) Transactions of College of Physicians of Philadelphia 1889.
4 ) Schultze Fr.: Ueber die Friedreic h’sche Krankheit
und ähnliche Krankheitsformen, nebst Bemerkungen über nystag¬
musartige Zuckungen bei Gesunden. Deutsche Zeitschr. f. Nerven
beilkunde 1894, 5. Bd., 1., 2. u. 3. Heft.
“) Schultze Fr.: Lehrbuch der Nervenkrankheiten, 1. Bd
p. 352.
No. a
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7* Jahr alt an Schwäche. Frühgeburten, Aborte batten nicht
statt
Die Geburt des Patienten war eine normale. Von Anfang
an war er ein schwächliches Kind, war nie ganz gesund, ohne
dass man recht wusste, was ihm eigentlich fehlte.
Im 2. Lebensjahre lernte er gehen; trotz aller Mühe konnte
er jedoch nie so gehen, wie andere Kinder, der Gang war immer
etwas schwankend.
Die Sprache entwickelte sich rechtzeitig und gut Im
3. Lebensjahre überstand er eine Lungenentzündung, sonst hatte er
keine besonderen Krankheiten durchzumachen.
Es bestand stets eine Neigung zu Durchfall. Gichter, Krämpfe,
Lähmungsersclieinungen wurden nicht beobachtet
1894 kam er in die Schule.
Er zeigte sich daselbst nach einer Mittheilung seines Lehrers
durchaus geistig normal, gehörte nach Talent und Fleiss zu den
besseren Schülern. Seit Winter 1898/99 machte ihm jedoch die
gespannte Aufmerksamkeit immer mehr Mühe.
Zu einer körperlichen Arbeit war er nicht zu gebrauchen
wegen des anhaltenden Schwankens, welches nicht nur beim
Gehen, sondern auch beim Stehen zu Tage trat
ln seinem Wesen war er heiter und munter und unterhielt
sich mit Lesen und Spielen mit anderen Kindern.
Seit 3 Jahren ist der Gang schwankender geworden, aucn
soll seitdem Schwanken in sitzender Stellung auf getreten sein.
Mitte des Jahres 1898 wurde einmal nächtlicherweile Urin
in*s Bett gelassen.
Klagen über Kopfschmerz bestanden nur vorübergehend.
Patient selbst konnte nur berichten, dass er, so lange er
denken könne, einen schwankenden Gang habe und dass auch das
Schreiben ihm nicht so wie anderen Schülern gelingen wollte „es
war nicht schön“.
Seit wann die eigenthümlichen Bewegungen an den Augen
bei Fixiren, an Armen und Beinen bei ihm bestanden, vermochte
er ebenso wenig anzugeben wie die Mutter.
Subjectiv fühlte er sich stets ganz wohl. An Kopfschmerz
oder Schwindel litt er nicht.
Sp. ist ein 131 cm grosser, 27,2 kg schwerer Junge, von
gracilem Knochenbau, mässig entwickelter Musculatur und ge¬
ringem Panniculus adiposus.
Gesicht und sichtbare Schleimhäute sind normal gefärbt.
Die Temperatur ist normal.
Keine Oedeme, keine Exantheme.
Die Inguinaldrüsen und die Axillardrüsen sind beiderseits
mässig vergrössert
Keine Nuchal-, keine Cubitaldrüsen fühlbar.
Für gewöhnlich steht' Patient breitbeinig da, den Rumpf
etwas nach vorne und links geneigt, den Kopf in mässigem Grade
gesenkt. Sofort fällt eine beständige, bald mehr, bald weniger
starke Unruhe des ganzen Körpers auf, welche auch durch die
Aufforderung, still zu stehen, in keiner Weise beeinflusst wird. Es
besteht ein fortwährendes, in seiner Intensität wechselndes
Schwanken und Balanciren des Körpers, bald neigt er mehr nach
der Seite, bald mehr nach vorne oder nach rückwärts.
Bringt Patient nun die Füsse aneinander, so wird das
Schwanken noch stärker, schliesst er dann die Augen, so fällt er,
wenn man ihn nicht hält.
Der Kopf macht fast andauernd leichte wackelnde Be¬
wegungen, er wird bald etwas nach rechts, bald nach links, bald
nach vorne geneigt.
Neben diesen schwankenden Bewegungen mehr des ganzen
Körpers beobachtet man an einzelnen Körpertheilen noch andere
an Athetose und Chorea erinnernde Bewegungen.
So sieht man ab und an bald in dem einen, bald in dem
anderen Mundwinkel, bald in beiden zusammen Zuckungen auf-
treten, zeitweise auch in der Stirn- und Kinnmusculatur.
Manchmal scheint es, als würde ein Augenlid beim Lidschlag
stärker geschlossen.
An der gerade hervorgestreckten Zunge sieht man ebenfalls
Vor- und Rückwärtsbewegungen, sowie Bewegungen nach oben
und unten, nach rechts und links.
Zeitweise wird eine Schulter etwas gehoben, ein Arm vom
Körper etwas entfernt, dann wieder angelegt; die Unterarme
machen manchmal Flexions-, Extensions-, Pro- und Supinations¬
bewegungen leichten Grades. Am häufigsten sind leichte Flexions¬
und Extensions-, Ab- und Adductionsbewegungen an den Fingern
zu beobachten, bald langsamer, bald schneller erfolgend.
Weniger häufig erfolgen Bewegungen der geschilderten Art
an den Unterextremitäten. Man sieht hier zuweilen Rotations¬
bewegungen, ab und an Flexions- und Extensionsbewegungen am
Fusse und an den Zehen.
Manchmal geht eine mehr ruckweise Zuckung durch eine
ganze Extremität
Ein Unterschied dieser an Athetose und Chorea erinnernden
Bewegungen zwischen rechts und links besteht nicht
Lässt man Patienten sich setzen, so nimmt er eine nach vorne
gebeugte Haltung ein, Oberkörper und Kopf machen schwankende
Bewegungen, wenn auch geringeren Grades, fort. Er rutscht je¬
doch nicht auf dem Stuhle hin und her.
Liegt Patient so hören die schwankenden Bewegungen
ganz auf. * ®
Im Sitzen und Liegen dauern jedoch die athetose- und chorea¬
ähnlichen Bewegungen fort; nach Bewegung nehmen sie etwas
Origiral ftcr 2
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
250
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
zu. Im Schlaf sind gar keine besonderen Bewegungen zu con-
statiren.
Die Athmung ist für gewöhnlich ruhig und gleiclimässig;
ganz vereinzelt erfolgt einmal ein plötzlicher, tieferer, hörbarerer
Athemzug; vorübergehend hört man auch einmal ein schmatzen¬
des Geräusch aus dem Munde.
Wird Patient nun aufgefordert zu gehen, so überrascht er
durch die dabei sich geltend machende Unsicherheit: er schwankt
nach allen Richtungen, stürzt zwischendurch nach vorne. Der
Gang ist breitbeinig, die Füsse werden zuweilen abnorm hoch ge¬
hoben und stampfend aufgesetzt Es wechseln längere Schritte
mit Übertriebener Vorwärtsbewegung eines Beines mit kürzeren.
Zwischendurch sieht man auch unzweckmässige SeitwärtB-
bewegungen der Beine.
Kehrtmachen geht nur in verschiedenen Absätzen.
Beim Gehen wird fortwährend der Boden flxirt.
Fordert man Patienten auf, mit geschlossenen Augen zu
gehen, so steigert sich das Schwanken alsbald so, dass er zu
stürzen droht, ebenso, wenn man beim Gehen das Zimmer ver¬
dunkelt
Bei complicirteren Bewegungen, beim Aus -und Ankleiden,
tritt ebenfalls eine ausserordentliche Unsicherheit der Bewegungen
zu Tage. Diese Verrichtung geht nur sehr langsam und mit Mühe
vor sich; Arme und Beine machen allerhand Umwege, um das
beabsichtigte Ziel zu erreichen, häufig fährt er an demselben vor¬
bei und unsicher in der Luft herum.
Bei dem Versuch Finger-Nase und Finger-Finger zeigt sich
das Gleiche sehr deutlich.
In noch stärkerem Maasse ist dies der Fall bei dem Ver¬
such Hacke-Kniescheibe.
Bei dem Versuche, mit einem Beine einen Kreis in der Luft
zu beschreiben, kommt nur eine Zick-Zacklinie zu Stande, schon
bei dem Erheben eines Beines tritt starkes Schwanken desselben
und Abweichen von der Linie auf.
Das Führen eines Löffels, eines Glases zum Munde geht nur
auf Umwegen.
Schreiben geht langsam, rechter Unterarm und Hand werden
fest aufgelegt, vielfach wird abgesetzt, es ist mehr ein langsames
Malen. Der Endeffect ist aber doch ein ziemlich guter, s. Schrift
probe.
Active und passive Bewegungen sind völlig frei. Die grobe
Kraft Ist gering.
Dynamometer rechts: 5, 5, 4; links: 4, 4, 4.
Es genügt schon ein geringer Gegendruck, um das Erheben
eines Beines bei Rückenlage des Patienten zu verhindern.
Bei Rückenlage befinden sich die Füsse andauernd in Spitz-
fussstellung.
Eine dauernde Dorsalflexion der Zehen, speciell der grossen
Zehe, hat nicht statt; auch ist die Wölbung der FtisSe wie ge¬
wöhnlich.
Ueber Lage, Stellung seiner Glieder, über deren Entfernung
von einander etc. gibt er ein vollkommen richtiges Urtheil ab.
Schwere und leichte Körper werden überall hinsichtlich ihres
Gewichtes richtig abgeschätzt, auch bei geschlossenen Augen.
In die Hand gelegte Gegenstände, auch Münzen u. dergl. er¬
kennt er bei geschlossenen Augen gut
Die mechanische Muskelerregbarkelt ist nicht erhöht
Das vasomotorische Nachröthen ist nicht besonders stark.
Berührungen mit dem Pinsel werden an allen Körperpartien
prompt empfunden und richtig localisirt.
Kopf und Spitze einer Nadel wird gut unterschieden, ebenso
warm und kalt
Die Prüfung des Ortssinns (Ortswahrnehmung) mittels
Tasterzirkels ergibt nichts von dem gewöhnlichen Verhalten Ab¬
weichendes.
Die Reaction auf tiefere Nadelstiche ist vielleicht etwas ge¬
ringer, wie in der Norm.
Es bestehen keinerlei Paraesthesien.
Die elektrische Untersuchung ergibt für Musculatur und
Nerven durchaus normalen Befund.
Der BIceps- und Tricepsreflex, das Kniephänomen, der
Achillessehnenreflex fehlen vollkommen.
Der Abdominal-, Fusssohlen- und der Cremasterreflex sind
mittelstark vorhanden.
Der Schädel ist in toto länglich. Er hat einen Horizontal
umfang von 51,3 cm, einen grössten Längsdurchmesser von 18 cm
und einen grössten Querdurchmesser von 15 cm.
Die Lippen sind etwas gewulstet.
Die Gesichtsinnervation ist symmetrisch.
Die Augenbewegungen sind frei.
Sobald Patient flxirt, treten nystagmusartige Bewegungen
der Bulbi auf. Diese nehmen an Intensität zu, wenn man die
flxirten Gegenstände vor dem Kopfe hin- und herbewegt
Die Reaction der Pupillen bei Lichteinfnll und bei Convergen«
ist sehr gut
Der Augenspiegelbefund, die Sehschärfe, Farbenerkennungs¬
vermögen, Gesichtsfeld sind normal.
Das Gebiss ist sehr mangelhaft entwickelt: Kleine, zum Theil
abgebrochene Zähne, ziemlich unregelmässig und auseinander-
stcliend.
Die Uvula steht gerade.
Das Gaumensegel steht gleich und hebt sich gut.
Die Untersuchung mit dem Kehlkopfspiegel ergibt normales
Aussehen der Stimmbänder, dieselben schliessen prompt und gut
bei Phonation.
Die Sprache ist langsam, lallend, schwer verständlich. Keine
articulatorisehe Störung.
Das Schlucken erfolgt gut.
Geschmack, Geruch und Gehör zeigen keinerlei Störung.
Es besteht eine mässige Kyphose der Brust und eine geringe
Lordose der Lendenwirbelsäule.
Die Processus spinosi sind bei Beklopfen nicht schmerzhaft.
Lungen und Herz bieten nichts Besonderes.
Der Puls ist von mittlerer Qualität, regelmässig, 72—84.
Die Organe der Bauchhöhle sind ohne nachweisbare Verände¬
rung.
Stuhl- und Urinentleerung ist in Ordnung.
Der Urin ist frei von pathologischen Bestandtheilen.
In psychischer Hinsicht bestand anhaltend ein im Vergleich
zu der schlimmen Lage des Patienten gleichmüthiges, eher heiteres
Wesen; besondere Reizbarkeit war nicht vorhanden.
Rechnen ging gut; auch die allgemeinen Kenntnisse ent¬
sprechen dem Bildungsgrade.
Das Gedächtniss jedoch zeigte in manchen Fragen nicht un¬
wesentliche Lücken, auch war sonst ein gewisser Grad mässigen
Schwachsinns nicht zu verkennen.
In diesem somatischen und physischen Befunde trat bei
unserem Patienten in der Zeit von April bis October 1899 eine
wesentliche Aenderung nicht ein. Das Körpergewicht blieb das
gleiche.
.Todkali, Elektricität hatten auf den Zustand keinerlei sicht¬
baren Einfluss.
Klagen über Kopfschmerz oder Schwindel bestanden nicht
Nach den heutigen Anschauungen 6 ) über die für die
F r i e d r e i c h’sche Krankheit charakteristischen Merkmale und
Symptome sind diese in Kürze folgende:
Beginn der Erkrankung im Kindesalter, manchmal erst in
der Pubertätszeit, selbst in späteren Jahren, manchmal im An¬
schluss an acute Krankheiten.
Gewöhnlich werden die Kinder derselben Eltern befallen,
nicht selten überträgt sich die Krankheit von Geschlecht zu
Geschlecht, sie kann aber auch bei einem einzigen Mitgliede
einer sonst gesunden Familie allein auftreten, um dann erst
hereditär zu werden.
Der Verlauf der Krankheit ist ein unaufhaltsamer progres¬
siver.
Bestimmend für das Krankheitsbild sind die motorischen
Störungen: die „locomotorische“ (zunächst der Unterextremi¬
täten, später auch der Oberextremitäten) und die „statische“
Ataxie. (Schwanken nicht nur beim Gehen und bei Bewegungen
überhaupt, sondern auch bei aufrechter Haltung des ganzen Kör¬
pers und bei der Haltung einer einzelnen Extremität.) In einer
Reihe von Fällen Zunahme des Schwankens bei Augenschluss.
In manchen Fällen ßomberg’sches Zeichen. Controle der
Bewegungen der Beine mit den Augen, vornübergeneigter Kopf,
leichte Kyphose der Brustwirbelsäule.
Unwillkürliche, choreaartige, zuckende Bewegungen, auch
bei vollkommener Ruhelage des Kranken auf tretend, Wackeln des
Kopfes, Steigerung dieser Bewegungen beim Gehen und Stehen.
Allmähliche Abnahme der Muskelkraft, besonders an den Beinen.
Nystagmusartige Bewegungen bei Eixirung eines vorge¬
haltenen Gegenstandes, besonders bei extremen Blickrichtungen
und bei Bewegungen des flxirten Gegenstandes.
Die Sprache wird langsam, schwerfällig, lallend, zugleich
Ungleichmässigkeit des Sprechens.
Hautsensibilität, wie Muskelsinn bleiben intact. In vorge¬
rückten Fällen kann Abstumpfung der Hautsensibilität eintreten.
Die höheren Sinnesnerven zeigen keine Störung. Lanci-
nirende Schmerzen sind, wenn sie überhaupt auftreten, vorüber¬
gehend und leichten Grades.
Zuweilen Klagen über Schwindelgefühl.
Die Hautreflexe zeigen keine Veränderung. Die Sehnen¬
phänomene schwinden frühzeitig. Pupillenreflex, wie accomo-
*) Ofr. hierüber: Leiden und Goldscheider: Die Er¬
krankungen des Rückenmarks und dar Medulla oblongata,
I». 598ff.; Schnitze Fr.: Lehrbuch der Nervenkrankheiten,
1. Bd., p. 351 ff.: Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrank¬
heiten, p. 146 ff.
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20. Februar. 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
251
dative Verengerung der Pupille sind stets erhalten. Blasen- und
Mastdarmthätigkeit zeigen fast nie eine Störung.
Vasomotorische Störungen (Cyanose, Oedeme) sind selten.
Tachykardie, Diabetes insipidus, profuse Schweisse, Sali-
vation sind beobachtet.
An den Füssen kann sich Spitzfuss- und Hohlfussstellung
ausbilden. Nicht selten schon frühzeitig dauernde Dorsalflexion
der grossen Zehe.
Die psychischen Functionen können im späteren Verlaufe
leiden.
Vergleichen wir die Symptomenreihe, welche unser Kranker
bietet, mit diesen hier kurz zusammengefassten Erscheinungen
der F riedreic h’schen Krankheit, so sehen wir, dass sich die¬
selben fast Punkt für Punkt decken.
Das Leiden hat sich auch hier in der Kindheit entwickelt,
ja es machte sich schon im 2. Lebensjahre bei den ersten Gehver¬
suchen geltend. Die Gehstörungen waren auch hier das erste
krankhafte Zeichen, welches von der Mutter und dem Patienten
selbst beobachtet wurde.
Wie häufig bei Leuten vom Lande, wurde der Kranke sowohl
von seiner Umgebung, wie von sich selbst nur mangelhaft
beobachtet und so können leider bezüglich des ersten Auftretens
der Unsicherheit in den Händen und des Nystagmus genauere
Zeitangaben nicht gemacht werden.
Mit Sicherheit wird angegeben, dass seit 3 Jahren eine Ver¬
schlechterung des Zustandes eingetreten ist, das Schwanken nahm
zu und wurde, auch wenn Patient sass, beobachtet, der Lehrer be¬
merkte seit einem Jahre eine Abnahme der geistigen Leistungs¬
fähigkeit.
Es ist also auch die geforderte Progressivität des Leidens vor¬
handen.
Bis jetzt ist Patient allerdings, soweit bekannt, das einzige
Glied der Familie, welches von der Krankheit betroffen wurde.
Trotzdem glaube ich nach dem Vorherangeführten, dass man
mit Recht den geschiderten Fall zur Friedreic h’schen Krank¬
heit rechnen darf.
In differentialdiagnostischer Beziehung ist bei möglicher
Weise doch vorhandener Lues des Vaters in erster Reihe an here¬
ditäre Lues, an eine eventuelle Lues spinalis, zu denken. Es
pflegt sieh aber die spinale Lues acut oder in Schüben zu ent¬
wickeln, die Erscheinungen zeigen Neigung zu Remissionen, es
kommt zu Paraparese, auch zu völligen Paraplegien der Beine,
spastisch paretischem Gang, Sensibilitätsstörungon, Schmerzen
und sehr häufig ist die spinale Lues mit der cerebralen ver¬
bunden ; in dem Krankheitsbilde treten dann noch Störungen von
Seiten des N. opticus, der Augenmuskeln auf, sonstige Hirn¬
nervenlähmungen, sowie apoplectiforme Insulte.
Oppenheim 1 ) sah auf dem Boden hereditärer Lues
Krankheitsbilder sich entwickeln, welche der Friedreic h’¬
schen Krankheit nahe verwandt waren. Bei dem Mangel von
deutlicheren Erscheinungen von hereditärer Lues bei unserem
Patienten — es Hessen sich nur die vergrösserten Inguinal- und
Axillardrüsen in diesem Sinne denken — erscheint mir auch
eine eventuelle Annahme, dass es sich hier um einen solchen Fall
handelte, unwahrscheinlich.
Ferner haben wir differentialdiagnostisch zu berücksichtigen:
die multiple Sklerose, Tabes, Tumor cerebelli, Chorea chronica
progressiva und Heredo-ataxie cer6belleuse.
Gegen erstere spricht das Fehlen spastischer Paresen, ge¬
steigerter Sehnenreflexe, das Fehlen von Seh- und Blasen¬
störungen.
Eine Tabes in jugendlichem Alter ist einwandsfrei noch nicht
bewiesen. Die lancinirenden Schmerzen, Paraesthesien, An -
aesthesien, Störungen von Seiten der Augen, der Blase, des Mast¬
darms etc. bestehen nicht.
Bei einem Tumor cerebelli müssten wir Stauungspapille,
Kopfschmerz und Schwindel in ausgesprochenem Maasse an¬
treffen; der chronischen progressiven Chorea fehlt der schwan¬
kende Gang, der Nystagmus und der Mangel der Sehnenreflexe.
Die Heredo-ataxie ceröbelleuse (P. Marie und L o n d e),
welche sonst der Friedreic h’schen Krankheit ähnlich ist,
soll sich durch Erhaltensein der Patellarsehnenreflexe aus¬
zeichnen, sie soll erst zwischen 20. und 30. Lebensjahr auftreten
und häufig sollen Opticusatrophie, Augenmuskellähmungen und
Herabsetzung der Pupillenreaction sich einstellen.
*) Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrankheiten, p. 148.
Was die Aetiologie in unserem Falle anlangt, so wäre höch¬
stens die Phthise des Vaters in Betracht zu ziehen, indem Patient
von Hause aus ein schwächliches Kind war und nie einen recht
gesunden Eindruck machte. Möglicher Weise ist in dieser von
Hause aus bestehenden schwächHchen Veranlagung auch eine
Disposition zu Erkrankungen des Centralnervensystems gegeben
gewesen. Lues des Vaters müssen wir, da sie mit Sicherheit
nicht feststeht, hier unberücksichtigt lassen.
Meinem hochverehrten Chef, Herrn Professor Dr. S i e m er¬
lin g, spreche ich für die gütige Erlaubniss zur Veröffentlichung
dieses Falles meinen ergebensten Dank aus.
Aus der chirurg. Abtheilung der Ev. Diaconissenanstalt Stuttgart.
Ueber die Nachbehandlung schwerer Unterleibs¬
operationen.*)
Von Dr. Steinthal.
Der Satz, dass mit dem Schluss der Bauchhöhle das Schick¬
sal unserer Laparotomirten meistens entschieden sei, darf nur
dann Geltung beanspruchen, wenn man dabei an die MögUchkeit
einer während der Operation stattgefundenen Infection denkt.
Den anderen Gefahren jedoch, welche unseren Operirten drohen,
ist man nicht so machtlos entgegen gestellt, und wird man öfters
in der Lage sein, ihnen durch eine methodische Nachbehandlung
erfolgreich zu begegnen. Diese Gefahren beruhen der Mehrzahl
nach auf einer mangelhaften Thätigkeit des Herzens, sei es dass
schwere Blutverluste vor oder während der Operation eine Leere
des Gefässsystems erzeugten, bei welcher das Herz seine Arbeit
nur mühselig leisten kann, sei es dass der ganze Körper unter
einer schweren Ernährungsstörung leidet, wie bei jenen Kranken,
denen wir die Gastroenterostomie machen sollen.
Es ist fast immer die Scheu der Kranken vor der Operation,
dass sie sich zu dem Eingriff erst dann entschliessen, wenn der
stetig sich verschlechternde Kräftezustand gar keinen anderen
Ausweg zur Genesung möglich erscheinen lässt. Nun soll man
noch an diesen heruntergekommenen Kranken operiren! Der
rascheste Eingriff bedeutet für ihren Kräftezustand einen ziem¬
lichen Stoss, den man nach Schaffung des neuen Weges durch
reichliche Nahrungszufuhr nicht einmal gleich paralysiren darf,
weil wir fast immer in Narkose operiren und selbst wenn wir mit
localer Anaesthesie vorgelien sollten, eine stärkere Inanspruch¬
nahme des Magens für die ersten Tage gefährlich ist. Die Ver¬
klebungsbrücke um den Murphyknopf, den wir nebenbei gesagt
an unserer Anstalt als einziges Verbindungsmittel zwischen
Magen und Darm anwenden, ist zunächst ein schwaches Seil, das
durch Brechbewegungen oder stärkere Peristaltik leicht reissen
mag. Ich brauche diesbezüglich nur an die jüngsten Experimente
von Chlumsky aus der Breslauer chirurgischen Klinik zu
erinnern, denen zu Folge alle Anastomosen zwischen dem 3. und
5. Tag sehr brüchig sind und man wird den Chirurgen Recht
geben, welche ihren Magenoperirten statt Beefsteak und Sauer¬
kraut möglichst wenig per os verabreichen wollen. Was man
solchen Operirten darreichen kann, bedeutet nur einen Tropfen
auf einen heissen Stein. So paradox es klingt, die Kranken sind
durch die Operation zunächst noch schlechter daran, weil, wenn
sie schon vorher gehungert haben, sie jetzt erst recht hungern
müssen. Aber sie hungern nicht bloss, sie dürsten gewaltig —
und Durst ist bekanntlich gefährlicher als Hunger. Der starke
Eiweisszerfall des Hungernden gibt zwar Wasser frei, aber dieses
kommt nicht dem wasserarmen Körper zu gut, sondern wird
unter dem Zeichen der gesteigerten tägHchen Harnmenge aus¬
geschieden.
Für solche Operirte ist also in erster Linie
reichliche Flüssigkeitszufuhr geboten. Wir
reichen ihnen dieselbe in Gestalt der täglich 2 mal ausgeführten
intravenösen Kochsalzinfusion. Entweder schon vor der Opera¬
tion, jedenfalls aber unmittelbar nach der Operation wird eine
Vene am Vorderarm (meistens die Vena mediana in der Ellbogen¬
beuge) auf gesucht. Nach Anlegung einer peripheren Seiden¬
ligatur wird die Vene eröffnet und mit Hilfe einer zweiten Liga¬
tur die Infusionscanüle eingebunden, dann lässt man 1—l 1 /, Liter
der physiologischen Kochsalzlösung einlaufen. Wenn man nun
die Canüle wieder aus der Vene herauszieht, so wird die centrale
Ligatur nicht geknotet, sondern nur in Schleifenform geschlossen
*) Vortrag in der chirurgischen Section der 71. Naturforscher¬
versammlung zu München.
2 *
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252
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 8.
und ein leichter Druckverband angelegt. Sowie man wieder
Flüssigkeit zuführen will, braucht man nur die Schleife zu losen
und die Infusionscanüle wieder einzuführen. Diese Infusionen
von 1—l 1 /, Liter werden, wie gesagt, 2 mal täglich in den ersten
4—6 Tagen nach der Operation ausgeführt. Die Operirten
kommen mit ihrer Hilfe über die Nach wehen des Eingriffes sehr
rasch weg, der quälende Durst ist äusserst gering und was vor
Allem in die Wagschale fällt, wir haben seit Anwendung dieser
methodischen Infusionen nie mehr Störungen von Seiten des
Herzens erlebt.
Nun wird man vielleicht einwenden, wenn schon Infusionen
gemacht werden, warum nicht die technisch einfacheren sub-
cutanen oder Rectalinfusionen? Darauf möchte ich erwidern,
dass die Einführung der Canüle für die. intravenöse Infusion
nur dann Schwierigkeit bereitet, wenn die Vene sehr dünn ist;
dann nimmt man eine entsprechend dünnere Canüle und die In¬
fusion dauert etwas länger. Im Uebrigen ist die Technik höchst
einfach und es gibt für die folgenden Infusionen nichts Be¬
quemeres als das Lösen der Schleife und die Wiedereinführung
der Canüle. Es kann allerdings am 3. oder 4. Tag Vorkommen,
dass die blossgelegte Vene etwas geschrumpft ist und entweder
schon dem Einführen der Canüle oder, wenn dies noch gelingt,
dem rinnenden Wasser einen Widerstand entgegensetzt, so dass
man gezwungen ist eine neue Vene aufzusuchen oder zu sub-
utanen resp. Rectalinfusionen überzugehen.
Diese Wege sind für die ersten Tage ausgeschlossen, weil
wir die Haut und das Rectum anderweitig benöthigen.
Es wird nämlich unter die Haut, gleichfalls in den ersten
3—5 Tagen, nach dem Vorgänge Leube’s sterilisirtes
Oel eingeführt. Mittels einer nicht zu dicken Hohlnadel gibt
man Morgens und Abends je 40 g, also im Ganzen 80 g, was etwa
744 Calorien entspricht, die der hungernde Organismus nicht von
den Bestandteilen seines Leibes nehmen muss. Wenn nun auch
ein hungernder Mensch das 2 1 /,—3 fache an Fett in 24 Stunden
verbraucht, so ist mit diesen 80 g Fett immerhin ein ansehnlicher
Gewinn erzielt. Die Oeleinspritzungen sind allerdings nicht
schmerzlos und die Kranken nehmen sie nur an unter Hinweis
des davon erwarteten Nutzens.
Endlich werden öfters kleine Nährklystiere in das
Rectum gegeben, so dass wir mit Hilfe der intra¬
venösen Infusion, der subcutanen Oelein¬
spritzungen und der Nährklystiere unmittel¬
bar nach der Operation, ohne mit dem Magen in
Conflict zu kommen, mit einer kräftigen Er¬
nährung des Organismus einsetzen können.
Ich darf vielleicht als Paradigma die Tagesarbeit an einem
41 jährigen Kranken schildern, welcher wegen gutartiger Pylorus¬
stenose gastroenterostomirt wurde und der bei seiner Aufnahme
nicht mehr wie 90 Pfund wog, also in sehr reducirtem Zu¬
stand war.
2. Tag nach der Operation.
8 Uhr Morgens: 1 Nährklystier mit V, Liter Milch und 30 g
Pepton.
8 1 /, Uhr: Venöse Infusion von 1 Liter physiologischer Koch¬
salzlösung, subcutan 40 g sterilisirtes Olivenöl.
11 Uhr, 2 Uhr, 5 Uhr: Je 1 Nährklystier mit */ 8 Liter Milch
und 30 g Pepton.
5V, Uhr: Venöse Infusion, subcutan Olivenöl.
8 Uhr Abends: 1 Glycerinklystier zur Entleerung des Mast¬
darms.
10 Uhr: 1 Nährklystier mit Liter Milch und 30 g Mehl.
Per os wurden im Ganzen nur 30 g kalter Thee erlaubt, im
Uebrigen der Mund Öfters mit Citronenwasser ausgespült.
Am 3. Tag war die Therapie eine ähnliche, vom 4. Tag an
wurde schon etwas mehr Flüssigkeit von oben erlaubt unter Weg¬
lassung der Oeleinspritzung, am 5. Tag wurden die Infusionen,
am 6. Tag auch die Nährklystiere ausgesetzt.
Der Kranke hat dann eine ausgezeichnete Reconvalescenz
durchgemacht, was wir von allen unseren Gastroenterostomirten
sagen können, die in dieser Weise nachbehandelt wurden und
wo nicht eine andere Complication den letalen Ausgang bedingte.
Bei den Nährklystieren muss man übrigens individualisiren,
wird durch das Pepton das Rectum gereizt, so muss vorwiegend
Amylum gereicht werden, bei stärkerer Darmperistaltik setzt man
dem Klystier 10 Tropfen Opiumtinctur zu.
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Zu den schweren Unterleibsoperationen in dem Sinne, dass
wir es mit sehr geschwächten Kranken zu thun haben, gehören
ferner die Fälle mit acuten oder chronischen Blutverlusten. Für
die acuten Anaemien gilt mit Recht die Kochsalzinfusion als
ein wohlerprobtes Mittel unserer allgemeinen chirurgischen
Therapie. Auch wir waren so glücklich, 3 Fälle von geplatzter
Tubengravidität, die unter den schwersten Zeichen der inneren
Blutung zur Aufnahme kamen und wo die Operation den ganzen
Bauch voll Blut erwies, wohl nur mit Hilfe der Kochsalzinfusion
zu retten. Ihr verdanken wir wohl auch einige günstige Erfolge
bei ausgebluteten Frauen in Folge von Krebs oder Myom der Gebär¬
muter, also bei chronischen Anaemien. Man weiss, wie gefähr¬
lich bei solchen Kranken ein operativer Eingriff werden kann.
Das scheinen mir jene Fälle zu sein, welche nach der Anschau¬
ung von Fritsch schliesslich septisch werden, weil sie in
grosser Schwäche darniederliegen und dadurch die allgemeine
und locale Widerstandskraft herabgesetzt ist. Für diese Fälle
werden alle möglichen Excitantien empfohlen. Sie mögen auch
für kurze Zeit das ermattete Herz wieder antreiben, aber bei dem
leeren Gefässsystem bleibt die Circulation eine mangelhafte
und wie die übrigen Gewebe und Organe leidet das Herz selbst
darunter. So ist das beste Excitans für das Herz die Füllung des
leeren Gefässsystems, welche unmittelbar nach der Operation,
bevor bedrohliche Erscheinungen einsetzen, zu geschehen hat.
Jede derartig ausgeblutete Kranke erhält bei uns noch auf dem
Operationstisch ihre prophylaktische Kochsalzinfusion, die
wiederholt wird, sobald die Herzthätigkeit ira Geringsten nach¬
lässt. Dem Operationsschock ist damit am besten begegnet.
Seit dem 1. Januar 1898, wo wir angefangen haben, in dieser
Weise die Nachbehandlung zu leiten, bis Ende Juli d. J., also in
lVjJahren, sind 130 peritoneale Operationen mit Ausschluss der
Hernien ausgeführt worden. Davon entfallen 54 peritoneale Ope¬
rationen (43 Laparotomien und 11 vaginale Uterusexstirpationen)
auf das abgelaufene halbe Jahr. Unter den 43 Laparotomien
waren 7 Gastroenterostomien (ein 8. derartiger Fall ist in den
letzten Tagen dazugekommen), von denen nur 2 gestorben sind,
der eine Fall, ein 53 jähriger, sehr decrepider Mann mit Arterio¬
sklerose 9 Tage nach der Operation an doppelseitiger Pneumonie,
der andere Fall an perforirenden Ulcera des Jejunum. Des
Weiteren wurden mit methodischer Infusion behandelt: 1 Fall
von vaginaler Uterusexstirpation, 2 Fälle von abdominaler
Uterusexstirpation, 1 Fall von langdauemder, auch chemisch
schwieriger Cysticotomie zur Entfernung eingeklemmter Gallen¬
steine, Fälle, die sämmtlich unter dem Zeichen der Herzschwäche
standen, theils in Folge vorausgegangener schwerer Blutungen,
theils in Folge einer langdauernden Narkose.
Wir haben bei jedem weiteren Fall einen günstigeren Ein¬
druck von der eben geschilderten Nachbehandlung bekommen
und namentlich für die Nachbehandlung von Magenoperirten
möchte ich die regelmässig wiederholte intravenöse Infusion in
Verbindung mit subcutanen Oeleinspritzungen und Nähr-
klyBtieren auf’s Wärmste empfehlen.
Aus der inneren Abtheilung des Marienhospitals in Stuttgart.
Angina mit Endocarditis.
Von Dr. Boeger.
Seit einer Reihe von Jahren werden im Marienhospital Fälle
von Angina beobachtet, bei welchen im Verlauf der Erkrankung
ein Geräusch am Herzen wahrzunehmen ist. Einer freundlichen
Anregung meines verehrten Chefs, Herrn Obermedicinalrath
Dr. R e m b o 1 d, folgend und veranlasst durch einige Veröffent¬
lichungen in dieser Zeitschrift (cf. Münch, med. Wochenschr.
No. 10 u. 27), habe ich die seit dem Jahre 1896 bei uns beob¬
achteten hierher gehörigen Fälle zusammengestellt. Aus der
Literatur, soweit sie mir zugänglich war, vermochte ich keinen
weiteren Fall beizufügen.
Die beobachteten 120 Fälle vertheilten sich unter die ver¬
schiedenen bekannten Formen der Angina, ohne dass sich bei den
mit einem Herzgeräusch complicirten ein Vorwiegen der einen
oder anderen Form constatiren liess. (Ausgeschlossen sind sämmt-
liche mit einem Exanthem verbundene oder auf Diphtherie ver¬
dächtige Fälle.)
Der einzige bemerkenswerthe Befund an den Tonsillen dürfte
vielleicht das Auftreten herpesartiger Efflores-
cenzen auf der Schleimhaut der Mandeln und der bensch¬
en rigi na I fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
*20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
253
harten Partien der Wangen und Gauinenbogen sein. Es zeigten |
sieh gleich zu Beginn der Erkrankung Bläschen von der Grösse
< ines kleinen Stecknadelkopfs, graugelblich, durchscheinend,
mit gelblichem klaren Inhalt gefüllt, welche einzeln oder in
(! ruppcn angeordnet, am 2.—3. Tage platzten und einen seichten
Srhleimhautdefect hinterliessen, der entweder mit einer kleinen
Kruste bedeckt war, meist jedoch gerötheten Grund zeigte. Diese
K fllorescenzen wurden in 13 von 24 mit Herzgeräuschen compli-
cirten Fällen beobachtet, wobei in 5 Fällen gleichzeitig ein Herpes
facialis resp. labialis vorhanden war. (Das häufige Auftreten von
Herpes labialis erwähnt u. A. auch W. Kiesselbach in
Benzoldt u. Stintzing, Handb. d. spec. Ther., III. Bd., Abth. IV,
p. 145).
Was nun das Auftreten eines Geräusches am Herzen betrifft,
so lassen sich Fälle unterscheiden, welche bei der Untersuchung
sofort nach der Aufnahme noch reine Herztöne hatten und
solche, welche schon mit mehr oder minder ausgesprochenem
Ilorzgeräusch in*s Spital kamen. Von ersterer Gruppe — welche
ursprünglich reine Herztöne hatten — sind 10 Fälle notirt,
davon zeigten 4 Fälle am 2. Tage, 4 am 3. und 2 am 4. Tage nach
der Aufnahme ein deutliches Geräusch am Herzen. Anamnestisch
(xler durch directe Beobachtung wurde ermittelt, dass das Herz¬
geräusch 1—5 Tage, durchschnittlich am 3. Tage, nach Auftreten
der ersten Symptome von Angina gehört wurde. In 9 Fällen der
zweiten Gruppe — welche schon bei der Aufnahme unreine Herz¬
töne darboten — wurde ein Deutlicherwerden des Geräusches be¬
obachtet.
Von den 10 Fällen der ersten Gruppe war bei 5 das Geräusch
hei der Entlassung verschwunden, während bei den 5 anderen ein
Porsistiren des Geräusches auch nach vollständigem Ablauf der
übrigen Symptome constatirt wurde. (Das Geräusch dauerte in
den Fällen, wo es wieder verschwand, 7—30 Tage, durchschnitt¬
lich 17 Tage lang. Die ganze Erkrankung resp. der Spitalsauf¬
onthalt nahm 7—65 Tage, durchschnittlich 24 Tage in Anspruch.)
Rechnet man noch 14 weitere Fälle, bei welchen nur aus der
Anamnese das Auftreten von Herzklopfen zu Anfang der Er¬
krankung erhoben wurde und sich schon ein ausgesprochenes Ge¬
räusch fand, so stellt sich die Zahl der Fälle, bei welchen das
Geräusch wieder verschwand, auf 14, ein persistirendes Geräusch
zeigten 10.
Am deutlichsten war das Geräusch in der Mehrzahl der Fälle
als systolisches an der Herzspitze zu hören, in einigen Fällen am
1. Sternalrand im IV. Intercostalraum.
Die Erkrankten waren durchweg Personen im jugendlichen
Alter (16—30 Jahre), meist weiblichen Geschlechts, die wenigen
männlichen Patienten (6) im Alter von 16—20 Jahren waren
blutarme, gracil gebaute Individuen.
Bei 120 Fällen von Angina wurde in 24, also in 20 Proc. ein
Geräusch am Herzen beobachtet.
Gerhardt fand in 21 Proc. der Fälle bei Angina Gelenk¬
rheumatismus. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass Fälle
von Angina mit Gelenkrheumatismus und -Schwellungen, welche
auch bei uns mehrfach beobachtet wurden, hier nicht mitgerechnet
sind.
Der nicht geringe Procentsatz (8 Proc.) der Fälle, bei welchen
im Verlauf der Angina ein fortdauerndes Herzgeräusch, also ein
„Herzfehler“ acquirirt wurde, spricht dafür, dass wir es hier mit
einer echten Entzündung des Endocards resp. des Klappen¬
apparates zu thun haben.
Dass diese Endocarditis auch unter Umständen bedenkliche
Erscheinungen im Gefolge haben kann, dafür möge als Beispiel
folgende Krankengeschichte dienen:
J. Sch.. Dienstmädchen, 20 Jahre alt, wurde am 20. III. 99
wegen Pedes plan! aufgenommen. Am 23. III. klagt Pat. über
Schwindel und starke Halsschmerzen. Obj.: Röthung und miissige
Schwellung der Tonsillen, herpesartige Effloreseeuzeu beiderseits.
An der Herzspitze lautes systolisches Geräusch. Nach 4 Tagen
ist das Geräusch wieder schwächer. Angina heilt ohne weiteren
Zwischenfall. Bei der Entlassung am 1. IV. ist das Herzgeräusch
noch leise zu hören. Am 8. V. kommt Pat. wieder mit Klagen
ül^er Herzklopfen, Schmerzen und Schwellung der Beine. Obj.:
Frequente Herzaction, lautes systolisches Geräusch an der Hera-
spitze. Oedeinatöse Schwellung und Röthung des rechten Unter¬
schenkels. An der Innenseite ist von der Kniekehle bis zur Mitte
<lcs Unterschenkels eine strangförmige Verhärtung zu fühlen,
welche an Ihrem oberen Ende eine ca. wallnussgrosse, fluctuirendo
Anschwellung zeigt. Am 0. VI., nachdem sämmtliclie locale Ent-
ziindnngserscheinungen zurtiekgegangen — Pat. hatte bisher
immer leichtes Fieber und In den letzten zwei Tagen abendliche
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Temperaturen von 38—38,5 gehabt — wurde durch Probepunetion
dunkelfarbiges Blut, mit etwas Eiter entleert. Am folgenden Tage
wird der fluctuirende Tumor incidirt und ca. 1 Esslöffel voll dunkel¬
farbiger Cruor, welcher im Centrum gelbliche Massen zeigt, ent¬
fernt (central erweichter Thrombus). Von da ab verschwindet das
Fieber und die weitere Heilung erfolgt ohne Zwischenfall. Bei der
Entlassung des Pat. aiu 22. IV. persistirt noch ein leises systo¬
lisches Geräusch an der Herzspitze.
Die Behandlung der complicirenden Endocarditis bestand
in Auflegen von Eisbeutel auf die Herzgegend bei strenger Bett¬
ruhe und Vermeidung aufregender Getränke.
Für die gütige ITeberlnssung des Materials spreche ich
Herrn Oberinedieinalrath Dr. Re mb old meinen verbind¬
lichsten Dank aus.
Zur Behandlung der Augeneiterung der Neugeborenen.
Von I)r. A. LamKofer, Augenarzt in Leipzig.
Wenn ein durch die Autorität A. v. G r ä f e’s und seiner
Schüler sanctionirtes, Jahrzehnte lang empfohlenes und ge¬
brauchtes Mittel wie das Argentum nitricum gegen die Augen¬
eiterung Neugeborener plötzlich aufgegeben und sogar als schäd¬
lich hingestellt, ein anderes, besser wirkendes Mittel aber nicht
zugleich an seine Stelle gesetzt wird, so darf nicht erwartet
werden, dass diese neue Ansicht schnell Verbreitung und Aner¬
kennung finde.
Dr. v. Ammo n hat (cf. Münchener med. Wochenschrift
XXXXVIL, 1., p. 12, 2. Januar 1900) eine grössere Zahl von
Neugeborenen mit Augeneiterung in der Münchener Universitäts-
Augenklinik ohne Argent. nitr., überhaupt ohne Arzneimittel,
einfach mit Ausspülung des Bindehautsackes und mit Eisum¬
schlägen behandelt, und bei 48 Kindern, die mit unversehrter
Hornhaut in seine Behandlung kamen, glatte Heilung erzielt.
Meine etwas längere Erfahrung stimmt mit der von v. A.
vollkommen überein.
Ich habe die letzten 2 Jahre als Assistent an der Universitäts-
Augenklinik zu Leipzig (1881 und 1882) und vom Jahre 1884 an
in selbständiger Praxis niemals bei der Augeneiterung Höllen¬
stein angewendet. Die Zahl der von mir und meinem lieben
Freund und Collegen Herrn Dr. Le beit seitdem ohne Argent.
nitr. behandelten Kinder beträgt mehrere Hunderte. Niemals
trat Hornhauteiterung auf. Die Krankheit verlief rascher (ca.
2 Wochen), als ich es früher zu sehen gewohnt war. Die papillären
Wucherungen der Bindehaut im dritten Stadium, derentwegen
die Kinder oft wochenlang in die Poliklinik gebracht wurden,
blieben aus.
Mein Grundsatz bei der Behandlung der Augeneiterung ist:
Möglichst sorgfältige PHege und Ernährung des Kindes bei
strenger ärztlicher Ueberwachung, möglichste Abhaltung aller
Schädlichkeiten vom erkrankten Auge, möglichst milde Reini¬
gung der Augen mit lauwarmer Flüssigkeit. Die Ausspülung
des Bindehautsackes lasse ich aPe 1—2 Stunden, je nach der Eiter-
absonderung, machen mittels einer Undine (das Glaskölbchen
kostet 30 Pfg.); wo ich der Reinlichkeit nicht traue oder wo
durchaus eine Arznei verschrieben werden muss, verordne ich ganz
schwache Bor- oder Alaunlösungen statt des gewöhnlichen ab-
gckochten Wassers. Jedes Kind erhält wenigstens für die erste
Woche eine eigene Wärterin oder Pflegeperson.
Darin weiehe ich von der Behandlung von v. A. ab, dass ich
schon lange keine Eisumschläge mehr machen lasse. Ueber ihren
tonisirenden und schmerzstillenden Werth liesse sich streiten. Für
das Allgemeinbefinden des Kindes und auch der Wöchnerin,
wenn diese sie machen muss, sind sie nicht immer gleichgiltig.
Jedenfalls steht fest, dass unausgesetzte, gleichmässige Kühlung
mit Eis selbst in einer Klinik nicht ganz leicht durchzuführen
ist. In der Privatpraxis, gar bei ärmeren Leuten, auf dem Lande,
im Sommer ist die Eisbehandlung meist unmöglich. Was aber
nur in der Klinik, ausserhalb von ihr nur bei Wenigen, was sich
nicht überall und jederzeit anwenden lässt, verliert bei der Be¬
handlung einer so verbreiteten Krankheit an Werth. Darum habe
ich auch vom Anfänge an darauf hingewiesen, dass die strengen
Vorschriften über Aetzung mit Argent. nitr., wie sie A. v. Gräfe
in seiner classischen Abhandlung im ersten Bande des Arch. f.
Ophthalm. gegeben hat, stricte sic dicta ausserhalb der Klinik von
einem einzelnen Arzte fast nie durchzuführen sind.
War die Krankheit bisher so gefährlich, so traurig in ihrem
Ausgange, so war sie dies, weil in Stadt und Land durch die un¬
sinnigsten Mittel die Augen geschädigt, weil durch Finger, Nägel,
Original frcrS
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
254
MÜNCHENER MEÜICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
Stifte, Pinsel, Lidhalter, Spritzen u. s. w. das Hornhautepithel
verletzt und so den Bactericn das Eindringen erleichtert, und
weil im Vertrauen auf die locale Behandlung die Ueberwachung
der Pflege und Ernährung des Kindes nicht genug berücksichtigt
wurde. Was unabsichtlich, was aus Unverstand, was auf den
Rath der „weisen Frau“, der „erfahrenen“ Grossmutter, der hilfs¬
bereiten Tanten solch’ kleinem Kinde alles zugefügt wird, dar¬
über muss man immer von Neuem erstaunen und sich ärgern.
Darum stelle ich auch jetzt trotz meiner so überaus glücklichen
Erfolge in jedem neuen Falle den Angehörigen die Prognose als
ernst vor, spreche die Hoffnung, die Wahrscheinlichkeit, nicht
aber die Gewissheit einer vollständigen Heilung aus.
Zu dem klinischen Bilde der durch den Gonococcus bewirkten
Augeneiterung gehört nicht jene Form der Augenentzündung,
wo bei meist geringer Eiterung die Hornhaut sich rasch trübt,
infiltrirt, wo sie erweicht, einschmilzt und die Linse austritt.
Dieses Leiden (Keratomalacia) trifft fast ausschliesslich zu früh
geborene, schlecht und künstlich ernährte, an Brechdurchfall
leidende Kinder mit richtiger Facies Hippokratica. Hier hilft
weder Argent. nitr., noch ein anderes Mittel. Zum Glück sterben
fast alle diese Kinder. Auch v. A. erwähnt 2 solche Kinder unter
seinen Kranken.
Von Erwachsenen habe ich selbst bisher nur 17 an Blennor¬
rhoe behandelt. Alle litten gleichzeitig an Tripper. Die Behand¬
lung war die gleiche, wie die der Neugeborenen, in früheren
Jahren mit, später ohne Eis. Alle Augen heilten ohne Erkran¬
kung der Hornhaut, auch wieder auffallend rasch und ohne
Bindehautwucherung.
Noch ein Wort über die Prophylaxis nach Crede. Ich stehe
zur Zeit noch auf dem Standpunkt, dass unmittelbar nach der Ge¬
burt bei Neugeborenen, und unmittelbar nach der Ansteckung bei
Erwachsenen (hier mit gleichzeitiger gründlicher Ausspülung)
ein Tropfen einer 2proc. Lösung von Argent. nitr. einmal, aber
nur einmal, ja nicht wiederholt eingeträufelt werden soll.
Anmerkung. Ausführlichere Beschreibung der Behand¬
lung Neugeborener, die an Augeneiterung leiden, ist zu finden:
in einem Vortrag, gehalten in der Medic. Gesellschaft in Leipzig
1888, in Schmidt’s Jahrbücher, Bd. CCXXI. p. 201, 1889 lind
Bd. CCXLII, p. 172, 1894. Siehe ferner: Behandlung der gonor¬
rhoischen Erkrankungen des Auges von Prof. Eversbuscli im
Handbuch der speciellen Therapie innerer Krankheiten, VI. Bd.
und im Centralblatt f. Kinderheilkunde, 1897, Heft 1.
Casuistischer Beitrag zur Symptomatologie der
Pankreatitis acuta.
Von Dr. Hans Doerfler in Weissenburg a. S.
Die Pathologie des Pankreas hat in dem letzten Jahrzehnt
besonderes Interesse hervorgerufen. Trotzdem in dieses bis vor
Kurzem noch dunkle Gebiet sowohl von Seiten der pathologi¬
schen Anatomen, als auch von der der Chirurgen und Inter¬
nisten einigermassefl Licht gebracht worden ist, erscheint jeder
kleine Beitrag zur Frage der Pankreaserkrankungen wünschens-
werth. Ein Symptom, das ich in letzter Zeit bei einem Fall
von acuter eitriger Pankreatitis zu beobachten Gelegenheit hatte
und mir als Zeichen von Pankreas erkrankung noch nicht
geläufig war, lässt es mir gerechtfertigt erscheinen, den Fall
kurz mitzutheilen.
M. St., Werkmeistersfrau, 50 Jahre alt, sehr corpulent, in
kinderloser Ehe seit 15 Jahren verheirathet, bisher stets gesund,
abgesehen von Menstruationsbeschwerden, die bei einer vor Jahren
vorgenommenen Untersuchung per vaginam auf eine Retroflexio
uteri fixata (Tumor im Douglas) zurückgeführt worden waren.
Am 30. Juli war Patientin noch vollständig gesund, und soll
Abends auf einem Bierkeller einige Bratwürste und Bier in mässi-
ger Menge genossen haben. Am nächsten Morgen Erwachen unter
den heftigsten Kreuzschmerzen, die ln beide
Beine bis in die Unterschenkel ausstr ab 1 e n
und jede Bewegung und jedes Auf richten im
Bett fast zur Unmöglichkeit machen. Keinerlei
Erscheinungen von Seiten des Magens. In meiner Abwesenheit
diagnosticirt mein Assistent doppelseitige Ischias. Auch in den
beiden nächsten Tagen hielt er an der Diagnose fest, obwohl jede
Therapie gegen die geradezu unerträglichen Kreuzschmerzen er¬
folglos geblieben war. Am 3. August sah ich die Patientin zum
erstenmal. Sie klagt über unerträgliche Schmerzen
im Kreuz — kann nur mit Hilfe mehrerer Personen im Bett
aufgesetzt werden —, Engigkeit beim Athmen, sowie etwas Druck
in der Magengegend. Appetitlosigkeit und Stuhlverstopfung seit
einigen Tagen. Die Temperatur hatte am Abend vorher 38,8 im
Rectum betragen, jetzt am 3. Morgens war 38,0 gemessen worden.
Es fiel mir sofort eine starke Blässe des Gesichtes mit leichtem
Anflug von Cyanose sowie deutlich beschleunigte Athmung auf.
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„ Ebenso bestand Pulsbeschleunigung zwischen 96 und 100. Eine
genaueste Untersuchung ergab ausser der deutlichen Unbeweglich¬
keit der Patientin in den unteren Brustwirbel- und oberen Lenden¬
wirbelgelenken und dem mir schon bekannten Tumor im Douglas
nichts Besonderes. Insbesondere war auch bei tiefem Eindrücken
des Abdomens keinerlei Druckemptindliehkeit nachzuweisen. Es
war au diesem Morgen einmal Erbrechen erfolgt, seit 3 Tagen be¬
stand Obstipation; Flatus sollen ebenfalls seit der Zeit sistirt
haben. Patientin macht ganz den Eindruck, als ob sie eine innen*
Blutung erlitten hätte, doch fehlte, wie gesagt, bei der Untersuch¬
ung jeder Anhaltspunkt hiefür.
Ordination: Wassereingiessung in’s Rectum, 01. Rleini uud
Morphium subcutan. Darauf rasches Nachlassen der heftigen
Kreuzschmerzen. Eingiessungen und Ricinus blieben Wirkung«
los. Langsame, aber stete Zunahme der Athemnoth und Puls¬
beschleunigung, sowie Verfall des Gesichtsausdruckes. Abends
Temperatur 38,5. Urin wird reichlich gelassen, zeigt massigen
Eiweissgehalt, nimmt beim Stehen rasch üblen Geruch an uud
ist stark zuckerhaltig. Sensorium ganz intact.
Am 4. August Puls 120, noch kräftig, Respiration stark be¬
schleunigt ohne subjectiven Lufthunger, Unbeweglichkeit der
Wirbelsäule. Patientin liegt ganz steif im Bett. Noch 2 mal Er¬
brechen im Laufe des Tages, keine Erscheinungen von Seite des
Peritoneums.
Am 5. Abends wird der Puls klein, unzählbar, Extremitäten
kühl; kalter Schweiss tritt auf; riesige Athemnoth. In kurz
dauerndem Coma erfolgt unter den Zeichen der Herzschwäche
der Exitus letalis.
Es wurde von mir die Diagnose mit Rücksicht auf den
rapiden Verlauf und den Zuckergehalt des Urins auf Pankreas
erkrankung gestellt, da Anhaltspunkte für jede andere Erklärung
des rasch tödtlichen Verlaufes vollständig mangelten.
Section ergab: Vollständig normale weibliche Leiche uii!
mächtigem Paniculus adiposus; nach Eröffnung der Bauchhöhle
zeigt sich das Peritoneum allenthalben normal, überall blass und
glänzend. Im kleinen Becken etwa ein halber Esslöffel liaemor
rhagischer Flüssigkeit.
Es fällt auf, dass das Kolon ascendens und Quer
kolon stark gebläht, das Kolon descendens da¬
gegen stark contrahirt und leer sich p rasen
tiren. Das geblähte Kolon transversum geht ganz unvermittelt
in das fest contrahirte Kolon descendens über, genau so, wie man
es bei Abschnürungen durch einen Strang zu finden pflegt. Doch
kann keinerlei Schnürfurehe, keinerlei Strangbildung, keinerlei
Abknickung auf gefunden werden, und es gelingt leicht, die Darm
gase aus der geblähten in die leere Darmschlinge hinüber zu
drücken.
Einen höchst interessanten Befund ergab die Section des
Pankreas. Das vor dem Pankreas gelegene Zellgewebe ziegel-
farben, liaemorrhagisch infiltrirt Das herausgenommene Pankreas
in allen seinen Dimensionen mächtig vergrössert. Besonders auf¬
fällig die Verbreiterung des Pankreaskopfes. Die Länge des
Pankreas betrug etwa 25 cm, die Breite des Kopfes mindestens
; 8 cm. An 3—4 Stellen kirschgrosse Härten durchzufühlen. Das
parallel zu seiner ganzen Länge durchtrennte Pankreas zeigt
■ zahlreiche diffuse llaemorrhagien.
An vielen Stellen erbsen- bis kirschkerngrosse eitrige Eiu-
sclimelzungen. Die sich hart anfühlenden Knoten erweisen sich
auf dem Durchschnitt als frisch entzündliche Infiltrate um kleine
Eiterherde herum. Grössere Haemorrrhagien fehlen sowohl im
Peritoneum als im Pankreas selbst. Ebenso fehlt jede Spur von
Fettnekrose im Bauchraum. Beide Nieren dunkelblauroth, etwa»
vergrössert,, Rindensubstanz verbreitert. Es besteht deutliche
Fettleber. Die Intima der Aorta abdominalis zeigt beginnende
Atheromatose. Im Douglas eine kinderfaustgrosse Ovarialcyste
olme jegliche entzündliche Erscheinung.
Die mikraskopische Untersuchung des nach
Erlangen gesandten Präparates ergab: Nekrose des Pan
kreasgewebes mit beträchtlicher inter¬
stitieller Fettwucherung, daneben stellenweise
eitrige interstitielle Infiltration, makroskopisch
als Knoten zu erkennen. Die Niere gab wegen schlechter Con-
servirung keine Kernfärbung mehr, die Leber liess noch in
Form von erweiterten Centralvenen Pigmenteinlagerungen, Fett-
inflltration in der Peripherie der Läppchen, die Zeichen der
Stauung erkennen.
E p i k r i s e : Wir hatten es also mit einer acuten, eite¬
rigen Pankreatitis und Nekrose des Pankreas¬
gewebes zu thun. Der Fall war in mehrfacher Hinsicht be-
merkenswerth. Vor Allem war auffällig, dass das Krankheitsbild
vom Anfang bis beinahe zum Ende durch heftigsteKre uz¬
schmerzen beherrscht wurde. Bei genauester Durch¬
sicht der ganzen mir zur Verfügung stehenden Literatur, über
Pankreaserkrankung konnte ich nirgends dieses Symptom
als für Pankreasaffection sprechend angegeben finden. Von
einigen Autoren sind wohl dumpfe, in die Schulterblätter aus¬
strahlende Rückenschmerzen als nicht selten vorkommend an¬
geführt. In unserem Falle dagegen waren die Schmerzen im
Rücken so exorbitant und alle anderen Erscheinungen in den
Hintergrund drängend, dass sie sicher Angeführt worden wären,
wenn sie in solcher Intensität jemals -beobachtet worden wären.
Die Kranke bot in den ersten Tagen g^nz das Bild dar, wie wir
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
255
os so häufig bei heftigstem Lumbago oder Rheumatismus in den
Wirbelgelenken resp. im Sacroileocalgelenk oder doppelseitiger
Ischias zu beobachten Gelegenheit haben. Das Ausstrahlen der
Schmerzen in die beiden Beine liess die letztere Diagnose noch
wahrscheinlicher erscheinen. Dabei fehlte jeglicher epigastri-
sc-her Schmerz, jeglicher Schmerz im Abdomen überhaupt. Als
am 3. Tag Fieber auf trat, die Athmung beschleunigt, der Puls
ölender wurde, einmal Erbrechen auftrat, erst da drängte sich
der Verdacht einer anderweitigen Störung auf. Der Zucker¬
nachweis im Urin und der unerklärlich zunehmende Collaps
Hessen erst Verdacht auf Pankreasaffection entstehen. Da die
Section keinerlei anderweitige Erklärung der Kreuz-
schmerzen ergab, so müssen wir nach dem Sectionsbefund die¬
selben entschieden auf die hochgradige entzündliche Affection
des Pankreas und des dasselbe umgebenden Gewebes zurück¬
führen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die heftigen
Kreuzsehmerzen entweder durch Druck des entzündlich ver-
grösserten Pankreas auf den Plexus solaris und das Ganglion
semilunare oder durch Uebergreifen der pankreatischen Ent¬
zündung auf diese Gebilde bedingt war. Diese Erklärung ist
um so plausibler, als ja Osler und Hughes eben bei acuter
Pankreatitis Rundzelleninfiltration im Ganglion und entzünd¬
liche Veränderung der Nervenzellen festgestellt haben.
Ferner schien bemerkenswert h die mächtige Auftrei¬
bung des Kolon ascendens und Querkolons und
deren scharfe Abgrenzung von dem total leeren
K o 1 o n descen dens. Wie erwähnt, hätte man im ersten
Moment an eine Darmabschnürung denken können, so frappant
war der Volumenunterschied beider Darmabschnitte. Da die Sec-
tiou bei sorgfältigster Nachforschung keinerlei makroskopische
Erklärung dieser Erscheinung gegeben hat, sind wir auf Ver-
muthungen angewiesen. Ich erkläre mir diese Erschei¬
nung in folgender Weise: Hinter dem Pankreas liegt, von
demselben vollständig bedeckt, die Arteria und Vena mesen-
tcrica superior mit den sie begleitenden sympathischen Nerven.
Die Arteria mesenterica inferior liegt weiter nach abwärts und
wird von Pankreasaffectioncn nicht unmittelbar berührt. Das
Kolon ascendens und transversum werden nun von der Arteria
mesenterica superior, das Kolon descendens dagegen von der
Arteria mesenterica inferior versorgt. Da im Krankheitsbild
der Pankreatitis die Symptome von Reizung der prävertebralen
sympathischen Geflechte im Vordergrund stehen, offenbar also
die hinter dem Pankreas gelegenen Gebilde eben bei diesen Er¬
krankungen besonders in Mitleidenschaft gezogen werden, so ist
es plausibel, dass die mit den Blutgefässen der Arteria mesen-
tcrica superior in die Darmwand eintretenden und die Darm-
musculatur versehenden Nerven, sei es durch Druckwirkung, sei
es durch Entzündung, gelähmt werden können, und dass hie¬
durch eine complete Darmlähmung in dem von demselben ver¬
sorgten Darmgebiet hervorgerufen werden kann. In umgekehrter
Weise wird eine als Fernwirkung gedachte Reizung oder gar ein
Nichbefaliensein der mit der Arteria mesenterica inferior in das !
Kolon descendens eintretenden Darmnerven wirken müssen. Es
ist sehr wahrscheinlich, dass manche Beobachtungen von Obsti- i
pation und Heuserscheinungen bei Pankreaserkrankungen auf
solche Weise erklärt werden müssen. Wir ziehen daraus die
Lehre, bei Heuslaparotomien, die eine greifbare Ursache der
Darmstenose vermissen lassen, an die Möglichkeit einer Pankreas¬
affection zu denken und unsere Prognose nach einem diesbezüg¬
lichen Befunde entsprechend zu modificiren.
Aus der Augenheilanstalt für Oberschlesien in Gleiwitz.
Chefarzt: Sanitätsrath Struwe, Stabsarzt a. D. j
Ueber den Zusammenhang zwischen Skrophulose
und Trachom. 1 )
Von Dr. S. B ä c k in Gleiwitz. i
i
M. II.I Wohl einem jeden Augenärzte, dem ein grösseres j
Kuibnchtungsmaterial an Trachomfällen zur Verfügung steht,
wird es auf gef allen sein, wie häufig das Trachom zusammen 1
mit solchen Erkrankungsformen des Auges auftritt, welche wir
:»ls skrophulose, ekzematöse zu bezeichnen gewöhnt
>ind. Ich verstehe unter den letzteren, wie allgemein in der
l ) Nach einem im Aerzteverein des oberschlesischen Industrie-
l*‘zirkes gehaltenen Vortrage.
ophthalmologisehen Nomenclatur üblich: die Lidrandent¬
zündung, die Entstehung von Phly ktaenen, rand¬
ständigen Hornhautgeschwüren etc. und schliess¬
lich noch die Bildung des Pannus skrophulosus, Erkran¬
kungsformen, welche ich aus Bequemlichkeitsgründen als Skro¬
phulose des Auges bezeichnen möchte.
Da aber ausser diesem Nebeneinandervorkommen auch das
Trachom und die Skrophulose des Auges im klinischen Bilde ge¬
wisse Aehnlichkeit bieten, so dürfte die Vermuthung nicht
von der Iland zu weisen sein, dass zwischen beiden ein
1 gewisser Nexus eausalis besteht, dass beide
vielleicht auf ein gleiches aetiologisches Mo¬
ment zurückzuführen sind.
Ich sagte eben, dass das Trachom und die Skrophulose des
Auges im klinischen Bilde einander ähneln und möchte desshalb
an dieser Stelle darauf hin weisen, dass, obwohl doch die Körnchen-
und Papillenbildung in den Lidbindehäuten ein für Trachom
typisches Diagnosticum sein soll, sehr häufig die Diagnose Tra¬
chom mit Sicherheit nicht zu stellen ist — selbst wenn ich an
dieser Stelle die Frage des Follicularkatarrhes ganz aus dem
Spiele lassen will.
Wie häufig kommt es z. B. vor, dass ein Individuum mit einer
Phlyktaene zu uns kommt; wir wenden das Oberlid um und sehen,
dass dasselbe mit zahlreichen kleinsten Körnchen besetzt ist —
ganz ähnlich dem Bilde, wie es das sog. „kleinkörnige
Tracho m“ bietet, die Lidbindehäute des anderen Auges sind
! blass; es ist keine Spur von Kömchenbildung zu finden. Ist
das nun Trachom oder nicht? Das erkrankte Auge wird anti-
phlyktaenulär mit Kaloinel, Cocain und Lidsalbe behandelt und
! nach Abheilen des Krankheitsprocesses bietet die Oberlidbinde-
! haut das gleiche Bild wie das des anderen, nicht erkrankten 5 )
i Auges. War es nun Trachom oder nicht? — Nein, es war keines;
das wissen wir hinterher. Zu Beginn der Erkrankung konnte
die Diagnose nicht mit Sicherheit gestellt werden. J eden-
falls haben wir gesehen, dass häufig eine
typisch skrophulose Augenerkrankung im kli¬
nischen Bilde dem Trachom ähnelt.
Was nun die P a nnusbildun g in der Hornhaut be¬
trifft, so soll dieselbe bei Trachom eine Pradilection für die obere
Hälfte der Hornhaut zeigen, während der Pannus skro¬
phulosus sich an beliebigen Stellen der Hornhaut entwickelt;
der letztere ist gewöhnlich dünn, wenig gefässreich und einer voll¬
ständigen Rückbildung sehr zugänglich. Ein so krasser
Unterschied besteht nun meiner Ansicht nach
in dem klinisch en Bilde des Pannus nicht. Auch
der skrophulose kann sich auf der oberen Horn¬
hauthälfte localisiren und unseren therapeu¬
tischen Eingriffen und Maassnahmen trotzen,
ganz wie auch der Pannus trachomatosus sich
von beliebigen Stellen der Augapfelbinde¬
haut her entwickeln und auffallend rasch a b -
hoilen kann. Jedenfalls wird es oft sehr schwer fallen, im
Anfänge der Erkrankung die Differentialdiagnose mit Sicherheit
zu stellen.
Die Bildung von Körnchen im Oberlide
ist nicht die Entstehungsursache des Pan¬
nus trachomatosus; ich hatte sehr häufig Gelegenheit,
Trachomfälle ohne Körnchen mit narbigen Veränderungen im
Oberlide zu sehen, wo die Hornhaut erst im Narbenstadium des
Trachom pannös erkrankte.
Es ist aber ferner auch bekannt, dass die
Körnchen- oder Follikelbildung in den Binde¬
häuten nichts absolut trachomotypisches ist,
«lass diese vielmehr den verschiedensten Einflüssen ihre Ent¬
stehung verdanken kann. Ich erinnere nur an das klinische Bild
der Atropin Conjunctivitis'), einer Bindehauterkran¬
kung, welche durch chemische, nicht baeterielle Einflüsse be¬
dingt ist.
Aber auch die verschiedensten bacteriellen Infec-
tionen können das Bild der Körnchenbildung hervorrufen;
so sind von verschiedenen Autoren Fälle beschrieben worden
— und ich selbst hatte Gelegenheit, einen solchen durch
*) cf. Vossius: Lehrbuch der Augenheilk. 1898, p. 331 ff.
*) cf. Axenfeld: Pathologie deR Auges; Bericht über das
Jahr 1895 und 1896, p. 576.
3 *
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256
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
längere Zeit zu beobachten — wo eine gonorrhoische 4 )
Blennorrhoe unter dem Bilde der Körnchenbildung ver¬
lief, wie denn auch als Folgezustände der Blennorrhoe Körnchen
und Follikelbildungen in den Bindehäuten beobachtet wurden —
eir. Krankheit szustand, den man als „chronischeBlennor-
rhoe“ 1 * ) zu bezeichnen pflegt. Auch das Bild der Tuberculose
<1 e r Conjunctiva kann dem des Trachom sehr
ähnlich sein; so hatte ich Gelegenheit, einen solchen Fall
zu beobachten *), wo die Oberlidbindehaut mit zahlreichen, stark
gekliiftoten papillären Efflorescenzen bedeckt war, in deren Mitte
sich allerdings ausgedehnter geschwiiriger Zerfall fand, welch’
letzterer beim Trachom zu fehlen pflegt; die Aehnliclikeit mit
dem Trachom wurde in diesem Falle auch noch durch das Vor¬
handensein eines Pannus vervollständigt. Follikelbildungen
in den Lidbindehäuten bei Tuberculose der Conjunctiva sind
zuerst von Michel 7 * * ) beschrieben worden. Auch bei Infectionen
der Bindehaut mit dem Diplocoecus pneumoniae
sollen sich Follikel entwickeln können/)
Haben wir also bis jetzt gesehen, d a s s T r a c h o m und
Skrophulose des Auges ersten# sehr häufig
li e b e n eina n d e r v o r k o m m e n, z w eite n s, dass sic
auch im klinischen B i 1 d einander ähneln, so
werden wir sehr häufig — und ich darf und kan n
nach meinen e i g e n e n Untersuchungen wohl
sagen — fast immer das Trachom gerade bei
solchen Patienten finden, welche einen Ha¬
bitus skrophulosus besitzen. Dass das Tra¬
chom gerade bei solchen Individuen schwer
verläuft, welche skrophulös veranlagt sind,
ist ja schon längst bekann t. B ) Ich möchte an dieser
Stelle jedoch ausdrücklich hervorheben, dass ich bei allen
meinen Patienten, welche wegen eines Tra¬
choms in die Anstalt zur Behandlung kamen,
einen Habitus skrophulosus feststellen konnte
— allerdings nur bei Individuen in relativ
jugendlichem Alter. Ich bemerke ausdrücklich
in jugendlichem Alter; denn bekommen wir
Personen zu Gesicht, welche das 20. Lebensjahr
bereits weit überschritten haben, so werden
w i r s e 1 b s t v e r s t ii n d 1 i c h einen Habitus skrophu-
1 o s u s nicht mehr feststellen können, weil die
Typen desselben zu dieser Zeit bereits ver¬
wischt sind. Die skrophulose Anlage besteht freilich noch,
denn Infectionen mit Trachom sind auch in diesem Lebensalter
noch sehr wohl möglich.
Axenfeld 10 ) ist bei seinen Untersuchungen über die Ent¬
stehung der skrophulösen Augenerkrankungen zu dem Resultate
gekommen, dass nicht eine einheitliche Bac-
terienart dieselben hervorrufe. Ich stehe
nicht an, diesen Schluss auch zur Erklärung
der Entstehung des Trachoms zu verwerthen.
Das Trachom wird nicht durch eine einheit¬
liche Bacterienart hervorgerufen, sondern
alle möglichen, eine Bindehautentzündung
erzeugenden B a c t e rie n a r t e n können bei einem
dazu disponirten Individuum ein Trachom
hervorrufen. Die dazu Disponirten sind die
s k r o p h u lö s Veranlagt e n. Ich glaube, dass dies auch
der Grund gewesen ist, warum bis jetzt der richtige Trachom-
bacillus noch immer nicht entdeckt ist, warum alle ent¬
deckten das Schicksal des „nicht richtig sein“ theilen mussten 11 ).
Es gibt eben keinen Trachombacill u s, sonde rn nur Traehom-
4 ) Der baeteriologische Befund (Deckglaspräparate) ergab
X <• i s s e r’sehe Gonococeen, welche als solche durch den Ausfall
der G rn m’schen Färbung gekennzeichnet wurden.
8 ) cf. Axenfeld: 1. c., p. 576.
') cf. Schlesische Aerztecorrespondenz. III. No. 3. 20. X. 1800.
7 ) Oitirt nach Axenfeld 1. c., p. 624.
") Axenfeld 1. c., p. 560.
B ) Schmidt, Ri m p ler: Die Erkrankungen dos Auges im
Zusammenhänge mit anderen Krankheiten. Wien 1808. p. 404.
10 ) cf. Axenfeld: Bericht über den Heidelberger ophthal-
luolog. Congress 1897, p. 197.
”) Müller hat auch in seiner neuesten Arbeit (of. Archiv
für Augenheilkunde Bd. XL, p. 13 ff.) den Beweis nicht erbracht,
dass der von ihm beschriebene Bacillus der wirkliche Erreger des
Trachom ist.
r > cf. A x e n f e 1 d : 1. c. 581—580.
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bacill e n. Ich stelle mich mit dieser Ansicht auf einen Stand¬
punkt, welcher bereits von französischen Autoren, C a z a 1 i s
und Tr u c “), vertreten worden ist, welche ebenfalls als Erforder-
uiss für die Entstehung des Trachom ein „t e r r a i n pre¬
dig p o s e“ verlangen, mit welchem sie die Skrophulose
meinen. Auch der Einwand, dass bei Trachomepidemien alle In¬
dividuen ohne Ausnahme von der Krankheit befallen werden,
spricht nicht gegen meine Ansicht; ich habe immer gefunden,
dass man bei Beobachtungen von Trachomepidemien Vieles al-
Trachom bezeichnet, was in Wirklichkeit ein blosser Katarrh
ist, dass man dabei Alles sozusagen mit dem „Trachomauge, sub
spccie trachomatis“ ansieht. Dass das Trachom nicht absolut .
unbedingt contagiüs ist, dürfte wohl auch bekannt sein:
Axenfeld'*) zählt die Granulöse zu den bedingt enn-
tagiösen Erkrankungen. Aus Erfahrung wissen wir das Alle: Wie
häufig ist nicht wohl vorgekommen, dass wir beim klinischen
Unterrichte durch ein Versehen unsere Bindehäute mit dem Con-
junctivalsecrete von Trachomkranken inficirten und dennoch
haben wir kein Trachom bekommen. Ich selbst habt* zu
w i e d e r h o 11 e n Malen S e 1 b s t i n f e e t i o n cn a n m i r
v o r g e n o in m e n . i m m c r j e d och mit negat i v e m
Resultat. Wer nicht dazu d i s p o n i r t ist, l> e -
k o m m t k e i n T r a c h o m trotz lufection, u n d w e r
dazu d i s p o n i r t ist, bekommt es, wenn er sich
auch noch so sehr davor zu schützen sucht. Die
Letzteren gibt es in allen Ständen der Bevölkerung, sowie in
allen Himmelsgegenden, weil eben die Skrophulose sieh überall
findet — auch in Mensclienclasseu, welche man „kerngesund“ zu
bezeichnen pflegt, z. B. bei den Bauern. Ich glaube, dass diese
von hier vertretene Anschauung uns auch für die Therapie ge¬
wisse Winke gibt: Die mediea men tose Therapie,
ebenso wenig wie die operative, kann das Tra¬
chom nicht heilen, vor Allem aber es nicht aus¬
rotten. Auch die Isolirung kann es nicht ; man
darf Trachomkranke nicht in Baracken einsperren und sic auf
schmale Kost setzen. Sic brauchen im Gegentheil Licht, Luft
und roborirende Diät. Mit dem C u p r u m s t i f t werden
wir das Traclio m niemals heilen und mit der
Isolirung niemals aus der Welt schaffen —
dazu bedarf es, wie zur Heilung v o r s c h i c d e n e i
a n d crc r V o 1 k s k r a n k h eit en ein erB e s se ru n g der
socialen Verhältnisse.
Hydrorrhoea ovarialis intermittens.
(Hydrops ovarii profluens.)
Zur Lehre von den Tubo-Ovarialcysten.
Von Dr. Max Nassauer. Frauenarzt in München.
(Fortsetzung.)
Fassen wir nun das klinische Bild und den a n a
to mischen Befund zusammen:
Eine Frau ist, wenn auch nicht mehr nachweisbar, gonor¬
rhoisch inficirt. Sic lebt seit 5 Jahren von ihrem Manne ge¬
trennt und gebärt von einem anderen Manne ein Kind; hat zu-
gestandenermaassen mit verschiedenen Männern verkehrt. Da-
sind — in einer Grosstadt — moralische Stützen für die An¬
nahme einer Gonorrhoe, die nur noch abgelaufen nachweis¬
bar ist. Im Anschluss an die Geburt eines faultodten Kindc¬
erkrankt sic. Andere Krankheitsattaquen während der
Schwangerschaft schob sie auf diese als solche. Nun leidet sic
an Schmerzen im Unterleib, Kreuzschmerzen, Ausfluss. Dir
Schmerzen im Leib sind ansteigend, bis sie sich zu einer maxi¬
malen Höhe erheben. Sie sind dann so stark, dass Patientin sich
das Leben nehmen will. Wem fiele nicht das Bild einer Gallen
steinkolik, Nierensteinkolik ein ? Es stellt sich dann plötzlich ein
sehr reichlicher Ausfluss aus der Scheide ein und damit lassen
sofort die Schmerzen nach; der Ausfluss ist so stark, dass die er¬
fahrene Mutter (5 Geburten) ihn mit dem Blasensprung ver¬
gleicht. Nach einer solchen Attaque fühlt sich Patientin wieder
allmählich wohl, bis die im Gefolge der Erkrankung sich stet-
neu einstellenden peritonitischen Reizungen abgeklungen sind.
Das Resultat dieser peritonitischen Reizungen sehen wir in dm
allseitigen Adhaesionen. Patientin fühlt sich wohl, bis all¬
mählich die Beschwerden wieder zunehmen, um von Neuem nach
einer starken Flüssigkeitsentleerung wieder aufzuhören. Die-m
°) cf. I. e., p. 563.
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
267
Vorgang wiederholt sieh im Verlaufe eines Jahres 6—7 mal.
Patientin bemerkt dabei selbst, dass sich vor dieser Entleerung
und vor dem Aufhören der Schmerzen ein „Kloss“ in der linken
Seite des Unterleibes bewegt und nach rechts fällt. Dieser
„Kloss“ ist nach den Attaquen, wo allein eine Untersuchung
möglich ist, nicht nachweisbar, aber undeutlich 2 mal während
eine Anfalles zu fühlen. Die Flüssigkeit wird geschildert als die
Wäsche steifend, weiss, milchig und äusserst übelriechend. Die
Schmerzen sind so stark, dass sich die hochgradig ängstliche,
heruntergekommene, anaemisehe Person zur Laparotomie ent-
schliesst.
Es liegt auf der Hand, dass diese Entleerung von Flüssig¬
keit durch die Scheide ein Nachlassen der Schmerzen bewirkt,
gerade wie etwa der Abgang von Gallensteinen die Schmerzen
aufhören macht. Es ist ferner klar, dass diese Flüssigkeits-
ansarnmlung von den Genitalien kommt; dass sie irgendwo stag-
nirt haben musste, um plötzlich entleert zu werden. Im Uterus
konnte sie nicht stagniren, denn äusserer, wie innerer Mutter¬
mund waren bei vielmaliger Untersuchung durchgängig; ja der
äussere Muttermund für den Finger. Der Uterus war niemals
vergrössert. Aus der Tube konnte die Flüssigkeit auch nicht
kommen. Dagegen spricht der anatomische Befund von
vorneherein: ln dieser, wenn auch vergrösserten und verdickten
Tube konnte soviel Flüssigkeit niemals Platz haben. Die er¬
wähnten festen, strangulirenden Adhaesionsmembranen von
aussen um die Tube herum, hinderten dieselbe an jeder Aus¬
dehnung dem Umfang nach; die dicke Muscularis, wie sie der
makroskopische und mikroskopische Befund zeigt, stellen es
ausser Zweifel, dass eine Hydrosalpinx, die ja stets dünne
Wände auf weist, nicht Ursache der Hydrorrhoe sein konnte.
Sicherlich hat die überaus gewucherte katarrhalische Tuben¬
schleimhaut besonders stark secernirt, aber wohl kaum stärker,
als gerade ausreichend, um den Canal offen zu halten, ihn in
etwas vergrössertem Maassstabe durchgängig zu halten. Schildern
doch alle Beobachter einer Sactosalpinx serosa die
Tubenwand als dünn ausgedehnt und nach der Entleerung ein¬
fach zusammcngefaltet, nicht aber, wie bei uns, die Wände als
solche auf das Vielfache verdickt und keinerlei Falten auf-
weisend. Anderseits haben die ungemein stark ausgeprägten
Knickungen der Tube die Passage erschwert.
Gehen wir weiter, so finden wir im Ovarium die bei der
Operation noch mandarinengrosse Ovarialcyste. Aus ihr entleert
sich bei der Operation nach Einreissen der kleinen adhaesions-
freien Cystenwand seröse Flüssigkeit, die sofort aufgetupft,
leider zur mikroskopischen Untersuchung nicht mehr verwendet
werden konnte. Es waren am Operationstage gerade 10 Tage seit
der letzten Hydrorrhoe verflossen. Der bis dahin entsprechenden
klinischen Beobachtung nach konnte die Cyste auch noch nicht
wieder völlig gefüllt sein. Aber sie enthielt doch schon reichliche
Flüssigkeit. Nehmen wir nun an, die Cyste hätte sich in den nächsten
Tagen oderWochen allmählich wieder gefüllt. Wir sehen sie überall
von straffen Wänden eingeschlossen bis auf die Kuppe. Die Cyste
wird unter immer höheren Druck von innen kommen, die Wan¬
dung wird sich ad maximum ausdehnen, bis die Adhaesionen
energisch Halt gebieten. Nun sind die riesigen Spannungs¬
schmerzen da. An der Kuppe wird der Widerstand geringer sein.
Aber mehr noch nach einer anderen Richtung hin: Zur offenen
Tube! Das Tubenlumen ragt direct und unzweifelhaft in die
Cyste hinein. Die Tube ist nach dem Uterus hin auch offen.
Aber die Passage nach dem Uterus hin ist durch 3—4 sehr starke
Knickungen der Tube erschwert. Die Cyste ist straff gefüllt.
Die Tube secernirt noch gleichfalls... nun endlich entsteht ein
Communieationsweg zwischen Tube und Cyste; nun ist eine
Tubo-Ovarialcyste in vollster Bedeutung des Wortes hergestellt.
Der Druck wird noch stärker, die Tube bemüht sich ad maximum
ihre physiologische peristaltische Bewegung uterinwärts aus¬
zuführen und nun wird der ungemeine Druck die angesammelte
Flüssigkeit durch den natürlichen Weg nach aussen pressen,
nach dem Uterus zu: Hydrorrhoea. Der starke Druck hört auf,
die Spannung, und klinisch die Schmerzen.
Eine wahrscheinlichere, lückenlosere Deutung dürfte es nicht
geben; möglich wäre noch ein Platzen der Cystenkuppe nach innen,
was in unserem Falle nie beobachtet werden konnte. Wir haben also
das klinische Bild der intermittirenden Entleerung einer Ovarial¬
cyste durch die Tube und den Uterus nach aussen. Wir haben
den anatomischen Beweis im vorliegenden Präparat, gewonnen
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an der Lebenden. Es ist der erste in der Literatur verzeichnete
Fall eines „Hydrops ovarii profluens“ anatomisch
nachgewiesen.
Die alte Bezeichnung „Hydrops ovarii profluens“
ist für unsere heutigen Kenntnisse nicht mehr richtig. Wir
denken uns heute unter „Hydrops ovarii“ etwas ganz
Anderes. Die klinische Erscheinung ist nicht der „Hydrops“,
der ja kaum nachweisbar ist, sondern die intermittirende
„Hydrorrlioc“. Sie nimmt in diesem Falle ihren Ursprung
aus dem Ovarium, also eine ovarielle Hydrorrhoe; man
könnte nur noch im Zweifel sein, ob man dieselbe nicht eine
„tubo-ovariale“ nennen sollte, da immerhin die Tube auch ein
wenig zum Secret beiträgt. Da diese Bezeichnung die Tube zu
sehr in den Vordergrund stellen würde, dürfte die klinische Be¬
nennung als „Hydrorrhoea ovarialis intermit-
t e n s“ keinem Widerspruch begegnen.
Der Vorgang der Hydrorrhoea ovarialis (Hy*
drops ovarii profluens) ist nicht oft beobachtet.
Sachse (i. J. 1839) im medicinischen Beobachter ist der Erste.
Alle 4 Wochen, kurz vor der Periode, eine Hydrorrhoe. Später
blieb die Geschwulst dauernd gross und wurde stets durch die
Vagina punctirt. Nach 20 jährigem Bestehen schrumpfte sie ein.
Bei Spencer Wells (1874) wird folgender Fall citirt:
B o i n e t beobachtete eine Frau mit sehr heftigen Schmerzen
im Ovarium; Erbrechen; mehrere Monate nach einer Geburt.
Das Ovarium faustgross; bei der geringsten Berührung sehr
schmerzhaft. Er befürchtete eine Ruptur; wollte einen ange¬
nommenen Abscess öffnen; da entleerte sich spontan durch die
Scheide mehr wie ein Liter einer Materie: „wässerig, schleimig,
die auf der Wäsche Spuren hinterliess ähnlich denen des Spermas“.
Alle Symptome verschwanden sofort. Aber seitdem entleerte sich
(seit 3 Jahren) beständig durch die Scheide ein Ausfluss, der sich
bald vermehrt, bald vermindert. Spencer Wells sah selbst
eine Dame mit einer grossen Cyste. Als er punctiren wollte, er¬
fuhr er, dass einige Stunden vorher plötzlich ein seröser Ausfluss
aus der Scheide eintrat, welcher noch anhielt, während der Um¬
fang des Leibes sichtlich abnahm. Die Flüssigkeit war dem Li¬
quor amnii sehr ähnlich und nach Einführung des Speculums
sah er deutlich dieselbe aus dem Muttermunde hervorquellen.
Die Cyste, „welche offenbar aus einer Vereinigung der Tube mit
einer Eierstockscyste bestanden hatte, bildete sich nicht wieder.“
Anderson erwähnt ebenfalls einen Fall, bei dem die Punction
gemacht werden sollte, die Kranke „liess Tage vorher eine grosse
Menge „Urin“, wie sie meinte, so dass all’ ihre Beschwerden ver¬
schwanden. Dies hielt eine Zeit lang an; es war diese Flüssigkeit
ein „eiweisshaltiges Serum mit Cholestearinplatten“. Bei der
Section war eine grosse Cyste vorhanden; ein starkes Bougie glitt
von ihr aus mit Leichtigkeit in die Tube und den Uterus und die
Scheide. An diesen Fall anschliessend, sagt Burnier (1880):
„Wir wissen aber gar nicht, ob und wie der Eierstock an der Wan¬
dung dieser Cyste betheiligt war. Es ist das um so mehr zu be¬
dauern, als hier vielleicht der einzige Fall vorliegt, wo eine
anatomisch beobachtete Tubo-Ovarialcyste zu den Er¬
scheinungen eines Hydrops ovarii profluens geführt
hat. Von allen anderen, die als Hydrops ovarii profl.
beschrieben werden, liegt kein einziger Sectionsbefund vor. Bla¬
sius hatte 1834 2 Fälle beschrieben; in einem ist Ausfluss da¬
gewesen, die Kranke aber genesen; es fehlt ein Sectionsbefund.
Im 2. Fall ist der Sectionsbefund da, es wird aber gesagt, dass die
klinischen Erscheinungen, die im ersten Falle da waren, fehlten.
Man muss desshalb immer an die Möglichkeit einer Hydro¬
salpinx, also eines Hydrops tubae profluens denken;
es ist noch nicht festgestellt, ob es im Leben vorkommt und der
Fall von H e n n i g (1876) genügt nicht, um die spontane
Entleerung durch die natürlichen Wege als beweisend anzu¬
nehmen. Es ist also die Frage noch nicht entschieden, ob die
Tubo-Ovarialcysten jemals eine solche Grösse erreichen, dass
ihr Druck im Stande sei, den normalen Tonus des uterinen Endes
der Tube zu überwinden. Möglich ist es, aber ich wollte hier nur
hervorheben, dass es noch nicht sicher constatirt ist.“ Nun, unser
Fall füllt diese Lücke aus und wenn Burnier, der die ganze
Frage am eingehendsten studirt hat, diese Lücke empfindet, wird
unsere Beobachtung ihre ausführliche Beschreibung rechtfertigen.
Im Uebrigen ist eine „solche Grösse der Cyste, um den normalen
Tonus des uterinen Endes zu überwinden“ gar nicht nöthig. Im
Gegentheil dürfte eine recht grosse Qyste eipe um so dünnere
UNIVERSITY OF CALIFÄ NIA
258
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
Wandung haben und eher eine innere Ruptur erleiden. Die f
durch Adhaesionsmembranen verstärkte Wandung wird viel
grösserem Druck widerstehen und grösseren Druck ausüben
können. Aber auf alle diese vorhergegangenen Entzündungs¬
erscheinungen nimmt Burnier keine Rücksicht, ein ungemein
wichtiges Moment, auf das ich bei der Besprechung der Aetio-
logie der Tubo-0 varialcysten zurückkommen werde.
West (1870) hatte eine Kranke, die seit 6 Jahren eine er¬
hebliche Anschwellung des Abdomens bemerkt hatte. Dieselbe
verschwindet dann plötzlich während eines profusen wässerigen
Ausflusses aus der Vagina. Dasselbe trat spater noch 8—10 mal
ein. Die Flüssigkeit war stets farblos und öfters waren es
mehrere Quart, die herausstürzten. Die Entleerung erfolgte
einigemale bei der Defaecation oder bei einer Anstrengung. Sie
hatte wiederholt Ohnmächten zur Folge. West überzeugte sich
selbst von dem Bestehen eines Tumors, der hoch über der
Vagina lag und beweglich war, sowie von seinem Verschwinden.
Er kehrte dann langsam in Wochen wieder. Der Uterus war be¬
weglich, die Vagina zeigte keinerlei Oeffnung. Er knüpft daran
die Bemerkung, dass sicherlich manchmal ähnliche Fälle als Bei¬
spiel von Durchbruch nach der Vagina angesehen und beschrieben
sein können. Diesen Fall citirt Olshausen 1886, der bis dahin
noch keinen solchen Fall beobachtet hatte. F rankenhäuser
und Hausmann beschrieben 1876 den ersten, wie sie sagen,
Fall, der klinisch und anatomisch in seiner Entwicklung genau
beobachtet wurde. Ihnen gelang es auch, durch einen auf die
Cyste ausgeübten Druck Flüssigkeit durch die Eileiter nach
aussen zu pressen und damit experimentell den Nachweis dieser
Möglichkeit zu bringen. Der Hydrops hatte sich alle 4 Wochen
regelmässig entleert; kurz vor der Periode.
Schramm und Ne eisen beschreiben 1890 einen Fall
sehr ausführlich. Es wurde eine linksseitige, mannsfaustgrosse
Geschwulst diagnosticirt, die nach 4 Wochen wieder verschwand;
während der vorausgegangenen Periode war sehr reichlich blutig¬
wässerige Flüssigkeit abgegangen und damit hatten die Schmer¬
zen nachgelassen. Noch mehrere Jahre lang fand ein periodischer
sehr übelriechender Ausfluss statt, bis bei einer Operation eine
Tubo-0varialcyste vorgefunden wurde, die nach allen Seiten
durch starke peritonitische Verwachsungen angeheftet war. Die
über darmdicke Tube ist darmähnlich gewunden und geht in die
vom Ovarium gebildete Cyste über. Die Entfernung der Ge¬
schwulst war sehr schwierig: Erst nachdem sie an ihrem untersten
Umfang gelöst und der Bauchwand genähert werden konnte,
platzte sie und konnte nun entfernt werden. Aus zwei gerissenen
Stellen der Geschwulst kamen etwa 200 g wässerige, mit Eiter¬
flocken durchsetzte, blutig gefärbte Flüssigkeit in die Bauch¬
höhle. Wahrscheinlich war eine Gonorrhoe vorhergegangen.
Das ist Alles, was ich von Casuistik der klinischen Erschei¬
nungen der Hydrorrhoea ovarialis beschrieben finden konnte.
Die periodische Entleerung des Tubeninhalts nach aussen
wurde bisweilen beobachtet. Immerhin wird sie noch für selten
gehalten. Scanzoni glaubte 1867, „dass das im Ganzen
seltene Ereigniss der Communication des erweiterten Tuben-
eanales mit einer Ovarialcyste zum Hydrops tubae pro-
f 1 u e n s führe. Flat sieh hier eine gewisse Menge von Flüssig¬
keit angesammelt, so dehnt sie allmählich auch die dem Uterus
zugekehrte Hälfte der Tube aus und bedingt schliesslich die
Möglichkeit des Ausflusses in die Uterushöhle und Vagina. Dieser
erfolgt dann gewöhnlich plötzlich, so dass eine grosse Menge von
Flüssigkeit aus den Gesehlechtstheilen hervorströmt und oft
ein sehr auffallendes Zusammen sinken der Cyste zur Folge hat.
Letztere füllt sich aber in der Regel wieder ziemlich rasch, dehnt
allmählich die Tube wieder aus und so kann sich dieser Vorgang
in verhältnissmässig kurzer Zeit oft wiederholen.“ Merkwürdiger
Weise erwähnt Scanzoni nichts von Schmerzen; wie er denn
auch Tubenhydrops und Ovarialcyste ein wenig
durcheinander wirft.
A. Ma r t i n hat unter 500 Fällen von Salpingitis nur
4mal tubare Hydrorrhoe gesehen; diese 4 Fälle seien
ohne Operation geheilt: „Die Ansammlung des Secretes vor dem
Abfluss erfolgte unter spannenden Schmerzen in der betreffenden
Seite des Leibes. Die Entleerung erfolgt ohne nachweisbare
Ursache und führt, nachdem der Schreck über den plötzlichen
Abfluss der grossen Menge übelriechenden Flüssigkeit (den er
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übrigens in keinem Falle zur Untersuchung bekommen konnte)
überwunden war, zu einer relativen Euphorie.“ Es ist schade,
dass diese 4 Fälle nicht zur Operation kamen; dadurch ist es
zweifelhaft, ob es nicht auch Tubo-0 varialcysten waren.
Bis in jüngster Zeit referirto Martin über 1700 Falle von
Tubenerkrankungen mit nur 8 hierhergehörigen!
Von einer Entleerung nach innen, nach der Bauchhöhle zu,
berichtet Sommer 1890: Patientin gleich nach der Hochzeit
schwere Untcrleibsentzündung (Gonorrhoe?). Links seit einiger
Zeit furchtbare Schmerzen. Neben dem Uterus eine apfelgrosse
Geschwulst, die von Zeit zu Zeit unter ganz besonders starken
Schmerzen rupturirte und nach ihrer Entleerung in die
Bauchhöhle tagelang nicht zu finden war. Später Operation:
„Eine mit der Tube, sowie mit dem adhaerenten Ovarium com-
municirende Cyste im Lig. latum von zahlreichen peritonitischen
Strängen überbrückt. Auf der rechten Seite eine ähnliche Cyste
in Bildung begriffen.“ Dass das Tubensecret aus der Tube in
den Uterus sehr leicht gelangen kann, zeigte Ziegen speck,
der 33 Beobachtungen auf zählt, bei denen der Tubeninhalt durch
Massage in den Uterus gestrichen wurde.
Unser Fall nun zeigt die Tube und das Ovarium sammt
seiner Cyste zu einer einzigen Geschwulstmasse verbacken. Da
ein Theii der Wand der Cyste von der (offenen) Tube gebildet ist
und eine ständige Communication zwischen Tube und Ovarial¬
cyste besteht, ist deranatomische Befund unzweifelhaft der
einer Tubo-Ovarialcyste. Und als solcher ist er sehr ge¬
eignet, ein Licht zu werfen aut das vielumstrittene, interessante
Gebiet des Zustandekommens der erworbenen Tubo-Ovarial-
cysten. Nur von diesen sei hier im Folgenden die Rede.
Bei den Tubo-0 varialcysten (Richard hat 1853
diesen Namen gegeben) findet man stets eine der Tube und dem
Ovarium gemeinsame Höhle; sehr oft findet man die Fimbrien
der Tube mit ihrer äusseren serösen Fläche innig verwachsen mit
der Innenwand der Ovarialcyste; die Ampulle, oder das äussere
Drittel der Tube ebenfalls erweitert und die gemeinsame Höhle
bildend, indem gewöhnlich von Aussen ein merklicher Ring diese
Vereinigungsstelle anzeigt. Dieser merkwürdige Befund hat
vielfache Controverson gezeitigt in Bezug auf die Aetiologie dieser
Gebihle. Als vorläufige Resultate ergaben sich die Schlagworte:
Ovulationstheorie (Richard).
Katarrhtheorie (Veit, Burnie r).
Combination beider (R o s t h o r n).
Richard nimmt an, dass die gelegentliche Ursache eine
regelmässige Umklammerung des Ovarium von Seiten der Tube
sei, zur Zeit des Bestehens eines Follikels. Dieser Follikel sei
derartig erkrankt (?), dass er nach erfolgter Berstung nicht zu¬
sammenfällt, sondern weiter secernirt. Die Tube ihrerseits zieht
sich nicht zurück (warum? Verf.), sondern fängt auch an zu
secemiren. Sie verlöthet mit dem Ovarium oder es verwachsen
die Ränder der Fimbrien mit den zerrissenen Rändern des Fol¬
likels zusammen. Er nimmt auch an, dass die Fimbrien mit¬
einander verwachsen können, ohne dass sie sich umstülpen und
ohne die Tube zu sehliessen. Er bringt im Ganzen 6 Fälle. Er
hielt die Tube bei der Operation für eine gewundene Dami¬
schlinge. Die Tube und Cyste communicirten breit, und ein auf
die Cyste ausgeübter Druck führte den Inhalt bis zum Uterus
fort. Am abdominalen Ende war ein „gewisser Ring, eine
Klappe“. Sein eigener Fall scheint übrigens unserem zu ähneln,
wenn ich recht verstehe: on voit la poche tubaire s’ouvrir par un
orifice retreci et reguliermeiit circulaire dans l’interieur d‘un
kyste ovarien creuse au centre meine de cette glande.
Diese Theorie hat gewiss viel für sich. Rokitansky
schloss sich ihm auch an, nur dass er die Ovarialcyste aus einer
cystischcn Degeneration des Corpus luteum hervorgehen lässt.
Aber warum zieht sich die Tube nicht zurück? Warum
fängt diese nachher an zu sccerniren? Nein, meiner Ansicht
nach, und ich werde sie später begründen, secernirt die Tube
zuerst und zwar Eiter! Zuerst kommt es zu Verwachsungen,
zu umschriebenen Entzündungen. Dadurch wird die Tube er¬
weitert und dann festgehalten. Der ausfliessende Eiter entzündet
auch das Ovarium und packt es in die Adhaesionen ein. Platzt
nun ein Follikel mit schon in Mitleidenschaft gezogener Wan¬
dung, dann flieSst wohl auch Eiter in die Höhle und das eiterige
Secret lässt mm, wie jede andere Wunde auch, den Follikel nicht
zusammenfallen.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
259
Dies als Vorbedingung, ist R i c h a r d’s Theorie im Grund¬
prinzip richtig. Aber damals (1853, 1856) hatte man noch keine
richtige Vorstellung über das Wesen der „Entzündung“, und
xlarum wurde das Primäre und Secundäre naturgemiiss nicht aus¬
einander gehalten. So konnte auch Spencer Wells sich dahin
iiussern: Die Fimbrien der Tube haben während einer 'Menstrua¬
tion einen Theil des Eierstoeksgewebes umfasst, als die Rerstung
eines reifen Follikels bevorstand. Anstatt sich zuriiekzuziehen,
blieben die Fimbrien am Kierstoek hängen, reichliche Secreiion
von Flüssigkeit folgte, cs bildete sieh eine Cyste. „Es ist merk¬
würdig“, meint er, „dass in solchen Fällen der ovariale Theil der
Cyste sehr schnell ausgedehnt wird, obwohl man erwarten könnte,
dass die Wand der Tube dem Drucke der Flüssigkeit leichter
nachgebe“. Auch er hat die vorausgegangenen Entzündungs-
Vorgänge ausser Acht gelassen. Die Bedenken dieser Autoren
führen von selbst zur Katarrhtheorie, wie sie V e i t 1867
aufstellte: Ein „Katarrh“ der Tube und der Graafsehen Follikel
bilden den Ausgangspunkt. Der „Katarrh“ gibt zur gleich¬
zeitigen Verlöthung beider Organe Veranlassung und hinterher
treten erst die entstandenen Säcke in Communication. Auch
K 1 o b wollte diese Theorie später gelten lassen. Wenn diese An¬
sicht schon einen Fortschritt bedeutet, so sagt der „Katarrh“
doch zu wenig. Uebcr „Katarrhtheorien“ sind wir im Allge¬
meinen in der Mediein hinausgekommen. Wenn wir eine i n -
fectiöse Entzündung in ihrer Folge einen „eitrigen
Katarrh“ nennen dürfen, und wenn schliesslich der Gonoeoccus
als hauptsächlichster Träger der Infeetion in dieser Körperregion
bekannt ist — so wird nach der Katarrhtheorie eine Gonorrhoe
als allererster Anstoss zur Tubo-Ovarialcystenbildung anzu¬
sprechen sein dürfen.
Halten wir nun daran fest, dass eine bacterielle (gonor¬
rhoische) Infeetion das allererste ist, und die nothwendige Voraus¬
setzung ist. Wie nun kommt es zur Cystenbildung t
Burnier hat 1880 zuerst wahrgenommen, dass die Tuben¬
schleimhaut sich in strahlenförmigen Ausläufern in die kugelige
Endcyste an deren Innenwand fortsetzt. Er hat im Ganzen 12
anatomische Beschreibungen sammeln können; 8 klinische Be¬
obachtungen. Er gibt die Theorie seines Chefs Schröder,
..welche dieser die Güte hatte anzugeben und die in der That eine
ganz genügende Erklärung des eigenthümlichen anatomischen
Befundes gibt“. Wir werden sehen, dass diese nicht richtig ist,
und er sich selbst später verbessert. Er meint, in Folge einer
Entzündung des Bauchfells in der Nähe des abdominellen Tuben-
ostiums kommt ein Verschluss desselben zu Stande. Die Fimbrien
werden nach innen umgestülpt und verwachsen dann aussen auf
ihrer peritonealen Fläche. Darnach entsteht ein Ilydrosalpinx.
Diese Cyste nimmt stetig zu. Wenn nun ein reifender Follikel
erscheint, wird sein Platzen unmöglich gemacht durch die darauf¬
liegende Tube, ln Folge dessen wird der Follikel hydropisch,
«kirnt das umgebende Ovarialgewebe aus, beide Cystengeschwülste
kommen in immer grösserer Ausdehnung in Berührung und ver¬
büken miteinander. Sie dehnen sich immer mehr aus, die Fim¬
brien werden mechanisch wieder auseinander gedehnt und die
Verwachsungen so wieder getrennt. Nun stülpen sich die Fim¬
brien aus und schwimmen in der Flüssigkeit. Diese Erklärung
kennte sich lange behaupten, so gezwungen und unwahrschein¬
lich sie ist. Wie sollen starke seröse Verwachsungen der Fim-
brienenden durch den Zug des wachsenden Follikels sich wieder
b»sen? Hat man das je erlebt? Die angegebene vorausgegangene
Entzündung des Bauchfells in der Nähe des abdominalen Tuben-
cinies ist sicher richtig; nur ist es absolut unnüthig, dass ein Ver¬
schluss der Tube zu Stande kommen muss. Er kommt wohl
sehr oft vor; dann aber wird niemals eine Tubo-Ovarialeyste
daraus entstehen. Zahn erwidert, und mit Recht, darauf, dass
noch niemals ein Tubenhydrops beobachtet worden sei, bei dem
die Fimbrien in’s Tubenlumen hineingestülpt gewesen seien.
Auch Burnier selbst hat dieses sein Uebergangsstadium nie
gesehen.
B u r n i e Fs Patientin litt auch an einer „Perimetritis“.
\\« iin er behauptet, dass durch den eitrigen Katarrh der Tube
die Fimbrien nach innen umgestülpt werden und sich mit ihrer
peritonealen Fläche verkleben und verwachsen, so ist das sicher¬
lich nicht richtig! Im Gegentheil: Ueberall im ganzen Körper
wird der Eiter stets eine Oeffnung erhalten, selbst dort, wo wir
keine wünschen; er wird im Gegentheil jede Verklebung eines
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Canals verhindern. Nach der Verklebung soll erst ein Hydrops
entstehen, der so stark im Drucke ist, dass er die Verwachsungen
wieder löst! Wird da nicht vielmehr der starke Druck das Secret
nach dem Uterus auspressen? Schliesslich weiss Burnier von
allen bis dahin beschriebenen Fällen nur auf drei seine Theorie
anzuwenden (je einen von Rokitansky, Hildebrand,
H e n n i g , die ich hier nicht ausführen will, die aber sämmtlicli
eine andere Deutung zulassen), ich möchte sagen ihnen aufzu-
diHilgen und gibt als Ursache die „Unvollkommenheit der meisten
Beschreibungen“ an. R u n g c und T h o m a haben 1885 an der
Hand eines Falles sehr eingehend bis dahin den Stand der Frage
zusammengestellt, ohne sich selbst für irgend eine Theorie be¬
stimmt auszulassen. Der Fall, der klinisch zu wenig ausgeführt
ist, zeigte 1 keine Adhaesionen! Dagegen „liess sich der Nachweis
einer Perimetritis sowohl anamnestisch als auch anatomisch
sicherstollen. Da indessen, dieselbe begrenzt verlief, so führte sie
nur zu einer Verwachsung von Tube und Ovarium. Das Lumen
der dünnwandigen Cyste geht durch eine halsförmige Verenge¬
rung über in das Lumen der mässig erweiterten Tube. Die
Tubenschleiinhaut geht faltenförmig über in die innere Cysten¬
wand. Die Tube ist in ihrer ganzen Länge durchgängig, wenn
auch in der Nähe des uterinen Endes ihre Lichtung sehr eng er¬
scheint. An der äusseren Fläche des tubaren Abschnittes der
Cyste bemerkt man einige eircumscripte bindegewebige Ver¬
dickungen des Peritonealüberzuges. Die Annäherung von
Ovarium und Tube mag durch Narbenzug entstanden sein.“
Tis« h e li d o r f fand bis 1820 24 Fälle von diesen Tumoren be¬
schrieben und spricht sich für die V e i t’sche Theorie aus. Im
Februar 1801 zeigte G o t t sclialk in der Gynäkologischen Ge¬
sellschaft zu Berlin eine linksseitige Tubo-Ovurialcyste und am
13. März desselben Jahres ein ähnliches Präparat. Er vergleicht
dasselbe mit einer Tulpe, in deren Kelch die Tube als Stengel,
die Fimbrien als Staubfäden ragen. Das uterine Ende der
Tube war nicht erweitert. Er nimmt primär einen G r a a f’schen
Follikel an, dem schliesslich das ganze Ovarium zu Opfer fiel.
Unter dem steigenden Druck des Cysteninhalts erfolgte an einer
verdünnten Stelle die Ruptur der Cystenwand. Und in die
Risswunde schlüpfte das Fimbrienende der
aussen a d h a e reuten Tube hinein. Die Ränder der
Risswunde legen sich von aussen an die Tubenwand und ver¬
wachsen mit derselben entzündlich. So konnte sich dann die
Flüssigkeit in der Cyste wieder ansammeln und auch in das
Tubenlumen treten, die Tube wurde dadurch seeundär erweitert.
Aus der Tube entleert sich bei der Menstruation Blut in die
Cystenfiüssigkoit.“ Dass wirklich die Eierstockerkrankung das
Primäre sei, dürfte zweifelhaft sein; wieso ist dann die Tube
adhaerent? Voraussichtlich war die Tube auch vorher erkrankt;
zum erstenmal wird von Gottschalk die Ansicht ausge¬
sprochen, dass die Tube in die Ovarialcystc
hineingeschlüpft sei. Nach Gottschalk fasste
Rosthorn 1892 seine Anschauungen also zusammen: Als Vor¬
bedingung für die Entstehung der Tubo-Ovarialcysten ist die
entzündliche Veränderung der Gebärmutteranhänge und deren
Bauchfellüberziige festzuhalten. Die Versuche einzelner Forscher,
dieselben auf congenitale Ovarialtuben zurückzuführen, muss
zurückgewiesen worden. Letzteres dürfte unrichtig sein. Es gibt
eine solche Art von Cysten, die ich aber von vornherein bei dieser
Betrachtung ausschliessen will, die beschrieben sind. „Echte
Ovarialoystome und sogen. Follikelcysten können mit einer schon
vorher angelötheten erkrankten Tube durch Eiterung oder Druck¬
atrophie der gedehnten Zwischenwände in Communication treten.
In jenen Fällen, in welchen die Fimbrien oder deren Reste in
die Innenfläche der Cystenwand zu liegen kommen, muss ange¬
nommen werden, dass die vorher schon abnorm gelagerte Tube
mit ihrem Pavillon während des Ovulutionsprocesses in den ge¬
platzten Follikel hineinfällt oder hineinschlüpft, in dieser Stel¬
lung mit der Cystemvand verwächst und so zur Bildung eines ge¬
meinsamen Raumes führt.“ Zahn (1898) hinwiederum glaubte
zum Schlüsse zu gelangen, dass es eigentlich keine Tubo-Ovarial¬
cysten gebe; es seien dies reine Tubencysten, bei denen das
Ovarium einfach in die Cystenwand eingeschlossen ist, wie ein
in einen Ring eingesetzter und nach innen vorspringender Stein.
(Schluss folgt)
4*
Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
260
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
Entgegnung auf den Artikel des Herrn Professor Dr.
Hofmeier: Zur Behandlung der Nachgeburtszeit
In No. 48 des letzten Jahrganges der Müueh. med. Woehenschr.
bringt Herr Hof meier unter obiger Uebersehrift einen Artikel,
der damit schliesst, dass der Herr Verfasser, welcher einheitliche
Principien in der Desinfection für das ganze deutsche Reich für
durchaus nöthig erachtet, empfiehlt, die Desinfection der äusseren
Genitalien und der Scheide vor geburtshilflichen Operationen
obligatorisch zu machen und ihre Nichtausführung als einen nach
dem Strafgesetzbuche zu ahndenden Kunstfehler zu bezeichnen.
Die Unterzeichneten wurden von der Versammlung in der
Sitzung der Hamburgischen Geburtshilflichen Gesellschaft vom
6. Februar 1900 beauftragt, zu erklären, dass, ganz abgesehen
von der wissenschaftlichen Frage, die schon in dieser Woehenschr.
beleuchtet wurde, es inopportun erscheine, wissenschaftliche Me¬
thoden unter den Schutz und Zwang des geschriebenen Rechtes
zu stellen. Es wurde hervorgehoben, dass das Bestreben, mög¬
lichst einheitliche Verfahren zu schaffen, nur zu billigen und zu
fördern sei. Es sei aber eine ethische Forderung des Standes,
dass dieses nur durch autoritative Belehrung geschehe. Die Au-
rufung des Strafrichters, zumal bei noch flüssigen Anschauungen,
erscheine als eine Gefährdung des ärztlichen Praktikers, eine Ge¬
fahr, die bei dem Ansehen des Herrn Verfassers eine besonders
urgente sei.
I. A.:
Der Vorsitzende: Der Schriftführer:
Dr. Staude. Dr. Rösing.
Referate und Bücheranzeigen.
Prof. Dr. A. Gramer - Göttingen: Gerichtliche Psych¬
iatrie. Ein Leitfaden für Mediciner und Juristen. Zweite, mit
besonderer Berücksichtigung des bürgerlichen Gesetzbuches für
das Deutsche Reich vermehrte und verbesserte Auflage. Jena,
Fischer 1900. 301 Seiten. Preis 6 M.
Das in No. 37, 1897 der Münch, med. Woehenschr. in erster
Auflage angezeigte Werk hat eine bedeutende Erweiterung er¬
fahren. Namentlich ist in ganz vorzüglicher Weise die Tragweite
der einschlägigen Bestimmungen des deutschen bürgerlichen Ge¬
setzbuches discutirt. Bei seinem klaren, knappen Stil, der Prä¬
gnanz der überall eingestreuten Beispiele und bei seiner Voll¬
ständigkeit gibt das Buch eine in Form und Inhalt gleich vor¬
treffliche Anleitung für den Arzt wie auch für den Juristen, der
sich in dieser Materie orientiren will.
Bleuler - Burghölzli.
A n d r e a e : Die Verletzungen des Sehorganes mit Kalk
und ähnlichen Substanzen. Leipzig 1899. W. Engelmann.
Preis 5 M.
Manchem dürfte eine Abhandlung über Kalkverbrennung
des Auges, welche 178 Seiten einnimmt, etwas zu gross angelegt
erscheinen; bei Durehlesen des schön und klar geschriebenen
Buches wird man aber finden, dass kein Wort zu viel gesagt ist.
Nachdem Verf. in der Einleitung, in welcher er die mannig¬
fachen Arten der Augenverletzungen durch thermische und
chemische Einwirkung kurz skizzirt, die so vielfach zusammen¬
geworfenen Begriffe: „Verbrennung und Verätzung“ trennt und
darauf die verschiedenen einfachen und zusammengesetzten
Calcium Verbindungen und Gemenge, ihre Löslichkeit und che¬
mische (ätzende) Wirkung beschrieben hat, weist er nach, dass
die Calciumpräparate, als deren Prototyp das Kalkhydrat anzu¬
sehen ist, auf die Bindehaut im Wesentlichen durch die Gewebs¬
zerstörung auf chemischem Wege, auf die Hornhaut durch diese
und besonders durch die Beeinträchtigung der Transparenz ihre
schädigende Wirkung ausüben. Die Beeinträchtigung der Durch¬
sichtigkeit der Hornhaut ist in erster Linie durch Bildung von
Calciumalbuminat, dann durch die Narbenbildung bedingt.
Die Annahme einer thermischen Wirkung des ungelöschten
Kalkes bei Wasserzutritt weist Verf. als falsch nach und nimmt
hiebei schon Anlass, auf Ausspülen der Hornhaut und des Binde¬
hautsackes mit frischem Wasser in mässigem Strahle als bestes
und möglichst frühzeitig, daher schon von den zunächst anwesen¬
den Laien anzuwendendes Mittel hinzuweisen. Dieses Thema wird
nun weiter in anregender Weise fortgeführt, indem die Nutz¬
losigkeit bezw. Schädlichkeit aller anderen Mittel, insbesondere
der chemisch wirkenden, nachgewiesen und nur die schonende
mechanische Entfernung von Kalkstückchen in zweiter Linie
als anwendbar empfohlen wird.
Nachdem so einem lange bestehenden Vorurtheile mit Ent¬
schiedenheit entgegengetreten ist, wird ausser der Therapie der
Folgezustände auch die Prognose besprochen, bei der grosse Vor¬
sicht empfohlen wird, und werden treffende Bemerkungen über
Unfallversicherung und Prophylaxe angeschlossen.
Eine Zusammenstellung der wichtigeren Ergebnisse der vor¬
stehenden Capitel und ein vollständiges Literaturverzeichn iss
bilden den Schluss der ganz vorzüglichen Schrift. S e g g e 1.
Winternitz: Leitfaden für die Schwangerenunter-
suchung. Leipzig, A. G e o r g i, 1900. Preis M. 3.—.
Der Leitfaden ist für Anfänger geschrieben. W. verfolgt
den Zweck, das Erlernen der Untersuchung Schwangerer und
Kreissender zu erleichtern. Durch Beigabe zahlreicher Abbil¬
dungen sucht er dieses zu erreichen, die unmittelbar nach der
Natur gezeichnet oder nach photographischen Aufnahmen wieder-
gegeben sind.
Ich bin der Ansicht, dass man dem Lernenden das schwere
Gebiet der geburtshilflichen Untersuchungskunst dadurch am
besten erleichtert, dass man ihn zwingt, sich an der Lebenden zu
üben.
Die Geburt und die Schwangerschaft, ein natürlicher Vor¬
gang, lässt sich nur an der Lebenden erlernen. Dem Lernenden
aber wird durch Atlanten nur Gelegenheit gegeben, sich auf be¬
queme Weise ein gewisses Wissen anzueignen, auf Grund
dessen er die Untersuchung an der Lebenden vernachlässigt, eine
Erfahrung, die man an jeder Klinik machen kann.
Daher halte ich den Zweck, den derartige Atlanten auf
diesem Gebiete verfolgen, von vorneherein für verfehlt.
Der den Atlanten bei gegebene Text kann aus äusseren
Gründen nur knapp sein und genügt für den Lernenden nicht.
Es wäre an der Zeit, dass Lehrer der Geburtshilfe mehr auf
ernstes Studium eingehender guter Lehrbücher und fleissigere
Hebungen an der Lebenden öffentlich hinwiesen, als durch Ver¬
mehrung der Zahl der „Compendien“ den Zwang zu ernster Arbeit
zu untergraben.
Der Leitfaden von W. stellt zwischen einem Lehrbuch und
einem Atlas.
Die Anforderungen, die man an Abbildungen eines Atlas
stellen kann, sind erfüllt, besonders dieArten der Beckenmessung
sind durch Bilder gut klargelegt. Viele Abbildungen (Mammae,
Vulvae) sind überflüssig. Der Inhalt lässt Vieles zu wünschen
übrig, wie in allen „Compendien“.
Es finden sich Unrichtigkeiten, Nothwendiges fehlt. Anderes
wird zu ausgedehnt beschrieben. Sollte das Büchlein noch eine
Auflage erleben, so wäre auf Folgendes zu achten, Alles lässt sich
hier nicht anführen.
Es ist unrichtig, die Durchschnittszahl der Herztöne der
Frucht auf 140—160 anzugeben. Das Uteringeräusch ist kein
sicheres Schwangerschaftszeichen, dagegen das Hören kindlicher
Bewegungen, eine Angabe, die fehlt. In der Besprechung der
Anamnese ist nicht berücksichtigt: Gonorrhoe, Syphilis, Tuber-
culose, Tod und Leben der früheren Kinder, Zeitraum zwischen
letzter Entbindung und vorliegender Schwangerschaft, Aborte.
In der Besprechung der Anfertigung des Status fehlt das
Chloasma uterinum. Die Brüste erfahren eine eingehende Be¬
sprechung und bildliche Vorführung, doch fehlt der Hinweis auf
das Verhältniss von Fettgewebe und Drüsenkörper.
Die Form Veränderungen des Bauches bei verschiedenen
Kindeslagen und abweichenden Formen der Gebärmutter fehlen
gänzlich.
Das Ligamentum rotundum in seiner Bedeutung für die
Diagnose ist in keinem Abschnitt erwähnt.
Die Besprechung der Auscultation geht über das Hören der
Kindsbewegungen zu flüchtig hinweg. Viele Begriffe (Becken¬
weite, Beckenenge u. s. w.) werden nicht erklärt.
Als Anhang gibt W. ein „Schern a“ zur Untersuchung
Schwangerer, Kreissender und Wöchnerinnen.
Da das Neugeborene auch berücksichtigt wurde, durfte der
Fruchtkuchen nicht fehlen. A i c h e 1 - Erlangen.
Neueste Jouraalliteratur.
Archiv für klinische Chirurgie. 60. Band, 4. Heft. Berlin,
Hirschwald, 1900.
28) Coste : Zur Therapie der Patellarfracturen. (Berg-
man n’selie Klinik Berlin.)
Seit dem Jahre 1893 wird in der B e r g m a n n’sehen Klinik
sowohl bei frischen, als bei alten Fracturen der Patella grund-
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20 . Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
201
sätzlich von der Naht der Bruchenden Gebrauch gemacht. Auf
25 Fälle von Verletzung des Streckapparatos in der genannten
Zelt kamen 21 Fracturen, die durch die einfache Knochennaht
behandelt wurden. Das Verfahren ist im Wesentlichen folgendes:
Längsschnitt etwa 12 cm lang. Eröffnung des Gelenks uiul Aus¬
tupfen der Blutgerinnsel. Gegeuincisioueu an der Innen- und
Aussenseite, in welche später .Todoformgazestreifen eingelegt
werden. Naht der Bruchenden mit Alurain i um bronzedraht.
Gipsverband, der das Becken einschliesst. Am 7. Tage Entfernung
der Nähte und der Gazestreifen von einem Fenster aus. Der erste
Verband wird nach 21 bis 28 Tagen entfernt, von da ab nur noch
hintere Schiene bis zum 35. Tage, und jetzt Bewegungen und
Knieschutzkappe. Von den 21 Patienten trat bei zweien trotz
aller Vorsichtsmaassregeln nach der Entlassung ein abermaliger
Riss der Bruchenden ein, bei einem konnte zum zweiten Mal mit
Erfolg die Naht ausgefiihrt werden. Ein Patient ging am 40. Tage
an einer Lungenembolie zu Grunde. Von den übrigen 18 Kranken
sind 14 soweit hergestellt, dass sie ihren Beruf wieder aufnehmen
konnten, bei 4 blieb eine grosse Schwäche und Unsicherheit zurück.
Schwerere Störungen des Wund Verlaufes kamen nicht vor.
In 2 von den 25 Fällen musste die Tuberositas tibiae abge-
mefsselt werden, um eine Vereinigung der weit klaffenden Bruch¬
enden zu ermöglichen. In einem Falle war die Rectussehne ober¬
halb ihres Ansatzes an die Patella, in 2 Fällen die Tuberositas
tibiae abgerissen.
29) Ehrhardt: lieber einige seltenere Schleimbeutel¬
erkrankungen. (Chirurg. Klinik Königsberg.)
1. Haematom der Bursa subserrata. Das eigentümliche des
Falles bestand darin, dass die Pat. durch eine Armbewegung die
Geschwulst von der Vorderseite der Scapula auf deren Rückseite
lnxiren konnte. Die Bursa ist von T e r i 11 o n entdeckt und bis¬
her nicht wieder beschrieben worden.
2. 3 Fälle von Hygrom der Bursa subdeltoidea. In 2 Fällen
wurde Tubereulose sicher nachgewiesen, in dem 3. Falle war sie
wahrscheinlich, ln einem Fall enthielt die Geschwulst einen
eiterigen Inhalt — Miscliinfection. Klinisch stellt sich die Er¬
krankung immer als eine unter dem M. deltoideus gelegene, fhic-
tuirende Geschwulst dar. welche nirgends über das Bereich des
genannten Muskels hinausragte.
3. Tuberculöse Erkrankung der Bursa mueosa sacralis.
4. Tubcrculöses Hygrom der Bursa M. semimembranosi.
5. Secundäre Erkrankung der communicirenden Gelenkschleim¬
beutel bei Kniegelenkstubereulose.
Instructive Abbildungen erläutern die Lage der Schleimbeutel.
30) Kukula: Ueber ausgedehnte Darmresectionen. (MaydT-
sche Klinik Prag.)
K. veröffentlicht 5 Fälle von ausgedehnter Darmresection,
unter welchen 2 mehr als 2 m Dünndarm betrafen. Besonders
bemerkenswerth Ist der 5. Fall, in welchem behufs Exstirpation
eines retroperitonealen tuberculösen Lymphoms 237 cm Dünndarm
entfernt werden mussten, und wo bei der später gemachten Sec-
tion sich der zurückbleibende Dünndarm als 110 cm lang heraus¬
stellte; es waren also mehr als zwei Drittel des Dünndarms exstir-
plrt, mit dem Rest hatte Patientin sich 2 7-, Jahre hindurch völlig
wohl befunden. Als eine unbedingte Nothwendigkeit für das Ge¬
lingen und den Dauererfolg bei über 2 in betragenden Kürzungen
des Dünndarms sieht IC. die primäre Darmvereinigung an. Was
die Dickdannresectionen betrifft, so sind dieselben, falls der allge¬
meine Zustand günstig ist und keine grossen technischen Schwierig¬
keiten vorliegen, in jeder Länge zulässig.
Die einschlägige Literatur findet sich in sehr übersichtlicher
Weise berücksichtigt.
31) Lewerenz : Heber die chirurgische Behandlung sub-
cutaner Milzrupturen.
Eine 4 Stunden nach der Milzruptur (durch Ueberfahren) unter¬
nommene Milzexstirpation hatte ein günstiges Resultat. Die Blut¬
veränderungen kehrten 2 Monate nach der Operation wieder zur
Norm zurück. Veränderungen in der Beschaffenheit anderer
Organe wurden nicht beobachtet.
Aus der Literatur hat L. 135 Fälle von subcutaner Milzruptur
zusammengestellt. 82 dieser Milzen ■werden als pathologisch be¬
zeichnet. Ein schweres Trauma war in 80 Fällen nachweisbar.
Der Ausgang war 104 mal tödtlich, darunter 90 mal ohne Versuch
einer Operation. Von den 31 Geheilten waren operirt 10, 15 ex-
spectativ behandelt. Von den Operationen waren 25 Splenectomieu
mit 13 Heilungen, 2 Tamponaden mit 1 Erfolg, 1 Naht der Milz¬
wunde mit tödtlichem Ausgang.
32) Alberts - Halle: Osteoplastik, den mongolischen Chi¬
rurgen schon vor 500 Jahren bekanntP Krecke.
Beiträge zur klinischen Chirurgie. Red. von P. v. Bruns.
Tübingen, Laupp. XXV. Bd. 2. Heft, 1899.
Das 2. Heft des 25. Bandes der Beiträge zur klinischen
Chirurgie eröffnet eine Arbeit aus der Breslauer Klinik von
G. Reinbach: Erfahrungen über die chirurgische Behand¬
lung der gutartigen Kröpfe in der Uikulic z’ sehen Klinik.
Nachdem die Gewebssafttherapie nur bei diffuser Hyperplasie bei
jugendlichen Individuen Erfolg verspricht, wird in der M.’schen
Klinik operativ vorgegangen, wenn bei solchen nicht nach 10—14
Tagen deutlicher Erfolg zu sehen, in manchen Fällen wird die
Gewebssafttherapie palliativ zur Erleichterung der Operation ein¬
geleitet. In nicht ganz 9 Jahren wurden in der Breslauer Klinik
162 gutartige Kröpfe operirt (158 geheilt, 4 starben = 2,5 Proc.
Mortalität), von 18 Basedo w’schen Fällen starb einer. Relativ
häufig kamen an der M.’schen Klinik relativ schwere Fälle (31 sub-
sternale) zur Beobachtung, 3 mal retroviscerale . Die Indication
zur Operation erscheint überall da gegeben, wo der Kropf Be¬
schwerden und erhebliche Unbequemlichkeiten macht und andere
Therapie nicht anwendbar oder erfolglos sich erwies, princlpiell
verwirft M. auch nicht die Indication aus kosmetischen Rück¬
sichten, sofern keine allgemeinen Contraindicationen bestehen. In
allen Fällen, in denen Dyspnoe oder Ilerzerscheinuugen bestunden,
unterlässt M. seit 1 1 / 2 Jahren die Narkose und wendet das
Schleie h’sehe Verfahren an, in den anderen Fällen lässt er den
Wunsch des Patienten entscheiden; die Ansicht, dass durch Chloro¬
form oder Aether die Zahl der postoperativen Pneumonien sich
vermehrt habe, hält er für irrig. Die Antisepsis bei der Operation
betreffend, werden Gesicht des Patienten und Hände des uarkoti-
sirenden Arztes durch einen antiseptischen Schutzschirm vom
Operationsfeld isolirt. Während M. früher den Winkelschnitt be¬
vorzugte, wendet er seit 2 Jahren fast ausschliesslich den
Koche r’schen Kragenschnitt wegen seiner kosmetischen Vorzüge
an, bei Cysten und einzelnen Kropfknoten ist der Längsschnitt in
der Mittellinie oder entlang des Ivopfnickerrandes augezeigt. Drai¬
nage wendet M. jetzt nicht mehr an, zumal bei Enucleationen
hat er die Wunde regelmässig verschlossen, selbst wenn Cysteu-
inbalt mit derselben in Berührung kam; bei Resectionen legt er
eventuell noch für 24—48 Stunden einen Drain ein. Bei der
S o c i n’schen Enucleation vernäht M. die Hülle des enueleirten
Kropfes, d. li. die innere Kropfkapsel durch Nähte, die auch
den Grund der Wunde umfassen (Umstechungsnaht) und erreicht
so exacte Blutstillung und prima Heilung.
In allen Fällen, in denen die Enucleation nicht in Betracht
kommt, sieht M. in der Resectio strumae das Normal-
verfahren. Bei derselben wird nach M. zunächst durch Ivrageri-
sclmitt die Blosslegung der Struma vorgenommen, Haut und Pla¬
tysma gespalten, nach Ligatur der Venen die Fascie, besonders
entsprechend den Endstellen des Hautschnittes, in fast verticaler
Richtung durchtrennt, die Briistbeinkehlkopfmuskeln werden unter
Fixation mit Klemmen durehtronnt, bei starker Struma auch der
Kopfnicker durchschnitten, die äussere Kropfkapsel wird nun im
ganzen Bereich der Drüsenhälfte gespalten und stumpf abgehoben
und danach die Struma luxirt. Bei periadoiiitiselien Verwach¬
sungen wird auf die Luxirung verzichtet, die Resection in situ vor¬
genommen, jedenfalls soll die Kropfkapsel von der Vorderfläche
der Drüse vollständig losgelöst werden. Der eigentlichen Resec¬
tion geht die Unterbindung der Art. und Vena thyroid. sup. voraus,
die bei sehr weit hinaufreichendem oberen Horn auch innerhalb
der Drüsensubstanz unter Durehtrennung dieser vorgenommen
werden kann, ebenso die Ligatur der oberflächlich iu die Drüse
eintretenden Venen. Die Loslösung des Kropfes aus seiner
medialen Verbindung mit dem Mittellappen und Isthmus und
seinem Zusammenhang mit der Trachea geschieht in der Weise,
dass der Isthmus mit je einer starken Klemme gefasst (gequetscht)
wird und *in der so gebildeten tiefen Furche je eine Massenligatur
angelegt, resp. zwischen diesen durchtrennt wird; bei grösseren
Mittellappen müssen solche Durchtrennungen in mehreren Partien
. vorgenommen werden. Isolirung der Drüse von der Trachea ln
ganzer Ausdehnung ist zu vermeiden, da an der Hinterfläche der
Trachea der Recurrens verletzt werden könnte. M. trennt dess-
halb die Drüse mit kurzen Scheereuschlägen nur au der Vorder-
und zum Theil au der Seitenfläche der Luftröhre ab und vollendet
event. die Isolirung mit stumpfem Druck des Fingers. Der Seiten-
lappen enthält danach nur noch einen Stiel, iu dem die Art. thyroid.
inf. mit dem ihr anliegenden Nerv, recurrens verläuft. Nun wird
keilförmig durch 2 verticale, der Achse des Lappens entsprechende
Schnitte der zur Entfernung bestimmte Theil der Drüse aus der
Continuität excidirt, die Blutung dadurch gestillt, dass die zurtick¬
bleibenden seitlichen Flächen durch tiefgreifende Catgutnähte ver¬
einigt werden. Naht und Resection erfolgen schrittweise. Nach
Vollendung der Resection wird der Drüsenrest durch eine verticale
Reihe von 4—8 Parenchymnähten geschlossen; ein Theil des früher
in die Wundhöhle gelangenden Drüsenproduetes bleibt so innerhalb
der Drüse, die Heilung der Drüsenwunde erfolgt schneller.
M. befürwortet diese, wie eine typische Operation auszuführende
Operation als eine physiologische Methode, da jede Kropfhälfte so
auf das .annähernd der Norm entsprechende Maass verkleinert
werden, abundante Blutung und Schädigung des Recurrens ver¬
mieden werden könne. Zumal bei beiderseitiger diffuser Hyper¬
plasie der Drüse wird au der M.’schen Klinik primär die Resection
beider Kqopflappen und nicht die einseitige Exstirpation aus¬
geführt; oft zeigte sich bei einer Operation, dass der zweite, ver¬
meintlich nur unwesentlich vergrösserte Lappen doch bedeutende
Ausdehnung besass und dessbalb auch die Resection des zweiten
Lappens angesehlossen werden musste. Nur 3 mal sah sich M. zur
Ligatur der Schilddrüsenarterien veranlasst, von denen es ln einem
Fall bei sehr brüchigen Gefässen zu beträchtlicher Nachblutung
kam, die Tamponade nöthig machte. Der betreffende Patient ging
an Infection der Wunde zu Grunde.
R. referirt dann noch näher speciell über die 95 drainirten,
19 tamponirten und 46 geschlossenen Wunden; von den letzteren,
primär verschlossenen heilten 40 Proc. aseptisch; bespricht die re¬
lativ häufig während des Wundverlaufs (als eine Art aseptisches
Fieber) beobachteten Temperatursteigerungen, die meist am 2. Tag
oft 38,5—39,0 0 erreichten, sowie die accideutellen Störungen in der
Reconvalescenz, wobei besonders die Erkrankungen der Lunge
(stets Bronchopneumonien) von Bedeutung sind - - 11 Fälle, von
denen 3 (doppelseitige) letal verliefen. Bezüglich der Euderfolge
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hebt R. speclell den fast völligen Mangel von Reeldiven hervor
was besonders gegenüber den B e r g e a t'scben Angaben nff;; n ,
und was R. auf die verschiedene Art dei- Kröpfe ^s„ "
schieden«! Bedingungen ilirer Entstehung bezieht und gibt sehlllss'
~ «Ä
Danninvagination und theilt zwei operativ behandelte Invagina-
^ U ‘ I [ des S * romanum (Careinom, Lipom) mit, sowie zwei Fälle
1 ^nuresoetjon bei acuter Invag. ileocoecalis _ einer durch g -
iirsaclit. ° r (lNebeUpankrcas am E,ule ol «°» Divertikels/ ver-
9 h 1 u m , s k y iberichtet aus der Breslauer Klinik zur Kugel¬
extraction aus dem Gehirn mit Hilfe des Röntgenverfahrens id)er
oberflüchU 1, h in d r m 5 ast r? ,Tahre lmoh 01110111 Connmen suicidii die
Krämpfe ^mit U Bn,i.i d „ e J ^ 'iV*? 1 ** Kueel WOwn °P 11( Ttiformcr
Klampfe mit Bildung eines kleinen viereckigen osteoplastischen
Lappens entfernt wurde. Chi. schildert im Anschluss einen eb"
Mack en z ieD «wf J? 114 < le,n M ikuU c z «»mlieh wie
ackenzie, Davids o n) die Kreuzungsstelle der Schatten von
z\\el in gewisser Distanz von einander entfernten Lampen be-
stimmte, indem er die Schatten der Photographien 1 u. 2 und die
Ctntia der Lampenspiegel durch Fäden und Drähte verbindet.
9,,° * * 8 * e 1 u : Beobachtungen und Experimente über
die Grundlagen der Antisepsis berichtet eingehend «us derselben
Klinik zur Frage der Sterllistrbarkeit der Hönde und kommt zu
i Ch / U i S ’ daSS 1)isliei 'i^ 011 Desinfeetionsmetboden nicht im
s tände sind imsere Hände sicher keimfrei zu machen; im Weiteren
komi^t’ nach ^n/; U v e V tUllg dpr Operationshandschuhe und
kommt nach seinen/Versuchen zu dem Resultat, dass durch die
Tricothandschuhe die Keime, die von den Händen stammen, zu
f ro88en The *i, von (ler Wunde ferngehaltcn werden und
luieh ein häufiges Wechseln der Handschuhe die von aussen und
werden ° ram0Ud0n Koime aus <1<Mn Wundbereich fortgesclmfft
tt + AL 1 ’ ietze .? ll)t aus d01 * gleichen Klinik experimentelle
vi 1 r t ^f S i UChU ^ g ® n U « ber Netzplastik 1111(1 theilt. darin eingehende
^ ersuche mit, in wie weit durch Netzüberpflanzung eine drohende
^ anduekrose verhindert werden könne, ob durch Netz eine Sielie-
^ f e aer ciro ulären Darmnalit zu erzielen und ob ein Magen-
defect durch Netz zu verschliessen sei (Wiederholung der von
B i a u n und B e n n e t am Menschen ausgeführten Operation)-
wJ^ rÜ l Ck8,Ch V fft d i e hl8tolo " ische11 Ergebnisse mul sprechen die
Ergebnisse seiner Experimente sehr zu Gunsten des Verfahrens.
pw C 4t 1 V ' Eisberg berichtet ebenfalls aus der Breslauer Klinik
Herz y^ndeii und Herznaht und suchte durch Thierexperi¬
mente die Grosse der Verletzung und die Menge der Nähte fest-
z»stellen, die ein Säugethierherz ohne dauernden Schaden ver¬
tragen kann. E. studirte die histologischen Verhältnisse hei der
Heilung von Herzwunden und glaubt daraus für das menschliche
Herz schlossen zu dürfen, dass der Chirurg zur Herzuaht greifen
darf, wenn trotz passender Allgemeinhehandlung der Zustand eines
lat. mit Herzwunde sich verschlimmert: sicher erzeugt die Naht
keinen Herzstillstand. Die Zahl der Nähte sollte so klein als mög¬
lich sein, da alle durch dieselben zusammengedrückten Muskel-
fasern atrophiren und durch Bindegewebe ersetzt werden. Die
Nahte (Seidenknopfnähte) sollen nur durch das Pericard und die
oberflächlichen Muskelschichten geführt und womöglich nur
wahrend der Diastole des hetr. Herztheils geknotet werden Wie
die Falle von Brugnoli, Podres, Hamilton etc. zeigen
braucht aber nicht jede Herzwunde genäht zu werden, mall muss
auch hier streug individualisiren.
, A ,1S gleichen Klinik berichtet Moser zur Casuistik
der Stirnhohlengeschwülste über die Operation eines Stirnhöhlen¬
osteoms bei 22 jährigem Mädchen und schildert im Anschluss
daian die verschiedenen Formen der Stirnhöhleuosteome und die
dadurch bedingten Gefahren. M. berichtet ferner über ein langsam
lierangewaehsenes Sarkom der Stirnhöhle bei IG jährig. Mädchen
das zwei ausgedehnte Operationen nötliig machte.
Aus dem Dlaconissenlmiis in Stuttgart berichtet schliesslich
Koebel über Combination von Otitis media mit rhinogenem
Gehimabscess; im Anschluss an eine näher mitgetheilte Kranken¬
geschichte geht K. auf die Symptome der Frontalubsecsse näher
ein und empfiehlt die subperiostale Reseetion der Vorderwand des
Sinus frontalis als die beste Methode zur Freilegung der Stirnhöhle
und zum Ueberblicken der Hinterwand und zum evont. weiteren
' ordriugen in die Schädelhöhle zur Aufsuchung des Abseesses.
Sehr.
Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 3 und 4.
No. 3. M. S c b ü 11 e r : Zur Controle von Dampfsterilisir-
apparaten.
Ar Schüller bedient sich zu genanntem Zweck kleiner
Maximalthermometer von 10 cm Länge aus starkem Glas mit
Scala von 70—110°, resp. 75—130°, die genau geprüft sind, die Tem¬
pel aturen im Innern der Apparate ganz exact auzeigeu und sich
durch Einfachheit ihrer Anwendung empfehlen.
S. A uerbacli: Ueber einen Fall von recidivirender Osteo¬
myelitis centralis des Radius nach Furunkeln im Nacken.
Oasuistische Mittheilung.
Ko. 4. L Fei 1 eile 11 feld : Zur Prophylaxis bei der
Chloroformnarkose.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
- ... E -. emp Öehlt nach seinen Beobachtungen über die leichten
Jui Z Z t[g ^ Eo , nnen vou Erschlaffung des Herzens und die
vm» L u W S lll V R VOU 1 kIoiueu Strophauthustlosen zur Beseiti-
7”‘ 9 V Heizklopfen und Aufregiingszuständen etc. bei solchen
; ti - ten an (leu 1)01(1011 letzten Allenden vor der Operation, sowie
am Morgen derselben direct nach der letzten Mahlzeit je 5-0
Iropfeu der linct. strophanthi zu geben.
F. Iv uliu: Beitrag zur Darmnaht.
t, , Empfehlung einer kleinen selbstsehliessenden Klammer zur
Lileiclitening bei der Darmnalit, die im geringsten Fall die Hand
eines Assistenten ersetzt mul mit der eine genaue Dosinmg des
Zuges dei Naht und eine beliebige Anuüheruug der beiden Serosa-
flachen zu erreichen ist. Bezugsquelle Evens&Pistor. Cassel
Sehr.
Zeitschrift für Geburtshilfe und" Gynäkologie. 42. Bd
1. Heft. Stuttgart, F. Enke, 1900.
o . E ' ° P 1 }^ - Berlin: Das Erkennen abgelaufener früherer
Schwangerschaft an ausgeschabten Schleimhautbröckeln.
Die vorliegende Arbeit ist eine Erweiterung einer früheren
1? d £ se £ / rof - 111 dor Münch, med. Wochenschr. 1800.
Pso. ->, K 83G) über denselben Gegenstand. O. gelangt auf Grund
seiner Untersuchungen zur Aufstellung eines Schemas für mikro¬
skopische Schwangerschaftszeicheu, die er, nach Analogie der
klinischen Eintheilung, in sichere und unsichere trennt. Als
sichere Schwangerschaftszeichen bezeichnet O.
a) vom F o e t u s ausgehende:
r, „ y ol ' kommon foetaler Elemente. Eihüllen und Chorionzotten
Zellsaulen mit syncytialer Bedeckung, Syncytiumknospen (Placen-
tarriosenzellen).
b) von der Mutter ausgehende:
1. Deciduazellen von 20—50 p Durchmesser
2. Schwangerschaftsdrüsen.
Diese von O. entdeckten Befunde fand er unter 140 Aus¬
schabungen von Fällen, wo ein Abort feststand, 75 mal. darunter
40 mal so ausgesprochen, dass sie allein die Diagnose ermöglicht
hatten. Deciduazellen waren nur 02 mal vorhanden und nur
31 mal zusammen mit den typischen Schwangerschaftsdrüsen.
Auf die wahrscheinlichen oder unsicheren Zeichen versagen
wir uns, hier näher ciuzugehen., und verweisen für alle Einzel¬
heiten auf das Original.
2) Otto v. Franquß- Würzburg: Salpingitis nodosa isth-
mica und Adenomyoma tubae:
Nach einem Vortrag, gehalten auf der 71. Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte in München 1899. Vergl das
Referat in diesem Bl. 1899, No. 43, S. 1439.
3) A. E b e r 1 i n - Moskau: Castration bei Vaginaldefect und
Uterus rudimentarius.
E.’s Fall betraf eine 23 jährige Frau, seit 5 Jahren verhei-
ratliet. me menstruirt, aber seit dem 18. Lebensjahre an yicari-
irendem Nasenbluten leidend, mit heftigen Molimina menstrualia
und Unfähigkeit zur Cohabitation behaftet. Die Untersuchung
ergab Fehlen der Scheide und des Uterus. Die Operation bestand
in Entfernung eines wallnussgrossen Uterusrudiments und der
Adnexe. Ungestörter Heilungsverlauf. Die nähere Untersuchung
der Genitalien stellte Folgendes fest: völliger Scheidendefeet,
Uterus rudiinen tarius solidus unieornis, Defect der linken Adnexe,
normale Entwickelung der rechten Adnexe. In der Literatur fand
E. noch 20 ähnliche operirte Fälle, von denen 16 noch functio-
nirende Ovarien bei Uterus- und Vaginaldefect hatten. 20 wurden
laparotomirt, 1 mit Koeliotomie vaginalis behandelt. Mit Aus¬
nahme von 2 Fällen wurden alle geheilt.
4) A. Jentzer und O. Beuttner-Genf: Experimentelle
Untersuchungen zur Frage der Castrationsatrophie.
Die vorliegenden Untersuchungen wurden angestellt an 10
castrirten Kühen, 13 Kaninchen und 4 Hunden. Alle Uteri
wurden makroskopisch und mikroskopisch genau untersucht und
ergaben übereinstimmend Atrophie. Ferner wurde an 0 castrirten
Kaninchen der Einfluss von subcutanen Ovarialinjectionen geprüft,
um zu entscheiden, ob durch künstlichen Ersatz von Ovariensub¬
stanz die Uterusatrophie liintangehalten werden kann. Das Re¬
sultat war durchweg negativ. Nähere Einzelheiten müssen im
Original nachgesehen werden.
5) C. H. Stratz : Zur Behandlung der Beckenperitonitis.
S t. ist Anhänger der conservativen Behandlung von entzünd¬
lichen Adnexaffectionen. In über 800 Fällen hat er nur 20 mit
Laparotomie zu behandeln für nötliig erachtet. Als wirksamste
Behandlung empfiehlt er heisse Vaginalirrigationeil
mit einem eigens von ihm constmirteu Speculum zur Schonung
der Vulva. Das Wasser soll 48—50° C. heiss sein und in grosser
Menge, mindestens 4 Liter täglich, angewendet werden. 18 hier¬
mit behandelte Fälle verliefen sehr günstig. Vor Allem die puer¬
peralen und gonorrhoischen Fälle ergaben befriedigende Resultate,
während bei den tuberculösen Infectiouen die Heilung ausblieb.
S t. stellt zum Schluss den Satz auf, dass fast alle Adnexaffec-
tionen infectiöser Art, mit sehr wenigen Ausnahmen, heilbar oder
doc-li wenigstens symptomatisch heilbar auf conservativem, nicht
blutigem Wege sind.
6) G. Schmauch - Königsberg: Ein Rankenneurom der
weiblichen Genitalien.
Kurze Beschreibung dieses Tumors, der von einer 26 jährigen
I. Para stammte. Derselben war ein Tumor der Scheide, weil
Geburtshinderniss, entfernt worden und Patientin an Sepsis ge¬
storben. Der Tumor hatte sich vom linken Labium majus aus
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2G3
an der Vagina entlang bis in das Lig. latum entwickelt, bot makro¬
skopisch deutlich rankenförmigen Bau und bestand histologisch
aus fibrösem Gewebe und fibrös degenerirteu Nervenbündeln in der
Umgebung der Ranken. In der Literatur ist nach S c li. eine der¬
artige Nervengeschwulst an den weiblichen Genitalien bisher
nicht beschrieben.
7) .T. Veit- Leiden: Ueber Vorderhauptslagen.
Nach einem Vortrag, gehalten auf der 71. Naturforscherver-
sammlung in München 1899; cf. das Referat in diesem Bl. 1899
No. 43, S. 1436.
8) Hans Kauffmann - Berlin : Ueber Dauerresultate
nach Vaginofixationen.
Die Arbeit basirt auf 103 Fällen aus O li 1 s li a u s e n’s
Klinik, von denen 51 liachuutersuckt werden konnten. 34 davon
waren extraperitoneal, 17 intraperitoneal operirt worden. In
48 Fällen war die Vaginoflxation mit anderen Operationen, wie
Daminplastik, Kolporrhaphie etc. combiuirt. In 11 von den
51 Fällen, also in 21,5 Proc., fanden sich bei der Nachunter¬
suchung Recidive der RetroVersion oder ltetroflexion des Uterus;
hiervon war nur 1 intraperitoneal, die übrigen 10 extraperitoneal
operirt worden. Schwanger geworden waren 6 von den operirten
Frauen; 4 davon hatten ausgetragen, 1 abortirt, 1 noch gravida.
Iv. kommt auf Grund seiner Resultate zu dem Schluss, dass
die \aginofixation noch weitere Einschränkung als bisher erfahren
muss. Vor Allem darf sie nicht an Frauen im gehurt «fähigen
Alter ausgeführt werden, und ferner ist sie für grosse Prolapse
und Totalprolapse mit Retrodeviation nicht genügend leistungs¬
fähig. Jaff e - Hamburg.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 5 u. 0.
No. 5. 1) Menge und Iv r ö n i g - Leipzig: Die Wahl des
Nährbodens bei dem culturellen Nachweise geringer Strepto-
coccenmen gen.
Eine Widerlegung der Angabe Bumin's, dass das Vorkommen
saprophytiseli wachsender Streptococcen im Yaginalsecret der Frau
auch von den Gegnern dieser Lehre (zu denen Verff. gehören) an¬
erkannt werde. Der Streptococcus, welcher beim Puerperalfieber
gefunden wird, kommt im Vaginaisecret der Schwangeren nach
M. u. K.’s Ansicht nicht vor. Verff. haben ferner durch Experi¬
mente festgestellt, dass für den culturellen Nachweis des Strepto¬
coccus pyogenes die Wahl des Nährbodens (Agar oder Bouillon)
gleichwertliig ist.
2) A. D ü h r s s e n - Berlin: Ueber die Technik der Vapori¬
sation.
D. empfiehlt ein dickes Vaporisationsrohr zu gebrauchen, weil
der Uterus vor Anwendung der Vaporisation zur Stellung der Dia¬
gnose über die Quelle der Blutung stets erst dilatirt werden müsse.
Mancher Fall von retinirten Eiliautresten, Polypen u. dergl. werde
dadurch vor falscher Behandlung bewahrt. Die Erfolge der Va¬
porisation bei rein klimakterischen Blutungen haben I). andauernd
sehr befriedigt.
3) Czempin - Berlin: Zur Narkose.
Mit Bezug auf die jüngsten Bemerkungen Koblanc k’s
• ref. in diesem Bl. 1900, No. 3, S. 90) betont (\, dass er die von
Ersterem als Zeichen drohender Asphyxie erwähnten athetotisclieu
Fingerbewegungen nicht für ein gefährliches Symptom hält. Den
von Iv. empfohlenen v. Bergman n’schen Handgriff (Hervor¬
ziehen der Epiglottis direct mit dem Finger) rätli C. durch andere
bekannte und wirksamere Handgriffe zu ersetzen. Endlich macht
C. noch auf unregelmässige Athemzüge im Beginn der Narkose
hei schwächlichen und ängstlichen Frauen aufmerksam, die, falsch
gedeutet, durch Nachglessen von Chloroform gefährlich werden
können.
4) S. B e 1 i t z - H e i m a n n - Moskau: Zur Casuistik der
Kolpaporrhexis sub partu.
Kurze Beschreibung eines Falles von spontaner Uterus-
Scheiden ruptur bei einer 23jälirigen II-para. Das Kind wurde
durch Wendung und Extraction aus der freien Bauchhöhle ent¬
wickelt, ebenso die Placenta. Exspeetative Behandlung iu Form
von Ausspülung der Vagina mit physiologischer Kochsalzlösung
und Jodoformtamponade. Heilung nach 31 Tagen. — Der Fall
soll beweisen, dass eine derartige Verletzung auch ohne Laparo¬
tomie zur Heilung gelangen kann.
No. 6. 1) Ferd. Schenk- Prag: Hochgradige frische Aetz-
8tenose der Cervix und des Fornix in der Schwangerschaft.
Geburt per vias naturales.
Es handelte sich um eine 17 jährige Gravida, der zur Ein¬
leitung eines Abortus von ihrem Liebhaber eine ätzende Flüssig¬
keit ln die Scheide eingespritzt worden war. Der Abort blieb aus;
dagegen entstand ausgedehnte Nekrose der Vagina, die nebst der
Fortio als Abguss ausgestossen wurde. Die Folge war hoch¬
gradige Stenose der Cervix und des Scheidengewölbes. Die Ge¬
hurt erfolgte im 8. Monat; durch Incisioneu und Dilatation des
Üervicalcuiiales gelang es, einen Fuss heruntcrzuholen und bis
zum Kopf zu extraliiren. Letzterer musste daun perforirt werden.
Heilung nach 30 Tagen.
Sch. bespricht noch die verschiedenen Operationen bei der¬
artigen Stenosen. Dass in seinem Falle das Kind noch per vias
naturales entwickelt werden konnte, ist dem Umstande zu ver¬
danken, dass es vorzeitig und unentwickelt war. In den meisten
derartigen Fällen wird der conservative Kaiserschnitt vorge¬
nommen werden müssen.
2) N. Barde sc u-Bukarest: Ein neues Verfahren für die
Operation der tiefen Blasen-Uterus-Scheidenflsteln.
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B.’s Operationsverfahren, das er „e o in b i n i l* t e Cysto-
Ivolpokoeliorrliapliie“ nennt und in 3 Fällen erfolgreich
verwendet hat, besteht aus 4 Zeiten:
a) Befreiung und Mobilisinmg des Uterus, darauf Naht des
angefrischten Uterusrisses;
b) Spaltung der Blason-Scheiden wand und Verschluss des
Blasenrisses durch eine doppelte Etageuuaht, eine submucöse und
eine museulüse;
e) Eröffnung des Peritoneums und Ivolpokoeliorrhaphie;
d) Vaginotixation des Uterus und Wiederherstellung der
Scheide.
Einzelheiten müssen im Original nachgesehen werden. Der
Erfolg der Operation hängt hauptsächlich von der Blasennaht ab.
3) Otto v. F r a n q u 6 : Zur Cervixfrage.
Eine Erwiderung auf den Artikel Baye r’s in No. 3 des
Centralblattes (ref. in diesem Bl. 1900, No. 5, S. Bö); zum Re¬
ferat nicht geeignet. J a f f 6 - Hamburg.
Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten.
Bd. XXXII., Heft 1.
R. Ivocli: Ueber die Entwickelung der Malariaparasiten.
Die Arbeit bestätigt die Untersuchung von M a t* C a 11 u m
über Halteridium «len lnalariaartigen Parasiten der Taube) und
von Ross über Proteosoma (bei Sperlingen). Die mit Hilfe der
R o m a u o w s k y’sclieii Färbung angestellten Untersuchungen
eigabeu aueli einige Erweiterungen unseres Wissens in Einzel¬
heiten. Die letzten Seiten der Abhandlung beschäftigen sich mit
den Organismen der Tropenmalaria, ohne auch auf diesem Gebiete
viel Neues zu bringen. Der Arbeit sind zahlreiche Phologramme
bei gegeben.
II. Kossel: Ueber einen malariaartigen Blutparasiten
bei Affen.
Nachweis des Vorkommens von Organismen im Blute von
Affen aus Ostafrika und aus dem Berliner Affenhaus, welche mit
den Erregern der menschlichen Malaria grosse Aehnliehkeit haben.
Krankheitserscheinungen schienen die Parasiten nicht hervor-
zurufen, iu den Berliner Tliicren waren dieselben stets wenig zahl¬
reich, länger in Gefangenschaft lebende waren ganz frei davon.
Die Frage verdient weitere Verfolgung in den Tropen, namentlich
auch mit Rücksicht darauf, ob die Affection mit menschlicher
Malaria etwas zu thun bat.
E. Babucke: Ueber die Kohlensäureverunreinigung der
Luft in Zimmern durch Fetroleumöfen.
Wenn Petroleumöfeu gut brennen, verunreinigen sie zwar die
Luft rasch mit erheblichen Kohlensüuremeugeu, ca. 12 Prom..
machen aber weuig Geruchsbelästigung und erwärmen um 4—5 '
in einigen Stunden kleine Zimmercheii. Pro Stunde verbrauchte
der besprochene Ofeu mir 120 g Petroleum, kostete also in 8 Stun¬
den nur 20 Pfennig.
Paul Friedrich Krause: Sechsjährige Erfahrungen bei der
Behandlung der Tuberculose nach Erobert Koch.
Der Verfasser verfügt über 6 jährige Erfahrungen über die
Wirkung des Koc li’sclien Tubercullu (vorwiegend des alten Prä¬
parates), die er ausführlich mittheilt. Hier kann nur angegeben
werden, dass der Verfasser das Mittel günstig beurtheilt. sehr
grossen Werth darauf legt, nur minimale Temperatursteigerungen
zu erzeugen und den Krüftezustand sorgfältigst zu überwachen.
Er hofft, dass nicht nur iu Sanatorien, sondern auch in der Privat¬
praxis das Mittel in der Hand erfahrener Aerzte oft Gutes stifte.
Eug. F r a e n k e 1 und P. Krause: Bacteriologisches und
Experimentelles über die Galle.
Die Galle ist in der Regel in der Leiche steril, nur bei Chole-
litbiasis. Peritonitis, Bauchoperatiouen und selten bei internen
Infectionskrankheiten finden sich Keime. Beimpft ist die Galle für
sehr zahlreiche pathogene Baeterien ein guter Nährboden ausser¬
halb des Körpers, auch die Virulenz nimmt auf den Galleniihr-
böden nicht ab. Verletzungen der Gallenblase ohne Infection,
Eiuspritzen von grossen Mengen Galle in den Peritonealraum ist
für die Thiere ohne Schaden.
B 1 i e s e n e r : Ueber Gelatineculturen im Brutschrank.
Durch Verwendung von 12 proc. Gelatine, möglichst kurzes Er¬
hitzen und Steriüsiren lässt sich eine erst bei 27 0 schmelzende
Gelatine hersteilen, welche nach zweimonatlichem Stehen 27 bis
29° C. tadellos erträgt und auch durch Beimischung von 1 ccm
Wasser nicht nachtheilig verändert wird. Die Arbeit kommt zu
ähnlichen Resultaten wie früher J. Forste r.
E. Pfuhl: Untersuchungen über den Keimgehalt des
Grundwassers in der mittelrheinischen Ebene.
Im Kiesbodeu der mittelrheinischen Ebene ist das Wasser
nicht keimfrei, wenn nicht eine etwa 1 m starke Schicht sandiger
Lehm darüber liegt.
Robert B e h 1 a : Die geographisch-statistische Methode
als Hilfsfactor der Krebsforschung.
Die Arbeit bringt einen Auszug aus einer früheren Unter¬
suchung des gleichen Verfassers über auffallend localisirtes Auf¬
treten von Krebs in einer Vorstadt der kleinen schlesischen Stadt
Lenkau. An diese Mittheilung reiht sich die Anführung zahl¬
reicher in der Literatur zerstreuter Angaben, wonach der Krebs
manchmal in ausserordentlicher Anhäufung auftritt, so dass die
Krebserkrankungen statt 1:40 (Preussen) 1:15, ja 1:10 aller
Todesfälle betragen. Die Betrachtungen des Verfassers über das
den Krebslocalitäteu Gemeinsame führten ihn zur Annahme, dass
Graben- und Teichwasser es sei, was per os den Menschen inficire.
Wenn dies richtig wäre, wäre (Ref.) eigentlich eine starke Abnahme
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
264
MÜNCHENER MEDICINISCHE »WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
der gesummten Krebsfrequenz zu erwarten, da ja die Fortschritte
in der Wasserversorgung sehr bedeutende sind. Es nimmt aber die
Krebsmortalität nach allgemeiner Feststellung zu. Es müsste also
(Ref.) weiter angenommen werden, dass die heutige Erreichung
eines höheren Lebensalters einen für die Krebszunahme so
günstigen Factor darstellt, dass die Abnahme der Infection ge¬
legentlich dagegen zurücktritt. — Recht hat B e h 1 a sicher, Avenu
er zum eingehendsten Studium der Frage durch Sammelforsehung,
ein Krebsiustitut u. s. f. auffordert. K. B. L e li m a n n.
Archiv für Verdauungskrankheiten. Herausgegeben von
l)r. J. Boas-Berlin. V. Band.
1) Nicolai S c li i ö d t e : Ueber den Gebrauch des Thyreoidin
bei Entfettungscuren. (Universitätsklinik in Kopenhagen.)
Das Thyreoidin ist im Stande, bei Adipositas eine raschere
Gewichtsabnahme zu erzielen als reine Unterernährung und zwar
auf Grund seiner fettverbrennenden Eigenschaft. Ein gelegent¬
liches Stickstoffdeficit wird ausgeglichen durch reichlichere Ei-
AA'elsszufuhr und Moderirung der Thyreoidindosis. Das Allgemein¬
befinden wird im Ganzen nicht beeinflusst, vorausgesetzt, dass am
Herzen keine grösseren Störungen vorhanden, nothwendig ist.
natürlich entsprechende Kost und ständige ärztliche Controle
wegen des Urins, der Stickstoffbalance und dem eventuellen Ab¬
brechen des Mittels. Die mittlere Tagesdosis beträgt bis ca. 20 cg
Thyreoidin.
2) Seymour Basch M. D.: Beitrag zur Kenntniss der
gastrischen Drüsen. (Aus D. J. Boa's Poliklinik in Berlin.)
Unter diesem Titel gibt. Verfasser ein klar umrisseues Bild
der seit Charcot in der ratliologie volles Bürgerrecht geniessen¬
den Crises gastriques. Nach einem historischen Rückblick kommt
Basch auf die Symptomatologie dieses Leidens zu sprechen, um
nach einer erschöpfenden diesbezüglichen Darstellung sein Avei-
teres Hauptaugenmerk auf die so unendlich wichtige Differential-
diaguose zu richten. Da die Crises gastriques oft das einzige An¬
zeichen einer bestehenden Tabes und in Folge dessen die recht¬
zeitige Erkenntniss so unendlich Avielitig, möchte ich aus der vor¬
liegenden Arbeit kurz folgende diagnostischen Momente hervor¬
heben. Beginn plötzlich ohne jede Veranlassung. Lues scheint in
der Aetiologie keine Rolle zu spielen, Dauer der Anfälle von
10 Stunden bis 6 Wochen Tag und Nacht ununterbrochen, Krank¬
heitsdauer selbst bis zu 18 Jahren, befallen Averden hauptsächlich
die 30 er Jahre, kein Fieber, kein Schüttelfrost, Sensorium frei;
Quantität des Erbrochenen enorm, mit dem Erbrechen jedesmal
Erleichterung, weder Palpation noch Percussion des Abdomens
besonders empfindlich, Urinmenge vermindert; bei protrahirteu
Anfällen Patienten sehr elend, um sich jedoch auffallend rasch
Avieder zu erholen; das souveränste Mittel bleibt stets Morphium,
Verwendung finden auch Cerium oxalicum, Antipyrin und
Strychnin.
3) Emil S t e i n - Feudenheim; Darmblutungen bei Leber-
cirrhose.
Während für gewöhnlich Blutungen nur in den letzten und
schAversten Stadien von LeberaffectIonen beobachtet Averden, als
Folge der mehr und mehr zunehmenden Stase, die Anfangs nur
Ascites und Milztumor bedingend, schliesslich zur Beratung von
Gefässen und so zur Blutung führt, müssen in einer Reihe von
Fällen, in denen die Blutung gewissermassen primär, andere als
mechanische Ursachen gegeben sein. Bei der wohl häufigsten Ur¬
sache der Cirrhose, dem Alkoholmissbrauch, ist es selbstverständ¬
lich, dass der Sitz der Blutungen hauptsächlich im Magen- und
Darmcanal, doch auch Lues und Malaria sind Avegeu ihrer gefäss-
destruirenden Wirkung berüchtigt und so ergibt sich von selbst,
dass die Blutungen allenthalben erfolgen können.
4a) Westphalen: Ein weiterer Fall von diffuser idio¬
pathischer Oesophagusdilatation.
Während Netter im Band 4, No. X über ErAveiteruug der
Speiseröhre im unteren Abschnitt berichtet, haben wir hier einen
Fall mit ausgedehnter Dilatation der ganzen Speiseröhre vor uns.
Vollste Beachtung verdient unter den angeführten Symptomen
Nachstehendes — der Reizhusten und das Erbrechen in Rücken¬
lage, bedingt durch das Herabtiiessen von Speisen in den Kehl¬
kopf — als Merkmal einer diffusen Erweiterung der Speiseröhre.
4b) E h r 1 i c h - Stettin: Casuistischer Beitrag zum Asthma
dyspepticum.
In vorliegender Arbeit beansprucht das Hauptinteresse das
zeitliche Aufeinanderfolgen von Asthmaanfällen, die naclnveis-
lich von zwei verschiedenen Organen ausgelöst wurden, zuerst von
der Nase und dann vom Magen.
6) l'roller ; Zur Pepsinfrage bei Achylia gastrica. (Medi¬
cinische Klinik ln Giessen.)
Während eine Anzahl von Forschern bei Achylia gastrica
auch die Anwesenheit von Pepsin und Labferment ausschliessen,
fasst Troller das Resultat seiner Untersuchungen dahin zu¬
sammen, dass es gleichAvohl Fälle gibt, bei denen trotz völligen
Versiegens der Salzsäuresecretion Pepsin- und Labausscheidung,
wenn auch beschränkt, fortbesteht, ein neuer Beweis für RiegeTs
Theorie von der grösseren Permanenz der pepsinbildenden Func¬
tion der Magendrüsen. Im Anschluss bringt der Verfasser ein
neues Verfahren zur Pepsinbestimmung im Harn, das um so
werthvoller, als nach den angestellten Versuchen zAvischen der
Pepsinsecretionsfähigkeit der Magendrtisen und dem Ferment¬
gehalt des Harns ein ausgesprochener Parallelismus angenommen
werden muss.
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7) S c h ü 1 e : Studien über die Functionen des menschlichen
Mundspeichels. (Medicinische Klinik Freiburg i. Br.)
Zuerst bespricht 8 c h ii 1 e die diastatisehe Energie des ge¬
mischten menschlichen Mundspeichels und zeigt uns, dass die dia-
statische Kraft in einer gegen Mittag ZAvischen 11—3 Uhr ihr
Maximum erreichenden Curve ansteigt, um von da an wieder lang¬
sam abzunehmen. Der zweite Theil der Arbeit beschäftigt sich
mit der Bedeutung des Mundspeichels für die Magenverdauung:
es bedingt nämlich entsprechende Speicheldurchmischung reich¬
lichere Salzsäure- und Pepsiuabsonderuug im Magen, d. h. durch
das Kauen und Einspeicheln w T ird reflectoriscli die Mageuthätig-
keit angeregt.
8) Göppert; Ueber einen Fall von angeborener Ab¬
knickung des Dickdarms in Rücksicht auf die sog. angeborene
Dilatation und Hypertrophie des Kolons. (.Universitäts-Kinder¬
klinik in Breslau.)
Nach eingehender Referirung seines Falles, soAvie zweier
ähnlicher von 11 e n o c li und Osler beobachteter, kommt Göp-
p e r t auf das von 11 i r s e li Sprung geschaffene Krankheits¬
bild der angeborenen Hypertrophie und Dilatation des Dick¬
darmes zu sprechen und führt die einzelnen Fälle an, die sieh
nur durch grössere Dilatation und Hypertrophie von den ersten
unterscheiden. Auch noch später als im ersten Lebensjahre
Avurde aber dieses Krankheitsbild beobachtet, Avie die angeführten
Krankengeschichten beweisen. Mag man nun zur Erklärung
II i r s e li spru n g's Theorie heranziehen oder M a r f a n’s Be¬
hauptung der angeborenen Form der Flexura sigmoides oder die
jedenfalls am ungezwungeudsteii erscheinende Erklärung Rose r*s
s e rs, einer Art von Klappenmeehanismus, das allen diesen Fällen
Gemeinsame ist immer eine Abkniekung mit cousecutiver Auf¬
blähung des Diekdarms.
9) lv ö v e s i : Untersuchungen aus dem Gebiete der Magen¬
pathologie. (Alis der 1. med. Klinik des Prof. v. K o r ä n y i in
Ofen-Pest.)
. Drei Fragen hat sieh Verfasser zur BeautAVortuug vorgelegt:
1. Das numerische Verhalten der Hyperclilorhydrie, darauf lautet
die AntAVort: Für Ofeu-Pest beträgt der Mittelwerth der Acidität
50, der freien 1IC1 2G. Hyperclilorhydrie kommt nur selten in ex-
cessiver Form zur Beobachtung, häutig jedoch in geringem Grade.
Nicht immer ist die freie HCl allein ausschlaggebend, es gibt auch
klinische Bilder mit normaler freier 11C1 und lediglich gesteigerter
Gesammtaeidität. Die Hyperclilorhydrie ist eine Krankheit der
jüngeren Jahre. 2. Das Verhalten der Gasgährung zur Salz¬
säuresecretion: Die Anwesenheit von HCl allein genügt zur Ver¬
hinderung der Gasgährung und da von einer desinficirendeu Wir¬
kung des Magensaftes den Gährmigserregern gegenüber nicht ge¬
sprochen Averden kann, muss eine scharfe Grenze zwischen dem
Verhalten der HCl gegenüber der durch Spalt- und der durch
Sprosspilze bedingten Gälirimg gezogen Averden. Die geeignetste
Substanz zur Gasbildung liefern die Kohlehydrate. 3. Die quanti¬
tative Veränderung der Pepsinsecretion unter pathologischen Zu¬
ständen. Zwischen Salzsäure- und Pepsinabseheidnng besteht
kein strenger Parallelismus. SoAvohl in sub- lind anacideu Magen¬
säften, als auch bei Processen gewebsdestruetiver Art, ist die
Pepsinsecretion Aveuiger beeinflusst als die HCl-Abselieidung; bei
ektatischen und atouischen, nicht careiuomatösen Zuständen Aveist
die Pepsinsecretion sogar normale Verhältnisse auf.
10) Marischier und Ozarkiewicz : Stoffwechsel bei
abnehmendem und zunehmendem Ascites. (Med. Klinik des Prof.
G 1 u z i n s k i in Lemberg.)
Zur allgemeinen Uebersicht der nur schAver in einigen Sätzen
zu skizzlrenden Arbeit möge dienen, dass beide Autoren im Sta¬
dium des Ansammelns in der Regel N-, CI-, P-, Ca-Retention be¬
obachteten, Avobei jedoch die mangelhafte Desassimilationsfähig¬
keit des Organismus zu berücksichtigen ist; im Stadium der Re¬
sorption findet vennehrte Ausscheidung statt; selbst mit P- und
Cl-Verlust. Körpereiweiss wird erst angegriffen, Avenn das
Nahrungs-N dem Bedürfnis nicht entspricht.
14) Päl-Wien:. Ueber den motorischen Einfluss des
Splanchnicus auf den Dünndarm.
Die verwirrenden Widersprüche über den Erfolg der
Splanclmicusreizung zu lösen und die geradezu diametralen Er¬
gebnisse der verschiedenen Autoren einheitlich zusammen zu
fassen, gelingt dem Verfasser ganz einfach dadurch, dass er die
im Dünndarm hervorgerufene Hemmung bei Splanclmicusreizung
als einen motorischen Act erklärt, d. h. den Splanchnicus als
motorischen Nerven des Dünndarms bezeichnet, mit Innervations¬
fasern für die Ring- sowohl, wie für die Längsmuskeln.
15. M. E i n h o r n - New- York: Ein weiterer Beitrag zur
Kenntniss der Magenerosionen.
Nachdem Einhorn schon 1894 einen krankhaften Zustand
beschrieben, in welchem ausser der Gegenwart verschiedener sub-
jectiver Beschwerden gastrischen Ursprungs constant mehrere
Stückchen Magenschleimhaut im Spülwasser zu finden Avaren, ver-
öffentlicht er hier weitere 16 Fälle von Erosionen des Magens, die
er im Gegensatz zu H e m m e t e r als specielle Erkrankung dar
stellt. Ausser der Anwendung eines 1—2prom. Arg. nitr.-Spray
empfiehlt der Verfasser hauptsächlich roborirende Behandlung.
16. B ä c k 1 i n - Gothenburg: Einige Bemerkungen über das
Regurgitiren.
B. sucht ln seiner Arbel das Vorkommen des Regurgitirens
bei den verschiedenen Magenerkrankungen diagnostisch zu ver-
werthen und zwar bezüglich der Sufficienz oder Insufficlenz des
Pylorus, ausgehend von der Beobachtung, dass das Regurgitiren
entschieden der Atonie des Magens anzugehören scheint.
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
265
17. Bacbmann: Experimentelle Studien über die di&e-
tetische Behandlung bei Superacidität. (Aus der med. Klinik zu
Ilelsingfors, Prof. R u n e b e r g.)
Zweck dieser Studien ist, experimentell zu ergründen, welche
Diät, prineipiell genommen, als die rationellste bei den sogen,
irritativen Functionsstörungen in der Schleimhaut des Magens an¬
zusehen ist, um endlich einmal Klarheit zu bringen in den ständi¬
gen Streit, ob Eiweissstoffe oder Kohlehydrate die zweckmässigere
Kost. Als Resunh? der hochinteressanten und lesenswerthen
Arbeit führe ich nur aus den Schlusssätzen betreffs der Prineipien
l'ür die diätetische Behandlung nachfolgende Sätze an: „Eine
überwiegend animalische Mahlzeit ruft eine stärkere HCl-Secre-
tion hervor als eine mehr vegetabilische, so dass also die vegeta¬
bilischen Nahrungsstoffe (Brot, Brei, Milch) in höherem Grade die
Forderungen erfüllen, die man au ein derartiges diätetisches
Regime zu stellen hat, als die animalischen (Fleisch, Eier). Butter
und Sahne sind direct zu empfehlen, zu Folge ihres herabsetzenden
Einflusses auf die Saftsecretion.“
18. R i c h t e l* - Münster iu Westphaleu: lieber Salzsäure¬
absonderung bei Magencarcinom.
Die bekannte Thatsaelie, dass ln mehr als 10 Proc. aller
Magencarcinome eine mehr oder weniger reichliche HOl-Seeretion
längere Zeit, Ja bis in die letzten Lebenstage fortdauert, tiudel
nach R.’s Ansicht ihre Erklärung in einer erhöhten Irritation der
Secretionsnerven als Folgezustand einer vorausgegangenen Hyper-
ehlorhydrie, entweder im Anschluss an ein chronisches Geschwür
entstanden oder auf nervöser Basis beruhend.
20. P. Cohnheim: Ueber Gastrektasie nach Traumen,
die Aetiologie der Magenerweiterung im Allgemeinen und ihr
Verhältni8s zur Atonie und zum Magensaftfluss. (Aus
l»r. J. Boas Poliklinik in Berlin.)
Die wenigen bekannten Fälle von chronischer Gastrektasie
nach Traumen der Magengegend sind die Folge von Perigastritis
oder Ulcus; acut entstandene Gastrektasien beruhen auf Schock¬
wirkung oiler Knickung des Duodenums, da Wunden der Magen¬
schleimhaut grosse lleilungstendenz zeigen. Auch chronische
Traumen (Druck) führen häufig zu Ulcus und so zur Ektasie.
Die Diagnose Gastrektasie stützt sich unabhängig von der Grösse
des Magens ausschliesslich auf die Anwesenheit stagnirender
Speisereste im nüchternen Magen. Atonie und Ektasie
sind prineipiell ganz verschiedene Erkrankungen, jene eine all¬
gemeine Constitutionskraukheit, diese ein rein localer Process:
d. li. Atonie führt nie zur Ektasie, wenn nicht Oomplicationen hin¬
zukommen, die ein Passagehinderniss bedingen, wie häufiger
Pylorospasmus nach Ulcus pylori mit Hypoclilorliydrie oder in
noch mehr Fällen das Vorhandensein eines organischen Hinder¬
nisses. Echter Magensaftfluss ist die Folge einer Stenose am
Pyloms oder Duodenum, nicht aber die Ursache einer Gastrek¬
tasie. Erwähnenswerth scheint mir noch die von C o h nhoi m
nicht nur bei Carcinom der Speiseröhre, sondern auch bei Pylorus¬
stenose erfolgreich angewandte Oelliehandlung.
21. S i e v e r s - Ilelsingfors: Heber Balantidium coli im
menschlichen Darmcanal und dessen Vorkommen in Schweden
und Finland.
Ueber das im Ganzen (bis jetzt sind 74 Fälle bekannt, aus
Deutschland 3) doch seltene Krankheitsbild von Balantidium im
Kolon ist bezüglich der Aetiologie so viel wie gar nichts bekannt,
man weiss nur, dass dieser Parasit im Darm des Schweines con-
stant zu finden, auch über die Pathogenität herrscht noch keim»
Einstimmigkeit. Immerhin aber gibt die Erfahrung uns schon
eine Reihe von Mitteln an die Hand zur erfolgreichen Bekämpfung
des Uebels. Runeberg verwendet hauptsächlich Chinin¬
klysmen (1—2 g Chinin auf 200—1000). combinirt mit Chinin
(1—3 g) per os oder Kalomel (0,5—1,0). Naphthalin war wirkungs
los. Behandlungsdauer 1—5 Wochen.
22. E1 s n e r : Der Einfluss der Menstruation auf die
Thätigkeit des Magens. (Aus der Poliklinik von Dr. J. Boas in
Berlin.)
Während Riegel in seinem Lehrbuch überhaupt nur ganz
allgemein von einer häufigen Veränderung der Magensaftsecretion
zur Zeit der Menstruation spricht, hat K u 11 n e r bei seinen
Patienten herabgesetzte HCl-Secretion. ja selbst Anacidität ge¬
funden. E 1 s n e r hat nun 14 Fälle daraufhin nachgeprüft und
fand bei 5 keinerlei Aenderung des Aciditätswerthes. 6 mal fand
sich Hyperacidität und nur in 3 Fällen zeigte sich Subacidität.
Au der Hand der Krankengeschichten kommt E. nun zu folgenden
Schlüssen: Geringe Blutungen sind ohne Einfluss, bei stärkeren
Blutungen kann Hyperacidität auftreten je nach dem Erregungs¬
zustand des Centralnervensystems, steigert sich der Blutverlust
bis zur Mennorrhagie, so kann Subacidität die Folge sein. Die
motorische Magenfunction soll durch die Menstruation keine
Aenderung erfahren.
23. R e w i d z o f f : Moskau: Noch einige Worte über mein
Gummi-Gastroskop.
R. bespricht kurz einige Verbesserungen, die er au seinem
auf dem XII. medicinischen Congress zu Moskau demonstrirten
und dann in der Berl. klin. Wocbenschr. 1807, No. 41 besprochenen
Gummi-Gnstroskop getroffen.
24. R a t h m a n n : Einige Bemerkungen über die Haltbar
keit der Magensäfte. (Aus dem stiidt. Krankenh. Mülheim a. Rh..
Chefarzt Dr. Moers.)
Erst nach Wochen sinkt der HCl-Gelialt des Magensaftes,
aber stets noch kann HCl nachgewiesen werden, anders verhalten
sich anacide und milchsäurehaltige Magensäfte, denen die ent¬
schieden desinfleirende Kraft der HCl fehlt; sie verlieren ihre klare
Farbe, der Säuregrad steigt rapid, so dass Anfangs unsichere lte-
actionen deutlich werden. Eine Ausnahme macht der chronische
Magenkatarrh, hier kann die Anfangs eventuell vorhandene HCl
durch allmählich auf tretende Milchsäure verdrängt werden.
Dr. A. Jordan.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In-
lectionskrankheiten. Bd. XXVII., No. 4. 1900.
1) Nils S j ö b r i u g - Lund: Heber die Mikroorganismen in
den Geschwülsten.
Im Anschluss an eine im Jahre 1800 gegebene Mittlieilung
berichtet Verf. über die seit jener Zeit gemachten Beobachtungen
und Erfolge bei der Untersuchung und Züchtung von Organismen
n aligner Geschwülste. Nach seiner Meinung und Ueberzeugung
gehören die Geschwulstparasiten überhaupt keiner der bisher als
Schmarotzer beschriebenen Thier- oder Pilzart au, sondern sind
ohne Zweifel zu den Rliizopoden zu rechnen. — Uebertragungs
versuche mit Geschwulstgewebe gelangen ihm beim Kaninchen,
Hund und Meerschweinchen zum Tlieil, bei weissen Mäusen da¬
gegen in 5o Proc. der Fälle mit absoluter Sicherheit.
Um die betreffenden Organismen zu züchten, verwandte er
einen Nährboden aus 8 proc. Poptongelatine mit 1,5 Proc. Kaliseife
aus Menschenfett dargestellt, und 1 Proc. Zucker. Die Mikro¬
organismen wachsen in Zimmertemperatur fast eben so gut wi*»
im Thermostaten, zeigen jedoch kein Oberflächenwachsthum. Ihre
Formen sind so ausserordentlich mannigfaltig und variabel, dass
mau keinen Typus als vorherrschend mischen kann. Verf. unter¬
scheidet 3 Formen und zwar: 1. amoeboide Gebilde, 2. typische
Rhizopodeugebilde und 3. Involutionsformen. Erstere sind die
häufigsten, sowohl iu den Geschwülsten, wie auch in den Cultureu:
während dieRhizopodenfonneu in dünneren Nährmedien am meisten
anzutreffen sind. Eine Eigenthümliclikeit der betreffenden Gebilde
ist ihre Neigung, in anscheinend plasmodiale Verbände zusammen¬
zutreten, die noch nicht unter den Rhizopoden beobachtet sind.
Sollten sich diese interessanten Thatsaehen, von denen noch
zahlreiche in der vorstehenden Arbeit aufgeführt sind, als sicher
erweisen, so würden wir in dem Erkennen lies Wesens der malignen
Geschwülste ein wesentliches Stück weiter sein.
2) William B u 11 o e h - London: A simple apparatus for ob-
taining plate cultures or surface growths of obligate anaerobes.
3) G. S a n a r e 111 - Bologna: Zur Lehre vom gelben Fieber.
Artikel polemischer Natur.
4) A. Loos-Kairo: Notizen zur Helminthologie Egyptens.
III. Die Skierostomen der Pferde und Esel in Egypten.
Schluss folgt. R. O. N e u m a n n - Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 7.
1) C. A. E w a 1 d - Berlin: Die Autointoxication. (Schluss
folgt.)
2) I*. B a u m g a r t e n - Tübingen: Zur Lehre von den
natürlichen Schutzmitteln des Organismus gegenüber Infec-
tionen. (Fortsetzung folgt.)
3) P. F. Richter- Berlin: Experimentelles über den Ader¬
lass bei Hraemie.
Die günstige Wirkung des Aderlass bei Uraemie. namentlich
mit nachfolgender Kochsalzinfusion, ist mehrfach erprobt, ohne das-?
sie erklärt wäre. Da bei Uraemie eine Zunahme der moleculareu
Coneentrntion des Blutes vorhanden ist. so hat Verfasser unter¬
sucht. ob sich dieser Factor durch den Aderlass verändert. Ex¬
perimentell wurde bei Kaninchen Nephritis hervorgerufen; es
ergab sich hierbei, dass die langsam sich entwickelnde Nieren-
insuffieienz in ihrem Ausdruck, der gesteigerten moleculareu Con-
centration des Blutes durch den Aderlass nicht geändert wird.
A’-:»h wenn letztere ganz rasch in die Höhe geht, tritt durch den
Aderlass mit oder ohne Kochsalzinfusion keine wesentliche Ver¬
minderung des osmotischen Druckes ein. Die Wirkung des Ader¬
lass ist also vorläufig noch nicht experimentell erklärbar.
4) J. B r o n s t e i n - Moskau: Zur bacterioskopischen Diph¬
theriediagnose.
N e i s s e r hat ein Verfahren angegel>en, durch Doppelfärbung
der Culturen den echten Diphthcricbacillus von den „Pseiulo-
bncillen“ zu unterscheiden und Verfasser untersuchte nun. ob diese
Methode nicht direct auf Ausstrichpräparate augewendet werden
könne. Das Resultat war ein günstiges, indem die Färbung der
Polkörner an den Membranen gelang. B. gibt noch eine Variante
dieser Doppelfärbung an, indem er Dahlia statt Methylenblau ein¬
führt und länger färbt.
5) A. Celli -Rom: Epidemiologie und Prophylaxis der
Malaria vom neuesten aetiologischen Standpunkte aus.
In seinem Vortrage gibt C. ein Referat über die neuesten
Resultate der Malariaforschung, die besonders nachwies, dass der
Mensch nur Zwischenwirth, die Stechmücke der eigentliche Wirtli
der Malariaparasiten ist. Die Malaria ist keine eigentliche Boden-
krankheit. C. schildert Leben und Gebräuche der malariatragen¬
den Stechmücke. Die Infection geschieht durch die Haut mittels
Stich. Disposition und Immunität unter dem Einflüsse localer
Faetoreu. der Jahreszeiten, der socialen Verhältnisse und Gewohn¬
heiten der Bevölkerung werden erörtert, doch kann auf die inter¬
essanten Ausführungen hier nicht eingegangen werden. Für die
Diagnose ist die Blutuntersuchung das sicherste Mittel, das sehr
genaue Aufschlüsse liefert. Bezüglich der eingehenden Vor¬
schläge über die Prophylaxe (Isplirung, Desiufection, Assanirung
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266
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
der Malarialandstriche durch Caniile etc., ferner Erziehung und
bessere Ernährung der inflcirten Bevölkerung) wird auf das Ori¬
ginal hingewiesen.
6) M. S c h ü 11 e r - Berlin: Polyarthritis chron. villosa und
Arthritis deformans.
In seinem ausführlichen, mit vielen Abbildungen pathologisch¬
anatomischer Befunde ausgestatteten Artikel sucht Verfasser unter
ausführlicher Darlegung der pathologischen Anatomie beider
Krankheiten nachzuweisen, dass dieselben nicht zusammen¬
geworfen werden dürfen, sondern aetiologisch und nach deu
therapeuthischen Indicationen von einander zu trennen sind. Für
Arthritis deform, empfiehlt S. leichtverdauliche, nicht leicht zu Zer¬
setzung führende Kost, Karlsbader Curen, Massage, Thermal-
douchen; für Polyarthritis vill. Injectionen von Guajacol-Jodo¬
form-Glycerin, eventuell Operation, Massage, Elektricität, inner¬
lich Thiocol.
7) S. W. B a n d 1 e r - Berlin: Zur Entstehung der Dermoid¬
cysten.
B. bespricht die verschiedenen Theorien darüber und üussert
unter Bezugnahme auf die Entwicklungsvorgänge bei dem
Wolf f‘schen und Mülle r’schen Gang die Anschauung, dass
gewisse embryonale Zellen und Organe in ganz directer Weise
Zellen, welche zur Bildung anderer Gewebstheile bestimmt sind,
mit sich schleppen und diese heterotopischen Zellen dann die
Gewebe in den Dermoidcysten produciren. Verfasser besitzt ein
von der linken Seite stammendes Dermoid, das 8 Zähne enthielt,
die für 1. Ober- und Unterkiefer bestimmt waren.
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 6.
1) Tj. B r i e g e r und F. N e u f e 1 d : Zur Diagnose be¬
ginnender Tuberculose aus dem Sputum. (Aus dem Institut für
Infectionskrankheiten in Berlin.)
Die Frühdiagnose der Tuberculose hat durch die Einrichtung
der Lungenheilstätten eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Die zur
Feststellung einer exaeten Diagnose unbedingt nöthige bacterlo-
logisehe Untersuchung des Auswurfs ist in der Regel von dem
praktischen Arzte nicht ausführbar, zum mindesten nicht in dem
Maasse, dass sie den Forderungen einer genauen Differential¬
diagnose zwischen reiner Tuberculose und Miscliinfectionen ent¬
spricht. Hier sollen staatliche Institute eintroten, für einzelne
zweifelhafte Fälle kommen die Tuberculininjectionen in Betracht,
welche trotz ihres hohen diagnostischen Wertlies und ihrer bei Be¬
obachtung der K o c h’schen Vorschriften gänzlichen Ungefährlich¬
keit leider bei der Mehrzahl der Aerzto noch wenig Vertrauen
finden. Eine Anzahl ausgewählter charakteristischer Fälle wird
beschrieben.
2) Julius W o 1 f f : Zur Behandlung der stricturirenden
Mastdarmverschwärung. Zugleich ein Beitrag zur Mastdarm¬
plastik.
Schluss folgt.
3) E. S e h r w a 1 d - Freiburg i. B.: Klimmzuglähmungen.
Mittheilung zweier weiterer Fälle von Klimmzuglälimung.
Dieselben sind meist als Hyperextensionslähmung des Plexus
brachialis zu betrachten unter Miterkrankung des Musculus ser-
ratus anticus major und seines Nerven, des Thoracious longus.
Vergleiche übrigens die erste Mittheilung hierüber in No. 30 der
Deutsch, med. Wochenschr. 1898.
4) M. L. M e n k o - Amsterdam: Spondylosis rhizomelica.
Beschreibung eines Falles der von Strümpell als „chro¬
nisch aukylosirende Entzündung der Wirbelsäule und der Hüft
gelenke“ bezeiehneten Krankheitsform, mit zwei Abbildungen.
F. Lacher- München.
Correspondenzblatt für Schweizer 'Aerzte. XXX. Jahrg.
No. 3.
D u b o i s : lieber Suggestion und Psychotherapie.
Nicht Suggestion im engeren Sinne und Hypnose sollen
das Grundprineip der Psychotherapie sein, sondern aufrichtige
logische Ueberzeugung und Erziehung des Patienten. NB. nach
genauer Untersuchung und Diagnose.
A. S t e i g e r - Zürich: Untersuchungen über Sehschärfe
und Treffsicherheit. (Schluss.)
Die Treffsicherheit beim Schiessen hängt vor Allem ab von
der Sehschärfe (1 ist nicht = normale Sehschärfe! — am besten
Prüfung mit verschieden gestelltem E). vom Bildungsgrad und
von der Uebung. Diese 3 Momente können sich gegenseitig com-
pensiren, ja übercompensiren, jedoch erscheinen die für die Militär-
tauglichkeit auf gestellten Grenzen der Sehschärfe zu niedrig. Jeder
sollte auf seine maximale Sehschärfe untersucht und danach einer
Waffengattung zugetheilt werden. Zahlreiche übersichtliche Ta¬
bellen (nach Schiesstibungen eines Bataillons). Pischinger.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 6.
1) Böla v. Fenyvessy-Wien: Ueber die Wirkung des
SchilddrÜBensaftes auf die Circulation und Athmung nebst
einem Anhang über Beziehungen zwischen Jodothyrin und Jod-
natrium, bezw. Atropin.
Verfasser experimentirte an Kaninchen, denen er Extra etc
verschiedener Schilddrüsenprftparate intravenös beibrachte. Quali¬
tativ wirkten alle 5 Präparate, welche untersucht wurden, in ana¬
loger Weise. Eine regelmässige Wirkung auf die Athmung fand
sich nicht; nicht selten aber wurde nach der Injection eine durch
die Lungenvagusäste vermittelte reflectorisclie Beschleunigung und
Abflachung der Athmung in Inspirationsstellung beobachtet,
seeundär eine länger anhaltende geringere Beschleunigung der
Athmung mit leichter Verflachung. Bezüglich des Kreislaufs be¬
wirkt der Schilddriiseusaft beim Kaninchen nach der Injection
eine Blutdrucksenkung, die durch Erweiterung der Gefässe be¬
dingt ist, wobei aber die Gefässcentren unbetheiligt sein können.
Auf Grund weiterer, im Original mitgetlieilter Thierversuche kann
v. F. die Angaben bezüglich der antagonistischen Wirkung des
.Todothyrins gegen das Jodnatrium, resp. Atropin in keiner Weise
bestätigen.
2) C. Bi eh 1-Wien: Störungen der Vasomotorenthätigkeit
und der Sensibilität nach peripherer traumatischer Facialis-
lähmung.
B. hält durch den von ihm beobachteten Fall den Nachweis
für erbracht, dass der N. facial. auch beim Menschen sensible und
vasomotorische Fasern enthält. Der betreffende 22 jährige Kranke
batte einen Messerstich gegen das 1. Ohr bekommen, worauf eine
complete Lähmung des Stirnastes des VII. eintrat, Parese
im Gebiete der anderen Aeste. In der 1. Gesichtshälfte zeigte sich
Gedunsenheit der Haut, Röthung derselben, Sehweissabsondemng
und abnorme Empfindlichkeit. Hysterie ist ausgeschlossen. Ver¬
fasser meisselte den Warzenfortsatz auf. um etwa Eiter zu finden,
doch war der Befund negativ. Die von Küster vorgeschlagene
Modification der Eröffnung des Proc. mast, bewährte sich nicht.
3) v. Wagner- Wien: Gutachten der medicinischen Facul-
tät in Wien.
Zu kurzem Referate nicht geeignet.
Dr. Grass mann - München.
Französische Literatur.
Paul R a y m o n d, auserordentlicher Professor zu Montpellier:
Die Morbidität in Frankreich und deren Beeinflussung durch
Basse und Bodenverhältnisse. (Revue de mödecine, Sept. 1899.)
R. führt die jetzigen Bewohner von Frankreich im Allgemeinen
auf 3 Bevölkerungsarten zurück, die ursprünglich die Nordost-
theile bewohnenden Kelten, welche später gegen die Mitte vor¬
drangen (Brachycephalen), die völlig autochtlione sogen. Art der
Cromagnonen (Dolichocephalen) im Nordwesten und die von der
Donau und Germanien hereinströmenden (dolichocephalen )
Galater oder Belgier, welche den Norden von Frankreich besetzten.
Im Allgemeinen sollen sich, wenn auch Vermischungen vorge¬
kommen sind, diese Stämme bis heute in ihren speciellen Eigen¬
arten erhalten haben, was sich besonders durch specielle Krank-
heltseigenthümlichkeiten documentire. So ergaben die statistischen
Untersuchungen, dass die Krankheiten, welche Befreiung vom
Militärdienst bewirken, in den Grenzbezirken Frankreichs, bei der
Bevölkerung an der See und in den gebirgigen Theilen. viel häufiger
sind, wie im Centrum des Landes. Der Einfluss der Bodenverhält¬
nisse kommt noch zu dem der Rasse hinzu und ist z. B. bei der
l epra. welche in Frankreich, gleich wie überall (?), nur an
den Gestaden des Meeres vorkommt, ein zweifelloser. Während
die Kelten bessere Zähne haben, als die Kymrer, lässt die Seh¬
kraft der letzteren zu wünschen übrig. In den Departements, wo
die brünetten Dolichocephalen des südlichen Frankreich vor¬
herrschen, beträgt der Ooefflcient der Befreiung vom Militärdienst
2.49 Prom.. während er in den übrigen Departements 1,77 resp.
1,54 Prom. ist. Eine Krankheit, für welche der Einfluss der Rasse
unbestreitbar ist, ist der Scharlach und schon seit Langem hat
man Prädisposition der anglosächsischen Rasse für diesen fest¬
gestellt, ebenso wie die schwere Form, welche sie bei den Englän¬
dern begleitet. Das kymrische Element in Frankreich muss daher
viel mehr vom Scharlach betroffen werden und eine viel höhere
Sterblichkeit geben, als die übrigen Bewohner, was in der That die
Statistik lehrt: in den 10 Hauptstädten der 10 kymrischen Departe¬
ments. verglichen mit den 10 keltischen Departements von ungefähr
gleicher Bevölkerungsstärke, verhält sich die Mortalität an Schar¬
lach wie 232 gegen 160 (in 3 Jahren). Eine andere Krankheit, für
welche der Einfluss der Rasse unbestreitbar Ist, ist die Miliaria
(Sehweissfrieseln): zu allen Zeiten waren die Anglosaxonen und
Germanen dazu disponirt und In Frankreich hat die Krankheit in
den Norddepartements besonders geherrscht, wo man eben das
kymrische, blonde Element findet, zu welchem auch die Angel¬
sachsen und Germanen gehören. Ueberall in Frankreich, wo diese
Rasse der Dolichocephalen vorherrscht, hat sich die Miliaria ein¬
genistet. tritt in lange dauernden Epidemien auf und kehrt immer
leicht wieder, während im Gegentheil überall, wo man die Brachy¬
cephalen antrifft, diese Krankheit nur selten vorkommt, bald er¬
lischt und sogar meist nicht wieder erscheint. Es Ist hier nicht
möglich, auf weitere Einzelheiten der interessanten Arbeit ein¬
zugehen: R a y m o n d ist aber überzeugt . dass eingehende anthro¬
pologische Untersuchungen ebenfalls den Beweis bringen können,
dass die Rassen, welche ursprünglich die französiche Bevölkerung
zusammensetzten, heute noch trotz zahlreicher Mischformen er¬
kennbar seien.
Audion und Bourgeois: 7 Fälle von Empyema neces-
sitatis bei Kindern. (Revue mensuelle des maladies de renfancc.
September 1899.)
Die beiden Autoren beschreiben eingehend die obigen Fälle
und setzen ihr Erstaunen voraus, dass heutzutage noch in der
kurzen Zeit von 4 Jahren eine relativ so grosse Anzahl von Fällen
zur Behandlung komme; es sei schwer begreiflich, dass man Monate
hindurch eine purulente Pleuritis verlaufen lasse, ohne die Punc-
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20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHR WOCHENSCHRIFT.
2(>7
tion oder die FleUrotomie zu machen. Die Ursache dafür liegt iu
der Krankheit selbst, die sieh oft, besonders beim Kind, nicht in
ihren classisclien Symptomen zeigt. Das jüngste der Kinder war
das älteste !), die anderen 7, 8 Jahre alt. Einer der Fälle
purulenter Pleuritis folgte nach Masern, ein zweiter nach Lungen¬
entzündung, einer nach Keuchhusten und die vier anderen nach
nicht näher zu bestimmenden Lungenatlectioneu. Iu 5 der Fälle
»also nicht in sänmitlielien 7 % Rof.) war die Pleuritis nicht er¬
kannt worden und erst spät zur Operation gekommen (nach (>, 8
und mehr Monaten). Dieselbe hatte bei dreien zur Folge, dass sich
die Pleurahöhle nach der Pleurotomie von selbst füllte. Die
Prognose des Empyema necessitatis richtet sich nach der Dauer
der nicht erkannten Pleuritis, sie ist eine schwere, da die Heilung
Monate und Jahre dauern, schw ierige und wiederholte Eingriffe
notlnvemlig machen kann und nicht ohne bleibende Störungen auf
Seite der Lungen, der Pleura, des knöchernen Brustkorbs erfolgen
kann. Einer der Fälle endigte trotz Operation tödtlich, wahrschein¬
lich in Folge der durch das Empyem bedingten Kachexie; die
Autopsie ergab intime Verwachsung der beiden Pleurablätter bei
dem 3 y 3 jährigen Knaben. Die Schwierigkeit der Eiupyem-
diaguose ist zwar seit Langem bekannt, doch vermindert sie sich
nu(*h Ansicht der beiden Autoren, wenn man die hauptsächlichen
Merkmale bedenkt, wie Verlagerung des Herzens, bei der Per¬
cussion matten Schall und Resistenz des Fingers; wenn ferner in
Folge einer Lungenentzündung, einer acuten Krankheit ein Kind
fortführt, Fieber zu haben, mager und blass wird, sollte man immer
an die Möglichkeit einer eitrigen Pleuritis denken, besonders den
percutorischen Ergebnissen, welche oft unklar sind, misstrauen
und die Probepunction vornehmen. Da die acute Perforation mit
Ifötlie, Hitze und Schmerz selten ist, so bemerkt man nur durch
Zufall den insidiösen Beginn des Empyema necessitatis: vor und
ausserhalb der ersten lntercostalräume, besonders des fünften, er¬
scheint ein w'enig Schwellung und Oedem; erstere ist einige Tage
laug nur wenig schmerzhaft, wird dann grösser, Üuctuireud und
zeigt schliesslich alle Eigenschaften des Empyema necessitatis.
Was die Dififerentialdiagnose betrifft, so kommt neben den seltenen
Fällen, wo Wauderabscesse, vom Halse kommend, hinten und
unten durchbrechen und neben Lipomen der Brustwand vor Allem
der kalte Abscess der Brustwand iu Betracht, w-elcher, häuüg bei
Kindern, denselben Sitz wie das Durchbruchsempyem hat und
wie dieses bei schwachen Kindern besonders häutig ist; beim
Empyem ist jedoch das Allgemeinbefinden schwer beeinträchtigt,
beim Abscess nicht und die ganze locale Untersuchung muss die
Diagnose sichern. Auch an eine in Bildung begriffene Fistel
zwischen Haut und Bronchien lässt der Durchbruch eines Em¬
pyems denken, erstere ist jedoch sehr selten, die Luft entweicht
dabei zischend aus der Wunde und immer muss damit ein vor¬
geschrittenes Stadium der Luugeutuberculose verbunden sein. Im
Allgemeinen ist aber zu coustatiren, dass bei Pleuritis auf tubercu-
löser Grundlage (Koc li’schen Bacillus) die Perforation selten, bei
jener mit dem Pneumococcus relativ häutig ist. In zweifelhaften
Fällen muss stets Punction zur Anwendung kommen und soll man
künstliche Entfernung des Eiters anstrebeu und dieselbe nicht der
Natur überlassen.
Marfan: Die Rolle der Mikroorganismen bei der Gastro¬
enteritis der Säuglinge. (Ibidem und Revue mens., October und
November 1899.)
Die ausführliche, mit einer Reihe instructiver Fälle illustrirte
Arbeit kommt zu dem Ergebnisse, dass die bacteriologischen Unter¬
suchungen über die Gastroenteritis der Säuglinge, w r enn sie auch
noch unvollständig sind, wenigstens gezeigt haben, 1. wie wichtig
die Rolle der Infection bei dieser Krankheit ist, 2. dass aber noch
andere Momente in Betracht zu ziehen sind und die Infection oft
nur secundür hinzutritt. Die localen und allgemeinen Erschei¬
nungen der Gastroenteritis sind im Allgemeinen auf 4 Ursachen
zurückzuführen: 1. die fehlerhafte Verarbeitung der Nahrungs¬
stoffe (Dyspepsie), 2. die Infectiosität des Darminhaltes, welche
entstehen kann entweder durch die erhöhte Virulenz der normalen
Darmmikroorganismen (endogene Infection) oder durch zufälliges
Eindringen pathogener Mikroben (ektogene Infection). 3. Die
Toxicität (im weitesten Sinne), welche der Magendarminhalt be¬
sitzen kann und herrührt entweder von Giften, die von aussen
durch die Mundhöhle hineingelangt sind (ektogene Intoxication)
oder von Toxinen, die von pathogenen, mehr oder weniger speci-
lischen Mikroorganismen producirt werden, oder endlich von ge¬
wöhnlichen Fermentationen, die besonders darin bestehen, Laktose
in saure Stoffe, seltener stickstoffhaltige Substanzen in Indol,
Skatol, Ammoniak, wahrscheinlich mit Production von Toxinen,
zu verwandeln. 4. Die Veränderungen der Magendarmwand,
welche sich durch Störungen der Secretion, der Peristaltik, des
Tonus und der Sensibilität (Erbrechen, Diarrhoe. Meteorismus,
Gastralgie) verrathen. Es ist wohl zu begreifen, dass, wenn eine
einzige dieser Störungen vorhanden ist, allmählich die anderen
daraus entstehen werden; nach mehr oder weniger langer Zeit
w r erden die 4 genannten Ursachen in verschiedener Proportion ver¬
einigt sein und das wird mit dem einfachen Ausdruck Gastro¬
enteritis bezeichnet. Man kann hier wieder primäre und sccundäre
unterscheiden, welch’ letztere im Verlaufe verschiedener Krank¬
heiten, wie Masern. Bronchopneumonie u. s. w. auf treten. Nach
dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft ist es wahrscheinlich,
dass ein und dieselbe Ursache, der Streptococcus z. B., Magendarm-
affectionen verschiedener Formen, katarrhalische oder follikuläre,
leichte oder schwere, acute oder chronische verursachen kann;
der' vorherige Zustand des Darmtractus, die Eigenschaften der
vorhaiidenen MikrobeuSchaar, die allgemeine Resistenz des In-
□ igitized by Google
dividuums werden ein und dieselbe primäre Wirkung iu ganz ver¬
schiedene Wege leiten. Die zu der vorliegenden Arbeit benützte
sehr reichliche Literatur ist im Anhänge alphabetisch geordnet
wiedergegebeu.
Charles Ni c o 11c: Experimentelle Erzeugung des weichen
Schankers beim Affen. (Presse inedicale No. 88, 1899.)
Die so oft vergebens versuchte Uebertragung des weichen
Schankers auf Thiere gelang N. in einem Falle, indem er ihn vom
Menschen auf den Affen einer bestimmten Art überimpfte; es ent¬
stand auf der Stirne des letzteren ein typisches Geschwür, welches
excidirt wunde und sich vom histologischen wie bacteriologischen
Standpunkt aus völlig identisch mit dem weichen Schanker des
Menschen zeigte (3 Abbildungen). Von diesem ersten Geschwür
aus bildeten sich eine Reihe weiterer durch eine Art Auto-
inoculatiou; die Lymphdriisen waren nicht, entzündet. Von den
Schankergeschw’üren dieses eiuen Thieres wurden auf 2 weitere
Affen anderer Art Ueberimpfungeu gemacht und es büdeten sich
bei diesen ebenfalls typische Geschwüre. Sie w f areu insofern ver¬
schieden, als bei dem einen Thiere rasche Spontanheilung im
Gegensatz zu den beiden anderen erfolgte und eine weitere Ueber-
impfung nicht mehr möglich war. Unabhängig von diesen Ex¬
perimenten wurden auch au Meerschweinchen, Kaninchen.
Mäusen Impfversuche gemacht, aber mit stets negativem Resultate.
Als auffallend (trotz der speeiell gewählten Impfstelle V Refer.)
hebt N. hervor, dass der welche Schanker an der Stirne sich ent-
wickelt hat, einer Stelle, wo das Vorkommen von Ulcus mollo
beim Menschen bis jetzt geleugnet wurden ist. N. macht schliess¬
lich darauf aufmerksam, dass es bei den Affen eine grosse Reihe
verschiedener, bisher kaum bekannter Arten gibt, die eben ver¬
schieden sensibel für die bacterielleu Gifte sind, und dieser Ver¬
schiedenheit der Arten muss man bei den Impfversuchen in hohem
Grade Rechnung tragen.
Ladislaus Deutsch, von der med. Facultüt zu Ofen-Pest:
Beitrag zum Studium des Ursprungs der Antikörper beim
Typhus. (Auuales de l’institut Pasteur, September 1899.)
Die umfangreiche, aus dem Laboratorium von Metschui-
k o f f stammende Arbeit ist in 2 Hauptabschnitte getheilt. Der
erste beschäftigt sich mit dem Ursprung der präventiv
gegen den Typhus wirkenden Substanzen, der
zwuite mit dem Ursprung der Agglutlnine und deren Beziehungen
zu den Antikörpern. Die einzelnen Phasen der Versuche können
hier nicht wiedergegebeu werden, sondern Referent muss sich auf
die Schlussfolgerungen beschränken. Dieselben bestehen für die
erste Frage in Folgendem: 1. Eine einzige intraperitoueale In¬
ject ion einer Typhuscultur bewirkt die Entstehung der Antikörper
beim Meerschweinchen. 2. Die den Typhus bekämpfende Wirkung
erscheint im Serum gegen den 4.-5. Tag, nimmt dann zu, um gegen
den 11.—12. Tag ihr Maximum zu erreichen. Sie nimmt nun ab
kann aber noch 1 Monat nach der Iujection evident gemachi
werden. 3. Die antityphöse Kraft ist wenig beträchtlich in der
Leber, Niere, in den Nebennierenkapseln, im Epiploon. Die Stärke
der antityphösen Wirkung des Bauchfellexsudats kommt zuweilen
derjenigen des Serums gleich, ohne sie jemals zu übertreffen.
4. In einem Viertel bis einem Fünftel der Fälle sind das Knochen¬
mark und in der Hälfte der Fälle die Milz wirksamer als das
Serum. 5. Die lymphoiden Organe stehen in Beziehung zur Bil¬
dung der Antikörper; aber ziemlich oft (ein Drittel der Fälle)
nehmen sie daran nicht Theil und es ist zu vermuthen, dass sich
dann diese Körper anderswo, vielleicht im Blute selbst, bilden.
Die wichtige Rolle der erwähnten Organe (Knochenmark, Milz)
ist durch folgende Thatsachen bewiesen: Die Splenektomie der
Thiere während der ersten Tage ihrer Immunisation ist von einer
beträchtlichen Verminderung der antityphösen Kraft gefolgert,
die Injection von so exstirpirten Milzen in das Bauchfell anderer
Meerschweinchen bewirkt das Auftreten specifischer Agglutinine
in dem Blut derselben, was beweist (aber nur, wenn Immunisiruug
und Agglutinirung nahe verwandt sind; Refer.), dass gegen den
Typhus wirkende Substanzen in der Milz fixirt Vorkommen. Die
vorliegenden Experimente zeigen nicht, w r elches die Zellen sind,
die die Bildung der Antikörper bewirken, sondern nur die Stellen,
w o dies geschieht. Wenn man einerseits den lymphatischen
Charakter dieser Stellen (Blut, Milz, Knochenmark), andererseits
die grosse Veränderlichkeit der beobachteten Thatsachen bedenkt,
so hält D. die Annahme für wohl berechtigt, dass dies Wanderzellen
leukocytären Ursprungs sind, die. mit Bacterienproducten beladen,
dort die Antikörper bilden. Bezüglich der Agglutinine
(II. Theil der Arbeit) ergab sich Folgendes: 1. Die Intraperitoneale
Injection einer Typhuscultur bewirkt beim Kaninchen das Auf¬
treten einer agglutinirenden Wirkung im Serum. 2. Das Auftreten
und die Entwicklung derselben ist oft denselben Regeln unter¬
worfen wie das Zustandekommen der Antikörper, sie entsteht
gegen den 3.—4. Tag, nimmt bis zum 10.—13. Tag zu und nimmt
dann allmählich wieder ab. Die correspondirenden Werthe wech¬
seln ziemlich beträchtlich bei den verschiedenen Thieren. 3. Was
die Organe der immunisirten Thiere, Leber, Nieren, Nebennieren-
kapseln betrifft, so enthalten sie nur Spuren von Agglutininen.
die lymphoiden Organe (Milz, Knochenmark, Drüsen) enthalten
wechselnde Mengen, ohue den Werth des Serums zu erreichen.
4. Geht die Milzexstirpation der immunisirenden Injection voraus,
so verhindert sie nicht die Bildung der Agglutinine; wird sie 3—5
Tage nach der Injection gemacht, so erscheinen dieselben nur in
geringerer Menge, als der Norm entspricht. Die Milz muss also
Substanzen einschliessen, welche von den Bacterien herrühren
und die Bildung der Agglutinine hervorrufen. Die Lungen können
als die einzigen Organe des Meerschweinchens angesehen werden,
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
268
welche iu der Mehrzahl der Fälle eine grössere Agglutinatious-
fäliigkcit besitzen als das Serum. Diese Wirkung des Lungen-
extracts ist keine specifiselie, sondern muss als absolut unabhängig
von der Wirkung der spocifischon Agglutinine des immunisirten
Serums ungesehen werden. Trotzdem soll es gewisse Analogien
geben, wonach die normalen Agglutinine von jenen der Lunge
herrühren. Der Lungensatt ist die erste bekannte thierische
Flüssigkeit, welche, obwohl stark agglutinirend. keine Antikörper
imit Präventivwirkung) enthält.
.1. C o 1 a r d : Darstellung des Caseins als pyogene Substanz.
(Ibidem.)
Büchner hat zuerst im Jahre 1890 das vegetabilische
Casein als eine Substanz angewandt, die leicht die Eiterung ge¬
wisser (Jewebe und speciell der Pleura her vorm ft und damit (las
Studium der Alexine. der präventiven und bacterieiden Sub¬
stanzen ermöglicht. Da nun Colard die gewöhnlich im Handel
vorkommenden Gnseine als unreine Präparate fand, so ersann er
eine Methode, wonach es gelang, ein sehr reines Caseinpräparat
darzustellen, welches beträchtliche pyogene Wirkung besitzt, wie
(Jengou bereits in seinen Versuchen coustatirt hat. Die Dar¬
stellung geschieht aus Weizenmehl, aus welchem zuerst (Jluten
gewonnen wird und aus diesem dann durch Maceration mit ver¬
dünnter Kalilauge, Essigsäure und Alkohol (der Reihe nach) das
vegetabilische Casein. 1 Kilo Mehl gibt ungefähr 20 g des letzteren.
Man kann das Casein auch aus Legumiuosen-Kömern ausziehen.
Es ist in schwach alkalischer Lösung sehr Leukocyten anziehend:
um Eiterung hervorzurufen, genügt es, in die Pleura 8—10 ccm
dieser 5—10 proc. alkalischen Lösung zu injiclren: den folgenden
Tag kann man eine beinahe gleiche Menget Eiters entnehmen.
Stern- München.
Englische Literatur.
James C. R e e v e : Welches ist der beste Draht zur Ein¬
führung in einen aneurysmatischen Sack? (Annales of Surgery,
Pecember 1899.)
Verfasser operirte einen 49jälir. Mann, der an einem grossen
Aneurysma der Bauchaorta litt. Unter localer Anaesthesie
öffnete er die Bauchhöhle, stach eine Hohlnadel in den Sack ein
und führte 7 Fuss versilberten Kupferdrahtes ein; daun verband
er den Draht mit dem positiven Pole einer galvanischen Batterie
und Hess einen Strom von 80 MA. durchgehen. Da dies keine
Schmerzen verursachte (heftige Schmerzen bei einem Versuche,
den Strom auf 110 MA. zu bringen), liess er den Strom 50 Minuten
lang einwirken, nach welcher Zeit eine deutliche Gerinnung auf¬
getreten war. Die Blutung aus der Eiusticliöffnung stand bald.
Patient starb 24 Stunden nach der Operation. Bei der Seetion zeigte
es sich, dass eine Drahtschlinge etwa 10 Zoll weit in die Aorta vor-
gedrungen war, das freie Ende des Drahtes reichte aber sogar bis
zur Aortaklappe, die es ekchymosirt hatte. Verfasser machte im
Anschluss an diese Operation eine Reihe von Experimenten und
fand, dass dünner, vorher aufgespulter Silberdraht sich am
meisten zur Einführung in ein Aneurysma eignet.
A. H. Miller: Narkose mit Lachgas und Aether. (Ibid.)
Verfasser empfiehlt das Chloroform ganz aufzugeben und zum
Aether überzugehen. Die dem Beginn der Aethernarkose anhaf¬
tenden Unannehmlichkeiten umgeht er, indem er zuerst Lachgas
gibt. Die Zeit bis zum Eintritt völliger Betäubung beträgt im
Mittel etwa 3 Minuten; man braucht, wenn man erst gelernt hat,
gerade im richtigen Momente vom Gas zum Aether überzugehen,
nur sehr wenig Aether zum Unterhalten einer tiefen Narkose.
24 Proc. aller Narkotisirten brachen nicht nach der Narkose, nur
5 Proc. hatten wirklich starkes Erbrechen, wie es nach Chloro¬
formnarkose so häufig ist.
Saundby: Das Influenzaherz. (Birmingh. med. Review.
November 1899.)
Herzerkrankungen nach Influenza sind sehr häufig, meist sind
sie functioneller Art und bestehen in Veränderungen der Frequenz
und des Rhythmus (am häufigsten besteht Verlangsamung des
Pulses); sie gleichen nicht selten den Störungen, die durch Tabak¬
oder Alkoholmissbrauch hervorgerufen werdeu. Die organischen
Erkrankungen bestehen meist in Erweiterung der Ventrikel, die
namentlich bei schwächlichen Kranken oft durch eine schleichende
Myocarditis und Verfettung hervorgerufen wird. Frauen leiden
nach Influenza nicht selten an monatelang anhaltender Unregel¬
mässigkeit und Aussetzen des Pulses, verbunden mit Schwäche-
gefiihl, Depression und Mageubeschwerdon, dabei lassen sich
physikalisch keinerlei Aenderungen am Herzen nachweiseu.
Männer leiden mehr an Herzerweiterung, die oft zu einem systo¬
lischen Mitralgeräusch führt. Fuiictionelle Störungen sind mit
Ruhe, Diät, Eisen und Arsenik, bei rapidem Puls auch mit Digitalis
zu behandeln. Organische Störungen werden am günstigsten durch
die S c h o t t’sche Methode beeinflusst.
Conolly Normann : Die klinischen Zeichen der Beri-
Beri-Krankheit. (Dublin Journal of med. Sciences, 1. Januar 1900.)
Verfasser beobachtete* eine grosse Epidemie dieser seltenen
Krankheit im Irrenhause in Dublin. Es wurden hauptsächlich
die Geisteskranken (erst später auch vorher gesunde Menschen)
ergriffen. Bei den nicht Geistesgestörten gingen leichte Ermüdung,
gelegentlich Wadenkrämpfe und Kurzathmigkeit bei geringer An¬
strengung oft längere Zeit den schwereren Symptomen voraus.
Manchmal begannen die letzteren mit einer heftigen Temperatur¬
steigerung. Die einmal ausgebrochene Krankheit war äusserst
verschieden in ihrem Verlaufe. Manche Fälle kamen nie über
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das mildeste Stadium der Abortivform heraus (S c h e u b e). Es
bestanden dann nur die schon erwähnten Prodrome mit vorüber¬
gehendem, praetibialem Oedera und Herabsetzung der Hautsensi¬
bilität iu den Beinen; gewöhnlich bestand nur leichte Tacliycardle
bei diesen Fällen, manchmal aber war das Herz bei sonst ganz
leicht scheinenden Fällen schwer erkrankt, so dass es zu plötz¬
lichem, unerwartetem Herztod kam. Ueberliaupt war die Prognose
stets sehr schwierig zu stellen, da ganz leicht verlaufende Fälle
unvermittelt die schwersten Symptome entwickelten. So war auch
die Dauer der Erkrankung sehr unbestimmt, da Rückfälle häufig
vorkamen.
Die von Anfang an schwer erscheinenden Krankheitsfälle
schienen schneller zu enden, als die leichteren, sei es nun iu
Heilung oder in Tod. Mit der Verschlimmerung der Fälle nahmen
die Oedeme und die Unempfindlichkeit zu; verschwanden diese
wieder, so blieben Lähmungen und grosse Abmagerung zurück;
in günstig verlaufenden Fällen wurden auch diese Symptome
völlig beseitigt. Verschlimmerte sich der Zustand des Herzens,
so trat oft kurz vor dem Tode Erbrechen auf, das vom Verfasser
desslialb als prognostisch ungünstiges Zeichen angesehen wird;
Lungenoedem war eine sehr häufige Todeursaclie, dabei fand mau
oft Hydropericard und Hydropleura. Zuweilen erfolgte der Tod
auch durch Lähmung der Athemmuskeln. Unter den Irren er¬
krankten auffallend häufig die Epileptiker und diese starben nicht
selten während eines Anfalles oder kurz nach demselben.
F. H. C h a m p n e y s : Einige Punkte aus der Natur¬
geschichte der Uterusfibrome. (Lancet, 20. Januar.)
Der sehr sachlich und klar geschriebene Artikel w'endet sich,
ohne Namen zu nennen, gegen die Operationswuth gewisser Gynä¬
kologen, die für die Myomoperation dieselben Indicationen auf-
stelleu wollen, wie für die Entfernung der Eierstockscysten und
die, um ihre zahlreichen Operationen zu rechtfertigen, die Ge¬
fahren, die ein Fibrom der Trägerin bringt, bedeutend übertrieben
haben. Die so häufig betonte Neigung der Fibrome, sarkomatös
zu entarten, ist nach Verfassers Ansicht eine sehr grosse Selten¬
heit, ebenso selten führen durch Uterustibrome bedingte Blutungen
zum Tode; am häufigsten tritt noch der Tod in Folge dieser Tu¬
moren ein durch Compression oder Abknickung der Harnleiter
und dadurch bewirkte Nierenveränderung. Um sich nun ein ge¬
naues Bild davon zu machen, wie häutig ein unbehandeltes Uterus¬
fibrom zum Tode führe, hat Verfasser das gewaltige Kranken-
material des Bartholomäus-Hospitales daraufhin untersucht. Das
Krankenhaus zieht sein Material aus einem bestimmten Stadt¬
viertel und es ist anzunehmen, dass die meisten Kranken dieses
Stadttheiles dies Hospital wieder und wieder aufsuchen. Ver¬
fasser sucht nun erst festzustellen, wie häufig die Erkrankung
überhaupt sei, findet aber, dass eine derartige, selbst nur an¬
nähernd richtige Schätzung unmöglich sei, da sow r ohl in der Hos¬
pital- wie in der Privatpraxis zahlreiche Fälle von kleineren, intra¬
mural oder subserös liegenden Tumoren übersehen werden. Von
2100112 Frauen, die iu 32 Jahren in seinem Hospitale poliklinisch
behandelt wurden, litten 40 015 an einer gynäkologischen Krank¬
heit, unter diesen wiederum w urde 1043 mal ein Fibromyom dia-
gnosticirt. Auf seiner Abtheilung behandelte Verfasser in den
letzten 18 Jahren 5785 gynäkologische Fälle, unter denen
er 547 mal ein Uterusfibrom diagnosticirte. Betrachten wir
nun die Statistik des Leichenhauses, so finden wir, dass
in 32 Jahren 1398 Frauen über 30 Jahre secirt w’urden, welche
auf der mediciniselien Abtheilung behandelt werden waren. Unter
diesen 1398 Fällen wurde 74 mal das Vorhandensein von Fibromen
notirt (gewdss sind manche Fälle übersehen worden), doch nur
3 mal konnte das Fibrom in Zusammenhang mit dem Tode ge¬
bracht werden.
In 14 Jahren wrnrdeu von der chirurgischen Abtheilung 462
weibliche Leichen von über 30 Jahren geliefert, bei denen 07 mal
ein Fibrom gefunden wurde. Unter diesen waren 15 in Folge
einer Operation an dem Fibrome gestorben. (Diese Zahl er¬
schöpft nicht alle Todesfälle, da bei einer Reihe in Folge von
Myomoperationen gestorbener Frauen die Seetion verweigert
wuirde.)
Um zu einer genaueren Statistik zu kommen, hat nun Ver¬
fasser die Operationsresultate 5 Londoner Hospitäler zusammen¬
gestellt. In 9 Jahren wurden 433 Fälle operirt mit einer Mortalität
von 74, gleich 17 Proc. Die verhültnissmüssig sehr geringe Zahl
von Operationen zeigt, dass meist schwere Fälle operirt wurden.
Operirt Jemand sehr viele Myome, so muss ja die Mortalität
sinken, da die manuelle Geschicklichkeit des Operateurs wachst
und zahlreiche leichte Fälle mit unterlaufen. Verfasser kommt
dann zu dem Schlüsse, dass heutzutage viel zu häufig bei diesen
Fällen operirt wird. Eine Indientio vitalis, wie sie bei jedem
Ovariencystom besteht, besteht bei dem Uterusfibrom fast nie;
desslialb muss jeder Fall individuell betrachtet werden und stets
soll man vor der Operation andere Behandlungsmethoden ver¬
suchen. Am häufigsten werden Blutungen, Schmerzen und Druck¬
erscheinungen den Anlass zur Entfernung dieser Tumoren geben,
stets aber sei man sich bew'usst dass Jedes Symptome so gut wie
nie zum Tode führt. (Wenn wir auch dem Verfasser unbedingt
Recht geben müssen in seiner Verdammung der jetzt herrschenden
Operationswuth, die jedes auch nur zufällig gefundene Myom ent¬
fernen will, so Ist doch ein allzu conservativer Standpunkt bei
dem Zustande der heutigen Technik nicht mehr gerechtfertigt,
nach Verfassers Statistik haben allerdings die 5 Londoner Spitäler
heute noch dieselbe Mortalität wie vor 10 Jahren, doch liegt dies
zum Theil sicherlich an der Missachtung, die manche hiesige
Gynäkologen den Forderungen der modernen Wundbehandlung
Original frorri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
269
entgegenbringen; unsere eigenen, ebenfalls in London erzielten
Resultate der Myomoperationen sind jedenfalls bedeutend bessere.
Der Refer.)
A. E. W r! g h t: Die Resultate der Impfungen gegen
Abdominaltyphus. (Ibid.)
Verfasser machte die Impfungen an Soldaten, während er mit
der englischen Pesteömmission in Indien war (Ende 1898 und
Anfang 1899). Nur ein Theil der Vaccine konnte aus England mit¬
genommen werden und bestand aus Culturen virulenter Typlius-
bacillen, denen 1 proc. Lysol zugesetzt war und die man bei
flO * C. sterillsirt hatte. Von dieser Vaccine wurden 0,5 bis 0,75 ccm
eingeimpft (dies war die Dosis, welche für 100,0 Meerschweinchen
tödtlich war). Leider konnte meist nur eine Impfung vorge
nommen werden (da die Commission nur kurze Zeit an einem Orte
blieb) und nicht, wie Verfasser sonst verlangt, zwei. Ein anderer
üebelstand war der, dass die Flasche, welche die Vaccine enthielt,
häufig geöffnet werden musste; um etwaige Verunreinigungen
unschädlich zu machen, wurde vor jeder neuen Serie von Im
pfungen die Flasche neuerdings einer Temperatur von 60° C. aus¬
gesetzt und glaubt Verfasser, dass dieses wiederholte Sterilisiren
die Wirksamkeit der Vaccine abgeschwächt hat. Ein weiterer
Theil der Vaccine wurde in Indien selbst hergestellt, doch zeigte
sich die Virulenz dieser Culturen an Meerschweinchen als viel ge¬
ringer. Was nun die Impflinge anlangt, so handelte es sich zu¬
meist um ganz junge, frisch aus England herübergekommene Sol¬
daten, die erfahrungsgemäss dem Typhus viel häufiger zum
Opfer fallen, als ältere, mehr acclimatisirte Leute. Dies muss man
bei der Beurtheilung der nachfolgenden Zahlen berücksichtigen.
Ungünstig war auch der Umstand, dass viele Impfungen während
des Bestehens von Typhusepidemien vorgenommen wurden, so dass
ohne Zweifel zahlreiche Leute geimpft wurden, welche den Keim
der Krankheit schon in sich trugen und auch nach wenigen Tagen
erkrankten, dies verschlechterte natürlich auch die Statistik. Die
weiteren Beobachtungen an den Mannschaften wurden von den
betreffenden Militärärzten und von den Officieren vorgenommen.
Die Beobaehtungsdauer erstreckte sich auf etwa 9 Monate. Ge¬
impft wurden 2835 Mann, nicht geimpft in denselben Truppen-
theilen 2460 Mann. Von den Geimpften erkrankten 27 (0,95 Proc.)
und starben 5 (0,2 Proc.). von den Nichtgeimpften erkrankten 213
(2.5 Proc.) und starben 23 (0,34 Proc.). (Berücksichtigen wir die
Thatsache, dass die Geimpften, wie oben erwähnt, durchweg die
jnngen. mehr empfänglichen Leute waren, so scheint der erzielte
Erfolg zur Nachprüfung und zum Weiterarbeiten aufzufordern.
Es sind denn auch ein grosser Theil der jetzt in Afrika kämpfen¬
den Soldaten vor ihrer Abreise gegen Typhus geimpft worden.
Refer.) Interessant ist noch, dass mehrere Aerzte an Wright
geschrieben haben, um ihm mitzutheilen, dass die gegen Typhus
geimpften Soldaten auch einen gewissen Schutz gegen Malaria
erworben zu haben schienen.
S. D a v e y und Fr. Eve; Magenperforation durch Opera¬
tion geheilt. (Ibid.)
Dieser Fall Ist besonders aus folgendem Grunde wertli re-
ferirt zu werden. Die 38 jährige Frau, die seit längerer Zeit an
Symptomen eines Magengeschwüres gelitten hatte, bot am Morgen
des 6. November plötzlich die Zeichen einer stattgehabten Per¬
foration dar. Sehr heftige Schmerzen, die durch die leiseste Be¬
rührung der rigiden Bauchdecken bedeutend vermehrt wurden,
absolnte Ruhelage mit angezogene Beinen, kleiner, schneller Puls.
Kälte der Extremitäten und Nase, Erbrechen. Der Hausarzt dia-
gnosticirte die Perforation und telegraphirte nach einem Chirur¬
gen, gab aber zugleich y 4 Gran Morphium subcutan. Als der Chirurg
kam. waren alle schweren Symptome verschwunden und die
Kranke erklärte sich für ganz wohl, der Bauch war weich und
nicht besonders schmerzhaft bei Berührung. Da aber der Haus¬
arzt auf seiner Diagnose bestand und die Temperatur 102° F.
betrag, so entschloss man sich zur Probelaparotomie, die ein per-
forirtes Ulcus der hinteren Magenwand aufdeckte. Die Kranke
genas. (Der Fall beweist, wie so viele andere, wie unrichtig es
ist. bei dunklen Abdominalerkrankungen Narkotica zu geben, hätte
der Chirurg dem scheinbar berechtigten Drängen der Verwandten
nachgegeben und bis zum nächsten Morgen mit der Operation ge¬
wartet, so wäre die Kranke kaum noch zu retten gewesen. Refer.)
R. W. Murray und C o a t e s : Zehn Fälle von Anthrax.
(Ibid.)
Die Verfasser beobachteten Innerhalb weniger Monate
10 Fälle von Anthrax in Liverpool, die alle aus Gerbereien stamm¬
ten. In welchen chinesische Häute verarbeitet wurden. In jedem
Falle wurde die locale Schwellung in toto excidirt, die Wunde mit
reiner Carbolsäure behandelt und dann mit gepulverter Ipeca-
euanha bestreut. Ipecacuanha wurde auch Innerlich gegeben.
9 Fälle genasen unter dieser Behandlung, bei dem gestorbenen
konnte die Operation nicht mehr die schon aufgetretenen schweren
Dnngenerscheinungen aufhalten.
H. W. Page: Die Behandlung der Volkman n’schen
ischaemischen Muskellähmung durch Verlängerung der
Sehnen. (Lancet, 13. .Tanuar.)
H. LIttlewood: Einige Complicationen, die den Ver¬
letzungen des Ellbogengelenkes folgen können und die Be¬
handlung derselben. (Lancet, 3. Februar.)
Obwohl Littlewood seinen Fällen eine andere Ent¬
stehungsursache zuschreibt, handelt es sich doch sicherlich um
das von v. Volkmann als ischaemische Muskelcontractur be¬
schriebene Krankheitsbild, dessen Entstehung Page ausführlich
auseinandersetzt, ohne jedoch dem deutschen Leser etwas Neues
zu bieten. Neu und interessant Ist aber die Behandlungsmethode,
die beide Autoren, wie es scheint, unabhängig von einander er¬
sonnen und in mehreren Fällen mit sehr gutem Erfolge ausgeführt
haben. Durch einen Hautschnitt in Form eines Rechtecks legt
man oberhalb des Handgelenkes die Beugesehnen frei; dann wird
jede Sehne in der Mitte längsgespalten. Am Ende des Längs¬
spaltes durchschneidet man quer den Aussentheil der Sehne, am
Anfang des Längsspaltes den Innentheil, die Sehne ist nun ganz
getrennt und lässt sich nach Belieben verlängern. Sowohl die
oberflächlichen wie die tiefen Beuger werden so behandelt und
nach gehöriger Längsverschiebung mit Seide genäht. Sobald die
äussere Wunde geheilt ist, beginnt man vorsichtig mit passiven
Bewegungen und Massage und sorgt durch geeignete Schienen
für Erhaltung des Gewonnenen. Die Erfolge dieser allerdings
mühsamen Behandlung scheinen vortrefflich zu sein.
J. W. Stenhouse: Septische Lymphangitis im Verlaufe
der Ureteren, Pyelonephritisbehandlung mit Antistreptococcen¬
serum. Heilung. (Ibid.)
Ich habe dem Titel nichts hinzuzufügen, als dass zugleich mit
der Serumbehandlung grosse Dosen von Chinin gegeben wurden.
Collier, der den Fall in Consultation sah, erwähnt in einem
Nachwort, dass er 2 sehr schwere Fälle von acuter allgemeiner
Pyaemie durch diese Behandlung von sicher in Aussicht scheinen¬
dem Tode gerettet habe.
S. A. Smith: Laryngo - Tracheo - Bronchiale Diphtherie.
Tracheotomie nöthig trotz Intubation. Intravenöse Injection
von Antitoxin. (Intereol. Med. Joum. of Australasia. October
1899. )
9 jähriger Knabe kommt mit Athemnoth aus der Schule, am
nächsten Morgen starke Cyanose; Belag am Gaumen, Intubation
und Injection von 3000 Einheiten Behrin g’sclien Serums. Am
folgenden Tage Verschlimmerung, desshalb 3000 Einheiten subcutan
und 4500 Einheiten intravenös in die Vena basilica mediana. Da die
Athmung am folgenden Tage noch behinderter wurde, wird zur
Tracheotomie geschritten, die aber auch nichts hilft, nun künst¬
liche Athmung, diese befördert einen Abguss des Bronchialbaum**
und der Trachea heraus, der mit einer gebogenen Zange entwickelt
wird. (Der mächtige Abguss ist abgebildet.) Unter weiterer Anti¬
toxinbehandlung (im Ganzen 15 000 Einheiten halb subcutan, hall»
intravenös) kommt es zur Heilung.
C. W. Mansell-Moullln : Die Indicationen zum opera¬
tiven Eingreifen bei der Appendicitis. (Lond. Hosp. Gaz. Clinic.
Supplem., p. 22.)
Verfasser sucht statistisch nachzuweisen, dass von Appendi-
citisfällen, die in den 3 ersten Krankheitstagen zur Operation
kommen, 83 Proc. geheilt werden, von am 4. und 5. Tage operirten
nur 60 Proc., von am 6. Tage 58, operirt man erst am 10. Tage
so werden nur noch 30 Proc. geheilt. (Eine derartige Statistik ist
natürlich absolut werthlos. Refer.) Verfasser folgert daraus,
dass man mit ganz wenigen Ausnahmen, die in den ersten Krank¬
heitsstunden durch Innere Mittel wieder besser werden, alle Fälle
sofort operiren soll. Als Indicationen zur sofortigen Operation
sieht er an: Schmerzen, namentlich wenn sie von Collaps begleitet
sind, diese zeigen erfolgte Perforation an; heftige Schmerzen, die
länger wie 36 Stunden anhalten, erfordern die Operation. Opium
darf nie gegeben werden, da es die Schmerzen verdecken kann.
Steigt die Pulsfrequenz über 100 oder beim Kinde über 120, so
operire man. Entwickelt sich während des Anfalls eine Resistenz,
so operire man auch in anscheinend leichten Fällen. Die Tempera¬
tur bietet kein sicheres Kennzeichen, höchstens fordert ein plötz¬
licher Abfall unter die Norm zur Operation auf. Meteorismus ver¬
langt sofortige Operation. Zum Schlüsse gibt Verfasser folgende
Regeln: Bei sehr acutem Einsetzen der Krankheit operire man
sofort, bei milderen Fällen warte man 36 Stunden, ist bis dahin
nicht bedeutende Besserung eingetreten, so operire man. Alle
Fälle sollten von Anfang an unter chirurgischer Behandlung
stehen. ,
R. C. B u i s t und A. M’G i 111 v r a y: Ophthalmoblennorrhoea
der Neugeborenen. (Scottish Med. and Surgic. Journ. Februar
1900. )
Die beiden Verfasser, von denen der erstere Geburtshelfer,
der zweite Augenarzt ist, haben zusammen, jeder vom Standpunkte
seiner Speeialität aus, eine Bearbeitung dieser so häufigen und zu¬
meist vermeidbaren Augenaffeetionen gegeben. B u I s t betont
in seinem Abschnitt vorwiegend die Prophylaxe. In England, wo
jede Frau schon lange vor der Entbindung den Arzt engagirt, ist
dieselbe doppelt leicht durchzuführen. Man sehe also schon vor
der Geburt, ob ein pathologischer Ausfluss vorhanden ist; im Be¬
jahungsfälle untersuche man sorgfältig auf Gonococcen und be¬
handle etwaige Gonorrhoe. Findet man erst während der Geburt
einen eitrigen Ausfluss, so kann man die Scheide ausspülen, aber
nur mit Wasser, Antiseptica sind zwecklos. Sehr wichtig ist in
jedem Falle die gründliche Reinigung der Vulva mit Seife und
Bürste. Sobald der Kopf geboren Ist, reinige man sorgfältig mit
trockener Watte die Augen von aussen; will man eine Lösung ge¬
brauchen, so benutze man physiologische Kochsalzlösung. Nur bei
sicherer oder verdächtiger Gonorrhoe der Mutter sind kräftigere
Mittel am Platz. Allen voran steht liier die Behandlung nach
C r e d 6. Während der Wochenbettsbesuche untersuche man
jedesmal die Augen des Kindes und bei dem geringsten Secret
träufle man Höllensteinlösung ein, wird der Fall nicht schnell
besser, so rufe man einen Augenarzt. M’G i 11 i v r a y, der die
eigentliche Behandlung bespricht, lässt das Auge zweistündlich
mit Formol (1:2000) auswaschen, daneben werden lmal täglich
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
270
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
die evcrtirten Lider mit Höllensteinlösnng (2 proc.) gepinselt. Am
sorgsamsten achte mail darauf, dass die Cornea nicht gekratzt
wird. Das gesunde Auge schützt man dadurch, dass man das
Kind auf die kranke Seite legt. Wer sich für die genaueren Be-
haudlungsmaassregeln interessirt, möge das gut geschriebene Ori¬
ginal lesen.
Sir Samuel W i 1 k s : Zur Behandlung der Pneumonie,
i Practitioner. Februar 1900.)
Verf.. der auf eine lange Hospitalthütigkeit, sowie auf eine
selten ausgedehnte consultative Praxis zurücksieht, wendet sich
in diesem Aufsatz gegen den praktischen Arzt von heute. Keine
Krankheit wird so häufig übersehen wie die so leicht zu erken¬
nende Pneumonie und zwar meist, weil der Arzt nicht genau unter¬
sucht. Findet aber der Arzt eine Pneumonie, so sucht er sie
..wissenschaftlich" zu behandeln, indem er mit Antipyrin beginnt,
um das Fieber herabzusetzen. dann wird Digitalis gegeben, um
den Puls herabzusetzen, ein Expectoraus beseitigt den Schleim,
Bromkali den Hustenreiz und Strychnin kommt am Schluss als
Tonicum für die Lunge. W i 1 k s selbst hält qichts von all’ diesen
Droguen, glaubt aber, dass im Beginn ein Mittelsalz und dann
Antimon wirksam sein könne. Als Hauptmittel betrachtet er aber
wie auch Sir William Gull, sein verstorbener College, das Opium,
während er die Alkaloide desselben für direct schädlich hält.
Ebenso hält er für schädlich kalte Einpackungen und die so viel¬
fach geübte „stimulirende“ Ernährung. Der Aufsatz ist sehr
interessant geschrieben, mehr allerdings wegen seines allgemeinen
Inhaltes als wegen der specifisehen Pneumoniebehandlung mit
Opium.
Sir Hermann W eher: Die Behandlung der Pneumonie.
(Ibid.)
Auch W eher kann auf eine lange Hospital- und Privat-
thätigkeit zurückblicken und er gibt uns hier eine üebersicht
seiner mehr als 50 jährigen Erfahrungen. Zuerst behandelte er
unter Nasse die Pneumonie mit Blutentziehungen und kleinen
Dosen von Tartar, stibiat. Kindern wurden 4—5 Blutegel ange
setzt., ältere Kinder wurden geschröpft und Erwachsenen w r urde
zur Ader gelassen. Es starben unter dieser Behandlung etwa
12 Proc.. Dann verlies« man den Aderlass und gab grosse Dosen
von Tart. stibiat. (Erwachsene bis zu 3,0, Kinder 0,8 täglich). Hier
bei starben 17 Proc. Ebenso hoch war die Sterblichkeit, als man
sich der von W i 1 k s so gepriesenen Opiumbehandlung zuwandte.
Dann behandelte Weber einen Theil seiner Pneumonien mit
kleinen Aderlässen, einen anderen Theil mit kleinen Dosen von
Tart. stibiat. Beide Behaudlungsweisen ergaben die gleiche Sterb¬
lichkeit, nämlich 14 Proc. Alle diese Methoden versuchte er in
Bonn und Umgebung. In London am German Hospital begann er
zuerst mit grossen Dosen Chinin 1.25 am Tage und erreichte eine
Sterblichkeit von 13 Proc. Dabei schränkte er den Alkoholgebrauch
nach Möglichkeit ein. Später Hess er Jahre lang alle Medicamente
fort und beschränkte sich auf sorgfältige Pflege, auch bei dieser
Behandlung (ohne Alkohol) hatte er eine Mortalität von 13 Proc
dieselbe, die er erzielte, als er ausser sorgfältiger Pflege kleine
Dosen von Stib. tartar. und feuchte Wickel anwandte. Auch die
Salicylbehandhing wies weder bessere noch schlechtere Resultate
auf. Das ganze Hauptgewicht Ist demnach auf sorgfältige Pflege
zu legeni. dabei können kleine Aderlässe und kleine Dosen von
Tart. stibiat. oft gute Dienste thun.
In England soll nach W e b e r die Pneumonie im Allgemeinen
eine bessere Prognose darbieten wie in Deutschland.
t St : Moses: Exstirpation einer verletzten Milz
(Lancet. 27. Jan.)
Der Fall ist interessant, weil ein offenbar nicht sehr chirur-
g.sch vorgobildeter Arzt In Indien die Excision der verletzten
und zum Theil vorgefallenen Milz vomahm. Der Stumpf wurde
extraperitoneal behandelt. Die Heilung ging glatt von statten
""h wollen*n'loht an Ansfn,,ser8ehpfnnn ^n; die LymphdrUsen
J. P. zum B u s c h - London.
Vereins- und Congressberichte.
’ Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 14. Februar 1900.
Demonstrationen.
Herr M. W o 1 f f: Einen neuen elektrischen Augenspiegel,
welcher das Augenspiegeln sehr erleichtert.
Herr R. Virchow: Magencarcinom mit multiplen
Knochenmetastasen, die zu c y s 11 s c h e n Bildungen führteu
Herr Ledermann: Frau mit Lichen ruber verrucosus.’
nerr Pick: Präparate von multiplen Flimmerepithelcysten
des Peritoneums bei gleichzeitigen Ovarialeystomen. Die ersteren
sind keine Metastasen, sondern entstehen autoelithon durch Epithel-
ciiisJülpungen.
Discnssion: Herr L. Landau weist auf die praktische
Bedeutung dieser Untersuchungen hin, da dadurch gegebenen
Falles die Prognose viel günstiger würde.
Herr Hansemann: Eine Fischgräte, welche zufällig
neben einem Processus vermiformis gefunden wurde und von IL
als Beispiel insensibler Durchwanderung von Fremdkörpern durch
den Darm betrachtet wird. Ebenso auffassen zu dürfen glaubt
er das zweite Präparat; ln diesem findet sich auf dem Perlcard
ein 6 cm langes, schmales, zartes, spitzes Stück Gras oder Rohr
von gut erhaltener grüner Farbe; Spitze nach oben gerichtet.
Einige feine Fädchen fixiren das untere Ende auf dem Pericard.
II. glaubt nuu, dass dieser Fremdkörper aus dem unteren Oeso
phagus durch dessen Wand hindurchgewandert sei.
Tagesordnung.
Herr Arnheim: Beitrag zur Bacteriologie des Stick¬
hustens.
An ca. 40, zum Theil obducirtcn Fällen konnte Vortr. den
Czaplewsk i\sc*hen Keuch hustenbacilus bestätigen.
Discnssion: Herr Ritter glaubt, dass sein von ilnu
im Jahre 1892 beschriebenes Bacterium identisch mit den Czap¬
lewsk loschen sei.
Herr A r o n s o n : Der Ritte Fache Coecus sei zwar von
Ritter nach und nach zum Bacillus umgewandelt worden, lial»»*
aber mit dem Czaplewsk i’schen, den er selbst auch bestätigen
könne, gar nichts zu thun. H. Kobn.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht)
Sitzung vom 13. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr K ii m m e 11.
I. Vor der Tagesordnung verliest Herr Staude im Auf¬
träge der geburtshilflichen Gesellschaft den an anderem Orte dieser
Nummer (S. 260) abgedruckten offenen Brief an Prof. Hofmeier
und bittet die Versammlung, in eine Discnssion der Angelegenheit
einzutreteu. An derselben betlieiligen sich ausser dem Antrag¬
steller die Herren Oehrens, Reineke, K ü m m e 11, Wal
11 c h s und R o e s i n g. Die Redner erklären sich mit dem Tenor
des Schreibens einverstanden. Es wurde betont, dass in der Dis-
cussion zum Ausdruck gebracht sei, dass von Einzelnen aufge
stellte Axiome in wissenschaftlichen, noch nicht spruchreifen
Fragen keineswegs als Richtschnur für den Praktiker angesehen
werden dürften. Die von autoritativer Seite in noch discuUrbaren,
strittigen Fragen iu’s Treffen geführten Drohungen, das Befolgen
oder Nichtbefolgen irgend einer zugehörigen Maassuahme sei al«
Vergehen im Sinne des § 222 des Str.-Ges.-B. anzusehen, lähmten
die freie •wissenschaftliche Entwickelung der Medicin. Es sei (la
gegen Front zu machen, dass durch derartige Aeusserungen ein
Zustand geschaffen wird, dass immer ein Büttel hinter dem Arzt
stände.
II. Demonstrationen:
1. Herr Nonne bespricht unter Vorstellung von drei ge¬
heilten Patienten die Encephalitis. Es handelte sich um jung-
Leute, die im Anschluss an Erkältung oder Infectionskrankheiten
(Influenza) plötzlich mit Fieber, Erbrechen, Kopfschmerz, Nacken¬
steifigkeit erkrankt waren. Mehrfach bestand choreatische Un¬
ruhe, .Tactationen, Stupor, in einem Falle Neuritis optica, in einem
anderen eine mehrmonatliche, langsam zurückgehende motorisch**
und sensorische Aphasie neben rechtsseitiger Facialisparese. Ein
weiterer Fall bot neben allgemeinen cerebralen Symptomen ein*»
Parese der Rumpfmuseulatur, Abducensparese, gesteigerte
Sehnenreflexe der einen Seite. Die Differentialdiagnose gegen
Meningitis cerebrospinalis, serosa, tuberculosa, Apoplexia cerebri.
Tumor cerebri war iu jedem Falle schwierig. Der Ausfall der
Spinalpunction, die Art des Verlaufes sicherten die Diagnose. Von
einem mit einem Hirntuberkel complicirten Falle, der zur Section
gelangte, demonstrirt N. Präparate.
2. Herr Lauenstein bespricht den Nierensteinnachweis
im Röntgenbild. In einem von ihm durch Nephrektomie geheilten
Falle handelte es sich um eine mobile Niere, deren Steine aus
kohlen saurem Kalk und Tripelphosphat bestanden. Trotz dieser
chemischen Zusammensetzung, die für Röntgenstrahlen ziemlich
durchlässig ist, erschien nach 1% Minute langer Bestrahlung ein
deutlicher Schatten der Nierensteine oberhalb der rechten Darm¬
beinschaufel.
ITT. Herr Fraenkel: Demonstration von Influenza¬
präparaten am Projectionsapparat.
Redner bespricht zunächst die Biologie des von Pfeiffer
entdeckten Erregers der seit 1889 bei uns endemischen Influenza.
Die zur Zeit in einem grossen Theil von Europa grassirendc
Epidemie betrachtet er nicht als neu eingeschleppt, sondern als
ein Wiederaufflackern der Krankheit. Die derzeitige Epidemie
ist in Hamburg durchaus gutartig. Die demonstrirten Präparate
stammen aus Obductionen im Jahre 1895. Redner demonstrirt
Reinculturen und Sputum mit Influenzabacillen, ferner Schnitte
aus der Lunge und dem Centralnervensystem. Er bespricht aus¬
führlich zwei von ihm secirte Fälle von Influenzameningitis, in
denen sieh ein massenhaftes, eitriges Exsudat zwischen den
weichen Häuten vorfand, das sogar zu einer Zerreissung der
weichen Häute geführt hatte. Die Darstellung der Krankheits¬
erreger im Schnitt gelang am besten nach Unna’s Methode der
Färbung mit polychromem Methylenblau und Differenzirung mit
Tanninsäurefuehsin.
IV. Herr Rumpel: Ueber Variola und Streptococcen-
infection.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
271
R. beschreibt eine von ihm vor Kurzem beobachtete, sich auf
4 Fälle beschränkende Aufeinanderfolge interessanter Krank¬
heitsformen, die er nachträglich als Variolainfectioiien anspricht.
Der Ausgangspunkt ist ein Patient N., der am 8. December
in Alexandrien ein nach Marseille fahrendes Schiff besteigt. Dort
trifft er am 13. December ein. Unter leichtem Fieber und gestörtem
Allgemeinbefinden zeigt sich auf Stirn und im <Jesicht ein röth-
lieher, fleckiger Ausschlag. Am 14. December verbreitet sich unter
allgemeinem Schweis» der Ausschlag auf den ganzen Körper. Ein
hinzugezogener Arzt vermag keine bestimmte Diagnose zu stellen.
Auf der Rückreise grosse Prostration, die nach der am 38. Dec.
erfolgten Rückkunft nach Hamburg bald verschwindet. Am
10. Dec. wird noch ein papulöses Exanthem am ganzen Körper mit
Schuppenbildung und zwischen den Papeln stellenweise Petechien
eonstatirt: keine Drüsenschwellung. Am gleichen Tage Zusammen¬
kommen mit dem späteren Fall M. — 10 Tage nach der Ankunft
des N. erkrankt am 29. Dec. seine Gattin mit Erbrechen und Uebel-
keit. Am 30. Dec. Gesicht geröthet, Rücken- und Wadenschmerzen
Am 1. Januar scharlachälinliche Röthung über Stirn, Rumpf und
Hals. Am 2. Jan. Athemnoth, Petechien über Brust, Rücken und
Extremitäten, die unter dem Auge rasch au Grösse zunehmen, so
dass schliesslich die ganze Haut und Schleimhaut blauschwarz ver¬
färbt ist, 200 ccm rein blutiger Urin. In agone die einzige Tem-
peratursteigeruug bis 38 °. Exitus letalis. Bei der Section finden
sich sümmtliche seröse Häute mit Blutungen bedeckt und in
siimmtlichen Organen Streptococcen in Reincultur; kein Milztumor,
keine Parenchymdegeneration der Intestina. Mittels Projections
apparates demoustrirt R. die von diesem Falle gewonnenen Mikro-
photogramme.
Am 4. Jan. treten bei der Tochter dieser beiden Patienten
Durchfälle auf, am 7. Jan. beginnt mit allgemeinem Krankheits¬
gefühl eine Temperatursteigeruug auf 40°, am folgenden Tag fällt
die Temperatur auf 39 °. Kreuzschmerzen. Am 9. Jan. erscheint
unter Absinken der Temperatur zur Norm ein scharlachähnlicher
Ausschlag, der sich am folgenden Tage in einen .Variola-Ausschlag
mit serösem Pustelinhalt verwandelt. Am 11. Jan. Hautjucken,
Pockenangina; Urinverhaltung, Pusteln. — Der 4. Fall betrifft deu
Patienten M., welcher nach viertägigen Prodromi, die in Unwohl¬
sein, Frost, Kopf- und Kreuzschmerzen, Ohnmachtsanfällen be¬
standen, am 6. Januar mit einer Pockeneruption im Gesicht und an
den Extremitäten erkrankte. Der in’s Krankenhaus aufgenom-
mene Patient fieberte bis 38,5°; die Temperatur fiel in den nächsten
Tagen mit der beginnenden Dellenbildung zur Norm. Am 0. Jan.
konnte somit erst der Zusammenhang der Fälle untereinander, wie
er lm Vorstehenden skizzirt. ist, erkannt und die richtige Diagnose
gestellt werden. Mit Rücksicht auf den Streptococcenbefuud in
dem letal verlaufenen Falle wurden in den letzten beiden Fälleu
täglich Blutuntersuchungen angestellt. Im Fall M. wurden nur
am 2. Tage nach dem Ausbruch des Variolaexanthems 2 Strepto¬
coccenkeime gefunden, die aber wohl auf eine Secundärinfection
aus den bereits eitrig gewordenen Pusteln zu beziehen sind. — Im
3. Fall constatirte während des Exanthems die culturelle Prüfung
eine Reincultur von Streptococcen im Stuhl,
während Blut und Pustelinhalt steril waren.
Der bemerkenawertlieste Fall dieser Epidemie ist der mit
Hautblutungen verlaufende Fall von Purpura variolosa, der vor
Ausbruch des Exanthems im Prodromalstadium letal endigt,
merkwürdig wegen des afebrilen Verlaufes, da hohes Fieber sonst
das Cardinalsymptom der Prodromi ist. Rumpel fasst die Er¬
krankung so auf, dass die Symbiose der Pocken¬
erreger mit den Streptococcen die Schwere
des Krankheitsbildes verursacht. Die Strepto-
coeceninfection ist in diesen Fällen nicht secundär, sondern es
handelt sich primär um eine Mischinfection. R. meint, dass der
Begriff „Schwere der Infection“ vielleicht auch in anderen In-
fectionskrankheiten: Pestis siderans, Cholera sicca, schwere
Masern- und Seharlachfälle u. s. w. durch eine ähnliche verhäng-
nissvolle und gefährliche Symbiose erklärt werden könne.
Weitere Versuche, die aus dem Stuhl gezüchteten Strepto¬
coccen als besondere Art zu differenziren und die mit demselben
vorgenommenen Impfversuehe an Kälbern haben bisher zu keinem
Ergebniss geführt. Werner.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Offlclelles Protokoll.)
Sitzung vom 19. December 1899.
Vorsitzender: Herr Sick. Schriftführer: Herr Henkel.
Demonstrationen.
Herr Eueter demonstrlrt das Herz eines halbjährigen
Kindes, das sich zuerst nach der Geburt in regelmässiger Weise
entwickelt hatte und vor einigen Wochen erkrankt war. Die physi¬
kalische Untersuchung des Thorax stellte fest, dass das Herz nach
beiden Seiten stark vergrössert war, der Spitzenstoss befand sich
ungefähr in der Medianlinine, atiscultatorisch konnten keinerlei
Abnormitäten bemerkt werden. Auf der Röntgenplatte sah man
einen Schatten im Thoraxraum, der denselben nahezu ganz anfüllte
und besonders so weit nach rechts herüberragte, dass er von der
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seitlichen Thoraxwand nur etwa fingerbreit entfernt war. Der
Schatten entsprach in seinen Contouren ungefähr dem eines ver-
grösserten Herzens. Wegen des Hinüberragens nach der rechten
Seite wurde an eine Verlagerung des Herzens, eine Dextrocardie
gedacht. Bemerkenswerth ist, dass die Herzdämpfung des Kindes
ganz verschwand oder erheblich kleiner wurde, w'enn es bei auf¬
rechter Körperhaltung untersucht wurde. Der Tod trat unter Er¬
scheinungen von Herzinsufficienz ein.
Bei der Section fanden sich Oedeme, Hydrotliorax, der Thorax
stark vorgewölbt, das Sternum verbogen, mit der Couvexität nach
aussen, rachitischer Rosenkranz, Stauungsleber, in den Düngen
(Jollapspartien. Die Spitze des Herzens nach links gerichtet, wird
ausschliesslich vom rechten Ventrikel gebildet. Dieser von
kolossalen Dimensionen, übertrifft den linken so sehr an Volumen,
dass dieser nur als eiu kleiner Appendix des rechten erscheint.
Der rechte Ventrikel ist mächtig hypertrophisch, die Höhle er¬
weitert, am Con. art. pulm. schwielige Verdickungen des Endo-
cards. Der linke Ventrikel entspricht in seinen Dimensionen un¬
gefähr dem Alter des Kindes; die Musculatur nicht verdickt, die
Höhle nicht erweitert. Die Klappen zart und frei von Verwach¬
sungen. Entsprechend der Hypertrophie des rechten Ventrikels ist
die Art. pulm. mächtig entwickelt, so dass die Aorta ihr gegen¬
über klein erscheint. Das Forameu ovale ist offen, der Duct.
Botalli für eine feine Sonde durchgängig.
Demnach handelt es sich um eine congenitale Hyper¬
trophie des rechten Herzens, für die es nicht gelingt,
eine genügende Erklärung zu geben, und welche wahrscheinlich
intra vitam erheblich zugcuommeu hat. Dafür w'ürde die während
des Lebens beobachtete Vorwülbung des ganzen Thorax und des
Sternums sprechen.
Herr S i m m o n d s glaubt, dass das Wesentliche des vorge¬
stellten Falles in einer angeborenen Verengerung des Zugangs zur
Aorta durch eine Wulstbildung am Septum liege. Die Aorta sei
auffallend eng, die Pulmonalis dagegen sehr weit und nur der
rechte Ventrikel, der offenbar einen Theil der Arbeit des linken
übernommen hatte (durch deu offenen Ductus Botalli), enorm
hypertrophisch.
Herr H u e t e r legt ein durch die Sectiou gew onnenes Prä-
paiat eines Kehlkopfs vor. Derselbe stammt von einem 49 jährigen
Mann, der im Altonaer Krankenhaus an einer Mitralendocarditis
und ihren Folgeerscheinungen gestorben ist. Anamnestisch ist
hervorzuheben, dass er angab, Zeit seines Lebens heiser gewiesen
zu sein. Bei der laryugoskopischen Untersuchung fand sich an
Stelle des Kehlkopfbildes ein rundes Loch, von der Glottis selbst
war nicht das Geringste zu sehen.
Betrachtet man den Kehlkopf von oben, so sieht man, dass
die Epiglottis wohlgebildet ist. Denkt man sich den hinten auf-
geschnittenen Kehlkopf zusammengelegt und sieht von oben hinein,
so siebt mau nichts wie ein rundes Loeli, von der Glottis, den
wahren und falschen Stimmbändern ist nichts zu sehen. Es zeigt
sich dabei, dass der Einblick in das Kehlkopfinnere durch einen
au der Basis der Epiglottis vorspringendeu Wulst verhüllt wird.
Er ist von Schleimhaut überzogen und bildet mit der Basis der
Epiglottis einen tief eingezogeueu, sich trichterförmig verengern¬
den Blindsack, es gelingt nicht, von hier aus in das Kehlkopfinnere
zu gelangen. Betrachtet man den Kehlkopf von unten, so sieht
man zunächst der Trachea, etwa in der Höhe des oberen Randes
der Gart, ericoidea, die wahren Stimmbänder als 2 dicke Wülste
hervortreten, sie sind auffällig dicker und kürzer, als wie in der
Norm. Unmittelbar darüber, von ihnen nur durch eine seichte
Furche beiderseits getrennt, bemerkt man 2 dünne, mit scharfen
Rändern versehene Membranen ausgespauut, welche offenbar die
rudimentär entwickelten Taschenbänder darstellen. Die hintere
und untere Begrenzung des oben erwähnten, den Kehlkopf durch¬
ziehenden Wulstes wird von einer scharfrandigen Schleimhautfalte
gebildet, welche dicht über dem rechten Taschenband sieb mit
diesem kreuzt und mit dem linken einen schmalen Spalt begrenzt,
welcher in schiefer Richtung von rechts vorn nach links hinten
verläuft. Durch diesen Spalt sieht man in einen tiefen, buch-
tigen Hohlraum, der nach oben von dem den Kehlkopf durch¬
ziehenden Diaphragma begrenzt wird, in ihm erscheint die Schleim¬
haut eigentümlich gewulstet. Die Kehlknopfknorpel und das
Zungenbein sind normal gebildet.
Es findet sich somit ein Diaphragma im Kehlkopf, und zwar
an der Basis der Epiglottis, welches den vorderen Theil des Larynx-
einganges verschliesst und nur den hinteren freilässt. Die Anam¬
nese, der anatomische Befund, insbesondere das Fehlen jeder Nar¬
benbildung deutet darauf hin, dass es sich um eine congenitale
Anomalie handelt. Diese ist vielleicht so zu erklären, dass im
frühen Foetalleben zu der epithelialen Verklebung der primären
Glottisanlage, w r elche von den Arytaenoidwülsten dargestellt wird,
eine Entzündung hinzugetreten ist, w r elche eine abnorme Verwach¬
sung im vorderen Abschnitt der Arytaenoidwülste bedingt hat.
Herr F r i e b e n demonstrirte an einigen Präparaten 2 ver¬
schiedene Arten des Xehlkopfcarcinoms, w1e sie am häufigsten zur
Beobachtung gelangen: Die primäre und die aus der Nachbarschaft
des Kehlkopfs auf diesen übergreifende Krebsgeschwulst. In
den beiden Präparaten der ersten Art waren beide Stimmbänder
Sitz des Careinoms, im einen Falle zunächst das rechte, im anderen
das linke erkrankt und die Geschwulst erst per contiuuitatem
auf das Stimmband der anderen Seite übergegangen. Die Schleim¬
haut des Kehlkopfes zeigte ln einem der Präparate Röthung und
Auflockerung, Symptome des Katarrhs, welche sich nach längerem
Bestehen der Geschwulst hinzugesellen.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
272
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8
Ausser durch Metastasen in den regionären Lymphknoten,
welche relativ häufig augetroffen werden, zeichnete sich dieser
Fall durch ganz ausserordentlich zahlreiche und voluminöse Meta¬
stasen in Milz und Leber aus; letztere, von oberflächlich und t.ef
gelegeuen Krebsknoten bis zu Apfelgrösse durchsetzt, besass nur
noch schmale, auf der Schnittfläche netzförmig verbundene Streifen
normalen, functionsfähigen Parenchyms. Eine so gewaltige meta¬
statische Ausbreitung eines Kehlkopfcarcinoms, das im vorliegen¬
den Falle von auffälliger Kleinheit war, gehört zu den selteneren
Ereignissen. Von welcher Bedeutung jedoch in prognostischer
Hinsicht der Nachweis von Metastasenbildung ist, leuchtet ein,
sobald eine operative Entfernung der Geschwulst resp. des Kehl¬
kopfes in Frage kommt. Im vorliegenden Falle wurde die Total¬
exstirpation des Larynx versucht, der Patient starb aber auf dem
Operationstische durch Blutaspiration ln die Lungen, man kann
wohl sagen zu seinem Glücke, da bei der durch die Section er¬
wiesenen Ausbreitung des Carcinoms keine Möglichkeit der Hei¬
lung bestellen konnte.
Das 3. Präparat demonstrirte das Uebergreifen eines Carci¬
noms im Sinus pyriform. dextr. auf Epiglottis und rechtes wahres
und falsches Stimmband. Starker Katarrh der Schleimhaut;
Oedein der linken Plica arytaenoidea. Metastasen fanden sich
trotz der Grösse des primären Herdes in keinem Organe. Bei
Lebzeiten des Trägers hatte dieses Carcinom für ein primäres
Stimmbaudcarcinom mit Uebergang auf die Kachenwand gegolten;
und es ist bemerkens werth, dass manche Carcinome in der
Nachbarschaft des Kehlkopfes erst durch Uebergreifen auf diesen
sich störend bemerkbar machen und dann leicht als primäre Kehl¬
kopfgeschwülste angesprochen werden können.
Vortrag des Herrn lochte: Die Erkrankungen der
oberen Luftwege im secundären Stadium der Syphilis.
Im Wesentlichen statistische Arbeit, die sich zum Referat
nicht eignet. (Der Vortrag erscheint demnächst in extenso au
anderem Orte.)
Medicinisch-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena.
Section für Heilkunde.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 7. December 1899.
1. Herr Wagenmann : Ueber einen Eall von Glas¬
splitterverletzung des Auges.
Herr Wagenmann stellte einen Patienten vor, dem er einen
Glassplitter aus der vorderen Augenkammer mit gutem Erfolg ex-
trahirt hatte.
Am 11. November 1899 war dem 28 Jahre alten Glasbläser W.
durch Zerspringen einer Thermometerkugel ein Glassplitter in’s
linke Auge geflogen. Wegen Abnahme des Sehens und Schmerzen
suchte der Patient sofort einen Arzt auf, der ihn mit kühlen Um¬
schlägen und Tropfen behandelte, dann aber wegen fortbestehenden
Iteizzustandes der Klinik überwies.
Bei der Aufnahme fand sich am linken Auge neben Lidoedem
starkes Thränenträufeln, Lichtscheu und mässige Ciliarinjection.
Gegenüber dem unteren äusseren Pupillarrand fand sich eine 4 mm
lange, etwas schräg von innen unten nach oben aussen verlaufende
lineare Horuhautnarbe, mit der in der ganzen Ausdehnung der
Pupillarrand der Iris adhaerirte. Die Pupille war offenbar durch
unvollkommene Atropinwirkung mittelweit, durch die Adhaerenz
unregelmässig gestaltet und bei Tageslicht schwarz. Der untere
Theil der vorderen Kammer erschien seicht, der obere ziemlich
normal tief.
Bei focaler Beleuchtung sah man in der vorderen Kammer
ein die Pupille fast verdeckendes viereckiges, nahezu quadratisches
Glasstück von 4 mm Seitenlange, das mit seinem unteren Rand
fest an der Hinterfiäche der Hornhautnarbe und der vorderen
Synechie haftete und mit seinen Seitenrändern den Pupillarrand
soeben deckte, während der obere Rand den oberen Pupillarrand
nicht ganz erreichte. Der Glassplitter lag der unverletzten Linsen-
capsel direct auf. Man erkennt die vollkommen durchsichtigen
Splitter nur bei seitlicher Beleuchtung durch unregelmässige
Lichtrefiexe.
Bei der Untersuchung mit dem Augenspiegel erschien der
obere Rand des Glassplitters in der roth leuchtenden Pupille als
ein schwarzer feiner Strich durch totale Reflexion des aus dem
Auge zurückgeworfenen Lichts. Oberhalb des Splitters erschien
die Pupille normal roth, durch den Splitter erhielt man ebenfalls
rothen Reflex, der aber etwas abgeschwächt war. Man konnte
die Pupille und den Augenhintergrund ganz gut sehen, sowohl
durch den oberen freien Theil der Pupille als auch durch den Glas¬
splitter hindurch, der das Bild nur etwas verschwommen und ver¬
zerrt erscheinen liess. Die Papille war geröthet und die Netzhaut¬
venen waren stark ausgedehnt
Die Hornhaut erschien bis auf die feine Narbe vollkommen
klar, von Exsudation von Seiten der Iris war nichts zu sehen, das
Kammerwasser vollkommen ungetrübt Das Sehvermögen betrug
nur — 1 D */„. Das andere Auge war normal.
Durch Atropin erweiterte sich die Pupille, soweit sie folgen
konnte, fast maximal; der Splitter lag nun vollständig im Bereich
der Pupille. Die Mydriasis ging wegen Irishyperaemie spontan
schon nach 1 Tag vollkommen zurück. Durch Eserineinträufelung
Hess sich die Pupille beträchtlich verengern. Dabei wurde der
Glassplitter aufgerlchtet, der obere Rand berührte nicht mehr die
Linse, sondern war deutlich cornealwärts gedrängt und berührte
fast die Hinterfläche der Hornhaut Die untere Kante war wie
früher fest an die Narbe gelehnt.
Die Operation wurde am 27. November in Gocainanaesthesie
und unter Eseriuwirkuug so ausgeführt dass zunächst ein grosser
Luppenschnitt ganz innerhalb des Hornhautgewebes nach oben
und unten mit dem keilförmigen B e e r’sehen Messer angelegt
wurde, der in den beiden «chnittwinkeln durch je einen Scheereu¬
schlag noch etwas verlängert wurde, so dass der gesammte Schnitt
die halbe Hornhaut c i r c u m f e r e n z einnahm. Die spitze, des
Lappens wurde mit einer in der linken Hand geführten feinen
Hakenpincette gefasst, und der Lappen liess sich ohne Weiteres
soweit aufheben, dass der obere Theil des Splitters frei zu Tage
lag; nun wurde mit einer in der rechten Hand geführten fein-
gerieften Pincette der freiliegende Splitter gefasst und ohne
jede Mühe entfernt. Der Lappen wurde zurückgeklappt und legte
sich vollkommen gut an. Damit war die Operation ohne Jede Ooui
plication beendet
Schon am nächsten Tage war die Kammer leidlich gut her
gestellt nur zeigte sich die Irisperipherie an einer circumscripten
Stelle mit der Hinterfiäche der Wunde verklebt, aber nicht vor¬
gefallen.
Am 30. November konnte der Patient zuerst wieder auf stehen.
Die Heilung verlief weiterhin vollkommen befriedigend. Das
Auge ist zur Zeit blass, nur bei längerer Berührung und Prüfung
noch etwas empfindlich. Die Operationsnarbe tritt als eine ausser¬
ordentlich feine graue Linie hervor, die kleine Adhaerenz mit der
Irisperipherie ist unbedeutend. Das Auge hat bereits heute bei
einer vorläufigen Sehprüfung mit concav 2 D eine Sehschärfe von
Y„; es steht zu erwarten, dass bei einer späteren genaueren Prü¬
fung auch mit Cylindergläsern noch bessere Sehschärfe gefunden
wird.
Der fast quadratische Glassplitter von 4 mm Seitenlange
und ca. 1 mm Dicke war vollkommen aseptisch in das Auge ein-
gedrungen und ohne jede Mitverletzung der Linse in der vor¬
deren Kammer stecken geblieben. Bei seiner Grösse und Lage
im Bereich der Pupille ist es als ein besonderes Glück zu be¬
zeichnen, dass die Linsenkapsel imverletzt blieb. Der vor¬
handene Reizzustand ist als ein mechanischer Effect der Ver¬
letzung anzusehen.
Zur Entstehung von chronischer Entzündung, die bei monate¬
langem Verweilen von Glassplittern in der vorderen Augenkammer
nicht ausbleibt, wie die Versuche Leber’s am Kaninchenauge
und ein vom Vortragenden im 40. Band des v. Gräfe’schen
Archivs beschriebener Eall zeigten, war die Zeit viel zu kurz.
2. Herr Ziehen : Ein Eall von chronischer circum-
scripter Pachymeningitis interna des Brustmarkes.
Herr Z i e n e n stellt einen 28 jährigen, weder hereditär noch
durch Syphilis oder chronische lntoxication belasteten Mann vor.
welcher im August 1894 eine epidemische Meningitis
durchgemacht hat und jetzt seit December 1898 über zunehmende
Paraesthesien im rechten Bein und zunehmende rasche Ermüdung
des letzteren klagt. Die Untersuchung ergibt Fussklonus rechts,
B a b i n s k i’sches Phänomen rechts, leichte allgemeine Parese des
rechten Beines, leichte Atrophie (1 */, cm im Vergleich zu links.),
intacte elektrische Erregbarkeit, unbestimmt abgegrenzt, an der
Grosszehenseite stärker ausgesprochene Hypaesthesie (namentlich
für Berührung), erhebliche Störung des Muskelgefühls (in sehr
geringem Grade auch links), Romberg'sches Schwanken; Venen
des Augenhintergrundes ausgedehnt und geschlängelt, Papillarrand
scharf, Sehschärfe, Gesichtsfeld normal. Das rechte Bein fühlt
sich kühler an als das linke. Seit der Meningitis öfters Schwindel¬
anfälle und Kopfschmerz. Bei Zukneifen des linken Auges starkes
Sausen im Hinterkopf. Sonst keinerlei Symptome. Vor¬
tragender nimmt eine chronische, circumscripte
Pachymeningitis interna im Brustmark rechts an, wie
sie mehrere Jahre nach einer epidemischen Meningitis z. B. auch
von Hobhouse beschrieben worden ist. Jodnatrium scheint
günstig zu wirken.
Herr Grober : Zur Chemie der Spinalflüssigkeit.
(Erscheint in extenso in dieser Wochenschrift.)
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 7. December 1899.
Vorsitzender: Herr S e n d 1 e r.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Schreiber einen
Patienten mit Exophthalmus pulsans. ■
Sodann spricht Herr P. Schneider: Zur Aetiologie
und Therapie der Ablatio retinae.
Die Frage nach der Aetiologie einer Ablatio retinae ist nicht
nur theoretisch-wissenschaftlich, sondern auch praktisch-thera¬
peutisch wichtig. Zwei Meinungen stehen sich hierbei schroff
gegenüber, die Secretions- und die Retractions-
t h e o r i e. Erstere nimmt als Ursache eine primäre Exsudation
aus den Chorioidealgefässen an, beruhend auf einer Chorioiditis;
die letztere sieht in einer Erkrankung des Glaskörpers die Ur-
Original ffom
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20. Februar 1Ü00.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCRHIFT.
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sm-he der Ablatio. Zuerst vertrat II. M ii 11 e r diese Idee, später
wurde sie von Leber unter Ilinzufügung neuer Details verall¬
gemeinert. Nach Letzterem erkrankt der Glaskörper und in
diesem zusammongeballten Glaskörper bilden sieh feinwellige
Fibrillen, die mit der Netzhaut in Zusammenhang stehen; dann
schrumpft das Corpus vitreum, und diese Bindege websstränge
ziehen die Retina von ihrer Unterlage, der Choroidea ab; die
Retina reisst ein und ein vom Glaskörper abgesonderte« Trans¬
sudat dringt durch den Riss in den subretinalen Raum.
Schneider polemisirt sodann gegen die Lebe r’sehe
Ketractionstheorie und hält die Secretionstheorie für diejenige
Anschauung, welche die Mehrzahl der Fälle von Ablatio retinae
ätiologisch zu erklären fähig ist. — Die gegen die Retractions-
theorie sprechenden Momente sind ausser anderen folgende:
Das Vorhandensein von Fibrillen im Glaskörper Dt nicht, immer
zu constatiren, wozu kommt, dass auch normale Augen, die in
Mülle r'scher Flüssigkeit gehärtet sind, derartige Fasern zeigen.
Dann erfordert die Leber’sche Theorie unbedingt einen Riss in
der Retina, der häufig vermisst wird; andererseits spricht auch
ein vorhandener Riss nicht gegen die Secretionstheorie, da er ja
auch durch den Druck des Chorioidealexsudats herbeigeführt
st ill könnte. Drittens müsste die prne- und die suhretinale
Flüssigkeit gleichartig sein, wogegen S c h n e i d e r mehrere
Beispiele anführt; so einen von S e h m i d t - R i m p 1 e r be¬
schriebenen Fall, den Schn, selbst zu beobachten Gelegenheit
hatte, wo sich in der subretinalen Flüssigkeit ophthalmoskopisch
sichtbare Cholestearinkrystalle nachweisen Hessen, während der
Glaskörper frei davon war. Dann sind häufig genug Fälle zu be¬
obachten, wo sich Eiter unter der abgelösten Netzhaut zeigt,
während der Glaskörper klar bleibt. Speciell sprechen gegen die
l'ctractionsthcorie diejenigen Fälle von Ablatio, die nach Contu<io
bulbi, bei Anaeinie und bei Retinitis albuminurica auf treten.
Den Einwurf, dass doch stets bei eintretender Ablatio eine Ver¬
mehrung der Spannung im Auge eintreten müsse. — die häufig
genug vermisst wird — erklärt Schneider dadurch, dass er
auf die vorzüglichen regulatorischen Einrichtungen im Auge hin¬
weist, die dasselbe befähigen, sich prompt derartigen Flüssigkeits-
;m>annnlungen in seinem Innern anzupassen. — Der Vortragende
geht sodann zur Besprechung der Therapie über und schildert zu¬
erst die von Schober erdachte Einspritzung von Jodtinctur in
den Glaskörper, welche Methode später von ihrem Erfinder selbst
auf gegeben wurde. Sodann unterzieht Schneider die Deutsch-
niann’schen Versuche einer längeren Kritik. Der erste Versuch
I).\s durch Zerschneiden der hypothetischen Glaskörperstränge
die Ablatio zu heilen, blieb erfolglos, so dass Dcutsehmanii
dazu überging, durch Einspritzen von Kaninchenglaskörper —
entweder mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt oder un¬
verdünnt — in den menschlichen Glaskörper die Ablatio thera¬
peutisch au zugreifen. Trotz der von Deutschmann publi-
cirten Resultate sind die meisten Ophthalmologen wieder von
diesem Verfahren abgekommen, da es zu gefährlich für das
Auge ist. — Dann bespricht der Vortragende die Methoden,
welche auf Grund der Secretionstheorie erdacht sind. Zuerst die
de W ecke r’sehe Drainage des subretinalen Raumes vermittels
eines Golddrahtes. Dann die zumeist angewandten Methoden
des Druckverbandes, der Horizontallage, die Schwitzcuren und
die Mereurialisation. Von operativen Methoden redet Schneider
wiederholt ausgefiihrten Skleralpunctionen das Wort. Schliess¬
lich bespricht er die D o Fscho Methode H e u r t e 1 o u p’scher
Blut egel, Application von Cauterien auf die Conjunctiva an der
Stelle der Ablatio und subeonjunctivale Ohlornatriumeinspritz-
ungen; auch diese Methode leistet, soweit eben die Ablatio noch
Gegenstand der Therapie sein kann, Zufriedenstellendes.
Zum Schluss zeigt Schneide r einige zum Vorträge ge¬
hörige pathologisch-anatomische Präparate: 1. ein Melanosarkoma
chorioideae das zu einer Ablatio retinae geführt hat; 2. einen llori-
zoutalschuitt durch ein Auge, das eine totale Ablatio zeigt, so dass
die Retina nur noch an der Ora serrata uml an der Sehnerven-
Papille mit ihrer Unterlage in Zusammenhang stellt. 3. eine par¬
tielle Ablatio, au der die Faltenbildung der abgelösten Retina de-
nionstrirt wird.
Sitzung vom 21. December 1899.
Vorsitzender: Herr Hirsch.
Herr Brandt berichtet über seine Resultate der Therapie
der Syphilis mit Qnecksilberinjectionen.
Vortragender hat bei 1902 Iujectionen und 184 Patienten nur
vüie Lungenembolie und ein grösseres Infiltrat au der Inject ions-
slelle erlebt. Von anderen geringeren Störungen hat er nur kurz¬
dauernde Enteritiden, erheblichere Stomatitiden aber gar nicht
erlebt Unter den 30 bekannten Quecksilberpriiparaten hat Br. nur
5 angewendet. Hg salicyl. 1047 Iujectionen. Hg thyniolo-aceti-
cum 21. Ivalomel 17. Ol. einer. 88. Sublimat (die Müller-Ster n’-
sche Lösung) 229 Injectionen. Vortragender ist mit dem Salicyl*
Quecksilber sehr zufrieden. Gleiche Erfolge uud zufrieden¬
stellende Leistungen mit Hg salicyl. sind aus der Bonner dermatol.
Klinik berichtet von G r o u v e r.
Im Anschlus an den Vortrag stellt Br. einen Patienten vor.
der eine Lues maligna durchgeniaclit hat. Die linksseitig von
einem Gumma fast zerstörte Nase ist von Habs plastisch ge
deckt und zur Heilung gebracht.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 7. D e c e m her 1899.
Herr Mock berichtet unter Vorlage einer Reihe voll Röntgcu-
hildern über die Diagnose eines Eisensplitters im Augeninnern
mittels Röntgenstralilen und die Entfernung mit dem Hirsch-
b e r g’schen Elektromagneten. Der Vortrag wird in extenso in
dieser Wochenschrift erscheinen.
Herr Heinlein: 1. Demonstrationen.
Derselbe legt ein etwa gäuseeigrosses cavernöses Angiom
vor, welches vor einigen Wochen aus dem 1. Oberarm eines 40 jähr.
Büttners entfernt worden war. Dasselbe hatte sich innerhalb
1 Jahren zu der jetzigen Grösse entwickelt, hatte iu den letzten
Monaten — durch Druck auf den benachbarten N. radialis —
heftige Schmerzen verursacht und den Träger zur Einwilligung
in den Vorschlag operativer Beseitigung bestimmt. Die Neubil¬
dung erweckt durch ihre seltene Localisation besonderes Interesse:
es bandelt sich um eine weichelastische Geschwulst mit subfas-
cialeni Sitz oberhalb der Aussenseite des linken Ellbogengelenkes,
nach vorn von dem M. braeliio-radialis und aufwärts davon dem
Lig. internuisculare ext.. nach hinten von dem radialen Rand des
M. triceps, nach abwärts von dem Epicondylus ext. begrenzt. Nach
Anlegung der E s m a r c loschen Binde war die Geschwulst etwa
um die Hälfte der Fläche noch verkleinert, so dass die Annahme,
es handle sich um eine Gefässneubildung. an Sicherheit gewinnen
musste. Die Exstirpation war durch den innigen Zusammenhang
der Geschwulst mit ihrer Umgebung und durch zahlreiche, schmale,
zwischen die Muskeilüindel. namentlich des Triceps, mehr weniger
weithin sich erstreikende Fortsätze technisch sein* erschwert: nir¬
gends gelang stumpfe Ausschälung, durchweg musste die Isolinmg
mit dem Messer erfolgen, so dass das Präparat fast allerwärts
mit dünnsten Muskellamellen bedeckt erscheint. Die Wumlheilung
erfolgte nach 14 Tagen p. prim, reim., die Armfimction ist tadel¬
los. Es ist nicht ausgeschlossen, dass für die ursächliche Ent¬
stehung der Geschwulst die mit starker Erschütterung des Armes
verbundene Berufsarbeit des Trägers verantwortlich gemacht wer¬
den darf. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich sehr
reichliche Gefässneubildung. dazwischen reichlich Bindegewebe
und verkümmerte Muskelelemente. Schliesslich mag noch auf die
grosse Seltenheit subfascialer intermuscuIhrer Caveruome hinge-
wiesen werden: speciell für die im geschilderten Fall betroffene
Körpergegend konnte in der Literatur ein gleiches Beispiel uielit
auf gefunden werden.
Ferner tlieilt II. die Krankengeschichte eines 10 jährigen
Knaben mit, welchem wegen tuberculöser C a r i e s ein 3 cm langes
Stück aus der Continuität der linken 9. Rippe in der hinteren
Axillarlinie resecirt worden war. Im weiteren Wundheilungs¬
verlauf blieb eine Anfangs wenig, später stärker absondernde
Fistel zurück, welcher Umstand nach 5 Monaten zu wiederholtem
Eingriff Veranlassung gal). Bei dem letzteren unn stellte es sich
heraus, dass das resecirte Rippenstück einer völligen knöchernen
Regeneration Iheilhaftig geworden war, mit absoluter Wiederher¬
stellung der Goutinuität. dass aber in der Gegend der vorderen Re-
seetionsfiüche sich ein Recidiv entwickelt hatte, welches auf
die erwähnte Kiiochenneubildung Übergriff und dort eine wahr«'
rareficirende Ostitis in dem nach Resection neu gebildeten Knochen
hervorgerufen hatte. Der Eingriff war von völliger Heilung ge¬
folgt. Das sehr interessante Rippenpräparat wird vorgelegt.
2. Operation wegen Pylorusstenose. Herr H. berichtet die
Krankheits- und Operatiousgeseliichte eines 23 jährigen Schreiners,
welcher schon früher wiederholt an gastrischen Beschwerden ge¬
litten. seit 0 Wochen wegen heftiger Magenschinerzen und häufigen
Erbrechens arbeitsunfähig, seit 3 Wochen anhaltend bettlägerig
und nunmehr in Folge der Persistenz dieser Erscheinungen sehr
heruntergekommen war, zudem eine iu der letzten Zeit hinzu
getretene wahre Tetanie der oberen Gliedmassen den Schlaf
wesentlich beeinträchtigte. Beträchtliche Druckempfindlichkeit der
Pylorusgegeud machte im Zusammenhang mit den erwähnten Sym¬
ptomen die Annahme eines Ulcus sehr wahrscheinlich; das erst
nach 2 'Stunden bei der Prüfung eingetretene positive Ergelmiss
der F 1 e i s e li e r’schon Jodoformprobe legte den Gedanken au eine
Pylorusstenose nahe. Da eine 3 Tage hindurch mit Nährklysmen
angestrebte völlige Ruhe des Magens iu Verbindung mit andauern¬
der Cataplasmirung der Magengegend keinen anhaltenden Erfolg
zeitigte, albald nach den ersten Versuchen der Darreichung von
Milch diese abermals wieder erbrochen wurde uud die bedeutende
Abmagerung des Patienten ernste Besorgnisse ■wachrief, wurde
Bauchsclinitt beschlossen. Bei der Operation fand sieh der Magen
nicht stark ausgedehnt, der Pylorus derb, wenig nach aufwärts
verzogen, über denselben zielten vom Lig. hepato-duodenale nach
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
(lom Big. gastro-eolie. zahlreiche sehnige Fäden (Perigastritis).
rn < r ll iTi 11SI,0 ?.i koni i 1 i e bei der Betastung dos übrigen Magens nichts
harakteristisohos dnrchgefiihlt werden, auch zeigte die
‘ ° rosa keille Verfärbung. Nach Einschnitt nahe dem
iiHnilo, ln i S der Kleinfin ^or nur mit der Spitze einzu-
#ioBi n n faSt «- Ü | I 3 l? >fei,nIffStöckgrosMr Abs( ' hnItt der vorderen
wand desselben fühlte sich wesentlich derber an, als die übrige
n? Z ’ bel . d * r “ lm fol sonden Prüfung der Resistenz stellte
s h dieselbe nachgiebiger heraus, so dass nach wiederholten in
wSJÜTVf rsenoi 2 n i eiien Vorsuch ™ zunächst der Kleinflnger, in der
( ef ü h ifkmuifÄ n< i Ä i it » t f 1 * ? n f er deu Hylorusring bequem passirten.
’SJ konnte ein Schleiiuhautdefect an der kritischen Stelle nicht
Mn jLn^"iS e aut ? ü deu fol ^ e,lden Minuten, während welcher die
. h °, ffen £° haIten wurde, mau jegliche Blutung ver¬
misste es dürfte sich also wohl um narbige Vorgänge, besonders
M„^ ,nUOO f a ^ lld . Mu scularis. gehandelt haben. Schluss der
Ä, nnd , Banchschnittwunde. Fieberloser, glatter Verlauf
durch"w?Ä te DHU i dai V* BiätVorschriften. 4 Wochen hin-
•nfLvH il b( uV ‘ llS; nft( ‘ h ' v ** itoron 4 Wochen Aufnahme der Be
r5 b \ Setdf,,n ungetrübte Gesundheit mit bedeutender Ge-
M ich szmmhme, nun 6 Monate anhaltend. Alsbald nach dem Ein
7, 0 j B rl)re( ‘ lu ‘ 1 . 1 . l,nd Schmerzen niemals mehr in Erscheinung
„etieten, das complicirende Nervenleiden verlor sich in seinen
schweren ^ vn '^ olne u stetig abnehmend, innerhalb 4—ö Wochen
v,,^ klit SCh be “ erkt H * zu dem hier mit bestem Erfolg geübten
A erfahien Loretas, welches von seinem Urheber 1883 empfohlen
" s e ( .'in P 0 r 8 nr»w V T in v 11 mitErfo| K «*»* wurde, mehrfach Jedoch
P raktlscben Verwerthbarkeit abfällige Beurtheilung er
w „ d “f a er "«» «lern In der geschilderten Beobachtung
lzielt»n günstigen Befolg durchaus nicht die Verpflichtung al>
VT' ,n,,cllte - <«er erwähnten Methode sich bei Vder uärbigen
^ h ‘ er hl »^er Anwendung
.' 1 alIf 1,1,1 besonderen anatomischen, dem relativ
kurzen Bestand des schweren Leidens entsprechenden vS
Er ÄST. s
Verein deutscher Aerzte in Praq.
(Eigener Bericht.) 51
WUhelm^Pl ■ ITöf „!? J. 7 ‘, Novem b p r 1«01) besprach Herr
wonueiuui^Priiparate XiÄ TubärgravUttät' "de? Tt
^ he, der
sr tz «S
äWCä'ÄÄ
N l.wangc,•schaft entsprach. Nach kritischer Besprechung* d'h'ser
<bei ungewöhnlichen Befunde kommt Vortrag, au dem Seid ,«?
dass die Sactosalpiux purulenta und die Metritis ganz frische Pro¬
zesse gewesen die wahrscheinlich auf Infeetion des’Utenisbei
I”niclital)treibung
hIh nfbger^Genesung?* 1 d ‘° Coellotonli ^arbe stattgefunden, in voll-
Her ^ i5- iSchel bes P rj cbt weiters die Schwierigkeit dev
Differentialdiagnose zwischen solchen Fällen und etwaigen Fällen
von acut septischer Perforationsperitonitis, z. B. bei Aifpendicitis
MOf UBrr ä^ nfa,ls . e,n Beispiel aus seiner Erfahrung beibringt.
Herr H Irsch spricht hierauf über den nicht pigmentirten
ÄXÄr ndehaBt (mi * r, ~“ ^
dureS'chett Ä-^u'r^c^m'steS ÄÄ
SrSn einer 17 jährigen Patientin, das
sut 8 -fahren sicher bestand (möglicher Weise seit der Geburt) und
sehr allmählich wuchs. Klinisch imponirte es als Sarkom, erwies
■ ich aber mikroskopisch (die Schnitte werden demonstrirt) in
seinem Aufbau und in den Elementen — epitheloide Zellen mit
grossen Kernen, dicht aneinander gereiht, in kugeligen Zellbalken
angeordnet - vollkommen übereinstimmend mit dem bekannten
Bilde des weichen Naevus der Haut und auch mit der von
\\ Intersteine r gegebenen Beschreibung des pigmentirten
Naevus der Bindehaut bis auf das Pigment, das hier vollständig
I dd * H - sehliesst: „Der Naevus ist ein wohl eharakterisirtes
Gebilde sui generis, der. wo immer er sich im Körper vorfludet
als solcher unter dem Mikroskope immer erkannt werden und
dessen eplthelogener Ursprung mit ziemlicher Sicherheit er¬
schlossen werden kann aus
1. der Beschaffenheit der Geschwulstgewebselemente*
2. aus ihrer Anordnung;
3. aus dem Standorte des Gebildes, d. h. jene die Geschwulst
ausinuclienden, charakteristischen kugeligen Zellhaufen liegen
stets auf, resp. in demjenigen Bindegewebe, dem
das Oberflächenepithel unmittelbar aufs itzt.
Noch nie ist ein Naevus beschrieben worden (ob der Ilaut oder
einer anderen Stelle), der in tieferem oder anderem als dem sub-
epitlielialen Bindegewebe seinen Sitz hätte.“ ^
Die SpeciÜcität., welche dem Wachsthumstypus des Naevus als
solchem innewohnt, erhellt übrigens auch schon daraus, dass die
aus ihm hervorgegangenen bösartigen Geschwülste auch wieder,
wie Unna und W ä 1 s c h gezeigt haben, alle diese für den
Naevus geltenden Charaktere des histologischen Aufbaues zeigen.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht)
Wien, 17. Februar 1900.
Zur Lehre von der Enteroptose. — Die sogen, „peri-
carditische Pseudolebercirrhose”. — Diabetes und Akro¬
megalie.
In der Gesellschaft der Aerzte sprach jüngst Docent Dr. Karl
A. II e r z f e 1 d über Enteroptose. Die Verlagerung der Ein¬
geweide betrifft hauptsächlich das weibliche Geschlecht, ver¬
ursacht grosse Beschwerden und wurde merkwürdiger Weise bis¬
her von ärztlicher Seite nur in geringem Maasse gewürdigt. Das
Symptomonbild der Enteroptose besteht vornehmlich in Ver¬
dauungsstörungen, die sowohl den Magen (Appetitlosigkeit, aber
auch lästiges Hungergefühl, verbunden mit Schmerzen nach jeder
Nahrungsaufnahme, Aufstossen, Drücken etc.), als auch den
Darm betreffen (Obstipation, plötzliche Diarrhoen, Gasbildung,
Anwachsen des Abdomens, Gefühl des Vollseins) und mit heftigen
Schmerzen, Arbeits- und Bewegungsverlust, Athembeschwerden,
Herzklopfen, bei längerer Dauer mit Störungen in der Blutcireu-
lation, Schwindel, Kopfschmerzen, zahlreichen nervösen Sym¬
ptomen verbunden sind und rapide Abmagerung lierbeiführen
können.
Im W eiteren erörtert der Vortragende die Erklärung, welche
G 1 e n a r d für diesen Symptomencomplex gegeben und bemüht
sich, diesen in anderer Weise zu begründen. Der Hauptgrund
für die Erhaltung der Organe der Bauchhöhle in ihrem gegen¬
seitigen Situs ist der stets vorhandene intraabdominale Druck
resp. der von oben ausgehende und nach abwärts gerichtete*
Druck (Thorax, Schwere der Leber) und dessen Paralysirung
durch den nach aufwärts gerichteten Gegendruck von Seite des
Darms, der wieder abhängig ist vom Füllungszustand und Gas¬
gehalt, sowie von den durch die begrenzte Entfaltungslänge der
Mesenterien und dem Widerstand der Bauchhöhlenwandungeii
largestellten Factoren. Eine Vermehrung des Druckes von
oben (Oorset, Mieder) oder eine Verminderung des aufwärts ge¬
richteten Gegendruckes, ein Nachlassen der Spannung der Bauch-
decken oder des musculösen Beckenbodens können die Disposition
zu Lage Veränderungen schaffen. Insbesondere geschieht dies
durch die Schwangerschaft und das Wochenbett, wenn die im
Puerperium vor sich gehende Involution der durch sie gesetzten
Veränderungen (Erweiterung des Bauchhöhlenraums, Ver¬
rückung seiner Grenzen, Lageveränderungen der Bauchliöhleii-
organe) durch übermässige Inanspruchnahme der noch zu weiten
und zu schlaffen Bauchdecken oder unzweckmässige Vermehrung
des Druckes von oben etc. gestört wird.
Aber auch alle anderen Ursachen, die einer starken An-
füllung des Abdomens und Ausdehnung der Bauchdecken eine
rasche Entleerung der Bauchhöhle folgen lassen, ebenso wie alle
jene Krankheitsprocesse, welche den Tonus der Bauchdecken- und
der Beckenbodenmusculatur verringern (Hydrops, Cysten etc.),
können die Enteroptose veranlassen. Die normale Resistenz des
Beckenbodens wieder, die ja Blase und Uterus in ihrer normalen
Lage erhält und daher von bedeutendem Einflüsse auf den Intra-
abdominaldruck ist, wird ebenfalls vornehmlich durch Schwanger¬
schaft, Geburt und Wochenbett verringert (Zerreissungen am
Damm, Störung der Involution des Perineums durch übermässige
Anstrengung und Belastung, Druck des kindlichen Schädels).
V ird durch diese oder noch andere Ursachen der Becken-
boden schlaff, so sinkt der intraabdominale Druck, der Raum der
Bauchhöhle vergrössert sich, es erfolgt ein Herabsinken der
Organe des Hypoehondriums, die wieder ihre Naehbarorgane
nach sich ziehen endlich folgt, in Folge Ausdehnung der
Därme, eint* Atonie und trägere Peristaltik derselben mit den
naturgemässen Folgeerscheinungen. Häufig tritt nun auch die
von G 1 e n a r d für die primäre Veranlassung der Enteroptose
gehaltene Lockerung der Fixation an der Flexura eoli-hepatica
ein, wozu abnormale Peritonealverhältnisse, welche Redner ein¬
gehend bespricht, beitragen können.
Tlervorheben möchte Vortragender noch die bisher ganz un¬
berücksichtigt gebliebene Erweiterung des Blutgefässsystems iiu
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MÜNCHENER MEDICtNISCHE WOCHENSCHRIFT.
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20. Februar 1900.
Bereiche der Bauchliöhlenorgane und die damit verbundene
Hyperaemie und Störung der Blutcirculation: scheinbare Zu¬
nahme der Anaemie, stärkere Menstrualblutungen etc.
In therapeutischer Hinsicht sind indicirt die Stützapparate,
i]ic aber nur den mangelnden Tonus der Bauchwandung ersetzen
und nicht etwa die forcirte Lageveränderung einzelner Organe
bezwecken sollen. II. lässt zu diesem Zwecke Bruchbinden an¬
fertigen, die behufs besserer Fixation rechts und links mit kleinen
Hosen versehen und stets in horizontaler Lage anzulegen sind.
Die Binden müssen genau passend angefertigt werden. Bei be¬
gehender Erschlaffung des Beckenbodens ist bei Defecten die
Perineoplastik, bei einfacher Erschlaffung eine Stützung durch
Pessare und Kräftigung durch Gymnastik (Widerstands-
L'wegungen, Brand t’sche Lüftung des Uterus) am Platze. Zur
Wiederherstellung des normalen Tonus ist aber ausserdem eine
genaue diätetische Therapie (Mastcuren) nothwendig. Von
Nutzen sind auch Bäder, sowie die Anwendung der Elektricität.
Viel wichtiger aber ist die Prophylaxe, speciell in der
Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett (gut adaptirte
Bauchbinden in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft, so¬
wie durch 4 Monate nach dem Verlassen des Bettes, möglichste
Schonung sowie eine rationelle Ernährung).
Im Medicinischen Club sprach Dr. Eisenmenger über
die sogen, „pericarditische Pseudolebercirrhose“, welchen Namen
Friedr. Pick für einen Symptomeneoraplex vorgesehlagen hat,
dem eine klinisch-latente, chronische oder adhaesive Pericarditis
zu Grunde liegt. Es besteht hiebei ein Ascites, welchen Pick
damit erklärt, dass als Folge der Stauungen in der Leber Binde¬
gewebswucherungen und -Schrumpfungen entstehen, die ihrer¬
seits Stauungen im Pfortadergebiete zur Folge haben. Diesem
Syinptomencomplcx eine besondere systematische Stellung zu
geben, geht nicht an, was der Vortragende ausführlich erörtert.
Die Ursache, wesshalb es bei chronischer Pericarditis relativ
häufig zu praevalirendem Ascites kommt, ist in verschiedenen,
mehr minder häufigen Complicati onen derselben zu
suchen. In 2 von den 3 Fällen P i c k’s lag ihr eine Säufer-
cirrhose zu Grunde. Oder es handelt sich um chronische peri-
tonitische Veränderungen, zumal um solche, welche in der Nähe
der Porta hopatis localisirt sind. Oder um eine Fortsetzung des
Ergänzungsprocesses längs der Vena cava in die Leber hinein,
oder um eine Knickung der Vena cava durch ein gleichzeitig be¬
stehendes pleuritisches Exsudat, oder um Compression, Knickung
oder Verziehung der Vena cava ascend. durch die schrumpfen¬
den pericardialen und extrapericardialen Entzündungsproducte,
innerhalb welcher das Gefäss einen relativ langen Weg zurück¬
zulegen hat. Endlich ist noch hervorzuheben, dass das Sym-
ptoiuenbild bei jüngeren Individuen vorkommt, die überhaupt
weniger zu Transsudationsprocessen im Gebiete der paarigen
Venensysteme disponirt sind.
Dr. Willi. Schlesinger stellte 2 Fälle vor, welche einen
Zusammenhang zwischen Diabetes und Akromegalie documen-
tiren sollen. Ein dritter Fall wird besprochen. Diabetes und
Akromegalie wurden häufig zusammen angetroffen. In allen
Fällen ist die Akromegalie früher eingetreten, was darauf zu
deuten scheint, dass der Diabetes eine Folgeerscheinung der¬
selben ist.
In der Discussion bestätigte Dr. M. Sternberg diese An¬
schauung und wies darauf hin, dass der bei Akromegalie vor¬
kommende Diabetes die verschiedensten Grade von der alimen¬
tären Glykosurie bis zu den schwersten Formen und verschiedene
Abweichungen von dem gewöhnlichen Bilde (sprunghaften Ver¬
lauf, spontanes Verschwinden) zeige, ferner kommen dabei auch
Polyurie und Polydipsie ohne Glykosurie vor. Viele Fälle
scheinen dabei von Pankreaserkrankungen abzuhängen.
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie.
XXIX. Gongress in Berlin.
Der XXIX. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chi¬
rurgie findet vom 18. bis 21. April in Berlin statt.
Die Begrüssung der zum Congress sich versammelnden Mit¬
glieder geschieht am Dienstag, den 17. April, Abends von 8 Uhr ab
im Hötel de Rome (Charlottenstrasse No. 44/45).
Die Eröffnung des Congresses findet Mittwoch, den 18. April,
Vormittags 10 Uhr im Langenbockhause statt. Während der
Dauer des Congresses werden daselbst Morgensitzungen von 10 bis
1 Uhr und Nachmittagssitzungen von 2 bis 4 TJhr gehalten.
Am ersten Sitzungstage (Mittwoch, den 18. April) findet, um
10 Uhr Abends eine einstmalige Demonstration von Projections-
biklern aus Diapositiven statt. Meldungen dazu sind an Herrn
Toachimsthal, Berlin W., Markgrafenstr. 81, und I m m e 1 -
m a n n, Berlin W., Ltitzowstr. 72, zu richten.
Von auswärts kommende Kranke können im Kgl. Klinikum
(Berlin N., Ziegelstr. 5—9) Aufnahme finden. Präparate, Ban¬
dagen, Instrumente etc. sind an Herrn Anders iu’s Laugen-
beckhaus (Ziegelstrasse 10/11) mit Angabe ihrer Bestimmung zu
senden.
Eine Ausstellung von Röntgenpliotographieu findet nicht statt.
Ankündigungen von Vorträgen und Demonstrationen bitte ich
zeitig und wenn irgend möglich spätestens bis zum 17. März an
meine Adresse, (v. Bergmann, Berlin NW., Alexanderufer 1 >
gelangen zu lassen.
Eine Ausstellung von chirurgischen Instrumenten und Ap¬
paraten, sowie Gegenständen der Krankenpflege, ist in Aussicht
genommen.
Die Sitzungen werden mit nachstehenden Vortragen eröffnet
werden: „ ., „
Mittwoch, den 18. April.. Herr C z e rn y - Heidelberg:
Die Behandlung inoperabler Krebse. Herr K r ö n 1 e i n - Zürich:
Darm- und Mastdarmenrcinom und die Resultate ihrer operativen
Behandlung. Herr R e h n - Frankfurt a. M.: Die Verbesserungen
in der Technik der Mastdarm-Amputation und -Itesection.
D o n n e r s t a g, den 19. April. Herr Israel- Berlin: Ueber
Operationen bei Nieren- und Uretersteinen.
Freitag, den 20. April: Herr v. A n g e r e r - München:
Ueber Operationen wegen Unterlei bscontusionen. Herr v. Berg-
m a n n - Riga: Ueber Darmausschaltungeu beim Volvulus und
dessen Diagnose. Herr C r e d 6 - Dresden: Die Vereinfachung der
Gastro- und Enterostomie.
Sonnabend, den 21. April. Herr Lexer-Berlin: TToboi
fornirmm fJpsrUiwülste in der Bauchhöhle und deren Operation.
Verschiedenes.
Sitzgelegenheit für das Ladenpersonal.
Mit dem 1. Januar 1900 trat in England durch Parlaments-
beschluss folgendes Gesetz in Kraft: .... .
In allen Läden und Verkaufsräumen, in welchen weibliche
Personen augestellt sind, hat der Geschäftsinhaber füi ent¬
sprechende Sitzgelegenheit seiner Angestellten zu sorgen, und zwar
soll in jedem Raum für je 3 Personen mindestens ein Sitz vor¬
handen sein. -- ,
Zuwiderhandlungen werden mit einer Strafe von 20—60 Maik,
im Wiederholungsfälle bis zu 100 Mark belegt.“
Diese Verordnung ist das Resultat der seit Jahren unermüd¬
lich wirkenden Thütigkeit der „Association for cruelty to women“
und als ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Lage des
weiblichen Ladenpersonales zu betrachten.
Aehnliehe Bestrebungen sind auch hier längst im Gauge, die
Ortskrankencasse für das kaufmännische Personal hat schon
wiederholt die Principale auf die gesundheitsschädlichen Folgen
des langen Stehens insbesondere für das weibliche Personal, auf¬
merksam und dieselben sogar für event daraus resultlrende
Krankheiten verantwortlich gemacht. Aber eine stricte Durch¬
führung dieser hygienisch vollauf begründeten Maassregel
scheitel t noch immer an dem sich meist in passiver Weise kund¬
gebenden Widerstande einzelner Firmen. Eine Fassung dieser
vom gesundheitlichen, wie vom allgemein menschlichen Stand¬
punkt gleich berechtigten Forderung in Form eines Gesetzpara¬
graphen oder einer polizeilichen Vorschrift wäre daher dringend
Zum Capitel der Gefälligkeitsatteste theilt Görtz-
Mainz mehrere sehr bezeichnende Beispiele mit (Monatsschr. f.
Unfallheilk. 11, 99). Das wunderbarste derselben ist ein Zeugniss,
in dem ein Arzt bescheinigt, dass der 9 Jahre nacli einer Bein¬
amputation eingetretene Tod durch eine von dem Amputations¬
stumpf ausgegangene Fettembolie (!) des Gehirns verursacht
worden sei. Kr *
Therapeutische Notizen.
Das von E d i n g e r zuerst dargestellte Chinolin-
Wismuth-Rhodanat ist in der J o s e p h’sclieu Poliklinik
mit Erfolg bei Unterschenkelgeschwüren verwendet worden. Das
Mittel stellt ein rothgelbes Pulver dar, in Wasser, Alkohol und
Aether unlöslich.
Steiner (Therap. Monatsh. 1, 1900) empfiehlt dasselbe zwei¬
mal täglich in geringer Menge aufzustreuen und die Wunde mit
einem leichten Deckverbaude zu schliessen. Bei tiefgehenden Ge¬
schwüren wird es zweckmässig mit gleichen Tlieilen Amylum
verdünnt.
Das Mittel führt Im Handel den Namen Cruri n. Der Name
ist sehr schön. Geht es so weiter, so haben wir bald ein Pedin.
ein Struinin, vielleicht auch ein Appendicin. Kr.
Alkohol als Gegengift der Carbolsäure. An¬
lässlich mehrerer Mittheilungen von Carbolsäure Vergiftungen macht
das Journal of the Am. med. Ass., 12. August 1899 neuerdings auf
die von P h e 1 p s beobachtete und untersuchte Wirkung des
Alkohols als Gegengift der Carbolsäure aufmerksam. Nach dessen
Angaben wirkt die unmittelbar folgende Anwendung des Alkohols
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Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
270
MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 8.
nicht nur 1 u»i Actzungen der 11;int und nflVner Wundhülden in der
Weise, dass Eiterherde »hm* jede schädliche Folgewirkung mit
eoncentrirter Carboisäure ausgespritzt und die Iläude mit 95 proc.
Lösung gewaschen werden konnteu. Sendern es wird auch das
Verschlucken von Carbolsnure durch sofortitr*»s Trinken von Alko¬
hol paralysirt. F. L.
H a 1> i t u e 11 e O b s t i p a t i o n. Im Journ. of the Am.
Assoe. vom i:{. Juli wird eine alte, früher viel gebrauchte Latwerge
zum Gebrauch bei habitueller Stuhlverstopfung der unverdienten
Vergessenheit entrissen mit der treffenden Romerkling, dass nicht
alles was gut. ist, neu zu sein braucht. Die Formel lautet folgender-
maassen:
Rp. Sulfur, praeeip.
Tartar, depurat. aa
10,0
Folia sennae
5,0
Pulv. Cardamom.
0,15
Syr. rhamn. cathart.
9,5
M. f. Electuarium.
Morgens und Abends ein
Kaffee
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 20. Februar 1900.
— In Dresden besteht z. Z. ein Conflikt zwischen
<1 .* m ä r z t 1 i c h e n R e z irks v e r e i n u n d d e r E i s e u -
I» i. h n - B e t r i e b s k r a n k e n casse. der <lesshalb ein weit i-
gehendes Interesse besitzt. weil er von Neuem zeigt, dass die staat¬
liche Organisation des ärztlichen Standes völlig versagt, wenn sie
als Mittel zur Verbesserung der materiellen Stellung der Aorzte den
Kiankeneassen gegenüber dienen soll. Der genannte Rezirksverein
hatte, kurz gesagt, gewisse Veränderungen in der Organisation d.r
liuanciell sehr gut situirten Fasse und der mit den Aerzten ab¬
geschlossenen Vertrüge zum Anlass genommen, eine Erhöhung dt s
ärztlichen Honorars zu verlangen und er hatte daher den Mit¬
gliedern <les Vereins auf Grund des $ 15 der Standesordnung den
Abschluss des von der Gasse vorgelegten Vertrages untersagt.
Hiergegen erhob die Gasse Einspruch bei der Kreishauptmann¬
schaft. Diese hat nun gegen den ärztlichen Rezirksverein ent¬
schieden, indem sie ausführt, § lö der Standesordnung bezwecke
nur, zu verhindern, dass einzelne Acrzte Vereinbarungen eingehen.
welche der Stellung eines Arztes unwürdig seien. Davon sei aber
in dem gegenwärtigen Falle keine Rede. Ob die in den Vertrügen
ausgeworfenen Honorarsiitze im Verhältnis« zu den ärztlichen Ro-
mühungeu zu niedrig seien, könne dahingestellt bleiben, es genüg *,
dass sie nicht so niedrig seien, dass es für die betreffenden Aerzte
standesunwürdig sei, auf sie einzugehen. Die Auslegung, welche
der Rezirksverein dem § 15 seiner Standesordnung gelte, führe zu
Vorstösson gegen die Gewerbeordnung, nach welcher die Rezahluug
der approblrten Aerzte der freien Vereinbarung der Rotheiligten
überlassen sei. Gegen diesen Entscheid hat der Rezirksverein Be¬
rufung beim k. Ministerium des Innern eingelegt. Inzwischen
aber haben die Dresdener Gasseuärzte sich auch unabhängig von
dem Beschluss des ärztlichen Bezirksvereins geweigert, die Ver¬
träge der Bahncasse zu unterzeichnen und die übrigen Dresdener
Aerzte haben sich in freier, nicht vom Rezirksverein ausgehender
Vereinigung mit ihnen solidarisch erklärt. Es wird also trotz statt t-
lidier Organisation vom freiwilligen Zusammenhalten der Aerzte
abhüngen, ob in der Angelegenheit ein dauernder Erfolg erzielt
wird. Vorerst können die Aerzte mit dem Erreichten zufrieden
sein. Denn die Casse hat bis auf Weiteres ihren Mitgliedern die
Wahl unter sämmtliehen Dresdener Aerzten freigestellt; die Mit¬
glieder haben die ärztlichen Leistungen, sofern dies verlangt wird,
zunächst selbst zu bezahlen und die quittirte Rechnung der Dienst¬
stelle vorzulegen, worauf die Erstattung des Betrages von der
Gasse veranlasst wird.
— Wie schon in vor. Nummer mitgetheilt, hat die medieinische
Facultät der Universität München den Staatsminister Freiherrn
v. F e i 1 i t z s e li, unter dessen verdienstvoller Förderung in der
langen Zeit seiner Amtsführung das bayerische Medieinahvesen
zu so hoher Bliithe sich entwickelte, dass die bayerischen Einrich¬
tungen vielfach als mustergiltig im Deutschen Reiche gelten
können, ztim Doctor mcdicinac honoris causa ernannt. Das dem
Minister feierlich ülierreichte Diplom fasst die Verdienste desselben
um das Medieinahvesen und um den ärztlichen Stand in folgenden
Worten zusammen; ..Qu* institutionibus legibusque ut ad artis
medicae rationes aceommodatissimis ita ad publicam sanitatem
salubeiTimis medicorum maximeque publicorum ordinis utilitatibus
insignem operam industriam curam impertivit."
— Pest. Japan. Vom 11).—26. Deeember v. .1. sind 20 weitere
Fälle von Pest in Japan festgestellt worden, von welchen 17 bis
zum 2<S. Deeember tüdtlich verlaufen waren. Von den Krankheits¬
fällen kamen 7 auf Kobe. 12 auf Osaka und 1 auf Hamauiatsu,
eine an der Rahn von Osaka nach Yokohama gelegene Proviucial-
stndt. Seit Ausbruch der Pest in Japan sind damit bis jetzt
40 Fälle amtlich festgestellt worden, von denen öl) einen tödtliclien
Ansgang genommen haben. Die japanischen Behörden treffen um¬
fangreiche Vorbeugungsmaassregeln gegen die Pest. — Brasilien
In Sao Paulo ist in der Woche vom 0.-15. Januar nur noch
1 Fall von Pest festgestellt worden. — Sandwichinsel. Vom
20. Deeember v. J. bis zum 4. Januar d. .T. sind in Honolulu 10 neue
Pest fälle bei 0 Chinesen und 1 Japaner beobachtet; vom 4. bis zum
8. Januar waren keine Fälle weiter vorgekommen. Die Gesund
heitsbehörde hat angefangen, die verseuchten Stadttlieile theilweise
iiiederzubrennen. V. d. K. G.-A.
— In der 5. Jahreswoche, vom 28. Januar bis 3. Februar 1900.
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste
Sterblichkeit Danzig mit 45,4, die geringste Remscheid mit <5.8
Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehnte!
aller Gestorbenen starb au Masern in Darmstadt; au Scharlach in
Elberfeld: an Diphtherie und Group in Plauen.
Nachdem der von Billings begründete „Index in e d i -
c u s“ zu erscheinen aufgehört hat, worden von verschiedenen
Seiten Versuche gemacht, das für genauere Literaturstudien unent¬
behrliche Unternehmen fortzusetzen. So erscheint seit vorigem
Jahr in Wien ein „I n d e x m e d i c u s n o v u s*\ der jedoch nicht
annähernd die Vollständigkeit aufweist, wie sein Vorbild, was bei
einem Jahrespreis von 10 M. nicht Wunder nehmen kann. l T nd
jetzt erhalten wir die Mittheilung, dass von diesem Monat au in
Paris ein ähnliches Unternehmen in’s Leben treten soll unter dem
Titel „R i b 11 o g r a p h 1 a m e d i e a“. Dasselbe wird von Marcel
Rau d o nln herausgegeben werden und verspricht vollständiger
zu werden, denn es soll in Monatsheften von je 80 Seiten er¬
scheinen und jährlich mindestens 50 000 Literaturnachweise
bringen. Der Preis wird 50 Frcs.. für das Ausland <50 Frcs. be¬
tragen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir eines von Dr. F 1 a m m
in Paris gemachten Vorschlages Erwähnung thun, der die Schaf¬
fung von n a t i o n a 1 e n B i b I i o g r a p li i e n anregt. I )iesc
müssten auf Kosten der medicinischeu Gesellschaften, der Fatali¬
täten und des ganzen ärztlichen Standes der verschiedenen Länder
herausgegeben werden. F 1 a m m glaubt, dass nur auf diesem
Wege wirkliche Vollständigkeit, die auch dem B i 11 i n g s’seheti
I l» d e x abgegangen sei. erzielt werden könne; er wünscht, dass
auf dein internationalen medicinischeu Congress ln Paris ein ge¬
meinsames Vorgehen zum Zwecke der Schaffung solcher Biblio¬
graphien angebahnt werden möge.
iHochsch uluachrichten.)
Wiirzburg. Professor v. Michel hat einen Ruf als
Nachfolger Schweigger’s nach Berlin erhalten. Derselbe ist
dorthin abgereist, um mit dem Cultusmiuister Verhandlungen zu
pflegen und das lustilut zu besichtigen. - Der von dem verstor¬
benen kgl. Universitätsprofessor Geheimrath Dr. F. R i n e e k e r
gestiftete Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen
wurde dem Physiologen Johannes v. K r i e s in Freiburg i. B. zu¬
erkannt. Der Preis besteht aus 1000 M. und einer silbernen Medaille.
(T o d e s f ä 1 1 e.|
Dr. Oscar Widmann, a. o. Professor der medicinischeu
Pathologie zu Lemberg.
Dr. A. E. Hoadley, Professor der orthopädischen Chirurgie
am College of Physicians and Surgeons zu Chicago.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Abschied bewilligt: Dem Stabsarzt Dr. Joseph Ent res von
der Reserve (Weiden!.
Befördert: Zu Assistenzärzten in der Reserve die Unterärzte 1
Dr. Alois End res (Ingolstadt!. Leonhard Ilauck (Erlangen».
Philipp St oll (I. Münchein. Karl Knüll (Günzenhausen!. IVter
R e i s s (Würzburg). Dr. Maximilian Maier dl. München!.
Baptist N o de r. Dr. Arnold V i d a 1, Felix M i o d o w s k i. Dr.
Salomon N e u b e r g, Julius V o g e I. William W o 1 f s o u mul
Dr. Adolf F 1 e i s c h m a n n (1. München!. Julius II e r b s t. (Nürn¬
berg!; in der Landwehr I. Aufgebots der Unterarzt Emil S c li i -
c k e n (1 a n t z (Kaiserslautern!.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 5. Jahreswoehe vom 4. bis 11. Februar 1900.
Betheil. Aerzte 287. — Brechdurchfall 8 (14*), Diphtherie,
Croup 14 (21), Erysipelas 14 (7). Intermittens, Neuralgia interm.
1 (3), Kindbettfieber — ( —Meningitis cerebrospin.— (—), Morbilli
578 (4^7), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 2 (5), Parotitis epidem.
4 (13), Pneumonia croupona 24 (40), Pyaemie, Septikaemie — (1),
Rheumatismus art. ac. 29 (35), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
5 (7), Tussis convulsiva 15 (15), Typhus abdominalis 3 (2),
Varicellen 9 (12), Variola, Vario’ois — (—). Summa 706 (602).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München
wahrend der 5. Jahreswoche vom 4. bis 11. Februar 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000.
Todesursachen : Masern 30 (24*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Group 1 (1), Rothlauf — (1), Kindbettlieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (1), Brechdurchfall 2 (3|, Unterleibstyphus
— (1), Keuchhusten 1 (3), Croupöse Lungenentzündung 3 (8),
Tuberculose a) der Lungen 24 (28), b) der übrigen Organe 7 (7),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 24 (37), Unglücksfälle 1 (5), Selbstmord — (3), Tod durch
fremde Hand — (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 285 (312), VerhältniBezahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 32,0 (35,0), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 22,3 (26,3).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Verla* von J. F. f^hnmnn in München. — Druck von K. Miihlthaler’a Buch- und Kunatdruckerel A.G., München.
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■V Google
Original fro-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
DI« Münch. Med. Wochenschr. erscheint wöchenll.
in Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen.
Preis in Deutschi, u Oe6t.-Ungarn vlerteljahrl. 6 jK,
ins Ausland 7.60 JL Einzelne No. 60 -*J.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redartion
Otlosirasse 1. - Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Heustrasse 20. - Für Inserate und Beilagen
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz IG
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Biumler, 0. Bolllnger, H. Curscbmann, C. Gerhardt, W. ?. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. v. Ranke, F. i. Wlnckel, H. i. Zienssen,
Freiburg 1. fi. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
di 9. 27. Februar 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Aus dem hygienischen Institut der Universität München.
Zur Kenntniss der Alexine,
sowie der specifisch - bactericiden und specifisch-
haemolytischen 1 ) Wirkungen.*)
Von H. Büchner.
Als kürzlich die Anschauung von mir zum Ausdruck gebracht
wurde*), dass die sog. Alexine oder Schutzstoffe im Blute wesent¬
lich den Charakter von proteolytischen Enzymen
besitzen, da waren mir einige wichtige Angaben anderer Forscher
entgangen, welche ganz entschieden geeignet sind, diese Auf¬
fassung zu bestätigen und näher zu erläutern. Da nämlich nach
den vorhandenen Untersuchungen die Alexine der Sera grossen-
theils von Leukocyten herstaminen, so sind Beweise für pro¬
teolytische Enzymbildung durch Leukocyten hier iu erster Linie
von entscheidender Bedeutung. Zu solchen gehören aber vor Allem
die wichtigen Untersuchungen von Th. Leber in seinem Werk
über die Entstehung der Entzündung 3 ), worin zu¬
erst diese Verhältnisse mit Erfolg experimentell geprüft worden
sind.
Leber bat auf Grund seiner Beobachtungen bei der Asper¬
gilluskeratitis schon vor 10 Jahren die Ansicht aufgesteilt, dass die
eiterige Erweichung und Schmelzung der Gewebe, für die er den
Ausdruck Histolyse gebraucht, durch eiueu von den
Leukocyten ausgehenden chemischen Vorgang
bewirkt wird, der einer Verdauungswürkung gleichzusetzen ist.
Er sagt ausdrücklich, es scheine ihm keinem Zweifel zu unterliegen,
dass die dabei stattfindende Veränderung der Gewebe im Wesent¬
lichen als eine chemische, auf Enzymwirkung beruhende auf¬
gefasst werden muss; deun nur chemische Kräfte seien im Stande,
die organischen Substanzen aus dem festen in den flüssigen Ag¬
gregatzustand überzuführen, und die mikroskopische Unter¬
suchung lasse auch an deren Elementen die Zeichen einer che¬
mischen Einwirkung auf das Deutlichste erkennen.
Leber erwähnt daher auch, wie Billroth und nament¬
lich Binz schon früher darauf hiugewiesen haben, dass Leuko¬
cyten, wo sie in grösserer Menge auftreten, Einschmelzung der um¬
liegenden Gewebe bewirken 4 ).
Leber bespricht dann die von mehreren Forschern ange¬
nommene Möglichkeit, dass die Erzeugung der kistolytischen
Enzyme nicht den Leukocyten, sondern den die Entzün¬
dung erregenden Mikroorganismen zugeschrieben werden
müsste, und widerlegt diese Annahme durch zahlreiche und sorg¬
fältig angestellte Experimente, zunächst durch solche, bei denen
eine in die vordere Augenkammer gebrachte entzündungserregende
Substanz bei sicher nachgewieseuer Abwesenheit von Mikrobien
eine von innen her beginnende eiterige Erweichung der Hornhaut
und Sklera hervorruft 5 ). Es gehören hierher Versuche mit Ein¬
führung von Röhrchen mit sterilen Coccenextracten oder mit
*) Nach einem Vortrag Im Aerztlichen Verein München, ge¬
halten am 13. December 1809.
1 ) Im Anschluss an die Bezeichnungsweise E h r 1 i c h’s werde
Ich hinfort anstatt des in Frankreich zuerst gebrauchten „globuli-
cid“ den Ausdruck „haemolytisch“ verwenden, und zwar desshalb,
weil es sich, wie ich oft betonte, nur um Lösung des Haemoglobins
— nicht der Stromata — handelt; und ferner weil den Erythro-
cyten der Warmblüter der Charakter eigentlicher Zellen mangelt,
folglich auch von „Leben 44 und „Tod 44 bei ihnen kaum gesprochen
werden kann.
*) Diese Wochenschrift 1899, No. 39, 40.
•) Leipzig, W. Engelmann, 1891.
*) a. a. O. S. 508.
6 ) a. a. O. S. 513.
No. 9.
Crotonül, ferner mit Einspritzung von Quecksilber oder Einführung
von Kupferdraht in die vordere Kammer. Bei diesen Versuchen
wurde die völlige Abwesenheit von Mikroorganismen durch Cul-
turen und mikroskopische Untersuchung sichergestellt. Um aber
jedes dem Organismus fremde Agens auszuscliliessen, hat Leber
dann noch durch direete Versuche festgestellt, dass den sterilen
Coccendecocten ebenso wenig als den Eiterung erregenden che¬
mischen Substanzen an und für sich eine ge webslösende Wirkung
zukommt.
Ferner hat Leber die sichersten Beweise für seine
Auscliauung dadurch erbracht, dass er todte Gewebsstücke, die iu
deu lebenden Organismus eingeführt wurden, dort durch reichliche
Einwanderung von Leukocyten zur Vereiterung brachte. Das
Gewebsstück wurde bei diesen Versuchen vor der Eiuführuug in
den Körper unter aseptischen Cautelen mit einer sterilen entztin-
dungserregenden Substanz iwpriignirt, um stark anlockend auf
Leukocyten zu wirken. Nach Einführung in die vordere Augen¬
kammer wurden solche Gewebsstücke nun von einer dichten
Leukocyteninfiltration eingenommen,vollkommen erweicht
und in eine Eiter masse um ge wandelt, iu welcher
noch nach 17 Tagen durch Culturversuche das Fehlen vou Mikro¬
organismen dargethan werden konnte.
Endlich bewies Leber deu Gebalt des keimfreieu Eiters an
proteolytischem Enzym auch dadurch, dass er denselben —
namentlich Hypopyoneiter — auf erstarrte, wasserhaltige Gelatine
eiuwirkeu liess, wobei Verflüssigung erfolgte, wälireud ein auf
300° erhitzter Eiter keiue Verflüssigung hervorrief.
Es unterliegt also keinem Zweifel, dass Leber die wichtige
Thatsache der Ilistolyse und Proteolyse durch
Leukocyten — die übrigens mit deren allgemeiner Function
als Resorptionszellen völlig übereinstimmt — experimentell voll¬
kommen sicher bewiesen hat.
Es gibt aber auch noch ganz andere Erfahrungen, welche das
Gleiche darthun. Noch jetzt führt eine Gruppe von Stoffen in
der Materia medica die Bezeichnung „D i g e s t i v a“. Es ge¬
hören dahin beispielsweise Terpentin und Perubalsam, von denen
namentlich der letztere zu Folge seines Gehalts an Zimmtsäure
eine ausgesprochen chemotactische Wirkung auf Leukocyten be¬
sitzt. Er lockt dieselben an, und es kommt in Folge der An¬
sammlung von Leukocyten dann zu Erweichung und
Ei n Schmelzung des Gewebes resp. der etwa vorhandenen
pathologischen Gewebsneubildungen, und das ist natürlich der
Zweck des Verf ahrens. Dass dieses Verfahren ein rationelles ist, und
dass mit demselben in der That unter Umständen Heilerfolge er¬
zielt werden können, hat in neuerer Zeit Kreiswundarzt Dr. Moritz
Mayer in Simmern durch interessante Mittheilungen bewiesen 8 ).
Ich verdanke demselben eine Reihe von Photographien be¬
handelter und geheilter Fälle von Gelenks- und Knochentuber-
culose, bei denen solche Dlgestiva, namentlich Perubalsam, zur
Anwendung gelangt waren, wozu mir Dr. M a y er brieflich mit¬
theilt, die praktischen Schlussfolgerungen, zu denen er gelangt
sei, stünden seiner Ansicht nach in Harmonie mit meinen Arbeiten
und jenen meiner Schüler. Mayer spricht 7 ) geradezu von einer
„histolytischen, gewebsverdauenden Wirkung
des Perubalsam s 44 , wodurch er beispielsweise in einem Falle
von chronischer Periostitis des Unterschenkels, mit mächtiger,
elephantiasisähnlicher Auftreibung iu Folge Massenzunahme aller
Gewebe, auf dem Wege künstlicher Eiterung wesentliche Besse¬
rung erzielen konnte. Dabei versteht sich aber, dass bei dieser
gewebsverdauenden Wirkung nur die „peptische Wirkung
*) Zur Anwendung eltererregender chemischer Mittel in der
Chirurgie. Volkmann’s Sammlung klin. Vorträge, N. F„ No. 216,
1898. Ferner: Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. u. öffentl. Sanitäts¬
wesen, 3. Folge, XVII, 2. Dann: Eiterung durch chemische Sub¬
stanzen zur Bekämpfung infectiöser Eiterung und local-tubercu-
löser Processe. Zeitschr. f. klin. Med., 34. Bd., H. 5 u. 0.
*) Verhandlungen des VI. Congresses für innere Medcin S. 487.
Driginal frorri 1
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
278
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
dou Leukocy ten" in Frage kommen kann, nnd zwar ist dies
um so sicherer, als „die Eitercoccen in chemisch erzeugtem Eiter
absterben“, ihrerseits also zur HIstolyse hier nicht das mindeste
beitragen können.
Auch diese Erfahrungen sprechen daher, ebenso wie die
direct beweisenden Versuche L e b e Es und ferner die schon
früher von mir angeführten Argumente ganz entschieden für
das Vorkommen proteolytischer Enzyme in den Leukocy ten,
wobei noch hinzugefügt werden muss, dass neuere wiederholte
Versuche mit Einführung steriler Würfel von coagulirtem
Hühneralbumin in die Subcutis von Kaninchen, welche Herr
Oberarzt Dr. M e g e 1 e auf meine Veranlassung ausführte, die
Thatsache der bacterienfreien Erweichung und allmählichen Re¬
sorption des coagulirten Albumins noch weiter bestätigten 8 ).
Auch hier kann die Erweichung und Verflüssigung nur auf
Leukocyten bezogen werden, da die blosse alkalische Reaction der
Gewebssäfte keine solchen Wirkungen zu Stande bringt. Und
ebenso ist dies der Fall bei Versuchen, welche Herr Dr. Megele
mit aseptischer Einbringung von sterilem Catgut in die Subcutis
von Kaninchen ausführte. Stücke von Catgut von 8—10 cm
Länge waren im Verlauf von 3 Monaten bis auf unbedeutende
Reste einer gelblichen, zähen, offenbar aus Elastin bestehenden
Masse geschwunden ; ebenso lange Zeit in verdünnter
Lauge auf bewahrte Stücke von Catgut li essen zwar Quellung,
aber keine LösungsVorgänge erkennen.
Nach alledem steht fest, dass von den Leukocyten proteo¬
lytische Enzyme nicht nur gebildet, sondern auch abgeson¬
dert werden; denn sonst wären alle die geschilderten Lösungs¬
vorgänge, bei denen es sich primär nicht etwa um Phagocytose
handeln kann, überhaupt nicht denkbar. Dann aber muss von
diesen proteolytischen Enzymen auch normaler Weise etwas in’s
Blut gelangen können, und dann liegt es sehr nahe, hierin eine
der Quellen, und zwar vielleicht die wichtigste, für die baeteri-
ciden Alexine zu erblicken.
Allerdings hatte Kühne 9 ) seinerzeit angegeben, dass im
frischen Blut vom Rinde und Hund kein tryptisches Enzym nach-
zuweisen sei, nur Pepsin. Die Annahme proteolytischer Enzyme
Im Blut steht hiemit in Widerspruch. Die Methode, deren sich
Kühne damals bediente, dürfte jedoch kaum scharf genug ge¬
wesen sein, um die kleinen Mengen eines Enzyms, welches sozu¬
sagen nur mikroskopische Wirkungen ausübt, nachzuweisen.
In der That handelt es sich hier nicht um ein Verdauungs-
enzym, nach Analogie aller bisher bekannten, sondern es handelt
sich um ein Zellenzym, ein Enzym neuer Kategorie. Ein
Analogon hiezu haben wir, ausser etwa in den Studien, Vorgängen
und Wirkungen, welche Salkowski bei der Autodigestion
der Organe nachgewiesen hat, vorläufig nur in demjenigen proteo¬
lytischen Enzym, welches durch M. Hah n im plasmatischen
Saft der Hefezellen in unserem Laboratorium aufgefunden
worden ist.
Die Anwesenheit dieses Enzyms im Fresssaft der Hefezellen
äussert sich vor Allem dadurch, dass der sich selbst überlassene,
durch Chloroformzusatz gegen Ansiedlung von Ällkroorganismen
geschützte Presssaft eine höchst energische Selbstverdau-
u n g eingeht, welche bei Körpertemperatur schon innerhalb
weniger Tage alles Albumin in gewisse Endproducte, hauptsächlich
in Leucin und Tyrosin umwandelt. Von der Energie dieser Wir¬
kung können Sie sich durch den Anblick dieser Flasche mit selbst¬
verdautem, stark gedunkeltem Presssaft, in dessen Bodensatz reich¬
liche Leucindrusen zu sehen sind, und der beim Erhitzen keine
Spur von Coagulum mehr liefert, selbst überzeugen (Demon¬
stration).
Dazu muss ich allerdings bemerken, dass der Ausdruck
Verdauung für die sich abspielenden Vorgänge kaum richtig
gewählt ist. Ich verwende denselben nur, weil bis jetzt kein
anderer bekannt ist, der das gleiche in einer allgemein verständ¬
lichen Weise bezeichnen würde. Aber streng genommen ist der
Vorgang mit demjenigen, den wir von der Pepsin- oder Trypsin¬
verdauung her kennen, nicht identisch. Es fehlen die Zwischen¬
stufen, die bei jenen, zum Zweck der Ernährung des Organismus
stattfindenden enzymatischen Vorgängen gerade die wichtigsten
sind. Es fehlen die löslichen lind diffusibel gewordenen Modifica-
tionen der Peptone, Tryptone, Albumosen, die bei einer Eruährungs-
verdauung die Hauptrolle spielen. Denn iu der That, was würde
uns eine Magen-, eine Darmverdauung nützen, bei der die nähreu-
B ) Es empfiehlt sich, dem Hühnereiweiss vor dem Coaguliren
etwas steriles Aleuronat zuzumischen, um eine stärkere chemo-
tactische Wirkung, d. h. reichere Leukocytenansammlnng zu er¬
zielen, da sonst die Erweichung mitunter ganz ausserordentlich
langsam erfolgt.
9 ) Ueber die Verbreitung einiger Enzyme im Thierkörper. Ver¬
handlungen des Naturhistorisch-mediciuischen Vereins zu Heidel¬
berg. Neue Folge, II. Bd„ S. 1,. 1877.
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den Eiweissstoffe sofort in Leucin und Tyrosin und andere ein¬
fachere Coinponenten gespalten werden?
Das beweist, dass wir es hier mit einer neuen Kategorie von
Lösungsenzymen zu thun haben. Bisher kannten wir bei den
Enzymen der Pflanzensamen, den Diastasen sowohl, als bei den
Enzymen der niederen Pilze, wie bei denen des thierisehen Orga¬
nismus, nur solche Enzymwirkungen, welche vom Organismus und
von der Zelle gebildet und ausgeschieden werden, zum Z w e c k,
um Nahrungsstoffe löslicher und dadurch ffir die Resorption und
Assimilation geeigneter zu machen. Auch wenn die Drosera,
der bekannte zierliche Sonnentau, und andere insectenfresseude
Pflanzen ihre verdauenden Enzyme absonderu, handelt es sich
um den nämlichen Vorgang.
Jetzt zum erstenmal finden wir ein Enzym, das von der Zelle
nicht abgesondert wird, sondern in dieser verbleibt, bis es ihr
künstlich entrissen wird, und das nicht die Aufgabe haben kann,
Nahrungsstoffe löslicher zu machen; denn letztere müssen offenbar
die Zellwand bereits passirt haben, um überhaupt in den Wirkungs¬
bereich dieses Enzyms zu gelangen.
Es ist zweckmässig, solche Enzyme mit einem neuen Namen
zu bezeichnen, um sie damit von den Verdauungsenzymen grund¬
sätzlich zu unterscheiden, und es wird sich empfehlen, dieselben
als E n d o e n z y m e zu benennen.
Die Entdeckung eines solchen abbauenden Endo-Enzym’s
in der Hefezelle, und daran anschliessend analoger Endo-Enzyme
beim Tuberkel- und Typhusbacillus, ebenfalls durch M. Hahn,
erscheint um so wichtiger, als wir bei der Einfachheit dieser
Organismen und der niedrigen Stufe der Organisation, auf
welcher dieselben sich befinden, Grund zu der Annahme haben,
dass solche abbauende Endo-Enzyme eine entscheidende Bedeu¬
tung für das Zellenleben haben müssen.
Freilich werden die Endo-Enzyme in anderen Fällen auch
anderen Zwecken dienen können, und speeiell bei den Leukocyten,
deren proteolytische Enzyme wir wohl ebenfalls denEndo-Enzymen
zurechnen dürfen, kann es sich, wie es scheint, nur um Aufgaben
handeln, welche mit Resorption, mit Auflösung und Beseitigung
des Krankhaften, Abnormalen, Fremdartigen, unhaltbar Gewor¬
denen im Innern der Gewebe Zusammenhängen.
Eben dies sind die Aufgaben, welche ich auch für die
A 1 e x i n e des Blutes in Anspruch nehme, und dies sind die
Gründe, wcsshalb ich mir von der stärkeren Blutzufuhr und
Durchblutung bestimmter Körpertheile eine entschiedene Heil¬
wirkung gegenüber Infectionsprocessen erwarte, wie dies bei einer
früheren Gelegenheit bereits auseinandergesetzt wurde.
Eine wichtige experimentelle Bestätigung der Heilkraft ver¬
stärkter Blutzufuhr zu inficirten Theilen liefern Untersuchungen
von W. Noetzel 10 ), auf die ich erst in neuerer Zeit aufmerksam
geworden biu. N o e t z e 1 impfte Kaninchen mit virulentem An¬
thrax oder Streptococcen an einem Ohr oder am Hinterbein und
erzeugte dann in vorsichtiger Weise durch Umschnürung ein Stau-
imgsoedem der geimpften Theile. Während sämmtliche, ohne
Stauung belassenen Controlthiere den Impfungen erlagen, so gelang
es, von 07 mit Stauung behandelten Versuchstieren öl, also
70 Proc., am Leben zu erhalten. N o e t z e 1 erklärt dieses günstige
Resultat durch die in Folge der lege artis durchgeführteu Stauungs-
hyperaemie erzeugte kräftige autibactericlle Wir¬
kung.
Wieder einen anderen Beweis für die antiinfectiösen Wir¬
kungen vermehrter Blutzufuhr liefern die Untersuchungen Hilde-
brandt’s über die „Ursachen der Heilwirkung der Laparotomie
bei Bauehfelltuberculose“ ")• II i 1 d e b r a n d t kommt auf Grund
seiner Versuche zu der Anschauung, dass es die durch Reizung
erzeugte Hyperaemie sei, weiche auf den tuberculösen Pro-
cess heilend einwirkt. Laparotomie unter physiologischer Koch¬
salzlösung, wodurch jeder Reiz in Wegfall kam, wirkte nicht
günstig auf die Tuberculose der Versuchstiere 12 ).
Der Lehre von den bactericiden Alexinen droht irt neuerer
Zeit Gefahr durch die Unklarheiten, von denen die Auf¬
fassung der sog. specifisch - bactericiden Wirkungen
noch umgeben ist. So wird beispielsweise von mehreren Autoren
neuerdings irrtliümlich behauptet, die Alexine seien nicht
einfache Körper, sondern sie entstünden erst durch das Zu¬
sammenwirken zweier Substanzen. Es ist nicht ganz leicht,
die Grundlage dieser, aus einer Reihe von Missverständnissen
allmählich hervorgewachsenen Anschauung vollkommen klar zu
,0 ) Feber die bactericide Wirkung der Stauungshypeniemie
nach Bier. (Aus der Chirurg. Universitätsklinik zu Königs¬
berg i. Pr.) Arch. f. klin. Chir., 00. Bd., H. 1.
") Diese Wochenschrift 1898, No. 51, 52.
la ) Zur Literatur über Alkoholverbände ist naelizutragen:
Salzwedel: Weitere Mitteilungen (iebr dauernde Spiiltusver-
bände. Berl. klin. Wocheuschr. 1890, No. 40 und Arch. f. klin. Chir.,
57 Bd., H. 3. Ferner: Carössa : Eine neue Methode der Behand¬
lung des Kindbettfiebers mit durchschlagendster Wirkung. Mün¬
chen 1896. Sei.tz & Schauer.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
stellen, aber das eine scheint wohl unbestreitbar, dass sie nur aus
den Vorstellungen über das Zustandekommen der spccifisch-
baetericiden Wirkungen ursprünglich hervorgegangen sein kann,
und diese bedürfen eben der Corrcctur.
Die Thatsachen, die R. Pfeiffer in dieser Hinsicht seiner¬
zeit ermittelte, sind ja in der Hauptsache unzweifelhaft richtig,
und es war auch zutreffend, hier von specifisch-bactericiden
W i r k u n g e n zu reden. Hypothetisch war dagegen von vorne-
herein die Annahme einer specifisch-bactericiden
Substanz, für deren Existenz als einheitlicher Körper kein
Beweis geliefert werden konnte; ebenso hypothetisch ferner, nach
Entdeckung des bei 60—65 0 haltbaren specifischen Antikörpers
im Immunserum, die Annahme von dessen „R egonerirung“
oder „R eacti virung“ bei Wiedereinführung in die Bauch¬
höhle eines intacten Thieres (P f e i f f e Faches Phänomen), wo¬
mit el>en die Hypothese der Einheitlichkeit der Substanz
aufrecht erhalten werden sollte, nachdem sich herausgestellt hatte,
dass in Wirklichkeit zweierlei verschiedene Einflüsse zu-
sa mmeiiwi rken.
Indess mochten diese Hypothesen immerhin Geltung haben,
solange das P f e i f f e Esche Phänomen nur im lebenden
Thierkörper gelungen war. Als nun aber Mctsehni-
k o f f und Bordet in Paris, und Max G ruber und Dur-
h a m in Wien darthaten, dass die Einführung des Antikörpers
in den lebenden Thierorganismus gar nicht erforderlich ist, um
spceifiseh-bactericide Wirkungen zu Stande 1 zu bringen, sondern,
dass auch im Reagensglas die sog. „Regeneri rung“ oder
„Reactivirung“ dos Antikörpers gelingt, indem mau dem Anti¬
körper einfach etwas frisches, nicht spezifisches Peritonealexsudat
oder einfach frisches baefericides Blutserum zufügt, seitdem
waren diese hypothetischen Vorstellungen geradezu unhaltbar ge¬
worden. Denn es widerspricht ersichtlich jeder Oekonomie des
Denkens, wenn zwei Stoffe zu einer bestimmten Wirkung auf
eine dritte Substanz (hier die specifischen Bacterien) erforderlich
sind, anzunehmen, dass dann diese zwei Stoffe nicht direct auf
das „Objeetum reactionis“ einwirken könnten, sondern zuerst
und vor der Einwirkung sich selbst gegenseitig in einer dunkeln
und geheimnissvollen Weise beeinflussen und verändern müssten.
Damals haben denn auch experimentelle Untersuchungen
von Trumpp”) im hiesigen hygienischen Institut in klarster
Weise dafür entschieden, dass der Antikörper direct auf die
specifischen Bacterien einwirkt und dieselben für die zerstörende
Action des normalen Alcxins zugänglich macht. Und M e t s c h-
n i k o f f und Bordet, Gruber und Durh a m halnm sich
meines Wissens jenen Hypothesen über eine stattfindende Re¬
activirung auch niemals angeschlossen. Im Gegentheil haben
gerade die letzterwähnten Autoren darauf aufmerksam gemacht,
dass in den allermeisten Fällen die di recte Einwirkung des
Antikörpers auf die Bacterieuzellen auch sichtbar in die Er¬
scheinung tritt durch das zuerst von Gruber in seiner
wahren Bedeutung und Tragweite erkannte Phänomen der
Agglutination, dem W i d a 1 dann die für klinische
Zwecke so wichtig gewordene praktische Anwendung verlieh.
Gegen diesen sozusagen handgreiflichen Beweis der directen
Einwirkung des Antikörpers auf die specifischen Bacterien pflegt
von gegnerischer Seite allerdings der Einwand erhoben zu werden,
dass man die Agglutinine mit den specifischen Antikörpern nicht
ohne Weiteres identificiren dürfe; denn manchmal sei keine
Agglutination und doch eine specifisehe Antiwirkung zu con-
statiren und umgekehrt.
Dass so etwas in gewissen Fällen Vorkommen kann, scheint
kaum zu bestreiten. Aber ich möchte daraus zunächst doch keinen
weitergehenden Schluss ziehen, als dass eben die sichtbare Ag¬
glutination, die gegenseitige Verklebung der Bacterien,
deren Eintritt wohl immer auf einer besonderen Moditieation
gerade der äussersten, oberflächlichsten Schichte
der Bacterienmembran beruht, noch nicht allein und an und für
sieh das eigentliche Wesen des ganzen Vorganges darstellen
kann.
Worin dieses eigentliche Wesen der specifischen Antikörper¬
wirkung auf die Bacterien besteht, darüber sieh klar zu werden,
scheint ziemlich schwierig. In gewissen Fällen lässt sich ja
mikroskopisch sehr deutlich constatiren, dass eine beträchtliche
Veränderung stattgefunden hat. Ich erwähne hier die inter¬
essanten Beobachtungen, die von dem französischen Forscher
»*) Arch. f. Hygiene, Bd. NXXIII, S. 70.
Digitized by Gowole
279
Roger 14 ) schon vor mehr als 3 Jahren an etwas grösseren Pilzen,
an denen die mikroskopischen Einzelheiten deutlicher hervortreten,
gemacht worden sind. Roger hat Kaninchen mit dem Soor¬
pilz vorbehandelt und zeigt, dass in dem Serum solcher speciflscli
vorbehandelter Thiere die ausgesäten Soorpilze ganz anders,
namentlich zunächst auch spärlicher wachsen, als in normalem
Serum gleicher Thiere. Mikroskopisch finden sich die Membranen
aufgequollen, beträchtlich, 5 bis 10 mal gegenüber dem normalen
Zustand verdickt und zugleich offenbar so erweicht, dass die
einzelnen Filzelemente theilwelse wie durch eine zusammen-
fliessende Masse nach Art einer Zoogloea unter einander verkittet
erscheinen.
Nach dieser Beobachtung müsste als das Wesentliche des Vor¬
gangs die bedeutende Aufquellung der Membran angesehen
werden, die nothwendig mit einer Lockerung ihres Gefüges
verknüpft ist. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen,
dass keineswegs in allen Fällen eine derartig sichtbare und nach¬
weisbare Aufquellung der Membranen als Folge der Antikörper-
einw'irkung hervortritt, wie denn auch Gruber neuestens be¬
streitet, dass Agglutination mit Verquellung der Membranen ver¬
knüpft sei. Wir können also bis jetzt nicht genau angeben, worin
das Wesen der Agglutinin-, noch worin jenes der Antikörper¬
wirkung eigentlich besteht: wir können nur vermuthen, dass beide
mit einer Veränderung der Membran verbunden sind, welche bei
der Antikörper Wirkung vielleicht die letztere durchgängiger und so¬
mit zum Durchtritt der Alexine geeigneter macht.
Damit sind nach meiner Auffassung auch die Einwände,
die man hinsichtlich Nichtübereinstimmung von Agglutination
und spezifischer Antikörperwirkung erhoben hat, ganz genügend
gewürdigt und in ihrer geringen Bedeutung gekennzeichnet.
Dieselben haben aber in neuerer Zeit vollständig an Gewicht ver¬
loren, und zwar durch die Entdeckung der sog. specifisch-
haemoly tischen W i r k u n g e n. u )
Durch diese höchst merkwürdigen und für das Verständnis«
des ganzen Immunitätsproblems ungemein werthvollen Feststel¬
lungen ist für die Beurtheilung der specifisch-bactericiden Wir¬
kungen eine ganz neue Grundlage geschaffen. Der volle Paral¬
lelismus beider Erscheinungsreihen zwingt zu Analogieschlüssen;
deren Resultat kann aber nur dahin gehen, dass die Vorstellungen
von einer „Regenerirung“ oder „Reactivirung“ des specifischen
Antikörpers endgiltig beseitigt werden müssen. Die Gründe
hiefiir werde ich sogleich näher erörtern.
Von den zuerst durch Bordet, zuletzt durch Ehrlich
und Morgenroth näher studirten specif isch-haemo-
lytischen Wirkungen kann man sich leicht eine selbständige
Anschauung verschaffen. Wir haben kürzlich begonnen, einige
Kaninchen durch wiederholte Injectionen einerseits von R i n -
d e r-, andererseits von Ziegenblut in die Bauchhöhle spe-
eifiscli vorzubehandeln. Nach 5 Tagen schon, nachdem jedes der
Thiere im Ganzen nur etwa 5 Proc. seines Körpergewichtes an
fremdem Blut einverleibt erhalten hatte, zeigte deren Blut¬
serum die ausgesprochensten speeifisch-haemolytischen Wir¬
kungen. Wenn wir das Serum auf 60° erhitzen, so enthält es noch
den specifischen Antikörper. Wir können denselben leicht da¬
durch nachweisen, dass wir Rinder- resp. Ziegenblut mit etwas
normalem, frischem Kaninchenblutserum vermischen. Die
Alexine des letzteren vermögen die Rinderblutkörperchen nur sehr
schwer und nur in geraumer Zeit aufzulösen, während sie aller¬
dings die Ziegenblutkörperchen leichter zu lösen im Stande sind.
Wenn wir aber zum Rinderblut ein wenig vom erhitzten Anti-
Serum des mit Rinderblut vorbehandelten Kaninchens zufügen,
oder zum Ziegenblut ein wenig vom entsprechenden Antiserura,
dann erfolgt die Zerstörung der rothen Körperchen in beiden
Fällen in überraschender Schnelligkeit (Demonstration).
Ich bemerke hiezu noch ausdrücklich, dass die beiden auf
60 0 erhitzten Antisera für sich allein und ohne Zufügung
des frischen bactericiden Kaninchenserums auf die betreffenden
Blutkörperchen nicht die mindeste Einwirkung erkennen lassen
(Demonstration).
Ehrlich 10 ) hat nun vor nicht langer Zeit ähnliche Ver¬
suche ausgeführt,, indem er Ziegenböcke mit Hammelblut vor-
behandelte, hat sich aber mit der Constatirung der speeifisch-
haemolytischen Erscheinungen in seinem Falle nicht begnügt,
sondern Neues hinzugefügt. Er zeigte nämlich, dass der im
Antiserum gelöste specifisehe Antikörper
von denrothenBlutkörperchen dergleichen
Art, mit welcher die Vorbehandlung erfolgte,
14 ) Soci6t6 de Biologie, 4. Juli 1896.
") Bisher auch als „speciflsch-globulleide“ Wirkungen be¬
zeichnet. S. o.
18 ) Berl. klin. Wochenschr. 1889, No. 1 uml 22.
Original from **
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
280
MÜNCHENER MEDICINISCIIH WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
gebunden und festgehalten wird. Er bewies mit anderen
Worten gerade das, was nach meinem Dafürhalten jener Hypo¬
these einer stattfindenden Reactivirung entschieden widerspricht.
Denn die Thatsache, dass der Antikörper schon di r e c t von
den specifischen Zellen aufgenommen und gebunden wird, lässt
die Annahme einer erst erforderlichen Regenerirung desselben
zum Zweck seiner Wirksamkeit als eine durchaus überflüssige
und desshalb willkürliche erscheinen.
Mir ist diese Entdeckung E h r 1 i c h’s so wichtig erschienen,
dass ich beschloss, dieselbe nachzuprüfen. Das Resultat der Nach¬
prüfung ist eine volle Bestätigung seiner Angaben.
Anti-Rinderblutserum, durch Vorbehandlung beim Kaninchen
gewonnen, auf 60 0 erhitzt, dann mit frischen Rinderblutkörper¬
chen bei 37 0 1 Stunde lang digerirt, hierauf durch Centrifugiren
wieder von letzteren befreit, enthielt keine Spurmehrvom
wirksamen Antikörper 17 ); während gleiche Proben des
nämlichen Antiserums nach jeweiliger Digestion mit Kaninchen-,
mit Pferde- und mit Meerschweinchenblutkörperchen genau so
starke Antikörperwirkung ergaben, wie eine weitere überhaupt
nicht mit Erythrocyten behandelte Controlprobe des Antiserums.
Nach meiner Auffassung spricht die Thatsache einer so ener¬
gischen directen Adsorption des Antikörpers durch die spe¬
cifischen Blutkörperchen entschieden gegen die Regenerirungs-
hypothese.
Ich glaube aber, durch folgenden Versuch die Frage voll¬
kommen entschieden zu haben. Sollte es nämlich gelingen, spe-
cifische Haemolyse, also anscheinende Regenerirung, auch da¬
durch zu Stande zu bringen, dass man nicht das active Serum
derjenigen Thierspecies, in welcher der Antikörper gebildet
worden war, sondern actives Serum von einer ganz
neuen, von einer dritten Thierspecies mit dem spe¬
cifischen Antikörper zum Zweck der Lösung Zusammenwirken
lässt, dann verliert die Annahme einer Reactivirung des Anti¬
körpers jede haltbare Grundlage. In der That ist der Versuch
leicht auszuführen und spricht in seinem Ergebniss durchaus
gegen die Regenerirung. Ich habe denselben wiederholt mit
übereinstimmenden Resultaten ausgeführt.
Versuch 11 ).
Zur Anwendung kommen:
a) Frisches Rinderblut mit dem doppelten Volum 0,75 proc.
NaCl-Lösung verdünnt.
b) Anti-Rinderserum vom Kaninchen, durch Vor¬
behandlung mit Rinderblut gewonnen, y 2 Stunde auf 60° erhitzt.
c) Normales Hundeserum, 15 Tage im Laboratorium auf¬
bewahrt.
Es werden folgende Proben gemischt und bei 40° C. beobachtet:
1. 1 ccm Rinderblut
-f- 1 ccm Anti-Rinder-Serum
(bei 60° erhitzt)
+ 2 ccm actives Hunde-Serum
2. 1 ccm Rinderblut
-|- 1 ccm normales Kaninchen-Serum
(bei 60° erhitzt)
4- 2 ccm actives Hunde-Serum
3. 1 ccm Rinderblut
4- 1 ccm 0,75% NaCl-Lösung
-j- 2 ccm actives Hunde-Serum
4. 1 ccm Rinderblut
4~ 1 ccm Anti-Rinder-Serum
(bei 60° erhitzt)
2 ccm inactives Hunde-Serum
(bei 60° erhitzt)
nach 15 Min. beginnende
Lösung
nach 25 Min. Lösung
vollendet
nach 3 Stunden keine
Andeutung von Lösung
nach 24 Stunden spuren¬
weise Lösung
bleibt dauernd voll¬
kommen ungelöst
17 ) Die Prüfung auf Haemolyse geschah durch Zufügung von
activem Kaninchenserum.
“) Dieser Versuch, bei dem absichtlich ein sehr wirkungs¬
schwaches, weil altes Hundeserum zur Anwendung kam, und bei
dem trotzdem unter dem Einfluss eines genügend kräftigen spe-
ciflschen Antikörpers Haemolyse erfolgt, zeigt zugleich, dass ge¬
wisse Resultate in der letzten Arbeit von Ehrlich und
Morgenroth (Berl. klin. Woehenschr. 1899, No. 22) einer ab¬
geänderten Deutung bedürfen. Die genannten Forscher fanden,
dass das Serum zweier mit Hammelblut vorbehandelten Böcke
durch Erhitzen auf 56° zwar das Lösungsvermögen auf Meer¬
schweinchen- und Kaninchenblut verlor, aber nicht jenes auf
Hammelblut. Hieraus wird auf das Vorhandensein eines „h i t z e -
beständigen Addiment s“, d. h. also eines hitzebeständi¬
gen Alexius geschlossen, was allen bisherigen Erfahrungen wider¬
spricht. Indess beweist gerade die Thatsache, dass Meerschwein¬
chen- und Kaninchenblut nicht gelöst wurden, das Nicbtvor-
h andensein eines hitzebeständigen Alexius, während die
Lösung des Hammelbluts unter dem Einfluss des specifischen Anti¬
körpers eventuell durch das eigene Serum, d. h. das mit den Blut-
In diesem Versuch wirken also drei verschiedene Organi¬
sationen, repräsentirt durch drei verschiedene Substanzen, von
denen zwei, der im Kaninchen gebildete specifische Antikörper
und das normale Hundealexin, sich gegenseitig im Sinne einer
Reactivirung beeinflussen müssten, wenn die Regenerirungs¬
hypothese auf Wahrheit sollte Anspruch erheben dürfen.
M. H.! Ich glaube, wir können diesen Ge¬
danken, dass active Stoffe aus dem Kanin¬
chen- und Hundeserum sich gegenseitig r e -
activi ren,d. h. förderlich beeinflussen, ruhig
als eine Unmöglichkeit bezeichnen — nachdem
ich doch seiner Zeit nachgewiesen habe, dass die Alexine des
Hunde- und Kaninchenserums bei gegenseitigem Contact sich
zerstören, woraus die Gegensätzlichkeit der beiden Organi¬
sationen bis in die wirksamen Theile des Serums hinein wohl zur
Genüge hervorgeht. Ich kann nicht annehmen, dass irgend ein
Anhänger der Reactivirungshypothese sich diese Möglichkeit,
dass die Reactivirung durch ein specifisch ander-
artiges Serum bewirkt werden könnte, überhaupt je ernstlich
vor Augen gehalten hat. Denn in dem Augenblick, wo man das
thut, sieht man sofort ein, dass die erwähnte Hypothese an
grosser innerer Unwahrscheinlichkeit leidet. Nur so lange konnte
dieselbe allenfalls zulässig scheinen, so lange es sich um Stoffe
des gleichen Organismus handelte, und für diesen Fall allein
war die Hypothese ursprünglich ja auch ersonnen worden.
Jetzt müssen wir dieselbe als endgiltig widerlegt erachten.
Vielmehr handelt es sich hier und ebenso sinngemäss bei der
durchaus analogen specifisch-bactericiden Action um die Wir¬
kung zweier Substanzen 10 ), von denen die eine, der specifische
Antikörper, die Blutkörperchen für die haemolytische resp. bac-
tericide Wirkung des normalen Alexins lediglich praedisponirt.
Das Zusammenwirken der beiden Substanzen vollzieht sich aus¬
schliesslich an den specifischen Blutkörperchen resp. Bacterien,
auf welche von Seite jeder der beiden Substanzen direct
eingewirkt wird, während für eine gegenseitige Beeinflussung
zwischen Antikörper und Alexin irgend ein experimenteller An¬
halt nicht gefunden werden kann.
Ich muss gestehen, dass mir in theoretischer Beziehung
ausserordentlich viel daran liegt, die Idee von der Existenz „Spe-
cifisch-bactcrieider Stoffe“, die mir von vorneherein als eine un¬
haltbare erschien, nunmehr definitiv beseitigt zu wissen. Von
vorneherein war ich gegen diesen Gedanken desshalb, weil nach
meinen Erfahrungen die bactericiden Stoffe der Körpersäfte, die
Alexine, die ich seit Jahren speciell studirte, durchaus nichts
von derjenigen strengen Specifität in ihrem Verhalten erkennen
lassen, welche wir bei den specifisch immunisirenden Wirkungen
antreffen. Daraus folgerte ich, dass Bactericidie und
Specifität Gegensätze sein müssen, die nur durch
principiell verschiedenartige Substanzen
(Alexine — Antitoxine) «um Ausdruck gebracht werden können,
wie ich djis gelegentlich hier in Ihrem Kreise seiner Zeit scharf
genug betont habe *°).
-— • •
körperchen zugleich cingefiilirte Hamiuelserum bewirkt sein
konnte, nachdem Bordet und ferner Ehrlich und Morgen¬
roth an anderer Stelle selbst gezeigt haben, dass bei genügender
Prädisposition durch Antikörperwirkung die Lösung von Blut¬
körperchen auch durch das gleichnamige Serum herbei-
geführt werden kann.
19 ) In neuerer Zeit wurde die Sache von einigen Autoren so
dar gestellt, als ob R. Pfeiffer von vorneherein die specifisch-
bactericide Wirkung auf das Vorhandensein zweier Substanzen
bezogen hätte. Das ist aber nicht richtig, wenn man sich an
R. PfeiffeFs authentische Darstellung (z. B. In „Ein neues
Grundgesetz der Immunität“, Deutsch, med. Woehenschr. 1896,
S. 119) hält Pfeiffer vertritt hier die Anschauung, „dass die
im Choleraserum enthaltenen immunisirenden Substanzen genetisch
Zusammenhängen mit den erst im Meerschweiuchenperitoneum
sich bildenden specifisch vibrionenauflösenden Stoffen und ge-
wissernmassen eine Vorstufe derselben darstellen“. Er sagt:
„Im Bedarfsfälle wurden durch ein actives Eingreifen der Körper¬
zellen, wobei ich an Fermentwirkungen denke, die inactiven Sub¬
stanzen des Serums In die specifisch wirksame Form tibergeführt“.
F.s ist nicht bekannt geworden, dass Pfeiffer diesen seinen
Standpunkt seitdem geändert habe, und auch Ehrlich hält in
seinen neuesten Publicationen noch an der Reactivirung fest
Die Annahme von der combinirten Wirkung zweier verschie¬
dener Substanzen dagegen ist zuerst von Bordet und vou Gruber
vertreten worden.
”) Diese Woehenschr. 1894. No. 24.
□ igitized by
Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
281
Diese meines Erachtens absolut nöthige reinliche Scheidung
ist nun auch bei den specifisch-bactericiden und specifisch-haemo-
ly tischen Wirkungen durchgeführt, so dass wir mit noch grösserer
Berechtigung als früher sagen können: Diebactericiden
und haemolytischen Wirkungen der labilen
Alexine besitzen nichts vom Charakter der
Speeifität; alles Specifische liegt vielmehr
ausschliesslich und überall in den hitze¬
beständigen Antikörpern.
Leider kann ich nicht annehmen, dass alle Immunitäts¬
forscher dieser so einfachen und übersichtlichen Formulirung
schon heute zustimmen werden. Dafür sind die Meinungen noch
viel zu wenig geklärt, worauf die Vielgestaltigkeit der Nomen-
clatur ohne Weiteres schliessen lässt. Fast jeder Experimen¬
tator wählt seine eigenen, zunächst nur ihm verständlichen Be¬
zeichnungen; man spricht von Lysinen, von Haemolysinen, von
Immunkörpern, Antikörpern, bactericiden Immunkörpern u. s. w.,
ja Ehrlich hat neuerdings noch die Begriffe „Addiment“ und
„Complement“ der bisherigen Terminologie hinzugefügt, offenbar
desshalb, weil ihm die bisherigen Namen noch nicht das in
seinem Specialfalle Passende zu bezeichnen schienen. Die
meisten Autoren scheinen von der Ansicht durchdrungen, dass
absolute Objectivität erfordert, für jeden Einzelfall von vorne-
herein eine neue und besondere Kategorie von Wirkungsstoffen
anzunehmen. Dass wäre ungefähr so, als wenn man das Pepsin
im Hundemagen mit anderem Namen bezeichnen wollte, als jenes
im Schweinemagen und dieses wieder anders als das Pepsin beim
Menschen; oder als wenn man das Pepsin verschieden benennen
wollte, je nachdem dasselbe bei Verdauung von Fibrin oder bei
jener von coagulirtem Hühneralbumin zur Wirkung gelangt. Es
ist ja zweifellos, dass namentlich im ersteren Fall thatsächlich
etwas verschiedene Pepsine existiren mögen. Aber es hiesse die
Wissenschaft unnöthig compliciren, wenn man desshalb von
vorneherein ganz verschiedenartige Bezeichnungen einführen
wollte. Der Gang der wissenschaftlichen Forschung scheint mir
vielmehr der, dass man zunächst die Substanzen von über¬
einstimmender Wirkungsweise zusammenfasst und mit
dem gleichen Namen bezeichnet, mag auch ihre Wirkung an
noch so verschiedenen Objecten (Bacterien, Erythrocyten, Epithel¬
zellen, Spermatozoen, Leukocyten u. s. w.) zur Geltung kommen.
Diese Verschiedenheit der Reaetionsobjecte, die sich vielleicht
später noch in’s Ungeahnte steigern mag, ist doch zunächst wahr¬
lich kein Grund, um anzunehmen, dass der Organismus für jedes
dieser Objecte einen ganz besonders gearteten Wirkungsstoff im
Vorrath habe, oder dass die Bildung des specifischen Antikörpers
jedesmal wieder nach einem anderen Grundprincip verlaufe.
Die einfachste Annahme ist also zunächst jedenfalls die¬
jenige gleichartiger Wirkungsstoffe und übereinstimmender Bil¬
dungsweise für die Antikörper. Erst wenn durch weitere For¬
schungen sich herausstellt, dass in den einzelnen Fällen thatsäch¬
lich Unterschiede in beiden Richtungen bestehen, dann ist es Zeit,
dies durch verschiedene Bezeichnungsarten zum Ausdruck zu
bringen. Bisher aber genügt nach meiner Ansicht zur Darstel¬
lung sämmtlicher bis jetzt bekannten Erscheinungen im Gebiet
der specifischen Immunisirung, der antitoxischen sowohl als der
specifisch-bactericiden und -haemolytischen, wie der spermo-
toxi sehen u. s. w. die Aufstellung zweier scharf getrennter Kate¬
gorien von wirkenden Stoffen, nämlich, wie eben erwähnt:
1. Der specifischen, hitzebeständigen
Antikörper und
2. der nicht-specifisohen, nicht -hitze¬
beständigen Alexine.
Für die eigentlich antitoxischen Wirkungen (Diph¬
therie, Tetanus) kommt naturgemäss die zweite Kategorie völlig
in Wegfall. Hier handelt es sich nur um den Antikörper, das
specifische Antitoxin; ein Alexin ist hier ganz überflüssig, weil
nur specifische Toxine, nicht aber lebende Zellen als Object der
Reaction in Betracht kommen 31 ). Es erübrigt schliesslich, die
Natur und die Wirkungsweise jener beiden Kategorien von
n ) Es versteht sich, dass auch dieser Formulirung, welche wohl
im Wesentlichen dem Standpunkt von Metschnikoff und
Bordet und von G r u b e r entsprechen dürfte, kein absoluter,
sondern zunächst nur ein relativer, hypothetischer, heuristischer
Werth zugemessen werden kann. Aber das Gleiche gilt mehr oder
weniger für alle theoretischen Aufstellungen. Bleibendes Gut der
Wissenschaft können immer nur die richtig festgestellten T h a t -
Wlgltzedby VjjOUQlC
Stoffen möglichst scharf zu charakterisiren. Was die A1 e x i n e
betrifft, so habe ich mich am Eingang dieses Vortrags bemüht,
hierüber neues Material beizubringen. Nach meiner Auffassung
müssen die Alexine im Wesentlichen als proteolytische Enzyme
betrachtet werden, denen eine auflösende, verflüssigende Ein¬
wirkung auf gewisse, aus ei weissartigen Substanzen gebaute
Structurelemente und dadurch eine schädigende Wirkung auf
fremdartige Zellen — und ausserdem auf nicht haltbare, ab¬
normale Neubildungen des Organismus selbst — zuzuschreiben
ist. Die Alexine sind Producte des thierischen Körpers und
dürften grossentheils aus den Leukocyten herstammen.
Ganz anderes ist zu sagen über die specifischenAnti-
k ö r p e r. Hier imponirt vor Allem das Räthsel der Speci-
f i t ä t, über welches Ehrlich durch seine, von fast allen
Seiten beifällig begrüsste „Seitenkettentheorie“ neues Licht
zu verbreiten gesucht hat. Die eine Wahrheit steckt wohl sicher¬
lich in dieser geistreich erdachten Theorie, dass in der Regel die
specifischen Gifte zu gewissen Theilen im Organismus eine be¬
stimmte Anziehung besitzen und dort festgehalten werden
können, wie das W assermann für das Tetanusgift ja auch
experimentell gezeigt hat. Soweit wird man der Seitenketten¬
theorie zustimmen müssen; aber im Uebrigen und sobald man
daran geht, Natur und Wirkungsweise der specifischen Anti¬
körper näher in Betracht zu ziehen, können gegen jene Theorie
schwere kritische Bedenken nicht unterdrückt werden.
Was zunächst die Wirkungsweise betrifft, so haben wir
als Grundwirkung aller specifischen Antitoxine und Antikörper
überhaupt: die Anziehung und in Folge dessen die An¬
lagerung des Antikörpers an den specifischen Reactions-
körper, sei dieser letztere nun ein Toxin (Diphtherie, Tetanus,
Ricin, Abrin u. s. w.) oder sei es eine specifische Bacterienzelle
oder ein specifisches Blutkörperchen, eine Epithelzelle u. s. w.
Das Fundament aller specifischen Anti¬
körperwirkung und damit aller specifischen
Immunität überhaupt beruht auf der speci¬
fischen Anziehung und der daraus resulti-
renden Bindung zwischen Reactionsträger
und specifischem Antikörper.
Die Beweise für diese Behauptung sind zwar bis jetzt noch
nicht überall vollständig erbracht, aber für die Hauptpunkte
wenigstens sind sie zur Genüge vorhanden. So vor Allem für die
zwischen Toxin und Antitoxin eintretende
Bindung. Zwar wurde die Thatsache einer Bindung noch 1893
von mir selbst bestritten, auf Grund von vergleichenden Versuchs¬
reihen mit annähernd neutralen Toxin-Antitoxingemischen bei
Mäusen und Meerschweinchen. Ein bei 23 Mäusen als fast völlig
neutral erwiesenes Gemisch zeigte bei 23 Meerschweinchen, trotz
des im Mittel 18 mal grösseren Körpergewichts der letzteren,
wiederum kräftige toxische Wirkungen. Behring und Knorr
erklärten diese Erscheinung durch das Vorhandensein eines
„unausgeglichenen Giftrest e’s“ in dem nicht
völlig neutralisirten Gemisch von Toxin und Antitoxin, der bei
einer empfindlichen Thierspecies ganz anders wirke, als bei einer
weniger giftempfindlichen.* 3 ) Diese Erklärung von Behring
und Knorr war vielleicht ganz richtig, aber die Thatsache, dass
ein solcher „unausgeglichener Giftrest“ in einem fast neutralen
Gemisch anders wirkt, als eine rechnerisch gleich grosse
Menge von freiem Gift, ist höchst auffallend. Ich schloss
damals aus diesem und aus anderen am gleichen Ort mitge-
theilten Versuchen, dass
1) eine Giftzerstörung im eigentlichen Sinne durch
das Antitoxin nicht stattfinden kann 3 *) und
2) dass eine einfache chemische Bindung zwischen
Toxin und Antitoxin d. h. eine Bindung, streng nach bestimmten
Aequivalenzverhältnissen, sowie uns diese Vorgänge aus der
Chemie geläufig sind, nicht anzunehmen sei. Beide Schlüsse halte
ich auch jetzt noch für ganz zutreffend. Unrichtig und eine zu
Sachen sein; die Theorie aber, welche dieselben verknüpft und
unserer Vernunft erst zugänglich macht, wodurch allein
überhaupt „WIssenschaft“ zu Stande kommt, kann Ihrer
Natur nach, bei der stets wachsenden Einsicht, auf unbedingte
Wahrheit niemals Anspruch erheben.
”) Ehrlich erklärt diese Erscheinung jetzt in anderer
Weise. S. u.
*•) Diese Wochenschr. 1893, No. 24. — Ferner: Beruht die
Wirkung des B e h r 1 n g’schen Heilserums auf Giftzerstörung?
Berl. klin. Wochenschr. 1884, No. 4,. jra| fr(Jm ^
UMIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
Bö 3
weit gehende Folgerung war nur, wenn ich ferner annehmen zu
müssen glaubte, dass
з) überhaupt keine Bindung zwischen Toxin und
Antitoxin zu Stande komme.
Von dem thatsächlichen Eintreten einer solchen Bindung
waren damals B e h r i n g lind auch E h r 1 ic- h bereits überzeugt,
Letzterer — wie ich einer dankenswerthen brieflichen Mittheilung
entnehme — auf Grund von Versuchen über die Einwirkung von
Schwefelkohlenstoff auf Tetanus - Toxin - Antitoxingemische, in
denen sich das Toxin resistent erwies, während freies Toxin
unter gleichen Bedingungen zerstört worden war. Mich über¬
zeugten später, 1S95, die von unserem unvergesslichen A. Knorr
publicirten Experimente mit ähnlichen neutralen Gemischen,
in denen eine analoge Steigerung der Widerstandsfähigkeit des
Toxins gegen die sonst zerstörende Einwirkung von Temperatur¬
erhöhungen hervortrat. w ) Man musste hieraus, im Zusammenhalt
mit den übrigen bekannten Thatsachen auf eine schützende An¬
ziehung und Bindung zwischen dem haltbaren Antitoxin und
dem an sich labilen Toxin schliessen. Noch später kamen dann
die direct beweisenden Versuche von Ehrlich mit
Ricin und Antiricin, denen sich analoge von Kossel, von
Camus und G 1 e y und von Kant hack anrerhten.
Besonders auf Grund dieser letzteren Thatsachen kann nun
an der eintretenden Bindung zwischen Toxin und Antitoxin
längst nicht mehr gezweifelt werden. Es erübrigt demnach nur
noch die Frage nach der Art dieser Bindung, die Ehr¬
lich als eine einfach chemische, wie etwa zwischen Säuren und
Basen, betrachtet wissen will, während ich, wie erwähnt, an meiner
früheren abweichenden Auffassung festlialten möchte. Der Unter¬
schied scheint vielleicht nicht von grosser Bedeutung, ist aber
in seinen Consequenzen von Wichtigkeit für das Problem der Im¬
munität, wesshalb ein kurzes Eingehen sich rechtfertigt.
Mein Zweifel an der einfachen chemischen Bindung be¬
gründet sich nicht nur auf meine eigenen oben erwähnten Ver¬
suche, sondern hauptsächlich auf die Erfahrungen K n o r r’s,
der bekanntlich viel über die Beziehungen zwischen Toxin und
Antitoxin beim Tetanus experimentirt und werthvollste Angaben
hierüber gemacht hat. Nach diesen Resultaten ist natürlich nicht
zu bestreiten, dass die Vereinigung von Gift und Antitoxin im
Allgemeinen nach dem Gesetz der Multipla vor sich geht, so dass,
wenn eine Einheit Gift durch eine gewisse Menge Antitoxin neu-
tralisirt wird, 100 mal mehr Antitoxin auch 100 Gifteinheiten zu
binden im Stande ist. Allein es zeigen sich dennoch gewisse
Eigentümlichkeiten des Bindungsvorganges und namentlich bei
genauen Messungen gewisse quantitative Abweichungen, die, wie
Knorr sagt, „weniger praktisch als theoretisch wichtig er¬
scheinen, da sie ein Licht auf die Vereinigung zwischen Gift und
Antitoxin werfen“ ”).
Auffallend ist namentlich, dass concentrirte Toxin-
Antitoxingemische bezüglich Neutralisation sich anders ver¬
halten als verdünnte. Beispielsweise führt Knorr an ”):
250 000 Ms Toxin 250 000 Ms Antitoxin = 0
2 500 Ms „ 4 * 2 500 Ms „ zr 1 leichte tetan.
25 Ms » + 25 Ms „ zz J Erkrankung.
Ferner spielt die Zeit, während deren das Toxin-Anti toxin-
gemiseh in Contact gewesen war, bezüglich der eintretenden
Bindung eine wichtige Rolle. Z. B. tödtete eine Mischung von
2500 Ms Toxin 4* 2500 Ms Antitoxin
bei sofortiger Tnjection, unmittelbar nach Herstellung des Ge¬
misches, ein Thier nach SYz Tagen an Tetanus. Dieselbe Mischung
2 Stunden aufbewahrt, verursachte nur noch leichte Erkrankung
und nach 24 stündigem Stehen war dieselbe sogar wirkungs¬
los geworden. Aus diesen Thatsachen schiiesst Knorr, „dass
die, Vereinigung von Toxin und Antitoxin
eine langsame ist und zwar um so langsamer,
je weniger concentrirt die beiden Lösungen
aufeinander wirken“.
Uebrigens bemerkt Knorr, dass derlei Resultate, besondere
je nach Art des Giftes, äusserst variabel seien, und dies ist
vollkommen begreiflich, seitdem wir durch Ehrlich jetzt wissen,
wie gross die Verschiedenheiten in der Zusammensetzung ver¬
schiedener Sorten des nämlichen Giftes, je nach dem wechselnden
и ) A. Knorr: Habilitationsschrift, 1805, S. 24.
“) Diese Wochenschrift 1898, No. 12, S. 303.
") Fortschr. d Medicln 1807, 8. 666.
Gehalt an Toxonen, Toxoiden u. s. w. schliesslich sein können.
Jedenfalls dürfen diese letzteren Vorstellungen, denen ich im
Princip vollständig zustimme, bei der Beurtheilung der hier in
Rede stehenden Frage nicht ausser Acht gelassen werden. Aber,
so sehr ich geneigt bin zuzugeben, dass durch diese Vorstellungen
die Verschiedenheiten im Verhalten verschiedener Gift¬
lösungen sich befriedigend erklären lassen, so wenig vermag ich
einzusehen, dass durch dieselben auch das verschiedene Verhalten
e i n und der nämlichen Giftlösung gegen ein und die
nämliche Antitoxinlösung, je nach Concentrations- und
Mengenverhältnissen erklärt werden könne.
Knorr führt hierüber als Beispiel folgende Verhältnisse
an, die er für sein Testgift und Testantitoxin festgestellt hatte:
Gift: Antitoxin:
250 000 Ms + 250 000 Ms = 0
250 000 Ms + 225 000 Ms = leichte Erkrankung,
250 000 Ms -f 200 000 Ms = Tod in 4—9 Tagen,
250 000 Ms 4- 150 000 Ms = Tod in 2 1 /*—4 Tagen,
250 000 Ms 4- 125 000 Ms = Tod in VA—2Yz Tagen,
250 000 Ms -f 100 000 Ms = Tod ohne Verzögerung.
Hiezu 1 >cmerkt Knorr: „100 000 Ms Gift im Ueber-
schuss einer Mischung haben die physio¬
logische Wirkung von etwa 15 Ms freien
Gifte s“. JT ) Um diese Giftwirkung auszugleichen und wieder
neutrale Mischung herzustellen, sind aber wohl bemerkt nicht
etwa 15 Ms, sondern 100 000 Ms Antitoxin erforder¬
lich. .
Aus diesen Thatsachen vermag ich nur den Schluss zu ziehen,
dass bei Tetanus die Bindung zwischen Toxin und Antitoxin eine
eigenthümliche, lockere sein muss, die zum Theil in eine Doppel¬
bindung übergehen kann, welche ihrerseits je nach den Con-
centrationsverhältnissen wieder rückgängig zu werden im Stande
ist. Wenn dies aber bei Tetanus Geltung hat, dann wird es sich
wohl auch bei Diphtherie im Grunde um eine analoge Art der
Bindung handeln müssen, mag es auch hier nicht gelungen sein,
etwas derartiges experimentell bisher zu constatiren.
Das Resultat unserer bisherigen Betrachtung lässt sich also
dahin zusammen fassen, dass bei den Antitoxinen die Gegen¬
wirkung gegen die Toxine zweifellos auf gegenseitiger specifischer
Anziehung und hierdurch verursachter Bindung be¬
ruhen muss; und ferner, dass diese Bindung keine einfache che¬
mische sein dürfte, sondern eine ganz eigenartige zu sein scheint,
deren nähere Natur erst erforscht werden muss.
Aehnliehes lässt sich nun — und das scheint mir von ausser¬
ordentlicher Bedeutung — nach den neueren Untersuchungen von
Ehrlich und Morgenroth”) auch sagen über die Anti¬
körper bei der specifisch-haemolytischen Action.
Die genannten Forscher fanden, wie ich erwähnte, die funda¬
mentale Thatsache, dass der Antikörper, den das Serum einer mit
Hammelblut vorbehandelten Ziege enthält, von den Ery¬
thro c y t. e n des Hammelbluts angezogen und
gebunden wird. Die speciüsche Relation äussert sich also
auch hier durch AnziehungundBindung zwischen dem
Antikörper und dem Reactionsträger. Ich habe vorhin ausdrück¬
lich angeführt, dass diese wichtige Entdeckung von mir für die
Erythrocyten des Rindcrbluts und den entsprechenden Anti¬
körper vollkommen bestätigt und durch Controlversuche mit
nichtspecifi sehen Erythrocyten sicher gestellt werden konnte.
Es fehlt uns also schliesslich nur noch der analoge Nachweis
für die speeifiscli - bactericide Action. Aber auch hier haben
wir bereits einige Anhaltspunkte, indem einerseits nach Gru-
b e Ps Beobachtungen die Agglutinine, die ja in den meisten
Fällen mit den specifischen Antikörpern übereinstimmen werden,
„bei der Reaetion aufgebraucht werden“; während andererseits
Untersuchungen, welche von M. Hahn und Trommsdorff
in unserem Institut über diese Frage begonnen, aber noch nicht
abgeschlossen sind, vorläufig ebenfalls die Thatsache einer Weg¬
nahme des Antikörpers aus der Lösung durch die specifischen
*9 Allerdings sagt Knorr In der Anmerkung: „Das Testgift
würde also nach Ehrlich eine ungeheure Menge Toxoide ent¬
halten“. Allein, auch wenn man dies zugibt, so bleiben doch die
obigen Erscheinungen unerklärlich, man müsste denn einen so¬
fortigen und wechselnden Uebergang von Toxinen in Toxoide und
umgekehrt in der Lösung annehmen. Dann aber wäre es nie mög¬
lich gewesen, das Gesetz der Multipla überhaupt zu constatiren.
*) a. a. O.
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar. 1900.
MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT.
283
Bacterien ergeben. Verrauthlieh dürfte cs sich also auch hier
um eine Anziehung zwischen Antikörper und Reactionsträger
und um eine hieraus resultirende Bindung handeln.
Ueberall treffen wir also, so scheint es, das fundamentale
Gesetz verwirklicht, dass specifische Antikörper¬
wirkung auf specifische Anziehung und Bin¬
dung zurückzuführen ist, ein Gesetz, durch dessen
definitiven Beweis unser Verständniss für das Wesen der spe-
cifischen Immunität mächtig gefördert werden müsste. Frei¬
lich haben wir vorläufig gar keine Vorstellung über die eigen-
thümliche Art dieser Anziehung und Bindung, die von dem Be¬
kannten und Geläufigen weit abzuliegeu scheint, wesshalb es
müssig wäre, Speculationen über diesen noch völlig dunklen
Blinkt anzustellen. 20 ) Wenn Ehrlich in seinen letzten Publi¬
ca tionen dies dennoch tliut, und dabei ganz präcise, der Chemie
entlehnte Bezeichnungen und Vorstellungen verwendet, so mag
er dazu durch seine „Seitenkettentheorie“ veranlasst worden
sein. Nach meiner Auffassung muss ich indess gestehen, dass
mir diese Mühe verfrüht scheint und zwar desshalb, weil vorerst
wohl die Vorfrage erledigt sein müsste, mit welcher Art von Bin¬
dung wir es überhaupt zu thun haben, ob mit einer chemischen
oder vielleicht mit einer solchen, die mehr der Krystallisations-
anziehung verwandt ist?
Mit der „Seitenkettentheorie“ könnte ich mich übrigens wohl
befreunden, wenn dieselbe nur auf die stattfindende Anziehung
und Bindung allein sich bezöge, denn das ist ja, wie sich gezeigt
hat, auch meine Auffassung. Allein die „Seitenkettentheorie“
geht viel weiter und stellt auch eine bestimmte Behauptung auf
über die Natur und Herkunft der Antikörper, zunächst der
Antitoxine, indem sie dieselben als reine Producte der thierischen
Organisation kennzeichnet. Die Antitoxine sollen ja nach dieser
Theorie nichts anderes sein, als bestimmte Seitenketten be¬
stimmter Körperprotoplasmen, welche eben zum speeifischen Gift
Verwandtschaft zeigen, so dass sich dieses an ihnen verankert,
dadurch die Seitenkette in ihrer Function in Wegfall bringt
und folglich deren Neuersatz und schliesslich sogar Ueber-
production daran hervorruft. Abgesehen davon, dass die Ana¬
logie der W e i g e r t’schen Ideen über Regeneration, auf welche
sich diese Theorie beruft, kaum zutrifft, da es sich bei Weigert
um Wegfall ganzer Zellen und Zellcomplexe und um deren
Wiederersatz handelt, nicht aber um blosse Seitenketten von
Zellprotoplasinen, so sind hauptsächlich experimentelle Gründe
entgegenstehend.
Ich will mich dabei nicht auf die Erfahrungen bei der
Tetanusimmunisirung von Kaninchen und Hühnern berufen, aus
denen Knorr seinerzeit folgerte 80 ): „dass es nicht die mit Krank¬
heit ssymptomen reagirenden Theile des Körpers sind, welche zum
Auftreten des Antitoxins Veranlassung geben, sondern die Theile,
welche keine eingreifenden Veränderungen erleiden“. Ebenso
wenig will ich die Erfahrungen Metschnikoff’s anführen
bei dem durch Unempfindlichkeit gegen Tetanusgift, wie durch
rasche Antitoxinproduction gleichmässig ausgezeichneten Alli¬
gator. Alles dies lässt sich mit der Seitenkettentheorie vereinigen,
wenn man annimmt, dass die betreffenden Zellen, an deren
protoplasmatischen Seitenketten die fremden speeifischen Toxine
verankert werden, trotzdem in ihren Functionen keine krank¬
haften Störungen erleiden. Aber der Kern der Seitenketten¬
theorie liegt doch immer in der Annahme, dass die vom Körper
zu produeirenden speeifischen Antikörper bereits vorgebil¬
dete Substanzen seien, nämlich eben jene Seitenketten,
an denen die Verankerung stattgefunden hat und die in Folge
dessen ausgeschaltet und durch reactive Thätigkeit neu, ja im
Ueberschuss gebildet werden, so dass ein Theil davon in den
Säftestrom gelangt.
Je mehr nun unsere Erfahrungen über specifische Iinmuni-
sirung sich erweitern, umso schwieriger finde ich die Annahme,
dass die zahllosen speeifischen Antikörper, die wir mit der Zeit
kennen lernen, immer wieder auf besondere Seitenketten im
Organismus zurückzuführen sein sollen. Insbesondere gilt dies
für die specifisch-haemolytischen Antikörper. Wenn wir be¬
**) Agglomeration der Blutkörperchen und Antikörperwirkung
scheinen mir nicht identisch, da beispielsweise inactives Pferde-
sirum sehr stark agglomerirend auf Meerschweinchenblut wirkt,
ohne dasselbe desshalb für Haemolyse merklich zu prädisponiren.
*0 Diese Wochenschrift 1898, No. 12.
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denken, dass voraussichtlich — nach den bisher überall gewon¬
nenen positiven Erfahrungen — alle oder wenigstens die meisten
Species von Warmblütern specifisch-haemolytisch zu immuni-
siren sein dürften gegen alle anderen Species, so ergibt dies eine
solche fast unendlich scheinende Fülle von wechselseitigen Be¬
ziehungen, dass mit der Annahme im Körper p r a e -
f ormirter, für jeden Einzelfall chemisch verschieden¬
artiger Seitenketten, welche als Grundlage für den je¬
weiligen speeifischen Antikörper dienen könnten, nicht mehr
auszukommen ist. Eine solche Vorstellung mochte nahe¬
liegend sein, so lange es sich nur um einige wenige bekannte Bei¬
spiele, hauptsächlich um Immunisirungen mit speeifischen Bac-
teriengiften handelte, für welchen Fall sie auch ursprünglich
erdacht ist. Wenn wir aber ein Kaninchen mit Rinder- oder
Ziegenblut vorbehandeln oder einen Ziegenbock mit Hammelblut
u. s. w. und überall das alsbaldige Auftreten eines speeifischen
Antikörpers constatiren, dann hat in diesem Falle die Vorstel¬
lungsweise der Seitenkettentheorie nach meiner Meinung keine
Wahrscheinlichkeit für sich.
Allerdings wird die definitive Entscheidung hier wie ander¬
wärts e x p e r i m e n t e 11 zu erbringen sein, und Metschni-
k o f f ist in einer sehr interessanten neuen Arbeit hiezu bereits
auf dem Wege, indem er beweist, dass „Antispermotoxin“ in
einem Thierkörper gebildet werden kann, der aller inneren Sexual¬
organe, also sämmtliclier Spermazelleu beraubt ist* 1 ). Der
Schluss, der sich hieraus ergibt, dass nicht die speei¬
fischen Zelle n, die durch Spermotoxin etwa gereizt werden,
es sind, welche den Antikörper produciren, lautet nicht zu
Gunsten der Seitenkettentheorie.
Offenbar geht die Autikörj>erbildung nach dem, was wir
jetzt bei den speeifischen Immunisirungen gegen Erythrocyten,
gegen Flimmerepithelien, gegen Spermatozoen, gegen Leuko-
cyten u. s. w. wissen und sehen, viel leichter vor sich, als man
bis dahin angenommen hatte. Ferner auch ist nach diesen
neueren Erfahrungen kaum zu bezweifeln, dass das Räthsel der
Specifität der Antikörper sich in einfacher Weise lösen muss.
Nach meiner Ansicht wird diese Lösung in dem Sinne zu suchen
sein, wie ich das seit Jahren vermuthet habe, nämlich nicht darin,
dass im Körper präexistente Molecülgruppen („Seitenketten“)
in Folge des speeifischen Reizes im Ueberschuss gebildet und
abgestossen werden, um dann als Antikörper zu functioniren,
sondern darin, dass eigene specifische Bestand¬
teile der in den Körper eingeführten fremden Erythrocyten,
Bacterienzellen, Toxine u. s. w. im Organismus festgehalten und
in eine entgiftete, dem Körper nicht mehr fremd¬
artige Substanz übergeführt werden. Letztere könnte viel¬
leicht durch Anlagerung gewisser, vom Organismus gelieferter
Moleculargruppen geschehen, welche den aus der eingeführten
speeifischen Substanz herstammenden Kern in ähnlicher Weise
einhüllen, wie nach der E h r 1 i c loschen Vorstellung etwa der
sog. „Leistungskern“ des Protoplasmas von den Seitenketten
umgeben, gleichsam eingehüllt sein soll. Natürlich will damit
durchaus keine nähere Analogie zwischen einem speeifischen
Antikörper und einem speeifischen Protoplasma angedeutet
werden, wogegen ja schon die Resistenz der Antikörper bei Tem¬
peraturen von 60° in ganz entscheidender Weise spricht. Die
Anziehung des Antikörpers zur speeifischen Substanz, worauf alle
Specifität und Immunität beruht, würde dann aus der chemischen
Gleichartigkeit zwischen Antikörperkern und speci-
fischer Substanz sich erklären; es würde sich nicht um einen
chemischen Gegensatz handeln, wie zwischen Säure und Base,
sondern um eine Anziehung von Gleichartigem
zu Gleichartigem, wie wir sie etwa in der Polymerisa¬
tion, in der Krystallisationsanziehung, im Bau der Stärke¬
körner und wahrscheinlich auch in vielen oder den meisten
Fällen organischen Wachsthums verwirklicht finden.
3l ) Aunales de l’institut Pasteur 1900, No. 1.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
284
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCH ENSCH RIFT.
Aus dem Röntgeninstitut von Dr. Albers-Schönberg und
Dr. R. Hahn in Hamburg.
Die Therapie des Lupus und der Hautkrankheiten
mittels Röntgenstrahlen.
Von Dr. R. Hahn und Dr. Albers-Schönberg.
Nachdem der eine von uns [Albers-Schönberg 1 )] auf
der 70. Versammlung der Naturforscher und Aerzte 1898 in
Düsseldorf über die Erfolge der Lupusbehandlung und der Be¬
handlung von Hautkrankheiten mit Röntgenstrahlen, die wir in
unserem Institut erreicht, eingehend berichtet hat, haben wir
unsere Versuche auch weiterhin fortgesetzt und sie auf einige
andere Hautkrankheiten ausgedehnt. Wir halten es für an¬
gezeigt, über die Resultate, die wir erzielt haben, abermals zu
berichten, zumal v. Bergmann in München den Stab über die
Therapie mit Röntgenstrahlen gebrochen hat und seine Autorität
vielleicht im Stande wäre, die angestrengte Arbeit einer Reihe
von Forschern zu inhibiren oder gar zu nichte zu machen. Wir
übergeben im Nachstehenden unser Material zu möglichst ein¬
gehender und scharfer Kritik und hoffen beweisen zu können,
dass die Röntgenstrahlen in Bezug auf ihre Wirkung auf die
Haut denn doch noch etwas anderes sind, als ein Senfpapier, wie
v. Bergmann sarkastisch meinte, und damit zu erreichen,
dass diese Methode als Behandlungsart für gewisse Hautkrank¬
heiten noch weitere Freunde sich erwerbe. Freilich müssen wir
aber auch dem Vorbeugen, dass durch kritiklose Schilderungen
scheinbarer Erfolge Hoffnungen erweckt werden, die sich nicht
erfüllen können.
Wir verzichten darauf, eine eingehende Literatur über die
Röntgenstrahlentherapie zu geben, das von anderen Autoren Er¬
reichte stimmt im Wesentlichen mit unseren Erfahrungen
überein.
Auch das vergangene Jahr hat uns bestätigt, was sich bald
nach ^Einführung der X-Strahlen in die Therapie herausstellte,
dass es ganz vorwiegend die äussere Haut ist, auf welche eine
mehr oder minder grosse Einwirkung derselben statt hat. Für
die Therapie der inneren Krankheiten, mit Ausnahme vielleicht
der Gicht, wo die X-Strahlen in einigen Fällen heilend gewirkt
haben sollen, kommt ihre Anwendung nicht in Betracht. Die
Einwirkung auf die Haut dagegen ist zweifellos, äussem sich
doch eine Reihe von Publicationen über schädliche Einwirkungen
auf dieselbe. (Dermatitiden, Exfoliationen, Vesikel, Phlyctänen-
bildung, Ulcerationen, Gangraen.) So konnte Unna bei einem
Fall von Röntgendermatitis eine Quellung des Collagens und
Degeneration, d. h. veränderte Farbreaction des Elastins nach-
weisen.
Oudin, Barthölemy und Darier fanden an durch
Röntgenstrahlen enthaarter Meerschweinchenhaut eineVerdickung
der Epidermis und Vermehrung des Keratohyalins, Atrophie und
Schwund der Haare, der Follikel und der Drüsen. Darier
konnte in einem anderen Fall, in dem sich ein gangraenöser
Lappen spontan abgestossen hatte, vollkommene Gangraen con-
statiren.
Gassmann untersuchte zwei durch Röntgenstrahlen ent¬
standene Hautulcera und stellt die Ergebnisse seiner Unter¬
suchungen folgendermaassen zusammen:
1) Die Reparation des durch Röntgenstrahlen hervorgerufenen
Geschwürs geschieht durch Vermittelung eines Granulations-
gewebes, das in seinem Bau von demjenigen anderer Ulcera nicht
wesentlich abweicht.
2) Die Gefässe der Cutis und Subcutis weisen eigenthümliche
Veränderungen auf, dieselben bestehen in Wucherung und vacuo-
lisirender Degeneration der Intima, Auffaserung der Elasticae,
Vacuolisirung und Schwund der Muscularis. Ausserdem findet
sich stellenweise eine in Zerfaserung und abnormer Farbreaction
bestehende Degeneration des subcutanen Bindegewebes.
3) Diese Gefässveränderungen sind vielleicht die Folge der
Einwirkung der Röntgenstrahlen und wohl die directe Ursache
der Ulceration.
Durch diese Untersuchungen ist nun wohl zur Genüge eine
schädliche Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Haut nach¬
gewiesen, sie in Abrede zu stellen hat auch v. Bergmann in
seinem Vortrage in München gar nicht versucht. Wenn nun der¬
artige schädliche Einwirkungen auf die Haut sicher als Folge von
') cf. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen.
ßd. II, 8. 20.
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Röntgenbestrahlungen Vorkommen, so muss genau so wie bei
unseren sonstigen differenten Heilmitteln es durch eine richtige
Dosirung erreicht werden können, dass nicht nur Schaden ver¬
mieden wird, sondern dass sogar Heilerfolge zu verzeichneu sein
werden.
Dass dem in der That so ist, dass bei richtiger Dosirung der
Strahlen Heilwirkungen auf die Haut ausgeübt werden, wird sich
aus unseren weiteren Ausführungen ergeben.
Zunächst sei es gestattet, über die Wirkungsweise der fort¬
gesetzten Bestrahlung auf die menschliche Haut im Allgemeinen
etwas näher einzugehen.
Die Erfahrung lehrt, dass das Verhalten Einzelner der Be¬
strahlung gegenüber ein äusserst verschiedenes ist. Während
Manche schon nach einer einzigen Bestrahlung unangenehme
Nebenwirkungen, wie Wärmegefühl, Brennen, ja Röthung der be¬
strahlten Partie aufweisen, sogar Exeoriationen und Gangraen
sind beobachtet worden, zeigen Andere auch trotz monatelanger
täglicher Bestrahlung keine Spur von Nebenwirkungen, ihre Haut
ist dauernd zart., nicht geröthet, nicht schmerzhaft. Die Einwir¬
kung der Röntgenstrahlen auf das einzelne Individuum ist eben
verschieden, wie ja auch sonst, die Menschen verschieden auf die¬
selben Medicamente reagiren. Der Teint scheint keine wesent¬
liche Rolle dabei zu spielen, konnten wir doch bei blonden Indi¬
viduen mit zarter Haut, bei denen man doch zu allererst eine
Reaction hätte erwarten sollen, trotz häufiger Bestrahlungen
keine Nebenwirkungen beobachten, während bei dunklen Personen
andererseits schon nach wenigen Sitzungen Röthung der be¬
strahlten Partien, Wärmegefühl, Brennen, ja Excoriation auftrat.
Auch das Alter scheint keine wesentliche Rolle zu spielen, eher
scheinen die Kinder widerstandsfähiger zu sein, denn bei keinem
einzigen der bestrahlten Kinder traten unangenehme Nebenwirk¬
ungen auf, obwohl gerade einzelne Kinder sehr intensiv bestrahlt
worden sind. Nur in drei Fällen, eben doch ein Zeichen der son¬
stigen Wirkung, trat Haarauslauf auf dem behaarten Kopfe auf;
das Haar wuchs jedoch bald wieder.
Ob das Geschlecht einen Einfluss hat, wage ich nicht zu ent¬
scheiden, da unser Material zu einseitig war, nämlich in der Mehr¬
zahl aus Angehörigen des weiblichen Geschlechts bestand. Un¬
möglich wäre es mit Bezug auf das Gesicht nicht, da die mit
Lupus des Gesichts behafteten Frauen durch das Tragen eines
Schleiers ihr Gesicht sicher weniger abgehärtet haben, als die
schleierlosen Männer.
Wenn die Haut (wir sprechen zunächst von der gesunden)
nach mehr oder weniger langer Zeit auf die Bestrahlung reagirt,
so äussert sich dies zunächst in einer geringen Gelbfärbung der¬
selben, die allmählich einer allgemeinen, diffusen, auf Hyperaemie
beruhenden Röthung der bestrahlten Partie Platz macht. Dieses
Anfangs helle Roth geht später in tieferes, düsteres Roth über.
Gleichzeitig stellt sich bei vielen Personen ein leichtes Jucken und
Prickeln in der Haut ein. Letzteres weicht bald einem allgemeinen
Wärmegefühl, welches sich, namentlich bei empfindlichen Per¬
sonen, zum brennenden Schmerz steigern kann. Dieses subjective
Wärmegefühl ist auch objectiv durch die Betastung deutlich zu
constatiren, doch konnten Gassmann und Schenkel mit
dem Hautthermometer keine erhöhten Temperaturen nachweisen.
Mit zunehmender Röthe beginnt in manchen, doch nicht in allen
Fällen, eine leichte oedematöse Schwellung der Haut. Die Pa¬
tienten haben ein Gefühl von Straffheit und Spannung in der be¬
strahlten Partie. Auch äusserlich macht sich diese oedema¬
töse Durchtränkung durch ihre Erhabenheit dem Auge
deutlich bemerkbar, dem untersuchenden Finger bietet sie
das Gefühl einer derben, flächenhaften Induration. Bei
fortgesetzter Bestrahlung nimmt die Haut ein immer dunk¬
leres Colorit an, es heben sich kleine Bläschen ab, die bald
kleinen exeoriirten Partien Platz machen, welche sich in ganz
kurzer Zeit, ja von einem Tag zum andern, über die ganze be¬
strahlte Partie gleichmässig ausbreiten. Diese Exeoriationen er¬
strecken sich genau bis an den schützenden Maskenrand, selten
noch etwas unter denselben. Die Affection gleicht äusserlich voll¬
kommen einer Verbrennung. Man hat vor sich eine circumscripte
geröthete, nässende Stelle.
Dieser Erfolg der Behandlung kann nun direct im Anschluss
an eine Reihe von Bestrahlungen auftreten oder aber es vergehen
nach Aussetzung der Behandlung eine Anzahl von Tagen, ja
bis 14 Tage, in denen sich Patient durchaus wohl befunden hat.
ehe sich die beschriebenen Schädigungen zeigen.
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900. MÜNCHEN BR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 285
Die Strahlen entfalten dann erst ihre cumulative Wirkung.
Worauf dieser Effect beruht, ist zunächst noch völlig dunkel, wohl
möglich, dass Gassmann’s Ansicht, dass die Vacuolisirungen
der Gefässintima, die er in zwei Fällen von Röntgenuleerationen
nachweisen konnte und die ja zur Entwickelung eine gewisse Zeit
gebrauchen, daran Schuld seien, sich durch weitere Unter¬
suchungen bestätigt.
Zu erwähnen würde noch sein, dass statt der flachen secer-
nirenden Stellen auch tiefe gangraenöse Ulcera entstehen können,
die absolut keine Tendenz zur Heilung haben. Selbst Transplan¬
tationen wollten nicht anheilen, so dass in einem Fall zur Ampu¬
tation geschritten werden musste. Wir haben solche Fälle nicht
erlebt.
Tn einer Anzahl der Fälle tritt nun, vorausgesetzt, dass die
Bestrahlung sistirt wird, langsam die Heilung ein, indem sie vom
Rande der exeoriirten Partie zum Centrum fortschreitet. Die
Heilungstendenz ist eine sehr verschiedene; war es zur Exco-
riation auf der bereits oedematös durchtränkten Haut gekommen,
so schritt die Heilung ausserordentlich langsam vor.
Mit der sich allmählich überziehenden Üeberhäutung geht
Hand in Hand die Abnahm? der serösen Durchtränkung. Schliess¬
lich haben wir nach mehr oder weniger langer Zeit eine rosa ge¬
färbte neue Haut ohne Narbenbildung vor uns. Diese neue Haut
ist ausserordentlich zart und sehr dünn, sie lässt sich nur in vielen
feinen Fältchen von der Unterlage abheben, erst nach Monaten
nimmt sie den Charakter der normalen Haut an.
Einzelne Autoren haben auch Narbenbildung beschrieben,
doch müssen die Veränderungen wohl tiefere gewesen sein, wir
haben richtige Narben nicht gesehen.
Bisweilen sieht man Fälle, in denen es ohne vorhergehende
oedematöse Durchtränkung zur Exeoriation der bestrahlten Partie
kommt. Wir haben die Beobachtung gemacht, dass diese Fälle
im Allgemeinen Tendenz zu wesentlich schnellerer Heilung als
die mit Oedem haben.
Wird im Stadium der beginnenden Hyperaemie die Bestrah¬
lung ausgesetzt, so ist der Verlauf ein anderer. Während der
nächsten Tage nach ausgesetzter Behandlung steigt die Hyper¬
aemie noch an, um dann einige Zeit stationär zu bleiben und
schliesslich langsam zurückzugehen. Die Haut zeigt beim Ab¬
blassen der Röthung eine gelbliche Verfärbung, unterbrochen von
rothen, hyperaomisehen Flecken. Die Elasticität ist wesentlich
verringert; Hautfalten gleichen sich schwer aus, die Haut fühlt
sich derb, lederartig, trocken an und neigt sehr zur Rhagaden-
bildung, die Oberfläche ist bedeckt mit trockenen, festhaftenden
Epidermisschuppen, die erst bei weiterem Rückgang der Ent¬
zündung in reichlicherem Maasse abgestossen werden, sich jedoch
noch lange Zeit hindurch wieder bilden. Haare und Lanugohaare
fallen aus, die Sensibilität ist wesentlich herabgesetzt.
Sowohl in den Fällen, in denen die Hyperaemie auftrat, als
auch gelegentlich in den anderen Fällen tritt auf der bestrahlten
Stelle eine eigenthümliehe Pigment Verschiebung auf. Das Cen¬
trum und die überwiegend grössere Partie wird völlig weiss und
pigmentlos, höchstens mit einzelnen bis linsengrossen Epheliden
ähnlichen Pigmentflecken bestreut, während der Rand ent¬
sprechend dem Ausschnitt der Maske sehr stark gelblich braun
pigmentirt erscheint. Diese Pigmentverschiebung hält sich sehr
lange, oft monatelang, um dann allmählich in die normale Haut¬
farbe überzugehen. Es ist wichtig, diese Verfärbungen zu kennen,
da die zerstreuten Pigmentflecken unter dem Glasdruck nicht ver¬
schwinden und z. B. beim Lupus leicht für frische Knötchen oder
für Residuen gehalten werden können. Dass die Haare auf den
bestrahlten Partien ausfallen, haben wir schon oben kurz erwähnt.
Dieselben fallen nicht nur auf den hyperaemischen Stellen aus,
sondern auch in den Fällen, in denen keine Hyperaemie vor¬
handen war. Der Ausfall der Haare wird von einigen Autoren
auf die gefundene Atrophie der Follikel und der Papille gescho¬
ben. Es mag das zugegeben werden für diejenigen Fälle, in denen
die Alopecie eine dauernde ist. Wir konnten in denjenigen
Fällen, in denen wir einen Haarausfall erlebten, das Wieder¬
wachsen der Kopfhaare in voller Stärke constatiren und möchten
daher die zeitweilige Alopecie auf eine Ernährungsstörung
schieben, wie sie sich aus den Gassman n’schen Präparaten
erklärt. Die Haare wachsen wieder, wenn sich die Ernährungs¬
störung ausgeglichen hat.
Es erübrigt noch, eine Veränderung zu besprechen, nämlich
diejenige, welche die bestrahlten Fingernägel durchmachen.
N ° 9 Digitized by GCK )^lC
Dieselben werden nämlich an ihrem freien Rande ausserordent¬
lich dünn und brüchig, zeigen eine reichliche Längsfurchung, so
dass sie wie gerillt ausschcn und sind äusserst wenig resistent.
Die freien Enden biegen sich krallenartig um. Am Falz tritt
eine derbe Verhornung auf, die sich sehr fest auf den Nagel auf¬
legt, als sei sie mit dem Nagel verwachsen. Schiebt sich der
wachsende Nagel vor, so erscheint quer über denselben fortziehend
eine tiefe Furche, gewissermaassen den alten abgestorbenen Nagel
von dem neuen nachwachsenden schärf trennend. Auch hieraus
scheint uns hervorzugehen, dass es sich um eine Ernährungs¬
störung handelt. Das bis dahin gewachsene Stück des Nagels
ist in seiner Ernährung beeinträchtigt worden, es ist nicht mehr
so kräftig, ja es stirbt ab, wird brüchig und markirt sich schliess¬
lich gewissermaassen als vertrocknetes Stück von dem gesunden
nachwachsenden Nagel durch die die Continuität quer, tren¬
nende Furche.
Was nun die Zeitdauer anbetrifft, in der die genannten Ver¬
änderungen auf treten können, so sind Fälle von schweren Der-
matitiden schon nach einmaliger Bestrahlung beschrieben worden,
während in anderen Fällen auch trotz lange Zeit hindurch fort¬
gesetzter Bestrahlung, ja wir verfügen über Fälle, in denen bei
therapeutischer Verwendung trotz monatelanger täglicher Be¬
strahlung keinerlei Reaction sich zeigte, Nebenwirkungen über¬
haupt nicht auftraten. Bei unseren zahlreichen diagnostischen
Röntgenuntersuchungen gar erst haben wir weder bei einmaligen,
noch mehrmaligen Aufnahmen derselben Person schädliche Ein¬
wirkungen irgend welcher Art beobachten können. Es will uns
scheinen, als seien diese ungewollten und äusserst unerwünschten
Erfolge weniger oder gar einzelner Bestrahlungen zurück¬
zuführen auf eine zu lange ausgedehnte Sitzung. Wenn Pa¬
tienten zum Zwecke diagnostischer Untersuchungen eine halbe
Stunde oder noch länger den Strahlen, vielleicht noch eines be¬
sonders grossen Inductors ausgesetzt werden, so darf man sich
nur wundern, dass die Zahl der bekannt gewordenen Schädlich¬
keiten nicht eine noch viel grössere ist. Es ist zu erwarten, dass
in Zukunft derartige Vorkommnisse ganz verschwinden werden,
kommen doch die Aerzte immer mehr zur Einsicht, dass eine
wirklich praktische Verwerthung der Röntgenstrahlen nur geübt
werden kann von Aerzten, die sich viel und eingehend mit dem
Studium der X-Strahlen und ihrer Anwendung beschäftigen und
dass mit dem Besitz eines Röntgenapparates durchaus noch nicht
seine Handhabung gelernt ist. In Folge dessen wird die Er¬
fahrung der wenigen sich mit der Verwendung der Röntgen¬
strahlen beschäftigenden Aerzte eine immer grössere, den ver¬
schiedenen Eventualitäten mehr gewachsene. Ganz wesentlich,
ja unentbehrlich ist dabei die Unterstützung der Technik, der
es jetzt schon gelungen ist, Apparate zu construiren, mit denen
man schwierige Aufnahmen, z. B. vom Thorax oder Abdomen,
in so viel Secunden machen kann, wie man früher Minuten
brauchte. So kommen eine Reihe Momente zusammen, die so
überaus segensreiche Entdeckung der X-Strahlen auch für das
ängstlichste Genitith ungefährlich und wirklich unschädlich zu
machen.
Betrachten wir nunmehr die Einwirkungen der Röntgen¬
strahlen auf die erkrankte Haut und wenden wir uns zunächst
dem Lupus zu. Auch die erkrankte Haut reagirt in zweierlei
Weise. Einmal kann es bei empfindlichen Personen auch hier
zu Röthungen verschiedenen Grades, zu Derma titiden, ja zur
Exeoriation kommen, woran sich dann nicht nur die dazwischen
liegende normale Haut, sondern auch die erkrankten Partien
betheiligen, derart, dass die ganze Fläche eine einzige des Ober¬
flächenepithels beraubte, lackartige, feuchte Stelle vorstellt, in der
nirgends die Lupusknötchen zu entdecken sind. Heilt nun diese
Exeoriation ab, so sind zunächst die Lupusknötchen verseshwunden
und in der glatten, normal aussehenden Haut nicht nachzuweisen.
Der Lupus scheint vollkommen geheilt. Die Heilung der exeori¬
irten Stelle dauert je nach der Intensität der Zerstörung ver¬
schieden lange, kleine oberflächliche Excoriationen heilen,
namentlich wenn keine oedematöse Schwellung aufgetreten war,
sehr schnell. Diese kleinen oberflächlichen Excoriationen treten
besonders dann auf, wenn es sich um ausgedehnten, flächenhaften
Lupus des Gesichts handelt, wo die Gesichtshaut an und für sich
schon durch die Dauer der Erkrankung, durch vorangegangene
Operationen etc. sehr vulnerabel ist, wo in Folge des den Lupus
begleitenden Ekzems die Haut mehr oder minder krank und
elephantiastisch verdickt ist. Trotz der Bestrahlung grösserer
Original fröi 8
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
280
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. n.
Partien, event. des ganzen Gesichts, tritt doch nur eine geringe
partielle Excoriation auf, nach deren baldiger Heilung die Be¬
strahlung ohne Weiteres wieder aufgenommen werden kann.
Bleibt die Reaction auf der die Lupusknötchen umgebenden
Haut aus, so kann man eine zweifache Art des Verschwindens
der Lupusknötchen beobachten. Zunächst wirkt die Bestrahlung
auf diejenigen Hautpartien, in die die Knötchen eingestreut sind,
derart, dass die rothe, derbe, mit Schüppchen bedeckte, sozu¬
sagen ekzematöse Haut ein völlig anderes Aussehen bekommt.
Sie verliert die Schuppen, wird glatter und blasser und bekommt
eine der normalen Haut ähnlichere Färbung, aus der deutlich die
einzelnen Lupusknötchen, durch ihre dunklere Farbe und ihre
Erhabenheit kenntlich, auffallen. Die Knötchen selbst, die so¬
mit deutlicher zum Vorschein gekommen sind, bedecken sich
mit einem Schüppchen, allmählich flachen sie jedoch immer mehr
ab und trocknen gewissermaassen ein. Gleichzeitig wird die noch
braunrothe Umgebung heller und heller und nimmt schliesslich
das normale Hautcolorit an. Mit dem Abfallen des Schüppchens
ist dann das Lupusknötchen geheilt; seine dunklere Pigmen-
tirung ist vollkommen verschwunden und auch durch Glasdruck
ist nichts mehr nachzuweisen.
In wenigen anderen Fällen beginnen die Knötchen zunächst
noch stärker zu prominiren und es zeigt sich in ihrer nächsten
Umgebung eine reactive Röthung. Sie bedecken sich mit einer
Borke, unter der sie dann eintrocknen und abheilen.
Waren ulcerative Processe vorhanden, so heilten dieselben
auffallend schnell. Die Secretion hört nach wenigen Bestrah¬
lungen auf, die ganze ulcerirte Fläche bedeckt sich mit einem !
Schorf und vom Rande her schiebt sich die Vernarbung nach dem ,
Centrum der Ulceration vor. Die Narben selbst sind fest und ]
gut, zuerst etwas derb, werden sie allmählich weicher. Sie sind
sehr dauerhaft. Wir konnten in keinem einzigen der von uns ;
beobachteten Fälle einen Wiederzerfall der Narbe beobachten, -j
auch zeigten sich in keinem Falle in ihrem Bereiche frische ;j
Knötchen. i
Nun muss natürlich zugestanden werden, dass sich nicht in ;
allen Fällen der Verlauf der Behandlung und der Fortschritt j
der Heilung so glatt abwickelte. Wenn auch im Allgemeinen j
selbst in den später wieder recidivirenden Fällen der Vorgang sich •
so abspielte, wie eben geschildert, so waren doch auch Ausnahmen j
vorhanden. In diesen reagirten die Patienten gewissermaassen .
besonders schwer auf die Behandlung mit Röntge n’schen '
Strahlen, denn bei ihnen traten auch trotz wochenlanger täglicher
Bestrahlung keine reäctiven Veränderungen in Bezug auf den j
Lupus auf. Das Ekzem der zwischen den einzelnen Knötchen ■
liegenden Haut verschwindet zwar, auch eventuelle elephan-
tiastische Verdickungen der Oberlippe, der Nase gehen langsam
zurück, die Knötchen selbst aber ragen dauernd hervor und wollen !
nicht einsinken und abtrocknen. Besondere ist dies der Fall, ■
wenn die betreffenden Stellen ungünstig liegen, so dass die •
Strahlen den betreffenden Patienten nicht senkrecht treffen. ;
Auch auf besondere Formen des Lupus vermögen die Strahlen |
gelegentlich nicht so ohne Weiteres ihre Kraft zu äussern. So
behandelten wir einen Fall von Lupus der Nase, wo neben zahl¬
reichen Knötchen an beiden Nasenflügeln über bohnengrosse,
unregelmässig gestaltete, warzige Knoten vorhanden waren, die,
wie wir mit eingeführten Nadeln constatiren konnten, aus
schwammigen Granulationen bestanden, die den ganzen Innen- 1
raum derart ausfüllten, dass man die Nadel ohne grossen Wider¬
stand in dem Innern nach allen Richtungen umher bewegen
konnte. Während nun die übrigen Knötchen in der von uns ge¬
schilderten Weise verschwanden, reagirten die warzenartigen Ge¬
bilde nicht einmal auf eine stärkere Dermatitis, bis zu der wir
die Behandlung absichtlich steigerten. In diesen und ähnlichen
Fällen muss man zu unterstützenden Mitteln greifen, die die
hartnäckigen Knötchen erweichen oder gar zum Zerfall bringen.
So haben wir, falls die Strahlen einzeln gelegenen Knötchen
nicht beikommen konnten, dieselben Anfangs nach Unna’s Vor¬
gang gespickt. Doch war die Methode, so viele Vortheile sie in
einzelnen Fällen haben mag, besonders wenn man nicht im Be¬
sitz der betreffenden Apparate ist, oft unbequem, allein schon
durch die verschiedenen Pflaster, die man dem Patienten auf die
eingetriebenen Holzpflöckchen legen muss, um sie festzuhalten.
Wir haben daher in der Hauptsache bei einzeln stehenden Knöt- :
eben das elektrolytische Verfahren angewandt, daB enorm einfach '
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und sauber, wenig zeitraubend und durchaus zum Ziel führend
ist. Wir sirid nicht über 2 MA. gestiegen. Mitunter wurde die
Procedur sehr schmerzhaft empfunden. Auch in dem eben mit-
getheilten Fall von Lupus verrucosus zerstörten wir die beiden
grossen Knoten auf elektrolytischem Wege und brachten sie zum
Zusammenfallen. Von da ab verschwanden auch diese Knoten
unter der weiter fortgeführten Bestrahlung.
War die Anzahl der nicht genügend reagirenden Lupus¬
knötchen eine grössere, so namentlich bei Randpartien, so zer¬
störten wir diese Partien durch Unn a’s grüne Salbe (Acid.
salieyl., Liquor stibii chlor, aa 2,0, Kreosoti fagi, Extr. Cannab.
ind. aa 4,0, Adip. lanae 8,0) • und bestrahlen dann die ulcerir-
ten Stellen. Gerade in den so behandelten Fällen konnten wir
besonders günstige Resultate erzielen. Die Wundflächen heilten
schnell und gut In einem Falle bildete sich eine keloide Narbe,
die aber nach 2 Monaten wieder vollkommen weich geworden war.
Oefter bleiben nach abgeschlossener Behandlung an Stelle
der Lupusknötchen eine Anzahl einzeln stehender dunkler Punkte
zurück, die unter dem Glasdruck nicht verschwinden. Dieselben
sind überaus deutlich, weil die Haut, die sie umgibt, normale
Färbung in Folge der Behandlung angenommen hat, im Gegen¬
satz zu ihrer früheren entzündeten, ekzematösen Beschaffenheit.
Ob dieselben als unveränderte Lupusknötchen oder als beginnende
Recidive zu betrachten sind, möchten wir zunächst noch dahin
gestellt sein lassen, wenigstens sind die Punkte in einem Fall
bereits seit % Jahren, so lange wir ihn nach Aussetzung der Be¬
handlung beobachten, vollkommen unverändert geblieben,
während sich auf der Nasenscheidewand vor einigen Wochen
ein frisches Ulcus gebildet hat. Vielleicht sind es nur die Rest-
producte der lupösen Veränderung, die eben nicht mehr resorp¬
tionsfähig sind. Für diese Ansicht spricht, dass wir in einem
Falle, der wegen eines exulcerirten Lupus beider Nasenflügel mit
Erfolg behandelt wurde, auf der Nase, auf der bis dahin keinerlei
Knötchen zu sehen gewesen waren, nach Aussetzen der Behand¬
lung, nachdem die Haut die normale Rosafärbung angenommen
hatte, einzeln stehende dunkelbräunliche, nicht fortdrückbare
Punkte von reichlich Steeknadelkopfgrosse auftreten sahen, die
sich seit einem Jahr nicht verändert haben und bis jetzt durch¬
aus nicht zum Zerfall neigen.
Es fragt sich nun, was erreicht man mit dieser Behandlung?
Ist sie im Stande, bessere Dauerresultate zu geben, als andere
Methoden, oder gibt sie überhaupt Resultate irgend welcher Art,
oder ist sie schliesslich nichts anderes, als eines der ephemeren
Mittel, wie sie gelegentlich auftauchen, uni bald wieder von ande¬
ren abgelöst zu werden in der Behandlung des Lupus, wie schon
so viele vor ihr? Die beste Auskunft ergeben unsere Kranken¬
geschichten. Aus ihnen möge man ersehen, dass wir etwa 30 Proc.
Heilerfolge erzielen konnten. In den übrigen Fällen konnten
ganz erhebliche Fortschritte erreicht werden, und zwar in
schonenderer Weise als sonst durch irgend eine andere Methode.
Freilich müssen wir schon an dieser Stelle zugeben, dass wir auch
Recidive zu verzeichnen haben. Doch was schadet das, gibt es
überhaupt eine Methode der Lupusbehandlung, selbst die tief¬
greifendste chirurgische Operation, die vor Recidiven sicher und
immer schützt? Directe Misserfolge hatten wir in keinem ein¬
zigen Falle zu verzeichnen, eine günstige Beeinflussung konnte
in jedem Falle festgestellt werden. Doch gehen wir zur Betrach¬
tung der Fälle selbst über, an ihnen können wir alles genauer be¬
sprechen.
1. Fräulein E. B., 37 Jahre. Lupus der Nase. Perforation
des Septums, am stehengebliebenen Stück des Septums ein Ulcus.
Die ganze Nase Ist inflltrirt. An den beiden Nasenflügeln Ge¬
schwüre. An der rechten Seite eine Anzahl Knötchen. Auf der
inflltrirten Oberlippe ein Ulcus. Alte Narben auf beiden Wangen.
Seit 12 Jahren stets in ärztlicher Behandlung. Theils mit
Tuberculincuren, theils operativ behandelt.
Wurde innerhalb 3 Monaten 46 mal bestrahlt. Reaction nach
7 Sitzungen. Erst am Schluss der Behandlung eine schnell heilende
Excoriation. Patientin hellte vollkommen ab, so zwar, dass sie
einer plastischen Operation an der Nase unterzogen werden konnte,
die per primam heilte. Patientin ist seit mehr als einem Jahre
recidivfrei.
2. Fräulein W., 27 Jahre. Zehnpfennigstückgrosse, leicht in-
flltrirte lupöse Partie auf beiden Wangen und auf der Stirn. Wurde
seit 4 Jahren mit Tuberculincuren behandelt. 11 Bestrahlungen
innerhalb eines Monats. Nach 4 Sitzungen trat reactive Röthung
ein. Bis zum 16. Tag nach ausgesetzter Behandlung haben die
reäctiven Erscheinungen, verbunden mit leichter seröser Durch¬
tränkung des Gewebes, zugenommen. Am 16. Tag trat Excoriation
ein. Nach weiteren 23 Tagen waren sämmtlicbe excorilrten Partien
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
287
ohne Hinterlassung irgend welcher Narben vollkommen abgehellt,
die lupösen Stellen waren verschwunden. Chloasmaähnliche Flecke,
welche Patientin im Gesicht hatte, waren im Bezirk der bestrahlten
Partien verschwunden, dagegen am Rande derselben Plgment-
arhäufung. Diaskopisch nichts nachzuweisen. Seit IV, Jahren
recidivfrei.
3. Fräulein N., 18 Jahre. Lupus faciei. Auf der linken Wange
und rechtsseitlich an der Nase zwei zehnpfennigstückgrosse,
leichte Infiltrationen. Der Rand wallartig, das Ceutrum schup¬
pend. Vereinzelte Knötchen auf der rechten Wange. Die letzteren
erscheinen erst während der Behandlung. Ob dieselben lupös sind
ist zweifelhaft.
Die Affection bestellt seit einem Vierteljahr, noch nicht be¬
handelt. 15 malige Bestrahlung der linken Wange und Nase,
10 malige der rechten Wange innerhalb 2 Monaten, nacli 15 maliger
Bestrahlung deutliche Reaction und geringe Excoriation, welche
sehr schnell heilt. Die sämmtliclien Infiltrationen schwinden voll¬
ständig, an ihrer Stelle eine glatte, zarte Haut. Auch die Knötchen
auf der rechten Wange verschwinden unter der Bestrahlung. Dia¬
skopisch keine verdächtigen Stellen mehr nachzuweisen. 0 Monate
nach Aufhören der Behandlung auf der linken Wange unterhalb
der bestrahlten Stelle ein linsengrosses Lupusknötchen, dasselbe
wird elektrolytisch zerstört. Auf beiden Wangen, entsprechend
den ursprünglichen Affectionen, ist die Haut vollkommen weiss
und pigmentlos, während der Rand fast in voller Circumferenz
gelblich braun pigmentirt ist. Die Pigmentatiou hat die Farbe
der Epheliden.
Nach weiteren 3 Monaten hat sich an der linken Seite der
Nase, nahe dem inneren Augenwinkel eine erhabene, linsengrosse,
gelbbraune Stelle gebildet, die als frischer Lupusherd anzusehen
ist. Die bestrahlten Partien zeigen auch diaskopisch keine ver¬
dächtigen Stellen. Die Pigmentverschiebung hat sich zum grössten
Theil wieder ausgeglichen. Der Rand ist abgeblasst, das Centrum
immer noch weiss.
In diesem Falle bewährte sich die Behandlung für die ur¬
sprünglich erkrankten Stellen. Dieselben heilten und blieben bis
jetzt recidivfrei. Dass an nicht behandelten Stellen frische
Lupusknötchen auf traten, spricht eher für als gegen die Be¬
handlung.
4. Frl. K., 36 Jahre. Beide Wangen in dicke wulstige Narben-
n.assen verwandelt. Auf der rechten Wange 3 exeoriirte Partien,
die derb infiltrirt sind. Die grösste derselben ist fünfpfennigstück¬
gross. Auf der linken Wange eine circa markstückgrosse, ulcerirte,
iufiltrirte, speckig belegte Partie. Der häutige und knorpelige Theil
der Nase fehlt vollständig. Das Innere der Nasenhöhle ist in ein
mit Eiter bedecktes Ulcus verwandelt, welches rechts noch y s cm
weit auf die äussere Haut übergreift.
Seit 11 Jahren immer in ärztlicher Behandlung, auch mit
Tuberculin behandelt.
Wurde 58 malbestrahlt.
Da Patientin auswärts lebt, so konnte die Behandlung nur mit
laugen Pausen durchgeführt werden. Zunächst wurde die rechte
Wange bestrahlt und zwar bis zum Eintritt der Excoriation nach
27 Bestrahlungen. Die Dermatitis heilt schnell ab. Einige lupöse
Herde von Linsengrösse zeigen sich bald darauf wieder auf der¬
selben Wange. Eine zweite Bestrahlungsserie beseitigt dieselben
in 6 Sitzungen. Die linke Wange zeigt nach 12 maliger Bestrahlung
Excoriation. Letztere heilt bald ab. Die sämmtlichen lupösen
Partien waren durch gesunde Haut ersetzt. Die Nasenschleim-
hautaffection war wesentlich verkleinert, aber nicht vollständig
geheilt Nach 3 Monaten Recidiv, in Gestalt von 7 Knötchen auf
jeder Wange, die zum Theil ulcerirt und mit Borken bedeckt sind.
Auf den früher bestrahlten Partien haben sich die Knötchen lang¬
samer und schwächer entwickelt. Unter 13 maliger Behanduing
trocknen die Knötchen weg. Geringe, vorübergehende Reactionen.
Versuchsweise werden einzelne Knötchen mit der Spickmethode
nach Unna behandelt. Seit 6 Monaten kein Recidiv.
Die 2 aufgetretenen Recidive boten das Eigenthümliehe, dass
sie unter wenigen Bestrahlungen (6—13) schnell verschwanden.
Auf den ursprünglich bestrahlten Stellen war die Entwicklung
der Lupusknötchen entschieden eine weniger intensive als auf
den unbestrahlten Stellen. Der Dauererfolg von 6 Monaten ist
wohl als solcher noch etwas kurz zu nennen, doch war bei der
letzten Revision absolut nichts Verdächtiges nachzuweisen.
5. Herr R., 20 Jahre. Knötchenförmiger Lupus des rechten
Handrückens von gut Fünfmarkstückgrösse. Nirgends ulcerirt,
von einzelnen Rhagaden durchzogen. Ränder der Affection hyper¬
trophisch.
Das Leiden besteht seit Kindheit, stets behandelt.
35 mal innerhalb 2% Monaten bestrahlt. Im Lauf der Be¬
strahlung musste wegen Störung der elektrischen Leitung vorüber¬
gehend ausgesetzt werden. Während dieser Zeit Behandlung mit
Kreosot-Salicylpflaster Es kommt In Folge dessen zu einer Ulcera-
tion der ganzen lupösen Partie. Unter der wieder eingeleiteten
Bestrahlung heilt dieses Ulcus in ca. 5 Wochen völlig ab mit
Hinterlassung einer keloiden Narbe. Nach weiteren 2 y 2 Monaten
ist das Keloid unter leichter Massage wieder weich geworden. Dia¬
skopisch nach 7 Monaten nichts Verdächtiges nachzuweisen.
Der gut« Erfolg der ungewollten Aetzung hat uns veranlässt,
auch in einigen änderen Fällen eine combinirte Behandlung zu
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versuchen, sei es eine Pflaster-, sei es eine Salbenbehandlung,
überall bewährte sich die Methode gut.
6. Knabe R., 14 Jahre. Lupöse Erkrankung des linken Hand¬
rückens und der Haut der ersten Fingerphalangen. Die Haut ist
theils leicht ulcerirt und mit Krusten bedeckt, thells von Rhagaden
durchzogen. Der Rand der erkrankten Partien ist gewulstet und
mit Knötchen durchsetzt.
Das Leiden besteht seit dem ersten Lebensjahr.
22 malige Bestrahlung innerhalb 3 Monaten. Heilung unter
dem Bilde des allmählichen Eintrocknens unter vorübergehendem
Auftreten einer kleinen Excoriation, welche schnell wieder heilt.
Die längste Zeit nahm naturgemäss der wallartige Rand in An¬
spruch. Seit 9 Monaten dauernd gesund.
7. Knabe Pr., 12 Jahre. Wegen Lupus der Nasenspitze operirt.
Seit 1 % Jahr Recidiv auf dem Nasenrücken, dasselbe geht bis auf
die Nasenflügel herab und besteht aus einer Anzahl typischer
Lupusknötcheu. An der rechten Seite der Nase ein fast erbsen¬
grosser Knoten. 19 mal innerhalb 2 Monaten bestrahlt.
Heilt unter dem Bild des allmählichen Wegtrocknens der Knöt¬
chen mit vorübergehender, leichter, sehr schnell heilender Excoria¬
tion. Nach Abschluss der Behandlung diaskopisch nichts Ver¬
dächtiges nachzuweisen. Seit 10 Monaten Heilung.
8. Frau W., Lupusrecidiv vor dem Ohr, genau gegenüber dem
Tragus ein derber erbsengrosser Knoten. Verschiedene Operations¬
narben im Gesicht Seit 7 Jahren wurde fast jährlich ein operativer
Eingriff vorgenommne. Lupus besteht seit dem 3. Lebensjahr.
15 mal innerhalb eines Monats bestrahlt. Während der Be¬
handlung wurde der Knoten sehr schnell welcher und verschwand
schliesslich vollständig. Die Stelle, wo der Lupusknoten gewesen,
wurde zur Sicherheit mittels Spicken ausgeätzt. Gesund seit
7 Monaten.
9. Mädchen H., 13% Jahre alt. Lupus des Unterarms ober¬
halb des Handgelenks besteht seit 10 Jahren. Excision vor
7 Jahren. Recidiv In der Narbe. Bei Beginn der Behandlung ftinf-
pfennigstückgrosser, mit Schuppen bedeckter, theilweise ulcerlrter,
leicht erhabener, röthlicher Fleck.
23 mal in 3 Monaten bestrahlt.
Nach wenigen Sitzungen bereits Röthung und Excoriation.
Nach Abheilung der letzteren Wiederaufnahme der Bestrahlung
unter gleichzeitiger Application von Salicylkreosot-Pflastermull.
Nach ungefähr 3 Monaten völlige Abheilung. Einige Wochen später
' zeigt sich eine stecknadelkopfgrosse, bräunliche Stelle am Rande der
Narbe. Dieselbe wird elektrolytisch behandelt. Am Rande der
Narbe einige Epheliden ähnliche bräunliche Pigmentflecken. Seit
6 Monaten nichts Verdächtiges.
10. Herr Sch. Lupus der Nase, der Nasolabialfalten und der
Oberlippe, vorwiegend aus einzelnen Knötchen bestehend. Defect
eines Theiles der Nasenspitze. Perforation des Septums, lupöse
Erkrankung der Nasenschleimhaut. Narben der Nasenspitze und
der Wangen.
32 mal innerhalb 2 Monaten behandelt.
Die Knötchen verschwinden ziemlich schnell unter dem Bilde
des Wegtrocknens. Nach 3 Monaten die Knötchen vollkommen ver-
I schwunden.
Nach 6 Monaten noch alles heil.
Auch der Schleimhautlupus hat sich gebessert. Besonders
empfindet Patient subjectiv eine erhebliche Besserung.
11. Herr R., 20 Jahre. Knötchenförmiger, z. Th. exulcerirter
Lupus der Nase, des Nasenrückens, der Nasolabialf alten, des
Septum narium und der Oberlippe.
Seit 4 Jahren stets in ärztlicher Behandlung.
151 mal in 8 Monaten bestrahlt.
Innerhalb dieser 8 Monate wurden mehrwöchentliche Pausen
gemacht. Die lange Dauer der Behandlung erklärt sich daraus,
dass Patient einer der Ersten war, der mit Röntgenstrahlen be¬
handelt wurde. Es kamen zu alte und schwache Röhren zur An¬
wendung. Nach 19 maliger Bestrahlung trat eine geringe Ex¬
coriation ein, die schnell heilte. Die lupösen Knötchen, Ulcera-
tionen etc. trockneten nach und nach weg und machten einer sehr
zarten, glänzenden, rosafarbenen Haut Platz.
Auch diaskopisch nichts nachzuweisen.
Seit 1% Jahren recidivfrei.
S. Fortschr. auf d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. Bd. I, S. 72.
12. Frau R.. 48 Jahre. Knötchenförmiger, theilweise exulce¬
rirter Lupus auf der rechten Wange, am Mundwinkel, am Sept.
narium nahe dem Filtrum. Lupus der Nasenschleimhaut
Seit 2 Jahren stets in Krankenhaus- oder poliklinischer Be¬
handlung.
Ca. 6 Monate lang mit grösseren Pausen behandelt.
Reaction nach 5 Sitzungen. Keine Excoriation: allmähliche
Ausheilung unter dem Bilde des Wegtrocknens. Seit 1% Jahren
recidivfrei.
Die Nasenschleimhaut wurde nur unwesentlich beeinflusst.
S. Fortschr. auf d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. Bd. I, S. 72.
Von diesen 12 Fällen halten wir sicher und dauernd geheilt
die Fälle 1 ,2, 5, 6, 7,11,12. Dafür scheint uns einmal die Dauer
der recidivfreien Zeit zu sprechen, für Skeptiker freilich ist eine
Zeit von 9 Monaten bis 1% Jahre wohl noch nicht überzeugend
genug, doch liegen unsere ältesten Fälle leider noch nicht weiter
zurück, da die Methode selbst ja noch nicht viel älter ist, dann
aber ist das Aussehen der betreffenden Patienten, der Anblick
der geheilten Stellen ein derart vertrauenerweckender, hat sich
Original ffer
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
288
MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
doch trotz wiederholter peinlichster Nachuntersuchung auch dia-
skopiseh absolut nichts Verdächtiges gezeigt, dass wir wohl in
diesen 7 Fällen die Heilung als sicher annehmen möchten.
Fall 3 zeigt zwar keine Recidive auf den bestrahlten Partien,
dort scheint die Krankheit unterdrückt zu sein, doch schützt die
local angewandte Behandlung, was ja auch wohl Niemand von ihr
verlangen wird, leider nicht vor Ausbruch an anderen nicht be¬
strahlten Stellen. Wie oben schon angedeutet, könnte Inan diesen
Fall erst recht zu Gunsten der Röntgentherapie verwerthen,
blieben doch, wie gesagt, die behandelnden Stellen ohne Recidiv,
waren also geheilt.
Die Fälle 8 und 9 sind in Bezug auf ihren Dauererfolg wohl
noch als unsicher zu bezeichnen, zwar ist in No. 8 der zunächst
verschwundene Knoten noch gründlich geätzt und ist auch bis
jetzt kein Recidiv aufgetreten, doch sind erst ca. 7 Monate seit
Abschluss der Behandlung verflossen.
Fall 9 zeigte nach 3 Monaten eine Stecknadelkopf grosse,
bräunliche Stelle am Rande der Narbe, die zwar nicht sicher als
Lupusknötchen angesprochen werden konnte, in dubio aber doch
als solches anzusehen wäre. Da seit 6 Monaten nichts Ver¬
dächtiges mehr zu entdecken, ist eine Heilung wohl als möglich
zu erwarten.
Fall 4 und 10, die zwar 9eit 6 Monaten ohne irgendwelche
nachweisbaren Erscheinungen sind, sind in Bezug auf den Dauer¬
erfolg doch wohl etwas skeptisch aufzufassen. Fall 4 zeigte an
und für sich schon zwei Recidive. Es war ein sehr schwerer Fall,
der wohl noch weitere Nachschübe trotz der sechsmonatlichen
recidivfreien Periode erwarten lässt, zumal bei Patientin die Be¬
handlung aus äusseren Gründen nur in langen Pausen durch¬
geführt werden konnte.
Immerhin ist doch der Erfolg ein durchaus ermuthigender,
wenn von 12 im Uebrigen günstig verlaufenen Fällen 7 sicher
ein gutes Dauerresultat gegeben haben.
(Fortsetzung folgt)
Aus der chirurgischen Abtheilung des allgemeinen Kranken¬
hauses zu Nürnberg (Oberarzt Hofrath Dr. G ö s c h e 1).
Zur Casuistik der Darailipome.
Von Dr. Florian Hahn, früherem Assistenzarzt.
Dass viele Fälle von Ileus grosse Schwierigkeiten ver¬
ursachen hinsichtlich einer genauen Diagnose, ist bekannt. Bei
den vielerlei Ursachen eines Darm Verschlusses und dem Mangel
prägnanter Anhaltspunkte, häufig auch dem Fehlen einer ver-
werthbaren Anamnese, kann dies nicht Wunder nehmen. Es ist
oft nur möglich, aus den vorhandenen Symptomen eine Wahr-
seheinlichkeitsdiagnose zu stellen und auf Grund derselben eine
Probelaparotomie zur Aufklärung der Ursache des Darm Ver¬
schlusses und eventueller Beseitigung des Hindernisses zu
machen. Zu den selteneren, bisher noch nie vor der Operation
diagnosticirt gewesenen Ursachen des Darmverschlusses gehören
die Invaginationen des Darms auf Grund von Lipomen. Im
Folgenden sei ein solcher Fall mitgetheilt. der diagnostisch
Schwierigkeiten bot, dafür aber nach mancher Hinsicht Interesse
beanspruchen kann. Herr Ilofrath Dr. G ö s c h e 1 hat hierüber
bereits in der Sitzung des ärztlichen Vereins vom 6. X. 1898 Be¬
richt erstattet.
Der Patient, ein 43 jähriger Mann, war uns von den Herren
Dr. O e f e 1 e I n und Dr. Reizenstein zur Operation geschickt.
Annmnestisch ist zu entnehmen, dass Pat.. der sonst stets gesund
war, insbesondere nie über Magen- oder Darinbeschwerden zu
klagen hatte, nie Bauchfell- oder Blinddarmentzündung durch¬
wachte, seit y 2 —% Jahr kränkelte, er fühlte sieh nicht recht fest,
der Appetit liess nach, langdauernde Verstopfung, abwechselnd
mit Durchfällen machte ihm vielfache Beschwerden. 3 Wochen
>or Eintritt in’s Spital erkrankte er plötzlich an einem schweren
acuten Magendarmkatarrh; musste 14 Tage das Bett hüten, ver¬
suchte wieder zu arbeiten. Wegen heftiger Leibschmerzen musste
er am Nachmittag die Arbeit wieder niederlegen und sich legen,
Blähungen gingen nicht mehr ab, Erbrechen und Uebelkeit stellte
sich ein. — Das Erbrochene soll die letzten Tage gerochen haben
wie Kotli. — Seit 0 Tagen kein Stuhlgang mehr. Wiederholte
Magenausspüluugen und hohe Darmeinläufe schafften wohl
momentane Erleichterung, brachten aber keinen dauernden Er¬
folg. Pat. kam in seinen Kräften die letzten Tage angeblich ziem¬
lich herunter. Abgang von Blut wurde nie bemerkt.
Status bei der Aufnahme am 11. IX. 1898: Pat. leidlich gut
genährt, von fahler Gesichtsfarbe, macht den Eindruck grosser
Erschöpfung. Die inneren Organe sind gesund, Urin ohne Eiweiss,
Zucker und pathologische Formelemente. Psychische Alteration
nicht zu constatiren. Temp. 30,8°. Puls 84, ziemlich klein und
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weich, regelmässig. Bauch ziemlich stark meteoristisch auf-
geiriebeu, nirgends druckempfindlich, ohne Härten. Ueberall
tympanitischer Schall, nur in der rechten Unterbauchgegend dicht
über der Mitte des Poupartbaiules kleinhandtellergrosse Dämpfung.
In der Ileocoecalgegend bei Palpation lautes Gurren; Rectalunter¬
suchung negativ. Peritonitische Erscheinungen fehlen, kein Er¬
guss in den seitlichen Partien u. dergl. Bruchpforten frei. Uebel
keit und Brechreiz besteht fort.
Da im Augenblick eine absolute Indication zur Operation
fehlt, entscliliesst man sich, um vielleicht doch einen bestimmteren
Anhaltspunkt für die Diagnose zu gewinnen, den Pat noch weiter
zu beobachten. Absolute Diät. Bei der Magenausspülung ent¬
leert sich eine grosse Menge stinkender, krümliger, dunkler Flüssig¬
keit (Dünndarminhalt); nach einem hohen Darmeinlauf mit 400,0
Olivenöl folgen nur einige kleine Kotlikltimpchen. Befinden dar¬
nach wesentlich besser, die Nacht verlief gut Pat. hat geschlafen
und nicht mehr erbrochen.
12. IX. Früh Oelklysma ohne Erfolg. Nachmittag y a 5 Uhr
Erbrechen gelblicher, faeculenter Massen und wiederholt Auf-
stossen. Die Dämpfung R.U. nicht vorhanden; Leib etwas
kleiner; 3 mal w r enig dünner Stuhl. Magenausspülung. Puls hat
sich gehoben, ist kräftiger, das Aussehen des Pat. etwas frischer
als gestern. Temp. 36,5®.
13. IX. Seit gestern kein Erbrechen mehr, Dämpfung wieder
an gleicher Stelle wie am 11. IX.. doch etwas kleiner. Morgens
3 mal sehr reichliche Stuhlentleerung ausserordentlich stinkender
Massen. Faeces bandförmig. Wassereinlauf mit Rothwein. Abends
fühlte Patient eine lästige Völle im Magen, so dass er sich selbst
zum Brechen reizt und 2 mal erbricht. In der Nacht etwas Uebel-
keit, sonst Befinden zufriedenstellend. Blähungen gehen angeblich
ab und zu ab. Temp. 36,4 ü . Tuls 90.
14. IX. In der rechten Unterbauchseite fühlt man in der Tiefe
eine auf Druck sehr schmerzhafte Resistenz einer beweglichen
Darmschlinge — sie verschwindet unter den Fingern —; bei der
Rectaluntersuchung stösst der Finger auf der rechten Seite auf
eine ziemlich hart sich anfühlende, schmerzhafte, geschwulst-
artige Vorwölbung. Das ganze Kolon Ist bei der Lufteinblasung
stark aufgetrieben, in der Ileocoecalgegend dabei eine leichte Ein¬
ziehung, bezw. Abflachung wahrzunehmen. Nachmittags 2 mal
wenig Erbrechen, Temp. 36.4°, Puls 93, ziemlich klein. Abends
fühlt man die schmerzhafte Stelle auf der linken Seite dicht neben
der Linea alba, bei der Betastung fährt Patient heftig zusammen.
15. IX. Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Invagination? Vor¬
bereitung zur Laparotomie durch Magenausspülung, Morphium
subc. 0,01. Aethernarkose (120,0). Schnitt in der Mittellinie. Die
eingeführte Hand fühlt in der rechten Seite im Dünndarmcon-
volut einen Tumor, der sich nach Vorziehen der betreffenden
Schlinge bedingt zeigt durch Invagination eines offenbar langen
Stücks Dünndarm ln Dünndarm und zwar einer hochgelegenen
Schlinge. Der Darm sieht gut aus, keine wesentlichen Verände¬
rungen sichtbar, Serosa glatt und glänzend, keine Verwachsungen
an der Invaginationsstelle. Durch leichten Zug lässt sich das
Invaginatum ohne Schwierigkeit entwickeln; am Schlussstück des
Invaginatum fällt äusserlich eine dellenförmige, etwa 2 pfennig¬
stückgrosse Einziehung auf, nahe dem Mesenterialansatz — im
Bereiche des Mesenteriums — findet sich eine w'allnussgrosse Ge¬
schwulst. Beim Durchtasten des Darms fühlt man im Innern des
Darms eiuige Protuberanzen, die mit der Darmwand verwachsen
sind und sich nicht von ihr abstreifeu lassen. In der Annahme,
dass es sich um Geschwülste handelt, welche die Invagination
l>edingten, wird ein 15 cm langes Darmstück resecirt und durch
eirculäre Naht die Vereinigung der Enden hergestellt. Das In¬
vaginatum hatte eine Länge von y a m. Reposition der vorgezogenen
Darmschlinge, Schluss der Bauchdecken. Dauer der Operation
•/* Stunden, Operateur: Herr Hofratli Dr. G ö s c h e 1.
Der Eingriff wurde leicht überstanden, am 16. IX. Mittags
gingen die ersten Blähungen ab. am 19. IX. folgte spontaner Stuhl¬
gang. Nach 8 Tagen Entfernung der Fäden, prima reunio. Pat.
erholte sich rasch, nahm an Körpergewicht bedeutend zu. Mit
Leibbinde Entlassung am 15. X. 1898.
Die Beschreibung des Präparates gebe ich nach Herrn Pro-
sector Dr. Thorei wieder, wie sie sich in Lubarsch-Oster-
t a g, die Ergebnisse der allgemeinen Pathologie etc., findet . . .
„das betreffende Danustück lässt auf einer 8 cm langen Strecke
an der Innenfläche 4 grosse geschwulstartige Protuberanzen er¬
kennen, welche die duukelviolett gerötliete und stellenweise leicht
verdickte Schleimhaut im Ganzen glatt überzieht. Die grösste
dieser polypösen Erhebungen, die durch geschwulstartige Wuche¬
rung des 8ubmucösen Fettgewebes entstanden sind, hat eine Länge
von fast 5 cm und sitzt als daumendicker, etwas schräg zu den
Darmfalten gestellter Wulst der Innenfläche des Darmrohres auf;
in unmittelbarer Nähe davon finden sich noch drei weitere hasel¬
nussgrosse Fettgeschwülstc, derer eine ein wenig zu einem breiten
Stiel angezogen ist: dazwischen liegt ein völlig nekrotisch zer¬
fallenes Lipom, dessen beetartig prominirende Oberfläche ein mark¬
stückgrosser, nach aussen zu etw r as zackig ausgenagter croupöser
Belag bedeckt; endlich ist noch an der Aussenseite des Darmstücks
eine über 'wallnussgrosse, unregelmässig knollige Fettgeschwrulst
vorhanden.“
Auch die mikroskopische Untersuchung ergab den reinen lipo-
n.atösen Charakter sämmtlieher Geschwülste. Zur obigen Be¬
schreibung möchte ich nur noch hinzufügeu. dass sämmtliche
Tumoren gegen die Umgebung ziemlich scharf abgegrenzt waren.
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
289
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Anamnese, Befund und Krankheit »verlauf deuteten darauf
hin, dass es sich um einen theil weisen Darm Verschluss, bezw.
um eine Darmstenose handelte und zwar in einer Dünndarm-
srhlinge; aus den Symptomen einen sicheren Schluss auf die
Ursache des Darm Verschlusses zu ziehen, war nicht möglich, am
nächsten noch lag der Gedanke einer Invagination, obwohl auch
hiefiir die charakteristischen Zeichen theilweise fehlten, kein
Blutabgang, keine deutlichen Tcnesmen, auch der geforderte
„wurstförmige“ Tumor war nicht deutlich. Nahe lag auch die
Vermuthung eines malignen Tumors, wie aus dem allmählichen
Beginn der Erkrankung, der Abnahme des Körpergewichts in den
letzten Monaten, der fahlen Gesichtsfarbe zu entnehmen war,
das vorgerücktere Alter des Patienten konnte diese Annahme nur
bestätigen. Auch die Invagination konnte ja auf Grund einer
solchen Neubildung entstanden sein. Strangulation als Ursache
des Darmverschlusses konnten wir wohl mit Recht von vorherein
ausschlicssen.
Die Invaginationsdauer ist mit grosser Wahrscheinlichkeit
auf 6 Tage vor Eintritt in’s Krankenhaus zurückzurechnen, seit
dieser Zeit datiren die stürmischeren Erscheinungen. Ob nicht
schon bei der ersten Attacke — 3 Wochen vor Eintritt -— eine
Invagination bestanden hatte, die spontan oder in Folge der
internen Behandlung rückgängig wurde, lässt sich nicht ohne
Weiteres von der Hand weisen, oder aber „der acute Magen¬
darmkatarrh“ war schon hervorgerufen durch eine theilweise
Verlegung des Darmlumens durch die Geschwülste, es kam vor¬
läufig zu relativ geringeren Erscheinungen, zu einer Stagnirung
des Darminhalts oberhalb des Bereichs der Geschwülste und deren
Folgen unter dem Bilde eines Katarrhs. Es muss nur auffallen,
dass bei der Zahl und Grösse der Geschwülste nicht schon
häufiger schwerere Attacken auftraten, ein Umstand, der jeden¬
falls verhindert wurde durch das Bestreben des Darms, dem
Hindernisse sich anzupassen und die Eigenthümlichkeit in
solchen Fällen durch Hypertrophie seiner Wandung und Erweite¬
rung des Lumens das Hinderniss zu überwinden. Seit Vz —%
Jahr bestand das Krankheitsgefühl des Patienten; jedenfalls
waren damals schon die Geschwülste im Wachsthum begriffen.
Das Zustandekommen der Invagination ist. leicht begreif¬
lich, das Darmlumen war hochgradig obstruirt, die Passage für
Koth und Gase behindert; dann ist bekannt, dass die Darmwand
l>estrebt ist, auf ihr sitzende Fremdkörper auszustossen, sie sucht
sich ihrer durch kräftige Oontractinnen zu erledigen. Sind nun
gar stellenweise Verhärtungen der Darmwand vorhanden, so wird
die starre, unnachgiebige Wandpartie vom Strome der Peristaltik
ergriffen, in das Darmlumen eingedrängt und eine verschieden
grosse Darmpartie folgte der schon vorhandenen Invagination.
Nach dem gleichen Modus hätte auch das äussere am Mesenterial¬
ansatz haftende Lipom für sieh eine Invagination bedingen oder
in der Weise gefährlich werden können, dass es durch einen
etwa vorhandenen Mesenterialschlitz einer benachbarten Schlinge
hindurchgeschlüpft wäre, die Schlinge der Haftungsstelle nach
sich gezogen und in den Schlitz eingeklemmt hätte. Wir sahen
einen solchen Fall von innerer Einklemmung bei einer alten
Frau mit einer grossen Nabelhernie, die sofort nach der Ein¬
lieferung in’s Krankenhaus starb, auf dem Secirtische; in dem
Bruchsack lagen Querkolon, Diinndarmsehlingen und Netz, zum
Theil unter sich und mit der Bruchsackwand verwachsen. In
einem Schlitz des Mesokolons war eine Dünndarmschlinge ein¬
geklemmt, die Ursache bildete ein etwa wallnussgrosses Lipoma
pendulum (subserosum), das gleichfalls in den Schlitz fest ein¬
gekeilt und zuerst für eine Appendix epipl. gehalten worden war.
Ein analoger Fall existirte bisher in der einschlägigen Literatur
nicht.
Obwohl erst in der jüngsten Zeit durch Th. II i 11 e r ’) und
Koszielski 1 ) eingehender Bericht über die Darmlipome er¬
stattet wurde, will ich doch im Anschluss an unsere Beobachtung
noch einige Bemerkungen über diese Gesehwulstform anknüpfen.
Lipome des Digestionstractus sind seltene Geschwülste; doch
wurden sie schon in sämmtlichen Abschnitten von der Speiseröhre
bis zum Anus beobachtet, in vivo oder als Gelegenlieitsbefunde
hei Sectionen. Man unterscheidet im Wesentlichen zwei
9 H 111 e r : Uober Darmlipome. Beitrag zur klln. Chirurg.
Rd. 24, H. 2.
-) Koszielski: lieber die Lipome des Darms. Inaug.-Diss.
Giessen 1890 .
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Gruppen von Darmlipomen, je nachdem die Geschwulstentwick¬
lung ihren Ausgang nimmt vom submueösen oder subserösen
Gewebt? und hat sie auch als innere und äussere Darmlipome
bezeichnet. Es sind Geschwülste von Erbsen- bis Apfelgrösse,
gegen das umgebende Gewebe scharf abgegrenzt und zeigen einen
gelappten Bau, die Substanz besteht fast lediglich aus Fett¬
gewebe. Sie — die inneren Lipome — sitzen der Darmwand ent¬
weder breitbasig auf oder hängen an kürzerem oder längerem
Stiel, oft polypcnfürmig in das Dannlumen hineinragend. Meist,
kommen sie als solitäre Tumoren vor, nur in einem einzigen
Falle (S a n g a 11 i) sind 2 Lipome im Kolon desc. erwähnt.
Eine wesentliche Vorliebe für bestimmte Darmabschnitte, wie
sie gewöhnlich betont wird, anzunehmen, halte ich nicht für be¬
rechtigt; nach der bisher vorhandenen Literatur treffen auf
Duodenum 4, Jejunum 6, Kolon 6, Rectum 3.
Die äusseren Lipome entstellen subserös, sie bieten chi¬
rurgisch relativ geringes Interesse, doch geben sie zu sog. freien
Körpern in der Bauchhöhle durch Ablösung ihres Stieles zuweilen
Veranlassung (Virchow); die Möglichkeit eines durcli sie
bedingten Darm Verschlusses ist bereits oben erörtert.
Maligne Degeneration der beiden Lipomarten wurde bisher
noch nie beobachtet. Oberflächliche Nekrosen, Exuleerationen der
Mucosa scheinen nicht selten vorzukommen, es ist wohl mög¬
lich, dass durch Infeetion von diesen Stellen aus eiterige Peri¬
tonitis oder Perforation des Darms erfolgen kann. Degenerations-
procosse in den Lipomen, die zu Sklerosirung der Darmwand
schliesslich führen, sind selten.
Die Erscheinungen, welche die submueösen Lipome bieten,
sind verschieden und davon abhängig, ob überhaupt Stenose des
Darms durch sie bedingt ist und welchen Grad dieselbe erreicht.
Besondere Charakteristica haben die Darmlipome nicht, es sind
die Stenosonerschei nimgen bezw. die Symptome der Invagination
überhaupt, welche bei der Diagnose in Betracht kommen. So
kam es, dass bisher bei Ileus durch Darmlipome noch niemals
vor der Operation die specielle Diagnose gestellt wurde. In
mehreren Fällen wurde eine spontane Ausstossung grosser Lipome
durch den After beobachtet, selbst des Tnvaginatums sainmt Ge¬
schwulst.
Die in der Literatur niedorgelcglen Fälle von Darmlipomen
betreffen meist Leute in den mittleren Jahren, in den 40—50 ern,
nach Hille r’s Statistik zwischen dem 23. und 83. Lebensjahr.
In den beiden ersten Deeennien wurden sie noch nie beobachtet.
Die Aetiologie der Darmlipome ist noch nicht ganz aufge¬
klärt; es kommen dabei im Wesentlichen 2 Theorien in Betracht.
Die Einen erklären ihr Zustandekommen durch einfache Hyper¬
plasie des auch normaler Weise vorhandenen submueösen Fett¬
gewebes, Andere lassen sie aus verlagerten Fettgewebskeimen ent¬
stehen. So will auch Koszielski in seinen beiden Fällen
von Duodenallipomen wegen der nahen Beziehung zur Papilla
duodenalis diese Kiitstehungsweise als sehr wahrscheinlich an¬
nehmen, dass bei der primitiven Leberanlage Fettgewebskeime
vom suhperitonealen Fettgewebe oder von dem des ventralen
Mesenteriums verlagert worden sind. Auch für die Lipome im
Rectum treffe diese Auffassung zu, da hier häufig Gewebsverlage¬
rungen Vorkommen, wie aus den häufig zu constatirenden an¬
geborenen Mastdarmpolypen und dem Befund von subperitoneal
gelegenen Lipomen, Dermoiden u. s. w. hervorgehe. Für den
Ursprung der Darmlipome aus verlagerten Fettgewebskeimen
wird auch geltend gemacht das Vorkommen von Lipomen in den
Nieren, auf der Pia, den Plexus chorioidei, den Bronchien etc.,
für welche bereits die embryonale Natur nachgewiesen ist.
Unser Fall ist aetiologisch nach dieser Hinsicht kaum verwerth-
bar; wir nehmen an, dass es sich um eine einfache Hyperplasie
des submueösen, bezw. subserösen Fettgewebes handelt aus unbe¬
kannter Ursache.
Da die Lipome hei ihrem, wenn auch meist nur langsamen
Waehsthum und trotz ihrer an sich gutartigen Natur für den
Träger eine grösst' Gefahr zu bilden im Stande sind, ist ihre
Entfernung im geeigneten Fall angezeigt, sei es durch Exeision
aus der Darmwand oder durch Rcseetion der befallenen Darm¬
partie. Besteht bereits eine Invagination, dann kommt natür¬
lich die Behandlung dieser in Betracht, d. h. Desinvagination
und Ausschaltung der Geschwülste etc.
Ich füge noch die Fälle von Darmlipomen aus der Literatur
kurz an, die näheren Angaben finden sich schon in den Arbeiten
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
200
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No.
von II i 11er und Koszielski. Es sind beobachtet sub-
rnueüse Lipome von Meckel, Natan L a r r i e r und R o u x ,
Koszielski im Duodenum; im übrigen Dünndarm von V i r -
<* h o w , Fischer (nach Clos), Studsgaar d, N i n a u s ,
Ililler, Hahn, im Kolon von S a n g a 11 i , Albrecht,
Tuffier, Link, M e c k c 1, im Rectum von T c d e n a t,
A f e z o u , V o i s , retrorectalc Lipome von T e d e nat,
V a e r n e w y c k , subserös im Ooccum von Marc h a n d , un¬
genannter Sitz von Castelain und M o r c 1. Der von
Ililler unter No. 8 angeführte Fall Clos ist identisch mit
No. 7, wie ich aus der Originalarbeit C 1 o s’ entnehmen kann.
Die verschiedenen Besonderheiten unseres Falles bestehen
einmal darin, dass er erst der zweite Fall ist, in dem submucöse
Lipome multipel vorkamen (bei Sangall i 2 Tumoren) und
dann in der bisher noch nie* wahrgenommenen Combination von
innerem mit äusserem Lipom; auch die Sklerosirung der Darm¬
wand an der Stelle eines degenerirten Lipoms ist eine Eigenart
unserer Beobachtung. Nebenbei sei schliesslich noch bemerkt,
dass er der erste durch Resection geheilte Fall von Invagination
auf Grund von Lipomen ist.
Diese besonderen Umstände lassen bei der überhaupt spär¬
lichen Casuistik über Darmlipome die Veröffentlichung unseres
Falles als casuistischen Beitrag berechtigt erscheinen.
Meinem hochverehrten früheren Chef, Herrn Hofrath Dr.
Goscliel sage ich für die gütige Ueberlassung des Falles zur
Bearbeitung und für die mir hiebei zu Theil gewordene Unter¬
stützung meinen herzlichsten Dank.
Aus der inneren Abt hei lung (Prof. D i n k 1 e r) des Louisen-
hospitales zu Aachen.
Ein Fall von Selbstbeschädigung auf hysterischer
Grundlage.
Von Dr. J. Eversmann, Assistent.
Selbstbeschädigungen kommen, wie Krecke 1895 (diese
Wochenschrift) berichtet hat, bei Hysterischen relativ häufig
zur Beobachtung; ihre Beurtheilung bietet bei ausgesprochenen
hysterischen Symptomen in der Regel keine Schwierigkeit; wohl
aber gehört es zu den schwierigen Aufgaben, eine solche Selbst¬
beschädigung anzunehmen und nachzuweisen, wenn keine mani¬
festen Erscheinungen für eine allgemeine Neurose bestehen. Ge¬
rade diese Fälle sind für den Praktiker von Wichtigkeit und
verdienen wohl eine kurze Mittheilung. Folgender Fall ist vor
einiger Zeit in der inneren Abtheilung beobachtet worden.
Am 18. Mai 1899 wurde die Fadnerin N. N. unserer Abthei¬
lung mit der Wahrscheinlichkeitsdiagnose Pemphigus überwiesen.
Anamnese: Der Vater der Kranken ist au Zuckerkrank¬
heit gestorben, die Mutter und 3 Geschwister sind gesund. Pat.
will selbst bis zum Januar dieses Jahres nie krank gewesen sein,
niemals Krämpfe oder sonstige Zeichen von Hysterie gehabt haben.
Am 10. Januar bemerkte sie angeblich Morgens beim Erwachen
eine grosse Wasserblase, welche die ganze rechte Gesichtshälfte
einnahm und so gross Avar, dass das Auge dadurch beinahe ganz
verdeckt war. In den folgenden Nächten entstanden nun, angeb¬
lich ohne dass Patientin dabei irgend welche Empfindung oder gar
Schmerzen hatte, nacheinander grosse Blasen an der linken Ge¬
sichtshälfte, linken Hand, Oberarm, Unterarm, rechten Hand, Ober¬
arm, linken Unterschenkel und rechten Oberschenkel. Die beiden
Oberschenkel und der Rumpf blieben frei. Die Blasen sollen nur
bei Berührung schmerzhaft gewesen sein.
Patientin suchte angeblich gleich nach Entstehen der zweiten
Blase ein hiesiges Hospital auf und Avurde bis zum 10. Mai daselbst
behandelt. Am 15. Mai nahm sie die Arbeit wieder auf und gleich
in der folgenden Nacht entstanden mehrere grosse und kleine
Blasen am linken Handrücken und dem Oberarm, in der Nacht
vom 10.—17. au beiden Unterschenkeln und in der folgenden Nacht
na der rechten Hand; sie wurde desshalb am 38. Mai dem Louisen-
Hospital zur Aufnahme überAviesen.
Status praesens: Das untersetzte, kräftig gebaute, in
gutem Ernährungszustände befindliche Mädchen von durchaus ge¬
sundem Aussehen, machte den Eindruck eines geistig nicht sehr
hochstehenden Wesens, Avenn auch nicht direct eine Imbecillität
ausgesprochenen Grades oder gar psychische Störungen bemerkt
werden konnten. Angaben waren von ihr nur schwer zu erlangen,
oft lachte sie ganz unmotivirt, jedenfalls aber schien ihr das
Leiden, mit dem sie behaftet war, wenig Beschwerden zu machen
und ihr sehr gleichgiltig zu sein. Au beiden Wangen, sowie au ver¬
schiedenen Stellen der Extremitäten (an letzteren nur an den
Streckseiten) zeigten sich mehr oder weniger ausgedehnte Haut-
pignientirungen, keine eigentlichen Narbenbildungen.
Ausser diesen von älteren Processen herrührenden Residuen
sind am linken Ober- und Unterarm, sowie am linken Unter¬
schenkel. immer wieder nur an der Streckseile und für die Pa-
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tientin bequem erreichbar, kinderhandtellergrosse und noch ausge¬
dehntere Flächen, avo die abgehobene Oberhaut faltig dem blutig
nässenden Papillarkörper aufliegt und am rechten Oberschenkel
ein bereits nicht mehr blutiger, schon von frischem Epithel über¬
zogener Hautbezirk, dem
stellenweise kleine
Schorfe aufliegen. Am
rechten Handrücken, so-
Avie dem anliegenden Ge¬
biet des Unterarmes fin¬
den sich aus der stark ge-
rötheteu normalen Haut
sich vorw'ölbend eine
etwa taubeneigrosse, eine
beträchtlich grössere und
zwischen beiden zahl¬
reiche linsen- bis bohnen¬
grosse, prallgespauute,
gelblich durchscheinende
Blasen, Avelelie bei Be¬
rührung als schmerzhaft
bezeichnet werden (siehe
Photographie!) Die Bla
sen Avurden eröffnet und
der theils flüssige, tlieils
mehr gallertige Inhalt
ent leert, ein feuchter Ver¬
band angelegt und Pa¬
tientin im Bett gehalten.
Der weitere Verlauf
Avar folgender:
21. Mai Blasenbil¬
dung in annähernd eben
so grossem Bezirk
und von derselben äusseren Configuration AA*ie oben beschrieben,
am rechten Oberschenkel.
22. Mai am linken Knie.
23. Mai am rechten Unterschenkel.
Das Ungestörtsein des Allgemeinbefindens, die merkAVÜrdige
Erscheinung, dass die Blasenbildung stets über Nacht erfolgte, stets
t*inen gleichgrossen Bezirk befiel, immer nur an den Streckseiteu
der Extremitäten und an Stellen, die für die Patientin leicht er¬
reichbar Avaren, ferner die auf Nachfrage von den Mitpatienten
erhaltene Angabe, dass die Patientin Nachts sehr unruhig sei und
sich viel im Bette zu schaffen mache, brachte den Verdacht immer
näher, dass die Blasen artificiell entstanden seien. Selbst die sorg¬
fältigste Untersuchung der der Patientin gehörigen Kleider und
Utensilien hatte zunächst nichts Verdächtiges zu Tage gefördert,
da Avurde endlich in dem Portemonaie der Pat. ein A’iereckiges, mit
schusterpechiilinlicher, geruchfreier Salbe bestrichenes Leinenstück
gefunden und der Patientin heimlich abgenommen. Von dem Tage
an trat bei der Patientin keine Blasenbildung mehr auf. Um sicher
zu gehen, legte ich ein kleines Stück des der Patientin fort genom¬
menen Salbenlappens auf meinen Unterarm, tixirte es durch einen
Verband und Hess es eine Nacht hindurch liegen; am nächsten
Morgen Avar die betreffende Hautstelle stark geröthet und einige
Zeit nach Entfernung des Pflasters entstanden mehr oder w-eniger
grosse ziemlich schmerzhafte Blasen von genau demselben Aus¬
sehen, Avie bei der Patientin. Nach alledem konnte es keinem
ZAveifel unterliegen, dass sich die Patientin regelmässig Nachts
das Pflaster aufgelegt und auf diese Weise die Blasen hervor¬
gerufen hatte. Inzwischen hat sich das Pflaster als Emplastrum
Cantharidarum herausgestellt. Patientin Avurde dann zur Rede ge¬
stellt und gab nach kurzem Sträuben den Avaliren Sachverhalt
zu, ein Grund aber, Avarum sie sich die Selbstbeschädigung zu¬
gefügt hatte, war von ihr nicht zu erlangen. Sie wmrde dann noch
2—3 Wochen Aveiterbehandelt, bis alle Eruptionen abgeheilt waren.
Irgend Avelche Versuche, sich AA r eitere ^ erletzungen zuzufügen
Avurden nicht beobachtet.
Man geht wohl nicht fehl, Avenn man diesen Fall der Kate¬
gorie der hysterischen Selbstbeschädigungen zuzählt, da es ja
durchaus nicht selten beobachtet ist, dass die Selbstbeschädigung
oder die Vortäuschung eines Krankheitssymptomes als einziges
manifestes Zeichen einer hysterischen Neurose besteht. Vom
praktischen Standpunkt verdient der Fall einige Beachtung, w T eil
die Diagnose mit gewissen Sclrwierigkeiten A'erkniipft war und
ausserhalb eines Hospitales vielleicht überhaupt nicht oder erst
spät gestellt worden wäre.
Ueber einen seltenen Fall von Radialislähmung, geheilt
durch Freilegung und Dehnung des Nerven.*)
Von Dr. H ans Brä u n i n g e r , Specialarzt für Chirurgie,
ärztl. Leiter der Heilanstalt für Unfallverletzte in Mannheim.
Vom wissenschaftlichen soAvohl, wie vom praktischen Stand¬
punkt ist der durch Operation geheilte I* all \ r on Radialislähmung,
die sich im Laufe der Ausheilung einer schweren Quetschung des
*) Gekürzt nach einem Vortrag im ärztlichen Verein.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
291
rechten Oberarmes ausgebildet hat, so interessant, dass mir der¬
selbe mittheilenswerth erscheint.
Es handelt sich um einen 16 jährigen Jungen, der sieh Mitte
August 1898 eine schwere Transmissionsriemenverletzung des
rechten Oberarmes zugezogen hat. Nach MittheilUng des behan¬
delnden Arztes hatte er anscheinend eine Fractur des chirurgischen
Halses des Humerus. Das untere Fragment stand unter der Cla-
vieula an der Grenze des äusseren und mittleren Drittels. Die
Weichtheile des ganzen Oberarmes waren stark gequetscht und
blutunterlaufen und fühlten sich zum Theil breiig an. Die Ein¬
richtung war mühsam, gelang aber beim 3. Versuch unter klappen¬
dem Geräusch, ähnlich wie bei Einrichtung einer Luxation. Un¬
mittelbar darauf waren alle Bewegungen passiv frei; kurze Zeit
Schienenbehandlung. Die ersten Symptome der Itadialislähmung
tiateu etwa in der 4. Woche auf, sicher nicht früher, da schon etwa
11 Tage nach der Einrichtung mit Massage und passiven Be¬
wegungen begonnen wurde. Als die Lälimungserscheiuungen nicht
bald zurückgingen, beantragte der Arzt Aufnahme in eine Heil¬
anstalt. die jedoch bei dem etwas langsamen Geschäftsgang in
solchen Fällen erst am 1. November erfolgte. Der objective Be¬
fund war folgender:
Schulterwölbung durch Atrophie des Deltoides etwas abge¬
flacht; Schultergelenk in geringem Grade in seiner Beweglichkeit
eingeschränkt. In der Achselhöhle leichte Verdickung am Humerus¬
ende fühlbar, aber keine Bruchstelle oder Callus. Auch in der
Röntgenaufnahme keine Veränderungen am Humerus.
Ellenbogengelenk passiv frei beweglich, activ Beugung gut,
Streckung völlig, aber mit geringer Kraft möglich; hauptsächlich
ist der lange Kopf des Trieeps functionsfähig.
Am Vorderarm und an der Hand die typischen Folgen einer
G'Ulgen Radialislülimung.
Handrücken geschwollen, die Haut fühlt sich welk und kälter
an als links. Keine Sensibilitätsstörung.
Die faradische Erregbarkeit aufgehoben, ausgesprochene Ent-
;n tungsreaction: vom Nerven aus keine Reaction.
Als hauptsächlichste Unfallfolgen war somit neben der
leichten Bewegungsbehinderung des rechten Schultergelenkes eine
ausgesprochene Lähmung des Radialis zurückgeblieben, deren
Entstehungsursache nicht ganz klar war.
Nach der genauen Beobachtung des behandelnden Arztes
war eine directe Verletzung beim Unfall, sei es durch Druck des
gebrochenen oder nur luxirten Humerusendes, sei es durch directe
Quetschung durch den Treibriemen, oder eine Drucklähmung
durch die Armschiene völlig auszuscliliessen.
Nach dem ohjectiven Befund konnte es sich nicht um eine
Einbettung und Druck von Callusmassen handeln, besonders da
es sich doch wohl um eine Luxation und nicht um eine Fractur
gehandelt hat.
Es blieb also nur übrig, eine allerdings etwas spät auf¬
getretene Neuritis anzunehmen, oder aber, und das war mir das
Wahrscheinlichste, es handelte sich um eine Lähmung, die da¬
durch entstanden war, dass im Laufe der Ausheilung der
schweren Quetschungen sich an der Umschlagstelle des Nerven
derbes Narbengewebe bildete und den Nerven so fest umschloss,
dass seine Function aufgehoben wurde.
Ueber die Höhe der Laesionsstelle konnte ich keine An¬
haltspunkte finden.
Ich liess nun unter täglicher elektrischer und mechanischer
Behandlung 4 Monate, als äussersteu Termin, an dem noch spon¬
tane Heilung beobachtet wurde, vergehen seit Auftreten der ersten
Lähmuugserscheinungen. bis ich mich, als keine Besserung ein¬
trat, zur Operation entschloss. War es eine Neuritis oder eine Ein¬
bettung in Narbengewebe, in beiden Fällen konnte ich hoffen, durch
Freilegung und Dehnung des Nerven, als das einzige noch übrige
Mittel, Heilung zu erzielen.
Operation am 13. I. 1891: Freilegung an der Beugeseite
zwischen dem Caput internum und longum vor der Sehne des
Latissimus dorsi. Nach oben gegen die Achselhöhle zu ist der
Nerv frei verschieblich, nach unten bis zur Umschlagstelle ist er
in festes Narbengewebe eingebettet, aus dem er mühsam frei prä-
parirt wird, ohne von hier nach unten die Grenze zu erreichen:
dosshalb Freilegung auf der Streckseite oberhalb der Mitte und
völlige Auslösung, wodurch unter dem Trieeps eine Verbindung
der beiden Wundhöhlen hergestellt wird: mässige Dehnung des
Nerven. Naht, Gazestreifen für 48 Stunden: Heilung p. p.
Das Resultat der Operation war ein sehr günstiges. Schon
vom 6. Tage an begann sich die Function der gelähmten Muskeln
wieder einzustelleu. Zuerst stellte sich in den Extens. carpi rad.
et uln. die Leitung wieder her. Am 8. Tag konnte er den Daumen
etwas abduciren, und zuletzt, am 10. Tag, konnte man an den
Strecksehnen leichte Bewegungen beobachten. Nach und nach
gingen alle Lähmungserscheinungen zurück und die Kraft der
Hand nahm langsam zu. Bei der Entlassung Mitte März betrug
sie 11 kg. bei einer Nachuntersuchung im August war sie auf
25 kg gestiegen, rechts beträgt sie 30 kg. Es ist aller Wahrschein¬
lichkeit nach in absehbarer Zeit völlige Heilung zu erwarten.
Die praktischen Nutzanwendungen aus diesem Fall ergeben
sich von selbst. Man jööHte in ähnlichen Fällen von Nerven-
Digitized by ^jOOQlC
lähmung, wenn andere Mittel fehlschlagen, die ungefährliche
Operation vornehmen. Für den jungen Menschen bedeutet das
Resultat die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit, für die
Berufsgenossenschaft eine Erspamiss von 70 Proc. Dauerrente,
wogegen sie jetzt nur noch auf absehbare Zeit 20 Proc. Ueber-
gangsrente zu zahlen hat.
Meine Behandlungsmethode der Lungentuberculose
mit subcutanen Injectionen von 01 camphor. officin.
Pharm, germ.*)
Von Dr. Br. Alexander in Reichenhall und Nervi.
M. H.! Im Anfang des Jahres 1889 habe ich als Cassenarzt
in Zwickau i. S. bei einem armen Steinmetzarbeiter im vor¬
gerückten Stadium der Lungentuberculose meine Methode ent¬
deckt. Monate lang hatte ich alle Mittel vergeblich angewandt
— der Kräfteverfall nahm überhand, es stellten sich starke nächt¬
liche Sehweisse, in Folge des quälenden Hustens Schlaflosigkeit,
Bluthusten, Appetitlosigkeit, Durchfälle ein — das typische,
grauenhafte Bild des letzten Stadiums! Der Kranke wurde bett¬
lägerig! Im April 1889 die erste Kampherinjection und fortan
die wunderbarste Wendung zum Bessern — 8 Wochen später ist
dieser Mann wieder bei seiner Arbeit als Steinmetz! Im März
1891 schrieb er mir, dass er ununterbrochen noch ein und ein¬
halb Jahr als Steinmetz gearbeitet hat! Dieser Erfolg hat mich
zu weiteren ausgedehnten Versuchen veranlasst. Ich habe im
Jahre 1890 in Berlin eine Poliklinik für Lungenkranke und
später auch für Kehlkopfkranke errichtet — bis 1895 habe ich
in Berlin in Privat- und Cassenpraxis und poliklinischer
Thätigkeit meine Methode prüfen und ausbilden können. Seit
1895 habe ich in Reichenhall und seit 1897 in Nervi beobachten
können, was die hygienisch-diätetische Methode ohne Medica-
mente leisten kann. Auf dem Pariser Tubereulosecongress
(1891) haben Prof. Iluehard und Dr. Faure Miller über
ihre Erfolge bei Lungentuberculose mit Kampherinjectionen be¬
richtet. Meine Priorität haben sie anerkannt — sie wären aber
unabhängig von mir auf ihre Methode gekommen. Eine Stelle
aus ihrem Berichte bitte ich verlesen zu dürfen.
Le rötablissement de Fötat gönöral s’est fait rapidement
seutir chez six de nos malades, et surtout ehez Fun d’eux que son
ötat de faiblesse extrßme falsa.it gnrder depuis plusieurs mois
dans le Service; il ne sortait guero plus de son lit: cavernes aux
deux sommets, amaigrissement considßrable, sueurs trös abou-
dantos, perte absolue de Fappötit, affaiblissement extreme, in-
somnie persistante. — Ce malade mauge aetuellement de bon
appötit, n’a plus du tout de trauspirations, se löve; les forces lui
reviennent, 11 dort bien. II en a ötö de niOme, mais ä un degrö
moins accusö, pour les autres malades.“
Prof. K o b e r t hat auf dem Tubereulosecongress in Berlin
erklärt, dass er sich mit meiner Methode befreundet hat.
Der Kampher wird ja vor Allem wegen seiner tonisirenden
Wirkung auf das Herz geschätzt. Dass bei acuten Erkrank¬
ungen der Lungen in Stärkung der Herzkraft eine Hauptauf¬
gabe der Behandlung zu bestehen hat, wird längst allgemein an¬
erkannt. Dass auch bei der Lungentuberculose den Aerzten die¬
selbe Aufgabe zufällt, hat Hermann Brehmer gelehrt. Er
empfahl Ueberführung der Schwindsüchtigen in eine ent¬
sprechende Höhenregion — als Medicament den Alkohol.
Während aber der Alkohol nur das Kraftgefühl steigert,
bewirkt der Kampher durch Erregung der motorischen Nerven¬
endigungen eine wirkliche Stärkung der Musculatur im All¬
gemeinen, des Herzmuskels im Besonderen.
Innerlich genommen ruinirt der Kampher in kurzer Zeit
den Appetit, reizt überdies zum Husten, wirkt nach Adam-
k i e w i c z schweisstreibend.
Subcutan injicirt fällt jede schädliche Nebenwirkung weg,
dagegen tritt seine eminente Wirkung auf den Appetit zu Tage,
jetzt erweist er sich als ein mächtiges Antihydroticum; schon
in geringen Dosen, die man früher für vollkommen unwirksam
gehalten hätte, als starkes Antipyreticum; vermindert das
Sputum durch seine eiterhemmende Wirkung, macht durch seine
sehlafmaehende Wirkung Morphium und alle Hypnotica un-
nöthig.
Durch seine belebende Wirkung auf die nervösen Central-
organe werden die Reflexhemmungswiderstände vermehrt, so
dass nicht mehr der schwächste Reiz quälenden Husten auslösen
kann.
*) Vortrag, gehalten auf der Naturforscberversammlimg zu
München. Original from +
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 9.
292
MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Das Loos der unbemittelten Phthisiker im Endstadium ist
fürchterlich (auf Gerhard t,’s Abtheilung in der Charite
starben 1885—1896 43 Proc. der Aufgenommenen im gleichen
Jahre der Aufnahme), ausserhalb des Spitals noch schlimmer.
In dem entsetzlichen Zustand, in den sie durch Morphium be¬
schleunigter Kräfteverfall und die demoralisirende Wirkung der
Narkotica und des Alkohols bringt, sind sie bei frühzeitiger
Bettlägerigkeit und zunehmender Unsauberkeit die Verzweif¬
lung und schliesslich eine grosse Gefahr für die Umgebung.
Durch eigene Anschauung bin ich zu der Ansicht von Pfeif¬
fer Weimar u. A. gekommen, dass im vorgerückten Stadium
der Phthise selbst die reichsten Leute auch an den Plätzen,
welche von der Natur förmlich für Kranke geschaffen zu sein
scheinen, auch bei der raffinirtestcn Pflege traurig wenig er¬
reichen.
Williams hat 210 Phthisiker an die Riviera geschickt,
davon sind 24,8 Proz. verschlechtert zurückgekommen rcsp. ge¬
storben, trotzdem 59Proc. im ersten Stadium hingegangen waren
und die durchschnittliche Dauer des Aufenthaltes 9 Monate be¬
trug (F. Egger).
Gleichwohl sieht, man doch, dass einer Anzahl von diesen
reichen Phthisikern trotz weit vorgeschrittenen Leidens ein er¬
trägliches Leben an diesen Gurplätzen geschaffen wird.
Was diesen Leuten nun durch Geldopfer, welche nur
Einigen von Tausenden aufzubringen möglich ist, im fremden
Lande ausnahmsweise gelingt, das erzielt bei Proletariern im
letzten Stadium die Kampherbehandlung in der Regel überall!
So wird dadurch der Aermste dem Reichsten gleichgestellt!
Und nicht nur Das! Er kann sogar dem thätigen Leben, der
Arbeit wiedergewonnen werden!
Die bisher gebrauchten Medieamente müssen dadurch in
den Schatten gedrängt werden, denn sie sind nur empfohlen für
das Anfangsstadium, wo oft Spontanheilungen Vorkommen, das
lehren uns die Seetionen an anderen Leiden gestorbener Prole¬
tarier, oder sie sind empfohlen für gleichzeitige Anwendung
bei der hygienisch-diätetischen Behandlung der Reichen, durch
diese können aber auch ohne jedes Medicament selbst voll¬
kommene Heilungen erzielt werden.
Bei der beschränkten Zeit will ich nur ein paar Fälle skiz-
ziren, auch um meine Methode zu erklären: In der letzten Saison
in Reichenhall hatte ich russische und galizische Juden zu behan¬
deln, die trotz der Schwere ihrer Erkrankung kein Spital aufge¬
sucht, sondern sich von Badeort zu Badeort durchgebet telt hatten.
Dass die Gunst der klimatischen Verhältnisse zu meinen Erfolgen
wesentlich beigetragen hätte, kann ausgeschlossen werden, da
sie sich schon in Reichenhall oder gleichwerthigen Ourorten ohne
Erfolg aufgehalten hatten — jedenfalls wurde dieser Vortheil
eompensirt durch ihre grosse Arrnuth, schlechte Wohnung und
Ernährung — vor Allem ihre grenzenlose Unsauberkeit — zer¬
lumpte Kleidung etc.
L. T., Friseur aus Russland, 28 Jahre alt, mittellos; vor zwei
Jahren erkrankt, Blutsturz, von Februar 1899 in Meran. Durch
fälle bis 7 mal am Tage. Appetitlosigkeit, häutiges Erbrechen,
Fieber, sehr starke Schweisse. heiser. Schmerzen beim Schlingen.
Scnlaflosigkeit wegen beständigen Hustens, zunehmender Ver¬
fall der Kräfte, keim» Linderung, keine Beinflussung der Krank¬
heitssymptome trotz ärztlicher Behandlung in Meran.
Am 31. Mai 1899 kommt Patient zu mir nach Reichenhall
Hochgradigste Schwäche, heiser, verzweifelte Stimmung! Nach
3 Tagen — nach 3 Injectioiien beginnt sich das ganze Krank¬
heitsbild zu ändern, von Tag zu Tag zunehmende Besserung,
guter Schlaf, keine nächtlichen Schweisse, Appetit. Verminderung
des Hustens und des Auswurfs. Zunahme der Körperkräfte,
gänzliche Beseitigung der Durchfälle, lebensfrohe Stimmung!
Therapie bestand einzig und allein in Kamplierinjectioneii
einmal täglich. Narkotica und Alkohol, Antipyretiea gänzlich aus
geschlossen. Liege- und Schweigecur nicht durchführbar, ambu¬
lante Behandlung!
Befund war: Dämpfung R.Il.O. IV. Wirbel, R.V'.O. II. Rippe,
L.H.O. III. Wirbel, L.V.O. II. Rippe, L.ILU. in der Höhe des VII.
bis IX. Wirbels— Rasselgeräusche L.H. über der ganzen Lunge,
rechts im Bereiche der Dämpfung.
Fieber. Sputum massenhaft, grünlich, rein-eitrig mit vielen
Tuberkelbacillcn.
Kehlkopf: 1. Stimmband im hinteren Drittel ulcerirt, ge
idthet; Oedem des 1. Arykuorpels. I leus vom 1. Aryknorpel auf
die 1. aryepiglottisehe Falte sich erstreckend: nach dem 1. Ohr
ausstrahlende Schmerzen.
Therapie: Pinselung mit Pyoclnuin. caerul. nach Schein-
m a n n.
Nach 5 Wochen ist der Kehlkopf geheilt. Stimmband und
Aryknorpel zeigen ganz seharfe Contouren. Patient kann klar
sprechen, singen, versucht Cigaretten zu rauchen. Schmerzen
Am 6. September Patient entlassen, sieht blühend aus, hat
8 Pfund zugenommen. Kein Fieber (2 stündige Messung), feiu-
blasige Rasselgeräusche nur L.V.O. und L.H.O., sonst sind die
Lungen frei! L.H.U. verkürzter Schall im alten Erkrankungs¬
bezirk. Dämpfung auf den ursprünglichen Bezirk beschränkt.
Patient will versuchen, in einem Lungencurorte als Friseur zu
arbeiten.
Ein anderer Fall: B. S., Hausirer aus Galizien, 34 Jahre alt,
starrt vor Schmutz, bietet einen fürchterlichen Anblick grausigen
Verfalls. Zum Skelett abgemagert, beständiger krächzender
Husten, der nichts als grünliche, bröcklige Massen heraus-
befördert; furchtbarer Foetor.
Hektische Röthe auf den ausgehöhlten Wangen, tiefliegende
Augen, leise, heisere Sprache. Schmerzen im Kehlkopf, hält sich
für unrettbar verloren, bettelt nur um bischen Linderung seiner
Qualen. Er ist schon 30 Jahre krank, in vielen Spitälern, Cur-
orten, bei „100“ Aerzten gewesen, zuletzt im Wiener Krankenhaus
an Blutsturz gelegen. Dieser Mensch, der die Zeit nicht mehr
wusste, wo er mit Morphium noch Schlaf gefunden, der aus den
Herbergen, wo er Unterschlupf gesucht, hinausgewiesen wurde
des beständigen lauten Hustens wegen, der die Betten durch¬
geschwitzt hat, schläft schon nach der ersten Injeetlon von 0,03
Kamplier ohne Schweiss. Nach 14 Tagen, nach 14 Injectionen
von 0,03 Kamplier. fühlt der Menseh sieh ganz gesund — Heiss¬
hunger (er hat vorher Erbrechen und Durchfülle gehabt), muss
sich jetzt für die Nacht mit Essen versehen, lim seinen Hunger zu
befriedigen! Er entsinnt sich nicht mehr der Zeit, wo er sich
so wohl gefühlt hat! Eine Woche später versucht er Handlanger¬
dienste zu verrichten. Athemnotli förmlich verschwunden; Ich
sah den Menschen, der zuerst auf meiner Treppe zusammen
gebrochen war, auf der Strasse laufen.
Nach einer DurchnUssung im Regen Verschlimmerung,
diffuser Katarrh, nach einigen weiteren Injectionen wieder glän¬
zendes Befinden, Gewichtszunahme. Patient reist ab, um seine
Arbeit wieder aufzunehmen. 10 Jahre arbeite ich nun schon mit
meiner Methode und dennoch musste ich jeden Tag staunen vor
der auch in Anbetracht der Dosis ungeheueren Wirkung dieses
wunderthätigen Mittels.
Der Status am 20. Juli 1899 war folgender gewesen: Supra-
claviculargniben tief eingesunken, Clavicula nach unten ge¬
sunken, die Haut über der ersten Rippe straff gespannt.
Schenkelschall L.H. bis zum 7. Wirbel. L.V. bis zur III. Rippe,
IUI. bis zum 8. Wirbel. L.V.O. bis zur II. Rippe.
Normaler Lungenschall an den Seitenflächen des Thorax:
stark abgeschwächtes Athmen und Rasselgeräusche überall im
Bereiche der Dämpfung. Sputum enthält wenige Tuberkel-
bacillen.
Es giebt keine Coutraindication für meine Methode!
Am 30. Juni 1899 bekam ich einen Bluter in Behandlung:
schon nach leiser Percussion Blut im Auswurf.
A. M: aus Galizien. 32 Jahre alt, mittellos, schon 5 Jahre
krank, hat schon viele Blutstürze, auch eine linksseitige Lähm¬
ung gehabt; letzter Blutsturz in Gleichenberg. Nächtliche
Schweisse, Fieber, Durchfälle, viel Husten, viel Auswurf mit
zahlreichen Tuberkelbacillen, Schlaflosigkeit. Schon nach we¬
nigen Tagen Besserung aller Symptome. Guter Schlaf, keine
Schweisse, Appetit, Wohlbefinden.
Er hustet öfter auch grössere Mengen Blut aus, aber die
Blutung verschwand, ohne dass er sich zu Bett legen brauchte;
immer ambulante Behandlung. Nach 6 Wochen Cur beendet.
Aus Galizien schreibt er mir, dass das Wohlbefinden anhält.
Status war gewesen; Selienkelschall L.H.O. IV. Wirbel.
L.V.O. II. Rippe, R.H.O. V. Wirbel, R.V.O. II. Rippe. Rassel¬
geräusche im Bereiche der Dämpfung.
Meine Methode war Anfangs so gewesen, dass ich täglich
einmal 0,1 Kampher injicirte.
H u c h a r d und F aure -Miller haben von ei nem
25 proc. KamphcrÖl alle 2 Tage ein- oder zweimal, oder seihst
jeden Tag zweimal, eine ganze Pravazspritze injicirt.
Nachdem ich die eumulative Wirkling des Kamphers und
sein differentes Verhalten bei fiebernden und fieberfreien Phthisi¬
kern entdeckt habe, hat sich meine Methode schliesslich folgender-
rnaassen gestaltet:
Fiebernden wird täglich einmal 0,01—0,02, hei grosser
Schwäche 0,03 Kampher lange Zeit, wochen- und monatelang,
injicirt — ohne Unterbrechung. Fieberfreie werden entweder
ebenso behandelt oder es wird täglich einmal 0,1 Kampher vier
Tage lang injicirt, nach Intervallen von mindestens 8 Tagen
werden diese Injectionen immer wieder fortgesetzt.
Kober t ist der Ansicht, dass der Kampher durch Horvor-
bringung einer heilkräftigen Loukocytose, nicht als Specificum
wirkt.
Tch habe bisher angenommen, dass die minimalen I)o>en
durch die eumulative Wirkung des Kamphers solche wunder¬
bare Erfolge erzielen lassen — der Werth dieses Mittels muss
nun noch ungemein viel grösser erscheinen, wenn es sich heraus¬
stellt, dass schon die ersten Injectionen minimaler Dosis die volle
Wirkung hervorbringen können.
-e m^ -i- ra l Jrs -m
UN [VERS 117 OF CALIFORNIA
293
27. Februar 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Hydrorrhoea ovarialis intermittens.
(Hydrops ovarii profluens.)
Zur Lehre von den Tubo-Ovarialcysten.
Von Dr. Max Nassauer, Frauenarzt in München.
(Schluss.)
Stets waren in seinen untersuchten Fällen (15) Verwach¬
sungen da!
Zweifel nun spricht als erster von einer Infections-
möglichkeit als Ursache. „Es handelt sich wohl um eine Miscli-
infection. Anfangs besteht, eine Ovarialcyste, in welche dann
ein Entzündungserreger hineingelangte. Die Cyste vereitert.
Die Wand verwächst mit der entzündeten Tube und nach Durch¬
bruch entsteht eine Verbindung beider Höhlen.“ Es möchte
jedoch hier viel eher eine Pyosalpinx, communicirend mit
einem Pyo-Ovarium, entstehen, wie man es öfters sieht. Ols-
hausen wieder sucht die V e i t’sche Theorie mit der Bur-
n i e Fs (welche Zweifel für unrichtig hält) zu vereinen. Er
geht aber einen bedeutsamen Schritt weiter: „Dass die Peri¬
tonitis, welche die Fimbrien zur Verklebung bringt, wohl häufig
mit einem Tubenkatarrh zusammenhängt, also in letzter Linie
auf eine Gonorrhoe zurückzuführen ist, ist mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit anzunehmen, wenn auch die bisher be¬
kannt gewordenen Fälle hiefür nicht be¬
weisend geworden sin d.“ Hier wird zum ersten Mal
von der Gonorrhoe gesprochen! Und wir werden sehen, dass alle
beschriebenen Fälle mit Wahrscheinlichkeit darauf zurückzu¬
führen sind und unseren eigenen können wir als Beweis dazu-
nchmen. O 1 s h a u s e n ist es auch, der auf die Hydrorrhoe hin¬
weist : „Die Tube bleibt, wie es scheint, fast immer nach dem
Uterus zu durchgängig und dies gibt dann Veranlassung, dass
gelegentlich bei starkem intracystösen Druck ein Theil der
Flüssigkeit nach dem Uterus abfliesst. In diesem zeitweiligen
Abfluss ist wohl auch der Grund zu suchen, dass die Cyste in
der Regel nur einen kleinen Umfang erlangt und keine Be¬
schwerden zu machen pflegt (?).“ Olshausen verfügt über
insgesammt 3 Fälle. Ein Fall vor 6 Monaten heftige Peritonitis.
Der ganze Tumor kaum faustgross. Nach Oeffnung desselben
zeigt sich die Cyste aus 2 Theilen bestehend, welche durch einen,
für einen Finger kaum durchgängigen Hals mit einander ver¬
bunden waren. Dieser Ilalstheil entspricht dem letzten Ende
des Tubenlumens. Von ihm aus erstrecken sich die
Fimbrien unverklebt, nicht auseinander ge¬
zogen oder verlängert, frei liegend in den
ovariellen Theil der Cyste hinein. Mitten
durch die Fimbrien kam man in das Lumen
«ler Tube. Dies ist der einzige, unserem analoge Fall.
Ein zweiter Fall von ihm zeigt eine einfache Cyste, in deren
Lumen dasjenige der adhaerenten Tube einraündete; die Tube
war hydrophisch und geschlängelt. Bei allen 3 Fällen war „Peri¬
tonitis“ vorausgegangen! Orth mann (1899) lässt auf der
(Vstenoberfläche eine Verklebung der Fimbrienenden sich bilden.
Die Fimbrien werden durch Adhaesionen fixirt und allmählich
vollkommen verschlossen. Durch Druckatrophie kommt es dann
zu einer Verbindung zwischen Tubenlumen und Cyste; als denk¬
bar lässt er Gottschalk’s Theorie vom Hineinschlüpfen
gelten.
Wenn ich noch kurz einen von W a c h s m u t h beschriebenen
Fall einer unversehrten Tube, die nach Berstung einer Ovarial¬
cyste mit dem Fimbrienende in die Höhlung der Cyste hinein¬
geglitten war und hier angelöthet wurde, erwähne; einen Fall
von Bland L u 11 o n , vorgestellt von Trceborniu New-York,
von „Ovarialhydroeele“, „eine Form von Tubo-Ovarialcyste, wo¬
bei sich die ausgedehnte Tube in einen Sack des breiten Mutter¬
bandes öffnete“ (?) und eine Beobachtung von Zeddel, wobei
das Fimbrienende in eine anscheinend durch peritonitische Ver¬
wachsungen entstandene Cyste mündete — — so glaube
ich ziemlich vollständig die allmähliche
Entwicklung der Anschauungen über das Zu-
s t h ndekomm e n der, wie wir sahen, seltenen Gebilde der
Tubo-Ovarialcysten geschildert und besprochen zu
haben. Und ich glaube, auf dieser Kenntnis» fussend, meinen
Fall nun als jüngste Beobachtung in Bezug auf seine eigene
Genese, wie die der Tubo-Ovarialcysten über¬
haupt kritisch beleucht en zu dürfen und zu sollen.
□ igltlzed by GQOQIC
Wie ist unser Fall entstanden? Wie lässt unser Befund sich
in Uebereinstimmung bringen mit den früheren Theorien; welche
Deutung gibt er der Genese der besprochenen Verhältnisse?
Es fand eine Infection von aussen statt. Aller Wahrscheinlich¬
keit nach eine gonorrhoische. 1. Stadium: Salpingitis purulenta
(gonorrhoica). Aus dem abdominalen Ende der Tube quillt eitriges
Secret in die Umgebung derselben. Damit auch auf den Eier¬
stock. Die Tubenschleimhaut schwillt und quillt nach aussen.
Der Eiter und seine Erreger regen eine circumscripte Entzündung
an, ausserhalb der Tube: Peritonitische Attaque (bei
allen Fällen nachgewiesen). Es bildet sich eine Eiteransamm¬
lung, ein Abscess. Abscessmembranen, die die Aussenfläclie des
Ovariums, wo der Eiter hingelangte, und die Aussenfläclie der
Tube umkleiden. Die Tubenöffnung taucht in den Abscess. Ad¬
haesionen und Verwachsungen um die geschwellte Tube herum.
Verwachsung der Tube mit dem Ovarium; auch den anliegenden
Därmen, event. dem Netz, dem Bauchfell. Die Beschränkung der
physiologischen Tubenbewegung — Peristaltik — veranlasst sie,
ähnlich dem kranken Herzen, zur weiteren Hypertrophie, neben
der durch den entzündlichen Reiz bewirkten. Die Tube wird
stärker und dicker. Durch die Verwachsungen an der Aus¬
dehnung verhindert, muss sie sich durch vielfache Schlänge¬
lungen Platz suchen. Die Verwachsungen um das Ovarium
herum hindern auch dieses an zu starkem Wachsen nach aussen.
Dort, wo Follikel nach aussen platzen wollen, kann es verhindert
sein, wenn derselbe innerhalb der Adhaesionen zu liegen kommt.
Bei unserem Falle haben wir an der hinteren Wand des Ovariums
und des abdominalen Tubenendes den Eiter thatsächlich vor¬
gefunden.
Es reifen Follikel. Die Entleerung nach aussen ist
behindert. Die Wand ist zu straff und zu dick geworden. In
Folge dessen wird das Ovarialgewebe, wo es dem stärksten Druck
ausgesetzt, veröden, die Follikel schwinden. Siehe den, dem
Abscess nahegelegenen oberen Theil des Ovariums! Wo aber
noch ein Follikel Platz zur Ausdehnung hat, wächst er und da
seine Wand die physiologische Dünne in Folge der Entzündung
verloren hat, wird der normale Follikeldruck zum Sprengen
nicht genügen. Er wächst immer weiter. Es entsteht eine
Ovarialcyste, Follikelcyste, wenn man will. Nun also haben wir
eine Ovarialcyste, eingehüllt theilweise von straffen Verwach¬
sungen, theilweise mit einem Segment noch frei, mit dem sie sich
weiter ausdehnen kann.
An einer Stelle bildet die Cystenwand die innere Wand des
Abscesses. In diesen Abscess taucht von der anderen Seite die
Tubenöffnung, aus der noch immer Secret quillt und eine Ver¬
klebung verhindert. Diese starke Spannung von allen Seiten er¬
regt intensive, dauernde Schmerzen der Patientin. Die übrige
Wand der Abscesshöhle wird von Darm, Membranen etc. gebildet.
Die Darmadhaesionen hindern diesen an seiner Peristaltik: Be¬
schwerden beim Stuhlgang, Obstipationen in unserem wie in
allen Fällen, worauf schon Spencer Wells aufmerksam macht.
Der Follikel wächst, kommt unter immer stärkeren Druck
von innen, wie von aussen. Die Cyste strebt nach Entleerung.
Natürlich dorthin, wo sich der geringste Widerstand findet.
Andererseits wird der angesammelte Eiter einen Durchbruch
suchen; so kommen sich hier Abscessdruck und Cystendruck ent¬
gegen; die Cystenwand wird usurirt und wenn man nun die
Druckatrophie hinzunehmen will, ist das voraussichtliche
Ergehn iss ein Durchbruch der Cyste in die Ab¬
scesshöhle und u m g e k e h r t. Eiter und Cystensecret
mischen sich. In die nun gemeinsame Höhle taucht die offene
Tube. Der Eiter, sowie die erneute Secretion hindern die ge¬
platzte Cyste am Zusammenwachsen. Die Tubenöffnung flottirt
frei in der Flüssigkeit, offen gehalten durch ihre eigene Secre¬
tion; das offene Ovarium, offen gehalten durch dieselbe Ursache.
Was ist natürlicher, als dass sich die Ränder von Tube und Cyste
berühren, dass schliesslich bei wachsender Cystenhöhle die Fim¬
brien von der Cystenwand umfasst werden, in welche die Tube
hineingeschlüpft ist. Nun aber kommt die äussere serös«'
Tubenfläche mit den wunden Cystenrändern in Berührung und
beide verwachsen mit einander: die Tube ist umklammert von
der Cvstenöffnung, indem diese einen die Tube einfassenden
Ring bildet. Die Cystenhöhle wird nun wieder ausgedehnt,
deren eine Wand nun von der Tube gebildet wird: wir haben
eine T u b o - O v a r i a 1 c y s t e.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
294
No. 9‘
MÜNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Diese .strebt nach Entleerung. Die eitrige Secretion aus der
Tube hört mit der Zeit auf und macht einer serösen Platz, ähn-
lieli der Gonorrhoe beim Manne. Der Abseess hinter der Cyste
kann nun bestehen bleiben, oder der Eiter sieh mit der Zeit ein-
dieken.
Allmählich wird nun die entstandene Tubo-Övarialeyste ad
maximum gefüllt sein; natürlich unter sehr starken Schmerzen.
Da nunmehr eine Cominunieatiou der Cyste durch die offene
Tube hindurch nach aussen besteht, wird das der natürliche Weg
der Entleerung sein. Die starken Knickungen der Tube geben
einen starken Widerstand, der aber schliesslich doch überwunden
wird, zumal die physiologische, wenn auch beschränkte Bewegung
der Tube, peristaltisch zum Uterus, ihr zu statten kommt. So
war es bei uns. Die Möglichkeit dos Platzens in die Bauchhöhle
wäre auch gegeben, wenn wir diesen Vorgang auch klinisch nicht
beobachten konnten.
Diese Deutung ist völlig zwanglos und natürlich: Und das
Natürlichste ist stets das Wahrscheinlichste.
Wenn man s ä m in 11 i c h e Beobachtungen in der Literatur
im Original nachliest, so ist bei s ii m m t 1 i c h e n e i n e
v o r a u s g e g a n g e n e G o n o r r h o e m i t aller W a h r -
s c h e i n 1 i e h k e i t a n z u n e h m e n ; man hat sie als da¬
mals belanglos ausser Acht gelassen. Es wäre verlockend, die Fälle
hier in dieser Hinsicht einzeln durchzugehen, doch würde 1 es zu
viel Kaum beanspruchen. Wie sehr man die vorausgegangenen
E n t z ii n du n g e n aetiologiseh unterschätzt, zeigt ein Bericht
von L e g u e n - Paris, der 2 Tubo-Ovarialcysten operirte, „die
peritonitische Attacken, ähnlich wie bei Stieldrehungen der
Ovariencysten, hervorgerufen hatten“, was er eine Compli-
c a t i o n nennt. (Ileferirt Centralbl. f. Gyu. 1900, 1.)
Ziehen wir aus unserer Beobachtung die nothwendige Con-
sequeuz, so haben wir wieder die Gonorrhoe, wie bei so vielen
(h nitalerkrankungen des Weibes für das Zustandekommen des
Krankheitsbildes der Tubo-Ovarialcyste anzusprechen.
Zuerst erkrankt die Tube; gonorrhoisch. Diese gonor¬
rhoische Tubenerkrankung verursacht eine entzündliche Erkran¬
kung ausserhalb in dc*r Umgebung der Tube: des Ovarium, des
Beckenbauchfclls der bctreffoiulen Seite. Also p r i m ä r e E n t -
z ii n d u n g.
Die Entzündung des O v a r i u m und seiner Umgebung ver¬
anlasst u. a. eine c y s t ö s e E r k r a n k u n g desselben.
In eine solche Cyste schlüpft beim Platzen derselben die ad-
haerente Tube mit dem freien Fimbrienende hinein. Das Fim¬
brienende verklebt mit der serösen äusseren Fläche mit den ge¬
platzten (Vstenrändern ringförmig, so dass die Fimbrien inner¬
halb der Höhle noch flottiren. Späterhin können diese Fimbrien
bis zu ihrem freien End« 1 an der Innenwand der Cyste anwachsen.
Dann ist der Druck in der Cyste im Stande, auch den ab¬
dominalen Tlieil der Tube in grösserer oder kleinerer Länge aus-
zu<lehnen und ihn zur T u b o - O v a r i a 1 eysteubildung mit zu
verwert heil.
Es ist unzweifelhaft — durch unseren Fall nachgewiesen —
dass eine Entleerung dieses Ovarialeysteninhaltes nach aussen
durch die Tube und den Uterus stattfinden kann. Da das sieh
periodisch entleerende Seerot wohl in der Hauptsache nur mehr
O v a r i a 1 seerot ist, dürfte diese Secretion als ovariell e
richtig bezeichnet sein, wenn auch eine „tubo-ovarielle ilydror-
rhoe“ nicht ganz von der Hand zu weisen wäre.
Sicherlich findet diese o 'vari e 1 1 e H y d r o r r h o e öfter
statt, als inan bisher annahm und annehmen konnte. Es wäre
erfreulich, wenn mit den hier mitgetheiltcn Beobachtungen und
Erwägungen ein Anfang gemacht würde, das ganze wenig be¬
kannte Gebiet vom „A u s f 1 u s # der Frau wissenschaftlich zu
gliedern. Und es wäre eine dankbare Aufgabe, nach strengerer
wissenschaftlicher Differencirung der Herkunft des Ausflusses,
eine differentiellere und strengere Therapie 1 desselben herbeizu-
lührcn. Denn sicherlich ist die gewöhnlichste Klage der unter-
leibskrankon Frau der „Ausfluss“; dieser aber ist nur ein Sym¬
ptom der mannigfaltigsten Genitalerkrankungen. Es ist ferner
sicher, dass unsere Therapie gegen den „Ausfluss“ bis heute eben¬
so summarisch und so oft erfolglos ist, wie die Erkenntniss der
(len esc desselben. Und es ist sicher, dass mit der Erkenntniss
der Provenienz des Ausflusses und mit wissenschaftlicher Zer¬
gliederung desselben auch unser therapeutisches Handeln und
Können wachsen wird. Und das soll doch der Endzweck bei all’
unseren tlieorethjid^en Kaisonnemcnts sein: Aus der, wenn auch
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mühsamen, Erkenntniss des Ursprunges der Leiden ein helfender
Arzt gegen dieselben zu sein!
Literatur.
Blasius: Cominentatio de hydrope ovar. proti. Halle
1834. — Sachse: Medic. Beobachter Bd. II, S. 207. 1839. —
Iv 1 o b : Patkol. Aimt. der weibl. Sexualorgane. S. 348. — Roki¬
tansky : Handbuch der path. Anat. und Zeitsehr. der Gesellsch.
der Aerzte. Wien 1855. — Kleba: üandbuch d. path. Anat. —
II e n n i g : Moiiatssclir. f. Geburtskunde. 18152. — Hilde b r a n d:
Die neue gyn. Univ.-Klinik zu Königsberg. 1875. — Franken -
li ä u s e r und II a u s m nnn: Ueber Retentiousgesohwülstc in
den weiblichen Genitalien. Zürich 187(5. — Scanzoni: Lehrbuch
IV. Aufl. 18(57. — Veit: Krauklieiten der weiblichen Geselilechts-
organe. Erlangen 18(57. — West: Lehrbuch der Frauenkrank¬
heiten. Güttingen 187b. — Spencer Wells: Lehrlmch der Krank¬
heiten der Eierstöekc. S. 28. 1874. — Anderson: Ibidem. —
Burnier: Zeitsehr. f. Geburtsh. u. Gyn. V, S. 357 mul VI.
S. 87. 1880. — Wachsinuth: Diss. Halle 1885. — Runge und
Thoma: Areh. f. Gyn. 1885. — Olsliauseu: Die
Krankheiten der Ovarien aus Billroth’s Handbuch. 2. Aufl.
u. ff. 188(5. — Sch r a m m und Neelseu : Areh. f. Gyn. Bd. 39.
I. 1890. — Zweifel: Verhandl. der Gesellseh. f. Geburtshilfe
Leipzig. 1890. — Tisch endorf: Ibidem. — Gottschalk:
Gesellsch. f. Geburtsh. u. Gyn. Berliu. Februar und März 1891. —
L andnu: Areh. f. Gyn. 1891. — Rosthorn : Beitr. zur Cliir.
Festschrift für B i 11 r ot li 1892. — Blaml L u 11. o u : Verliandl.
d. Gesellsch. f. Gyn. New-York 1895. — Ziegen speck: An¬
leitung zur Massage. 1895. — Z a h n : Vircli. Areh. 151. 1898. -
Orth mann: Zeitschr. f. Geburtsh., Februar 1899.
Entgegnung auf die „kritischen Bemerkungen“ der
Herren Dr. Spiegel und Peritz in No. 7 dieser
Wochenschrift.
Von Privatdocont Dr. R o s i n in Berlin.
ln No. 7 der Münch, med. Wochenschr. d. J. bemühen sich
Herr Dr. Spiegel und Herr Dr. Peritz, die von mir kürzlich
empfohlene quantitative Methode zur Bestimmung der Reductions-
krnfl des Harns und anderer Gewebsflüssigkeiten mittels Methylen¬
blau, welches für das Blutserum zu ähnlichem Zwecke bereits von
W i 1 1 i a m s o n erfolgreich eingeführt worden ist, zu disereditiren.
und zwar vorzeitig, denn ich habe die eigentliche Ausführung d«*r
Methode, die Feststellung der Grenzen ihrer Anwendung, der Sub¬
stanzen, welche die Reaetiou hervorrufen. der Abweichungen von
der Norm in pathologischen Fällen in meiner ersten Mittheilung
noch gar nicht angegeben, sondern erst angekündigt. Mit der
Untersuchung dieser Verhältnisse soeben beschäftigt, würde ich
daher die übrigens in einem durch nichts berechtigten hoehfahren-
den Tone gehaltenen Bemerkungen der Herren gänzlich unberück¬
sichtigt lassen, da sie sachlich in meinen weiteren, angekiindigton
Untersuchungen eine genügende Widerlegung finden werden, wenn
ich nicht fürchten müsste, dass ein völliges Schweigen meinerseits
besonders von Denen falsch gedeutet werden könnte, die in den
Gegenstand nicht eingeweiht sind. Ich begnüge mich aller vor¬
läufig mit der Erklärung, dass die Angriffe der Herren Sp. und P.
tiieils auf Missverständnissen, tiieils auf unberechtigten Anfor¬
derungen an die Methode gegründet sind, und bin im Uebrigen weit
entfernt, in Form einer Polemik diejenigen weiteren Thatsaehen
i'lederzulegen, durch welche ich den physiologischen Werth, die
Grenzen und die klinische Bedeutung der Methode erst be¬
gründen will.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Schulärzte.
Durch eine Berathimg im Bezirkslehrerverein München, die
vorerst resultatlos blieb, aber immerhin eine günstige Stimmung
der Lehrerkreise erkennen Hess, sowie durch einen Beschluss des
hiesigen Aerztliehen Bezirksvereins vom 20. Juni 1899, der mit
allen gegen (5 Stimmen sieh für Einführung der Schulärzte aus¬
sprach, ist die Sehularztfrage für München angeregt worden. Von
verschiedenen Seiten sind in der politischen Presse Aeusserungen
hiezu erfolgt, vor wenigen Tagen (M. N. N. No. 78) auch seitens
des prakt. Arztes Herrn Dr. Hugo Sternfeld, der in der da¬
maligen Sitzung des Aerztliehen Bezirk svereins sieh gegen die Ein¬
führung ausgesprochen hatte. Als Referent der damaligen Ver¬
sammlung. und weil ich in der Pressäusserung des Herrn Dr.
S t e r n f e 1 d namentlich genannt bin, bin ich veranlasst, zu
derselben Stellung zu nehmen. Was Herrn Dr. S t e r n f e 1 d
nöth'igte. sich mit seinen Anschauungen an die politische Press«*
zu wenden, habe ich nicht zu untersuchen: es ist indess schwer zu
verstehen, wie das objeetive Interesse eines Arztes an der Ver¬
hinderung einer von den Standes Vertretungen der deutschen Aerzti*
wie der Aerzte Münchens nilgestrebten Institution so stark sein
kann, dass es deu ungewöhnlichen Schritt rechtfertigen könnte,
den Herr Dr. St e r n f e 1 d gethan hat, indem er einen Beschluss
seines Standesvereins, bei dessen Beratliung er zufällig in der
Minorität geblieben ist, nunmehr nachträglich in der öffentlichen
Press« 1 bekämpft.
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
MÜNCHENER MKniUINISUHK WOUHENSOHRII-T.
295
Was den Inhalt der Ausführungen des Herrn Dr. Sternfeld
betrifft, so erheischt derselbe in verschiedenen Punkten eine Er¬
widerung.
Es ist vor Allem eine unenviesene Behauptung, dass in ärzt¬
lichen Kreisen die Ansicht über die Nothwendigkeit der Schul¬
ärzte ebensosehr wie in denen der Lehrer getheilt sind.
Was Deutschland betrifft, so hat der Deutsche Aerztetag ein¬
stimmig erklärt, dass die bisherigen Erfahrungen die Ein¬
setzung von Schulärzten allgemein als dringend erforderlich er¬
scheinen lassen, und der ärztliche Bezirksverein München, der
über die Münchener Verhältnisse ein coinpelentes 1’rtlieil haben
dürfte, hat mit allen gegen <i Stimmen die Einführung derselben
auch für München als uothwendig erklärt. Im Pebrigen hat in den
letzten Jahren wohl die gesammte medicinische Fachpresse Bei¬
träge und Meinungsäusserungen aus ärztlichen Kreisen gebracht,
aus denen nicht zu entnehmen ist, dass irgendwie nennenswerthe
Meinungsverschiedenheiten über die Xothwendigkeit der Schul¬
ärzte innerhalb der ärztlichen Welt bestehen.
Warum nun, wie Herr Dr. Stern feld meint, gerade München
einer gesonderten Beurtheilung bedürfen soll, ist nicht erfindlich.
Auch andere Städte besitzen gute und gesunde Sehulhäuser, hüben
aber die Schulärzte doch eingeführt; mit der Einführung derselben
aber — wie Herr Dr. Sternfeld will — zu warten, bis sich un¬
günstige Gesundheitsverhältnisse an unseren Volksschulen heraus¬
gestellt haben, scheint doch ein etwas uuzweckmiissiger Vorschlag.
Wollte man so handeln, so würde mau zweifelsohne gegen die
Grundregeln der Hygiene verstosseu, die ihre vornehmste Aufgabe
darin erkennt, Uesuudheitsschüdiguugen zu v e r li ii t e n. Wenn
wir in München das Glück haben, eine grosse Anzahl muster-
giltiger Schulhäuser zu besitzen, so bietet diese Thatsaehe be¬
kanntlich noch keine absolute Gewähr dafür, dass durch den
Schulbetrieb selbst, durch mangelhafte Reinlichkeit, unrichtige Be¬
handlung der Ventilations-, Heizungsvorrichtungen u. s. w. den
Kindern nicht doch Schaden erwachsen kann. Fml Klagen aus
Lehrerkreisen selbst bestätigen uns, dass auch hier solche Febel-
stände da und dort bestehen. Unsere heutigen Schulhäuser sind
zu riesenhaften Verhältnissen herangewachsen; sie enthalten eine
Menge hygienisch-technischer Vorrichtungen ,die, wenn sie Be¬
deutung haben sollen, auch ordentlich functioniren müssen; sie be¬
herbergen viele Stunden des Tages Tausende von Kindern; gar
oft treten, wie uns aus Lehrerkreisen versichert wird und wie
auswärtige Berichte über bestehende Schularzteiuriclituugen dur-
tliun, an den Lehrer Fragen heran, die er durch den Arzt sich be¬
antworten zu lassen das Bedürfnis» hat — ist es zu viel, wenn mau
fordert, dass der Riesenorgauismus des modernen städtischen
Schulhausos — wie jeder andere Betrieb ähnlicher Art — auch
nach der liyieuischen Seite hin unter ständige fachmännische Auf¬
sicht gestellt, wird? Und gegen eine solch* natürliche Forderung
ruft ein Münchener Arzt die Lehrer, die Eltern auf?
Nun sagt Herr Dr. Sternfeld freilich, dass der Forderung
«ler hygienischen Ueberwachung der Schulen in Bayern bereits
dadurch Rechnung getragen sei, dass dem k. Bezirksarzte die Be¬
aufsichtigung der Schule und der Schulkinder in hygienischer Be¬
ziehung obliegt. Aber er unterlässt, hinzuzufügen, was jedem Arzt
bekannt, dass es den Bezirksärzten bei den in’s Uebergrosse ge¬
wachsenen Verhältnissen der städtischen Schulen gänzlich un¬
möglich geworden ist, diese Ueberwachung in genügender Weise
zu bethatigen. Die einschlägigen Verordnungen datiren aus den
Jahren 1S<‘>7 und 1875; was damals möglich war, ist es heute nicht
mehr; die erforderliche intime Fühlung des Arztes mit der Schule,
die dabei zu leistende regelmässige Detailarbeit, erfordert be¬
sondere ärztliche Kräfte, welche nicht ganz unabhängig, sondern
im Ein vernehmen mit dem k. Bezirksarzte ihres Amtes walten
sollen.
Dass die Schulärzte als solche nichts mit der ärztlichen Be¬
handlung erkrankter Schulkinder zu thun haben sollen, versteht
sich von selbst. Jeder Kenner der Verhältnisse weiss, dass eine
derart ige Tliätigkeit dem Wesen der Schularztinstitution vollkommen
fnund ist und dieselbe nur schädigen könnte; überdies hatte ich
in meinem Referate au dem Beispiel von Wiesbaden, Leipzig,
Frankfurt, Königsberg u. a. gezeigt, dass in dieser Beziehung die
(’oinpetenzen der Schulärzte überall auf’s Bestimmteste abgegrenzt
sind. Wenn trotzdem — wie auch iu den Thesen des Herrn Dr.
S t e r n f e 1 d — immer wieder dieses Bedenken auftaucht, so
scheint mau annelimen zu müssen, dass die ganz unbegründete
Furcht vor Schädigung der Privatpraxis durch die Schulärzte
noch immer nicht ganz beseitigt ist.
Noch einen Punkt in den Ausführungen des Herrn Dr.
Sternfeld, kann ich nicht unterlassen zu berühren.
Dr. Thicrsch- Leipzig hatte sich als Referent auf dem Aerzte-
tage zu Eisenach 1897 gegen gewisse von anderer Seite geäusserte,
nach seiner Meinung zu weit gehende Wünsche hinsichtlich der
für die Schulärzte zu fordernden Competenzen ausgesprochen
und gesagt: „Die Einsetzung derartiger Schulärzte hat zur
Voraussetzung, dass die Schule ein durch und durch kranker
Organismus ist, krank nicht nur äusserlich, sondern auch bezüg¬
lich der Unterrichtsmethode. Man würde sonst eine derartige
Ueberwacliuug nicht fordern.“
Diesen Satz von Thier sch nimmt Herr Dr. Sternfeld
aus seinem Zusammenhang und setzt ihn, offenbar um seine
eigenen Ausführungen zu bekräftigen, an das Ende derselben.
Jeder mit der Sachlage nicht Vertraute muss dadurch zu der ganz
irrigen Anschauung gelangen, dass Thlersch als Referent auf
dem Aerztetag sich gegen die Schulärzte ausgesprochen habe.
Den Lesern der Münch, med. Woehenschr. gegenüber ist es indes»
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kaum nöthig, auf das — Unrichtige in der Sternfeld-
schen Darstellung aufmerksam zu machen, denn sie kennen
T li i e r s e li als einen warmen und überzeugten Verfechter der
Schulärzte.
Es besteht kein Zweifel, «lass die grosse Bedeutung der Schul¬
ärzte für das allgemeine Wohl heilte noch von Manchen untm-
»«•hätzt. und «lie Aufgabe, «lie den Sehulärzten zufallen soll, nicht
richtig verstumhn wird. Nur so siml manche gegnerische Aeusse-
rungen «oklärlicli. Weit «uv Erörterungen in Wort lind Schrift,
insbesondere in di n zur Lösung «ler Frage berufenen Körperschaften,
werden nicht verfehlen können. Aufklärung zu schaffen. Die That-
sache. dass in den Reihen der Gegner auch Aerzte zu finden siml.
ist ja nicht erfmdieh, aber auch sie wird nicht vermögen, di« 4
Sebularztinsiitution. «lie so viel innere Berechtigung besitzt und
in so hohem Grad« 4 «lie physische Hchiuig des Volkes zu fönho’n
berufen ist. in unserer guten Stadt München auf die Dauer iii«‘«ler-
zuhnlr<»ii. Dr. August W e i s s.
Ein kleiner Beitrag zur „Bekämpfung der Cur-
pfuscherei“.
Von Dr. Bl e n e k o in Magdeburg.
In Xo. 7 «lii'ser geschützten Zeitschrift timlet sich in dem Auf¬
satz des Herrn llofruth Dr. Brauser „Aus den preussischen
Aerztekainmern" uni er anderem auch die kurze Notiz, «lass von
einer Kammer «li«* Forderung gestellt sei, dass PfiiKclicraunonccn
in «ler Press«» zu verbieten seien, ln der Thal eine gerechte For¬
derung. die aber wohl noch lang« 4 nicht erfüllt werden wird. Wir
sind eben in diesem Punkt« 4 leider uoch nicht so w’eit, wie
unsere österreichischen Bundesgenossen. Heisst es doch in «l«*m
Wiener Brief vom 29. De«*eniber 1899 in dieser Zeitschrift, «lass mit
allen gesetzlichen Mitteln alle Uurpfuscheriiiserate in den poli¬
tischen Zeitungen Wiens unterdrückt würden. Ja, < 4 s wuirden s«»-
gar einige Tagcshliltter contiscirt uml die (’ontiseation seitens des
k. k. Laudg«‘riehts bestätigt mit der Motivirung, dass die bewussten
Inserate der (’urpfuselierei Vorschub leisteten. Wenn wir nun auch
noch lange darauf warten können, bis wir derartige Annoncen uml
Reelameartikel aus der Tag« 4 spresse verschwinden sehen, so sollten
wir dennoch nicht die Hämle ruhig iu den Schoos» legen, sondern
wir sollten wenigstens einstweilen an der Stelle zu arbeiten Un¬
fällen, wo es uns Aerzten möglich ist, zu arbeiten; ich meine näm¬
lich, dass wir mit allen Mitteln darauf hinwirken, dass derartig« 4
Inserate, in «lenen Xichtiirzte «lie schönsten Dinge betreffs der Hei¬
lung von Krankheiten und Gebrechen versprechen, zum mindesten
aus der medicinischeu Fachliteratur verschwänden. Wie komisch
muss es doch wirken, wenn in medicinischeu Zeitungen, die doch
die Interessen der Aerzte vertreten, oder in Mediciualkalemlern
oder anderswo lange Inserate vou Nichtärzten, also voll Pfuschern
zu linden sind, von denen es dem einen beispielsweise gelingt,
„ohne Operation“, „ohne Bettruhe“ „die Heilung auch der schwer¬
sten und eingreifendsten körperlichen Missbildung herbeizuführen“
oder „in allzu arg vernachlässigten Fällen wenigstens ganz be¬
deutende Besserung zu erzielen“. Das ist einfach nicht wahr uml
nicht möglich, «leim wir alle wissen ja, ein wie grosser Theil der
Deformitäten ohne Operation und nur mit Apparaten nicht geheilt
werden kann, mögen die Gummizüge oder die federnden Stahl:
Stangen auch noch so gut und noch so lauge wirken. Ich erinnere
uur an die wahren Ankylosen, die wir nur beseitigen können, wenn
wir «len Knochen direct angreifen, i«-li erinnere ferner au «len Wider¬
stand der Adduetoren bei alten Hüftgelenkscontracturen, an den
Widerstand der Achillessehne bei einem alt« 4 ii Spitzfuss. an den
Widerstund des Sternocleidomastohleus beim Schief hals; alle diese
Widerstände können wir nur durch «las Messer überwinden.
Ein Zweiter empfiehlt sein Sanatorium, in dem „Schwüche-
zustünde und alle Folgen der Quecksilberbehandlung“ und vieles
andere noch mehr beseitigt wird. Am Schlüsse dieses Inserates
sieht allerdings noch die kurze Bemerkung „Arzt und Aerztin in der
Anstalt“. Aber was haben wir denn von solchen „Collegen“ zu
halten, die von der Universität geprüft und vom Staate autorislrt
sind und sieh dennoch nicht scheuen, sich einem „Naturheil¬
kundigen“ zu unterstellen! Sie sind ja nur Strohmänner uml
müssen das, was ihnen vou einem Nichtarzt vorgeschrieben wird,
einfach ausführen.
Demnach dürfte es wohl dringend zu wünschen sein, dass die
Herausgeber derartiger Zeitungen bezw. Bücher auch dem Inse¬
in tentheil eine grössere Beachtung schenken und mehr als bisher
darauf hinwirken möchten, dass hinfort derartige Inserat« 4 aus don
Spalten der Fachliteratur verschwänden.
Referate und Bücheranzeigen.
H. lenhartz: Erysipelas (Kose, Bothlauf) and Ery-
sipeloid. III. Band, 3. Theil der specieilen Pathologie und
Therapie. Ilerausgegeben von Nothnagel. Wien 1899.
Verlag von Alfred H ö 1 d e r. Einzelpreis 3 M., für Abonnenten
2.50 M. 104 S.
Verfasser bestimmt den Krankheitsbegriff des Erysipels
folgendermaassen: „Als Erysipel betrachten wir eine acut ein-
setzendo, fieberhafte Infectionskrankheit, die durch eine eigen¬
artige, stets scharf umschriebene, aber zu rascher flächenhafter
Ausbreitung neigende, entzündliche Köt.hung und Schwellung
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 9.
206
MÜNCHENER MEDICTXISCHE WOCHE N SCH RITT.
der äusseren Haut oder der den natürlichen Körperöffnungen
nahegolegenen Schleimhäute eharakterisirt ist, durch das Ein¬
dringen eines wohlbekannten 'Mikroorganismus in die verletzte
Haut erregt wird und in der Hegel nach einer bestimmten Dauer
von selbst aufhört, ohne irgend welche Veränderungen der Häute 4
zu hintrrlassen, während in selteneren Fällen ernsten» Erkrank¬
ungen dt 4 r Haut oder innerer Organe folgen können.“
Es folgen 1Bemerkungen zur Geschichte des Erysipels, wobei
besonders der Forschungen Fehlei sen’s gedacht wird, welche
die Aetiologie aufgedeckt haben, ferner über das epidemische Auf¬
treten des Erysipels in Krankenhäusern,Wohnungen, Ortschaften
und Ländern, über den Einfluss von Klima, Jahreszeit und Boden.
In der „Aetiologic“ heisst es: „Der Satz, dass das Erysipel unter
allen Umständen und Erscheinungsformen stets nur durch den
Streptococcus hervorgebracht wird, ist unanfechtbar.“ Der
Streptococcus des Erysipels ist identisch mit dem Streptococcus
pyogenes. Der Beweis für die Identität ist von Petrus c h k y
erbracht worden: Streptococcen, die von nichterysipelatüsen
Krankheitsherden des Menschen stammten, erzeugten bei der
Uebertragung auf einen anderen Menschen Erysipel. Der Strepto¬
coccus kann nicht nur das Erysipel und die von ihm abhängigen
inneren Eiterungen, sondern auch die primären Eiterungen er¬
regen, mögen sie ein echtes Erysipel im Gefolge haben oder nicht;
ein gleiches Verhältnis» besteht zwischen dem Puerperalfieber
und dem bei ihm auftretenden Ery sipolas; endlich wird auch die
allgemeine Sepsis, die glücklicherweise nur sehr selten dem Ery-
sipelas folgt oder von einem sekundären, aber (»eilten Rothlauf
begleitet ist, durch den gleichartigen Streptococcus erregt. Die
Bedingungen, die im Einzelfall das Bild beherrschen, sind für
uns nicht durchsichtig. Der Streptococcus ist der alleinige
Erreger des Erysipels.
Die „Pathologie“ wird eingeleitet mit dem Abschnitt:
Incubationsdauer bei experimenteller Uebertragung und spon¬
tanem Auftreten; es folgt „Krankheitsbeginn und Verlauf“. Die
Symptome an den einzelnen Organen werden eingehend geschil¬
dert. Besonders betont der Verf., dass die Lymphadenitis zu den
regelmässigsten klinischen Erscheinungen des Erysipels gehört,
eine Thatsache, die nicht genügend beachtet wird. Den Fieber¬
verlauf veranschaulichen mehrere Curven. Jede Rose ist von
Fieber begleitet, das gelegentlich gering und rasch vorüber¬
gehend ist. Diese im Gegensatz zu anderen Autoren stehende
Ansicht erklärt Verf. dadurch, dass nur bei 2—3 stündlicher
Aftennessung ein genaues ürtheil über den Gang der Temperatur
möglich ist und dass solche Messungen meist nicht gemacht
jverden.
„Ueber Rückfälle und Recidive des Erysipels und habi¬
tuelles Erysipel“, „Das Erysipel der Säuglinge und Kinder“,
„Das Erysipel als Complication bei anderen Krankheiten oder
nach Ablauf derselben“ lauten die nächsten Capitel.
Sehr interessant sind die Beziehungen zwischen Scharlach
und Erysipel. Verf. theilt vier F'älle mit, in denen er das Zu¬
sammentreffen beider Krankheiten beobachtet hat. Manche Be¬
obachtungen sprechen zu Gunsten der Hypothese, dass Erysipel,
Puerperalfieber und Scharlach durch gleichartige Mikrobien er¬
zeugt werden. Die Erfahrung, dass bisher nur selteu bei un-
complicirtem Scharlach Streptococcen nachgewiesen wurden,
spricht dagegen. Die Beziehungen zwischen den drei Krankheiten
erfordern noch ein fortgesetztes eingehendes Studium. Einst¬
weilen scheint dem Verf. die Auffassung noch mehr gestützt, die
den Streptococcen beim Scharlach eine seeundäre Rolle als Er¬
reger derComplieationen bezw.derDeuteroinfectionen zuschreibt.
Jedenfalls kann cs keinem Zweifel unterliegen, dass wir in allen
Fällen von septischem Scharlach Streptococcen begegnen.
Es schliessen sich an die Abschnitte: Diagnose, pathologisch-
anatomischer Befund (mit 2 Abbildungen), Prognose und Mor¬
talität (zwischen 0,85 und 11 Proc.), Prophylaxis, Behandlung.
Hier wird bei dem Mangel zuverlässiger Mittel empfohlen, die
entzündeten Stellen öfter am Tage mit reiner Vaseline oder Bor¬
vaseline zu bedecken oder gekühlte Umschläge von Bor-, dünnem
Salicyl- oder Bleiwasser anzuwenden. Bei hohem Fieber kommen
laue Bäder (24—26 0 R.) in Betracht, bei Herzschwäche Digi¬
talis oder Digitoxin (M e r c k), 14 mg drei- bis viermal täglich,
zwei Tage nach einander, dann einen Tag Pause. Das Präparat
verdient nach der ausgedehnten Erfahrung von L. weitere An¬
wendung. Von dem Autist reptoooccenserum (M armorek)
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rätli L. unter Anführung von zwei Krankengeschichten durch¬
aus ab.
Ein Anhang enthält Ausführungen über die Heilwirkungen
des spontanen oder willkürlich hervorgerufenen Rothlaufs (Ery¬
sipele salutaire). Manche Geschwülste (Sarkome, Caroinome)
sind durch den Rothlauf zum Verschwinden gebracht worden.
Die Erfolgt» sind jedoch spärlich und unsicher; immerhin ist
gegen diese Heilbestrebungen nichts einzuweuden, da es sieh ja
stets um sonst \crlorene Fälle handelt.
Das Literaturverzeichnis» umfasst 113 Arbeiten. Den Schluss
bildet der Abschnitt Erysipeloid (zoonotisches [Finger-] Erysi-
peloid, R o s e n b a c h). Es handelt sich um eine rothhmf-
äbnlielie, unschuldige Erkrankung der Finger bei Leuten, die
mit Fleisch, Wild, Geflügel und Austern, mit Käse, Häringen
u. dergl. zu tiiuii haben. Kein Fieber. Allgemeinbefinden gut.
Prognose sehr günstig. Recidive sind nicht beobachtet. Ver¬
wechslungen mit Erysipel sind kaum möglich bei Kenntniss der
angeführten Zeichen. Manche im Gesicht localisirte für Ery¬
sipel gehaltene fieherlose Fälle gehören sicher in die Gruppe des
Er.vsipeloids.
Im Vorstehenden war es nur möglich, die Grundsätze der
I. (» n h a r t /'sehen Arbeit in Kürze auzuführen. Die Einzel¬
heiten sind eingehendem Studium des Originals Vorbehalten.
Das Buch ist geschrieben aus einer sehr reichen, kritischen Er¬
fahrung, welche uns überall begegnet und den Ansichten des Verf.
zur sicheren Stütze dient. Wir finden den jetzigen Stand unserer
Kenntnisse über das Erysipel in einer hervorragenden Weise be¬
arbeitet. Das Werk nimmt, eine würdige Stelle in der N o t li -
n a g e 1 Vehen Pathologie und Therapie ein.
W. Zinn- Berlin.
E. Kirmisson: Lehrbuch der chirurgischen Krank¬
heiten angeborenen Ursprungs. Autorisirte Uebersetzung von
C. Dentschländer. Mit 312 Abbildungen. Stuttgart
(F. E n k e) 1899. Preis 15 M.
Das Buch des bekannten Pariser Orthopäden, welches nicht
nur die eigentlichen orthopädischen, sondern alle chirurgischen
Leiden angeborenen Ursprungs behandelt, wie z. B. die Spina
bifida, die Hasenscharte, die Halsfisteln, die angeborene Hüft¬
verrenkung u. a. wird sich in der vorliegenden Uebersetzung
zahlreiche Freunde in Deutschland erwerben.
Es ermöglicht eine leichte und schnelle Orientirung in den
meist sehr verwickelten Fragen der angeborenen Fehler, da jedem
Abschnitte eine klare Darstellung der embryologischen Verhält¬
nisse vorausgesehiekt und die Literatur aller Länder eingehend
berücksichtigt ist, und es bringt eine grosse Anzahl von werth-
vollen casuistischen Mittheilungen aus der Kirmisso n’schen
Klinik. Eine ganz hervorragende Bedeutung erhält da 9 Werk
durch die klare und entschiedene Weise, in welcher der Verfasser
Stellung zu den einzelnen Streitfragen nimmt und es ist sicher
für jeden Fachmann von grösstem Interesse, in Fragen, welche
die Gegenwart so lebhaft beschäftigen — wie z. B. die Behandlung
der angeborenen Hüftverrenkung u. a. — die Ansichten des viel-
erfahrenen Chirurgen kennen zu lernen.
F. Lange- München.
Festschrift zur Feier des 50 jährigen Bestehens der
physikalisch - medicinischen Gesellschaft zu Würzburg. Ver¬
lag von A. Stüber (C. K a b i t z s c h) in Würzburg. Preis
15 Mark.
Von dieser Gesellschaft ist eine Festschrift herausgegeben
worden, die als reich und vornehm ausgestatteter, starker Band
äusserlich sich präsentirt. Ihr Inhalt ist, entsprechend der Zu¬
sammensetzung der Gesellschaft, welche ja Mediciner und Natur¬
forscher zu gemeinsamer Arbeit im weiten Felde der Wissenschaft
in sich vereinigt, ungemein reichhaltig und vielseitig, wie die
nachfolgende Inhaltsangabe erkennen lässt, dabei wissenschaft¬
lich bedeutungsvoll und ein hervorragendes Zeugniss für die
Intensität des geistigen Lebens in der Würzburger Gesellschaft.
Die Medicin hat den Löwenantheil beigesteuert und da uns diese
Arbeiten in erster Linie interessiren, so seien sie zuerst erwähnt:
1. L. B a c h beschreibt einen Fall gutartiger Iritis nach Angina
phlegmonosa. 2. M. B o r s t bringt eine ausführliche Studie über
die congenitalen cystösen Neubildungen der Nieren und Leber.
3. A. Dehler: Beitrag zur operativen Behandlung des Hydro-
cephalus chron. ventriculorum. 4. A. Dieudonne: Ueber
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
297
«lie Vererbung der Agglutinine bei cliolera-immiinisirteii Meer¬
schweinchen. Eine solche Vererbung besteht lind zwar in um so
höherem Maasse, je hochgradiger die Eltern immunisirt sind.
5. Untersuchungen und Erörterungen zur Cervixfrage von
(). v. Franque (mit einem instructiven Utorussagittalschnitt).
6. A. Gürber bespricht die Frage: Wie beeinflusst die Ver¬
dauung' das Drehungsvermögen eim*r Eiweisslösung? wobei er
be»sonders die oft unterschätzte Bedeutung der Pepsinverdauung
hervorhebt. 7. A. H o f f a bringt einen durch 5 Tafeln illu-
strirten Beitrag über die Osteotomie bei der Behandlung der
Ilüftgelenksdeformitäten mit ausführlicher Casuistik. 8. M. llof-
meier bespricht Befunde von Placenta praevia in der Tube (wie
der Artikel von Borst mit technisch wohlgelungenen Präparat¬
abbildungen ausgestattet). 9. A. K ö 11 i k e r publicirt neue
Beobachtungen zur Anatomie des Chiasma opticum, die er aus
der Anwendung der W eiger t’schen und G o 1 g i’schen Methode
bei Embryonen gewann. Nach diesen neuen Untersuchungen
(sehr schöne Abbildungen) kann K. auch für den Menschen un¬
möglich eine grössere Zahl von sich kreuzenden Fasern im
Chiasma opt. annehmen. 10. W. v. L e u b e berichtet über seine
Versuche, durch Anregung einer stärkeren Salivation zu medi-
cinisch-therapeutischen Zwecken (Ptvalise), welche er durch
energisches Kauen von Gummikautabletten erzielte, die Auf¬
saugung von Transsudaten und Exsudaten zu ermöglichen. Die
mitgetheilten Erfolge sind zum Theil überraschend günstige.
11. v. Michel veröffentlicht Beiträge zur Onkologie des Auges
(mit 2 Tafeln). 12. E. Kindfleisch schildert einen Fall
von Dysplasia foetalis universalis (mit Zeichnungen). 13. O. Ro¬
st o s k i : Zur Pathologie deft Muskelrheumatismus. 14. J.So-
b o 11 a : Ueber die Bedeutung der mitotischen Figuren in den
Eierstockseiern der Säugethiere (mit 1 Tafel). 15. Ph. S t ö h r :
Ueber Rückbildung von Duodenaldrüsen (mit einer Tafel).
16. L. W. Weber berichtet über Einrichtung und Arbeitsergeb¬
nisse des anatomischen Laboratoriums der Landes-Hql- und
Pflegeanstalt Uchtspringe.
An anderweitigen Arbeiten bringt die Festschrift noch:
Von G. Kraus : Nord und Süd im Jahrring; II. Stadel-
mann: Beitrag zur Theorie der geometrisch-optischen Täusch¬
ungen, mit interessanten psycho-physiologischen Versuchen.
Möge der Geist ernster wissenschaftlicher Forschung der
physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzburg jederzeit
treu bleiben! Dr. Grassmann - München.
Aerztliche Berichte ans Heilstätten für Lungenkranke:
Jahresbericht des Vereines Heilanstalt Alland für
das Jahr 1898. Wien, Verlag des Vereins, 1899. Mit Bildern und
Pliinen. 95 p.
Einleitender Bericht über die wediselvollen Schicksale des
Projeetes einer Volksheilstiitte bei Wien, das v. Schrotte r
1.883 zuerst anregte, über die Geschichte des Vereins und Baues
der Anstalt, die Anfangs 1898 bezogen wurde.
Aerztlieher Bericht des Directors A. K. v. W e i s m a y r : Auf-
genommeu 108 Kranke, entlassen 49, davon 30 anscheinend geheilt
(»der wesentlich gebessert. Die Patienten arbeiten zum Theil. Vor¬
träge iil>or Hygiene werden von den AustaUsiirzten gehalten.
Nun folgt die genaue Beschreibung und Illustrirung der
inustergiltigen Anstalt. Hieraus nur einige Details. Grund
70.405 iia. 108 Betten: 3 Stockwerke 1 mit je 4 y 8 -f- 2 X - Betten,
Luftknlnis 40 bezw. 45 cbm. 3 Tagesräume. Liegestühle mit ver¬
stellbarem Kopftlieil. Histologisches, chemisches und hacterio-
logisches Iaiboratorium mit eigener Gasaplage. Die Baukosten
erscheinen verliUltuissmässig niedrig: 581000 ti. (allerdings zum
Theil ohne Inventar). Die Mittel des Vereins sind ausserordentlich
reich. Der Verpflegungssatz betrügt 1 bezw. 2.50 fl. p. d.
Von Interesse sind noch die Broschüre und das Plakat von
v. Weisma y r, die in 300 000 bezw. 80 000 Exemplaren verbreitet
wurden.
Die Volksheilstätte des Kreises Altena bei Lüden¬
scheid. Mitt hei hingen des Vorsitzenden des Kreisausschusses.
Coinm.-Verl. P. Dalichow, Lüdenscheid. 1899. Mit Bildern
und Plilnen. VIII. 90 p.
Die Volksheilstätte, für männliche Brustkranke, ist die erste,
welche von einem preussisehen Coimminalverbände erbaut wurde.
Sie wurde am 1. VIII. 1898 eröffnet., kann 100 Krankt* auf nehmen
<:> Zimmer mit 8 Betten, 2 mit 7 etc.) und umfasst ein Areal von
30 lia. Meissen lind O h 1 m filier haben zur Platzwahl Gut¬
achten abgegeben. Die Baukosten betrugen im Ganzen
ea. 450 000 M. Der Pflegesatz betrügt 3.50 M. p. d., die Verpflegung
kommt (mit Abzug der Personal Verpflegung» auf 1,52 M.
Im ärztlichen Bericht macht der leitende Arzt Stauffer
zunächst auf einige Mängel der Anlage auf merksam und gibt
weiterhin ein anschauliches Bild vom Betrieb der Anstalt (7 Sld.
Liegezeit, 0 Mahlzeiten, die Patienten arbeiten zum Theil). In
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den ersten 8 Monaten wurden aufgenommen 259 Kranke, entlassen
105. als erwerbsfähig 122, als geheilt 31. Durchschnittliche Ver¬
pfleg» ngszcit 81.7 Tage.
Die zahlreich abgedruckten Verträge, Acten, Formulare, Kost-
berechnungen. Angaben von Firmen, Speisezettel (wenig Bier,
häutig Kartoffel, Abends meist Tliee) etc. sind üusserst instructiv
für Einrichtung, Verwaltung und Betrieb der Anstalt.
Schliesslich ein Vortrag von I)r. H e y d w e i 11 e r , Landrath
in Altena, vor der deutschen Naturforscher- und AerzteVersamm¬
lung in Düsseldorf 1898: Wer soll Heilstätten bauenV (Antwort:
Eine staatlich geordnete Gemeinschaft.)
Die Handhabung des Heilverfahrens bei Versicherten
durch die Hanseatische Versicherungsanstalt für Invaliditäts-
una Altersversicherung im Jahre 1898 und Ergebnisse dss
Heilverfahrens bei lungenkranken Versicherten bis Ende 1898.
Der Pircctor der Hanseatischen Versicherungsanstalt, Geb¬
hard, hat zuerst (1895) die Versicherungsanstalten darauf liin-
gewiesen, dass ihnen nach § 12 des Alters- und Invaliditätsgesetzes
die Fürsorge für versicherte Lungenkranke zukomint, und so sind
auch die von ihm herausgegebenen Ergebnisse vorbildlich für der¬
artige Statistiken. Schon die Einrichtung einer AufnaUmaunter-
suchung durch Vertrauensärzte, einer Controluntersuchiing nach
der Cur und einer Xaehbesichtigiing nach wenigstens einem Jahr
durch dieselben erscheint beaehtenswertli, sowie die hierbei ge¬
bräuchlichen einfachen Schemata zur Beurtheihmg des örtlichen
Leidens, des Allgemeinbefindens lind der Erwerbsfähigkeit
(cf. P r e d ö li l’x — eines Hamburger Vertrauensarztes — Vortrag
. auf dem Berliner Tuberculosecongress).
Aus der grossen Zahl sorgfältigster Tabellen und Berech¬
nungen können vir nur Einiges anführen.
Im Jahre 1898 wurden 721 Lmigenschwindsüelitige verpflegt,
(in Oderberg. St. Andreasberg. Altenbrak, Salzuflen. Rehburg.
Oeynhausen, Büsnm, Görbersdorf). Die Kosten für das Heilver¬
fahren betrugen 190 (199 M. (wovon ein nicht geringer Bruehtheil
für die Reise).
Im Ganzen wurden bis Ende 1898 2109 Lungenschwiinl-
süchtige verpflegt, für einen Curerfolg (länger als 4 Wochen in
Behandlung) kommen 2132 in Betracht. Hievon wurden als voll
erwerbsfähig entlassen 70.3 Prot*.
Ein Einfluss auf den momentanen und weiteren Curerfolg
ist nicht deutlich zu Anden für erbliche Belastung und Lebens¬
alter, deutlich für Ausdehnung des Lungenleidens, körperliche
Veranlagung und Zustand des Allgemeinbefindens.
Von den länger als 4 Wochen in den Jahren
1894, i895, 1896, 1897 Behandelten
sind nach der Entlassung ge¬
storben 38,8 29,9 14,8 5,1;
Invalidenrentner 13,9 9,0 7,2 7,4;
in guter Erwerbsfähigkeit 35,7 45,6 60,7 66,5.
Jahresberichte für das Jahr 1898 der Basler Heil¬
stätte für Brustkranke in Davos und des Basler Hilfsvereins
für Brustkranke. Basel Kreis 1,899 (mit Bild) 35 p.
Zuerst 2. Jahresbericht des B. Hilfsvereins (au 29 Patienten,
bezw. ihre Angehörigen, wurden insgesammt 2372 Fr. für Fu-
niillemiiiterstützuug, Kleider, Unterstützung nach der Entlassung.
Arbeitsvermittelimg ausgegeben): Bericht der Commission zur
B. Heilstätte (VerpflegungskTisten kommen im Ganzen auf 3.385 Er.
p d.); der Aufnalimecommission (F. Egger: 108 Kranke neu auf-
genommen, 22 zurückgewieseii, einige aus moralischen Rück¬
sichten — hierüber werden nun stets vor der Aufnahme Nach¬
forschungen angestellt: 92 Nachuntersuchungen von über einem
Jahre Entlassenen ergaben: 13 gestorben. 59 voll erwerbsfähig,
50 hatten noch ein höheres Körpergewicht als vor Beginn der Cur).
Bericht des Directors Aug. K ii n d i g: 202 Patienten, 14 mit
Kehlkopfeomplieationeii. 11 mit Blutungen: mittlere Frequenz 59.
Gegen Ende des Jahres wurde der 3. und 4. Stock vollendet, so dass
90 aufgenommen werden können. Mittlere Verpfleguugszeit
108.2 Tage, durchschnittliche Zunahme 3.9 kg: 59 Prot*, leichte
Fälle: 02.8 Proo. wurden als geheilt oder wesentlich gebessert ent¬
lassen. Die Patienten arbeiten zum Tlieil im Garten.
P I s c 1» i n g e r.
Neueste Journalliteratur.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1900. 54. Bd., 3. u. 4.
Heft, Januar. Leipzig, Vogel.
15) 1 n g i a n i : Ueber die Regeneration der männlichen
Harnröhre. (Chirurg. Klinik Genua.)
I. hat durch eine Reihe von Versuchen am Hunde nacli-
gt wiesen. dass man die Regeneration eines mehr oder weniger
grossen Abschnittes der Harnröhre erzielen kann. Pie Regenera¬
tion betrifft die Schleimhaut und die cavernöse Gewebsschicht:
eine Regeneration der Museuhl ris lässt sich nicht in gleicher Weise
beobachten. Die Regeneration des cavernösen Gewebes beginnt
mit der Proliferation der Endotlielicn in den hei der Ent¬
fernung des Harnröhronabschnittos erüffneten Hohlriimnen.
Die Endotlielicn überziehen die im Grauulatlonsgewebe
sieh sinusartig bildenden neuen llohlrüume. Die neugebildete
cavernöse Schicht, wird überkleidet von einem einschichtigen
Plattenepithel, welches sich von dem Epithel der Rosections-
stiimpfe fortpflnnzt. Je geringer di«* nach «ler Operation auf-
tr«*t«*n<le Entzündung» um so ms ln / wird die R generalion
beendet.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
298
No. 9.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Pflanzt man einen kleinen Harnrölirenstumpf in einen künst¬
lich nnter der Haut geschaffenen Canal, so vergrössort sich der¬
selbe und kleidet die Wand des Ganzen aus; man kann so künst¬
lich eine neue Harnröhre schaffen, welche nach Structur und Func¬
tion an die normale erinnert und sie ersetzen kann. Auch regene¬
rireu sich Schleimhaut und cavernöse Schicht, die Museularis be-
tlieiligt sich nicht.
IG) O. W o 1 f f : TJeber traumatische Epiphysenlösungen.
(Kölner Bürgerspital.)
W. hat im Verlauf von 2 y a Jahren unter 525 Knochenbrüchen
34 Epiphysenlösungen beobachtet. Von denselben betrafen die
meisten — 13 —die untere Humerusepiphyse, 7 die untere Tibia-
epipbyse, je 5 die obere Humerus- und untere Radiusepiphyse, die
übrigen Epiphysen waren nur 1—2 mal betheiligt.
Auf die einzelnen, durch gute Skiagramme illustrirten Ver¬
letzungen kann hier leider nicht eingegangeu werden. Im All¬
gemeinen sei bemerkt dass die Ursache in der Hegel eine directe
Gewalteinwirkung war. Die Diagnose gründet sich vor allen
Dingen auf das Alter, auf den Sitz der Verletzung, auf die häufige
Mitbetheiligung des nächsten Gelenkes, auf die weiche Form der
Crepitation. Die Beseitigung der Verschiebung ist manchmal eine
ziemlich schwierige Sache.
17) B a k e s : Operative Therapie des Mastdarmvorfalles.
(Alber t’sche Klinik Wien.)
B. bespricht die verschiedenen Operationsmethoden unter Mit¬
heilung von einschlägigen Fällen aus der Albe r t’schen Klinik.
Von 2 mit Kauterisation behandelten Patienten bekam einer ein
Recidlv. Bei 2 Kranken wurde ein dreieckiger Keil zur Ver¬
engerung des Afters excidirt. 5 Fälle wurden mit Ligatur be¬
handelt, einer derselben bekam eine eitrige Peritonitis und starb.
Die Resection des Prolapses nach Mikulicz wurde 3mal mit Er¬
folg vorgenommen, in einem Falle überraschte die starke Blutung.
Die neuerdings von Iv ö n i g wieder empfohlene Rectopexie wurde
1 mal versucht, die Colopexie gelangte 3 mal zur Ausführung.
18) Schuchardt - Stettin: Osteom der oberen Orbital wand
mit Erhaltung des Bulbus entfernt.
Verfasser benutzte das K r ö n 1 e i n’sclie osteoplastische Ver¬
fahren (temporäre Resection der knöchernen äusseren Orbitalwand)
und erzielte nicht nur eine vollkommene Erhaltung des Bulbus,
sondern auch ein Verschwinden der durch den Tumor bedingten
Doppelbilder. Das Osteom war etwa wallnussgross.
19) M e r k e n s : Heber die Anwendung des Murphyknopfes
bei der Gastroenterostomie. (Moabit Berlin.)
25 Operationen. In 2 Fällen hielt der Knopf nicht; einmal
Peritonitis, Tod, das andere Mal starke Blutung, Tod. 3 mal wurde
bei der Section der Knopf im Magen gefunden; irgend welche
üble Erscheinungen wurden dadurch intra vitam nicht hervor¬
gerufen.
Ein Versuch mit dem resorbirbaren Frank’schen Knopf
erdete In Folge Verschiebung des Knopfes mit nachfolgender Peri¬
tonitis letal.
20) M. Schmidt- Cuxhaven und Delbanco - Hamburg:
Axillares Neurom des Plexus brachialis.
Der von Schmidt exstirpirte Tumor hatte die Grösse eines
Kindskopfes. Der N. medianus breitete sich fächerförmig über die
Geschwulst aus und musste resecirt w'erden. Der N. radialis war
ebenfalls mit der Geschwulst verwachsen und wurde unter Zu¬
rücklassung des betreffenden Gcschwplststückes geschont. Die
nervösen Ausfallerscheinungen bewiesen, dass auch der Ulnaris
und Museulo-cutaneus bei der Operation verletzt sein mussten.
Die von Delbanco ausgeführto mikroskopische Unter¬
suchung ergab, dass es sich Im Wesentlichen um ein Spindelzellen-
Rfiikom handelte. Nervenfasern wurden in dem Präparat nicht ge¬
funden. Der Ausgangspunkt des Tumors ist wahrscheinlich in
dem Endoneurinm peripher gelegener Nervenfasern zu suchen.
21) Francke: Beiträge zur acuten Pankreaserkrankung.
(Charite Berlin.)
2 Fälle von acuter Pankreasnekrose boten das bekannte kli¬
nische Bild: plötzliches Auftreten von heftigen kolikartigen
Schmerzen, hauptsächlich in der Magongegeud. anhaltendes Er¬
brechen, starker Kräfteverfall, später Auftreibung des Leibes und
Stuhlverstopfung. Die beide Male wetren vermeintlichen Ileus
vorgenommene Laparotomie war ohne Erfolg, die Section klärte
die Erkrankung auf.
In einem dritten Falle handelte es sich mit Wahrscheinlichkeit
um eine peripankreatische Pseudocyste: Durchbruch einer acuten
Pankreasnekrose in die Bursa omentalis. Ein Exstirpations¬
versuch endete In Folge septischer Peritonitis tüdtlich.
Krecke.
Archiv für Gynäkologie. 1899. 59. Bd., 3. Heft.
1) Leopold: Beiträge zur Graviditas extrauterina.
4. Die Graviditas tubo-ovarialis.
L. theilt ausführlich G Fälle mit, welche lehren, dass Tube und
Ovarium schon vor Eintritt der Schwangerschaft mehr weniger
mit einander verschmolzen waren, und dass sich das Eichen an
der Verlötliungsstelle von Tube und Ovarium einpflanzte. Die
6 Fälle vertheilen sich vom 1.—2. Schwaugerschaftsmonat bis zur
ausgetragenen, abgestorbenen Frucht: sie wurden alle operativ
behandelt mit einem Todesfall an Peritonitis und Ileus bei Nach¬
blutung aus der Placentarstelle.
2) Leo v.Lingon: Ein Fall von Perivaginitis phlegmonosa
dissecans. (Aus dem Peter-Paul-Krankenhause zu St. Peters¬
burg.)
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Die Krankheit ist cliarakterisirt durch Abstossung eines
Thelles oder der ganzen Vaginalwand mit Portio vaginalis, v. L.
theilt 17 Fälle aus der Literatur mit und einen selbst beobachteten,
der in Genesung endete. Er ist geneigt, die Krankheit auf Ver¬
stopfung bestimmter Gefässgebiete zurückzuführen.
3) .T. V o i g t : Beiträge zur Tuberculose der weiblichen
Geschlechtsorgane.
Den wenigen tu der Literatur bekannten Fällen fügt V. die
klinische und anatomische Beschreibung von 5 weiteren hinzu. In
2 Fällen w'urden Tuberkelbacillen nachgewiesen und in dem einen
war das Gewebe der Vagina, der Cervix und des Corpus uteri von
massenhaften Tuberkelbacillen durchsetzt, bacillenhaltige, em-
bolisehe Pfropfe fanden sich au vielen Stellen.
4) M. Meyer: Zur Casuistik der Erkrankungen an der
weiblichen Harnröhre. (Aus Dr. A b e l’s Privat-Frauenklinik in
Berlin.)
2 Fälle von Prolaps der Harnröhrenschleimhaut wurden ein¬
mal durch Eisblase, das zweitemal durch Excision geheilt. Ein
etwa walluussgrosser. papillärer, gestielter Tumor, der vom proxi¬
malen Abschnitt der Harnröhrenschleirahaut ausging, wurde al>-
getragen.
5) L. F r n e n k e 1 : Kreissender Uterus mit Placenta praevia
totalis. (Aus der Klinik und Poliklinik von Prof. E. Fraenkel
In Breslau.)
Die jetzige Schwangerschaft war die 10. und glatt verlaufen.
Seit 12 Stunden bestanden sehr starke Blutung und Wehen. Die
äussere Untersuchung ergab einen sehr grossen, normal geformten
Ulerus. Kopf links im Fundus, Steiss auf der rechten Darmbein¬
schaufel, kindliche Herztöne nirgends hörbar. Der äussere Mutter¬
mund w r ar zweimarkstückgross, der Cervicalcanal erhalten, da¬
rüber allseitig Placentargew'ebe. In leichter Narkose wurde die
Placenta mit 2 Fingern durchbohrt und der linke Fuss nach aussen
geleitet, Blutung steht. Nach ca. 1 Stunde trat Exitus der Frau
ein.
Die Placenta überlagerte trichterförmig den Mülle Fachen
Ring und wur genau über demselben durchlocht. Sie erstreckte
sich allseitig von hier aus nach oben und zwar nach hinten, rechts
, und links am höchsten, nämlich 17, 14 und 10 cm.
F. glaubt, das Präparat spricht zu Gunsten der Durchbohrung
der Placenta praevia totalis im Gegensatz zur Ablösung derselben.
G) F. Westphalen - Flensburg: Beitrag zur Anatomie
des Pseudomyxoma peritonei nach Ruptur von gallertigen
Pseudomuzinkystomen.
W. glaubt, dass nicht unbedingt in den meisten Fällen von
‘ Pseudomyxom das Wesentliche in einer Implantationsmetastase
bestehe. So constatirte er in 2 operativ behandelten und mikro¬
skopisch untersuchten Fällen bedeutende Veränderungen am
Peritoneum, die theils durch die Aufnahme des Schleims In die
. Ljmphwege, theils durch die organisirende Peritonitis bedingt
waren. Nur in dem einen Fall fanden sich wirkliche Metastasen.
7) Benarolef f : Die Lage des Ovariums.
Die Arbeit umfasst ausschliesslich Mittheilungen aus der
, Literatur ohne eigene Beobachtungen und gibt hauptsächlich die
Anschauung Waldeyer’s wieder.
8) Richard v. Braun-Fernwald: Weitere Erfahrungen
über das spondylolisthetische Becken. (Aus der Klinik des Hof¬
raths Gustav Braun in Wien.)
Zum zw r eitenmale beobachtete v. B. eine Spondylolisthesis.
Die Frau hat 5 mal spontan geboren, die Krankheit ist noch nicht
ausgeheilt. Bei Besprechung der Differentialdiagnose weicht v. B.
i*i zw^ei Punkten von der gewöhnlichen Anschauung ab: 1. Im
i ersten Stadium der Spondylolisthesis ist keine vermehrte Becken¬
neigung zu erwarten. 2. Der „Seiltänzergaug“ mit kurzer Schritt¬
länge und negativer Spreizbreite ist von der Form und Neigung
des Beckens unabhängig, hängt vielmehr davon ab, ob der Er-
ki ankungsprocess abgelaufen ist oder nicht, ob die Frau beim
stärkeren Ausschreiten Schmerzen hat.
9) Sigmund G o 11 s e h n 1 k - Berlin: Ein neuer Typus einer
kleincystischen bösartigen Eierstockgeschwulst.
G. beschreibt unter dem Namen „Folliculoma malignum ovarli“
einen neuen malignen Ovarialtumor, den er folgendermaassen
cliarakterisirt:
1. Bildung unzähliger, kugeliger, plasmodialer, kernführender
Körper, welche im Innern zunächst Kern an Kern schichten; hat
diese Schichtung eine gewisse Dichte erlangt, so beginnt
2. Im Mittelpunkt eine flüssige Umwandlung, bis zuletzt ein
Bläschen mit einschichtiger, cubischer, plasmodialer Wandung
rosultirt.
In dem beobachteten Falle wurden bei einer 48 jähr. Frau ca.
8 Liter Ascites entleert und der etwa faustgrosse Tumor durch
Laparotomie entfernt; die Operation w r ar im März 1898, Patientin
ist. bis jetzt gesund.
j 10) Ludwig B 1 u m r e I c h : Der Einfluss der Gravidität auf
; die Blutalkalescenz. (Thierphysiol. Institut der Kgl. landwirth-
schaftlichen Hochschule.)
Auf Grund sorgfältiger Untersuchungen bei Kaninchen und
Frauen kommt B. zu dem Resultat: Die Gravidität bringt eine
sehr beträchtliche Erhöhung der Blutalkalescenz beim Menschen
und Thier mit sich, die deutlich zu Tage tritt, wenn nicht irgend
welche Abnormitäten in der Körperbescliaffenheit die Befunde ver¬
schieben. Dr. A. H e n g g e - München.
A
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 7.
1) O. Falk- Hamburg: Beitrag zur Bedeutung der Appendi¬
zitis für den Geburtshelfer und Gynäkologen.
Original ftom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 2011
F. berichtet zunächst über eine 34 jährige VII. Para, bei der .
sich im 6. Monat der Gravidität ein epityphiitisclier Abseess ent¬
wickelte. Derselbe wurde incidirt, der nekrotische Wurmfortsatz
exstirpirt und die Wundhöhle drainirt. Heilung und normale Ge¬
burt zur rechten Zeit. Im Anschluss hieran betont F. die Schwierig¬
keit der Diagnose der Epityphlitis w’ährend der Gravidität und er¬
wähnt hierfür noch 2 selbstbeobachtete Fälle. Einmal wurde bei
einer im 5. Monate Schwangeren ein epityphlitischer Abseess an¬
genommen, der sich bei der Operation als ein um seinen Stici
gedrehtes, cystisch entartetes Ovarium herausstellte. Im 2. Falle
fand sich statt der erwarteten Extrauteringravidität eine Pyo-
salpinx neben einem entzündeten Wurmfortsatz.
2) F. Schwertassek - Tannwald: Ein Beitrag zur
mechanischen Behandlung atonischer Uterusblutungen.
In einem Falle unstillbarer atonischer Nachblutung nach Aus- ;
rüumung eines Aborts (Zwillinge) wendete S. mit Erfolg das von
Arendt vorgeschlagene Verfahren an. Er zog mittels zweier
Muzoux’scher Zangen den Uterus herab und tixirte denselben,
da beim Nachlassen des Zuges die Blutung wieder auftrat, mit
Faden und Gewicht die Nacht hindurch bis zum nächsten Tage. Die
Frau wurde geheilt.
S. hält das Verfahren auch geeignet bei Blutungen nach Ge¬
burtsverletzungen des Uterus, wo Naht oder Tamponade nicht aus¬
reichen oder nicht gemacht werden können.
3) L. P i n c u s - Danzig: Nochmals die Atmokausisfrage und
die Münchener Discussion.
Eine Erwiderung auf die Bemerkungen Flatau’s in No. 3
des Centralblattes (cf. unsere Bemerkung am Schlüsse des Referats
über F1 a t a u , diese Wochenschrift 1900, No. 5, S. 103.)
J a f f 6 - Hamburg.
Jahrbuch für Kinderheilkunde. Band 51, Heft 2.
8) Johannessen: Ueber Laugevergiftungen bei Kindern.
(Aus der Universitäts-Kinderklinik in Christiania.)
Im Anschluss an die einschlägige Literatur berichtet Verf. !
über 140! Laugevergiftungen, die innerhalb von nur 0 Jahren
zur Behandlung bekam. Die verschiedenen aetiologischen Momente,
die Symptomatologie, der Verlauf finden eingehende Besprechung.
Vorschläge zur Beseitigung der Verhältnisse, welche local die !
Laugevergiftung begünstigen, auf Grund der experimentellen Fest¬
stellung, dass schon 1 proc. Lauge stark ätzend wirkt, während die
überall käufliche 10—14 Proc. hat, bilden den Schluss der Arbeit,
der im Anhang eine tabellarische Uebersicht des Materials bei¬
gegeben ist
d) Stoeltzner: Ueber Behandlung der Rachitis mit
.Nebennierensubstanz. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in
Berlin.) Fortsetzung und Schluss.
Verf. glaubt, auf Grund empirischer Versuche an zahlreichen
Rachitisfällen günstige Wirkung bei Behandlung mit Nebennieren¬
substanz festgestellt zu haben. Er empfiehlt diese Therapie auf
Grund seiner Versuche. (Ref. kann ein ein wandsfreies Vergleichs¬
material nur dann anerkennen, wenn ebenfalls die Tabloids
B. W. & Cie. angewendet werden, nicht aber das vom Verf. em¬
pfohlene „Rachitol“.)
10) T h i e m i c h : Ueber Tetanie und tetanoide Zustände
im ersten Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in
Breslau.)
Th. betont auf Grund sehr eingehender eigener Untersuch¬
ungen den Werth und die Nothwendigkeit elektrischer Untersuch¬
ungen bei der Tetanie, die in zweifelhaften Fällen allein die Dia¬
gnose zu sichern vermögen. Und zwar ergibt sich als charakteris¬
tischer Befund: An ÖZ > An SZ, KÖZ unterhalb 5.0 MA.,
bei normalen Kindern immer über 5.0 M A. Nächst der elektri¬
schen Untersuchung ist die mechanische Prüfung der Erregbarkeit
der peripheren Nerven wichtig, die aber nur unsichere Resultate
liefert. Das Troussea u’sche Phänomen ist noch am zuver¬
lässigsten in dieser Beziehung. Im Gegensatz zu Eschericli
und Loos bestreitet Th. das Auftreten von Oontractiouen auf der
dem Reizgebiet entgegengesetzten Seite. Der Laryngospasmus
ist ein häufiges Zeichen der Tetanie, vielleicht aber werden neue
Untersuchungen beweisen, dass eine von ihr unabhängige Form
desselben existirt Was die bei Tetanie so häufigen eklamptischen
Krämpfe betrifft, so sind von den tetanoiden streng zu scheiden
die z. B. vom Magendarm her bei Verdauungsstörungen ausge¬
lüsten reflectorischen Krämpfe. Jene sind aufzufassen als asphyk-,
tische nach Laryngospasmen; Narkotiea und eventuell Phosphor
kommen zu ihrer Bekämpfung in Anwendung, diese aber erfor¬
dern der Aetiologie entsprechend gründliche Entleerung und Rei¬
nigung des Magens und Darmes.
Am Schluss folgen die Krankengeschichten, welche der Arbeit
zu Grunde liegen.
11) Finkeistein: Ueber Sepsis im frühen Kindesalter.
Refer. in No. 44, Jahrgang 1899 dieser Woclienschr.
Literaturbericht, Besprechungen.
S i e g e r t - Strassburg.
Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten.
Bd. XXXII., Heft 2.
Karfunkel: Schwankungen des Blutalkalescenzgehaltes
nach Einverleibung von Toxinen und Antitoxinen bei normaler
und bei künstlich gesteigerter Temperatur.
In wenig Sätzen lässt sich die inhaltsreiche Arbeit etwa dahin
zusammenfasson:
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1. Eine allmähliche Erhitzung lässt die Blutalkulescenz un¬
verändert.
2. Diphtherietoxin in grösseren Dosen bei Zimmertemperatur
intravenös beigebracht tödtet unter rapider Abnahme der Blut-
alkalescenz die Thiere.
3. Aber es wird durch Erwärmen des Thieres dabei sowohl das
Sinken der Blutalkalescenz verlangsamt, als der Tod verzögert oder
verhindert.
4. Antitoxininjection vermehrt bei Zimmertemperatur im
normalen Thier die Blutalkalinität.
5. Dagegen ist sie ohne Einfluss beim erhitzten Thier.
6. Injicirt man gleichzeitig Toxin und Antitoxin, so bleibt eine
Alkalescenzabnahme aus, sowie die Antitoxinmenge im Verhält-
niss zur Toxinmenge gross ist.
7. Bei gleichzeitigem künstlichen Erwärmen braucht es eine
weit geringere Antitoxinzufuhr für die gleiche Toxindose, um die
Alkalinität normal zu halten oder gar zu steigern und dement¬
sprechend die Thiere am Leben zu halten.
Neutubcrculin bringt eine erhebliche Alkalesceuzsteigerung
vorübergehend hervor.
Das hier nachgewiesene Steigen der Alkalescenz entspricht
genau einer unter diesen Umständen beobachteten Hyperleuko-
cytose der Autoren, das Sinken einer Hypoleükocytose, ohne dass
der Verfasser weitgehende theoretische Schlüsse zu ziehen wagt,
ob und wie dies zusammenhängt.
Georg Frank: Das Wasser der Spree innerhalb der Stadt
Berlin im Jahre 1886 und im Jahre 1896 in bacteriologischer
und chemischer Beziehung.
Kritische Beleuchtung der Arbeit von S p i 11 a und D i c k s e n
über das gleiche Thema — zu kurzem Referat ungeeignet.
Moeller: Zur Verbreitungsweise der Tuberkelpilze.
Die Arbeit enthält zahlreiche kleinere Beiträge zum Studium der
Frage, wie die Tuberkelerreger den Erkrankten verlassen, wie weit
und wie leicht sie sich in der Luft vertheilen, wie lange sie leben
bleiben u. s. f. Indem ich Interessenten auf diese kurz nicht
wiederzugebenden Notizen verweise, hebe ich nur Eines heraus.
Während beim Husten bis auf 1 m Entfernung leicht bei manchen
Kranken Tuberkelbacillen ausgehustet werden, an vorgelegten
Glasplatten hängen bleiben, zuweilen consequent augehustete Meer¬
schweinchen inficiren, gelang es Moeller bisher nie, ln der Luft
von Räumen, die dicht mit Tuberculöseu besetzt waren, Tuberkel¬
bacillen zu finden, w r enn er nicht in nächster Nähe der Hustenden
seine Proben entnahm. Nur sehr selten gab eine Untersuchung
von Staub an Stellen, au die nicht direct Sputum gelangt war, ein
positives Resultat.
Als wichtiges Verbreitungsmittel für Tuberkelbacillen be¬
zeichnet schliesslich Moeller die Fliegen, welche verstreutes
frisches Sputum besuchen und Nahrungsmittel Inficiren.
Thorvald M a d s e n : Ueber Tetanolysin.
Derselbe : Ueber Heilversuche im Reagensglas.
Aus der sehr interessanten und originellen Arbeit sei Folgen¬
des herausgehoben. In den Culturen des Tetanusbacillus findet
sich neben dem krampfmachenden Tetanospasmin ein blutkörper¬
chenlösendes Tetanolysin, gegen das im Serum des iinmunisirten
Thieres ebenfalls ein Antikörper vorhanden ist. Das Tetano¬
lysin wird in vitro erst von den Blutkörperchen gebunden und
löst sie nach einer gewissen Latenzzeit auf, w'elehe von der
Temperatur und der Giftmenge abhängt. Sehr Interessant lässt
sich beobachten, dass die Giftigkeit des Toxins nicht, wie zu er¬
warten, proportional der Zumischung von Antitoxin abnahm, son¬
dern dass V« der im Ganzen nothwendigen Antitoxinmeuge schon
die erste Hälfte der Giftwirkung beseitigt, hierauf beseitigt V» der
Autitoxinmenge weitere 2 /s der Giftigkeit, 7* der Antitoxinmenge
Vio der Giftigkeit, und um letzte, noch verbleibende Giftspuren zu
vernichten, braucht man nochmals die gleiche Antitoxinmenge wie
für die 3 ersten Hauptportionen zusammen. M a d s e n drückt dies
nach E h r 1 i c h’schem Schema so aus, dass das Gift aus einem
sehr w irksamen, aber schon durch kleine Antitoxinmengen zu ent¬
giftenden Prototoxin, einem Deuterotoxin, einem Tritotoxin und
endlich aus einem Toxon zusammengesetzt sei. Das Toxon ist
sehr wenig giftig, bindet aber sehr grosse Antitoxinmengen. Die
toxoplioren und haptophoren (antitoxinbindenden) Gruppen sind
also verschieden von einander.
In Welterftihrung seiner Versuche beweist der Verfasser, dass
es möglich ist, rothen Blutkörperchen, die schon Tetanolysin auf¬
genommen haben, das Gift durch Antitoxin wieder zu entnehmen
und es unschädlich zu machen. Die Beweisführung konnte am
Reagensglas an Blutkörperchen mit dem Tetanolysin sehr viel
schärfer sein, als dies beim Tetanospasmin und Diphtherietoxin
möglich w r ar, für die D ö n i z Aehnliches kürzlich durch Thier¬
versuche zu zeigen suchte.
Egon Tomasczewski: Ueber das Wachsthum der
Tuberkelbacillen auf kartoffelhaltigen Nährböden.
Das Hauptergebnis der Arbeit ist, dass die Kartoffel und ihre
Präparate keine Bedeutung als Tuberkelnährboden beanspruchen
dürfen. Während Glycerinzusatz die verschiedensten Nährböden
für die Tuberkelbacillen brauchbar macht, ist selbst der mit Gly¬
cerin versetzte Kartoffelnährboden nur in Ausnahmefällen geeignet,
ein besonders üppiges Wachsthum hervorzubringen und bringt
Zusatz von Kartoffelpräparaten in den Glycerinnährböden keine
Verbesserung hervor.
Z u p i t z a : Die Ergebnisse der Pestexpedition nach Kisiba
am WeBtufer des Victoriasees 1897/98.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
300
No. n.
MÜNCH ISN ER MEDKTNISC’HK WOCHENSCHRIFT.
Z m» i t za belichtet ausführlich über seine Erforschung eines
Pestherds in Deutschostafrika, Entdeckungen. die durch Koeb's
Mittheilungen in den Giundzügcn bereits bekannt sind.
P. lt ö m e r : Experimentelle Untersuchungen über Infec-
tionen vom Conjunctivalsack aus.
R ö m e r’s ausführliche Arbeit bestätigt und erweitert ältere
Angaben über die Leichtigkeit der Iufectiou vom unverletzten
Conjunctivalsack aus. Die Erkrankungen verlaufen oft rapider als
bei subcutauer Injection. Als Eingangspforte dient nicht die un¬
durchlässige, tliränenbespülte Conjuuctiva, sondern die Thränen-
wege. die Nasenschleimhaut und die submucösen Lymphspalten
der Nase.
ln einleitenden Abschnitten findet sich eine eingehende kri¬
tische Darstellung unseres Wissens vom Keimgehalte der Con-
junctiva unter normalen Bedingungen und eigene Untersuchungen
über die Bedeutung des Staubes für den Keimgehalt der Con-
junetiva: Einbringen von Fabrikstaub steigert nach 24 Stunden
den Keimgehalt der Conjuneliva bedeutend.
H. Bei n liardt: Ueber Metakresol synth. „Kalle”.
K. B. L e li m a u n -Würzburg.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In-
fectionakrankheiten. Bd. XXV11., No. 5. 1900.
D (i. Sanarelli - Bologna: Zur Lehre vom gelben Fieber.
(Schluss.)
Artikel polemischer Natur.
2» A. Loos-Cairo: Notizen gur Helminthologie Egyptens.
III. Die Skierostomen der Pferde und Esel in Egypten.
R. O. N e u m nun- Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 8.
1) A. Martin: Die Versorgung des Nabels der Neu¬
geborenen.
M. schlägt folgendes Verfahren vor: Das Kind wird in der
gewöhnlichen Weise abgenabelt, dann dem gebadeten und getrock¬
neten Kinde um den Nabel eine feuchte Gazecompresse gelegt,
ein steriler Seidenfaden an den Grenzen des Hautrandes um die
Nabelschnur gelegt und fest angezogen, hierauf der Nabelstrang
1—D/o cm oberhalb davon mit der glühend gemachten gewöhn¬
lichen Brennscheere dnrcligebrauut. Die Blutung steht voll¬
kommen, der Brandschorf wird mit sterilem Gazelüppchen bedeckt
und der Nabel verbunden. Der Abfall des Restes erfolgt am 4. bis
(5. Tage.
2) H. F r e u u d - Strassburg: Ueber Kaiserschnitte aus ge¬
häuften Indicationen.
Fr. steht auf dem Standpunkte, dass überall da, wo keine
direete Lebensgefahr für die Gebärende und günstige Bedingungen
für die Vornahme eines chirurgischen Eingriffes vorliegen, die Per¬
foration lebender Kinder ungerechtfertigt ist und durch den Kaiser¬
schnitt ersetzt werden muss; denn die Gefahr des letzteren ist
heutzutage keine grössere als die einer complicirten Entbindung.
Verf. berichtet eingehender über 3 Fälle, wo mehrere Momente
die Indicatiou zum Kaiserschnitt bildeten. Alle endeten glück¬
lich. Im 1. Falle (44 jähr. I. Para) bildete nicht so splir das ver¬
engte Becken, als die starren Weichtlieile die Indication, dazu kam
noch Eklampsie: im 2. Falle (43 jähr. IV. Para) war die Indication
gelegen in der Beckenenge, im Alter der Gebärenden, sowie einem
Tumor, der zu einem mächtigen Oedem der Darin wand geführt
hatte; im 3. Fall (28 jähr. V. Para mir engem Becken) verlangte
die Frau dringend ein lebendes Kind, wesshall» die Sect. caes. aus¬
geführt wurde. Der quere Fundusschnitt erwies sich als vortlieil-
liaft. F. bespricht noch den Kaiserschnitt betreffende rechtliche
Fragen.
3) P. Baum garten - Tübingen: Zur Lehre von den natür¬
lichen Schutzmitteln des Organismus gegenüber Infectionen.
(Schluss folgt.)
4) C. A. E w a 1 d - Berlin: Die Autointoxication.
In diesem zusammenfassenden, als ..Säkular-Artikel“ erschei¬
nenden Referate kommt E. unter Würdigung der sehr umfang¬
reichen Literatur zu dem Ergcbniss, dass die tliatsächlichen Unter¬
lagen für die Lehre der Autointoxieation heute noch sehr dürftige
sind, wenn die Thatsache an sich auch nicht anzuzweifeln ist,
wofür Uraemie, (’oina bei Diabetes und Careinom. die Erschei¬
nungen bei pemieiösen Anaemie, Morl). Addisonii, Myxoedem be¬
sonders Stützpunkte sind.
5) E. 8 t a d e 1 m a u n - Berlin: Bemerkungen zu dem Auf¬
sätze von Dr. H. Salomon: Ueber Hirndrucksymptome beim
Typhus (ofr. letzte Nummer).
St. weist darauf hin, dass er Hlrndruckersclieinungen nicht
nur bei Typhus, sondern auch bei Pneumonie, Scarlatiua schon
früher beobachtet und darüber publicirt hat. Er räth entschieden
ab. die Lumbalpuuction bei diesen Zuständen aus therapeutischen
Rücksichten vorzunehmen, da sie nutzlos ist.
Dr. G rnssmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 7.
1) F. König: Die chirurgische Behandlung der Nieren-
tuberculose.
Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin zu Berlin
am 2b. Januar 1909. Referat siehe diese Wochenschr. No. 0. p. 209.
2) Julius Wolff: Zur Behandlung der stricturirenden
Mastdarmverschwärung. Zugleich ein Beitrag zur Mastdarm¬
plastik. (Schluss aus No. (J der Deutsch, med. Wochenschr.)
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Interessante Mittheilung eines wiederholt operirten .Falle»,
in welchem es zum Schlüsse gelang, einen grossen Theil der Mast¬
darmwand durch einen gedoppelten Hautlappeu zu ersetzen. Da
seit der Iieseetio recti sieben, und seit der Mastdarmplastik drei
Jahre verflossen sind, darf der Erfolg als ein dauernder ange¬
sprochen werden.
3) J. Boas: Erfahrungen über das Dickdarmcarcinom.
(Schluss folgt.)
A ortrag, gehalten im Verein für innere Medieiu zu Berlin
am 27. November 18911 . Referat siehe diese Wochenschr. 1899,
No. 49, p. 1082.
4) II e r li old- Altona: Zur Casuistik des scharf begrenzten
Magencarcinoms.
Beschreibung eines mit Erfolg operirten Falles von breit¬
basig auf der Magen wand nufsitzendeu und gut mannskopf gross
in das Mageninnere prominirenden, alveolären Carcinoms der
Magenschleimhaut.
ö) F 1 a c h s - Dresden: Zur Impftechnik.
Aus kosmetischen und praktischen Griiuden verwirft F. die
in Deutschland allgemein übliche Anbriugung der luipfsclmitte
am Arme. Er empfiehlt als passendste Stelle die Gegend zwischen
der Brustwarze und Rippenbogen. Geringe Beweglichkeit der¬
selben, leichte Anlegung eines Schutzverbandes, seltenes Auftreten
von Entzündungserscheiiuuigeii und Anschwellungen der Lyinpli-
driisen werden als Vortheile dieser Methode bezeichnet.
0) F. R e 1 c li e - Hamburg: Beiträge zur Statistik des
Carcinoms.
(Schluss folgt.) F. Lacher- München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 7.
V) A. Brunner-Triest: Ueber Maltafieber.
Br. publicirt hiemit den erstell Fall von Maltafieber, das in
Oesterreich acquirirt wurde. Die Krankheit, an den Küsten des
Mittelländischen Meeres vorkommend, wird erzeugt durch den
Mirkrococcus melitensis. Der Kranke, ein 27 jähriger, in Dal¬
matien beschäftigt gewesener Maurer, fieberte stark, zeigte pro¬
fuse Sclnveisse. Obstipation, kein Kopfweh. Im Harn fehlte die
Diazoreaetiou. Typhus, Malaria, Tnbereulose, Recurrens, In¬
fluenza waren auszuschliessen. Die Serumreactiou war positiv
(Agglutination). Das Fieber dauert bei dieser Erkrankung Monate,
sogar Jahre, die Prognose quoad vitam ist eine günstige. Ueber
die Literatur des Maltaflehers vergl. das Original. Die Therapie
ist eine rein symptomatische.
2 ) J. Kapper-Wien: Beitrag zur Klinik der Landry’-
schen Paralyse mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bacterio¬
logie und Histologie.
Verfasser geht ziemlich ausführlich auf die Literatur über
Landry’sche Paralyse ein. namentlich hinsichtlich der Umgren¬
zung des Krankheitsbegriffes, sowie der bisherigen bacterio-
logischeu Befunde. Bei dem von ihm beobachteten Falle handelte
es sich um einen 33 jährigen Wäscher, bei dem zuerst Paraestliesien
an den Fingern, heftiger Schläfenkopfschmerz, Schwindel, Waden¬
schmerzen, daun Parese der Beine auftrateu. Dann zeigte sich
couccntrisclie Gesichtsfeldeinschränkung, träge Pupillarreaction,
Erlöschen der Reflexe, iiu Kehlkopf Internus- und Transversps-
läInnung. Sensibilität, Blase und Mastdarm frei. Schliesslich
Dyspuoe, Schlingkrämpfe, Cyanose. Oollaps, Exitus letalis. Die
Differeutialdiagnose wird sehr eiugehend erörtert und aus dem
klinischen Bilde besonders die Kehlkopflähmung und die coneeu-
trische Gesichtsfeldeinschränkung besprochen. Harn und Blut ent¬
hielten keine Bacterien. Die histologische Untersuchung 4 Stun¬
den post mortem ergab ein völlig negatives Resultat. Aetiologiscli
kommt nach Verfasser eine Autoiutoxication vom Darm aus in
Frage.
3) Fr. II a n s z e 1 - Wien: Ueber Speichelsteinbildung.
Verfasser beschreibt 3 derartige Fälle, in deren erstem wahr¬
scheinlich eine chronische Entzündung der Glaud. subniax. mit
consecutiver Eindiekung des Secretes zur Steinbilduug führte,
während letztere im 2. Fall im Duct. Wharton. selbst stattfaud.
Im 3. Fall handelte es sich um einen lange dauernden Insult der
liukeu Sublingualgegend durch den Druck einer Tabakspfeife.
Dr. Gr&Bsmnnn - München.
Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 4—7.
R. v. J a k s c h - Prag: Ein Fall von polyarthritischer Er¬
krankung der Halswirbelsäule.
Die Publicatiou betrifft einen 16 jährigen Kranken, welcher
2 Jahre in klinischer Beobachtung stand. Bei gleichzeitigem Be¬
stand einer rheumatischen Klappenaffection spielte sich unter
Wechsel vollen Symptomen — in erster Linie Lähmung der beiden
oberen Extremitäten, ferner Reflexkrämpfe — ein Entziindungs-
process im Bereich der Halswirbelsäule ab. Intercurrent trateu
schmerzhafte Gelenkschwellüngen an den Extremitäten auf. Es er¬
folgte eine relativ gute Heilung. Eine Ankylose der oberen Hals¬
wirbel blieb jedoch bestehen. Später erlag Patient seinem Herz¬
leiden. Nach J.’s Urtheil bildet vorliegender Fall das erste Bei¬
spiel dafür, dass der polyartbritische Process auch die Wirbel¬
gelenke ergreifen kann. I)er Obductiousbefund liess Tuberculoso
und Gicht ausscliliessen.
Ibidem No. 5 und G.
F. P i c k - Prag beobachtete 6 Jahre eine Patientin, bei welcher
die Diagnose Aneurysma der Aorta über jeden Zweifel erhaben
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
301
2T. Februar 1900.
<=< hien, bei welcher die Seetion jedoch eine sehr bedeutende Stenose
<lor Aorta (7 mm) feststellte. P. glaubt, dass eine solche Fehl¬
diagnose Mutiger vorkommt, als man, besonders nach der vor¬
liegenden Literatur, annehmen sollte. Die Erklärung liegt etwa
in folgendenThatsachen. In jüngeren Lebensjahren ist beiAorten-
slenose der linke Ventrikel zu einer componsatorisehen Hyper¬
trophie im Stande, welche enorme Grade erreichen kann: durch die
ungemein energische Arbeit desselben kann sich eine ebenso leb-
liafte. fühlbare Pulsation, wie sie bei Aneurysma auftritt, zeigen;
zugleich wird der dem Typus der Stenose zukommende Charakter
(V’s Pulsus tardus verwischt. Wichtig in diagnostischer Hinsicht
und gegen Aneurysma sprechend ist ein langes Constantbleiben
der Erscheinungen und des Befindens.
Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 0.
E. Guttmann - Breslau: Zur Behandlung der Keratitis
profun da.
Die Grundsätze einer allgemein roborirenden Therapie werden
anerkannt. Dagegen hat sich die Quecksilberbehandlmig. ausser
bei kleinen Kindern, eher schädlich gezeigt. Das Atropin ist ohne
Einfluss auf den localen Krankheitsverlauf, es wird nur im Beginn
der Behandlung behufs maximaler Erweiterung der Pupille, später
nur alle 1—2 Wochen, um diesen Zustand zu erhalten — ein
Tropfen — eingeträufelt. Dagegen wird grosser Werth auf eine
Cooaincur gelegt. Es werden täglich innerhalb einer Stunde 4 bis
C mal 10 Tropfen einer 2—3 proe. Lösung eingoträufelt. Die sub-
Wdiven Beschwerden werden sehr herabgesetzt: aber auch eine
directe günstige Einwirkung soll unverkennbar sein. Der Ablauf
dci Erkrankung pflegt milder, uncoinplicirt und in kürzerer Zeit zu
erfolgen, es soll im Anfang sogar mitunter gelingen, den Process
förmlich zu coupiren.
Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 0,
J. S i 1 b e r 8 t e i n - Wien: Das Resorbinquecksilber, ein Er¬
satzmittel der grauen Salbe.
Das genannte Präparat, eine Mischung von Quecksilber und
dem neu eingeführten Constitueus „Resorbin“ Im Verhältniss von
1:3. hat sieh auf der Neuman n’schen Klinik gilt bewährt. Ver¬
fasser rühmt die bisher nicht erreichte subtile Vertlieilung des
Quecksilbers, die raschere, angenehmere Application und die
prompte Wirkung, wodurch die Behandlungsdaner eine Abkürzung
erfährt. B e r g e a t - München.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere
Medioin in Berlin siehe Seite 305.
Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 8. Februar 1900.
Der Vorsitzende, Herr Rchaper, gedenkt des verstorbenen
Oberarztes Dr. Moxter.
Herr S e i f f e r : Vorstellung und Besprechung eines Falles
von Beri-Beri. Der 20 jährige Kranke hat als Schiffsjunge eine
Reise nach Hinterindien mitgemaeht und war auf dieser nebst
einem Theil der Schiffsmannschaft mit Schwellung des Unterhaut¬
zellgewebes am ganzen Körper. Hinfälligkeit, schlaffer Lähmung
der Beine und geringen Gefühlsstörungen erkrankt.
Herr Martens stellt 3 Kinder vor, welche vor 1—3 .Tahren
weeen Bauchfelltuberculose laparotomirt worden waren und ge¬
heilt geblieben sind. Er bespricht an der Hand des Materials der
K ö n i g’schen Klinik die Aussichten der chirurgischen Behand¬
lung der Erkrankung.
Dlscussion: Herr König betont die heilende Wirkung
der Laparotomie auf die tuberculöse Darmstenose.
Herr Strass mann hebt die Seltenheit der Affectlon bei
den Kindern In Berlin hervor.
Herr F r a n c k e : Vorstellung einer 22 jährigen Frau,
welcher wegen Hydronephrose eine Niere exstirplrt worden war.
Es fand sich eine Papillomatose des Nierenbeckens und des
Ureters (mikroskopisches Präparat).
Dlscussion: Herr König erklärt die Entstehung der
Papillome durch eine alte gonorrhoische Infection.
Herr Braun : Vorstellung eines Falles von geheilter Schuss-
verletznng der Leber. Der Vortragende weist auf die leichte
Infectiosttät der Leberwunden hin, welche eine offene Behand¬
lung erfordern.
Herr Wegen er: Vorstellung eines Falles von abgelaufener
Pyaemie, bei welchem im Laufe der 2 Monate dauernden Erkran¬
kung eine grosse Zahl von Abseessen an Armen und Beinen er¬
öffnet werden mnssten.
Herr Pels-Leusden: lieber Tracheotomie hei Com-
pression der Trachea 1. durch Aortenaneurysma, 2. durch
Kropf.
Vorstellung beider Fälle. Bei den tiefsitzenden Stenosen
kam die Koni gasche Spiralcanüle in Anwendung.
W. Zinn- Berlin.
Medicinisch-naturwissenschafH. Gesellschaft zu Jena.
(Seetion für Heilkunde.)
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 11. Januar 1900.
1. Herr Wagenmann: Pnlsirender Exophthalmus
nach SchnssVerletzung.
Herr W. stellte einen 22 jährigen Mann mit hochgradigem
pulsirenden Exophthalmus des rechten und beginnenden pulsi-
renden Exophthalmus des linken Auges nach Revolversehussver-
letzung der rechten Sehläfenseite vor.
Der Mann, dessen Vater durch Selbstmord geendet hat. hatte
am 2t. Nov. 189Ü in einem. % Stunde von seiner Wohnung ent¬
fernten Walde mit einem 7 mm-Revolver gegen seine rechte Schläfe
einen Schuss abgefeuert, um sieh das Leben zu nehmen. Er war
nach dem Schuss ca. 1 */. Stunden bewusstlos, kam wieder zu sich
und ging, ohne besondere Beschwerden zu fühlen, nach Hause.
Die Schläfenwunde hellte unter einem einfachen Verband
rasch zu. so dass er nach ca. 14 Tagen seine Arbeit wieder auf-
nahtn. Er bemerkte von dieser Zeit an. dass das rechte Auge
Immer stärker hprvortrat. Am 24. Deeember kam er in die hiesige
Klinik.
Es fand sieli an der rechten Schläfe eine glatte, noch etwas
gerölhele, mit dem Knochen verwachsene Narbe der rechten
Schläfe, ca. 3 ’/, em nach hinten vom äusseren Orbitalrnnd. ferner
ein hochgradiger Exophthalmus mit starker Wulstung. Röthung
und Vortreibung der unteren Hälfte der Conjunctiva. Die Venen
am oberen Lid und die Gefässe in der oberen Hälfte des Conjime-
tivalsackes waren stark ausgedehnt und geschlängelt. Daneben
bestand Ptosis. vollkommene Lähmung der vom Abducens und
Oeulomotorius innervlrten äusseren Augenmuskeln, während der
Obliquus superior ganz intact war. Die Pupille erschien mittel¬
weit. reactionslos, die Sehschärfe am rechten Auge betrug mit
coneav. 1 D */, der Norm. Die Aecommodatlon war so gut wie
vollständig erhalten. Der Nahpunkt lag in 14 em.
Ophthalmoskopisch erschienen die Venen stark ausgedehnt,
die Papille wohl geröthet. aber scharf begrenzt. An den Venen
fand sieb deutlicher Venenpuls. An dem stark vorgetriebenen
rechten Auge sah und fühlte man deutliche pulsatorisclie Beweg¬
ungen. Der Mann hörte ein blasendes, rhythmisches Geräusch,
das der Untorsucher durch Auseultatlon überall am Schädel auf
das Deutlichste wahraohmen konnte. Die Oompression der Carotis
communis am Hals Hess die subjectiven und oblectiven pulsatori-
schen Phänomene sofort verschwinden. Das linke, im Uebrigen
normale Auge zeigte ebenfalls leichte Ausdehnung der conjunc-
tivalen und episcleralen Gefässe und einen ganz leichten Exoph¬
thalmus. An dem Auge waren ebenfalls geringe Pulsationen zu
sehen und heim Eindrücken des Auges in die Orbita zu fühlen.
Ophthalmoskopisch erschienen die Venen mässig ausgedehnt.
Das Allgemeinbefinden war bis auf zeitweisen Kopfschmerz
vollkommen gut.
Um den Sitz der Kugel zu bestimmen, wurden Röntgen¬
aufnahmen des Schädels von vorn, von der Seite und in schräger
Richtung gemacht, theils mit Markirung bekannter Punkte durch
Bleimnrken. Die Kugel zeichnete sich deutlich ab. Sie sitzt wahr¬
scheinlich im Knochen der Orbitalwand etwas nach unten aussen
von der Horizontallinie ea. 3 em nach hinten vom temporalen
Orbitalrand, entweder im Keilbeinflfigel. oder auf der Grenze
zwischen Keilbeinflügel und Jochbein. Aus Vergleich der Ein¬
schussöffnung und dem jetzt nachweisbaren Sitz kann man
schliessen. dass die Kugel die Sehädelliöhle selbst nicht eröffnet
haben kann, sondern in der Richtung nach vom und etwas nach
unten durch die Fossa sphenomaxillaris in den Temporalflügel des
Keilbeins eingedrungen war.
Als Ursache des pulsirenden Exophthalmus wird man auch
in diesem Fall ein Aneurysma arterio-venosum der Carotis in¬
terna im Sinus cavernosus aunehmen müssen, veranlasst durch
Knochensplitterung des Keilbeins und nicht durch die Kugel
selbst. Der beginnende Exophthalmus des linken Auges findet
darin seine Erklärung, dass sich die Stauung und abnorme Circu-
lation vom rechten Sinus cavernosus zum linken durch die Sinus
intercavemosi fortgepflanzt hat.
Bei dem Patienten wurden sofort Digitalcompressionen der
rechten Carotis communis am Hals ausgeführt. Trotz täglicher,
stundenlanger Compressionen haben sämmtliche Erscheinungen
rechts, wie links stetig noch zugenommen.
Sollte durch fortgesetzte Digitaleompression keine Besserung
erzielt werden, so soll die Unterbindung der Carotis communis
ansgeführt werden.
2. Herr Dötsch: Verhornung des Bindehantepithels
bei infantiler Conjnnctivalxerose.
Ein Kind von 21 Wochen, das an den Folgen einer Broncho¬
pneumonie zu Grunde ging, zeigte klinisch das Bild der Kerato-
malacie mit ausgesprochener Conjnnctivalxerose. Im Dtekglas-
priiparat von Xeroseschüppchen, sowie durch Cultur Hessen sieh
massenhaft Xerosebaclllen neben einigen anderen Mikroorganismen
nach weisen.
Die Seetion ergab ausgedehnte pneumonische Herde und Fett¬
leber. Der linke Bulbus wurde im Zusammenhang mit einem grossen
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
302
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
Theil der Bindehaut ausgelöst, in Formol gehärtet. In Celloidin ein¬
gebettet und in Serienschnitte zerlegt. Das Bindehautepithel zeigte
eine beträchtlic he Verdickung. Auffallende Befunde bot die Schicht
der platten Epithelzellen. Die Kerne zeigten hochgradigen Schwund
des Ohromatins. das entweder an der Oberfläche des Kernes in
Sichel- oder bandförmigen Figuren, oder im Centrum zu kleinen
Kugeln angeordnet war. während der grösste Theil des Kernes
vollkommen blass erschien. Das Protoplasma war von zahlreichen
unregelmässig gestalteten Körnchen durchsetzt, die den Farben
gegenüber sich wie das Chromatin des Kerns verhielten, sie
wurden durch Haematoxylin blau, durch Carmin roth. Die Ver-
muthung, dass diese Körnchen mit den Wa 1 d e y e r’schen Iveratö-
liyalinkörnchen identisch seien, wurde durch den positiven Ausfall
einer von U n n a angegebenen Färbemethode bewiesen, die durch
Ueberfärbung mit Haematoxylin und Differenzirung in Kalium
hypermangauicum eine isolirte Darstellung der Iveratohyalin-
granula ermöglicht.
Die Schicht der platten Epithelzellen der xerotischen Binde¬
haut glich also vollkommen der entsprechenden Lage des Epithels
der nussseren Haut, dem nach I’ n n a sogenannten Stratum granu-
losum. das aus platten Epithelzellen besteht, die Keratohyalin-
körnelien enthalten und den Febergang von den polygonalen
Stachelzellen zum Stratum corneum bilden.
Schon durch diesen Befund war es ziemlich wahrscheinlich
gemacht, dass cs sich in dem vorliegenden Fall um eine beginnende
Verhornung des Bindehautepithels handelte.
Ernst hat durch zahlreiche Untersuchungen an normalen
und pathologischen Objecten nachgewiesen, dass die O ramsche
Bacterienfärbemetliode in vorzüglicher Weise auch geeignet ist.
beginnende Verhornung nachzuweisen, indem sie einerseits Kerato-
liyalin. andererseits die jungen Hornlamellen distinct gefärbt her¬
vortreten lässt.
Versuche mittels dieser Methode zeigten im vorliegenden Fall
an der Oberfläche der xerotischen Bindehaut mit grösster Schärfe
vereinzelte oder zu kleiuen Schüppchen angeordnete Hornlamellen
und innerhalb der platten Epithelzellen massenhafte Keratohyalin-
grauula.
Nachträgliche Untersuchungen älterer Präparate von xero-
tiselier Bindehaut, die in der Jenaer Augenklinik aufbewahrt
wurden. Hessen ebenfalls mittels der O r a m’sehen Methode aus¬
gesprochene Verhornungen erkennen.
Es ist desshalb anzunehmen, dass die eigenthümliche Verän¬
derung der Bindehaut bei Xerosis im Wesentlichen in einer Ver¬
hornung des Epithels besteht, ein Proeess. für den die Xerose-
baeillen wohl ohne Bedeutung sind. (Ausführlichere Mittheilnngen
finden sich in v. Graefe’s Archiv f. Ophthalmologie, Bd. XLIX, 2.)
3. Herr Grober : Eine neue Methode der quantitativen
Zuckerbestimmung.
Vortragender demonstrirt einen neuen Apparat der Firma
Z e i s s In Jena, der zur Bestimmung des Brechungseoefficienten
von Flüssigkeiten dient. Die Ablesungen erfolgen sehr bequem
an einer Scala und genau an einer Mikrometersehraube. Nach zahl¬
reichen Bestimmungen an zuckerhaltigen Urinen entspricht 1 Proc.
Zucker einem Wertiie von 2,0 Scalentheilen. Es werden die Brech-
ungseoeffleienten des unveränderten und des vergührten Urins
neben einander bestimmt, die Differenz auf einer beigegebenen
Tabelle aufgesucht und daraus der Procent- und Promille-Gehalt
an Zucker abgelesen.
Der Apparat — Elntauehrefractometer — dient ferner zur
raschen Herstellung und Gontrole von Normallösungen und zur an¬
nähernden Bestimmung des Eiwelssgehaltes thierischer Flüssig¬
keiten.
Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 24. Juli 1899.
Vorsitzender: Herr Leichtcnstern.
Schriftführer: Herr Drees mann.
Herr Bardenheuer: 1. Transplantation eines .Meta-
tarsns resp. eines Metacarpus.
Bardenheuer bespricht an der Hand von Skia¬
grammen und Patienten die Transplantation des Metatarsus II
zum Ersätze des benachbarten resecirten Metatarsus I. Die Er¬
haltung dos Ballens der dicken Zehe ist von Wichtigkeit zur Er¬
haltung des Fussgcwölbes und des elastischen Ganges. Wenn die
dicke Zehe sammt dem entsprechenden Metatarsus entfernt
werden muss wegen Zerstörung dos I. Metatarsus, so leidet der
Gang ganz ausserordentlich, so dass vielfach dieserhalb der
queren Articulation im Tarsometatarsalgelenke der Vorzug ge¬
geben wird.
Tn solchen Fällen löst B. von einem dorsalen Längsschnitte
aus nach der Reseetion des I. Metatarsus das vordere Ende des
TT. M. aus dem Metatarsophalangenlgelenke aus und löst ferner
rings um den Knochen bis zur Basis dos Metatarsus die Museu-
latur ab und lockert die Verbindung zwischen den Bases des IT.
und m. Metatarsus durch senkrechte in die Gelenkverbindung
zwischen denselben ausgeführte Schnitte so weit, bis der Kopf
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des II. M. sieh leicht nach aussen schieben lässt, so dass man
die Basis der I. Phalanx der dicken Zehe auf den Kopf des
IT. M. aufnageln kann.
Der entstandene Zwischenraum zwischen den vorderen
Enden der Metatarsi wird mit Jodoformgaze ausgestopft; im
ITebrigen wird die ganze Wunde primär vernäht.
Der Verlauf war in 4 Fällen, deren Skiagramme vorgezeigt
wurden, ein sehr guter; der M. II war schiefgerichtet und artieu-
lirte durch sein hinteres Ende mit dem Os cuneoforme II und
durch sein vorderes Ende mit der Basis der I. Phalanx der
dicken Zehe; die Function war eine vorzügliche, gerade so als
ob der M. 1 noch an Ort und Stelle sich befände. Das Fuss-
gewölbe blieb erhalten.
Fast das gleiche Verfahren hat B. in einem Falle einge¬
schlagen. in welchem durch mehrmalige Auslöffelung des ITT.
Metaeaipus der Goldfinger weit in die entstandene Lücke
zwischen den III. und IV. Metacarpus zurückgewichen war, so
dass der Ringfinger kleiner als der 5. Finger war.
Es wurde in diesem Falle der zerstörte 4. Metacarpus von
einem dorsalen Längsschnitt aus resecirt. dann wurde der 3. Metn-
earpus subperiostal ausgehülst bis auf sein vorderes und hinteres
Ende oxel. Der Knochen ward alsdann ganz nahe der
Gelenkflüche des Kopfes quer durchnieisselt und nun wurde der
ganze vom Perioste entblösste Metacarpus 3 mit dem vorderen
Resectionsende kleinfingerwärts verschoben, bis er der Basis der
L Phalanx des Ringfingers gegenüber stand. Alsdann wurde die
Phalanx auf das vordere Ende des transloeirten 3. Metacarpus
aufgenagelt.
Die Periosthülse des letzteren blich in situ. Die Wuude ward
primär vernäht.
Das Resultat war ein vorzügliches. Der Goldfinger hat fast
seine normale Länge, der Mittelfinger ist etwas, sehr wenig, kleiner
geworden: man merkt an der Hand kaum eine Entstellung mehr.
Der Knochen des 3. Fingers hat sich, wie das Skiagramm
zeigt, in der ganzen Dicke und Länge neugebildet.
Herr Gaben: Kommen nach diesen Knochenspaltuugen bei
Kindern keine Wachsthumsstörungen vor?
Herr Bardenheuer: Einige Fälle sind verfolgt worden,
bei denen Waehsthumsstörungeu nicht eintraten: doch ist ein be¬
stimmtes Urtheil zur Zeit noch nicht möglich, ob in allen Fällen
keine Wachsthumsstörung eintritt.
2. Resectio Synchondrosis sscroiliacae.
B. bespricht an der Hand von 5 Fällen die Resultate dieser
Operation.
Die Operation ward ausgeführt wegen Tuberculosis des Ge¬
lenkes zwischen dem os sacrum und os ilei.
Die Tuberculosis nimmt fast ausnahmslos ihren Ausgang
von dem Os sacrum und verbreitet sich mit Vorliebe in dem cen¬
tralen Abschnitte des Gelenkes, im os sacrum, dieselbe nähert
sich immer mehr dem Wirbelcanale und greift zuletzt auf das
Gelenk der anderen Seite über. Zwei Fälle dieser Art hat mein
Assistenzarzt, Herr Dr. Wo 1 f f, veröffentlicht auf der Natur-
forscherversnmmlung in Düsseldorf, welche natürlicher Weise
einen ungünstigen Verlauf nahmen und die erste Statistik ver¬
schlechterten; von 12 starben 5.
Die Gefahren der Operation liegen; a) in dem Weiter¬
schreiten des Processes resp. in der Unmöglichkeit, den ganzen
tuberculösen Herd zu entfernen; h) in dem Operationsschocke,
bedingt durch die Blutung, die langdauernde Operation und
durch die Fettembolie.
Gerade der oben erwähnte Verbreitungsweg und die relativ
frühzeitige Betheiligung des Os sacrum bis zum Wirbelcanal
sind für B. bestimmend, in den Fällen, wo eine Eiterung nachzu¬
weisen ist, der Reseetion des Gelenkes das Wort zu sprechen, weil
bei zu langem Zuwarten eine reine Exstirpation nicht mehr zu
erzielen ist und leicht durch Verletzung der Sacralnerven Läh¬
mung der Sphincter vesicae et alvi entsteht. B. glaubt um so
mehr zur Ausführung der Operation berechtigt zu sein als von
den letzten 5 Fällen, welehe von einem anderen Schnitte aus aus¬
geführt worden sind, keiner gestorben ist, resp. alle definitiv ge¬
heilt worden sind.
B. bespricht die Symptome, den Verlauf, den Verbreitungs¬
weg dos Eiters, die Indication der Operation und schliesst dann
die Besprechung der Operationsmethode an.
Er hält die Operation für indicirt, wenn eine Eiterung des
Gelenkes besteht. Früher legte B. einen Längsschnitt übeFs Ge¬
lenk und fügte zwei Querschnitte am oberen resp. unteren Ende
des ersteren zu. Heute führt er einen Schnitt entlang der Crista
ilei, Oristallschnitt; er beginnt denselben an dem Punkte, wo etwa
das vordere Drittel derselben in’s mittlere übergeht. Der Schnitt
wird nach hinten verlängert, bis zu den Proeess. spinosus; derselbe
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
57. Februar i9t)Ö.
MÜNCHENER MEDlClNISCIIE WOCHENSCHRIFT.
m
verläuft alsdann entlang denselben senkrecht nach unten bis zur
Verbindung des os coccygis mit dem os sacrum und wendet sich
von hier aus wieder nach vorn gegen den grossen Trochanter,
ohne indess denselben zu erreichen. Der cristale Schnitt trennt
das Labium extern, der Crista ab, so dass der Schnitt direct bis
auf die äussere Fläche des os ilei gelangt, alsdann wird das
lVriost mit einem Hebel bis zur Incisura isehiadica maj. abgelöst.
Die Musculatur der Nates liegt also zwischen Haut und Periost.
Es wird alsdann an der inneren Seite der Crista das Labium
int. derart abgetragen, dass es mit der von derselben entspringen¬
den Musculatur der Lendengegend und der Fossa iliaca in Zu¬
sammenhang bleibt. Das Periost der letzteren wird ebenfalls bis
zur Incisura isch. maj. abgelöst.
Alsdann wird ein Keil aus dem oberen Rande des Os ilei
mit einer scharfen Knochenscheere herausgeschlagen. Nun wird
von der entstandenen Lücke aus eine CI i g 1 i’selie Säge um den
unteren Rand des Os ilei heruingeführt, um denselben quer zu
durchsägen.
B. vermeidet .sehr, den Meissei zu gebrauchen, weil er stets
constatirte, dass nach längerem (Jebrauche desselben sich Collaps-
symptome einstellten und dass einmal ein Patient im Oollaps
blieb. Es bestand Fettembolie.
B. gebraucht den Meissei evciit, nur, um denselben auf die
Fuge des Gelenkes aufzusetzen und die Verbindung zwischen den
beiden Knochen zu lockern, im fiebrigen gelingt es meist, durch
Zug am os ilei ohne Meissei das Os ilei zu luxiren.
Zum Schlüsse wird noch der Process. cubitalis des Os sacrum
mit der G i g 1 Eschen Säge abgetragen. Dringt der tuber-
culöse Process weiter in’s Os sacrum hinein, so muss man eine
Sonde zur Orient-innig entlang den 3 Wurzeln das Plexus bis in
den Canalis spinalis einführen und event. nochmals zum Meissei
greifen, um zwischen den Wurzeln des Nerven mit einem
schmalen Meissei den erkrankten Knochen zu entfernen. Die
Wunde wird ganz zugenäht und ein Jodoformtampon wird an der
Sacralwundfläehe angedrückt und nach hinten oben heraus¬
geführt. Die Blutung ist meist eine iiusserst geringe; seit der
Zeit, dass ich in dieser Weise operirc, habe ich keinen Fall mehr
an Collaps verloren. 5 Falle, welche* in letzter Zeit operirt
wurden, sind günstig verlaufen, sowohl bezüglich des Wundver¬
laufes, des functionellen Resultates, als auch bezüglich der com-
plcten dauernden Ausheilung.
Auf Anfrage des Herrn Klein rätli Herr Bardenheue r
bei nicht vorhandener Eiterung von der Operation ab, zumal leicht
Verwechselung mit Osteomalacie des Beckens Vorkommen könne.
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Officlelles Protokoll.)
Sitzung vom 9. Januar 1900.
Vorsitzender: Herr Curschmann.
Schriftführer: Herr Brau n.
Herr Curschmann spricht zur Frage der Localisation
der Appendicitis im Anschluss an folgenden kürzlich in seiner
Klinik beobachteten Fall:
25 jähriger Arbeiter, abgesehen von vorübergehenden neur-
a athenischen Beschwerden früher immer gesund, erkrankte
14 Tage vor der Aufnahme in’s Krankenhaus unter plötzlichem
Schüttelfrost und musste sich zu Bett legen. Die Schüttelfröste
kehrten in der nächsten Zeit fast täglich wieder, eine bestimmte
Diagnose wurde von dem behandelnden Arzte nicht gestellt. Bei
seiner Aufnahme in’s Krankenhaus liessen der elende Zustand, hoch¬
gradige Llnbesinnlichkeit, Milztumor, sowie der remittirende und
intermittirende Charakter des Fiebers, die immer sich wieder¬
holenden Fröste die Diagnose Septicopyaemie als zunächst¬
liegend erscheinen. Weiterhin bemerkenswerth erschien jedoch
der schwere Ikterus, der wenige Tage nach der Aufnahme so
intensiv war, dass er als Melasikterus bezeichnet werden konnte.
Man musste mm an einen Zusammenhang zwischen dem sep¬
tischen Process und der Leberaffection um so mehr denken, als
auch in der That ein bedeutender Lebertumor mit ziemlicher
Schmerzhaftigkeit palpatorisch nachweisbar war. Es musste sich
also um einen acuten entzündlichen Zustand dieses Organes
handeln. Am einfachsten erschien die Annahme, dass es in der
Leber zur Bildung multipler Abscesse gekommen sei, deren aetio-
logisch naher Zusammenhang mit der schweren septischen Er¬
krankung auf der Hand lag.
woher die Pyaemie und dain
^Es blieb nun die weitere Frage,
; auch die* Abscesse in der Leber
lag. ^Es blieb nun d
omit auch !jej-lbsc<
stammten. Das nächstliegendc war, an eine Perityphlitis zu
denken. Die eingehende Untersuchung der typischen Stellen, ■
der Gegend des Coecum und der Appendix, ergab jedoch nicht den
mindesten Anhaltspunkt für eine vorausgegangene entzündliche
Erkrankung des Wurmfortsatzes; namentlich war weder ein Ex¬
sudat, noeii Reste eines solchen nachzuweisen, so dass man über
die Quelle der Pyaemie irn Dunkeln bleiben musste. Eine Peri¬
typhlitis glaubte man als Ursache der Erkrankung ausschliessen
zu dürfen.
Eine vorgenommene Blutuntersuchung ergab nun das massen¬
hafte und ausschliessliche Vorkommen von Baeterium coli im
Blute des Patienten. Der Nachweis gerade dieses Eitererregers
in Verbindung mit der schweren abscedirenden Leberentzündung
führte zur Vermuthung, ob es sich nicht um die gerade in
neuester Zeit viel diseutirte Erkrankung der Leber, um eine sog.
lickrotisirende Hepatitis, handele. Nach den bis jetzt vorliegen¬
den Krankengeschichten führt ja gerade dieser Krankheitsprocess
zur Bildung multipler Eiterherde in der Leber, deren Ursache auf
eine durch Baeterium coli hervorgerufene infectiöse Entzündung
der grossen Gallenwege zurückgeführt werden muss.
Die Diagnose der nekrotisirenden Hepatitis, die im vor¬
liegenden Falle lediglich per exclusionem gestellt war, erwies sich
jedoch hei der Section als falsch. Es ergab sich trotzdem das
Vorhandensein einer Appendicitis, dabei aber das eigenthüm-
Jiehe Verhalten, dass der an seiner Spitze nekrotische Wurm¬
fortsatz, ohne dass Exsudat- oder Eiterbildung bis dahin ent¬
standen war, tief im Becken zwischen Blase und Mastdarm ge¬
legen und mit diesen Organen innig verklebt war. Von der
nekrotischen Spitze des Wurmfortsatzes aus hatte sich eine
Phlebitis entwickelt, die von da bis zum Stamm der Pfortader
und von dieser bis tief in die Leber hinein in aRe Gallenäste
sich erstreckt und hier die Ursache einer in der That nachweis¬
baren multiplen Abseessbildung geworden war.
Dieser Fall, bei dem nach Lage der Verhältnisse eine unrichtige
Diagnose kaum zu vermeiden gewesen war, gibt dem Vortragenden
Veranlassung, einiges aus seinen Erfahrungen über die Topographie
perityphlitischerExsudatemittzutheilcn. Er betont vor Allem, dass
büchern liest, pcrityphlitische Exsudate an physiologischer Stelle
des Coecum gefunden würden, sondern, dass man bei der Varia¬
bilität der Grösse und Lage des Kolon ascendens und des Wurm¬
fortsatzes stets darauf gefasst sein müsse, auch an anderen oft
ganz unerwarteten Stellen von ihnen ausgehenden entzündlichen
Exsudaten zu begegnen. Die Lage des abnorm langen Wurm¬
fortsatzes im kleinen Becken hat Herr Curschmann,
namentlich dann, wenn auch das Coecum etwas mehr als normal
beweglich war, an der Leiche gar nicht so selten, und einige Male
durch diesen Zustand verursachte entzündliche Processe und
Abscesse tief im Becken beobachtet. Man findet dann in solchen
Fällen in vivo die rechte Fossa iliaca frei und kann auch über
der Symphyse selbst bei tiefstem Eindringen keine Geschwulst
nachweiscn, weil die Dünndärme meist über und in dem Becken¬
eingang verklebt sind. Die Untersuchung per rectum resp. per
vaginam bei Frauen bringt gelegentlich den entzündlichen Herd
zur Kenntniss. Aber selbst bei genauester Untersuchung ist auch
dieser Befund nicht ohne Weiteres zu deuten (Beckenabscesse aus
anderen Ursachen, Parametritis, Oophoritis etc.).
Die abnorme Länge der Appendix kann weiterhin zu den ver¬
schiedenartigsten Localisationen des entzündlichen Processes
führen:
a) Der Processus ist über dem Beckeneingang mit dem
Blasenscheitel verleihet, Ischurie, Perforation in die Blase;
b) er findet sich dicht an der Linea alba oder der Nabelgegend
oder
c) im Verlauf des Kolon ascendens.
Wenn neben der Länge des Wurmfortsatzes, was allerdings
selten ist, eine bedeutende Verlängerung des Mesokolon ascend.
und damit des Coecum besteht, so kann
d) der perityphlitische Process in der linken Fossa iliaca sich
entwickeln und dort ein Exsudat nachweisbar sein, was in vivo
kaum anders als auf eine Sigmoidititis sich beziehen lässt. Einen
solchen Fall hat Herr Curschmann einmal durch Section
nachweiscn können.
In diagnostischer und damit auch in therapeutischer Hin¬
sicht besondere Schwierigkeiten scheinen gewisse Entwicklungs¬
anomalien des Kolon ascend. zu bedingen, die dann zu Lagever¬
änderungen des Coecum führen. So kann ein durch Entwicklungs-
UINIVERSITY OF CALIFORNIA
304
MÜNCHENER MED1C1NISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9
hemmung abnorm kurz gebliebenes Kolon ascend. zu einem Herauf -
gelagertsein des Coecum resp. der Appendix in die obere Bauch-
gegend führen. Man sieht dann Abscesse im Epigastrium und
unterhalb des Leberrandes entstehen. Ja selbst hinter der Leber
können so Abscesse entstehen, die dann klinisch geradezu als sub¬
phrenische imponiren. Herr Curschmann theilt einen hier¬
hergehörigen Fall seiner Beobachtung mit.
Bei einem älteren Herrn hatten sich scheinbar mehrfache An¬
fälle von Gallensteinkolik mit Schmerzen in der .Lebergegend unter
1< röstein und leichtem Ikterus eingestellt. Verschiedene Gallen-
steincuren brachten vorübergehende Besserung. Nach einem an¬
strengenden Gang trat plötzlich ein besonders heftiger „Anfall* 1
auf, an den sich eine allgemeine Peritonitis anschloss, die zum Tode
führte. Die Section ergab, dass es sich nicht um Gallensteine ge¬
handelt hatte, sondern dass das Goecum mit der Appendix hinter
die Leber dislocirt war. Die Entzündung des Xyplilon hatte zur
Abscessblldung in der Umgebung geführt, die in verschiedenen
Attaquen die Leberschmerzen vorgetäuscht und den Ikterus durch
den Druck auf die Gallenwege hervorgerufen hatte. Der letzte
„Anfall* 4 verlief tödtlich, da der grosse abgekapselte retrohepatischc
Abscess nach der freien Bauchhöhle hin perforirt war.
Herr Curschmann weist noch darauf hin, dass Appen-
dicitis auch zu retroperitonealen Processen führen kann, wenn
die Appendix theilweise oder total extraperitoneal gelagert ist,
was übrigens zu den seltensten Vorkommnissen gehört.
Zum Schluss erwähnt er, dass auch in Bruchsäcken das
Coecum und Wurmfortsatz gelegentlich gefunden und selbst in
ihnen sich abspielende Appendicitis beschrieben worden sei.
Discussion: Herr B u c h h e i m hat einen ähnlichen
Fall wie den von Herrn Curschmann geschilderten gesehen.
Es war aber da ein Infiltrat im kleinen Becken fühlbar. Herr
B a h r d t f rügt nach der diagnostischen Bedeutung des McBur-
ney'schen Punktes. Herr Tillmanns sah einen perityphli-
tlschen Abscess in der linken Fossa iliaca, Herr Braun fand deu
Wurmfortsatz in einer linksseitigen Leistenhernie bei einem 3 jähr.
Knaben. Herr Curschmann: Ein Infiltrat im Becken war in
dem von ihm geschilderten Fall nicht vorhanden, der McBur-
n e y’sche Punkt hat nur für die an normaler Stelle sich abspielende
Appendicitis diagnostische Bedeutung.
Discussion über den Vortrag des Herrn Sachse:
Ueber neuere Methoden zur Behandlung von Antrumempyemen
und Kiefercysten. (19. December 1899.)
Herr Barth versucht zunächst durch Ausspülungen von der
Nase aus, event nach vorheriger Beseitigung von Polypen,
Schleimhautwülsten, durch Entfernung erkrankter Zähne, die ja
meist die Ursache des Empyems der Highmorshöhle sind, durch
Eröffnung derselben durch die Alveole, der Krankheit beizukom-
xuen, und eröffnet erst dann in der Fossa canina, wenn die ein¬
facheren Mittel nicht zum Ziele führen. Zum Offenhalten oder
zeitweiligen Verschluss der Oeffnung bedient er sich dann der
seit langer Zeit für diesen Zweck empfohlenen Bleistäbe oder
Bleiröhren. Herr Sachse führt einige Punkte aus seinem Vor¬
trag in der letzten Sitzung genauer aus (siehe deu Bericht über
diese Sitzung).
Herr Stimmei: Unzweckmässiges unter Zudrücken der
Nase bewirktes Schneuzen ist bisweilen die Ursache eines Antrum¬
empyems. Herr Schmied beobachtete wiederholte Antrumem¬
pyeme bei einem Kranken, jedesmal im Anschluss au Schnupfen;
Befreiung der Oeffnung von der Nase aus brachte jedesmal
Heilung.
Herr W. Müller : Zur Entstellung der Lungenentzün¬
dungen.
Es wurden über 100 croupöse Pneumonien bacteriologisch
untersucht, es fanden sich dabei meist Bacteriengemische.
Bac. Friedländer fand sich häufiger als in anderen Zusammen¬
stellungen.
Die Frage, auf welchem Wege sich die Bacterien in der Lunge
ausbreiten, wurde experimentell an Vaguspneumonien, sowie an
menschlichen Präparaten untersucht. Für die ersteren konnte
eine interstitielle Verbreitung der Mikroorganismen auf dem
Wege der Septumsaftspalten und der Lymphgefässe nachge¬
wiesen werden. Der gleiche Weg wurde durch anatomische
Untersuchungen für menschliche Aspirations- und croupöse
Pneumonie bestätigt. (Autoreferat.)
den von F o u r n i e r getauften parasyphüitischen Erkrankungen
Tabes und progressiver Paralyse. Nach der Einleitung bericütel
der Vortragende über 17 Fälle, deren Krankengeschichten er mit
theilt. Es waren K> genital und 2 extragenital enistan
dene Luesfälle. Letztere beide betrafen Aerzte, welche sich be
einem an Lues tarda leidenden Kranken inficirt hatten durch Hiss
wunden der Finger bei einer rinnenförmig angelegten Oeffnunj
des 1. Humerus betreffs Entfernung von Eiter und kleinen Se
questern aus einem Knochenabscess. Beide Verletzungen der Col
legen gelangten durch Jodkali zur Heilung, nachdem der eine scüou
die Exarticulation des Fingers, welcher Ostitis ulcerosa darbot,
verlangt hatte. Diese lnfection durch Eiter eines Knochen-
abscesses, aus Syphilis tarda verursacht, ist natürlich keine dei
lnfection durch den Primärattect, durch syphilitische Gifte analoge
sondern hat vielmehr Aehnlielikeit mit der lnfection durcl
Leichengift. Dass aber syphilitische Toxine bei den beider
Aerzten in die Lymphbahneu geriethen, beweist die rasche Hei
lung durch Jodkali. Bei dem anderen Collegen, der auf dieselbe
Weise Heilung erlangte, bestand Lymphangltis mit Axillarbubo,
ähnlich wie bei Leicliengiftinfeetion.
Von den übrigen h allen traten 2 unter dem Bilde einer Phieg
mone auf, 1 Fall nach 3 Monate bestandener gummöser Hoden-
Infiltration, der andere nach einem tumorartigen Gumma de&
Unterhautzellgewebes. Mehrere Gummata grossen Calibers dei
Haut und des subcutauen Zellgewebes schienen Carcinome odei
Sarkome zu sein, z. B. in der Leber, in der Thoraxgegend, beidt
geheilt durch specifische Behandlung; Lymphdrüsen waren dabei
nie geschwollen; die mikroskopische Untersuchung entschied mehr¬
fach die Diagnose. Eine gummöse Erkrankung der Dura matei
wurde, obwohl Pat. von anderer Seite einer Irrenanstalt zugewieseu
worden, durch Inunction geheilt und lebte noch 28 Jahre gesund,
bis er einem Lebercareinom, vielleicht auf einer luetischen Leber
narbe entwickelt, erlag. Interessant war auch folgender Fall
Plötzliches Glottisoedem aus unbekannter Ursache, Tracheotomie
später wurde aus serpiginösen Geschwüren am Thorax ersichtlich,
dass Lues die Ursache war. Specifische Behandlung. Nach zwei
Jahren Tod an Schrumpfniere. Die Section wies zahlreicht
Narben und Substanzveriust des Kehldeckels nach. Ein Fall vou
totaler Alopecia acquisita heilte durch Jodkali, ein Ulcus durunj
des Zahnfleisches des Oberkiefers mit Ausfallen der Zähne nach
energischer specilischer Behandlung. Ein Ulcus durum der Portiu
vaginalis, das einfache Leukorrhoe vortäuschte, wurde gründlich
geheilt, so dass die Frau nach 2 Jahren ein gesundes Kind gebar.
Von 2 Füllen von Gelenksyphilis wurde der eine, obwohl Anfangs
tuberculüse Affection des Xibiotarsalgelenkes angenommen wurde,
mit Kalomelinjectionen dauernd geheilt, während im anderen Fall
doppelseitige luetische Erkrankung der Kniegelenke, welche Ge¬
lenkrheumatismus zu sein schien, Jodkali erheischte und heilte.
Ein faustgrosses Gumma als Parotistumor wurde schon früher be¬
richtet. (Siehe diese Wochenschrift 1890, No. 50.) Diese Kranke
bekam auf der linken Seite einen gleichen Tumor mit Vereiterung.
Knochenerkrankungen w r urden beobachtet mit und ohne Knochen
abscess. Gerade dabei ist an die „Lues tarda* 4 zu denken.
Herr Flatau bespricht kurz 4 in den letzten Tagen aus
geführte vaginale Hysterektomien unter theilweiser Demonstra
tion der Präparate: 1. ein Ulcus mit Portiocarcinom; der am 4. Tage
p. o. manifeste Ileus durch Laparotomie gehoben; es wraren Ver
wachsungen einer Dünndarmschlinge im Beckenwundtrichter.
2 . Uterus mit doppelseitiger Sactosalpinx auf gonorrhoischer
Basis.
3. Complicirter Beckenabscess, nach unten eröffnet und drainin
nach morcellirender Entfernung des festeingemauerten Uteru>.
(Patientin ist je in München und Augsburg schon laparotomirt
worden: wesswegen, war nicht zu eruiren.)
4. Uterus mit kindkopfgrossem Myom und vielen einzelnen
kleineren Knoten, ebenfalls mit Hömisection anterieur und
Enucleation der Myomknollen vaginal entfernt
Herr F la t a u erwähnt, dass er nach Doyen-Landau’
scheu Priucipien operirt und seit */« Jahren auch mit der Hebel¬
klemme von Thumlm arbeitet. Eine schwere Blutung, glück¬
licher Weise noch auf dem Operationstisch, lässt ihn jetzt vor¬
sichtig Vorgehen und die Sehnürfurche von nun an noch mit
Catgut sichern.
Herr Flatau demonstrirt ferner eine zweihammerige
Ovarialcyste von einer im 6. Monat schwangeren Vl.-Para. G«.
wicht der Cyste betrug 18 Pfund. Der Stiel war 4ma)
gedreht; der innere Tumor hatte nekrotische Wandungen; in
ihn batte eine starke Blutung stattgefunden. Die Gefässe des
Stieles haben Lumina vou der Stärke einer menschlichen Carotis
und zeigen schon in grob anatomischem Sinne die Merkmale ex-
cessiver Verkalkung. Schwangerschaft ungestört; Verlauf gut.
Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 21. December 1899.
Herr Joh. Merkel: Ueber Syphilis in larvirter Gestalt.
Der Vortragende bewegt sich mit dem Berichte seiner Er¬
fahrungen über Syphilis in larvirter Gestalt, d. h. Syphilis mit
Symptomen, welche eine andere Affection vortäuschten, nicht in
der Betrachtung ungelöster Probleme in der Sypbilislehre, sondern
betritt den .-Standpunkt di
D samen pra! .tischet Fi
praktischen Arztes in dieser bedeut-
Lbensowenig soll die Rede sein von
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht)
W i e n, 24. Februar 1900.
Die Krankencassen und die Aerzte. — Heber Steifigkeit
der Wirbelsäule. — Frühzeitiges Carcinom. — Eine Nadel im
Kniegelenke.
In den grossen Städten Oesterreichs, welche leider nur allzu¬
viel Aerzte zählen, die einander Concurrenz machen, haben die
verschiedentlicheil Krankencassen die Aerzte geradezu untar-
' UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
305
jocht. Das wurde auch an dieser Stelle so oft mit ziffernmässigen
Belegen dargethan, dass es dieses Mal nicht ausgeführt werden
soll. Viel Plage, wenig Verdienst; grosse Verdriessliehkeiten,
ewiger Streit mit den Kranken oder den Gewaltigen der Gasse,
dagegen geringe moralische oder materielle Anerkennung. AnJers
scheint es auf dem flachen Lande zu sein. Da muss es wohl noch
einzelne Aerzte geben, die an exponirten Orten prakticiren, mit
geringer oder keiner Concurrenz, Aerzte, welche sich von den
Krankencassen nicht „unterkriegen“ lassen, welche es noch heut¬
zutage wagen, eine standesgemässe Entlohnung ihrer
Leistungen zu verlangen. Das sind die „Schlimmen“, „während
die Majorität der Aerzte den Krankencassen in wirklich humaner
Weise entgegenkommt“. Gegen diese „schlimmen“ Aerzte muss
angekämpft werden und der Verband der niederösterreichischen
Genossenschafts-Krankencassen ist es, welcher eine Fehde gegen
diese Aerzte inscenirt.
Besagter Verband, resp. die „Verwaltung des niederöster¬
reichischen Bezirks-Krankencassenverbandes“ richtete jüngst an
den niederösterreichischen Landesausschuss eine Eingabe, in
welcher gebeten wird, bei Anstellung von Gemeindeärzten
daiauf Rücksicht zu nehmen, dass diese sich auch verpflichten,
gegen eine „entsprechende Entlohnung“ die Cassenmitglieder des
Rayons in Behandlung zu nehmen. Man kann sich leicht vor¬
stellen, wie beschaffen resp. wie hoch diese „billigerweiso fest¬
zustellende Entschädigung“ der Aerzte sein werde, wenn man den
nachfolgenden Satz liest, in welchem die Verwaltung des Cassen-
verbandes ihre geheime Absicht verräth: „Der Appell an solche
Aerzte, den Krankencassen doch mit Rücksicht auf ihren eminent
humanitären Charakter entgegenzukommen, bleibe nach Mitthei-
lrng einzelner Verbandscassen vergeblich und ebenso scheitern
alle auf die Ermässigung der Aerztekosten gerichteten Bestre¬
bungen an der in jüngster Zeit durch gewisse Verfügungen der
Aerztekammer zur Thatsache gewordenen Solidarität der Aerzte.“
Wenn auch dieser Satz in seiner obigen Fassung ein Unsinn ist,
denn unseres Wissens hat die niederösterreiehische Aerztekammer
„in jüngster Zeit“ keinerlei Verfügungen besonderer Art ge-
ti offen, so geht dennoch aus demselben hervor, dass es der Gassen -
Verwaltung lediglich um die Unterjochung der Landärzte zu thun
ist, die in ihrer Habsucht so weit gingen, für die Behandlung der
Cassenmitglieder jene M i n i m a 11 ö h n e zu fordern, welche
Staat oder Land für die unentgeltliche Behandlung ihrer
Armen zahlen. Auch diese gewiss niedrigen Honoraransätze
sind den Herren von den Bezirkskrankencassen noch viel zu hoch,
die vom Lande subventionirten Gemeindeärzte sollen also künftig¬
hin auch die Gassenkranken um dieselben Schundlöhne behandeln,
als der Majorität der Aerzte in den grösseren Städten von der
selben Gasse gewährt werden.
Die „Oesterr. ärztl. Vereinsztg.“ sagt mit Recht, dass mit
dieser Eingabe gegen den ärztlichen Stand ein neues Attentat
geplant werde, ein Attentat, dessen Raffinirtheit ihres Gleichen
nicht findet. Der Landesausschuss hat diese Eingabe der zu¬
ständigen Aerztekammer zur Aeusserung überwiesen. Die nieder-
österreichische Aerztekammer hat in entschiedener und mannhafter
Weise gegen die ungerechtfertigten Anwürfe des Verbandes gegen
die Aerzte Stellung genommen und die unwahren Behauptungen
desselben richtiggestellt. Wollte Gott, die Solidarität der Aerzte
wäre zur Thatsache geworden — leider hat der Kranken -
cassenverband auch darin nicht recht — dann hätte es die Ver¬
waltung der besagten Gassen nicht gewagt, eine so protzige, dem
ärztlichen Stande so feindliche Eingabe der Landesvertretung
zu unterbreiten.
Das Thema von der Steifigkeit der Wirbelsäule wird jetzt
vielfach in der medicinischen Publicistik und in gelehrten Gesell¬
schaften ventilirt. Letzthin stand es auch auf dem Programme
des Wiener medicinischen Clubs. Dr. F1 e s c h stellte einen
solchen Fall vor, der einen 28 jährigen Schuhmacher betraf. Die
Steifigkeit hat sich innerhalb dreier Jahre vom Lendensegment
bis zu den obersten Halswirbeln hinauf erstreckt. Vorerst waren
Hals- und Brustwirbelsäule hochgradig kyphotiseh deformirt,
Kopf und Hals waren stark vornüber geneigt und fixirt (Bech-
terew’s pathognomonische Kyphose). Durch langsame kleine
Bewegungen konnte F. eine Stellungsverbesserung erzielen und
er gewann die Ueberzeugung, dass es sich hier um eine spastische
musculäre Fixation handle. Die linke Unterextremität war hoch¬
gradig adynamisch und es bestanden darin Schmerzen ziehenden
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Charakters; auch Kreuzschmerzen waren stets vorhanden. Die
Therapie bestand in Points de feu, modificirt nach der Me¬
thode von Benedikt. Die zu beiden Seiten der Wirbelsäule
gesetzten Wunden wurden durch 8 Tage mit Unguentum Mezerei
zweimal täglich verbunden und die Eiterung wurde so unter¬
halten. Hierauf wurde durch Auflagen von Unguentum zinci
die Uebemarbung herbeigeführt. Der Erfolg war vorzüglich.
Es verschwanden die Kreuzschmerzen, die 1. Unterextremität
wurde kräftiger, der 'Gang sicher, das subjective Gefühl von
Spannung in der Wirbelsäule besserte sich und die Halswirbel¬
säule nahm eine annähernd normale Stellung ein. Die Gelenks¬
steifigkeit ist allerdings auch jetzt noch deutlich ausgeprägt, allein
die Stellung der Wirbelsäule in tot'o ist geradlinig. Die ursprüng¬
liche Erkrankung scheint in den weichen Rückenmarkshäuten
zu liegen und erst secundär erkranken Gelenke und Muskeln.
Solche Fälle wären daher richtiger „meningitische Steifigkeit“
za benennen. Ausser Gonorrhoe vor 4 Jahren konnte kein aetio-
logisches Moment eruirt werden.
In der Discussion wies Herr Docent Dr. H. Schlesinger
auf die Aehnlichkeit' der sog. B e c h t e r e w’schen Versteifung
mit der von Marie beschriebenen Spondylose rhizomelique hin
und berichtete über 2 interessante Fälle letzterer Art. Die
Wirbelsäule war von oben bis unten steif wie ein Stück Holz.
Schulter-, Ellbogen- und Kniegelenke vollkommen steif. Einmal
handelte es sich um zweifellose Hysterie und die Steifigkeit war
nur durch Muskelcontraetion bedingt. Auch im zweiten Falle
scheinen nur Muskeleontracturen die Fixation der Wirbelsäule
und der grossen Gelenke herbeigeführt zu haben. Diese Imitation
des- Symptomencomplexes der Spondylose rhizomelique durch
Hysterie ist bisher nicht bekannt; es ist aber die Kenntniss
solcher Formen von Wichtigkeit, weil sie selbstverständlich einer
Therapie weitaus besser zugänglich sind, als die durch Verände¬
rungen der Wirbelsäule hervorgerufenen Formen.
In der Gesellschaft der Aerzte demonstrirte Professor
P a 11 a u f ein Carcinom der Flexura sigmoidea, das von einem
12 jährigen Mädchen herrührte. Dieses befand sich bis auf den
Tag vor seinem Tode eigentlich wohl und starb rasch unter den
Erscheinungen einer inneren Einklemmung, als man es operiren
wellte. Das stenosirende Garcinom hatte schon zu Metastasen
in der Leber und im Peritoneum geführt. Die histologische
Untersuchung ergab Gylinderzellenkrebs.
Der eminente diagnostische Werth der Röntgendurch-
strahlung wurde durch einen Fall des Primarius und Docenten
Dr. Julius Schnitzler dargethan. Ein 10jähriger Knabe
fiel vor 2Vz Jahren auf das linke Knie, das bald darauf anschwoll
und schmerzhaft wurde. Da eine Gelenksschwellung zurückblieb,
diagnosticirten die Aerzte, worunter sich hervorragende Chirur¬
gen und Kinderärzte befanden, immer wieder Fungus des Knie¬
gelenkes. Ende 1897 sah Schnitzler den Kranken, konnte
sich aber dieser Diagnose nicht anschliessen. Immer wieder wur¬
den fixe Verbände angelegt, worauf sich der Zustand besserte:
wenn der Junge dann herumging, schwoll das Gelenk wieder an,
wurde schmerzhaft etc. Als Schnitzler den Knaben nach
2 Vz Jahren wiedersah, wollte er abermals die Diagnose auf
Knochentuberculose nicht anerkennen, liess jetzt das Gelenk
durchleuchten und da sah man, dass im Knorpelüberzug des
äusseren linken Femurcondyls eine ca. 2 cm lange Nadel stecke.
D;ese Nadel hatte sich der Junge offenbar schon bei seinem Falle
(auf einen mit Teppichen belegten Boden) eingezogen, sie war
nicht weiter gewandert, was den zahllosen seither angelegten
fixirenden Verbänden zuzuschreiben ist. Die Nadel wird jetzt
selbstverständlich operativ entfernt werden.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 21. Februar 1900.
Herr Heller: Fall von idiopathischer Hautatrophie, mit
Demonstration.
Demonstration des Kranken und zahlreicher instructiver mikro¬
skopischer Präparate von einem excidirten Hautstück.
Herr Pariser: Ueber die haemorrhagische Erosion der
Magenschleimhaut.
Dieses von Einhorn aufgestellte Krankheitsbild, das auch
von P. schon mehrfach besprochen wurde, unterscheidet sich
vom Magengeschwür dadurch, dass unmittelbar oder bis Va Stunde
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 0.
306
nach Aufnahme jeglicher Nahrung ohne Unterschied der
Beschaffenheit heisse brennende Schmerzen auf treten und zwar
nicht an einer umschriebenen Stelle, sondern iin ganzen Bereiche
des Magens. Es findet sich auch kein Druckpunkt; Körperlage
ist eben so wenig von Einfluss.
Magenausspülung beseitigt sofort die Schmerzen. Die Mo¬
tilität ist nicht gestört. Die Acidität kann subnormal oder nor¬
mal sein. Die Krankheit dauert lange, mit Unterbrechung selbst
12—18 Jahre (Einhorn).
Im Spülwasser des Magens findet man fast immer kleine
Sehleimhautfetzehen. Das Waschwasser ist oft röthlich gefärbt.
Aetiologisch kommt der chronische Magenkatarrh
in Eolge von Circulationsstörungen und anderen Momenten in
Betracht, wesshalb P. den Namen Gastritis chronica
exfoliativa für diese mit zahlreichen kleinen
Erosionen einhergehende Form des Magenkatarrhs vor¬
schlug.
Uebergänge von Erosionen in richtige Ulcera sind von
Nauwerck beschrieben. Er selbst verfügt über eine Beobach¬
tung, in der er aus dem klinischen Bilde einen solchen Uebergang
schliessen zu dürfen glaubt.
Die Behandlung ist eine Uleuseur und besonders empfehlens-
wertli Höllensteinspülungen (1:1000; zweimal je
V-i Liter nach vorangegangener Auswaschung, Nachspülung mit
Kochsalzlösung. Jeden zweiten Tag vorzunehmen).
Einhorn empfiehlt endogastrale Faradisation und Galvani¬
sation (!), deren Berechtigung Pariser aber nicht zugeben
kann.
DlscuRsion : Herr Vlrchow weist auf die unsichere
anatomische Basis des gezeichneten klinischen Bildes hin. Jedes
Geschwür im Magen beginne gewissermaassen mit einer Erosion.
Herr Th, W e y 1 : Hygienische Erfahrungen in Constan-
tinopel.
Aus dem mit Projectionsbildern illustrirten Vortrage ist
zu erwähnen, dass-die alten Byzantiner und ebenso die Türken
Wasserleitungen (Aquaeducte) gebaut haben, die auch von der
modernen Technik nicht übertroffen werden können.
(Fortsetzung vertagt.) II. Kohn.
Verein Tür innere Medicin in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 19. Februar 1900.
Demonstrationen.
Herr J o 11 y demonstrirt einen Mann, der vor Jahren bei
der Arbeit von einem Schwungrad erfasst und mit dem Kopfe in
einen Kohlenhaufen geschleudert worden war. Folge dieses
Traumas jetzt noch doppelseitige complete Facialislähmung,
Störung der Sensibilität im Gebiete des 2. linken Trigeminusastes,
Keratitis links mit Verlust des Auges. Gehör etwas herabgesetzt.
Deutung des Befundes: Basisf ractur, die durch beide
Felsenbeine hindurch ging und die N. facialis zerriss, dess-
gleichen der eine Trigeminusast.
Intersesnnt ist nun und von grosser praktischer Bedeutung,
dass dieser Unfall vor der Einführung des Unfallgesetzes statt¬
fand: zum Heile des Patienten! Denn er war gezwungen, sich
sein Brod zu verdienen und hat dies auch bis zum heutigen Tage
theils als Maschinist tlieils in anderen Stellungen gethan. Würde
er hingegen damals einen Anspruch auf eine Rente gehabt haben,
so würden einerseits der Mangel des heilsamen Zwanges zur Arbeit
und andererseits die psychischen Momente, welche bei dem Be¬
streben nach Erwerb einer Unfallrente mitspielen, wahrscheinlich
den Verfall der Arbeitskraft dieses Mannes herbeigeführt haben.
Herr Gans: ein Instrument zur Bestimmung des Harn¬
stoffes.
Herr Jakobsohn : ein Gehirn eines an Tumor cerebri
verstorbenen Knaben, der im Leben Symptome der multiplen
Sklerose dargeboten.
Discussion zum Vortrage des Herrn Eulenburg:
Heber die Anwendung hochgespannter Wechselströme.
Herr Toby Cohn: Derselbe hat seit Monaten in der M e n -
d e r sehen Klinik Versuche mit diesen Strömen an zahlreichen
Kranken gemacht. Ein objectiver Erfolg war nicht nachzuweisen,
z. B. nicht bei Diabetes oder Fettleibigkeit, auch nicht auf den
Blutdruck.
Das subjective Befinden wurde hingegen in vielen Fällen
günstig beeinflusst. Ganz besonders schien sich in mehreren
Fällen vorhandene Schlaflosigkeit zu bessern.
Local liess sich manchmal auf der Haut längere Zeit Röthung
und Brennen constatireu.
Herr Goldscheider verfügt über ähnliche Erfahrungen.
Herr Bernhardt: Derselbe hat zwar keine eigenen Er¬
fahrungen, doch fiel ihm beim Studium der Literatur immer auf,
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dass die diesbezüglichen Angaben der Franzosen theils sehr un¬
bestimmt gehalten sind, theils sich vielfach widersprechen.
Der von Herrn E u leub u r g gestellte Antrag, dass eine
Commission vom Verein für innere Medicin zum Studium des phy¬
siologischen und pathologischen Einflusses der hochgespannten
Wechselströme niedergesetzt werde, wird mit grosser Majorität
abgelehnt.
Herr Rubinstein: Heber Arthritis chronica und
verwandte Krankheiten.
(Fortsetzung dieses Vortrages wird vertagt.) II. K.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Sociötö de Thörapeutique.
Sitzung vom 10. Januar 1900.
Epilepsie in Zusammenhang mit gastrischen Störungen.
Maurice de Fleury setzt in längerer Rede auseinander,
dass nach seinen persönlichen Erfahrungen in einer grossen An¬
zahl von Fällen zwischen Indigestion im weitesten Sinne des
Wortes und epileptischem Anfall bei einem priidisponlrten Indi¬
viduum ein Zusammenhang wie zwischen Ursache und Wirkung
bestehe. Es werden eine Reihe vou Fällen angeführt, woraus
der günstige Einfluss hervorgeht, welchen D Unterdrückung des
Alkohols, 2) massig strenge diätetische Vorschriften (Unter¬
drückung reizender oder leicht gühremler Nahrungsmittel, leichte
grüne Gemüse, Fiselie, Eier, Abends fast ausschliesslich vege¬
tabilische Diät), 3) Milch- oder Milch- mit vegetarischer Diät und
4) gleichzeitige Magenspülungen mit wiederholten Laxantien auf
die Epilepsie ausübeu. Es ist die Möglichkeit vorhanden, dass
eine grosse Anzahl der epileptischen Anfälle unter dem Einfluss
einer Autointoxication nlhnentüreu Ursprungs steht, und für diese
Fälle schlägt M. de F 1 e n r y den Ausdruck toxialimeiitäre Epi¬
lepsie vor. Ein Beweis für diese Theorie liegt darin, dass bei
vielen Epileptikern MagenerWeiterung und Darmatouie bestellt
und bei diesen überraschende Resultate durch Alles erzielt werden,
was zur Sterilisinmg dos Verdauungsanparates beiträgt.
Albert R o b i n sehliesst sich bezüglich des Zusammenhangs
zwischen Epilepsie und Magenleiden völlig der Ansicht
de Fleufy’s an. erlebte selbst einige beweiskräftige Fälle
dieser Art und führt zwei derselben näher an. Darüber, wie
dieser Zusammenhang zu erklären ist. hat jedoch R. nicht die
gleiche Ansicht: wahrscheinlich sind die gastrischen Störungen
nicht das primnin movens für die Anfälle, sondern spielen die
nrovocirende Rolle bei Individuen, welchen die unmittelbare Ge¬
fahr des Anfalles droht. Andererseits kann jedoch, wie in dem
zweiten Falle von R., eine Dyspepsie der Ausgangspunkt von
Reflexwirkungen sein, welche schliesslich zu einer epileptischen
Krisis führen.
Huchard führt einen Fall an, der völlig der Theorie der
toxi-alimentären Enilepsie entspricht, und fügt hinzu, dass es
sicher auch eine Neurasthenie auf ähnlicher Grundlage (toxl-
alimentürer) gibt.
Bovet und Pouchet glauben, dass die Brom Wirkung bei
Epilensie hauptsächlich auf gleichzeitigen diätetischen Vor¬
schriften beruhe und mit diesen auch die Bromvergiftungen ein¬
geschränkt werden.
M.deFlenr y kommt in seinem Schlussworte auf die jüngst
veröffentlichten Versuche von Toulouse und R i c h e t zu
sprechen, welche durch Entziehung des Kochsalzes in der Nah¬
rung die Wirkung des Br bedeutend erhöhen konnten. M. de FI.
erzielte nun dieselben Erfolge, indem er seine Kranken gleichsam
mit Kochsalz übersättigte, die Speisen sehr gesalzen essen liess
und ihnen noch Iniectionen künstlichen Serums machte. Dieser
Widerspruch ist für de Fl. nur ein scheinbarer, denn in beider
Art Versuchen war die Diät eine ähnliche (Milch, weisses Fleisch
u. s. w.) und die erzielten Erfolge erklären sich durch diese Rege¬
lung der Kost und keineswegs durch die Entziehung der Chloride.
Stern.
Internationaler Congress für ärztliche Standes¬
angelegenheiten
ln Paris vom 23. bis 28. Juli 1900.
Ueber diesen Congress macht das Aerztl. Vereinsblatt fol¬
gende Mittheilung:
Von der Leitung des Congresses, dem Vorsitzenden Dr.
Lereboullet und dem Secretär Dr. G1 o v e r, ergeht eine
dringende Aufforderung an die Collegen, welche sich an dem Con¬
gress zu betheiligen beabsichtigen, sich nunmehr zu melden, und
den Beitrag von 15 Frcs. an Herrn P. M a s s o n, Boulevard Saiut-
Gennain No. 120, Paris, einzuschicken. Es wird ihnen dann die
Mitgliedskarte und zugleich der zur Erlangung der um 50 Proc.
im Preis ermüssigten Fahrkarte nothwendige Ausweis zugestellt
werden.
Wegen einer Wohnung wird bei dem zu erwartenden starken
Zustrom nach Paris gerathen, sich an eine der folgenden vier
Agenturen zu wenden:
1. Agence Desroches, rue du Faubourg Montmartre 21;
2. La Sociötß francaise des voyages D u c h e m 1 n, rue de .Gram¬
men t 20; 3. Voyages p r a t i q u e s, 9 rpe de Rome; 4. L’Agence
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. Februar' 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
tles voyagcs modernes, rue de rEchelle 1. Die drei letzt¬
genannten geben Preise an von 0 Frcs., 0.50 Frcs. täglich für das
Zimmer, mit ganzer Pension 12 bis 15 Frcs.
Es scheint uns erwünscht, dass die deutschen Aerzte, welche
für die Fragen der Standesorganisation ein so grosses Interesse
gezeigt und in derselben so erhebliche Erfolge erreicht haben,
sich an diesem ersten internationalen Congress, der den Berufs¬
angelegenheiten gewidmet ist, zahlreich betlieiligen.
Verschiedenes.
Schule für tropische Medicin in London.
Am 1. Mai 1900 beginnt die 3. Session (das 3. Trimester) der
London School of Tropical Medicine. Ich hatte Gelegenheit, an
dem ersten acht wöchentlichen Curaus dieser Schule theiizunehmen
und möchte den Collegen, die in die Tropen zu gehen gedenken, sei
es im Dienste der Mission, der Regierung oder privater Gesell¬
schaften, einen Besuch dieser Schule warm zu empfehlen. In
Deutschland besitzen wir bis jetzt noch kein derartiges Institut,
wenn auch ein solches in Vorbereitung ist, so das wir vorläufig
nur das Krankenmaterial der Hamburger Krankenhäuser (specien
des Seemannshospitales), das Krankeuniaterial und die Curse des
Instituts für lnfectionskrankheiten in Berlin, sowie die von dem
Oberstabsarz t Professor Dr. Kohlstock am orientalischen
Seminar zu Berlin abgehaltenen, vornehmlich für angehende
Colonialbeamte bestimmten Vorlesungen über Tropenhygiene zur
Verfügung haben.
Die Kondolier Schule wurde am 2. Oetober 1899 eröffnet.
Sie zeichnet sich vor der um 1 Jahr älteren Liverpooler Schule
für tropische Medicin aus durch ihren systematischeren Unter¬
richt. Das reichhaltige Material des Seemanushospitales in Green¬
wich und seines Zweighospttales steht ihr zur Verfügung. Das
Schulgebäude ist auf demselben Grundstück, auf dem das Zweig-
hospltal steht, aufgeführt, und liegt unmittelbar an den Royal
Victoria und Albert Docks. Das ist in der Tliat der geeignetste
Platz, nirgends in Grossbritannien gehen so viele Schiffe vor Anker
wie liier und die Krankheitsfälle kommen unmittelbar von den
Schiffen zur Beobachtung und Behandlung. Die Schule ist eigens
für ihre Zwecke gebaut und die Einrichtung, speciell des Labora¬
toriums, entspricht allen modernen Anforderungen.
Der Unterricht beschränkt sich nicht nur auf die tropischen
Krankheiten und deren Behandlung, sondern trägt auch dem Um¬
stande Rechnung, dass der Arzt in den Tropen viel mehr auf sich
selbst angewiesen ist, als daheim. 9 Lehrer unterrichten mög¬
lichst in ihren Specialfächern, unter ihnen als Senior Patrick
M a li s o n, dessen Name durch seine Arbeiten auf dem Gebiete
der Malaria- und Filariakrauklieiten bekannt geworden ist.
Jährlich linden 3 dreimonatliche „Sessions" statt, und zwar
vom 1. Oetober bis zum 31. December, vom 15. Januar bis 14. April
und vom 1. Mai bis 31. Juli. Am Anfang jeder Session wird ein
achtwöchentlicher Cursus abgehoben, beginnend am ersten Mon¬
tag der Session, mit praktischen Demonstrationen, systematischer,
mikroskopischer und bacteriologisclier Arbeit und Vorlesungen
über tropische Medicin und Chirurgie, Haut- und Augenkrank¬
heiten in den Tropen etc. Der Besuch der Schule ist nur appro-
birten Aerzten, bezw. Studenten im 5. Jahre ihres Studiums ge¬
stattet.
Während meines Aufenthaltes studlrten dort 22 Aerzte, von
denen die meisten bereits eine Reihe von Jahren in den Tropen
prakticirt hatten, und zwar 12 als Aerzte im Colonialdienst der
englischen Regierung, einer im Indian Medical Service, 1 Schiffs¬
arzt, 3 Missionsärzte, 5 Private, bestimmt für Afrika, Südamerika,
Indien, NieflerHindiscli Indien, also für alle Theile der Welt.
Die Kosten für den Unterricht betragen:
Für eine Woche 30.50 M., für den acht wöchentlichen Cursus
232 M., für die Session von 3 Monaten 307 M.
Es empfiehlt sich sehr, in der Schule selber Wohnung zu
nehmen. Daselbst sind 0 Zimmer zu vermietlien. Die volle
Pension beträgt rund 390.— M.
Um genauere Auskunft, Zusendung des Prospects etc. kann
man sich wenden an den Secretär der Seamen’s Hospital Society:
P. M i c li e 11 i Esq. Office-Greenwich S. E. Dr. W i n k l e r.
Therapeutische Notizen.
Zur Therapie der S k ro p hu 1 o s I s u n d P h t h i s i s
i n c i p i e n s.
Durch Verabreichung eines Tabakinfuses von 0,25 auf 100,0,
alle 2 Tage ein Kaffeelöffel, Mittags gegeben, ist es mir gelungen,
ausnahmslos bei jeder Skrophulose, bei der die „Drüsen“ noch nicht
vereitert waren, in 3 Wochen völlige Heilung zu erzielen. Irgend
welch«* unangenehme Erscheinungen konnte ich nie beobachten.
Schwinden die Lymphome sehr rasch, so tritt ein geringes Fieber
mit Erbrechen ein, das jedoch ohne Kunsthilfe schwindet und
höchstens einige Stunden anhält. Die Medicin muss täglich unter¬
sucht werden, da sie sich schnell zersetzt, was sich durch Trübung
und Flockenbildung anzeigt. Die Wirksamkeit zeigt sich
spätestens am 5. Tag durch Weicher- und Kleinerwerden der
Lymphome an. Höhere Dosen gab ich nie, ich halte auch eine
öftere Darreichung als alle 2 Tage für nutzlos.
Bei Plithisis incipiens (worunter ich solche Fälle verstehe,
die keine Cavernen constatiren lassen) sah ich — bei gleicher
Ordination — Schwinden der Nachtscliweisse, des Hustens und
Hebung fies Appetits. Dr. L e v y - Neuhofen (Pfalz).
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Die Operation der Leistenbrüche bei kleinen
Kindern ist nach Francke - Braunschweig immer dann er¬
laubt, w enn nicht w r egeu zu grosser Schwüclie jeder operative Ein¬
griff überhaupt zu unterbleiben hat (Therap. Monatshefte 2, 1900).
Sie muss vorgenommen werden, wenn trotz mehrmonatlichen
Tragens eines passenden Bruchbandes keine Verkleinerung des
Bruches eingetreten ist, wenn das betr. Kind sehr viel schreit
und hustet und dadurch der Bruch immer stärker hervorgetrieben
wird. Eine Störung der Wundheilung ist nicht zu fürchten, bei
gut schliessender Naht ist eine Verunreinigung der Wunde im All¬
gemeinen ausgeschlossen. F. bringt auf die Wunde etw’as Airol,
darüber einen Streifen Jodoformgaze und befestigt den kleinen
Verband mit dem B e i e r s d o r fsehen Zinkparaplast, das bei
völliger Reizlosigkeit ungewöhnliche Klebekraft besitzt. Das in
allen Fällen angewandte Verfahren war das von B & s s i n i.
Kr.
Das von Bayer & Co. in den Handel gebrachte Tannopin
ist ein Condensationsproduct des Tanuin und Urotropin. Seine
Wirkung ist nach T i 11 e 1 -Wien im Allgemeinen jener des Taun-
albin, Tannigen, Tannocol ähnlich (Therap. Monatshefte 2, 19U0).
Man gibt es bei Kindern in Dosen von 0,3—0,5 bis zu 2 g pro die.
Bei chronischen Darmkatarrhen soll es nach Beseitigung der
flüssigen Entleerungen noch einige Zeit fortgegeben werden.
Kr.
L a n d o 11 - Strassburg berichtet (Centralbl. f. Augenheilk.
1899, November) über seine Erfahrungen mit Nebennieren-
Extract. Er verwendete zu seinen Versuchen ein von den
Höchster Farbwerken hergestelltes Präparat, welches den physio¬
logisch wirksamen Körper der Nebennieren nach einem von
v. F ü r t h angegebenem V erfahren isolirt enthält und welches sich
vollkommen aseptisch lierstellen und auf bewahren, sowie genau
dosireu lässt. JJer Extraet wirkt stark anaemisirend auf die
oberflächlichen Gefässe der Coujunctiva und ist daher iudieirt bei
Operationen zur Verhinderung der Blutungen, als Unterstützungs¬
mittel für die Wirkung des Cocains, Atropins, Eserins und ähnlicher
Mittel beim entzündeten Auge, sow T ie zur Erleichterung der Be¬
schwerden bei acuten Conjunctivalkatarrhen. R. S.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 27. Februar 1900.
— I »er Finanzausschuss der bayerischen A b -
geordn o t e n k a m m e r erörterte in seiner Sitzung vom
19. Februar ds. ,Js. beim Etat der Landesuniversitüten auch einige
medicinisclie Fragen. Das Vorgehen Preussens, das für die An¬
stellung als Amtsarzt den Doctortitel seitens einer preussi-
schen Universität verlangte, fand einhellige Missbilligung; nach der
Erklärung des Uiiltusministers v. L andntan n stehe ein Dispens¬
verfahren in Aussicht und sind überhaupt einheitliche Promotions¬
vorschriften für den medicinisclien Doctor an allen deutschen Uni¬
versitäten zu erwarten. Ein Abgeordneter (v. Voll m a r) regte
die Errichtung von Professuren für G e w e r b e h y g i e n e
und sociales Versieh e r ungs w e s e n au; der Minister
erklärte dem liachgehen zu wollen, wenn auch gegenwärtig schon
ausreichende Vorlesungen über Hygiene gehalten werden. Das
F r a u e n s t u d i u m fand getheilte Beurtheilung. Während Ab¬
geordneter Dr. Orte rer in der Zulassung zum Frauenstudium
ein Unglück sieht und Dr. D a 11 e r die schwere Concurrenz der
studirteu Frauen fürchtet, stellten sich die Referenten auf den
Standpunkt, dass die Frauen nicht principiell von einem wissen¬
schaftlichen Studium ausgeschlossen, dann aber nicht auf das medi-
cinisclie Studium allein beschränkt, sondern auch zur Juristerei
zugelassen werden sollten; nach der Meinung eines Abgeordneten
(Jurist!) eignen sich die Frauen zur Jurisprudenz zwar nicht, wohl
aber für Medicin (!) und auch für Unterricht an weiblichen Gym¬
nasien. Bezüglich der Zulassung der Abiturienten der
R e a 1 g y m n a s i e n zum modiciuisehen und juristischen Studium
war die Stimmung getheilt, selbst bei den Juristen; während auf
der einen Seite erklärt wurde, dass die classische Bildung für
den Juristen und Verwaltungsbeamten unbedingt nothw T endig sei,
war es die Meinung anderer Fachgenossen, dass für einen Ver-
w'altungsbeamten die Vorbildung auf einem Realgymnasium sehr
vortlieilhaft sei und ein Manco au realistischer Bildung oft schwer
empfunden werde. Der Cultusminister v. Landmann sprach
sich dahin aus, dass die bayerische Regierung (Ministerium des
Innern) gegen die Zulassung der Absolventen der Realgymnasien
zum medicinisclien Studium sei und auch die Aerztekammem
sich dagegen ausgesprochen hätten; er halte es übrigens für kein
Unglück, wenn der Uoncurrenzkampf zwischen dem humanistischen
und dem Realgymnasium bei den Hochschulstudien zugelassen
werden würde, das humanistische Studium käme dabei nicht zu
kurz: die Leistungen des Realgymnasiums würden von dessen Ver¬
tretern denjenigen der humanistischen Gymnasien gegenüber für
gleichw’ertliig erachtet; bei richtiger Reorganisation der Realgym¬
nasien könne auch die classische Bildung zu ihrem Rechte kommen.
— Zur freien Arztwahl in Hamburg wird uns ge¬
schrieben: Dass von Seiten der Krankencassen-Vorstände auf ein
Entgegenkommen in dieser Frage nicht zu rechnen ist, hat der Ver¬
lauf einer Versammlung wiederum gelehrt, die am 19. d. M. hierorts
stattgefunden hat. Diese Versammlung hat eine kleine Vorge¬
schichte, die wir zum besseren Verständniss kurz berühren
müssen.
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
308
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No.. 9.
In Hamburg besteht seit ungefähr Jahresfrist eine ärztliche
Centralstelle für Kraukeucassen-Angelegenheiten, die als Com¬
mission zur Vorbereitung einer gemeinsamen Centralstelle von
Aerzten und Cassenvorständen gedacht war, und als deren erste
zukünftige Aufgabe die allmähliche Anbahnung der freien Arzt¬
wahl unter den bekannten Oautelen bezeichnet wurde. Im Ja¬
nuar d. J. hatten die Aerzte der Centralstelle, von denen 5 aus
der Aerztekammer und 10 aus der Urigen Aerzteschaft gewählt
sind, Einladungen an sämmtliclie hiesige CassenVorstände
zu einer Versammlung ergehen lassen, um ihnen unser Pro¬
gramm zu entwickeln und sie zu gemeinsamer Arbeit auf-
zuforderu. In der Versammlung, welche von über 100 Dele-
girten der Krankencassen besucht war, nahmen letztere im Ganzen
eine entgegenkommende Haltung ein. Da mitgetheilt wurde, dass
demnächst eine von allen Cassenvorständen besuchte Versammlung
statttinden werde, so beschloss mau, die eudgiltige Entscheidung
der Angelegenheit der letzteren vorzubehalten, erklärte sich je¬
doch im Princip mit der Bildung einer gemeinsamen Centralstelle
einverstanden.
In der Versammlung der KrankeucasseuVorstände von Ham¬
burg-Altona am 10. d. AI., zu der auch etwa 24 Aerzte, darunter die
Mitglieder der ärztlichen Centralstelle, eingeladen waren, wurde
die „Stellungnahme zur Aerztefrage“ als zweiter Gegenstand der
Tagesordnung behandelt. Heber das Schicksal unseres Anerbietens
konnte man nicht mehr zweifelhaft sein, nachdem als erster Re¬
ferent ein Redner auftrat, der eine fulminante Rede gegen die freie
Arztwahl hielt. Er beleuchtete dieselbe vorwiegend vom finan¬
ziellen Standpunkte der Krankeucasseu, rechnete heraus, dass eine
Verdreifachung der Ausgabe für Arzthonorar eintreten würde,
wenn die Cassen nach den Beschlüssen dt s Dresdener Aerztetages
die Einzelleistung nach den Minimalsätzen der Eandestaxeu be¬
zahlen würden und kam zu dem Schluss, die Versammlung solle
die freie Arztwahl und die Bildung einer gemeinsamen Central¬
stelle ablehnen, da von letzterer für die Cassen doch nichts heraus¬
kommen würde. Die folgenden Redner bewegten sich mit einer
einzigen Ausnahme in denselben Bahnen, wobei es au Seiteuhiebeu
auf die Aerzte, die wohl ihre eigene Lage verbessern wollten, aber
zur Verbesserung der Lage der armen Arbeiter nichts übrig hätten,
nicht mangelte.
Zum Schluss wurde eine Resolution angenommen, „die Frage
der freien Arztwahl in den Krankencassen zur Zeit zurückzu¬
stellen“. Die Wahl einer Commission zu gemeinsamer Verhand¬
lung mit der ärztlichen Centralstelle wurde schliesslich mit ca. 70
gegen 30 Stimmen abgelehnt.
Damit sind für uns die friedlichen Verhandlungen mit den
Cassenvorständen abgeschlossen. Der Verlauf der Versammlung
hat wieder einmal gezeigt, dass ein Zusammenarbeiten mit jener
Seite unmöglich ist und die Aerzte selbst sich zusammensehliesseu
müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Dadurch gewinnt der
geschilderte Vorgang auch ein allgemeineres Interesse und möge
allen Coliegen im Reiche zur Warnung dienen.
— Der Abtheiluug für freie Arztwahl des
ärztlichen Bezirks Vereins München gehören gegen¬
wärtig 271 Aerzte und 7 klinische Anstalten an. Im Laufe des
Jahres 1899 waren 4 Mitglieder gestorben und 12 ausgetreten; neu
beigetreten waren 30 Aerzte, so dass der Mitgliederstand im
Ganzen sich um 14 vermehrte.
— Am Sonntag den 18. d. M. constituirte sich im Sitzungssaale
des Cultusministeriums das Comitö für Krebsfor¬
schung. Die Einladungen hiezu waren von Geheimrath
v. Leyden und Dr. George Meyer ergangen. An den Be¬
rathungen nahmen ausser den Genannten die Herren Geheimräthe
Kirchner und Guttstadt, Itegierungsräthe Wutzdorff
und Wehmer, Stadtrath Strassmann, Dr. Freund
(Landesversicherungsanstalt Berlin), Dr. Hirschberg (Sta¬
tistisches Amt der Stadt Berlin) und Dr. Juliusburger Theil.
In den vorläufigen Vorstand wurden die Herren v. Leyden
(Vorsitzender), Kirchner (stellvertretender Vorsitzender) und
George Al e y e r (Schriftführer) gewählt. Nach weiterer Bestim¬
mung der zunächst erforderlichen Zuwahlen wurde der Plan des
ferneren Vorgehens erörtert und die Betheiligung aller Aerzte,
aller wissenschaftlichen und ärztlichen Vereinigungen, Versiche¬
rungsanstalten und Heilanstalten an der Sammelforschung in Aus¬
sicht genommen. Für die Ausarbeitung von Fragekarten und
-bogen wurde eine besondere Commission ernannt.
— Pest. Britisch-Ostindien. An Pesterkrankungen wurden
vom 4. bis 16. Januar 1006 gemeldet. — Brasilien. Zufolge
einer Alittheilung vom 22. Januar ist in Sao Paulo und Umgegend
seit dem 15. Januar kein Pestfall mehr festgestellt worden _
Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des Nationalgesundheits¬
raths zu Asuucion sind dort vom 22. December bis 7. Januar noch
3 Erkrankungen an der Pest zur Anzeige gekommen und zwar eine
am 28. December, zw r ei am 5. Januar. Während des gleichen
Zeitraumes ist nur noch ein Todesfall, und zw r ar am 28. December,
durch die Pest verursacht worden. Die Pest ist durchaus auf das
weitere Stadtgebiet von Asuncion beschränkt geblieben, in der
Campaua, d. h. dem übrigen Paraguay, ist abgesehen von einzelnen
Fällen in benachbarten Ortschaften, die erweislich aus Asuncion
geflüchtete und bereits mit der Krankheit behaftete Personen be¬
trafen, kein Krankheitsfall an Pest bekannt geworden. In Asun¬
cion selbst haben sich, nachdem die ursprünglichen Krankheits¬
herde im Hafenviertel, in Kaserne und Hospital erstickt worden
w'aren, angeblich keine eigentlichen Krankheitsherde mehr ge¬
bildet, vielmehr traten die später beobachteten Krankheits- und
Todesfäle Immer vereinzelt in den verschiedensten Stadtgegen¬
den auf. V. d. K. G.-A.
— Regierungsrath Dr. Ohlmüller, Vorstand der Hygie¬
nischen Abtheilung im kaiserl. Gesundheitsamt ist zum Geh.
Regieruugsrath ernannt worden.
— ln der 6. Jahreswoche, vom 4. bis 10. Februar 1900, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Eimvoliner die grösste Sterb¬
lichkeit Danzig mit 40,7, die geringste Potsdam mit 9,4 Todesfällen
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestor¬
benen starb an Maseru in Darmstadt, Gera, München; an Schar¬
lach in Elberfeld; an Diphtherie und Croup in Borbeck, Branden¬
burg, Bromberg.
(Hochschulnachrichten.)
Edinburg. Um den durch Grainger Stewart’s Tod
erledigten Lehrstuhl der praktischen Medicin hat sich Byrom
B r a m well beworben.
W i e u. Dr. Jul. N e u m a n n hat sich für Geburtshilfe und
Gynäkologie habilitirt.
(Todesfälle.)
Am 22. ds. starb in Regensburg der k. Regierungs- und Kreis-
medicinalrath Dr. Ottmar Hofmann, 65 Jahre alt Mit diesem
tüchtigen, auch wissenschaftlich hochstehenden Manne verliert
Bayern einen seiner hervorragendsten Alediciualbeamten. Einen
Nachruf aus berufener Feder hoffen wir in Bälde bringen zu
können.
Eine andere schmerzliche Trauernachricht meldet den Tod
de« Geheimen Sanitiitsrathes Professors Dr. Otto Leichten-
ster lt in Köln, der am 23. ds. einer Pneumonie des 1. Unter¬
lappens erlag. Auch seine vielseitigen Verdienste sollen in einem
besonderen Nachrufe gewürdigt werden.
Einen schweren Verlust erleidet die ärztliche Sache durch den
ebenfalls in der vorigen Woche erfolgten Tod des Reichstags¬
abgeordneten Sanitätsrath Dr. Kruse. Er starb, 63 Jahre alt,
auf seiuem Posten im Reichstag, wo ihn während einer Com¬
missionsberat hung ein Schlaganfall getroffen hatte. Er war Mit¬
glied des Reichstags in den Jahren 1885—1889 und dann wieder
von 1893 an und vertrat dort den 2. hannoverischen Wahlkreis
Aurich-Wittmund. Nach Graf*« Tod blickte man auf ihn, wenn
es sich um die Wahrung ärztlicher Interessen im Reichstage han¬
delte und er hat sich ihrer stets mit Wärme und Geschick an¬
genommen. Da das ärztliche Element sonst im Reichstage sehr
wenig zahlreich vertreten ist, wird sein Tod doppelt schwer em¬
pfunden. Kruse war Badearzt in Norderney und hat sich grosse
Verdienste um diesen Curort erworben.
Dr. G. P a c e 11 i, Privatdocent für Neurologie zu Rom.
Dr. Jolm Cargill 8 ha w t , Professor der Neurologie am Loug
Island College Hospital zu Brooklyn.
(Berichtigung.) ln der Arbeit des Herrn Dr. Tof f in
No. 7, 8. 224 sind durch ein Druckversehen einige Zeilen verstellt
worden. Z. 48—51 müssen sich an Z. 40 anschliesseu. Ferner sind
die Erklärungen zu Fig. 2 und 3 miteinander verwechselt Unsere
Leser werden beide Versehen schon selbst berichtigt haben. Die
Zeichnungen sind % der natürlichen Grösse.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Karl Jourdan, appr. 1892 und Dr.
Friedrich C o u r i u s , appr. 1896, beide in München.
Verzogen: Dr. Friedrich lt i e s s, appr. 1898, bisher Assistenz¬
arzt der Heilanstalt Neufriedenheim bei München, nach Durango
(Mexico).
Gestorben: Dr. Robert Ai ü 11 e r in München. Dr. Otto
H a r t i g in Hochspeyer.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 7. Jahreswoche vom 11. bis 17. Februar 1900.
Betheil. Aerzte 280. — Brechdurchfall 12 (8*), Diphtherie,
Croup 12 (14), Erysipelas 15 (14), Intermittens, Neuralgia interm.
3 (1), Kindbettfieber — (—), Meningitis cerebrospin. 2 (—), Morbilli
437 (578), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 4 (2), Parotitis epidem.
5 (4), Pneumonia crouposa 22 (24), Pyaemie, Septikaemie — (—),
Rheumatismus art. ac. 33 (29), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
2 (5), Tussis convulsiva 19 (15), Typhus abdominalis 4 (3),
Varicellen 7 (9), Variola, Variolois — (—). Summa 577 (706).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 7. Jahreswoche vom 11. bis 17. Februar 1900.
Bevölkeningszahl: 463000.
Todesursachen: Masern 20 (30*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 2 (1), Rothlauf 2 (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 3 (2), Unterleibstyphus
2 (—), Keuchhusten 2 (3), Croupöse Lungenentzündung — (3),
Tuberculose a) der Lungen 33 (24), b) der übrigen Organe 10 (7)»
Acuter Gelenkrheumatismus 2 (—\ andere übertragbare Krank¬
heiten 17 (24), Unglücksfälle 1 (1), Selbstmord 3 (—), Tod durch
fremde Hand — (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 266 (285), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 30,0 (32,0), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 21,0 (22,3).
Digitized fr,
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche
Lehmann in MQnchen. — Druck ron B. Mfihlthaler’i Buch and Kanatdrnckerel A.G., ItiÜnchen.
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
ple Münch. Med. tVochenschr. erscheint wflclicntl.
in Kummen» von durchschnittlich 4-5 Bogen.
Preis in Deutschi, u Oest.-Ungarn vlertclj Ihrl. b JC,
ins Ausland 7.60 JC Einzelne No. 60 4-
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: Für die IUdaction
OttostrasFc l. - Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Ilcustrasse 20 - Für Inserate und l'cilngcn
an Rudolf Mossc, I’romenadeplatz IG.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Horausgegeben von
Ch. Bänmler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. 6erkanlt, W. i. Helneke, 6. Merkel, J.». Michel, H. i. Ranke, F. i. Wlnckel, H. ». Ziemssen,
Vreiburg i. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg München. München. München.
M 10. 6. März 1900.
Redaction: Dp. B. Spatz, Ottostraase 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Aus der Kgl. Universitäts-Frauenklinik Greifswald.
Beitrag zur Totalexstirpation des completen Scheiden-
und Uterusvorfalles nach A. Martin.
Von Dr. L. Froriep, Assistenzarzt der Klinik.
In der geburtshilflichen Section der Naturforseherversamin-
lung zu Düsseldorf 1898 (Berl. klin. Wochenschr. 1898, No. 40)
hat A. Martin über eine Operationsmethode bei totalem Pro¬
laps des Uterus und der Vagina berichtet, die bei alten Frauen die
extremsten Fälle durch totale Entfernung beider Thcilc zur radi-
calen Heilung zu bringen bezweckt. Fritsch lässt, wie Asch
berichtet (Arch. f. Gynäk., XXXV, 1889) bei seiner Totalexstir¬
pation noch einen Rest der Scheide bestehen; „aber bei aller An¬
erkennung des Werthes der Erhaltung selbst eines bescheidenen
Sehei denrest es“, sagt A. Martin, „ist doch kaum zu bestreiten,
dass tiefgreifende Veränderungen, welche die zu Tage liegenden,
evertirten Vaginalwände in Form von tiefen Ulcerationen und
Narben, insbesondere von erfolglosen Kolporrhaphien in vielen
Fällen zeigen, dem Bestreben, daraus eine annähernd brauch¬
bare Scheide zu reconstruiren, ein absolutes liinderniss in den
Weg stellen können. Kommen dazu ausgedehnte Verwachsungen
des Uterus in dem aus der Vulva heraushängenden Trichter, Neu¬
bildungen im Corpus, chronische eitrige Entzündungsherde in
den Adnexorganen, dann scheitern nicht nur alle Versuche, die
Frauen durch die bekannten Kolporrhaphien von ihren Be¬
schwerden zu befreien und arbeitsfähig zu machen, dann genügt
auch nicht die Exstirpatio uteri und daran anschliessende Ex-
cision eines Theiles der Scheide und eine etwaige Dammplastik,
dann erübrigt in solchen extremsten Fällen nur eine Exstirpation
der Scheide mit dem Uterus und, wenn möglich, mit seinen Ad¬
nexen, zunächst ohne specielle Rücksicht auf spätere Copulations-
fähigkeit.“ Dies sei kurz zur Erläuterung der Indieations-
stellung erwähnt.
Das eine Radicalheilung involvirende Princip der Martin’-
sehen Methode besteht darin, nach der Totalexstirpation durch
Vemähung der beiderseitigen Ligamentstümpfe mit den Schei¬
denresten eine Retraction letzterer nach oben zu bewirken und
durch die dadurch erreichte Spannung einem neuen Vorfall ent¬
gegenzuarbeiten. Zugleich soll die Sicherstellung eines even¬
tuellen Rectumdivertikels bezw. einer Cystocele erreicht werden.
Die Technik, dieser Forderung gerecht zu werden, ist fol¬
gende: Zunächst wird mit dem Messer die Grenze zwischen
Scheide und Vulva ringsum Umschnitten. Vorn läuft die Schnitt¬
linie etwa 2 cm hinter dem Orific. urethrae externum. Nun wird
der Prolaps soweit als möglich nach oben gezogen. Die hintere
Scheidenwand wird in der Mitte durch Längsschnitt durchtrennt.
Der Schnitt trifft die hintere Wand des Collum und wird bis zur
Eröffnung des Cavum Douglasii durchgeführt. Hiebei muss auf
eventuelle Rectum di vertikel geachtet werden: findet sich ein
solches, so wird es zurückgeschoben und dann der D o u g 1 a s’sche
Raum eröffnet. Sofort wird der Peritonealwundrand an die ent¬
sprechende Peripherie des Scheidenwundrandes angenäht. Die
hierzu zu untergreifende Gewebsmasse ist nicht sehr massig. Die
Nadeln werden von aussen, jenseits des Umschneidungsschnittee
eingestochen. Der Boden des Douglas wird nach Analogie des
No. 10.
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von A. Martin für die Totalexstirpation des Uterus in der
Pathologie und Therapie der Frauenkrankheiten, 1885, an¬
gegebenen Verfahrens vernäht, indem grosse Nadeln nach der¬
jenigen Stelle an den Seiten des I) o u g 1 a s’schen Raumes vor¬
geschoben werden, welche der daselbst eingeführte Zeigefinger ent¬
gegendrängt.
Das unterstochene Gewebe wird etwa 1 cm über dem Faden
mit der Scheere abgeschnitten. In der Regel genügen 3 solcher
Ligaturen zu jeder Seite, also 6, um die hintere Peripherie der
Umschneidungslinie zu versorgen.
Wenn möglich, wird jetzt schon auf beiden Seiten die Ab¬
lösung der hinteren Hälfte der Pars cardinalis lig. lati in Angriff
genommen. Hier kann zunächst die Scheide von der Um¬
schneidungslinie aufwärts abgelöst werden. Dann drängt der ein-
geführto Zeigefinger einen Abschnitt des Ligamentum latum
herunter, eine grosse Nadel wird von aussen bis in das Peritoneum
geführt, hier herausgestochen, dicht daneben wieder eiugestochen
und nach aussen, jenseits der Umschneidungslinie herausgeführt.
Mit je drei solcher Nadeln wird auf beiden Seiten die Ablösung
der Scheide von ihrer Unterlage und des Lig. latum vom Collum
bis etwa in die Mitte der Vulva durchgeführt.
Nun wird der ganze Vorfall nach abwärts gezogen, vorne
unterhalb der Urethralöffnung, vom Cireumeisionssehnitt nach
der Portio, ein Längsschnitt geführt, die Scheidenwand von hier
aus beiderseits etwa 5 em breit von der Blase abgelöst. Zur Er¬
öffnung der Plica vesico-uterina wird die Blase vom Collum uteri
abgeschoben. Sofort nach Eröffnung des Peritoneum werden die
Peritonealwundränder mit denjenigen des Scheidenrestes unter
der Urethra vernäht. Jetzt gelingt es leicht, die Scheide rechts
und links von ihrer Unterlage weiter abzulösen und den R:st des
Ansatzes der Pars cardinalis lig. lat. mit Nadeln von dem peri¬
pheren Cirkelschnitt aus zu umfassen. Auch hier wird das zu
durchschneidende Gewebe so unterbunden, dass jede unbequeme
Blutung aus der Art. uterina vermieden wird. Ist die Pars car-
dinalis abgelöst, so spannt sich der obere Theil des Lig. lat.
leicht bei seitlicher Hervorleitung der Uteruskante. Tube und
Ovarium, das Lig. ovarieo-pelvicum werden sichtbar. Hier kann
die Unterbindung in situ erfolgen oder eben in der Weise, dass die
Fäden wieder vom nächstgelegenen Theil des Cirkelschnitts an
bis zum Peritoneum und von da zurückgeführt werden. Ist dann
die eine Seite des Uterus, eventuell mit Ovarium und Tube, ab¬
gelöst, fällt die ganze Masse heraus, so lässt sich die andere
Seite meist leicht in ähnlicher Weise versorgen.
Der nach Entfernung des Uterus und der Scheide entstandene
Trichter ist vom Peritoneum überkleidet. Man sieht keine Wund¬
fläche: es blutet nicht. Durch die Retraction der Ligament¬
stümpfe aber wird der Vulvarand tief eingezogen. Die ganze
Oeffnung erscheint so verjüngt, dass in der Regel Darmschlingen
nicht herunterfallen, oder jedenfalls leicht mit einem Tupfer zu¬
rückgehalten werden können. Der Abschluss wird durch Ver-
nähung nach Art der queren Obliteration der Vulva erreicht,
durch Fäden, welche den ersten circulären Incisionsschnitt breit
untergreifen, und zu 4 oder 5 zwischen der Commissura post,
bis an die Urethra angelegt werden, dass breite Peritonealflächen
von beiden Seiten breit aufeinander gepresst werden.
Ueber die nach diesem Principe operirten Fälle wurde von
A. Martin auf der Naturforscherversammlung in Düsseldorf
1
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
310
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
1898 (1. e.) berichtet. Ausserdem wurden danach noch 6 andere
Fälle von ihm von Herbst 1898 bis Ostern 1899 opcrirt.
Es fanden sich seitdem an der hiesigen Klinik 6 Fälle, bei
welchen ebenso verfahren werden konnte. Sie sollen zunächst
folgen:
I. 4. V. 99. Arbeitersfrau M. Sehw., 49 Jahre alt, hat 11 mal
geboren, zuletzt vor 4 Jahren. Bei den letzten Geburten war
Kunsthilfe nothwendig. Wochenbette normal. Ausserdem drei
Aborte, der letzte vor mehreren Jahren. Menopause seit V/ 2 Jahren.
Es bestehen Kückenschmerzen und Schmerzen in der Vaginal¬
gegend. Seit 2 Jahren soll der Unterleib immer stärker geworden
sein. Appetit gut. Stuhlgang angehalten. Urinlassen ohne
Schwierigkeit, ln letzter Zeit will Patientin immer magerer ge¬
worden sein.
Es besteht ausgedehnter Windbauch, dagegen findet sich ein
Totalprolaps der Vagina und des Uterus. Die Vaginalschleimhaut
ist vollständig epidermisirt, auf der Hlnterseite derselben ein
langes Ulcus decubitale. Das Collum ist elongirt und ist atro¬
phisch. Die Adnexe ohne Besonderheiten. In dem vorderen Theile
des Prolapses liegt der grössere Theil der Blase, in dem hinteren
ein grosses Reetmndivertikel.
12. V. 99. Operation. Die Vagina ist vollkommen evertirt.
Der Uterus wird stark nach vorne in die Höhe gezogen und die
Vagina etwa 2—3 ein von ihrer üussersten Grenze Umschnitten.
Nach Eröffnung des 1) o u g 1 a s'schen Raumes entleert sich etwas
klare peritoneale Flüssigkeit. Bis zur Tbnschneidtmgslinie wird
das Reetumdivertikel zurüekgesehoben und hier die Serosa mit
der Schleimhaut vernäht. Die hintere Peripherie des Peritoneums
wird gesichert. Die Eröffnung der Excavatio vesieo-uterina er¬
folgt ohne Schwierigkeiten. Nachdem das Peritoneum über die
Blase mit dem Schnittrand an die vordere Scheidenwand innig ver¬
bunden ‘ ist, wird die Ablösung vollendet. Tuben und Ovarien
werden mit 3 Ligaturen versorgt. Die Adnexe werden abge¬
tragen, die Stümpfe der Ligamente in die Seiten der Scheidenreste
eingenäht und damit complete Blutstillung erreicht. Nachdem
durch Nähte die Versorgung des Peritoneums auch hinten voll¬
ständig durchgeführt ist, wird der Verschluss des Spaltes durch
innige Vernühung der Ränder von vorn nach hinten vollendet.
Periueauxesis nach H e g a r.
3. VI. 99. Geheilt entlassen. Es hat sich durch Retraction
der Ligamentstümpfe eine für etwas mehr als ein Fingerglied ein¬
gängige Tasche gebildet. Die Verheilung resp. Vernarbung ist
als eine gute zu l>et rächten.
II. X. 99. Nachuntersuchung.
Die Vulva ist geschlossen und öffnet sich nur leicht bei Druck
mit der Bauchpresse. Die Vaginaltasche ist etwa ein Fingerglicd
lief. An ihrer Vorderwand zeigt sich eine leichte Ilervorwölbung,
Kystocele, welche an den oberen Partien von einem querverlaufen¬
den schmalen, etwa 1 cm breiten Peritonealstreifen überzogen ist.
Die Taschenecken sind trichterförmig nach oben gezogen und
werden durch derbe Stränge fixirt. Kein Reetumdivertikel. Die
Frau befindet sich ausserordentlich wohl und verricht.**! ohne die
geringsten Beschwerden ihre Feldarbeiten. Uriulassen, sowie
Stuhlgang sind in Ordnung. Die sexuellen Beziehungen sind an¬
geblich befriedigend.
II. 31. V. 99. Arbeiterswittwe Iv. T., 07 Jahre alt. Klagt
über Vorfall seit vielen Jahren. Früher hat sie ein Pessar ge¬
tragen, nicht mehr seit 6 Jahren. Jetzt besteht angeblich Harn¬
träufeln. Menopause seit 13 Jahren. Eine Geburt vor 31 Jahren.
Weit klaffender Scheideneingang mit Dammriss. Die Scheide
ist in toto vorgefallen und zeigt seitlich zwei grosse Decubital-
geschwüre. Die Portio ist penisartig hypertrophirt, das Collum
elongirt. Der Uterus selbst liegt retrofiectorisch im Vorfall.
0. VI. 99. Operation. Nachdem die decubitalen Partien mit
aufgenähten sterilen Wattetampons bedeckt sind, wird auf das
hintere Scheidengewölbe eingeschnitten und wir kommen zu dem
ganz atrophirten Uterus. Nachdem die Scheide ungefähr 1 cm
hinter der Grenze von Schleimhaut und Epidermis durchschnitten,
wird an der tiefsten »Stelle das Peritoneum mit der durchschnit¬
tenen Stelle zusammengebracht. Dann wird die hintere Peripherie
des Introitus umnäht unter Vereinigung von Peritoneum und
äusserer Haut. Es wird zur Kolpotomie geschritten. Nachdem
die Excavatio vesieo-uterina eröffnet ist, wird der Rand des Peri¬
toneums mit 3 Suturen festgelegt. Nun wird die Kolpotomie voll¬
endet und unter voller Entwickelung des Uterus nach aussen die
Ablösung nach links begonnen. Zur Ablösung nach rechts bedarf
es einer grossen Anzahl von Vernähungen. Dann aber gelingt die
Vernühung derartig, dass bei sehr geringem Blutverlust die Ab¬
lösung durchgeführt wird. Es wird nunmehr, nachdem der Uterus
entfernt, der Rand des Peritoneums unter der Blase dicht unter
dem Orificium urethrae ganz an den Rand der Scheide festgenäht
unter ausgedehnter Umstechung der grossen Wundfiäche. Es wird
die Vernühung der Blase über den »Stumpf der Ligatur hin an den
äusseren Wundrand durchgeführt, links ohne Schwierigkeiten,
rechts stülpt sich der Stumpf immer wieder von Neuem vor. Der
Schlitz im Beckenboden wird quer durch fünf Suturen fest ver¬
schlossen. Es bildet sich aus dem Reste der Scheide eine für das
Nagelglied geräumige Vertiefung. Auf eine Kolporrhaphie wird
verzichtet. Der Katheter dringt ohne Schwierigkeit bis auf die
in der Bauchhöhle nunmehr gelegene Blase vor. Eine massige
Menge klaren Urins wird entleert.
27. VI. Patientin geheilt mit guter Narbenbildung entlassen.
23. VIT. Nachuntersuchung. Blasenbasis vorgewölbt in fünf¬
markst ürkgrossor Ausdehnung von Peritoneum überzogen. Di**
Ta.scheneeken werden trichterförmig durch derbe Stränge nach
oben gezogen. J >ie Narbenbildung ist eine gute zu nennen.
III. 14. VI. 1899. Frau St., 54 Jahre alte Bauersfrau, klagt
über Vorfall der Gebärmutter und Schmerzen im Unterleib. Meno¬
pause seit 1*4 Jahren. Seit 2 Monaten besteht ein eiteriger Aus¬
fluss und daneben spärliche Blutungen. 5 Geburten ohne Kunst¬
hilfe. 1 Abort. Appetit mangelhaft. Stuhlgang und Urinlassen
in Ordnung. Aus dem weitklallenden Sclieideueingang drängt, sich
die ganze vordere Scheidenwund, sowie der grösste Theil der
hinteren hervor. Die vordere Muttenuundslippo bedeckt eine
markstückgrosse Erosion. Zugleich besteht ein alter Dammriss.
Der Uterus liegt retrovertirt im Vorfall, ist druckempfindlich, aber
nicht pathologisch verändert. Das rechte Ovar ist mit seiner Um¬
gebung verwachsen und sehr druckempfindlich. Die linken Adnexe
scheinbar normal.
20. VII. 99. Operation. Der Uterus wird in ganzer Ausdeh¬
nung mich unicn gezogen, so dass der ganze Prolaps zu Tage tritt.
D/o cm vom Ansatz der Scheide wird ein Markirungsschnitt ge¬
macht uml durch Vcrticalsclinitt der Boden des D o u g 1 a s’schen
Raumes eröffnet. Dann wird nach beiden Seiten bis zur Median¬
linie eine Abtrennung von der Pars cardiualis durchgeführt und
Peritoneum und Rudimente der Scheid*? vernäht. Blutung sehr
gering. Dmselmeidung der vorderen Schcidenwaud ohne Schwierig¬
keit. Ablösung derselben. Es gelingt, die Excavatio vesieo-uterina
zu eröffnen, die Pliea soweit abzulöseu. dass mit 3 Suturen vom
Peritonealrand über der Blase die ganze Wundfiäche umgriffen
und vernäht werden kann. Ablösung nach links. Linkes Ovar
senil atrophisch. Die Tube und die Ovarien werden z.uückgelassen.
Die Ligg. lata werden ohne Schwierigkeit versorgt. Die Versor¬
gung nach links ist schwieriger. Rechtes Ovar und Tuben kommen
herum*'!’, werden abgehuudcu, der Stumpf versorgt und mit der
linken Hand durch Seidemiähte festgelegt. Ablösung des Uterus
und der Scheide. Verniihung der Rudimente der vorderen und
hinteren Sclieideuwaiid. Hiermit. Abschluss. Blase enthält reich¬
lich klaren Urin. Periueauxesis nach II e g a r.
14. VII. 99. Geheilt entlassen.
15. X. 99. Nachuntersuchung. Allgemeinbefinden gut.. Keine
Beschwerden, auch nicht bei der Arbeit. Die Vulva klafft nicht.
Die Tasche für ein Fingerglied eingängig. Die beiden seitlichen
Ecken zeigen sich durch einen derben, strangartigeu Narbenzug
trichterförmig nach oben gezogen. Di** Blasenbasis ist ganz gering
vorgewölbt uml unterhalb der Taschenfalte von einem schmalen,
quer verlaufenden Peritonealstreifen überzogen.
IV. 21. VI. 99. Ledig** Arbeiterin J. Sehr., 45 Jahre alt.
klagt über Schmelz* n im Kreuz und in den Seilen. Seit dem letzten
Wochenbett vor 18 Jahren, von 4 wöchentlicher Dauer, bemerkt
Patientin, dass ihr etwas aus der Scheide vorfiel. Vom Arzt wurde
ein Pessar eingelegt, welches längere Zeit getragen wurde. Per
Vorfall wurde allmählich immer grösser. Erste Regel im U5. Jahre,
letzte Regel vor S Tag* n. 2 Geburten ohne Kunsthilfe. Kein Ab o\.
Di** Scheide ist total vorgefallen. die Portio faustdick ver-
grössert. Per ganz«' Prolaps oedematös geschwollen, überall fast
1 cm tiefe Flccra deciibitalia. Pie Cervix ist enorm uiisgezogcn.
Der Uteruskörper liegt retrovertirt. «lern Beckenboden auf.
27. VI. 99. Operation. Per ganze Vorfall wird stark ange¬
zogen und nach oben gehoben. An der Grenze der Vulva uml
Vagina wird Umschnitten. Pas hintere Scheidengewölbe wird
sagittal gespulten. Durch oedematös*? Gewebemassen wird das
stark oedematöse Peritoneum erreicht und eröffnet. Umsäumung
der hinteren Peripherie mit 3 Fäden, welche den Stumpf der
Scheidenwniul mit «lern peritonealen Schlitz vereinigen. Ablösung
der rechten Scheidenwaml durch starre Verwachsungen in hohem
Maasse erschwert. Es gelingt, den ziemlich grossen Uterus¬
körper nach hinten torzuleiten, dann von oben her die Plica zu ent¬
falten und zu eröffnen. Das Peritoneum wird in die Scheide ein-
geniiht. 3 Fäden worden zugleich oberflächlich gekuotet. Dann
Ablösung der Blase. Nach links wird der Stumpf der Pars car-
dinalis lig. lati unterbunden, eine Ligatur um das Lig. ovarico-
pelvieum gelegt. Dann Ablösung der Scheide rechts. Es stellt
sich heraus, «lass ein 1 cm breiter Zipfel der hinteren Scheiden¬
waml erhalten ist. Die Blast* enthält klaren Urin. Periueauxesis
nach Ii e g a r.
28. VII. 99. Geheilt entlassen. Gute Narben- und Tasehen-
j Bildung.
18. X. 99. Nachuntersuchung. Nicht klaffende Vulva. In
die Vaginaltasche kann man mit einem Fingergliede eiugehen.
Es bestellt weder Kystocele noch Reetocele. Die Narbenblldung
ist eine glatte, die beiden seitlichen Taseheneckeu gehen trichter¬
förmig nach oben uml werden durch strangförmige Gebilde fixirt.
Das Allgemeinbefinden ist im Ganzen gut, doch werden über Kreuz-
und Leibschmerzen Klagen geführt, die wohl mit dem ungeregelten
►Stuhlgang in Zusammenhang zu bringen sind.
V. 3. VII. 99. Arbeitersfrau II. K., 45 Jahre alt. Patientin
klagt über Vorfall, über Kreuzschmerzen und dicken Unterleib.
Vor 5 Jahren die erste Geburt normal in ihrem Verlauf. Vor 3
bis 4 Jahren habe sie beim Heben einer schweren Last plötzlich
heftige Schmerzen im Kreuze und etwa 8 Tage später einen Vor¬
fall bekommen, der allmählich bedeutender wurde. Vor y 4 Jahr
2. Geburt. Im 2. Monat der Schwangerschaft blieb der Vorfall
zurück. Die Geburt erfolgte ohne Kuusthilfe, 8 tägiges Wochen¬
bett. Nach 14 Tagen erschien der Vorfall bereits wieder. Seit
4 Wochen ist er nicht mehr reponibel. Erste Regel mit 19 Jahren.
Seit dem Wochenbett ausgeblieben. Urinlassen in Ordnung
ebenso Stuhlgang. Appetit seit 4 Wochen schlecht.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
311
G. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Die Scheide ist vollständig evertirt und an der Vorder- lind
den beiden Seitenflächen stark oedematüs. Die Portio ist stark
verdickt, von einem fünfmarkstückgrossen Ulcus decubital bedeckt.
Das Collum stark elongirt, der Uteruskörper retrovertirt in der
Höhe des Beckenbodens. Aus der Urethra hängt ein haselnuss¬
grosser Polyp heraus.
14. VII. 99. Operation. Der Uterus ist 14 cm lang. Derselbe
wird nach vorne gezogen . Das hintere Sclioidengewülbe spannt
sich. Der Douglas wird eröffnet. Die Umsäumung lässt sich bis
vor die Mitte durchführen. Dann wird die Excavatio vesico-
uterina eröffnet, das Peritoneum an die Grenze der Scheid«) ge¬
näht und der Uterus vorgestülpt, überall das Peritoneum im Beivich
der Excavatio vesico uterina an die Scheidenwaml genäht bis dicht
an die Ala vespertilionis. Unterbindung «los Ovars links. Ver¬
sorgung des Lig. ovarico-pelvicum und der Tube und Ablösung
«ler linken Kante des Uterus von der Pars cardinalis sin. Um-
nähung des Stumpfes. Sodann wird auf der rechten Seite ebenso
das Peritoneum umsäumt und das Ovar und die Pars cardinalis
abgelöst, der Stumpf sorgfältig eingeniiht. Es gelingt, mit einem
Faden die lteste der Scheide und die Stümpfe di r Lig. lata zu¬
sammenzubringen. Damit Abschluss der Operation. Die Blase
enthält eine geringe Menge klaren Urins,
(>. VIII. Geheilt entlassen mit guter Narben- und Tasclien-
bildung.
9. XI. Nachuntersuchung. Die Vulva ist geschlossen. Man
gelangt in «‘ine etwa 4 cm tiefe Tasche, deren seitliche Ecken
trichterförmig nach oben gezogen sind und durch derbe Stränge
in ihrer Lage fixirt werdeu. Es besteht eine geringe Vorwölbung
«ler Blasenbasis. Die Narben sind glatt bis auf eine geringgradige
Vertiefung in der Mitte der Tnschenfaltt\ für die Kleinfingerkuppe
eingängig. Allgemeinbefimlen gut. Es werd<‘n alle Arbeiten ohne
Beschwerden verrichtet. Urinlassen. Stuhlgang in Ordnung.
VI. 0. VII. 99. Wittwe W. T., ÖS Jahre alt. klagt über seit
2 Jahren bestehendem Vorfall, der jedoch erst seit S Wochen in
seiuer jetzigen Grösse herausgetrobm ist. Zuweilen bestanden
Kreuzsclunerzen. sowie Schmerzen im Unterlcibo. Menopause seit
<‘twa 15 Jahren. Periode früher regelmässig seit dem 19. Jahre.
Eine Geburt vor 30 Jahren. Damals soll di«» Nachgeburt ango-
wnchsen gewesen sein. Wochenbett normal. Kein Abort. Appetit
s<-blecht. Stuhlgang angehalten. Uriniron häufig mit Drang, dabei
keine Schinerzen. Früher bestand weisser Fluss und starkes
Jucken der Vulva. Patientin hat viel und schwer in der Land¬
wirtschaft gearbeitet, namentlich viel gehoben.
20 cm lang hängt der ganze Vaginalsack nach aussen. Starkes
Oedem an «ler vorderen und den beiden seitlichen Wänden. Auf
der stark hypertrophsten Portio ein fünf markstückgrosses Decu-
bitalgeschwür. Das Collum ist ehmgirt. Der rteruskörper findet
sich im Vaginalsack.
13. VII. 99. Operation. Der ganze Uterus liegt ausserhalb der
Genitalien. Der Vorfall bildet ein pferdepenisartig«*s Gebilde von
20 cm Länge. Das Ulcus wird mit dem Ferrum eandens über
strichen. Nachdem die Scheide Umschnitten ist. das hintere
Scheidengewölbe eröffnet, lässt sich der kleine Uteruskörper leicht
hervorholen. Die Umsäumung dos hinteren Peritoneums bis zur
Mitte vollzieht sich ohne Schwierigkeit. Dann wird die vordere
Koeliotomie g«»macht, welche unter Führung des um den Fundus
uteri herumgeführten Fingers leicht gelingt. Alsdann erfolgt die
Eröffnung der Excavatio vesico-uterina. Die weitere Eröffnung
wird damit begonnen, dass 4 Suturen. je 2 neben der Urethra,
durch die Scheide unter der Basis der Blase bis in den Band des
Peritoneums angelegt werden. Alsdann wird zur Ablösung des
Uterus etc. geschritten. Die Pars cardinalis wird abgeschnitten,
tief unterbunden, dann das Lig. ovarico-pelvicum versorgt, der
Stumpf des Ligaments in seiner ganzen Ausdehnung durch mehrere
Fäden gesichert, reponirt und das Peritoneum darüber hinweg¬
gezogen. Auch auf der rechten Seite wird die Schleimhaut der
Scheide gelöst. Es wird schliesslich auch hier das Lig. polvicum
unterbunden, der ganze Stumpf vernäht und das Peritoneum da¬
rübergezogen. Alsdann worden die Stümpfe reponirt. Die Ver-
nähung erfolgt in der Weise, dass in der hinteren Peripherie die
Stümpfe mit der Scheide quer geschlossen werden, in der vorderen
durch 2 Nähte. Es folgt die Perineauxesis nach TI e g a r.
6. VIII. Patientin geheilt entlassen. Gute Narbenbildung.
Man kann fast mit 2 Fingergliedern in die Tasche eingelien. In
«ler Mitte der Narbe ein erbsengrosses Granulationspfröpfchen,
die seitlichen Ecken trichterförmig durch derbe Stränge nach
oben gezogen.
Wir sehen also, in den 6 Fällen wurde nach dem oben an¬
gegebenen Verfahren operirt: Vcmiihung der Pars cardinalis mit
den Scheidenresten und Verschmelzung der Peritonealwäiide.
Unmittelbar nach der Operation zeigte sich das Kesultat
dieses Vorgehens als ein vollkommen einwandsfrcics. Der Vulva¬
rand bezw. die Seheidenreste wurden straff nach oben gezogen
und bilden eine Tasche, in die man mit 2 Fiiigcrgliedorn ein-
gehen kann. Die beiden Enden oben bilateralwärts der quer ver¬
laufenden vernähten Wundlinio zeigen deutlich die Betractions-
wirkung der innen ziehenden Bänder, indem hier ganz besonders
hoch die Seheidenreste hinauf reichen. Dies war «ler Befund un¬
mittelbar nach der Ligaturversorgung. Die Heilung erfolgte in
allen 6 Fällen p. p. i. Eine nennenswerthe Temperatursteigerung
wurde nicht beobachtet, für die platte Narbenbildung und Ver-
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klebung der Peritonealflächen von grösstem Worthe, nicht minder
für die dauernde Eixation der einzelnen Theile gegen einander.
So zeigten sieh denn auch die Verhältnisse bei der Entlassung
aus der Klinik, 3—4 Wochen nach der Operation, als dieselben
wie unmittelbar nach ihr.
Die Nachuntersuchung erstreckt sieh über 5 von den 6 ope-
rirten Frauen. Das Allgemeinbefinden derselben war ein sehr
gutes, ohne Beschwerden versahen sie ihre gewöhnlichen Arbeiten.
Die \ ulva- bezw. Vagmaltasehen waren gut nach oben retrahirt
und verschloßt*; bilateralwärts waren die trichterförmigen Ein¬
ziehungen, wie bereelmet, vorhanden, durch derbe Stränge nach
dein Beckeninnern fixirt. Allerdings mag der Erfolg «ler Opera¬
tion dadurch beeinträchtigt sein, dass sieh in 4 Fällen, I, II, ITI
und V, Hervorwölbungen der Blasenbasis herausgebildet hatten,
geringer bei I, I1E und stärker bei II, etwa in Wallnussgrösse.
\ ielleicht war die Verklebung von Blasen- und Darniwaud nicht
breit genug, b«*zw. nicht, fest genug, als die Frauen ihre täglichen
Arbeiten wieder aufnehmen mussten, so dass vorne die schmale
Narbe sieh öffnete und durch den so entstandenen Spalt die
Blasenbasis von Peritoneum überzogen ganz allmählich durch -
rut selite.
Dann bildete sich wieder eine derbere Verwachsung höher
oben. In der Thal Anden sieh denn auch an den entsprechenden
Stellen unterhalb der narbigen Taschenfalten vorne quer ver¬
laufende ovaläro Peritonealstreifen bei Fall I, II und III, bei
letzterem bis zu Fünfmarkstückgrösse. Eine Beetocele wurde
nicht beobachtet.
Gerade, wegen dieser Enteroeelen wurden Bedenken gegen
die Operation geltend gemacht. Sänger (Centralbl. f. Gyniik.
1898, pag. 1387) sagt „die Vcmähung des Peritoneums mit dem
Seheidenreste ist auch für die Möglichkeit der Entstehung einer
Enterocele nicht ohne Bedang“. Aber bei dieser Vernähung
bleibt es ja nicht allein. Die Ligaturen der vorderen Wand
werden mit denjenigen der hinteren verknüpft, um dadurch im
Wundtrichter eine Verschmelzung der Blasen- und Mastdarm¬
wand herbeizuführen; bilateral der Taschennarben dienen die
derben Stränge der Stümpfe als Aufhängebänder. Dieselben
werden erst dann in Wirksamkeit treten, wenn eine vollständige
Consolidation des Narbengewebes stattgefunden hat; hiermit
wird der weiteren Ausbildung der Kystoccle eine Schranke
gesetzt.
Admlich wie A. Martin hat O z e m p i n (Gesellsch. f.
Geburtsh. u. Gynäk. Berlin, 9. Juni 1899) operirt. Er vernähte
nach der Totalexstirpation die seitlichen Wundränder der Scheide
an die Stümpfe der Ligg. infundibulo-pelvica. Bei seinen Fällen
hat er niemals eine Enterocele beobachtet. Gottschalk
(Gesellsch. f. Geburtsh. u. Gynäk. Berlin, 11. Nov. 1898) geht
mit keiner Methode noch weiter wie A. Martin.
Sie besteht darin, dass er das Peritoneum der Blase hoch
oben an die hintere Beckenwand fixirt, dass die Ligg. lata, Ligg.
cardinalia etc., kurz alles, was die normale Befestigung des
Uterus und der Scheide bedingt, in möglichst straffer Ver¬
bindung zur Stütze der verkleinerten Harnblase und zur Be¬
festigung der neuen Scheide verwerthet werden. Macken¬
rodt (Centralbl. f. Gynäk. u. Geburtsh. 1899, No. 18) empfiehlt
zur Behandlung der Totalprolapse neben der Vaginifixur eine
Verkürzung der Ligg. cardinalia.
Wenngleich die oben beschrielxme Operation den verstüm¬
melnden zuzurechnen ist, so ist doch durch dieselbe den von der
seheusslielien Procidenz gequälten Frauen ein Zustand geschaffen,
der ihnen ihre Lage wieder erträglich macht.
Ausserdem handelt es sieh um ältere Frauen, welche, der
arbeitenden ('lasse angehörend, entweder die Grenze der
Zt ugungsfüliigkeit überschritten haben oder wenigstens nicht
weit davon (»ntfernt sind. Warum sollte man hier nicht ein
radieales Verfahren einem conservativen vorziehen, dessen
Dauer«‘rfolg in solchen extremen Fällen immer zweifelhaft ist.
Im Anschluss hieran sei die von F reund und Wertheim
angegebene Methode erwähnt (Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gynäk.,
Bd. X, Heft 4). Sie implantirten den aus dem hinteren Laquear
vaginne umgestürzten Uterus nach vorne in die Scheide. Auf
diese Weise soll er zur Stütze für die Blase dienen.
In unserem Falle war der Uterus so hochgradig atrophisch,
dass an ihm in dem Sinne der F r e u n d’schen Operation eine
solche Stütze nicht gegeben erschien,
1 *
Original fro-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
312
No. 10.
MÜNCHENEt? ME DTCIN 1SCHE WOCHENSCHRIFT.
Immerhin ist wohl anzuerkennen, wie das A. Martin bei
Gelegenheit der Discussion über die betr. Mitteilungen von
A. W. Freund und Wertheim auf der Naturforscher¬
versammlung in München hervorhob, dass die beiden Operationen
neben einander bestehen. Da, wo der Uterus noch verwendbar ist,
empfiehlt sich die Freund’sche Operation , da, wo der Uterus
hochgradig atrophisch oder erkrankt ist oder sich in einem
chronischen, besonders formativcn Reizzustand befindet, soll er
entfernt werden.
Heilung und Verhütung der Retrodeviationen des
Uterus im Wochenbette/)
Von Dr. Rissmann, Director der Provinzial-llebammen-
lehranstalt in Osnabrück.
Unsere erfahrensten Gynäkologen, die sieh über die Be¬
ziehungen der Lagenbwciehungeii der Gebärmutter zum Puer¬
perium geäussert haben, haben den Wochenbetten keinen beson¬
ders günstigen Einfluss auf die Restitution der abnormen .Lage
zugesehrieben. L ö h 1 e i n hat die früher gehegten Erwartungen
nach Aufstellung einer Statistik herabge>timmt und ist in Be¬
zug auf die Prognosestellung reservirter als früher geworden.
Etwas günstiger urtheilt F r i t sch, der es nicht für unmöglich
hält, dass durch zeitiges Richtiglagern des Uterus im Wochen¬
bette auch in den Fällen das Organ antoHeetirt bleibt, wo schon
früher eine Retroflexion war. Einen beweisenden Fall hat F.
allerdings nicht, gesell« n. So viel ich aus der Literatur entnehmen
kann, besteht auch meist eine gewisse Scheu, ein Pessar vor der
dritten Woche oinzulegen. Nur bei A h 1 f e 1 d fand ich die An¬
gabe, dass der Arzt am Ende der ersten Woche sich entscheiden
muss, ob ein Pessar nothwendig ist. Da mir die Möglichkeit vor¬
zuliegen scheint, dass sich wesentlich günstigere Ilcilungs-
resultate im Wochenbette erreichen lassen, wenn man möglichst
früh— am besten 5 oder 6 Tage nach der Geburt — ein grosses
Pessar einlegt und mir niemals ein Nachtheil von diesem Vor¬
gehen zu Gesicht gekommen ist., so möchte ich in Folgendem
über meine eigenen Beobachtungen berichten.
Im Mai 1897 wurde meine Aufmerksamkeit zuerst auf die
vorliegende Frage durch eine Patientin gelenkt, deren Kranken¬
geschichte, wie ich glaube, sehr charakteristisch den grossen
Segen belegt, der durch eine consequente Ringbehandlung im
Wochenbette erzielt werden kann. Da die Therapie, welche ich
in diesem Falle anwandte, seitdem im Grossen und Ganzen die¬
selbe geblieben ist bei allen anderen Wöchnerinnen, so lasse ich
diese Krankengeschicht«' genauer folgen.
Frau R. hatte seit ihrer ersten Geburt durch eine Retroflexio
uteri, die durch eine l’arametritis posterior complicirt war, sehr zu
leiden. Ein Gynäkologe vom Fach hatte mit verschiedenen Ringen
wenig Erfolg und schlug die Vaginofixation vor. Da sich Frau B.
zu einer Operation nicht cntschliessen konnte, suchte dieselbe
Herrn Geheimrath R u n g e (Güttingen) auf, dem es gelang, einen
passenden Ring zu finden. Ich sah die Patientin im 8. Monate
ihrer zweiten Gravidität und erfuhr, dass der Ring im 4. Monate
entfernt wurde. Nachdem die Frau eine spontane Geburt durcli-
gemneht hatte, liess ich nach dem ersten Schlafe so viel wie mög¬
lich Seitenlage einnehmon. gab Seeale und h^gte am 5. Wochen¬
bettstage ein grosses, wohldesinficirtes Hebelpessar ein. Einige
Male am Tage musste die Wöchnerin aus der Seitenlage in die
Bauchlage sich umweiiden und darin einige Minuten verharren.
Bis zum 14. Tage, wo die Wöchnerin auf steht, wurde täglich eine
heisse Scheidenausspülung gemacht Da der grosse Ring ohne Be¬
schwerden ertragen wurde und bei mehrfachen Untersuchungen
der Uterus in guter Anteflexion lag, so findet kein Wechsel des
Ringes statt sondern derselbe bleibt bis zur 7. Woche post partum
liegen. Auf meine Veranlassung reiste Frau B. dann zu Herrn
Geheimrath Rung e. der mich freundlichst ermächtigt hat, in
seinem Namen zu erklären, dass auch er den Uterus gut antofiectirt
fand. Frau B. hatte auch in «1er Zukunft gar keine Beschwerden,
wunie bald zum 3. Male gravid und es gelang mir unter ähnlicher
Behandlung, wie oben geschildert wurde, wiederum eine durchaus
normale Lage des Uterus bei völligem Wohlbefinden zu erzielen.
1 m Laufe der folgenden Jahre habe ich dann noch 6 mal
Gelegenheit gehabt, innerhalb der ersten beiden Wochen des
Puerperium eine Ringbeliandlung und zwar mit vollem Erfolge
einziilciten. 3 Frauen waren vor der Gravidität oder in derselben
schon von mir an Retroflexio uteri behandelt worden. Bei den
übrigen Patientinnen ist mir über den Beginn «Fs Leidens nichts
Genaueres bekannt und es ist möglich, dass die Lageabweichung
erst im Wochenbett entstanden ist. Einmal wurde der Ring
*) Nach einem im ärztlichen Vereine zu Osnabrück gehaltenen
Vortrage.
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nach einer Fehlgeburt eingelegt, während alle anderen Frauen
ausgetrageue Kinder geboren lmtten. Nicht so günstige Er¬
fahrungen machte ich bei solchen Patientinnen, die erst in der
3. Woche des Puerperium zur Behandlung kamen. Bei 5 Ver¬
suchen an 4 Frauen (1 mal nach Abort) gelang es nur 3 mal
Heilungen zu erzielen. Es verdient zwar erwähnt zu werden,
dass die beiden nicht Geheilten sieh nach Einlegen des Pessars,
was am 19. Wuehenbettstage geschah, der Controle wochenlang
entzogen, so dass zu hoffen ist, dass im Allgemeinen etwas bessere
Erfolg«' zu erreichen sein werden. Gelang es doch bei Einer
Patientin jedesmal eine Anteflexion zu bewirken, obwohl die Dia¬
gnose auf Retroflexio nach der ersten Geburt erst Ende der
dritten Woche, nach der zweiten Geburt Anfangs der dritten
Woche gestellt wurde. Immerhin kann ich nicht
dringend genug anrathen, so früh wie in ö g -
lieh mit der Ringbeliandlung zu beginnen. Als¬
dann wird man sieh prognostisch wohl günstiger als bisher äussern
dürfen und die Heilung einer Retroversio-Flexio im Wochenbtäte
wenigstens mit Wahrscheinlichkeit erwarten können. Dafür
spricht in gewisser Weise schon L ö h 1 e i n’s Statistik: Es
wurden.weim ich recht verstehe, von 3 Wöchnerinnen, die in den
ersten 3 Wochen zur Behandlung kamen, 2 dauernd geheilt, da¬
gegen von 41 alten Retroflexionen auch nicht mehr als 2. Nimmt
man mit V e d e 1 e r an, dass die Retrodeviationen der Nulliparen
zu denen der Frauen, welche geboren haben, in ihrer Häufigkeit
sieh verhalten wie 4:1, so wird man aus diesen Zahlen den Segen
ermessen können, der etwa durch ein frühzeitiges Behandeln
dieser Lageahweiehungen im Wochenbette gestiftet werden
könnte. Alle subjeetiven Symptome, wie Blutungen, Kreuz-
schmerzon, Drängen nach unten u. dergl., können uns aber nicdit
allein irre leittui, sondern treten meist viel zu spät in die Er¬
scheinung. Es wird also bei jeder gesunden
Wöchnerin eine innerliche Untersuchung
(k u r z nach dem Auf stehen) gefordert werden
müssen. Nach Aborten, wo «ler Uterus durch seine Grösse
nicht gehindert wird, hinter das Promontorium schon frühzeitig
herabzusinken, sollte sogar in der ersten Woche eine bi-
manuelle Untersuchung in jedem Falle stattfinden. Wie häufig
gerade nach Aborten fehlerhafte Lagen nachzuweisen sind, ist
bekannt und erhellt neuerdings wieder aus einem Berichte aus
der O 1 s h a u s e löschen Klinik, wo Stock (Refer. im Centralbl.
f. Gyniik. 1899) unter 60 septischen Aljorten 13 Retrodeviationen
nachwies.
Wissen wir aber, dass Frauen schon vor der Geburt an Retro-
devi'ationen gelitten haben, so sollen wir — ganz gleichgiltig
welchen Befund wir haben — die schwere und descendirte Ge-
bärmutter durch ein grosses Hebelpessar im Wochenbette stützen.
Da erfahrungsgemäß am 5. oder 6. Woehenbettstage Darm¬
sehlingen sieh zwischen die vor«lere Waml der Gebärmutter und
die Bauchdecken cinzuschicbeu pflegen, so wählen wir diesen Ter¬
min am passendsten zum Einführen des Pessars. Da die Genital¬
wunden in stadio granulationis sind, so ist damit keine Gefahr
verbunden. Besonders wichtig ist natürlich das frühzeitige Ein¬
legen des Ringes bei Erauen, die schon einmal wegen einer Retro¬
flexio uteri operirt worden. Zählt doch Gräfe unter 20 Ventro-
fixationen (cf. Refer. im Centralbl. f. Gynäk. 1899) 2 Recidive im
Wochenbette und es ist zweifellos, dass nach Vaginofixation
noch häufiger Recidive durch die Schwangerschaft entstehen.
Teh selbst habe 1 mal nach einer Vaginofixation die Ringbeliaml-
lung im Wochenbette durchgeführt und den Uterus in Ante¬
flexion dauernd bewahrt. Was ist denn durch ein Pessar im
Wochenbette in Verbindung mit allen Mitteln (Seeale, heisse
Scheidenspülungen etc.), die die physiologische Involution sämmt-
licher Genitalorgane mit ihren Bändern anregen, zu erreichen?
Wir können hoffen, die bei jeder Geburt stark in die Breite ge¬
dehnte und in Folge dessen in der Länge verkürzte Scheide vor-
theilhaft zu strecken und die Ligg. lata vom Druck der schweren
Gebärmutter zu entlasten. Zu ausgiebige Bewegungen der sehr
beweglichen Gebärmutter werden durch den Ring eingeschränkt.
Wenn die Wöchnerin ab und an die Gesichts-Bauchlage inne hält,
da wir diese Lage auch jeder gesunden Wöchnerin an¬
rathen, so treten wir schon nvs Gebiet der prophylak¬
tischen Maassnahmen gegen die Retrodeviationen, so kann
man dadurch eine stärkere Anteflexion hervorrufen. Es entsteht
durch die Gesichts-Bauchlage eine ähnliche Lageveränderung
des Uterus, wie sie K li s t n e r für die aufrechte Stellung der
Frau beschreibt. Ausserdem müssen die Ligg. rot. von jedem
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
813
Zuge entlastet sein. Als Normallage jeder Wöch¬
nerinmuss die Seite n lagegelten und nur zu Zeiten
die Rückenlage in bestimmter Absicht gestattet werden. Wenn
K ü s t n e r bei andauernder Rückenlage „den Uterus in toto zu¬
sammengesunken und die Portio etwas tiefer stehend als normal
fand“, so ist sicher die Gefahr vorhanden, dass das weiche Organ
durch eine volle Blase in die gefährliche Retroposition gedrängt
wird.
Mit vollem Rechte betont K ii s t n e r, dass eine septische
Erkrankung besonders nachtheilig sei, doch ist diese gewiss
nicht immer nöthig. In der Annahme, dass es nicht förderlich
sein kann, wenn der Uterus häutiger durch eine volle Blase an
das Kreuzbein herangedrängt wird, habe ich für 3 stündliche Ent¬
leerung der Blase bei allen Wöchnerinnen sorgen lassen. Obwohl
die Anfüllung des Mastdarms mir weniger Bedenken als die der
Blase macht, so soll doch jeden zweiten Tag ein Klystier ge¬
geben werden. Nach Einführung dieser Grundsätze bei Leitung
des Wochenbettes wurden unter den letzten 200 Geburten 2 mal
Retrovcrsio-flexio vor der Entlassung gefunden. Ich muss aller¬
dings hinzufügen, dass wenig Aborte darunter waren. Zum Ver¬
gleich führe ich an, dass A h 1 f e 1 d 4 Proc., K ü s t n e r 11 Proc.
Retroversio-flexionen bei frischen Puerperen berechnet.
Mit den eben vorgctragenen Forderungen wird zweifelsohne
eine gründliche Aenderung in der Leitung des Wochenbettes, wie
sie drauäsen in der Praxis nach meiner Erfahrung heutzutage
noch grübt wird, befürwortet und diese Aenderung scheint uns
auch durchaus nöthig. Es darf, glaube ich, behauptet werden,
dass der praktische Arzt ohne klinische Anzeichen keine einzige
Frau im Wochenbette untersucht. Die Hebammen, die reich¬
lich 80 Proc. aller Geburten allein behandeln, werden nach der
Richtung hin weder instruirt noch vorgebildet. Ich würde es
für viel segensreicher halten, den Hebammen, die doch den retro-
ffectirten graviden Uterus diagnostieiren sollen, im Untersuchen
von Wöchnerinnen Unterricht zu ertheilen, als ihnen Placentar-
lösungen und Wendungen frei zu geben. Hoffentlich bringt uns
in Preussen die Einrichtung des erstrebten 9 monatlichen Lehr-
cursus für Hebammen auch derartige Vorschriften.
Was die Ausführung der Untersuchung im Puerperium an-
betrifft, so wird man, wie ich mich überzeugt habe, gewissen Vor¬
theil, namentlich für die Hebammen, davon haben, wenn man nach
Fri tsch die Wöchnerinnen im Stehen untersucht. In letzter Zeit
füge ich diese Untersuchungsmethode stets der bimanuellen Be¬
tastung auf dem Stuhle hinzu. Bei leichtem Empordrängen des
hinteren Scheidengewölbes fühlt man bei gesunden Wöchnerinnen
nur einen Theil der Cervix, dagegen nichts vom Corpus Uteri, sollte
dies im Stehen der Fall sein, so wäre stets ein Ring einzulegen,denn
im Laufe der nächsten Woche ist eine ausgebildete Retroflexions-
stellung des sich verkleinernden Uterus mit Sicherheit zu er¬
warten. Mit dem Pessare soll die Frau aber alsdann auf stehen,
eine weitere Bettruhe würde keine Vortheile, sondern eher Nach¬
theile (Rückenlage) mit sich bringen. Dass die Rückenlage
nicht die günstigste Lage für das Wochenbett ist, muss den
Frauen des Volkes mitgetheilt werden und desshalb sind die Heb¬
ammen nachdrücklichst darauf hinzuweisen, jeder Entbundenen
solche Belehrung zu ertheilen, denn es besteht fast allgemein
die Anschauung, dass keine andere Lage als die Rückenlage ein¬
genommen werden darf. Mir passirt es wenigstens nicht selten,
dass ich auf meine Empfehlungen die Antwort erhalte: „Ich liege
viel lieber auf der Seite, glaubte aber, es sei verboten.“
Kurz zusammengefasst würden also meiner Ansicht nach für
die Verhütung und Heilung der Retrodeviationen des Uterus im
Wochenbette folgende Punkte grösserer Beachtung, als sie ge¬
wöhnlich erhalten, werth sein:
1. Empfehlung der Seitenlagerung (zu Zeiten Gesichts-
Bauchlage) für jede Wöchnerin;
2. Untersuchung jeder Puerpera kurz nach dem Aufstehen
(nach Aborten früher);
3. Frauen, die an Retrodeviationen vor der Geburt litten,
sollen am 5. Wochenbettstage ein Pessar erhalten.
In Anbetracht der sich häufenden Statistiken über operative
Eingriffe bei den Retrodeviationen des Uterus — Vaginofixation,
Alexander-Adam s’sche Operation, Ventrofixation—könnte
man die vorstehenden Thesen als „unzeitgemässe Betrachtungen“
bezeichnen. Ich glaube aber manchem in der Praxis stehenden
Collegen durch die Mittheilung meiner conservativen Therapie
einen Dienst zu erweisen und namentlich zu weiteren Beob-
N o. 10
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achtungen, zu denen der Hausarzt häutiger als der Gynäkologe
Gelegenheit haben dürfte, anzuregen.
Anmerkung: Nach Abschluss dieser Zellen fand ich zu¬
fällig, dass Gottschalk (Zeitschr. f. Geburth. Bd. XVIII) in
einer Discussionsbemerkung über 3 Heilungen durch die Pessar¬
behandlung im Wochenbett berichtet hat. Amerikanische Autoren
(s. mein Referat im Centralbl. f. Gyn. über die Transactions of the
Chicago Gyn. Society 1899) reden dieser Behandlung ebenfalls be¬
geistert das Wort, ohne jedoch eigene Resultate anzuführen.
Literatur:
A h 1 f e 1 d : Lehrb. d. Geburtsh.
Fritsch: in Billrot h’s Handbuch.
Küstner: Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gyn. XI. Bd.
L ö h 1 e i n : Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gyn. VIII. Bd.
V e d e 1 e r : Arch. f. Gyn. XXVIII. Bd.
Casuistische Miscellaneen aus dem Gebiete der Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie.
Von R. Kossmann in Berlin.
I. Schwangerschaft und Entbindung nach beiderseitiger
Castration.
Bei Frau J. hatte ich wegen doppelseitiger starker Oophoritis
am 12. November 1895 die vordere Klytrotomie ausgeführt und
beide Ovarien unter Zurücklassung der Tuben exstirpirt. Eine
Vaginifixur bildete den Abschluss der Operation. Zu meiner eigenen
Ueberraschung meldete mir der Ehemann der Operirten nach
ly 2 Jahren, dass seine Frau schwanger sei. Die Untersuchung
bestätigte diese Angabe. Ich wurde in der Nacht vom 1. auf
den 2. December 1897 zur Entbindung gerufen, fand aber bei der
Kreissenden 2y 2 Stunden nach Eintritt der Wehen das Kind bereits
geboren.
Die Operation war in der Weise ausgeführt worden, dass die
Ovarien unter Catgutligaturen abgebunden worden waren, und
es musste dabei allerdings, wie in jedem derartigen Falle, etwas
Ovarialgewebe über der Ligatur zurückgelassen werden, um deren
Abgleiten zu verhindern. Erklären lässt sich die Conception nur
dadurch, dass die Ligaturen zwar genügten, um die Blutung zu
stillen, aber nicht, um die Ernährung der über ihnen verbliebenen
kleinen Ovarialreste vollständig zu unterbrechen. An die Mög¬
lichkeit, dass ich ein überzähliges Ovarium übersehen hätte,
ist desshalb nicht zu denken, weil ich zu jener Zeit, als die
Operation ausgeführt wurde, gerade den Mehrfachbildungen im
Bereich der Adnexe, deren Bearbeitung für das Marti n’sche
Handbuch ich übernommen hatte, eine ganz besondere Aufmerk¬
samkeit widmete.
Die Proflexionsstellung des Uterus ist auch nach dem
Wochenbett erhalten geblieben. Der Fall beweist also auch,
dass eine correct ausgeführte Vaginifixur nicht den geringsten
störenden Einfluss auf Schwangerschaft und Geburt ausübt und
in ihrem Effect beide überdauert. Zur Zeit ist die Operirte, wie
ich höre, wieder schwanger und erwartet ihre Entbindung für
die letzten Tage des Jahres.
II. Zur Bedeutung des Mekonium-Abganges.
Es ist eine in den meisten geburtshilflichen Lehrbüchern
ohne Einschränkung ausgesprochene Lehre, dass bei Kopflagen
der Abgang von Mekonium als ein für das Kind prognostisch
ungünstiges Symptom zu betrachten sei und eine Indication zur
thunlichst schleunigen Entbindung darstelle, sofern eine solche
ohne Perforation überhaupt möglich erscheint. So sagt Runge 1 )
ganz kurz und bündig: „Entleerung von Mekonium in’s Frucht¬
wasser findet unter normalen Verhältnissen nicht statt“; und
Zweifel 2 ) schreibt: „es ist eine alte Thatsache, dass Kinder,
welche ihren Darminhalt abgehen lassen, sich in Lebensgefahr
befinden“. Auch Martin*) nennt diese Erscheinung: „ein
Symptom von hoher diagnostischer Bedeutung“. Bei Spiegel¬
berg-Wiener 4 ) heisst es, dass „bisweilen trotz reichlichen
Mekoniumabganges die Kinder ganz lebensfrisch und ohne
Zeichen von Asphyxie geboren werden; jedenfalls betrifft das
solche Fälle, in denen die respiratorische Störung spontan wieder
M Runge: Lehrbuch der Geburtshilfe, Berlin, 1891, S. 33.
2 ) Zweifel: Lehrbuch der Geburtshilfe, 4. Aufl., Stuttgart,
1895, S. 436.
*) Martin: Lehrbuch der Geburtshilfe, Wien und Leipzig,
1891, S. 373.
*) Spiegelberg -Wiener: Lehrbuch der Geburtshilfe,
3. Auflage, Lahr, 1891, S. 668.
2
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
314
No. 10.
MÜNCHENER MEDICTNISOHE WOCHENSCHRIFT.
ausgeglichen wurde“. Nur Olshausen 6 ) meint: „in seltenen
Fällen beliebt es dem Foetus, während der Geburt das Frucht¬
wasser zu verunreinigen, ohne je in Lebensgefahr gekommen
zu sein“. Dieser Ansicht tritt aber Ahlfeld“) ausdrücklich
entgegen, indem er sich auf den Standpunkt Spiegelberg’s
stellt und erklärt: „dass die Kinder intrauterin ihren Koth ent¬
leeren, ohne sich je in Gefahr befunden zu haben, wie Ols-
hausen -Veit annehmen, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn
man annimmt, die vermehrte Peristaltik sei ein zeitiges, viel¬
leicht das erste Symptom der Giftwirkung einer C0 2 -Vergiftung,
so ist es verständlich, dass Mekoniumabgang ohne sonst nach¬
weisbare Erscheinungen von intrauterinem Scheintod sehr wohl
Vorkommen kann.“ Aehnlich spricht sich J e s s e 7 ) in seiner
Marburger Dissertation aus.
Ich wurde am 8. Juli 1899, Morgens y 2 5 Uhr zu Frau N. hier-
selbst, G.-Strasse 20 gerufen, weil die Hebamme eine Becken-
e n d 1 a g e diagnosticirt hatte. Ich fand einen grossen Theil im
Einschneiden begriffen. Die Hebamme gab an, dieser Stand der
Geburt sei bereits seit geraumer Zeit unverändert. Sobald der
untersuchende Finger an dem vorliegenden Theile emporglitt,
quoll reichlich Mekonium hervor. Ich nahm daher zunächst an,
dass die Diagnose der Hebamme richtig sei und überzeugte mich,
da das weit vorgerückte Geburtsstadium eine genaue Nachunter¬
suchung zunächst nicht zu erfordern schien, und die geringe Hellig¬
keit eine Wahrnehmung der spärlichen Behaarung des vorliegen¬
den Theiles nicht zuliess, erst ziemlich lange nachher, dass in
Wirklichkeit eine erste Schädellage mit einer starken Kopf¬
geschwulst gegeben war. Die Herztöne der Frucht waren während
der ganzen Geburt vollständig normal, und da auch bei der Ge¬
bärenden, einer 35 jährigen Primipara, keine zur Beendigung der
Operation nöthigende Indication vorlag, so wartete ich auch nach
Feststellung der Kopflage unter häufiger Controle der foetalen
Herztöne den Fortgang der Geburt ab. Gegen mein Erwarten ver¬
zögerte sich diese noch bis zum Abend, wo ich sie dann schliess¬
lich, weil eine leichte Temperatursteigerung bei der Kreissenden
eintrat, durch Anlegung der Zange beendigte. Während des
ganzen Tages war Mekonium neben der Kopfgeschwulst her¬
vorgequollen, sobald man den Finger auch nur halb einführte.
Niemals hatte die sehr häufig vorgenommene Controle der Herz¬
töne des Foetus eine Störung der Frequenz ergeben. Dabei war
das jedesmal hervorquellende Mekonium so dickflüssig und dunkel,
dass es für frisch aus dem Mastdarm entleert gelten und sicher¬
lich nicht bei noch stehender Blase dem Fruchtwasser beigemengt
worden sein konnte.
Einen Beweis dafür beizubringen, dass der Foetus nicht etwa
vor meinem Eintreffen zeitweilig von Asphyxie bedroht gewesen
sein könne, ist natürlich nicht möglich. Aber irgend einen An¬
halt für die Annahme einer solchen vorausgegangenen Gefahr
haben wir durchaus nicht. Andererseits entleert ja das nicht
asphyktisch geborene Kind meist bald nach der Geburt den Darm
und fährt damit in angemessenen Fristen bis in sein Greisen-
alter fort, ohne jemals einer C0 2 -Vergiftung zu bedürfen. Daher
ist zunächst gar nicht einzusehen, warum Olshausen’s An¬
nahme so imwahrscheinlich sein soll. Sie ist vielmehr die nächst-
liegende und muss sogar so lange Geltung beanspruchen, bis
irgend ein Beweis dafür erbracht wird, dass dem mit Sauerstoff
genügend versorgten Foetus eine Darmentleerung intra partum
bei Schädellage unmöglich sei. Dass sich dieser Beweis je¬
mals wird erbringen lassen, ist aber sogar sehr unwahrscheinlich.
Selbst wenn es sich sollte feststellen lassen, dass eine Darmperi¬
staltik ante partum bei ausgiebiger Sauerstoffzufuhr stets völlig
ausbleibt, besteht doch die Thatsache einer mechanischen Ex¬
pression von Mekonium bei Beckenendlagen; und die Möglichkeit,
dass gelegentlich auch einmal bei Schädellagen eine solche Ex¬
pression, z. B. durch die auf den Bauch gedrückten Ellbogen
der Frucht, nach Abfluss des Fruchtwassers, während der Wehe,
stattfinden könne, dürfte schwerlich auszusehliessen sein.
Wie dem auch sei, der vorliegende Fall zeigt, dass der Abgang
von Mekonium vielleicht den unaufmerksamen Arzt, der die Herz¬
töne nicht genügend controlirt hat, mahnt, das Versäumte nach¬
zuholen, aber niemals eine Indication für irgend einen thera¬
peutischen Eingriff darstellt.
(Fortsetzung folgt)
B ) Schröder: Lehrbuch der Geburtshilfe. 12. Auflage,
S. 800.
•) A h 1 f e 1 d : Lehrbuch der Geburtshilfe, 2. Auflage, 1898,
S. 468.
T ) J e s s e : Die Bedeutung des Abganges von Kindspech
während der Geburt. Dissertation, Marburg, 1889.
Aus der medicinischen Universitätsklinik zu Bonn. Director
Prof. Fr. Schultze.
Ein Fall von neurasthenischem Schütteltremor nach
Trauma.
Von Dr. Ph. F. Becker.
Tremor ist bei Neurasthenischen keine seltene Erscheinung.
L a m a c q [1] hat seine Häufigkeit auf 85 Proc. der von ihm
beobachteten Neurasthenien berechnet, während er z. B. bei Hy¬
sterie nur 34,6 „Zitterer“ unter hundert, bei Epilepsie nur
20 Proc. fand.
Eine Erklärung fär diese Häufigkeit sucht L a m a c q da¬
durch zu geben, dass er den emotiven Tremor bei Neurasthenie
(ebenso auch bei Morbus Basedowii) als eine stärkere Ausprägung
des schon bei Gesunden in etwa 40 Proc. wahrzunehmenden Tre¬
mors auffasst. Bezüglich dieser Auffassung fand er einen Gegner
in Crocq [2], der das Vorkommen von Zittern bei Gesunden
überhaupt bestritt und auf die Verbreitung des Alkoholismus und
der Neurasthenie als die eigentlichen Ursachen des Zitterns
hin wies.
Wenn auch essentieller und hereditärer Tremor nicht allzu
selten beobachtet werden, so scheint doch die Häufigkeit des Tre¬
mors bei Gesunden mit 40 Proc. etwas hochgegriffen zu sein; eine
geringere Seltenheit des emotiven Tremors auch bei Gesunden
mag indess zugestanden sein.
Der Tremor Neurasthenischer hat nichts Pathognomonisches,
Er gehört zu den klein welligen, meist schnellschlägigen For¬
men [3]. Er ist meist ein „Ruhetremor“ oft neben fibrillären
und fasciculären Muskelzuekungen.
Einen wesentlichen Einfluss übt die Psyche aus. Bekannt ist
wie auch bei den functionellen Psychosen [4] (Manie, Melan¬
cholie, Paranoia) im Zustande der Erregung vibrirendes, schnell-
schlägiges, oft arhythmisches, ungleichmässiges Zittern, im de¬
pressiven Zustande dagegen undulirendes, langsames, rhyth¬
misches beobachtet wird.
Ob ein Unterschied in der Art des Tremors bei Neurastheni¬
schen besteht, wenn derselbe durch Ermüdung entstanden oder
auf psychische Affecte zurückzuführen ist, darüber vermochte
ich in der Literatur nichts zu finden.
In den folgenden Zeilen will ich die Krankengeschichte eines
Neurasthenikers mittheilen, der als sehr auffallendes Krankheits-
Symptom ein andauerndes, ungemein heftiges
Zittern zeigte, das im Anschluss an ein ganz geringfügiges
Trauma plötzlich aufgetreten war.
Es sei gleich hier erwähnt, dass eine Simulation sicher aus¬
geschlossen werden kann. Es ist bekannt, wie schwer es ist und
welchen Aufwandes von Energie und Kraft es bedarf, eine Simu¬
lation dieser Art consequent durchzuführen. Der Tremor be¬
stand in gleicher Weise, auch wenn Pat. unbemerkt beobachtet
wurde, weiter. Ferner litt Patient sehr unter dem Bewusstsein,
durch dieses Schütteln arbeitsunfähig zu sein, und endlich
spielten auch die „Begehrlichkeiten“ keine Rolle, da Pat. wohl
wusste, er sei nicht zur Beobachtung, sondern zur Behandlung
in der Klinik, da er weiterhin mit den ihm bewilligten 66% Proc.
zufrieden war, obwohl „es nicht auskömmlich für ihn sei“.
Die Krankengeschichte ist kurz folgende:
F. V., 24 jähriger Ackerknecht. Journ.-No. 379, 1899.
Anamnese: Eltern an Tuberculose gestorben, eine
Schwester lebt und ist gesund. Keine nervösen Erkrankungen in
der Familie.
Patient selbst erlitt im Alter von 10 Jahren durch einen Fall
auf den Rücken einen „Bruch des rechten Schulterblattes“, ein
Unfall, der ohne bleibende Folgen überstanden wurde. Im 20.
Jahre wurde ein mehrere Wochen dauernder Gelenkrheumatismus
durchgemacht, der sich in den letzten 4 Jahren des Oefteren In
Form schwächerer Attaquen wiederholte.
Sonstige Krankheiten will Patient nie gehabt haben; keine
Lues.
Schon als Kind soll Patient „etwas nervös“ gewesen sein: er
regte sich leicht auf, bekam Angstanfälle, auch Zittern in Armen
und Beinen. Oft litt er an „Kopfschmerzen“ und neigte nach
eigener Aussage zeitweise zu trüben Stimmungen; im Allgemeinen
sei er aber stets heiter und lebenslustig gewesen.
Excesse in baccho et venere, insbesondere Masturbation,
werden negirt.
Am 2. XII. 1898 erhielt V. einen Pferdehufschlag vor den Leib
und zwar in die rechte Inguinalgegend; er fiel sofort um und blieb
etwa 4 Stunden bewusstlos. Als er wieder zu sich kam, klagte er
über äusserst heftige Schmerzen im Leib und man bemerkte ein
Zittern des Kopfes und beider Arme. Starke Schmerzen beim
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6. März 19()0. MÜNCHEN HR MKD1CINISCHE WOCHENSCHRIFT. •'115
Wasserlassen, der Urin war blutig gefärbt. Aufnahme In’8 Spital
zu K. Langsame Besserung aller Erscheinungen, bis auf das stets
gleichmässig persistirende Zittern. Ferner klagt V. über geringe
Schmerzen im rechten Hüftgelenk, besonders in der Inguinalbeuge,
am Orte der Verletzung.
Dem Anträge seines Begutachters entsprechend, erhielt er eine
Unfallrente von 6G% Proc.
Zu einem Curversuche wird er in die hiesige medicinische
Klinik auf genommen.
Ausser dem Zittern und den oben erwähnten Schmerzen klagt
Patient über unruhigen, schlechten Schlaf, mangelnden Appetit,
häufige und langdauernde Verstopfung. Auch w r ill V. in letzter
Zelt abgemagert sein.
Status am 14. VII. 1899.
Der allgemeine Zustand bietet nichts Besonderes. Hautfarbe
ziemlich blass, Gesicht lebhafter geröthet.
Die Untersuchung der Brustorgane ergibt keinen patho¬
logischen Befund; Abdomen ohne Besonderheit.
* Wirbelsäule nicht durckeinpfindlich. In der rechten Inguinal¬
gegend unter der Mitte des Poupart’schen Bandes besteht
dauernde Schmerzempfindung, die nach Angabe des Patienten
bei Druck zunimmt Bei passiver Rotation des Beines nach aussen
ist diese Stelle, die gerade vom Stollen des Hufeisens getroffen
worden sein soll, besonders schmerzhaft; keine Störungen in der
Motilität der Beine.
Der Gang ist etwas hinkend, da Patient das im Hüftgelenk
leicht schmerzhafte rechte Bein zu schonen bestrebt ist.
Urin reagirt stark sauer, von niederem specifischem Gewicht,
1003; zeitweise lassen sich Spuren von Albumen nach weisen.
Mikroskopisch findet man reichlich Blasenepithelien und harnsaure
Salze.
Puls qualitativ ohne Eigenthiimlichkeiten, durchschnittlich 92
an Zahl. Anfangs war nicht selten eine Frequenz von 104—120
Schlägen in der Minute zu beobachten. Das M a n n k o p f’sche
Zeichen konnte wiederholt constatirt werden. Die von Erben [5]
beschriebene Frequenzverlangsamung bei hintenüberhängendem
Kopfe war ebenfalls deutlich, dagegen konnte ich keine Pulsver¬
änderung in hockender Stellung finden.
Was den Status nervosus betrifft, so sei zunächst der leichte
Tremor des Kopfes erwähnt. Es erscheinen im Wesentlichen die
Mm. splenii und sternocleidomast. l»etheiligt. Beim Auflegen des
Kopfes verschwinden die Zitterbewegungen, während sie bei Auf¬
regungen. bei der Unterhaltung, bei der Untersuchung, besonders
bei Anstrengungen der Augenmuskeln (Functionsprüfung, Ge¬
sichtsfeldaufnahme etc.) bedeutend zunehmen.
Bemerkenswerth erscheint, dass das Schütteln vorwiegend in
einer horizontalen Ebene um eine verticale Achse erfolgt; be¬
sonders bei längerer Unterhaltung fällt auf, dass die Amplitüden
der einzelnen Schwingungen periodisch grösser werden, dass also
die den Tremor zusammensetzenden Bewegungen des Kopfes an
Excursion regelmässig langsam bis zu einem Maximum zunehmen,
um dann ebenso gleichmässig wieder zum Minimum zurück-
zukeliren. Es wollte mir scheinen, als ob nach dem Excursions-
maxinnim hin die Schwingungsdauer zunähme, mithin die Zitter¬
bewegungen langsamer würden. Doch hätte es, um diese Be¬
obachtung sicher zu stellen, eines complicirten Apparates bedurft.
Pupillen ziemlich eng, gleichmässig rund, rechts etwas weiter
wie links. Reaction auf Lichteinfall und bei Accommodation vor¬
handen. Augenbewegungen frei, kein Nystagmus. Myopie von
3*4 Dioptrien L, 4 y s R. Keine Veränderung des Augenhinter¬
grundes, keine Einschränkung des Gesichtsfeldes.
Häufig wird der M. orbic. oculi und (’orrugator supereil.
zuckend contraliirt. so dass seichte senkrechte Stirnfalten ent¬
stehen. Links ist dies häufiger wie rechts zu beobachten.
Ebenso lassen sich zeitweise Muskelzuckungen im M. orbic.
oris und im M. zygomaticus bemerken. Beim Aufblasen der Backen
tritt lebhaftes Zittern der ganzen Gesichtsmusculatur, besonders
der Mm. quadrat labii infer. auf, so dass nach kurzer Zeit die
Luft aus dem Munde entweicht.
In der vorgestreckten Zunge bestehen starke Zuckungen in
der Richtung von vorn nach hinten. Keine fibrillären Zuckungen.
Auf dem Boden der Mundhöhle liegt die Zunge meist ruhig.
Gaumen- und Rachenreflex mittelstark. Masseterreflex sehr
deutlich.
Das Auffallendste ist ein starker, fast ständig existirender
Tremor in beiden Armen. Auch bei völliger Ruhe der
Arme und wenn sich Patient ganz unbeobachtet glaubt, sistirt
das Zittern nur selten und dann nur für wenige Augenblicke.
Der Tremor betrifft die Vorderarme und die Hände, ohne
dass sich specielle Muskelgruppen hervorragend befallen erkennen
liessen. Wir können bald eine Beugung und Streckung oder
Rotation im Ellbogengelenk, bald eine Flexion-Extension, bald
eine Ab- und Adduction im Handgelenke, endlich Combinationen
aller dieser Bewegungen ausgeführt sehen. Einige Male sah ich
bei ziemlicher Ruhe des aufliegenden Armes und abgelenkter Auf¬
merksamkeit die als „pillendrehend oder als geldzählend“ bezeieh-
neten Bewegungen zwischen Daumen und 2. und 3. Finger, wie
sie bei Schüttellähmung bekannt sind, zu Stande kommen.
Der Tremor ist massig schnellschlägig (etwa 5 in der Secunde)
mul nicht ganz gleichmässig. Zuweilen treten grössere Pausen
zwischen den einzelnen Schlägen auf. Die Frequenz und auch die
Excursion wechseln.
Mehrere Male sah ich an den beiden horizontal vorgestreckten
Händen einen ganz ausgesprochenen Wechsel von Flexion-Ex¬
tension strem or und Abduction-Adduetionsf remor bei völligem
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Cessiren anderer Bewegungen. Der Wechsel geschah in der
Weise, dass während der Flexlon-Extensionsperiode eine Ab- und
Adduction ganz unterblieb. Nach dem scheinbar regelmässigen
Abklingen der Extension-Flexionsbewegungen begann eine regel¬
mässige Periode von Ab- und Adductiousbewegungen im Hand¬
gelenke in der Horizoutalebene. Wie beim Tremor des Kopfes, so
glaube ich auch bei dieser Gelegenheit ein regelmässiges An- und
Abschwellen der Amplitüde in jeder einzelnen Flexion-Extension
bezw. Abduction-Adductionsperiode bemerkt zu haben.
Wenn Patient den Arm fest gegen eine Unterlage drückt oder
sich z. B. an der Bettstelle in die Höhe zog, also eine dauernde
starke Muskelcontraction vornahm, so wurde der Tremor be¬
deutend vermindert, zuweilen kam er dann ganz zum Stillstände.
Ebenso wirkt Ablenkung der Aufmerksamkeit
Im entgegengesetzten Sinne wirken active Bewegungen der
Arme (so vermag Patient kein Glas Wasser zu tragen, ohne zu ver¬
schütten) und psychische Erregungen. Sehr eigenthümlich ist der
Einfluss willkürlicher Impulse. Wir sehen das Zittern bei intendir-
ten Bewegungen völlig den Charakter des Inten¬
tionszitterns annehmen: Der gestreckte Zeigefinger geht
gerade auf das Ziel los, ohne ataktisches Ausfahren, doch unter
heftigem, gleichmässigem Wackeln, das in einer Ebene stattfindet
und gegen das Ende der Bewegung zunimmt.
Zur Unterdrückung des Tremors hält Patient gerne die Arm-
iuusculatur contrahirt, wesshalb es manchmal schwer wird, den
Tri- und Bicepsrefiex auszulösen. Spastische Zustände bestehen
jedoch nicht.
Patellar- und Achillessehnenreflex beiderseits lebhaft, zuweilen
Andeutung von Fussklonus, besondere links.
Bauchdeckenreflex, von der rechten unteren Partie der Bauch¬
decken aus, mittelstark, nicht zu erhalten.
Kremasterretiex vorhanden.
Plantarreflex links deutlich stärker wie rechts.
Die Sensibilität zeigt keine Störungen, nur der Temperatur¬
sinn ist an der Stelle der Verletzung in der Weise verändert, dass
hier „warm“ und „kalt“ ungenau, nicht selten widersprechend
angegeben werden.
Von vasomotorischen Störungen der Haut sei der sehr schön
ausgesprochene Dermographismus erwähnt.
Die Muskelkraft ist nach Angabe des Pat. nicht schwächer
wie früher, im Allgemeinen gering; insbesondere die beider Hände.
Auch gibt später Pat. zu. dass die Kraft der Hände abgenommen
habe.
Stehen mit geschlossenen Augen ist bei geschlossenen Füssen
für kürzere Zeit möglich; nach etwa y a —1 Minute Schwanken.
Auf dem rechten Fusse kann Pat. bei geschlossenen Augen gar
nicht ohne zu Schwanken stehen, links ist dies gut ausführbar.
Die elektrische Untersuchung bot keinen besonders zu erwäh¬
nenden Befund. Es zeigte sich nur, dass Pat. schon bei ziemlich
schwachen Strömen Schmerzempfindung äusserte.
Es erübrigt, noch Einiges über die Sprache zu sagen. Die¬
selbe ist leise, monoton. Durch die wenig von einander entfernten
Zahnreihen werden die Worte nur undeutlich und stockend hervor-
gestossen. Die läppen Averden nur wenig bewegt, so dass die
Labiaiconsonanten durchweg undeutlich sind. Auch das Gaumen¬
segel. das sonst gut beweglich ist, tritt beim Sprechen unvoll¬
kommen in Action. Die Stimme zittert zuweilen, besonders bei
schon leichter psychischer Erregung. Ohne zu scandiren stösst
Patient doch gewissermaassen jedes Wort heraus: „Kann — ich
— nicht — entlassen — werden“, wobei fast jede Silbe eine Be¬
tonung enthält.
Die Apperceptions- und Reproduetionsfühlgkeit des Gehirns
haben nicht gelitten, wohl aber vollzogen sich Verrichtungen der
Association und Combination (Kopfrechnen, Concentrirung der
Gedanken) abnorm langsam und unvollkommen.
Psychisch zeigt Patient wenig Auffallendes. Im Ganzen zeigt
er ein scheues Wesen, zu traurigen Betrachtungen beztigl. seiner
Zukunft geneigt.
Zur Begründung der Diagnose traumatische Neur¬
asthenie bedarf es der Zusammenstellung nur weniger posi¬
tiver und negativer Anhaltspunkte.
Wir wissen, dass die nervösen Störungen nach Traumen
selten ohne psychische Störungen verlaufen und dass diese Stör¬
ungen meist depressiven Charakter haben [6].
Auch in unserem Falle sehen wir geringe geinüthliche De¬
pression: zweifelnde Fragen, bez. der Besserungsfähigkeit des
Zustandes, häufig geüusserter Wunsch entlassen zu werden, wir
finden ferner mangelhafte Aufmerksamkeit, leise, stockende,
monotone Spracht', Zittern der Stimme. Hierzu kommen un¬
ruhiger Schlaf, schlechter Appetit, Trägheit der Dannfunction,
Kopfschmerz, allgemeines Schwächegefühl. Schmerzen an der
verletzten Stelle, besonders beim Druck und beim Gehen; mittel-
schneller Tremor im Kopf und beiden Armen, der durch psy-
.chisohe Erregung gesteigert wird; Zuckungen in der Gesichts-
museubitur; lebhafte Sehnenreflexe, Andeutung von Fussklonus,
geringe Störungen der IIautempfindlichke.it gegen Temperatur-
und elektrische Reize. M annkop f’sches Phänomen, Erben-
sche Pulsverlangsainung. Dies Alles finden wir bei einem here¬
ditär nicht belasteten, aber von Jugend auf „nervösen“ Indi¬
viduum direct im Anschluss an ein Trauma auftreten.
2 *
Origii :il fr:r
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
Von organischen Veränderungen, auf die sieh aus den oben
geschilderten Krankheitssymptomen schliessen Hesse, kommt
differentialdiagnostisch nur die Sclerosis multiplex in Betracht.
Wir haben Andeutung von Intentionstremor, Steigerung des Zit¬
terns in Kopf und Armen bei Erregungen, lebhafte Reflexe, zeit¬
weise Andeutung von Fussklonus, Sprachstörung, Kopfschmerz.
Zum typischen Bilde der Herdsklerose fehlen zunächst die
Ataxien, der Gang ist sicher, kein Schwanken oder Stolpern.
Ein Glas Wasser kann ein Sklerotiker bei Abwesenheit stärkerer
Ataxie ziemlich gut in der Hand halten, während erst das Führen
zum Munde zum stärkeren Schütteln Veranlassung bietet. Unser
Pat. verschüttet aber schon beim Halten trotz Anspannung aller
Armmuskeln bei senkrecht herabhängendem Arme. Beim Führen
zum Munde wird der Tremor nicht allzu sehr verstärkt, vor Allem
nicht atac tisch. Es ist also nicht die Bewegung, sondern der
dauernde zum Halten erforderliche Coutractionszustand, der den
Ruhetremor verstärkt. Hie psychische Erregung der nun folgen¬
den Zielübung kommt in letzter Linie hinzu.
Muskelsteifigkeiten bestehen nicht, soweit solche nicht zur
Unterdrückung des Zitterns activ zu Stande gebracht sind.
Die Reflexe sprechen zwar leicht an, sind aber nicht hoch¬
gradig gesteigert. Geringer Fussklonus ist auch bei Neurasthenie
beobachtet.
Nystagmus fehlt, die Sehschärfe ist nicht herabgesetzt, es
liess sich keine Einschränkung des Gesichtsfeldes nach weisen.
Die Sprachstörung können wir nur als monoton und stockend
bezeichnen, jedenfalls nicht als scandirend.
Wir haben ferner noch der Parkinso n‘sehen Krank¬
heit zu gedenken, für deren traumatische Genese neuerdings
L i n o w [7] wiederum ein Beispiel geliefert hat. Charakteri¬
stisch für diese Erkrankung sind Muskelsteifigkeiten und typisches
Zittern. Dasselbe ist ein klein- und sehnellschlägiges, gleich-
miissiges Oseilliren der ruhenden Extremitäten; bekannt sind
die pillendrehenden Bewegungen der 2—-3 ersten Finger, ferner
Schütteln des Kopfes.
Der von uns beschriebene Tremor unterscheidet sich von dem
Oseilliren bei Paralysis agitans besonders dadurch, dass er nicht
nur ein Ruhe-, sondern auch ein Bewegungstremor ist.
Differentialdiagnostisch besonders hervorzuheben ist das
Fehlen von Muskelrigidität, das Fehlen der eigenthümlichen
Art von Zwangsbewegungen, die man als Pro-, Retro- bez. Latero-
pulsion bezeichnet, ferner die zwar schlaffe aber doch gerade Hal¬
tung des Patienten, der plumpe, nicht schlürfende, grossschrittige
Gang.
Von funetionellen Leiden müssen wir weiterhin noch der
Hysterie Erwähnung thun. Die bei Hysterie so häufigen
Krämpfe fehlen hier vollständig. Wir vermissen Muskelspasmen;
die Haut über der verletzten Stelle ist nicht hyperalgetisch noch
analgetisch; es bestehen keine Anaesthesien. Gesichtsfeld ohne
jegliche Einschränkung. Gaumen- und Rachenreflex sind in
unserem Falle vorhanden. Das Auftreten des Tremors geschah
angeblich unmittelbar im Anschluss an das Trauma, ohne ein
längeres zitterfreies Intervall zwischen dem Unfall und dem Ein¬
setzen des Tremors (cf. Heyse [9]). Continuirlicher Tremor
ist bei Hysterie sehr selten; zumeist wird bei Hysterischen das
Zittern anfallsweise mehrmals am Tage allein beobachtet oder
es schliesst sich an einen hysterischen Anfall an. Endlich bedarf
es der Betonung, dass der Tremor durchaus nicht die Nachbar¬
schaft der Laesionsstelle zum Angriffspunkt gewählt hat, wie
dies bei traumatischer Hysterie häufig zu beobachten ist.
Was unseren Fall besonders interessant und mittheilenswerth
macht, ist zunächst die anhaltende Dauer und zweitens die Stärke
des Zitterns. Diese wird durch die Bezeichnung Schütteln am
besten charakterisirt.
Wir wollen uns nun noch etwas eingehender mit diesem
Schütteln beschäftigen. Dasselbe ist mässig schnellschlägig,
von etwa 5 Schwingungen in der Secunde. Aber es ist unregel¬
mässig sowohl was die Frequenz als auch was die Excursion
betrifft. Auch Pausen zwischen den einzelnen Schlägen wurden
oben erwähnt. Die Bewegungsrichtung ist nicht immer die
gleiche. Zumeist scheint das Schütteln in der Unterarm- und
Handmusculatur combinirt. Beim Versuch, dieses Schütteln
zu unterdrücken, werden die Muse, triceps, biceps, brachialis int.
und brachio-radicalis long. contrahirt.
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Auffallend ist ferner das Abwechseln der zitternden Muskel¬
gruppen bei horizontal vorgestreckten Händen (cf. oben). Einen
ähnlichen periodischen Wechsel zwischen Bewegungen der
Flexion-Extensionsgruppe und der Abduction-Adductionsgruppe
beschreibt W e r t h e i m [10] bei einem 52 jährigen Manne mit
Paralysis agitans. Es traten in diesem FaHe ausserdem noch zeit¬
weilig Combinationszuckungen beider Muskelgruppen auf. Auch
Combination von Flexion-Extension und von Rotation (= Supi¬
nation-Pronation) zeigte derselbe Patient.
Zur Erklärung dieses Alternirens wäre es denkbar, dass ein
gewisser Ermüdungsgrad in den thätigen Muskelgruppen ein-
tritt, wodurch die anderen ebenfalls unter dem Einfluss eines
erhöhten Tonus stehenden Muskelgruppen das Uebergewicht er¬
halten. Sie treten nunmehr in Action, bis das umgekehrte Ver-
liältniss stattfindet.
Eine weitere auffallende Erscheinung an dem Tremor vor¬
liegenden Falles ist ein rhythmisches Schwanken der Arnplitüde;
sowohl der zitternde Kopf als auch die horizontal vorgestreckten
Arme zeigen dieses periodische, anscheinend regelmässige An- und
Abschwellen ziemlich deutlich schon bei aufmerksamer Betrach¬
tung. Genauere Details wären nur von einer graphischen Dar¬
stellung zu erwarten. Leider stand mir jedoch kein derartiger
Apparat zur Verfügung.
Wertheim-Salomonson hat eine grössere Reihe von
Tremoren graphisch dargestellt. In 10 Fällen unter 55 fand er
solche periodische Schwankungen der Arnplitüde: ein regel¬
mässiges, allmähliches Ansteigen bis zu einem gewissen Maximum
und dann ein gleiches Abschwellen. Da hierdurch ein neuer
Rhythmus zu Stande kommt, gab er dem Tremor das Attribut
f.llorhythmisch. Die einzelnen Perioden des zweiten gewisser-
maassen superponirten Rhythmus sind nicht ganz regelmässig,
wie aus den beigegebenen Curven ersichtHch.
Das Zustandekommen dieser Allorhythmie, dieses Auftretens
von secundären, grossen Wellenbewegungen der Curven erklärt
W ertheim aus einer Interferenz der Schwingungen in Folge
ungleich schneller, rhythmischer Contraction der Muskeln. Ex¬
perimentell erzeugte er allorhythmisches Zittern des Kopfes durch
Reizung der Muse, sternoeleidomast. mit je zwei sehr langsam
schwingenden Inductionsapparaten von verschiedener, aber nur
wenig differirender Unterbrechungszahl.
Endlich verdient noch das andeutungsweise vorhandene
Inrentionszittem Erwähnung. Der zielende Finger geht langsam
oder auch schnell nach dem Commando, ohne irgendwie aus¬
zufahren, gerade auf sein Ziel los, dabei aber in ein immer stärker
werdendes, gleichmässiges Wackeln gerathend. Besondere Beach¬
tung verdient die Thatsache, dass dieses Wackeln in einer
Ebene stattfindet. Bei dem richtigen Intensionstremor der mul¬
tiplen Sklerose z. B. sehen wir nicht nur heftige ausfahrende Ab¬
weichungen von der Zielstrecke, sondern auch kurz vor dem Be¬
rühren des Zieles Excursionen nach allen Seiten, gewissermaassen
ein Tasten nach dem Zielpunkt.
Um das Vorhandensein einer Ataxie sicher ausschliessen
zu können, liess ich mir eine Schriftprobe anfertigen. Patient
fasste das Papier fest mit der Linken; nachdem diese zur Ruhe
gekommen, setzte er die Feder dicht zwischen den 2. und
3. Finger der linken Hand und wartete eine zitterfreie Zeit ab,
dann brachte er mit einem Schwünge den Buchstaben zu Papier,
um hierauf das nun verstärkt auftretende Zittern wieder vorüber¬
gehen zu lassen. Die Unsicherheit der Bewegung wird durch
kräftigeren Federdruck zu überwinden gesucht. So kommt eine
ziemlich deutliche Schrift zu Stande, die sich von ataktischer
Schrift sehr wohl unterscheidet. Jeder Buchstabe ist fn seiner
Form deutlich, die einzelnen Striche zeigen nur zuweilen leichte
Wellenlinien, kein ungewolltes Ausfahren, keine Kleckse. Auf¬
fallend an der Schrift erscheint besonders, dass jeder Buchstabe
allein steht, was durch die Art des Schreibens erklärt ist. Auch
bei hochgradiger Ataxie können zusammenhängende Worte ge¬
schrieben werden. Unwillkürliche Schnörkel sind stets dabei zu
finden.
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MUNCH EN RR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
317
B. März 1900.
Nach Allem dürfte somit unser Fall immerhin einiger die
die Veröffentlichung rechtfertigender Beachtung werth erscheinen
und zwar 1. wegen der ungemeinen Stärke des Tremors und
2. wegen der unveränderten, hartnäckigen Persistenz derselben.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, Herrn Prof. Schultze
für die Ueberlassung des Falles und die Durchsicht der Arbeit
meinen aufrichtigsten Dank zu sagen.
Literatur.
1. La in ac q : Arch. de Neurologie 1896, p. 226. — 2. Crocq :
I bid., p. 229. — 3. Kraff t-Ebiug: Neurasthenie (Nothnagel’s
Handbuch). — 4. Andrea C r i s t i a n i : Rivista speriment. di fre-
niatr. Yol. XX. Referirt von Ziertmann : Neurolog. Centralbl.
1895, p. 32. — 5. Erben: Wiener klin. Wochenschr. 1898. —
6. Schultze: Deutsche. Zeitschr. f. Nervenheilkunde 1891. —
7. C. Linow: Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 44. — 8. Schulz:
Beitr. z. wiss. Medicin. Festschrift zur 69. Versamml. Deutscher
Naturf. u. Aerzte. Braunschweig 1897. — 9. H e y s e: Berl. klin.
Wochenschr. 1896, No. 52. — 10. Wertheim-Salomo usohn:
Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897, Bd. X.
Aus dem Allgemeinen Krankenhause Hamburg - St. Georg.
Ueber Tuberculose des Magens.*)
Von Dr. M. Simmonds, Prosector.
M. H.! Auf dem letzten Congress für innere Medicin in
Karlsbad hielt der bekannte Bacteriologe Petruschky einen
Vortrag über Diagnose und Therapie des primären Ulcus ven-
triculi tuberculosum. 1 ) Er theilte zwei Fälle mit, wo mit Hilfe
einer positiven Tuberculinreaetion länger bestehende hartnäckige
Magenbeschwerden bei sonst gesunden Individuen als tuber-
eulö. en Ursprungs erkannt und mit Hilfe der Tuberculinbehand-
lung zur Heilung resp. Besserung gebracht wurden. Er bemerkte
weiterhin, dass er im Institut für Infectionskrankheiten mehrere
Fälle gesehen habe mit Erscheinungen des Magens, die „mit
grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit auf das Vorhanden¬
sein eines Ulcus tuberculosum zurückgeführt werden konnten“.
„Ich zweifle nicht“, schloss der Autor, „dass sich bei näherem Zu¬
sehen bald noch weitere Fälle hartnäckiger Magengeschwüre
finden werden, bei denen auf diesem Wege die Diagnose geklärt
und eine baldige Besserung erzielt werden kann.“
Nun, m. II., ich will mich nicht auf eine weitere Kritik der
keineswegs einwandsfreien Petruschk y’schen Mittheilung
(‘inlassen, nur das möchte ich betonen, dass das von ihm voraus¬
gesetzte häufigere Vorkommen tuberculöser Affectionen des Magens
nicht in Einklang zu bringen ist mit der pathologisch-ana¬
tomischen Erfahrung. Man kann viele hundert Sectionen aus¬
führen, ohne auch nur ein einziges Mal dem tuberculösen Magen¬
geschwür zu begegnen und eine isolirte oder primäre Magen-
tuberculose hat wohl selten ein Pathologe zu Gesicht bekommen.
Wie selten selbst das secundäre tuberculose Ulcus ventriculi ist,
mögen Sie daraus entnehmen, dass ich dasselbe in den letzten
10 Jahren unter nahezu 2000 Sectionen tubercu¬
löser Individuen nur 8 m a 1 angetroffen habe und da¬
mit stimmen auch die aus anderen Anstalten mitgetheilten Er¬
fahrungen überein.
Diese auffallende Widerstandsfähigkeit
der Magenschleimhaut gegen den Tuberkel¬
bacillus muss um so mehr auffallen, als der Darmcanal so
besonders leicht zu tuberculösen Erkrankungen neigt und es hat
dosshalb nicht an verschiedenen Erklärungsversuchen für diese
merkwürdige Thatsaehe gefehlt. Eine Zeit lang schien die An¬
nahme arn geläufigsten, dass die chemischen Eigenschaften des
Magensaftes daran Schuld seien. Dann aber, als mehrere experi¬
mentelle Arbeiten den Nachweis führten, dass ein mehrstündiges
Verweilen tuberculöser Massen im Magensaft oder in magensaft¬
ähnlicher Flüssigkeit die Lebensfähigkeit der Bacillen nicht zer¬
störte, kam jene Hypothese wieder in Misscredit und heutzu¬
tage scheint sie nicht mehr viel Anhänger zu haben.
Und doch war durch jene Experimente im Grunde nichts
weiter bewiesen, als dass der Magensaft in einer bestimmten
Zeit die Tuberkelbacillen zu tödten nicht im Stande wäre. Ob
aber bei Gegenwart eines normalen Magensaftes Tuberkel¬
bacillen sich in der Magenschleimhaut einnisten und fortwuchern
könnten, dafür fehlte der Nachweis. Die Frage Hesse sich am
*) Vorgetragen In der biolog. Abtheilung des ärztlichen Vereins
am 5. December 1899.
*) Deutsche med. Wochenschr. 1889, No. 24.
e
besten lösen, wenn es gelänge, in einer grossem Zahl von Fällen
von tuberculöscm Magenuleus die Reaction des Mageninhalts
zu prüfen.
Einstweilen kann ich Ihnen aber über eine Beobachtung be¬
richten, welche geeignet ist zur Stützung der Anschauung, dass
die Entstehung tuberculöser Magengeschwüre durch Störung der
Magensecretion erleichtert wird. Sie sehen hier den Magen
eines 40 jährigen an Lungen- und Darm tuberculose verstorbenen
Mannes. In der Nähe des Pylorus findet 9ich ein haselnussgrosses,
wulstiges, das Lumen des Magens stark stenosirendes, derbes
Oarcinom. Weiterhin sehen Sie aber noch mehrere kleine bis
erbsengrosse tuberculose Geschwüre in dem stark ektasirten
Magen. Da liegt gewiss die Vermuthung nahe, dass diedurch
die Gegenwart des Carcinoma verursachte
Secretionsstörung und Herabsetzung der
Salzsäurcproduction die A n s i e d 1 u n g der Tu¬
berkelbacillen in der Magenschleimhaut be¬
günstigte u n d dieses überraschende Zusam¬
mentreffen von Krebs und Tuberculose im
Magen herboiführt e. Ich brauche wohl nicht hinzu¬
zufügen, dass der Tumor, wie ein Geschwür mikroskopisch unter¬
sucht wurden.
Die übrigen tuberculösen Magengeschwüre,
welche ich Ihnen vorlege, stammen sämmt-
lich von Individuen, die an Phthisis und
Darm tuberculose gelitten hatten. Fast immer
handelte es sieh um kleine bis groschengrosse, solitär oder mul¬
tipel auftretende, mit Vorliebe in der Pars pylorica, gelegentlich
auch an anderen Magenabschnitten sitzende runde Uleerationen
mit den vom tuberculösen Darmgeschwür her bekannten charakte¬
ristischen überhängenden Rändern, welche die Unterscheidung
vom Ulcus simplex leicht ermöglichen. An den mikroskopischen
Präparaten werden Sie erkennen, dass die tuberculose Infiltration
im Wesentlichen der Submucosa angehört, dass an den Rändern
des Geschwürs eine stärkere Anhäufung von Rundzellen mit
einigen riesenzellhaltigen Tuberkeln und nekrotischen Herden
vorhanden ist, dass durch diese Infiltration die Muscularis
mucosae snmmt den Drüsen emporgehoben ist und dass nach
Zerstörung der Submucosa die ihrer Stütze beraubte Schleimhaut
in das Geschwür herabhängt.
Dass die tuberculösen Geschwüre hei ihrem Tiefergreifen
Gefässe arrodirten und zu Blutungen Veranlassung gaben, dass
gar die Magenwand perforirt wurde, wie das beides gelegentlich
beschrieben worden ist, habe ich nicht gesehen. Hingegen kann
ich Ihnen ein tuberculöses Magenuleus vorlegen, welches sich
durch einen ganz besonders grossen Umfang auszeichnet. Ich
fand dieses Geschwür bei der Autopsie eines 39 jährigen Phthi¬
sikers. Der Magen war sehr weit. Vom Pylorus an erstreckte
sich, im Wesentlichen an der kleinen Curvatur ein etwa 20 cm
langes, 10 cm breites, ganz unregelmässig gestaltetes Geschwür
über einen grossen Theil der Schleimhaut. Die Ränder waren
theils flach, theils wallartig verdickt, theils mit Schleimhaut¬
fetzen besetzt. Der Grund war im Centrum glatt, derb, mit land¬
kartenähnlich begrenzten narbigen Wülsten besetzt, an den
Rändern granulirt. Kurzum, das Bild war ein so mannigfaltiges,
dass es nicht möglich war, sofort die Diagnose sicher zu stellen.
Auch die mikroskopische Untersuchung bot grosse
Schwierigkeit, so lange nur Stücke aus der Mitte des Ulcus unter¬
sucht wurden. Ich fand kernarmes Bindegewebe ohne charak¬
teristische Structur, nichts von Bacillen. Erst an den Randpartien
waren dann mit Leichtigkeit typische Tuberkeln zu finden, die
nicht allein an der Submucosa, sondern auch in der angrenzen¬
den Muscularis ihren Sitz hatten und in spärlicher Zahl auch
Tuberkelbacillen beherbergten. Recht auffallend war mir an
manchen Stellen eine auffallende Wucherung der Intima kleiner
Arterien und circumscripte Rundzellenanhäufungen in der Ad-
ventitia, die eine Aehnlichkeit mit den bei syphilitischen Pro¬
cessen angetroffenen Veränderungen boten. Hingegen fehlten
völlig die von Eugen F raenkel beim syphilitischen Magen-
ulcus angetroffenen Venen Veränderungen. Die Serosa endlich
war frei.
Hier hatten wir es also mit einem ganz ungewöhnlich grossen
tuberculösen Magengeschwür zu thun und trotzdem waren auch
hier ebensowenig wie in all’ den übrigen von mir beobachteten
Fällen irgend welche auf eine Betheiligung des Magens deutende
! Symptome vorhanden gewesen. Der Mann war wegen einer Mast-
*
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No. 10.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
»larmfistel in’s Krankenhaus gekommen. Nach der Operation
machten die Lungen Veränderungen rapide Fortschritte, es
stellten sich Durchfälle ein und er starb schliesslich an einem
Pneumothorax. Magenerscheinungen, spcciell Erbrechen oder
Schmerzhaftigkeit, waren nie verzeichnet worden.
Dieser Mangel klinischer Erscheinungen,
der auch sonst beim tubereulüsen Magengeschwür meist ange¬
geben wird, erklärt die II n ra ü g 1 i c h k e i t einer
Diagnosen Stellung intra vitam. Die Schwierigkeit
wächst aber noch weiter dadurch, dass ja a u c h b e i m
P h t h i s i k e r g e 1 e g e n 11 i e h das Ulcus rot u n d u m
zur Beobachtung komm t und dass dieses in der
Kegel sich mehr geltend macht als das tuberculüse Geschwür.
Die beiden einzigen Fälle, welche ich in den letzten Jahren
sceirt habt* und wo Phthisiker an ernsten Magenerseheinungen
gelitten hatten, erwiesen sich als bedingt durch ein einfaches,
nicht tuberculöses Magengeschwür. Im ersten Falle hatte ein
74 jähriger Mann öfter an Blutbrechen und Cardialgien gelitten
und die Autopsie zeigte neben der ausgebreiteten Lungenphthisis
am Pylorus ein thalergrosses Haches Ulcus, das sich mikroskopisch
als einfaches Geschwür erwies. Der zweite Fall betraf einen
58 jährigen Phthisiker, der an hartnäckigem Erbrechen kaffee-
satzähnlicher Massen und starker Schmerzhaftigkeit an der
Magengegend gelitten hatte und schliesslich Symptome einer
sekundären pernieiösen Anaemie bot, so dass man zur Annahme
eines Magencarcinoms neigte. Hier fand sich am Pylorus ein
thalergrosses tief eingezogenes mit Pankreas und Leber verwach¬
senes rundes Geschwür — von tubereulüsen Veränderungen war
im Magen nichts wahrzunehmen.
Solche Beobachtungen, welche durchaus nicht vereinzelt
dastehen, legen den Schluss nahe, dass man beim Auf¬
treten ernster Magenerscheinungen bei tuber-
c u 1 ö s e n Individuen eher an ein Ulcus rotun-
dum zu denken hat als an ein tuberculöses
Geschwür. Die Anwendung des Tuberculins zu diagnos¬
tischen Zwecken, w T ie das Petruschky für zweifelhafte
Magenerkrankungen vorgeschlagen hat, dürfte bei der extremen
Seltenheit einer völlig isolirten Magentubereulose praktisch
wohl nicht in Frage kommen. 3 )
Im Gegensatz zu der bisher besprochenen Form der Magen-
tuberculose — dem Ulcus tuberculosum — ist die zweite Form,
die Bildung haematogener Miliartuberkeln
in der Magenwandung ein häufiges Vor¬
komm n i s s.
Bei der Unmöglichkeit, diese Gebilde mit unbewaffnetem
Auge zu erkennen, ist es begreiflieh, dass man bis vor Kurzem
nichts von ihrem Vorkommen wusste. Erst im vorletzten
Jahre hat Wilms 1 ). ein Schüler B o s t r ö ra ’s , die
Aufmerksamkeit darauf hingelenkt, nachdem freilich schon
früher Kaufmann in seinem Lehrbuch der pathologi¬
schen Anatomie (S. 306) die kurze Notiz mitgetheilt hatte,
dass er bei Kindern mit hochgradigster allgemeiner chro¬
nischer Miliartuberculose haematogen entstandene Tuberkeln
in der Magenschleimhaut gesehen hätte. Wilms fand in der
Magenschleimhaut eines an subacuter Miliartuberculose verstor¬
benen 9 monatlichen Kindes zahllose miliare nekrotisirende, von
Bacillen durchsetzte, Leukocytenherde ohne charakteristischen
Tuberkelbau und sprach gleich die Vermuthung aus, dass eine
regelmässige mikroskopische Untersuchung des Magens in ähn¬
lichen Fällen wohl ein häufigeres Vorkommen seines Befundes
darthun würde.
Tn den wenigen Fällen, wo ich eine Nachprüfung ausführen
konnte, hat sich das vollkommen bestätigt. Innerhalb Jahres¬
frist habe ich viermal haematogene Miliartuberkeln der Magen¬
schleimhaut anget.roffen; die Miliartuberculose der
M a g e n w a n d u n g darf daher als ein häufigeres
V o r k o m in n i s s angesehen werden.
Was Bau und Sitz der Knötchen betrifft, so vermag ich nach
zwei Richtungen die Angaben von W i 1 m s zu erweitern. Erst-
9 Es sei mir vergönnt, wenigstens unter dem Strich, noch
einer Veröffentlichung in der Deutschen Medicinalzeitung vom
11. Sept. 1899 Erwähnung zu tliun. Der Verfasser stellte in zwei
Fällen die Diagnose tuberculöses Magengeschwür, erzielte in zwei
Wochen mit Hilfe von Perucognac Heilung und fand durch diese
specifische Wirkung des Perucognac seine Diagnose „wesentlich
gestützt“!
•) Centralbl. f. allgem. Pathologie 1897, Bd. VIII. S. 783.
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lieh habe ich, abgesehen von den bacillenhaltigen Leukocyten-
herden, auch typisch gebaute Knötchen mit Reticulum, epithe-
lioiden und Riesenzellen in der Schleimhaut angetroffen. Weiter¬
hin kann ich Ihnen dann aber noch als neuen Befund auch das
Vorkommen haematogener Miliartuberkeln
in der Muskelhaut des Magens demonstriren. Sie
sehen sie an den vorgelegten Präparaten und Photogrammen,
welche von ei mail an ausgebreiteter Miliartuberculose verstor¬
benen Kinde stammen; neben zahlreichen Knötchen der Schleim¬
haut finden sich solche vereinzelt auch mitten in der Muscularis.
Alle d rri S c h i e h t e n der Mage n w a n d — von der
Serosa war das längst bekannt — k ö nnen demnach Sit z
h a c ma t o g e n e r Miliartuberculose sein. Eine
klinische Bedeutung beanspruchen diese Gebilde nicht, da die
Individuen wohl stets zu Grunde gehen, bevor der Zerfall der
Knötchen gröbere Zerstörungen verursacht.
Aus dem Neuen Allgemeinen Krankenhause Hamburg-Eppendorf
(Abtheilung von Prof. Dr. Rumpf).
Mittheilung von zwei Fällen von Tetanus traumaticus.
Von Dr. R. Müller, Assistenzarzt.
Die seit Einführung des B e h r i n g’schen Tetanusantitoxins
zur Kenutniss gekommenen Fälle von Tetanus traumaticus, die
nach B e h r i n g , bezw. T i z z o n i behandelt wurden, sind bei
der relativen Seltenheit der Erkrankung noch so wenig zahlreich,
dass von einer Beurtheilung des Werthes der Antitoxinbehand¬
lung nicht die Rede sein kann; um zu einem abschliessenden Ur-
tlieil zu gelangen, dürfte für eine spätere Sammelforschung die
Veröffentlichung auch von Einzelfällen geboten sein, selbst wenn
sie, allein betrachtet, nur ein verhältnissmässig geringes Inter¬
esse bieten.
Zwei im Laufe des Winters 98/99 zur Aufnahme in das
N. A. K. gelangte Tetanusfälle mögen daher im Folgenden ihre
Darstellung finden.
Der 54 jiiliilge Cassirer N. R. aus H., dessen Anamnese weder
Potatorium noch Lues oder sonst irgend eine wesentliche Erkran¬
kung ergab, verletzte sieh am 20.1. den Daumen der rechten Hand
dadurch, dass er heim Zerkleinern von Holz sich einen Splitter
unter den Nagel stiess; obwohl er Anfangs einen sehr intensiven
Schmerz verspürte, wurde die Wunde nicht weiter beachtet. Nach
anfänglichem vollständigen Wohlbefinden traten am 30. I. Abends
leichte Schlingbeschwerden. Ziehen im Kreuz und in den Gliedern
und leichtes allgemeines Unwohlsein auf — Beschwerden, die
Patient für Zeichen von Influenza hielt. Am 2. II. 5 Uhr Morgens
erwachte R. mit schmerzhaften Krämpfen lm Rücken, im Laufe
des Vormittags traten Krämpfe auch in den Extremitäten auf, die
ihn veranlassten, um 12 Uhr Mittags das Krankenhaus aufzu¬
suchen.
Die sofortige Untersuchung ergab folgenden Status:
Kräftig gebauter Mann in gutem Ernährungszustand; Sen-
sorJum frei. Puls 140, regulär, aequal, klein. Temperatur 37,0".
Haut sehr feucht. Gesicht cyanotiseh.
Lungen ohne Befund. Respiration mühsam, 40.
Herz: Grenzen nicht nachweisbar pathologisch verändert.
Ietus nicht fühlbar, Töne leise, rein.
Abdomen: Bauchdecken massig gespannt; Milz percussoriseh
nicht vergrössert, nicht palpabel, ebensowenig die Leber.
Nieren: Urin spontan, etwa 100 ccm, sauer, Spuren Albumen.
kein Zucker, spec. Gewicht 1024. Mikroskopisch 0.
Stuhl angehalten.
An der Innenseite des Nagelbetts des r. Daumens eine durch
einen über den Nagelrand wenig hervorragenden Holzsplitter aus-
gefiillte Wunde, die wenig secernirt und total verschmutzt ist.
Die Musculatur der Oberextremitäten ist etwas gespannt, doch
können die Arme frei bewegt werden; eine etwas höhere Span¬
nung besteht in den Unterschenkeln, eine geringe in den Ober¬
schenkeln; die Beine können adducirt, abducirt, gebeugt, gestreckt
und rotirt werden, sind aber in der Bewegungsfäbigkeit leicht be¬
hindert. Hals- und Rückenmusculatur mässig gespannt; Trismus,
der Mimd kann kaum 2 cm geöffnet werden. Schlucken von
Flüssigkeiten gut.
In Pausen von wenigen (1—3) Minuten convulsivlsche, hoch¬
gradige Muskelspannung der gesamraten Rumpf- und Nacken-,
Gesichts- und Extrem itätemmisculatur von 6—10 Secunden Dauer,
die mit lebhaften Schmerzäusserungen seitens des Patienten ver¬
bunden ist; die Bauehdecken sind bretthart gespannt, die Muskel-
contouren der Extremitäten treten reliefartig hervor, hochgradiger
Opisthotonus, Zunahme der Dyspnoe. Häufig werden diese Anfälle
ausgelöst durch Berührung oder Anreden des Patienten, helle Be¬
leuchtung, Lärm.
Sensibilität intact.
Reflexe: Bicepssehuenreflex, Tricepssehneureflex, Periostreflex
der o. E. lebhaft Patellar-, Achilles-, Bauchdecken-, Fusssohlen-
kitzelreflexe nicht auszulösen.
Pupillenreaction prompt, r. — 1.
Original from
UNIVERSITV OF CALIFORNIA
319
6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Diagnose: Tetanus truuwaticus.
12 l / s Uhr Naclim. Injectiou von B e h r i n g'schem Tetauus¬
autitoxin 31 ccm — 250 I.-E. (Höchst), 3,0 Chloralamkl, 1 Spritze
25proc. Kampherlösung.
3 Uhr Nachm. Die Attaqueu treten fast in jetler Minute auf.
Puls 146, klein. Ord. Morphin. Kampher. feuchte Eiuvvicklung.
5 Uhr Nachm. Besserung des Allgemeinbefindens, Krämpfe
in Pausen vou 5 Minuten. Ord. Chloralamid 3,0.
G Uhr Nachm. Unter Obers t’selier Localanaesthesie wird
das 1. Glied des r. Daumens abgetragen, antiseptischer Verband.
Pat. empfindet nichts von der Operation, keine Anfälle während
ihrer Vornahme; sonst in Pausen von 7—10 Minuten.
8 Uhr Abends. Warme Einpackung. Kampher.
12 Uhr Nachts. Nach der Operation relatives Wohlbefinden,
die Anfälle treten in Pausen von l />—1 Stunde auf. mehrfach halb¬
stündiger Schlaf. Puls 120, leidlich kräftig. Ord. Chloralamid 2.
3. II. 99. Gegen Morgen und Vormittags wieder zahlreiche An¬
fälle in Pausen vou 5—10 Minuten. Starker Schweiss. Schluckt
gut. Etwa 200 ccm Urin mit Spuren Albuinen, ohne Cylindpr.
10 Uhr Vorm. Injection von 31 ccm Tetauusautitoxin ™ 250
I.-E. Einspritzung, 3 mal 2 g Chloralhydrat p. d. Kampher.
Puls 124, leidlich kräftig, aequul, regulär. Temp. 36,7.
Nachmittags: Krämpfe in Pausen von 10—20 Min.; subjeetives
Befinden wesentlich besser als am Morgen, objeetiv unverändert.
Herztöne rein, leise, Action regelmässig, nicht sehr kräftig. Nachts
ca. 3 Anfälle pro Stunde. Afebril, Puls 140.
4. II. 5 Uhr Früh. Nachdem Pat. mehrfach Stunde ge¬
schlafen, Erbrechen unter heftiger Dyspnoe. Anfall, Exitus letalis.
Bezüglich des bacteriologisehen Befundes verweise ich auf die
A usftihrungen der Herren F rünkel und Iv r a u s e in dem Pro¬
tokoll der „Biologischen Abtheilung des ärztlichen Vereins Ham¬
burg“, Sitzung vom 14. II. 99 in No. 12 der Müncb. metl. Wochen¬
schrift: Es gelaug Herrn Krause nicht nur, durch Impfung von
dem operativ entfernten Splitter bei Meerschweinchen und Mäusen
Tetanus hervorzurufen, au dem die Tliiere nach 2—3 Tagen zu
Grunde gingen, sondern auch Reiucultureu zu züchteu uud mit
vollem Erfolge zu verimpfen.
Die Section ergab ein geringes Oedem der weichen Hirnhäute
an der Convexitiit und der Hinterfläche des unteren Dorsalmarks
und geringe Sklerose der Basalarterien: auf beiden Flächen des
Epicards grössere und kleinere Sohnenfiecken, am 1. Herzrand
frische, wie gespritzt aussehende Haeiuorrhagien, deutliche fettige
Degeneration des vorderen Papillaruniskels. ausgesprochene Skle¬
rose beider Coronararterien bei gut erhaltenem Lumen, intacten
Klappenapparat, Sklerose der Aorta; feine Granulirung und
Cystclienbildung an den Niereuoberfläehen. Trübung der Rinde;
einige auffallend weiche Lymphdriisen der r. Achselhöhle, bei deren
Durchschneidung sich etwas trübe Flüssigkeit entleert.
Den 2. Fall verdanke ich Herrn Seenndärarzt Dr. de ln Camp.
Es handelte sich um einen 35 jährigen Ueberarbeiter, der von der
Westküste Afrikas kommend, am 9. XII. 98 aufgenommen wurde.
Früher stets gesund gewesen, im August 98 Malaria; Beginn der
jetzigen Erkrankung am 6. XI. mit Steifheit der Kopf- und Nacken-
nmsculatur; seit dem 22. XI. am ganzen Körper steif, zwischen¬
durch Krampfanfälle von 2—3 Minuten Dauer. Zustund in den
letzten Wochen unverändert, andauernd Schlaflosigkeit. Pat. ist
stets barfuss auf dem Schiff gegangen, will sich nicht verletzt
haben, ausser ihm Niemand von der Mannschaft erkrankt. Kommt
schräg In eine Droschke gelehnt, total steif zur Aufnahme.
Status: Mittelgut genährter, sehr grosser, lmisculöser Mann.
Sensoriuin frei. Temp. 39,2. Puls 120. Innerer Organbefund, so
weit zu untersuchen, insbes. Herz und Lungen ohne pathologischen
Befund.
Urin eiweiss- und zuckerfrei, ohne Formbestandtheile.
Offene Wunde am Praeputium, an den Füssen viele Rhagaden,
die aber sämmtlich keinen Anhaltspunkt für die Iufeetion geben.
Der Kranke liegt steif wie ein Stock im Bett: die Musculatur
der Beine, des Bauches, Rückens und Nackens in einem enormen
tonischen Krampfzustand: der Leib fühlt sieh bretthart an, ein
Eindrücken ist völlig unmöglich, die Beininiiskeln sind einzelu
scharf contourirt, der Mund kann in Folge von Kieferkrampf nur
‘za cm weit geöffnet werden. Armbewegungen beschränkt durch die
Nackenmusculaturkrümpfe. DU* Sensibilität ist erhöht an den
Unterextremitäten und am Baucli, jede Berührung uud Bewegung
schmerzhaft. Der an sich schon schmerzhafte Krampfzustand
■wird etwa alle 10 Minuten von acut einsetzenden Krämpfen com-
plicirt, die den Pat. zu lautem Stöhnen und Schreien veranlassen.
Patellarreflexe nicht, auslösbar, Biceps- und Tricepsreflexe nor¬
mal. Tlier. B e h r i n g’sches Tetiim;santitoxin 500 I.-E. Morphin.
10. XII. Der Krampfzustand dauert an. nur die iutermit-
tireudeu Anfälle seltener, etwa alle 20 Min. Herzaction schwächer.
Puls 100—120. Temp. 38,0—38,4.
Ord. 250 I.-E. Tetanusantitoxin. 4.0 (’ldorallmlrat. Spir. aeth.
stiindl. 5 Tropfen.
11. XII. Zustand etwas leidlicher, jede g* Stunde noch enorme
Schmerzattaquen; Rigidität hält an.
Sen8orium dauernd frei. Temp. 37,4 38,5, Puls 100 120.
Urin ohne Eiweiss und Zucker. Menge 3500; spontan gelassen.
12. XII. Gegen Abend wieder Verschlechterung des Allgemein¬
befindens. Pat. fühlt sich sehr matt.
Herzschwäche nicht mehr vorhanden. Temp. Morgens 37,2,
Abends 38,2. Puls 96—120.
Ord. 250 I.-E. Tetauusautitoxin, 8,0 Chloralhydrat wie gestern.
13. XII. Gauz wesentliche Besserung, Pat. kann bereits die
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Beine anzlehen und den Mund 2 cm weit öffnen; Patellarrefloxe
vorhanden.
Temp. Morgens 36,9, Abends 38,2. Puls 96—116.
14. XII. Gegen Abend Temperatursteigerung auf 38,5, Puls 108.
Ord. 250 I.-E. Antitoxin. Dauernd 8.0 Chloralhydrat.
19. XII. Schnelle Besserung; die Muskelrigidität nimmt ab.
schon allerlei Bewegungen möglich. Keine Sensibilitätsstörungen.
Diurese andauernd über 3000 ccm. Tempertur subfebril. Puls
st< ts 96—108. 6,0 Chloralamid.
22. XII. Massage, kohlensaure Bäder. Fieberfrei.
23. XII. Steht auf.
31. XII. Der Gang und alle Bewegungen haben noch etwas
gezwungen Steifes, der r. Arm bezüglich der Deltoidesmusculatur
noch schwach.
Appetit sehr gut, 5 l / s Pfd. Gewichtszunahme.
16. I. Geheilt entlassen.
Erörtern wir die Frage der Wirksamkeit des Antitoxins,
so lässt sich im Fall I ein günstiger Einfluss des Serums auf den
Krankheitsverlauf nicht bestreiten, wir sehen, dass etwa 5Stunden
nach der Injection die Anfangs in Pausen von wenigen Minuten
auf tretenden Anfälle seltener wurden und an Intensität verloren,
bis sie sich Nachts nur 1—2 mal in der Stunde wiederholten;
erst unter der Einwirkung des Tagesgetriebes trat wieder eine
Zunahme der Attaquen ein. Dasselbe wurde nach der 2. Injection
beobachtet, auch jetzt seltenere uud weniger intensive Anfälle
und Heining des subjektiven Befindens.
Wenn trotz der mit Rücksicht auf den späten Eintritt der
Primärerscheinungen und ihre frühe, nicht erfolglose Behandlung
günstigen Prognose, die allerdings von vornherein durch die Be¬
schaffenheit des Pulses getrübt war, der Exitus erfolgte, so dürfte
er seine Erklärung in der Papillarmuskeldegeneration und der
Coronararteriensklerose finden.
Der 2. Patient würde vermutblich auch ohne Seruminjec-
tionen genesen sein, man darf aber wohl annehmen, dass durch
die ScM’inndarrcichungen, die keinerlei schädliche Nebenwirkung
hervorriefen, ein*» Abkürzung des Krankheitsverlaufes bedingt
wurde; während nach den ersten Injectionen nur eine geringe,
in seltenerem Auftreten der Krampfanfälle bestehende Besserung
eintrat, und am 4. Tage Abends sogar eine Verschlechterung sich
zeigte, Hessen die tetanischen Erscheinungen nach der 3. In¬
ject imi in ganz augenfälliger Weise nach: Pat. vermochte den
Mund zu öffnen und die Beine an den Leib zu ziehen, Fort¬
schritte, die nicht ohne Weiteres der Chloraldarreichung zuzu-
schreibcu sind.
Casuistische Beiträge zur Schwierigkeit der Diagnose
endocranieller otogener Erkrankungen.*)
Von l)r. Röpke in Sulingen.
M. XL! Treten hei einer acuten oder chronischen Mittel-
ohreiterung Symptome auf, die den Verdacht auf eine Mitbethei¬
ligung des Hirns, der Hirnhäute oder der Blutleiter recht fertigen,
so ist es geboten, die Mittelohrräum*' und die Warzeiifortsatzzelleu
freizulegen und die Wandungen dieser Knochenhöhle abzusuchen
nach etwaigen cariösen Stellen, Fisteln oder Defeeteii, die uns
den Weg zeigen könnten, den event. die Eiterung in die Schädel¬
höhle genommen hat. Ist die Knochemvand irgendwo erkrankt,
so ist uns die Stelle gegeben, au der w r ir die Sohädelhöhle zu er¬
öffnen haben, wi»* werden in Zusammenhang mit dieser Stelle den
intracraniellcn Herd mit Wahrscheinlichkeit finden.
(’omplicirtcr wird die Sache, wenn die Kiiochciiwandungen
des Mittelohrs und der Warzeiifortsatzzelleu vollständig intaut
sind und trotz Freilegung dieser Hohlräume die Hirnreizuiigs-
oöer Hirndruckerscheinungen nicht nachlassen. In einer grossen
Anzahl von Fällen ward es dann wenigstens möglich sein, auf
Grund der Symptome zu bestimmen, ob der Krankheitsherd in der
mittleren oder in der hinteren Schädelgrube liegt, in einer ganzen
Reihe von Fällen wird aber auch das nicht einmal möglich sein.
Jn anderen Fällen wüeder wird man glauben, seiner Sache ganz
sicher zu sein, mau wird auf Grund einer sorgfältig aufgebauten
Diagnose zielbewusst an einer bestimmten Stelle trepaniren,
ohne einen Krankheitsherd zu finden. Kurzum, wer sich mit der
Chirurgie endocranieller, otogener Erkrankungen befassen will,
darf sich durch Irrthiimer in der Diagnose oder auch durch
operative Misserfolge nicht eiitinuthigen lassen.
Gestatten Sie mir nun, dass ich Ihnen zwei Kranken¬
geschichten mittheile, die das oben Gesagte beleuchten sollen:
*) Vortrug, gelullten in der Vereinigung westdeutscher Ilals-
und Ohrenärzte. Sitzung vom 3. Deeember 1899.
3 *
Origii al frer
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
820
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
I. Fall. Ein 25 jähriges Dienstmädchen hat seit Kindheit
Olirenlaufen rechts, seit Anfang Juni Erbrechen, Fieber mit
Schüttelfrost einsetzend, stärker werdende Schmerzen im Hinter¬
kopf rechterseits, Zuckungen im rechten Arm und Bein. Vor
5 Tagen ist sie auf dem Wege von ihrer Herrschaft zu ihren
Eltern zusammengebrochen und bewusstlos auf der Strasse auf¬
gefunden worden. Seit 3 Tagen ist Steifigkeit des Nackens auf¬
getreten, sie hat so rasende Schmerzen gehabt, dass sie sich wie
eine Wahnsinnige geberdet hat.
Objectiver Befund: 25. VI. Abgemagertes, junges
Mädchen mit verfallenen Zügen, die Zunge ist trocken und belegt,
starker Foetor ex ore, keine Lähmungen, keine Pupilleudifferenz.
Der Gang ist schwankend, der Nacken ist steif, der Kopf ist nach
hinten gezogen. Druckempfindlichkeit des Hinterkopfes rechts
genau der Stelle der in die Tiefe bohrenden Schmerzen ent¬
sprechend. Beiderseits Stauungspapille (Dr. Quint). Die Patel-
larreflexe sind gesteigert. Puls 120, Temperatur 38.5°.
Im rechten Gehörgange liegen schmutzig«*, stark riechende
Eitermassen. Aus einer Fistel an der hinteren, oberen Geliörgangs-
wand kommen Granulationen hervor. Von Hörprüfungen und
Stimmgabelversuchen muss Abstand genommen werden, da Pat.
nicht ganz klar ist.
An demselben Nachmittage R a d i c a 1 o p e r a t i o n. Chole¬
steatom des Antrum und des Kuppelraums. Nirgends cariöse
Stellen oder Fisteln der Knochenwandungen. Von einem weiteren
Eingriff wird vorläufig Abstand genommen.
Abends: Temperatur 39.2°, Puls <>0, starke Delirien. Pat.
springt wiederholt aus dem Bette, presst sich den Kopf zwischen
die Hände.
Am folgenden Tage nehmen die Beschwerden zu, der Nacken
wird vollkommen steif, Pat. hat starke Schmerzen. Der Puls
schwankt zwischen 56 und 60, Temperatur steigt Abends bis 37.5".
27. VI. Stauungspapille ist in Zunahme begriffen, sehr uu-
ruhige Nacht, Zuckungen der rechten Köperseite.
Nachmittags Operation: Zunächst Freilegung dos
Sinus transversus in grosser Ausdehnung, der normale Wände hat
und bei jeder Inspiration zusammenklappt: er ist nicht thrombosirt.
Dann wird die hintere Schädelgrub«* weiter frei gelegt durch
Abbrechen der Schädeldecke von der bisherigen Operationswunde
aus nach hinten. Die Dura über dem Kleinhirn pulsirt leicht.
Breite Incision der Dura, es fliesst normale Cerebrospiualflüssig-
keit ab, die aber nicht unter besonders hohem Drucke steht. Ein¬
stechen in das Kleinhirn mit einem Skalpell nach all«*n Richtungen,
ohne dass Eiter gefunden wird. Hierauf Freilegung der mittleren
Schädelgrube vom Teginen an tri aus, auch hier ist die Punction
negativ.
Am Tage nach dieser eingreifenden Operation sind die Kopf¬
schmerzen geringer; Patientin ist auch den ganzen Tag klar, der
Puls hat sich noch mehr verlangsamt, ist bis 40 in der Minute
heruntergegangen. Stuhlverhaltung, Appetit liegt darnieder.
Abends Blasenlähmung. Temperatur 37,2°.
Von da ab bessert sich das Befinden der Pat. zusehends, nach
14 Tagen ist sie fast ohne Beschwerden, der Puls ist ganz allmäh¬
lich in die Höhe gegangen, die Temperatur ist ganz normal ge¬
wiesen, die Stauungspapille ist in Abnahme begriffen, der Nacken
wieder beweglich, der Appetit wird von Tag zu Tag besser.
Der weitere Krankheitsverlauf bietet nichts Interessantes.
Acht Wochen nach der Operation wird Patientin aus «ler Klinik
entlassen. Noch geringe Secretion ans dem Mittelohr. Jetzt ist sie
ohne jegliche Beschwerden und geht ihrer Beschäftigung als
Dienstmädchen wieder nach.
Es ist auch jetzt noch geringe Absonderung von Schleim aus
dem Mittelohr (Gegend der Tubenöffnung). Hörfähigkeit auf dem
r«*ehten Ohr gleich 2 Meter für Flüstersprache.
Nach eingehender Untersuchung des Falles kam ich zu der
Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Kleinhirnabscess, event. complieirt
mit Sinusthrombose. Auf jeden Fall war zunächst die Radical-
operation sofort geboten. Als ich nun bei der Radiealoperation
keinen directen Zusammenhang zwischen dem primären Krank¬
heitsherd und der Schädelhöhle fand, nahm icli von einem weiteren
Eingriff trotz der bedrohlichen Symptome Abstand, um den Er¬
folg der Operation erst abzuwarten.
Die einzige Aenderung, die nun nach der Radiealoperation
eintrat, war die, dass das Fieber abfiel, ganz oder nahezu normale
Temperatur eintrat, gleichzeitig der Puls sich aber verlangsamte.
Die anderen Hirnerscheinungen (Schmerzen im Hinterkopf,
Nackensteifigkeit, Zuckungen der Extremitäten auf der er¬
krankten Seite, Stauungspapille) nahmen zu.
Ich glaubte nunmehr die Diagnose „Kleinhirnabscess“ ge¬
sichert und führte die oben beschriebene Operation aus, die eine
Bestätigung meiner Diagnose nicht ergab.
II. Fall. Ein 14jähriger Arbeiterssohn hat seit 2 Jahren
Ohrenlaufen rechts, damals Elterdurchbruch auf dem Warzeufort-
satze, seitdem Fistel daselbst. Ende August dieses Jahres, als er
ln der Feriencolonie war, traten starke Ohrensclnnerzen mit
Schwindel und Erbrechen auf, er fiel verschiedentlich bewusstlos
um, hatte öfters Krämpfe. Der dortige Arzt hat ihn dann nach
Hause transportiren lassen, wo er seitdem krank geweseu ist Die
Eltern beklagten sich, dass der Junge ganz verändert ist; er
ist sehr jähzornig, hat ein verschlossenes und mürrisches Weseu,
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was früher nie an ihm bemerkt wurde. Er hat fortwährend starke
Schmerzen im Hinterkopf. Seit 8 Tagen hat sich der Zustand sehr
verschlimmert, er hat Nachts nicht mehr geschlafen und durch
seiu Schreien alle Hausgenossen wach gehalten. In den letzten
beiden Tagen hat die Mutter öfters Zuckungen in den Arrneu und
Beinen, aber nur auf der rechten Seite, beobachtet.
Erste Cousultation: 29. IX. Anaemischer, schlecht
genährter Knabe. Rechte Pupille erweitert, reagirt nicht, Augen-
hintergrund normal (Dr. Quint), Facialisparese rechts, weder
Augenmuskelliilimungcii. uoeh Lähmungen der Extremitäten.
Der Kopf kann normal gedreht werden, dabei aber Schmerzen auf
der erkrankten Seite des Hinterkopfes, der auf Druck stark em¬
pfindlich ist. Die Patellarreflexe sind gesteigert.
Aus der Fistel auf dem Warzen fort satze kommt stinkender
Eiter; der Gehörgang rechts liegt voll von Granulationen. Flüster¬
sprache wird auf der erkrankten Seite nicht verstanden. Die
Stimmgabelvei’suehe sind unsicher, sind nicht zu verwertben.
Puls 58, Temperatur 36,3 °.
30. IX. R a d i e a 1 o p oratiou: Im Autniin schmierig«*
Eitermassen und Granulationen. Nach Auskratzung und si>rg-
fültiger Blutstillung wird die Höhle abgeleuchtet und werden nach
allen Seiten die Wände somlirt. Nirgends Fisteln oder Defecte.
Der Knochen ist in der (iegeml «les Sinus transversus «*twas ver¬
färbt. Die Freilegung «les Sinus ergibt aber, dass derselbe pulsirt
und normal aussiebt.
Abends: Sonmolenter Zustand, Respiration hat deutlich
<' li e y n e - S t o k e s’s«*lien Typus. Zuckungen d«*s rechten Armes
und Beines, zuweilen des ganzen Körpers. Puls 54, Teinp. 36,6".
Facialisparese ist 'stärker geworden. Patient wirft sieh unruhig
hin und her. Nachts 1 Flir hat er zu trinken verlangt, hat von da
ab ruhig geschlafen.
Am anderen Morgen li«*gt lätleni ruhig da. ist aber nur mit
grosser Mühe aus tiefem Schlaf<* zu erwecken, gibt auf di<* an ihn
gerichteten Fragen zwar zögernde. «loch vollkommen richtige Ant¬
wortern Am Mittag wie«l«*r starke Zuckungen der re«*hteu Ex¬
tremitäten, zugleich völlige Bewusstlosigkeit, «»beuso Ver¬
langsamung «l«*r Respiration, zuweilcu wieder deutlich Clieyu«*-
S t o k e s*scher Typus. Der Anfall dauerte einige Stunden, er ist
dann wieder ganz klar, klagt viel über Schmerzen im Hinterkopf.
Abends Temperatur 37.4 °. Puls 56.
3. X. Freilegung «les Kleinhirns von <lt*r bestehenden Op«»ra-
tiouswimde aus: Dura pulsirt. wir«l gespalten. Kein Eiter im Sub-
duralraum, auch keine vermehrte Zerebrospinalflüssigkeit. Ein-
steeben in das Kleinhirn vor und hinter dem Sinus, kein Eiter ge¬
funden.
In den Tag«*n nach dieser Op«*ration bleibt der Zustand genau
derselbe, keiue Temperatursteigerung. Erst vom 7. X. ab Tem-
peratur«»rhölnmg. zuerst bis 37.8". «lanu 38,5°. am 14. X. 39,5 von
da ab fällt die Temperatur langsam, vom 22. X. ab vollständig
normale Temperatur und Pulsfrequenz.
Am 4. XI. wird Patient aus der Klinik entlassen. Die Opera¬
tionswunde auf dem Warzenfortsatz ist jetzt vernarbt. Noch
Secretion aus dem Mittelohrinnern, Patient hat aber keinerlei Be-
I sch werden mehr. Die Facialisparese hat sich gebessert, Kopf-
! schmerzen bat er nicht wieder gehabt. Der Appetit ist gut, er
hat an Körpergewicht zugenumuicn.
Dieser Fall ist dem ersten in seinem Verlauf sehr ähnlich,
wenn auch die Symptome natürlich nicht alle dieselben sind: Wir
haben auch hier wieder starke und auf den Hinterkopf beschränkte
Schmerzen der erkrankten Seite und Druckempfindlichkeit da¬
selbst, ferner Schwindel und Erbrechen. Die Patellarrcflexe sind
gesteigert, es bestehen in beiden Fällen Zuckungen der Extremi¬
täten der erkrankten Seite, zeitweilige Bewusstlosigkeiten, Puls-
verlangsamung.
Dazu kommt nun in dein zweiten Falle noch die Facialis¬
parese auf der erkrankten Seite, ferner die Verlangsamung der
Respiration mit Cheyne-Stoke s’sehem Typus. Es fehlen in
«lern zweiten Falle Veränderungen des Augenhintergrundes.
Wie Sie sich denken können, entschloss ich mich in dem
Gedanken an die Erfahrungen, die ich in dem ersten Falle ge¬
macht hatte, nur ungern zur Punction des Kleinhirns. Die Sym¬
ptome waren nach meiner Ansicht aber so klar, dass ich eine Eite¬
rung im Kleinhirn annehmen musste. Auch dieses Mal wurde
meine Diagnose, durch die Operation wenigstens, nicht bestätigt.
M. H.I Ich will Ihnen nun noch über einen anderen Fall
berichten, der die Beurtheilung der beiden ersten Fälle nach
meiner Meinung erleichtert.
Eine 14 jährige Bäckorstocliter hat nach dem Berichte «les
behandelnden Arztes seit mehreren Jahren an Ohrenlaufen auf d«*r
linken Seite gelitten. Anfangs December vorigen Jahres bekam sie
starke Ohrenschmerzen, ferner Schmerzen im Hinterkopf, die sich
aber nur auf die linke Seite beschränkten. Gleichzeitig trat Er¬
brechen und Schwindel auf. Patientin wurde bettlägerig, bekam
hohes Fieber (bis 40.0°), Nackensteifigkeit. Namentlich Abends
waren starke Delirien, so dass sie festgelialten werden musste.
Nach 14 tägigem Krankenlager besserte sich der Zustand allmählich
und am 18. I., also 6 Wochen nach beginnender Erkrankung war
sie im Stande, den Weg von 1 y 2 Stunden in meine Sprechstunde
zu Fuss zurückzulegeu. Irgend welche Beschwerden ausser der
stark riechenden Ohreiterung hatte sie nicht mehr.
Original from
UNIVERSUM OF CALIFORNIA
6. März 1900.
321
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Objectiver Befund: Facialislähmung auf der linken
Seite, Gehörsfunction links vollständig aufgehoben. Der linke
Gehörgang liegt voll von Granulationen, die Eiterung ist stark
foetid. Nach Wegnahme der Granulationen sieht man, dass die¬
selbe theils von hinten oben aus einem Defect der Gehörgangswand,
theils vom Promontorium ihren Ausgang genommen haben. Von
weiteren Sondirungen wird Abstand genommen, da die Radical¬
operation gemacht werden soll.
20. I. Radicaloperation. Das Antrum ist vergrössert
durch Einschmelzung verschiedener Warzenfortsatzzellen. es liegt
voll von Granulationen und stinkendem Elter. Die Wand des
Promontorium ist zerstört, durch diesen Defect kommen Granu¬
lationen hervor, bei Druck auf dieselben entleert sich Eiter aus dem
Labyrinth. Die Granulationen werden mit einem scharfen Löffel
vorsichtig ausgekratzt, wobei die halbe nekrotische Schnecke mit
herausbefördert wdrd. In das Labyrinth wird ein Jodoformgaze¬
streifen locker hineingelegt.
Das Wohlbefinden wird durch diesen Eingriff in keiner Weise
gestört. Die Eiterung durch das Labyrinth lässt jedoch nicht
nach; bald schiessen weitere Granulationen hervor, die mit ätzen¬
den Mitteln schwer zurückgelialteu werden können. Es stellen
sich allmählich wieder Kopfschmerzen ein; die Eiterung, die haupt¬
sächlich aus der Tiefe des Labyrinths kommt, ist so reichlich, dass
der Verband täglich durchnässt ist.
Ein Monat nach der Radicaloperation nochmalige Aus¬
kratzung des Labyrinths in Narkose: Es werden wieder nekro¬
tische Theile der Schnecke mit dem Löffel herausbefördert. Am
anderen Tage Schüttelfrost, Erbrechen. Ansteigen der Temperatur
bis 39,9°, starke Schmerzen im Hinterkopf. Einige Tage später
Zuckungen des Körpers, hauptsächlich in den Extremitäten der
erkrankten Seite, Nackensteifigkeit, Druckempfiudlichkeit über der
ganzen Wirbelsäule, Blasenlähmung. Nach 8 qualvollen Tagen
Exitus in tiefem Coma. Section wurde nicht gestattet.
In diesem Falle ist es klar, dass der Eiter vom Labyrinth
aus durch den Meatus auditorius internus an die Hirnbasis ge¬
langt ist. Interessant ist es, dass nach der ersten, heftigen
Attacke, die mit Fieber, Schüttelfrost, Nackensteifigkeit ein¬
setzte, der Process an der Hirnbasis anscheinend ausgeheilt war.
Der reichliche Eiterausfluss aus der Tiefe des Labyrinths, der
aber sicher nicht allein aus dem Labyrinth entstammen konnte,
spricht aber dafür, dass auch zu der Zeit, als Pat. frei von allen
Beschwerden in meine Behandlung kam, noch Eiterung an der
Himbasis bestand. Die acute Meningitis war in ein chronisches
Stadium getreten und hatte sich wahrseheinlicl v.m den Meatus
auditorius herum abgekapselt. Erst durch die zweite Aus¬
kratzung des Labyrinths, die zum freien Abfluss der starken
Eiterung nothwendig war, sind dann die Infectionserreger wieder
mobil gemacht und verschleppt worden. Aus der circumscripten
Meningitis wurde eine diffuse, die den Exitus herbeiführte.
Nun komme ich zu unseren beiden ersten Fällen zurück:
Durch den Befund bei der Operation und durch den weiteren
Krankheitsverlauf ist es als ziemlich sicher anzunehmen, dass in
beiden Fällen ein Abscess im Kleinhirn nicht bestand. Ich neige
vielmehr zu der Ansicht, dass es sich auch in diesen beiden
Fällen um eine circumscripte purulente Meningitis der hinteren
Schädelgrube mit Hydrocephalus internus gehandelt hat.
Die Meningitis ist in ein chronisches Stadium getreten und nach
Ausrottung des primären Herdes wahrscheinlich spontan aus¬
geheilt. Auf welchem Wege die Infection der Hirnhäute erfolgt
ist, wage ich nicht zu entscheiden; eine Labyrintheiterung habe
ich in beiden Fällen nicht nachweisen können. Nicht vollständig
auszuschliessen ist eine nicht eiterige, acute Encephalitis von
Theilen des Kleinhirns. Dass zwischen chronischer Ohreiterung
und der acuten Encephalitis ein gewisser Zusammenhang besteht,
ist durch mehrere Beobachtungen erwiesen.
Schleimhautpemphigus als Ursache der Verwachsung
des weichen Gaumens und Heilung derselben mittels
besonderer Hartgummibougies.
Von Dr. med. Georg Avellis in Frankfurt a. M.
In seiner sehr sorgfältigen und die Literatur ganz besonders
berücksichtigenden Arbeit über die Verwachsungen des
weichen Gaumens führt P. Heymann [1] folgende
Aetiologie an:
In allererster Linie kommt die Syphilis. Wenn auch im
s v c u n d ä r e n Stadium kleinere Verwachsungen entstehen
können (H eymann und S e h e eh [2]), so sind es doch eigent¬
lich die verschiedenen tertiären Formen der Syphilis, die zu
Verwachsungen und Verlöthungen im Nasenrücken führen. Re¬
lativ häufig sind solche Verwachsungen auch bei hereditärer
Syphilis gesehen worden. Nächst der Syphilis ist die häufigste
No. 10.
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Ursache von Pharynxstenosen das Sklerom. Wir in Deutschland
sehen ja keine Fälle von Sklerom, aber Baurovicz [3] erklärt,
dass in Krakau „dem Sklerom als Ursache der Rachen Verengerung
in Bezug auf Häufigkeit die erste Stelle gebühre“. Mit der
Syphilis und dem Sklerom als aetiologisches Moment für die
Rachen Verwachsungen ist die Lehre von den Ursachen derselben
beinahe schon erschöpft. Viele dunkle Fälle halten einer
scharfen Kritik nicht mehr Stand und können die Meinung,
dass es sich doch um Syphilis gehandelt habe, nicht widerlegen.
Immerhin liegen noch einige Beobachtungen vor, wo eine
andere Ursache als Syphilis und Sklerom für die Verwachsung
kenntlich ist. Dahin gehören die Fälle, wo nach lupösen
Ulcerationen mehr oder minder hochgradige Verlöthungen der
weichen Baehentheile aufgetreten sind (M. S c h m i d t, P. Hey¬
mann [4].
Die Tuberculose der Rachenschleimhaut macht dagegen nie¬
mals solche Verwachsungen wie event. der Lupus. Wenn ähnliche
Narben bei ihr entstehen, so sind sie wohl immer Folge von
chirurgischen Eingriffen (Auskratzungen, galvanokaustischen
Aetzungen etc.). P1 u d e r [5], der solche Fälle publicirte, neigt
selbst zu dieser Ansicht.
Endlich gilt auch in seltenen Fällen die Diphtherie als
Ursache für Narbenstenosen im Pharynx. H e y m a n n aner¬
kennt in dieser Richtung die Berichte von Poorten, Mac
M a h o n, Gerber, Fleischmann und Borcliard und
sah selbst einige Fälle, wo nach diphtheritischen Ulcerationen
am Gaumen sowohl Defecte als auch unbedeutende Verwachs¬
ungen zurückgeblieben waren.
Dass Schnupfen und einfache Katarrhe zu Ver¬
wachsungen des Gaumens führen (Hoppe [6]), glaubt wohl
Niemand im Ernst. Auch ein Fall von Verwachsung nach
Scarlatina (Creswell Baber [7]) ist sehr zweifelhafter
Natur, da congenitale Syphilis nicht auszuschliessen war.
Von den Verwachsungen nach Verätzungen, Verbrennungen,
Verletzungen sehen wir hier ab, denn bei ihnen liegt die Aetio¬
logie auf der Hand und hat nichts Charakteristisches.
Die Aetiologie der nicht traumatischen Gaumensegel Ver¬
wachsungen beschränkt sich also auf Syphilis, Diphtherie und
Lupus, wozu in Oesterreich-Polen noch das Sklerom kommt.
Ich möchte diese spärliche Aetiologie noch dahin erweitern,
dass man auch den Schleimhantpemphigus als Ursache für die
Verwachsungen im Rachen in Anspruch nehmen darf.
Es gibt in der Literatur bisher nur drei Beobachtungen,
wo beim Rachenpemphigus Verwachsungen des weichen Gau¬
mens beschrieben sind.
Die erste stammt von Schrötter [8], die zweite von
Landgraf [9], die dritte angeblich von St eff an [10].
Wenigstens citirt diesen M. Menzel [11], der in allerletzter
Zeit aus Schrotte Fs Klinik eine Arbeit über Schleimhaut¬
pemphigus publicirte. Wie ich aber bei der Durchsicht von
S t e f f a n’s Originalarbeit constatiren musste, steht in dieser
über den Rachenhefund nur eine Anmerkung, die nach einem
Briefe von Moritz Schmidt weissgraue Flecke und eine Blase
auf der laryngealen Seite der Epiglottis schildert, aber keine An¬
deutung über Verwachsungen. Das Ci tat klärt sich indess auf,
wenn wir die Schilderung desselben Falles bei M. Schmidt
(auf S. 534, n. Aufl.) lesen. Da steht: „Durch vorhergehende
Eruptionen waren schon Verwachsungen der hinteren Gaumen¬
bogen mit der Schlundwand eingetreten, welche nach und nach
zu einem vollständigen Verschlüsse nach der Nase zu führten.“
Während Schrötter Narben am Gaumen und an der
hinteren Rachenwand sah, schildert Landgraf „strangartige
Verwachsungen der Gaumenbögen mit der hinteren Rachen wand“
und Schmidt einen vollständigen Verschluss nach der Nase zu.
Ich schliesse diesen drei Krankengeschichten eine eigene Be¬
obachtung hier an:
Am 12. März 1898 kam ein 39 jähriger Arbeiter der k. Pulver¬
fabrik zu Hanau, Gotthard W. von Grossenhain zu mir, der sich
über zeitweise Schmerzen im Munde und über die Unmöglichkeit
sich zu schneuzen, beklagte. Die Affection besteht schon länger
als 5 Jahre. An den Lippen, besonders an den Winkeln der
Unterlippe, sieht man feine weissblaue, syphilitischen Plaques oder
oberflächlichen Höllensteinätzungen nicht ähnelnde, an einzelnen
Stellen flach eingesunkene Narben, die bei Berührung
nicht bluten. Daneben aber an der Muudseite der Unterlippe
hellgraue, auf geröthetem Untergrund sich deutlich abhebende,
nicht erhabene Flecke, die beim Abwischen mit dem Wattebausch
leicht bluten. An 2 Stellen lässt sich an der grauen Stelle ein
4
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
322
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
feines Häutchen wegwischen resp. aufheben. Darunter zeigt
sich eine hochrothe, feuchte, der oberflächlichen Decke ent¬
behrende Schleimhautstelle. Dieselben fetzigen Epithelablösungen
finden sich an der Backenschleimhaut und zeitweise an den
Zungenrändern. Der weiche Gaumen und die Bögen
sind (bis auf eine, nur für eine feine Sonde
durchgängige Stelle direct hinter der Uvula)
mit der Rachenwand vollständig verwachsen.
Die Verwachsung ist derart, dass ich sie für vollständig hielt und
erst die Abtastung mit der Sonde zeigte, dass eine kleine Verbin¬
dung zwischen oberem und unterem Pharynx noch besteht. Diese
Oeffnung ist aber so winzig, dass beim Schneuzen keine Luft
durchgeht und der Patient nicht im Stande ist, die Nase zu
reinigen. Er hilft sich derart, dass er bei herabhängendem Kopfe
die Nase austropfen lässt oder mit einer Spritze leise ausspült.
Vollkommene Mundathmung, daher Nachts öfteres Aufwachen
und Anfeuchten des Mundes nothwendlg.
Der Mann leugnet jede syphilitische Ansteckung. Er ist ver-
beirathet, kräftig, hat 4 gesunde Kinder, die er mir auf Verlangen
vorstellt, war niemals sonst krank. Er wird von mir und später
von dem hiesigen Hautspecialisten Dr. Julius Cohn am ganzen
Körper auf Drüsen oder andere syphilitische Residuen untersucht,
ohne dass sich irgend ein Anhalt für Syphilis constatiren lässt.
Auch erklärt Dr. Cohn, dass die Affectlonen an den Lippen mit
ihrer zum Theil narbigen Einsenkuug nicht als Syphilis anzu¬
sprechen seien.
Die Natur des Processes lässt sich zur Zeit dieser Consultation
nicht genau feststellen.
Betreffs der Gaumenverwachsung ergibt nur noch die Ana¬
mnese, dass sie ohne vorhergehende Erkrankung, speeiell ohne
Diphtherie und ohne Verletzung, aufgetreten ist.
Der Fall interessirte mich sehr und ich stellte ihn den
Hanauer Aerzten im dortigen Verein vor als noch unaufgeklärte,
nichtsyphilitische Verwachsung des weichen Gaumens.
Nach einer Reihe von Wochen, während der Kranke, nachdem
Hg-Behandlung und Jodkali nutzlos angewendet war, nach meiner
Anweisung Arsen nahm, weil ich die grauen Epithelablösungen,
die sich oft wiederholten, möglicher Weise für Pem¬
phigus hielt, erzählte er mir, dass sich wieder neue „Blasen“
an der Wange gezeigt hätten! Und richtig, ich fand eine platte,
graugelb schimmernde Blase in der Gegend des linken Ductus
Stenonian. Bei der Eröffnung derselben entleerte sich trüber In¬
halt. Nach dieser Entleerung fand ich genau dasselbe Bild: hell¬
graue, durch Sonde bewegliche Epithelmembran auf hochrothem
Schleimhautgrunde, der leicht bei Berührung blutet.
Jetzt war die Diagnose Pemphigus der Mund¬
schleimhaut gesichert. Die Erfolglosigkeit der Therapie,
die Dauer von mehr als 5 Jahren und das stete Erscheinen neuer,
rasch sich ablösender Blasen bestätigt die Diagnose Pemphigus
und spricht gegen Syphilis. Auf der äusseren Haut zeigten sich
bis zur Entlassung des Patienten keinerlei Veränderungen. Einen
gleichen Fall von Pemphigus der Mundschleimhaut sah ich
als Assistent von Moritz Schmidt, der Jahre lang auf die
Schleimhaut beschränkt blieb und erst ad finem starke Blasen¬
bildung der äusseren Haut zeigte.
Es handelt sich also bei unserem Falle sicher um einen sehr
chronischen und milde verlaufenden Schleimhautpemphigus.
Aber nicht diese, immerhin seltene Affection, ist der Grund
der casuistischen Mittheilung, sondern die bei dem Falle beob¬
achtete beinahe complete Gaumenverwachsung.
Wenn wir uns erinnern, dass nach S t e f f a n’s aufklärendem
Falle der grösste Theil der früher unerklärbaren, daher „essen¬
tiellen“ Atrophie der Conjunctiva bulbi, d. i. einer
mehr oder minder vollständigen Verödung und Verwachsung
der Conjunctivasäcke jetzt auf Pemphigus von den
Augenärzten zurückgeführt wird, so werden wir uns nicht wun¬
dern. dass der Pemphigus auch Verwachsungen des weichen
Gaumens machen kann, wie er ja auch in Landgraf’s Fall
eine Vermehrung der vorderen Commissur der
Stimmbänder gemacht hat. 1 )
Die Aetiologie der Verwachsungen im Nasenrachenraum
(und im Kehlkopf) wäre also um ein neues Capitel zu bereichern.
Zugleich werden sich dadurch einige bisher unerklärte oder trotz
mangelnden Anhaltes für Syphilisfolgen gehaltene Rachen¬
stenosen auf Pemphigus zurückführen lassen.
Beglaubigt wird die Pemphigusverwachsung des Gaumens
freilich bisher nur durch 4 Fälle: Schrott er, Steffan-
Moritz Schmidt, Landgraf und meinen eigenen; die
0 Moritz Schmidt vermuthet (S. 534). dass nach Analogie
am Gaumenbogen auch Verwachsungen im Kehlkopf Vorkommen
müssen, doch findet er sie nirgends erwähnt. Landgraf’s Fall
war früher der einzige Beweis für eine Kehlkopf Stenose in Folge
von Pemphigus. Inzwischen haben Menzel-Schrötter [11]
und T h o s t [12] zwei Fälle von Pemphigus publieirt, wo der
von Pemphigus. Inzwischen haben Thost [11] und Menzel-
Schrötter [12] zwei Fälle von Pemphigus publieirt, wo der
Aditus ad laryngem in einen engen Narbenring
verwandelt war.
Verwachsung im Kehlkopf durch 3 Fälle: Landgraf, Thost
und Menzel-Schrötter.
Betreffs der Behandlung der weichen Gaumenverwachsungen
will ich mich kurz fassen. Die dauernde Heilung einer com-
pleten oder beinahe completen Stenose ist so schwierig, dass
manche Autoren von vornherein auf das Operiren solcher Ver¬
wachsungen verzichten. Ich habe in der letzten Zeit Hajek’s [14]
Sperrer angewendet, bin aber dabei auch nicht gut gefahren.
Erstens kann man ihn mit seinen plumpen breiten Schaufeln
nur anwenden, wenn schon eine ziemlich bedeutende Communi-
cation zwischen Cavum und Rachen hergestellt ist, zweitens ist
seine Einführung so schwierig, dass meine Patienten die Hand¬
habung für richtige Selbstbehandlung nicht gelernt haben. Die
eigene Nachbehandlung ist aber dringend nothwendig, da eine
gelegentliche, wenn auch zunächst täglich einmal wiederholte
Aufreissung der zur Verklebung neigenden Stellen, vom Arzte
ausgeführt, zur Dauerheilung oft nicht ausreicht.
Ich war aus diesem Grunde wieder zu dem Obturator nach Hey ■
mann [15] zurückgekehrt und der hiesige mir befreundete Zahn¬
arzt F rank hat mir bei einer Frau aus Sossenheim, die an com-
pleter postsyphilitischer Gaumenverwachsung litt, nach
der Operation derselben mit dem D z o n d i’schen [13] Messer,
einen guten Obturator gemacht. Schliesslich aber war ich aus
zwei Gründen mit der Obturatornachbehandlung doch nicht zu¬
frieden : Erstens war die Anfertigung und wiederholte Revidirung
desselben zu theuer und zweitens passte derselbe wegen der
Neigung zur Schrumpfung des Gewebes nur kurze Zeit. Bald
machte die Einführung desselben der Patientin so grosse Schwie¬
rigkeiten, dass sie die weitere Selbstbehandlung aufgab.
Ich kam desshalb zu dem Entschluss, die Nachbehandlung
auf andere Art zu bewerkstelligen. Dazu diente mir ein halbes
Dutzend II e g a r’scher Hartgummibougies, wie sie für die
Cervixerweiterung gebraucht werden. Dieselben wurden über
dem Bunsenbrenner oder in heissem Wasser vorsichtig erwärmt,
bis sie an der gewünschten Stelle biegsam waren und dann in die
Form eines liegenden S gebracht, wie die beigegebene Skizze
zeigt. Von diesen Bougies benützte ich stets gerade die Nummer,
welche nur mit einiger Schwierigkeit durch die Stenose durch¬
ging. Das wagerechte Stück wurde so lang gelassen, dass die
zweite Biegung gerade über die unteren Sehneidezähne zu liegen
kommt.
Es ist kaum nöthig, den Verlauf des operativen Vorgehens
zu schildern. Ich ging mit einer rechtwinkelig abgebogenen
Sonde bei dem Falle W. durch die kleine Oeffnung hinter
der Uvula, zog die Sonde kräftig nach vorne und verschaffte mir
dadurch so viel Platz, dass ich das senkrecht abgebogene spitze
zweischneidige Messer zwischen Velum und hinterer Rachen¬
wand durchstossen konnte. Die Oeffnung wurde in mehreren
Sitzungen nach rechts und links so weit erweitert, dass schliess¬
lich ein daumendickes Bougie durchging. Lag dasselbe an der
richtigen Stelle, so wurde an dem Handgriff mit kräftigem Zug
nach vorn und unten gezogen und damit der spontanen Retrac-
tionsneigung durch energische Dehnung entgegengewirkt. Der
Patient führte sich stets zuerst ein bequem durchgehendes Bougie
ein und ging dann zu der nächsten Nummer über. So dilatatirte
er sich seine Stenose ohne Schmerzen. Kleine Blutungen waren
nicht zu vermeiden. Nachdem der Kranke die Selbstbougierung
4 Monate (täglich etwa 6—10mal!) fortgesetzt hatte, konnte er
sich frei die Nase schneuzen und durch dieselbe athmen.
Glücklicher Weise zeigten sich am Gaumen keine weiteren
Pemphigusblasen; aber an den Lippen und dem Zungenrand kamen
in Zwischenräumen neue Eruptionen zum Vorschein, die jedoch
den nicht wehleidigen Patienten nicht weiter genirten.
Dieselbe Art der Selbstbougierung wurde von mir nach einer
postsyphili tischen Velum Verwachsung mit gutem Erfolg- ange-
wendet. Der Patient war vor einem Jahre schon anderwärts ver¬
geblich mit Haje k’s Sperrer behandelt worden. Die letztere Be¬
handlung wurde aber rasch auf gegeben, weil beim Oeffnen des
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6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
323
Sperrers sehr starke Ohrenschmerzen auftraten. Die spätere
Rhinoskopia posterior ergab auch, nachdem die Oeffnung zur
Ausführung derselben gross genug geworden war, dass die Tuben¬
wülste sehr weit in’s Cavum vorsprangen und ihre vorderen
Lippen mit dem Hammer bandartig verwachsen waren.
Literaturverzeichniss.
1. P. Heymann: Handb. d. Lar., Bd. II, S. 468 etc.
2. Schech : Ueber Steuosirungen des Pharynx in Folge von
Syphilis. Deutsch. Arch. f. klm. Med. 1876. S. 259.
3. A. B a u r o v 1 c z : Zur Aetiologie der Pliarynxstricturen. Arch.
f. Laryng. III, 1895, S. 354.
4. M. Schmidt: Krankheiten der oberen Luftwege. 1897,
S. 565.
5. Pluder : Arch. f. Laryng. IV, S. 127.
6. Hoppe: Deutsche Kliuik. 1852. No. 21.
7. Creswell Baber: Lond. lar. Gesellsch. 1893, S. 68.
8. Schrötter: Jahresbericht 1871—73.
0. Landgraf: Berl. klin. Wochenschr. 1891.
10. S t e f f a n : Zehender’s Monatsbl. 1884.
11. M. Menzel: Mouatsschr. f. Ohrenheilk. April 1899.
12. Thost: Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1896, No. 4.
13. D z o n d i : Kurze Geschichte d. klin. Inst. f. Chir. etc.
Halle 1818, S. 119. Abbild, im Handbuch.
14. Hajek : Allgem. Wien. med. Zeitung. 1897, No. 2.
15. H e y m a n n : 1. c. S. 476—77.
Zur Schiefhals-Behandlung.
Von Dr. von Noorden in München.
Ursache und Behandlung des Schiefhalses ist ein Gebiet,
dem reiche Literatur gewidmet wurde. Kader 1 ) konnte drei¬
hundert hieher gehörige Arbeiten sammeln, gewiss ein Ausdruck
für das Interesse. Viele Fälle lassen sich genügend deuten und
was wichtiger, glücklich angreifen. Andere machen in beider Hin¬
sicht Schwierigkeiten, so dass das letzte Wort in der Aetiologie
noch nicht gesprochen ist, wie Jordan 2 ) neuerdings ausführt;
dies gilt auch für die Therapie, jedenfalls darf sie nicht am
Schema hängen, sie muss sich dem einzelnen Falle anschmiegen.
Die Mittheilung untersuchter Fälle erscheint noch erwünscht
und von mikroskopisch untersuchten Fällen frühesten Stadiums
ist die Förderung.des Gebietes zunächst zu erwarten. (J o r d a n).
Die intrauterine Aetiologie ist so gut wie abgesetzt, nach¬
dem der Kritik kein Fall Stand gehalten hat. Wir verdanken
K a d e r diese erläuternde Arbeit.
Auch die Lehre, dass schiefe und gebeugte Kopfhaltung im
Uterus in seltenen Fällen zum Schiefhals führe, ist wankend ge¬
worden.
Im vorliegenden Falle ist von Schädlichkeiten intrauteriner
Natur nichts bekannt, es sei denn, eine schwierige Alpentour im 6.
Monat der Schwangerschaft hatte verborgene Folgen. Wie in vielen
anderen Fällen hatte eine
Unregelmässigkeit in der
Geburt statt gef linden.
Das Kind wurde 7 Wo¬
chen zu früh in Steiss-
lage geboren. (Dr. R.
M a y r). Weitere Ent¬
wicklung war normal
und Linkshändigkeit ist
als physiologische Eigen¬
art zu bemerken, ver¬
ständlich. wenn in spä¬
terer Kindheit der Blick
die linke Hand besser
beherrschte als die
rechte. Anfangs des 5.
Lebensjahres folgten
nach ärztlichem Bericht
innerhalb fünf Monaten
Varicellen, Keuchhusten,
Masern. — Nach den
Varicellen entstand eine
Mittelohra ff ection , die
Special berathung (Dr.
It ö 11) erfuhr. — Bis
in diese Zeit verneinen
die intelligente Eltern
und der Hausarzt ein
Bestehen des Schiefhalses. Nach den Varicellen scheint bei der
Ohrbehandlung zum ersten Male etwas Neigung bemerkt zu sein
(Dr. v. Röder) und nun beginnt in der Folgezeit solche auch der
*) Kader: Das Caput obstipum musculare. 1896. Beiträge
zur klinischen Chirurgie, Bd. 17, pag. 207. Bd. 18, pag. 173.
*) Jordan: Handbuch der praktischen Chirurgie 1899,
Bd. II, Lief. 3, pag. 16.
Digitized by
Gougle
Mutter beim Anpassen der Kopfbedeckung aufzufallen. Sie nimmt
schnell zu. Neuerliche specialistische Behandlung im 10. Lebens¬
jahre (Dr. G r ü n w a 1 d) führt das Kind zur Operation. Die Kopf¬
haltung und den Status vor meinem Eingriff veranschaulicht
Bild 1.
Markante Punkte der Anamnese, welche nach dem jetzigen
Stande der Lehre vom Schiefhals interessiren, sind: eine Steiss-
geburt und mehrere Infectionskrankheiten im fünften Lebens¬
jahr mit Anschluss schneller Entwickelung der fehlerhaften
Haltung.
Abnorme Geburten wurden seit jeher herangezogen. Bis
jüngst gipfelte die Auffassung darin, dass Quetschung und Zer¬
rung hauptsächlich bei Geburten mit nachfolgendem Kopfe,
weniger durch Zangengeburten, veranlassend wurden. Ueber den
Mechanismus discutirte man. Der Insult trifft Haut, Platysma,
Fascien, Muskel. Mikulicz a ) machte es sehr wahrscheinlich,
dass vorzeitige Athmung unter Herbeiziehung des Kopfnickers
als Hilfsmuskel das Eintreten der Muskelverletzung während
der Geburt erleichtert. Ich wurde gelegentlich darauf geführt,
anzunehmen, dass eine übergrosse Thymusdrüse mechanisch
während der Geburt auch eine Bedeutung gewinnen kann.
Wichtig ist der Nachweis von Küstner 4 ), dass auch bei
leichten und freien Geburten aus der Beckenendlage der Kopf¬
nicker Verletzungen erleiden kann. Experimentelle Prüfungen
der Geburt ergaben ihm als Ursache der Laesion eine Torsion,
nicht Längsdehnung und Streckung des Halses.
Dem K ü s t n e r’schen Falle entsprechend verlief in meinem
die Steissgeburt der nur 40 cm langen Frucht leicht. Jenem
Falle folgend, nehme ich an, dass trotz leichter Entwickelung
schon bei der Geburt eine primäre Schädigung der Gegend er¬
folgte, wenn auch jede Nachricht darüber fehlt; doch ist der
Infectionsepoche von fünf Monaten Dauer grosse Bedeutung bei¬
zumessen. Der Fall könnte K a d e r’s dritten Satz über die
Aetiologie der Contractur stützen, dass nämlich in den meisten
Fällen ein Hand-in-IIandgehen von Verletzung und Infection
des Muskels statt hat. Es drängt sich zwanglos auf, dass die erste
Schädigung der Qualität des Gewebes auf immer herabsetzte und
dass gelegentlich einer Infectionserkrankung auf haematogenem
Wege im Sinne K a d e Fs ein minderw r erthiges Gewebe in chro¬
nischen Entzündungszustand mit nachfolgender Schrumpfung ge-
rieth. Ebenso ist wohl ein Fall aus der Breslauer Poliklinik
(pag. 206 bei Kader) zu erklären. Steissgeburt, Gesundheit
bis zum 7. Jahre, dann acute rheumatische Erkrankung mit
10 tägigem Fieber; hieran schloss sich Caput obstipum. Mög¬
licher Weise hat der Muskel auch hier schon in der Geburt ge¬
litten; der kleine Schaden blieb latent, bis ein neuer Anlass ihn
vergrösserte und offenbar machte.
Solche Annahme von späterer haematogener Infection in ge¬
schädigtem Gewebe ist allerdings solange hypothetischer Natur,
bis die übereinstimmenden Entzündungserreger gefunden sind;
bei veralteten Fällen wohl ganz ausgeschlossen, in vielen anderen
um so schwerer, weil das vorausgesetzte Krankheitsvirus über¬
haupt noch nicht bekannt ist. Dem Rechnung tragend, dass
Muskelentzündungen acuten Infectionen gerne folgen, hat obige
Annahme weniger befremdendes. Die Muskelschäden nach
Typhus, Diphtherie sind gefürchtet, auch nach Influenza wurden
sie beobachtet. Kader führt als vorausgehende Erkrankungen
localisirter Muskelentzündungen aus der Literatur noch an:
Scharlach, Masern, Meningitis, Malaria, Gelenk- und Muskel¬
rheumatismus.
Bezüglich der Varicellen, auf welche unsere Beobachtung als
Vorkrankheit einigermaassen hinführt, erwähnt v. Jürgensen 5 )
bei der Sichtung aller als Complicationen oder Folgeerkrankungen
bekannt gewordenen Erscheinungen die Muskelentzündungen
nicht. Ueber Keuchhusten finde ich nichts einschlägiges, so nahe
der Gedanke liegt.
Das anatomische Bild der Region bot durchaus die Verände¬
rungen, welche einer Entzündung folgen können. Es fanden sich:
gehinderte Verschiebung der Weichtheile untereinander, faserige
Stränge in Quere und Länge, auch durch die Haut fühlbar, dich¬
teres Bindegewebe als sonst, erschwerte Lösbarkeit der Schichten
*) Mikulicz: Centralbl. f. Chir. 1895, pag. 1 (Original).
Ueber die Exstirpation des Kopfnickers beim musculären Schief¬
hals, nebst Bemerkungen zur Pathologie dieses Leidens.
4 ) Küstner: bei Kader pag. 175.
B ) Th. v. Jürgensen: Nothnagel, spec. Pathol. u. Therap.
IV. Bd., III. Th., II. Ab., 1896.
4 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
324
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
von einander mit Knirschen des Messers im Gewebe. Ein hyper-
plastisehen Lymphknoten im Entzündungsgebiet.
Der sehnige Sternnitheil ist etwas verkürzt gegen die andere
Seite, es besteht überhaupt eine Läugendiflferenz zwischen rechts
und links von einigen Centimeteru. Genaues Maass ist schwer zu
gewinnen. Die Sehne ist drehrund nahe dem Knochen, verbreitet
sich aufwärts kaum, ist schwer vom Bindegewebe befreibar, ent¬
behrt richtigen Glanz. Der Uebergang in den Muskel ist wenig
scharf, da der Muskel wie ein Fascienstrang aussieht. Etwas
aufwärts ist der Muskel schwer rein präparirbar, eine weissliche
Bindegewebssehicht umgibt ihn vorn und hinten. Der Muskel ist
bleistiftdick, mehr rund als flach. Sein Querschnitt in ganz weicher
Stelle an der Grenze des mittleren und oberen Drittels ergibt viel
Bindegewebe mit eingesprengten Muskelsäulen. Diese sind blass.
Wenig Gefässe. Unter dem Muskel ist ein sich straff spannendes
Faserlager.
Das Dreieck zwischen den Muskelansätzen ist eingezogen,
die Ilaut verräth Querfältchen, das Gewebe ist wenig locker. Von
hier wird eine hyperplastische Drüse mitentfernt. Es ziehen sub-
cutan fühlbare Stränge jenseits der hinteren Partie zum Cucullaris
in fächerförmiger Ausbreitung. Der hintere Muskelstrang fühlt
sich derber als der links an, ist jedoch ein wohlgebildeter Muskel,
der aber die Haut stark vordrängt. Er kommt bei der Operation
so wenig zu Gesicht, wie der Omohyoideus und die Halsgefässe.
Längsschnitte aus der Mitte der sternalen Portion unter der Lupe
bestätigen das schon mit dem Auge leicht wahrnehmbare Zurück¬
treten der Muskelsubstanz. Die Muskelbündel oder Säulen sind
immer wieder unterbrochen, fast inselförmig im Bindegewebe und
liefern und in der Mitte eine zusammenhängende lange Säule.
In Alaun-Pikrinsäure-Sehnitten verdichtet ein zellarmes Gewebe
das Perimysium. Hie und da umlagern kleine Kerne die
Gefässe, welche parallel den Muskelfasern, aber sehr spär¬
lich verlaufen. Verdickung der Wandungen ist nicht sichtbar.
Die Muskelfasern sind sehr ungleich. Man sieht auch einzelne
leere Sarcolemmschläuche mit Kernen den Fasern anhängen (ein
gleiches Bild im Zupfpräparat mit Wasser, wo die Sarcolemm¬
schläuche verdickt erscheinen). Die Muskelsubstanz trägt überall
Querstreifung, Längsstreifung ist schwer erkennbar. Die Kerne
sind auffallend kümmerig, färben sich jedoch gut. An den Fi¬
brillen zeichnen sich hellere und dunklere Zonen ab (nach verdünnter
Salzsäureeinwirkung). Mitosen. Kiesenzellen, schollige Elemente
fehlen durchweg. Das Bindegewebe macht sich auch in den best¬
erhaltenen Theilen sehr breit und ist durch Spärlichkeit von Kernen
ausgezeichnet. Es drängt förmlich überall die Muskelfasern
spaltend auseinander. Fetteinlagerung ist sehr gering. Der ex-
stirpirte Lymphknoten lässt histologisch keine Alterationen er¬
kennen, als geringe Zunahme der bindegewebigen Stützsubstanz.
Diese Befunde lassen sich auf eine früher abgelaufene Ent¬
zündung des Muskels und der anliegenden Gewebe zurückführen.
Beweisende Reste sind: regionäre Verwachsungen, partieller
Untergang von Muskel und Substituirung von Bindegewebe.
Theile, welche nicht betroffen wurden, haben selbst die feinere
Structur nicht eingebüsst oder sich zur geringen physiologischen
Aufgabe erholt. Weehselvolle Uebergangsbilder von Degeneration
und Regeneration, wie sie ein Muskelgewebe mit jüngerer Schä¬
digung darbietet, fehlen, nachdem der Narbenprocess seit lange
abgeschlossen ist.
Es resultirt die Umwandlung eines beträchtlichen Theiles
der Portio sternalis in Bindegewebe und benachbartes Binde¬
gewebe hat im Ganzen einen Verdichtungsprocess durchgemacht,
der ein Verwandtes in der Contractur der Fascia palmaris findet.
Um die Schrägstellung des Kopfes zu beseitigen, neigen die
Vorschläge noch zu orthopädischen Maassnahmen in engerem
Sinne. Die vollständige Hoffnungslosigkeit in veralteten Fällen
bei stärkerer Neigung, Spannung und secundärer Wirbelsäule¬
verbiegung ist evident. Die Resultate pflegen in Fällen von vor¬
liegendem und noch geringerem Typus in diesem Alter auf eine Er¬
müdung des Patienten und des Arztes herauszukommen. Es lässt
sich kein erfreulicher Ausgang erreichen und Zeit wird verloren.
Wenn wir bei chirurgisch-orthopädischen Ouren von Heilung
sprechen, müssen die gewonnenen Umbildungen sich den nor¬
malen Verhältnissen wenigstens nähern und von Dauer sein.
Diese Bedingung sieht Kader beim musculären Schiefhals
erst dann erfüllt, „wenn der Kopf nicht nur aufrecht, sondern
auch in der Mittellinie des Körpers steht und nach beiden Seiten
gleich frei bewegt werden kann und die Wirbelsäule normal ge¬
streckt ist“. Ich füge hinzu, es erfordert auch, dass dies alles
gehen muss, ohne dass sich der Kranke fortwährend Zwang
aufzulegen hat; die natürliche Haltung darf nicht durch über¬
triebene Kraftanstrengung erobert werden müssen, um bei Ab¬
spannung Rückfälle zu erlauben.
Bei solcher Strenge schmelzen viele Fälle von Heilung auf
dem orthopädischen Gebiete zusammen.
Die mannigfachen Correctionsapparate für Caput obstipum
museulare sind ein Ausdruck, dass dem einzelnen Apparat keine
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universelle Bedeutung zukommt. Die alten Methoden der sub-
cutanen Sehnendurchschneidung und der offenen Muskel¬
durchschneidung befriedigten durchaus nicht immer, erklärlich,
wenn die neueren anatomischen Betrachtungen zu Grunde gc-
legt werden, welche dargethan haben, dass die entzündlichen
Veränderungen nicht den Muskel allein, sondern auch die be¬
nachbarten Gewebe angehen.
Der Zug in die falsche Haltung geschieht weniger durch
einen Strang als durch eine verkürzte Fläche. Die Fälle zeigen
freilich graduelle Unterschiede. Um den schweren Typen zu
begegnen, hat Mikulicz die Ausschaltung des Kopfnickers
und der übrigen in Frage kommenden nachbarlichen Gebilde
bindegewebiger Natur auf der kranken Seite zum Normalver¬
fahren erhoben. Dasselbe darf um so mehr auf ein bemerkens-
werthes Verfahren Anspruch machen, als nach diesem Eingriff
eine quälende orthopädische Nachbehandlung ausfallen kann,
es sei denn, dass sehr schwere Fälle mit Wirbelsäulenveränder-
ungen zu bekämpfen sind — Fälle, die bei Verallgemeinerung
der glücklichen chirurgischen Angreifbarkeit des Leidens in Zu¬
kunft gar nicht mehr Vorkommen sollten.
Der abgebildete Fall ist im Sinne von Mikulicz operirt,
jedoch nicht so ausgedehnt, denn es zeigte sich nach Resection
der Portio sternalis bis in das Verschmelzungsgebiet beider
Muskeltheile und nach Durchtrennung der seitlichen und
tieferen Fasern und Fascienlager, dass der Kopf ganz zwanglos
und weit in die entgegengesetzte Haltung geführt werden konnte.
Desshalb beschränkte ich den Eingriff, einer Nachoperation
allenfalls die Tenotomie oder Exstirpation des anderen Theiles
überlassend. Nach zweijähriger Beobachtungszeit, in welche auch
eine beträchtliche Entwicklung des Kindes fällt, erweist sich
dieser weitere Eingriff-nun als unnöthig und die operative Zu¬
rückhaltung scheint mir das kosmetische Resultat — wichtig für
ein heran wachsendes Mädchen — gefördert zu haben, da die dem
linken Kopfnicker entsprechende schräge Halslinie nicht gänz¬
lich zerstört ist.
Die Operation (6. XII. 1897) ging von einem 10 cm langen
Schnitt aus. Heilung der Wunde ohne Zwischenfall, keine spätere
Keloidbildung. Ein Versuch, die erlaubte Neigung zur gesunden
Seite in Uebercorrection durch eine Orgautingipskappe zu lixlren,
scheitert. Es wird principiell von jedem Fixationsverband abge¬
sehen und für die Folgezeit wird häufiges Liegen auf einer schiefen
Ebene in G 1 i s s o n’scher Schwinge oder Einhängen des Kopfes
beim Sitzen am Nähtisch etc. in eine in der Nähe angebrachte
G 1 i s s o n’sche Schwinge mit leichtem Gegengewicht angeordnet,
dcssgleichen lange Zeit tägliche Massage der seitlichen Wirbel¬
säulenmuskel.
Unter dieser fast kostenlosen und sicher nicht schwer über¬
wachbaren oder beschwerlichen Nachbehandlung bildete sich v o n
selbst ein zufriedenstellendes Resultat im obigem Sinne heraus.
Die secundären Erscheinungen des gestörten Gleichgewichtes, wie
schlechte Haltung des Rumpfes, schiebender Gang mit Tendenz
der Vorneigung der rechten Körperseite und Krümmung der Wir¬
belsäule (concav zur kranken Seite) schliffen sich ab. Die ana¬
tomische Ungleichheit der Gesichtshälften, eine fast immer recht
entstellende Zugabe, hat sich bis auf Weniges ausgeglichen.
Wenn Mikulicz in den meisten Fällen ohne jede ortho¬
pädische Nachbehandlung nach seiner Operation auskam, so
möchte ich die hier
noch nothwendigen
kaum orthopädisch zu
nennenden Correc-
tionsmaassnahmeu
nicht auf die Unter¬
lassung der Resection
der Portio elavicularis
schieben. Nachdem
passive Uebercorrec¬
tion möglich war,
konnte jenem Muskel-
theil nicht mehr die
Bedeutung eines
wesentlichen Hemm¬
nisses zufallen. Es ist
übrigens auch anato¬
misch und klinisch
zur Genüge gestützt,
dass einzelne Partien
des Muskels den nar¬
benbildenden Entzündungsprocess durchmachen können, während
der Rest gesund bleibt. Wenn die Selbstcorrection in Fällen
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
325
6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
dieser Typus gewöhnlich nicht nushleibt, so ist diese milde Nach¬
behandlung der Wirbelsäule gewiss förderlich und im Interesse
eines guten Endresultates doch noch zu empfehlen.
Der Hauptantheil ist jedenfalls der Operation»*
m etho d e zuzuschreiben.
Aus dem Röntgeninstitut von Dr. Albers-Sch ö n b e r g und
l)r. It. Hahn in Hamburg.
Die Therapie des Lupus und der Hautkrankheiten
mittels Röntgenstrahlen.
\ on Dr. R. II a h n und Dr. Albers-Sch ö n b e r g.
(Fortsetzung.)
Noch günstiger gestaltet sich, so paradox es klingen mag,
der Erfolg der Behandlung, wenn wir die ungeheilten Fälle be¬
trachten. Es mag gleich vorausgeschickt werden, dass es, wie
ja die mitzutheilenden Krankengeschichten zeigen werden,
äusserst schwere und verzweifelte Fälle waren, so dass das immer¬
hin erreichte Resultat als ein überaus günstiges zu betrachten ist.
13. Frl. A. M., 53 Jalire. Fläclienhafter, nicht uleorirter
knötchenförmiger Lupus der 1. Wange, ca. 7 cm lang, 5 cm breit.
Seit 1870 stets In ärztlicher Behandlung: ca. <> Monate lang
mit grösseren Pausen behandelt. Nach 18 Sitzungen kam es zur
Reaetion, einmal vorübergehend zur Excoriation. Eine cireum-
scripte Dermatitis entstand in Folge mangelhafter Schutzvorrich¬
tung auf der 1. Schulter. Die Behandlung fand in zwei Abschnitten
mit dazwischen liegender mehrmonatlicher Pause statt. Die
Knötchen trockneten langsam ab. die excoriirten Partien tiber-
hüuteteil sich mit zarter, gesunder Haut. Am Schluss der Behand¬
lung auch diaskopisch nirgends mehr Knötchen nachzuweisen.
Nach einem Jahr stellt sich Patientin wieder vor. Die ex-
coriirt gewesene Partie ist heute noch zart und schön, in ihr keine
Knötchen zu entdecken. Der ganze Hand in einer Breite von 3 mm
eingenommen von einer bräunlichen, etwas schuppenden, über der
Haut nicht erhabenen Affection, die seit einigen Monaten besteht.
Keine Knötchen. Das Lupusrecidiv, denn als solches ist es an-
zuselien, macht der Patientin so wenig Beschwerden und scheint
ihr im Gegensatz zu der früheren Affection derartig minimal, dass
sie eine Wiederaufnahme der Behandlung ablelmt.
14. Knabe A. K., 13 Jahre alt. Knötchenförmiger Lupus der
Nasenspitze, der linke Nasenflügel an seinem freien ltande in seiner
ganzen Ausdehnung ulcerirt und abgefressen, lupöse Uleorationen
aussen auf der Oberlippe, am harten Gaumen und auf der Alveolar-
schleimhaut des rechten Oberkiefers.
Lupus besteht seit 4 Jahren.
-8 mal innerhalb 3 Monaten bestrahlt. Reaetion nach der
Sitzung. Keine Excoriation. Die Heilung verlief unter dem
Bilde der allmählichen Eintrocknung. Nach 2 % Monaten Recidiv
au der Nasenspitze. Wiederaufnahme der Behandlung. Vollkom¬
mene Heilung des äusseren Lupus. Nach ca. 12 Monaten kein
Recidiv des äusseren bestrahlten Lupus.
Lupus der Schleimhaut, der nicht behandelt wurde, unver¬
ändert. Auf der Nasenscheidewand links, nahe der Spitze, ein seit
3—4 Wochen bestehendes erbsengrosses Geschwür. Der linke
Nasenflügel zeigt einen halbmondförmigen Defect. Die Narbe des
Geschwürs, das dort bei Beginn der Behandlung gesessen, ist fest,
nirgends ulcerirt, nirgends in ihr oder an ihrem Rande Knötchen.
Auf der Nasenspitze eine Anzahl steeknadelkopfgrosser, dunkler
Punkte ln der Haut, die schon während der Behandlung auf traten,
sieh aber im Laufe des Jahres gar nicht verändert haben. Es ist wohl
möglich, dass es sieh um Residuen von Lupusknötchen handelt,
die nicht resorbirt worden sind, die aber auch wohl unschädlich
sind, da sie während der ganzen Dauer ihrer Beobachtung keine
Veränderung, keine Tendenz zum Zerfall gezeigt haben. Die
Oberlippe ist glatt und gesund. Das Resultat ist also trotz des
Recidives an dem Septum narium ein gutes. Die ursprüngliche
Affection, vor Allem das serpiginirende Geschwür am linken Nasen*
flügel, vollkommen gehellt. Die begonnene Zerstörung ist also
definitiv aufgehalten und zwar ohne Verlust eines weiteren Stückes
des Nasenflügels, das einer event. Operation doch gewiss zum Opfer
gefallen wäre.
Auf den Lupus der Schleimhaut hatte die Bestrahlung keinen
Einfluss, da sie ja nicht direct auf dieselbe einwirken konnte.
15. Frau Kl., 21 Jahre. Nasenspitze durch alte lupöse Processe
und Narben etwas verändert, es fehlt beiderseits der Rand der
äussersten Spitze. Die häutige Nase etwas geröthet. Die Haut
selbst ist äusserst zart und zeigt beim Zusammendrücken zahl¬
reiche feine und feinste Fältchen. Auf dem Nasenrücken am
Rande der ursprünglich erkrankt gewesenen Partien 3 frische
Lupusknötchen. Auch auf dem rechten Nasenflügel, am Rande der
ursprünglichen Affection, sowie auf der Umschlagsfalte, 3 Knöt¬
chen. Schliesslich noch 2 Knötchen auf dem linken Nasenflügel,
nahe der Mittellinie. Auf der rechten Wange markstückgrosse
alte Operationsnarbe.
Seit 7 Jahren Lupus der Nase, 4 mal operativ behandelt, von
Oetober bis Weihnachten 1897 mit Röntgenstrahlen im Eppendorfer
Krankenhaus behandelt. Das Recidiv ist nach 8 Monaten auf¬
getreten (15. X. 1898 trat sie in Behandlung).
9 mal in einem Monat bestrahlt.
Die Knötchen verschwinden schnell, ohne Reaetion. Geheilt
entlassen nach 5 Wochen.
No. 10.
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Gck igle
Gelegentlich einer Revision Anfang Oetober 1899, also ca. 11
Monat nach der Entlassung wurden auf der Nase, sowie auf der
rechten Wange, in bis dahin noch nicht befallen gewesenem Be¬
zirk, 3 Stecknadelkopf- bis linseugrosse Knötchen constatirt. Die¬
selben wurden elektrolytisch behandelt. Patientin selbst waren,
obwohl sie sehr auf sich achtete, die Knötchen entgangen.
In diesem Falle hatte die Bestrahlung das Auftreten der
wiederholten Iiecidive nicht verhindern können. Die entstandenen
Knötchen waren aber schwach entwickelt lind schwanden bald
unter der Bestrahlung.
No. 10. Frau H. Auf der rechten Wauge zahlreiche ge-
löthete Narben, desgleichen links. Auf der linken Wange ca. zehn-
pfennigstückgrosse ulcerirte, mit einer Borke bedeckte Fläche,
ausserdem noch eine Anzahl mit Borken bedeckte Knötchen auf
der rechten Wange. Die Nase und die Oberlippe sind blauroth,
unförmlich verdickt, derb infiltrirt, beide mit borkenbesetzten
Knötchen bedeckt. Thränensackahseoss. Lupus der innereu
Nasenschleimhaut. Lupus besteht seit mehreren Jahren, vielfach
behandelt.
77 mal iunerhalb eines Jahres, mit vielen und langen da¬
zwischen liegenden Pausen, behandelt.
Schon nach wenigen Bestrahlungen trat eine geringe Reaetion,
bestellend in Röthung und Hitzegefülil der Haut, auf, welche auch
zu einer leicht heilenden oberflächlichen Excoriation führte. Die
Heilung ging sehr langsam aber deutlich von statten. Die Nase
und die Oberlippe schwollen allmählich ab, die Lupusknötchen ver¬
schwanden unter dem Bilde des allmählichen Eintrocknens. Auf
der linken Wange persistirte am äusseren Rande der Narbe ein fast
erbsengrosser Knoten, desgleichen einige kleinere am Nasenflügel
rechts und an der Lippe. Dieselben wurden nach Beendigung der
Bestrahlung ohne wesentlichen Erfolg nach der U n n a’sclien Spick¬
methode behandelt.
15 Monate nach Aussetzung der Behandlung bietet Patientin
folgendes Bild: Nase und Oberlippe vollkommen abgeschwollen
und auf das normale Maass redueirt. beide haben fast normale
Hautfarbe, sie luit jedoch einen ganz leichten Stich in’s Blaue.
Würde der linke Nasenflügel nicht einen kleinen halbmondförmigen
Defect zeigen, so würde man der Nase nicht ansehen können, dass
sie überhaupt krank gewesen sei, denn die 3 kaum Stecknadel köpf-
grossen Lupusknötchen der Nasenspitze und des rechten Nasen¬
flügels fallen wenig auf. Auch die Oberlippe, die wie gesagt von
normaler Contiguralion ist. weist 2 kleine Knötchen auf.
Die Narben beider Wangen sind vollkommen blass, am Rande
der linken Wangennarbe 4 Lupusknötchen vou Linsen- bis Bohnen¬
grösse. Dieselben werden elektrolytisch behandelt. Hätte die
Patientin nicht die Narben im Gesicht, so wäre ihr von ihrer
schweren Krankheit kaum etw r as anzumerken. Während Patientin
sich früher wegen ihrer entstellenden elephantiastischen Ver¬
dickungen von Nase und Oberlippe nirgends sehen lassen mochte,
so ist sie jetzt über den erreichten kosmetischen Erfolg, der sie
nicht mehr aus der Gesellschaft ausschlicsst, sehr froh.
In diesem Falle ist also ein Recidiv aufgetreten, resp. ein¬
zelne besonders tiefo Knoten konnten nicht von den Röntgen¬
strahlen beseitigt werden. Doch rechnen wir wegen des eminentem
kosmetischen Resultates diesen sonst nicht geheilten Fall uns
als einen besonders guten Erfolg an. Ebenso wie in anderen, noch
nicht abgeschlossenen Fällen, konnten wir auch besonders schön
an diesem Falle das absolut sichere Zurückgehen der elephan¬
tiastischen Verdickungen beobachten und dass trotz etwaiger
sonstiger Rccidive die elephantiastische Verdickung dauernd ge¬
heilt blieb.
No. 17. Frl. M. K. Ausgedehnter, knötchenförmiger Lupus
der beiden Wangen, der Stirn und Nase. Am linken Nasenflügel
ein Substanzverlust. Der Lupus der Wangen zum Theil ulcerirt.
Erhebliche Entstellung des Gesichtes und der Nase. Der Lupus be¬
steht seit 20 Jahren. Vielfach behandelt. Wurde weit über 100 mal
innerhalb von 8 Monaten behandelt.
Sehr langsamer Verlauf der Heilung. Es kommt vorüber¬
gehend zu reactiven Excoriatlonen. Allmählich schwillt die dicke,
infiltrirte Nase ab und die Ulcerationen heilen ab. Das anfänglich
sehr entstellte Gesicht zeigt gegen Ende der Behandlung einen
wesentlich zum Bessern veränderten Habitus: das Geduusensein
ist vollkommen zurückgegangen, die blaurothe Farbe geschwunden,
die Ulcerationen geheilt.
Patient starb vor beendeter Behandlung.
Auch in diesem Falle das prompte Zurückgehen der Schwel¬
lungen der Nase und des Gesichts.
No. 18. Frl. K. Alter Lupus des Gesichts, der sich auf Nase,
Nasenrücken, Oberlippe und Wangen ausdehnt. Keine eigentliche
Knötchenbildung, sondern mehr flache, geröthete, schuppende,
mehr oder weniger infiltrirte Flecken.
Seit 23 Jahren in ärztlicher oder Krankenhausbehandlung.
1890 mit Tuberculln behandelt
Es wurde zuerst nur die linke Wange IG mal in 2 Monaten
behandelt; erst später die rechte.
Bereits nach 2 Sitzungen kam es zu reactiver Röthe, die sich
erst nach 16 Sitzungen zu einer zum Aussetzen nöthigenden Re-
actlon steigerte. Bald darauf trat oedematöse Durchtränkung der
Wange und eine bis auf das Rete Malpighi in die Tiefe sich
erstreckende Excoriation ein, welche den ganzen bestrahlten Bezirk
ergriff und Handtellergrösse hatte. Diese Dermatitis zeigte ausser¬
ordentlich geringe Heilungstendenz, so dass dieselbe nach 130
Original from 6
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
526
No. 10.
MÜNCHENER MEPICINISOHE WOCHENSCHRIFT.
Tagen noch nicht vollständig abgeheilt war. Die abgeheilten Par- |
tien zeigen eine feine, rosafarbene Haut, auf welcher keine lupösen
Partien, auch diaskopisch nachzuweisen sind.
Auch die rechte Wange zeigte bereits nach 4 maliger Bestrah¬
lung geringe Röthung, Jucken und subjectives Wärmegefühl, eine
Excoriation der rechten Wange trat jedoch erst nach 8 wöchent¬
licher, allerdings hin und wieder unterbrochener Behandlung auf,
die in derselben Weise wie links abheilte.
Nach 3 monatlicher Pause zeigten sich in den Randpartien
einzelne Knötchen, die nach Unna gespickt wurden.
Etwa 1 Jahr nach ausgesetzter Behandlung über die Wangen
zerstreut vereinzelte, an den Randpartien dichter stehende Lupus-
knötchen. Gesicht und Nase sind abgeschwollen, die Haut schuppt
nicht.
Obwohl im Grossen und Ganzen gebessert, besonders in kos¬
metischer Hinsicht, ist dies doch ein wenig gutes Resultat. Wir
schieben den geringen Erfolg darauf, dass Pat. frühe eine Re-
action bekam, die zur Excoriation führte und zum Aussetzen der
Behandlung zwang. Die Haut war durch die vorhergegangenen
Operationen etc. sehr vulnerabel geworden, andererseits setzte
das derbe Narbengewebe den Strahlen sicher einen erheblichen
Widerstand entgegen, so dass ihr Einfluss auf die in das Narben¬
gewebe eingestreuten Knötchen ein geringer war und sie so bald
recidiviren konnten.
Schliesslich möchten wir von den 8 zur Zeit noch in Behand¬
lung befindlichen Lupusfällen 2 anführen, die manches Inter¬
essante bieten, vor Allem zeigen, dass man durch geeignete Hilfs¬
behandlungen auch in Fällen, in denen die Strahlen nur wenig
Wirkung zu haben scheinen, die Affection für eine intensivere
Einwirkung vorbereiten kann.
No. 19. Frau R. An beiden Nasenflügeln, nahe der Nasolabial-
falte je ein reichlich bohnengrosser, warzenartiger Lupusknoteu.
Die ganze Nasenspitze bedeckt mit einem üusserst derben Gewebe,
in dem zahlreiche hypertrophische Lupusknötchen sitzen, die die
Nasenspitze ganz höckerig erscheinen lassen. Am rechten Mund¬
winkel pfennigstückgrosse, von starkprominirenden derben Lupus¬
knötchen gebildete halbmondförmige Stelle.
Der Lupus besteht seit 5 Jahren, ist mit Salben, Tuberculiu,
heisser Luft und elektrolytisch behandelt, im Laufe von % Jahren
einige 80 mal mit grösseren Pausen behandelt.
Nach 6 maliger Behandlung leichte Röthung und subjectives
Wärmegefühl, dabei Abschilferung der Haut. Nach 9 maliger
Bestrahlung Röthung etwas stärker, starke Desquamation, nach
12 maliger Bestrahlung ausgesetzt, 8 Tage nach Aussetzen kleine
Excoriation. Im Laufe der Behandlung wiederholte sich dieser
Turnus, die Excoriationen heilten immer bald wieder, die Knötchen
der Nasenspitze flachten sich ab und verschwanden allmählich. Die
beiden warzenartigen Stellen an den Nasenflügeln wurden auf¬
fallend wenig beeinflusst, trotzdem die Behandlung bis zu stärkerer
Dermatitis getrieben war. Dieselben werden desshalb zunächst
elektrolytisch behandelt, dabei gelangt man mit den Nadeln in
anscheinend schwammige Granulationen, denn die Nadeln lassen
sich ohne vielen Widerstand im Innern der Knoten hin und her
bew r egen. Eine darauf folgende Behandlung mit U n n a*s grüner
Salbe verwandelte dann die Knoten in Gesellw'ürsfläclien und die
nunmehr wieder eingeleitete Bestrahlung brachte dieselben in
kurzer Zeit zur Abflachung und Heilung. Die zur Controle un¬
behandelt gebliebene Stelle am Mundwinkel wird alsdann bestrahlt
und ist der Abflachungsprocess nunmehr im besten Gange, so dass
in absehbarer Zeit die vollkommene Heilung zu erwarten ist.
No. 20. Knabe B., 11 Jahre. Am rechten Unterarm etwa
6 cm breite, das untere Drittel desselben in einem Oval von
ca. 30 cm Durchmesser fast rings umgreifende lupöse Erkrankung.
An einer 5 cm langen Stelle ist dieser ovale Streifen durch eine
zarte Narbe unterbrochen, im übrigen serpigiuirenden Charakters,
der äussere Rand selbst ist stark wallartig erhaben, zeigt keine
Tendenz zum Zerfall. Geringe Schuppung des ganzen ergriffenen
Bezirks. Beginn der Erkrankung in frühester Kindheit, wiederholt
ärztlich behandelt.
Ca. GO mal ln 5 Monaten bestrahlt.
Die Besserung war eine ausserordentlich schnelle, die wul¬
stigen Ränder flachten zusehends ab und zeigten sich dabei deutlich
in den Randpartien Lupusknötchen, die vorher weniger sichtbar
waren. Diese trockneten mit der Zeit ein, so dass nunmehr der
Rand bis auf eine 5 cm lange Stelle zwar noch geröthet erscheint,
im Uebrigen aber vollkommen glatt im Niveau der Haut liegt.
Einzelne dunklere Knötchen sind deutlich, besonders in den Iiand-
partien zu erkennen. Die erwähnte, am wenigsten beeinflusste
Stelle ist auch ganz wesentlich gebessert, jedoch nicht so weit vor¬
geschritten wie die übrigen Partien, dies kommt wohl daher, dass
sie etwas ungünstig liegt, so dass sie sich schw er unter die Rönt¬
genröhre einstellen lässt, die Bestrahlung also dort keine so in¬
tensive ist. Dieselbe wird mit der U n n a’sehen grünen Salbe be¬
handelt, wodurch die dort noch vorhandenen Knötchen gründlich
zum Zerfall gebracht werden, so dass an ihrer Stelle bis 2 mm
tiefe, wie mit dem Locheisen ausgeschlagene Löcher entstehen.
Hierauf Hessen wir nun die Röntgenstrahlen einwirken und von
dem Moment heilten nicht nur die Knötchen sehr schnell aus, son¬
dern auch der Rand wurde sofort flacher und ist nunmehr fast im
Niveau der Haut. Aus den Randpartien wurden 2 Stücke Haut
zur mikroskopischen Untersuchung, die von unserm Mitarbeiter,
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Herrn Dr. Hu et er, ausgeführt wurde, exeidirt, eines im Beginn der
Behandlung, eines nach 5 monatlicher Behandlung.
Obwohl der Knabe 5 Monate hindurch mit nur geringen
1 bis mehrtägigen Unterbrechungen behandelt wurde, so hat er
doch keine Dermatitis bekommen, nicht einmal eine vorüber¬
gehende Röthung oder irgend eine Schmerzempfindung konnte
constatirt werden. Wir schieben diesen guten Erfolg mit darauf,
dass der Knabe vom ersten Tage an einen Vaselinverband er¬
hielt. Wir erreichten dadurch, dass die sonst auftretende starke
Schuppung vollkommen vermieden wurde, sowie auch, dass die
Haut dauernd eingefettet den schädlichen Wirkungen der
X-Strahlen vollkommen Widerstand leistete. Freilich könnten
wir dem Einwurf, dass der betreffende Patient überhaupt
weniger auf die schädlichen Nebenwirkungen reagire, dass es in¬
dividuelle Indisposition gegen dieselben sei, nichts erwidern, als
dass wir, seitdem wir alle unsere Patienten die bestrahlten Par¬
tien tüchtig einfetten lassen, entschieden weniger Neigung zu
Hyperaemien und Reaetionen beobachten.
Es wurde in dem vorstehenden Falle ein Stück der i n
Heilung begriffenen Hautpartie exeidirt und von Herrn
Dr. Iluetcr untersucht. Der histologische Befund war der
folgende:
Das excidirte Hautstück wurde in absolutem Alkohol gehärtet
und in Celloidin geschnitten. Die Epithelschicht im Ganzen
ziemlich dick, offenbar hypertrophisch, hie und da ein Leukocyt
im Durchwandern begriffen. Die Papillen fast durchgehende
stark abgeplattet, sehr niedrig, stellenweise nur angedeutet. Die
eigentliche Cutis weist sehr starke Veränderungen auf. Dicht
unter dem Epithel, auch in den Papillen, hat das Gewebe stellen¬
weise noch die normale, lockere Structur des Collagens, hier
finden sich kleine Infiltrationsherde von mononueleären Leukn-
cyten und stark erweiterte, mit einer einfachen Endothelschiebt
ausgeklcidete Lymphgefässe. Das ganze übrige Cutisgewebe, in
den obersten Schichten, da, wo die Papillen nur angedeutet sind
oder ganz fehlen, zeigt eine eigenthümliclie dichte Structur, die
Bindegewebsfasern ziemlich schmal, dicht aneinander gepresst,
laufen in regelmässigen Zügen theils der Oberfläche parallel,
theils kreuzen sie sich mit anderen, ebenso beschaffenen Faser-
bündelu, welche unter spitzem Winkel von unten her aufsteigen.
Zwischen den Bündeln und diese auseinander drängend,finden sieh
zahlreiche Leukocytenherde vor. Das s:> beschaffene Gewebe reicht
häufig tief hinab bis zu den Knäueldrüson und zwischen dieselben
hinein, nur in den tiefsten Schichten findet sich wohlerhaltenos
Collagengewebe mit lockerer, welliger Structur.
Das dicht gefügte Gewebe ist sehr arm an Blutgefässen,
die Lymphgefässe durchsetzen die Fasern in schiefer Richtung,
sie verlaufen besonders da, wo 2 benachbarte Faserbündel sich
in ihrem Verlauf kreuzen. Ferner fällt der grosse Zellreichthum
dieses Gewebes auf, die Zellen klein, schmal, spindelig oder ge¬
wellt, eng zusammenliegend, auffällig parallel zu einander ver¬
laufend und in regelmässiger Anordnung übereinander ge¬
schichtet. lieber die ganze Cutis zerstreut finden sich Mast¬
zellen in nicht sehr erheblicher Zahl. Von glatter Musculatur
ist sehr wenig zu sehen, nur an einer Stelle fand sieh ein Bündel
glatter Muskelfasern, und dies war am Rande des Schnittes, wo
das Gewebe mehr das normale lockere Gefüge zeigte. Was die
Haare anbetrifft, so habe ich in einer grossen Reihe von Schnitten
nur einen einzigen quer durchschnittenen Haarbalg mit einem
dünnen Haar gesehen. Von Talgdrüsen fand sich keine Spur
vor, die Knäueldrüscn waren wohlerhalten.
Das elastische Gewebe ist in grosser Ausdehnung zu Grunde
gegangen. Vollkommen erhalten fand ich es am Rande des
Schnittes, wo die Haut cinigermaasseii normale Verhältnisse dar¬
bot, und hier die feinsten Fasern bis in die Papillen hinein.
Grösstcnthcils erhalten war es in den tiefsten, an das subeiitanc
Fettgewebe nnstossenden Schichten. In den oberen Schichten,
und zwar besonders im Bereich des dicht gefügten Gewebes, fehlte
es auf weite Strecken ganz, und nur ausnahmsweise zeigten sich
hier feine, kurze, nach der W e i g c r t’schcn und U nna-
T ä n z e r'schcn Methode gut färbbare Fasern. Besonders auf¬
fällig erscheint mir die Thatsache, dass das Elastin in den
tiefem Schichten im Bereich wohlerhaltenen Collagengewebes
stellenweise rareficirt war. Die Lupusherde, auf die ich gleich
zu sprechen komme, wurden meist von elastinfreiem Bindegewebe
umgrenzt, doch fanden sich auch Bilder, in denen diese Grenze
von elastische Fasern tragenden Bündeln gebildet wurde, ja an
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
F>. März 1<)(X).
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
327
einigen Stellen erstrecken sich elastische Fasern direct in das
tubereulöse Gewebe hinein.
Beim Durchmustern der Präparate fielen sofort Granulations¬
herde auf, welche in bestimmten Abständen ungeordnet waren,
und deren sich in jedem Präparat etwa 3—4 fanden. Sie liegen
in den oberen Cutisschichten, von dom Epithel durch (‘ine schmale
Zone lockeren oder straffen, dichten Bindegewebes! getrennt.
Einmal fand sich ein Granulatiunsherd der Epithelsehieht so
nahe liegend, dass letztere über die Eingebung vorgewölbt er¬
schien. Die Herde lassen nun deutlich eine Zusammensetzung
aus multiplen, im Centrum helleren Knötchen erkennen, jeder
Ilerd wird aus etwa 3, 5 bis 8 Knötchen gebildet, welche ihrerseits
wieder aus zahlreichen Riesenzellen mit wandständigen Kernen
und epitheloiden Zellen sich zusammensetzen und in der Peri¬
pherie Leukocyten enthalten. Es handelt sich somit um typische
Tuberkel. Auffällig ist die grosse Zahl der Riesenzolleu. Diese
lagen häufig excentrisch oder ganz an der Peripherie, manche
Knötchen schienen fast nur aus RiesonzeHon zu bestehen. Die
Leukocytenzone am Rand der tiiberculösen Horde war äusserst
schmal oder fehlte ganz. Letztere werden nur von den Zügen
dichten kernreichen Bindegewebes eng umschlossen, die Grenze
der Tuberkel gegen dieses ist äusserst scharf. Von einer produc¬
tiven Wucherung des Bindegewebes am Rande der Tuberkel war
nichts zu sehen. Eine, grosse Anzahl Schnitte wurde auf Tuberkel-
lmcillen gefärbt und durehgesehen, mit negativem Erfolge.
Wir haben cs nach Vorstehendem zu thun mit einem rück¬
gängigen, in Abheilung begriffenen Lupus, hei welchem das ur¬
sprüngliche tubereulöse Gewebe bis auf kleine Reste noch erhal¬
tener Tuberkelgruppen eine fibröse Umwandlung erfahren hat.
U n n a hat dieses Stadium der Lupushcilung als tubcrculöses
Fibrom bezeichnet. Das Vorhandensein der Tuberkelherde, der
Lupuscent reu deutet schon darauf hin, dass eine definitive
Heilung noch nicht eingetreten ist. Aber auch das tubereulöse
Fibrom stellt nach En n a nur eine Vorstufe der definitiven Ver¬
narbung dar, er gibt an, dass es, wenn auch alles speeifische Ge¬
webe geschwunden ist, noch auf Tubereulin reagirt. In Anbe¬
tracht der vorhandenen Tuberkel wurde diese Roaetion in unserem
Falle nicht vorgenommen.
l)a ausser der Röntgenbestrahlung keine anderen therapeu¬
tischen Maassnahmen in Anwendung gezogen wurden, so wird
man den erreichten Erfolg der Behandlung auf Kosten der Be¬
strahlung setzen können. Jedenfalls beweist der histologische
Befund, dass eine Rückbildung des lupöson Processes unter der
Röntgenbehandlung sich ebenso gut vollziehen kann, wie bei
anderen therapeutischen Methoden.
Herr Dr. n n a war so liebenswürdig, meine Präparate
durchzusehen, für seine freundliche Unterstützung sage ich ihm
an dieser Stelle meinen besten Dank.
Wir wollen nunmehr zur Betrachtung unserer Erfolge bei
anderen Hautkrankheiten übergehen und lassen zu dem Zwecke
• ine Anzahl von Krankengeschichten folgen. Zunächst theilen
wir einige Ekzemfälle mit:
No. 1. Frau B. 20 cm breites, den Unterschenkel direct
oberhalb des Malleolus ringförmig umgebendes Ekzem. Oedem
des Unterschenkels und Fussen 31 ein im Umfang, handbreit über
dem Fussgelenk. Röthung der Haut, dieselbe schuppt auf der Ober¬
fläche. An einzelnen Stellen Rhagaden. 2 Finger breit über den
beiden Malleolen je eine markstückgrosse nässende Stelle.
Seit 3 Jahren Oedem des Unterschenkels. Seit 4 Monaten
Ekzem.
12 mal bestrahlt innerhalb 2 Monaten.
Schon nach der ersten Bestrahlung ist die behandelte Partie
vollkommen trocken. Nach der dritten Bestrahlung sind die
Schmerzen wesentlich geringer. Patientin kann besser gehen, die
Bewegungen im Fussgelenk sind freier. Nach 0 maliger Bestrah¬
lung ist das Oedem geringer, die bestrahlten Partien andauernd
trocken. Nach 12 maliger suecessiv vorgenommener Bestrahlung
der gesummten ekzematösen Partien völlige Heilung. Nach
ca. 2y 2 Monaten geringes Recidiv, das unter abermaliger Be¬
strahlung rasch heilt. Patientin völlig gesund, kann Mascliinen-
nälien. Dauer der Heilung jetzt ca. 10 Monate.
No. 2. Knabe W. Ekzema capitis faciei et nuchae.
Der ganze Kopf, das Gesicht mit Ausnahme von Kinn und
Nasenspitze von einem stark nässenden, vielfach reichlich Borken
bildenden Ekzem eingenommen.
Das Ekzem besteht seit 4 Jahren und wurde vielfach special¬
ärztlich und im Krankenhaus behandelt.
Es wird zunächst ein kleines Stück, 8 : 10 cm, der rechten
Wange der Röntgenbehandlung unterzogen. Schon nach der
ersten Sitzung ist die betreffende Stelle trocken und bleibt es
auch lange Zelt. Allmählich werden dann andere Partien des
Ekzems der Behandlung unterzogen und trocknen wie die erstere
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eine nach der anderen ab. Die Haut beginnt sich zu glätten, ver¬
liert ihr rotlies Aussehen und wird vollkommen trocken. Das bis
dabin gedunsene Gesicht zeigt kaum noch Schwellung. Nach
1 Vs Monate dauernder Behandlung Ist mit Ausnahme einiger Knöt¬
chen auf dem behaarten Kopf und einiger schuppender Stellen am
Nacken und Hals Alles gesund. Nach einem Monat Recidiv
schlimmster Art am Hals und Nacken. Kopf und Gesicht sind fast
ganz heil geblieben. Die Haare sind am Hinterkopf fast vollständig
ausgegangen. Wiederbeginn der Behandlung.
Nach einer Bestrahlungscur von einigen 20 Malen wird wieder
emo vorübergehende Besserung erzielt, die indessen nicht von Be¬
stand ist und bald neuen Nachschüben Platz macht. In Folge
dessen wird der Knabe einstweilen ungeheilt in poliklinische Be¬
handlung gegeben. Als auch hier keine Besserung erzielt wird,
bleibt Patient aus der Behandlung gänzlich fort. Nach ungefähr
ö Monaten erscheint er wieder und zwar völlig geheilt. Die in
Folge der Bestrahlung entstandene Kahlköpfigkeit hat einem vollen
Haarwuchs Platz gemacht. Die Behandlung in der Zwischenzeit
hatte lediglich aus Schwefelbädern und Vaseliusallien bestanden.
Nach weiteren 5 Monaten abermals Recidiv. welches an beiden
Ohren, Hals und Wangen begann, dasselbe befindet sieh zur Zeit
in Behandlung und auf dem Wege der Besserung.
No. 3. Kind Eh. Ausgedehntes impetiginöses Ekzem des Ge¬
sichtes und des belmarten Kopfes.
Das Ekzem bestellt seit l> Wochen. Vielfach behandelt.
10—12 mal bestrahlt.
Zu einer Roaetion kam es nicht. Das Gesicht heilte schneller
ab als der behaarte Kopf. Letzterer unter Defluvtum capillitii.
Nach ungefähr einem Monat waren die Haare wieder gewachsen.
Nach einem Jahr noch vollständig gesund.
No. 4. Frau II., 55 Jahre. Ekzema cruris. Von der Fuss-
solile anfangeud 2 Handteller breite, die ganze Innenseite der
Unterschenkel einnehmende Ekzemfläche. Die Haut Ist geröthet,
an einzelnen Stellen leicht exeorlirt, im Ganzen trocken. Varicen.
24 Jahre vielfach in ärztlicher Behandlung, die oft Jahre
langen Erfolg hatte. Seit nunmehr 5—0 Wochen erneutes Auf¬
treten der Affection.
Ca. 20 mal bestrahlt.
Nach 0 maliger Bestrahlung leichte Röthung der Haut, iu Folge
deren die Behandlung ausgesetzt wird. Nach weiteren 10 Tagen
ist die Reaction zurückgegangen, keine Excoriationen, die Haut
glatt. Ca. ly» Monate nach Beginn der Behandlung völlige
Heilung. (Demonstration im Aerztliclien Verein.)
Nach ungefähr einem Jahr Ekzem nicht recidivirt. Patientin
kann dauernd gut gehen und schwere Arbeit verrichten, während
sie früher oft durch Schmerzen zur Bettruhe gezwungen war.
No. 5. Frau Sch., 38 Jahre. lieber Ilandflächengrosse ge-
rötliete, leicht hypertrophe Ekzemstellen um den rechten Malleol.
internus, links Alles abgeheilt, zur Zeit trocken, hin und wieder
nässend. Nur ganz vereinzelte oberflächliche Excoriationen, ge¬
ringes Oedem.
Seit t% Jahr. Schon vor 10 Jahren hatte sie vorübergehend
ein Ekzem.
Nach 5 maliger Bestrahlung ist Alles trocken, die Haut etwas
derb. Nach weiteren 10 Tagen ist auch die geringe oedematöse
Schwellung zurückgegangen. Nach 6 Monaten kleines, zehupfeunig-
stückgrosses ekzematöses Recidiv, das indessen unter 2—3 maliger
Bestrahlung prompt abheilt. Nach Jahresfrist noch vollständig
gesund.
No. 0. Frau F., 59 Jahre. Nässendes mit Borken bedecktes
Ekzem, welches sich von den Zehen über den ganzen Fuss und
Unterschenkel bis hinauf zum Knie erstreckt.
Erosionen, geringes Oedem.
Das Ekzem besteht seit iy 2 Jahr; verschiedentlich behandelt.
12 mal bestrahlt.
Zunächst wird der Fussrückeu, sowie Oberseitenflächen des
Unterschenkels in Angriff genommen. Nach 8 tägiger Behandlung
zeigt sich eine wesentliche Besserung, das Nässen Ist völlig be¬
seitigt, unter enormer Desquamation heilten die ergriffenen
Partien. Nach 12 Tagen wurde wegen geringer reaetiver Röthung
die Behandlung ausgesetzt. Nach Erlöschen der Reaction Wieder¬
beginn der Behandlung. Successive wird der ganze Unterschenkel
der Bestrahlung unterzogen und in der gleichen Weise zur Heilung
gebracht.
Dauer der Heilung y 2 Jahr, alsdann im Anschluss an die
in Folge Influenza erforderlich gewordene Bettruhe Recidiv in
ganzer Ausdehnung, während vorher alles in bester Ordnung w f ar.
No. 7. Herr A. Stark juckendes psoriasisartiges Ekzem des
Scrotum mit vereinzelten schmerzenden Rhagaden. Das Ekzem
erstreckt sich auch entlang des Penisschaftes und an der Glans
in der Nähe des Frenuluiu. Die Haut am Sehleimhautübergang
zum Anus ist geröthet, juckt und zeigt Rhagadenbildung.
Besteht seit 10 Jahren. Stets in speeiafiirztliclier Behand¬
lung ohne nennenswerthell Erfolg.
Nach einer erstmaligen 15 Minuten dauernden Bestrahlung
constatirt Patient ein wesentliches Nachlassen des Juckens,
während dasselbe sonst beim Entkleiden heftig aufzutreten pflegte,
ist es diescsmal fortgeblieben. Nach 3 maliger Bestrahlung ist das
Jucken fast vollständig fort. Während Patient früher nie trockene
Behandlung hat vertragen können, w'ird jetzt ein einfacher Streu-
pnlververband vorzüglich ertragen. Das Jucken am Anus hat
aufgehört. Nach 4 maliger Bestrahlung völlige Beseitigung jeden
Juckreizes, leichte Abschuppung. Nach 7 maliger Bestrahlung
Aussetzen der Behandlung. Die Abheilung des Ekzems schreitet
6 *
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
328
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10
rapide fort, wird aber durch einen plötzlich auftretenden, schnell
wieder heilenden Herpes unterbrochen (2 malige Bestrahlung).
Nach ca. Sy 2 —4 Monaten Recidiv am Scrotum, Rhagade am
Dors. pen. Eine 3 malige Bestrahlung, verbunden mit einer
Aetzung der Rhagade mit Lapis, beseitigt das Recidiv.
Nach weiteren 4 Monaten psoriatiformes Recidiv des Scrotum,
des Penis und der Crena ani. Schuppt und juckt stark. Auch
diesesmal nach einmaliger Bestrahlung Auf hören des Juckreizes;
bei weiterer Behandlung allmähliches Verschwinden der psoriati-
formen Plaques und Heilung nach 9 Sitzungen.
No. 8. Frl. G., 18 Jahre. Ekzem der Finger und Hand er¬
streckt sich über die ganze Länge der Finger und über den Hand¬
rücken bis in die Gegend der Metacarpalköpfehen, dessgleiclieu
ist der Unterarm an Beuge- und Streckseite ergriffen.
Rhagadenbildung. Starkes Jucken. Besteht seit 12 Jahren.
7 mal bestrahlt.
Heilt unter ca. 7 maliger Bestrahlung und indifferenten
Schutzverbänden völlig ab.
No. 9. Frl. M. Juckendes, rhagadenbildendes Ekzem beider
Hände.
Besteht seit einem Jahr, dauernd in Behandlung.
Das erstemal 3 mal behandelt, das Recidiv 10 mal behandelt.
Nach einer 20 Minuten dauernden einmaligen Bestrahlung
ist das Jucken absolut fort. Nach 3 maliger Behandlung und
indifferenten Schutzverbänden ist alles abgeheilt. 0 Monate darauf
geringes Recidiv. Kommt wieder in Behandlung. Auch bei der
Behandlung des Recidivs wird das Jucken nach einmaliger Be¬
strahlung beseitigt; nach 10 maliger Bestrahlung wesentlich ge¬
bessert. Aus äusseren Gründen wird die Bestrahlung sistirt und
Salbenbehandlung eingeleitet, die nunmehr Erfolg hat, während
früher Salben ganz erfolglos gebraucht wurden.
No. 10. Frau W. leidet seit Jahren an einem chronischen
Ekzem beider Unterschenkel. Am rechten Unterschenkel aussen,
direct über dem Mall. ext. eine reichlich handtellergrosse ekzema¬
töse Stelle. Dieselbe war geröthet, theils trocken, theils etwas
feucht, mit zahlreichen Rhagaden durchsetzt, an einzelnen Stellen
mit flachen, dünnen, gelblich-weissen Borken besetzt. Vielfach
behandelt. Eine 12 malige, durch verschiedene eintägige Unter¬
brechungen stattgehabte Röntgenbestrahlung heilte das Ekzem
vollständig. Die Haut des behandelten rechten Unterschenkels
vrar leicht geröthet, vollkommen glatt, während der nicht behandelte
linke Unterschenkel das Ekzem noch unverändert aufwies. Nach
9 Monaten geringes Recidiv an einem Unterschenkel, während der
andere gesund geblieben war.
No. 11. Frau Ws. leidet seit zwei Jahren an einem Ekzem
beider Unterschenkel, dasselbe besteht aus mehreren handteller¬
grossen Stellen, die lebhaft geröthet sind, zum grossen Tlieil sind
sie trocken und mit Schuppen bedeckt, an einzelnen Stellen feucht.
Ferner Rhagaden. Vielfach behandelt. Zunächst eine Stelle am
r. Unterschenkel behandelt. Nach der 4. Sitzung Reaction in Ge¬
stalt von Röthung sowohl der Stelle selbst, wie der nächsten Um¬
gebung. Trotzdem nun einige Tage ausgesetzt wurde, hatte sich
doch eine geringe derbe Infiltration im ganzen Gebiet der be¬
strahlten Partien gebildet. Unter Blei Wasserumschlägen Rückgang
der Röthung in drei Tagen. Unter weiteren Bestrahlungen Ab¬
heilung des Ekzems. Jedoch ist die betr. Stelle entsprechend der
Dermatitis etwas erhaben, derb und schuppend und fühlt sich
wie .Pergamentinduration an. Am 1. Unterschenkel ist die aussen
befindliche Stelle gleichfalls nur 4 mal bestrahlt worden und be¬
reits in flottester Abheilung. Eine Controlstelle nicht behandelt,
in Folge dessen unverändert.
Nach einem halben Jahre leichtes Recidiv am linken Unter¬
schenkel, das nunmehr unter Salbenbehandlung zurück ging.
No. 12. Olga H., 18 Jahre. 1896 Scabies. Anfang 1897 traten
Bläschen zwischen den Fingern auf, zuerst am Zeigefinger, dann
am Mittelfinger, bis schliesslich der ganze Rücken der Hand er¬
griffen wurde. Die afficirte Partie ist röthlich-braun, geröthet,
stellenweise excoriirt und nässend, stellenweise mit trockener, ver¬
dickter rissiger Epidermis bedeckt. Durchweg finden sich in den
erkrankten Partien kleine Knötchen von Hirsekorngrösse. An der
Ulnarseite der linken Hand die gleichen, aber kleineren Knötchen,
daselbst keine Excoriation, auch keine Schuppenbildung.
Beginn der Behandlung 9. II. 98.
Innerhalb 4 Wochen sind die einzelnen nässenden Partien fast
ganz verschwunden. Leichte bräunliche Pigmentirung der ge¬
summten, früher erkrankt gewesenen Hautpartie.
Nach 6 Wochen vollkommen heil. Die Haut glatt und normal.
Nach iy 2 Jahren trat eine gleiche Erkrankung des anderen
Handrückens auf, die nach wenigen Bestrahlungen abheilte. Die
zuerst erkrankt gewesene linke Hand vollkommen glatt und zart,
durchaus normal, keinerlei Narben oder Pigmentirungen auf¬
weisend.
Die Fälle 10, 11 und 12 sind seiner Zeit bereits in den Fort¬
schritten auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, Bd. II, S. 16, ver¬
öffentlicht.
No. 13. Martha E., 21 y 2 Jahre. Seit 8 Monaten bestehendes,
vielfach behandeltes Ekzem der Finger, beider Handrücken und
Unterarme. Das Ekzem ist Im Allgemeinen trocken, neigt zu
Rhagaden auf den Handrücken und Unterarmen, während auf den
Fingerrücken hauptsächlich kleine Bläschen sitzen, die leicht
platzen und sich mit einer Borke bedecken. Das Ekzem juckt
stark. Vielfach behandelt.
Nach 3 maliger Bestrahlung war das Jucken verschwunden,
nach 6 maliger Bestrahlung ist alles trocken, nach 9 maliger Be¬
strahlung wurde 3 Tage ausgesetzt. Trotzdem trat 3 Tage später,
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also 12 Tage nach Beginn der Behandlung, eine geringe Reaction
bestehend in Röthung und Brennen ein, die in 8 Tagen noch etwas
stärker wurde. Zu einer Excoriation kam es indess nicht. Zwei
Monate nach Beginn der Bestrahlung Haut vollkommen glatt und
normal.
Nach weiteren 2 Monaten geringes Recidiv an den Finger¬
spitzen, das nach 6 Bestrahlungen heilte. Doch hielt die Heilung
diesmal nicht so lange an, denn bereits nach 6 Wochen trat ein,
wenn auch leichtes Recidiv ein. Im Laufe eines Jahres war dann
etwa alle 2 Monate ein Recidiv aufgetreten, das zwar immer von
der Bestrahlung günstig beeinflusst wurde, es machte aber doch
den Eindruck, als hätte die X-Strahlenbehandlung lange nicht mehr
denselben günstigen Einfluss wie bei der ersten Behandlungsserie.
Doch wurden jetzt Salben und andere Behandlungsmethoden ent¬
schieden besser vertragen und mit besserem Erfolg verwendet.
No. 14. Frau Fr., 29 Jahre. Seit mehreren Jahren Ulc. varicos.
das abheilte und wieder recidivirte. Seit Mitte Januar 1898 offenes
Geschwür am linken Unterschenkel. Die Umgebung in Handteller-
breite ekzematös und derb infiltrirt. Der Uuterschenkel selbst
oedematös.
Nach 10 Bestrahlungen das Ekzem in der Umgebung des
Ulcus zurückgegangen, das Ulcus selbst nicht wesentlich ver¬
ändert. Auch während der midisten Monate hielt der günstige
Zustand des Ekzems und des Oedems an.
(Schluss folgt.)
Entgegnung auf die Bemerkungen Kehr’s zur
Methode der Cholecystötomie mit wasserdichter
Drainage
in No. 7 dieser Wochenschrift.
Von Prof. Dr. Poppert in Giessen.
Die Bemerkungen Keh r’s zu meinem ln der Deutsch, med.
Wochensehr. 1899, No. 50 erschienenen Aufsatz über „Die Cliole-
cystotomie mit wasserdichter Drainage der Gallenblase“ ver¬
anlassen mich zu folgender Erwiderung:
K e h r übersieht bei seinen Ausführungen vollständig, dass ich
zur Veröffentlichung der genannten Methode nicht veranlasst
wurde, weil ich der Ansicht war, eine gänzlich neue Operation ent¬
deckt zu haben, sondern weil es mir darauf aukam, zu zeigen, wie
man mit Hilfe dieser Modification die Eingriffe am Gallen-
gangsystem ausserordentlich vereinfachen
und gleichzeitig ihre Gefahren herabsetze n
k ö n n e. Es geht dies klar aus meinem im Jahre 1898 auf dem
Chirurgeueongress gehaltenen Vortrag l ) hervor, wo ich wörtlich
sagte: „Das beschriebene Verfahren ist also, wie Sie sehen, nur
eine Vervollkommnung der sog. Schlauchdrainage von K ehr, und
ich bin überzeugt., dass auch schon von anderer Seite ähnlich ver¬
fahren worden ist“. Mit grösserer Reserve kann man sich wohl
kaum ausdrücken. In meinem letzten Aufsatz habe ich Iv e li r’s
Schlauchverfahren ausführlich genug beschrieben, so dass sich
jeder Leser ein eigenes Urtheil über die Aehnlichkeit der beiden
Methoden bilden konnte. Auf diesen Punkt in diesem Aufsatz
noch einmal ausdrücklich hinzuweisen, wie Kehr es verlangt,
erschien mit desshalb durchaus überflüssig.
Hierbei möchte ich übrigens nochmals betonen, dass i c V
bei der Ausbildung der „wasserdichten Drai¬
nage“ gar nicht von K e h r’s Sclilaucliverf ähren
ausgegangen bin, abgesehen davon, dass mir dasselbe auch
zu jener Zeit unbekannt w r ar. Durch welche Umstände ich zu der
Abänderung der gewöhnlichen Cystotomie veranlasst worden bin,
habe ich in dem in der Deutsch, med. Wochensclir. erschienenen
Aufsatz ausführlich genug geschildert. Ohne die zufällig von mir
gemachte Beobachtung, dass der angestrebte Abschluss der Bauch¬
höhle durch Einreissen der zwischen Gallenblase und Bauch wand
angelegten Nähte thatsächlich verloren gehen kann, würde ich wohl
nie einen anderen Ausweg gesucht haben und uie auf den Ge¬
danken gekommen sein, einen wasserdichten Abschluss um das
Drain herbeizuführen.
Wie ich von vorneherein vermuthet hatte, haben auch andere
Chirurgen, allerdings in einer anderen Absicht, ganz ähnliche Wege
wie ich eingeschlagen. So erwähnte Petersen in derselben
Sitzung des Chirurgencongresses, wo ich über meine Methode re-
ferirte. eine Verbesserung der Cystostomie, die Czerny in
25 Fällen angewandt hat, um der Entwicklung einer dauernden
Gallenblasenfistel vorzubeugen. Diese Aenderung besteht darin,
„dass zum Schlüsse der Operation ein mittelstarkes Drainrohr
einige Centimeter weit in die Gallenblase eingeschoben und die In-
cision der Gallenblase soweit verkleinert wurde, dass
das Drain überall fest von der Gallenblasen-
wand umschlossen war-; das Drain selbst wurde noch von
2 Catgutfäden mitgefasst. Darauf wurde die Nahtlinie der Gallen¬
blase mit einigen Nähten am Peritoneum parietale suspendirt“.
In derselben Sitzung hat Gersuny, in der gleichen Absicht, den
späteren Verschluss der Fistel zu sichern, empfohlen, „eine Schräg¬
fistel anzulegen, wie sie WItzel ursprünglich für die Harnblase
empfohlen hat. Wenn man das Drain so befestigt, dass es auf
1—2 cm Länge in einer Falte der Blasenwand über ihrer Ver¬
einigungslinie liegt, so findet ein dichter Verschluss statt.
Wenn man das Drain später aus der Fistel entfernt, so schliesst
*) s. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
1898, I, 125.
Original frnrri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
C>. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
H29
sich die Wunde sofort u. s. w.“ Hätten diese Autoren den von mir
unternommenen weiteren Schritt getlian und auf die Anheftung
der Gallenblase verzichtet, so würde auch sofort eine grosse Aehn-
liehkeit mit dem „Schlauchverfahren“ vorhanden gewesen sein,
und Kehr hätte mit demselben Recht, mit dem er es mir gegen¬
über thut, auch den übrigen Operateuren gegenüber seine Priorität
geltend machen können.
Nach alledem erscheint es recht müssig. in dieser Frage über
Priorität streiten zu wollen. Ich persönlich halte diesen Punkt
für sehr nebensächlich, wohl aber beanspruche ich gegenüber
Kehr das Verdienst, in, wie ich glaube, überzeug e nder
Welse den Nachweis erbracht zu haben, dass
die Gallenblasendrainage in der von mir ge¬
übten Weise uns ein ausserordentlich be¬
quemes und zuverlässiges Mittel an die Hand gibt,
die Operationen an den Gallenwegen zu v e r e i n f a c h c n u n d
gleichzeitig ungefährlicher zu gestalten.
Kehr wird nicht behaupten wollen, dass er diese Vorzüge
erkannt hat. Er würde sonst doch viel häufiger von dem Verfahren
Gebrauch gemacht haben, als er es in Wirklichkeit getlian hat.
Für ihn war das „Schlauchverfahren“ nur das ultimum refugium:
ich wenigstens finde In seiner Publication nur t> Fälle, in denen
er es angewandt hat, jedenfalls nur ein verschwindend kleiner
Bruchtheil bei seinen hunderten von Gallenblasenoperationen!
Allerdings stellt Kehr in seinem nächsten Jahresbericht neue
einschlägige Mittheilungen in Aussicht; sollte er etwa durch meine
erzielten Erfolge zu einer ausgiebigeren Benützung des Schlauch¬
verfahrens ermuthigt worden sein?
Zur Zeit der im October 1808 erschienenen Arbeit Keil r’s
(Sammlung klinischer Vorträge. N. F. 225». wo er schon einmal
meine Methode kritisch erwähnt, war sein Vertrauen zum
Scblauchverfahren jedenfalls kein unerschütterliches. Kr erwähnt
ausdrücklich, „dass es keine Sicherheit gegen peri¬
toneale In f e c tio n bietet und d e s sh a 1 b in den
1 e t z t e n J a h r e n nicht mehr so häufig von ihm
angewandt wurd e.“ Aus diesem Grund hält Kehr auch
mein Verfahren für unsicher und fürchtet, dass „d och einmal
neben dem wasserdicht in die Gallenblase an¬
gebrachten Rohre die häufig i u f e c t i ö s e Galle
vorbei in die Bauchhöhle laufen k ö n u e.“ Ich meine,
hieraus geht klar hervor, dass Kelir die Leistungsfähig¬
keit einer wirklich wasserdichten Drainage
nicht erkannt hatte und demgemäss auch nicht in der
Lage war, Ihre Vortheile auszunützen.
Der Beweis von der Zuverlässigkeit der wasserdichten Drai¬
nage Ist von mir erbracht worden, und zwar habe ich diese That-
sache zuerst an eingenähten Gallenblasen festgestellt, wo ich jeder
Zeit diese Verhältnisse mit dem Auge beobachten konnte. Erst
nachdem ich mich bei diesen Fällen von der Sicherheit des Ab¬
schlusses hinlänglich überzeugt hatte, konnte ich Schritt für
Schritt weiter gehen und schliesslich auf die Anheftung der
Gallenblase an die Baucliwand ganz verzichten. O li n e mir
jene Gewissheit verschafft zu haben, würde ich,
so lange mir irgend ein anderes, wenn auch noch so eomplicirtes
Auskunftsmittel zur Verfügung stand, es nie m als ge w a g t
haben, eine derart versorgte Gallenblase in die Bauchhöhle
zu versenken. Als ich die Ungcfährlichkeit der Methode erprobt
batte, übersah ich erst recht die grossen Vortlieile derselben. Vor
Allem trat als Hauptvorzug des Verfahrens mir die Möglich¬
keit entgegen, es auch auf die c o in p 1 i c i r t e n Fälle, auf
die morschen und auf die verkleinerten Gallen¬
blasen anzuwenden.
Meine wichtigste Aufgabe musste jetzt sein, an der Hand
einer grösseren Reihe von Fällen dem Beweis für die Leistungs¬
fähigkeit der Methode zu erbringen. Dass ich in diesef Hinsicht
erhebliche Bedenken zu überwinden haben würde, musste ich
auf dem Chirurgencongress aus gelegentlichen Bemerkungen von
Collegen entnehmen, die der praktischen Ausführbarkeit meiner
Vorschläge mehr oder weniger skeptisch gegenüber standen. Dess-
halb habe ich auch mit der ausführlichen Beschreibung der
Operationsmethode so lange gezögert, bis ich mich hierbei auf
eine möglichst ansehnliche Zahl von operativen Fällen stützen
konnte.
In Bezug auf die übrigen Einwendungen K e h r's will ich
mich aus nahe liegenden Gründen kurz fassen.
Zunächst dürfte es überflüssig sein, festzustellen, dass ich
nicht, wie es K e h r darstellt, den Eindruck zu erwecken versucht
habe, meine Methode sei eine Panacee gegen jede den Operirten
bedrohenden Gefahr, also auch gegen die, denen gegenüber der
Chirurg machtlos ist (Pneumonie, cholaemische Blutungen u. s. w.).
Dies sollte sich eigentlich doch von selbst verstehen. Ich habe
nur behauptet, dass mir kein Kranker an den Folgen
eines Fehlers der Technik der Operations-
methode oder an einer Wuudcomplieation ge¬
storben ist. In dieser Hinsicht entspricht die Methode auf
Grund meiner Erfahrung den höchsten Anforderungen, die man
an eine Operation stellen kann.
Ebenso unbegründet und ungerechtfertigt ist der Vorwurf,
dass „der in die Geschichte der Gallensteinchirurgie nicht gehörig
cingeweihte Leser nach der ganzen Art meiner Darstellung auf
den Gedanken kommen müsse, dass die wasserdichte Drainage
beim Choledochus erst die Consequeuz des von mir an der Gallen¬
blase geübten Verfahrens sei“. Alis der ganzen Art meiner Dar¬
stellung hätte Kelir im Gegeutheil ersehen müssen, dass sich
mein Aufsatz ln erster Linie an solche Leser wendet, welche die
Drainage der grossen Gallengänge als heutigen Tages häufig ge-
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übten Eingriff kennen. Aus diesem Grunde erscheint auch die
Mehrzahl der übrigen Bemerkungen IC e h r’s. z. B. über den Vor¬
zug der Cystektomie gegenüber der Cystostomie, über die Wichtig¬
keit der Untersuchung der grossen Gallengänge u. s. w., ganz
d e p 1 a c i r t. Ebenso hätte er sich auch verschiedene andere,
gewiss wohlgemeinte Ratlisehläge. wie man etwa „den praktischen
Arzt für die Gallensteinchirurgle werben soll“, ersparen können.
Geradezu erheiternd wirkte aber auf mich — und so ist es
wohl auch anderen Lesern gegangen — die Befürchtung IC e h r’s,
dass die Mittheilung meines Aufsatzes über die wasserdichte Drai¬
nage „m ehr schaden als nützen würd e“, weil sich
hierdurch der Unkundige etwa zu unüberlegten Eingriffen ver¬
führen lassen würde. Er sieht schon im Geiste voraus, dass „die
as asserdichte Drainage jetzt geübt werden wird aticli
von solchen Chirurgen, die bisher an eine
Gallen Steinoperation sich nicht herangewagt
haben, weil sie vor der schwierigen Technik
zurückschrockte n.“ Vielleicht hätte es Kehr lieber ge¬
sehen. wenn Ich dem Anfänger recht bange gemacht hätte vor
den Operationen, die er selbst sieh zu seiner Lieblingsbeschäf¬
tigung erkoren hat. Bei meiner Veröffentlichung liess ich mich
allein von dem Bestreben leiten, die Aufmerksamkeit auf eine
Methode zu lenken, von der ich überzeugt bin, dass sie die Resultate
der Gallensteinoperatlon. besonders in den complicirten Fällen,
zu verbessern im Stande ist. Sollte aber gleichzeitig durch meine
Mittheilung auch dev Anfänger auf dem Gebiete der Chirurgie
der Gallenblase — und schliesslich sind wir doch alle einmal An-
tünger gewesen — veranlasst werden, mit grösserem Vertrauen
und häufiger wie bisher derartige Operationen auszuftihren, so
könnte ich hierin kein Unglück erblicken. Dass der Chirurg, der
sein Interesse den Gallensteinerkrankungen zuwendet. die gleiche
Geschicklichkeit und Gewissenhaftigkeit besitzen muss, welche
auch zur Ausführung anderer schwieriger Operationen unerläss¬
lich sind, das ist natürlich eine selbstverständliche Bedingung.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Der kgl. bayer. Operationscurs für Militärärzte.
In diesen Tagen sieht der Operationscurs auf eine 40 jährige
Thätigkeit zurück, indem er durch Allerhöchste Entschliessung
vom 7. März 1800 in das Lehen gerufen worden war. Diese Ent-
schlicssung entsprang Allerhöchst eigener Initiative Seiner Maje¬
stät Körnig Maximilian II. in der Fürsorge für sein Heer, um dem¬
selben eine grössere Anzahl tüchtiger, in der chirurgischen Technik
bewanderter Aerzte zu verschaffen.
Anfänglich und zwar bis zum Jahre 1870 war ein General¬
major und Brigadeeommandeur der Garnison München, welchem
der jeweilige Oberstabsarzt des Generaloommando München bei¬
gegeben war, Vorstand des Operatiouseurses. Erster Docent war
der damalige Bataillonsarzt nachmalige Excellenz Generalstabs¬
arzt a 1. s. des Sanitätscorps, Dr. Ritter v. L o t z b e c k , welcher
im Jahre 1881 als Generalarzt 2. Ci. Vorstand des Operationscurses
wurde. Als zweiter Assistent fungirte der demselben beigegebene
Assistent.
Die Unterrichtsfächer waren:
a) Operationsichre,
b) chirurgische Klinik (im Militärkraiikcnliausc),
c) Operationsübungen.
Der Unterricht wurde anfänglich im alten Militärkrankenliauso
in der Müllerstrasse gegeben, bis im Jahre 1802 ein eigenes kleines
Gebäude im Areal des Krankenhauses errichtet wurde. Nach Auf¬
lassung des alten Militärkrankenhauses wurde 1873 ein ähnliches
ebenerdiges Gebäude im Garten des neuen Garnisonslazarethes er¬
richtet, welches jedoch mit der Zeit nicht mehr entsprach. Das
Lehrprogramm hatte nämlich, insbesondere durch den zweiten
Docenten und späteren Vorstand des Curses, jetzigen Generalarzt
z. D., Dr. Port, eine Erweiterung erfahren, indem mit prak¬
tischen Hebungen verbundene Vorträge über Transportwesen, Im¬
provisationen, Epidemiologie und Hygiene gehalten wurden, wozu
1875 noch ein von dem damaligen Stabsarzt Dr. S e g g e 1 ge¬
gebener Augenmitersuclimigscurs, von 1877 an mit Augenklinik ver¬
bunden, hinzugetreten war. Ausserdem wurde noch von Port
eine bis jetzt fortgeführte umfassende Salubritätsstatistik für
säramtliclie bayerische Garnisonen und Kasernen in’s Leben ge¬
rufen. Die Vermehrung der Räume, welche überdies auch durch
das Anwachsen der Sammlungen und des Unterrichtsinventars er¬
forderlich wurde, wurde durch das Auf setzen eines Obergeschosses
erreicht.
Mit der weiteren Ausdehnung des Wirkungskreises — Stabs¬
arzt Büchner lehrte nun Bacteriologie lind Hygiene, die Pro¬
fessoren H e 1 f e r i c h und v. Anderer, an deren Stelle^ dann
Oberstabsarzt S e y d e 1 trat, wirkten als Lehrer der Kriegs-
Chirurgie und als Operationsleiter — waren aber auch diese Räume
zu eng geworden und es wurde nun auf Antrag des damaligen
Vorstandes, Generalarztes Dr. Anton Vogl, ein im grösseren Stil
angelegter Ergänzungsbau im Jahre 1894 durchgeführt, so dass das
nun auch im Aeussern stattliche Gebäude ausser mehreren Arbeits¬
zimmern für den Vorstand und 2 Docenten. einem Bureauzimmer
und einer Werkstätte (für Spängler- und Scbreinorarbeiteni einen
grossen Bibliothek- lind Lohrsaal, je 2 Säle mit Nebengelassen für
das chemische und hygienische Laboratorium, ferner je einen
Operations-, Sections-, Mikroskopir- und Domonstrationssanl mit
werthvollen Sammlungen, sowie endlich einen Dunkelraum für
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 10.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Radloskopie und Radiographie enthält. Für Vcrsuehstliiero ist ein
eigenes Stallgebäude errichtet worden.
In dem chemisch-hygienischen Laboratorium, welches zugleich
als hygienisch-chemische ITitersuchungsstation dient, wurden im
Laufe der letzten Jahre unter anderen grösseren Untersuchungen
über Wasserversorgung von Garnisonen und Lag‘»rn. Verwendbar¬
keit neuer Eiweisspräparate, (’onserviruug von frischem Fleisch
und Brod, Zinngelialt der Fleischconserveu, welche überhaupt einer
periodischen Controle unterworfen werden, und über die Wirksam¬
keit der biologischen Abwasserreinigungsanlagen gemacht.
So wurde denn der ursprüngliche Operationscurs mit seinem
hauptsächlich auf Ausbildung der chirurgischen Tlmtigkeit ge¬
richteten Ziele, den Anforderungen und Bedürfnissen der neuen
Zeit entsprechend, unter Heranziehung sännntlicher Stationen des
k. Garnisonslazaretlies ein Fortbildungscurs für die bayerischen
Militärärzte, in welchem die wichtigsten Disciplineu der Gesammt-
medicin und des Militarsanitätswesens insbesondere gelehrt und
geübt werden.
Es werden jetzt von dem Vorstande und den 3 etatmässigeu
Docenten des Ourses: Generalarzt Seggel und den Oberstabs¬
ärzten Schuster, Seydel, Hummel, sowie von dem Stabs¬
ärzte Deichstetter und noch von eiuer Reihe anderer sehr
sclnitzenswerther Lehrkräfte an jüngere Sanitätsofficiere des
Friedensstandes in jährlich 2 Gursen mit von 2 auf 3 Monate ver¬
längerter Dauer und in einem dreiwöchigen Curse für Militärärzte
des Beurlaubtenstandes, an Letztere mit der durch die kürzere
Dauer gebotenen Einschränkung, in folgenden Fächern, vorzugs¬
weise in praktischer und militärischer Richtung, Unterricht er-
theilt: Hygiene mit Nahrungsmitteluntersuchungen — Bacteriologie
und lmmunisirung — die wichtigsten inneren Erkrankungen, inel.
Syphilis und Geisteskrankheiten — Chirurgie mit Operations¬
übungen — Augen-, Ohren- und Zahnheilkunde — Massage —
Organisation, Ausrüstung und Aufgaben der Sanitätsformationen
bei der Feldarmee, dem Etappen- und Eisenbahnwesen incl. der
Wirksamkeit der freiwilligen Krankenpflege. Hieran schliesst sich
die Etablirung eines Feldlazarethes und die feldmässige Uebung
eines Saultiitsdetachements. Ausser dem Operiren üben sich die
Theilnehmer des Curses auch in der Vornahme von Sectionen und
lernen die Vaccinegewinnung und die sanitären Einrichtungen der
Stadt München kennen.
Endlich wird noch seit einem Jahre ein sanitäts-tactischer
Curs von einem Stabsofticiere des k. Generalstabes gehalten, in
welchem zunächst Kartenlesen und Ivrokiren, dann die Organi¬
sation des Feldsanitätsdienstes in seinen Beziehungen zur Truppen-
fiihrung gelehrt werden und schliesslich im Vereine mit dem Vor¬
stande des Curses die Maussnahmen vorzugsweise der leitenden
Sanitätsofficiere bei der Vorbereitung zum Kriege, beim Auf¬
märsche und im Gange des Gefechtes, sowie bei dem Kranken-
und Verwundetentransport bis in die Heimath in einem durch
mehrere Tage fortgeführten Kriegsspiele, tlieilweise auch beim Be¬
gehen im Gelände, eine eingehende und sehr instructive Be¬
sprechung erfahren. Au diesem Curse nehmen auch je G obere
Militärärzte der Garnison München theil.
Während der Curspauseu finden bacteriologisch-mikro-
skopisclie Wiederholuugscurse und Operationsübungen statt und
fungiren die betreffenden Docenten als Ordinireiule ihrer Stationen
weiter. Ordnungsmässige Curse haben bis jetzt 142 stattgefunden
mit 672 Militärärzten, darunter 140 des Beurlaubtenstandes, als
Theilnehmern.
Diese mehr In ihrer äusseren Gestaltung geschilderte Fort¬
entwicklung des Operationscurses — die innere Thätigkeit w’urde
durch Exeellenz Generalstabsarzt Dr. v. Vogl im Jahrgang 1897
dieser Zeitschrift treffend dargestellt — hat derselbe zuvörderst der
Förderung von Seiten Höchster Stelle und der hohen Chefs der
Medieinalabtheilung des k. Kriegsministeriums zu verdanken,
welche als frühere Vorstände des Curses demselben wärmstes
Interesse entgegentrugen.
Die Thätigkeit und Leistungen des Operationscurses können
wohl nicht besser charakterisirt Averden als durch den einmfithigen
Ausspruch hoher und höchster Militärärzte der deutschen und öster¬
reichisch-ungarischen Armee und Marine, sowie fremdländischer
Armeen, welche gelegentlich der hiesigen Aerzte- und Natur-
forscherversnmmlung im vorigen Jahre den Operationscurs be¬
sichtigten: „Dass derselbe als Institut für Fortbildung der Militär¬
ärzte und als Untersuchungsstation soavoIiI der Vollkommenheit
seiner Einrichtungen als auch der segensreichen Wirkung für die
Armee nach einzig in seiner Art und als Musteranstalt dastehe“.
S.
Referate und Bücheranzeigen.
L. Edinger: Vorlesungen über den Bau der nervösen
Centralorgane des Menschen und der Thiere. Für Aerzte und
Studirende. VI., umgearbeitete und A r ermehrte Auflage. Leip¬
zig, Verlag von F. C. W. V o g e 1, 1900. 12 M.
Seit dem Erscheinen des E d i n g e r'schen Buches in seiner
V. Auflage sind nur wenige Jahre vergangen, allein auch in diesem
kurzen Zeitraum hat sieh das Wissen auf dem Gebiete der ner¬
vösen Centralorgane beträchtlich vermehrt, eine Thatsache,
welcher der Autor bei Bearbeitung der neuen Auflage in dankens-
Averthester Weise Rechnung getragen hat. Dass dies geschehen
ist, ohne dass das Werk in seinem Volumen eine bedeutende
Acnderung (es handelt sich nur um eine Vermehrung von
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44 Seiten) erfahren hat. verdient alle Anerkennung, denn es
spricht für eine kluge und zielbewusste Sichtung des grossen Ma¬
teriales, für eine zweckentsprechende Anpassung der Kernpunkte
an das ßediirfiiiss derjenigen Kreise, für welche Edinger ge¬
schrieben hat: für „Aerzte und Studirende“. In den Eiuzel¬
theilen scheu Avir vielfach die verbessernde Hand angelegt, so
namentlich im histologischen Theil, wo die neueren Unter-
suchungsresultate von A p ä t h y und B e t h e Berücksichtigung
finden. Dasselbe gilt auch für den vergleichend-anatomischen
Abschnitt, wo nicht unwesentliche Zusätze und Abbildungen, Avic
z. B. beim Haifisch- und Vogelgehirn, gemacht wurden, Verbesse¬
rungen, die durchweg auf eigenen, gründlichen Untersuchungen
beruhen. So sind auch die Abbildungen des I. und II. Theiles
von 123 Nummern der V. Auflage auf 147 vermehrt und am
Schlüsse des Buches noch 2 ehromo-lithographische Tafeln bei¬
gegeben worden, welche die Leitungsbahnen zwischen Medulla,
Medulla oblongata und Kleinhirn, sowie die Verbreitungsgebiete
der sensiblen Nerven in der äusseren Haut (nach Kocher)
darstellen. Sehr lehrreich sind u. a. auch die neu eingefügten
v. Kupf f e r’schen Kopfnervenbilder von Ammocoetes, sowie
die H e r r i k’schen von Menidia, kurz allerorts macht sich seitens
des Herrn Verfassers das Bestreben geltend, selbst Hand an-
zulegen, oder wo dies nicht immer möglich ist, den Fortschritten
der Neurologie durch kritische Sichtung und souveräne Beherr¬
schung des von aussen zufliessenden, gewaltigen Materiales ge¬
recht zu Averden.
So dürfen w r ir die VI. Auflage des E d i n g e r’schen Buches
mit lebhafter Freude begrüssen und dieselbe als eine Zierde
deutschen Fleisses und deutscher Gründlichkeit bezeichnen.
Freiburg i. B., Februar 1900. Wiedersheim.
Balf Wichmann: Die Bückenmarksnerven und ihre
Segmentbezüge. Ein Lehrbuch der Segmentaldiagnostik der
Rückenmarkskrankheiten. Mit 76 Abbildungen und 7 farbigen
Tafeln. 279 S. Berlin W. 30, Otto Salle, 1900. M. 12.—.
Theodor A r . Renz, bei dem W. mehrere Jahre Assistent
Avar, hatte sieh schon vor Jahren die Aufgabe gestellt, für jeden
Kürperinuskel und für jeden Hautnerven den Wurzelbezug, das
Rückenmarkssegment, zu bestimmen, um geeignetenfalls mit Aus¬
sicht auf Erfolg operativ Vorgehen zu können. Wie sehr ein
solches Lmtcrnehmcn berechtigt war, hat die Rückenmarks¬
chirurgie mit ihren Erfolgen inzwischen sattsam erwiesen. Renz
konnte seine Absicht nicht ausführen, Krankheit und Tod hin¬
derten ihn daran. Renz hatte nur aus den ihm zur Verfügung
stehenden anatomischen Atlanten und Lehrbüchern und unter
Verwerthung eigener Untersuchungen zusammengestellt, wie
sich die einzelnen Rückenmarksnerven zusammensetzen, wie sie
weiterhin verlaufen und welche (quergestreiften) Muskeln, welche
Llautpartien sic innerviren. Diese Notizen, von W. zeitgemäss
umgearbeitet, bilden den ersten Theil der vorliegenden Arbeit,
den anatomischen Theil.
Die klinische Seite der gestellten Aufgabe, welche Renz noch
nicht in Angriff genommen hatte und deren Bearbeitung somit
W. allein zufiel, bilden den zweiten Theil. Auf Grund eigener
Erfahrungen, sowie unter ausgiebigen Verwerthung der kli¬
nischen Beobachtungen Anderer, zeigt W., welche Lnnervations-
stürungen der Musculatur oder der Haut die Erkrankung eines
jeden einzelnen Rückenmarkssegments vom I. Cervicalsegment
herab bis zum V. Sacralsegment, nach sich ziehen kann. Dabei
bestätigt sich natürlich immer der bekannte Grundsatz, dass
jeder Muskel, abgesehen \ r on den kleinsten Wirbelsäulenmuskeln,
jedes llautgebiet am Rumpf und an den Extremitäten aus min¬
destens 2, oftmals 3 oder noch mehr Wurzeln des Rückenmarks
versorgt wird. Die Resultate, die sieh hierbei ergeben, stimmen
recht gut überein mit den auf dem rein anatomischen Wege ge¬
wonnenen Anschauungen.
Der dritte Theil gibt kurz, übersichtlich eine Zusammen¬
stellung der motorischen und sensiblen Ausfallssymptome bei den
Querschnittserkrankungen der einzelnen Rückenmarkssegmente;
er wird in Verbindung mit den anschaulichen Farbentafeln ein
brauchbarer und sehätzensAverther Führer bei der Segmental-
diagnose werden. E. Schultze - Bonn.
0t lax: Lehrbuch der Balneotherapie. 2 Bände, F. Enke,
1900. Preis geh. 24 Mark.
Ein A r ortref Hiebes, mit ganz ausserordentlichem Fleiss be¬
arbeitetes Werk, welches eine Lücke in der medicinisclien Lite-
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
831
ß. März 1900.
ratur auszufüllen bestimmt ist; in zwei starken Bänden gibt der
Verfasser eine wirklich meisterhaft zu nennende Darstellung
nicht nur der Balneotherapie im Allgemeinen, sondern auch spe-
ciell der Hydrotherapie, der Klimatotherapie und der Baineo¬
diätetik. Alle hierauf bezüglichen Fragen werden mit solcher
Gründlichkeit und wissenschaftlicher Kritik behandelt, dass dem
Arzte, der sich über die fraglichen Gebiete orientiren will, weitere
literarische Hilfsmittel entbehrlich werden; derjenige aber, der
sich eingehender mit den einzelnen Zweigen der Balneotherapie
beschäftigen muss, findet in den, jedem Capitol angefügten aus¬
führlichen Literaturverzeichnissen alle wünschenswertheil Auf¬
schlüsse.
Den ersten Band seiner Balneotherapie beginnt G1 a x
mit der Hydrotherapie; die meisten Wirkungen der Badecuren
gipfeln in der physiologischen Wirkung des Wassers auf die Haut,
in seinen thermischen, mechanischen und chemischen Reizwir¬
kungen. Die möglichst genaue Erkenntniss der physiologischen
und therapeutischen Wirkung des gewöhnlichen Wassers bei
innerer und äusserer Anwendung bildet nach G 1 a x die wissen¬
schaftliche Grundlage für die gesammte Heilquellenlehre. Schon
durch diese Anschauung allein documentirt das Lehrbuch von
G 1 a x seine Ueberlegenheit über andere balneologische Lehr¬
bücher. Der erschöpfenden Darstellung der Hydrotherapie folgt
die Balneotherapie im engeren Sinne, die Behandlung mit den
Heilquellen. Auch hier ist die physiologische Wirkung der Bäder
und Trinkeuren für den Verfasser der Ausgangspunkt seiner
Darstellung. Zahlreiche vergleichende Tabellen erleichtern die
Uebersieht über die chemischen und physikalischen Eigenschaften
der einzelnen Quellen. In dem Capitel Klimatotherapie finden
wir eine Schilderung aller derjenigen Factoren, welche beim
Klima von Einfluss auf den menschlichen Organismus sein
können, die Wirkung des Feuchtigkeitsgehalts der Luft, des Luft¬
drucks, der Wärme, der Besonnung, der Luftbewegung genau
berücksichtigend. Ein grosser Vorzug dieser und anderer Ca¬
pitel ist es, dass das Material in so übersichtlicher Weise geordnet
ist, dass es trotz der grossen Fülle an verarbeitetem Stoff sehr
leicht ist, sich über bestimmte Fragen zu orientiren.
Ganz besonderes Interesse, weil in der Art seiner Bearbei¬
tung originell und anregend, bietet der II. Band des G 1 a x’schen
Lehrbuches. Wenn der praktische Arzt die Hydrotherapie, die
Balneotherapie und Klimatotherapie etwas stiefmütterlich zu
behandeln pflegt, so hat dies vielleicht vielfach seinen Grund
darin, dass ihm ein Lehrbuch fehlte, in welchem er analog der
internen und chirurgischen Therapie für jede Krankheit genau
fixirte hydropathisehe und baineotherapeutische Indicationen
aufgestellt findet. Gerade diese Lücke füllt G 1 a x in wirklich
dankenswerther Form durch den I. Theil seines II. Bandes, die
baineotherapeutische Klinik aus.
Sämmtliche der Balneotherapie und ihren Abtheilungen zu¬
gänglichen Krankheiten werden namentlich aufgeführt; die
Indicationen für die verschiedenen baineotherapeutischen Maass¬
nahmen werden festgestellt, die physiologische Wirkung der em¬
pfohlenen Therapie kritisch erörtert und genaue Vorschläge ge¬
macht, welche hydropathisehe Proceduren, welche Badeorte,
welches Klima, welche Trinkcuren unter bestimmten Verhält¬
nissen bei der betreffenden Krankheit zu empfehlen oder zu wider-
rathen sind; dieser Abschnitt des Buches allein würde genügen,
um dasselbe jedem Praktiker warm zu empfehlen. Sehr werth-
voll ist auch der 2. Theil des II. Bandes, die Balneographie.. In
diesem Theil gibt der Verfasser in prägnanter Kürze alles wissens-
werthe über sämmtliche einigermaassen bekannte Curorte, Bäder,
Anstalten; dieser Theil ersetzt die vielen Bäderalmanache und
Führer durch die Curorte, deren Bestehen meist auf eine Com¬
bi nation buchhändlerischer Speculanteii und annoncenzahlender
Interessenten zurückzuführen ist und somit keine grosse Garantie
für Vollständigkeit und Richtigkeit gewährt. Es wäre nur
empfehlenswerth gewesen, wenn G 1 a x diesen Theil als selbst¬
ständigen Anhang angefügt hätte, der jedes Jahr in neu revidirter
Ausgabe zu erscheinen hätte, da gerade bei diesem Theil eine
sehr rasche Entwerthung zu befürchten ist. Vielleicht kann Ver¬
fasser bei einer 2. Auflage, die bei den grossen Vorzügen des
Buches nicht lange auf sich warten lassen wird, eine derartige
Trennung des wissenschaftlichen Theiles vom baineographischen
veranlassen. Die Ausstattung des Buches ist eine vortreffliche.
R. v. Hoesslin - Neuwittelsbach.
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Stereoskopischer medicinischer Atlas, lierausgegeben von
N e i s s e r. 32. Lieferung. Gerichtliche Medicin, 4. Folge,
redigirt von L e S S e r. Leipzig. J. A. Bart h. Preis 5 M.
Die Empfehlung der 1. bis 3. Folge (siehe diese Wochen¬
schrift 1899, S. 866) gilt in jeder Beziehung auch für die vor¬
liegende 4. Folge, welche auf 12 Tafeln mit begleitendem Text
Erkrankungen, sowie prae- und postmortale
Verletzungen des Halses behandelt. Die erste Tafel
enthält Abbildungen von angeborenem, nach der Ansicht
Lesse r\s vor Beginn der Geburt acquirirtem Larynxoedem, die
nächste illustrirt das postmortal entstandene Larynxoedem eines
Ertrunkenen und die dritte eine primäre Phlegmone des Kehl¬
deckels, welche nach kurzer Erkrankung plötzlich zum Tode
führte. Dem Texte zu den beiden nächsten Tafeln, welche
Blutungen im Rachen und Kehlkopfe in Folge Würgens abbilden,
schickt L. Bemerkungen über die Verletzung von Halsorganen
bei ärztlichen Hilfeleistungen voran. 5 weitere Tafeln bilden
experimentell nach dem Tode mit einem runden hölzernen
Hammer erzeugte Verletzungen der Halsorgane ab; auffallend
und wichtig ist das postmortale Entstehen von Blutungen in den
verschiedenen Schichten des Halses. Die beiden letzten Bilde* 1
stellen eine Pharyngitis crouposa nach Einwirkung von Kali¬
lauge und eine katarrhalische Pharyngitis, croupöse Laryngitis
und Tracheitis nach Trinken einer 50 proc. Chlorzinklösung dar.
Dr. Carl Becker.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medicin. XXXIX. Bd., 3. u. 4. Heft.
10) Pappenheim - Königsberg: lieber Lymphaemie ohne
Lymphdrüsenschwellung. (Ans (1er med. Klinik von Professor
L i c h t h e i m.)
An der Hand zweier Krankengeschichten wird die Pathogenese
der lymphatischen Leukaemie erörtert und die N e u m a n n'sclie
Ansicht vertreten, dass jede Art von Leukaemie, auch die lym¬
phatische, Folge einer hyperplastischen Knochenmarks Wucherung
ist. Befällt der krankhafte Wachsthumsreiz zuerst oder allein die
Milz oder Lymphdrüsen, so resultirt bloss Pseudoleukaemie.
Die Biermer’sche (essentielle pernieiöse) Auaemie beruht
nicht auf primärer plastischer Markveräuderung, sondern auf pri¬
märer Bluterkrankung, die man Im Gegensatz zu anderen schweren
Anaemien als „kryptogenetische“ Anaemie bezeichnen könnte, mit
secundärer ungenügender Blutneubildung im Knochenmark.
11) Hladik-Wieu: Zur Kenntniss der Alkaleszenzbestim-
mung in kleinen Blutmengen. (Aus dem k. k. Garnisonsspital,
Abtheilung des k. k. Stabsarztes P i c k.)
Zu kurzem Referate nicht geeignet.
12) Stniuss: Untersuchungen über alimentäre, „spon¬
tane” und diabetische Qlykosurien unter besonderer Berück¬
sichtigung des Kohlehydratstoffwechels der Fiebernden und
der Potatoren. (Aus dem städt. Krankenhaus Frankfurt, Prof.
a . N o o r d e n.)
Gründliche Untersuchungen der Zuckerausscheidung nach Dar¬
reichung von 100 g Zucker oder einer entsprechenden Menge von
Stärke (107 g Weissbrod oder 120 g Reis) ergaben Folgendes:
Bei 12 zu alimentärer Glykosurie disponirten Fällen Hess sich
neben Glykosurie nach Zuckerdarreichung 8 mal auch solche nach
Stärkedarreichung erzielen. Die in diesem Falle ausgeschiedene
Zuckermenge blieb aber -weit hinter der nach Zuckerdarreichung
zurück, und dauerte auch kürzere Zeit an. Längere Zeit an¬
haltende Kohlehydratdarreichung setzte die Toleranz für Kohle¬
hydrate relativ häufig herab, ein Verhalten, das die alimentäre
Glykosurie dieser Versuchspersonen als verschieden von der
„physiologischen Glykosurie“ erscheinen lässt.
Die Glykosurie dreier Diabetiker wurde im Gegensatz zu den
Beobachtungen anderer Autoren durch Stärkedarreichung mehr
gesteigert als durch Zuckerdarreichung.
Bei 5 Fieberkranken konnte das Auftreten alimentärer Gly¬
kosurie nicht bloss „e saccharo“ sondern auch „ex amylo“ con-
statirt w r erden.
Bei einer grossen Zahl von Potatoren fand sich Disposition
zu alimentärer Glykosurie, so lange sie unter dem directen
Einfluss des Alkohols standen, ln der Abstinenzzeit verschwand
sie. In 5 (von 20) Fällen bestand bei Alkoliolexcessen „spontane
Glykosurie“ (Zuckeraussclieidung nach gemischter Nahrung). In
wie Aveit hiebei reine Alkoholwirkung in Frage kommt, in Avie weit
eine bestehende Polyurie, die Schädigung des Nervensystems oder
specifische Stoffwechselvorgänge bei Deliranten ist noch nicht zu
entscheiden.
Bei einem zu alimentärer Glykosurie disponirtem Alkohol¬
epileptiker wurde die Toleranz für Kohlehydrate direct nach einem
epileptischen Anfall als erhöht gefunden.
Verfasser ist geneigt, die alimentäre Glykosurie ex amylo von
der e saccharo nicht principiell, sondern nur graduell Abschieden
anzunehmen und beide als mildeste Erscheinungsformen einer echt
diabetischen Glykosurie aufzufassen.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
332
No. 10-
MÜNCHENKE MEIUCIN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
13) W e li e k e b a c h - Utrecht: Zur Analyse des unregel¬
mässigen Pulses. (Fortsetzung von Bd. 37, p. 475.) III. Ueber
einige Formen von Allorhythmie und Bradycardie. (Mit 1 Tafel.)
Unter Allorhythmie versteht man die regelmässige Wieder¬
kehr von Unregelmässigkeiten in einer rhythmischen Bewegungs¬
form. Echte Ilerzallorliythmien — der Pulsus paradoxus rührt von
einem Einfluss der Athmung her und gehört nicht hielier - sind
der Pulsus alternans und higeminus. Die lntermissionen, welche
in diesem Falle nach jedesmal 2 Pulsscldiigen Auftreten, können
sich auch häufen, es können 2, 3 und noch mehr Intermissiouen
auf einander folgen. Tritt endlich nach jeder Pulswelle eine Inter¬
mission auf, so entsteht eine reine Bradycardie. Eine noch stärkere
Abnahme des Leitung«Vermögens für motorische Reize, Ausfallen
von 2 oder 3 Systolen, liegt in der Stokes-Ada m s* scheu
Krankheit vor (anfallweises Auftreten excessiver Bradycardie).
Einige Fälle von intormittirendem Puls und Bradycardie werden
spliygmogrnpliiseh analysirt.
14) Suleiman B e y - Constantiuopel: Zur physiologischen
Chemie der Pentosen und Methylpentosen. (Aus der I. med.
Klinik Berlin, Geh. Rath v. Leyden.)
Besprechung einiger neuer Verbindungen der Pentosen, ihrer
Reindarstellung als Baryiimdipeutosate und ihrer Trennung von
Rhamnose (einer Methylpentose).
15) Axel Johannesse n : Ueber chronischen Gelenk¬
rheumatismus und Arthritis deformans im Kindesalter. (Mit
1 Tafel.) (Aus der paediatr. Klinik Christianin.)
Nach einer Einleitung, in der die historische Entwicklung der
Diagnostik der chronischen Gelenkkrankheiten dargestellt wird,
bringt Verfasser 3 ausführliche Krankengeschichten, die durch
Curven, Photographien und Röntgenogramme illnst rirt sind und auch
zum Theil Stoffwechselversuche und Bestimmungen der Phosphor¬
säureausscheidung enthalten. Die Fälle sind ein werthvoller Bei¬
trag zur Differentialdiagnostik der Arthritis deformans und des
chronischen Gelenkrheumatismus.
10) B u r m i n - Moskau: Die Alkaleszenz des Blutes bei
einigen pathologischen Zuständen des Organismus.
Verminderung der Blutalkalesceuz findet sich vor Allem bei
Chlorose, dann bei den verschiedensten anderen Krankheiten, meist
— aber durchaus nicht immer — solchen, die mit Anaemie einher¬
gehen. Nach Trinken von Vichywasser wurde Steigerung der Blut-
alkalescenz beobachtet.
17) Kritiken und Referate.
K e r s c h e n s t e i n e r - München.
Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie.
Band III, Heft 8. 1900.
1) Heinrich K i s c h - Prag-Marieubad: Die diätetische Be¬
handlung der Frauen im Alter der Menopause.
Bei den Beschwerden des Klimakteriums, deren Ursache theils
in Circulationsstörungen mit dem Charakter der Blutstockung
und Blutwallung, theils in Affectionen des Nervensystems mit den
Symptomen leichter Sensibilitätsstörungen, Neuralgien und selbst
psychischer Erkrankungen zu suchen ist, fällt der Ernährungs-
therapie eine dankbare Aufgabe zu.
Iv. verbietet Im Allgemeinen jede Ueberernährung. Die Diät
muss reizlos sein, am besten bestehend in einer gemischten Kost.
Alkohol, starker Kaffee und Tliee Ist zu vermeiden, viel Wasser¬
genuss empfehlenswerth. Die Mahlzeiten sollen nicht zu reichlich,
aber öfters genommen werden.
Bei Neigung zur Fettleibigkeit ist eine gelinde, entfettende
Verordnung angezeigt.
Auf die Regulirung der Darmthätigkeit ist grosses Gewicht
zu legen.
Bei sehr gesteigerten klimakterischen Beschwerden ist eine
nicht zu streuge Milchdiät indicirt.
Nervösen Erregungszuständen gegenüber erweisen sich warum
Bäder als zweckmässig.
2) F. Butter sack: Der Werth der Beschäftigung in der
Krankenbehandlung. (Beschäftigungstherapie.) (Aus der I. medi-
einischen Klinik zu Berlin.)
Mit bewunderungswürdigen medicinisch-historisclien Kennt¬
nissen sucht B. sowohl von physiologischen wie psycho¬
logischen Gesichtspunkten aus in einer sehr lesenswerthen Ab¬
handlung den Beweis zu erbringen, dass eine stärkere Betonuug der
psychischen Behandlung, namentlich aber eine rationelle Be¬
schäftigung und psychische Ablenkung der Kranken eine nicht zu
unterschätzende Aufgabe der Therapie ist, während wir bisher uns
bei der die gesummten Functionen des Organismus lierabstim-
menden Langweile eines grossen Vortheils iu der Behandlung von
Kranken und Reconvalescentcn begaben.'
Verfasser schildert dauu den auf seiner Station mit Erfolg
eingeführten Modus der Krankenbesehäftiguug.
3) Basler- Tübingen: Die blutreinigende Diät bei Galen
(n cgi Xertrw o »* arje dtaltijf.)
„Erst durch die Erforschung der Vergangenheit lernen wir das
Neue verstehen.“
Von diesem aus dem Chinesischen stammenden Spruche ge¬
leitet entrollt uns B. auf Grund eingehenden Quellenstudiums ein
Bild von den physiologischen, pathologischen und pharmako-
dynamischen Anschauungen der Alten.
4) A. F r e y - Baden-Baden: Die Heissluftdouche und ihre
Bedeutung in der Aerotherapie.
Verfasser beschreibt einen von ihm construirten elektro¬
motorisch functionirenden Apparat, mit dem man jeden beliebigen
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Körpertheil einem genau regulirbarem Strome heisser und auch
kalter Luft aussetzen kanu.
Diese Vorrichtung hat abgesehen von der bequemen Art der
Anwendung vor den übrigen Heissluftapparaten den Vorzug, dass
unter dem Einflüsse der stark zuströmenden und dadurch fort¬
während erneuerten heissen Luft die Wärmezufuhr auf der be¬
handelten Stelle ungleich grösser ist, als bei der Einwirkung nicht
so bewegter Luft.
Unter der Hitzeeinwirkung tritt zuerst Blässe, dann starke
Hyperaemie, Succulenz, Schlaffheit und Volumenszunahme des
betreffenden Körpertheiles ein. Mit der Hauttemperatur steigt da¬
selbst die Schweisssecretiou. In Folge der Erschlaffung der Haut¬
decken tritt eine Erweiterung der tiefergelegenen Blut- und Lyrnph-
bahnen ein.
Eine gerade unter diesen Bedingungen gleichzeitig mit der
Luftdouche geübte Massage hat sich dem Verfasser bei alten rheu¬
matischen und gichtischen Veränderungen, Neuralgien vorzüglich
bewährt.
5) August lt i c li t e r - Münster: Beiträge zur Behandlung
des chronischen Magengeschwürs.
Im Anschlüsse an die Mittheilung eines casuistisehen Falles
schwerer Magenblutung bei einer Bluterin bespricht Verfasser die
von ihm in Fällen von Magengeschwüren (Ungeschlagene Therapie:
speciell in dem erwähnten Falle hat Verfasser eine längere Zeit
fortgesetzte, aber immer wieder periodenweise durch Milchzufuhr
per os unterbrochene, rectale Ernährung mit bestem Erfolge
angewendet.
0) A. Brasch-Bad Kissingen: Ueber die chemische Con¬
stitution und Wirkung der anorganischen Salzlösungen nach
den Theorien der modernen Chemie.
Verfasser vertritt die Ansicht, dass die Wirkung anorganischer
Salzlösung, wie der Mineralwässer, nicht lediglich wie bisher vom
elementaranalytisehen Standpunkt aus betrachtet werden darf,
sondern dass bei der Erforschung ihres Einflusses auf den mensch¬
lichen Organismus vor Allem «las physikalisch-chemische Verhalten
derselben einer eingehenden Würdigung bedarf.
Nach neueren Untersuchungen nämlich beruhen sämmtliche
Reactionen anorganischer Salzlösungen auf der elektrolytischen
Dissociat ionskraft ihrer Molecule, welche im umgekehrten Verhält¬
nis» zur Uoncentration der Lösungen steht. Die Concentrations-
einheit zu vergleichender Flüssigkeiten ist aber keine willkürliche,
sondern muss dem Aequivalentgewichte des betreffenden Salzes
entsprochen.
B. sucht nun zu beweisen, dass die Resorption dieser Lösungen
im Magendarmciinal und die Wirkung auf die Körperfuuctiouen
von der Anzahl und Beschaffenheit der durch elektrolytische
Dissocial Ion entstehenden freien Moleciilo — Jonen — ab¬
hängig ist.
Auf Grund dieser Voraussetzungen glaubte er sich in theore¬
tischer Deduction zu einem Vergleiche der therapeutischen Wirkung
des Kissingor Rakoczy mit der des Karlsbader Sprudels berechtigt.
M. W a s s e r m ann - Berlin.
Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 6, 7 u. 8.
No. (». L. Hofbauer: Ueber das Vorkommen jodophiler
Leukocyten bei Blutkrankheiten. (Aus der II. med. Klinik in
Wien.)
Nur in den schweren, prognostisch ungünstigeren Fällen
(Anaemia gravis und perniciosa) Anden sieh jodopliile Leukocyten.
während iu den leichteren Fällen (Chlorose, Anaemie etc.) dieselben
fehlen. Bis zu einem gewissen Grade scheint die Intensität der
Jodreactiou der Schwere der Erkrankungen parallel zu gehen, in¬
dem einerseits bei der pernieiösen Anaemie und den ad exitum
führenden Fällen von Anaemia gravis gegen das Lebensende zu
die jodempfiudliehen Leukocyten erst auftreten, resp. an Zahl zu¬
nehmen und auch ausgesprochenere Färbung aufweisen, anderer¬
seits bei Uebergang einer Anaemia gravis iu Heilung die Jod-
reaetion zeigenden Leukocyten aus dem Blute verschwinden. Es
kommt mithin der Jodreactiou im Blute Anaemiseher nicht bloss
eine differentialdiagnostische, sondern auch bis zu einem gewissen
Grade eine prognostische Bedeutung zu.
Bei der Leukaemie ist die Jodreaction der Leukocyten positiv,
bei der Tseudoleukaemie und Anaemia pseudoleukaemiea in¬
fantum negativ.
No. 7. G. R o s e n f e 1 d - Breslau: Untersuchungen über
Kohlehydrate. (I. Mittheilung.)
Verfasser berichtet über Versuche, welche Veränderungen
einige bisher wenig studirte Alkohole, Säuren und Derivate im
Organismus erfahren. (Hexosen, Hexite. Pentacetylderivate.)
Die Ergebnisse sind Im Original nachzusehen.
No. 8. Jul. A. Grober: Quantitative Zuckerbestimmungen
mit dem Eintauchrefractometer. (Aus der medicinischen Klinik
in Jena.)
Vergl. das Referat iu No. 8, S. 302. W. Zinn- Berliu.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 8.
1) A. F li n k e - Strassburg 1. E.: Belastungstherapie bei
Retroflezio uteri gravidi.
F. empfiehlt die schon früher von ihm gegen chronisch-ent¬
zündliche Beekenorganaffectionen und Lageveränderungen ver¬
wendete Belastungstherapie mittels Schrotbeutel oder Queeksilber-
kolpeurynter auf Grund von 5 Fällen auch zur Beseitigung des
retroflectirten schwangeren Uterus. Im letzten Falle war schon
nach einer halben Stunde der Uterus vollkommen aufgerichtet.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
333
Als Vortheile der Methode nennt F. Sicherheit, Unschädlich¬
keit und Entbehrlichkeit der Narkose.
2) O. Schaef fer - Heidelberg: lieber Zerreissung des
Scheidengewölbes sub coitu und andere seltenere Cohabitations-
verletzungen.
Die zuerst erwähnte Verletzung beobachtete Sch. bei einer
40 jährigen hysterischen I. Para, die an Vaginismus und Pruritus
litt Der Riss, 2y 3 cm tief und 4 cm lang, sass rechts in der
Scheide und befand sich unter der Basis des rechten Lig. latum.
Umstechung und Naht der Wunde. Während der Operation trat
plötzlich eine allgemeine Urticaria auf. Heilung.
Von sonstigen CohabitationsVerletzungen erwähnt Sch. die oft
zufällig gefundenen Narbeusträuge im oberen Tlieil der Scheide,
die besonders bei auaemischen und decrepiden Frauen Vorkommen
und von denen Sch. 5 Fälle citirt. Ferner berichtet Scli. über die
I.osreissung der hinteren Basis des Hymens und Verletzungen des
rectovaginaleu Septums, endlich über Verletzungen vorderer Com-
missurentheile, vor Allem der Nymphen, die in Verbindung mit
einem abnorm resistenten Hymen stehen.
Alle diese Verletzungen haben speeiell auch ein forensisches
Interesse; es soll bei derartigen Untersuchungen ausser der In-,
spection noch auf Krampferscheinungen der Beckeiibodenmuscu-
latur au der nicht narkotisirten Patientin geachtet werden.
3) M. Sperling - Königsberg: Wöchnerinnenasyl und Re¬
form der Geburts- und Wochenbettshygiene.
Sp. schlägt als Bindeglied zwischen den Wöchueriunenasylen
und den Hebammen die Einführung geburtshilflich antiseptisch ge¬
schulter Helferinnen vor, die sich aus den gebildeten Ständen re-
crutiren und als Hauspflegerinneu fungiren sollen. Nähere Ein¬
zelheiten mögen im Original nachgelesen werden.
J a f f 6 - Hamburg.
Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten.
Bd. XXXII, Heft 3.
Ascher: Untersuchungen von Butter und Milch auf
Tuberkelbacillen.
27 Proben Butter von 22 Entnahmestellen in Königsberg
liessen 2 mal Tuberkelbacilleu bei Thierimpfung auffinden, nie
die tuberkelbacillenähnlichen Stäbchen. Von 17 Milchuntersuch¬
ungen war eine positiv. Bei den Untersuchungen wurde stets
Milch verwendet, die bei den ersten Melkstrichen erhalten war.
W. Hesse: Die Typhusepidemie in Löbtau im Jahre 1899.
Die Epidemie wurde anf die Infection der einen städtischen
Wasserversorgung zurückgeführt. Die Krankheit beschränkte
sich fast durchaus auf dieses Gebiet der Stadt. Im Wasser
wurden keine Typhusbacterien aufgesucht, aber die Gruber-
W i d a l’sche Probe sehr brauchbar zur Diagnose zweifelhafter
Typhusfälle gefunden.
Gerda Troeli-Peterson: Studien über saure Milch
und Zähmilch.
Die Verfasserin referirt ihre Arbeit wie folgt: Der in Schweden
gewöhnlich vorkommende Erreger der spontanen Milchgerinnung
zeigt mit den von S t a r c k in Dänemark, Günther und Thie r-
felder, Leichmann und W e i g m a n n in verschiedenen
Theilen von Deutschland studirten Sauermilchbacterien so grosse
Uebereinstimmung der Eigenschaften, dass ich es für berechtigt
halte, die betreffenden Bacterien als eine Collectivart zu be¬
trachten, die ich nach Leichmann Bacterium lactis acidi
nenne. Das Bacterium der schwedischen Zähmilch, Langmilch
(„langmjölk“ oder „tätmjölk“), Bacterium lactis longi, ist mit dem
Bacterium lactis acidi nahe verwandt. Es unterscheidet sich von
diesem, so viel durch meine Untersuchungen ermittelt worden
ist, nur biologisch und zwar besonders durch die eigenthümliche
Art von Gährung, welche in Milch und in gewissen anderen
zuckerhaltigen Nährböden hervorgerufen wird.
Reinculturen vom Bacterium lactis acidi wie vom Bacterium
lactis longi erzeugen in steriler Milch eine Milchsäuregährung,
wobei die rechtsdrehende Form der Milchsäure gebildet wird.
Die Intensität dieser Gährung wird in beiden Fällen von der
Gegenwart de^ Sauerstoffes nicht beeinflusst.
Heinrich Winterberg: Untersuchungen über das
• Typhusagglutinin und die agglutinirbare Substanz der
Tuberkelbacillen.
1. Das Typhusagglutinin wird durch absoluten Alkohol zu¬
sammen mit den Eiweisskörpern vollkommen gefällt und bei
längerer Einwirkung des Alkohols theilweise oder vollständig
vernichtet.
2. Durch Neutralsalze kann das Typhusagglutinin aus seinen
Ixisungen mehr oder weniger vollständig ausgesalzen werden, wo¬
bei im Allgemeinen ein den Globulinen ähnliches Verhalten zu
constatiren ist. Doch bestehen hinreichende Unterschiede, weiche
gegenüber der Gesammtheit der al£ Globuline bezeichneten Körper
eine Differenzirung gestatten. Einzelne dieser Salze sind im
Stande, das Typhusagglutinin beträchtlich zu schädigen oder zu
zerstören.
3. Aehnlich wirken die Salze der Schwermetalle, welche das
Typhusagglutinin fällen, wobei aber letzteres im Ueberschusse
des Fällungsmittels wieder in Lösung geht
4. Gegenüber der Einwirkung von Säuren oder Alkalien ist
das Typhusagglutinin ausserordentlich empfindlich.
5. Eine Verdauung desselben durch thierische oder pflanzliche
Verdauungsfermente ist nicht nachweisbar.
6. Auch eine Reihe von zum Theil kräftige proteolytische
Enzyme producirender Bacterien vermögen das Typhusagglutinin
nicht zu zerstören.
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7. Bei der Dialyse verhält sich das Typhusagglutinin wie
andere colloide Stoffe.
8. Die agglutinirbare Substanz ist in absolutem Alkohol nicht
löslich.
9. Die Entstehung des Typhusagglutinius im Thierkörpet* ist
abhängig von der Einverleibung der in Alkohol unlöslichen Theile
der Typhusculturen, auch wenn letztere keimfrei gemacht worden
sind.
Emil Gotschlich: Ueber wochenlange Fortexistenz
lebender virulenter Pestbacillen im Sputum geheilter Fälle von
Pestpneumonie.
Die 3 vom Verfasser genau untersuchten Fälle beweisen voll¬
kommen, wie gefährlich lange Zeit hindurch geheilte Fälle von
Pestpneumonie für die Umgebung sein können unter der Voraus¬
setzung , dass die Virulenz für Menschen die gleiche ist wie für
Meerschweinchen.
Alfons Fischer: Welchen praktischen Werth hat die
W i d a l’sche ReactionP
Die Arbeit gipfelt in dem Satz: Nach den in der Literatur vor¬
liegenden ein wandsf reieu Mittheilungen, sowie nach meinen eige¬
nen Erfahrungen, ist dieWidal’sche Reaction zwar ein beim Typhus
abdominalis häufig verkommendes Phänomen, es ist ihr aber nur
der Werth eiues Symptomes, nicht einer differentialdiagnostisch
entscheidenden Probe beizumesseu.
M e w i u s : Die W i d a l’sche Reaction und der Abdominal¬
typhus.
Der Verfasser wünscht möglichste Ausdehnung der Prüfling
der Typhusfülle, vor Allem auch der typhusverdächtigen Fälle
nach der W i d a l’schen Reaction. Er verlangt Uutersuchungs-
äinter, die den Kreismedicinalräthen unterstellt sein sollen.
Warum keine Vermehrung der Hilfskräfte der hygienischen In¬
stitute?
Fritz Schanz : Der sogenannte Xerosebacillus und die un¬
giftigen Löffle r’schen Bacillen.
Der Autor sucht zu beweisen, dass die Xerosebaciilen nichts
anderes als ungiftige Löffle r’sche Bacillen seien.
S 1 a w y k : Ein Fall von Allgemeininfection mit Influenza¬
bacillen.
„Der ganze Körper war von Bacillen durchsetzt, am stärksten
war Gehirn und Rückenmark befallen.“ Bei der Section fanden
sich keine anderen Infectionserreger als Influenzabacillen.
Rudolf Abel und Paul Buttenberg: Ueber die Ein¬
wirkung von Schimmelpilzen auf Arsen und seine Ver¬
bindungen. Der Nachweis von Arsen auf biologischem Wege.
Die ausführliche und eingehende Arbeit, welche auch die ge¬
summte Literatur berücksichtigt, bestätigt die in neuerer Zeit
mehrfach studirte hohe Empfindlichkeit des biologischen Arsen¬
nachweises durch den Geruch nach Arsen Wasserstoff resp. orga¬
nischen flüchtigen Arsenverbindungen. Llan mischt die zu unter¬
suchende Substanz mit sterilisirtem Brotpulver, befeuchtet das
letztere, und säht Schinimelsporen — am besten von Penicillium
brevicaule aus. Minimale und sehr grosse Arsenmengen sind
durch den Geruch einwandfrei zu erkennen, alle üblichen Arsen-
verbindungen noch, wenn nur l / 100 mg Arsen anwesend ist, nur
metallisches Arsen erst bei y 10 . Die Methode erwies sich in
manchen Fällen sogar feiner als die empfindlichen chemischen
Prüfungsmethoden. Kein anderes Element lieferte ähnlichen Ge¬
ruch, die Methode erlaubt sehr viele Bestimmungen gleichzeitig
anzusehen und gibt nach 24 Stunden im Brutschrank ein sicheres
Resultat. Sie ist also für die Praxis sehr empfehlenswerth. Eine
deutliche Giftigkeit der offenbar nur in Spuren entwickelten arsen¬
haltigen Gase liess sich nicht darthun, sie eignet sich auch nicht
zu Quantitativen Untersuchungen.
K. B. Lehmann -Würzburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 9.
1) E. G r a w i t z - Berlin: Die klinische Bedeutung und ex¬
perimentelle Erzeugung körniger Degenerationen in den rothen
Blutkörperchen.
Cfr. Referat hierüber pag. 168 der Münch, med. Wochenschr.
1900.
2) A. Winternitz - Tübingen: Bacteriologische Unter¬
suchungen über den Keimgehalt und die Sterilisirbarkeit der
Bürsten.
Besonders Schleich sprach sich in letzter Zeit gegen die
Verwendung von Bürsten aus, wesshalb W. neue Untersuchungen
über dieses Thema anstellte. Nicht sterilisirte Bürsten erwiesen
sich immer als keiinhaltig; Verfasser hat nun Bürsten künstlich
mit Bacterien beladen, dieselben dann 10 Minuten lang in 1 proc.
Sodalösung ausgekocht, w*obel sich ergab, dass sie in allen ihren
Theilen keimfrei geworden waren. Ausgekochte Bürsten bleiben
in 1 proc. Sublimatlösung aufbewahrt steril.
3) J. H e 11 e r - Charlottenburg: Beiträge zur Syphilis der
Zungentonsille.
H. hat 205 Fälle secundärer Syphilis auf das Vorhandensein
syphilitischer Veränderungen der Zungeutonsille untersucht und
constatirte solche sicher in 9,7 Proc., häufiger bei Frauen als bei
Männern. Die Plaques der Mundschleimhaut sind 5 mal so häufig
wie die der Zungentousille. Am häufigsten fanden sich zahlreiche
Papeln auf letzterer, die aber nie subjective Beschwerden ver¬
ursachten. Der specifisclien und localen Therapie widerstanden
diese Papeln lange Zeit; wirkungslos waren Jodpräparate. Die
glatte Atrophie der Zungentonsille stellt Verfasser in eine gewisse
Parallele zum Ausfall der Kopfhaare bei secundärer Lues. Die Er¬
krankung kommt übrigens auch bei tertiärer und hereditärer
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Ko. 10.
384
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Syphilis vor. Die Diagnose ist zu stellen durch Spiegeluntersuchung
und hauptsächlich mittels Palpation mit dem Finger. Die glatte
Atrophie der Zungentonsille ist durchaus kein pathognomonisches
Zeichen für Syphilis, doch steht letztere nach den anatomischen
Befunden sicher in Beziehung zu der Affection.
4) P. B a u m g a r t e n - Tübingen: Zur Lehre von den natür¬
lichen Schutzmitteln des Organismus gegenüber Infectionen.
Der umfängliche, „zugleich als Antwort an Herrn Professor
II. Büchner“ dienende Artikel eignet sich nicht zu kurzem Aus¬
zuge. Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 8.
1) Max A uerbach: Das Olive r-C ardarell i’sche
Symptom bei zwei Fällen von Mediastinaltumor. (Aus der ersten
innen.!. Abtheilung des städtischen Krankenhauses am Urban
in Berlin.)
Systolisches Abwärtspulsiren des Kehlkopfs wurde bekannt¬
lich von Oliver und Canlarelli als charakteristisches Sym¬
ptom eines Aneurysmas des Aortenbogens bezeichnet. Unter ge¬
wissen Verhältnissen kann dieses Symptom aber auch bei anderen
Mediastinaltumoren zu Stande kommen, wie Fraenkel schon
früher nachgewiesen hatte und wie auch die beiden hier beschrie¬
benen Fälle: primäres Magencarcinom mit Metastasen in den
mediastinalen Lymphdrüsen und Bronchialen rcinom ebenfalls
mit Metastasen, bestätigen.
2) Hans H e r z - Breslau: Heber die active Dilatation
des Herzens. (Schluss folgt.)
3) J. Boas-Berlin: Erfahrungen über das Dickdarm-
caicinom.
(Schluss aus No. 7 der Deutsch, med. Wochensclir.)
Referat siehe diese Wochenschr. 1899, No. 49, pag. 1662.
4) W. Nathan- Elberfeld: lieber die Aufnahme und Aus¬
scheidung des Eisens der Eisensomatose im thierischen Or¬
ganismus.
Aus den Untersuchungen, welche durch eine Tafel mit mikro¬
skopischen Abbildungen sehr schön illustrirt sind, geht hervor,
dass bei Darreichung von Eisensomatose eine sehr starke Re-
soiption durch die Zotten und Lymphstrünge im Dünndarm statt¬
findet. Eine Aufnahme von Eisen durch die Gefässbahnen ist
ist zwar nicht direct nachweisbar, doch sehr wahrscheinlich. Im
Dickdarm konnte ebenfalls eine deutliche Ausscheidung von Eisen
durch die Leukoeyten constatirt werden.
5) II a b e r m a n n - Wismar: Mittheilungen aus der Praxis
über Aspirin.
6) F. Reiche: Beiträge zur Statistik des Carcinoms.
(Schluss aus No. 7 der Deutsch, med. Wochenschr.)
F. Lacher- München.
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg.
No. 4.
Johannes S e i t z - Zürich: Darmbacterien und Darmbacterien- I
gifte im Gehirn. (Schluss folgt.)
Tavei-Bern: 2 Fälle von Tetanus, mit Antitoxin be¬
handelt. (Mittheil, aus dem Institut zur Erforschung der Infec-
tionskrankheiten in Bern.)
Ein sehr acuter Fall blieb, wie erwartet, unbeeinflusst, ein
etwas chronisch verlaufender wurde geheilt (Koche r’s Klinik).
R i n g i e r - Zürich: Der heutige Standpunkt der Hypnoti¬
seure. Einige Worte zur Erwiderung an Dr. D u b o i s. (Cf.
letzte Nummer des Corr.-Bl.)
Verwahrung gegen D u b o i s’ Urtheil über die „modernen
Hypnotiseure“.
Von Interesse ist („cautonale Correspondenzen“) die Eingabe
des Graubündnerischen Aerztevereins an die Regierung gegen die
Praxisbewilligung an Ausländer. Pise hinge r.
Dermatologie und Syphilis.
Hallopeau spricht sich in einer zweiten Mittheilung über
Pyodermite v6g6tante (suppurative Form der Neuraau u’sehen
Krankheit) [Arch. f. Dermat. u. Syph. 45, 3] unter anderem sich
stützend auf den weiteren Verlauf des von ihm beobachteten Falles,
hinsichtlich der Stellung dieser Fälle im System dahin aus,
«lass der Pemphigus vegetans N euma n n’s eine Krankheit sui
g«»neris sei, die mit wirklichem Pemphigus nichts zu thuu hat; er
schlägt daher auch vor, insolange Ursache und Wesen dieser Er¬
krankung noch nicht genügend aufgeklärt sind, den Namen Pem¬
phigus vegetans fallen zu lassen und statt dessen von einer ,,N e u -
man n'schen Krankheit“ zu sprechen. (Ref. kann dem nicht bei¬
pflichten. Es ist gewiss nicht zu bestreiten, dass über die Auf¬
stellung eines einheitlichen Krankheitsbegriffes „Pemphigus“ be¬
rechtigte Zweifel vorhanden sein mögen, anderseits aber ist der
Krankheitstypus „Pemphigus vegetans“ ein jedem Fachmann ge¬
nügend geläufiger geworden, dass es kaum angängig erscheint,
unsere überreiche Nomenclatur mit einem neuen Namen zu be¬
reichern.)
W i s n i e w s k i (Arch. f. Derm.45, 3) kommt auf Grund
klinischer Beobachtungen und histologischer Untersuchungen zu
dem Schlüsse, dass das Angiokeratoma M i b e 11 i’s nur auf dem
Boden einer Gefässparese erscheint (meist nach PernUrnen). Die
Erweiterung der Gefässe nimmt im Cent rum den Charakter von
Capillaraneurysmen an. Die Folge dieser Gefüsserweiterung und
Stase sind Ernährungsstörungen, welche die constant vorkommende
Hyperplasie des Stratum corneum bewirken.
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Brock (Arch. f. Denn. 45, 3) gelangt auf Grund kritischer
Prüfung früherer Untersuchungen, wie auch auf der Basis eigener
Experimente zu folgender Stellungnahme ln der Frage des Re-
sorptionsvermögens der Haut: 1. Lösliche, nicht flüchtige Sub¬
stanzen können von der Haut aus durch die kataphoretische Wir¬
kung des galvanischen Stromes zur Resorption gebracht werden.
2. Von flüchtigen Substanzen vermögen sicher einzelne die normale
Haut zu durchdringen. 3. Für alle anderen chemischen Körper
kann die Haut nur nach Veränderung ihrer Structur als Eingangs¬
pforte In den Organismus dienen.
Aus den Untersuchungen Kopy towski's Ueber Gono-
coccenbefunde in dem Genitalsecret Frostituirter (Arch. f. Denn.
45, 2) ergibt sich als praktischer Schluss, dass der Sitz der gonor¬
rhoischen Infection bei Frauen der Urethralcanal, resp. die
Bartholini’sclien Drüsen sind und ferner, dass seitens der
Polizeiärzte bei Absendung der Prostituirten an das Hospital dem
Urethralsecret und dem Secret aus den Bartholin i’schen
Drüsen mehr Beachtung zu schenken ist, als dem Vaginalsecret.
Ebner (ebenda) bringt einen casuistisch-statistlschen Bei¬
trag über das Vorkommen des luetischen Primäraffectes an den
oberen Luftwegen.
Merk (ibid.) bespricht einen Fall von Sarkomatosis cutis
(Rundzellensarkom mit Metastaeirung), den er wesentlich nach der
histologischen Seite hin zu bearbeiten in der Lage war und gibt
aus diesem Anlass einen kurzen historischen Rückblick über die
in neuerer Zeit lebhaft besprochene Systematisirung der cutanen
Sarkomatose, um sich dann über die Pigmentbildung (Blutstauung)
und die Metastasirung (durch rückläuligen Transport auf dem
Wege der Lymphbahnen) zu verbreiten.
Histopathologische Untersuchungen über die Jodakne, über
welche G i o v a n n 1 n i (Arch. f. Derm. 45, 1) berichtet, lassen diese
Affection in ihren kleineren Formen als eine acute eitrige, ober¬
flächliche Folliculitis und Perifolliculitis erscheinen, welche den
Haarbalg betrifft. Die Talgdrüsen erkranken, wie dies bereits
C. P e 111 z a r i beobachtet hatte, nur secundär.
B e n z 1 e r kommt in einer Arbeit über Sterilität und Tripper
(ibid.) zu dem Schlüsse, dass die absolute Sterilität beim einfachen
Tripper durch die Complication mit einseitiger Hodenentzündung
auf 23,4 Proc. und bei doppelseitiger Hodenentzündung auf
41,7 Proc. steigt, und die Gesammtsterilitüt auf 36,9 Proc. bei ein¬
seitiger und auf 62,5 Proc. bei doppelseitiger Hodenentzüudung sich
stellt. Ob diese Unfruchtbarkeit aber durch Sterilisirung des
Mannes, oder, was für B. das Wahrscheinlichere ist, durch Sterili¬
sirung der Frau auf Grund der Tripperinfection bedingt ist, bleibt
zweifelhaft. Jedenfalls sieht sich B. veranlasst, seine frühere Be¬
hauptung, dass von 100 Männern, welche eine doppelseitige Hoden-
entzündung Überstunden haben, noch fast 77 Chancen haben,
Kinder zu bekommen, wenn sie eine conceptionsfäbige Frau hei-
rathen, wesentlich zu modifleiren..
H j e 1 m m a n (ibid.) bringt einen neuen Beitrag zur Kennt-
niss der Persistenz der histologischen Gewebsveränderungen bei
Syphilis in Untersuchungen, welche durchaus geeignet sind, die
Ansicht N e u m a n n’s, dass die tertiären Affeetionen durch die
Entwicklung von Entzündungsproducten, die sich von der Secundär-
periode her datiren, verursacht werden, zu unterstützen. H. hält
diese Befunde auch für solche von grosser praktischer Bedeutung,
da sie gestatten, Schlussfolgerungen in Bezug auf die Behandlung
der Syphilis zu ziehen, ln dieser Richtung betont Verfasser die
NothWendigkeit, die speciflsehe Behandlung besonders in der
ersten Cur sehr energisch zu gestalten und plaidirt des Weiteren
energisch für die von Fournier, Neisser u. A. empfohlene
chronlsch-intermittirende Behandlung.
Ueber die Resultate mit dem Eoc h’schen Tuberculin R
bei Lupus und Skrophuloderma kann Adrian aus der Wolf f-
sclien Klinik in Strassburg i. E. nur wenig befriedigende Daten
geben. Wohl glaubt er, dass der chirurgische Eingriff neben der
Anwendung des neuen Tuberculins einer der Wege sei, die bislang
schleppende und unzulängliche Therapie tubereulöser Haut-
affeetionen wesentlich zu bereichern und die Heilerfolge zu unter¬
stützen. A. macht selbst die Einschränkung, dass die sehr spär¬
lichen Resultate möglicher Weise ebenso, wie oft bedeutende Ge¬
wichtszunahme, den in der Hospitalpflege veränderten Lebens-'
bedingungen der Patienten zuzuschreiben sind. Gegenüber tuber-
eulösen Knochen- und Drüsenleideu erwies sich das neue Tuber¬
culin ziemlich wirkungslos, in einem Falle von Lupus mit com-
plicirender chronischer Nephritis geradezu als gefährlich. Audi
sonst birgt die Ungleichmässigkeit in der Herstellung und Ver¬
abreichung des neuen Mittels vorläufig nicht zu unterschätzende
Gefahren und Nachtheile für das Leben der Patienten in sich. Zu
diesem wenig erfreulichen Gesammtresultat kommt noch der Um¬
stand, dass die Kostspieligkeit des Verfahrens lind die verhältniss-
mässig lange Dauer des Experimentes der neuen Methode ungemein
hinderlich im Wege stehen. — In ähnlicher Weise äussern sich
Bukovsky (ibid. 46, 2) über das neue Tuberculin auf Grund von
Versuchen, welche an der Klinik J a n o v s k y’s in Prag angestellt
wurden. Auch er beklagt die Labilität des Präparates und die
mangelhafte therapeutische Wirkung. Die bis zu einem gewissen
Grade erzielte Besserung lässt sich in unverhältnissmässig kürzerer
Zeit mit anderen Metho<3en erzielen. Doch hält er das Tuberculin
R für ein gutes Mittel zur Differentialdiagnose zweifelhaft-tuber-
eulöser Proeesse.
Ueber die gleiche Behandlungsmethode und deren Resultate
an der Bonner Hautklinik liegt ein Bericht von N a p p und
Grouven vor (ibid. 46, 3), welche sich wohl auch reservirt, aber
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
335
doch in etwas günstigerer Weise über das neue Tuberculinpräparat
äussern. Auch sie konnten eine dauernde Heilung tuberculöser
Processe mit dem Tuberculin R nicht erzielen, doch ist dasselbe im
Stande, einen entschieden günstigen Einfluss auf Vernichtung des
tuberculösen Processes auszuüben und hat dasselbe bei vorsichtiger
Anwendung wesentliche Schädigungen des Gesammtorganismus
nicht im Gefolge. Ueber die Immunisirungsfrage lässt sich ein end-
giltiges Urtheil wohl erst in mehreren Jahren abgeben. Nach N.
und G. ist das Tuberculin R wohl berechtigt, bei gleichzeitiger
rationeller Localbehandlung als unterstützendes Moment in An¬
wendung gebracht zu werden.
Die von Winkler (lbid. 40, 1) in syphilitischen Producten
gefundenen „tingiblen Kugeln” hält er selbst um so weniger für
das lauge gesuchte Syphilisvirus, als er auch in einem Falle von
Lupus vulgaris ähnliche Kugeln gefunden hat. Er denkt vielmehr
an eine Kernerkrankung, welche unter dem Einfluss des syphili¬
tischen Virus zu Stande kommt, die aber, wenn auch in geringerem
Grade, auch durch andere Virusarten (Lupus) bewirkt werden
kann.
Drobny (ibid. 40, 1) glaubt aus der Localisation der Qono-
coccen im Eiter einen gewissen Rückschluss auf den Verlauf der
Urethritis ziehen zu dürfen. Eine sofort vorgenommene mikro¬
skopische Untersuchung des Secretes erlaube fast unbedingt eine
entsprechende Prognose des Verlaufes der Urethritis zu machen.
So seien die Fälle, in deuen die Gonococcen hauptsächlich im freien
Zustande vorhanden sind, als „noli me tangere“ für eine active
Therapie aufzufassen. Dagegen könne man dann, wenn die Gono¬
coccen intracellulär liegen, mit reinem Gewissen die Einspritz¬
ungen anfangen, ohne das Stadium decremonti der acuten Erschein¬
ungen abzuwarten. Es ist dann auch möglich, dass früh unter¬
nommene Einspritzungen und Instillationen einen abortiven Ein¬
fluss auf die Gonorrhoe haben.
Die Arbeit Joseph’s über Hautsarkomatose (ibid. 40, 2)
ist beachtenswerth durch den motivirten Versuch einer Abtrennung
„sarkoider Geschwülste“ gegenüber den typischen Sarkomen einer¬
seits, gegenüber den Typen der Mykosis fungoides, der Leukaemie
und Pseudoleukaemia cutis andererseits. Dass die bisherigen
Systematisirungsversuche trotzdem leider noch grosse Lücken
aufweisen, wird vom Verfasser unumwunden eingestanden.
v. Watraszewsky (ibid. 40, 2) behandelt einige Fragen
der Syphilistherapie, deren definitive Lösung zweifellos von
hohem praktischen Werthe sein würde, über welche aber bis jetzt
unter hervorragenden Fachmännern diametral entgegengesetzte
Meinungen bestehen. Wann soll die Behandlung der Syphilis mit
Hg beginnen, und wie lange soll diese Behandlung der Syphilis
fortgesetzt werden? W. spricht sich zunächst dahin aus. dass die
mercurielle Behandlung der Syphilis erst nach dem Erscheinen
allgemeiner Symptome rationell sei. Die weitere Behandlung soll
immer nur dann, wenn neuerdings Symptome Auftreten (Kecidive),
wieder aufgenommen werden (symptomatische Behandlung). End¬
lich ist für W. eine Hg-Behaudlung indicirt, so oft manifeste
Symptome der Krankheit, welche ihren Lauf monate- ja jahrelang
verfolgt, vor uns liegen. In jenen Ausnahmefällen, in denen also
nur ein einziger allgemeiner Ausbruch erfolgt, wäre also auch nur
eine einzige Cur nöthig.
(Ref. kann sich diesen Ausführungen nicht anschliessen und
glaubt auf Grund seiner reichen persönlichen Erfahrung auf dem
Gebiete der chronlsch-intermittirendeu Methode der Ueberzeugung
Ausdruck geben zu dürfen, dass die Furcht vor den aus dieser
Methode entstammenden üblen Nebenwirkungen auf das Nerven¬
system und die allgemeine Constitution in keiner Weise genügend
fundirt ist.)
E. Welander (ibid. 40, 2) empfiehlt als Ersatz einer
Schmiercur ein innen mit Quecksilbersalbe bestrichenes Leinen¬
säckchen (auch Flanell oder Baumwollstoff kann gewählt werden)
Tag und Nacht am Körper tragen zu lassen. Auch bei der Inunc-
tionscur spielt ja zweifellos die Einathmung des verdunstenden
Quecksilbers eine grosse Rolle. Die von W. empfohlene Methode
würde im Wesentlichen als eine Inhalatiouseur mit Quecksilber¬
dämpfen zu bezeichnen sein. Ueber den Werth der Methode kann
ja selbstverständlich erst nach längeren Versuchsreihen definitiv
geurtheilt werden. Nach W. wirkt sie tuto, cito et jueunde. Der
Wegfall der vielen Unannehmlichkeiten bei der Inunctionscur wäre
ja zweifellos ein nicht zu unterschätzender Vortheil.
(Bei dieser Gelegenheit erlaubt sich Ref. darauf hinzuweiseu,
dass die von Blaschko empfohlenen, von Beyersdorf in
Hamburg-Eimsbüttel hergestellten Mercolintschürzen, besser Mer-
colintlatze, eine wesentliche praktische Verbesserung der Welan-
d e r’schen Säckchenbehandlung darzustellen scheinet!. Speoiell mit
dem Mercolint 3, welches ich oft erprobt habe, habe ich in einer
Reihe von Fällen einer milden Schmiercur durchaus gleichwerthige
Erfolge erzielt. Wenn ich es auch keineswegs für wahrscheinlich
halte, dass dadurch die Frictionscur für alle Fälle entbehrlich wird,
und die letztere vermuthlich für schwere Formen als unentbehrlich
auch in Zukunft festgehalten zu werden verdient, wird doch die
Anwendung der stärker imprägnirten Mercolintschürzen sich vor¬
aussichtlich in Bälde aus Gründen der Reinlichkeit, Bequemlich¬
keit und Billigkeit, nicht zuletzt aber auch wiegen des guten thera¬
peutischen Resultates ein ausgedehntes Terrain gewinnen. Zu
weiteren Versuchen glaubt Ref. mit gutem Gewissen auffordern zu
dürfen.)
D o c t o r (ibid. 46, 3) theilt zwei neue Fälle Darier 'scher
Erkrankung (sogen. Psorospermosis follicularis vegetans) mit.
Nach Maassgabe seiner histologischen Untersuchungen hält er
diese seltene Dermatose für eine meist an die Haarfollikel oder
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Schw r eissdrüsenausftihrungsgänge gebundene Hyperkeratose, w T elche
meist, aber doch nicht immer mit Parakeratose verbunden ist. Die
vielbesprochenen sog. D a r i e r’schen Körperchen sind eine Theil-
erscheinung der Parakeratose, gehören aber nicht unbedingt zum
Krankheitsbild. D. hält die Erkrankung für eine Abart der
Ichthyosis vulgaris.
II. A p o 1 a n t (ibid. 46, 3) verdanken wir eine sehr inter¬
essante Arbeit über Antipyrinexantheme. Mau kann unterschei¬
den das locallsirte Exanthem und die universell disseminirten
Exantheme (das morbillöso Exanthem, Urticaria und congestives
Oedem). Mit einer umfangreichen Casuistik und persönlich vor¬
genommenen Experimenten begründet A. die von ihm vertretenen
Anschauungen über die Pathogenese dieser Exantheme, deren
Details im Original einzusehen sind. Eine einheitliche Auffassung
des Zustandekommens der Antipyrinausschläge ist nicht möglich.
Der Umstand, dass keine Gruppe ein in sich abgeschlossenes Ganze
bildet, und selbst Uebergünge von den locnlisirten zu den dissemi¬
nirten Formen Vorkommen, stellt andererseits einer scharfen theo¬
retischen Trennung grosse Schwierigkeiten entgegen.
Welander (ibid. 40, 3) sah in einem Falle gonorrhoischer
ConjunctivitiB ein vorzügliches Resultat von der Anwendung des
Largins, welches er in 1 proc. Gelatinetabletten unter das Augen¬
lid einschob, wo es in etw'a 15 Minuten schmilzt.
Schütz (ibid. 46, 3) theilt 3 merkwürdige Fälle von Leuko-
plakia oris (Schwimmer) mit, welche das Gemeinsame haben,
dass die gewöhnliche Aetiologie für diese Krankheit fehlt, dass es
sich um Individuen handelt, bei welchen nur äusserst selten Leuko¬
plakie vorkommt (Kinder. w r eibliche Personen) und dass endlich
bei allen dreien ein und dieselbe Hautkrankheit die Schleimhaut¬
erkrankung begleitet (Psoriasis). Da Verfasser Leukoplakie auch
zuweilen mit anderen Hauterkrankungeu. welche mit vermehrter
Hornbildung eiuhergehen (Tyloma palmarum, Ekzema ehron.
squamosum) eombinirt sah, hält er dieses Zusammentreffen für
kein rein zufälliges.
Rasch (ibid. 47, 1) konnte unter einem Leichenmaterial von
3165 Obductionen 28 Fälle von Aortenaneurysma untersuchen.
In 82 Proc. von allen Fällen war Syphilis sicher oder doch mit
grösster Wahrscheinlichkeit nachzmveisen. Pathologisch-ana¬
tomische Erwägungen haben den Verfasser überzeugt, dass alle
Aneurysmen, bei denen eine productive fibröse Mesarteriitis nach¬
gewiesen werden kann, d. h. alle oder so gut wie alle sackförmigen
Aneurysmen und mindestens 4 Fünftel der spiudel- nud cylinder-
förmlgen Aneurysmen auf der Aorta syphilitischen Ursprungs sind.
B u s c h k e (ibid. 47, 1) berichtet über eine grössere Anzahl
von Fällen, bei welchen er die Radicalexstirpation des Lupus
vulgaris nach dem Vorgänge L a n g’s vorzunehmen in der Lage
war. An die interessanten Krankengeschichten, deren Details aus
dem Original zu erseheu sind, reiht Buschke eine kurze Be¬
sprechung seiner Methode, der Technik der Plastik, der Anaesthe-
slrung, um zum Schlüsse die Iudieatioueu der Radicalexcision und
ihre Stellung zu den übrigen Methoden der Lupusbehandlung zu
erörtern. „Es liegt in der Natur der Sache, dass für die Radical-
behandlung sich immer nur ein gewisser Bruchtheil von Fällen
eignen wird; allein es erscheint doch zweifellos, dass, wenn man
sich möglichst früh zur Behandlung entschliesst, dieser Bruchtheil
sich vergrössern wird. Dann ist es aber nothwendig, dass man bei
jedem Falle von Lupus In erster Linie in Erwägung zieht, in wie
weit er sich zur Exstirpatiou eignet, und nicht erst gewdsser-
maassen als letztes Refugium nach vielfacher andersartiger Be¬
handlung auf diese Methode recurrirt.“ Man w r ird B. nur ganz
beipflichten können, w r enn er sagt, dass die Prognose des Lupus
vulgaris sich doch allmählich bessern dürfte, wenn erst dieser
Gedankengang gemäss der verdienstvollen Anregung L a n g’s sich
allgemein Geltung verschafft haben wird.
Jordan (ibid. 47, 1) hat an einem grossen Material Studien
gemacht über die Häufigkeit von Rachen- und Kehlkopfaffec-
tionen bei Syphilis und kam dabei zu folgendem Ergebniss: In
allen Stadien der Syphilis sieht man sowohl im Rachen als im Kehl¬
kopf mehr weniger häufig die Erscheinungen eines Erythems, welches
zw r ar einzig und allein auf Syphilis beruhen kann, aber sich von
Röthungen aus anderen Gründen nicht unterscheiden lässt. Pa¬
peln des Rachens sieht man in ungefähr *4 aller Fälle von secun-
därer Syphilis. Papeln des Kehlkopfs sind dagegen viel seltener
und wurden nur in 3,3 Proc. constatirt. Hier wie dort sind sie
während der Recidive häufiger als zur Zeit des reeonten Stadiums.
Tertiärsyphilitische Erscheinungen des Rachens fand er in 23 Proc.,
des Kehlkopfs in 10 Proc. seiner Fälle, eine für unsere Verhältnisse
auffallend hohe Procentzahl, welche sich wohl dadurch erklären
lässt, dass bei der bäuerischen russischen Bevölkerung, welche in
der Statistik J.’s stark vertreten ist, die ersten Stadien der meist
hereditären Syphilis einer ärztlichen Behandlung sich fast niemals
• erfreuen.
Adrian (ibid. 47, 2) konnte durch Ueberimpfen von
Sklerosensecret auf Schweine das Auftreten syphilisähnlicher
Hauterscheinungen in Gestalt schubweise auftretender papulöser
Efflorescenzen an 2 Impfthieren beobachten. Die histologischen
Details dieser Efflorescenzen besitzen eine gewisse Aelinlichkeit
mit den beim Menschen beobachteten papulösen Syphiliden. Soll
durch diesen Befund die bisher allgemein acceptirte Meinung, dass
di*. Syphilis ausschliesslich ein sehr zweifelhaftes Vorrecht des
Genus Homo ist. eine Einschränkung erfahren? Verfasser äussert
sich dieser Frage gegenüber mit Recht nicht, sondern will durch
seine Arbeit lediglich eine Anregung zur Wiederholung ähnlicher
Experimente am Schwein als dem hierzu geeignetsten Versuchs*
thier gegeben haben.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
336
No. 10-
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
K r e i b i c h (ibid. 47, 2) gibt die sehr Interessante Mittheilung
eines ungewöhnlichen Falles von leukaemischen Tumoren der
Haut.
Neuberger (ibid. 47, 2) empfiehlt zur Behandlung des
chronischen Ekzems des Säuglings- und Hindesalters die Arsen-
medication in sehr kleinen Gaben (Solut. arsen. Fowleri 3 mal tägl.
y., —1—2 Tropfen allmählich steigernd). Die Behandlung muss
sehr lange fortgesetzt werden, und ist vor der 3. Woche eine
Besserung des Leidens kaum zu erwarten. Bei consequenter
Durchführung liess sich der Erfolg auch ohne Dazwischentreten
einer Localtherapie fast niemals vermissen.
Török (ibid. 47, 1 u. 2) behandelt in einer längeren Arbeit
deren Inhalt zum grossen Theil eine Polemik gegen die bekannten
Anschauungen U n n a’s über das seborrhoische Ekzem und die
Zugehörigkeit der Psoriasis vulgaris zu diesem Krankheitsbilde
darstellt, die Seborrhoea corporis (Duhring) und ihr Ver-
hältniss zur Psoriasis vulgaris und zum Ekzem, und kommt auf
Grund klinischer Beobachtung und histologischer Untersuchungen
zu dem Schlüsse, dass die Seborrhoea corporis Duhrin g’s als eine
weniger intensive und atypisch localisirte Form der Psoriasis vul¬
garis zu betrachten ist, dass im Uebrigen aber die Sonderstellung
der Psoriasis vulgaris als einer Erkrankung sui generis durchaus
v u wahren, ein irgendwie engerer Zusammenhang derselben mit
dem Ekzem in keiner Weise aufzudecken Ist.
M i b e 11 i (ibid. 47, 1 u. 2) bringt einen weiteren Beitrag zur
Lohre von der sogenannten von ihm zuerst beschriebenen Poro-
keratosis durch Mittheilung eines Falles mit Localisation im Munde
und an der Glans penis.
Nach den Untersuchungen von F. Luithlen (ibid. 47, 3)
stellt sich die Dermatitis exfoliativa infantum (Ritter v. Ritters-
bain) dar als eine mit zölliger Infiltration, Oedem und Gefässver-
eilerung einhergehende Entzündung, besonders des papillären und
subpapilläreu Gewebes bei abnorm starker Proliferation im Rete
mit mangelnder Verhornung desselben. In Bezug auf die Aetiologie
dürften toxische Momente zu berücksichtigen sein, wofür das Aus¬
sehen des primär auftretenden Erythems spricht; die Eigenthüm-
lichkeit der Erkrankung dürfte z. Th. ln den zur Zeit der physio¬
logischen Exfoliation berschenden Verhältnisse der kindlichen
Haut ihre Erklärung finden. Therapeutisch empfiehlt sich kräftige
Ernährung und Vermeidung engen Wickelzeugs, Anfangs Eichen-
riudenbäder und Salben verbände, später die Anwendung kerato-
plastischer Mittel (Ichthyol, Resorcin, Thiol, Tumenol u. Aelinl.).
Glück (ibid. 47, 3) theilt einen interessanten, sehr seltenen
Fall von Favus mit Localisation am Penis mit.
Burmeister (ibid. 47. 3) bringt in extenso die Kranken¬
geschichte eines neuen Falles von Akanthosis nigricans (der
seinerzeit vom Ref. im Aerztlichen Verein München vorgestellt
worden war). Für die Aetiologie sucht er einen Functionsausfall
oder eine alterirte Function des Bauclisympathicus in hypo¬
thetischer Weise heranzuziehen. Bei der Section wurde von einer
Carcinose der Baucheingew'eide nichts gefunden.
Arvid B 1 o m q u i s t und G. A h m a n (ibid. 48, 1) berichten
über Mercuriol und über therapeutische Versuche mit demselben
bei Syphilis. Mercuriol ist eine Mischung von Magnesium- und
Aluminium-Amalgam, verrieben und mechanisch fein vertheilt mit
Kreide. Das Mercuriol kam speciell an der W e 1 a n d e Pschen
Säckchenbehandlung (Inhalationstheorie) zur Verwendung. Bei
dieser Behandlung wird Quecksilber in erforderlicher Menge ab-
sorbirt und durch die Nieren eliminirt; das in dieser Weise in den
Organismus eingeführte Quecksilber übt dieselbe therapeutische
Wirkung aus, wie bei anderen bekannten Formen mercurieller Be¬
handlung. Die Behandlung ist therapeutisch zuverlässig, reinlich
und für den Patienten angenehm.
K r e i b i c h (ibid. 48. 2) bringt ln einer Arbeit über Urticaria
chronica Krankengeschichten über einen Fall von Urticaria per¬
stans papulosa, 2 Fälle von Urticaria perstans verrucosa und
2 Fälle von Urticaria pigmentosa. Bezüglich der Herkunft des
Pigments bei den letzteren Fällen, also bei Urticaria pigmentosa,
theilt K r e i b i c h die Ansicht Kapos i’s, dass es bei den wieder¬
holten urticariellen Schwellungen der Effloreseenzen nicht bloss
zum Austritt von Serum, sondern auch von Blutfarbstoff kommt,
und dass somit das Pigment als ein aus dem Blute stammendes
aufzufassen sei.
Der von N e u m a n n (ibid. 48, 3) mitgetheilte Fall von Derma¬
titis tuberosa ex jodo ist nicht nur durch die ungewöhnliche Form
und Intensität der Hautaflfection, sondern auch wegen einer gleich¬
zeitigen analogen Affection der Magenschleimhaut von hervor¬
ragendem Interesse, zumal da ein durch die Section constatirtes
Exanthem im Magen nach internem Jodkaliumgebrauch in der
Literatur nicht verzeichnet ist. (Ref. war in der Lage, einen quoad
Hautaflfection der von Neumann gegebenen Abbildung durch¬
aus gleichartigen Fall zu beobachten, der zur stationären Behand¬
lung der P o s s e 1 t’sclien Klinik überwiesen -wurde, und von dort
aus demnächst publicirt werden soll.)
B a n d 1 e r (ibid. 48. 3) bringt einen Instructiven Beitrag zur
Kenntniss der elephantiastiscben und ulcerativen Veränderungen
des äusseren Genitales und Rectums bei Prostituirten; B. spricht
sich auf Grund der klinischen Beobachtung und der therapeu¬
tischen Ergebnisse für die syphilitische Natur dieser prima vista
häufig recht unklaren Veränderungen aus. Ausdrücklich wird aber
betont, dass, wenn auch die Lues die primäre Ursache dieser Ver¬
änderungen ist, zu deren Ausgestaltung die schlechten Circulations-
verhältnisse der Lymphbahnen, Traumen und Reize In bedeutendem
Maasse beitragen, insbesondere spielt die Reetumstrietur. wie schon
Ehrmann hervorhob, eine grosse Rolle bei der Ausbildung der
Elephantiasis vulvae. Dass die Erkenntniss der syphilitischen
Natur dieser Processe praktisch von grösster Wichtigkeit ist, liegt
auf der Hand.
R. Bloch (ibid. 48, 3) bringt einen casuistischen Beitrag zur
Kenntniss der gonorrhoischen Gelenks- und Nervenerkrank¬
ungen. Die Nervenlaesion im vorliegenden Falle wird aufgefasst
als eine Polyneuritis gonorrhoica beider Unterextremitfiten. Autor
denkt an eine vorwiegende Erkrankung des Perineuriums: ob es
sich dabei genetisch um eine directe bacterielle oder eine durch
Toxine verursachte Entzündung gehandelt hat, ist nicht zu ent¬
scheiden. Mit Recht bestreitet der Verf. die seitens französischer
Autoren beliebte Auffassung solcher Fälle als „Manifestations
spinales“ und „Meningomyelite“. Therapeutisch bietet die Mit¬
theilung nichts Neues.
Alex. H a s 1 n n d (ibid. 48. 2 u. 3) bespricht unter Beibringung
einschlägiger Beobachtungen die Pathogenese der Vacclna genera¬
lisata und gibt der Anschauung Ausdruck, dass das Virus der
Vaccine und der Variola dasselbe ist, und dass die Vaccine nur
eine gemilderte Form des Variolagiftes resp. der Variolamikrobe
ist. Ohne vom theoretischen Gesichtspunkte aus die Möglichkeit
einer Vaceina generalisata durch Autoinoculation oder durch secun-
däre Infection bestreiten zu wollen, sieht es Haslund doch als
Regel an, dass die generalisirte Vaceina der Ausdruck einer all¬
gemeinen Infection Ist. und dass es sich dabei immer um eine von
„innen“ kommende Spontaneruption handelt.
B u s c h k e (ibid. 48, 2 u. 3) hat die seltenen Exantheme bei
Gonorrhoe zum Gegenstände einer literarischen Studie gemacht.
Veranlassung dazu boten ihm drei Fälle eigener Beobachtung,
welche in extenso mitgetheilt werden. Die äussere Form der
Exantheme ist ausserordentlich mannigfach. Wir sehen einfache
Erytheme, Papeln, tiefere dem Erythema nodosum ähnliche In¬
filtrate. Blasenbildung, Blutungen und Hyperkeratosen unter den
als gonorrhoisch beschriebenen Exanthemen auftreten. Die Ex¬
antheme sind nicht an bestimmte Körperregionen gebunden, bei
den ganz acuten Exanthemen bleiben auch die Schleimhäute nicht
verschont. Die Entstehung ist eine rasche, der weitere Verlauf
aber sehr verschieden. In einem Falle eigener Beobachtung war
der den Malariatypen ähnliche Fieber verlauf merkwürdig. Im
Uebrigen steht aber die äussere Form des Exanthems in keinen
directen Beziehungen zur Gestaltung der Teraperaturcurve. Nach
Ausscheidung jener Fälle, bei denen man eventuell an ein septi¬
sches oder Arznei-Exanthem denken kann, bleibt immer noch eine
genügende Anzahl von Beobachtungen übrig, welche sich kaum
anders als durch eine directe Abhängigkeit des Exanthems von
der gonorrhoischen Infection erklären lassen. Pathogenetisch
denkt der Verfasser das Auftreten der Exantheme durch eine Ein¬
schleppung des gonorrhoischen Virus In die Blutbahn bedingt.
Ob dabei der Gonococcus selbst oder seine Toxine das wirksame
Agens sind, bleibt dahingestellt. Die L e w i n’sche Reflextheorie
(durch Reizung der Hamröhrenschleimhaut). welche auch Finger
zur Erklärung dieser seltenen Exantheme heranzieht, dürfte zum
mindestens für die chronischen, sich über Monate hinziehenden
Exanthemformen nicht als ausreichend zu bezeichnen sein.
Kopp.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 8.
1) E. R a 1 m a n n - Wien: Ueber alimentäre Glykosurie.
R. erörtert die Lehre von der alimentären Glykosurie zunächst
von der nun sichergestellten Thatsache aus, dass in jedem
normalen Harn Traubenzucker vorhanden ist. Er schlägt vor.
dann von Glykosurie zu sprechen, wenn die einfachste, in der
Klinik gebräuchliche Reaction für Traubenzucker unzweifelhaft
positiv ausfällt. Der Nullpunkt, von dem aus hinsichtlich alimen¬
tärer Glykosurie und Diabetes zu rechnen ist, entspricht einem
Zuckergehalte des Harnes von 0.2 Proc. Bei der Prüfung auf ali¬
mentäre Glykosurie muss aber für jeden einzelnen Fall die „Assimi-
lationssrrenze“ für Traubenzucker festgestellt werden, die für den
zahlenmässigen Ansdruck mit dem Körpergewicht verglichen
werden muss. Die Glykosurie ist als Ausdruck einer Allgemein¬
störung aufzufassen, als Degenerationszeichen im chemischen
Sinne. Verfasser hat bei einer Reihe von Geistes- und Nerven¬
kranken bestimmt, welche Menge Traubenzucker eingeftihrt werden
muss, um eine Ausscheidung von 0,2 Proc. Zucker oder darüber
zu bewirken; doch ist die Untersuchungsreihe noch zu klein, um
allgemeine Folgerungen daraus abzuleiten.
2) M. Weinberg er und A. Weiss-Wien: Eine seltene
Form von Aneurysma der Aorta thoracica descendens.
Das betreffende Aneurysma wurde an einem 54 jährigen
Kesselschmied beobachtet und auch mittels Röntgenstrahlen näher
bezüglich seines Sitzes diagnosticirt. Die rechte Rückenwand war
in der oberen Hälfte vorgewölbt, der Patient entleerte mehrmals
ohne Husten grössere Mengen Blut, so dass an eine Communication
mit dem Oesophagus gedacht wurde. Die Section ergab ein sack¬
förmiges Aneurysma der Aorta desc. mit Usur der oberen Brust¬
wirbelkörper und der 4. und 5. Rippe, Verwachsung mit dem
rechten oberen Lungenlappeu und Durchbruch in einen Bronchial¬
ast der rechten Lunge.
3) K. S i n n r e i c h - Wien: Traumatisches Aneurysma der
Art. brach, und Durchtrennung des N. medianus. Totalexstir¬
pation des Aneurysmas. Nervennaht.
Der 51jährige Patient hatte das Aneurysma durch einen
Messerstich acquirirt. Der exstirpirte Aneurysmasack war manns¬
faustgross. 4 Wochen nach der Nervennaht begannen die rnoto-
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6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT.
rischen Functionen im Medianusgebiet sich wieder herzustellen.
Die Verfasser besprechen eingehend die verschiedenen Operations¬
methoden für Aneurysma am Arm. Absolut indieirt ist die Ex
stirpation bei Gangraen der Haut über dem Aneurysma, ferner bei
Verletzung oder Compression wichtiger Nervenstämme.
Dr. Grassmann - München.
Amerikanische Literatur.
1) George H. N u 11 a 11 - Baltimore: Die Bolle der Insecten,
Arachniden und Myriapoden als Infectionsträger der bacteriellen
und parasitären Erkrankungen bei Mensch und Thier. (The
Johns Ilopkins Hospital Reports, Vol. VIII. 1899.)
Diese Arbeit, welche einen ganzen Band der rühmliehst be¬
kannten Berichte des Johns Hopkins Hospitals in Baitimon* ein¬
nimmt. repräsentirt sicli als eine umfassende kritische und histo¬
rische Studie des ganzen einschlägigen Materials. Das Literatur-
verzeichniss enthält 3(Hi Nummern, von denen 350 in der Arbeit
selbst verwerthet wurden. Durch die letzten Berichte von Koch,
welche neue Beweise für die lt o s s'sche Mospuitotheorie der
Malaria erbringen, hat dieses Thema erneutes actuelles Interesse
gewonnen und ist diese Arbeit zur Einführung in das Studium
und zur Orientirung in dieser Frage sehr zu empfehlen.
2» Charles L. I) a n a - New-York: Zur Aetiologie der Para¬
lysis agitans. (The American Journal of tlie medical Sciences,
November 1899.)
Anschliessend an die Beschreibung eines Falles von Paralysis
agitans, in welchem sich neben einem multiplen Hautsarkom.
Atrophie. Bindegewebswucherung und an verschiedenen Stellen
Degeneration des Rückenmarks nach weisen Messen, mul unter
Hinweis auf drei weitere, bereits früher von ihm beschriebene
Fälle, gibt 1). der Ansicht Ausdruck, dass es sieh bei dieser Er¬
krankung nicht um eine praemature Scuilitüt. sondern um eine
die Nervenzellen des Rückenmarks speciell schädigende Toxin¬
wirkung handelt. Die grosse Rolle, welche der Rheumatismus in
der Vorgeschichte dieser Affection spielt, spricht, für die Annahme
eines auf diesem Boden entstandenen autochthonen Giftstoffes.
3) J. M. Bald y und II. L. W i 11 i a m s - Philadelphia:
Kraurosis vulvae. (Ibidem.)
Die Aetiologie dieses seltenen Leidens ist noch keineswegs
klar. Die Annahme einer trophischen Störung entbehrt der Be¬
gründung: nach Ansicht der Autoren ist die Ersuche entweder
coustitutioneller oder noch wahrscheinlicher rein localer Natur,
wofür namentlich der im Beginn so coustante Pruritus spricht.
In dem beschriebenen Falle wurde durch Operation doliuitivo
Heilung erzielt.
4) Maurice H. lt i c li a r d s o n - Boston: Appendicitis. (The
American Journal of the medical Sciences, Deeember 1899.)
An der Hand eines Materials von 904 von ihm operirten Fällen
bespricht Richard son die beiden Fragen der Frühoperation
der Appendicitis und der Resection des Wurmfortsatzes in solchen
Fällen. Während die erste Frage fast ausnahmslos bejaht werden
muss, gelten für die zweite folgende Ausnahmen: Iteseetio» der
Appendix ist contraindicirt bei local beschränkter Vereiterung mit
starren Abscesswänden, sowie bei grosser Schwäche des Patienten,
welche rasche Beendigung der Operation erfordert, dagegen em¬
pfiehlt sich für die meisten dieser Fälle, die Resection ein paar
Monate später nachzuholen.
5) H. 0. G o r d i n i e r : Zur Pathologie der Paralysis
agitans. (Ibidem.)
G. bezeichnet folgende drei pathologische Veränderungen als
charakteristisch für die Paralysis agitans: Perivasculäre Sklero-
sirung, besonders ausgesprochen im Dorsaltlieil der Seiten- und
Hinterstränge, Degeneration der multipolaren Nervenzellen und
allgemeine Hyperaemie mit Zellinfiltration. Der Hauptsitz dieser
Veränderungen betrifft den spinalen Tlieil des Rückenmarks.
Gegen den Ilalstheil zu nehmen dieselben ab. Beschreibung eines
Falles und Uebersieht der einschlägigen Literatur.
6) Charles P. Noble u. W. Wayno Babeock - Philadelphia:
Eine neue Untersuchungsmethode bei Nierentuberculose. (The
American Gynaecological and Obstetrical Journal, Deeember 1899.)
Die Methode besteht in steriler Katheterisation der Uretercu und
Impfversuchen an Meerschweinchen mittels des auf diese Weise
enthaltenen Harnes. Mittheilung eines auf diese Weise dingnosti-
cirten Falles.
7) F. Simpson- Pittsburg: Ueber acute toxische Hyper¬
aemie und Nephritis nach operativen Eingriffen. (The American
Journal of Obstetrics, November 1899.)
Die Beobachtungen, welche S. auf der gynäkologischen Ab¬
theilung des Mercy-Hospitals in Pittsburg an einem Material von
über 100 operirten Fällen anstellte, ergaben, dass sehr häufig
nach grösseren Operationen acute Hyperaemie und Entzündung
der Nieren auftritt ohne jedoch in der Mehrzahl der Fälle ernst¬
liche Complicationen oder bleibende Folgen zu verursachen. Die
Ursachen dieser Erscheinung sind tlieils in prädisponirenden Mo¬
menten und in der im Verlaufe der Operation eintretenden Ilaut-
abkühlung, sowie hauptsächlich in der Einwirkung toxischer
Stoffe zu suchen, welch’ letztere aus dem angewendeteii Anaesthe-
siruiigsmittel, oder Ptomainen und bacteriellen Giften entstammen,
welche durch die Operation in die Oireulation gelangen. Aus dieser
Deductiou ergehen sich auch von seihst die zur Verhütung dieser
Complicatiou empfehlenswerten Vorschriften: sorgfältige Ucber-
wachung der Se- und Excretion vor und nach der Operation, Ver¬
meidung allzulanger Exposition des zu Operironden, Verbrauch
eines möglichst geringen Quantums des Annesthcticums. rasche
und vollkommene aseptische Operation.
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8) Joseph W i e n e r - New-York: Zur Frühdiagnose des
ITteruscarcinoms. (The American Journal of Obstetrics, Deeember
1899.1
ln dieser mit zalilreiehen Ahhildungen und ausführlichem
Literaturverzeichnis« versehenen Abhandlung kommt W. zu dem
Schlüsse, dass die Diagnose nur mit Hilfe des Mikroskops gestellt
worden kann. T'teruscareiuom kann in jedem Alter, bei Virgines
und Nuiliparen sowohl, wie bei Mehrgebarendeii Vorkommen. Jede
atypische rterusblutung. nicht zum mindesten in der Menopause,
ist verdächtig und erfordert genaue Untersuchung.
9) Edward P. D » v i s - Philadelphia : Prophylaxe und
Therapie der Eklampsie, und
KM J. (’. E d g a r, A. King- Washington, Edward lt e y -
nolds und Richard (’. N o r r i s - Philadelphia: Zur Behandlung
der puerperalen Eklampsie. (Therapeutic Gazette, Deeember
1899.»
Die Tlu»rapeutic GazetlC gibt hier eine Serie von Origiual-
artikcln ans der Feder hervorragender Gynäkologen, auf deren
Details liier nicht naher eingegangen worden kann. Hervorgehoben
wird besonders, dass das Auftreten der Eklampsie in der Mehrzahl
der Fälle durch prophylaktische Maassuahmeu verhindert werden
kann. Die von den einzelnen Autoren empfohlenen Behandlungs¬
methoden variiren nach verschiedenen Richtungen.
11» Howard A. Kelly: Die Giftschlangen Nordamerikas,
und
Thomas R. B r o w n - Baltimore: Heber Chemie, Toxikologie
und Behandlung der Schlangengifte. (Bulletin of the Johns Hop¬
kins Hospital. Deeember 1899.»
Während K. eine ausführliche Beschreibung der Giftschlangen
von Nordamerika gibt, mit drei vorzüglich nusgeführten Tafeln,
weist B. in einem ResumO der bisherigen Untersuchungen und Be¬
obachtungen auf den Werth des (• a 1 m e 11 e*schon Giftserums
hin.
12) Guy L. H u n n e r und Irving P. Lyon: Ueber die
Capacität der weiblichen Blase. (Ibid.)
Interessante Versuche über die Ausdehnungsfähigkeit der
Binse, sowie filier die Lngeverhnltnisse der Organe des kleinen
Beckens bei verschiedenen Fiillungszuständen der einzelnen Organe,
ungestellt an 25 weiblichen Personen. Während die Durchschnitts
capaeitüt der Blase für Luft 303 ccm ist. beträgt sie für Flüssig¬
keiten 430 ccm. Bei Nuiliparen ist die Capaeitüt grösser als hei
Multiparen. 319 bezw. 4C4 ccm gegenüber 291 bezw. 395 ccm. In
22 von den 25 Fällen zeigte sieh eine asymmetrische Ausdehnbarkeit
der Blase und zwar in 10 Fällen nach links. Die durchschnittliche
Länge der Urethra wird auf 3.3 cm angegeben.
(Fortsetzung folgt.)
L a e li e r - München.
Vereins* und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung v o m 2S. F ebru a r 1900.
Herr B e n a s demonstrirt eine Frau, die ausser den normal
entwiekelten Brüsten noeli zwei Paar Mammae besitzt, <»<e
schon in der Müdeheuzeit bei der Menstruation anzuschwellen
pflegten und später bei der Laetatiou Milch seeernirten. Die¬
selben sitzen oberhalb und aehselwärts von den normalen Mammae.
Daneben finden sicli noch rudimentäre Warzen.
Tagesordnung:
Herr Th. W e y 1: Die Assanirung von Konstantinopel auf
Grund eines der türkischen Regierung vorgelegten Berichtes.
(Schluss.) Hans Kolli».
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 26. F e b r u a r 1900.
Demonstration:
Herr A. Fraenkel demonstrirt das anatomische Präparat
eines Aortenaneurysma, das mir Gelatineinjectionen beim adelt
worden war. Der 53 jährige, an sicherer tertiärer Lues leidende
Mann war im März 1898 zum ersten Male im Krankenhaus am
Urban mit Gelatineiujeetionen behandelt worden und zwar
G Wochen lang, 2 mal wöchentlich mit 50 ccm einer */ 3 proc. Lösung
subeutau. Es trat eine sein- erhebliche Besserung ein. doch legt
Vortragender Gewicht darauf, dass der Kranke während der ganzen
Zeit der Behandlung strenge Bettruhe einhielt. Der Kranke
verlies« gegen den ärztlichen Rath die Anstalt, um nach einigen
Monaten in viel schlechterem Zustand zuriiekzukehren (Getoben.
Hierauf zweite Injectionseur; 2 proe. Lösung, zweimal wöchentlich;
20 Injectionen. Wiederum audauernde Bettruhe. Bedeutender
Rückgang aller Symptome und Entlassung. Bald darauf kam
Patient, zurück und starb kurze Zeit nach der Aufnahme.
Die Seetion ergab ein kindskopfgrosses Aneurysma, dessen
Wand belegt war von einem ca. l|i em dicken, alten Fibringerinnsel.
Vortragender „zeigt dasselbe <> h u e j e d e n w eite r e li C o m -
in e l» t ar und Hält sicli reservirt in Bezug auf die Frage, ob die
Injectionen die Gerinnung bewirkt haben oder nicht“. Er betont
aber, wie schon früher die grosse Bedeutung der strengen Bett -
v u h e während der ganzen Behaudlungszeif.
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1
MÜNCHENER M EDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 10
]) i s c u » s i o n : Herr Litt e u lmt 4 Falle behandelt, ohne
jrdeu Einfluss. Sowohl bei dieser, wie bei allen in den letzten
Jahrzehnten vorgesrlila geilen Behandlungsmethoden für das Aneu-
i.\smn hält er die Bettruhe für das Wichtigste.
Tagesordnung.
Herr Rubinstein: Ueber verschiedene Formen chro¬
nischer Gelenkentzündung und ihre Unterscheidung.
Vortragender, ein Schüler Schälle r’s, vertritt im Wesent¬
lichen dessen kürzlich in der Berl. klin. Wochensehr, publieirten
Anschauungen. Er unterscheidet zwischen dem chronischen Ge-
lenkrheumatismus, der tlieils aus dem acuten hervorgeht, tlieils
suhacut cinsetzt und eine grosse Neigung zur Ankylosirung
(Wirbclsäuleiisteiiigkcit gehört auch hiezu) zeigt, ferner dii?
Arthritis chronica villosa hypcrpkMica und die Arthritis de-
formans. Mit Schüller bestreitet er, dass die Arthritis de-
formuns aus der nur den Kapsclapparat befallenden und den
Knochen stets verschonenden Arthritis villosa hervorgehen könne.
Die Bedeutung der von Schüller für letztere AfTection ver¬
antwortlieh gemachten Bacillen lässt er unentschieden.
Bei Arthritis villosa helfen liarh S e h ii 1 1 e r’s und seiner
Erfahrung Jodoforminjeetinnen, im späteren Stadium operative
Entfernung der Zotten, hei der Arthritis defonnans, die eine
Stoffwechselanomalie darstelle, helfe hingegen zuweilen eine diii-
tisehe und Mincralwassercur.
Der Name Arthritis nodosa sei am besten ganz fallen zu
lassen und das Mal uni senile eoxae nicht eine einfache Arthritis
defonnans, sondern eine eigene Krankheitsform.
Herr Determanna. (!.: Die Beweglichkeit des Herzens
bei Lageveränderungen des Körpers.
Mit Hilfe der Percussion und von Röntgenstruhlendurch-
leuchtung an vielen Hunderten von Patienten und zahlreichen
( ontrolversuchen an der Leiche hat Vortragender die Grenzen der
V e r s e h i e b 1 i e h k e it des Iler z e n s unter p hvsio-
logische n und p a t h o 1 o g i s e li e u Verhältnissen studirt.
Dieselben sind grossen i n d i v i d u e 1 1 e n Schwankungen
unt<*rworfen, betragen für gewöhnlich einige (Zentimeter (nach
links 2'/j, nach rechts l 1 .), bisweilen, namentlich bei ehloro-
t i s <• li e n und n e u r a s t h e n i s e h c n Individuen mehr, bei
letzteren namentlich, wenn sie abgemagert sind.
Bei Emphysem ist sie im Allgemeinen vermindert; besonders
gross hingegen hei brüsk E n t f e t t e t e n. Dass bei Arterio¬
sklerose eine geringere Beweglichkeit bestehe, wie
mehrere Autoren annehmen, konnte er nicht bestätigen.
Die Folgen der grösseren Beweglichkeit sind im Allgemeinen
geringe. Bei Neurasthenikern mögen jedoch manche Beschwer¬
den davon kommen, so z. B., dass manche nicht auf der linken
Seite schlafen können. Die Pulsfrequenz scheint links zuzu¬
nehmen. Der Blutdruck bleibt unverändert. Therapeutisch
kommen neben den anderen allgemeinen Maassnahmen nament¬
lich die bessere Ernährung in Betracht und prophylaktisch die
Vermeidung brüsker Entfettungscuren.
Discussion: Herr Fraenkel: Traube hat. die abnorme Be¬
weglichkeit des Herzens für ein Fr Uh Symptom der A rterio-
s klerose gehalten; er selbst halte dieses Symptom doch für
sehr unsicher und individuell. Dass manche Menschen links
liegend nicht schlafen können, habe er immer für eine Folge des
Drucke» der Leber gehalten, namentlich bei gefülltem Magen, der
seinerseits den Druck auf das Herz foitpflanze.
Herr Gerhardt: Für die Fixation des Herzens und seine
gegebenen Falls abnorme Beweglichkeit kommen die F ett-
leisten des Perieards auch sehr in Betracht. Beschwerden
mache die abnorme Beweglichkeit für gewöhnlich nur dünn, wenn
die Leute etwas davon wissen, ähnlich wie es bei der W.-.i.oerniere
der Fall sei. Hans K o h n.
Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin.
(Eigener Bericht.)
S i t z u n g v o m 15. F e b r u a r 1900.
Herr Geissler stellt einen Knaben mit einem atypischen
Blutbefunde vor. Pat. ist sehr anaemiseh. Leber, Milz ver-
grössert. ebenso einzelne Lymphdrüseii, zuweilen Nasenbluten,
lVlecliie». Rothe Blutkörperchen V> -1 Million; weisse Blutzellen
vermehrt bis zu 33 000. Verhältniss der weisseil zu den rothen
Blutkörperelien 1:17, 1:32. 1:00. L y in p h o e y t e n 95 Froe.,
polyiniclcüre Leukoeyteu 5 Froe. Normo- und Megaloblasteil.
Diagnose unsielier. Mail kann denken an Fseiuloleuknemia in¬
fantum. an pemieiöse Anaemie, an ein aleukaeinlsches Vorstadium
tl«*r Leukaemie.
Herr .1 a p li a macht zu diesem Fall nähere Mittheilungen
über die Morphologie des Blutes. Auffällig ist der reichliche Be¬
fund an Megaloeyten und Mogaloblnsten, die bedeutende Ver¬
minderung der polynuelei'rrn Leukoeyteu, die Vermehrung der
Lyiuphocyten. Wahrseheinlieli handelt es sieh um eim* pernioiöse
Anaemie mit Uebergang in Leukaemie tLymphaemiei.
Herr Stenger stellt vor:
1. Sinusthrombose hei einem 23 jähr. DienstmUdelieu. welches
wegen Ohrensehmerzen, Ohrenlaufen, Kopf- und Nuckeusch merzen
iiufgenommen wurde. Otitis ehren. Der Warzen fort salz drtnk-
empfindlieh. 20. I. Radiealoperation. Cholesteatom. Freilegung
des Sinus bis zum Foramen jugulare. Spaltung desselben, Ent¬
fernung des nicht eitrigen Thrombus. Später r. Pleuraexsudat
und Lebersehwelluug mit Ikterus. Freilegung der rechten Jugular-
vene. welche bis zur Cartilago erieoidea tlirombosirt war, Unter-
bindung unterhalb der Vena thyreoidea, Entfernung des eitrigen
Thrombus. — Das Pleuraexsudat erwies eine Probepunetion als
trüb-serös, jetzt ist dasselbe resorbirt. Fat. befindet sieh ln voller
Genesung.
2. Feber einen Fall von Stimlappenabscess nach Stirn¬
höhleneiterung. Demonstration des Gehirns. 20 jährige Carton-
orbeiterin hatte früher eine Eiterung der r. Augenhöhle du reh-
gemacht. Danach litt sie au epileptischen Anfällen, die für einige
Zeit wieder aussetzteu. Entbindung. Neue Anfälle. Nun kam
Pat. zur Ohrenklinik. Olireiterung rechts. Stlrnhöhleiieiterung.
Operation, Besserung. Dann neuerdings Verschlimmerung iiutrr
heftigen Kopfschmerzen. Tod. Ohduetlon: Abscess im Frontal¬
lappen ausgehend von der Stirnhöhleneiterung. Die Operation
war wegen der Besserung nach dem ersten Eingriff aufgeschoben
worden.
Herr Burghart zeigt eine Ascitesflüssigkeit mit dem
auffallend niedrigen speeiflsehen Gewicht von 1004, herrührend
von einem etwa 40 jährigen Kranken mit chronischer Nephritis.
Das Fliictuatiousgefühl war ein sehr grossschlägiges, ein Symptom,
das durch das niedrige speciflsche Gewicht erklärt wird.
]Torr Burghart: Weiteres über Beeinflussung der
Diazoreaction durch Substanzen starker Affinität zu dem
E h r 1 i c h’schen Reagens.
Jod, auch innerlich, und Tannin heben die Diazoreaction
auf, oft auch Kreosot und Krcosotal. Ferner bringen viele Farb¬
stoffe die Diazoreaction zum Verschwinden, so besonders die
Phenole. Durch Entfernung der Phenole des Harns mit Amyl¬
alkohol udrd die Diazoreaction im Rückstände oft sehr deutlich
positiv, nachdem sie im Harn direct negativ gewesen wnar. Die
Phenole stören die Diazoreaction nicht in jedem Falle. Bei
Fehlen und auffälligem Schwanken der Diazoreaction bei Krank¬
heiten, in denen sie gewöhnlich vorhanden ist, muss man an eine
reichliche Phenolausschcidung als Ursache denken und die Phe¬
nole durch Amylalkohol entfernen. B. ist nach neuen Versuchen
der Meinung, dass die Diazoverbindungen verschiedene Körper
sind, welche zum Theil in Amylalkohol löslich, zum Theil unlös¬
lich sind.
Discussion : Herr M I e h a e 11 s. Herr Bnrghart.
Herr Brandenburg stellt einen 25jährigen Kranken
mit Scarlatina bullosa vor; er betont die Seltenheit, und die
schlechte Prognose dieser Fälle. W. Zinn- Berlin.
Greifswalder medicinischer Verein.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 3. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr L a n d o i s. Schriftführer: Herr Buss e.
1. Herr Bosenthal demonstrirt einen Fall von hoch¬
gradigem Meteorismus, wahrscheinlich in Folge von angeborener
Darmstenose. Das jetzt 3jährige Kind soll von Geburt an einen
aufgetriebenen Leib gehabt haben, dessen Umfang stets, besonders
aber in den letzten 8 Wochen zugenommeu hat. Am 13. I. 1900 wdnl
es In die Universitäts-Kinderklinik auf genommen, nachdem die
schon vorher dürftigen und unregelmässigen Stuhlentleeriingeii
angeblich seit 5 Wochen überhaupt ausgeblieben waren. Er¬
nährungszustand äusserst dürftig, das Abdomen hatte einen
grössten Umfang von 84 cm. Das Kind verdrängt 14 Liter Wasser
exclusive Kopf und Hals, während es im Ganzen nur 10,0 kg wiegt.
Durch Darriiausspülungen, Batiehmassage etc. wurden reichliche
übelriechende Faeces und Darmgase entleert und der Umfang um
20 cm vermindert. Der Umstand, dass dieser Zustand schon von
Geburt an besteht, spricht gegen chronische Dyspepsie lind für eine
angeborene Darmstenose, die nach Besserung des Allgemein
befindeus chirurgisch zu beseitigen sein wird.
2. Herr G r a w i t z: Ueber Adenocarcinome mit Projection
von Mikrophotogrammen.
Die Bildung der drüseiiähnliclien Geschwülste kann auf sehr
verschiedene Weise vor sich gehen. Einmal sieht man, dass von
Drüsen aus bei der Wucherung derselben eine Ausstülpung d«**
Drüsculuuicus nach der verschiedensten Richtung hin erfolgen
kann (Typ. 1), es bestehen also von vornherein Lumina, die von
annähernd eylindrischen Zellen ausgekleidet sind. Zweitens kann
die Wucherung zunächst kleine solide Zellhaufen schaffen, die
erst später bei der Ausreifung der Zellen hohl werden und um das
Lumen Cylinderzellen formiren (Typ. ü). Bei dieser Art der Bil-
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
6. März 1900.
339
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
<Iun& kann inan noch zwei Unterabtheilungen unterscheiden, ent¬
weder die Zellnester stehen in dircctem, unmittelbarem Zusam¬
menhang mit Drüsenbläschen, das Wachsthum der Epithelien
erfolgt in continuirlichem Zuge oder aber, entfernt von den
fertigen Drüsenbläschen entstehen im Bindegewebe Zellhaufen,
bei denen also ein Zusammenhang mit den vollendeten Epithel-
>chläuchcn nicht zu erkennen ist, discontinuirliches Wachsthum.
Drittens kommen nun auch Tumoren zur Beobachtung, in denen
Epithelien in die Lymphbahnen des Bindegewebes wuchern, und
dabei dickere und dünnere Bindegewcbsbiindel um so hl i essen,
durch deren Schmelzung und Verflüssigung dann ein Lumen zu
Stande kommt (Typ. III). Nur bei Typus I handelt es sich von
vornherein um Cylinderzellen und ausschliesslich um ein Iler-
vorgehen aus einer bereits mit drüsigen Ilohlräumen versehenen
Matrix. Bei Typ. II und III gibt es zunächst kleine, solide Zell¬
haufen einfacher, runder Zellformen, die sich erst nachher zu
Cylinderzellen differenziren. In diesem Falle ist es gar nicht ein¬
mal erforderlich, dass die Matrix der Geschwülste schon an sich
drüsige Struct.ur besitzt, sondern z. B. auch das Epithel der Ober¬
baut und der Nebenniere und das Zahnkeiinepithel kann nach
Anfangs soliden Zellwucherungen schliesslich Drüsenschläuche
oder kleine Cysten bilden. Typ. I wird in einem Adenom der
Thränendrüse, Typ. II in einigen Photogrammen von Gallert¬
kropf gezeigt. Einen extremen Grad des disoontinuirlichen
Wachsthums stellen die nicht selten in Knochen beobachteten
Metastasen von Struma maligna dar. Der Typ. III tritt am deut¬
lichsten in einem Tumor der Hypophysis hervor. Tn Adenocarei-
nomen des Rectum und der Ovarien finden sich gewöhnlich alle
3 Typen. Einige Photogramme zeigen das Ilervorgehcn von
Drüsenschläuchen aus den tieferen Schichten des Rete Malpighi
an einem Tumor der Achselhöhle bei einem Soldaten und einer
Geschwulst der Nackenhaut bei einer älteren Frau. In einem
Tumor der Nebenniere wird ein anderes Beispiel demonstrirt,
wie durch Verflüssigung von Epithelien und Bindegewebe aus
soliden Massen durchaus glanduläre Bildungen werden können.
Auch die cystischen Geschwülste des Unterkiefers, die von den
„Debris epitheliaux“, den nicht verbrauchten Zahnkeimresten
hervorgehen, liefern nach Typ. II und III vielfach cystisehe und
drüsige Geschwüre. Zum Schluss werden zahlreiche Bilder aus
den Parotisgeschwülsten demonstrirt, die den Beweis liefern, dass
die Driisenepithelien selbst in Wucherung gerathen und die Ab¬
kömmlinge derselben den Haupttheil der so oft als Endotheliome
aufgefassten Geschwülste liefern, vielfach auch nach dem Typ.
III. Der histologische Bau gibt nur annäherungsweise einen
Maassstab für den Grad der Bösartigkeit; im Allgemeinen ist der
Tumor um so bösartiger, je weniger rasch und je weniger voll¬
ständig die krebsigen Anfangsstadien zu dem vollendeten Drüsen-
und Cystenbau übergehen.
3. Herr Triepel: lieber Stossfestigkeit der Knochen.
Es empfiehlt sich in der Anatomie und Chirurgie, nicht nur
Angaben über die statische Festigkeit der Gewebe und Organe
in Gewichtseinheiten zu machen, sondern auch solche über ihre
Stossfestigkeit in Kilogramm-Metern. Versuche über die Stoss¬
festigkeit sind mit ziemlich beträchtlichen Schwierigkeiten ver¬
knüpft, weil von der lebendigen Kraft, die man im Experiment
auf einen Körper einwirken lässt, immer mehr oder weniger ver¬
loren geht, und nur wenige derartige Versuche liegen bisher vor.
Man kann nun aber die Stossfestigkeit aus der statischen Festig¬
keit berechnen mit Hilfe von Gleichungen über die bei der sta¬
tischen Beanspruchung geleistete Arbeit. Die Gewalten, die im
Körper zu Continuitätstrennungen führen, müssen immer grösser
sein, als die für die Stossfestigkeiteu berechneten Werthe, weil
eben auch hier lebendige Kraft in Verlust geräth, d. h. zu anderen
Aufgaben als den Continuitätstrennungen verwandt wird, vor
Allem durch die Unterlage und durch die Gewebe, die sich
zwischen dem stossenden und dem zerbrechenden oder zerreissen¬
den Körper befinden. Es werden einige Zahlenangaben gemacht
über die (durch Rechnung ermittelten) Stossfestigkeiteu einiger
Knochen. Eine ausführliche Darstellung wird an anderer Stelle
gegeben werden.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 27. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr Kümmell.
1. Demonstrationen.
1. Herr Krause- Altona demonstrirt einen Patienten, hei
dem er die Exstirpation der linken Kehlkopf hälfte und der vor¬
deren Wand des Oesophagus mit plastischem Ersatz vorgenomineu
hat. Cf. diese Wochensehr. No. 5, pag. 109.
2. Herr Schmilinsky stellt eiu 9 jähriges Mädchen vor,
bei dem er ein Offenbleiben des Ductus Botaili neben einer Dextro-
cardie diagnosticirt hat: Cyanose, Trommelschlcgeltinger, schorn-
steinförmige Herzdiimpfung, Erweiterung des venösen Ventrikels,
lautes Geräusch an der Pulmouulis, 2. Ton stark klappend. Rönt¬
genaufnahme.
Derselbe bespricht ferner einen Fall von Sanduhrmagen.
Der 37 jühr. Kranke hatte nach ganz geringer Nahrungsaufnahme
äusserst schwere Sehinerzparoxysmeii. Die Mageusomle kam bei
50 cm auf einen Widerstand, bei dessen Berührung die gleichen
Schmerzen geiiussert wurden; an Stelle der normalen 2 oehluck
gerUusclie hörte man beim Schluekacte zahlreiche Ste-
nosengeriiusche; die Schwammsondemmtersiichung ergibt
Blut. Eine mit Schrotli gefüllte Magensonde zeigt sieh auf dem
Röntgenbild am cardialen Abschnitt des Magens unter dem Rippen¬
bogen in Schnecke n gewiuden a u f g e rollt. Probe¬
laparotomie Ist ludicirt
3. Herr Albers-Schönberg : Fortschritte in der
Röntgentechnik.
Während man früher zur Herstellung eines relativ guten
Thoraxbildes einer mehrere Ali nuten dauernden Expositionszeit
bedurfte, hat die Einführung des W e h n e 1 t'sclien elektro¬
lytischen Unterbrechers eine Abkürzung der Belichtungszeit
auf Secunden, ja sogar auf Bruchtheile von Secunden ermög¬
licht. Den grössten Vortheil von dieser Schnelligkeit des Ver¬
fahrens haben die Thoraxuntersuchungen gehabt. Während es
früher nicht gelang, ein klares und scharfes Bild vom Herzen
und Zwerchfell zu gewinnen, da die Athmung die Contouren
verwischte, ist es jetzt möglich, das Zwerchfell als eine scharfe
Linie, das Herz als einen scharf conturirten Körper zu fixiren.
Bei richtiger Anwendung des Verfahrens kann man unschwer
die baumförmige Verästelung der Bronchien in den Lungen
zur Darstellung bringen. Vortragender zeigt diesbezügliche
Platten, sowie ein von Prof. Rieder in der Z i e m s s e n’sehen
Klinik in München in Secunde gemachtes Thoraxbild. In Folge
der Möglichkeit, Brustaufnahmen in ausserordentlich kurzer Zeit
zu machen, kann man sowohl Inspirations- wie Exspirations¬
stellungen fixiren, ohne befürchten zu müssen, dass die Athem-
bewegungen das Bild verwischen. Die Bedeutung des Ver¬
fahrens für die Diagnose liegt auf der Hand, da eine Reihe von
Erkrankungen der Organe der Brusthöhle sichtbar gemacht
werden können, die früher darzustellen unmöglich war.
II. Discussion über den Vortrag des Herrn Rumpel:
Heber Variola und Streptococceninfection.
Herr Reineke gibt einige Daten über Pockenfälle in Ham¬
burg. Seit der Epidemie der Jahre 1870/71 mit ca. 4000 Todesfällen
unter 40—50 000 Erkrankungen sind in Hamburg nur 63 Individuen
an Pocken gestorben. Sämmtliche hier beobachtete Pocken-
erkrankungen sind auf Einschleppung von auswärts zuriiekzu
führen. Die Einschleppung geschieht meist durch russische Aus¬
wanderer, deren sanitätspolizeiliclie Ueberwachung daher auf das
Strengste durchgeführt wird, zum kleineren Theil durch erkrankte
Seeleute. R. führt einzelne kleinere Epidemien an und vergleich!
insbesondere die von Rumpel beschriebene, sich auf 4 Fälle be¬
schränkende Epidemie mit einer ähnlichen des Jahres 1887, die
sich auf einen zugereisten Pockenkranken zurückftihren Hess, ln
diesem Kalle gelangte der Infectionskeim in niedere, ärmliche
Kreise der Bevölkerung und verursachte 77 Erkrankungen mit
17 Todesfällen. Die Gefahr der Ausbreitung der Infeetionskrank-
lieiten nimmt zu, je ungünstiger die socialen und hygienischen Ver¬
hältnisse der Bevölkeruugsclasse sind, die jeweils betroffen werden.
R. bespricht die Bekämpfungsmassregeln, die in Isolirung der
Kranken und in ausgedehnter Impfung der Umgebung zu bestehen
haben.
Herr A r n i u g erwähnt, dass Ende Deeember ln Marseille
eine Blatternepidemie ausgebroehen ist und dass einzelne Er¬
krankungen in Genf vorgekommen sind. Mit Wahrscheinlichkeit
besteht ein Zusammenhang dieser Infectionen mit dem ersten Full*
des Herrn R nnipe l.
Herr Voigt bemerkt, dass die an Purpura variolois ver¬
storbene Frau nur als Kind geimpft sei, während die übrigen
Fälle geimpft und revaccinirt waren.
Herr Pa a s c h e n constatirt das negative Ergebniss der Thier¬
versuche.
Herr Rumpel betont, dass in pockenfreleu Zeiten aus den
Krühformen des Exanthems die Diagnose unmöglich sei. Der
„initiale Rash“ ist nicht immer in typischer Weise vorhanden.
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Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
340
MÜNCHENER MED1CIMSCHK WOCHENSCHRIFT.
No. 10*
U. hüll es lii. möglich, dass eventuelle Mikroorganismen in der
Haut (Streptococcen) hei der Bildung der serösen Blasen durch das
sich bildende, bacterieid wirkende Serum zerstört werden. Damit
ist es erklärt, dass die in der Entwickelung begriffene Pocken¬
blase, ehe sie durch secundäre Eitercocceninvasion zur Pustel wird,
stets steril gefunden wird. Die Frage der Lebert ragbarkeit der
Streptococcen von Mensch auf Mensch, sowie von Mensch auf Thier
und umgekehrt ist noch nicht genügend erklärt. W e r n e r.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
tüfücielles Protokoll.)
Sitz u n g v o m 9. J a n u a r 1900.
Vorsitzender: Herr A. W i e s i n g o r.
Schriftführer: Herr II ä r t i n g.
Herr C. Lauenstein demonstrirt einen 41 jährigt u Mann,
dei seit 4 Jahren au einer intermittirenden Anschwellung der
Genitalien leidet. Antangs trat die Anschwellung \un Peius,
Scrotum und rechter Häilte des Dammes alle Vierteljahr ein, daun
alle zwei Monate, seit einem Jahre etwa regelmässig alle 8 Tage.
Während das Allgemeinbefinden im Wesentlichen ungestört bleibt,
tritt neben der Schwellung eine intensive Kot Innig auf, dann berstet
die Haut an vielen Steilen und die geschwollenen Tlieile nässen sein-
stark, indem sie eine ganz klare Flüssigkeit absolutem. Eine gänz¬
liche A lisch wel hing der Tlieile tritt nicht ein, vielmehr bleibt eine
bestimmte Verdickung zurück in Gestalt von warzigen llervor-
ragungen der Scrotalhaut, einer gleichmässigeii Schwellung des
Praeputlums und des Penis, sowie einer über halbhasemussgrossen,
warzigen Anschwellung am hinteren Ende des Perineums rechts
vom After. Was nun die Aetiologie anlangt, so ist Par. niemals iui
Auslande gewesen, sondern hat nur in Leipzig und Hamburg gelebt.
1875 hat er Gonorrhoe aequirirt, 1877 Ficus molie, 1871) beiderseitige
Leistcndrüseuentzündung, die geschnitten w urde und eine 3 monat¬
liche Hospitalbehandlung erforderte. 1887 wiederum beiderseitige
Leistendrüsenentzündung und 2^monatliche Hospitalbehandlung.
Im Jahre 1895 war Pat. bei einem Umzuge beschäftigt und
hob ein sehr schweres Stück Möbel. Dabei verspürte er plötzlich
einen heftigen Schmerz im „Gemächte“ und eine sehr starke An¬
schwellung desselben. Diese ging unter Umschlägen in ca. 3 Tagen
wieder vorüber. Venenausdehnungeii bestehen nicht.
l*at ist schon wiederholt operirt, d. h. es sind ihm von den
Warzen lind Protuberanzen wiederholt welche weggeschnit teil und
w-eggebrannt, aber immer sind sie wiedergekehrt.
E. vermuthet nun, dass in Folge der zweimaligen Leisten-
drüseiieiitzündungen die Wegsamkeit der Lyiuphgefässe, die von
Penis, Scrotum und rechter Dammhälfte entspringen, beeinträchtigt
resp. aufgehoben worden ist, so dass die Lymphe nicht im Stande
ist, abzuttiessen, und dass dadurch das Krankheitsbild bedingt ist.
Er will versuchen, dem Pat. dadurch zu helfen, dass er ihm
innere oder äussere Abzugscauäle oder Oeffiiungen anlegt.
i) i s c u s s i o u : Herr Unna betont die klinische Aehu-
liehkcit des Falles mit M a n s o n’s Lymp liscrotu m. Auch
dieses ist mit einer elephautiastisehen Beschaffenheit der Serotal¬
haut oft verbunden, regelmässig mit Drüsensi-hvveliungeu, perio¬
dischen Anschwellungen des Scrotuius bei allgemeinem Unwohlsein
und Absonderung von Lymphe aus den zahlreichen oberflächlichen
Lymphangiektasieu. Da der Pat. nicht von Hamburg fortge¬
kommen ist, kann es sich nicht um eine Filariadermatose handeln,
aber der klinischen Aehullchkeit mit Lymphscrotum wegen viel-
leiclit um eine ähnliche Aetiologie. Auf alle Fälle sei bei Stellung
der Diagnose zu beachten, dass kein einfacher Fall von Oedeina
scroti vorliege, sondern eine Neubildung, nämlich eine elephau-
tiastische Verdickung der Scrotalhaut und eine reichliche Bildung
von oberflächlichen Lymphangiomen auf derselben.
Herr Sänger fragt an, ob bei dem Patienten nervöse Stör¬
ungen vorhanden seien, da mit Störungen des Nervensystems öfters
inlermittirende Oedeme, besonders mit llautcrkrankungen com-
binirt vorkämeu.
Herr C. Lauenstein gibt an, einen genauen Nervenstatus
nicht aufgenommen zu haben, doch solle dieser nocli vorgenoinmen
werden.
Herr C. L.auensfein demonstrirt Präparate und Röntgen-
bilder eines Falles von Spontanfractur des linken Oberschenkels.
Die Patientin, eine verlieirathete Frau, 54 Jahre alt. Mutter von
zwei lebenden Kindern, bekam vor etwa 5 Jahren „rheumatische“
Schmerzen im ganzen Körper, in den Knien beginnend und auf die
Schultern übergehend. Vor einem Jahre wurde sie in einem gymna¬
stischen Institute, namentlich auch w-egeu Beschwerden in der
rechten Hand mit der „Klopfmassage“ behandelt. Es trat jedoch
keine Besserung ein. Vom 7. II. bis 28. 111. a. c. wurde sie im
Alten Allgem. Krankenhause wegen „Rheumatismus chron.“ be¬
handelt mit Bädern, Douchen, Faradisatiou und Massage, jedoch
ging sie, wie sie gekommen war, an zwei Stöcken gehend, wieder
ab. Am 25. VII. schwoll das linke Bein an, zuerst über und
unter dem Knie. Am Abend des 8. VIII. lag sie zu Bett, nach¬
dem sie noch den Tag über leidlich hatte gehen können; sie wollte
noch einmal aus dem Bette steigen und drehte sich zu diesem
Zwecke auf die linke Seite. In diesem Augenblicke spürte sie einen
blitzartigen Schmerz im linken Beine. Das Bein legte sich „nach
aussen“ um, und seitdem konnte Pat. weder gehen noch stehen.
Als sie am 22. VIII. auf die chirurgische Abtheiluug Be-
l h e s d a’s aufgenommen wurde, war der ganze linke Oberschenkel
Mark gesellw'ollen und zeigte eine Fractur au der Grenze zwischen
olierem und mittlerem Drittel mit starker Disloc. ad axin (Con-
Atxit. nach aussen). Keine Spur von Callusbildung. Ausserdem
ergab die Röntgen-Durchleuchtung eine sehr zarte Spongiosa und
eine sehr dünne Oortiealis. Es erfolgte keine Spur von Consoli-
dation. Daher ging Pat., die sehr viele Schmerzen in dem ge
scliwollenen linken Bein hatte, am 3. XI. a. c. auf den Vorschlag
dir Amputation des Oberschenkels an der Fraeturstelle ein und
tülilt sich seitdem auch sehr erleichtert. Die Amputatiouswumle
bat bisher gleichmässige Fortschritte in der Heilung gemacht und
ist jetzt, nahezu geschlossen. Die genaue Untersuchung des aui-
putirten Beines ergab nun eine ganz ausserordentliche Weichheit
und Brüchigkeit des Knochens, eine hochgradige Armuth an Kalk¬
salzen und multiple, tliells im Mark liegende, theils die Cortiealb*
lochfürmlg durchsetzende Tumoren, die sich mikroskopisch als
sehr g e f ii s s r e i c li e Riesenzellensarkome erwiesen.
Die nachträgliche weitere Untersuchung der Pat. mit Röntgt* n-
stralilon hat nun die Anwesenheit zahlreicher Tumoren in den»
übrigen Skelett ergeben, namentlich auch in den Mittelhand- und
]-ingerknochen beider Hände. Der damals mit der Klopfmassage
behandelte Metacarpus ist zum Theil resorbirt, der Finger durch
Linsiuken gegen die Mittelhand verkürzt. Die genaue fernere Be¬
obachtung des Falles hat nun ergeben, dass ausser einem ganz ge¬
ringen Eiweissgchalt des Urins und der Anwesenheit von spär¬
lichen hyalinen Uylindern, die in letzter Zeit aufgetreteu sind, keine
Orgaiierkrankimgeii bestehen. Der Beuce - J o h n’sclie Körper
oder Al bum ose sind nicht nachgewleseu im Urin. Das Blut
zeigt keine Veränderung. Dilforrnitäten des Skelettes fehlen. Au
de) Bruchstelle des Oberschenkels liess sich keine Tumorsubstanz
iiüchweisen. So ist der Sitz der Fractur wohl auf die Oertlieli-
keit der einwirkeuden Gewult zurückzuführen. Nach dem bis¬
herigen Verlaufe des Falles zu urtlieilen, hat das Riesenzellen
sarkom hier einen mehr gutartigen Charakter, wie wir ihn auch von
dei Epulis her kennen. Leider ist aber die Gutartigkeit nicht die
gewöhnliche Eigenschaft der Riesenzellensarkome. Es gibt Fälle
mit sehr malignem Charakter.
I) i s c u s s i o n : Herr Slmruonds fragt an, ob die Fractur
an einer Stelle des Femur entstanden sei. wo Tumormassen vor¬
handen gewesen seien.
Herr C. Lauenstein gibt an, an der Fraeturstelle selbsi
sei keine Tumormasse vorhanden gewesen; man müsse also an-
liehme», dass andere Momente den Femur gerade an einer von
Tumor freien Stelle haben brechen lassen und dass vielleicht Ein
Wirkung einer grösseren Muskel Wirkung au der betr. Stelle oder
osteoporotische Processe die Ursache des Bruches an dieser Stelle
seien.
Herr Henkel demonstrirt einen Fall von Vitium cordis
congenitum (sehr grosser Septumdefect, Pulmonalstenose und
IiJHiifflcienz).
Das Präparat stammt von einem 15 jährigen Jungen, der, here¬
ditär nach keiner Richtung belastet, ohne jede Kunsthilfe zur Welt
gekommen war. In den ersten Lebensjahren Blausucht und all¬
gemeine Krämpfe alle paar Tage. — Während der Schulzeit keine
Krämpfe mehr, wohl aber vielfach Schwindelgefühl und Olm
limchtsanfälle. Geistige Entwicklung vollständig normal. Am
22. I. 99 plötzlicli Ilaemoptoe. Nach 8 Wochen Wiederholung.
Am 12. VI. Krankenhaus:!ufnähme — Eppendorf, Abtheilung Dr.
R u in p e 1.
Anamnestisch bomerkonswerth ist. dass Pat. niemals Gelenk¬
rheumatismus, nie Masern, Scharlach, Diphtherie oder Typhus ge¬
habt hat.
Der Aufnahmebefund ergab: gradier, intelligenter Junge.
Ganz leichte Cyauose im Gesicht. Keine Venonpulsation am Hals.
Keine Oedeme. Eiulphalangen der Finger etwas verdickt. Finger¬
nägel blau. Keine Drüsenselnvellung.
Nervensystem ohne jede Veränderung.
Herzdämpfung nach rechts und nach oben verbreitert. Spitzeii-
stoss an normaler Stelle sichtbar. lieber allen Ostien lautes sysi.
Geräusch, am lautesten über der Pulmoualis, hier auch leises
diast. Geräusch. Puls 04, regelmässig gespannt. Pulscurve bietet
nichts Besonderes. Bei fehlendem Auswurf w'iirde ein doppel¬
seitiger Lungenspitzenkatarrh fcstgostollt. Keine Temperaturen.
— Am 9. Tage des Krankenhausaufeiithaltes Haemoptoe — posi
ti\er Tuberkelbacillenbefund, llaemoglobingehalt nach Go weis
95 Proe. Die mikroskopische Untersuchung frischen und gefärbten
Blutes, ebenso die Betrachtung desselben im Spoctralapparat ergab
durchaus normale Verhältnisse. Krankheitsverlauf wird im Wesent¬
lichen von der progredienten Luugentuberculose beherrscht, dir
fieberfrei verlief; — höchste Temperatur 37,8 zweimal.
Am 8. I. 1900 Exitus letalis.
Die Section ergab ziemlich starke Cyauose im Gesicht, Blau¬
färbung der Fingernägel. Pralle Füllung der tiefen Halsvemu.
keinen Ascites, keine Oedeme. Doppelseitige sehr progresse Lungern
tuberculose. Im Herzbeutel* ca. 10 ccm klare, bernsteinfarbene
Flüssigkeit, Herz erheblich grösser als die Faust der Leiche unter
gleiclimässiger Betheiligung beider Ventrikel. Aorta auf Wasser
einguss schlussfest, Pulmoualis nicht.. Pulmoualis für Sonde von
Bleistift dicke eben durchgängig. Von den Pulmonalklappen sind
nur zwei nachw eisbar, die in grosser Ausdehnung mit einander vor-
wachsen sind. Die beiden Sinus Valsalvae stark erweitert.
Aortenklappen sind zart., vollkommen intact, ebenso Mitralis
und Tricuspidalis, Fora men ovale geschlossen, dessgleiehen Dun .
Botalli. Der Defect im Septum ist bequem für den Mittelfinger
durchgängig. Er sitzt im hinteren Schenkel des vorderen Septums,
des Theiles, der die Aorta rechts umfasst und ihr zum Theil als
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6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
341
Insertion dient (Rokitansky). Es handelt sich also um eine
Communication beider Ventrikel unter dem Aortenursprung. Der
Rand der Oeffnung wird von Muskelgewebe gebildet, dessen
endocardialer üeberzug erheblich verdickt ist. — Section der Bauch-
organe ergibt nichts Bemerkenswerthes.
Herr Saenger: Ueber Hirnsymptome bei Carcinoma-
tose.
Anschliessend an die Arbeiten Oppen hei m’s und
Bettel hei m’s im Jahre 1888, in welchen diese Autoren Fälle
von Carcinomatose mittheilten, deren scharf umschriebene Hirn¬
symptome keine Erklärung durch die Section fanden, berichtet der
Vortragende über eine Frau, die 1 Jahr nach einer wegen Carci-
nom vorgenommenen Mammaoperation mit Kopfschmerz,
Doppeltsehen, Taubheit, häufigem Erbrechen und allgemeiner
Unruhe erkrankt war. Ausser einer rechtsseitigen Facialis-, Ab-
ducenslähmung, doppelseitiger Taubheit, schwankendem Gang be¬
standen keine besonderen Störungen. Bei der Section fand sich
makroskopisch kein Befund im Gehirn, der in Zusammenhang
mit der Carcinomatose gebracht werden könnte. Bei der mikro¬
skopischen Untersuchung der Pia der Convexität, sowohl wie der
Basis um den Austrittsstellen des Abducens, Facialis, Acusticus
und Glossopharyngeus fanden sich dichte Anhäufungen von
Krebszellen.
Vortragender ist der Ansicht, dass gewiss einer Reihe von
Krebsfällen mit circumscripten Hirnsymptomen eine derartige
mikroskopische Metastasenbildung zu Grunde liegt, bei denen
makroskopisch im Hirn keine Veränderung zu constatiren ist.
Der Annahme O p p e n h e i m’s, dass die Hirnherderscheinungen
bei Carcinomatose auf eine toxische Herderkrankung des Gehirns
zu beziehen seien, vermag sich Vortragender absolut nicht anzu-
schliessen. Er neigt sich vielmehr den Anschauungen Sena-
t o r’s zu, dass das Gehirn auf die abnorme Blutmischung bei
Carcinomatose nicht in Herdsymptomen, sondern in
diffuser Art reagire: in Form von Schmerzen, Benommen¬
heit des Kopfes, Apathie. Schläfrigkeit, Coma.
Vortragender hat 112 Krankengeschichten von Magencarci-
nomen, die meist letal endigten, auf das Vorkommen von Tfirn-
symptomen durchgesehen, ln keinem einzigen Fall fand sich ein
cerebrales II e r d s y m p t o m. In 9 Fällen fanden sich nervöse
Symptome allgemeiner Natur: wie Apathie, Coma, unsicherer
Gang, Herabsetzung der Sehnen- (resp. Patellar-) -reflexe und
unerträgliches Zucken.
Weiterhin theilt Vortragender 2 eigene Beobachtungen mit.
In dem einen Fall handelte es sich um einen 35 jälir. Arbeiter,
der mit einer rechtsseitigen Abducenslühmung erkrankt war. Da¬
rauf trat Abnahme des rechtsseitigen Sehvermögens bis zur Er¬
blindung ein. Die Cervical- und Inguinallymphdrüsen waren ver-
grössert. Es traten durch Metastasen bedingte Anschwellungen
ln der Musculatur des Rückens und der oberen Extremitäten auf.
Am 23. Krankheitstage starb der Patient in heftigem Delirium
und Fieber.
Die Section ergab einen kinderfaustgrossen, carcinoinatösen
Tumor im vorderen Mediastinum, welcher mit der Vena anonyraa
sin. so verwachsen war, dass die Krebsmasseu frei in das Lumen
derselben hineinragten. Im Hirn fanden sich zahlreiche flache
Carcinommetastasen auf der Dura.
In dem anderen Fall handelte es sich um eine 59jähr. Frau,
die nach vorhergehender linksseitiger Hemianopsie eine linksseitige
Hemiparese acquirirt hatte. Die Section ergab ein linksseitges
Lungencareinom mit Metastasen auf der Pleura, in der Milz und
im Gehirn, und zwar fanden sich: im rechten Hinterhauptslappen
ein grauweisser, erweichter, grösserer Knoten, im linken Hinter¬
hauptslappen eine kleine, haselnussgrosse Metastase und im
Parietallappen ein 3. Tumor.
Der Vortragende zeigt das anatomische Präparat dieses
Falles*; ausserdem noch 3 weitere Präparate: eine Krebsmetastase
irr Hinterhauptslappen bei einem Oesophaguskrebs; eine Meta¬
stase in beiden Centralwindungen incl. dem Lobus paracentralis
ebenfalls bei einem Oesophaguskrebs und endlich einen Krebsknoten
im Kleinhirn bei derselben Localisation des Grundieidens.
Vortragender fasst seine Beobachtungen dahin zusammen,
dass die Hirnsymptome bei Carcinomatose sich folgendermaassen
gruppiren lassen:
1. Hirnsymptome allgemeiner Natur, wie Apathie,
Coma etc.
a) Ohne anatomische Veränderungen, wahrscheinlich be¬
dingt durch Selbstinfection in Folge von abnormen Zersetzungs¬
vorgängen.
b) mit anatomischen Veränderungen, z. B. Metastasen ohne
Herdsymptome.
2. Hirnsymptome specieller Natur (Herdsymptome).
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a) Ohne jeglichen Befund. Oppenheim
nimmt an, dass cs sich in solchen Fällen um toxische Herd¬
symptome handelt; welche Hypothese Vortragender für durchaus
unbewiesen und schwer verständlich hält, da die Herdsyraptome
nie doppelseitig, sondern stets halbseitig auftreten.
b) Mit m i k«r oskopischem, ohne makroskopischen
Befund. Siche den ersten mitgetheilten Fall.
c) Mit makroskopischem Befund:
aa) Geschwulstmetastasen,
bb) Erweichungen oder Blutungen bei einem Krebskranken.
Natürlich können sich Symptome allgemeiner Natur mit
solchen specieller Natur combiniren.
Vortragender geht noch auf die pathologisch-anatomische
Seite des Themas ein und hebt hervor, dass im Gehirn keine
Praedilectionsstelle für die metastatischen Carcinome sich fest¬
stellen lasse. Ebensowenig ist die Metastasenbildung von der
histologischen Beschaffenheit des Krebses abhängig. Dagegen
scheine die Oertliehkeit in gewisser Beziehung zur Häufigkeit
des Auftretens von Metastasen zu stehen. Die Oesophagus-,
L ungen - und Mediastinalkrebse machen am meisten
Hirnmetastasen und zwar auf dem Wege der Blutbahn.
Zum Schluss hebt Vortragender hervor, dass es noch vieler
I eingehender pathologisch-anatomischer Untersuchungen (viel¬
leicht mit neuen Methoden) bedarf, um über das dunkle
Capitel der Herdsymptome des Gehirns bei Carcinomatose „ohne
Befund“ Klarheit zu verschaffen.
Discussion: Herr N onne sieht ab von den Fällen, in
denen er auf Grund von Metastasen zu klinischen cere¬
bralen Symptomen kommt. Die Symptome sind in diesen ganz ver¬
schieden, je nach der Localisation der Metastase. N. will nur
über diejenigen Fälle berichteu, ln denen bei einem w o h 1 -
a u sge bildeten klinischen Symptombild kein ent¬
sprechender Section sbef und consta tirt wurde.
Den ersten derartigen Fall sah N. 1888 im Eppendorfer Kran¬
kenhaus: Ein 44 jähriger Mann mit grossem Magencarcinom bekam
apoplectiform eine rechtsseitige Hemiplegie mit motorischer
Aphasie. Diese Lähmung blieb bis zu dem nach 1 Woche er¬
folgenden Tod best« hen. Die makroskopische und, in diesem Falle
unter E i s e n 1 o h r*s — damaliger Chef von N. — Controie
aiisgefülirte. m i k r o s k o p i s c li e Untersuchung fiel negativ aus.
Seitdem sah N. eine acut aufgetretene rechtsseitige Hemi¬
plegie bei einem Fall von Gallenblaseucarciuom. eine Facialisparese
mit Aphasie und Monoplegie dos rechten Arms bei einem Fall von
Coe«*umearemom, eine linksseitige apoplektiform aufgetretene
Hemiparese in einem Fall von Magenpaukreascarcinom. In einem
weiteren Fall von Carcinoma mammne mit ausgebreiteten Meta¬
stasen sah N. subacut — ohne Insulterselieiinnigen — das Bild einer
Pensa ffection. also weehselständige Lähmung im rechten Facialis
von supranucleärem Charakter und in den linksseitigen Extremi¬
täten zur Ausbilduug kommen, ohne dass hei makroskopischer und
iu diesem Fall auch durchgeführter mikroskopischer Untersuchung
ein positiver Befund erhoben werden konnte. Endlich sah N. vor
9 Monaten noch einen Fall von apoplektisch aufgetretener rechts¬
seitiger Hemiplegie — ohne Aphasie — bei einem Fall von Carci¬
noma ovarii mit multiplen anderweitigen Metastasen.
N. sah 2 ganz analoge Fälle von typischer Jackson’-
scher Epilepsie bei Carcinomatosis. Iu dem einen
Fall lag ein Magencarcinom bei einem 40 jährigen Manne vor; die
rechtsseitigen J a c k s o n’schen Couvulsionen, die von einer vor¬
übergehenden rechtsseitigen Parese gefolgt waren, traten im
Ganzen 4 mal auf. Bei der Section fanden sich linksseitig meta¬
statische Carcinomknoten im Marklager und in der Rinde der linken
Centralwindungen. Im anderen Fall handelte es sich um ein
Mammacarciuom mit Metastasen in den Pleuren, der Leber und den
Lymphdrüseu am Halse. In diesem Falle traten über 2 Wochen
hindurch fast täglich Anfälle rechtsseitiger J a c k s o n’scher Epi¬
lepsie auf. Die Section ergab in diesem Fall makroskopisch gar
keine Anomalie. In beiden Fällen war der ophthalmoskopische
Befund normal gewesen. N. glaubt, dass wir jetzt noch nicht
in der Lage sind, in derartigen Fällen die Differential-
diagnosezwischenor ganischer und dynamischer
Grundlage der klinischen Erscheinungen zu stellen.
Den Fall des Herrn Sänger betreffend, in dein S. mikro¬
skopisch CarcinomInfiltration längs der Gefässe und der Piasepten
nachweisen und diese als anatomische Grundlage der klinischen
Cerebralsymptome auft'assen konnte, verweist N. auf die Erfahr¬
ungen von F. Schultze und von Kranhals, die bei makro¬
skopisch normalem Befund in Fällen von „klinischer Meningitis“
mikroskopisch die Anzeichen entzündlicher Veränderungen fanden.
Es ist immerhin auffallend, dass die Carcinome des Magen-
darmtractus in den Fällen von Hemiplegie
ohneBefundbesonders häufig vertreten sind, und dess-
halb legt N„ entgegen Herrn Sänger, der Theorie der
Intoxication, die auf bestimmte Territorien des Hirns ein¬
wirkt, mehr Werth bei. Dazu bestimmen N. noch zwei That-
sachen: erstens, dass dasklinischeBlld — und das beweisen
auch die Fälle von Sänger — überwiegend häufig das
Bild der Hemiplegie resp. Hemiparese oder einer mit
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342
No. 10.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
oder ohne Aphasie auf tretenden Monoparese resp. Monoplegie ist,
und zweitens, dass auch die bisherigen positiven Rücken-
ma rksbef unde vorwiegend an Fällen mit Carci-
n o m des Int. estinaltractus erhoben wurden (Lu-
1) ursch u. A.).
Zu diesem Capitol der Rückenmarksaffection bei
Carcinosis kann N. einen nicht unwichtigen Beitrag liefern:
Bei einer an inoperablem Uteruscarcinom leidenden
Flau, bei der alle sonst für ein Rückenmarksleiden aetiologisch
in Betracht kommenden Momente ausgeschlossen werden konnten,
entwickelten sich ca. 2 Monate vor dem Tode spasti¬
sche Symptome an den unteren Extremitäten:
Parese, leichte Spannungen bei passiven Bewegungen, Erhöhung
des Patellar- und Achillessehnenreflexes, ohne subjective und ob-
joetive Sensibilitätsstörungen. Bei der mikroskopischen Unter¬
suchung des Rückenmarks fand sich eine ausschliesslich
auf das Gebiet der Seiten st ränge beschränkte
(Py S.-Str., ein Theil des kl. S.-Str. und G o w e r s’ Str.) doppel¬
seitige Faserdcgcucratio n, ohne dass irgendwo im
Rückenmark, in der Medulla obiongata, im Mittel- oder Grosshirn
ein I-Ierd angetroffen wurde (Demonstration von Photographien).
Also auch in diesem Falle war ein bestimmtes Ge¬
biet des Rückenmarks e 1 e e t i v bei einem an
ausgedehntem Careinom leidenden Individuum
erkrankt.
Dass übrigens nicht nur Carciuome mit Vorliebe eine Hemi¬
plegie oder einen ihr nahestehenden Symptoineneomplex hervor-
rufen, beweisen die von Jacobson- Copenhagen schon 1893 zu-
saminengestelltcn Fälle, auf die Sänger nicht eingegangen ist.
Auffallender Weise lag in .1 acobs o n’s Fällen niemals ein
Carcinom vor. das kann nach unseren heutigen — Oppenheim
u. A. - Erfahrungen und speeioll nach Säug e r’s und Nonn e‘s
an dem Hamburger Material gesammelten Erfahrungen nicht als
Regel aufgestellt werden. Zu dem J a c o b s o n’schen Material,
dae noch kürzlich durch eine Publica tion von Werner *), die dem
Eppendorfer Material (Abtheilung von Dr. Gläser) entstammt,
bereichert worden ist, gibt N. folgenden Beitrag:
1889 sah er eine adipöse Frau von 50 Jahren, ohne sonstige
nachweisbare Organerkrankung 1 Woche ante mortem an rechts¬
seitiger Hemiplegie apoplektiform erkranken. Die anatomische
Untersuchung— die mikroskopische Untersuchung wurde auch vor¬
genommen — ergab keine Erklärung für eleu klinischen Befund.
In einem zweiten Fall (1889) handelte es sich um eine rechts¬
seitige Hemiplegie bei einem Fall von chronischer interstitieller
Nephritis (III. Gruppe von Jacobson); 1890 sah N. eine rechts¬
seitige Hemiplegie 4 mit Aphasie bei einem Potator, der makro¬
skopisch eine Arteriosklerose der peripheren Arterien, aber keine
makroskopische Arteriosklerose des Hirns hatte; 1899 eine Hemi-
plegia sinistra 4 Tage ante mortem bei einer Frau mit chronisch
interstitieller Nephritis, Ilerzhypertrophie und Arteriosklerose der
Basalarterien des Hirns; ferner eine Heiniplegia sinistra 3 Tage vor
dem Tode apoplektisch auftretend bei einem Fall von uncompli-
cirtor Anaemia perniciosa.
Herr Luce berichtet im Anschluss daran über einen Fall
von Lungengangraen bei einer Frau, die während ihrer Krankheit
ebenfalls Hirnsymptome darbot. Sie war apathisch, somnolent,
liess unter sich; es fand sich ferner eine Facialisparese rechts und
eine einseitige Ilypoglossuslülimung: die Extremitäten waren
hypertrophisch. Man vermuthete auf Grund dieses klinischen
Bildes einen metastatischen Hirnabscess. Die Frau kam zum
Exitus und bei der Section faud man im Gehirn absolut nichts,
was die klinischen Hirnsymptome erklären konnte.
Herr Luce glaubt, dass diese Hirnsymptome, die sich am
Sectionstisclie durch anatomische Hirnbefunde nicht erklären
lassen, sich linden bei schweren Krankheiten, wenn die allgemeine
Vitalität stark sinkt, besonders bei schweren Circulatiousstörungen
und starken Athmungsbeliindernissen.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Offldellea Protokoll.)
Sitzung vom 6. "November 1899.
Herr Rodewald : Ueber Benetzungserscheinungen der
organischen und anorganischen Körper.
(Wird in der Zeitschrift für physikalische Chemie ver¬
öffentlicht.)
S i t z u n g v «> m 20. N o v e m b e r 1899.
Herr H. Hensen demouslrirt eine Patientin, welche an
spontaner Hautnekrose, wahrscheinlich tropho-neurotischen Ur¬
sprungs, leidet.
Herr Hoppe-Seyler spricht über vorübergehende
Glykosurie, führt die cerebrale Form derselben: Veränderungen
am Boden des TV. Ventrikels unter Schilderung eines Falles
von Glykosurie in Folge von Bluterguss in die Ventrikel und da¬
durch bewirkte Coinpression der Medulla obiongata kurz an und
schildert dann 4 Fälle von Glykosurie, welche Leute betrafen,
die längere Zeit vor Aufnahme in das Krankenhaus auf der
Wanderschaft ein unregelmässiges Leben geführt, sich niangel-
■ t Münch, med. Wochcnschr. No. 3f>, 1899.
haft ernährt und dabei meist starken Strapazen sich ausgeeetzt
hatten. (Vergl. ausführliche Publication in dieser Wochenschr.)
Herr Friedrich ; Beitrag zur diabetischen Ohr-
erkrankung.
An der Hand von 3 eigenen Beobachtungen bespricht Vortr.
eine bei Diabetes mellitus auf tretende Ohrerkrankung, die
als primäre Ostitis des Warzenfortsatzes aufzufassen ist. Die
bisher veröffentlichte Casuistik ist noch sehr gering, so dass die
Fälle als Bestätigung und Ergänzung der Fälle von Kuhn und
Körner dienen. Die Erkrankung setzt gewöhnlich plötzlich
im mittleren Lebensalter bei vorher Ohrgesundeu, seltener bei
solchen ein, die schon früher an chronischer Mittelohreiterung
gelitten hatten, als scheinbarer Erkältungskatarrh.
Während das Trommelfellbild das der acuten Entzündung ist
und, wie bei dieser, gewöhnlich am 2.—3. Tage der Erkrankung
ein Durchbruch des Trommelfells eintritt, steht von Anfang an
eine heftige Botheiligung des Warzenfortsatzes im Vordergrund,
welche jene Mittelohrsymptome als bloss secundäre deuten lässt.
In auffallend kurzer Zeit schreitet sie fort und führt schon in
1—2 Wochen zu Erscheinungen, die auf eine weite Ausdehnung des
Krankheitsprocesses im Warzenfortsatz schliessen lassen. Zu den
Schmerzen im Knochen, zu allgemeiner Abgeschlagenlieit, Einge¬
nommensein der erkrankten Kopfseite gesellen sich bald Senkung
der oberen Gehörgangswand, ein Infiltrat über dem Warzenfort-
satz stellt sieh nicht regelmässig ein, häufiger findet sich ein
Infiltrat an der Spitze dos Warzenfortsatzes mit Entwickelung
eines Senkungsabseessos.
Nach Betonung der stets durch Operations- und Sections-
befunde sichergestellten ausgedehnten cariösen Zerstörung des
Knochens und ihrer charakteristischen Kennzeichen bespricht
Vortr. die therapeutische Seite der Erkrankung. Die Erkrankung
bedingt wegen ihrer Tendenz zu schneller Ausbreitung so bald als
möglich eine operative Behandlung. Ihr stellen sich Schwierig¬
keiten in den Weg, die im Wesen des Diabetes beruhen, denn
chirurgische Eingriffe hei Diabetikern involviren die Gefahr der
Sepsis und des Coma. Beides ist abhängig von der Höhe des
Zuckergehalts und der Acidität der Gewebe. Ist beides in hohem
Maasse vorhanden, besteht eine Contraindication zur Operation,
die bis nach ihrer Herabsetzung durch geeignete Diät zu ver¬
schieben ist. Die Gefahr der Sepsis ist gering bei entsprechender
Wundbehandlung, jedoch sah Vortr. einen Exitus an Coma, wo
sie in ausgedehnter Weise aufgetreten war. Das Auftreten des
Coma ist abhängig von der Narkose, gleichviel ob Chloroform
oder Aether. Eine Contraindication zur Operation stellen natür¬
lich den Diabetes complieirende Erkrankungen wie Herz-,
Nieren-, Lungenerkrankungen, sowie allgemeine Kachexie dar.
Trotz jener Bedenken ist die Operation so bald als möglich
auszuführen, ihre Gefahr ist durch Diät und prophylaktische
Verabreichung von Natronbicarbonat einzuschränken, wenn an¬
gängig, ist Localanaesthesie anzuwenden, um die Narkose zu eli-
miniren. Von der Ausführung des W i 1 d e’sclien Schnittes ist
in fortgeschrittenen Fällen, wo eine längere Operation contra-
indicirt ist, kein Auf halten der Erkrankung zu erwarten. Wenn
überhaupt operirt wird, hat nur die radicale Entfernung des
kranken Knochens Aussicht auf Erfolg.
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 23. Januar 1900.
Vorsitzender: Herr Cursehmann.
Schriftführer: Herr Braun.
Herr H. Tillmanns demonstrirt zunächst zwei durch
Resection der Wirbelbogen geheilte spondylitische Lähmungen.
1. Fall: 9(4 jähriges Mädchen, dessen Spondylitis vor etwa
4 Jahren begonnen; Sitz des Gibbus im Bereich der oberen Brust¬
wirbel. Seit Docomber 1898 spastische Lähmung der beiden
unteren Extremitäten, Reflexe beträchtlich gesteigert, Sensibilität
in allen Qualitäten stark vermindert, Lähmung der Blase und des
Mastdarms (Incontinentia alvi et urinae) . Am 21. I. 1899 un¬
blutiges Redressement nach C a 1 o t. wodurch die Lähmung der
Blase und des Mastdarmes beseitigt wurde. Die spastische Para¬
plegie bestand unverändert fort, daher 4. V. 1899 Resection
des 2., 3. und 4. Brustwirbelbogens. Als Ursache der Lähmung
ergab sich hochgradige Enge des Wirbelcanals, tuberculöse Pro-
eesse nicht mehr nachweisbar. Reaetionslose Heilung der Opera¬
tionswunde. Allmähliches Verschwinden der Lähmung. Patientin
wird am 17. XL 1899 vollkommen geheilt entlassen, Pa¬
tientin gellt ohne Stütze und hat keinerlei Beschwerden.
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6. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
343
2. Fall: Ein 11 Jahre alter Knabe, der in seinem 2.—3. Lebens¬
jahre an Spondylitis erkrankte. Sitz des Gibbus im Bereich des
6. und 7. Halswirbels und der oberen Brustwirbel. Beginn der
Lähmung etwa November 1898. Spastische Lähmung der beiden
unteren Extremitäten, Sensibilität erhalten, hochgradige Steige¬
rung der Reflexe, Blase und Mastdarm intact. Am 16. III. 1899
Resection der Bogen des 6. und 7. Hals- und des 1. und 2. Brust¬
wirbels. Ursache der Lähmung bestand in hochgradiger Enge des
Wirbelcanales ohne nachweisbare tuberculöse Processe. Reac-
tlonslose Heilung der Operationswunde. Die spastische Faraplegie
verschwindet ganz allmählich, vollkommene Heilung, Patient geht
ohne Stütze und hat keinerlei Beschwerden.
Herr Tillmanns empfiehlt die operative Behandlung der
spa s tischen Lähmung durch Laminektomie besouders in jenen
Fällen, wo der tuberculöse Process zum Stillstand gekommen und
die Lähmung im Wesentlichen durch abnorme Enge des Wirbel¬
canales bedingt ist. Eine Anfangs December 1899 von T. operirte
apondylitische Lähmung bei einem 8% Jahre alten Mädchen ver¬
läuft bis jetzt ebenfalls günstig.
HeiT Tillmanns berichtet sodann weiter über einen Fall
von Pneumotomie bei einem 3jähr. Mädchen wegen Fremd¬
körpersinderrechten Lunge. Das Kind war seit Mitte
Januar 1899 wegen rechtsseitiger katarrhalischer Pneumonie in der
medicinischen Poliklinik des Kinderkrankenhauses behandelt
worden, am 16. März 1899 wurde es dann wegen rechtsseitigen
jauchigen Empyems von T. unter Resection der 8. und 9. Rippe
thoracotomirt. Ende April 1899 Pneumotomie wegen rechter
Lungengangraen nach vorheriger Resection der 7.—10. Rippe.
Tod am 1. Mai unter fortschreitender Lungengangraen an Sepsis.
Bei der Section fand sich in der rechten, durch Gangraen fast voll¬
ständig zerstörten Lunge im rechten Bronchus 2. Ordnung eine
5 y cm lange K o r n ä h r e. mit ihrem Stiel nach abwärts gerichtet.
In der nächsten Nähe der Kornähre fanden sich im Eiter und im
Gewebe Aktinomyceswucherungen. Während des Lebens waren
im Sputum nur Staphylo- und Streptococcen nachweisbar. Wie
und wann die Kornähre in die rechte Lunge des Kindes gelangt
war, wussten die Eltern nicht anzugeben.
Endlich berichtet Herr Tillmanns noch über einen seltenen
Fall von innerer Einklemmung bei einem 4 Tage alten Mädchen,
bedingt durch foetale adhaesive. nicht eiterige
Peritonitis. Bei der Laparotomie ergaben sich mehrfache
Abschnürungen des Dünn- und Dickdarms durch verschiedene
Gewebsstränge und durch mehrfache Knotenbildungen resp. 'Ver¬
schlingungen des Darms. (Autoreferat.)
Herr Ko ekel demonstrirt eine Anzahl pathologisch-ana¬
tomischer Präparate. .
Herr Braun hält einen Vortrag über das chirurgische
Haht- und Unterbindungsmaterial. (Derselbe wird in dieser
Wochenschrift publicirt.)
Unterelsässischer Aerzteverein.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 3. Februar 1900.
Demonstrationen.
Herr Madelung stellt vor: 1. eine Frau, welche seit
2 Jahren einen 3 cm langen Dom im Fuss herumtrug, der, durch
Röntgenstrahlen nicht nachweisbar, erfolgreich durch Operation
entfernt wurde. 2. Einen Knaben, dem beim Fallen ein Griffel
inderBrust neben der Marailla eingedrungen und in der Wunde
abgebrochen war. Das abgebrochene Ende erwies sich bei der
operativen Entfernung als 5 cm langer spitzer Griffel, der bis auf
ein kleines Stückchen im Pleuraraum lag. Reactionslose Heilung.
3 und 4. 2 Fälle traumatischer Radiusdurchtrennung, in welchen
nach Nervennaht die Funetionstüchtigkeit der zugehörigen Mus¬
keln fast völlig wieder eingetreten ist.
Herr Buchbinder - Mülhausen demonstrirt ein Kind mit
congenitalem Defect der Tibia bei starker Deformität der Fibula,
sowie Defect der Finger und Schwimmhautbildung der Hand.
Herr M. B. Schmidt: Ueber das Verhältniss der Fett¬
nekrosen zu Pankreaserkrankungen. (Wird ausführlich ver¬
öffentlicht werden.)
M. B. S c h m i d t: lieber den Zusammenhang von Lippen-
und Kieferspalten mit Missbildungen des Schädels.
Sch. bespricht diejenigen Combinationen von seitlichen
Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten mit Missbildungen am
Schädel, für welche auf Grund der Entwickelung des mittleren
Stimfortsatzes von dem vorderen Schädelende ein Causalzusam-
menhang anzunehmen ist. Es gehören dazu zwei Unterabthei-
langen der Arhinencephalie, 1. diejenige mit sog. mittlerer Ober¬
lippenspalte, welche aber thatsächlich einen völligen Defect des
mittleren Stirnfortsatzes bedeutet und 2. diejenige mit doppel¬
seitiger Hasenscharte, Kiefer- und Gaumenspalte. Einen Fall
letzterer Art legt Vortragender vor. Er betont den Einfluss, den
die Entwicklung der horizontalen Siebbeinplatte auf die Aus¬
bildung des Zwischenkiefers und mittleren Theils der Oberlippe
hat: Bei der ersten Form mit völligem Defect desselben und sog.
Medianspalte fehlt die Lamina cribrosa ganz, bei der zweiten
mit doppelseitiger Spalte ist sie verkümmert. Der Stirntheil
des vorderen Schädelendes ist ohne Einfluss darauf; das zeigt sich
in dem Ausbleiben jeder Lippen- etc. -Spalte bei den an der Nasen¬
wurzel hervortretenden Encephalocelen, deren Bruchpforte nur
der Stirnbeinschuppe angehört. Als weiteren Beleg für den ge¬
nannten Zusammenhang berichtet Vortragender über einen Fall
von angeborener Cyste der Nasenwurzelgcgend, hervorgegangen
aus einer Vorstülpung der Nasenschleimhaut durch einen links¬
seitigen Spalt des knorpeligen Siebbeins am Uebergang der
Lamina cribrosa in’s äussere Nasendach; das Kind besass eine
linksseitige Hasenscharte mit Spalt des Alveolarbogens.
Herr Stolz : Ueber den Keimgehalt der Galle unter
pathologischen Verhältnissen und über Residualgalle.
Nach einer kurzen Uebersicht über die bisher experimentell
erworbenen Kenntnisse des Verhaltens der Gallenblase nach künst¬
licher Infection ihres Inhaltes, schildert S t. die Versuche, die er
in Gemeinschaft mit Ehret angestellt. Sie gingen darauf
hinaus, den Keimgehalt der Galle bei Hunden nach mecha¬
nischen Laesionen der Gallenblase unter peinlichster Vermeidung
jeder künstlichen Infection culturell festzustellen. St. und E.
fanden, dass nach verschiedenen operativen Eingriffen, wie nach
Unterbindung des Cysticus, in den allerersten Tagen ziemlich
zahlreiche Keime—in der Regel B. coli—sicli in der Galle fanden,
dass aber nach einer bis mehreren Wochen die Galle wieder ganz
oder nahezu ganz steril wird. Sie glauben, dass die anfängliche
Keimvermehrung von dem von ihnen in einer hohen Procentzahl
für die normale Galle nachgewiesenen vereinzelten Keimen aus¬
geht (vergl. den letzten Sitzungsbericht in No. 4, S. 13 d. Wochen-
schr.). Die spätere Rückkehr des Keimgehaltes zur Norm fand
indessen nicht statt, auch nicht nach Wochen und Monaten, in
allen den Fällen, in welchen ein Fremdkörper, meist Quarz¬
steinehen, in die Blase eingebracht worden war. Diese Thatsache
erklären S t. und E. dahin, dass die Gegenwart von Steinen eine
völlige Entleerung und gründliche Durchspülung der Gallen¬
blase verhindert. Sie bezeichnen den bei jeder Entleerung der
Gallenblase zwischen den Steinen unvermeidlich zurückbieibenden
Gallen res t analog den Verhältnissen der Harnblase als „Residual¬
galle“ und möchten dieser für die Entstehung von Entzündungen
der Gallenblase eine ähnliche Rolle zuweisen, wie sie für die
Cystitis dem Residualharn allgemein zuerkannt wird. Eine
weitere Stützung für ihre Anschauung sieht Vortragender in
einer Reihe von klinischen Thatsaehen. So wurden bei Made¬
lung durch die bacteriologische Untersuchung von bei Gallen-
steinoperationen gewonnener Galle fast stets zahlreiche Keime,
gewöhnlich Bact. coli, gefunden, auch bei einfacher Cholelithiasis
ohne complicirende Cholecystitis. In gleicher Weise sahen
E. Fraenkel und Krause unter 16 Fällen von Chole¬
lithiasis 11 mal Keime in der Gallenblase. In einer Zusammen¬
stellung von 20 Fällen der Cholecystitis typhosa fanden St. und E.
ferner 13 mal die Gegenwart von Steinen verzeichnet und end¬
lich glauben sie auch den überraschenden Nachweis von Typhus-
baeillen noch Jahre nach überstandener Typhusinfeetion in der
Gallenblase durch Cushing, Chiari, Miller u. s. w., auf
den Einfluss der Residualgalle zurückführen zu dürfen, da in
allen diesen Fällen alte Steine in der Gallenblase vorhanden
waren.
Herr Asch stellt einen 21 jährigen Patienten mit Blasen¬
geschwür vor, der seit einem Jahr über heftige Schmerzen beim
Uriniren und Harndrang klagt. Der Urin enthält Blut; Tuberkel¬
bacillen sind nicht nachgewiesen. Cystoskopisch lässt sich ein un¬
regelmässig rundes Geschwür mit weissem Belag und dunkel-
rothen Rändern links vom Ureter nach weisen bei sonst normaler
Blasenschleimhaut. Dieser locale Befund veranlasst den Vor¬
tragenden zur Diagnose: Tuberculöses Geschwür; die Therapie be¬
steht neben allgemein roborirender Behandlung in der Einspritzung
von ca. 15 ccm einer 5 proc. Jodoformvaselinölemulsion in 2 tägigen
Intervallen.
Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den
Stadtkreis Berlin.
(Eigener Bericht.)
Ordentliche Sitzung vom 10. Februar 1900.
Als Vertreter der Regierung sind anwesend der Oberpräsident
err v. Bethmann-Hollweg und Herr Refcfierungsrath
Gneist.
In der Eröffnungsrede weist der Vorsitzende, Herr Becher,
if die Aufgaben hin, welche der neugewählten Kammer harren,
or Allem komme hier in Frage eine Regelung des ärztlichen
□tersttitzungswesens; die Aerztekamniern seien, wie vor 12 Jahren
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344
MÜNUlKNtfH MR DIC IM SC HK WOCHENSCHRIFT.
So. IU.
der damalige Kultusminister sagte*, hauptsächlich geschaffen
worden, um die Fürsorge für die Hinterbliebe neu der Aerzte in
die Woge zu hüten. Redner betont auch die Nothweudigkeit eines
Curpfuschereiverbots und bemerkt, dass vom Kultusministerium
für <len Monat April d. .1. bei siimmtlichen preussischen Aerzten
eine Fmfrage über die Verbreitung der venerischen
Krankheiten (Lues, l'lcus molle. Gonorrhoe» in Aussicht ge¬
nommen sei.
Die bisherige G e s o h ;i f t s o r d n u n g wird für die jetzige
Wahlperiode beibehalten. Die Veröffentlichung der Verhand¬
lungen der Kammer wird wie bisher im stenographischen Wort¬
laut erfolgen.
Den C a ssen b e r i e h t erstattet Herr Saat z. Ange¬
sichts der günstigen Finanzlage schlägt er vor. ÖUOO M. für die
ärztlichen l'nterstützuugseassen des Kammerbczirkes »•Jim» M.
für die Berliner und 1000 M. für die Fasse der Provinz» zu be¬
willigen. Die Kammer besehliesst, diese Frage des Zuschusses
zur Unterstützungseasse mit der Erörterung über die Festsetzung
des Jahresbeitrages zu verbinden.
Im Namen des Vorstandes schlägt Herr 8a a t z vor. für die
Zeit vom 1. April bis zum öl. Deeember liHtd einen Beitrag von
6 M. pro Kopf zu erheben. Dieser Antrag wird angenommen,
ebenso der Antrag. 3000 M. für die Filterstiitzungsoassen des
Kammerbezirkes zu bewilligen. Abgelehnt wird dagegen ein An¬
trag H e n i u s , wie bisher 3 aM. pro Kopf zu erheben und eine
Commission zu wühlen, welche die Frage der zvveckmässigsteu
Steuerform prüfen soll. (II e n 1 u s hatte sich für eine procentuale
Steuer ausgesprochen.i
Die vom Cassenführer Saatz aussenrbeitete fassen-
o r d n u n g wird ohne Discussinn genehmigt.
Tagegelder und Reisekosten besehliesst die
Kammer den Mitglieder n d e s K li r <* n g ( * r i c h t s in der
nämlichen Hohe zu gewühreu, wie sie die höheren Medicinal-
beamten erhalten.
Zur Ausarbeitung einer S t a n d e s o r d n u n g war eine
Commission eingesetzt worden. Principielle Differenzen innerhalb
der Kommission verhinderten eine gedeihliche Arbeit und Lösung
der Frage. Die Erörterung über die Standesordnung wird auf
ein Jahr vertagt; dann könnten die Erfahrungen mit den Ehren¬
gerichten für die Standesordnung benützt werden.
Seitens des Kammerausschusses sind der Kammer zur Be¬
gutachtung überwiesen worden eine Reihe von Beschlüssen, welche
die Aerztekainmem für die Provinz Sachsen in Betreff einer
R e f o r m der g e b u r t s li i 1 f 1 i e li e n O r d n u n g i m
preussischen Staate gefasst hat. Diese Beschlüsse
betreffen 1. Vorschläge zu einer Reform des Hebammciiw . sens,
die darauf hinauslaufen, dem Hebamnienstande reifere, moralisch
und intellectuell höher stehende Mitglieder zuzuführen, und
li. Vorschläge zu einer Organisation der Wöchnerinneupfloge.
derart, dass unbemittelten Schwangeren Wäsche und andere G«*-
brauclisgegcustäude für ein hygienisches Wochenlager gewährt
und bei Bedarf Wochen- resp. Hauspflegcrinnen gestellt werden
sollen. Das Referat erstattet Herr K o s s m a u n. der folgende
Resolutionen einbringt:
..Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den
Stadtkreis Berlin erwartet von einer Durchführung der Vorschläge,
die die Aerztekammer für die Provinz Sachsen zur Reform des
Ilebamtnonwesens gemacht hat. nicht die Beseitigung der un¬
zweifelhaft. vorhandenen Febelstände: sic glaubt vielmehr, dass
dieser Zweck nur durch eiue weitere Einschränkung der Befug¬
nisse der Hebammen zu selbständigem Eingreifen zu erreichen ist.
Eine Aufbesserung der materiellen Lage der Hebammen em¬
pfiehlt die Kammer, sow’eit das Freizügigkeitsrecht dadurch nicht
angetastet wird.
Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den Stadt ¬
kreis Berlin erachtet die Ausdehnung der socialen Fürsorge auf
die Entbindung und das Wochenbett unbemittelter Frauen für
wGnsclienswerth.“
Herr Davidsohn* Berlin beantragt, die Angelegenheit der
geburtshilflichen Gesellschaft zu überweisen, in der Kammer aber
über den Gegenstand zur Tagesordnung überzugehen. Dieser An¬
trag wird verworfen. Ohne Discussiou tritt die Kammer den
Resolutionen des Referenten bei.
Der Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Stnndosvereine
hat folgenden Antrag gestellt:
..Der Geschäftsausschuss ersucht die Aerztekammer. im Hin¬
blick auf den Entwurf eines Vertrages des Vereins der Bank¬
beamten in Berlin zu erklären, dass es der Würde des ärztlichen
Standes nicht entspricht, privaten Vereinigungen, welche aus nicht
nachweisbar unbemittelten Mitgliedern bestehen, andere Houorar-
sätze als die der Gebührenordnung vom 15. Mai 1806 zu gewähren.“
Hierzu liegt folgender Zusatzantrag von Joachim-Ber¬
lin vor:
„Die Aerztekammer wühlt eine Commission von 7 Mitgliedern
mit der Aufgabe, die Verträge privater Vereinigungen in Bezug auf
die Höhe dos Honorars und sonstige Verpflichtungen der Aerzte
zu prüfen und über die Ergebnisse der Prüfung dem Aerztekammer-
vorstnnde behufs weiterer Veranlassung Bericht zu erstatten.“
Beide Anträge vertritt Joachim- Berlin. Aus der Kammer
heraus werden den Anträgen zustimmende Aeusseruugen laut;
diese - Prenzlau beantragt sogar, aus dem Anträge des Geschäfts¬
ausschusses die Worte zu streichen: „welche aus nicht nachweis¬
bar unbemittelten Mitgliedern bestehen“. Der Herr Oberpräsident
hat aber, wenn er auch die Bestrebungen der Kammer zur Ver¬
hinderung von Unterbietungen billigt. Bedenken namentlich gegen
den Zusatzantrag des Referenten. Auf eine directe Anfrage er¬
klärt. er, dass nach seiner Anschauung der Vorstand der Kammer
nicht das Recht habe, von irgend einem Arzte die Vorlegung eines
Vertrages mit einer privaten Vereinigung zu verlangen. Erst wenn
das Factum vorliegt, dass ein Arzt einen Vertrag mit Standes?
unwürdigen Bedingungen eingegangen ist, könne er zur Verant¬
wortung gezogen w erden. Herr M u g d a n - Berlin wärt* schon
zufrieden, wenn den Aerzten, welche privaten Vereinigungen zu
niedrige Sätze bewilligen, die Fähigkeit aberkannt würde, in ärzt-
licln n Vereinen Ehrensrellen zu bekleiden. Schliesslich werden
beide Anträge, der dos Geschäftsausschusses sowohl, als auch der
Zusatzantrag J oa c h i m mit grosser Majorität angenommen. Die
Kammer wählt auch sogleich die Commission. Ferner wird auf
Antrag des Herrn T h i e m - Cottbus beschlossen, dass der Com¬
mission weder Mitglieder des Vorstandes, noch Mitglieder des
Ehrengerichts angehören dürfen. Dessglcichen w T ird ein Antrag
Ster li b e r g - Berlin angenommen, welcher die Commission er¬
mächtigt. bei den Aerzten des Kammerbezirkes eine Umfrage da¬
rüber zu veranstalten, unter welchen Houorar- und sonstigen Be¬
dingungen die Cassenürzte hei den staatlichen Krankencassen des
Bezirkes praktieiren. u.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Wien, 3. März 1900.
Verdauungsstörungen bei chronischer Harnverhaltung. —
Intraabdominale Netztorsion. — Hygiene in Apotheken.
Im medieinischen Doetorcollegium sprach jüngst Docent
Dr. Otto Zuckerkandl über Verdauungsstörungen bei chro¬
nischer Harnverhaltung. Es ist noch nicht lange her, dass man
den causalen Zusammenhang von Verdauungsstörungen um!
Harnverhaltung kennt und würdigt; noch vor 10—15 Jahren lio>
man Prostatiker unter dem plötzlich auftretenden schweren
Bilde einer Cholera oder einer inneren Inoareeration rasch zu
Grunde gehen, ohne zu ahnen, dass man es hier mit einem Bilde
der Uracmio zu thun habe und dass man den Beginn der Verdau¬
ungsstörungen mit der Beseitigung der Harnverhaltung völlig be¬
heben könne. Wichtig ist. zu wissen, dass diese Harnverhaltung
eine incomplcto sein müsse, mit consecutiver Hyperextension der
Blase gepaart und dass der Druck im gcsaminten Harnsvstem
durch längere Zeit eine gewisse abnorme Höhe innehabe; erst
unter diesen Bedingungen wird man die vorhandenen Verdau¬
ungsstörungen auf die Harnverhaltung zuriiekführen dürfen. Die
Individuen, welche davon befallen werden, stellen zumeist schon
jenseits der fünfziger Jahre; sie leiden an Prostatahypertrophie
oder an Harnröhrenstrieturen, mit gleichzeitiger Vergrösserung
der Prostata, oder sind mit seniler Blase behaftet, welche den
Widerstand nicht überwinden kann; oder sie sind mit motorischer
rnsufficienz der Blase behaftet, was Rosenbach für solche
Fälle annimmt, in welchen eben locale Veränderungen nicht zu
eonstatiren sind.
Die Erfahrung lehrt, dass hei chronischer Drucksteigerung
im Harnsvstem sich allmählich unter Aufhebung des ganzen Ver-
schlussa]»parates ein Schlauch von der Blase bis zum Nieren¬
becken hinauf bildet, dass aber auch die Harneanälchen der Niere
allmählich in den Proeess einbezogen worden. Diese Kranken
leiden sodann an Polyurie und gleichwohl werden manche Gift¬
stoffe hierbei nicht durch die Nieren, sondern auf dem Wege des
Verdauung!*tractus ausgesehieden, was f ben zu heftigen Störungen
desselben führt. Erst stellt sich bei diesen ‘Leuten ein Gefühl der
Trockenheit im Mumie und Hachen ein, sie klagen über Durst,
faden, unangenehmen Geschmack, dann verlieren sie allmählich
den Appetit, es kommt zu Fehligkeitcn, Aufstossen und Er¬
brechen, es wechseln heftige Diarrhoen mit hartnäckiger Obsti¬
pation ah, die Kranken magern zusehends ab, die Kachexie wird
so arg, dass sie den Anblick von Krebskranken darbioton. Die
Entleerung des Harnes geht tag>iibcr noch gut von Statten, in
der Nacht jedoch stellt sich vermehrter Harndrang ein mit Un¬
vermögen der Entleerung der Blase. Oder es besteht bloss Nachts
starkes Harn träufeln, was derlei Kranke zu Specialisten führt.
Werden die Kranken sich selbst überlassen, so gehen sie an zu¬
nehmender Kachexie zu Grunde.
Schon die Art der Untersuchung sei hier eine vorsichtige.
Mail untersuche niemals sofort instrumentell, sondern bloss
äusserlich, durch Palpation und bimanuelle Abtastung der Blase
vom Rectum und von den Bauchdecken aus und überzeuge sich
auf diese Weise von der Blasenerweiterung. Hat man so den
Bestand einer chronischen Harnverhaltung constatirt, dabei an¬
dere ähnliche Krankheitsformen ausgeschlossen, so handelt es sich
darum, den Druck im Harnsystem in vorsichtiger Weise herab-
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6. März 1900.
345
MÜNCH KN KR MKDICIX1SCHE WOCN ENSCH RTFT.
zusetzen, dabei aber die Binse nicht zu inficiren. Man wird also
katheterisiren, sich aber vor Augen halten, dass dieser Eingriff,
selbst mit aseptischen Instrumenten ansgeführt, zu Exacerbation,
Collaps, Blutungen, rapidem Exitus führen kann. Die peinlichste
Asepsis bei der Vornahme dos Katheten’smus, die ganz allmäh¬
liche Entleerung der Blase, etwa so, dass man am ersten Tage nur
100—150 ccm Harn abfliessen lässt und erst nach Ablauf einer
vollen Woche, langsam steigend, die Blase ganz entleert, sind hier
stricte angezeigt. Dabei wird es unter Umständen nothwendig
sein, die Blase mehrmals im Tage zu entleeren, um nicht TTebcr-
füllung der Blase bestehen zu lassen. Lässt die Polyurie nach,
so wird man alle 24—48 Stunden katheterisiren, aber niemals darf
man mit dem Katheterisiren ganz aufhören, da sich sonst die Ver¬
dauungsstörungen, welche mit dem Beginne der* Behandlung
schwanden, sofort wieder einstellen. Freilich wird man auch auf
soche Fälle stossen, bei welchen jede Behandlung effectlos bleibt,
da die anatomischen Veränderungen schon zu weit vorgeschritten
sind.
Aus der Reihe der Complicationen erwähnt Zucker-
kandl die Cystitis, welche er in frischen Fällen mit Urotropin
erfolgreich behandelte, während die schon chronischen Cystitiden
mit vorsichtigen Spülungen der stets bloss unvollkommen ent¬
leerten Blase zu behandeln wären. Bei Lithiasis wird man vor¬
erst die Blasendehnung behandeln, dann etwa den hohen Schnitt
ausführen und eine Blasenbauchfistel etabliren, um in dieser
Weise das neuerliche Eintreten der llarnstauung zu verhüten.
In der Gesellschaft der Aerzte zeigte Professor II ochen-
egg ein seltenes Präparat. Es handelte sieh um einen 40 jährigen
Mann, der unter heftigen Bauchschmerzen, Erbrechen, Auftrei¬
bung des Bauches etc. erkrankt war. Er besass eine freie Skrotal-
hemie, die er oft, so auch kurz zuvor, reponirt hatte. Eine Bruch¬
einklemmung konnte nicht eonstatirt werden, man fand aber ober¬
halb des Poupart’schen Bandes eine schmerzhafte Resistenz,
welche bald die ganze rechte Bauchhälfte einnahm. Da sich fre¬
quenter Puls, Singultus etc. einstellten, so wurde die Laparotomie
vorgenommen. Bei dieser floss vorerst viel blutig gefärbtes Trans¬
sudat ab, sodann erst sah man ein kindskopfgrosses Convolut
dunkler ausgedehnter Venennetze, welches nach oben hin in einen
dreimal um seine Achse gedrehten Strang auslief, wornach nor¬
males Netz folgte. Es lag also eine Drehung des Mesenteriums
vor mit kolossaler venöser Stase in demselben. Das kranke Netz
wurde abgetragen, sodann die Hernie radical operirt; rasche Hei¬
lung. Der Mann gab hinterher an, dass er das letzte Mal seine
Hernie sehr mühsam reponirt habe; damals mag es, da das Netz
schon straugförmig ausgezogen war, zu einer Torsion desselben
und deren Folgen gekommen sein. Tn der Literatur sind nach
Hochenegg wohl 2 Fälle von Achsendrehung des Mesen¬
teriums in einem Bruchsacke verzeichnet; hier aber handelte es
sich um eine intraabdominelle Netztorsion und ist darum dieser
Fall der erstbeschriebene seiner Art.
In der Bukowina ist es amtlich eonstatirt worden, dass in
einigen Apotheken die Laboratorien auch zu Schlafstellen be¬
nutzt wurden. Da nun die Verwendung von Apothekenlabora¬
torien und anderen Räumen in Apotheken, in welchen Medica-
mente entweder aufbewalirt oder zubereitet werden, zu Schlaf¬
stellen aus leicht einleuchtenden, sanitären Gründen nicht zu¬
lässig erscheint, so ordnete die dortige Landesregierung an,
dass dies strengstens zu verbieten sei. Die Amtsärzte haben die
genaue Befolgung dieses Verbotes zu überwachen und gegen die
Zuwiderhandelnden Apotheker mit aller Strenge vorzugehen. Es
ist bezeichnend genug, dass derlei Erlässe an Apotheker über¬
haupt nothwendig sind.
Londoner Briefe.
Grainger Stewart f. — Vom südafrikanischen
Krieg.
Am 3. Februar starb Sir ThomasGrainger Stewart,
Professor der klinischen Medicin und Senior Pliysician am
königlichen Krankenhause zu Edinburg im 62. Lebensjahre. Mit
ihm verliert die Edinburger Universität einen ihrer berühmtesten
Vertreter, der weit über die Grenzen seiner Vaterstadt, nament¬
lich auch in Deutschland bekannt und geschätzt war. Sein
äusserer Lebensgang war ein verhältnissmässig einfacher. Ge¬
boren und erzogen in Edinburg erhielt er dort auch seine erste
medicinische Ausbildung bis zu seiner Promotion im Jahre 1858.
Dann ging er für längere Zeit in\s Ausland, studirte in Berlin,
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Wien und Prag, wo er sich eine eingehende Kenntniss der deut¬
schen Sprache und deutschen Wissenschaft erwarb und unter
V i r c h o w und Rokitansky sich namentlich mit patho¬
logisch-anatomischen Studien beschäftigte. Nach Edinburg zu¬
rückgekehrt, wurde er zum pathologischen Anatom am Kranken¬
haus ernannt und bekleidete gleichzeitig die Stelle eines Physi¬
cians am Kinderspital, ln diese Zeit fallen eine Reihe klinischer
und pathologisch-anatomischer Arbeiten, von denen sein Werk
über die B r i g h t’sche Nierenkrankheit am bekanntesten ge¬
worden ist. Im Jahre 1869 gab Grainger Stewart die
Stelle als pathologischer Anatom auf und wandte sich ganz der
klinischen Medicin zu. Er erhielt eine Anstellung als Pliysician
am Krankenhaus und seine Vorlesungen über specielle Pathologie
und Therapie an der sog. „cxtranuiral school“ gehörten bald zu
deii besuchtesten Edinburgh. Seinem grossen Erfolge als Lehrer
verdankte er denn auch seine bald darauf erfolgende Berufung
zum ordentlichen Professor der Medicin an die Universität und
in dieser Eigenschaft hat er volle 23 Jahre gewirkt und Genera¬
tionen von Aerzten herangebildet. Schreiber dieses war es ver¬
gönnt, vor einigen Jahren anlässlich eines mehrwöchentlichen
Aufenthalts in Edinburg den Verstorbenen auf seinen Rund-
gängen im Krankenhaus zu begleiten und als Zuhörer seiner
Klinik und Vorlesung die meisterhafte Art seines Unterrichts zu
bewundern. Er besass in hohem Maasse die Gabe der Rede und
die Kunst des Vortrags, und wirksamst unterstützt durch seine
imponirende Persönlichkeit, war er sicher, auf seine Hörer einen
grossen Einfluss auszuübon. Gegen den fremden Arzt war er von
bezaubernder Liebenswürdigkeit und gerne unterhielt er sich mit
Deutschen in ihrer Muttersprache. In der hervorragenden Be¬
gabung als klinischer Lehrer und als Arzt liegt wohl auch
Grainger S t e w a r t’s Hauptbedeutung und die Ursache
seines grossen Erfolges, doch fand er neben seiner anstrengenden
praktischen Thätigkeit noch Zeit zu wissenschaftlichen Veröffent¬
lichungen, und eine Reihe von klinischen Arbeiten, namentlich
aus dem Gebiete des Nervensystems und der Nierenpathologie,
sind noch in späteren Jahren von ihm erschienen. Auch als dra¬
matischer Dichter hat er sich nicht ohne Erfolg versucht, wie das
vor Kurzem veröffentlichte Drama „The Good Regent“ beweist.
Dass es einem Manne von Grainger Stewar t’s Bedeutung
auch an äusseren Ehren nicht fehlte, ist selbstverständlich. Er
war u. a. Ehrendoetor verschiedener Universitäten, Präsident des
Royal College of Physicians of Edinburgh, Leibarzt der Königin,
die ihn im Jahre 1894 in den Ritterstand erhob. Der glänzende
Verlauf des Congresses der British rnedic. Association zu Edin¬
burg im Jahre 1898, dem Grainger Stewart als Präsident
Vorstand, war nicht zum wenigsten sein Verdienst, und noch im
vorigen Jahre entsandte ihn die Edinburger Universität als ihren
Vertreter zum Tuberculosecongress nach Berlin. Kurz nach
seiner Rückkehr entwickelte sich die schwere Krankheit, die seiner
rastlosen Thätigkeit ein vorschnelles Ende setzte. Die zahllosen
Kundgebungen bei seinem Tode beweisen, wie schwer sein Ver¬
lust allseitig empfunden worden ist.
Vom südafrikanischen Kriegsschauplatz sind in den letzten
Wochen eine Reihe Transporte mit Kranken und Verwundeten
nach England zurückgekommen. Sie werden zunächst in dem
grossen Militärhospital zu Nctley untergebracht, das aber
trotz seiner 1100 Betten bereits an die Grenze seiner Aufnahms-
fähigkeit gelangt ist. Ihn weiteren Platz zu gewinnen, hat mail
desshalb in der Nähe des Hauptgebäudes zunächst für die Recon-
valescenten 30 D o e c k e r’sche Zeltbaracken mit ca. 300 Betten
aufgeschlagen, ausserdem aber haben sich eine so grosse Anzahl
von Civilspitälern und Genesungsheimen zur Aufnahme der von
Afrika kommenden Kranken und Verwundeten bereit erklärt,
dass die Platzfrage den Behörden weiter keine Schwierigkeiten
machen wird.
Die Krankheiten, unter denen die Truppen am meisten zu
leiden haben, sind Abdominaltyphus und Dysenterie und schon
jetzt sind an diesen beiden allein über 500 Todesfälle zu beklagen.
Namentlich in Ladysmith hat in letzter Zeit der Typhus viele
Opfer gefordert und man glaubt, dass nach der jetzt täglich er¬
warteten Entsetzung dieses Platzes, die Zahl der in Natal verfüg¬
baren Betten, welche etwa 3000 beträgt, kaum für den sicher ein¬
tretenden Massenandrang von Kranken ausreichen wird.
Die ärztliche Untersuchung der nach Afrika ausgesandten
Mannschaften scheint nicht immer allzu sorgfältig gewesen zu
sein. So klagt ein ärztlicher Berichterstatter sehr darüber, dass
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34 ß
MÜNCH KN KR MKDICINISCHK \V0( 11ENSCHRIFT.
No. 10.
mit den Truppentransporten so vjele Kranke, vor Allem Ge-
sehleehtskranke, in Kapstadt ankoinmen. Ein Tlieil dieser Leute
hat sich natürlich erst kurz vor der Abreise inficirt, aber „Ich
habe“, so schreibt er, „eine ganze Anzahl von Fällen mit seeundür
syphilitischen Symptomen gesellen, die beweisen, dass man die
wahrscheinlichen Folgen des Primäraffectes nicht genügend be¬
rücksichtigt hat.“ Auch eine Reihe von Leuten aus der Reserve
und Miliz waren in Folge von chronischer Gonorrhoe mit reich¬
lichem eiterigen Ausfluss durchaus dienstuntauglich und mussten
wieder nach England zurückgesandt werden.
Die zur Zeit sich wieder recht unangenehm fühlbar machende
Influenza hat natürlich auch auf den Truppentransportschiffen
viele Erkrankungen verursacht, und die davon Befallenen brau¬
chen lange Zeit zu ihrer Erholung. Auch scheint mir, dass die
grosse Anzahl der beobachteten Pneumonien wahrscheinlich auf
Influenza zurückzuführen ist. So hat ein Schiff allein auf der
Ausreise 7 Todesfälle an Pneumonie gehabt. Von sonstigen
Infektionskrankheiten wie Scharlach und Diphtherie sind glück¬
licher Weise nur vereinzelte Fälle beobachtet worden. K. F.
Aus den italienischen medicinischen Gesellschaften.
Medicinische Akademie zu Turin.
Aus der Sitzung vom 11. November 1899 erwähnen wir die
Mittheilungen von M i c h e 1 i und Mattirols über chylöse
Exsudate, welche nur sehr wenig Fett enthalten. Wenn sieh die
milchartige Färbung eines Exsudates nicht durch Eette und Al-
bumenbeimischung erklären lässt, so soll man seine Aufmerksam¬
keit auf das Lecithin richten, welches sehr leicht emulsions-
fähig ist.
Die Autoren fanden in chylöser Ascitestiüssigkeit 0,25 und
0.15 g Lecithin. Sie stellten darauf fest, in welchem Verhült-
niss Beimengung von Lecithin Opalescenz einer serösen Flüssigkeit
bewirken kann und fanden, dass 0,15 reines Lecithin nach der Me¬
thode von Z 1 e b r o n präparirt, genügte, um 1000 cein klares
Serum milchig zu färben.
Sie halten das Lecithin in fettarmen chylösen Exsudaten für
die wahrscheinliche Ursache der Opalescenz.
Medicinisch-chirurgische Gesellschaft zu Parma.
In der Sitzung vom 10. December 1899 veröffentlicht
G u i z z e 11 i seine Untersuchungen über den Typhusbacillus,
w T elche er an 48 Leichen und Typhuskrauken anstellte. Bei 43
derselben wurde der Typhusbacillus gefunden. Am häufigsten fand
er sich in den Glandulae mesaraicae. In den kleinen Drüsen des
Mesocolons und auf der Aussen wand des Dünndarms waren die
Culturen vollständig negativ; im Blute fand sieh der Typhus¬
bacillus nie. In summa folgt aus den Untersuchungen G.’s, dass
der Typhusbacillus durch die Lymphw r ege des verletzten Darmes
zur LymphcySterne wandert und zum Ductus thoraeicus und auf
diesem Wege in den Körper gelangt. Dieser Schluss ist desshalb
gestattet, w r eil sich der Typhusbacillus nie in den Blutgefässen
findet. Hager- Magdeburg-N.
Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.
Am 24. und 25. vor. Mts. fanden Ausscliusssitzungen des
Vereins zu Frankfurt a. M. unter dem Vorsitz des Geb. Bauratlies
S t ti b b e n - Köln statt. Amvesend waren Geheimrath Prof. Dr.
ßaf f ky - Giessen , Oberbürgermeister Schneider - Magde¬
burg, Baurath Mayer- Stuttgart, Bürgermeister v. Börse ht-
Müuclien, Geheim. Sanitätsrath Dr. S p i e s s - Frankfurt, Hofrath
Dr. Stich- Nürnberg.
Als Ort für die heurige Versammlung wurde Trier gewählt;
als Termin wurde der 12.—15. September festgesetzt, sodass die
Besucher direct zur Naturforscher-Versammlung nach Aachen sieh
begeben können.
Ferner wurde beschlossen, ein Preisausschreiben zu erlassen
für die besten populär gehaltenen Aufsätze über die Reinlichkeit
der Verkaufsstellen von Nahrungsmitteln. Die Höhe der Preise
schwankt zwischen 50—200 Mark; im Ganzen sollen 2000 Mark
für dieseu Zw’eek aufgew'endet werden. Die Arbeiten sollen sieh
für Sonntagsbeilagen von Tageszeitungen mul zur Aufnahme in
Schullesebücher eignen.
Preisrichter sind ernannt.
Als Themata hat der Ausschuss für die nächste Versammlung
folgende angenommen:
1) Maassregeln zur Bekämpfung der Pest:
2) Wasserversorgung mittels Thalsperren in gesundheitlicher
Beziehung;
3) Ursachen und Bekämpfung der hohen Säuglingssterb¬
lichkeit;
4) Hygiene des Fahrrades;
5) die kleinen Wohnungen in den Städten, ihre Beschaffung
und Verbessening;
0) die Wasserversorgung kleiner Städte.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
In einer Arbeit: „E inige Versuche über d i e Wirk¬
samkeit des Broiuipins bei Epilepsie“ (Inaug.-Diss..
Güttingen 1899) veröffentlicht F. Schulze die Resultate einer
Versuchsreihe, welche er an Epileptikern der Göttinger Irren¬
anstalt mit dem Bromipin vorgenommen hat. Das Mittel hat in
allen Fällen die Epilepsie zweifellos günstig beeinflusst, ohne die
Erscheinungen des Broraismus hervorzurufen. Es hat sich g<*-
zeigt, dass das Bromipin. in entsprechender Menge gegeben, als
Sedativum dem Bromkalium nicht nur gleichwertig ist, sondern
dass es noch in Fällen wirksam war, wo die Bromsalze versagten.
Es wurde iu allen Fällen ohne Widerwillen auch auf die Dauer
eingenommen und gut vertragen. Bromipin ist eine organische
Verbindung von Brom und Sesamöl; es wird (von M e r c k in Darm-
stadt) mit 10 Proe. sowie mit 33V& Proc. Bromgehalt hergestellt
(Bromkalium enthält G7 Proc. Br). Das letztere Präparat kommt
in elastischen Kapseln von 2,0 Inhalt, entsprechend einem Brom-
gelialt von 0,06 und gleiclwerthig 0,99 Kal. bromat., in den Handel.
R. S.
Ammouiu mdilorld gegen Trigeminusneur¬
algie. Iu vielen Füllen von Neuralgie, speeiell des Trigeminus,
sali Campbell gute Erfolge von der Anwendung des Ammonium-
chlorids in grossen und rasch aufeinander folgenden Dosen. Seine
Vorschrift ist folgende:
Rp. Ammoniumchlorid. 10,0
Tinct. gelsemin. 1,5
Tinct. aconit. 0,2
Suce. liquirit. 20,0
Aq. dest. 150,0
MI)S. Alle Stunden 2 Esslöffel zu nehmen.
Bei besonders heftigen Fällen ist eventuell der Zusatz von
etwas Morphium angezeigt. (Treatment, August 1899.) F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 6. März 1900.
— Der Streit der Aerzte in Remscheid m i 1
der Allgemeinen Ortskrankencasse daselbst, der
im September 1898 ausbrach, hat bekanntlich s. Z. damit geendet,
dass, nachdem die Remscheider Aerzte ihre Thätigkeit bei der
Gasse niedergelegt hatten, diese sechs fremde Aerzte lieranzog.
welche nach Landman n’seliem System, als sogen, „beamtete
Aerzte“ angestellt wurden, d. h. sie traten mit Ausschluss privat-
ärztlicher Thätigkeit völlig in den Dienst der Gasse und erhielten
für ihre Leistungen ein festes Jahresgehalt. Wie vorauszusehen
w^ar, hat sieh das System in der V/ 2 Jährigen Frist nicht bewährt.
Wie wir einer von dem Vorstand der Ortsgruppe Remscheid dos
Bergischen Aerzte Vereins uus zugeheuden Zuschrift entnehmen,
haben sich die Schwierigkeiten und Missstände immer mehr go
häuft und es ist jetzt beim CassenVorstand im Princip beschlossene
Sache, das Landman n’sclie System nach Ablauf der Verträge
wieder aufzuheben und zum Vertragsschluss mit frei prakticirenden
Aerzten zurückzukehren. Unter diesen Umständen thun die Rem¬
scheider Aerzte, die in dem Streit mit der Casse einen so erfreu¬
lichen Bew r eis ihrer Geschlossenheit gegeben haben, gut daran,
schon jetzt die Bedingung auszusprechen, unter denen allein sie
bereit sein w r erden bei der allgemeinen Ortskrankencasse wieder
thätig zu sein. Es ist die Bedingung der bei anderen Cassen iu
Remscheid sehr gut bewährten freien Arztwahl, die der
Verein in dem Satze formulirt: „Alle unsere Vereinsmitglieder
und nur unsere Vereinsmitglieder sind zur cassenürztliehen
Thätigkeit berechtigt. Will die Casse diese Bedingung nicht an¬
erkennen, so wird sie aufs Neue gezwungen sein, fremde Aerzie
herbeizuziehen. Einem solchen Rufe Folge zu leisten, davor warm
der Aerzteverein schon jetzt alle Collegen. Das beabsichtigte
Casseulionorar — 3—4000 Mark — ist bei den bestehenden
TheuerungsverhUltmssen eine absolut ungenügende Jahresein-
nahme und auf Einnahme aus der Privatpraxis ist nicht zu
rechnen. Verbleiben doch von den 54 000 Einwohnern Remscheids,
nach Abzug der Verheiratheten und ihrer Angehörigen, sowie der
Armen, für die privatärztliche Thätigkeit höchstens 15 OOO Men¬
schen, für welche z. Z. 20 Privatpraxis treibende Aerzte vorhanden
sind. Dazu kommt, dass jeder von der Ortskrankencasse herbei
gezogene Arzt eine ganz bestimmt gekennzeichnete Stellung haben
wird und bei der gegen die Casse bestehenden Stimmung auf
Praxis im Publicum nicht wird rechnen können. Ausserdem würde
ein solcher Arzt ohne Rückhalt an seinen Collegen dem Schalten
des Casseuvorstandes völlig freigegeben sein, so dass für ihn weder
von einer lohnenden Wirksamkeit noch von einer befriedigenden
Stellung wird die Rede sein können. Der Mahnruf des Remscheider
Aerztevereins wird hoffentlich seitens der deutschen Collegen die
gebührende Beachtung finden. Wir lassen den Schluss des er
wähnten Schreibens im Wortlaut folgen:
„Möge desshalb Niemand unter deu deutschen Collegen sich
durch gegeiltheilige Schilderungen blenden lassen! Und wie wir
uns hier auf dem vorgeschobenen Posten als Kämpfer betrachten,
durchaus nicht für unsere localen Interessen allein, sondern für
das Wohl des gesammten Aerztestandes, dessen Zukunft durch die
Landman n’sche Ausnutzung des unglückseligen Kranken-
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B. März 1900.
MÜNCHEN KR MEHR IN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
347
cassongesetzcs auch dort schwer bedroht ist, wo jetzt noch Ruhe
und Frieden herrschen, so rechnen wir auch fest auf das Soli-
ilaritütsgefühl unter den Collegen und bitten jeden Einzelnen an
seinem Theile um Beistand und Mitwirkung.* 4
— Im preussisclien Abgeordnetenhaus ist am 0. Februar bei
Berathung des Etats der Berg-, Hütten- und Salinen'Verwaltung der
Abgeordnete Dr. Max II i r s c li - Berlin mit grosser Wärme für
die freie Arztwahl eingetreteu, deren Einführung bei den
Knappschaftscassen er befürwortete, ln seiner Erwiderung er¬
klärte der Handelsmiuister, dass nach Abschluss der Revision des
Alters- und Invalidenversicherungsgesetzes die Revision des Kran¬
kenversicherungsgesetzes an die Reihe kommen werde; bei dieser
Gelegenheit werde die Frage der freien Arztwahl zweifellos Gegen¬
stand einer eingehenden Erörterung sein. Für die Knappschatts-
casseu, deren wirtschaftliche Lage nicht günstig sei, sei die freie
Arztwahl zu kostspielig. Eine vermehrte Kostspieligkeit bestritt
Hirsch in seiner Replik.
— Der bayerische Landtag beschloss in seiner Sitzung
vom 3. März, es sei die k. Staatsregierung zu ersuchen, im Bundes-
rathe darauf hin wirken zu wollen, dass sobald als möglich ein
Fleischbeschaugesetz zu Stande kommt, welches aus¬
spricht: 1. dass bei allen Thieren, deren Fleisch ausschliesslich im
eigenen Haushalt des Besitzers verwendet wird, auch ferner die
Beschau unterbleiben darf; 2. dass die für den öffentlichen Ver¬
kehr mit inländischen Fleiseliwaaren aus sanitären Gründen zu
erlassenden strengen Controlvorschriften in gleicher Weise, ins¬
besondere bezüglich einer nothwendigen 2 maligen Beschau, auch
gegenüber den vom Auslande eingeführten Fleiseliwaaren wirksam
gemacht werden müssen.
Auch das Irr e nwesen wird noch die gegenwärtige Laud-
tagssession beschäftigen. Nach einer Anregung der kgl. Staats¬
regierung sollen die Kosten für Fnterbringung von Geisteskranken
und Blöden in Irren- und Blödenanstalten den mit Armenlasten
überbürdeten Gemeinden, bezw. den unterstützenden Districts-
gemeinden zu einer zu bestimmenden Summe aus Kreismittelu er¬
setzt werden. Die Annahme dieses Antrages würde, allerdings nur
in geringem Grade, dazu beitragen, dass die Armenpflegschaften
die Geisteskranken früher in eine Anstalt einweiseu. und würde da¬
mit eine grössere Möglichkeit der Heilung gewährleisten, sowie der
Verwahrlosung dieser bodauornswerthen Kranken entgegenwirkeu.
Noch weit zweckmässiger und für die Kranken wohlthätiger aber
wäre es, wenn die Kreisarmenpliege, der ohnedies die Begründung
und Erhaltung der Irrenhäuser gesetzlich obliegt, auch die Ver¬
pfleg ungskosten für Kämmtliche arme Geisteskranken zu Über¬
nehmen hätte. — Die Aufhebung der bisherigen, auch als psych¬
iatrische Universitätsklinik dienenden Oberbayerischen Kreisirren¬
anstalt in München und ihre Verlegung in 'grössere Entfernung
von der Stadt machen die Trennung der Professur für Psychiatrie
von der Direction der Irrenanstalt, sowie die Errichtung einer
neuen Irrenklinik nothwendig. Zwischen der Staatsregierung und
der Münchener Stadtverwaltung bestehen Differenzen bezüglich
der pecuniären Heranziehung der Stadt und der Feberlassung des
Krankeninaterials zu klinischen Zwecken. Wir gehen hierauf nicht
weiter ein uud müssen nur bei der immer grösseren Wichtigkeit
einer praktischen psychiatrischen Ausbildung der Aerzte uud Amts¬
ärzte die Errichtung einer Universitiits-Irrenkiinik in Verbindung
mit den übrigen klinischen Instituten als unbedingt und dringend
nothwendig bezeichnen.
Geheimrath Ivoeh ist, der Deutsch, med. Woclieuschr. zu
Folge, auf seiner grossen wissenschaftlichen Reise am 21). December
v. J. in Stephansort auf Deutsch-Neuguinea eingetroffen.
— Pest. Portugal. In Porto war seit dem November v. ,T.
eine stetige Abnahme der Erkrankungen an der Pest festgestellt;
im Monat Januar wurden 4 Fälle beobachtet, von denen der letzte
am 23. Januar tödtlich endete. — Aden, ln Aden sind zu Folge
einer Mittheilung vom 23. Februar 0 Pestfälle festgestellt. —
Japan. Zu Folge einer Mittlieilung vom 8. Januar sind in Kobe
seit dem 25. December v. J. Pestfälle nicht mehr festgestellt
worden, nachdem vom 21. November bis zum 25. December dort-
sclbst 14 Erkrankungeu, darunter 10 mit töütlichem Ausgang be¬
obachtet worden waren, ln Osaka sind im Ganzen 30 Pestfälle,
darunter 30 mit tödtlichem Ausgang festgestellt, 3 Pestkranke
tK'fanden sich am 8. Januar noch in ärztlicher Behandlung. Unter
den Erkrankten befanden sich drei mit der Ausführung der Sani-
tätsmaassregeln und mit der Behandlung von Pestkranken befasste
Aerzte. von denen zwei der Krankheit erlegen sind. — Madagaskar.
Ir; Tamatave ist seit dem Todesfall am 18. December v. J. kein
Fall von Pest mehr vorgekommen, so dass die Stadt seit dem
31. December, wie bereits mitgelheilt, als pestfrei gilt. Um einem
Wiederauftreten der Seuche nach Kräften vorzubeugen. wird un¬
unterbrochen au der Säuberung und Sanirung der Stadl gearbeitet.
- Reunion. Zu Folge Mittheilung vom 13. Februar ist die Pest
in St. Denis erloschen lind werden den Schiffen, welche die Häfen
der Insel Lu IiSunion verlassen, seit dem 25. Januar reine Gesund¬
heitspässe ausgestellt. — Mozambique. Zu Folge amtlicher Nach¬
richt vom 17. Februar ist in Magude seit dem 23. Januar kein Fall
von Fest mehr beobachtet worden. — Brasilien. Seit dem 22. Jan.
ist in der Stadt Sao Paulo zu Folge einer Mittheilung vom 20. Jan.
wieder ein Pestfall, aber mit gutartigem Verlauf festgestellt
worden. — Paraguay. Vom 9. bis 10. Januar sind in Asuncion
2 Erkrankungen und 2 Todesfälle an der Pest festgestellt. — Neu-
Caledonien. Vom 2. bis 8. Februar sind in Numea 3 Erkrankungen
und 1 Todesfall an der Pest festgestellt. (V. d. K. G.-A.)
— In der 7. Jahreswoche, vom 11. bis 17. Februar 1900, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Danzig mit 54.0, die geringste Bamberg mit 12,5 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb au Masern in Darmstadt; an Scharlach in Bor¬
beck; an Diphtherie und Croup in Elbing, Glehvitz.
— Frederick Treves gibt, iu seineu Kriegsberichten im Brit.
med. Journal fortfahrend, in der Nummer vom 3. März eine inter¬
essante Schilderung der Kämpfe am S p i o n s k o p. Der schwerste
Tag war der Mittwoch, 24. Januar. Da die meisten Verwundungen
auf der Höhe des sehr steilen Berges erfolgten, war die Bergung
der Verwundeten sehr schwierig, wurde aber verhältnissmüssig gut.
bewältigt. Am Donnerstag wurden (HK) Verwundete in*s Lazareth
gebracht, im Ganzen, einschliesslich der vorhergehenden Tage, 900,
also mehr als bei der Schlacht bei Colcnso. Auch der Charakter
der Verletzungen war schwerer als dort, da die meisten durch
Granatsplitter lind Slirapnels herbelgefiilirt waren. Auch die sehr
schwere Verwundung des General W o o d g a t e rührte von einem
Granatsplitter her; derselbe drang in die rechte Orbita ein, zer¬
störte das Auge und eröffnete die Schädelhöhle. — Ein anderer
Correspondent des Brit. med. Jouni. in Kapstadt äussert sich über
die physische Qualität der in letzter Zeit in Kapstadt gelandeten
Reserven und Milizen und kommt dabei zu einem sehr abfälligen
Urtheil. Es befanden sich unter ihnen eine sehr grosse Anzahl Un¬
tauglicher („lame duck»**), die sofort wieder nach Ilause geschickt
werden mussten. Der Correspondent macht dafür die ungenügende
ärztliche Untersuchung in England verantwortlich. Sonst wäre es
nicht möglich gewesen, dass Leute mit ausgesprochener Phthise,
mit Nierenkrankheiten, tertiärer Syphilis, Beingeschwüren, aus-
gebreiteien Varicen, Variocelen, Hernien, chronischen Gonorrhöen,
deutlichen Herzklappenfehlern ti. s. w. abgeschickt worden wären.
Und das nicht nur in einigen Fällen, sondern iu einem sehr erheb¬
lichen Procentsatz. Auch über Mangel an ärztlichem und Pfleger¬
personal führt derselbe Berichterstatter bittere Klage. — Die Zahl
der im Kriege gefallenen britischen Offleiere und Mannschaften
beläuft sich nach dem Brit. med. Journ. bis 24. Februar auf
1052; dazu kommen 2iH. die ihren Wunden erlagen, so dass die
Gesammtzahl der Getödteten bis zu dem genannten Tage 194(i be¬
trug. Au Krankheiten starben bis zu demselben Termin 723 Offl-
ciere und Mannschaften, ein im Vergleich zu der Zahl der Ge¬
fallenen sehr günstiges Verhältnis«. Von den Verwundeten, bis
17. Februar 5303, werden 95 Proc. als geheilt angegeben. Dieses
gegenüber früheren Kriegen ausserordentlich günstige Verhültniss
ist in erster Linie der Gutartigkeit der Mauserkugel zu verdanken,
dann aber wohl auch dem Umstand, dass dies der erste grosse
Krieg ist. in dem die Wundbehandlung ganz nach antiseptischen
Grundsätzen geschieht.
— Die Kölnische Unfallversicherung«-Actiengesellsehaft in
Köln a. Rh. theilt uns mit, dass sie in ihren Vertrag eine nein*,
günstigere Klausel, die Infectionskrankheiten betreffend aufge¬
nommen hat. Hiernach sind in den Versicherungsvertrag einge-
schlossen ,,alle localen oder allgemeinen Infectionskrankheiten,
z. B. Blutvergiftung, Syphilis, Tuberculosc. Rotz, Hundswuth
u s. w. und deren Folgen, hei denen der Ansteekungsstoff durch
äussere Verletzungen (gleichviel ln welcher Weise und wann die-
sellien entstanden sind), also nicht durch die natürlichen Eingangs¬
pforten in den Körper gelangt ist. Vorausgesetzt ist. dass die An¬
steckung ohne Willen des Versicherten uud auch ohne nachweis¬
bare gröbliche Ausseraelitlassmig der gebotenen Vorsichtsmaass¬
regeln seitens des Versicherten erfolgt ist. Jede Infection, die
durch geschlechtlichen Verkehr hervorgerufen wird, ist ausge¬
schlossen, gleichviel an welchem Ivörpertheil sie auf tritt. Die An¬
zeige hat unmittelbar zu erfolgen, nachdem der Charakter der
Krankheit erkannt worden ist, unter Angabe der eingeschlagenen
Behandlung.“ -- Die genannte Gesellschaft stellt in Vertragsver-
hältniss mit dem ärztlichen Bezirksverein München.
— Ein „W ürtto in bei* gische* A e r z t e b u c h“ gibt
der Ausschuss des Württembergisehen ärztlichen Landes Vereins
heraus, von dem soeben die zweite Ausgabe (Stuttgart 1900) er¬
schienen ist. Das Aerztebucli stellt das offlcielle Verzeichnis.«
der württembergisehen Aerzte dar, unterscheidet sich aber von
ähnlichen Verzeichnissen, z. B. dem Schematismus der bayerischen
Aerzte. vortheilhaft dadurch, dass dasselbe auch kurze bio¬
graphische Angaben über jeden einzelnen Arzt enthält. Für die
württembergisehen Collegen ist die Herausgabe des Aerztebuchs
jedenfalls von grossem Werth. Durch die sorgfältige Bearbeitung
hat sich Herr Dr. D e a li n a - Stuttgart ciu grosses Verdienst er¬
worben.
(H o c b s c h u 1 n a c h r i c h t e n.)
W ü r z b u r g. Prof. v. Michel hat den Ruf nach Berlin
angenommen.
B o 1 o g ti a. De r Professor an der med. Facultüt zu Padua
Dr. I>. C e r v e s a t o wurde zum ordentlichen Professor der Klinik
der Kinderkrankheiten ernannt.
G e li u a. Au Stelle des zurückgetretenen Prof. J. M a r t i n i
wurde Dr. Rudolf W eher zum o. Professor der Psychiatrie er¬
nannt.
Jassy. Dr. C. Juvara wurde zum Professor der chirur¬
gischen Anatomie ernannt.
Kraka u. Der Privatdoeent*i)r. St. Clechanowski
wurde zum a. o. Professor der pathologischen Anatomie ernannt.
Messina. Dr. A. Laraari, bisher Privatdoeent zu Neapel,
habilitirte sich für medicinische Pathologie.
New-York. Dr. R. O. Born wurde zum Professor der
Augenheilkunde an New York Poliklinik and Hospital ernannt.
Turin. Der u. o. Professor der chirurgischen Fatologie
Dr. A. Carle wurde zum o. Professor ernannt.
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N* Mflnoh. Med. Wochen«chr. erscheint wÄchentl.
In Numwuru von durchschnittlich 4-5 Bogen.
Preis in Deutschi, u Ocst.-Ungarn viertel] Thrl. fi Ji,
ins Ausland 7.50 Jt. Einzelne No. •*> 4 .
MÜNCHENER
Zusendungen sind ztt adreralren: Für die ftedactlort
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Heustrasse 20. - Für Inserate und Beilagen
an Rudolf Blosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Billig, 0. Bolliager, H. Curschiann, C. Gerhardt, W.», Heincke, 6. Merkel, J. 1 . Michel, H. 1 . Ranke, F.». Winckel, H. r. Zleissen,
Frdburg i. B. München Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg München. München. München.
.1/ 11. 13. März 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Alis der medicinischen Universitätspoliklinik in München.
Ueber Oxykampher.
Von Dr. Hans X e u m a y e r, Privatdocent und I. Assistent
der Poliklinik.
Im Verlaufe ausgedehnterer Arbeiten über Kampherderivate
fand O. Ma nasse 1 ) vor einigen Jahren eine wasserlösliche
Verbindung, welche sieli als Ortho-Oxykampher herausstellte,
d. h. als ein Kampher, in welchem ein Wasserstoffatom neben
der Kctongruppe durch den Ilvdroxylrest ersetzt ist:
CHa
/
Camplier Cd Hu
\
CO
CH(OH)
/
Oxycampher Cs Hu
\
CO
Diese nahen chemischen Beziehungen zum Kampher in Ver¬
bindung mit der pharmakologisch wichtigen Eigenschaft der
Wasserlöslichkeit gaben dem Oxykampher in Hinblick auf die
Therapeutisch so werthvollen Eigenschaften des Kamphers ein
besonde res Interesse.
Bei der geringen Veränderung, die das Kamphermolecul
durch die Tlydroxylirung erfährt, war zu erwarten, dass auch
die Wirkung dieses Körpers nicht wesentlich von der des Kam-
phers verschieden sein würde. Allein die Thierversuche, welche
von R. Heinz 2 ) mit dem neuen Präparate angestellt wurden,
haben zu ganz anderen, auffallenden Resultaten geführt.
Dem Oxykampher kommen nämlich die exeitirenden Eigen¬
schaften. die der Kampher überhaupt und vor Allem auf das
ITerz ausübt, nicht mehr zu.
Vielmehr weist er einen merkwürdigen beruhigenden, herab-
stirnmenden Einfluss auf einen bestimmten Punkt dos Central¬
nervensystems, nämlich auf das Respirationscent rum, auf.
II e i n z konnte feststellen, dass bei Thieren durch kleine
Dosen von Oxykampher eine Verlangsamung des Athmungs-
r.vthmus und ein Oberflächlicherwerden der einzelnen Athemzüge
(»intritt: durch grosse Dosen wurde die Athmung vollkommen
zum Stillstand gebracht.
Die Ilerzthätigkeit und der Blutdruck blieben dabei voll¬
kommen unbeeinflusst, selbst bei jenen Fällen, wo sogar Still¬
stand der Athmung eintrat. Bei letzteren Fällen erhielt II e i 11 z
die Versuolisthiere dadurch am Leben, dass er bis zur Wieder¬
kehr der Reflexerregbarkeit des Athemcentrums künstliche Re¬
spiration unterhielt.
Auch nach wiederholter Verabreichung von grossen Dosen
konnte II e i n z keinerlei Schädigung irgend welcher Organe
nach weisen.
Unter diesen Umständen empfahlen M a n a s s e und
Heinz das Präparat zu therapeutischen Versuchen bei dys-
pnoisehen Zuständen. Es war zu hoffen, dass man in ihm einen
werthvollen Ersatz für die in solchen Fällen bisher allein mit
ausgesprochenem Erfolg angewendete Xarkotica finden würde.
’) Bericht der Deutsch, chem. Gesellsch., XXX (1897), S. G59.
*) Deutsch, med. Wochen sehr. 1897, t No. 27.
Xo. liDigjtized by (^ T QQö|0
M a n a s s e und Heinz 2 ) fügten ihrer Veröffentlichung
zum Schlüsse zwei Krankheitsfälle an, bei welchen der Oxy¬
kampher in der That vorzügliche Dienste gegen Anfälle von
cardialer Dyspnoe leistete.
Das Mittel wurde mit günstigem Resultat nachgeprüft von
Ehrlich 3 ) und J akobson 4 ) und zwar bei Patienten, die
an Dyspnoe, bedingt durch die verschiedensten Ursachen, litten.
Alsbald nach der Veröffentlichung von Ma nasse und
Heinz wurde auch an der medicinischen Poliklinik der Oxy¬
kampher in Anwendung gebracht und es standen uns durch die
Güte M a nass e’s immer reichliche Mengen eines tadellosen
Präparates zur Verfügung.
Das Präparat kam in der verschiedensten Form zur An¬
wendung, als Pulver, in Form von Trochisci mit Milchzucker
zusammen und als Mixtur, wie sie Ehrlich und J akobson
gegeben hatten.
Oxycampher
1,0
Spirit, vin.
5,0
Aq. dest.
180,0
Syrup. Rub. Jd.
20.0
MD. Esslöffelweise zu nehmen.
Auch subcutan injicirten wir Oxykampher und zwar in
Olivenöl gelöst, ähnlich dem Ol. camphoratum. Als später
M a n a s s e dem Oxykampher durch Auflösen desselben in Al¬
kohol eine absolut haltbare Form gegeben hatte, in welcher der
Oxykampher von den Höchster Werken unter dem Namen Oxa-
phor ausschliesslich in den Handel gebracht wurde, verabreichten
wir nur mehr dieses Präparat und zwar entweder mit etwas Wasser
gemischt oder in Form der angeführten Mixtur.
Wir haben gefunden, dass das Präparat in jeder Form ohne
jede besondere Beschwerde vertragen wird und auch zur Wirkung
gelangt.
Bevor ich auf die von uns an dyspnoischen Kranken ge¬
machten Erfahrungen eingehe, möchte ich in Kürze einiges
Wenige über die Wirkungsweise des Oxykamphers auf den ge¬
sunden Organismus anführen.
Wir verfolgten an gesunden Männern die Puls- und Athem-
frequenz unter dem Einflüsse von verschieden grossen Oxy-
kampherdosen. Ferner suchten wir annähernd den Grad der Er¬
regbarkeit des Athemcentrums zu bestimmen. Wir verfuhren
dabei in der Weise, dass die betreffende Versuchsperson entweder
während ruhiger Athmung oder nach tiefster In- und Exspiration
auf gef ordert wurde, die Athmung so lange als möglich zu unter¬
brechen. Die Zeitdauer, wie lange der Athem angehalten werden
konnte, wurde zu wiederholten Malen vor der Oxykampher-
darreichung und nach derselben bestimmt.
Wenn nämlich dem Oxykampher in der That das Respira¬
tionscentrum lähmende Eigenschaften zukommen, so war zu er¬
warten, dass nach Oxykampherdarreichung die Athmung länger
angehalten werden konnte, dass die Kohlensäure im Blute sieh
in grösserer Menge anhäufen musste, bis der Reiz, den eben die
Kohlensäure auf dieses Centrum ausiibt, stark genug wurde, das¬
selbe in Thätigkeit zu setzen.
*) A. Ehrlich: Oxykampher (Oxaphor) als Antldyspnoicum
und Sedativum. Centralbl. f. d. ges. Therapie, 17. Jahrg., 1899.
*) R. Jacobson: Klin. Beobachtungen über die antidys-
pnoische Wirkung des Oxykamphers (Oxaphor). Berl. klin.
Wochcnschr. 1899, No. 16.
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
Tn der folgenden Tabelle sind die erhaltenen Resultate zu¬
sammengestellt. Wir verwandten zu diesen Versuchen aus¬
schliesslich Oxaphor und gaben das Präparat fast durchweg in
den nüchternen Magen, um eine sichere und rasche Resorption
zu erzielen 6 ).
J. K., 43 Jahre, Schreiner, nüchtern.
j\ them-
Athem wurde angehalten
Zeit
Oxaphor Pi
ilsfrequenz
zöge in der
hei oberflächlicher
Athmuug
bei tiefer
Minute
Secunden
Secunden
7.15
—
5ß—00
22—24
20—20
25—21
23
7.30
4,0
—
_ .
_
_
7.38
—
00
16
23—28
26.31
7.55
—-
56—60
16
26
31
8.30
—
60
16
20.20
24
9.18
—
60
16
20
24—30
K.
S., Spiingler
, hat um
6 Uhr einen Teller »Suppe gegessen.
8.30
—
66
17—18
18
8.50
—
72
16
19
27.22
28
9.10
—
68
16—18
. _
___
9.12
5 g Oxv-
campher
—
—
—
--
9.17
•—
68
14—16
_
9.24
—
72
17
20.20
30
9.30
—
72
17
24.24
27.33
36
9.45
—
72
16
_
_ .
9.53
—
72—76
15
20.24
28
10.40
—
72
17
15.20
34
11.15
—
68
20
18.20.25
29.33
M.
Z., 37 Jahre
, Posamentier, nüchtern.
7.35
—
64
18
31—32.31
34
41.43
8.00
10 g
—
_
___
___
8.08
—
64
14
30.30
44 43
8.35
—
64
16
30
45.46
8.40
—
—
—
_
9.30
—
56.60
16.17
26
38.43
Derselbe, nüchtern.
7.20
—
68
16
25.26 26
7.33
20 g
—
_
7.45
—
66
16
27.30.28.27
8 40
—
68
16
33.33.29
9.15
—
60
15-16
31.30
33.37 37
42.43
43.44
43
Derselbe, nüchtern.
7.00
—
76—80
16—18
20—15
25—
-25
7.10
—
76
18
_
7.12
2,0
w
—
_
7 17
—
76
18
20—22
22-
-30
7.28
—
72—76
18
18—23
_
7.45
—
72
18
17—21
30—
-30
8.00
—
67
16
25—26
8.15
—
66
18
25—26
35
8.30
---
64
18
23—26
31-
-30
8.48
—
64
18
25—25
32-
-34
T.
R., 28 Jahre, Schreiner
, nüchtern.
7.30
—
80—84
17—20
12 12
18
32
7.42
1 g Oxy-
'•*#*&*' -
27—
-29
eampher
7.48
—
84
20
_ _
8.06
—
80
20
14—16
33-
27
8.23
—
80
18
20—22
30—
35
8.38
—
80
17
15—18
27-
-30
9.00
—-
72
20
15 25—25
40-
33
M
Z., nüchtern, 36 Jahre,
Schreiner.
—
—
60—72
16—18
17—23
27—
32
7.19
2,0
66—68
18
25
35
7,30
—
66
17
27
37
7 38
—
66
16
19—27
38—
35
7.50
—
64—68
16
27
37
8.25
—
60
17
24—22—27
48-
50
<8.47
—
60
16—18
22—32
9.15
—
60
16
25—27
42
B ) Siehe Moritz: IJeber die Beziehungen zwischen Arzneien
mal Magen. Münch, med. Wochenschr. 185)8, No. 48.
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Derselbe, nüchtern.
Athem-
Athem wurde angehrt]ten
Zeit
Oxaphor
Pulsfrequenz
züge in der
hei oberflächlicher bei tiefer
Athmumr
Minute
Secunden
Secunden
7.15
—
64—68
18—20
23
32—34
7.28
4,0
_
_
__
7.35
—
68
15-16
25—25—27 -27
38
7.53
—
64—68
16
27
45
8.30
—
60—64
16
24—25
36—38
9.15
—
60
16
24—26
35
F.
H, 29 Jahre, Schlosser,
, nüchtern.
7.40
—
67—80
14
24.21
33.40
24
42
8.02
10 g
—
_
_
8.12
80—84
14
28.34
34.45
8.37
—
80
13
33
45
9.30
—
68—72
15
34
33.40
Von sümmtlii
:-1 1 on Versuehspersonc
ii wurde das
Präparat
(Oxaphor), obschon es aus dem angeführten Grunde fast immer
in den nüchternen Magen mit ganz wenig Wasser zusammen
gegeben wurde, gut vertragen.
Selbst bei den grössten Dosen 10 bezw. 20 g Oxaphor traten,
abgesehen von etwas Brennen in der Magengegend, keine Be¬
schwerden auf; ebensowenig wurden Störungen von Seiten des
Darmes bemerkt. Die Pulsfrequenz zeigte keine deutliche Beein¬
flussung durch den Oxvkamphcr: bald blieb die Pulsfrequenz
auf der Höhe bestehen, wie vor der Oxykampherdarreiehung, bald
sehen wir eine Vermehrung, bald eine Verminderung der Puls¬
schläge in der Zeiteinheit eintreten. Die ITerzaction blieb durch¬
weg vollkommen regelmässig; der Blutdruck zeigte keine Ab¬
nahme. Die Untersuchung des Harnes gab niemals Beimengung
von Eiweiss oder Zucker.
Was die Frequenz der Athemzüge anlangt, so fanden wir
selbst bei den grössten Dosen keine wesentliche Aenderung. Wir
sahen zwar bei fast allen Fällen eine Abnahme der Zahl der
Athemzüge in der Minute, allein die Differenz zwischen den
Zahlen, welche vor und nach der Oxykampherdarreiehung ge¬
wonnen wurden, sind so gering, dass sie an dem einzelnen Falle
kaum in die Erscheinung tritt. Aehnlieh wie die Körpertempe¬
ratur des gesunden Menschen nur sehr wenig durch Antipyretiea
beeinflusst wird, so scheint auch die Athemfrequenz nur sehr
schwer aus ihrem normalen Rhythmus gebracht werden zu können.
Eine deutliche Einwirkung ist nach vorstehender Tabelle an
der Erregbarkeit dos Athemcentrums zu bemerken. Wir finden
nämlich hei sämmtlichcn Versuchspersonen, dass sie nach Dar¬
reichung von Oxykampher den Athem länger anzuhalten ver¬
mögen, wie vorher. Es scheint demnach unter dem Einflüsse
des Oxyknraphers die Kohlensäuremenge des Blutes viel höher
anwuchsen zu können, bis das Athemcentrum der willkürlichen
Beeinflussung entzogen wird und die Athmuug nicht mehr länger
unterdrückt werden kann.
Gehen wir nun zu den Krankheitsfällen über.
Der Oxykampher wurde in den anzuführenden Fällen meist
in Mengen von 40 Tropfen Oxaphor, entsprechend 1 g Oxy¬
kampher, auf einen Löffel voll Wasser gegeben, worauf etwas
W asser noch nachgetrunken wurde, um den für manchen Patienten
etwas unangenehmen Geschmack zu beheben. Aus letzterem
Grunde wandten wir auch ab und zu das Präparat in der bereits
erwähnten Mixturform oder auf etwas Zucker geträufelt und in
Oblate eingesclilagon an.
M ir brachten das Mittel bei verschiedenen Formen von Dys¬
pnoe zur Verwendung, vor Allem aber bei gesteigerter Athem¬
frequenz im Anschluss an Oirculationsstörungen und im An¬
schluss an Erkrankungen der Lunge.
Zu bemerken ist, dass sich unsere Beobachtungen und Er¬
fahrungen, abgesehen von den nachfolgenden hier aufgeführten
Krankheitsfällen, auf noch weitere 30—40 Fälle erstrecken, bei
denen ähnliche Resultate erhalten wurden, wie bei den geschil¬
derten; sie konnten jedoch in der Arbeit nicht Aufnahme finden,
da die darüber gemachten Aufzeichnungen zu Verlust gegangen
sind.
J. G., 58 Jahre alt, Taglöhner, leidet an einem ausgesprochenen
Lungenemphysem mit zeitweise auf tretenden heftigen Katarrhen
gestörter Herzthütigkeit, Oedemen und lebhafter Dyspnoe.
Auxiliäre Athemmuskeln in reger Thätigkeit, Athemfrequenz
32—3G ln der Minute, auf der Lunge allenthalben katarrhalische
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
351
13. Mürz 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
< h* rausche von verschiedener Grosse. Puls 88—92, regelmässig,
keine Oedeme. 1 g Oxykampher als 2 g Oxaphor per os mit etwas
Wasser gegeben liess nach Ablauf von 3 Minuten ein wesentlich
anderes Bild erkennen.
Die Zahl der Athemzüge war auf 20 in der Minute zurück*
gegangen. Die Auxiliarmuseulatur war bei Weitem nicht mehr
angestrengt tliätig wie vordem und der Patient selbst empfand
eine Erleichterung und ein Wohlbefinden, wie er sie seit Jahren
nicht mehr empfunden haben will.
Diese günstige Wirkung dauerte ungefähr 5 Stunden an und
der Patient, dem für die Folge wiederholt von dem Präparat ver¬
abreicht wurde, war des Lobes voll über die Erleichterung, die er
davon empfand. Wichtig ist, dass diese Euphorie und unbehinderte
At Innung nicht nur in der Ruhe subjectiv und objectiv zum
Ausdruck kam, sondern auch bei s t ä r kere r K örpe r b e w e -
g u n g, wie z. B. beim Stiegensteigen.
Eine Veränderung des physikalischen Lungenbefundes war
durch Anwendung von Oxykampher nicht zu erkennen.
M. S., 58 Jahre, Beamter. Patient leidet seit Jahren an
heftigen asthmatischen Anfällen, ‘die besonders im Frühjahr und
Herbst sich bemerkbar machen. Die Untersuchung ergibt
ausserhalb des Anfalles Protrusio bulborum, eine massige Struma,
stark geschwellte Halsvenen, Lungenemphyseui und eine Mitral-
insufficienz.
Der Asthmaanfall hat eine Dauer von y 2 —i Stunde und ver¬
läuft unter sehr stürmischen Erscheinungen. Enormer Lufthunger,
Respiration 40—50 in der Minute und profuse Schleimsecretion.
Patienten wurde wiederholt zu Beginn und während des Anfalles
Oxykampher verabreicht. Es konnte damit zwar niemals der An¬
fall verhindert oder wesentlich abgekürzt werden, der Ablauf des
Anfalles war aber regelmässig ein milderer, wie wenn das Mittel
nicht gegeben wurde.
J. K., 48 Jahre, Taglöhner. Ausgesprochenes Emphysem der
Lungen, begleitende diffuse Bronchitis und starke Dyspnoe: Re¬
spiration 20 Athemzüge in der Minute, lebhafte Betheiligung der
Auxiliarmuseulatur an der Athmung. Puls 88. Patienten wird
1.0 Oxykampher verabreicht. Nach Alllauf von 5 Minuten em-
piiudet Patient eine bedeutende Erleichterung. Die Athemfrequenz
ist unverändert geblieben, die Arbeit der auxiliären Athemmuscu-
latur hingegen viel geringer. Im Verlauf der nächsten 4 Stunden
das gleiche Wohlbefinden.
Bei Patienten wird der gleiche Einfluss bei wiederholter
späterer Darreichung constatirt und Patient bittet dringend um
Ueberlassung von Oxykampher.
A. St., 30 Jahre. Phthis. pulmon. Patientin hat in Folge von
ausgedehnten Veränderungen in beiden Lungen und in Folge eines
nlässigen pleuritischen Exsudates auf der rechten Brustseite be¬
deutende Alhcmnoth.
Patientin sitzt im Bett und kann kaum sprechen, noch Nahrung
zu sich nehmen. Die Zahl der Athemzüge beträgt 48—52 in der
Minute. Puls 120—130.
Patientin wird 1 g Oxykampher (2 g Oxaphor) mit etwas
Wasser verabreicht.
Nach Ablauf von 4 Minuten ist die Zahl der Athemzüge auf
28 in der Minute gesunken und Patientin fühlt sich in hohem Grade
erleichtert — so gut hätte sie seit Wochen nicht mehr atlnnen
können. Tuls ist durch Oxaphor unverändert — 124 Schläge in der
Minute. ,
H. M. Insuflf. mitralis et aortae. Leberschwellung. Dys-
pnoische Athmung, 34 Athemzüge in der Minute, Lippen bläulich
verfärbt. Puls 92—100 in der Minute.
1 g Oxykampher als Oxaphor in Wasser verabreicht.
Nach Ablauf von 5 Minuten beträgt die Respiration 3G—40
Athemzüge in der Minute; Puls 104. Nach weiteren 5 Minuten
Respiration 36, Puls 102. Nach weiteren 5 Minuten Respiration
30, Puls 104.
Es wird noch 1 g Oxykampher gegeben; Respiration und Puls
l»leiben innerhalb der nächsten halben Stunde auf 30—40 Athem-
ziige und 100—104 Pulsschlügen stehen. Auch im subjectiven Be¬
finden der Patientin ist keine Besserung eingetreten.
A. K., 05 Jahre, Taglöliuerin. Emphysema pulmonum und
Bronchitis diffusa. P. leidet seit einigen Wochen an Sehwer-
Mthmigkeit die auch objectiv zum Ausdruck kommt in Steigerung
der Athemfrequenz: 28—30 Athemzüge in der Minute, Puls 92.
1 g Oxykampher: Nach 8 Minuten Resp. 28—36 — Puls 96, nach
15 Minuten Resp. 32 — Puls 92, nach 30 Minuten Resp. 32—36 —
Puls 92.
Weder objectiv noch subjectiv konnte in diesem Falle eine
Besserung der dyspnoischen Beschwerden festgestellt werden.
M. K., 32 Jahre, Bearatensfrau. Fortgeschrittene Tuberculose
beider Lungen, lebhafte Dyspnoe, die sich zeitweise zu Erstickungs-
nnfällen steigert. Respiration 40—44 Athemzüge in der Minute.
Puls kaum fühlbar, 120—130 in der Minute.
Auf 1 g Oxykampher tritt nach Ablauf von 5 Minuten eine
wesentliche Besserung ein. Die Athemfrequenz sinkt auf
28 Athemzüge in der Minute und die Patientin fühlt sich wesent¬
lich erleichtert. Die Euphorie hält ungefähr 2 Stunden an und
stellt sich nach wiederholter Darreichung von Oxykampher regel¬
mässig ein.
M. O., 40 Jahre alt, Taglöhnerin. Bronchitis diffusa, Nephritis.
Zeitweise Anfälle von Athemnotli, namentlich Nachts. Die Re¬
spiration zeigt 66 Athemzüge in der Minute; auf der Lunge zahl¬
reiche katarrhalische Geräusche hörbar. Puls 96 in der Minute.
Nach Darreichung von 2 g Oxaphor ist nach Ablauf von 2 Minuten
die Athemfrequenz bereits auf 30 zurückgegangen und nach
weiteren 5 Minuten bis auf 22 Athemzüge in der Minute. Gleich¬
zeitig fühlt sich Patientin auch subjectiv bedeutend erleichtert,
indem das Gefühl des Lufthungers vollkommen verschwunden Ist.
Pulsfrequenz beträgt 108 Schläge in der Minute. Das Mittel,
welches ungefähr Mittags 12 Uhr gegeben worden war, hielt in
seiner Wirkung den ganzen Nachmittag und auch noch die folgende
Nacht bis Morgens 3 Uhr an.
Patientin nahm um diese Zeit 2 g Oxaphor; die Athemhoth ver¬
schwand nach Angabe der Patientin innerhalb kürzester Zeit
wieder und beim Besuche des Ambulatoriums der Poliklinik —
10 Stunden nach Einnahme der letzten Oxykampherdosis — be¬
trägt die Athemfrequenz 24—28 Athemzüge in der Minute bei sehr
gutem Allgemeinbetinden. Die Pulsfrequenz beträgt 108 Schläge
in der Minute.
Auch in der Folge hatte Patientin bei ähnlichen Anfällen regel¬
mässig eine vollkommene Erleichterung.
L. Sch., 50 Jahre alt, Lehrerswittwe, leidet seit 7 Jahren au
asthmatischen Anfällen, welche von mehrstündiger Dauer sind.
Im Anfall ist Patientin ausser Stand, Irgend welche Bewegung zu
machen. Auf 1 g Oxykampher hat Patientin regelmässig eine
wesentliche Erleichterung, welche 3—8 Stunden anhält.
M. O., 30 Jahre alt, Schlossersfrau. Aneurysma aortae mit
Insuflicientia valvulae mitralis et aortae. Patientin klagt be¬
sonders über Schwerathmigkeit, welche sich auch in beschleunigter
Athmung äussert, besonders Nachts. Nachdem Patientin über eine
Stunde ruhig gesessen hat, beträgt die Respiration immer noch
40 Athemzüge in der Minute. Puls = 92—96. Nach Darreichung
von 1 g Oxykampher sinkt die Zahl der Athemzüge und zwar nach
7 Minuten auf 32, nach weiteren 4 Minuten auf 30, nach weiteren
12 Minuten auf 26—28. nach weiteren 7 Minuten auf 22 Athemzüge
in der Minute. Das Gefühl von Schwerathmigkeit ist vollkommen
verschwunden. Patientin, welche täglich 3 mal je 1 g Oxykampher
nimmt, bleibt frei von Schwerathmigkeit, schläft gut und der
Appetit bessert sich.
Als Patientin einen Tag lang keinen Oxykampher erhielt, trat
sofort Verschlechterung des Befindens und Schwerathmigkeit auf.
Die Respiration ist auf 32 Athemzüge in der Minute gestiegen,
der Puls hat eine Frequenz von 96—100 Schlägen in der Minute.
Auf 1 g Oxykampher geht die Athemfrequenz innerhalb
30 Minuten auf 20—22 Athemzüge in der Minute zurück und bei
weiterer Darreichung von Oxykampher bleibt die Dyspnoe voll¬
kommen weg und subjectiv ist die Patientin sehr zufrieden.
J. G., 51 Jahre alt, Maurer. Insuflicientia valvulae mitralis
et aortae. Stauungsorgane und Bronchitis.
Tatient klagt über Kurzathmigkeit.
Resp. 24. Puls 88.
Nach Darreichung von 1 g Oxykampher geht die Frequenz der
Athemzüge auf 16 in der Minute herunter, und Patient fühlt sich
sehr erleichtert durch mehrere Stunden hindurch.
G. M., 67 Jahre alt, Wirth. Insufflcientia valvulae mitralis.
Stauungserscheiuungen: Leberschwellung, Ascites, Oedeme, Albu¬
minurie.
Dyspnoe: 40—44 Athemzüge in der Minute, nachdem Patient
ungefähr 30 Minuten vollkommen ruhig sich verhalten hatte.
Patient erhält 1 g Oxykampher.
Nach 12 Minuten beträgt die Athemfrequenz 36 in der Minute.
Nach 10 Athemzügen stellt sich regelmässig eine Athem-
pause ein.
Subjectiv fühlt sich Patient sehr erleichtert.
Nach Ablauf einer Stunde beträgt die Frequenz der Athem-
ziige in der Minute 36; der Puls ist wechselnd zwischen 88 und
96 Schlägen in der Minute.
Die subjeetive Erleichterung dauerte im Ganzen 3 Stunden.
M. M., 39 Jahre alt, Schneider. Insufflcientia valvulae mitralis
et aortae, Stauungsorgane.
Dyspnoe: Respiration beträgt 40 Athemzüge in der Minute.
Puls 120. Nach Darreichung von 1 g Oxykampher ging die Zahl
der Athemzüge nach Ablauf von 5 Minuten auf 28—32 zurück. Die
Pulsfrequenz betrug 108—112.
Nach weiteren 8 Minuten war die Athemfrequenz 26 und die
Pulsfrquenz 108.
Nach weiteren 7 Minuten war die Athemfrequenz 20 und die
Pulsfrequenz 108.
Patient fühlte sich auch subjectiv bedeutend erleichtert. Die
Euphorie hielt im Verlaufe der nächsten 7 Stunden an und als
sich dann allmählich Dyspnoe einstellte, nahm Fatient wieder 1 g
Oxykampher. Patient schlief die ganze Nacht hindurch sehr gut
mit einigen kurzen Unterbrechungen.
14 Stunden nach der letzten Oxykampherdosis betrug die Re¬
spiration 24 Athemzüge in der Minute und die Pulsfrequenz
war 104.
E. R., 16 Jahre, Maurerlehrling. Pleuritis exsudativa. Perl-
carditis sicca. Insufflcientia valvulae mitralis.
Patient, welcher zu Bette liegt, zeigt eine Athmung von
40 Athemzügen in der Minute und eine Pulsfreqenz von 104—108.
5 Minuten nach Darreichung von 1 g Oxykampher betrug die
Athemfrequenz 40, die Pulsfrequenz 104.
Nach weiteren 11 Minuten war die Athemfrequenz 36—40;
die Pulsfrequenz 104. Eine subjeetive Besserung wurde von dem
Patienten nicht empfunden.
M. Sch., 60 Jahre. Vitium cordis, Insufflcientia valvulae mitra¬
lis mit grossem Anasarca an Beinen, Abdomen und auch an den
Armen.
Patientin sitzt im Bette, da sie vor Schwerathmigkeit nicht
liegen kann.
1 *
Digitized by Google
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
352
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. lt
Die Respiration zeigt 32—3G Athemzüge in der Minute, Puls
100 — 102 .
Nach Darreichung von 1 g Oxykampher beträgt die Athem-
frequenz nach 8 Minuten 30 Athemzüge, nach 15 Minuten 36—40
Athemzüge, nach 30 Minuten 36 Athemzüge in der Minute.
In dem vorliegenden Falle konnte weder objectiv noch sub-
jeetiv eine Besserung der Atliemnoth constatirt werden.
B. K.. 49 Jahre, Heizerswittwe. Insufflcientia valvulae
mitralis. Leberschwellung, Oedeme, Cyanose.
Die Respiration betrug vor der Darreichung von Oxykampher
2t$—30 Athemzüge in der Minute, Puls 108—112. 7 Minuten nach
Darreichung von 2 g Oxykampher war die Athmung 24 Athemzüge
in der Minute. Die Athmung ist immer noch sehr angestrengt; es
treten die auxiliären Athemmuskeln in Thättgkeit.
45 Minuten später ist Respiration unverändert 24 Athemzüge
in der Minute; die Pulsfrequenz ist 104.
Eine Erleichterung empfindet Patientin nicht, die Athmung ist
auch noch dyspnoiscli.
Wenn wir die angeführten Krankheitsfälle überblicken, so
finden wir, dass bei einem grossen Theile derselben in der That
ein ausgesprochener Einfluss auf die Athmung zu verzeichnen ist.
Wir sehen bei den Patienten, die theils in Folge von Circu-
lationsstörungcn, theils in Folge von Lungenerkrankungen an
Dyspnoe litten und welche sämintliche vor der Darreichung von
Oxykampher mitunter eine beträchtliche Beschleunigung der
Athmung zeigten, innerhalb weniger Minuten nach Aufnahme
des Mittels in den Magen eine vollkommene Beruhigung der Ath-
mung eintreten. Wir sehen die vorher gesteigerte Zahl der
Athemzüge auf eine Frequenz heruntersinken, welche als voll¬
kommen normal zu bezeichnen ist. Die Athemzüge, welche vor¬
her oberflächlich waren, werden tief und reihen sich in regel¬
mässiger Folge aneinander. Weder in der Phase der Inspiration,
noch auch der Exspiration ist irgend eine Abweichung vom nor¬
malen Athmungstypus zu erkennen. Da die Athmung zugleich
mit der Verlangsamung eine Vertiefung erfährt, so ist eine
mangelhafte Luftzufuhr, wie sie bei verlangsamter, aber ober¬
flächlicher Athmung sicher eintreten würde, als ausgeschlossen
zu erachten. Auch objectiv fehlen alle Zeichen für eine un¬
genügende Ventilation, wie z. B. Cyanose.
Die objective Beeinflussung der Athmung durch den Oxy¬
kampher ist aber eine günstige, die Athmung wird ver¬
tieft und verlangsamt, und ebenso ist im subjectiven Befinden
bei den meisten Patienten eine wesentliche Besserung, bei vielen
ein vollkommenes Verschwinden der Beschwerden zu verzeichnen.
Was die Einwirkung des Oxykamphers auf das Herz anlaugt,
so konnten wir analog den Ergebnissen in den von Heinz
a «gestellten Thierversuchen auch am menschlichen Organismus
keine oder wenigstens keine deutlich nachweisbaren Verände¬
rungen feststellen. Wir sahen wohl ab und zu eine geringgradige
Beschleunigung der Herzaction, in anderen Fällen hingegen eine
ähnliche Verlangsamung; etwas für sämmtliche oder viele Fälle
Einheitliches konnte nicht beobachtet werden. Auch am übrigen
Körper konnte niemals, selbst durch grosse Dosen Oxykampher
his zu 0,5 g, eine Störung gefunden werden.
Der Magendarmcanal vertrug das Präparat in den Formen,
wie sie eingangs geschildert wurden, vollkommen gut und auch
von Seiten des uropoetischen Apparates sahen wir keine schäd¬
lichen Nebenwirkungen. Der Harn war stets frei von Eiweiss
und Zucker.
Wir bekamen desshalb auch niemals Klagen von Seiten der
Patienten zu hören, im Gegenthoil, in den Fällen, wo eine Beein¬
flussung der Athmung statthatte, waren die Patienten höchst be¬
friedigt über die bedeutende Erleichterung, welche ihnen' das
Mittel auf mehrere Stunden verschaffte.
Wenn wir die ausgesprochen gute Wirkung des vorliegenden
Präparates in der Mehrzahl der Fälle anerkennen müssen, so
frägt es sich doch beim Oxykampher, wie bei jedem neuen Prä¬
parate, ob denn auch ein Bedürfnis nach einem solchen Mittel
vorhanden ist, ob nicht durch bereits bekannte Präparate Aehn-
liches oder vielleicht sogar noch Besseres geleistet wird.
Um dyspnoische Zustände, gleichviel welcher Provenienz,
rasch zu beseitigen, bedienen wir uns ausschliesslich (kn* Nar-
kotica und da in erster Linie des Morphins, welches uns nur
höchst selten im Stiche lässt.
Dem Morphin und auch den übrigen Narkoticis haftet aber
der grosse Nachtheil an, dass sie nicht nur beruhigend, d. h.
lähmend auf das Athemcentrura allein, sondern in gleicher Weise
auf das ganze übrige Nervensystem und insbesondere auch auf
das Herz ein wirken. Hierin liegen Gefahren, die nur durch
Digitized by Google
gleichzeitige Anwendung von Excitantien einigermaassen ein¬
geschränkt werden können.
Da nun der Oxykampher die den Narkoticis eigene be¬
ruhigende Wirkung auf das Athemcentrum besitzt, ohne jedoch
gleichzeitig irgendwie auf Herz oder Nervensystem schädigend
einzuwirken, so liegt darin ein erheblicher Vorzug, der uns ver¬
anlassen muss, dieses Präparat in geeigneten Fällen den nar¬
kotischen Mitteln voranzustellen.
Wir dürfen dies um so eher thun, als bei der vollkommenen
Ungiftigkeit des Präparates dem Patienten so ziemlich freie
Hand in der Anwendung gewährt werden kann und irgendwie
schädliche Folgen bei längerem Gebrauche nicht zu fürchten
sind.
Eine gewisse indireete Gefahr liegt allenfalls darin, dass ein
durch Oxykampher euphorisch gemachter Patient event. seinem
schwachen Herzen zu grosse’ Anstrengungen zumuthet. L)er
Dyspnoe kommt ja in dieser Hinsicht eine gewisse regulatorische
Bedeutung zu.
Was die Intensität der Wirkung des Oxykamphers anlangt,
so haben wir im Ganzen den Eindruck, dass sie bei sehr schweren
Dyspnoeen hinter der der Narkotiea, besonders des Morphiums,
allerdings etwas zurückbleibt. Auch kann Gewöhnung au das
Mittel auf treten, so dass sich seine Wirkung abstumpft. Das
liindert aber, wie gesagt, nicht, im Oxykampher für viele Fälle
ein sehr werthvolles Mittel zu sehen.
Als Einzeldosis möchten wir in der Regel die von uns oben
angegebene Menge von 40 Tropfen Oxaphor = 1 g Oxykampher
empfehlen. Die günstigsten Bedingungen für eine rasche uiul
energische Wirkung dürften Aufnahme des Mittels mit einer
nicht zu kleinen Menge Wasser bei nüchternem Magen sein.
Aus dem pathologischen Institut in Giessen.
Sklerema neonatorum oedematosum im Zusammen¬
hang mit ausgedehnter Lungenblutung.
Von I)r. Jos. Esser, 1. Assistent am pathologischen Institut.
Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, einen immerhin seltenen
Fall von Sklerema neonatorum oedematosum aus der Provineial-
Ilebammenlehraiistalt in Köln a. Rh. ) zu seciren, dessen patho¬
logisch-anatomischer Befund in verschiedener Hinsicht Interesse
verdient.
Es handelt sich um ein Zwillingskiml weiblichen Geschlechts,
das i/i Stunde nach seiner Zwilliugssclnvester in I. Schild.ding«*
spontan ohne irgend w r elche Störung geboren wurde. Es wog
2100 g und war 43 em gross. Die Mutter, eine 21 jährige I. Para,
war und ist völlig gesund; ebenso zeigte das andere Zwilliugskind
keinerlei Abnormitäten.
Waren Athmung und Herzaction des uns interessirendei»
Kindes Anfangs scheinbar ungestört, so wurde erstere bald ober¬
flächlich, beide schwächer und frequenter. Schon einige Stunden
nach der Geburt bemerkte man zuerst an beiden Fussrüokon eint»
oedemntöse Anschwellung, die allmählich in geringerem Grade
die Waden, dann Rumpf, Gesicht und obere Extremitäten befiel.
Die Haut wurde dabei hart, glänzend und fühlte sieh iiusserst kalt
an. Der Gesichtsausdruck wurde starr, die Nahrungsaufnahme
durch Saugen unmöglich. Dabei war das Kind somnolent und
wimmerte viel. Bei fortschreitendem Oedern nahmen auch die
anderen angegebenen Symptome zu; am 8. Tage trat der Exitus ein.
Bei der Seetion bleiben in der im Allgemeinen wenig ge¬
spannten, bläulich - weissen Haut Fingereimlrücke bestehen,
namentlich an den unteren Extremitäten und iui Gesicht. Ueber
den Füssen ist die Haut stärker geschwollen und geröthet, und die
Epidermis schilfert sich ab. An der Grenze zu den Unterschenkeln
finden sieh deutliche Einschnürungen. Beim Einschneiden entlee.i
sich aus dem IJnterhautzellgewebe eine klare, seröse Flüssigkeit,
am meisten an den unteren Extremitäten. Das spärliche Unterbaut -
fettgewebe ist von dunkelgolber Farbe und krümeliger Beschaffen¬
heit, die Musculatur feucht, von braunrother Farbe.
In der Bauchhöhle findet sieh keine abnorme Flüssigkeir. I>n
venösen Unterleibsgefässe sind auffallend stark gefüllt, die Nabel
gefässe ohne pathologischen Befund. Zwerchfellstand beiderseits
unterer Rand der V. Rippe.
Nach Eröffnung der Brusthöhlen retrahiren sich die Lungen
nicht. In ersteren findet sieh ebenso wie im Herzbeutel, dessen
Blätter blank, spiegelnd sind, keine abnorme Flüssigkeit.
Herz von entsprechender Grösse. Aas dein dilatirten rechten
Vorhof entleert sich unter stärkerem Druck geronnenes und
flüssiges Blut; der rechte Ventrikel ist wie die linksseitigen Herz¬
höhlen nicht erweitert, alle enthalten nur wenig Cruor. Die Klappen
sind intact; die Musculatur, von etwas matt rothbrauner Farin».
J ) Herrn Director Dr. Frank gebührt für die gütige IVber-
lassung des Falles mein Dank.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
353
ist weder rechts noch links hypertrophisch mul ohne Ilerderkrau-
knng. Ductus Botalli wie Foramen ovale sind, das letztere weit,
offen. Die grossen Gefiisse sind auch in ihren Verzweigungen
ohne Abnormitäten. Die Thymus überragt nur wenig die Um¬
schlagstelle des Pericards auf die grossen Gefässe. Die Halsvenen
sind prall gefüllt, der Ductus tlioracicus ist offen und nicht er¬
weitert.
Die Lungen sind in ihrem Volumen bedeutend vergrössert,
von ziemlich fester Consistenz und im Allgemeinen von dunkel blau-
rother Farbe; nur vereinzelt, namentlich am linken überlappen,
finden sich an der Lungenoberfläche rosarot he, weichere Partien,
die unter dem Niveau der dunkel blaurotk gefärbten liegen. Ueber
letzteren sind beide Pleuren fleckweise getrübt und mit einem
feinen, leicht anhaftenden, fibrinösen Belag versehen. Von der
Schnittfläche beider Lungen fliesst dunkles Blut ab, dem sich auf
seitlichen Druck hier und da Luftbläschen heimischen. Der linke
Überlappen ist ungefähr zur Hälfte lufthaltig, wenn auch nicht
vollständig, denn auch diese im Allgemeinen lufthaltige Stelle ist
von vereinzelten, unregelmässig gestalteten, festeren, blutig ge¬
färbten Herdehen durchsetzt, wie sie das übrige Lungengewebe
dichter zusammenliegend einuehmen.
Aus den kleineren und mittelgrossen Bronchien entleert sich
blutige, hin und wieder wenig schaumige Flüssigkeit; die Lungen
sind prall gefüllt.
Die Stimmbänder stehen in CadaVerstellung; am Kehlkopf wie
an der Trachea ist nichts Abnormes nachweisbar. Die Venen des
Oesophagus treten durch stärkere Füllung deutlich unter der un¬
veränderten Schleimhaut hervor.
Die Milz ist klein und blutreich, die Follikel sind nicht, die
Trabekel kaum sichtbar.
In den Pyramiden der sonst unveränderten Nieren finden sich
Harnsäureinfarcte.
Die lieber bietet ebenso wie der Darmtractus ausser einer
stärkeren venösen Hyperaemie nichts Pathologisches. Dasselbe
gilt von Gehirn, Pons und Medulla oblongata. An den Epiphysen¬
grenzen ist die Verkalkungszone regelmässig und nicht verbreitert.
Dem genaueren mikroskopischen TJntersuchungsresultat ein¬
zelner Organe will ich vorausschicken, dass specielle Färbungen auf
Bacterieu negativ ausflelen, dass sich ferner mit Berücksichtigung
uer in neuerer Zeit von Hecker 1 ) veröffentlichten Untersuchungen
keine Anhaltspunkte für Lues ergaben. Von den mikroskopisch
untersuchten Organen beanspruchen nur Interesse Lungen, Herz
und Haut.
Was zunächst die Lungen angeht, so ergeben von den dunklen,
festeren Stellen angefertigte Praeparate. dass die gedehnten
Alveolen und Bronchien dem makroskopischen Aussehen ent¬
sprechend mehr oder weniger vollständig von Blut ausgefüllt sind.
In vielen Alveolen sind die rothen Blutkörperchen gequollen j
und agglutinirt.
Die Venen, weniger die Arterien, sind strotzend gefüllt, und,
was das Interessanteste ist, die Wand der kleineren Venen, sonst
wie die der Arterien ohne Abnormität, ist an vielen Stellen ein¬
gerissen. Besonders deutlich lassen sich die Rissstellen vermittels
der elastischen Faserfärbung von Weigert darstelleu, die ferner
ergibt, dass das elastische Gewebe der Alveolarwand für ein neu¬
geborenes Kind relativ gut ausgebildet ist. In kleinen Schnitt¬
serien sieht man nun vielfach, wie an einer Stelle die Elastica
eingerissen ist, von hier aus Blut zwischen Lamellen der Media
und Adventitia eindringt und das Gefäss gleich einem Mantel wie
bei einem Aneurysma dissecans umgibt, um an einer tieferen
oder höheren Stelle vollständig in das Lungenparenchym durch¬
zubrechen.
In Präparaten von den mehr lufthaltigen Partien, z. B. vom
linken Oberlappen, buchten sich die stark gefüllten Capillaren in
die Alveolarlumina vor, und die Alveolarwände sind vielfach von
extravasirten Blutkörperchen durchsetzt. Vereinzelt findet sich
auch hier in Alveolen und Bronchien Blut oder homogen ge¬
ronnenes Exsudat. In Betreff der Herzmusculatur ist zu er¬
wähnen, dass in gleicher Weise am linken wie am rechten Ven¬
trikel die Querstreifung der Muskelfasern durch albuminöse Trü¬
bung etwas verwischt ist. Abgesehen von einer stärkeren Capillar-
füllung ist der sonstige mikroskopische Befund durchaus normal.
Das Ergebuiss der mikroskopischen Hautuntersuchung ist
kurz folgendes:
Als erstes Ist die auffallend starke Füllung der Capillaren
zu verzeichnen.
Nirgends hat man Anzeichen von Entzündung.
Die Bindegewebsfasern sind vielleicht etwas gequollen und
namentlich in den das Fettgewebe durchziehenden Zügen gelockert,
fiier und da finden sich um die injlcirten Capillaren extravasirte
iothe Blutkörperchen.
Sehen wir nun einstweilen von der Erklärung der Lungen-
l-lutung, auf die ich gleich ausführlicher zu sprechen komme, ab,
so dürfte wohl nach unserem pathologisch-anatomischen Befund
das Sklerema oedematosum folgendermaasspn zu Stande gekommen
sein:
Dem rechten Ventrikel wurde in den Lungen durch den aus¬
gedehnten Bluterguss, der, dem flbrinöseu Pleurabelag nach, 8 Tage
alt sein kann, ein beträchtlicher Widerstand entgegengesetzt, der
rückwirkend auf rechten Vorhof und Körpervenen bei dem Ueber-
Oiuck des ersteren gegenüber dem linken Vorhof durch das offene
*) Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 27. — Deutsch. Archiv
f. klin. Med. 1898, Bd. 61, H. 1 u. 2. — 71. Versammlung Deutscher
Naturforscher und Aerzte 1899.
Xo. 11.
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Foramen ovale — der Ductus Botalli kommt wegen des Ueber-
c’ruckes in der Aorta nicht in Betracht — umgangen werden musste.
Die starke venöse Stauung im grossen Kreislauf spricht aber
dafür, dass diese Compensation nicht genügen konnte.
Natürliche Folge bei der durch die Blutung äusserst reducirten
Athmungsfläche war ferner mangelhafte \rterialisation des Blutes
und somit schlechte Ernährung der Capillarwände und des sie um¬
gebenden Gewebes. Auf beiden lastete ausserdem in Folge der
Stauung ein andauernder Druck, der za einer Herabsetzung der
Gewebespannung (Länderer)®) führen musste. Dies Beides im
Verein bewirkte das Oedem; und zwar einerseits durch eine Be¬
günstigung der Transsudation von Flüssig?*eit, andererseits durch
ein erschwertes Fortschaffen derselben, da die hierzu erforder¬
liche Spannungsdifferenz zwischen Ly mph wurzeln und grossen
Lymphgofässen, welch’ letztere zudem noch in die unter gesteiger¬
tem Druck stehenden Venen münden, vermindert wurde. Die
leichte Veränderung der Herzmusculatur ist natürlich als secundär
entstanden aufzufassen.
Wie ist nun aber das Zerreissen der Lungenvenen mit dem
kolossalen Bluterguss in beide Lungen zu erklären? Diese Frage
ist schwierig zu beantworten, und ich muss mich daher nur auf
einen Erklärungsversuch beschränken.
Zunächst könnte in der Lunge selbst die Ursache für die
Blutung liegen, in einer z. B. luetischen Erkrankung ihrer Ge¬
fässe, oder in thrombotischen Gefässverstopfungen; doch haben
wir hierfür ebenso wenig einen Anhaltpunkt wie für eine sogen,
haemorrhagische Diathese, die event. in Frage käme. Weiterhin
könnte man daran denken, dass in unserem Falle schon in¬
trauterin, z. B. durch Sauerstoffmangel, Athembewegungen aus¬
gelöst wurden, während sich in den oberen Luftwegen irgend
ein Hinderniss für genügenden Lufteintritt befiand. Der Effect
wäre vorzeitige Aenderung des Lungenkreislaufs gewesen und die
gedehnten, aber luftarmen Alveolen hätten schröpfkopfartig
auf die gefüllten Gefässe eingewirkt und ausser Capillaren auch
Venen zum Zerreissen gebracht.
Gegen diese Erklärung spricht meiner Ansicht nach allein
der Umstand, dass das Kind ohne Athemstörung geboren wurde.
Eine weitere Frage wäre, ob Druckveränderungen im grossen
Kreislauf in Betracht kommen könnten. Nach den experimen¬
tellen Untersuchungen von L i c h t h e i m 4 ), Welch 8 ) und
K n o 11", gemäss deren eine geradezu erstaunliche Unabhängig¬
keit des Lungenkreislaufs von Druckveränderungen im Körper¬
kreislauf besteht, dürfte auch diese zu verneinen sein.
Schliesslich könnte man nervöse Störungen als Ursache
heranziehen. Bekannt sind ja die Experimente von Brown-
Sequard, Nothnagel, Ebstein, Vulpian u. A. T ),
bei denen durch selbst geringgradige Verletzungen, z. B. mit einer
Nadel, von Pons, Medulla, Hirnrinde und des Vagus wenigstens
bei jungen Thieren sehr häufig selbst grössere Haemorrhagien in
die Lungen hervorgerufen werden konnten; und Orth*) führt
als besonders beweisend für die Beziehung von Lungenblutungen
zu den nervösen Veränderungen die Fälle an, wo einer einseitigen
Gehirnstörung auch eine einseitige Lungenveränderung, und
zwar der entgegengesetzten Seite entspricht.
Nur ist die Erklärung dieser Forscher, dergemäss vaso¬
motorische Störungen in den Lungengefässen für das Zustande¬
kommen der Blutungen beschuldigt werden, insofern anfechtbar,
als nach den Untersuchungsergebnissen von Lichtheim
(1. c.), Openchowski’), K n o 11 (1. c.) u. A. ein Tonus der
Lungenarterien, ja überhaupt ein Einfluss des Nervensystems auf
dieselben, entweder gar nicht vorhanden ist, oder doch jedenfalls
nur sehr gering sein kann 10 ).
Ich sehe daher in diesen Fällen eine durch die genannten
Verletzungen — und es steht nichts im Wege, wie speciell auch
®) Länderer: Die Gewebespannung etc. Leipzig 1884.
4 ) Lichtheim: Die Störungen des Lungenkreislaufs und
ihr Einfluss auf den Blutdruck. Breslau 1879.
®) Welch (Cohnhelm): Zur Pathologie des Lungenoedems.
Virchow’s Archiv, Bd. 72.
*) K n o 11: lieber Wechselbeziehungen zwischen dem grossen
und kleinen Kreislauf. Sitzungsber. d. mathemat-naturwissensch.
Kl. d. Kaiserl. Akad. d. Wissenseh. 1890, 1. H.
7 ) Citirt bei v. Recklinghausen: Allgemeine Patho¬
logie, S. 93.
*) Orth: Lehrbuch d. spec. pathol. Anatomie, S. 382.
ia ) Die ln letzter Zeit von Frangois Frank (Bulletin de l’Aca-
®) Openchowski: PflügeFs Archiv, Bd. 27.
dömie de Mödicine 1896, No. 6) gemachten Mittheilungen, dass sen¬
sible Reize von den verschiedensten Organen Drucksteigeirung in
der Pulmonalis und Drucksenkung im linken Vorhof, also Verenge¬
rung der Lungengefässe herbeiführe, bedürfen nach obigen An¬
gaben besonderer Bestätigung.
2
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
354
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. II
für unseren Fall, andere, materiell nicht nachweisbare nervöse
Reizungen oder Lähmungen hinzuzureehnen — bedingte Störung
im Athmungsmeehanismus, eine Lungenblähung als directe Ver¬
anlassung der Blutungen an. Experimentell ist eine solche leicht,
z. B. durch Vagusreizung zu erzeugen, und man findet hierbei
bekanntlich die Lungen hyperaemisch und häufig mit kleinen
Blutungen durchsetzt, die meist aus den durch plötzliche
Streckung zerrissenen, prall gefüllten Alveolarcapillaren her¬
stammen. Die Hyperaemie aber erklärt sieh dadurch, dass ein¬
mal der Zug der geblähten Lungen die Entleerung der Atrien
und event. auch der Ventrikel (L a n d o i s) ") behindert, dann —
und das wäre ein neues, meines Wissens bisher noch nicht be¬
rücksichtigtes Moment — durch die mikroskopisch leicht nach¬
weisbare Verbindung des elastischen Gewebes in der Alveolar¬
wandung mit dem der Lungengefässe 12 ), speciell der kleineren
Venen, diese erheblich gedehnt werden ,s ). Demnach möchte ich
in unserem Falle annehmen, dass durch eine Lungenblähung, die
klinisch leicht übersehen werden konnte, der auf die Dauer be¬
hindert« Abfluss aus den Lungenvenen und ihre starke Dehnung
durch Zug von aussen im Verein mit der bei der Geburt statt¬
findenden Kreislaufsänderung ausser zu Capillarrupturen selbst
zu Zerreissungen der immerhin dünnwandigen Venen geführt
hatte, wobei wir noch die leichte Zerreisslichkeit der kindlichen
Gefässe berücksichtigen wollen.
Wenden wir uns nach dieser Abschweifung zum Schlüsse zu
einer kurzen Durchsicht der Literatur über das Sklerem der Neu¬
geborenen “), so finden wir zunächst, dass von Manchen das früher
vollständig mit der von uns beobachteten Erkrankung zusammen¬
geworfene sogen. Fettsklerem als Sklerema neonatorum ge¬
schildert ist. Merkwürdiger Weise ist das z. B. auch in den
neueren Lehrbüchern der Pathologie von Ziegler und von
Kaufmann der Fall, während in dem Lehrbuch der Patho¬
logie von Birch-Hirschfeld und in dem Lehrbuch der
Geburtshilfe von A h 1 f e 1 d nur von dem Sklerema oedematosum
die Rede ist. Absolut keine scharfe Trennung ist in der zu¬
sammenfassenden Arbeit von Ehrmann in Lu barsch-
Osterta g’s „Ergebnisse etc.“ vorhanden.
Das Sklerema oedematosum (von Soltmann Skleroedem
genannt) und das Sklerema adiposum sind zwei streng von
einander zu scheidende Zustände, denen klinisch nur eine mit
dem Sinken der Eigenwärme einhergehende hochgradige
Schwäche, ferner die Spannung und teigige Härte der Haut ge¬
meinsam sind, die aber gelegentlich gleichzeitig bei demselben
u ) Landois: Lehrbuch der Physiologie, 9. Aufl., 1896, S. 114.
”) Hierauf wurde ich zuerst vor einigen Jahren als Volontär
des pathologischen Instituts in Bonn von meinem damaligen sehr
verehrten Chef, Herrn Geheimr. Prof. Ivoester, aufmerksam ge¬
macht. Neuerdings ist von Melnikow-Itaswedenkow in Ziegler's
Beitr., Bd. 26, H. 3, 1899, In einer Arbeit über das elastische Gewebe
in normalen und in pathologisch veränderten Organen, ferner von
Linser ln Virchow’s Archiv, Bd. 157. H. 2. 1899, S. 294. als
Resultat durch andere Untersuchungen veranlasster. entwicklungs¬
geschichtlicher Studien über das elastische Lungengewebe dieser
Zusammenhang erwähnt.
**) Dieser Einfluss einer Lungenblähung speciell auf die Weite
der Lungen venen lässt sich experimentell an den mit dem Herzen
im Zusammenhang herausgesclinitteuen Lungen vor Augen führen,
indem ein mit dem linken Vorhof in Verbindung gebrachtes Mano¬
meter deutlich sinkt, sobald die Lungen aufgeblasen werden.
Speciell die Beeinflussung der Lungen venen muss ich bei dieser An¬
ordnung des Experimentes betonen, weil bei dem Aufblasen der
Lungen ausserhalb des Thorax der positive Druck von innen die
Capillaren in der Alveolarwand comprimirt. Das Aufblaseu der
ausgeschnittenen Lungen entspricht aber nicht der Art ihrer Ent¬
faltung im Brustraum, wo der äussere negative intrathoracische
Druck die Dehnung durch Aspiration besorgt und kein stärkerer
Druck innen eine Compression der Capillaren bewirkt, so dass die
Cnpacität der Lungengefässe im Ganzen vermehrt ist. (Näheres
siehe bei R o 11 e 11 in Hermaun’s Handbuch der Physiologie,
Bd. 4. 1. Theil, S. 276 u. f.)
Eine Erweiterung der Lunge durch stärkere Blutfüllung, also
quasi die Umkehrung der von uns angegebenen Tlmtsache. hat
v.Base h („Ueber Luugenschwellung und Lungeustarrheit“, Wien,
med. Presse 1888.) auf die Dehnung der Alveolarwandungen durch
die sich bei der Blutfüllung streckenden Capillaren zurückgeführt.
Hierauf, wie auf die oben nur angedeutete Beeinflussung der
Lungenclrculation durch Lungenblähung hoffe ich in einer spe-
ciellen Arbeit zurückkommen zu können.
M ) Zusammenstellungen derselben finden sich bei Soltmann
in Eulenburg’s Realencyklopiidie, bei Runge in „Die Krank¬
heiten der ersten Lebenstage“, bei Gerhardt Im Lehrbuch der
Kinderkrankheiten, bei v. Xottliafft im Centralbl. f. allg.
Pathologie, Bd. IX, 1898. S. 870.
Individuum auftreten können, wofür uns von P a r r o t lj ) ein
Beispiel angeführt wird.
Nach den Ausführungen von v. W i d e r h o f e r ”) und
Soltmann (1. c.) handelt es sich bei dem Sklerema adiposum
nur um ein Symptom der Bluteindickung bei plötzlichen, starken
Wasserausscheidungen, z. B. bei den Sommerdiarrhoen der
Säuglinge.
In neuerer Zeit hat Knöpfelmacher' 7 ) schon früher
von Langer’*) gemachte Mittheilungen berichtigend fest-
gestcllt, dass der procentische Oelsäuregehalt des Hautfettes bei
Neugeborenen 43,3 Proc. beträgt und erst am Ende des 1. Jahres
den für Erwachsene geltenden "Werth von 65 Proc. erreicht, mit
6 Monaten aber schon so hoch ist, dass ein Fettsklerem nicht
mehr entstehen kann. Knöpf elmacher beschuldigt hier¬
nach den durch den Reichthum an hochschmelzenden Fetten be¬
dingten hochliegenden Erstarrungspunkt des kindlichen Fettes,
Flüssigkeitsverlust und Temperaturerniedrigung für die Ent¬
stehung von Sklerema adiposum.
Eine andere Pathogenese kommt dem Sklerema oedematosum
zu, über das. wie R u n g e (1. c.) sagt, bei seiner Seltenheit unsere
Kenntnisse noch auf sehr schwankender Grundlage stehen. Letz¬
teres geht denn auch aus der Literatur deutlich hervor.
Es würde mich zu weit führen, hier eingehender alle die An¬
sichten mitzutheilcn, die im Laufe der Jahre von verschiedenen
Beobachtern auf Grund dieses oder jenes pathologischen Be¬
fundes über das Wesen der Krankheit geäussert wurden. Zur
genaueren Orientirung, auch u T as geschichtliche Daten angeht,
verweise ich daher auf den erwähnten Artikel von Soltmann
in Euleriburg’s Realencyklopiidie.
Da werden von diesen Störungen in der Gcsammternäkrung
mit Herz- und Respirationsschwäche, von jenen mangelhafte
Herzinnervation, dann Herzmuskelerkrankungen, Paralyse der
Hautgefässe, Nephritis angeführt. Nach wieder Anderen soll
das Oedem entzündlichen Ursprungs sein, und von Einigen
wuirden dann auch Baeterien gefunden, allerdings meist zur
Gruppe des berüchtigten Baet. coli commune gehörige.
Von den meisten werden jedenfalls Circulationsstörungeu
als Ursache für das Skleroedem angesehen, aber keineswegs
immer durch genügenden pathologisch-anatomischen Befund be¬
gründet; kann doch eine Lungenatelektase oder ein offenes Foranien
ovale, wie Manche wollen, niemals als Ursache beschuldigt
worden.
Solche Unzulänglichkeiten der Erklärung veranlassten
Soltmann im Anschluss an Clementowsky 3J ) noch
„eine krankhafte Disposition des Blutlebens, resp. eine abnorme
Durchlässigkeit der Gefässwände“ anzunehmen; und ein von
ihm beobachteter Fall, in dem sich 3 Jahre nach Ausheilung
des Skleroedems eine Purpura haemorrhagica einstellte, soll diese
Annahme stützen.
Es liegt mir natürlich fern, den einen von mir secirten Fall
zu verallgemeinern; in diesem ist aber, wie ich oben gezeigt zu
haben glaube, das Skleroedem hinreichend als durch Stauung
entstanden erklärt, und wohl kaum ein Anhaltspunkt für eine
andere Auffassung vorhanden.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem
hochverehrten Chef, Herrn Geheimrath Prof. Dr. B o s t r ö m ,
für das der Arbeit entgegengebrachte Interesse meinen herz¬
lichsten Dank auszusprechen.
Aus der Kgl. chirurgischen Universitäts-Klinik des Herrn Prof,
v. Brama n n zu Halle a. S.
lieber eine eigenthiimliche Pfählungsverletzung.*)
Von Dr. Conrad Rammstedt, Assistenzarzt der Klinik.
In Folgendem möchte ich über eine Pfählungsverletzung des
Gesichts berichten, welche wegen ihrer Eigenartigkeit wertli ist.
der (Kasuistik ähnlicher Fälle eingereiht zu werden.
13 ) Par rot: Clinique des nouveau-nCs. I/athrepsie. 1877.
Paris.
M ) v. W i (1 e r li o f e r : Gerhard t’s Handbuch der Kinder-
Kinderkrankheiten, bei v. Notthafft im Centralbl. f. allgem.
Pathol. Bd. IX. 1898, S. 870.
”) Knöpfelmacher: Jalirb. f. Kinderheilk. 1897, XLY,
2 u. 3 und Wien. klin. Woehensclir. 1897, X, 10.
18 Langer: Wiener akadem. Sitzungsberichte 1881.
Jtt i Clementowsky : Oesterr. Jalirb. f. Pädiatrik 1873. 1.
*) Nach einer Demonstration, gehalten im Verein der Aerste
zu Halle a. S. am 24. Januar 1900.
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355
13. März 1000.
MÜNCHEN KR MED IC LN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
Am 6. November 3.899 kam der 2S jährige Arbeiter H. A. aus
Schkeuditz in die Klinik zur Aufnahme und gab an. dass er in
der Nacht vorher, als er etwas angetrunken seine Wohnung auf¬
suchen wollte, von einigen anderen Arbeitern aus Rache über¬
fallen und in’s (Jesicht und auf den Kopf geschlagen sei. Dabei
verspürte er plötzlich einen heftigen Schmerz, welcher sein Gesicht
durchzuckte, tiel zu Roden und konnte sofort den Mund nicht mehr
öffnen, so dass er nicht mehr um Hilfe rufen konnte, obwohl die
Arbeiter noch auf ihn los schlugen. Er wurde dann besinnungslos,
und in diesen» Zustande nach Hause getragen. Als er wieder zu
siel» kam. blutete er aus einer Wunde am linken Auge und konnte
den Mund immer noch nicht öffnen. Ein hinzugezogener Arzt legte
ihm einen Notliverband an und schickte ilm am anderen Morgen in
die Klinik.
Der kräftig gebaute Mann vermochte die Zahnreihen nur um
wenige Millimeter von einander zu bringen. Auf der linken S >ite der
Stirn befanden sich mehrere streifenförmige Hautabschürfungen.
Die Eingebung und die Lider des linken
Auges waren gesell wollen und blutig suf-
fundirt, in der Höhe des unteren Orbital¬
randes und parallel zu demselben verlaufend
befand sich eine ca. 4 cm lange Wunde, mit
sein’ gequetschten und schmierig belegten
Rändern. Sobald man dieselben mit Haken
auseinander zog. entleerte sich etwas dünn¬
flüssiges und trübes Secret und man be¬
merkte einen graugelheu. kantigen, harten
Gegenstand, der zuerst als der gebrochene
und beschmutzte untere Orbitalrand impo-
liirte. bei genauerer Betrachtung sich aber
als ein Fremdkörper und zwar aus Holz
erwies. Derselbe ragte etwa y s cm über das
Niveau des eingebrochenen Orbitalrandrs
hervor und steckte in der Tiefe der Orbita
und des Gesichtes fest. Dabei war der
linke Bulbus vollkommen unverletzt. Auf der rechten Wange
bemerkte man dicht vor dem Ohr eine halbkugelförmige Ge¬
schwulst. über welcher die Haut prall gespannt war. Unter der¬
selben fühlte man einen harten, ziemlich spitzen Körper, welcher
die Haut zu perforiren drohte. Bei stärkerem Druck auf denselben
federte der zuerst in der Wunde am linken Auge beschriebene
Fremdkörper etwas aus der Orbita heraus.
Es musste sich demnach um einen langen Holzsplitter
handeln, welcher bei der Schlägerei unterhalb des linken Bulbus
in die Orbita eiugedrungen war und mit Durchbohrung
des linken Siebbeins, schräg von oben und vorne nach
unten und hinten, durch die linke Oberkiefer-
höhle, die Nasenhöhle mit dem Pflugschar-
b e i n, ferner die rechte Oberkieferhöhle, in
den engen Raum zwischen rechtem Kiefer-
gelenk und dem Process. coronoideus mandi-
b u 1 a e ein gedrungen und s t e ck e n geblieben
w a r.
In der That konnte Herr Professor v. Bramann nach
Erweiterung der Wunde am linken Auge den Splitter verhält -
nissmässig leicht mit der Kornzange extrahiren. Die Wunde
wurde ausserdem angefrischt und gründlich gesäubert, vor dem
rechten Ohre eine Contraincision angelegt und in beide Wunden
lange Drains eingeführt, so dass der ganze Stichcanal gut drai-
nirt war. Sofort nach der Operation vermochte Patient schon
den Mund etwas zu öffnen und zu sprechen, ein Beweis, dass der
Fremdkörper ein directes Hinderniss für das Oeffnen der Zahn¬
reihen abgegeben hatte, indem sich der Holzsplitter gegen den
Processus coronoideus anstemmte beim Versuche, den Mund zu
öffnen. Wenige Tage später war die Kieferklemme gänzlich ver¬
schwunden. Der Heilungsverlauf war ein vollkommen fieber-
loser und ohne Zwischenfälle, obwohl man eine Verletzung
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grösserer Gefässc oder eine Infection durch den Holzsplitter hätte
erwarten sollen. Nachträglich gab der Patient an, er sei mit einer
von einem Zaun abgebrochenen Latte geschlagen worden. Der
Mechanismus der Verletzung ist dann wohl folgender: Der
Splitter war an der Latte bereits halb abgebrochen, stand von ihr
ab und drang bei der Schlägerei in das Gesicht ein, wo er vol¬
lends abbrach und stecken blieb.
Bild 1 zeigt denselben in zwei Drittel natürlicher Grösse,
14 cm lang, oben 1 Vs, unten ca. Vs cm breit.
Bild 2 zeigt an einem Schädel gut die Lage und Richtung,
welche der Splitter im Gesichte genommen hatte.
Aus dem Reconvalescentenhaus für Unfallverletzte zu Strass¬
burg i. E. (Professor Dr. L e d d e r h o s e).
Die Distorsion des unteren Fussgelenks.
Von Dr. Heinrich K r a p f , vormal. Assistenten des Instituts.
In seinem „Lehrbuch der Sachverständigenthätigkeit“
(1895, pag. 291) bezeichnet Becker alle ausser dem Bereich
des Streckens und Beugens liegenden Bewegungen des Fusses,
also insbesondere die Pro- und Supination, als „Luxusfunctionen“,
deren Beschränkung wohl bei Leuten, die auf Leitern und schwan¬
kenden Gerüsten arbeiten, hinderlich sein könne, bei gewöhn¬
licher Arbeit hingegen die Erwerbsfähigkeit in der Regel nicht
ungünstig beeinflusse.
Diese Ansicht Beck e r’s stiess bereits bei Golebiewski
auf ernsthaften Widerspruch und wurde bald darauf auch von
B ähr, der vorher selbst der Meinung Becke r’s gewesen war,
als nicht zutreffend bezeichnet.
Es kann in der That keinem Zweifel unterliegen, dass die
„seitlichen Bewegungen des Fusses“ — so wollen wir sie der
Kürze halber benennen — eine sehr wichtige Aufgabe zu er¬
füllen haben:
Sie bewirken ein genaues A n p a s s e n des Fusses an
alle Unebenheiten des Bodens und ermöglichen so nicht
nur das Gehen auf steinigem, unebenem Terrain, sondern unter¬
stützen auch, wie B ä h r richtig hervorhebt, durch möglichst
genaue Adaption der Fusssohle an den Boden, wie sie beim Heben
schwerer Lasten nöthig ist, die Tragfähigkeit eines
Mannes recht erheblich.
Dass diese „seitliche Beweglichkeit“ — für sich allein sowohl
wie im Verein mit anderen Fussbcwegungen — gestört oder auf¬
gehoben sein kann, ist bekannt, und zwar kommen verschiedene
Ursachen hierbei in Betracht: Vor Allem sind es Fracturen des
Talus oder Calcaneus, sodann auch langes Tragen von Ver¬
bänden etc., welche zu genannter Functionshemmung führen
können.
Zweck dieser Arbeit ist es nun, auf eine
besondere Art von Verletzung hin zu weisen,
welche ebenfalls eine empfindliche Störung
in der seitlichen Beweglichkeit des Fusses
zur Folge haben kann.
Bevor wir mit der Besprechung unseres eigentlichen Themas
beginnen, ist es unerlässlich, kurz auf die mechanischen
Verhältnisse desjenigen Gelenks einzugehen, das die seitlichen
Bewegungen des Fusses vermittelt, also den Sitz der erwähnten
Functionsstörung darstellt.
Das untere Fussgelenk oder das Talotarsalgelenk
(FI uete r) ist aus drei verschiedenen Knochenverbindungen zu¬
sammengesetzt, nämlich den Verbindungen zwischen Sprung-
und Fersenbein, Sprung- und Kahnbein, Fersen- und Würfelbein.
Diese 3 Knochenverbindungen besitzen drei für sich völlig abge¬
schlossene Gelenkhöhlen, derart, dass sich die Art. talonavicularis
mit der Art.talocalcanea anterior (bekanntlich ist dieVerbindung
zwischen Sprung- und Fersenbein durch die Bandmassen des Sinus
tarsi in eine vordere und hinterellälfte geschieden) in eine gemein¬
same Höhle theilt, während die Art. calcaneocuboidea wie die
Art. talocalcanea posterior je eine eigene Gelenkhöhle für
sich in Anspruch nehmen. Auf genauere anatomische Ver¬
hältnisse des gesammten Gelenkapparates, gegenseitiges Ver¬
halten der Gelenkflächen etc. einzugehen, dürfte überflüssig sein.
Die drei oben genannten Gelenke führen nun zusammen
eine Bewegung aus, derart, dass das Talonaviculargelenk die
Ilauptbewegung vermittelt, während die beiden anderen Gelenke
sich lediglich aecessorisch, die Bewegungen des Talonavicular-
gelenkes modificirend, mit bewegen. Die Bewegung erfolgt um
2 *
Original from
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350
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
eine schiefe Achse, welche man sich von oben und vorn (Caput
tali) nach hinten und unten (Tuberositascalcanei) gerichtet denkt,
tfm diese Achse kann sich der Fuss dann drehen, wenn der Talus
in seiner Verbindung mit dem Unterschenkel, also im oberen
Fussgelenk, völlig stillsteht. Die Drehung selbst erfolgt in
zweierlei Weise: Einmal wird der innere Fussrand gehoben, und
zugleich die Fussspitze einwärts gerichtet (der Medianebene ge¬
nähert) — diese Bewegung nennen wir Adduction oder, nach
Analogie der Hand, Supination des Fusses. Die in um¬
gekehrtem Sinne ausgeführte Bewegung — Auswärtsrichten der
Fussspitze unter gleichzeitigem Erheben des äusseren Fuss-
randes — heisst Abduction oder Pronation.
Die Bewegungen des unteren Fussgelenks, Pronation und
Supination, sind sonach combinirte Bewegungen, d. h. ein Er¬
heben des inneren Fussrandes ohne gleichzeitiges Einwärtsrichten
der Fussspitze sowie andererseits ein Erheben des äusseren Fuss¬
randes ohne gleichzeitiges Auswärtsrichten der Fussspitze ist
activ gar nicht, passiv nur in geringem Grade ausführbar. Da
sich nun an dem Zustandekommen dieser Bewegungen alle drei
Gelenke — die Art. talocalcanea, talonavicularis und calcaneo-
cuboidea — betheiligen, so ist es klar, dass jede Veränderung
in irgend einem dieser Gelenke eine Störung der Function des
gesammten Gelenkapparates zur Folge haben muss.
Eine „Ankylose de3 Talocalcanealgelenk s“, von
welcher B ä h r (Aerztl. Sachverständigen-Zeitung 1895) spricht,
ist daher nur in anatomischem Sinne denkbar, mit Be¬
ziehung auf die Function des Gelenks hingegen wäre dieser
Ausdruck nicht zu rechtfertigen, — weil es eben eine i s o 1 i r t e
Function des Gelenkes zwischen Talus und Calcaneus nicht
gibt. Wohl wird eine Ankylose dieses Gelenks — und zwar aus
oben angeführtem Grunde — stets in hohem Grade die Pro- und
Supination des Fusses beeinträchtigen, durchaus verfehlt wäre
es aber, wollte man „Ankylose des Talocalcanealgelenks“ und
„Aufhebung der seitlichen Beweglichkeit des Fusses“ als gleich¬
bedeutend erachten; denn diese Beweglichkeitsstörung kann
ebenso gut durch eine Ankylose des Gelenks zwischen Talus und
Os naviculare als zwischen Talus und Calcaneus oder zwischen
Calcaneus und Os cuboides veranlasst sein.
Kehren wir zu unserem Thema zurück!
Wie schon erwähnt, sind es von den Verletzungen, die den
Fuss betreffen, vor Allem die Fracturen des Talus und Calcaneus,
welche eine Hemmung in der Function des Talotarsalgelenks
hervorrufen müssen — durch Verschiebung von Gelenkflächen,
Bildung von Callusmassen etc.
Es gibt nun aber auch Fälle von Beschränkung oder totaler
Aufhebung der seitlichen Beweglichkeit des Fusses nach Trauma,
bei denen Sprung- und Fersenbeinbrüche mit Sicherheit auszu-
schliessen sind, die wir vielmehr auf eine bestimmte, weiter unten
des Näheren zu beschreibende Verletzung, die „Distorsion
des unteren Fussgelenks“, zurückführen müssen. Als
typisches Beispiel mag folgender Fall aus der Privatpraxis des
Herrn Professor Ledderhose gelten:
Ein Offizier stürzt vom Pferde und kippt dabei mit dem
rechten Fusse gewaltsam in Supinationsstelluug um. derart, dass
er nur mühsam und unter heftigen Schmerzen sich einige Schritte
fortzubewegen vermag. Starke Schwellung und blutige Verfärbung
der Gegend beiderseits unterhalb der Maileoien. Der zugezogene
Militärarzt diagnosticlrt „FussgelenksVerstauchung“ und behandelt
den Fall dementsprechend. Die Schwellung geht nach einiger Zeit
vollständig zurück, der Patient glaubt sich geheilt und will seinen
Dienst wieder antreten. Schon bei den eisten Gehversuchen fühlt
er sich jedoch merkwürdig unsicher und empfindet bei der ge¬
ringsten Unebenheit, z. B. beim Auftreten auf einen auf dem
Trottoir liegenden Kieselstein, so heftige Schmerzen, dass er glaubt,
umfallen zu müssen. Als nun dieser Zustand auch nach Ver¬
lauf von einigen Wochen sich nicht ändert, und nun sogar dem
Patienten von Seiten seiner Vorgesetzten bereits der Vorwurf zu
geringer Energie gemacht wird, consultirt er Herrn Professor
Ledderhose, welcher als Ursache der Beschwerden eine
vollständige Aufhebung von Pro- und Supi¬
nation des verletzten Fusses feststellt und beim Versuch, diese
Bewegungen passiv auszuführen, eine lebhafte Schmerz¬
haftigkeit auslöst. Dorsal- und Planta rflexion
8 1 n d frei; in der Gegend des Talus, mehr nach aussen liegend,
befindet sich eine rundliche harte Prominenz; sonst keinerlei
Knochenveränderungen nachweisbar.
Die von dem Patienten geäusserten Beschwerden sind ausser¬
ordentlich charakteristisch; auch bezüglich des Befundes und der
Anamnese besteht eine auffallende Uebereinstirnmung mit einer
grossen Reihe von Fällen, welche, entweder zwecks Behandlung
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oder nur zu vorübergehender Begutachtung im Strassburger
Reconvalescentenhause aufgenommen, von uns beobachtet werden
konnten. In allen diesen Fällen erzählt der Patient, er habe 3ich
vor längerer Zeit den einen Fuss „übertreten“, „gewaltsam for-
eirt“ etc., habe sodann — freilich unter starken Schmerzen —
noch eine kurze Wegstrecke zurücklegen können, aber gar bald
wegen steigender Schmerzhaftigkeit Und Anschwellung der Fuss-
gelenksgegend sich Ruhe und Schonung auferlegen müssen.
Jetzt könne er zwar auf ebener Landstrasse wieder ganz gut
gehen, leide aber, sobald er auf ein unebenes Terrain komme,
unter einem beständigen Gefühl der Unsicherheit,
verbunden mit Schmerzen entweder mehr an der Innen¬
oder an der Aussenseite des Fusses. Uebereinstimmend wird als
besonders schmerzhaft das un versehentliche Auftreten
mit dem Fusse, namentlich mit dem Absatz, auf einen kleinen,
auf harter Unterlage (z.B. Trottoir) liegenden Stein geschildert ;
das hierbei auftretende Schmerzgefühl soll oft ein bis zum
Niederfallen unerträgliches sein.
O b j e c t i v findet man bei den schon älteren Fällen ent¬
weder eineVerbreiterung der Gegend des vorderen Talocalcaneal-
gelenks (die Verbreiterung entspricht etwa einer durch dieses
Gelenk gedachten Querlinie) oder auch nur eine unbedeutende,
nicht charakteristische Prominenz vor und unter dem
äusseren oder inneren Knöchel, in der Talusgegend, oder eine
Verlagerung der vorderen äusseren Talusecke, dabei aber
stets eine vollständige oder wenigstens fast
Aufhebung der Pro- und Supination des
F u s s e s , während Dorsal- und Volarflexion in normaler
Weise auszuführen sind; der Gang des Patienten bietet im
Zimmer nichts Auffälliges.
Wie kommen nun die geschilderten Veränderungen, ver¬
bunden mit der mehr oder minder erheblichen Störung der Be¬
weglichkeit des Fusses, zu Stande?
Zweifellos müssen als Ursache hiefür Verletzungen
im unteren Fussgelenk angesehen werden, welche
naturgemäss verschiedener Art sein können: Es handelt sich
wohl meist um ein Einreissen; von Gelenkkapseltheilen, um
Dehnung bezw. Zerreissung der gespannten Ligamente, sodann
auch um eine Infraction oder Fissur eines angrenzenden
Knochens, eine Absprengung irgend eines Knochenvorsprunges,
— kurz, um Verletzungen, welche man nach Analogie an anderen
Gelenken am geeignetsten unter der Bezeichnung „D i s-
torsion des unteren Fussgelenks“ zusammen¬
fassen kann.
Voraussetzung für das Zustandekommen einer „Distorsion
des unteren Fussgelenks“ ist meist eine indirecte Gewalt-
einwirkung, und zwar erfolgt letztere durch ein plötzliches Um-
kippen, eine forcirte Pro- oder Supination des Fusses. 1 ) Aller¬
dings muss sich bei dieser forcirten Bewegung die Gewalt a n
den Knöcheln erschöpfen; denn würde dies nicht
der Fall sein, so müsste nothwendiger Weise die Verletzung
weiter oben zu Stande kommen, und in der That sehen wir
ja auch bei gleicher Gewalteinwirkung wie hier viel häufiger
Knöchelfracturen als Verletzungen im Talotarsalgelenk ent¬
stehen. Nach H o f f a sind übrigens, obgleich doch die forcirten
seitlichen Bewegungen im u n t e r e n Fussgelenk vor sich gehen,
Verletzungen dieses Gelenks gegenüber den weiter oben zu Stande
kommenden Verletzungen desshalb verhältnissmässig selten,
„weil im Augenblick der Verletzung der Fuss durch seine
Muskeln gewissermaassen in einen starren Hebel verwandelt
wird, der die Gewalten auf das Talocruralgelenk fortpflanzt.“
Kommt uns nun eine „Distorsion de3 unteren Fussgelenkes“
in frischem Zustande zu Gesicht, so dürften stets folgende drei
Symptome vorhanden sein:
1. Ein mehr oder minder ausgebreitetes Blutextra¬
vasat, welches beide Seiten des Taloealcaneusgelenks ein¬
nehmen kann oder auch nur an der Innen- oder nur an der
Aussenseite des Fusses in der Gegend dieses Gelenks erscheint.
2. Starke Druckempfindlichkeit dieser Gegend,
besonders vor und unter dem äusseren oder inneren Knöchel.
3. Fast vollständige Aufhebung von Pro- und Supina-
t i o n des Fusses in Folge intensiver Schmerzhaftigkeit schon
beim leisesten Versuch, diese Bewegungen auszuführen, während
’) Auch bei alten durch indirecte Gewalt entstandenen
Schenkelfracturen konnten wdr die oben geschilderten Veränder¬
ungen am Talotarsalgelenk des Oefteren feststelleu.
Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1900.
357
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Beugung und Streckung des Fusses, soweit nicht etwa eine be¬
reits eingetretene Weichtlieilschwellung ein Ilinderniss für diese
Bewegungen bildet, keinerlei Einschränkung zeigen.
Differential diagnostisch kommen wohl nur
Fraeturen des Talus oder Caleaneus in Betracht; aber auch
diese Verletzungen werden sich in allen Fällen unschwer aus-
schliessen lassen, denn bei Sprungbeinbrüchen sind die Beweg¬
ungen des Taloeruralgelenks — Dorsal- und Plantarflexion —
stets aufgehoben, während dieselben bei einer Verletzung am
unteren Fussgelenk allein, wie oben erwähnt, immer frei sind;
typische Fersenbeinbrüche machen sich durch so charakteris¬
tische Veränderungen — Verbreiterung der Ferse, Ausfüllung
der Gruben zu beiden Seiten der Achillessehne, Abplattung des
Fussgewölbes — kenntlich, dass auch mit dieser Verletzung
eine Verwechslung nicht wohl Vorkommen dürfte.
Der V erlauf pflegt meist ein recht hartnäckiger zu sein,
besonders wenn der Patient gleich Anfangs der erlittenen Ver¬
letzung zu wenig Beachtung schenkt, sich in Folge dessen nicht
genügend Schonung, Bettruhe etc. auferlegt und eventuell un¬
geachtet der beim Auftreten mit dem verletzten Fuss entstehen¬
den Schmerzen frei umhergeht. Da die Verletzung in den Bereich
der Tragkraft des Fusses fällt, die Last des Körpers zum grossen
Theil auf dem betroffenen Talotarsalgelenk ruht, so ist die
Schwere und Hartnäckigkeit der Störungen ohne Weiteres ver¬
ständlich. In der Folgezeit kommt es sehr bald zu einer meist
Totalen Ankylose im unteren Fussgelenk, welche sich bei ge¬
eigneter Behandlung wohl wieder etwas lösen kann, auf jeden
Fall aber eine dauernde, mehr oder minder erhebliche Stö¬
rung in der seitlichen Beweglichkeit des Fusses zurücklässt.
Die Therapie ergibt sich nach dem Gesagten von selbst.
Sie besteht vor Allem in unbedingter Schonung des verletzten
Fusses durch verhältnissmässig lang andauernde Bettruhe; da¬
neben dürfte eine geeignete Massage in den meisten Fällen von
gutem Erfolge sein. Wenn nach einiger Zeit eine vollständige
Ausheilung erfolgt ist — meist wird es ja alsdann zu totaler An¬
kylose des Gelenks gekommen sein —, so ist es nothwendig, dem
Fuss eine sichere Stütze zu geben, was am besten durch einen
gut sitzenden, eventuell mit einer Plattfusseinlage versehenen
Schnürschuh geschieht.
Auch Hasebroek*) bedient sich bei Behandlung der
„Verstauchungen des Fussgelenks“ entweder einer guten Platt¬
fusseinlage oder des von Marcinovski für schwere Platt-
fiisse angegebenen Schienenstiefels, den er mit besonderer
Wärme empfiehlt. Jedenfalls erweist in den Fällen, bei denen
nicht vollständige Ankylosirung erfolgt, die seitliche Beweglich¬
keit also nicht völlig aufgehoben, sondern nur eingeschränkt is>t,
eine gute Plattfusseinlage ausgezeichnete Dienste, während es
bei den in totaler Ankylose ausgeheilten Fällen — - nach unseren
Erfahrungen — hauptsächlich auf einen bequemen, gut sitzenden
einfachen Schnürschuh ankommt.
Bei dieser Behandlungsweise werden die Beschwerden des
Patienten wesentlich verringert, er gewöhnt sich verhältniss¬
mässig rasch an seinen nunmehrigen Zustand und lernt den ver¬
letzten Fuss schliesslich auch auf unebenem Terrain wieder ge¬
brauchen.
Die Prognose ist denn auch für späterhin — auch bei
unverändert bleibender Functionsstörung im Gelenk — keines¬
wegs eine ungünstige zu nennen. So konnten wir eine Reihe von
Fällen totaler Versteifung des unteren Fussgelenks, und zwar
im Anschluss an eine „Distorsion“ sowohl wie nach anderen
Verletzungen, beobachten, bei denen sich die subjeetiven Be¬
schwerden mit der Zeit erheblich gemildert hatten. Des Oef-
tcren konnten wir gelegentlich der Begutachtung Unfall¬
verletzter sehen, wie z. B. landwirtschaftliche Arbeiter, welche
mehrere Jahre hindurch unter den bekannten, oben geschilderten
Beschwerden zu leiden und hauptsächlich über das Unvermögen,
auf unebenem Boden, beispielsweise auf dem Felde, zu schaffen,
geklagt hatten, nunmehr wieder ohne nennenswerthe Beschwerden
Feldarbeit verrichten konnten, trotzdem sich an dem objectiven
Befund gegenüber den Vorjahren nichts geändert hatte, und das
untere Fussgelenk — genau wie vorher — vollständige Ankylose
zeigte.
b Hasebroeb: Zur Nachbehandlung der Verstauchungen
von Hand-, Knie- und Fussgelenk. Münch, med. Wochenschr.
No. 30, 1899.
No. 11.
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Als Ursach e dieser Besserung ist zweifellos die Ge¬
wöhnung, die allmählich gewonnene Anpassung an die neuen
A erhältnisse anzusehen, eine Beobachtung, welche wir mutatis
mutandis gelegentlich auch bei anderen ankylosirten Gelenken
machen können. Und in diesem Sinne möchte ich auch einen
scheinbaren Widerspruch erklären und damit dem eventuellen
Einwand vorgreifen, dass der Platt fuss (wir reden natür¬
lich hier nur vom nichtentzündlichen), bei dem doch auch Pro-
und Supination aufgehoben oder erheblich eingeschränkt sind,
im Allgemeinen durchaus nicht so hochgradige Beschwerden ver¬
ursacht, wie es nach diesen Ausführungen sonst bei Versteifung
des Talotarsalgelenk« der Fall ist. Es ist klar, dass auch hier
die Gewöhnung eine grosse Rolle spielen muss, um so mehr, als
die Veränderungen kl Plattfuss nicht mit einem Schlag auf-
treten, sondern ganz allmählich sich entwickeln, indem sie meist
schon im jugendlichen Alter beginnen, alsdann in rein mecha¬
nischer Weise — permanente Belastung des Fusses durch das
eigene Körpergewicht — im Laufe der Zeit sich weiterbilden
und so schliesslich die bekannten anatomischen Verhältnisse be¬
dingen.
Fassen wir unsere obigen Ausführungen nochmals kurz zu¬
sammen, so ergibt sieh:
1- die Versteifung des unteren Fussgelenks beeinträchtigt
die Geh- und Tragfähigkeit in hohem Maasse und bedingt somit
eine erhebliche Beschränkung der Erwerbsfähigkeit, ganz be¬
sonders bei Leuten, die auf unebenem Boden (z. B. auf dem Felde)
zu arbeiten oder schwere Lasten zu tragen haben, also vorzugs¬
weise bei Arbeitern im landwirthsehaftlichen oder Müllereibetrieb.
2. Eine solche Versteifung kann die Folge verschiedener Ver¬
letzungen sein, meist ist sie durch eine Fractur des Sprung¬
oder Fersenbeins bewirkt, ferner aber auch häufig durch eine
Verletzung, die wir als ,.T) istorsion des unteren Fuss¬
gelenks“ bezeichnen können. Diese Distorsion ist in frischem
Zustand von den oben angegebenen Symptomen begleitet und
führt in der Regel zu ganzer oder theilweiser Ankylose des Ge¬
lenks mit den typischen Beschwerden. Eine erhebliche Milde¬
rung der subjeetiven Beschwerden ist bei geeigneter Behandlung
mit der Zeit zu erwarten.
Zum Schlüsse möchte ich unter Beziehung auf diese Zeilen
nicht verfehlen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, wie wichtig bei
der Untersuchung und Begutachtung von Unfallverletzten die
Prüfung der seitlichen Beweglichkeit des Fusses ist. Sehr schwer
kann man sieh in der Beurtheilung eines Falles täuschen, wenn
man — flüchtig untersuchend — sich mit der Feststellung nor¬
mal ausführbarer Dorsal- und Plantarflexion des Fusses und dem
Ausschlüssen einer Fractur in der Umgebung des Fussgelenkes
begnügt, während man bei nur etwas genauerem Zusehen sehr
häufig eine Beschränkung oder Aufhebung der Pro- und Supi¬
nation des Fusses feststellen und so für die Angaben des zu Unter¬
suchenden eine objective Grundlage finden kann. Gar
manchem Unfallverletzten kann auf diese Weise zu seinem
Rechte verholfen werden!
Beitrag zur Behandlung frühgeborener Kinder.')
Von Dr. O. Rommel, Assistent der Kinder-Poliklinik in
München.
M. II.! Die Mortalitätsstatistik des Säuglingsalters wird,
wie bekannt, besonders im ersten Lebenshalbjahr durch die Todes¬
fälle an Magendarmerkrankungen beherrscht. Daneben tritt in
den ersten Lebenswoehen als Todesursache in recht beträcht¬
licher Procentzahl die angeborene Lebensschwäche, meist als
Ausdruck für Frühgeburt gebraucht, oder doch durch dieselbe
hervorgerufen. Mehr als der dritte Theil aller im ersten Lebens¬
monat in München verstorbenen Kinder starb, wie ich aus den
Todtenscheinen zweier Jahrgänge ersehen konnte, an Lebens¬
schwäche resp. Frühgeburt. Wenn diese hohe Sterblichkeitsziffer
an Frühgeburten den Kinderärzten noch nicht genügend auf¬
gefallen ist, so liegt das einerseits daran, dass diese Kinder meist
innerhalb der ersten 14 Tage zu Grunde gehen und zu dieser Zeit
oft noch dem Forum der Geburtshelfer unterstehen, andererseits
aber daran, dass über 50 Proc. dieser Kinder überhaupt ohne jede
ärztliche Behandlung sterben (wenigstens in München) und so
*) Vortrag, gehalten In der Abtheilung für Kinderheilkunde
der 71. Naturforscherversammlung zu München 1899.
S
Original from
UNIVERSUM OF CALIFORNIA
358
No. 11.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
dem Kinderarzt gar nicht die Möglichkeit eines therapeutischen
Eingreifens geboten ist.
Tn Ansehung dieser als Thatsache bestehenden Mittheilung
sind die Fortschritte, welche uns die Technik zur Erhaltung und
Ausreifung frühgeborener Kinder an die Hand gibt, freudigst zu
begrüssen, und ist für die weitere Verbreitung und Anwendung
derartiger Apparate, womöglich in selbständigen Anstalten, unter
behördlicher Aufsicht oder im Anschluss an Kinderspitäler ein¬
zutreten. l)ass sich dabei eine reiche Quelle zur Beobachtung
diätetischer Verhältnisse des allerfrühesten Säuglingsalters er¬
schlossen würde, sei hier nur nebenher erwähnt.
Einen historischen Ueberbliek über die Anfänge dieser Be¬
handlungsweise, die Entstehungsgeschichte der Couveusen und
ihre verschiedenen Modificationen zu geben, kann ich an dieser
Stelle unterlassen.
Ich hatte im vorigen und in diesem Jahre die ärztliche Lei¬
tung der Kinderbrutanstalt, welche gelegentlich der vorjährigen
und diesjährigen Ausstellung hier in München zur Ansicht ge¬
bracht wurde, und will hier in aller Kürze die gewonnenen Re¬
sultate mittheilen.
In Anwendung standen die von Lion angegebenen Cou¬
veusen, welche sich mir als zweckmässig erwiesen und nach ihrer
Einrichtung wohl genügend bekannt sein dürften. Da dieselben
jedoch im Preise recht hoch sind (450 M. pro Stück) ist Verfasser
mit der Firma Dr. Bender und Dr. II o b e i n in Verbindung
getreten, um einen vereinfachten und billigeren Brutkasten her¬
steilen zu lassen. Als Wärmequelle dient Gas, während ich bei
einem Fall in der Privatpraxis mit Petroleum gleich gut auskam,
und ein Bedürfniss nach neuen Wärmequellen, wie sie von anderer
Seite vorgeschlagen werden, nicht empfand.
Eine künstliche Zufuhr von Sauerstoff wurde nicht vorge¬
nommen, lässt auch nach den erkannten physiologischen Gesetzen
kaum einen Nutzen erhoffen. Dagegen wurde für ausgiebige
Ventilation und übernormalen Feuchtigkeitsgehalt der Luft aus
leicht erkennbaren Gründen Sorge getragen. Die Kinder lagen
meist nur mit einer Windel bekleidet in den Couveusen, um die
beginnende active Muskelthätigkeit, besonders am Thorax, nicht
z u bee i nträch t igen.
Die Ernährung fand statt durch Ammen, doch wurde bald¬
möglichst Beinahrung gereicht, da die Kinder vorwiegend aus
Familien stammten, die sich den Luxus einer Amme späterhin
doch nicht hätten gestatten können. Leider fand aus verschie¬
denen Gründen häufiger Ammenwechsel statt, was dem Gedeihen
der Kinder natürlich nicht förderlich war. Die Fütterung fand
2 stündlich, meist mittels geschnäbeltem Löffel statt — bei einigen
Kindern erwies sich die Eingiessung in die Nase als zweck¬
mässiger, weil sparsamer. Es wurden von den Kindern unter
1800 g, wie sich durch fortlaufende Wägungen resp. Messungen be¬
rechnen liess, nur sehr geringe Mengen, d. h. 30—20, ja oft nur
10 g als Einzelmahlzeit genommen. Es waren dies Mengen, welche
hinter den von Feer angegebenen Zahlen — betreffend die
Nahrungsmengen gesunder Brustkinder — beträchtlich Zurück¬
bleiben. Versuche, mehr Nahrung einzuführen, führten regel¬
mässig zu Regurgitation oder gar zu Dyspepsien. Wenn die be¬
obachteten Säuglinge bei diesen geringen Nahrungsmengen —
wie Sie sehen werden — doch recht gute Zunahmen hatten, so
findet diese Thatsache wohl darin ihre Erklärung, dass die Aus¬
gaben dieser Kinder im Stoffwechselhaushalt quoad Wärmeabgabe
gleich Null war, andererseits scheint es mir ein Beweis, dass die
zugeführte Nahrung sehr gut ausgenützt wurde.
Aus den eben angegebenen Gründen müsste es sich vielleicht
auch empfehlen, die Atrophie der Säuglinge in der angegebenen
Weise zu behandeln. Diese Erkrankung ist doch bis jetzt eine
recht undankbare Aufgabe für die Therapie. Mit Wärme, d. li.
dem Schutze vor constanten Wärmeverlusten, qualitativ geregelter
Minimalkost, eventuell auch subcutaner Ernährung, Hesse sich
wohl noch manche schwere Atrophie heilen. Dies nur nebenher.
Es wurden im Ganzen 20 frühgeborene Kinder behandelt, im
vorigen Jahre 9, in diesem Jahre 11 Kinder. 13 davon hatten
ein Anfangsgewicht unter 2000 g — das kleinste wog 1300 g —,
7 waren über 2000 g und wurden theils aus Mangel an Material
am Anfang, theils auf besonderen Wunsch der Eltern aufge-
nommen.
Die Kinder zeigten bei ihrer Aufnahme sämmtlich subnor¬
male Temperaturen, einige davon ausgeprägte Symptome von
Sklerem und Skleroedem. Diese verloren sich bei Allen in
kürzester Zeit, was ich besonders hervorheben möchte. Gewichts¬
zunahmen traten oft erst nach einigen Tagen auf und zwar
immer erst nachdem die Aftertemperatur annähernd die Norm
erreicht hatte, indem der Körper zuerst auf Wärmeerhaltung.
in zweiter Linie erst auf Stoffansatz hinarbeitet. Die Behand¬
lungsdauer betrug durchschnittlich 43 Tage und zeigten die
Kinder nach diesem Termin, wenn sich die Behandlungsdauer
aus irgend einem Grunde verlängerte, ein nicht zu verkeimendes
Verlangen, aus den Brutkästen herauszukommen. Gestorben sind
von den 20 Kindern 4, und zwar 3 an Eklampsie, 1 an Miliar-
tuberculose, keines, wie ich bemerken möchte, an Magendarm-
affection. üeble Zufälle, durch Verschlucken erbrochener Massen,
kamen nicht vor, wie sie von anderer Seite ‘) beobachtet wurden,
und dürften bei genügendem Wartepersonal auch auszusehliessen
sein; jedenfalls sind sie k e i n „dem Brutofen direct zur Last
zu legendes Vorkommniss“. Von den 16 verbleibenden und ge¬
diehenen Kindern betrug die durchschnittliche tägliche Zunahme
15,59 g. Von den im vorigen Jahre ausgereiften Kindern verlor
ich 4 aus dem Gesicht, 3 habe ich noch in Beobachtung und sind
dies jetzt nach einem Jahre vollwerthige, normale Kinder, wie
ich besonders betonen möchte. Die Prognose des Einzelfalles
richtet sich ausser nach dem Anfangsgewicht besonders nach dem
absoluten Lebensalter des Kindes. Wichtig ist ferner, dass keine
zu lange Zeit verstreicht, bis die Conveuse in Anwendung ge¬
bracht wird und dass die Körpertemperatur des Kindes bald
die Norm erreicht.
Ich glaubte, Ihnen diese doch immerhin als günstig zu be¬
zeichnenden Erfolge in der Behandlung von Frühgeburten mit¬
theilen zu dürfen, zumal die Stimmen auch aus Aerztekreisen
nicht aufhören, welche die beschriebene Behandlungsweise aus
diesen oder jenen Gründen zu perhorresciren zu müssen glauben.
Kurzer Auszug aus den Journalen.
(Von den Gewielitsdiagrammen konnten nur 6: Fall 1,2,3 des ersten
Jahrganges und 7, 8, 9 des zweiten Jahrganges abgedruckt werden.)
I. Jahrgang 1898:
1. Fanny E. In den ersten Tagen nach der Aufnahme bei
Ammenbmst leichte Fettdiarrhoe, durch Nahrungsbeschränkung
und Zugabe von Kalbsbrühe bald gehoben; erhielt bis kurz vor der
Entlassung nur Brust na lirung. Normaler Verlauf (cf. Gewiclits-
curve l).
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2. Joseph J. Anfänglich stark ikterisch, wiederholt leichte
Dyspepsien, erhielt abwechselnd Brust und Haferschleim. Später¬
hin bei gemischter Ernährung ungestörte Entwicklung mit guter
Gewichtszunahme (cf. Curve II).
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b Wormser: Centralbl. f. Gyn. 1S99, No. 38.
Digitized by
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1000. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 359
3. Karoliiu» F. Anfänglich Enterokatarrh, mit Kalomel, 7. Johanna L. Anfänglich leichte Darmkatarrhe, später un-
Tannalhin nnd Tannineinläufen behandelt, später normale Ent- gestörter Verlauf. Zuerst Ammenbrust, von der 6. Woche ab ge-
Curve III.
Curve IV.
Wicklung, 10 Tage vor der Entlassung künstliche Beinahrung (Kuh¬
milch 1 : 2) (cf. Curve III).
4. Felix W. Zeigte stets subnormale Temperaturen — ging an
Eklampsie zu Grunde. Verdauung ln*i ausschliesslicher Brust-
nahrung normal.
5. Erwin F. Hochgradig anaemisches Kind, leichtes Sklerem,
wurde erst am 8. Tage nach der Geburt aufgenommeu. Wurde
mit abgedrückter Brustuahrung 2 stündlich (10—20 g Einzelmahl
zeit) ernährt. Nie Störungen von Seiten des Darmcauales. Wieder¬
holt eklamptische Anfälle — mit Brom und Chloral gehoben. Ein
schwerer Collaps wurde mit heissen Bädern und Kampher über¬
wunden. Eine Woche vor der Entlassung mit Gärtnermilch er¬
nährt mit guten Zunahmen.
G. Michael R. Geburt: Stelsslage — Extraction. Linke Thorax¬
wand stark comprimirt — Lungenatelektase (?). Athmung sehr
unregelmässig, schluckt schlecht. Gefüttert mit abgedrückter
Ammenmilch. Körpertemperatur erreicht trotz hoher Tempera¬
turen der Couveuse (34—35°) nie die Norm. Exitus an Eklampsie.
7. Johanna Schw. (Negermiscliliug). Blennorrhoe beider Augen
und des Nabels, wiederholt leichte Darmkatarrhe, wurde aus¬
schliesslich künstlich ernährt (Gärtnermilch); entwickelte sich zu
einem kräftigen normalen Kinde.
8. Joseph B. Zweite Frühgeburt der Mutter, nichts von Lues
nachweisbar. Bei der Aufnahme leichter Decubitus am Steiss
(durch Druck bei frühzeitigem Fruchtwasserabfluss ?). Geringes
Skleroedcm der Unterextremitäten. Anfänglich dyspeptische, reich¬
lich Fett enthaltende Stühle, häufiger als normal. (Therapie wie
bei Fall I.) Wurde ausschliesslich mit Ammenbrust ernährt, ist
jetzt ein wohl gediehenes Kind von ca. 20 Pfund.
S. Max F. Sehr zartes anaemisches Kind, muss anfänglich mit
abgedrückter Ammenmilch gefüttert werden, schluckt schlecht,
tiinkt höchstens 10 g als Einzelmahlzeit, erbricht häufig und ist
obstipirt. Nach Ammenwechsel hört Erbrechen und Verstopfung
auf. Vor der Entlassung eine Woche lang künstliche Beinahrung.
Blieb noch ca. 2 Monate nach der Entlassung Im elterlichen Hause
in der Couveuse, wurde ausschliesslich künstlich ernährt. Wog
mit y 2 Jahr 4200 g, mit 1 Jahr 9000 g, jetzt normales, keineswegs
anaemisches Kind.
II. Jahrgang 1899:
1. Elise R. Ammenbrust 2 stündlich (20—30 g als Einzel¬
mahlzeit). Anfang der 4. Woche Dyspepsie durch Diätfehler der
Amme. Durch Kalomel und Regelung der Diät gehoben. Unge¬
störte Entwicklung bis zur 8. Woche, dann Temperaturerhöhung
auf 39 °, Erbrechen, auf der Lunge verbreitete kleinblasige Rassel¬
geräusche, Abdomen stark auf getrieben. (Couveusentemperatur
herabgesetzt, Fomente, Kalomel), am 12. Tage der Erkrankung
Exitus. Die Section ergibt verbreitete Miliartuberculose, wahr¬
scheinlich von verkästen und eingeschmolzenen Bronchialdrüsen
ausgehend. Die Mutter, von welcher das Kind sofort nach der
Entbindung separirt worden war, liegt mit schwerer Phthisis
pulmon. lm Krankenhause.
2. Anna W. wurde aus Mangel an Material am Anfang ge¬
nommen, wiederholte Magendarmkatarrhe späterer Verlauf ohne
Besonderheiten.
3. Anna Schw. Aeusserst dürftiges Kind. Lues hereditaria (?).
Nahrungsaufnahme sehr schwierig; Nabelstrangrest trocknet nicht
ein. Blutung aus demselben, sowie aus Darm und verschiedenen
Hautgefässen. Melaena (?) — dazu Dermatitis exfoliativa; keine
Gewichtszunahme. Exitus an Debilitas vitae und Eklampsie.
4. Anton B. (Zwilling von No. 5). Anfänglich heftiger Magen¬
darmkatarrh mit starker Gewichtsabnahme — später gute Zu¬
nahmen bei vorwiegend gemischter Ernährung (Soxhlet 1:2).
5. Franziska B. (Zwilling). Zu Beginn der Behandlung fieber¬
hafter Ikterus (200 g Gewichtsabnahme), später clirou. Obstipatio,
durch Anreicherung der Nahrung (gemischt) mit Fett gehoben,
gleichzeitig bessere Zunahmen.
6. Elisabeth E. Normaler Verlauf, die ersten 4 Wochen nur
Ammenbrust, später gemischte Nahrung (zweifach verdünnte Kuh¬
milch). In der 6. Woche Gastroenteritis, nach Ablauf derselben
gute Zunahmen bei ausschliesslich künstlicher Ernährung.
□ ifitized by
Gck igle
mischte Nahrung (1 Milch : 2 Schleim) gut vertragen (cf. Curve IV).
8. Marie F. (Zwilling von No. 9). Erst am 17. Lebenstage auf¬
genommen, hochgradige Atrophie und Cyanose der Extremitäten,
multiple Abscesse am Kopf und Nacken. Nach geringer Besserung
der bei der Aufnahme bestehenden Gastroenteritis, wieder ver¬
mehrte Stühle und Erbrechen. Kelle r’sche Malzsuppe Milch)
wird erbrochen und bringt keine Besserung. Bei Minimalbrust-
nahruug und wiederholten Darmirrigationen mit 1 proc. Karlsbader¬
salzlösung allmähliche Besserung, die letzten 3 Wochen ungestörter
Verlauf mit guter Zunahme (cf. Curve V), letzte Woche gemischte
Nahrung.
Curve V.
9. Joseph F. (Zwilling). Sehr schwächliches Kind, ebenfalls
erst am 17. Lebeustage aufgenommen. Ausgesprochene Atrophie
und Skleroedcm, Stühle dünnflüssig, zahlreich (8—10), Renction
sauer. Nach kurzer Besserung bei Ammenbrust von Neuem Diar-
rhoeu. Auch hier Malzsuppe ohne Erfolg. Weitere Behandlung
und Verlauf wie bei No. 8 (cf. Curve VI).
10. Ludwig W., das dritte früh geborene Kind der Mutter,
zwei vorher gestorben. Keine Lues. Skleroedem des Scrotum und
der unteren Extremitäten. Ausschliesslich Ammenbrust, anfäng¬
lich leicht dyspeptische Stühle mit übernormalem Fettgehalt.
Später gute Verdauung, normale Entwicklung.
11. Anna J. Anfänglich Ikterus mit Temperatursteigerung,
Verstopfung — später Anreicherung der fast ausschliesslich künst¬
lichen Ernährung mit Fett, damit Obstipation gehoben. Verlauf
normal.
(Tabelle siehe nächste Seite.)
3*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
360
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
I. Jahrgang 1898.
Geboren
am
Auf-
genommen
am
Entlassen
am
■
Behand¬
lungsdauer
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Tägliche
durch¬
schnitt¬
liche Zu¬
nahme
Todes¬
ursache
Körper¬
tempera¬
tur bei
der Auf¬
nahme
g
g
g
1
Fanny E.
18. VH.
24. VH.
4. IX.
43 Tage
1800
2750
22
34°
2
Joseph J.
24. VH.
25. VHI.
20. IX.
58 Tage
1700
2870
20,2
36°
3
Karoline F.
29. VH.
30. ATI.
18. IX.
51 Tage
1900
3000
21,6
34’ >
4
Felix W.
30. VH.
| 1. VHI.
23. IX.
23 Tage
1800
1810
— J
Eklampsie
! 34°
l
5
Erwin F.
16 . vm.
24. VHI.
| 6.X.
1
44 Tage
1300
1960
15
| 35»
6
Michael R.
27. VIH.
29. VIH.
5.X.
| 38 Tage
1700
1930
—
Eklampsie
| 34°
7 1
Johanna Sch.
i __ _ _____ _|
1 IX.
2. IX.
6.X.
35 Tage
2000
2320
9,1
35°
8
| Joseph B.
16. IX.
16. IX.
1 7. X.
22 Tage
i 2100
2410
14
35°
9
Max F.
9. IX.
11. IX.
11. X.
30 Tage
1400
| 1610
7 1
1
35°
II. Jahrgang 1899.
Geboren
am
Auf¬
genommen
am
Entlassen
am
Behand¬
lungsdauer
!
Anfangs- j
gewicht
End¬
gewicht
Tägliche
durch¬
schnitt¬
liche Zu¬
nahme
Todes¬
ursache
Körper¬
tempera¬
tur bei
der Auf¬
nahme
U
Elise R.
11. VI.
15. VI.
i
19. vm.
1
66 Tage j
g
1600
g
2430
j *
Miliar-
tuberculose
35°
2 |
Anna W.
13. VI.
15. VI.
I 30. VI.
1
16 Tage
2600
2940
21,25
36°
»1
Anna Sch.
26. VII.
26. VII.
24. ATII.
30 Tage
1500
1420
—
Eklampsie
340
4 1
!
Anton B.
I
16. VI.
17. VI.
26. vn.
j 40 Tage
| 2100
2800
17,5
35° *
5
Franziska B.
16. VI.
17. VI.
26 . vn.
| 40 Tage
2000
; 2770
19,25
35°*
6
Elisabeth E.
29. VI.
30. AT.
6. IX.
j 68 Tage
1500
2750
18,5 j
35°
7
! Johanna L.
14. VH.
17. ATI.
14. IX.
60 Tage
1400
2220
j 13,66
1 35»
8
Marie F.
7. Am.
23. vm.
16. X.
55 Tage
j 1500
2250
13,63
! 36°*
9
Joseph F.
7. VIH.
23. VIU.
16. X.
55 Tage
1500
2360
j 15,63
37°*
10
| Ludwig W.
17. IX.
j 19. IX.
16. X.
28 Tage
2100
j 2450
12,5
37°
11
i *
Anna J.
13. VHI.
20. VIII.
i 16. X.
1
58 Tage
. 2100
2600
8,6
l
1 36»
*) Zwillinge.
Aus der Unfallpraxis.
Von Dr. Peters.
Die 8 jährige E. H. aus Hfrsbch. fiel am 2G. April 1898 Nach-
mitlags, als sie auf dem Heimweg einen Rain herabsprang, mit
dem Gesicht von oben herab auf einen Baumstamm, an dem noch
kleinere Zweige sassen. Unmittelbar nach dein Fall verspürte
das Kind keinen nennenswertlien Schmerz, hatte auch keine ihm
oder seiner Umgebung bemerkbare Verletzung oder Blutung.
Unterwegs jedoch wurde ihm schwindelig, es fiel 3 mal zu Boden
und kam nur mit Mühe nach Haus. Hier musste es mehrmals er¬
brechen, klagte über grosse Müdigkeit, Schmerzen im Kopf und
im linken Auge und verlangte nur darnach, in’s Bett zu kommen.
Ein Nachbar visitirte das schmerzende linke Auge und sah „in
demselben ein etwa bleistiftdickes Stückchen Holz liegen, das
zwei frische Bruchenden hatte“, er entfernte es mit dem Finger.
Von da ab hielt das Kind das Auge krampfhaft geschlossen. Am
nächsten Tage wurde der Arzt geholt, derselbe untersuchte und
legte einen trockenen Verband mit der Weisung, ihn liegen zu
lassen. Nach einer Stunde bekam das Kind unerträgliche Schmer¬
zen, so dass die Mutter den Verband entfernte und dafür kalte Um¬
schläge machte. Das Auge war und blieb krampfhaft geschlossen
und war nach Abnahme des Verbandes „geschwollen“. Am anderen
Tag wurde der Arzt nochmals gebeten, er liess die Umschläge
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weiter machen, sonst keine Ordination. Die Schmerzen nahmen mit
der Schwellung ab und es bildete sich nach und nach ein chronisch
entzündlicher Zustand mit stark eiteriger Secretion heraus. Das
Kind sah auf dem linken Auge nichts mehr. Nach einiger Zeit con-
sultirten die Eltern einen anderen Arzt, der „Tropfen“ verordnete.
Die Entzündung blieb bestehen, allmorgendlich war das Auge
eiterig verklebt.
Im Mai 1899, also 1 Jahr nach dem Unfall, bekam ich das Kind
in der Sprechstunde zuerst zu sehen. Das Auge machte einen
schrecklich verwahrlosten Eindruck. Die Lider waren durch
eiterige Borken fast verklebt. Die Tension beider Augen gleich.
Nach Aufweichen der Borken fand sich folgender Befund: Keine
Spur von Verletzung, keine Narbe. Am Unterlid, dicht neben dem
inneren Augenwinkel, sieht man die Haut etwas buckelig vorge¬
wölbt. Durch Palpation hat man das Gefühl, als siisse in dieser
Schwellung ein Fremdkörper von harter, unebener Oberfläche.
Die Conjunetiva palpebr. inf. ist stark, die des Oberlids massig ent¬
zündet. In der Uebergangsfalte findet sich vom inneren Augwinkel
nach aussen zu eine ca. 0 mm lange, 3—4 mm hohe, wie ein Wall
aufgeworfene Falte, die stark entzündet ist. Zieht man das Unter¬
lid und diese Falte möglichst weit nach unten aussen ab und
lässt das Kind dabei nach oben aussen sehen, so sieht man in der
Ecke dicht am inneren Augwinkel tief unten am Bulbus eiue
kleine trichterförmige Vertiefung, als ob ein Gegenstand da liineiu-
gebohrt wäre. Dabei bemerkt man auch, dass Conjunetiva und
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
361
13 Marz 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Bei Blick geradeaus
Blick nach oben geradeaus
„ „ „ links
„ ,, rechts
„ unten geradeaus
„ „ links
„ ,, rechts
Bulbus fast ganz unempfindlich sind. Die Pupille ist links kleiner
wie rechts, reagirt jedoch träge auf Lichteinfall. Sehvermögen
links auch für „Hell oder Dunkel“ erloschen. Spiegeluntersuchung
ergibt Atrophie des Opticus. Lässt man das Kind mit dem ge¬
sunden Auge bei gerader Kopfhaltung dem vorgehaltenen Finger
folgen, so ergibt sich:
Linkes Auge ganz wenig gesenkt
,, „ genau Mittelstellg.
„ | Mittelstellg. etwas
nach links
„ „ geht wenig nach
rechts oben mit
„ „ geht etwas nach
unten mit
, r „ folgt, doch ' nicht
vollständig
folgt, doch 'nicht
vollständig
Die Behandlung bestand zunächst in desinficirenden Aus¬
spülungen und Umschlägen, um später nach Ablauf der eitrigen
Entzündung eiue Incision auf den ..Fremdkörper“ im Unterlid
machen zu können, und falls sich diese Diagnose bestätigte, ihn
zu entfernen.
Trotz wiederholter Ermahnungen und Nachfragen blieb je
doch die Mutter mit dem Kinde aus, als der Zustand sich soweit
gebessert hatte, dass die Incision vorgeschlagen werden konnte.
Ende October 1899. also 1 '/, Jahr nach dem Unfall, wurde
mir das Kind wieder gebracht. Der erste Blick auf das Auge be¬
stätigte die Diagnose: am Unterlid, dicht unter dem Lidrand, da
wo die Schwellung zu fühlen war, bestand jetzt eine eiternde
Fistel, aus deren Oeffnung ein Stückchen Holz von etwa 2 nun
Breite heraussah. Nach Säuberung der Umgebung und Schleich*-
scher Infiltration wurde die Wunde vorsichtig erweitert und es
gelang nun leicht, den Fremdkörper zu entfernen. Derselbe prä-
sentirte sich als ein Stückchen Hartholz von 3 cm 3 mm Länge:
vorn 5 mm, hinten 4 mm Breite; vorn 3 mm, hinten 2 mm Dicke.
Die in die klaffende Oeffnung eingeführte Sonde drang geraden
Wegs fast 4 cm tief in die Orbita ein, dicht unter dem Bulbus,
den man bei leichtester Senkung der Hand vorn auf der Somit
fühlte! Die Wunde, aus welcher einige Tropfen Eiter kamen,
wurde peinlichst versorgt, die wallartige, jetzt gegen früher noch
vergrösserte Conjunctivalschwellung der Uebergangsfalte mit dei
Scheere abgetragen. Beides heilte glatt aus. Für den Laien be¬
steht jetzt zwischen beiden Augen des Kindes wohl kaum ein
Unterschied, dem Arzt fällt freilich mehrere« auf: Das Zurück¬
bleiben des linken Bulbus im Verhältnis.« zum rechten bei Be
wegungeu, ein gewisses Kleinersein desselben und die über di*
Norm vergrösserte rechte Pupille, die um so auffälliger ist, als dit
linke meist ziemlich contrahirt erscheint, z. B. bei Tageslicht dem
hellen Fenster gegenüber Durchmesser der rechten Pupille 7 bb
8 mm, der linken r» mm. Irgend eine Erscheinung von etwa sym¬
pathischer Erkrankung des*rechten Auges ist bis jetzt noch nicht
weiter hervorgetreten, auch der Spiegelbefund desselben ergibt
nichts Pathologisches.
Wir haben hier gewiss einen in mancher Beziehung absonder¬
lichen Fall vor uns: Das 8 jährige Kind stürzt auf einen Stamm
es bekommt Sclnvindelanfälle, Augen- und Kopfschmerzen, Er¬
brechen, man findet nichts an ihm, als den Splitter Holz in
linken Auge, dessen Sehvermögen erloschen ist. Auch ärztliche
Untersuchung fördert nichts zu Tage und es vergehen reichliel
1 f| Jahre, bis der eingedmngenc Fremdkörper von diesen Dirnen
sionen entfernt werden kann. Da der Fall an sich nicht so lieftij
war, dass er eine Üominotio cerebri hervorrufen konnte — da:
Kind wäre sonst wohl auch sofort bewusstlos gewesen — so is,
wohl anzunehmen, dass der so tief in das Orbitalgewebe einge
drungene Splitter durch Reizung des Bulbus und Opticus die
Cerebralerseheinungen hervorrief. Ob ein möglichst schnellet
Entfernen des Splitters die Functionsfähigkeit des betroffener
Auges erhalten, resp. wieder erweckt, hätte, möchte ich jetzt nicht
mehr entscheiden, ganz ausgeschlossen erscheint mir diese Mög
liehkeit aber nicht. Immerhin muss am ersten und in den ersten
Tagen der Fall doch sehr zur Deutung aufgefordert haben bei den
Ernste und der Schwere der Erscheinungen: cerebrale Symptome
und Amaurose. Ob sieh nicht mit der Zeit doch noch schädliche
Folgen fiir das rechte Auge einstellen, bleibt abzuwarten, eir
Glückzufall ist es ja schon, dass sieh keine Pannphthalinie oder
noch Schlimmeres ausgebildet hat. Die Functionsbehinderung
der Muskeln ist wohl mit Ausnahme des durch den Splitter viel¬
leicht direct verletzten und nun in Narbeneontractur stehenden
Rectus inferior als Folge von reactiven Entzündungsvorgängen
aufzufassen.
Zum Schluss noch die Frage: Was würde das Ergehniss sein,
wenn die Eltern des Kindes gegen den zuerst zugezogenen Arzt
einen Entschädigungsanspruch stellen würden mit der Begrün¬
dung, dass ein derart grosser Splitter hätte gefunden werden
müssen ?
N o. II.
Digitized by
Gck igle
Casuistische Miscellaneen aus dem Gebiete der Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie.
Von R. K o s s in a n n in Berlin.
(Fortsetzung.)
III. Elytroclisis bei TJreter-Scheidenfistel.
lieber die Operation, von der ich in nachstehenden Zeilen
berichten will, lässt sich Fritsch“) folgendermaassen ver¬
nehmen :
„Ich möchte ... vor einer Operation warnen, die so nahe
liegt, dass sic doch noch Mancher versuchen könnte: das Ein-
schneiden einer Blasenscheidenfistel und die quere Obliteration
der Scheide unmittelbar darunter ... Ich habe diese Operation
wiederholt ausgeführt. Definitive Heilung ist u n -
m ö g 1 i c h.“ (Das Gesperrte ist auch im Original gesperrt.)
Mein Bericht wird zeigen, dass dieses Urtheii des aus¬
gezeichneten Gynäkologen allzu pessimistisch war.
Bei Frau St. hatte ich am 11. März 1897 eine Totalexstirpation
des carciuomatösen Uterus unter sehr erschwerenden Bedingungen
vorgeuommen. Die Portio war früher liereits amputirt worden;
das Corpus Uteri und eine linksseitige Ovarialeyste waren durch
überaus feste, ausgedehnte Adhaesiouen mit den Nachlmrorgancii
verbunden. Die Operation liess sich auf vaginalem Wege nicht
beendigen; erst vom Abdomen aus konnte auf der linken Seite
die Ligatur und Abtragung durchgeführt werden. Am vierten
Tage nach der Operation ging der Irin per vagiuam
ab, während gleichzeitig die Entleerung durch die Urethra etwas
vermindert, aber sonst normal war. Es liess sieh schon hieraus
mit annähernder Sicherheit die Existenz einer Urethereuscheideu-
fistel schliessen; Herr College N i t z e hatte daun am 3. April, nach
gutem Verlauf der Recouvalescenz, die Güte, festzustellen, dass
der linke Ureter nur 2—3 cm weit für die Sonde zugäugig war.
Nachdem die Operationswunde verheilt war, zeigte sich die
Ureterfistel ganz hochgezogen in völlig starrem Narbengewebe,
so dass in absehbarer Zeit keine der üblichen vaginalen Operations¬
methoden ausführbar gewesen wäre. Es erschien mir desshalb an
gezeigt, bevor ich mich zu der schwierigen und immerhin nicht un¬
gefährlichen Aufsuchung, Freilegung und Implantation des ver¬
letzten Ureters vom Abdomen aus oder gar zur Exstirpation der
linken Niere entschlösse, einen Versuch mit der von Fritsch
verurtlieilten Operation zu machen. Wider die Elytroclisis an
sieh lag insofern keine Indieation vor, als der Uterus ja fehlte und
die Patientin als ältere Wittwe gegen eine Beeinträchtigung der
sexuellen Fähigkeiten durch Verkürzung der Scheide kein Be¬
denken erhob.
Ich führte die Operation am 5. April in der Weise aus, dass ich
eine Blaseuscheidenfistel anlegte, die den Finger reichlich passireu
liess, den Fistel nt ud mit dem Thermokauter verschorfte, dann
eineu ringförmigen Schnitt nahe unter dieser Blaseuscheidenfistel
in die Vagina anlegte, von da aus die Scheidenschleimhaut nach
oben etwa 1 cm weit abscliülte uud die nach innen eingestülpte
Manschette sagittal vernähte. Diese Naht hielt nicht, und zwar,
wie sieli bei der Untersuchung herausstellte, weil sich die Blasen-
selieidenfistel spontan vollständig nieder geschlossen hatte. Es
wurde nun (am 11. April) die Blasenscheideufistel wieder eröffnet
und diesmal so vergrössert, dass sie bequem 2 Finger durchlieft*.
Dann wurde die erste Scheidennaht wieder geschlossen und zur
Sicherheit noch eine Mauschette von Scheideusclileimliaut nach
abwärts von der Unterlage lospräparirt und der Quere nach durch
Naht geschlossen. Der Erfolg war noch kein vollständig befriedi¬
gender, da immer etwas X T rin durch die Scheide abging: doch zeigte
sich, dass immerhin eiue erhebliche diaphragmatische Verengerung
der Scheide entstanden war. Die kleine uoch verbliebene Oeffnung
in diesem Diaphragma wurde am 27. April durch Anfrischung und
Naht vollends geschlossen. Am 7. Mai war die Wunde völlig ge¬
heilt.
Die Patientin hat sich mir in den 2 y 3 Jahren, die seit der
Operation verflossen sind, öfters und noch vor Kurzem vorgestellt:
sie hat niemals Urin durch die Scheide verloren, die Blase stets
in normaler Weise durch die Harnröhre entleeren können, auch ist
von irgend einer Schädigung der linken Niere uicht das Mindeste
wahrzunehmen, überhaupt äussert sie keinerlei Klagen über ihren
Gesundheitszustand. Bei der Untersuchung bemerkt man, dass
von den beiden Diaphragmen, die durch die Operation hergestellt
worden sind, das obere allein vollständig dicht geblieben ist.
während sieli in den unteren eine etwa für einen gewöhnlichen
Bleistift durchgängige Oeffnung befindet. Man würde also, wenn
irgend welche Veranlassung dazu vorläge, durch Vergrösseruug
dieser Oeffnung auch uoch eine für die Ausübung des Coitus aus¬
reichende Länge der Vagina ohne Nachtheil für die Operirte her-
steilen können. Offenbar ist der vollständige Schluss des am
ö. April gebildeten Diaphragmas erst erfolgt, nachdem es durch
Herstellung des darunterliegenden zweiten Diaphragmas eine Zeit
lang von dem in der Blase bestehenden Druck theilweise entlastet
war. Dieser Druck bestand natürlich nur iu dem Gewicht des in
der Kückenlage sich ansaimnelnden Harns; einer grösseren Span-
H \ Fritsch: Die Krankheiten der weiblichen Blase, in:
Handbuch der Gynäkologie, herausgegeben von J. Veit, Bd. II,
1897, S. 144.
Origiral frer 4
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
862
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
nung wurde durch einen Verweilkatheter nach Möglichkeit vor¬
gebeugt.
Die Begründung, mit welcher Fritsch (1. e.) uns von der
Unmöglichkeit des hier festgestellten Erfolges zu überzeugen
sucht, ist folgende. Er schreibt: „.. . jedesmal platzt die Ob¬
litera tion, oft unter starken Schmerzen später wieder auf. So¬
bald nämlich der Sphincter der Urethra wieder fungirt, presst
natürlich sowohl die Blase, als die Bauchpresse den Urin zur
stets offenen Pforte heraus aus der Blase in die Scheide. Der
Sphincter vesicae wird erst bei Ueberdruck eröffnet, wenn Blase
und Scheide enorm gefüllt sind. Dann aber entsteht starker
Harndrang, Beckenschmerzen, acute Hydronephrose.“
Es ist gewiss nicht unbedenklich, einer so hervorragenden
Autorität, wie F ritsch, selbst nur in einer minder wichtigen
Frage entgegenzutreten. Ich vermag aber nicht einzusehen,
warum der Sphincter — ich nehme an, Fr i t s c h hat nicht den
sehr zweifelhaften S. vesicae, sondern den quergestreiften S.
urethrae gemeint, der allein den Verschluss der Blase be¬
dingen dürfte — erst bei Ueberdruck eröffnet werden sollte.
Der S. urethrae kann zweifellos (darüber sind die Physiologen
wohl einig) willkürlich zur völligen Erschlaffung gebracht
werden, indem seine durch den Druck auf die Blasenwand be¬
wirkte reflectorische Erregung von einem besonderen im Gehirn
liegenden Centrum aus gehemmt wird.
Wie dieses physiologische Verhalten — die Fähigkeit der
Operirten, den Sphincter urethrae willkürlich zu öffnen — durch
die in Rede stehende Operation, also die Einschaltung eines
ampullenartigen Raumes zwischen Ureter und Blase, sollte be¬
einträchtigt werden können, ist aus F r i t s c h’s Worten nicht
zu entnehmen. Die von ihm geschilderten Symptome der Stran-
gurie erklären sich aber sofort, wenn man annimmt, dass bei der
Anlegung der Blasenscheidenfistel oder durch den Verweilkatheter
eine starke Cystitis hervorgerufen worden ist. Die Schmerz¬
haftigkeit der entzündeten Blasenschleimhaut kann reflectorisch
abnorme Contraction des Sphincter urethrae mit deren Folgen,
Ueberfiillung der Blase, Rückstauung des Urins und doppelseitige
Hydronephrose hervorrufen. Andererseits kann aber Ueberfül-
lung des verschlossenen Scheidenfundus mit Rückstauung in den
verletzten Ureter und eonsecutiver Hydronephrose sich auch so
erklären, dass die künstliche Blasenscheidenfistel sich spontan
wieder schliesst oder wenigstens ihre Ränder sich ventilklappen¬
artig übereinanderlegen, so dass der Urin aus dem Scheiden¬
fundus nicht in die Blase übertreten kann. In diesem Falle
wird die Ueberfüllung der Blase fehlen und die Hydronephrose
eine einseitige, aller uraemischen Erscheinungen entbehrende
sein.
Wenn man dieser letzteren Eventualität durch Anlegung
einer Blasenscheidenfistel von genügender Grösse, der ersterwähn¬
ten aber durch häufigen, rechtzeitigen Katheterismus bis zum
Verschwinden der Reizbarkeit der Blasenschleimhaut vorbeugt,
wird man, wie ich denke, mit der Elytroclisis eben so gute Re¬
sultate, wie ich, erzielen und Manchen viel schwereren Eingriff
vermeiden können.
IV. Rasches Wachsthum eines Cystoma ovarii glanduläre.
Es gilt als allgemeine Erfahrung, dass die Ovarialeystome
ziemlich langsam wachsen. Bekannt ist allerdings, dass bei
maligner Entartung sich dieses Wachsthum sehr beschleunigen
kann. Mir wurde jedoch am 12. Juni 1899 eine Patientin zu¬
geführt, bei welcher das Wachsthum eines, im histologischen
Sinne nicht malignen Tumors eine ganze Anzahl mehr oder
weniger sachverständiger Personen zu einer falschen Diagnose
verleitet hatte, weil es durchaus der Grössenzunahme der schwan¬
geren Gebärmutter entsprach.
Es handelte sich um ein Mädchen im 15. Lebensjahre, bei
welchem die Eltern eine beträchtliche Zunahme des Leibesum
langes wahrgenommen hatten. Das hatte sie veranlasst, den
I'hyslkus Ihres Kreises zu consultiren, und dieser hatte mit Be¬
stimmtheit eine Schwangerschaft im 6. Monat diagnosticirt. Die
Eltern hatten ln Folge dessen das Mädchen eindringlich befragt,
und dieses hatte schliesslich gestanden, dass es in der That vor
0 Monaten ungefähr in unlauteren Verkehr mit einem über 64 Jahre
alten Manne getreten war.
Auch Letzterer gestand die Thatsache zu und bewilligte ein
sehr ansehnliches Schweigegeld. Es wurden nun noch zu verschie¬
denen Zeiten innerhalb der nächsten Monate zwei Frauenärzte
befragt, und da auch diese jedesmal den Tumor entsprechend dem
Zeitpunkte des zugestandenen Coitus vergrössert fanden, bestä¬
tigten sie die Diagnose^des Kreisphvsikus, und das Mädchen wurde
Digitized by Go sie
schliesslich nach Berlin geschafft, um hier ihrer Entbindung ent¬
gegenzusehen. Es wurde eine Hebamme zugezogen, welche erste
Schädellage feststellte. Da schliesslich die vermeintlich Schwan¬
gere von Tag zu Tag sichtlich elender wurde, zogen die Eltern noch
einen praktischen Arzt in Berlin zu ltathe, und dieser stellte eine
allgemeine Verengerung des Beckens um 3 cm fest und rieth in
Anbetracht der daraus erwachsenden voraussichtlichen Schwierig
keit der Entbindung, noch einen Specialarzt zuzuziehen.
So gelangte die Patientin in meine Behandlung.
Obwohl ich Angesichts der ganzen Anamnese keinen Grund
hatte, an der so vielseitig bestätigten Diagnose der Scliw r anger
schaft zu zweifeln, üel mir doch sofort der durchaus vlrginelle
Zustand der Brüste der Patientin auf. Der bis zum Schwertfort
satz reichende Tumor liess allerdings einen grossen Theil auf der
linken und kleine Tlieile auf der rechten Seite erkennen, dagegen
war es unmöglich, Uteringeräusch oder Herztöne zu hören und
den von der Hebamme im Beckeneingang gefundenen Kopf dort
wiederzuündeu. Die Portio war verstrichen. — Im Uebrigen be¬
stand starkes Oedern, hochgradig kachektisches Aussehen, Puls
120—140.
Nachdem nuumehr der Verdacht, dass es sich gar nicht um
eine Schwangerschaft handele, in hohem Grade verstärkt war,
nahm ich keinen Anstand, im Eiuverständniss mit dem behan¬
delnden Arzte die Sondirung vorzuuehmeu, in der Erwägung,
dass eine etwa dadurch herbeigeführte Entbindung, wenn es sich
w ider Erwarten doch um eine Schwangerschaft handeln sollte, bei
der Enge des Beckens keineswegs verfrüht sein würde. Die Son
dirung, verbunden mit der Exploration per rectum, ergab, dass
das Cavum Uteri nur 0 cm maass und der Uterus retrovertirt
hinter dem Tumor lag.
Bei der nun vorgenoinmenen Operation zeigt sich nach Er¬
öffnung der Bauchhöhle etwas Ascitesflüssigkeit. Die Tumorwand
ist vielfach durch zarte Adhaesionen mit dem Peritoneum ver¬
bunden. Beim Durchreisseu bluten diese nicht unerheblich und
die dabei erüffueten Taschen entleeren jeweils ein kleines Quantum
Ascitesflüssigkeit. Der Tumor ist viel zu gross, um durch eine
nicht allzu grosse Bauchw uude in toto vorgewälzt zu werden. Er
wird daher angestochen, doch entleert er sich nicht, da sein Inhalt
vou geleeartiger Consistenz ist. Er muss daher ausgiebig ange-
schuitten und mit der Hand zum Theil ausgeräumt werden, ehe
er, unter Lösung der übrigen Adhaesionen, vor die Bauchw r unde
gebracht werden kann. Uebrigeus bleiben, wegen allzu fester Ver¬
wachsung zwischen Tumorwand und Peritoneum, einige Stückchen
der ersteren an Diinudarmschlingen zurück, w r ähreud umgekehrt
ein Fetzen Peritoneum von der vor dem rechten Ligamentum latum
liegenden Bauchfelltasche mit dem Tumor abgelöst wird, so dass
der Defect durch Naht geschlossen werden muss. Nachdem der
Tumor vor die Wunde gewälzt ist, zeigt es sich, dass es sich um
eine Entartung des linken Eierstocks handelt. Die linke Tube,
kolossal verlängert, läuft über einen beträchtlichen Theil des
Tumors hin: der aus ihr und dem Ligamentum latum bestehende
Stiel des Tumors hat eine halbe Achseudrehung erfahren. Er wird
unterbunden und durchtrennt, die Bauchwrnnde sodann durch
Naht geschlossen.
Die Iteconvalescenz wurde durch Complicatiou mit einem
Scharlachfleber etwas verzögert, doch heilte die Operationswunde
p. p. i. und die Kranke verliess am 24. Juli geheilt meine Klinik.
Der Tumor, ein richtiges Gallert- (oder Gelee-) Cystorn (Cystoma
glanduläre, Cystadenoma pseudomuciuosum), zeigte nirgends eine
Spur von carcinomatöser Entartung.
Er enthielt zahlreiche, sehr dünnwandige, mit weichgallert¬
igem Secret gefüllte sog. Tochtercysten. Wenn sich auch selbst¬
verständlich der Beginn der Erkrankung nicht feststellen lässt,
so ist es doch nicht zweifelhaft, dass der Tumor innerhalb etwa
drei oder vier Monaten von einer den Eltern überhaupt nicht auf¬
fälligen Grösse bis zu einem solchen Volumen herangewachsen ist,
dass er das Sternum erreichte und das Herz um etwa drei Finger
breit aus der normalen Lage nach oben verdrängte, auch eine nicht
unbeträchtliche Verdichtung der Lungen durch Compression ver¬
ursachte.
Am 23. September bereits musste an der Kranken eine zweite
Laparotomie ausgeführt werden, weil ein neuer Tumor fast die
Grösse des ersten erreicht hatte. Es war jetzt viel mehr Ascites
vorhanden als das erstemal; ausserdem aber auch wieder eine viel¬
fältig dem parietalen und visceralen Peritoneum adhaerente Ge¬
schwulst mit sehr brüchiger, scheinbar eine einfache
Blase bildender Wandung, gefüllt mit dünngallertigem Inhalt
Der rechte Eierstock war auch jetzt noch fast normal, nur wenig
mikrocystisch entartet. Dessgleichen zeigte sich au dem links¬
seitigen Operationsstumpf keine Spur eiuer Neubildung. Es
handelte sich also hiernach um eine jener Krankheitsformen, die
von W e r t h ! ) den Namen „Pseudomyxoma peritonei“ erhalten
haben. In unserem Falle war jede Möglichkeit, die überaus
brüchige Geschwmlst in toto herauszuschälen, wegen der z. Th.
sehr festen Adhaesionen ausgeschlossen. Mehrfach blieben Stücke
des parietalen, wie des visceralen, Peritoneums an dem Tumor
haften, so dass die Bauchfelldefecte durch die Naht geschlossen,
andererseits auch kleine Stückchen der Tumorwand zurückgelasseii
werden mussten. Immerhin aber liess sich doch zum bei Weitem
grössten Theile die durch Ascitesflüssigkeit von dem Bauchfell
getrennte, nur durch ganz zarte, spinngew r ebeartige, gofäss-
*) Werth: Pseudomyxoma peritonei. Zeltschr. f. Geb. u.
Gynäk., Bd. 24, S. 100.
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
368
führende Bindegewebsztige locker damit zusammenhängende
Cystenwand noch ganz leicht freilegen.
Pie ln der ersten Woche reichlich durch die Bauclinaht sich
durcliilrüngende Ascitesflüssigkeit störte diesmal etwas die prima
Intentio; doch erholte sich Pat. rasch. Als sie am 25. October
entlassen wurde, fühlte sie sich sehr kräftig; eine Resistenz war
nirgends im Abdomen nachweisbar, der Percussionsschall überall
tympanitisch. Am 30., also 5 Tage darauf, traten Symptome von
Parmocclusion ein. Am 4. November, also weitere 5 Tage darauf,
machten diese Symptome bereits eine neue Laparotomie als letzten
Versuch zur Rettung der Patientin erforderlich. Schon äusserlich
war wieder ein Tumor zu sehen. Nach Eröffnung der Bauchhöhle
stellte er sich ebenfalls als ein vielfach, jetzt überaus fest adhae-
rentes, bereits — schätzungsweise — 6—8 Liter haltendes Pseudo-
myxoma peritonei heraus. Sechs Stunden nach der Operation starb
die Patientin unter den Symptomen der Herzschwäche.
Carcinom konnte auch in dem Pseudomyxom nicht nachge¬
wiesen werden.
Das jugendliche Alter der Patientin (nach N e t z e 1 *) be¬
trafen 75 Proc. der Fälle von Pseudomyxoma Frauen von mehr
als 40 Jahren), das ungewöhnlich rasche Wachsthum des Primär¬
tumors und das in seiner Schnelligkeit einzig dastehende Wieder-
erscheinen und Wachsen des Pseudomyxoms machen diesen hall
schon klinisch interessant. Noch wichtiger aber erscheint er
mir für die Pathogenese des Pseudomyxoms. Auf die histo¬
logischen Details einzugehen behalte ich einem meiner Schüler
vor. Der makroskopische Befund jedoch lehrt bereits, dass die
von Vi r c h o w*), M e n n i g 4 ), Westermark und Anne l 5 )
vertretene Ansicht, nach der die gallertigen Massen durch eine
rnyxomatöse Degeneration des Peritoneums entstehen, hier sicher
unzulässig ist. Die völlige Gleichartigkeit mit dem Inhalt des
Primärtumors und die in weitester Ausdehnung selbständige
Wandung des secundären Tumors machen eine solche Erklärung
unmöglich.
Ebensowenig kann in unserem Falle von einer Entstehung
des Pseudomyxoms durch Metastase, d. h. durch „Implantation“
von Geschwulstzellen, wie Ols hausen 6 ) zuerst gemeint hat,
die Rede sein. Es ist wohl nach der oben gegebenen Beschreibung
mit grosser Sicherheit zu erkennen, dass eine entzündliche (viel¬
leicht nur durch die Stieltorsion entstandene) Verklebung und
Verwachsung der Tumorwand mit dem Peritoneum einzelne
Stücke der ersteren in den zum weiteren, Wachsthum erforder¬
lichen Ernährungszustand versetzt hat. Eine Wanderung von
Geschwulstpartikeln, die zu dem Begriff „Metastase“ wohl ge¬
hört, ist also nicht die Ursache des Recidivs gewesen. Ob eine
solche in anderen Fällen nachweislich zur Implantation und Ent¬
stehung des Pseudomyxoms geführt hat, muss ich dahingestellt
sein lassen.
Wenn nun in meinem Falle der secundäre Tumor eine, wie¬
wohl sehr brüchige, doch einheitliche, vielfach vom Peritoneum
ganz unabhängige Eigenwandung hatte, so erklärt sich das wohl
so, dass die kleinen Cysten in dem Maasse, wie sie sich ver¬
mehren, heranwachsen und pseudomucinös degeneriren, auch zum
Theil durch Zerstörung der Zwischenwände zusammenfliessen,
und so schliesslich eine grosse, zum Theil mit kleineren gefüllte
Cyste entsteht, ganz wie im primärem Tumor.
Betrachte ich min den weiteren Verlauf und den Befund bei
der dritten Operation, so scheint es mir ganz klar, dass der ge¬
wöhnliche Fortschritt der Krankheit zu immer ausgedehnteren
Verklebungen und Verwachsungen zwischen Tumorwand und
Bauchfell führt, da dies, wie der Ascites zeigt, sich im Zustand
starker katarrhalischer Reizung befindet. Dabei geht dann einer¬
seits das seröse Epithel des Bauchfells verloren, andererseits
wird die Tumorwand vom Bauchfell aus vollständig vasculari-
sirt und lässt sich von ilun auch im mikroskopischen Bilde nicht
mehr abgrenzen. Endlich tritt dazu die pseudomucinöse Degene¬
ration, die, so gut sie die inneren Scheidewände zerstört, auch
die histologisch gleichwerthige Aussenwand des Tumors angreifen
kann. Solche späte Stadien der Erkrankung sind es wohl meist
*) N e t z e 1 : Om Ovarialmyxom. Nord. med. Archiv, Bd. 17.
1880.
») Beinüch: Zur Casuistik der Ovarialtumoren. Charite-
Annalen I, 1874 und Mayer : Ueber Cystoma ovarii mit Ruptur,
ebenda V, 1880.
<) Mennig: Ueber rnyxomatöse Entartung des Bauchfells.
Dissert. Kiel, 1880.
5 ) Westermark und A n n e 1 : Ett fall af glandulär-
myxomatös Ovarialkystom. Hygiea; Festband 1890.
# ) Olshausen: Ueber Motastaseubildung bei gutartigen
Ovarialtumoren. Zeitschr. f. Geb. u. Gynäk., Bd. 9.
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gewesen, die einige Forscher ganz begreiflicher Weise veranlasst
haben, sie als eine vom Peritoneum ausgehende anzusehen.
(Schluss folgt)
Aus dem Röntgeninstitut von Dr. Albers-Schönberg und
Dr. R. Hahn in Hamburg.
Die Therapie des Lupus und der Hautkrankheiten
mittels Röntgenstrahlen.
Von Dr. R. Hahn und Dr. Albers-Schönberg.
(Schluss.)
Aus diesen 14 Krankengeschichten ist der gute und heilende
Einfluss der Röntgenstrahlen auf die ekzematös erkrankte Haut
zu ersehen. Nässende Ekzeme trockneten nach ein- bis vier¬
maliger Bestrahlung und blieben trocken, bei juckenden Ekzemen
blieb oft schon nach einmaliger Bestrahlung das lästige, oft Jahre
lang vorhanden gewesene Jucken dauernd fort. Ebenso wurden
die trockenen Ekzeme überaus günstig beeinflusst. Durchschnitt¬
lich nach der vierten Sitzung trat eine, geradezu auffallende Ver¬
änderung ein. Die bis dahin wie abgestorben aussehende Stelle
bekam ein frischeres Aussehen, als ob sie zu neuem Leben er¬
wacht sei, die Rhagaden waren verschwunden, die Fläche glatt,
etwas geröthet, Borken hatten sieh nicht wieder gebildet.
Kleinere Ekzemstellen waren nach wenigen Bestrahlungen be¬
reits geheilt und konnten unbehandelt bleiben, grössere bedurften
einer etwas längeren Bestrahlung. In allen Fällen, auch in den
hartnäckigsten, erreichten wir zunächst einen günstigen Erfolg.
Freilich war derselbe auch hier, wie beim Lupus, nicht immer
ein definitiver, da auch in den Ekzemfällen Recidive auftraten.
Hierbei machten wir dann die Beobachtung, dass die Wirkung
der X-Strahlen, je häufiger die Recidive wiederkehrten, ent¬
schieden geringer wurde. Das recidivirte Ekzem wurde nicht
mehr nach den allerersten Sitzungen sofort günstig beeinflusst,
sondern es bedurfte einiger Sitzungen mehr; die Recidive re-
agirten nicht mehr so prompt.
Dagegen vermochten eventuelle Medicamente, die vorher
absolut wirkungslos gewesen waren, wieder ihre Wirkung zu ent¬
falten und vollendeten die durch die Röntgenstrahlen eingeleitete
Regeneration, so dass also indirect doch eine gute Beeinflussung
der Bestrahlung constatirt werden konnte.
Uebereinstimmend gaben alle Patienten an, dass das Jucken
bereits nach den allerersten Sitzungen aufhörte und dauernd
fortblieb. Am auffallendsten war dies in dem Falle No. 7 des
Herrn A., der an einem Ekzema scroti litt, das ihm viele Nächte
hindurch während einer Reihe von Jahren die Nachtruhe geraubt
hatte. Dasselbe hatte bereits nach der ersten Bestrahlung an
Intensität verloren und war nach der dritten Bestrahlung ver¬
schwunden, um erst nach 4 V 2 Monaten mit dem Recidiv wieder
zu erscheinen. Auch das Recidiv wurde wieder durchaus günstig
beeinflusst.
Interessant war noch Fall 14, insofern nämlich wohl, als dass
das Ulcus cruris umgebende Ekzem und das Oedem abheilte, das
Ulcus selbst aber wenig beeinflusst wurde.
Einen definitiven Haarausfall haben wir nicht erlebt Ob¬
wohl in einigen Fällen der Schädel an den bestrahlten Partien
glatt wie eine Billardkugel war, kamen die Haare nach Aus¬
setzung der Behandlung in alter Stärke wieder.
Von anderen Hautkrankheiten haben wir behandelt:
15. Knabe A. Favus des Kopfes. Die ganze, etwa der Calotte
entsprechende Oberfläche des behaarten Kopfes ist von der Affec-
tton eingenommen.
Besteht seit 4 Jahren.
15 mal bestrahlt.
Nach 15 maliger Bestrahlung reactive Röthung der bestrahl¬
ten Partien. Unter zunehmender Reactlon lassen sich die Haare
21 Tage nach Beginn der Behandlung mühelos ansziehen.
Nach 3 y 2 Monaten wachsen die Haare wieder und sind überall
fest. Nach ca. 1 Jahr ist die Haut der bestrahlten Partien weich,
der normalen Haut ähnlicher, als die nicht behandelten Theile des
Kopfes, auch zeichnen sich die bestrahlten Partien durch reich¬
licheren Haarwuchs aus.
16. Lehrer Z„ 62 Jahre. Seit mehr als 30 Jahre bestehende,
immer wieder recidivirende Sycosis non parasitaria der Oberlippe,
die in Folge dessen etwas elephantiastisch verdickt Ist
Bereits nach 2 maliger Bestrahlung erscheint die Oberlippe
weniger dick, die Pusteln sind eingetrocknet. Nach 12 maliger Be¬
strahlung Reaction in Gestalt von Röthung der Oberlippe. Nach¬
dem die Reaction abgeheilt, ist auch die Sycosis verschwunden.
6 Wochen später stecknadelkopfgrosses Pustelchen auf der Ober¬
lippe, das elektrolytisch behandelt wird.
4*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 11.
304 MÜNCHENER MEDICINISOHE WO(’HENSCHRIFT.
4 Monate hindurch Alles hell, die Oberlippe von vollkommen
normaler Figuration, dann wieder pfennigstückgrosse Stelle unter
dem Septum, in derselben einzelne sleekuadelkopfgrosse Eiter-
knötclien. Nach einer energischen Pinselung, auch des Nasen-
iitnern, mit Tinct. jodi zunächst Alles heil.
Auch in diesem Falle zunächst eine vorzügliche Wirkung,
später aber wieder Recidiv, vom Naseninuern ausgehend, das aller¬
dings bis jetzt durch keine Eingriffe im Zaum gehalten werden
konnte.
17. und 18. 2 Fälle von Psoriasis vulgaris:
Knabe K.. 11 Jahre, seit II Jahren bestehende Psoriasis vulgaris
am rechten Ellenbogengeleuk von Handtellergrösse, links von
Markstückgrösse.
Nach 7 maliger Bestrahlung haben sich die breit aufliegenden
Schuppen gelöst und können abgehoben werden ohne jegliche
Blutung, nach 12 maliger Bestrahlung trat eine Excoriation der
bestrahlten Partie ein, die zunächst feucht, dann mit der Barde
lebe n’sclien Brandbinde (Wismutld behandelt wurde und schnell
abheilte.
4 Wochen nach der Heilung bildeten sich am Rande der Ex-
coriatiou frische bis linsengrosse Psoriasisflecken. Gleichzeitig be¬
gann eine Pigmentverschiebung vom Centrum der exeoriirt ge¬
wesenen Partie nach der Peripherie zu. die sich in den nächsten
Wochen vermehrte und erst nach 0 Wochen abzublassen begann.
Nach einem Jahr ist die bestrahlte Stelle selbst nicht reeidivirt.
wohl aber sind am Rande innerhalb der ephelidenartig piginen-
tirten Zone von Zeit zu Zeit kleine Herde von Psoriasisplaques auf¬
getreten. Die gelblich-braune Pigmentirung wesentlich zurück¬
gegangen, aber immer noch kenntlich.
Martha O.. 13 Jahre.
Leidet seit 2 Jahren an Psoriasis vulgaris der Ellenbogen¬
gegend und Kniegelenke über Patella. Nach 5 maliger Bestrahlung
stossen sich die Schuppen ohne Blutung ab, neue Schuppen bilden
sich nicht wieder. Dagegen tritt eine Pigmentirung in Gestalt von
gelben Flecken besonders am Rande der bestrahlten Partie auf.
Nach 11 maliger Bestrahlung Aussetzen der Behandlung. Nach
14 tägiger "Unterbrechung Beginn der Bestrahlung der Kniegelenke.
An einem Ellenbogen hat sich über dem Olekranon eine geröthete
Stelle gebildet, die leicht exeoriirt. Die Excoriatiou heilt in
8 Tagen unter Borsalbe. Nach 4 Wochen Kniegelenke geheilt. Am
Rande der bestrahlten Partien überall die schon mehrfach be¬
schriebenen Pigmentverschiebungen.
Die Erfolge bei diesen beiden Psoriasisfällen sind nicht
gerade sehr ermuthigend. Es besteht entschieden eine erhöhte
Disposition der psoriatischen Stellen zur Excoriation. Auch die
Pigment.Verschiebung scheint bei der Psoriasis eine stärkere zu
sein. Bei weiteren Versuchen müssen die Psoriasisfälle jedenfalls
mit äusserster Vorsicht behandelt werden. Auch eignet sich das
Verfahren ja nur für kleinere eircumscripte Stellen.
Als letzten möchten wir dann noch einen Fall mittheilen,
in dem die Röntgenstrahlen differentialdiagnostisch den Aus¬
schlag gaben.
19. Herr P. An der linken Seite der Nase, vom inneren Augen¬
winkel abwärts, ein groschengrosses Geschwür, dessen Ränder
wallartig aufgeworfen und zerfressen, dessen Grund mit spär¬
lichem Eiter bedeckt. Das Ulcus wurde von specialärzriieher Seite
und von einem pathologischen Anatomen für tuberculös erklärt.
Wir hegten Zweifel an der Diagnose Lupus, obwohl luetische
Infection stricte geleugnet und auch Jodkali in grösseren Dosen
vergeblich verordnet worden war. Ein Thierimpfversuch viel
negativ aus. Auf Wunsch des behandelnden Arztes Röntgen¬
bestrahlung.
Nach 8 maliger Bestrahlung keine Spur von Veränderung.
Nach nochmaliger Rücksprache mit dem behandelnden Arzte unter¬
zog derselbe den Herrn einer energischen Mercurialcur und nun¬
mehr heilte das seit Jahr und Tag bestehende und vielfach recidi-
vlrte Geschwüre innerhalb 14 Tagen vollkommen ab. Patient ent-
sann sich nun auch einer einige Jahre zurückliegenden extra¬
genitalen Infection.
Es wurde also bestätigt, was auch Kümmell schon betont
hat, dass die Röntgenstrahlen auf luetische Ulcerationen im
Gegensatz zu den lupösen keinen heilenden Einfluss ausüben.
Von allergrösster Wichtigkeit für die Erzielung guter Re¬
sultate ist ausser Erfahrung und Uebung eine gute und zuver¬
lässige Technik. Trotzdem widerholt auf diesen Punkt hin¬
gewiesen worden ist, begegnet man immer wieder der bedauer¬
lichen Thatsache, dass mit Hintansetzung aller Sachkenntnis
Besitzer von Röntgenapparaten Behandlungen, ja selbst Durch¬
leuchtungen zu diagnostischen Zwecken vornehmen, welche mit
schwere Verbrennungen und Schlimmeren enden.
Wer heutzutage bei der Abkürzung der Expositionszeit,
welche für Beckenaufnahmen z. B. zwischen 20 Secunden und
10 Minuten schwankt, in Folge längerer Bestrahlungen Ver¬
brennungen etc. erzielt, der thiite besser, sich mit der Röntgen¬
technik nicht zu beschäftigen. Bei sachgemässer Anwendung
der X-Strahlen können Schädigungen durch Verbrennungen etc.
bei diagnostischen Untersuchungen mit Sicherheit vermieden, bei
therapeutischen Bestrahlungen auf ein Minimum herabgemindert
worden.
Wenn K a p o s i sagt, wir bedienten uns bei der Röntgen¬
therapie eines Mittels, dessen Natur wir nicht kennen uud dessen
schädigende Nachwirkungen nicht mit Sicherheit vermieden
werden könnten, so steht dieses mit dem Thatsüchlichen nicht im
Einklang. Bei genauer Dosirung, und gerade diese lässt die
Röntgenbehandlung wie keine andere Methode zu, können wir
sehr wohl die schädigenden Momente vermeiden. Wer allerdings,
um einen zu reichlichen Haarwuchs vom Handrücken zu ent¬
fernen, letzteren dermassen bestrahlt, dass Gangraen entsteht,
der verfügt eben nicht über die erforderlichen Sachkenntnisse.
Seit Jahren in der Lage, mit Röntgenstrahlen zu arbeiten, habe
ich wiederholt in Folge Benutzung meiner Hände als Testobject
für die Strahlenintensität leichte Reactionen auf dem Hand¬
rücken gehabt mit dem unfreiwilligen Erfolg einer absoluten
Enthaarung des letzteren, mir eine schwerere Verbrennung zu¬
zuziehen, habt* ich mich indessen wohl gehütet.
Wer ferner, wie uns dieses bereits vorgekommen, die Be¬
handlung mit dem Röntgenapparat in die Hände von Schwestern
oder anderem Krankenpflegepersonal legt, kann sieh ebenfalls
nicht wundern, wenn er die unerwünschten Ereignisse
mit in den Kauf nehmen muss. Man überträgt doch auch der
Hebamme nicht die Anlegung der Zange. Bei der Röntgen¬
behandlung hat man vielfach völlig den richtigen Standpunkt
verloren. Es ist eben kein Senfpapier, das applicirt wird,
sondern ein eingreifendes Mittel, vergleichbar mit der Ilol-
lä n d e Eschen Heissluftkauterisation und anderem, das richtig
gebraucht, grossen Nutzen stiftet, falsch angewendet unter Um¬
ständen für Patient und Arzt schweren Nachtheil im Gefolge
haben kann.
Ein anderer iivs Gewicht fallender Punkt ist schliesslich der,
dass sowohl zu viel als auch zu wenig des Guten gethan werden
kann. In letzterem Falle wundert man sich, die gerühmten Re¬
sultate nicht zu beobachten und ist geneigt, die Methode zu unter¬
schätzen, während doch nur ungenügende Technik am Miss¬
erfolge Schuld war.
Um zunächst einen Grundfehler, der oft gemacht wird, zu
besprechen, so ist es falsch, in der Behandlung des Lupus und
anderer Hautkrankheiten so lange und so intensiv zu bestrahlen,
dass eine Excoriation resp. Dermatitis entsteht. Eine Dermatitis
darf absichtlich höchstens dann erzeugt werden, wenn es
sieh um kleine eircumscripte Krankheitsherde resp. Lupusknoten
handelt und auch in solchen Fällen würden wir es, schon allein
vom praktischen Standpunkte aus, vorziehen, elektrolytisch oder
nach der U n n a’schen Spickmethode zu verfahren. Die Röntgen¬
behandlung hat ihr Gebiet in der Behandlung grösserer Flächen,
nicht einzelner isolirt stehender Knötchen. Sollte wirklich bei
einem kleinen Herde je Dermatitis resp. Gangraen eintreten, so
hat man die Behandlung eben wegen der Kleinheit der Affection
doch viel mehr in der Hand als bei grossen flächenhaften Schä¬
digungen. In der Behandlung grosser Lupuspartien, um es zu
präcisiren, von ca. Einmarkstückgrösse an, soll jede Dermatitis
ängstlich vermieden werden, da sie für den Verlauf überflüssig,
in vielen Fällen zwar unschädlich, in vielen dagegen
geradezu schädlich sein kann. Die Dermatitis lässt sich
nach unseren Erfahrungen bei der nöthigen Vorsicht
vermeiden, wenn man genau auf die Zeichen der beginnenden
Reaction achtet. Nach einer gewissen Anzahl von Sitzungen
empfindet der Patient ein leichtes Jucken und Wärmegefühl
resp. ein leichtes Brennen. Dieses ist das erste Zeichen der be¬
ginnenden Reaction und in diesem Moment ist die Behandlung
auszusetzen.
Bei fortgesetzter Bestrahlung röthet 9ich das bestrahlte
Feld, worauf die Reaction eingetreten ist. Im Zeitpunkt der be¬
ginnenden Röthung muss die Bestrahlung unter allen Um¬
ständen ausgesetzt werden und zwar so lange, bis letztere völlig
abgezogen und weder Jucken noch Wärmegefühl mehr vorhanden
ist. Es wird bei diesem Verfahren die cumulative Wirkung in
Berücksichtigung gezogen, welche die Reaction noch einige Zeit
Ansteigen lässt. Ist rechtzeitig aufgehört, dann wird auch die
cumulative Wirkung nicht mehr zur Dermatitis führen. In
diesem Stadium fälschlich fortgesetzte Bestrahlung führt zur
Excoriation, Dermatitis, Gangraen u. s. w.
Von grösster Wichtigkeit sind ferner folgende Punkte:
1) Röhrenqualität; 2) Röhrenabstand; 3) Stromspannung des
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Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1900.
MÜNCHENER MED1CINISCHE WOCHENSCHRIFT.
iiidueirten Stromes; 4) Zahl der Unterbrechungen; ö) Dauer der
Sitzungen; ß) Schutzvorkehrungen.
Zur Behandlung kann man sowohl sogenannte weiche
(contrastreiche) wie harte (eontrastsehwaehe) Köhren benutzen.
Die letzteren sind wesentlich wirksamer auf die Haut als die
ersteren, was sich daraus ohne Weiteres erklärt, dass sie Strahlen
grösserer Intensität produeireu. Am zweck in lässigsten verwendet
man gute, neue Köhren, welche bezüglich ihrer Intensität etwa
für Keckennufnahmen ausreichen. Die Köhre muss absolut
stellen, d. h. gleichmüssig und ohne auszusetzen arbeiten. Alte,
abgenutzte, für die Röntgenographie bereits untaugliche Köhren
sollten zur Behandlung nicht benutzt werden.
Ein Nachtheil dieser Köhren bestellt darin, dass sie im Ge¬
brauch schnell hart werden, man thut daher gut, Köhren mit
Kegulirvorrichtung zu nehmen.
Letztere ermöglichen die Herstellung des erforderlichen
Yaeiiiuns ohne besondere Mühe. Die Firma C. II. F. M üller
in Hamburg hat auf unsere Veranlassung eine Köhre hergestellt,
welche in Folge ihrer vorzüglichen Kegulirvorrichtung zu
Behandluugszwecken empfohlen werden kann.
Die Wahl des KöhrenabstaIldes von denn zu behandelnden
Körpertheil ist von ausserordentlicher Wichtigkeit. Je weiter
die Köhre entfernt wird, um so geringer wird die Wirkung.
Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass der Anfänger 25 bis
30 ein grosse Abstände, der Geübte 5 bis 25 cm vorziehen wird.
Bei nahem Abstand ist die Wirkung eine wesentlich sicherere,
schnellere und intensivere, es kommt daher hier besonders auf
genaue Beobachtung an, um den Zeitpunkt des Eintrittes der
Keaction nicht zu übersehen. Indessen möchten wir doch, um
sicherere und schnellere Resultate zu erzielen, die nahen Ab¬
stände besonders empfehlen. Die Rühre wird genau nach den¬
selben Prineipieii, wie bei der Röntgenographie eingestellt, d. h. der
Platinspiegel ungefähr parallel dem zu bestrahlenden Kürper-
theile. Als Stromquelle verwenden wir den von den Elektricitäts-
werken gelieferten Lichtstrom. Die der Primärrolle zugeführte
Stromstärke beträgt ca. 3—4 Ampere und 30 Volt.
Wir bedienen uns vorwiegend eines Inductors von 30 cm,
bisweilen eines solchen von 40 cm Funkenlänge. Bei der An¬
schaffung eines neuen Behandlungsapparates würden wir einem
40 cm- event. auch 50 cm-Apparat den Vorzug geben. Jedoch
müsste ein solcher Apparat den höchsten Anforderungen gerecht
werden. *
Zunächst ist zu verlangen, dass er sowohl mit Iig-Motor
wie mit dom elektrolytischen Unterbrecher dauernd seine volle aus¬
bedungene Funkenlänge gibt, wobei der Fabrikant den jeweiligen
Stromansebluss (Lichtleitung oder Accuinulatoren) zu berück¬
sichtigen hat. Ein solcher Inductor muss einer ausserordent¬
lichen, stundenlangen täglichen Beanspruchung gewachsen sein.
Die Dauer der Einzelbenutzung wird |§ Stunde kaum über¬
schreiten. Der Hg-Motorunterbrecher darf ebenfalls an Stabi¬
lität dem Inductor wegen der grossen Beanspruchung nicht
nachstehen, wichtig ist ein möglichst geräuschloser Gang. Sehr
zweckmässig und für die Mobilität der Behandlungsapparate
von Bedeutung dürfte die Anordnung aller Einzelapparate auf
einem fahrbaren Tisch sein. Man kann alsdann von allen Seiten
bequem an den Patienten herankommen, ferner kann man die
Behandlung bald in diesem, bald in jenem Zimmer, event. auch
im Hause des Kranken vornehmen.
Als Unterbrecher dient uns der gewöhnliche Hg-Motorunter¬
brecher mit einer Unterbrechungszahl von ca. 35—50 Touren in
der Secunde.
An dieser Stelle ist auf den neuen elektrolytischen Unter¬
brecher von W e h n e 11 hinzuweisen, welcher unseres Erachtens
berufen sein wird, später eine Rolle in der Behandlung zu spielen.
Für das erste ist die erforderliche Röhre, welche den Wirkungen
des genannten Unterbrechers dauernd Stand hält, noch nicht
construirt worden, immerhin sind wir in der Lage, durch Ver¬
suche an der eigenen Person eine sehr erhebliche Steigerung
der Einwirkung auf die Haut constatiren zu können.
Die Dauer der täglichen Sitzungen bemessen wir verschieden.
Im Beginn, d. h. den ersten und zweiten Tag, wird im Allgemeinen
nicht länger als 10 Minuten bestrahlt, um eine event. gesteigerte
Empfindlichkeit des Patienten nicht unberücksichtigt zu lassen.
Verhält sich die Haut nach diesen Probeversuchen normal, so
verlängern wir die Sitzungen auf 20 Minuten bis zu % Stunde.
Dieses ist die höchst zulässig«- Dauer der Einzelsitzung, längere
Sitzungen sind absolut zu vermeiden.
Die Gesammfzeit der Behandlung ist entsprechend den zu
behandelnden Krankheiten eine verschiedene. Am längsten
muss, wie dies in der Natur der Sache liegt, der Lupus behandelt
werden. Fis dürften unter allen Umständen Monate erforderlich
sein, wobei die Pausen bei oingetretener Keaction mitzurechnen
sind. Eine kurze Behandlung verlangen die Ekzeme, 12—20
Sitzungen werden vielfach vollständig genügen. Gerade bei den
Ekzemen muss vor dein Zuviel gewarnt werden und auch hier
dürften Pausen einzuschalten sein (event. empfehlen sich nur ein
um den anderen Tag vorgcnonimene Behandlungen). Bei zwei
juckenden Ekzemen s. o. bessorte sieh das Jucken bereits nach
einmaliger viertelstündiger Bestrahlung bei 20 em Abstand und
»erscbwand völlig nach einigen weiteren Sitzungen.
Bei der Restralilung von Psoriasis wird man, was hier bei¬
läufig bemerkr werden mag, die Beobachtung machen, dass schon
nach ca. viermaliger Bestrahlung die Schuppen, ohne zu bluten,
sich leicht abheben lassen. Ist dieses der lall, dann empfiehlt
sich eine Pause, da gerade die psoriasiskrankc Haut besonders zu
Excoriation unter Röntgenbestrahlung neigt. Die bei dieser Be¬
handlungsweise nothwemlig werdenden Pausen verwendet man
am besten zur Application von Lanolin- oder Vaselin verbänden,
die nach 24 Stunden durch Amylum- oder Lycopodium-Streu-
pulvervcrbiinde ersetzt werden. Die genannten Salbenverbände
erleichtern in vielen Fällen die Röntgenbehandlung vermöge ihrer
die Haut erweichenden Wirkung wesentlich.
Die sorgfältige Abdeckung der nicht zu bestrahlenden
Partien, eine eigentlich selbstverständliche Vorsicht, wird nicht
selten zum Schaden des Patienten ausser Acht gelassen. Die
Folge davon ist Keaction, Dermatitis, Defluviuin capillitii am
falschen Ort. Wir bedienen uns z. B. bei Bestrahlungen des
Armes eines senkn-cht stehenden, mit mehrfachen Lagen
Stanniol beklebten Pappsehiraios, unter welchem der Arm des
Patienten durehgeschoben wird, die übrigen Theile des Patienten
sind also vollständig vor der Strahlenwirkung geschützt. Auf
den Arm wird ein zweites der Form desselben angepasstes Stanniol-
Pappschild aufgelegt, aus welchem entsprechend der Grösse der
Affeetion ein Loch ausgeschnitten ist. Bei Bestrahlungen des
Kopfes rosp. Gesichts kommen grosse Stanniolpappmasken oder
Bleischilder zur Anwendung. Letztere überragen weit nach oben
die Stirn und bilden dadurch eine Art Kappe zum Schutze der
Haare. Brust und Hals sind ebenfalls durch Pappschilder
gedeckt.
Die Herstellung dieser Masken, welche ein Buchbinder nach
Maass für jeden Patienten extra anfertigt, ist äusserst einfach
und billig.
Vielfach kommen auch Maskenschilder aus dünnem Blei zur
Verwendung; wir haben dieselben wegen der Schwere und der
Wärme, namentlich im Sommer, bisher wenige r zur Anwendung
gebracht. Es ist uns bis jetzt noch keinmal eine reactive
Röthung u. s. w. einer durch Stanniol-Pappe-Schutzvorrichtung
gedeckten Stelle zur Beobachtung gekommen, was um so ver¬
wunderlicher ist, als die Röntgenstrahlen bei Controle mittels
des Bainumplatincyanürschirms die mit Stanniol gedeckte Pappe
in nur unwesentlichem Grade abgeschwächt durchdringen. Viel¬
leicht dürfte dieses Phänomen bei Erklärungsversuchen der Haut-
einwirkungen der Strahlen mit in Betracht zu ziehen sein.
Die Lösung dieser und anderer Fragen in dem noch vielfach
völlig dunklen Gebiete der physiologischen Wirkungen der
Röntgenstrahlen wird erst nach Beibringung einer sorgfältig
zusammengetragenen (’asuistik, wie solche durch die von der
Redaetioii der „Fortschritte auf dem Gebiete der Rüntgen-
strahlen“ begonnenen Sannnelforschung angestrebt wird, er¬
wartet werden können.
Schlussfolgerung e n.
1. W i r besitz e n i n d e n R 5 n t. g e n s t r a h 1 c n
ein Mittel, w e 1 c h e s auf Lupus u n d n u d c r c
II a u t k r a n k h c i t e n sic li e r u n d g ü n s t i g wirk t.
2. Es beseitigt absolut sicher das den Lupus
b e g 1 ei t e n <1 e E k z c m u n d d i e d u r e h d e n s e 1 b e n
entstandenen e1ep ha n t i a s tis c h e n Verdick-
u n g e n u u <1 e i g n e t sich i n F o 1 g e dessen
3. z u r F 1 ii c h o n b e h a n d 1 u n g und Behand¬
lung grössere r Partie n.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
366
No. 11.
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
4. R e c i d i v c sind bei dieser Methode eben-
so wenig ausgeschlossen wie bei jeder anderen
Behandlungsmethode.
5. Die Behandlung mit Röntgenstrahlen
s e h 1 i e s s t durchaus nicht andere Bella n d -
1 u n g s in c t h o d e n aus, sie ergänzt viel m ehr die
letzteren oder lässt sieh zweckmässig mit
i li n e n e o m b i n i r e n.
6. Was vom Lupus gesagt ist, gilt in erste r
Linie a u e h v o m E k z e m, f e r n e r v o ti einer Reiht
n o e li näher bezüglich dieses Punktes zu stu-
d i r e n d e r Hautkrankheiten.
7. B e i geeigneter I) o s i r u n g und genügen¬
der technischer Fertigkeit kann man s c h ä d -
liehe Nebenwirkungen wie z. B. I) e r m a t i t i s,
E x e <i r i a t i o n e n , Gangraen u. s. w. sicher v e r -
m ei d e n.
Dr. Ottmar Hofmann f.
Warmen Sonnenschein und milde Lüfte sandte die vom
Winterschlaf wiedererwachendc Natur auf das Grab eines ihrer
liebsten Söhne, eines ihrer begeistertsten Verehrer. Begleitet von
seinen tief trauernden Freunden, College» und Amtsgenossen
wurden die sterblichen Ueberreste des am 22. Februar verlebten
Regierungs- und Kreismedicinalrathes I)r. O ttmar Hof-
m a n n der Mutter Erde wieder übergeben, auf welcher er bis zu
seinem 65. Lebensjahre gerne gelebt und segensreich gewirkt
hatte. Ein Menschenleben hat hiermit seinen würdigen Abschluss
gefunden, welches werth ist, in seinen einzelnen Momenten näher
betrachtet zu werden, den Ueberlebenden zum Tröste und freund¬
schaftlichen Gedenken, der heranwaehsenden Generation zum
leuchtenden Beispiele ehernen Fleisses und seltener Berufstreue.
Der Verlebte war Arzt und Naturforscher; nach beiden Rich¬
tungen hat er sich grosse Verdienste erworben. Sein Leben als
Naturforscher wird auf einem anderen Blatte beschrieben werden.
Hier soll vorwiegend der Arzt geschildert werden, wie er seit
nunmehr 4 Decennien unter uns gelebt und gewirkt hat.
Ottmar II o f m a n n war geboren zu Frankfurt a. M.
am 20. September 1835 als der ältere Sohn eines Beamten der
fürstlich Thum und Taxis’schcn Reichspostverwaltung. Nach
deren Ablösung wurde sein Vater als Rechnungsrath zur fürst¬
lichen Verwaltung nach Regensburg versetzt, wo sieh der talen-
tirte Knabe bald zum hoffnungsvollen Jüngling entwickelte. Das
Gymnasium zu Regensburg wurde von dem fleissigen Schüler mit
bestem Erfolge im Jahre 1853 absolvirt, und dann die Universität
Erlangen zum Studium der Medicin bezogen. Schon als Knabe
entwickelte sich in II o f m a n n eine ausgesprochene Neigung
zu den Naturwissenschaften, speciell zur Entomologie, angeregt
durch die gleiche Neigung seines Vaters, welchen er und sein
jüngerer Bruder auf den Wanderungen durch die schöne Um¬
gebung Regensburgs begleiteten, soweit es Zeit und Studium
erlaubten. Mächtig gefördert wurde diese Neigung durch den
Verkehr mit dem berühmten Entomologen Dr. Herr ich -
Schäffer, welcher belehrend und aneifemd auf die jungen
Forseher einwirkte und nicht wenig zur späteren Lebensrichtung
unseres Hofmann beigetragen hat. Sein Eifer im Studium
machte ihn bald zum Liebling seiner Lehrer in Erlangen. Die
Vertreter der naturwissenschaflichen Fächer, Will, Schniz-
lein, Rosenhauer, wurden auf den strebsamen Jüngling
aufmerksam und zogen ihn zu ihren speciellen Arbeiten herbei,
neben welchen er jedoch das Hauptstudium, die Medicin, in keiner
Weise vernachlässigte, sondern mit dem ihm angeborenen Fleisse
und Wissensdurst eifrigst verfolgte. Seine Lehrer G e r 1 a c h,
Dietrich, Th i e r s c h , lernten den liebenswürdigen Schüler
hochschätzen, der neben einem ernsten Studium immer noch Zeit
fand, einem fröhlichen Studentenleben im Corps Bavaria nicht
ferne zu bleiben. Nach rühmlich bestandenen Prüfungen brachte
Hofmann auch das damals erforderliche Biennium praeti-
ruin in Erlangen zu, während welcher Zeit er sich auch in den
naturwissenschaftlichen Fächern weiter ausbildete und von Prof.
Will als Assistent der vergleichenden Anatomie verwendet
wurde. Im Jahre 1859 absolvirte Hofmann auch das Physi-
katsexamen, wie es bei seinem Fleisse nicht anders zu erwarten
war, mit der ersten Note, und promovirte zum Doctor medicinae
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mit einer naturwissenschaftlichen Dissertation: „Ueber die
Naturgeschichte der Psychiden“. Von der k. Staatsregierung
mit einem Reisestipendium bedacht, besuchte Hofmann im
Jahre 1860 die Hochschulen in Berlin, Prag und Wien, überall
neben seinem Fachstudium die sich ihm bietende Gelegenheit zur
weiteren Ausbildung in seinem Lieblingsfache, der Entomologie,
benützend.
Wir haben an unserem verlebten Freunde einen sprechenden
Beweis von der segensreichen Wirkung eingehender Beschäfti¬
gung mit der Mutter Natur und ihren Werken auf den ganzen
Menschen, wie speciell auf den Arzt. Das eifrige Studium der
Naturwissenschaften oder eines Zweiges derselben veredelt den
Charakter, schärft die Sinne und das Beobaehtungsvermögen und
gibt dem ganzen Geistesleben eine mehr ideale Richtung, dein
Urtheil Klarheit, dem Forschersinne das Streben nach Wahr¬
heit, lauter Eigenschaften, welche den damit Begabten gewiss
auch zum tüchtigen, rationellen Arzte befähigen müssen. LTiul
alle diese Eigenschaften haben wir in unserem H o f m a n n in
schönster Harmonie vereinigt gefunden. Er hat als Natur¬
forscher im In- und Auslande einen wohlverdienten Ruf erlangt ;
er hat auch als Arzt sowohl in den schweren Jahren praktischer
Thätigkeit auf dem Lande wie in seinen amtlichen Stellungen
Hervorragendes geleistet und damit gezeigt, wie bei ungewöhn¬
lichem Fleiss und Ausdauer sich auf beiden Gebieten Grosses
erreichen lässt, auf dem Gebiete der Beobachtung der Natur und
ihrer Werke einerseits, wie auf dem Gebiete des Studiums der
menschlichen Natur, ihrer Gesundheit und ihrer krankhaften
Veränderungen.
Seine ärztliche Thätigkeit begann Hofmann in Regens¬
burg, von wo er bald seitens der k. Regierung zur Verwesung der
ärztlichen Stelle in Kastei in der Oberpfalz beordert wurde.
Dort musste er eine Infectionskrankheit, den AbdomLnaltyphus
durchmachen, eine Krankheit, gegen welche er später als Amts¬
arzt oft und erfolgreich anzukämpfen Gelegenheit hatte. Nach¬
dem er noch eine Zeit lang das Physikat in Neunburg v. W. ver¬
west hatte, liess er sich 1862 als praktischer und Hüttenarzt in
Bodenwöhr nieder, woselbst er auch seine Familie gründete,
welcher er zeitlebends ein treubesorgter Vater gewesen ist. Auch in
Bodenwöhr brachte er den klimatischen Verhältnissen sein Opfer,
indem er an Intermittens erkrankte. Im Jahre 1864 siedelte er
nach Marktsteft in Unterfranken über, wo er in angestrengter
praktischer Thätigkeit, geliebt von der Bevölkerung, bis zum
Jahre 1873 segensreich wirkte, und einen tiefen Einblick in die
schwierigen Verhältnisse des ärztlichen Standes thun konnte,
welcher ihm für seine spätere amtliche Thätigkeit von hohem
Werthe gewesen ist.
Im Jahre 1873 berief ihn die k. Staatsregierung als Bezirks¬
arzt nach Obernburg, und schon 2 Jahre später nach Würzburg,
und bewies er auch in den vielen Jahren seiner amtlichen Thätig¬
keit seine ausserordentliche Befähigung, seine unermüdete
Arbeitskraft, seinen klaren Blick für die hygienischen Bedürf¬
nisse der ihm zugewiesenen Amtsbezirke.
In Würzburg hatte Hofmann reichlich Gelegenheit,
seinen durch die Naturstudien geschärften praktischen Sinn auf
dem weiten Gebiete der Hygiene bestens zu bethätigen. Von der
IJeberzeugung ausgehend, dass zur Bekämpfung der Volkskrank¬
heiten in erster Linie deren genaue Kenntniss nach ihrem zeit¬
lichen und räumlichen Auftreten nöthig sei, führte er in der
Stadt Würzburg eine regelmässige, erschöpfende medicinisrhe
Statistik ein, welche noch heute, getreu nach dem treffliehen
Muster, fortgeführt wird. Die Jahrgänge 1871—1875 sind in
den Verhandlungen der physikaliseh-mediciiiischen Gesellschaft
gedruckt erschienen. Weiters veranlasste er Beobachtungen des
Grundwassers, der Bodentemperatur, der Niederschlagsmengen
u. dergl., welchen Arbeiten er sich mit grosser Gewissenhaftigkeit
und bedeutendem Zeitaufwand zum Theil selbst unterzog. Die
Höhe der Kindersterblichkeit in Würzburg veranlassten ihn, eine
regelmässige Milchcontrole einzuführen. Auch die animale
Impfung wurde von Hofmann eingeführt und nicht mehr ver¬
lassen. Grosse Aufmerksamkeit widmete er den WohnungsVer¬
hältnissen in den vielen engen, luft- und lichtarmen Strassen
und alten Häusern und brachte möglichste Erweiterung der
ersteren, Entwässerung und Reinigung des Bodens, Herstellung
spülbarer Canäle, allgemeine Einführung der Wasserolosets in
Anregung. Auch eine sorgfältige Ueberwachung der Kostkinder
wurde eingeführt. Nur 4 J ahre blieb Hofmann in dieser Stel-
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
367
13. Marz 1900.
MÜNGHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
lung, hat aber in der kurzen Zeit so viel Segensreiches für die
Stadt geleistet, dass er heute noch dort in bestem Andenken steht
und sein Ableben tief beklagt wird. Die k. Staatsregierung er¬
kannte die vorzügliche Befähigung des Würzburger Bezirksarztes
zur amtlichen Thätigkeit, und berief ihn schon im Jahre 1881
auf die, durch die Pensionirung des Medicinalrathes Dr. Hassel-
w a n d e r erledigte Stelle eines Kreismedicinalrathes der Ober¬
pfalz, welche Stelle er bis zu seinem Tode in der vorzüglichsten
Weise verwaltete. Auch hier bot sich seinen hygienischen Be¬
strebungen ein noch viel grösseres Feld segensreicher Thätigkeit,
und was er in den 19 Jahren seiner angestrengten Wirksamkeit
im Regierungsbezirke Oberpfalz alles geleistet, das aufzuzählen
würde den Rahmen dieser Zeilen weit überschreiten.
Den schönsten Beweis für seine allgemeine Beliebtheit bot
die grosse Trauer bei seinem Hinscheiden, die herrlichen Worte
des Nachrufes, welchen ihm der k. Regierungspräsident Lutz
am Grabe widmete. Er war für alle Aerzte des Kreises ein hilfs¬
bereiter, wohlwollender Berather, die amtlichen Aerzte konnten
sich keinen besseren Vorgesetzten wünschen, und seine Erfah¬
rungen über die Mühen und Lasten des ärztlichen Berufes,
namentlich auf dem Lande, verliehen ihm warme werkthätige
Theilnahme für alle Klagen der Aerzte, ein gefühlvolles Herz für
die Bestrebungen der ärztlichen Standesvertretungen nach He¬
bung des ärztlichen Standes, Verbesserung seiner materiellen
und socialen Stellung. Reiche Gelegenheit hiezu war ihm ge¬
boten durch seine Stellung als Vorsitzender des ärztlichen Be¬
zirksvereines für Regensburg und Umgebung, welche er vom
Jahre 1881 bis zu seinem Tode bekleidete. Allen dort verhandel¬
ten Fragen hat er stets reges Interesse und warme Theilnahme
.entgegengebracht und das ärztliche Vereinsleben nicht nur in
Regensburg, sondern auch im Kreise möglichst zu fördern ge¬
wusst durch die Veranstaltung jährlicher Kreisversammlungen
der oberpfälzischen Aerzte, woselbst er manchen interessanten
Vortrag hielt und für jeden Collegen ein offenes Ohr hatte. Auch
den jährlichen Zusammenkünften der Aerztekanmier wohnte
Ho f m a n n als Regierungseommissär mit grossem Interesse
bei, und unterstützte die Verhandlungen durch seine reiche Er¬
fahrung und seinen trefflichen Rath. Aber der ärztliche Verein
war nicht der einzige, der den fleissigen, bewährten Mann mit dem
klaren Blick, dem ruhigen Wesen und dem liebenswürdigen
Charakter an seine Spitze stellte. Der naturwissenschaftliche
Verein, die botanische Gesellschaft, der Gartenbauverein sahen
in dem berühmten Naturforscher ihren selbstverständlichen
Führer. Der Verein für Feriencolonien hat den bewährten
Hygieniker seit seiner Gründung an seine Spitze gestellt. Fast
war es zu viel der Arbeit für den gewissenhaften Beamten, der
dabei auf seinem erwählten Specialgebiete der Naturforschung
unermüdlich thätig blieb, und seinem Namen eine im In- und
Auslande weit verbreitete Berühmtheit erwarb. Selbst auf seinen
Dienstreisen im Kreise, wenn der Tag mit angestrengter amt¬
licher Arbeit reichlich ausgefüllt war, wusste der Unermüdliche
noch einige Stunden für die Durchforschung der Umgebung nach
seinen Lieblingen zu erübrigen. In seiner Stellung als Medicinal-
beamter des Kreises waren es vorwiegend hygienische Arbeiten,
die er mit Vorliebe förderte. Eine Morbiditätsstatistik der In-
fectionskrankheiten wurde mehrere Jahre von den Aerzten des
ganzen Kreises auf seine Anregung hin bearbeitet, worüber er
zusammenstellende Berichte lieferte. Die örtlichen Gesundheits¬
verhältnisse Regensburgs fanden in ihm einen eifrigen Be¬
obachter, und alle auf ihre Verbesserung gerichteten Bestre¬
bungen einen warmen Förderer. Aus seinen vielen Arbeiten auf
diesem Gebiete möchte ich nur seine Abhandlung „Ueber Fluss¬
verunreinigung und Selbstreinigung der Flüsse“ hervorheben,
welche er gelegentlich der Frage über die Einleitung der Fäcalien
in die neue städtische Canalisation verfasst hat, und welche im
Jahresberichte des naturwissenschaftlichen Vereines veröffentlicht
wurde. Seine literarische Thätigkeit bewegte sich mehr auf
naturwissenschaftlichem Boden, speciell in der Entomologie,
worin er Grosses geleistet und weitgehendste Anerkennung ge¬
funden hat.
Ein reiches, mit Früchten der Arbeit gesegnetes Menschen¬
leben liegt abgeschlossen vor uns. Es war durchweht vom Geiste
aufopfernder Nächstenliebe, von seltener Berufstreue und echter,
stets hilfsbereiter Collegialität. Ein Mann ist von uns geschieden,
den Jeder, der mit ihm in irgend welche Berührung gekommen,
hochachten und lieben musste, ein Mann, auf welchen der ärzt¬
liche Stand stolz sein kann, welchen di^. Wissenschaft freudig
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inn, welcnen die 1
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als einen ihrer treuesten Jünger preist. Seine irdische Hülle
ruht in heimathlicher Erde; sein Geist aber wird fortleben unter
uns in seinen Werken und nach seinem edlen Vorbilde werden
die Zurück bleibenden sich bestreben, weiter zu arbeiteii auf dem
Gebiete der Naturwissenschaften sowohl wie im Kampfe um die
Interessen des vielgeprüften ärztlichen Standes. Er ruhe in
Frieden! Dr. Brauser.
Referate und Bücheranzeigen.
Kräpelin: Die psychiatrischen Aufgaben des Staates.
Verlag von G. Fischer in Jena. 1900. Preis 1 M.
Für die Psychiatrie ist nicht nur die einzelne Anstalt, son¬
dern auch die gesummte öffentliche Organisation des Irrenwesens
ein hochwichtiges Stück der Therapie. Jedem, der für psych¬
iatrische Fragen Interesse hat, muss ein sachverständiges Urtheil
über die staatliche Aufgabe in der Irrenfürsorge willkommen
sein. Der rege Beifall, der dem Vortrag K r ä p e 1 i n’s bei der
letzten Versammlung der südwestdeutschen Irrenärzte zu Theil
wurde und sich auch in der ausgedehnten Debatte wiederspiegelte,
wird sicher jetzt, nachdem die Ausführungen in erweiterter
Form der Oeffentlichkeit zugänglich geworden sind, ein lebhaftes
Echo finden. Die Grundzüge des Buches sind folgende:
Da die Geisteskranken eine Gefahr für die Gesellschaft dar¬
stellen und ihrerseits des weitestgehenden Schutzes bedürftig
sind, bildet das Irrenwesen eine öffentliche Angelegenheit. Der
Staat kann seine Fürsorge zunächst durch Verringerung der
Zahl der Erkrankungen bethätigen. Am wirksamsten wird in
dieser Hinsicht die Einschränkung des Alkoholmissbrauches sein,
der oft die Krankheitsursache von 25 Proc. der männlichen An¬
staltsaufnahmen bildet, der ferner eine degenerirte, idiotische
Nachkommenschaft der Trinker zur Folge hat und der auch in
der Form des Rausches ausserordentlich viel Conflicte hervorruft.
Bei den 640 673 Einwohnern des nördlichen Badens kamen 1898
nicht weniger als 119 Unglücksfälle und Strafthaten auf Grund
des Rausches vor, während nur 20 Fälle der Art (ausser Suicid)
wegen sonstiger Geistesstörungen festgestellt werden konnten.
Bedeutsam ist ferner der staatliche Kämpf gegen die Syphilis,
da wir in ihr die Ursache der Paralyse zu sehen haben.
Für die Versorgung der minder bemittelten Geisteskranken
sind, schon wegen der bei der Irrenbehandlung unumgänglichen
Einschränkung der persönlichen Freiheit, staatliche Anstalten
am zweckmässigsten; diese Fürsorge Privatunternehmern, auch
geistlichen Standes, zu überlassen, wie es vielfach noch geschieht,
ist unwürdig und gefährlich. An staatlichen Einrichtungen für
Epileptiker und Idioten fehlt es leider noch fast ganz; eine Folge
davon ist der Tiefstand der wissenschaftlichen Idiotenforschung.
Wenn auch Privatanstalten für bemittelte Patienten nicht zu
umgehen sind, sollte doch mit der Concessionirung weit strenger
verfahren werden als bisher, da nur in der Person eines erprobten,
zuverlässigen ärztlichen Leiters die Gewähr für befriedigende
Leistungen liegt. Da die Zahl der Geisteskranken, vor Allem
aber die Zahl der Anstaltsbedürftigen bei unseren modernen
Lebensverhältnissen schneller wächst als die Zahl der Bevölke¬
rung, können die bestehenden öffentlichen Anstalten dem An¬
drang gewöhnlich nicht genügen. Vor Allem ist für grössere
Plätze die Errichtung von Stadtasylen, die für plötzlich erkrankte
Irre leicht zugängliche Unterkunft bieten können, im höchsten
Grade nothwendig. Die Aufnahmeformalitäten sind fast durch¬
weg so verwickelt, dass zwischen Erkrankung und Eintritt in
sachgemässe Behandlung viel Zeit verstreicht und Wichtiges ver¬
säumt wird; in Folge dessen erreicht der Selbstmord von Geistes¬
kranken eine ausserordentlich hohe Ziffer. Der Gefahr einer
widerrechtlichen Freiheitsberaubung würde hinlänglich wirksam
durch Erschwerung des Festhaltens eines Kranken in der An¬
stalt vorgebeugt. Werthvoll ist in dieser Hinsicht eine bessere
Unterweisung der Staatsärzte in der Psychiatrie, ferner eine
nähere Bekanntschaft der Juristen mit der forensischen Psych¬
iatrie, vor Allem aber die regelmässige Ueberwachung der An¬
stalten von behördlicher Seite, jedoch unter Mitwirkung eines
erfahrenen Irrenarztes.
Schliesslich ist es Sache des Staates, die Pflege wissenschaft¬
licher Beobachtung und Erfahrung zu ermöglichen, in der wir
die feste Grundlage der ganzen Irrenfürsorge zu erkennen
haben. Die heute vielfach noch bestehende Personalunion von
Professor und Anstaltsdirector hemmt die Fortentwicklung der
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
308
No. 11.
MÜNCHENER MEDIOINLSCHK WOCHENSCHRIFT
wissenschaftlichen Psychiatrie, die am besten in selbständigen,
gut ausgesiattetou Kliniken gedeihen wird.
W eypandt - Würzburg.
Stabsarzt Lambertz: Die Entwicklung des mensch¬
lichen Knochengerüstes während des foetalen Lebens. Ham¬
burg. L. Gräfe & S i 11 e m , 1900. Preis 12 M.
Das vorliegende Heft — Ergänzungsheft I der bekannten
„Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen“ — ist der
Anfang von einem Atlas der normalen und patho¬
logischen Anatomie in typischen Röntgen-
b i 1 d e r n. Neue Thatsachen bringt der Text auf diesem so
viel durchforschten Gebiet begreiflicher Weise nicht; dagegen ist
die Sorgfalt und Genauigkeit rühmend anzuerkenneu, mit welcher
Verfasser jeden Knochen und jedes Knöchelchen von der ersten
Anlage au verfolgt. Das Wesentliche an dem Atlas sind die
photographischen Aufnahmen theils einzelner Gliedmassen, theils
ganzer Foeten. Was langathmige Beschreibungen nur schwer
deutlich machen können, lehrt ein Blick auf diese künstlerisch
ausgeführten Tafeln, welche — wie z. B. Tafel II, III, V und
VIII — durch glücklich gewählte Nebeneinanderstellungen sofort
die Entwicklungsphasen der Knochen der Extremitäten, de;
Brustkorbs u. s. w. veranschaulichen. Mit besonderer Sorgfalt
ist die Entwicklung des Felsenbeines mit dem Gehörapparat be¬
handelt, und gerade hieran ist der Werth des Atlasses zu Studien¬
zwecken zu ermessen. Mit wie grossem Vortheil der gerichtliche
Sachverständige das Werk verwerthen kann, braucht kaum be¬
sonders erörtert zu werden.
Von weiteren Heften sind zunächst in Vorbereitung:
J oaehimsthal, angeborene Verbildungen der oberen Ex¬
tremitäten; Jodlicka, topographische Anatomie des Ellbogens;
M. Schede, angeborene Luxation des Hüftgelenks; Schjer-
ni n g , Schussverletzungen; Sick, Entwicklung der unteren
Extremität nach der Geburt.
Wer mit mir die Bedeutung der Anatomie für den Arzt
weniger in der descriptiven, systematischen Behandlung sieht,
als darin, dass ihm stets das innere Gefüge der menschlichen
Maschine anschaulich vor Augen stehe, der wird mit Sympathie
das Erscheinen dieses Sammelwerkes verfolgen. An den kaum
mehr zu übertreffenden Bildern kann sicherlich ein Jeder seine
normal- wie pathologisch-anatomischen Vorstellungen eontroliren
und corrigiren. B u 11 e r s a c k - Berlin.
Salzmann: Durchschnitt durch das menschliche Auge.
2 farbige Tafeln in Folio mit Text. Breslau 1899. J. M. K e r n’s
Verlag, bildet das 18. lieft der rühmliehst bekannten Magnu s’-
seben augenärztlichen Unterrichtstafeln.
Die 1. Tafel: Horizontaldurchschnitt durch das normale er¬
wachsene Auge gibt ein gut übersichtliches, die anatomischen
\fnasse genau wiedergebendes Bild, doch vermisst man ungern
die Vasa vorticosa, auf welche ein Horizontalschnitt allerdings
nicht trifft. Bei der sehr schematischen Darstellung würde es
doch wohl angängig gewesen sein, sie einzuzeichnen. Die
2. Tafel, den Iriswinkel und seine Umgebung darstellend, eignet
sich für den Unterricht vorzüglich und gibt insbesondere gut die
Bündel der Zonulafasern. Seggel.
C. Cohn: Cursus der Zahnheilkunde. Ein Hilfsbuch für
Studirende und Zahnärzte. II. Auflage. Fischer’s medic.
Buchhandlung. Berlin 1900. Preis M. 13.50.
In sehr knapper, schöner Form wird, mit Berücksichtigung
aller neuen Erscheinungen und Forschungen, dem Leser des
Buches Alles geboten, was der Zahnarzt aus dem Gesammtgebiete
derMediein wissen soll: Histologie; normale, vergleichende, patho¬
logische Anatomie; Entwicklungsgeschichte; Physiologie; Arznei¬
mittellehre; Bacteriologie: allgemeine Chirurgie; Zahn- und
Mundkrankheiten. Die prägnante Zusammenfassung erleichtert
das Studium bedeutend und ist «las Buch gerade dcsshalb auch
als Repetitorium dem SUidirenden und Arzte bestens zu
empfehlen. B r uba c h e r.
Neueste Journalliteratur.
Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 9.
C. Hübscher- Hasel: Streckmetall, ein neues Schienen-
material, besonders für kriegschirurgische Zwecke.
II. empfiehlt das Streckmetall imeial dßplo.ve), ein seit
neuester Zeit in (1er Balltechnik viel benutztes, gitterförmig ge-
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stauztes Blech, zur Herstellung jeder Art von Schienen und Lage-;
rimgsvorbändcn, da es sieh sehr leicht der Quere nach rinnen
föimig biegen lässt lind sieh den Körperfonnen gut anpasst. -
Die Schienen können event. über die Kleider angelegt werden.
Für die untere Extremität schneidet mau in entsprechendem
Alistand vom unteren Ende auf je V.\ der Breite beiderseits ein
und bringt den so entstehenden Fusstheil rechtwinklig nach olien.
Besonders in Verbindung mit Gipsbrei gibt das Streckmetall sehr
feste Verbände. Mau legt über das gepolsterte Glied weitmaschige
Paekleiuwaml, darüber die den Körperfonnen naeh zurechtge-
sehnitteue und angeschmiegte Schiene, die von der Packleiinvalid
muh allen Richtungen überragt wird, so dass die nach oben um
geschlagenen Ränder auch aut ihrer Riickfläehe völlig gedeckt
sind. In die Maschen des Gitterbleches wird nun dickflüssiger
Gipsbrei eingerieben, auch die Ränder der Leinwand noch mit
cinbezogeii. Hei gutem Gips und heissem W asser mit etwas Alaun
ist der grösste Lagerungsverbniid. z. R. bei einer Wirbelsäule
Verletzung in wenigen Minuten fertigzustellen.
Als Nachtheil erwähnt H. nur, dass man sich leicht am Blech
schneidet, mau wird desshalb beim Schneiden desselben Leder¬
handschuhe auzieheu. Sehr.
Archiv für Gynäkologie. 1900. ÖO. Bd., 1. Heft.
1) W\ Va ssmer-Hannover: Heber einen Fall von Persistenz
der Gart ne r’schen Gänge in Uterus und Scheide mit cystissher
Erweiterung des in der linken Vaginalwand verlaufenden
Abschnittes des G a r t n e r’schen Ganges.
Bei einem 14 Tage p. p. verstorbenen Mädchen wurde der
rechte G a r t n e Esche Gang in der Uterusmuseulatur gefunden,
der linke wurde verfolgt vom Parametrium bis in die obere Partie
der Portio und dann, nach einer Unterbrechung, in der seitlichen
W'aml der Scheide Indien dem Seheideugewölbe bis zum uutereu
Drittel der Scheide, wo er blind endigte. Der Scheidenabschnitt dos
Ganges ist cystiscli entartet und zeigt neben ein- und zweischich¬
tigem Epithelbelag deutliche Inseln von typischem geschichteten
Prlasterepithel. V. gibt noch eine erschöpfende Literaturangabe.
2} Friedrich Schatz: Die Gefässverbindungen der Pia-
centakreisläufe eineiiger Zwillinge, ihre Entwicklung und
ihre Folgen. III. Die Acardii und ihre Verwandten, pl. Forts.»
Sch. bespricht die Entstehung von Aeurdie durch Verengung
der Allantoisvene (in früher Zeit) oder der Nabelschmirveue (in
späterer Zeit), ferner durch starke Asymmetrie des beiden Zwil¬
lingen gemeinsamen dritten Kreislaufes. Bei den Mcmincardii*
wird ein Tlieil des Gefässsystoms vom Blutstrom des gesunden
Zwillings oceuplrt und dieser eiiidringendo Blutstrom kam» durch
das Herz des überfallenen Zwillings hindurch in dess?u Verna,
ein treten.
3) Wilhelm P o n f i c k : Zur Anatomie der Placenta praevia.
(Aus dem pathologischen Institut zu Breslau.)
An den Obductionspräparateu von einer Kreissenden und
2 Frischentlmudencn fanden sieh eine Placeuta praevia totalis mal
2 Placentae praeviae laterales und diese beiden letzteren sassen mit
ihrem unteren Rande auf Cerviealsehleimbaut fest, waren also
sogen. „Orvicalplacenteu”. In der Literatur sind erst 2 solche
Fälle bekannt.
P. sagt: Jede Placeuta praevia ist eine riacenta cervicalis im
weitesten Sinne, entweder primär als Plac. cervicalis lateralis, oder
seeundär. indem eine Plac. praevia totalis in der zweiten Hälfte
der Schwangerschaft eine cervieale Ilaftfiäche erhält. Jedoch
braucht nicht jede Plac. cervicalis auch „praevia” zu sein, da sic
von der zweiten Schwangersehaftshälfte an sieh immer mehr nach
öl en verzieht und schliesslich aus dem Bereich des Halscalials
rücken kann und doch auf Schleimhaut desselben aufsitzt.
4) Ludwig Piek : Ueber die epit'ielialen Keime der Adeno-
myome des Uterus und ihre histologische Differentialdiagnose.
(Aus Prof. Landau*» Frauenklinik in Berlin.»
In den äussersten Muskellagen des Corpiisdorsum eines etwas
metritiscli vergrösserten Uterus fanden sieh eine kleine Anzahl Do
lirter und verstreuter Epithelbildungen, umschlossen von typischem
lyiuphadenoideu Stroma. Nach P. soll nun eine solche Hülle aus
cjtogenem Bindegewebe um ganz isolirt versprengte drüsige oder
eystIsche Epithelbildimgcn in der ITeruswand diese Epithel
bildimgen „zweifellos“ als Derivate der .M ii 11 e Eschen Gänge
charakterlsireu — gegenüber dem W o 1 f f scheu Gang, den C'anäl
eilen des \V o 1 f f*scheu Körpers oder Abkömmlingen des Keim¬
oder Bauchfellepithels. Doch bleiben auch damit noch „Falle
genug” genetisch indifferent, da einerseits cytogenes Bindegewebe
um Derivate der M ii 11 e r*schon Gänge nicht ausnahmslos vor¬
handen zu sein braucht, dagegen andererseits bei Urircivnrpitlieli« v
die Neigung zur Production des eytogenon Gewebes als Stroma
in gleichem Schritt wächst mit der Lebhaftigkeit der Drüsenver
mehrung. Dr. A. H onggo - München.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 9.
1) A. P r o k e s s - Ofen-Pest: Sectio caesarea in moribunda.
Lebendes Kind.
P. machte die Operation bei einer 25 jährigen 1. Para, die he
wusstlos in das Spital gebracht wurde. Das Kind, ein frühreifer,
lebender Knabe, wurde mittels fundalem Querschnitt nach
Fritsch entwickelt und blieb am Leben: die Mutter starb
8 Stunden nach der Operation. Die Sectiou ergab Sinusthroinbose.
Encoplialoinnlacie und Luiigeiioedein.
2) S n o g u i r e f f - Moskau: Weiterer Beitrag zur Anwen¬
dung von Rennthiersehnenfäden als Nabt- und Ligatarmaterial.
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
369
Die schon früher von S. empfohlenen Rennthiersehnenfäden
als resorbirbares Naht- und Ligaturmaterial (cf. das Referat in
d. Bl. 1899, No. 27, S. 1898) haben sich ihm seither ständig bewährt.
Von 150 Laparotomien, die damit behandelt wurden, verliefen 105
ohne Complication, 34 mit Temperatur Steigerungen und 11 letal. Zu
keinem der Fälle waren die Fäden Ausgangspunkt der Infection.
Die sonst nach Laparotomie häufig beobachteten Infiltrate und
Fisteln blieben aus. Als weitere Vorzüge des Materials nennt S.
seine Festigkeit, ferner die Verwendung grosser Mengen (bis zu
100) der Fäden in Folge ihrer vollkommenen Sterilisirbarkeit, end¬
lich das Fortfallen der Entfernung der Nähte. S. glaubt, dass erst
mit Einführung der Sehnenfädeu als Naht- und Ligaturmaterial
..das Ideal des aseptischen Principes in der Höhlenchirurgie er¬
reicht“ sei. (? Ref.)
3) F. \V a 1 z e r - Köln: Ueber Complication von Myom und
Schwangerschaf t
35 jährige Frau, die einmal abortirt hat, kam im 6. Monat der
Gravidität mit grossen Myomen in W.’s Behandlung. Spontaner
Abort. Andauernde Blutungen, die zur supravagmalen Uterus¬
amputation führten. Heilung. Als Quelle der Blutung erwies sich
die fest adhaerente retinirte Placenta.
Der Fall lehrt, dass Myom an sich kein Grund zur Sterilität
ist. Den künstlichen Abort bei Myom und Schwangerschaft hält
W. für indieirt, wenn das Kind auf natürlichem Wege nicht oder
nur mit grosser Gefahr für Mutter und Kind geboren werden kann
und die Mutter die Sectio caesarea durchaus ablehnt.
4) K o b 1 a n c k - Berlin: Nochmals zur Narkose.
Wiederholung der schon früher gemachten Angaben (cf. d.
Bl. 1900, No. 1, S. 90). J a f f 6 - Hamburg.
Archiv für Kinderheilkunde. 28. Band, 1. u. 2. Heft.
Klinische Beiträge aus dem Kaiser und Kaiserin Friedrich-
Kinderkrankenhaus in Berlin.
I. A. Baginsky: Ein Beitrag zu den secundären In-
fectionen der Kinder.
Die Fälle sind: Infection mit Bacillus pyocyaneus (Ecthyma
gangraenosum). — Mischinfection von Bacillus proteus und Strepto-
cocceu. — Mischinfection mit Diplococcen und Streptococcen. —
Secundärinfection bei Scharlach. — Morbilli bullosi. — Pemphigus
mit Morbilli auf tuberculöser Basis. — Mischinfection mit Strepto¬
coccus pyogenes. Die 0 Krankheitsfälle sprechen dafür, dass secun-
däre Invasionen von Bacterien sich auch klinisch bei jungen Säug¬
lingen scharf charakterisireu können; sie bieten Interesse durch
ihren Verlauf, klinischen, pathologischen und bacteriologischen Be¬
fund, und muss iu Bezug hierauf auf das Original verwiesen
w erden.
II. Prof. Benno B a g i n s k y - Berlin: Zur Pathogenese der
acuten Ertaubungen.
Ein 13 jähriges Mädchen erkrankte plötzlich mit Allgemein¬
erscheinungen und wmrde in’s Spital gebracht; es traten Schmerzen
im Genick und Hinterkopf auf, Nackensteifigkeit und Verdauungs
Störungen; dabei zunehmende Schwerhörigkeit. Nach einem Monai
an urde das Kind genesen, aber mit completer Taubheit, die bis zum
Tode bestehen blieb, entlassen. 3 Monate später erkrankte es an
einem malignen Oberlippencarbunkel und starb. Die Gehörorgane
wurden nach der Obduction conservirt und mikroskopisch unter¬
sucht. Der Hauptbefund war eine beiderseitige Endostitis ossifl-
cans beider Ohrlabyrinthe mit Neubildung von Bindegewebe und
Knochengewebe. Aus den hieran schliessenden ausführlichen Er¬
örterungen des Verfassers sei nur hervorgehoben, dass eine beider¬
seitige acute Erkrankung der Felsenbeine, Ostitis und Endostitis,
einen früher ausschliesslich der Meningitis cerebrospinalis zuge¬
schriebenen Symptomencomplex erzeugen kann.
III. W. B 1 o c li und P. Sommerfeld: Beiträge zur Patho¬
genität des Löfflerbacillus.
Bacteriologische Studien und Versuche über die morpho¬
logischen und biologischen Eigenschaften des Löfflerbacillus, über
kurze und lange Formen, über die Lebensfähigkeit des Diphtherie¬
bacillus. Nie Avurde der Löfflerbacillus in Reincultur, sondern
immer mit anderen Arten, besonders Streptococcen, zusammen ge¬
funden; ebenso findet er sich mit anderen Arten zusammen inner¬
halb der Körpersäfte und -Organe. Bei sogen, septischen Fällen
kann man aus den bacteriologischen Befunden noch keine Schlüsse
auf den Verlauf ziehen. Durch die vereinigte Wirkung von Strepto¬
coccen und Diphtheriebacillen mit ihren Stoffwechselproducten
tritt eine Virulenzsteigerung beider ein. Ueber die Details der zahl¬
reichen Versuche conf. Original.
IV. W. Bloch: lieber den Pemphigus acutus malignus
neonatorum (non syphiliticus).
Nach Baginsky wird eine benigne und eine maligne Form
des Pemphigus unterschieden, die beide mit Lues nichts zu thun
haben. Ueber die maligne Form verbreitet sich Verfasser an der
Hand von 15 genau verarbeiteten Fällen; sie endet meist letal und
stellt eine septikaemische Erkrankung dar. Wenn auch im Inhalt
der Blasen Stapliylococcen gefunden werden, so kommt die haupt¬
sächlich deletäre Rolle doch dem Streptococcus pyogenes zu, der
von B. in jedem Falle im Blut gefunden wurde und sich auch für
Thiere höchst virulent erwies. Die Art des Eindringens in den
Organismus ist nicht aufgeklärt. Während therapeutisch für
benigne Fälle Salbenbehandlung genügt, werden bei malignen täg¬
liche Bäder mit Eichenrindeuabkochuugen angeAvendet. mit nach-
heriger Anwendung A^on Trockenpulvern (Zink und Talcum). Da
die Erkrankung gefährlich und leicht übertragbar ist. ist eine
gesetzliche Anzeigepflicht wüuscheuswerth. Differentialdiagnos¬
tisch kommen in Betracht Verbrühungen, ferner Pemphigus folia-
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ceus (C a z e n a v e), als welcher Pemphigus malignus fälschlich be¬
schrieben wird, und Dermatitis exfoliativa (Ritter), welche oft
mit Pempli. ac. mal. neonat, identisch ist.
V. C. Lachmanski: Beiträge zum acuten und chro¬
nischen Gelenkrheumatismus des Kindesalters.
Auf Grund der 112 Fälle, die das Spital In 8 Jahren aufwies,
erschöpfende Behandlung des in Frage stehenden Krankheitsbildes,
seiner Häufigkeit, verschiedenartiger Formen des Auftretens.
Locallsationen, Complicationen; zuletzt 3 chronische Fälle mit Aus¬
gang in Arthritis deformans.
Bericht über die Münchener Naturforscher- und Aerzte-
versammlung 1899. L i c h t e n s t e i n - München.
Zeitschrift für Hygiene nnd Infectionskrankheiten.
Bd. xxxm, Heft 1.
1) J. Thomann - Zürich: Untersuchungen über den gegen¬
wärtigen Stand der Frage der Verunreinigung der Limmat durch
die Abwässer der Stadt Zürich.
Die von den Gesundheitsbehörden der Stadt Zürich geforderte
neuerliche Untersuchung über die Verunreinigung der Limmat
sollte ergeben, Avie stark die Verunreinigung jetzt sei, in welchem
Maasse eine Selbstreinigung heute noch stattflndet und wie Aveit
sich eventuell das Gebiet derselben stromaufwärts ausgedehnt
habe, im Gegensatz zu den Ergebnissen gleicher Untersuchungen,
die \*or 10 Jahren A r on Schiatter ausgeführt wurden.
Die Untersuchungsstrecke in der Limmat betrug jetzt ca.
20 km und reichte bis zum Kloster Wettingen, da sich alsbald
herausstellte, dass die Selbstreinigung der Limmat nicht schon
nach einem 10 km langen Lauf wie vor 10 Jahren erfolgt Avar.
Die Wasserentnahme geschah von Zeit zu Zeit von einem Schiff
aus und wurde während eines ganzen Jahres hindurch fortgesetzt.
Thomann fand als Resultat seiner Untersuchungen, dass
die Verhältnisse nicht mehr so günstige sind, wie Schiatter
sie vor 10 Jahren vorfand. Das Limmatwasser zeigte nur in einem
Falle, 15 km unterhalb der Durchmischungsstelle, wieder ungefähr
die bacteriologische Beschaffenheit wie oberhalb der Canaleinlässe.
Avährend Schiatter bereits 10 km unterhalb der Canaleinlässe
eine Selbstreinigung constatirt hatte.
Der Keimgehalt nimmt allmählich bis 15 km unterhalb der
jetzigen Einmündungsstelle der Siele in die Limmat ab, zeigt aber
in Weddingen Avieder ein Anwachsen, das auf die besondere Be¬
schaffenheit des Flussbettes zurückzuführen sein dürfte.
Bei der Selbstreinigung der Limmat spielt die Sedimen-
tirung zweifellos die grösste Rolle, während die Belichtung nur
zeitweise von vresentlichein Einfluss sein kann.
2) Vincenzo C o z z o 1 i n o - Neapel: Ein neues Fadenbac-
terium, eine pseudoaktinomykotische Erkrankung erzeugend.
Aus einem aktinomykotischen Geschwür, welches
zuerst hinter dem Ohr, später nach scheinbarer Heilung auch am
Hals und im Rachen auftrat, züchtete Verfasser einen Organismus,
der Aveder echte noch unechte Verzweigungen auf wies, dagegen
Eigenbewegung und ausserordentlich resistente Sporen zeigte. Er
färbte sich nach Gram, verflüssigte langsam Gelatine, bildete kein
Indol und erzeugte auf Agar eine zuweilen dicke, faltige, weisse
bis gelbliche Auflage.
Für Meerschweinchen und Hausmäuse erwies sich der Or¬
ganismus als pathogen, dagegen waren weisse Mäuse und Ka¬
ninchen immun. Seiner systematischen Stellung entsprechend
scheint er zur Subtilis- oder Milzbrandgruppe zu gehören. Es muss
hervorgehoben werden, dass dieser Fall wieder ein Beweis dafür
ist, dass auch, wie Sawtschenko und Krassnobajew
berichten, ein Organismus aus der Kategorie der Bacillen aktino-
mykoseartige Geschwülste hervorbringen kann.
3) A. P f u h 1 - Hannover: Ueber das S c h u m b u r g’sche
Verfahren zur Wasserreinigung.
S c hum b u r g setzte irgend einem Wasser, welches zu Trink-
und GebrauchszAveckeu geeignet gemacht werden sollte, freies
Brom zu, das dann nach 5 Minuten durch Beigabe von kohlen-
saurem resp. schAvefelsaurem Natron gebunden wurde. Er kam
dabei zu dem Resultat, dass mit 1 kg Brom sich 16 000 Liter
Wasser keimfrei machen Hessen und dass man solches Wasser nach
der Bromirung als TrinkAvasser anstandslos geniessen könne.
Verfasser prüfte nun das genannte Verfahren nach, Avobei er
sich von rein praktischen Gesichtspunkten leiten Hess und nur
„natürliche“ Wässer berücksichtigte. Zur Untersuchung diente ihm
Leitungswasser der städtischen Wasserleitung, Wasser aus der
Ihme, der Leine, aus zwei verschiedenen Teichen und Wasser von
tiberschAvemmten Wiesen. Von pathogenen Keimen verwandte er
Cholera, Typhus und Staphylococcus pyogenes aureus.
Im Ganzen verfügte Verfasser über 61 Versuche und 53 Con¬
trolversuche, welche in ihrer Gesammtheit als zufriedenstellend
bezeichnet Averden müssen. Am ungeeignetsten zur Keimfrei
maehung scheinen die Wässer mit erheblicher organischer Ver¬
unreinigung und zahlreichen Härtegraden zu sein, da zAA'eifellos
eine Menge Brom durch Ammoniak sofort gebunden wird.
Nach dem S eh umbur g’schen Verfahren genügen 0,2 ccm
einer Lösung a t ou 21,91 Brom, 20 Bromkali, Wasser ad 100, um
1 Liter Flusswasser bis auf wenige unschädilche Bacteriumarteu
zu reinigen. Das Brom wird gebunden durch Zugabe einer
Tablette aus 0,095 Natr. sulfurosum und 0,04 Natr. carbon. siccum.
wobei in der Praxis zu berücksichtigen ist, dass das Wasser nach
Beigabe des Broms gut durchgerührt werden muss. Pfuhl ein
piiehlt, jedem W’asser, dessen chemische Beschaffenheit man nicht
kenne, mehr als 10 cem Stammlösuug pro Liter zuzusetzeu; jeden-
Qriginal frorri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
370
MÜNCH KN KR M KDICINISCHK WOCHKNSCHRIFT.
No. 11.
falls so viel, dass die Gelbfärbung des Wassers 2—3 Minuten
bestehen bleibt. Dabei muss darauf Acht gegeben werden, dass die
Bromirung möglichst beschleunigt wird, weil, wie Versuche gezeigt
haben, der Bromgehnlt bei Offenstehen der Stammlösung sich er¬
heblich vermindert. Bei einer Dauer des Verfahrens vou über
i; Minuten hinaus müssen daher unbedingt grössere Mengen der
Staininlösung zugegeben werden.
Den Schluss seiner Arbeit bildet eine Besprechung der prak¬
tischen Ausführung dieses Verfahrens im Kriegsfälle.
4) Friedr. K r a u s e - Vietz: Auf welche Ursachen ist der
Misserfolg der Tuberculintherapie des Jahres 1891 zurück-
zuführenP
Nach Durchsicht des im Jahre 1SP1 erschienenen Materials
über die Tuberculinbebandlung kommt Verfasser zu dem Schluss, :
dass die Misserfolge ausschliesslich auf Rechnung der fehler¬
haften Anwendung des Mittels zu setzen seien, und zwar liegen die
Fehler in der mangelhaften Auswahl geeigneter Fülle und in der
unrichtigen Dosirung des Tuberculins. Es sei zu wünschen, dass
dies Mittel nach den jetzt gütigen Indicatioueu in ausgedehntem
Maasse wiederum geprüft würde, wobei man zu ganz anderen Re¬
sultaten kommen werde wie damals.
5» Reinhard H o f f m a n n - Braunschweig: Ueber das Vor¬
kommen und die Bedeutung des Koch-Week s’schen Bacillus.
Nach Berücksichtigung der in der Literatur bekannten Augen¬
orkrankungen durch den K o c h - W e e k s'schen Bacillus, er¬
wähnt er eine grosse Reihe von Fällen, die in seine Behandlung
kamen und bei denen stets der K o e li - W e e k s'sclie Bacillus
gefunden wurde. Ein grosses Gontingent dieser Erkrankten stellte
eine liegend an der westpreussisclien Grenze: gegenüber von Strass¬
burg, wo die betreffende Bacillenconjunctivitis vielleicht endemisch
vorkommt. Das klinische Bild war immer dasselbe und stellte
stets eine acute, nicht selten croupöse, sehr contaglöse Bindehaut¬
entzündung dar, die in den meisten Füllen zwar leicht zu beseitigen
ist, aber auch bei chronischem Verlauf erhebliche papilläre Hyper¬
trophien der Bindehaut hervorrufen kann. Die Züchtung der
Bacillen gelang ihm am besten auf einem Nährboden aus Glycerin¬
agar. dem Ascitesflüssigkeit und Menschen- oder Hammelblut zu¬
gesetzt war. Sie hielten sich 10—12 Tage lebensfähig und Hessen
sich in einem Falle bis zur 25. Generation weiterzüchten.
i;m die Contagiositäi der gefundenen Organismen zu prüfen,
impfte er sowohl Reincultureu als auch Secret Kaninchen, Meer¬
schweinchen, weissen Mäusen, Hunden, Kälbern, Ferkeln, sowie
einer Gans und einem Pferd in den Conjunctivalsack. jedoch ohne
Erfolg. Dagegen bekam er bei einem Selbstimpfungsversuch und
zwei Herren, die sich freiwillig Baeterien inoculireu Hessen, eine
heftige typische Augenentzündung, die nach 8 Tagen wieder ge¬
heilt wurde.
0) Scheurlen: Die Verwendung der selenigen und
teilurigen Säure in der Bacteriologie.
Eine kurze Notiz, in der Verfasser die selcnige Säure als
Mittel zur Beobachtung der Reductiousvorgänge bei den Baeterien
empfiehlt.
7) Ad. K 1 e 11 : Zur Kenntniss der reducierenden Eigen¬
schaften der Baeterien.
Bisher bediente man sich, um die reducirenden Eigenschafteu
der Baeterien kennen zu lernen, fast ausschliesslich verschiedener
Farbstoffe, wie Lakmus, Methylenblau u. s. w. Da dieselben aber
wegen ihrer leichten Veränderlichkeit hie und da bei der Beurthei-
lung der Keductionsvorgünge im Stich lassen, so scheint die vom
Verfaser angewandte seien i ge und tellurige Säure zu
diesem Zweck bei Weitem geeigneter zu sein. Diese hehlen che¬
mischen Agentien, in ihrem Natriumsalz angewendet, werden durch
alle (27t untersuchten Arten Baeterien zu Selen und Tellur redueirt
und färben dabei die betreffenden Oolonien r o t li resp. sch w a r z.
Nach des Verfassers Ansicht müsse mau wohl allen Baeterien eine
reducirende Kraft zuschreiben, deren Wirkung aber nicht auf
Rechnung der gebildeten Stoffwechselproducte zu setzen ist. son¬
dern von der Bacterienzelle selbst geleistet wird. Auf Wachst hum,
Fortpflanzungsfähigkeit und Virulenz hat der Zusatz von selenig-
und tellurigsaurem Natron keinen nennenswerthen Einfluss.
Aehnliehe »Salze wie Natron sulfurosum, phosphorosum eigneten
sich nicht zur Feststellung der reducirenden Eigenschaften der
Baeterien. R. O. N o u m a n n - Berlin.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In
fectionskrankheiten. 1900 Bd. XX VH., No. 0, 7, 8..
1) M. L ü h e - Königsberg: Beiträge zur Kenntniss der
Bothriocephaliden. III. Die Bothriocephaliden der landbewohnen¬
den Reptilien.
Arbeit systematischen Inhalts.
2) W. G enerslch - Ofen-Pest: Typhusepidemie. Durch
Typhusbacterien inficirtes Trinkwasser.
Verfasser berichtet über eine Typhusopidemie, die in der Frei¬
stadt Poes nach einem iiusserst trockenen Herbst plötzlich in
einem Stadt heil, welcher durch zwei Cist erneu mit Wasser versorgt
wurde, ausbrach. Die Vermuthung. dass das Wasser der Cisternen
au der Epidemie Schuld sei, bestätigte sich sowohl durch die bae-
tei iologisehe Untersuchung, wie auch dadurch, dass nach Sperrung
der Cisternen die Epidemie; nach kurzer Zeit verlöschte.
Die Untersuchungen wurden in der üblichen Weise mittels der
Pia Heilmethode vorgenommen und es gelang, aus 157 verdächtigen
Guliuren 22 zu isoliren, welche die bekannten morphologischen
Eigenschaften des Typhus auf wiesen und auch bei der Serurn-
prüfung sich als echte Typhuscolonien herausstellten. Dieses Re¬
sultat verdient insofern Beachtung, weil cs bekanntlich oft zu den
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schwierigsten Aufgaben gehört, den Typhusbacillus aus ver¬
unreinigtem Wasser zu isoliren.
3) F. Fajardo - Rio de Janeiro: Die Haem&tozo&rie des Beri-
Beri im Gehirn.
Die schon früher vom Verfasser gemachten Beobachtungen
über das Vorhandensein von Protozoarieu im Gehirn bei Beri-Beri
stützt er neuerdings durch 2 Fälle, die bei der Section in der
braunen Hirnsubstanz wirklich parasitäre Formen aufwiesen. Um
seiner Sache sicher zu sein, verwandte er zur Untersuchung nur
Fälle, bei denen ein Uoberstohen der Malaria ausgeschlossen war,
da feststeht, dass Malaria ebenfalls ähnliche Hirnersehei innigen
hervorbringen kann.
4) W. Hesse- Dresden: Ein neuer Culturgläserverschluss.
Um die schnelle Austrocknung der Nährböden zu verhindern,
überzieht Verfasser die mit Watte gestopften Reageuseylinder mit
einem Cofferdammblatt. R. O. N e u m anu - Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 10 .
1 ) H. O p p e n li e i m - Berlin: Zur Encephalitis acuta non
purulenta.
Bei einem an chronischer purulenter Otitis leidenden 17 jühr.
Gymnasiasten trat unter hohem Fieber ganz acut ein Hirnleiden
ein, das sich durch corticale Epilepsie, Monoparesis faciobrachial.
dextr. mit Hypaesthesie und complete motorische Aphasie mani-
festirte. Unter Gebrauch heisser Bäder erfolgte Besserung. Die
motorische Aphasie wurde durch systematische Laut- und Sprech¬
übungen bis zu einem gewissen Grade gebessert; auch wurde
Patient angehalten, mit der linken Hand zu schreiben, um ein
rechtsseitiges Spraeheentrum zur Ausbildung zu bringen. Die
Diagnose auf Gehirnabseess, Meningitis etc. war auszuscliliosseii.
O. findet, das hier vorhandene Syndrom charakteristisch für acute,
kaemorrliagische, nicht eiterige Encephalitis, von der er bisher
5 Fälle gesehen hat. Ob die Affection hier mit der Otitis zu-
sammenhängt, ist nicht sicher.
2) O. R o s e n b a c h - Berlin: Zur Pathogenese und Therapie
der sogenannten Fissura ani. (Schluss folgt.)
3) Scheele- Wiesbaden: Ueber Glasbläsermund und seine
Complicationen. (Schluss folgt.)
W o 1 f f - Berlin: 2 Fälle von sehr ausgedehnter Angio-
elephantiasis.
Bei dem ersten 25 jühr. Patienten besteht eine continuirliehe,
unterhalb des rechten Rippenbogens beginnende angiomatöse Ver¬
änderung. welche von hier ab die ganze rechte untere Körperhälfte
mit Einschluss von Penis und Praeputium umfasst und ein dif¬
fuses Gavernom darstellt. Diese Hauterkrankung wurde für den
Patienten die Todesursache, indem er rasch an einer Thrombo¬
phlebitis veuae l’emoral. dextr., welche eine Embolie der r. Lunge
zur Folge hatte, zu Grunde ging. Eine nähere Untersuchung des
Nervensystems fand nicht statt. In dem zweiten initgel heilten
Fall erstreckte sich das Angioin über den ganzen r. Arm, über die
obere Hälfte des Rückens bis zur Haargrenze, über einen Theil
des Halses und der Brust. Verfasser stellt ähnliche Fälle aus der
Literatur zusammen.
5) G a s s e 1 - Berlin: Nephritis ohne Albuminurie bei jungen
Kindern.
Gfr. Referat pag. 240 der Münch, med. Wocheuschr. 1800.
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 9.
1) Ernst L e v y und Hayo Bruns: Ueber die Frühdiagnose
der Lungentuberculose. (Aus dem hygienischen Institut der
Universität Strassburg.)
Im Anschlüsse an die vou B r i e g e r und N e u f e 1 d in
No. 0 der Deutsch, med. Woehensehr, gebrachte Abhandlung wird
hier die Heranziehung des Thierexperimentes zu diagnostischen
Zwecken warm befürwortet, insbesondere für den Nachweis mini¬
maler Tuberkelbacillenmengeii. Gewicht wird ferner darauf gelegt,
stets die ganze innerhalb 24 Stunden produeirte Menge von Aus¬
wurf zur Untersuchung zu verwenden, da das Sputum besonders in
den lnilialfällen nicht zu allen Tageszeiten TuberkelbaciHeil ent¬
hält.
2) Eduard W e i s z - Bad Pistyan: Eine neue physikalische
Unter8Uchungsmethode. (Aus der II. mediciuischen Universitäts¬
klinik in Ofen-Pest.)
In Form einer vorläufigen Mittheilung macht W. aufmerksam
auf die sogenannten ..phonatorischen Vorwölbungen“, d. h. die
während des Sprechens in den Intereostalräumen deutlich sicht¬
baren mehr oder weniger stark hervortretenden Hervorwölbungen
der Brustwand, welche sich in dem Bereich der beim Sprechuct
in einer gewissen Druckspannung befindlichen Lunge abspielen.
und hierdurch eine diagnostische Wichtigkeit für die Bestimmung
der Lungengrenzen besitzen. Dieselben sind nicht mit oxspira-
torischen Ausgleichungen und Muskelcoutractioneu zu ver¬
wechseln.
3) B ä h r : Ein Beitrag zur Pathologie und Therapie des
Schiclitstars. (Aus der Augenheilanstalt von Prof. Dr. Hirsch-
b e r g in Berlin.)
4) E. v. Düring und T r a n t a s - Constantinopel: Ophthal¬
moskopische Befunde bei Leprösen.
Mittheilungen von mehr spceialärztlicliem Interesse.
5) Hans II e r z - Breslau: Ueber die aetive Dilatation des
Herzens. (Schluss aus No. 8.)
Eingehend*-* Besprechung dos klinischen Bildes, sowie d«*r
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
371
13. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Prognose und Therapie der activen Diastole und activen Dilatation
ohne destructive Erkrankung des Herzens. (O. R o s e n b a c h.)
F. Lacher- München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 9.
1) G. Lotheissen - Innsbruck: Zur Blasennaht beim hohen
Steinschnitt.
In dem 1. der 3 beschriebenen Fälle war die Blase der 18 jähr.
Kranken von einem runden, harten Concrement fast ganz aus¬
gefüllt, wesshalb die Sectio alta mit nachfolgender Lithotripsie
gemacht wurde. Die Blasenwand wurde durch 11, die Schleimhaut
nicht mitfassende Knopfnähte vereinigt und reactionslose Heilung
erzielt. Im 2. Falle (53 jähr. Fabrikarbeiter) stellte der Stein eben¬
falls einen vollkommenen Abguss der Blase dar. Naht der Blase
in 3 Etagen. Einlegung eines Knierohres nach v. D i 11 e 1. Die
Binsennaht hielt vollkommen, der Kranke ging aber später an
Nephritis und Pyelitis zu Grunde. Auch im 3. Falle (20 jähriger
Bauernsohn), totale Vernühung der Blasenwuude mit Einlegung
eines Dauerkatheters. Guter Erfolg. Im Anschluss an diese Fälle
bespricht L. noch die verschiedenen Methoden der Naht, die er
übrigens hauptsächlich für Fälle von Fremdkörpern und Steinen
reservirt. Eine Contraindication der Blasennaht sollen Nieren¬
veränderungen abgebcu.
2) H. L e w k o w i c z - Krakau: Zur Biologie der Malaria¬
parasiten. (Schluss folgt.)
3) E. Itybiczka- Wien: Therapeutische Studien über das
Sanatogen.
Die betreffenden Versuche wurden an der Schrotte r’sehen
Klinik bei Blutkrankheiten, bei nervösen Depressionszuständen,
bei Erkrankungen des Magendarmcanals im Allgemeinen mit gutem
Erfolge angestellt, indem meist rasche Gewichtszunahme durch die
Darreichung von 2—5 Kaffeelöffeln Sanatogens erzielt wurde.
Das Präparat erwies sich als reizlos, leicht verdaulich, ohne pro-
noncirten Geschmack, beeinflusste die Appetenz günstig, ebenso
auch nervöse Beschwerden, wie Schlaflosigkeit bei Neurastheni¬
kern, ebenso auch in einigen Fällen den Haemoglobingehalt.
Dr. Grassmann - München.
Wiener klinische Enndschan. 1900. No. 8 u. 9.
A. B r a b e c - Prag: Ueber malignes Oedem.
Zweck der Arbeit, welche sich an einen auf der M a y d l’schen
Klinik beobachteten Fall anschliesst, ist die genauere Abgrenzung
zwischen Anthrax, Rauschbrand und malignem Oedein. Das
typische maligne Oedem ist ein Oedem mit haemorrhagischer Bei¬
mischung ohne Gasbildung, welche stets auf Mischinfection
beruht, und ohne Eiterung. Milztumor fehlt, der Urin bleibt el-
weissfrei. Die Ausbreitung des Proeesses geht in den Zwisehen-
bindegewebsriiumen vor sich. Der Bacillus des malignen Oedems
findet sich im Blut nicht, ist absolut anaerob. Durch beide Eigen¬
schaften unterscheidet er sich vom Anthraxbacillus. Rauschbrand
kommt beim Menschen so gut wie nicht vor, der Krankheitserreger
ist noch unbekannt.
Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 5 u. 6.
A. Margulißs - Prag: Ueber das sogenannte Bel l’sche
Phänomen bei centraler Facialislähmung.
M. hat auf der P i c k’schen Klinik drei Fälle von halbseitiger
bezw\ doppelseitiger Körperlähmung beobachtet, bei denen auch der
oberste Ast des Facialis central gelähmt war. Das Bel Fache Phä¬
nomen, welches bei peripheren Facialislähmungen sehr augen¬
fällig zu sein pflegt und auch dem Gesunden zukommt, fehlte
bei genannten Kranken, so lange beim Schliessen der Augen die
Lider klaffend blieben; später stellte sich daun das Phänomen
wieder ein. Unter Vorbehalt weiterer Beobachtungen schliesst
Verfasser daraus, dass das Bell’sche Zeichen als eine vom
Grosshiru beeinflusste Mitbewegung anzusehen ist, welche eine
intacte Willensbahn für den Lidschluss voraussetzt. Mit Unter¬
brechung der letzteren schwindet diese Mitbewegung und tritt
bei deren Wiederherstellung wieder auf.
Ibidem No. 6.
K a p os i - Wien: Epicarin, ein neues Heilmittel.
Das Epicarin ist nach den bisherigen Versuchen bei Scabies,
Herpes tonsurans und Prurigo im Stande, das ^-Naphthol, dessen
Derivat es ist, zu ersetzen. Es bleibt hinter diesem an Wirksamkeit
nicht viel zurück, zeichnet sich vor ihm durch Reizlosigkeit und
Ungiftigkeit aus (Kinderpraxis). Für die meisten Fälle empfiehlt
sich die Salbenform; eine Reihe von Receptformeln ist beigefügt.
Für Ekzembehändlung ist Epicarin ungeeignet, bei Psoriasis
wirkungslos.
Ibidem No. 8 und 9.
R. Bloch- Zborowitz: Weitere Mittheilungen über die prak¬
tische Verwendung von Naftalan.
Es sind sehr vielseitige, meist günstige Erfolge, von denen
Verfasser weiter berichtet (cf. d. Wochenschr. 1899, pag. 720).
Wir heben diejenigen bei Herpes zoster, bei verschiedenen
Exsudaten (acute und chronische Pleuritis, Geleukergüsse) und bei
phlegmonösen Entzündungen hervor. Auch granulirende Wunden
sollen günstig beeinflusst werden, bei Ulcus cruris machte sich in
einzelnen Fällen starke Schmerzhaftigkeit störend geltend.
Ibidem No. 9 und 10.
B. Gomperz -Wien: Zur Function des Gehörorganes nach
der Radicaloperation.
Wenn der Heilungsprocess soweit geführt hat, dass die Mucosa
tympani durch eine blasse, reizlose, narbige und epidermlsirende
Auskleidung der Paukenhöhle ersetzt ist, lässt sich das Hörver¬
mögen öfters durch ein sog. künstliches Trommelfell erheblich
verbessern. Dieses pflegt G. durch geeignetes Einblasen von Bor¬
säurepulver herzustellen. Der grösste Werth bei der Ausführung
der Stack e’schen Operation ist aber auf möglichste Erhaltung
und Schonung des Steigbügels zu legen. Die speciellen technischen
Vorschriften können hier nicht besprochen werden.
Ibidem No. 10.
J. S c h n i t z 1 e r - Wien: Verletzung der Blasenschleimnaut
durch Contusion der Unterbauchgegend.
Ein 15 jähriger Bursche musste einen schweren Karren in der
Weise ziehen, dass der Zuggurt über die Unterbauchgegend ge¬
spannt war. Er erkrankte unter Schmerzen und Blutharnen
und es fanden sich an der vorderen Blasenwand zwei linsengrosse
Schleimhauteinrisse. Verfasser vertritt die Auffassung, dass in
diesem Fall nicht ein Unfall, sondern eine Erkrankung während
der Arbeit vorliege. Bergeat - München.
Inaugural-Dissertationen.
Universität Breslau. Januar und Februar 1900.
1. II e r r m a n n G.: Beitrag zur couservirenden Behandlung ent¬
zündlicher Adnexerkrankungen.
2. .1 a h u August: Ueber Urachusfisteln.
3. II au sehn er Isidor: Ueber die F ü r s t u e r’sehe pseudo-
spastische Parese mit Tremor und verwandte Krankheit«
formen. (Mittheilung von 4 Fällen.)
4. Sieber Richard: Ueber die Befestigung des Rectums nach
Nikoladoui, ein Beitrag zur Technik der Mastdarmopera-
tionen.
5. W e 1 c h a r d t Wolf gang: Die Verbreitung der Diphtherie durch
leblose Objecte.
Universität Erlangen. Januar nichts erschienen.
Februar 1900.
1. Werner Heinrich: Der Vegetarismus im Gegensätze zur
modernen Ernährungstheorle.
2. Mayer Otto: Experimentelle Untersuchungen über das Vor¬
kommen von Tuberkelbacillen im Blute und der Samenflüssig¬
keit von an Impftuberculose leidenden Thieren, besonders bei
loealisirter Tuberculose.
Universität Freiburg. Februar 1900.
1. II aber li auf fe Gustav: Ueber Syphilis gravis. Unter Zu¬
grundelegung zweier in der hiesigen Klinik für Hautkrank¬
heiten beobachteten Fälle.
Universität Greifswald. Januar nichts erschienen.
Februar 1900.
1. O strowitzki Hieronymus: Ueber den intermittirenden
Exophthalmus.
Universität Heidelberg. Februar 1900.
2. Loch manu Felix: Zur Anatomie und Physiologie der Um-
bilicalgefässe.
3. Ilormuth Philipp: Beiträge zur Lehre von den hereditären
Sehnervenlehleii.
Universität Jena. Januar nichts erschienen.
Februar 1900.
1. Brandt Friedrich M.: Ueber Schleimhautlupus mit besonderer
Berücksichtigung der Mundschleimhaut.
2. L i e p e 1 d Conrad: Ueber den Einfluss von Antipyrin und Chi¬
nin auf den Gaswechsel des gesunden Menschen.
3. Schmidt Max: Zur Casutstik des primären Lungenkrebses.
4. Schultze Otto: Ueber den Würmehaushalt des Kaninchens
nach dem Wärmestich.
5. Stiihlinger Ludwig: Ueber die Einwirkung einiger anti¬
pyretischer Mittel auf den Wärmel^iushalt gesunder und
kranker Thiere.
Universität Königsberg i. Pr. Januar 1900.
1. R a di 1 o w s k i Mendel.: Beitrag zur Therapie schwerer Sko¬
liosen.
2. Kreis Samson: Experimentelle Beiträge zur Lehre von deu
Wirbelluxationen.
Universität Strassburg. Februar 1900.
0. Tolkiemit Alfred: Ueber Anwendung des Kolpeuryntev
auf Grund von Beobachtungen an der Strassburger Universi¬
täts-Frauenklinik.
7. Duhamel Joseph: Ueber die Erweiterung der Flexura sig-
moidea coli, insbesondere die angeborene Erweiterung.
8. Köhler Franz Xaver: Ueber Geburten nach überstandener
Uterusruptur.
Universität Tübingen. Februar 1900.
G. Lebküchner Friedr. Zwei Fülle von weit fortgeschrittene!'
Tuberculose im frühesten Kindesalter, nebst literarischen Nach¬
weisen übel* congenitale Tuberculose.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
372
No. 11.
MÜNCHEN EH MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
7. Werner Johannes: Zur Casuistik des angeborenen Coloboms
der unteren Augenlider.
S. Herbert Adolf: Untersuchungen über das Vorkommen von
Tuberkelbaellleu in der Marktbutter.
!>. A li s c li ü.t jsW illy: Phosphorvergiftuug oder acute gelbe Leber-
atropli ie?
10. Helot ins Ayold: Casuistische Beiträge zur Lehre von den
Zwangsvorstellungen.
Universität Würzburg. Februar 1900.
10. Aldegarmann Heinrich: Ein Endotheliom des Magens.
11. Anselm J.: Heber Jodaufspeicherung im thierischen Körper
nach Jodfütterung.
12. Barth Christian: Zur Behandlung der Struma mit Thyreoidin.
13. Baum Julius: Beitrüge zur Kenntniss der Muskelspindeln.
14. Binder Romanus: Die eonservative Behandlung der Coxitis
und ihre Resultate, Insbesondere die Conservativbehandlung
mittels portativer Apparate.
15. B r e u n i g Carl: Retention der Zähne.
10. Den ne Paul: Veränderungen der Myome während der Gra¬
vidität und Einfluss derselben auf die Geburt.
17. Ehrsam Alexander: lieber Substanzen, welche im Stande
sind, unsere Geschmacksempfindung zu l>eeinflussen.
18. Fell Josef: Schicksale der Bromsalze im thierischen Organis¬
mus.
19. Flörsheim Ernst: Ueber interlobäre Pleuraexsudate.
20. Schäfer Carl: Die Biudegewebsentwicklung in der Leber
bei der cyanotischen Cirrliose.
21. Strauss Sally: Ueber Pseudohypertrophie der Muskeln.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 7. März 1900.
Herr Sturmann : Ein Fall von Rhinosklerom.
Demonstration dieses seltenen Falles, der neben den Ver¬
änderungen in der Nase auch solche im Kehlkopfe zeigt, und
der sogen. Rhinosklerombaclllen in Cultur und Deckglaspräparat.
Herr Brühl: Zur Anatomie der Nebenhöhlen der Nase.
Vortragender hat nach einem schon früher von ihm ver¬
öffentlichten Verfahren die Nebenhöhlen der Nase mit Metall
ausgegossen, nachdem der Knochen durch Entkalkung, Härtung
und Aufhellung durchsichtig gemacht worden war. Er bespricht
die aus diesen hervorragend instructiven Präparaten gewonnenen
Mittelzahlen der Grössen Verhältnisse der Höhlen und verschiedene
klinische Details, für welche die ausführliche Publication ein¬
zusehen ist.
Herr Jul. Wolff: Demonstration von Röntgenbildern der
Knochenarchitectur am Knochenapparat.
Demonstration der für das von A1 b e r s und Schönberg
herausgegebene Werk angefertigten Röntgenbilder, welche be¬
zwecken, das von J. Wolff aufgestellte Trausformationsgesetz
der Knochen zu illustriren. Hans K o h n.
Verein für innere Medicin in Berlin.
(Eigener Bericht.)
Herr B e n d i x : Demonstration der Agglutination von
Tuberkelbacillen durch das Serum Tuberculöser nach der Methode
von Arloing und Courmonts (s. diese Wochensehr. 1899).
An Gesunden konnte Vortr., der diese Nachprüfung der franzö¬
sischen Angaben auf der Klinik v. Leyde n’s vornahm, diese
Reaction nicht auffinden, dagegen an einer grösseren Zahl von
Tuberculösen, und zwar auch schon im Anfaugsstadium. Die Re-
netion trat auf bei Verdünnung von 1:5—15, ausnahmsweise
sogar bei 1:50. In einem besonders schweren Falle war die Re
actiou eine gegentheilige. d. h. das Serum schien eine die Agglu¬
tination hemmende Wirkung zu besitzen.
Das Maraglia« o'sche Serum besitzt starke agglutinirende
Eigenschaften; nicht jedoch das K o c lrsche alte Tuberculin; das
neue wurde nicht untersucht.
Somit ist nach des Vortr. Meinung diese Reaction von dia¬
gnostischer Bedeutung, vielleicht auch von Belang für die Beur¬
teilung der Schwere des Falles.
Herr Blumenthal: Heber Sidonal, ein neues Heil¬
mittel.
Die bisherigen G i c h t m i 11 e 1 waren im Wesentlichen
darauf berechnet, die in den Gelenken abgelagerte Harn¬
säure zur Lösung zu bringen, wie Piperazin, Lysidin, Urocedin.
Die Erfolge, welche mit diesen Mitteln erzielt wurden, waren
jedoch geringe, da die Verhältnisse im Organismus doch andere
sind, als im Iicageiisglas. Nun hat neuerdings Weiss in
B u n g e\s Laboratorium fest gestellt, dass die Chinasäure
im Stande ist, die Bildung von Harnsäure im Körper
zu v e r in i n d c r n, sich dieselbe also prophylaktisch bei Gich-
tikcrn verwertlt-en lassen könne. Die Firma J a f f e und Dar m-
Städter suchte diesem Zweck zu dienen durch Verbindung der
Chinasäure mit dem Piperazin, und dieses chinasauere
Piperazin-Sidonal hat Vortragender auf Leyden's
Klinik an einigen Patienten, von welchen aber keiner echte Gicht
hatte, versucht. Er konnte mit der Einnahme von 5,0—8,0 pro
die chinasauren Piperazins eine geringe Abnahme der Harnsäure
und dafür Auftreten von Hippursäure feststellen.
Durch diese Mittheilungen wolle er zu praktischen Ver¬
suchen bei Gicht ermuthigen.
Dlscussion: Herr v. Leyden hat in der Privatpraxis
einige Versuche mit dem Mittel gemacht und kaun sagen, dass
das Mittel gut vertragen wird und in einigen Fällen eine Ab¬
kürzung der Anfälle zu bemerken sei. Man müsse sich jedoch
natürlich vorsichtig äussern.
Herr Jaques Meyer: Derselbe hat in Karlsbad auf Wunsch
der Fabrik Versuche an gestellt und kann das Mittel neben der
Bruuneneur empfehlen.
Herr Ewald: Er habe zwar keine echte Gicht damit be¬
handelt, aber einige Fälle von Harngries und vermuthliehen Nieren¬
reizungen, und zwar mit Erfolg.
Herr Goldseheider: In zwei Fällen von echter Gicht hat
das Sidonal. die Anfälle schneller verschwinden lassen.
Hon* Edmund Meyer: In einem von B. Fraenkel an sich
selbst beobachteten Gichtaufall wurde durch Sidonal eine Ab
kürzung des Anfalls constatirt. dessgleichen in einem von M. be¬
obachteten.
Herr C. Benda :' Zwei Fälle von metastasirender
Aktinomykose.
In einem Falle war von einer actinomykotischen Erkrankung
des Processus vermiformis aus ein aetinomykotischer
Leberabscess und von diesem ein Durchbruch in die Leber¬
vene mit Dissemination in Lungen und Nieren erfolgt.
Im zweiten kam es vom Pericard und einem grossen actlno
mykotischen Herzabscess aus zum Einbruch in die
Corona r veno und Aussaat iu die Blutbahn. (Demon¬
stration der seltenen Präparate.) H. Koli n.
Berliner Briefe.
Influenza. — Krankenhausnoth. — Weibliche Aerzte bei
Krankenkassen.
fteit mehreren Wochen stehen wir andauernd im Zeichen der
Influenza; es gibt kaum eine Familie, in der sich nicht ein oder
mehrere Patienten befinden, und der Arzt, soweit er nicht als
Specialist in seinem Sprechzimmer der kommenden Patienten
harrt, sondern als Vertreter der weitverbreiteten Speeies „medicus
practicus“ die Strassen bevölkert, hat wie ein Briefträger Trepp
auf Trepp ab zu wandern und ist froh, wenn er nach gethaner
Arbeit die Wirkungen des Influenzabacillus nicht im eigenen
Körper entdeckt. Da wir uns sonst im Allgemeinen nicht gerade
über Ueberbiirdung zu beklagen haben, so wird den Meisten die
Ausdehnung ihrer Thätigkeit nicht unangenehm sein, wenn auch
Manchen und besonders den Cassenärzten der Segen allzu reich¬
lich erscheinen mag. Hand in Hand mit dem grösseren Kranken¬
stand ging auch eine Ueberfüllung der Krankenhäuser, welche
zeitweise sogar die Bedeutung einer öffentlichen Calamitiit an-
nahm, die zu einer Besprechung in der Stadtverordnetenver¬
sammlung Veranlassung gab. Durch x\uf Stellung von Baracken
in den Krankenhäusern wurde dem Uebelstande theilweise ab¬
geholfen, und sehr bald hatte das Anwachsen des Krauken-
bestandes auch seinen Höhepunkt überschritten, die Hochflutli ist
vorüber, und damit sind die Klagen über die Krankenhausnoth
auch verstummt. Bei dieser Gelegenheit hatte sich eine Ein¬
richtung der Rettungsgcsellschaft sehr gut bewährt. Die Centrale
wird täglich über die Anzahl und Art der in jedem einzelnen
Krankenhaus an dem Tage verfügbaren Betten benachrichtigt;
und während es früher zu Zeiten grösserer Morbidität nicht selten
vorkam, dass mit einem Kranken erst Reisen rund um Berlin
von einem überfüllten Krankenhause zum andern unternommen
werden mussten, bedarf es jetzt nur einer telephonischen Anfrage
bei der Centrale der Rettungsgesellschaft, um sofort zu wissen,
wo der Kranke Aufnahme finden kann und nÖthigenfalls auch
binnen höchstens einer halben Stunde einen Krankentransport-
wagen zur Stelle zu haben. Es wird daher sowohl von Seiten der
Aerzte wie des Publicums von dieser Einrichtung der ausge¬
dehnteste Gebrauch gemacht.
In den weitesten Kreisen der Künstler und des gebildeten
Publicums überhaupt herrscht zur Zeit eine grosse Aufregung
über die geplanten Bestimmungen der Lex Heinze, und von allen
Seiten werden Protestrufe gegen die drohende Vergewaltigung
der Kunst laut. Die Wissenschaft hat vorläufig nichts zu bc-
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13. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
373
fürchten. Der wissenschaftlichen Besprechung und auch der
ärztlichen Behandlung des nackten Körpers droht kein Verbot und
keine Strafe und von Gesetzes wegen darf sogar ein männlicher
Arzt mit profaner Hand einen weiblichen Körper heilen. Doch
aber gibt es Cassenvorstände, die von solchem Ereigniss Gefahren
für das Seelenheil ihrer weiblichen Mitglieder befürchten und
sich moralisch verpflichtet glauben, diesen ärztliche Hilfe durch
weibliche Hand zur Verfügung zu stellen. Das ist bei dem Hilfs¬
verein für weibliche Angestellte der Fall, und obwohl dem Vor¬
stand wohl bekannt ist, dass die Anstellung von im Ausland
approbirten Aerztinnen gesetzlich nicht zulässig ist, so wird die
Einrichtung einfach per nefas beibehalten. Schon früher hatte
der Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine
beim Polizeipräsidium als der Aufsichtsbehörde darüber Be¬
schwerde erhoben, und cs wurde ihm damals der Vorwurf ge¬
macht, dass sein Vorwurf nicht ganz gentlemanlike sei und den
Beigeschmack des Denunciantenthums habe. Dieser Vorwurf ist
aber ganz ungerechtfertigt, es ist vielmehr die Aufgabe des Ge¬
schäftsausschusses als des Vertreters der ärztlichen Standesinter¬
essen, auf bestehende Verstösse gegen die gesetzlichen Rechte
des ärztlichen Standes mit aller Energie hinzuweisen, und es ist
darum nur folgerichtig und correct gehandelt, wenn er jetzt von
Neuem beim Polizeipräsidium darüber Beschwerde geführt hat.
dass im Aerzteverzeichniss der f raglichen Krankeneasse die 3 in
der Schweiz approbirten Aerztinnen noch immer aufgeführt sind.
Darob aber entstand eine mächtige Erregung und zwar nicht so
mhr unter den Cassenmitgliedern, als unter den Führerinnen der
Frauenbewegung. In einer vom Verein für Frauenstudium ein¬
beruf enen öffentlichen Versammlung wurde die Beschwerde des
Geschäftsausschusses streng kritisirt, aber — und das ist sehr
charakteristisch für die Art, wie solche Fragen agitatorisch be¬
handelt werden — die gesetzliche Grundlage der Beschwerde
kaum berührt. Aber um so eindringlicher wurde die Nothwendig-
keit betont, dass den weiblichen Cassenmitgliedern weibliche
Aerzte zur Verfügung stehen müssen. Jeder Arzt, der auch weib¬
liche Personen oft zu behandeln Gelegenheit hat, und das ist
die Mehrzahl aller Aerzte überhaupt, weiss, dass die Frauen mit
wenigen Ausnahmen keinerlei Bedenken haben, sich einem Arzt
anzuvertrauen. Wie der menschliche Körper für den Künstler
nuy den Ausdruck des vollendet Schönen darstellt, so ist er für
den Arzt nichts Anderes, als der Gegenstand, an dem er seinen
humanitären Beruf bethätigen kann. Vereinzelte Ausnahmen
ändern an dieser Thatsache nichts, und die Vorwürfe, welche
gegen Aerzte erhoben worden sind, weil sie sich Uebergriffe gegen
Weibliche Patienten haben zu Schulden kommen lassen, rühren
meist von hysterischen Personen her und halten einer sachlichen
Prüfung nicht Stand. Die überwiegende Mehrheit unserer weib¬
lichen Clientei weiss das auch ganz gut und hat nach wie vor
Vertrauen zum Arzt. Aber jede Agitation, wenn sie nur lärmend
genug in Scene gesetzt wird, findet auch einen fruchtbaren Boden,
und nachdem es ihnen immer wieder und wieder im Brustton der
Ueborzeugung vorgetragen ist, glauben schliesslich die armen
Cassenmitglieder selbst, dass der Zustand, wie er bei ihnen
früher und bei fast allen anderen Cassen auch heute noch besteht,
unerträglich sei, und dass ihr zeitliches und ewiges Heil schwer
gefährdet sei, wenn sie gezwungen wären, ärztliche Hilfe bei
einem Arzt zu suchen. So schloss denn auch jene Versammlung
mit einer Erklärung, in welcher die Nothwendigkeit der Anstel¬
lung weiblicher Aerzte ausgesprochen wurde. Diese Erklärung
steht im Grunde genommen gar nicht im Widerspruch mit der
Auffassung des Geschäftsausschusses, zum mindesten betrifft sie
den Kern der Sache nicht. Denn von weiblichen Aerzten ist gar
keine Rede gewesen, schon aus dem einfachen Grunde, weil es
solche im Sinne des Gesetzes in Deutschland nicht gibt. Alle
Zeichen deuten darauf hin, dass die Zeit nicht fern ist, wo auch
in Deutschland Aerztinnen approbirt werden, und dann wird der
Geschäftsausschuss ebenso wie jeder Arzt nichts dagegen ein¬
zuwenden haben, dass bei den Krankencassen oder bei anderen
Instituten weibliche Aerzte mit amtlichen Functionen betraut
werden. So lange aber sollte der Verein für Frauenstudium sich
gedulden. K.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 23. Januar 1900.
Vorsitzender: Herr Wiesinger.
Schriftführer: Herr II ä r t i n g.
Herr Lochte berichtet im Anschluss an die Vorstellung
eines Falles von Intermittirender Lymphschwellung des Scrotums
in der vorigen Sitzung des Vereins durch Herrn Lauensteiu
über einen Fall von Filaria sanguinis.
Der 29 jährige Matrose war Anfang Januar auf der Abtheilung
des Herrn Dr. E n g e 1 - R e i in e r s hier mit der Diagnose Syphi¬
lis aufgenommen worden. Der Kranke sprach nur spanisch,
stammte aus Porto Rico, war in einem sehr elenden Zustande.
Körpergewicht 8S Pfund. Kein Fieber.
An der Diagnose Syphilis wurde zunächst festgebalten. Es
fand sich eine thalergrosse Uceration mit schmierigem Grunde
auf dem r. Fiissrticken, kleinere an der Innenseite der r. Wade.
Die Innenseite des r. Kniegelenkes war aufgetrieben, geröthet,
schmerzhaft, an einzelnen Stellen oberflächlich ulcerirt. Ein
boluiengrosses Ficus befaud sich in der Mitte des 1. Unter¬
schenkels.
Pat., der angab, vor 4 Jahren einen Schanker gehabt zu haben,
dessen Residuen in Gestalt einer weissen Narbe links auf dem
Aussenblatt des Präputiums noch sichtbar waren, hatte in beiden
Leistenbeugen zahlreiche mandelgrosse, schmerzlose, leicht promi-
nirende, aber relativ weiche Lymplidrüsen.
Schmerzhafte Schwellung am Kopfe des r. Nebenhodens, die
rechte Tibia anscheinend in toto verdickt. Die inneren Organe
waren gesund. Es bestand keine Milzschwelluug. Es schien sich
also um ulceröse Syphiliden an den Beinen und gummöse Infiltrate
am r. Knie und r. Nebenhoden zu handeln. Haemoglob. 90 Proe.
Der Harn, der am ersten Tage fast völlig klar entleert worden
war und deutliche Eiweissrcaction gab, zeigte an folgenden Tagen
eine sehr auffallende Beschaffenheit. Er war in normaler Menge
entleert, sauer, spec. Gewicht 1012, aber vollkommen milchig trübe,
opalescireud und gerann im Glase zu einer durchscheinenden
gelatinösen Masse unter Absclieklung einzelner weisser Fibrin¬
fäden.
Im eentrifugirten Harne fanden sich keine Oylinder, dafür
reichliche, z. Th. stark in Verfettung begriffene Leukocyten.
Der Harn enthielt 4 proiu. Alb. im Esbach, ausserdem, wie
eine nachträgliche Analyse ergeben hat, 0,2 proe. Fett, also 2 g
im Liter. Es lag demnach eine Cliylurie vor, deren Ursache noch
zu erweisen blieb. Filarien waren im Harn nicht gesehen worden.
Als indessen der erste Tropfen Blut unter das Mikroskop gebracht
wurde, waren sofort 4 Filariaembryouen sichtbar, die sich ähnlich
wie Essigiilchen iin Blute bewegten. (Demonstration.) Zur Ent¬
scheidung der Frage, ob der Kranke neben seiner Filariaerkrankung
noch an Syphilis litte, wurde er einem erneuten anamnestischen
Examen miterzogen.
Dasselbe ergab, dass Pat. bis vor 2 Monaten völlig gesund
gewiesen war. Er hatte nach dem Schanker niemals Seeundär-
erseheinungen gehabt, war überhaupt noch niemals einer Schmier¬
ern* unterwarfen w r orden. Vor 2 Monaten hatte er Porto Rico ge¬
sund verlassen und w T ar 20 Tage vor seiner Ankunft in Hamburg
mit einer Anschwellung des r. Beines erkrankt. Es waren ausser¬
dem „Beulen“ entstanden, die unterwegs geöffnet w r urdeu und sich
in Geschwüre umgew’andelt hatten.
Dennoch w T ar es wahrscheinlich, dass es sich bei dem Kranken
gar nicht um Syphilis handelte, sondern um Lymphabscesse, die
gespalten waren; für diese Annahme sprach auch, dass sämmtliche
UlceratIonen am r. Bein im Verlaufe der V. saphena sassen.
Während der weiteren Beobachtung des Kranken haben sich
irgend welche Zeichen von Syphilis nicht finden lassen, wohl aber
sind die Ulcerationen unter indifferenter Behandlung völlig geheilt.
Es handelt sich demnach um eine reine Filariaerkrankung.
Herr L. führt kurz das über den Infectionsmodus, das Vor¬
kommen etc. der Krankheit Bekannte an.
Der Fall verdient Interesse, weil diese tropische Krankheits¬
form überhaupt selten hier zur Beobachtung kommt, andererseits,
weil differentialdiagnostisch Syphilis mit in Frage kam.
Von Interesse ist auch ferner, dass die Filariaembryonen zuerst
am Tage im Blute gefunden wurden. Wir haben diesen Be¬
fund wiederholt erleben können, auch ohne dass der Kranke vorher
geschlafen hatte. Die Filarien sollen ja zumeist Nachts im Blute
vorhanden sein. Bei einer Untersuchung, die Abends um 9 Uhr
vorgenommen wurde, fand sich erst im 4. Blutpräparat ein Parasit.
Die Prognose des Falles muss bei den dürftigen Ernährungs¬
verhältnissen des Kranken als zweifelhaft angesehen werden.
Herr G e i p e 1 demonstrirt eine im dritten Monat der Gravi¬
dität ausgeräumte Blasenmole, von einer 44 jährigen Frau stam¬
mend. — Makroskopisch zeigte dieselbe das gewöhnliche Bild,
mikroskopisch konnten neben den degeuerativen Veränderungen
des Zottenstromns besonders hochgradige Wucherungen im Gebiet
der Langhan s’sclien Zellschicht sowie des Syncytiums con-
statirt werden. Herr G. geht auf die Verhältnisse beider Zellarten
zu einander in seinem Falle näher ein. Er konnte ausserdem aller¬
dings erst nach langem Suchen im Stroma vereinzelter kleinerer
Zotten ausserordentlich grosse Zellen mit mehreren Kernen von
syncytlaler Herkunft nachweisen, wie sie zuerst von S c h m o r 1
und Neumann beobachtet wurden. An der Hand aufgestellter
mikroskopischer Präparate bespricht er die Details des Ein-
w’ueherns der syncytialen Elemente in die Zotte, hervorhebend.
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374
MUNCH KN KR MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
dass sämmtliclie Befunde nur an S e r i e n s c li n i 11 o n erhoben
wurden. Er bespricht schliesslich die Beziehungen dieser Zotten-
erkrankung zu den syncytinlen Tumoren.
Herr Prochownik hat in den letzten Jahren mit seinen
Assistenten eine Serie von Blasenmolen mikroskopisch verarbeitet.
Er hat mehrfach das Eindringen syncytialer Schollen in den
Zottenleib, wie in den vorliegenden ITilparaten gesehen, sogar
mehrere derselben, wie N e u m a n u , im Stroma einer Zotte
l>eobachtet. Er vermag jedoch diesem an sich höchst interessanten
und noch der Klärung bedürftigen Phänomen durchaus nicht den
Charakter der Malignität zuzuerkennen. Es fand sich sowohl bei
gutartigen als bei bösartigen Blasenmolen, eher noch bei erstertn.
I)a die Zugehörigkeit des Syucytium zu Mutter und Embryo
noch nicht geklärt ist und da die Anfänge der Placeutarbildung
ganz besonders schwer zu deutende und mannigfaltige mikro¬
skopische Befunde aufweiseu, darf nach seiner Meinung vorerst nur
das nachgewiesene deutliche Eindringen von syneytialen Massen,
gefolgt voll Langlmnszellen, in die aufgefaserte Muskelschicht
als maligne gedeutet werden, und selbst dann muss mau noch
vorsichtig sein.
Herr G e i p e 1 stellt die Frage an Herrn I*., ob die mikro¬
skopischen Befunde ebenfalls an Serienschnitten erhoben worden
wären. Das Eiuwandern syncytialer Massen in die Zotte sei auf
jeden Fall als etwas Fremdartiges aufzufassen, gleichviel ob das
Syucytium mütterlicher oder kindlicher Herkunft sei und gleich¬
viel, ob einer derartig veränderten Blasenmole ein syncytialer
Tumor folge oder nicht. Die Diagnose der Malignität einer Mole
sei natürlich am ausgeschnittenen Uterus leichter zu
stellen, als an einer a u s g e s t o s s e u e n Blasenmole.
Herr Prochownik hat nicht am ausgeschnittenen Uterus,
sondern an Ausschabestückchen die Diagnose auf Eindringen in die
Musculatur gestellt, bezw. zu stellen versucht. Hinsichtlich seiner
Untersuchungen bemerkt Herr Pr., dass dieselben nicht an
Serienschnitten erhoben wurden.
Herr G e i p e 1 l>emerkt zum Schluss, dass Herr P r o c li o w -
n i k hinsichtlich seiner Untersuchungsbefunde allerdings einzig
dastehe.
D i s c u s s i o n über den Vortrag des Herrn Sänger:
Ueber Hirnsymptome bei Carcinomatose.
Herr B o e 11 i g e r hebt hervor, dass nach den bisher zur
Sprache gebrachten Beobachtungen Uarciuommetastasen im <ie-
hira besonders leicht auftreten beim Sitz der Carciuome in der
Brusthöhle; er sah selbst 2 einschlägige Fälle, die vom Media¬
stinum resp. dem Oesophagus ausgegangen waren. —• Besonderes
Interesse beanspruchen die von Herrn Säuger geschilderten,
im Verlauf der Carcinomatose auf tretenden Cerebralsymptome
vom Charakter der Herderkrankungen, ohne deutlichen anatomi¬
schen Befund. B. weist auf die Analogie auch mit den apoplecti-
formen und epileptiformen Anfällen der Dementia paralytica hin.
Ueber das Vorkommen von epileptiformen Anfällen bei Carcinoma¬
tose ist er nicht orientirt, hält dasselbe a priori aber für durchaus
möglich. Was die von Herrn Sänger gefundenen leichten In¬
filtrationen der Hirnhäute mit Krebszellen betrifft, so kann B. sich
nicht vorstellen, dass in diesen der Ausgangspunkt und die Ur¬
sache für schwere Hemiplegien etc. zu suchen sein soll, wenn man
bedenkt, wie hochgradige Infiltrationen bei anderen Krankheiten
an den gleichen Stellen bestehen können ohne die mindesten
ähnlichen Symptome. Diese Infiltrationen seien zur Erklärung
auch kaum nötliig. Vortr. weist auf die kolossal ausgedehnten
Halbseitenlähmungen der Paralyse hin. die Hemiplegie. Hemi-
anaesthesie, Hemianopsie in grösster Totalität zeigen können,
und zwar in durchaus passagerer oder auch persistiremler Weise,
ohne jeden grob anatomischen Befund. Wie wir hier gezwungen
sind, wohl parenchymatöse Veränderungen von vorläufig selbst
mikroskopisch nicht nachweisbarer Natur anzunehmen, so wird
es wohl auch für die entsprechenden Symptome der Carcinomatose
notliwendig sein, und zwar wird es sich sicherlich, das geht aus
dem ganzen klinischen Verlauf hervor, uni Veränderungen in der
Hirnrinde handeln.
Es ist nun gestritten worden, ob die Ursache dieser Ausser
functionsetzung ganzer motorischer Gebiete, ja fast ganzer Hemi
Sphären in toxischen Einflüssen oder in clrculatorischen Störungen
zu suchen sei. B. glaubt, dass es nicht angängig ist, hier von „ent-
weder—oder** zu sprechen, dass vielmehr beide Momente gleichzeitig
und noch weitere Momente mehr gemeinsam in Betracht kommen.
Er stimmt Herrn Sä nger zu, dass die Annahme rein toxischer
Wirkungen, und zwar so electiver Wirkungen auf bestimmte mo¬
torische Centrcn nur einer Seite sehr gezwungen erscheint und
wenig befriedigen kann. Er glaubt aber ebenso wie Herr Nonne,
dass das Vorhandensein einer Autoiutoxication, wahrscheinlich mit
giftigen Stoffwechselprodueten des Körpers oder der Carcinom
knoten immerhin eine conditio sine qua non ist. und dass ohne diese
die anderen wohl noch einwirkenden Schädlichkeiten nicht Sym¬
ptome der fraglichen Art hervorrufen würden. Zu diesen anderen
Schädlichkeiten gehören wohl in erster Linie eirculatorische. wo¬
rauf wieder die Analogie mit den paralytischen Anfällen hinweist,
bei denen der Einfluss von Hube resp. Bettbehandlung und Be¬
wegungen. von der Demenz oder Agitation etc. auf die Häufigkeit
der Anfälle mehrfach betont worden ist. Vielleicht halten auch
statische Momente Einfluss auf die jeweilige Loealisation der
apoplektiformeu Insulte. Schliesslich ist nicht ausser Acht zu
lassen, «lass die toxischen und clrculatorischen Schädlichkeiten
wohl kaum hinreichen würden, solche schweren Symptome hervor?
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zurufeu, wenn sie nicht ein ln seiner Vitalität recht erheblich
hi rabgesetztes CentruInervensystem beträfen.
Herr T r ö m u e r hält die Möglichkeit toxischer Herderkran¬
kungen aufrecht und weist auf die Epilepsie und gewisse Gifte als
Beispiele hin. so z. B. Hyoscin. ferner Santonin, welches optische.
Chinin, welches acustisclie Reizerscheinungen mache. In der
Rinde Carcinomatöser habe er selbst pathologische Veränderungen
der zeitigen und gliüsen Bestandteile gefunden. Dass anatomische
Befunde an sich noch nicht genügen zur Erklärung gewisser Herd
erscheinungen, zeigten u. a. Paralyse und Dementia senilis. Trotz
deutlicher diffuser Veränderungen würden hier anatomische Herd¬
befunde häufig vermisst. 1 lesshalb könne im einzelnen Falle nur
genaue mikroskopische Untersuchung Aufschluss geben.
Herr C. Lauenstein warnt vor der Annahme der Ein¬
wirkung von toxischen Substanzen. Er berichtet über einen Fall,
eine Frau mit Mammacarciuom betreffend, die nach einer plötzlich
eintretenden Hemiplegie starb. Die Frau kam leider nicht zur
Seetion, doch glaubt Herr C. L a u e n s t e i n bestimmt, dass es
sich um eine Carcinommetastase im Gehirn gehandelt habe. Er
weist auf G u s s e n b a u e r’s Untersuchungen von Achseldrüsen
hin. in denen man carcinomatöse Zellen findet, ohne dass diese
Drüsen klinische Erscheinungen bieten. Das Gehirn dagegen
müsse Ihm seiner grossen Reizbarkeit bei selbst geringen ana¬
tomischen Veränderungen klinisch starke Symptome auslösen. Er
glaubt, dass die Untersuchungen der Gehirne bei Carcinomatose
viel exacter durchgeführt werileu müssen und dass mau dann sehr
häufig pathologische Veränderungen finden werde.
Herr E n g e 1 m a u n bemerkt beiläufig zu den Ausführungen
des Herrn T r ö m n e r. dass die acustlscheu Reizerscheinungeil
bei Gebrauch von Chinin nicht auf einer Reizung des Gehirns,
sondern des Ohrlabyrinths beruhen.
Herr Sänger betont nochmals, dass die Annahme, es handle
sich um toxische Einflüsse l»ei den Hirnsymptomen nach Carci¬
nomatose, vollkommen in der Luft schwebe und unglaubwürdig sei;
denn bei toxischen Einflüssen müsse man doppelseitige
Liihmuugcu und Reizerscheinungen haben, und doch finde man
stets nur einseitige. Die toxischen Lähmungen, die wir kennen,
sind doppelseitige, so z. B. die Arseniklähmungen, die Lähmungen
nach Diphtherie.
Bei Encephalopatliia saturuina kommt es mitunter auch z»;
halbseitigen Lähmungen, doch sind diese nicht toxischen, sondern
anderen Ursprungs. Nach alledem komme man vielmehr dazu,
anzunehmen, dass es sich um embolisclie Processe Im Gehirn
handle, nicht um toxische.
Herr Sänger betont nochmals, dass man das Gehirn ganz
anders untersuchen müsse als bisher, um zu einem Resultate zu
kommen. Unsere jetzigen Untersuchungsniethoden des Gehirns
reichen jedenfalls noch nicht aus, um die pathologischen Verände¬
rungen im Gehirn alle nachwelsen zu können.
Nach alledem ist die ganze Frage der Hirnsymptome bei Carci¬
nomatose noch nicht spruchreif.
Vortrag des Herrn Edlefsen: Ueber eine neue Harn-
und Zuckerreaction.
Vortragender berichtet über eine Ilarnreaction mit Per¬
manganat in alkalischer Lösung, die durch Anwesenheit von
Zucker im Ilarn in der Weise beeinflusst wird, dass es mittels der¬
selben gelingt, selbst sehr geringe Mengen von Zucker im nor¬
malen Harn naehzuweisen, indem man, je nach dem Zuckergehalt
desselben, eine bald grössere, bald kleinere Zahl von Tropfen zu
dem Reagens (1 Tropfen lproc. Permanganatlösung in 5—7,5 ccm
stark verdünnter Natronlauge) hinzufügt. Tliatsächlich hat E.
auf diese Weise in allen Tagesportionen seines Harns mit Aus¬
nahme des aus den letzten Nachtstunden stammenden Morgen¬
harns Zucker nach weisen können. Im Gegensatz zu allen anderen
reducirenden Substanzen, bei deren Einwirkung es immer zur
Ausscheidung eines braunen Niederschlages von Mangansuper-
ox.vdhydrat kommt, bleibt dieses bei Gegenwart von Zucker in
genügender Menge in der Flüssigkeit gelöst, die demnach dauernd
eine klare Beschaffenheit bewahrt. Das Mangansuperoxyd muss
also in einem der bei der Einwirkung von Oxydationsmitteln
in alkalischer Löspng entstehenden Oxydationsproducte des
Traubenzuckers (Gluconsäure, Zuckersäure, Tartronsäure oder
Glykolsäure) löslich sein, und in der That fand E., dass der bei
der Reduction des Permanganats durch zuckerfreien Ham ent¬
stehende braune Niederschlag sich in dem Filtrat von der (nur
mit Kupfersulfat und Natronlauge angestellten) Tromm er¬
sehen Probe, das ja sämmtliche Oxydationsproducte des Zuckers
enthalten muss, bei gelindem Erwärmen vollständig löst. Zum
Schluss weist der Vortragende noch auf die Möglichkeit hin,
dass dieses Filtrat ebenso wie die bei der Reduction des Per¬
manganats durch Traubenzucker entstehende klare braune
Flüssigkeit wohl auch Oxalsäure als letztes Oxydationsproduct
des Zuckers enthalten könne, und bemerkt dazu, er habe soeben
noch constatiren können, dass sich das frisch gefällte Mangan-
superoxydhvdrat in Oxalsäurelösung mit Leichtigkeit schon in
der Kälte löse, woraus jedoch vorläufig noch keine sicheren
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13. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
375
Schlüsse zu ziehen wären. Weitere Einzelheiten lassen sich in
einem kurzen Keferat nicht mittheilen. Der Vortrag wird an
anderer Stelle veröffentlicht werden.
Medicinisch-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena.
Sectlon für Heilkunde.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 23. Januar 1900.
1. Herr Wagenmann stellt einen Fall von multiplen
Melanosarkomen des Körpers, besonders der Haut, vor, bei dem
eigenartige C o m p 1 i c a t i o n e n von Seiten der beiden
Augen in Erscheinung getreten waren.
Der 28 jährige Landwirtk F. kam zuerst am 7. April 1899
in die Jenaer Augenklinik wegen einer seit 3 Wochen bestehenden
heftigen, von selbst entstandenen Augenentzündung mit starken
Schmerzen im Auge und im Kopf.
Der Patient berichtete, dass er im September 1898 eine fieber¬
hafte Krankheit mit Kopfschmerzen durchgemacht habe und seit¬
dem an grosser Mattigkeit leide. Bis dahin sei er vollkommen ge¬
sund gewesen: er sei seit einigen Jahren verlieiratliet und habe
ein gesundes Kind. Nach der Erkrankung im Herbst habe er an
mehreren Stellen der Brust und des Gesichts kleiue, zum Tlieil
blauscliwarze Knoten bemerkt. Einige habe er aufgekratzt und
dann sei dickes, schwarzes Blut ausgetreten.
Bei der Aufnahme fand sich am linken Auge eine s e h w ere
Iridocyklitis mit Drucksteigerung und Bildung
eines flachen, sichelförmigen, pigmentirteu
Tumors im Kammerwinkel. Es bestand Lidoedem,
starke Lichtscheu. Thrünenträufeln, hochgradige Ciliarinjection,
Stippung des Hornhautepithels und rauchige Trübung der Horn¬
haut. Die Pupille war erweitert, die Linsenkapsel mit feinen
braunen Beschlägen und grauem Exsudat bedeckt, die Iris erschien
graubrüunlicli verfärbt, die Ciliarkörpergegend stark druck¬
empfindlich und der Augendruck deutlich erhöht. Nach unten
aussen sah man eine flache. 5—Ö mm lange, 2 mm breite, braun¬
schwarze, tumorartige Verdickung der Iris aus dem Kammer¬
winkel hervorragend mit einer kleinen Haemorrliagie am unteren
Rand. Mit dem Augenspiegel war nur wenig rother Reflex zu er¬
halten, daneben' aber die Andeutung von wolkigen Glaskörper¬
trübungen. Das Sehvermögen war bis auf Fingerzählen in 2 m
Entfernung herabgesetzt. Das andere Auge war vollkommen nor¬
mal, die Irisfarbe heliblaugrau.
Auf der Brust, am Hals, in der Ohr- und Scliläfengegend
fanden sich in und unter der Haut zahlreiche kirschkern- bis j
niandelgrosse Knötchen. Ein Tlieil der Tumoren zeigte blau-
scliwarze Farbe, ein Theil war nur wenig pigmentirt, die tiefer¬
gelegenen Hessen zum Theil keine Farbe durehsclieinen.
Die Körperorgane des kräftig gebauten Mannes waren voll¬
kommen gesund, der Urin frei von Eiweiss und Zucker.
Zur anatomischen Untersuchung wurde ein Knoten aus der
Haut der linken Schulter excidirt.
Der Patient wurde aufgenoinmen. Unter Behandlung mit
Pllocarpineintiüufeluugeu, warmen Umschlägen und innerlichen
Gaben von Arsen in steigender Dosis nahm die Erkrankung am
linken Auge einen unerwartet günstigen Verlauf.
Die Hornhaut hellte sich auf, die Pupille wurde enger. An¬
fangs nahm die Exsudation in der Pupille noch etwas zu. auch
traten breite hintere Synechien nach oben, sowie feine, pigmentirte
Beschläge an der Hornhaut auf. Dann aber nahm die Entzündung
ab, die Drueksteigerung ging auf regelmässige Pilocarpiueinträufe-
lung zurück. Bereits nach 5 Tagen war das Sehvermögen auf r ’/ 3 - (
gestiegen.
Ende April konnte folgender Status erhoben werden: Das linke
Auge ist bedeutend abgeblasst, der Augendruck nur noch wenig
erhöht, die Pupille besitzt noch geringe Neigung zur Erweiterung.
Die Iris hat sich stark bräunlich verfärbt. An der I) esceine t’-
schen Membran und auf der Linsenkapsel sind noch massenhafte
feine, braune, punktförmige Beschläge. Der Knoten im Kammer-
wiukel erscheint deutlich etwas kleiner und flacher, von bräunet
Farbe. Das Sehvermögen ist auf */,„ gestiegen. Das Allgemein
befinden ist besser; die Knoten in der Haut sind noch sämmtlich
vorhanden, w’eun auch zum Theil etw'as kleiner; neue sind niehl
sicher auf zu finden.
Weiterhin nahm der Tumor in der Iris ziemlich stetig und
schnell ab, auch verselnvanden die Pigmentbeschläge der I> e s -
cenie t’schen Membran und der Linsenkapsel nach und nach so
gut wie vollständig. Das Auge blasste weiter ab. Der Glaskörper
hellte sich auf, so dass der Augenliiutergrund ganz gut mit dem
Augenspiegel untersucht werden konute. Die Papille erschien ge-
riithet und die Venen ausgedehnt, auch fand sich eine grössere,
spindelförmige Netzhautblutung nach der Macula lutea zu; im
Uebrigen w'ar der Augenhintergruud normal. Von den Haut¬
knoten verschwenden mehrere vollständig, andere nahmen zu.
Bei der Entlassung am 21. Mai war das Auge vollkommen
frei von Entzündung, die Pupille rund und reagireml, die
Hornhaut klar und frei von Beschlägen.
Die Iris wer in toto graubraun verfärbt, die Zeichnung aber
deutlich. Der Tumor im Kammerwinkel war voll¬
kommen verschwunden.
Das Sehvermögen betrug mit — 2 D 6 / 7 , B . Der Augenhinter¬
grund erschien vollkommen normal.
Bei der Vorstellung Mitte Juni wer der Augenbefund derselbe.
Am Arm wurden neue Tumoren erkannt. Die pathologlscli-ana-
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tomische Untersuchung des excidirten Tumors ergab den Befund
eines stark pigmentirteu Rundzellensarkoms. Eisenreaction blieb
negativ.
Am 11. November kam Patient wieder mit der Klage ül>er
Abnahme des Sehens am linken Auge, über Flimmern am rechten
Auge, sowie über Verschlechterung des Allgemeinbefindens (Mattig¬
keit, Schwindel, Kopfschmerz, Erbrechen).
An dem entzündungsfreien linken 'Auge erschien die Iris
atrophisch, gleichmässig braunschwarz pigmentirt. der Augen
diuck normal, die Pupille mittelweit und reactlonslos. Im Glas¬
körper fanden sich zahlreiche flottirende Glaskörpertrübungen,
besonders nach unten und inueu. die zum Tlieil membranartig, zum
Tlieil als kleine, dunkelbraune Flocken und Punkte gestaltet waren.
Von einem Tumor war im Augenhintergrund nichts zu sehen. Das
Sehvermögen betrug B /», das Gesichtsfeld war allseitig eingeengt.
Das rechte Auge erschien äusserlich, wie früher, normal. Im
Glaskörper fanden sich zahlreiche Trübungen von eigenartigem
Aussehen. Man sali einzelne, tlieils scharf abgesetzte, tlieils in¬
einander übergehende membranöse Trübungen von glänzend-gelb-
liclier Farbe, in denen graue und bräunliche Streifen lagen, und
daneben zahlreiche feine, dunkelbraune Fleckchen, tlieils vor, theils
auf den Membraneu. die sich besonders bei Einstellung im auf¬
rechten Bild als Pigmentklümpclien erwiesen. Dabei trat überall
die Peripherie des Augenhintergrundes vollkommen klar mit der
normalen rothen Farbe hervor.
Das Sehvermögen betrug 7„,— r 'A-.-. - zeitw eise sogar voll 6 /..
Die Melanosarkome der Haut hatten überall am Körper ganz
erheblich an Zahl und Grösse zugenommen, wenn auch einzelne der
früher constatirten versclnvunden waren, wie der Vergleich mit
den damals aufgenommenen Skizzen ergab. An den Augenlidern
waren confluirende Tumoren neu auf getreten. Allein am Ober
und Unterarm konnten beiderseits je 70 Tumoren gezählt w r erden,
darunter Tumoren von 3—4 cm Durchmesser. Auch die Hände,
Fiisse etc. waren übersät mit Tumoren. Einzelne der oberfläch¬
lichen Geschwülste im Gesicht waren offenbar durch Kratzen
ulcerirt und mit Borken belegt. Aber nicht nur an der äusseren
Haut, auch an den Schleimhäuten konnten Melanosarkome nacli-
gewieseu werden.
Am Boden der Mundhöhle fand sich unter dem 2.
rechten Schneidezahn ein linsengrosser Tumor, ferner eine 2—.3 cm
lauge, ca. 0111 breite, dunkelbraun gefärbte knotige Verdickung,
in der Mitte des linken Arcus p a 1 a t o g 1 o s s u s . so¬
dann ein erbsengrosser, deutlich prominirender harter, blau durch¬
scheinender Tumor in der / u n g e. etw’as rechts von der Mittel¬
linie und ca. 3 cm hinter der Spitze. Da der Patient auch über das
rechte Ohr klagte, wurde er zur Untersuchung in die Ohrenklinik
geschickt. Wie der I. Assistent, Herr Dr. Ru pp recht, mit¬
theilte, fand sich am rechten Trommelfell ein e
Trübung und ein 1 mm grosser, braunschwarzer,
leicht erhabener F 1 e c k.
Das Allgemeinbefinden w ar merklich verschlechtert. Der Manu
war mager, das Fettpolster stark geschwunden. Au den Ivörper-
organen war aber nichts Besonderes zu finden, Lungen, Herz,
Leber etc. ohne nachweisbare Veränderung. Die von Herrn Pro¬
fessor M a 11 h e s ausgeführte Blutuntersuchung ergab ausse:
einer geringen Herabsetzung des Haemoglobingelialtes normale
Verhältnisse.
Der Patient klagte über Kopfschmerzen und Schwindel. Er
halte einen deutlich taumelnden Gang. Erbrechen trat Anfangs
nicht auf.
Die Veränderungen der beiden Augen nahmen rasch zu.
Am 22. November trat links plötzlich wieder starke
Ciliarinjection ein. Die Hornhauthinterflächc
zeigte sich über Nacht über sät von feinsten
dunkelbraunen, scharf umschriebenen P i g -
n» e li t f 1 e c k c h e n. Die Pupille w r ar weit, der Druck beträcht¬
lich erhöht. Im Glaskörper sah man ebenfalls zahlreiche, offen¬
bar frische, flockige Trübungen, die sow’eit im aufrechten
Bild bei directer Einstellung auf die Flocken zu erkennen war,
als braune Pünktchen erschienen. Das Sehvermögen war gesunken
bis auf Flngerzählen in 4 in Entfernung und nahm innerhalb der
nächsten Tage bis auf Fingerzählen in 2 in Entfernung ab.
Am rechten Auge nahmen ebenfalls die Glaskörperverände-
rungen dauernd zu. lieber dichteren Membranen von ziegelgelber
leuchtender Farbe mit braunen Streifen von gitterförmiger Zeich¬
nung und mit breiten, dunklen Flecken fanden sich zahlreiche
feinste, braune Pigmentpünktchen. Im aufrechten
Bild konnte man die einzelnen Flocken und Membranen auf das
schärfste erkennen. Die Glaskörpersubstanz zwischen den Flocken
war vollkommen durchsichtig; von Blutungen nichts zu finden.
Die Veränderungen nahmen nur die mittleren Partien des Glas¬
körpers ein. Die peripheren Tlieile erschienen normal. Die hyp?r-
aemische Papille war noch zu erkennen, ein Tumor aber nirgends
zu finden. Das rechte Auge blieb andauernd blass und behielt
eine Sehschärfe von 3 /io-
Die Entzündung am linken Auge nahm langsam wieder ab,
die Pigmentboschlüge blieben unverändert.
Ende November traten heftige Kopfschmerzen mit ver¬
mehrtem Schwindelgefühl auf. Im Sputum zeigte sich etwas
Blut. Anfangs December stellte sich heftiges Erbrechen ein. mehr
mals wurde auch Blut gebrochen. Die Magengegend war auf
Druck nirgends schmerzhaft, von einem Tumor im Magen nichts
zu fühlen. Offenbar hat sich aber irgeticBvo in der Schleimhaut
ein Tumor entwickelt.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 11.
MÜNCHENEI? MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Die Veränderungen an den beiden Augen sind als inetastatische
Froccsse aufzufassen. Höchst auffallend erscheint, dass der am
linken Auge im April beobachtete, mit deutlich exsudativer
Irhlocyklitis und mit Drucksteigerung einhergehende Tumor in der
Iris in so kurzer Zeit vollständig verschwand, und dass eine gleich-
massige braune Pigmentirung an der ganzen Iris zurückblieb.
Die im November beobachteten Veränderungen des linken
Auges ünden am leichtesten ihre Erklärung darin, dass sich
irgendwo im Auge, wahrscheinlich im Ciliarkörper, wieder eine
Geschwulst gebildet hatte, von der aus die plötzliche, wieder mit
Entzündung und Drucksteigeruug einhergehende I T eberschwem-
mung des Auges, besonders der vorderen Kammer, mit Pigment
stattgefunden hat. Die plötzlich aufgetretenen massenhaften
Pigmentbeschläge der Hornhaut stellen einen höchst ungewöhn¬
lichen Befund dar.
Die Veränderungen des rechten Auges sind nur so zu er¬
klären, dass von irgend einem nicht sichtbaren Punkt des inneren
Auges aus Geschwulstzellen ln den Glaskörper gelangt sind und
dort zu wuchern begonnen haben. Die gelben Membranen sind als
theils unnigmentirte, theils schwach pigmentirte Wucherungen
anzusprechen.
Die kleinen braun pigmentirteu Flocken sind entweder als
Conglomerate von Pigineutzellen oder als Klümpchen freien Pig¬
mentes aufzufassen.
Beachtenswert!! erscheint auch, dass am rechten Auge jede
Entzündung der Augenhäute und entzündliche Verdichtung des
Glaskörpers fehlten, so dass das Sehvermögen trotz der hoch¬
gradigen Veränderungen auffallend wenig herabgesetzt war.
Eine Vorstellung über die Art der Veränderungen am rechten
Auge kann man sich am leichtesten verschaffen durch den Ver¬
gleich mit der Synchysis scintillans, nur dass die glitzernden
Punkte hier durch etwas weniger stark flottirende, braune Pigment¬
punkte und die dabei fast nie fehlenden grauen, zarten Membranen
liier durch compactere, ockergelbe Massen mit brauner gitter¬
förmiger Zeichnung ersetzt waren.
2. Herr B. Grohe deinonstrirt ein 10jähriges Mädchen mit
Duplicitas intestini crassi cum utero et vagina dupl. An der
Hand einer Reihe von Skizzen und Zeichnungen bespricht Vor¬
tragender die topographisch-anatomischen Verhältnisse und die
ent wicklungsgeschichtliche Deutung des anscheinend einzig da¬
stehenden Falles.
Der Befund wurde in der chirurgischen Klinik bei einer La¬
parotomie gemacht, welche neben mehreren anderen operativen
Eingriffen vorgenommen wurde, um die hochgradigen Defaecations-
störungen zu beseitigen, was auch völlig erreicht wurde.
Das Nähere bleibt einer ausführlichen Veröffentlichung Vor¬
behalten.
3. Herr Langemak bespricht kurz einen Fall von dop¬
pelter linksseitiger Niere, welcher später genauer mitgetheilt
werden soll.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 4. December 1899.
Herr Helferich: Zur Biologie der Knochen.
Der Vortragende referirt in Kürze über den heutigen Stand
der Frage von dem Längen wachst hum der langen Röhrenknochen
und demonstrirt sodann an einer grösseren Anzahl von Präparaten
die Störungen, welche experimentell durch totale oder partielle
Wegnahme eines Intermediärknorpels an wachsenden Thieren
beobachtet werden. Wenn derartige Eingriffe an dem unteren
Ende der Ulna eines jungen Kaninchens vorgenommen werden,
so entstehen typische Verkrümmungen, sowohl nach der Fort-
nahme des Intermediärknorpels allein, als bei Eortnahme des¬
selben mit den anliegenden Knochenthcilcn. ln einer grösseren
Versuchsreihe wurde zur Entscheidung gebracht, ob die Trans¬
plantation des Intermediärknorpels an wachsenden Thieren mög¬
lich sei. Wenn unter der Anzahl der Präparate die positiven
zusammengestellt werden, so ergibt sich mit Sicherheit, dass die
Transplantation resp. die Replantation des völlig exeidirten
Stückchens an der gleichen Stelle möglich ist und ein weiteres
Wachsthum des Kuochens vor sich geht, wenn auch nicht ohne
geringe Störungen. Diese Störungen beziehen sich darauf, dass
auch bei den bestgeluiigenen Präparaten der Knochen um ein
freilich nur Geringes kürzer bleibt als auf der gesunden Seite,
und ferner, dass diese Waclisthumsproduction nicht allein durch
eine dem normalen Vorgänge analoge Veränderung der Dia-
physe zu Stande kommt, sondern auch eine relative Vergrösserung
der betr. Epiphyse an der oporirten Seite eintritt. Immerhin
lässt sich die normale Verlängerung der Diapliyse makroskopisch
sehen und messen, so dass an der Thatsache der Transplantations¬
möglichkeit nicht gezweifelt werden kann. Der Vorgang ist
interessant, weil er zeigt, dass selbst so complicirte Vorgänge,
wie sie bei dem Wachsthum der langen Röhrenknochen sich ab¬
spielen und wie sie histologisch durch die bekannten Veränder-.
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ungon an dem Iutermediärknorpei und an seiner Verkalkungs¬
zone etc. bekannt sind, auch nach der Transplantation des betr.
Stückes ohne wesentliche Störung vor sich gehen können.
Herr v. Starck: Zur Diagnose der angeborenen Herz¬
fehler.
(Erscheint im Archiv für Kinderheilkunde.)
Herr v. Starck stellt 1. einen Fall von Urticaria pigmen¬
tosa hei einem 1 jährigen Kinde vor (näher beschrieben in der
Münch, med. Wochonsohr. No. 38, 1899).
einen Fall von Aneurysma der Arter. pulmonalis bei einem
47 jälirigou Manu (wird veröffentlicht in der Münch, med. Wochen
sein-.).
Herr Fischer demonstrirt eiue grössere Zahl von Blut-
präparaten, die nach Romano w s k y unter Anwendung einer
von N ocht angegebenen Modification gefärbt sind, H<eridium
sowie die Parasiten des Tertian- und des Tropen-Malariafiebers
in ihren verschiedenen Entwicklimgsstadien und bespricht im
Anschluss hieran die neuesten Malariaforschungen, namentlich
soweit sic sich auf die Entwicklung der Malaria- bezw. der malaria
ülmlichen Parasiten der Vögel im Körper der Stechmücken be¬
ziehen.
Herr Deet Jen: Demonstration von Blutpräparaten.
Im Anschluss an die früher iiiitgetlieilten Untersuchungen
über die Blutplättchen suchte Redner die Lebensbedingungen dieser
Körperchen weiter zu verfolgen. Es ergab sich, dass auf einen»
Agar, dem nur 0,0 Proc. Na CI zugesetzt waren, die Blutplättchen
rasch zu Grunde gingen, wenn dagegen noch ausserdem metaphos¬
phorsaures Natron, Na PO a , zugefügt wurde, so konuteu sie für
längere Zeit (4 Stunden bei Körpertemperatur, über 24 Stunden
bei Zimmertemperatur) am Leben erhalten und ihre lebhaften
amoeboiden Bewegungen beobachtet werden. Ein weiterer Zusatz
von etwas Dikaliumphosphat erweist sich bisweilen als zweck¬
mässig, um die Bewegungen lebhafter werden zu lassen. Doch ist
für die Erhaltung des Lebens selbst nur das Metaphosphat von
Bedeutung. Mit keinem anderen Salz konnte ein ähnliches Re¬
sultat erzielt werden. Eine Erklärung für dieses merkwürdige
Ergebniss könnte vielleicht darin gesucht, werden, dass durch das
Metapliospliat der rasche Zerfall der Kernsubstanz der Blutplätt¬
chen verhindert wird, was auch desslialb als möglich erscheinen
könnte, als nach Lieber mann das Nuclein als eine Verbindung
von Eiweiss und Metaphosphorsäure aufzufassen ist. Im mit
Osmiumsäure tixirten Präparat gelingt der Nachweis des Kerns
mittels llaematoxylinfürbung leicht, vorausgesetzt, dass noch keine
Degenerationserscheimingen aufgetreten waren, da alsdann der
Kern rasch sich in Körner auflöst. Der Iveru scheint aus einem
Chromatinglomerat und einer weniger färbbaren und weniger leicht
brechenden Zwischensubstanz zu bestehen.
Es werden Blutpräparate, in denen die Kerne der Blutplättchen
luit Haematoxyliu gefärbt sind, demonstrirt.
Weiterhin werden Präparate vorgezeigt, aus denen, w ie schon
früher vom Redner berichtet war, die Anwesenheit einer die rothen
Blutkörperchen umgebenden glashellen, aber färbbaren Hülle sich
ergibt.
Die Möglichkeit der Färbung hängt nur von der Dauer der
Fixirung durcli Erhitzen der Trockenpräparate (nicht ganz 2 Stun¬
den bei 120° oder 3 Minuten bei 100°) ab. Darauf wrird mit
2 proc. Gelatineviolett unter geringem Erwärmen über der Flamme
gefärbt.
An den so hergestellteu Präparaten erkennt man, dass die
rothen Blutzellen sich überall berühren, während das nie der Fall
ist an den auf die bisher übliche Weise fixirten und gefärbten Prä¬
paraten. Um gute Resultate zu bekommen, ist es notliwendig,
sehr vorsichtig das Blut auszustreiclieu. Die Hülle umgibt dann
die rothen Blutzellen als schmaler Saum, die einzelnen Körperchen
briiekenartig verbindend. Streicht man das Blut weniger sorg¬
fältig aus, so erscheint die Hülle unnatürlich breit.
Die Frage ist aufzmverfeu, ob die so sichtbar werdende Hülle
nicht ein Kunstproduct sein könne, es w ürde sich dann nur um
einen QuellungsVorgang handeln können.
Dies ist aber auszuschliessen aus folgenden Gründen: Zw T ei
Präparate werden in gleicherweise hergestellt, das erste 8 Minuten,
das zweite 3 Minuten bei 160° erhitzt. Das erste wird mit Gentiana
unter Erwärmen gefärbt — die Blutzellen berühren sich scheinbar
nirgends — das zweite wird zunächst mit destillirtem Wasser allein
erwärmt — die Blutzellen berühren sich ebenfalls nicht — wohl
aber, wenn sie darauf mit Gentiaualösung gefärbt werden.
Es müsste also diese Quellung durch deu Farbstoff bewirkt sein,
was unwahrscheinlich ist. Vor Allem spricht aber gegen Quellung
die Form der Hülle, die brückenartig die einzelnen Zellen verbindet,
und das Aussehen derselben, wenn sie durch unvorsichtiges Aus
streichen nach einer Seite verschoben ist.
Auch am frischen Präparat, besonders gut bei der Unter¬
suchung auf Agar, ist die Hülle als glashelle Substanz, welche das
Haemoglobin in ^schmaler Schicht umgibt, erkennbar. Nahe bei
einander liegende Zellen kleben mittels dieser Hülle zusammen;
entfernen die Körperchen sich ln Folge von Strömung von einander,
so zieht sich die Hülle lang aus und reisst schliesslich durch.
Die Annahme, dass die rotheu Blutzellen von einer Hülle
oder Membran umgeben sind, erklärt am leichtesten den osmo¬
tischen Austausch zwischen den Körperchen und dem umgebenden
Medium.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
377
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Offieielles Protokoll.)
Sitzung vom 6. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr C u r s c h m a n n.
Schriftführer: Herr Brau n.
Herr W. Müller demonstrirt eine Kranke mit angeborener
Fissura stemi.
Discussion über den Vortrag des Herrn Braun :
Ueber das chirurgische Naht- und Unterbindungsmaterial.
(S. vorige Sitzung.)
Herr Göpel stimmt den Ausführungen des Redners über
den Werth des lmprägnirten und durch die Imprägnation seiner
Imbibitionsfiihigkeit beraubten Nahtmaterials auch nach seinen
Erfahrungen bei, glaubt indess nicht, dass dasselbe das durch seine
Resorbirbarkeit ausgezeichnete Catgut entbehrlich machen wird.
Insbesondere möchte er auf die Anwendung des letzteren nicht ver¬
zichten:
1. bei Operationen, welche ihrer Natur nach oder aus sonstigen
Gründen nicht aseptisch gestaltet werden können:
2. in Gegenden der Operatiouswunde, welche durch Tamponade
oder Drainage mit der Aussenwelt. in Verbindung gebracht werden
sollen;
3. zur Abschliessung von Hohlorganen, Harnblase, Gallenblase
etc. gegen das Lumen derselben:
4. als Nahtmaterial bei Operationen, bei welchen die nachträg¬
liche Entfernung der Nahtfäden aus örtlichen Gründen für Arzt
und Patienten besondere Schwierigkeiten bereitet, z. B. bei der
Uterusexstirpation per vaginam.
Der Einwurf, dass das Catgut schwerer sterilisirbar sei. oder
steril in die Wunde versenkt den daselbst vorhandenen Keimen
zum Nährboden diene und dadurch zu Wundstörungen führen
könne, wird durch die tägliche Erfahrung widerlegt.
Was die Methoden der Catgutsterilisation anlangt, so empfiehlt
Redner auf Grund seiner 4 jährigen Erfahrung das Sterilisations¬
verfahren von Hofmeister, welches nach seiner Meinung eine
weitere Verbreitung verdient, als solche demselben bisher zu Tlieil
geworden ist.
Das Gelingen der im Uebrigeu bekannten Methode hangt
im Wesentlichen davon ab, dass das Catgut unter starker Anspan
nung des Fadens der Einwirkuug des Formalins. dem Auskochen
etc. unterworfen wird. An der unvollkommenen Erreichung dieses
Zieles scheitern vielfach Versuche, auf dem genannten Wege ein
brauchbares, zugfestes Material zu erlangen. Redner hat (lesshalb
bereits vor Jahren kleine Metallplatten *) (siehe Figur) construiren
lassen, welche ein Auf wickeln der Fäden in starker Anspannung
dadurch leicht gestatten, dass der Anfangs- und End tlieil des
Fadens an kleinen, an der Platte angebrachten Vorrichtungen fest-
gekuotet werden kann, und welche ausserdem den Faden in ein¬
facher, freiliegender, leicht zugänglicher Schicht tragen. Der¬
artige Fadenträger, auf deren jeden etwa 4—8 m Catgut autzu-
wickeln sind, werden in grösserer Zahl der Sterilisarion unter¬
worfen und in 4 proc. Carboialkohol nach der Vorschrift Hof¬
meister^ aubewahrt. Während der Operation werden nur
soviel Platten aus der Flüssigkeit herausgehoben, als unmittelbar
verbraucht werden.
Herr Volkmann theilt mit. dass er seit % Jahr den von
Herrn Braun empfohlenen Collodiumzwirn als ausschliessliches
Fadenmaterial für Nähte und Unterbindungen benutzt und sehr
zufrieden damit ist. Er hat ferner beobachtet, dass der Zwirn auch
in septischen Wunden ohue Störung (‘inheilt. Bei einer Laparo¬
tomie waren die Fascien durch 24 versenkte Zwirnälite vereinigt
worden. Es entstand bei sonst normalem Verlauf ein Bauchdeckeu-
abscess, der die Oeffnung der Hautwuudc nötliig machte, so dass
die Schlingen der tiefen Nahtreihe frei zu Tage lagen. Trotzdem
brauchten nur zwei dieser Schlingen wegen tlieil weiser Nekrose
des von ihnen gefassten Gewebes entfernt werden, alle übrigen
22 Nähte heilten ein. .
Herr K r ö n i g: Zwei wichtige Zugeständnisse sind von dem
Herrn Vortragenden in der vorigen Sitzung gemacht worden, ein¬
mal wird es als feststehend angenommen, dass eine sichere Des-
infection der Hände mit den zur Zeit gegebenen Methoden unmög¬
lich ist und dass daher mit event. in die Wunde eingetragenen
Bacterien stets gerechnet werden muss, und zweitens wird zu-
gegeben, dass Fadeneiterungen bei versenkter Seide keineswegs
selten, ja die Regel sind, wenn in einem nicht aseptischen Geläut#
Seide versenkt ist.
Es ist durchaus folgerichtig von Herrn B r a u u , wenn er
unter der Annahme der stets möglichen Infectiou mit Bacterien
sein Augenmerk besonders darauf richtet, den Fremdkörper, d. h.
also in diesem Fall das Naht- oder TJnterbindungsmaterial möglichst
ungünstig für die Aufnahme oder die Weiterentwicklung von Iu-
fectiouserregern in der Wunde zu machen. Je weniger inbibitions-
fähig das Nahtmaterial ist, um so weniger wird es sich mit den
Infectiouskeimen, welche in der Wunde auch bei strengster Hand¬
habung der Asepsis Vorkommen können, beladen. Herr Braun
konnte bacteriologiscli bei durchgreifenden Nähten nachweisen,
dass in der Tliat diejenigen Fäden, welche am stärksten sich imbi-
biten, auch am häufigsten, nach einer gewissen Zeit aus der Wunde
herausgezogen. Bacterien enthalten, dass dagegen diejenigen,
welche sich nicht mit Flüssigkeit imbibiren, entschieden günstiger
dastelien. Entfernte er Drahtnähte nach einer gewissen Zeit, so
konnte er in 80 Proc. der Fälle Keimfreiheit des Materials nach¬
weisen, dagegen z. B. beim Catgut, welches viel imbibitionsfähiger
ist, nur in 00 Proc. Herr B ra u n übertrug diese Erfahrung auch
auf die versenkte Naht und meinte, dass Auseiterungen von Fäden
im Allgemeinen entsprechend diesem Vorhandensein von Infektions¬
erregern ceteris paribus häufiger Vorkommen bei imbibitions¬
fähigtun als bei nicht aufnahmsfähigem Material.
So gern Herr K. dem Vortragenden darin beipflichtet, dass man
für die Sticheaualeiterung der Hautnaht in einem gewissen Sinne
wohl eine derartige Folgerung ziehen darf, so wenig kann er ihm
darin beistimmen. wenn er dies überträgt auf die versenkten Nähte.
Hier kommen nach seiner Meinung wesentlich andere Momente, vor
allem die Resorptionsfähigkeit des Materials, auch noch in Frage.
Man muss hier die von Kocher zuerst aufgestellte Differenz
zwischen Contaetinfection und Implantationsiufection berück¬
sichtigen.
Koch er sagt Folgendes: „Wird in eine Wunde mit dem In-
feetiouserregor gleichzeitig ein Fremdkörper eingetragen, so sind
die Infectionserreger gegen die directe Einwirkung der bacteri-
ciden Kräfte des Organismus und der Wunde bis zu einem ge¬
wissen Grade geschützt, der Fremdkörper wird zum Brutherd der
pathogenen Keime; es bildet sich um den Fremdkörper ein Eiter¬
herd und der Organismus ruht gewöhnlich nicht eher, als bis er
den Eiterherd und den Fremdkörper ausgestossen hat.“ Bei der
Contaetinfection kommen die Bacterien direct mit den abwehren¬
den Kräften des Serums in Verbindung und werden schneller
vernichtet. Wenn man dies auf das Nahtmaterial überträgt, so
kann die viel schwerere, lang anhaltende Implantationsinfeetion
bei Verwendung von nicht resorbirbarem Material entstehen, da¬
gegen kann nur die leichte Contaetinfection beim Catgut dess-
wegen eintreten. weil der Fremdkörper innerhalb kurzer Zeit re
sorbirt wird und damit auch sehr bald die Infectiouserreger vom
Organismus überwunden werden. Die Folge davon ist. dass eine
Auseiterung von Fäden, wie bei Anwendung von versenkter Seide,
bei Catgut überhaupt nicht beobachtet wird.
Die Fadeneiterungen, welche von K. sehr oft beobachtet wur¬
den. haben vorzüglich die Veranlassung gegeben, als Unter-
bindungs- und Nahtmaterial fast ausschliesslich Catgut zu ver¬
wenden.
Herrn G ö p e 1 gegenüber möchte K. pro domo sprechen.
Herr Göpel hat bei Verwendung von Catgut in erster Linie die
Sterilisation nach Hofmeister fFormaldehydmethode) empfoh¬
len. Nach den Untersuchungen von S t i c h an seinem Festigkeits¬
prüfer ist es aber erwiesen, dass gerade durch diese Methode die
Festigkeit des Catguts sehr wesentlich, besonders in den dünneren
Nummern, einbüsst. Bei der von Iv. angegebenen Sterilisation
des Catgut in Cumol bei 1(»0-—170° C. ist das Resultat der
Stic h’sehen Prüfungen viel günstiger: gegenüber dem Roh¬
material ist hier nur eine sehr geringe Einbusse an Zugfestigkeit,
zu coiistatiren. Aus diesem Grunde glaubt K. seine Methode
mehr als die von II o f m e i s t e r angegebene Sterilisationsmethode
empfehlen zu sollen.
Herr Braun: Herrn Krönig möchte ich erwidern, dass
Catguteiterungen doch unzweifelhaft beobachtet worden sind und
zum Tlieil gewiss darauf zurückzuführen sind, dass die auf ge¬
quollene Catgut Substanz, ebenso wie im Hautstichcanal, auch in
der Wunde das Wachsthum vorhandener Bacterien erleichtert und
so eine Implantationsinfeetion im Sinne Kocher’s ebenso leicht
wie Seide vermittelt. Ich habe bereits in meinem Vortrag darauf
hingewiesen, dass es vielleicht Catgutsorlen gibt, welche diesem
Vorgang weniger zugänglich sind, und dass vielleicht die von
O r 1 a n d i n i und Popp e r t nachgewiesene chemotactiselie
Eigenschaft mancher Catgutsorten hierbei eine Rolle spielt. Die
einmal infieirte Catgutsubstanz zerfliesst allerdings ausserordent¬
lich schnell, das kann man bei Hautcatgutnähten leicht beobachten.
Dies ist der Vortheil des Catguts vor der Seide. Wirklich em-
geheiltes Catgut fand aber Mine r v i n i*) noch nach 125 Tagen
zum Theil unresorbirt im Gewebe vor. Draht und anhydrophiler
Zwirn heilt auch in septische Wunden ein. Herrn \ olknianns
Beobachtung ist dafür ein lehrreiches Beispiel. Herrn G ö p e l
muss ich zugeben, dass es Fälle gebeu kann, wo gelegentlich ein
resorbirbares Nahtmaterial von Vortlieil sein kann, namentlich
(hum. wenn eine notliwendige nachträgliche Entfernung andetei
Nähte durch örtliche Umstände erschwert wird. H«*rru Göpels
Metallrähmchen für Formalincatgut habe ich lange Zeit verwendet ;
sie sind ausserordentlich praktisch und zweckmässig. Trotzdem
habe ich seiner Zeit das Aufgeben des Catguts als eine Erlösung
empfunden, und glaube, dass der Vortlieil, ein einheitliches, sehr
einfach zu handhabendes, für alle Zwecke verwendbares lauen-
material zu besitzen, namentlich für die ausserhalb der Hospitäler
sich abspielende chirurgische Thiitigkeit der Aerzte. ein so grosser
ist, dass mau sich seiner nicht entrathen soll. Die gewöhnliche
*) Zu beziehen von Alexander S c h ä d e 1. Instrumenten¬
macher, Leipzig,
') Deutsch. Zeitsehr. f. Chir„ Bd. 23, II. 1.
Difitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. II.
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT
Solde ist, darin stimme ieli Herrn K rö n i g vollkommen bei, nicht
geeignet, einen Ersatz für das Catgut zu bilden.
Herr Buchbinder hält einen Vortrag: Experimentelle
Untersuchungen am lebenden Thier- und Menschendarm, ein
Beitrag zur Physiologie, Pathologie und Bacteriologie des
Darms.
Der Schluss des Vortrages wurde auf die nächste Sitzung
verschoben. Ein Referat wird alsdann erstattet werden.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Soci6t6 de Chirurgie.
Sitzung vom 24. J a n u n r 1900.
Heber Sauerstoffwasser und dessen Anwendung bei Phlegmone.
Chanvel berichtet über einen Fall hartnäckiger Phlegmone
in Folge einer Verletzung am Fusse, welche trotz zahlreicher In-
eisionen nicht zur Heilung kam, bis Auswaschungen mit Sauerstoff¬
wasser den schon in Gangraen übergehenden Process zum Still¬
stand brachten.
Terrier hat schon vor Jahren den guten Erfolg dieses
Mittels bei gangraenöser Phlegmone gesehen; nach Roux wirke
dieses Wasser hei septischen Affeetioneu und besonders auf Wun¬
den, welche anaerobische Bacterien enthalten.
Champlonnifro sieht das Sauerstoffwasser als eines der
wirksamsten antiseptischen Mittel an. .7 n 1 a g u i e r hat es be¬
sonders erprobt gefunden bei gnngraenosen Eiterungen des Wurm¬
fortsatzes. Nach Albarran wird es im Spital Neeker seit
mehr wie einem Jahre gegen die Fälle von Gangraen angewandt,
welche von Harainfiltration herrühren, lind zwar mit vorzüglichem
Erfolg. Er glaubt, ebenso wie der folgende Redner, Q u e n u ,
dass das Sauerstoffwasser ein Specifieum gegen die Anaerobien
sei. wie es gegen die meisten septischen Wunden wirke; letzterer
wandte es in Fällen diffuser Phlegmone an. welche in Folge Ab¬
tragung von Mastdarmenreinomen sich einstellten.
T u f f i e l* führt schliesslich eine Kategorie von Fällen an.
wo das Sauerstoffwasser völlig eontraindicirt sei, nämlich bei Wun¬
den der Lungen.
Marchant berichtet über di) Fälle von praecoecaler
Adenitis, welche Appendfeitis vortäusehen könne und wahrschein¬
lich tuberculösen Ursprungs sei.
Q u 6 n u über Fälle von Paraappendicitis, deren Svmptomen-
bild ebenfalls jenem der Appendieitis ähnle, deren Ursache aber
eine perlcoeeale Adenitis mit partieller Peritonitis sei; in solchen
Fällen dürfe man sieh also nicht mit der Entfernung des Wurm¬
fortsatzes begnügen. St.
Soci£t& de Th6rapeutique.
Sitzung vom 2. Februar 1900.
Zur Anwendung des Orthoforms.
B a r d e t führt 2 Fälle von schmerzhafter Fissur der Brust¬
drüsen an. wo Orthoformpulver vollen Erfolg hatte. Tn solchen
Fällen, wo Schmerzhaftigkeit ohne offene Stellen besteht, kann
das Pulver nicht eindringon und ist durch eine Lösung (Orthoform
H.O. Ol. amygdal. dulc. 20.0. Aethcr sulfur. g. s.) zu ersetzen.
Wäscht man die Brust vor jedem Snugact mit 20 proc. alkoholischer
Lösung, so ist jede Möglichkeit einer Tntoxieation durch den Säug¬
ling ausgeschlossen. Das Orthoform ist gleicher Weise sehr nütz¬
lich gegen die durch die trockenen exeoriirten Haemorrhoiden oder
die Analfissurcn hervorgerufenen Sehinerzen; es wird hier in Form
einer Salbe (Zine. oxyd., Ol. olivar. dulc.. Gerat, alb. aa 20,0, Balsam,
peruv. gtt. X, Orthoform. 10,0) oder als Pulver, zu gleichen Theilen
mit Jodoform, zweckdienlich gegeben.
F--
Zur therapeutischen Anwendung der Bierhefe.
Goirre konnte durch ein specielles Verfahren die intefcellu-
läreii Zymasen oder löslichen Fermente aus der Bierhefe extrahiren
und zwar aus der trockenen, erst uräparirten. Diese Fermente,
ebenso wie die durch alkoholischen Niederschlag gewonnenen Dia-
stasen werden sehr rasch unwirksam, so dass vom therapeutischen
Standpunkt aus nicht diese Extracte. sondern nur die Bierhefe
selbst, frisch oder getroeknol. in Betracht kommt.
Adrian wandte ebenfalls ein lw*stimmtofc Verfahren an. um
die Zymasen aus der Bierhefe und darnach den alkoholischen Ex-
traxt zu gewinnen und gibt auch eine praktische Methode an, um
die Bierhefe im frischen Zustand zu erhalten.
B o 1 o g n e s i machte Versuche mit den Präparaten
Adrian’s: demnach haben die Zymasen einen gewissen thera¬
peutischen Einfluss, der aber langsamer wie d u* der Bierhefe
selbst ist, auf die Dermatosen. Die Zvmasen scheinen aber die
leielit abführenden Wirkungen der Bierhefe nicht zu haben,
während der alkoholische Extraet gleicher Weise auf die Derma¬
tosen wie abführend wirkt. Ster n.
Aus den italienischen medicinischen Gesellschaften.
Medicinisch-cliirurgische Gesellschaft zu Bologna.
Neue Beobachtungen über einen essentiellen Hydrops
anasarca unabhängig von irgend einem Organleiden theilt
Mazzoti ln der Sitzung vom 23. November 1S99 mit.
Digitized by Gouole
In dem ersten Falle handelte es sich um eiuen 23 jährigen
Mann, bei welchem sieh das Oedem unter geringen Symptomen
an beiden Extremitäten einstellte (das Scrotum blieb verschont»,
daun nahm es die Seitcutheile von Abdomen und Thorax ein.
darauf die Arme und Hände lind erreichte seiue grösste Intensität
am Gesicht. Die Krankheit dauerte ca. 20 Tage und endete spon¬
tan mit reichlicher Diurese. Im 2. Falle, einen 45 jährigen Mann
betreffend, dauerte der Hydrops drei Monate, verlief mild und ohne
Fieber und nahm die unteren Extremitäten des Scrotum, die
Seiten des Abdomens uml den Rücken und die Schultern ein, zu¬
gleich war ein leichter Pleura- und Peritonealerguss zu be¬
merken.
In summa bestehen derartige Fülle, wie sie jetzt schon von
mehreren Autoren erwähnt sind, in einer Anschwellung des sub-
cutanen Bindegewebes, welches nie allgemein, aber über grosse
Körperpartien ausgedehnt ist und oft mit seröser Ausschwitzung
verläuft. Dieselbe verläuft ohne Fieber, ohne schmerzhafte Er¬
scheinungen, kann tägliche Schwankungen machen und heilt spon¬
tan innerhalb 2—3 Wochen bis zu einigen Monaten. Das constante
Factum ist die grosse Ausdehnung des Hydrops und das Fehlen
aller Ursachen, welche sonst Hydrops zu machen pflegen.
Die Affection findet sich meist hei Männern. Die Pathogenese
wird begründet durch I n t o x i c a t i o n o n. Toxische Agentien
sollen auf die vasomotorischen Cent reu und auch auf die kleinen
Blutgefässe und Capillaren wirken.
In der Discussion Ist Vital! mehr geneigt, doch eine In-
suffleienz der Nierenfunction anzunehmen. Wenn der Urin auch
frei von Albumen und der Harnstoffgehalt normal sei, so könnte
doch durch irgend eine peripherische oder centrale Ursache die
wasserausscheidende Thätigkeit der Nierenepithelien gestört sein.
Hager- Magdeburg-N.
XVIII. Congress für innere Medicin zu Wiesbaden.
Ausser den auf S. 138 bereits mitgethellten sind noch folgende
V o r trüg e angemeldet:
Herr X e u s s e r-Wien: Zur Klinik des Malariafiebers (mit
Demonstration/). Herr W e n k e b ach- Utrecht: lieber die physio¬
logische Erklärung verschiedener llerz-Puls-Arliythmlen. Herr
Türk-Wien: Ueber die Haemamoeba L ö w i t’s im Blute Lou-
kaomisebor. Herr Jv. G r u b e - Neuenahr-London: Ueber ein dem
Goma diabeticum analoges künstlich hervorgerufenes Coraa (De¬
monstration). Herr v. Noorden - Frankfurt a. M.: Zur Arznei¬
behandlung des Diabetes mellitus. Herr Kohnstamm - Königs-
stein i. T.: Die abführenden Kleinhirnbahnen und ihre klinische
Bedeutung. Herr S o n n e n b e r g e r -Worms: Beiträge zur Aetio-
logie der acuten Verdauungsstörungen, insbesondere der Gholera
nostras des Süiiglingsalters. Herr Edgar G a n s - Karlsbad: Die
G a d e’sche Methode (1er quantitativen Harnstoffbostimmung.
Herr S c li ii c k i n g - Pyrmont: Die physiologischen Wirklingen
der Alknlisaccliarate. Herr L e n n 6 - Neuenahr: Die Eiweiss¬
zufuhr in der Diahotikerdiät. Herr Aug. lloffmann - Düssel¬
dorf: Zur Pathologie der proxysmalen Taehyeardie. Herr Herrn.
V I e r o r d t - Tübingen: Ueber Gyanose. Herr Bettmann-
Heidelberg: Ueber eine besondere Form des chronischen Ikterus.
Herr Gumprecht - Jena: Ein neuer Bestandthell der normalen
Spinalflüssigkeit. Herr Karl B o r n s t e i n - Bad Landeck: Ueber
die Mittel zur Hebung des Eiweissbestandes im Organismus.
Herr A. Smith- Schloss Marbach: 1) Ueber einige neue Methoden
zur Bestimmung der Herzgrenzen. 2) Ueber objective Verände¬
rungen des Herzens unter dem Einflüsse localer und allgemeiner
Elektrisation. Zugleich ein Beitrag zur Lösung der Frage: Beruht
die Wirkung der Elektricität beim Menschen auf Suggestion oder
nicht? Herr Boas-Berlin: Klinische Studien an 200 Fällen von
intestinalen Gareinomen. A. Poehl - St. Petersburg: Die organ-
therapeutischen Mittel bei Autointoxicationen. Herr Emil Kraus-
Prag: Züchtung des Typhusbacillus aus dem Stuhle. Herr Walko-
Prag: Ueber den therapeutischen Werth lind die Wirkung der Blut-
entziehung bei Uraemio und Pneumonie. Hon’ Q u e i r o 1 o - Pisa:
Die Magengrenzen lind ihre Veränderungen, sowie ein neues Ver¬
fahren (Q u o i r o 1 a - L a n d i), dieselben zu bestimmen. Herr
A. S t r u b o 11 - Breslau: Ueber eine neue Methode der Urin- und
Blut Untersuchung. Herr W. Ilis jr. und Theodor Paul: Ver¬
halten und Renctionen der Harnsäure und ihrer Salze in Lösungen.
Herr B e li 1 a - Luckau N. L.: Ueber Gancer ä deux.
Verschiedenes.
Das K o p 1 i k’sehe Früh Symptom der Masern be¬
steht bekanntlich in einer charakteristischen Veränderung der
Wangenschleimhaut: rothe, unregelmässige Flecke, in deren Con-
trum sich winzige b 1 ä u 11 c h - w e 1 s s e Punkte befinden:
die letzteren sind das Wesentliche (Epitkelabschilferung). Meist
finden sich die Flecke auf dem den unteren Backzähnen gegen¬
überliegenden Tholl der Waugensehleimhaut. Michael Cohn-
Berlin hat das Symptom unter 22 frischen Fällen 10 mal be¬
obachtet. (Tlierap. Monatsh. 11, 1899.) K r.
Therapeutische Notizen.
Die von der W ilbodi-Apotheke in Bremen hergestellte Nico-
tianaseife ist nach Marcuse - Mannheim in erster Linie
ein gutes Mittel gegen die Scabies. Die Seife enthält
5 Proc. Tabakextract, 5 Proc. Sulfur praecipitatum, 90 Proc. über-
Qriginal fforn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
13. März 1900
fettete Seife. Der Patient wäscht Früh und Abends den Körper
mit warmem Wasser ab und schäumt sich vom Halse beginnend
mit der Seife ein. In 3—4 Tagen ist die Wirkung erreicht und ein
warmes Vollbad bescliliesst die Cur. M. erzielte in 32 Fällen einen
tadellosen Erfolg (Ther. Monatsli. 32, 1800). Sehr günstige Er¬
folge sah M. auch bei Pityriasis versicolor, Herpes tonsuraus, Urti¬
caria und Prurigo incipiens. (Ein Stück der Seife kostet 75 Pf.)
Kr.
Therapeutische Verwendbarkeit des Pilo¬
carpins. St. Harnsberger-Catlett beschreibt einige
Fälle von Orchitis, in welchen ihm das Pilocarpin (0,0073 p. dosi)
iu Verbindung mit Codein sehr gut Dienste leistete und empfiehlt
dessen Anwendung insbesondere auch bei Gallen- und Nierenstein¬
koliken, bei Zwerehfellkrampf, hartnäckiger Darmobstruction, bei
Strieturen, endlich versuchsweise auch bei Tetanus. Die krampf-
stillende und beruhigende Wirkung desselben ist eine auffallende.
(Philadelphia med. Joum., 20. August 1809.) F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München/ 13. März 1900.
— Am 8. ds. Mts. fand die Generalversammlung
des Herausgebercollegiums der Münch, med.
Wochenschrift für das Jahr 1900 statt. Nach Erstattung
des Jahresberichtes über das abgelaufene Jahr durch den Re¬
dact eur wurde beschlossen, wie in den Vorjahren aus den Ueber-
scliüssen eine grössere Summe ärztlichen Wohlfahrtseinrichtungen
zuzuwendeu. Es wurden bestimmt: 2000 M. dem Pensiousverein
für Wittwen und Waisen bayerischer Aerzte, 1000 M. der Ver-
sieherungscasse für die Aerzte Deutschlands in Berlin, 500 M.
dem Verein zur Unterstützung invalider hilfsbedürftiger Aerzte
in Bayern, 500 M. dem Sterbeeasseverein der Aerzte Bayerns
und 220 M. l'iir zwei bedürftige Arztwitt wen.
— Die Zulassung d e r R e a 1 g y m n a s i a l a b i t u-
r i e n t e n zum m e d i c i n i s e h e u und juristischen
Studium wurde nun auch im preussisclieu Abgeord¬
net e n h a u s e angeregt. Der Abgeordnete v. Knap p erhoffte
bezüglich der Zulassung zur Medicin nach den neiilicheu entgegen¬
kommenden Erklärungen des Staafssecivtärs Grafen v. Posa-
ilowsky im Reichstage eine baldige befriedigende Lösung und
sprach sich auch für die Zulassung zum juristischen Studium aus:
hervorragende Juristen hätten sich günstig darüber geäussert; die
Einführung des neuen bürgerlichen Gesetzbuches erfordere in
erster Linie praktische, in den Verhältnissen des täglichen Lebens
erfahrene Männer und solche versprächen die Realgymnasialabitu¬
rienten in höherem Maasse zu werden, als die Abiturienten
der humanistischen Gymnasien. Nach der Erwiderung des
Ministerialdirectors Althoff ist diese Frage noch nicht abge¬
schlossen, zunächst hat sich vielmehr die preussische Regierung
bezüglich des mediciniSchen Studiums mit anderen Regierungen
in Verbindung gesetzt und die Zulassung unter der Voraussetzung
einer Ergänzungsprüfling im Lateinischen .***- anstatt wie bisher
im Lateinischen und Griechischen — angeregt; auf die Zulassung
zum juristischen Studium ging er, da nicht zu seinem Ressort ge¬
hörig. nicht ein.
lieber die Petition mehrerer Studentinuen der Medicin lim Zu¬
lassung zur Immatriculation und zu den Staatsprüfungen ging der
Reichstag nach kurzer Debatte zur Tagesordnung über, da die
Zulassung der Frauen zur Prüfung als Arzt, Zahnarzt oder Apo¬
theker bereits durch Beschluss des Bundesrathes vom 24. April 1800
geregelt sei, im Uebrigon die Coinpetenz des Reichstages mangele.
I >ie vom Abgeordneten () e r t e 1 vertretene Petition um Wiederein¬
führung der Prügelstrafe fand, wie nicht anders zu er¬
warten war, die gleiche Erledigung.
Der Gesetzentwurf über die Schlachtvieh- und
Fleischbeschau hat im Reichstage die zweite Lesung über¬
standen. Trotz der ausdrücklichen Erklärung der Regierungsver-
treter, dass es sich lediglich um ein hygienisches Gesetz zum
Schutze der Gesundheit des deutschen Volkes handle, verquicken
die Vertreter der agrarischen Interessen mit dieser Frage ein¬
seitige wärthseha apolitische Zwecke mul verlangen u. a. das Ver¬
bot der Fleiseheiufuhr aus dem Auslande nach dem 31. Deeemher
1903. Das Zustandekommen des Gesetzes ist hiedurch sehr ge¬
fährdet.
Der „F a 11 N e i s s e r“ wurde in der Sitzung des preussisclieu
Abgeordnetenhauses vom G. ds. vom Abgeord. v. Pappenheim
abermals zur Sprache gebracht, wobei es. w r ie schon in der Sitzung
vom 11. März v. .Ts., zu heftigen Angriffen auf Neisser kam.
Bei genauerer Kenntniss des Falles, w r ie sie bei unseren Lesern
durch den Artikel des Prof. v. Düring in No. 25 vor. Jahrgangs
vorausgesetzt werden kann, kann man sich die gegen Professor
Neisser zum Ausdruck gelaugte Erregung nur als durch ein
Missverständnis verursacht erklären. Man stellt sich unter den
N e i s s e r’sehen Impfungen, nach Analogie der Schutzpocken¬
impfung, offenbar die Uebertragung eines zwar abgeschwächten,
aber immerhin krank machenden Virus vor, während es sieh doch
nur um Einspritzungen von nicht infeetiösem, toxinfreiem Blut¬
serum handelte. Auch der von Virchow gebrauchte Vergleich
mit den Tuberculinimpfnngen stimmt nicht; denn das Tuberculin
enthält, w r enn es auch nicht iufectiüs ist, doch die Toxine des
Tuberkelbacillus und vermag ernste Krankheitserscheinungen her¬
vorzurufen. Von den Immunsera weiss man jetzt aus vieltausend¬
fältiger Erfahrung, dass sie keine nennensw r erthen Krankheits¬
erscheinungen hervorgerufen. Die Inlectlonen von Diphtherie-,
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Tetanus-, Typhus-, Cholera- uud Pestseruhi, w'ie sie jetzt auf der
ganzen Welt im grössten Maassstabe geübt werden, haben, wenn
auch nicht iu allen Fällen die Wirksamkeit, so doch die völlige
Unschädlichkeit dieser Sera dargetlian. Tliatsücklich sind auch
die von Neisser uusgeführteu lnjectionen von Syphilisserum
unschädlich gewesen. Das ganze Verbrechen N e i s s e r’s reducirt
sich also darauf, dass er seine Kranken nicht vorher ausdrücklich
lim die Erlaubnis» zu seinen Versuchen fragte. Da mit denselben
weder erheblicher Schmerz noch sonstiges Risiko verbunden,
w'ohl aber im günstigen Falle viel zu gewinnen war, so würde er
nach vorheriger Darstellung des Sachverhaltes freiwillige Ver-
suchsobjecte genug gefunden haben. Wir wollen Neisser
wegen dieser Unterlassung nicht entschuldigen, wir haben ja
wiederholt die Notliweudigkeit der Zustimmung des Patienten zu
jedem ärztlichen Eingriff betont, so gravirend scheint sie uns aber
nicht zu sein, dass sie jelzt noch, nach so vielen Jahren und einem im
Uebrigen so verdienten Manne gegenüber, das fortgesetzte Rufen
nach dem Disciplinarricliter rechtfertigen würde.
— Man schreibt uns: ».Apotheker Seil iu Osterhofen ver¬
sendet an die Aerzte einen Probetiegel eines von ihm erfundenen
„Heilmittels für schmerzhafte Fussloiden“. Er fordert in einem
Begleitschreiben auf, ihm Urtheile zukommen zu lassen und er¬
klärt sich bereit, von der bisherigen „Specialpackung“ des Mittels
zur „offenen Packung“ überzugehen, „wenn das ärztliche Inter¬
esse entsprechend erweitert würde, so dass sich eine mit tech¬
nischen Schwierigkeiten verbundene Aenderung meines Geschäfts¬
betriebes auch lohnt“. Er versichert schliesslich, „dass der Haupt¬
bestandteil des Heilmittels ein rein ausschliesslich von
mir hergestelltes chemisches Präparat bildet“. Wir wissen über
den Werth dieses angepriesenen Mittels nichts, wenn freilich uns
der (»ine oder andere Arzt bekannt ist, der es thatsächlieh schon
verordnet hat. Aber das wissen wir, dass ein hohes Maass von
Lhiverfroreiilieit dazu gehört, die Mitwirkung der Aerzte zur Ver¬
breitung eines Geheimmittels zu erbitten. Wir geben uns der
Hoffnung hin, dass die Aerzte einen solchen Versuch, das Geschäft
einer Apotheke zu heben, gebührend zurückweisen.“
— Pest. Japan. Die Gesammtzahl der seit dem ersten Auf¬
treten der Seuche in Japan festgestellten Erkrankungen an Pest
wird nunmehr auf 70 beziffert, 00 derselben sollen tödtlich ver¬
laufen sein. — Philippinen. Im Laufe des Januar sind in Manila
mehrere Personen an einer Krankheit gestorben, welche von ein¬
zelnen Aerzten für Bubonenpest gehalten wird, während andere
versichern, (lass es sich nicht um Pest, sondern um einheimische,
den Amerikanern bisher wenig bekannte Leiden, namentlich Beri-
beri handele. Der Gesundlieitsbehörde (board of health) waren
bereits am 13. Januar täglich Dutzende von pestverdächtigen
Fällen gemeldet worden, und w’urden dementsprechend strenge
gesundheitspolizeiliche Maassregeln in der Stadt ergriffen. Vom
6. bis 22. Januar sollen zu Folge einer amtlichen Auskunft von
letzterem Tage 5 Fälle von Pest, darunter 4 mit tödtlichem Aus¬
gang und 5 pestverdächtige Fälle vorgekommen sein.
— In der 8. Jahreswoche, vom 18. bis 25. Februar 1990, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Rostock mit 47,5, die geringste Kaiserslautern mit 8,2 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb au Masern in München; an Diphtherie und Croup
in Plauen.
— Die neunte Versammlung der Deutschen Otologi-
sehen G e s c 11 s c li a f t. wird in diesem Jahre am 1. und 2. Juni
in Heidelberg stattlinden. Vorträge oder Demonstrationen sind
bis 30. April bei Prof. Dr. S l e b e n m a n n in Basel anzumeldeu.
— Am 20. und 27. Mai d. J. findet die 25. Versammlung
der s ii d w o s t d e u t s e h e n N e u r o 1 o g e n und Irren-
ä r z t e in Baden-Baden statt. Aus Anlass der 25. Wiederkehr
dieser Versammlung wird eine Festsitzung abgehalteu, zu der die
Damen eingeladen werden. Geschäftsführer sind: E r b - Heidel¬
berg, F ü r s t n e r - Strassburg, F i s c li e r - Pforzheim.
— Der 0. Congress der italienischen Gesellschaft für Geburts¬
hilfe und Gynäkologie wird im October zu Pa via stattfinden.
(II o c h s c h u 1 n a c h r i c h t e n.)
M a r b u r g. Der Professor für pathologische Anatomie an
der Universität Zürich, Dr. Hugo Ribbert, hat einen Ruf als
Ordinarius nach Marburg erhalten und angenommen.
W ü r z b u r g. An Stelle des nach Berlin übersiedelndeu
Prof. v. Michel wurde Prof. II o f m e 1 e r zum Rector der Uni¬
versität gewählt.
Moskau. Als Priviitdocent.cn haben sich habilitirt: Dr.
P o 11 j e w t k o w für Kinderkrankheiten, Dr. B e r e s t n e w
für Bacteriologie uud Di*. W. P o 1 j a k o w T für Krankheiten der
Athmungsorgaue.
R e i m s. Der Professor der chirurgischen Pathologie und
operativen Medicin Dr. A. P o z z i wurde an Stelle des verstorbenen
Prof. D e c e s zum Professor der chirurgischen Klinik ernannt.
(T o d e s f ä 11 e.)
Dr. Theodor Sauer, Assistenzarzt am pathologischen In¬
stitut in Bonn, in Folge von Blutvergiftung, die er sich hei einer
Section zuzog.
Stabsarzt Dr. Steinbach von der Kaiser Wilhelms-
Akademie für das militärärztliche Bildiingsweson.
Durch Suieidium endete der Privatdocent für Augenheilkunde
an der Universität Krakau, Dr. Franz Seoczynski.
In seinem 9G. Lebensjahr starb am 1. März d. J. der Medicinal-
ratb Dr. Nieberding in Varel. Mit ihm dürfte der Senior der
Aerzte Deutschlands aus dem Leben geschieden sein.
Senator Professor Lorenzo Bruno ln Turin.
Original frorri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
MÜNCHEN'KR MKniCINISCIIK WOCH ENSCH RIET.
No. H.
SSO
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Karl Plrazzl in Schlüsselfehl.
Verzogen: Pr. Heinrich Held von Regensburg nach Berneck.
Abschied bewilligt: Dem Generalarzt Pr. Bau m ann,
Corpsarzt des 11. Armeecorps, unter Verleihung des Ritterkreuzes
1. ('lasse des Militärverdienstordens, mit der gesetzlichen Pension
und der Erlaubniss zum Tragen der Uniform mit den für Ver¬
abschiedete vorgeschriel»enen Abzeichen: dem Assistenzarzt Paul
I f tner der Reserve (Erlangen) behufs l’ebertritts in die Kaiser¬
liche Marine.
Befördert: Per Bezirksarzt I. (Masse Pr. Adolf Dorff-
meister in Augsburg auf die erledigte Stelle eines Regierungs¬
und Kreimedicinalrathes bei der Regierung, Kammer des Innern,
der Oberpfalz und von Regensburg.
Quiescirung: Per Bezirksarzt I. CI., Mediciualrath Pr. Julius
B e r t r a in in Regensburg, seiner Bitte entsprechend, wegen nach¬
gewiesener physischer Gebrechlichkeit unter Anerkennung seiner
langjährigen, treuen und erspriessliehen Dienstleistung in den
dauernden Ruhestand.
Versetzt: Per Assistenzarzt Pr. Lutz des 1. Feld-Art.-Reg.
zur Reserve des Sanitätscorps.
Correspondenz.
Mit Bezug auf den Artikel „S c h u 1 ä r z t e“ von Pr. A.
\V e i s s in No. 9. d. W. sendet uns Herr Pr. H. Sterufeld
eine längere Zuschrift, der wir Folgendes entnehmen:
Was mich dazu veranlasste, die Schularztfrage gerade jetzt
..nachträglich“ in der „öffentlichen“ Presse zu besprechen, hat seinen
natürlichen Grund darin, dass eben jetzt die Sache „öffentlich“ zur
Sprache gebracht war, indem am 25. Januar d. J. die Schularzt¬
frage im hiesigen Gemeindecollegium verhandelt wurde und die
Münchener Neuesten Nachrichten bereits v o r meinem Artikel
einen diesbezüglichen in No. <59 gebracht hatten. Mit demselben
Rechte aber, mit dein seiner Zeit (im Monat Juli» der Beschluss
des ärztlichen Bezirksvereins in den M. N. N. veröffentlicht wurde,
mit demselben konnte ich jetzt zur passenden Gelegenheit und
Zeit dieselbe Zeitung davon benachrichtigen, «lass dieser Beschluss
durchaus nicht einstimmig gefasst wurde und die Gründe meiner
Opposition i m A 11 g e m eine n tim Speziellen wollte ich mich in
einem politischen Blatte nicht in die Frage einlasseu und habe dess-
lialb nur TliatSachen gebracht) darlegen. Pass ich „zufällig" in der
Minorität geblieben, konnte mich allerdings nicht dazu veranlassen,
meine Anschauung in der Frage der Schulärzte zu Gunsten der
Majorität aufzugeben oder zu ändern.
Wenn Herr Pr. Weiss ferner sagt: „Per Deutsche Aerztetag
habe einstimmig erklärt, dass die bisherigen Erfahrungen die Ein¬
setzung von Schulärzten allgemein als dringend erforderlich er¬
scheinen lassen“, so muss doch daran erinnert werden, dass diese
Erklärung durchaus nicht unwidersprochen geblieben ist. wenn sie
auch schliesslich einstimmige Annahme fand.. Pass München
einer gesonderten Beiirtheilung bedürfe, ist für Jedeu „eriindlich“,
der die hiesigen Verhältnisse kennt und weiss, dass die Austeilung
von Schulärzten wohl dem Einzelnen, der angestellt werden wird,
aber nicht dem Ganzen zu (inte kommen kann. Penn daran wird
Niemand zweifeln, dass mit einer alle 14 Tage stattfindenden
Sprechstunde von 11—12 Uhr, deren „erste Hälfte zu einem
j ( v lo—ir» Minuten dauernden Besuche von 9—5 Classen dient, in
Iler s ä m in fliehe Kinder der betreffenden Classen einer äusseren
Besichtigung unterzogen werden" (Dienstordnung für die Schul¬
ärzte in Frankfurt), oder mit einem „allmonatlich mindestens ein¬
mal" stattfindenden Besuche, wobei auf „alle für die Gesundheit
der Kinder und Lehrer getroffenen Einrichtungen zu achten ist,
vor Allem auf Erwärmung, Lüftung. Beleuchtung. Reinigung der
Räume, auf Schulbänke, Aborte, Turnsäle und Schulbäder“ (Nürn¬
berger Dienstordnung) den Forderungen des Deutschen Aerzte-
tags nicht im Mindesten entsprochen ist. „Pass „die Schule unter
ständige fachmännische Aufsicht gestellt wird", dagegen habe ich
mich durchaus nicht ausgesprochen; ich habe im Gegentheil darauf
hingewiesen, dass den Amtsärzten gesetzlich die P f 1 i c h t
der Beaufsichtigung der Schule und Schulkinder in hygienischer
Beziehung obliegt; wenn es denselben jedoch „gänzlich unmöglich“
geworden ist. dieser Pflicht nachzukoinmeu, so muss eben diesem
Mangel durch entsprechende Vermehrung der amtlichen Stellen,
eventuell durch vom Staate zu ernennende amtliche Schulärzte,
denen a u s s c li 1 i e s s 1 i c li diese Function zu übertragen wäre,
al»geholfen werden.
Wenn Herr Pr. Weiss mir zum Schlüsse den Vorwurf macht,
dass ich deiiSatzTliicrsch’s nicht richtig citirt, bezw. so angeführt
habe, dass daraus zu entnehmen gewesen wäre, derselbe habe sich
gegen die Schulärzte ausgesprochen, so muss ich darauf erwidern,
dass sich m ein Artikel an das h l o s i g e Publicum
gewendet, das sich unter einem Schularzt nur das ver¬
stellt, was dort dem Satze vorangestellt ist und sich
auf das Wort „derartige“ bezieht, nämlich einen
Arzt, der „täglich in der Schule anwesend ist, die Classen-
zinnuer revidirt, den Gesundheitszustand der Kinder überwacht,
regelmässige Untersuchungen derselben vornimmt und darauf hält,
dass keine Ucbcrbürdung eintritt“.
Ich kann nach dem Gesagten die grosse Bedeutung
der Schulärzte für München in dem Sinne, wie
es geplant ist, nicht einselien und stimme auch
hier mit dbn Worten Thicrscli’s (a. a. O.) über¬
ein, welche lauten: „Die Schule muss sich beständig re-
formireu. Unterrichtsplan und Lehrmethode verbessern, aber
diese Entwicklung vollzieht sieh ganz von
selbst, jedenfalls viel besser ohne ärztliches
Z u th u li ; dies würde nur Schaden stiften. Es kann
desswegen Aufgabe der Aerzte nur sein, die äusseren Lebens¬
bedingungen der Schule zu überwachen, ihr gewissermaassen den
Boden bereiten, in dem sie sich gesund entwickeln kann, alle
Schädlichkeiten von ihr fernhalten.“ Dies ist aber Aufgabe der
Hygieniker und der erst vom Staate zu diesem Zwecke zu
ernennenden amtlichen Aerzte. Pr. Hugo Sterufeld.
Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee
für den Monat Januar 1900.
Iststärke des Heeres:
63805 Mann, 16 Invaliden, 210 Kadetten, 146 Unteroff.-Vorschüler.
Unter-
Mann
Iuvali-
den
Kadetten
Offlaier-
vor-
schüler
1. Bestand waren am
31. Deeember 1899:
1340
2
—
1
I
im Lazareth:
2024
— j
1
40
2. Zugang: j
im Revier:
5371
—
36
—
[ in Summa:
7395
_ i
37
40
Jin Ganzen
sind behandelt:
8735
2
37
41
°/oo der Iststärke : j
136,8
125,0
176,2
280,8
dienstfähig:
6019
—
27
32
ü /oo der Erkrankten :
689,1
— .
729,7
780,5
gestorben :
10
—
—
—
3. Abgang:
°/oo der Erkrankten :
invalide :
1,1
18
z
—
—
dienstunbrauehbar:
55*)
—
—
3
anderweitig :
207
—
—
—
in Summa:
6309
—
27
35
4. liest and
bleiben am
31. Jan. 1900.
[ in Summa:
2426
2
10
6
°/oo der Iststärke :
1 davon im Lazareth:
[ davon im Revier:
38,0
1453
973
125,0
2
47,6
1
9
41,1
6
Von den in Ziffer 3 aufgeführten Gestorbenen haben gelitten
an: Scharlach (mit Nierenentzündung) 1, Grippe 1, eiteriger Hirn¬
hautentzündung (welche in einem Falle nach einer eiterigen Mandel¬
entzündung, in dem anderen Falle im Gefolge einer Schussver¬
letzung des linken äusseren Ohres aufgetreten war) 2, Lungenent¬
zündung 2, Herzklappen- und Rippenfell-Entzündung 1, innerem
Darm Verschluss (bei chronischem Darmkatarrh) 1, Darmeinklemmung
(durch Bindegewebs-Strangbildung bei chronisch-entzündlichen Ver¬
änderungen des Bauchfelles) 1, eiteriger Blinddarm- und allgemeiner
Bauchfellentzündung 1.
Ausserdem endeten 5 Mann durch Selbstmord, davon 4 durch
Erschlossen, 1 durch Erhängen.
Der Gesammtverlust der Armee durch Tod betrug demnach ini
Monat Januar 15 Mann.
*) Darunter 14 gleich bei der Einstellung.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten flir München
in der 9. Jahreswoche vom 25. Februar bis 3. März 1900.
Betheil. Aerzte 279. — Brechdurchfall 5 (6*), Diphtherie,
Croup 16 (10), Erysipelas 14 (14), Intermittens, Neuralgia interm.
— (—), Kindbettfieber — (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli
404 (409), Ophthaimo - Blennorrhoea neonat. 2 (6), Parotitis epidem.
5 (2), Pneumonia crouposa 21 (10), Pyaemie, Septikaemie — (1),
Rheumatismus art. ac. 37 (39), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarl&tina
4 (4), Tussis convulsiva 23 (16), Typhus abdominalis 2 (1),
Varicellen 8 (7), Variola, Variolois — (—). Summa 641 (527).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 9. Jahreswoche vom 25. Februar bis 3. März 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000.
Todesursachen: Masern 34 (30*), Scharlach 1 (1), Diphtherie
und Croup — (2), Rothlauf 1 (2), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) 1 (—), Brechdurchfall 3 (2), Unterleibstyphus
1 (1), Keuchhusten — (—), Croupöse Lungenentzündung — (—),
Tuberculose a) der Lungen 32 (45), b) der übrigen Organe 8 (5),
Acuter Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 9 (10), Unglücksfälle 3 (3), Selbstmord 6 (3), Tod durch
fremde Hand 1 (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 294 (267), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 33,0 (30,0), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 19,6 (21,4).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Gö'gi?
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Luhmami in München.
Prack ron K. MSuch- um! Kniivulrin-KrtcijXM.; !»lnnith«i*.
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Münch. Med. Wochenschr. orwjheint wöchentl.
ln Nummern von durchschnittlich 4—5 Bogen.
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MÜNCHENER
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MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Ch. Banaler, 0. Bolllnger, H. Curschmem, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 8. Merkel, J. i. Michel, H.». Ranke, F.». Wlnckel, H. ?. Ziemseen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
M 12. 20. März 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Aus dem physiologischen Institut und der medicinischen Klinik
zu Heidelberg.
Eine Methode zur Bestimmung der gebundenen Salz¬
säure im Magensaft.
Von Dr. Otto Cohn he im und Dr. H. Krieger.
In Folgendem sollen in Kurzem die Resultate einer Unter¬
suchung mitgetheilt werden, die den Zweck hatte, eine kli¬
nisch brauchbare genaue Bestimmung der ge¬
bundenen Salzsäure im Mageninhalte zu ermöglichen. Bekannt¬
lich läuft der Verdauungsvorgang im Magen in folgender Weise:
Auf einen ihr zugehenden Reiz sondert die Magenschleimhaut
ein Secret ab, das neben Pepsin und Lab Salzsäure enthält.
Werden nun Speisen und Getränke in den Magen eingeführt,
so tritt einmal eine mechanische Vermischung mit dem Secret
des Magens und damit eine Verdünnung der Salzsäure ein,
ausserdem läuft aber auch eine chemische Reaetion ab. Denn
die Eiweisskörper der Nahrung wie ihre Verdauungsproduete
sind Basen, welche die Salzsäure des Magensaftes neutralisiren.
Dieser Vorgang wurde früher als eine „Verdeckung der Salz¬
säure durch das Eiweiss“ und ähnliches aufgefasst; es ist vor¬
nehmlich das Verdienst S j ö q v i s t’s l ), klar erkannt zu haben,
dass die salzsauren Eiweissstoffe echte Salze sind, und dass es
sich hier um einen gewöhnlichen Neutralisationsvorgang handelt,
genau so wie Natronlauge durch Salzsäure neutralisirt, und
damit in das neutrale Kochsalz verwandelt wird. Dass diese
Erkenntniss sich so lange verzögerte, liegt daran, dass die salz-
sauren Albumosen zwar im chemischen Sinne neutrale Salze
sind, auf unsere gewöhnlichen Indicatoren: Rosolsäure, Phenol¬
phthalein und Lackmus jedoch sauer reagiren. Es ist dies nichts
Aussergewöhnliches, da z. B. auch kohlensaures Natron: Na, CO,
alkalisch reagirt wie Natronlauge, und liegt nur daran, dass
hier die Kohlensäure eine so schwache Säure, dort die Albu¬
mosen so schwache Basen sind, dass die genannten Indica¬
toren früher abgesättigt werden als sie selbst. Für eine Reihe
von anderen Indicatoren: Congoroth, Tropaeolin, Phloroglucin-
Vanillin, reagiren die salzsauren Albumosen aber neutral, wie sie
es in Wirklichkeit sind; bei ihrer Verwendung werden im Magen
die salzsauren Albumosen nicht als Säure titrirt, sondern nur
die wirklich freie, nicht neutralisirte Salzsäure, und sie dienen
daher zur Bestimmung der freien Salzsäure allein.
Man bestimmt die Salzsäure im ausgeheberten menschlichen
Mageninhalte, um sich über die Functionstüchtigkeit der Magen¬
schleimhaut aus der Menge der abgesonderten Salzsäure zu ver¬
gewissern. Dazu gehört, dass man beide Arten von Salzsäure be¬
stimmt, die neutralisirte, wie die noch freie. Sjöqvist 2 ) hat
diese Verhältnisse kürzlich eingehend auseinandergesetzt, und
kommt zu dem Schlüsse, dass es für die Kenntniss des Magen¬
chemismus erforderlich sei, die Gesammtmenge der Salzsäure zu
kennen.
Nun stiess die Bestimmung der gebundenen Salzsäure aber
auf grosse Schwierigkeiten und es hat sich die klinische Praxis
*) J. Sjöqvist: Skandin. Archiv 1\ Physiol. V, p. 277. 1894
und VI. p. 205, 1895, sowie
*) .T. Sjöqvist: Zeitschr. f. klin. Med. XXXIT. p. 451, 1890.
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| herausgebildet, dass in der Regel nur die Gesammtacidität und
die freie Salzsäure bezw. das Salzsäuredeficit ermittelt werden.
Wenn die Verhältnisse der Untersuchung gleich gewählt werden,
lassen sich aus diesen beiden Werthen verwerthbare Schlüsse
ziehen; immerhin beweist die grosse Anzahl von Methoden, welche
I im Laufe der Zeit für die Bestimmung der gebundenen Salzsäure
angegeben worden sind, dass sich in einer Reihe von Fällen das
Bedürfniss nach dieser Bestimmung geltend macht.
Betreffs der Kritik der hierfür angegebenen Methoden, von
Leo, M a r t i u s und L ü 11 k e u. A. sei auf die citirte Ab¬
handlung von Sjöqvist verwiesen. Die einzige Methode,
welche wirklich verlässliche Werthe liefert, ist die von Sjöq¬
vist s ), aber sie ist, wie wohl allgemein zugegeben wird, zu
complicirt und zeitraubend, als dass sie einer allgemeinen An¬
wendung fähig wäre. Wir haben uns ihrer und zwar in der
Modification von Salkowski-Fawizky 4 ) als Controle
für das zu erprobende Verfahren bedient. Zu diesem verwen¬
deten wir die Eigenschaft der Albumosen wie auch anderer Ei-
weisse, dass sie durch Phosphorwolframsäure oder andere Alka-
loidreagentien aus sauren Lösungen gefällt werden. Die aus¬
führliche Begründung unserer Methode, die nähere Besprechung
dieser Reaetion, sowie der Eigenschaften der salzsauren Albu¬
mosen und ihrer hydrolytischen Dissociation wird in einer aus¬
führlicheren Mittheilung in der Zeitschrift für Biologie er¬
scheinen. Hier sei nur das Hauptergebnis unserer Versuche,
sowie die Art der Anwendung unserer Methode zu klinischen
Zwecken mitgetheilt.
Fügt man zu einer salz3auren Eiweisslösung Phosphor¬
wolframsäure, oder ein Salz derselben, so tritt folgende Um¬
setzung ein:
salzsaures Eiweiss + Phosphorwolframsäure = phosphorwolfram¬
saures Eiweiss + Salzsäure
bezw.
salzsaures Eiweiss + phosphorwolframsaures Natron = phosphor¬
wolframsaures Eiweiss -f- Chlornatrium.
Das phosphorwolframsaure Eiweiss ist unlöslich und fällt
aus. Dabei tritt nun ein Aciditätsverlust ein, dadurch, dass das
vor der Fällung in Lösung befindliche salzsaure Eiweiss, wie
oben angeführt, sauer reagirt, das bei der Fällung gebildete Chlor¬
natrium neutral; das ausgefällte phosphorwolframsaure Eiweis9
kommt für die Reaetion nicht mehr in Betracht, Wurde die
saure Reaetion vorher nur durch das salzsaure Eiweiss bedingt,
so wird die Flüssigkeit nachher neutral reagiren, waren hingegen
sonst noch Salzsäure oder andere Säuren zugegen, so wird sie
um so viel weniger sauer sein, als der Acidität des salzsauren Ei-
weisses entspricht. Diese wird durch deren Salzsäure bedingt; wenn
entspricht. Diese wird durch deren Salzsäure bedingt; wenn
man also vor und nach der Fällung mit einem neutralen phosphor-
wolframsauren Salz die Acidität bestimmt, so wird die Differenz
genau dem Werthe der durch das Eiweiss, bezw. die Albumosen
im Mageninhalt neutralisirten Salzsäure, mit anderen Worten,
der gebundenen Salzsäure entsprechen. Bei reinen Eiweissen und
Albumosen wird durch die starke hydrolytische Dissociation des
salzsauren Eiweisses eine bedeutende Complication eingeführt,
bei dem Gemenge der Albumosen und Peptone der künstlichen
3 ) J. Sjöqvist: Zeitschr. f. phys. Ch. XIII, p. 1. 1889.
*) A. F a w i z k y : Virchow’s Archiv. CXXIII, p. 129. 1891.
l
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
382
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Magenverdauimg, dem sogenannten Wittepepton, ergeben sich
indessen recht genaue Werthe, die die Anwendbarkeit der Fällung
zur Bestimmung gebundener Salzsäure beweisen.
Wir gingen in der Art vor, dass wir eine bestimmte Menge
Wittepepton in einer Salzsäurelösung von bestimmtem Gehalt
lösten und dann 1. die Gesammtaciditiit, 2. die freie Salzsäure be¬
stimmte n, letztere mit Phloroglucin-Vanillin oder Tropaeolin.
Zu einer 3. Portion, von ebenfalls 10 ccm, wurde dann neu¬
traler phosphorwolframsaurer Kalk zugesetzt, von dem volu¬
minösen Niederschlage nbfiltrirt und im Filtrat von Neuem die
Aciditiit bestimmt: Die Differenz gegen die Gesammtaciditiit
zeigt die von dem in 10 ccm enthaltenen Wittepepton gebundene
Salzsäure an. Bei der Wahl der Indicatoren ergab sich die auch
von T o e p f e ru. A. gefundene Thatsaehe, dass Phenol¬
phthalein bei eiweisshaltigen Lösungen stets zu hohe Werthe gibt,
Rosolsäure umgekehrt eher etwas zu niedrige; doch ist die Ab¬
weichung geringer, und es würde sich Rosolsäure daher zu Magen¬
inhaltsuntersuchungen wohl eher empfehlen. Indessen ist der
Unterschied gering und fällt bei gleichen Versuchen natür¬
lich heraus.
Folgende Beispiele mögen unser Vorgehen veranschau¬
lichen; die Zahlen bedeuten die Anzahl ccm /,*, Na Oll. die in
10 ccm Lösung bis zur Endreaction verbraucht werden, multi-
plicirt mit 10, entsprechend dem Werth für 100 ccm, wie dies
ja bei Berechnung der Gesammtaciditiit des Mageninhaltes
üblich ist.
I
11
Gesammtacidität.
60
1 104
Freie Salzsäure.
24
50
Titer nach der Fällung ...
26
49
Titerdifferenz vor und nach der
Fällung gebund. Salzsäure
60—26 — 34
104—49 — 7)5
Gesammtsalzsäure.
58 statt 60
105 statt 104
Oder bei Anwesenheit von Milchsäure (III.) und ohne dieselbe
(IV.) III 0 ccm Norm. HC1 + G ccm verd. Milchsäure -}- 2 g Witte¬
pepton -f- Aqu. ad 100,0. IV idem, ohne Milchsäure.
III
IV
Gesammtacidität.
105
51
Freie Salzsäure.
15
14
Titer nach der Fällung ...
68 |
21
Gebundene Salzsäure.
37
| 30
Gesammtsalzsäure.
52 statt 51
| 44 statt 7>1
Bei den oben angeführten Beispielen war ein Ueberschuss
von Salzsäure vorhanden; besteht jedoch ein Salzsäuredeficit, so
muss dies ermittelt und alsdann mehr Salzsäure zugesetzt werden,
als zur Deckung erforderlich, so dass freie Salzsäure vorhanden
ist. Dann wird bestimmt, wie viel gebundene Salzsäure jetzt in
Lösung ist, und davon das Deficit in Abzug gebracht. Zwei Ver¬
suche mit der gleichen Menge Salzsäure und Wittepepton, einmal
unter Zusatz von Milchsäure, sollen als Beispiel dienen.
V 2 g Wittepepton -j- 3 ccm Norm. HCl -f- Aqu. ad. 100.
VI idem 4 4 ccm verdünnte Milchsäure.
V
1 VI
Gesammtacidität.
24
1
77
Freie Salzsäure .
Fällung nach Zusatz von 3 ccm
Norm HCl. Titer nach der
— 17
! —17
Fällung . ..
22
| 69
1
In dieser Lösung ge¬
bundene Salzsäure (24 -f 30) — 22 = 32 (77 + 30) — 6b — 38
Ursprünglich gebundene
Salzsäure 32 —17 — 17) 38 —17 — 21
Gesammtsalzsäure 15 statt 24 21 statt 24
Die Versuche zeigen, dass die Methode auch hierbei richtige
Werthe liefert, nur empfiehlt es sich, mehr Salzsäure zuzusetzen,
als wir m bei V und VI gethan haben, so dass der Ueberschuss
mindestens 30 beträgt, da sonst die Dissociation stört.
5 ) G. T o e p f e r : Zeitschr. f. phys. Chemie. XIX. p. 104. 1803.
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Nachdem einige Beispiele an künstlichen Gemischen an¬
geführt sind, handelt es sich darum, die Anwendbarkeit der Me¬
thode auch für den natürlichen Mageninhalt darzuthun. Das
Verfahren gestaltet sich folgendermaassen:
Es wird im filtrirten Mageninhalt in der üblichen Weise die
Gesammtaciditiit und die freie Salzsäure in je 10 ccm bestimmt.
Alsdann werden 10 cein mit phosphorwolframsaurem Kalk gefällt.
Die Lösung stellt man sieh so dar, dass man von einer käuflichen,
reinen Phosphorwolframsäure eine 4 proc. Lösung in Wasser her¬
stellt und diese in der Siedehitze mit kohlensaurem Kalk neutrali-
sirt — in der Kälte wird die Lösung nicht neutral — und filtrirt.
Die Lösung hält sich beliebig lange. Von dieser Lösung genügen
unter allen Umständen 30 ccm reichlich. Bei der Fällung ent¬
steht ein voluminöser Niederschlag, den man durch ein beliebiges
Filter abfiltrirt. Man muss jedoch, um ein klares Filtrat zu er¬
halten, vor dem Filtriren 2—5 Minuten warten; sollten dann die
ersten Tropfen trüb filtriren, so kann man sie zurückgeben. In¬
dessen ist das nur ein Schönheitsfehler und stört die Titriruug
nicht.
befass und Filter sind einmal mit Wasser nachzuspülen. Im
Filtrat wird die Acidität mit Rcsolsäure bezw. Phenolphthalein
titrirt. Die Differenz gegen die Gesammtaciditiit zeigt die ge¬
bundene Salzsäure an. Bei Mangel an freier Salzsäure bestimmt
man in gewöhnlicher Weise das Deficit, und setzt eine bekannte
Menge Salzsäure zu, am besten 30—40 ccm mehr, als das Deficit
beträgt. Von dem für die gebundene Salzsäure gefundenen Worth
ist der Betrag des Defieits abzuziehen.
Wir glauben, dass diese Methode auch für die klinische An¬
wendung hinreichend einfach und bequem ist; aus der theore¬
tischen Betrachtung ergibt sich, dass die Abweichung nicht mehr
als höchstens 5—10, d. h. 0,5—1,0 ccm l / n Normal-NaOIT pro
10 ccm Mageninhalt betragen kann.
Die unten folgenden Beispiele zeigen, dass dies auch im
natürlichen Magensaft der Fall ist. Sollte sehr wenig Magen¬
inhalt zur Verfügung stehen, so kann in demselben 10 ecm freie
Salzsäure, Gesammtaciditiit und gebundene Salzsäure bestimmt
werden, selbstverständlich müssen durch Hinzufügen der er¬
mittelten Salzsäure werthe die alten Verhältnisse wieder her-
gestellt. werden.
Für die Beispiele ist zu erwähnen, dass es uns zunächst nur
auf die Prüfung der Methode ankam und wir daher die Mageu-
säfte oft nicht frisch verwendet haben. Ausser bei den ersten
beiden, wo es überflüssig schien, wurde zur Controle die Salzsäure
nach Sjöqvist bestimmt. I—II Hyperacidität, Probefrüh¬
st ück. LIT—X diverse Magensäfte. XI grosser, fühlbarer
Magcntumor.
Tabelle I.
•
! 11 i
III
IV
Gesammtacidität
95
95
88 !
53
Freie Salzsaure
+ 57 |
470
426 I
+ 23
Titer nach der Fällung
r>2
70
57 !
33
Gebundene Salzsäure
95—«2 ::::
95—70 25
88—67 - - 31
53—33 20
Gesammtsalzsäure
dito nach Sjöqvist
574:1:! 90
7U+25 95
26431 = 67
43 (?)
23420 43
43
Tabelle H.
V 1
V
VI
VII
Gesammtacidität
79
79
68
75
Freie Salzsäure
45
+ 1
— 4
Zusatz von 1K1
20
10
21
Titer nach der Fällung
64
SO
42
05
Gebundene Salzsäure
79-64 15
99—80 19
78-42 - 36
96—65 31
Gesammt-llCl
6415 20
5+19 — 24
1+36 — 37
31 —4-27
dito nach Sjöqvist
22
22
43
20
Tabelle HI.
vni
IX
X
XI
Gesammtacidität
48
62
63
27
Freie Salzsäure
-4
-2.5
-51
— 7S
Zusatz von HCl
20
20
110
100
Titer nach der Fällung
49
53
123
102
Gebundene Salzsäure
68-49 19
S2 —53 --29
173—123 50
127—102 25
Gesamrat-HCl
19 — 4 — 15
29—2,5 26,5
50—51 = — 1
25—78— - 5 .
dito nach Sjöqvist
18
25
0
0
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
383
20. März 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Aus der kgl. chirurgischen Klinik zu München.
Ueber die Indicationen zur Operation bei Appendicitis.*)
Von Privatdocent Dr. Adolf Schmitt,!. Assistent der Klinik.
Den Anlass, die chirurgische Behandlung der Appendicitis
im ärztlichen Verein zu besprechen, gab, wie ich glaube, eine Be¬
merkung des Herrn Hofraths Dr. Gossmann; er sprach in
der Diseussion zu einem Vortrag, den ich kürzlich im ärztlichen
Verein über die Behandlung der Perforationsperitonitis (mit Aus¬
schluss der vom Wurmfortsatz ausgehenden Formen) hielt, als
das Resultat einer reichen praktischen Erfahrung die Meinung
aus, „dass in München bei Blinddarmentzündung zu wenig
operirt werde.“ Ich konnte und kann mich nicht für autorisirt
halten, zu dieser Bemerkung nach der einen oder anderen Seite
— in bejahendem oder verneinendem Sinne—Stellung zu nehmen.
Nur das kann ich thatsächlich anführen, dass wir im Vergleiche
zu anderen grossen Krankenhäusern verhältnissmässig
wenige und fast immer ungemein schwere Fälle von
Perityphlitis bezw. Appendicitis zu operiren haben. Allerdings
nimmt die Zahl der Fälle von Jahr zu Jahr zu; ich glaube nicht
etwa desshalb, weil die Zahl der Erkrankungen zunimmt, sondern
weil die Indication zu einem operativen Eingriffe häutiger ge¬
stellt wird.
Wenn man vom der Therapie bei Appendicitis spricht, ist
es falsch zu fragen: soll die Krankheit mit internen Mitteln
oder soll sie auf chirurgischem Wege behandelt werden?
Kümmell') hat sicher Recht, wenn er sagt, es könne sich nur
um die Frage handeln: wann hat die interne Behandlung ihre
Grenze erreicht, wann hat chirurgische Behandlung einzusetzen,
wenn der Kranke nicht durch längeres Warten Schaden leiden
soll? Auf die Wichtigkeit dieser Fragestellung weist insbe¬
sondere auch Penzoldt 2 ) hin; nirgends hält er die „Personal¬
union“, das Zusammenwirken zwischen innerem Mediciner und
Chirurgen für so nothwendig und segensreich wie auf dem Ge¬
biete der Perityphlitis.
Bei den Fällen dieser Erkrankung, die unserer chirurgischen
Abtheilung bezw. der Klinik zugewiesen werden, ist häufig die
Indication zu einem operativen Eingriffe auf Grund eines solchen
Zusammenwirkens, noch häufiger aber wohl von dem behandelnden
Arzte, zumeist also dem Internisten, allein gestellt.
Daraus ergibt sich, dass bei gewissen Formen und Verlaufs-
arten der Perityphlitis Krankheitsbilder zur Beobachtung kommen,
welche für jeden der betheiligten Aerzte und insbesondere auch
für den Internisten eine unstreitige und zweifellose
Indication zu einem operativen Eingriffe abgeben.
In anderen Fällen können die Meinungen getheilt sein; die
Operation erscheint dem einen oder dem anderen Factor nicht
oder noch nicht angezeigt, so dass sich von selbst zwei
Gruppen der Indicationen ergeben: eine unbedingte (absolute)
und eine, bedingte (relative) Indication, wobei natürlich die
weitere Unterscheidung, ob die Operation während des „An¬
falles“ oder nach dessen Ablauf ausgeführt wird oder werden soll,
ihre besondere Bedeutung hat.
Dass über die Indicationen zu operativen Eingriffen, die
früher zu so vielen Controversen Anlass gaben, jetzt eine sehr
weitgehende, fast vollständige TTebereinstimmung der Ansichten
zwischen Internisten und Chirurgen herbeigeführt ist, dafür ist
u. a. auch der von Graser und Penzoldt bearbeitete Ab¬
schnitt über Perityphlitis in Penzoldt und Stintzing’s
Handbuch ein höchst erfreulicher Beweis. Der Standpunkt,
welcher dort vertreten wird, deckt sich ziemlich genau mit den
in unserer Klinik bei den Operationen der Perityphlitis befolgten
Grundsätzen.
Ein operativer Eingriff erscheint uns unbedingt geboten
bei allen grossen peri- und paratyphlitischen
Abscessen. Entsprechend der fast immer (98 Proc. nach
S y d o w und Lennander) intraperitonealen Lage des Wurm¬
fortsatzes liegen diese Abscesse primär wohl regelmässig intra-
peritoneal; freilich glücklicher Weise sehr oft extra cavum peri-
tonei in dem Sinne, dass sie gegen die freie Bauchhöhle durch
u Nach einem Vortrage im Aorztliehen Verein zu München
am 17. I. 1900.
Kümmell: Ueber roeidivirende lVrit yplil.ii is. Herl. klin.
Wochensehr. 1898, No. 15.
-) Penzoldt im Handbuch der Therapie innerer Krank¬
heiten von Penzoldt uml S t i n t z i n g . Abschnitt; Behandlung
der Erkrankungen des Bauchfelles; 1. LVrityphlitis. p. bs5.
□ igitized by Google
einen Wall von Verklebungen und Verwachsungen abgeschlossen
sind. Die extraperitoneal liegenden Eiterungen sind meist
secundar dort entstanden, sei es in Folge von Durchbruch durch
das Bauchfell nach aussen hin in das retroperitoneale Gewebe,
sei es iu Folge einer Lymphangitis und Phlegmone, welche vom
erkrankten Wurmfortsatz ausgehend, auf dem Wege des Mesen-
teriolum proc. vermif. gegen das Mesenterium coli und von hier
aus weiter im retroperitonealen Gewebe sich verbreitet; in diesem
kann der Eiter weite Wege zurücklegen hinter dem Kolon gegen
die Niere, zur Leber, zum Zwerchfell und durch dieses hindurch
bis in den Pleuraraum, nach abwärts in’s Becken, besonders gegen
die Blase, den Douglas zu, und unter dem P o u p a r t’schen Bande
hindurch zum Oberschenkel wandern.
Auch bei bedeutender Grösse solcher Abscesse kann das All¬
gemeinbefinden ein verhältnissmässig gutes sein. Desshalb aber
die Entleerung des Eiters zu unterlassen, erscheint nicht zulässig,
da die naheliegende Gefahr, die mit dem Durchbruch einer grossen
Eiteransammlung in die freie Bauchhöhle hinein verbunden ist,
doch zweifellos unendlich viel grösser ist, als die meist einfache
Eröffnung des oft nahe der Oberfläche liegenden Abseesses, Kein
Mensch kann vorhersehen, ob die Verklebungen in der Umgebung
des Eiterherdes dem Druck des Eiters Stand halten können, um
die Bauchhöhle zu schützen; Niemand weiss, ob ein grosser Ab-
scess so glücklich, in den Darm z. B„ durchbricht, dass der Eiter
entleert und die Eiterhöhle zur Ausheilung kommen kann. Die
Entleerung eines solchen grossen Abseesses an der Stelle, wo
er erreichbar ist, vorne in der Ueocoeealgegend, hinten in der
Umgebung der Niere, vom Douglas oder vom Rectum aus, er¬
scheint uns also als dringende Indication, als eine unbe-
d i n g t e, auch wenn das Allgemeinbefinden nicht besorgniss¬
erregend und relativ gut ist, im Verhältniss zu dem grossen,
leicht fühlbaren und vielleicht sogar noch durch eine Probe-
punction sichergestellten grossen Abscess, der, wie gesagt, primär
meist intraperitoneal, wenn auch abgedämmt gegen die freie
Bauchhöhle gelegen Lt, aber mit Buchten, Canälen und Gängen,
durch Senkung, Fortkriechen und Metastasen in die Blutbahn
(Pvaemie) weithin sich verbreiten kann.
Ueber diese Indication zu einem operativen Eingriff besteht
zwischen Internisten und Chirurgen ebenso wenig eine Meinungs-
versehiedenheit, wie darüber, dass die Operation unbe¬
dingt erforderlich ist. wenn der Durchbruch in die
f r e i e B a u c h höhl e bereits eingetreten ist. Dass in solchem
Falle die Eröffnung des Abdomens sobald und rasch wie möglich
gemacht werden muss, um den Eiter zu entleeren, ist selbstver¬
ständlich; jede Stunde Aufschub vermindert die ohnehin äusserst
schlechte Aussicht, «las verlorene Leben vielleicht doch noch zu
erhalten. Auf den Standpunkt der unbedingten Intervention sind
wir und Andere durch die Analogie bei Perforationsperitonitis
aus anderen Ursachen gekommen. Es soll gar nicht geleugnet
werden, dass durch die Operation an den meist äusserst eolla-
birten, manchmal fast sterbenden Kranken in einigen Fällen der
unaufhaltsame Tod vielleicht sogar beschleunigt werden
kann. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der Chirurg in
solch’ desolatem Falle ein „zu spät“ ausspricht und die Operation
ableimt. Dem gegenüber aber sprechen doch jetzt schon recht
zahlreiche Erfahrungen dafür, dass manches sonst sicher ver¬
lorene Leben durch die Eröffnung des Abdomens und Entfernung
des jauchif*t*i 1 erigen Inhalts, auch bei schon ausgedehnter Peri¬
tonitis, noch gerettet wird; freilich ist die Zahl der Erfolge
kleiner als die Zahl der Todesfälle, aber die letztere würde eben
alle Fülle umfassen, wenn gar nicht operirt würde. Es ist mir
wohl bekannt, dass Heilungen bei exspeetativer Behandlung
immer beobachtet und berichtet werden; da spielt der glückliche
Zufall, der unberechenbare, eine bedeutende Rolle: nicht in
allen Fällen entsteht nach erfolgtem Durchbruch des Wurm¬
fortsatzes oder «les Abseesses in die Bauchhöhle unbedingt eine 1
diffuse septische Peritonitis; es kommt, besonders wenn der
Durchbruch in den* allerersten Kratikheitszeit erfolgt, zuweilen
zu einem etappenweisen Fortsohreiten, einem zeitweiligen Halt-
maclicn des Eiters und der Entzündung in der Bauchhöhle, zur
progredient-eiterigen Peritonitis (Mikulicz), die in der That
manchmal aushcilen k a n n, so dass man später in Ruhe die ein¬
zelnen Eit.eransammlimgen entleeren kann. Aber wer kann und
darf die Verantwortung auf sich nehmen, zu warten, oh der
glückliche — und doch immer noch eminent lebensgefährliche —
Zufall eintrit.t. dass k e i n e diffuse, sondern die erwähnte Form
1 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 12.
der Peritonitis entsteht ? Wer kann voraussehen, ob die sich
bildenden Verklebungen fest genug sein werden, um die noch
frei Bauchhöhle weiterhin zu schützen? Die Symptome des
Durchbruches und seine unmittelbaren Folgen sind deutlich und
bekannt: plötzliche, schwere Verschlimmerung des Allgemein¬
befindens und des Gesammtbildes, rasche Auftreibung des Leibes,
diffuse Schmerzhaftigkeit, Erbrechen (Erscheinungen des para¬
lytischen Ileus), Singultus, Leberdämpfung' verkleinert oder auf¬
gehoben, Puls sehr klein und frequent, Facies abdominalis, Col-
laps. Ist auch nur eine ganz geringe Aussicht noch vorhanden,
dass der Kranke die Narkose und die Operation übersteht, dann
halten wir diese für unbedingt indicirt. Zu dieser Gruppe
der unbedingten Indication gehören vielleicht noch die Fälle,
bei denen die rein örtlichen Erscheinungen gering sind, in
selteneren Fällen ein Exsudat, eine Eiteransammlung in der Ileo-
coecalgegend vielleicht gar nicht sicher nachweisbar ist, bei denen
aber aus dom Allgemeinzustande, besonders auch aus dem Ver¬
halten des Pulses und der Temperatur, auf eine allgemeine
septische Infection oder auf eine chronische Eiterung
geschlossen werden muss. Die Entleerung einer oft nur nach
grossen Mühen auf gefundenen, weil äusserst versteckt liegenden
Eiteransammlung kann hier zuweilen den gewünschten Erfolg
haben; zuweilen aber wird dieser vereitelt durch multiple Meta¬
stasen in den verschiedensten Organen — wir haben erst kürz¬
lich einen solchen Fall mit massenhaften allerkleinsten Abscessen
in der Leber, zwischen den Blättern des Mesenteriums u. s. w.
beobachtet —; jedenfalls erscheint der Versuch geboten,
durch Entleerung des oft kleinen, primären und etwa gefundenen
secundären Eiterherdes, durch Probeincision und Probepunc-
tion eine Heilung herbeizuführen.
Weit schwieriger ist unser therapeutisches Handeln zu be¬
stimmen gerade in den Fällen, die dem praktischen Arzte wohl am
häufigsten zur Beobachtung kommen, Fälle, die gleich von An¬
fang an unter dem typischen Bilde der Perityphli¬
tis schwer e insetzen, wobei der locale Befund deutlich
ausgesprochen oder im Verhältniss zum Gesammtbilde
gering sein kann.
In diesen Fällen ist am meisten das Zusammenwirken von
Internisten und Chirurgen erwünscht, bei ihnen kommt die ge¬
meinsame Verwerthung der beiderseitigen Erfahrungen den
Kranken am häufigsten zu Gute. Die tägliche Erfahrung zeigt,
dass die typische Perityphlitis auch bei schwerem Einsetzen der
Erkrankung und bei prägnantem localen Befunde in der Mehr¬
zahl der Fälle in Heilung ausgeht; in sehr vielen Fällen ist es
freilich nur eine Heilung des Anfalles, nicht eine Ausheilung
der Krankheit als solcher; das beweist der grosse Procentsatz
an Kceidiven, die bedingt sind durch das Zurückbleiben der
Krankheitsursache, des kranken Wurmfortsatzes, an
welchem, wie die Erfahrung gezeigt hat, eine vollständige Rück¬
bildung zur Norm so gut wie niemals eintritt. Jedenfalls aber
steht fest, und ist durch zahlreiche, ausgedehnte statistische
Untersuchungen bewiesen, dass in der Mehrzahl der Perityphli¬
tiden das zunächst erstrebte Ziel, die Heilung vom acuten An¬
fall, durch eine exspectative, interne Behandlung erreicht wird.
Allein ebenso ist durch die zahlreich während des Anfalles vor¬
genommenen Operationen bewiesen, dass bei einigermaassen
schwerem Local- und Allgemeinzustande immer Eiter vor¬
handen ist; was aus dem ursprünglich localen Eiterherde in der
Folge werden wird, das eben ist das Unberechenbare und desshalb
Unheimliche. Der Eiter liegt wohl meist, aber nicht immer, in
der Umgebung des Wurmfortsatzes; er kann aber auch in
diesem selbst sich gebildet haben — Empyem des Wurmfort¬
satzes —- er braucht nicht durchzubrechen in die Umgebung und
kann doch schon schwerste Erscheinungen bedingen durch
Lyniphangitis und Phlegmone, ausgehend vom kranken Wurm¬
fortsatz, dessen oft ulcerirte, wenn auch noch nicht perforirte
Wandungen für die in ihrer Virulenz gar nicht zu taxirenden
Jnfectionserreger durchgängig geworden sind. Tritt aber, wie
ja meist, eine Perforation des Processus ein, dann spricht wieder
eine Reihe schwer zu beurtheilender Factoren ein gewichtiges
Wort: die Menge und Art der aus dem Wurmfortsatz austreten¬
den Flüssigkeit, ob Gas die rasche Verbreitung dünnen, kothig-
jauchigen Eiters befördert, die so variabele Lage des Processus,
ob von einem etwa vorausgegangenen Anfall Verlöthungen be¬
stehen oder nicht — Umstände genug, die dem behandelnden
Arzte schwere Sorgen und schwere Entscheidungen auferlegen
können.
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Bei der Thatsache, dass oft nach sehr schwerem Ein¬
setzen des Anfalles ein rascher, guter Verlauf folgt, während
ebenfalls sehr häufig nach leichtem Beginn eine rapide Ver¬
schlechterung eintritt, kann man es dem Chirurgen nicht
verdenken, wenn er in schweren, aber zweifelhaften
! Fällen die Operation vorschlägt, um der drohenden Gefahr vor¬
zubeugen, insbesondere um einen grossen Eiterherd zu ent¬
leeren, dessen durchbrechender Inhalt sofort die ganze Bauch -
hölile mit einer gewaltigen Eitermenge überschwemmen würde.
Besonders schwierig zu beurtheilen ist die drohende Gefahr
des Durchbruches; dafür gibt es keine charakteristischen, ein¬
deutigen Einzelsymptome, ausschlaggebend ist hier nur
der Allgemeinzustand. Zu dieser Anschauung ist im
Laufe der letzten Jahre auch die Mehrzahl derjenigen Chirurgen
gekommen, die früher bei jeder schwer einsetzenden Perityphlitis
mit einigermaassen deutlichem Localbefunde eine Indication zu
operativem Eingriffe für gegeben erachteten. Die drohende
Gefahr einer Perforation und das Fortschreiten der entzünd
liehen Reizerscheinungen am Bauchfell rechtzeitig zu erkennen,
ist die Aufgabe — und die Kunst — des Arztes in solchen Fällen.
Burckhärdt') präcisirt diesen Standpunkt, wie mir
scheint, sehr gut, wenn er sagt: „Nicht die Heftigkeit des
Schmerzes, nicht die Grösse der subjectiven Beschwerden, vollends
nicht der Nachweis und die Art des Exsudates sind für die Beur-
theilung dieser Fälle ausschlaggebend, sondern es ist das Be¬
stehenbleiben oder die Verschlechterung des ominösen abdomi¬
nalen Habitus des Kranken und eine weitere Verschlechterung
des Pulses.“ Auch Sahli*) legt auf die Beurtheilung des Ge¬
sammtbildes den grössten Werth und hebt insbesondere noch das
Verhalten des Pulses, die Facies abdominalis, die Auftreibung des
Abdomens (die er in ihrem Wechsel regelmässig mit dem Centi-
metermaass zu controliren vorschlägt), das Auftreten von Schmerz¬
punkten oder Resistenzen an entfernteren Stellen des Abdomens,
sowie das Auftreten von Erbrechen hervor.
Irgend ein Schema kann demnach für die Beurtheilung
solcher Fälle unmöglich aufgestellt werden.
Das Bestehen bleiben ernster und schwerer localer und All-
gemeinerscheinungen beschränkt sich bei sehr vielen Fällen von
Appendicitis gewöhnlich auf wenige Tage; man kann desshalb
vielleicht im Allgemeinen sagen: Fälle, die nicht inner¬
halb kurzer Zeit (3—8 Tage) unter sachgemässer in¬
terner Behandlung deutlich und zweifellos gebessert
werden, so dass sowohl die localen, wie die allge¬
meinen Erscheinungen gleichmiissig, in gleichem
Schritte, sich bessern, sollen operirt werden; ist
der Gesammteindruck, den der Kranke nach 3—4 Tagen
macht, ein besserer und ist die Besserung nach 8 Tagen in jeder
Beziehung eine deutliche, dann kann man auf die Operation ver¬
zichten, vorausgesetzt, dass nicht ein neuer, plötzlicher Vorschub
eintritt.
Graser (1. c.) macht noch auf einige besonders wichtige
Punkte aufmerksam: Fortbestehen hohen Fiebers über die ersten
3 Tage hinaus. Kleinerwerden des Tumors bei zunehmender Auf¬
treibung des Leibes, Fortbestehen schwerer localer und allge¬
meiner Erscheinungen, obwohl ein Durchbruch in Darm, Blase
oder Scheide anzunehmen ist, ferner auf die Zeichen allgemeiner
septischer Infection: hohe Pulsfrequenz, Schüttelfröste, Be¬
nommenheit des Sensoriumß, Delirien, Albuminurie und Ikterus.
Dass beim Auftreten von Heus, der ein mechanischer (in Folge
von Verwachsungen oder Compression durch das Exsudat) oder
ein paralytischer (Darmlähmung in Folge Peritonitis, Sepsis) sein
kann, sofort operativ eingegriffen werden muss, ist selbstverständ¬
lich; ebenso erscheint die Operation sofort und unbedingt iu-
dicirt, wenn der ausschlaggebende Allgemeinzustand, das Ver¬
halten des Pulses und Fiebers, sowie der locale Befund ein Be¬
stehenbleiben oder gar eine V erschlechterung
des schweren Zustandes erkennen lassen.
Die Hauptgefahr für den Kranken ist immer der drohende
Durchbruch in die freie Bauchhöhle und die allgemeine septische
Infection; die Operation ist am gefährlichsten, wenn man lange
nach einem versteckt liegenden Eiterherd suchen muss und dabei
die etwa noch freie Bauchhöhle inficiren kann; je oberflächlicher
gelegen und sicherer zu localisiren demnach der Abscess ist, desto
*) Cit. nach Graser in Penzoldt und Stintzing’s
Handbuch.
*) Referat auf dem Gongress für innere Medidn, München 1895
und Correspondenzblatt f. Schweizer Aerzte 1892.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
385
leichter wird man das Vorhandensein einer unbedingten In-
dication für die Operation bei schweren Allgemeinerseheinungen
annehmen; die Berücksichtigung dieser in erster und des localen
Befundes in zweiter Linie werden also je nach Lage des Falles
eine unbedingte oder bedingte Indieation auf stellen lassen, be¬
dingt in dem Sinne, dass man einige Zeit hat, den Verlauf ab¬
zuwarten, dass man sich aber in schweren, zweifelhaften
Fällen eher der Operation zuneigt. Das aber muss man hervor¬
heben, dass auch sehr eifrige Operateure in den letzten Jahren
bei Weitem nicht mehr so leicht und so häufig die unbedingte
Indieation zu einem operativen Eingriff während des An¬
falles stellen wie früher. (Cf. die Verhandlungen auf dem
Ohirurgencongress 1899.) Insbesondere* hat die Zahl der auf
einer nur bedingten Indieation beruhenden „F rühopera-
t i o n e n“ erheblich abgenommen; obwohl man gerade bei den
Frühoperationen die Erfahrung machte, dass sich schon sehr bald
(24 Stunden) nach Beginn des Anfalles und fast regel¬
mässig Eiter findet, ist die Giltigkeit des Satzes „ubi pus, ibi
evaeua“ gerade bei der Appendicitis erheblich und, wie ich glaube,
auf ein richtiges Maass eingeschränkt worden, auf die Fälle, die
als unbedingte Indieation zur Eiterentleerung eben besprochen
worden sind. Wenn inan auch nicht annehmen kann, dass von
dom Absccssinhalte allzuviel durch Resorption beseitigt wird, so
stellt doch fest, dass in sehr vielen Fällen der Eiter eingedickt
und abgekapselt werden und ohne sonderlichen Schaden so ver¬
harren kann. Das sind die Fälle, welche vom acuten Anfall ge¬
nesen und zuweilen dauernd, zuweilen für eine längere oder
kürzere Zeit — bis das Recidiv kommt — gesund bleiben. Aber
eine gewisse Gefahr bildet das Zurückbleiben des eingedickten
und abgekapselten Eiters eben doch. Wenn sich ein solcher Eiter¬
herd durch ständig vorhandene locale Schmerzhaftigkeit, durch
Störungen des Allgemeinbefindens, der Stuhl- und manchmal
der Urinentleerung, durch leichte Temperaturerhöhungen, durch
das gleichmässige Bestehenbleiben einer druckempfindlichen Re¬
sistenz oder eines Tumors bemerkbar macht, dann kann seine
Entleerung augezeigt sein, und der Kranke wird sich um so
leichter zu der Vornahme eines Einschnittes entschliessen, wenn
eine positive Probepunction ihm das Vorhandensein von Eiter
ad oeulos demonstrirt; das Missliche der Probepunction liegt
alKT gerade darin, dass sie nur bei positivem Ausfall volle Be¬
weiskraft hat. während ein negatives Ergebniss, wenn sonst die
Zeichen stimmen, wohl nicht den Arzt, aber den Kranken schwan¬
kend machen kann. Die Entleerung eines solchen Eiterherdes
wird unter Berücksichtigung der ebengenannten Erscheinungen
auf Grund einer bedingten Indieation nach Ablauf des
acuten Anfalles gemacht.
Stellt sich nach kürzerer oder längerer Zeit, von dem ur¬
sprünglichen Krankheitsherd aus, ein Recidiv ein. so werden bei
diesem dieselben Gesichtspunkte für die Operation zu berück¬
sichtigen sein, wie beim ersten acuten Anfall; man wird nur
aus den bestimmten Indieationen auf der Höhe des Anfalles
nperiren, sonst aber den Anfall ausklingen lassen, um sich zu
riehtierer Zeit die Frage vorzulegen, ob und wann bei reeidi-
v i r e n d e r Appendicitis in der a n f a 11 s f r e i e n Zeit,
„im freien Intervall“ eine Operation ausgeführt werdeu soll, die
mit der Entfernung der K r a n k h e i t s u rsac he die Krank¬
heit selbst dauernd zu heilen im Stande ist. Bei jeder Form
der Appendicitis können Reeidive auf treten, bei der einfachen
katarrhalischen so gut wie beim Empyem, bei ülceration und
Perforation des Wurmfortsatzes, die sich wieder schliessen und
einen abgesackten Abseess und mehr oder weniger ausgedehnte
Verlöthungen zurücklassen kann. Statistische Untersuchungen
lehren, dass etwa in 20 bis 25 Proc. aller Fälle Reeidive eintreten,
die nach ihrer Zahl ebenso verschieden sein können wie nach
ihrer Schwere und nach den Erscheinungen, welche in den an¬
fallsfreien Pausen auftreten; die Intervalle sind von ganz ver¬
schiedener Dauer, bald folgen innerhalb weniger Wochen und
Monate die Anfälle aufeinander, bald liegen viele Monate und
Jahre dazwischen; zuweilen sind die Kranken in den Zwischen¬
räumen so gut wie völlig beschwerdefrei, zuweilen aber auch nie
ganz frei von Belästigungen aller Art. Oft sich wiederholende
Stiche in der Ilcocoecalgegend, Kolikanfälle, Stuhlbeschwerden,
Appetitlosigkeit, Abgesehlagenheit, bei Frauen Menstruations¬
störungen sind die gewöhnlichen Klagen. Die Kranken werden
ihres Lebens nicht raehr froh, ihre Leistungsfähigkeit wird ver¬
mindert, sie leben in ständiger Angst vor einem Recidiv. das bei
No. 12
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irgend einem Diätfehler, einer Erkältung, einer stärkeren An¬
strengung wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebt. Wer
kann wissen, ob der erste Anfall auch der letzte war, ob nicht bei
einem zweiten oder dritten Anfall die lebensgefährliche Per¬
foration in die Bauchhöhle eintritt! Besonders wenn schon
mehrere Anfälle vorausgegangen sind und wenn die Schwere der
Anfälle zunimmt, sitzen die Kranken auf einem Pulverfass, das
jeden Augenblick explodiren kann. Wenn man einen solchen be¬
ständig bedrohten, in seinem Lebensgenuss und seiner Leistungs¬
fähigkeit stark beschränkten Menschen völlig gesund machen, ihn
von allen Beschwerden und besonders von jeder Gefahr befreien
kann, dann erscheint wohl ein operativer Eingriff in vielen Fällen
nicht bloss gerechtfertigt, sondern oft auch geboten. Damit soll
durchaus nicht gesagt sein, dass man gleich nach dem ersten
schweren Anfall operiren soll; hier wäre die Operation nur dann
angezeigt, wenn schon nach dem ersten Anfall stärkere Be¬
schwerden, dauernder Schmerz, das Exsudat, die Verhärtung Zu¬
rückbleiben. ln der Mehrzahl der Fälle wird man den zweiten,
oft sogar noch mehrere Anfälle vorübergehen lassen, ehe man mit
gutem Gewissen dem Kranken den Rath gibt, sich operiren zu
lassen. Der Rath wird um so dringender sein, wenn die Anfälle
rasch oder in immer kürzer werdenden Zwischenräumen auf¬
einander folgen, wenn die Schwere der Anfälle zunimmt und
wenn die Beschwerden in der anfallsfreien Zeit wachsen. Bei
solcher Sachlage rathen heute nicht nur die meisten Aerzte zur
Operation, sondern viele Kranke kommen auch von selbst zum
Chirurgen, da die Kenntniss von den segensreichen Erfolgen der
Operation im freien Intervall schon recht weit in’s Publicum ge¬
drungen ist. Die Schwierigkeiten, welche die Operation bieten
kann, lassen sieh, auch bei genauester Anamnese und Unter¬
suchung, niemals vorher berechnen; sie können sehr gering, sie
können aber auch sehr gross sein, wenn ausgedehnte Verwach¬
sungen der Därme, des Netzes, des Bauchfelles, wenn abgesackte
Eiterherde das Vordringen und die Orientirung erschweren. Die
Prognose ist, nach den bisherigen Erfahrungen, bei geübten
Operateuren eine äusserst günstige. Aber wenn auch Küm-
m e 11 (1. c.) unter 104 Operationen im freien Intervall, unter
denen sich viele schwere Fälle befanden, keinen einzigen Todes¬
fall hatte, so handelt sich doch immer um keinen ganz
kleinen und harmlosen Eingriff — es bleibt immer eine Laparo¬
tomie, aber um einen Eingriff, der zu den segensreichsten von
allen modernen Operationen gehört. Zweck und Aufgabe der
Operation im, freien Intervall ist es ja, den Wurmfortsatz und
damit den Ausgangspunkt der primären und secundären Er¬
krankungen zu entfernen. Es ist dabei am zweckmässigsten,
mit Rücksicht auf die fast immer intraperitoneale Lage der
Appendix, sogleich in die freie Bauchhöhle einzugehen, von einem
Schnitte aus, der die Verbindungslinie zwischen Spina anterior
superior und Nabel an einem gut 2 Querfinger breit nach innen
von der Spina gelegenen Punkte kreuzt, einige Centimeter ober¬
halb dieser Linie beginnt und schräg nach innen unten ver¬
laufend einige Centimeter oberhalb des Poupar t’sclien Bandes
endigt. Die Fascie des Muse, obliquus externus und die Fasern
der tieferen Muskel schichten durchtrennnt man am besten scharf,
möglichst entsprechend dem Verlaufe der Muskelfasern, ebenso
scharf die tiefe Fascic. Bei der Eröffnung des Bauchfelles muss
man recht vorsichtig zu Werke gehen und auf Verlöthungen der
Därme mit dem Bauchfell gefasst sein. Die oft recht festen
Adhäsionen zwischen Darm, Netz und Bauchfell bieten manchmal
rocht grosse Schwierigkeiten, ebenso die Verlöthungen, die den
Wurmfortsatz direct umgeben und ihn in der verschiedensten
Lage und Form fixiren können; manchmal ist er auf das Innigste
mit der Wandung des Coecums verlöthet und muss äusserst vor¬
sichtig ausgelöst werden. Sind die Verwachsungen und Stränge
meist durch doppelte Unterbindung gelöst, so wird auch das
Mescnteriolum des frei gemachten Wurmfortsatzes zunächst nahe
seiner Basis unterbunden, was am besten nach Vorlagerung des
Coecums vor die Bauchwunde geschieht, und der Wurmfortsatz
abgetragen, indem man nach circularer Umschneidung nahe
seinem Ursprung aus der Serosa und Muscularis eine Manchette*
bildet, diese etwa einen Centimeter weit zuriickpräparirt, dann
den Schleimhautschlauch mit einem dünnen Faden (wir nehmen
meist Seide) unterbindet und mit dem Thermokauter durch¬
trennt. Ueber den Stumpf wird die gebildete Manchette gestülpt
und durch einige Serosanähte geschlossen. Unter aseptischen
Verhältnissen wird die Bauchwunde sogleich durch Etagennaht
2
Original ffom
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
3(Si i
geschlossen; ist ein Herd von abgekapseltem Eiter gefunden und
entleert worden, ist es angezeigt, die Wundhöhle für einige Tage
zu tamponiren und die. gleich bei der Operation eingelegten
Nähte secundär zu knüpfen oder secundär zu nähen.
Sehr verschieden können die Schwierigkeiten der Operation
im Anfalle sein.
So leicht es im Allgemeinen sein wird, einen grossen, viel¬
leicht dem Durchbruche nach aussen nahen perityphlitischen Ab-
scess durch einen einfachen, die Bauchdecken stets schichtweise
durchtrennenden Schnitt zu entleeren, so schwierig kann die
Operation sich gestalten bei einem kleineren, tief liegenden, seiner
Lage nach nicht sicher zu bestimmenden Eiterherd. Man wird
am besten einen Schnitt machen, der es gestattet, sowohl intra-
wie extraperitoneal vorzudringen, so dass der Schnitt oberhalb der
Spina anterior superior und möglichst nahe dem Darmbeinkamm,
von welchem die Muskeln abgelöst werden, beginnend, in leichtem
Bogen nach unten innen, bis oberhalb der Mitte des P o u p a r t’-
schen Bandes verläuft. Findet sich extraperitoneal kein Eiter,
oder ist neben diesem auch eine intraperitoneale Eiteransamm¬
lung nachweisbar, was meist der Fall sein wird, so wird das Peri¬
toneum vorsichtig eröffnet und mit aller Sorgfalt darauf geachtet,
die Yerlöthungen, welche den Eiterherd von der freien Bauch¬
höhle abschliessen und so diese schützen, zu erhalten und zu
schonen. Eine nach Spaltung der Bauchdecken deutlicher wie
vorher fühlbare Resistenz, eine leichte oedematöse Schwellung des
Bauchfelles, eine hier ausgeführte Probepunction, nach welcher
die Nadel als Wegweiser liegen bleiben kann, erleichtern das Auf-
finden des intraperitonealen Eiterherdes. Soll man nun unter
allen Umständen den Wurmfortsatz aufsuchen und entfernen?
Seine Entfernung ist zweifellos das Ideale, seine Auffindung aber
ist oft durch kaum überwindbare Schwierigkeiten erschwert,
würde öfter die Lösung der lebenswichtigen, das Bauchfell
schützenden Verlöthungen nöthig machen, so dass wir ihn für ge¬
wöhnlich nur dann entfernen, wenn dies ohne allzu grosse
Schwierigkeit und Gefahr möglich ist, d. h. wenn der Wurm¬
fortsatz leicht zu finden und zu lösen ist. Manch¬
mal findet man ihn desshalb nicht, weil er eigentlich nicht mehr
existirt; er kann in fast ganzer Ausdehnung durch Gangraen
zerstört sein.
Man wird, natürlich mit aller Vorsicht, den oft weit nach
oben und unten sich erstreckenden Eiterbuchten und -gängen
nachgehen, wird multiple Abscesse eröffnen müssen, selbst unter
Verletzung von schützenden Adhaesionen, wobei die Bauchhöhle
durch sorgfältiges Tupfen und Tamponiren geschützt wird, und
wird tief liegende Eiteransammlungen nach dem Douglas hin
drainiren, vom Rectum aus eröffnen. Ein primärer Verschluss
der Wunde ist unter solchen Verhältnissen natürlich unzulässig;
die Wundhöhle muss sorgfältig mit Jodoformgaze tamponirt und
lange offen gehalten werden, wobei sich auch die tiefen Buchten
und Gänge allmählich reinigen. Hat man den Wurmfortsatz
zurücklassen müssen, so können sich von ihm aus recht un¬
angenehme Kothfisteln bilden, die zuweilen nur durch eine
weitere Operation, die vor Allem die Appendix zu entfernen
sucht, beseitigt werden können, zuweilen aber auch spontan sich
schliessen. Häufig entstehen, wenn man die Wunde nicht ver-
schliessen durfte, Bauchbrüche, die als oft recht lästige, nach¬
trägliche Complieation ebenfalls noch eine Operation bedingen
können.
Bei der Operation nach erfolgtem Durchbruch in die
freie Bauchhöhle stellt der Operateur vor einer ebenso schwieri¬
gen, wie verantwortungsvollen und leider meist sehr undankbaren
Aufgabe. Erlaubt der meist sehr schlechte Zustand der Kranken
noch eine Operation, so hat diese nur bei frühzeitigster und
raschester Ausführung einige Aussicht auf Erfolg. Meist wird
sic sich beschränken müssen auf Entleerung des oft riesigen
eitrigen Ergusses und etwaiger abgesackter Eiterherde unter
Schonung der noch nicht inficirten Bauchabschnitte; gelingt es,
den Ort des Durchbruches selbst festzustellen und die Appendix
zu entfernen, um so besser; ist dies nicht möglich, ist ausgiebige
Tamponade der Bauchhöhle mit sterilen Compressen angezeigt,
Ausspülungen aber zu widerrathen.
Difitized by Goosle
Aus der Kgl. chirurg. Universitätsklinik zu Königsberg i. Pr.,
Prof. Frlir. v. Eiseisberg.
Zur Casuistik der Rückenmarksverletzung durch Wirbel-
fractur nebst Beschreibung eines Gehverbandes für
Patienten mit Lähmung beider unterer Extremitäten.
Von Dr. Hans Lengnick, Volontär-Assistent der Klinik.
Die Behandlung von Wirbelbrüchen mit Rückenmarksver¬
letzung gehört immer noch zu den schwierigen und hat vor
Allem dabei die Operation noch ganz inconstanten Erfolg. So
gut es ihr gelingt, Besserung zu erzielen durch Entfernung eines
drückenden Wirbels, wenn ausschliesslich Compressionsmyelitis
vorliegt, so erfolglos wird der Eingriff werden, wenn durch das
Trauma ein Riss des Rückenmarkes selbst erfolgt ist. Nicht
selten sind beide Verletzungen mit einander combinirt, so dass
durch den Eingriff keine oder nur geringe Besserung erfolgen
kann; auch bei Compressionsmyelitis wird er nur dann überhaupt
Besserung erzielen, wenn nicht zu lange damit gewartet wird.
Im Nachstehenden erlaube ich mir ausführlich über einen
einschlägigen Fall zu berichten, der in der Königsberger chirur¬
gischen Klinik beobachtet und im Verein für wissenschaftliche
Heilkunde am 8. Mai 1899 von Herrn Prof. v. Eiseisberg
vorgestellt wurde.
Am 30. November 1897 wurde ein 26 jähriger, lediger Zimmer¬
mann, Friedr. J., mit folgender Anamnese eingeliefert:
Patient will am 27. Deeember d. J. von einem 14 m hohen
Kirchthurmgerüst heruntergefallen sein; er schlug dabei mit dem
Rücken auf einen ca. 3 m vom Erdboden entfernten, horizontal
liegenden Balken auf und kam mit den Ivuieen auf den Boden zu
liegen. Die gröste Wucht des Sturzes wurde durch das Auf¬
schlagen auf den Balken gebrochen, wodurch sie bei dem An¬
langen auf dem Erdboden wesentlich abgeschwächt war. Be¬
wusstlosigkeit trat nicht ein, ebensowenig hatte Patient besondere
Schmerzen, doch konnte er die Beine nicht bewegen
und w ar jedes Gefühl aus ihnen geschwunden.
Nach sofortiger Ueberführung in ein Krankenhaus will er dort
2 mal mittels eines Apparates durch Zug am Kopfe gestreckt
worden sein. Gleich nach dem Unfall zeigte es sich, dass Patient
den Urin nicht entleeren konnte, wesshalb er sofort und auch
während der nächsten 4 Wochen katheterisirt werden muste; nach
dieser Zeit ging der Urin spontan ab. Patient hatte die Fähigkeit
verloren, ihn zuriickzulialten, so dass beständiges Harnträufeln
bestand, der Stuhl war sehr angehalten; zur Entleerung mussten
starke Abführmittel gebraucht werden. Ausserdem bestand auch
Unfähigkeit, den Stuhl zurückzuhalten; nach Verlauf der ersten
3 Wochen empfand Patient einen dumpfen Schmerz im Rücken;
zu welcher Zeit die hinten am Steiss lind an den Beinen befind¬
lichen Wunden auf getreten sind, wusste Patient nicht mit Be¬
stimmtheit anzugebeu, er glaubte jedoch, dass sie ca. 3 Wochen
beständen.
Status praesens. Mittelgrosser, gutgenährter Mann, der eine
ruhige Rückenlage einnahm; Brust- und Bauchorgane boten keinen
abnormen Befund. Der Umfang des linken Beines war in seiner
ganzen Ausdehnung bedeutend grösser, als der des rechten; die
Schwellung war lediglich auf die Haut beschränkt, Fingerdruck
blieb bestehen. Beide Füsse standen in Spitzfussstellung, der linke
nach aussen, der rechte nach innen rotirt. Die Sensibilität für alle
3 Qualitäten war an den unteren Extremitäten fast völlig auf¬
gehoben. Die Grenzen sind auf umstehender Figur gezeichnet.
Die Schmerzempfindung w^ar am weitesten geschwunden. Patient
vermochte die Beine in keiner Weise zu bewegen. Das Becken
w r ar stark verbreitert, sehr flach, die Trochanteren standen weit
ab, der Schenkelhals hatte beiderseits bei ganz gerade gerichteten
Füssen völlig horizontale, ja sogar nach hinten divergirende Rich¬
tung, so dass man die Trochanteren von hinten und vorne breit
umfassen konnte. Typus des rhachitisch platten, w r eibliehen
Beckens.
Ueber dem Os. sacrum befand sich ein handtellergrosser De¬
cubitus mit unterminirten Rändern bis auf den Knochen reichend.
Ueber dem Malleolus extern, links befand sich ebenfalls ein ca.
zehnpfennigstückgrosser Decubitus; an der Aussenseite des linken
Unterschenkels 3 von derselben Grösse. An der rechten Ferse und
an der Hinterseite des Unterschenkels waren ebenfalls ausgedehnte
Hautdefecte vorhanden.
In der Höhe des 11. und 12. Brust- und 1. Lendenwirbels war
die Wirbelsäule nach vorne in einen stumpfen Winkel geknickt.
Die nicht veränderten Processus spinosi der genannten Wirbel
standen stark vor. der Dornfortsatz des 12. Brustwirbels prominirte
am weitesten; eine Druckempfiudlichkeit an dieser Stelle bestand
nicht. Der Harn träufelte beständig ab, war stark getrübt und hatte
einen stechend ammoniakalischen Geruch.
Zunächst wurde versucht, durch entsprechende Bauchlage des
Patienten eine Besserung der verschiedenen Hautdefecte zu be¬
wirken. Als die Geschwüre etwas gereinigt waren, wmrde am
6. Deeomber (also ca. 0 W r ochen nach dem Sturze) zur Operation
geschritten, in der Hoffnung, ein abgesprengtes Fragment welches
den Inhalt des Wirbeleanales in der Lendengegend comprimirte.
zu entfernen. Nach subcutaner Injection von 0,015 Morph, mur.
Original from
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20. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
ÖS7
und sorgfältiger Desinfection im Operationsgebiete wurde in Nar¬
kose B i 11 r o t h’scher Mischung von Herrrn Prof. v. Eiseis¬
berg die Laminectomie vorgenommen. Nach einem Längsschnitt,
welcher über die Processus spinosi vom 10. Brust- bis 2. Lenden¬
wirbel in sagittaler Richtung geführt wurde, liess sich die Muscula-
tur mit dem Raspajorium leicht unter massiger Blutung ab¬
schieben; es folgte die Durchineisselung des hinteren Bogens des
11. Brustwirbels medial von den Processus articulares. so dass der
Processus spinosus entfernt wurde, dasselbe wurde am 12. Brust¬
wirbel vorgenommen. Hierbei zeigte sich, dass an der linken
Bogenhiilfte eine spaltförmige Continuitätstrennung in schräger
Richtung bestand, die Fragmente waren aneinander beweglich,
das laterale Stück sprang stark nach dem Lumen des Wirbelcanales
vor, wodurch das Rückeumark comprimirt erschien. Der Bogen
selbst war in seiner ganzen Ausdehnung an der Dura adhaerent.
Ein grosses Stück des Bogens, vor Allem das ganze, nach dem
Lumen des Wirbelcanales zu vorspringende Stück wurde vorsichtig
entfernt. Die Dura zeigte* sich entsprechend dem oberen Rande
des Bogens des 12. Brustwirbels verdickt und leicht orangegelb
verfärbt, nach oben von dieser Stelle war die Dura normal gefärbt
und configurirt, Pulsation war sicht- und fühlbar; nach abwärts
war eine Veränderung des Wirbelcanalinhaltes nicht sichtbar, da¬
gegen erschien die Pulsation aufgehoben. Bei vorsichtigem Ver¬
suche, mit den Fingern an der Dura vorbei die Wirbelkörper zu
touchiren, fand sich, dass eine deutliche Prominenz der Wirbel¬
körper bestand, die jedoch wegen starker Verdickung der Dura
nicht blossgelegt werden konnte. Beim Versuch, dies zu bewerk¬
stelligen, entstand stärkere venöse Blutung, die jedoch auf Jodo-
formgazecoinpression bald stand. Nunmehr wurde die Dura weiter
in der Mediallinie gespalten, sie zeigte sich auf der rechten Hälfte
wenig, auf der linken etwas mehr mit der Arachnoidea verwachsen,
wesshalb rechts die Adhaesionen leicht, links überhaupt nicht zu
durchtrennen waren. Am Rückenmark selbst war eine gelbweisse,
quere Narbe deutlich sichtbar. Nach Verlängerung des Dural¬
schlitzes zeigten sich nach oben und unten normale Verhältnisse.
Die Dura wurde durch 2 Catgutnähte vereinigt; an Stelle der 2 ent¬
fernten Processus spinosi wurden Jodoformgazetampons eingelegt
und dann eine exacte Muskel- und Hautnaht gemacht.
Somit waren bei der Autopsie in vivo 2 Befunde aufgenommen,
deren jeder für sich die schwere Nervenstörung zu erklären im
Stande war. Das comprimirende Wirbelstück konnte entfernt
werden und damit wurde das Rückenmark vom Druck befreit.
Aus der queren gelbweissen Narbe in der Dura und dem Marke
musste jedoch geschlossen werden, dass hier durch die Verletzung
eine ausgedehnte Quetschung des Wirbelcanalinhaltes eingetreten
war. Die Folgen der letztgenannten Verletzung waren natürlich
nicht zu beseitigen. Die Entfernung des drückenden Wirbel¬
stückes schien doch einen günstigen Einfluss zu haben, indem*
sich später die Functionen der Blase und des Mastdarmes besser¬
ten. Wenn mau für die Besserung nicht Angewöhnung oder
Erziehung aunehmen will (was nicht von der Hand zu weisen ist),
so könnte man glauben, dass durch das entfernte Wirbelbogen¬
stück des 12. Brustwirbels das Reflexcentrum für Blase und Mast¬
darm entlastet wurde, welches vorher comprimirt war.
Anfänglich klagte Patient über Schmerzen in der Operations¬
wunde und über geringen Brechreiz, die Temperatur, welche auf
38° gestiegen war. fiel bald ab. Zur besseren Fixation der Wirbel¬
säule erhielt Patient ein Gipscorset über den ganzen Thorax. Am
10. XII. wurde zum ersten Mal durch ein eingeschnittenes Fenster
ein Verbandswechsel an der Operationswunde vorgenommen. Die
Wunde war reactionslos geheilt, es konnten die Tampons entfernt
werden. Nur einmal war der Verband, beim dritten Verbands¬
wechsel, reichlich mit Cerebrospinalflüssigkeit durchtränkt. Durch
öfteres Umlagern wurden auch die verschiedenen durchgelegenen
Hautpartien zur Heilung gebracht. Am 17. I. 1898 stellte sich
unter heftigem Schüttelfrost ein. von einem Decubitus am rechten
Fuss ausgehendes Erysipel ein. welches nach einigen Exacerba¬
tionen am 16. II. 1898 abgeklungen war.
Im Laufe der nächsten Wochen verheilte die Wunde voll¬
kommen, ein operativer Erfolg in Bezug auf die Wiederherstellung
der Functionen der Beine trat nicht ein — nach wie vor war der
Kranke hier total gelähmt.
Eine Verzögerung der Bemühungen, den Patienten wenigstens
für einige Zeit ausser Bett zu halten und Gehversuche anzustellen,
wurde dadurch herbeigeführt, dass er sich am 18. V. beim Baden
eine Verbrennung dritten Grades der 4. und 5. linken Zehe zuzog.
Er war mit dem linken Fusse in die Nähe des Heisswasserzuflusses,
dessen Röhre nicht ganz dicht schloss, gelangt und hatte sich,
ohne eine Empfindung davon zu haben, diese für den weiteren Ge-
nesungsprocess zum mindestens sehr störende und denselben sehr
verlangsamende Verletzung zugezogen. Erst am 1. VII. 1898 waren
die Brandwunden mit theilweiser Verwachsung der beiden Zehen
vernarbt, und es konnte versucht werden, den Patienten auf die
Beine zu bringen.
Es wurde desshalb ein nach Art der T h o in a s’schen Lage¬
rungsschiene bezw. des Bonne t’schen Tragkorbes gebauter Appa-
rat dem Patienten angewickelt und er damit aufgestellt. Der Ver¬
such gelang ausgezeichnet. Patient wurde vollständig durch den
Apparat gestützt und aufrecht erhalten, doch musste er wegen
Schwindelgefühls bald wieder hingelegt werden. Am nächsten
Tage wurde der Versuch mit demselben Erfolge wiederholt.
Nachdem nun noch des Oefteren ein starkes Oedem beider
Beine die Anwickelung der Schiene gehindert hatte, gelang es im
September 1898 zum ersten Male dem Patienten, sich mit Hilfe
des Apparates und eines V o 1 k m a n n’schen Bänkchens durch
den ganzen ca. 15 m langen Saal fortzubewegen. Die Uebungen
wurden nun energisch fortgesetzt, aber erst Ende April 1899 konnte
Patient ca. 3—4 Stunden mit seinem Apparate ausserhalb des
Bettes zubringen. Es bestand völlige Schmerzlosigkeit, die Ope¬
rationsstelle war völlig reactionslos geblieben, es hatte au dieser
Stelle keine Krümmung der Wirbelsäule stattgefunden. Am
5. IX. 1899 wurde Patient auf seinen Wunsch nach Hause ent¬
lassen. Er war im Stande, sich selbständig auf ebenem Boden
beliebig lange fortzubewegen, und erreichte dabei auch schon eine
gewisse Geschwindigkeit. Auf einer Seite stützte den auf den
Apparat aufgewickelten Mann ein Volk m a n n’sches Bänkchen
auf der anderen Seite hatte er die Hand frei. Er hielt sehr gut
die Balance und klagte niemals über grosse Last von Seiten seiner
Schiene. Den Beginn der Absonderung der Faeces und des Qrins,
welche erstere ohne besondere Abführmittel von statten ging,
merkte Patient ca. 1 Minute vorher und konnte auch etwas den
Abgang zurückhalten.
Der Apparat besteht aus 2 starken, ca. 5 cm breiten Stäben
aus Schmiedeeisen, welche, den Körperformen des Kranken genau
angepasst, von der Schulterblattgegend bis zur Ferse laufen, wo
sie mit einer grossen, ebenfalls aus Eisen bestehenden, fest¬
genieteten Sandale jederseits verbunden sind.
In der Beingegend befinden sich je 4 krallenartige, halbkreis¬
förmige, festangenietete Stützen, welche zur besseren Fixation
für Ober- und Unterschenkel, sowie zur Verhinderung seitlichen
Ausbiegens dienen. Verbunden werden diese einfach construirten
Stangen durch 3 im Abstand von 15 bis 20 cm von einander
angebrachte, festgenietete Querstangen von derselben Qualität,
wie oben angegeben, welche ähnlich den Beinstützen krallenartig
den Oberkörper von hinten und seitlich umgeben. Entsprechende
Achselriemen aus Leder, welche die Spitzen der langen Eisen¬
stange mit den Spitzen der ersten Querstange verbinden, vervoll¬
ständigen den Apparat. In Bauchlage des Patienten über dem
Querbett wird die Stütze, welche selbstverständlich sehr exact
gepolstert ist, auf die Rückseite des Liegenden aufgepasst und
dann mit Flanellbinden angewickelt. Die oberen Lederriemen
werden aufgeknöpft und der Kranke stellt sich dann selbst auf.
~ Die Wirbelsäule wird völlig entlastet, und
a\ /i Patient geht mit Hilfe eines Bänkchens
«fj _ fw herum.
I—I ü-L Der besseren Orientirung wegen, gebe ich
1 1 I I ff J nebenstehend Abbildungen des Apparates
allein, und nach seiner Anlegung.
T:jj f [IJ Er hat den nicht zu unterschätzenden Vor-
7/ / I® theil, dass er von jedem Dorfschmiede leicht
ausführbar ist. Ausserdem hat er den Vorzug
j~r ) der Billigkeit. Leichter könnte er gemacht
i / I werden dadurch, dass man, ähnlich wie beim
(Ttlyj Rahmengestell des modernen Zweirades, platt-
// \X gedrückte, gezogene Röhren verwendet: doch
LLj. würde dadurch der Apparat wesentlich theurer
werden.
In der chirurgischen Klinik ist in letzter Zeit ein zum Trans¬
port von Patienten, welche an der Wirbelsäule verletzt sind, be¬
stimmter Apparat construirt worden. Er unterscheidet sich von
der oben beschriebenen Maschine dadurch, dass die Theile, welche
2 *
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888
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
die Beine stützen, verlängert resp. verkürzt werden können. Es
gleitet eine ausziehbare, schmale Schiene in der breiteren, welche
erstere durch eine Schraube in der gewünschten Stellung be¬
festigt wird; in derselben Weise lassen sich die Rückenquerstücke
verschieben, ausserdem befindet sich nach oben ein bogenförmiger
Fortsatz zur Befestigung einer G 1 i s s o n’schen Schwinge be¬
hufs Extension. Es müsste dann natürlich dieser Apparat bei
einer frischen Verletzung je nach der Lage des Patienten an¬
gewickelt werden. Ein vorsichtiges Unterschieben würde in der
Regel auch leicht gelingen, ohne eine Verschiebung der Wirbel
und dadurch eine eventuelle stärkere Verletzung des Rücken¬
markes hervorzurufen.
Es ist fraglos, dass durch diesen Apparat dem Patienten
sehr viel genützt wurde.
W agner und Stolper schreiben pag. 548:
„Die Gipspanzer, oder dafür eintretende Corsets, oder maschi¬
nelle Apparate müssen so fest und schwer hergestellt werden,
dass die Patienten kaum damit gehen können. Es handelt sich
ja immer um erwachsene, meist kräftige Personen. Bei nicht
ganz solider Anfertigung ist jedenfalls die Immobilisirung sehr
wenig, die Entlastung des lädirten Wirbelkörpers aber so gut wie
nie gewährleistet.“
Dieser Fall, welcher ca. 2 Jahre in der Klinik beobachtet
und behandelt wurde, ist zum mindesten eine glückliche Aus¬
nahme von den oben angeführten Angaben, da, wie schon er¬
wähnt, eine völlige Entlastung der lädirten Wirbel eintrat und
auch Patient wieder eine gewisse Bewegungsfähigkeit erlangte.
Jedenfalls erscheint dieser Apparat in seiner einfachen Con-
struction und überaus leichten Handhabung als eine ausge¬
zeichnete Hilfe für die unglücklichen Menschen, welche nach
Wirbelsäulen Verletzung, complicirt mit Rückenmarkslaesion und
ihren Folgen, einem schrecklichen Martyrium in ewiger Bettruhe
und Unmöglichkeit der Fortbewegung anheimfallen würden.
Zum Schlüsse sage ich Herrn Prof. Dr. Frhrn. v. Eiseis-
b e r g, meinem hochverehrten Lehrer und Chef, für die liebens¬
würdige Anregung und gütige Unterstützung bei meiner Arbeit
meinen besten Dank.
Aus der k. Üniversitäts-Frauenklinik München (Director: Ge¬
heimrath v. W i n c k e 1).
Versuche mit localer Alkoholtherapie in der
Gynäkologie.
Von Dr. Ludwig S e i t z , Assistent der Klinik.
Auf der 71. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Aerzte in München hielt Professor Hans Büchner einen
Vortrag „Natürliche Schutzeinrichtungen des Organismus und
deren Beeinflussung zum Zweck der Abwehr von Infections-
proeessen“ und wies darin auf die mächtigen Heilfactoren hin,
die uns in den Körpersäften, speciell im Blute, zur Verfügung
stehen und die von ihm als „proteolytische Enzyme“ erkannt
worden sind.
„Als meine heutige Aufgabe“, sagt er wörtlich, „betrachte
ich es nämlich, die weitesten Kreise innerhalb der praktischen
Heilkunde eindringlich zu Versuchen über die Anwendung des
Blutes zur Bekämpfung bacterieller Infectionsprocesse anzu¬
regen. Schon jetzt ist zweifellos zu erkennen, dass in dieser
Richtung ein bedeutendes Gebiet für die praktische Medicin
erobert Werden kann, das bisher fast ganz unbeachtet dage¬
legen war.“
Den Effect will Büchner durch vermehrte Blutzufuhr
und Blutversorgung erzielen und nennt verschiedene Mittel und
Verfnlmingsarten, um dies zu erzeugen. Die Wirkung beruhe
darin, dass „die Gewebe in der Zeiteinheit mit mehr Blut als
gewöhnlich in Üontact gebracht werden, also ein stärkerer localer
Blutweclisol stal l findet“; hier handelt es sich hauptsächlich um
die arterielle Hyperaemie; in anderer Weise, unter Umständen
aber ebenfalls sehr günstig, wirke die venöse Hyperaemie und
die gemischte.
Diese Ausführungen von berufenster wissenschaftlicher
Seite und die bisher gemachten günstigen Erfahrungen brachten
mich auf den Gedanken, die bactericide Wirkung des Blutes auch
bei den Erkrankungen der weiblichen Geuitalorgane praktisch
zu prüfen. Die Versuche wurden an dem Material der hiesigen
k. Frauenklinik mit gütiger Erlaubnis** meines hochverehrten
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No. 12
Chefs und Lehrers, Herrn Geheimrath v. W inekel, ausge¬
führt, dem ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten
Dank auszusprechen mir erlaube.
Von der venösen, von der Stauungshyperaemic war von
vorne herein keine heilkräftige Wirkung für die Infectionen
der Genitalien zu erwarten; denn von den Infectionen mit
Staphylo- und Streptococcen weiss man schon längst, dass
venöse Stauungen ihr Wachsthum ausserordentlich begünstigen,
und man versucht daher mit allen Mitteln die Anstauung des
venösen Blutes in der Chirurgie, Gynäkologie, in der ganzen
Medicin zu verhüten. Auch bei der gonorrhoischen Infection,
die bei den weiblichen Genitalorganen eine so grosse Rolle spielt,
wird Stauung nach Möglichkeit vermieden und dafür Sorge ge¬
tragen, dass nicht durch zu starke Füllung der Blase, durch An¬
häufung der Kothmasscn, durch lange« Sitzen venöse Hyperaemie
in den Beckenorganen eintrete.
Auch die g e m i s c h t e Hyperaemie scheint für die gonor¬
rhoischen Erkrankungen nicht ganz gleichgiltig zu sein; deim
vielfach kann man nach starken Anstrengungen, heftigen Bc-
wegungen, so Cohabitation, eine erhebliche Verschlechterung
des Zustandes beobachten. Offenbar handelt es sieh hier nicht
um reine Formen der venösen Hyperaemie.
Nach diesen Betrachtungen allgemeiner Natur war cs klar,
dass venöse und gemischte Hyperaemie nicht geeignet erschien,
therapeutisch bei Genitalerkrankungen verwendet zu werden.
Dagegen sprach gegen die active Hyperaemie bisher noch keine
Erfahrung und es erschien wohl möglich, dass das arterielle
Blut durch seine antibacterielle und resorptive Leistungsfähig¬
keit heilend zu wirken vermag.
Diese arterielle Hyperaemie sollte, wie Büchner selbst
angegeben hatte, mit Alkohol erzielt werden. Derselbe kann, um
auf die weiblichen Genitalorgane zu wirken, einmal äusserlich
von den Bauchdecken — denn auch durch diese hindurch ent¬
faltet nach den Untersuchungen Bucliner’s der Alkohol noch
seine Wirkung — und dann von der Vagina aus angewendet
werden.
Die Application auf die Bauehdeeken geschah in der Weise,
dass eine Lage Watte mit Guttapercha und einem dünnen Tuch¬
stoffe überzogen, die Watte gehörig mit 96 proc. Alkohol getränkt
und dann das Ganze nach Art einer Schürze über das Abdomen
gut anliegend festgebunden wurde. Zuerst machte ich einen
Versuch an mir selbst. Nach der Application des Uebersehlages
stellte sich alsbald das Gefühl der Wärme ein, das offenbar durch
die vermehrte Blutzufuhr entstand und allmählich eine aus¬
gesprochene Hyperaemie der Haut bedingte. Wenn durch die
Athemziige ein rascherer Luftdurchzug und damit eine raschere
Verdunstung des Alkohols stattfand, so wurde das als eine an¬
genehme Kühle empfunden. Irgend eine Beeinflussung der
Darmthätigkeit konnte nicht beobachtet werden, auch bei den
Frauen nicht, bei denen der Alkoholverband längere Zeit an¬
gewendet wurde. Von den Frauen, die alle in stationärer Behand¬
lung standen, wurde der Verband sammt und sonders gerne
getragen und von einigen sogar später ungern entbehrt. Nach
2—4 tägiger Anwendung stellte sich unter mässigeu Juckerschei¬
nungen fast regelmässig eine oberflächliche Abstossung der Epi¬
dermis ein. In einem Falle konnte ich beobachten, dass nach
3 Tagen ein etwa zwei markstückgrosser, sehwarzbrauner Fleck
entstand, der auf eine Sugillation zurückzuführen war. Zuerst
wandte ich den Alkohol nur von den Bauehdeeken aus an in
Fällen, die mir dazu geeignet schienen. Nachtheilige Folgen
konnte ich bei dieser Anwendungsweise niemals constatiren.
allein ich war auch nicht im Stande, irgend etwas Yortheil-
haftes zu entdecken.
Die so behandelten Fälle waren 6 : 2 Retroflexionen, 1 peri-
pararnetrancs Exsudat, 2 mal doppelseitiger Adnextumor, 1 mal
Tubereulose des Bauchfells. Bei den Retroflexionen ging ich von
der Anschauung aus, dass die durch die Abkniokung vorhandene
Circulationsstörung durch die vennehrte Blutzufuhr wieder in
besseren Gang gerathen könnte, bei dem peri-parametranen Ex¬
sudat war es mir um eine raschere Resorption durch die ge¬
rühmten Eigenschaften des Alkohols zu thun, und bei der doppel¬
seitigen Adnoxerkrankung, die gonorrhoischer Natur war, suchte
ich die bactericide Wirkung auszunützen. Bei den beiden Rüek-
wärtsverlagerungen war • gar keine Veränderung in dem
Befinden der beiden Patientinnen trotz 8 tägiger Appliction
zu erkennen, die Resorption des peri-parametranen Exsudats ging
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. März 1900.
MÜNCHENRR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
889
nicht rascher vor sich, und auch bei der Adnexerkrankung war
keine Besserung zu constatiren.
Am meisten geeignet erscheint mir die Alkolioltherapie noch
bei der Tuberculose des Peritoneums zu sein; es handelte sieh um
eine Frau*von 28 Jahren (F. L., No. 154, 1899), die über beiden
Lungenspitzen tuberculose Veränderungen auf wies, und eine
Tubereulose der Uterusadnexe und des Bauchperitoneums hatte,
die au letzterem namentlich in Form zweier derber Infiltrate auf¬
getreten war. Laparotomie am 7. VI. 1899 mit Entleerung des
massigen Ascites und Bepuderung der Darmschlingen mit Jodo¬
formpulver. Nach Abnahme des ersten Verbandes Ueberschläge
mit 96 proc. Alkohol, die auch nach der Entlassung noch regel¬
massig fortgesetzt wurden. Am 23. VII. 1899 wieder vorgestellt.
Veränderungen in den Bauchdecken und an den Genitalien die
gleichen, subjeetives Befinden unverändert, Körpergewicht 1 kg
zugenommen. Bei der Vorstellung am 16. Januar 1900 war der
Zustand wesentlich gebessert, das Aussehen der vorher blassen
Patientin war frisch, ihr Körpergewicht hatte sich in der
Zwischenzeit um 14 Vs kg gehoben, in den Bauchdecken nirgends
mehr eine Resistenz zu fühlen, auch der Genitalbefund erheblich
gebessert, doch waren die Ovarien immer noch wallnussgross, die
Tuben verdickt und der Uterus noch leicht vergrössert. Es lässt
sich wohl noch hoffen, dass auch die Veränderungen an den
Genitalorganen sich noch weiter zurückbilden, zumal das Be¬
finden der Patientin, wie sie vor Kurzem auf eine schriftliche
Anfrage mitgetheilt, andauernd ein sehr gutes ist. Schwierig ist
natürlich hier die Entscheidung der Frage, welche von den ein¬
geschlagenen Methoden den Erfolg bewirkte, die Laparotomie,
die erfahrungsgemäss vielfach zur Ausheilung tuberculöser Pro-
cesse am Peritoneum führt oder der Alkohol. Der allgemeine
Eindruck war der, dass die Alkoholtherapie doch günstig auf
die Ausheilung eingewirkt habe, zumal die Rückbildung der
tuberculösen Veränderungen sich zuerst an den Bauchdecken,
durch die hindurch der Alkohol durch die eintretende Hyper-
aemie wirken konnte, eingestellt hatte. Weitere Versuche in
dieser Richtung erscheinen immerhin angezeigt, um eine Klärung
in die Frage zu bringen; am besten würden sie, ehe man sich zur
Laparotomie entschliesst, angestellt, da dann die Beeinflussung
durch die sonst übliche Therapie ausgeschlossen werden könnte.
Eines Falles möchte ich noch erwähnen, den Herr Geheimrath
v. W i n c k e 1 selbst behandelte. H. kam mit hohem Fieber in
die Anstalt und gebar spontan ein macerirtes Kind im 7. Monat.
Daran sich anschliessend eine Peritonitis, der Patientin nach
4 Wochen erlag. 98 proc. Alkoholumschläge wurden auf das
Abdomen applicirt, die Schmerzen steigerten sich aber allmählich
so, dass schon nach 3 Tagen dieselben wieder entfernt werden
mussten, ohne dass nur eine Spur von Linderung oder Besserung
sich gezeigt hatte..
Da die Erfolge mit der Alkoholanwendung von den Bauch¬
decken aus negative waren, versuchten wir die vaginale Anwen¬
dung, in der Hoffnung, dass von hier die Wirkung eine en¬
ergischere und günstigere sein würde.
Die Versuche wurden von Anfang an mit einer gewissen
Vorsicht begonnen, um den Kranken nicht zu schaden, und zuerst
nur Tampons mit 30 proc. Alkohol getränkt benützt. Dieser Ver¬
such wrnrde an 4 Frauen im Alter von 26, 28, 40 und 60 Jahren
angestellt, die keine Erkrankungen der Scheide aufwiesen und
vorher nicht mit Spülungen, Tampons, die eine allenfallsige Ver¬
änderung des Epithels bewirkt haben könnten, behandelt worden
waren. Schon nach V4 stündigem Liegen des Tampons war die
Scheide trocken, die Wände verloren ihre Schlüpfrigkeit.
Bei allen trat leichtes Brennen in der Scheide auf, das aber
schon nach einigen Minuten verschwand. Nach 12 stündigem
Liegen des Tampons nur sehr geringe Vermehrung der Secretion
und leichte Röthung. Nur bei der 23 jährigen war die Schleim¬
haut mit reichlichen abgestossenen Epithelien bedeckt, so dass sie
wie mit Mehl bestäubt aussah. Hierauf nochmals Einlage eines
30 proc. Alkoholtampons, der wieder 12 Stunden liegen blieb. Bei
der 28 jährigen Patientin trat eine erhebliche Hyperaemie der
Scheidenschleimhaut ein, einzelne leicht sugillirte Stellen von
streifenartigem Aussehen. Bei den beiden älteren Patientinnen
war die Hyperaemie noch stärker, zahlreiche Ecchymosen, da¬
runter auch ein pfennigstückgrosses subepitheliales Haematom,
das beim Darüberfahren mit dem Wattetupfer platzte und das
Blut ergoss. Da subjectiv ausser geringem Brennen keine Be¬
schwerden vorhanden waren, wurde vom 30 proc. zum 45 proc.
No. 12.
□ igitized by
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Alkoholtampon übergegangen; dabei konnte beobachtet werden,
dass sich eine weitere Veränderung in der Scheide nicht mehr ein¬
stellte. Die Hyperaemie blieb bestehen, bei der 28 jährigen
Patientin erfolgte keine Abhebung des Epithels, bei den anderen
Fällen nahm der Blutaustritt nicht weiter zu, das Brennen war
trotz 2 tägigen Fortsetzens des Experimentes nur ein sehr
massiges. Während also die Vaginalschleimhaut auf die erste
Application des Alkohols sehr lebhaft reagirt hatte, trat eine all¬
mähliche Gewöhnung an das Mittel ein, ausser der Hyperaemie,
die übrigens auch nicht mehr so stark wie anfangs war, zeigte
die Schleimhaut keine weitere Veränderungen mehr. Alkohol
in noch concentrirterer Form anzuwenden, schien uns wegen
seiner energischen Wirkung auf die Schleimhaut nicht angezeigt.
Nach diesen orientirenden Voruntersuchungen, durch die
wenigstens ein Nachtheil der Alkoholanwendung nicht an den
Tag getreten war, glaubte ich mich berechtigt, auch bei Erkran¬
kungen der Genitalorgane den Alkohol vaginal zu versuchen.
Ich ordne die behandelten Fälle in Gruppen nach den Er¬
krankungen.
I. Chronische Metritis.
II ier konnte man vielleicht hoffen, dass der Alkohol durch
seine stark wasserentziehende Eigenschaft, durch Regelung der
Cireulation heilend wirke.
F all 1. E. R., 45 Jahre. Chronische Metritis, Endometr.
fungosa; y 2 Jahr lang Blutungen; nach Curettement und Atmo-
kausis Auf hören der Blutungen; doch bestand noch eine sehr starke
schleimig-wässerige Secretion fort, die Patientin erheblich be¬
lästigte und sie an’s Bett bannte. Einlegung von 45 proc. Alkohol¬
tampons, die ohne Beschwerden ertragen werden, die Secretion
ist nur mehr sehr minimal, Vagina trocken. Bei Anwendung von
Iehthyolglyeerintampous wieder Auftreten einer enorm starken
Secretion, die nach Aussetzen der Ichthyoltherapie noch fortdauert
und erst durch erneuten Alkoholgebrauch sich wieder beheben
lässt. Diese secretionshemmende Wirkung lässt Sich durch die
wasserentziehenden und austrocknenden Eigenschaften des Al¬
kohols erklären, irgend eine specifische, sei es nun die Cireulation
befördernde, sei es eine antibacterielle Wirkung konnte ich in der
Versuchszeit nicht constatiren.
Ungünstiger ist der 2. Fall: M. St. 23. X. 1899. Metritis
chron. und Endometr. glandul., die vorher mit Ichthyol und Jod¬
kaliglycerintampons, Vaginalspülungen und Scariticationen der
Portio ambulatorisch behandelt worden war. Am nächsten Tage
nach der Einlegung eines 45 proc. Alkoholtampons klagte sie über
erheblich grössere Schmerzen als sonst; die Schleimhaut der Vagina
löste sich in ziemlich grossen Fetzen ab, war stark geröthet und
zeigte 2 pfennigstückgrosse haemorrhagische Stellen. Unterleib
bei der Untersuchung ziemlich schmerzhaft. Sofortiges Aussetzen
des Alkohols, Einlegen eines sterilen Borsalicyltampous. Nach dem
Verlassen der Klinik trat starkes Frieren ein, angeblich sogar
Schüttelfrost, so dass Patientin kaum mehr in ihre Wohnung
gehen konnte. Frieren dauert von Vormittags 11 bis Nachmittags
4 Uhr an, dann Erleichterung. Am folgenden Tage (20. X. 1899)
weist die ganze Vagina noch Erosionen auf, die stellenweise einen
grauweisslichen Belag haben und landkartenähnliche Form zeigen.
Der Epithelverlust ersetzte sich nur langsam, noch längere Zeit
Hessen sich gelbliche Stellen liachweiseu.
II. Gonorrhoische Erkrankungen.
Th. Gr., 36 J. Leichte Salpingitis gonorrh. duplex. 40 proc.
Alkoholtamponade; keine wesentliche Besserung; am 3. Tage der
Anwendung Abends kleine Temperatursteigerung auf 38.2°; nach
5 Tagen die Schmerzhaftigkeit bei der Untersuchung geringer; auch
hier traten in der Scheide die weissgelblichen Flecken auf. Ob
die Temperatursteigerung eine Folge der Alkoholanwendung war,
liess sich nicht sicher sagen, doch sprachen spätere Erfahrungen
eher dafür als dagegen.
Fall 2. M. S., 36 J. Linksseitiger Adnextumor (ambula¬
torische Behandlung). Am nächsten Tage nach Einlegen des
45 proc. Alkohols Brennen und grössere Schmerzen.
F a 11 3. Th. W., 45 Jahre. Linksseitiges Exsudat, chronische
Metritis. Nach Alkoholanwendung so starke Schmerzen wie kaum
zuvor, „dass sie sich kaum mehr rühren konnte“. Als Patientin
nach 3 Tagen — der Tampon war 24 Stunden gelegen — wieder
kam, war sehr beträchtliche Schmerzhaftigkeit des Abdomens zu
constatiren, auch rechts liess sich im Lig. sacrouterinum eine In¬
filtration nachw r eisen.
Fall 4. M. M. t 39 Jahre. Grosses, 3 Finger breit über die
Symphyse emporragendes peri-parametranes Exsudat. 40 proc.
Alkohol. Daraufhin leichte Erosionen der Scheidenschleimhaut;
am 2. Tage der Application Abends Temperatursteigerung auf
38,4 °. Trotz länger dauernder Anw endung in Form von Scheiden¬
tampons und Ueberschlägen auf das Abdomen machte die Re¬
sorption des Exsudates keine rascheren Fortschritte, erst bei der
Rückkehr zu den alten bewährten Methoden erfolgte raschere
Schrumpfung.
Ebenso erfolglos blieb die vaginale Alkolioltherapie bei einem
Fall von Retroflexion und bei einer Kranken mit subacuter ascen-
dirender Gonorrhoe.
a
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
390
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Die Resultate der localen Alkolioltherapie
bei gynäkologischen Leiden sind also, um zum
Schlüsse ein Rcsume aus den gemachten Erfahrungen zu ziehen,
abgesehen vielleicht von den tuberculösen Processen des Bauch¬
fells, nicht recht befriedigende gewesen. Denn
was man nach den B u c h n e r’schen Versuchen von dieser
Therapie hätte erwarten sollen, eine Regelung der Cir-
culation, eine raschere Resorption von Exsudaten, eine
bactericide Wirkung in Folge der Hyperaemie, hat sie keines¬
wegs gehalten. Ja, wird man vielleicht einwenden, aus
diesen paar Versuchen kann und darf noch kein allgemein gütiger
Schluss gezogen werden. Und doch! Denn wenn schon einige
Versuche ausreichen, die Nichtigkeit einer Therapie darzuthun,
wozu dann noch mehrere anstellen? Vielleicht kann man sogar
den Vorwurf erheben, dass ich zu lange experimentirt habe, da
die eine oder andere schlechte Erfahrung genügend gewesen
wäre. Allein gerade die Versuche mit den auffallend schlechten
Erfolgen waren gerade zu ganz gleicher Zeit angestellt worden
und dementsprechend traf das Bekanntwerden der Resultate eben¬
falls zeitlich zusammen.
Neben der Wirkungslosigkeit des Alkohols auf infectiöse
Ilerde und auf Blutstauung, die also nur negative Eigenschaften
darstellen, kommt noch eine Alkoholwirkung in Betracht, die
direct schädigend ist, ich meine die Abstossung des Epithels der
Scheidenschleimhaut, das Auftreten von grösseren und kleineren
Erosionen in der Scheide, wie sie in fast allen Fällen in mehr
oder minder ausgeprägtem Maasse sich constatiren Hessen, in
sehr ausgedehnter Weise bei den Fällen, wo längere Zeit vorher
schon Vaginalausspülungen, Tamponbehandlung, die immer eine
leichte Maceration des Epithels zur Folge haben, vorausgegangen
waren. Dass an diesen Epithelverlusten nicht etwa eine un¬
vorsichtige Anwendungsweise, zu concentrirter Alkohol, die
Schuld trug, geht daraus hervor, dass auch bei 30 Proc. schon
jene Veränderung der Vaginalschleimhaut sich einstellte und
weiter konnte man, wenn eine Wirkung überhaupt erwartet
werden sollte, im Proecntverhältniss unmöglich heruntergehen.
Das Bedenkliche an den Epithelverlusten ist offenbar das, dass
durch diese Stellen Infectionserreger irgend welcher Art, wie sie
in der Scheide sich auf halten oder hineingetragen werden, bequem
eindringen können. Vielleicht ist die 3 mal beobachtete Tem¬
peratursteigerung, stets 2 Tage nach der Anwendung, in der
Weise zu erklären, vielleicht war dieselbe durch die Aenderung
in den Circulationsverhältnissen, durch den ziemlich erheblichen
Reiz zu Stande gekommen.
Eine günstige Wirkung des Alkohols war nur in einem Falle
nachweisbar, bei der chronischen Metritis und Endometritis fung.
mit ausserordentlich starker Secretion. Hier war es aber ledig¬
lich die Wasserentziehung, die den Erfolg zeitigte. In solchen
Fällen scheint eine Alkohol an Wendung ganz geeignet und von
Nutzen zu sein und mindestens ebensoviel wie andere Methoden
zu leisten. Auch in anderen Fällen von chronischer Metritis,
bei denen eine stärkere Abstossung des Schleimhautepithels nicht
erfolgt, könnte nochmals ein vorsichtiger Versuch gemacht
werden; ferner erscheint, wie schon erwähnt, eine weitere Prü¬
fung bei Fällen von tuberculöser Peritonitis angezeigt.
Biegsame Aluminiumschienen.
Von Stabsarzt Dr. S t e u d e 1.
Aluminiumschienen habe ich bereits im Jahre 1896 in dieser
Zeitschrift (No. 39) empfohlen, da sie bei genügender Festigkeit
sich im Krankenbette nach verschiedenen Richtungen biegen
und nach Belieben abschneiden lassen. Seit dieser Zeit sind die
Aluminiumschienon und das zu ihrer Vorbereitung zusammen¬
gestellte Universalinstrument in mehreren Kliniken und Kranken¬
häusern in dauernder Verwendung.
Der fortgesetzte praktische Gebrauch hat zu ganz wesent¬
lichen Verbesserungen und Vereinfachungen geführt, so dass
das zum Abschneiden und Biegen notliwendige Werkzeug jetzt
die nebenstehende Form besitzt. (Fig. 1.)
Die Alumiulumscliieuen sind 3 bezw. 3,5 mm dicke und 10
bezw. 15 mm breite Stäbe, welche auf einer Breitseite mit Quer¬
riefen versehen sind, um den übergelegten Binden mehr Halte¬
punkte zu gewähren und um das Biegen und Abschneiden zu er¬
leichtern.
Das neue zum Biegen und Abschneiden dienende Werkzeug
hat eine schlüsselförmige Gestalt. Am Kopfe des Schlüssels sind
Oeffuuugen zum Einlegen und Biegen der Schienen angebracht
und zwar auf der einen Seite ein zur Längsachse des Schlüssels
etwa senkrecht stehender Schlitz, welcher dazu dient, die Schienen
Fig. 1.
über die Fläche zu biegen. Biegungen über die Fläche lassen sich bei
den Alnminiumschienen schon mit den Händen ausführen, nur für
scharfwiukelige Biegungen hat man den Schlüssel nothwendig.
Auf der anderen Seite des Schlüssels sind 2 Oeffnungeu ange¬
bracht, passend für die 2 gebräuchlichen Breiten der Schienen;
in diese Oeffnungeu eingelegt, kann man die Schienen über die
hohe Kante bis zu einem rechten Winkel und mehr biegen, Indem
man den Handgriff des Schlüssels als Hebelarm benützt. (Fig. 2.)
Die schmäleren Schienen lassen sich leicht über die hohe Kante
Fig. 2.
biegen; es gelingt dies Ungeübten schon bei dem ersten oder
zweiten Versuche. Bei den breiteren Schienen ist in der Regel
einige Uebung erforderlich; dazu ist es gut, folgenden kleinen Vor¬
theil zu kennen: Wenn man die Schienen über die hohe Kaute etwa
um einen Winkel von 10 bis 20 Grad gebogen hat, so zeigen sie
bei weiterer Biegung die Neigung, nach der Fläche hin auszu-
Fig. 3.
weichen; geschieht dies, so muss man die Schienen, bevor man den
Winkel noch mehr verkleinert, in die Biegungsebene wieder zurück¬
bringen. Dieses Ausweichen nach der Flüche hin lässt sich da¬
durch am besten vermeiden, dass man beim Biegen über die hohe
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20. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
391
Kante (len Ansatzpunkt des Schlüssels mehrmals lim einige Milli¬
meter verschiebt; es entsteht dann nicht ein scharfer Winkel,
sondern eine Anzahl kleiner Winkel, welche sich zu einer Biegung
ähnlich der eines Kreisbogens summiren. Ein solcher Kreisbogen
mit kleinem Radius ersetzt aber im praktischen Gebrauch voll¬
kommen eine winkelige Biegung.
Die Biegung der Aluminiumschienen über die hohe Kante
ermöglicht es, die Schienen an gebeugten Gelenken, z. B. an recht-
winkelig gebogenen Ellbogen an der Aussen- und Innenseite an-
znlegen, während die über die Fläche gebogenen Schienen an der
Streck- und Beugeseite Verwendung linden können. An manchen
Ivörpertheilen, z. B. am Fussrücken oder sonst an den Glied¬
massen dann, wenn eine Schiene nicht genau ln der Längsrichtung
des Gliedes angepasst werden soll, ist noch eine weiten» Biegungs¬
art erwünscht, nämlich in der Längsachse der Schiene im Sinne
einer spiralförmigen Drehung der Schiene. Auch diese Biegung
lässt sich an den Aluminiumschienen sehr leicht ausführen, nur
sind dazu, wie Fig. 3 zeigt, 2 Schlüssel uotliwendig; der eine davon
kann eventuell durch eine starke Plattzange oder ein ähnliches
Werkzeug ersetzt werden.
Mit Hilfe dieser 3 Biegungsarten kann man die Aluminium-
schienen überall der KörperoberÜäche anpassen, einige Hebung
ist dazu allerdings erforderlich. Je nach dem persönlichen Ge¬
schick wird der Einzelne dies mehr oder weniger rasch und voll
kommen erlernen.
Das Abschueiden der Schienen wird dadurch bewerkstelligt,
dass die Schienen an dem gewünschten Punkte mit der an dem
Schlüssel befindlichen kleinen Metallsäge etwas eingekerbt werden;
hierzu benützt man eine Rinne an der geriefelten Seite. Bei den
ersten Sägestrichen setzt man die Säge, um ein Ausgleiteu zu vor
hüten, am besten nicht senkrecht, sondern etwas schräg auf die
Fig. 4.
Schiene auf und stellt die Säge erst, wenn sie gefasst hat, senk¬
recht. Ist eine Kerbe eingesägt, so wird die Schiene durch kurze
Biegungen Uber die Fläche mit Hilfe des Schlüssels abgebrochen.
Die Enden der Schienen werden zweckmässig über die Fläche
leicht aufgebogen, so dass sie von der Haut abstelien und keinen
Druck verursachen können.
Die Aluminiumschienen haben sich am meisten bewährt zu
Verbänden bei complicirten Fracturen, bei Resectionen und Osteo¬
tomien, kurz überall da, wo ein Stützverband uotliwendig ist, da¬
neben aber die Möglichkeit gegeben werden soll, bei Erhaltung
des Fixationsverbandes den Wundverband zu wechseln. Ausser¬
dem sind die Aluminiumschienen sehr nützlich als Einlagen in
Gipsverbände zu verschiedenen Zwecken und zu Improvisationen
mannigfacher Art.
Zur Verstärkung von Gipsverbänden werden Aluminium¬
schienen hauptsächlich an natürlich schwachen Stellen eingelegt,
z. B. werden bei einem Gipsverbande zur Fixation des Hüft¬
gelenkes 1 oder 2 Streifen über die Schenkelbeuge hinweg vorne
und an der Seite eingefügt, um einem Bruch des Verbandes an
dieser gefährdeten Stelle vorzubeugen. Man spart durch solche
Einlagen Gipsbinden und der Verband wird bei grösserer Festigkeit
und Haltbarkeit leichter, was besonders bei Gehverbänden (zur
Nachbehandlung von Resectionen, Kuocheubrüchen und Gelenk¬
erkrankungen) in Betracht kommt. Endlich hat sich die Einlage
von Aluminiumstreifen sehr nützlich erwiesen bei solchen Gipsver-
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bänden, bei welchen es für das Hilfspersonal schwer ist, das be¬
treffende Glied in der gewünschten Stellung so lauge ruhig zu
holten, bis der Gipsverband ganz erstarrt ist, z. B. bei Kniegelenks-
resectionen oder Knochenbrüchen mit Neigung zu fehlerhafter
Stellung. Ein eingelegter, vorher entsprechend gebogener Alu¬
miniumstreifen gibt hier sofort einen guten Halt, wodurch Ver¬
schiebungen der Theile in der Zeit bis zur Erhärtung des Gipses
vermieden werden.
Bei gefensterten Gipsverbänden verhindert eine eingelegte
Aluminiumschiene einen Bruch des Verbandes an der durch das
eingeschnittene Loch geschwächten Stelle. Die Verstärkung des
Verbandes durch Aluminiumschienen bietet hier den Vortheil, dass
man die Fenster ohne Gefahr, die Immobilisirung zu beeinträch¬
tigen, beliebig gross anlegen kann, was die Uebersichlichkelt
wesentlich erleichtert und bei stärker secernirenden Wunden die
Verunreinigung des Gipsverbandes mit Wundsecreten verhindert.
Sind grosse Wunden bei einem Stütz verbände frei zu lassen oder
mehrere Wunden in derselben Höhe eines Gliedes, so tritt an Stelle
eines Gipsverbandes der unterbrochene Verband, wie einige in
Fig. 4 abgebildet sind. Dabei hat das Aluminium vor dem früher
meist gebrauchten Eisen noch den Vortheil, dass es nicht rostet
und ein reinliches, leicht aseptisch zu haltendes Metall ist; man
kann desslialb die Aluminiumschienen in der Nähe von secer¬
nirenden Wunden oder selbst über Wunden weg so in deu Stütz¬
verband einfügen, dass die freiliegenden Theile der Schienen der
Haut des verletzten Gliedes aufliegen und in den Wundverband
mit eingeschlossen werden. Man braucht also keine Bügel zu
machen, welche einerseits die Festigkeit des Stützverbandes be¬
einträchtigen, andererseits den Wechsel des Wundverbandes er¬
schweren. ln einem unterbrochenen Verband liegt das verletzte
Glied verschieblicher und sicherer, w T enn an verschiedenen Seiten
3 oder 4 schmale Schienen eingefügt werden, als wenn nur 1 oder
2 breite Schienen verwendet werden. Es genügen daher für alle
Zwecke die beiden oben genannten Breiten von Aluminiumschienen.
Um jedoch allen Bedürfnissen und Wünschen Einzelner gerecht
zu werden, hat die unten genannte Firma noch Aluminiumschienen
von 25 bezw. 30 mm Breite und 3,0 bezw. 1,75 mm Dicke hergestellt.
Die dünneren dieser Schienen sind zur Einlage in Gipsverbände
fügsamer, die dickeren geben schon einzeln Verbänden, welche
einen starken Halt erfordern, eine kräftigere Stütze. Diese
breiteren Schieuen können nicht über die hohe Kante gebogen
werden: auch sind sie nicht geriefelt, da sie durch ihre breite Ober¬
fläche schon ohne Riefelung genügende Angriffspunkte für die Binden
geben. Für besondere
Fälle kann man die
Riefelung an diesen
Schienen durch Einker¬
bungen an den Kanten
mit der Säge des Schüs-
sels ersetzen.
Mit den Aluminium
schienen lassen sich
nicht nur mit Gips, son¬
dern auch mit allen
anderen erstarrenden
Materialien haltbare
Dauer- und Stütz ver¬
bände herstellen. Es ist
auch leicht, deu Alumi¬
niumschienen Gelenke
einzufügen und dann
mit Wasserglas oder
Gips abnehmbare Ver¬
bände zu verfertigen,
welche theuere Apparate
ersetzen, z. B. Stützver¬
bände bei Sclilotterge-
leuken nach Ellbogen-
resectionen. Ein beson¬
derer Vorzug scheint es
mir aber zu sein, dass
man mit den geriefelten
Aluminiumschienen
auch mit einfachen
Stärkegazebinden ge¬
nügend feste Sttitzver-
bäude machen kann.
Solche Verbände be¬
sitzen grosse Leichtig¬
keit, was besonders bei
Verbänden an den obe¬
ren Gliedmassen in Be¬
tracht kommt. Figur 5
zeigt einen solchen Ver¬
band mit Stärkebinden
und Aluminiumschienen,
w r elcher nach der Resec- Fig. 5.
tion eines tuberculöseu
Ellbogengelenkes bei einem erwachsenen Manne die ersten
32 Tage gelegen hat bis zur vollständigen Heilung der Operations¬
wunden, welche in dem grossen Fenster frei lagen und ohne Stö¬
rung der Immobilisirung und daher ohne Schmerzen für den Ope-
rirten verbunden werden konnten. Das Gewicht dieses Verbandes
beträgt 300 g.
Um Verbände mit Gelenken herstellen zu können, dienen kleine
Gelenkstücke aus Aluminium, in welche die dazu passenden Alu-
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392
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
miniumschienen eingesteckt und durch Aufschlagen mit dem
Schlüssel oder mit einem Hammer befestigt werden. Die Riefen der
Schienen prägen sich dadurch so fest in die Hülsen der Gelenk¬
stücke ein, dass sie vollkommen festsitzen (Fig. 6). Es lassen sich
mit Hilfe dieser Gelenkstücke besonders mit Wasserglas sehr
leichte und doch feste und haltbare, abnehmbare Verbände, z. B.
bei Schlottergelenken oder zur Nachbehandlung von Ellbogenresec-
tionen, hersteilen, welche theuere Apparate zu ersetzen vermögen.
Fig. G.
Gebrauchte Aluminiumschienen können stets wieder zurecht-
gebogeu uud wieder verwendet werden; jedoch ist die Biegung
der Schienen über die hohe Kante an solchen Stellen, an welchen
sie schon vorher andere Biegungen bestanden hatten, etwas er¬
schwert.
Die Aluminiumschienen und der zum Biegen und Abschnei¬
den der Schienen nothwendige Schlüssel werden von den deutschen
Waffen- und Munitionsfabriken in Karlsruhe hergestellt und ver¬
kauft. Der Preis des Schlüssels beträgt 0.50 M. t der Preis der
Aluminiumseliieneu:
1. Geriefelte, 10 mm breite, 3,0 mm dicke pro Meter 0,00 Mk.
o
15 „
n 3,5 „
fJ
„ 0,95
3. Glatte
25 „
„ 3,0 „
n
n ElO
4.
30 *
„ 1,15 „
„
„
„ 0,75
Gelenkstücke, zu den 15 mm breiten Schienen passend, pro
Stück 40 Pf.
Unbrauchbar gewordene Schienen und der Abfall werden von
den deutschen Waffen- uud Munitionsfabriken zurückgenommen
uud je nach dem Marktpreise des Aluminiums bezahlt.
Ein Fall von acuter Cocainvergiftung.
Von I)r. Bergmann in Wolfhagen.
Am 1. Mai 1809 kam in meine Sprechstunde ein 44 Jahre alter,
grosser, kräftig gebauter und wohlgenährter Landmann J. S. aus
Bründersen, mit der Angabe, seit 3 Wochen an heftigen Schmerzen
zu leiden, die von der Gegend des rechten Hüftgelenkes bis in’s
Kniegelenk und die Aussenseite desFusses ausstrahlten, ihn arbeits¬
unfähig machten, namentlich aber die Nachtruhe raubten. Auch
die geringsten Bewegungen des Beines seien äusserst schmerzhaft,
selbst ruhige Rückenlage sei wegen Schmerzen im Tuber ischii nicht
immer möglich. Alle bisher von Laien und Aerzten angewandten
Mittel („P r i e s s n i t z’sche Umschläge, Sandbäder, Senfteige,
Pulver, Elektricität“) seien erfolglos gewesen.
Die objective Untersuchung ergab typische Ischias. Aetio-
logisch konnte kein sicherer Auhaltpunkt festgestellt werden, Er¬
kältungsursachen waren angeblich nicht vorhanden; der Urin war
frei von Zucker.
Um dem Patienten baldige Linderung zu verschaffen, machte
ich ihm eine Coeaininjection in die rechte Hinterbacke und stach
die Spritze tief bis auf den N. ischiadicus ein. Ich verwandte
1 ccm einer eben frisch bereiteten 5 proc. Lösung von Cocain,
muriat., so dass die grösste Einzelgabe des Cocains, 0,05 g, auf ein¬
mal einverleibt wurde. Der Erfolg war ein eclatanter. Nach
5 Minuten empfand der Kranke auch nicht mehr eine Spur der vor¬
her so heftigen Schmerzen uud konnte munteren Schrittes seinen
Heimweg antreten, während er vorher mühsam über das Strassen-
pflaster hinweghinken musste.
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Auf Bitten besuchte ich Patienten am nächsten Tage in seiner
Wohnung. Er war gerade von schwerer Feldarbeit heimgekehrt
und recht ermattet; nur in der Wade empfand er noch heftige
Schmerzen und drang desslialb mit Gewalt darauf, ich solle ihm
nochmals eine Einspritzung machen, da er so guten Erfolg gesehen
habe.
Ich injicirte, wenn auch ungern, iu's obere Drittel der Wade
in der Richtung auf den N. peroneus 0,03 Cocain, also 0,02 g we¬
niger als Tags zuvor in den Glutaeus. Der Erfolg war aber ein
wesentlich anderer. Etwa 3 Minuten nach dem Eingriffe überkam
Patienten ein Ohnmachtsgefühl, er gab an, es werde ihm schwind¬
lig und schwarz vor den Augen und sank zurück. Ich entkleidete
Ihn mit Hilfe seiner Frau, die über den Zustand in grosser Auf¬
regung war, und legte ihn in’s Bett. Dort bekam er sehr heftiges
Herzklopfen; die Brustwand hob und senkte sich stark der Herz¬
gegend entsprechend. Der volle, gespannte Puls zählte 120 Schläge
in der Minute; die Respiration war beschleunigt (32), keuchend.
Das Sensorium war etwas benommen, doch gab Patient noch an,
Kriebeln und Taubsein in den Händen und Füssen zu fühlen. Nach
etwa 10 Minuten stellten sich klonische Krämpfe in beiden oberen
und der linken unteren Extremität ein, so dass das Bett erzitterte;
eigenthümlicli war es, dass das rechte Beiu unbetheiligt blieb uud
ganz regungslos dalag. Das Gesicht war lebhaft geröthet, die Bulbl
nach vorne gedrängt, die Pupillen maximal erweitert, die Corneal-
reliexe erloschen. Die Lider wurden fortwährend geschlossen und
wieder geöffnet (Nicitationes), die Zunge fortwährend hervor¬
gestreckt und wieder zurückgezogen. Das Sensorium war jetzt
immer nur auf einige Augenblicke frei und nur in diesen Inter¬
vallen, während denen auch die Krämpfe sistirten, erhielt ich auf
Anrufen eine Antwort.
Nach Application von kalten Umschlägen auf Herzgegend und
Kopf und Einflössen von starkem schwarzen Kaffee (Amylnitrit
war nicht zur Hand) war nach Verlauf von y 2 Stunde der Zustand
des Patienten wieder ein annähernd normaler. Das Herz war
ruhig, der Puls von mittlerer Fülle und Spannung, die Athemzüge
tief und langsam. Patient weiss jetzt von dem ganzen Vorfall
nur, dass er bald nach der Injectlon ohnmächtig wurde, Herz¬
klopfen und das Gefühl von Kriebeln in Händen uud Füssen em¬
pfunden habe; von den Erscheinungen der Krämpfe will er nichts
verspürt haben. In der rechten Wade keine Schmerzen mehr. Be¬
wegungen des rechten Beines erfolgen ausgiebig; an der Appli-
cationsstelle des Cocains Gefühllosigkeit; etwas Schwere im Kopf,
sonst aber Euphorie.
Patient hatte nach Aussagen seiner Frau eine Stunde nach
meinem Fortsein das Bett wieder verlassen und sich, abgesehen
von ein wenig Mattigkeit, ganz gut befunden. Krämpfe seien nicht
wieder aufgetreten.
Als ich ihn am nächsten Tage wieder besuchte, empfand er
nur an der im Uebrigen reactionslosen Einstichstelle geringen
Schmerz, befand sich aber sonst recht wohl und konnte vor Allem,
was er mir gegenüber besonders betonte, sein rechtes Bein wieder
gut gebrauchen. Die iscliiadischen Schmerzen waren vollständig
verschwunden und sollen bis heute noch nicht wieder aufgetreteu
sein.
DieserFall lehrt,dass sich Ischialgien durch Cocaininjectionen,
wie oben beschrieben, bedeutend lindern, wenn nicht beseitigen
lassen, dass aber andererseits Mengen, welche die maximale
Einzeldosis noch nicht erreichen, schon Vergiftungen hervor-
rufen können, und das ist ja eine schon längst bekannteThatsache.
Nur ist es zu verwundern, dass bei der Häufigkeit der Application
des Mittels und der sicherlicli grösseren Zahl von Intoxications-
erscheinungen, selbst bei Anwendung von noch geringeren Dosen
als 0,03, so wenig darüber publicirt wird und über die Ent-
stehungsursache der Intoxication bis jetzt eigentlich nur Ver¬
muthungen ausgesprochen sind.
Ich selbst habe Cocain in Dosen bis zu 0,07 g! zur localen
Anaesthesie bei den verschiedensten chirurgischen Eingriffen
subcutan angewandt, ich habe es per os bei Erbrechen und
Gastralgien mit gutem Erfolge gegeben, bei Augenerkrankungen
sehr häufig benutzt, ohne jemals auch nur die geringsten Ver¬
giftungserscheinungen beobachtet zu haben.
Im vorliegenden Falle wurden 0,05 g bei intramusculärer
Einspritzung symptomlos vertragen; am nächsten Tage riefen
0,03 g, in derselben Weise applicirt, schon bedenkliche Erschei¬
nungen hervor!
Man hat irn Hinblick darauf, dass der Eine eine bestimmte
Cocainmenge besser vertrage als der Andere, an eine gewisse
Idiosynkrasie mancher Personen gegen das Alkaloid gedacht
und auch diese Idiosynkrasie für ein und dieselbe Person
als an verschiedenen Tagen verschieden gross annehmen zu
dürfen geglaubt und schliesslich die Möglichkeit einer cumula-
tiven Wirkung des innerhalb einer bestimmten Zeit mehrmals
gebrauchten Mittels in Erwägung gezogen. In wie weit diese
Vermuthungen sich als Thatsache bestätigen, ist meines Wissens
noch nicht sicher erwiesen worden; es w r ird dies von berufener
pharmakologischer Seite zu geschehen haben. Im vorliegenden
Falle glaubte ich die rapide Intoxication zurückführen zu können
Original fram
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20. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
auf eine event. Venenverletzung; wenn dies auch nicht bewiesen
ist, so ist es doch denkbar, zumal ja in der Kniekehlen- und
Wadengegend reicli verzweigte Venennetze vorhanden sind, von
denen ein kleines Stämmchen sehr wohl getroffen sein kann und
somit wären die günstigsten Resorptionsbedingungen geschaffen
worden. Durch Application in Venen wirkt ja das Alkaloid
besonders schnell; vielleicht beruhen darauf auch die häufigeren
Vergiftungen bei Cocainisirung der Nasenhöhlen mit ihrem
venösen Plexus.
Jedenfalls aber besitzen wir im Cocain ein segensreiches
Mittel und seine Nachtheile werden niemals die grossen Vor¬
züge unterschätzen lassen; nur wäre es so interessant wie noth-
wendig, über die Aetiologie acuter Vergiftungen bei den ver¬
schiedenen Anwendungsmethoden Näheres und Sichereres zu
erfahren. Es wird dies auf experimentellem Wege zu lösen sein.
Haemorrhoidalknoten im frühesten Kindesalter.
Von Dr. Burwinkel in Bad Nauheim.
„Haemorrhoidalknoten werden im Kindesalter nur äusserst
selten beobachtet“ (Gerhardt, Handb. der Kinderkrankh.,
S. 663).
Dies bestätigt auch H e n o c h aus seiner reichen, lang¬
jährigen Erfahrung; er sah sie „zwar zuweilen, z. B. bei einem
6- und 7jährigen und sogar bei einem 3 jährigen Kinde“. (Hand¬
buch der Kinderkrankh., 9. Aufl., S. 521.)
Die Veröffentlichung des von mir beobachteten, nachstehen¬
den Falles dürfte daher gerechtfertigt sein.
N. f Apothekerstochter, geboren 12. XI. 1898. Gewicht bei der
Geburt 3700 g. Künstliche Ernährung mit dem Soxhlet ( J A Milch :
% Wasser -f- etwas Milchzucker).
Trotz der besten Pliege wurde das Kind zusehends schwächer
und dürftiger. Das Körpergewicht nahm beständig ab, wie dies
die allwöchentlich vorgenommene Wägung zeigte; es betrug am
Ende der 5. Woche nur noch 3125 g.
Dabei wurde die Flasche regelmässig und gut genommen;
Erbrechen bestand nicht, ausser dem üblichen, hier nicht mal
sonderlich häufigen „Speien“. Der Stuhl war immer fest und
glich kleinen Knobeln von blassgelblicher Farbe. Man musste
fast stets mit kleinen Wasserklystieren nachhelfen. Nebenher
war das Kind recht unruhig, es schrie besonders auch bei Stuhl¬
entleerung.
Schon bald nach der Geburt zeigten sich am After kleine
Knoten. Die Hebamme erklärte, es seien Haemorrhoiden.
Am 19. XII. 1898 wurde ich gerufen. Ich fand das Kind blass
und schlecht genährt, die Haut faltig und pergamentartig; grosse
Fontanelle etwas eingesunken, ebenso die Augen. Zunge wenig
belegt, kein säuerlicher Geruch im Mund. Leib nirgends auf¬
getrieben und auf Druck anscheinend nicht schmerzhaft. Direct
ausserhalb des Afterschliessmuskels sassen 2 noch nicht linsen¬
grosse Schleimhautknötchen, welche bläuliche Venen durchschim¬
mern Hessen. Sonstige Abnormitäten, wie Einrisse, Wundsein
u. dergl. mehr, fehlten.
Es handelte sich also um „äussere Haemorrhoiden“, die da¬
durch entstanden waren, dass die knobelharten Kothmassen im
Anfangstheil des Mastdarms lagen und den Abfluss der Mastdarm¬
venen mechanisch verhinderten.
Ich liess das Leibchen 2 mal täglich mit warmem Oel einreiben
und dann entlang des Dickdarms massiren. Die Aftergegend
wurde täglich mit Borvaselin eingefettet. Dann wurde die Milch
weniger verdünnt (ana mit Wasser und etwas Milchzucker) ge¬
reicht.
Verdauung und Ernährung besserten sich nun schnell. Der
Stuhl erfolgte spontan in breiiger Form. Das Gewicht nahm Jede
Woche zu, am Ende der 6. betrug es schon 3200, am Ende der 9.
3525 g. Mit dem y 2 Jahr war es auf 5880 g gestiegen; von dieser
Zeit an nahm das Kind M u f f 1 e r's sterilisirte Kindernahrung,
bei der es vorzüglich sich entwickelte.
Im October 1899, also im 11. Monat, wog das Kind 9550 g; es
war rund und munter. Der Stuhl war regelmässig und gut ver¬
daut. Der Durchbruch von 6 Zähnen war leicht erfolgt und hatte
nur eine erhöhte WeinerUchkeit für ein oder zwei Tage im Gefolge.
Die Haemorrhoidalknoten waren ganz verschwunden.
Wenngleich die Eltern des Kindes leichte Haemorrhoidarier
sind und eine erbliche Disposition auch hier vielfach ange¬
nommen wird, so ist bei diesem Kinde als Krankheitsursache
das mechanische Stauungsmoment anzusprechen. Dafür bürgt
der einfache Curerfolg. Dagegen ist es sehr wohl möglich, dass
der Schwund des submucösen Fettgewebes am After, der bei dem
allgemeinen Ernährungsrückgang des Kindes unausbleiblich war,
die Haemorrhoidalknoten leichter zu Stande kommen liess.
Auch Lannelongue hat beobachtet, dass sich bei einem
Kinde wenige Tage nach der Geburt Haemorrhoiden entwickelten
(citirt in Eulenburg’s Realencyklopädje, Bd. IX). Die betreffende
Veröffentlichung war mir leider nicht!zugänglich.
Digitizer: Q.QlS-
N o. 12. °
Eine schwere Gefahr ungeeigneter Tripperspritzen.
Von geschätzter Seite erhalten wir nachstehende Mittheilung
mit der Bitte um Veröffentlichung:
Obgleich der Verfasser der nachfolgenden kurzen Mittheilung
dem einschlägigen Fache ferne steht, hält er es doch für seine
Verpflichtung, die im Folgenden geschilderte Beobachtung an die
Oeffentlichkeit zu bringen, da dieselbe eine, seines Wissens, bis
jetzt imbeachtet gebliebene Gefahr aufzudecken im Stande ist,
welche in der Praxis tausendfach wiederkehrt und welche unter
begünstigenden Umständen Gesundheit und Leben der Be¬
troffenen in Frage stellen und auch für den behandelnden Arzt
eine schwere Verantwortung bilden kann.
Da die Erkrankung an einem meiner Verwandten gespielt
hat, so mag es mir in diesem Falle gestattet sein, ungenannt zu
bleiben.
Bei den vielfachen gemüthlichen Aufregungen, welche die
schwere Erkrankung in der Familie gebracht hat, wurde es auch
damals von mir unterlassen, Notizen über den Verlauf anzu¬
stellen und ich referire denselben aus der Erinnerung.
Der 21 jährige Patient hatte sich, als ich zum erstes Male von
der Erkrankung erfuhr, vor 3 Wochen eine Gonorrhoe zugezogen
und wurde seitdem von dem Arzt, an den er sich zuerst gewenaet
hatte, mit injectionen einer leichten Zinklösung behandelt, deren
Ausführung ihm theiiweise selbst überlassen war.
Erst als sich plötzlich eine schmerzhafte Epididymitis ein¬
stellte, wurde ich als Verwandter von der Infection benachrichtigt.
Hohes Fieber hatte sich eingestellt, die Epididymitis spielte
mehrere Wochen.
Dann entwickelte sich eine durch Palpation nachweisbare
schmerzhafte Prostatitis.
Eines Tages, circa 2 Monate nach der Infection, trat plötzlich
ein schwerer Schüttelfrost auf, während fortdauernd Temperatur-
Steigerungen bis zu 39—40” bestanden.
Einige Tage darauf entleerten sich zuerst unter brodelndem
Geräusch Flatuse durch die Harnröhre, dann ein Theil des Urins
durch das Kectum.
Allmählich bildete sich auch aussen am Damm eine starke
Geschwulst in der directen Nachbarschaft des Anus.
Die Temperatur blieb immer ziemlich hoch febril, und die
Palpation per rectum wies eine andauernde starke Schwellung der
Prostata nach; Stuhlgang konnte Monate lang nur durch Klysmata
mit hoch hinaufgeführtem elastischen Rohr erzielt werden.
Da sich im 3. Monat der inzwischen so ziemlich versiegte
Ausfluss aus der Harnröhre in geringem Maasse wieder einstellte,
so verordnete der seit längerer Zeit zugezogene Consüiarius wieder
Injectionen in die Harnröhre, und wir Hessen den Patienten unter
unseren Augen eine Einspritzung machen.
Die Spritze, welche er zum Vorschein brachte, hatte an ihrem
Ende die bekannte und vielfach in den Instrumentenläden ausge¬
stellte Form einer abgerundeten Eichel, um einer Verletzung der
Harnröhre beim Selbstgebrauch vorzubeugen.
Es zeigte sich bei der Handhabung des Patienten, dass es ihm
nicht möglich war, bei der Schlaffheit des Penis die Oeffnungeu
der Spritze und der Harnröhre genügend genau aufeinander zu
fügen, und Pat. äusserte, dass er überhaupt nur ganz ausnahms¬
weise bei seinen früheren Manipulationen das sichere Gefühl vom
Eindringen der Flüssigkeit in die Harnröhre gehabt habe.
Er zeigte uns nun, wie er sich gewöhnlich geholfen hatte.
Um die Eichel der Spritze besser anzuschliessen, hatte er das
ziemUch stark phimotische Präputium über dieselbe herüber¬
gezogen und auf der Spritze mit den Fingern ringsum angedrückt
Als er nun injicirte, wurde das ganze Präputium bis zur Gorona
glandis kugelförmig durch die eindringende Flüssigkeit aufge¬
trieben.
Als wir diese Manipulation sahen, griffen wir alle Drei gleich¬
zeitig nach der Spritze, um ihn an dieser Art der Injection zu
hindern, welche er offenbar bereits oft vorher geübt hatte.
Mir selbst hatte sich im Moment, als ich dieses Vorgehen sah,
die ganze traurige Aetiologie des schweren und ungewöhnlichen
Krankheitsverlaufes in furchtbarer Deutlichkeit aufgeklärt.
Einige Wochen vorher hatte ich nämlich einmal beim stär¬
keren Zurückschieben des phimotischen Präputiums eine grössere
Ansammlung von Smegma rings um die Corona glandis bemerkt,
wie sie sich ja als ziemlich regelmässiger Befund in diesem Alter
bei irgend ausgesprochener Phimosis vorflndet. Bei der Auf¬
blähung des Präputialraums durch den Spritzenstrahl mussten
nothwendig diese Massen emporgewirbelt werden. Wenn nun zu-
fäUig die Spritzeneichel nicht gerade die Harnröhrenöffnung ver¬
deckte, so konnte unter Umständen einmal die im Präputium an¬
gesammelte Flüssigkeitsmenge, wenn gleichzeitig der Spritzen¬
druck audauerte und der Sack wasserdicht abschloss, in die Harn¬
röhre hinaufgelaugen. Das war es jedenfalls, was der Pat. unter
dem ausnahinsweisen Gelingen der Manipulation verstanden hatte.
Dass auf diesem Wege kleinere und grössere Partikeln der alten
zerfetzten Epidermismassen, aus welchen das Smegma praeputii
besteht, mit allen ihren Sepsis- und Fäulnisskeimen, Smegma-
baciUen etc. bis hoch in die Harnröhre hinauf geschwemmt werden
können und müssen, das liegt auf der Hand.
Auch der Gedankengang der Collegen scheint ein ähnlicher ge¬
wesen zu sein, wie ich aus ijiren erschreckten Mienen schliessen
394
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12
durfte. Ohne dass weiter ein Wort darüber fiel, wurde von da an
ganz von der Spritze abgesehen.
Der weitere Verlauf war noch ein sehr schwerer und lang¬
wieriger. Auch auf der anderen Seite entwickelte sich später eine
viele Wochen dauernde Epididymitis. Die Urethro-Rectaliistei war
sehr weit geworden, so dass sich Monate lang der Harn aus¬
schliesslich durch den Anus entleerte. Die Geschwulst am Damm
vergrösserte sich ganz langsam im Lauf mehrerer Monate uud
zeigte schliesslich, 7 Monate nach Beginn der Erkrankung, in der
Tiefe Fluctuation.
Bei der Eröffnung derselben in Narkose durch einen hinzu¬
gezogenen Vertreter der Chirurgie entleerte sich eine ziemlich reich¬
liche Menge Eiter. Eine directe Verbindung dieses Abscesses mit
dem hochliegenden, Harnröhre und Rectum miteinander verbinden¬
den Prostataabscess liess sich durch Sondirung nicht nachweisen.
Als noch während der Narkose der Zeigefinger möglichst hoch,
bis über 10 cm, durch das Rectum hinaufgeführt wurde, entleerte
sich plötzlich eine grössere Menge stinkenden, jauchigen Eiters
und Gewebsfetzen neben dem Finger. Die Oeffnung des Prostata-
abscesses in das Rectum musste demnach so hoch gelegen sein, dass
sie bei der vorher ohne Narkose oftmals vorgeuommenen Palpation
mit dem Finger nicht erreichbar gewesen war.
Dagegen hatten sich täglich Eiter uud fibrinöse Fetzen, zeit¬
weise in geradezu erstaunlicher Menge, beim Uriniren durch das
Rectum und nach dem Klysma entleert. Die Eiter und Fibrin¬
mengen bildeten zeitweise die Hälfte bis zu zwei Drittel des Urins
und mussten als das Product einer schweren eitrigen Cystitis, viel¬
leicht auch Pyelitis angesehen werden.
Bei einem Versuch, eine Injection durch den doppelläufigen
Katheter zu machen, floss von der injicirten Flüssigkeit, trotzdem
eiue ziemlich grosse Menge zur Verwendung gekommen war, nichts
ab; offenbar hatte sich die Flüssigkeit in den oberhalb der Prostata¬
geschwulst liegenden Theil des Rectums entleert. Es wurde dess-
halb von der weiteren Verwendung des Katheters abgesehen. Zeit¬
weise entleerte sich der Harn tropfenweise auch durch die neben
dem Anus angelegte künstliche Abscessöffnung, so dass eine enge
Verbindung desselben mit dem Prostataabscesse angenommen
werden musste.
Die Temperatur war während des ganzen Krankheitsverlaufes
febril, zeitweise hoch febril. Noch über einen Monat nach der Er¬
öffnung des Abscesses stieg sie bis zu 40 und stellten sich auch
noch zweimal schwere Schüttelfröste ein. Während der ganzen
Zeit war der Appetit sehr gering und nur mit der grössten Um¬
sicht war genügende Ernährung zu erzielen. Der Kranke war bis
zum Skelett abgemagert.
Im 9. Monat der Erkrankung endlich wurde die eitrige Sedi-
meutirung des Harnes geringer und sank die Temperatur allmäh¬
lich auf die Norm.
Es stellte sich nun, auch ohne dass der Katheter weiter zur
Verwendung gekommen war, wieder etwas Abträufeln von Urin
durch die Harnröhre ein, welcher Bich bis dahin ausschliesslich
durch das Rectum entleert hatte. In den nächsten Tagen wurde
der auf dem natürlichen Wege entleerte Urin successive reich¬
licher, bis einige Wochen später die Communication mit dem
Rectum ganz unterbrochen war und aller Urin im Strahl sich
wieder durch die Harnröhre entleerte.
Von da an erholte sich der Kranke rasch und ist nunmehr
seit vielen Monaten gesund; weitere Störungen scheinen nicht
zurückgeblieben zu sein.
Eines besonderen Commentars bedarf dieser Fall nicht.
An dem oben angegebenen aetiologischen Zusammenhang
zwischen der unzweckmässigen Verwendung einer ungeeigneten
Spritze und den schweren geschilderten Folgezuständen kann
meines Erachtens kaum ein Zweifel bestehen.
Möge dieser Fall für künftig den Collegen als Warnung
dienen, auch anscheinend geringfügige Manipulationen nicht dem
Kranken zu überlassen, sondern selbst unter ihrer steten Ueber-
wachung zu behalten!
Casuistische Miscellaneen aus dem Gebiete der Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie.
Von R. Kossmann in Berlin.
(Schluss.)
V. Continuirlicher Blutabgang von der Bauchhöhle her durch
Tuben und Uterus.
Zwar ist über eine Anzahl von Fällen berichtet worden, in
denen eine Blutung aus den Genitalien darauf zurückgeführt
worden ist, dass das in die Bauchhöhle geflossene Blut sich
seinen Ausgang durch Tuben und Uterus gesucht hatte. Es sind
jedoch diese Fälle nicht so genau beschrieben worden, dass sich
ein Irrthum, insbesondere ein Uebersehen einer Tubenschwanger¬
schaft, mit Sicherheit ausschliessen liesse. In dem von mir be¬
obachteten Falle scheint mir ein Irrthum vollständig ausge¬
schlossen.
Frau M. suchte am 19. VI. 1899 meine poliklinische Sprechstunde
auf, weil sie seit ä^Wbchen einen ziemlich starken, vor Allem aber
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durchaus continuirlichen Blutabgang durch die Genitalien erlitten
hatte uud sich dadurch in hohem Grade geschwächt fühlte. Die
Patientin sah in höchstem Grade anaemisch aus und hatte einen
sehr kleinen, sehr beschleunigten Puls. Bei der Untersuchung
wurde der Uterus nicht wesentlich vergrössert gefunden, dagegen
fand sich links neben und hinter ihm eine grössere, nicht scharf
umschriebene, ziemlich harte Geschwulst.
Da der Gedanke an eine Tubeugravidität sehr nahe lag, wurde
die Patientin sofort in die Klinik aufgenommen und am folgenden
Morgen die Laparotomie ausgefühit. Der Tumor erwies sich, wie
erwartet, als ein, durch Verklebung mit Darmschlingen unter¬
einander sowie mit der linken Tube und dem Uterus abgekapseltes,
Haemato in, das mit zum Theil geronnenem, zum Theil flüssigem
Blut gefüllt war. Nach Ausräumen der Blutgerinnsel zeigte sich,
dass die Blutung aus einem Riss in einem Foilikelhaeinatoin des
linken Ovariums herstammte und zur Zeit noch fortdauerte. Es war
nicht möglich, das Ovariuin aus den Verklebungen herauszu¬
schälen, ohne einen ziemlich grossen Defect im Peritoneum des
linken breiten Mutterbandes zu verursachen, und da sich die
Schliessung dieses Defects durch Naht als überaus schwierig und
unsicher erwies, entschloss ich mich, den defecteu Theil des
Mutterbandes sammt der Tube abzutragen. Ich bin dadurch iu
die Lage versetzt gewesen, die Tube selbst einer genauen Unter¬
suchung zu unterwerfen und konnte feststellen, dass sie in ihrem
ganzen Verlaufe normal war und nirgends eine Erweiterung oder
sonst ein Zeichen von Extrauteringravidität aufwies, dass ihr
Ostium abdominale offen war und ihr Lumen auf eine Strecke von
etwa 1% cm makroskopisch sichtbar Blut enthielt, ohne jedoch an
dieser Stelle irgend eine Erweiterung erfahren zu haben.
Da überdies die Auskratzung des Uterus normale Schleimhaut
ohne Spuren von Haemorrhagien ergeben hat, scheint mir die That-
sache i'estzustehen, dass es das aus dem geplatzten Follikelhaema-
tom herrührende Blut gewesen ist, welches durch die linke Tube
und den Uterus abfiiessend, als continuirliche Blutung der Gebär¬
mutter wahrgenommen wurde.
VI. Paralyse des nicht schwangeren Uterus.
Keineswegs selten ist in der gynäkologischen Literatur von
Fällen berichtet worden, in denen selbst durchaus geübte Spe-
cialisten den Uterus mit der Sonde oder der Curette perforirt
zu haben glaubten, ohne dass der Patientin daraus irgend ein
nachweisbarer Nachtheil erwachsen war.
Mir ist dabei immer räthselhaft gewesen, wie die Sonde oder
eine einigermaassen stumpfe Curette, nachdem sie die Musculatur
durchdrungen hat, auch die Serosa durchbohren oder auf eine
Strecke von vielen Centimetern von der Musculatur abheben kann,
wenn nicht eine ganz unverständige Gewalt angewendet wird.
Vor 2 Jahren erst ist über diesen Punkt ein Meinungsaus¬
tausch zwischen Beuttner und Odebrecht gepflogen
worden 15 ).Ersterer hat 2 Fälle, in denen er mit der Sonde bezw.
mit einem Dilatator in einen vorher kaum vergrösserten U terus
13—14, sogar 20 cm weit eindringen konnte, durch „Erschlaffung* 4
des Uterus erklärt, während Letzterer entschieden behauptet,
BeuttnePs Fälle seien ebenfalls Beispiele von Perforation ge¬
wesen. 16 )
Von anderer Seite ist für solche Fälle auch auf die Möglich¬
keit eines unbeabsichtigten Eindringens der Sonde in die Tube
hingewiesen werden. Biedert”) hat sie an der Leiche nach¬
gewiesen. Bischoff“) und Lehmann 1 *) haben in Fällen,
wo die Sonde 17 bezw. 28 cm eingedrungen war, ein sehr weites
Ostium uterinum tubae nachgewiesen. Doch ist das Eindringen
der Sonde in eine normale Tube ohne Anwendung grosser Gewalt
sicher unmöglich, und vollends 6 ö n n e r’s ") Meinung, sogar den
scharfen Löffel in die Tube eingeführt zu haben, gewiss ohne
Weiteres zurückzu weisen.
Zur Aufklärung dieser Streitfrage dürfte der nachfolgend«
Fall beizutragen geeignet sein.
Er ereignete sich bei einer Patientin, die ich auf dem Opera¬
tionstische liegen hatte, und bei der ich im Begriff war, einer
Kolpotomie die Abrasio mucosae vorauszuschicken. Ich hatte in der
Narkose den Uterus ein wenig retrovertlrt, aber mit vorderem
Knickungswinkel, kaum nachweislich vergrössert, gefunden. Ich
“) Beuttner: Ueber ein eigentümliches Verhalten de«
Uterus beim Einführen von Instrumenten. Oentralbl. f. Gynäko¬
logie 1897, S. 1271.
Odebrecht: Bemerkungen zu dem Aufsatz „Ueber ein
eigentümliches Verhalten u. s. w. Ebenda S. 1442.
*•) Dass dies auch dem allermodernsten Standpunkte ent¬
spricht kann man z. B. aus der Bemerkung Döderleln's ln
Veit’s Handbuch der Gynäkologie, Bd. II, 1897, S. 350 ersehen:
Uebrigens braucht eine Perforation des Uterus mit der Sonde...
nicht von weiteren Nachteilen gefolgt (sic!) zu sein.**
,T ) Berl. klin. Wochenschr. 1877, No. 41 u. 42.
18 ) Correspondenzblatt Schweizer Aerzte 1872, No. 19.
19 ) Nederl. Tijdsehr. v. Geneesk. 1871, 1, p. 201.
») ibid. 1891, No. 1. Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. März 1900.
MÜNCHENER MEDTCINTSCHE WOCHENSCHRIFT.
895
spritzte, wie ich es gewöhnlich thne, eine 5proc. Formalinlösung
in den Uterus und führte dann die von mir modiflcirte stumpfe
Roux'sehe Curette. deren Löffel eine Breite von etwa 1 cm hat.
ein. Ich bemerke, dass ich dabei den Zeigefinger etwa 6 cm von
der Spitze des Instruments entfernt fest aufzusetzen pfletre. so
dass letzteres zunächst unmöglich tiefer als 6 cm in den Utenis
elndringen kann. Dabei halte ich selbst mit der linken Hand die
Kugelzange, die die vorderen Muttermundslippen fixirt. Erst wenn
die Curette. in der eben geschilderten Weise geführt, den inneren
Muttermund passirt hat. schiebe ich sie. indem ich sie ganz lose
mit 2 oder 8 Fingern führe, langsam bis an den Fundus vor. Ich
brauche nicht zu sagen, dass ich dabei auch den allergering-
ffigigsten Widerstand unbedingt wahrnehmen muss. Tch würde cs
für unmöglich halten, in dieser Weise einen Beutel von zartestem
Tfillgewebe mit meinem Instrumente zu durchstossen. ohne einen
Widerstand wahrzunehmen. Meine Turette drang jedoch ohne
den geringsten Widerstand zu finden bi«* fast an den Griff. d. h.
33—14 cm weit vor. Ich zog nun das Instrument zurück, unter¬
suchte nochmals, und fand, nachdem ieh mit • den Fingern der
linken Hand im hinteren Scheidengewölbe hoch emporgedmngen
trar. d“n TTtems wieder profleetirt. etwas retrovertirt. und kaum
über die Norm vergrössert. Tch führte die Curette wieder ein,
fühlte jetzt deutlich den Widerstand nachdem sie 7 cm weit eiu-
eedmngen ^nr. und konnte die Auskratzung ohne irgend welche
besondere Wahrnehmungen ansführen.
Tch war nun natürlich darauf gefasst, nach Ausführung der
flolnotomie die Oobürirrntterwand au irgend einer Stell« veriptzt
zu finden. Zufälliger Weise — und ich kann sagen glücklicher
Wet*®«_handelte es sich um einen Fall mit ziemlich beträchtlicher
uVffPhlafTnpg der Bandgunarp+n dc~ TTteru«. s« dass es nach Aus¬
führung der Colnotomie nnd Vorwälznng dps Uterus möglich war.
rdeht etwa nur die vordere Roito des TTterus und de« anstossenden
Theils der breiten Mutterhiinder sondern aueh die Hinterseite der
Gebärmutter ^nd der angreuzepdon Partien bis weit übe»* da« Peri¬
toneum des D o u g 1 a s’sojien Baumes zu übersehen: die Gebär-
nintter konnte soweit vorgezogen werden, dass man das Ovum
Dnnsrlnsl hätte photngrnphiren kennen. wenn ein Apnara* zur Stelle
gewesen Wärp. Unter-diesen Umständen hätte ein« Perforation
des Uterus melden und meiner Herren Assistenten Aueen unmdg-
l*eh entgehen können, und selbst wenn man annehmen wollte,
dlass die Uurette nur die Muskelwand durchbohrt und das Peri¬
toneum lediglich abgehoben hätte, so würde doch irgendwo diese
Abhehnng sich durch Erguss von Blut, oder seröser Flüssigkeit
oderdnrek o*n lockereres Aussehen dp«Perimetriums gekenuzeio^net
lmben. Nichts von alledem war wahrzunehmen: di« Serosn über¬
zog Überall Prall und spiegelnd die gAn*0 Oberfläche der Ophär-
juntter Andererseits waren die Tuben von ganz normaler Stärke
und gingen wie gewöhnlich in annähernd rechtem Winkel von der
Gebärmutter ab. - ,
Nach dieser Erfahrung kann ich mich zu keiner anderen
Annahme entschliessen. als zu der. dass auch an dem nicht
schwangeren TTterus eine plötzliche Paralyse der Musculatur ent-
stehen kann, in Folge deren sieh das Organ gleichsam in einen
schlaffen Beutel verwandelt, dessen Wandung man mit einer
Ronde oder mit einer stumpfen Curette sehr beträchtlich dehnen
kann. Tch würde in diesem Falle annehmen, dass der Reiz durch
die Formalineinspritzung, verbunden mit dem durch die Ein¬
führung der Curette. eine solche plötzliche Paralyse hervorgerufen
hat. und es würde, wenn diese Annahme richtig ist. wohl auch zu
vermuthen sein, dass ein ganz erheblicher Theil sowohl der ver¬
meintlichen TTterusperforationen. in denen der Onerateur den
Sondenknopf unmittelbar unter dem Bauchfell gefühlt hat, als
auch der vermeintlichen Tuhensondirungen. wohl auch nur auf
einer solchen Paralyse der TJterusmusculatur beruht, hat.
Die Möglichkeit beider Ereignisse will ich natürlich nicht, be¬
streiten. Was aber Odebrecht’s Mittheilung anbetrifft, dass
er eine selbstverursachte Perforation mit der O r t h m a n n’schen
Sondenzange bei einer Laparotomie direct nach weisen konnte,
so ist sie wenig geeignet, gegen Beuttner in’s Feld geführt zu
werden. Auch mir ist es bei einer vorderen Colpotomie möglich
gewesen, direct zu beobachten, wie der Sondenknopf dieses Instru¬
mentes zwar nicht das Perimetrium seihst, wohl aber die ganze
Muscularis durchdrang. Man muss sich aber bewusst, bleiben,
dass mit. dem Instrument eine Hebelwirkung ausgeübt wird,
die es dem Operateur ganz unmöglich macht, sich von der auf die
Uteruswand direct einwirkenden Gewalt Rechenschaft zu
gehen. In dem Odebrech Pechen Falle war überdies die
Uteruswand so degenerirt, dass die Silkwormfäden durch¬
schnitten !
In meinem Falle war von einer Degeneration der Uteruswand
durchaus nicht die Spur vorhanden. Es war eine dicke, derbe,
unter der Curette laut knirschende Muscularis vorhanden. Auch
handelt es sich bei der zu erklärenden Erscheinung durchaus
nicht, wie Odebrecht zu glauben scheint, um eine mecha¬
nische Dehnung, die bei einem dünnwandigen Uterus leichter,
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als hei einem dickwandigen erfolgen könnte, sondern sicher um
eine Paralyse der Musculatur, ein plötzliches Aufhören des
Muskeltonus. Jedem, der kleine Abortreste mit der Curette zu
entfernen pflegt, ist diese Erscheinung vermuthlich bekannt.
Der Uterus kann, wenn der Abortrest sehr klein ist und nicht
etwa im Cervicalcanal steckt, zeitweilig gut contrahirt sein; aber
es genügt schon ein geringer Reiz, um Paralyse und Blutung her¬
beizuführen. Veranlassen üns diese Blutungen oder die Erschei¬
nungen der Endometritis zur Auskratzung, so beobachtet man
meist sofort beim Einführen der Curette, wie der Uterus schlaff
wird, und alsbald beginnt auch die Blutung. Sobald der letzte
Brocken dann herausgeholt ist, contrahirt sich der Uterus wieder und
bleibt contrahirt. Geht man aber in diesen contrahirten Uterus
unnöthiger Weise nochmals mit der Curette ein, so wird
er sofort wieder paralytisch, das Instrument dringt 15,20,25 cm weit
ein, ohne Widerstand zu finden, und eine neue Blutung erfolgt.
Zieht man die Curette wieder heraus, so contrahirt sich das
Organ sofort, und die Blutung steht. Neu ist an unserer Be¬
obachtung also nur das, dass es auch für den nicht schwangeren
bezw. puerperalen Uterus Reizzustände oder Reizmittel gibt, die
solche Atomen oder Paralysen hervorrufen.
VH. Zwei Todesfälle in Folge von Gonorrhoe.
Die beiden Fälle, über die ich zu berichten in der bedauer¬
lichen Lage bin, werden zur Erledigung einer der wichtigsten
Streitfragen der modernen Gynäkologie zwar nicht genügen, aber,
wie ich denke, erheblich beitragen.
Diese Frage ist — ganz allgemein gesprochen — die, ob die
reine Gonococceninfection nur locale oder auch diffuse, event.
direct tödtliche Erkrankungen herbeiführen kann.
Der erste der beiden Fälle erweist als directe Todesursache
mit grosser Wahrscheinlichkeit die Einwirkung einer Strepto-
cocceninfection, während wohl als Ausgangspunkt eine rein
gonorrhoische Peritonitis angesehen werden muss.
Frau G. aus K., 49 Jahre alt, klagt, dass vor einem Viertel¬
jahre bereits der Leib gespannt und druckempfindlich geworden ist.
Die Brüste schwellen an und es treten heftige Schmerzen darin auf.
Jetzt starke Kreuz- und Bauchschmerzen. Die seit 3 Jahren un¬
regelmässige Blutung seit 2 Monaten ganz fortgeblieben. Starker
Fluor, Constipation, Appetitlosigkeit.
Befund: Descensus der hinteren Scheidenwand, Uterus pro-
flectirt, Cervicalcanal aufgerissen, Ectropion. Anheben der Portio
und Druck auf die Adnexe schmerzhaft, linke Adnexe verdickt,
Blutabgang.
Diagnose: Pelviperitonitis subacuta, Endometritis haemor-
rhagica.
Da die den arbeitenden Classen angehörende, seit Monaten
in ärztlicher Behandlung befindliche Patientin ein eingreifendes
Verfahren mit Aussicht auf baldige Wiederherstellung der Arbeits¬
fähigkeit dringend wünscht, wird nach Auskratzung des Uterus
und Aetzung der Wundfläche mit 10 proc. Formalinlösung die vor¬
dere Elytrotomie (Eröffnung der Bauchhöhle zwischen Blase und
Uterus) vorgenommen. Die ausgedehnten Verwachsungen der
Genitalien, insbesondere der linken Adnexe, werden mit dem Finger
gelöst, ein Theil des cystisch entarteten linken Eierstocks wird
resecirt. Nach Schluss der Elytrotomie wird die hintere Elytror-
rhaphle (Excision und Vemähung der hinteren Scheidenwand) nach
Sänger ansgeführt.
Ausser einer mässigen venösen Staut ? zeigte sich an den
Tuben nichts Abnormes; ein Eiterherd > irde nirgends wahr¬
genommen.
Noch am Tage der Operation steigt di« Temperatur von 36,7
auf 38,8 °, am folgenden Tage auf 39,6 °. Z leich etablirt sich zu
jeder Seite der Lendenwirbelsäule ein fast 1. ldtellergrosser. tiefer
Decubitus. Dabei bleibt das Abdomen schlaff und frei von Druck-
empfindlichkeit. und es erfolgt, 48 Stunden p. o., spontaner Stuhl¬
gang. Es wird desshalb die Prognose nicht für ungünstig ge¬
halten. Zwar steigt Abends die Temperatur noch auf 39,8°, doch sinkt
sie in der Nacht zum 4. Tage auf 38,2 °. Im Laufe des 4. Tagee^
erhebt sie sich wieder bis auf 40° und erreicht am 5. Tage Mor¬
gens sogar 40,2°. Es wird eine lihksseitige Parotitis fe-^gestellt.
Nunmehr schwankt die Temperatur während einer ganz< Woche,
vom 5. einschliesslich bis zum 11. Krankheitstage, Im Ga m lang¬
sam steigend, zwischen 38,4° und 40,4°, während kein ei peri-
tonltische Erscheinungen sichtbar sind, insonderheit a h jeden
2. Tag normale Stuhlentleerung stattfindet Am 11. Tc erfolgt
mit starkem Schüttelfrost ein plötzliches Ansteigen «ler Tem¬
peratur bis zu 41.8° mit Auftreten einer rechtsseitigen Iritis, die
sich alsbald als Thellerschelmmg einer eiterigen Panophthalmitis
erweist. Am 12. und 13. Krankheitstage sinkt die Temperatur
wieder stark, auf 38,6° bezw. 36,6° herab. Am 13. wird eine In-
cision in die Parotis ausgeführt ohne dass Eiter angetroffen wird.
Am Abend des 13. Ist die Temperatur wieder auf 39.5 0 angelangt
Sie sinkt über Nacht nochmals bis 38,1 0 nnd steigt dann ccMtinnir-
lich, bis sie am 15. Tage Abends 40,5° erreicht. Am .nd 15.
Stuhlentleemng, kein Meteorismus, keine DruckempEndlichkeit
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
896
MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12
dos Leibes. Vom 15. Tage an Coma, am 17. Krankhettstage bei
41.2 # Exitus letalis.
Eine vollständige Section wird nicht gestattet, doch wird das
vereiterte Auge, so gut es geht, enucleirt und die per primam
intentionem verklebte Bauchwunde geöffnet. Im Bereich der
rechten Adnexe findet sich eine abgekapselte Peritonitis aposte-
inatica; der Eiter gleicht in Farbe und Consistenz einer sehr blassen
Mayonnaisensauce. Sonst ist das Peritoneum spiegelnd und nicht
injicirt.
Das Eigenthümliche ist nun, dass dieser Eiter in der Bauch¬
höhle eine absolut reine Gonococcencultur darstellt, während der
panophthalmitische Eiter eine Reincultur von Streptococcen ohne
Beimischung von Gonococcen enthält.
Dass die eiterige Peritonitis auf der Recrudescenz eines
älteren gonorrhoischen Processes beruhte, ist nach Anamnese,
Befund vor und bei der Operation, und Sectionsergebniss mit
grösster Sicherheit anzunehmen. Andererseits zeigt der Ver¬
lauf auch wieder an einem deutlichen Beispiel, wie leicht sich die
gonorrhoische Peritonitis localisirt und wie wenig sie dann die
Darmthätigkeit schädigt.
Wie erklärt sich jedoch das sofortige enorme Ansteigen der
Temperatur noch am Operationstage? Der schon nach 36 Stun¬
den manifeste Decubitus Hesse an eine pyaemische Embolie
denken; aber wie merkwürdig, dass diese ganz symmetrisch zu
beiden Seiten der Lendenwirbelsäule aufgetreten ist! Macht diese
Symmetrie nicht eine nervöse trophische Störung viel wahrschein¬
licher? Nimmt man aber diese an, woher dann die hohe Tem¬
peratur ?
Am 5. Tage tritt bei Fortdauer des Fiebers die Parotitis auf.
Es ist hier nicht der Ort, die interessante Frage nach dem Zu¬
sammenhang zwischen Ovarialoperation und Parotitis wieder ein¬
gehend zu erörtern. Man neigt neuerdings ja entschieden dazu,
die Parotitis nach Operation als septischen Process zu deuten 21 ).
Wie merkwürdig aber, dass in unserem Falle, wo doch das Auge
innerhalb von ca. 2 Tagen vollständig vereiterte, die Parotis-
incision am 8. Tage nach Auftreten der Schwellung keine Spur
von Eiter ergab!
Die Panophthalmie müsste wohl nach allen früheren Er¬
fahrungen auf eine Embolie der Chorioides zurückgeführt werden.
Panophthalmien nach Gonorrhoe sind schon öfters beobachtet;
sie sind, da stets, wie in unserem Falle, nur Streptococcen in dem
das Auge zerstörenden Eiter gefunden wurden, aus Mischinfec-
tionen erklärt worden. Nun aber enthielt der Eiter der Bauch¬
höhle unbedingt keine Streptococcen, sondern ausschHesslich
Gonococcen. Auch war bei der allerdings nicht sehr gründHchen
Section von einer septischen Phlebitis im Operationsgebiet nichts
zu finden.
Dass sich an die septische Panophthalmitis eine septische
Meningitis anschloss, die zum Tode führte, ist nicht weiter auf¬
fällig.
Die Gesammtheit der Wahrnehmungen in diesem Falle lässt
es also zwar zweifelhaft, ob der unglückliche Ausgang der Opera¬
tion auf der Recrudescenz der Gonorrhoe beruhte, aber mindestens
ebenso zweifelhaft, ob er auf eine daneben laufende Pyaemie zu¬
rückzuführen ist. Wohl aber sind triftige Gründe vorhanden,
den symmetrischen Decubitus und die nicht abscedirende Paro¬
titis auf trophoneurotische Störungen zurückzuführen. Dann
aber liegt es natürlich nahe, auch die Panophthalmitis nicht aus
einer EmboHe, sondern aus einer neurotischen Ischaemie abzu-
21 ) Rüttermann: Parotitis nach Ovariotomie. Dlssert.
Berlin, 1893; daselbst eine Literaturübersicht.
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leiten, und die Streptococceninvasion als eine secundäre Compli-
cation aufzufassen; wenigstens scheint mir, wenn wir eine pyae¬
mische Embolie als das Primäre annehmen, der aseptische Ver¬
lauf der Parotitis und die Symmetrie des Decubitus fast unbe¬
greiflich. Für solche multiple Ischaemien nun würde wieder
eine toxische Ursache wohl mit Nothwendigkeit angenommen
werden müssen; und die Intoxication kann Angesichts des vom
ersten Augenhlieke an bestehenden hohen Fiebers doch nur als
eine auf bacillärer Basis entstandene gedacht werden. Bedenken
wir nun weiters, dass dieses Fieber erst nach der Operation ein¬
setzt, dann aber innerhalb weniger Stunden bis 38.8°, am fol¬
genden Tage bereits bis 39,6" ansteigt, und dass bei der Section
im Operationsgebiet nur eine Gonococcenreincultur gefunden
wurde, so ist wohl die Vermuthung sehr nahe, liegend, dass bei
und nach der Operation eine beträchtliche Aufnahme von Gono-
coccentoxinen in’s Blut stattgefunden und durch Beeinflussung
des Centralnervensystems jene Circulationsstörungen hervor¬
gerufen hat, die sich einerseits in der Temperatursteigerung,
andererseits in den ischaemischen Processen äusserte. Wäre diese
Vermuthung richtig, so würde der Gonococcus in diesem Falle,
wenn auch nicht auf dem Wege der Embolie, so doch auf dem
der generellen Intoxication den ungiinstigenVerlauf der postopera¬
tiven Periode bis zum Auftreten der Panophthalmie bedingt
haben. Letzte Todesursache würde allerdings die Streptococcen-
infection des erkrankten Auges und weiter der Meningen sein.
Doch scheint nach den bisher vorliegenden Erfahrungen bei
jeder Panophthalmitis der Streptococcus dieselbe Rolle zu
spielen; und diese kann doch gewiss eher durch die TThiquität
des Streptococcus, der sich eben in jeder vereiternden Nekrose
(z. B. auch in den Furunkeln der Diabetiker) ansiedelt, erklärt
werden, als durch die Annahme, dass Embolien der Chorioides
ausschliesslich, wenn sie Streptococcen enthalten, zur Pan¬
ophthalmie führen.
Viel einfacher, aber gleichwohl einzig in seiner Art ist der
zweite Fall, über den ich zu berichten habe.
Frl. Z., 22 Tnhre alt. kommt in Behandlung wegen Unterleihs¬
schmerzen. bei anders links, und Kreuzschmerzen, die seit einem
Fall vor 4 Tagen sehr stark sind und die Patientin arbeitsunfähig
machen. Hymen nicht mehr intact. Uterus profiectirt. Anheben
der Portio schmerzhaft, beiderseitige Adnexe stellen druckempfind¬
liche Tumoren dar. von denen der linke etwa gfinseeigross erscheint
und der Gebärmutter dicht anliegt. Starke Erosionen am Mutter¬
munde.
Nach Ausführung der vorderen Elvtrotomie macht es erhebliche
Mühe, die zu je einem Klumpen verklebten Adnexe durch Lösung
der Adhaeslonen zu entfalten. Das rechte Ovarium. das mikro-
eystisch degenerirt ist. wird mehrfach punctirt. das linke, hühnerei¬
grosse wird nbgpbnnden und abgetraven. Die Tubon sind picht
ausgedehnt, noch versehlossen. es zeigt sich kein Eiter im OsUum
abdominale. Nach Vollendung der Elvtrotomie werden die Ero¬
sionen mit dem Thermokauter behandelt.
Die Temperatur hält sich zunächst auf normaler Höhe und
steigt erst am 3. Tage post operatlonem Abends auf 38.1 •.
Am 4. Tage erfolgt bei unempfindlichem. nicht auf ge¬
triebenen Leib spontane Stuhlentleerung. Danach steigt
die Temperatur zum Abend auf 39°. um bis zum 6. Tage
Morgens wieder auf 37.fi 0 zurückzu gehen. Im Laufe desselben
Tages aber steigt sie steil bis auf 39.6°; es treten starke Schmerzen
ln den Hvpoehondrien bezw. im unteren Theile des Thorax auf.
Am 7. Tage Abends erreleht die Temperatur 40.0°. am 8. Tage
Mittags 40.fi °. wobei der Puls schlecht wird. Es wird ein Bad ge¬
geben. In Folge dessen die Temperatur auf 37.0° heruntergeht.
Am 9. Tage Morgens ist die Temperatur wieder auf 39 0° gestiegen,
füllt aber spontan auf 3fi.7°. Es tritt vollständige Euphorie ein:
der Leib ist müsslg gespannt, nicht druckempfindlich. Bel an¬
dauernder subjectiver Euphorie steigt die Temperatur wieder an.
erreicht am 10. Tage Vormittags 39.fi °; der Puls ist schwach ge¬
worden. die Anwendung von Analepticis ist erfolglos, und der
Exitus tritt um 12 Uhr Mittags ein.
Die Eröffnung des Ab¬
domens ergibt : Ausbrei¬
tung eines einer blassen
Mayonnaisensauce höchst
ähnlichen Eitors über das
gesammte Peritoneum, ohne
Verklebungen und ohne e r -
h e b 1 i c h e n Meteorismus.
Die bacteriologische Unter¬
suchung erweist eine Gono-
coeeenreincultur. Der Eiter
ist reich an Fibrin, relativ
arm an Leukocyten; in
diesen vielfach Gonococcen:
nirgends eine Spur anderer Mikroorganismen.
Soviel mir bekannt ist, ist dies der erste Fall einer durch
die Section und die bacteriologische Untersuchung nachgewiesen
Original frarn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
397
irein gonorrhoischen diffusen Peritonitis; und, sofern man
eine andere Todesursache, obwohl die Section keine vollständige
gewesen ist, mangels irgend welcher Symptome mit Wahrschein¬
lichkeit ausschliessen kann, auch der erste Fall von reiner Gonor¬
rhoe als directer Todesursache. Das Vorkommen diffuser gonor¬
rhoischer Peritonitiden ist schon früher von Veit”) und
Bröse") behauptet worden; doch hat keiner der von diesen
Forschern beobachteten Fälle zur Laparotomie oder zum Tode ge
führt. Es konnte daher die Möglichkeit einer Mischinfection nicht
ausgeschlossen werden”). Diese wurde auch in der Discussior
über BrÖse’a Vortrag von mehreren Rednern betont. Auch
B u m m *), eine hervorragende Autorität auf diesem Gebiet, be¬
richtet in seiner jüngst publicirten Monographie von keinem ein¬
zigen Falle tödtlicher gonorrhoischer Peritonitis und meint, in
den tödtlich endigenden Fällen von Pyelitis, Nephritis und Rup¬
tur einer Pyosalpinx handele es sich gewöhnlich um Misch-
infectionen.
Die Ausstellung für Krankenpflege in Frankfurt a. M.
Von Dr. Julian Marcuse in Mannheim.
Die in Verbindung mit dem Congress der balneologischen Ge¬
sellschaft vom 8. bis 18. März in Frankfurt a. M. abgehaltene Aus¬
stellung ist die zweite derartige Veranstaltung, welche die Be¬
strebungen und Maassnahmen der modernen Krankenpflege vor
Augen zu führen bestimmt ist. Die erste Ausstellung für Kranken¬
pflege fand bekanntlich gelegentlich des internationalen Tuber-
culosecongresses in Berlin statt. Die Bedeutung der Stadt Berlin in
wissenschaftlicher wie industrieller Beziehung — Momente, die
leider auf dem Gebiete der Krankenpflege noch oft genug zu¬
sammenfallen — hat natürlich In der Reichhaltigkeit und Fülle
des Dargebotenen gegenüber Frankfurt einen grossen Vorsprung
gehabt nichtsdestoweniger darf auch diese Veranstaltung als ein
abgerundetes Bild auf begrenztem Gebiete gelten und vollen An¬
spruch auf wissenschaftliche Würdigung und Werthschätzung er¬
heben.
Zu bemängeln wäre nur, dass die praktische Durchführung
so wenig mit der schematischen Eintheilung des Fataloges im Ein¬
klang stand: der Catalog tlieilte in folgerichtiger Weise die Gruppen
der Aussteller nach ihren Beziehungen zu den einzelnen Aeusse-
rungen und Verhältnissen des Kranken ein. so gab es eine Grupne
„Krankenzimmer“. „Krankenbett“, eine Gruppe „Der Kranke“ (Er¬
nährung. Bewegung. Hautpflege. Kleidung. Arzneidnrreichung etc.),
ferner Kinderkrankenpflege. Wöchnerinnenpflege, chirurgische
Pflege n. s. w„ allein dies Alles stand sehr übersichtlich im Cata¬
log. während in praxi diese TTebersIcht völlig fehlte und die ver¬
schiedensten Gruppen ineinander verschmolzen waren. Nun. dies
sind Mängel, die eben aus dem oft allzu industriellen Charakter
der Aussteller heraus geboren werden und die sich so leicht vor¬
läufig wohl nicht werden eHmlniren lassen. Greifen wir aus dem
mannigfach Dargebotenen Einiges heraus, was einer Besprechung
werth erscheint, so ist es vor Allem ln der Gruppe ..Krankenbett“
eine Erfindung einer Frankfurter Fabrik, die entschieden den Ein¬
druck einer Verbesserung eines bisherigen TTebelstandes hervor¬
ruft. Es handelt sich nämlich um hygienisch zerlegbare Sprung¬
federmatratzen. die derart construirt sind, dass sie mittels eines
Handgriffes In 2 Theile — einen Obertheil (Polster'» und ln die
eigentliche Sprungfedermatratze — zu zerlegen und in Folge dessen
änsserst leicht Im Innern zu reinigen und zu deslnficiren sind.
Selbst die Bezüge des Obertheiles sind mit Leichtigkeit abzulösen,
so dass auch das Polster selbst, das aus Rosshaar oder indischen»
Capock besteht, einer Reinigung unterworfen werden kann. Die
Mechanik functionirt sehr gut. die Matratzen machen dabei einen
sehr soliden und gefälligen Eindruck. Zum Inventar des Kranken¬
bettes gehören auch all* die In Form von Lese- und Schreib¬
pulten etc. daran zu befestigenden zusammenlegbaren Tische, die
in zahlreicher Menge vertreten sind. Complete Krankenbetten mit
allem Zubehör haben eine Reihe von Krankenhäuser, so das
städtische Krankenhaus Frankfurt a. M., Offenbach, die Dia-
conissenanstalt Frankfurt etc. ausgestellt, während das medi-
cinlsche Specialhans Cassel in Frankfurt ein ganzes Kranken¬
zimmer mit allen der Neuzeit entsprechenden Einrichtungen in s^hr
hübscher und praktischer Form zur Darstellung gebracht hat. Das
Capitel „Ernährung des Kranken“ nimmt natürlich einen weiten
“) J. Veit: Frische Gonorrhoe bei Frauen. Lassar’s der-
matol. Zeitschr. I, 1893, S. 165.
*) Bröse: Ueber die diffusse gonorrhoische Peritonitis.
Verhandl. d. Berl. med. Gesellsch. 1896, II, S. 281 flf. und I, S. 94
(Discussion).
■*) Nach Niederschrift dieses Aufsatzes ersehe ich aus einem
kurzen Referat in der Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 45,
S. 1510, dass Muscatello (II policlinico, 15. Aug. 1899) eine
diffuse rein gonorrhoische Peritonitis bacteriologisch festgestellt
habe.
*) B u m m : Die gonorrhoischen Erkrankungen der weib¬
lichen Harn- und Geschlechtsorgane. Veit’s Handbuch d .Gynäkol.
I, 1897, S. 501.
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Raum ein; all’ die unzähligen, theils verwerthbaren, theils minder
guten Präparate, mit denen die moderne Chemie uns in der Neu¬
zeit beglückt hat, sind vertreten und blenden durch ihren ge¬
schmackvollen Aufbau. Da finden wir sämmtliche Kindermehle.
Kinderzwiebacke, Milchpräparate, da die Somatose, das Sanatogen.
den Nährstoff Heyden, das Toril; mannigfache Fleischconserven,
die unvermeidlichen Blutpräparate, alkoholfreie Getränke, Nähr-
cacaos, selbst Kathreiner’s Malzkaffee wird in einer niedlichen
Osteria ausgeschenkt und zwar in zweierlei Formen, für die
„Asceten“ rein, für die Compromissmenschen zu gleichen Theilen
mit Bohnenkaffee gemischt. Bemerkenswerth ist die Ausstellung
von Rademann, dem bekannten Kindermehlfabrikanten, hin¬
sichtlich einer Reihe von Präparaten, die er ausser seinem Kinder¬
mehl darstellt. Da finden wir ein sehr schmackhaftes Mandelbrod
für Diabetiker, ein eigentliches Diabetikerbrod mit 18 Proc. El-
weissstoffen, 22 Proc. Fett und nur 20 Proc. Kohlehydraten, einen
zuckerfreien Champagner, der in Wohlgeschmack wie Preis dem
französischen gleicher Art weit vorzuziehen ist. eine Brodart, die
durch Zusatz von präparirter. die Peristaltik des Darmes anregen¬
der Cellulose bei chronischen Obstipationen indicirt ist etc. Auch
verschiedene Cacaoarten für Diabetiker wie für Magendnrmkranke
— in lezteren Fällen mit Aufhebung der verstopfenden Wirkung —
sind vertreten. Für Körperruhe und -beweguug finden wir eine
Reihe von Lagerungs- und Bewegungsapparaten, für Hautpflege
und Reinlichkeit alle Arten von Badutensilien, von der einfachen
Wanne bis zum elektrischen Lichtbad. Die Deutsche Thermophor¬
gesellschaft in Berlin hat eine grosse Reihe ihrer Thermophore in
Metall und Gummi vorgeführt, deren praktische Bedeutung un¬
verkennbar und deren weiteste Anwendung bei der Application von
Wärme nur zu wünschen ist. Diese ständige Wärmeerzeugung Ist
als entschiedener Fortschritt überall da zu benützen, wo wir von
der Wärme als therapeutisches Agens Gebrauch machen, oder wo
wir sie aus anderen Gründen benöthigen. Hier finden wir auch
einen recht praktischen, in die hydrotherapeutischen Maassnahmen
einschlagenden Apparat zur Erzeugung von heissen Dampfen für
locale Behandlung, z. B. des Kopfes: Eine mit einem Inhalations¬
apparat in Verbindung gebrachte grosse Glasglocke — beides ist
auf einem hölzernen Stativ befestigt — ermöglicht die directe Zu¬
leitung der Dämpfe auf den betreffenden Körpertheil. Die Beklei¬
dung des Gesunden und Kranken bringt zahlreiche Modelle von
hygienischen Corsetts. Reformkleider für die Frauenwelt. Ver¬
besserungen des Schuhwerkes. Die eigentliche ärztliche Behand¬
lung des Kranken ist durch eine grosse Collection von chirurgischen
Instrumenten. Gummiwaaren, orthopädischen Apparaten etc. ver¬
treten: praktisch erscheint ein kleiner Eisspalter. der bezweckt,
ohne Geräusch zu verursachen, das Eis zu zerkleinern: sauber und
elegant gearbeitet ist das urologische Instrumentarium, das ein
Wildunger Instrumentenmacher ausgestellt hat: Oneratlons- und
Instrumententische. Thermometer in den verschiedensten Formen
und Arten, von der renommirten Fabrik Wilhelm U e b e in Zerbst
ausgestellt. Verbandstoffe von Hartmann in Heidenheim.
Eisbeutel neuen Stiles — ein gestricktes Gewebe umschllesst den
Gummibeutel — und viele andere ln dies Gebiet einschlagende
Artikel mehr schliessen diese Abtheilung.
Ganz vortrefflich sind die Grupne B Kriegskrankenpflege und
die sich daranschliessenden gemeinnützigen und Krankenpflege¬
vereine vertreten. Die Ausstellung der Krankenhäuser haben wir
bereits oben erwähnt, hier finden wir ausserdem noch die Vereine
vom Rothen Kreuz, die Samaritervereine. Sanltätscolonnen. die
Frankfurter freiwillige Rettungsgesellschaft, welch’ letztere eine
Rettungswache mit allen Einrichtungen im Betrieb vorführt. Die
Samariter- und Rothe Kreuzvereine zeigen ihr vorzügliches Lehr¬
material. ihr Kriegsinstrnmentarium. ihre Krankenutensilien,
während die Sanitätscolonne der Kriegerkameradschaft die feld¬
ärztliche Improvisationstechnik in sehr anschaulicher Weise zur
Darstellung gebracht hat: da sehen wir alle Arten von Wagen zum
Verwundetentransnort. improvisirte Tragbahren, Nothfeldbett-
stelle, ferner Feldkochapparate, eine Marschküche, einen Feldback¬
ofen. die californlsche Bodenheizung für Zelte und Baracken und
Aehnliches mehr. Die interessanten Vorführungen der Colonne
finden im Freien statt.
So stellt sich auch die dieslährige Ausstellung in Ihrer Art
als eine nach vielen Richtungen hin anregende und belehrende dar
und wird dazu beitragen, ihren vornehmsten Zweck, der Kranken¬
pflege als bisherigen humanitären Pflichterfüllung den wissen¬
schaftlichen Boden und die wissenschaftliche Bedeutung, die ihr
— richtig angewandt — Inne wohnt, zu verleihen, zur Erfüllung
zu bringen.- '
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Erweiterte Concessionspfljchtigkejt der Privat¬
krankenanstalten.
(§30 der Gewerbeordnung.)
Der Inhaber einer Naturheilanstalt, welche für Hydrotherapie
eingerichtet war, hatte den die Anstalt besuchenden Patienten
während der Zeit der Behandlung am Tage Aufenthalt bei sich
durch Ueberlassung bestimmter Räume einschliesslich des Gartens
zur Erholung, sowie vollständige vegetarische Beköstigung ge¬
währt. Eine Schlafstelle erhielten die von auswärts kommenden
Patienten nicht, sondern sie wurden bei einer in der Nachbarschaft
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UNIVERSiTY OF CALIFORNIA
398
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
wohnenden Schlaf stellen vermletherin untergebracht, welche Ihre
Zimmer für eigene Rechnung vermicthete.
Der Inhaber der Naturhellanstalt hatte sein Unternehmen
bei der Verwaltungsbehörde nicht zur Concesslonsertheilung an¬
gemeldet, da er seine darin geübte Praxis nicht für besonders con-
cessionspfliclitig erachtete. Trotzdem wurde er eines Besseren
belehrt durch eine seitens der Staatsbehörde gegen ihn aus § 30 und
§ 147 No. 1 der Gewerbeordnung erhobene Anzeige, welche eine
gerichtliche Bestrafung nach sich zog.
Der Betreffende legte gegen das landgerichtliche Strafurtheil
Revision zum Reichsgericht ein, dieses verwarf indess die Revision,
und zwar aus folgenden Gesichtspunkten (4. Strafsenat, Ent¬
scheidung vom 7. Juli 1899):
Es sei der Auffassung des k. preuss. Oberverwaltungsgerichts
iUrtheil vom 1. April 1897) nicht beizutreten, w r elche eine unter
§ 30 der G.-O. fallende, besonders concessionspfüchtige Privat¬
krankenanstalt nur dann erblicke, wenn Betten für die darin be¬
handelten Kranken vorhanden seien und zur Nachtzeit von diesen
benützt würden. Nach den Vorschriften der neuen Novelle zur Ge¬
werbeordnung vom 6. August 1890 sei vielmehr die Eigenschaft
derartiger privater Anstalten als einer Krankenanstalt im Sinne
von § 30 der G.-O. nicht dadurch bedingt, dass die Kranken, die
sich darin behandeln lassen, auch innerhalb des Hauses der An¬
stalt w r ohnen. Es fielen auch solche Privatanstalten unter die be¬
sondere Concessionspflicht, welche jenes Merkmal (Betten, Wohn-
und Sehlafriiume für die zu Behandelnden) nicht besässen. Be¬
stimmte Anforderungen in Bezug auf Einrichtung Hessen sich an
Privatkrankenonstalten nicht stellen, die Frage, ob eine solche con-
cessionspflichtige Anstalt vorhanden sei, Hesse sich nur nach der
Gesammtheit aller Verhältnisse des einzelnen Falles entscheiden.
Werde in solchen Anstalten neben ärztlicher Behandlung auch
Verpflegung auf längere Zeit gewährt, wenn auch ohne Wohnung
mit Schlafstelle, so falle das Unternehmen unter den gesetzlichen
Begriff der Privatkrankenanstalt, dürfe ohne vorherige
Einholung der Concession der höheren Verwaltungsbehörde weder
begonnen, noch fortgeführt werden, und hätten Unternehmer der¬
artiger Curanstalten Beschreibungen und Pläne über die baulichen
und sonstigen technischen Einrichtungen der Anstalt dem Con-
cessionsgesuche anzufügen. Seit dem Jahre 1896 seien sogar auch
solche Privathellunternehmen hiezu verpflichtet, welche nur in
einem Theil eines auch von anderen Personen bewohnten Gebäudes
betrieben werden, sofern durch den Betrieb des Unternehmens
für die Mitbewohner des Gebäudes Nachtheile oder Gefahren her¬
vorgerufen werden, oder wenn das Unternehmen gleichzeitig zur Auf¬
nahme von Personen mit ansteckenden Krankheiten oder von geistes¬
kranken Patienten dient. Immerhin müsse es sich aber um ein
Unternehmen solcher Art von gewisser Dauer handeln, es müssten
bestimmte Räume für eine Mehrheit, wenn auch tagsüber
wechselnder Kranken darin eingerichtet sein und es müsste eine,
wenn auch sich nicht auf die Nacht erstreckende und bloss zeit¬
weilige Aufnahme der Patienten in die Anstalt erfolgen.
Seien diese Voraussetzungen gegeben, so verbinde sich mit dem
Unternehmen keine blosse privatä.rztliche Heilanstalt, sondern eine
Privatkrankenanstalt im Sinne von § 30 der G.-O. Ein ununter¬
brochener Aufenthalt in der Heilanstalt werde nicht erfordert zur
Erfüllung der gesetzlichen Begriffsmerkmale, es genüge voll¬
kommen, wenn die Räume der Anstalt für die in derselben ärzt¬
liche Behandlung findenden Patienten den örtlichen Sammelpunkt
bildeten, zu welchem die Patienten stetig zurtiekkehren und wo¬
selbst ihr Verhalten und Ihre Lebensweise in Verbindung mit anzu-
wendenden Heilmethoden geregelt und überwacht würde.
Dagegen werde durch blosse Aufnahme einzelner Kranker
in die Wohnung und den Haushalt des behandelnden Arztes das
Merkmal einer von dem Arzte unternommenen Krankenanstalt im
Sinne von § 30 der Gewerbeordnung noch nicht begründet. Durch
derartige vereinzelte Fälle der Cur. Verpflegung und Beherbergung
des Patienten in der ärztlichen Behausung werde dem Arzte die
Pflicht zur Anmeldung seiner Praxis als einer zugleich concessions-
pflichtigen Privatkrankenanstalt nicht auferlegt.
Findet in obigen Fällen auf Seite des Nichtanmeldenden die
Anmeldung zur Concessionsertheilung aus rechtsirrthümlicher Auf¬
fassung nicht statt, so befreit dies den Unterlassenden nicht von
Strafe und Kosten. Dr. Karl Schaefer.
Referate und Bücheranzeigen.
W. Migula, a. o. Professor an der technischen Hoch¬
schule zu Karlsruhe: System der Bacterien. II. Band. Specielle
Systematik der Bacterien. Jena, Fischer, 1900. 32 M. Com-
plet 42 M.
In No. 22 des Jahrganges 1898 habe ich bei der Anzeige
des ersten aUgemeinen Theiles des grossen vorliegenden Werkes
Anlage und Ausführung als wohlgelungen bezeichnen können.
Neben eigenen z. Th. werthvollen Beiträgen waren die Leistungen
Anderer in maassvoller und sachlicher Kritik zweckentsprechend
auf geführt. Man durfte mit Hecht gespannt sein, wie der Ver¬
fasser — einer der wenigen Botaniker, die sich eingehend und
specialist isch mit Bacterien beschäftigen — die grosse und schwere
Aufgabe lösen würde, eine umfassende Darstellung der Systematik
der Bacterien zu schreiben.
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Was wir heute vor uns haben, ist das umfangreichste Werk,
was wir in deutscher Sprache und wohl in irgend einer Sprache
über specielle Bacteriologie besitzen, 1070 Seiten sind mit Dia¬
gnosen gefüllt. 50 Streptococcen, 227 Mikrococcen, 55 Sarcinen,
302Bacterien, 452Bacillen,79Pseudomonas,7Spirosoma, 63Mikro-
spira, 16 Spirillum, 5 Spirochätenarten und eine Reihe höherer
Spaltpilze werden nacheinander abgehandelt. Ein nicht unerheb¬
licher Theil steUt neue, von Migula und seinen Schülern auf-
gestellte und benannte Arten dar; wie weit darin die Migula-
sclie Schule geht, zeigte mir die Arbeit, welche Stubenrath
in meinem Institut über Sarcinen ausführte, wobei wir ein gut
Theil der Migula-Gruberaschen Originalarten kennen, aber
nicht unterscheiden lernten. Diese wohl mehrere 100 betragenden
eigenen Arten beschreibt Migula mit den früher von ihm resp.
den Schülern gegebenen Diagnosen — nur ganz vereinzelt, findet
sich einmal ein kritisches Wort angehängt, und doch hätte ihm
eine kritische Untersuchung der zahlreichen Arten nach längerer
Zeit gewiss zu mancher interessanten Beobachtung Anlass ge¬
boten, und wenn es nur Beobachtungen über Variabilität der
Färbst offnuance und der Verflüssigung gewesen wären. Zu diesem
Heere neuer Arten kommt nun — möglichst immer in den Worten
der Originaldiagnose — die Beschreibung aller Arten, die Migula
in der Literatur als Species mit oder ohne Namen fand, gleich-
giltig, ob er selbst diese Arten gesehen oder nicht gesehen hatte.
Sehr bedenklich muss es den, der Bacterien nach dem vorliegen¬
den Buche bestimmen will, stimmen, wenn Migula in der Vor¬
rede sagt, dass er von 600 Arten (etwa der Hälfte der von ihm
nicht selbst neu auf gestellten), die er von auswärts erhielt und
untersuchte, nur wenige den Originalbeschreibungen entsprechend
fand, die meisten schienen entweder falsch bestimmt oder durch
die lange Cultur bis zur Unkenntlichkeit verändert! Es finden
sich offenbar desshalb auch bei den selbst nachuntersuchten von
Anderen aufgestellten Arten nur sehr wenige kritische Be¬
merkungen.
Ueber die Nomenclatur des Buches, die natürlich streng
binominal ist, hoffe ich, Zeit zu finden, an anderer Stelle ausführ¬
lich zu sprechen, hier kann ich aber zwei Punkte wenigstens nicht
unerwähnt lassen. Erstens ist die Trennung der geraden Stäb¬
chen in unbewegliche Bacterien und bewegliche Bacillen
eine ganz ausserordentlich unglückliche. Es soll hier nicht unter¬
sucht werden, ob die Nomenclaturregeln eine solche Definition
von Bacterium und Bacillus überhaupt gestatten, es soU nicht be¬
klagt werden, dass jetzt der Milzbrandbacillus als Bacterium an-
thracis Migula und das Bacterium coli als Bacillus coli erscheint
— das wäre unbequem, aber nicht unerträglich, dagegen heisst es
aller botanisch systematischen Empfindung in’s Gesicht schlagen,
wenn der Streptococcus lanceolatus, das Bacterium pneumoniae
Friedländer und der Bacillus anthracis auf ihre Unbeweg¬
lichkeit hin in das Genus Bacterium vereinigt werden,
während Bacterium coli, die Proteusarten, Bacillus subtilis und
Bacillus tetani ihrer Eigenbewegung wegen als Ba¬
cillus zusammengefasst werden. Ich weiss sehr gut, dass sich
jeder Zerlegung der Stäbchenbacterien Schwierigkeiten in den
Weg stellen — sehr zu beklagen ist es aber, wenn von botanischer
Seite solche absolut unnatürliche Systeme geschaffen werden.
Unnatürlich, da Jeder weiss, dass in der Coligruppe im weitesten
Sinn Arten nebeneinander stehen, die in allen Eigenschaften
ausserordentlich nahe verwandt sind, dabei aber theils geisseilo<.
theils polar, theils perithrich begeisselt sind. Aehnliches ist in
der Milzbrandgruppe und in verschiedenen anderen Gruppen zu
constatiren, ganz abgesehen von den immer zahlreicher werden¬
den Beobachtungen, dass von verschiedenen Arten begeisseltc
und unbegeisselte Rassen Vorkommen.
Zweitens' ist es mir zweifelhaft, ob es nicht mehr schadet
als nützt, viele hunderte von Arten mit neuen lateinischen Namen
zu benennen, ohne die Art selbst untersucht, ja häufig selbst ge¬
sehen zu haben. Darunter sehr viele Arten ohne jede charak¬
teristische Eigenschaft, Arten, welche Anfänger vor einer Reihe
von Jahren kurz beschrieben und nur desshalb mit Buchstaben
und Ziffern bezeichnet hatten, weil sie aus Unkenntnis^,
Bequemlichkeit oder auch aus Bescheidenheit es nicht versuchten,
die isolirten Arten mit schon beschriebenen zu identificiren,
Arten endlich, die heute nirgendwo cultivirt werden. Dass jetzt
dieser ganze Ballast durch Ertheilung wissenschaftlicher Namen
in die Wissenschaft eingeführt und Jahrzehnte lang weiter ge-
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. März 1900.
MÜNGHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
399
führt werden soll, halte ich für ein sehr zweifelhaftes Verdienst.
Ja, wenn versucht wäre, diese Arten natürlich zu gruppiren, sie
mit bekannten Arten in Beziehung zu bringen, sie in Form
kritischer Anmerkungen zu erläutern! Aber nichts von alledem,
sie stehen (ab und zu in ausführlichster Beschreibung) so unter
den alten genau studirten Hauptarten, dass sie für jede Dia¬
gnose die grösste Schwierigkeit bereiten.
Dies führt mich auf den Hauptmangel des Werkes. Nir¬
gends verräth ein Schlüssel, eine Bestimmungstabelle, dass der
Verfasser versucht hat, sich selbst über die Dignität der mit-
getheilten Arten und ihre Differentialdiagnose klar zu werden.
Haben wir durch Beobachtung der Farbstoffbildung und Gelatine¬
verflüssigung die entsprechende Gruppe der fraglichen Gattung
gefunden, so mögen wir nur fleissig Diagnosen durchlesen und
unter 5—50 Arten, die alle hintereinander das geduldige Papier
füllen, unseren Entscheid treffen. Ein mühsames und sicher
wohl oft erfolgloses Beginnen, da uns der Autor so gar nicht
dabei hilft! — Die zahlreichen Lichtdrucktafeln, fast ausschliess¬
lich gefärbte Deckglaspräparate darstellend, dürften in ihrer
grossen Mehrzahl wenig Nutzen stiften, immerhin bringt ein
Theil der Bilder seltenere charakteristische Formen, Geissei- oder
Sporenpräparate, die erwünscht sind.
Trotz dieser in meinen Augen schweren Mängel, die mich
beim Lesen sehr oft an Eisenberg’s Zusammenstellung von Bae-
teriendiagnosen mahnten, soll gerne anerkannt werden, dass der
Verfasser mit grossem, wenn auch zuweilen einseitigem, Fleisse
gesammelt, manches Interessante selbst beobachtet und dem
Specialforscher manche Arbeit abgenommen hat.
Es mag auch zugegeben werden, dass es weit die Kraft
eines Mannes übersteigt, selbst nach vieljähriger Coneen-
tration auf die Arbeit, ein solches umfassendes Werk so zu
schreiben, wie es dem Referenten vorschwebt, und endlich, dass
das Buch auch in seiner jetzigen Gestalt dem Specialforscher
auf dem Gebiete der Bacteriensystematik zum Nachschlagen un¬
entbehrlich sein wird. Möge es mit Kritik gebraucht werden.
K. B. Lehmann -Würzburg.
Dr. med. Otto Thilo: Sperrvorrichtungen im Thierreich.
Biolog. Centralbl. Bd. XIX, No. 15, 1. August 1899, 504 S.
In dieser Arbeit veröffentlicht der Verfasser experimentelle
Untersuchungen über die Bedeutung der noduli
Arantii in den Herzklappen. Er fügte ein Stück Darm in
ein starres Rohr. Aus Falten des Darmstückes bildete er mit
Hilfe von Nähtchen Taschenventile, nach Art der Herzklappen.
In der Mitte des freien Randes eines jeden Taschenventiles bildete
er, gleichfalls durch Vernähen, ein kleines Knötchen, ähnlich
den Knötchen der Herzklappen (noduli Arantii). Die Knötchen
waren durchaus erforderlich, um ein schnelles Abspülen der
Klappen von den Wandungen des Rohres zu ermöglichen und so
einen schnellen Klappen Verschluss zu bewirken, wenn von oben
her Wasser in das Rohr gegossen wurde. Klappen ohne Knötchen
blieben häufig an der Rohrwandung haften und schlossen dann ent¬
weder gar nicht oder erst sehr allmählich, während Klappen mit
Knötchen schnell und sicher schlossen.
„Diese Versuche bewiesen also, dass die Knötchen der
Taschenventile des Herzens für den Klappenverschluss ebenso
wichtig sind, wie jene Anhängsel und Zipfel, die uns das
Schliessen und Ooffnen unserer Futterale und Taschen so sehr
erleichtern.“
In derselben Abhandlung weist auch T h. nach, dass die Zahl
der Klappen in den Blutadern von der Stärke des Blutdruckes
abhängt. Beim starken Drucke des Aortenblutes genügen drei
Klappen, um schnell und vollständig den Blutstrom abzusperren,
während beim schwachen Drucke des Venenblutes sehr zahlreiche
Klappen erforderlich sind, um den Rückstrom des Blutes zu ver¬
hüten. Hieraus erklärt sich auch die bisher vollständig unerklärte
Thatsache, dass bei einigen Fischarten die Herzklappen an der
Kiemenarterie sehr zahlreich sind. Die Richtigkeit dieser An¬
nahme wird bewiesen:
L Durch Untersuchungen von Grützner, welche fest¬
stellten, dass der Blutdruck in der Kiemenarterie der Fische sehr
schwach ist.
2. An Pumpen mit sehr schwachem Wasserdruck ist man ge-
nöthigt, sehr zahlreiche Ventile über einander zu ordnen, wenn
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man einen schnellen und sicheren Schluss der Ventile erreichen
will.
Hermann Cohn: Täfelchen zur Prüfung feinen Farben¬
sinns. Berlin 1900. O. Coblentz.
Die Prüfung mit diesem Täfelchen besteht darin, dass man
zunächst die auf rothem Grunde stehenden 16 schwarzen Hacken
offen zeigt, dann mit dem Florpapier bedeckt. Wer nicht ganz
feinen Farbensinn hat, kann nun die in der Contrastfarbe er¬
scheinenden Hacken nicht sehen. Dagegen sieht sie auch der
Farbenblinde, wenn er sich ein rothes Glas vorhält. Die Probe
ist sehr fein, denn wer nur etwas schwachen Farbensinn hat,
besteht sie nicht. Ein Bahn- oder Marinearzt kann einem Be¬
werber, welcher sie besteht, mit absoluter Sicherheit bezüglich
seines Farbensinns für tauglich erklären. S e g g e 1.
Schulgesundheitslehre. Das Schulhaus und das Unter¬
richtswesen vom hygienischen Standpunkte für Aerzte, Lehrer,
Verwaltungsbeamte und Architecten bearbeitet von Dr. H. Eulen-
b e r g , geheimer Obermedicinalrath in Bonn und weil. Dr. Theod.
Bach, Director des Falk-Realgymnasiums in Berlin. Zweite
umgearbeitete Auflage. Berlin 1900. J. J. Heine’s Verlag.
10 Lieferungen ä 3 M.
Die erste Auflage dieses hochinteressanten, weil die ganze
Materie der Schulhygiene erschöpfend behandelnden Werkes er¬
schien im Jahre 1889 und wurde von mir bereits in No. 19 der
Münch, med. Wochenschr. vom Jahre 1890 besprochen. Die
grosse Bedeutung dieses Werkes veranlass te bereits im Jahre
1896 eine zweite, wesentlich umgearbeitete und mit allen Neue¬
rungen der fortschreitenden Zeit ausgestattete Auflage, auf deren
Erscheinen ich in No. 12 dieses Blattes vom Jahre 1897 hin¬
gewiesen habe. Nachdem heute mit der 9. und 10. Lieferung
das Werk abgeschlossen vor uns liegt, dürfte es am Platze sein,
dasselbe nochmals einer kurzen Besprechung zu unterziehen. Ich
habe schon mehrfach darauf hingewiesen, wie segensreich, aber
auch wie dringend nothwendig speciell auf dem weiten Felde der
Schulhygiene das einheitliche Zusammenwirken der beiden maass¬
gebenden Factoren, des Pädagogen und des Arztes, ist, und das
vorliegende, von 2 hervorragenden Vertretern beider Stände ver¬
fasste Werk bietet die glücklichste Illustration zu dieser Be¬
hauptung.
Die Forderungen, welche der Arzt als Gesundheitswächter an
die Schule stellen muss im Interesse der normalen körperlichen
und geistigen Entwicklung der heran wachsenden Jugend, diffe-
riren häufig und intensiv mit den Pflichten des Lehrers, welcher
einen bestimmten Lehrstoff in abgemessener Zeit zu bewältigen
hat, und dafür verantwortlich gemacht wird, dass der ihm unter¬
stellten Schülerzahl ein gewisses Pensum richtig beigebracht wird.
Gerade diese Differenz ist es, welche nur durch ein rationelles Zu¬
sammenwirken der beiden maassgebenden Factoren ausgeglichen
werden kann, und welche in dem vorliegenden Werke in der besten
Art und Weise ausgeglichen worden ist. Wir finden hier ein er¬
schöpfendes Compendium über alle in das Schulfach, in die Unter¬
richtsfrage überhaupt einschlägigen Materien in klarer. Jedem
verständlicher Form ausgearbeitet, welches Werk in keiner Schul¬
bibliothek fehlen sollte, aber ebenso werthvoll für den Ver¬
waltungsbeamten, für den mit Schulbau und Einrichtung be¬
schäftigten Techniker und für den Arzt erscheint. Nach einem
hochinteressanten historischen Ueberblick behandelt das Werk das
Schulhaus nach allen nur denkbaren Richtungen vom hygie¬
nischen Standpunkte aus, vom Untergrund des Bauplatzes bis zur
completen inneren Einrichtung, der Schulbank, den Vorrich¬
tungen für Heizung, Luftzufuhr und Beleuchtung, wobei die
Abortanlagen einer ausführlichen Prüfung unterzogen werden,
ebenso wie die Wasserversorgung. Letzterem Abschnitt ist eine
interessante naturwissenschaftliche Abhandlung über die Wasser-
thiere und Wasserpflanzen mit Abbildungen beigegeben. Hieran
schliesst sich die Besprechung der Badegelegenheiten in den
Schulen mit Plänen und Abbildungen und eine Besprechung des
Schwimmunterrichtes sowie des Turnunterrichtes, wobei auch die
Jugendspiele ihre berechtigte Würdigung finden. Im weiteren
Abschnitte wird die Beziehung zwischen den Gesundheits¬
störungen der Schüler und dem Schulbesuch eingehend unter¬
sucht, das Lesen, Schreiben, Zeichnen in seinen Einwirkungen
auf das körperliche Befinden des Lernenden geprüft und hieran
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
400 J
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ia.
eine ausführliche Besprechung der Kurzsichtigkeit in den Schulen
angereiht. Die zweite Hälfte des Werkes beginnt mit einer Auf¬
zählung und klaren, auch für jeden Laien verständlichen Be¬
sprechung aller denkbaren Schülererkrankungen. Dem Lehrer
wird dadurch das so nothwendige frühzeitige Erkennen von
Krankheiten, speciell von Infectionskrankheiten wesentlich er¬
leichtert und hiebei auch das Desinfectionsverfahren besprochen.
Eigene Capitel sind den Augenkrankheiten, den Krankheiten der
Nase, der Mundhöhle, des Rachens, der Zähne und der Ohren ge¬
widmet. Nach dieser streng wissenschaftlichen, aber doch all¬
gemein verständlichen Besprechung aller möglichen Erkrankungs¬
formen wird die ärztliche Schulaufsicht besprochen, namentlich
die nothwendige sachverständige Prüfung der Neuein tretenden
auf ihre geistige und körperliche Befähigung zum Eintritt in die
Schule und dann die Hygiene des Unterrichtes einer genauen
Prüfung unterzogen. Den Schluss bildet eine ausführliche Ab¬
handlung über das Turnen, die Jugendspiele, das Schwimmen
und Eisläufen und den Sport überhaupt. Die Angabe der das
Turn wesen betreffenden Literatur, welche nur einzelne, von den
Autoren benützte Arbeiten hervorhebt, zeigt, welche wohlver¬
diente Wichtigkeit von allen Seiten der körperlichen Ausbildung
neben der geistigen Erziehung beigemessen wird.
Diese kurze Inhaltsangabe wird schon genügen, um zu zeigen,
dass das vorliegende Werk vom vereinigten ärztlichen und päda¬
gogischen Standpunkte aus das ganze weite Gebiet der Schul¬
gesundheitspflege nicht nur vollkommen erschöpfend behandelt,
sondern auch die werthvollsten Gesichtspunkte angibt, nach
welchen Alle, welche mit der Schule beschäftigt sind, Lehrer wie
Aerzte, Verwaltungsbeamte wie Techniker, ihre Thatigkeit in
der und für die Schule einzurichten und durchzuführen haben.
Möchte dem hervorragenden Werke die allgemeine, wohlverdiente
Verbreitung werden zum Segen der Schule und der heranwachsen-
den Generation. Hofrath Dr. Brauser.
Neueste Joumalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 9 u. 10.
No. 9. Rudolph - Magdeburg : Zur Pathogenese der
cyklischen Albuminurie.
Der Verfasser bezeichnet die cyklische Albuminurie als eine
Stauungsalbuminurie. Die constante ausschliessliche Abhängigkeit
der Eiweissausscheidung von der aufrechten Stellung spricht für
einen physikalischen Process als Ursache der Albuminurie, nicht
für eiuen entzündlichen. Die Stauungsursache liegt wahrschein¬
lich in der Niere selbst und zwar in den Glomerulusgefässen. Eine
Anzahl derselben haben durch einen voraufgegangenen entzünd¬
lichen Process im Glomerulus eine Alteration ihrer Wände er¬
fahren, die in einer Elasticitätseinbusse besteht. Die Gefässe sind
in Folge dessen zwar noch im Stande, den Blutdruck beim ruhen¬
den Menschen zu ertragen, bei stärkerem Druck aber, wie er bei
aufrechter Stellung des betreffenden Individuums auf ihnen lastet,
werden sie für Blutserum permeabel. Die Prognose des Leidens
ist günstig. Die Albuminurie ist allein abhängig von der Lage des
Kranken, sie erscheint bei aufrechter Stellung und verschwindet
im Liegen. Eine Therapie besitzen wir nicht. Bettruhe ist un-
nöthig. Viel zweckmässiger ist es, die Kinder oft in’s Freie zu
bringen.
No. 10. Overlach- Greiz: Zur Kenntkiss einiger neuer
Arzneimittel.
Verfasser empfiehlt gegen Diarrhoeen ein neues Präparat,
das Fortoin, welches dem früher öfters gebrauchten Cotoin verum
ähnlich wirkt Das Fortoin ist ein Formaldehydcotoin, welches
aus der Cotorinde gewonnen wird. Die Dosis des gelben krystal-
linischen Pulvers beträgt 3 X 0,25 & täglich für Erwachsene. Der
Erfolg ist gegen Durchfälle verschiedener Ursache ein sehr guter.
Die Heilwirkung beruht, wie beim Cotoin, auf einer durch active,
nicht paralytische Erweiterung der Bauchgefässe gesteigerten Er¬
nährung der Darmschleimhaut und dadurch beschleunigten Re¬
generation der abgestossenen Epithelien. W. Zinn- Berlin.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 10.
1) A. E. N e u m a n n - Berlin: Forceps in mortua. Lebendes
Kind. Bemerkungen über Tod in der Geburt und Entbindung
in aufrechter Stellung wegen Orthopnoe.
N. berichtet über zwei Fälle. Im ersten wurde 15 Minuten
nach dem Tode der Mutter ein lebendes Mädchen mit der Zange
geboren. Dasselbe blieb am Leben und wurde 20 Jahre später
selbst mit der Zange entbunden. Im zweiten Falle machte N. bei
einer 40 jährigen Frau mit Vitium cordis wegen hochgradigster
Dyspnoe die künstliche Frühgeburt mittels Perforation des Kopfes
und Extraction. Die ganze Procedur der Entbindung musste in
stehender Stellung der Frau vorgenommen werden. Die
Dyspnoe verschwand auch post partum erst, als Incisionen in die
oedematösen Unterschenkel gemacht wurden. — N. glaubt, dass
die Frau sofort gestorben wäre, wenn man sie in liegende Stellung
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gebracht hätte, obgleich er selbst die Entbindung einer Frau unter
so traurigen Umständen in stehender Stellung als „eine Art Grau¬
samkeit“ bezeichnet. Ob man nicht durch Incisionen vor der
Entbindung der Pat. diese Grausamkeit hätte ersparen können?
2) Ed. P r e i s s - Kattowitz: Ein Metreurynter.
P. beschreint ein Instrument zur mechanischen Dilatation
der Cervix, das er seit mehreren Jahren benutzt. Dasselbe be¬
steht aus einem Syphonsauger aus Gummi, der an einem Hobl-
eylinder befestigt ist, welcher aus mit Gummilösung impragnirtem
Baumwollgeilecht (nach Art der braunen englischen Katheter)
hergestellt ist.
P. hat das Instrument bei Eklampsie Mehrgebärender, bei
Placenta praevia und bei Koeiiotomien zur Hebung des Becken¬
bodens mit Erfolg benutzt. J a f f 6 - Hamburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 11.
1) E. P o n f i c k - Breslau: Die Entwicklung der Ent-
zündungslehre im 19. Jahrhundert. (Fortsetzung folgt.)
2) YV. K o 11 e - Berlin: budarrika, seine vorherrschenden
Krankheiten und gesundheitlichen Verhältnisse.
Cfr. Referat hierüber pag. 135 der Münch, med. Wochen sehr.
3) N o e b e 1 - Zittau und Löhnberg: Aetioiogie und opera¬
tive Radicalheilung der genuinen Ozaena. (Schluss foigt.)
4) O. R o s e n b a c h - Berlin: Die Pathogenese und Therapie
der sogen. Fissura ani.
R. hält es zunächst im Gegensatz zur gewöhnlichen Anschauung
für höchst wahrscheinlich, dass Mastdarmkrampf nicht mit Fissura
ani identisch ist und dass es für die Therapie der Affection am
vv esentlichsten ist, den abnormen Zustand des Muskeltonus
am Mastdarm zu beseitigen. Chirurgische Eingriffe stehen bei
diesem Leiden durchaus nicht in erster Reihe, vor Allem muss zu¬
nächst die zu Grunde liegende Nervosität behandelt werden, spe¬
ciell die perverse Innervation der betreffenden Muskelgebiete. Der
Mastdarmkrampf rührt von Reizzuständen im Mastdarm her, die
Grösse der Beschwerden hängt nicht von dem Umfang des Ulcus
ab, sondern von einer Hyperaesthesie der ganzen Umgebung des
Anus. Die Wunde heilt nach R. erst nach Beseitigung des
Krampfes. Letzterer ist also das Primäre. Zur Beseitigung des
abnormen Verhaltens des Schliessmuskelapparates, durch das die
chronische Obstipation bei diesen Fällen bedingt ist, empfiehlt Ver¬
fasser, den Patienten anzuhalten, die schmerzhaften Theile zu be¬
rühren und mit dem eigenen Finger tastend in den Anus einzu¬
dringen. Gelingt dies, so wird ein Mastdarmrohr von erst ge¬
ringem, später grösserem Durchmesser zur Einführung gebraebt,
der Stuhlgang durch milde Laxantia geregelt. Stuhldrang muss
Anfangs stets mit der Einführung des Fingers beantwortet werden,
um festzustellen, ob der Drang grundlos ist oder nicht. Nach 4—5
Tagen tritt bereits eine wesentliche Besserung des localen und all¬
gemeinen Befindens ein, wie R. an vielen solchen Fällen später
geheilter Fissura ani gesehen hat.
5) Scheele -Wiesbaden: Ueber Glasbläsermund und seine
Complic&tionen.
Verfasser beobachtete an einem 31 jährigen Glasbläser, der
wegen epileptischer Krämpfe zur Beobachtung kam, an beiden
Wangen einen vom Ohr zum Mundwinkel laufenden Strang. Die
daumendicken Wülste (cfr. die Abbildungen!) fühlten sich luft¬
kissenartig an, wie bei subcutanem Emphysem. Bei Druck auf
die Backe entleerte sich luftgemischter Speichel aus dem Ste-
noniani’schen Gang, in den beim Glasblasen Luft hineingepresst
worden war. Die Mundhöhle war kolossal erweitert, das Epithel
verändert, die Wangenmusculatur rarefieirt, so dass sie sich tra¬
bekelartig anfühlte. Zugleich bestand bei dem Manne eine Laby-
rinthaffeetion. Die Dilatation der Speichelgänge beruht wahr¬
scheinlich auf unrichtigem Blasen. Epithel Veränderungen der
Mundschleimhaut (Plaques opalines) kommen bei Glasbläsern
öfter vor. Ob die Krämpfe des Patienten mit seinem Berufe zu-
zusammenhängen, ist nicht zu entscheiden. Die auch bei diesem
Patienten vorhandene Verunstaltung der Hände (Auftreibung der
1. Phalangealgelenke von 4 Fingern) findet sich bei Glasbläsern
nicht selten und hängt mit ihren Hantirungen zusammen.
Dr. Grassmann -Müuchen.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 10.
1) Hermes: Ein Fall von gleichzeitiger Extra- und Intra¬
uteringravidität. (Aus der chirurgischen Abtheilung des städt.
Krankenhauses Moabit in Berlin.)
Die Literatur dieser seltenen Coincidenz ist nicht sehr zahl¬
reich. Gutzwiller hat 1893 im Archiv für Gynäkologie
18 Fälle zusammengestellt, 3 weitere aus deutschen und 4 aus
amerikanischen Quellen werden angeführt, so dass mit dem hier
beschriebenen 26 Fälle von gleichzeitig vorhandener Extra- und
Intrauterinschwangerschaft klinisch beobachtet und veröffentlicht
sind.
2) Egbert B r a a t z - Königsberg: Zur operativen Spaltung
der Niere.
Interessante Mittheilung über temporäre, 3 Jahre andauernde
Heilung von heftiger Nephralgie durch operative Spaltung der
Niere. Wie die später ausgeführte Nephrektomie zeigte, beruhten
die Nierenschmerzen auf tuberculöser Abscessbildung und waren
die damals von der Spaltung getroffenen Herde vollständig aus¬
geheilt, während eine Weiterverbreitung des tuberculösen Processes
in den nicht getroffenen Theilen des Organes die spätere Exstir¬
pation nöthig machte.
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20. März 1900.
401
MÜNCHRNKR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
3) Gustav K 1111 a n - Freiburg i. B.: Ein vier Jahre lang
in der rechten Lunge steckendes Knochenstück auf natürlichem
Wege entfernt.
Nachdem weder die Laryngoskopie noch die directe Broncho¬
skopie ein Resultat ergaben, gelang es durch Anwendung der
lateralen oberen Bronchoskopie, den Sitz des Fremdkörpers im
rechten Hauptbronchus zu entdecken und nach einigen vergeb¬
lichen Versuchen, denselben auch glücklich zu extrahireu.
4) G. Z e p 1 e r - Berlin: Beiträge zur orthopädischen Be¬
handlung der Lageveränderungen des Uterus. Quere Spreitzung
des Scheidengewölbes.
(Schluss folgt.)
5) A. Eulenburg: Neues Instrumentarium zur An¬
wendung der Vibrationsmassage.
Modlflcation des von Ewer angegebenen Instrumentes nach
W. A. H i r s c h m a n n.
Aus der ärztlichen Praxis.
6) Max Heim- Swinemünde: Ueber das Vorkommen von
Ascaris lumbricoides und durch dieselbe hervorgerufene
schwere nervöse Symptome bei Kindern unter einem Jahre.
Beschreibung zweier Fälle.
7) F. Leopold: Der Küchenkoller.
In dieser als „social-medicinisclie Studie“ bezeichneten Ab¬
handlung construirt L. analog dem Tropenkoller einen „Küchen¬
koller“. Nach Ausicht des Referenten dürfte in den meisten Fällen
die Diagnose „Hysterie“ zur Erklärung des betreffenden Zustandes
genügen. Nachdem der Tropenkoller schon als Entschuldigung
für gewisse Verbrechen angenommen wird, fehlte es gerade noch,
dass unsere Küchentrabanten sich bei ihren Launen auf einen
„Küchenkoller“ ausreden könnten. F. Lacher- München.
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg
No. 5.
F. Siebenmann-Basel: Ueber Ozaena (Rhinitis atro¬
ph! ca simplex und foetida).
Als das Primäre für das ganze, nunmehr abgeschlossene
Krankheitsbild der Ozaena ist wohl die Metaplasie der Naseu-
schleimhaut anzusehen. Aber während diese sich häufig, besonders
bei trockenem Katarrh der oberen Luftwege, findet, ohne Sym¬
ptome zu machen, scheint das eigentliche klinische Bild der
Ozaena (Borkenbildung) bedingt durch das Zusammentreffen der
Metaplasie mit einer weiten Nase — einer Theilerscheinuug der
Ckamaeprosopie (Breitgesielitigkeit) — die eine Verlangsamung des
Luftstroms, eine Becretstagnation bewirkt und die gegenseitige
Reizung der gegenüberliegenden Schleimhautflächen unmöglich
macht. Auch die Muschelatrophie (die nicht absolut zur Ozaena
gehört) ist wohl secundär, vielleicht in Folge ungenügender Blut¬
versorgung vom metaplasirten -Gebiet her. Die gefundenen Bae-
terlen sind nicht die Ursache der Ozaena, sie wurden noch nie im
Gewebe selbst gefunden.
Therapie: Salzwasserlnjection mit stossweise wirkender
Pumpe.
Johannes S e i t z - Zürich: Darmbacterien und Darmbac-
teriengifte im Gehirn. (Schluss.)
Ausführlicher Bericht über 5 Fälle von Darm- (und in
3 Fällen Bauchfell-) -Entzündung mit sehr schweren allgemeinen
Gehirnsymptomen (ohne Herdsymptome und ohne speciellen Sec-
tionsbefund), die tlieils als Coliaemie (2 mal Colibacillen im Gehirn
bei der Seetion), theils als Colitoxlnaemie erklärt werden. Opium¬
darreichung wird widerrathen, um den Verlauf nicht zu trüben.
lMschinger.
Ophthalmologie.
H. K u h n t: Ausgedehnte Tubereulose der Bindehaut und
Cornea, geheilt durch Auftreten eines Erysipelas faciei. (Zeitschr.
f. Augenheilk., Bd. III, Heft 2, S. 14(5.)
Boi einer 9 jährigen Arbeiterstochter fand sich die Bindehaut
des linken unteren Lides im Bereiche des Tarsus und der Ueber-
gangsfalte. sowie die Bindehaut der Sklera in der ganzen tempo¬
ralen Hälfte in ein grauröthliches Grauulationsgewebe verwandelt.
Fast über die ganze Cornea zog sich ein pannusartiges Gewebe
mit kleinsten grauen Knötchen. Die linke Praeaurieulardrüse war
stark geschwellt und in Abscedirung. ebenso die Subtnaxillar- und
Sublingualdrüsen. Sowohl die bacteriologische Untersuchung als
der Impf versuch fielen durchaus positiv für Tuberculose aus.
Der in Bewegung gesetzte Heilapparat — Ausschabung der
Drüsen und der Uleera, Jodoform, Massage mit Jodoformvaseline,
kräftige Ernährung, Kreosot und Jodpräparate innerlich, Bäder —
blieb ohne jeden sichtbaren Erfolg. Etwa 4 Monate nach Be¬
ginn der Behandlung erfolgte der Ausbruch eines Erysipelas faciei.
Nach Abheilung desselben wurde constatirt, dass die Bindehaut am
linken unteren Lid zwar noch verdickt und trübe, aber völlig glatt
und frei von distincten pathologischen Einlagerungen geworden
war. Auch das Geschwür im Bereich der Conjuuctiva bulbi war
geschwunden. Mässiges Symblepharon posterius in der tempo¬
ralen Hälfte der Foruix. Cornea in toto oberflächlich diffus ge¬
trübt, glatt, Pannus tenuis totalls. Mässige schleimige und eiterige
Secretion. Strahlige Narbe in der Regio praeauricularis.
Zur Erklärung des Heilprocesses könnte man nach dem Ver¬
fasser vermuthen, dass es sich um eine Toxinwirkung handele,
um einen Vorgang, ähnlich dem bewiesenen Antagonismus
zwischen Erysipelapstreptococcen und Milzbrandbacillen. Pis könnte
auch daran gedaeht .werden, dass der -mit dem Erysipel sich ab-
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spielende Entzündungsprocess an sich so wesentliche Verände¬
rungen der Gewebssäfte lierbeiführte, dass diese für den Tuberkel¬
bacillus, sei es durch Fern-, sei es durch Allgemeinwirkung den
Nährboden abgriibeu. Für eine Allgemeinwirkung spricht das
eclataute Zurückgeheu der Schwellungen und das Vernarben der
uleerirenden Drüsen.
S. Bäck: Heilung eines Falles von schwerem Pannus
trachomatosus durch ein intercurrentes Erysipel. (Klin. Monatsbl.
f. Augenheilk., Februarheft 1900, S. 97.)
Die Patientin, ein 22 jähriges Mädchen von ganz ausge¬
sprochenem Habitus skrophulosus, war wegen Trachom in Behand¬
lung (auf Tuberkelbacillen wurde, wie es scheint, nicht untersucht.
Der Ref.b Die Hornhäute beider Augen waren mit einem dichten,
sulzigen Pannus bedeckt, in dessen Mitte sich zahlreiche kleine Ge-
schwürchen befanden. Die angewandte Therapie: Ausrollung des
Oberlides mit der K u a p p’sehen Pincette; Touchlrung mit dem
Cuprumstift; Einträufelungen von Atropin und Cocain konnten nur
vorübergehend geriuge Besserung erzielen. Da stellte sich plötz¬
lich ein Erysipel ein, das ain rechten Nasenwinkel begann und bald
auch auf linke Gesichtslnilfte und Schädel Übergriff. Als das Ery-
sipel nach etwa 14 Tagen abgeheilt war, konnte mau bemerken,
dass der dichte Pannus auf beiden Hornhäuten fast vollkommen
— bis auf 1—2 kleine Gefässcben —- geschwunden war, dass die
dichten Hornhauttrübungen sieh bedeutend aufgehellt hatten. Die
Besserung hat angehalten.
Verfasser ist der Anschauung, dass der curative Einfluss des
Erysipels zurückzuführen ist auf das in den Lymplibahnen
kreisende Erysipeltoxin, das wahrscheinlich durch Einleitung re¬
gressiver Metamorphosen (Fettmetamorphose) sich äussert.
B u 11 o t - Brüssel: Ueber die Impermeabilität des Epithelium
corneae für Sauerstoff. (Vortrag in der Sociöte beige d’ophthalmo-
logie in Brüssel am 20. November 1899. Bericht im Ceutralbl. f.
Augenheilk., Februar 1900, S. 50.)
In einer früheren Sitzung hatte Vortragender nachgewiesen,
dass ein enueleirtes Kaninchenauge, für einen Tag in die Peri¬
tonealhöhle eingepflanzt, sein Endothel verliert. Wenn dagegen
au einer Stelle oder überall das Epithel abgekratzt wird, so bleibt
das correspoudirende Endothel an eben der Stelle erhalten. ' Das
Epithel übt demnach einen schädlichen Einfluss auf das Eudo-
tliel aus. Die jetzige Mittheilung erforscht die Ursache dieser Er¬
scheinung. Wird ein Auge euucleirt, so bekommt es kein Blut mehr
zugeführt, also keinen Sauerstoff, keine Nahrung. Wie stirbt das
Endothel, erstickt oder vor Hunger? Wird ein solches Auge in einer
feuchten Atmosphäre von 37° im Brutschrank gehalten, so bleibt
das Endothel am Leben; demnach ist der Mangel an Nahrung nicht
die Ursache. Die Luft enthält 20 Proe. Sauerstoff, die Peritoneal¬
flüssigkeit kann höchstens 3 Proe. enthalten; es ist also wahr¬
scheinlich, dass die Permeabilität des Epithels zu gering ist für
3 proe. Ox.vgen oder weniger. Um dieses zu eontroliren, suspen-
dirte Vortr. Augen in Blutserum, von denen einige normal, andere
des Epithels beraubt waren. Iu einigen Experimenten wurde das
Blutserum gelassen wie es war; in anderen wurde beständig Luft
durchgeführt; meistens trat Zersetzung durch Infection ein. In
3 Fällen mit Luftserum nicht, und da schwand das Endothel, wenn
das Epithel intact war und bliel», wenn es abgeschabt worden.
Eine andere Versuchsreihe war folgende: es wurden 4 Volum
Hydrogen mit 1 Volum Luft gemischt; hierin blieb das Endothel
erhalten, ob (las Epithel vorhanden war oder nicht; bei (3 Hydrogen
-f- 1 Luft blieb es erhalten, wenn das Epithel entfernt war. sonst
nicht; demnach wie in der Peritonealhöhle; in nahezu reinem
Wasserstoff starb das Endothel immer. Wenn in ein Gemenge
von 0 Wasserstoff -f 1 Luft ein Auge gebracht wird, worauf ein
Tröpfchen Paraffin oder ein Ginsring gelegt ist, so schwindet das
Epithel an den entsprechenden Stellen; wird auf ein abgekratztes
Auge an einer Stelle der Cornea lebendes, abgekratztes Epithel
gebracht, so schwindet das Endothel in dem entsprechenden Be¬
zirk; wird aber das abgekratzte Epithel vorher durch Chloroform
abgerödtet. so übt es diese Einwirkung nicht mehr aus. Vortr.
zieht hieraus die Schlussfolgerung, dass das lebende Epithel durch
seine relative Impermeabilitüt für Sauerstoff den Tod des Endo-
theils in transplautirteii Augen hervorruft.
R ö nier: Die conservative Behandlung der perforirenden
Bulbusverletzungen und ihr Ergebniss. (Zeitschr. f. prakt. Aerzte
1899, No. 11.)
Die Statistik umfasst 20(5 Kranke, welche sämmtlich mit noch
offener Wunde in der Universitäts-Augenklinik in Halle zur Auf¬
nahme kamen. Die conservative Therapie wird dort bei allen Ver¬
letzungen versucht, wo nicht die Contenta des Bulbus zum
grössten Theile ausgetreten sind. Selbst das scheinbare Fehlen
von Lichtschein und Projectiou ist keine Contraindication, weil
erfahrungsgeniäss die Angaben der Patienten unmittelbar nach
der Verletzung unzuverlässig sind. Die sofortige Enucleation
wurde nur bei völliger Zerreissung des Bulbus vorgenommen;
die s e c u u d ä r e , wenn Pauoplitiiftlmie drohte.
Das Gesammtresultat ist:
Zahl der verletzten Augen.2(50
Verlust des Auges.09 25.93 Proe.
Mit Erhaltung der Form geheilt .... 33 — 12.40 „
Mit Erhaltung von S < 0,1 geheilt ... 36 = 13,53 ,,
Mit Erhaltung von S r= 0.1—1,0 geheilt . 128 = 48,12 „
206
Michaelsen : Zur Beurtheilung des C r e d <§’sehen Ver¬
fahrens bei Neugeborenen. (Acrztl. Sachverständigenztg. 1900,
No. 2.)
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
402
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Verfasser hält das C r e d 6’sche Verfahren für segensreich in
Entbindungsanstalten, für nicht geeignet aber zur Freigabe an
die Hebammen in der Privatpraxis, sintemalen deren Intelligenz
und Geschicklichkeit in vielen Fällen ungenügend ist Zur lllu-
strirung führt Verf. einen forensischen Fall an: eine Hebamme,
der ihre 2 proc. Höllensteinlösung ausgelaufen war, liess sich
rasch aus der nächsten Droguerie eine neue Lösung holen und
träufelte diese wahrscheinlich 20 proc. Lösung l»ei zwei Neuge¬
borenen prophylaktisch ein. Bei allen vier so behandelten Augen
entstanden schwere Anätzungen, die noch dazu in der ersten Zeit
von der Hebamme übersehen wurden.
Plaut: Didgangraen im Anschluss an übermässige Eis¬
anwendung. (Zehender’s klin. Monatsbl. f. Augenheilk., Januar
1800.)
Bei einer 43 jährigen Dienstmagd, der durch 24 Stunden eine
mit Eis gefüllte Schweinsblase direct auf die Lider applicirt
worden war, trat ausgedehnte Nekrose des Unterlids und eben¬
solche von etwas geringerem Umfang des Oberlids ein. Durch
Geschwürsbildung wurden die nekrotischen Theile allmählich ab-
gestossen. Hiebei zeigte sich, dass die Nekrose nur das äussere
Blatt des Lides betraf, während Tarsus und Conjunctiva heil
blieben. Die Defecte überkleideten sich von den Rändern her
vollständig, die Stellung des Lides blieb auch nach der vollendeten
Vernarbung eine gute. R h e i n - München.
L ..
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 10.
1) G. H o 1 z k n e c h t - Wien: Das radiographische Verhalten
der normalen Brustaorta.
Eingangs seines Artikels, der ohne die dazu gehörigen Zeich¬
nungen schwer in ein kurzes Referat zusammengefasst werden
kann, weist H. darauf hin, dass es unrichtig ist, aus Vorbauchungen
am Schattenbilde der Brustaorta ohne Weiteres auf Aneurysmen
der letzteren zu schliessen. Verfasser hat das Verhalten der nor¬
malen Aorta bei der Durchleuchtung von allen Richtungen her
untersucht und reproducirt die so erhaltenen Bilder. Das Er¬
gebnis der sagittalen Durchstrahlungeu Ist, dass kein Theil der
Brustaorta als distincter Schatten im Bilde sichtbar wird, sondern
die ganze normale Brustaorta durch den Mittelschatten gedeckt ist.
Bemerkenswert!» sind die bei frontaler und schräger Durchleuch¬
tung gewonnenen Bilder (cfr. Original!), auf deren Einzeluheiten
hier nicht eingegangen werden kann.
2) Frz. Hansy- Baden b. Wien: Ein Fall von angeborener
stenogirender Pylorushypertrophie.
Der 11 jährige Patient zeigte auffallend grossen Leib, eine
Vorwölbung nach links und unten vom Nabel, öfter Erbrechen
unverdauter Massen, Symptome von Magendilatation. Die Laparo¬
tomie erwies die ganze linke Bauchseite von dem kolossalen dlla-
tirten Magen eingenommen; der Pylorus zeigte sich als walzen¬
förmiger, frei beweglicher, glatter Tumor. Es wurde die Gastro¬
enterostomie gemacht, die Ileumschlinge mittels Murphyknopfes
an die hintere Magemvand fixirt. Verlauf trotz anfänglichen Er¬
brechens günstig, das Körpergewicht stieg bald um 7 kg. In thera¬
peutischer Hinsicht kamen zunächst methodische Magenspülungen,
im Uebrigen die Operation in Betracht. Die Laparotomie, sogar mit
Gastroenterostomie scheint dem Verfasser ein nicht unverhältniss-
mässlg schwerer Eingriff gegenüber einer ganzen Serie von Magen¬
spülungen. Die Resection des hypertrophischen Pylorus dürfte
selten gerechtfertigt sein.
3) H. L e w k o w i c z - Krakau: Zur Biologie der Malaria¬
parasiten.
L. konnte binnen 3 Jahren 440 Malariafälle genau beobachten,
darunter 406 Fälle der gewöhnlichen Tertiana und Quartana, 40 der
langintervallären Fieber. Zunächst stellt Verfasser literarische An¬
gaben über die Abarten der Malariaparasiten zusammen und be¬
spricht sodann auf Grund seiner sehr zahlreichen eigenen Unter¬
suchungen das Nähere über den Bau der Parasiten. Bezüglich
der Unität oder Pluralität der letzteren bekennt sich L. zum Uni-
cismus. Der 2. Theil der Arbeit wird der sorgfältigen klinischen
Darstellung von 10 Malariafällen gewidmet (mit mehreren Fieber¬
kurven); doch muss bezüglich der zahlreichen Einzelangaben auf
das Original verwiesen werden. Die Mehrzahl dieser Fälle spricht
für eine 22 tägige Entwickelungsdauer der Parasiten. Letztere
scheinen nur im menschlichen Blute überwintern zu können. Die
Vorbeugung der nächsten Malariaepidemie müsste demnach durch
Heilung der chronischen Fälle wöhrend des Winters bewirkt
werden. Dr. Grass mann - München.
Wiener klinische Presse. 1900. No. 11.
L. Fürst- Berlin : Dassen sich Influenza und deren
schwere Complicationen coupirenP
F. bejaht die Frage und empfiehlt, unter Einhaltung möglichst
strenger Allgemeinbehandlung vom ersten Beginn der Erkrankung
an täglich dreimal 1 g Salipyrin, nach der Entfieberung bis zur
völligen Herstellung die Hälfte dieser Gaben zu verordnen. Der
Verlauf soll dadurch in der Regel sehr gemildert, die Ausbildung
einer Pneumonie verhindert werden.
Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 8 u. 9
H. Kantor-Warnsdorf: Zur Naturheilbewegung.
Das lesenswerthe Referat gibt u. a. auch Anregung zu Ver¬
gleichen zwischen deutschen und österreichischen Verhältnissen.
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Wir erfahren z. B., dass in Wien Tagesblätter wegen Aufnahme
curpfuscherischer Inserate conflscirt, dass Vorträge ausländischer
Curpfuscher verboten wurden u. s. w.
Ibidem No. 9 u. 10.
F. Weleminsky - Prag: lieber die mechanische Ge¬
winnung bactericider Leukocytenstoffe.
W. berichtet im Einzelnen über zwölf Versuche Im Hueppe-
sehen Laboratorium bezüglich dieser strittigen Frage und betont
zum Schluss die Unregelmässigkeit der Resultate im Gegensätze
zu der Schärfe rein chemischer Experimente. Pdsitive Ergebnisse
dürften stets auf nebenhergehender chemischer Reizung beruhen.
Die intacten Leukocyteu enthalten keine zur Secretlon geeignete
bactericide Substanz; erst auf bestimmte Reize hin scheint eine
solche gebildet zu werden.
Ibidem No. 10.
R. Herz- Prag: Ueber Gonococcenfärbung mit Neutr&l-
roth.
Die Gonococcen besitzen eine gewisse, aber nicht speciflsche
Affinität zu dem von Ehrlich empfohlenen Neutralrotli. Dieses
hat speciell für den Nachweis spärlicher extracellulärer Gonococcen
keinen Vorzug vor den anderen geläufigen Färbemitteln.
Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 8 u. 9.
M. K a s s o w i tz-Wien: Kritisches über Diphtheriebacillen
und Heilserum.
Eine bedeutende Rolle 4n K.’s Erörterungen, die wir nicht In
Einzelheiten verfolgen können, spielt die Thatsache, dass viele
von den diphtherieähnlichen Fällen, bei denen der Löffle rische
Bacillus nicht gefunden wird, doch einen durchaus schweren, oft
tödtlichen Verlauf nehmen; solche bacillenlose Fälle weisen auch
gar nicht selten „postdiphtheritische“ Lähmungen auf. Da weiters
der genannte Bacillus häufig in der Mundhöhle ganz gesunder
Kinder vorkommt, bleibt K. dabei bestehen, diesen Bacillus niclu
als den Erreger der Diphtherie anzuerkennen.
Ibidem No. 10.
L. Concetti-Rom: Kasche Methode zur bacteriologi-
schen Diagnose der Diphtherie.
Auf Concetti’s Klinik werden Stäbchen, armirt mit steriler
mit Glucose-Glycerin-Agar-Agar imprägnirter Watte, bereit ge¬
halten. Mit diesen werden die Rachenbeläge abgewischt. Auf dem
Tampon wachsen dann im Thermostaten bereits nach 4—5 Stunden
eventuell Diphtheriebacillen heran; zu deren mikroskopischen Nach¬
weis empfiehlt sich das N e I s s e rische Verfahren. (Methyleu-
blau-Vesuvin). B e r g e a t - München.
Vereins- und Congressberichte.
Berliner medicinische Gesellschaft siehe Seite 406.
Verein Freiburger Aerzte.
(Eigeuer Bericht.)
Sitzung vom 26. Januar 1900.
1. Herr Geh.-Rath Bäumler: Zur Diagnose der durch
gewerbliche Staubinhalation hervorgerufenen Lungenverände¬
rungen. (Erscheint an anderer Stelle dieser Wochenschr.)
2. Herr M e i s e 1 stellt ein 22 jähriges Mädchen vor, bei
welchem von Herrn Hofrath Kraske wegen Drucklähmung
des Dorsalmarks in Folge von Spondylitis tubdrculosa eine von
gutem Erfolge begleitete Operation vorgenomihen worden war.
Zuvor gibt Vortragender einen kurzen historischen Ueber-
blick über die Behandlung der Drucklähmung überhaupt und
weist darauf hin, dass die grossen Hoffnungen, welche die Chi¬
rurgen nach den ersten glänzenden Erfolgen Macewen’s (1888)
von der Eröffnung des Wirbeleanals erwartet hatten, durch
spätere weniger günstige Erfahrungen getrübt wurden. Auf dein
letzten Congress trat Trendelenburg (1899) warm für die
nach seiner Meinung mit Unrecht in Misscredit gekommene
Operation ein. Kraske hält dagegen an seiner auf dem 19, Chi-
rurgcncongress (1890) ausgesprochenen Ansicht auch heute noch
fest. Kraske erhob damals auf Grund seiner Erfahrungen ge¬
wichtige Bedenken gegen die an sieh rationelle und dahkens-
werthe Operation. Seiner Ansicht schlossen sich König,
H o f f a und andere Chirurgen an. Er betonte besonders, dass
die Operation nur gegen ein Symptom gerichtet sei, während sie
die ursächliche Erkrankung, die Caries des Wirbelkörpers, un¬
beeinflusst lasse. Sie vermöge zwar den schädlichen Druck auf
das Mark zu beseitigen und zuweilen sehr bald schon, oder erst
nach Wochen eine Besserung der Lähmung herbeizuführen, aber
sie gewähre, da sie nicht radical sein könne, keine Sicherheit
gegen Rückfälle und schädige nicht selten den Kranken in
seinem Allgemeinzustand. Denn der Eingriff sei schwer, mit
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20, März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
403
Blutungen verbunden und mache stets ein längeres Krankenlager
nothwendig, da die Wirbelsäule durch Resection der Bögen ihres
Haltes beraubt sei. Eine Besserung der Lähmung aber ohne
Operation sei a priori nicht auszuschliesson. Denn die Lähmung
sei in der Mehrzahl der Fälle durch ein epidurales Exsudat, nur
in 2 Proc. der Fälle durch Dislocation der Wirbelkörper bedingt.
Kraske steht auch heute noch auf dem damals vertretenen
Standpunkt. Die seitdem gemachten Erfahrungen haben seine
früheren Ansichten bestätigt; ausserdem aber hat er inzwischen
schwere Lähmungen bei indifferenter Behandlung heilen sehen.
Auch in der Klinik von Herrn Geheimrath Bäumlcr sind solche
Fälle beobachtet. Eine Zusammenstellung der in der chirurgischen
und medicinischen Klinik in Tübingen behandelten Fälle ergibt
nach Eeinert mehr als 30 Proc. Heilungen, bei Extensions¬
behandlung sogar über 50 Proc.
Für indicirt hält Kraske den chirurgischen Eingriff dann
immer, wenn das epidurale Exsudat nachweislich seinen Ausgang
von den Wirbelbögen oder von der Umgebung der Wirbel¬
säule genommen hat. Ist der Wirbelkörper der Ausgangspunkt,
besteht ein Gibbus, so ist jedenfalls erst genügend lange eine
Extensionsbehandlung einzuleiten. Und erst, wenn ein Misserfolg
derselben eine Deviation der Wirbelsäule als ursächliches Mo¬
ment ausschliessen lässt, wenn eine Zunahme der Lähmungs- und
Reizerscheinungen auf ein sich vergrösserndes Exsudat im Epi¬
duralraum hindeutet, hält Kraske den Eingriff für angezeigt.
Für diagnostisch werthvoll hierbei erachtet Kraske das Be¬
stehen von Wurzelsymptomen. Denn während diese bei kypho-
tischer Deviation der Wirbelsäule zu seltenen Erscheinungen
gehören (die Intervertebrallöcher werden bei kyphotischer Ver¬
krümmung weiter), sind sie bei epiduralen Exsudaten häufig vor¬
handen.
Im vorliegenden Falle waren diese Bedingungen erfüllt.
Die Kranke hatte beim Eintritt in die Klinik am 18. XII. 1898
eine spastische Lähmung der unteren Extremitäten, Lähmung der
Rlase und des Mastdarms, eine Aufhebung der Sensibilität vom
Nabel abwärts, so vollkommen, dass ein eingewachsener Nagel
schmerzlos entfernt werden konnte. Der 0. Brustwirbeldornfort¬
satz sprang aus der Reihe ca. 3 cm hervor. Drüsen am Hals, alle
Narben daselbst, eine linksseitige Lungenspitzenschrumpfung und
Tuberkelbacillen Im Sputum sicherten die Diagnose einer Druck¬
lähmung durch Spondylitis tubereulosa.
Die ersten Erscheinungen einer Wirbelerkrankuug waren vor
3 Jahren, die ersten Lnhmuugserscheinuugen vor 2 Jahren auf¬
getreten. Letztere steigerten sich mit aeuteu Acerbatlonen und
erreichten allmählich den geschilderten Umfang. Von Anfang an
bestanden Intercostalschmerzen. Patientin lag 1 % Jahr im Bett
mit einer Rolle unter dem mittleren Theil der Brustwirbelsäule.
Diese permanente leichte Extension wirkte auf die localen
Schmerzen günstig ein, einen Einfluss auf die Lähmung hatte sie
nicht. (Die Anwendung der G1 i s s o n’schen Schlinge musste
wegen der Drüsen am Hals aufgegeben werden.)
Am 10. I. 1899 wurden in Chloroformnarkose der V., VI. und
VII. Wirbelbogen entfernt und der Wirbelcanal eröffnet. Es
drängten sich sofort, offenbar unter Druck stehende, blaurothe
Granulationsmassen vor, welche mit Scheere und Löffel entfernt
wurden. Jetzt wurde ein Theil des von gesunden Hüllen um¬
gebenen Rückenmarks sichtbar . Es erwies sich von mehreren
grösseren und mehreren kleinen Abscessen und von derben z. Th.
verkästen Granulationen von vorn und rechts her zu einem
schmalen, platten Strang zusammengedrückt, welcher auch nach
Beseitigung des Druckes keine Pulsation zeigte. Die Granulationen
wurden ausgeräumt, von dem cariösen Wirbelkörper konnten nur
kleine Theile entfernt werden. Die Wunde wurde mit jodoformirter
Gaze ausgefüllt und offen gelassen. Die Wundheilung verlief
ohne Störung, es blieb jedoch noch 2—3 Monate eine Fistel be¬
stehen, welche in den Wirbelcanal führte und wässerigen, mit
Flocken vermischten Eiter entleerte. Allmählich versiegte die
Seeretion, die Fistel heilte und ist seitdem geschlossen.
Einen unmittelbaren Einfluss auf die Lähmung hatte die
Operation nicht; die sensible Lähmung wurde an den Grenzen
ausgesprochener und es entwickelte sich so rasch ein ausge¬
sprochener Decubitus an der Kreuzbeingegend, trotz sorgfältigster
Lagerung und Schutz vor Durchnässung, dass man geneigt war,
an eine Schädigung trophischer Centren zu denken. Gleichzeitig
traten die Intercostalschmerzen mit erneuter Heftigkeit auf und
stellten sich lebhafte Zuckungen in den Beinen ein. Diese Stö¬
rungen wurden jedoch nach etwa 2 Wochen besser. Nach
5 Wochen kehrte allmählich das Gefühl zurück. Nach 2 Monaten
kamen die ersten Zeichen der wiederkehrenden Motilität in den
Beinen. Im 4. Monat stellte sich Continentia urinae ein. Von nun
an erfolgte rasche Besserung. Im 6. Monat konnte Patientin
mit Hilfe ihrer Arme sich aufrichten und im Liegen die gestreckten
Beine heben. Im 11. Monat wurden in einem Gipscorset mit Kopf¬
stütze, denn die Wirbelsäule zeigte abnorme Beweglichkeit, die
ersten Gehversuche gemacht. Jetzt ist die Patientin im Stande,
Treppen zu steigen. Die Patellarreflexe und Hautreflexe sind
immer noch gesteigert Die Intercostalschmerzen dagegen sind ver-
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scliwunden. Ob die Besserung von Dauer sein wird, bleibt ab-
zuwarten. Ein längerer Lebensgenuss ist der Kranken jedenfalls
nicht beschieden, da sich während des Krankenlagers die anfäng¬
liche leichte Lungenerkrankung verschlimmert hat Immerhin
hat Patientin nach Beseitigung der Lähmung neuen Lebensmuth
bekommen, hat sogar an Gewicht zugeuommeu und ist unendlich
viel besser daran als vor 2 Jahren, trotz Husten, Engigkeit und
Gipscorset.
Der Krankheitsfall erläutert deutlich den Werth der Lamin-
ektomie, er zeigt uns aber auch ihre Gefahren und Grenzen. Es
trat eine Beseitigung der Lähmung ein, aber erst nach Monaten,
nach einem schweren, mit Gefahren verbundenen Krankenlager
(Decubitus bei bestehender Incontinentia urinae!). Die Un¬
möglichkeit einer radicalen Operation, schon bei der Operation er¬
kannt, wurde durch die länger dauernde Seeretion deutlich er¬
wiesen und macht ein Recidiv wahrscheinlich. Die abnorm be¬
wegliche Wirbelsäule muss durch ein Corset gestützt werden.
In der Discussion erwähnt Herr Geheimrath Bäum-
1 e r, dass in einem der chirurgischen Klinik zur Operation über¬
wiesenen Fall ebenfalls Intercostalschmerzen bestanden hätten,
dass durch die Operation jedoch abnorme Enge des Canals und
Ausheilung des tubereulüsen Proeesses constatirt worden sei *). Er
theilt ferner mit .dass in einem in seiner Klinik beobachteten Falle
die Zuckungen so heftig gewesen seien, dass Curare, und zwar mit
gutem Erfolg, zur Amvendung gekommen wiire.
*) Anmerkung des Vortragenden: Die Operation blieb ohne
Einfluss auf die Lähmung.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 13. März 1900.
Vorsitzender: Herr IC ü m m e 11.
I. Demonstration:
Herr Kümmell demonstrirt den anatomischen Effect einer
Behandlung der Prostatahypertrophie nach Bottini an einem
der Leiche eines y 4 Jahr nach der Operation Verstorbenen ent-
sraimnenden Präparate. Mit der technischen Vervollkommnung
der Methode und der Zunahme der bei der Operation gewonnenen
Kiuzelerfahrungen wird der Erfolg stets besser. So hat K. in den
letzten 10 Fällen niemals einen Misserfolg gesehen. Früher oder
später nach der Vornahme des Eingriffes, den K. stets ohne Nar¬
kose unternimmt, erfolgte spontane Urinentleerung. In allen
Fällen wurden die schweren Cystitiden beseitigt und die Residual-
liarniuciige wurde ganz gering oder blieb dauernd gleich Null. Das
vorgestellte Präparat stellt die Combination von Prostatahyper
troplde, Blasensteine und Blasendivertikel dar.
II. Vortrag des Herrn de la Camp: Resultate 20jähriger
Krankenhausbehandlung der Lungentuberculose auf ratio¬
neller statistischer Verwerthung der Gewichts- und Fieberver¬
hältnisse, sowie der Nachforschung über die Entlassenen.
Die Untersuchungen des Vortragenden bezogen sieh auf die
in den letzten 20 Jahren im Allgemeinen Krankenhause und im
neuen Eppendorf er Staatskrankenhause in Behandlung gestan¬
denen Fälle von Lungentuberculose. Die Redueirung der An¬
fangs zur Verfügung stehenden Summe von 13 000 Kranken¬
geschichten auf die den statistischen Erhebungen dienenden
8406 Fälle geschah durch Anwendung folgender Gesichtspunkte:
1. Zunächst waren diejenigen Fälle fortzulassen, bei denen die
Lungentuberculose nur als Begleiterkrankung einer schon be¬
stehenden Krankheit, die an und für sich ein letales Leiden dar¬
stellte, früher oder später auf trat. 2. Waren somit insbesondere
diejenigen Fälle auszumerzen, bei denen sich eine tubereulöse
Erkrankung nur als zufälliger Befund auf dem Sectionstisch
fand. 3. Diejenigen Fülle, bei denen zu einer bestehenden
Lungentuberculose ein seinerseits letal verlaufendes Leiden sich
hinzugesellte, das den Tod selbst herbeiführto oder zum min¬
desten in unverhältnissmässig kurzerWeise beschleunigte. 4. War
es geboten, nur die Fälle vom 15. Jahre an aufwärts zu benutzen,
um durch Ausschluss der Kindertuberculose ein mit den Heil-
stätten-Statistiken möglichst vergleichbares Material zu erhalten.
Die Schlussfolgerungen, zu denen Redner in seinem durch
eine grosse Zahl von Tabellen und Curven illustrirten Vortrage
kommt, sind folgende:
Die aus 8400 Fällen gewonnene Statistik spricht für eine
Behandlung der Lungentuberculose nicht unter 8 Wochen.
Die Fieberverhältnisse sind nicht so ungünstige, als man an¬
zunehmen geneigt ist.
Zur rationellen Verwerthung der Gewichtsverhältnisse als
Index eines Behandlungserfolges ist das dem betr. Pat. nach
Geschlecht und Alter zukommende Normalgewicht mit in Be¬
tracht zu ziehen.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
404
MÜNCHENER MEDICINISCHR WOCHENSCHRIFT.
No. 12
Daneben müssen als Ergänzung procentuarisehe Berech¬
nungen dos Aufnahme- und Abgangsgewic*htes an gestellt werden.
Die Statistik ergibt eine auffallende Minderbetheiligung der
Frauen — nicht einmal Mi der Männer.
Es ist davon Abstand zu nehmen, von „Geheilten“ zu
sprechen, da erst eine lange Naehbeobachtuug diesen Begriff
zulässt.
Es wurde der Versuch gemacht, mit Hilfe der Polizeiregister
mindestens einen I oberblick über das Schicksal der Entlassenen
zu erlangen.
Die Mortalität blieb stets mit annähernd 45 Proc. eonstant.
Ein besonderer Einfluss spocitischer therapeutischer Perioden
war nicht festzustellen.
NB. In anderer Form ist der Vortrag in den Jahrbüchern
der Hamburgischen Staatsanstalten erschienen.
I) i s c u s s i o n : Herr Sieveking ist damit beschäftigt,
die Sterblielikeitsstatistik an Tubereulose im Hainburgiselieu
Staatsgebiet für die Jahre 1872—98 eingehend zu bearbeiten. Die
Statistik unterscheidet 2 Gruppen: L u n g e n s c h w i n d s u c li r.
Miliar- und allgemeine Tubereulose und T u b e r o u 1 o s e
anderer Organe, wozu Menlugitistuberculose, Skroplni-
lose, Drüsen- und Unterleibstube reulose gerechnet werden.
Während sieh in der lebenden Gesammtbevölkerung das Ver-
hältniss männlieh zu weiblich wie 1:1,05 stellt, verhält es sich
zur Zeit bei der Sterblichkeit der Lungentuberculose wie 1,55:1,
der Tubereulose anderer Organe wie 1,25:1. Es hat sieh aber in
beiden Gruppen im Laufe der Jahre eine bemerkenswert he Ver¬
schiebung dahin ergeben, dass sieh allmählich bei der Lungen¬
tubereulose das Verhältnis» zu Uugunsten der Männer verändert,
bei der Tuberculose anderer Organe umgekehrt zu Ungunsten
der Frauen. Dabei hat die letzte Gruppe an sieh nicht zuge
nommen.
Redner demonstrirt eine Anzahl Curven. aus denen vor Allem
zu erkennen ist, dass von 1829 die Tubereulose dauernd abuimim,
allerdings in den letzten Jahrzehnten gleiehmiissig stärker, als
früher. Im Durchschnitt weist der März in Hamburg die höchste
Sterblichkeitszahl auf. Die Berechnung der Todeszahlen für die
einzelnen Altersclassen und die Berufsstatistik der Tuberculose
Sterblichkeit wird S. demnächst publiciren. W erne r.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. J anuar 1900.
Vorsitzender: Herr Sondier.
Herr Eretschmann spricht über acute Mittelohr¬
eiterung.
Diese Erkrankung ist vielleicht die wichtigste unter allen
Ohrkrankheiten, weil sie, unrichtig geleitet, in ihren Folgen
unberechenbaren Schaden für Leben und Gesundheit haben kann.
Sie ist sehr häufig, befällt jedes Lebensalter und ist wie kein
zweites Ohrleiden die Domäne des praktischen Arztes. Man
unterscheidet in den Lehrbüchern einen acuten Katarrh und
eine acute eitrige Entzündung. Klinisch hat die Scheidung
manches für sich. Anatomisch ist sie nicht zu rechtfertigen,
ob auch bacteriologisch, darüber muss die Zukunft entscheiden.
Wenn man die klinischen Erscheinungen verstehen will, so
muss man auf die anatomischen Verhältnisse zurückgreifen.
An Präparaten (Demonstration) erkennt man, dass die pneuma¬
tischen Hohlräume, welche mit der Pauke und dem Antrum
eommuniciren, den ganzen Warzentheil erfüllen, in die Schläfen¬
schuppe, in die Pyramide, den Paukenhöhlenboden und in das
Hinterhauptbein sich erstrecken, und den ganzen knöchernen
Gehörgang umgreifen. In der medialen Wand der Paukenhöhle
verläuft der N. facialis in seinem Knochencanal. Die Verhält¬
nisse beim Neugeborenen weichen nicht unwesentlich ab.
Die Symptome gliedern sich in 3 Gruppen:
1) allgemeine, Fieber, Frost, Pulsfrequenz;
2) örtliche Entzündungserscheinungen, subjectiver Schmerz
im Ohr und Umgebung, Schmerz auf Druck, Schwellung in der
Umgebung des Ohres, Schwellung der benachbarten Lymphdrüsen
event. Parese oder Paralyse des Facialis;
3) Erscheinungen von Seiten des Sinnesorganes, Geräusche,
Gehörabnahme, Schwindel, Autophonie.
Verlauf und Ausgang können unter den verschiedensten
Krankheitsbildern auf treten.
Eigenartig verläuft die Otitis der Neugeborenen. Für die
Aetiologie ist von Wichtigkeit, dass Individuen mit Tuben¬
katarrhen leichter befallen werden, als solche mit gesunden Or¬
ganen. Diese Katarrhe werden hervorgerufen durch Hyper-
' trophien der Nasenschleimhaut, der Gaumen- und Rachen-
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mandel, durch Nasen- und Pharynxkatarrhe. Operationen in
Nase und Rachenraum veranlassen zuweilenMittelohrentzündung.
Für eine grosse Anzahl von acuten Otitiden geben eine ganze
Reihe von Infoctionskraiikhoitcn die Veranlassung.
Differcntialdiagnostisch kommen Verwechslungen mit Ge-
hörgangsfurunkeln in Betracht. Neuralgin tympaniea und
Kiefergelenkserkrankungen werden nicht zur Verwechslung
Anlass bieten.
Die Behandlung ist zuerst antiphlogistisch oder geschieh:
mit Alumen acet. in Form des Priessnitz. Versagt dies, so er¬
folgt Pnrneentcse, event. Eisbeutel. Stellen sieh Complicationen
ein, so werden sie nach chirurgischen Grundsätzen behandelt.
Zur Differentialdiagnose führt Herr Richter au, dass es
in nicht eomplieirten Fällen von acutem Mittelohrkatarrh eine fast
untrügliche Methode für den Praktiker gibt, die Mittelolirerkrau
kung von den meist in Frage kommenden Gehörgangsfuriiukeln zu
unterscheiden. Dies sei der Zug au der Ohrmusehel unter Be¬
rücksichtigung des Gehörs. Sei das Gehör nicht wesentlich herab¬
gesetzt und ruft» der leichte Zug an der Ohrmuschel Schmerz -
emptindung hervor, so habe man es so gut wie immer mit einem
Furunkel zu thun. Dass es bei grossen oder den Geliörgang ver-
sehliessenden Furunkeln zu erheblicher Schwerhörigkeit kommen
könnte, miise natürlich in Betracht gezogen werden. Die Lago der
Trommelfellvorwölbung sei für die Therapie von Bedeutung.
Starke Ausbauchung der Membrana tiaceida ohne wesentliche Mit
erkrankung des Oavum tympani erheische wegen drohender Ge
fahr der Erkrankung der Gehörknöchelchen und des Warzenfort-
satzes frühzeitige Entlastung, wenn anders nicht möglich, durch
ausgiebigen Schnitt. Zur Prognose und gegebenen Falls zur Iu-
dicationsstellung für die Operation sei dringend die wiederholte
Prüfung des Gehörs mittels Stimmgabeln zu empfehlen. R i o li -
t e r rätli ferner, den Trommelfellsclinitt nicht liuear, sondern
lappenförmig anzulegen, da so dem Eiter noch am ehesten dauernde
Abtlussmöglichkeit geschaffen werde. Wenn unter Erfüllung dieser
Bedingung die Eiterung höchstens 8 Wochen unvermindert fort-
bostclie. so sei mit Sicherheit niiziuielimeu, dass die Warzenfon
satzzellen vereitert seien, und dies fordere stets zur operativen Er¬
öffnung der Warze auf.
Bei der Nachbehandlung habe sich auch ihm das Glutol
Schleich recht gut bewährt. Das nach der Abheilung der acuten
Mittelohraffection mit oder ohne Operation liier und da noch fort-
bcstehende Ohrensausen sei häufig auf Rechnung eines noch nicht
beseitigten Tubenkatarrhs zu setzen und schwinde dann unter ge¬
eigneter Behandlung desselben.
Herr Meier ist der Ansicht, dass nicht jede aeute Eiterung
im Warzenfortsatz die operative Eröffnung desselben erfordert,
vielmehr sah er eine nicht kleine Anzahl von in den Warzenzellen
ausgebreiteten eitrigen Entzündungen mit profuser Ohreiterung.
Schmerzhaftigkeit und ausgesprochenem Oedem auf dem Warzen¬
fortsatz durch Herbeiführung günstiger Eiterabflussverhältnisso
durch die Paukenhöhle ausheilen. Zum grossen Theil hängt seiner
Meinung nach die Ausheilung von der anatomischen Anlage, spe-
e.ell der Grösse der abhängigen Zellen ab, und bei kleinen Kindern,
wo nur das Antrum der einzige grössere Hohlraum ist, hat M. eine
ganze Reihe von Fällen mit starkem Oedem hinter dem Olir durch
breite Paraeeutese heilen sehen. Gerade bei besonderer Betheili¬
gung der Warzenzellen au der Entzündung legt M. die Paraeeutese
gern in den hinteren oberen Quadrauten an und hat öfter den
Eindruck gehabt, dass durch diese obere Trommelfellöffmuu:
besserer Eiterabfluss erfolgte als durch eine gleichzeitig bestehende
Oeffnung im unteren Quadranten.
Von der Nachbehandlung eröffneter Warzenzellen mit Glutol
hat M. bei mehrfachen Versuchen keine so wesentlichen Vortheile
gesehen, dass er für sie den grossen Naehtheil in Kauf nehmen
möchte, den Ueberblick, der doch stets und besonders bei so oft
erkrankt gefundener Dura oder Sinuswand dringend nothwendis
ist, zu verlieren. Ausserdem kann in den Aditus und Attieus ein
gedrungenes Glutol Eiterretention herbeiführen.
Zur Diagnose einer Betheiligung des Labyrinths an der Ent¬
zündung hält M. die Stimmgabelprüfung selbstverständlich für
sehr werthvoll; wie aber aus dem für Labyrinthaffection eharakte
ristischen Ausfall der Stimmgabelprüfling eine Indiention für die
Warzenfortsatzaufmeisselung abzuleiten sein soll, ist M. unklar.
Es weist ja nicht selten die Stimmgabel bei acuten Mittelohr
eitenmgen Labyrinthaffection nach, und M. hat eine ganze Reihe
von Fällen beobachtet, wo die höchste oder die hohen Octaven
nicht gehört wurden, aber er sah diese Labyrinthaffectionen auch
oft sich wieder während und nach Heilung der Mittelolireiterung
zurückbilden; für eine operative Eröffnung des Warzenfort satze-
hat M. aus Stimmgabelbefunden nie eine Indication entnehmen
können.
Herr Richter stimmt Herrn Meier darin bei, dass die
acute Eiterung des Antrum sehr häufig von selbst heile, wenn der
Eiterabfluss durch das Trommelfell hindurch ungehindert sei: er
habe bei seinen Ausführungen natürlich die abhängigen Zellen des
Warzenfortsatzes gemeint. Seine Forderung nach wiederholten
Prüfungen des Gehörs gründe sich auf die Thatsaclie, dass der
Uebertritt der Erkrankung auf das Labyrinth sehr wohl durch
methodische Stimmgabelprüfuugen erkannt werden könne. Frei¬
lich genüge zu diesen nicht die noch vielfach als ausreichend er
achtete Anwendung einer tiefen und einer hohen Stimmgabel. Für
die eingehende Erörterung der Prüfungsmethoden fehle es hier au
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
'JO. März 1900.
405
MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Zeit. Als Hauptsache wolle er nur erwähnen, dass als Ausdruck
einer Erkrankung des nervösen Apparates die Herabsetzung der
normalen Perceptionsfähigkeit für die Tonreihe angenommen wird.
Herr Wolf ro in I bestreitet, dass die Aufmeisselung des
Processus mastoid. iu jedem Falle nothwendig sei, wenn sich ein
Abscess in den ersten Wochen einer acuten Mittelohreiterung
sim Processus zeige. Es genügt oft die einfache lncision bis auf
den Knochen, um definitive neilung zu erlangen. Ausser anderen
Fällen aus seiner Praxis führt W. sich selbst als Beispiel au. An¬
fang der siebziger Jahre erkrankte er an acuter Mittelohr¬
eiterung mit spontaner Perforation am 3. Tage. S.-Rath Dr.
Boeck, welcher zu Käthe gezogen wurde — nach der Perforation
— ineidirte einen ca. taubeneigrossen Abscess. welcher sich am
Proc. mast, gebildet hatte. Der Mittelohrkatarrh und die Eiterung
aut Proc. heilten in ca. 6 Wochen vollständig aus. Am Trommelfell
war 1875 (nach ca. 2 Jahren) überhaupt keine Narbe mehr sicht¬
bar. und W. hört mit dem erkrankt gewesenen Ohre die feinsten
Iitmgengeräusche. Eine Empfindlichkeit oder nachträgliche Ent¬
zündung ist nie wieder aufgetreten.
Herr M e i e r verwirft den Standpunkt, bei retroauriculären
periostalen Abscessen nur diese zu spalten und bei scheinbar nor¬
maler Corticalis die Operation abzubrechen und abzuwarten, gänz¬
lich. Er glaubt, dass gelegentlich auch bei diesem Verfahren
Eiterungen ausgeheilt sind, hält aber dasselbe für ein gesunden
chirurgischen Grundsätzen widersprechendes und würde auf Grund
der vielen Falle, wo er unter normaler Corticalis schwere Knochen-
Störungen, selbst mit intracranielleu Complicationen fand, niemals
sich der Verantwortung gewachsen fühlen, die der Operateur bei
einem solchen Stehenbleiben auf halbem Wege auf sich lade.
Unterelsässischer Aerzteverein.
(Eigener Bericht.)
Sitzung v o m 3. M ä r z 1900.
I. Demonstrationen.
Herr Naunyn: 1) Ein Fall von Tetanus. Ein iui December
181*9 erkrankter Pferdeknecht zeigte Anfangs nur Scliiefstand des
Kopfes nach rechts, 14 Tage später erschwertes Kauen und
Schlingen und das aus der Photographie ersichtliche für Tetauus
so kennzeichnende Gesicht. Kein Opisthotonus, aber bald
Starre der Musculatur beider Beine und Unvermögen zu gehen.
Puls verlangsamt. Tetanusserum ohne nachweisbaren Erfolg.
Doch schwand nach 3 Wochen erst der Trismus, dann die Starre
der Halsmusculatur rechts, zuletzt die der Beine. Gleich nach der
Seruniiiijeotion ein scarlatinaähnliclies Exanthem mit geringem
unregelmässigem Fieber, 8 Tage lang. ScarlatinaV Serum-
Exanthem? Auffallend war während der gauzeu Erkrankung
die massige Schwellung aller Lymphdrüsen, die mit der Heiluug
verschwand. Nachweis eines Traumas nicht möglich, Infections-
gefahr bei der Häufigkeit der Tetanuserreger im Pferdedünger
sehr gross.
2) Ein Fall progressiver Muskelatrophie, juvenile, myo-
pathische Form E r b’s. Der vorgestellte Pat, 37 Jahre alt, er¬
krankte mit 18 Jahren; die Schultermuseulatur: Trapezius, Rhoiu-
boideus, Serratus beiderseits atrophisch, seit G Jahren hochgradige
Pseudohypertrophie der Deltoidei. Arme fast bis zur Horizontalen
gehoben. Dystrophie der Gesichtsmusculatur nur rechts! (Flamme
wird nur rechts von der Mittellinie ausgeblasen.) Cyauose der
Vorderarme, Hände und Unterschenkel; Fiisse mit den mehrfach
beschriebenen rothen Flecken.
Herr Wolf f : lieber gewisse Formen von exfoliativer
Dermatitis.
1. Pityriasis rubra pilaris universal!» mit
Recidiv. Arsenik ohne Erfolg.
2. Psoriasis sehr acuter Natur mit allge¬
meiner Localisation, mit nässendem Ekzem in den
Achselhöhlen und Schenkelbeugen beim Eintritt.
3. Dermatitis herpetiformis Dühring, pem-
phigöse Erkrankung gutartigen Charakters, welche der Derma¬
titis exfoliativa sehr ähnlich ist.
Herr Eichel: Exercirknochen von ca. 8 : 4 \U : 1 cm aus
dem Deltoideus eines Rekruten mit raschem Wachsthum.
II. Vorträge.
Herr Bruns: Ueber Zimmerdesinfection mit Formalin.
Vortragender berichtet einleitend über die bisherigen Ver¬
fahren, Formaldehyd zwecks Zimmerdesinfection zu erzeugen
und bespricht dabei ausführlicher die Seherin g’sche Tri-
oxymethyleiipastillenmethode, die L i n g n e r’sche Glykoformal-
Rietliode und das F 1 ü g g e’sche, sog. Breslauer Verfahren. Hier
hat Professor Förster ein etwas modificirtes Verfahren ein¬
geführt, bei dem zur Erzeugung von Formaldehyd die gewöhn¬
liche Formalinlösung verdampft wird. Anfangs tritt in
dieser Lösung beim Erhitzen wohl Polymerisation ein, doch zer¬
fällt das gebildete Paraformaldehyd bei weiterem Erhitzen in
feuchtigkeitsgesättigtem Raum wieder zu Formaldehyd. B. hat
mit sämmtlichen Methoden eine brauchbare Zimmerdesinfection,
d. h. ein Absterben der für die Praxis in Betracht kommenden
pathogenen Keime erzielen können; doch muss man dabei auf
folgende Punkte besondere Rücksicht nehmen: 1. Genügende
Alnlichtung des Zimmers. 2. Herstellung einer maximalen Luft-
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feuchtigkeit. 3. Herstellung einer gleichmiissig kühlen Tem¬
peratur des ganzen Zimmers. 24 Stunden vorher soll die Heizung
ausser Betrieb gesetzt werden, ferner längere Zeit hindurch
Thüren und Fenster geöffnet bleiben.
Die Fähigkeit mancher Körper, Formalin an der Oberfläche
zu absorbiren, bedingt nur eine Oberflächenwirkung desselben.
Vortragendem erseheint es darum zweckmässig, wenn ausser der
Zimmerdesinfection durch Verdampfen der Formalinlösung auch
noch die Desinfection von Kleidungsstücken, Bettwäsche, Vor¬
hängen u. s. w. mit strömendem Wasserdampf herangezogen wird.
Ausserdem wird empfohlen, den Boden und alle sichtbar verun¬
reinigten Stellen noch besonders mit Carbollösung abzuwaschen,
um so mehr, als in der Umgebung der Formalinapparate stets eine
Erwärmung des Fussbodens statthat, welche hier die Conden-
sation von Wasserdampf und Formalin verhindert und in Folge
dessen eine Desinfectionswirkung nicht aufkommen lässt. Nach
den geschilderten Principien tritt demnächst in Strassburg eine
neue Desinfectionsvorschrift in Kraft.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Wien, 17. März 1900.
Ein neuer Unterstützungsverein für Aerzte. — Leber¬
neuralgie. — Spinale Schweisse und Schweissbahnen. — Eine
Haematommole.
In Wien ist ein neuer Unterstützung«verein der Aerzte ge¬
gründet worden, dessen Aufgabe sein wird, den Angehörigen ver¬
storbener Vereinsmitglieder unmittelbar nach deren Ableben
eine einmalige Unterstützung zuzuwenden. Jedes Mitglied
zahlt einen kleinen Betrag, sagen wir 2 Kronen, ein; stirbt ein
Mitglied, so erhalten dessen Angehörige die von allen Mit¬
gliedern eingezahlte Summe abzüglich des geringen Betrages für
die Verwaltung. Sofort müssen sämmtliche Mitglieder den
gleichen Betrag einzahlen. Je grösser die Zahl der Mitglieder,
desto höher ist naturgemäss die Summe, welche ausbezahlt werden
kann; das Verhältniss kann sich so günstig gestalten, dass man
nicht jedesmal eine Neueinzahlung wird verlangen müssen, viel¬
mehr nach jedem 2. oder 3. Todesfälle. Die Schwierigkeit be¬
steht, nach Ansicht der Fachmänner, in der Art und Weise, wie
die Eineassirung bewerkstelligt werden könne, ohne dem Vereine
grössere Spesen zu verursachen. Hoffentlich findet die rege Lei¬
tung, die ja ähnliche Vereine in anderen Erwerbskreisen vor sich
hat, einen praktischen Modus der Eineassirung, damit der neue
Verein recht bald seine Thätigkeit beginne. Er scheint ja noth-
wendig zu sein .da immer wieder praktische Aerzte Wiens sterben,
ohne dass die Hinterbliebenen auch nur die Begräbniskosten be¬
streiten können. Jedenfalls ist diese Neugründung auch ein
trauriges Signum temporis!
Im Wiener medicinischen Club berichtete jüngst Dr. Theo¬
dor Fuchs über einen Fall von Leberneuralgie. Die Kranke,
51 Jahre alt, ist stark abgemagert, weist jetzt bloss 37 kg Körper¬
gewicht auf. Sie leidet seit etwa 4 Jahren an anfallsweise auf-
tretenden, sodann sehr heftigen Schmerzen in der Magen- und
Lebergegend; der Schmerzanfall dauerte meist Stunden lang,
kam in verschieden langen Intervallen, selbst 1—2 mal wöchent¬
lich; öfters trat dabei Erbrechen auf. ^ Der unterhalb des Rippen¬
bogens tastbare Leberrand war hart und derb, ausserdem war etwa
3 cm oberhalb des Nabels, rechts von der Mittellinie, eine nach
rechts verlaufende, derbe Geschwulst zu palpiren, die beweglich
und ziemlich druckempfindlich war. Milchdiät, Carlsbader Cur,
Opiate etc., alles vergeblich. Wegen der starken Abmagerung
wird eine Probelaparotomie gemacht. Man sieht und fühlt den
harten, plumpen Leberrand, der einen ziemlich derben SchnÜT-
lappen zeigt, die Gallenblase vollkommen normal; sonst keine
Veränderung. Naht, aseptischer Wundverlauf. Kurzandauernde
Besserung, bald stellen sich die häufig von Erbrechen gefolgten
Schmerzanfälle wieder ein. Nach dem Ergebnisse der Operation
muss der Fall als eine Leberneuralgie bezeichnet werden. Die
Vergrösserung der Leber führte der Vortragende auf den Schnür-
lappen zurück, sowie auf den Umstand, dass im Verlaufe eines
jeden neuen Anfalles eine Leberhyperaemie eintrat, welche zur
Bindegewebswucherung führte.
Einen längeren Vortrag hielt Docent Dr. Herrn. Schle¬
singer „über spinale Schweisse und Schweissbahnen“. Redner
hat zu diesem Studium Krankheiten herangezpgen, welche auf
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
40ö
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
das Rückenmark beschränkt bleiben (traumatische Rückenmarks-
affcetioiien, Haematomyelie, Syringomyelie, Tumoren). Traten
bei diesen Erkrankungen im Verlaufe der Affection Schweiss-
störungen auf und waren dieselben auf Körperabschnitte be¬
schränkt, welche auch anderweitige Anomalien in Folge der
Rückenmarkserkrankung darboten, so nahm Sch. an, dass ein ge¬
wisses eausales Verhältnis« zwischen beiden bestünde, welches um
so wahrscheinlicher wurde, je häufiger sieh die gleichen Störungen
wiederholten. Die der Literatur entnommenen und die eigenen
Beobachtungen ergaben, dass bei spinalen Affectionen sich bis¬
weilen in grösseren Hautgebieten Anomalien der Sehweisssecre-
tion (Ilyperidrose oder Anidrose) eiifstellen, welche immer wieder
die gleiche Stelle der Körperoberfläche occupiren und welche Sch.
als spinale Sehweissterritorien bezeichnet. Solche sind, soweit
sich dies bisher überblicken lässt, eine Gesichtshälfte, eine obere
Extremität, eine obere Rumpfhälfte mit der zugehörigen Hälfte
des Nackens, Halses und der behaarten Kopfhaut und je eine
untere Extremität. Die Grenzen dieser Schweissterritorien sind
oft nicht sehr scharf, sie entsprechen aber doch im Grossen und
Ganzen den Linien, mit welchen sich die von den einzelnen
Rückenmarkssegmenten versorgten Sensibilitätsterritorien be¬
grenzen ; jedoch sind die spinalen Schweissterritorien viel grösser,
als die von einem Rückenmarkssegmente versorgten Hautflächen,
entsprechen vielmehr allem Anscheine nach mehreren zusammen¬
genommen. Die Beziehung zur Vertheilung der sensiblen Fasern
ist also eine nähere, als die Beziehung zur Vertheilung der moto¬
rischen Fasern. Die spinalen Schweissterritorien entsprechen
wahrscheinlich der segmentalen Anordnung der Schweissfasern
im Rückenmarke, entsprechen also allem Anscheine nach
mehreren Schweissnervencentren der Medulla spinalis. Wahr¬
scheinlich liegen 3 dieser Qentren, namentlich die für die obere
Körperhälfte nahe beieinander, denn oft erkranken diese
3 Schweissterritorien gleichzeitig. Es ist möglich, dass sich
später eine weitere Gliederung segmentaler Natur für die
Schweissnervencentren wird durchführen lassen, da manche kli¬
nische Anzeichen darauf hinweisen, dass nur Theile der früher
erwähnten Territorien Schweissanomalien aufweisen, resp. von
denselben verschont bleiben können.
Die Schweissfasern finden sich nach allen klinischen Er¬
fahrungen auf jeder Seite des Rückenmarkes, vom oberen Hals¬
marke an bis zum unteren Lumbalmarke, es besitzt also fast jeder
Theil des Rückenmarkes Schweissfasern. Bezüglich ihres weiteren
interspinalen Verlaufes ist wohl Folgendes anzunehmen: Die
Schweissfasern ziehen mit den motorischen Fasern bis zur grauen
Substanz des Rückenmarkes, schliessen sich aber in ihrem peri¬
pheren Verlaufe nicht weit an die motorischen Nerven an, son¬
dern versorgen annähernd die gleichen Territorien wie die sen¬
siblen Fasern. Es verhalten sich die Sch Weissanomalien ver¬
schieden, je nachdem die weisse oder die graue Substanz des
Rückenmarkes betroffen ist; ist die weisse Substanz lädirt, so
tritt Schwitzen der ganzen gleichnamigen Körperhälfte, bis zu den
Zehen nach abwärts auf (ähnlich der Schädigung der langen sen¬
siblen Bahnen), ist die graue Substanz betroffen, so treten nur
partielle Schweisse und zwar in den spinalen Schweissterritorien
auf — analog den Sensibilitätsdefecten segmentaler Natur bei
Erkrankungen der grauen Substanz.
In der Gesellschaft der Aerzte demonstrirte Docent Dr. K.~A.
Herzfeld ein Präparat von Haematommole. Die 22jährige
Frau fühlte sich vor ca. IM» Jahren gravid. Mit einem Male,
nach ca. 2 Monaten, schwanden die Zeichen der Schwangerschaft,
es stellten sich aber die Menses nicht wieder ein. Selten ein ge¬
ringer Blutabgang, welcher auf Erosionen der Portio vag. uteri
bezogen wurde. Als H. die Frau untersuchte, fand er den Uterus
vergrössort, sonst keine Anzeichen einer bestehenden Schwanger¬
schaft. Die exacten Angaben der Frau Hessen die Vermuthung
auf Molenschwangerschaft aufkommen, wesshalb II. eine Bougie
einführte, wodurch thatsächlich das Ei in toto ausgestossen
wurde. In demselben fand sich der 11 mm lange Embryo. An
der Innenfläche der Eihäute waren zahlreiche, mit Blutcoagulis
gefüllte Protuberanzen, Fruchtwasser fehlte. Diesen Befund hat
Prof. B r e u s als eine typische Erkrankung beschrieben und ihr
den Namen Haematommole oder subchoriales tuberöses Haema-
tom der Decidua gegeben. In neuerer Zeit hat jedoch Jul. Neumann
diese Bildungen als eine Fleischmole angesehen und ihre Ent¬
stehung durch primäre Blutungen erklärt. Diesem Autor scheinen
aber andere Fälle Vorgelegen zu sein, denn H e r z f e 1 d muss
Digitized by Gouole
sich nach dem heute vorliegenden Präparate für die Richtigkeit
der Anschauungen von Breus ausspreehen.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 14. März 1900.
Herr Ewald : Ueber Heilbehandlung.
Von all’ den Mitteln, welche in den letzten Jahren zur Be-
Handlung der Lungenphthise empfohlen wurden, hat sich auf die
Dauer keines einer allgemeinen Anerkennung erfreuen können.
In den letzten Jahren wurde von Länderer die Zimmtsäure
und das zimmtsäure Natron („Hetol“) empfohlen und seine Be¬
obachtungen von mehreren Autoren bestätigt; aus der E r b’schen
Klinik (Fritz Fraenkel) kam in den letzten Wochen eine
über 10 Fälle berichtende Arbeit, i:. der die Erfolge Länderers
nicht bestätigt werden konnten.
Vortragender hat schon auf die erste Empfehlung des Peru¬
balsams durch Länderer hin, vor 10 Jahren, Versuche mit
diesem Mittel angestellt, sie aber wegen eines plötzlichen Todes¬
falles, denn er als Fettembolie auffassen zu müssen glaubte (was
die Section übrigens nicht bestätigen konnte) wieder abgebrochen.
Seit einem Jahre nun behandelt er mit dem von Länderer
eingeführten Hetol; und zwar 25 Fälle von Lungentuberculnse.
worunter nur 1 Fall von reiner Kehlkopftuberculose. Alle diese
waren bei beginnender Behandlung in einem Stadium, das den
von Länderer auf gestellten Forderungen entspricht. 11 waren
ganz fieberfrei, 10 hatten längere fieberfreie Perioden, nur 4
fieberten dauernd. Grössere Cavernen waren in keinem Falle
nachweisbar, dagegen immer Tuberkelbacillen, bis auf einen, aber
trotzdem ganz sicheren Fall. Die Behandlungsdauer schwankte
zwischen 18 u. 300 Tagen. Die Injection nach Landerer’s Angabe
intravenös, langsam steigend, in maximo 15 mg. Die Technik
ist einfach; Schädigungen sind niemals beobachtet worden.
Die experimentellen und theoretischen Mittheilungen
I. a n d e r e Es seien von Fr. Fraenkel schon beleuchtet;
er wolle sieh auf den klinischen Theil beschränken.
Eine besondere Einwirkung auf dass Allgemeinbefinden
war einmal, wie schon Länderer selbst anführt, eine eigen¬
tümliche Neigung der mit Hetol Behandelten zu Haemo-
p t y s e n , freilich meist allerleichtester ArL Zweitens eine
merkwürdige Schlafsucht, so dass manche Pat. aufge¬
rüttelt werden mussten; wie weit hier das suggestive Moment
eine Rolle spiele, müsse dahingestellt bleiben.
Die Färbbarkeit oder Häufigkeit der Bacillen im Sputum
wurde nicht beeinflusst.
Ein Einfluss auf die Temperatur war ebenfalls nicht
zu constatiren, auch nicht auf die Naclitschweisse. Ein
Pat. führte seinen Tremor auf die Injectionen zurück.
Die eigentlichen Heilerfolge sind nun: ein entschiedener
Erfolg in 3—4 Fällen, Besserung, wie man sie auch sonst sieht,
in 5 Fällen, keine Besserung in 6 Fällen, unaufhaltsames Fort¬
schreiten des Processes in 10 Fällen.
Ein Fall nimmt eine Sonderstellung ein, insofern er nach
360 Tagen unter den klinischen Symptomen der Lungen-
tviborculose, mit Bacillen im Sputum bis zum Ende, starb und
die Section (Obd. Dr. Oesterreich) zwar eine Anzahl
von Cavernen mit fibrösen Wandungen und starker Verfettung
des rechten Ventrikels, aber nirgends frische Eruptionen oder
Ulcerationen, also eine anatomisch geheilte Lungen-
tuberculose ergab, die zum Tode führte!
Der Unterschied zwischen seinen bescheidenen Erfolgen und
den guten Landerer’s sei schwer zu erklären. Sein Material sei
jedenfalls für die Behandlung sehr günstig, da sich diese Leute
im Krankenhaus durchweg unter besseren hygienischen Verhält¬
nissen befinden, als zu Hause.
Vortr. schliesst damit: Die Erfolge der Heilbehandlung
haben nicht den Erwartungen entsprochen, welche man nach den
Empfehlungen Ländere Es und anderer Autoren erwarten
konnte. Immerhin sind diese Injectionen so frei von üblen Zu¬
fällen, dass sie einer weiteren Prüfung wohl werth sind. Er
seinerseits werde sie jedenfalls fortsetzen.
Zur Frage, wie die Erfolge Ländere Es zu erklären, be¬
merkt Vortr. noch, dass liier einerseits wohl die günstigen klima¬
tischen Verhältnisse in Betracht gezogen werden müssen, anderer¬
seits, wie F raenkel hervorgehoben habe, zu bedenken sei. dass
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
*20. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
sich diese Erfolge nicht wesentlich von denjenigen unterscheiden,
die anderwärts auch ohne Hetol erzielt werden.
Dicussion: Herr Länderer a. G.: Es sei immer
zweckmässig, au eine neue Methode nicht mit zu grossen Erwar¬
tungen heranzugehen. Zunächst geben Alle, die sieh mit der Hetol-
behandlung beschäftigt haben — und diese mehren sich ln der
letzten Zeit — ohne Weiteres zu, dass in vorgeschrittenen Ballen
mit lletol nichts zu erreichen ist. Eine genaue Statistik ist wohl
nicht möglich, da ja zu vielerlei Factoren mitspielen; vorläufig
müsste man wenigstens davon absehen. Doch gestatte ein Be¬
obachtungsmaterial von 7-800 Fällen, wie sein eigenes, schou
einige Schlüsse zu ziehen.
Die Neigung zu Haemoptyse habe er selbst von Anfang
an hervorgehoben; ob sie aber grösser sei, als bei nicht mit Hetol
behandelten, sei schwer zu entscheiden. Die Schlafsucht
habe er nicht beobachtet, vielleicht habe Ewald die Dosen etwas
hoch genommen. Zur Temperatursteigerung bemerkt er, dass er doch
glaube, dass Hetol in vorgeschrittenen Fällen Temperatur¬
erhöhung bewirken könne, was vielleicht auf zu hohe Dosen
zurückzuführen sei. , .
Dass seine Erfolge wesentlich auf die Sanatoriumsbehandlung
zurückzuführen seien, glaube er schon desswegen zurückweisen zu
können, da er 36 Fälle rein poliklinisch behandelt habe,
von welchen 11 gebessert wurden. Auch andere Autoren hatten
poliklinisch solche Resultate erzielt. Gewiss sei es gerade bei der
Tuberculose schwierig, zu entscheiden, ob ein Erfolg der Hetol-
behandlung zuzuschreiben sei oder auch so gekommen wäre. Doch
sprächen einzelne Beobachtungen da doch deutlich für
erstere Auffassung, so z. B.. eiu Herr leidet an doppelseitiger
Nebenhodentuberculose und Tuberculose des Samenstranges, die
vorher schon vielfach vergeblich behandelt wurde und unter Hetol
in einem halben Jahre abheilt. _ . . T , _
Aehnlich wenn bei Patienten, die Jahr für Jahr nach Davos
gehen, trotzdem aber sich langsam verschlechtern, nun unter
Hetol ein Stillstand eintritt — dann muss man doch an die Wirkung
des Medicaments glauben. Aehnliches sah er bei alten tuberculosen
Fisteln. ® r
Er spreche in eigener Sache und nehme es desshalb Keinem
Übel wenn er hinter seine Ausführungen ein Fragezeichen setzen
wolle Aber es seien doch eine solche Anzahl von Bestätigungen
erfolgt, dass man der Methode eine gewisse Berechtigung nicht
absprechen^ g . Im Aufträge seines Chefs, des Herrn Ren-
v e r s. berichtet er über die im letzten Jahre in Moabit mit Hetol
gemachten Erfahrungen. Es wurden 52 Fälle behandelt, davon
schied er 7, als nach Länderer ungeeignet, aus. \on den ver¬
bleibenden 45 sind 12 erheblich gebessert, 9 gering gebessert, 9 un¬
verändert, 15 verschlechtert und zwar davon 9 gestorben.
Das Resultat: Die Heilbehandlung nach Länderer ist
unschädlich; dieselbe Vene kann 50—60 mal hintereinander benutzt
vs von re i n er Tuberculose hat sich ein Ein¬
fluss nicht erkennen lassen; der Verlauf ist derselbe, wie er
auch sonst unter günstigen Verhältnissen beobachtet wird; bei
Rückkehr in die alten Verhältnisse tritt auch wieder Verschlech¬
terung^ eim _ gchinf ection tritt nach 4—6 monatlicher Be
bandlung ein Einfluss auf die Secretion ein; sie wird spär-
licher jedoch ohne eine wesentliche Aenderung des Bacillen¬
gehaltes. Der Verlauf schien verlangsamt. Ein Einfluss auf tuber¬
kulöse Geschwüre konnte in keinem Falle constatirt werden.
Herabsetzung der Temperatur war nicht zu bemerken,
wohl aber gelegentlich leichte Erhöhung.
Von Schlafsucht, wie sie Ewald anfuhrte, konnten sie
nichts^ tbolo ^ SC k_ ana t om is C her Hinsicht konnte makroskopisch
kein Einfluss bemerkt werden, mikroskopisch sind die Unter¬
suchungen noch nicht abgeschlossen.
So viel steht fest, dass im Hetol ein speciflsches Heilmittel
nicM^gegeben Ist.^ ^ ^ ^ n . Vor 9 Jahre ,i wurde ein ihm nahe
stehender Patient mit anscheinend schwerer Tuberculose von
Länderer behandelt und überraschend gebessert, was bis zum
heutigen Tage anhält. Dies war für ihn die Veranlassung, den Ein¬
fluss der Zimmtsäure auf den tuberculosen Process vom ana
tomischen Standpunkt zu studiren. Herr Länderer habe ihm
auch seine Thierversuche zugänglich gemacht.
Man sieht an mikroskopischen Präparaten von Kaninchen
eine fibröse Umwandlung des Tuberkels, wie man dies niemals
bei spontan ablaufender Kaninchentuberculose zu sehen bekommen.
Er bestätige durchaus die Angaben Ländere Fs und demon-
strirt einige mikroskopische Präparate.
Herr Frank: Seit ein und eiuhalb Jahren wendet er die
bei Länderer kennen gelernte Hetobehandlung an. Er könne
nur sagen, dass es vom Standpunkte des Praktikers nur freudig zu
begrüssen sei, im Hetol ein Mittel zu haben, mit welchem man über¬
haupt etwas gegen die Tuberculose ausricliten könne; denn es sei
nicht möglich, jeden Patienten in ein Sanatorium oder nach dem
Süden zu schicken. Es genüge, dass keine schädliche Wirkung
constetirt . In der p 0 iiuiinik der Universität wurden
20 Fälle mit Hetol behandelt. Eine schädliche Wirkung wurde
nicht constatirt. Er habe nicht intravenös, sondern intramusculär
(Glutäen) injicirt, was schmerzlos sei. Neigung zu Blutung wurde
nicht bemerkt Die Versuche würden fortgesetzt.
Digitized b"
■V Google
Demonstr ation:
Herr A1 b u: eine Patientin, die nach Operation eine seit
10 Jahren bestehende Lebergallenfistel zurückbehielt.
Hans K o h n.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Soci6t6 mädicale des höpitaux.
Sitzung vom 26. Januar und 2. Februar 1900.
Häufigkeit der Tuberculose bei den Eingewanderten in Paris.
Die Statistik von Barbier umfasst 431 Tuberculose, 292
Männer und 139 Frauen. Davon waren blos 131 — 30,4 Proc. in
Paris geboren, die übrigen eingewandert. Ungefähr 40 Proc. der
Letzteren ziehen sich die Krankheit in den ersten 10 Jahren zu
und fast alle sind erblich nicht belastet, sie werden also durch An¬
steckung tuberculös. Der Alkoholismus ist sehr verbreitet unter
ihnen. Gewisse Gegenden (Departements) Frankreichs, wie die
Bretagne, Normandie und die centralen Theile liefern einen relativ
hohen Procentsatz.
Typhus ohne Fieber und mit Serumreaction.
E t i e n n e - Nancy berichtet über einen Fall von Typhus mitt¬
lerer Schwere, wo sämmtliclie Erscheinungen ausser Fieber und
Roseola vorhanden waren: die Serumreaction war sehr deutlich,
die Agglutinationskraft sogar eine sehr hohe.
Wldal erlebte zwar nie einen wirklich fieberlosen Typhus¬
fall, aber gegen Ende der Krankheit oft eine Art Dissociation der
Erscheinungen, so dass die Allgemeinsymptome bestehen blieben
und das Fieber nach regelmässigem Abfall völlig schwand oder
auch umgekehrt letzteres bestehen blieb und der Patient sich sonst
eines guten Befindens erfreute. W. hält es wohl für möglich,
dass bei besonders disponirten Personen (Idiosynkrasie) die Dis¬
sociation bis zum Aeussersten geht und von Beginn der Krankheit
an das Fieber fehlt.
In der weiteren Discussion machen Siredey, Glenard,
Chauffard auf die Möglichkeit von Irrthtimern bei der Tem¬
peraturmessung aufmerksam; dieselben können auf Nachlässigkeit
des Wartepersonals zurückzuführen sein, ferner müsse die Mes¬
sung alle 3 Stunden und zwar rectal vorgenommen werden, um so
wichtige Fragen zu entscheiden.
Die Organsafttherapie mittels des vom Hunde entnommenen
Magensaftes.
Le Gendre fügt den von L a n n o i s und Barth mit-
getheilten Fällen 6 weitere hinzu, wo Patienten mit allen möglichen
Magenaffectionen primärer oder secundärer Natur (mit Hypo- oder
Apepsie) rasch durch das G a s t e r i n geheilt wurden, während alle
anderen Mittel vorher versagt hatten. Noch 3 weitere Fälle von
anderen Aerzten anführend, so dass nun mit jenen von F r 6 m o n t
13 positive Resultate vorliegen, spricht Le Gendre die Ueber-
zeugung aus, dass der nach Frßmon t’s Methode gewonnene
Magensaft in allen Fällen von Magenaffectionen, mit Ausnahme
der carcinomatösen, zu versuchen ist. Er wird fast immer Besse¬
rung, oft sogar Heilung bringen in Fällen, gegen welche wir bis
jetzt kein wirksames Mittel gekannt haben.
Linossier glaubt, dass diese guten Resultate nur der
Wirkung von Salzsäure und Pepsin zuzuschreiben sind, die eben
in dem Magensaft des Hundes in weit grösserer Menge enthalten
sind, wie in den gewöhnlich den Dyspeptikern verordneten Medica-
menten. Mangels dieses Hundemagensaftes, der ein sehr theures
Mittel sei, könnte man eine sehr wirksame Salzsäurepepsinmedi-
cation mit den Salzsäureeiweisslösungen in hoher Dosis, wie sie L.
vorgeschrieben habe, einleiten; immerhin besitze jedoch ein natür¬
licher Magensaft eine gewisse Superiorität über die pharma-
ceutischen Producte.
Verschiedenes.
Entscheidungen des R e I ch sve r s i ch e r u n g s a m t e s:
1. Verlust des Restes der Sehkraft auf einem von früher her
schadhaften Auge Ist mit einer niedrigeren Rente (20 Proc.) zu
entschädigen, als wenn das verletzte Auge vorher normal war.
R.-E. vom 23. VI. 1898. Pr.-L.-No. 3401/98.
2. Für den Verlust eines Auges und Herabsetzung der Seh¬
schärfe des anderen auf “/, bei gesteigerter Empfindlichkeit des
letzteren gegen äussere Reize sind 50 Proc. der Vollrente ange¬
messen. R.-E. vom 31. V. 1899.
Entfernung von Blutflecken. Blutflecken können,
wenn das Eiweiss noch nicht durch Anwendung von heissem
'Wasser u. s. w. ausgefällt ist, nach J. T. Ru gh sehr leicht durch
unverdünntes Wasserstoffsuperoxyd entfernt werden. Bei älteren
Flecken ist wiederholte Anwendung und Reiben nöthig. Die Ge¬
webe erleiden durch das Mittel keinerlei Veränderung. (Phila¬
delphia med. Journ., 12. August 1899.) F. L.
Therapeutische Notizen.
Jodopyrln Ist ein Antipyrin, in welchem der eine noch sub
stituirbare Wasserstoff im Pyrazolonkern durch Jod ersetzt ist
Es ist völlig geruch- und geschmacklos, in Wasser und kaltem Alko¬
hol schwer löslich. Zahlreiche Versuche haben eine antifebrile,
autiseptische und schmerzstillende Wirkung des Präparates er¬
geben.
Original frorri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
408 MÜNCHEXEI? MKDTCIXISCHE
Spcciell hat es sich als sicheres, angenehmes und relativ un¬
gefährliches F i e b e r in i 11 e 1. ferner als antirheuumtisches
Mittel bei Muskelrheuniatismus, acutem und chronischem
Gelenkrheumatismus, als schmerzstillendes Mittel bei
Gicht, als Speeiüeum gegen In f 1 u e n z n bewährt. Seine anti¬
neuralgische Wirkung kam zur Geltung bei Ischias, Intercostal-
neuralgien, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, lancinirenden Schmer
zen bei Tabe s. Bei M e n s t r u a t i o n s k o 1 i k e n hörten die
Schmerzen bei der Anwendung von 0.5—1,0 als Suppositorium, 2 bis
3 stündlich, prompt auf. Auch die Dolores osteocopi
Syphilitischer wurden beseitigt. Hier, wie bei Asthma bronchiale,
ist die günstige Wirkung auf das Jod zurüekzuführen.
Die Verabreichung geschieht zweckmässig trocken in Pulver¬
form mit Nacht linken von Wasser oder Milch. Die Einzelgabe ist
bei Erwachsenen 1,0 3—4 stündlich, bei Kimlern von 1—10 Jahren
o.l--0.5. bei älteren Kindern %— :; j g 3 mal täglich. Ungünstige
Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
i J u n k e r s : Ueber die therapeutische Verwendung des Jodo-
pvrins IJodantipvrin]. Therap. Monatsh. 1800. November.*
1t. S.
Unter dem Namen Nectria nin stellten Bra und Mon-
g o li r , die eifrigen Verfechter der parasitären Theorie des Carci
lioms, aus Nectria ditissima, dem Krebsparasiten der Yegetabilien.
ein flüssiges Präparat her, welches speciflsche Wirkung g e g e n
C a r c i n o m haben soll. Bei Thieren und Menschen, welche
Träger careinotnatösor Neubildungen sind, tritt bei subcutaner In¬
ject ion von 5 ccm des Mittels ausgesprochene Allgeineinroaction
(Temperaturerhöhung um 1 — 2 Grad. Pulsbesrhleunigung. Herz¬
klopfen, Kopfschmerzen u. s. w.) ein, während bei gesunden Thieren
keinerlei Keaction sich einstellt. Bra und Mo ligour wandten
nun das Nectrianin in 14 Fällen von inoperablem Gebärmutter-.
1 von ditto Magenkrebs und 1 Fall von Gesichtsepitheliom au.
Die unmittelbaren Folgen waren stets Verminderung oder völliger
Nachlass der Haomorrhagien und des eiterigen Ausflusses, manch¬
mal Neigung der Neubildung zur T'eberhäutung und zeitweise
völliger Stillstand im Wachsthum. Die Besserung hält nur an. so
lauge die Injectionen gemacht worden und ist das Aufhören der¬
selben stets von neu auftretenden Schmerzen, blutigem Ausfluss
u. s. w. gefolgt. Diese so günstigen 1 o c a 1 e u Erfolge haben je¬
doch bei keinem Kranken eine Besserung des Allgemeinzustandes
herbeigoführt. vielmehr magerten Diejenigen, welcher in voller
Kachexie waren, weiter ab und es trat schliesslich der Tod in
Folge der allgemeinen Intoxication ein: bei anderen, welche noch
nicht so heruntergekommen waren, hielt sich der Allgemeiuzustand
wie am Beginn der Behandlung. Das Nectrianin ist daher als eiu
rein locales, mehr symptomatisches Mittel anzusclien, welches
wegen seiner hervorragend schmerzstillenden Eigenschaften vor
Allem den Morphiumgobrauoh bei Carcinom einzuscliränkeri be¬
rufen scheint. (Revue mtklicale No. 295. 28. Februar 1900 . i St.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 20. März 1900.
— Durch eine Ende des vor. Jahres ergangene Allerhöchste
Verordnung ist der Vollzug des Impfgesetzes neu ge¬
regelt worden. Die Bestimmungen dieser Verordnung — wir
bringen sie an anderer Stelle dieser Nummer zum Abdruck —
die auf Beschlüssen des Bundcsrathes beruhen und im ganzen
Reiche im Wesentlichen gleichlautend zur Einführung gelangen,
bezwecken eine schärfere Controle des Impfgeschäftes behufs
besserer Sicherung des Erfolgt s der Impfung und möglichster Ver¬
hütung von Impfschädiguugeii. Dass eine solelie Controle nicht
überflüssig ist. wird zugegeben werden müssen, wenn man sieh
erinnert, dass gewiss«* impfgegnerische Aerzte sich öffentlich ihrer
zahlreichen Fehlimpflingen gerühmt haben und dass jeder Fall
von Impfscbädigung als Argument gegen die Impfung ausgebeutet
wird. Dagegen bringt die Controle für die Aerzte. die bisher ihre
Impfungen vollkommen frei auszuüben gewohnt waren, manche
Unbequemlichkeiten mit sieh und namentlich ältere Aerzte, die
seit vielen Jahren erfolgreich geimpft haben, scheinen es, wie wir
aus uns zu gegangenen Zuschriften ersehen, nicht glauben zu wollen,
dass sie nun plötzlich noch -- nach $ 3 Abs. 2 der Verordnung — den
Nachweis erbringen sollen. ..dass sie mindestens zwei öffentlichen
Impflings- und ebenso vielen Wiedcnmpfungsterminen beigewohnt
und sich die erforderlichen Kenntnisse über Gewinnung und Er¬
haltung der Lymphe erworben haben“. Es sind aber, wie wir in
Beantwortung mehrerer Fragen hiermit feststellen, nach der Fas¬
sung der ungezogenen Bestimmung auch jene Aerzte. welche bisher
schon das Impfgcschäft ausgeübt haben, von der Erbringung des
geforderten Nachweises nicht entbunden. Es wird jedoch die Be¬
schaffung dieses Nachweises keinen besonderen Schwierigkeiten
begegnen; die Bei wohnung bei mindestens zwei öffentlichen
und ebenso vielen Wiederimpfungsterminen kann nöthigenfalls
nachgeholt werden, und bezüglich des Ausweises der erforder¬
lichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der Lymphe
werden die Behörden sich mit einem amtsärztlichen Zeugnisse
begnügen und von einem solchen des kgl. Centralimpfarztes ab-
sehen können.
Es ist kein Zweifel, dass die Aerzte im Interesse der einwand
freien Durchführung der Impfung sich in diese ungewohnten aber
immerhin geringfügigen Beschränkungen gerne fügen werden.
— In Berlin hat sich unter der Zustimmung der Mehrzahl der
Docenten der Zahnhellkunde an den preussischen Universi
WOCHENSCHRIFT. Xo -
täten ein Comit6 von Zahnärzten gebildet, dessen Zweck Ist, di»*
gegenwärtigen Promotionsverhiiltnis.se d e r Z a h n -
iirzte in günstigere Bahnen zu lenken. Das Connte, au dessen
Spitze die Herren Dr. Katz. Mamlock und Misch stehen,
beabsichtigt, zunächst an die medicinisclien Facultäten und die in
Betracht kommenden Ministerien eine Eingabe zu richten, worin
gebeten werden soll, einen dem Studiengang und der Berufsthätig-
keit der Zahnärzte entsprechenden eigenen Doctorgrad zu schaffen.
— Für die Abtheilung für innere Medicin der 72. Natur-
fcrscherversammlung in Aachen werden die Herren Prof. Wcsc-
n e r lind San.-Rath II o m m e 1 s li e i m als Einführende fungiren.
Bei denselben sind Vorträge und Demonstrationen, die für die ge¬
nannte Abtheilung bestimmt sind, bis spätestens Ende April anzn-
nieldeii.
— Das Comite des 1. internationalen Congresses für
ä r z 11 i e he S t a n d e s a n g e 1 e g e n heit e li und Deonto-
1 o g i e. der vom 23. bis 28. Juli in Paris stattftnden soll, gibt l>e-
kannt. dass die französischen Eisenbahneu eine Preisermiissigung
von 50 Proc. für die Congressmitglieder eintreten lassen. Di«* zu
der Erlangung der Ermässigung liüthigen Nachweise werden gleirh
zeitig mit der Mitgliedkarte abgegeben. Die Gebühr für letzter»*
lx-trägt 15 Fr. und ist vor dem 20. Juni an den Schatzmeister des
Uongresses. M. Pierre Massen. 120, Boulevard Saint-Gerinain.
Paris, einzusenden. Die Giltigkeitsdauer für die zu ermässigren»
Pieise gelieferten Fahrkarten Ist vom 20. Juli bis 20. August.
— P e s t. Portugal. In das Krankenhaus von S. Antonio
zu Porto wurde am 12. Februar ein Kranker uufgeuommeii. dessen
Leiden sich nachträglich als Pest erwiesen hat. Nach Erklärung
der dortigen Behörden handelt es sich um einen deutlich gekenn¬
zeichneten Einzelfall, von dem für den allgemeinen Gesundheits¬
zustand keinerlei Gefahr entstehen könne, «la die Absperrung mit
allen Vorsichtsmatissivgeln erfolgt ist und das Haus, in welchem
der Kranke wohute, gründlich desinficirl worden ist. — Kapluud.
Im Hafen von Kapstadt sind am 7. März 3 Pestfälle auf einem aus
Rosario eingctroffeneii Schiffe amtlich festgestellt. — Argentinien.
Nach einer Mittheiluug des Gesundheitsamtes zu Buenos Air.**
waren in Rosario bis zum 8. Februar 27 Personen an der B«*ul«*n-
pest erkrankt, yud zwar alle in einem bestimmten Tb»*ile der
Stadt, welcher allein als Pest heul gilt. Von d«*u Erkrankten
starben 18: die Obductionen der Leichen haben es ausser Zweifel
gelassen, dass Beulenpest die Todesursache gewesen ist. Am
3. Februar befanden sich noch 9 Kranke im Isolirhospital. seither
waren neue Erkrankungen an der Seuche bis zum S. Februar nicht
vorgekommen. — Brasilien. Die Stadt Sao Paulo ist am 12. Fel>r..
nachdem seit 20 Tagen kein Pestfall mehr vorgekommen ist. fih¬
rem erklärt, die sanitären Sieherheitsmaassregeln sind in Folge
dessen wieder aufgehoben. — Paraguay. Vom 17. bis 22. Januar
sind in Asuncion nach Angabe des dortigen Nationalgesundheits¬
raths weder Erkrankungen noch Todesfälle an der Pest beobacht«*?,
am 23. Januar aber wurden 2 neue Pesterkrankimgen festgestellt.
— Neu-Ualedonien. Vom 9. bis 21. Februar sind in Numea 13 Er¬
krankungen und 7 Todesfälle an der Pest gemeldet. (V. d. K. G.-A.i
— In der 9. Jahreswoche, vom 25. Februar bis 3. März P.mü.
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste
Sterblichkeit Freiburg i. B. mit 51.0. die geringste Schöneberg mit
11,0 pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehnttd aller
Gestorbenen starb an Masern in München; an Scharlach in Alteu¬
dorf: an Diphtherie und Croup in Brandenburg.
— Von der russisch-holländischen Sanitäts-
a htlieilung. welche in Laurenzo-Marquez schon vor einiger
Zeit angekommen war. fehlen seit dieser Zeit jegliche Nachrichten,
da ihre Telegramme bisher einfach zurückgehalten worden sind.
Wie die ..Diina-Ztg.“ von eompetenter Seite erfahren hat. ist di**
russisch-holländische Ambulanz von den portugiesischen Behörden
in Lourenzo-Marquez widerrechtlich zurückgehalten worden. s<*
dass die russische und die holländische Regierung gebeten werdtm
mussten. di<* nöthigon Schritte zu thun, damit die Ambulanz di»*
Weiterreise nach Prätoria antreten kann. Petersb. med. W.
— Von der Kunst- und Verlagsanstalt Th. K ö n i g in Müncli«*n
erhalten wir zur Anzeige an dieser Stelle eine grosse Pliotogravüiv
des bekannten Bildes von Gabriel Max: ..Christus als
A rzt". Das Bild stellt die Wiedererweckung des Töchterlein d«\<
Jairus dar uml zeigt den Erlöser am Bettrande des auf dem Lager
leblos ruhenden Kindes sitzend, den Blick voll tiefsten Mitgefühls
auf die rührende Gestalt geheftet. Das Gemälde ist eines der
Meisterwerke des Künstlers und hat wesentlich zur Begründung
seines Weltrufes beigetragen. Auch die Reproductiou ist vortreff¬
lich gelungen: die Bildgrösse ist 09:47 cm. die Papiergröss.
100 : 72 cm. Der Preis des Blattes beträgt 30 M. Näheres findet
sich in einem der heutigen Nummer beiliegenden Prospect. dessen
Ausführungen wir darin vollkommen beistimmen, dass das Bild
einen passenden und vornehmen Wandschmuck für j«*de ärztlich«'
Wohnung bilden wird.
(Hoehsehuluachrlchten.)
Giessen. Dr. Friedrich Best aus Wermelskirchen in der
Rheinprovinz hat sich als Privatdocent für Augenheilkunde
habilitirt.
Greifswald. Prof. S t r ü b i li g wurde zum ordentlich« -»
Professor und zum Director der modiciuischon Poliklinik ernannt.
H a 11 e a. S. Am 10. März liabilitirte sich Herr Dr. K. F r a n z.
ein Würzburger, mit der Schrift: ..Bncterhdogisehe und klinisch«*
Untersuchungen über leichte Fiebersteigerungen im Wochenbett-
für Geburtshilfe und Gynäkologie.
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2 *. März 19UÜ.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
409
Heidelberg. Der a. o. Professor der Pharmakologie
Z. Oppenheimer erhielt den Titel eines Hofrathes.
Marburg. Herr Geheimrath Prof. Dr. K ti s t e r ist an
einer Cholecystitis erkrankt und musste sich einer Operation unter¬
ziehen.
Athen. Dr. Protopoulos wurde zum Professor der
Dermatologie und Syphiligraphie ernannt.
Catania. Habilitirt: Dr. O. M o d i c a , bisher Privat-
docent an der med. Facultät zu Bologna, für gerichtliche Medicin.
Cork. Der Professor der Materia medica Dr. C. Yelverton
P e a r s o n wurde an Stelle des verstorbenen Prof. O’Sullivan
zum Professor der Chirurgie am Queens College ernannt.
Genf. Der a. o. Professor Dr. H. Oltramare wurde zum
ordentlichen Professor der Klinik und Poliklinik für Haut- und
Geschlechtskrankheiten ernannt.
Innsbruck. Privatdoeent Dr. H. M a 1 f a 11 i wurde zum
ausserordentlichen Professor der gerichtlichen Chemie ernannt.
Kopenhagen. Der Professor der Pharmakologie Dr.
H. C. J. Gram wurde zum Professor der Medicin ernannt.
Zürich. Als Nachfolger des nach Marburg berufenen Prof.
P. I b b e r t wurde einstimmig Prof. Dr. Paul Ernst, z. Z erster
Assistent des pathologischen Instituts in Heidelberg, ein geborener
Züricher, vorgeschlagen. Derselbe hat den Ruf bereits erhalten
und angenommen.
(Todesfälle.)
Mit schmerzlichem Bedauern verzeichnen wir heute das Hiu-
seheiden eines Mannes, den der ärztliche Stand, und die bayerischen
Aerzte besonders, mit Stolz den Ihrigen genannt hatten, des Kreis-
medicinalrathes Dr. Friedrich Ernst A u b. Er wurde am 14. ds.
in der Abgeordnetenkammer von einem apoplectischen Anfalle be¬
troffen, dem er am IC. ds., im G3 Jahre seines Lebens, erlag. Mit
ihm verlieren die deutschen Aerzte einen ihrer fähigsten Köpfe und
einen Mann, der wie kein x\nderer seine Zeit und Kraft für sie ein¬
setzte. A u b hatte 2 Interessen, in denen er ganz auf ging, die
nationalliberale und die ärztliche Sache. Vermöge seiner hervor¬
ragenden parlamentarischen Begabung schon frühzeitig, wie in den
Landtag, so auch in die ärztlichen Standesvertretuugen delegirt,
hat er in diesen, und zwar sowohl in seinem engeren bayerischen
Vaterlande, wie im deutschen Aerztevereinsbunde bald maass¬
gebenden Einfluss gewonnen und eine überaus fruchtbare Thätig-
keit entfaltet. Es ist der beste Beweis für das hohe Ansehen, das
A u b bei den deutschen Aerzten genoss, dass nach G r a f’s Tode
die Leitung des Aerztevereinsbundes fast selbstverständlich ihm
zufiel. Man wird ihn hier schwer vermissen; unersetzlich aber
wird er für die bayerischen Aerzte sein, denen noch besonders sein
weitreichender Einfluss im Staat und ln der Kammer zu Gute kam.
Fast 30 Jahre lang ununterbrochen als Landtagsabgeordneter
thätig, ist er in der Kammer stets ein energischer Vertreter der ärzt¬
lichen Interessen gewesen. Schon in nächster Zeit, bei Berathung
des Gesetzentwurfs, die ärztlichen Ehrengerichte betreffend, dessen
berufener Vertreter er gewesen wäre, wird sich sein Fehlen für die
Aerzte schwer fühlbar machen. Es ist ein tragisches Geschick,
dass es ihm nicht vergönnt war, den glücklichen Abschluss dieses
Werkes, das ihm so sehr am Herzen gelegen war, zu erleben. Zu
besonderem Dank ist Aub der Aerztliche Bezirksverein München
verpflichtet. Früher ziemlich einflusslos, ist dieser Verein unter
A u b’s Leitung einer der grössten und bedeutendsten Standes¬
vereine Deutschlands geworden, der oft in wichtigen Fragen der
öffentlichen Gesundheitspflege oder des ärztlichen Standes ein aus¬
schlaggebendes Wort gesprochen hat. Am Sonntag den 18. ds.
wurde Aub zu Grabe getragen. Trotz eines heftigen Schnee¬
sturmes hatte eine zahlreiche Trauerversammlung, darunter Ab¬
ordnungen des deutschen Aerztevereinsbundes und vieler baye¬
rischer Bezirksvereine, sich eingefunden, um von der Verehrung,
die sie dem Verstorbenen zollten, Zeugniss abzulegen. Sein Name
-wird von den deutschen Aerzten stets in Ehren gehalten werdeu.
Eine eingehende Würdigung der Persönlichkeit und der Lebens¬
arbeit A u b’s behalten wir uns für eine spätere Nummer vor.
Am 10. ds. der Geheime Medicinalrath Dr. v. M o s e n g e i 1,
a. o. Professor der Chirurgie in Bonn.
William Maeneill Whistler in London, bekannter eng¬
lischer Laryngologe.
Dr. Leroy, Professor der internen Pathologie an der med.
Facultät zu Lille.
Dr. A. v. Tschurtscheuthaler, fr. Professor der all-
meinen Pathologie und der Pharmakologie zu Innsbruck.
Dr. E. L. Holmes, Professor der Ophthalmologie und
Otologie am Rush Medical College zu Chicago.
(B e r i c h t i g u n g.) In der Arbeit des Herrn Dr. A v e 11 i s
in No. 10 ist zu lesen auf S. 322. Sp. 1, Z. 10 v. u. „Verwach¬
sung“ statt „Vermehrung“ und auf S. 323. Sp. T, Z. 5 v. o.
„untereinander“ statt „mit dem Hammer“.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung. Dr. Gottfried Clos in Erkheim, B.-A. Mem¬
mingen, appr. 1900.
Verzogen. Dr. Max H a y 1 e r von Erkheim, unbekannt
wohin.
Erledigt: Die Bezirksarztsstelle I. Classe für den Verwaltungs¬
bezirk der Stadt Augsburg ist in Erledigung gekommen. Bewerber
um dieselbe haben ihre vorschriftsmässig belegten Gesuche bei der
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ihnen Vorgesetzten k. Regierung, Kammer des Innern, bis zum
30. März 1. Js. einzureiclien.
Die Bezirksarztsstelle I. Classe in Regensburg ist in Erledi¬
gung gekommen. Bewerber um dieselbe haben ihre vorschrifts-
mässig belegten Gesuche bei der ihnen Vorgesetzten k. Regierung,
Kammer des Innern, bis zum 30. März 1. Js. einzureichen.
Auszeichnung. Der Verdienstorden vom hl. Michael 4. Ci.
dem Hofstabsarzte Dr. Gustav v. H ö s s 1 i n.
Verliehen: den Generalärzten Dr. II e 1 f e r i c h und Dr.
Ritter v. An ge rer, beide ä la suite des Sauitätscorps, danu Dr.
8 e g g e 1, Vorstand des Operationscurses für Militärärzte, der
Rang als Generalmajor.
Amtliches.
(Bayern.)
No. 2SG17.
Königlich Allerhöchste Verordnung, den Voll¬
zug des Impfgesetzes betreffend.
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Luitpold,
von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent.
Wir haben Uns bewogen gefunden, die Kgl. Allerhöchste
Verordnung vom 24. Februar 1875, den Vollzug des Impfgesetzes
vom 8. April 1874 betreffend, einer Revision zu unterstellen, und
verordnen hienach auf Grund des § 18 Abs. 2 genannten Gesetzes
was folgt:
§ 1. Jede Districtspolizeibehörde bildet für ihren Verwaltungs¬
bezirk die zum Vollzüge des Impfgesetzes zuständige Behörde, in
der Haupt- und Residenzstadt München die k. Polizeidireetion.
§ 2. Jede einer Kreisregierung unmittelbar untergeordnete
Stadtgemeinde und im Uebrigen jeder Amtsgerichtsbezirk bilden
für sich einen Impfbezirk.
§ 3. Der für den Impfbezirk aufgestellte amtliche Arzt (Be¬
zirksarzt oder bezirksärztlicher Stellvertreter) ist für diesen Bezirk
der zuständige lmpfarzt, für den Stadtbezirk München der Central¬
impfarzt.
Im Uebrigen hat jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft pri¬
vatim oder öffentlich austtben will, den Nachweis darüber zu er¬
bringen, dass er mindestens zwei öffentlichen Impfungs- und eben-
sovielen Wiederimpfungstermlnen beigewohnt und sich die erfor¬
derlichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der Lymphe
erworben bat.
Eine ausdrückliche Inpflichtnahme der Impfärzte, welche bei
den amtlichen Aerzten mit der dienstlichen Verpflichtung überhaupt
zu verbinden ist, hat bei Uebernahme des Impfgeschäftes statt¬
zufinden.
§ 4. Die Districtspolizeibehörde hat auf Antrag des Impfarztes
die Impforte festzusetzeu und dabei Sorge zu tragen, dass jeder
Ort seiner Lage nach thunlichst berücksichtigt und jede grössere
Entfernung vermieden wird.
An Orten, an welchen ansteckende Krankheiten, wie Schar¬
lach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Flecktyphus, roth-*
lauf artige Entzündungen in grösserer Verbreitung auf treten, Ist
<lie Impfung In öffentlichen Terminen während der Dauer der Epi¬
demie nicht vorzimelimen.
Erhält der Impfarzt erst nach Beginn des Impfgeschäftes
davon Kenntniss, dass derartige Krankheiten im Orte herrschen
oder zeigen sich dort auch nur einzelne Fälle von Impfrothlauf, so
hat er die Impfung an diesem Orte sofort zu unterbrechen und der
einschlägigen Orts- und Districtspolizeibehörde davon Anzeige zu
machen.
§ 5. Bei der Impfung hat der Impfarzt im Einvernehmen mit
der Ortspolizeibehörde für die nöthige Ordnung zu sorgen.
Ein Polizei- oder Gemeindediener oder ein sonstiger Beauf¬
tragter der Ortspolizeibehörde hat im Impftermine für diesen
Zweck zur Stelle zu sein. Auch hat die Gemeinde entsprechende
Schreibhilfe sowie zur Vornahme des Impfgeschäftes geeignete
Räume bereit zu steilem
Bei der Wiederimpfung und der darauf folgenden Nachschau
soll ein Lehrer anwesend sein.
Die gleichzeitige Anwesenheit der Erstimpflinge und der
Wiederimpfliiige in Einem Local ist thunlichst zu vermeiden.
§ 6. Der Tag, an welchem die ordentliche öffentliche Impfung
und die am gleichnamigen Tage der darauf folgenden Woche statt-
flndende Nachschau der Impflinge vorgenommen wird, ist von der
Districtspolizeibehörde im Benehmen mit dem Impfarzte zu be¬
stimmen und nebst dem Orte und der Stunde des öffentlichen Impf¬
geschäftes in den unmittelbaren Städten zur Kenntniss der Bevöl¬
kerung zu bringen, in den übrigen Gemeinden aber den Ortspolizei¬
behörden bekannt zu geben und von letzteren mindestens acht Tage
vor der öffentlichen Impfung in der Gemeinde und bezw. ln allen
zu derselben gehörigen Ortschaften zur allgemeinen Kenntniss
zu bringen.
Während der Zeit der grössten Sommerhitze (Juli und August)
sollen öffentliche Impfungen nicht stattflnden.
§ 7. üeber das, was in Bezug auf die Beschaffung und Ge¬
winnung von Lymphe zur Impfung, die Aufstellung der Impflisten
und die Verwendung der sonstigen Formulare, die Ausführung der
Impfung und die Nachschau der Impflinge von den einschlägigen
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 12.
410
Behörden, den Impfärzten sowie auch den Angehörigen der Impf¬
linge zu beobachten ist. werden von dem Staatsministerium des
Innern nähere Vorschriften erlassen.
§ 8. Ausser den nach § 1 des Impfgesetzes zur Impfung Ver¬
pflichteten sind sämmtliche Bewohner des Impfbezirkes berechtigt,
zur Zeit der öffentlichen Impfung vom zuständigen Impfarzte un¬
entgeltlich sich impfen zu lassen.
Auch erst im Laufe des Jahres Geborene dürfen zur ordent¬
lichen öffentlichen Impfung zugelassen werden. Kinder unter
3 Monaten jedoch nur dann, wenn Gefahr auf Verzug vorliegt.
§ 9. Ausserordentliche öffentliche Impfungen haben stattzu¬
finden. so oft in einem Orte die Blattern (Variola oder Variolois)
ausbrechen.
ln diesem Falle sind alle Kinder, somit auch die im Laufe des
fahres geborenen, impfpflichtig, soferne denselben nicht die gänz¬
liche oder vorläufige Befreiung von der Impfung zukommt.
Auf die Anzeige vom Ausbruch der Blatternkrankheit ist durch
die Distiictspolizeibehörde im Benehmen mit dem Impfarzte ohne
Verzug auf Grund des Art. 67 Abs. 2 des Polizeistrafgesetzbuches
für Bayern vorn 26. December 1871 eine Impfung in den zu be¬
stimmenden Gemeinden anzuordnen.
Die Wiederimpfung der von der aufgetretenen Blatterinkrank-
heit zunächst Gefährdeten kann von der Districtspolizeibehörde
angeordnet werden, insoferne dieselben in den letzten 5 Jahren
weder die Blattern überstanden haben, noch mit Erfolg geimpft
worden sind.
§ 10. Die Districtspolizeibeliörden haben, sobald ihnen nach
dem Schlüsse des Kalenderjahres die Impflisten zugegangeu sind,
dieselben zu prüfen und bezüglich der ohne gesetzlichen Grund von
der Impfung Weggebliebenen die Eltern. Pflegeeltern oder Vor¬
münder nach § 12 des Impfgesetzes aufzufordern, binnen einer be¬
stimmten Frist mittels der vorgeschriebenen Bescheinigung den
Nachweis zu führen, dass die Impfung ihrer Kinder und Pflege¬
befohlenen erfolgt oder aus einem gesetzlichen Grunde unter¬
blieben ist.
Wird dieser Nachweis geliefert, so ist die Impfliste zu er¬
gänzen. wird derselbe nicht erbracht, so ist der betreffenden Staats¬
anwaltschaft hievon Anzeige zu machen und den Betheiligten eine
Frist zur Nachholung der Impfung nach § 4 des Impfgesetzes vor¬
zusetzen.
§ 11. In Bezug auf die Deckung der durch Vollzug des Impf¬
gesetzes vom 8. April 1874 erwachsenden Kosten hat es bei den
seitherigen Bestimmungen der Verordnung vom 28. April 1875. die
Bestreitung der Impfkosten betreffend, sein Verbleiben.
Die Anschaffung der gedruckten Formulare erfolgt durch die
Districtspolizeibehörde, welche dem Impfarzt die zum Vollzüge des
öffentlichen Impfgeschäftes nöthige Zahl derselben unentgeltlich
zuzustellen hat.
§ 12. Wird eine wiederholte Ausfertigung der im § 10 des
Impfgesetzes aufgeführten Bescheinigungen verlangt, so ist die¬
selbe gegen Entrichtung einer Gebühr von 1 M. von dem zu¬
ständigen Impfarzte auf Grund der Impflisten oder zweifelloser
Impf- oder Blatternarben auszufertigen.
Im letzteren Falle kann auch jeder andere Arzt des Aufent¬
haltsortes zur Ausstellung der Bescheinigung gegen Entrichtung
der gleichen Gebühr angegangen werden.
Ist der Impfungsnachweis weder durch die Listen, noch durch
unzweifelhafte Impf- oder Blatternarben zu liefern, so darf der
Impfschein nur nach vorgenommener Impfung ausgestellt werden.
Für Privatimpfungen, zu welchen auch die von den Impfärzten
ausserhalb der öffentlichen Impfung vorgenommenen Impfungen
zählen, dürfen die Aerzte, falls nicht eine Vereinbarung mit den
Betheiligten hierüber stattgefunden hat, die in der ärztlichen Ge¬
bührenordnung festgesetzten Gebühren beanspruchen.
§ 13. Die Beaufsichtigung der Impfärzte wird den k. Bezirks*
ätzten und für jene Bezirke, in denen der Bezirksarzt selbst Impf¬
arzt ist, sowie für den Stadtbezirk München den Kreismedicinal-
rüthen übertragen. Dieselbe besteht in einer an Ort und Stelle
auszufiihreuden Revision eines oder mehrerer Impftermine.
Die Geschäftsführung der Impfärzte ist alle 3 Jahre einer Re¬
vision zu unterziehen. Diese Revision hat sich in erster Linie
auf die Impftechnik und die Festsetzung des Impfcrfolges, sodann
auf die Listenführung. Auswahl des Impflocales, Zahl der Impf¬
linge u. s. w. zu erstrecken.
Auch die Impfungen der Privatärzte sind der Revision zu
unterstellen, soweit sie nicht von denselben als Hausärzten in den
Familien ausgeführt werden.
Die Beaufsichtigung der k. Centralimpfanstalt erfolgt durch
das Staatsministerium des Innern, welches in Bezug auf eine tech¬
nische Ueberwachung der Thierlymphegewinnung durch in ent¬
sprechenden Zeiträumen wiederkehrende Revisionen weitere An¬
ordnungen treffen wird.
§ 14. Gegenwärtige Verordnung, durch w r elehe die Verord¬
nungen vom 24 Februar 1875 und 25. März 1896 aufgehoben werden,
tritt mit 1. Januar 1900 für den ganzen Umfang des Königreiches
in Wirksamkeit.
München, den 17. December 1899.
Luitpold,
Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.
Frhr. v. Feilitzsch.
Auf Allerhöchsten Befehl :
Der Gencra 1 secretiir:
Ministerialrnth v. Iv o p p 1 s t ii t t. e r.
No. 28617.
K. Staatsministerium des Innern.
Bekanntmachung, Vollzug des Impfgesetzes betreffend.
Auf Grund des § 7 der Allerhöchsten Verordnung vom 17. De¬
cember 1899, den Vollzug des Impfgesetzes betreffend, w T erden nach¬
stehende Vorschriften erlassen:
A. Vorbereitung der Impflisten.
Die ordentliche öffentliche Impfung wird auf Grund der all¬
jährlich herzustellenden Verzeichnisse sämmtlicher Iinpfpfliehtigen
eines jeden Impfbezirkes vorgenommen, wobei Nachstehendes zu
beachten ist:
I. Die Verzeichnisse für die erste Impfung (§ 1 Ziff. 1 des Impf¬
gesetzes) sind von der Districtspolizeibehörde für jeden Impfbezirk
nach Formular V anzufertigeu; hiebei ist in folgender Weise zu
verfahren:
a) In den mittelbaren Gemeinden.
Die Districtspolizeibehörde übergibt den im Impfbezirke be¬
findlichen Standesbeamten bis zum 15. Januar jeden Jahres so viele
Formulare der Impfliste, als im Standesamtsbezirke Gemeinden
vorhanden sind.
Der Standesbeamte füllt die Liste, in welcher die Impfpflich-
tigen in alphabetischer Reihenfolge aufzuftihren sind, in den Spal¬
ten 1—5 einschliesslich aus und übersendet dieselbe bis spätestens
15. Februar jeden Jahres der Ortspolizeibehörde, welche dieselbe
durch Eintragung der Zugezogeuen, der Kostkinder u. s. w\ zu er¬
gänzen hat.
Zerfällt eine Gemeinde in mehrere Standesanitsbezlrke, so hat
der von der Districtspolizeibehörde angegangene Standesbeamte
die Impfliste vor deren Uebersendung an die Ortspolizeibehörde
den mitbethelügten Standesämtern zur Ergänzung zuzustellen.
Die Ortspolizeibehörden haben die von ihnen vervollständigten
Listen spätestens bis zum 1. März jeden Jahres der Districtspolizei¬
behörde vorzulegen, welche ihrerseits die Vollständigkeit der Iinpf-
listeu prüft, durch Aufschreibung der von der Impfung des Vor¬
jahres zur Impfung des treffenden Jahres Verwiesenen ergänzt,
•lie in den Impflisten eingetragenen Impfpflichtigen nach alpha¬
betischer Reihenfolge der Gemeinden des Impfbezirkes mit fort¬
laufender Nummer versieht, die Spalte 6 der Listen ausfüllt und
dieselben bis zum 1. April jeden Jahres dem zuständigen Impf¬
arzte übergibt.
1>) In den unmittelbaren Städten.
Die Standesbeamten haben die von der Districtspolizeibehörde
ihnen zugestellten und von ihnen nach Maassgabe obiger Vor¬
schriften ausgefüllten Formulare bis zum 1. Februar jeden Jahres
an die bezeichnet^ Behörde wieder einzusenden.
Diese Behörde hat die Impfliste in der oben bezeichneten Weise
festzustellen und bis zum 1. April jeden Jahres an den zuständigen
Impfarzt abzugeben.
II. Die Verzeichnisse für die spätere Impfung (Wiederimpfuue
nach § 1 Ziff. 2 des Impfgesetzes) haben die Vorsteher der öffent¬
lichen Lehranstalten und der Privatschulen nach Formular VI
unter Ausfüllung der Spalten 1 bis 6 einschliesslich in alpha¬
betischer Reihenfolge der Impf pflichtigen herzustellen und bis zum
1. April jeden Jahres dem zuständigen Impfarzte zu übergeben.
Für die Volksschulen sind diese Listen von den betreffenden
Lehrern oder Oberlehrern herzustellen und derart einzurichten
dass in denselben die Schulkinder zunächst gemeindew'eise, inner¬
halb der Gemeinden aber alphabetisch vorgetragen werden.
In den nach Absatz 1 und 2 hergestellten Listen sind von
dem Impfarzte die nach den Listen des Vorjahres zu übertragenden
Impflinge noch nachzutragen.
B. Beschaffung und Gewinnung der Lymphe.
§ 1. Die Impfung ist mit Thierlymphe vorzunehmen. Menschen-
lymphe darf sowohl bei öffentlichen als auch bei Privatimpfungeu
nur in Ausnahmefallen verwendet werden.
I. Verwendung von T h i e r 1 y m p h e.
§ 2. Die Thierlymphe darf für alle Impfungen nur aus staat¬
lichen Impfanstalten oder deren Niederlagen oder aus solchen
Privatimpfanstalten, welche einer staatlichen Aufsicht unter¬
stehen, bezogen werden.
§ 3. Die Impfärzte erhalten für die öffentlichen Impfungen
ihren Gesammtbedarf an Lymphe unentgeltlich und portofrei aus
der staatlichen Centralimpfanstalt.
§ 4. Der Impfarzt hat — zutreffenden Falls unter Angabe der
Nummer des Versandtbuchs der betreffenden Impfanstalt -— aufzu¬
zeichnen, von wo und wann er seine Lymphe erhalten hat.
II. Verwendung von Menschenlymphe.
§ 5. Die Impflinge, von welchen Lymphe zum Weiterimpfeu
entnommen werden soll (Ab-, Stamm-, Mutter-Impflinge), müssen
zuvor am ganzen Körper untersucht und als vollkommen gesund
und gut genährt befunden werden. Sie müssen von Eltern
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20. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
411
stammen, welche an vererbbaren Krankheiten nicht leiden, ins¬
besondere dürfen Kinder, deren Mütter mehrmals abortirt oder
Frühgeburten überstanden haben, als Abimpflinge nicht benutzt
werden.
Der Abimpfling soll wenigstens 6 Monate alt, ehelich geboren
und nicht das erste Kind seiner Eitern sein. Von diesen Anforde¬
rungen darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn über
die Gesundheit der Eltern nicht der geringste Zweifel obwaltet.
Der Abimpfling soll frei sein von Geschwüren, Schrunden
und Ausschlägen jeder Art, von Kondylomen an den Gesässtlieilen,
an den Lippen, unter den Armen und am Nabel, von Drüsen¬
anschwellungen, chronischen Affeetionen der Nase, der Augen und
Ohren, wie von Anschwellungen und Verbiegungen der Knochen,
er darf demnach kein Zeichen von Syphilis, Skrophulose, Rhachitis
oder irgend einer anderen constitutionellen Krankheit an sich
haben.
§ 6. Lymphe von Wiedergeimpften darf nur im Nothfall und
nie zum Impfen von Erstimpflingen zur Anwendung kommen.
'Die Prüfung des Gesundheitszustandes eines wiedergeimpften
Abimpflings muss mit besonderer Sorgfalt nach Maassgabe der im
§ 5 angegebenen Gesichtspunkte geschehen.
§ 7. Jeder Impfarzt hat aufzuzeichnen, von wo und wann
er seine Lymphe erhalten hat. Insbesondere hat er, wenn er
Lymphe zur späteren eigenen Verwendung oder zur Abgabe an
andere Aerzte auf bewahren will, den Namen der Impflinge, von
denen die Lymphe abgenommen worden ist, und den Tag der er¬
folgten Abnahme aufzuzeiclineu. Die Lymphe selbst ist derart zu
bezeichnen, dass später über die Abstammung derselben ein
Zweifel nicht entstehen kann.
Die Aufzeichnungen sind bis zum Schlüsse des nachfolgenden
Kalenderjahres aufzubewahren.
§ 8. Die Abnahme der Lymphe darf nicht später als am
gleichnamigen Tage der auf die Impfung folgenden Woche statt-
findeu.
Die Blattern, welche zur Entnahme der Lymphe dienen sollen,
müssen reif und unverletzt sein und auf einem nur mässig ent¬
zündeten Boden stehen.
Blattern, welche den Ausgangspunkt für Rothlauf gebildet
haben, dürfen in keinem Falle zum Abimpfen benutzt werden.
Mindestens eine Blatter muss am Impfling uneröffnet bleiben.
§ 9. Die Eröffnung der Blattern geschieht durch Stiche oder
SchDittchen.
Das Quetschen der Blattern oder das Drücken ihrer Um¬
gebung zur Vermehrung der Lymphmenge ist zu vermeiden.
§ 10. Nur solche Lymphe darf benutzt werden, welche frei-
■\\ illig austritt und, mit blossem Auge betrachtet, weder Blut noch
Eiter enthält.
Uebelriechende oder sehr dünnflüssige Lymphe ist zu ver¬
werfen.
§ 11. Nur reinstes Glycerin darf mit der Lymphe vermischt
werden. Die Mischung soll mittels eines reinen Glasstabes ge¬
schehen.
C. Ausführung der Impfung und Wiederimpfung.
§ 12. Die zu impfenden Kinder sind vom Impfarzte vor der
Impfung zu besichtigen; auch sind die begleitenden Angehörigen
von ihm über den Gesundheitszustand der Impflinge zu befragen.
Kinder, welche an schweren acuten oder chronischen, die Er¬
nährung stark beeinträchtigenden oder die Säfte verändernden
Krankheiten leiden, sollen in der Regel nicht geimpft und nicht
wieder geimpft werden.
Ausnahmen sind (namentlich beim Auftreten der natürlichen
Pocken) gestattet und werden dem Ermessen des Impfarztes an-
lieimgegeben.
§ 13. Die Impfung ist als eine chirurgische Operation anzu¬
sehen und mit voller Anwendung aller Vorsichtsmaassregeln auszu¬
führen, welche geeignet sind, Wundinfectionskrankheiten fern¬
zuhalten; insbesondere hat der Impfarzt sorgfältig auf die Reinheit
seiner Hände, der Impfinstrumente und der Impfstelle Bedacht zu
nehmen; auch ist der Lymphevorrath während der Impfung durch
Bedecken vor Verunreinigung zu schützen.
Hat der Impfarzt einzelne Fülle ansteckender Krankheiten
in Behandlung, so hat er in zweckentsprechender Weise deren
Verbreitung bei dem Impfgeschäfte durch seine Person zu ver¬
hüten. Auch dürfen die Loealitäten in dieser Beziehung keine
Gefahr bieten.
§ 14. Die Thierlymphe ist thunlicbst bald nach dem Empfange
zu verimpfen, bis zum Gebrauch aber an einem kühlen Orte und
vor Licht geschützt aufzubewahren. Die Lymphe darf durch Zu¬
sätze von Glycerin, Wasser oder anderen Stoffen nicht weiter ver¬
dünnt werden.
§ 15. Zur Impfung eines jeden Impflings sind nur Instru¬
mente zu benützen, welche durch trockene oder feuchte Hitze
(Ausglühen, Auskuchen) oder durch Alkoholbehandlung keimfrei
gemacht sind.
Die jedesmal für den Gebrauch nothwendige Menge von
Lymphe kann entweder unmittelbar aus dem Glasgefässe mit dem
Impfinstrument entnommen oder auf ein keimfreies Glasschälchen
gebracht werden. Belm Gebrauche von Haarröhrchen kann sie
auch unmittelbar aus einem solchen auf das Instrument getropft
werden.
§ IG. Die Impfung wird der Regel nach auf eiuem Oberarme
vorgenommen und zwar bei Erstimpflingen auf dem rechten, bei
Wiederimpfungen auf dem linken. Es genügen vier seichte
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Schnitte von höchstens 1 cm Länge. Die einzelnen Impfschnitte
sollen mindestens 2 cm von einander entfernt liegen. Stärkere
Blutungen beim Impfen sind zu vermeiden. Einmaliges Ein¬
streichen der Lymphe in die durch Anspanneu der Haut klaffend
gehaltenen Wunden ist im Allgemeinen ausreichend.
Das Aufträgen der Lymphe mit dem Pinsel ist verboten.
Uebrig gebliebene Mengen von Lymphe dürfen nicht in das
Gefäss zurückgefüllt oder zu späteren Impfungen verwendet
werden.
§ 17. Die Erstimpfung hat als erfolgreich zu gelten, wenn
mindestens eine Pustel zur regelmässigen Entwickelung ge¬
kommen ist. Bei der Wiederimpfung genügt für den Erfolg
schon die Bildung von Knötchen oder Bläschen an den Impf¬
stellen.
§ 18. Der Impfarzt ist verpflichtet, etwaige Störungen des
Impfverlaufs und jede wirkliche oder angebliche Nachkrankheit,
soweit sie ihm bekannt werden, thunlichst genau festzustellen
und an zuständiger Stelle sofort anzuzeigen.
§ 19. Die Vorschriften der §§ 5 bis 18 unter Lit. B und G
gelten auch für Privatimpfungen.
D. Verhaltungsvorschriften für die Angehörigen der Impflinge.
a) Vorschriften für die Angehörigen der
Erstimpflinge.
§ 1. Aus einem Hause, in welchem ansteckende Krankheiten,
wie Scharlach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Fleck¬
typhus, rothlaufartige Entzündungen oder die natürlichen Pocken
herrschen, dürfen die Impflinge zum allgemeinen Termine nicht
gebracht werden.
§ 2. Die Eltern des Impflings oder deren Vertreter haben
dem Impfarzte vor der Ausführung der Impfung über frühere
oder noch bestehende Krankheiten des Kindes Mittheilung zu
machen.
§ 3. Die Kinder müssen zum Impftermine mit rein ge¬
waschenem Körper und mit reinen Kleidern gebracht werden.
§ 4. Auch nach dem Impfen ist möglichst grosse Reinhaltung
des Impflings die wichtigste Pflicht.
§ 5. Der Impfling soll womöglich täglich gebadet werden,
wenigstens versäume man eine tägliche sorgfältige Waschung nicht.
§ 6. Die Nahrung des Kindes bleibe unverändert.
§ 7. Bei günstigem Wetter darf das Kind in’s Freie gebracht
werden. Man vermeide im Hochsommer nur die heissesteu Tages¬
stunden und die directe Sonnenhitze.
§ 8. Die Impfstellen sind mit grosser Sorgfalt vor dem Auf¬
reiben, Zerkratzen und vor Beschmutzung zu bewahren; sie dürfen
nur mit frisch gereinigten Händen berührt werden; zum Waschen
darf nur ein reiner Schwamm oder reine Leinwand oder reine
Watte verwendet weiden.
Vor Berührung mit Personen, welche an eiternden Ge¬
schwüren, Hautausschlägen oder Wundrose (Rothlauf) erkrankt
sind, ist der Impfling sorgfältig zu bewahren, um die Ueber-
traguug von Krankheitskeimen in die Impfstellen zu verhüten;
auch sind die von solchen Personen benutzten Gegenstände von
dem Impflinge fernzuhalten. Kommen unter den Angehörigen
des Impflings, welche mit ihm denselben Haushalt theilen, Fälle
von Krankheiten der obigen Art vor, so ist es zweckmässig, den
Rath eines Arztes einzuholen.
§ 9. Nach der erfolgreichen Impfung zeigen sich vom vierten
Tage ab kleine Bläschen, welche sich in der Regel bis zum neunten
Tage unter mässigem Fieber vergrössern und zu erhabenen, von
einem rothen Entzündungshof umgebenen Schutzpocken ent¬
wickeln. Dieselben enthalten eine klare Flüssigkeit, welche sich
am achten Tage zu triibeu beginnt. Vom zehnten bis zwölften
Tage beginnen die Pocken zu einem Schorfe einzutrocknen, der
nach drei bis vier Wochen von selbst abfällt.
Die erfolgreiche Impfung lässt Narben von der Grösse der
Pusteln zurück, welche mindestens mehrere Jahre hindurch deut¬
lich sichtbar bleiben.
§ 10. Bei regelmässigem Verlaufe der Schutzpocken ist ein
Verband überflüssig, falls aber in der nächsten Umgebung der¬
selben eine starke breite Röthe entstehen sollte, sind kalte, häufig
zu wechselnde Umschläge mit abgekochtem Wasser anzuwendeu;
wenn die Pocken sich öffnen, ist ein reiner Verband anzulegen.
Bei jeder erheblichen, nach der Impfung entstehenden Er¬
krankung ist ein Arzt zuzuziehen; der Impfarzt ist von jeder
solchen Erkrankung, welche vor der Nachschau oder innerhalb
14 Tagen nach derselben eintritt, in Kenntniss zu setzen.
§ 11. An dem im Impftermine bekannt zu gebenden Tage er¬
scheinen die Impflinge zur Nachschau. Kann ein Kind am Tage
der Nachschau wegen erheblicher Erkrankung, oder weil in dem
Hause eine ansteckende Krankheit herrscht (§ 1). nicht in das
Impflocal gebracht werden, so haben die Eltern oder deren Ver¬
treter dieses spätestens am Termintage dem Impfarzt anzuzeigen.
§ 12. Der Impfschein ist sorgfältig aufzubewahren.
b) Vorschriften für die Angehörigen der
Wiederimpflinge.
§ 1. Aus einem Hause, iu welchem ansteckende Krankheiten,
wie Scharlach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Fleck¬
typhus, rothlaufartige Entzündungen oder die natürlichen Pocken
herrschen, dürfen die Impflinge zum allgemeinen Termine nicht
kommen.
§ 2. Die Kinder sollen im Impftermine mit reiner Haut,
reiner Wäsche und in sauberen Kleidern erscheinen.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
412
MÜNCHENER MEDICINISCHE VVOCH EN SC H RIFT.
No. 12.
§ 3. Auch nach dein Impfen ist möglichst grosse Reinhaltung
des Impflings die wichtigste Pflicht.
§ 4. Die Entwickelung der Impfpusteln tritt am 3. oder 4. Tage
ein und ist für gewöhnlich mit so geringen Beschwerden im All¬
gemeinbefinden verbunden, dass eine Versäumniss des Schulunter¬
richts desslialb nicht nothwendig ist. Nur wenn ausnahmsweise
Fieber eintritt, soll das Kind zu Hause bleiben. Stellen sich vor¬
übergehend grössere Röthe und Anschwellungen der Impfstellen
ein, so sind kalte, häufig zu wechselnde Umschläge mit abge¬
kochtem Wasser anzuwenden. Die Kinder können das gewohnte
Baden fortsetzen. Das Turnen Ist vom 3. bis 12. Tage von Allen,
bei denen sich Impfblattern bilden, auszusetzen. Die Impfstellen
sind, solange sie nicht vernarbt sind, sorgfältig vor Beschmutzung,
Kratzen und Stoss, sowie vor Reibungen durch enge Kleidung
und vor Druck von aussen zu hüten. Insbesondere ist der Verkehr
mit solchen Personen, welche an eiternden Geschwüren, Hautaus¬
schlägen oder Wundrose (Rothlauf) leiden, und die Benützung der
von ihnen gebrauchten Gegenstände zu vermeiden.
§ 5. Bei jeder erheblichen, nach der Impfung entstehenden
Erkrankung ist ein Arzt zuzuziehen; der Impfarzt ist von jeder
solchen Erkrankung, welche vor der Nachschau oder innerhalb
14 Tagen nach derselben eintritt. in Ivenntniss zu setzen.
§ 6. An dem im Impftermin bekannt zu gebenden Tage er
scheinen die Impflinge zur Nachschau. Kann ein Kind am Tage
der Nachschau wegen erheblicher Erkrankung oder weil in dem
Hause eine ansteckende Krankheit herrscht (§ 1), nicht in das
Impflocal kommen, so haben die Eltern oder deren Vertreter dieses
spätestens am Termintage dem Impfarzt anzuzeigen.
§ 7. Der Impfschein ist sorgfältig aufzubewahren.
E. Vorschriften, welche bei der Ausführung des Impfgeschäftes
amtlich zu befolgen sind.
§ 1. Bereits bei der Bekanntmachung des Impftermins hat die
Ortspolizeibehörde dafür Sorge zu tragen, dass die Angehörigen der
Impflinge gedruckte Verhaltungsvorschriften (s. Lit. D) für die
öffentlichen Impfungen und über die Behandlung der Impflinge
während der Entwicklung der Impfblattern erhalten.
In Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern ist es zulässig,
die gedruckten Verhaltungsvorschriften für die Angehörigen der
Ersttrapflinge erst im Impftermin an die Angehörigen zu vertheilen,
unter der Voraussetzung, dass die §§ 1 und 3 der fraglichen Vor¬
schriften in der öffentlichen Bekanntmachung des Impftermins
zum Abdrucke gelangt sind.
§ 2. Treten an einem Orte ansteckende Krankheiten, wie
Scharlach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Flecktyphus,
rothlaufartige Entzündung in grösserer Verbreitung auf, so werden
die öffentlichen Impf tennine ausgesetzt. Die Ortspolizeibehörde
hat den Impfarzt davon rechtzeitig zu benachrichtigen.
Aus einem Hause, in welchem Fälle der genannten Krank¬
heiten zur Impfzeit vorgekommen sind oder die natürlichen Pocken
herrschen, dürfen Kinder zum öffentlichen Termine nicht gebracht
werden, auch haben sich Erwachsene aus solchen Häusern vom
Impftennine fern zu halten. Der Termin darf in solchen Häusern
nicht abgehalten werden.
Impfung und Nachschau von Kindern aus solchen Häusern
müssen getrennt von den übrigen Impflingen vorgenommen
werden.
§ 3. Für die öffentliche Impfung sind helle, heizbare, ge¬
nügend grosse, gehörig gereinigte und gelüftete Räume bereit zu
stellen, welche womöglich auch eine Trennung des Warteraums
vom Operationszimmer gestatten. Wirthschaftslocalitäten sollen,
wenn thunlich, nicht benützt werden.
Bei kühler Witterung sind die Räume zu heizen.
§ 4. Ein Gemeinde- oder Polizeidiener oder ein sonstiger Be¬
auftragter der Ortspolizeibehörde hat im Impftermine zur Stelle
zu sein, um bn Einvernehmen mit dem Impfarzte für Aufrecht¬
haltung der Ordnung zu sorgen.
Entsprechende Schreibhilfe ist bereit zu stellen.
Bej der Wiederimpfung und der darauf folgenden Nachschau
soll ein Lehrer anwesend sein.
§ 5. Eine Ueberfiillung der Impfräume, namentlich des Opera¬
tionszimmers. ist zu vermeiden, wesshalb auf die Zahl der Impf¬
linge und die Grösse der Impf räume Rücksicht zu nehmen ist.
§ 6. Es ist thunlichst zu verhüten, dass die Impfung mit der
Nachschau bereits früher Geimpfter zusammenfällt.
Jedenfalls sind Erstimpflinge und Wiederimpflinge (Revae-
cinanden, Schulkinder) möglichst von einander zu trennen.
Bei den Wiederimpfungen sind Knaben und Mädchen getrennt
zu halten und ist die Entkleidung der Kinder zum Impfen auf das
Erforderliche zu beschränken.
§ 7. Es ist darauf hinzuwirken, dass die Impflinge mit rein¬
gewaschenem Körper und reinen Kleidern ztim Impftermin
kommen.
Kinder mit unreinem Körper und schmutzigen Kleidern können
vom Impftermin zurüekgowiesen werden.
§ 8. Ist ein Impfpflichtiger auf Grund ärztlichen Zeugnisses
von der Impfung zweimal befreit worden, so kann die fernere Be¬
freiung nur durch den zuständigen Impfarzt erfolgen (§ 2 Abs. 2
dos Tmpfgesetzes).
Kinder, denen eine Impfung als erfolgreich unrechtmässig be¬
scheinigt ist, sind nach Lage des Falles als ungeimpfte oder als er¬
folglos geimpfte Kinder zu behandeln.
§ 9. Bei ungewöhnlichem Verlaufe der Schutzpocken oder bei
Erkrankungen geimpfter Kinder ist ärztliche Behandlung soweit
thunlieh herbeizuführen: in Fällen von angeblichen Impfschiidi-
gungen ist sofort an die Districtspolizeibehörde Anzeige zu er¬
statten. Von dieser sind Ermittelungen einzuleiten, und ist über
deren Ergebnisse der k. Regierung, Kammer des Inuern, Bericht zu
erstatten; in geeigneten Fällen ist eine amtliche öffentliche Richtig¬
stellung unrichtiger, in die Oeffentlichkeit gelangter Angaben zu
veranlassen. Dem k. Staatsministerium des Innern, sowie dem
Kaiserlichen Gesundheitsamte ist über solche Vorkommnisse mit
thunlichster Beschleunigung Meldung zu machen.
Den Leichenschauern ist aufzugeben, jeden Todesfall, welcher
als Folge der Impfung gemeldet wird, der Ortspolizeibehörde s o -
fort anzuzeigen.
F. Behandlung der Impfformulare.
§ 1. Bei der Erstimpfung hat der Impfarzt in der Impf liste
nach Form. V die Spalten 7 bis 14 einschl. und bei der Nachschau
die Spalten 15, 16 und 17, überdiess aber auch, insoweit ihm Auf¬
schlüsse hiezu geboteu werden, die Spalten 18 bis 24 einschl. aus¬
zufüllen.
§ 2. Bei der Wiederimpfung sind in der Liste nach Form. VI
die Spalten 7 bis 14 einschl. und bei der Nachschau die Spalten 15.
10 und 17, dann, soweit es die gebotenen Anhaltspunkte ermög¬
lichen, die Spalten 18 bis 25 einschl. vom Impfarzt auszufüllen.
§ 3. Die Liste der bereits im Geburtsjahre zur Impfung ge¬
langten Kinder ist nach dem Form. VII herzustellen und durch¬
gängig von dem Impfarzt auszufüllen.
§ 4. Die Impflisten (Form. V, VI und VII) sind sofort nach
Schluss des Kalenderjahres an die Districtspolizeibehörden ab¬
zugeben, welche die Listen zu prüfen und bezüglich der ohne gesetz¬
lichen Grund von der Impfung Weggebliebenen nach den Bestim¬
mungen des § 10 der Allerhöchsten Verordnung vom 17. Decem-
ber 1809 zu verfahren, veranlassten Falls in der Liste V unter
Spalte 25, sowie in der Liste VI unter Spalte 26 Eintrag zu machen
uud iu diesen beiden Listen die vom Impfarzte etwa nicht aus¬
gefüllten Spalten 18 bis 24, bezw. 18 .bis 25 einschl. soweit nöthig
zu ergänzen hat.
§ 5. Auf Grund der festgestellten Impflisten hat die Districts¬
polizeibehörde die Uebersicht über das Ergebniss der Impfungen
und Wiederimpfungen für jeden Impf bezirk nach den Formularen
VIII und IX anzufertigen und der Königlichen Regierung, Kammer
des Innern, vorzulegen, von welcher die Listen nebst zwei für den
Regierungsbezirk herzustellenden Hauptübersichten an das Staats¬
ministerium des Innern einzusenden sind.
§ 6. Bei der Herstellung der Listen V, VI und VII sind die
Bemerkungen, welche den Formularen vorgedruckt sind, genau
zu beachten.
§ 7. An dem für die Nachschau der Impflinge bestimmten
Tage hat der Impfarzt über jede Impfung nach erfolgter Fest¬
stellung ihrer Wirkung den Impfschein gemäss § 10 Abs. 1 des
Impfgesetzes nach dem Formular I oder II und zwar die Impf¬
scheine für erste Impfungen (§ 1 Ziff. 1 des Impfgesetzes) auf
Papier von röthlicher Farbe und die Impfscheine für spätere Im¬
pfungen (Wiederimpfungen nach § 1 Ziff. 2 des Impfgesetzes) auf
Papier von grüner Farbe auszufertigen.
§ 8. Die nach § 10 Abs. 2 des Impfgesetzes auszustellenden
Zeugnisse über gänzliche oder vorläufige Befreiung von der Im¬
pfung sind nach dem Formular III oder IV und zwar auf weisaem
Papier auszufertigen.
§ 9. Die im Anhänge beigedruckten Impfformulare haben bei
den im Jahre 1900 stattfindenden Impfungen zum ersten Male in
Anwendung zu kommen, wobei übrigens bemerkt wird, dass an
den Formularen I bis VI einschl. Aenderungen nicht vorgenommen
wurden.
Für den Bezug der Impfformulare wird auf die Ministerialent-
schliessung vom 12. Deeember 1878 (Amtsblatt S. 424) hingewiesen.
Insoweit etwa vorräthige Formulare von No. V bis IX einschl.
noch benützt werden wollten, müssten dieselben nach den dazu
erfolgten Aenderungen vorerst richtig gestellt werden.
§ 10. Für die Erstattung der Jahresberichte über die Schutz¬
pockenimpfung bleibt gesonderte Entschliessung Vorbehalten.
Im Uebrigen tritt gegenwärtige Bekanntmachung gleichzeitig
mit der Allerhöchsten Verordnung vom 17. Deeember 1899 in Wirk¬
samkeit.
München, den 21. Deeember 1899.
Frhr. v. Feilitzsch.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 10. Jahreswoche vom 4. bis 10. März 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000.
Todesursachen: Masern 19 (34*), Scharlach — (1), Diphtherie
und Croup — (—), Rothlauf — (1), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (1), Brechdurchfall 2 (3), Unterleibstyphus
1 (1), Keuchhusten 1 (—), Croupöse Lungenentzündung — (—),
Tuberculose a) der Lungen 34 (32), b) der übrigen Organe 5 (8),
Acuter Gelenkrheumatismus — (1), andere übertragbare Krank¬
heiten 8 (9), Unglticksfälle — (3), Selbstmord 1 (6), Tod durch
fremde Hand 1 (1).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 230 (294), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 25,8 (33,0), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 17,0 (19,6).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche
VerD* V'M» j. H. Lehmann in München. — Druck von E. Mühlthaler’n Bnoh- und Kunstdruckerei A.Q., München.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
W# Mfinoh. Med. Wochenachr. erscheint wÄchentl. TIÄ"~| TTkT/ff FT ■ il'VT I jVI 1 Zusendungen sind su adressiren: Für die Redaction
In Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen. IV| I J l\ * < ri II t l\ p i Ottostrasse i. — Für Abonnement an J. F. Leh-
Preis ln Deutschi, u Oest.-Ungarn viertel jätarl. b Jt, -i. .a. a-y-i. ^ v mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen
ins Ausland 7.50 JL Binseine No. 60 an Rudolf Mosse, Promenadeplats 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCH RIF T
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. ",
Horausgegeben von
Ch. Biunler, 0. Bolllnger, H. Csrschmann, C. Gerhardt, W.». Hefneke, G. Merkel, J.». Michel, H. i. Ruhe, F. i. Wleckel, H. t. Zlenssei,
Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg. München. München. München.
„12718. 27. März 1900.
Redaction: Dr.( B. Spats, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Aus dem hygien. Institut der Kgl. L.-M.-Universität München.
Ueber Agglutinine.
Von Privatdocent Dr. Martin Hahn und Dr. Richard
Trommsdorff.
Von G r u b e r ist bereits festgestellt worden, dass die Agglu-
tinine der Typhus- bezw. Cholerasera bei der Reaction verbraucht
werden. In einer Reihe von Versuchen konnten wir diese An¬
gaben bestätigen. Ein Typhusserum z. B., das noch in einer Ver¬
dünnung 1 :1600 sofort deutliche mikroskopische Agglutination
zeigte, wurde, nachdem es 4 Stunden mit Typhusbacterien bei
37* gestanden hatte, von den agglutinirten Bacterien abcentri-
fugirt und mit frischen Typhusbacillen versetzt: erst bei einer
Verdünnung 1 :400 trat nunmehr sofort deutliche Agglutination
mikroskopisch ein, und in 1 :800 war die Agglutination erst in
einer Stunde deutlich. Es hatte also entschieden ein Verbrauch
von Agglutinin stattgefunden. Auch in specifisch bactericiden
Versuchen nach der B u c h n e r’schen Plattenmethode, die aller¬
dings nicht ganz so klar ausfielen, weil die Aussaatmenge in den
Proben von Typhusserum, die bereits mit Bacterien in Berührung
gewesen waren, stets grösser war, wie in den frischen Typhus¬
serumproben, konnten wir fentstellen, dass die Antikörper jeden¬
falls durch die Berührung mit Typhusbacterien in ihrer Quantität
gemindert werden.
Es lag nahe anzunehmen, dass die Bacterien selbst (bei dem
Processe der Agglutination) die Agglutinine an sich reissen, d. h.
also, dass eine Bindung, bezw. Absorption der Agglutinine durch
die Bacterienleiber stattfindet.
Um dieses im chemisch-physikalischen Sinne nachzuweisen,
musste es aber vor Allem gelingen, die Agglutinine von den Bac¬
terien wieder zu trennen.
Wir versuchten demnach zunächst, durch frisches und in-
aetivirtes Serum der gleichen Thierspecies, sowie auch fremder
Thierspecies den agglutinirten Typhusbacillen die Agglutinine
wieder zu entziehen, d ,h. wir befreiten die agglutinirten Bacillen
durch Centrifugiren und Waschen mit Kochsalzlösung von den
Resten des specifischen Serums und digerirten sie dann mehrere
Stunden lang bei verschiedener Temperatur mit Kaninchen-,
Hunde-, Ziegen-, Rinder- und Pferdeserum. Nur bei Rinder¬
serum ergab sich insofern ein positives Resultat, als das Serum,
welches mit den agglutinirten Bacillen in Berührung gewesen
war, noch in einer Verdünnung 1 :40 nach 1 Stunde deutlich
makroskopisch agglutinirte, während frisches Rinderserum in
gleicher Verdünnung erst nach 1 Stunde beginnende mikro¬
skopische Agglutination zeigte.
Nach diesen Versuchen erschien es angezeigt, auch die Ein¬
wirkung einfacher chemischer Reagentien auf die agglutinirten
Bacterien zu versuchen, und als ein solches wählten wir zunächst
Yu» Normal-Natronlauge, die wir in abgemessenen Mengen auf
die agglutinirten, vom Typhusserum sorgfältig befreiten Bac¬
terien schichteten, durchschüttelten und 1 Stunde bei 37 w mit
denselben digerirten. In dieser Zeit sank in der Regel eine Masse
von Bacterien zu Boden, aber es blieb doch eine dauernde Trübung
der Natronlauge, selbst nach dem Centrif ugiren, bestehen, die,
wie die mikroskopische Betrachtung ergab, nicht mehr aus deut¬
lich agglutinirten Massen, sondern aus trüben, nicht differenzir-
N °’ ^igitized by CjQ'
baren Schollen bestand. Diese leicht getrübte Flüssigkeit wurde
von den agglutinirten Bacterien wieder getrennt und abermals
mit frischer Typhusemulsion in steigenden Mengen verdünnt:
selbst bei einer Verdünnung der Natronlauge mit Emulsion auf
1 :10 trat deutliche Agglutination mikroskopisch sofort, makro¬
skopisch nach Vj—1 Stunde ein. Controlproben mit entsprechend
verdünnter V 100 Normallauge fielen bei der von un3 für diese Ver¬
suche benützten Typhuscultur negativ aus. Nur bei einer weniger
virulenten Typhuscultur sahen wir in l / m Normallauge (unver¬
dünnt) einmal Agglutination eintreten.
Dass die alkalische Reaction keine Rolle bei der Agglutina¬
tion spielt, konnte übrigens dadurch mit Sicherheit nachgewiesen
werden, dass man die agglutininhaltige Lauge auch neutralisiren
kann, ohne die Wirkung auf die Bacterien irgendwie zu beein¬
trächtigen.
Es ist uns ferner auch gelungen, wenn wir die von der „spe¬
cifischen Lauge“ agglutinirten Bacterien abermals mit Lauge
behandelten, nochmals eine, wenn auch schwach agglutininhaltige
Flüssigkeit zu gewinnen, und selbst eine dritte Extraction der von
der zweiten Lauge agglutinirten Bacterien lieferte noch eine
schwach wirksame Flüssigkeit.
Die Wirkung der agglutininhaltigen Lauge war übrigens eine
specifische: Colibacillen wurden von derselben nicht agglutinirt.
Auch aus menschlichem Typhusserum gelang die Extraction
der Agglutinine.
Fast ganz gleich verliefen Versuche, die wir mit Cholera¬
serum und Cholerabacterien anstellten. Auch hier gelang es, mit
V 100 Norruallauge, die an sich keine agglutinirende Wirkung auf
unsere Cholerabacillen ausübte, die agglutinirten Bacillen bei 37 0
in kurzer Zeit zu einer schleimigen Flüssigkeit völlig löste, eine
agglutininhaltige Flüssigkeit zu gewinnen, die noch auf das
zehnfache verdünnt wirksam war, d. h. mikroskopische und makro¬
skopische Agglutination hervorrief, und auch nach der Neutrali¬
sation, bei der ein starker flockiger Niederschlag entstand, noch
wirkte.
Nicht agglutinirte Cholerabacillen, die sich in der '/ M Normal¬
lauge übrigens leicht lösen und sicher eine für Immunisirungs-
versuche sehr geeignete Flüssigkeit ergeben, liefern kein Agglu¬
tinin bei der Behandlung mit Lauge.
Als beinahe ebenso geeignet, wie die Lauge, für die Ex¬
traction der agglutinirten Cholera- und Typhusbacillen erwies
sich V 100 Normal-Schwefelsäure.
Auch hier konnte man die Säure nach der Extraction neu¬
tralisiren, ohne dass die agglutinirende Wirkung wesentlich be¬
einträchtigt wurde.
Physiologische Kochsalzlösung erwies sich als ungeeignet
für die Extraction der agglutinirten Bacterien.
Wir können demnach feststellen, dass es gelingt, durch
l / 100 Normalnatronlauge bezw. Normal-Schwefelsäure die aggluti¬
nirende Substanz aus den agglutinirten Bacillen zu extrahireu.
Es läge nahe, an diese Feststellung im Zusammenhang mit
den Untersuchungen von Kraus, Seng, Di neu r, Ni¬
co 11 e, Winterstein Erörterungen über die Theorie der
Agglutininwirkung zu knüpfen. Es soll aber vorläufig noch da¬
von abgesehen werden, bis es uns bei weiterem Studium dieser
relativ reinen Lösungen von agglutinirender Substanz gelingt,
auch die chemische Natur der reagirenden Körper, vor Allem die
Kraus’sche Reaction etwas weiter aufzuklären.
Original frer 1
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
414
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
Mit diesen Untersuchungen, sowie mit der Uebertragung
unserer Versuchsmethode auf die haemolytischen Körper, welche
so viele Beziehungen zu den agglutinirenden aufweisen, sind
wir gegenwärtig noch beschäftigt und behalten uns vor, darüber
zu berichten.
Aus der medicinischen Poliklinik zu Marburg.
Zur Kenntniss des Pseudomucins aus den Eierstocks¬
cysten.
Von Dr. Zängerle, Assistenzarzt.
Nachdem esFr. Müller gelungen war, aus dem Mucin des
schleimigen Sputums, sowie aus dem Submaxillarismucin die
durch Säuren abspaltbare reducirende Substanz rein darzustellen
und als Glucosamin zu erkennen *), und nachdem im gleichen
Laboratorium J. Seemann 2 ) aus Eieralbumin und aus Ovo-
mucoid die nämliche Substanz gewonnen hatte, lag es nahe, diese
Untersuchungen auch auf das Pseudomucin der Eierstockscysten¬
geschwülste auszudehnen.
Die Anschauungen über die Natur des Pseudomucins haben
Im Laufe der Zeit manche Wandlungen erfahren; Scherer*)
entdeckte diesen Stoff in dem zähflüssigen Inhalt von Ovarial¬
kystomen und nannte ihn Metalbumin. Er betrachtete ihn als
einen besonderen Ei weisskörper und als einen Uebergangsstoff
vom Eiwei88 zum Mucin oder der Colloidsubstanz. Hichwald 4 )
theilt die Proteinstoffe, welche in Elerstockscolloiden Vorkommen,
in zwei Reihen, In Eiweisskörper und Schleimkörper.
Im Jahre 1882 untersuchte Hammarsten 5 ) das Metalbumin
genauer und stellte fest, dass es kein einfacher Eiweisskörper ist,
indem es sich von diesen durch seinen geringeren Stickstoffgehalt
(1(1—11 Proc.) und durch sein Verhalten gegenüber den Eiweiss-
reagentien unterscheidet; es hat grosse Aehnlichkeit mit dem
Mucin, besonders darin, dass es beim Kochen mit verdünnten
Mineralsäuren eine reducirende Substanz liefert; jedoch unter¬
scheidet es sich dadurch vom Mucin, dass es von Essigsäure nicht
gefällt wird. Die Reductionsprobe gestattet nach Hammarsten
den Nachweis des Pseudomucins und zwar muss dabei in folgender
Weise verfahren werden: Die aus der Eierstockscyste erhaltene
Flüssigkeit wird zum Sieden erhitzt, vorsichtig mit Essigsäure ver¬
setzt, und das etwa auftretende Eiweisscoagulum wird durch Fil¬
tration entfernt. Das Filtrat wird auf dem Wasserbad eingeengt
und mit reichlichem Alkohol gefällt. Waren in der ursprünglichen
Flüssigkeit kleine Mengen von Zucker vorhanden, so bleiben diese
gelöst, während das Pseudomucin sich als flockiger Niederschlag
ausscheidet. Dieser Niederschlag wird mit Alkohol gewaschen,
ausgepresst, dann in Wasser eingetragen, wobei er sich zu einer
opalescirenden Flüssigkeit löst. Diese Flüssigkeit gibt, mit der
T r o m m e r’schen Probe untersucht, keine Reduction; man ver¬
setzt sie mit so viel Salzsäure, dass sie etwa 5 Proc. davon enthält
und erhitzt sie auf dem Wasserbade bis zur Braunfärbung. Nach
dem Erkalten neutralisirt man mit concentrirter Natronlauge und
macht dann die T r o m m e r’sche Probe. Ist Pseudomucin vor¬
handen, so muss eine Reduction des Kupferoxyds eintreten.
Pfannenstiel *), der in einer sehr sorgfältigen und ein¬
gehenden Arbeit die Untersuchungen von Hammarsten nach¬
geprüft hat, kommt zu dem Schluss, dass allein die Trommer-
sehe Probe, auf die oben beschriebene Weise angestellt, ausschlag¬
gebend sei für den Nachweis des Pseudomucins.
In neuester Zeit hat Panzer 7 ) Untersuchungen über das
Eierstockscolloid und speciell über die reducirende Substanz daraus
angestellt. Er versuchte die Isolirung derselben auf einem ziemlich
umständlichen Wege und erhielt eine hygroskopische gelbe amorphe
Masse, welche nicht zum Ivrystallisireu zu bringen war; sie re-
ducirte stark, vergohr mit Hefe nicht und drehte die Ebene des
polarisirten Lichtes nicht. Es konnte daraus ein Osazon vom
Schmelzpunkt 166° dargestellt werden. Die Furfurolreactionen,
welche auf eine Pentose hinwiesen, fielen negativ aus, ebensowenig
gelang die Laevulinsäuredarstellung, die für eine Hexose beweisend
gewesen wäre. Nach der von Schmiedeberg*) für die Dar¬
stellung der Chondroitinschwefelsäure angegebenen Methode er¬
hielt Panzer eine Substanz, von der er es für unwahrscheinlich
hält, dass sie mit dem genannten Derivat des Knorpels iden¬
tisch sei.
Katharina Mitjukoff 9 ) untersuchte die Colloidsubstanz
einer grossen Ovarialcyste, welche allerdings nach der Elementar¬
analyse und nach ihrem Verhalten gegen die verschiedenen
*) Sitzungsberichte der Gesellschaft z. Beförderung der ge-
sammten Naturwissenschaften zu Marburg. 1898, No. 6.
*) Archiv für Verdauungskrankheiten. 1898, Bd. IV.
*) Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesellschaft
zu Würzburg. 1852, pag. 214 u. 278, sowie Zeitschrift f. rationelle
Medlcin. N. F. Bd. 7, 8, 10, 12, 14.
4 ) Würzburger medlcin. Zeitschrift 1804, V, pag. 270.
') Zeitschrift für physiolog. Chemie. Bd. VI.
*) Archiv für Gynäkologie. 1890. 3.
0 Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. 28.
*) Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie.
Rnnd 28.
s ) Archiv für Gynäkologie. Bd. 49, pag. 278.
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Elweissreagentlen von dem Pseudomucin Hammarsten’s ver¬
schieden war und den sie Paramucin nannte. Ihre Versuche, eine
reducirende Substanz daraus darzustellen, oder das thierische
Gummi Landwehfs daraus zu erhalten und zu analysiren,
oder ein Osazon zu gewinnen, BChlugen fehl.
Als Ausgangsmaterial zu meinen Untersuchungen diente der
schleimig-flüssige, Inhalt eines grossen Eierstockkystoms, der mir
in dankenswerther Weise von der hiesigen Universitäts-Frauen¬
klinik zur Verfügung gestellt wurde. Das Pseudomucin wurde
daraus in üblicher Weise durch Alkohol ausgefällt, nachdem zu¬
vor die nur in geringer Menge vorhandenen Ei weisskörper bezw.
Nucleoalbumine unter Zusatz von Essigsäure entfernt worden
waren. Das in faserigen Flocken ausgefallene Pseudomucin
wurde auf einem groben Colirtuch gesammelt, mit Alkohol aus¬
gewaschen, dann mit Aether extrahirt, getrocknet und zerrieben.
Es resultirten 323 g eines staubfeinen grauweissen Pulvers. Von
diesem wurden je 30 g in einem geräumigen Kolben mit immer
500 ccm verdünnter Salzsaure verschiedener Concentration unter
Durchströmung mit Dampf auf einem Sandbad 3 Stunden lang
erhitzt. Dieses Durchströmen mit Dampf, der in einer anderen
Flasche erzeugt und mittels eines bis nahe an den Boden des
Kolbens reichenden Rohres eingeleitet wurde, erwies sich als nütz¬
lich, um das Schäumen der Pseudomucinsalzsäuremischung zu
vermeiden. Die Flüssigkeit färbte sich dabei braun. Nach dem
Erkalten wurde mit Natronlauge die Salzsäure neutralisirt, dann
mit Essigsäure schwach sauer gemacht, von dem entstandenen
Eiweissniederschlag abültrirt und die Flüssigkeitsmenge ge¬
messen. Durch Titration mit F e h 1 i n g’scher Flüssigkeit wurde
sodann der Gehalt an reducirender Substanz bestimmt. Dabei er¬
gab sich, dass bei Anwendung einer Salzsäurelösung von 10 bis
20 ccm officineller Salzsäure auf 90 bezw. 80 cem Wasser die
grösste Ausbeute an reducirender Substanz erhalten wurde, näm¬
lich 9 g aus 30 g Pseudomucin (= 30 Proc.), während beim
Kochen mit einer Mischung von 5 ccm Salzsäure auf 100 nur 3 g,
also 10 Proc., und mit einer solchen von 30 ccm Salzsäure auf 100
nur 4,8 g, also 16 Proc. erhalten wurden l0 ). Mit dem auf diese
Weise ermittelten Optimum der Salzsäuremischung wurden dann
auch die übrigen Portionen Pseudomucin gekocht. Die filtrirte
braungelbe Flüssigkeit wurde von den noch darin vorhandenen
Albumosen zum grössten Theil dadurch befreit, dass Eisenchlorid¬
lösung eingetragen wurde, bis eine tief burgunderrothe Farbe re-
sultirte, dann wurde mit Natronlauge genau neutralisirt, auf¬
gekocht und filtrirt. Eine weitere Ausfällung der Albumosen
wurde miterlassen, nachdem Seemann gezeigt hatte, dass eine
solche überflüssig ist und erhebliche Verluste an reducirender
Substanz mit sich bringt. Das Filtrat, welches hellgelbe Farbe
darbot, wurde nach der B a u m a n n’schen Vorschrift") benzo-
ylirt, indem es in grossen Glasflaschen mit 40 ccm Benzoylchlorid
(von Kahlbaum bezogen) und 200 ccm 20proc. Natronlauge
kräftig geschüttelt wurde, wobei auf häufige Kühlung in Eis
Bedacht genommen wurde. Von Zeit zu Zeit wurde geprüft, ob
die Reaetion noch alkalisch war; reagirte die Flüssigkeit sauer,
so wurde durch Zusatz neuer Natronmengen wieder alkalische
Reaetion hergestellt. Wenn der stechende Geruch des Benzoyl-
chlorid« verschwunden war, was meistens nach einer halben
Stunde der Fall war, wurde mit Essigsäure neutralisirt und von
den gelbweissen, pulverigen, harzig sich anfühlenden Benzoyl-
verbindungen abfiltrirt. Zeigte dann das Filtrat noch eine
nennenswertlie Reduction, so wurde es einer abermaligen Ben-
zoylisirung unterworfen. Die Benzoylverbindungen wurden
durch Absaugen getrocknet, dann in heissem Alkohol gelöst und
möglichst heiss filtrirt. In dem erkaltenden Filtrat fiel zunächst
ein Sediment aus weissen Krümmein aus, in welchem nach 10 bis
14 Tagen massenhaft feine Büschel von Krystallnadeln auf¬
traten. Diese wurden durch wiederholtes Auflösen in heissem
absolutem Alkohol, Fiftriren und langsames Abkühlen des Fil¬
trats umkrystallisirt und von den beigemengten amorphen, krüm-
meligen Massen getrennt. Es wurden zum Schluss feine, seiden¬
artig glänzende Nadeln von der Länge bis zu einem Centimeter
erhalten, die entsprechend den B a u m a n n’schen Angaben für
Tetrabenzoylglucosamin einen Schmelzpunkt von 196° zeigten.
Müller und Seemann hatten für ihre, viel häufige: um-
10 ) F. Müller erhielt aus Sputum-Mucin eine Ausbeute an
reducirender Substanz bis zu 37 Proc., Seemann aus Ovomucoiö
von 35 Proc., aus Eieralbumin nur von 9 Proc.
u ) Berichte der Deutschen chemischen Gesellschaft. Bd. Yx
Seite 3218.
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
415
krystallisirten Präparate von Tetra- und Pentabenzoylglucosamin
einen etwas höheren Schmelzpunkt gefunden, nämlich 203 bis
212°. Eine Elemcntaranalyse meiner, offenbar auch als Tetra¬
oder Pentabenzoylglycosamin anzusehenden Präparate konnte
wegen der geringen Menge nicht ausgeführt werden, war auch
deswegen nicht nöthig, weil die Reindarstellung des salzsauren
Glucosamins selbst aus den übrigen, nicht krystallinischen Ben¬
zoylestern gelang. Zu diesem Zwecke wurde die Benzoy lverbin-
dung nochmals in warmem Alkohol gelöst und unter fortwähren¬
dem Umrühren in eine grosse Menge destillirten Wassers ein¬
getragen; sie fielen dabei als milchige Trübung aus, die sich bald
zu Klumpen zusammenballte. Diese Reinigung ist nothwendig,
weil nur auf diesem Wege die anorganischen Salze, besonders
das Chlornatrium entfernt werden können, welche später beim
Auskrystallisiren und der Reinigung des salzsauren Glucosamins
sehr störend wirken. Die so gereinigten Benzoylester wurden so¬
dann in Röhren eingeschmolzen, welche zu Dreivierteln mit Salz¬
säure vom spec. Gewicht 1 :100 gefüllt worden waren. Unter
häufigem starkem Schütteln wurden die Röhren in einem Wasser¬
bad 30 Stunden lang auf 100 0 erhitzt. Nach dem Erkalten werden
die Röhren geöffnet, die Flüssigkeit von den massenhaft ausge¬
schiedenen Benzoesäurekrystallen sowie der Kohle und den
Resten unzersetzter Benzoylverbindungen abgesaugt und dreimal
mit Aether ausgeschüttelt zur vollständigen Entfernung der
Benzoesäure. Hierauf wurde die stark salzsaure Flüssigkeit in
flache Schalen gebracht und diese in Vacuumexsiccatoren über
gebrannten Kalk gestellt. Dadurch, dass die Exsiccatoren in
einem Brutschrank auf 35—40 0 erwärmt wurden, liess sich die
Vertreibung des Wassers und der Salzsäure sehr beschleunigen.
Nach mehreren Tagen war ein bräunlicher Sirup zurückge¬
blieben, in welchem in grosser Menge glitzernde Krystalle von
rhomboedrischer Form auf traten. Durch Alkohol, in welchem
sich der Sirup, nicht aber die Krystalle lösten, wurden die letz¬
teren reingewaschen und durch Filtration gesammelt. Wieder¬
holtes Umkrystallisiren aus Wasser, dem eine Spur Salzsäure bei¬
gemischt war, lieferte ca. Va g schön ausgebildeter, blitzender
Krystalle, von 1—3 cm Durchmesser. Herr Dr. Schwantke,
Assistent des hiesigen mineralogischen Instituts, hatte die grosse
Liebenswürdigkeit, diese Krystalle einer krystallographischen
Untersuchung zu unterziehen. Er berichtet darüber Folgendes:
„Die woblausgebildeten Krystalle zeigen ausser den vor¬
herrschenden Formen c (001), p (110), q (011), e (101), welche von
den früheren untersuchten Krystallen des salzsauren Glucosamins
bereits bekannt waren, noch o (111) und die Symmetrieebene b (010).
Indem diese Flächen nur an dem einen Ende der b-Achse auf treten,
erhalten die Krystalle eine deutlich hemimorphe Gestalt. In der
Tabelle sind die aus der Messung von fünf Krystallen erhaltenen
Mittelwerthe mit den an anderer Stelle mitgetheilten Winkel -
werthen der Messung an Krystallen des salzsauren Glucosamins
aus Hummerpanzern, aus Sputummucin und aus Eleralbumin zu¬
sammengestellt.
p:p
110 : 110
c: r
1 001:101
c: q
001:011
c:p
001:110
6 : P
101:110
e: q
101:011
p : q
110 :011
p:q
110:011
Salzsaures Glu oosamin aus
Hummerpanzern
670 48 '
670 oi'
35° 33'
590 55'
65° 20'
_
84° 38'
43° 09'J
n yy v
Sputummucin
67° 46'
67° 04 '
35° 18'
59° 53'
i65°49'
710 40'
84° 68'
,42° 39'
n n »
Eieralbumin
67° 57'
66° 56'
35° 29'
59* 44',
j—*
—
j > _
420 58 '
Krystalle aus Pseudomu/.in
67° 53'
67° 08'
35° 25'
59° 56'
I
* 650 31 ' «
71° 35'
[84° 52';
42° 49'
Die Krystalle aus Pseudomucln stimmen also in den krystallo¬
graphischen Winkel werthen vollkommen mit den früher ge¬
messenen des salzsauren Glucosamins überein und ebenso auch
hinsichtlich der vollkommenen Spaltbarkeit nach r (101) und in
dem optischen Verhalten.“
Die Krystalle waren in Wasser sehr leicht löslich, die Lösung
zeigte Rechtsdrehung, gab bei der T r o m m e r’schen Probe starke
Reduction und entwickelte, mit Alkalilauge gekocht, reichlich
Ammoniak. Es kann nach diesen Befunden mit Sicherheit aus¬
gesprochen werden, dass die erwähnten Krystalle, welche der
reducirenden Substanz aus Pseudomucin entsprachen, salzsaures
Glucosamin darstellten, also identisch waren mit der reducirenden
Substanz, welche F. Müller aus dem Mucin des Sputums und
der Submaxillarisdrii.-o und Seemann aus Ovomucoid und
Eieralbumin erhalten hatte.
Da nun, wie Pfannenstiel gezeigt hat, das Pseudo¬
mucin 1er Eierstockscysten ein Product von Becherzellen ist,
welche die Wand der Kystome auskleidcn, und da ferner auch
das Mucin der Respirationswege und der Speicheldrüsen, sowie
auch das Eiereiweiss mitsammt dem Ovomucoid ein Product der
Drüsenthätigkeit ist, so bilden also alle diese Glucoproteide, als
deren kohlehydratartiger Paarling das Glucosamin nachgewiesen
werden konnte, eine Gruppe von Körpern, welche sich dadurch
auszeichnet, dass sie als Secretionsproduct von Zellen, und zwar
von drüsenartigen Zellen, aufzufassen sind. Es wird Gegen¬
stand weiterer Untersuchungen sein, ob auch aus solchen eiweiss¬
artigen Stoffen, die nicht einer eigentlichen Secretion entstammen,
Glucosamin gewonnen werden kann.
Zum Schluss ist es mir ein Bedürfniss, meinem hochver¬
ehrten Lehrer und früheren Chef, Herrn Prof. Fr. Müller,
jetzt in Basel, der mich zu dieser Arbeit veranlasst und dabei
mit Rath und That unterstützt hat, meinen besten Dank aus-
zusprecl ?n.
lieber nervöse Störungen des Herzens und ihre
Beziehungen zum Militärdienst.
Von Prof. J. Bauer.
Auf Wunsch unseres Vorsitzenden erlaube ich mir ein Thema,
das bereits bei der letzten Naturforscherversammlung von mir,
in Verbindung mit Herrn Stabsarzt Dr. Wolffhügel, einer
Besprechung unterzogen worden ist, nochmals zum Gegenstand
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einer kurzen Erörterung zu machen, indem ich heute einige
Punkte besonders betonen möchte, die voraussichtlich auch Ihr
Interesse in Anspruch nehmen können. Zunächst bemerke ich,
dass ich mein Thema begrenzen und gewisse nervöse Störungen
ausser Acht lassen werde, da dieselben eben beim Militärdienste
kaum jemals in Betracht kommen werden, ferner, weil manche
derselben und gerade die schwersten Affectionen theilweise doch
mit substantiellen Erkrankungen des Herzens Zusammenhängen:
so gewisse Fälle von Bradycardie und Tachycardie. Ueber das
Vorkommen rein functioneller oder nervöser Störungen des Her¬
zens theile ich die Ansicht jener Beobachter, welche ihre grosse
Häufigkeit nachdrücklichst betonen und darauf hinweisen, dass
sie entschieden häufiger Vorkommen, als wirklich substantielle
Erkrankung des Herzens. Ohne Zweifel findet man bei manchen
Menschen eine geringe Leistungsfähigkeit des Herzens von Ge¬
burt an, also auf hereditärem Wege entstanden. Wenn man oft¬
mals hört, dass Herzfehler erblich seien, und dass dement¬
sprechend in dieser oder jener Familie Herzleiden auffallend
häufig betroffen würden, so handelt es sich hierbei wohl in der
Regel nicht um Klappenfehler des Herzens, sondern um die eben
erwähnte geringe Leistungsfähigkeit des Herzmuskels, die ent¬
weder auf einer wirklichen Dünnheit der Herzwandung, oder aber
auch auf abnormer Innervation beruhend gedacht werden kann.
Um sich hierüber ein Bild zu machen, braucht man nur eine
grössere Schaar von Kindern bei ihrem Spiel zu beobachten, in¬
dem die einen nach einem tollen Lauf kaum kurzathmig er¬
scheinen, während bei einigen andern nach wenigen Sprüngen
Kurzathmigkeit und Herzklopfen sich einstellen. Aehnliches
beobachtet man auch im späteren Leben; würde man die jungen
Rekruten unmittelbar nach ihrer Aushebung und ohne vorherige
Ausbildung den Strapazen eines Feldzuges oder selbst nur eines
Manövers unterwerfen, so würde ein nicht geringer Theil dieser
Mannschaften alsbald erliegen. Recht lehrreich erscheinen mir
in dieser Beziehung die Erfahrungen, welche die Aerzte einerseits
im amerikanischen Bürgerkriege, andererseits im Feldzuge 1870
gemacht haben. Bei den ungeübten Mannschaften der ameri¬
kanischen Armeen wurde die Entstehung von Herzaffectionen
in Folge der Strapazen recht häufig beobachtet; bei den aus¬
gebildeten und geschulten Truppen im deutsch-französischen
Kriege waren derartige Herzaffectionen eine Seltenheit. Auch
das von Geburt her weniger leistungsfähige Herz kann, in Folge
1 *
□ riginiBl from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
416
MftNOHENER MKIMCINISOHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
zweckentsprechender Uebung, allmählich erstarken. Auch bei
jenen Berufsarten, welche schwere Körperarbeit erheischen, muss
die Leistungsfähigkeit des Herzens durch successive Uebung all¬
mählich gesteigert werden. Man darf hierbei wohl für alle Fälle
voraussetzen, dass die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Herzens
einer thatsächlichen Erstarkung der Herzwandung zuzuschreiben
ist. Man hat in früherer Zeit eine derartige physiologische Er¬
starkung der llerzwand nicht scharf genug von Hypertrophie
des Herzens geschieden und auch Hypertrophie und Dilatation
in einen Gegensatz zu einander gestellt, der thatsächlich nicht
existirt. Nach meiner Ueberzeugung, der ich ja bereits anderen
Orts Ausdruck gegeben habe, gibt es keine Herzhypertrophie
ohne Dilatation, denn concentrische Hypertrophien und solche
ohne Erweiterung der Herzhöhlen, wird man sicher niemals an¬
treffen, ausser im Zusammenhang mit Schrumpfniere. In letz¬
terem Fall aber ist die Eutstehung der Herzhypertrophie eine
complicirte und nicht einfach aus mechanischen Gründen herzu¬
leitende Anomalie. Meine Anschauungen, dass bei dilatativer
Hypertrophie eine Ueberdehnung des Herzens dauernder Art
das Primäre sei und erst secundär eine Verdickung der Herzwand
im Gefolge habe, hat nur bei Wenigen Widerspruch gefunden;
von Letzteren wurde eingewendet, dass es schwer verständlich sei,
wie eine Dilatation zur Hypertrophie führen soll, wobei aber die
Bedeutung der II e r z r u h e für die allmähliche Erkrankung
der Herzwand nicht genügend in Anschlag gebracht worden ist.
Man hat nicht so ganz selten die Gelegenheit, die Entstehung
einer Herzhypertrophie im Anschluss an Dilatation thatsächlich
zu verfolgen. In der mit Hypertrophie verbundenen Dilatation
des Herzens ist die pathologische Bedeutung dieser Verände¬
rungen begründet, da die Erweiterung der Herzhöhlen die Herz¬
arbeit dauernd, und zwar auch in der Ruhe, vergrössert. Für ge¬
wisse Klappenfehler ist es denkbar, dass von Seiten der durch
die Klappenlaesion belasteten Herzabschnitte eine gewisser-
maassen ideale Anpassung zu Stande kommt, indem die be¬
treffende Herzwand genau in dem Maasse erstarkt, als es zur
Bewältigung der grösseren Widerstände nöthig erscheint, ohne
dass eine Erweiterung der betr. Herzhöhle erfolgt. Eine öfters
wiederholte oder dauernde Ueberdehnung des Herzens zu ver¬
meiden, das ist einer der wichtigsten Momente bei allen Arten
von Herzgymnastik, welche eine Erstarkung der Herzwand ohne
Dilatation bewirken sollen. Auch bei der militärischen Aus¬
bildung der jungen Mannschaften muss dieser Gesichtsp'mkt im
Auge behalten werden, und gerade in dieser Hinsicht sind die
functioneilen Störungen des Herzens sehr beachtenswerth; denn
innerhalb gewisser Grenzen kann die körper¬
liche Uebung von günstigem Einfluss sein,
andererseits die Ueber ans t rengung eine
dauernde Schädigung zur Folge haben. In
jedem einzelnen Falle das zulässige Maass von Körperanstrengung
von vornherein richtig zu bemessen, ist keineswegs eine leichte
Aufgabe. Der Grad der Störungen, in der Ruhe einerseits und
bei Anstrengungen anderseits, aber auch eine möglichst genaue
Berücksichtigung der Entstehungsweise, geben wichtige Anhalts¬
punkte.
Was die verschiedenen Entatehungsursachen von functio-
nellen Störungen betrifft, so lassen sich bei vielen Fällen directe
Schädlichkeiten ausfindig machen: ungenügende oder unzweck¬
mässige Ernährung, mangelnde Körperbewegung, geistige Ueber-
anstrengung und Nachtwachen, Excesse in Baccho et Venere,
Masturbation. In anderen Fällen handelt es sich um die an¬
dauernde Einwirkung von Giften, von denen namentlich Tabak,
Morphium und Alkohol zu nennen sind. Ein grosses Contingent
bilden ferner diejenigen Fälle, bei welchen die nervösen Herz¬
störungen im Zusammenhang mit allgemeiner Nervosität, Neur¬
asthenie und Hysterie auftreten. Bei diesen beobachtet man
auch am häufigsten neben Herzpalpitationen und abnormer
Erregbarkeit des Herzens allerlei abnorme Sensationen in
der Herzgegend und auch wirkliche Herzschmerzen. Die
allergrösste Vorsicht erheischen ohne Zweifel die Fälle,
bei welchen functioneile Herzstörungen im Zusammen¬
hang mit anderen Krankheitsprocessen auftreten, so im Ge¬
folge von Anaemie, vor Allem aber im Gefolge verschie¬
dener Infectionskrankheitep. Nicht selten be¬
darf es geraumer Zeit, bis die im Gefolge von Infectionskrank-
heiten entstandene Herzschwäche gewichen ist, und vorher
können Anstrengungen des Körpers sehr weitgehende schädliche
Folgen nach sich, ziehen.
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Nicht ganz selten scheint es mir ferner zu sein, dass Stör¬
ungen von Seiten des Herzens mit einer abnormen Thätigkeit
dos Magens und der Verdauungsorgane überhaupt im Zusammen¬
hang stehen. Verlangsamte Entleerung des Magens mit abnormen
Gährungen einerseits und beschleunigte Herzthätigkeit mit
Druck in der Herzgegend, mit Angstgefühlen und selbst wirk¬
lichen Herzschmerzen anderseits während der Dauer der Ver¬
dauung betrifft man nicht selten zusammen.
Aus dem Gesagten dürfte zur Genüge hervorgehen, dass
keineswegs alle jungen Männer, bei welchen functioneile Stör¬
ungen des Herzens bestehen, dieserhalb zum Militärdienst un¬
tauglich erscheinen, ja im Gegentheil, für manchen derselben
wird die zweckmässige und allmähliche Ausbildung der Muskeln
auch das Herz kräftigen und somit direct zum Heilmittel werden.
Wo die Grenze des Zulässigen gegeben erscheint, lässt sich frei¬
lich oft erst bemessen, wenn man einige Zeit hindurch die Wirk¬
ungen gesteigerter Muskelthätigkeit beobachtet hat. Von grossem
Werthe dürfte cs für die Aerzte sein, über hereditäre Verhält¬
nisse, ferner über vorausgegangene Krankheitsprocesse, eventuell
über das ganze Vorleben der betroffenen Individuen möglichst
genauen Aufschluss zu erhalten. Auch hier dürfte es sich
wiederum bewähren, wenn die Aerzte stets geneigt sind, wahr¬
heitsgetreue Beobachtungen von Collegen in thunlichster Weise
zu achten und mit in die Wagschale zu legen.
Ueber epileptische Aequivalente.*) ££ Jj§
Von Privatdocent Dr. Ernst Schultz e.
In der Jahressitzung des Vereins der deutschen Irrenärzte
zu Bonn im verflossenen Jahre berichtete ich über 3 Fälle, die
dem von Charcot „automatisme ambulatoire“ genannten
Symptomencomplex entsprachen. (L ä h r : Allgemeine Zeit¬
schrift für Psychiatrie, Band 55, Heft 4, pag. 748—779.) Dieser
besteht darin, dass bei den Kranken periodisch mehr oder weniger
plötzlich ein Reisefieber erwacht und ebenso aufhört; auf diese
Weise kommen Reisen zu Stande, die ohne äusseren Grund,
zweck- und sinnlos oder gar sinnwidrig unternommen werden,
für die nachher eine fast völlige oder nicht erhebliche Ge¬
dächtnislücke bestand. Obwohl ausgesprochene epileptische
Anfälle nur bei einem der 3 Kranken, und auch da nur ein
einziges Mal, beobachtet worden waren, war ich doch geneigt,
die verschiedenen ausgeführten Reisen als epileptische Aequi¬
valente aufzufassen; denn es Hessen sich nicht nur in jedem
Falle epileptische Erscheinungen anderer Art (periodischer Kopf¬
schmerz, periodische Erregungen mit nachheriger Amnesie, peri¬
odische Depressionen mit ausgesprochener Selbstmordneigung,
Schwindelanfälle, Dipsomanie) naehweisen, sondern auch Mo¬
mente, denen wir in der Aetiologie der Epilepsie eine besondere
Bedeutung beizumessen berechtigt sind, wie gleichartige Here¬
dität und Kopfverletzung.
Bei dieser Gelegenheit und Angesichts der schon früher von
mir betonten relativen Armuth der deutschen Literatur an ähn¬
lichen Beobachtungen kann ich es nicht unterlassen, einen
weiteren vierten einschlägigen Fall an dieser Stelle kurz mit-
zutheilen; seine Kenntniss verdanke ich der Liebenswürdigkeit
des Herrn Geheimrath Dr. N ö t e 1, des früheren Directors der
Andemacher Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt. Dieser Fall ver¬
dient schon um desswillen eine besondere Beachtung, weil er von
Seiten des Gerichtes zu einer Untersuchung des Geisteszustandes
Veranlassung gab.
Der schon mehrfach vorbestrafte, 37 Jahre alte Schreiner X.
wurde eines Tages, bald nachdem er sich 2 fremde Uhren ange¬
eignet hatte, verhaftet; er gab die Uhren heraus und räumte ohne
Weiteres den von ihm begangenen Diebstahl ein. Es war ihm
noch ein weiterer Diebstahl zur Last gelegt, in dessen Ausführung
er 100 M. rechtswidrig an sich genommen haben sollte.
Es wurde Anklage gegen den X. wegen dieser 2 Diebstähle
erhoben. Da erhielt der Staatsanwalt vom Vater des X. die Mit¬
theilung, dass dieser bis zu seinem 13. Lebensjahre den Eltern nur
Freude bereitet habe; er sei dann an einem heftigen Scharlachfieber
erkrankt und biete seit der Zeit zeitweise Anzeichen von Geistes¬
störung; „es kam manchmal über ihn, als ob eine innere Macht ihn
gewaltsam forttriebe“; er habe keine Rast und Ruhe, „als wenn eine
teuflische Macht ihn von Ort zu Ort Jage“; „dann lief er einige
Tage planlos umher und wenn er zurückkam, gab er auf an ihn
gestellte Fragen an: „Er wisse selbst nicht, wesshalb er wegge¬
gangen sei“. Wenn man ihm bei der Rückkehr Vorwürfe gemacht
habe, habe er sich dnitipf brütend an den Tisch gesetzt, den Kopf
*) Nach einem in der 04. Sitzung des psychiatrischen Vereins
der Rheinprovinz am 11. XI. 99 gehaltenen Vortrage.
Original from
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27. Marz 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
417
ln die Hand gestützt und nach längerem Drängen nur die Worte
hervorgebracht: „Ich kann nicht anders, ich kann nicht dafür *.
Er sei verhelrathet, sei ein guter und liebevoller Familienvater;
auch nach seiner Heirath sei er häufiger verschwunden gewesen,
„dabei war er kein Trinker und in seinen ruhigen Stunden ein
tüchtiger Arbeiter“. Die Verhältnisse der Eltern und der Ge¬
schwister seien derartig, dass X. es nicht im Mindesten nöthig habe,
sich umherzutreiben; an Unterstützung werde es ihm nicht fehlen,
wenn er etwa arbeitslos sei.
Daraufhin wurden verschiedene Zeugen vernommen, die im
Wesentlichen die Angaben des Vaters des X. bestätigten.
So berichtet u. A. der Ortsgeistliche, er könne sich den Um¬
stand, dass X. des Oeftercn, heimlich, ohne jeden Grund seine
Familie verlasse, nur durch die Annahme eines krankhaften
Geisteszustandes erklären.
Der letzte Arbeitgeber betonte, dass X. sich stets fleissig und
ordentlich betragen habe, dass er nicht die mindeste Neigung zum
Stehlen gezeigt habe, aber fast jeden Monat sei er ohne Entschul¬
digung mehrere Tage von der Arbeit fortgeblieben und in der
Welt umhergeirrt, ohne dass jemand etwas von seinem Verbleib
gewusst habe; er müsse zeitweilig wohl nicht den vollen Verstand
haben, den er sonst zeige.
Da X. auch beim Militär mehrfach desertirt war. wurden die
diesbezüglichen Acten eingefordert.
Danach hielt er sich bei der Truppe etwa 18 Monate lang leid¬
lich gut; er erhielt nur wegen kleinerer Vergehen einige Strafen,
zuletzt 2 Tage Mittelarrest, weil er sieh bei der Heimkehr um
2 Stunden verspätet hatte. Er hatte kaum diese Strafe verbüsst,
als er die Kaserne ohne Urlaub verliess: kurz vor dieser Desertiou
war X. seinen Kameraden durch sein scheues Wesen aufgefalleu
Nach 18 Tagen kehrte er wieder. Bei dem am nächsten Tage
stattfindenden Verhör räumte er ein, die Kaserne ohne Erlaubnis*
verlasseu zu haben. Er habe schon vorher des Oefteren einen
unwiderstehlichen Wandertrieb gehabt und sei dann 4—5 Tage
von zu Hause weggeblieben: genau so sei es ihm auch diesmal
wieder ergangen. Er verzichtete auf jede Vertheidigung und wurde
zu 3 Monaten Gefängnis* verurtheilt.
Ein halbes Jahr später desertirte X. von Neuem, nachdem er
noch ganz kurz vorher seinen Eltern gegenüber sich darüber aus¬
gelassen hatte, wie gut es ihm bei der Schwadron gehe uud wie
wohl er sich bei ihr fühlt*. Die Stubenkameraden beobachteten
an ihm, bevor er desertirte. ein nachdenklich-grüblerisches Wesen
und einen scheuen Blick. Nach etwa 3 »/„ Monaten war er frei¬
willig zurückgekehrt. Er sei, gab er beim Verhör an, wieder seinem
unwiderstehlichen Drange zum Opfer gefallen: er wisse gar nicht,
warum er desertirt sei. Wenn er sich in der Folge nochmals oder
gar mehrere Male wieder aus dem Dienste entferne, so könnt* er
nichts dafür: auch mit Aufwendung der grössten Mühe sei es ihm
nicht möglich, den Wandertrieb zu unterdrücken. An dem be¬
treifenden Abend habe er die Werkstätte, in der er sich zur vollen
Zufriedenheit seiner Vorgesetzten längere Zeit beschäftigt hatte,
verlassen müssen; er sei in der Stadt umhergeirrt und schliesslich
nach M. gefahren, habe liier seine Militärkleider gegen Civilkleider
umgetauscht und sei weiter nach Luxemburg gefahren. Ein Be¬
kannter habe ihm zugeredet, doch wieder zur Garnison zurfiek-
zukehren, er sei aber, seinem unwiderstehlichen Drange folgend,
weitergefahren nach Antwerpen und habe dort ein Schiff bestiegen.
Erst auf hoher See sei er zum Bewusstsein seiner Timt gekommen.
Da er kein Geld zur Heimreise gehabt habe, habe diese sieh ver¬
zögert.
Im Militärla^areth, wohin man X. zur Untersuchung auf seineu
Geisteszustand gebracht hatte, konnte man während seines
14 tägigen Aufenthaltes nichts Krankhaftes bemerken.
Das Gutachten führte an, dass „eine allgemeine Geisteskrank¬
heit“ nicht vorhanden sei und dass ebenso wenig von einer zeit¬
weiligen Aufhebung der Freiheit seines Handelns zur Zeit der
That die Rede sei. Man könne wohl an larvirte Epilepsie denken,
aber einmal seien die Anfälle, wie das tagelange Umherirren von
zu langer Dauer, uud dann sei das hauptsächlichste Merkmal der
epileptischen Geistesstörung nicht vorhanden: das Fehlen des Be¬
wusstseins. X. erinnere sich an alle Vorgänge aus der Zeit,
während derer er von dem angeblich krankhaften Wandertriebe
beherrscht sei, und desshalb könne man das Bestehen eines epi¬
leptischen Zustandes nicht annehmen.
X. wurde zu einem Jahr Gefängniss und zur Versetzung ln die
2. Classe des Soldatenstandes verurtheilt.
Späterhin liess X. sich dann, wie schon oben gesagt wurde,
zwei Diebstähle zu Schulden kommen; zur Beobachtung auf seinen
Geisteszustand wurde er der hiesigen Anstalt übergeben.
Nach der körperlichen Seite bot er nichts Bemerkenswerthes,
abgesehen davon, dass sich rechterseits, etwa dem vorderen unteren
Winkel des Seitenwandbeines entsprechend, in der Haut eine von
unten nach oben verlaufende circa 3 cm lange Narbe be¬
findet. Diese Stelle ist bei Beklopfen ausserordentlich empfind¬
lich; jedesmal zuckt X. beim Beklopfen schmerzhaft zusammen,
während sich die übrige Partie des Schädels als völlig unempfindlich
erweist. X. will sich an der betreffenden Stelle eine Verletzung
durch einen Fall in seiner Jugend zugezogen haben.
Auch hier gab er an, dass er, seitdem er ein schweres Schar-
laehfleber durchgemacht habe, die eigenartigen Anfälle habe; schon
aus der Schule sei er oft weggelaufen und in Dorf und Wald um¬
hergedöst. ohne etwas zu wissen, und ebenso später während seiner
Lehrzeit bei einem Schreiner; da habe er die Arbeit plötzlich liegen
lassen müssen und sei ohne Zweck und Ziel y 2 —1 Tag in der
Gegend seines Wohnortes umhergestreift Auch beim Militär und
später sei es so Über ihn gekommen, ohne jegliche Veranlassung.
Die letzten 2 Jahre habe er eine Stelle als Kutscher innegehabt:
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aus ihr sei er ebenfalls grund- uud planlos für 1—2 Tage weg-
gegangen.
Vor diesen Anfällen habe er 1—2 Stunden lang heftigen
Kopfschmerz; er habe das Gefühl, als ob mit Messern in seinem
Kopf umhergearbeitet werde; es sei nicht zum Aushalten. Ab und
zu trete auch die Empfindung auf, als ob etwas aus seinem Magen
herauf steige; zuweilen sehe er vor den Augen „Sternchen“ oder es
sei ihm schwindelig. Dann beginne die Wanderung. Nach einiger
Zeit komme er zu sich; es sei ihm dann gerade so, als ob er auf-
wache; er schäme sich, dass ihm das schon wieder passirt sei, und
er frage sich dann oft genug: Was hast du da nun wieder ge¬
macht?
Er habe nicht immer, nur selten gewusst, was er in der Zeit
des Umhertreibens aufange; davon habe er erst später durcli
Andere gehört. Wann und wie oft er solche Anfälle gehabt habe,
könne er nicht mehr genau angeben; er habe eben ein schwaches
Gedüchtniss für solche Sachen.
Ein Trinker sei er durchaus nicht, wenn er auch nicht leugnen
könne, ab und zu etwas getrunken zu haben, doch habe dies mit
seinen Anfällen nichts zu tlnin.
Krampfanfälle habe er, soviel er wisse, nie gehabt
Nach wie vor behauptete X. auch hier, den ersten der ihm
zur Last gelegten Diebstähle nicht begangen zu haben, wenn er
auch desshalb steckbrieflich verfolgt sei. Sollte er zur fraglichen
Zeit, wie man vernmthet habe, nicht bei sich gewesen sein, so
könne er die That doch auch nicht eiuräumen.
Dass er die Uhren an sich genommen habe, müsse er ja zu¬
geben; warum er das eigentlich gethan habe, könne er nicht genau
sagen; solches Handeln verstosse gegen das Gesetz und er werde
die verdiente Strafe gerne ertragen. Bei einer anderen Unter¬
redung meinte er, er könne aus Noth gehandelt haben; in Wirk¬
lichkeit hatte X. zur Zeit seiner Festnahme über 7 Mark bei sich,
welcher Betrag mehr als hinreichend war zur Beschaffung des
nöthigen Eisenbahnbillets.
Für gewöhnlich legte X. ein ruhiges und geordnetes Wesen an
den Tag; unbefangen und freien Blickes gab er Auskunft über seine
Angelegenheiten; was er sagte, erwies sich durchaus als zutreffend.
Nur bei der Wiedergabe von Ereignissen aus der Militärzeit, be¬
sonders soweit sie die beiden Desertionen betrafen, liess er sich
manche Uebertreibungen und Entstellungen zu Schulden kommen.
Es war ihm selbst ebenfalls aufgefallen, dass sein Gedächtnis*
für die Schulkenntnisse Einbusse erlitten hatte.
Während seines Anstaltsaufenthaltes, der 6 Wochen währte,
hatte er zwei Schwindelanfälle. Sodann hatte er Zeiten, in denen
er weniger frisch war, träge antwortete, ausserordentlich leicht
ermüdete. Er war dann auffallend gedrückter Stimmung; trüb¬
selige Vorstellungen, die unbegründet waren, bemächtigten sich
seiner: ganz im Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten fuhr er
beim geringsten Anlass zornig auf. X. selbst wusste, dass er in
diesen Perioden ein noch schlechteres Gedäcbtniss hatte als sonst,
und dass er sich während ihres ^pstehens nicht einmal auf ganz
geläufige Dinge zu besinnen vermochte.
Das Gutachten führte aus, dass X., wenn er bisher auch keine
typischen epileptischen Anfälle dargeboten habe, dennoch als
Epileptiker anzusprochen sei, und dass insbesondere jene Wande¬
rungen als epileptische Dämmerzustände aufgefasst werden
müssen. Von einer eingehenden Beweisführung kann an dieser
Stelle füglich Abstand genommen werden, da sie doch nur auf
eine Wiederholung des bereits früher Erörterten hinauslaufen
w'ürde. Periodisch, ohne jede Veranlassung, erfasste den X. die
Wanderlust; vorher erschien er seiner Umgebung verändert;
Stunden lang vorher hatte er Kopfschmerzen oder andere Stö¬
rungen, die unschwer als Aura gedeutet werden konnten; nachher
fast völlige Amnesie. Ausserdem wurden bei ihm anderweitig
nicht begründete Scbwindelanfälle und anfallsweise auftretende
psychische Abnormitäten beobachtet. Ursächliche Momente, nach
denen erfahrungsgemäss Epilepsie sehr oft auf tritt, liegen auch
vor: hereditäre Belastung, die Kopfverletzung, für die nicht so¬
wohl die Angabe des X., als besonders die Narbe und die hoeli-
gradigeDruckempfindlichkeit sprechen, und das schwere Schar¬
lachfieber in seinem 13. Lebensjahr.
Mit Bezug auf letzteren Punkt sei hervorgehoben, dass
B i n s w a n g e r, Lemoine, P. Marie in dem Ueberstehen
von Infectionskrankheiten im Kindesalter eine der wichtigsten
Ursachen der Epilepsie sehen; und auf die ursächliche Bedeutung
gerade des Scharlachfiebers haben beispielsweise Wildermuth
und A 11 h a u s aufmerksam gemacht.
Nur der Vollständigkeit halber theile ich das Ergebniss des
diesseits geforderten gerichtsärztlichen Gutachtens mit. Da
nachgewiesen war, dass X. an Epilepsie leidet, musste betont
werden, dass die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen war,
dass X. auch zur Zeit der strafbaren Handlungen sich in einem
epileptischen Dämmerzustände befunden haben konnte. Für den
ersten Diebstahl war das desshalb wahrscheinlich, weil X. von
ihm nicht das Mindeste zu wissen angab; was den zweiten Dieb¬
stahl angeht, so spricht seine Angabe, dass er aus Noth gehandelt
habe, sicher nicht zu Gunsten seiner völligen geistigen Klarheit;
2
Original fro-m
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. lb.
er hatte genug Geld, sogar noch mehr als das, um die Reise in
seine Heimath bestreiten zu können, und zudem wusste er auch,
dass die Seinigen ihn jetzt ebenso, wie schon früher des Oefteren
unterstützen würden.
Dass der vorliegende Fall den früher mitgetheilten drei Fällen
ausserordentlich ähnelt, in einzelnen Punkten eine geradezu frap¬
pante Uebereinstimmung mit ihnen zeigt, wird ohne Weiteres
Jeder zugeben, der sie mit einander vergleicht.
Damals hatte ich auch das Verhalten des Bewusstseins der
Kranken zur Zeit der von ihnen vollführten Handlungen berührt.
Es ist sicherlich zu bedauern, dass auch in diesem Falle eine fach¬
männische Beurtheilung gerade zur fraglichen Zeit fehlt. Ich er¬
innere mich aber eines weiteren Falles, der, wenn er auch nicht
so rein ist, wie die mitgetheilten, doch mit ihnen viele Berühr¬
ungspunkte hat, und daher dennoch nach der Richtung hin Ver-
werthung finden darf. Der Kranke, der in ganz ausserordent¬
lichem Maasse gegen Alkohol intolerant war und an typischen
epileptischen Anfällen litt, machte ebenfalls ungewollt und
unbewusst grössere oder kleinere Reisen. Auf einer solchen Fuss-
tour, die ihn vom Niederrhein bis in die Gegend von Strassburg
i. E. führte, besuchte er auch mich, den er von einem früheren
Anstaltsaufenthalte her kannte. Ich unterhielt mich längere Zeit
mit ihm und konnte an ihm nicht das mindeste Auffallende be¬
merken, weder nach der psychischen noch nach der somatischen
Seite; sein ganzes Benehmen und Verhalten glich ganz dem in
gesunden Tagen. Er gab mir aber später, als ich ihn wieder traf,
zu meinem grossen Erstaunen an, von der ganzen Reise und ins¬
besondere von jener Unterhaltung mit mir auch nicht das Min¬
deste zu wissen.
Wir sind, wenn Augenzeugen fehlen, bei der Beurtheilung
des Verhaltens des Bewusstseins auf den Ausfall oder das Vor¬
handensein der Rückerinnerung angewiesen, und dass hierbei
alle Reserve durchaus und sehr geboten erscheint, ist mehr als
selbstverständlich.
Darin sind sich alle Sachverständigen einig, dass das Nicht¬
vorhandensein einer völligen Amnesie für sich nicht zur Aus-
scliliessung der Diagnose eines epileptischen Dämmerzustandes
berechtigt. So sehr ein solcher Standpunkt auch durch viele ein¬
wandsfreie Beobachtungen gestützt wird, so muss er doch immer
wieder betont werden, da er anscheinend noch nicht Allgemein¬
gut geworden ist.
Das militärärztliche Gutachten kommt, wenigstens in dem
vorliegenden Falle, zu dem Ergebnis«, dass es sich bei X. nicht um
psychische Epilepsie handeln könne, da ausser echten epileptischen
Anfällen vor Allem die Amnesie fehle. Keiner aber wird sich
dem Eindruck zu entziehen vermögen, dass die Mehrzahl der
Psychiater, wenn sie über die Anwendbarkeit des § 51 (St.-G.-B.)
auf die Desertionen sich äussern sollten, zu einem entgegenge¬
setzten Resultat gekommen wären und ihr Gutachten damit be¬
schlossen hätten, dass auf X. der genannte Paragraph zutreffe.
Jeder Militärarzt, der ein psychiatrisches Gutachten über
wiederholte und kopflose Desertionen zu erstatten hätte, sollte
vorher die Westphal’schc Arbeit (Superarbitrium über den
wegen unerlaubten Entfernens ira wiederholten Rückfalle an ge¬
klagten Musketier, Vierteljahresschr. f. gerichtl. Medicin, Bd. 39.
1883, pag. 198) lesen. Die Kenntniss dieses mustergiltigen Gut¬
achtens würde ebenso der aus 3 oberen Militärärzten bestehenden
Commission die Begutachtung des ersten der früher von mir mit¬
getheilten Fälle (1. c. 753) erleichtert haben, und vor Allem wäre
die zeitraubende, vom Generalauditoriat angeordnete Vernehmung
weiterer Zeugen und die Erstattung eines Obergutachtens unter¬
blieben.
Es musste auffallen, dass in einem der von mir früher be¬
schriebenen Fälle sich eine so gute Rückerinnerung naehweisen
liess; erhebliche Lücken in seinem Gedächtnisse waren nicht zu
ermitteln, wiewohl die Ausführung der betreffenden Reisen eine
längere Zeit in Anspruch genommen haben musste. Es ist
sicherlich voreilig, daraus den Schluss zu ziehen,, es habe über¬
haupt keine Erinnerungslücke bestanden. Ist es doch schon bei
einem geistig Gesunden fast unmöglich, nach längerer Zeit alles
das, was er während eines oder mehrerer Tage erlebt hat, so genau
festzustellen, dass lediglich aus seinen eigenen Angaben ein bis
in alle Details naturgetreues Bild der verflossenen Tage reeon-
struirt werden kann.
Dieser Fall gab Veranlassung, dem Verhalten des Bewusst¬
seins und der Erinnerung bei Epileptikern zur Zeit ihrer Kran-
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kenperioden eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Mit
Absicht wurden solche Kranke ausgewählt, bei denen die Diagnose
der Epilepsie über jeden Zweifel erhaben war und die epilepti¬
schen Anfälle oder vielmehr deren Aequivalente eine nur kurze
Zeit in Anspruch nahmen, da diese begreiflicher Weise die Con-
trole erleichterte.
Man ist nur selten in der Lage, einen epileptischen Anfall
zu beobachten, der von dem echten und typischen Anfall nur in¬
sofern abweicht, als das Bewusstsein gar keine oder doch keine
erhebliche Beeinträchtigung erlitten hat; den wenigen bisher in
der Literatur niedergelegten Beobachtungen (Ball, B i n s -
wanger, Bombarda, Höring, Lemoine, Maheim,
Nothnagel, Ogle, Oliver, Roller u. A.) können keine
neuen zugefügt werden.
Wohl gilt das von dem epileptischen Aequivalente oder, eor-
roctor ausgedrückt, von dem abortiven Anfalle, wie ich schon
früher andeutete (1. c. 775). Es erübrigt mir, die damals in Aus¬
sicht gestellten Beobachtungen in Folgendem kurz mitzutheilen.
I. Vor etwa 3 y s Jahren wurde der Bonner Anstalt ein junger
Mensch zugeführt, der ungefähr 18 Jahre alt war und bereits seit
2 Jahren an Epilepsie litt. Nach seinen Angaben hörte er vor den
Anfällen des Oefteren Stimmen, die ihm von der gleichen sinn¬
lichen Deutlichkeit erschienen, wie die der sich mit ihm unter¬
haltenden Umgebung; direct im Anschluss an diese Gehürshallu-
cinatlonen wurde er schwindelig und bekam seinen Anfall.
Ich veranlasste meinen Kranken, mir alle Beobachtungen ül>er
seine Hallucinationen, sowie über seine Anfälle überhaupt, auf¬
zuschreiben, mit anderen Worten, sein eigenes Krankenjournal zu
führen; dieser Aufforderung kam er in der gewissenhaftesten
Weise nach. In seinen Notizen finden sich u. a. folgende Bemer¬
kungen: „Heute Morgen wurde mir gesagt, dass ich einen Brief
für den Kranken B. schreiben sollte; da w'ar es mir gerade so, als
w r enu zu mir gesprochen w r ürde: „Du musst dich auch immer an
Anderer Sachen stören“, wobei ich einen Anfall bekam.“
Er brachte einem Mitkranken, der auf einer anderen Station
lag, die Zeitungen, um die er ihn gebeten hatte: „Da war es mir,
als wenn zu mir gesprochen würde: „Was hast du auch auf den
anderen Stationen zu thun?“, wobei ich einen Anfall bekam.“
„Diesen Morgen, beim Waschen in der Küche, w r ar es mir ge¬
rade so, als w r enn zu mir gesprochen würde: „Nun willst du wieder
der Erste sein, der fertig ist“; da w f urde es mir so schwindelig,
und ich war gerade im Begriff, mich zu setzen, als ich schon fiel.“
Eines Tages fragte er den Oberpfleger, ob es ihm nicht ge-
gestattet sei, mit dem Kranken D. spazieren zu gehen; er wurde an die
Aerzte verwiesen. „In dem Augenblicke war es mir, als wenn zu
mir gesprochen würde: „Du meinst nun wieder, dieser Herr könnte
dies aus sich gestatten“, wobei es mir so schwindelig im Kopf wurde,
und ich war gerade im Begriff, mich zu setzen, als ich schon einen
Anfall bekam.“
„Diesen Morgen, als ich aufstehen und mich ankleiden wollte,
w'ar es mir, als wenn zu mir gesprochen würde: „Bleibe mir ruhig
liegen, sonst bekommst du einen Anfall“; einen Augenblick nachher
kam der Pfleger S. in unser Schlafzimmer und fragte mich, warum
dass ich nicht aufstände? Da hörte ich, wie ihm der E. zur Ant¬
wort gab: dass ich die Krankheit wieder bekommen hätte.
Heute Abend, kurz vor dem Essen, kam es mir so vor. als
wenn zu mir gesprochen würde: „Nun meinst du wieder, der Erste
am Tisch sein zu müssen“, worauf es mir so schwindelig wurde,
und ich auch einen Anfall bekam.
Beim Spielen mit anderen Kranken ist es mir häufig so. als
wenn Einige sprächen und sagten zu mir: „Du willst auch wohl
immer gewinnen“, und danach bekam ich einen Anfall.
Heute Vormittag war ich am Lesen, und da w T ar es mir einen
Augenblick so, als wenn zu mir gesprochen würde: „Du willst auch
Alles lesen.“ Da wurde ich einen Augenblick von Krämpfen be¬
fallen und das Buch entfiel meinen Händen.
Ich hatte mich heute Vormittag auf einen Stuhl gesetzt, und
da wurde zu mir gesprochen: „Wenn du etw*as siehst, dann meinst
du, du müsstest es auch haben“, da wurde es mir so schwindelig
im Kopfe und ich war gerade im Begriff, mich auf einen Lehn¬
sessel zu setzen, als schon der Anfall kam, welcher schnell vortil»er-
ging.“
Aura in der Form von Sinnestäuschungen sind schon lange
bekannt; aber bei einer sensoriellen Aura ist vorwiegend der
Gesichtssinn betheiligt, und wenn Störungen von Seiten des Ge¬
höre vorliegen, was selten ist, so handelt es sich in den wenigsten
Fällen um deutliche Hallucinationen. Bekannt ist der Fall von
H a m m o n d, dessen Kranker vor dem Anfall 10—15 mal seinen
Namen rufen hörte.
Auch in unserem Falle liegen echte Hallucinationen vor;
es ist aber bemerkenswerth, nicht nur dass der Kranke sieh ihrer
nach dem Uebcrstehen des Anfalls ganz genau erinnerte, mehr
noch, dass er über den Hallucinationen steht und nicht an ihre
Realität glaubt. Auch der Umstand verdient hervorgehoben zu
werden, dass die einzelnen Hallucinationen inhaltlich einander
ausserordentlich ähneln: immer wird der Kranke von der Stimme
oder auch von den Stimmen (er hört ab und zu mehren* Per-
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 419
sonen zu sieh spreehoii) angc redet und ihm irgend eine Mahnung
oder ein Tadel erlheilt, der oft genug in recht naher Beziehung
zu den zufälligen äusseren Begebenheiten oder seiner momentanen
Beschäftigung steht. Diese Beobachtung lässt unwillkürlich an
die von Franz Fischer (Berl. klin. Wochenschr. 1888. 8) her-
vorgehobene photographische Gleichheit der psychischen Aura der
einzelnen Anfälle bei demselben Kranken denken.
Es kommt aber danach nicht immer zu dem ausgesprochenen
epileptischen Anfall, sondern oft nur zu einzelnen Zuckungen
in umschriebenen Muskelgebieten oder nur zu einem Schwindel;
den Kranken verlässt das Bewusstsein nicht eine Secunde, und er
kann nachher genau über die Vorfälle mündlich und schriftlich
berichten, und die späterhin angestellren Nachforschungen er¬
gaben jedesmal die Richtigkeit seiner Schilderung.
Eines Tages hatte beispielsweise ein Mitkrauker meinen
Kranken zur Rede gestellt, weil er angeblich gelauscht habe; „nach¬
her war es mir“, so schreibt er selbst, „als wenn zu mir gesprochen
würde; ,Nun regst Du Dich doch wieder darüber auf. worauf ich
auch die Krämpfe in die Füsse bekam; als ich da aber ruhig sitzen
blieb, ging es rasch vorüber und zu einem Anfall kam es nicht.“
„Diesen Abend nach dem Essen hatte ich mich ein wenig au
den Ofen gestellt, als es mir plötzlich schwindelig wurde, und ich
war gerade im Begriff mich zu setzen, da war es mir. als wenn zu
mir gesprochen würde: ,Du denkst gar nicht an’s Fallen*; einen
Anfall würde ich auch sicher bekommen haben, wenn ich mich
nicht direct gesetzt hätte.
Wir spielten, da war es mir plötzlich schwindelig, und es war
mir, als wenn zu mir gesprochen würde: ,Du gedenkst auch wohl
immer zu gewinnen*; als ich nun aber ruhig sitzen blieb, ging der
Schwindel, so rasch wie er gekommen, auch wieder vorüber.
Diesen Morgen hatte ich mich ein wenig auf die Bank an s
Fenster gesetzt, da war es mir, als wenn zu mir gesprochen würde:
.Nun denkst Du wieder an nichts Anderes, als an den Besuch
Deines Vaters*; unterdessen wurde es mir schwindelig; der Schwin¬
del war aber nicht schlimm, sondern ging rasch vorüber.“
Schliesslich liess sich feststellen, dass Gehörshallueinationen
ganz isolirt und ohne Verbindung mit irgend einer weiteren patho¬
logischen Erscheinung auftraten. Ich bin geneigt, in diesem
Fall die Ilallucinntioncn als Abarten eines epileptischen Anfalles
anzusehen, und ich halte mich zu einer solchen Auffassung für
um so berechtigter, als jene mit den Hallueinationen, die die
sensorielle Aura des Anfalles bilden, inhaltlich, ja wörtlich völlig
iihereinstimniten. Das war dem Patienten selbst nicht entgangen;
so findet sich unter seinen Aufzeichnungen die Notiz: Beim
Spielen war es mir so, als ob zu mir gesprochen würde: „ Du willst
auch immer der Erste sein“. Der Kranke, der sich selbst genau
beobachtet und gewissenhaft Alles zu Papier brachte, erwähnt
aber keinen Schwindel noch Anfall, und ebensowenig wusste die
Umgehung hiervon zu melden.
Ich seihst war des Oeftoren in der Lage, den Kranken zu
beobachten, gerade zu der Zeit, als sich bei ihm die erwähnten,
vereinzelt auftretenden und äusserst schnell vorübergehenden
Hallueinationen einstellten. In Nichts wich er dann von seinem
sonstigen Gebahron ab, er gab auf jede Frage hin die zutreffende
Auskunft, schilderte die Gehörstäuschung peinlich genau und ver¬
mochte nachher von Allem, was passirt war, zu berichten.
In der Literatur findet sich wenig über diese „epileptiformen
Hallueinationen“, wie sie A. Kühn genannt hat. der drei zu¬
gehörige Fälle gesehen hat (Berl. klin. Wochenschr. 1883, 17).
I> e r g e r, der seine Arbeit in Mendel II, pag. 265 referirt
hat, findet die Fälle nicht ganz einwandsfrei und macht auf
4 eigene Beobachtungen aufmerksam: er nennt diese' momen¬
tanen, in wenigen Secunden wieder verschwindenden Ilalluci-
liationcn epileptoid und lieht hervor, dass sie gewöhnlich ängst¬
licher Art waren. Anderweitige psychopathische Erscheinungen
waren nur in einem Falle nachweisbar. Dem Kranken fehlte
jede Erinnerung an Alles das, was während der 10—15 Secunden
dauernden Ilalluciuntion um ihn herum vorging.
Andere Anfälle dos von mir beobachteten Kranken waren
durch eine psychische Aura eingeleitet und zwar durch eine Gc-
dächtnissstörung.
Entweder war es ihm so. als ob er bei uns in der Anstalt
bereits gewesen sei; Alles erschien ihm bekannt; die Aerzte. Pfleger,
Mitkranken waren ihm nichts weniger als fremd, auch die Räume
mit dem gesaminten Mobiliar, mit aller Ausstattung glaubte er
von früher her wieder zu erkennen, und während er wähnte, Alt¬
bekanntes nochmals zu erleben, setzte der Anfall ein und machte
seinem Irrthum ein jähes Ende.
Oder er glaubte, das, was er vorher gelesen hatte, nun mit aller
Deutlichkeit zu erleben, vor sich zu sehen oder au ihm wesentlich
betheiligt zu sein. So entsinne ich mich, dass er mir eines Tages
berichtete, er habe geglaubt, in Berlin su sein, worüber er wenige
Stunden vorher gelesen habe; es wäre ihm so gewesen, als ob er
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unter den Linden gewesen sei, als ob er das alte Schloss, die Uni¬
versität, das Zeughaus und die Schlosebrücke mit ihren Statuen vor
Augen gehabt habe. Die Wache sei aufgezogen, und viel Volk habe
sich hin- und herbewegt; auf einmal sei Alles zu Ende gewesen,
da der Anfall gekommen sei.
Die gleichen Störungen, die, wie gesagt, das erste Symptom
des drohenden epileptischen Anfalles sein konnten, traten auch
ganz losgelöst von jeder anderen pathologischen Erscheinung, vor
Allem ohne jede nachweisbare Bewusstseinsstörung für kurze
Zeit auf und verschwanden dann, indem die Wirklichkeit in ihre
Rechte trat.
Dass die Störungen gedachter Art gar sehr an die identifi-
cirenden und assoeiativen Erinnerungsfälschungen Kräpe -
1 i n’s erinnern, darauf sei nur nebenbei hingewiesen.
Sie kommen bekanntermaassen nicht selten bei den Epi¬
leptikern vor, deren Geisteszustand das leicht erklärlich macht.
Dennoch möchte ich die gleichen Störungen bei unserem Kranken
anders deuten und in ihnen eine forme fruste des epileptischen
Anfalles erblicken; zu Gunsten dieser Anschauung spricht der
weitere Umstand, dass sie nur attackenweise auftreten und ebenso
schnell vorühergehen, wie sie kommen, ohne jemals von dem
Kranken weiter verarbeitet oder venverthet zu werden.
Schon J ackson und später Fere, Dutil, sowie Binswanger
machen darauf aufmerksam, dass vor dem Anfall Erinnerungs¬
bilder der verschiedensten Art auftauchen und so eine Aura aus-
muclien können. Aehnliches berichteten vor Kurzem W inkler
(ref. L ä h r, Bd. 55, pag. 15. Literaturber.) und N. C. Thomson
(ref. Centralbl. f. innere Med. 1898, pag. 1011); nach dem letzt¬
genannten Autor hatte der Kranke vor dem Anfall ein seltsames,
undefinirbares Vorgefühl, das oft begleitet war von plötzlicher
Erinnnerung an allerhand gleichgiltige, geringfügige Dinge
seiner Kindheit, während das Gedächtnis.^ an kürzlich geschehene
Dinge ihn verlässt.
Bei einer dritten Reihe von Anfällen klagte der Kranke dar¬
über, dass er, bevor er schwindelig werde und den Anfall be¬
komme, doppelt sehe, und zwar dann, wenn er nach rechts sehe.
Einzelne Male trat nach dem Doppeltsehen nur das Gefühl von
Schwindel ein. In anderen Fällen konnte ich weiterhin, da ich zu¬
fällig auf der Abtheilung war, die unser Kranker bewohnte, fest¬
stellen, dass während dieses ganz schnell vorübergehenden An¬
falls von Doppeltsehen sich nicht die mindeste Veränderung, weder
nach der psychischen, noch nach der körperlichen Seite, au ihm
nach weisen liess. Er selbst gab mir ganz genau und bestimmt
an, wann das Doppeltsehen begann und wann es aufhörte; diese
Zeit konnte nach meiner Schätzung höchstens eine Minute betragen.
Einige Male glückte es mir dabei, mit aller Sicherheit nachzu¬
weisen, dass das Doppeltsehen auf eine Lähmung des rechten
MuscuUis externus zuriiekzuführen war.
(Schluss folgt.)
Aus dem Neuen allgemeinen Krankenhaus, Hamburg-Eppendorf
(medic. Abtheilung: Oberarzt Dr. Rumpel).
Klinische Beiträge zur Tuberculose.
. Ein Beitrag zur Frühdiagnose der Lungentuberculose — die
Punction der Lunge zum Nachweis der Tuberkelbacillen.
Von Dr. med. M. Henkel, Assistenzarzt.
Für den Nachweis der Tuberkelbacillen sind zahlreiche
Methoden angegeben, die fast alle den Vortheil haben, dass sie
recht gut und vor Allem einfach und praktisch sind. Die erste
Forderung aller dieser Methoden ist aber die, dass Untersuchungs¬
material vorhanden ist, sei es Stuhl, Urin, Sputum, Eiter oder
sonst etwas. Dem Gewinnen dieses Materials ist bisher wenig
Wichtigkeit beigemessen worden, weil es in den meisten Fällen
diese Excremente ja erst waren, die den Verdacht einer tuber-
culösen Erkrankung erweckten.
Eine besonders wichtige Rolle spielt der Nachweis der
Tuberkelbacillen im Sputum. In vielen Fällen wird er ja
nur der Schlussstein der exacten Diagnose „Phthisis pulm.“
sein, in anderen aber wird er von entscheidender Wichtigkeit sein;
denn es ist durchaus nicht gleichgiltig, ob ich einen fraglichen
Lungenkatarrh einfach als solchen, oder als einen schon auf tuber-
culöser Basis beruhenden anzusehen habe. Gewiss wird man bei
einem einseitigen Lungenspitzenkatarrh trotz fehlenden bacillären
Befundes im Sputum an eine tuberculöse Erkrankung denken,
denn „Catarrhus uniiis. lateris non et catarrhus“, Die Praxis
lehrt aber, dass die Lungentuberculose durchaus nicht immer in
einer Spitze beginnt, sondern auch an anderen Stellen, z. B. im
Unterlappen einer oder beider Lungen beginnen kann, und das
2 *
Original fro-m
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No- 13
sind die Fälle, deren Frühdiagnose unter Umständen grosse
Schwierigkeiten bereiten kann.
Husten, Auswurf, Stiche in der Brust, zeitweise Nacht-
schweisse, Mattigkeit, das sind so in grossen Zügen die Beschwer¬
den, die fast alle Phthisiker äussern. Kommt nun noch der
Habitus hinzu, so wird die Diagnose kaum noch Schwierigkeiten
bereiten.
Der Husten, oder häufig auch nur etwas „Anstossen oder
Hüsteln“ fehlt eigentlich nie. Es gibt aber Fälle, wo der Auswurf
monatelang fehlen kann, trotz oft manifesten klinischen Be¬
fundes.
So haben wir z. B. einen 20 jährigen Matrosen auf der Ab¬
theilung, der nach keiner Richtung hin hereditär belastet, bis
4 Wochen vor seiner Aufnahme ln das Eppendorf er Krankenhaus
stets gesund gewesen war, dann fühlte er sieh unwohl und hustete
dann und wann, ohne angeblich je Auswurf gehabt zu haben. Der
Aufnahmebefund ergab: Mittlerer Ernährungszustand. Kein Ha¬
bitus phthisicus. Keine Driisenschwellung: chronische, doppel¬
seitige, trockene Rhinitis, rechtsseitige chronische Mittelohreiterung
(non tuberculosa), am Herzen normaler Befund, an den Hungen
wurde geringgradiges Emphysem und links hinten, etwa in der
Mitte, ein feuchter Katarrh mit mittelgrossblasigen Rassel¬
geräuschen und geringer Schallverkürzung festgestellt. Die ganze
Art des Katarrhs Hess den Verdacht rege werden, dass es sich um
eine Lungentuberculose handeln könnte. Die Temperaturen waren
nun bei der weiteren klinischen Beobachtung allabendlich über
37° bis 37,8°. Auswurf war nie vorhanden, so dass wir nicht in
der Lage waren, ein sicheres Urtheil über die Art der Erkrankung
zu gewinnen. Auf 0,005 Tuberculin (altes K o c h’sches) reagirte
der Patient nicht, worauf ich besonders aufmerksam machen
möchte.
Ich machte nun an der Stelle, wo die katarrhalischen Lungeu-
geräusche am ausgesprochensten waren, eine Punctiou mit der
Prava z’schen Spritze, ln der Absicht, Tuberkelbacillen in der
AspirationsfUissigkeit nachzuweisen; und dies gelang. Im Deck-
glaspräparat, nach Ziehl-Neelsen gefärbt, fanden sich zahl¬
reiche Tuberkelbacillen. Einige Tage darauf wurde von Neuem
aspirirt, um ein Meerschweinchen intraperitoneal impfen zu
können.
5 Wochen nach der Impfung wurde das Thier getödtet. Es
bot das ausgesprochene Bild einer Peritonealimpftuberculose mit
Freibleiben der Lungen. Der Patient hat nun weder nach der
Tuberculiniujection, wie das von anderer Seite behauptet wird,
noch nach den Lungenpunctionen Auswurf gehabt.
Ein einziges Mal. 3 Monate nach seiner Aufnahme, wurde
ohne besondere Veranlassung etwas Sputum ausgehustet, und auch
In diesem gelang der bacterioskopische Nachweis der Tuberkel¬
bacillen. Seit der Zeit bis heute fehlt jeder Auswurf.
Häufig und zwar nur bei incipienten Lungenphthisen haben
wir nur während der ersten Tage ihres Krankenhausaufenthaltes
Auswurf erhalten. Wir haben denselben jedes Mal sofort unter¬
sucht und durch den positiven bacillären Befund unsere klinische
Diagnose sicherstellen können. Dann schwand der Auswurf, oft
lediglich durch Bettruhe und hat sich oftmals trotz monatelangen
Hierseins nicht wieder eingestellt.
Die Temperaturcurven fast aller dieser Fälle zeigten nun
stets dasselbe Bild: Constante, ganz geringe allabendliche Tem¬
peratu rerhebungen über 37—37,8 °, kaum je einmal höher. Das
ist eine Beobachtung, auf die meines Wissens zuerst Turban
aufmerksam gemacht hat, eine Beobachtung, die fast stets auf
eine ineipiente tuberculöse Lungenaffection hindeutet.
Wir haben hier Patienten gehabt, die bei der Aufnahme über
nichts als über allgemeine Mattigkeit geklagt haben; wir haben
keinen Organbefund erheben können. Aufmerksam wurden wir
aber, als die Temperaturcurve die eben geschilderte Form an¬
nahm. Weiterhin, oft auch erst nach Wochen, konnten wir dann
erst einen physikalisehen Lungenbefund erheben, später die
Tuberkelbacillen im Sputum nachweisen.
Klempcrer sagt in seiner klinischen Diagnostik (6. Auf¬
lage) : „Die ersten physikalisch wahrnehmbaren Zeichen der
Lungentuberculose sind: deutliche Dämpfung über einer Spitze,
vesiculäres At.hmen, mit verlängertem, verschärften Exspirium
oder unbestimmtes Atlimen, kleinblasige, klanglose bezw. brou-
chitische Rasselgeräusche.“
Wir haben nun die Erfahrung gemacht, dass die ersten
physikalischen Symptome gewöhnlich gerade nicht über der
Spitze mit einer Dämpfung zumal auf treten; viel häufiger haben
wir gefunden, dass die ersten physikalisch nachweisbaren Erschei¬
nungen, die die Phthisis pulm. incip. hervorruft, lediglich aus-
eultntoriseher Art sind, und dass ihr Sitz in der überwiegenden
Zahl der Fälle die Fossa supraspinata. infraspinata, die Gegend
zwischen den Schulterblättern (Uilusgegond) ist, und dass sie
vorn in der Fossa infraclavieularis zuerst auf treten.
Hinten hört man auf einer Seite, während sonst In- und •
Exspirium noch unverändert sind, ein trockenes, giemendes oder |
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knarrendes Geräusch von tonartigem, musikalischem Charakter,
meist am Ende des Exspiriums. Dieses trockene, hohe und charak¬
teristische Geräusch, welches constant an der gleichen Stelle
über Monate, selbst auch nach glücklichem therapeutischen Ver¬
lauf, gehört wird, vergleicht Turban nicht mit Unrecht mit
dem ..Winseln junger Hunde“.
Neben diesem physikalischen Frühsymptom der Lungeu-
tuberculose spielt, wie Turban ebenfalls hervorhebt, das ab¬
geschwächte Vesiculärathmen und das abgeschwächte rauhe,
id est unreine Vesiculärathmen eine wichtige Rolle.
Nach unseren Erfahrungen leiten sie aber schon den Ueber-
gang zu den etwas mehr vorgeschrittenen Fällen ein, denen sich
dann das erste Auftreten percussorischer Differenzen ansehliesst.
Treten feuchte Rasselgeräusche, Knisterrasseln und Rasselge¬
räusche gröberen Calibers auf, so dürfte man wohl kaum noch
von einer incipienten Phthise reden.
Diesen klinischen Frühsymptomen der Lungenphthise haben
wir von jeher besondere Aufmerksamkeit gewidmet; sie fanden
ihre anatomische Begründung durch die Resultate der B i r c h -
Hirschfel d’schen Untersuchungen, veröffentlicht auf dem
Tuberculose-Congress in Berlin.
Lampadarios -Athen (Med. News, III, 99) gibt an,
dass die ersten Geräusche über Lungenspitzen bei Rückenlage
auscultirt werden müssen, um überhaupt wahrgenommen zu
werden.
Seine theoretischen Erklärungen dieses Phänomens klingen
etwas künstlich und messen meines Erachtens der Wichtigkeit
des Zwerchfells bei der Beeinträchtigung der Luugenspitzeii-
athmung eine zu grosse Bedeutung bei.
Wir haben von den Erfahrungen L.’s Gebrauch gemacht,
müssen jedoch gestehen, dass wir eindeutige Resultate bislang
nicht gehabt haben; das kann jedoch auch am Material liegen.
Einfacher will es mir scheinen, dem Patienten in sitzender
oder stehender Haltung eine elastische Binde um die unteren
Thoraxabschnitte zu legen, eine Methode, die schon längst zu
lungengymnastischen Zwecken angegeben ist, und die den Zweck
hat, die Lungenspitzenathmung zu begünstigen, und dann zu aus-
cultiren.
Es liegt auf der Iland, dass, zumal unter den heutigen Ver¬
hältnissen, wo die Therapie der Lungentuberculose in ein ganz
neues Stadium getreten ist und einen ungeahnten Aufschwung
genommen hat, der Nachweis der Tuberkelbacillen, und zwar der
möglichst frühzeitige Nachweis, sowohl für die Prognose des
Falle«, sowie auch für seine Beurtheilung im Sinne der modernen
Unfalls- und Invaliditätsgesetzgebung, von ausserordentlicher
Wichtigkeit und weittragender praktischer Bedeutung ist.
Neben den malignen Tumoren kennen wir wohl kaum ein
Krankheitsbild ,wo die Aussichten der Heilung zwischen dem
Frühstadium und der vorgeschrittenen Entwicklung sich so dia¬
metral gegenüberstehen wie bei der Tuberculöse, insbesondere
der Tuberculöse der Lungen. Dies lehrt zur Evidenz ein Fall
unserer Abtheilung, über den ich kurz berichten will. Hier ge¬
lang es lediglich durch den Thierversuch, die Tuberculöse nacli-
zuweisen, nachdem alle anderen Methoden, die Bacillen im
Sputum liachzuweisen, versagt hatten. (Die Punetio pulmonis
gelangte damals noch nicht zur Anwendung.)
Der betreffende Patient kam In einem Alter von 25 Jahren
1895 wegen Fungus des linken Kniegelnkes auf die chirurgische
Abtheilung des Eppendorfer Krankenhauses. Nach der damaligen
Krankengeschichte: Normaler Luugenbefund. keine hereditäre Be¬
lastung. Habitus neurasthenicus — Resection des erkrankten Ge¬
lenkes. Locale neilung. Ueber Husten und Aiiswurf keine
Notizen. August 1898 plötzlich epileptiforuie Anfälle, die sich
wesentlich auf die rechte Oberextremität beschränkten und mit
secundenlanger Aufhebung des Bewusstseins endeten. Diese An¬
fälle wiederholten sieh bis Anfangs 1899 in grössereu und kleineren
Intervallen. Ausserdem bestand neben schwerer allgemeiner
psychischer Depression eiu massiger trockener Husten und spär¬
licher Auswurf, der zeitweise ganz sistirte. Da eine schwere
Hysterie in erster Linie das Krankheitsbild beherrschte, so wurde
diese, zumal da jegliches nachweisbare organische Leiden fehlte,
als das Gruudleiden augesproehen, lind die Behandlung auch von
diesem Gesichtspunkte aus geleitet.
Mit Ausnahme weniger Wochen befand der Patient sich
dauernd während der 4 Jahre in Krankenhausbehandlung.
Im Mai 1899 kam der Patient mit einer schmerzhaften
clremnscripten Anschwellung in der Bliuddarmgegend auf unsere
Abtheilung.
Nel>eu einer Perityphlitis w'urde eine motorische Schwäche im
Bereich des ganzen rechten Armes eonstatlrt. Eutartuugsreaction
fehlte. Reflexe sämmtlich gesteigert. Lunge und Herz mit nor-
Qriijinal fro-m
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27. März 1900/
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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malem Befund. Ophthalmoskopisch nichts Besonderes; etwas
Husten und ganz spärlich Auswurf, in dem tiuctoriell Tuberkel¬
bacillen nicht nachgewiesen werden konnten.
Die weitere Beobachtung und die Durchmusterung der alten
Temperaturcurven lenkte nun wegen der allabendlichen leichten
Temperatursteigerungen (cfr. oben) den Verdacht auf eine wahr¬
scheinlich central sitzende Lungentuberculose. Mit dem Sputum
wurde ein Meerschwein intraperitoneal geimpft. Das inzwischen
stark abgemagerte Thier wurde 5 Wochen später getödtet und bot
den für Impftuberculose charakteristischen Befund. Darauf argu-
mentirten wir nun so: Centrale Lungentuberculose, Solitärtuberkel
in der Mitte der linken vorderen und hinteren Centralwindung
(gegen die Rinde vorstossend) und Tuberculose des Coecums.
Das geimpfte Thier war schon längst getödtet, als es uns end¬
lich gelang, in dem spärlichen Sputum nun auch tinctoriell die
Tuberkelbacillen nachzuweisen. Allmählich entwickelte sich auch
über den Lungen ein physikalischer Befund, der mit inconstantem,
sakkadirtem Athmen begann und zwar zuerst in der rechten Fossa
inf raclavicularis (cfr. Turban); dann wurde das von uns
charakteristisch genannte bronchitische, trockene, musikalische Ge¬
räusch auf der Höhe des Exspiriums im Bereich der linken Fossa
supraspinata wahrgenommen. Danach stellte sich abgeschwächtes,
rauhes Vesiculärathmen ein, erst auf der linken, dann auf der
rechten Seite. Dann nach Wochen, wurde fast gleichzeitig über
beiden Lungenspitzen geringe Schallverkürzung constatirt. Mit
dem Auftreten feuchter, anfangs kleinblasiger, später grösseres
Kaliber annehmender klingender Rasselgeräusche wurde der Zer-
störungsprocess in den Lungen immer ausgedehnter und breitete
sich über die ganzen beiden Lungen aus. Später traten noch sehr
interessante hallucinatorische Erscheinungen und psychische Ver¬
wirrungszustände bei dem Kranken ein, über die jedoch später im
Zusammenhang mit den durch die Lungentuberculose hervorge¬
rufenen physischen Veränderungen von anderer Seite berichtet
werden wird. Der Patient starb im December 1899.
Die Section ergab: Blinddarm tuberculose, sehr ausgedehnte
doppelseitige Lungentuberculose, den Solitärtuberkel an der ange¬
gebenen Stelle, ausserdem jedoch noch mehrere kleinere cortical
und subcortical gelegene Solitärtuberkel an anderen Stellen.
Als Koch seine grundlegende Arbeit über den Erreger der
Tuberculose veröffentlicht hatte, da bildete sich vielfach sehr bald
die Annahme heraus: Findet man in dem Sputum eines Lungen¬
kranken tinctoriell fortgesetzt keine Tuberkelbacillen, so handelt
es sich nicht um Phthisis pulm. Später kam man dahinter, dass
es oft recht schwierig sei, tinctoriell die Tuberkelbacillen nach¬
zuweisen. Es wurde der Thierversuch, die verschiedenen Sedi-
mentirungsverfahren und neuerdings auch das Cultur-
verfahren von Hesse hinzugezogen. Wohl in allen Fällen, wo
überhaupt tuberkelbacillenhaltiges Sputum vorhanden ist, wird
es heute gelingen, mit Hilfe dieser Methoden die Tuberkelbacillen
nachzuweisen. In den seltenen Fällen aber, wo der Auswurf fehlt
und wo die klinische Beurtheilung einer Lungenerkrankung un¬
klar bleibt (cf. unten), da wird man berechtigt sein, die Aspi¬
rationsmethode anzuwenden. Es liegt mir ferne, behaupten zu
wollen, dass jeder Versuch mit diesem Verfahren sofort von Er¬
folg gekrönt sein wird; mir ist es auch nicht in jedem Falle beim
ersten Male gelungen. Der Werth der Methode und ihre Berech¬
tigung wird sich erst nach grösseren Erfahrungen ermessen
lassen.
Es sei mir nun gestattet, noch Einiges über die Indication
der Aspiration von Lungengewebssaft und über die dabei von uns
angewendete Technik zu bemerken. Vorausschicken will ich,
dass wir ebensowenig wie bei der Spinalpunction je eine schädi¬
gende Wirkung erlebt haben. Grundbedingung ist strengste
Asepsis. Die betreffende Hautstelle wird (event. nach vorherigem
Rasiren) mit sterilen Wattebäuschen, Seifenspiritus und Aether
ausgiebig behandelt, die gutziehende P r a v a z’sche Spritze in
destillirtem Wasser (grösseres Reagensglas) ausgekocht. Sterili¬
sation der Hände, Abspülen derselben mit sterilem Wasser oder
Kochsalzlösung.
Die Aspiration muss langsam und in kleinen Pausen aus¬
geführt werden. Zur bacteriologischen Untersuchung genügen
minimale Mengen Aspirationsflüssigkeit.
Kaum je haben wir es erlebt, dass das nächste Sputum san¬
guinolent gefärbt war, und auch dann nur ganz vorübergehend;
nie haben wir wirkliche Lungenblutungen beobachtet. Manch¬
mal ist im Anschluss an die Aspiration eine mässige, vorüber¬
gehende Temperatursteigerung eingetreten, über deren Bedeu¬
tung wir bis jetzt noch keine sicheren Vorstellungen haben. Trotz¬
dem möchten wir doch die Indication nach Möglichkeit auf die
Fälle beschränken, wo es auf keine andere Weise gelingt, ein
sicheres Urtheil über die bestehende Lungenerkrankung zu ge¬
winnen. Hierher rechnen wir in erster Linie diejenigen Fälle,
die den oben beschriebenen gleichen.
Zu grossen differentialdiagnostischen und prognostischen
Schwierigkeiten könneo^miimhe Fälldlvon croupöser Pneumonie
No. iBÜgitizEd' by VjÖÖQ
führen, die nicht in Resolution übergehen, sondern allgemach
einen käsigen, id est tuberculösen Charakter annahmen. Gerade
hierfür ist es allgemein bekannt, wie selten es gelingt, in dem
hier vorhandenen, oft reichlichem Sputum Tuberkelbacillen nach¬
zuweisen.
So entsinne ich mich eines Falles z. B. aus meiner patho¬
logisch-anatomischen Assistentenzeit her, wo fast die ganze eine
Lunge vollständig verkäst war, wo klinisch an Tuberculose ge¬
dacht war, wo unzählige Male auf Tuberkelbacillen mit negativem
Erfolge das Sputum untersucht worden war, und wo ich auf Ver¬
anlassung meines Chefs noch auf dem Leichentisch aus einem
mittelgrossen Bronchus den Inhalt zur mikroskopischen Unter¬
suchung entnahm; trotz Anfertigung einer recht stattlichen Zahl
von Präparaten konnte ich Tuberkelbacillen nicht nachweisen.
Der Grund, dass man die Tuberkelbacillen in diesen Fällen nicht
findet, ist wohl einfach der, dass das Sputum in überwiegender
Menge gar nicht aus den Alveolen, sondern aus den katarr¬
halisch erkrankten gröberen Athmungswegen stammt, und dieser
Katarrh ist eben nicht tuberculöser Natur; die tuberculösen,
käsigen Massen aber bleiben an Ort und Stelle liegen, weil meist
der Tod schon vor der Resolution eintritt. Es liegt nahe, anzu¬
nehmen, dass man gerade in diesen Fällen von der Aspirations¬
methode gute Erfolge erwarten darf. Neben diesen käsigen Pneu¬
monien, die zu den erwähnten diagnostischen Schwierigkeiten
Veranlassung geben können, stehen bezüglich ihrer Diagnostik
die nicht ganz seltenen Fälle von Streptococcenpneumonie,
namentlich, wenn dieselben zu einer dichten Infiltration mit
Dämpfung im Oberlappen führen. Mir ist es in einem solchen
Falle, dessen Beurtheilung längere Zeit Schwierigkeiten machte,
wo ich lange Zeit in dem eigenartigen, eitrigschleimigen, ge¬
legentlich sanguinolenten Sputum vergebens (auch unter Heran¬
ziehung des Thierversuchs) auf Tuberkelbacillen gefahndet hatte,
gelungen, durch die Aspiration von Lungengewebesaft den Strepto¬
coccus pyogenes auf Glycerinagar und in Bouillon in Rein-
culturen nachzuweisen. Auch bei Lungentumoren, Aktino-
mykose und Echinococcen der Lunge, wenn ihr Sitz entsprechend
ist, mag es vielleicht gelingen, in diagnostischer Hinsicht Einiges
durch die Aspirationsmethode zu erreichen . Eigene Erfahrungen
über diesen letzten Punkt fehlen mir jedoch noch einstweilen.
Der günstigste Ort der Lungenpunction wird immer der sein,
wo die physikalischen Erscheinungen am ausgesprochensten
sind.
Oftmals mag es auch gelingen, mit der Punctionsnadel durch
das Gefühl dos Widerstandes sich ein Urtheil über den Infiltra¬
tionsgrad der Lunge zu verschaffen, wenn eine alte Pleuraschwarte
auszuschalten ist.
Meinem verehrten Chef, Herrn Oberarzt Dr. Rumpel,
erlaube ich mir verbindlichsten Dank auszusprechen für das rege
Interesse, das er mir bei Anfertigung dieser Arbeit entgegenge¬
bracht hat.
Aus der inneren Abtheilung des St. Vincenzhauses in Köln.
lieber Morbus Addisonii.*)
Von Dr. L. II u i s m a n s, Oberarzt.
Mehrere Fälle von Morbus Addisonii, welche ich im Laufe
eines Jahres im Vincenzhause zu beobachten Gelegenheit hatte,
veranlassen mich, unter Demonstration der zugehörigen Prä¬
parate Ihnen einen Bericht über den Verlauf der Erkrankungen
zu geben. Ich möchte aus den Krankengeschichten nur das Wich¬
tigste herausgreifen, andererseits aber unter Berücksichtigung
der neueren Literatur einige Bemerkungen über den Morbus
Addisonii hinzufügen.
Fall I. Herr H. kam im April 1898 in’s Vineenzhaus wegen
einer „nervösen Dyspepsie“. Er hatte 1897 das Manöver mitgemacht
und sich während desselben mit seinen Vorgesetzten nicht ver¬
tragen. Fortwährender Aerger, sowie ein durch seine Civilstellung
nicht befriedigter Ehrgeiz waren ihm angeblich „auf den Magen
geschlagen“. Es bestand seit dem Manöver fast vollständige
Appetitlosigkeit, sowie häufiges Erbrechen. Landaufenthalt und
Roborantien aller Art hatten den rapiden Kräfteverfall nicht auf-
lialten können.
In der Familie starke tuberculose Belastung: mehrere Ge¬
schwister sind schon an Tuberculose gestorben.
Bei der Aufnahme bestand normale Temperatur, die unver¬
ändert bis einen Tag vor dem Tode blieb. Pat. sieht sehr kach-
ektisch aus, Backenknochen stark vorstehend, wachsgelbes Haut-
cclorit. Auf der Lunge ausser einer geringen Retractlon der linken
*) Vortrag, gehalten im allgemeinen ärztlichen Verein in Köln
nrn 27. xx. 99. Original from 3
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No. 18.
Spitze mit abgeschwäelitem Athemgeräusch und leichter Dämpfung
von vielleicht 5 cm Durchmesser nichts Abnormes. Sämmtliche
übrigen Organe ohne nachweisbare Anomalie.
Der Leib war stark eingezogen, die Magenaufblähung ergab
keine Ektasie, ein Tumor nicht palpabel, freie Salzsäure vor¬
handen. Dagegen bestand stark angehaltener Stuhl und täglich
mehrmaliges Erbrechen. Falls dasselbe einmal mehrere Stunden
aussetzte, fand sich bei einer Magenspülung kein Speiserest.
Pat. vertrug noch am besten Kephir, auch schien eine tägliche
Magenausspülung ihm Erleichterung zu verschaffen.
Indessen liess sich der weitere Verfall der Kräfte nicht hint¬
anhalten. Pat. war fortwährend in einer weinerlichen Stimmung
und suggestiv in keiner Weise zu beeinflussen.
Als sich nun bei Gelegenheit einer Lungenuntersuchung über
der linken Spina scapulae eine hellbraune Stelle von ca. 2 cm
Durchmesser fand — an der Schleimhaut des Mundes war nie eine
Pigmentirung nachweisbar — gewann die Diagnose eine bestimmte
Form: die hereditäre Belastung, der kleine Herd in der 1. Spitze,
das andauernde Erbrechen ohne wesentliche pathologische Verände¬
rung des Magens und endlich die erwähnte Pigmentirung der Haut
Hessen mich einen Morbus Addisouii annehmen.
Am Tage vor dem im Juli 98 erfolgten Tode stellte sich eiue
beiderseitige hypostatische Pneumonie mit hohem remittirenden
Fieber ein. Bei der Section fanden sich ausser letzterer über der
linken Spitze starke pleuritische Verwachsungen und ein keil¬
förmiger, durch Narben von dem übrigen Lungengewebe abge¬
schlossener tuberculöser Herd; sonstige Lunge vollkommen normal.
Vereinzelte retrobronchiale und retroperitoneale tuberculöse
Lymphdrüsen von Bohnengrösse.
Sämmtliche Organe ohne pathologische Veränderung. Rechte
Nebenniere vollkommen geschrumpft und nicht auffindbar, die
linke Nebenniere 2 cm lang, 0,3 cm breit, stark atrophisch, in einem
Pol derselben ein stecknadelkopfgrosser tuberculöser Herd (Demou-
stration).
Jejunum, Ileum und Kolon im Zustande stärkster Contraction,
in demselben knollige, harte Kothmassen, die dem Ganzen das
Aussehen einer Perlenschnur geben. Magen sehr klein, ohne
Inhalt.
Auffallend ist bei diesem Falle der langsame Beginn, welcher
zunächst den Addison nicht erkennen liess, ferner die enorme
Schrumpfung der Nebennieren mit einem kleinen tuberculösen
Herd in einem Nebennierenpol, endlich die starke Contraction
des gesammten Tractus intestinalis, welche man wohl mit
Leichtenstern als Inanitionscontraction bezeichnen muss.
Sie ist „ein Verharren des Muskels in dem Zustande der elasti¬
schen Kräfte, wie er durch die Contraction herbeigeführt war“
(Leichtenstern). In früherer Zeit hätte man das Erbrechen
sicher auf die Contraction geschoben, und von einem Heus spas-
modicus gesprochen.
Fall II. Morbus Addlsonil, Phthisis pulmon. Im Bereich des
ganzen oberen linken Lungenlappens der Befund einer tubercu¬
lösen Pneumonie mit Cavernen, über der rechten Spitze ein
trockener Katarrh. Hohes hektisches Fieber. Diazoreaction nach
Michael i'scher Vorschrift negativ. Im Urin nichts Abnormes.
Haut stark schilfernd. 14 Tage vor dem Tode nimmt dieselbe
eine olivengrünliche Farbe an, Mundschleimhaut ohne Pigmen¬
tirung. Zugleich setzt häufiges Erbrechen ein, die Untersuchung
des Magens ergab keine secretorische oder motorische Anomalie.
Pat. stirbt im Collaps. Ich stellte intra vitam die Diagnose
Phthisis pulmon. und Morbus Addisonii. Die Section bestätigte
dieselbe. Es fand sich eine Vergrösserung der Nebennieren auf
r: cm Länge und 4 cm Breite rechts, auf 4 cm Lange und 2 cm Breite
links, sowie ausgedehnte Tuberculöse derselben. Vereinzelte ver¬
käste retrobronchiale und retroperitoneale Lymphdrüsen.
An sümmtlichen übrigen Organen nichts Pathologisches. Der
Darm war wieder stark contrahirt. In der Magenschleimhaut,
sowie im obersten Theile des Duodenum fanden sich massenhaft
graue hirsekorngrosse Erhabenheiten, die zunächst den Eindruck
von miliaren Tuberkeln machten, bei mikroskopischer Unter¬
suchung sich aber als geschwollene Follikel erwiesen (Demon¬
stration).
Fall III. Fräulein R. kam am 13. IX. 98 mit einer ausge¬
dehnten Lungentuberculose, hohem remittirenden Fieber In’s
Hospital. Es entwickelte sich allmählich Amyloid der Leber,
Milz und Nieren, starkes Anasarka. Die Zungenschleimhaut zeigte
dann typische Addisonpigmentirung. Zugleich trat unstillbares
Erbrechen ein, die Pat. wurde sehr weinerlich und energielos.
Ich dachte auch hier an einen secundären Morbus Addisonii und
bin fest überzeugt, dass die Section, welche verweigert wurde,
meine Annahme bestätigt haben würde. Eine Uraemie konnte ja
nicht alle Symptome erklären.
Fall IV. Am 12. VII. 99 wurde G. wegen „gastrischen
Fiebers“ aufgenommen. Der Leib war leicht meteoristisch, keine
Roseoie, Zunge typhös, Fieber remittirend, Milz nicht palpabel.
Es bestand Verstopfung, kein Erbrechen.
Linkes H y p o c h o n d r i u m auf Druck sehr
empfindlich.
Lungen vollkommen normal, untere Grenzen derselben bei
der Athmung gut verschieblich.
Nirgends eine Pigmentirung. Pat. stirbt am 26. VII. im
plötzlichen Collaps.
G. hatte bis zu seiner Hospitalaufnahme als Bäcker gearbeitet.
Eine Anamnese war nicht aufzunehmen, weil G. fortwährend
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srark benommen war und auf Fragen nicht reagirte. Er delirirte
sehr stark und verliess zeitweise vollkommen verwirrt das Bett.
Die Section ergab vollkommen normale Lungen. Dann¬
schlingen stark gebläht. In dem serösen Ueberzug der Blase ver¬
einzelte miliare Tuberkel, viscerales Peritoneum an einzelnen
Stellen leicht gerötliet und mit dünnen fibrinösen Massen belegt. In
der Zwerchfellkuppel zwischen Milz, Diaphragma und linker Niere
ein gänseeigrosser, dickwandiger, mit käsigen Massen gefüllter
Abscess, mit demselben communicirt ein wall nussgrosser tubercu¬
löser Herd der linken Nebenniere. Rechte Nebenniere ohne Ano¬
malie. Ganglion coeliacum makroskopisch nicht verändert (Demon¬
stration).
Bei diesem Falle sind auffallend: 1. die Tuberculöse der
linken Nebenniere muss bei G. schon lange bestan¬
den haben. Darauf deutet die enorme Verdickung der
Kapsel des subphrenischen Abscesses hin. Wenn G. trotzdem
längere Zeit arbeitsfähig blieb, so wird man wohl ein vicari-
irendes Eintreten der r. Nebenniere annehmen müssen.
2. Es traten bei G. jene terminalen Delirien auf, welche schon
von Ebstein und Anderen beschrieben sind und uns im Verein
mit dem remittirenden Fieber, der typhösen Zunge und dem
Meteorismus zunächst an einen Typhus denken Hessen.
3. Ebstein (Deutsch, med. Wochen9chr. 1897, No. 47) will
gerade in manchen „peritonitisartigen Symptomen im End¬
stadium der A d d i s o n’schen Krankheit“ etwas Charakte¬
ristisches und auf die Diagnose Führendes erblicken. Bei G.
bestand kein Erbrechen. — Ein anatomisch ganz analoger Fall
ist von Z a n d y (Zeitschr. f. klin. Medicin, Bd. XXXVIII)
beschrieben worden.
Fall V. Endlich hatte ich noch Gelegenheit, einen fünften
Fall zusammen mit Herrn Oollegen Drees mann zu beobachten.
Der Pat. kam mit der Diagnose Tumor eerebrl zwecks Operation
zu uns. Er war fortwährend benommen und reagirte nicht auf
Fragen. Irgendwelche Herdsymptome bestanden nicht. Die Pu¬
pillen reagirten, kein Schielen, keine Stauungspapille. Kein Fieber;
zeitweises Erbrechen. Lungen normal.
Haut stark schilfernd, von bräunlich-gelbem Colorit, ohne um¬
schriebene PIgmentirungen.
Als der Pat. starb, war das Krankheitsbild ein unklares ge¬
blieben, am wahrscheinlichsten schien uns doch noch ein Tumor
(Tuberkel ?) im Kleinhirn oder im Centrum semiovale. Die Mög¬
lichkeit eines Morbus Addisonii wurde auch erwähnt.
Die Section ergab eine Verkäsung der linken Nebenniere und
klärte so mit einem Schlage das ganze Krankheitsbild. Rechte
Nebenniere ohne makro- und mikroskopische Veränderungen
(Demonstration).
In allen secirten Fällen war makroskopisch am Sympathicus
und Ganglion coeliacum keine Veränderung. Auch fand sich nie¬
mals jene ausgedehnte, schon intra vitam palpable Verkäsung
der Glandulae coeliacae, welche Leichtenstern im Falle
Balkiewicz 1891 für eine directe Laesion der die Neben¬
nieren beherrschenden sympathischen Bahnen verantwortlich
macht. Wir fanden als anatomisches Substrat Tuberculöse und
Schrumpfung der Nebennieren. In drei Fällen war gleichzeitig
Lungen- und sonstige Tuberculöse vorhanden, in den anderen zwei
fanden wir die Tuberculöse auf die Nebennieren localisirt und
einseitig.
Man hat bei Addison die verschiedenartigsten anderen Pro-
cesse gefunden. Brüchanow (Zeitschr. f. Heilkunde, Bd.
XX) untersuchte in Prag 33 Fälle und sah ein kugeliges, von der
Marksubstanz ausgehendes Neurofibrom mit Ganglienzellen, ein
Lipom, Sarkome, Carcinome, überwiegend ausser Tuberculöse
„einfach hyperplastische Strumaknoten“. Nebenbei erwähnen
will ich noch, dass man in der Ureterenwand offenbar durch die
Entwickelungsgeschichte erklärbare, versprengte Nebennieren¬
reste gefunden hat.
Rein functionell betrachtet Neusser (Nothnagel’s spe-
eielle Pathologie und Therapie, Bd. XVIII) bekanntlich die
Nebennieren als Drüsen mit innerer Secretion und der Aufgabe,
toxische Stoffwechselproducte, wie sie z. B. bei der Muskelaction
entstehen .(Goetze, Dissertation, Berlin), zu entgiften und eine
für die Ernährung und Erhaltung des normalen Tonus des sym¬
pathischen Systems unentbehrHche Substanz synthetisch dar¬
zustellen.
Der Morbus Addisonii ist nach Neusser bedingt entweder
durch Erkrankung der Nebennieren oder durch Erkrankung der
ihre Function beherrschenden Leitungsbahn, welche vom
Rückenmark durch die Splanchnici und das Ganglion coeHacum
geht. Dadurch entsteht L eine functioneile Schädigung des sym¬
pathischen Systems, 2. eine allgemeine Intoxication.
In den letzten Jahren sind nun wiederum die verschieden¬
artigsten Theorien über die Art der Intoxication aufgestellt, und
Original fro-m
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zwar gingen manche Autoren aus von der Broncefärbung in
Nebennierenrinde und Haut, die ja schon Y i r c h o w auf der¬
selben Ursache beruhend und identisch annahm. Während nun
die Meisten den vasoular-trophisehen Ursprung des Pigmentes
anerkannten und besonders v. Kahlden den Farbstoff als einen
veränderten Blutfarbstoff ansprach, Riehl denselben als Folge
von Gefässveränderungen und Blutextravasation mit Zerfall der
rothen Blutkörperchen auf fasste, huldigt Mühlmann (Deutsch,
med. Wochenschr. 1896, No. 20) der Ansicht, dass aus einem von
Blut und Nebennierenrinde herstammenden Material im Marke
der Drüse Brenzcatechin gebildet wird. Die Pigmentirung der
Nebennieren auf der Grenze zwischen Mark und Rinde entsteht
nach ihm durch directe Einwirkung des Brenzcatechins auf die
nächstgelegencu Epithelzellen der Rinde. Mühlmann glaubt
ferner, dass nach Ueberschwemmung des Körpers mit Brenz¬
catechin aus demselben Grunde Pigmentirungen an prädispo-
nirten Stellen, z. B. im Rete Malpighi entstehen, und setzt auch
alle anderen Symptome des Addison auf Rechnung des Brenz¬
catechin. Eiue Ueberschwemmung des Körpers mit diesem Stoffe
erfolgt, wie er sagt, entweder durch Ueberproduction oder durch
eine mangelhafte Unschädlichmachung desselben nach Schädi¬
gung der sympathischen Ganglien des Markes oder des Sympathi-
cus selbst.
Gegen diese Brenzcatechintheorie sprechen folgende That-
sachen:
1. Das Brenzcatechin findet sich auch schon in der Neben¬
nieren rinde.
2. Man hat häufig (z. B. F 1 e t c h e r und Kent Spender)
die Nebennieren total fehlend gefunden und trotzdem Hautpig-
mentirung gesehen, was nicht möglich wäre, wenn das i m
Nebennier e n mark gebildete Brenzcatechin die Ur¬
sache der Pigmentirung wäre.
3. Ebstein und Müller (Virchow’s Arch. 1875, Bd.
XVII) beobachteten lange Zeit eine Brenzcatechinurie bei einem
Knaben ohne irgend welche Erscheinungen von Morbus Addisonii.
4. Eine wesentliche Brenzcatechinausscheidung findet sich bei
Morbus Addisonii nicht, man hat auch noch nie eine Nachdunke-
lung des alkalisch gewordenen Urins beobachtet, wie sie bei An¬
wesenheit von Brenzcatechin eintreten würde (Ebstein).
Das Brenzcatechin entsteht nach Preusse im Darm in
Folge der Fäulniss aus der in Pflanzen weit verbreiteten Proto-
catechusäure und wird ausserdem präformirt in den Körper ein¬
geführt. Man wird die Möglichkeit, dass es den Nebennieren
hauptsächlich zugeführt und hier mit anderen Körpern um¬
gewandelt wird, Mühlmann zugeben, aber seine Production
in der Nebenniere aus oben angeführten Gründen abstreiten.
Mühlmann gibt ja nun selbst an, dass mit dem Brenz¬
catechin „keineswegs alles erschöpft ist, was die Nebenniere an
wirksamer Substanz enthält“. Er gewann das Brenzcatechin,
indem er einen durch langwierigen chemischen Process aus der
Nebenniere hergestellten Körper mit Salzsäure kochte und so in
Brenzcatechin und eine andere Substanz trennte. Letztere hielt
er für eine Säure. Diese Thatsache bringt mich auf einen
anderen Gedankengang. Schon Caussade (Union medicale
No. 26) versuchte eine Trennung der Symptome nach ihrer Aetio-
logie. Die Asthenie, die Darm- und Herzerscheinungen führt
er auf eine Intoxication von den Nebennieren aus zurück, während
er die Hautpigmentirung auf eine seeundäre Erkrankung des
abdominellen Sympathieus schiebt. Ich will nicht näher auf
diese Theorie eingehen, möchte aber meinerseits Folgendes an¬
führen.
Wie oben schon erwähnt, trennte Mühlmann das Brenz¬
catechin aus einem Körper, den er für eine Verbindung desselben
mit einer Säure hielt. Wenn man nun bedenkt, dass in der
Nebennierenrinde Phosphorsäure und Milchsäure in reichlicher
Menge nachgewiesen sind, Stoffe, welche bei der Arbeit des
Muskels gebildet werden, wenn man sich zugleich die Folgen
der Ueberladung des Körpers mit diesen alten P r e y e Fsehen
„Ermüdungsstoffen“ in Folge einer mangelhaften Thätigkeit der
Nebennieren vorstellt, dann bekommt in erster Linie die Ver-
muthung eine bestimmtere Unterlage, ob es sich nicht bei der von
Mühlmann nachgewiesenen, mit Brenzcatechin verbundenen
Säure um Milch- oder Phosphorsäure gehandelt hat — das
könnten natürlich nur weitere chemische Untersuchungen exact
beweisen. In zweiter Linie würden aber auch die charakte¬
ristischen klinischen Symptome der Adynamie und Aboulie zu-
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rückgeführt werden können auf eine Ueberladung des Körpers
mit diesen „Ermüdungsstoffen“ in Folge der ausgefallenen Neben-
nierenthätigkeit. Das Nebennierenmark ist beim Morbus Ad¬
disonii in seiner Function gestört und besorgt die Umsetzung der
in der Nebennierenrinde befindlichen toxischen Stoffe nicht mehr.
Thatsächlich finden sich auch die Veränderungen beim Addison
zunächst im Mark der Nebenniere.
Die Thatsache, dass bei ausgesprochenem klinischen Bilde
des Addison häufig nur eine Nebenniere erkrankt ist, spricht nicht
gegen diese Annahme, denn erstens sind unsere anatomischen
Kenntnisse noch nicht so weit vorgeschritten, dass wir in jedem
Falle eine anscheinend gesunde Nebenniere für wirklich
gesund halten müssen; zweitens setzt sich die Krankheit ja sehr
häufig auf das Ganglion coeliacum und den Sympathieus fort,
so dass wir immer noch eine Ausschaltung der anscheinend ge¬
sunden Nebenniere durch Laesion der sie beherrschenden Sym-
pathieusbahnen annehmen können. Andererseits steht nichts
im Wege, bei einseitiger Nebennierenerkrankung ohne Pigmen-
tirungen und ohne wesentliche Erscheinungen des Addison zu¬
nächst ein vicariirendes Eintreten der anderen Nebenniere an¬
zunehmen.
Nach meiner Auffassung also bestände die eine Aufgabe
der normalen Nebennieren darin, gewisse bei der Darmfäulniss
(z. B. Brenzcatechin) und bei der Muskelaction (z. B. Phosphor¬
säure, Milchsäure etc.) entstandene toxische* Stoffe an sich zu
ziehen und dieselben — vielleicht, nachdem sie zu dem von
Mühlmann dargestellten Körper verbunden wurden — in
unschädliche Substanzen überzuführen und für die Ausscheidung
durch den Urin vorzubereiten. Beim Addison erfolgt eine In¬
toxication des Körpers mit diesen Stoffen und dadurch entsteht
speciell die Adynamie und Aboulie.
Wer Gelegenheit gehabt hat, etwas häufiger Morbus Adisonii
zu beobachten, wird mir Recht geben, wenn ich behaupte, dass
ein Addisonkranker in seiner Hilfslosigkeit und Benommenheit
besonders im terminalen Stadium geradezu den Eindruck
einesSchwervergifteten macht. Er unterscheidet sich
dadurch wesentlich z. B. von einem an allgemeiner Schwäche
leidenden essentiell Anaemischen. Ich glaube daher auch, dass
Christomanos (Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 42) sehr
zu Unrecht die Adynamie und Aboulie auf eine einfache abnorme
Blutvertheilung im Gehirn zurückzuführen versucht.
N e u s s e r nimmt nun ferner eine functionelle Schädigung
des Sympathieus an. Indessen würde es mich zu weit führen,
heute auf die Folgen derselben ausführlich einzugehen. Ich
möchte nur noch erwähnen, dass auch die fast immer vorhandene
Schilferung der trockenen, rauhen Haut neben der Pigmentirung
auf vascular-trophische Störungen zurückzuführen ist.
Christomanos (Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 42)
nimmt in gewissen Fällen des Morbus Addisonii eine Stauung
grosser Blutquantitäten im Splanchnicusgebiete in Folge Aus¬
schaltung der nervösen Apparate und Herabsetzung des Tonus
der Bauchgefässe an. Dadurch entsteht nach ihm eine Oligaemie
der peripheren Gefässe und es wird den peripheren Geweben in
Folge dessen weniger Flüssigkeit zugeführt. „Dadurch aber, dass
die zur Ernährung der Gewebe dienende Plasmamenge einer ge¬
ringeren Quantität Blut entspricht, wird dieses eingedickt und
erscheint bei der Untersuchung blutkörperchenreicher.“
Gegen die Stauung im Splanchnicusgebiete und dadurch be¬
dingte periphere Oligaemie ist wohl nichts einzuwenden. Wenn
aber Christomanos die grössere Anzahl der rothen Blut¬
körperchen in den Hautgefässen auf eine vermehrte oder doch
wenigstens normale periphere Aufnahme des Plasmas schiebt,
so spricht der wohl immer herabgesetzte Turgor der schlaffen,
wasserarmen Haut beim Morbus Addisonii gegen diese Annahme.
Selbst wenn auf diese Weise nur in den peripheren Gefässen eine
Vermehrung der rothen Blutkörperchen vorübergehend erfolgt
wäre, dann würde das schnell kreisende Blut sofort einen Aus¬
gleich herbeiführen.
Andererseits muss man Christomanos Recht geben mit
seiner Ansicht, dass nicht in allen Fällen die Vermehrung der
rothen Blutkörperchen beim Addison durch eine einfache Ein¬
dickung des Blutes in Folge des Erbrechens und der Diarrhoeen
(N e u s s e r u. A.) zu erklären ist — er zählte bis zu 7 200 000
rothe Blutkörperchen im Cubikcentimeter bei Fällen, in welchen
keine Diarrhoeen bestanden, selten gebrochen, wurde un.d die
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Original frorn
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13-
Flüsigkeitkaufnahme per os et anum (Serumklystiere) eine
normale war. Es wird weiteren Untersuchungen überlassen
bleiben müssen, festzustellen wie weit neben der Nierenthätigkeit
die Perspiratio sensibilis und insensibilis für die Lösung dieser
Frage in Betracht kommt.
Die Therapie war eine rein symptomatische. Leider gehöre
ich nicht zu den therapeutischen Optimisten, im Grunde ge¬
nommen glücklichen Naturen, und habe desshalb auch nicht das
Nebennierenextract, übrigens eine durchaus nicht indifferente
Substanz, angewendet. Francis (Brit. med. Joum. 1896),
To-noli, Janes (Brit. med. Journ. 1898) sahen nach Ein¬
führung derselben vo rübergehende Besserung. In diesei
Fällen und besonders bei den sogen. Heilungen muss man immei
bedenken, dass spontane Remissionen, z. B. mit zeitweisem
Schwund der Broncehaut, schon mehrfach beobachtet sind, dass
diese Heilungen sicher wohl nicht nach ärztlichem Zeugniss
weiter bestanden und dass die Section in manchen Fällen die
objective Sicherheit der Diagnose bedeutend erhöht.
Ich will nicht zu weitschweifig werden und meinen Vortrag
zu Ende führen. Der Morbus Addisonii ist in der letzten Zeit
häufig Gegenstand der Discussion in der medicinischen Literatur
gewesen und so eine Krankheit geworden, die im Gedankenkreis
des Arztes eine dauernde Stelle errang. Wenn man nun einerseits
sagen muss, dass Krankheiten, deren specifisches Wesen eigent¬
lich nur in ihrem heuen Namen besteht, verdient haben, von der
Bildfläche der Literatur möglichst bald wieder zu verschwinden,
so erwirbt man sich nach meiner Ansicht andererseits ein, wenn
auch vielleicht kleines Verdienst, indem man durch Publication
aller beobachteten Addisonfälle die Anschauung lebendig erhält,
dass der Addison durchaus keine seltene Krankheit ist — ein Be¬
weis für letztere Behauptung ist die mir gebotene Möglichkeit,
Ihnen aus dem innerhalb eines Jahres vorhandenen Kranken-
material der inneren Abtheilung des Vincenzhauses 5 Fälle von
Morbus Addissoni vorstellen zu können.
Aus dem städtischen Barackenkrankenhaus in Düsseldorf.
Beitrag zur operativen Freilegung des Herzens nach
Rotter wegen Schussverletzung.*)
Von Dr. Carl Stern, Oberarzt.
Unter dem Titel: „Die Herznaht eine typische Operation“
theilt R o 11 e r in No. 3 dieser Wochenschrift eine Methode der
Freilegung des Herzens auf Grund von Leichenversuchen mit
und empfiehlt dieselbe als typische Operation. Ich hatte Gelegen¬
heit, die Methode am Lebenden anzuwenden und dabei eine Reihe
von Beobachtungen zu machen, die mir wichtig erscheinen für
die Beurtheilung der Methode sowohl, als auch für die Frage der
Herzverletzungen überhaupt. Bei der noch spärlichen Casuistik
dieses neuerdings so hervorragend interessant gewordenen The¬
mas erscheint auch eine Einzelbeobachtung der Mittheilung
werth.
Am 31. Jan. d. J., Morgens 6% Uhr, wurde der 20 jährige St. K.
in’s Krankenhaus eingeliefert mit einer Schussverletzung in der
Brust. Nachdem er am Abend vorher seine Braut zu erschiessen
versucht hatte, brachte er Bich Morgens 5 Uhr, um der drohenden
Verhaftung zu entgehen, eine Schussverletzung mit dem gleichen
Revolver bei. Nach Angabe der ihn einliefernden Polizeibeamten
hatte er im Bette liegend mit der rechten Hand unter der Bett¬
decke den Revolver abgedrückt. Um 7 Uhr sah ich den Patienten,
2 Stunden nach der Verletzung.
Ich fand ihn hochgradig blass mit blauen, kalten Lippen und
Nasenspitze im Zustande ängstlichster Athemnoth sich unruhig
hin und her werfend. Am rechten Sternalrand, 1 cm nach der
Mittellinine zu, entsprechend der Höhe des V. Intercostalraumes
zeigte sich eine schwarzgeränderte, I cm im Durchmesser ein¬
nehmende Einschussöffnung, aus der sich langsam sickernd
dunkles, dünnflüssiges Blut entleerte. Das Hemd des Patienten
zeigte sich stark mit Blut besudelt. Der Patient klagte in
den zeitweiligen klaren Momenten über hochgradige Athemnoth
und erheblichen Durst, gab dabei auch an, dass er uns wohl höre,
aber nicht sehe Die Untersuchung der Lungen ergab überall,
sowohl hinten, wie vorne, normale Percussionsverhältnisse und
überall, speciell auch hinten in den abhängigsten Partien, deut¬
liches Vesiculärathmen. In der Gegend der Herzdämpfung war
in ganzer Ausdehnung synchronisch mit dem Herzschlag ein eigen-
thümlieh brausendes, plätscherndes Geräusch zu hören. Man hatte
deutlich den Eindruck, dass das Herz in einer Flüssigkeit und in
Luft arbeite. Die Herzdämpfung war nach links hin gering, nach
rechts etwas mehr verbreitert, jedoch war die Dämpfung keine
*) Nach einem Vortrage im Verein der Aerzte Düsseldorfs
am 12. Febr. 1900.
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absolute, sondern hatte einen tympanitischen Beiklang. Das Ge¬
räusch über der Dämpfung war so deutlich, dass es schon bei einer
Entfernung von etwa 50 cm gehört werden konnte. Die Hand
fühlte in der Gegend der Herzdämpfung ein Vibriren, der Spitzen-
stoss war undeutlich.
Der Puls an der Radialis war eben noch fühlbar, zeitweise
aussetzend, etwa 120 in der Minute.
Beim Schlucken klagte Patient über heftige, krampfartige
Schmerzen in der Magengegend.
Die Diagnose einer Herzbeutel Verletzung war nach dem Be¬
funde ohne Schwierigkeit zu stellen, es war aber auch aus dem
eigenthümlich plätschernden Geräusch zu entnehmen, dass eine
Blutung in den Herzbeutel stattgefunden habe. Bei vorsichtigem
Lagern auf die linke Seite liess sich nach einigem Zuwarten eine
deutliche etwa 2 cm hohe Dämpfungszone links an der medialen
Lungenbegrenzung percutiren, die bei Rückenlage verschwand.
Ich beschloss zunächst abzuwarten, ob der Zustand sich ändere
und liess bei absoluter Ruhelage Morphium, Kampher und Aether
injiciren bei Excitantien per os.
Allein der Zustand wurde rasch bedrohlich schlechter, die
Athemnoth steigerte sich, der Mann wurde zusehends blasser und
unruhiger, verlor zeitweise völlig das Bewusstsein. Der Puls wurde
kleiner und zuletzt kaum nachweisbar. 9 Uhr Vormittags war der
Zustand des Patienten unter unserer Beobachtung derart, dass
wir uns zu einem Eingriff entschliessen mussten, wenn wir den
Patienten nicht unter unseren Augen verlieren wollten.
In vorsichtiger Chloroformnarkose (Chloroform Anschütz)
machten wir denn zunächst die von R o 11 e r auch empfohlene
kleine Voroperation, d. h. wir erweiterten die Einschussöffnung
medialwärts, wobei wir nachweisen konnten, dass das Sternum
von einem Schusscanal von rechts seitlich nach links hinten durch¬
setzt war. Eine vorsichtig vorgeschobene Sonde gelangte durch
die Schussöffnung in einen Canal, der nach links hinten verlief;
dabei blutete es wieder stärker aus der Schussöffnung.
Ich entschloss mich daher das Herz freizulegen und führte
genau nach Rotter einen Querschnitt vom linken Sternalrand
entsprechend dem unteren Rand der dritten Rippe 10 cm nach
auswärts. Der Endpunkt dieses Schnittes wurde mit dem nach
aussen verlängerten Explorativschnitt verbunden, so dass ein
viereckiger Lappen mit medialer Basis entstand. Die Schnitte
wurden sofort bis auf die Rippen geführt; der senkrechte Schnitt
eröffnete hierbei in der Mitte seines Verlaufes die Pleura. Die
Blutung war gering, an dem unteren Schnitt war eine Klemme;
erforderlich. Nach vorsichtiger Lösung der Pleura wurden die
beiden vorliegenden Rippen mit der Knochenscheere rasch durch
trennt, der ganze Lappen mit den Rippen medial umgebogen, wobei
die Rippen am Sternalrand luxirten. Sofort erschien in der Wunde
die lebhaft hin- und hergehende I. Lunge. In die eröffnete Pleura¬
höhle wurde ein grosser Tampon lose eingeführt und hiermit vom
Assistenten die sich vorblähende Lunge zurückgehalten. Im
unteren Theil der Wunde wogte sehr übersichtlich im Herzbeutel
das Herz.
Der Herzbeutel wurde nunmehr mittels Pincette aufgehobeu
und schräg in der Richtung des Sectionsschnittes eröffnet Sofort
stürzte mit zischendem Geräusche reichlich hellrothes, schaumiges
Blut hervor und es lag das wogende Herz zu Tage. Auffallend war
uns eine starke Unruhe des Herzens, besonders in der oberen
Hälfte. Der Herzbeutel wurde mit Fadenschlingen angeschlungen
und vom Assistenten auf diese Weise bequem offen gehalten. Die
Uebersicht der Vorderfläche des Herzens war nach ausgiebiger Er¬
öffnung des Herzbeutels eine ziemlich gute, wurde aber gestört
durch das immer noch nachfolgende schaumige Blut Eine Ver¬
letzung an der vorderen Wand der Ventrikel war nicht zu con-
statiren, jedoch konnte der tastende Finger die Schussöffnung als
deutliches Loch an der medialen Wand des Herzbeutels fühlen.
Da nach Lage des Schusscanales mir eine Verletzung des Herzens
zweifellos erschien, dieselbe jedoch an*der vorderen Wand nicht
zu finden war, nahmen wir an, es handele sich um einen an der
hinteren Ventrikel wand befindlichen Streifschuss des Herzens.
Um bei der fortschreitenden Blutung die Wunde zugänglich zu
machen, schob ich vorsichtig zwei Finger unter das lebhaft pul-
sirende Herz, um es eventuell etwas vor und seitlich zu heben.
In diesem Momente wurde der nur schwach narkotisirte Patient
plötzlich unruhig, stöhnte und presste in dem Augenblick das Herz
mit der Spitze aus der Pericardöffnung heraus. Sofort wurde die
Athmung und die Herzthätlgkeit unregelmässig. Ich liess desshalb
von weiteren Versuchen, die Hinterfläche des Herzens sichtbar zu
machen, ab; da mir dies unmöglich erschien. Da die Blutung von
hinten kam, so führte ich — in der Absicht, vielleicht eine Tam¬
ponade der blutenden Stelle zu ermöglichen — einen Jodoformgaze¬
streifen hinter das Herz und aus dem unteren Wundwinkel heraus.
Der Rest der Wunde wurde mit tiefen Nähten vereinigt. Allein
schon während dieser Arbeit musste uns klar werden, dass wir
vergeblich gehofft hatten. Puls und Athmung wurden rasch
schlechter und schlechter und eine halbe Stunde nach der Ope¬
ration erfolgte der Tod.
Die Section ergab ein interessantes Resultat.
Das Geschoss hatte im rechten Vorhof seitlich ein¬
geschlagen, hatte das Septum atriorum perforirt, dann den linken
Vorhof links hinten wieder verlassen, war nach Perforation des
Pericardium in den unteren Lungenlappen gedrungen und sass
links hinten unten unmittelbar unter der Pleura visceralis. Im
linken Pleuraraum war ein mässiger Bluterguss, im Perieardial-
raum ein erheblicher zu constatiren. '
Der Schusscanal verlief also von rechts vom oben am rechten
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. März 1900.
.. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. _ _ 4 2&
Sternalrand nach links hinten unten, quer durch die beiden Vor¬
höfe. Das Geschoss hat einen Durchmesser von 7 mm.
Der Fall bietet trotz seines negativen Resultates eine Anzahl
interessanter Momente.
Die Diagnose der Herzverletzung war nach Lage der
Einschussöffnung und dem auffallenden, sehr charakteristischen
Geräusch über der Herzdämpfung wohl zu stellen. Es war weniger
ein metallisches, als vielmehr das so passend als „Mühlrad¬
geräusch“ bezeichnete Gischen und Brausen, das darauf hin¬
wies, dass ausser Luft auch Flüssigkeit im Herzbeutel vorhanden
war. Die hochgradige Anaemie liess Mangels anderer Zeichen
die Annahme einer Blutung in den Herzbeutel als gerechtfertigt
erscheinen. Der auffallende Gegensatz der hochgradigsten
Athemnoth zu dem negativen Befund über den Lungen bei
fehlendem Bluthusten wies auf eine Erschwerung der Herz-
thätigkeit hin, die somit durch directe Verletzung des Herzens
oder durch Luft resp. Blutansammlung bedingt sein konnte.
Die Richtung des Schusscanales sprach für directe Herzver¬
letzung.
Schwierig war die Entscheidung, was zu thun sei, und ob
ein Eingriff gerechtfertigt sei. Es wird in solchen Situationen
bei einem mit dem Tode ringenden Patienten bei immer mehr
zunehmender Anaemie und schlechter werdendem Puls auf die
Individualität des betreffenden Arztes ankommen, ob er nach
seiner Gesammterfahrung den Fall als definitiv verloren ansieht
oder ob er den Versuch einer Rettung für gerechtfertigt halten
wird. Wenn man bedenkt, dass nach Rehn') weniger wie 10 Proc.
aller Herzverletzungen zur Heilung gelangen und dass die Schuss¬
verletzungen des Herzens von den Verletzungen die ungünstigste
Prognose geben, so wird man sich sagen müssen, dass weitere
operative Maassnahmen zur Rettung der Patienten gerechtfertigt
sind, wenn die Beobachtung des Falles, speciell mit Rücksicht auf
die bestehende Blutung eine rasche Zunahme der bedrohlichen
Erscheinungen ergibt. Ohne unser Eingreifen war der Patient
zweifellos verloren, während wir im günstigen Falle die Möglich¬
keit hatten, die Herznaht auszuführen. Ii o 11 e r stellt die Herz¬
naht als „typische Operation“ der Tracheotomie und Herniotomie
an die Seite, die eventuell jeder Arzt auch in den schwierigsten
Verhältnissen machen müsse. Wir stimmen ihm, was die An¬
wendung der Methode anbelangt, bei, denn es war geradezu über¬
raschend, wie leicht, schnell und übersichtlich die Methode von
R o 11 e r es uns ermöglichte, den Herzbeutel und das Herz frei¬
zulegen. Die Blutung ist in der That eine minimale, die Ueber-
sicht ist eine gute. Die unvermeidliche Eröffnung der Pleura
schien uns durch rasches Anschlingen der Pericardialblätter und
Herüberziehen der Schlinge nach oben und aussen nicht von allzu
grosser Bedeutung, die Lunge collabirt keineswegs, wie man viel¬
fach meint, beim Eintritt von Luft in den Pleuraraum. Sie zieht
sich etwas zurück, konnte aber von uns in ihrem medialen Rand
immer gut übersehen werden.
Die Uebersicht über die vordere Fläche des Herzens war in
unserem Falle eine durchaus gute und es wäre uns nach Entfernen
des Blutes ohne Zweifel möglich gewesen, eine etwa hier befind¬
liche Verletzung, wie wir sie nach der Lage des Schusscanales an-
nahmen, zu nähen und zu versorgen. Dagegen würde ich es —
und damit stimme ich wohl mit allen Beobachtern am Lebenden
überein — für ausgeschlossen halten, solche Verletzungen des
Herzens dem Auge und der Naht zugänglich zu machen, welche
an der hinteren Seite des Herzens gelegen sind. Auch Wunden
der Vorhöfe dürften sich, wenn sie nicht ganz vorn liegen, in
Folge der unregelmässigen Gestaltung dieses Ilerztheiles nur
schwer zugänglich machen lassen. In unserem Falle wenigstens
entzogen sich die seitlich gelegenen Schussöffnungen der Be¬
obachtung, wenngleich zugegeben werden soll, dass wir vielleicht
zu ausschliesslich auf die grosse, breit sichtbare Fläche der Ven¬
trikel unsere Aufmerksamkeit gerichtet haben.
Uebrigcns hätte in unserem Falle ja auch das Auffinden der
einen vorderen Oeffnung nicht viel genutzt, denn wir konnten uns
überzeugen, dass die Blutung von hinten her kam, da immer
wieder aus der Tiefe des Herzbeutels uns Blut entgegen kam.
Die Naht der Ausschussöffnung am hinteren unteren Pol des
linken Vorhofes halten wir nach unserer Beobachtung für ausge¬
schlossen.
*) Verhandl. d. Deutsch. Gesellsch. f. Chir. 1897. 20. Congr. j
S. 151 ff. i
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Es kann sich füglich die Frage erheben, ob man denn über¬
haupt bei Schussverletzungen des Herzens berechtigt
ist, einen Eingriff zu wagen. Dass man bei Stichverletz¬
ungen des Herzes, die ja in der überwiegenden Mehrzahl der
Fälle wohl von vorne entstehen, und bei den Fällen, die nicht in
kürzester Zeit sterben, wohl nur die vordere Wand treffen, ein-
greifen soll, beweisen die erfolgreich behandelten Fälle von
Rehn 2 ), Pagenstecher*) und von italienischen Chirurgen.
Bei Schuss Verletzungen des Herzens ist zur primären Blut¬
stillung, so viel ich sehe, nur von Bardenheuer*) der Ver¬
such gemacht worden, direct einzugreifen. B. berichtete auf der
Münchener Naturforscherversammlung über den ebenfalls nega¬
tiv verlaufenen Fall. Allerdings hat er den Herzbeutel nicht er¬
öffnet, es entging ihm daher „die an der Wand des linken Herzens
gelegene Verletzung, die tief in die Substanz des Herzens hinein¬
ging, ohne jedoch die Kammer selbst eröffnet zu haben“. Zweifel¬
los lag in diesem Falle die Verletzung für eine Naht geeignet,
aber es erhebt sich doch die Frage, ob diese Herzverletzung allein
die Ursache der „acutesten Anaemie“ war, die zum Eingriff Ver¬
anlassung war. Es wird bei Herzschuss Verletzungen immer
schwer sein, die Frage zu entscheiden, weil wir über die Durch¬
schlagkraft der Geschosse im Allgemeinen eine nicht ganz aus¬
reichende Vorstellung uns machen. In dem Bardenheue lo¬
schen Falle fanden sich in der Pleurahöhle sowohl bei der Opera¬
tion „mindestens 2 Liter Blut“, als auch nachträglich „wiederum
2 Liter Blut in der Pleurahöhle“ angesammelt. Man könnte an
die Möglichkeit denken, dass die enorme Blutung aus einer gleich¬
zeitigen Lungenverletzung resp. GefässVerletzung gestammt hätte,
da die Herzkammer eben „nicht eröffnet“ gefunden wurde; jeden¬
falls wird man bei Schussverletzungen immer an die Möglichkeit
von Neben Verletzungen denken müssen.
Dieser Umstand, sowie der weitere, dass es im einzelnen
Fall unmöglich sein wird, zu entscheiden, ob nur eine einfache
oder eine mehrfache, d. h. das Herz durchbohrende Verletzung
vorliegt, lässt doch die Frage auf werfen, ob wir bei Herzver¬
letzungen durch Schuss Aussicht haben werden, durch operatives
Vorgehen die Chancen der Heilung zu vergrössern. Wie ich
schon hervorhob, war es in unserem Fall unmöglich, die Ausschuss¬
wunde am linken Vorhof zu Gesicht zu bekommen und damit der
Naht zugänglich zu machen. Wir mussten uns, ohne die dia-
gnosticirte Herzwunde gesehen zu haben, trotz der fortbestehen¬
den Blutung auf die Tamponade beschränken, die nach Lage der
Verletzung unwirksam bleiben musste. Für die Beurtheilung der
Schussverletzungen des Herzens kommt weiter hinzu, dass es
doch, wie gute Beobachter angeben, zweifellose Fälle gibt, in
denen trotz nachgewiesener oder zum mindesten im höchsten
Grade wahrscheinlich gemachter Herzverletzung der Ausgang ein
günstiger gewesen ist. So theilte Sendler 5 ) auf dem 26. Chi-
rurgcncongross einen Fall mit, bei dem eine durch die Entwick¬
lung eines Haemopericards wahrscheinlich gemachte Ventrikel¬
verletzung trotz hochgradiger Anaemie in Heilung ausging unter
cxspectativer Behandlung.
Bardenheuer theilte auf demselben Congress einen Fall
mit, in welchem die 14 Tage nach der Verletzung vorgenommene
Section das in der hinteren Wand des linken Ventrikels einge¬
heilte, von vorn eingedrungene Geschoss nachwies. Auch
Ii a u e n s t e i n ö ) theilte Beobachtungen mit, bei denen der Ein¬
schuss innerhalb der engeren Herzdämpfung lag, die er auch nach
den klinischen Erscheinungen als Herzvcrletzungen ansah, und in
denen trotzdem Genesung eintrat. Auch in der von Eichel 7 ) mit-
getheilten Casuistik der „Herzbeutelschüsse“ finden sich einzelne
Fälle, z. B. No. 10, in denen neben der Herzbeutelverletzung eine
Verletzung des Herzens nach den klinischen Erscheinungen zum
Mindesten nicht ausgeschlossen ist. Vergegenwärtigen wir uns
also, dass wir in einer Anzahl von Herzschussverletzungen über
die z\rt und Schwere der Neben Verletzungen im Un¬
klaren bleiben werden, dass wir weiter selbst bei ausgiebigster
Freilegung des Herzens nur bei einer beschränkten Zahl von
Fällen die Herzverletzung ausreichend dem Auge resp. .-J# Naht
6 ) cf. Verhandl. d. Deutsch. Gesellsch f. Chir. 1897, Bd. 2<>.
Seite 76.
•) 1. c.
7 ) Archiv f. klin. Chir., 59. Bd. Die Schussverletzungen des
Herzbeutels.
2 ) 1. c.
*) Deutsch, med. Woehensclir. 1899. No. 22.
*) cf. diese Woehensclir. 1899. No. 40, S. 1Ö12.
Original ffom 1
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. J3.
426
zugänglich machen können, weil es sich um perforirende
Verletzung handelt, bedenken wir ferner, dass gute Beobach¬
tungen vorliegen, in denen selbst erhebliche Schussverletzungen
des Herzens in Genesung ohne Operation übergegangen sind, so
müssen wir zugeben, dass die Frage, ob wir zur primären
Blutstillung bei Herzschussverletzungen das Herz frei
legen sollen oder nicht, noch weiterer Erwägungen und Er-
Jahrungen bedarf. Da wir in der Methode von Kotter eine
Möglichkeit haben, rasch und übersichtlich das Herz in seiner
vorderen Flüche der Naht zugänglich zu machen, so wird bei
Stich ff r 1 e t z u n g o n die Frage zu Gunsten des früh¬
zeitigen Eingreifens zweifellos zu entscheiden sein, ob bei Schuss¬
verletzungen in gleicher Weise, wagen wir heute noch nicht zu
entscheiden.
Pflicht aber dürfte es sein, alle einschlägigen Beobachtungen
auf diesem Gebiete, das der Klärung bedarf, mitzutheilen, auch
wenn sie nicht von so glänzendem Erfolg gekrönt sind, wie die
Fälle von Kehn und Pagenstecher und Anderen.
Wie Pagenstecher*) ganz richtig sagt, liegt die
„Haupt Schwierigkeit für die Weiterentwicklung der Herz¬
chirurgie in der mangelhaften Diagnostik“ und es ist zur Be¬
seitigung dieser ,jeder Baustein beizutragen“. Wenn er weiter
fortfährt, „ebenso, wie wir heute die Bauchhöhle öffnen, wo der
Verdacht einer Darmverletzung vorliegt, werden wir in Zukunft
das Herz blosslegen müssen, wo wir eine perf orirende Wunde an¬
nehmen oder Blutung und Infection uns zwingen“ — so liegt
in dieser Mahnung, so weit sie sich auf Stichverletz¬
ungen bezieht, wohl die Richtung, in der sich unser Handeln
bewegen muss, angegeben; bezüglich der Schussverletz¬
ungen — das möchten wir aber nochmals betonen — liegt die
Frage doch wohl nicht so einfach. Den Darm können wir vorziehen
und ihn nach jeder Richtung hin dem Auge zugänglich
machen, das Herz jedoch selbst durch die beste Methode der
Freilegung vorläufig nur in beschränktem Umfange.
Ueber_Hernia epigastrica.*)
Von Stabsarzt Dr. Eichel in Strassburg i. E.
M. H. 1 Auch auf die Gefahr hin. Ihnen zum grössten Theil
Bekanntes zu bringen, will ich mir erlauben, im Folgenden unter
Demonstration einiger einschlägiger Fälle das, was wir über die
Hernia epigastrica wissen, vorzutragen.
Um Ihnen zunächst einige Daten über die Geschichte der
Krankheit zu geben, so sei erwähnt, dass nach der Abhandlung
des Göttinger Chirurgen August Gottlieb Richter 1 ) zuerst
II. G a r e n g e o t in den Memoires de TAcademie de Chirurgie
de Paris eine Arbeit darüber veröffentlicht hat. Garengeot
und seine Landsleute waren wegen der hervortretendsten Be¬
schwerden, die diese Bruchform hervorrief, wegen der Schmerzen
im Magen und des Erbrechens, der Ansicht, dass der Magen selbst
der Bruchinhalt sei und bezeichneten sie daher als Gastrocelen.
Richter trat dieser Ansicht mit aller Entschiedenheit
entgegen und bezeichnete es als unmöglich, dass der Magen in
den kleinen Brüchen liege. Die Magenbeschwerden erklärt er
als per consensum entstanden. Bei der Schilderung der Sym¬
ptome wird es an der Zeit sein, auf die Erklärung der hoch¬
gradigen Beschwerden, die derartige Brüche machen, einzugehen.
Um in dem historischen Ueberblick fortzufahren, so waren die
Hemiae epigastricae den Chirurgen zu Anfang unseres Jahr¬
hunderts und der Neuzeit sehr wohl bekannt, es waren auch ein¬
zelne casuistische Mittheilungen über dieselben gemacht; ich er¬
wähne nur die von L ü c k e *) über 2 im Jahre 1887 operirte Fett¬
hernien wegen Gastralgic; in den Lehrbüchern der Chirurgie so¬
wohl wie in denen der inneren Medicin fand man jedoch verhält-
nissmässig wenig über sie. Erst durch 2 fast gleichzeitige Ver¬
öffentlichungen von Witzei 3 ) in Bonn und von Roth 4 ) aus
der Bergman n’schen Klinik wurde die Aufmerksamkeit
8 ) 1. c.
*) Nach einem vor dem unterelsässischen Aerzteverein ge¬
haltenen Vortrage.
*) Dr. August Gottlieb R1 c h t e r’s Abhandlung von den
Brüchen. Göttingen 1785.
2 ) Operative Beseitigung von sogenannten Fetthernien wegen
Gastralgie von Prof. Dr. Lücke. Centralbl. f. Chlr. 1887, S. 69.
■) Leber den medianen Bauchbruch , von Oskar W i t z e I.
Volkmann’s Sammlung klinischer Vorträge.
*) Feber die Hernien der Linea albn, von Dr. Roth, Archiv
für klinische Chirurgie, Band 42, Seite 1.
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Gck igle
weiterer Kreise dem Leiden mehr zugewandt. Beide Autoren be¬
tonen die ausserordentliche Wichtigkeit der Kenntniss dieser
Bruchform, deren Beschwerden, da der Bruch seiner Kleinheit
wegen häufig nicht entdeckt wird, so oft anderen Ursachen zuge¬
schrieben werden und zu den verhängnissvollsten diagnostischen
Irrthümem führen.
Die Hernia epigastrica sitzt zwischen Processus xiphoideus
und Nabel meistens genau in der Mittellinie, mitunter weicht sie
jedoch auch um ein Unbedeutendes nach rechts oder links ab.
Der Bruch bildet in dieser Gegend eine mehr oder weniger
starke Vorwölbung, deren Grösse meistens recht gering ist. Die
Geschwulst ist in den allermeisten Fällen kaum haselnussgross,
häufig nur erbsengross, selten sind Fälle, wo sie Apfelgrösse er
reicht oder gar wie in dem von Terrier*) beschriebenen und
abgebildeten zweifaustgross ist.
Die anatomische Betrachtung, die nebenbei bemerkt
hauptsächlich aus den Beobachtungen bei der Operation unserer
Hernien gewonnen ist, zeigt 2 verschiedene Bilder. In der einen
Reihe von Fällen liegt der durch eine Oeffnung in der vorderen
Bauchwand ausgetretene Bruchinhalt frei unter der Haut, in
der anderen ist er von einer Peritonealausstülpung überkleidet.
Ueber die Ursache dieser Verschiedenheit werden wir bei der
Entstehung sprechen. Die Bruchpforte bildet eine senkrecht
oder quergestellte, meistens scharfrandige Oeffnung in der vor¬
deren Bauchwand, die ja an dieser Stelle nur von der vorderen
und hinteren sich in der Mittellinie vereinigenden Rectusscheide
gebildet wird.
Mit dieser Bruchpforte, die fast stets nur klein, selten mehr
als wenige Centimeter laug ist, ist der ausgetretene Bruchinhalt
sehr oft mehr oder weniger fest verwachsen.
Der Bruchinhalt selbst bestand in den operirten Fällen vor¬
wiegend aus Netz; dasselbe kann in Folge der Verwachsungen
und der gestörten Ernährung derartig verändert sein, dass erst
eine genaue Präparation, durch die das unmittelbare Uebergehen
in das in der Bauchhöhle befindliche Netz nachgewiesen wird, das
vorliegende Gewebe als Netz erkennen lässt.
Seltener ist eine Darmschlinge als Inhalt einer Hernia epi¬
gastrica festgcstellt, nie aber ist der Magen, der, namentlich von
französischer Seite, als Inhalt des Bruches angesehen wurde,
weder durch Autopsie noch durch Operation in demselben ge¬
funden worden.
Die Hernia epigastrica kommt in jedem Lebensalter vor,
ausserordentlich selten im Kindesalter, wird sie am häufigsten
im Alter von 20 bis 40 Jahren gefunden. Während nach früheren
Statistiken die Frauen häufiger befallen sein sollten, sind nach
den Angaben von Roth unter 44 Fällen 29 Männer und
15 Frauen, auch Bohland*) sah das Leiden 37 mal bei Männern
und nur 3 mal bei Frauen.
Für die Entstehung kommen, abgesehen von den sehr
seltenen Fällen, in denen ein congenitaler Defect der vorderen
Bauchwand vorhanden war, in der Hauptsache 2 Möglichkeiten
in Betracht. In der einen Kategorie der Fälle soll ein properi
toneales Fettklümpchen durch ein präformirtes (Gefässlücke) oder
allmählich entstandenes Loch (durch Abmagerung) in der vor¬
deren Bauchwand, die ja in der Linea alba nur von der Rectus¬
scheide gebildet wird, durchsclilüpfen und allmählich das Peri¬
toneum nach sich ziehen. Der ausgestülpte Peritonealtrichter
wird dann mit dem Bruchinhalt angefüllt. In der zweiten Kate¬
gorie wird durch irgend ein grösseres oder geringeres Trauma
eine subcut ane Zerreissung der vorderen Bauch wand hervorge¬
rufen. Entweder reisst dabei das Peritoneum mit, dann ist das
austretende Eingeweide nicht von einem Bruchsack bedeckt, oder
das Peritoneum bleibt erhalten und stülpt sich allmählich aus
dem Riss der Bauchwandungen heraus, dann hat der Bruch auch
einen echten Bruchsack. Die traumatische Entstehung der Her¬
nia epigastrica ist namentlich in jüngster Zeit für eine Reihe von
Fällen sicher erwiesen. Auch bei den 3 Patienten, die ich im
letzten Jahr beobachtet habe, wird 2 mal mit Sicherheit eine Ver¬
letzung als Entstehungsursache angegeben, während der Dritte
kein bestimmtes Trauma anzugeben vermag. Bei der trau¬
matischen Entstehung sind 2 Möglichkeiten geboten. Einmal
kann, und das ist das gewöhnliche, zunächst nur der subcutano
■) F. Terrier: Hernies epigastriques et ombilicales. Revue
de Chirurgie 1886, S. 993.
*) Ueber die Hernia epigastrica und ihre Folgezustftwle. vou
Dr. Iv. Bohland. Berlin, klin. Wochensohr. 1884, S. 77.4.
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
•27. März 1900.
MÜNCHENER MEDTCINTSCHE WOCHENSCHRIFT
427
Riss in der vorderen Bauchwand durch die Verletzung gesetzt
werden, ohne dass ein Eingeweide durch den Riss aus der Bauch¬
höhle heraustritt. Dies Heraustreten bleibt einem zweiten Trauma
oder einer späteren, meist ganz unbedeutenden Schädlichkeit,
einem Hustenstoss oder etwas dem Aehnlichen, Vorbehalten. Ein
gutes Beispiel für diese Art der Entstehung ist der erste Fall,
den ich operirt habe.
Der Mann bekam im Mal 1898 einen Bajonettstoss beim Con¬
trafechten gegen den durch einen Fechtschurz geschützten Bauch
etwa oberhalb des Nabels. Er verspürte sofort danach heftige
Schmerzen, die jedoch am nächsten Tage verschwanden. 2 Tage
darauf that er allen Dienst mit. Da fühlte er beim Turnen, nach¬
dem er den Rückenaufzug gemacht hat, von neuem einen heftigen
Schmerz an der getroffenen Stelle, der nun nicht mehr schwindet.
Er meldet sich krank und es wird eine Hernia epigastrica gefunden.
Es ist also bei dem muskelkräftigen Mann, der vorher vollkommen
gesund war, durch den Bajonettstoss zunächst ein subcutaner
Einriss in die vordere Bauchwand gesetzt. Der Riss, der, wie sieh
bei der Operation zeigte, zur Linea alba senkrecht gestellt war,
ist durch die Ueberstreckung der Bauchmuskulatur beim Rücken¬
aufzug zum Klaffen, vielleicht auch zum weiteren Einreissen ge¬
bracht; beim tiefen Athemholen, nachdem der Körper die Höhe
des Querbaums erreicht hat, ist sodann ein Netzstück in den
Einriss hinein getrieben und von der engen Bruchpforte fest¬
gehalten.
In einer anderen Reihe von Fällen tritt gleich, nachdem der
Riss in der vorderen Bauchwand entstanden ist, ein Netztheilchen
heraus und wird an der Stelle festgehalten.
So war es bei meinem 3. Patienten. Der Mann verspürte Im
Frühjahr 1897 beim Heben einer schweren Kiste plötzlich einen
Schmerz etwas oberhalb des Nabels, der ihn zwang, die Kiste ab¬
zusetzen. Er fühlte, als er unmittelbar darauf auf den Abort ging
und sich nach der schmerzenden Stelle fasste, ein Knötchen, das
seitdem bestehen geblieben ist. Ebenso sind die Schmerzen bei
der geringsten Anstrengung an der Stelle unverändert vorhanden.
Die Symptome, die die Hernia epigastrica macht, treten je
nach ihrer Entstehungsart allmählich oder plötzlich auf.
Die Patienten der ersten Kategorie, bei denen das Leiden
ohne nachweisbares Trauma entstanden ist, kommen meist mit
Klagen über Magenbeschwerden zum Arzt. Sie haben Schmerzen
in der Magengegend, die bald nach dem Essen stärker werden,
bald von der Nahrungsaufnähme unbeeinflusst sind. Im weiteren
Verlauf tritt Aufstossen und Erbrechen hinzu. Die Kranken
werden appetitlos, sie fangen an abzumagern, werden unlustig
zu jeder Arbeit, verlieren allen Lebensmuth. Am Leibe ist
meistens beim Anblick nicht viel zu entdecken, selten sind die
Fälle, in denen schon durch den Gesichtssinn eine Geschwulst
wahrgenommen werden kann. Dagegen fällt beim Betasten eine
starke Druckempfindlichkeit des Leibes oberhalb des Nabels auf.
Meistens ist der Schmerz auf eine ganz circumscripte Stelle be¬
schränkt und hier findet man bei aufmerksamer Untersuchung
ein Knötchen, das kaum Bohnengrössc erreicht. Wird die kleine
Geschwulst nicht entdeckt oder wird ihr, wie so häufig, nicht die
nöthige Beachtung geschenkt, so werden die Beschwerden auf
ein Magenleiden bezogen. Der Kranke trotzt den verschiedensten
Behandlungen, er reist von einem Arzt zum anderen, bis er end¬
lich vor die rechte Schmiede kommt und. durch eine ungefährliche
Operation seine sämmtlichen Beschwerden mit einem Schlage be¬
hoben sind.
Ist ein Trauma den geschilderten Beschwerden unmittelbar
oder kurze Zeit vorhergegangen, so wird eine eingehende Unter¬
suchung der vorderen Bauehwand die grössere oder kleinere Ge¬
schwulst finden und dieselbe richtig deuten lassen. Als Regel
für die Untersuchung derartiger Kranker stellt schon Richter
den Grundsatz auf, dass man sie nicht in der gewohnten Rücken¬
lage, sondern mit nach vorwärts geneigtem Oberkörper unter¬
suchen soll. In der Rückenlage verschwindet bei reponibler Hernie
der Bruchinhalt in der Bauchhöhle, bei nicht reponibler wird
durch die Erschlaffung der vorderen Bauchwand der ausgetretene
Bauchhöhleninhalt nicht so stark von den Bruchpforten gedrückt
wie bei aufrechter Körperhaltung, daher wird die Betastung der
Geschwulst weniger schmerzhaft, dieselbe kann der Beobachtung
leichter entgehen.
Dass ein stärker ausgebildeter Panniculus adiposus die Ent¬
deckung der Geschwulst erschwert, braucht wohl kaum hervor¬
gehoben zu werden.
Aas den geschilderten Symptomen, der Druckschmerzhaftig¬
keit im Epigastrium, der gestörten Eunction des Magens und des
Darmcanals lässt sich bei dem Vorhandensein einer.subeutanen
Geschwulst in der Mittellinie zwischen Processus xiphoideus und
e
Nabel die Diagnose einer Hernia epigastrica mit aller Bestimmt¬
heit stellen.
Wie erklären sich mm bei der Kleinheit der Geschwulst, bei
dem Fehlen von Magen und Darm in ihr, in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle die vorhandenen schweren Störungen des Ver-
dauungstractus ? Entweder durch directen Zug des mit der Bruch¬
pforte verwachsenen Netzes, das bei jeder Bewegung und
stärkeren Erschütterung des Bauches beim Gehen, Husten,
Niesen am Magen zerrt. In diesen Fällen ist es begreiflich,
dass bei der ruhigen Rückenlage die Schmerzen verschwinden,
dass die Mahlzeiten besser vertragen werden, wenn nur geringe
Mengen auf einmal dem Magen zugeführt werden, und eine Zeit
lang nach der Mahlzeit die Rückenlage innegehalten wird. Ist
jedoch die Fixation des Magens durch das Netz an die Bruch¬
pforte keine so kurze, dass ein directer Zug auf ihn ausgeübt
werden könnte, so lassen sich die Beschwerden nur auf dem
Wege der Nervenbahnen oder, wie Richter sagt, per consensum
erklären.
Mag das eine oder das andere der Fall sein, für die Therapie
besteht die Indication, die Patienten von ihren Beschwerden zu
befreien.
Zu dem Zwecke sind Bruchbänder der verschiedensten Art
empfohlen.
Ich halte den Gedanken, auf eine Hernia epigastrica ein
Bruchband appliciren zu wollen, vom chirurgischen Standpunkt
aus für verfehlt. Abgesehen davon, dass ein Bruchband an der
Stelle überhaupt nicht sitzt, dass es sich bei der geringsten Be¬
wegung verschiebt, ja sogar schon bei einer etwas tieferen Ath-
mung seine Lage verändern muss, scheint es mir überhaupt ir¬
rationell, ein Bruchband anzulegen. Bei der Durchsicht der ein¬
zelnen Veröffentlichungen über operirte Hernia epigastrica habe
ich fast in allen Fällen gefunden, dass das ausgetretene Netz oder
das vorliegende „subseröse Lipom“ mit der Bruchpforte mehr oder
weniger fest verwachsen, auch nach der Freilegung irreponibel
war. Es ist allgemeiner chirurgischer Grundsatz, ein Bruch¬
band nur dann anzulegen, wenn der Bruch zurückgebracht ist.
Der Schaden, der durch ein auf einen irreponirten Bruch ange¬
legtes Bruchband hervorgerufen wird, ist jedenfalls grösser als
der. den man anrichtet, wenn man gar keines anlegt. Es erscheint
mir daher nicht im Interesse der Kranken zu liegen, wenn wir
ihnen, um sie psychisch zu beruhigen, ein Bruchband geben. That-
sächlich helfen wir ihnen durch dasselbe nicht; die einzige wirk¬
liche Hilfe, die wir ihnen angedeihen lassen können, ist die
durch die Operation. Freilegung der Geschwulst, sorgfältige
Präparation der Bruchpforte, Durchtrennung aller Verwach¬
sungen mit oder ohne Resection des vorgefallenen Netzes, Naht
der Bruchpforte, Hautnaht, das ist der einfache chirurgische
Eingriff, der unter der jetzt üblichen Asepsis eine sichere Heilung
gewährleistet.
Treten bei einer Hernia epigastrica Erscheinungen auf, die
auf eine Einklemmung eines im Bruch etwa vorhandenen Darm-
t.heiles sehliessen lassen, so versuche man keinenfalls, auch wenn
der Patient auf das Bestimmteste angibt, dass der Bruch früher
vollständig reponibel gewesen sei, die Taxis. Der eingeklemmte
Darm wird, das beweisen alle veröffentlichten Fälle, sehr schnell
nekrotisch, so dass es eben so noth wendig ist, ihn durch den Gesichts¬
sinn zu controliren wie bei der eingeklemmten Cruralhernie des
Mannes, die ja auch in sehr viel kürzerer Zeit zur Darmnekrose
führt wie die Leistenhernie.
Liegt Grund vor, neben der Hernia epigastrica ein schwereres
Leiden des Magendarmcanals zu vermuthen, so erweitere man
die Oeffnung in der Bauchwand, wie W i t z e 1 es empfiehlt,
um den Magen zu inspiciren. Im Allgemeinen wird es genügen,
die Bruchpforte soweit nach oben und unten zu spalten, dass
man sich sicher von der Durchtrennung aller Verwachsungen
überzeugen kann. Auch wenn die Oeffnung, wie in meinen
beiden operirten Fällen, quergestellt ist, kann man sie, wie ich
es gethan, längs vernähen.
Durch die Operation verschwinden mit einem Schlage alle
Beschwerden, wohl hat mein zweiter Patient ebenso wie der
zuerst operirte, noch einige Zeit eine gewisse Empfindlichkeit
in seiner Narbe gehabt, die Schmerzen im Innern des Leibes
sind jedoch von der Stunde der Operation ab verschwunden, er
ist im Stande zu laufen und zu springen wie vorher in gesunden
Tagen, so dass ich hoffe, dass er, ebenso wie der zuerst operirte,
4*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized b'
■y GOOgl
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
428
im Stande sein wird, sich allen Anstrengungen des Dienstes zu
unterziehen.
B., 21 Jahre alt, auf genommen am 2. Juni 1898, entlassen am
19. September 1898, stammt aus gesunder Familie und war selber
bisher stets gesund.
Mitte Mai 1898, den Tag vermag er nicht mehr genau anzu-
goben. bekam er beim Bajonettiren einen Stoss gegen den Unter¬
leib, etwas oberhalb des Nabels. Er verspürte sofort Schmerzen,
doch legten sich dieselben am nächsten Tage, so dass er seinen
Dienst weiter versehen konnte. 2 Tage danach stellten sich nach
einem Rüfkenaufzug am Querbaum wieder heftige Schmerzen ein,
die so stark wurden und gegen Ende des Monats auch beim (leben
und in der Ruhe den Mann so belästigten, dass er sich am 80. Mai
krank meldete. Er wurde seinem Bataillonsarzt. Herrn Stabsarzt
S p a m e r, vorgestellt, der sofort eine Hernia epigastrica fest¬
stellte und mir den Mann zur Operation überwies. Am 2. Juni er¬
folgte seine Lazarethaufnähme.
Status praesens: Der im Uebrigen gesunde Mann klagt über
Schmerzen im Leibe zwischen Nabel und Brustbein. Die Schmerzen
sind stets vorhanden, gleicligiltig, ob Patient gegessen hat oder
nüchtern ist. Nach körperlichen Anstrengungen, besonders nach
starkem Rumpf vorwärtsbeugen, sollen dieselben stärker sein. Drei
Finger breit oberhalb des Nabels, ein Finger breit nach rechts von
der Mittellinie, befindet sich unter beweglicher, nicht entzündeter
Haut eine haselnussgrosse Anschwellung von ziemlich fester Be¬
schaffenheit, die auf Druck schmerzhaft ist. Die Geschwulst bietet
keinen Darmton, sie lässt sich nicht in die Bauchhöhle zurück¬
bringen, hat jedoch einen deutlichen Stiel nach derselben hin. Er¬
brechen besteht nicht, Stuhlgang und Winde In Ordnung.
Am 10. Juni wird in Chloroformnarkose die Geschwulst durch
einen 10 cm langen Schnitt freigelegt. Dieselbe ist nicht von Peri¬
toneum bedeckt, sie besteht ans Netz, das durch einen 2 cm langen
quergestellten Riss im rechten geraden Bauchmuskel aus der
Bauchhöhle herausgetreten Ist. Beim Anziehen des heraus¬
getretenen Netztheiles sieht man, dass dasselbe durch einzelne
Stränge mit der Bruchpforte verwachsen ist Die Stränge werden
doppelt unterbunden und durchtrennt. Nunmehr gelingt es leicht,
das Netz in die Bauchhöhle zu reponiren, der eingeführte Finger
fühlt die Bruchpforte vollständig frei. Naht der Bruchpforte.
Hautnaht, aseptischer Verband.
Die Heilung war eine ungestörte: am 17. Juni wurden die
Hautnähte entfernt, die Wunde war durch erste Vereinigung ge¬
heilt. Patient verliess das Bett. Die Schmerzen, von denen der
Mann geplagt gewesen, waren seit dem Tage der Operation ver¬
schwunden; wohl hatte er In der ersten Woche etwas ..Brennen“
in der Wunde, doch gab er selbst an, dass dies Gefühl ein ganz
anderes sei und mit dem früheren gar nicht zu vergleichen. Am
7. Juli wurde er mit vollständig fester, unempfindlicher Narbe in
das Genesungsheim 15. Armeecorps geschickt, er blieb daselbst
bis zum 31. August und hat dann den Rest des Manövers ohne
irgend welche Beschwerden mitgemacht.
S.. 21 Jahre alt, aufgenommen am 25. October, entlassen am
25. November. Der Vater des Patienten soll an einem Lungen¬
leiden, die Mutter im Wochenbett gestorben sein. Eine Schwester
sei gesund. Bruchschäden seien seines Wissens in seiner Familie
nicht vorgekommen. Er selbst sei bisher immer gesund gewesen.
Am 20. dieses Monats Vormittags habe er. als er nach beendigtem
Einzelexoreiren sich in seiner Gasernenstube aufhielt. Schmerzen
ir. der mittleren Bauchhöhle verspürt, die seitdem In sich gleich¬
bleibendem Maasse fast dauernd fortbestehen und namentlich bei
stärkerem Strecken und Beugen des Rumpfes, beim Husten und
Pressen auftreten sollen. Erbrechen will er nicht gehabt haben,
auch eine Zunahme der Beschwerden nach dem Essen sei nicht,
auf getreten. An den nächsten 2 Tagen habe er keinen Dienst ge¬
habt und sich daher erst he^te krank gemeldet, nachdem er gesteru
auf Wache gewesen war. Er selbst habe zuerst am 22. dicht ober¬
halb des Nabels eine kleine druckempfindliche Geschwulst bemerkt,
die ihm der Hauntsitz der Ursache seiner Beschwerden zu sein
schien. Hinsichtlich des ersten Auftretens der Schmerzen welss
er sich nicht einer stärkeren, gewaltsamen Körperbewegung, weder
bei dem Exerciron (am 22.1 selbst, noch beim Forttreten, noch beim
Herauflaufen der Treppe zu seiner im ersten Stockwerk gelegenen
Gasernenstube zu erinnern.
Befund: Kleiner, kräftig gebauter Mann mit gering entwickel¬
tem Fettpolster. Etwa 2 Ouerflnger breit oberhalb des Nabels
fühlt man In der weissen Linie eine umschriebene, halbflache Her¬
vorwölbung unter der Haut. Die kleine Geschwulst ist sehr druck¬
empfindlich. etwa von Kirschgrösse.
31. Oct. Operation in Ghloroformnarkose. 5 cm langer Ein¬
schnitt in der weissen Linie über die Geschwulst. T>or«eibe führt
auf eine etwa kirschgroße Fettmasse, die keinen deutlichen Peri¬
tonealüberzug besitzt. Der Stiel der Geschwulst geht deutlich in
die Bauchhöhle, es gelingt jedoch nicht, die Fettmasse in die Bauch¬
höhle zurückzubringen. Als die quergestellte Bruchpforte erweitert
ist. zeigt sich, dass an ihr die Geschwulst, die In das in der Bauch¬
höhle normale Netz übergeht, ringsum verwachsen ist. Die Ver¬
wachsungen werden nach doppelter Unterbindung getrennt, der
Riss in der vorderen Bauchwand durch Knnpfnähte In der Längs¬
richtung geschlossen. Hautnaht. Aseptischer Verband.
7. Nov. S. ist seit der Operation vollkommen frei von Be¬
schwerden. Ein Temperatursteigen nach der Operation Ist nicht
vorhanden.
Anmerkung bei der Gorrectur: Der Mann hat seit Januar
allen Dienst ohne Beschwerden mitgemacht.
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Die Wunde ist durch erste Verklebung verheilt, die Umgebung
sowie die Stichcanäle völlig reizlos. Ein Theil der Nähte entfernt.
11. Nov. Der Rest der Nähte entfernt. Steht auf.
20. Nov. Seit 8 Tagen ohne Beschwerden ausser Bett.
N., 20 Jahre alt, aufgenommen am 23. Nov., entlassen am
30. Nov. Der Vater des Patienten an Lungenentzündung ge¬
storben. Mutter und 2 Schwestern leben. Ob Bruchschäden in der
Familie vorgekommen sind, kann er nicht angeben. Er selbst
will früher nie erheblich krank gewesen sein. Im Frühjahr 1897
habe er als Arbeiter in einer Corsettfabrik an einer schweren
Kiste heben müssen und hierbei einen plötzlichen Schmerz etwa*
oberhalb des Nabels verspürt, der ihn zwang, die Kiste abzusetzen.
Er ging kurze Zeit darauf zum Abort und fand beim Hinfühler,
nach der schmerzenden Gegend eine kleine Geschwulst oberhalb
des Nabels, die ln demselben Umfange bestehen geblieben Ist. Seit
dieser Zeit will er bei allen stärkeren körperlichen Arbeiten
Schmerzen an der bezeichneten Stelle bemerkt haben. Einer ärzf
liehen Untersuchung oder Behandlung hat er sich nicht unter¬
zogen. Verdauungsbeschwerden hat er nie gehabt. Entsprechend
der vermehrten körperlichen Anstrengungen hat er die oben er
wähnten Schmerzen seit seinem Diensteintritt häufiger empfunden.
Er meldete sich desshalb krank und wurde dem Lazareth über¬
wiesen.
Befund: Kleiner, schwach gebauter Mann, von blasser Haut¬
farbe. Musculatur und Fettpolster gering entwickelt.
In beiden Leisten ziemlich weite, für den Zeigefinger bequem
durchgängige Bruchpforten. die im Uebrigen frei sind.
Dicht oberhalb des Nabels, an der vom Kranken als Sitz der
Schmerzen bezeichneten Stelle fühlt man. in der weissen Linie,
einen erbsengrossen, ziemlich derben, druckempfindlichen Knoten,
der sieh gegen seine Unterlage nicht verschieben lässt, während
die Haut darüber frei beweglich Ist.
30. Nov. In der Ruhe sind die Schmerzen geringer geworden.
P. verweigert einen operativen Eingriff, wurde als dienstunbrauch
bar entlassen.
Ist die Zeiss-Thoma’sche'Zählkammer wirklich
vom äusseren Luftdruck abhängig?'
Von Dr. C. F. Meyer, z. Z. dirig. Arzt der Basler Heilstätte
Davos-Dorf.
Während der Ausarbeitung meiner Dissertation: „Ueber den
Einfluss des Lichtes im HöÜenklima auf die Zusammensetzung des
Blutes“ erschien in No. 40 des Jahrganges 1899 dieser Zeitschrifi
eine Arbeit von Gottstein in Berlin: „Die Vermehrung der
rothen Blutkörperchen Im Hochgebirge“, welche als Experimentum
crucis die auch von Meissen und Schröder angenommene
Thatsache erhärten sollte, dass die Ursache für die Vermehrung
der rothen Blutkörperchen im Höhenklima nicht ln einer Verände¬
rung des Blutes selbst zu suchen sei, sondern in der Veränderung
des Messapparates. Diese Autoren behaupten nämlich, dass die
Zeiss-Thom a’sche Zählkammer vom äusseren Luftdruck ab¬
hängig sei und zwar insofern, als der verminderte Luftdruck das
Deckglas dem Boden der Zählkammer weniger nahe bringe, das
Volumen der Kammer dadurch vergrössere und so eine scheinbare
Vermehrung der rothen Blutkörperchen verursache, während er
höhter Luftdruck das Gegentheil bewirke.
Gottstein sagte sich nun, dass, wenn er bei einer Auf
8chwemmung von todten Hefezellen in der Höhe unter verminder¬
tem Luftdruck höhere Zahlenwerthe erhalte als ln der Ebene,
diese Veränderung unmöglich auf eine Vermehrung des todten
Zellmaterials zurückgeführt, sondern einzig und allein dem fehler¬
haften Zählapparate zugeschrieben werden könne. Er fand denn
auch in der That seine Annahme auf Grund seiner Versuche be¬
stätigt und gelangt zum Schlüsse, dass die geistreiche Theorie von
M i e s c h e r von der physiologischen Bedeutung der Vermehrung
der Blutzellen im Hochgebirge nicht haltbar sei. Damit erklärt
also Gottstein sämmtliche Arbeiten, welche von den Schülern
Miescher*s und anderen Forschern erschienen sind, für werthlos.
weil alle diese Autoren mit demselben fehlerhaften Apparate ge¬
arbeitet haben und nothwendiger Weise zu demselben fehlerhaften
Resultate kommen mussten.
Da auch meine Untersuchungen über den Lichteinfluss des
Höhenklima auf die Zusammensetzung des Blutes mit der Zeiss-
Thom a’schen Zählkammer angestellt worden waren, und nun
ebenfalls durch die G o 11 s t e i n’sche Veröffentlichung ln Zweifel
gezogen worden sind, so benützte ich meine zweite Anstellung in
Davos und einen vorübergehenden Aufenthalt in Basel dazu, die
Versuche von Gottstein nachzuprüfen. Bei solchen Control-
versuchen ist es natürlich von grösster Wichtigkeit, dass die Unter¬
suchungen möglichst analog gemacht werden. Da aber die Be¬
schreibung seiner Versuche sehr knapp ist. und manche für die
Beurtheilung und Nachprüfung dieser Untersuchungen wichtige
Fragen offen lässt, wandte Ich mich brieflich an den Berliner
Gollegen und bat ihn um nähere Auskunft, welche mir denn auch
in liebenswürdigster Weise erfheilt wurde und wofür ich ihm an
dieser Stelle nochmals meinen verbindlichsten Dank ausspreche.
Genau nach seinen Angaben stellte Ich mir nun eine Auf¬
schwemmung von frischen Hefezellen in einer 5proc. Lösung von
Formalin her und verdünnte dieselbe so lange, bis ich eine Lösung
erhielt, deren Goncentration ungefähr der G o 11 s t e i n’solien
Mischung für die Höhe von Davos entsprach. Da Gottstein
selbst In seiner brieflichen Mitthellung diese Lösung als zu zollen
arm bezeichnete und die grösseren Schwankungen der Werthe der
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
429
Einzelzählungen diesem Umstande zuschreibt, so machte ich noch
eine zweite concentrirtere Mischung. Eine Färbung der Hefe¬
zellen, wie sie Gottstein mit Jod, Methylenblau und Fuchsin
vergebens probirte, schliesslich mit Haematoxylin leicht zu Stande
brachte, versuchte ich nicht, da ich dieselbe für überflüssig hielt.
Dass die Lösung wirklich eine constante war und blieb, davon
konnte ich mich an zahlreichen vorher gemachten Präparaten über¬
zeugen und ist auch aus den unten zusammengestellten Werthen
ersichtlich, welche ich in einem Zeitraum von mehreren Wochen er¬
hielt. Die Herstellung der Zählpräparate erfolgte nun so, dass ich
zunächst den Inhalt der Flasche tüchtig, mindestens 2 Minuten
lang, schüttelte und zwar unter Vermeidung von Luftblasen au
der Oberfläche der Flüssigkeit und dann sofort nach Beendigung
des Schütteins den Tropfen entnahm. Dazu bediente ich mich
Anfangs, da ich besser darauf eingeübt war, des Mölangeurs, dessen
Kugel ich mit der vorher gut geschüttelten Lösung füllte und den
ich vor jeder Kammerfüllung regelmässig wieder ca. 3 Minuten
drillen liess. Gottstein benützte keinen Melangeur, sondern
ein Glasstäbchen, das er unmittelbar nach dem Schütteln ein¬
tauchte. Ich war Anfangs über die Genauigkeit der Methode im
Zweifel, konnte mich aber später davon überzeugen, dass mit
einiger Uebung die gleich guten Präparate wie mit dem Mölangeur
zu erzielen sind. Zur Controle habe ich ab wechslungsweise die
Hälfte aller in Rechnung gezogenen Kammerfüllungen mit dem
Glasstäbchen, das ich unten etwas ausziehen und mit einem kleinen
Knöpfchen versehen liess, die anderen mit dem Mölangeur ge¬
macht. Ebenso wechselte ich mit den Zählkammern ab, indem ich
einmal die Meisse n’sche Schlitzkammer, dann wieder die
Zeiss-Thom a’sche Kammer benützte, ohne aber deutliche
Unterschiede zu erhalten; bald bekam ich bei der einen, bald bei
der anderen Kammer die höheren Werthe.
Um jede Autosuggestion möglichst zu vermeiden, machte ich
alle Zählungen mit Hilfe eines Assistenten, dem ich jeweilen die
Summe der in 4 (bei der zellenärmeren Lösting der in 25) Feldern
enthaltenen Zellen dictirte und der dann erst am Schlüsse der
Zählung die Addition der ihm dictirten Zahlen vornehmen durfte.
In meiner Arbeit wurden sämmtliche Präparate in Berechnung
gezogen, welche keine Luftblasen, aber deutliche Newto n’sche
Ringe und bei schwacher Vergrösserung eine gute Vertheilung der
Zellen zeigten. In jedem Präparate wurden 200 Felder gezählt.
Eine Auswahl fand also nicht statt, sondern
die unten angeführten Zahlen sind die Resul¬
tate einer ununterbrochenen Reihe von Zäh¬
lungen. Eine solche Auswahl, auch wenn sie ohne bestimmte
Tendenz getroffen ist, würde die Glaubwürdigkeit und Zuver¬
lässigkeit der Resultate doch erheblich einschränken. Dass manche
Präparate mitgezählt worden sind, bei welchen die starke Ver¬
grösserung eine weniger günstige Vertheilung der Zellen zeigte, ist
hauptsächlich Schuld an den relativ grossen Differenzen der Einzel¬
zählungen und an dem entsprechenden mittleren Fehler von
1,7 Proc. Der mittlere Fehler in meiner Dissertation betrug bei
ca. 500 Kammerfüllungen mit verdünntem Blut 0,27 Proc. Eine
gute Vertheilung der Zellen ist überhaupt trotz langem und sorg¬
fältigem Schütteln und genauer Herstellung der Präparate bei den
Hefezellen viel schwieriger zu erreichen als bei den Blutkörperchen,
da sich die ersteren viel leichter aneinander legen.
Nachdem ich in Davos von der ersten Lösung eine Reihe von
12, von der zweiten concentrirteren Lösung eine solche von 11 Prä¬
paraten hergestellt hatte, machte ich in Basel ungefähr eine gleiche
Anzahl von Zählungen mit denselben Apparaten und nach der
gleichen Untersuchungsmethode. Um zu sehen, ob die Zellauf¬
schwemmung sich wirklich mit der Zeit auch nicht verändert habe
und ferner zur Controle meiner Erstuntersuchungen, machte ich
nach der Rückkehr nach Davos weitere 10 Präparate, welche mir
in der That die nämlichen Resultate ergaben.
Das Ergebniss meiner Untersuchungen war nun folgendes:
Davos (1600 m).
Zählungen vom 22.—24. December 1899.
Lösung I. Lösung H.
Zahl der Hefezellen in 200 Feldern.
Alt« Kammer
Schlitzkammer
410
409
411
401
411
389
397
396
399
407
394
409
Arithmetisches Mittel aller
mit Lösung I gemachten
Präparate:
402,7
Alte Kammer
Schlitzkammer
962
953
945 i
915
975
921
932
954
945
953
913
Arithmetisches Mittel aller
mit Lösung II gemachten
Präparate:
942,5
(Fortsetzung der Ergebnisse der Untersuchungen s. nächste Spalte.)
Die Tabellen bestätigen also die von Turban in der Münch,
med. Wochenschr. 1899, No. 24 auf gestellten Sätze auf’s Neue:
Die Zeiss-Thom a’sche Zählkammer ist vom
äusseren Luftdruck unabhängig; denn:
e
N,, in
Digitized by
v Googl
Basel (265 m).
Zählungen vom 28.—31. December 1899.
Lösung I. Lösung H.
Zahl der Hefezellen in 200 Feldern.
Alte Kammer
Schlitzkammer
426
416
423
444
426
404
392
451
393
413
433
397
Arithmetisches Mittel aller
mit Lösung I gemachten
Präparate:
418
Alte Kammer
Sohlitzkammer
953
927
916
954
925
942
905
936
919
909
946
Arithmetisches Mittel aller
mit Lösung H gemachten
Präparate:
930
Davos (1600 m).
Zählungen vom 8. und 9. Januar 1900.
Lösung I. Lösung H.
Zahl der Hefezellen in 200 Feldern.
Alte Kammer
Schlitzkammer
Alte Kammer
Schlitzkammer
402
391
920
950
412
402
956
928
960
1
1
917
Arithmetisches Mittel der Arithmetisches Mittel der
4 mit Lösung I gemachten 6 mit Lösung H gemachten
Präparate: Präparate:
402 938
Eine constante Aufschwemmung von Hefe¬
zellen er-gibt zuerst in einer Höhe von 1600 m,
dann bei 265 m und schliesslich wiederum bei
1600 m die gleichen Zeilenzahlen.
Meisse n’s Schlitzkammer ist keine Verbes¬
serung der Zeiss-Thom a’schen Kammer. Mit bei¬
den Zählkammern erhält man die gleichen Re¬
sultate.
Bemerkungen zu Sch rüde r’s Entgegnung auf meinen
Aufsatz: Die Blutkörperchenzählung im Hochgebirge
und die Meissen’sche Schlitzkammer.
Von Dr. K. Turban in Davos.
Auf Grund von Blutkörperchenzählungen, die von Soko-
1 o w s k i und Kündig in Davos, sowie von Karcher in Basel
ausgeführt waren, erbrachte ich in No. 24 des Jahrg. 1899 dieser
Wochenschrift den Beweis, dass die Zeiss-Thom a’sche Zähl¬
kammer vom äusseren Luftdrucke unabhängig ist. Da die Re¬
sultate mit Hilfe der von Miescher angegebenen Verfeinerungen
der Lyon-Thom a’schen Untersuchungsmethode gewonnen
waren, sprach ich die Vermuthung aus, dass diejenigen Autoren,
die zu entgegengesetzten Ergebnissen gekommen waren, in der
Untersuchungstechnik oder in der Anordnung des Versuchs Fehler
gemacht hätten. Ich machte darauf aufmerksam, dass meine Ge¬
währsmänner mittels des von Miescher angegebenen M61an-
geurs den in der Lyon-Thom a’schen Technik liegenden „wahr¬
scheinlichen Fehler“ stark herabsetzten *), dass sie den Fehler,
mit dem sie selbst arbeiteten, bestimmten, dass sie ferner eine
scharfe Selbstcontrole übten, indem sie bei der Erlernung der Me¬
thode jeweils 2 verschiedene Mölangeurs füllten, aus jedem eine
Kammer beschickten und aus diesen 2 Zählungen das Mittel
nahmen.
Ich wies darauf hin, dass bei Gottstein, Meissen und
Schröder die Belege für die Art ihres Arbeitens fehlen*), und
erinnerte an den Rath Miesche r’s, jeder Beobachter auf diesem
Gebiete möge sich erst an defibrinirtem Schweineblut u. s. w. ein-
üben, „bis ein durch weitere Uebung nicht mehr erheblich zu ver¬
kleinernder Werth des wahrscheinlichen Fehlers erreicht wird“.
Gegen diese meine Ausführung wendet sich Schröder in
No. 40, 1899 dieser Wochenschr. Anstatt aber nun einmal für seine
weiteren Untersuchungen die vollkommenere Technik M i e s c h e Fs
und seiner Schüler zu verwenden und so seine eigenen früheren
Resultate kritisch zu prüfen, klagt er über „unberechtigte Ueber-
hebung“ meinerseits und beschuldigt ohne Grund meine Gewährs¬
männer eines ganz groben technischen Fehlers, nämlich der Nicht-
0 Wahrscheinlicher Fehler bei Lyon und Thoma (Vir-
chow’s Arch., Bd. 84, 1881, S. 131) 1,82 bis 2,71 Proc., beiSoko-
1 o w s k i z. B. 0,6 Proc.
*) Aus dem Zusammenhang geht klar hervor, dass ich dabei
die Miesche Fschen Verbesserungen im Auge hatte, nicht die
selbstverständlichen fundamentalen Angaben von Lyon und
Thoma (1. c.), auf welche Schröder sich beruft.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
480
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
beachtung der N e w t o n’schen Farbenringe beim Anfertigen des
Präparates, eines Fehlers, dessen Vermeidung jedem Anfänger
als conditio sine qua non beim Handhaben der Kammer zuerst ein¬
geschärft zu werden püegt. Mit dieser ebenso willkürlichen als
überraschenden Vermuthung gibt sich Schröder dann völlig
zufrieden und bleibt von der Zuverlässigkeit seiner eigenen Unter¬
suchungen nach wie vor überzeugt. Irgend einen anderen Einwand
gegen meine Beweisführung vermochte er nicht aufzufinden. Da
nun tliatsächlich meine Gewährsmänner kein einziges Präparat
ohne sorgfältige Beachtung der N e w t o n'schen Hinge hergestellt
haben, so fallen damit alle Schlussfolgerungen S c h r ö d e r’s in
Nichts zusammen.
Wie wenig sich Schröder mit der ganzen, allerdings recht
schwierigen Materie vertraut gemacht hat, geht aus seinen eigenen
Ausführungen deutlich hervor. Er rühmt sich, genau nach den
Angaben von Lyon und Thoma verfahren zu sein, während doch
M i e s c h e r seine Verbesserungen gerade desshalb eiuführte, weil
die Lyon-Thom a’sche Technik für die Beobachtung der Ver¬
änderung des Blutes bei geringer Höhendifferenz nicht subtil genug
erschien. Schröder meint ferner, die Entstehung der New-
t o n’schen Ringe setze eine gewisse Durchbiegung des Deckglases
voraus; dickere Deckgläser machen nach Schröder die Bildung
der N e w t on 'sehen Hinge unmöglich, Präparate mit solchen seien
„eo ipso werthlos“. Nun kann sich aber ein ganz ungeübter Be¬
obachter leicht überzeugen, dass sich selbst mit dem von mir ein¬
geführten dicksten Deckglase (3,3 mm), bei welchem von einer
Durchbiegung gar keine Hede sein kann, die Hinge auf der Z e i s s -
Thom a’schen Kammer unschwer erreichen lassen. Merkwürdiger
Weise hatten Schröder und Meissen selbst früher die Ver¬
wendung solcher dicker Deckgläser erwogen und nur davon Ab¬
stand genommen, weil sie glaubten, die nothwendige starke Ver-
grösserung una der dadurch bedingte geringe Objectivabstand er¬
laubten kein dickes Deckglas. Auch das ist ja wieder ein physi¬
kalischer Nonsens: mit schwachem Objectiv und starkem Ocular
lassen sich Bliutkörperchenzählungen bei einem ‘Objectivabstand
von ca. 6 mm leicht und sicher machen.
Dass ln den von mir veröffentlichten Untersuchungen von
Sokolowski, Kündig und K a r c h e r die Vernachlässigung
der N e w t o n’schen Hinge nicht in Frage kommen kann, hätte
Schröder bei einem flüchtigen Blick auf meine Tabellen er¬
kennen können: so genau übereinstimmende Zahlen sind ja gar
nicht denkbar, wenn das Deckglas nicht absolut gleichmässig, d. h.
mit Erzeugung der Ringe, aufgelegt wird.
Ich möchte nun Schröder nochmals — zum letzten Male —
dringend rathen, zuerst die verfeinerte Methode M i e s c h e r’s und
seiner Schüler zu erlernen 8 ), namentlich aber, ehe er mit neuen
Beobachtungen an die Oeffentlichkeit tritt, beim Einüben sich
zweier Miescher’scher Mölangeurs in der von Karcher,
V e 111 o n und Suter angegebenen Art und Weise zu bedienen.
So lange er sich dazu nicht entschliessen kann, muss er es sich ge¬
fallen lassen, dass der Werth seiner Untersuchungen angezweifeit
wird.
Otto Leichtenstern. t
Um die Mittagsstunde des 23. Februar d. J. entschlief nach
siebentägigem Krankenlager an einer Influenzapneumonie des
linken unteren Lungenlappens der Geheime Sanitätsrath Prof.
Br. Otto Leichtenstern. Ein heftiger krampfartiger
Katarrh der oberen Luftwege quälte ihn schon seit mehreren
Wochen, aber trotz der Mahnung der Familie und der Freunde
schonte er sich nicht, weil eine ausgedehnte und gerade durch
schwere Erkrankungen sich auszeichnende Influenzaepidemie
seine Thätigkeit ganz besonders beanspruchte. Am 16. Abends
kehrte er mit hohem Fieber von einer auswärtigen Consultation
zurück. Am 17. war eine infiltrirte Stelle links hinten unten
nachzuweisen, die sich allmählich auf den ganzen linken unteren
Lappen ausdehnte; die Lösung blieb aus, das Herz versagte; — er
schied aus dem Leben, den traurigen Ausgang vorherahnend. Der
langjährige Lehrer und Freund, Prof. Br. Liebermeister
aus Tübingen war herbeigeeilt und musste den treuen Freund
sterben sehen. Bie starke und gesunde Körperbeschaffenheit
Leichtenstern’s, welche vor 5 Yz Jähren eine ganz bedroh¬
liche septische Infection, die zur Resection des linken Schulter¬
gelenks führte, gut überwunden, vermochte dieser Infection nicht
Stand zu halten; die Krankheit, für deren Erkenntniss und Be¬
handlung er als ein Meister galt, brachte ihm den Tod. Am
Morgen des 27. Februar haben wir ihn zur letzten Ruhe gebracht;
nach einer ergreifenden Trauerrede des Pfarrers, in welcher
Leichtenstern und der ärztliche Beruf die höchste An¬
erkennung fand, bewegte sich der nicht enden wollende Leichen¬
zug durch die Strassen der Stadt Köln; die Aerzte, die städtische
•) Die einschlägigen Angaben über die Apparate und die Tech¬
nik finden sich ln M lescher’s histochemlschen und physio¬
logischen Arbeiten, II. Bd., Leipzig 1897, S. 356 ff. (Miesche r)
i-rd fi. ff, (Karcher. V o U 1 ou und Bote t ).
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Verwaltung und Vertretung, die Spitzen der Behörden, die
Freunde, die Bürgerschaft — alle waren erschienen, um diesem
geliebten Manne die letzte Ehre zu erweisen; der Kränzft und
Blumen waren so viele, dass man sie in besonderen Wagen zum
Friedhofe bringen musste.
Nicht nur die Aerzte der Stadt Köln und der näheren und
weiteren Umgebung, denen er ein treuer Berather war, nicht
nur die Bürgerschaft, bei welcher er durch seine grosse con-
sultative Thätigkeit ein beliebter und populärer Mann geworden,
nicht nur die städtische Verwaltung, welche immer mit Stolz
auf den Leiter der medicinischen Abtheilung der städtischen
Hospitäler blickte, nein, die gesammte deutsche Medicin hat allen
Grund, um den Heimgang Otto Leichtenster n’s zu
trauern, denn er war der besten Einer.
Sein Lebensgang ist folgender: Am 24. October 1845 war
L. in Ingolstadt geboren, sein Vater ein Officier, Hauptmann,
der im Kriegsjahre 1866 am Typhus starb. Im Gymnasium,
einer Klosterschule, zeigte sich L. schon als ein hochbegabter
Schüler; mit Liebe und Lust widmete er sich nach Abgang vom
Gymnasium dem Studium der Medicin; er studirte hauptsächlich
in München (ein Semester in Würzburg, später einige Zeit in
Paris). 1869 unterzog er sich in München der theoretisch-prak¬
tischen Faeultätsprüfung. Unmittelbar darauf wurde er als
klinischer Assistenzarzt an der medicinischen Klinik des Ober-
medicinalraths Prof. Br. P f e u f e r und nach dessen Tode in
gleicher Eigenschaft an der medicinischen Klinik des Prof,
v. Lindwurm angestellt.
Nachdem er 1871 den medicinischen Staatsconcurs in Mün¬
chen mit der ersten Note absolvirt hatte, übernahm er nach dem
Tode des Prof. J. v. Niemeyer die Assistenzarztstelle an der
medicinischen Klinik in Tübingen, mit welcher die Venia legendi
verbunden war. Für das Sommersemester 1871 wurde ihm die
provisorische Leitung der medicinischen Klinik übertragen, auch
wurde er mit der Abhaltung einer propädeutischen Klinik beauf¬
tragt. Als im Herbst 1871 Prof. Liebermeister die medici-
nische Klinik übernahm, verblieb Leichtenstern in seiner
Stellung als Assistenzarzt und hielt zugleich Curse über physi¬
kalische Biagnostik, Vorlesungen über Biagnostik, Uebungen in
den medicinischen Untersuchungsmethoden. Am 22. Juli 1875
hielt er im Festsaale der Universität eine Antrittsrede „über die
neuere Auffassung des Wesens der Lungenschwindsucht", in
welcher er die damals nur von Wenigen getheilte Ansicht vertrat,
dass die Tuberculose aufzufassen sei als eine contagiöse chro¬
nische Infectionskrankheit. Im Jahre 1877 wurde ihm der Titel
und Rang eines ausserordentlichen Professors ertheilt, zugleich
mit dem Lehrauftrag für Biagnostik; dabei blieb er zunächst
noch in seiner Stellung als erster Assistenzarzt der medicinischen
Klinik und gab diese erst auf, als er 1878 sich verheirathete.
Im Juli 1879 nahm er seine Entlassung von der Universität
Tübingen, nachdem er zum Oberarzt der medicinischen Abthei¬
lung des städtischen Hospitals in Köln erwählt worden war. San
Vorgänger war Prof. Riegel, der einem Rufe als ordentlicher
Professor nach Giessen folgte. Gewiss war der Abschied von der
akademischen Laufbahn ein schmerzlicher, denn L. war ein aus¬
gezeichneter, bei den Studenten sehr beliebter Lehrer, aber sein
Arbeitsdrang, seine Schaffensfreudigkeit sehnte sich nach einem
Krankenhause mit reichem Materiale, und seine Lehrthätigkeit
ruhte auch nicht vollständig; denn nicht nur seinen Assistenz-
und Volontärärzten, sondern auch den Collegen im ärzt¬
lichen Verein und den Collegen am Krankenbette blieb er stets
der allseitig anerkannte Lehrer. Es ist aber in der That auf¬
fallend, dass L. bei seinem hervorragenden Fleisse und Wissen,
bei seinem seltenen Lehrtalent nicht wieder in die akademische
Laufbahn zurückberufen wurde.
Im Jahr 1880 erfuhr L. den herben Schmerz, seine erste
Gattin an Unterleibstuberculose zu verlieren. Sein häusliches
Glück begann aber wieder, als er im Jahre 1885 Anna v. E i c k e n
als Gattin heimführte, die er am Krankenbette ihrer Schwester
kennen gelernt. Bas Familienglück — seine Frau schenkte
ihm zwei Töchter und einen Sohn — war für L. die Quelle
seiner heiteren, frischen Gemüthstimmung; alle Sorgen, aller
Aerger des Berufs und des Lebens schien gebannt, wenn er
Frau und Kinder um sich sah.
Ueberbliekt man L.’s Thätigkeit in Köln, so zeigt sich die¬
selbe als eine ungemein vielseitige: Oberarzt der grossen medi-
cinischen Abtheilung; Leiter des Hospitalweaens; ««in» £in-
Original fram
UNIVERSITtf OF CALIFORNIA
5)7. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
481
Wirkung auf die Hospitalbauten; consultirter Arzt nicht nur
in Köln, sondern weit über die Grenze der Stadt hinaus wurde
er bis in die entferntesten Orte der westlichen Provinzen, Holland
und Belgiens gerufen. Er war der Mittelpunkt des allgemeinen
ärztlichen Vereins, arbeitete auf dem Gebiete der öffentlichen
Gesundheitspflege. Wo er nur thätig war, überall trat seine
enorme Arbeitskraft hervor. Geht man seiner wissenschaftlichen
Arbeit nach, so erstaunt man, wie ein Mann, der über 20 Jahre
inmitten einer praktischen Thätigkeit stand, der von Morgens
früh bis zum Abend als Krankenhausarzt und consultirter Arzt
angestrengt thätig war, noch Zeit gewinnen konnte zu den vielen
wissenschaftlichen Arbeiten. Wir wissen nicht, ob das nach¬
stehende Verzeichniss von L.’s Arbeiten vollständig ist und da¬
bei sind die vielen Arbeiten seiner Assistenten, zu denen er die
Anregung gab, nicht mit aufgeführt. Es finden sich in dem
Verzeichnisse viele kleine Mittheiluugen, besonders aus patho¬
logisch-anatomischem Gebiete, aber wie viele grosse classische
Arbeiten treten uns entgegen:
Schon die Jugendarbeiten in München: Ueber Abdominal¬
typhus, über das Volumen der ausgeathmeten Luft (Voit), Bemer¬
kungen zu Luschka’s Lage der Bauchorgane, überDarminvagina-
tion, über asthenische Pneumonien, Diagnose der Hernia diaphrag-
matica, — sodann die Arbeiten aus der Tübinger Zeit: Physi¬
kalisch-diagnostische Phänomene, Untersuchungen über Haemo-
globingehaltes des Blutes, Vorkommen und Bedeutung der super-
numerären Brüste und Brustwarzen; aus der Kölner Zeit:
Ueber Ponserkrankungen, Hirnkrankheiten, Scharlach, Hühner-
tubereulose, Ankylostoma, Anguillula, Myxoedem, Psittakosis,
Nierenhypertrophie u. s. w. Sodann die grossen Arbeiten in den
Handbüchern von Gerhardt : Parotitis epidemica, Pleura¬
krankheiten, von Ziemssen: Verengerungen etc. des Darmes,
Klinik des Leberkrebses, Balneotherapie; von Nothnagel:
Influenza und Dengue, von Penzoldt und Stintzing:
Krankheiten der Gallenwege, Behandlung der Leberkrankheiten,
der B auchs peicheldrüse, der Darmschmarotzer.
Die ZeTt zu allen diesen wissenschaftlichen Arbeiten war
die Nachtzeit; bis tief in die Nacht, ja bis zum Morgen hin
arbeitete er und liess sich von den Bitten seiner Frau, die stets ihm
zur Seite sass, nicht so leicht bestimmen, die Nachtruhe aufzu¬
suchen. Das Verzeichniss seiner veröffentlichten Arbeiten gibt
auch noch kein Bild seiner wissenschaftlichen Thätigkeit: die
ganze Literatur wurde durchstudirt und in stenographischen Auf¬
zeichnungen excerpirt; für jedes Organ, für jede wichtige Krank¬
heit hatte er sein besonderes Heft; in seinen gedruckten Arbeiten
machte er stets Nachträge und Anmerkungen; seiner Arbeit über
die supernumerären Warzen hat er z. B. im ganzen Leben die Auf¬
merksamkeit geschenkt, indem er alle von ihm beobachteten Fälle
notirt hat. Mit welchem Eifer, ja mit Aufwendung vieler Kosten,
hat er die Ankylostomafrage studirt! Durch Versprechungen und
Geld holte er die Ziegelarbeiter in’s Krankenhaus, zahlte für sie
Pflegekosten, suchte sie später wieder auf, um Controlunter¬
suchungen anzustellen.
Alle Arbeiten Leichtenster n’s — kleine und grosse
— zeichnen sich durch klare Darstellung aus; was er
zum Druck gab, war reiflich durchgesehen, auf Ausdrucks¬
weise und Stil legte er Werth. Eine grosse Zahl unvol¬
lendeter Arbeiten findet sich in Leichtenster n’s Arbeits¬
tisch. Durch unausgesetzten Fleiss, bei hoher Begabung hatte
Leichten stern ein vorzügliches Gedächtniss sich angeeignet;
er war ein Vielwisser auf allen Gebieten der inneren Medicin,
auf allen Grenzgebieten und noch weiter wusste er Bescheid;
man konnte sich bei ihm stets Auskunft holen, er beherrschte
die ganze deutsche und ausländische Literatur der inneren Medi¬
cin. Mit diesem Wissen verband er ein gründliches Können; er
war ein Meister in den verschiedenen Untersuchungsmethoden, in
den physikalischen, chemischen, elektrischen, bacteriologischen;
er laryngoskopirte, ophthalmoskopirte mit grosser Gewandtheit;
er war ein vorzüglicher pathologischer Anatom, so dass die
städtische Verwaltung die Anstellung eines besonderen patho¬
logischen Anatomen, eines Prosectors ruhig vertagen konnte. Auf
sein Betreiben wurde vor 2 Jahren im Augustahospital ein be¬
sonderes bacteriologisches Institut eingerichtet, bis dahin war
Leichtenstern Bacteriologe. Mit allen diesen Eigen¬
schaften ausgerüstet, war Leichtenstern ein vorzüglicher
Diagnostiker; er wusste die Untersuchungsresultate zu einem
Gesammtbilde zusammenzufassen, Lücken und Unklarheiten er- :
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kannte er offen an, und versuchte dieselben auf wissenschaft¬
lichem Wege oder auch durch Erfahrungsgrundsätze zu erklären.
In der Therapie war er skeptisch, aber er legte die Hände nicht in
den Schooss, im Gegentheil, was Wissenschaft und Erfahrung an
die Hand gab, benutzte er. Am Krankenbett wusste er in muster*
gütiger, beueidenswerther Weise mit den Kranken umzugehen,
gegen Jedermann freundlich, aufheiternd; mit vielen kleinen
Mittelchen wusste er den Kranken Linderung zu verschaffen,
Hoffnungen zu erwecken; mit seinem köstlichen süddeutschen
Humor hat er so manchem Kranken glückliche Augenblicke be¬
reitet. Leichtenstern war das Ideal eines praktischen
Arztes, sowohl im Krankenhaus als bei Consultationen in den
Familien.
Für das Krankenhaus war er aber nicht allein der Arzt, son¬
dern er zeigte sich als ein vorzüglicher Kenner des ganzen
Hospitalwesens in hygienischer und wirtschaftlicher Beziehung.
Die Pavillonbauten des Augustahospitals sind sein Werk; die
Journalführung, die Kostordnung verstand er meisterhaft. Mit
seinen Assistenten, mit dem Verwaltungs- und Pflegepersonal
lebte er stets in Harmonie, wenn er auch seine Forderungen be¬
stimmt geltend machte. Die Kölner Hospitalbauten hat er zu¬
letzt in der Festschrift für die Versammlung des Deutschen
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 1898 beschrieben; jetzt
war ihm die Aufgabe gestellt, für den Bau der an der Sieg zu
erbauenden Heilstätte für Lungenkranke mit thätig zu sein.
Im allgemeinen ärztlichen Verein, dessen Vorsitzender er
viele Jahre hindurch war, hatte er Gelegenheit, seine Meisterschaft
in der mündlichen Darstellung zu zeigen; alle Vorträge und
Demonstrationen gab er in wissenschaftlich klarer, in sprachlich
vollendeter Form. Auch als Vorsitzender verstand er die Dis-
cussion richtig zu leiten und zu einem nützlichen Ziele und Ab¬
schluss zu führen. Welche Thätigkeit Leichtenstern
im ärztlichen Verein entwickelte, mag die Mittheilung beweisen,
dass er im Geschäftsjahre 1881/82 über 30 verschiedene Gegen¬
stände gesprochen, unter diesen allerdings viele kleine patho¬
logisch-anatomische Demonstrationen, aber auch neben vielen
Vorträgen ein ganzer Cyclus von Vorträgen über Scharlach.
Auch in anderen ärztlichen Vereinen des Bezirkes und der Pro¬
vinz Vorträge zu halten war er stets bereit, und mit steter Auf¬
merksamkeit hingen die Collegen an seinem Munde. Auf dem
Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege arbeitete er gerne mit:
Das Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege hat manche
hervorragende Arbeiten von ihm gebracht. In jüngster Zeit be¬
theiligte er sich auch an der Bewegung für Errichtung der
Lungenheilstätten, wenn er auch vor übertriebenen Hoffnungen
stets und ernst warnte. Noch in jüngster Zeit hielt er einen
öffentlichen Vortrag über Wesen und Verbreitung der Tuber-
culose, dem ein nach Tausenden zählendes Publicum in lautloser
Stille zuhörte.
Die Aerzte schenkten dem Collegen nicht nur in wissen¬
schaftlicher Beziehung ihr volles Vertrau ri nein, sie wussten
auch, dass alle ärztlichen Interessen in seinen Händen gut auf¬
gehoben. Als im Jahre 1887 in Preussen die Aerztekammem
eingeführt, wählten die Aerzte des R.-G. Köln ihn sofort als Mit¬
glied der Kammer; er verblieb in derselben bis kurz vor seinem
Tode; bei der Neuwahl Ende 1899 bat er, von seiner Wiederwahl
Abstand zu nehmen, da es ihm in der That an Zeit fehlte, dieses
Ehrenamt voll wahrzunehmen.
In den wenigen Stunden, die ihm frei blieben, oder für welche
er sich frei machte, zeigte er sein Interesse für Wissenschaft
und Kunst; in den Vorträgen das Naturhistorischen Vereins, zu
dessen Vorstand er gehörte, fehlte er selten. Für alles Hohe,
Schöne und Gute war er begeistert; die mächtigen Eindrücke der
Naturschönheit liess er gern auf sich wirken, ebenso wie die Werke
der Kunst. Leichtenstern war ein freisinniger, freidenken¬
der Mann ,durchglüht von Liebe zum deutschen Vaterlande, voll
Begeisterung für Deutschlands Grösse und Machtstellung.
Jeder, der mit Leichtenstern in Wissenschaft und
Praxis in Berührung getreten, wird diesem trefflichen Manne
seine Sympathie zugewandt haben, glücklich aber Der, welcher mit
diesem seltenen Menschen in näherer Beziehung gestanden,
welchem er seine Freundschaft geschenkt. Ein edler, wohl¬
wollender Mann, voll Herzensgute und Aufopferung. Er war eine
milde Natur; wohl konnte er in Aufregung und Zorn gerathen,
wenn ihm Unrecht, Unwahres, Verleumdung zu Ohren kam, aber
der Sturm dauerte nicht lange. Leichtenstern war kein
5*
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
432
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
streitlustiger Mann, er liebte es nicht, sein unzweifelhaftes Recht
zu verfolgen, auch wenn es ihn innerlich vielleicht tief geschmerzt.
Leichtenstern war eine gemüthvolle, heitere Natur, er
konnte sich kindlich freuen und herzlich lachen. Ein glück¬
liches Familienleben erhielt sein heiteres Gemüth; hier im Hause
und in seinem Krankenhause durchlebte er die glücklichsten
Stunden des Lebens. Wenn er am Krankenbette der ärmeren
Leute sass und ernste Untersuchung und Beobachtung abwechseln
liess mit leutseligen Plaudereien mit den Kranken, so fühlte er
sich glücklich. Zu viele Consultationen in der Stadt oder aus¬
wärts machten Leichtenstern unruhig, er sehnte sich immer
wieder nach den stillen Räumen des Krankenhauses und des
Familienheims zurück.
Mitten aus dem kräftigsten Mannesalter, mitten aus einer
seltenen Arbeitsfähigkeit und Schaffensfreudigkeit ist uns
Leichtenstern genommen. Der Gattin, tief gebeugt durch
den Schmerz, für den es keinen Trost gibt, wurde ihr Liebstes,
ihr Alles entrissen; den Kindern fehlt der liebe, immer
sorgende Vater. Noch lange Zeit werden seine Freunde
in aufrichtiger Trauer ihre Gedanken auf den Grab¬
hügel lenken, den jetzt noch Blumen und Kränze schmücken,
die Liebe und Dankbarkeit dort aufgehäuft. Wir werden ihm ein
treues Andenken bewahren; die Geschichte der Medicin aber
schreibt mit goldenem Griffel den Namen Otto Leichten¬
stern auf die Ehren- und Gedenktafel, auf welcher die unver¬
gesslichen Aerzte und Wohlthäter der Menschheit verzeichnet
stehen.
Köln, März 1900. Eduard Lent.
Leichtenstern’s literarische Thätigkeit.
Ueber Ikterus gravis (aus der Münchener Klinik). Zeitschr. f.
rationelle Medicin von H e n 1 e und P f e u f e r. Bd. 36. 1869.
Versuche über das Volumen der unter verschiedenen Umständen
ausgeathmeten Luft Zeitschr. für Biologie. Bd. VII, 1871.
Sitzungsbericht der Bayer. Akademie der Wissenschaften 1871,
Heft 2.
Ueber Abdominaltyphus. Inaugural-Abhandlung, München 1871.
Ein Fall von Endocarditis ulcerosa mit Embolie der Art. fossae
sylvil sinistra. Württemberg. Correspondenzblatt 1873.
Ueber Endocarditis ulcerosa. Deutsch, med. Wochenschr. 1883,
No. 10.
Physikalisch-diagnostische Bemerkungen zu H. v. Luschka’s
„Lage der Bauchorgane des Menschen“. Deutsch. Klinik 1873.
Ueber asthenische Pneumonien. V o 1 k m a n n (Samml. klin. Vor¬
träge 1874, No. 82.
Zur Diagnose der Hernla diaphragmatica. Berl. klin. Wochen¬
schrift 1874, No. 40.
Parotitis epidemica. Gerhardts Handbuch der Kinderkrankheiten,
n. Bd., 1877.
Ueber einige physikalisch - diagnostische Phänomene. Deutsch.
Archiv f. klin. Medicin 1878, Bd. XXI.
Die Krankheiten der Pleura. Gerhardts Handbuch f. Kinder¬
krankheiten 1878, Bd. III.
Ueber Haemoglobingehalt des Blutes. Rede auf der Naturforscher¬
versammlung in München 1877. ^
Ueber den Haemoglobingehalt des Blutes in gesunden und kranken
Zuständen. Württemberg. Correspondenzblatt 1877.
Untersuchungen über den Haemoglobingehalt des Blutes in ge¬
sunden und kranken Zuständen. Leipzig 1878. C. Nagel.
Verengerungen, Verschliessungen und La ge Veränderungen des
Darms. Ziemssen’s Handbuch der speciellen Pathologie und
Therapie. Bd. VII. 2. Aufl. Leipzig 1878. (Auch in das Eng¬
lische, Russische etc. übersetzt.) _
Darminvagination von 11 monatlicher Dauer. Deutsch. ArchivT
klin. Medicin 1873.
Ueber Darminvagination. Prager Vierteljahrschrift 1873, Bd. 118
und 119.
Ueber Pathologie des Ileus. Verhandl. d. VIII. Congr. f. inn. Med.
1889. Wiesbaden b. Bergmann.
Ueber das Vorkommen und die Bedeutung supernumerärer (acces-
sorischer) Brüste und Brustwarzen. Virchow’s Archiv f. path.
Anat. 1878, Bd. 73.
Ueber Tastsinnprüfungeu bei Nervenkrankheiten. Archiv f. Psy¬
chiatrie 1878, Bd. IX, L
Klinik des Leberkrebses. Ziemssen’s Handbuch d. spec. Path. u.
Therap., Bd. VIII, 1880.
Ueber die Diagnose der Thrombose des Hirnsinus. Deutsch, med.
Wochenschr. 1880, No. 17.
Die plötzlichen Todesfälle bei pleuritischen Exsudaten. Deutsch.
Archiv f. klin. Med. 18S0, Bd. XXV.
Allgemeine Balneotherapie. Ziemssen’s Handbuch f. allg. Ther.
Bd. II, 1. Leipzig 1881.
Zur Symptomatologie der Brtickenerkrankungen und über die
conjugirte Deviation der Augen bei Hirnkrankheiten. Hun-
nius-Leichtenstern 1881. Bonn.
Ueber die conjugirte seitliche Deviation der Augen bei Hirnkrank¬
helten. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 44.
Ueber Nierenhypertrophie. BerL klin. Wochenschr. 1881, No. 34.
Digitized by
Gck igle
Zur Kenntnlss in Entfernung vernehmbarer Herz- und Lungen
geräusche. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 43.
Ueber einen Fall von Myxosarkom des Peritoneum. Deutsch. me<l.
Wochenschr. 1881, No. 43.
Ueber Ponserkrankungen. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 39.
Ueber Hufeisenniere. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 7.
Ueber Hemichorea posthemiplegica. Deutsch, med. Wochenschr.
1881, No. 3.
Ueber einen Tumor des vorderen Mediastinum und Stenose der
Art. thorac. super. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 9.
Ueber die 1880 und 1881 in Köln herrschende Scharlachepidemie.
Deutsch, med. Wochenschr. 1882, No. 13 ff.
Ueber Scharlachtherapie. Deutsch, med. Wochenschr. 1882.
No. 45 ff.
Ueber Gallenstauungscirrhose der Leber. — Ueber Magengeschwür
bei Typhus. — Ueber weisse Milz. — Ueber isolirte Dickdarm
tuberculose und Darmtuberculose. — Ueber Diphtherie des
Rachens und Kehlkopfs. — Carcinom der Glandul. thyreoidea.
— Ueber gutartige Pylorusstenose. — Stenosis valvulae mitral is
ohne Geräuschbildung. Deutsch, med. Wochenschr. 1882, No. 22
und 53.
Ueber Nierencarcinom. — Ueber Cysticercus cellulosae des Herzens.
— Ueber Pericardium- und Oesophaguskrebs. Deutsch, med.
Wochenschr. 1882, No. 22.
Demonstration eines Falles von totalem Situs viscerum inversus.
Deutsch, med. Wochenschr. 1882, No. 22.
Ueber die Genese der diversen posthemiplegischeu Bewegungsano¬
malien. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 2.
Ueber die Lehre der Ansteckungsfähigkeit der Schwindsucht im
Alterthum, im Mittelalter und der neueren Zeit. Correspondenz¬
blatt des ärztl. Vereins in Rheinland, Westphalen und Lothringen
1833 April, No. 31.
Ueber 16 Fälle von Trichinosis. Deutsch, med. Wochenschr. 1883.
No. 51.
Ueber Leukaemie. — Ueber relative Aorteninsufficlenz. Deutsch,
med. Wochenschr. 1883, No. 43.
Ueber traumatische Fractur des Körpers und Zahnes des Epi
stropheus. — Ueber Pankreascarclnom mit Verschluss des Duc¬
tus choledochus. Deutsch, med. Wochenschr. 1883, No. 42.
Ueber Tuberculose bei Hühnern. Deutsch, med. Wochenschr.
1883, No. 33.
Ueber einen durch einfache Punction und Aspiration geheilten
Fall von Ecchinococcus liydatidosus. — Ueber haemorrhagisches
primäres Nierensarkom. Deutsch, med. Wochenschr. 1883,
No. 11.
Ueber 2 Fälle von Chorea permanens adultorum (Huntington
sehe Chorea). Deutsch, med. Wochenschr. 1883, No. 11.
Ueber primären Leberkrebs in einer cirrhotischen Leber. — Ueber
autochthone wandständige Thrombenbildung im aufsteigen
den Aste der Aorta. Deutsch, med. Wochenschr. 1883, No. 11.
Ueber Aktinomykose. — Ueber primären Leberkrebs. — Ueber
Titrosarkoadenomyom der Gallenblase. Deutsch, med. Wochen
schrift 1883, No. 10.
Ueber Morbus Addisonii. — Ueber Zottenkrebs der Gallenblase. —
Plötzlicher Tod bei Diphtheritis. — Embolische Narbenniere. —
Tuberculöse Schrumpfniere. Deutsch, med. Wochenschr. 1883.
No. 5 und 10.
Ueber Aneurysma der Aorta thoracica. — Ueber endotonsillärc
Diphtheritis.— Ueber Lebercirrhose.— Ueber Carcinoma flexurae
sigmoldeae ohne klinische Symptome. Deutsch, med. Wochenschr.
1883, No. 5.
Beitrag zur Casuistik der Kali chlorium-Vergiftung. Deutsch, med.
Wochenschr. 1884, No. 4 und 20.
Berichtigung gegen Mendelsohn, „die infectiöse Pneumonie“.
Zeitschr. f. klin. Med. 1884, Bd. VII, H. 6.
Ueber totale cystöse Degeneration der Nieren. Deutsch, med.
Wochenschr. 1884, No. 51.
Ueber Uebertragung des Typhus durch Milch. Deutsch, med.
Wochenschr. 1884, No. 47.
Ueber Hyperidrosis universalis. Deutsch, med. Wochenschr. 1884.
No. 52.
Ueber progressive pemieiöse Anaemle bei Tabes. Deutsch, med.
Wochenschr. 1884, No. 52.
Ueber Morbus Basedowii. Deutsch, med. Wochenschr. 1884, No. 47.
Ueber Scharlachniere. — Ueber irreguläre, atypische Scharlach¬
formen. — Ueber scarlatinöse Lymphadenitis colli ohne Diph
therie des Rachens. — Synositis scarlatinosa. Deutsch, med.
Wochenschr. 1884, No. 2.
Ueber conträre oder paradoxe Chininwirkung. Deutsch, med.
Wochenschr. 1884, No. 52.
Ueber Ankylostoma duodenale. Deutsch, med. Wochenschr. 18S5.
Ueber das Vorkommen von Ankylostoma duodenale bei den Ziegel¬
arbeitern in der Umgebung Kölns. Centralbl. f. klin. Medicin
1885, No. 12.
Einiges über Ankylostoma duodenale. Deutsch, med. Wochenschr.
1886, No. 11/14.
Weitere Beiträge zur Ankylostomafrage. Deutsch, med. Wochen
sehr. 1887, No. 26/32.
Ueber Ankylostoma duodenale. Internat klin. Rundschau 18SS.
Ueber Ankylostoma duodenale. Wien. klin. Rundschau 189S.
No. 23/27. Centralbl. f. Bact XXIV, 1898.
Zur Ankylostomaanaemie. Deutsch, med. Wochenschr. 1899, No. 3.
Ueber Anguillula intestinalis. Deutsch, med. Wochenschr. 189S.
No. 8.
Ueber Taenia nana in Deutschland. Deutsch, med. Wochenschr
1802, No. 25.
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. MSrz 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
483
Ueber Oharcot-Robln’sche Krystalle in den Faeces. Deutsch,
med. Wochenschr. 1892, No. 25.
Bemerkungen zu Dr. B ü c k 1 e r*s Artikel: Ueber den Zusammen¬
hang der eosinophilen Zellen im Blute und der O h a r c o t’schen
Krystalle in den Faeces von Wurmkranken. Münch, med.
Wochenschr. 1894, No. 7.
Zur Lehensgeschichte der Anguillula iutestinalis. Centralbl. f.
Bacteriol. 1899, XXV, No. 6.
Ist Chloroform ein Bandwurmmittel ? Therapie der Gegenwart
1899, September.
Ueber epidemische Cerebrospinalmeningitis in Köln. Deutsch, med.
Wochenschr. 1885, No. 23 und 31.
Die epidemische Genickstarre (Meningitis cerebrospinalis epi¬
demica) in Rheinland und Westphalen, mit besonderer Berück¬
sichtigung der Epidemie 1885 in Köln. Festschrift des Nieder-
rheinschen Vereins für offentl. Gesundheitspfl. zum 50 jährigen
Doctorjubil. M. v. Pettenkof er’s 1893. Bonn, C. Strauss.
Ueber Pyopneumothorax subphrenicus und subphren. Empyeme.
Deutsch, med .Wochenschr. 1885, No. 16.
Ueber therapeutische Anwendung der Ueberosmiumsäure. Deutsch,
med. Wochenschr. 1885, No. 1.
Das Bürgerhospital, das Barackenhospital in der Neustadt. L e n t’s
Festschrift für die Naturforscherversamlung in Köln 1888.
Das Bürgerhospital, das Augustahospital, die städtische Kranken¬
anstalt Lindenberg in Köln in hygienischer Beziehung. Len t’s
Festschrift für die XXIII. Versammlung des Deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege in Köln 189S.
Ueber Darmverschliessung. Deutsch, med. Wochenschr. 1888,
No. 12.
Anatomische Demonstration nebst klinischer Epikrise. Deutsch,
med. Wochenschr. 1889, No. 26.
Mittheilungen über das Koc h’sche Heilverfahren gegen Tuber-
culose. Deutsch, med. Wochenschr. 1891, No. 1.
Beitrag zur Pathologie des Oesophagus. Deutsch, med. Wochen¬
schr. 1891, No. 14/15.
Ueber intravenöse Kochsalzinfusion bei Verblutungen.. Volk-
mann’s klin. Vorträge 1891, No. 25.
Bemerkungen zur subfebrilen und afebrilen Form der acuten
allgemeinen Miliartuberculose. Deutsch, med. Wochenschr.
1891 S 979.
Besprechung von R e i n e r t’s Zählung der Blutkörperchen und
deren Bedeutung für Diagnose und Therapie. Deutsch. Arch. f.
klin. Med. 1891, Bd. 48, 8. 446.
Ueber Morbus Addisonii. — Ueber primäre acute haemorrhagische
Encephalitis. Deutsch, med. Wochenschr. 1891/92, No. 52/2.
Ueber Schreibweise Linkshändiger; Senkschrift und Spiegelschrift.
Deutsch, med. Wochenschr. 1892, No. 42.
Bin mittels Schilddrüseninjection und Fütterung erfolgreich be¬
handelter Fall von Myxoedema operativum. Deutsch, med.
Wochenschr. 1893, No. 49/51.
Ueber Myxoedem. Deutsch, med. Wochenschr. 1893, No. 49/51.
Ueber Myxoedem und über Entfettungscuren mit Schilddrüsen¬
fütterung. Deutsch, med. Wochenschr. 1894, No. 50.
Ueber Erfahrungen mit dem Diphtherieheilserum (mit Wendel¬
sted t). Münch, med. Wochenschr. 1895, No. 24.
Influenza und Dengue. Spec. Pathol. u. Therap. v. Nothnagel 1896,
Wien, bei Haider.
Behandlung der Darmschmarotzer. Handb. d. spec. Therap. innerer
Krankheiten von Penzoldt und Stintzing 1896, Bd. IV, S. 618.
Ueber Influenza. Centralbl. f. allg. Gesundheitspfl. 1897, S. 253.
Ueber Miliartuberculose der Haut bei allgemeiner acuter Miliar¬
tuberculose. Münch, med. Wochenschr. 1897, No. 1.
Eröffnung des bacteriologischen Instituts in Köln. Centralbl. f.
allg. Gesundheitspfl. 1898, S. 174.
Ueber Harnblasenentzündung und Harnblasengeschwulst bei Ar¬
beitern in Farbfabriken. Deutsch, med. Wochenschr. 1898,
No. 45.
Behandlung der Erkrankungen der Gallenwege (innere Behand¬
lung). Handb. d. Therap. innerer Krankh. v. Penzoldt u.
Stinzing 1898. II. Aufl.
Behandlung der Krankheiten der Leber (innere Behandlung).
Handb. d. Therap. innerer Krankh. v. Penzoldt u. Stintzing 1898,
II. Aufl.
Behandlung der Krankheiten der Bauchspeicheldrüsen (innere Be¬
handlung). Handb. d. Therap. innerer Krankh. v. Penzoldt u.
Stintzing 1898, II. Aufl.
Ueber Venenthrombose bei Chlorose. Münch, med. Wochenschr.
1899, No. 48.
Ueber infectiöse Lungenentzündungen und den heutigen Stand der
Psittakakosisfrage: Werden durch speciflsch erkrankte Papa¬
geien bösartige Lungenentzündungen beim Menschen hervor¬
gerufen? Centralbl. f. allg. Gesundheitspfl. 1899, H. 7/8.
; Aerztliche Standesangelegenheiten.
Land- und forstwirthschaftliche Berufsgenossenschaft
und Arzt
_Von Dr. Deppisoh in Pottenstein.
Trotz der einschneidenden Wichtigkeit der socialen Gesetz¬
gebung auf alle Verhältnisse des ärztlichen Standes und trotz der
grossen, kaum zu bewältigenden Literatur, welche schon die Un¬
fallversicherung in der kurzen Zeit ihres Bestehens brachte —
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T h i e m ! ) allein hat ein Verzeichniss von 18 Druckselten — liegen
hierüber zusammenfassende Aeusserungen aus der Praxis nur
spärlich vor und was in dieser Wochenschrift in den letzten
12 Jahren darüber zu finden ist, geht nicht über den Kreis aka
demischer Erörterungen oder theoretischer Erwägungen oder prak¬
tischer Vorschläge hinaus — die hauptsächlichsten Mittheilungen
stammen von K r e c k e 1889, Möbius und Seeligmüller
1890—91, Strümpell 1895, J o 11 y und Böttiger 1897, Van-
selow, Grassl und Breitenbach 1898 — statistische An¬
gaben fehlen ganz, und doch bietet die Statistik die einzige Grund¬
lage zur richtigen Beurtheilung aller hier in Betracht kommenden
Fragen; hiezu einen wenn auch kleinen Beitrag zu liefern, ist der
Zweck der nachfolgenden Untersuchungen und Erörterungen, deren
Veröffentlichung ich auch aus dem Grunde für angezeigt erachte,
weil damit zugleich die Wirkungsweise des bisherigen land- und
forstwirtschaftlichen Unfallgesetzes gekennzeichnet wird, während
durch die dem Reichstage gegenwärtig vorliegende und ohne
Zweifel angenommen werdende Novelle zu diesem Gesetze wieder
neue Verhältnisse geschaffen werden, deren Wirkungsweise für die
Zukunft sich jetzt noch gar nicht überblicken lässt.
Von 1000 (928*) Unfällen, die im Jahre 1898 auf ganz Ober¬
franken trafen und zur Anzeige gelangten, kamen auch diesmal
wieder 100 (100) = 10 Proc. auf den Bezirk Pognitz-Potteustein,
von diesen aber wieder 61 = 61 Proc. auf Pottenstein selbst und
nur 39 - 39 Proc. auf Pegnitz; bei den 19 Bezirksämtern des Re¬
gierungsbezirks dürften aber nur 52,6 (48,8) - - 5,26 Proc. bei gleicli-
mässiger Verteilung hierher fallen; die absolute Zunahme beträgt
72 — 7,8 Proc.; die Stabilität ist noch nicht erreicht; unser Bezirk
marsehirt der Zahl der Unfälle nach auch diesmal wieder an der
Spitze sämmtlicher oberfränkischer Bezirksämter; darum ist es
auch schon das „Unfallbezirksamt“ oder „Bruchbezirksamt“ ge¬
nannt worden und man mühte sich bisher von allen Seiten vergeb¬
lich ab, den Grund hiefür zu finden.
In 68 (68) Fällen, wovon 26 (31) neu und vorher noch nicht
von mir begutachtet, 42 (37) aus früheren Jahren und schon wieder¬
holt begutachtet, wurden 90 (109) Gutachten abgegeben (dazu
kommen noch 1 Gutachten ftir’s Schiedsgericht, 6 für’s k. Forst¬
ärar und 3 für die b. Baugewerksberufsgenossenschaft, so dass im
Ganzen 106 Gutachten für die Berufsgenossenschaften im Berichts¬
jahre abgegeben wurden). — 1899 trafen von 1014 Unfällen in Ober¬
franken 83 auf’s Bezirksamt und von diesen wieder 37 auf den
Amtsgerichtsbezirk Pegnitz, 46 auf Pottenstein; Gutachten wurden
abgegeben für die land- und forstwirthschaftliche Berufsgenossen¬
schaft 101, für’s Schiedsgericht 1, für’s Landesversicherungsamt 1,
Baugewerksberufsgenossenschaft 3, mittelfräuk. Berufsgenossen¬
schaft 1, so dass sich die Verhältnisse im Allgemeinen gleich
blieben.
Nur einmal im Laufe des Jahres wurden davon begutachtet
47 (49), zweimal 17 (8), dreimal 2 (5), viermal 1 (2), fünfmal 1 (3),
sechsmal — (1); diese wiederholt begutachteten Fälle waren solche,
die z. Th. noch auf Kosten der Berufsgenossenschaft in Behand¬
lung Ständen, z. Th. erst kurz aus dersell>en entlassen waren und
noch Schonung bedurften, wo also ein Schlussgutachten noch nicht
möglich und wiederholte Begutachtung nöthig war.
Von den 68 Fällen waren
männlich 48 (50)
weiblich 20 (18)
verheirathet 49 (39)
ledig 19 (29)
über 16 Jahre 67 (64)
uutor 16 Jahren 1(4)
70,58 Proc. (73,5 Proc.)
29,42
72,05
27,95
98,52
1,48
(26,5
(57,3
(42,7
(94,1
) 5,9
Das höchste Alter betrug 73 Jahre, das jüngste 11 Jahre.
Es hatten Verletzungen
1. An Kopf und Augen .... — (1) — 0 ^ Proc. ( 1,5 Proc.)
Armem
Brust 2 und Rippen . .4 6 (9) — 8,82
Schulter3 u. Schlüsselbein 3 —- 6 (4) — 8,“
Oberarm u. Ellbogen 3(9)1
Unterarm . . . .9 — | _
Hände.«(11)
Finger.15(12)1
Rücken.-2
Hüften .: . 2
Becken (-Bruch).1
Unterleib (Hernie).1
Beinen: Oberschenkel 1
Unterschenkel 9
Fuss] .... 4
Zehen .... 1
(13,2
( 5,9
35 (32) 51,5 o/o (47,15 °/o)
( 0 )
( 1 )
( 1 )
(-) - 1,5
2,9 Proc. (— Proc.)
2,9 „ (1,5 „ )
1,5 * (1,5 „ )
(-
)
(14)
( 6 )
— 15 (20) 22,1 (29,5 Proc.)
Die Verletzungen bestanden ln
1) Augenverletzung durch Einspringen von Fremdkörpern,
2) Quetschungen und Rippenbrüche,
3) Quetschungen, 2 Schulter-, 3 Schlüsselbeinbrtiche,
4) Verstauchungen, Absprengung eines Knochenstückes:
5 Armspindel-, 2 Ellenröhrenbrüche; 5 Schnitt- und Hiebwunden
der Hand, meist Maschinen Verletzungen, 1 Hautabschürfung; die
Fingerverletzungen bestanden in Quetsch-, Schnitt- und Riss¬
wunden,
*) Handbuch der Unfallerkrankungen von Dr. Carl T h I e m ,
Stuttgart 1898.
♦) Die eingeklamraerten Zahlen bedeuten durchaus diejenigen
des Vorjahres.
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
434
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
5) Erschütterung und Quetschung durch Fall,
6) Quetschungen durch Fall (1 traumat. Ischias),
7) Beckenbruch durch Fall,
8) Wasserbruch,
9) 1 Oberschenkel-, 4 Uuterschenkelbrüche; 5 Quetschungen
und Hautabschürfungen; 3 Quetsch- und Stichwunden des Fusses;
1 Abquetschung der Kleinzehe, 1 Quetschung der 4. Zehe.
Von den Unfällen ereigneten sich
1898: 13 (—) "m
19,2
Proc. ( —
Proc.)
1897 : 21 (18) —
30,9
„ (26,5
„ )
1896 : 21 (23) =r-
30,9
, (33,8
* )
1895: 7 (17)
10,3
„ (25
„ )
1894: 2 (5)^
2,9
„ (7,4
» )
1893: 2 (4) —
2,9
„ (5,8
* )
1892: 2 (1) —
2,9
n (1,5
• )
Von den 68Verletzten trieben Pfuscherei 38 (37) — 55,9 Proc.
Hessen sich sogleich ärztlich behandeln 30(31) 44,1 „
Von den 96 (109) Untersuchten hatten
gepfuscht. 56(71) —58,3
den Arzt sogleich gebraucht .... 40(38) 41,7 „
Von den 56 (71) Pfuschern zeigten bei
der Untersuchung
Uebertreibung und Simulation . . . 31(43) - 55,3 „
Besserung und Heilung. 30(33) - 46,4 „
keine Besserung.12(—)—21,4 „
Von den 40 (38) ärztlich Behandelten
zeigten bei der Untersuchung
Uebertreibung. 29(19) — 72,5 „
Besserung und Heilung. 26(25)- 65,1 „
keine Besserung.5(—)^12,5 „
(54,4 Proc.)
(45,6
(65,1
(34,9
(60,5 „ )
(53,5 fj )
(50,0
(65,8
( -
n
n
)
)
)
Dass von den Verunfallten die männlichen und verhelratheten
die weiblichen und ledigen weit, hier fast um’s Dreifache tiber¬
troffen, ist eine auch sonst bekannte That Sache und liegt in der
Natur der Verhältnisse begründet; der männliche Theil der hier
ausschliesslich Landwirtschaft treibenden Bevölkerung wird eben
stärker zur Arbeit herangezogen als der weibliche, die Verhei-
mtheten arbeiten angestrengter und ausdauernder für den oft
schlecht bestellten häuslichen Herd als die Ledigen; ebenso ist
es bei den über 16 Jahre alten Arbeitern gegenüber den jugend¬
lichen Arbeitern und Kindern; von Kindern — bis zu 14 Jahren —
kam diesmal nur 1 zur 'Begutachtung. Hier bemerke ich, dass
ich es nach meinen Beobachtungen im Interesse des Ganzen für
besser hielte, Kinder bis wenigsten 12 Jahren von der Versicherung
und jeglichem Rentenbezuge ganz auBzusehliossen und vom 12.
bis 14. Jahre nur einen ganz geringen, den thatsiichlichen Verhält¬
nissen entsprechenden, Arbeitsverdienst von höchstens 50 —60 M.
jährlich anzunehmeu; denn was können denn solche Kinder im
land- und forstwirtschaftlichen Betriebe leisten und was leisten
sie? Im Sommer einige Stunden des Tages Gänschen oder Ziegen
hüten, Aehren lesen, beim Ackern Vieh antreiben, beina Heu-
nmchen etwas nachrechen: das Ist Alles und berechnet sich nach
Geldeswerth so nieder, dass es für den Betrieb nicht In Betracht
kommen kann; und doch Ist auch für diese Kinder ein Jahres¬
arbeitsverdienst von 200 M.! angenommen, während für erwach¬
sene männliche, in der Vollkraft ihrer Leistungsfähigkeit stehende
Arbeiter ein den tatsächlichen Verhältnissen absolut nicht ent¬
sprechender, viel zu niedriger Verdienst von nur 330 M. — also
nur 130 M. mehr als bei 6 jährigen Knaben und Mädchen! — an¬
gesetzt ist. Fast alle Unfälle der Kinder passiren beim Maschinen-
l>etriebe, wozu sie weder gross noch stark genug sind, noch die ge¬
hörige Uebersicht und Selbstbeherrschung haben, ja dem sie durch
ihre Unbeholfenheit nur hinderlich sein können; und doch bekommt
so ein Kind, wenn es ohne gehörige Aufsicht gelassen, in die im
Gange befindliche Maschine fällt, eine hohe Rente. So ein 7 jähr.
Knabe in St., dem das Schwungrad der Futterschneidmaschlne
beim Hineinfallen den Fuss im Sprunggelenk mit glatter Durch-
sclineidung des Sprungbeines fast bis zur Ferse durchtrennt hatte.
Alle Amtsärzte, die viel mit Militärdienstbefreiungs- und Zurück-
Stellungsgesuchen aus Familienrücksichten zu thun haben, werden
mir auch zugeben, dass regelmässig diese Kinder ln den von den
Gemeindebehörden bestätigten. und befürworteten Gesuchen nicht
als geldbringende Stützen, sondern als grosse Unkosten verur¬
sachende und bei der Arbeit hindernde Lasten aufgeführt sind,
ja dass selbst Mädchen von 15—16 Jahren als kaum für die Arbeit
in Betracht kommend, angesehen werden; und doch müssen auch
nach den gegenwärtigen Bestimmungen seit mehreren Jahren
einem nun 11 Jährigen, nicht besonders kräftigen Mädchen in St.
für eine leichte, aber wie gewöhnlich vernachlässigte Ellbogen¬
verletzung mit nachfolgender Tuberculose hohe Renten ausbezahlt
werden. So wie hier, wird es wohl auch anderswo sein und Ich
sebUe8se mich daher rückhaltslos den Ausführungen GrassTs 2 )
von der gesetzlichen Festlegung eines Mindestalters an, wobei
mir aber die oben angegebenen Grenzen als richtig erscheinen;
der jetzige Zustand liefert nur crasse Beispiele dafür, wie
eine an sich gute Sache durch Ziehung der äussersten Conse-
quenzen in ihr directes Gegentheil umgekehrt wird. Wie hoch
beziffern sich die Summen, die alljährlich für so verunfallte Kinder
ausgegeben werden müssen; wie demoralisirend muss es auf diese
*) Ueber die Ursachen der vielen Unfälle mit Versicherungs¬
pflicht ln der Land- und Forstwirtschaft. Münch, med. Wochen¬
schrift 1896, S. 828.
selbst wirken, wenn sie, um hohe Renten zu erlangen» von den
Eltern zum Lügen und zur Simulation angehalten werden; was
geht dadurch den anderen verloren, wie werden die Cassen ge¬
schädigt und die Beiträge bezw. Umlagen dadurch erhöht? Ein
grosser Theil der Unzufriedenheit des Volkes rührt von diesem
Zustande her. In diesem Sinne sprach sich auch der Vorsitzende
der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für
Schwaben in seinem Jahresberichte für 1898 aus, wie unten noch
näher erörtert werden wird.
Was nun die Häufigkeit der Verletzungen anlangt, so treffen
auf den Arm und seine einzelnen Theile mit 51,5 Proc. (47,15) heuer
allein mehr als die Hälfte aller Übrigen Verletzungen, die Finger-
verletzungen betrafen 22,1 Proc.; das stimmt im Allgemeinen mit
den statistischen Angaben von Kaufmann 3 ) überein, wonach
in Oesterreich suif Arm und Hände 17 Proc., auf die Finger 31 Proc.,
also insgesammt 48 Proc. treffen; für Deutschland treffen nach
derselben Statistik auf deu ganzen Arm nur 31,75 Proc.; bei der
relativ kleinen Zahl der hier in Betracht kommenden Fälle gegen¬
über jenen eines ganzen Reiches müssen sich solche Unterschiede,
da in einzelnen Bezirken auch Zufälligkeiten eine gewisse Rolle
spielen, immer bemerklich machen; im Grossen und Ganzen treffen
wir aber hier ein getreues Spiegelbild der Gesammtstatistik; denn
auch die Beinverletzungen weichen mit 22,1 Proc. nicht viel von
25,7 Proc. in Oesterreich und etwas mehr von 31,91 Proc. In
Deutschland ab (Kaufmann S. 404).
Die Brüche (Hernien) machten bis vor wenigen Jahren einen
ziemlich hohen Procentsatz der Unfallentschädigungen unseres
Bezirkes aus, daher auch früher der Name „Bruchbezirksamt“;
eigentliche Unfälle wurden dabei gar nicht, aussergewohnliche
Anstrengungen nur selten nachgewiesen; (damit stimmt auch
überein, was G o 1 e b i e w s k i *), S. 97 sagt, dass nämlich „die
Brüche in der grössten Mehrzahl der Fälle keine Unfälle sind“,
wenn sie auch noch nach neuerer Auffassung sich als Endprodnct
einer fortgesetzten Reihe kleiner Einzel Unfälle darstellen, als
welche auch das immerwährende Andrängen des Darmes nach
der Bruchpforte aufzufassen ist; seitdem aber auf diesen Voraus¬
setzungen bestanden wird, hören die Meldungen fast ganz auf.
Es ist natürlich, dass die meisten begutachteten Uufiille aus
dem Berichtsjahre und den unmittelbar vorhergehenden Jahren
stammten, während die aus noch früheren Jahren z. Th. noch Aus¬
sicht auf Besserung bietende, z. Th. alte Querulanten, z. Th. der
Simulation Verdächtige waren, die man noch zu überführen hofft;
bei Einem gelang dies auch vortrefflich.
Einen der traurigsten, für die Aerzte betrübendsten und die
Berufsgenossenschaften schädlichsten Punkte des ganzen Unfall-
Gesetzes, um den sich schliesslich seine Existenzfähigkeit dreht, bil¬
det die (Kurpfuscherei; so lange nach deu gegenwärtigen gesetzlichen
Bestimmungen die Behandlung Verunfallter durch gewerbsmässige
Curpfuscher erlaubt und demnach auch nach der bekannten Ent¬
scheidung des Reichsversicherungsamtes keinen Einfluss auf die
Höhe der Rente hat, noch weniger sie ganz ausschliesst, ist hierin
keine Besserung zu erwarten, ja es ist sicher zu l>efürollten, dass
die Fälle sich mehren, bei denen in der Absicht kein Arzt ge¬
nommen wird, um sich nicht durch eine baldige und gute Heilüng
mit völliger Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit die gehoffte
und erwartete Rente zu kürzen oder ganz zu vereiteln; Ich habe
einige solche Fälle beobachtet, bei denen man nach den Um¬
ständen zu dieser Annahme gezwungen war, bei denen auch die
Umgebung diesbezügliche Aeusserungeu fallen liess, die sich aber
unter dem gütigen Beistand der Unfallwinkeladvokatur —
S c h m i d braucht dafür den Ausdruck „Commissionsbureaux“ —
wieder schön herauslogen; wer will denn die strafbare Absicht
beweisen, wenn sie der Verletzte nicht selbst eingesteht? Das
thut höchstens der Zufall.
Von den 68 Verunfallten vom Jahre 1898 triebem Pfuscherei
38 (37) = 55,9 (54,4) Proc., von den 96 Untersuchten 56 (71) — 58,3
(65,1) Proc., also sowohl der absoluten als relativen Zahl nach mehr
als die Hälfte; von diesen Pfuschern zeigten Besserung oder Hei¬
lung 53,5 (46,4) Proc., Uebertreibung oder Simulation 53,3 (60,5)
Proc., keine Besserung 21,4 Proc., während von den sogleich ärzt¬
lich Behandelten 65,0 (65,8) Proc. Besserung und Heilung und nur
12 Proc. keine Besserung zeigten; Uebertreibung zeigten dagegen
auch bei den Behandelten eine grössere Zahl; immerhin aber blie¬
ben die Pfuscher hinsichtlich der Besserung und Heilung (= völ¬
lige Wiederarbeitsfähigkeit) weit hinter den ärztlich Behandelten
zurück, übertreffen auch die keine Besserung zeigenden fast um’s
Doppelte. Ist es denn da noch ein Wunder, wenn die Aerzte ein¬
stimmig verlangen, dass die ärztliche Behandlungspflicht sogleich
mit dem Unfall gesetzlich festgelegt und das Pfuschen Verunfallter
verboten bezw. mit Rentenausschluss bestraft werden möge? Klar
sprechen dies auch aus G r a s s 1 (S. 828). G o 1 e b i e w s k I (S. 37),
T h 1 e m (S. 2), Kaufmann (S. 124). Gerade unsere schwie¬
rigsten Fälle, die der Berufsgenossenschaft die grössten Kosten
und meiste Arbeit verursachten, entstanden durch anfängliche
Pfuscherei und Vernachlässigung und zwar waren es solche, die
durch sofortige sach- und fachgemässe Behandlung voraussichtlich
würden wieder vollständig hergestellt worden sein ohne die ge¬
ringste Einbusse an Arbeitsfähigkeit. Dem Antrag auf Spital¬
behandlung, wo sie noch nothwendig war, wurde in anerkennens-
*) Kaufmann: Handbuch der Unfallerkrankungen. Stutt¬
gart 1897.
4 ) E. Golebiewski: Aerztlicher Oommentar zum Unfall-
veraicherongsgefietz. Berlin 1866.
Digitized fr
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Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
48 6
werther Weise von der Berufsgeuossenschaft stets sogleich statt-
gegeben und die Verunfallten meist in die chirurgische Klinik nach
Erlangen geschickt; allein es war dies immer auch erst nach 13
Wochen der Fall, während für eine sofortige TJebernahme der Be¬
handlung die Berufsgenosseuschaft wegen der noch z. Th. entgegen-
srehendeu gesetzlichen Bestimmungen keine Lust zeigte. Wir
können in Bezug auf die Curpfuscherei in unserem Bezirk sagen:
ohne sie käme ein gut Theil der Verunfallten gar nicht, der grösste
Tlieil aber nur zu einer zeitweisen Entschädigung; Dauerrenten
würde nur ein sehr geringer Theil beziehen. Der Ehre Einzelner
zu Liebe sei’s noch gesagt, dass sie die Noth und Furcht vor den
Kosten abhält, sogleich einen Arzt zu llilfe zu rufen.
„In einem gewissen Sinne neigen die Unfallverletzten alle zur
Uebortreibung“, „die Unfallgesetze züchten Simulation“, „Exacte
Angaben über die Häufigkeit der Simulation existiren jetzt nicht* 4
(Kaufmann S. 145, Thiem VIII). Das sind die Grundtöne,
in welche alle Berichte über Simulation und Uebertreibung der
Unfallverletzten ausklingen (vergl. G o 1 e b i e w s k 1 S. 243 u. A.);
ioli habe in meinem Berichte und meiner Statistik nur die Fälle au¬
geführt, die sicher überwiesen werden konnten, und das auch
jedesmal in den seinerzeitigen Gutachten unter genauer Begrün¬
dung angegeben; wo nur Verdachtsmomente Vorlagen, habe ich
auch diese nach meiner Ueberzeugung und Pflicht hervorgehobeu,
aber auch zugleich darauf hingewiesen, dass hier ein Beweis
nicht vorliege, dass die Sache sich vielleicht doch den Angaben
gemäss verhalten könne, und demgemäss pro entschieden bezw.
begutachtet. Das, was Grassl, Breiteubach. Vanse-
1 o w von den „kleinen Renten“ sagen, trifft auch hier durchaus
zu; nicht die wegen grosser Unfälle eine hohe Rente Beziehenden
waren es, die manchmal unter den gemeinsten Verdächtigungen,
Verläumdungen und persönlichen Angriffen aller Art immer wieder
Itecurs ergriffen, wenn ihre Rente wegen wesentlicher Besserung
abgemindert oder eingezogen wurde, sondern die „auf der Schneide
der Begutachtung Stehenden“; Simulation wurde in 8 Proc. der
I’älle sicher erwiesen. (Thiem: rund 10 Proc., Bonner Berufs¬
genossenschaft 6—2 Proc.); die hieher gehörigen sehr interessanten
Fälle bleiben des Raummangels wegen weg.
Namentlich ein Fall zeigt uns, wie Recht Breitenbach
bat, wenn er den Vorschlag auf Einführung von Controlärzten
macht; In einem gewissen Sinne wird die Controle ja jetzt schon
\on den Aerzten selbst geübt, wie Breitenbach ausführt und
es auch hier geschieht, auch manchmal von der Berufsgenossen-
s.*haft veranlasst wird; es liessen sich aber bei systematischer
Durchführung strengerer Controle jedenfalls mehr Simulanten ent¬
larven und in zweifelhaften Fällen eher Endurtheile abgeben.
Auf’s Innigste mit der erfolgreichen und segenbringendeu
Anwendung des Gesetzes verbunden ist dessen richtige Ausführung
durch die berufsgenossenschaftlichen Organe; dazu gehört zuerst
die richtige und rechtzeitige Abfassung des Unfallsprotokolls und
der Unfallanzeige; was in dieser Beziehung manchmal von den
zuständigen Gemeindebehörden und den sie meist beeinflussenden
Gemeindeschreibern geleistet wird, ohne dass sie dafür in Strafe
gezogen werden, ist kaum glaublich; offenbaren Unwahrheiten,
falschen Daten, Uebertreibungen des Zustandes und seiner Folgen
begegnet man häufig; es gibt einzelne als Gemeindeschreiber fun-
girende Personen, die eine grosse Ehre darein setzen, möglichst
viele Unfälle „durchzubringen“; die auch sofort bei Abweisung
oder Rentenminderung mit seitenlangen Berichten an die Ite-
cursinstanzen bei der Hand sind, worin es au Seitenhieben
auf den Arzt oder wer sonst dem gewünschten Zweck
entgegenstand, gar nicht fehlt, um sich bei ihrem Publi¬
cum beliebt zu machen und ihre Privateiukünfte nicht
zu schmälern, andererseits aber auch die in ihre Ungnade Ge¬
fallenen vernachlässigen, soweit sie nicht von Aufsichts wegen
zur Pflichterfüllung ungehalten werden können; diese haben
namentlich in solchen Fällen die ganze Gemeinde, die Alles be¬
zeugt, für sich, wo es sich darum handelt, einem sonst der Armen¬
pflege oder einem einflussreichen Vetter zur Last Fallenden den
„Unfall“ zu verschaffen; dass gerade in dieser Beziehung das Ge¬
setz demoralisirend wirkt, unterliegt für den Eingeweihten auch
nicht dem geringsten Zweifel; namentlich die sogen. Auszügler
werden von ihren Unterhaltungspflichtigen, denen sie lästig fallen,
oft gezwungen mit allen Mitteln nach der Erlangung eines „Un¬
falls“ zu streben; diesen von der Noth doppelt Getriebenen ist dann
auch kein Mittel schlecht genug, um ihren Zweck zu erreichen.
Ob durch districtive Versicherungsinspectoren, die Grassl vor¬
schlägt, alle Uebelstände beseitigt würden, wenn man nicht
strenger gegen die ihre Pflicht vernachlässigenden Gemeindebe¬
hörden Vorgehen will, das möchte ich nicht bejahen; aber bessern
würden sich die Zustände unter allen Umständen, wenn auch der
„Unfallassessor“ dadurch nicht in Wegfall käme; denn die Auf¬
sicht über diese neuen Beamten würde er ja doch haben, in seinen
übrigen Amtsgeschäften würde er jedoch bedeutend entlastet
werden. Der gegenwärtige Zustand würde den Anforderungen
schon mehr genügen, wenn von der Strafbefugniss des § 124 reich¬
licher Gebrauch gemacht würde; wenn dann nur, was wir als bal¬
dige gesetzliche Forderung sicher erwarten, von dem behandelnden
Arzte sogleich mit der Unfalluntersuchung ein Befundbericht mit
Angabe über den Zusammenhang mit dem Unfälle und Vorhersage
Leigegeben würde, so böten sich für die späteren Gutachten selten
solche Schwierigkeiten, wie sie jetzt manchmal entstehen, und dem
Schwindel würde die grösste Handhabe entzogen. Bezeichnend ist
auch die Klage des Gewerbe-Inspectors von Unterfranken in seinem
Jahresbericht für 1898 darüber, dass „die Beachtung der Anzeige-
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Pflicht bezüglich der Unfälle von Seite derürtspolizeibehürden immer
noch viel zu wünschen übrig lasse (W. G. A. v. 15. II. 99). Durch
die Novelle, welche hierüber schärfere Bestimmungen enthält, wird
sich dies hoffentlich ändern.
Der im Jahre 1898 in d. Wochensclir. durch Vauselo w entfachte
Streit darüber, wer die Gutachten für die Berufsgenossenschaften
ausstellen soll, dürfte von fast allen Aerzten im Sinne Grassl'»
und B r e i t e n b a c h’s entschieden worden sein; Gewissenhaftig¬
keit und Berufstüchtigkeit setzen ja auch diese wie alle übrigen
Aerzte als conditio sine qua non des Gutachters voraus; kommt
dazu noch die Einhaltung der richtigen Form und die nöthige Sorg¬
falt der Ausarbeitung, dann hat sicher die Berufsgenossenschaft
keinen Grund, über ein solches Gutachten eines praktischen Arztes
zu klagen, aber auch dieser sich nicht über die Zuweisung von zuwenig
Gutachten, wenigstens über solche Fälle, die er selbst in Behänd
luug hatte, zu beschweren; Bezirksarzt Dr. M ü 11 e r - München
kommt in seinem Aufsatze „über ärztliche Zeugnisse“ zu dem
Schlüsse: „ . . . unnachsichtig gegen uns und Andere ... so wird
auch wieder eine Zeit kommen, in der den ärztlichen Zeugnissen
die gebührende Achtung von allen Seiten zu Theil werden wird“;
diese allgemeine Forderung lässt sich auch unmittelbar auf die
Unfallversicherungspraxis übertragen. Solche Gutachten ver¬
lieren dann nie ihren Werth und können und müssen auch Im
Gegensatz zu jenem berüchtigten Falle, den Thiem in seiner
Einleitung erzählt, jeder Zeit unter Eid aufrecht erhalten werden;
so habe ich es in strittigen Fällen schon mehrmals gethan. Dass
allerdings ausser den oben angeführten Eigenschaften ein sehr
grosses Maass persönlichen Gleichmuthes, eine unerschütterliche
Ruhe, grosse Charakterfestigkeit und viel Tact dazu gehört, um
allem Drängen und Stürmen, allen Lockungen und Widerwärtig¬
keiten eines Gutachters von der exponirten Stellung eines Arztes
namentlich auf dem Lande, dessen übrige Praxis manchmal sehr
durch einen „Unfall“ beeinträchtigt wird, zu begegnen, das möchte
ich auch hier nochmals in Anlehnung an die 3 Streiter vom Jahre
1898 hervorheben, sowie auch betonen, dass sowohl durch mündliche
wiederholte Rücksprache, als durch schriftlichen Gedankenaus¬
tausch mit dem Herrn Vorsitzenden der Berufsgenossenschaft für
Oberfrauken, Herrn Regierungsrath Mayer, völlige Ueberein-
stimmung über alle wichtigen Fragen erzielt wurde und so hier
das gegenseitige Verhältniss ein sehr gutes ist und zur Nach¬
ahmung dienen könnte. In Anlehnung an Strümpei Ps herr¬
liche Ausführungen suchen wir aber durchaus von vorneherein
keinen Gedanken au eine Unfallkrankheit aufkommen zu lassen,
veranlassen die Verunfallten möglichst frühzeitig zur Arbeit und
setzen unter gerechter Würdigung aller Umstände des Falles und
wobei die gleichen Unfälle nicht Entschädigungspflichtiger zum
Vergleiche herangezogen werden, die Rente nicht zu hoch; denn
das ist ja die ganze Aufgabe des Arztes bei Durchführung des
Unfallgesetzes: Dem Verletzten die verlorene Gesundheit und Ge¬
brauchsfähigkeit seiner Glieder wieder zu geben und dazu bei¬
zutragen, dass der in seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit durch
den Unfall Beschränkte die ihm gebührende Rente, nicht weniger,
aber auch unter keinen Umständen mehr, erhalte; Simulanten,
Renteuspeculanten und sonst das Gesetz unrechtmässiger Weise
auszunützen Versuchende aber die gebührende Zurückweisung er¬
fahren. Dabei halte ich aber im Gegensatz zu manchen Anderen
den Arzt zur Abschätzung der procentualen Erwerbsunfähigkeit
für mindestens ebenso begabt und berufen, als den Herrn Arbeit¬
geber X. und den Herrn Arbeitnehmer Y. oder bei den Gewerben
Herrn Maurermeister, Zimmermeister, Fabrikant X. und Herrn
Gesellen, Mörtelträger, Thüranstreicher Y; dass beide Factoren
mitwirkeu müssen bei der rein sachverständigen Thätigkeit des
Arztes, ist klar. Ob bei den berufsgenossenschaftlichen, schieds¬
gerichtlichen und reichsversicherungamtlichen Entscheidungen ein
Arzt Sitz und Stimme haben soll, wie Viele wünschen, Manche nicht,
darüber lässt sich discutiren; wer auf dem Standpunkt rein sach¬
verständiger Thätigkeit steht, wird den Entscheid und damit die
Verantwortung getrost den Instanzen überlassen; insoferne als in
den Urtheilen fachwissenschaftliche Gründe allein den Ausschlag
geben sollten und wo sie es sonst für nöthig halten, ziehen diese
ohnehin einen Arzt als sachverständigen Berather bei.
Die Honorirung der Gutachten hat auch schon oft Anlass zu
Erörterungen in ärztlichen Kreisen gegeben; kein billig denkender
Mensch wird es einem Arzte verübeln, wenn er für seine oft saure
Arbeit auch eine entsprechende Bezahlung verlangt; was soll man
aber dazu sagen, wenn manche Berufsgenosseuschaften seitenlange
gedruckte Formularien senden und „möglichst genaue Beschrei¬
bungen“ und ausführliche Beantwortung der Fragen verlangen,
auch Schemata zur Einzeichnung des Befundes vorlegeu und
schliesslich bei der Liquidation auf die alte bayerische Taxordnung
mit ihren 1, 3 und 10 M., welch’ letztere fast nie bezahlt werden,
verweisen? Ein nur eiuigermaassen erschöpfendes, genaues Gut¬
achten erfordert zu seiner Ausarbeitung mit Untersuchung des Ver¬
letzten, Actenstudien und den Einträgen, die man sich selbst zu
machen hat, wenigstens 1 Stunde Arbeit und darüber; für ein
solches Gutachten gebühren wenigstens 5 M., da man es auch mit
gutem Rechte ein motivirtes nennen könnte; ein Gutachten, das
mit ungefähr 30—50 Worten, mit: Ja, Nein, 30 Proc., G Monat,
Bewegungshinderung, keine etc. abgethan ist, und dem man schon
gleichsam von aussen den Grundsatz ansieht: „Wie die Bezahlung,
so die Arbeit“, kann sich allerdings mit 2—3 M. begnügen; manch¬
mal wird aber dann der Gutachter selbst nicht viel höher ge-
6 ) Bayerisches ärztliches Correspondenzblatt 1899, No. 1.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
486
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
schätzt Es wird auch hier mangels allgemein gütiger und durch¬
geführten Normen Sache des Einzelnen sein, seine Gutachten und
damit seine Beziehungen zur Berufsgenossenschaft so zu gestalten,
dass er von vorne herein auch der entsprechenden Houorirung
sicher ist; lieber nichts begutachten als schlecht, und lieber nichts
liquidiren, als durch taglöhnerartige Forderungen sich selbst und
den Stand beschämen.
Was sind nun die Ursachen der so häutigen land- und forst-
wirthschaftlichen Unfälle unseres Bezirkes und ihrer schlimmen
Folgen? Ich habe sie wiederholt in meinen Berichten hervor¬
gehoben, und sie decken sich vollständig mit denen, die Grassl
anführt: 1. Die Gefährlichkeit des fast ausschliesslich landwirt¬
schaftlichen Kleinbetriebes und schlechtes Arbeitspersonal; 2. die
ungünstigen gebirgigen Terrainverhältnisse; 3. die Ausseracht-
lassung der Sicherheitsvorschriften, Fahrlässigkeit und Unkennt-
niss beim maschinellen Betriebe; 4) Curpfuscherei und Vernach¬
lässigung: a) absichtlich, b) aus Gleichgiltigkeit; 5. verspätete und
mangelhafte Unfallanzeige und -Untersuchung; 0. Rentenspecu-
lation: a) durch Uebertreibung, b) Simulation.
Dass die Verhältnisse auch in anderen Kreisen ähnlich gelagert
sind wie hier, geht aus dem sehr lesenswerten Jahresberichte
des Herrn Reg.-Raths S c h m i d - Augsburg hervor, den dieser in
der Generalversammlung der schwäbischen land- und forstwirt¬
schaftlichen Berufsgenossenschaften erstattete; er führt als Ur¬
sache folgende 9 Gründe an, die ich ihrer Wichtigkeit wegen mit-
teile:
1. In der Beihilfe, welche so manche Ortsvorstände den
Rentenbewerbern leihen, indem sie glauben, für ihre Ortsange¬
hörigen eintreten zu müssen, statt gründliche Untersuchung zu
führen;
2. in dem Bestreben von Armenpflegern, ihre Hilfsbedürftigen
auf den „Unfall“ abzuwälzen;
3. in den verspäteten Untersuchungen der Unfälle;
4. in einer übermässig wohlwoüenden Begutachtung der Ren¬
tenansprüche seitens einzelner Herren Aerzte;
5. in dem in manchen Bezirken noch bestehenden Mangel an
ordentlichen Krankenhäusern;
6. in der ansteckenden Wirkung, welche der Bezug einer Rente
auf Andere ausübt und die damit vom moralischen Standpunkte
aus bedauerliche, wachsende Skrupellosigkeit in der Wahl der
Mittel;
7. in der Unterstützung solcher Bestrebungen durch Com-
missionsbureaux, welche sich des „UnfaUes“ immer mehr be¬
mächtigen;
8. in der Kostenlosigkeit des Verfahrens für den Renten¬
bewerber vor dem Schiedsgericht, womit sich die Beschwerden zu¬
sehends mehren; und endlich
9. in der Entwicklung der obersten Rechtsprechung, welche
sich von dem Gedanken immer mehr entfernt, dass als Betriebs¬
unfälle nur solche Unfälle zu verstehen sind, denen Jemand durch
seine Berufstätigkeit in einem das Risico des gewöhnlichen
Lebens übersteigendem Maasse ausgesetzt ist und heute als Be¬
triebsunfälle auch Unfälle anerkennt, welche mit einer landwirt¬
schaftlichen Thätigkeit nur in einem fernen Zusammenhang stehen
und nur als solche des gewöhnlichen Lebens zu betrachten sind.
(Durch die Novelle zum Unfallversicherungsgesetz wird eine solche
Unterscheidung aber fast zur Unmöglichkeit. Ref.)
Diese Ausführungen unterschreiben wir gerne, weisen aber
bei Punkt 4 auf die schwierige Stellung des Arztes zwischen den
beiden Parteien hin: nur in den seltenen Fällen, wo Versicherter
und Versicherung mit einander zufrieden sind, wird er sich wenig¬
stens keine Feindschaft zuziehen; unter Umständen muss er aber
als Sündenbock für Beide herhalten und wehe ihm dann, wenn auch
nur das Geringste an seinem Gutachten auszusetzen ist; es wird
möglicher Weise von Beiden als Waffe gegen ihn selbst benützt;
in der Kammer der Abgeordneten wurde vor einigen Jahren und
erst jüngst wieder den Aerzten der gegentheilige Vorw’urf, der zu
strengen Beurtheilung gemacht; wer sich an unsere oben auf ge¬
stellten Forderungen hält, wird wohl selten einen der beiden
schwerwiegenden Vorwürfe zu hören bekommen, wenigstens keine
begründeten, und sich auch immer mit seinem guten Gewissen
trösten können; einen nachhaltigen Schaden wird ihm ein solch*
unbegründeter Vorwurf auch nicht bringen. Einen Punkt möchte
ich aber doch noch hier kurz streifen, nämlich die Mittheiluug des
ärztlichen Gutachtens oder einzelner Theile desselben seitens der
Genossenschaft an die Versicherten, die dem Arzt manchmal in
seiner Praxis grossen Nachtheil bringt: setzt hier der Arzt seine
ganze Person ein für den Werth seines Gutachtens, so kann und
muss er auch billig erwarten, dass ihn die Genossenschaft dem
Versicherten gegenüber nicht schädigt und unter gleichzeitigem
Hinweis auf den Obergutachter nur die Punkte hervorhebt, die
zur Begründung ihres Entscheides unbedingt nöthig sind; diplo¬
matische Sprache hat ja im Zeugniss oder Gutachten, welches nur
2 Forderungen kennt, nämlich Klarheit und Wahrheit, gar keinen
Werth, wie Müller mit Recht sagt; thut aber der Arzt oft mit
grosser Selbstverläugnung seine rflicht, so werde ihm auch sein
zur Selbsterhaltung nöthiges Recht!
Die Mittel endlich zur wenigstens theilweisen Abhüfe der ge¬
schilderten Missstände ergeben sich aus dem Gesagten von selbst;
ich schlug folgende vor:
1. Strenges Einhalten der gesetzlichen Vorschriften betreffs
Anmeldung und genaue und gewissenhafte Untersuchung des Un¬
falles; hohe Ordnungsstrafen; 2. Uebemahme des Heilverfahrens
bei schlecht Bemittelten sogleich nach der Verletzung durch die
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Berufsgenossenschaft; 3. ausführliche Gutachten und niedere
Renten; 4. Verbot der Curpfuscherei bei Rentenausschluss; Ein¬
führung des gesetzlichen Arztzwanges; 5. häufigere Controle.
Herr Reg.-Rath S c h m i d macht folgende Vorschläge:
1. Ist mit nachdrücklicher Strenge auf rechtzeitiger Anzeige
der Unfälle zu bestehen, da bei rechtzeitigem Eingreifen der Ge¬
nossenschaft manches Uebel geheüt und der Verschlimmerung vor¬
gebeugt werden kann.
2. Mit gleichem Nachdruck ist auf der rechtzeitigen Vornahme
der Unfalluntersuchung zu bestehen, welche gemäss § 57 des Ge¬
setzes sobald wie möglich vorgenommen werden soll. (Die Novelle
macht dies zur Vorschrift.)
3. Bei Vorlage der Verhandlungen ist darauf zu achten, dass
die Unfalluntersuchung mit der erforderlichen Umsicht und Gründ¬
lichkeit gepflogen worden ist.
4. Soferne aus der Unfallanzeige hervorgeht, dass der Ver¬
unglückte keinen Arzt gerufen oder sich in die Hände eines
Pfuschers begeben hat, soll die Anzeige seitens des Vertrauens¬
mannes unverzüglich an den Vorstand kommen, damit dieser
weitere Verfügung trifft.
5. Die Aerzte werden gebeten, dass sie in den Fällen, in
welchen sie die Ueberzeugung gewinnen, dass ernstere Unfalls¬
folgen nur durch Krankenhausbehandlung vermieden werden
können, hierüber dem Genossenschafts Vorstand sofort Kenntniss
geben. In besonderen Fällen soU bei Todesfolge die Section der
Leiche vorgenommen -werden.
6. Damit die Genossenschaften nicht die Kosten eines öffent¬
lichen Verfahrens in frivolen Beschwerdesachen zu tragen haben,
dürften die Schiedsgerichte gesetzlich zu ermächtigen sein, Be*
schwerden ohne nähere Begründung auf dem Bureauwege abzu¬
weisen mit der Belehrung, dass der Abgewiesene innerhalb einer
bestimmten Frist seinen Antrag auf Anberaumung einer öffent¬
lichen Verhandlung erneuern kann, dann aber im Falle des Unter-
liegens auch die Kosten der Instanz zu tragen hat.
7. Es wäre die Vornahme allgemeiner Rentenrevisionen durch
eine eigene Commission in Erwägung zu ziehen. (J. R. u. G. B.
No. 263 und 64, 1898.)
Diesen Vorschlägen haben wir nicht das Geringste hinzu¬
zufügen, insoferne es sich um die gegenwärtigen gesetzlichen Be¬
stimmungen handelt; wir wünschen und hoffen aber zuversichtlich,
dass auch No. 4 unserer Vorschläge, die sich ja im Uebrigen voll¬
kommen mit denen des Herrn Reg.-Raths decken, in Bälde in Er¬
füllung geht, zu Nutz und Frommen der 3 Factoren des ganzen
Gesetzes: Berufsgenossenschaft, Versicherter und Arzt
Referate und Bücheranzeigen.
M. Wilms: Die MischgeschWülste . Heft I: Die Misch¬
geschwülste der Niere. Heft II: Die Mischgeschwülste der
Vagina und der Cervix uteri (traubige Sarkome); Anh a ng :
Mischgeschwülste der Blase und des Vas deferens. Leipzig 1899.
Verlag von A. G e o r g i. Preis pro Heft Mk. 4.—.
Nicht leicht auf einem Gebiete der pathologischen Anatomie
besteht eine so beklagenswerthe Unklarheit der Auffassung und
Ungleichmässigkeit der Bezeichnung ab in dem Gebiete der sog.
Mischgeschwülste. Wilms hat die schwierige und
überaus dankensworthe Aufgabe unternommen, auf Grund ge¬
nauer Kenntniss und Verwerthung der zum Theil erst in neuerer
Zeit festgestellten entwicklungsgeschichtlichen Thatsaehcn der
Frage nach der Entwicklung dieser Tumoren, welche sich aus
drüsigen Elementen, glatter und quergestreifter Musculatur,
Knorpel, Fett, elastischem, myxomatösem und fibrösem Gewebe
aufbauen, näher zu treten.
Zunächst wendet sich der Verfasser den Mischgeschwübten
der N i e r e zu, welchen Birsch-Hirschfeld den Namen
der „sarkomatosen Drüsengeschwülste“ oder „embryonalen Drüsen¬
sarkome“ beigelegt hatte. Dieser Autor hatte festgestellt, dass
regelmässige drüsige Bildungen in diesen Geschwübten Vor¬
kommen; auf Grund dieses Befundes hatte er dieselben zu einer
einheitlichen Gruppe zusammengefasst und ihre Genese von dem
Wo 1 f f’schen Körper abgeleitet.
Im Allgemeinen konnte W. in den von ihm selbst beobachteten
Fällen dieselben wechselnden Gewebscomponenten nachweisen, wie
Birch-Hirschfeld und andere frühere Untersucher, aber
in der Deutung derselben weicht er von seinen Vorgängern be¬
trächtlich ab, indem er dieselben zurückführt auf die Verspreng¬
ung eines gemeinsamen indifferenten Keimgewebes mesodermalen
Ursprunges, welches die Fähigkeit der Ursegment- und Urnieren-
blastembildung noch in sich vereinigt und daher gleichzeitig epi¬
theliale Bildungen wie die Drüsenschläuche, sowie Derivate des
Myotoms und des Mesenehyms zu erzeugen vermag.
Wir müssen es uns leider versagen, auf die höchst inter¬
essanten Einzelheiten der entwicklungsgeschichtlichen logischen
Beweisführung des Verfassers naher einzugehen, können aber die
Original From
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
437
27. Märe 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Leetüre der weit über den Kähmen casuistischer Mittheilungen |
hinausgehenden Arbeit Jedem auf’s Wärmste empfehlen, der sich
für den Ausbau und die Weiter ent wicklimg des schwierigen Ge¬
bietes der Onkologie interessirt. Der Verfasser hat hier zum
ersten Mal in wirklich rationeller Weise die Thatsachen einer
Verlagerung embryonaler Keime im Cohnhei m’schen Sinne
nachgewiesen. Die Frage, ob eine solche einfache Verlagerung
genügt, um einen Tumor zu bilden oder ob noch bestimmte Be¬
dingungen erfüllt sein müssen, damit die verlagerten Zellen in
das unbegrenzte, geschwulstartige Wachsthum errathen, hält er
noch nicht für spruchreif.
Im II. Heft wendet sich der Verfasser zunächst den ebenfalls
im frühen kindlichen Alter auf tretenden polypösen Schei¬
densarkomen zu, welche sich aus verschiedenen Formen des
Bindegewebes, lockerem, myxomatösem und derbem fibrösem
Gewebe, sowie aus glatter und quergestreifter Musculatur auf¬
bauen. Auch hier vertritt er wieder die Ansicht, dass die Tumoren
mesodermale Bildungen sind. Die quergestreifte Musculatur
welche in diesen Scheidensarkomen vorkommt, leitet sich vom
Myotom her, während die übrigen Elemente vom Mesenchym ab¬
stammen. Da aber letzteres als Sklerotom seinen Ursprung vom
Myotom nimmt, so glaubt W i 1 m s, dass die Keimversprengung,
welche zur Bildung der polypösen Scheidensarkoms Veranlassung
gibt, in sehr früher Zeit der foetalen Entwicklung vom Myotom
erfolgt.
Ebenso fasst W. die gewöhnlich erst im späteren Leben in
Erscheinung tretenden polypösen Cervix mischtumoren als an¬
geborene Neubildungen auf, d. h. ihre Entwicklung ist zurück¬
zuführen auf eine im frühesten Entwicklungsstadium bei Tren¬
nung der Keimblätter eingetretene Keimversprengung. Diese
Keimversprengung ist nicht eine Verlagerung fertiger Zell¬
elemente, sondern eine Verschiebung von noch undifferencirten
Mesoderm- oder Mesenchymzellen, die erst an ihrem späteren Ent¬
wicklungsort die verschiedenen Gewebe, immer correspondirend
mit der normalen embryonalen Differencirung, aus sich heraus¬
bilden. Diese Zellcomplexe werden von ihrem ursprünglichen
Entwicklungsort am Ursegment durch das Wachsthum des
Wolf fischen Ganges nach hinten in die Genitalien verlagert.
Ebenso sind complicirte Mischgeschwülste der Blase beim Manne,
welche sich durch das Vorkommen von Knorpel und quer¬
gestreifter Musculatur auszeichnen, ebenso wie die beim Weib
vorkommenden Scheiden- und Cervixtumoren auf Versprengung
vom Myotom und Sklerotom oder Mesoderm der hinteren Körper¬
region zu beziehen. Die Versprengung des Keimes in die Region
der Blase erfolgt ebenfalls durch das caudalwärts gerichtete
Wachsthum des Wolf Fschen Ganges. Aehnliche Verhältnisse
gelten für die Mischtumoren, welche am Vas deferens beim Manne
beobachtet sind. D ü r c k - München.
H. Schameihont: L’hopitalisation des phthisiqnes
ndcessitenx et la prophylaxie de la tuberculose anx iles Sri tan-
niques. Anvers. J. E. Buschmann 1899. 76 S.
Die Fürsorge für bedürftige Lungenkranke ist in England
vielfach verschieden von der deutschen. Es existiren grosse und
in vieler Hinsicht trefflich eingerichtete (private) Hospitäler für
Tuberculose, doch zugleich, ohne Trennung, für andere Krank
heiten; vor Allem in London selbst, ferner auf dem Lande, an
der Küste. Dann giebt es „poor law infinnaries“ für chronische
Kranke und Reconvalescentenheime, beide ebenfalls bisher ohne
Trennung der Tuberculösen. Die Anstalten behandeln vielfach
zugleich eine sehr grosse poliklinische Klientel. Die Luftcur
ist noch nicht gleichmässig durchgeführt, am besten in Craig-
leith (D. F i 1 i p). Die mögliche Aufenthaltsdauer ist allgemein
viel zu kurz; 4—6 Mahlzeiten; in der sehr zurückhaltenden
medicamentösen Behandlung spielt der Leberthran eine grosse
Rolle.
Der 2. Theil handelt von prophylaktischen Maassnahmen.
Berechtigter Weise wird in England auf die Belehrung des
Volkes ein besonderer Werth gelegt. Durch zahlreiche muster¬
hafte Bekanntmachungen, Memoranda etc. wird in den Anstalten.
Polikliniken, durch Gesellschaften auf das Wesen und die Be¬
kämpfung der Lungenschwindsucht hingewiesen. Ja ein Memo¬
randum wird an die Hinterbliebenen an Tuberculose Verstor¬
bener gesendet und die sehr zahlreich verlangten Desinfectionen
beweisen, wie sehr die Belehrung berücksichtigt wird.
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Schliesslich folgen Bemerkungen über Infectiosität von
Milch und Fleisch, über die verbesserungsbedürftigen Schlacht¬
hauseinrichtungen und -Berichte in England, über die Frage der
Anzeigepfiieht der Tuberculose. Die Arbeit enthält zahlreiche
interessante Ergänzungen zu dem grossen trefflichen Werk:
„Sanatoria for consumptives“ von F. R. Walters und zu des¬
selben Autors Vortrag auf dem Berliner Tuberculose-Congress,
und bildet durch die vielfach wiedergegebenen Memoranda, durch
Eingehen auf viele Details mannigfache Anregung.
Pischinger.
Graefe-Saemisch : Handbuch der gesammten
Augenheilkunde. 2. neubearbeitete Auflage. Leipzig 1900.
W. Engelmann.
Die neuerlich erschienenen Lieferungen No. 14 und 15
bringen als XX. Capitel: Die Blindheit von Dr. E .Fick und
als VIII. Capitel die Entwicklungsgeschichte des menschlichen
Auges von Prof. M. Nussbaum.
Fick wirft zunächst die Frage auf, ob der Blinde in der
That so bedauemswerth sei, als dies im Allgemeinen angenommen
wird, geht dann auf die Häufigkeit und Ursachen der Blindheit
ein und verbreitet sich noch über die Verhütung der Blindheit
und die Blindenfürsorge, alles Wissenswerthe in anregender
Schreibweise und mit umfassendem Blick in kurzen Zügen dar¬
stellend.
M. Nussbaum hatte bei der Darstellung der Entwick¬
lungsgeschichte des menschlichen Auges ein vortreffliches Vor¬
bild in Prof. M a n z, welcher dieses Capitel in der 1. Auflage
bearbeitet hat. N. konnte nun die neueren Forschungen be¬
nützen und gibt eine gedrängte, alles Wesentliche berührende,
durch viele Abbildungen, von denen allerdings einzelne bis zu
5 mal wiederholt sind, veranschaulichte Darstellung, wobei
er wegen des noch sehr mangelhaften menschlichen Materiales
vielfach auf das Gebiet der vergleichenden Embryologie sich be¬
gibt. Er zieht nun nicht nur die der Wirbelthiere sondern auch
die der Wirbellosen heran, indem er gleich in der Einleitung
darauf hinweist und dann weiter den Beweis durchführt, dass
Wirbellosen und Wirbelthieren die Abstammung der empfindenden
und lichtbrechenden Theile — Retina und Linse — vom Ektoderm
gemeinsam ist, da das Medullarrohr, welches den Mutterboden für
die Augenblase abgibt, vom Ektoderm abstammt. Während aber
bei den wirbellosen Thieren Linse und Retina aus einem von
dem Ektoderm abgeschnürten Bläschen sich entwickeln, dessen
proximale Zellen erst später mit dem Kopfganglion durch den
Nervus opticus in Beziehung treten und dessen distale Zellen
die Linse (als Zellenseeret) erzeugen, entsteht bei den Wirbel-
thieren Linse und Retina jedes für sich, die Retina aus den Zellen
einer vom Hirnrohr abstammenden, gestielten Blase, die Linse aus
einem zweiten, später als die Augenblase auftretenden und vom
Ektoderm der Augengegend abgeschnürten Hohlkörper. Gerne
würde Referent sich noch über andere anregendere Gedanken des
Verfassers äussern, wenn ihm nicht Beschränkung geboten wäre.
S e g g e 1.
Neueste Joumalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 11.
Z. H I r o t a : Noch einmal zur Kakke der Säuglinge. (Aus
der pädiatrischen Klinik zu Tokio.)
Verfasser bestätigt die früher von ihm mitgetheilten Beobach¬
tungen über Kakke der Säuglinge. Die durch die Milch der au
Kakke leidenden Mutter verursachte Krankheit der Säuglinge,
deren wesentliche Symptome mit denen der acuten schweren Kakke
der Erwachsenen ttbereinstimmen. Ist nichts Anderes als Kakke
der Säuglinge. Aussetzen der Mutterbrust bewirkt beim Säugling
Heilung der Krankheit, während im anderen Falle die Prognose
ungünstig ist. Die Erscheinungen von schwerer Kakke können bei
Säuglingen nicht nur bei leichtester Kakke der Mutter, sondern
auch sehr frühzeitig schon in der Zeit auftreten, wo die Mutter noch
vollkommen frei davon zu sein scheint. Die Indicanreaction, die
eine sehr constante Erscheinung der Kakke der Erwachsenen ist,
konnte wiederholt Im Harn der Mutter als einziges Zeichen der Ab¬
weichung vom normalen Zustande nachgewiesen werden. Einige
sehr Interessante Krankengeschichten werden mitgetheilt. Bel der
Verbreitung der Kakke unter Erwachsenen und Säuglingen in
Japan sind die Beobachtungen des Verfassers von grosser Be¬
deutung. W. Zinn- Berlin.
Monatsschrift füFGeburtshilfeund Gynäkologie. Bd. XL
Heft I (Januar). (Festschrift für Schauta.)
1) Oscar Bürger: Die Ovariotomie an der Klinik Schauta.
Die Arbeit stellt die Erfahrungen, die in einem Zeitraum von
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
438
MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
12 Jahren gewonnen wurden, zusammen; die Zahl der Fälle be¬
trägt 394, hievon wurden 334 auf abdominalem Wege operirt.
Es wird die vaginale Operation als Concurrenzoperation gegen¬
über der abdominalen Ovariotomie besprochen.
Zu den Contraindieationen für die Ovariotomie auf dem Wege
von der Scheide aus werden gerechnet in erster Linie ausge¬
dehnte Verwachsungen mit der Nachbarschaft, ferner
Stieldrehung, zu starke Grösse der Cyste. Malignität
der Geschwulst und endlich c o 11 o 1 d e r, zähflüssiger In¬
halt der Cyste. Die Diagnose dieses, soweit es sich um kleinere
Cysten handelt, dürfte allerdings kaum möglich sein.
Bei einfachen Fällen dagegen, in denen es sich um gut beweg¬
liche, nicht maligne cystiselic Geschwülste handelt, sei der vaginale
Weg vorzuziehen, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Der Eingriff ist ungefährlicher, da die Bauchhöhle nicht in
so grossem Umfange eröffnet wird, wie bei der Laparotomie.
2. Es treten geringere Störungen der physiologischen Vor¬
gänge auf (Menstruation).
3. Keine Bauchhernien mehr.
4. Keine Entstellung durch Narben.
5. Die oft nöthig werdende Drainage ist einfacher und wirk¬
samer.
6. Die Operation lässt sich leicht mit anderen Operationen ver¬
binden.
7. Beconvalescenz und Heilung erfolgt rascher.
8. Das spätere Befinden ist in einem grösserem Procentsatze
ein günstigeres.
2) Eduard Frank : Beitrag zur Indicationsstellung der
Sectio caesarea.
F. will die Anzeige zum Kaiserschnitt auch bei bedingter
Anzeige im Gegensatz zur Perforation erweitert wissen. Er steht
auf dem Standpunkt, dass zur Sectio caesarea die besondere Zu¬
stimmung der Gebärenden nicht einzuholen ist.
3) Albin H a b e r d a : lieber den anatomischen Nachweis der
erfolgten Defloration.
In den Untersuchungen IT.’s hielten die Fälle, in denen ein
nur unbestimmtes Gutachten abgegeben werden konnte, jenen, in
denen es zu positiven Schlüssen kam. fast die Wage.
Für ein untrügliches Zeichen von verheilter Einreissung des
Hymen hält er die völlige Unterbrechung des Hymensaumes an
einer oder mehreren Stellen durch eine durchgreifende Narbe, deren
Ränder deutlich klaffen, so dass in ihrem Grunde die Scheiden¬
wand, wenn auch nur in äusserst geringer Ausdehnung, bloss liegt.
4) Josef H a 1 b a n : Uterusemphysem und Gassepsis.
H .veröffentlicht einen Fall von Utenisemphysem. bei dem die
Krankheit schon bei Lebzeiten richtig erkannt wurde. Es wurden
Reineulturen des speclfischen Erregers dargestellt.
H. bespricht die einschlägigen Veröffentlichungen.
5) Josef H a 1 b a n : Ueber die Enderfolge der operativen
Behandlung der Retroversio-flexio uteri.
In 7 Jahren stellten sich 4000 Frauen mit Retroversio oder
Retroflexio uteri vor. Von diesen wurden 147 operirt.
Die besten Erfolge gab die Ventrofixation (87.5 Proe.), ihr zu¬
nächst kommt die Vaginofixation (80 Proc.). an welche sieh die
vaginale Verkürzung der Lig. rot. (70 Proc.) anschliesst.
Die objectiven Ergebnisse der 3 erwähnten Wege sind an¬
nähernd gleich.
6) Fritz Hitschmann : Decidualer Polyp des Uterus.
Der Tumor ist am normalen Ende einer ungestört verlaufenen
Schwangerschaft spontan p. p. abgegangen. Er besteht fast aus¬
schliesslich aus Drüsen, die zum Theil der Norm entsprechen, zum
Theil decidual verändert sind. Sie sind von einer aus Decidua-
zellen bestehenden Oberflächenmembran umkleidet. Nirgends
atypische Zellwucherungen. Der Tumor hatte keine Verbindungen
mit dem Chorion eingegangen.
7) Otto Th. Lindenthal : Beitrag zur Therapie der Extra¬
uteringravidität.
Innerhalb eines Zeitraumes von 9 Jahren wurden von 251
Fällen von ektopischer Schwangerschaft 118 durch Operation mit
Eröffnung der Bauchhöhle behandelt. Die angegebenen Zahlen¬
reihen sprechen für die Ansicht, dass die extra uterine Schwanger¬
schaft in den grösseren Städten häufiger vorkommt, als in den vom
Verkehr abseits liegenden kleineren Provinzstädten. Es werden in
der Arbeit hauptsächlich die Fälle besprochen, in welchen die
Operation und die anatomische Untersuchung die Diagnose sicher¬
gestellt hatten. Die Tndicationen zur Operation und die Dauer¬
erfolge werden mitgetheilt. Die Arbeit bringt die Stellung der
Klinik Schauta in einzelnen noch offenen Fragen in der Behand¬
lung der Graviditas extrauterina.
8) Ludwig Mandl : Klinische und anatomische Beiträge
zur Frage des completen Tubarabortes.
M. beschreibt 2 Fülle von completem Tubarabort, bei denen
Blutung in die freie Bauchhöhle statt hatte. Das Krankheitsbild
wurde durch zunehmende Colinpsersoheinungen und bedrohliche
Anaemie eröffnet. In beiden Fällen konnte makroskopisch nicht
entschieden werden, in welcher Tube das Ei seinen Sitz gehabt
hntte. Nur im ersten Falle Hess er sich durch die mikroskopische
Untersuchung nachweisen. Im zweiten Falle fand sich der
Embryo in Blutgerinnseln.
Der erste Fall wurde vom Abdomen aus operirt, der zweite
aus äusseren Gründen von der Scheide aus (Totalexstirpation).
Auch an der S c h a u I a’sehen Klinik wird der Standpunkt
vertreten, dass der für die Operation einer Extrauterinschwanger¬
schaft einzuschlagende Weg der abdominelle sein soll.
Digitized by Gck <?le
Der anatomische Abschnitt der Arbeit eignet sich nicht zu
kürzerem Referat.
9) Sigmund M i r a b e a u : Beitrag zur Lehre von der foetalen
Cystenniere.
M. erörtert auf Grund eines beobachteten Falles von foetaler
Cysteuniere die Herkunft. Er kommt zu dem Ergebniss, dass
alle Fälle von echter Cystenniere beim Erwachsenen sowohl als
bei dem Neugeborenen auf embryonale Missbildung zurückzuführen
sind.
Es würde zu weit führen, die Gründe, die M. bestimmen,
anzuführen und zu besprechen, da die entwickluugsgesehichtliehe
Grundlage durchaus nicht geklärt ist.
19) Julius N e u m a n n uud Hugo Ehrenfest : Eine neue
Methode der inneren Beckenmessung an der lebenden Frau.
11) Dieselben: Ueber die Bestimmung der Beckenneigung
an der lebenden Frau.
In beiden Arbeiten werden neue Instrumente vorgeführt, deren
Beschreibung ohne Zeichnung unverständlich sein würde. Soweit
ohne Nachprüfung eine Beurtheilung möglich, lässt sich sagen,
dass die mltgetheilten Instrumente ihren Zweck zu erfüllen
scheinen.
12) Oscar P i e r i n g ; Ueber manuelle Behandlung (Thure
Brandt-Schauta) in der Gynäkologie.
Der Verfasser bespricht in der Arbeit die Technik. Anzeigen
und Gegenanzeigen der Massage. Es wird darauf eingegangen, in
wie weit Fälle sich zu der Behandlung In der Hand des praktischen
Arztes eignen.
Die Erfolge in der Schaut a’schen Klinik werden als „sehr
gute“ bezeichnet.
13) H. S c h m i t : Zur Kenntniss des Carcinoma psammosum
corporis uteri.
Im Uterus einer 73 jährigen Frau fand sich eiu Zottenkrebs
(Papilloma earcinomatosum uteri Kttrsteiner) mit Entwick¬
lung von Kalkconcrenienten aus Epithelien. Dieser Vorgang
wiederholte sich in den Tochtergeschwülsten, die in beiden Ovarien
und in der Umgebung der Tuben vorgefunden wurden. Die Frau
überstand die Operation, erkrankte aber später an einem Reeidiv.
Auch dieser Fall weist auf die Nothwendigkeit hin, bei jedem
Oorpuscarcinom die Ovarien mitzuentfernen.
11) H. Schralt : Bericht über die an der Klinik Schauta
ausgeführten peritonealen Prolapsoperationen mit besonderer
Berücksichtigung der Dauerresultate.
Die Ergebnisse der eingeschlagenen Operationswege werden
in Folgendem zusammengefasst:
bei der vaginalen Totalexstirpation.58 '{% Proc.
„ „ Vaginofixation. 78,26 „
„ „ Fixation der Lig. rotunda. 66 2 jz „
„ „ Verkürzung der Lig. rotunda.75 „
„ „ „ der Lig. rotunda und sacrouter. . 50
Auch andere Operationsmethoden erfahren eine Besprechung.
6 Fälle, die Schauta im Sinne des F r e u n d’schen Vorschlages
(Einlagerung des Uterus in das Septum ves. vag.) operirte, blieben
bis heute reeidiv frei.
15) Ludwig Skorscheban: 44 Fälle künstlicher Früh¬
geburt und deren Enderfolge.
Die Arbeit liefert eine anerkennenswerthe Beigabe zu der
immer noch so kleinen Statistik der künstlichen Frühgeburt
16) Lucius Stolper: Untersuchungen über Tuberculose
der weiblichen Geschlechtsorgane.
Die Arbeit enthält die Ergebnisse von Untersuchungen, die,
an einem grösseren Material ausgeführt, sich auf die anatomischen
und histologischen Kennzeichen der Genitaltuberculose beziehen
und in aetiologlseher und klinischer Hinsicht interessante Auf¬
schlüsse ergeben.
Es wurden die Genitalien von 34 Kranken untersucht die an
Tuberculose irgend eines anderen Organs erkrankt waren. Unter
diesen fand sich 7 mal Genitaltuberculose.
Die allgemein gütige Häufigkeitsreihenfolge der Erkrankung
an den einzelnen Abschnitten des Genitalapparates wird bestätigt.
(Tube, Uterus, Ovarien, Cervix, Vagina.) Uebergang der Tubercu¬
lose vom Bauchfell auf die Tuben wurde als der gewöhnliche Vor¬
gang beobachtet. Am häufigsten tritt die Genitaltuberculose im
20.—40. Lebensjahre auf, doch bleibt weder das Kindesalter noch
das Greisenaltcr verschont.
Die im Einzelnen vorgeführten Fälle sind sehr interessant.
Der Untersuchung dienten ferner eine Reihe von Spiritus-
präparaten und von Präparaten, die bei Operationen gewonnen
wurden.
Der anatomische Befund der Tuberculose der Vulva, der
Vagina, der Portio und des Uterus, der Tuben und des Ovariums
wird auf Grund des vorliegenden Stoffes kritisch besprochen.
Endlich wird auch der Diagnose der Genitaltuberculose ein
Abschnitt gewidmet.
17) Franz Torggler : Ueber Melanosarkom der weiblichen
Schamtheile.
Den 18 beschriebenen Fällen von Melanosarkom der weiblichen
Schamtheile worden 2 weitere hinzugeftigt.
Es folgt eine eingehende Erörterung des Krankheitsbildes,
der pathologischen Anatomie, der Diagnose und der Therapie.
18) Edmund Wald stein: Ueber periphere Tubensäcke
und ihre Bedeutung für die Aetiologie der Tuboovarialcysten.
Durch genaues Studium vieler Fälle kommt W. zu dem Ergeb¬
niss, dass es Tuboovarialcysteu gibt, die von Haematoceleu her-
Original frarri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
geleitet werden müssen. Eine Auflassung, die von verschiedenen
Gynaekologen früher schon verfochten wurde.
Nach W. bilden die „peripheren TubensUcke“, cystische Ge¬
bilde mit bindegewebiger Wand, die sich am abdominellen Tuben-
ende entwickelt haben und als Ueberrcste alter Haematocelen auf¬
gefasst werden, ein wichtiges Vorstadium der späteren Tuboovarial-
cysten.
Dem Tuboovarialabscess soll eine selbständige Stellung neben
den Tuboovarialeysten und den peripheren Tubensücken einge¬
räumt werden.
19) E. Werthheim: Beiträge zur Ureterenchirargie.
W. vermehrt die Literatur der Ureterenchirargie um einige
Fälle. Er betont in der Arbeit einzelne Punkte schärfer, als es
bisher geschehen, ohne sich in Gegensatz zu den augenblicklich
geltenden Ansichten zu stellen. A i c h e 1 - Erlangen.
Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 16. Band.
3. und 4. Heft. (Mit 7 Abbildungen im Text und 3 Tafeln.)
4) Nebelthau: Heber Syphilis des Centralnervensystems
mit centraler Gliose und Höhlenbildung im Bückenmark.
Da in dem vorliegenden Fall die Seetion eine ganz zweifellos
syphilitische Erkrankung des Gehirnes ergab, so hält es Verl', nicht
nur für berechtigt, sondern auch für das Naheliegendste, auch die
centrale Gliose mit Höhlenbildung als auf syphilitischer Basis
entstanden, anzusprechen.
5) v. Bechterew - Petersburg: Ueber paradoxe Pupillen-
reaction und über pupillenverengernde Fasern im Gehirn.
Yerf. beobachtete bei einem Patienten, bei dem noch andere
Symptome auf eine syphilitische Gerebralaffeetiou hindeuteten,
die als paradoxe Pupillenreaction bezeichnete Erscheinung, welche
darin bestand, dass die vor der autisyphilitisehen Cur ganz starren
Pupillen im Laufe der Behandlung wieder Lichtreactiou zeigten
und zwar derart, dass sich die eine Pupille sowohl bei directem
Uchte in fall wie auch bei Belichtung des anderen Auges erweiterte.
Am anderen Auge trat die paradoxe Reuetiou nur bei directer Be-
leuchtuug ein und liess sich nur zwei- bis dreimal hintereinander
bervorrufen, worauf die Pupille wieder für einige Zeit starr wurde
und erst später wieder die genannte Reaction gab. Die primäre
Störung der Pupillenreaction erklärt Verf. aus einer Affection
in den Oeulomotoriuskernen, speciell im Centrum der Iris. Die
paradoxe Keaction fasst er auf als ein Zeichen von leichter Ermüd¬
barkeit der in Regeneration begriffenen, aus Elementen des Iris¬
centrums entspringenden Pupillenfaserii, welchen zu Folge bei
mässiger Beleuchtung, z. B. bei Tageslicht, die Pupille sich nur
in geringem Grade verengert, während bei intensiverer Beleuch¬
tung der durch Lichteinwirkung auf die Retina angeregte Pupillen-
reiiex schon ganz im Beginne aufhört und die Thätigkeit des
Pupillencentrums zeitweilig mehr oder weniger vollständig herab¬
gedrückt wird.
6) v. Bechterew- Petersburg: Ophthalmoplegie mit peri¬
odischer, unwillkürlicher Hebung und Senkung des oberen
Lides, paralytischer Ophthalmie und einer eigenartigen op¬
tischen Illusion.
7) Lapinsky: Zur Frage von der Degeneration der Ge-
fäs8e bei Laesion des N. sympathicus. (Aus dem Laboratorium
von Prof. H. Oppenheim - Berlin.)
Zusammenstellung der einschlägigen Literatur und Mit¬
theilung der eigenen Versuche. Einzelheiten müssen im Original
nachgesehen werden.
8) Heiligenthal - Baden-Baden: Beitrag zur Kenntniss
der chronischen ankylosirenden Entzündung der Wirbelsäule.
(Aus der Abthellung des Herrn Dr. Schlesinger - Wien.)
Verf. bespricht die einschlägige Literatur und theilt dann
die Krankengeschichten von 5 die genannte Erkrankung in mehr
oder weniger ausgeprägter Form auf weisenden Fällen mit. Verf.
erörtert eingehender die Frage, ob es sieh bei dieser Krankheit
um einen einheitlichen Krankheitsproeess oder um mehrere in
ihren Enderscheinungen übereinstimmende, an und für sich ver¬
schiedene Affectionen handelt, ferner, ob zwischen den von Bech¬
terew einerseits und von Strümpell -Marie andererseits be¬
schriebenen Formen ein principieller Unterschied auzunelimen sei.
Die Schlussfolgerung aus seinen Beobachtungen lautet: Die chro¬
nische Steifigkeit der Wirbelsäule mit Betheiligung der grossen Ge¬
lenke Ist ein Syiuptomeucomplex, der im Verlaufe verschiedener
zu chronischen Gelenkveründerungen führender Kraukheitsformen
sich ausbilden kann und stellt somit keine in sich abgeschlossene
von anderen nach Aetiologie, Verlauf und Loealisation streng zu
scheidende Krankheit dar.
9) Wappen sehmidt: Ueber L a n d r y’sche Paralyse.
(Aus dem patholog. Institut München.)
Einer Zusammenstellung der Literatur über den als Landry-
sche Paralyse bezeiehneten Symptomencoinplex mit genauerer Mit-
theilung der einzelnen klinischen und anatomischen Befunde folgt
die ausführliche Beschreibung eines Falles eigener Beobachtung
mit Krankengeschichte. Sectionsprotokoll und Bericht über die
mikroskopischen Befunde am Rückenmark und den peripheren
Nerven. Der vorliegende Fall zeigt zwar klinisch deutliche Er¬
scheinungen einer Neuritis, welche jedoch keine anatomische Be¬
stätigung fand. Es handelte sich um eine rein spinale, aufsteigende,
zuletzt die Medulla oblongata ergreifende Erkrankung. Auf Grund
seiner Beobachtung hält sich Verf. zu der An nah wie berechtigt,
dass es sich in vielen Fällen von „buibärer“ Form der Landry-
schen Paralyse um eine Infection bezw. Intoxieation handelt.
10) Besprechungen. Heller- Erlangen.
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489
Archiv für Hygiene. Bd. XXXVI, Heft 2.
Johann Schneider: Zur Desinfectionswirkung des Giyc«-
formals unter Anwendung des L i n g n e r’schen Apparates.
(Aus dem hygienischen Institute der deutschen Universität in Prag;
Vorstand: Prof. H u e p p e.)
Die Untersuchung ergab, wie die zahlreicher anderer Unter¬
sucher, dass man durch Zerstäuben der L i n g u e r’scheu Formalin-
glyeeriuniischung in einer mehr als 3 ständigen Einwirkung
sichere Obertiäckendesinl'ection in Zimmern erhält. Der Glyceriu-
zusatz ist aber dabei ganz uunülhig und belästigend, mit 40 proe.
wässeriger Forinaldehydlüsung lässt sich das Gleiche erreichen
und die Verschmierung der Objecte durch das Glycerin lallt weg.
Die einfachen Zerstäubungsapparate von Flügge, O z a -
p 1 e w s k i und Pr a u s u i t z thun die gleichen Dienste wie der
kostspieligere und complieirtere von Lingner.
Stanislaus Epstein: Untersuchungen über das Dunkel¬
werden der Zuckerrübensäfte. (Alis dem hygienischen Institute
der deutschen Universität in Prag.)
Die Dunkelfärbung frischer Rübensäfte beruht:
1. Auf Oxydationsprocesseu, denn sie bleibt bei Sauerstoff-
abschluss, d. h. wenn der Presssaft unter Oel aufgefangen wird,
aus.
2. Nicht auf BacterienWirkung, denü sie tritt sofort beim Ein¬
pressen in Aether und Chloroform auf.
3. Auf der Anwesenheit eines Üxydationsfermeutes einer Oxy-
dase. Als Beweis dafür wird angeführt: Blausäure, welche alle
Fermentwirkimg aufhebt, verhindert auch das Dunkelwerden des
►Saftes trotz Luftzutritt. Gekochter Saft gibt mit Wasserstoffhyper-
oxyd keine Sauerstoft'eutwieklung, wohl dagegen frischer. Nicht
allgestellt scheint der Versuch, gekochten Rübensaft mit kleineu
Mengen frischen Saftes zu impfen und dadurch seine Dunkelfär-
buug zu veranlassen.
4. Tyrosin scheint nicht die Muttersubstanz, aus der die Oxy-
dase den dunklen Farbstoff abspaltet. .
Stanislaus Eps'tein: Untersuchungen über * die Berscht
oder Barszcz genannte Gährung der rothen Bäiben. (Aus dem
hygienischen Institute der deutschen Universität in Prag.)
Diese Gährung kann durch 3 verschiedene Bacterien hervor¬
gebracht werden, welche allein oder zusammen thatig sein können
und Milch- und Essigsäure bilden. Auaerob ist die Säurebilduug
etwas geringer als aerob.
Konrad Mann: Zur Cellulosebestimmung im Kothe. (Aus
dem hygienischen Institut in Würzburg.)
Bestimmt man nach der Weender Methode Cellulose im Koth,
so ündet man zuweilen mehr als in der eingeführten Nahrung.
Die Weender Rückstände enthalten wesentliche Mengen Stickstoff,
was zu der Ueberzeugung führt, dass auch gewisse albuminoide
Körper den Verdauungsferineiiten und der Weender Kochung
widerstehen. Ein solcher Körper ist das Elastiu. Unter der An¬
nahme, dass der N-Gehalt des nach der Weender Methode ge¬
fundenen Kothrüekstaudes auf Eiweiss und der Rest auf Cellu¬
lose zu beziehen ist, gelangt von der Cellulose des feinen Weizen-
brodes etwa die Hälfte im menschlichen Darmcanal zur Lösung.
Konrad Mann: Ueber das Verhalten des Elastins im
Stoffwechsel des Menschen. (Aus dem hygienischen Institut in
Würzburg.)
Von dem nach den besten Methoden gereinigten Elastin wies
Mann in sorgfältig ausgeführten Stoff Wechsel versuchen nach,
dass es im Stande sei, bei gemischter Nahrung von einer 103 g be¬
tragenden Eiweissration wenigstens für kurze Zeit % zu ersetzen,
ohne dass dadurch das Stickstoffgleichgewicht gestört wird.
Das Resultat ist besonders auch desswegen interessant, weil
der Versuch nebenbei gezeigt hat, dass die Stickstoffausselieiduug
im Koth an den Elastintagen etwas erhöht, im Harn dagegen
etwas vermindert ist. Das Stickstoffgleichgewicht ist also uube-
eiutiusst geblieben, obwohl etwas weniger Stickstoffsubstaiiz re-
sorbirt scheint. Elastin gewinnt durch diese Beobachtung für die
Ernährung des Menschen etwa dieselbe Bedeutung wie Leim.
E. L e v y und Hayo Bruns: Zur Hygiene des Wassers.
(Aus dem hygienischen Institut der Universität Strassburg.)
Die Verfasser haben in Erkenntniss der Schwierigkeit, mit
Hilfe directer oder moditieirter Plattencultur spärlicher vorhandene
pathogene Mikroorganismen aus verdächtigem Brunnen- oder
Leitungswasser zu gewinnen, nach Verbesserung der Methodik ge¬
strebt. Sie versuchten u. a. Typhusbacterien dadurch nachzu-
weisen, dass sie 100 ccm Wasser mit 1 Proe. Pepton und 1 Proe.
Kochsalz versetzten und nach 48 stüud. Bebrüten von demselben
auf Kaninchen übertrugen und im Serum Agglutinine suchten.
Selbst bei ziemlich reichlicher .Anwesenheit von Typhusbacterien
im Wasser misslang diese Methode. Dagegen wiesen die Verf.
virulente Coli- und Proteusstämme dadurch nach, dass sie wieder
100 ccm des Wassers mit 1 proe. Pepton und Kochsalz versetzt
48 Stunden bebrüteten; gab nun 2 ccm iutraperitoneal zum Tode
eines Meerschweinchens (oder 2 ccm intravenös zum Tode eines
Kaninchens) Veranlassung, so waren virulente Stämme nachge¬
wiesen, wie sie nach den Autoren in reinem Wasser nie Vor¬
kommen. Ca. 50 Coli resp. 120 Proteus in 100 Wasser sind nach
der Anreicherung, selbst wenn sehr viele Wasserbacterien daneben
vorhanden sind, so noch nachweisbar.
Verfasser berichten zum Schluss über eine eisüsser Typhus-
epidemie von einem Brunnen ausgehend. Typhusbacterien waren
zwar im Brunnen nicht uachzuweisen, wohl aber aashaft stinkende
Proteusculturen aus ihm zu gewinnen, obwohl der Brunnen ein
Original fro-rri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
440
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
4 Meter tief eingeschlagener Abyssinier war, dessen Inspection
nichts Auffallendes ergeben hatte. In der grobkiesigen, oft nur
dünne Humusdecken zeigenden Rheinebene sind die Abyssinier
am besten etwa S Meter tief zu schlagen.
Heinrich Wolpert: Ueber den Einfluss der Luftfeuchtig¬
keit auf den Arbeitenden. (Aus dem hygienischen Institut der
Universität Berlin.)
Die sehr zahlreichen Versuche am Menschen ergaben etwa
Folgendes.
Es wird ausgeschieden pro Stunde:
I. ln trockener Luft:
Temperatur
Ruhe
Mittlere ‘Arbeit
Ö000 mkg pro Stunde
Sehr schwere Arbeit
15000 mkg pro Stunde
15°
50°
i 55
55
20°
G0 0
1 GO
70
25°
65°
105
150
30°
100'
145
220
35°
j 1G0°
170
—•
II. in
feuchter Luft:
Mittlere Arbeit
Sehr schwere Arbeit
Temperatur
Ruhe
j 5000 mkg pro Stunde
15000 mkg pro Stunde
1
15°
20'’
25
25
20°
25°
50
—
25°
35°
85
—
30°
G5 U
110
-—
Wo jZah
len fehlen,
war es unmöglich,
die entsprechenden
Werthe zu bestimmen.
Hieraus folgt, dass mittlere, ja schwere Arbeit bei Tempera¬
turen von 15—20 0 ohne wesentlichen Einfluss auf die Wasser¬
abgabe ist, in trockener Luft tritt erst bei 25 °, in feuchter von 20 u
ab eine deutliche Steigerung der Wasserabgabe auf und zwar
steigert starke Arbeit mehr als mittlere. Während zwischen 20
und 30° die Wasserabgabe von Grad zu Grad bei Arbeit stärker
zunimmt als bei Ruhe, übersteigt die Wasserabgabe bei Arbeit
zwischen 30 und 35° die bei Ruhe wieder in viel geringerem
Maasse. Dies lässt sich unter Berücksichtigung des subjectiven
Befindens auch ausdrücken:
Der Wasserdampfzuw r achs aus Arbeit gegenüber Ruhe ist da
am geringfügigsten, wo die Arbeit zu keiner Schweissbildung führt,
und da am grössten, wo für die Ruhe zwar keine Schweisssecretion
statt hat, letztere jedoch alsbald durch die Arbeit erregt wird.
Schwitzte die Versuchsperson schon In der Ruhe stark (extreme
Temperatur), so war die Wasserausscheidung durch Arbeit be¬
sonders schwach vermehrt.
Für die Kohlensäureausscheidung findet Wolpert die auf¬
fallende Thatsache, dass es scheint, als ob die Kohlensäuren us-
scheidung bei hohem spec. Gewicht des Menschen in feuchter Luft
vermehrt sei gegenüber trockener, während für Menschen mit
niedrigem spec. Gewicht gerade in feuchter Luft eine Abnahme
eintrete.
Von besonderem Interesse ist der Fund, dass es eine zweite
„obere“ chemische Wärmeregulation gibt. Bei extrem hohen Tem¬
peraturen geht mit starkem Steigen der Wasserausscheidung in
trockener wie feuchter Luft die Kohlensäureausscheiduug sehr
stark zurück.
Als zweckmässigste Feuchtigkeit bezeichnet Wolpert
schliesslich für den Ruhenden:
Bei 15 0 etwas feuchtere Luft bis gegen 70 Proc., da sie wärmer
empfunden wird als trockene, Luft von 15 u und 30 Proc. wirkt ent¬
schieden belästigend durch Austrocknung der Schleimhäute.
Bei 18—20° 40—00 Proc. relat. Feuchtigkeit, in Hemdärmelu
event. auch bis 70°.
Bei 25—30 ° 30—40 Proc. relat. Feuchtigkeit. Die Luft trocknet
nicht mehr so stark aus wie bei niedrigerer Temperatur, feuchtere
Luft behindert Wasserabgabe und wird als schwül empfunden.
Für den Arbeiter liegen die Verhältnisse ähnlich — nur wlnl
überall eher grössere Lufttrockenheit wünschenswerth sein —
wenn Irgend möglich sollte bei der Arbeit keine Schweisssecretion
eintreten.
Heinrich Wolpert: Heber die Grösse des Selbstlüftungs-
coefficienten kleiner Wohnräume. (Aus dem hygienischen In¬
stitut der Universität Berlin.)
1. Die Selbstlüftung der üblichen kleinen Wohnräume in Gross¬
städten ist ungeachtet der heutigen leichten Bauweise, auch für
den grössten Theil der kalten Jahreszeit eine geringe, weit ge¬
ringer als man bisher annahm. (Sie betrug im Mittel der Versuche
nur (».308 Raumtheile, bei 12,6° Temperaturdifferenz zwischen
Zimmer und Freiem, woraus 0,025 für 1° Temperaturdifferenz).
2. Die Selbstlüftung ist für kleine Wohnräume relativ grösser
als für grosse Wohnräume.
3. Die Küche lüftet zumeist relativ weit besser von selbst als
die anderen Räume der Wohiiung, einmal sicher desshalb, weil
sie nicht tapezirt zu sein pflegt; dann wohl auch, weil sie regel-
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mässig kleiner ist; und drittens vielleicht, weil sie üblicher Weise
nur einfache Fenster hat, die Wohnräume dagegen meistens mit
Doppelfenstern versehen sind.
4. Die Selbstlüftung einer Wohnung in der kalten Jahreszeit
ist bedeutend grösser, wenn sie sich in einem schlechten baulichen
Zustand befindet. Verwahrloste Kellerwohnungen zeigen daher
im Winter eine vorzügliche Selbstlüftung.
5. Die Selbstlüftung eines Wohnraumes ist um so geringer,
je mehr er eingebaut ist. Die Selbstlüftung der Hofzimmer ist
daher wesentlich geringer als jene der Vorderzimmer (sie betrug
im Mittel der Versuche nur zwei Drittel der Lüftung der Vorder¬
zimmer); und es ist anzunehmen, dass auch die Selbstlüftung der
Wohnungen auf dem Lande und in kleinen Städten grösser sein
wird als in der Grossstadt. K. B. Lehmann -Würzburg.
Centralblatt für ßacteriologie, Parasitenknnde und In-
fectionskrankheiten. 1900. Bd. XXVH., No. 9.
1) Bruno Galli-Valerio - Lausanne: Notes de p&raaito-
logie.
Einige Notizen über Trichomonas caviae bei Meer¬
schweinchen, Totanus chalidris und Botriocephalus
cristatu s.
2) A. Celli und G. Delpino-Rom: Beitrag zur Er-
kenntniss der Malariaepidemiologie vom neuesten aetiologischen
Standpunkte aus. (Vorläufige Mittheilung.)
Im Anschluss an ihre erste Mittheilung über das Auftreten der
Malaria, welche vom März bis 31. August auf dem Gute Cerveletta
bei Rom beobachtet wurde, theilen die Verfasser die Ergebnisse
der Beobachtungen mit, die sie vom September bis Februar gemacht
haben. Es kommen während dieser Zeit doppelte und auch drei¬
fache Infectionen vor, und besonders herrscht die Epidemie Im
dritten Viertel des Jahres; doch treten neue Fälle auoh bis in den
folgenden Januar hinein auf. Dies erklärt sich dadurch, dass im
August und September noch eine Menge Larven im Wasser, und
Mücken in der Luft leben, die nach den heftigen Regengüssen
Ende September merklich abnehmen. Die noch später auf tretenden
Fälle werden als Recidive erst unbemerkt gebliebener lnfection
angesehen oder sie sind die Folge von Stichen der in den 'Woh¬
nungen verbliebenen Stechmücken.
Eine Zusammenstellung der Malariafälle in den Kranken¬
häusern zu Rom und Mailand lässt erkennen, dass in den kälteren
Klimaten das Minimum der Malariafieber im Februar und März ist,
in Rom und anderen wärmeren Plätzen dagegen im Juni.
3) Robert B e h 1 a - Luckau: Ueber neue Forschungswege der
Erebsaetiologie.
Verfasser bespricht in seiner Abhandlung alle jemals be¬
tretenen Wege zur Erforschung der Krebsaetiologie, den der
Speeulation, der Uebertragung, der experimentellen Erzeugung,
der parasitären Forschung, ferner in wie weit durch statistische Er¬
hebungen, durch Ermittelung der Bevölkerungsdichtigkeit, der
Nahrungsweise, der Trinkverhältnisse, des Berufes, der constitutio-
nellen Krankheiten, der meteorologischen, geologischen und geo¬
graphischen Verhältnisse zur Ermittelung der Aetiologie des Car¬
einoms beigetragen wurde.
Der neuerdings mehrfach ausgesprochenen Ansicht, der Krebs
sei eine durch Sporozoen erzeugte Krankheit, glaubt Verfasser nicht
beitreten zu können, sondern nimmt vielmehr an, dass*4ie Krebs-
infectionskeime aus dem Pflanzenreich und zwar aus dem Pilzreich
stammen müssten.
4) Ludwig Cohn- Königsberg: Zur Systematik der Vogel¬
taenien IV. R. O. Neumann - Berlin.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 12.
1) L i e b e r m e i s t e r - Tübingen: Ueber Antipyrese. (Säcu-
larartikel.)
L. gibt einen kurzen Rückblick auf die früheren Anschau¬
ungen über das Wesen des Fiebers und besonders über die Frage,
ob es zweckmässig sei, die Temperatur künstlich herabzusetzen.
Da die Functionen lebenswichtiger Organe, namentlich des Herzens
und Gehirnes, durch hohes Fieber schwer gestört werden, so hat
die neue Zeit die frühere Anschauung beseitigt, dass das Fieber
als etwas Heilsames überhaupt nicht bekämpft werden dürfe.
Die Anwendung kalter und kühler Bäder führt L. mit der Absicht
herbei, um ausreichende Remissionen continuirlich hoher Fieber
zu erzielen, da schon hiedurch der schädliche Einfluss des Fiebers
gemildert wird und zwar gibt L. die Bäder Nachts, wo die Tem¬
peratur an sich zur Remission neigt. Die medlcamentöse Anti¬
pyrese ist nicht ganz zu entbehren.
2) Schaper-Berlin: Die Heilerfolge bei Lungentuber-
culose in der Charitö während der letzten 10 Jahre.
Wird in den Berichten über die Sitzungen der Charitö-Aerzte
referirt.
3) B. F r ä n k e 1 - Berlin: Das Tuberculin und die Früh¬
diagnose der Tuberculose.
Fr. empfiehlt die probatorische Anwendung des Tuberculins
als eines sehr empfindlichen Reagens auf Tuberculose mit dem
erneuten Hinweis, dass Irgend eine dauernde Schädigung durch
das Mittel ausgeschlossen sei. Verf. beginnt bei Erwachsenen mit
0,001 und steigt unter 3—4 Tagen Pause auf 0,01. Wer bei diesem
Verfahren keine Reaction zeigt, hat keine Tuberculose. Besonders
bei der Frühdiagnose der Tuberculose versagt das Tuberculin nie¬
mals. Wichtig ist die probatorische Anwendung desselben, ins-
Qriginal frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
441
besondere bei zweifelhaften Fällen von Chlorose, ferner bei Skro-
pb illose.
4) E. P o n f i c k - Breslau: Die Entwicklung der Entzün¬
dungslehre im 19. Jahrhundert. (Säcular-Artikel.)
(Fortsetzung.)
5) N o e b e 1 - Zittau und Löhnberg: Aetiologie und
operative Kadicalheilung der genuinen Ozaena.
(Schluss folgt.) Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 11.
1) J o 11 y : lieber einen Fall von doppelseitiger Facialis-
lähmung. (Aus der Nervenklinik der Königl. Charitö in Berlin.)
Vortrag mit Demonstration, gehalten im Verein für Innere
Medicin am 19. Febrar 1900. Referat siehe diese Wochenschrift
No. 9, pag. 306.
2) A. L u c a e : Zur physikalischen Feststellung einseitiger
Taubheit, resp. Schwerhörigkeit.
Erwiderung auf die von R ö h r in No. 2 dieses Jahrganges der
Deutsch, med. Wochenschr. veröffentlichten Kritik des Lucae’-
sehen Verfahrens zur Feststellung einseitiger Gehörstörungen.
3) Gerber- Königsberg: Ein Doppeldiaphanoskop zur
Durchleuchtung der Himhöhlen.
Das hier beschriebene, aus zwei V o h s e n’schen Lampen be¬
stehende Instrument scheint für specialärztliche Zwecke in der
Rhinologie grosse Vorzüge zu besitzen, doch erfordert der Ge¬
brauch desselben grosse Uebung.
4) A1 b u - Berlin: Die diätetische Behandlung der Magen¬
erweiterung.
Durch die neueren Untersuchungen ist nachgewiesen, dass für
die Nahrungsaufnahme weit weniger die Resorption von Seite des
Magens, als die Fähigkeit desselben, die Ingesta in den Darm zu
entleeren, in Frage kommt. Flüssigkeiten werden am raschesten
ausgetrieben, darnach breiige Speisen, am längsten verweilen
naturgemäss die festen Nahrungsmittel. Dies gilt ebensowohl für
den gesunden wie den kranken Magen. Angesichts dieser That-
sache ist die Trockendiät bei den verschiedenen Formen der Magen¬
erweiterung entschieden zu verwerfen und stellt A. eine haupt¬
sächlich aus flüssigen Nahrungsmitteln bestehende zweckent¬
sprechende Diät zusammen. In erster Linie kommt die Milch in
Betracht, welche in verschiedenen Formen, mit oder ohne Zusätze,
verwerthet wird, daneben Eier, die künstlichen Eiweisspräparate
(Plasmon), feine Gemüse (Spinat, Spargel, Blumenkohl u. s. w.),
gewiegtes oder gehacktes Fleisch, Gehirn, Thymusdrüse u. s. w.
Die Vertheilung der Mahlzeiten ist so einzurichten, dass jeweils
nur ganz geringe Mengen, aber in kurzen Zwischenräumen ge¬
geben werden, so dass bei Aufnahme der folgenden Mahlzeit der
Magen die erst gegebene bereits In den Darm entleert hat. Durch
Massage und Faradisation des Magens wird dessen Function unter¬
stützt. 'Werthvoll ist ferner im Anschluss an die event. täglich vor¬
zunehmende Magenspülung die Eingiessung einer grösseren Quan¬
tität leicht resorbirbarer Nährflüssigkeit vorzunehmen.
5) G. Z e p 1 e r - Berlin: Beiträge zur orthopädischen Be¬
handlung der Lage Veränderungen des Uterus. — Quere Spreiz¬
ung des Scheidengewölbes. (Schluss aus No. 10.)
Z. empfiehlt an Stelle der bisher üblichen Pessare eine quere
Spannung der Scheide in ihrem oberen, blindsackförmigen Ende,
dem Scheidengewölbe, durch eine entsprechende Modification der
biegsamen Mutterringe. Der hier gemachte, auf anatomische
und klinische Beobachtungen gestützte Vorschlag wird, sobald
genügendes Material vorliegt, in ausführlicher Weise behandelt
werden. F. Lacher - München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 11.
1) V. Eisenmenger -Wien: Ueber die sogenannte peri-
carditische Pseudolebercirrhose (Fr. Pick).
Verf. wendet sich gegen die von Fr. Pick erfolgte Auf¬
stellung der oben genannten Krankheitsspecies mit einer Reihe
formeller, besonders aber klinischen und pathologisch-anatomischen
Thatsachen entstammender Einwände und zieht aus seinen Er¬
wägungen folgende Schlüsse: Es ist richtig, dass im Gefolge einer
adhaesiven oder schwieligen Pericarditis verhältnissmässig häufig
hochgradiger Ascites ohne Beinoedem entsteht, was bei latenter
Pericarditis Aehnlichkeit mit Lebercirrhose hat. Dieser Sym-
ptomencomplex beruht aber nicht auf den von Pick angeführten
Gründen, sondern bei den verschiedenen Fällen auf verschiedenen
Ursachen, z. B. Zerrungen, Compression, Knickungen der unteren
Hohlvene, mediastinalen Schwielen, Peritonitis an der Leber¬
pforte etc. Der P i c k’sche Symptomencomplex kann daher nicht
als einheitliches Krankheitsbild betrachtet, sogar der ihm von
Pick beigelegte Name kann nicht acceptirt werden.
2) E. T o f f - Braila: Haematokolpos und Haematometra
in Folge von Atresia hymenalis congenita.
Die 13 jährige Patientin zeigte einen rundlichen Tumor, ähn¬
lich einem Uterus im 5. Monat der Gravidität, das Becken war
durch eine fluctuirende, fast kindskopfgrosse Masse ausgefüllt,
zwischen den Labien erschien ein dunkelblaurother Tumor. Nach
Incision desselben entleerte sich circa 1 Liter dunkelbraunrothe
Flüssigkeit. Unter Spülungen mit schwacher Sublimatlösung
baldige Heilung. Eine Tante der Patientin hatte an dem nämlichen
Uebel gelitten. Verf. glaubt, dass es sich bei den Fällen von
Atresie nicht um zufällige Störungen, sondern um tiefere Eigen-
thümlichkeiten der Organisation handelt. T. bespricht noch die
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klinischen Symptome der Anomalie. Für die Entleerung durch
Punction ist zu berücksichtigen, dass der Inhalt in Eiterung über¬
gehen und Pyometra, Pyosalpinx entstehen kann. Periodische
Dilatation der gemachten Oeffnung ist angezeigt.
3) V. B 1 u m-Wien: Zur Diagnostik der Oesophagusdivertikel.
Der 66 jähr. Patient klagte über Schlingbeschwerden (Stecken¬
bleiben im Halse), besonders bei Aufnahme grösserer Bissen; bei
Druck auf den Hals entleerten sich Speisen zurück in die Mund¬
höhle. Der Zustand wurde zurückgeftihrt auf eine durch Ver¬
schlucken eines Knochens erzeugte Verletzung des Oesophagus.
Mit der Sonde konnte das Bestehen eines Divertikels erwiesen
werden, dessen Form sich mittels Röntgenstrahlen (Verabreichung
einer 5 proc. Wismuthmixtur, oder Einführung eines mit concen-
trirter Bromkalilösung gefüllten Ballons in den Sack) fesstellen
liess. Das Divertikel gehörte der hinteren Oesophaguswand an.
Dr. Grassmann - München.
Englische Literatur.
W. Edgar M a c h a r g : Eine Analyse von 57 Fällen von
puerperaler Infection. (Brit. Med. Journ., 17. Febr.)
Verf. beobachtete diese 57 Fälle im Belvedere Fieber Hospital
zu Glasgow während einer Periode von 18 Monaten. 31 hälle
starben, 21 wurden secirt. In einer Tabelle werden sehr übersicht¬
lich die Befunde bei den Sectionen angegeben. Von den tödtlieh
verlaufenden Fällen waren über die Hälfte I. Parae und zwar war
meist Kunsthilfe bei der Geburt nöthig gewesen. Die Krankheit
begann gewöhnlich schon am 2. Tage nach der Entbindung und
wurde meist nach 2 Wochen tödtlieh. Ich übergehe die zahlreichen
interessanten statistischen Bemerkungen des Verf. und verweise
zu deren Studium auf das Original. Was die Behandlung anlangt,
so wurden in jedem Falle zweimal täglich antiseptische Uterus¬
spülungen vorgenommen und der Uterus in der Zwischenzeit lose
mit Jodoformgaze tamponirt. Ausschabungen wurden schlecht ver¬
tragen, führten zu Schüttelfrost und Wiederaustieg des Fiebers,
so dass man später von ihnen nur noch Gebrauch machte, wenn
(was nur zweimal vorkam) in der Uterushöhle zurückgebliebene
Reste der Placenta und Eihäute sich befanden. Grosse Dosen
von Chinin hatten keinen guten Einfluss. Antistreptococcenserum
(Burroughs und Wellcome) wurde 9 mal angewendet und zwar nur
in Fällen, in denen Streptococcen bacteriologiseh nachgewiesen
werden konnten. 7 mal fand man nur Streptococcen, 2 mal Strepto¬
coccen und Bacter. coli. 6 Fälle wurden durch die Behandlung
überhaupt nicht beeinflusst; in 1 Falle trat nach den Einspritz¬
ungen Abfall der Temperatur ein, doch starb die Kranke, in 1 Falle
handelte es sich um zweifelhaften und nur in 1 um einen scheinbar
sicheren Erfolg. Einmal wurde Ausschlag nach den Einspritz¬
ungen beobachtet, im Allgemeinen hatten dieselben keine Neben¬
wirkungen, Verf. verspricht sich aber von ihnen auch keinen Er¬
folg. Einen Erfolg sieht er nur in der Weiterausbildung der chi¬
rurgischen Behandlung und zwar in der frühzeitigen abdominalen
Totalexstirpation des Uterus und unter Umständen der Anhänge.
H. W. Webber: Fall von Puerperalfieber, in dem eine
einmalige Seruminjection Heilung brachte. (Ibid.)
Das Studium der beigegebenen Fiebercurve ergibt, dass die
Temperatur schon vor der Einspritzung von 10 ccm Antistrepto¬
coccenserum etwas gefallen war, immerhin besserte sich das All¬
gemeinbefinden der benommenen und fast sterbenden Frau sofort
nach der Einspritzung. , _ ..
Alex J. Anderson: Erysipel und Puerperalfieber und ihre
Behandlung mit Antistreptococcenserum. (Ibid.)
Krankengeschichten von 2 Erysipelfällen und 1 Fall von
Puerperalfieber, bei denen die Serumbehandlimg, 10 ccm alle
24 Stunden, eine sehr rasche Besserung und Heilung herbeiführte.
Alfred H. H u t h : Heirathen zwischen Blutsverwandten
und Taubstummheit. (Lancet, 10. Febr.)
Es kann hier nur auf das Original verwiesen werden, da die
fast ausschliesslich aus statistischen Tabellen bestehende Arbeit
sich nicht gut referiren lässt. Verf. kommt übrigens zu dem
Schlüsse, dass Heirathen unter Blutsverwandten in keiner Welse
für die Geburten taubstummer Kinder verantwortlich gemacht
werden können. Besteht allerdings in einer Familie Belastung
zur Taubstummheit, so wird die Wahrscheinlichkeit eines taub¬
stummen Abkömmlings grösser, wenn 2 Mitglieder dieser Familie
sich heirathen und Vater und Mutter belastet sind.
C. B. Lockwood: Die Vorbereitungen zu asepUschen
Operationen und einige Ursachen der Misserfolge bei den¬
selben. (Brit. Med. Journ., 24. Febr.)
Verf., der Chirurg am St. Bartholomew’s Hospital ist, gibt uns
in diesem Aufsatze einen Ueberblick über seine Operationstechnik,
die in einer Mischung aus Asepsis und Antisepsis besteht, wie
sie jetzt in so vielen Kliniken gehandhabt wird. L o c k w o o d
ist der Autor des Hauptwerkes über Asepsis und Antisepsis, das
in England erschienen ist und er hat alle seine Verfahren genau
geprüft und zahlreiche Culturversuche angestellt.
Seit längerer Zeit hat er bei jeder Operation Culturen von
seinen eigenen Händen, sowie von den Händen der Assistenten
und Schwestern, von der Haut des Kranken, von Tüchern,
Schwämmen, Instrumenten und Nahtmaterial gemacht und
schliesslich am 8. oder 10. Tage nach der Operation die Wunde
bacteriologiseh untersucht. Nur viermal gelang es ihm, völlige
Sterilität aller beschickten Röhrchen und Platten zu erzielen. Sein
Hauptbestreben ist möglichste Eiufachheit, alle complicirten
Apparate, wie Pedalöffner der Verbandkästen, Waschkrahnen etc.
verwirft er. Die Haut des Kranken bereitet er in folgender Weise
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UNIVERS1TY OF CALIFORNIA
442
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT
No. .13
vor. Männern wird etwa eine Stunde vor der Operation, bei Frauen
und Kindern erst In der Narkose, die Haut rasirt und mit Wasser
und Seife gewaschen. Dann wird das Fett mit Terpentin oder
Benzin entfernt und schliesslich die Haut des Operationsfeldes
2 Minuten lang mit einer Lösung von Binijodidqueeksilber in
Spiritus (1:500) getränkt. Es ist nicht gut, schon am Tage vor der
Operation zu desiuficiren und einen feuchten Verband tragen zu
lassen, da die Ilaut leicht ekzematös wird und der Verband oft
störend auf die Nachtruhe einwirkt. (Das Quecksilberjodid ist in
Wasser unlöslich, bildet aber mit Jodkali ein sehr lösliches Doppel-
salz. Es Ist wahrscheinlich viel weniger giftig als Sublimat, dabei
aber hat es doch eine bedeutendere Wirkung auf die Baeterien, da
es Eiweiss nicht fällt und desshalb tiefer in die Gewebe eindritigen
kann. In Lösungen, die nicht stärker sind als 1:2000 wirkt es
nicht corrodirend auf die Instrumente ein; auch wird es von der
Haut der meisten Menschen gut vertragen, Ref.). Seine Hände
desinficirt Look wood nach Reinigung der Nägel und Waschen
mit Seife ebenfalls mit Binijodidqueeksilber in Spiritus (1:500).
Die Culturversuclie, die er nach dieser Desinfection an seinen
eigenen und seiner Assistenten Hände austollte, ergaben nur selten
ein positives Resultat. Zum Reinigen der Hände während der
Operation dient eine wässerige Lösung desselben Quecksilbersalzes
von 1:4000.
Die Instrumente werden, wie üblich, gekocht und dann In
1 y 8 proc. Carbollösung gelegt. Als Nahtmaterial verwendet er mit
Vorliebe „fishing gut“ und auch Seide. Beides wird gekocht und
dann in 5 proc. Carbollösung aufbewahrt.
Catgut kommt nur bei verdächtigen oder sicher inficirten
Wunden zur Verwendung. Das Rolicatgut wird auf flache Bretter
aufgespannt und gründlich mit Seifenwasser und Bürste bearbeitet.
Danach kommt es auf mindestens 24 Stunden in Aether; steigen
keine Fetttröpfchen mehr auf. so wird .es in eine wässerige Lösung
des Binijodidquecksilbers 1:250 übertragen, in der es mindestens
72 Stunden liegen bleibt. Nach dieser Zeit ist das Catgut ge¬
brauchsfähig und kann für unbegrenzte Zeit in der Q-uecksilber-
lösung aufbewahrt werden.
Zum Abtupfen des Blutes benutzt L o c k w o o d ausschliess¬
lich Schwämme und zwar stets wenige zu einer Operation. Nach¬
dem der Schwamm durch Klopfen und Waschen von Sand gereinigt
ist, werden etwaige Muschel- und Korallentheilcheu durch Be¬
handeln mit dünner Schwefelsäure gelöst. Dann wird die Säure
durch Soda neutralisirt und etwaiges Eiweiss auf diese Weise ent¬
fernt. Schliesslich wird der Schwamm in 20 proc. Lösung von
schwefliger Säure in Wasser desinficirt und gebleicht. Vor dem
Gebrauche wird ein Schwamm in eine Lösung von Quecksilber-
binijodid ln Wasser (1:4000) gelegt und nach dem Tupfen in ihr
ausgedrückt. Ein Schwamm genügt für einen Assistenten und
eine Operation. Da das genannte Quecksilbersalz Eiweiss nicht
eoagulirt, so bleibt der Schwamm sehr aufsaugefähig und elastisch.
Tücher, die zum Bedecken der um das Operationsfeld liegenden
Theile dienen, werden mit den Instrumenten in Sodalösuug aus¬
gekocht und entweder in Carbol oder der oft genannten Queck¬
silberlösung ausgedrückt. Wie Verfasser betont, ist das hier ge¬
schilderte Verfahren auch von den übrigen Chirurgen des St. Bar-
tholoinew-Hospitales mit bestem Erfolge seit längerer Zeit an¬
gewendet worden.
Der Report der indischen Pestcommission über die Haff-
k i n e’schen Schutzimpfungen. (Brit. Med. Journ., 24. Febr.)
In Anbetracht der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes hat
sich die Commission entschlossen, schon vor Vollendung des Ge-
sammtreportes den Abschnitt zu veröffentlichen, der sich mit den
H a f f k i n e’schen Schutzimpfungen befasst. Nach genauer
Besprechung der Gewinnungsweise der Vaccine durch Haffklne,
drückt sich die Commission ungünstig über die ungenügende
Sterilisation der Vaccine aus, noch mehr tadelt sie die ganz
mangelhafte Bestimmung des Immunisirungswerthes. Haff¬
klne selbst benutzt eine Schätzungsmethode, die auf Genauigkeit
keinerlei Anspruch erheben kann, obwohl er nun auf den Flaschen
einen Immunisirungswerth angibt, so verlangt er doch von Jedem,
der Impfungen vornimmt, dass er selbst an den ersten 20 geimpften
Individuen durch Fiebermessungen die Stärke der Vaccine be¬
stimmt, dieses ist aber bei den Localverhältnissen nach der Meinung
der Commission ganz unmöglich. Trotz dieser Mängel des Impf¬
stoffes konnte die Commission nicht nacliweisen, dass der Gebrauch
desselben schädliche Wirkungen ausübe; die an verschiedenen
Orten sehr verschiedenen Resultate werden auf Verschiedenheiten
der Vaccine bezogen und eine genauere Bestimmung der Stärke
des zu verwendenden Impfstoffes in jedem Falle verlangt. Die
Impfung beschränkt in merklichem Maasse die Häufigkeit der
Festfälle unter der geimpften Bevölkerung (es erkrankten etwa
4 mal mehr Ilngeimpfte). Der Schutz ist jedoch kein absoluter,
denn es erkranken selbst Leute, die 4 mal innerhalb von 2 Jahren
geimpft waren, in Bulsar erkrankten etwa 8 Proc. der geimpften
Bevölkerung. Die Mortalität unter den geimpften Pestkranken ist
viel geringtu' wie unter den L’ugelmpften, und zwar sterben von
Letzteren etwa 10 mal mehr, wie von Erst ereil. Die Schutz wirkung
tritt in jedem Falle erst einige Tage nach der Impfung auf und
hält sicherlich mehrere Wochen, vielleicht sogar mehren? Monate
an. Nach ihren Erfahrungen hält die Commission es für wünscliens-
werth, die Ausführung von Impfungen in grösstem Maassstabe
in jeder Weise zu begünstigen; doch betont sie zugleich die
Schwierigkeiten, die sich diesem Vorschlag entgegenstellen. Nach
ihren Erfahrungen wird es. wenigstens vor der Hand, kaum ge¬
lingen, die Bevölkerung noch uuverseiichter Bezirke zur Impfung
zu bringen, ln jedem Falle muss aber auf genaue Sterilisation
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der Vaccine, auf genaue Stärkebestimmung derselben und auf
aseptische Vornahme der Impfungen gedrungen werden, dann
werden nach der Meinung der Commission die Resultate bedeutend
bessere werden.
Easter C r o o k : Die Ausscheidung des Harnstoffes durch
die Haut des Gesunden. (Scottish Medical and Surgical Journal,
Februar 1000.)
Verfasser suchte durch eine Reihe von Versuchen ain eigenen
Körper festzustellen, ob die Haut des Gesunden wesentlich zur
Harnstoffaussclieidung benutzt wird. 19 Tage lang lebte er genau
nach eiuer bestimmten Diät. Er fand, dass während dieser Zeit
die Menge des mit dem Harne ausgeschiedeneu Harnstoffes ab¬
hängig war von der geleisteten Muskelarbeit Mangel an Arbeit
vermehrte jedes Mal die Ausscheidung. 5 Stunden langes Tanzen
verminderte die Harnstoffaussclieidung des folgenden Tages be¬
trächtlich. Kalter Nordost wind und Schnee vermehrte die Aus¬
scheidung; machte er jedoch bei diesem Wetter grosse Spazier¬
gänge. so war die Vermehrung nicht so beträchtlich. In den Faeces
wurde während dieser ganzen Zeit fast kein Harnstoff ausge¬
schieden. Wischte Verfasser, wenn er ganz ruhig dasass, mit einem
feuchten Tuche über seine Stirne, so konnte er nur Spuren von
Harnstoff am Tuche nach weisen; machte er denselben Versuch
nach heftiger Arbeit oder im heissen Bade, so fand er beträcht¬
liche Mengen von Harnstoff. Als er im heissen Bade grössere
Mengen Schweiss von der Stirn tropfen Hess und sammelte, fand
er, dass der Schweiss Morgens 0,1 Proc., Abends 0,2 Proc. Urea
enthielt (auch der Harnstoffgehalt des Urins erreicht am Abend
seinen Höhepunkt). Nach dem Schwitzen fiel der Harnstoffgehalt
des Urins stets unter die Menge, die er vor dem Bade zeigte.
Während heftiger Muskelarbeit stieg der Procentsatz des Schweisses
an Urea, der des Urins blieb unverändert; in den folgenden 3G Stun¬
den sank der Harnstoffgehalt des Schweisses, während der des
Urins stieg. Verfasser glaubt, dass während der Muskelarbeit
Eiweiss zerfällt und dass der hierdurch gebildete Harnstoff zuerst
durch den Schweiss, an den folgenden Tagen auch durch den Urin
ausgeschieden wird.
W. Murray; Ein Fall von durch Antitoxin geheiltem
Tetanus. (Brit. Med. Journ., 3. März.)
Der 10 jährige Knabe hatte sich eine unbedeutende Verletzung
des Fusses zugezogen und erkrankte 0 Tage später an sehr heftigem
Tetanus. Verfasser sah ihn 9 Tage nach der Verletzung und fand
Starrheit aller Muskeln mit heftigen und sehr häufigen Krampf¬
anfällen, die bei der geringsten Berührung auftraten. Unfähigkeit,
den Mund zu öffnen uud starker Opisthotonus. Die Wunde wurde
exeidirt und man spritzte 10 ccm Antitoxin ein. Am folgenden
Tage blieben die Krämpfe aus, doch bestand die Rigidität weiter,
da der Kranke nicht schlucken konnte, wurde keine Nahrung auf-
genonimen. Es wurden wieder 10 ccm Antitoxin eingespritzt und
unter Chloroformnarkose gelang die Ernährung durch die Nase.
Am folgenden Tage war eine merkliche Besserung vorhanden, der
Kranke konnte schlucken; von nun an wurde er täglich besser,
doch erhielt er im Ganzen 9 Einspritzungen von je 10 ccm. Die
Einspritzungen wurden stets in der Narkose vorgenommen. 2 Tage
nach jeder Einspritzung erschien ein erythematöser Ausschlag, der
von der Stichstelle ausging und allmählich verschwand. Es ist
noch zu bemerken, dass vom 3. Tage an Chloral gegeben wurde.
Die Temperatur war während der ganzen Krankheitsdauer sub¬
normal, der Puls betrug 80—100. Die Rigidität bestand noch lange
nachdem der Kranke schon wieder ziemlich wohl schien. Verfasser
glaubt die Heilung auf die Antitoxiubehandlung schieben zu
müssen.
W. D y s o n : Ein Fall von traumatischem Tetanus, der
geheilt wurde. (Lancet, 24. Februar.)
15 jähriges Mädchen erkrankte nach 12 tägiger Incubation an
schwerem Tetanus mit Trismus und Opisthotonus. Es wurde erst
17 Tage nach der Verletzung in das Hospital auf genommen, wo
man die Wunde excidirte und die Kranke mit grossen Dosen von
Chloral und Bromkali behandelte. Nach einer Woche besserte sich
der Zustand und die Kranke genas. (Hätte man in diesem Falle
Antitoxin eingespritzt, so wäre die Heilung sicherlich diesem Ver¬
fahren zugeschrieben worden. Ref.)
Fr. Evelyn Place: Die Behandlung des Tetanus der Pferde
mit grossen Dosen von Carbol. (lbid.)
Verfasser, ein Veterinär ln Bombay, hat seit 2 Jahren zahl¬
reiche Pferde, die an Tetanus erkrankt waren, mit Carboleinspritz¬
ungen behandelt und gehellt. Er injicirt während der ersten
32 Stunden 2 stündlich 4,0 der officinellen Cnrbolsäurelösung am
Halse und den Schultern. Später werden die Einspritzungen
seltener gemacht. Als Nebenwirkung beobachtet mau das Auf¬
treten einer starken Schwellung am Urte der Einspritzung. Die¬
selbe verschwindet erst allmählich während der Reconvalescenz
und hinterlässt, wenn sie während des Höhepunktes der Erkran¬
kung gemacht wurde, keinerlei Spuren. Macht inan sic dagegen
im Stadium des Abfalls, so tritt oft starker Haarausfall am Oru*
der Einspritzung auf. Verfasser hat bis zu 144 g in 84 Stunden
verbraucht und das kranke Pferd, einen 14 jährigen Araber, ge¬
heilt; niemals hat er in einem erfolgreichen Fall weniger als (14 g
verbraucht, und er glaubt, dass die tetanuskranken Thiere ein«*
besondere Toleranz gegen die Carbolsäure haben, die ihnen sonst
in viel kleineren Dosen tüdtlich werden kann. Verfnsser erwähnt
noch, dass Dr. Hendcrson seine Behandlung mit dem besten
Erfolge beim Menschen angewendet hat. (Referent hat mehrfach
über Tetanusfälle und Pestfälle referirt sowie auch über Car-
bunkel, die nach dieser Weise behandelt und geheilt wurden.)
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
■
GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER.
--
Heilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift
Verla« von J. F. LEHMANN in München
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 443
R. T. W i 111 a m s o n : Verlust des Kniereflexes bei groben
Verletzungen des Lobus praefrontalis. (Glasgow. Med. Journ..
November 1899.)
Verfasser zeigt an Beispielen, dass bei Tumoren und Abseesseu
des Lobus praefrontalis die Kniereflexe zuweilen ebenso wie bei
Kleinhirntumoren fehlen, ohne dass man irgend einen anderen
Grund für diesen Verlust auffinden könnte. (Äehnliche Fälle sind
1890 im Brain veröffentlieht worden.) Bei den Tumoren oder Ab-
seessen anderer Himabschnitte wird Fehlen der Kniereflexe
äusserst selten beobachtet, so bei 30 Tumoren der Rolandsgegend
nur einmal und in diesem Falle war die Geschwulst sehr gross und
hatte die Basalganglien ergriffen. Häufig ist bei Geschwülsten der
Rolandsgegend der Kniereflex auf der dem Tumor gegenüber¬
liegenden Seite verstärkt.
A. Symons E c c 1 e s : Die Frühsymptome des Brust&neu-
rysmas. (West Lond. Medic. Journ.. Januar 1900.)
Bel 4 näher beschriebenen Fällen gaben die intelligenten Pa¬
tienten an, dass sie schon viele Jahre vor der Diagnose Aneurysma
Schmerzen in der linken und noch häufiger in der rechten oberen
Extremität verspürt hatten, die nach Anstrengungen jeder Art sich
verschlimmert hatten. Dazu kam ein Gefühl von Schwindel und
Schwäche, sobald die Kranken den Kopf zurückbogeu (was E c -
des auf die dadurch vermehrte Spannung der Blutgefässe zu¬
rückfühlt) und ein unbestimmtes Angstgefühl, das z. B. einen der
Kranken, einen Arzt, hinderte, Im Wagen zu fahren, ein anderer
Herr wagte es nicht mehr, die Eisenbahn zu benutzen. Alle diese
Symptome wurden zu einer Zeit beobachtet, wo die Patienten und
ihre Aerzte noch gar nicht an ein Aneurysma dachten.
Arthur J. Hall: Dermatitis herpetiformis (Hydroa gesta¬
tionis). (Quarterly Medic. Journ., Nov. 1899.)
Die interessante Arbeit bringt die genaue Krankengeschichte
einer 40 jährigen Frau, die bei 7 Schwangerschaften an dieser
seltenen, durch vorzügliche Abbildungen illustrirten Krankheit litt,
ohne in ihrem Allgemeinzustand dadurch zu leiden. Da Patientin
im Ganzen 13 mal gebar, so blieb sie bei fast der Hälfte ihrer
Schwangerschaften frei von Ausschlag. Das Hauptkennzeichen
des Ausschlages sind seine Schmerzhaftigkeit, die schon vor dem
Entstehen d^r Eruption bemerkt wird und anhält, bis etwa ge¬
bildete Blasen platzen. Der Ausschlag hat einen vielseitigen Cha¬
rakter; neben den sehr auffallenden grossen Bullae bemerkt man
zahlreiche, unregelmässig vertheilte Haufen von kleinen Vesiculae.
Daneben finden sich Flecke von erythematösem Aussehen, die nach
ihrem Abheilen stark pigmentirt sind und namentlich am Bauche
Vorkommen, hier findet man auch Papeln. Der Ausschlag ist sehr
recidivirend und zwar tritt er häufig während jeder neuen
Schwangerschaft und nach jeder Entbindung auf; ausserdem treten
auch längere Zeit hindurch Nachschübe au vorher ergriffenen oder
bisher freigebliebenen Körpertheilen auf. In den Zwischenräumen
zwischen den Schwangerschaften verschwindet der Ausschlag, der
während seiner Anwesenheit mehr oder weniger symmetrisch ist.
Die Bläschen, wie auch die grossen Blasen haben die Tendenz, In
Gruppen zusammen vorzukommen, doch findet man auch verein¬
zelte, dann meist sehr grosse Blasen. Die Behandlung besteht in
Bettruhe, guter Ernährung und Fernhaltung jeden Reizes, jede
locale oder allgemeine Therapie bleibt erfolglos, wenn auch von
manchen Seiten dem Arsenik ein gewisser Nutzen nachgerühmt
wird.
J. M. Anders: öallensteincrepitus als ein diagnostisches
Merkmal. (Internat. Med. Magaz., Deeember 1899.)
Verfasser gibt die Krankengeschichten von 3 Fällen, in denen
er beim Palpiren deutlich die Gallensteine aneinander reiben und
dieses Reibegeräusch auch mit dem Hörrohr feststellen konnte.
Die Untersuchung wird am Besten in der Rückenlage mit ange¬
zogenen Beinen vorgenommen, indem man versucht, mit den
Fingerspitzen den Fundus der Gallenblase zu umgreifen und nach
oben zu schieben. (Referenten gelang dies unter zahlreichen,
später operirten Fällen nur einmal und zwar in einem mit Gallen-
blasencarcinom complicirten Falle von Cholelithiasis, das Geräusch
war aber äusserst deutlich.)
T. G. M a c L a g a n und Fr. T r e v e s : Gallensteinbeschwer¬
den, vorgetäuscht durch Wanderniere. (Lancet, 6. Januar.)
Die Verfasser geben mehrere genaue Krankengeschichten,
welche zeigen, dass die Anfälle, welche von Ikterus begleitet waren,
allerdings w'ohl kaum für etwas anderes als für Gallensteinkoliken
gehalten werden konnten. Bei der Operation fand man aber jedes¬
mal eine allerdings prall gefüllte Blase, aber keine Steine im
Gallensystem; dagegen liess sich jedesmal feststellen, dass die
rechte, sehr bewegliche Niere den Ductus eysticus comprimirte.
Nephropexie brachte dann auch in jedem Fall Heilung.
G. A. Sutherland: Ueber die Differentialdiagnose zwi¬
schen Mongolismus und Kretinismus der Säuglinge. (Lancet,
6. Januar 1900.)
Unter Mongolismus versteht Verfasser mit Langdon-
D o w n eine Form des Blödsinns, die in Irrenhäusern gar nicht
selten angetroffen wird und die in England jedenfalls viel häufiger
ist, als der spontane Kretinismus. Der Name kommt von gewissen
Eigenthümlichkeiten der Schädelbildung, die dem Gesicht etwas
Mongolisches geben, ln beiden Störungen findet man Zurück¬
bleiben der geistigen und körperlichen Entwicklung, geringe
Lebensfähigkeit, subnormale Temperatur und grosse Empfindlich¬
keit gegen Kälte. Die Zunge ist massig und steht aus dem Munde
hervor, der Nasenrücken scheint eingefallen, die Fissurae pal-
pebrales sind auffallend klein, der Bauch Ist dick und oft findet
sich eine Nabelhernie; der Stuhlgang Ist oft verstopft, die Fonta¬
nelle schliesst sich spät und die Zähne brechen spät durch, sind
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schlecht entwickelt und gehen rasch wieder zu Grunde; die Sprache
ist sehr schlecht ausgebildet, meist werden nur thierische Laute
ausgestossen. Schliesslich besteht grosse Muskelschwäche, ohne
ausgesprochene Lähmung. Betrachtet irran nun die Unterschiede
zwischen Kretinismus und Mongolismus, so treten beim Kretinis¬
mus die charakteristischen Symptome selten vor dem (>. Lebeus-
mouat auf, während der Mongolismus sie schön bei der Geburt
zeigt. Die Kretins sind äusserst passive, mürrische Kinder, die an
Nichts Interesse zeigen und meist mit ausdruckslosem, kröten¬
gleichem Gesicht daliegen, ohne sich zu bewegen. Die Mongolisten
dagegen sind lebhafte Kinder, mit stets lachendem, oft Grimassen
schneidendem Gesichte, die zwar scheu sind, aber doch Antheil
nehmen, beobachten und nachahmen. Bei den Kretins ist die
Haut geschwollen, trocken und von Schuppen besetzt. Der Hals
ist fettreich, das Haar grob und spärlich, alle diese Zeichen fehlen
den Mongolisten, die dafür eine sehr typische Schädelbildung auf¬
weisen, ihr Kopf ist von vorne nach hinten abgeplattet, brachy-
cephalisch, ihre Lidspalte i s t schmal und schrägestellt, die Lider
sind nicht geschwollen, der Epicantlms ist markirt. bei den Kretins
scheint die Lidspalte schmal, weil die Lider geschwollen sind,
der Epicautlius fehlt. Die Zunge ist bei beiden gross und vor¬
stehend, bei den Kretins auch geschwollen wie auch ihre Lippen
unbeweglich, geschwollen und evertirt sind, während die der
anderen Kinder beweglich und aufwärts gezogen sind. Die Kretins
haben Finger, deren relative Grösse normal ist. während bei den
anderen der kleine Finger und der Daumen auffallend kurz sWd;
bei ihnen sind im Gegensätze zu den Kretins congenitale Herz-
erkrankungen sehr häufig. Da ihre Schilddrüse normal ist, so
bringt Tliyreoidbehandlung, die bei den Kretins von grösstem
Nutzen ist, ihnen keine Besserung. Die Differentialdiagnose ist
bei genauer Beachtung des Gesagten leicht, am meisten bezeich¬
nend ist das lethargische, bewegungslose Dahindämmern des
Kretins.
Hugli Kerr: Recidivirendes Irresein. (Glasgow Medical
Journal, Deeember 1899.)
Verf. benutzte zu dieser Studie 450 nach einander in seine An¬
stalt aufgenommene Fälle. Von 200 Männern waren 39, von 250
Frauen 50 (19,5 resp. 20 Proc.) wegen recidivirenden Irreseins auf¬
genommen worden. Zieht man von den 450 noch die unheilbaren
Fälle wie Dementia paralytiea, epileptischer Blödsinn etc. ab, so
bleiben 405, von denen 89 zum wiederholten Male aufgeuommeu
wurden; zieht man noch die congenitalen Fälle ab, so findet man.
dass von 327 an heilbaren Formen des Irreseins Leidenden 89 schon
öfters in einer Anstalt gewesen waren. Meist handelte es sich um
Leute des mittleren Lebensalters, bei denen erbliche Belastung,
Alkoholismus und Influenza eine aetiologische Rolle gespielt zu
haben schienen. Von den 89 Kranken litten die meisten an Manie
oder an Selbstmordgedanken; Hallucinationen des Gesichtes und
Gehörs waren sehr häufig: in den zur Heilung kommenden Fällen
verschwanden sie bald. Die Prognose dieser recidivirenden Fälle
ist gut, von den 89 Fällen Jes Verfassers genasen 71.8 Proc. der
Männer und 62 Proc. der Frauen; bei letzteren wird die Prognose
schlechter, so bald sich die Kranken den Wechseljahren nähern.
J. P. zum Busch - London.
Vereins- und Congressberichte.
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte.
V. Sitzung zu Köln am 3. X^e c e m b e r 1899.
Herr H o p m a n n: Vorstellung eines wegen Nasenrachen-
flbrom operirten Patienten. (Im Bericht der IV. Sitzung be¬
schrieben und diese Wochenschrift No. 36.) Patient, der am
21. März operirt worden war, zeigte Ende Mai an der rechten
Choane ein Recidiv, welches nach derselben Methode beseitigt
■wurde, wie die Hauptgeschwulst. (Die entfernten Tumorstücke
wurden vorgezeigt.) Seitdem hat sich an keiner Stelle neues Nach¬
wachsen gezeigt, wie durch genaue Untersuchungen im August
lind heute nochmals festgestellt wmrde. Das Gewicht des Knaben
hat sich seitdem um 4 kg vermehrt, indem es von 26 kg im Juni
auf 30 kg heute gestiegen ist.
Herr Moses: Vorstellung eines Falles von Sarkom der
Tonsille.
Der gemeinsam mit Dr. Albershelm - Köln von mir be¬
obachtete Patieut ist ein kräftiger junger Mann von 27 Jahren,
angeblich nie ernstlich krank gewesen und nicht hereditär be¬
lastet. Als derselbe sich zuerst vor ca. y 2 Jahr vorstellte, klagte
er über leichte Schluckbeschw erden der linken Seite; bei der Unter¬
suchung zeigte sich die Oberfläche der linken Tonsille leicht
ulcerirt, auch der Rand des Gaumenbogens ulcerirt und granu-
lirend. Keine Drüsensclrwellung. alle übrigen Organe gesund.
Wenngleich Lues negirt wurde (Pat. Ist verheirathet und Vater
eines gesunden Kindes), w r urde Jodkali verordnet, worauf die Er¬
scheinungen wesentlich zurückgingen.
Patient wurde nun in’s Asyl aufgenommen und einer
Inunctionscur unterivorfen. es wurde ein Stück der Tonsille ex-
stirpirt, doch zeigte der mikroskopische Befund nur Grauulations-
gewebe. Da das Befinden sich wesentlich besserte, auch das
Ulcus auf der Tonsille bedeutend zurückging und die Schluck-
besetnverden abnahmen, entzog sich Pat. für längere Zeit der Be¬
handlung und ging seinem Beruf wieder nach.
Als Pat. sich wieder einstellte, hatte das Bild sich wesentlich
geändert; der Tumor hatte sich bedeutend vergrössert, war un¬
regelmässig zerklüftet und zeigte graugelbliche Partien, der
Gaumenbogen war verdickt, speckig, stark ulcerirt, die ganze linke
Original frorri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
Gaumeuliillfte derb inflltrirt; an der Unken Halsseite mächtige
Drüsentumoren, die sich vom Processus mastoideus bis zum
Sternum erstreckten; weitere Drüsensehwellungen waren nicht
zu constatiren; ein mikroskopisch untersuchtes Stück der Tonsille
ergab das typische Bild eines Rundzellensarkoms.
Pat. klagte über starke Schluckbeschwerden; Körpergewicht
und Allgemeinbefinden waren nicht wesentlich verändert.
Da der Fall (auch nach Ansicht eines Chirurgen) inoperabel
erschien, wandten wir Arsenik an: der Erfolg war Anfangs
evident: das nekrotische Gewebe stiess sich ab, die ulcerirte
Obertläche reinigte sich, auch die Schluckbeschwerden wurden
etwas geringer; auf die Drüsenschwellung hatte das Arsenik
keinen Einfluss, auch längere Zeit angewandte Injectionen von
25 proc. Jodipinlösung blieben ohne Erfolg.
Zur Zeit ist der Zustand des Patienten wesentlich ungünstiger;
die Kräfte haben abgenommen; Arsenik wird nicht mehr ver¬
tragen; die Nekrose ist nach oben und unten rapid vorgeschritten,
die Infiltration erstreckt sich bereits über die linke Hälfte des
barten Gaumens; auffallender Weise ist der Drüsentumor er¬
heblich weicher geworden, ohne dass irgendwo Fluctuation zu
consta tiren ist.
Herr Röpke: Casuistische Beiträge zur Schwierigkeit
der Diagnose endokranieller otogener Erkrankungen. (Der
Vortrag ist in No. 10, S. 319 dieser Wochenschrift abgedruckt.)
^ Dlscussion: Herr Reinhard- Duisburg stimmt den
Ausführungen Röpke’s vollkommen bei. Schon Schwa rtze
hat vor mehr als 10 Jahren darauf hingewiesen, dass bei den
otogenen Hirnerkrankuugen die Schwierigkeit In der Diagnose
liege. Reinhard ist der Meinung, dass man sich von event.
Misserfolgen in der Diagnose otogener Gehirnerkrankungen, wie
sie auch ihm und wohl Jedem Ohrenarzte nicht erspart bleiben,
nicht abschrecken lassen soll, auch weiterhin chirurgisch vorzu¬
gehen. Wenn nach ^iner Aufmelsselung des Warzenfortsatzes das
Fieber nicht weicht, so ist nach den heutigen Anschauungen der
Ohrenarzt verpflichtet, die weitere Umgebung des Ohres nach einer
Ursache für das bestehende resp. neu auftretende Fieber zu unter¬
suchen und wenn auch nur zu diagnostischen Zwecken, eine event.
Nachoperation, sei es den Erscheinungen gemäss eine Sinus¬
freilegung oder Punction des Schläfelappens oder des Kleinhirnes,
nicht lange aufzuschieben.
Herr Schneider: Demonstrationen:
a) Galvanokaustischer Universalgriff mit bei der Verwen¬
dung als Schlingenschnürer sich selbstthätig einschaltendem
Rheostat, so dass Verbrennen resp. Zerreissen der Schlinge bei
deren Verkleinerung verhindert wird, In 2 Typen.
b) Durch Glühhitze sterilisirbare Brenner, Polnadeln,
Schlingenführer etc. nur aus Metall und Glas bestehend.
c) Vereinfachte kalte Schlinge.
Der galvanokaustische Universalgriff mit selbstthätig ein¬
schaltendem Rheostat ist wie die meisten modernen galvano¬
kaustischen Universalgriffe eine Anlehnung an den bekannten
Schlingenführer von Hartmann und Krause. Die zwei Ringe
für Zeigefinger und Mittelfinger befinden sich oben und unten am
Schieber, ebenso der Contact, letzterer wird vom Goldfinger bedient,
der dritte Ring beweglich am unteren Ende. Um das hölzerne
cylindrlsche Mittelstück ist ein Rheostat in Spiralform gewickelt,
auf dem das röhrenförmige Schieberstück schleift. Der Schieber
wird in seiner Bewegung gesichert durch eine seitlich liegende
Gleitstange. Wird de» Griff als einfacher Contragriff benützt, so
wird durch Feststellung des Schiebers an einem beliebigen Punkte
der Gleitstange diese selbst eingeschaltet, der Rheostat Ist neben¬
geschaltet und also ausser Thätigkeit. Löst man aber den Schieber,
so ist die Leitung durch die Gleitstange aufgehoben und der Strom
wird gezwungen, den Rheostaten zu passiren. Die Stahl- resp.
Platinschlinge, mit der der Schlingenführer armirt ist, bleibt vom
Anfang bis zum Ende in gleicher Gluth. Die Rheostaten sind
eventuell auswechselbar.
Der Umstand, dass die galvanokaustische Schlinge das Gewebe
eigentlich gegen Ende hin weniger durchschneidet als durch¬
quetscht, und dass dann die Schlinge häufig wegen der dabei an¬
gewendeten Kraft durchreisst, führte zur Veränderung der galvano¬
kaustischen Schlingenführer in der Weise, dass derselbe sich mehr
der kalten Schlinge anlehnt, auch als solche verwendet werden
kann. Die moderne kalte Schlinge stellt in ihrer Endwirkuug, wo
die Schlinge in der Röhre verschwindet, eine modificirte Scheere
dar, welche aus einer Mittelbranche, der Drahtschlinge und
zwei in einander zusammenlaufenden Seitenbranchen der
Röhre besteht, auf welch’ letzterer dann das Gewebe, ganz analog,
wie von einer Scheere durchschnitten wird. Durch geeignete
Anbringung der übereinander stehenden Rohröffnungen des gal¬
vanokaustischen Schlingenführers innerhalb einer einseitig offenen
Röhre, die in geeigneter Weise isolirt ist, wird die Scheerenwirkung,
genau wie bei der kalten Schlinge, durch Vorsinken der Schlinge
in der Halbröhre und Durchschneiden auf den Seitenbranchen er¬
reicht, andererseits dadurch, dass der Draht (wegen des Ueber-
einanderstehens der Röhre) etwas länger bleibt, das Durchbreunen
verhindert.
Die lästige Reibung der Drähte der kalten Schlinge in der
Röhre führte bereits zu verschiedenen Aenderungen, speciell hat
man das kleinere Schlingenende in geeigneter Weise an einen
dickeren Führungsdraht mit einer Oese angehakt (Krause). Dies
Verfahren ist nicht durchaus sicher, da sehr häufig die Häkchen
ausreissen, die Oese bricht oder andere verschiedene Störungen auf-
treten.
Meine kalte Schlinge besteht aus einem soliden Schlingen¬
führer aus massivem, starkem Draht in Stärke der verwendeten
Schlingenröhre, an dem seitlich an geeigneten Punkten ein paar
Oesen angebracht sind, durch die der Schlingendraht geleitet wird.
Der Schlingenführer ist an der Spitze konisch gefeilt und an der
Seite abgeplattet. Auf diese Spitze wird ein Stück Schlingenrohr
von beiläufig 3—3y 2 cm Länge gesteckt, wodurch die Schlinge durch-
geführt ist. Die Reibung wird dadurch auf ein Minimum be¬
schränkt, die Schlinge kann nach dem Gebrauch sehr leicht wieder
entfaltet werden, wenn durchgerissen, rasch erneuert. dem
Schlingenführer kann Jede Form und Länge, unbeschadet der
Wirkung, gegeben werden.
Die sterilisirbaren Brenner werden in 2 Typen angefertigt.
Alle bestehen ausschliesslich aus Metall und Glas. Das Glas als
Isolirmaterial ist durch Metall gedeckt und einerseits gegen Zer¬
störung geschützt, andererseits wird durch das Deckmetall die Ver¬
bindung der Schenkel untereinander bewirkt Dieses Deckmaterial
besteht bei dem einen Typus aus Löthzinn, bei dem anderen aus
Silberloth und Kupferdraht. Während der erstere Typus wie alle
anderen Instrumente aus Glas und Zinn durch Auskochen etc.
sterilisirt werden kann, gestattet der Typus 2 die Sterilisation durch
Ausglühen in der Stichflamme. Die äussere Form entspricht allen
Anforderungen; an Zierlichkeit und Festigkeit Übertreffen die¬
selben sogar die früheren, nicht sterilisirbaren Modelle.
Dasselbe gilt mutatis mutandis von den sterilisirbaren
Schlingenführern etc.
Herr Hirschmann: a) Entfernung eines Korallen knöpf es
aus der Paukenhöhle nach Ablösung der Ohrmuschel und Ab*
meisselung der hinteren Gehörgangswand.
Eine junge Frau hatte sich beim Waschen den an einem Ohrringe
befestigten und locker gewordenen Korallenknopf v.c.4mm Durch¬
messer, den ich Ihnen hier mitgebracht habe, in das 1. Ohr hineinbe¬
fördert; der Modus, wie sie das zu Stande gebracht, war ihr selbst
nicht ganz klar. Sie lief in ihrer Aufregung zu dem in ihrer Nähe
wohnenden Hausarzte, dem es aber trotz mehrfacher Versuche nicht
gelang, den Fremdkörper zu entfernen, so dass er sich veranlasst
sah, die Patientin mir zu überweisen. Ich constatirte folgenden Be¬
fund: Aus dem linken Ohre sickert blutig gefärbte, seröse Flüssig¬
keit; die Haut des Gehörganges ist an einzelnen Stellen excoriirt.
Nach Abtupfen des Blutes ist in der Tiefe ein röthlicher Fremd¬
körper zu sehen, der sich bei der Berührung steinhart anfühlt.
Derselbe ist so festgekeilt, dass weder mit einer vorsichtig ein¬
geführten Sonde, noch mit dem von Hartmann für Entfernung
von Fremdkörpern aus dem Meatus empfohlenen Hebel auch nur
die geringste Verschiebung aus seiner Lage möglich ist. Obwohl
der Fremdkörper, hinter der Ebene des Trommelfells liegend, in
den hinteren unteren Abschnitt der Paukenhöhle hineingezwängt
ist und somit nach vom und oben eine schmale Zone des Gehör-
ganglumen freilässt, sind doch Details vom Trommelfell oder von
der Paukenhöhle nicht zu erkennen. Unter diesen Umständen
erwies sich jeder Versuch, den Fremdkörper per vias naturales
zu entfernen, als erfolglos; und ich stand auch sehr bald davon ab,
um nicht noch eine stärkere Reizung der verletzten Theile herbei¬
zuführen. Ich war nun vor die Alternative gestellt, entweder abzu¬
warten, in der Hoffnung, dass vielleicht in der Zukunft günstigere
Bedingungen zur Extraction des Fremdkörpers eintreten würden,
oder auf operativem Wege durch Ablösung der Ohrmuschel etc. die
Entfernung zu erwirken. Ich entschied mich für das Letztere
und zwar aus zwei Gründen: erstens war bei der Natur des Fremd¬
körpers eine Verkleinerung desselben ln der Folge ausgeschlossen,
so dass also eine Verbesserung der Chance für die Entfernung
durch den Gehörgang höchstens in der Abschwellung der lädirten
Theile lag, eine Hoffnung, die bei der festen Einkeilung des Fremd¬
körpers in die von knöchernen Wänden umschlossene Paukenhöhle
wenig bedeutete. Und zweitens Hess der Sitz des Fremdkörpers
in der Paukenhöhle zum mindesten den Eintritt einer heftigen,
jedenfalls eiterigen Entzündung des Mittelohrs erwarten, wobei
das Auftreten gefahrdrohender Symptome durch Weitergreifen
der Entzündung auf die Nachbarschaft durchaus nicht auszu-
schliessen war. Es konnte also in der Zukunft die Operation doch
nothwendig werden; und dann war, unter dem Zwange der ge¬
schilderten Eventualität, die Prognose derselben zweifellos un¬
günstiger, als in dem frischen Zustande der Verletzung. Da sehr
bald heftige Schmerzen folgten, willigte die Patientin ohne Wider¬
streben in den Vorschlag ein. Die Operation, welche ich mit
Hilfe des Collegen, selbstverständlich ln Narkose, vornahm, ge¬
staltete sich folgendermaassen: Nach Ausführung des für die
Aufmeisselung überhaupt üblichen bogenförmigen Schnittes am
Ansatz der Ohrmuschel und Abhebelung des Periostes wird der
häutige Gehörgangsschlauch aus seiner Verbindung mit dem
Knochen gelöst und möglichst weit innen, also etwa dicht vor dem
Uebergang in das hier nicht mehr vorhandene Trommelfell cir¬
cular durchschnitten. Sobald jetzt die Ohrmuschel sammt
häutigem Geliörgange nach vorne geklappt und das Lumen des
knöchernen Gehörganges durch Abtupfen des Blutes freigelegt Ist.
wird die Koralle mit einem grossen Theile ihrer Oberfläche sicht¬
bar; indess dieselbe ist so fest in die Paukenhöhle eingeklemmt,
dass sie sich nicht aus ihrer Lage bringen lässt. Erst nachdem ein
Theil der hinteren Gehörgangs wand abgemeisselt und es so mög¬
lich geworden ist, ein stumpfes Häkchen von oben her hinter den
Fremdkörper einzuführen, lässt sich derselbe aus seiner festen
Einkeilung befreien und nach aussen rollen. Nach genauer Re¬
position des häutigen Gehörganges in seine ursprüngliche Lage
wird die Hautwunde hinter der Ohrmuschel vernäht, und nach
Tamponade des Gehörganges der Verband angelegt. Die Heilung
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27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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ging glatt von Statten. Bei dem am 6. Tage nach der Operation
vorgenommeuen ersten Verbandwechsel war die vernähte Wunde
bereits per primam verschlossen und der häutige Meatus hatte sich
gut angelegt. In einem Zeitraum von im Ganzen ungefähr
5 Wochen war die annuläre Gehörgangs wunde epidermisirt, der
Gehörgang hatte sein früheres weites Lumen, an Stelle des
Trommelfells hatte sich eine neue bindegewebige Membran ge¬
bildet, die wie ein Ersatztrommelfell das Mittelohr nach aussen
völlig abschloss, und es war ein Rest von Hörvermögen zurück¬
geblieben, der in Anbetracht des Vorauf gegangenen nicht unbe¬
deutend war: Die Flüstersprache wurde bis auf eine Entfernung
voü etwa 2—3 Fuss verstanden. Diese Verminderung der Func¬
tion und die schmale strichförmige Narbe hinter der Ohrmuschel
erinnern noch an die stattgehabte Verletzung.
Aus Anlass des vorgetragenen Falles habe ich die mir zu
Gebote stehende Literatur durchgesehen und gefunden, dass die
Zahl der Veröffentlichungen über die Operation gleichartiger Fälle
eine relativ spärliche ist. Indess, ob daraus der Schluss gezogen
werden darf, dass auch die Zahl der vorgenommenen Operationen
eine kleine ist, wage ich nicht zu entscheiden; vielleicht wird die
heutige Discussion einen Aufschluss darüber gewinnen lassen.
In den gebräuchlichen Lehrbüchern wird die in Rede stehende
Operation als sehr lange bekannt hingestellt und auf Paul von
Aegina (660) zurückgeführt; indess ist das operative Verfahren,
welches dieser sowie andere ältere Aerzte zur Entfernung von fest
im Ohr eingekeilten Fremdkörpern empfohlen haben, meines Er¬
achtens keineswegs mit dem unsrigen identisch, sondern es handelt
sich dabei jedenfalls nur um den halbmondförmigen Einschnitt ln
den knorpeligen Gehörgang dicht hinter dem Ansatz der Ohr¬
muschel, um so auf kürzerem Wege und unter besserer Beleuch¬
tung an den Fremdkörper zu gelangen. Die ersten hierher zu rech¬
nenden Operationsfälle stammen aus den siebziger Jahren von
Schwärt ze 1 ), dessen Vorgehen allerdings sich immerhin noch
wesentlich von dem heutigen unterscheidet; denn nach seiner Be¬
schreibung hebelte er den häutigen Gehörgang nicht vollständig
aus seiner knöchernen Umgebung heraus, sondern er trennte den
knorpeligen Gehörgang möglichst nahe an seiner Verbindung mit
dem knöchernen Theil bis auf die vordere Wand durch, also diese
letztere sollte offenbar geschont werden; und zweitens rieth
Schwartze von einer partiellen Abnieisselung der knöchernen
hinteren Gehörgangswand aus Furcht vor danach zurückbleibenden
narbigen Stenosen des Gehörganges dringend ab. In dieselbe Zeit
fällt ein von Langenbeck 2 ) operirter Fall, bei welchem im
Gegensatz zu den oben erwähnten ersten Schwartz e’scheu
Fällen die Heilung per primam intentionem erfolgte. Aus (1er
Literatur der letzten 10 Jahre, soweit mir dieselbe zur Verfügung
stand, konnte ich 15 einschlägige Publicationen zusammenstellen.
In der Mehrzahl derselben gleicht die Beschreibung der Ausführung
der im vorliegenden Falle. Die heutige Methode unterscheidet sich
von der von Schwartze angegebenen dadurch, dass der häutige
Gehörgang am weitesten nach innen und circu-,
1 ä r, also ohne Schonung der vorderen Wand durchtrennt
wild, und dass zweitens, fals es zur Befreiung des fest¬
gekeilten Fremdkörpers nöthig erscheint, eine Abmeis-
s e 1 u n g der knöchernen hinteren Gehörgangswand
ohne Sehen vorgenommen wird. Eine bei der Vernarbung
zurück bleibende Stenose haben wir nicht zu befürchten, ein Um¬
stand, der nach Stackes 3 ) Ansicht der peinlichen Durchführung
der Asepsis zuzuschreiben ist. Stacke betrachtet die Ablösung
der Ohrmuschel mit Auslösung des häutigen Gehörganges, die je
die typische Voroperation für die sogen. Radic-aloperation bildet,
als einen einfachen, harmlosen und ungefährlichen Eingriff. Und,
wie wir Alle wissen, mit Recht. Damit steht jedoch scheinbar im
Widerspruch die Prognose der in Rede stehenden Operation, wie
sie sich aus der Statistik ergibt. Unter den 15 Fällen, die ich aus
den letzten 30 Jahren sammeln konnte, hatten 4, also mehr als
25 Proc. einen letalen Ausgang, und zwar ist im Einzelnen als
Todesursache erwähnt in dem Falle von Schmiegelow 4 ), wo
der Fremdkörper ein Stein war, Tetanus, der am 0. Tage nach
der Operation zum Tode führte; in dem von Boecke 5 ), wo es sich
um ein Maiskorn handelte. Meningitis, die 14 Tage nach der
Operation den Exitus herbeiführte; in einem Falle von Voss“)
(Johannisbrodkern) Conm und Krämpfe, die nach 2 Tagen tödtlich
endeten und schliesslich in dem von B r ü hl 7 ) beschriebenen Fall
von eingedningenem Stein: Thrombophlebitis und pyaemisehe Pleu¬
ritis. Indess ist der ungünstige Ausgang in allen diesen Fällen
nicht der Operation, sondern den bereits vor der Operation ein¬
getretenen Veränderungen zur Last zu legen; denn es bestand in
*) Schwartze: Lehrbuch der chirurgischen Krankheiten
des Ohres.
*) Berl. klin. Wochensehr. 1876. 10. April, erwähnt von
Schwartze cf. 1.
*) Stacke: Die operative Freilegung der Mittelohrräume etc.
1897.
4 ) Sehmiegelow: Corns ötranger dans la cavitß tympa-
nique. Rev. d. lar. et ot. 1899. No. 5, referirt in Zeitschr. f.
Ohrenheilk. Bd. 26. pag. 223.
*) Boecke: Operative Entfernung eines in der Paukenhöhle
befindlichen Fremdkörpers. Sitzungsbericht d. Ges. d. Ungar.
Ohren- u. Kehlkopfärzte. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 28, pag. 141.
") Voss: Ueber Fremdkörper im Ohr etc. Petersb. med.
Wochenschr. No. 23, ref. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 28, S. 73.
*) Brühl: Ein Todesfall nach Fremdkörperextraction. Mon.
f. Ohr. No. 2, 1898, ref. Zeitschr. Bd. 33, S. 71.
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allen diesen Beobachtungen bereits ein eitriger Entzündungsprocess
im Mittelohr, welcher erst durch die damit in Zusammenhang
stehenden Gefahren zu der Operation gedrängt hatte. Es dürfte
wohl hier der Platz sein, die Iudication zu der uns hier be¬
schäftigenden Operation einer Besprechung zu unterziehen. Nicht
bloss in den erwähnten 4 tödtlich abgelaufenen Fällen, sondern in
der Mehrzahl der publicirten Beobachtungen hat ein bereits ein¬
getretener Entzündungsprocess, resp. die durch denselben bediugte
Gefahr eines Weitersehreitens auf den Schädelinhalt, die Iudication
für die Operation abgegeben. Damit in Uebereinstimmung em¬
pfehlen die gebräuchlichen Lehrbücher in den Fällen, in welchen
der Fremdkörper durch Spritzen oder durch instramentelle Maass¬
nahmen durch den Gehörgang nicht entfernt werden kann, zu¬
nächst ein exspectatives Verfahren. Erst wenn gefahrdrohende
Erscheinungen eintreten, die mit der bei Verweilen eines Fremd¬
körpers in der Paukenhöhle wohl ziemlich sicher zu erwartenden
Entzündung des Mittelohrs Zusammenhängen, sei die operative
Entfernung dringend indicirt. Es muss allerdings zugegeben wer¬
den, dass in manchen Fällen durch ruhiges Abwarten die Be¬
dingungen für die Entfernung eines in die Paukenhöhle hinein¬
gelangten Fremdkörpers mit der Zeit günstiger werden können
und zwar daun, wenn der Fremdkörper kraft seiner Beschaffen¬
heit einer Verkleinerung oder Schrumpfung fähig ist. Sind dann
im Laufe einiger Tage durch geeignetes ruhiges Verhalten des Ver¬
letzten die lädirten Theile des Gehörganges abgeschwollen, so kann
die unmittelbar nach der Verletzung unmögliche Entfernung per
vias naturales doch noch erfolgen. In Erinnerung bleibt mir nach
dieser Richtung ein Fall, in dem eine in das Ohr gelangte Kaffee¬
bohne durch Extractionsversuche halbirt, zur Hälfte entfernt und
zur anderen Hälfte in die Paukenhöhle hineinbefördert wurde;
mehrere Collegen hatten sich vergebliche Mühe gegeben, diese
Hälfte durch den Gehörgang zu entfernen, und so war, da in¬
zwischen sehr heftige Schmerzen und sonstige subjective Be¬
schwerden eingetreten waren, die operative Entfernung nach Ab¬
lösung der Ohrmuschel etc. bereits geplant. Dieselbe wurde je¬
doch unnöthig, da es mir, als mich Pat. etwa 14 Tage nach der
Verletzung consultirte, gelang, die in das Mittelohr gelangte
Hälfte mit der Curette zu entfernen, ein Instrument, das ich bei
dieser Gelegenheit für solche Fremdkörper, die eine derartige Con-
sistenz haben, dass ein Abgleiten durch theilweises Eindringen des
Instrumentes in die Substanz des Fremdkörpers unmöglich ist, wie
Bohnen, Erbsen, Maiskörner, warm empfehlen möchte. Das Trommel¬
fell heilte in diesem Falle vollkommen und auch die Function des Ohres
wurde eine recht gute. Ich bin überzeugt, dass Sie die gleichen Er¬
fahrungen nach dieser Hinsicht gemacht haben. Indess dürfte
ein solch’ günstiger Ausgang immer nur ein Zufall bleiben und
auch nur dann zu erwarten sein, wenn der Fremdkörper eine Ver¬
änderung seiner Form und Grösse eingelien kann. Aber selbst in
diesem Falle ist die Gefahr der doch wohl unfehlbar eintretenden
Mittelohrentzündung in der Zeit bis zur Entfernung nicht zu unter¬
schätzen, eine Gefahr, die um so grösser ist, als der Fremdkörper
eben durch seinen Sitz den Abfluss der Secrete nach aussen verlegt,
und so geradezu die Bedingungen für das Auftreten lebensgefähr¬
licher Complicatiouen geschaffen sind. Wird später die Operation
doch nothwendig, so sind die Chancen derselben nur schlechter ge¬
worden. Aus einer etwa primär vorgenommenen, prognostisch ab¬
solut günstigen Operation Ist, wenn sie secundär durch in¬
zwischen eingetretene lebensgefährliche Complicatiouen noth¬
wendig geworden, eine solche mit dubiöser Prognose geworden.
Demnach dürfte es meiner Ansicht nach keinem Zweifel unter¬
liegen, dass das vorher von mir umschriebene Gebiet der Indication
etwa dahin zu erweitern ist, dass, falls ein Fremdkörper, dessen
Natur eine Veränderung nach Form und Grösse nicht erwarten
lässt, in die Paukenhöhle gelaugt ist und per vias naturales nicht
entfernt werden kann, dessen sofortige Entfernung auf operativem
Wege angezeigt erscheint.
Im Anschluss daran möchte ich Ihnen noch kurz einen Fall
von Fremdkörper im Ohr mittheilen, der wohl als ein Unicum gelten
kann.
In dem Fläschchen, das ich hier herumgebe, sehen Sie eine
ganze Zahl von sogen. Kellerasseln in den verschiedensten Ent¬
wicklungsstufen. Diese habe ich einem Dienstmädchen vor einigen
Jahren aus dem Ohre entfernt. Dieselbe consultirte mich mit der
Klage, dass sie seit einiger Zeit ein unangenehmes Krabbeln im
linken Ohre verspüre. Ich war erstaunt, als ich bei der Unter¬
suchung 2 Kellerasseln im Meatus vorfand, die ich durch Aus¬
spritzen leicht entfernte. Um so mehr erstaunt war Ich, als die
Patientin am Nachmittag desselben Tages wieder bei mir erschien
und ich wiederum 2 solche Thierchen entfernen konnte. Mein Er¬
staunen wuchs aber immer mehr, als sich dieses Spiel 8 Tage lang
in der gleicher» Weise wiederholte. Bei jeder Untersuchung waren
2 oder auch 3 von diesen sauberen Gästen zu finden. Dabei war
das Trommelfell intact. Das einzige, was die Untersuchung ergab,
war eine hügelige und bei Berührung schmerzhafte Vorwölbung
an der unteren Gehörgangs wand, durch die der vor dem Trommel¬
fell gelegene buchtartige Sinus der Beobachtung entzogen war.
Mein erster Gedanke war natürlich, dass die Patientin, um sich
interessant zu machen, wie man Aehnliches ja bei Hysterischen
wiederholt beobachten kann, die Thierchen selbst in den Meatus
brachte. Indess abgesehen davon, dass die Person nach allem
Andern als nach einer Hysterica aussah, konnte ich diese Diagnose
nicht aufrecht erhalten, da ich nach bestimmter Art eingelegte
Tampons am nächsten Tage genau in gleicher Weise, wie ich sie
eingeftihrt wieder vorfand und dahinter den üblichen Logirbesuch.
Erst als ich eine Sublimatlösung in den Meatus einträufeln Hess,
Original fro-rri
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No. 13
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MUXOHKXKR MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
verschwanden die Kellerasseln auf Nimmerwiedersehen. Auf Be¬
fragen, wie der merkwürdige Spuck wohl */u erklären sei, gab die
Patientin an, dass sie längere Zeit vor der Beobachtung in einem
alten Schloss gedient halte, wo sie wiederholt aus einem Keller
Schutt in Körben, die sie auf der linken Schulter trug, an’s Tages¬
licht zu befördern hatte. Es ist nun auzunehmen, dass bei dieser
Gelegenheit eine von den Kellerasseln, die nach ihrer Angabe dort
in zahlloser Menge sich vorfanden, in den Meatus hineinkroch und
sich dort so häuslich einrichtete, dass sie ein Depöt von Nach¬
kommen begründete, die später dann in der geschilderten Weise
zum Vorschein kn men.
(Fortsetzung folgt.)
(Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere
Medicin zu Berlin siehe S. 448.)
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung v o in 6. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr D u n b a r. Schriftf.: Herr H ä r t i n g.
Herr E rieben demoustrirte Cystennieren eines Neu¬
geborenen. Die stecknadelkopfgrossen Cystchen fanden sich über
die ganze Oberfläche verstreut, wurden aber auch iu den tiefer ge¬
legenen Theilen der Rinde nicht vermisst. Eine Atrophie der papil¬
lären Ansführungsgänge war an zahlreichen mikroskopischen
Schnitten nicht zu erkennen; die Ursache der Cystenbildung bleibt
daher im vorliegenden Falle unerklärt. Im Uebrigen deckt sich der
Befund mit den zahlreichen Beschreibungen der verschiedenen
Autoren, welche über diesen Gegenstand gearbeitet. Die Cystchen
stellen c 1 reumscripte Erweiterungen schon vorhandener Hain-
canälehen dar und können an jeder Stelle ihres Verlaufes auf-
treten. Auch die Kapselräuine selbst können den Ort für die
Bildung solcher cystischer Erweiterungen abgeben, wie aus dem
Befunde eomprimirter. nach einzelnen Autoren noch injicirbarer
Glomeruli an der Wand der Cysten mit Sicherheit hervorgeht.
Die meisten der Cysten des vorliegenden Falles zeigen ein
abgeplattetes einfaches Epithel auf einer dünnen Tunica propria:
einige grössere Cysten zeigen noch Reste von Scheidewänden,
die ursprünglich zwei nebeneinander gelegenen Cysten angehörten,
durch den gegenseitigen Druck aber zum Schwund gebracht
wurden.
Der Inhalt solcher Nierencysten besteht aus einer Flüssigkeit,
die stets Harnbestandtheile enthält. Er kann durch Blutungen,
Vereiterungen. Eindicken, durch Resorption seine ursprüngliche
klare, wässerige Beschaffenheit einbüsseu. Meist ist er eiweiss¬
haltig.
Man nimmt allgemein an, dass die Cystennieren Erwachsener
aus solchen congenitalen Bildungen hervorgehen. Die Befunde,
welche man bei ihnen erheben kann, entsprechen durchaus den¬
jenigen der congenitalen Cystenniere bei Neugeborenen.
Herr W i e s i n g e r bemerkt, dass es sich in diesem demon-
strirten Falle um Cysten bei Neugeborenen handle; diese Cysten
sind doppelseitig. Es gibt aber auch Cystennieren bei Erwach¬
senen; diese sind meist einseitig und sehr oft mit Sarkom com-
binirt. Ein derartiger Fall ist in Berlin auf dem Ohirurgen-
cougress vorgestellt worden.
D i s e u s s i o n zu Herrn £ d 1 e f S e n’s Vortrag: Ueber
eine neue Harn- und Zuckerreaction.
Herr V n n a machte den Vortragenden nach Schluss der vorigen
Sitzung darauf aufmerksam, dass die Bacteriologen die Löslichkeit
des Mangansuperoxyd-Xiedersehlags in Oxalsäure wohl kannten,
da bald narb dem Bekannt werden der Lustgarte «'sehen
Methode, den Syphilisbacillus zu färben, A 1 v a r e z uud Tavel
sich der Modification bedient haben, die schweflige Säure darin
durch Oxalsäure zu ersetzen. Herr Edlefsen machte dann
brieflich Herrn Unna die Einwendung, dass bei seiner Harn-
probe es sich nicht um eine Reduction des Mangansuperoxyds
handle, sondern wahrscheinlich um eine Doppelsalzbildung der
Oxalsäure mit einem Alkali und Manganoxydui. Diese Möglichkeit
möchte U u n a nach daraufhin mit Herrn Dr. R u n g <■ angestellten
Versuchen bestreiten. Abgesehen davon, dass, ehe es zur Doppel-
snlzbildung kommt, das Mangansuperoxyd doch vorher zu Mangan-
oxydul reducirt sein muss, also im m er vorhergehend
e i n e lt e d u c t i o n concurrirt. sind die Doppelsalze des Mangans
in kochendem Wasser löslich, die zuckerhaltige braune Lösung in
der E d 1 e f s e n’schen Probe wird aber zersetzt beim Kochen:
es entsteht ein Niederschlag, der alles Mangan enthält und das
Filtrat ist manganfrei.
Ein zweiter Einwurf, den Herr E (liefst* n macht, ist wich¬
tiger, dass nämlich die Oxalsäure in alkalischer Lösung überhaupt
nicht oder nur äusserst langsam reducire. Das ist richtig: Keil¬
st e i n gibt an. dass bei sehr hohem Kalizusatz die Reduction auf¬
hört. Aber, wie sich F n n a überzeugt hat. ist sie bei relativ
nicht allzuhohem Kalizusatz für Kali hypermanganicmn immer
noch vorhanden, und wo sie nicht bis zur Stufe des Mnngnnsuper-
oxyd geht, finden wir doch wenigstens die unvollständige Reduc¬
tion zur grünen Lösung des mangansauren Kalis.
V n n a glaubt also den Schluss ziehen zu müssen, dass eine
R e d u c t i o n des Kali hyper m a n g anic u m durc li
Oxalsäure auch bei der E d 1 e f s e n’sehon Probe trotz des
Natronzusatzcs nicht absolut auszuschliessen sei, falls Oxalsäure
überhaupt als Oxydatiousproduct des Zuckers odi*r als normaler
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Bestandtheil des Harns in Betracht komme. Nothweiwlig sei die**
Annahme aber nicht. Herr Runge habe ihn darauf aufmerk¬
sam gemacht, dass die beobachteten Erscheinungen sich einfach
erklären Hessen unter der Annahme, dass sich bei der E d 1 e f s e
Probe ein Mangansaccharat bilde. Diese Verbindung (wie auch das
Eisensaccliarat) werde jetzt vou Dieterich und Helfen borg
im Grossen hergestellt. Dieses Mangansaccharat löst sich iu
kaltem Wasser zu einer braunen Flüssigkeit, die beim Kochen all
mählich alles Mangan flockig uusfalleu lässt, zeigt also dieselben
beiden Eigenschaften, wie der braune Körper in der E d 1 e f s e n -
sclien Harnprolie.
Herr Vogel glaubt nicht, dass es Oxalsäure ist, welche sich
hei der E d 1 e f s e n’schen Reaction aus dem Zucker bildet, da
eine ganze Reibe anderer Substanzen, vor Allem Glycerin, durch
Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung iu Oxalsäure über¬
geführt werden unter gleichzeitiger Ausscheidung von Mangan-
snperoxydliydrat. Ihm ist es wahrscheinlicher, dass der das Klar¬
bleiben der Lösungen bedingende, aus dem Zucker sich bildende
Körper Tartronsäure, oder eine dieser chemisch nahe stehend**
Verbindung sei. Es scheint jedenfalls festzustellen, dass bei der
Oxydation des Zuckers durch alkalische Kupferlösung in der
Hauptsache Tartronsäure entsteht, und Herr Edlefsen hat ja
bereits experimentell festgestellt, dass frisch gefälltes Mangan
superoxvdhydrat in den bei der T r o m m e r’sehen Probe erhal¬
tenen Filtraten, welche die Tartronsäure also enthalten, löslich ist.
Dass sich unter den bei der E d 1 e f s e n’schen Reaction vorliegen¬
den Bedingungen ein lösliches Mangansaccharat bilden kömn.
scheint mir bei der leichten Ox.vdirbarkeit des Traubenzucker-
einerseits und den starken oxydirenden Eigenschaften des IVr
manganats andererseits nicht möglich zu sein. — Ich habt* die Ein
Wirkung von Permpngnnat auf eine Reihe anderer von Trauben
zucker verschiedener Substanzen wie Harnsäure, Harnstoff. Gly¬
cerin. Aceton, Pepton unter den vou Edlefsen angegebenen
Bedingungen geprüft und stets Niederschläge, also negative Rc-
actionen erhalten. Aus den genannten Körpern könnte ein«» Sul»
stanz von der Zusammensetzung der Tartronsäure. von Glycerin
abgesehen, auch kaum entstehen, und wie ich vou Herrn E d -
1 e f s e n erfahren habe, hat er thatsächlicli zuweilen mit Glycerin
positive Roactionen erhalten.
Was die Empfindlichkeit der E d 1 e f s e n’schen Reaction an-
belangt. so scheint sie mit der N y 1 a n d e r’sehen etwa auf einer
Stufe zu stehen. .Jedenfalls konnte ich mit beiden Reacllonen noch
0,02 Proc. Zucker im Harn mit Sicherheit, erkennen. Dabei waren
bei der Prüfung nach E d 1 e f s e n 20 Tropfen Harn zur Erzielmi”
einer klaren Lösung erforderlich. Der Hauptvorzug der Edlef-
s e n’schen Reaction vor den gewöhnlichen Reduet ionsproben be¬
stellt wohl darin, dass sie durch andere reducirondo Substanzen
des Harns nicht gestört wird, weil sie eben auf der Bildung tosen¬
derer Substanzen beruht, die nur aus Zucker hervorgehen können.
Bemerken möchte ich noch, dass sich die klaren bei Anwesen¬
heit von Zucker entstehenden Lösungen bei längerem Stehen ar.
der Luft unter Ausscheidung von Mangansuperoxydliydrat zer-
setzen, ein Umstand, der die Beurtheilung des Ausfalles der Ro
aetion in keiner Weist» unsicher macht.
Herr Edlefsen (Schlusswort): Ich habe mich sehr gefreut,
meine Angaben durch einen Vertreter der Chemie im Wesentlichen
bestätigt gefunden zu 1 iahen. Ich glaube jetzt nach dem Ergebnis.«
meiner fortgesetzten Untersuchungen die Grenze für die Empfind
lielikeit der Reaction sogar noch etwas erweitern zu dürfen und
möchte behaupten, dass man. wenn ein Harn überhaupt Zucker ent
hält, immer auf ein dauerndes Klarbleiben der Probe wird rechnen
dürfen, wenn man nur genügende Mengen des Harns (eveut. bis zu
1 y s ccm) zn der Reagensttüssigkeit zusetzt. Auch bei der Verwen¬
dung reiner Traubenzuckerlösung wird dies nur erreicht, wenn
man die zugesetzto Mengt» richtig abmisst. Von einer 3 proc.
Traubenzuckerlösung ist z. B. y 4 ccm erforderlich, um mit einem
Tropfen IVrmauganatlösung eine dauernd klare, blassbraun gefärbte
Flüssigkeit zu erhalten. Es ist ja auch klar, dass die Menge der
entstellenden lösenden Substanz in einem bestimmten Verhältnis-
zu der Menge des der Oxydation unterworfenen Traubenzuckers
stehen muss.
Auf das daue r n de K 1 a r b 1 e i b e n der Probe mochte ich
doch einiges Gewicht legen, da wir nur darin einen ganz sicheren
Maassstab für das Gelingen der Zuckerprobe und besonders für die
Beurtheilung der Menge, in welcher der Zucker im Harn enthalten
ist. besitzen. Allerdings spricht die nachträgliche Entstehung eines
braunen Niederschlages in der Anfangs völlig klaren Probe keines
wegs gegen die Anwesenheit von Zucker.
Meine weiterem Untersuchungen haben mich darüber belehn,
dass unter allenroduclrendcnSubstanzen, die inFrage kommen, sich
nur das Glycerin dem Zucker ähnlich verhält. Wenn ich 3 Tropfei.
Glycerin zu der Reagensfliissigkeit. zusetzte, blieb die Probe für
mein- als 12 Stunden klar. Dann bildete sich freilich ein spärlicher
körniger, brauner Niederschlag. Genauere Untersuchungen behalte
ich mir vor. Da nun, wie Herr Vogel mir privatim mittheilr.
unter den Oxydationsproducten des Glycerins die Tartronsäure ein**
Hauptrolle spielt, würde das dem Traubenzucker analoge Ver
hallen desselben es nur wahrscheinlich machen, dass eben diese
Säure das Lösungsmittel für Mangansuperoxydliydrat in meiner
Zuekerprobe bildet
Von der Annahme, dass es vielleicht die Oxalsäure sein könnt*
die die Lösung bewirkte, bin ich sehr bald zurückgekommen. da ich
fand, dass das Mangansuperoxyd sich zwar leicht in Oxalsäure
lösung. aber nicht in oxalsaurem Natrium bei Gegenwart vor.
freiem Alkali löst, wie es in den Permanganat proben vorhanden
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
März 1900.
M UN'CH KN KR MKDK-INISCHK W OCH KN SCHRIFT.
447
sein müsste. Uebrigens wird auch die Lösung des Mangausuper-
oxyds in Oxalsäure im Lauf einiger Zeit vollständig entfärbt.
Zum Schluss will ich noch betonen, dass sich die neue Reactiou
nur zum Studium der physiologischen Glykosurie
eignet, während für den Nachweis des Zuckers bei patho¬
logischer Glykosurie die alten Zuckerproben vollkommen
ausreichen.
Vortrag des Herrn C. Laiienstein: Zur Catgutfrage.
(Krscheint ausführlich in dieser Wochenschrift.)
Aerztlicher Verein München.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 18. October 1899.
Herr Adolf Schmitt :
a) Die operative Behandlung der Perforationsperitonitis.
b) Mittheilungen zur Nierenchirurgie.
Discussion. Herr Decker: Bezüglich des von Herrn
(N »liegen Schmitt erwähnten Falles von Ulcusperforatiou
möchte ich bemerken, dass wohl mit Sicherheit angenommen
werden kann, dass die Perforation ca. 4 Stunden vor der Operation
erfolgt ist. Die Patientin, die schon früher an Ulcus gelitten, be¬
kam an dem betreffenden Tage früh einen Magenkrampf, der aber
wieder nachliess, so dass sie Morgens und Nachmittags noch aus-
giug und Abends 7 Uhr erst heimkehrte. y a 8 Uhr wurde sie wieder
von heftigen Magenschmerzen befallen, so dass sie zu Bett ge¬
bracht werden musste. Als ich Abends >/ 2 10 Uhr hinzugerufen
wurde, fand ich die Patientin stark eollabirt. den Leib stark ge¬
spannt, über dem ganzen Abdomen diffuse hochgradigste Schmerz¬
haftigkeit, Puls sehr klein und ausgesprochener abdomineller
Typus. Die Diagnose eines perforirten Magenulcus unterlag dem¬
nach keinem Zweifel. Die baldige Vornahme der Operation nach
eirolgter Perforation hat daher mit zu dem erfreulichen Resultat
vollständiger Genesung beigetragen. Von besonderem Interesse
in diesem Falle war auch der Umstand, dass die Operation im
Schock vorgenommeu wurde. Bekanntlich ist die Ansicht der
Chirurgen über die Frage, ob während des Schocks operirt werden
oder ob man denselben zuerst Vorbeigehen lassen soll, eine ge¬
teilte. Unser Fall scheint denen Recht zu geben, die für sofortiges
Operiren sind.
Herr Gossmann vermisst bei dem Vortragt» über Per¬
forationsperitonitis ein Eingehen auf die für den praktischen Arzt
so wichtigen und nicht selten rasch letal verlaufenden Fälle von
Feritonitis, welche vom Wurmfortsatz ausgehen. Sie kommen dem
praktischen Arzte häufiger vor. als die Fälle von Perforationsperi-
touitis in Folge von einem Trauma, welche ja ohnehin regel¬
mässig in ein Krankenhaus gebracht werden. Gerade diese trau¬
rigen Fälle von foudroyanter Peritonitis, welche vom Wurmfort¬
satz ausgehen, scheinen nach G o s s m a n n’s Erfahrung die
Chirurgen, selbst wenn sie frühzeitig beigezogen werden, nur un¬
gern anzugehen im Gegensatz zu ihrem schneidigen Vorgehen bei
der durch ein Trauma bedingten Perforationsperitonitis.
Herr Krecke: Herrn Schmitt gebührt ganz besonders
Dank dafür, dass er von der aus einer Fehldiagnose unternom¬
menen Operation so offenherzig Mittheilung gemacht hat. Gewöhn¬
lich werden ja derartige Erlebnisse nicht veröffentlicht, und doch
sind sie am allermeisten geeignet, zur Belehrung beizutragen.
Iv. kann von einem ähnlichen Fall erzählen, der ihm durch
die private Mittheilung eines auswärtigen Chirurgen bekannt ge¬
worden ist. Bei einem Kranken war auf Grund von Eiweiss- und
Tuberkelbacillenbefund im Harn, Vergrösserung der rechten Niere
die Diagnose — mit vollem Recht — auf Tuberculose dieser Niere
gestellt.
Nephrektomie. In der exstirpirteu Niere keine Spur von
Tuberculose, wohl aber die Zeichen eiuer chronischen parenchyma¬
tösen Nephritis. Der Tuberkelbacilleubefund wnr dadurch zu
Stande gekommen, dass der betr. Assistent gebrauchte Deck¬
gläschen benutzt hatte, auf denen von einer früheren Unter¬
suchung her noch Tuberkelbacillen vorhauden waren.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht)
W i e n . 24. März 1900.
Gegen die Distanzbehandlung. — Eine sehr empfindliche
einwandfreie Ei weissprobe. — Rhythmische Verengerung des
Racheneinganges bei Aorteninsufficienz. — Zwei Fälle von
Papillom der Blase.
Tm Verein der Aerzte in Niederösterreich wurde, wie das
officielle Protokoll'mittheilt, jüngst „die schmutzige und unver¬
antwortliche“ Distanzbehandlung besprochen und betont, dass
die Distanzbehandlung von Kranken, die im Sanitätsgebiete eines
Collegen wohnen oder von einem anderen Arzte behandelt werden,
mit allen Mitteln bekämpft werden müsse. Um jedoch Irr-
thümern vorzubeugen und sich nicht ungerechten unangenehmen
Diseiplinarvorhandlungcn auszusetzen, wird die Aerztekammer
ersucht, den Begriff „Distanzbehandlung“ genau zu präeisiren
und mögen insbesondere zwei Fragen Beantwortung linden:
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a) Ist es Distanzbehandlung, wenn man, für den Augenblick ver¬
hindert, dem Kufe sogleich Folge zu leisten, und bei anderweitig
nicht vorhandener ärztlicher Hilfe, unterdessen ein Medicament,
z. B. ein schmerzstillendes, verabreicht oder für zweckdienlich ge¬
haltene Rathschläge ertheilt, bis die Visite möglich ist? — b) Ist
es Distanzbehandlung, wenn man einem eigenen in Behandlung
stehenden Patienten während dessen Krankheit, auf mündliche
Nachrichten hin, Medicamente und Rathschläge gibt, unbeschadet
der sonst noch erfolgenden Visiten und Untersuchungen? Das
Protokoll theilt mit, dass dieser Antrag einstimmig angenommen
wurde. Wir denken, dass es der Kammer nicht schwer fallen
wird, die obigen zwei Fragen zu beantworten und den Begriff
der „schmutzigen und unverantwortlichen“ Distanzbehandlung
zu umgrenzen; wir zweifeln aber sehr, dass man schon damit
dem Unwesen der inserirenden Aerzte („auch brieflich“) ein
Ende bereiten werde, da hiezu eine Abänderung unseres Kammer¬
gesetzes unbedingt erforderlich ist.
Der Nachweis des Eiweisses im Harn bildete einen Theil de«
Vortrages, welchen Dr. A. J oll es jüngst im Wiener medicini-
schen Doctoren-Collegium hielt. Er wies darauf hin, dass die
Essigsäure-Eerroeyankaliumprobe unter Umständen durch die
intensive Gelbfärbung, welche durch die Anwesenheit von Ni¬
triten im Harn bedingt sein kann, eine zuverlässige Beobachtung
nicht gestattet. Bezüglich der Kochprobe machte J. darauf auf¬
merksam, dass die Coagulation des Serumalbumins im Harne
durch die gleichzeitige Anwesenheit von Salzen begünstigt wird,
I so dass es sich empfiehlt, jedem Harne vor dem Ansäuern und
| Kochen etwas Kochsalz oder Natriumsulfat hinzuzusetzen. So
| werthvoll die Kochprobe als orientirende Probe ist, so ist sie doch
zur Constatirung von quantitativ nicht mehr bestimmbaren Ei-
weissmengen in vielen Fällen unzulänglich, und für viele Fälle
ist die Anwendung einer sehr empfindlichen, einwandfreien Probe
angezeigt. Dr. J. empfiehlt seine bereits vor mehreren Jahren
vorgeschlagene Probe, an der er eine kleine Modification in der
Zusammensetzung des Reagens vorgenommen hat, in folgender
Ausführung: 4—5 ccm von dem vorher filtrirten Harne werden
mit 1 ccm Essigsäure (30 Proc.) angesäuert, hierauf 4 ccm von
dem Reagens hinzugefügt und geschüttelt. Das Reagens be¬
stellt aus Hydrargyr. biehlor. eorros. 10 g, Acid. succinie., Natr.
chloraf. ana 20 g, Aq. destill. 500 g. In einem zweiten Reagens¬
glase versetzt man 4—5 cem Harn ebenfalls mit 1 ccm Essigsäure,
fügt aber statt des Reagens die entsprechende Menge (4 ccm)
destillirtes Wasser hinzu und schüttelt um. Durch Vergleichung
beider Proben lassen sieh noch mit Sicherheit Eiweissspuren con-
statiren, die durch die Fcrrocyankaliprobe absolut nicht zu er¬
kennen sind. Ein Vorzug der Probe besteht auch darin, dass sich
mittels tierseihen Muein und Nucleoalhumin von Albuminspuren
sicher differenziren lassen. Diese Probe ist im Laboratorium der
mediein. Klinik zu Wiirzburg von Dr. Gaston Graul einer ein¬
gehenden Prüfung unterzogen worden, und in einer Dissertation,
betitelt: ^Untersuchungen über die Verwerthbarkeit des neuen
Eiweissrengens von Dr. A. Jolle s“ bezeichnet Graul die
Probe als besonders geeignet für den Nachweis sehr geringer
Mengen von Albumin und Albumosen im Harne.
Im Anschlüsse an die Eiweissproben empfiehlt Dr. J. die
Koch probe, sofern dieselbe nur Phosphate angezeigt hat, mit
der Bestimmung des Säuregehaltes? des Harnes zu combiniren,
indem er wiederholt hei schwerer Neurasthenie und Gehirn¬
erkrankungen ein Ausfallen von Phosphaten aus stark sauren
Ilarnen beim Kochen beobachtet hat, und er hält es für wün¬
schenswert^ dass diese Erscheinung auf Kliniken auf ihren ev.
diagnostischen Werth untersucht werde.
Im Wiener medioinisehen Club stellte jüngst Doeent Dr.
II. Schlesinger einen Fall von Aorteninsufficienz mit rhyth¬
mischer Verengerung des Rachei leinganges vor. Der Kranke leidet
an einer typischen Insufficienz der Aortenklappen mit den ge¬
wöhnlichen Folgeerscheinungen am Circulationsapparate, erheb
lieber Hypertrophie des linken Ventrikels und einer aneurys-
matisclien Erweiterung des Bogens der Aorta. Der Kopf dis
Kranken wird rhythmisch von rückwärts nach vorne synchron
mit der Herzaetion bewegt. Der Kehlkopf macht ebenfalls rhyth¬
mische Bewegungen in der Richtung von unten nach oben und
anscheinend auch von rechts nach links; Druck auf den Kehl¬
kopf sistirt die Bewegungen. Das Gaumensegel und die Uvula
werden im Momente der Ilcrzsystole gesenkt, die seitliche
Rachenwand wölbt sich gegen die Rachenhöhle zu vor, der
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 18.
MÜNCH KN KI? MKOICINISCIIK WOCHEXSCH RIFT.
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Zuugengrund wird mit jeder Systole ziemlieh stark gehoben.
Durch diese combinirten Bewegungen, welche theils durch Puls
in kleinen Gefässen, theils durch die Pulsation der Aorta ver¬
anlasst wird, entstellt eine rhythmische, mit der Herzsystole syn¬
chron auftrötende Verengerung der Rachenhöhle, besonders ihres
Einganges. Auch der Unterkiefer macht rhythmische Be¬
wegungen.
ln der Gesellschaft der Aorzte stellte jüngst Assistent
Th'. Pen dl einen Fall von Papillom der Harnblase vor, bei
welchem seit Monaten Ilaematurie und zuletzt auch Ilarn-
hesehwerden bestanden. Die Cystoskopie lies* ein der rechten
Blasenwand aufsitzendes Papillom diagnostieiren. Dieses erwies
sieh bei der Operation (Sectio alta) als wallnussgross, breit ge¬
stielt aufsitzend. Excision, Vereinigung der Wundränder mittels
(’atgutnaht. Da die Blutung vollständig stand, wurde auch die
Blase in 2 Etagen vernäht, darüber die Hautwunde bis auf eine
Drainageöffnung für den praevesiealen Raum geschlossen. In die
Blase ein Verweilkatheter. Aus diesem entleerten sieh bald dar¬
nach einige Tropfen blutigen Drins, es stellten sich nach wenigen
Stunden starker Harndrang, Schmerzen im Unterbauche etc. ein.
Die Blase bis zum Nabel ausgedehnt, prall gespannt, offenbar in
Folge Nachblutung. Es wurde die Blasenwunde neuerlich ge¬
öffnet, eine Masse coagulirten Blutes aus der Blase entfernt, und
da sich die Nähte an der Excisionsstelle vollkommen suffieient
zeigten, die Wunde verkleinert, der Rest derselben drainirt.
Glatte Heilung. Am Ende der dritten Woche war die Blasen¬
fistel geschlossen, der Kranke konnte das Bett verlassen.
Soll man nach endovesicalen Eingriffen die Blasenwunde
vollständig sehliessen oder nicht! 1 Diese in jüngster Zeit venti-
lirte Frage liesse sieh mit Hinweis auf obstehenden Fall in dem
Sinne beantworten, dass es vielleicht besser sei, eine Drainage-
Öffnung in der Blase zu etabliren. In diesem Falle presste der
Operirte nach dem Erwachen aus der Narkose so fest, dass es zu
der heftigen Nachblutung kam.
Eine Woche später stellte Prof. W e i n 1 e e h n e r der Ge¬
sellschaft ebenfalls einen Mann vor, welchem er ein Papillom der
Blase auch mittels hohen Schnittes entfernt hatte. Dieser Kranke
litt seit: ca. 6 Wochen an Blasonblutungon und zeigte auch die
F’rscheinungen eines heftigen Blasenkatarrhs. Das Papillom war
mandelkerngross, auf einem Stiele aufsitzend. Die Blasensehleim-
haut fühlte sieh mosaikähnlich, flachhöckerig an, wesshalb W.
die Blasenwunde nur mit der Haut vernähte, die Wunde offen
liess, mit Tanninjodoformgaze ausfüllte und in die Blasenwunde
öfters Alaunpulver streute. Verweilkatheter. 4 Wochen später
war die Wunde geschlossen, eine sieh später einstellende Fistel
durch Wiedereinlegen des Verweilkatheters etc*, rasch beseitigt.
An der Hand zahlreicher anderer Erfahrungen, welche Prof.
W. aus seiner Operationspraxis eitirt, beantwortet er auch die
von Dr. Pen dl aufgeworfene Frage der Blasennaht nach der
Sectio alta in folgender Weise: Es spielt hiebei die Beschaffenheit
des Harnes resp. der Blase eine grosse Rolle. Ist der Harn voll¬
kommen normal, die Blase gesund, kann man eine Primaheilung
an streben und erwarten. Bei massigem Blasenkatarrh mag die
Blase vollständig genäht und am unteren Ende drainirt werden,
um dem Harne freien Abfluss zu verschaffen, falls die Naht iu-
sufficient würde. Ist die Blase aber stark katarrhalisch afficirt
lind wären mehrere Papillome zu entfernen, so möge man die
Blase mit der Haut vernähen, die Bauchwunde aber offen lassen,
selbst auf die Gefahr hin, dass sich eine zeitweise Narbenharn-
fistel einstellt, was in dem heute von W. demonstrirten Falle auch
beobachtet wurde.
Berliner medicinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 21. März 1900.
Herr Albu: Zur Physiologie und Pathologie der Gallen-
secretion.
Die Zahl der beim Menschen beobachteten permanenten
Gallenfisteln ist keine sehr grosse. Vortragender konnte eine
solche längere Zeit beobachten und zu physiologischen Unter¬
suchungen benutzen.
Die 58 jährige Frau litt früher an Gallensteinen und wurde
desswegen zweimal operirt, jedoeli ohne dass ein Stein gefunden
worden wäre; hingegen bildete sich eine permanenteGallen-
f i s tel, die jetzt schon 9 Jahre besteht. Die Patientin ist davon
jedoch wenig belästigt, wenn sie alle 2 Stunden die Galle abfliessen
lässt; wartet sie länger, dann empfindet sie Schmerzen. Der E r¬
n ä h rungszusta nd ist ein sehr guter geblieben. Man sieht
unterhalb des Rippenbogens die lippenförmige Fistel, welche 10
bis 11 cm nach oben und hinten zu verfolgen ist. Die Patientin
kann diese Sondining selbst sehr gut vornehmen.
Die abfliessende Galle ist ganz klar, goldgelb; ganz selten, in
der Regel nur nach längerer Retention, mit einzelnen Schleiin-
tiöekehen gemischt: von geringem specifischem Gewicht; kurz sie
bietet alle Zeichen der Lebergalle zum Unterschiede von der eon-
eentrirteren Gallenblasengalle. Die tägliche Menge 327—490 eeni.
Der Stein sitzt vemuithlich im Choledoehus.
Während der einjährigen Beobachtung des Vortragenden ist
die Galle gleichgebliebeu.
An den meisten Tagen fand er den Stuhl ganz acholisch,
doch manchmal leicht gefärbt und einmal konnte er Urobilin naeh-
weisen; niemals fand er Urobilin im Harn.
Es ergab sieh kein Einfluss der Quantität oder (.Quali¬
tät der X u h r u n g auf die Gallensecretion; die Ausnutz¬
ung d e s F e t t e s im Darmcanal war eine sehr gute*, der nor¬
malen sich annähernde, dessgleichen die F e 11 s p a 11 u n g. Vor¬
tragender benutzte die Gelegenheit zum Studium des Einflusses
der sog. Cholagoga und fand, dass alle, Karlsbader Salz.
-Brunnen, salioylsaures Natron, Olivenöl, Fel Tauri inspiss.,
ohne jeglichen Einfluss seien, dass es also cholagoge Mittel mehr
gäbe. Der Einfluss dieser Mittel bewegte sieh, wie schon S t a -
d e 1 m a n n hervorgehoben, durchaus innerhalb der normalen
Schwankungen. Frühere, entgegengesetzte Angaben seien viel¬
leicht darauf zurüekzufiihren, dass man nicht zwischen ver¬
mehrter Bildung und vermehrter Ausscheidung unter¬
schieden habe; wie z. B. die Laxantien eine vermehrte Ausschei¬
dung, aber nicht Bildung bewirken.
Die der Galle früher nachgesagte, aber jetzt zumeist nicht
mehr anerkannte antiseptische Wirkung der Gail«-
konnte tu* in seinem Falle ebenfalls nicht bestätigt finden,
wenigstens soweit sich die Dannfäulniss an der Menge der
Aethersclnvefelsäureii im Harn messen lasse.
Discussion: Herr Stadel mann: Er freue sieh der
Uebereiustimmung zwischen den Beobachtungen des Vortragenden
lind seinen Experimenten; nichtsdestoweniger könne er seine Be¬
denken gegen die ersteren nicht unterdrücken. Er bezweifele,
dass die Kranke wirklich eine complete Gallenfistel habe, sondern
halte es nicht für ausgeschlossen, dass ein gewisser T heil
der Galle doch in den Darm gelange. Das könne ja
kein Mensch mit Sicherheit entscheiden und darum können
die Beobachtungen A1 b u*s nicht den Werth be¬
anspruchen, den Dieser ihnen beizulegen geneigt ist. Di#
Unters u e h u n g de r F a e c e s sei durchaus nicht aus¬
schlaggebend. Es ist bekannt, dass nach der Ansicht vieler
Autoren die helle Farbe des Stuhles nicht vom Fehlen der Galle,
sondern vom Reichthum an Fett herrührt. Man beobachtet solche
helle Stühle bei Diabetikern mit ganz normaler Gallensecretion.
Es ist auch enorm schwierig, dieGegenwart von Galle in den Faeces
naclizuweisen. Auch müsse man, worauf er früher hingewiesen,
den sogen. Kreislauf der Galle in Rücksicht ziehen, d .h. «lass ein
grösserer Theil derselben im Dann wieder zur Resorption kommt.
Es kann also in dem A 1 b u’schen Falle ein ganz erheblicher Theil
von Galle in den Darm gelangen, ohne in den Faeces nachweisbar
zu sein. Und dieser Umstand würde dann die gute Fettresorprion.
die gute Fettspaltung u. s. w. ganz einfach erklären. Er li a b f
selbst viele Untersuchungen an Gallenfisteln
beim Menschen angestellt, er würde dieselben
aber niemals veröffentlichen, weil er all«-
weitergehenden Schlüsse daraus für unstatt¬
haft li a 1 t e. Von einem Kranken mit Gallenfistel, der zu solchen
Untersuchungen verwendbar sein soll, müsste man verlangen.
1. dass es eine jugendliche Person ist: 2. die Gallenfistel muss
chronisch sein; Galle, welche kurze Zeit nach der Operation nb-
fliesst., ist ganz ungeeignet; 3. die Fistel muss complet sein: der
Ductus choledoclms muss unbedingt und einwandsfrei verschlossen
sein; 4. dieser Verschluss darf aber nicht durch einen malignen
Tumor erfolgen, wegen dessen Einfluss auf den Stoffwechsel:
5. die Leber muss vollständig normal sein.
Diesen Anforderungen wird aber kein Fall entsprechen.
Er frage endlich noch, ob auch die gallensauren Salze keinen
Einfluss hatten, die nach seiner Meinung das wichtigste Chola¬
gogum seien.
Herr Jaques Meyer: Das Karlsbader Wasser übt, wie er
auf dem Congress für innere Medicin ausgeführt habe, einen Ein¬
fluss auf die Gallenabscheidung aus.
Herr Rosenberg: Er schliesst sich Stadelmann be¬
treffs der Bew'erthung des Alb u’schen Falles an. Von einem
Cholagogen Mittel solle man nicht verlangen, dass es die 24 stün-
dige Menge erhöhe, es genüge, wenn in einem gegebenen Moment
die Ausscheidung und dadurch der Druck gesteigert werde, um
etwa einen Stein auszutreiben.
Herr Albu: Die Möglichkeit, dass die Fistel nicht compM
sei, muss zugegeben werden, doch ebenso auch das Gegen theil.
Die gallensauren Salze waren ebenfalls ohne Einfluss.
Hans K o b n.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
449
27. MSra 1900.
Verein für innere Medicin in Berlin
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 19. März 1900.
Herr A. Fraenkel: Demonstration zum Asthma bron¬
chiale.
Vortr. demonstrirt mikroskopische Präparate und Zeichnungen
eines Falles von Asthma bronchiale mit tödtlichem Aus¬
gang, die nach seiner Ueberzeugung geeignet sind, endlich eine
Klärung der Frage herbeizufUhren, auf welche Welse und aus
welchem Material die Ourschman n’schen Spiralen sich
entwickeln.
Schon lange hat man dem Auftreten von Cylinderzellen
im Sputum der Asthmatiker Aufmerksamkeit geschenkt (B. Lev y)
und im vergangenen Jahre stellte Vortr. Präparate eines tödtlich
verlaufenen Falles von Asthma in diesem Verein vor, in welchem
sich eine hochgradige Desquamation der Cylinder¬
zellen, bis zur völligen Verstopfung der Bronchiolen mit solchen
constatiren Hess, Eine weitere Bedeutung gewannen diese Zellen,
als Berkhardt im Sputum der Asthmatiker Cylinder¬
zellen mit langausgezogenen Fäden auffand und
aus diesem Befund den hypothetischen Schluss zog, dass die
Spiralen aus solchen schleimig entarteten, langausgezogenen
Cylinderzellen entstehen.
In dem vorliegenden Falle gelang es nun A. Fraenkel, den
Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese zu erbringen.
Man sieht an den ausserordentlich gut gelungenen Präparaten
(Färbung nach Biondi-Haidenhain, Nachfärbung mit
Jodgrün) auf Querschnitten der Bronchien die schleimige Spirale
im Centrum des Bronchus und von allen Seiten zu ihr hinstrebende
Schleimfäden, welche direct aus den Cylinderzellen hervorgehen
und zwar in der Weise, dass die Zellen schleimig degeneriren und
durch den Luftstrom zu langen Schleimfiiden ausgezerrt und zur
Spirale aufgequirlt werden. Verschiedene Präparate demonstriren
die verschiedenen Grade. Diese Farbendifferenzirung entscheidet
nach Vortr. auch besser als die Thioninfärbung die Frage nach
der chemischen Natur der Spiralen, die also aus Schleim
bestehen.
Weiterhin zeigen die Präparate neben den Asthmakristal¬
len noch die im Asthmasputum bekannten eosinophilen
Zellen, und zwar beide sowohl im Lumen des Bronchus, als
auch in der Submucosa und die Zellen auch auf der Durch Wande¬
rung nach dem Lumen begriffen.
Dass nicht beim einfachen Bronchialkatarrh das gleiche ana¬
tomische und klinische Bild zu Stande kommt, dürfte einerseits
auf die zähe Beschaffenheit des Schleims beim Asthma und be¬
sonders auf den dabei vorhandenen Bronchospasmus zurück¬
zuführen sein.
Den Centralfaden der Spiralen, über dessen Wesen so
viel debattirt wurde, ist er geneigt für einen einfachen Schleim¬
faden, hervorgegangen gleich den andern aus einer ausgezerrten
Zelle, zu halten. Damit dürfte die Frage über die Natur der
Spiralen zu einem gewissen Abschluss gekommen seien.
Discussion: Herr v. Leyden. Er ist geneigt, den Aus¬
gangspunkt des Processes nicht in die Bronchiolen, sondern in das
Infundibulum und die Alveolen zu verlegen. Den Beginn
der Spiralenbildung sehe er ln einer Transsudation der Um¬
gebung, was auch den Austritt der eosinophilen Zellen besser er¬
klären würde. Die Epitheldegeneration könnte auch
secundär sein und er hält es für unwahrscheinlich,
dass diese Zellen Schleim secerniren können.
Herr A. Fraenkel: Er sei in der glücklichen Lage, an
den vorgestellten Präparaten beweisen zu können, dass in den
Alveolen nichts von Exsudat zu finden; auch die eosino¬
philen Zellen sind nicht in den Alveolen, sondern in den Bron¬
chiolen und deren Wandungen. Endlich die Bildung des Schleims
aus den Cylinderzellen betreffend, so redeten die Präparate
eine Sprache, die keinen Widerspruch duldet Er stehe
hier nicht auf dem Boden der Hypothese, sondern der Thatsachen.
Demonstrationen.
Herr Ewald: 1) Präparat des Rückenmarks eines Tabikers
mit Aneurysma racemosum der Art spin. ant und in geringerem
Grade auch post
2) Präparat von Oesophaguscarcinom, in welchem eine Zeit
lang die Ernährung mit der R e n v e r s’sehen Dauercanüle voll¬
zogen wurde. Die Speiseröhre war zeitweise auch für Flüssigkeit
nicht durchgängig gewesen; nach Einführung der Canüle nahm
Pat in 8 Tagen um 7 Pfd. zu.
Das Leichenpräparat zeigte, dass die Canüle nur den An¬
fang der Stenose passirt hatte; trotzdem functionirte sie gut. —
Zeitweise wurde Pat. nur mit Nährklystieren erhalten und Vortr.
benutzte diese Gelegenheit zu einer Untersuchung über die Auf¬
saugung des Eiweisses aus denselben. Das Resultat war sehr
günstig, wenngleich es nicht möglich ist, damit in allen Fällen ein
Gleichgewicht des Eiweissbestandes hervorzurufen; in der Mehr¬
zahl findet keine Unterernährung statt
Die Technik der Canüleneinführung sei einfach; doch hat er
ln seinen Fällen keine so günstigen Resultate gesehen, wie
Curschmann sie neuerdings beschreibt. Manchmal mache
die Canüle Druck und Schmerzen; auch glaubt er, dass sie den
Zerfall des Careinoms beschleunigen kann.
Herr Renvers: Als er vor 15 Jahren auf der Leyden-
schen Klinik, angeregt durch die Mittheilungen von englischer
Seite, die ersten Versuche mit der Dauercanüle machte, über¬
zeugte er sich bald, dass zwar das Einlegen der Canüle sehr ein-
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fach sei, nicht immer aber das Wiederherausnehmen. Die
Canüle wird nämlich morsch und wenn man sie entfernen will,
dann reissen die Fäden den Rand ab und die Canüle bleibt stecken.
Dies sah er mehrmals. Es geht nur Flüssigkeit durch die Ca-
nülen; selbst Brei verstopft sie.
Er wendet sie daher jetzt nur noch in bestimmten Fällen an,
nur bei Patienten, welche sonst der Verhungerung ausgesetzt sind,
also namentlich beim Scirrhus in der Cardia, und zwar bei jenen
an der Bifureation sitzenden, in die Trachea durcbgebrochenen
Krebsen, die zu fortwährendem Verschlucken Veranlassung geben.
Man soll die Canüle alle 8 Tage durch eine neue er¬
setzen.
In anderen Fällen hilft man sich besser durch Bekämpfung
des Spasmus mit Hilfe von Cocain oder Morphium und
Spülung des oberhalb der Strictur erweiterten Oesophagus.
Beim jauchigen zerfallenden Carclnom empfiehlt sieb wegen
der Gefahr der arteflciellen Perforation in die Pleura die Gastro¬
stomie zu machen.
Herr v. Leyden: Der psychische Eindruck, den das ewige
Wechseln der Canüle und die Erfolglosigkeit der Bemühungen auf
den Patienten machen, Ist kein günstiger; er hat desshalb auf
seiner Abtheilung die Methode wieder verlassen. Was die Nähr-
klystiere anlangt, so sei es ausser allem Zweifel, dass sie einen
hohen Werth besitzen.
Herr Rosenheim : Die Begeisterung Curschman n’s
für die Dauercanüle sei keineswegs berechtigt; er habe die Me¬
thode oft versucht; man komme auf dem zweiten von Renvers
erwähnten Weg meist viel weiter.
Herr A. Fraenkel hat die Methode ebenfalls verlassen.
Herr J. Lazarus hat einen Fall von Magengeschwür
3 Wochen allein mit Nährklystieren ernährt. Hans K o h n.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Aoadömie de m6decine.
Sitzung vom 30. Januar und 6. Februar 1900.
Sauerstoffmedicatioji durch intratracheale Injection von Saner-
stoffwasser (WasserstoffSuperoxyd).
Die gewöhnliche Art, Kranke mit Sauerstoff zu behandeln, ist
die der Inhalation, wozu es vor Allem nöthig ist, dass die In-
spirationskraft des Patienten noch eine genügende ist und das Gas
leicht frei werde. Da nun diese Bedingungen oft nicht vorhanden
sind, so wählte Mendel obige Art der Injection. Dieselbe wird
mit einer 3 ccm enthaltenden Spritze, an die eine entsprechend
gebogene Canüle befestigt ist, ausgeführt und zwar werden 3—4
Spritzen Sauerstoffwassers (von 10 Volumen) in jeder Sitzung
ohne Zuhilfenahme des Kehlkopfspiegels injicirt; es können täg¬
lich 2 Sitzungen vorgeuoinineu werden. Im Verein mit der In¬
jection ätherischer Oele hat der Sauerstoff vorzügliche Resultate
bei Lungeutuberculose gegeben (1 Injection Sauerstoff¬
wassers auf 4—5 Sitzungen der Oelinjeetionen). 12 Phthisiker
verschiedener Grade wurden auf diese Welse behandelt und
11 derselben haben im Laufe von 3 Monaten eine Besserung in
jeder Beziehung (Kräfte, Appetit, Verdauung, Athmung) erfahren.
Die längere Beschreibung seines Verfahrens schliesst M. mit der
Ueberzeugung, dass dasselbe, welches so einfach sei und gut ver¬
tragen werde, nicht nur bei der Lungeutuberculose, sondern in
allen pathologischen Zuständen, wo Sauerstoffdarreichung indicirt
sei, gute Dienste thue.
Loc&lisation und Ursprung des Arseniks im thieri sehen
Organismus.
G a u t i e r hat seine bezüglichen Untersuchungen fortgesetzt
(siehe diese Wochenschrift No. 8 d. J., pag. 105) und kam sur Auf¬
stellung folgender Tabelle:
Arsenik in Milligramm auf 100 g des frischen Organs;
Spuren in abnehmender
Reihenfolge
Schilddrüse 0,75 mg
Brustdrüse 0,13 „
Gehirn sehr wechselnde Menge oder — Null
Thymus nicht wägbare Menge
Nägel, Haare und HoriiRubBtanz
Haut
Milch
Knochen
Dieser normale Arsenik kommt theils von gewissen vegeta¬
bilischen Nahrungsmiteln: Kohlrüben, Kohl, Kartoffeln, Cerealien
aus schwefelkieshaltigem Terrain; auch einige animalische
Nahrungsmittel, wie Milch, Thymus, Haut, Gehlru, können einen
sehr leichten Arsenikring liefern. Es Ist vom gerichtsärztlichen
Standpunkt aus von Wichtigkeit, dass ausser In den oben ange¬
führten Organen in den anderen thierischen Organen und Säften
keine Spur Arsenik sich findet, besonders nicht in jenen, welche die
Hauptmasse des Körpers ausmacbeu, wie Muskeln, Leber, Milz,
Blut u. s. w„ sei es dass er daselbst wirklich nicht vorhanden ist
oder dass seine Menge weniger als 1 Zwanzigmillionstel des unter¬
suchten Organes beträgt, bis wohin die Grenze der Untersuchungs-
möglichkeit geht. Wenn also der Experte in den als arsenikfrei
bezeichneten Organen Spuren dieses Metalloids findet, so muss das¬
selbe zu Lebenszeit entweder als Medicament oder zu criminellen
Zwecken gegeben worden sein.
Lancereaux hebt das auffallendeWaclisthum der Nägel
unter dem Einfluss von Arsenik hervor, H a y e m die Möglichkeit,
dass Arsenik ln den Lungen vorkomme; G a u 11 e r wird bei
seinen nächsten Analysen die letzteren speciell berücksichtigen.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
450
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Pathological Society of London.
Sitzung vom 20. Februar 1900.
lieber die Formen und Bedeutung der im Urin auftretenden
Proteine.
Prof. Halliburton sagte: Die Substanzen, um welche es
sich hier handelt, hüben ein grosses Moleculargewicht, und diese
beträchtliche Grösse der Molecüle erklärt es, dass sie, abgesehen
von ganz geringen Spuren, das normale Niereuepithel nicht durch¬
dringen können. Im Allgemeinen findet sich Albumin eher im
Urin als Globulin. Ein erheblicher Globulingehalt deutet auf eine
starke Entartung der Nierenzellen hin. Fibrin kommt noch sel¬
tener als Globulin im Urin vor, und sein Molecül ist wahrschein¬
lich auch ein grösseres als das des letzteren. H. hob ferner den
Unterschied zwischen Peptonurie und Albumosurie hervor. Erstere
Bezeichnung ist auf solche Fälle zu beziehen, bei denen durch
Bacterienwirkung Eiweisszersetzungen Vorkommen und die Pro-
ducte derselben durch die Nieren ausgeschieden werden. Es
findet sich dabei nicht ein echtes Kühn e’sches Pepton, sondern
Deutero-Proteose. Albumosurie kommt vor bei Osteomalacie
und anderen Knochenleiden. Genauer gesagt, handelt es sich um
das Auftreten von Hetero-Albumose im Urin. Es sind bisher nur
wenige derartige Fälle beschrieben.
Bradshaw sprach über myelopathische Albumosurie, wo¬
von 11 Fälle bisher in der Literatur verzeichnet sind. Bei seinem
eigenen Falle wurde das Eiweiss oft spontan gefüllt, und der Urin
sah dann wie Milch aus. Charakteristisch waren die Fällung bei
einer Temperatur unter 60° C. und durch Salpetersäure und Salz¬
säure in der Kälte, wobei der Niederschlag durch Kochen stets
mehr oder weniger wieder gelöst wurde. Das durch Kochen er¬
haltene Präcipitat wurde durch Sodalösung (1:1000) vollständig
gelost Praktischen Werth hat diese Erscheinung als allererstes
Symptom bei Ergriffensein der Rumpfknochen und ist somit von
übelster prognostischer Bedeutung.
P a v y: Albuminurie kann functioneil, d. h. ohne histologische
Veränderungen an den Nieren, auftreten, physiologisch ist sie aber
nie. Das Molecül des Zuckers ist sehr klein, demnach muss, falls
Zucker im Blut vorhanden ist, derselbe sich im Urin zeigen, auch
ohne Steigerung des Blutdrucks. Zur Entstehung der Albuminurie
dagegen ist eine Steigerung des Blutdrucks erforderlich wegen der
Grösse der Molecülen. Daraus erklärt sich das Auftreten des Urin-
elweisses nach grösseren Anstrengungen und in der cyclischen
Form. Zuweilen genügt ja schon das Aufstehen aus dem Bett,
um den Blutdruck hinreichend zu erhöhen. Aus der Schleimhaut
der Harnwege stammt eine Abart der Proteide, das Nucleoalbumin
her, das in normalem Urin Vorkommen kann und leicht zu Täu¬
schungen Anlass gibt
Philipp!- Bad Salzschlirf.
Aus den italienischen medicinischen Gesellschaften.
Medicinische Akademie zu Turin.
Aus der Sitzung vom 22. December 1899 erwähnen wir eine Mit¬
theilung von F a b r i s über eine cavernöse Degeneration der
Leber. Der Tod war unter den Symptomen einer Lebereirrhose
mit Ascites erfolgt. Die Leber war klein; ihr Anblick erinnerte
au das schwammige Aussehen einer Plaeenta; sie war sehr blut¬
reich und enthielt eine grosse Menge von Bluträumeu, die von
Trabekeln mit normalen Leberzellen begrenzt waren, welche
letztere ein vollständig normales Ansehen boten. Die Leber zeigte
sich in der angegebenen Weise in ihrer Totalität verändert und F.
glaubt, dass sich diese Veränderungen in einer congenital deformen
Leber entwickelt haben.
Die histologische Untersuchung konnte den Mechanismus
dieser cavernösen Degeneration der Leber nicht erklären.
Medicinisch-chirurgische Gesellschaft zu Bologna.
Aus der Sitzung vom 22. December 1899 erwähnen wir die
Experl mentalunter such un gen von Deila Rovere über den Tod
durch Erfrieren. Er legt das Hauptgewicht nicht auf die Con-
gestionserscheinungen innerer Organe, sondern auf die Befunde
in den Nervenelementen des Centralnervensystems: Chromato-
lyse der Nervenzellen der Gehirnrinde wie der Ganglienzellen des
Rückenmarks und Veränderungen der chromatischen Substanz des
Protoplasmas. Die motorischen Centren sollen weniger ver¬
ändert sich erweisen als die sensitiven.
Der Erkältungstod erfolge nicht durch Veränderung der rothen
Blutkörperchen, nicht durch Intoxication mit nicht ausgeschiedenen
Stoffwechselproducten, sondern durch Veränderung der Nerven¬
zellen der Centralorgane, daher die schnelle Betäubung, die Para¬
lyse der motorischen Apparate der Herzinnervation und der Re-
spirationscentren. Hager- Magdeburg N.
Verschiedenes
Aus den Parlamenten.
Der bayerische Landtag hat in der Wohnungsfrage
einen bedeutsamen Beschluss gefasst, indem er einstimmig der
k. Staatsregierung einen Betrag von 6 000 000 M. zur Verbesserung
der WohnungsVerhältnisse der Beamten, Bediensteten und Arbeiter
der Staatseisenbahnverwaltung durch Herstellung von Wohn¬
gebäuden nnd Gewährung von Baudarlehen zur Verfügung stellte.
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Im preussischen Abgeordnetenhaus wurde in
der Sitzung vom 15. ds. bei Berathung des Medicinaletats das neue
Kreisarztgesetz scharf kritisirt Alle Redner (Endemann,
Martens, R u e g e n b e r g) stimmten darin überein, dass mau
sich mit diesem Gesetz auf die Dauer nicht zufrieden geben könne
und dass eine ausreichende Reform in allen Instanzen des Medi-
cinalwesens ein immer noch zu erstrebendes Ziel sei. Namentlich
wurde es bemängelt, dass noch keine Mittel zur Durchführung
des Gesetzes in den Etat eingestellt sind. Der Minister, Dr. Studt,
musste zugebeii, dass die wegen des Gesetzes herrschende Miss¬
stimmung durchaus erklärlich sei, da die Erwartungen des ärzt¬
lichen Standes durch dasselbe ihre Befriedigung nicht gefundeu
hätten. Bezüglich des Inkrafttretens des Gesetzes erklärt er, dass
dasselbe nicht eher ausgeführt werden könne, bevor nicht das Er¬
forderniss einer gründlichen und einwandfreien Durchführung der
Vorarbeiten in vollem Umfange erfüllt sei. — ln derselben Sitzung
wurde auch über das Postulat für den Neubau der medicinischen
Klinik in Kiel berathen. Gefordert wird die 3. Rate, obwohl, wegen
der bekannten Verhältnisse, mit dem Bau überhaupt noch nicht be¬
gonnen wurde. Abg. Barth- Kiel konnte nun mittheilen, dass
neuerdings Aussicht vorhanden sei, die dem ersten (von Prof.
Quincke befürworteten) Project entgegenstehendeu Schwierig¬
keiten doch noch zu überwinden. Er stellte daher den Antrag:
Das Haus der Abgeordneten ersucht die Königl. Staatsregierung:
1. Erneut zu prüfen, ob das in dem Etat 1898/99 beschlossene Pro¬
ject nicht zur Ausführung geeigneter ist, als das im vorigen Jahre
angenommene (von Quincke beanstandete), und erklärt im
Voraus seine Zustimmung zu der Ausführung dieses Projekts,
wenn die erneute Prüfung zu Gunsten dieses früheren Projects aus-
fallen sollte; 2. bis zur Herstellung des Neubaus der medicinischen
Klinik durch Herstellung eines provisorischen Hörsaals den
dringendsten Bedürfnissen des klinischen Unterrichts abzuhelfen.
Dieser Antrag fand Annahme.
Der R e i c s t a g erlebte In der vergangenen Woche eine
heftige Fehde für und wider die Maassregeln, welche sich gegen
die Prostitution, das Unzüchtige und was, ohne unzüchtig zu sein,
das Schamgefühl gröblich verletzt, richten sollen. Ob auch ein¬
mal ärztliche Demonstrationen und medicinische Bücher — wir
denken gerade an die Psychopathia sexualis, meist die erste gericht-
lich-medicinische Lectüre der Juristen — unter die Strafbestim¬
mung der Lex Heinze fallen können, macht uns noch kein Kopf¬
zerbrechen, da die Weiterberathung des Gesetzes wegen der dring¬
lichen Erledigung des Etats vorläufig von der Tagesordnung ab¬
gesetzt ist; auch den Homunculus moralis normalis zu construireu,
wird andereu als ärztlichen Sachverständigen Vorbehalten bleiben.
Dagegen haben wir Aerzte an der sonstigen Behandlung dieser
Fragen ein grosses Interesse; wir sehen nur zu oft die Gefahren
der Prostitution, der Unzucht und der Ausschweifung für die
geistige und körperliche Gesundheit und allen vernünftigen Maass¬
regeln reden wir, wie sonst in der Hygiene, gerne das Wort. Mit
Stumpf und Stiel lässt sich nun aber einmal die Prostitution nicht
ausrotten; das weiss jeder Naturforscher, jeder Menschenkenner,
und auch Denen, die sich den Begriff der Erbsünde zu eigen ge¬
macht haben, sollte dies so klar seiu, wie die andere alte Erfahrung,
dass selbst mit den drakonischsten Gesetzen die Verbrechen nicht
zu verhüten sind. Dagegen lässt sich durch polizeiliche Maass¬
regeln die Prostitution zurückdämmen, in gewissen, wir möchten
sagen, normalen Grenzen halten und vor Allem überwachen und
wir müssen es als Aerzte billigen und wünschen, wenn die Ver¬
führung und Belästigung von der Strasse fern gehalten wird und
alle wirklich der Prostitution ergebenen Frauenzimmer nicht
bloss einer Sicherheit»- und sittlichkeitspolizeilichen Controle, son¬
dern auch einer regelmässigen und sorgfältigen sanitätspolizeiliehen
Untersuchung unterstellt werden; hier bleibt noch viel zu thun.
Dagegen versprechen wir uns recht wenig Erfolg, wenn kleinliche
polizeiliche Maassregeln alles Unzüchtige oder, ohne unzüchtig zu
sein, das Schamgefühl Verletzende aus dem Wege räumen wollen.
Mit der sittlichen Gesundheit geht es wie mit der körperlichen Ge¬
sundheit; man muss gesund nicht nur scheinen, sondern es auch
sein und ein Hauptzeichen der Gesundheit ist die Widerstands¬
fähigkeit. Bei einer anderen Volkskrankheit, der Tuberculose,
lernen die Aerzte immer mehr erkennen, dass der Schwerpunkt der
Prophylaxe nicht darin liegt, die immer und überall gegenwärtigen
Krankheitskeime zu beseitigen und zu vernichten, sondern die
Widerstandsfähigkeit des einzelnen Individuums zu erhalten und
zu kräftigen. Ganz die gleichen Gesichtspunkte haben auch zu
gelten für die moralische Gesundheit. Mit keiner Zwangsmaass¬
regel bewahren wir den Alkoholisten vor dem Trinken, wenn es
uns nicht gelingt, seine moralische Willenskraft zu stärken, und
wo nicht die persönliche Willenskraft vor der Hingabe an das Un¬
züchtige schützt, da nützen auch keine polizeilichen Maassregeln;
sie lassen eher die verbotene Frucht interessanter und begehrens-
werther erscheinen oder drängen auf perverse Bahnen. Beides
aber führt zur Erschöpfung des Nervensystems, zur Untergrabung
der geistigen und körperlichen Gesundheit, die wir eben schützen
wollen.
(Bädernachrichten.) Nordseebad Lako 1 k auf Röm.
Zu den bisher schon bekannten und besuchten Nordseebädern hat
sich In den letzten Jahren ein neues gesellt, Lakolk, auf Röm, der
nördlichsten der nordfriesischen Inseln, gelegen. Nach der uns vor¬
liegenden Schrift erfreut sich der neue Badeort eines kräftigen
Wellenschlages und eines besonders schönen, aus feinem, festen,
Sand gebildeten Strandes. Die Unterkunft der Badegäste findet
nicht ln grossen Hotels, sondern in kleinen, in den Dünen gelegenen,
in norwegischem Stil erbauten Blockhäuschen für je eine bis zwei
Original ftom
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
27. März 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
461
Familien statt, die zu mässigen Preisen, von 25 M. pro Woche an,
vermiethet werden. Ueberhaupt soll sich das Leben in L. durch
Billigkeit auszeichnen. Im ersten Jahre seines Bestehens (1898)
war L. von etwa 300 Badegästen besucht. Zu erreichen ist L. von
Hamburg aus über Scherrebek in 7—8 Stunden.
Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.
Der heutigen Nummer liegt das 101. 'Blatt der Galerie bei: Otto
Leichtenstern. Nekrolog siehe Seite 430.
Therapeutische Notizen.
Die Phototherapie ist bekanntermaassen von Finsen*
Kopenhagen in ganz methodischer Weise ausgebildet worden.
Ueber die Grundlagen der Methode gibt in No. 1, 1900 der Therap.
Monatsh. B i e nähere Auskunft. Die therapeutische Verwendung
des Lichtes beruht auf seinen zwei Eigenschaften: 1. Entzündung
auf der Haut hervorzurufen, 2. Bacterien zu tödten. Die Fähigkeit
des Lichtes. Hautentzündung hervorzurufen, beruht im Wesent¬
lichen auf den ultravioletten Strahlen. Schliesst man diese Strahlen
aus, so muss man auch die Intensität einer bereits bestehenden
Entzündung herabsetzen zu können . Auf dieser Voraussetzung be¬
ruht die Behandlung der Pocken mit rothem Licht (rothe Vorhänge
u. 8. w.), die jetzt bereits an 150 Kranken durchgeführt ist. Kom¬
men die Patienten vor Beginn des Suppurationsstadiums in das
rothe Licht, so kommt es überhaupt nicht zur Eiterung, die Narben¬
bildung bleibt aus. Auch der ganze Verlauf soll ein leichterer sein.
Aehnliche Erfolge dürften sich auch bei Maseru, Scarlatina, Ery¬
sipel (?) erzielen lassen.
Im Gegensatz zu dieser negativen Phototherapie soll die
positive Phototherapie bei bacteriellen localen Hautkrankheiten
angewandt werden. In Uebereinstimmung mit anderen Autoren
hat B 1 e nachgewiesen, dass die bactericide Wirkung des Lichtes
fast ausschliesslich auf den blauen, violetten und ultravioletten
Strahlen beruht. Ausserdem ist es nothwendig, ein möglichst
starkes Licht anzuwenden, das möglichst wenig Wärmestrahlen
enthält, und schliesslich muss in dem zu beleuchtenden Theile
Ischaemie hervorgerufen — Blut absorbirt die bactericiden Strahlen
— und Verbrennung vermieden werden. Zu diesem Zwecke hat
Finsen bestimmte Apparate construirt, die von B i e genauer be¬
schrieben werden.
Die meisten Versuche mit dieser Behandlungsmethode wurden
bei Lupus vulgaris angestellt. Von 400 behandelten Lupuskranken
haben alle ein befriedigendes Resultat aufzuweisen. Wenn man
den Photographien glauben darf, so sind die Erfolge in der That
ausgezeichnet. In letzter Zeit wurde die Phototherapie der Zeit-
erspamlss wegen mit Pyrogallolbehandlung combinirt.
Recht gute Resultate hat auch die Behandlung der Alopecia
areata gegeben.
F i n s e n’s medicinske Lysinstitut wurde im Jahre 1890 von
mehreren Privaten gestiftet und wird jetzt von drei gemeindlichen
Behörden unterhalten. K r.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 27. März 1900.
— Am Sonnabend, den 17. d. M., fand eine Sitzung des Aus¬
schusses des deutschen Aerztevere i nsbundes
iu Berlin statt. Dem so plötzlich verstorbenen Vorsitzenden
Collegen A u b wurde ein kurzer Nachruf gewidmet und be¬
schlossen, die Neuwahl eines Vorsitzenden nicht vorzunehmen, so
«lass die Geschäfte bis zum Aerztetage von dem zweiten Vor¬
sitzenden Prof. L ö b k e r geleitet werden. — Der Aerzte tag wird,
wie bekannt, am 22. und 23. Juni in Freiburg abgehalten werden.
Die Tagesordnung ist noch nicht definitiv festgesetzt, doch wurden
mehrere Berathungsgegenstände in Aussicht genommen. Ueber
das auf dem vorigen Aerzletag vertagte Thema: das Samariter-
und Rettungswesen wird Herr College II e n i u s referiren. Seine
Thesen sind in der 2. Märznummer des „Aerztlichen Vereins¬
blattes“ veröffentlicht und werden Gegenstand der Berathung in
der nächsten Sitzung des Geschäftsausschusses der Berliner ärzt¬
lichen Standesvereine bilden.— In Aussicht genommen ist ferner die
Berathung eines von Berlin aus angeregten Themas: die Organi¬
sation der Vermittlung von ärztlichen Vakanzen im Auslände. Als
Referenten werden fungiren die Herren Joachim- Berlin und
P i z a - Hamburg. — Endlich soll noch die obligatorische Leichen¬
schau nach einem Referate von Becher- Berlin zur Discussion
gelangen. (Berl. Aerzte-Corr.)
— Die Generalversammlung des Sterbecassavereins
der Aerzte Bayerns, die am 22. ds. in München stattfand,
wählte zum 1. Vorstand Herrn ITofrath Dr. Schöner, zum
2. Vorstand Herrn Hofrath Dr. Daxenberger. Die übrigen
Stellen blieben unverändert.
— Auf sämmtlichen deutschen Eisenbahnen können
fortan die Mitglieder von Krankencassen, die von den Cassen in
eine Heilanstalt oder in Erholungs- und Curorte gesandt werden,
in der dritten Wagenclasse für den Militärfahrpreis mit 25 kg Frei¬
gepäck fahren. Die Zugehörigkeit der Casse und der Zweck der
Fahrt ist durch eine Bescheinigung des Cassenvorstandes und der
Ortsbehörde nachzuweisen. Die Begleiter solcher Kranken ge-
niessen indessen keine Fahrpreisermässigung.
— Die Pharmazeuten hatten bisher die Wahl, ihrer activen
einjährig-freiwilligen Dienstzeit entweder ganz mit der Waffe oder
ganz als einjährig-freiwillige Militärapotheker in einer Lazaretliapo-
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theke zu genügen. Nach einer Kriegsministerialbekanntmachung
vom 3. März d. Js. dürfen nun Apotheker, Apothekergehilfen und
Lehrlinge In ähnlicher Weise, wie dies bei den Mediclnern der
Fall ist, ihre active Dienstpflicht ein halbes Jahr mit der Waffe
und, wenn sie sich während dieser Zeit gut geführt haben, nach
bestandener Prüfung als Apotheker ein halbes Jahr In einer
Lazarethapotheke als einjährig-freiwillige Apotheker ableisten.
— Nach der amtlichen Bekanntmachung des Reichskanzlers
über die im Prttfungsjahre 1898/99 erfolgten Approbationen
von Aerzten, Apothekern etc. sind im Deutschen Reiche
1364 Aerzte approbirt, d. i. ungefähr eben so viel wie im Durch¬
schnitt der sechs voraufgegangenen Jahre. Die Höchstzahl war
im Jahre 1890/91 mit 1570 erreicht. Auf Preussen entfallen 631,
auf Bayern 377 Approbationen. Die Zahl der approbirten Zahn¬
ärzte betrug 115.
— In Baden wurden durch Erlass des grossherzogl. Cultus-
ministeriums Frauen, welche das Reifezeugniss eines deutschen,
staatlich anerkannten, Gymnasiums bezw. in den hiefür bestimmten
besonderen Fällen eines derartigen Realgymnasiums oder einer
derartigen Oberrealschule vorlegen und im Uebrigen die erforder¬
lichen Nachweise für die Immatriculation erbringen, zunächst je¬
doch nur Versuchs- und probeweise, zur Immatriculation an den
badischen Laudesuniversitäten zugelassen.
— Die schlesische Aerztekammer ist in einer Resolution für
die Zulassung der Realgymnasial-Abiturienten
zum medieinischen Studium eingetreten. falls
diesen alle übigen Facultäten offen stehen. Die
Resolution wurde dem Cultusminister und Reichstag übersandt.
— Pest. Britisch-Ostindien. In der Stadt Bombay wurden
an Pesterkrankungen vom 17. bis 30. Januar 1318 gemeldet, doch
hat nach neueren Nachrichten aus der zweiten Hälfte des Februar
die Zahl der Peststerbe fälle seitdem wieder beträchtlich zuge¬
nommen. In Kalkutl a starben in der am 27. Januar endenden
Woche 65, dagegen in der am 17. Februar endenden Woche 199
Personen an der Pest. Im Bezirk P a t n a waren bis zum 27. Januar
im Ganzen 330 Personen der Seuche zum Opfer gefallen, in der am
3. Februar endenden Woche aber erforderte die Krankheit dort
weitere 620, in der am 10. Februar endenden Woche fernere 675
und in der am 17. Februar endenden Woche noch 966 Opfer. —
Vereinigte Staaten von Amerika. Am 30. Januar kam in Port
Townsend (im Staate Washington am Stillen Ocean) ein Schiff
an, das 2 anscheinend an Beri-Beri leidende Personen an Bord
hatte. Als der eine dieser Kranken starb, wurde das Schiff in
Quarantäne gelegt; in der Leiche wurden bacteriologisch Pest¬
bacillen nachgewiesen. Die Thatsache wurde telegraphisch allen
Haferfbehörden der V. St. mitgetheilt und zur Vorsicht bei der Dia¬
gnose von Beri-Beri aufgefordert. Auf dem Schiffe sind im Ganzen
17 Erkrankungen mit 3 Todesfällen festgestellt. (V. d. K. G.-A.)
— Nachdem die portugiesische Regierung die P e s t ln Oporto
officiell für erloschen erklärt hat, hat Herr Professor Dr. S c hot¬
te 1 i u s in Freiburg die von ihm mit Unterstützung der badischen
Regierung beabsichtigte Forschungsreise nach Portugal aufge¬
geben und sich nach Bombay eingeschifft.
_In der 10. Jahreswoche vom 4. bis 10. März 1900, hatten von
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Mülhausen i. E. mit 38,2, die geringste Kottbus mit 11,3 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbeen starb an Diphtherie und Croup in Kaiserslautem, Offeu¬
bach.
— Das Centralcomitö der deutschen Vereine
vom Rothen Kreuz entsendet am Sonnabend, 24. März, eine
dritte Abordnung nach Südafrika, die als Ablösung oder Er¬
gänzung der bereits dort befindlichen Verwendung Anden soll. Sie
besteht aus den beiden Aerzten Dr. Strehl, Assistent der kgl.
chirurgischen Universitätsklinik in Königsberg, Dr. St harn er,
Assistent der kgl. chirurgischen Universitäts-Poliklinik in Leipzig
und 5 Krankenpflegern. Die Abordnung wird sich am 29. März In
Neapel auf dem Dampfer „Herzog“ einschiffen. Die sehr um¬
fangreiche Materialsendung wird ebenfalls in Neapel an Bord
des „Herzog“ verladen und gelangt gleichzeitig mit der Abordnung
nach Lourengo Marques.
— Zu dem Tuberculosecongress, der vom 25. bis
28. April In Neapel abgehalten werden wird, hat das deutsche Cen-
tralcomitö zur Errichtung von Lungenheilstätten die Herren
v. Leyden und P a n n w 11 z als Vertreter bestimmt.
_ Der italienischen Kammer wird demnächst eine Vorlage
betreffend das Verbot der Praxis fremder Aerzte
zugehen; von der Commission ist der Entwurf bereits angenommen.
Er verbietet den fremden Aerzten die Ausübung ihres Berufes in
Italien schlechthin, mit der Ausnahme, dass nur ihre Landsleute
von ihnen behandelt werden dürfen, oder dass sie im ausschliess¬
lichen Dienst einer Person oder Familie stehen, oder ferner als
Specialisten für einen besonderen Fall nach Italien berufen worden
sind. Das Gesetz, an dessen Annahme nicht zu zweifeln ist, be¬
zweckt nichts anderes, als den italienischen Aerzten unbequeme
Concurrenten vom Halse zu schaffen. Namentlich viele deutsche
Aerzte werden von der Maassregel hart getroffen, denn es bleibt
Ihnen nichts anderes übrig, als ihr Examen noch einmal vor einem
italienischen Collegium, also vor eben den Concurrenten zu machen,
die die Maassregel beantragt haben. Das Ministerium kann aller¬
dings fremde Diplome, wie Titel etc., bestätigen, dürfte aber nicht
immer dazu geneigt sein, besonders, weil ein in dieser Hinsicht
besonders willfähriger Minister sich auf heftige Angriffe gefasst
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
452
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
machen müsste. Durch die geplante Neuerung, die bald Gesetzes¬
kraft erhalten dürfte, wird daher eine nicht geringe Zahl von Aus¬
ländern, die seit geraumer Zeit in Italien leben und sich eine Exi¬
stenz geschaffen zu haben glaubten, überaus hart getroffen. (Ailg.
Zeitung.)
— Dr. Unna’s Dermatologische Preisaufgabe
für 100 0 lautet: Es soll untersucht werden: Die feinere Ar-
chltectur der primären Hautcarcinome und insbesondere die bei
ihnen obwaltenden verschiedenen Beziehungen zwischen Epithel¬
wucherung und Bindege webswdderstand.“ Die Bewerbung ist un¬
beschränkt. Der Preis beträgt M. 300__ Die Arbeit ist bis Anfang
December 1900 bei der Verlagsbuchhandlung Leopold Voss in
Hamburg, Hohe Bleichen 34, einzureichen. Sie ist mit einem
Kennwort (Motto) zu versehen; das gleiche Kennwort ist auf der
Hülse eines beizulegenden Briefes, welches Namen und Adresse
des Verfassers enthält, anzubringen. Die Herren Professoren
Hauser- Erlangen, Nauwerck - Chemnitz und Orth- Göt¬
tingen haben es übernommen, die einlaufenden Arbeiten zu prüfen.
— Herr Dr. Würzburger, dirlgirender Arzt der Heil¬
anstalt Herzogshöhe bei Bayreuth, ersucht uns gegenüber der in
ärztlichen Kreisen verbreiteten, irrthtimlichen Auffassung, dass
seine Anstalt eine confessionelle sei, festzustellen, dass in Herzogs¬
höhe seit dem Jahre 1889 Kranke jeder Confession Aufnahme
finden.
— Dr. med. J. Schwoererin St Blasien wurde zum Grossb.
Badearzt in Badenweiler ernannt und wird seinen Dienst dort
Anfang April übernehmen; die ärztliche Leitung des von ihm bis¬
her dirigirten Luisenheim geht an Dr. Determann und van
O o r d t, mehrjähriger Assistent von Gehelmrath Erb, über;
Letzterer wird als Hausarzt im Luisenheim wohuen.
(Hochschulnachrichten.)
Heidelberg. Geheimrath Gegenbaur ist von der
Berliner Akademie der Wissenschaft zum eorrespondirenden Mit¬
glied ernannt worden.
Leipzig. Dr. Homberg, a. o. Professor für innere Me-
dicin an der Universität und 1. Assistent der medicinischen Klinik,
ist als o. Professor au die Universität Marburg berufen worden.
Er übernimmt dort als Nachfolger Prof. K r e h l’s die Leitung
der medicinischen Universitäts-Poliklinik.
München. Der Assistent am anatomischen Institut, Dr.
Ludwig Neumayer wurde als Privatdocent in die medicinische
Facultät aufgenommen.
Graz. Prof. Dimmeriu Innsbruck wurde zum Ordinarius
für Augenheilkunde in Graz ernannt.
Odessa. Die neue Universität erhält im kommenden Sqmmer
eine medicinische Facultät.
Prag. Privatdocent Dr. Ewald Hering wurde zum a. o.
Professor für allgemeine und experimentelle Pathologie ernannt.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Andreas Schuppach, appr. 1898; Dr.
Heinrich Peters, appr. 1899, beide in München. — Dr. Adolf
Bach, geb. 1872, appr. 1900, in Thannhausen, B.-A. Krumbach.
Ernannt: zu Corpsärzten die Generaloberärzte und Divisions¬
ärzte Dr. Stadelmayr (4) von der 2. Division beim II. Armee¬
corps und Dr. Zollitsch (3) von der 4. Division beim III. Armee¬
corps, unter Beförderung zu Generalärzten; zu Divisionsärzten die
Oberstabsärzte 1. Classe und ltegimentsärzte Dr. Fischer vom
4. Feld-Art.-Reg. bei der 2. Division, Dr. Kratzer vom G. Chev.-
Reg. bei der 4. Division und Dr. Fink vom Inf.-Leib-Reg. bei der
6. Division, unter Beförderung zu Generaloberärzten: zu Regiments-
ärzten der Oberstabsarzt 2. Classe Dr. E y e r i c h, Bataillonsarzt
vom 1. Train-Bat., im lnf.Leib.-Reg. unter Beförderung zum Ober¬
stabsarzt 1. Classe, dann die Stabs- und Batailionsärzte Dr. Osann
vom Inf.-Leib.-Reg. im 1. Ulanen-Reg., Dr. Brückl vom 1. Jäger-
Bat. im 2. Chev.-Reg. und Dr. F i n w e g vom 11. Inf.-Reg. im
G. Ohev.-Reg., unter Beförderung zu Oberstabsärzten 2. Classe;
zu Bataillonsärzten der Stabsarzt Dr. Schlier vom 15. Inf.-Reg.
im 22. Inf.-Reg., dann die Oberärzte Dr. Martius vom 1. Feld-
Art-Reg. im Inf.-Leib-Reg., Dr. D r e i s c h vom 2. Ulanen-Reg.
Im 4. Inf.-Reg., Dr. W i 11 w e r im 11. Inf.-Reg., Dr. Rothen-
a i c h e r im 16. Inf.-Reg. und Dr. W ö s c h e r vom Sanitätsamt
I. Armeecorps im 1. Train-Bat. unter Beförderung zu Stabsärzten,
Der einjährig-freiw illige Arzt Paul L e d e r 1 e des 22. Inf.-Reg.
zum Unterarzt in diesem Regiment und mit Wahrnehmung einer
offenen Assistenzarztstelle beauftragt.
Gestorben: Dr. Oskar Beck in Neu-Ulm, GG Jahre alt.
Correspondenz.
Zu unseren Bemerkungen in No. 3 d. W. über die Aus¬
führungen des Staatssecretärs Grafen Posadowsky betreffend
die Zulassung der Realschulabiturienten zum
Studium der Medicin drückt uns Herr Collega Henke in
Braunschweig seine Zustimmung in dem nachstehenden
Carmen aus, das wir gerne hier zum Abdruck bringen
als einen Beweis für unsere Anschauung, dass es Aerzte
genug gibt, denen die Sprachen der Alten in Fleisch und
Blut übergegangen sind. Das Gedicht zeigt in der That
eine so vollkommene Beherrschung der Form und Sprache des
H o r a z , wie sie selbst ln philologischen Kreisen nicht häufig sein
dürfte.
Controversi.
Scriptis cur Studium magis
Auctorum veterum impendere classicis
Nec non codicibus velis
Antiquorum operaui, die mihi, sumere,
Linguae quid potius tibi
Cordi sint vetulae exstinctaque jam diu
Sermonis gravis Itall
Seu Graeci facilis blanda locutio,
Quam Germana, licet scabra,
Cunctis vox aliis uberlor bona
Vatum laude recentium et
Scriptorum copia nobilium Inelyta?
Spernantem patrium nefas
Sermonem propriis tollere litteras
Neglectis nimis exteras
Et vernacula quae, temnere vilia.
Nostri nec logici carent
Subtil! ingenii judicio neque
Doctrinae auxiliis gravis.
Curare indlgenas satque superque sit!
Ilaerebit medlcis nota
Censorina, probo quae data ab arbitro:
..Non traetant nisl lusui
Doctrinam medici classicam inutilem.“ —
„Nostrue versa scholae retro
Saecll temporibus pensa novissimis.
Antiqul ingenii statum et
Linguarum veterum notitiam haud opus
Censent esse, datum quibus
In prolem Imperium sunimum hodie virl.
Fastidit, sapientia
Arctus consilio qui puer intim».
Fertaesusque in inutilis
Ingratis studiis haeret initii.
Vir mox obruet Invido
Non comprensa odio, stet licet altius.
Liuguarum minlmo tenus
Doctum grammaticas et logicas vias
Antiqul ingenii juvat
Versa re adsidua relliquias manu.
Culturae variat modus.
Sunimum nactura hodie cras nihili putet
Emersus modo quispiam, at
Is solus sapiens, qui sapere ausus est.
Non oblivia ago patrum
Virtutis. Propria voce superbiens
Delector veterum, memor:
Quod stulti reprimunt corrigere est nefas.
Sit doctus medicus, decet,
Doctor multivii consilii potens.
Subvertas elementa quae,
Doctrinamque simul cum medico rues!“
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 11. Jahreswoche vom 11. bis 17. März 1900.
Betheil. Aerzte 279. — Brechdurchfall 13 (4*), Diphtherie,
Croup 11 (18), Erysipelas 20 (16), Intermittens, Neuralgia interm,
2 (1), Kindbettfieber 1 2), Meningitis cerebrospin. — (2), Morbilli
257 (271), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 2(2), Parotitis epidem.
G (1), Pneumonia crouposa 11 (21), Pyaemie, Septikaemie — (—),
Rheumatismus art. ac. 24 (35), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlaiina
5 (4), Tussis convulsiva 10 (15), Typhus abdominalis 2 (4),
Varicellen 3 (7), Variola, Variolois —• (—). Summa 367 (403).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 11. Jahreswoche vom 11. bis 17. März 1900.
Bevölkeningszahl: 463 000
Todesursachen: Masern 13 (19*), Scharlach—(—), Diphtherie
und Croup 5 (—), Roth lauf — (—■), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 2 (2), Unterleibstyphus
1 (1), Keuchhusten — (1), Croupöse Lungenentzündung — (—),
Tuherculose a) der Lungen 31 (34), b) der übrigen Organe 6 (5),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 9 (8), Unglücksfälle 1 (—), Selbstmord 1 (1), Tod durch
fremde Hand — (1).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 218 (230), Verhältnisssahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 24,5 (25,8), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 18,0 (17,0).
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche
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GöT.gte
Le hm a nn in Manchen. — Prack von X. Mählthaler'i Buch- and Kunatdruoksref LQ , i
UNIVERSiTY OF CALIFORNIA
Dl« Mftnch. Med. Wochonschr. erscheint wflchontl. TI/TT TTTB'\TTj^T3 Zusendungen sind zu nüressiren: Für die Redartion
in Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen. VI II |\ i y I I II j \ rL IN, Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Fob-
Preis In Deutschi. u. Oest.-Ungam vlerteljährl. 6 Jt, v-r -i-l v/ mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen
ins Ausland 7.50 JL Einzelne No. 60 an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BIATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cb. Bäumler, 0. Bollinger, H. Cursehmann, G. Gerhardt, W. r. Heinehe, 6. Merkel, J.«. Michel, H. v. Ranke, F.». Wlnckel, H.». Zlemssen,
Freiburg i. B. München Leipzig. Berlin Erluugen. Nürnberg. Wiirzburg München. München. München.
M 14. 3. April 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
L Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Die Ursachen der klimakterischen Blutungen.*)
Von Dr. A. T h e i 1 h a b e r.
Bei den* Mehrzahl der Frauen pflegt in der Zeit, die dem
definitiven Verschwinden der monatlichen Blutausscheidung aus
den Genitalien vorausgeht, die Menstruation allmählich seltener
und schwächer zu werden, um sieh nach einigen Jahren dieses
unregelmässigen Erscheinens gänzlich zu verlieren. Ein nicht
ganz kleiner Procentsatz der Frauen zeigt jedoch Abweichungen
von diesem Typus, bei einem Theilc derselben werden die men¬
struellen Blutungen häufiger oder reichlicher oder sie dauern
länger als gewöhnlich an. Nicht selten sind auch starke Blut¬
verluste, lange Dauer und häufige Wiederkehr der Menorrhagien
eombinirt.
Untersucht man solche Patientinnen, so findet man zunächst
in zahlreichen Fällen O arci n o m der Vaginalportion
oder der Cervicalschleimhaut, weit seltener Carei-
nom des Corp. uteri. Nicht selten finden sieh auch Schleim-
polypen als Ursache der Blutungen; ein sehr seltener Befund
sind Sarkome des Uterus. Entzündungen der Ad¬
nex a, die bei jüngeren Frauen recht, häufig zu abnormen Blu¬
tungen führen, werden im vorgerückteren Lebensalter ziemlich
selten gefunden. Die durch die eben erwähnten Anomalien be¬
dingten Blutungen der präklimakterischen Zeit unterscheiden
sich in der Regel weder bezüglich der Art das Zustandekommens,
noch bezüglich des Verlaufs von den Menorrhagien junger
Frauen. Nicht das Gleiche gilt von den vielen Formen von ab¬
normen Blutungen, die man bei Myomkranken in den
Wechseljahren findet, wie ich das später noch ausführen werde.
Bei einer recht erheblichen Anzahl von Patientinnen in den
vorgerückteren Lebensjahren, die uns wegen abnormer Blutungen
consultiren, findet sich jedoch keine Neubildung, keine Adnex-
orkrankung; dabei dauern die Blutungen zum Theil sehr lange
an, zuweilen mehrere Wochen, ja manchmal auch mehrere Monate
lang. Ich habe Frauen gesehen, die 4 und 4Vs Monate lang un¬
unterbrochen recht stark geblutet hatten, bis sie in meine Behand¬
lung kamen. Charakteristisch ist für die hier zu beschreibende
Form der präklimakterischen Blutungen der Umstand, dass sich
zuweilen zwischen den Menorrhagien blutungsfreie Pausen von
ungewöhnlicher Länge finden, die Pausen zwischen den Blu¬
tungen betragen manchmal 6, 8 Wochen, auch nicht selten eine
Reihe von Monaten. Unter diesen Frauen zeigte etwa ein Drittel
folgenden Untersuchungsbefund: Schwund des Fettes in den
Labien und Runzelung derselben, Atrophie der Schleimhaut der
Vagina, manchmal gepaart mit Descensus derselben, Atrophie
der Ovarien, daneben aber bedeutende Verlängerung des
F t e r u s , der 9—12 cm Sondenlänge aufweist, meist gleichzeitig
Verbreiterung des Uteruskörpers; in Folge von Erschlaf¬
fung seiner Bänder ist der Uterus sehr beweglich; der Uterus¬
körper fühlt sich häufig weich an, oft wie ein schwangerer Uterus
im dritten Monat. Die Höhle ist oft auffallend weit, die Vaginal¬
portion dabei häufig klein und atrophisch, zuweilen derb und
hart, meist von normaler Schleimhaut bedeckt, selten Erosionen
aufweisend. In der blutungsfreien Zeit ist die Secretion aus der
*) Nach einem im Aerztlichen Verein in München gehaltenen
Vortrage.
So. 14.
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Uterushöhle fast null. Führt man nach Laminariadilatation den
Finger in die Uterusliöhk- ein, so findet man dieselbe gewöhnlich
leer, ohne Neubildung; nimmt man den scharfen Löffel zu Hilfe,
so entfernt man mittels desselben auffallend reichliche Massen
von hyperplas! iseher Schleimhaut. Die mikroskopische Unter¬
suchung derselben ergibt bald das Bild der interstitiellen, bald
das der glandulären Entzündung, manchmal sind auch beide
Formen eombinirt.
In einer grossen Gruppe anderer Fälle, bei annähernd glei¬
chem Verhalten der Blutungseurve, zeigen sich nicht bloss Scheide
und äussere Genitalien im Zusand der beginnenden Atrophie,
sondern auch am Uterus finden wir das gleiche Verhalten, er ist
klein, schmal, seine Wände sind dünn, ebenso atrophisch ist die
Portio. Seine Schleimhaut zeigt meist nur geringfügige Ab¬
weichungen von der Norm, oder ist vollständig normal, oder be¬
reits im Stadium der beginnenden Atrophie.
Zwischen den beiden hier geschilderten Typen finden sich
nicht selten auch Laibergangsformen, in denen der Uterus bezüg¬
lich Grösse und Breite sich annähernd wie ein normaler verhält.
Bei der ersten Form, der wohl am passendsten die Bezeich¬
nung „Hyperplasia uteri pracklimakterica“ gegeben wird, Hesse
sich das Auftreten der Menorrhagien vielleicht durch die Hyper¬
plasie der Schleimhaut allein schon erklären, .schwer erklärlich
jedoch ist es, dass Frauen, bei denen sich an der Schleimhaut
des Uterus keine wesentlichen Veränderungen zeigen, bei denen
der Uterus normale Grösse hat oder sogar schon atrophisch ist,
bei denen auch sonst keine Abnormität in den Genitalien vorliegt,
dass hier derartige profuse Blutungen vorhanden sind.
In den vorhandenen Lehrbüchern der Gynäkologie ist die
Aetiologie und Symptomatologie dieses Krankheitsbildes fast gar
nicht berücksichtigt. Dagegen linden sich in der sonstigen Litera¬
tur eine Reihe von Mittheilungen, in denen versucht wird, eine
Erklärung für diese räthselhaften Blutungen zu geben.
Kisch (Eulenburg’s Realencyklopädie) nimmt Auf-
lockerungdes TT terusgewebes als Ursache an, ausser¬
dem Stauungen im Gebiete der Vena cava asoendens. Be¬
züglich des letzteren Punktes kann ich Kisch nicht beistimmen,
ich habe in der weitaus überwiegenden Mehrzahl meiner Fälle
absolut keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Stauung der
Hohlader gefunden, ebenso wenig einleuchtend ist mir die Er¬
klärung von Boerner (Die Wechseljahre der Frauen, Stutt¬
gart, Enke, 1886), der vasomotorische Störungen
als Ursache mancher dieser Blutungen bezeichnet.
Mehr Anhänger fand die Lehre von der Äther omatose
der Blutgefässe als Ursache der klimakterischen Blu¬
tungen. Schon S c a ii z o n i ( Krankheiten der weiblichen Sexual¬
organe, T, S. 359) nimmt als Grund der präklimakterischen Blu¬
tungen in vielen Füllen die senile Rigidität ui^d Brüchigkeit der
Gebännuttergefässe an, welche nicht im Stande sind, dem auf ihre
Wände einwirkendem Blutdruck den nöthigen Widerstand zu
leisten. Die Lehre von der Starrheit der TJterusgefässe als Ur¬
sache vieler präklimakterischer Blutungen fand in neuester Zeit
wieder Vertheidiger in Simmonds (diese Wochensehr. 1900,
No. 2), Reinicke (Arch. f. Gyn., Bd. 53. H. 2), P i c h e v i n
et P e t i t (Gaz. mcd. 1895, p. 557), M a r c h o s i (ref. Centralbl.
f. Gyn. 1897, No. 25), Cholmogoroff (Monatsschr. f. Ge-
burtsh. u .Gyn. 1900, März) und Anderen. S i m m onds meint,
1
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
454
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
dass man „in allen Fällen, wo starke Gefässalterationen angc-
troffen werden, berechtigt ist, diese mit den Menorrhagien in Zu¬
sammenhang zu bringen“. Rein icke fand vor Allem Ver¬
dickung der Tunica media der Gefässe und glaubt ebenfalls an
einen Zusammenhang der Veränderungen der Gefässwände mit
den Menorrhagien.
Meines Erachtens wird die Bedeutung dieser Verdickungen
der Gefässwände des Uterus für die Entstehung von Menorrhagien
überschätzt. Nach den Untersuchungen von Dittrich (Prager
Zeitschr. f. Heilk. 1889, Bd. 1), B a 1 i n (Areh. f. Gyn., Bd. 15,
S. 157) und nach einzelnen eigenen Beobachtungen linden sich
hochgradige Verdickungen der Gefässe sehr häufig schon bei
20 jährigen und jüngeren Frauen, vorausgesetzt, dass dieselben ge¬
boren haben.
Ich glaubt', man muss bezüglich des Baues der Wände der
Uterusgefiisse folgende Stadien auseinanderhalten: Den Uterus
infantilis, den Uterus virginnlis (i. e. Nulliparae), den Uterus gra-
vidus, den Uterus puerperalis, den Uterus der Frau, die vor
längerer Zeit geboren hat, den Uterus praeklimakterieus und den
Uterus senilis. Der Bau der Gefässe muss in diesen verschiedenen
Lebensphasen ein ganz verschiedener sein. Immer wird das Blut
in den Uterus durch 2 Arterienpaare hereingeschafft, durch die
beiden Spermaticae und Uterinae. Allein die Länge und
Weite der einzelnen Aeste variirt , ebenso wie die in
ihnen befindliche Blutmenge ganz kolossale Schwankungen
aufweist: Der Uterus infantilis ist sehr klein und
arm an Blut, während der Pubertät wächst er rasch,
seine Gefässe nehmen an Länge und Weite erheblich zu. Die
grösste Metamorphose machen aber die Gefässe in der Schwanger¬
schaft durch; der gleiche Ast der Uterina z. B., der bis jetzt nur
ein 5 cm langes Stück der Uteruswand zu versorgen hatte, muss
nach 9 Monaten ein etwa 25 cm langes Segment des Uterus
mit Blut versehen. Im Puerperium schrumpft dieser Ast nach
einigen Monaten wieder auf seine alte Länge ein, das Lumen
vieler seiner Zweige muss sich beträchtlich verengern; manche
müssen obliteriren. Dieser Process setzt sich nun in der prä¬
klimakterischen Zeit noch weiter fort; im senilen Uterus ist dann
die Blutversorgung beinahe ebenso spärlich, w T ie in der Kindheit.
Es muss also dann eine ungeheure Zahl von Gefässästen steno-
sirt und obliterirt sein. Diese Verengerung geht einher mit Ver¬
dickung der Wand, sie kann sich auch mit anderweitigen re¬
gressiven Vorgängen, Kalkablagerung z. B„ combiniren; sic ist
die Folge der jetzt eingetretenen A n a e in i e des Organes. Dass
diese Verdickung wesentlich zur Entstehung der abnormen Blu¬
tungen beiträgt, halte ich für höchst unwahrscheinlich. Sie ist
ein physiologischer Vorgang und sollte nicht „Atheromatose“
genannt werden.
Einzelne Autoren wollten nun auch die „A p o p 1 e x i a
uteri“ für manche Fülle von präklimakterischen Blutungen
verantwortlich machen. Dieselbe, schon von Cruveilhier,
Rokitansky und K 1 o b beschrieben, ist uns in neuester Zeit
wieder durch die Arbeiten von v. Kahlden (Zieglers Beitr.,
Bd. 23) und S i m m o n d s (l. c.) in Erinnerung gebracht worden.
Es handelte sich in den beschriebenen Fällen um Prooos sc in der
Uteruswand, die grosse Aehnlichkeit mit den haemorrhagischen
Tnfarcten besitzen.
Bis jetzt sind ähnliche Veränderungen von den Klinikern
noch nicht constatirt worden, trotzdem ja schon häufig Uteri
wegen präklimakterischer Blutungen exstirpirt und einer genauen
anatomischen Untersuchung unterzogen wurden. Es ist im
höchsten Grade wahrscheinlich, dass es sieh in den beschriebenen
Fällen wohl fast immer um präagonale Processe gehandelt, hat.
Die gefundenen Blutherde waren auch meist recht frischer Natur.
In den physiologisch stenosirten Gefässen kam es in Folge der
sinkenden Ilerzkraft der Sterbenden zur Gerinnung des Blutes
mit den gewöhnlichen Folgeerscheinungen. Jedenfalls glaube ich,
dass die präklimakterischen Blutungen recht selten oder nie durch
Apoplexia uteri bringt sind.
Ziemlich viele Anhänger besitzt auch die von B re n n ecke
(Areli. f. Gyn., Bd. 20, H. 3) auf gestellt«' Theorie, mit der er
manche Formen der zu Menorrhagien führenden Schleimhaut¬
hyperplasie, vor Allem die präklimakterische, zu erklären ver¬
sucht. Fr stützt seine Hypothese auf die P f 1 ü g offsche
Theorie. Nach Pflüger w r ird die Menstruation dadurch aus¬
gelöst, dass das Wachsthum der Follikel zu einer Reizung der im
Ovarium verlaufenden Nervenfasern führt. Wenn die Summe
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dieser Reize eine bestimmte Höhe erreicht hat, so soll als re-
fieetorischer Ausschlag eine starke Congestion nach den Genital¬
organen erfolgen, die das Bersten des G r a a Eschen Follikels und
die menstruell« Blutung zur Folge hat. Brenn ecke glaubt
nun, dass dem Wachsthum und scliliesslichen Platzen der Follikel
zuweilen ein Hinderniss bereitet wird (z. B. im höheren AJter
durch Verdickung der Albuginea etc.), dass dann die Congestion
eine weniger hochgradige sei, die reflectorische Hyperaemie der
Uterusschleimhaut führt dann nicht zur menstruellen Haemor-
rhagie, es bleibt statt dessen vielmehr bei der Hyperaemie mit
consecutiver Schwellung der Uterusmucosa.
Neuere Forschungen haben gezeigt, dass die Pflüge Esche
Theorie sich mit vielen anatomischen Befunden durchaus nicht
vereinigen lässt. Der Einfluss der Ovarialnerven auf das Zu¬
standekommen der normalen Menstruation, wie der Menorrhagien
ist meines Erachtens schon sehr bedeutend überschätzt
worden; es ist aber im höchsten Grade unwahrscheinlich,
dass die geringfügige Reizung der alternden Ovarialnerven eine
derartige Abnormität, wie die climacterischen Menorrhagien her¬
vorzurufen im Stande sind. Diese „Endometritis ova*
r i a 1 i s“ ist von manchen Autoren zusammengeworfen worden
mit einer anderen Form von Uterusblutungen, auf deren häufiges
Vorkommen C z e m p i n (Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gyn. 1886) mit
Recht aufmerksam gemacht hat. Durch Entzündungen der Ad-
nexa werden in Wirklichkeit häufig Menorrhagien verursacht,
meines Erachtens dadurch, dass im Uterus sich collaterale
Hyperaemie und consecutives Oedem mit
Parese der Uterusmusculatur und starker Blut¬
überfüllung bildet — dies ist wohl zu unterscheiden von
Brenneck e’s Endometritis durch gestörte Ovarialfunction.
Nach dem eben Angeführten liegt meines Erachtens in der
Mehrzahl der Fälle von präklimakterischen Blutungen die Ur¬
sache nicht in dem Verhalten der Schleimhaut, nicht in
der veränderten Beschaffenheit der Gefässe, auch nicht
in der anormalen Function der Ovarien. Ich glaube,
die Ursache der Blutungen liegt in dem abnormen Ver¬
halten der Uterusmusculatur. Die Functionen der
Musculatur des graviden und puerperalen Uterus sind sehr ein¬
gehend studirt worden, nicht das Gleiche gilt von den Lebens-
äusserungen der Uterusmuskeln in der übrigen Lebenszeit und
doch glaube ich, dass die Kenntniss der normalen und anormalen
Thätigkeit der Gebärmuttermuskeln uns manches bisher dunkle
Phänomen erklären wird. Vor Allem wird sie uns Aufschluss
geben über viele bis jetzt aetiologisch unerklärte Ursachen von
Menorrhagien. Nach meinen Beobachtungen befindet sich der
nicht puerperale und nicht gravide Uterus meist im Zustande
einer m i t 11 e r e n (’ o ntractio n. Von da aus kann er
in mehr oder weniger hochgradige Erschlaffung über¬
gehen, so dass es oft nicht möglich ist, das Corpus deutlich zu
palpiren, andererseits kann er sich sehr fest und tetanisch
contra liiro n. Während des Höhepunktes der menstrualen
Blutungen ist der Uterus gewöhnlich erschlafft. Die menstruale
Hyperaemie und Blutung wird beseitigt durch die zunehmenden
('ontruetion des Uterus, ebenso wie die Hyperaemie des puer¬
peralen Uterus und seine blutigen Ausscheidungen (Lochien),
z. Tb. zum Schwinden gebracht werden durch die Contraction
des Uterus. Sind die Contractionen ungenügend, so kommt es
zu lange andauernder Hyperaemie des Organs, in Folge davon
häufig zur Schwellung des Organs. Mit oder ohne Anschwellung
desselben kann es aber auch zu lange dauernden Menorrhagien
kommen, ln der postklimakterischen Zeit ist die Musculatur
des Organs atrophisch, zum Theil durch Bindegewebe ersetzt.
Dieser Process leitet sieh schon Jahre vorher ein; die Menopause
setzt nicht plötzlich ein. Sie sowohl wie die mit ihr einher¬
gehenden anatomischen Veränderungen des Genitalapparates,
auch die Atrophie der Uterusmuskeln, entwickeln sich allmählich.
Gewöhnlich ist beim Eintritt dieser Atrophie der Uterus¬
muskeln schon eine beträchtliche Stenosirung der Gefässe vor¬
handen, so dass es trotz der verminderten Contraction der Mus¬
keln zu spärlichen Blutausscheidungen kommt. Tritt aber die
Atrophie der Musculatur ein zu einer Zeit, in der
die Stenosirung der Gefässe noch nicht genügend vorgeschritten
ist, so ist die Uterusmusculatur nicht im Stande, die Hyperaemie
zu beseitigen, es kommt in Folge der Atonie der Uterus-
m uii'ulatu r zur Blutüberfüllung, zu lange dauernden Menor-
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
455
rhagien, manchmal auch zum Oedem des Organs, zur Verlänge¬
rung und Verdickung seiner Wandungen („ityperplasia Uteri
praeklimakterica“); letzterer Zustand ist ein Analogon zur „Sub-
involutio Uteri postpuerperalis“, die ebenfalls eine Folge der
Atonie des Uterus ist.
Auf die gleiche Ursache, auf die Atonie der Musculatur,
führe ich eine Reihe anderer sogenannter „essentieller Uterus¬
blutungen“ zurück, so die Menorrhagien sehr junger Mädchen
(bei ihnen ist die Musculatur des Uterus noch nicht genügend
entwickelt), die Blutungen der Bleichsüchtigen, Phthisischen
und der Reeonvaloscentinnen von schweren fieberhaften Krank¬
heiten (hier handelt es sich um Schwäche der Muskeln des Uterus
ebenso wie des Herzens).
Ein ähnlicher Causalnexus dürfte auch manchmal vorliegen
bei den so häufig in der präklimakterischen Zeit auftretenden
Menorrhagien von Myomkranken, die vorher trotz ihrer Myome
viele Jahre lang normal menstruirten: Gerade beim myomatosen
Uterus ist ja die functionsfähige Musculatur schon reducirt;
wenn nun auch noch der Rest vom Muskelgewebe zu atrophiren
beginnt, so wird leicht die Dauer der menstrualcn Hyperaemie
verlängert, es kommt zu einer Hyperaemie der Mucosa, und in
Folge davon zu der sogenannten Endometritis fungosa
und deren Folgeerscheinungen, den Menorrhagien. Es kann
aber auch durch die Blutüberfüllung des Uterus dazu kommen,
dass der Tumor gerade in dieser Zeit viel rascher wächst wie ge¬
wöhnlich, eine Erscheinung, die jeder beschäftigte Gynäkologe
in der präklimakterischen Zeit oft zu beobachten Gelegenheit
hat. Aber noch ein Drittes in dieser Zeit häufiges Vorkommniss
findet durch die Atrophie der Musculatur seine Erklärung, näm¬
lich der Umstand, dass so oft Myome in der Wechselzeit polypös
werden. Wenn heim interstitiellen Myom die Uterusmusculatur
atropliirt, so wird das Myom je nach seiner Lage in den äusseren
oder inneren Schichten der Uterusmusculatur dann entweder
nach dem Peritoneum zu sich entwickeln, also subserös werden
oder nach der Schleimhaut hinwachsen, in das Cavum hinein¬
ragen oder später sogar vielleicht gestielt werden.
(Die Begründung dieser Sätze wird in einer demnächst er¬
scheinenden Monographie erfolgen.)
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath v .L e u b e
zu Würzburg.
Zur Embolie der Mesenterialarterien.
Von Dr. Ott, Oberarzt im 14. Inf.-Reg., commandirt zur Klinik.
Die Embolie der Mesenterialarterien ist bekanntlich ein
ausserordentlich seltenes Ereigniss, wenn cs auch jedenfalls
häufiger vorkommt als darüber berichtet wird. In der 1875 er¬
schienenen Arbeit von F a b e r sind 20 Fälle von Embolie der
Arteria mesaraica superior, darunter 4 eigene, zusammengestellt.
Die im gleichen Jahre etwas früher erschienene Arbeit von
Litten bringt ausserdem nur 2 Fälle von der noch selteneren
Embolie der Art. mes. inf., darunter nur einen auf die Art. mes.
inf. allein beschränkten Fall von Hegar, während der andere
von Gerhardt zugleich eine Embolie der Art. mes. sup. zeigt.
Soweit mir die Literatur nach dem Jahre 1875 zugänglich war —
und das war sie nahezu vollständig —, fand ich nur einige wenige
Fälle von Embolie der Mesenterialarterien. Die meisten be¬
ziehen sich auf die Art. mes. sup., nämlich je 1 Fall von G r a -
witz, Moyes (bei G r a w i t z erwähnt), Lochte, Kar-
Cher und K ö 8 t e r; 2 Fälle von Kaufmann. Ein weiterer
Fall von Jürgens, bei dem die Embolie der Art. mes. sup.
eine Theilerscheinung der Embolie der Aorta abdomin. bildete,
kann schliesslich auch dazu gerechnet werden. Von Embolie der
Art. mes. inf. findet sich ein Fall von A d e n o t') berichtet. Es
kann desshalb als ein ganz besonders günstiger Umstand ange¬
sehen werden, dass ich Gelegenheit hatte, auf der Abtheilung des
Herrn Geheimrath von Leube, dem ich für die gütige Ueber-
lassung der Fälle an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aus¬
spreche, in den letzten 2 Jahren je einen Fall von Embolie der
Meeenterialarterien zu beobachten. Wenn auch eine Obduction
nicht stattfand, weil keiner der beiden Patienten starb, so ist doch
der ganze Verlauf der Erkrankung so charakteristisch, dass er
an Durchsichtigkeit meines Erachtens nichts zu wünschen übrig
lässt.
’) Revue de m6d. 1890, No. 3.
Digitized by Gen cle
Unter den von Gerhardt und Kussmaul für die Dia¬
gnose dieser Krankheit geforderten Symptomen: Nachweis einer
Quelle für Embolie, Darmblutung, Sinken der Körperwärme,
kolikartige, unter Umständen sehr heftige Schmerzen im Unter¬
leib, Spannung und tympanitische Auftreibung desselben, et¬
waiger Nachweis eines Exsudats in der Bauchhöhle, vorherge¬
gangene oder gleichzeitige Embolien in anderen Gefässgebieten,
Fühlbarwerden von Blutsäcken zwischen den Platten des Mesen¬
terium, sind die meisten und besonders die ausschlaggebendsten
in meinen beiden Fällen vorhanden. Ich lasse gleich beide mög¬
lichst zusammengefassten Krankengeschichten folgen:
I. Philipp R., 42 jähriger Maurer. Erbliche Belastung nicht
nachweisbar. Mit 8 Jahren Brustfellentzündung, mit 13 Jahren
Typhus durchgemacht. Seit Jahren Athembeschwerden. ln den
Jahren 1897 und 1898 je einmal wegen lnsufficieuz der Mitralis,
chronischer Nephritis, chronischem Bronchialkatarrh und Lungen-
emphysem längere Zeit im Juliusspital. Jetziger Eintritt, der am
11. IX. 98 erfolgte, durch heftige Athemnoth, Anschwellung der
Beine und des Leibes veranlasst.
Statuspraesens: Massig reducirter Ernährungszustand.
Leichte Cyanose des Gesichts. Starkes Oedem der Beine.
Hintere untere Lungengrenzen beiderseits am Proc. spiu. des
12. Brustwirbels, nicht verschieblich, Auf beiden Lungen hinten
unten reichliche Rasselgeräusche.
Spitzenstoss im 7. lutercostalraum in der vorderen Axillar¬
linie. Eplgastrlsehe Pulsation. Rechte Herzgrenze reicht nahezu
bis zum rechten Sternalrand. Herzthätigkeit sehr beschleunigt
(128 p. ui.). Geräusch bei der iiusserst beschleunigten Athmung
und Herzthätigkeit nicht zu differeuziren. Puls klein, weich.
Bauclideckeu massig gespannt. In der Bauchhöhle freie
Flüssigkeit durch Palpation and Percussion nachweisbar.
Unterer Leberrand reicht in der Mammillarlinie bis zur Nabel¬
höhe herab. Consistenz der Leber vermehrt.
Milz eben fühlbar.
Urin von gelber Farbe, klar, enthält Elweiss. In dem spär¬
lichen Sediment zahlreiche granulirte Cylinder, denen stellenweise
Epithelien aufliegen. Ganz vereinzelte rothe Blutkörperchen.
Urinmenge zunächst normal.
Ordiu.: Milch und Mehlspeisen, Ivalomel 0,1 täglich, Fol. Digit,
als Stuhlzäpfchen 5 X 0,1, Ol. camphor. duplex stündlich 1 Spritze,
Wernarzer Wasser, Sherry.
13. IX. Oedem der unteren Gliedmassen vollständig zurück¬
gegangen. Ascites noch in geringem Grade nachweisbar.
Herzbefund der gleiche.
14. IX. Frequenz der Herzthätigkeit bedeutend zurückge¬
gangen (68), dagegen ist leichte Arhythmie der Herzthätigkeit vor¬
handen. 1. Ton an der Spitze von einem deutlichen Geräusch be¬
gleitet, 2. Pulmonalton verstärkt.
Digitalis bleibt weg, dafür Coffein, natr.-salicyl. 3 X 0,2.
15. IX. W T ährend der vergangenen Nacht heftiger Schüttel¬
frost, der Jetzt (bei der Morgenvisite) noch andauert und im An¬
fang von zweimaligem leicht galligem Erbrechen begleitet war.
Während der Visite nochmals ebensolches Erbrechen. Klagt über
Schmerzen lm Unterleib. Gesicht und periphere Körpertheile cya-
notisch. Radialpuls verschwunden. Frequenz der Herztöne
äusserst beschleunigt: 156. Systolisches Geräusch an der Spitze
wieder weniger deutlich.
L. h. u. zwei Querflnger breite relative Dämpfung, klingendes
Rasseln, Broncliopkonie und leichtes Reiben. Kein charakte¬
ristisches Sputum. Temperatur: 40 0 p. r.
Ordin.: Ol. camphor. duplex, halbstündlich 1 Spritze, Coffein,
natr.-salicyl. als Zäpfchen 3 X 0,2 täglich.
Nach einiger Zeit wird der Puls wieder fühlbar, ist aber klein
und weich.
Ferner erfolgen im Laufe des Nachmittags etliche diarrhoische
Stühle, denen Schleim und Blut beigemengt ist, letzteres von
dunkelrother Farbe und zunächst ln geringer, später etwas
grösserer Menge. Im Ganzen wird etwa % Liter Blut entleert.
Die Temperatur fällt im Laufe des Tages auf 38,7 0 C„ bis zum
nächsten Morgen auf 36,5 °.
18. IX. Relative Dämpfung 1. h. u. noch vorhanden, ausser¬
dem Knisterrasseln.
19. IX. Spitzenstoss lm 5. Intercostalrauni, etwa 2 cm ausser¬
halb der Mammillarlinie am stärksten anschlagend. Puls voll.
Frequenz 50. Weder Schleim noch Blut lm Stuhl.
Diese Grenze des Herzens nach links, die gegen den Eintritt
eine bedeutende Verkleinerung darstellt, bleibt fortan bestehen
und deutet also den bleibenden Grad von Hypertrophie des linken
Ventrikels an, während dadurch gleichzeitig der vorhergehende
Zustand als acute Dilatation des insufficienten Herzmuskels ge¬
kennzeichnet ist
Von jetzt ab steigt auch die Urinmenge, die vom 15. IX. ab
sehr verringert war, auf über die Norm bis 3800.
Vorübergehend treten am 7. X. wieder einmal Stauungserschei¬
nungen in Folge von lnsufficieuz des Herzmuskels ein, die aber
dem Gebrauch von Digitalis in 3 Tagen weichen.
Das systolische Geräusch an der Herzspitze wurde mit zu¬
nehmender Kräftigung des Herzmuskels immer lauter und erwies
sich also dadurch und durch die Verstärkung des 2. Pulmonaltons
als ein durch organische Insufficienz der Mitralis bedingtes, wie
dies ja schon beim früheren Aufenthalt festgestellt wurde.
1 *
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 14.
456
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Am 31. X. 98 wird Pat. als gebessert entlassen.
II. Johann 1L, 50 jähriger Dienstkuecht, eingetreten am
9. XI. 99. Beide Eltern starben angeblich an Sehlaganfall. Pat.
hatte als Kind häutig über Kopfschmerz zu klagen. Später war
er immer gesund, besonders nie luetisch inticirt. Gestern bemerkte
Pat., dass plötzlich eine grosse Schwäche in seinem linken Bein
und Arm eintrat, so dass er sich setzen musste, um nicht zusammen
zustürzen. Ein selbständiges Bewegen des linken Armes war ihm
gar nicht möglich. Das Bewusstsein war keinen Augenblick ge¬
stört. Mässiges Potatorium.
Status praesens: In der rechten Ellenbeuge und vor
dem linken M. cucullaris geschwellte Lymphdrüsen, ebenso in
beiden Leistengegenden.
Lungenbefund, soweit dies ohne Aufrichten des Pat. festge¬
stellt werden kann, pereutorisch und auscultatorisch normal.
Spitzenstoss im 5. Intercostalraum, 1 cm ausserhalb der Main-
millarlinie, deutlich sicht- und fühlbar. Hechle IIerzgrenze am
linken Sternalrand. 1. Ton an der Basis dumpf. Kein Geräusch.
2. Pulmonalton nicht verstärkt, dagegen deutlich der 2. Aortentou.
Art. radial, und brach, stark geschlängelt und hart. Ophthalmo¬
skopisch wird eine geringe Sklerose der Netzhautarterien fest ge¬
stellt. (Herr Dr. A p e t z.)
Von Seiten der Unterleibsorgane nichts Abnormes. Urin voll¬
ständig normal.
Obere und untere linke Extremität schlaff gelähmt. (Eine
vollständige Wiedergabe des Befundes am Nervensystem unter¬
lasse ich als hier unwesentlich.)
16. XI. Morgens klagt Pat. über heftige Schmerzen in der
Reg. hypogastriea. Der auf Einlauf erzielte Stuhl enthält
neben einigen Ivothballen reichlich reines, dunkles Blut. Nach
V-, Stunde wiederholt sich der Abgang von Blut. Etwa 1 Stunde
darauf ündet ein besonders starker Abgang ebenfalls dunkeln
Blutes statt. Pat. wird dabei ganz blass, der Puls für kurze Zeit
unfühlbar. Die Untersuchung mit dem Mastdarmspiegel ergibt,
dass die Quelle der Blutung im Rectum nicht zu suchen ist. Bis
das Gesichtsfeld soweit frei ist, dass die Beschaffenheit der Mast¬
darmschleimhaut überblickt werden kann, sind eine Unmasse von
Tampons uöthlg, da das Blut beständig nachquillt. Ein Theil des¬
selben strömt in das Bett. Die Gesummtmenge des entleerten
Blutes kann nicht genau bestimmt werden, doch ist 1 Liter sicher
nicht zu hoch geschätzt. Temp. 36,G p. ax.
Ordin.: Kost 0. Eisstückchen zum »Schlucken, Eisblase auf
den Unterleib, Morphiuminjectionen 3 X 0,01. Inf. secal. com.
5:150, zweistündlich 1 Esslöffel. Tamponade des Rectum. Sherry.
Abends: Nach Herausnahme des Wattetampons entleert sich noch
eine grössere Menge Blut. Temp. 36,4Einlegen eines neuen
Tampons. Tannigen 2 X 1*0.
18. XI. Gestern Morgen Entfernung des Tampons. Weder
unmittelbar darnach noch bis jetzt eine Entleerung von Blut oder
Faeces.
20. XI. Gestern Abends auf Einlauf von % Liter Wasser ganz
geringe Mengen gleichmässig schwärzlich gefärbten Stuhls entleert,
der chemisch und mikroskopisch Blut nachweisen lässt.
25. XI. Nur noch einzelne Blutpuukte in Ivothballen eiuge-
schlosseu, ausserdem wenig Schleim isolirt.
27. XI. Stuhl vollständig frei von Blut.
Beweglichkeit des linken Beines zurückgekehrt; nur ist das¬
selbe noch schwach. Stehen unmöglich. Beweglichkeit des Armes
wenig besser.
11. XII. Kann mit Stock Im Zimmer umhergelieu.
Gegenwärtig — 28. I. 1900 — wird das linke Bein beim Gehen
noch nachgeschleift. Der linke Arm, der im Ellenbogen in Beuge-
contractur steht, kann bis zur Horizontalen erhoben werden.
Am Rumpf, besonders an der Rückseite, ferner an den Ober¬
schenkeln, verschiedene stecknadelkopf- bis liusengrosse Ekchy-
mosen.
Während der ganzen Zelt nie Störungen von Seiten der Ver¬
dauungsorgane. Stuhl, der wiederholt untersucht wird, immer
vollkommen normal.
Urin, der sowohl im Anfang, als auch während der letzten
8 Tage täglich auf Eiweiss und Cylinder untersucht w r ird, immer
von beidem frei.
Betrachten wir nun die beiden Fälle näher in Bezug auf das
Vorhandensein der von (1 e r h a r d t und K u s s in a u 1 für die
Diagnose auf Embolie der Art. mesaraica auf gestellten Sym¬
ptome.
Bei K. (Fall 1) konnte die Embolie sowohl durch einen
in Folge der schlechten Herzthätigkeit erst gebildeten Pfropf als
durch eine von der erkrankten Mitralis losgerissene Auflagerung
verursacht sein.
Erstcres ist das Wahrscheinlichere, da der Process an der
Klappe schon alt ist und früher nie zu Embolien geführt hat,
andererseits die Insufficienz des Herzmuskels eine ausgesprochene
ivar. Interessant ist. nun in diesem Fall, dass kurz vor Eintritt
der Embolie die Herzthätigkeit, die vorher sehr elend war, sich
bedeutend gebessert hatte. Wir haben zwar noch leichte Arythmie,
aber «‘inen in der Frequenz bedeutend verminderten (gegen vor¬
her) und vor Allem kräftigeren Puls, so <la<s Digitalis nach Ver¬
abreichung von 1,2 g weggelassen werden konnte. Als der sicht¬
barste Ausdruck für die Besserung der Herzthätigkeit fand sich
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der Rückgang der Stauungserscheimmgen. Und nun auf dem
besten Wege zur Reconvalescenz treten auf einmal am 15. XI.
die geschilderten stürmischen Erscheinungen auf, wobei gleich¬
zeitig die Herzthätigkeit wieder äusserst schlecht wird. Wir
haben hier vielleicht einen Fall vor uns, wo durch die Anregung
der Herzthätigkeit durch die kräftigsten Herzmittel: Digitalis,
Kampher, Wein eines der vorher bei der miserablen Herzthätig¬
keit im linken Herzen gebildeten Gerinnsel hinausgeschleudert
wurde, das bisher wegen der schwachen Herzthätigkeit liegen ge¬
blieben war.
Das wird uns aber selbstverständlich nicht abhalten, in
gleichen Fällen — dem Standpunkt L e u b e’s folgend — ebenso zu
handeln, d. h. die Kräftigung der Herzthätigkeit um jeden Preis
herbeizuführen zu trachten. Denn einerseits ist es bei der dar-
niederln gendeii Herzthätigkeit, wenn dieselbe nicht rasch ge¬
ändert wird, im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Ge¬
rinnselbildung immer mehr vor sich geht, während andererseits
durch Anspornung der Herzthätigkeit dieselbe verringert wird,
bezw. nicht zu Stande kommt. Ferner glaube ich annehmen zu
dürfen, dass wenn sich Gerinnsel gebildet haben, je stärker die
Herzthätigkeit, desto grösser die Wahrscheinlichkeit ist, dass
ein hinausgeschleudertes Gerinnsel in möglichst kleine Stücke
an den verschiedenen Theiluugsstellen der Arterien zerschellt.
Ein Pfropf, der bei schwacher Herzthätigkeit in einer grossen
Arterie liegen bleibt, kann bei der angeregten Herzthätigkeit so
weit geschleudert werden, dass er nur mehrere kleine Aeste dieser
Arterie verstopft. Und das ist viel günstiger. Wir wissen, dass
die Summe der Querschnitte von den Aesten einer Arterie grösser
ist, als der Querschnitt der betreffenden Arterie selbst. Um also
denselben Raum einzuiiehinen wie im Ilauptstamm, wird der
Pfropf nur einen Theil der Aeste desselben benöthigen, also einen
kleineren Theil der arteriellen Blutzufulir berauben und der In-
farcirung aussetzen. Dazu kommt nun noch, dass alle diese kleinen
Pfropfe bei der verstärkten Herzthätigkeit fest in die Gefäss-
wandungen hineingepresst werden, während bei der schwachen
Herzthätigkeit der grosse Embolus gerade so weit kommt, da~s er
ein grosses Gefäss eben ausfüllt. Oder vielleicht thut er dies
nicht einmal und der freigebliebene Theil wird durch autocli-
tlioiie Thrombose verstopft, der Thrombus also grösser.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass, wenn auch die Art. mes.
sup. wegen der im Verhältnis» zu ihrem grossen Gefässgebiet sehr
geringfügigen Anastomosen functioneil einer Endarterie gleich¬
zusetzen ist (Litt e n), diese Anastomosen doch eher genügen
können die Cireulation wieder herz ns teilen, wenn nur kleinere
Aeste der Art. mes. sup. verstopft sind.
So existiren in der That verschiedene Fälle von Embolie der
Art. nies, sup., deren Heilung später durch die Section bestätigt
wurde, nämlich je 1 Fall von V i r c h o w, Cohn 5 ), Jürgens,
Karelier, Köster; ausserdem 1 Fall von Moos 2 ), dessen
Heilung zwar nicht durch die Section bestätigt wurde, dessen Be¬
weiskraft aber wegen der charakteristischen Erscheinungen von
keinem der ihn berichtenden Autoren angezweifelt wird.
Aus all’ diesen Gründen gebt die Berechtigung des Stand¬
punktes von Leube hervor, nämlich, dass man sich nicht
scheuen soll, in solchen Fällen die Herzthätigkeit anzuregen.
Wir haben also, um nach dieser kleinen Abschweifung zu
unserem Fall zurückzukehren, bei unserem Fall I im Herzen
eine zweifellose Quelle für Embolie. Wir haben ferner gleich¬
zeitig Erscheinungen von Seiten der Lunge, die mit der grössten
Wahrscheinlichkeit, auch wenn sie allein vorhanden wären, d. h.
ohne Erscheinungen von Seiten des Darmes, zu der Annahm« 1
eines haemorrhagischen Infarcts der Lunge führen würden, d. h.
zu der Voraussetzung, dass wie aus dem linken, so auch aus dem
rechten Herzen Gerinnsel in die peripheren Arterien hinaus¬
geschleudert wurden, nämlich an einem schmalen Bezirk 1. h. u.
relative Dämpfung, Bronchophonie, klingendes Rasseln, leichte*
Reiben. Und das Alles trat unter heftigem Schüttelfrost, Er¬
brechen und hoher Temperatursteigerung (40 °) ein. Diese
Temperatur ging schon bis zum Abend bedeutend zurück (auf
38,7") und am nächsten Morgen war sie normal, währeml die
übrigen physikalischen Symptome noch einige Tage fortbe¬
standen. Nur das blutige Sputum fehlte. Man kann sieh dies
ganz gut, dadurch erklären, dass, nachdem die Infareirung eben
vollendet war, auch schon eine Anastomose der Pulmonalarterien
mit den Art. bronchiales und pleurales und damit die Resorption
2 ) Bei Faber.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
457
angebahnt wurde. Der Fall steht ja in dieser Beziehung nicht
vereinzelt da.
Gleichzeitig mit den Morgens aufgetretenen stürmischen
Erscheinungen : Schüttelfrost, Temperatursteigerung, Herz¬
schwäche, waren heftige Schmerzen im Unterleib aufgetreten,
für die sich zunächst eine Erklärung nicht bot. Das Erbrechen
konnte als Reflexerscheinung, durch den haemorrhagischen
Lungeninfarct veranlasst, aufgefasst werden. Erst während des
Nachmittags nun traten die blutigen Stühle auf. Wenn es auch
im Ganzen verhältnissmässig sehr wenig Blut war, was an diesem
und den folgenden Tagen entleert wurde, so spielt meines Er¬
achtens die Menge des ergossenen Blutes, wenn die begleitenden
Umstände in so hohem Grade zur Annahme einer Embolie der
Mesenterialarterien förmlich zwingen, die weniger wichtige Rolle.
Wir müssen bedenken, dass wir es mit einem vorher und
nachher darmgesunden Manne zu thun gehabt haben, der unter
den beschriebenen Erscheinungen von Seiten des Darmes plötz¬
lich erkrankt. Einfache Stauung von Seiten des insufficienten
Herzens ist dadurch ohne Weiteres ausgeschlossen. Ebenso
kommt eine Blutung, wie sie sonst bei chronischer Nephritis an
verschiedenen Stellen des Körpers Vorkommen kann, nicht in Be¬
tracht, weil einmal sonst nirgends Blutungen vorkamen, und
dann wegen der eigenartigen Begleiterscheinungen.
Was das Darmgeschwür anlangt, so wissen wir allerdings,
dass Darmgeschwüre unter Umständen lange Zeit latent bleiben
können, so dass sie weder dem Patienten subjectiv sich bemerkbar
machen, noch vom Arzt, der vielleicht, z. B. bei Tubereulose,
besonders darauf fahndet, objectiv nachgewiesen werden können.
Trotzdem wäre es doch höchst seltsam, wenn ein lange latent ge¬
bliebenes Geschwür gerade zu einer Zeit Symptome machen sollte,
wo an Embolie der Mesenterialarterien, so selten dieselbe ist, viel
eher zu denken ist. Und noch seltsamer wäre es, wenn diese Er¬
scheinungen so rasch wieder verschwänden und Blutungen später
auch nicht in Spuren sich gezeigt hätten. Ja auch dann, wenn
nachher vielleicht noch Zeichen zurückgeblieben wären, die auf
Darmgeschwüre bezogen werden könnten, so würde uns dies noch
nicht berechtigen, anzunehmen, dass dieselben von vornherein be¬
standen haben. Denn wie leicht könnten in einer haemorrhagisch
infarcirt gewesenen Darmwand Geschwüre Zurückbleiben!
Ueber das Verhalten der Temperatur werde ich mich beim
Vergleich mit dem Fall II näher auslassen.
Forschen wir bei unserem zweiten Fall zunächst nach einer
Quelle für Embolie, so wird uns dies schon schwieriger als beim
ersten Fall. Der Mann kommt mit acut cingetretener links¬
seitiger Hemiplegie auf die Abtheilung. Nun hat ja bekanntlich
Bamberger gesagt, dass es meistentheils unmöglich sei, zu ent¬
scheiden, ob eine Apoplexie durch Embolie oder Haemorrhagie
veranlasst ist. Dies triflt besonders für ältere Individuen zu.
Wenn man aber sich an eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose wagen
will, so muss sich einem, wenn man diesen Mann untersucht und
die Hypertrophie des linken Ventrikels constatirt, ferner die Ab¬
wesenheit von Geräuschen und die deutliche Verstärkung des
2. Aortentones, natürlich sofort der Gedanke an die altbekannte
Reihenfolge von Symptomen aufdrängen: chronische Nephritis,
mangelhafte Ausscheidung von Harnsubstanzen und dadurch Er¬
höhung des Blutdrucks, in Folge davon Hypertrophie des linken
Ventrikels und Arteriosklerose und durch das Zusammenwirken
dieser letzten 3 Factoren Haemorrhagie.
Aber mit den feinsten Methoden konnte ich im Urin weder
Eiweiss noch specifische Formbestandtheile auf finden, obwohl der¬
selbe sowohl im Anfang als in der allerletzten Zeit 8 Tage hinter¬
einander und ausserdem ziemlich häufig untersucht wurde. Es
bleibt also in Anbetracht des sonstigen Befundes nichts übrig, als
die Hypertrophie des linken Ventrikels auf eine primäre Arterio-
' sklerose zurückzuführen. Die durch Arteriosklerose allein ver¬
ursachte Hypertrophie des linken Ventrikels ist ja von verschie¬
denen Autoren anerkannt. Was eine etwaige Hypertrophie durch
anstrengende Arbeit betrifft, so hat Patient nach seiner eigenen
Aussage nie anstrengenden Dienst gehabt.
Eben wegen der an den peripheren Arterien deutlich nach¬
weisbaren Arteriosklerose und der Hypertrophie des linken Ven¬
trikels war ich im Anfang eher geneigt, die Gehirnerscheinungen
auf eine Haemorrhagie zurückzuführen, bis sich dann die Darm¬
blutung einstellte. Diese als durch Berstung eines Astes der
Mesenterialarterien verursacht aufzufassen, geht nach meiner An¬
sicht nicht an, da eine derartig profuse Blutung, wie sie in diesem
v 1L
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Falle stattfand (es wurde mindestens 1 Liter Blut entleert), doch
schon eine grössere Arterie betreffen müsste und dann einmal
bei der tiefen Lage der grösseren Gefässe die Blutung fast eher
in die Bauchhöhle stattfinden konnte als durch die intacte
Schleimhaut in das Darmrohr und ferner bei den mechanischen
Insulten, denen der Darm ständig ausgesetzt ist, es nicht gut
denkbar wäre, dass aus so hochgradig erkrankten Gefässen keine
weitere Blutung erfolgt, entweder aus diesem Gefässe oder aus
anderen Aesten der Mesenterialarterie. So schreibt denn auch
Nothnagel, dass als Ursache von Darmblutung die Berstung
eines arteriellen Aneurysma oder isolirten Varix „erst dann in
Erwägung zu ziehen ist, wenn die genaueste Untersuchung und
Abwägung aller Umstände gar kein aetiologisches Moment er¬
kennen lässt.“
Eine Annahme, die wegen der vorhandenen Arteriosklerose
ebenfalls in Betracht kommen könnte, wäre die einer autoch-
tlionen Thrombose der sklerotischen Arterien — sowohl des Me¬
senteriums als des Gehirns. Dafür ist aber erstens der Eintritt
der Erscheinungen sowohl von Seiten des Gehirns als des Darms
zu stürmisch. Allerdings berichtet Litten über einen Fall von
autochthoner Thrombose der Art. mes. sup., bei dem die Erschei¬
nungen ebenfalls plötzlich auftraten. Aber die Regel wird
dies doch nicht sein. Es wird vielmehr der Bildung eines Col-
lateralkreislaufs noch mehr Zeit geboten sein als in den un¬
zweifelhaften (durch die Section bestätigten) Fällen von Heilung
der acuten embolischen Verstopfung der Mesenterialarteriell.
Wenn man aber doch annehmen wollte, dass die theilweise Ob¬
literation eines Astes der Mesenterialarterie bis dahin ganz ohne
Symptome verlaufen wäre und solche in ihrer ganzen Wucht auf¬
getreten sind, sobald die noch vorhandene kleine Oeffnung voll¬
ständig verschlossen wurde, so müsste cs einen doch wundern,
wenn nicht in absehbarer Zeit auch andere Aeste derselben Ar¬
terie thrombosiren. Und ferner könnten wir an den Gehirn¬
arterien den gleichen Process schon gar nicht annehmen. Es gilt
hier in noch Köherem Grade als für den Darm, dass, wenn Gehirn¬
arterien so hochgradig degenerirt sind, dass autoehthone Throm¬
bose dort entsteht, erstens Vorboten dagewesen sein müssten und
ferner, dass der weitere Verlauf eine ständige Vers Iilimmerung
zeigen müsste, statt wie hier nicht bloss keine Verschlimmerung,
sondern sogar eine Besserung aufzuweisen.
Ich komme also, indem ich weiterhin aus denselben Gründen
wie bei Fall I auch eine durch Darmgeschwüre verursachte Blu¬
tung ausschliesse, zu dem Schluss, dass eine Embolie im Gebiet
der Mesenterialarterien vorliegt. Daraus lässt sich nun rückwärts
schliesson, dass die vorhergegangene Apoplexie des Gehirns sehr
wahrscheinlich ebenfalls auf eine Embolie zurückzuführen ist
und dass die Embolie hier wie dort in Anbetracht des Befundes
am Circulationsapparat — reine Herztöne, nur der 1. Herzton
dumpf, 2. Aortenton verstärkt, deutliche Arteriosklerose — auf
Atherom der Aorta und der übrigen grossen Gefässe zurück¬
zuführen ist — eine Diagnose, die nur dadurch gestellt werden
kann, dass eben von den einzelnen Symptomen des ganzen vor¬
handenen Symptomencomplexes eines das andere stützt.
Auch die in der letzten Zeit bemerkbaren ziemlich zahlreichen
Ekchymosen am Rumpfe und den Oberschenkeln sind wohl als
eapilläre Embolien aufzufassen, ähnlich wie bei der Sepsis. Auch
in diesem Fall traten heftige Schmerzen auf. Dieselben wurden
in die Reg. hypogastr. verlegt und waren dem durch Einlauf er¬
zielten, reichlich mit Blut vermischten Stuhl nicht lange, kaum
eine Stunde vorhergegangen. Die Blutung war nun im Gegensatz
zu Fall I sehr massig und förderte flüssiges, dunkles Blut zu
Tage. Der Collaps war dabei ausgesprochen. Auch in der Tem¬
peratur kommt dies, wenn auch in geringem Grade, zum Aus¬
druck, indem die Abendtemperatur (36,4") niedriger ist als die»
Morgentemperatur (36,6 °), die bereits vor dem Eintritt der
Blutung bestimmt war. Wahrscheinlich war die Temperatur
Abends, wo der Patient schon wieder einen viel besseren Eindruck
machte, gegenüber der Temperatur zur Zeit der Blutung wieder
gestiegen. Eine Messung direct nach der Blutung wurde leider
nicht gemacht. Jedoch ein wesentliches Symptom für die
Diagnose der genannten Erkrankung ist das von Gerhardt
und Kuss maul erwähnte Sinken der Körpertemperatur ja
nach der ausführlichen von F a b e r gemachten Zusammenstel¬
lung jedenfalls nicht. In F a b e Fs 20 Fällen ist nur 3 mal
Sinken der Körpertemperatur notirt und ausserdem findet sich
einmal rasches Steigen der Temperatur erwähnt.
2
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
458
MÜNCHENER MED1CINISCME WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
Von unseren beiden Fällen zeichnet sich in Bezug auf die
Temperatur Fall I mit der geringen Darmblutung und dem
gleichzeitigen Lungeninfarct durch hohe Temperatursteigerung
(40 °) unter Schüttelfrost aus; der andere mit der profusen Darm¬
blutung hatte aus dem oben ausgeführten Grunde, wahrscheinlich
zur Zeit der Blutung eine abnorm niedrige Körpertemperatur.
Das Fieber bei Embolie ist bekanntlich einmal vorhanden,
ein anderesmal nicht. Wo es gleich im Anfang bei einem nicht
septischen Embolus vorhanden ist, ist es vielleicht als Reflex-
erscheinung aufzufassen, die dann ausbleibt, wenn, wie bei pro¬
fusen Blutungen, der Collaps zu gross ist.
Eine Anhäufung von Blut zwischen den Platten
des Mesenterium, die in den von F a b e r beschriebenen
Fällen einige Male gefühlt wurde, konnte nicht gefunden
werden. Es ist auf dieses Symptom übrigens weniger Werth
zu legen. Wo nicht eine ganz oberflächliche Palpation genügt,
diese Platten festzustellen, wird man sich auch wohl hüten, ledig¬
lich im diagnostischen Interesse, obwohl man mit den sonstigen
Symptomen auskommen kann, darnach zu suchen. In den we¬
nigsten Fällen aber wird eine ganz oberflächliche Palpation
genügen.
Was den Sitz der Blutung anlangt, so lasse ich es im Fall I
vollkommen dahingestellt, in welche Gegend des Darmes derselbe
zu verlegen ist. Denn da das erste Blut erst Nachmittags ent¬
leert wurde, nachdem Vormittags bereits die Schmerzen im Leib
auf getreten waren, kann die Farbe des Blutes, die dunkel war,
keinen Anhaltspunkt mehr geben. Man hätte ja, wie im Fall II
(s. u.), durch den Mastdarmspiegel sich überzeugen können, ob
die Mastdarmschleimhaut ganz in Ordnung ist und bei Vorge¬
fundenen Veränderungen vielleicht eine Embolie der Art. mesar.
inf. diagnosticiren können, von der ja der letzte Theil des Dick¬
darms vom Kolon descendens an versorgt wird. Aber selbstver¬
ständlich wird man diese Untersuchung lediglich in diagno¬
stischem Interesse einem Kranken, der sich in einem solchen
Zustand befindet, nicht zumuthen, und in therapeutischem Inter¬
esse war dieselbe nicht geboten.
Dagegen lag der Fall II ganz anders. Hier war bei dem
starken Blutabgang die Untersuchung per rectum dringend ge¬
boten, um zu sehen, ob wenigstens die Möglichkeit vorhanden
sei, dieselbe direct zu bekämpfen. Dabei zeigte sich die Mast¬
darmschleimhaut vollkommen normal. Wir können also ganz von
dem Umstand absehen, dass hier zwischen dem Auftreten der
Schmerzen und dem Eintritt der ersten Blutentleerung keine so
lange Zeit lag (etwa 1 Stunde), dass auch aus den untersten Darm¬
partien stammendes Blut schon hätte verändert sein können, dieses
aber doch schon sehr dunkel war. Auch der am 19. XI., also
3 Tage nach der Blutung, entleerte Stuhl, welchem das Blut
gieiehmässig beigemengt war, spricht weiter dafür, dass die
Quelle der Blutung nicht in den alleruntersten Darmpartien zu
suchen ist.
Was nun die Therapie betrifft, so konnten wir im Fall I,
wo eine Insuffieienz des Herzmuskels die Ursache der Embolien
und das Gefässsystem dabei intact war, leicht der Hauptindica-
tion zu genügen suchen, nämlich den arteriellen Druck zu er¬
höhen, damit er womöglich über das Hinderniss hinwegkommt.
Dies geschah denn auch reichlich durch Kampher und Digitalis.
Anders lag der 2. Fall. Die geschilderte Beschaffenheit der Ge-
fässe legt natürlich Vorsicht auf. Man wird gegen den Collaps
natürlich auch Analeptica geben, aber nur so viel als nothwendig
ist. Dies geschah in diesem Fall durch Verabreichung von etwas
Sherry. Eine so profuse Blutung, wie sie in diesem Falle statt¬
gefunden hat, wirkt ja, sobald nicht weitere zum Tode führende
Blutungen nachfolgen, selbst als gutes Heilmittel, indem sie
den Druck im venösen Abflussgebiet bedeutend verringert und
damit die Intensität der Infarctbildung herabsetzt.
Die Anwendung von Kälte auf den Unterleib, die beim
II. Fall, wo die Blutung eine so profuse war, in Form eines Eis¬
beutels geschah, findet scheinbar wenig Anklang. Sowohl
v. L e u b e, als N othnagel und Penzoldt erwarten von
der Anwendung der Kälte keinen Nutzen; in Form von häufig
gewechselten Eiscompressen kann sie nach den letzten beiden
Autoren durch Anregung der Peristaltik sogar schaden.
Bei Winternitz sind sehr schöne Versuche von E s -
march und Schlikoff angeführt, bei welchen die Einwir¬
kung von Kälte auf die Temperatur tieferer Theile sehr bequem
controlirt werden konnte. Die Versuche wurden nämlich gemacht
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an Leuten mit Sequestrotomien, Thoracocentesen, Darmfisteln,
bei welchen die Temperatur in den bezüglichen Höhlen festge¬
stellt wurde. Es wurde da auch in grösseren Tiefen starke Herab¬
setzung der Temperatur bewirkt (z. B. bei E s m a r c h in einer
3—5 cm von der Applicationsstelle des Eisbeutels entfernten
Knochenhöhle nach 8 Stunden um 4,3°, nach einer weiteren
Stunde um im Ganzen 10° C.). Allerdings ist damit noch nicht
gesagt, dass der Herabsetzung der Temperatur auch eine Ver¬
minderung der Gefässfüllung entspricht. So sind z. B. die Mus¬
keln von Versuchskaninchen, denen Eis auf den rasirten Bauch
gelegt wurde, sehr hyperaemisch gefunden worden. Aber die
Haut und die Eingeweide wurden dabei anaemisch gefunden
und es lässt sich desslialb im gegebenen Fall das Auflegen eines
Eisbeutels schliesslich verantworten.
Ferner wurde bei Fall II ein Wattetampon möglichst hoch in
den Mastdarm eingeführt. Man könnte dieser Manipulation vor¬
werfen, dass sie den Sitz der Blutung ja doch nicht erreicht habe,
und dass der Tampon nur geeignet sei, die Peristaltik anzuregen
und dadurch der Stillung der Blutung entgegen zu wirken. Wenn
aber, wie sich dies von selbst versteht, gleichzeitig entsprechende
Dosen von Morphium gegeben werden, so genügen dieselben wohl
auch, trotz vorhandenen Tampons den Darm ruhig zu stellen
und das oberhalb des Tampons sich ansammelnde Blut kann dann
durch seine eigene Masse auf die blutende Stelle eventuell tam-
ponirend wirken.
Ueber den Werth der Gelatineinjectionen, die behufs Stei¬
gerung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes von Lancereaux
zuerst zur Behandlung des Aortenaneurysma empfohlen wurden
und dann von verschiedenen anderen Autoren zu demselben Zweck
gegen Blutungen aus Magen und Darm, aus der Lunge und bei
Purpura haemorrhagica angewandt wurden, gehen die Ansichten
noch auseinander. Wollte man einen Versuch damit machen, so
müsste man sie zur Vermeidung jeder Anregung der Perstaltik
und zur Erzielung einer rascheren Wirkung natürlich in einem
solchen Fall subcutan geben, nicht per rectum. Solange aber
üble Zufälle bei diesen subcutanen Injectionen nicht vollständig
ausgeschlossen sind, begnügen wir uns mit unserem übrigen medi-
camentosen Schatz, der ja einige gute Mittel bietet, wenn den¬
selben Zeit gegeben wird, einzuwirken, d. h. wenn sich Patient
nicht zu rasch verblutet.
D a g e g e n ist natürlich alle Therapie ohnmächtig.
Benützte Literatur:
1. F a b e r: Die Embolie der Art. mesaraica superior. Deutsch.
Areh. f. klin. Med., Bd. 10. — 2. G r a w i t z : Ein Fall von Embolie
der Art. mesaraica superior. Virchow’e Arch., Bd. 110. — 3. H e -
gar: Embolie der Lungenarterie und Arteria mesaraica inferior.
Virchow’s Arch., Bd. 48. — 4. J ü r g e n s : Ein Fall von Embolie
der Aorta abdominalis. Münch, med. Wochenschr. 1894, No. 43. —
5. Karcher: Ein Fall von Embolie der Art. mesar. super. Cor-
respondenzbl. f. Schweizer Aerzte 1897. — 6. Kaufmann: Ueber
den Verschluss der Art. mesar. super, durch Embolie. Virchow's
Arch., Bd. 116. — 7. Köster: Zur Casuistik der Thrombose und
Embolie der grossen Bauchgefässe. Deutsch, med. Wochenschr.
1898, No. 21. — 8. Lochte: Eigenbericht dieser Zeitschrift aus
dem ärztlichen Verein zu Hamburg. — 9. Nothnagel: Die Er¬
krankungen des Darms und des Peritoneum. — 10. Penzoldt:
Handbuch der Therapie innerer Krankheiten. 0. Abth. — 11. Se-
maine mCdicale 1899, No. 1, 14, 21. — 12. W i n t e r n i t z : Hydro¬
therapie.
Aus dem Laboratorium der medicinischen Klinik zu Bonn.
Ueber den Nachweis von Gallenfarbstoff in den Faeces,
in Sonderheit mit der Ad. Schmidt’sehen Probe,
und Uber die klinische Bedeutung des Vorkommens
von Bilirubin in denselben.
Von Rudolf Schorlemmer.
In der schwierigen und praktisch wichtigen Frage, ob bei
Durchfällen resp. Enteritiden nur der Dickdarm oder gleichzeitig
auch der Dünndarm erkrankt ist, spielt der Nachweis von unver¬
ändertem Gallenfarbstoff in den Faeces eine ausschlaggebende
Rolle. Von Nothnagel 1 ) ist der Satz formulirt worden, dass
das Vorkommen von unverändertem Gallenfarbstoff in den Faeces
auf eine Betheiligung des Dünndarms an dem Krankheitsprocesse
hinweise und dass, wenn dabei Gallenfarbstoff an Schleim-
*) Beiträge zur Physiologie und Pathologie des Darmes.
Berlin 1884, p. 97 u. 157 ff. S. auch: Die Erkrankungen des Darmes
und Peritoneums. Wien 1898. p. 115.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900. MÜNCHEN KR MEDICTNTSCHE WOCHENSCHRIFT. 459
theilchen hafte, dieser Process ein Katarrh sei. Diese Auf¬
fassung, welche sich einerseits auf klinische Beobachtungen,
andererseits auf das physiologische Verhalten der Gallenfarbstoff -
reaction im Darminhalt — nach N o t h n a g e 1 ist dieselbe in den
untersten Theilen des Dünndarms normaler Weise nicht mein*
deutlich — stützt, ist, wie es scheint, von allen Autoren auf dem
Gebiete der Darmkrankheiten aceeptirt worden.
Nothnagel bediente sich, wie übrigens auch alle späteren
Untersucher, zum Nachweise des Gallenfarbstoffes in den Faeces
der G m e 1 i n’schen Reaetion. Da bei vielfachen im hiesigen
Laboratorium ausgeführten Faeocsuntersuchungen sich gewisse
Mängel der G m e 1 i n’schen Probe herausgestellt hatten, habe ich
auf Veranlassung von Prof. Ad. Schmidt die Frage der dia¬
gnostischen Bedeutung des Bilirubinnachweises in den Faeces
einer Nachprüfung unterzogen und mich dabei speciell der von
Schmidt 5 ) empfohlenen Sublimatprobe bedient. Eine aus¬
führliche Mittheilung über meine Untersuchungen wird im Archiv
für Verdauungskrankheiten erscheinen. Hier seien nur kurz die
Ergebnisse derselben, soweit sie praktisch von Bedeutung sind,
zusammengestellt.
Während im Urin die G m c 1 i n’sche Probe in den ver¬
schiedenen Modifikationen bekanntlich ausgezeichnete Resultate
liefert, erweist sie sich bei der Kothuntersuehung als unzu¬
reichend hinsichtlich des Nachweises einzelner, mikroskopisch
kleiner, gallenfarbstoffhaltiger Bestandteile, unzuverlässig in¬
sofern, als sie, makroskopisch angewendet, manchmal einen grünen
Farbenton auch dort ergibt, wo tatsächlich kein Bilirubin vor¬
handen ist. Es wird zwar von verschiedenen Autoren angegeben,
dass die G m e 1 i n’sehe Reaetion auch unter dem Mikroskope
gute Resultate gäbe, aber diese Behauptung muss lebhafte Be¬
denken erregen, wenn man sieht, dass selbst ein so ausgezeichnete:-
Forscher wie Nothnagel 8 ) durch sie zu dem zweifellos fal¬
schen Schlüsse gelangt ist, dass in normalen Stühlen verschiedene
Gebilde, nämlich die Muskelfaserreste, ferner gelbe Kalksalze und
Hefezellen durch Bilirubin gefärbt sind. Ich selbst möchte nach
häufiger Anwendung dieser Probe behaupten, dass sie nur dort
im mikroskopischen Präparate zuverlässige Resultate ergibt, wo
sie auch makroskopisch unzweideutig positiv ausfällt. Die
makroskopische Anwendung kann in verschiedener Weise ge¬
schehen und es kann dabei Vorkommen, dass man je nach dem
Modus, den man wählt, zu verschiedenen Ergebnissen gelangt.
Wenigstens habe ich beobachten können, dass beim Zusammon-
bringen der mit Wasser zu Brei verrührten Faeces mit der Sal¬
petersäure die Dicke der Faecesschicht von Bedeutung für den
Farbenton ist.
Dem gegenüber bietet die von mir benutzte S c h m i d t’sche
Sublimatprobe eine Reihe von Vortheilen. Diese Probe wird in
der Weise ausgeführt, dass man von den möglichst frischen
Faeces einen 2—3 ccm grossen Brocken mit concentrirter,
wässeriger Sublimatlösung in eim*r Glasschale verreibt und das
Gemisch, nachdem man es in einem gedeckten Glasschälchen
24 Stunden hart stehen lassen, makroskopisch und mikroskopisch
auf das Vorhandensein grüner Theilchen untersucht. Ihr Vorzug
besteht zunächst darin, dass sie unbedingt zuverlässig ist; denn
auch nach tagelanger Einwirkung des Sublimats geht die Oxy¬
dation des Bilirubins niemals über die Stufe des Biliverdins
heraus. Täuschungen sind ausschliesslich durch chlorophyllhaltige
Pflanzenbestandtheile möglich, die aber, wie bekannt, leicht zu
erkennen sind. Sodann ist die Probe sehr scharf, sie zeigt die
bilirubinhaltigen Theile in der Contrastfarbe der Grundsubstanz,
indem gleichzeitig alle hydrobilirubinhaltigen Bcstandtheile der
Faeces roth gefärbt werden. Dieser gleichzeitige Nachweis des
Hydrobilirubins, der, wde Schmidt gezeigt hat, auf der Bil¬
dung des Quecksilberchloridsalzes des Hydrobilirubins beruht,
ist ein weiterer Vortheil der Probe. Schliesslich ist sie ausser¬
ordentlich einfach und sauber und verdirbt, was für die mikro¬
skopische Untersuchung von Bedeutung ist, nicht die Structur
der oft sehr kleinen bilirubinhaltigen Theile. Auf Grund mehr¬
jähriger Erfahrungen, welche mit dieser Probe in unserer Klinik
gemacht wurden, darf wohl behauptet werden, dass die Sublimat¬
probe z. Z. die beste und praktisch brauchbarste Methode zum
Nachweis des Gallenfarbstoffes in den Faeces ist, und zwar sowohl
*) Verhandlungen des Congresses für innere Medlcin 13 (1895),
p. 320.
*) 1. o. p. 157.
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des unveränderten, als auch des durch Reduction veränderten.
Wie aus dem Folgenden hervorgellt, ist sie gleichzeitig geeignet,
unsere diagnostischen Schlüsse zu erweitern, da sie uns häufig
auch dort noch das Vorhandensein bilirubinhaltiger Theilchen er¬
kennen lässt, wo die G m e 1 i n’sche und alle anderen Gallenfarb¬
stoffproben versagen.
Meine Untersuchungen erstreckten sich zunächst auf eine
grosse Anzahl normaler Faeces. Bei der Auswahl derselben bin
ich mit grösster Sorgfalt verfahren. Wo immer subjectiv oder
objeetiv irgend eine Störung der Darmthätigkeit vorhanden
war, oder wo die Untersuchung der Faeces Anhaltspunkte für
eine solche ergab, wurden die Faeces nicht mehr als normale an¬
gesehen. Das Ergebnis« dieser Versuche bestätigt den allgemein
anerkannten Satz, dass in wirklich normalen Faeces bilirubin¬
haltige Bestandteile regelmässig fehlen. Eine Ausnahme bil¬
den nur vereinzelte pflanzliche Zellmembranen und gewisse
glasige, wie es scheint, aus Seifen bestehende Schollen, die ich
unter 21 normalen Kothproben verschiedener Herkunft 4 mal bei
der mikroskopischen Untersuchung ganz schwach grünlich ge¬
färbt fand. Auch Nothnagel erwähnt das ausnahmsweise
Vorkommen von gallenfarbstoffhaltigen Pflanzenbestandtheilen
und „amorpher Klümpchen“ in normalen Faeces. In diesem
Punkte muss ich ihm also beistimmen, während ich, wie erwähnt,
Muskelfaserreste, gelbe Kalksalze und Hefezellen stets nur hydro-
bilirubinhaltig gefunden habe.
Pathologische Faeces wurden von 47 verschiedenen Fällen
von Verdauungsstörungen, in der Regel in mehreren Einzelproben,
untersucht. Es befanden sich darunter 5 Fälle ausschliesslicher
Magen affection, bei denen weder subjective noch objective Stö¬
rungen der Darmthätigkeit nachweisbar waren. Bei diesen ver¬
hielten sich die Faecas ganz wie bei Gesunden, d. h. ich fand nur
ausnahmsweise bilirubinhaltige Pflanzenzellen und Schollen im
mikroskopischen Präparat.
Die Fälle mit Darmstörungen setzten sich zusammen aus
9 Fällen von acuter Enteritis resp. Gastroenteritis,
15 Fällen von chronischer Enteritis resp. Gastroenteritis,
6 Fällen von Typhus abdominalis,
5 Fällen von Ikterus,
3 Fällen von Colitis,
3 Fällen von schwerer Anaemie mit Verdauungsstörungen,
1 Fall von Darminvagination.
Es mag ausdrücklich betont werden, dass es sich bei diasen
47 Fällen nicht jedesmal um Durchfälle handelte, auch nicht bei
den Fällen von chronischer Enteritis resp. Gastroenteritis. Bei
diesen letzteren wechselte mit den übrigen Erscheinungen auch
das Verhalten der Faeces in Bezug auf die Anwesenheit von Bili¬
rubin. Ich habe den Ausfall der Sublimatprobe auch dann als
positiv bezeichnet, wenn sie bei wiederholter Untersuchung nur
1 mal deutlich vorhanden war.
Wenn ich zunächst von der Art der bilirubinhaltigen Theil¬
chen absehe, so wurde dieser Farbstoff unter den auf gezählten
Fällen nur 4 mal völlig vermisst. Zu diesen negativen Fällen
rechne ich auch die, wo das Bilirubin ausschliesslich an spärliche
Pflanzenreste oder Seifenschollen gebunden war. Wenn man
dieses Gesammtresultat mit dem an normalen Fällen und bei
reiner Magenerkrankung gewonnenen vergleicht, so darf man
sagen, dass Bilirubin in den Faeces bei Störungen der Darm¬
thätigkeit ebenso constant vorkommt, wie cs bei Abwesenheit der¬
selben vermisst wird.
Meist gelang es nur unter dem Mikroskope bilirubinhaltige
Partikel aufzufinden. Nur in 6 Fällen (4 mal bei acuter Enteritis,
2 mal bei Colitis) fiel die Sublimatprobe auch makroskopisch posi¬
tiv aus. Man darf nach dem oben Gesagten annehmen, dass bei
Verwendung der Gmeli n’schen Probe wahrscheinlich diese
6 Fälle allein ein positives Resultat ergeben haben würden. Der
bedeutende diagnostische Werth der Sublimatprobe dürfte danach
ohne Weiteres verständlich sein.
Wenn man die Verschiedenartigkeit der Fälle berücksichtigt,
bei denen sich mittels der Sublimatprobe bilirubinhaltige Theile
fanden, so muss es von vorneherein zweifelhaft erscheinen, ob man
mit Nothnagel in jedem unserer Fälle eine Störung der
Dünndarmthätigkeit annehmen soll. Es ist mir leider nicht mög¬
lich, hier auf die einzelnen Fälle näher einzugehen, doch will ich
nicht unerwähnt lassen, dass in einem Falle von Colitis, welcher
zur Soction kam, die Untersuchung diese Zweifel bestätigte. Falls
2 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
460
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No * 14 -
die Ansicht Nothnagel’s zutrifft, dass schon normaler Weise
irn untersten Dünndarminhalt keine Gallenpigmentreaction mehr
vorhanden ist, so würde man allerdings nur dann das Erscheinen
von Gallenpigment in den Faeces erwarten dürfen, wenn eine
schnellere Passage des Chylus durch das untere Ileum stattfand.
Aber auch gegen diese Behauptung Nothnagel’s lassen sich
wichtige Einwände erheben und zwar wiederum durch die Ergeb¬
nisse der Sublimatprobe. Schmidt 4 ) hat daiauf hingewiesen,
dass bei der Untersuchung frischer Därme mittels der Subli¬
matprobe eine Itothfärbung durch Hydrobilirubin sowohl im In¬
halt wie in der Darmwand in der Regel erst unmittelbar unter¬
halb der B a u h i n’schen Klappe gef unden wird. Und diejenigen
Forscher, welche Gelegenheit hatten, normalen Fistelkoth aus dem
untersten Ende des Beums zu untersuchen 8 ), haben überein¬
stimmend Bilirubin darin nachweisen können. Man muss also
sagen, dass auch eine reine Dickdarmaffection, indem sie den
Koth so wie er oberhalb der B a u h i n’schen Klappe vorhanden
ist, durch den Anus nach aussen befördert, hinreicht, bilirubin¬
haltige Theile in den Faeces erscheinen zu lassen.
Es fragt sich unter diesen Umständen, ob vielleicht die Art
der Bestandtheile, an denen das Bilirubin in den Faeces haftet,
einen sicheren Schluss auf das Vorhandensein einer Dünndarm¬
aff ection gestattet. Wenn wir von den Celluloseresten und Seifen¬
schollen absehen, so fand sich das Bilirubin in unseren Beobach¬
tungen am häufigsten an Schleimtheilchen der verschiedensten
Art gebunden (31 mal), sehr viel seltener an Muskelresten, Binde-
gewebsfetzen oder anderen Nahrungsbestandtheilen. An sich sind
weder die einen, noch die anderen für eine Dünndarmaffection be¬
weisend. Die Muskelreste können nur dann Verdacht erwecken,
wenn sie ungewöhnlich zahlreich und wenig verändert erscheinen.
Hinsichtlich der diagnostischen Bedeutung des Schleims
für die Localisation enteritischer Störungen gehen die Ansichten
auseinander. Bekanntlich hat Nothnagel gewisse Erschei¬
nungsweisen des Schleimes in den Faces als charakteristisch für
einen Dünndarmkatarrh angesprochen, darunter besonders die von
ihm so genannten „gelben Schleimkörner“. Nach den Untersuch¬
ungen von Schmidt 6 ), denen ich mich nach eigenen Beobach¬
tungen ansehliessen muss, bestehen diese gelben Körner nicht aus
Schleim, sondern aus einer ei weissartigen Grundsubstanz. Sie
müssen hier also ausser Betracht bleiben. Von den übrigen Er¬
scheinungsweisen des Schleims in den Faeces können grössere,
glasig durchscheinende Flocken nach der Ansicht aller auf diesem
Gebiete erfahrenen Autoren unmöglich aus dem Dünndarm
stammen, da eine derartige Hyperproduction rein schleimigen
Secretes auf der Dünndarmschleimhaut bisher überhaupt nicht be¬
obachtet ist. Wenn also diese gallig gefärbt sind, so ihüssen sie
den Farbstoff im Diekdarm aus dem gallehaltigen Kothe aufge¬
nommen haben. Als aus dem Dünndarm stammend kommen über¬
haupt nur ganz kleine, innig mit dem Kothe gemischte Flocken
und Fetzehen in Frage. Viele derselben sind nur mikroskopisch
zu erkennen. Wie Schmidt gezeigt, hat, können gelegentlich
in diesen Fetzen halbverdaute Zellen mikroskopisch erkannt
werden, die vielleicht einen Fingerzeig für die Herkunft dieser
Theile aus dem Dünndarm abgeben können. Bei näherer Be¬
schäftigung mit diesem Gegenstände habe ich wiederholt Zell¬
trümmer dieser Art, oft nur Zellkerne in charakteristischer An¬
ordnung in kleinen bilirubinhaltigen Schleimfetzen auffinden
können. Manchmal enthielten dieselben auch Bilirubinkörner als
Krystalle in zellförmiger Anordnung. Die Structur des Schleimes
war noch deutlich erhalten, aber die Grundsubstanz war völlig
durchsetzt mit Mikroorganismen, Detritusmassen und Nahrungs¬
resten, ganz im Gegensatz zu der gewöhnlichen Erscheinungsweise
des Dickdarmschleimes.
Man darf annehmen, dass auf solche Schleimtheilchen noch
die Verdauungssäfte eingewirkt haben und ich glaube, dass dieser
Umstand mehr für ihre Herkunft aus dem Dünndarm spricht, als
ihre Imbibition mit Bilirubin. Besonders häufig finden sie sieh
in Typhusstühlen. Immerhin würde ich nur dann wagen, sie für
die Diagnose eines Dünndarmkatarrhs zu verwerthen, wenn gleich-
4 ) 1. c. und Archiv f. Verdauungskrankheiten IV (1898), p. 151.
a ) M a c f a d y e n , N e n c k i und Lieber, Archiv f. exper.
Pathol. u. Pharmac. 28 (1891), p. 311 ff. — Ewald, Vlrchow's
Archiv 75 (1879). p. 409. — Ciechowski und J a w o r s k i,
Arch. f. klin. Chirurgie 48 (1894). p. 136. — Schmidt. Arch. f.
Verdauungskrankh. IV (1898), p. 136.
4 ) Zeitschr. f. klin. Med. 32 (1897).
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zeitig andere in demselben Sinne verwerthbare Zeichen (reichliche
Muskelfaserreete, isolirte Stärkekömer, starke Gährung der
Faeces u. dergl. mehr) vorhanden sind.
Aus der Heidelberger Universitäts-Poliklinik. (Director Prof.
O. V i e r o r d t.)
lieber den Einfluss des Ichthalbin auf den Stoff¬
wechsel und die Darmthätigkeit der Kinder.
Von Dr. R o 11 y, I. Assistent der Klinik und Dr. S a a m, ehe¬
maliger Assistent am pharmakologischen Institut.
Nach den bisher vorliegenden Publicationen über Ichthalbin,
eine Eiweissverbindung des Ichthyols, wurde dasselbe bei man¬
cherlei Krankheitszuständen empfohlen. Der Muttersubstanz,
dem Ichthyol, wurden bekanntlich so mannigfache und vielseitige
Wirkungen zugeschrieben, dass der unbefangene Leser nicht ohne
Misstrauen diesem Mittel begegnete. So wurde dem Ichthyol
von dem Einen eine gefässverengende, vom Anderen eine anti-
septische Wirkung und wieder von Anderen eine günstige Beein¬
flussung des Stoffwechsels zugesprochen.
Alle diese Arbeiten schienen nicht beweisend und entbehrten
z. Th. noch einer exacten wissenschaftlichen Grundlage.
Nachdem einige gelegentliche Versuche mit Ichthalbin in der
hiesigen Poli- und Kinderklinik gut, einzelne überraschend gut
ausgefallen waren, entschloss sich Herr Prof. Vierordt, exacte
Prüfungen über die Wirkungsweise des Ichthalbins vornehmen
zu lassen.
Um eine objective Grundlage für die Beurtheilung der Wir¬
kungsweise des Ichthalbins zu gewinnen, stellten wir einerseits
Stoff Wechsel versuche bei gesunden Personen an, um den Einfluss
auf die Ernährung zu studiren, andererseits machten wir bei
Darmkranken mit gesteigerten Fäulnissvorgängen Aether-
scliwefelsäurebestimmungen, welche uns über die Vorgänge im
Darm, besonders die Abnahme der Darmfäulniss durch Ichthalbin
aufklären sollten.
1. Die Ernährung (Stoffwechselversuche).
Bei dem ersten dieser Versuche sollte zunächst der Einfluss
grosser Dosen Ichthalbin auf den Eiweisszerfall untersucht wer¬
den; denn es ist bekannt, dass manche Medicamente schädlich auf
den Stoffwechsel einwirken, und bei der Prüfung eines Heilmittels
kommt es vor allen Dingen darauf an, ob dasselbe schädlich ist
oder nicht. Wir erprobten daher von kleinen Dosen anfangend
immer grössere Mengen und gelangten dabei zu dem Resultate,
dass auffallend hohe Dosen keinerlei Schaden erkennen lassen.
Nach diesen ersten Stichproben gingen wir dann zu den St o f f -
wechselversuchen bei Gesunden über. Wir reichten
zunächst sehr hohe Dosen, 8 g pro die (4 mal je 2,0); im zweiten
Versuche gaben wir 3,0 pro die, d. h. diejenige Menge, welche
bei schweren Darmkatarrhen von uns als Normaldosis fest¬
gestellt war.
Die Anwendung war die übliche, beide Versuche erstreckten
sich über einen Zeitraum von 4 Wochen, nachdem schon vorher
8 Tage lang die gleiche Diät gereicht war.
Der Speisezettel war in beiden Fällen folgender:
7 Uhr: 1 Tasse dünner Malzkaffee mit Zucker, sowie Brödchen
und Butter.
10 Uhr: % Liter warme Milch mit Brödchen.
Vz 1 Uhr: y 4 Liter warme Milch mit Brödchen, Butter und
Schinken (in Würfel geschnitten).
4 Uhr: y 4 Liter warme Milch mit Brödchen.
7 Uhr: 1 Tasse dünner Malzkaffee mit Zucker, Schinken und
Brödchen.
Im Ganzen wurden pro Tag gereicht:
% Liter Milch, 120 g Schinken, 350 g Weissbrod, 20 g Butter,
20 g Zucker, oder
87,17 Eiweiss laut Analysen (13.62 N x 6,4)
57,53 Fett 255,04 Kohlehydrate, berechnet nach den König-
schen Tabellen, in Leyden’s Handbuch der Emährungstherapie,
zusammen 1800 Calorien.
(Tabelle siehe nächste 8eite.)
Um eine genaue Stickstoffbilanz aufstellen zu können, wurden
alle einzelnen Nahrungsmittel wiederholt von uns auf Stickstoff
analysirt. Hieraus ergab sich als Mittelwerth 13,62 g N pro Tag.
Für das im Ichthalbin enthaltene Eiweiss wurde während der Ieh-
thalbinperiode die entsprechende Menge Schinken bei der Tages¬
ration in Abzug gebracht. Das tägliche Abwägen der Nahrung
besorgten wir selbst auf einer genauen Wage.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3» April 1900.
4G1
MÜNCHE NS MEDICINI SCHE WOCH ENSCHRIFT.
Tabelle der Stoffwechsel versuch e.
1. Versuchsperson I 2. Versuchsperson
Einnahme
Harn- Koth-
N pro N im
die Mittel
13.62
+8.0
Ichthalbin
0.94 — —
0.99 13.32 -f-0.30
1.31 13.68 -0.06 1
1.31 13.86 —0.24 |
1.33 13.48 -0.14
*> 7 1 13.62 (
I 81 +3.0
3 9 Ichthalbin I
| ° Ichthaibin
I 17 [
Ü 18 vollo
^0 Wirkung
20
| 26.90 | 22
I 26.95 | 23
. 27.00 £ 24
®! 27.00 £25
I — ä 26
f 12.68
I 12.72
12.69
12.76
-f-0.il )
+0.23 I l n AQ
+0.10 09
—0.08 J
+0.17
--0.03
+0.47
+0.95
0.76
0.59
0.65
0.90 +
0.94 0.87
0*97 102
+ 1.01
3.04 +0.5
3.05 +0.5
13.41 +0.21
13.46 --0.16 Licl
13.47 +0.15 " t " ü10
13.52 --0.10
, Der Harn wurde täglich bis zum anderen Morgen 7 Uhr ge¬
sammelt und sofort auf N analysirt, dio Kothabgrenzung ge¬
schah durch Kohle, da der neuerdings bei StofTwechselversuchen
zur Kothabgrenzung vielfach übliche und auch in der Klinik bei
solchen Gelegenheiten öfter angewandte Käse bei Vorversuchen
häufig zu Durchfällen geführt hatte. Der Koth wurde unter Zu¬
gabe von Alkohol zur Trockene gedampft, fein gepulvert und dann
analysirt.
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»■SSSBnBsSsSESBSSSSBBSSBSSSfl
Die Versuchspersonen waren 2 Knaben aus Heidelberg im
Alter von 13 Jahren, beide nach genauer Untersuchung für ge¬
sund befunden; sie standen unter fortwährender Aufsicht und bei
völlig gleichmüssiger Beschäftigung in der Klinik, wodurch die
S °‘ 14 " Digitized by CjQOQIC
auffallend geringen Schwankungen im täglichen Stoffumsatz zu
erklären sind.
Die Versuche sind ganz normal verlaufen und als völlig ge¬
lungen zu bezeichnen, denn beide Personen befanden sich in Vor-
Qrigiral frer 8
UNIVERSITY ÖF CALIFORNIA
462
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
und Nachperiode im Stickstoffgleichgewicht. Mit der Wirkung
des Ichthalbins, welche am 3. bis 4. Tage deutlich wird, beginnt zu¬
nächst die Ausscheidung von Harnstickstoff geringer zu werden.
Am 4. Tage ist in beiden Fällen der Harnstickstoff bereits um
ein volles Gramm gesunken, d. h. es werden unter dem Einfluss
des Ichthalbin täglich ca. 6,4 g Eiweiss im Organismus weniger
verbrannt als sonst. Vom 5. bis 6. Tage ab macht sich noch eine
zweite Wirkung geltend; es tritt nämlich eine bessere Ausnützung
des Nahrungseiweisses im Darm ein, denn der Kotlistickstoff sinkt
von 1,5 auf 0,6, resp. von 0,8 auf 0,5. Die Ausnützung des ein¬
geführten Eiweisses (Gemisch aus Kuhmilch-, Fleisch- und
Pflanzeneiweiss) ist während der Ichthalbinperiodc eine so hohe,
wie sie bisher unseres Wissens überhaupt kaum beobachtet wurde.
Eine gewisse Menge des Kotlistickstoff es rührt bekanntlich von
den Darmsecreten her. (Siehe Rieder : Zeitschr. f. Biol., 2,
1884, 378.)
Diese erhöhte Eiweissaufnahme kommt dem Körper aller¬
dings nicht sofort, sondern erst nach Verlauf mehrerer Tage zu
gute; denn zunächst wird der Ueberschuss an auf genommenem
Eiweiss in der Blutbahn verbrannt, so dass er als Harnstickstoff
wieder zur Ausscheidung kommt, wie dies bekanntlich stets bei
grösserer Eiweisszufuhr der Fall ist. (Plötzliches Wieder¬
ansteigen der Hamstickstoffcurve am 5. Tage). Erst nach weiteren
5 Tagen vermag die eiweisssparende Kraft des Ichthalbins auch
den Ueberschuss an auf genommenem Nahrungsei weiss im Körper
zurückzuhalten. Nach ca. 10 Tagen vom Beginn der Ichthalbin-
medication an ist dann die volle Höhe der Wirkung errreicht, so
dass nun die tägliche Stickstoffbilanz einen Durchschnitt von
-f- 1,54, resp. -f-1,02 aufweist.
Nach Aussetzen des Ichthalbins sinkt die Bilanz schnell
wieder auf das normale Stickstoffgleichgewicht herab.
Aus diesen beiden Versuchen ergibt sich ein ausgesprochener
günstiger Einfluss des Ichthalbin auf den Stickstoffwechsel, ähn¬
lich wie dies bereits sowohl Zülzer als Helmers auf Grund
ihrer Stoffwechselversuche aussprachen.
Die Kinder, welche während der langen Vorperiode (im
Ganzen 14 Tage) mit ihrer Nahrung zufrieden waren, klagten
bald nach Darreichung des Mittels wiederholt über Hungergefühl
und hätten gern grössere Rationen genommen, wie wir dies bei
einem Theil der anderen klinischen Fälle, die wir mit dem Mittel
behandelten, in gleicher Weise beobachten konnten.
Die erste Versuchsperson nahm in der Vorperiode 350 g an
Körpergewicht ab und stieg dasselbe dann während der Ichthal-
binperiode, also bei immer gleicher Nahrung allmählich und ganz
regelmässig um 450 g. Bei der zweiten Versuchsperson wurde
das Körpergewicht nicht jeden Tag, sondern nur am Anfang der
einzelnen Perioden bestimmt. In der Vorperiode fand eine Ab¬
nahme um 200 g statt, in der Ichthalbinperiode eine Zunahme um
500 g. Nach Abschlüsse der Versuche wurden die Knaben noch
14 Tage lang in der Klinik behalten, indem ihnen wiederum
etwas Ichthalbin, die Nahrung aber nach Belieben, soviel sie
wollten, gereicht wurde. Beide Knaben nahmen während dieser
2 Wochen um ca. 1500 g an Körpergewicht zu.
Bei Versuch 1 haben wir ausser dem Stickstoff auch noch den
Schwefel im Harn und Koth bestimmt, um über die Resorption
des Ichthalbins Aufschluss zu erhalten. Es zeigt sich, dass fast
aller Schwefel zur Aufnahme gelangt und durch den Harn aus¬
geschieden wird. Von der Wiedergabe der ensprechenden Tabellen
sehen wir als zu weit führend ab.
Die Darmfäulniss.
(Aetherschwefelsäurebestimmungen.)
Nach den exacten Untersuchungen Baumann’s (Zeitschr.
f. physiol. Chemie 1886, 123; siehe auch R o v i g h i , ebenda
1892, S. 20) lässt sich aus der Menge der Aetherschwefelsäure
des Harns ein directer Schluss auf die FäulnissVorgänge im Darm
ziehen. Bei diesen Untersuchungen ist indessen bekanntlich auf
gleiches Verhalten der Stühle zu achten; so hat Morax gezeigt,
dass Kalome! beim Menschen nicht als Desinficiens, sondern ledig¬
lich als Purgans zur Geltung kommt und dadurch den Darm
reinigt, kleine Dosen, die keinen Durchfall erzeugen, hatten
keinen Einfluss auf die Darmfäulniss, während es .bei Versuchen
am Hunde in grossen Dosen in der That die Fäulnissvorgänge
und damit die Aetherschwefelsäure unterdrückt. Zu gleichen
Ergebnissen kam R. S t e i f f an der Klinik von Prof. Ger¬
hardt, Berlin, Zeitschr. f. klin. Med., 16, 311.
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No. 14.
Es sind bereits eine grosse Anzahl Substanzen auf ihre des-
inficirende Kraft im Darme mit Hilfe der B a u m a n n’schen
Methode untersucht worden, aber fast alle wurden als nicht oder
nur schwach wirksam befunden, so Salicylsäure, Wismuthsalze.
Dermatol, Kamplicr, Naphthalin etc. Deutlich herabgesetzt
wurde die Fäulniss aber durch Jodoform, Menthol und das
C r e d e’sche Silbersalz Actol. Von Jodoform und Actoi sind die
wirksamen Mengen viel zu gross, um therapeutisch brauchbar zu
sein. Siehe hierüber die Arbeit M o s s e’s (Zeitschr. f .phys.
Chemie 1897, S. 160), woselbst sich auch Literaturzusammen¬
stellung findet.
Für Ichthyol liegen derartige Untersuchungen noch nicht
vor. Wir hielten es daher für wichtig, diese Prüfung bei Ichthal¬
bin vorzunehmen. Die beifolgenden Tabellen und Curven ent¬
halten die Resultate der von uns angestellten 4 Versuche. Wir
wählten dazu schwere Fälle von chronischer Enteritis. Die Stühle
blieben während der kurzen Versuchsdauer nahezu unverändert,
ferner wurde die gleiche Nahrung an den Vor-, Ichthalbin- und
Nachtagen gegeben. Die Menge des gereichten Eiweisses wurde
so gross gewählt, dass eine eventuelle Herabminderung der Aetlior-
schwefelsäurc im Harn deutlich zum Ausdruck gelangen musste.
Aetherschwefelsfture-Bestimmungen.
Versuch 1 u. 2. Marzenell.
Versuch 3. Fischer.
Dat.
g Aether¬
schwefelsäure
Dat.
g Aether¬
schwefelsäure
Vortage
12 6
13.6
0.3478
0.2989
Vortage
23.6
246
01635
0.1489
1. Ichthalbin¬
periode j
3,0 pro die j
14.6
15.6
16 6
01680
0.0966
0.0791
Ichthalbin¬
periode
3,0 pro die
256
26 6
27.6
0.1684
0.0953
0.0304
Ichthalbin
ausgesetzt
17-22.6
23.6
0.2651
Nachtage
28.6
29.6
0.1126
0.1802
2. Ichthalbin¬
periode
246
25.6
26.6
27.6 |
0.16*2
0.1860
0.1360
0.0953
Versuch 4. Hartmann
Vortage
3.11
4.11
0.1053
0.1053
Ichthalbin¬
periode
3,0 pro die
5.11
6.11
7.11
8.11
9.11
0.1112
0 0941
0.0588
0.0694
0.0629
Nach tag
10.11
0.1338
jterAerscAwrfeisä'u-re cccrvc n. .
Der 1. und 2. Versuch wurde bei Patient M. vorgenommen,
der am 9. VI. in die Klinik auf genommen war. Derselbe litt seit
ca. 3 Jahren an hartnäckigen Diarrhoeen, Husten etc., welche
Erscheinungen sich in den letzten 14 Tagen verschlimmerten.
Klinisch wurde dieser Fall als ein schwerer Dünn- und Dick¬
darmkatarrh mit Verdacht auf Tuberculose auf gefasst, jedoch
wurden Tuberkelbacillen weder im Stuhl noch im Sputum ge¬
funden. Es wurde der Einfluss des Ichthalbins auf die Darm¬
fäulniss hier so geprüft, dass zunächst an 2 Vortagen Aetlier-
schwefelsäurebestimmungen ausgeführt und dann 3 Tage je 3,0
Ichthalbin gereicht und währenddem ebenfalls die Menge der
Aetherschwefelsäure bestimmt wurde. Es wurde nun eine Woche
pausirt und dasselbe Experiment beim gleichen Patienten noch¬
mals angestellt.
Die beiden anderen Fälle betrafen Patienten, die an chro¬
nischer Enteritis mit chronischer, wahrscheinlich tu bereu loser
Peritonitis litten. Hierbei wurde nur je eine Ichthalbinperiode
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
468
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
eingeschaltet und ausser dieser Zeit .sowohl an den beiden vorher¬
gehenden wie nachfolgenden Tagen die Bestimmungen aus¬
geführt. Wie man aus der Tabelle sieht, sinkt die Menge der
Aetherschwefelsäure bei allen 4 Versuchen stets prompt bei Ich-
thalbingebrauch innerhalb dreier Tage auf Mi bis % des ursprüng¬
lichen Werthes herab, um beim Aussetzen des Mittels wieder zu
steigen. Es weist dies darauf hin, dass zwar während der kurzen
Versuchsdauer (3—4 Tage 1 ) die Fäulnissvorgänge nicht dauernd
aufgehoben, wohl aber während der Ichthalbinperiode so abge¬
schwächt wurden, dass die Menge der resorbirten Fäulnisspro-
ducte sehr gering wird. Erst durch länger fortgesetztes Dar¬
reichen von Iehthalbin konnte, wie die Krankengeschichten zei¬
gen, in vielen Fällen eine bleibende Besserung, resp. Heilung des
Katarrhs erzielt werden.
Trotzdem so in diesen Fällen nachgewiesen wurde, dass die
Menge der Aetherschwefelsäure durch Iehthalbin schnell herab¬
gesetzt wird, behielten doch die Stühle ihren stinkenden Charakter
auch bei anderen Patienten öfters längere Zeit bei, was uns vor¬
derhand nicht erklärlich ist, besonders da die klinischen Erfolge
hierbei befriedigend waren, wie später aus den Krankengeschich¬
ten zu ersehen ist.
Leider war es bisher nicht möglich, bei einer noch grösseren
Anzahl geeigneter Fälle Aetherschwefolsäurebestimmungen aus¬
zuführen. Die gute Uebereinstimmung der 4 ausgeführten Ver¬
suche scheint aber zu beweisen, dass die Herabminderung der
Darmfäulniss durch Iehthalbin ebenso prompt erreicht wird, wie
durch Jodoform oder in anderem Sinne durch Kalomel. Es wäre
dringend wünschenswerth, wenn auch von anderer Seite derartige
Versuche angestellt würden, um daraus allgemein gütige Schlüsse
ziehen zu können. Würden derartige Untersuchungen auch in
unserem Sinne ausfallen, so könnte man Kalomel in der
Ivindorpraxis überall dort durch Iehthalbin er¬
setzen, wo nicht gleichzeitig eine purgirendo Wirkung er¬
wünscht ist. Letzteres hätte vor dem Kalomel vor Allem den Vor¬
theil. «lass es unbegrenzt lange Zeit gereicht werden kann, indem
es den Kräftezustand nicht durch Erregung von Durchfall
schwächt, wie es bei Kalomeldarreichung die Regel ist.
Aus dem Luisenhospital zu Aachen (Innere Abtheilung: Prof.
Dr. D i n k 1 e r).
Ueber die Wirkung des Dormiol, eines neuen Schlaf¬
mittels.
Von Dr. Peters, Assistent an der inneren Abtheilung.
Neben den Antipyrctica und Nervina spielen in der neueren
inedicinisch-chemischen Industrie unzweifelhaft die Hypnotica
eine hervorragende Rolle; die Zahl der in den letzten 2 Decennien
in den Handel gebrachten Schlafmittel ist ebenso erheblich, wie
ihre Wirkung ungleichmässig und schwankend. A priori ist es ja
mit Rücksicht auf die ausserordentlich verschiedene Ursache der
Schlaflosigkeit begreiflich, dass es ein Hypnoticum xat 1 iCoxy*,
wie es das Chinin als Malariamittel oder das Salicyl als Anti-
rheumaticum ist, nicht geben kann und wird.
Welche Anforderungen sind nun an ein brauchbares Schlaf¬
mittel zu stellen?
Unseres Erachtens muss dasselbe möglichst allgemein mit
Erfolg verwendbar sein, es darf keinerlei unangenehme Neben¬
erscheinungen herbeiführen und nicht theurer als die concur-
rirenden Mittel sein.
Wenn wir auch zweifellos in dem Paraldehyd, Amylenhydrat,
sowie dem Trional u. a. recht brauchbare Verbindungen besitzen,
so ist an ihnen doch manches, wie der hohe Preis, der schlechte
Geschmack etc. auszusetzen.
Wir sind desshalb an die Prüfung eines neuen Hypnoticum,
welches aus Bestandtlieilen zweier längst erprobter Schlafmittel
von Dr. Fuchs zusammengesetzt ist, gerne herangetreten und
haben das von seinem Darsteller Dormiol genannte Medicament
seit % Jahren an einer grossen Anzahl der verschiedensten Fälle
geprüft. Das Dormiol besteht aus einer Verbindung eines Mole-
ciiles Chloral mit einem Molecüle Amylenhydrat, ist eine ölige,
farblose Flüssigkeit von spec. Gewicht 1,24, eigenem, kampher-
artigem Gerüche und kühlend brennendem Geschmacke. 1 ), *)
*) Fuchs und Koch: Versuche über die sedative und hypno¬
tische Wirkung einiger Schlafmittel. Münch, med. Wochensehr.
1898, No. 37.
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Dormiol wird von der chemischen Fabrik Kalle & Cie.,
Biebrich, als reines Dormiol oder in lOproc. wässeriger Losung
(andere Lösungen werden wegen der schwierigen Bereitung nicht
versandt) oder in Gelatinekapseln von verschiedenem Gehalte
geliefert.
Wir sind bei unseren Beobachtungen derart vorgegangen,
dass wir die an Schlaflosigkeit leidenden Kranken fast aus¬
nahmslos mehrere Nächte beobachteten, gelegentlich gaben wir,
um die Möglichkeit einer rein suggestiven Wirkung des Dormiol
auszuschliessen, vorher Aqua dest.-Injectionen und verordneten
dann erst das Dormiol.
Das Krankenmatcrial war ein möglichst vielseitiges, wir
gaben Dormiol bei Erkrankungen des Nervensystems, sowohl
functioncller, wie organischer Natur in 20, der Lunge in 3, des
Herzens in 1, des Darmtractus in 1, der Niere in 5, der Leber in 2,
des Peritoneums in 1, der Genitalorgane in 2, der Knochen und
Muskeln in 5, des Blutes in 1, bei chronischen Intoxicationen
in 2, in der Reconvalescenz nach acuten Infectionskrankhoiten
in 2 Fällen.
Im Ganzen verfügen wir über 45 Fälle. Unter den funetio-
nellen Neurosen befanden sich solche mit hartnäckiger und schon
lange bestehender Schlaflosigkeit. Die organischen Erkrankungen
des Nervensystems bestanden in je einem Fall von Hemiplegie,
Encephalopathia saturnina, Morbus Basedowii und Tabes dorsalis.
Bei den Lungenerkrankungen handelte es sich um Schlaflosigkeit
bei vorgeschrittener Phthisis pulm. und Emphysema pulm., bei
den Erkrankungen der anderen Organe um Enteritis chronica,
Vitia cordis, sowohl primärer, wie secimdärer Natur (im An¬
schlüsse an chronische Nephritiden und Arteriosklerose), Peri¬
tonitis tuberculosa, Lebercirrhose, Arthritis deformans, Muskel¬
rheumatismus, Pseudoleukaemie, sowie um Schlaflosigkeit, die
als Abstinenzerscheinung in Folge von Abusus spirit. auf getreten,
sowie um solche, die in der Reconvalescenz nach acuten Infec-
tionskrankheiten — Influenza und Scarlatina — zurückgeblieben
war. Genommen wurde das Mittel von den Kranken ausnahmslos
ohne Widerwillen und zwar entweder in Form einer lOproc.
wässerigen Lösung in Milch oder in Gelatinekapseln von 0,5 g
Gehalt. Der Geschmack war den Kranken nie unangenehm, einige
gaben an, dass das Schlafmittel nach Ammoniak oder Aether
schmecke.
Unangenehme Nebenwirkungen sind in
keinem Falle aufgetreten. Die Angaben, dass nach
der ersten Dormiolgabe in einem Falle Trockenheit im Munde,
in einem anderen beängstigende Träume, Uebelkeit, Durchfall etc.
aufgetreten seien, erwiesen sich bei weiterem Dormiolgebrauch
als falsch, denn die angegebenen Störungen wiederholten sich
nicht. Eine objectiv nachweisbare Nebenwirkung auf Herz,
Niere (auch bei bestehender Nephritis), Blase etc. wurde nie be¬
obachtet.
Bei den 45 Fällen trat in 7 Fällen keine besondere
Wirkung hervor, doch handelte es sich bei diesen um Kranke,
welche von 1,0 g Trional, 4—6 g Amylenhydrat etc. auch keine
gleichmässig schlafmachende Wirkung hatten. Der Erfolg von
Dormiol in Gaben von 2,0 g war auch in diesen Fällen dem der
anderen Hypnotica ebenbürtig.
In 84 Proc. der Fälle trat ein mehr oder weniger tiefer
Schlaf ein. Der Erfolg war wie bei den anderen Schlafmitteln
in den meisten Fällen ein rein palliativer; bei einigen Kranken
wurde jedoch die Agrypnie zweifellos gebessert, so blieb bei einer
Neurose nach schwerem Trauma, wo die Schlaflosigkeit schon
lange bestanden, der Schlaf auch nach Aussetzen des Dormiol
dauernd ein guter.
Besonders gute Dienste leistete das Dormiol bei der Schlaf¬
losigkeit im Gefolge functioncller Neurosen. Selbst in Fällen,
wo die Schlaflosigkeit ganz in den Mittelpunkt der neurasthe-
nischeu Beschwerden gerückt war, gelang es, durch verhält-
nissmässig geringe Gaben von Dormiol (bis zu 1,0 g) günstig auf
die Agrypnie einzuwirken. Unter den organischen Erkrankungen
wurde Dormiol sowohl bei cerebralen, wie spinalen Leiden ver¬
sucht und mit einer einzigen Ausnahme bewährt gefunden. Bei
einer Paralysis agitans, wo sich nach der geringsten psychischen
Erregung Schlaflosigkeit einstellte, brachte Dormiol in Gaben
*) Fuchs: Ueber Dormiol (Dlmethyl-aethyl-cnrbinol-chloral).
Vortrag, gehalten in der Octobersitzung des Aachener Bezirks-
Vereines deutscher Chemiker. Erschienen: Zeitschr. f. angewandte
Chemie 1899, H. 49.
3*
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
464
MÜNCHEN HK MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
von 0,5 g baldiges Einschlafen zu Stande. Bei einer Encephalo-
pathia satumina mussten Gaben bis zu 1,5 g gegeben werden, um
dann allerdings festen, dauernden Schlaf zu erzwingen. Ebenso
wurde Schlaflosigkeit bei Morbus Basedowii durch 1 g Dormiol
günstig beeinflusst. Bei Tabes dorsalis blieb nach abendlichen
Gaben von 0,5 g Dormiol der Schlaf dauernd gut.
Ebenso war die Wirkung bei den Erkrankungen der anderen
Organe; des Herzens, der Lunge, des Magens, Darms, der Leber,
Niere etc. eine ausreichende. Erwähnenswerth ist noch, dass
zur Bekämpfung der Schlaflosigkeit bei chronischen Nephritiden
(mit uraemischen Erscheinungen) Gaben von 0,5 bis 1,0 g voll¬
ständig ausreichten. Dass Dormiol bei vorgeschrittener Lungen¬
phthise nicht gewirkt hat, ist nicht auffallend, denn hier kommen
wegen des Hustenreizes und der dadurch bedingten Schlaflosig¬
keit zunächst die Narkotica in Frage.
Als Anfangsdosis, die in den meisten Fällen ausreichte,
wurde gewöhnlich 0,5 g Dormiol gegeben. Die schlafmachende
Wirkung trat durchschnittlich nach einer halben bis einer Stunde
ein. Meistens genügten Gaben von 0,5 bis 1 g, selten trat die
NothWendigkeit hervor, mit der Dosirung bis auf 2,0 g zu steigen.
Noch höher zu gehen, lag kein Grund vor, doch darf man auf
Grund der F u c h suchen Experimente erwarten, dass auch höhere
Gaben ohne unangenehme Nebenwirkungen vertragen werden. —
Die bei allen Schlafmitteln gemachte Erfahrung, dass mit der
Zeit eine Gewöhnung an eine bestimmte Dosis eintritt, liess sich
auch beim Dormiol nicht verkennen.
Eine Gegenüberstellung der Preise einiger Schlafmittel er¬
gibt, dass von
Amylenhydrat 1,0=M. 0,10, also die schlafmachende Dosis 3,0 M. 0,30
Trional 1,0~M.0,25, „ „ „ „ 1,0=M.0,25
Paraldehyd 1,0=M.0,05, „ „ „ „ 4,0= M. 0,20
Dormiol 1,0=M.0,10, „ „ „ „ 0,5 —1,0 =
0,05—0,10
kostet, so dass sich also der Preis für Dormiol, weil nur geringe
Gaben in Betracht kommen, wesentlich biliger stellt.
Im Ganzen haben wir den Eindruck gewonnen, dass Dormiol
thatsächlich empfohlen werden kann, weil es leicht zu nehmen
ist, in Dosen von 0,5 bis 2,0 g keinen Schaden anrichtet, billiger
als die übrigen Hypnotica ist, und zum Mindesten ebenso erfolg¬
reich wirkt, wie Paraldehyd, Amylenhydrat und Trional. Den
Empfehlungen anderer Autoren, wie Schultze - Andernach,
Meitzer - Colditz etc. (siehe Deutsch, med. Woclienschr. 1899)
können wir uns nach unseren über % Jahre ausgedehnten Be¬
obachtungen anschliessen.
Tannopin (Tannon) als'Darmadstringens.
Von Dr. Eugen Doernberger in München.
Dass man mit der bisher üblichen Behandlung der Darm¬
katarrhe und -entzündungen gute Wirkungen erzielt hat, dass
man namentlich bei Kindern durch Reinigung des Darmes mit
Ka 1 ome 1 und nachfolgende Adstringirung durch Wismuth-
präparate Erfreuliches leistete, ist gewiss. Seltener wandte man
bei Kindern das Tannin an, weil es bei diesen noch leichter die
unangenehmen Erscheinungen macht wie häufig auch bei Er¬
wachsenen, nämlich Magendrücken, Appetitlosigkeit, directe Reiz¬
erscheinungen der Magenschleimhaut. Ausserdem schmeckt es
herb, tintig.
Zur Wirkung und Resorption gelangt es grösstentheils schon
im Magen und oberen Darmabschnitt. Das Bestreben, ein Tannin¬
präparat zu schaffen, das den Magen möglichst intact verlässt
und erst im Darracanal seine Thätigkeit entfaltet, hat in den
letzten Jahren verschiedene Medicamente zu Tage gefördert, die
alle diese gewünschte Eigenschaft besitzen: das Tannalbin, Tan-
nigen, Tannocol, Tannoform und Tannopin. Sie alle kommen
erst im alkalischen Darmsaft langsam zur Spaltung und Lösung.
Die zwei letzteren Mittel haben zudem das gemeinsam, dass der
sich im Darm von der Gerbsäure abspaltende Component des-
inficirend wirken soll.
Während Tannoform ein Condensationsproduct. aus Gallus¬
gerbsäure und Formaldehyd ist, ist Tannopin ein solches aus
Tannin und dem in der TTrotherapie als antibacteriell empfoh¬
lenen Urotropin. Der Name Tannon wurde später für das gleiche
Medieament gewählt, um einem etwaigen Irrthum, es handle sich
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um eine Mischung mit irgend einem Opiat von vorneherein zu
begegnen.
Die den neuen Präparaten nachgerühmten Vortheile sind be-
beachtenswerth und verdienen, auf die Probe gestellt zu werden.
Unter den genannten neuen Mitteln wählte ich das von
Schreiber, Fuchs, J oachim, Landau, Brestowski
empfohlene Tannon und versuchte es im Sommer und Herbst
1898 und 1899 bei Kindern und Erwachsenen, von denen 28 genau
controlirt werden konnten. Folgende tabellarische Uebersicht
gibt über Art der Erkrankung und deren Verlauf bei Tarinopin-
behandlung Aufschluss.
Alter
in Jahren
Zahl
Diagnose
ge¬
nesen
ge¬
bessert
nicht
ge¬
bessert
g«*il
storbenl
Chron. Erkrank.:
1
20—30
3
Cat. intest, chron.
l
1 l*).l
_
_
0—1
27*
o
1
»» » »
Tnbercul. intest,
und peritonei
Acnte Erkrank.:
-
2
—
1
17
68
1
Cat. intest, acut. ■
1
__
_
_
20—50
4
M » »
l‘)3
_
__
_
5—10
1
1')
_
__
1—5
1
__
1
_
*/2—1
2
1
_
1
_
o-V*
2
l 3 ).l
_
_
Va—1
1
Enterit. acuta
_
_
l 4 )
_
40—50
2
Cat. gastr. intest, ac.
2
_
_
72-1
1
_
_
l b )
_
10-7*
5
3
_
l 4 ).l«)
_
3
1
Cholera nostras
—
—
1*)
_
7* 1
1
- 1
—
V)
28
15
! 4
7
2
Zur Illustri rung der Wirkung des Mittels mögen einige Bei¬
spiele dienen:
1. Dr. med. A., 28 Jahre. Cat. intestin. chron.
Seit y 2 Jahre an etwa 5 Tagen der Woche je 3—4 dünne
Stühle bei völlig gutem Magen. 3 mal täglich 1,0 g Tannopin. im
Ganzen Dos. XX. Nach einigen Pulvern 1 mal täglich normaler
Stuhl, der normal bleibt.
2. Frau W., 29 Jahre. Cat. intest, chron.
Anaemie, Ulcera lntestini? In früheren Jahren häufig Diar
rhoeen.
2. VI. 1899. Täglich 3 wässerige Entleerungen unter Leib
schmerzen.
3. VI. 3 X 0,5 T. Diät.
4. VI. 2 X 0,5 T. Stühle dicker.
5. VI. 2 X 0,5 T. 4 dünne Stühle.
6. VI. 3 X 0,5 T. 2 geformte Stühle.
7. VI. K e i n T. 2 geformte Stühle.
8. VI. Kein T. 3 Diarrhoeen!
9. VI. 2 X 0,5 T. Diarrhoeen.
10. VI. 3 X 0,5 T. Kein Stuhl.
11. VI. Iv e i n T. 1 geformter Stuhl.
3. Kind C. 11 Mon. Cat. Intest, e li r o n.
a) Seit 9 Tagen Appetitmangel, blasses Aussehen, 7—8 gelb¬
grüne, dünne, mit Schleim gemischte Stühle.
9. VI. 3 X 0.5 T. Diät, 7 Stühle dünn.
10. VI. 3 X 0,5 T. 3 braune, breiige Stühle.
b) 10. IX. Seit 14 Tagen 6—8 dünne Stühle pro Tag.
0,5 Tannopin Dos. VI, 2 stündl. 1 St. Diät.
14. IX. und weiters. 2 dicke, normale Stühle pro Tag.
4. Frau H., 48 Jahre. Cat. gas t r. in t es t i n. acut.
17. V. 99. Seit 8 Tagen 5—6 mal täglich Durchfall, 2—3 mal
gallig gefärbtes Erbrechen. Völliger Appetitmangel. Schlechtes
Aussehen. Allgemeine Mattigkeit. Dick belegte Zunge.
17. V. 3 X 0,5 T. Diät.
18. V. 3 X 0,5 T. 5 dünne Stühle. Kein Erbrechen.
19. V. 3 X 0,5 T. 2 breiige Stühle.
20. V. Kein T. 1 normaler Stuhl.
5. Kind S., 4 Wochen. Cat. gastr. intest, acut.
Ernährt mit 2 T. Gerstenschleim, 1 T. Milch.
26. V. 98. Nach jeder Mahlzeit Erbrechen. Täglich 6—7 grüne,
schleimige Stühle. Intertrigo. Atrophie.
26. V. 3 X 0,5 T. Diät.
27. V. 3 X 0,5 T. 5 Stühle. Erbrechen hält an.
*) Nach Aussetzen des Tannon bald Rückfall.
2 ) T. ohne Einwirkung.
*) Bei vorheriger HgCl- und Bism.-Behandlung Verschlimme¬
rung.
4 ) Genesen unter Bism.-Behandlung.
5 ) Genesen bei Diät ohne Medieament.
p ) Genesen bei HgCl- und Bism.-Behandlung.
7 ) Bismuthbehandlung.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
465
28. V. 3 X 0,5 T. 5 Stühle dicker. Kein Erbrechen.
29. V. 3 X 0,5 T. 2 Stühle weich.
30. V. 3 X 0,5 T. Dicke, breiige Stühle.
31. V. Kein T. 1 Stuhl, normal.
6 . Kind B., 5 Mon. Cat. intest, acut.
Vor 1 Woche dünne, häufige Stühle unter Geschrei. Besserung
bei Kalomel- uud nachfolgender Bismuthordination nebst Diät.
Nach Ende des Medicaments Rückfall, der anhält bei stricter Diät
ohne Medication.
13. VII. 98. Bismuth.
14. VII. 8 weiche, grünliche, mit Schleimfetzen gemischte
Stühle.
15. VII. 2 X 0,5 T.
16. VII. 3 X 0,5 T.
17. VII. Kein T. Von da ab 2—3 normale, breiige Stühle.
7. Kind F., 6 Jahre. Cat. intest, acut.
Seit 8 Tagen 3—4 dünne, schleimige Stühle Tags, ebensoviel
Nachts unter Leibschmerzen.
30. V. 99. 3 X 0,5 T.
31. V. 2 X 0,5 T. 1 dicker Stuhl.
4. VI. Rückfall! 3 X 0,5 T.
5. VI. 2 X 0,5 T.
6. VI. 2 mal täglich normaler Stuhl.
8. Kind K., 10 Mon. Enteritis acuta.
4. VII. 98. Bis vor 14 Tagen Brust. Dann y 2 Eichelkaffee,
y 2 Milch, Fleischsuppe, Milchsemmelsuppe. Seit 3 Tagen ca. 7 Stühle
pro Tag, viel auf einmal, bald wässerig, bald gestockt, grünlich, zu¬
weilen mit Schleim und etwas Blut gemischt. Vor der Defaecation
Schmerzensäusserung. Kein Erbrechen. Kein Fieber. Gutes Aus¬
sehen.
4. VII. Kalomel. Diät. Abends Erbrechen.
5. VII. 9 Stühle. 2 X 0,5 T.
6. VII. 4 Stühle. 3 X 0,5 T.
7. VII. 3 weiche, braune Stühle mit wenig Schleim. 2 X 0,5 T.
8. VII. 3 breiige Stühle. 2 X 0,5 T.
9. VII. 3 wässerige Stühle. Völliger Appetitmangel.
Bismuth.
10. VII. 2 Stuhlgänge.
11. VII. 1 normaler Stuhl.
Die Dosirung anlangend haben ganz kleine Kinder
(s. Fall 5) Einzeldosen von 0,5 und Tagesgaben von 1,5, auch bei
nicht intacter Magenfunction recht wohl ohne irgend welchen
Nachtheil ertragen. Erwachsene nahmen 3 mal täglich 1,0 längere
Zeit ohne Beschwerde. Ein 3 jähriges Kind mit acutem, heftigem
Darmkatarrh dagegen erbrach die Vormittags und Nachmittags
gereichte Dosis von 0,5 baldigst nach der Einnahme. Das an
Cholera nostras verstorbene 3 monatliche Kind hatte bei 2 stünd¬
licher Darreichung von 0,5 Tannon die ersten 2 Pulver behalten,
dann jedes weitere erbrochen. Ein 4 monatlicher Patient mit
acutem Magendarmkatarrh, dem 5 Pulver ä 0,5 in 2 stündlichen
Pausen gereicht werden sollten, erbrach die ersten 4, behielt das
5. und genass dann bei strenger Diät ohne weiteres Medicament.
Nach diesen Erfahrungen wollte ich einem 6 monatlichen,
ebenfalls an Magendarmkatarrh Kranken nur 3 mal täglich 0,25
geben. Die 3 Pulver wurden erbrochen. Das Kind wurde bei
stricter Diät, ohne weiteres Medicament, gesund.
Wir sehen, dass die Dosirung nicht genau festgestellt werden
kann, sondern individualisirt werden muss. Andererseits werden
wir doch mit der Ordination des Tannopin bei Mitbetheiligung
des Magens recht vorsichtig sein, wenn auch J o a c h i m recht
befriedigende Resultate bei Cholera nostras zu verzeichnen hat
und auch wir bei einigen Magendarmkatarrhen prompten Erfolg
erzielt haben.
Als sicher adstringirend, stopfend hat sich das Tannon bei
acuten Diarhoeen in den meisten meiner Fälle erwiesen. Es
ist jedoch räthlich, um Rückfälle (s. Tabelle) zu vermeiden, das
Mittel nicht gleich nach Besserung des Zustandes auszusetzen.
Dies dürfte noch mehr von den chronischen Affectionen gelten.
Wie weit die angegebene desinfieirende Kraft sich im Darm
geltend macht, ist noch nicht genügend erwiesen. Vielleicht
möchte es doch gerathen sein, ehe man zu stopfen, zu adstringiren
wünscht, namentlich bei Kindern, wie früher Magen und Darm
durch Kalomel zu reinigen. Darin, dass man unter Umständen
von dieser Maassnahme absehen muss, wenn Kinder durch mehr¬
tägige Durchfälle fast collabirt sind, und dann lieber zu einem
Adstringens, wie dem Tannon greift, das im Darm zugleich zu
desinficiren verspricht, stimme ich Joachim bei.
Einen grossen Vortheil für die Kinderpraxis hat das Mittel
schliesslich, weil es völlig geschmacklos, aber auch einen grossen
Nachtheil, dass es sehr theuer ist. Ein Vergleich ergibt Folgendes.
Die Preise verstehen sich nach unserer bayerischen Taxe, ein¬
schliesslich Angabe und SchachteL
N". 14.
Digitized by ÜjOO!
gle
Es kosten 10 g Tannin 38 Pfg., Tannoform 68 Pfg., Tan-
nalbin 138 Pfg., Tannigen 178 Pfg., Tannopin 218 Pfg.; 10 Pul¬
ver ä 0,5 von Tannoform 95 Pfg., Tannalbin 146 Pfg., Tannigen
180 Pfg., Tannopin 195 Pfg. So lange der Preis derartig hoch
ist, wird das Mittel schwer in die allgemeine Praxis Eingang
finden können, es müsste denn alle ähnlich wirkenden Präparate
an Güte übertreffen.
Literatur:
1. Brestowski: Pharmazeut. Centralhalle 1897, No. 49. —
2. Schreiber: Deutsche medicin. Wochenschr. 1897, No. 49. —
3. F u c h s : Die Heilkunde 1898, 11. Heft. — 4. Jo a c h i m : Allg.
medie. Centralz. 1898, No. 65.-5. Landau: Die Heilkunde 1898,
12. Heft.
lieber epileptische Aequivalente.
Von Privatdocent Dr. Ernst Schultze.
(Schluss.)
Es handelte sich bei dem Kranken somit um eine periodische
Abducenslälimung, und man geht wohl kaum fehl in der weiteren
Annahme, dass sie ein paralytisch-motorisches Aequivalent der
Epilepsie sei.
Soviel mir bekannt ist, haben Paterson, Ormerod
und Halms Spieer, G. E. de Schweinitz eine recidivirende
Abducenslähmung beschrieben. Ihre Arbeiten sind mir nicht zu-*
gänglich, ebensowenig die Mittheilung Nieden’s über periodische
Facialis- und Abducenslähmung.
Periodische Oculomotoriuslähmungen sind weniger selten;
ich erwähne die Arbeiten von Charcot, Gubler, Mauth-
ner, Möbius, Oppenheim, Remak, Senator u. A.
Manche Autoren sind nach C-harcot’s Vorgang geneigt, diese
periodischen Oculomotoriuslähmungen in einen ursächlichen Zu¬
sammenhang mit der Migräne zu bringen. Man könnte Angesichts
dessen und bei den nahen Beziehungen zwischen dem N. abducens
und dem N. oculomotorius geneigt sein, bei einer recidivirenden
Abducenslähmung eine gleiche Grundlage anzunehmen oder doch
wenigstens zu vermuthen. Ich glaube, eine solche Annahme für
den vorliegenden Fall von der Hand weisen zu dürfen, da der
Krankt; nichts von den Symptomen darbet, die man sonst bei der
Migräne findet, wie halbseitigen Kopfschmerz, Erbrechen u. s. w.;
ich glaube vielmehr, man wird auf die Epilepsie als den ursäch¬
lichen Factor zurückgreifen müssen.
Thomson hat vor Jahren in der Berliner psychiatrischen
Gesellschaft einen Fall von periodischer Oculomotoriuslähmung
bei einem Epileptiker vorgestellt; so viel aus dem kurzen Referat
im Archiv für Psychiatrie XVI, p. 281 hervorgeht, war er ausser
Stande, ein bestimmtes gegenseitiges Verhältnis zwischen den
epileptischen Anfällen und den Anfällen von Oculomotorius¬
lähmung zu ermitteln.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass neben
reinen und echten, typischen Anfällen sich auch solche bei unserem
Kranken befanden, bei denen vorzugsweise oder fast nur der
rechte Arm Zuckungen zeigte; das Bewusstsein war dabei auf¬
gehoben. Nach dem Anfall liess sich eine deutliche Parese des
rechten Armes von kurzer Dauer nachweisen, auf die der Kranke
schon spontan die Aufmerksamkeit gelenkt hatte. In ganz ver¬
einzelten Fällen stellte sich ohne jede psychische Veränderung
vorübergehend eine Lähmung des rechten Armes ein, ohne dass
ein Anfall oder auch nur ein Schwindel sich vorher gezeigt hätte.
Solche paroxysmal auf tretende Lähmungen epileptischer Na¬
tur hat H i g i e r vor Kurzem (Mendel, Neurolog.Centralbl.1897,
No. 4, cf. Deutsch. Zeitsclir. f. Nervenheilkunde 1899, XIV) zum
Gegenstand eines eingehenden Studiums gemacht und auf ähn¬
liche Beobachtimgen von Daly, Löwenfeld und P i t r c s
hingewiesen; ich führe weiterhin noch F e r e, Wilderm u t h
und Witkowsky, sowie aus der jüngsten Zeit J. W. Mac
Connel (cf. Mendel, 1900, pag. 266) an.
Der Einwand, dass es sich im vorliegenden Falle um J a c k-
s o n’sche Epilepsie handeln könnte, liegt zu nahe, als dass er
unbeachtet bleiben dürfte. Es liess sich aber kein weiteres Mo¬
ment ermitteln, welches zu Gunsten dieser Diagnose verwerthet
werden könnte : im Gegentheil, alle anderen klinischen Erschei¬
nungen sprachen vielmehr für das Vorhandensein einer genuinen
Epilepsie. Ebenso wenig vermochte nach der aetiologischen Seite
hin irgend ein Moment die Diagnose einer symptomatischen Epi¬
lepsie zu stützen. Insbesondere musste die im Beginn der Krank-
4
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
46i5
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
heit erwogene Diagnose: Hirntumor bald verlassen werden.
Schliesslich zeigten sich bei dem Kranken Anfälle, in denen der
linke Arm das gleiche Verhalten zeigte wie früher der rechte;
auch der linke Arm liess eine zeitweilig auftretende Lähmung,
übrigens gleichfalls ohne Sensibilitätsstörung, erkennen.
II. Ebenso wurde in der Bonner Provincial-Heil- und Pflege¬
anstalt ein Mädchen verpflegt, welches Erscheinungen bot, die den
oben mitgetheilten verwandt sind.
Das Mädchen, das von Jugend auf intellectuell wenig gut
beanlagt war und sich in ihrer Einfalt Manches weiss machen
liess, erkrankte mit dem 17. Lebensjahr an Epilepsie in der Form
der echten Anfälle, nach denen sie heftig war und wirr redete.
Unter dem Einfluss der sich mehrenden Anfälle nahm ihre Intel¬
ligenz weiterhin ab, so dass sie nicht einmal bei der Hausarbeit
verwendet werden konnte. Sie wurde zugleich zunehmend er¬
regter, so dass sie der Anstaltspflege übergeben werden musste.
In der Anstalt hatte sie vielfach Anfälle, die in nichts von
den typischen Anfällen abwichen; sie schrie auf. fiel hin, war be¬
wusstlos, hatte tonische und klonische Zuckungen, verfiel in Schlaf
und erwachte aus ihm mit völliger Amnesie für das Geschehene.
Eine Reihe von Anfällen war aber dadurch gekennzeichnet, dass
die Kranke, kurz bevor der Anfall einsetzte, ein eigenartiges, mit
ihrem sonstigen Verhalten contrastirendes Benehmen zur Schau
trug. Sie entblösste sich, hob ihre Kleider ohne jede Scham, ohne
die mindeste Rücksichtnahme auf ihre Umgebung, bis unter die
Arme hoch, oder sie suchte sich an dem gerade zur Verfügung
stehenden Nachtstuhl oder Aborte Faeces zu verschaffen, um Kopro-
pliagie zu treiben; nur mit Mühe konnte sie von diesen Handlungen
abgehalten werden. Bald darauf trat der Anfall ein, der auch seine
Vorläufer in die nachherige Amnesie einschloss.
Vor anderen Anfällen konnte man wahrnebmeu, dass sich die
Kranke den wunderbarsten Fragestellungen hingab, die mehrfach
in das metaphysische Gebiet hinüberspielten, aber neben den über¬
irdischen auch recht menschliche Probleme berührten, wie: Warum
gibt es einen Gott? Gibt es einen Gott? Gibt es eine Hölle? Komme
ich in die Hölle? Gibt es einen Himmel? Oder sie legte sich die
Frage vor: Wie kommen die Kinder in die Welt? Dann kam der
Anfall, und nachher bestand eine völlige Gedächtnisslücke.
Der Anfall, der den geschilderten Erscheinungen ein Ende
setzte, war indess nicht immer gleicher Art. Oft genug glich er
in allen Punkten dem typischen Anfall; dann wieder traten die
motorischen Erscheinungen sehr zurück; zu anderen Zeiten be¬
stand nur eine Verwirrtheit, dann wieder nur eine leichte Be¬
nommenheit. Schliesslich aber fehlte auch diese, und das. w r as
oben als Vorbote von vielen Anfällen geschildert war, beherrschte
das ganze Krankheitsbild oder machte es vielmehr zu der Zeit
allein aus, indem sonst nichts Krankhaftes nachzuweisen war.
Die Kranke also quälte sich beispielsweise vorübergehend mit
Fragen der Art, wie sie oben angegeben sind, und legte die gleichen
Fragen auch ihrer Umgebung vor. Bis bestand dann keine Amnesie;
sie schämte sich vielmehr nachher sehr ob der von ihr begangenen
obseönen Handlungen; sie wusste, dass sie sehr anstössig seien,
und bat um Verzeihung. Sie wisse selbst nicht, wie sie dazu
komme, sich zu entblössen, sie könne nicht anders, meinte sie;
und was die Koprophagie anlangte, so entsetzte sie sich sehr schon
in dem blossen Gedanken daran, dass sie sich diese habe vorher
zu Schulden kommen lassen; das sei ja schrecklich, geradezu
scheusslich, das wisse sie recht wohl, auch w^enn sie es thue, aber
sie könne nicht anders, sie müsse es thun.
Es ist berechtigt, diese anstössigen Handlungen dem Gebiete
der Zwangshandlungen einzuverleiben und sie somit auf eine
Stufe mit den Zwangsfragen zu stellen, die ja ebenfalls bei ihr
zur Beobachtung kamen.
Dass solche Phänomene die Aura eines epileptischen Anfalls
ausmachen, ist bekannt und von Bins w a n g e r beispielsweise
hervorgehoben. Ebenso erwähnt Mendel in einem Vortrag
über präepileptisches Irresein (Arch. f. Psych., XVI, p. 282/283),
dass Zwangsvorstellungen, Zwangshandlungen den epileptischen
Anfall einleiten können.
Der vorliegende Fall verlangt aber nach meiner Ansicht doch
eine Sonderstellung, da die Zwangshandlungen und Zwangsvor¬
stellungen auch ohne nachfolgenden epileptischen Anfall sowie
ohne jede weitere Störung zu Tage traten, dann allerdings eben¬
falls immer nur für kurze Zeit und während dieser mit einer
nicht gewöhnlichen Intensität.
Das muss umsomehr hervorgehoben worden, als Häm¬
in o n <1, C u 1 1 e r r e (Ann. medico-psych. 1890, Januar). JI a c k
Tuke (Brain 1894). Kussel (The british inedie. Journ. 1879)
u. A. darauf hingewiesen haben, dass man bei Epileptikern oft
genug Zwangsvorstellungen finden könne. In dem Fall ent¬
springen beide Symptome, der epileptische Anfall auf der einen,
die Zwangsvorstellung auf der anderen Seite, einem und dem¬
selben Boden. Sie bilden nur verschiedene gloiohwerthige Sym¬
ptome eines und desselben (Vrebralleidons; hier aber besteht ein
noch innigerer (Vomex. Die Zwangsvorstellungen und Zwangs-
Digitized by Gck sie
handlungen machen nicht nur die Aura eines epileptischen An¬
falls aus, sondern der Anfall kann auch einzig und allein aus
dieser Aura bestehen.
An dieser Stelle sei auf eine, mir im Original nicht zugäng¬
liche Mittheilung Binswanger’s (Verhandlungen der Natur¬
forscherversammlung, Eisenach 1882) hingewiesen. Sie betrifft
Anfälle von Zwangshandlungen, die sogar mit auraartigen Er¬
scheinungen einhergehen, ohne dass epileptische Antecedentien
vorliegen.
Die Kranke hatte sich auch zu Hause entblösst. Zum Ent¬
setzen ihrer Hausgenossen war sie eines Tages ohne jede Beklei¬
dung im Esszimmer erschienen. Da sie zur fraglichen Zeit nicht
benommen war und andererseits sich des Geschehenen noch sehr
genau erinnerte, war ihre Familie nicht geneigt, die Unarten als
Aeusserung einer Krankheit aufzufassen. Man gab ihr Prügel;
dass diese mechanische Therapie wenig fruchtete, kann uns nicht
Wunder nehmen.
III. In der hiesigen Anstalt befand sich vor einiger Zeit eine
weibliche Kranke, die an reinen epileptischen Anfällen litt- ICs
passirte hier aber mehr als einmal, dass sie im Gespräch mit ihren
Mitkranken oder den Aerzten plötzlich im Gesicht bleich wurde
und dann den Urin unter sich gehen liess; sie wusste ganz genau
Alles, was um sie her vorging, sie merkte, dass sie den Urin nicht
mehr halten konnte, und ehe sie den Abort erreicht hatte, war
das Unglück bereits geschehen. Die gleichen Störungen eröfTneten
auch den epileptischen Anfall, und die Kranke wusste nachher von
ihnen ebensowenig wie von dem epileptischen Insult.
Auch das ist, soweit mir die Epilepsieliteratur zugänglich
ist, kein alltägliches Vorkommniss; ich finde Aehnliches erwähnt
bei B i n s w a n g e r , Fere, G o w e r s (citirt bei Bins-
wange r), Paul Kowalewsky.
Die vorliegende casuistische Mittheilung glaube ich nicht be-
schliessen zu dürfen, ohne noch eines sicherlich nicht gewöhn¬
lichen Falles zu gedenken, der sich seit Jahren in der Bonner
Anstalt befindet.
IV. Der Vater dieses Kranken litt in den letzten Jahren
seines Lebens beständig an Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit,
eines Tages fand man ihn todt in der Badewanne, anscheinend
in Folge einer Hirnblutung. Die Grossmutter mütterlicherseits
starb geisteskrank. Mehrere Geschwister des Kranken zeigen
eine ausgesprochene Neigung zur Schwermuth, die sich bei ein¬
zelnen bis zu einer typischen Melancholie steigerte.
Der Kranke selbst wurde Techniker, hatte neben seiner amt¬
lichen Stellung noch eine ausgedehnte Privatthätigkeit, so dass
er sehr überanstrengt wurde. Auch er hatte, gleich seinen Ge¬
schwistern. .mehrfach eine melancholische Verstimmung dureh-
zumachen. Gelegentlich einer solchen fand man Ihn vor ca. 12
Jahren eines Morgens auf seinem Schlafzimmer bewusstlos, in
seinem Blute schwimmend. Neben ihm lag ein Revolver, in dem
3 Kugeln (7 mm Durchmesser) fehlten; die rechte und die linke
Schläfeseite Hessen eine Verletzung erkennen; Erscheinungen von
Hirndruck, vor Allem langsamer und aussetzender Puls; Mund
schwer zu öffnen; Zunge kann nicht vorgestreckt werden; Vor¬
treten des rechten Bulbus, das rechte Auge meist krampfhaft ge¬
schlossen. Blutung aus Nase und Mund. Heilung der Wunden
in 3—4 Wochen; allmähliche Rückkehr der Sprache, diese haesi-
tirend: vielfach Unfähigkeit, den richtigen Ausdruck zu finden.
Im heimathlichen Krankenhnusc weitere Besserung der körper¬
lichen Symptome. Genaue Notizen liegen bedauerlicher Weise
nicht vor.
Wegen intensiven Stimmungswechsels lind zeitweiliger Er
vegung wurde er in eine Irrenanstalt gebracht, in der er sich leid¬
lich hielt: der Versuch der Entlassung missglückte, so dass er
von Neuem in eine Austalt. und zwar zu uns, gebracht wurde.
Das psychische Verhalten, das er bei uns bot. ist höchst eigen¬
artig, sehr interessant, aber nur schwer, und vor Allem nicht mit
wenigen Worten zutreffend zu schildern; es kann lim so mehr hier¬
von Alistand genommen werden, als es für die vorliegende Frage
nicht von wesentlichem Belange ist.
Ab und zu trat bei dem Kranken, der vor dem Selbstmord¬
versuch nie Symptome von Morbus saeer hatte erkennen lassen,
ein epileptischer Anfall auf; verschiedene hatte ich selbst zu be¬
obachten Gelegenheit. Der Kranke unterhielt sieh, schrie auf und
fiel mit einer kolossalen Wucht auf den Fussboden; die Zuckung *u
stellten sich recht bald eiu, und nachdem der Anfall vorüberge
gangen, machte sieh eine mehr oder weniger erhebliche Ab ge¬
schlagen heit bei dem Patienten bemerkbar.
Schon nach einem der ersten Anfälle machte er spontan da¬
rauf aufmerksam, dass er ein so sonderbares, eigenartiges Gefühl
im Gesicht habe, und wies dabei auf die linke Gesichtshälfte hin:
er bezeichnet? es als unangenehmes Krabbeln und verglich es mit
dem Gefühl, als ob etwas über sein Gesicht gelegt sei. Die Unter¬
suchung ergab eine völlige Anaesthesie im Bereiche des ersten und
zweiten Astes des linken Trigeminus: keine Berührung fühlte er;
man konnte an den Haaren seines Schnurrbartes und der Augen
brauen kräftig ziehen, ohne dass er hiervon die mindeste Empfin¬
dung hatte. Der Corneareflex war völlig erloschen, und ebenso
konnte man ihn linkerseits in* der Nase kitzeln, ohne ein Niesen
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
467
auszniösen. Dies Verhalten der Reflexe sprach dafür, dass that-
süchlich eine Störung in dem genannten Nervengebiet vorlag. Ein
noch weiterer objectiver Beweis für das wirkliche Vorhandensein
der Trigeminusaffection, wenn es dessen noch bedurft hätte, wurde
dadurch erbracht, dass sich in dem Gebiete des ersten und zweiten
Astes die Haut an mehreren, umschriebenen, verschieden grossen
und ungleich gestalteten Stellen in Form von Quaddeln über ihre
Umgebung erhob; die Haut war an diesen Stellen meist ganz weiss,
fast schneeweiss, während sonst keine Aenderung des Colorits
nachzuweisen war. Nur erschien im ganzen Bereich der afficirten
Partie die Haut gedunsen im Vergleich zu den anderen Regionen
des Gesichtes.
Diese Lähmung im Bereich der oberen zwei Aeste des linken
Trigeminus hielt einige Stunden an und verschwand dann ziemlich
schnell.
Tflinigrp wenige Male kündete die gleiche Störung den bald da¬
rauf eintreteuden Anfall an.
Schliesslich aber wurde mehr denn einmal festgestellt, dass
diese Nervenlähmung auftrat, ohne dass nachher ein Anfall oder
eine andere Störung, die als Abart eines solchen gedeutet werden
musste, den Kranken befiel und ohne dass etwas derartiges vor¬
hergegangen war. Es bestand mithin die ganze episodische, mit
einem Anfall gleichwertige Attaque bei dem Epileptiker in dieser,
wenige Stunden anhaltenden, plötzlich eintretenden und allmählich
abklingenden Trigeminuslähmung. Psychisch war er zu der frag¬
lichen Zeit derselbe, der er auch sonst war; er war nicht im min¬
desten benommen, machte er doch vielmehr immer auf die die
Lähmungen begleitenden Paraestliesieen spontan aufmerksam. Die
Rückerinnerung an solche Vorkommnisse war bei ihm die gleiche,
wie auch für sonstige neue Begebenheiten.
Fragt man sich nach der Pathogenese der Störung, so liegt
es ja sehr nahe, anzunehmen, dass eine der Kugeln den linken
Trigeminus da verletzt haben kann, wo der erste und zweite Ast
noch beisammen sind, der dritte aber bereits selbständig ver¬
läuft, oder dass die Kugel in ihrem Verlauf den ersten, sowie auch
den zweiten Ast lädirt haben könnte. Ist dem so, dann leidet der
Kranke an einer „Reflexepilepsie“, und insofern widerspricht der
vorliegende Fall nicht den bisherigen klinischen Ergebnissen,
als unter den peripheren Nerven, deren Verletzung eine Reflex¬
epilepsie im Gefolge hat, neben dem Ischiadicus der Trigeminus
eine bevorzugte Stellung einnimmt. Handelt es sich aber um eine
reine Reflexepilepsie, dann darf die obige Störung, die periodische
Trigeminuslähmung, nicht mehr so auffallend erscheinen.
So streng aber auch nach der aetiologischen Seite die Reflex¬
epilepsie von der gewöhnlichen Epilepsie getrennt werden muss,
so muss doch auf der anderen Seite hervorgehoben werden, dass
nach unseren heutigen Erfahrungen vom klinischen Standpunkte
eine derartige scharfe Sonderung späterhin nicht mehr durch¬
geführt werden kann. Dies wird dann der Fall sein, wenn sich
unter dem Einfluss der peripheren Nervenstörung diejenige Ver¬
änderung im Gehirn ausgebildet hat, auf die man das Zustande¬
kommen der Epilepsie heute zurückführt. Von dem Zeitpunkte
ab wird die operative Entfernung der am peripheren Nerv etwa
wirkenden Noxe erfolglos sein, die Epilepsie wird nach dem Ein¬
greifen des Chirurgen vielmehr noch fortbestehen, da auch die
epileptische Veränderung des Gehirns fortbesteht. Vor deren
Ausbildung hätte der chirurgische Eingriff dem Kranken freilich
vielleicht Besserung oder gar Heilung bringen können.
Die Schwere der epileptischen Anfälle, die der Trigeminus¬
lähmung vorausgingen, widerlegt sicherlich nicht die Annahme,
dass sich die, kurz gesagt, epileptische Veränderung des Gehirns
bereits entwickelt hat. In gleichem Sinne kann man auch fol¬
gende Erwägung verwerthen, wenn ihr auch eine bindende Be¬
weiskraft sicherlich nicht zukommt: bei der Reflexepilepsie geht
dem Anfall eine Störung in dem betreffenden Nervengebiet
meistens voraus, sie leitet den Anfall ein; hier aber war vorzugs¬
weise das Umgekehrte der Fall. Nebenbei gesagt sind auch sonst
prä- und postepileptische Störungen bei demselben Individuum
beobachtet worden, die einander völlig gleichen.
Ebensowenig darf die Trigeminuslähmung in Parallele ge¬
setzt werden zu dencireumscripten Anaesthesieen, die man hie und
da nach epileptischen Anfällen gefunden und als Zeichen der Er¬
schöpfung gedeutet hat. Diese Auffassung trifft hier schon dess-
halb nicht zu, weil sich ja die gleiche Affection im Gebiete des
Trigeminus auch vor den Anfällen zeigte. Auch das darf nicht
ausser Acht gelassen werden, dass der Kranke echte epileptische
Anfälle ohne jede vorhergehende oder sich anschliessende Tri¬
geminusstörung bot.
Damit würde man meines Erachtens nicht viel weiter
kommen, wenn man etwa annähme, dass eine Schussverletzung des
Gehirns die Epilepsie ausgelöst habe, denn diese allein würde die
B< theiligung des Trigeminus kaum erklären können, und man
□ igitized by Google
würde genüthigt sein, diesem aetiologischen Moment noch die
obige Ursache hinzuzufügen.
Der Kranke ist durchleuchtet worden; die dabei zu Tage ge¬
förderten Skiagramme weisen die Annahme nicht von der Hand,
dass sich im Schädel des Kranken noch eine Kugel an der suppo
nirten Stelle befindet. Es steht noch die fronto-oceipitale Durch¬
leuchtung aus, die allein uns darüber Aufschluss verschaffen
kann, ob sich die Kugel in der rechten oder linken Hirnhemi¬
sphäre findet. Aber selbst wenn die Skiaskopie ergebnislos ver¬
liefe, so würde damit die Richtigkeit obiger Ausführungen nicht
in Frage gestellt werden. Die Kugel kann ja doch en passant
den Trigeminus an der betreffenden Stelle verletzt haben!
Der Kranke leidet auch an Folie de toucher; er fasst bei¬
spielsweise die Thürklinken nur mit dem Zipfel seines Rock¬
schosses an, er gibt Keinem die Iland, ohne sie sofort nachher ab¬
zuwischen. Wenn dies auch mit der Epilepsie an und für sich
nichts zu thun hat, so sei es doch in Hinsicht- auf die obigen Er¬
örterungen erwähnt.
So bemerkenswert!! und eigenartig auch die nervösen Stö¬
rungen bei dem letztgenannten Kranken sind, so gebe ich doch
den Fall preis für die beabsichtigte klinische Verwerthung. Denn
gleichgiltig, ob es sich um eine Reflexepilepsie handelt, oder ob
die Epilepsie auf eine Verletzung des Gehirns zurückgeführt
werden muss, oder ob es sich jetzt um eine echte Epi¬
lepsie handelt, oder eine Combination dieser Zustände, der
Einwand wird immer zu Recht bestehen, dass es sich in letzter
Instanz um eine traumatisch bedingte Epilepsie handele, und
dass das, was für sie gelte, nicht ohne Weiteres auch auf die Lehre
der gewöhnlichen Epilepsie übertragen werden könne. Ein der¬
artiger Analogieschluss wird auch dann nur mit aller Vorsicht
und unter aller Reserve gezogen werden dürfen, wenn die trau¬
matisch verursachte Epilcfjsie noch so sehr in ihren klinischen
Entäusserungen der gemeinen Epilepsie nahe kommt.
Um so mehr lassen sich die anderen Beobachtungen nach der
gewollten Richtung hin verwenden.
An der Diagnose Epilepsie in ihrem gewöhnlichen Sinne
kann kein Zweifel bestehen. Der Alkohol spielt in keinem der
publicirten Fälle eine Rolle. Eine Reihe von Anfällen wird
durch die verschiedenartigsten Symptome angekündigt ; es ist dies
entweder eine motorische oder psychische Aura. Von einer beson¬
deren Berücksichtigungder vasomotorischen Störung kann Abstand
genommen werden, da diese neben den anderen einhergehen und
das Krankheitsbild weniger beherrschen. Diese Aura zieht ent¬
weder einen echten Anfall mit all’ seinen verschiedenen Zeichen
nach sich, oder es stellt sich nach ihr nur eine umschriebene
Zuckung, ein Schwindelanfall, eine psychische Veränderung ein,
oder es bleibt einzig und allein bei der Aura. Es findet sich also
eine lückenlose Scala von dem echten Anfall mit seinen sattsam
bekannten Symptomen bis herab zu einem Anfall, der auf die
Aura beschränkt bleibt.
Während der Dauer der Anfälle der letztgenannten Art unter¬
hält sich der Kranke mit dem Arzte wie auch sonst; die associa-
tiven Vorgänge haben keine nachweisbare Einbusse erlitten, die
Orientirung über Zeit und Ort ist nicht gestört, nach Ablauf der
Aura ist eine genaue Rückerinnerung möglich, nicht nur für sie
selbst, sondern auch für die sie begleitenden Nebenumstände.
Trotz alledem wird diese vorübergehende Störung für einen
epileptischen Abortivanfall erklärt werden müssen. Denn solche
Störungen machten sich erst geltend, nachdem das Individuum
bereits epileptisch geworden war, und die gleichen, oft geradezu
congruenten Störungen orüffneten den Anfull und bewies -n somit
auf das evidenteste ihre Zugehörigkeit zum epileptischen Anfall
und somit zum Wesen der Epilepsie. Ich meine, dass desshalb den
mitgetheilten Beobachtungen eine Beweiskraft nicht versagt
werden kann. Es geht aus ihnen hervor, dass kurze Aequivalcnte
eines epileptischen Anfalls nicht immer von einer, ich will mich
recht vorsichtig ausdrüeken, nachweisbaren Bewusstseinsstörung
begleitet sind.
Dass ein solcher Standpunkt in der Lehre der Epilepsie auch
für die gerichtliche Psychiatrie nicht gleichgiltig ist, das braucht
kaum des Näheren auseinandergesetzt zu werden.
Je mehr ich mich in der unermesslichen Literatur über Epi¬
lepsie umsehe, desto mehr sehe ich, dass von vielen anderen Seiten
epileptische Anfälle oder ihnen entsprechende Störungen bc-
obachtt sind, die ohne eine besonders beträchtliche oder ohne
jede Bewusstseinsstörung einhergehen.
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468
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
Doch kann ich mir nach der anderen Seite hin nicht ver¬
hehlen, dass nicht alle solche Mittheilungen mit bindender Be¬
weiskraft für die Beantwortung der Frage verwerthet werden
dürfen, ob zeitweilige Störungen eines Epileptikers, deren epi¬
leptische Natur unzweifelhaft feststeht, ohne eine erhebliche Be¬
wusstseinsstörung sich abspielen können.
Wenn beispielsweise von Anfällen von Zittern, von Speichel¬
fluss, Gastralgie, Hunger, von Wortwiederholungen, von
plötzlichem Hinfallen etc. berichtet, und bei ihrer Er¬
wähnung besonderes Gewicht darauf gelegt wird, dass
sie, obwohl sie bei einem Epileptiker auftreten, dennoch
nicht mit Bewusstseinsstörung verbunden waren, so vermag
uns das bei der Beantwortung der uns beschäftigenden
Frage wenig zu fördern. Das Gleiche gilt auch von den Anfällen
von Herzklopfen, Angst, Apathie u. s. w. bei den Epileptikern.
Und dass den Psychosen der Epileptiker nicht immer eine stärkere
Bewusstseinsstörung als anderen Seelenstörungen eigen ist und
dass ihnen nicht immer die obligate Amnesie folgt, ist schon
lange bekannt; ich erwähne nur F ü r s t n e r , Gnauck,
Samt, Westphal und hebe hervor, dass Wildermuth
das Verhalten des Bewusstseins — Fehlen oder Vorhandensein
von Bewusstseinsstörungen — gerade seiner Classification der
epileptischen Psychosen zu Grunde legt. So sehr es auch wahr¬
scheinlich ist, dass die zeitweilig auftretenden Störungen der
Epileptiker einen mit den Anfällen gleichen Ursprung haben,
so ist dies doch nicht immer mit aller Sicherheit erwiesen, da
wir doch auch ausserhalb der Epilepsie periodischen Störungen
begegnen.
Solche Affectionen, die sicherlich geeignet sind, mit anderen
Umständen zusammen die Diagnose der Epilepsie zu stützen oder
zu erhärten, sind mir natürlich bekannt, aber ich habe von ihnen
ganz absehen zu müssen geglaubt, da sie für die Beantwortung
der vorliegenden Frage durchaus nicht eimvandsfrei und aus¬
schlaggebend sind.
Ich glaube, oben nachgewiesen zu haben, dass meinen Beobach¬
tungen der Vorwurf kaum gemacht werden kann, dass die epilep¬
tische Natur der Störungen nicht erwiesen sei.
Ich unterliess dennoch nicht die vorliegende Publication,
weil ich mich für verpflichtet hielt, was ich früher versprochen,
nun auch zu halten; und ich meine, dass die eigenartige klinische
Beschaffenheit der beschriebenen Störungen mich weitor zu ent¬
lasten vermag.
Während der Niederschrift dieser Zeilen kommt mir der
Aufsatz von Jul. Donath: „Der epileptische Wandertrieb,
Poriomanie“ (Arch. f. Psyeh., 32. Bd., 2. Heft) zu Gesicht, der
sich auf 3 eigene Beobachtungen stützt. Er erwähnt auch meinen
Vortrag und fährt fort: „Worin ich von Schul tze abweiche,
ist das, dass ich bei diesen Zuständen eine obligate Bewusstseins¬
störung oder einen Erinnerungsdefect nicht anerkenne. In An¬
betracht der zahlreichen oben genannten epileptischen Merkmale
könnte die Anerkennung oder Nichtanerkennung eines derselben
bedeutungslos erscheinen, mit Rücksicht aber darauf, dass es sieh
um das Symptom der Bewusstseinsstörung und der Amnesie
handelt, welche bisher allgemein als Cardinalsymptnmc der Epi¬
lepsie galten, ist diese Unterscheidung von fundamentaler patho¬
logischer Wichtigkeit. Für mich ist di e e p i 1 e p t i s e h e
Poriomanie ein psychisches A e q u i v a 1 e n t b e -
soliderer Art, welches sich von dem gewöhn-
1 i c h e n d a d u r c h u n t c r sc hei d e t, d a s s di <• B o -
w u s s t sein s s tö r u n g e n t w ed e r g ä n z1ie h fehlt,
"der durch ihre G c r i n g f ii g i g k e i t i n d e n
Hintergrund tritt *)“.
Ich freue mich, constatiren zu können, dass die Differenz in
unseren Anschauungen gar nicht so gross ist, wie es den An¬
schein hat; sie stimmen vielmehr recht gut überein. Da Do n a t h
auf mein kurzes Autoreferat in dieser Wochenschrift 1898, No. 41
angewiesen war, so ist es verständlich und begreiflich, wieso er
mich in einem Punkte missverstehen konnte.
Ehen desshalb, weil hei den auf Epilepsie zurückzuführenden
Wanderungen nicht immer die erwartete Amnesie eintrat, habe
ich darüber berichtet; da griff auch damals die Discussion ein
und mahnte zur Vorsicht in der Diagnose Epilepsie.
Das halte ich für durchaus berechtigt, und bei der durch un¬
zählige Beobachtungen gestützten Thatsache, dass im epilep-
*) Audi im Original gesperrt gedruckt.
Digitized by Google
tischen Anfall oder während der ihm gleichwertigen Erschei¬
nungen ein Verlust des Bewusstseins besteht, der eine Gedächt-
nisslücke nach sich zieht, habe ich die Diagnose Epilepsie erst
nach längerem Erwägen,- ich will nicht gerade sagen, wider¬
strebend gestellt, und habe ich mich mit aller Vorsicht darüber
ausgelassen. Das war umsomehr geboten, als einige Male die
Dauer der Zeit, für die das Vorhandensein oder Fehlen einer
Bewusstseinsstörung naehgewiesen werden sollte, eine recht erheb¬
liche ist, und die fragliche Zeit vielfach schon recht weit in die
Vergangenheit zurückreichte. Dass unter diesen erschwerenden
Umständen ein stringenter Beweis für das Vorhandensein oder
hehlen einer Bewusstseinsstörung kaum erbracht werden kann,
liegt auf der Hand. Zudem beweist eine Amnesie nicht im Min¬
desten, dass während oder in der Zeit, für die keine Erinnerung
besteht, eine Bewusstseinsstörung bestanden haben muss, und
ebensowenig ist die Erhaltung der Erinnerung ein sicheres Kri¬
terium dafür, dass damals keine Bewusstseinsstörung bestanden
hat. Und ob die gewöhnliche persönliche Beobachtung, ohne Zu¬
hilfenahme verfeinerter Untersuchungsmethoden genügt, das Vor¬
handensein jeglicher Bewusstseinsstörung mit Sicherheit auszu-
schliessen, erscheint weiterhin fraglich.
Trotz aller dieser Erwägungen hielt ich meine Wanderer für
Epileptiker und glaubte darauf besonderes Gewicht legen zu
müssen, dass während der in einem epileptischen Dämmerzustand
unternommenen Wanderungen das Bewusstsein keine so erheb¬
lichen Störungen erlitten hatte, soweit hierauf überhaupt auf
Grund der eigenen Schilderungen der Kranken geschlossen werden
durfte. Um sicher zu gehen, untersuchte ich eben andere Epi¬
leptiker, und das erzielte Ergebniss liegt hier vor. Daraus aber
resultirt, in Uebereinstimmung mit vielen Mittheilungen von
anderer Seite, dass es auch ausser der „Poriomanie“ noch andere
Aequivalente bei Epilepsie, psychischer sowohl wie somatischer
Natur gibt, die dadurch gekennzeichnet sind, „dass die Bewusst¬
seinsstörung entweder gänzlich fehlt oder durch ihre Gering¬
fügigkeit in den Hintergrund tritt“.
Es ist somit dies Verhalten des Bewusstseins kein allein für
die sogen. Poriomanie charakteristisches Merkmal, sondern trifft
vielmehr auch für andere psychische Aequivalente der Epi¬
lepsie zu.
Eine Reise in das russische Hungergebiet.
\ on Dr. C. A. Lehman n in München.
Im Mai vorigen Jahres machte ich gemeinsam mit einem
russischen Privatgelehrten eine Reise nach Central- und Ostruss-
land, um mich über die Zustände im sogen. Hungergebiet an Ort
und Stelle zu informiren. Mein Begleiter, als Nationalökonom
vom lach, iuteressirte sich hauptsächlich für die wirtschaftliche
Lage, während ich mich speciell mit dem Studium des Hungers
und der daraus entstandenen Krankheiten befasste und die photo¬
graphischen Aufnahmen machte. Das Ergebniss unserer Reise
werden wir demnächst in einem Buch veröffentlichen. Hier
mochte ich nur in Kurzem eine Schilderung derjenigen Verhält-
nbse geben, die speciell den Mediciner interessiren.
Die Reise ging von Berlin über Petersburg, Moskau nach
Niselmi-Nowgorod und von da per Schiff nach Kasan. Dort be¬
theiligte ich mich an dem gerade tagenden Congress der Piro-
go ffsehen Gesellschaft, wo mich speciell die Lepradebatte und
die dabei vorgestellten Kranken interessirten. Von Kasan ging
die Reise wieder per Schiff die Wolga hinab und die Kama hinauf
nach Mursicha, einem kleinen Ort im Kreise Spassk, und von dort
per Wagen nach Romodan, wo wir beim Popen, bei dem wir durch
einen Kasaner Journalisten eingeführt wurden, vorläufig unser
Standquartier aufschlugen. In den folgenden Tagen gingen wir
auf zahlreiche Dörfer, theils mit russischer, theils mit tatarischer
Bevölkerung, und fanden in Bezug auf das Elend unsere höchsten
Erwartungen übertroffen.
Ein russisches Dorf macht auch in guten Gegenden und in
Nicht-Hungerjahren keinen sehr freundlichen Eindruck. In sehr
breiten Strassen (50—100 m) stehen niedrige, mit Stroh oder
Rinden gedeckte Blockhäuser; neben dem Wohngebäude ist ein
Hof, der mit einem hohen Weidengofiecht eingezäunt ist. Weder
vor noch hinter dem Haus findet sich etwas Grünes, sehr selten ein
Baum oder gar ein Garten. Die Strasse selbst ist je nach der
Witterung entweder eine staubige Sandwüste oder ein schwarzer
Sumpf. Die Gegend ist meist flach und in Folge der zunehmen-
Qrigiraal from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
4H9
den Waldverwüstung überaus monoton. Das heutige Bild ist aber
noch um Vieles trauriger. An vielen Häusern (wenn man die sich
nach allen Himmelsrichtungen neigenden Blockhütten so nennen
darf) fehlt das Dach ganz oder theilweise. War es von Stroh,
so wurde es bei dem zunehmenden Futtermangel an das Vieh ver¬
füttert, war es von Rinden, so hat es im langen Winter der Ofen
verschlungen.
Treten wir in eines dieser Häuser ein, so müssen wir uns
zuerst an die schwüle, verpestete Luft gewöhnen, die in dem
niedrigen, engen, nie gelüfteten und durch kleine Doppelfenster
schlecht beleuchteten Raum herrscht. Dieser Raum dient der
ganzen Familie als Wohn-, Koch- und Schlaf raum. Ein grosser
Theil des Zimmers wird von dem riesigen, niemals erkaltenden
Ofen eingenommen, der zum Kochen, Backen und Heizen dient,
und auf dem mehrere Personen ihre Schlafstellen haben. Wände,
Decke und Fussboden wimmeln von den bekannten schwarzen
und braunen Käfern, die man je nach der eigenen Nationalität
„Schwaben“, „Preussen“ oder „Russen“ nennt. Unter Hunderten
von Häusern fand ich kein einziges, wo diese Thiere fehlten.
Zu diesen an sich schon äusserst unhygienischen Verhält¬
nissen kam nun noch die Noth, die seit October 1898 langsam aber
sicher einsetzte und speciell die 4 Gouvernements Kasan, Ssamara,
Ssimbirsk und Ufa mit einer Bevölkerung von ca. 10 Millionen
betraf. Nimmt man dazu noch die ebenfalls stark betroffenen
Gouvernements Nischni-Nowgorod, Wjatka, Saratow, sowie Perm
und Orenburg, so umfasst das Nothstandsgebiet eine Bevölkerung
von 20 Millionen Seelen! Die direete Veranlassung der Noth war
die vörangegangene Missernte, es spielen aber noch eine Reihe
anderer complieirter Verhältnisse mit, die wir an dieser Stelle
nicht erörtern können. Durch die Missernte wurden die Bauern
ihres hauptsächlichsten Nahrungsmittels, des Getreides, beinahe
vollständig beraubt. Die Bevölkerung schlug sich mit dem
Wenigen so gut es ging durch, d. h. sie hungerte. Bald zeigten
sich die verheerenden Wirkungen dieser chronischen Unter¬
ernährung. Die Todesfälle an „Anaemie“ mehrten sich, Scorbut
und Flecktyphus traten auf. Der Flecktyphus, der speciell in
Kasan und Ssamara während des Winters heftig gewüthet hatte
(Mortalität 90 Proc.), war im Mai beinahe erloschen, und das ist,
wie mir viele der dortigen Aerzte versicherten, jedes Jahr der
Fall. Offenbar spielt hier die intensive Besonnung eine Rolle
und ausserdem der Umstand, dass die Menschen beim Beginn
der wärmeren Jahreszeit sich mehr im Freien aufhalten und nicht
mehr so eng beisammen leben. Der Flecktyphus befällt auch besser
Situirte, während der Skorbut sich auf die hungernde Bevölke¬
rung beschränkt. In Mensilinsk, im Gouvernement Ufa, sah ich
im Kreisspital einen Studenten, der sich bei der Pflege mit Fleck¬
typhus inficirt hatte. Er starb einige Tage später, wie wir in
Ssamara erfuhren, und die Zustände im dortigen Spital haben
ihm wohl die letzten Stunden abkürzen helfen.
Anders verhält es sich mit dem Skorbut. Er trat langsam
auf und nahm gewaltige Dimensionen an. Während schon in
früheren Jahren da und dort von einzelnen Fällen berichtet
wurde, machte im Februar 1898 Dr. Tresswiatski dem
Sanitätsbureau in Kasan Mittheilung, dass unter den Tataren
der Skorbut aufgetreten sei. Es wurde dem Bureau ausserdem
auf privatem Wege von 300 Einzelfällen Mittheilung gemacht.
Das Bureau sandte darauf eine Delegation, um Studien zu
machen und die Hilfe zu organisiren. Diese Delegation be¬
richtete nun, dass die Ausbreitung der Epidemie eng verbunden
sei mit Lebensweise, Beschäftigung und Wohlstand; es ist dess-
halb, wie wir später sehen werden, auch klar, warum die tatarische
Bevölkerung früher davon betroffen wurde als die russische. Nach¬
dem durch energisches Eingreifen des Kreissemstwos in Ssamara
diese Epidemie unterdrückt war, kam die Missernte des Jahres
1898 und damit auch wieder der Skorbut, aber diesmal hart¬
näckiger und ausgebreiteter. Da die Behörden sich ihrer Auf¬
gabe nicht gewachsen fühlten, so versuchte man es erst eine Zeit
lang mit dem dort ortsüblichen Mittel des Todtschweigens. Der
Censor waltete seines Amtes. In Moskau wurde das Wort
„Hunger“ überhaupt verboten und anderwärts wurden die Be¬
richte über die „Zinga“ (= Skorbut) erheblich beschnitten oder
auch ganz unterdrückt.
Auf die Dauer Hess sich jedoch dieses Vertuschungssystem
nicht durchführen, und die Regierung sah sich allmählich ge-
nöthigt, den Vertretern der einheimischen Presse den Zutritt in
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die Hungerdistricte zu gestatten. Es wurde dann auch von den
grossen Zeitungen in Petersburg und Moskau sehr viel Geld ge¬
sammelt und dem Wunsche der Regierung gemäss an die Central¬
stelle des „Rothen Kreuzes“ abgeliefert, wobei freiUch ein grosser
Theil des Geldes in Form von enormen Gehältern in die Taschen
der Verwaltungsbeamten wanderte. Ein weiterer Theil ging
den Hungernden dadurch verloren, dass die Commissäre die Ein¬
käufe bei ihren Verwandten und Freunden besorgten und für
schlechte Waare sehr hohe Preise bezahlten.
Von allen Krankheiten nahm natürlich der Skorbut,
wegen der ungeheuren Zahl der Krankheitsfälle, das grösste In¬
teresse in Anspruch. Im Kreise Spassk, im Gouvernement Kasan,
wurde die Zahl der Erkrankten allein auf 20 000 geschätzt und
diese Zahl scheint mir nicht übertrieben zu sein, da wir selbst
in einzelnen Dörfern Hunderte von Kranken zu Gesicht bekamen.
Der Skorbut tritt hier unter klinischen Formen auf, die sehr
oft von dem Verlauf, wie er in unseren Lehrbüchern geschildert
wird, abweichen. Diese Wahrnehmung wurde mir auch vom Col-
legen Dr. Gran, Kreissanitärarzt in Ssamara, bestätigt. Die
Kranken werden immer matt und abgeschlagen, und das ist nicht
wunderbar, wenn man den chronischen Hunger als aetiologisches
Hauptmoment annimmt. Fieber fehlt in den meisten Fällen,
kann aber auch sehr hoch sein.
Die Hauptsymptome: Gingivitis, Contracturen und Haemor-
rhagien können einzeln oder vereint und in jeder beliebigen
Reihenfolge auftreten. Oft findet man, besonders bei jugend¬
lichen Individuen, als einziges Symptom zwischen zwei Zähnen,
mit Vorliebe am Unterkiefer, einen schreibfederspitzenförmigen
dunkelrothen Streifen im Zahnfleisch. Kommt man aber einige
To ge später, so sieht man an mehreren Stellen erbsen- bis hasel¬
nussgrosse Geschwülste von livider Färbung, die im weiteren Ver¬
lauf ulcerös zerfallen und aus dem ganzen Mund eine einzige
Jauchehöhle bilden und es beinahe unerträgHch machen, mit dem
Kranken in einem Raum zu leben. An die Aufnahme fester
Nahrung ist in diesem Zustande — auch wenn sie vorhanden
wäre — natürlich nicht zu denken.
Die Contracturen kommen, ganz ohne Rücksicht auf den Grad
der Zahnfleischaffection, in allen Stadien vor. Das Kniegelenk
macht, so viel ich beobachten konnte, immer den Anfang, dann
kommen Fussgelenk, Ellenbogen, Hüftgelenk, in schwereren
Fällen sind auch die Kinnladen davon betroffen.
Im Anfang findet man Schwellung und Druckempfindlich¬
keit, später vermehrte Schwellung und leichte Contracturstellung.
Noch später: Starre Contractur; Schwellung von einem Gelenk
zum anderen; die Haut ist prall gespannt und glänzt wie Por¬
zellan. Jede geringste Bewegung ist furchtbar schmerzhaft.
Die Haemorrhagien treten zuerst in den Schleimhäuten auf,
wir sehen sie also zunächst im Mund und in der Conjunctiva.
Bald aber wird auch die äussere Haut davon betroffen, zunächst
die Haut über den contrahirten Gelenken und dann die Streck¬
seiten der Extremitäten. In schwereren Fällen bleibt kein Körper-
theil davon verschont. Im Anfang sieht man rothe Punkte um
die Haarfollikel auf der glänzenden, prall gespannten Haut, oder
auch ein feines Geäst, das dem Verlauf der Blutgefässe ent¬
spricht; dann wird die Blutung profus und wir sehen oft masern-
ähnliche, meist aber grosse und scharf begrenzte dunkelrothe bis
violette Flächen. In der Reconvalescenz verschwindet der Glanz
und die Haut wird regenbogenfarbig. Die haemorrhagischen
Partien fühlen sich an wie festes Glanzleder, und die Temperatur
ist von der der Umgebung nicht verschieden.
Allen Skorbutkranken gemeinsam ist das stark ausgeprägte,
subjective Krankheitsgefühl. Man sieht kräftige Männer mit
weit aufgerissenen Augen stöhnend und ächzend auf ihren
Pritschen liegen. Ihr einziger Wunsch ist, dass der Tod sie von
ihren Leiden erlösen möge.
Der Puls zeigt ausser dem anaemischen Typus nichts Beson¬
deres, auf den Brustorganen konnte ich auch nie etwas finden,
was sich auf den Skorbut hätte zurückführen lassen. Nephritis
ist häufig. Ob da andere Ursachen mitspielen, weiss ich nicht,
der Bezirksfeldscheer vom Romodan versicherte mir aber, dass die
Zahl der Fälle seit der Skorbutepidemie bedeutend zugenommen
habe. Der Appetit liegt völlig darnieder. Das wurde mir ausser
von den Kranken von den Vorstehern der Spitäler und den Hilfs-
comitös übereinstimmend versichert. Der Stuhlgang ist, wenn
man von den Störungen durch die verringerte Nahrungsaufnahme
Original from
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470
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
absieht, im Allgemeinen wenig alterirt, im vorgeschritteneren
Stadium kommen allerdings profuse Diarrhoeeu vor. Milz¬
tumor konnte ich nirgends nachweisen.
Da es mir aus verschiedenen und darunter sehr triftigen
Gründen unmöglich war, eine Anzahl Fälle von Anfang bis zum
Ende zu überwachen, so ist meine Schilderung des Skorbut
natürlich sehr unvollkommen. Es gelang mir auch nicht, von
den Aerzten und nicht einmal von den Universitätskliniken in
Kasan genaueres Material aufzutreiben. Bacteriologisehe Unter¬
suchungen sind z. B. keine gemacht worden, und nicht eine einzige
Section wurde ausgeführt. Wenn man die mangelhafte Ver¬
sorgung mit Aerzten in Betracht zieht, so ist das allerdings ent¬
schuldbar.
Dr. Eitschers, der im Aufträge des Sanitätsbureaus in
Ssamara verschiedene Dörfer besuchte, gibt als Ursache des Skor¬
buts an: Nahrungsmangel (quantitativ und qualitativ), Woh-
nungsnoth (Mangel an Luft und Licht), Ansteckung.
Unter dem N ahrungsmangel leidet die tatarische
Bevölkerung noch ärger als die russische, weil ihr Menu aus ritu¬
ellen Gründen (die Tataren sind Muhamedaner) viel monotoner
ist, als das der russischen Bauern. Der Küchenzettel eines ta¬
tarischen Bauern lautet wie folgt: Zum Frühstück hat der
Keiche: Thee, Milch und Weissbrod, der Arme: Thee und
Schwarzbrod oder Mehlplätzchen, die ohne Hefe gebacken werden.
Mittags: Ein dünner Brei mit Nudeln aus Roggenmehl, sehr
selten mit Hammelfett oder Fleisch (= Ssalma). Abends: Thee
mit Brod. Der Speisezettel ist immer derselbe, nur in schlechten
Jahren gibt es weniger Fett und Fleisch oder gar keines. Gemüse
wird gelegentlich an den Landungsplätzen gekauft. Die Tataren
betrachten es als Luxus, und essen meist, den ganzen Vorrath
sofort auf. Dazu fiel das grosso Fasten Ramadan, das einen
Monat dauert, vom 12. Januar bis 12. Februar, gerade in die
Zeit, wo die Vorräthe schon ziemlich aufgezehrt waren. Den
ganzen Tag über essen die Tataren nichts und bringen die Zeit
unter eifrigem Beten in der Moschee zu. Abends hatten sie nicht
viel zum Essen, und als sie sich nach Beendigung der Fastenzeit
erholen wollten, war gar nichts mehr vorhanden.
Die Untersuchung der Wohnungen gab folgendes Re¬
sultat. Es kommen durchschnittlich 18,2 Oubikarschin -= 9 cbm
Luftraum pro Kopf. Das für Russland angenommene, wissen¬
schaftliche. Minimum beträgt 2 Cubikssaschen = 54 Cubikar-
sehin = 19,34 cbm. Das Verhältniss von Licht- zur Bodenfläche
schwankt von 1 : 9, bis 1 :14. Bei Berechnung der Lichtfläche ist
zu bemerken, dass im Winter noch ein Drittel der Fenster mit
Stroh bedeckt sind und an den übrigen Fenstern oft Kleider
hängen, so dass in Wirklichkeit in einer Reihe von Wohnungen
ein Verhältniss von 1:63 gefunden wurde. Dazu kommt noch,
dass im Winter sehr oft 3 bis 4 Familien zusammen wohnen, um
Heizungsmaterial zu ersparen.
Herr Alexander Nowikoff, der jahrelang Semski Na-
tschalnik (Landeshauptmann) war, also ein Amt bekleidete, dem
richterliche und Polizeigewalt über die Bauern zusteht, und in
Folge dessen, wie auch als Gutsbesitzer, in nächsten und an¬
dauernden Beziehungen zu dem Bauernthum stand, gibt folgende
Schilderung:
„Noch jetzt wird die Hälfte der Isbas (Bauemhütten)
„schwarz“ geheizt (d. h. so, dass der Abzug des Rauches durch
den Schornstein gehindert wird). Das will heissen, dass am
Morgen, wenn geheizt wird, die obere Hälfte der Isba voll Rauch
ist, der durch die Spalten abzieht oder durch ein besonders zu
zu diesem Zwecke gemachtes Loch, meistens durch die geöffnete
Thür. Während dieser Zeit legen oder setzen sich die Einwohner
auf den Boden, um dem Rauche zu entgehen. Durch die Thür
dringt 20° Kälte. Ist man mit dem Heizen fertig, so wird Alles
zugesperrt und in der Isba wird es heiss wie in einem Dampfbad.
Gegen Morgen aber gefriert oft das Wasser in der Wohnstube.
Vom Hauche sind die Decke und die Wände mit einem schwarzen
Ueberzug bedeckt, der manchmal in Zapfen herunterhängt. Hier
haust eine Familie von vielleicht 8 Personen: Hier der greise
Bauer mit seinem Weibe, hier auch der verheirathete Sohn, ein
erwachsenes Mädchen, die Kinder. Hier isst man, hier ist das
Slrohlager für die Nacht; hier gebären die Frauen, hier spinnen
sie und weben; hier ist auch das Kalb, die Lämmchen, manchmal
Ferkel, Hühner. Hier ist ein unerträglicher Gestank; zum Licht¬
spenden wird hier eine Lampe ohne Glas verwendet, die scheuss-
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lieh blackt oder gar nicht brennt, wenn kein Geld da ist, um
Petroleum zu kaufen.“
Ueber die Ansteckungsgefahr des Skorbuts lässt sich
nicht viel sagen, sie ist keinesfalls gross. Es sind zwar einige
Fälle bekannt, es handelt sich aber um Erkrankungen von Warte¬
personal, die sich vorher schon durch ungenügende Ernährung
und Ueberanstrengung widerstandslos gemacht hatten.
Die Therapie besteht selbstverständlich in der Haupt
sache in der Ernährung und zwar kommt man mit jeder ge¬
mischten Kost zum Ziel. Man hat sehr complicirte Theorien auf¬
gestellt über den Werth der frischen Gemüse zum Zweck der
Zufuhr von Kalisalzen, dann wieder wurde den Pflanzensäuren
ein hoher therapeutischer Werth zugeschrieben, und zu diesem
Zweck ganze Wagenladungen von Citronen zu Limonaden ver¬
arbeitet. Es half Alles nichts, die Leute brauchten Eiweiss.
Fett und Kohlehydrate: einfach Nahrung. Wo sie
gewährt werden konnte, trat rasch Genesung ein, fehlte sie.
so folgte das Recidiv auf dem Fusse.
Massage wurde da, wo ein Arzt oder Pflegepersonal war, an¬
gewandt und dabei die Beobachtung gemacht, dass nach jeder
Massage die Temperatur des Patienten im Laufe des Tages oft
um 2—3 Grad stieg und am folgenden Tag wieder normal war.
Gegen die Z ahnfleischaffectionen wurde manchmal mit Myrrhen-
tinctur gepinselt. In den meisten Fällen geschieht aber gar
nichts.
Ausser dem Skorbut grassirt im Winter hier regelmässig der
Flecktyphus. Dann stehen allen anderen Krankheiten weit voran:
Syphilis, Trachom, Tuberculose (hauptsächlich der
Knochen und Gelenke) und Malaria. Eine stattliche Anzahl
von Fällen sind dann immer noch: Dysenterie, Anaemie (das
scheint in Russland ein sehr vielseitiger Begriff zu sein, wie ich
mich später überzeugte, ist es meist Lungentuberculose), schwere
Conjunctivitiden, Influenza, Pocken, Milzbrand, Abdominal¬
typhus, Erysipel, Keuchhusten, Hemeralopie und Echinococcus
der Leber. Dazu kommen noch die gelegentlich auch hier auf-
tretenden Epidemien von Masern, Diphtherie und Scharlach, und
neuerdings auch die Pest. Also kurz: eindurch und durch
verseuchtes Volk. Und dieser Ansicht ist der oben er¬
wähnte, sicher unparteiische Zeuge, Herr N o w i k o f f, offen¬
bar auch. Er sagt:
„Eines der eingewurzelten Vorurtheile über unser Volk be¬
steht darin, dass es ungemein gesund und kräftig sei. Wenn
man die Bauernhöfe auf sucht, so findet man selten eine Familie,
die gesund ist. Denselben Eindruck erhält man bei der Rekruten¬
aushebung. Was nun die Frauen betrifft, so sind sie sämmtlich
krank, nur mit wenigen Ausnahmen. Das Vorurtheil, von dem
ich sprach, kommt von der bewundemswerthen moralischen
Widerstandsfähigkeit des Muschik (Bauern): Er hört nur dann
auf zu arbeiten, wenn er sich buchstäblich nicht mehr auf den
Beinen halten kann — sonst erträgt er jede Krankheit im Gehen
und zwar während der Arbeit. Ich habe u. a. folgenden Fall
beobachtet: Der Muschik erklärt, er sei krank, er habe Kopf¬
schmerzen. Er wird gemessen: 41°. Man frägt nun: „Ist die
Hitze schon lange?“ — „Seit einer Woehe, Euer Wohlgeboren —
aber es lässt sich nicht mehr ertragen.“ Es stellt sich heraus,
dass er im Gehen und mit der Sense in der Hand den Typhus
erträgt ....
„Und die Hygiene der Kranken? Gar keine! Im besten Fall
fährt man den Kranken zum Arzt, um eine Medicin zu erhalten.
Sonst aber liegt der Kranke, stöhnt und wartet — Tod oder 'Ge¬
nesung.
„Die Hygiene der Wöchnerin? Sie gebiert irgendwo unter
dem marternden Beistand einer unwissenden alten Frau, sofort
nach der Geburt klettert sie auf den Ofen (das ist obligat), trinkt
Branntwein (ebenfalls obligat); am fünften, ja am vierten und so¬
gar am dritten Tage manchmal geht sie zum Garbenbinden auf'.-
Feld....
„Die Hygiene des Kindes? Es lutscht an einem Schnuller
von Schwarzbrot, der selten gewechselt wird, von Mund zu Mund
geht und Syphilis verbreitet. Isst Alles, was gerade zutrifft und
stirbt meistens an Dysenterie....
„Ist es nun unter diesen schrecklichen Lebensbedingungen
und bei dieser Unwissenheit verwunderlich, dass man überall eine
Unsumme von Kranken findet — dass fast alle Frauen an
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3. April I9u0.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT,
471
Fm iiftnlcrftrikVi ftiten und Hysterie leiden, dass die Kinder, auch
die erwachsenen, absterben wie die Fliegen im Herbst?“
Zum Schluss möchte ich noch einige kurze Zahlen anführen,
welche den derzeitigen Stand der ärztlichen Hilfe im Gouverne¬
ment Ssamara zeigen sollen. In den Spitälern kommt in den
Städten: 1 Bett auf 303 Einwohner, auf dem Land: 1 Bett auf
4469 Einwohner. Folgende Tabelle zeigt die Entfernung der
Dörfer vom nächsten Arzt in Werst (1 W erst = 1065 m). Es sind
entfernt:
0—5 Werst
6—10
11—15
16—20
21—25
26—30
Uebw30
160 (6,6 °/o) Dörfer
258 (10,8%)
385 (16,1 o/o)
381 (16 0/o)
354 (14,8 °/o)
276 (11,5 o/o)
571 ( 23,9 °/o)
mit 30 855 (6,1 °/o) Einwohner.
„ 209 310 (9,6 o/o)
„ 364 362 (16,8 %)
„ 347 162 (16 °/o)
„ 300 766 (13,9 o/o)
, 246 695 (11,4%;
„ 400 534 ( 18,5 %)
Als Norm wurde vom Semstwo festgesetzt ein Medicinal-
district mit einem Radius von 15 Werst = 707 Quadratwerst und
einer Einwo hn erzahl von 15—20 000. Es kommt aber in Wirklich¬
keit ein Arzt auf 1780 Quadratwerst (31,4 Dörfer) mit 32 933 Ein-
woliner. Der kleinste District hat 13 387 Einwohner, der grösste
69 228. Von einer Ueberfüllung mit Aerzten wird also liier in
der nächsten Zeit noch nicht gesprochen werden können.
Diese Aerzte (Semski Wratsch) beziehen vom Semstwo
t Kreis Verwaltung mit gewählten Vertretern) ein sehr bescheidenes
Gehalt. An wissenschaftlicher Schulung und positiven Kennt¬
nissen übertreffen sie das Gros der französischen, englischen und
italienischen Aerzte durchaus.. In den entlegensten Spitälchen,
denen ein Arzt Vorstand, fand sich ein gutes Mikroskop mit den
nöthigen Reagentien für klinische und bacteriologische "Unter¬
suchungen; die aseptische Wundbehandlung war allen geläufig.
Freilich kam es in diesen Dingen, wegen der gänzlich unzureichen¬
den Geldmittel, sehr oft nicht weit über den guten Willen hinaus.
Eines aber war den wackeren Collegen im fernen Osten Europas
gemeinsam: die freudige Hingabe an ihren Beruf und eine oft
geradezu beispiellose Selbstaufopferung. Es hat dies wohl seinen
Grund in dem stark ausgeprägten Mitgefühl, das in despotischen
Ländern allen Bevölkerungsschichten eigen ist. Für den Arzt
ist dieses echte Mitgefühl zweifellos eine sehr werthvolle Eigen¬
schaft. Dazu kommt noch, dass die russische „Intelligenz“ eine
sehr grosse Achtung vor der westeuropäischen Wissenschaft hat,
und beinahe sämmtliche deutsche medicinische Lehrbücher in’s
Russische übersetzt sind. Und Wissen und Mitgefühl sind das
Holz, aus dem man überall die besten Aerzte schnitzt.
Wenn aber die übrigen Zustände in Russland dieselben
bleiben, dann werden auch die allerbesten Aerzte nicht verhindern
können, dass nach jeder Missernte Hundert tausende von
Menschen an „A n a e m i e“ sterben.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Zum Vollzüge des Impfgesetzes.
Bei der wichtigen hygienischen Bedeutung der Impf frage möge
es gestattet sein, zu den neuen bayerischen Vollzugsbestimmungen
zum Impfgesetz (s. No. 12 d. Wochenschr.) einige Bemerkungen zu
machen.
Ganz gewiss finden in ärztlichen Kreisen alle diejenigen
Maassnahmen Billigung, welche auf möglichste Venneidung und
sorgfältige Registrirung der Iinpfschädigungen, auf den aus¬
schliesslichen Bezug der Thierlymphe ans staatlichen Impf¬
anstalten oder aus staatlich beaufsichtigten Privatanstalten und
auf die Ueberwaehung der öffentlichen Impfungen abzielen. Da¬
gegen muss man sich füglich wundern über die strengen Maass
regeln, die den praktischen Aerzten gegenüber für nothwendig be
1 unden wurden. § 3 Abs. 2 der Verordnung bestimmt nämlich:
M _Im Uebrigen hat jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft
privatim oder öffentlich ausüben will, den Nachweis darüber zu
erbringen, dass er mindestens 2 öffentlichen Impflings- und ebenso
vielen Wiederimpfungsterminen beigewohnt und sich die erforder¬
lichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der Lymphe
erworben hat.“
Zunächst hätte man billiger Weise erwarten dürfen, dass die
neue Vorschrift keine rückwirkende Kraft erlange und auf die be¬
reits prakticirenden Aerzte keine Anwendung mehr finde; es muss
einen Arzt, der seit einer Reihe von Jahren alljährlich Impfungen
vornahm, doch sonderbar berühren und kränken, wenn er nun die
Qualifikation zu dieser lang geübten ärztlichen Thätigkeit sich erst
noch einmal durch Beibringung der erforderlichen Nachweise und
eine Art Specialexamen erwerben muss.
Aber auch formale gesetzliche Bedenken sind einzuwenden.
Das Reichsimpfgesetz gewährt ausser den Impfärzten allen appro-
dieselben keinerlei Beschränkung auf und bedroht in dieser Hin¬
sicht nur die unbefugte Impfung durch Nichtärzte und die fahr¬
lässige Ausführung der Impfung mit Strafe, macht somit nach dem
Grundsätze, dass Reichsrecht über Landesrecht geht, eine entgegen-
stehende landesrechtliche Bestimmung rechtlich unwirksam. Eine
gemäss § 18 Abs. 2 des Impfgesetzes von einem Bundesstaat ge¬
troffene Ausführungsbestimmung darf aber das Grundgesetz nicht
einengeu.
Die geschichtliche Entwicklung dieser für Bayern neuen Vor¬
schrift geht zurück auf die Beschlüsse der vom 30. October bis
November 1884 in Berlin tagenden Commission von Impf sach¬
verständigen. welche in der vorwürfigen Frage folgende Beschlüsse
fasste:
VII. Beschlüsse, betreffend die technische Vor¬
bildung der Aerzte für das Impfgeschäft.
1. Hinsichtlich der technischen Vorbildung für die Ausübung
des Impfgeschäftes sind folgende Anforderungen zu stellen:
a) Während des klinischen Unterrichts ist den Studirenden
eine Unterweisung in der Impftechnik zu ertheilen.
b; Ausserdem hat jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft pri¬
vatim oder öffentlich ausüben will, den Nachweis darüber zu
bringen, dass er mindestens 2 öffentlichen Vaccinations- und ebenso
vielen Revaccinationsterminen beigewohnt und sich die erforder¬
lichen Kenntnisse über Gewinnung und Conservirung der Lymphe
erworben hat
2. Bei der ärztlichen Prüfung ist die Kenntnis» der Impf-
teclmik und des Impfgeschäftes zu verlangen.
Mit diesen Beschlüssen erklärte sich der Bundesrath einver¬
standen und änderte in der Folge die Bestimmungen über die
ärztliche Approbationsprüfung durch Beschluss vom 31. März 1887
dahin ab, dass der Caudidat vor der Zulassung zur Prüfung den
Nachweis darüber zu erbringen habe, dass er ..am praktischen
Unterricht in der Impftechnik tlieilgenommen und die zur Aus¬
übung der Impfung erforderlichen technischen Fertigkeiten er¬
worben hat“, dass er ferner in dem hygienischen Prüfungs¬
abschnitte „über die Schutzpockenimpfling einschliesslich der Impf¬
technik und des Impfgeschäftes zu prüfen“ sei. In diesen Be¬
stimmungen über die Approbationsprüfung hätte auch die Aus¬
führung der Commissionsbeschlüsse unter I b ihren richtigen Platz
gefunden und es wäre nichts dagegen zu sagen, wenn die Candi-
daten der Medicin gelegentlich des Impfunterrichtes auch an 2
öffentlichen Impflings- und ebenso vielen Wiederimpfungsterminen
beizuwohnen hätten; durchführen Hesse sich dies ja noch leichter,
wenn in den 3 bayerischen Universitätsstädten die öffentlichen
Impfärzte, bezw. in München der Centralimpfarzt, mit der Er-
tlieiluug des Impfunterrichtes betraut würden. Wohl aber er¬
scheint bei dem geprüften und mit dem Approbationsscheine ver¬
sehenen Arate eine solche Bestimmung unnöthig und bedenklich.
Bedenklich ausser dem voraus Aufgeführten vor allen Diugeu
desshalb, weil sich hiedurch ungeahnte Perspectiven eröffnen. Bis
jetzt war vom gewerbs-polizeilichen Standpunkte aus jeder Arzt in
jedem Gebiete des ärztlichen Wissens und Könnens zu jedem ärzt¬
lichen Eingriffe berechtigt, wir kannten noch keine Specialexamen,
die ihm eine ausschliessliche Befugniss zu gewissen specialärzt-
lichen Verrichtungen gewähren oder Andere, nicht Geprüfte, davon
ausscliliessen. Auf diesem Gebiete thut die neue Verordnung Ein¬
bruch, wonach ein Arzt Impflingen nur dann vornehmen darf,
wenn er sich nochmals einer Art von Speciaiexamen unterzieht.
Als seiner Zeit die Einspritzungen mit dem Koc loschen Tuhercu-
lin aufkamen, bezeichnete es eine Ministerialbekanntmachung als
notliweiidig, dass die Aerzte sich vor der Anwendung desselben
durch Selbstanschauung über die Einzelgaben des Mittels, über
die Methode und über die Wirkungen an einer Anstalt, welche das
neue Mittel bereits in versuchsweisem Gebrauch genommen hatte,
unterrichteu sollten. In analoger Weise müsste nach gesetzlicher
Vorschrift der Arzt immer von Neuem au die Brüste der Alma
uiater angelegt werden, so oft wichtigere neuere Heilmittel oder
neue Heilverfahren eiugeführt werden. Es müsste sich aber nicht
nur sonderbar ausnehmen, es würde zweifelsohne das Ansehen
des einzelnen Arztes schädigen und müsste die ganze Stellung des
ärztlichen Standes untergraben, wenn die Aerzte bei jedem neuen
therapeutischen oder prophylaktischen Verfahren sich immer erst
eine specielle Qualification erwerben müssten. Das Zutrauen
dürfte man den Aerzten schenken, dass sie nur solche Eingriffe
unternehmen, die sie verstehen und beherrschen oder die von Fach¬
leuten genügend geprüft sind.
Dr. Carl Becker.
Referate und Bücheranzeigen.
Jules S 0 U r y, Directeur d’etudes ä Fecole pratique des
hautes etudes ä la Sorbonne: Le systdme nerveux central, struc-
ture et fonctions, histoire critique des thSories et des doc-
trines. Paris. CarreetNaud. 1899. 2 Bände. 1863 Seiten.
Preis 50 Fr.
Der Verfasser verfügt über eine Belesenheit in der alten und
neuen Literatur, die nicht nur für einen Franzosen bemerkens-
werth ist. Er referirt über alles Wichtige, was in Bezug auf die
Auffassung der Psyche, den supponirten Zusammenhang
zwischen Gehirn und Seele und über die Anatomie des Gehirns
as Reichsimprgesetz gewarnt ausser eien impiarzien unen appiu- i - — r _
birten Aerzten die Befugniss. Impfungen vorzunehmen, stellt für der Menschen und der anderen Wirbelthiere geschrieben worden
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
472
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
ißt. Hiebei finden die griechischen Philosophen und Aerzte so
gut Berücksichtigung wie Ramon y Cajal und Bethe, auch das
Mittelalter kommt nicht zu kurz. Die Referate werden alle in
einer sehr hübschen, leicht und angenehm lesbaren Form ge¬
boten, wie sie nur selten ein diesseits der Vogesen erscheinendes
Werk wird auf weisen können. Sie sind nach Materien zusammen¬
gestellt und in jedem Abschnitt frei zu einem Ganzen vereinigt,
das formell vollständig dem Verfasser des Buches angehört, ohne
dass die Rechte der benützten Autoren zu kurz kämen. Hervor¬
zuheben ist auch, dass die nicht französischen Citate und Lite¬
raturangaben, die bekanntlich eine sehr schwache Seite der
meisten französischen Bücher bilden, hier durchweg correct ge¬
schrieben sind.
Wenn man an dem Buche etwas aussetzen wollte, so wäre
es etwa der fast vollständige Mangel an Figuren, ohne die man
in der Hiraanatomie keine festen Begriffe erwerben kann. Dann
ist auffallend, dass die Aphasie, das wichtigste und vielleicht das
einzige einigermaassen klare Bindeglied zwischen Körperlichkeit
und Seele nicht im Zusammenhang und durchaus nicht er¬
schöpfend behandelt ist. Eine eigentlich subjective Kritik der
Theorien tritt trotz des Titels sehr in den Hintergrund: es werden
meistens die Ansichten der verschiedenen Forscher neben ein¬
ander gestellt, was dem Referenten übrigens mehr ein Vorzug
als ein Nachtheil zu sein scheint. Leider fehlt dem grossen
Nachschlagebuch ein Sachregister, das durch die bei den Fran¬
zosen übliche table analytique des matieres nicht ersetzt werden
kann.
Das sehr schön ausgestattete Buch wird Manchem eine an¬
genehme und höchst interessante Lectüre bieten, da wohl selten
Jemand auf all’ den verschiedenen behandelten Gebieten nichts
Neues zu lernen haben wird. Bleuler - Burghölzli.
Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens. Einzeldarstel¬
lungen für Gebildete aller Stände. Herausgegeben von Dr. med.
L. Loewenfeld und Dr. med. H. Kure 11 a. I. Heft.
Loewenfeld: Somnambulismus und Spiritismus. Wies-
baden, Bergmann, 1900. 57 Seiten. Preis 1 M.
Loewenfeld gibt zunächst in knappem, klarem Stil das
für die Frage nach der Existenz von ungewöhnlichen oder „über¬
natürlichen“ Fähigkeiten Bedeutsame und charakterisirt kurz die
verschiedenen Formen des Somnambulismus, das Schlafwandeln,
den hysterischen und den hypnotischen Somnambulismus, dann
kommt eine Darstellung und Kritik des über aussergewühnliche
Erscheinungen Bekannten: Hellsehen, Sinnesverlegung, räum¬
liche© Fernsehen, übersinnliche Gedankenübertragung (Tele¬
pathie), zeitliches Fernsehen (Clairvoyance). Reden in fremden
Zungen.
L. kommt als nach beiden Richtungen vorsichtiger Kritiker
zu dem Schluss, dass es eine Anzahl nach allem menschlichen Er¬
messen durchaus beglaubigter, Facta gibt, die sich mit unseren
bisherigen Kenntnissen nicht erklären lassen; die Annahme der
Spiritisten aber, dass Geister der Verstorbenen hei allen diesen
Dingen thätig seien, ist eine durchaus in der Luft stehende und
zudem ungenügende und an verschiedenen Widersprüchen leidende
Hypothese. — Wie es von L. nicht anders zu erwarten ist, bleibt
er ganz objectiv und seine kritischen Ausführungen im positiven
wie im negativen Sinne werden kaum zu widerlegen sein.
Bleuler - Burghölzli.
Alfred Denker, Ohrenarzt in Hagen i. W.: Vergleichend
anatomische Untersuchungen über das Gehörorgan der Säuge-
thiere nach Corrosionspräparaten und Knochenschnitten. Mit
17 Tafeln. Leipzig, Verlag von Veit & Comp., 1899.
Nachdem Denker seine Präparate auf verschiedenen Con-
gressen demonstrirt und bei Anatomen sowohl wie bei Ohren¬
ärzten uneingeschränkte Anerkennung gefunden hat, hat er das
Ergebniss seiner fleissigen und zielbewussten Untersuchungen
in dem vorliegenden monumentalen Werke niedergelegt. Das
Werk ist die Frucht 9 jähriger Arbeit und auf Anregung Prof.
B e z o 1 d’s entstanden, dem es auch gewidmet ist.
Denker hat bei der Herausgabe die Unterstützung der
Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin erhalten. Es ist
wohl das erste Mal, dass einem ohrenärztlichen Werke diese Ehre
zu Theil geworden ist.
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Der Verfasser hat mit Hilfe von Corrosionspräparaten und
Knochenschnitten von jeder Säugethierordnung ein oder zwei Re¬
präsentanten untersucht und gibt die Beschreibung und die Ab¬
bildung der Präparate, wobei die Knochenschnitte und die Cor-
rosionspräparate sich gegenseitig ergänzen.
Zur Untersuchung kamen Gorilla, fliegender Hund, Igel, Eis¬
bär, indischer Leopard, W asserseh wein, Ameisenfresser, rot lies
Känguruh, Pferd, Rind, Schwein, grönländischer Seehund und
Walross. Zum Vergleich sind auch die entsprechenden Präpa¬
rate vom Menschen abgebildet.
Der Beschreibung sind vergleichende Schlussbemerkungen
angefügt. Den wichtigsten Theil des Buches bilden die Tafeln,
welche von Krapf ausgeführt und ganz vorzüglich gelungen
sind. Abgesehen von den Tafeln ist auch die übrige Ausstattung
eine vortreffliche.
Es ist hier nicht der Ort, auf die interessanten Einzelheiten
näher einzugehen. Kein Zoolog, Anatom oder Ohrenarzt, welcher
sich für das Gehörorgan der Säugethiere interessirt, wird die
Arbeit Denket entbehren können. Scheibe*.
Neueste Joumalliteratur.
Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 12.
H. J. Hamburger-Utrecht: Untersuchung des Harns
mittels combinirter Anwendung von Gefrierpunkt- und Blut¬
körperchenmethode.
Verfasser gibt eine genaue Beschreibung seiner Methode und
erläutert ihren Werth an mehreren Beispielen. Die Bestimmung
beruht auf dem von H. früher angegebenen Verfahren, um mittels
rother Blutkörperchen den osmotischen Druck von Flüssigkeiten
zu ermitteln. W. Z i u n - Berlin.
Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 12.
A. B. Tichonowitch: Zur Frage von der operativen
Behandlung der Neuralgie des Nerv, trigeminus. (Aus dem
Cabinette für operative Chirurgie und topographische Anatomie
von Prof. A. J. Dudukalow- Charkow'.)
T. gibt vom anatomischen Gesichtspunkte aus eine ver¬
gleichende Kritik der Resectionsverfahren des Ganglion Gasseri.
die er 1) in temporale Methoden (Operation von Hartley-
Krause, Modiflcation von C o e 1 h o) und 2) in sphenoidale (Ver¬
fahren nach Rose, Doyen, Poirier, Jakob, Qu&nu und
S & b i 1 e a u) eintbeilt, von den Letzteren liegt bei dem einen Grund¬
verfahren (Rose) und dem temporobasalen Verfahren, bei dem
auch provisor. Resection des Arcus zygomat. und Proc. coronoideiis
ausgeführt wird, der Weg zum Ganglion G. zwischen den Muskeln
in einem sehr gefässreiehen Gebiet, bei dem Verfahren von J a k o 1»
(provisor. Resection des Arcus zygomat. nebst äusserer Hälfte des
Jochbeins mit dem anliegenden Processus frontalisi und dem Ver¬
fahren von Quönu und Söbiieau (provisor.Resection desAmi>
zygomat.) liegt der Weg zum Ganglion G. zwischen der Schädel¬
basis im Gebiet des Planum infratemporale und ihrem Periost
(ausserhalb der Muskeln und Gefüsse).
T. glaubt, dass die Verfahren von Hartley -Kraus** und
C o e 1 b o (mit beschränktem Zutritt zum Ganglion) zur Verletzung
des Gehirns nöthigen und Zerreissung der Art. meningea med. be¬
günstigen und deren Unterbindung erschweren, während di**
sphenoidalen Methoden den Zutritt zum Ganglion erleichtern und
einen geraden Weg zu demselben schaffen; auch die Verfahren
von Rose, Doyen, Poirier seien schwierig, da sie zahlreich**
provisor. Kuochenresectionen erfordern, die neben einander ver¬
laufenden Muskeln zu trennen nöthigen und damit Gefahr von
Gefässverletzung bedingen, während das Verfahren von Q u e n u
und Söbiieau deren günstige Seiten besitzt, d. h. weniger zu
Gehirnverletzungen führt, ohne deren ungünstige Seiten zu haben.
Bei dem Quönu-Söbilea u’schen Verfahren wird di**
provisor. Resection des Proc. coron. durch eine einfache Oeft'nuu.^
des Mundes ersetzt, w r obei der Proc. coron. nach unten geht mul
den Zutritt zur Schädelbasis ermöglicht und ausserdem ist dabei
die Unterbindung des Stammes der Art. meningea med. leicht,
so dass T. dieses Verfahren, das die Vortheile der temporalen und
basalen Verfahren vereinigt, als das zweckmässigste bezeichnet
werden kann wegen der relativ einfachen Technik und des gefahr¬
losen Weges zum Fora men ovale. Sehr.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. XI.
Heft 2 (Februar).
1) J. Veit- Leiden: Ueber die Dystocie durch den Con-
tractionsring.
Das Vorspringen des Contractionsrlnges in die Gebärmutter¬
höhle ist eine Erscheinung, die nur während einer Wehe eint ritt
und setzt einen Inhalt in der Uterushöhle voraus. Dass der Con-
traetionsring ein Ilindemiss vor einem auszustossenden Thelle
bildete, Ist von Veit nur bei Zurückhaltung des Fruchtkuchens
beobachtet worden. Wenn angegeben wird, dass der Contractlons-
ring das Tiefertreten des vorangehenden Kindstheiles verhindert
habe, so fasst Veit derartige Fälle als mangelhafte Erweiterung
des inneren Muttermundes bei vorzeitig gesprungener Fruchtblase
und fehlender Wehenthätlgkeit auf. Der Contractionsring kann
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
473
ein Geburtshindernlss bilden, wenn Theile der Frucht (Kopf,
Schultern) bereits durch ihn hindurch getreten sind. Auch hier ist
der Contractionsring als Vorsprung nur während einer Wehe zu
fühlen.
Bildet der Contractionsring ein Hinderniss, so kommen zur Be¬
handlung nur ruhiges Abwarten und Narkotiea in Betracht.
2) Ö. v. Herff-Halle a. S.: Kann die Stelle des Auftretens
des Contractionsphänomens auf rein anatomischem Wege „ein¬
wandsfrei“ bestimmt werden ?
Verfasser ist nach seinen Beobachtungen und Untersuchungen
der Ansicht, dass die Stelle des Contractlonsringes durch ana¬
tomische Untersuchungen allein nicht bestimmt werden kann, son¬
dern nur dann als einwandsfrei und als voll bewiesen bewerthet
werden kann, wenn eben diese Stelle zuvor unverrückbar am leben¬
den und thätigen Organ gekennzeichnet worden ist.
3) W. L a n g li a n s - Jena: Heber den fibrinösen Placentar-
polypen.
Der Polyp entstammte einer an Typhus verstorbenen Kranken.
Tn ihm fanden sich keine foetalen Bestandteile, wohl aber
Deeiduazellen. Die Grundlage des Polypen entsprach wohl der
ganzen Placentarstelle. Inmitten des Polypen fanden sich zahl¬
reiche knäuelförmig gewundene Arterien mit stark verdickter Ad-
ventitia und gewucherter Intima. Die äusseren Schichten des
Polypen waren offenbar die älteren, die inneren die jüngeren, so
dass die Vergrösserung des Polypen jedenfalls auf Blutungen aus
den Arterien in seiner Mitte zurückzuführen war. Verfasser
nimmt an, dass die Entstehung derartiger Polypen vielleicht auf
das Zurückbleiben von Arterienstücken, die für gewöhnlich mit
der Placenta ausgestossen werden, an der Placentarstelle zurück¬
geführt werden könnte. (Es dürfte sich empfehlen, derartige
Polypen als „fibrinöse“ zu bezeichnen, als „Placentarpolyneu“ aber
solche zu bezeichnen, deren Kern ein Placentarrest bildet, auf
welchen sich dann Fibrinniederschläge auflagern. Ref.)
An dem ausgestossenen Ei konnten keine Typhusbacillen nach¬
gewiesen werden.
4) H. K e n t m a n n - St. Petersburg: Tetanus puerperalis.
Verfasser beobachtete einen Fall von Tetanus nach Abort im
3. Monat. Am 7. Tage traten die ei-steu Erscheinungen auf und
die Kranke erlag trotz Seruminjection am 3. Tage der Erkrankung.
Verfasser hat aus der ihm zugänglichen Literatur seit dem
Jahre 1885 44 Fälle von Tetanus puerperalis zusammengestellt.
30 mal ging eine Geburt am regelrechten Ende der Schwanger¬
schaft voraus. Von 34 Fällen, in denen sich Angaben hierüber
finden, hatte 20 mal ein Eingriff bei oder nach der Geburt statt¬
gefunden. Durchschnittlich traten die Krnnkheitsorsohoinungen
am f). Tage auf, die längste Zeit betrug 19, die kürzeste 4 Tage.
Verfasser berechnet aus den von ihm zusammengestellten Fällen
eine Sterblichkeit von 92.4 Proc.. der Tod trat im Mittel nach 4 mal
24 Stunden ein. frühestens nach 24 Stunden, die längste Dauer der
Erkrankung betrug 18 Tage.
Von 10 mit Serum behandelten Fällen genas nur einer, hier
war die Erkrankung erst spät aufgetreten und verlief von vorne-
berein mehr chronisch. Schwere Fälle von Tetanus puerperalis
werden also von Serum oder Antitoxin nicht beeinflusst.
5) A. L i m n e 1 - Helsingfors: lieber zwei Fälle von Fibro-
sarkom in dem Ligamentum latum.
Beide Fälle (35 und 51 jährige Frauen) waren als Geschwülste
des Eierstocks vor der Operation angesehen worden. Die Ge¬
schwülste Hessen sich ohne besondere Schwierigkeiten aus dem
Beckenbind egew ehe ausschäleu. Beide Frauen genasen und
waren noch nach 4 und 3 Jahren gesund.
Für beide Fälle wird angenommen, dass die Neubildung un¬
mittelbar vom Bindegewebe des Ligamentum latum ihren Ausgang
genommen habe.
0) R. v. Steinbüchel- Graz: Zur Verwendung des heissen
Wasserdampfes in der Gynäkologie (Atmo- und Zestokausis).
Verfasser berichtet über die Erfahrungen, die er an 72 Fällen
sammeln konnte.
Die Behandlung soll niemals bei entzündlicher Erkrankung der
Gebärmutteranhänge vorgenommen werden. Sie kann die Aus¬
schabung der Gebärmutterschleimhaut nicht ersetzen, wohl aber
ihre Wirkung unterstützen. Fast in der Hälfte der Fälle ging der
Anwendung des Dampfes die Ausschabung voraus.
Das Verfahren wurde mit gutem Erfolge ausgeführt bei Dvs-
menorrhoe. Endometritis mit Blutungen, mit starkem Ausfluss, bei
subacuter und chronischer Uterusgonorrhoe, bei Subinvolutio uteri,
bei Myomen, die die Uterushöhle nicht unregelmässig gestalteten,
bei Carcinomen. bei Blutungen nach Abortus, bei putrider Endo¬
metritis nach Abort.
Bei septischer Endometritis waren die Erfolge befriedigend.
Soll eine Verödung der Uterushöhle erreicht werden, so ist eine An¬
wendung des heissen Dampfes von 110—115° über 2 Minuten lang
nothwendig. Der Dampf darf in anderen Fällen nur 7—10 Secunden
in Anwendung kommen, der Erfolg ist dann zwar weniger sicher,
aber die Bildung von Stenosen wird dadurch vermieden.
A. Gessner - Erlangen.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 11 u. 12.
Karl A. H e r z f e 1 d -Wien: Zur Decapitation mit dem Karl
Brau n’schen Schlüsselhaken.
Ibid., 1900, No. 12.
Richard v. B r a u n - F er n w al d-Wien: Bedarf der Karl
v. Brau n'sche Decapitationshaken einer VerbesserungP
Beide Arbeiten vertheidigen den alten Brau n'sehen Schlüssel-
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haken besonders gegen die Angriffe von F ii t h (cf. dieses Bl. 1900.
No. 3, S. 90) und Zweifel. Dieselben sind zu kurzem Referat
nicht geeignet. J a f f 6 - Hamburg.
Jahrbuch für Kinderheilkunde. Band 51, Heft 3.
12) Sasueliin: Die Rachitismilz. (Aus Prof. G u n -
d o b i n’s Kinderklinik in Petersburg.)
Bei der Rachitis finden sich constant mikroskopische, charak¬
teristische Veränderungen des Ge weites der Milz, oft schon im
frühen Alter bei Brustkindern, von langer Dauer. Sie bestellen
in Bindegewebswueherung. Verengerung des Linnens der Arterien.
Atrophie der M a 1 p i g h i’sclien Körperchen, wie sie. übrigens bei
Lues und Tuberculose von S t i 11 i n g nachgewiesen, nach
v. Stare k durch complicirende Erkrankungen der Athmungs- und
Verdauungsorgane bedingt werden.
13) Seibert : Das Ichthyol in der Scharlachbehandlung.
(Aus der New-York-Kinder-Poliklinik.)
Empfehlung von alle 0 Stunden zu wiederholender Einreibung
des ganzen Seharlaehpatienteu mit 30—90 g einer 10 proc. Ichthyol¬
salbe, die mindestens eine halbe Stunde jedesmal dauert. Auf
diese Weise sollen die in den Wandungen der eapillaren Blut- uud
Lymphgefässe eingenisteten Bacterien wirksam vernichtet werden.
Die Scharlachangina wird bekämpft durch eine Jodcarboilösung
von Tinct. JodI 2.0. Kal. jod. 1.0. Aqu. dest. 120. Acid. carbolic.
gtts N, stündlich (!) einen Tlieelöffel, ausserdem durch Tilg lind
Nacht alle 0 Stunden wiederholte Durchspülung des Mundes von
beiden Nasenlöchern her mit einer 5 proc. Tehthyollfisung in
grösseren Mengen bei einem Druck von 3 Fuss Wasserliöhe. In
allen Fällen sträuben sich die Kinder und bei den Eltern bedarf
es sehr energischen Auftretens, um diese Therapie zu erzwingen,
(ln Deutschland wird letzteres von keinem Arzt versucht werden
dürfen. Ref.)
14) A. Epstein: Heber „faule Ecken“, d. i. geschwürige
Mundwinkel bei Kindern.
Sehr zeitgemüsse Mittheilung über das jedem Arzt bekannte,
aber bisher namenlose Mundwinkelgesehwiir der Kinder, dessen
Abhandlung in Mont i's Einzeldarstellungen vom Referenten be¬
reits in No. 22, Jahrgang 1898 dieser Woehenschnift vermisst
wurde. Ausser der von E. empfohlenen Behandlung mit Salicyl-
pflastermull möchte Referent warm das von Comb y empfohlene
Betupfen mit Jodtinctur oder aber mit 1 proc. Argent. nitr.-Lösung
empfehlen.
15) R. F 1 s c h 1 : Heber chronisch recidivirende exsudative
Anginen im Kindesalter.
Referirt in No. 40, S. 1547. Jabrg. 1899.
10) Goeppert: Heber Harnsäureausscheidung. (Aus der
Universitäts-Kinderklinik in Breslau.) Fortsetzung folgt.
17) Hecker: Neueres zur Pathologie der congenitalen
Syphilis. (Aus dem Ambulatorium für Kinderkrankheiten „Mün-
clien-Nord“.)
Referirt in No. 40, S. 1549. .Talirg. 1899.
18) Rille: Heber die Behandlung des Ekzems im Kindes¬
alter.
Referat, erstattet in der Abtheilung für Kinderheilkunde auf
der 71. Naturforscherversammlung in München am 19. September
1899. Referirt in No. 44. S. 1477. 1899.
Literaturbericht. — Besprechung.
S i e g o r t - Strassburg.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 13.
1) C. L. Schleich- Berlin: Localanaesthesie und Narkose.
(Säknlnr- # \rtikel.)
Die Forderung, die locale Anaestliesie auf ein möglichst grosses
Gebiet aiiszudehnon, w r ird besonders auch dadurch gestützt, das«
ca. 75 Proc. aller Chloroformtodesfülle bei den sog. „kleinen“
Operationen Vorkommen. Die Localanaesthesie führt auch die
Möglichkeit herbei, viele Operationen schon w r eit früher nusführen
zu können, als bei allgemeiner Narkose. Auch entzündete Theile
können vom Gesunden aus gut infiltrirt werden. Die regionäre
Anaesthesie (Oberst) ist nach Verfasser im Grunde nichts
Anderes als eine Inültrntionsanaesthesie. die nur langsam eintritt
und kann durch die S c li 1 e i c h’sclie Methode vollauf ersetzt
werden. Erst aus dem Misslingen der localen Anaestliesie sollte
die Indieation zur Allgemeinnarkose abgeleitet w r erden. Für
letztere selbst sind die temperirten Siedegemisehe von Aetliyl-
elilorid. Chloroform. A et her anzuwenden.
2) L. Brleger - Berlin: Heber die diagnostische und thera¬
peutische Bedeutung der Tuberkelbacillen und anderen Bac¬
terien im Auswurf.
B. empfiehlt, das Morgens durch Räuspern entleerte Sputum
in einer Petri’schen Schale sammeln zu lassen und mehrmals
durch Aufscliw'emmon von umgebendem Schleim zu reinigen. Die
reine Localtuboronlose verläuft fast immer fieberfrei; Fieber wird
meist durch Misehinfeotion bewirkt; das hektische Fieber mit
Sehweissen ist meist durch Streptococcen bedingt. Zu wenig be¬
achtet ist. dass im tnhercnlösen Soutum auch Influenzabacillen
Vorkommen. Die Influenzainfiltration kann unter dem Einfluss
tubereulöser Herde in käsige Metamorphose übergehen. Wird im
Sputum der Mikroooccus tetragenus gefunden, so ist die Prognose
ouoad vitam trübe. B. hat beobachtet, dass die MIschinfeetion mit
Pneumocoecen und Influenzabaeillen manchmal Monate lang ohne
schwerere klinische Erscheinungen verläuft. Für die Prophvlaxe
der Mischinfpot.ionon ist die Mundpflege von ausserordentlicher
Bedeutung. Kreosot und Derivate hissen die Tuberkelbncillen
ungestört, bessern aber in grossen Gaben das Allgemeinbefinden.
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
No. 14.
MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT.
Günstiges sali Verfasser auch von der Inhalation aroinallschor
Gele, besonders des Pfeffermiuzöls. Das Verhalten der Nieien-
secretion ist dabei zu controliren.
3) M. Michaelis- Berlin: Ueber die diagnostische und
prognostische Bedeutung der Diazoreaction bei Phthisikern.
Diese Ueaction erscheint nie im Ham des Gesunden. So gut
wie nie kommt sie vor bei Processen, welche mit acuten oder chro¬
nischen bacteriellen Tnfectionen nichts zu thun haben; ihr Vor¬
kommen bei Diphtherie und Pneumonie darf auf Complicationen
gefasst macheu. Gewöhnlich tritt sie auf bei Typhus abdorn.
und bei Masern. Bei Tuberculose zeigt die Ueaction speeiellcs Ver¬
halten. Länger dauernde Diazoreaction bei fieberlosen Kranken
deutet meist auf Tuberculose. Die Diazoreaction erscheint fast
ausnahmslos Ihm acuter käsiger Pneumonie und Miliartuberculose.
Phthisen mit ausgesprochener Diazoreaction geben, wie Verfasser
statistisch begründet, eine absolut, schlechte Prognose. Als Re¬
agens benutzt Verfasser das ursprüngliche, von Ehrlich em¬
pfohlene; die Anstellung der Reactlon ist im Original genau an¬
gegeben. Leichtem Fälle von Phthise zeigen selten Diazoreaction.
Tritt die Reactlon im Harne von Phthisikern auf. so tritt meist in
% .Talire der tödtliehe Ausgang ein. So starben von 111 Kranken
mit zeitweiser oder dauernder Diazoreaction KO im Krankenhause.
M. vertritt den Standpunkt. Phthisiker mit positiver Diazoreaction
von der Aufnahme in Volksheilstätten auszusehliessen.
4) E. P o n f i c k-Breslau: Die Entwicklung der Entzündungs¬
lehre im 19. Jahrhundert. fSSikulara rtikel.)
Zu kurzem Referate nicht geeignet. P. fasst ln seinen
Schlusssätzen die Entzündung auf als eine „Störung, welche, her¬
vorgerufen durch eine Erschütterung des Gewebsgloichgewiehts,
eingeleitet mit einer Alteration der Gefässwandungen. besteht in
einer Ausschwitzung flüssiger wie geformter Blutbestandtlieile und
begleitet wird regelmässig von fonnativen, häufig zugleich von
degenerativen Wandungen au den Zellen des Grundgewebes.“
5) N o e b e 1 - Zittau und L ö li n b e r g : Aetiologie und
operative Radicalheilung der genuinen Ozaena.
Die Verf., welche auch die Operationsmethoden in ihrem um¬
fänglichen Artikel eingehend besprechen, stehen auf dem Stand¬
punkte der „Herdtheorie“. Die meisten als Ozaena imponirenden
Nasen ei terun gen beruhen darnach auf Erkrankungen der Keil-
und Siebbeinhühleu . Hm rationelle Behandlung der Ozaena kann
erst erwartet werden, wenn für den betreffenden Fall ihre primäre
Ursache aufgedeckt ist. Da letztere meist, in Keil- oder Siebbein-
hühlenempyem liegt, so ist die Therapie chirurgisch oder erfolglos.
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 12.
1) Erich H a r n a c k - Hallo: Bemerkungen zum Entwurf
der Pharmacopoea Germanica IV.
Zu kurzem Referat nicht geeignet.
2) Theodor Strupple r: Heber einen Fall von primärer
isolirter Laesion des Sprachcentrums nach Trauma (Haemato-
encephalie) und secundärer J a c k s o n’scher Bindenepilepsie
mit Rückgang der Erscheinungen ohne Trepanation.
Gasuistische Mittheilung aus der II. medioinischen Universitäts¬
klinik in München.
3) Heinrich Gramer: Der Mekoniumpfropf des Neuge¬
borenen. (Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Bonn.)
Angaben über einen dem Mekonium vorliegenden und pfronfen-
ähnlieh den After versclillessemlcnKörper finden sich schon bei So-
ranus und Aristoteles. In der neueren Zeit ist diese Beobachtung
in Vergessenheit gerathen und macht G. auf diesen in der Regel
aus Schleim. Epithel und Detritus bestehenden Mekonpfropf auf¬
merksam. dessen Vorhandensein ein sicherer Beweis dafür ist.
dass noch keine Mekoniumontleemng stnttgcfunden hat. Für
forensische Zwecke ist dessen Befund nur als Wahrscheinlicb-
keitsbeweis für das Lel»en des Kindes post partum verwendbar.
4) Bruno L e i c k : Primäre Diphtherie der Vulva.
Gasuistische Mittheilung aus der medlclnisclien Universitäts¬
klinik In Greifswald.
5) A. Eulenb urg: Ueber die Wirkung und Anwendung
hochgespannter Ströme von starker Wechselzahl. (d'Arsonval-
Tesla-Ströme.)
Vertrag und Demonstration im Verein für innere Medicin
zu Berlin am 5. Februar 1000. Schluss folgt. Referat siebe diese
Wochen sehr. No. 7. pag. 241 und No. 0. png. 300.
C») N o c li t- Hamburg: Die Umgestaltung des Hamburger
Seemannskrankenhauses zu einem Institut für Schiffs- und
Tropenhygiene. F. L a c li e r - München.
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg.
No. C>.
S i d I e r - H u g u e n i n - Zürich: Ueber die Einwirkung der
Sterilisationsverfahren auf Cocainlösungen und über die beste
Methode, Cocain- und Atropinlösungen steril aufzubewahren.
(Mittheilung ans der Universitäts-Augenklinik in Zürich.)
Die unglcif'lmiässige Wirksamkeit der Gocainlösungen hängt,
wie durch Versuche an 50 Patienten dargethan wird, nicht von ver¬
schiedenen Gocainsorten ab - - vorausgesetzt, dass nur Cocain von
der besten Qualität verwendet Avird — sondern vielmehr A*on dem
Storilisntionsverfahren: dabei zeigt sich, «lass die seliAvächeren
Lösungen das Sterilisircn Aveniger gut ertragen, als die melirpro-
centigen. Di« 1 bisherige Art der AufheAvahrung von sterilen Gooain-
und Atropinlös urigen in den gebräuchlichen Tropfgläsern ist nicht
"uverlässig. (Schluss folgt.)
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S c h o 1 d e r - Lausanne: Der Arthromotor.
Verfasser beschreibt eine von ihm constrnirte Maschine zur
Behajidlung der Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungs¬
apparates, die für die verschiedenen Gelenke der Extremitäten
soAvohl aetiv als passiv verwendet werden kann (im Gegensatz zu
den bisherigen Apparaten, die fast durchwegs aetlve sind): die
Construction des Apparates ermöglicht, sowohl die Ausgiebigkeit
der Bewegungen, als deren Tempo genauesteus zu dosiren. Beilage
von 12 Abbildungen. Hammelbacher.
Dermatologie und Syphilis.
W. S c li o 11 z (Arcli. f. Dermatol, u. Syph. 40, 1), theilt. Ver¬
such«* uud Beobachtungen als Beiträge zur Biologie des Gono-
coccus mit, aus denen sich folgende Resultate ergeben: Die besten
uiul zuverlässigsten Gonocoecennährböden bilden Gemische von
serösen menschlichen Flüssigkeiten mit Agar resp. Bouillon. Auf
Thiere Avirken die Gonoco«*c«'n nicht infectiös, wohl al>er toxisch,
am besten bei intraperitonealor Iujection am Meerschweinchen.
Abgetödteto Gonocnceen rufen in der menschlichen Urethra vor-
tibergehende Eiterung hervor. Dasselbe ist aber auch bei Staphylo-
coceen und P.voc.vmikmis der Fall. T T nter Umständen kann sich der
Gonococcus auch Im BindegeAvebe ansiedeln und daselbst Entzün¬
dung und Eiterung, ja selbst echte Phlegmonen erzeugen. In nicht
zu seltenen Fällen Avird er auch auf dem Wege der Blut- und
Lymplibnhnen in entferntere Kürpergegenden verschleppt und führt
zu Endo- und Myoearditis, sowie Metastasen ln den Gelenken.
Sehnenscheiden und der Haut.
L ö av e n b a e h (Ibid. 40. 1) hat einen j^ner seltenen Fälle be¬
obachtet. welche von Kaposi unter dem Namen Akne urticata
beschrieben sind. Auf Grund der klinischen Beobachtung einer¬
seits, der mikroskopischen Untersuchung anderseits kommt er zn
dem Schlüsse, «lass «lie bei Akne urticata auftretende Efflorescenz
in ihrem Beginne der Urticaria, perstans, in ihrem weiteren Ver¬
lauf der Akne nekrotfea nahestehend sei: sie beginnt als Quaddel,
verläuft mit Nekrose und endet als Narbe. Es wäre dieser Er¬
krankung also eine Mittelstellung zAvisehen Akne nekrotica und
Urticaria chronica perstans anzuAA*eisen.
A. Huber (ibid. 40. 1) beschreibt aus Rona’s Klinik einen
interessanten Fall von universellem Ekzem, bol dem sich als Com-
plication eine perifolliculäre pustulöse Dermatitis, und aus dem
Zerfall solcher Pusteln liervorgehende Vegetationen ein¬
stellten. Avelclie Avahrseheinlieli durch Eitermikrol>en bei einem
dazu prädisponirten Individuum (17 jähriges junges Mädchen) lier-
vorgerufen waren. Prognose ist günstig, die Heilung erfolgte unter
antiseptischer Thorapia localis.
Auf Grund zweier histologisch genau untersuchter Fälle von
Naevus sebaceus unterstützt B a n d 1 e r (ibid. 40, 1) die bereits
früher von Ja d a s s o h n vertretene Ansicht, dass es Avirkliche, auf
«•ongcnitaler Anlage beruhende Talgdrüsennaevi gibt. In B.’s
Füllen handelt es sich mn Neubildungen, die von Talgdrüsen aus-
gehen. und einer congenitalen Anlage ihre Entstehung verdanken:
si«* sind streng halbseitig: die Neubildung ist scharf begrenzt und
impnnirt schon änsseiiich als Naevus. Als wesentliches Moment
der histologischen Beschaffenheit in beiden Fällen finden Avir die
kolossal«* Ausbildung von Talgdrüsen normaler Strictur. In dieser
Thatsnehe liegt das Avcsentlichc Moment zur Abgrenzung des
Naevus so b a c e u s gegenüber der am häufigsten beschriebenen
benigiHMi Neubildung der Talgdrüsen, dem A d e n o m a s e b a -
<* e u m. t
A 1 m k v i s t (ibid. 40. 2. 3) lM*richtet über einen Fall von durch
Gonococcen verursachter Phlegmone. Fälle gonoriiioischer sub *
cutaner Metastase sind bis jetzt nur in geringer Anzahl bekannt
geAvorden. In dem vorliegenden Falle handelte es sich um eine
mehr diffuse Phlegmone mit der Tendenz zur progrossWen Aus¬
breitung mittels Gängen in verschiedenen Richtungen . Durch dir*
bncteriologisclio Untersuchung des Eiters Avurde der Nachweis
der gonorrhoischen Natur dieser Phlegipone auf’s bestimmteste
erbracht.
Oa ss m a n n (ibid. 40. 2, 3) bringt die Beschreibung von
Aveii ereil Fällen kleincircinärer Psoriasis nebst Bemerkungen zur
Differentialdingnose dieser atypischen Formen.
W inte r n i t z (ibid. 40. 2. 3) hat bei zwei Melkerinnen,
«lie mit kranken Kühen zu thun hatten. Blaseneruption, Entziin-
«lungen d«*s TTit(»rhautzelIgeAvebes und solide Geschwülstchen
(Knotenbildungen) beobachtet, für Avelclie er einen wahrschein¬
lichen Zusammenhang mit einer Zoonose (Maul- und Klauen¬
seuche) vermutlich
B e r n a r d (ibid. 40, 2. 3) hatte Gelegenheit aus der Abtei¬
lung von A. Elsenberg in Warschau z/wei Fälle A T on Sarcoma
idiopathicum multiplex pigmentosum cutis (Kaposi) histo¬
logisch zu untersuchen. Die Untersuchungen sind desshalb bo-
merkensAverth. Av«‘il sie an Knötclieneruptionen der allerfrübesten
Stadien vorgonommen sind, und so vielleicht einen gewissen Rüek-
schluss auf «li«' Genese dieser Tumoren, die In den angezogenen
Fällen SpindelzollonKarkonu* Avaren. gestatten. Verfasser denkt an
eine rhnmisehe liifcotionskrankhcit und an eine Entstehung der
Spindelzellen ans dem P(*rithelium der Gefässe. Die Annahme des
Verfassers, dass die in den Kreislauf des Blutes eindeingenden
Bnci«*rien vor Allem ihren Halfepunkt in den vom Herzen ent¬
fernt <mi Stellen suchen, avo «lie Gireulationsbedingungen geAvöhnlich
herabgesetzt sind, und dass in Folge «les liiedurcli hervorgerufenen
Reizes die Wucherung des Perithels «1er Blutgefässe beginnt hat
viel B«*steehendes. Leider fehlen uns noch die Beweise für das
primäre Moment, «las mikroparasitäre Agens.
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
3. April 1900.
475
MÜNCHENS MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT
Einer Studie von Bettmann (ibid.) über eosinophile Zellen
im gonorrhoischen Eiter, entnehmen wir die Thatsaclie, dass es
dem Verfasser gelungen ist, auf experimentellem Wege durch In-
jection von Cantharldin (4,0 : 10 000) in die Urethra von Individuen,
welche an einer erstmaligen 8—10 Tage zurückliegenden Tripper-
infection litten, und welche bisher nicht behandelt worden waren,
eine ausgesprochene reichliche Eosinophilie im Eiter zu erzeugen,
der sich vorher als frei von eosinophilen Zellen erwiesen hatte,
oder doch solche nur in verschwindender Zahl enthielt. Von 14
Versuchsfiilleu reagirten allerdings nur 0 in dieser Weise. Auch die
vom Verfasser unternommenen Versuche einer Deutung dieses
Phänomens und die sich daran anschliessenden Erwägungen thera¬
peutischer Natur sind, wie Verfasser selbst ohne Weiteres zuge¬
steht, noch zu sehr hypothetisch, als dass man daraus jetzt schon
praktische Schlüsse zu ziehen in der Hage wäre.
Wä 1 s c li (ibid.) beobachtete drei aus weichen Naevis hervor¬
gegangene bösartige Geschwülste. In den untersuchten Fällen
hatte man es zu thuu mit epithelialen Geschwülsten, die sich ent¬
wickelten aus prüexistirenden Anlagen epithelialer Naitur, die dann
in dem Aussehen und dem Aufbau der zeitigen Elemente voll¬
ständige Uebereinstimmung zeigten mit dem schon von Hause aus
pathologischen Mutterboden. W. erblickt darin, wie uns scheint
mit Hecht, einen Beweis für die Richtigkeit der <' o li n li e i m’sclien
Theorie über die Entstehungsweise mancher Geschwülste.
Rona (ibid.) hegt die Ueberzeugung, dass dem Frisch'-
selien Kapselbacillus eiue aetiologiselie Bedeutung in der Patho¬
logie der Rhinoskleromkranklieit zukommt. Aus Ungarn
stammen bis heute mindestens 21 Fälle sicheren Rhiuoskleroms.
Ein in extenso mitgetheilter Fall eigener Beobachtung war von
einer bedeutenden regionären Lymphdriisenschwellung begleitet,
die mikroskoiüsclie Untersuchung dieser Bymphdrüseu zeigte einen
subacut entzündlichen Process. Die aus den exstirpirten Drüsen
mit aller Vorsicht entnommene Lymphe lieferte üppige Rliino-
skierombacillenculturen. Cultinversuehe mit der Lymphe und dem
Blute aus der gesunden Nachbarschaft des Khinoskleromgebietes
verliefen steril. Die haematologische Untersuchung des Blutes
und Autoinoculationsversuche gaben ein negatives Resultat. Vor¬
läufig ergibt sich daraus, dass die regionären Lymplidrüsenschwel-
lungen zum specifischeu Process gehören, den Charakter der meta-
statischen Erkrankung an sich tragen. Der bei Rhinosklerom
schliesslich sich einstellende Marasmus dürfte nicht auf eine All-
gemeininfection des Blutes, sondern auf mangelhafte Ernährung
und Luftzufuhr zurückzuführen sein, doch sind weitere Unter¬
suchungen in dieser Richtung noch nothwendig.
Joseph (ibid.) ist auf Grund histologischer Untersuchungen
einschlägiger Fälle zu dem Schlüsse gelangt, dass zwischen dem
wahren Keloid, dem Narbenkeloid und der hypertrophischen
Narbe bedeutende Differenzen, bestehen. Den daran geknüpften
therapeutischen Bemerkungen entnehmen wir, dass gelegentlich
vorgenommene frühzeitige operative Eingriffe, aber auch Skari-
ficationen, Elektrolyse und Massage gute Erfolge geben können,
doch muss man sich vor Verallgemeinerungen hüten, wahrschein¬
lich ist die Herkunft des Keloids von Bedeutung für die Frage des
Recidivirens. Das Aknekeloid ist jedenfalls, wie die Unter¬
suchungen von Leder mann und Kaposi erwiesen haben,
streng von den hier besprochenen Keloiden zu trennen.
Aus den Untersuchungen Kauf m a n n’s (ibid.) über die
Aetiologie der Impetigo contagiosa ergibt sich, dass in allen Aus¬
strichpräparaten von Impetigo contagiosa-Blaseninhalt stets die¬
selben Mikroorganismen gefunden wurden. Die Impfung der
künstlich gezüchteten Mikroorganismen auf Menschen hat bei
Beobachtung aller Cautelen Blasen und Bläschen hervorgerufen,
die denen der Impetigo contagiosa vollständig glichen. Die aus
diesen Inoculationsblasen gewonnenen Mikroorganismen glichen
makro- und mikroskopisch den aus echten Impetigo contagiosa-
Blasen gezüchteten. Vergleichende Impfungen derselben Culturen
auf verschiedene Personen ergaben eine verschiedene Empfänglich¬
keit und Verschiedenheiten bezüglich Grösse der entstandenen
Blasen. Somit dürfte im Sinne der bekannten Forderungen Robert
Koch’s der Erreger der Impetigo contagiosa gefunden und seine
Reincultur erreicht sein.
Kaposi (ibid.) beobachtete einen sehr interessanten Fall
von Hyperidrosis spinalis superior (vielleicht auf Hydromyelie
im unteren Hals- und oberen Brustmark beruhend), bei welchem
die Hyperidrosis insbesondere durch Kültereize auslösbar war. Der
Auslösungspunkt für den die Hyperidrosis veranlassenden Reiz
scheint in diesem Falle in den vasomotorischen Centren des unteren
Hals- und oberen Brustmarkes, vielleicht noch höher zu liegen. Für
diese Annahme spricht die Beiderseitgkeit der Ilyperidrosiszoue
und ihre Begrenzung vorwiegend auf das Ausbreitungsgebiet der
aus dem Plexus cervicalis inferior, Plexus brachialis stammenden
und den angrenzenden 3—5 thoracisclien Spinalnerven, wobei auch
die theilweise Betheiligung des zugehörigen Trigeminusgebietes
durch Betheiliguug der ihnen beigesellten Sympathicusfasern ver¬
ständlich ist. Dafür spricht auch die erwiesene reflectorische Er¬
regbarkeit der Hyperidrosis durch periphere Reize, und das Er¬
gebnis der ausführlich mitgetheilten Pilocarpin-Atropinversuche,
die von Interessenten im Original einzusehen sind.
Die Untersuchungen Adrian's (ibid.): „Zur Kenntniss des
venerischen Bubo und des Buboneneiters“, beschäftigen sich mit
der vielumstrittenen Frage der Häufigkeit sogen, virulenter Bu¬
bonen, und den daraus resultirenden bacteriologischen Problemen.
Adrian, der in genannter Richtung ein grosses klinisches Mate¬
rial benützen konnte, kommt dabei zu folgenden Schlüssen: 1. Die
im Gefolge von weichem Schanker auftretenden Vereiterungen von
Inguinullymphdrüsen kämmen ausnahmslos zu Stande durch das
Digitizedi by CjOOglC
Eindringen des D u c r e y’schen Bacillus in die Lymphdrtisen.
2. Derselbe findet sich bei genauerem Suchen im Eiter des frisch
punctirten oder iucidirten, sich nachträglich als virulent oder aviru-
lent herausstellenden Bubo fast ausnahmslos. 3. Im Eiter des viru¬
lenten sowohl wie des avirulenten Bubo finden sich neben typischen
Streptobacilleu Formen von Bacterien, Coccen und Diplococccn
von verschiedener Grösse, zum Theil intracellulär, über deren Her¬
kunft nichts Bestimmtes ausgesagt werden kann, die unter Um¬
stünden auf den gewöhnlichen Nährböden cultivirbar sind. 4. Diese
Bacterien scheinen uns die Rolle einer accidentellen secuudüren
Infection, vielleicht einer Miscliinfection zu spielen, jedenfalls ist
ihre Anwesenheit ohne Einfluss auf den weiteren Verlauf des Bubo.
5. Jeder Bubo nach Ulcus molle trägt schon durch das Eindringen
des Streptobacillus in die Lymphgefüsse und Lymplidrüsen allein,
den Keim des Virulentwerdens in sich. 0. Die Schwankungen der
Temperatur in der Bubohöhle selbst, vor der Eröffnung derselben,
sind in erster Linie maassgebend für den späteren klinischen Ver¬
lauf, i. e. für die spätere Virulenz oder Avirulenz desselben. 7. Der
virulente Buboeiter, subcutan iujieirt, kann locale Entzündung und
Eiterung liervorrufen, dabei aber seiner Virulenz verlustig gehen,
ebenso wie die darin enthaltenen Streptobacilleu ihre Tinctions-
fühigkeit einbiissen können. Der Entzündungsherd selbst kann der
Resorption anheimfallen. Dasselbe gilt auch für avirulenten Bubo¬
eiter. 3. Die Inoculationsfäliigkeit des frisch entleerten Buboeiters
ist selbst in den Fällen, die sich später als virulent herausstellen,
nicht coustant. Es gelingt unter keinen Umständen, durch irgend
welche Mittel (Kälte, Wärme, Punetion mit und ohne folgende
Einspritzungen) mit Sicherheit einen vereiterten oder nicht ver¬
eiterten, aber schmerzhaften Bubo künstlich avirulent zu machen.
Piciardi (Arc-h. f. Dermat. 50,1) berichtet über einen Fall von
Syphiloderma haemorrhagicum adultorum, der jedenfalls zu den
Seltenheiten gehört, während bei der hereditären Syphilis haemor-
rhagisclie Exantheme relativ oft beobachtet werden. Dieses Haut¬
syphilid zeigt sich beim Erwachsenen vorwiegend an solchen
Stellen, wo Circulationsstörungen prüexistiren und entsteht das¬
selbe auf dem Boden eines kleinzelligen Inflltrationsprocesses der
Gefässe des Donna und Hypoderma, sei es durch Wanderung der
Blutelemente durch die degenerirten Gefässwände, sei es durch Zer¬
reissen der schwer veränderten Capillaren.
(Schluss folgt.)
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 12.
1) R. Kretz-Wien: Ueber Lebercirrhose.
Nachdem Verfasser sich mit der Bestimmung des Begriffs
der Lebercirrhose befusst hat, erörtert er zur Entscheidung der
Frage nach der Identificiruug der Lebergewebsgrauula mit den
Leberaciuis zunächst die anatomischen Kriterien, welche die Er¬
kennung der Acini gestatten; dann beschreibt er das Structurbild
der cirrhotischen Leber in mikroskopischer und makroskopischer
Hinsicht sehr eingehend, worauf hier nicht eingegangen werden
kann. Die Lebercirrhose kann nach K. weder ohne Weiteres den
interstitiellen Entzündungsprocessen eingereiht, noch einfach als
chronische Atrophie bezeichnet werden; sie ist ein herdweise
localisirter, recidivirender, chronischer Degenerationsprocess mit
eingeschobenen Regenerationen des Parenchyms. Bemerkenswerth
ist die Anschauung des Verfassers, dass der Process der Leber¬
cirrhose durch Ausbleiben neuer Zellschüdigungeu in jedem
Stadium zum Stillstand kommen kann.
2) A. P i 1 c z - Wien: Ueber einige Ergebnisse von Blutdruck¬
messungen bei Geisteskranken.
Die Untersuchungen sind mit dem G ä r t n e r’scheu Tono¬
meter angestellt, das recht zuverlässige Werthe liefert Paralytiker
zeigten im Verlaufe ihrer Krankheit ein immer stärkeres Sinken
des Blutdrucks. Dadurch wird auch ein Licht auf die Pathogenese
des Decubitus bei Geisteskrankheiten geworfen. Mehrmals gelang
es dem Verfasser, aus dem Tiefstände des Blutdrucks den baldigen
Exitus Paralytischer richtig vorherzusagen. Das Gros der Para¬
lytiker zeigte Blutdruckzahlen von 100—110 Hg; ein Ansteigen
des Blutdruckes Hess sich während der Remissionen beobachten.
Bezüglich der an Hebephrenie leidenden Kranken kam P. zu keinem
sicheren Resultat. Bei melancholischen Zuständen beobachtete er
immer hohe Werthe. Wenn ein Angstparoxysmus eintrat, stieg der
Blutdruck noch höher. Bei circulärem Irresein zeigten sich
während der manischen Phase niedrige Drucke, während der
melancholischen hohe. Mehrere Ivatatoniker zeigten normalen
Blutdruck. Bei einem Epileptischen fand P. im Anfall hohen,
nach dem Anfall verminderten Druck, mehrere Stunden später
wieder Ansteigen des letzteren. Verfasser berichtet noch über die
Resultate anderer Autoren. Dr. Grassmann - München.
Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 9—11.
M. M o h r - Ofen-Pest: Ueber die mit Influenza zusammen¬
hängenden Augenkrankheiten.
Sammelreferat mit folgenden allgemeinen Ergebnissen: Die
Influenza kann das ganze Auge mit Ausnahme des Linsensystems
in Mitleidenschaft ziehen, tlieils durch Uebergreifen der katar¬
rhalischen Erscheinungen auf das Auge, theils muss eine Ansiede¬
lung der Bacillen im Auge vorgenommen werden, wenn auch solche
bisher noch nicht nachgewiesen werden konnten. In letzterem
Sinne sind zu deuten der Herpes corneae mit folgender Keratitis
dentritica, Keratitis punctata, Entzündung der Teno n’schen
Kapsel und des retrobulbären Bindegewebes, gewisse Formen von
Iritis und Muskellähmungen. Der Verlauf . ist kein charakte-
ungirai Tro , m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 14.
476 MÜNCHENER MKDIClNISt IlK WOCHENSCHRIFT.
ristlsclier, meist, abgesehen von einzelnen sch\vereil Fällen, mild
und ohne dauernde Schädigungen.
Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 12.
E. Slalmer - Laibach: Die Behandlung der Spina bifida,
mit besonderer Berücksichtigung der Heteroplastik.
Nach einem historischen Rückblick beschreibt Verfasser zwei
erfolgreich operirte Fälle, wo er sich zum Defectverschloss F r ä n -
k e 1'scher Celluloidplatten liediente, welche auch glatt einheilten.
Das idealere Verfahren ist immer, wo anwendbar, die Osteoplastik.
Ibidem, No. 13.
S. 1) o r f - Klein-Mob rau: Bemerkungen zu dem Artikel
des Herrn Docenten Dr. Julius Schnitzler „Verletzung der
Blasenschleimhaut durch Contusion der Unterbauchgegend“.
Bezüglich des in dieser Wochenschr. 1!KX), pag. 370 referirten
Falles tritt Verfasser im Gegensatz zu Schnitzler in längerer
Begründung dafür ein, dass er nicht eine „Erkrankung während
der Arbeit“, sondern einen wahren Betriebs u n fall darstelle.
B e r g e a t - München.
Amerikanische Literatur.
(Schluss.)
13) Reginald H. Fitz-Boston: Beobachtungen über den
Abdominaltyphus. (Boston medical and surgical Journal, 23. No¬
vember 1890.)
Vorliegende Arbeit bringt eine Analyse sämmtlicher seit 1821
im Massachusetts General Hospital zur Beobachtung gekommenen
Fälle von Unterleibstyphus. Interessant ist, dass die Mortalität in
«Uesen 78 Jahren keine wesentlichen Schwankungen zeigt. Der
Vortrag wurde im October 1800 in der New-York State Medical
Association gehalten und möge der Kürze halber hier gleich über
die beinerkenswertlieren übrigen Arbeiten, die dasselbe Thema be¬
handeln und in genannter Versammlung zur Discussion gelangten,
berichtet werden.
E. G. J a n e w a y - New-York (Medical News, 0. Dec. 1800)
sprach über seltene C o m p 11 c a t i o n e n des Typhus,
und erwähnt unter anderem 3 Fälle von Tetanie, ferner mehrere
Fälle von Psychose, Ikterus und Purpura haemorrliagica.
A. Alexander Smith- New-York (Ibidem) bringt eine kli¬
nische Studie über 87 Fälle aus dem Bellevue-Hospital mit beson¬
derer Berücksichtigung der D i ä t f r a g e.
W. Osler- Baltimore (New-York medical Journ., 4. Nov. 1809)
spricht über die Diagnose, Symptome und Differentialdiagnose des
Typhus.
A. Jacob! verbreitet sich über den Abdominaltyphus bei
Kindern, W. K e e n - Philadelphia über die Behandlung der
Darmperforation bei Typhus. (Journal of the American medical
ussoclation, 11. Nov. 1899.)
Als hierher gehörig sei endlich noch erwähnt der Aufsatz von
Hermann M. B i g g s - New-York (Medical News, 11. Nov. 1899)
„Die Fortschritte und der jetzige Stand unserer Kenntnisse
über das Wesen des Typhus“.
14) L. H. C o r i a t - Boston: Die Phenylhydrazinprobe auf
Zucker im Ham. (Boston medical and surgical Journal, 23. No¬
vember 1899.)
Die vergleichenden Versuche, welche C. mit der Phenylhydra-
zinprobe anstellte, berechtigen zu dem Schlüsse, dass dieselbe eine
äusserst empfindliche und absolut verlässige Reaction gibt. Eine
vorhergehende Eiweissfällung ist nicht nötliig. Der krystalliuische
Niederschlag der verschiedenen Zuckerarten ist für jede Form ein
verschiedener und leicht differenzirbarer. Die normalen llarn-
bestandtheile sowohl, wie diejenigen, welche bei Anwendung des
Xylande rischen oder F e h 1 i n g’schen Reagens einen zweifel¬
haften Niederschlag ergeben, haben auf die genannte Probe
keinerlei Einfluss.
15) A. E. A u s ti n - Boston: Ueber den Nährwerth der Ei¬
weisspeptone. (Boston medical and surgical Journal, 30. Novem¬
ber 1899.)
Das Resultat der an Hunden durch Fütterung mit Peptonen
angesteilten Versuche lässt sich dahin zusammenfassen, dass
Pepton allein zur Ernährung nicht ausreicht, dass aber durch Zusatz
geringer Mengen von Kohlehydraten der Stickstoffverlust sehr be¬
schränkt wird. Pepton ist also unter gewissem Bedingungen im
Stande, das Körpereiweiss zu ersetzen und den Eiweissansatz
sogar zu vermehren. Eine Störung der Magendarmfunctionen wird
durch dasselbe nicht bewirkt.
10) Charles L. D a n a - New-York: Vertebrale Ankylose.
(Medical News, 25. November 1899.)
Interessante, mit verschiedenen Abbildungen versehene Ab¬
handlung über verschiedene Formen der Ankylose der Wirbelsäule,
speciell der Bechtere w’schen Kyphose und der Mari e’schen
„Spondylosis rhizomelica“ mit Beschreibung einiger neuer Fälle.
Was speciell die letztere Form betrifft, so betrachtet sie I)., ent¬
gegen der Ansicht von C h a r c o t und Mari e, welche darin ein
neues specifisclies Krankheitsbild erblicken, als eine Form der
Arthritis deformans.
17) II. Stuart MacLean - Rlehmond: Ueber den Werth der
Blutuntersuchung in chirurgischen Fällen. (Medical News,
2. December 1899.)
Die Untersuchung des Blutes hat für manche chirurgische
Fälle differeiitialdiagnostischen Werth, so z. B. bei Verdacht auf
innere Blutung die mikroskopisch«* Untersuchung des Blu1«*s auf
di«* Anzahl der rothen Blutkörporcluui und die Bestimmung des
llacnmglobingehaltes. Insbesondere aber wird auf <lh* Bozi«*hiingeu
Digitized by Gooale
der Leukocytose zu Eiterungsprocessen aufmerksam gemacht, bei
Abseediruugen innerer Organe, Appendicitis, Pyosalpinx und Osteo¬
myelitis. Das Fehlen derselben ist speciell von Werth bei Ver¬
dacht auf Tuberculose und zur Unterscheidung des Nervenschocks
von dem Schock iu Folge von Blutverlust, wegen der eventuellen
Indication zur Transfusion.
18) R. C. Kemp- New-York: Ueber die Wirkung der ver¬
schiedenen Anaesthetica auf die Nieren. (New York medical
Journal, 18. und 25. Nov., 2. Dec. 1899.)
In dieser ausführlichen Arbeit berichtet K. über seine experi¬
mentellen Untersuchungen über die Wirkung und den Einfluss d«*r
zur Zeit zur Narkotisirung und Anaesthesirung üblichen Mittel.
Auf die Details kann hier wegen Raummangel nicht näher ein¬
gegangen werden.
19) C. E. S k 1 n n e r-Richmond: Die therapeutische Wir¬
kung der trockenen Hitze. (New York medical Journal, 2. und
9. December 1899.)
Die Anwendung hoher Grade von trockener Hitze ist nach S.
für eine grosse Anzahl von Leiden ein schmerzstillendes Mittel
par excellcnc«* und wirkt sehr oft auch direct heilend, z. B. bei
Rheumatismen, Verstauchungen, varicösen Geschwüren, septischen
Entzündungen seröser Häute, auch bei Pneumonie kann sie manch¬
mal mit Erfolg angewendet werden. Ihre Hauptwirkung besteht
in einer Reizung der Gewebe und Anregung der Circulation, Herab¬
setzung des Schmerzes und günstiger Beeinflussung der Herz-
thätigkeit.
20) Max Meyer: Mikrococcus intertriginis Bossbach.
(New-York me«lical Journal, 10. December 1899.)
M. beschreibt einen neuen, aeroben Mikrococcus, den er zu
Ehren seines Lehrers den R o s s b a c Irischen Bacillus nennt, als
specifisehen Erreger des Intertrigo. Derselbe ist mit wässerigen
Anilinlösungen leicht färbbar, und wird durch G r a nrische Flüssig¬
keit tlieilweise entfärbt
21) Charles F. C r a i g - Havana: Geiselformen jler Malaria¬
plasmodien. (New-York medical Journal, 23. Dec. 1899.)
C. beobachtete auf Cuba und an Soldaten, welche von den
Philippinen zurtickkamen, zwei neue Varietäten bei Tertian- und
namentlich Aestivoautumnalflebern. Dieselben werden ausführ¬
lich beschrieben und durch Abbildungen illustrirt.
22) B. S h e r w o o d - Du n n - Boston: Pruritus ani. (Journal
of the American medical association, 11. Nov. 1899.)
D. macht darauf aufmerksam, dass sieh in einer grossen An¬
zahl der Fälle von chronischem Pruritus ani als Krankheitsursache
kleine oberflächliche Schleimhautulcera, welche ihren Sitz zwischen
dem inneren und äusseren Sphiucter ani haben, naebweisen lassen.
Durch Behandlung derselben nach der üblichen Methode ver¬
schwindet meist auch das lästige Jucken.
23) A. R a v o g 1 i - Cincinnati: Ueber die Natur und Behand¬
lung der Hautcarcinome. (Journal of the American med. associat,
18. Nov. 1899.)
Bezüglich der Aetiologie erkennt R. der ständigen Reizein¬
einwirkung auf gewisse Hautpartien ein wesentliches ursächliches
Moment zu. Syphilis scheint die Virulenz der Krebsinfeetion
abzuschwächen, während andererseits die chronischen Hnutulcera-
tionen derselben mit «lern allmählichen Abnehmen der syphilitischen
Infection einen günstigen Boden für das Auftreten des Carcinoms
schaffen. Die Therapie soll in der möglichst gründlichen und
frühzeitigen Zerstörung des krebsigeu Gewebes bestehen und gibt
nach R.’s Erfahrungen das Formalin hier die besten Resultate. Er
wendet 4—10 proc. Formallnlösungen, später sogar das reine For¬
maldehyd au, und zwar In Form von Aotzpasten. Verschiedene
Fälle werden beschrieben.
24) John B. S h o b e r - Philadelphia: Anwendung des Brust-
drüsenextractes in der Gynäkologie. (Philadelphia medical Journ.,
11. Nov. 1899.)
Autor berichtet über die Resultate der Organotherapie im All¬
gemeinen und speciell der Anwendung des Mammaextractes bei
Metro- und Menorrhagie, sowie bei Uterusfibroiden, und rühmt
deren Erfolge. 9 Fülle eigener Beobachtung werden beschrieben.
Für manche Fälle empfiehlt sich eine comblnirte Anwendung des
Brustdrüsen- und Thyreoidealextractes.
25) A. O. J. K e 11 y - Philadelphia: Zur Pathogenese der Ap¬
pendicitis. (Philadelphia med. Journ., 25. Nov. 1899.)
Längere, umfassende Abhandlung über das Wesen und die Be¬
handlung der Wurmfortsatzerkraukungen, auf deren Details hier
wegen Raummangel nicht näher eingegangen werden kann.
26) W. T. H o w a r d - Cleveland: Trichlnosis. (Philadelphia
med. Journ., 2. Dec. 1899.)
Durch den hier beschriebenen Fall von Trichinose, ln welchem
eosinophile Blutkörperchen und zwar in den befallenen Muskeln
und der Mucosa des Magendarmcanals, nicht aber im cireulirenden
Blute nachgewiesen werden konnten, wird die patbognomonische
Bedeutung des Befundes von Eosinophilen Im Blute, wie sie erst
jüngst von Brown und G w y n behauptet wurde, widerlegt.
27) R. S. W o o d s o n : Die Behandlung der Lepra mittels
des C a 1 m e 11 e’schen Serums. (Philadelphia med. Journal,
25. Dec. 1899.)
Interessante Mittheilung eines Falles von Lepra, welcher durch
zweimonatliche Behandlung mit dem Calmette’schen Serum,
47 Injectionen von insgesammt 500 ccm. wesentlich gebessert
wurde, wie auch die der Abhandlung beigefügten Photographien
deutlich ersehen lassen. Da die Behandlung aus anderweitigen
Gründen sistirt werden musste, Ist der Mlttlieilung zwar keine
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
477
Beweiskraft zuzusprechen, Immerhin dürfte sie Anregung zur Fort¬
setzung dieser Versuche ergeben.
28) William P. Munn - Denver: Treber die Abnahme der
Diphtheriesterblichkeit seit Einführung des Heilserums. (Journal
of the American med. association, 10. Dec. 1899.)
Die von M. In Denver aufgestellte Statistik weist folgende
ohne Commentar sprechende Daten auf: Herabsetzung der Mortali¬
tätsziffer der Diphtherie in den 4 Jahren seit Einführung des Heil¬
serums auf weniger als */», und zwar sind hier alle Fälle einge¬
rechnet ohne Rücksicht auf deren Behandlung. Hievon sind 007
Fälle mit Heilserum behandelt, Mortalität ca. 5 Proe.; 570 Fälle
nach anderen Methoden behandelt, Mortalität 18,6 Proe.
Der Vortrag wurde gehalten in der Section für Hygiene auf
dem vorjährigen Congress der American Medical Association zu
Columbus-Ohio und wurde in der Discussion dieses Themas ein¬
stimmig der Werth der Serumbehandlung anerkannt.
F. Lacher- München.
Inaugural-Dissertationen.
Universität Kiel. Januar und Februar 1900.
1. Sostmann Bernhard: Ein Fall von Durchbruch eines Leber-
Echinococcus in die Bauchhöhle (1899).
2. Dam manu Ludwig: Ein Fall von primärem Gallengangs¬
krebs der Leber.
3. Meyer Erich: Ueber Evacuatlo bulbi.
4. Naegele Otto: Ueber Zungensarkom mit besonderer Be¬
rücksichtigung des Kindesalters.
5. Richter Bruno: Beitrag zur Wirkung der subacuten Koch¬
salzinfusion bei Kindern mit Magendarmkatarrh (1899.)
0. Hinz Gottfried: Experimente l-Untersuchungen zur Frage
der Verwendbarkeit des Formaldehydgases zur Desinfection
von Kleidungsstücken und von Wolinräumen.
7. Meyer Richard: Neun Fälle von Blasentumoren.
8. Simon Otto: Ein Fall von Aorteninsufticienz bei Tabes
dorsalis.
9. R i e m s c h n e I d e r Karl: Beitrag zur Kenntniss der Wir¬
kung des Strychnin.
10. Jeddeloh Otto zu: Ueber knotige Tuberculose des Herzens.
11. Oberwinter Hermann: Ueber einen seltenen Fall von
Tremor.
12. Luther Adolf: Ueber zwei Fälle von Nabelhemieu.
Universistät Rostock. December 1899.
21. v. Brunn Walter: Ein Beitrag zur Kenntniss von den ersten
Resorptionsvorgängen.
22. Cohen Friedrich: Beiträge zur Histologie und Histogenese
der Myome des Uterus und des Magens.
23. Doerfler Julius: Ueber Arteriennaht.
Januar bis Februar 1900.
1. M i 11 i e s Wilhelm: Beiträge zur Statistik der Ohren-, Nasen-
und Kehlkopfkrankheiten auf Grund des in der Grossherzog¬
lichen Ohren- und Kehlkopfklinik zu Rostock vom 17. Nov.
1894 bis 1. October 1899 beobachteten Materiales.
2. "Wacker Helmuth: Ueber Coincidenz zweier acuter Infections-
krankheiten bei demselben Individuum.
Vereins- und Congressberichte.
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte.
(Bericht des Vereins.)
Y. Sitzung zu Köln am 3. December 1899.
(Fortsetzung.)
Discussion: Herr Schmithuisen berichtet über
3 Fälle seiner Beobachtung.
Ein 9 jähriger Junge hatte schon seit Jahren ein Griffelstück
im Ohr. Er war aus einem Spitale entlassen worden mit der An¬
gabe, es wäre kein Griffel zu finden. Der Fall ereignete sich vor
19 Jahren. Der ganze Gehörgang sass voller polypöser Massen.
Nach Entfernung derselben fühlte man einen harten Gegenstand
und konnte bei weiterer Freilegung einen Griffel erkennen.
Er lag im Mittelohr quer hinter vorderer und hinterer Gehör¬
gangswand eingekeilt. Er hatte ein dünneres, etwas zugespitztes
und ein dickeres Ende. Um seine Achse liess er sich drehen. Die
Bemühungen, ihn mit starken zahnärztlichen Instrumenten zu holen
oder eventuell zu brechen, waren vergeblich. Ich holte mir nun
vom Zahnarzt einen Bohrer und bohrte an der dünneren Seite so
weit, dass der Haken den Griffel durchbrach und die 2 Stücke
gleichzeitig mit hervorkamen.
Das Trommelfell heilte in kurzer Zeit zu und das Hörver¬
mögen wurde trotz der langen Anwesenheit des Fremdkörpers
im Mittelohr sehr gut.
Bei dem zweiten Falle handelte es sich um einen Johannis-
brodkern, welcher einem Kinde in einem hiesigen Spitale bei Ex¬
tractionsversuchen durch das Trommelfell gerathen war. Ich
wurde zugerufen und konnte noch die Spitze des Kernes ln der
Trommelfellspalte erblicken. Es gelang mir, mit dem D a v 1 e i’-
schen Löffel eines gerade anwesenden Augenarztes den Kern durch
den Trommelfellschlitz herauszuholen.
Vor zwei Jahren wurde ein sechsjähriges Mädchen aus einer
benachbarten Stadt gebracht, bei dem im dortigen Spitale nach
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Ablösung der Ohrmuschel Extractionsversuche eines in der Tiefe
des Geliörganges befindlichen Maiskornes mit dem Erfolge gemacht
waren, dass das Korn durch das Trommelfell gestossen wurde.
Der Gehörgang war vorscbwollen. Die frischen Nähte lagen noch
hinter dem Ohr. Alles schien durchaus aseptisch. Das Kind war
wohl, ohne Schmerzen und ohne Fieber. Ich wartete einige Tage,
der Gehörgang schwoll ab, aber es zeigten sich einige Granula¬
tionen rund um die Trommelfellöffnung. Sie wurden entfernt,
daun sah ich durch die grosse Oeffnung das gelbe Maiskorn. Mit
einem lö ff eiförmigen Instrumente kam ich dahinter und brachte
es heraus. Es mussten bei der Nachbehandlung noch kleine
granulöse Massen weggeätzt werden, dann folgte glatte Ver¬
heilung.
Vor der Entlassung des Kindes bat mich die Mutter noch,
»las andere Ohr zu untersuchen. Es fand sich ebenfalls ein Mais¬
korn vor dem Trommelfell. Es hatte gar keine Beschwerden ge¬
macht und wurde mit dem Häkchen lierausgeholt.
Die drei Fälle beweisen, dass man auch ohne operative Frei¬
legung des Oavum tymp. Fremdkörper aus demselben entfernen
kann. Man sollte desshalb unter günstigen Verhältnissen Immer
erst diesen Versuch machen.
Bezüglich der Fremdkörper im äusseren Gehörgang will ich
noch bemerken, dass es mir möglich war, alle mit dem einfachen
Wiener Häkchen oder auch durch Ausspritzen herauszuholen.
Herr Reinhard- Duisburg berichtet über einen Fall, der
Aehnlichkeit hat mit dem vorher erwähnten, und betrifft die Ent¬
fernung einer etwa 4 mm im Durchmesser fassenden kleinen Perle
(Reinhard lässt dieselbe circuliren). die aus der Paukenhöhle
eines 7 jährigen Knaben erst mich Ablösung der Ohrmuschel und
Abmeisselung des medianen Tlieiles der hinteren und oberen knö¬
chernen Gehörgangswand erreicht werden konnte.
Der Fall war folgender:
Der 7 jährige Bernard H. hatte sich die oben erwähnte Perle
Anfangs October 1899 in das linke Ohr eiugeführt Erst 3 Wochen
danach, am 21. X.. kam derselbe in Begleitung der Eltern in
Dr. Reinhard's Behandlung. Angeblich wurden von den El¬
tern und von einem Collegen Extractionsversuche vorher gemacht,
jedoch alle ohne Erfolg.
Der Befund war am 21. X. folgender: Der Gehörgang intact.
der Fremdkörper sitzt mit dem uuteren Theile im Trommelfell
eingekeilt, so dass jede Bewegung des Fremdkörpers trotz Spritzen
und Anwendung des Z a u f a l’schen Hebels unmöglich ist. Es
wird daher noch am selben Tage auf blutigem Wege der Fremd¬
körper entfernt. In Narkose wird unter strengster Asepsis die
Concha abgelöst, die hintere Gehörgangswand durchtrennt und
auch jetzt konnte erst durch Abmeisselung des medialen Theiles
der hinteren und oberen knöchernen Gehörgangswand die Ex¬
traction der Perle folgen. Der Hammer blieb in situ. Das
Trommelfell war in den beiden unteren Quadranten rupturirt.
Es folgte der Operation eine leichte Mittelohreiterung, die
jedoch bald sistirte, und Pat. konnte ganz geheilt entlassen werden,
Reinhard betont hierbei die Wichtigkeit der Verhütung
einer Narbeustenose des häutigen Gehörganges in der Nachbe¬
handlung.
Herr Hopmann bringt den Fall nochmals zur Sprache,
den er Frühjahr 1898 vorgestellt hat. Ein Johannisbrodkern. den
eiu Schüler sich in den rechten Gehörgang gesteckt, war durch
fehlerhafte Extractionsversuche fest in die Paukenhöhle eingekeilt
worden, was, wahrscheinlich durch gleichzeitig erfolgte Verletzung
des Labyrinths, eompleten rechtsseitigen Gehörverlust bewirkt
hatte. Auch als nach Ablösung der Muschel und Heraushebung
des knorpeligen Gehörgangs der Kern aus seiner Haft befreit
werden konnte, stellte sich das Gehör nicht wieder ein und ist biß
heute nicht wiedergekehrt, obschon die Heilung ohne wesentliche
Stenosirungen erfolgt ist.
Als unbedingte Indication zum operativen Einschreiten sieht
H. entzündliche Erscheinungen des Gehörgangs oder Mittelohrs
an, welche fast immer dann entstehen, wenn der Fremdkörper
durch das Trommelfell hindurchgestossen ist. Fehlt jede entzünd¬
liche Erscheinung, dann ist es statthaft, abzuwarten; man kann
dann wiederholt passende Ausspülungen versuchen, muss aber
jedenfalls das Ohr von Zeit zu Zeit untersuchen. Da immerhin
die Operation der Auslösung der knorpeligen Gehörgänge unge¬
fährlich ist, so ist sie auch ohne unmittelbare vitale Indication
erlaubt.
Herr Hirsch mann hebt ausdrücklich hervor, dass er die
beschriebene Operation nur in den Fällen für indicirt halte, in
denen der Fremdkörper bereits in die Paukenhöhle gelangt
und aus den bereits näher erörterten Gründen |Ter vias na¬
turales nicht zu entfernen ist.
Herr Hirschmann: b) TJeber Fremdkörper im Larynx.
Die praktische Wichtigkeit des Gegenstandes mag entschul¬
digen, wenn Ich mir erlaube. Ihnen heute über einige Fremdkörper
im Kehlkopf zu berichten, die ich in letzter Zeit zu entfernen Ge¬
legenheit hatte; denn diese Fälle gehören unstreitig zu den auf¬
regendsten Vorkommnissen In der Sprechstunde des Specialisten.
Sind doch die beiden charakteristischen Symptome: die Athemnoth
und die Behinderung der Sprache, die ja nach dem Sitz und der
Grösse des Fremdkörpers mehr oder minder erheblich sind, ge¬
eignet, den Betroffenen In eine angstvolle Situation zu versetzen,
aus der er nicht rasch genug befreit werden kann. Von diesem
Gesichtspunkte aus dürfte meines Erachtens die Mittheilung dies¬
bezüglicher reichlicher Casulstik gerechtfertigt sein.
Zunächst sei erwähnt ein 3 jähriges Kind, dem beim Essen
von Suppe ein Knochen in die falsche Kehle gerathen war. Das
Original fro-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
478
MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
Kind, welches mir von einem f'ollegen zugeschiokt wurde, war
vollkommen stimmlos und litt an den Zeichen höchster Athemnoth,
so dass mein erster Gedanke die Tracheotomie war. Von Ein¬
führung eines Spiegels war bei der Sachlage keine Rede; ich griff
mit dem Finger in den Hals und fühlte dicht hinter der Epiglottis
einen weichen Knochen. Da derselbe, der, wie Sie sehen, ein sieb¬
beinartiges Gefüge hat, sich mit seinen stellenweise scharfen Rän¬
dern in die Schleimhaut des Larynx eingepresst hatte, musste ich
ihn mit der gekrümmten Fingerspitze förmlich herausgraben.
Das Kind war noch einige Tage heiser, ist aber in kürzer Zeit wieder
völlig hergestellt gewesen.
Auffallend wenig Beschwerden hat im Gegensatz dazu diese
Hasenrippe verursacht, die ich vor einigen Tagen einem alten Herrn
aus dem Halse entfernte. Derselbe kam nach dem Mittagessen zu
mir mit der Angabe, dass ihm beim hastigen Verspeisen von Hasen¬
pfeffer ein Knöchelchen in der Kehle stecken geblieben sei. Bei
der Spiegeluntersuchung sah ich einen ziemlich breiten, glatten
Knochen, der quer in frontaler Richtung im Kehlkopfeingang lag.
Um so mehr erstaunt war ich, als ich mit der Zange diese ganze
Hasenrippe, deren scharfes Ende sich in die seitliche Larynxwand
eingebohrt hatte, herauszog.
Als dritten Fall will Ich erwähnen eine Stecknadel, welche in
der Hinterwand haftete. Einer Frau war beim Kuchenbacken
eine Stecknadel aus dem Kleid in den Teig gefallen und unglück¬
licher Weise bekam sie gerade das Stück Kuchen, in dem die Nadel
eingebacken war. Sie spürte sofort heftigen Schmerz und war
seitdem am Sprechen recht behindert, während das Athmen relativ
wenig gestört war. Ich wurde Nachts gerufen und sah die Nadel,
welche sich mit ihrer Spitze tief in die hintere Wand eingebohrt
hatte, so in den Innenraum des Kehlkopfes hineinragen, dass bei
jeder Phonation die Stimmbänder mit dem zwischen ihnen liegenden
Nadelkopf in Berührung kamen. Nach Cocainisirung gelang es
mir mit der Zange, die Nadel erst durch einen kräftigen Zug nach
unten aus ihrer Befestigung an der hinteren Wand und dann durch
Zug nach oben in’s Freie zu befördern.
Das meiste Interesse dürfte der letzte von mir mitzutheilende
Fall beanspruchen: Einem Manne gelangte ein Fünfpfennigsttiek,
das er zur Belustigung seines Kindes in den Mund steckte, beim
Lachen während der Inspiration in den Kehlkopf. Als er mir kurz
darauf zugeführt wurde, rang er mühsam nach Athem und war
unfähig zu sprechen. Die Untersuchung, die dadurch, dass der
Pat. In seiner Aufregung ein Brechmittel genommen hatte, recht
erschwert war. ergab, dass das Geldstück in horizontaler Lage so
zwischen den Stimmbändern eingekeilt war, dass die Fünfpfennig¬
seite nach oben lag. Nur ganz hinten in der Gegend des Aryknorpel
war ein'winziger freier Spalt, durch den der Pat. die Luft ein-
athmete. Unter diesen Umstünden war die Entfernung, auch
nach wiederholter Cocaiueinspritzung. recht schwierig, zumal da
Pat. fast beständig Würgbewegungen machte. Mit den gewöhn¬
lichen zur Entfernung von Fremdkörpern benutzten Instrumenten
war selbstverständlich nicht beizukommen; nur mit Hilfe einer zu
dem Zweck am Ende hakenförmig gebogener Sonde war es mir
möglich, durch den erwähnten Spalt hinten unter das Geldstück zu
gelangen, dasselbe um seine Frontalachse zu drehen und nach oben
zu schieben. Indess, als ich glaubte, es vollkommen aus dem Be¬
reiche des Kehlkopfs herausbefördert zu haben, war dasselbe plötz¬
lich verschwunden. Pat. konnte indess sofort wieder sprechen und
frei athmen; die unmittelbare Erstickungsgefahr war zwar beseitigt,
aber der Fremdkörper befand sich jedenfalls noch im Körper.
Zwei Möglichkeiten lagen vor: entweder hatte Pat. das Geldstück,
als es über den Kehlkopfeingang hinausgehoben war. verschluckt
und dann war ziemlich sicher anzunehmen, dass es dereinst nach
Passage des Darmtractus ohne Schaden wieder zum Vorschein
kommen werde; oder aber es war in die Trachea resp. in einen
Bronchus gerutscht. Die letztere Möglichkeit war durchaus nicht
von der Hand zu weisen, denn ein Fünfpfennigstück hat 38 mm
Durchmesser und findet demnach in der Trachea, die beim Manne
2—2.7 cm Breite im Durchmesser besitzt, bequem Platz und kann
auch noch In den beiden Hanptbronchi Unterkunft finden, von
denen bekanntlich der rechte wegen seiner Weite und
seines gestreckten Verlaufes für das Hineingelangen von Fremd¬
körpern der geeignetere ist. Zu einem sicheren Resultate gelangte
Ich jedoch nicht, denn sowohl die Spiegeluntersuchung der Trachea,
soweit sie mit dem Laryngoskop möglich ist. als auch die Durch¬
leuchtung mit Röntgenstrnhlen hatte ein negatives Ergebniss. Da
der Pat. jedoch bisher — es sind fast 5 Monate seit dem Ereigniss
verflossen — von jeder Beschwerde frei geblieben ist, so dass er
jede Frage nach seinem Befinden für überflüssig erachtet, lässt
sich annehmen'; dass der Fremdkörper bereits längst auf dem
langen, aber sicheren Wege des Darmcanals den Körper ver¬
lassen hat. (Schluss folgt.)
(Berliner medicinische Gesellschaft siehe S. 481.)
Naturhistorisch-Medicinischer Verein Heidelberg.
(Medicinische Section.)
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 16. Januar 1900.
1. Herr Hoffmann : Vorstellung eines Falles von heredi¬
tärer atactischer Paraplegie (combinirte Systemerkrankung des
Rückenmarks; cerebellare hereditäre Ataxie?)
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2. Herr Ernst: Ungewöhnliche Verbreitung einer Knorpel¬
geschwulst in der Blutbahn. (Enchondrom der Wirbelsäule, Ein¬
bruch in die Venen, Ausfüllung der Vena cava, der Venae renales,
suprarenales, phrenicae, spermatlca sin. Transport und Fort¬
wucherung des Geschwulstgewebes in dem Stamm und den Ver¬
zweigungen der Pulmonalarterie, ohne Lungenmetastasen.)
Sitzung vom 30. Januar 1900.
1. Herr Bruno: Vorstellung eines Falles von progressiver
Muskelatrophie ohne Entartungsreactlon und fibrilläre Zuckungen.
Der Fall betrifft einen 29 jährigen Patienten, welcher erblich
nicht belastet ist, früher stets gesund war und seit 2 Jahren er¬
krankt Ist. Als ursächliches Moment kommt schwere Muskelarbeit
in Betracht, welche vorzugsweise im Tragen schwerer Lasten berg¬
auf bestand. Die Erkrankung beschränkt sich auf die Musculatur
des Schultergürtels, Beckengürtels und des Rumpfes. Die Mus¬
culatur dieser Theile ist hochgradig atrophisch und zwar sind fol¬
gende Muskeln von der Atrophie ergriffen: Pectoralis major.
miuor, M. Latissimus dorsi, Rhomboidei, Serratus anticus major.
Trapezius, ferner die langen Rückenmuskeln, Sacrolumbalis,
Longissimus dorsi, die Bauchmuskeln, die Glutaei. Auffallend ist
die Betheiligung eines Theiles des M. deltoideus, sowie der elavicu-
laren Portion des M. sternocleidomastoideus. An den Ober- und
Vorderarmen Ist die Musculatur völlig normal, auch die Hand¬
muskeln. Ebenso verschont von der Atrophie ist die Musculatur
der unteren Extremitäten. Der Atrophie der Muskeln entspricht
die hochgradige Functionsstörung. Es besteht das Symptom der
losen Schultern. Fibrilläre Zuckungen sind nicht vorhanden.. Ent-
artungsreaction ist nicht nachzuweisen. Sensibilitätsstörungen
fehlen. Bulbäre oder sonstige Hirnnervenerscheinungen nicht vor¬
handen. Blasen-, Mastdarm-, Geschlechtsfunction normal. Innere
Organe ohne pathologischen Befund. Urin frei.
Der Symptomencomplex entspricht trotz einiger kleiner Ab¬
weichungen der von Erb beschriebenen myopathischen Form der
progressiven Muskelatrophie. Von der spinalen progressiven Amyo-
trophie. der Syringomyelie, der amyotrophischen Lateralsklerose,
der neurotischen Muskelatrophie ist die Erkrankung leicht ab¬
zugrenzen. Von den verschiedenen Formen der Dystrophie handelt
es sich hier um die juvenile.
2. Herr Jordan: Ueber die osteoplastische Fussresection
nach Mikulicz.
3. Herr Petersen: Ueber Epithel Veränderungen durch
Temperatureinflüsse (zur Theorie der Riesenzellen).
Sitzung vom 13. Februar 1900.
Herr K n a u f f: Ueber die Pest.
Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 16. October 1899.
Vorsitzender: Herr Leichtenstern.
Schriftführer: Herr Dreesmann.
1. Herr Hirsch: Erzielung tragfähiger Stümpfe durch
Nachbehandlung. Mit Vorstellung von Amputirten aus dem
Bürgerhospital.
Das Problem der Gewinnung tragfähiger Diaphysenstümpfe
ist früher immer nur durch Verwendung einer besonderen
Operationstechnik zu lösen versucht, worden. Die Versuche mit be¬
sonders widerstandsfähigen Weiehtheillappen und die mit Periost-
weichtheillapppen sind alle erfolglos gewesen; erst die B i er’sche
osteoplastische Methode hat tragfähige Diaphysenstümpfe ge¬
schaffen.
Bei den vorge^tellten Fällen handelt es sich um Amputirte
(zwei Unterschenkelamputationen, eine Unterarmamputation),
deren Knochen im Bereich der Diapliyse glatt durchgesägt und
hernach mit einfachen Hautlappen bedeckt worden sind.
Nach Pleilung der Amputationswunde verblieben die XJnter-
schenkelamputirten zunächst noch weiter im Bett mit hocli-
gplagertem Stumpf; letzterer wurde täglich 2mal massirt. Der
Patient hatte periodische Tretübungen gegen eine Holzkiste aus¬
zuführen und hiernach — wie auch nach dem Massiren — jedes¬
mal energische Freiübungen mit dem verstümmelten Gliede ans-
zuführen. Später machte der Patient Stehübungen auf weicher
und auf harter Unterlage. So wurden, durch Nachbehandlung,
die gewöhnlichen Diaphysenstümpfe im Lauf weniger Woehen
schmerzfrei und tragfähig.
Der Vortrag ist ausführlich veröffentlicht; Deutsch, med.
Wochensohr. 1899, No. 47.
Die Anfrage des Herrn Craraer, warum die Stümpfe nicht
spitz werden, beantwortet Herr Hirsch mit dem Hinweis auf
die Belastung.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3, April 1900.
479
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2. Herr Keller: Ueber die Ergebnisse der neueren Unter¬
suchungen über Hörreste bei Taubstummen, sowie die hierauf
begründete Reform des Taubstummenunterrichts.
Der Vortragende führte, in Kürze berichtet. Folgendes aus:
So lange überhaupt ein Taubstummenunterricht besteht, ist die
Thatsache bekannt, dass bei einer nicht unbedeutenden Schüler¬
zahl noch merkliche Hörreste bestehen; dieselben wissenschaft¬
lich festzustellen, fehlte es bisher an einer Methode; erst Be-
z o 1 d - München ist dies durch die Verwendung seiner conti-
nuirlichen Tonreihe gelungen, welche die gesummte vom mensch¬
lichen Ohr normaler Weise gehörte Tonscala von der Subcontra-
octave an 11 Octaven aufwärts umfasst, und zwar durchweg in
der Aufeinanderfolge von halben Tönen, welche von genügender
Stärke und obertönefrei sind. Unter den 156 Gehörorganen der
78 Zöglinge der Münchener Taubstummenanstalt fand B. (1895)
an der Hand dieser Untersuchungsw’eise nicht weniger als 108,
bei welchen mehr oder weniger umfangreiche Hörreste bestanden.
Vortragender bespricht sodann die von B e z o 1 d gewählte Classi-
ficirung der Befunde und die in spracliphysiologischer Hinsicht
interessante Beobachtung, dass in allen Fällen von, wenn auch
nur in geringem Maasse, erhaltenem Vocal- resp. Wortverständ-
niss sich ausnahmslos die Hörstrecke von b‘—g“ erhalten zeigte;
fehlte dieselbe oder war die Hördauer der Töne eine zu geringe,
so fehlte stets auch jegliches Sprachverständniss. Ferner wurde
die interessante Beobachtung B e z o 1 d*s angeführt, dass in den
Fällen von erhaltenem Vocalverständniss die durch II e 1 m -
h o 11 z bezw. Hermann bekannten Eigen töne der Vocale sich
fast ausnahmslos unter den Hörresten des betreffenden Gehör¬
organs befanden. Unter den verschiedenen von Bezold auf¬
gestellten Gruppen interessirt besonders eine dadurch, dass trotz
bedeutender Hörreste, die zum Theil fast die normale Scala
darstellten, und trotz fast die Norm erreichender Hördauer, spe-
ciell im Gebiete der oben charakterisirten Strecke b‘—g“, dem
zu Folge wiederholt sämratliche Vocale und Zahlworte nach¬
gesprochen wurden, die betreffenden Individuen dennoch nicht
die Sprache vom Ohr aus hatten erlernen können. Bezold
glaubt auf Grund von Untersuchungen über .Gleichgewichts¬
störungen, anamnestischen Daten und örtlichen Ohrbefunden für
diese Fälle eine Labyrintherkrankung ausschliessen zu dürfen,
neigt vielmehr der Annahme zu, dass es sich hier weniger um
periphere Hörstörungen, als vielmehr um centrale Sprach¬
störungen handeln müsse. Da aber der später eingeleitete Sprach¬
unterricht vom Ohr aus auch bei diesen Fällen sehr befriedigende
Resultate aufweisen konnte, wird eine weitere Beobachtung und
Prüfung zur Klärung der Frage erforderlich sein. Wenn auch
bisher schon die Gehörresto im Taubstummenunterricht von den
Lehrern beachtet und verwerthet worden sind, so geschah dies
gleichwohl nicht in der methodischen, zielbewussten Weise, wie
solche neuerdings von Bezold auf Grund obiger Unter¬
suchungen, denen zu Folge mehr als 20 Proc. der Schüler Sprach¬
verständniss aufwiesen, als eine unabweisliche Forderung für den
Taubstummenunterricht aufgestellt und von ohrenärztlicher Seite
nicht nur, sondern auch von einer Reihe von Taubstummen¬
lehrern als berechtigt anerkannt worden ist. Von principieller
Bedeutung ist dabei die Auffassung B e z o 1 d’s, dass der Sprach¬
unterricht vom Ohr aus nicht etwa eine Hörverbesserung, eine
Vergrösserung der bestehenden Hörreste bezweckt, sondern ledig¬
lich eine bessere Verwerthung dieser Hörreste durch den Taub¬
stummen erzielen soll; desshalb wählt Bezold auch statt des
Namens „Hörübungen“ die Bezeichnung „Sprachergänzungs-
unterricht“ für seine Methode. Die Durchführung der letzteren,
welche den bisherigen Unterricht mittels des Gesichts und Ge¬
fühls in keiner Weise beschränken will, verlangt Trennung der
zum Unterricht vom Ohr aus geeigneten Schüler von den total
Tauben, sowie Vermehrung der Lehrkräfte; zudem bedarf es der
thätigen Mithilfe von specicll mit der Untersuchung Taub¬
stummer mittels der continuirlichen Tonreihe vertrauter Ohren¬
ärzte behufs Auswahl der passenden Schüler. Hierzu ist aber
fortdauernde staatliche peeuniäre Unterstützung unerlässlich,
von deren Bewilligung es in erster Linie abhängen wird, ob die
angeregte Reform lebensfähig sein wird. Die bisherigen Er¬
folge ermuntern zu weiterer energischer Anregung seitens der
dazu berufenen Kreise.
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Ofticielles Protokoll.)
Sitzung vom 20. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr Curschmann.
Schriftführer: Herr Braun.
Herr Buchbinder beschliesst seinen in der letzten
Sitzung begonnenen Vortrag: Experimentelle Untersuchungen
am lebenden Thier- und Menschendarm, zugleich ein Beitrag
zur Physiologie, Pathologie und Bacteriologie des Darmes.
Die Ergebnisse der bacteriologischen Bruchwasserunter¬
suchungen haben eine wesentliche Stütze für die Annahme der
leichten Durchlässigkeit der Darmschleimhaut für Mikroorganis¬
men gebildet, obwohl sie als einwandsfrei nicht gelten können.
Da auf dem bisher nicht üblichen Wege der experimentellen
Untersuchung eine Anzahl von Fehlerquellen nicht ausschaltbar
waren, auch die bactericiden Eigenschaften des angesammelten
Bruchwassers zu wenig berücksichtigt waren, versuchte B. dio
Frage in der Weise einwandsfrei zur Erledigung zu bringen, dass
er zunächst eine Methode ausarbeitete, die es ermöglichte, den
Darmtractus ausserhalb der Bauchhöhle unter normalen Verhält¬
nissen der directen Beobachtung und experimentellen und bac¬
teriologischen Untersuchungen zugänglich zu machen. Er lagert
die Darmschlingen in einem 38° C. messenden, durch Ueber-
hitzung möglichst wasserarm mid durchsichtig gemachten Dampf¬
spray. Dadurch war es möglich, künstliche Incarcerationen am
Thierdarm ausserhalb der Bauchhöhle anzulegen, die Ausbildung
der Circulationsstörungen beliebig lange zu beobachten und das
Transsudat gleich nach dem Erscheinen auf der Serosa zwecks
bacteriologischer Untersuchung abzunehmen. Durch verschieden
starke Abklemmungen von Dünndarmschlingen werden alle
Stadien der Einklemmung Iberbeigeführt. Bei der Abnahme und
Untersuchung wurde das Kruse ’sche Tuschpinsel verfahren
angewandt und die Durchwanderung bestimmter, dem Darm¬
lumen auf verschiedenen aber sicheren Wegen einverleibter
Keime beobachtet. Auf einwandsfreie Weise konnte dargethan
werden, dass die Darmwand nur im Zustand ausgebildeter Gan-
graen für pathogene Keime durcldässig wurde.
Bei der Beweisführung, dass diese Methode der extraabdomi¬
nalen Untersuchung des Darmtractus eine Beobachtung des¬
selben unter normalen Verhältnissen gestattet, wird die Prüfung
der functionellen Eigenschaften der Damimusculatur und die
Wirkungsweise künstlich auf die Serosafläche applicirter Reize,
besonders des elektrischen, erläutert. Die vom Thierdann ge¬
wonnenen Erfahrungen bildeten die Veranlassung, eine Prüfung
der elektrischen Erregbarkeit der Damimusculatur auch am
Menschen vorzunehmen, und führten zu der Erkenntniss der für
den Menschendarm geltenden Gesetze. Es wurde erwiesen, dass
das Pflüge r’sche Gesetz der polaren Erregbarkeit der quer¬
gestreiften Musculatur für die glatte Musculatur nicht gilt, und
dass auch am Menschendarm ein Unterschied in den physio¬
logischen Eigenschaften zwischen der Ring- und Längsmusculatur
besteht.
Die typische und charakteristische Reactionsart des Darmes
auf faradische Reize bildete zugleich ein einfaches Mittel, an der
offenen Bauchhöhle des Menschen die Richtung des Darmes ohne
Weiteres erkennen zu können.
Bei der extraabdominalen Beobachtung künstlicher Incar¬
cerationen am Thierdarm konnten zugleich Betrachtungen über
die functioneilen Störungen der abgeklemmten Darmschlinge,
über den Eintritt von Darmlähmung und vor Allem über die
Rückkehr der Functions- und Reactionsfähigkeit nach der Lö¬
sung der Einklemmung angestellt werden. Es ergab sich, dass
alle Darmstücke, die innerhalb der ersten halben Stunde ihre
functioneilen Eigenschaften wieder erlangten, sich lebensfähig
erwiesen, anderenfalls der Gangraen anheim fielen. Damit war
ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt für die Beurtheilung der
Lebensfähigkeit der gelösten Darmschlinge gefunden.
An 3 eingeklemmten Leistenbrüchen liess sich am Menschen
analog die Rückkehr der normalen Reactionsfähigkeit der Darrn-
inusculatur innerhalb der ersten 10 Minuten constatiren.
Die extraabdominale Beobachtung künstlicher Incarcera¬
tionen ermöglichte weiterhin ein genaues Studium des Mechanis¬
mus der Brucheinklemmung. Es konnte gezeigt werden, dass die
Theorien von Roser, Busch und Lossen auf den lebenden
Difitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
480
MÜNCHENER M EDI CIN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
Darm nicht anwendbar waren, und wie eine Kothstauung, Koth-
einklemmung und eine elastische Einklemmung vor sich geht.
Herr Paessler demonstrirt einen Kranken, dem früher
wegen eines Empyems eine sehr ausgedehnte Resection der
linken Thor&xseite gemacht worden ist. Die Herzthiitigkeit
kann daher direct beobachtet werden.
Herr Müller demonstrirt ein 0 jähriges Kind mit Rachitis
und abnormer Knochenbrüchigkeit.
Herr Curschmann zeigt der Gesellschaft das im Jakobs-
hospital neu eingerichtete Institut für Hydrotherapie und ver¬
wandte Methoden.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Ofücielles Protokoll.)
Sitzung vom 25. Januar 1900.
Vorsi tzender: Herr S e n d 1 e r.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Siedentopf
2 wegen Erkrankungen des Corpus entfernte Uteri, in denen eine
beginnende maligne Erkrankung durch Dilatation, Austastung und
Entnahme eines Stückes des erkrankten Gewebes mittels Curette
festgestellt wurde. Im ersten Falle handelte es sich um eine
dl jährige Patientin, bei der seit einiger Zeit gelblicher Ausfluss
bestand, der zuletzt einen starken Geruch angenommen hatte. Der
Uterus war etwas vergrössert, sonst waren bei der Untersuchung
keine Veränderungen zu fühlen. Nach der Dilatation fühlte man
auf der Innenfläche der Uterushöhle mehrere Knoten, von denen
einer an der vorderen Wand der Gebärmutter völlig erweicht war.
Es handelte sich um submucös entwickelte Myome und der er¬
weichte Knoten zeigte eine sarkomatöse Degeneration. Der Uterus
wurde vaginal entfernt.
Im 2. Falle handelte es sich um ein die halbe Uteruswand
durchsetzendes Carcinom bei einer 45 jährigen Virgo. Bei dieser
Patientin wurde die vaginale Operation trotz ausgedehnter Söhei-
dcndammincision durch die Enge und Rigidität der Vagina sehr er¬
schwert.
Ein 3. Präparat ist ein cystisch entartetes Myom. Das Myom
war von der linken Seitenkante des Uterus ausgegangen, hatte das
Ligament, latum und das Mesosigma entfaltet, den Uterus nach
oben, rechts und vom verdrängt und den ganzen Beckenboden aus¬
gefüllt. Der obere Theil des Myoms war cystisch degenerirt, ragte
bis zum Sternum und hatte den Leib ad maximum ausgedehnt.
Erst starke Oedeme der Beine hatten die Kranke veranlasst, zum
Arzte zu gehen. Der Tumor hatte etwa die doppelte Grösse eines
graviden Uterus ain Ende der Schwangerschaft. Seine Entwick¬
lung war nach Entleerung des flüssigen Inhaltes recht schwierig
und die Blutung aus dem Boden des Geschwulstbettes Anfangs
reichlich. Dieselbe licss sich durch Etagennähte des Ligarn. lat.
und des Mesosigma stillen. Der Stiel des Myoms nach dem Uterus
zu war atrophirt.
Ein 4. Präparat stellt ein maunskopfgrosses Rundzellensarkom
des rechten Ovariums vor, gleichfalls mit cystischer Degeneration.
Sarkome des Ovariums sind seltene Tumoren, besonders aber
Rundzellensarkome, meistens findet man Spindelzellensarkome,
deren Consistenz ziemlich fest ist und deren Grösse selten die einer
Faust überschreitet. Der demonstrirte Tumor war stielgedreht
und lag links vom Uterus. Er füllte das kleine Becken vollkommen
aus und erstreckte sich nach oben bis zur Nabelhöhe.
Das letzte Präparat ist eine kindskopfgrosse Dermoidcyste,
die von S. wegen der Geburtsstörungen, welche sie verursacht hat,
demonstrirt wird. S. wurde zu der Geburt zugezogen, weil trotz
stundenlanger kräftiger Wehenthätigkeit bei einer Erstgebärenden
der Kopf über dem Becken stehen blieb und das Becken durch eine
Geschwulst verengt sei. Er fand den Kopf über der Symphyse,
den Muttermund am oberen Hympliysenrande, die hintere Scheiden¬
wand stark vorgewölbt und das Becken von einer glattwandigen
eystischen Geschwulst ausgefüllt. In tiefer Narkose und ent¬
sprechender Lagerung der Kreissenden, sowie durch Zuriick-
seliieben des Kopfes gelang nach längeren Versuchen die Reposition
der Geschwulst nach oben. Die Geburt musste wegen Wehen¬
seh wache mit der Zange beendet werden.
Alle demonstrirten Fälle sind ohne jede Störuug genesen.
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 20. April 1899.
Vorsitzender: Herr Goldschmidt.
1. Herr Burgl demonstrirt pathologisch-anatomische Prä¬
parate eines Falles von subcutaner Zerreissung von vier inneren
Organen in Folge von Ueberfahren.
2. Herr v. R a d demonstrirt Fälle von Muskelatrophie aus
verschiedenen Ursachen:
a) In Folge von Bleiintoxieation,
b) als Theilersebeinung von Syringomyelie,
c) als Symptom von amyotrophischer Lateralsklerose.
3. Herr Landau berichtet über einen Fall von laryngo-
trachealer Dyspnoe mit mantakalisehen Störungen bei seitlichem
abscedirendem Halsdrtlsentumor.
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No. 14
• Sitzung vom 4. Mai 1899.
Vorsitzender: Herr Carl Koch.
1. Herr Simon: Ueber Inversio uteri.
2. Herr Landau: Die Tablettenfrage. (Der Vortrag er¬
schien ih dieser Wochenschrift.)
Sitzung vom 25. Mai 1899.
Vorsitzender: Herr Carl Koch.
1. Herr B u r g 1 demonstrirt das durchschossene Herz eines
Selbstmörders und spricht über die Diagnose und Erscheinungen
des Nahschusses.
2. Herr Carl Koch stellt einen Knaben vor, welcher von einer
Kreuzotter gebissen wurde und tlieilt den Verlauf des Falles mit.
Derselbe berichtet ferner über einen Fall von Aktinomykose
des Unterkiefers und bespricht einen Fall von Hypospadia bei
einem 8 Wochen alten Kinde. *
Sitzung vom 1. Juni 1899.
Vorsitzender: Herr Carl Koch.
1. Herr Simon demonstrirt:
a) ein von ihm exstirpirtes Uterusmyom,
b) einen längere Zeit schon abgestorbenen lind im Uterus
zu rückgeh alteuen Foetus und bespricht im Anschluss daran ähn¬
liche von ihm beobachtete Fälle und deren Behandlung mit
Chinin.
VII. Versammlung süddeutscher Laryngologen
am Montag den 4. Juni in Heidelberg.
Zur Discussion steht das Referat des Herrn Avellis-
Frankfurt a. M. von der 0. Versammlung: Stimmermüdung und
Stimmhygiene.
Bis jetzt angemeldete Vorträge: 1. Herr J u r a s z - Heidel¬
berg: Ueber die pbonatorisebe Thätigkeit der Mm. crieoarytae-
lioidei postici. — 2. Herr Iv i 11 i a n - Freiburg 1. B.: Thema Vor¬
behalten. — 3. Herr M a g e n a u - Heidelberg: Ueber die sog. Ver-
tebra prominens im Nasenrachenraum. — 4. Herr Mülle r-Heidel¬
berg: Demonstration einer eigenthümlichen Anomalie im Nasen¬
rachenraum. — 5. Herr Seifert - Würzburg: Das Lymphosarkom
der Gaumen- und Zuugentonsille. — G. Herr Hedderich - Augs¬
burg: Ueber complicirtes Schleimhauterysipel.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Wien, 31. März 1900.
Ileotyphus in Wien. — Interviews der Professoren. —
Die Humanitätsinstitnte des Doctoren-Collegiums. — Kranken¬
verein der Aerzte Wiens. — Gesellschaft der Aerzte. — + Pro¬
fessor Hofmokl. — Reform des Apothekerwesens.
Die Zahl der Typhusfälle hat in Wien im Verlaufe der letzten
14 Tage stark zugenommen, sie ist viel höher, als sie während der
letzten zwei Decennien zur Beobachtung kam. Unser Stadt -
physikus beantragte darum die sofortige Vornahme der chemi¬
schen und bacteriologischen Untersuchung des Trinkwassers, was
der Bürgermeister einzuleiten versprach, wiewohl er das An¬
wachsen des Typhus den schlechten Witterungs Verhältnissen zu¬
schrieb. Dieser Meinung sind aber nicht die Aerzte. Professor
\V e i o h s e 11) a u m z. B. äusserte sich einem Interviewer gegen¬
über, dass die Typhusfälle in Wien vorerst eingeschleppt wurden,
dass von leichteren, nicht sonderlich beobachteten Fällen direct
oder durch Wäsche, Lebensmittel etc. die Anstockung, somit da*
Auftreten schwerer Fälle erfolgte. Nachweisen lässt, sich dies
freilich auch nicht. Professor Dräsche — ebenfalls inter¬
viewt — sagte, er habe seit 1880 nicht so viele Typhusfälle in
Wien gesehen, wie gerade jetzt; von einer Typhusepidemie könne
gleichwohl keine Rede sein. Die Fälle nehmen zumeist einen
gutartigen Verlauf. Der gegenwärtig sanitätswidrige Zustand
unserer Strassen könne wohl keinen Typhus hervorrufen (auch
das war behauptet worden), jedoch könne hiedurch die Wider¬
standsfähigkeit gegen diese Krankheit herabgesetzt werden. Im
Weiteren berührte Dräsche die Grund wasserschwa iik ui ige n,
welche nach Pettenkofer mit dem Auf treten von Typhus
in grossen Städten in enger Beziehung stehen.
So erfährt auch der Laie Alles, was die Medicin und Hygiene
nur irgendwie berührt, aus seinem politischen Tagblatte. Kaum
taucht eine solche Frage auf, so wird eine ärztliche Capacitiit
interviewt und sie äussert ihre Ansicht, entweder derart, dass sic
vorgolegte Fragen einzeln beantwortet oder dass sie eine kleine
Abhandlung zum Besten gibt, die das Thema ausreichend be¬
spricht. Manche Capaeitüt lässt sich auch von zwei ix>litischen
Journalen an einem Abend interviewen so dass man ihre An-
Qriginal fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
481
sicht zugleich von zwei verschiedenen Zeitungen studiren kann.
So gut all’ dies wäre, so hat es bloss den kleinen Nachtheil, dass
die erhaltene „Aufklärung“ vom lieben Publicum sehr oft miss¬
verstanden wird, zu komischen oder ärgerlichen Irrthümern
führt, daher weiterer Aufklärungen bedarf, welche dann der
praktische Arzt in aller Stille geben muss, wenn er mit seiner
„gelehrten“ Clieutel sein Auskommen finden wird. Halb- und
Viertelwisser sind ja bekanntlich viel unangenehmer zu behan¬
deln als die sogenannten Nichtswisser.
Das Ergebniss der Generalversammlungen der sog. humani¬
tären Institute des Wiener medicin. Doetoren-Collegiums ist
auch im heurigen Jahre ein überaus günstiges. Die Wittwen-
und Waisen-Societät zählte Ende 1899 372 Mitglieder, sie zahlte
an 184 zur Pension Berechtigte die Summe von fast 130 000 fl.
aus. Das Gesammtvermögen der Societät betrug 2,7 Millionen
Gulden. — Das Pensions-Institut zählte 192 Mitglieder, zahlte
an 22 Mitglieder die Pension von 600 fl. jährlich aus (ca. 13 000 fl.)
und besass Ende des Vorjahrs ein Vermögen von ca. 600 000 fh —
Das viel ältere Unterstützungsinstitut hatte Ende 1899 ein Ver¬
mögen von ca. 200 000 fl., besass 237 Mitglieder, zahlte an 14 Mit¬
glieder in 18 Fällen 3700 fl., seit dem Bestände des Instituts an
414 Mitglieder mehr als 133 000 fl. und ausserdem an 6 Mit¬
glieder die dauernde Unterstützung von jährlich 400 fl. aus. Dass
jedes dieser Institute viel zu wenig Theilnehmer besitzt, dass die
Aerzte in der Fürsorge für die Zukunft viel zu lässig sind, das
haben wir an dieser Stelle schon oft betont.
Der Krankeriverein der Aerzte Wiens hält heute seine Gene¬
ralversammlung ab. Der VII. Jahresbericht constatirt mit Ver¬
gnügen die grossen materiellen und moralischen Erfolge dieses
Vereines. Im Vorjahre wurden an 75 kranke Mitglieder (4 fl.
täglich) 8894 fl. ausbezahlt. Der Vermögens*tand betrug Ende
1899 nahezu 33 000 fl., die Zahl der Mitglieder 386, zu welchen
schon im laufenden Jahre 12 hinzukamen.
Auch die Gesellschaft der Aerzte hielt letzthin ihre feierliche
Jahressitzung ab. Der Seeretär Professor Bergmeister er¬
stattete den Bericht über das zu Ende gegangene 63. Vereinsjahr.
Die Gesellschaft zählte Ende des Vorjahres 555 ordentliche Mit¬
glieder. In 29 Sitzungen wurden 21 Vorträge, 90 Demon¬
strationen und 6 vorläufige Mittheilungen abgehalten. Die Bib¬
liothek der Gesellschaft besitzt fast 14 000 Einzelwerke, ca. 600
Zeitschriften; von letzteren befinden sich 275 abgeschlossene und
321 fortlaufende Nummern. Zahlreiche, sehr werthvolle V erke
werden der Bibliothek alljährlich von wirklichen und correspon-
direnden Mitgliedern geschenkt. Die Gesellschaft erhielt im
Vorjahre auch ein Mikroskop, Herr Karl Reichert in Wien
widmete aus Anlass der Vollendung seines 20 000. Mikroskops
dieses Instrument der Gesellschaft der Aerzte. In dieser
Sitzung hielt Professor E. Zuckerkandl seinen angekün¬
digten Vortrag: „lieber die Epithelkörperchen des Halses“.
In dieser Woche verschied in Wien ein sehr bekannter
Chirurg, Hofrath Professor Dr. Johann II o f m o k 1, Primar¬
arzt im Allgemeinen Krankenhause, erst 60 Jahre alt. Ein
Schüler Dumreiche r\s, war H ofmokl überaus literarisch
thätig, veröffentlichte zahlreiche, fachwissenschaftliche Arbeiten,
deren bekannteste betitelt war: „Experimentelles über das mecha¬
nische Moment bei der Brucheinklemmung.“ Weitere grössere
Arbeiten bezogen sich auf die Callusbildung, auf den intra¬
capsulären Bruch des Radiusköpfchens, auf chirurgische Sta¬
tistik etc. Hof mokl war viele J ahre lang an einem Kinder-
spitale als Chirurg thätig und besass darum bei den Aerzten
Wiens grosses Vertrauen als „Kinderchirurg“, vollführte mit
Glück zahllose Tracheotomien bei Diphtherie, Gelenksopera¬
tionen u. dergl. in., war ein sehr beliebter College, dessen plötz¬
liches Hinscheiden von Aerzten und Kranken in gleicher Weise
lebhaft bedauert wird.
Zur Berathung einer Reihe von Fragen, welche die Reform
des Apothekerwesens betreffen, beabsichtigt das Ministerium des
Innern in nächster Zeit eine Enquete pharmazeutischer Fach¬
männer einzuberufen, an welcher ausser den Mitgliedern des
pharmazeutischen Comite’s des Obersten Sanitätsrathes sowohl
Vertreter der Apothekergremien, als auch der conditionirenden
Pharmazeuten theilnehmen werden.
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Berliner medicinische Gesellschaft
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 28. M ä r z 1900.
Herr K r ö n i g: Das percussorische Frühsymptom der
Lungenspitzentubereulose.
In der Berl. klin. Wochenschr. 1889 hat Vortr. beschrieben,
wie er durch leise Percussion die Höhe und Breite der
Lungenspitze bestimmt, um aus einer ev. Verkleinerung der¬
selben auf Schrumpfung oder atolektatische Herde schliessen
zu können. Die normaler Weise sehr scharfen Grenzen sind
bei der Tubereulose weniger scharf und unregelmässig wegen
der erwähnten Atelektase, und der Blähung anderer kleiner Be¬
zirke. Vortr. hält auch heute diese Methode für besonders ge¬
eignet zur Frühdiagnose.
Discussion: Herr B. Fraenkel: Die klinische und
bacteriologisehe Diagnose, bezw. diejenige mit Hilfe der proba-
torischeii Tubercuiininjection seien nicht zu trennen. Die bacterio-
logischen geben jedenfalls erheblich grössere Sicherheit. Bezüg¬
lich der physikalischen Untersuchung aber sei die Auscultation der
Percussion doch entschieden überlegen; denn das erste Symptom
sei der Katarrh an der Spitze; Schnurren und Pfeifen sind die
ersten Zeichen, welche darauf hinlenken, auch die übrigen Me¬
thoden zu Hilfe zu nehmen.
Herr Senator stimmt B. Fraenkel bezüglich der Ueber-
legeuheit der Auscultation bei. Hierbei bediene er sich gerne des
Kunstgriffes, erst bei gewöhnlicher, dann bei forcirter Athmung
über die Ausdehnungsfähigkeit der Lunge Aufschluss zu be¬
kommen.
Herr V i r c li o w : Die von Kroenig angeführten Abbil¬
dungen B i r c li - H i r s c li f e 1 d’s betreffen nicht die ersten An¬
fänge der Spitzentuberculose; diese sind früher zu suchen in den
s u b miliaren Schleimhauttuberkeln der Bronchien. Diese
ersten Erkrankungen führen aber noch nicht zu Secretbildung und
darum auch nicht zu Kasselgeräuschen. Bacillen können natürlich
erst bei Eintritt von Uleerationen zum Vorschein kommen. Diese
oben von ihm als Anfangsstadium der Tuberculose bezeichueten
Affeetionen werden sich aber wohl durch keine Art von Aus-
eultatiou nach weisen lassen, man wird höchstens den Verdacht
haben, aber keinen Beweis erbringen können.
Herr Kroenig: Es ist selbstverständlich, dass heutzutage
der bacteriologisehe und physikalische Kliniker nicht zu trennen
seien; jedoch gestatte eben die physikalische Untersuchung früher
ein Urtheil. Er könne sich auch nicht auf den Standpunkt
B. F r a e n k e l's und Senate r’s stellen, dass die Auscultation
früher zum Resultat führe; diese ergebe nur Zeichen eines Katar-
rhes, ohne etwas über dessen Natur auszusagen. Man müsse sich
jedoch bei der Percussion der von ihm beschriebenen leisen und
die ganze Lungenspitze umfassenden Percussion bedienen.
Herr Levy-Dorn: Zur Untersuchung der Brust mittels
Röntgenstrahlen.
Da die Röntgendurchleuchtung immer vergrösserte Bilder
ergibt wegen der Differenz der von der Lichtquelle kommenden
Strahlen, so verschiebt man den Körper so, dass die Strahlen
senkrecht auf die Grenze des zu untersuchenden Organs auf¬
fallen und bedient sich Vortr. eines Kunstgriffs, um die Strahlen
auf parallelen Einfall prüfen zu können; er lässt sie durch ein
kleines Röhrchen fallen und prüft, ob das Lichtbild kreisrund
oder verzerrt ist. Dann markirt er mit einem eigens construirten
Stift die Grenzen auf dem Thorax.
Demonstration verschiedener Bilder. Hans ICohn.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Sociötö mödicale des hopitauz.
Sitzung vom 9. Februar 1900.
Ueber die Methoden, welche zur Schätzung der Nierenfunctionen
dienen.
Nachdem schon ln früheren Sitzungen dieses Thema, besonders
in Bezug auf die Anwendung von Methylenblau, ausführlich
besprochen worden war, fasst Vaquez seine Ansicht dahin zu¬
sammen, dass beim gegenwärtigen Stand unseres Wissens keine
Methode sichere prognostische Schlüsse über die Insufttcienz der
Nieren zulässt. Im Allgemeinen kann ja die Urinuntersuchung
und die Methylenblau Verwendung die Undurchgängigkeit der
Nieren erkennen lassen (verminderte Harnstoff- und Salzmenge,
verlangsamte Passage der färbenden Substanz), aber das Fe h 1 en
dieser Reactionserscheiniingen beweist nicht, dass eine Nieren-
insuflicienz vorhanden ist oder in drohender Bälde eintritt. Die
Herabsetzung des Coagulationspimktes des Urins, während der¬
jenige des Serums der gleiche bleibt oder zunimmt, lässt beinahe
mit Sicherheit auf Undurchgängigkeit der Nieren schliessen, das
Fehlen dieser Erscheinung steht aber keineswegs im Gegensatz
zur Insuffieienz. Die Cryoskopie, das Studium der osmotischen
Vorgänge im Nierenparenchym, dürfte nach Va q u e z noch am
ehesten geeignet sein, bei ihrer weiteren Entwicklung unsere
Kenntnisse über die Nephritis und deren verschiedenen Arten zu
fördern.
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482
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 14.
Beruard hat aus der gepflogenen Discussion die Ueber-
zeugung gewonnen, dass man uraemlsclie Symptome beobachten
kann, während die Durchgängigkeit der Nieren nach den ver¬
schiedensten Untersuchungsmethoden sich erhalten zeigt. Es
können dieselben (urnemischen) Symptome bei vorhandener
Insuffieienz oder, wenn die Durchgängigkeit der Niere völlig er¬
halten ist, bestehen. Zwischen Uraemie, Niereuinsufticienz und
-undurchgängigkeit ist also zu unterscheiden und sind diese drei
Begriffe nicht synonym. B. spricht auch den osmotischen Erschei¬
nungen den Werth ab, welchen Vidal und Yaquez bezüglich
der toxischen Kraft des Urins und den Untersuchungen darüber
ihnen beigelegt haben.
In Fortsetzung der Discussion über das (last rin (aus dem
Magensaft des Hundes gewonnen) führt II a y e m aus, dass das¬
selbe ziemlich verschieden vom normalen Magensaft des Hundes
und wegen seiner grösseren Menge an freier Salzsäure als eine
etwas stärkere Salzsäurelösung anzusehen sei. H. wandte das
Mittel bei einigen Kranken an. kann sich aber vorläufig weder für
noch gegen dasselbe aussprechen, da man bei Magenleideu, wenu
sie nach einem Mittel gebessert sind, nie genau sagen könne,
ob die Besserung diesem allein zuzuschreiben sei.
M a t h i e u hält die Anzahl der behandelten Fälle noch für
zu gering für ein abschliesendes Urtheil, I, a u n o i s führt hin¬
gegen einen sehr beweiskräftigen Fall au.
Verschiedenes.
Der neue Entwurf eines Seuchengesetzes.
Der Entwurf des Gesetzes betreffend die B e-
k ä m p f u n g ge m e i n ge f ä li r 1 i ch e r Krankheiten,
der dem Reichstage zugegangen ist. zerfällt in <> Abschnitte. In
dem ersten Abschnitte über die Anzeigepflicht wird bestimmt: § 1.
„Jede Erkrankung und jeder Todesfall an Aussatz (Lepra), Cho¬
lera (asiatischer), Fleckfieber (Flecktyphus). Gelbfieber, Pest
(orientalischer Beulenpest), Pocken (Blattern), sowie jeder Fall,
deY den Verdacht einer dieser Krankheiten erweckt, ist der für den
Aufenthaltsort des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen
Polizeibehörde unverzüglich auzuzeigen. § 2. Zur Anzeige sind
verpflichtet, 1. der zugezogene Arzt, 2. der Haushaltungsvorstand,
3. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten be¬
schäftigte Person, 4. Derjenige, in dessen Wohnung oder Be¬
hausung der Erkraukuugs- oder Todesfall sich ereignet hat, 5. der
Leiehenschauer. Die Verpflichtung der unter No. 2—5 genannten
Personen tritt nur dann ein. wenn ein früher genannter Ver¬
pflichteter nicht vorhanden ist.“ Die Ermittelung der bezeichneten
ansteckenden Krankheiten (Abschnitt 2 des Entwurfes) ist dem
zuständigen beamteten Arzt übertragen, den die Polizeibehörde,
sobald sie von dem Ausbruche oder dem Verdachte des Auftretens
einer der zu meldenden ansteckenden Krankheit Ivenntniss erhält,
zu benachrichtigen hat. Iu Nothfällen kann aber der beamtete
Arzt die Ermittelungen auch vornehmen, ohue dass ihm eine Nach¬
richt der Polizeibehörde zugegaugen ist. Die höhere Verwaltungs¬
behörde kann Ermittelungen über jeden einzelnen Krankheits- oder
Todesfall anordnen. So lange eine solche Anordnung nicht ge¬
troffen ist, sind nach der ersten Feststellung der Krankheit von
dem beamteten Arzt Ermittelungen nur im Einverständnisse mit
der unteren Verwaltungsbehörde und nur Insoweit vorzuuehmen,
als dies erforderlich ist, um die Ausbreitung der Krankheit örtlich
und zeitlich zu verfolgen. Dem beamteten Arzte ist der Zutritt zu
dem Kranken oder zur Leiche und die Vornahme der zu den Er¬
mittelungen über die Krankheit erforderlichen Untersuchungen zu
gestatten. Auch kann bei Cholera-, Gelbfieber- und Pest verdacht
die Oeffnung der Leiche polizeilich angeordnet werden. Der be¬
handelnde Arzt ist berechtigt., den Untersuchungen, insbesondere
auch der Leichenöffnung, beizuwohnen. Bei Gefahr im Verzüge
kann der beamtete Arzt schon vor dem Einschreiten der Polizei¬
behörde die zur Verhütung der Verbreitung der Krankheit er¬
forderlichen Schutzmaassregeln treffen. Aus dem 3. Abschnitte
über die Schutzmaassregeln sind hervorzuheben: § 12. Kranke oder
krankheits- oder austeckungsverdäcktige Personen können einer
Beobachtung unterworfen, auch zu diesem Zwecke, sofern sie ob¬
dachlos und ohne festen Wohnsitz sind, oder berufs- oder gewohn-
heltsmiissig umherziehen, in der Wahl des Aufenthalts oder der
Arbeitsstätte beschränkt werden. § 13. setzt die Meldepflicht für
zureisende Personen, die aus Seuchengegenden kommen, fest. Von
grundlegender Bedeutung ist § 14. der lautet: Für Kranke und
krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen kann eine Ab¬
sonderung angeordnet werden. Die Absonderung kranker Personen
hat derart zu erfolgen, dass der Kranke mit anderen als den zu
seiner Behandlung und Pflege bestimmten Personen nicht in Be¬
rührung kommt und eine Verbreitung der Krankheit thunlichst
ausgeschlossen ist. Werden auf Erfordern der Polizeibehörde in
der Behausung des Kranken die zu diesem Zwecke nothwendigen
Einrichtungen nicht getroffen, so kann, falls der beamtete Arzt
es für unerlässlich und ohne Schädigung des Kranken für zulässig
erklärt, die Ueberführung des Kranken in ein Krankenhaus oder
in einen anderen geeigneten Unterkunftsraum ungeordnet werden.
Dasselbe gilt, wenn die Absonderung nach dem Gutachten des
beamteten Arztes in anderer Weise nicht durchführbar ist. Woh¬
nungen oder Häuser, in welchen erkrankte Personen sich befinden,
können kenntlich gemacht werden. In § 18 und § 19 wird fest¬
gestellt. dass im Interesse der Bekämpfung ansteckender Krank¬
heiten die Räumung von Wohnungen und Gebäuden und die Des-
infection von Gegenständen und Räumen angeordnet werden darf,
die zuständige Landesbehörde kann die Gemeinden und im Falle
iiirer Leistungsunfühigkeit die weiteren Communalverbände dazu
anlialten, diejenigen Einrichtungen, die zur Bekämpfung der ge¬
meingefährlichen Krankheiten nothwendig sind, zu treffen. Die
Aufbringung der erforderlichen Kosten regelt sich nach dem
Landesrecht. Von grundlegender Bedeutung ist § 28 über Ent¬
schädigungen. Er lautet: Für Gegenstände, die in Folge einer
u»ch Maassgabe des Gesetzes polizeilich angeordneten oder über¬
wachten Desinfeetion derart beschädigt worden sind, dass sie zu
ihrem bestimmuugsmässigen Gebrauch nicht mehr verwendet
werden können oder welche auf polizeiliche Anordnung vernichtet
worden sind . . ., ist auf Antrag Entschädigung zu gewähren. Aus
den „Allgemeinen Vorschriften“ sind hervorzulieben: „§ 34. Die
dem allgemeinen Gebrauche dienenden Einrichtungen für Ver¬
sorgung mit Trink- oder Wirthschaftswasser und für Fortschaffung
der Abfallstoffe sind fortlaufend durch staatliche Beamte zu über¬
wachen. Die Gemeinden sind verpflichtet, für die Beseitigung der
Vorgefundenen gesundheitsgefährlichen Missstiinde Sorge zu
tragen. Sie können zur Herstellung von Einrichtungen der im
Absatz 1 bezeichneten Art, sofern dieselben zum Schutze gegen
übertragbare Krankheiten erforderlich sind, jederzeit angehalten
werden. Das Verfahren, in welchem über die hiernach gegen die
Gemeinden zulässigen Anordnungen zu entscheiden ist, richtet sich
nach Landesrecht. § 35. Beamtete Aerzte im Sinne dieses Gesetzes
sind Aerzte, welche vom Staate angestellt sind oder deren Anstel¬
lung mit Zustimmung des Staates erfolgt ist. An Stelle der be¬
amteten Aerzte können im Falle ihrer Behinderung oder aus
sonstigen dringenden Gründen andere Aerzte zugezogen werden.
§ 30. Die Anordnung und Leitung der Abwehr- und Unter-
drückungsmaassregelu liegt den Landesregierungen und deren Or¬
ganen ob.“ Die Hauptmeldestelle für ansteckende Krankheiten
ist das kaiserliche Gesundheitsamt, bei dem ein Reichsgesundheits-
ratli neu eingerichtet wird. Den Schluss des Entwurfes bilden
die Straf Vorschriften. (Voss. Ztg.)
Aus den Parlamenten.
Am 28. März d. J. wuir im Wirthschaftsausscliusse
der bayerischen Abgeordnetenkammer der Antrag
auf Abminderung der Unfall rentelasten zur Dis¬
cussion gestellt. Referent Karl S c h m i d beantragte Uebergang
zur Tagesordnung, Convfereilt Dr. Hauber beantragte Ab¬
wertung der Unfallrente u n t e r 20 Proc. Im Laufe der lebhaften
Discussion beantragte ferner Abgeordneter Geiger eine strengere
Coutrole und Abgeordneter Aichbicliler Uebernahme der Voll¬
rentequote auf das Invalidenversicherungsgesetz, bezw. dessen Ver-
siclierungseasse.
Correferent Dr. Hauber trat energisch den theils offenen,
theils verblümten Angriffen gegen die Aerzte entgegen. Br be¬
gründete seinen Antrag damit, dass 50 Proc. aller Unfallrenten-
bezügler auf die Rente unter 20 Proc. entfallen, dass somit eine
wesentliche Erleichterung für die zahlende Lnndwirthscliaft nur
durch eine derartig eingreifende Maassregel überhaupt gegeben
werden könne. Zudem träfe die Rente unter 20 Proc. nur jene Be¬
schädigte, Tvelche ihre Rechte mehr auf anatomische Defecte als
wirkliche Arbeitsfähigkeitsbeeinträchtigung gründen können. That-
sächlich sehen wir ja derelassige Rentenbezügler ebenso arbeiten,
als wenn ihnen überhaupt nichts fehle.
Ein weiterer Debattegegenstand, die Entschädigung der
Kinder, wurde wohlwollend behandelt. Viele ärmere Leute
brauchen ihre Kinder als Hirten, Kartoffelerntearbeiter, Aehren-
leser etc. und es w f ürde hier als der Intention des Gesetzes zuwider
erklärt werden müssen, wenn von einer Entschädigung Abstand
genommen würde, olnvolil diese eine nicht unerhebliche dauernde
Belastung der Unfallcasse bewirken.
Es wutrden vorläufig defiuitive w r eitergeheude Beschlüsse nicht
gefasst, da die zu erwartende Gesetzesnovelle die Versicherungs¬
pflicht eher ausdehnen als einschränken will.
Therapeutische Notizen.
Zur Behandlung der Epilepsie. Dr. Kothe in
Friedrichsroda fasst am Schlüsse einer Arbeit im Neurol. Centralbl.
No. 6 seine Methode der Epilepsiebehandlung in folgende Sätze zu¬
sammen:
Ich behandle jetzt jeden Epilepsiefall, gleichgiltig ob frisch
oder veraltet, ob leicht oder schwer erscheinend, von vornherein
mit einer mehrwöchigen Bettruhe, w r elche nur ein-, höchstens
zweimal wöchentlich durch ein kurzdauerndes lauw r armes Bad
unterbrochen werden darf. Selbstverständlich muss das hygienisch¬
diätetische Regime streng geordnet sein. Medicamente lasse ich
Anfangs gar nicht nehmen, erst nach Ablauf mehrerer Wochen,
am passendsten im Anschluss an einen Anfall und unter mindestens
einwöchiger Fortdauer der Bettruhe setze ich mit der Brom- bezw.
Bromipinbehandlung ein. Ich beginne mit 15 g Bromipin, zumeist
rectal injicirt, und steige innerhalb 6—7 Wochen auf 30, selbst 40 g,
aber immer nur bis zu jener Dosis, welche genügt, um die Convul-
sionen und etwaige psychische Aequivalente zum Verschwunden
zu bringen. Auf dieser Höhe bleibe ich dann mindestens 2—3
Wochen stehen, um dann in den nächsten 6—7 Wochen zur ur¬
sprünglichen Dosis zurückzukehren. Diesen ungefähr viertel¬
jährigen Turnus, den ich aber durchaus nicht als unabänderliche
Regel hinstellen will, lasse ich je nach dem Fall verschieden oft
wiederholen, aber ohne die einleitende mehrwöchige Bettruhe. Auf
diese Weise habe ich Erfolge erzielt, welche ich früher nicht ge¬
kannt habe. Ob das Bromipin, speciell In der von mir bevorzugten
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3. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 483
Form der rectalen Injection, daran einen wesentlichen Antheil hat
und ob dasselbe wirklich den Vorzug vor den auderen Bromverbin¬
dungen hat, den ich nach den kurzen Erfahrungen glaube annehmen
zu dürfen, das müssen erst weitere Versuche lehren. Der Haupt¬
werth jeder Epilepsiebehandlung liegt meines Erachtens in der
ganzen strengen Methode und ln der genügend langen Dauer der
Behandlung.
Ichthoform bei Darmtu berculose. Nach den
Mittheilungen von F. S c h H f e r - München erweist sich das
Ichthoform in der Dosis von 0,5—2,0, dreimal täglich intern
verabreicht, als das beste und bisher einzige Mittel, die mit der
Darmtuberculose verbundenen Diarrhoi*eu und den Stulilzwang zu
sistiren. Giftige Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Die Wir¬
kung des Präparates beruht nach Aufrecht- Berlin in der in
Statu nascendi entstehenden Abspaltung vou Formaldehyd. Be¬
richt über acht Fälle eigener Beobachtung. (Therapeutische Bei
läge No. 2 der Deutsch, med. Wochenschr.) F. L.
Als Ersatz für Bromkali empfehlen Tischer und B e d d i e s
(Allg. med. Centralzeitung 1809. No. 85) die Bromeiweissverbin¬
dungen, Bromeigone, welche von der chemischen Fabrik
Helfenberg nach dem von Dieterich angegebenen Ver¬
fahren hergestellt werden. Sie behandelten mit den Präparaten
Falle von Epilepsie, Neuralgie. Neurasthenie, Sclilnfloslgkeit etc.
Es zeigte» sich 0,12 Br in 1.0 Bromeigon physiologisch und thera¬
peutisch höherwerthig als 0.38 Br in 0.5 Bromkalium. Bromakne,
Rromsclinupfen, Bromexautheme wurden nicht beobachtet, ln
den Handel kommen ein wasserlösliches Bromeigon und ein lös¬
liches Pepto-Bromeigon ,die am besten in Tablettenform (zu 0,1.
0,5 u. 1,0) in denselben Dosen wie die Bromalkalieu gegeben
werden. Ausserdem stellt die Fabrik noch einen Liqu. Ferro-
Mnngani bromo-peptonnti mit 0,0 Proc. Fe, 0,1 Proc. Mn und
0.1 Proc. Br her. K. S.
Die von Dieterich hergesteliteu Jod- Eigone sind Jod-
eiweissverbinditngeu. die das Jod f e s t gebunden enthalten und
eine b e s t i m in t c» Menge Jod gebunden haben. Zur äusserlichen
Verwendung als Wundstreupulver gelangt das « -Eigon, ein stark
antipyretisches Pulver, das schnell reinigend und desodorirend
wirkt und in jeilet - Hinsicht dem Jodoform vorzuziehen ist. Als
Ersatzmittel für Jodkalium bezw. Jodnutrium oder -Ammonium
werden zwei Präparate hergestellt, das » -Eigonnatrium (Natrium
jüdoalbuminatum) und J-Eigon (Pepton jodatum). Dies. Iben
führten zu denselben Heilerfolgen wie das Jodkalium bei Syphilis
und Skrophulose, ohne die unangenehmen und störenden Erschei¬
nungen des Jodismus hervorzurufen. (Chrzelitze r: Feber
die therap. Anwendung der Eigone. Monatsh. f. prakt. Derma¬
tologie 1899.) K. S.
Gegen Affeetionen der Nasenschleimliüute, hochgradigen
Schnupfen, Ozaena empfehlen Tischer und B cd di es als
speeifisch wirksames Mittel eine Mischung von
Bromeigon
50.0
Jodeigon
5.0
Amyliim
50,0
Natr. bicarb.
5,0.
(Allg. med. Centralzeitung 1800, No. 85.) R. 8.
Tagesgeschichtliche Notizen.
M ü nchen/ r 3. April 1900.
— Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die
Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten,
ist dem Keichstag jetzt zugegangen. Derselbe soll sofort nach den
Osterferien zur Berathung kommen. Wir tlieilen weiter oben den
wichtigsten Inhalt des Entwurfs mit. Derselbe unterscheidet sich
von dem Entwurf des Jahres 1893 (Beilage zu No. 7, 1893 d. W.)
vor Allem dadurch, dass Erkrankungen an Darmtyphus, Diph¬
therie, Rückfallfieber, Ruhr und Scharlach nicht anzeigepflichtig
sein sollen. Der Entwurf beschränkt sich vielmehr auf Cholera,
Flecktyphus, Gelbfieber. Pest und Pocken. Es entspricht dies den
Beschlüssen des Geschäftsausschiisses des Deutschen Aerztevereins-
bundes vom 5. März 1893 (d. W. 1893. No. 10); für weitere Krank¬
heiten Bestimmungen zu treffen, soll den Landesbehörden Vor¬
behalten bleiben. Den genannten Beschlüssen entspricht cs ferner,
dass nur eine einfache Anzeige (an die Ortspolizeibehörde, nicht
auch eine solche an den Amtsarzt) stati zu finden hat. Andere
Wünsche der Aerzte sind dagegen unberücksichtigt geblieben, so
der, dass Curpfusclier nicht zur Anzeige verpflichtet werden sollen
und vor Allem der, dass ein derartiges Gesetz einer eingehenden
Berathung durch die ärztliche Stiudesvortretung unterstellt werde.
— Die Verordnung, den Vollzug des I m p f g e s e t z e s
betreffend, die wir in No. 12 zum Abdruck gebracht haben, scheint,
wie wir aus verschiedenen Zuschriften ersehen, die bayerischen
Aerzte in hohem Grade zu erregen. Es wird geradezu als eine
Kränkung empfunden, dass Aerzte, die seit Jahren geimpft haben,
nun noch den Nachweis erbringen sollen, dass sie ..mindestens
zwei öffentlichen Impfungs- und ebenso vielen Wiederimpfungs¬
term Inen beigewohnt und sich die erforderlichen Kenntnisse über
Gewinnung und Erhaltung der Lymphe erworben haben". Wie wir
schon in No. 12 bemerkt haben, beruht die genannte Verordnung
auf Bundesratlisbeschluss (vom 28. Juni 1899): wie wii nun aber
aus dem Vergleich mit deu entsprechenden Verordnungen anderer
Bundesstaaten ersehen, scheint gerade die beanstandete, für die
Aerzte so lästige Bestimmung eine bayerische Eigenthümlichkeit
zu bildou. Der preussische Ministerinlerlass vom 28. Februar ent¬
hält lediglich die Bestimmung: „Auch die Impfungen der Privat-
- Digitizedby Google
iirzte sind je nach Bedürfnis» der Revision zu unterwerfen, insofern
sie nicht von deu Privatärzten in ihrer Eigenschaft als Hausärzte
in den Familien ausgeführt werden. Es wird sich dabei im Wesent¬
lichen um die in öffentlich ausgeschriebenen Terminen vorge-
nouimeuen Impfungen handeln". Und die uns ebenfalls vor¬
liegende Hamburger Vorschrift enthält überhaupt nichts von Con-
trolmaassregcln gegenüber den praktischen Aerztcu. Unter diesen
Umständen ist die Missstimmung unter den bayerischen Aerzten
allerdings begreiflich und cs ist die Frage berechtigt, aus welchem
Grunde dieselben schlechter gestellt wurden als ihre Collegen im
Reich.
Der Preis, zu welchem Lymphe aus königi. Anstalten an
Aerzte abgegeben wird, wird durch den preussischen Erlass vom
28. Februar auf 20 Pfg. für eine zu einer Einzelimpfuiig und 00 Pfg.
für eine zu 5 Impfungen ausreichende Menge festgesetzt; in den
Apotheken beträgt der Preis 30 I*fg.. bezw. 1 M. Auch hier Ist ein
wesentlicher Unterschied zu Ungunsten unserer bayerischen Ver¬
hältnisse (Preis für die Einzelportion 1 M.) auffallend.
— Feber die W a li 1 b e r e c li t i g u n g der p r e u s s.
S a n i t ii t s o f f i c i e r e Jl 1 a suite iles Sauitätscorps
gegenüber den Aerzteknmmern ist jetzt eine Entscheidung des
Kriegsininisters erfolgt, die dadurch hervorgerufen wurde, dass
Zweifel darüber entstanden waren, ob Geh.-R:ith v. Bergmann,
der Generalarzt ü la suite des Sanitätscorps ist, in die Aerzte-
kammer eintreten könne. Der Kriegsminister hat entschieden,
dass die Wahl Prof. v. Bergmann'» zulässig Ist, und dass ins¬
gemein Aerzte, die als Universitätslehrer oder Privatärzte thätig
sind und daneben il la suite des Sauitätsofticiereorps gestellt sind,
in Hinsicht auf die aetive und passive Wahlberechtigung zur
Aerztekammer nicht als „Militär- und Marineärzte“ im Sinne der
Verordnung von 1899 nnzusehen sind, und desslialb sowohl wahl¬
berechtigt als auch wählbar sind. Es ergibt sich daraus noch die
weitere Folgerung, dass die Sauitätsofttciere ä la suite des Sanitiits-
officiercorps, soweit sie an erster Stelle als Privatärzte thätig sind,
im Gegensätze zu den übrigen Militär- und Mariueärzteu auch von
der Zuständigkeit der staatlichen Ehrengerichte für Aerzte nicht
ausgenommen sind.
— Um über die Verbreitung der Geschlechtskranke
li e i t e u in Preusseu einen Uebcrblick zu gewinnen, wird vom
Cultusministerium mit Unterstützung der Aerztekammem eine
Umfrage bei den Aerzten in Preussen veranstaltet. Es soll fest-
gestellt werden, wie viele mit derlei Krankheiten behaftete Per¬
sonell an einem bestimmten Tage — gewählt ist dafür der 30. April
— sich in ärzlicher Behandlung befinden. Es wird für die Auf¬
nahme eine kurz und dabei übersichtlich gehaltene Zählkarte ver¬
schickt. auf der vou den Aerzteu im ergiebigsten Falle acht Zahlen
zu vermerken sind. Verschickt werden die Zählkarten von deu
Vorsitzenden der einzelnen Aerztekammem, an die auch die Karten
am 1. Mai znrückgesandt werden sollen.
- Der verstorbene Krcismedieinalratli Dr. Aul) hat dem
Verein zur Unterstützung invalider, hilfsbedürftiger Aerzte in
Bayern ein Legat von 10 000 M. vermacht.
— I»er Vorstand der Deutschen Heilstätte f ii r
minderbemittelte Lungenkranke in Davos ver¬
sendet den Bericht über seine Thätigkeit im Jahre 1899. Dem
Baufonds wurden Fr. 90 375, dem Freibetteufonds Fr. 173 zugefügt;
der ersten 1 beträgt jetzt Fr. 311312, der letztem Fr. 120 890. Ein
landschaftlich bevorzugter Bauplatz, auf geschütztem, sounen-
reicliem. zum grössten Theil vou dichtem Nadelwald bestandenem
Gelände gelegen.wurde erworben und am 22. October auf dem¬
selben der Grundstein gelegt. Wie sehr die Heilstätte einem Be¬
dürfnisse entspricht, beweist die grosse Zahl vou minderbemittelten
Reichsdeutschen, die Davos alljährlich zur Wiederherstellung Ihrer
Gesundheit aufsuchen. Der internationale Hilfsverein in Davos
hatte im Jahre 1897 Reichsdeutsche mit Fr. 11000 lind im Jahre
1898 mit Fr. 9190 zu unterstützen. Leider fehlt noch eine be¬
deutende Summe — Fr. 90 000 — zur Vollendung des Baues und
zur Beschaffung der inneren Einrichtung. Möge der Appell, den der
Vorstand von Neuem au den Wohlthätigkeitsslun aller Freunde
der Anstalt richtet, auf fruchtbaren Boden fallen!
— Pest. Argentinien. Vom 8. bis 15. Februar sind in Rosario
angeblich 2 Fälle von Pest und ein verdächtiger Erkrankuugsfall
beobachtet worden. — Paraguay. Vom 2-1. Januar bis zum
2. Februar wurden in Asuncion nach Angabe des dortigen Natioual-
gosundheitsraths noch 5 Erkrankungen (die letzte am 1. Februar)
und 4 Todesfälle an der IVst (der letzte am 30. Januar) beobachtet.
— In der 11. Jahreswoche vom 11.—17. März 1900 hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Freiburg i. B. mit 30.2, die geringste Cottbus mit 11,3 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Diphtherie und Croup in Köuigsliütte.
— Den Theilnehmom am Congress zur Bekämpfung der Tuber-
culose in Neapel wird auf den italienischen Eisenbahnen eine Fahr-
preisormässigung von 30—50 Proc. (je nach der Entfernung) eiu-
geriiumt werden. Ebenso wird freier Eintritt in die Museen von
Neapel, in Pompei und Ilerculanum. sowie Gelegenheit zu freier
Fahrt nach Pompei lind auf dem Golf gewährt werden. Um die
zur Erlangung der Vergünstigungen nöthigeii Dociimente recht¬
zeitig zu erhalten, ist die Beitrittserklärung, sowie der Mitglieds¬
beitrag von 20 Lin» baldigst dem Secretär des Comltö, Professor
Alfredo Rubino (klinisches Hospital Neapel) einzusenden.
— Zu den zahlreichen Congresseu. die gelegentlich der Welt¬
ausstellung in Paris siattiindeu. tritt noeh ein ..internationaler Con¬
gress für medieinisehe Elektrologie und Radiologie“. Derselbe
wird von der französiehen Gesellschaft für Elektrotherapie organi-
sirt und soll vom 27. Juli bis 1. August stattfinden.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
484
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
— In Rad Krankenhell-Tölz wurde eine neue jod- und
schwefelwasserstoffhaltige Quelle erbolirt. — In Rad Nauheim
haben die Remiihungeii um Erschliessung einer neuen Soolquelle zu
dem glücklichen Resultat der Auffindung eines neuen, sehr reichen
Sprudels geführt.
(H o c h s c h u 1 n a c h richte n.)
Heidelberg. Die philosophische Facultiit In Göttingen
hat den alle 2 Jahre zur Vertheiluug gelangenden Hamburger Preis
der Vahlbruchstiftung (12 000 M.). welcher für die beste natur¬
wissenschaftliche Arbeit bestimmt ist, diesmal Herrn Geh. Rath
Prof. Dr. Karl Gegen baut* von unserer Universität zuerkannt,
und zwar für eine Abhandlung über vergleichende Anatomie.
(Todesfall e.)
Am 31. v. Mts. verschied in Wien der Mitbegründer der
wissenschaftlichen Ohrenheilkunde, der berühmte Ohrenarzt Prof.
Dr. Joseph G r u b e r. im Alter von 73 Jahren. Nebst zahllosen fach-
wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte Gr über ein Lehr¬
buch der Ohrenheilkunde, welches in mehrere Sprachen übersetzt
wurde. Seine praktischen Ourse waren, zumal von ausländischen
Aerzten, stark frequentirt. Als er von der Leitung der otiatrischen
Klinik zurücktrat, behielt er im Allgemeinen Kraukenhause noch
ein Ambulatorium, welches Tausenden von armen Kranken Hilfe
bot. Professor G r u b e r war auch ein wohlwollender Collega
und ein überaus woliltliiitiger Mensch. In ihm verliert die Facultät
einen Lehrer, der ihren Weltruf mitbegründen half.
In Wien starb, 00 Jahre alt, der Professor der Chirurgie, Hof-
rath Dr. H o f m o k 1.
Dr. M. H. Saxtorph, früher Professor der chirurgischen
Klinik zu Kopenhagen.
Dr. ,T. A. M urphy, früher Professor der Medicin am Miami
Medical College zu Cincinnati.
Dr. A. Murillo, Dccan der mediciuisehon Facultät zu
Sautagio in Chile.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 12. Jahreswoche vom 18. bis 24. März 1900.
Betheil. Aerzte 285. — Brechdurchfall (5 (13*), Diphtherie,
Croup 18 (11), Erysipelas 15 (20), Intermittens, Neuralgia interm.
2 (2), Kindbettfieber 2 (1), Meningitis cerebrospin — (—•), Morbilli
213 (257), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 2 (2), Parotitis epidem.
5 (6), Pnetimonia crouposa 16 (11), Pyaemie, Septikaemie — (—),
Rheumatismus art. ac. 42 (24), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
12 (5), Tussis convulsiva 11 (10), Typhus abdominalis — (2),
Varicellen 12 (3), Variola, VarioTois — (—). Summa 356 (367).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Mülle r.
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoclu*.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Scheppach (nicht Schupp ach.
s. No. 13) in München. Dr. Xaver Gründling in Landstuhl.
Verzogen: Dr. Perl m litte r von Bayreuth nach München.
Dr. Luxenhofer von Wittersheim nach Walsheiiu. Dr.
E b n e r von Altenglan.
Befördert: zum Generalarzt (überzählig) der Generaloberarzt
Dr. Schlichting (1), Divisionsarzt der 5. Division; zu General¬
oberärzten (überzählig) die Oberstabsärzte 1. Classe und Regiments¬
ärzte Dr. Ilelferich im 1. Inf.-Reg., Dr. Dessauer im 3. Inf.-
Reg., Dr. Leitenstorfer im 4. Inf.-Reg. und Dr. Schiller
im 3. Fekl-Art.-Reg.; zu Oberstabsärzten 1. Classe (überzählig) der
Oberstabsarzt 2. Classe Dr. Hofbauer der Commandantur
Nürnberg, die Oberstabsärzte 2. Classe und Regimeutsärzte Dr.
F r u t h im 2. Inf.-Reg.. Dr. K r a in p f im 6. Inf.-Reg., Dr. S ö n -
ning im 9. Inf.-Reg. und Dr. II e ring im 2. Schweren Reiter-
Reg.; zu Stabsärzten die Oberärzte Dr. Schuster la suite des
Sanitätscorps und Dr. Lalble im 1. Train-Bataillon; zu Ober¬
ärzten (überzählig) die Assistenzärzte Dr. Zapf im 3. Inf.-Reg.,
Dr. Sy mens im 8. Inf.-Reg., Dr. Boy im 12. Inf.-Reg., Dr.
Klio 11 im 13. Inf.-Reg., Bodensteiner im 1. Feld-Art.-Reg..
Dr. Kapfer im 4. Feld-Art.-Reg. und Dr. M a y e r Im 2. Tmin-
Bataillon: zum Assistenzarzt der Unterarzt Dr. Franz Müller
vom 18. Inf.-Reg. im 4. Inf.-Reg.
Abschied bewilligt: im Beurlaubtenstande: dem Assistenzarzt
Baptist Noder der Reserve (I. München) behufs Uebertrltts in
die Kaiserliche Marine.
Ein Patent des Dienstgrades verliehen: dem Generalarzt Dr.
Bestelmeyer (2), Chef der Medicinalabtheilung im Kriegs¬
ministerium.
Gestorben: Hermann Ilaug, appr. Arzt in Lindau.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 12. Jahreswoche vom 18. bis 24. März 1900.
Be Völkern ngszahl: 463 000
Todesursachen: Masern 26 (13*), Scharlach 1 (—), Diphtherie
und Croup 2 (5), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 1 (2), Unterleibstyphus
1 (1), Keuchhusten — (—■), Croupöse Lungenentzündung 1 (—),
Tuberculose a) der Lungen 29 (31), b) der übrigen Organe 6 (6),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—■), andere übertragbare Krank¬
heiten 5 (9), Unglücksfälle 2 (1), Selbstmord 1 (1), Tod durch
fremde Hand —- (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 235 (218), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 26,4 (24,5), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 16,1 (18,0).
Morbiditäts-Statistik der Infections-Krankheiten im Königreiche Bayern im Jahre 1899')
a) nach Regierungsbezirken.
Regierungs¬
bezirke
Brech¬
durchfall
Diphtherie,
Croup
Erysipelas
Interm.,
Neur. interm.
Kindbetttleber
Meuingitis-
cerebrospin.
Morbilli
Ophthal.
Blenn. neon.
Parotitis
epidemica
Pneumonla
crouposa
Pyaemie,
Septicaemie
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abdominalis
Varicellen
Variola,
Variolois
Summe
Durchschnitt¬
liche Zahl dei
berichtenden
Aerzte
Zahl der Aerzt
überhaupt
Bevölkerung
nach der
Zählung von
189.)
Oberbayern . .
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2 299
1 625
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19
1 954
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1 »«86
3 195
66
2 «41
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665
2 083
151
1 103
1
2)397
514
851 1186 950
Niederbtyern .
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196
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26
181
2 263
37
821
12
160
327
121
115
1
7 288
110
180 673 523
Pfalz
2 217
1 201
561
95
97
14
2 305
55
133
2 743
35
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14
160
836
321
242
—
11 883
133
287 765 991
Oberpfalz
1 096
700
413
93
45
8
232
21
247
1 718
29
816
7
665
800
76
164
—
7 029
86
155 546 *34
Oberfranken
1 250
1 672
539
54
45
14
2 028
13
196
2 162
32
699
8
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Mittel franken .
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Schwaben
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8 030
2 400
135
13
4 446
903
10 327
2 716
1 697
337
3 640
1 436
3
96 376
26 787
7 62
Frühling 4 )
I89J
! 2 223
2 466
t 540 |
376
143
48
2 056
161
793
7 762
:5
2 904
31
830
2 186
199
786
3
24 6*4 1
6 832
**C & N £
Sommer 8 )
7 144
1 640
l 304
226
120
25
4 281
136
542
3 643
77
2 061
35
701
2 000
253
399
24 6*5
8 707
ZZk-xZE
Herbst 8 ) J
j 3 H10
2 868
t 335 1
200 j
141
25
10 375
138
331
3 3r8
68
1 824
10
791
1 307
400
461
2
27 481
9 931 i
er (TZ'«'*'
*) Zusammenstellung der von den Amts- und praktischen Aerzten dem K. Statistischen Bureau monatlich angezeigten ärztlich behandelten Erkr&nkungsfAlle
mit Berücksichtigung von Nachträgen und bezw Berichtigungen, welche wegen verspäteter Anmeldung in den Monatsübersiehten keine Aufnahme mehr finden konnten.
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Verlag von F. Lehmann in München. — Druck von E Mühlthaler’s Bach- und Kuas'druckerel AG., München.
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Verlag von J. F. L
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p!e Münch. Med. Wocheuschr. erscheint wöehentl.
in Nummern von durchschnittlich 4—5 Bogen.
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ins Ansland 7.50 JL Einzelne No. 60 -f.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressiren: jPtir die ltednnloü
Ottosira«se 1. - Für Abonnement an J. F Leh¬
mann. Fleustrasse 20. - Für Inserate und Bellacren
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MEDICOTSCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
llcrausgegcbcn von
Ch. Signier, 0. Bolliiger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. r. Helneke, G. Merkel, J. i. Michel, H.». Ranke, F. t. Wlnckel, H, r. Zlenssen,
Freiburg i. B. München. ^ Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
Ai 15. 10. April 1900.
ßedaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
»Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Die neuesten Kriegserfahrüngen über die Gewehr¬
schusswunden.
Von Prof. Dr. v. Bruns.
Schon seit dom Jahre 1888 hat sich die Einführung der
kleinkaliberigen Armeegewehre in fast allen Heeren der
europäischen und aussereuropiiischen Staaten vollzogen, und
noch immer hat es an Kriegserfahrüngen mit der neuen
Waffe gefehlt. Denn aus den Kriegen des letzten Jahr¬
zehnts, in welchen kleinkaliberige Gewehre zur Verwendung
kamen, sind keine authentischen kriegschirurgischen Be¬
richte geliefert worden, wie aus dem chilenischen Bürgerkriege,
dom spanisch-amerikanischen Kriege, dem englischen Sudanfeld-
znge, während in dem japanisch-chinesischen und griechisch¬
türkischen Kriege die kleinkalibcrigen Gewehre wenig Ver¬
wendung gefunden haben.
War unsere Kenntniss über die Wirkung der modernen
Handfeuerwaffen also bisher lediglich auf die Sehiessversuche
gegen menschliche Leichen und lebende Thiere begründet, so
mussten wir mit Spannung einem Kriege entgegensehen, welcher
die Bestätigung oder Widerlegung jener experimentellen Ergeb¬
nisse liefern konnte. Meine Versuche aus dem Jahre 1889 haben
zu dem Resultate geführt, dass die kleinkaliberigen Mantel¬
geschosse im Vergleich zu den früheren Bleigeschossen eine ge¬
ringere Sprengwirkung auf weisen und einen engeren Sehuss-
eanal, sowie kleinere Ein- und Ausschussöffnungen bewirken,
so dass die Wunden eher den subcutanen Charakter wahren und
glatt zur Heilung gelangen können. Hieraus ergab sich, dass trotz
der enormen Vervollkommnung der Waffe ihre Wirkung auf den
menschlichen Körper nicht entsprechend verderblicher, sondern
im Gegentheil weniger grausam geworden war. In diesem Sinne
habe ich für die Kleinkalibergewehre die Bezeichnung „humane“
Waffe gebraucht, eine Bezeichnung, welche vielfach Anfechtung
und Widerspruch erfahren hat. Der Grund hiefür scheint mir
wesentlich darin zu liegen, dass viel zu ausschliesslich die Schuss-
verletzungen der compacten Knochen mit ihrer ausgedehnten
Splitterung in Betracht gezogen wurden, während doch die harm¬
losen Weichtheilschüsso an Zahl weit überwiegen. Selbst die im
Grossen angestellten Untersuchungen des Kgl. preuss. Kriegs¬
ministeriums durch v. C o 1 e r und Sch jerning haben zu dem
Resultate geführt, dass „die Ansicht von dem humanen neuen
Geschosse unwiderbringlich verloren sein muss“.
Es ist desshalb im Sinne der Menschlichkeit freudig zu be-
grüssen, dass die Erfahrungen in dem gegenwärtigen südafri¬
kanischen Kriege den humanen Charakter der klein-
kaliberigen Vollmantelgeschosse endgiltig
bestätigt haben. In diesem Urtheile stimmen alle ärzt¬
lichen Berichte vom Kriegsschauplätze überein, ja sie geben
sogar dem Erstaunen über die unerwartet günstige Beschaffen¬
heit der Schusswunden lebhaften Ausdruck. Wird doch die Wir¬
kung der Mausergeschosse von den englischen Aerzten als „wirk¬
lich human“, ja sogar als „human im Extrem“ bezeichnet.
Es sei hier daran erinnert, dass die Buren mit dem Mauser¬
gewehr (von 7 mm Kaliber) und Vollmantelgeschossen bewaffnet
sind, die Engländer mit dem Lee-Metford-Gewehr von 7,7 mm
Kaliber und Patronen Muster II mit Kupfernickelvollmantel¬
geschoss. Nur die ersten nach Südafrika verschifften englischen
Divisionen waren mit Patronen Musteir IV und V versehen, also
No. 15. VjÖ
mit den von mir sogenannten Hohlspitzengeschossen, deren grau¬
same Wirkung ich durch Schiessversuche auf menschliche Lei¬
chen und ein lebendes Pferd nachgewiesen habe. 1 )
Von grösstem Belang sind die Berichte der englischen Chi¬
rurgen Sir William MacCormac, Watson Cheyne,
und T r e v e s, welche als consultirende Chirurgen auf dem
Kriegsschauplätze wirken. Namentlich darf MacCormac)
als classischer Zeuge gelten, der auch während des deutsch-fran¬
zösischen Krieges 1870—71 auf dem Kriegsschauplätze thätig
war. Er schreibt: „Man ist geradezu verblüfft über die verhält-
nissinässige Harmlosigkeit der Verwundungen durch die Mauser¬
geschosse im Vergleich zu den schweren Verletzungen, die man
bei den Zündnadelgewehren und den Chassepots zu sehen gewohnt
war. Wer diese letzteren einigermaassen kennt, dem erscheinen
manche Wunden durch Mausergeschosse fast wie Nadelstiche....
Die Verletzten, welche ich nur wenige Stunden nach ihrer Ver¬
wundung sah, zeigten sämmtlich Wunden mit kleiner Ein- und
Aussohussöffnung. Dieselben waren fast alle spontan verklebt
und bluteten nicht. Es ist erstaunlich, wie rasch die Wunden
heilen oder unter dem Schorf sieh schliessen.Wenn ich die
Verwundeten 8—10 Tage nach der Verwundung sah, waren sie
zum grossen Theil geheilt... ln der That hat eine recht grosse
Zahl der Verwundeten den Dienst wieder angetreten und eine
Anzahl Verwundeter, die ich sah, war zum zweiten Mal bei
einem neuen Treffen verwundet.“
In demselben Sinne spricht sich T r e v e s 8 ) aus: „Das
Mausergesehoss ist wirklich gutartig; auf 1500—2000 Yards
dringt es wie eine Nadel auch durch Knochen ohne Splitterung
hindurch. Auf nahe Entfernungen bis 500 Yards zersplittert es
die Röhrenknochen. Wegen dieser Verletzungen durch
Mausergeschosse sind Amputationen verhältnissmüssig sehr selten
aiisgeführt worden.“
Von besonderem Interesse sind die Erfahrungen über die
Brust- und Bauchschüsse. In voller Uebereinstimmung wird der
günstige Verlauf der Brustschüs'se immer wieder hervor¬
gehoben. „Was mir unauslöschliches Erstaunen verursacht,
schreibt MacCormac, sind die zahlreichen Lungenschüsse,
in vielen Fällen beide Lungen durchsetzend, welche oft gar keine
Erscheinungen oder nur unbedeutenden Bluthusten veranlassen.“
Auch die Prognose der Bauchschüsse hat sich viel
günstiger herausgestellt, als man bisher annahm, indem
man das einzige Heil derselben in der möglichst früh¬
zeitigen Laparotomie sehen zu müssen glaubte. Haben
doch v. C o 1 e r und Sch jerning die Befürchtung aus¬
gesprochen, „dass die durchbohrenden Bauchschüsse im Zukunfts¬
kriege bedeutende Opfer, vielleicht mehr als früher, fordern
werden, wenn es nicht gelingt, durch möglichst frühzeitige La¬
parotomie einzelne dieser Schwerverwundeten dem Leben zu er¬
halten“.
MacCormac und T r e v c s bezeichnen es nun als eine
höchst bemerkenswerthe Erscheinung, dass eine auffallend grosse
\) Heber die Wirkung der neuesten englischen Armeegeschosse
M. IV (Hohlspitzengeschosse). 2. Aufl. Tübingen 1899.
Es verdient an dieser Stelle Erwähnung, dass der Bericht¬
erstatter des British Med. Journal (March 3, 1900) in Bezug auf
die Nachricht, dass bei einem verwundeten Buren Mausergeschosse
mit Einschnitten im Mantel gefunden worden seien, entrüstet
schreibt: „Diese Brutalität verdient die strengste Verdammung.“
2 ) Lancet, Jan., Febr., March 1900.
*) British Med. Journ., Jan. Febr., Maj*c}j 1900.
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
486
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Zahl von Bauchschüssen ohne ernste Erscheinungen und ohne
operativen Eingriff zur Heilung gelangt sind. Wenn auch in
einzelnen Ausnahmefällen die Baucheingeweide der Perforation
entgangen sein können, so wurde in anderen die Perforation
des Darms durch Blutabgang mit dem Stuhle bewiesen. Hier
wird zur Erklärung des günstigen Verlaufes die zufällige
Leerheit des Darmcanals, sowie die Kleinheit der Oeff-
nung in der Darmwand durch das Mauseigeschoss heran¬
gezogen. Möglich, dass die kleine Oeffnung im Darm sich
sofort wieder schliesst, ohne dass Darminhalt austritt. In drei
Fällen, bei welchen MacCormac derartige Wunden bei der
Laparotomie sah, schien es durchaus denkbar, dass solches Vor¬
kommen kann und wirklich vorkommt.
Durch diese Erfahrungen sah sich MacCormac zu einer
Beschränkung des operativen Eingriffes bei Bauchschüssen ver¬
anlasst, denn „entweder sind die Verletzungen so schwer, dass
eine Operation hoffnungslos ist, oder sie sind derart, dass die Hei¬
lung ohne Folgen für den Verwundeten glatt von Statten geht“.
MacCormac stellt daher die Forderung auf, dass die Indi-
cationen für die explorative Laparotomie in solchen Fällen voll¬
ständig revidirt werden müssen. Auch T r e v e s ist auf Grund
derselben Erfahrungen zur Einschränkung der Laparotomie ge¬
langt und findet unter den zahlreichen Fällen von Bauchschüssen
nur wenige zur Operation geeignet.
Nachdem ich bisher die Erfahrungen englischer Chirurgen
wiedergegeben habe, bin ich in der Lage, in dieser wichtigen Frage
auch die übereinstimmenden Erfahrungen meines Assistenz¬
arztes Dr. K ü 11 n e r, der als Mitglied der Expedition des
Deutschen rothen Kreuzes auf dem Kriegsschauplätze thätig ist,
mitzutheilen. Derselbe theilt mir in einem Briefe aus Jakbs-
dal vom 23. Februar Folgendes mit: .... „Augenblicklich haben
wir natürlich alle Hände voll zu thun. Das Hospital ist, trotz¬
dem wir evacuiren, was wir können, stets überfüllt, und wenn
die modernen Verwundungen nicht so günstig wären und so wenig
operatives Eingreifen erforderten, so wüsste ich nicht, wie wir
fertig werden sollten. Wir haben jetzt der Kriegslage ent¬
sprechend, sehr viel mehr Engländer als Buren zu behandeln und
haben uns dabei grossen Entgegenkommens sowohl der englischen
.Militärbehörden als auch der Verwundeten selber zu erfreuen,
welch’ letztere sämmtlieh angenehme und dankbare Patienten
sind. Kriegschirurgisch ist mir in letzter Zeit bei den grossen
Mengen von Verwundeten fast Alles durch die Hände gegangen,
was wohl überhaupt Vorkommen kann. Es bestätigt sich auch
liier wieder, was Sie immer vorausgesagt haben, nämlich dass
die Prognose der modernen Schussverletz¬
ungen im Allgemeinen eine auffallend gün¬
stige, die Therapie eine ausgesprochen eon-
scrvative ist. Am schwersten sind nach wie vor die
Schädel- und Gehirnverletzungen, welche auch am häufigsten ein
operatives Eingreifen erfordern, auffallend günstig sind die
Brustschüsse. Gut verlaufen sahen wir auch eine Anzahl
Schüsse, bei denen die Kugel in Mund oder Nase eingedrungen
und am Hals oder Rücken wieder ausgetreten war; trotz der
Verletzung des Pharynx, und der Lunge heilten diese Wunden.
Auch die Bauchschüsse sind besser, als ich Anfangs dachte.
Wir haben eine grössere Anzahl jetzt bei rein conservativer
Behandlung durchkommen sehen, und unsere Erfahrungen
stimmen mit denen überein, welche die hier anwesenden
englischen eonsul tirenden Chirurgen MacCormac und
W u t s o n C li e y n e gemacht haben, nämlich, dass die Bauch¬
schüsse durchkommen, wenn man sie in Ruhe lässt und sterben,
wenn man sie operirt. So viel ist jedenfalls sicher, dass man
mit primärer Laparotomie nicht mehr durchbringen würde, als
ohne dieselbe durchkommen, und dann muss man nur einmal
selbst dabei gewesen sein, um sagen zu können: es ist absolut
unmöglich, auch bei kleineren Mengen von Verwundeten die
Bauchschüsse zu laparotomiren. Nie bekommen wir übrigens
Leberschüsse zu sehen; dieselben scheinen alle auf dem Schlacht-
fehle zu sterben, Nierenschüsse sind häufiger und günstiger.
Interessant ist eine Section, welche wir bei einem auf dem
Schlachtfelde an Verblutung verstorbenen Leberschuss gemacht
haben; die Därme waren aus der Bauchdeckenwunde prolabirt,
aber kein einziger Darm war verletzt, ein Befund, der mir von
principieller Bedeutung zu sein scheint und unsere klinischen
Erfahrungen bestätigt. Verletzungen grosser Gefässe haben wir
mehrfach gesehen, die Verwundeten sind meist sehr ausgeblutet,
schliesslich pflegt aber die Blutung, wenigstens bei kleinen Haut-
Di gitized by Gouole
Öffnungen, zu stehen, und es kommt nicht gar selten zur Bildung
von Aneurysmen. Nervenverletzungen sehen wir häufig, ein
Theil bleibt stationär, ein anderer Theil geht ganz oder theil-
weise zurück. Weichtheilschüsse und Fracturen sind ausser¬
ordentlich häufig, wir sehen grosse Ausschussöffnungen bei Nah¬
schüssen auch durch Epiphysen und Gelenke, wodurch die Pro¬
gnose derselben bei der meist schweren Zertrümmerung recht ver¬
schlechtert wird. Die Fern Schüsse durch Epiphysen und Ge¬
lenke sind ausserordentlich günstig und heilen fast immer ganz
glatt. Fernschüsse durch Diaphysen werden, wenn die Haut¬
öffnungen klein sind, selten inficirt, heilen aber, wenn die Zer¬
splitterung stark ist, langsam und gehen häufig in Pseudarthroseu
aus. Ist die Zersplitterung gering, so verläuft die Heilung glatt.
Nahschüsse mit grossen Ausschussöffnungen, die aber nie grösser
als fünfmarkstückgross sind, sind der Infection stark ausge¬
setzt“ . . .
«Nachtrag siehe Seite 523.)
Aus dem orthopädischen Ambulatorium der Kgl. chirurgischen
Klinik zu München.
Ueber periostale Sehnenverpflanzungen bei
Lähmungen.*)
Von Privatdocent Dr. Fritz Lange.
M. H. I Die Sehnen Verpflanzung ist die jüngste Errungen¬
schaft der modernen Orthopädie. Ausgeführt ist sie seit dem
Jahre 1882 wiederholt von N i c o 1 a d o n i 1 ) u. A., eine allgemeine
Verwendung in der Orthopädie hat sie aber erst in den letzten
3 Jahren erfahren. Mich selbst veranlasste eine Arbeit von
D r o b n i k “), die im Jahre 1896 erschienen ist und über 16 Fälle
berichtete, die Operation aufzimehmen.
Die Sehnenverpflanzung hat den Zweck,
einen Ersatz für die verloren gegangene Func¬
tion eines gelähmten Muskels zu schaffen, und
ist bisher fast ausschliesslich in der Weise ausgeführt worden,
dass man einen gut erhaltenen Muskel ganz oder theil weise mir
der Sehne des gelähmten Muskels vernähte.
Wenn z. B. der Extensor digit. am Fusse gelähmt ist, so kann
man seine Function dadurch wiederherstellen, dass man von der
Sehne des Tibial.antic. die Hälfte der Sehne abspaltet und mit d r
Sehne des Extensor digitor. vernäht, wie es Fig. 1 zeigt. Oon-
trahirt sich dann der Muskelbauch des Tibiah antic., so übt er
natürlich nicht nur auf den stehen gebliebenen Rest der Tibialis-
sehne, sondern auch auf den verpflanzten und mit der peripheren
Partie des Extens. digit. vernähten Theil einen Zug aus, und be¬
sorgt auf diese Weise die Functionen des ursprünglichen Tibial.
antic. und des ursprünglichen Extens. digit. gleichzeitig.
Es gibt noch eine Menge Variationen der Vernähung und
Spaltung, auf deren Auf zählen ich keinen besonderen Werth lege;
gemeinsam ist allen diesen Operationen, dass
ein neuer Muskel gebildet wird, der an seinem
centralen Theile aus gesunder Muskelsub¬
stanz, in seiner peripheren Partie aber aus
einer, durch die Lähmung mehr oder weniger
geschwächten Sehne sich zusammensetzt. Die
Verwendung einer atrophischen Sehne war mir, wie ich offen ge¬
stehen muss, von vorneherein nicht sympathisch. Ich fürchtete,
dass diese atrophische Partie unter dem Einfluss der Oontrac-
tionen sich verlängern würde und dass auf diase Weise der Er¬
folg der Operation schliesslich in Frage gestellt werden könnte.
Meine Erfahrungen zeigten jedoch, dass diese Bedenken nicht
durchweg gerechtfertigt waren. Für eine Anzahl von leichteren
Deformitäten erwies sich die Benutzung einer atrophischen Sehne
als unbedenklich. Bei schwereren Deformitäten versagte aber die
Methode, weil die atrophische Sehne sich, nach der Verband -
abnahme unter dem Einfluss der Muskelcontractionen verlängerte.
Dadurch sah ich mich veranlasst, ein Verfahren, das in einem
Falle — aber ohne den gewünschten Erfolg — bereits von Drob-
n i k angewendet worden ist, und das ich vereinzelt schon im
Jahre 1897 zur Anwendung gebracht habe, weiter auszubilden,
und soweit als irgend möglich an Stelle der alten Methode zu ver¬
wenden.
*) Vorgetragen im ärztlichen Verein zu München im Februar.
1900.
9 Arch. f. klin. Chir., Bd. 27.
5 ) Deutsche Zeltschr. f. Chir., Bd. 43.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
10. April 1900.
487
Das Wesen der neuen Operation, die ich als
periostale Sehnen Verpflanzung bezeichne, besteht
dann, dass der kraftspendende Muskel nicht mit
der gelähmten Sehne, sondern direct mit dem Periost
v e r n ä h t w i r d. Es werden also Muskelansätze am Knochen
geschaffen, welche unter normalen Verhältnissen gar nicht
existiren.
Am schnellsten wird sich mein Vorgehen durch ein Beispiel
erläutern lassen! Nehmen wir an, es handelt sieh wieder um eine
Lähmung des Extensor digit. Nach dem alten Verfahren wäre
die abgespaltene Partie des Tibial. antie. mit der Sehne des Ex-
tensor verbunden worden; nach der periostalen Methode wird
sie direct mit dem Periost vernäht. Für die Wahl der Stelle ist
maassgebend, welche Function der neugebildete Muskel ausüben
soll. Die wichtigste Aufgabe des Extens. digit. ist die, den Fuss
dorsal zu flectiren und gleichzeitig nach aussen zu drehen. Um
dieser Aufgabe zu genügen, wird das Endo der abgespaltenen
Sehne mit der Dorsalseite des Cuboideuin vernäht, wie es Fig. 2
zeigt.
Der Vorzug der periostalen Verpflanzung gegenüber der
alten Methode ist ein doppelter: Einmal gewinnt das Resultat
wesentlich an Sicherheit, weil bei der Bildung des neuen
Muskels keine atrophische Sehne verwandt wird und daher eine
nachträgliche Dehnung der Sehne unter dem Einfluss der Con-
tractionen ausgeschlossen ist. In schlagender Weise kann ich
Ihnen die Ueberlegenheit der neuen Methode in dieser Beziehung
an den nachher vorzustellenden Quadricepslähmungen beweisen,
deren Ersatz nach der alten Methode bisher stets missglückt war.
Einen zweiten Vorzug der periostalen Sehnenverpflanzung
sehe ich in der Freiheit, welche der Chirurg in der Wahl
des Ansatzpunktes für den neuen Muskel bekommt. Man kann
dadurch der ausserordentlich verschiedenen Aufgabe, welche die
Behandlung der Deformitäten stellt, in viel präciserer Weise ent¬
sprechen, als dies nach der alten Methode möglich war. Ich gebe
zu, dass die Aufstellung des Operationsplanes dadurch schwieriger
geworden ist. Man hat oft lange zu überlegen, welcher Knoehen-
pimkt sich wohl am besten für die Insertion des neuen Muskels
eignet; aber ich meine, die grössere Schwierigkeit darf uns nicht
vor einer Methode zurückschrecken, die bessere Resultate ver¬
spricht. Auch davon hoffe ich Sic durch die späteren Demon¬
strationen zu überzeugen.
Ueber die Technik der Op e r a t i o n bemerke ich
Folgendes:
Im Allgemeinen sind grosse Hautschnitte und ein weites Frei¬
legen des kraftspendeuden Muskels auzurathen, damit dieVerlaufs-
riehtung des neuen Muskels möglichst geradlinig wird. Zur Naht
benutze ich ausschliesslich starke Seide, die unmittelbar vor der
Operation in Sublimat 1:1000 abgekocht ist. Den Seidenfaden ver¬
flechte ich mit der Sehne in ähnlicher Weise, wie es Fig. 4 a zeigt.
Die beiden Enden des Fadens werden an dem Periost, das auf eine
Lauge von 1—2 cm gespalten und etwas abgehebelt wird, fest ver¬
näht. Der springende Punkt in der ganzen Tech¬
nik ist die Erzielung der zweckentsprechenden
Spannung. Je grösser die Spannung ist. unter der sich der neue
Muskel befindet, desto grösser ist die Kraft, mit der er später ar¬
beitet. Desshalb muss nach möglichst starker Spannung gestrebt
werden; andererseits darf aber die Spannung des vielfach auf weite
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Go igle
Strecken isolirten Muskels nicht so gross sein, dass dadurch die
Ernährung beeinträchtigt wird.
Die Hautwunde vernähe ich und führe in den einen Wund¬
winkel einen .Todoformdocht ein, der nach 3—5 Tagen entfernt
wird. Ueber den Wund verband kommt ein gefensterter Gips ver¬
band, der in der Regel 2 Monate liegen bleibt. Die Benützung des
kranken Beines gestatte ich erst 4 Wochen nach der Operation.
Ausser der Sehnenverpflanzung werden nicht selten Ver¬
längerungen oder Verkürzungen der Sehne in der
Orthopädie nothwendig. Die Verlängerungen führe ich, wenn
nicht die einfache Tenotomie in Frage kommt, nach dem Vor¬
gang von Bayer aus, indem ich die Sehne treppen förmig durch¬
schneide und in der bekannten Weise wieder vernähe (Fig. 3). Ist
eine Sehne bei einer Deformität zu lang und dadurch zu schlaff
geworden, so verkürze ich sie dadurch, dass ich mit einem starken
Seidenfaden in der durch Fig. 4 gezeigten Weise die Sehne
durchfleehte, die durchfloehtene Sehnenpartie über dem Faden
in Querfalten zusammenschiebe und dann die beiden Enden des
Seidenfadens fest verknüpfe.
Fig. 3. Fig. 4.
Die Zahl der Sehnenplastiken, die bei den verschiedensten
Leiden in den letzten Jahren ausgeführt worden sind, ist jetzt
schon eine ganz beträchtliche. Ich selbst verfüge bereits über
mehr als 50 derartige Operationen und V u 1 p i u s , der sich
um die Empfehlung und Ausbildung der Methode ein ganz be¬
sonderes Verdienst erworben hat, konnte auf dem Chirurgen-
congress 1899 sogar über mehr als 80 Ueberpflanzungen be¬
richten.
Das dankbarste Gebiet für die neue Operation ist die Kinder¬
lähmung. Dieses Leiden war bisher eine Domäne der Bandagen¬
orthopädie und die meisten Apparate, die heute noch zahllosen
Kranken das Leben verbittern, werden aus dieser Ursache ge¬
tragen.
80—90 Proc. dieser Apparate werden — so hoffe ich sicher —
durch die Sehnenverpflanzung überflüssig werden. Nur für Beine,
die vollkommen gelähmt sind, wird auch fernerhin ein Apparat
nicht zu umgehen sein. In diesen Fällen muss man das ganze
Bein durch künstliche Versteifung des Kniegelenkes in eine trag¬
fähige Stelze verwandeln und es gelingt auf diese Weise, Kinder
zum Gehen zu bringen, bei denen beide Beine völlig gelähmt sind,
die ohne Apparat keine Secunde frei stehen, geschweige denn
gehen können. Auch in dieser Beziehung haben wir in den letzten
Jahren wesentliche Fortschritte gemacht! Wir haben gelernt,
sehr einfache, sehr leichte und sehr billige Apparate aus Celluloid¬
stahldraht herzustellen, mit denen die gelähmten Kinder viel
schneller das Gehen erlernen als mit den früher meist üblichen
schweren Hessin g’schen Hülsen.
Ich lege Ihnen, um den Gewichtsunterschied, der bei den
schwachen Beinchen der gelähmten Kinder eine grosse Rollo
spielt, zu zeigen, einen Celluloidstahldrahtapparat und eines
Hessin g’sche Bandage vor; der erste wiegt 335 g, der andere
1400 g. ’ :
Nach diesen Vorbemerkungen gestatten Sie mir, an prak¬
tischen Beispielen die Verwendbarkeit der Sehnenverpflanzung
zu zeigen!
1. Der 20jährige Herr H. hat eine Lähmung
des Tibial. a n t. und Extens. digit. in F o 1 g e einer
Poliomyelitis erlitten. Die Muskeln, welche den Fuss
dorsal flectiren, waren gelähmt und in Folge dessen war ein
ganz hochgradiger Spitzfuss entstanden, welchen Sie
hier im Gipsabguss sehen (Fig. 5 a).
Die erste Aufgabe war. aus dem Spitzfuss eine normale Fuss-
form zu schaffen. Zu dem Zweck habe ich im October 1899 die ver¬
kürzte Achillessehne durchtrennt und den Fuss redressirt. Es
war eine schwere Arbeit, aber das Resultat ist ein vollbefriedigen¬
des, und es ist wohl an sich von Interesse, welche schweren Spitz-
fiisse mit den heutigen Methoden auch bei Erwachsenen noch heil¬
bar sind. (Fig. 5 b.)
Mit dem Redressement war aber nur die eine Hälfte der Auf¬
gabe gelöst. Um ein Recidiv des Spitzfusses zu verhindern, musste
ein Dorsalflector gebildet werden, und ausserdem musste ein
Gegengewicht gegen die beiden noch erhaltenen Peronei geschaffen
werden. Die Peronei heben den äusseren Fussrand; sie bringen
Origiralfmr 1*
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
488
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
den Fuss in Valgus-, d. h. in Plattfussstellung, und durch diese
Stellung werden, wie Sie von schlecht geheilten Malleolenbrüchen
her wissen, leicht Plattfussbeschwerden ausgelöst. In der Zeit vor
der Sehnen Verpflanzung waren die Resultate der Spitzfussoperation
dadurch schwer beeinträchtigt. Der cosmetisclie Erfolg war aller¬
dings auch damals schon befriedigend; in Folge der Valgusstel-
lung stellten sich aber häutig Plattfussbeschwerden ein und diese
hinderten die Patienten am Gehen und Stehen mehr als vorher der
unschöne Spitzfuss.
Fig. 5.
Um einem solchen Misserfolg vorzubeugen, habe ich den Pero¬
neus longus am äusseren Fussrand durchschnitten, ihn dann bis
zur Mitte des Unterschenkels losgelöst und schräg über die Fibula
und die Vorderseite des Unterschenkels hinweg zum inneren Fuss¬
rand geführt und am Naviculare festgenäht.
Durch diese Verlagerung musste der Peroneus longus eine
ähnliche Wirkung wie der verloren gegangene Tlbial. antic. er¬
halten. Es war zu erwarten, dass er den Fuss dorsal flectiren und
gleichzeitig eine Senkung des inneren Fussraudes verhüten würde.
Der Peroneus longus durfte zu dem Zwecke unbedenklich geopfert
werden, weil der Peroneus brevis erhalten blieb und für die He¬
bung des äusseren Fussraudes sorgte.
Das Resultat ist jetzt, da erst 6 Wochen seit der Verband¬
abnahme verflossen sind, noch beeinträchtigt durch die ver¬
minderte Beweglichkeit im Talo-crural-Gelenk. Aber Sie sehen
wenigstens, dass der Fuss in den Grenzen, in denen er überhaupt
bewegt werden kann, in guter Mittelstellung zwischen Supi¬
nation und Pronation auf- und abwärts geführt wird.
2. Bei dem 12 jährigen Mädchen F. A., das ich Ihnen jetzt
vorstelle, ist ebenfalls der Peroneus longus als Ersatzmuskel ver¬
wandt worden. Das Kind ist vor 3 Jahren von mir operirt und
bereits vor 2 Jahren au dieser Stelle von mir gezeigt worden. Ich
habe es heute mitgebracht, um Ihnen ein Endresultat vorzuführen.
B ei dem Kinde war g e 1 ä li m t der G astro-
c n e m i u s. Dadurch hatten die Dorsalfleetoren das Uebergewicht
bekommen und es war ein Hackenfuss entstanden. Weiter
bestand eine Parese des Tibial. antic. und die Folge davon
war, dass der Fuss ganz nach aussen umgeknickt
war. Das Kind war durch diese Deformität so schwer geschädigt,
dass es nur etwa 15 Minuten hintereinander gehen konnte.
In diesem Falle habe ich, wie bei dem ersten Kranken, den
Peroneus longus von der Mitte des Unterschenkels bis zum äussern
Fussrand losgelöst, daun aber anstatt
nach v o r n zum Ersatz für die ge-
Gasirocnemius lähmte Achillessehne nach hinten
(gelähmt) geführt. Hätte ich ihn nach der alten
Methode direct mit der gelähmten
Sehne vernäht (Fig. G), so hätte ich
Peroneus longus vielleicht einen ganz guten Strecker
bekommen, aber der neue Muskel
hätte bei seiner Verlaufsrichtung von
aussen her, den Fuss noch mehr in
Valgusstellung gebracht. Das wäre
verhängnissvoll gewesen, weil diese
Calcancus Stellung den Kranken meist starke
Beschwerden verursacht.
Um diese Wirkung zu ver¬
meiden, führte ich den Peroneus lou-
gus zwischen der Achillessehne und dem Knochen hindurch und
vernähte ihn auf der Innenseite des Calcancus mit dem Periost..
Der Fall zeigt, wie nothwendig es sein kann, in der Wahl
des Ansatzpunktes freie Hand zu haben und veranschaulicht die
Ucberlegenheit der periostalen Methode gegenüber dem bis¬
herigen Verfahren.
Wie Sie sehen, wird der Fuss sehr kräftig, nicht nur plantar-
wärts, gestreckt, sondern auch gleichzeitig supinirt. Von der
früheren Valgusstellung ist nichts mehr zu sehen; der frei
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hangende Fuss steht im Gegentheil zu sehr in Klumpfussstellung
und es scheint der erstrebte Effect im Uebermaass eingetreten
zu sein. Wenn das Kind aber mit dem Fusse auftritt, so sehen
Sie, dass der Fuss mit voller Sohle auf die Erde aufgesetzt wird.
Eine solche UTebercorrectur muss man bei dem paralytischen Pes
valgus stets anstreben, da bei der Belastung durch das Körper¬
gewicht die Gefahr besteht, dass der Fuss in die alte Valgus¬
stellung zurückgedrängt wird.
Der Nutzen, den die Kleine von der Operation gehabt hat,
geht am besten daraus hervor, dass sie vorher kaum 10 Minuten,
jetzt dagegen stundenlang hintereinander zu gehen vermag.
Bei den 3 nächsten Kindern ist nicht ein ganzer Muskel
zum Ersatz der Lähmung verwandt worden, sondern nur eine
Hälfte desselben, ln allen 3 Fällen waren der Extens. digit. conmi.
und die beiden Peronei gelähmt, also Muskeln, die einmal den
Fuss dorsal flectiren und ausserdem den äusseren Fussrand heben.
Die Folge davon war, dass der erhaltene Gastrocnemius und der
Tib. ant. das Uebergewicht erhalten und den Fuss in schwere
Spitzklumpfussstellung gebracht hatten.
Um einen Muskel zu schaffen, welcher dieser Deformität ent¬
gegenarbeitete, habe ich den Tib. ant. vom Lig. annulare bis zu
seinem Ansatz am ersten Keilbein gespalten, die laterale Hälfte
unten am Knochen abgelöst, aus dem Fach des Ligamentum
cruciatum herausgezogen und unter der Haut des Fussrückens
so weit nach der Seite verschoben, dass das Ende der abgespal¬
tenen Sehne über die Dorsalfläche des Cuboideum zu liegen kam.
Dort habe ich es mit dem Periost vernäht. Es war zu erwarten,
dass die Contraction des Tib. ant. künftighin in diesen Fällen
nicht nur den innern, sondern auch den äussern Fussrand gleich¬
zeitig heben und dass der Fuss in guter Mittelstellung zwischen
Supination und Pronation dorsalflectirt würde.
Nun die Resultate!
3. Der 14 jiilirige Knabe .T. hat — wie Sie am Gipsabguss sehen
— an einem sehr schweren Spitzklumpfuss gelitten. Er ist durch
das Redressement, das am Februar 181)9 vorgenommen wurde, nicht
nur von seiner Deformität befreit worden, sondern er hat auch
durch die Sehnen Verpflanzung gelernt, den Fuss ganz in der er¬
warteten Welse auf- und abwärts zu bewegen. Trotzdem ist die
Function des Fusses nicht als ganz normal zu bezeichnen; denn der
Knabe kann die Fussspltze weder nach innen, noch nach aussen
drehen. Die durch das Messer gebildeten 2 Portionen des Tiblal.
antic. arbeiten also nicht gesondert von einander, sondern
nur gemeinsam. In praktischer Beziehung hat dieser Aus¬
fall an Beweglichkeit keine Bedeutung, das zeigt der gute Gang
des Knaben, wobei der Fuss mit ganzer Sohle aufgesetzt wird.
4. Das 13 jährige Mädchen M. S., das vor % Jahren von mir
operirt worden ist. zeigt ebenfalls eine ideale Heilung des Spitz-
klumpfusses, der früher allen Maschinen, auch den von Hessing
angelegten, widerstanden hatte. Der Fuss wird ebenso wie bei dem
Knaben in normaler Weise auf und ab bewegt. Ausserdem kann
aber auch der Fuss willkürlich supinirt und prouirt werden.
Fig. 7 a und b gibt den Fuss in diesen beiden Stellungen wieder.
a b
Fig. 7.
Nicht nur für den Chirurgen, sondern auch für den Internisten und
den Physiologen Ist die Tliatsaclie von Interesse, dass in diesem
Falle die durch die Operation geschaffenen beiden Tlieile des Tibial.
antic. gelernt haben, unabhängig von einander zu arbeiten. Wie
Sie sehen, bewegt das Kind mit der stehen gebliebenen Partie
des Tibial. antic. den Fuss nach innen und jetzt mit der auf das
Cuboideum verpflanzten Hälfte nach aussen.
Ich habe diese gesonderte Function der abgespaltenen Muskel¬
partie bisher nur beim Tibialis anticus beobachtet, während bei
anderen Muskeln die verpflanzten Thcile stets nur gemeinsam
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10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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mit dem stehengebliebenen Rest arbeiteten. Bei Kranken, bei
welchen von der Fussmusculatiir z. B. nur der Gastrocnemius er¬
halten war, habe ich wiederholt das mediale und laterale Drittel
der Achillessehne als Ersatz für den gelähmten Tibialis anticus
und Extensor digitorum nach vorn verpflanzt und mit dem Fuss-
riicken vernäht. Ich habe aber bisher niemals in diesen Fällen
eine gesonderte Function der verpflanzten Partien feststellen
können, sondern der verpflanzte Theil und der stehen gebliebene
Rest contrahirten sich stets gleichzeitig, so dass der Fuss ähn¬
lich wie nach einer Arthrodese versteift war.
Ich habe desshalb auch die nach einer Spaltung de“r Tibialis
anticus auftretende gesonderte Supination und Pronation etwas
skeptisch betrachtet und an die Möglichkeit, dass andere Muskeln
dabei betheiligt sein könnten, gedacht. Allein ich habe immer
wieder durch die Palpation der Sehnen mich überzeugt, dass die
beiden Theile des Tibialis anticus sich entsprechend der Supi¬
nation und Pronation gesondert contrahiren. Auch lässt die
Thatsache, dass diese Bewegungen in den ersten Monaten nach
der Verbandabnahme nicht möglich waren, trotzdem keine Ge¬
lenksteifigkeit bestand, und erst ganz allmählich unter dem Ein¬
fluss von Hebungen sich eingestellt haben und von Monat zu
Monat kräftiger und ergiebiger geworden sind, keine andere
Deutung zu.
5. In noch vollkommener Weise sehen Sie die gesonderte
Function der abgespaltenen Muskelpartie bei dem 8 jährigen
Knaben B., den ich Ihnen jetzt vorstelle. Im Uebrigen gilt das
(»leictae von ihm, wie von dem eben vorgestellten Mädchen. Er
wurde vor iy 2 Jahren nach der besprochenen Methode von mir
operirt; das Resultat ist von Monat zu Monat besser geworden, und
Sie werden mir zustimmen, wenn ich behaupte, an Stelle des ehe¬
maligen paralytischen Spitzklumpfusses findet sich jetzt ein nach
Form und Function normaler Fuss vor. Fig. 8 a und b zeigt den
Fuss in der willkürlich eingenommenen Supinations- und Pro¬
nationsstellung.
a 1)
Fig 8
Die drei letzten Kinder kann ich ebenfalls gemeinsam be¬
sprechen. Von den an den Füssen bestehenden Lähmungen und
den an dieser Stelle ausgeführten Sehnenverpflanzungen sehe
ich ab, um Ihre Geduld nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen,
und beschränke mich auf die Besprechung der am Oberschenkel
ausgeführten Operation.
Die 3 Kinder litten sämmtlich an einer Lähmung des Qua-
driceps. Der Quadriceps ist der Muskel, der für das Stehen und
Gehen am wenigsten entbehrlich ist. Ist er gelähmt, so ist die
Streckung des Unterschenkels unmöglich und die Kinder brechen,
wenn sie trotzdem den Versuch ohne künstliche Stütze machen,
meist im Knie zusammen und fallen zu Boden. Um dies zu
vermeiden, müssen die Patienten meist eine Maschine tragen,
welche das ganze Bein versteift und welche sie zeitlebens zu
Sclaven eines Apparates macht.
Bei keiner Lähmung war der Ersatz des gelähmten Mus¬
kels durch eine Sehnenverpflanzung so wünschenswerth wie bei
der Quadricepslähmung. Aber alle Versuche, die von \ u 1 p i u s,
Iloffa und mir in dieser Richtung angestellt wurden, waren
bisher gescheitert. In meinen 2 Fällen war ich im Jahre 1898
so vorgegangen, dass ich den Biceps und den Semitendin., welche
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die dem Quadriceps entgegengesetzte Wirkung haben und den
Unterschenkel beugen, an ihrer Insertion am Knochen ablöste und
subcutan nach vom führte,
den Biceps auf der lateralen,
den Semitendin. auf der me¬
dialen Seite. Auf diese Weise
kamen die Sehnen der beiden
verpflanzten Muskeln auf der
Vorderfläche des Femur zu
liegen (Fig. 9). Dort habe ich
sie zunächst miteinander und
dann mit der darunter lie¬
genden Sehne des gelähmten
Quadriceps vernäht. Die
Opferung dieser beiden Mus¬
keln war unbedenklich, da als Beuger des Unterschenkels der
Semimembranosus und der Gastrocnemius verblieben.
Diese Operation war nutzlos für die beiden Patienten ge¬
wesen, denn sie lernten nicht den Unterschenkel strecken; aber
nutzlos für die Entwicklung der Operation waren diese miss¬
lungenen Versuche nicht.
Gerade bei diesen Operationen lernte ich, dass für schwie¬
rigere Aufgaben eine gelähmte Sehne bei der Sehnenverpflan¬
zung nicht verwendet werden darf; denn die Quadricepssehne
war in den 2 besprochenen Fällen so morsch und so zunderartig,
dass die durchgelegten Fäden zum Theil durchschnitten und
nicht einmal eine exacte Vernähung mit der verpflanzten Sehne
möglich war.
Diese beiden Misserfolge hielten mich über 1 Jahr lang von
einer operativen Behandlung der Quadricepslähmung zurück.
Aber der Wunsch, den an einer Quadricepslähmung leidenden
Kindern zu helfen, Hess mir keine Ruhe und im Juli vorigen
Jahres machte ich einen neuen Versuch, der zwar zuerst etwas
phantastisch aussah, dessen Berechtigung aber jetzt durch die
Thatsache erwiesen ist.
Meine Absicht war, die periostale Methode,
die mir am Fuss so ausgezeichnete Resultate
geliefert hatte, auch auf den Oberschenkel zu
übertragen. Wie bei meinen früheren Operationen ver¬
pflanzte ich zunächste den Biceps und den Semitendin. nach vorn.
Da nun die Sehnen der verpflanzten Muskeln viel zu kurz waren,
als dass sie direct mit dem Periost der Tibia hätten verbunden
werden können, bildete ich eine künstliche Sehne aus Seiden-
faden. Ich durchflocht die Enden vom Biceps und Semitendin.
mit einer Anzahl stärkster Seidenfäden, führte dieselben sub¬
cutan zwischen Patella und Haut zum Unterschenkel und ver¬
nähte sie dort mit der Tuberositas tibiae. Meine Hoffnung war,
dass die Seidenfäden einheilen, sich mit einer bindegewebigen
Kapsel umgeben und die F^unction einer normalen Sehne über¬
nehmen würden.
Die Versuche, die von Gluck und K ü m m e 11 vor Jahren
schon bei traumatischen Selineiidefeeten angestellt wurden,
Hessen ein solches Vorgehen berechtigt erscheinen.
Meine Hoffnung hat mich nicht getäuscht. Die künstlichen
Sehnen aus Seidenfäden sind bei allen drei Kindern, die nach
dieser Methode operirt sind, eingeheilt, und ich bin in der glück¬
lichen Lage, Ihnen die Resultate zeigen zu können.
(1. Das (»jährige Mädchen B. D. litt seit einer im 1. Lebensjahr
(lurchgemnchten Poliomyelitis an einer völligen Lähmung des
rechten Quadriceps. Ich habe sie im Juni 1801) nach der be¬
schriebenen Methode operirt. Die Sehne aus Seidenfäden ist glatt
eiugeheilt und als ein etwa bleistiftdicker Strang auf der Knie¬
scheibe zu fühlen.
Von Interesse ist, dass diese künstliche Sehne unter dein Ein¬
fluss der Bewegung und Benutzung des Beines sich ausserordent¬
lich verdickt hat. Als ich das Kind kürzt* Zeit nach der Verband¬
abnahme einigen Besuchern der Naturforscherversammlung im
September 1890 vorstellte, war die Sehne genau so dick, wie nach
der Operation und hatte Stricknadelstärke.
Innerhalb der letzten (> Monate ist sie aber offenbar durch das
herum wachsende Bindegewebe so stark wie ein dicker Bleistift
geworden. Dieses Wachsthum der künstlichen
Sehne gibt die beste Gewähr für die Dauer¬
haftigkeit des Resultates. Denn selbst wenn im Laufe
der Zeit die Seidenfäden einmal ausgestossen werden sollten, so
reicht zweifellos der neugebildete Bindegewebsstrang hin, um die
Functionen der Sehne zu übernehmen.
Das Kind vermag, wie Sie sehen, bei Seitenlage den Unter¬
schenkel bis zu einem rechten Winkel zu beugen und fast bis zu
180 Grad zu strecken.
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No. 15
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Beim Stehen wird es ihr noch schwer, diis gestreckte Bein
hochzuheben. Doch vermag sie für kurze Zeit, es Dis zu einem
Winkel von etwa 45 Grad zu führen. Der Muskel ist also bei
Weitem nicht so kräftig, wie ein normaler Quadriceps; dass der
Kleinen aber durch die Operation wesentlich genützt worden ist,
sehen Sie am besten aus dem Gange. Das Kind ging vor der Opera¬
tion so, dass es die Hand auf den gelähmten Oberschenkel stützte,
um ein Einbrechen im Knie zu verhüten; trotzdem kam es alle
Augenblicke zu Fall. Jetzt geht das Kind frei und sicher und fällt
— wie mir die Mutter mittlieilt — auch zu Hause nicht mehr hin.
7. Das 11 jährige Mädchen J. M., das ich Ihnen jetzt vorstelle,
zeigt den Nutzen der beschriebenen Sehnen Verpflanzung bei ausge¬
breiteten und schweren Lähmungen. Das Kind hat im 6. Jahre
in Folge einer Poliomyelitis schwere Lähmungen an beiden Beinen
erlitten. Ueber 2 Jahre lang konnte das Kind überhaupt nicht
gehen. Durch einfache Maschinen, welche das Knie versteiften
und welche von Prof. v. A n gerer angeordnet w'urden, kam das
Kind wieder zum Gehen. Als Herr Prof. v. Angerer mir die
Patientin im vorigen Herbste überwies, war es noch fraglich, ob
dieselbe von ihren Maschinen wieder befreit werden konnte, denn
der rechte Quadriceps war völlig gelähmt und an beiden Füssen
fehlten die Dorsaltiectoren. Ich empfahl aber einen Versuch mit
der Sehnenverpflanzung zu machen.
Das Kind ist am 11. November 1899 in der beschriebenen
Weise von mir operirt "worden. Der Zweck der Operation ist er¬
reicht, das Kind geht ohne Maschine und geht jetzt schon, trotz¬
dem noch nicht 2 Monate seit der Verbandabnahme verflossen sind,
wesentlich besser und sicherer als vorher mit den Maschinen.
Die Kleine vermag ebenfalls, wie Sie bei der Seitenlage am
besten sehen, den rechten Unterschenkel in annähernd normalem
Umfange zu beugen und zu strecken und kann ebenfalls das völlig
gestreckte Bein schon bis 45 Grad hoch heben und in dieser Lage
willkürlich den Unterschenkel beugen und strecken.
9. Ein noch vollkommeneres Resultat zeige ich Ihnen in dem
7 jährigen Knaben St. Er ist von seiner kgl. Hoheit dem Prinzen
Ludwig Ferdina n d nach der beschriebenen Methode am
14. October 1899 operirt worden; der Verband ist erst seit 0 Wochen
entfernt; trotzdem nähert sich die Kraft des neuen Streckers be¬
reits der eines normalen Quadriceps. Der Knabe vermag im Sitzen
den gestreckten Unterschenkel kürzere Zeit völlig horizontal frei
zu halten, und im Stehen kann er das ausgestreckte Bein in der
Weise, wie es Fig. 10 zeigt, lange Zeit hintereinander so ruhig und
so sicher halten, dass die Herstellung einer Photographie mög¬
lich war.
Die künstliche Sehne aus Seide hat in dem Falle die be-
merkeuswerthe Länge von 15 cm.
Fig. 10.
M. H.! Dass die vorgestellten Kranken von der Selmenüber-
pflanzung Nutzen gezogen haben, wird Niemand in Zweifel ziehen.
Wie ausserordentlich segensreich aber die Operation für die un¬
glücklichen Geschöpfe ist, die an den Folgen einer Kinderlähmung
leiden, das kann nur Der recht ermessen, der die Kinder vor der
Operation gekannt hat. Man muss diese gelähmten Glieder gesehen
haben, wie sie früher kalt, blauroth verfärbt, schlaff und schlot¬
trig waren und wie sie als ein nutzloses Anhängsel des Körpers
mitgeschleift wurden, und man muss die Wiederkehr des Lebens
und der willkürlichen Beweglichkeit, die rasche Zunahme der
Musculatur und der Kraft, und die Verbesserung des Ganges nach
einer solchen Operation beobachtet haben, um die Freude und die
stets sehr grosse Dankbarkeit dieser kleinen Patienten nach¬
empfinden zu können.
Ich bin am Schluss meiner Ausführungen. Nicht ohne Ab¬
sicht habe ich das Capitel der Selmenüberpflanzung gewählt, um
Ihnen einen Einblick in die Arbeitsweise der modernen Ortho¬
pädie zu geben.
Die Orthopädie befindet sich heute in demselben Stadium,
in dem sich vor Jahrzehnten die Chirurgie befunden hat. Wie
die Chirurgie einst den Badern, so muss die Orthopädie heute den
Bandagisten, den Gymnasten nud anderen Curpfuschern entrissen
werden.
In diesem Kampfe bilden die Erfolge der Sehnenverpflan¬
zungen eine mächtige Waffe für die wissenschaftliche Orthopädie.
Denn nichts kennzeichnet besser die Fortschritte, die wir in den
letzten Jahren gemacht haben, als die Behandlung der Läh¬
mungen. Früher war man zufrieden, wenn man einem ge¬
lähmten Kinde durch schwere, lästige Maschinen ein kümmer¬
liches Gehen ermöglichte. Heute ist unser Ziel, Ersatz für die
gelähmten Muskeln zu schaffen, die Kranken von ihrer Maschine
zu befreien und aus den Krüppeln Menschen mit gesunden, nor¬
malen Gliedern zu bilden.
Der Weg, auf dem dieses Ziel im einzelnen Falle erreicht
wird, zeigt besser, als viele Worte, dass die Orthopädie kein Hand¬
werk mehr ist, sondern eine Wissenschaft — eine Wissen¬
schaft, die eine ebenso gründliche und ebenso
umfassende ärztliche Durchbildung erfordert,
wie jeder andere Zweig unserer Heilkunde.
Zur Behandlung des Pes valgus.
Von Prof. Dr. A. Hoffa in Würzburg.
Wir haben in den letzten Jahren gelernt, vom eigentlichen
Plattfuss den Pes valgus sensu strictori zu trennen. Dieser Pes
valgus oder wie man ihn auch wohl nennen kann, der Pes abduetus
oder pronatus oder X-Fuss oder Knickfuss ist gewöhnlich eine
Vorstufe des wirklichen Plattfusses; er kann aber auch dauernd
für sich bestehen bleiben und vermag seinem Träger heftige
Schmerzen zu bereiten.
Der Knickfuss ist dadurch charakterisirt, dass er in un¬
belastetem Zustand völlig normale Formen hat, dass namentlich
auch die Fusswölbung völlig erhalten ist. Im belasteten Zustand
ändert sich dagegen die Sache. Die Fusswölbung kann zwar noch
erhalten sein, der Fuss aber wird in starker Pronationsstellung
aufgesetzt, so zwar, dass der ganze Vorderfuss stark abducirt steht
und der Malleolus internus stark nach innen vorspringt. Letzterer
rückt dabei stets recht erheblich nach unten, während der Malleo¬
lus externus nur etwas nach vorn steht. Auch der ganz gesunde
Fuss macht in beschränkten Grenzen eine ähnliche Drehung, so¬
bald er aufgesetzt und belastet wird. Erst die Uebertreibung
dieser normalen Bewegung führt zum richtigen Knickfuss. Knick¬
fuss nenne ich einen solchen Fuss erst dann, wenn bei der Be¬
trachtung des belasteten Fusses von vorne her der Fuss unter¬
halb des inneren Knöchels geradezu wie abgeknickt erscheint.
Man kann diese Abknickung auch messen. Ich zog zu diesem
Zweck eine Linie gerade über den Fussrücken von der Spitze des
Malleolus externus zur Spitze des Malleolus internus. Von der
Mitte dieser Linie aus zog ich dann eine Linie durch den dritten
Metatarsus hin zur dritten Zehe. Normaler Weise schliessen
diese beiden Linien einen rechten Winkel ein. Man zieht sich also
diese beiden Linien zunächst an dem unbelasteten Fuss, am besten
mit einem gut zeichnenden Blaustift; dami lässt man den Patien¬
ten auftreten und zieht nun wieder eine Linie von der Mitte der
Verbindungslinie der Malleolen nach der dritten Zehe hin und
wird nun finden, dass durch die Pronation des Fusses dieser
Winkel ein bedeutend kleinerer nach der Aussenseite des Fusses
hin geworden ist.
Genauere Messungen verdanken wir L o v e 11 und Cotton.
Wie ich eben aus einer Arbeit dieser beiden Autoren ersehe
(Transactions of the American Orthopedic Association, Vol. XI.
1898), haben dieselben den Pronationswinkel beim Knickfuss
durch möglichst exacte Messung zu bestimmen gesucht, nachdem
Dane (Transactions of the American Orthopedic Association
1897) schon früher einschlägige Versuche gemacht hatte.
Durch anatomische Studien hatten L o v e 11 und Cotton
gefunden, dass der Grad der vorhandenen Pronation sich propor¬
tional dem Grad der vorhandenen Drehung des Talus verhält. Da
es nun ungemein schwer fällt, den Grad der Pronation richtig zu
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10. April 1900.
491
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
bestimmen, haben sie direct die Rotationsstellung des Fusses
gemessen. Sie bedienten sich dazu einer Klammer, die den
Malleolus externus an seinem hinteren Rande, den Malleolus in¬
ternus aber an seinem vorderen prominenten Rande umfasste.
An den seitlichen Armen dieser Klammer waren 2 Stäbe befestigt,
die eine Verlängerung der Verbindungslinie der beiden genannten
Punkte an den Malleolen darstellten. Von diesen beiden Stäben
aus wurden auf einer papierenen Unterlage des Fusses 2 Senk¬
rechte in Form von je einem Loth (Faden mit Bleikugel) projicirt.
Die Punkte Du. 0., an welchen das Loth die papierene Unterlage
berührte, wurden markirt und beide Punkte dann durch eine Linie
verbunden. Nun wurde ein Lineal an den inneren Fussrand ge¬
legt und längs desselben wiederum eine Linie A—F gezogen. Da¬
durch. dass diese letztere Linie A—F die Linie D—C bei B schnei¬
det, entsteht der Pronationswinkel A B C. Der so entstehende
Winkel beträgt beim normalen Fuss etwa 50 Grad, beim Knick-
fuss wächst er dagegen und zwar um 10 bis 20 Grad, erreicht also
hier 60—70 Grade. So haben wir ein Maass für den Grad der vor¬
liegenden Deformität. (Fig. 1.)
Fig 1.
Betrachtet man den Knickfuss von hinten, so sieht man deut¬
lich eine Abknickung der Ferse nach aussen. Der Malleolus in¬
ternus springt stark hervor und die Achillessehne verläuft jetzt
statt in einer geraden Linie nach aufwärts, in einem nach innen
concaven Bogen vom vorderen Theil der Wade aus nach dem
Tuber calcanei.
Die Pedes valgi machen ihren Besitzern oft sehr erhebliche
Beschwerden. Die Patienten ermüden sehr bald beim Stöhen und
Gehen und haben daneben noch mehr oder weniger erhebliche
Schmerzen, die an die verschiedensten Stellen des Fusses, in die
Ferse, die Fusssohle, an die für den Plattfuss typischen Schmerz¬
punkte und nicht selten vorn an die Basis der Zellen verlegt
werden. Ein grosser Theil der Patienten, bei denen die Diagnose
auf eine sogen. Metatarsalgia anterior (M o r t o n’s
Disease) gestellt wird, leiden an nichts Anderem, als einem ein¬
fachen Pes valgus. Die Patienten gehen mit stark nach auswärts
gestellten Vorderfüssen und daraus kann der Geübte schon auf
den ersten Blick die Diagnose stellen.
Ursache des Leidens ist wohl stets schlechtes Schuh¬
werk. Bei den mittelspitzen Schuhen und hohen Absätzen, die
gegenwärtig fast allgemein getragen werden, muss der normale
Fuss nothwendiger Weise allmählich in Pronationsstellung über¬
gehen.
Dann tritt aber auch bald eine Schwäche der Unterschenkel¬
muskeln überhaupt ein, namentlich aber der Muskeln, welche die
Bestimmung haben, das Fussgewölbe in normalen Grenzen zu er¬
halten. Die Engländer nennen unser Leiden daher geradezu
„We a k and e“.
Es besteht dabei sicher auch eine gewisse Schlaffheit in den
Ligamenten, aber noch keine Veränderung in den Knochen. Am
meisten hat sicher der Musculus tibialis posticus ge¬
litten, denn dieser Muskel wird nicht nur schwächer, sondern er
befindet sich auch bald in einem Zustand passiver Deh-
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nung. Sobald das Fussgewölbe einsinkt, muss ja die Länge des
Tibialis posticus unbedingt zunchmen.
Gelänge es, diese passive Dehnung des Mus¬
culus tibialis posticus zu beseitigen, so wäre da¬
mit sicher auch der Pes valgus behoben. Dieser
Gedankengang schwebte mir öfters vor und es hat sich mir dann
die Richtigkeit desselben gezeigt in einem Falle von schwerem
Pes valgus bei einem 12 jährigen Knaben. Ich habe in diesem
Falle eine Verkürzung des Musculus tibialis
posticus vorgenommen und dadurch eine
völlige Heilung des Leidens erzielt.
Ehe ich auf diesen Fall cingehe, möchte ich kurz noch unsere
bisherige Therapie des Pes valgus erwähnen.
Wenn wir annehmen, dass schlechtes Schuhwerk die Grund¬
ursache des Leidens ist, so werden wir vor allen Dingen dafür
sorgen, dass die betreffenden Patienten rationell gebaute Schuhe
erhalten. In einer kleinen Schrift: Der menschliche Fuss und
seine Bekleidung (Würzburg, Verlag von Stahel, 1899) habe
ich ausführlich die Schäden des heute modernen Schuhwerks,
namentlich auch die Entstehung des Plattfusses durch dasselbe
auseinandergesetzt. Ich kann hier auf diese Schrift verweisen,
in der ich auch auf Grund von zahlreichen Röntgenunter¬
suchungen die zweckmässigste Art und Weise, wirklich normale
Schuhe und Stiefel herzustellen, lehrte. Der normale Schuh muss
vor allen Dingen so gebaut sein, dass der Fuss auch wirklich in
ihm Platz hat. Er soll an der Innenseite am längsten sein und es
soll das Oberleder nicht über einen symmetrischen Leisten ge¬
arbeitet werden, sondern über einem Leisten, der einem normalen
Fuss wirklich entspricht, der also auch seine grösste Höhe am
inneren Fussrand hat. Der Absatz soll dabei niedrig und breit
gebaut sein.
Derjenige, der von Jugend auf solche richtig gebaute Schuhe
und Stiefel trägt, ist sicher geschützt vor dem Auftreten des Pes
valgus.
Ist dieser aber schon vorhanden, so muss man zu seiner Be¬
handlung unrationelle Schuhe sofort beseitigen und dem Patien¬
ten normale Schuhe anfertigen lassen. In hochgradigeren Fällen
ist es sogar zweckmässig, schon durch den Schuh eine TTeber-
correctur vorzunehmen. Dazu eignet sich am besten der B eel y 9 -
sche Plattfussschuh. Dieser ist dadurch ausgezeichnet, dass der
Absatz an seiner inneren Seite erhöht und gleichzeitig nach innen
und vorn verbreitert ist. Ein solcher Absatz (die Abbildung findet
sich in meinem Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie, IH. Auf¬
lage, S. 800) zwingt den Fuss in Adductionsstellung aufzutreten.
Ist schon grössere Neigung zur Plattfussbildung vorhanden,
so muss in den Schuh noch eine Plattfusseinlage eingefügt
werden, wie ich solche in No. 49 und 50 dieser Wochenschrift vom
Jahre 1893 beschrieben und abgebildet habe.
Fig. 2. Fig. 3.
Sieht man, dass durch diese einfacheren Mittel der Fuss nicht
in richtiger Stellung gehalten wird, dass der Patient ihn vielmehr
trotzdem noch in Valgusstellung aufsetzt, so muss man seine Zu¬
flucht zu einem kleinen Schienenapparat nehmen. Zuerst ver¬
suchte ich als solchen meine Plattfusssohle, an die ich eine ein¬
fache innere Schiene anbrachte. Bald erkannte ich aber, dass
dies nicht ausreicht, dass man die Plattfusssohle mit einer dop¬
pelten, einer inneren und einer äusseren Schiene versehen muss,
um einen vollen Erfolg zu erzielen. So entstand der in Fig. 2 ab-
2 *
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492
No. 15.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
gebildete Apparat. Derselbe wird in den Schub eingelegt und mit
dem Schuh angezogen. Ist die Schiene dann oben am Unter¬
schenkel festgeschnallt, so ist ein Ausweichen des Fussos in Ab-
ductionsstellung sicher verhütet.
Hand in Hand mit dieser mechanischen Behandlung geht die
Behandlung des Kniekfusses und des Unterschenkels mit Massage
und Gymnastik. Es werden hier dieselben Uebungen ausgeführt,
wie ich sie in dem oben genannten Aufsatz auch für den Platt-
fuss beschrieben habe.
In der eben geschilderten Weise gestaltete sich unsere bis¬
herige Behandlung des Kniekfusses. Dieselbe hatte im All¬
gemeinen recht befriedigende Dauererfolge, nur war die Zeit, die
zu völliger Heilung des Leidens nothwendig war, eine sehr lange.
Konnte man die Behandlung nicht schon in frühester Jugend be¬
ginnen, so war die Gefahr eines Recidivs namentlich nach
grösseren Anstrengungen immer vorhanden.
Ich glaube nun, dass ich durch Einführung der Ver¬
kürzung der Sehne des T i b i a 1 i s p e s t i e u s einen
grossen Fortschritt in die Behandlung des Kniekfusses eingeführt
habe. Cessante causa ccssat morbus!
Der Fall, den ich operirt habe, ist folgender. L. F. aus E..
12 Jahre alt, wird am 5. VI. 1899 in meine Heilanstalt aufgenom¬
men. Patient leidet an hochgradigen Beschwerden des linken
Fusses; er kann nur ganz kurze Zeit gehen und bekommt dann
heftige Schmerzen.
Status praes. : Gesunder Junge. Der linke Fuss steht
in hochgradiger Valgussteilung: dabei ist die Fusswölbung schon
herabgesunken, doeli ergibt der Russabdruck immer noch das Vor¬
handensein einer Wölbung. Die Wadenmuscnlatur ist links
schwächer ausgebildet als rechts. Der rechte Fuss steht auch in
Valgusstellung; dieselbe ist jedoch hier geringer als links: am
rechten Fuss werden keine Beschwerden geklagt. Unter dem
Eindruck der überaus günstigen Erfahrungen, die ich mit der
Sehnentransplautation bei der Behandlung der verschiedensten
Lähmungsdeformitäten erzielt habe, und auf Grund der theo¬
retischen, vorher auseinandorgosetzten Betrachtungen, dass es im
Wesentlichen die Schwäche und der passive Dehnungszustand des
M. tibialis posticus ist. der den Knickfuss entstehen lässt, beschloss
ich in dem vorliegenden Fall, den M. tibialis posticus aufzusuchen
und ihn zu verkürzen.
Fig. 4.
Operation: 0. VI. 1899. Durch einen 2 '/ 2 cm langen
Schnitt suchte ich mir die Sehne des Tibialis posticus unterhalb des
Malleolus internus auf. Die Sehne ist hier sehr leicht zu finden.
Sie wurde hervorgeholt, zwischen zwei Schiebern durchschnitten,
die Enden bei möglichster
Uebercorrectur des Fusses
möglichst stark aneinander
vorbeigeschobeu und dann
in ihrer neuen Stellung unter¬
einander mit Seidennähten
fest vernäht. Die so erzielte
Verkürzung betrug minde¬
stens 3 cm. Als der Fuss los¬
gelassen wurde, stand er in
guter Adductionsstellung.
Naht der Hautwunde mit 3
Seidennähten. Keine Drai¬
nage. Aseptischer Verband.
Gipsverband in adducirter
Stellung des Fusses.
9. VI. 1899. Nähte ent¬
fernt.
21. VI. 1899. Völlig pri-
Fjg. 5. märe Heilung: es wird noch¬
mals ein Gipsverband angelegt, in dem Pat. bis zum 10. VII. herum-
geht. Dann Entfernung des Gipsverbandes und Entlassung des Pat.
mit der oben beschriebenen Doppelschiene. Diese Schiene trägt
Patient 2 Monate, dann wird sie fortgelassen und nur eine einfache
Einlage in dem Schuh weiter getragen.
Bei einer Nachuntersuchung des Patienten am 15. I. 1900, also
0 Monate nach der Operation, ergibt sich ein ausserordentlich
befriedigendes Resultat Der operirte Fuss hat eine völlig normale
Stellung. Fig. 3 zeigt den Patienten vor der Operation. Fig. 4
fi Monate nach der Operation. Besonders instructiv ist. die Fig. 5.
Bei Betrachtung des Fusses von hinten ergibt der operirte Fuss
völlig normalen Stand der Ferse: der Malleolus internus springt
nicht mehr hervor. Am rechten Fuss sieht man dagegen deutlich
noch die Valgusstellung der Ferse und das Vorspringen des Malle¬
olus Internus. Dabei ist zu bedenken, dass vor der Operation die
Valgusstellung links noch stärker ausgeprägt war als rechts.
Der Junge hat dabei alle Beschwerden links verloren. Er
läuft und springt jetzt stundenlang umher, fährt Rad, kurzum er
ist wieder völlig hergestellt.
Tn Anbetracht der hier erzielten Resultate möchte ich dazu
auffordern, in ähnlichen Fällen die gleiche Operation zu ver¬
suchen.
Asepsis contra Antisepsis?
Von Dr. Otto La nz, Docent für Chirurgie in Bern.
Zur Zeit besteht eine gewisse Gefahr, dass die Parole aus¬
gegeben wird: hie Asepsis, hie Antisepsis, dass sich die beiden
Begriffe zu einer Art von Gegensätzen entwickeln. Vor einem
allzu principicllen Betonen des A und Anti, ich möchte sagen
vor einem „Glaubensbekenntniss“, wie es dem Einen oder Anderen
gar zu gern über die Lippen schlüpft, ist aber entschieden zu
warnen.
Untersuchungen, die ich gemeinsam mit Dr. F 1 a c h 1891
bis 1892 an der Berner chirurgischen Klinik ausführte und da¬
mals im Langenbeck’sehen Archiv mittheilt:?, führten uns zu
dem Schlüsse, die Asepsis kröne eie Antisepsis. Sie soll aber
eine Krone bilden, die dem Körper der Antisepsis aufsitzt; von
diesem Mutterleibe losgelöst wird ihr Glanz rasch sieh trüben. —
Diese Untersuchungen (L a n z und Fl ach: Die Sterilität asep¬
tisch und antiseptisch behandelter Wunden unter aseptischen und
antiseptischen Verbänden, v. Langenbeck’s Archiv, Bd. 44, II. 4)
hatten die an 300 bacteriologisch geprüften Wunden, an den sie
schliessenden Nähten, sowie an den dieselben bedeckenden Ver¬
bünden gewonnenen Resultate zur Frucht. Da sie den Aus¬
gangspunkt für die vorliegenden Ausführungen bilden, möchte
ich kurz einige der damals experimentell von uns erreichten Er¬
gebnisse. recapituliren.
Bei Paralleluntersuchungen des Blutcoagu-
I u m s aus der Drai n r ö h r e und des Wundblutes aus
d er Tiefe der Wunde, wobei mit geglühter Platinöse bei
der Entfernung des Glasdrains 24 Stunden p. op. ein Partikel des
Goagulums, sowie etwas Blut entnommen und verimpft wurde,
zeigte es sich, dass von 20 untersuchten Fällen das Coagulum
II mal, das Wundblut 4 mal bacterienlialtig war.
In einer 2. Untersuchungsreihe verimpften wir die
Glasdrain r ö h r e n selbst aus 18 Wunden, die mit S u b 1 i -
m a t gespült und 24 Wunden, die nicht s u b 1 i m i r t worden
waren; wir wollten daraus den Schluss ziehen, ob es möglich sei.
die eingedrungenen Keime zu vernichten, d. h. durch die anti-
septische Wundirrigation eine primäre Desiufection der Wunde
zu erzielen. Die Parallele ergab 7 Fälle von Bacterienwaclisthmn
bei sublimirten, 3 bei den nicht sublimirten Wunden, neigte also zu
Gunsten der reinen aseptischen Behandlung frischer
Operatlouswunden. Von Schi m in elbusch, Messner,
II e n 1 e und Reichel sind unsere ersten diesbezüglichen Ver¬
suche in der Folge auf genommen und weiter verfolgt worden.
Eine 3. Untersuchungsreihe von 101 Fällen sollte
uns die aufgeworfene Frage beantworten, ob die Prognose
d e r W u n d h e i 1 u n g nach 24 Stunden aus der Thatsaehe ge¬
stellt werden könne, dass im Glasdrain ein Coagulum, oder nur
flüssiges Blut vorhanden. Diese Entscheidung fiel negativ aus:
wohl aber fanden wir,- in Uebereinstimmung mit Welch und
T a v e 1. dass eine Infection der Wunde — wenn sie meist auch erst
später manifest wurde — stets vorlag. wo aus dem Drain Culturen
von Staphylococeus pyogenes aureus oder Streptococcus pyogenes
angingen. Dieses Factum wäre wohl für die Frage der Behandlung
aecidenteller Wunden, z. B. complieirter Fraeturen sehr wichtig
und es müsste eigentlich aus jeder aeeidentellen Wunde geimpft
werden zur Entscheidung der Frage, wie ihre Behandlung geleitet
werden solle. Allein leider entwickelt der Staphylococeus aureus
seinen Farbstoff erst zu einer Zeit, wo das wichtigste Stadium
der Wundbehandlung und damit das' Schicksal der Wunde ent¬
schieden ist. Immerhin dürfte der Befund von Tetanusbacillen
(H a e g 1 e r) in frischen aeeidentellen Wunden von einschneldenster
Bedeutung sein.
Parallelimpf ungen aus dem distalen und dem
centralen Osti um der Drainröhren ergaben die doppelte Zahl
der positiven Befunde distal, was uns für die Frage der Secun-
därinfection von Wichtigkeit schien. Zur Entscheidung
dieser Frage des seeundären Eindringens der Keime verimpften
wir in 50 Fällen die Fa den bei der Wegnahme am 1., 2. und an
späteren Tagen, sowie in weiteren 40 Fällen Stücke aus der die
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10. April 1900.
MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Wunde direct bedeckenden sterilen Gaze, Sublimat-
Kaze und Jodoformgaze. Wir fanden, dass aus der sterileu
Gaze immer, aus dem Sublimatfaden und der Sublimatgaze in
einem Drittel der Fülle, aus der Jodoformgaze nur ausnahmsweise
Keime zur Entwicklung gelangen.
Diese Untersuchungen habe ich seither, bald eifriger, bald
lässiger, hauptsächlich nach 2 Richtungen hin weitergeführt:
einmal in dem Bestreben, die prophylaktischen aseptischen Maass-
nahmen gegen das Eindringen der Keime möglichst zu sichern,
andererseits in der Absicht, die in der Mehrzahl der aseptisch
angelegten Wunden gefundenen Staphylococcusarten zu differen-
y.iren. Die letzteren Untersuchungen hatten als einziges prak¬
tisch verwerthbares Resultat die Beobachtung, dass ein in der
ersten Generation ganz als Coccus epidermidis auswachsender
Staphylocoecus in der 2. oder 3. Generation zum typischen Sta-
phylococcus pyogenes albus werden kann, dass er also doch durch
die antiseptischen Maassnahmen zu einer Degenerationsform
abgeschwächt worden war.
Ueber meine Bestrebungen nach der Richtung der Erreichung
einer möglichst idealen Asepsis will ich in Folgendem referiren.
Dabei beschränke ich mich auf das Herausgreifen einiger
springender Punkte aus einer im Sommer 1897 geschriebenen,
breiter angelegten Arbeit; die Freude an diesem ganz speciellen
Arbeitsgebiet ist nämlich in der Zwischenzeit über so viele bac-
teriologiseh geschulte Chirurgen gekommen, dass meine da¬
maligen Ausführungen zum grössten Theil von anderer Seite her
bereits bekannt sind.
Unsere Instrument e, unsere V erbau d Stoffe
haben wir durch die jetzt allerorts geübte thermische
Sterilisation definitiv beherrschen gelernt; bleiben als
unsichere Glieder in dem Ringe, wenn w’ir von der Luft absehen,
die Hand des Chirurgen, die Haut des Patienten und die ein¬
gelegten Ligaturen.
Damit sind die drei Fehlerquellen gegeben, welche uns ge¬
legentlich einen Strich durch die Rechnung ziehen, die Prima¬
heil ung beeinträchtigen können.
In erster Linie muss also dieser Begriff der prima in¬
te n t i o fixirt werden, denn mit demselben wird noch bis zur
Stunde viel Missbrauch getrieben: Prima oder Prima sind noch
heute ganz verschieden ausgelegte Qualitäten. Sobald sich nach
Verlauf der ersten 24 oder 2 mal 24 Stunden und nach der Ent¬
fernung einer eventuellen Drainröhre später noch irgend welche
Secretion zeigt, so ist der Wundverlauf ein gestörter und kann
nicht mehr als Prima, als unmittelbare, reactioslose Verklebung
bezeichnet werden. Was soll das heissen: „Prima in 10, in 14
in 20 Tagen? Das ist doch ein offenkundiger Widerspruch! Ich
habe an einer chirurgischen Klinik dem ersten Assistenten, der
das ganze Semester hindurch fast lauter Primaheilungen gesehen
hatte, entgegenhalten müssen, ich hätte in derselben Zeit keine
einzige tadellose Prima gesehen: .... So weit auseinander gehen
die Begriffe über eine' p rima intentio ! An diese Quali-
fication ist aber doch wohl gewiss der histologische Maassstab der
unmittelbaren Verklebung auch bei ausgedehntester
Verletzung zu legen. Dieselbe kann gestört sein durch ein Hae-
matom in Folge mangelhafter Blutstillung und in diesem Falle
ist es wohl noch erlaubt, von einer Prima mit Haematom zu
sprechen, da man sich gewöhnt hat, die prima intentio als asep¬
tischen Wundverlauf in Gegensatz zu stellen mit der secunda,
bei welcher infectiöse Processe im Spiele sind. Nur kurze Zeit
bleibt das Haematom als fiüssiges Blut in der Wunde, es sei denn,
dass es sich um einen grossen Bluterguss handelt; sieht man sich
gezwungen, die Ansammlung in späteren Tagen zu entleeren, so
zeigen sich dunkle, fast schwarze Blutcoagula, in seltenen Fällen
klares Serum. Ist aber das Haematom von schmutziger Farbe,
oder das Serum trüb, dann handelt es sich nach meinen Unter¬
suchungen immer um infectiöse Vorgänge, auch wenn man ge¬
legentlich im Strichpräparat oder bei Verimpfung einer geringen
Quantität aer Flüssigkeit keine Mikroorganismen findet. In
diesem Falle hört natürlich das Recht, von Prima zu sprechen,
auf, wenn die Iufection auch noch so geringen Grades ist. Eben¬
sowenig darf von einer prima intentio gesprochen werden in
Fällen, wo man die Wunde nicht durch eine Naht hermetisch ver-
schliesst, oder wo die Drainröhre länger als 1 oder 2 mal 24 Stun¬
den liegen bleibt, also noch anderen als der rein mechanischen
Indication der Ableitung des primär ergossenen Blutes genügen
muss. *
Glücklicher Weise sind wir über das Stadium acuter Infec-
tionen im Anschluss an die Operation mit seltenen Ausnahmen
No. 15.
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hinaus; ebenso kommen Sticheanaleiterungen in guten Verhält¬
nissen nicht mehr zur Beobachtung. Allein auch nach einer
ununterbrochenen Reihe von tadellosen primären Verklebungen
kommt es doch trotz bester Einrichtungen, trotz Autoelaven,
trotz Glas und Eisen, trotz aller Malicen und Chieanen eines
schönen Tages sporadisch oder auch einer schönen Woche gehäuft
vor, dass Patienten, nachdem sie bereits das Bett oder das Spital
verlassen haben, wiederkommen mit einer kleineren oder einer
grösseren Resistenz oder Fluctuation unter der roaetionslos ge¬
heilten Hautnarbe, und daran schliesst sich dann die Elimination
einer oder mehrerer Ligaturen, ein höchst langweiliger Vorgang,
der zwar glücklicher Weise gewöhnlich den Chirurgen mehr quält
als den Patienten, der aber gelegentlich auch das Recidiv einer
radicaloperirten Hernie bedeuten kann.
Gegen die chemotaetischen Anschauungen P o p p e r t’s
möchte ich bei dieser Gelegenheit entschieden Front machen;
wenn auch nicht immer direct im Strichpräparat, so sind doch
culturell, ich möchte sagen, ausnahmslos Bacterien nachzuweisen,
gelegentlich allerdings auf Gelatine nicht, wohl aber auf Agar
im Thermostaten. Ich erinnere da an unsere Beobachtung, wo
zwar weder aus der serösen Schicht, noch aus den letzten sich ent¬
leerenden Tropfen leicht trüber Flüssigkeit einer solchen 6 Wo¬
chen p. op. zur Function kommenden Verhaltung, noch aus dem
Faden, der wahrscheinlich der Ansammlung zu Grunde lag, wohl
aber au9 den unter allen Cautelen mit geglühtem scharfen Löffel
dem Fadenlager entnommenen Granulationen Culturen von
Staphylocoecus pyogenes angingen (1. c. pag. 10); ich erinnere
an die analoge Beobachtung II a e g 1 e r’s (Centralbl. f. Chir. 1899,
No. 5), der in dem serös-eiterigen Secret keine Bacterien nach-
weisen konnte, während Schnitte durch den Fadenknoten selber
zeigten, dass zwischen den einzelnen Seidenfasern zahllose Keime
eingelagert waren. So war ich bei 300 Radicaloperationen von
Hernien gewiss sehr oft in der Lage, die Pfeiler sehr energisch zu
schnüren und habe dieselben sogar gelegentlich fortlaufend mit
Seide übernäht ; eine durch Nekrose bedingte Eiterung, wie sie
P o p p e r t für die Radiealoperation haben will, wesshalb er vor
energisch ausgeführter Pfeilernaht warnt, habe ich indess noch
nicht kennen gelernt; denn als Regel gilt eben doch, dass all¬
fälliges nekrotisches Gewebe durch Resorption weggeschafft wird,
wenn keine infectiösen Einflüsse mit im Spiele sind.
Es sind also diese Fremdkörpereitcrungen, lmplantations-
infectionen (Kocher), oder kurzweg Fadenabscesse, eigentlich
der einzige Infectionsmodus, welcher von der heutigen Sterili¬
sationstechnik noch nicht überwunden ist. Durch Anwendung
von Catgut, dessen Sterilisation wir ja zur Stunde wohl be¬
herrschen, kann diese Klippe mehr oder weniger umschifft werden.
Die Seide hat aber vor dem Catgut so ungemein viele Vortheile
voraus, dass der Gebrauch von Catgut im Allgemeinen eigentlich
schon ein Compromiss bedeutet. Zur Sicherung des nicht
resorbirbaren Materiales ist der wohl von Brunner zuerst ge¬
gebene Rath, das Naht- und Unterbindungs¬
material nicht aseptisch, sondern mit desinficirenden
Lösungen getränkt antiseptisch zu verwenden, jedenfalls
von capitaler Bedeutung; derselbe ist von Haegier experi¬
mentell gestützt worden und ich habe dem gleichen Gedanken
vor Jahren schon mit dem Satz Ausdruck gegeben „man sollte
ein Antiseptieum spinnen können“. Um dafür zu sorgen, dass
die Ligaturseide mit keinen anderen als mit den Händen des
Operateurs in Berührung kommt, habe ich mir seit dem Jahre
1895 „Ligaturkugeln“ machen lassen, deren Modell, An¬
fangs weniger praktisch, nach verschiedenen Umwandlungen all¬
mählich die nebenstehende Form gefunden hat (cf. Fig. 1). Da
das kochende Wasser nicht in die Tiefe der Spulen dringt, die
tieferen Seidenschichten auf Spulen also nicht direct vom
kochenden Wasser umspült werden, wickle ich die Seide ohne
irgend welchen soliden Kern zu einer lockeren Schale auf, wie
man eine Packschnur aufwickelt, doch nur in kleine Bündel.
Diese werden in die nussförmige, aus Glas oder Porzellan ver¬
fertigte, aus zwei ineinandergreifenden Halbkugeln bestehende
Ligaturkugel gelegt, die Fadenenden zu den polaren Enden
herausgeleitet und das Ganze in Sublimat gekocht. Damit das
kochende Wasser recht durchstrudeln kann, besitzen die beiden
Hälften correspondirende Oeffnungen nahe dem Rande, die beim
Herausnehmen der Kugel durch Verschieben der beiden Halb¬
kugeln gegen einander geschlossen werden. Diese Ligatur¬
nuss leistet mir so vortreffliche Dienste, dass ich sie nicht warm
genug empfehlen kann und z. B. bei Strumaoperationen, wo
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
404
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
manchmal trotz Doyen eben doch viele Ligaturen nöthig sind,
gar nicht mehr entbehren könnte. Jeder Zwischenkörper ist
dadurch ausgeschlossen, es wird viel Zeit gewonnen und ich habe
nachgerechnet, dass ich bei einer Struma mit der Kugel 10 mal
weniger Seide brauche, als wenn ich mir die Ligaturfäden ab-
gesehnitten zureichen lasse.
Der einzige Nachtheil, die Seide 10—15 Minuten lang in
1 prom. Sublimatlösung kochen zu müssen, ist der, dass sie da¬
durch entschieden in ihrer Festigkeit leidet. Je weniger zerreiss-
lich die Seide aber ist, desto dünner kann die Seidennummer ge¬
wählt werden, und je feiner diese ist, desto leichter ist sie zu
sterilisiren, desto besser wird sie von der Wunde vertragen, desto
weniger wirkt sie als Fremdkörper I
Es ist also, abgesehen vom Aerger, den das Heissen der Seide
verursacht, durchaus nicht irrelevant, ob man schwächere oder
stärkere Seide hat, weil man dementsprechend dünnere oder
dickere Nummern wählen muss. Gestützt auf die Untersuchung
von C h r i s t e n’s (Mittheil, aus Schweiz. Kliniken, III. Reihe,
2. lieft), wonach der rotlie Kartoffelbacillus, der 2 Stunden langes
Kochen vertrug, die Wirkung des gespannten Dampfes bei 140°
während einer Minute nicht aushielt, habe ich desshalb versucht,
die Seide durch kurzen Aufenthalt in gespanntem Dampf und
nachheriges, nur eine Minute lang dauerndes Kochen in Sublimat
möglichst wenig zu schwächen. Allein zwei Proceduren statt
einer sind eben eine ComplicationI Vorbereitet wird die
Seide durch Entfettung mit Aether und Alkohol; allein schon
diese Einleitung greift die Seide entschieden an, mehr als ein
kurzes Kochen in 1 proc. Sodalösung. Leider ist es nicht räthlich,
die Seide unentfettet zu gebrauchen, obgleich sie in diesem Zu¬
stande ungemein viel stärker ist; wenigstens waren in dahin
gehenden Versuchen, bei denen ich das eine Mal die Seide ohne
weitere Vorbereitung einfach in Sublimat kochte, das andere
Mal dieselbe zuerst entfettete, die Fasciennarben bei Laparo-
tomirten im ersten Falle im Allgemeinen resistenter und druck¬
empfindlicher als mit entfetteter Seide.
Da mir die Sicherheit der Seide als das Punctum saliens
meiner antiseptischon Maassnahmen erscheint, habe ich mir die
Mühe genommen, einen Seidenbehälter mit „anti-
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s e p t i s c h e m A b s c h 1 u s s“ zu construiren (cf. Fig. 2, 3 und
4). Die nebenstehende Fig. 2 zeigt den Seidenknäuel, geschützt
1. durch den überhängenden Glasdeckel, 2. durch eine Sublimat¬
schicht, 3. durch ein Uhrglas mit centraler Oeffnung zur Ent¬
nahme des Fadens, 4. durch das Sublimat, in welchem die Seide
selbst liegt. In diesem „Seidenglas mit Sublimat¬
abschluss“ 1 ) wird die Seide gekocht und kommt aus diesem
Kochgefäss heraus gleich in die Wunde. Aus Fig. 3, sowie aus
dem Durchschnitt (Fig. 4) geht am deutlichsten hervor, in welcher
Weise die Seide gegen die Randberührung geschützt ist. Es
liesse sich auch daran denken, die obere Abtheilung meines
Seidenglases mit Jodoformäther zu beschicken; auf diese Weise
würde die in Sublimat gekochte Seide en passant gleich noch mit
Jodoform imprägnirt!
;
I
Fig. 2.
Eine weitere, dahin gehörende und für den exacten Ausbau
der Asepsis nicht ganz gleiohgiltigc Frage ist die : Sollen die
Arterienklemmen jeweilen, nachdem eine bestimmte Zahl der¬
selben gelegt ist, von Zeit zu Zeit durch Ligatur ersetzt werden,
oder thut man besser, die Schieber hängen zu lassen und die
Ligaturen als Schlussact alle zusammen auszuführen? Für
r—-^- - -—<
ersteres Verhalten spricht der Umstand, dass einzelne Schieber
während der fortgesetzten Operation losgehen können und somit
gelegentlich ein blutendes Gefiiss unberücksichtigt übersehen
werden kann. Die Rücksicht auf die Asepsis dagegen erfordert
wohl kategorisch das Zusammenhängen der Ligaturen in einen
Schlussact. Denn die während der Operation bereits gelegten
Ligaturen werden in der Folge gewiss leichter inficirt, als wenn
') Ligaturnuss und Seidenkochglas und Mütze sind von C. Fr.
Hausmann, Sanltütsgeschllft, St. Gallen, zu beziehen.
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10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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sämmtliche Ligaturen zusammen am Schluss der Operation in
einem Tempo besorgt werden, wobei die Seide direct dem
Sublimat, in dem sie gekocht worden ist, entnommen wird.
Die Meinung, dass die Seide als solche durch mangelhafte
Sterilität spätere Störungen im Sinne einer eigentlichen
Implantationsinfection bedinge, besteht meiner Ansicht nach
nicht zu Recht; übrigens wird die von uns zur Zeit vertretene
und experimentell gestützte Anschauung, dass bei Fadenabscessen
nicht das eingelegte Ligaturmaterial als solches inticirt war,
sondern dass die dasselbe legende Hand es inticirt hatte, von
Mikulicz und Anderen getheilt. Was also die subjective
A s e p s i s, die Hand des Chirurgen, anbetrifft, so ist hier selbst¬
verständlich von einer Asepsis im principiellen Sinne des Wortes
keine Rede, weil wir leider unsere Hände weder kochen, noch
üben* der Flamme ausglühen können. Es sei denn, dass vom
Stamme der Chirurgie nicht nur die Abdominalchirurgie, als
Gynäkologie sich abzweigt, sondern eine weitere Trennung in
antiseptische Chirurgie und aseptische Chirurgie stattfindet.
Ja, wenn ein Chirurge nur Kröpfe, Radiealoperationen und
saubere Laparotomien ausführen, seine Hände jeder Infec-
tionsgelegenheit fernhalten könnte, dann wäre die Sachlage eine
andere, dann wäre gewiss mit warmem Wasser, Seife und Bürste
auszukommen. Da wir aber zur Zeit nicht soweit sind, sollte der
Chirurge, bewusster als dies jetzt geschieht, sich der strengsten
Prophylaxe befleissigen, einer Prophylaxe, die ganz instinctiv
werden muss. Schliesslich sind ja doch die „chirurgischen Infec-
tionskrankheiten“ eben nichts anderes als die gewöhnlichen
„internen Infectionskrankheiten“: Scharlach, Typhus, Gelenk -
rheumatimus, welche letzteren gewiss immer mehr auch als
„Wundinfection“ erkannt werden, insofern als lädirtes Haut¬
oder vielmehr Schleimhautepithel dem Feind die Festung des
Körpers öffnet. Für die operativen Wundinfectionen haben wir
durch die Arbeiten der drei letzten Jahrzehnte den Infections-
modus, die Transplantationsinfection, kennen gelernt. Nehmen
wir nun nur ein rein äusserliches Beispiel und berücksichtigen
wir, wie viel Zeit und Müho es bringt, nach einem Gipsverband
mechanisch die groben Gipspartikel, den makroskopischen
Schmutz von den Händen weg zu fegen, dann werden wir uns
entschieden klar werden, dass es eines der ersten Gebote des Chi¬
rurgen ist, seine nände nicht zu verunreinigen, nicht zu in-
ficiren. Aus diesem Bestreben heraus habe ich mir, ganz unab¬
hängig von Mikulicz, das heisst 2 Jahre vorher, gleich nach¬
dem der Mosetigbattist in den Handel kam, bis an die Ellbogen
reichende „Ballhandschuhe“ für septische Operationen, Verbände
und zum Präpariren der Jodoformgaze machen lassen, nachdem
ich mich schon im Jahr 1893 erkundigt hatte, ob und zu welchem
Preise solche aus Condomstoff angefertigt werdon könnten, von
Instrumentenmacher Schärer aber immer wieder negativ be-
schieden worden war. Die neueren Gummihandschuhe von
Friedrich und Anderen setzen uns in die glückliche Lage,
unsere intacte Haut und damit den Patienten, unsere verletzte
Haut und damit uns selbst vor Infection zu bewahren. Da die
Condomhandschuhe etwas plump sind, habe ich in der letzten
Zeit bei Operationen an der Leiche gelegentlich gewöhnliche
Tricothandschuhe einfach mit Oel oder dickem Seifenschaum
imprägnirt, um sie undurchlässiger zu machen.
Ein weiteres, neben der Abstinenz von infectiösem Material
nicht genug zu betonendes Postulat der Prophylaxe wäre das-
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jenige, falls doch einmal eine Verunreinigung der Hände statt¬
gefunden hat, dieselben möglichst rasch und möglichst genau,
so exact wie wenn man gleich vor eine aseptische Operation
gestellt würde, zu desinficiren, damit die Infectionskeimo nicht
haften bleiben, sich in den Nagelfalzen nicht häuslich nieder¬
lassen und fortentwickeln können, nicht in die tieferen Theile
der Haut eingerieben werden. Bei der mechanischen Reinigung
ist genau darauf zu achten, dass die Haut nicht von einer
reizenden Seife oder vom Antisepticum angegriffen wird, denn
eine rauhe, zerrissene, von Schrunden durchlüftete oder gar
ekzematöse Hand ist — abgesehen vom Schmerz, den das Putzen
in diesem Falle verursacht und der die Gründlichkeit der Rei¬
nigung entschieden auch beeinflusst — nicht mehr aseptisch zu
beherrschen. Es ist ja gewiss leichter, eine Marinorplatto zu
reingen, als eine Baumrinde; die Bürste darf dcsshalb nicht so
hart sein, dass sie die Haut aufreisst.
Bürste, höre ich Schleich verwundert fragen!
Mit seiner Kritik derselben hat ja Schleich durchaus nicht
Unrecht; ob sich dieselbe indess durch seine Marmorstaubseife
ganz ersetzen lässt, wird die Zukunft weisen. Jedenfalls erscheint
mir die Entnahme seines Impfmateriales mit der Platinöse von
den Händen, sowie der Gebrauch von Gelatine statt Agar allzu¬
grosse Fehlerquellen in sich zu schliessen, als dass ich mich von
seinen Impfresultaten vorderhand überzeugen Hesse; ich erinnere
nur daran, wie oft bei unseren Impfungen die Gelatineculturen
steril blieben, während die Agareontrolimpfungen positiv aus¬
fielen.
Schleie h’s Kampf gegen die Bürste scheint mir also bei
Reinigung der Hände in fliessendem Wasser und richtiger Be¬
handlung der Bürsten durch Auskochen nur sehr cum grano salis
berechtigt zu sein. Bin ich doch vor Jahren gelegentlich eines
Falles von Olenitis tuberc. mit der Anwendung der Bürste so
weit gegangen, dass ich sie statt des scharfen Löffels zum Zweck
kategorischer Reinigung des Gelenkes brauchte. Wenn auch das
„Auskratzen“ niemals einen sehr befriedigenden chirurgischen
Act darstellt, so bleibt es eben doch ab und zu das Einzige, was
zu thun übrig ist; schon die römischen Chirurgen kannten ja
den Vo 1 k m a n n’schen Löffel, was jedem Besucher des Museo
nazionalc in Neapel erinnerlich sein wird. — Stellte sich also eine
Patientin, der ich wegen einer schweren tuberculösen Olenitis
mit Fisteln vor Jahren schon zur Resection gerathen hatte, mit
so weit gediehener Erkrankung wieder vor, dass sie selbst die
Amputation wünschte, und eine solche in diesem Zustande kaum
hätte als Kunstfehler taxirt werden können. Trotzdem versuchte
ich die Resection, fand das Oleeranon nekrotisch abgelöst im
Gelenk liegen und Knochen und Weichtheile so ausgedehnt zer¬
stört und erweicht, dass ich gar nicht wusste, wo mit der
C o o p e Eschen Scheere aufhören. Statt zum scharfen Löffel,
der mir bei dieser Ausdehnung der Erkrankung als ein Spielzeug
erschien, entschloss ich mich daher zur „scharfenBürst e“,
seifte das offene luxirte Gelenk mit einer Handvoll Schmierseife
ein und behandelte es kategorisch mit einer gekochten Hand¬
bürste. Am liebsten hätte ich zum Schlüsse noch die Bürste mit
Jodoform beladen und damit weiter gefegt, wenn der elende All¬
gemeinzustand das Jodoform nicht contraindicirt hätte. Der
Erfolg übertraf die kühnsten Erwartungen; zwar waren die
Schmerzen während der ersten Nacht, offenbar der Schmierseife
wegen, ungewöhnlich intensiv, allein nicht nur wurde die prima
intentio durch den Gebrauch der Bürste in keiner Weise gestört,
sondern ein Vierteljahr später sah die vorher ganz kachektische,
auf’s Aeusserste ausgemergelte Person, deren Lebenskraft in den
letzten Jahren durch die multipeln Fisteln herausgeflossen war,
geradezu blühend aus und jetzt — 3 Jahre post operationem —
erfreut sie sich einer recht befriedigenden Function ihres re-
secirten Ellbogengelenkes. Die Bürste erscheint mir also nicht
als so verwerflich, und wenn es zwar recht ist, dass auf die Ge¬
fahren. die von ihrer Seite drohen, aufmerksam gemacht wird,
so darf man das Kind doch nicht mit dem Bade ausschütten. Zur
Zeit reinige ich mir also meine vor jeder suspecten Berührung
mit Gummihandschuhen geschützten Hände */£ Stunde lang in
fliessendem heissen Wasser, mit Servatolseife Hausmann und
mit Bürste, nachher mit Alkohol, 1 prom. Sublimatlösung und
schütze mich vor den Folgen haftenden SubHmats durch Ab¬
waschen desselben mit 1 proc. Lysollösung. Die mit gekochtem
Wasser präparirten Lösungen werden in gekochten Schüsseln ge¬
reicht, in denen gekochte Loofalappen Hegen. Ob man statt des
3*
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
theuren Alkohols nicht als Einleitung zur Entfettung der Hände
Sodalösung brauchen könnte, müssten Experimente lehren.
Nicht warm genug kann ich das von Kocher geübte Ver¬
fahren empfehlen, den geringsten Epitheldefeet an den Händen
gleich mit Jodtinctur zu verschorfen; seit ich diesen Rath be¬
folge habe ich nie mehr ein Panaritium zu verzeichnen gehabt.
M i k u 1 i c z gebührt das Verdienst, mit dem Tragen von
Handschuhen bei aseptischen Operationen, wenn nicht den An¬
fang, so doch den ersten consequent durchgeführten Versuch
gemacht zu haben; seit 1. März 1897 hat er bei allen aseptischen
Operationen das Operiren in Zwirnhandschuhen durchgeführt.
Wölf 1er, Trendelenburg-Perthes, Zoege von
Manteuffel haben zu gleicher Zeit wie Mikulicz Ver¬
suche mit Operationshandschuhen angestellt, und auch ich bin im
Winter 1896/97 absolut unabhängig von Mikulicz, auf eine
Anregung von Prof. Kocher hin, auf die gleichen Zwimhand-
schuhe gekommen. Nachträglich ist bekannt geworden, dass
Halsted diesen Vorschlag bereits 1891 gemacht hat. Dieses
Zusammentreffen so vieler Chirurgen in der gleichen Frage be¬
weist jedenfalls das Eine, dass der von Mikulicz zuerst be¬
stimmt formulirte Vorschlag aseptischer Operationshandschuhe
die abfällige oder geradezu wegwerfende Kritik nicht verdient,
die er vielerorts erfahren hat.
Wenn es auch verfehlt wäre, nun das Tragen der Handschuhe
zum „clou“ der aseptischen Maassnahmen zu machen, so halte
ich doch dafür, dass mit den Handschuhen ein grosser
Schritt vorwärts zum Ziele einer idealen Asepsis gemacht worden
ist, und ich habe mich trotz der Experimente D ö d e r 1 e i n’s
und Brunne r’s niemals davon überzeugen können, dass die
Zwirnhandschuhe eine V erringerung der Asepsis statt
ihrer Erhöhung bedeuteten. Es wird damit doch eine ge¬
wisse Trennung der W T unde von der stets unsicheren Hand er¬
reicht und zum Anlegen der Ligaturen sind mir wenigstens die
Zwirnhandschuhe so gut zum Bedürfniss geworden, wie der
Fingerhut der nähenden Frauenhand. Einerseits kommt es ge¬
rade bei der implantirten Seide in höchstem Maasse auf genaue
Asepsis an, andererseits kenne ich seit dem Handschuhgebrauch
die lästigen Nadelschrunden und Fadeneinschnitte an den
Fingern nicht mehr, und das Legen der Ligaturen mit dem Hand¬
schuh geschieht sicherer, indem die Seide weniger gleitet. Auch
die glatten Instrumente, ein Kropf, ein Bruchsack gleiten, mit
dem Handschuh gefasst, viel weniger aus, als mit der blossen
Hand, und das stumpfe Operiren ist ebenfalls ungleich bequemer.
Sind die Handschuhe mit Blut durchtränkt, so werden sie ge¬
wechselt, und für den Act der Ligaturen oder für den Act der
Bauchdeekennaht bei Laparotomien werden stets neue Hand¬
schuhe angezogen.
Diesen Maassnahmen zur Sicherung der operirenden Hand,
des eingelegten Ligatur- und Nahtmateriales reihen sich als
nächstwichtiges Moment die Proceduren zur antiseptischen Be¬
herrschung des Operationsfeldes an. Um die in den tieferen
Schichten der Haut sitzenden, directer mechanischer Entfernung
unzugänglichen Mikroorganismen zu entfernen, habe ich in
schwieriger zu reinigenden Gegenden seiner Zeit das ganze
Operationsfeld mit einem Jodanstrich bedeckt, dieses Vorgehen
aber schon seit dem Jahre 1894 wieder verlassen, indem ich 2 mal
nacheinander bei Radicaloperirten Ekzeme auftreten sah, die wohl
der Oombination von Jod und Sublimat ihre Entstehung ver¬
dankten. Gelegentlich habe ich auch den Versuch gemacht, den
Ilautsehnitt direct durch das gekochte Decktuch hindurch anzu¬
legen, die Wundlippen gleich an den Schnitträndem des Deck¬
tuches mittels einiger Knopf nähte fixirt und das Operationsfeld
in dieser höchst einfachen Weise isolirt, d. h. exact auf die
klaffende Wunde beschränkt. Man könnte auch daran denken,
das desinficirte Operationsfeld etwa mit Jodoformtraumaticin
zu imprägniren und auf solche Art die unsicheren tieferen Theile
der Haut auszuschalten. Die Gefahr der Stichcanaleiterung halte
ich indessen für überwunden, weil ich nie in die Lage komme,
eine solche zu sehen; es beruht dies wohl nach Aufschlüssen der
Ha e g 1er’ sehen Arbeit auf der Verwendung anti-
s e p t i s c li e r , nicht bloss aseptischer Seide.
Von der Liste r’schen ITeberschätzung der Gefahren, die
der Wunde von der umgebenden Luft drohen, ist man zurück-
gekommen. Indess wird man nach Erfahrungen des letzten Jahr¬
zehnts gut thun, die Luftinfection doch nicht ganz ad acta
zu legen, den bekannten V o 1 k m a n n’schen Satz nicht mehr
zu unterschreiben. Dass die klinisch Operirten im Allgemeinen
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einen grösseren Procentsatz von gestörter Wundheilung auf-
weisen, rührt meines Erachtens wohl ebenso sehr von der Sprech¬
luft des docirenden Lehrers her, als von der durch das Auditorium
beunruhigten Zimmerluft. Untersuchungen über die Sprech¬
luft, die ich, von der Beobachtung einer durch die Anwesenheit
von Mundbacterien baeteriologisch gesicherten Spreehluft-
infection ausgehend, begonnen hatte, sind in der Zwischenzeit in
originellerer Weise durch in den Mund genommene Prodigiosus-
aufschweramung von Flügge ausgeführt worden. Als Facit
meiner diesbezüglichen Untersuchungen hatte ich bereits den
Schluss gezogen, dass man während einer Operation den Mund
möglichst zu halten hat und hatte mir für Laparotomien und
länger dauernde Operationen die nebenstehende Maske (Fig. 5)
machen lassen, um die Sprechluft einigermassen zu filtriren. Die¬
selbe schützt die Wunde zugleich vor Haar und Bart. Den
letzteren dem Chirurgen abzuerkennen, wäre zwar zweifellos ein¬
facher und correcter, doch weiss ich nicht, ob dieser Schauspieler¬
oder Kellnertypus dem Chirurgen so leicht zu dictiren wäre, ob
es nicht Chirurgen gibt oder gegeben hat, die Michelangelo
nachempfanden, der vor seinem Moses stehend den Ausspruch
that: „Der Bart ist das Göttlichste am Menschen“. Ich möchte
nun mit dieser Mütze lieber den Spott nicht allzu sehr heraus¬
fordern ; allein so lange es dem Operateur gestattet ist, Bart und
Schnurbart zu tragen, hat er die Pflicht, diese Attribute männ¬
licher Schönheit unschädlich zu machen.
Die Resultante aller dieser, dem einen oder andern, auf
überlegenem Standpunkte stehenden Leser wohl kleinlich er¬
scheinender Bemühungen ist die mehr oder weniger grössere
Keimfreiheit der Wunde. Wie bereits daran erinnert, haben wir
die ersten bacteriologischen Untersuchungen ausgeführt in der
Richtung, ob es möglich sei, eine Wunde durch antiseptische Be¬
handlung zu desinficiren, nachdem uns Hunderte von Unter¬
suchungen gelehrt hatten, dass die grosse Mehrzahl aseptisch an¬
gelegter, per primam heilender Operationswunden eben gleich¬
wohl nicht aseptisch war. Zu der Ansicht, dass die Desinfection
aseptisch angelegter Wunden zwecklos, ja sogar schädlich sei, weil
sie die Gewebe in ihrer bacterienvernichtenden Vitalität schädigt
und die Secretion vermehrt, waren wir bereits vorgedrungen zu
einer Zeit, wo die chirurgische Praxis noch von der antiseptischen
Wundspülung beherrscht. Nur da, wo die aseptische Prophylaxe
nicht ganz sicher ist, kann eine a n t i septische Irrigation der
Wunde einen Zweck haben, weil sie die eingedrungenen Bac-
terien zwar nicht vernichtet, aber, wie ich experimentell nacb-
gewiesen habe, geeignet ist, dieselben in ihrer Entwicklung zu
hemmen, oder doch wenigstens in ihrer Virulenz abzuschwächen.
Die Ausschwemmung der Wunde mit steriler physiologischer
Kochsalzlösung als Schlussact der Operation scheint mir sehr
zweckmässig zu sein, weil sie die Wunde in schonendster Weise
mechanisch reinigt, von Blutcoagula befreit. Wo das Spülwasser
aber nicht ganz sicher steril, ist wohl das Ländere Psche
Princip der trockenen Wundbehandlung das gegebene.
Die Drainage hat nur einen mechanischen Sinn; sie ist
überflüssig, wo eine breite Vereinigung der Hautränder oder
Etagennaht die Höhlenbildung vermeidet. Resultirt aber z. B.
von einer Strumaoperation eine Höhlenwunde, so thut man
besser, durch einen für 24 Stunden eingelegten Drain das sich
ansammelnde Blut abzuleiten, welches das Aneinanderliegen und
die primäre Verklebung der Gewebe in der Tiefe hindert. Durch
eine solche Trockenlegung beraubt man auch am besten die
Mikroorganismen ihres Nährbodens und zwingt dieselben zum
Kampf mit der lebenden Zelle, indem man ihnen das todte Ma¬
terial entzieht.
Von dem S c h e d e’schen feuchten Blutschorf ausgehend,
habe ich vor Jahren Salicylgelatine und, als diese sich nicht be¬
währte, Jodoformagar geprüft, um ein antiseptisches, resorbir-
bares, plastisches Material zu gewinnen und gelegentlich einem
Allzuviel von Ligaturen oder einer Tamponade aus dem Wege
gehen zu können. Meine an Hunden nach Thyreoidektoinie da¬
mit gemachten Erfahrungen waren aber ungünstig; es bleibt ab¬
zuwarten, ob das Schleie h’sche G1 u t o 1 diesem Zwecke
dienstbar werden wird.
Vor principieller Asepsis muss man sich also wohl eben so
fern halten wie vor exclusiver Antisepsis. Obschon bei asep¬
tischen Operationen ausschliesslich nur Seide, keine Strange
Catgut in Gebrauch gezogen wurde, ist mir zur Stunde wieder
eine ununterbrochene Reihe von 100 Operationswunden ohne
jede Reactioü, ohne einen einzigen Fadenabscess geheilt, darunter
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
.10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
497
eine grössere Zahl von Kröpfen mit einer Masse von Seiden¬
ligaturen. Ein solches Resultat lässt sich wohl nur erreichen,
wenn man beständig die Gefahr vor sich sieht, dass es wieder
anders kommen könnte, wenn man nicht müde wird in der
Controle und Kritik seiner a- und antiseptischen Maassnahmen.
Ueber die Einschränkung des aseptischen Feldes bei
Operationen.*)
Von Dr. G. W a 1 c h e r.
Es wird nichts zur Mode, was nicht übertrieben werden kann,
nicht nur in der Tracht der Menschen, sondern leider auch in der
Wissenschaft, in der Medicin. Und wie der Mensch, der in seiner
Kleidung die Mode nicht mitmacht, und mag er noch so zweck¬
mässig und geschmackvoll gekleidet sein, von den Modefreunden
als nicht auf der Höhe der Zeit stehend betrachtet wird, so läuft
auch der Mediciner Gefahr, als nicht auf der Höhe der Zeit
stehend betrachtet zu werden, wenn er nicht mit der modernsten
Strömung schwimmt, sondern unbekümmert um die Mode seine
eigenen Wege zieht.
Ein Modeartikel war in den letzten Jahren die Aseptik im
Gegensatz zur Antiseptik. Ich habe diesen Unterschied nie recht
verstehen können, denn ob ich einen Gegenstand mit Hilfe der
Hitze desinficire oder mittels eines Desinficiens aseptisch mache,
erscheint mir völlig gleich. Die Hitze ist eben ein vorzügliches
Antisepticum, das aber leider den grossen Nachtheil besitzt, nur
für einen Moment wirksam zu sein. Sobald die Gegenstände aus
dem Desinfectionsraum genommen sind, sind namentlich Baum-
woll- und Le inen Stoffe nicht nur der Neuinfection wieder aus¬
gesetzt, sondern zeigen sogar eine erhöhte Fähigkeit, darauf
niederfallenden Keimen als kräftiger Nährboden zu dienen.
Beide Methoden verfolgen doch nur das gleiche Ziel: die
Mikroorganismen möglichst vom Operationsfeld fern zu halten
lind sie so zu depraviren, dass, wenn sie doch in Contact mit dem
Gewebe kommen, das Gewebe bald mit ihnen fertig wird — denn
eine Aseptik im Sinne der Bacteriologie scheint überhaupt in
praxi unmöglich zu sein.
So haben uns in letzter Zeit die Laboratoriumsversuche über
die Händedesinfection merkwürdige Ergebnisse geliefert und
dabei ist zu bemerken, dass sich manche Dinge in der Theorie
prächtig ausnehmen, sich aber in der Praxis nicht bewähren, weil
man in der Theorie nicht mit allen Factoren gerechnet hat.
An einem interessanten Beispiel möchte ich Ihnen dies erläutern:
Man hat, um die Bauchdecken für eine Laparotomie möglichst
gründlich zu desinficiren, 12 oder 24 Stunden vor der Operation
Carbolpriessnitz über den Leib gemacht, in der Ueberzeugung,
die Carbolsäure werde alle Fugen der Haut durchdringen und die
darin anwesenden Mikroorganismen vernichten. Auch ich habe
dies Verfahren geübt, bis vor einem Jahre. Da geschah es, dass
ich bei zwei Kaiserschnitten und bei der Operation geplatzter
Extrauterinschwangerschaften wegen Mangels an Zeit dieses
Verfahren nicht anwenden konnte.
Die ganz ausgezeichnete Heilung der Wunden und Stich*
canäle in diesen Fällen machte mich stutzig an der Beurtheilung
des Werthes des vorangehenden Carbolpriessnitzes und ich liess
ihn seitdem mit vorzüglichem Erfolge weg. Wenn man bedenkt,
dass unter feuchtwarmen Umschlägen selbst mit Carbolsäure und
Sublimat Ekzeme entstehen, in deren Pusteln sich massenhaft
Streptococcen befinden, so ist es einleuchtend, was wir mit
unserem präliminaren Carbolpriessnitz erreichten: nämlich eine
Neuzüchtung der in der Haut liegenden und bei trockener Haut
sich ruhig verhaltenden Mikroorganismen, also geradezu das
Gegentheil des Gewollten.
In gleicher Weise hat man in den letzten Jahren verschiedene
Verfahren zur Erreichung einer möglichsten Aseptik vorge¬
schlagen, die zunächst theoretisch einwandsfrei erschienen, in der
Praxis aber sich als unhaltbar erwiesen. Ich erinnere nur an den
Siegeslauf der baumwollenen Operationshandschuhe.
Dass aber noch andere solche Maassnahmeu in der Praxis
bedenklich erscheinen, wenn sie auch, theoretisch betrachtet, auf
den ersten Blick bestechen, soll der Zweck dieser Worte sein.
In Verfolgung des Ziels einer möglichsten Aseptik hat man
meines Erachtens in jüngster Zeit weit über das Ziel hinaus-
geschossen. Man hat bei den Operationen das aseptische Feld,
*) Vortrag im ärztlichen Verein In Stuttgart am 8. XII.
No. 15.
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darunter verstehe ich alle Gegenstände, die als „keimfrei“ be¬
trachtet werden dürfen, immer weiter vergrÖssert. Von der
Sterilisation der Operationsröcke ging man zur Sterilisation des
Operationstisches, der Operationsluft und schliesslich des ganzen
Operationssaales. Wie wenn es überhaupt möglich wäre, einen
Operationssaal auch nur eine Secunde lang aseptisch zu erhalten!
Auch wenn sich Mancher, der dieser Mode huldigt, sagt, dass zwar
der Operationssaal nicht ganz aseptisch gemacht werden kann,
so tröstet er sich doch mit der Ueberzeugung, das Möglichste ge-
than zu haben, um die Mikroorganismen fern zu halten
und fühlt sich behaglich in dem „angenehmen Gefühl der
Sicherheit“, überall nur aseptische Gegenstände um sich zu
sehen.
Aber, meine Herren, gerade dieses angenehme Gefühl der
Sicherheit ist es, das niemals über den Chirurgen kommen darf,
falls er die Asepsis zur möglichsten Vollendung führen will.
Damit kommen wir zur Frage der Erziehung in der
Antiseptik.
Ein junger Operateur, der im aseptischen Operationssaal,
im aseptischen Rock, mit der Bartbinde und aseptischer
Zipfelmütze gepanzert den feindlichen Mikroorganismen heraus¬
fordernd entgegentritt, im Bewusstsein der sicheren Niederlage
des Feindes, übersieht im Gefühl seiner Sicherheit gar bald die
Wege, auf denen seine kleinen Feinde in Menge seine aseptische
Burg erstürmen. Wer sich die Mühe nimmt, solche junge Chi¬
rurgen während ihrer Arbeit genau zu beobachten, der sieht, dass
sie nicht fühlen, wenn sie ihren Operationsrock mit den Händen
berühren, ihren Operationsrock, der in der Hitze des Gefechtes
mit allen möglichen Gegenständen, die nichts weniger als
aseptisch sind, in Berührung kommt.
So kommt z. B. ein Assistent, nachdem er einen Kranken
vom Operationstisch auf die Bahre gelegt, an den Waschtisch
und reibt seinen Rock an dessen Rand. Gleich nach ihm wäscht
sich ein anderer zu neuer Operation und reibt seinen Rock an
derselben Stelle, ohne dass die Stelle vorher desinficirt wurde,
und dennoch gilt der Rock als aseptisch.
Ja ich habe schon Assistenzärzte gehabt (zu ihrer Ehre sei’s
gesagt, jetzt sehr tüchtige Antiseptiker), die fortwährend ihre
Hände am Rock abputzten, wie sie es von früher her gewohnt
waren.
Ich glaube, es nicht nöthig zu haben, diese Verhältnisse durch
weitere Beispiele zu erläutern, aber es ist ohne Weiteres klar, dass
je mehr Gegenstände bei einer Operation als aseptisch gelten,
desto mehr Gefahr vorhanden ist, dass diese Gegenstände eben
nicht aseptisch sind und dass die Furcht der Operirenden vor
eventueller Infection immer mehr schwindet und das aseptische
Gewissen nicht gehörig geschärft wird. Die Hilflosigkeit von
solcher Art geschulten Aerzten, wenn sie in der Praxis ohne asep¬
tische Operationssäle stehen, kann sich Jeder denken und die
Gefahr liegt nahe, dass sie mit dem grossen aseptischen Ap¬
parat die Aseptik überhaupt verlieren.
Der Einwand, dass etwa grosse Krankenhäuser und Spitäler
keine Erziehungsanstalten für junge Aerzte seien, sondern dem
Selbstzweck dienen, fällt in sich zusammen, weil immer junge
Aerzte und sonstiges Hilfspersonal darin thätig ist und nicht nur
in der Aseptik erzogen, sondern auch darin erhalten werden
muss.
Wie aber sind wir im Stande, das aseptische Gewissen zu
schärfen und die jungen Collegen für die Praxis als tüchtige
Aseptiker zu erziehen, und wie erreichen wir den höchstem. Grad
von Aseptik und damit die besten Resultate? Meines Erachtens
nur dadurch, dass wir das aseptische Feld bei der Operation mög¬
lichst einschränken und zwar so weit, dass es der Operateur noch
übersehen kann.
Lassen Sie mich Ihnen als Beispiel in Kürze mittheilen, wie
wir bei unseren Operationen, z. B. einer Laparotomie, verfahren:
Im Kreisssal, wo unter Assistenz von 6 bis 8 Schülerinnen
hinter einer spanischen Wand vielleicht eben eii;e Gebärende
ihr Kind zur Welt bringt, steht der Operationstisch mit einem
frischgevvaschenen Leintuch bedeckt, auf das die zu Operirende
gelegt wird. Nach gründlicher Desinfection der rasirten Bauch¬
decken mit Seife, Aether und Sublimat werden über die Schenkel
bis zum Mons veneris herauf und über den Magen herunter bis
ca. zum Nabel in Sublimatlösung liegende Handtücher gelegt
und mit aseptischen Schliessnadeln befestigt. Dieses Feld allein
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
gilt als aseptisch, ebenso die Hände und Unterarme der Operiren-
den nebst 3 Schalen, in welchen die Instrumente und Näh¬
materialien liegen, sowie die Schwämme in Sublimatlösung.
Alles andere: Operationsröcke, Tische, Unterlagen, Servietten
etc. sind zwar rein, gelten aber als septisch. Jede Berührung mit
diesen Gegenständen verlangt neue Desinfection und wird von
den geschulten Betheiligten auf’s Lebhafteste empfunden.
Streift ein gereichter Faden an irgend einen Gegenstand, so wird
er weggeworfen (während ich in aseptischen Operationssälen
schon gesehen habe, wie die Fäden über allerhand Gegenstände
weggezogen worden sind — es kümmerte sich Niemand darum,
es war ja in den Augen der Operirenden Alles aseptisch.
Die Luft in einem Operationsraum als Träger der Infections¬
keime scheint mir, für die Wunde selbst, so ziemlich gleichgiltig
zu sein. Das lebende Gewebe scheint den frei aus der Luft her¬
einfallenden getrockneten Keimen gegenüber sehr widerstands¬
fähig zu sein und lässt sich mit einer Platte Agar und Nähr¬
gelatine nicht vergleichen, wie denn überhaupt die ganze Frage
der chirurgischen Anti- und Aseptik erst ihre definitive Lösung
finden wird, wenn die beiden dunklen Capitol der Virulenz und
Disposition etwas geklärt sein werden. Viel bedenklicher ist wohl
die Einwirkung der Luft auf sterilisirte, etwas feuchte Gewebe,
wie Operationsröcke, Compreesen und dergl., wo sich die Keime in
kurzer Zeit entwickeln und dann in Massen den Wunden zuge¬
führt werden können.
Entscheidend in diesen Fragen sind ja zweifellos allein die
Erfolge, und hinsichtlich dieser dürfen wir uns in der Landes-
Hebammenschule unserer glänzenden Resultate erfreuen, nicht
nur auf der gynäkologischen Abtheilung, sondern auch auf der
unter den gleichen Principien geleiteten geburtshilflichen Ab¬
theilung, wo wir mit Einem Todesfall an Sepsis auf 8000 Geburten
von allen deutschen Entbindungsanstalten die besten Verhält¬
nisse auf zu weisen haben, während wir in den letzten Jahren unter
eiligen 100 Laparotomien nur 2 Fälle an Sepsis verloren haben,
nach einer Omphalectomie und nach Entfernung einer Extra¬
uterinschwangerschaft, wo beide Male die Sepsis nicht von aussen
zugetragen worden ist.
So erscheint es denn viel wichtiger, mit möglichst kleinem
aseptischem Feld zu operiren, weil wir, und das scheint das Aus¬
schlaggebende, damit die grösste Sicherheit für unsere Kranken
erreichen und weil wir mit unserem einfachen Apparat nicht an
Operationssäle gebunden sind, die Hunderttausende kosten und
doch nicht mehr leisten, sondern aseptisch operiren können zu
Hause oder auf dem Schlachtfelde.
Wenn ich vielleicht Manchem an’s Herz gegriffen habe, indem
ich seine schönen Einrichtungen zwar bewundere, aber für über¬
flüssig, ja sogar für schädlich halte, so mögen sie es mir ver¬
geben um der Wahrheit willen.
lieber das chirurgische Naht- und Unterbindungs¬
material*)
Von Dr. H. Braun, Privatdocent in Leipzig.
Die moderne Wundbehandlung stellt von Tag zu Tag grössere
Anforderungen an die operirenden Chirurgen und chirurgischen
Anstalten. Die letzten bacteriellen Keime, welche noch in die
Wunde gelangen können, sollen vernichtet werden, absolute Keim¬
freiheit soll erstrebt werden. Man operirt in Handschuhen, man
controlirt in strengerer Weise als früher die Bedingungen, welche
Keimfreiheit schaffen, man schenkt der Luftinfection, deren Be¬
deutung für die Wunde bis dahin geleugnet wurde, erneute Auf¬
merksamkeit.
Trotz aller dieser Vorkehrungen lässt der Erfolg zu wünschen
übrig; die menschliche Haut lässt sich, wenn überhaupt, so doch
nur ausnahmsweise keimfrei machen, und wenn eine Wunde, die
auch nur eine massige Zeit unseren chirurgischen Manipulationen
ausgesetzt war, bacteriologisch untersucht wird, so enthält sie
meistens Keime, und zwar nicht bloss unschuldige Saprophyten,
sondern oft genug auch virulente, pathogene Bacterien (Fränkel,
Pfuhl, Brunner, Riggenbach, Schloffer u. A.) 1 ).
Woher sie kommen oder kommen können, soll hier nicht weiter
erörtert werden, es soll nur constatirt werden, dass sie da sind
und dass wir mit ihnen rechnen müssen. Bemerkenswerth ist,
*) Vortrag, gehalten ln der Medicinischen Gesellschaft zu Leip¬
zig am 23: Januar 1900.
*) Literaturverzeichniss am Schluss der Arbeit.
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dass auch in Wunden, welche ohne alle klinischen Zeichen einer
Infection heilen, solche Bacterien gefunden werden. Sie
brauchen sich also nicht anzusiedeln — ein Ver¬
halten, das bei allen Infectionskrankheiten wiedergefundeu
wird — aber sie können das thun, sie können eine Infection
im klinischen Sinn hervorrufen, wenn sie in sehr grosser Zahl
und Virulenz vorhanden sind, oder wenn sie, auch bei kleiner
Zahl und geringer Virulenz, in der Wunde einen geeigneten
Nährboden finden, dem gegenüber die Schutzkräfte versagen,
welche dem lebenden Organismus gegen eine Bacterien in vasion
zu Gebote stehen. Das kann bedingt werden durch Umstände,
die den Allgemeinzustand des Körpers oder die besondere Be¬
schaffenheit einzelner Körpertheile und Organe betreffen: man
weiss, dass Wunden bei Diabetikern und geschwächten, anaemi-
schen Kranken besonders leicht inficirt werden, man weiss, dass
gewisse Körpertheile oder Organe, z. B. Lippen, Gesicht, Peri¬
toneum an und für sich widerstandsfähiger gegen Bacterien
sind, als andere. Ferner aber können in der Wunde selbst locale
Bedingungen geschaffen werden, welche vorhandenen Bacterien
die Ansiedelung und damit das Hervorrufen einer Störung der
Wundheilung möglich machen oder erleichtern. Hiezu gehören
Blutergüsse, welche die Wundflächen auseinanderdrängen, todte
Räume in der Wunde, ferner zu intensive Verwendung ätzender
antiseptischer Lösungen, nekrotische, stark gequetschte oder
sonst in ihrer Ernährung beeinträchtigte Gewebstheile, endlich
Fremdkörper, welche in der Wunde zurückgelassen wurden:
Ligaturen und versenkte Nähte. Die Vermeidung solcher Schäd¬
lichkeiten, soweit sie möglich ist, die Assanirung der Wunde,
ist eben so wichtig wie die Asepsis oder Antisepsis, so lange
nicht mit Sicherheit überall und unter allen Verhältnissen alle
Keime von den Wunden ferngehalten oder unschädlich gemacht
werden können. Von diesem Ideal sind wir heute noch weit
entfernt.
Unvermeidlich sind bei der Wundbehandlung Unterbindungs¬
fäden und versenkte Nähte, und es erhebt sich nun die Frage,
ob jedes primär keimfreie TTnterbindungs- oder Nahtmaterial
gleichwerthig ist, um in einer Wunde die Ansiedelung von Bac¬
terien zu erleichtern, oder ob gewisse Eigenschaften des ver¬
wendeten Fadenmaterials in dieser Hinsicht günstige oder
weniger günstige Unterschiede bedingen.
Hierüber kann die klinische Beobachtung und die bacterio-
logische Untersuchung von Hautnähten leicht Aufschluss geben.
Der Stichcanal einer Hautnaht ist eine Wunde, die sich unter
sehr ungünstigen Verhältnissen befindet, die fast stets der Ge¬
fahr einer Infection von Seiten der Hautoberfläche oder der
tieferen bacterienhaltigen Hautschichten ausgesetzt ist. Ein
Nahtmaterial, von dem gefunden wird, dass es unter solchen Ver¬
hältnissen selten oder nie isolirte Entzündungen und Eiterungen
des Stichcanals verursacht, und dessen im Stichcanal gelegener
Nahtschlingentheil sich in der Regel als bacterienfrei erweist,
von dem kann a priori auch angenommen werden, dass es, unter
weit günstigeren Umständen, in der Tiefe der Wunde liegend,
in der Regel keinen Boden für eine Bacterienentwicklung ab¬
geben, sondern ohne Störung einheilen wird. Umgekehrt wird
ein Faden, bei dessen Verwendung häufig Stichcanaleiterungen
entstehen und dessen Nahtschlingen sich stets als bacterien-
haltig erweisen, obwohl sie primär keimfrei waren, als ein Fremd¬
körper angesehen werden müssen, welcher einer Infection Vor¬
schub leisten kann.
In der Zeit der aseptischen Wundbehandlung pflegt die
Keimfreiheit und leichte Sterilisirbarkcit der Fäden als wesent¬
lichstes Kriterium eines brauchbaren Nahtmaterials zu gelten,
fast gleichgiltig erscheint es, woraus der Faden besteht. In der
älteren vorantiseptischen Zeit war es aber bekannt, dass die
Fähigkeit, leicht und ohne Eiterung in den Geweben einzu¬
heilen, von der Art des Fadens abhängig war. Man beobachtete
ferner, dass feine Fäden überhaupt besser einheilten, als starke,
dass Wollfäden stets Eiterung erregten, dass hingegen Metall¬
fäden besonders gut vertragen wurden.
Bereits Fabricius ab Aquapendente bediente sich
(nach O 11 i e r) der Metallfäden, welche nachher von Dieffcn-
bach, Simpson, Sims und vielen Anderen aus dem an¬
gegebenen Grunde zur Naht empfohlen wurden.
L e v e r t beschäftigte sich 1829 experimentell mit der
Sache, indem er 21 Hunden die Carotis theils mit Fäden
aus Metalldraht, theils mit solchen aus organischem Material
unterband. Es zeigte sich dabei, dass selbst unter den damaligen
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Verhältnissen die Metallfäden, mochten sie nun aus Blei, Silber,
Gold oder Platin bestehen, im Gewebe reactionslos einheilten,
während in der Umgebung der organischen Fäden Abscesse ent¬
standen. In vortrefflicher und für jene Zeit erschöpfender Weise
hat 1862 O 11 i e r die Frage experimentell am Menschen geprüft,
indem er IVz Jahre lang jede Wunde, die er zu behandeln hatte,
gleichzeitig mit Seide, Zwirn und Metalldraht vernähte, aber
nur solche Nähte in ihrem weiteren Verhalten miteinander ver¬
glich, welche unter ganz gleichen Verhältnissen sich befanden,
gleich tief lagen, unter gleicher Spannung standen und dergl.
Er fand ebenfalls, dass die Metallfäden, einerlei aus welchem
Metall, in hohem Grade den Seiden- oder Zwirnfäden überlegen
waren. Denn während bei letzteren stets Eiterung der Stich-
canäle beobachtet wurde, wurden die Metallfäden selbst in schwer
inficirten Wunden längere Zeit gut vertragen. O 11 i e r be¬
zeichnet die grössere Feinheit des verzinnten Eisendrahtes, den
er gewöhnlich benutzte, und andererseits die Imbibitionsfähigkeit
der Seiden- und Zwirnsfäden für sich zersetzenden Eiter als Ur¬
sache dieses verschiedenen Verhaltens. Irrig wäre nun die An¬
nahme, dass uns diese Versuche heute gar nicht mehr inter-
essiren könnten, weil wir jetzt eben alle Fäden, die wir zur
Naht und Unterbindung brauchen wollen, keimfrei machen
können.
Wir können vielmehr noch heute, wenn auch weniger grob,
diese Differenz im Verhalten des Materials bei Hautnähten be¬
obachten, weil sie weniger bedingt ist durch den primären
Keimgehalt der Fäden, als durch eine Secundärinfection des
Fadens und des Stichcanals von der keimhaltigen Haut aus, die
wir noch nicht zu verhüten im Stande sind.
Seidenfäden verursachen bekanntlich nicht selten Sticli-
canaleiterungen und die Regel, dass man Seidennähte nach 6
bis 10 Tagen entfernen soll, gründet sich darauf, dass die Stich¬
canäle bei längerem Liegeidassen der Fäden in der Regel doch
nicht reactionslos bleiben, sondern allmählich anfangen sich zu
röthen, mit Granulationen auszukleiden, zu eitern, bis der Faden
entfernt wird. Nur ausnahmsweise bleiben vergessene Seiden¬
nähte ohne diese Erscheinungen reactionslos auch lange Zeit im
Hautstichcanal liegen. Feine Metallfäden aber pflegen, auch
unter den überaus ungünstigen Verhältnissen einer Hautnaht,
fast regelmässig völlig in dem Gewebe einzuheilen, und man
kann nach Wochen gelegentlich sehen, dass über dem extracutan
gelegenen Schlingentheil sogar das Epithel hinübergewachsen ist
und den Fremdkörper völlig unsichtbar gemacht hat.
Dass man dies Material nicht allgemein und ausschliess¬
lich zu Naht verwendet, hat seinen Grund lediglich in gewissen
Unbequemlichkeiten, welche dem Gebrauch der starren Metall-
drähte anhaften.
Ein ähnlich günstiges Verhalten in den Stichcanälen wie
die Metallfäden, zeigen die glatten, drahtartigen Seidenwurm¬
fäden, welche vielfach empfohlen (P e t e r s e n) und erprobt,
doch ihrer Starrheit und auch Kostspieligkeit wegen niemals sich
haben allgemein einbürgem können.
Genauere Auskunft über die Ursache dieses verschiedenen
Verhaltens gibt die bacteriologische Untersuchung der Faden¬
schlingen.
Zunächst kann vorausgesetzt werden, dass die Fäden jeder
Art gewöhnlich primär keimfrei sind. Es ist keine Schwierig¬
keit, einen Faden keimfrei zu machen und zu verwenden. Auch
eine Catgutfrage existirt nach dieser Richtung hin nicht mehr,
da wir eine Anzahl von Sterilisirungsmethoden besitzen, die uns
ein sicher keimfreies Catgut liefern. Werden nun aber steril
gewesene Fäden bacteriologisch untersucht, nachdem sie einige
Tage in einem Stichcanal gelegen haben, so werden sie mehr oder
weniger häufig inficirt, je nach dem Fadenmaterial, was zur Ver¬
wendung kam.
Systematische, vergleichende Versuche dieser Art hat meines
Wissens zuerst Haegier angestellt. Er fand, dass die Naht¬
schlingen der Seiden- und Catgutfäden fast stets inficirt, die
der Metallfäden fast ausnahmslos steril geblieben waren.
Ebenso fand Gottstein, dass von 93 Seidennähten 80
inficirt waren, wobei aber nur 13 mal eine manifeste Stichcanal¬
eiterung sich eingestellt hatte.
Eingehend beschäftigte sich mit dieser Frage T r o 11 e r.
Er ging, um vergleichbare Werthe zu erhalten, in ähnlicher Weise
vor, wie früher Olli er und vernähte Wunden gleichzeitig mit
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sterilen Fäden aus Seide, Catgut, Aluminiumbroncedraht und
endlich einer nach Schaeffer mit Guttapercha imprägnirten
Seide. Nach Entfernung der Fadenschlingen prüfte er ihren
Keimgehalt. Derselbe war unter Anderem durchaus abhängig
von dem verwendeten Material, und zwar ergab sich als wich¬
tigstes Resultat, dass imbibitionsfähige, poröse, quellungsfähige
Fäden, wie Seide und Catgut, ausserordentlich viel ungünstiger
gestellt sind, als solide, nicht imbibitionsfähige Fäden, z .B.
Setola, Draht und Seide, welche durch Guttaperchaimprägnation
impermeabel gemacht waren. Während in einer der Versuchs¬
reihen Trolle Fs die subcutan gelegenen Schlingentheile der
Seide und des Catgut ausnahmslos inficirt waren, blieben die
gleichzeitig angelegten Setola- und Guttaperchaseidennähte in
60 Proc. steril. Ein anscheinend noch günstigeres Resultat er¬
gab in der gleichen Versuchsreihe die Schlinge aus Aluminium¬
broncedraht. In anderen Versuchsreihen aber war die Zahl der
sterilen Drahtschlingen im Verhältniss zur Zahl der sterilen
Seiden- und Catgutnähte sogar kleiner (Draht 84,4 Proc., Seide
30,7 Proc., Catgut 25 Proc.) als in der zuerst erwähnten Versuchs¬
reihe die Zahl der sterilen Setola- und Guttaperchaseidennähte
im Verhältniss zur Zahl der sterilen Seiden- und Catgutnähte.
Die Keime, die von Troll er an den Nahtschlingen gefunden
wurden, waren in der Mehrzahl solche, welche als gewöhnliche
Hautbewohner bekannt sind (Staphylococcus pyog. albus, Mikro-
coccus tetragenes). Wiederholt fand er aber auch in Ueberein-
stimmung mit Gottstein den Staphylococcus pyogenes aureus.
Stichcanaleiterungen hatten etwa die Hälfte der baeterienhal-
tigen Darmschlingen verursacht. T r o 11 e r schliesst mit Recht,
dass die Bacterien von der Oberfläche der Haut oder ihren tieferen
Schichten stammen müssen. Daher nimmt auch die Zahl der
bacterienhaltigen Nähte ab, wenn die Haut zuvor sehr energisch
desinficirt und die Nahtlinie mit einem aus trocknenden anti-
septischen Pulver bedeckt wird.
Die Infection der Fäden muss nach Trollerin den ersten
24 Stunden geschehen, denn frühzeitiges Herausnehmen der
Nähte änderte nicht das Zahlenverhältniss der inficirten und
nicht inficirten Fäden. Sie erfolgt aber in der Regel jedenfalls
nicht beim Einlegen der Naht, denn keimfreie Hanfzwirnfäden,
die ich durch die mechanisch, ohne Antisepticum gereinigte Haut
zog und auf Agarplatten übertrug, blieben keimfrei, während der
rohe, nicht gewachste Hanf zwirn ein ausserordentlich schlechtes
Nahtmaterial ist, insofern nicht nur die Nahtschlingen einige
Tage nach dem Einlegen fast ausnahmslos voll von Bacterien
sind, sondern auch sehr häufig manifeste Stichcanaleiterungen
verursachen. Uebrigens gibt es auch festgedrehte, namentlich
gewachste Hanf- und Flachszwirne, welche der Seide an Brauch¬
barkeit in keiner Weise nachstehen und auch von manchen Chi¬
rurgen zur Naht verwendet werden.
Es handelt sich also meistens um eine Secundärinfec¬
tion der Nahtschlingen von der Haut aus; selbstver-
ständlich kann ein Stichcanal beim Eintritt einer tiefen Wund¬
eiterung auch von da inficirt werden.
Das praktisch wichtigste Ergebniss dieser Untersuchungen
ist das, dass nicht bloss die primäre Keimfreiheit, sondern auch
die physikalische Beschaffenheit eines Fadens seinen Werth als
Nahtmaterial bestimmt, dass ein impermeabler Faden weit
seltener secundär inficirt wird, als Seide und Catgut, dass daher
die Verwendung eines solchen Fadens wesentliche Vortheile be¬
sitzt, und endlich, dass aus einem schlechten Faden, wie roher
Hanfzwirn, ein guter gemacht werden kann, wenn er mit einer
erstarrenden Masse durchtränkt wird, welche ihn anhydrophil
macht.
Wir stellen uns vor, dass der poröse, mit Wundsecret ge¬
tränkte Seiden- und Zwirnfaden und die auf gequollene Catgut¬
substanz einen Nährboden bilden, auf dem sich Bacterien leicht
ansiedeln und eine Iraplantationsinfection (im Sinne Koche Fs)
der Wunde — hier des Stichcanals — veranlassen können,
während der porenlose Setolafaden, der mit Guttapercha durch¬
tränkte, nicht hydrophile Seidenfaden, die Drahtschlinge als
gleichgiltige Fremdkörper im Stichcanal liegen und etwaige an
ihrer Oberfläche befindliche Keime den Schutzkräften des Orga¬
nismus leichter zugänglich sind und unschädlich gemacht werden
können.
Wir wollen an dieser einen Thatsache festhalten und
eine andere Frage nur flüchtig berühren, weil sie noch
nicht spruchreif ist; nämlich die, ob die Secundär-
4*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
500
infection der Fäden auch verhindert werden kann, wenn
man ihnen antiseptische Eigenschaften verleiht. Eine Durch¬
tränkung des porösen Seidenfadens mit einer antiseptisehen
Flüssigkeit kann naturgemäss, wie auch T r o 11 e r’s Unter¬
suchungen bestätigen, nur einen sehr vorübergehenden Einfluss
auf die Keimentwicklung haben, und kann die Secundärinfection
nur selten verhindern. Viele Chirurgen sind ja sogar der Ansicht,
dass eine solche antiseptische Behandlung der Fäden schädlich
sei. Ob Dauerantiseptica, z. B. Jodoform oder metallisches Silber
mehr leisten, muss durch weitere Untersuchungen festgestellt
werden. Haegier und T r o 11 e r glauben, dass antiseptische
Eigenschaften des Aluminiumbroncedrahtes neben seiner Imper-
meabilität bestimmend sind für seine bacteriologisch und kli¬
nisch festgestellte geringe Neigung, Sticlieanalinfectionen zu
verursachen. Ich halte es aber für noch nicht erwiesen, dass
Aluminiumbroncedraht in dieser Hinsicht besser gestellt ist, als
z. B. verzinnter Eisendralit, der schon von Olli er als vorzüg¬
liches Nathmaterial erkannt wurde, obwohl dem Zinn und Eisen
nach Behring jede antiseptische Wirkung abgeht, oder wie
Setola, die überall, wo man sie verwendete, sich trefflich bewährte
oder wie in bestimmter Weise physikalisch veränderte Seiden-
und Zwirnfäden.
Ein gutes Nahtmaterial muss anhydrophil, muss widerstands¬
fähig gegen Sterilisation durch Hitze oder chemische Substanzen
sein, cs muss sich leicht einfädeln lassen und muss mit möglichst
grosser Feinheit möglichst grosse Festigkeit verbinden. Es
erscheint selbstverständlich, dass ein Fremdkörper um so leichter
unschädlich einheilt, je kleiner er ist: Dun hat dies in Betreff
der Unterbindungsfäden auch experimentell beweisen können.
Man wird also überall die feinsten Fäden verwenden, die ihren
Zweck noch erfüllen. Bei weiteren Untersuchungen auf dem von
T r o 11 e r eingeschlagenen Wege müsste übrigens darauf ge¬
achtet werden, dass alle zu prüfenden Fäden gleich stark sind.
Die geforderten Eigenschaften vereinigt sämmtlich der Draht.
Der S o c i n’sche Aluminiumbroncedraht besitzt noch in Stärke
von 0,13—0,15 mm sehr grosse Festigkeit und Zähigkeit, lässt
sich in dieser Feinheit wie Seide knoten und kann für alle Arten
von Weichtheilnähten, auch für fortlaufende Nähte, und selbst für
Gefässunterbindungen gebraucht werden. Die Nachtheile des
Drahtes sind bekannt: Starrheit und Knickbarkeit seiner Fäden,
Zurückbleiben starrer Spitzen im Gewebe, wenn er zu verlorenen
Nähten und Unterbindungen benutzt wird. Ich beobachtete nach
einer Leisterbruchoperation Neuralgien des Samenstrangs, ver¬
ursacht durch die Spitzen einer der zur Fasciennaht verwendeten
Drahtschlingen. Setola ist ebenso unbequem wie Draht zu hand¬
haben und theuer. Als bis auf Weiteres bestes Nahtmaterial
dürften daher mit einer erstarrenden Masse getränkte Seiden¬
oder Zwirnsfäden zu betrachten sein. Der Erste, der Fäden prä-
parirte, in der Absicht, ihnen ihre Imbibitionsfähigkeit zu
nehmen und dadurch Stichcanaleiterungen zu verhüten, war
meines Wissens Schaffer. Er imprägnirte Seidenfäden mit
Guttapercha. T r o 11 e r’s Untersuchungen haben gezeigt, wie
zweckmässig das ist. Zur gleichen Zeit (1898) empfahl Guba-
r o f f, Lcinenzwime ihrer unangenehmen Eigenschaft, im nassen
Zustande aufzuquellen, sich aufzudrehen, zu verwickeln und
schwierig sich einfädeln zu lassen, dadurch zu berauben, dass
man sie mit Cclloidin oder Photoxylin tränkt und trocknen lässt,
um auf diese Weise gleichsam künstliche Setolafäden zu ge¬
winnen. Er rühmt die Billigkeit und bequeme Handhabung
dieses Materials und seine geringe Neigung, Stichcanaleite¬
rungen zu verursachen.
Seit etwa einem Jahre endlich ist im Handel ein vortreff-
siches Nahtmaterial zu haben, ein auf Pagenstecher’s Em¬
pfehlung mit Celluloid durchtränkter und dadurch völlig imbi¬
bitionsunfähig gemachter Hanfzwirn. Eine kurze Publication
über diesen Celluloidzwirn liegt bisher nur von Schlutius
vor.
Ich habe seit der Mittheilung G u b a r o f f’s einen mit Collo-
dium imprägnirten Zwirn verwendet, den ich mir selbst herstelle.
Später habe ich über ein Jahr lang Alles mit Draht genäht, bin
aber wieder zu dem Zwirn zurückgekehrt, weil ich eben zu der
Ueberzcugung gekommen bin, dass er dem Draht nicht nachsteht
und die beiden gemeinsame Impenneabilität für Flüssigkeiten
und Bacterien der hier hauptsächlich in Frage kommende Fac¬
tor ist.
Ich will zunächst die Herstellung dieses Nahtmafcerials
schildern.
Es erscheint fast selbstverständlich, dass man als Grundlage
des Fadens nicht Seide nehmen soll, da geeignete Zwirnsorten
viel billiger, dabei bei gleicher Stärke fester und gegen Hitze
und chemische Einflüsse weit widerstandsfähiger sind als Seide,
und der Faden, der schliesslich nach der Imprägnation zu Stande
kommt, im Uebrigen die gleichen Eigenschaften besitzt, mag er
aus Seide oder Zwirn bestehen.
Das Mittel zur Imprägnation muss eine erhärtende Substanz
sein, welche die Fasern des Fadens miteinander verklebt, ohne
ihn oder die Gewebe des Körpers zu schädigen, und welche Siede¬
hitze verträgt. Collodium, Celloidin, Guttapercha sind geeignet.
Celluloid besitzt einen Nachtheil, auf den ich noch zurückkomme.
Ich benutze gewöhnliches Collodium, und habe keinen Grund,
von ihm abzugehen.
Als ein für unsere Zwecke besonders geeignetes Fanden-
material erwies sich ein französicher, in Lille hergestellter Flachs¬
zwirn, der unter der Bezeichnung „Fil de Lin P. & L.“ — hier
wenigstens — in allen grösseren Zwimgeschäften in zahlreichen
Stärken zu haben ist. Er kommt in kleinen, locker gewickelten
Röllchen mit Papierhülse in den Handel. Jedes Röllchen enthält
55 m Zwirn und kostet 7—10 Pfg. Ich verwende No. 300 mit
einem Fadendurchmesser von 0,28 mm, No. 100 von 0,35 mm,
No. 20 von 0,5 mm. Zum Vergleich sei angeführt, dass die
feinste Seide No. 000 einen Fadendurchmesser von 0,25 mm be¬
sitzt, also nur wenig feiner ist, als die genannte feinste Zwiru-
sorte, welche letztere aber auch wesentlich fester ist.
Die Imprägnation des Zwirns mit Collodium habe ich früher
in der primitivsten und einfachsten Weise bewerkstelligt. Eines
der Röllchen wurde von seiner Papierhülle befreit, aus¬
gekocht und sorgfältig wieder getrocknet, 24 Stunden
in Aether, hierauf in einer weithalsigen Flasche einige
Tage in dünnes, dann einige Tage in dickes Collodium ge¬
legt. In Folge der losen Wickelung der Röllchen dringt das
Collodium überall leicht ein. Nachdem dies geschehen, wird auf
die Flasche ein durchbohrter Kork aufgesetzt, das Ende des
Fadens durch das Loch hindurchgesteckt und der ganze Faden
aus dem Collodium herausgezogen und gleichzeitig auf einen
Garnwiekel apparat oder über die Lehnen zweier auseinander ge¬
rückter Stühle aufgewickelt, wo er zum Trocknen einige Stunden
verbleibt.
Das Auskochen der Fäden vor der Imprägnation hat nur
den Zweck, die Wachsappretur dieses Zwirns zu entfernen, welche
der Durchtränkung mit Collodium hinderlich ist; andere, nicht
gewachste Zwirn Sorten, z,. B. die von Gubaroff empfohlenen
und sehr geeigneten sogenannten englischen Leinenzwirne, be¬
dürfen dieser Procedur nicht. Die Sterilisation des Fadens er¬
folgt, nach der Imprägnation.
Später habe ich mir zur grösseren Bequemlichkeit den bei¬
stehend abgebildeten Wickelapparat machen lassen. Derselbe be¬
steht aus einer aus Metallstäben bestehenden Rolle (A), welche
mit Hilfe eines Glasstabes auf ein Metallgestell befestigt werden
kann, das seinerseits wieder in einen Glaskasten (B) hineingestellt
werden kann. An dem Glaskasten ist ferner ein grosser Wickel
aus Holz (C) angebracht und eine (auf der Abbildung nicht sicht¬
bare) Vorrichtung zum Abstreifen des überschüssigen Collodiums,
die aus 2 mit Gummiringen elastisch zusammengehaltenen Glas¬
stäben besteht. Der Zwirn wird auf die Rolle A gewickelt, die
Rolle aus ihrem Gestell herausgenommen, wenn nöthig ausgekocht
und getrocknet, für 24 Stunden in ein passendes Standgefäss
wird auf die Rolle A gewickelt, die Rolle aus ihrem Gestell
herausgenommen, für 24 Stunden in ein passendes Standgefäss
mit Aether, dann ebenso lange in ein Gefäss mit Collodium ge¬
legt. Dann wird sie aus dem Collodium herausgenommen, sofort
auf ihrem Gestell befestigt, das Gestell mit der Rolle in den Glas¬
kasten gesetzt, das Fadenende zwischen den erwähnten Glas¬
stäben durchgezogen, an den Wickel C festgebunden und auf
letzterem nun der ganze Zwirn rasch aufgerollt *). Er bleibt
einige Stunden zum Trocknen stehen und kann dann in beliebiger
Weise weiter verwendet werden.
’) Wickelapparat und Zwirn liefert auf Wunsch Alexander
S c li a e d e 1 in Leipzig, Reiehsstr. 14.
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10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
50i
Man erhalt durch die Imprägnation mit Collodium einen
glatten, völlig anhydrophilen, soliden Faden, der sich, auch nass
gemacht, nicht aufdrieselt, und in Folge einer gerade geeigneten
Starrheit leicht einfädeln und sehr bequem handhaben lässt.
(Schluss folgt.)
Zur Catgut-Frage.*)
Von Oberarzt Dr. Carl Laucnstein.
Die Catgutfrage ist eine der wichtigsten Fragen der
modernen Chirurgie, eine Frage, für die sich der Chirurg, der
1 faktische Arzt, der Chirurgie treibt, und der Bacteriologe in
gleicher Weise interessiren. Die Cat gutfrage geht Hand in Hand
mit der Entwicklung der neueren Chirurgie. Hat uns doch kein
Geringerer als L i s t e r selbst, der Schöpfer der antiseptischen
Wundbehandlung, mit dem Catgut beschenkt, einem Material,
das in Gestalt von Darmsaiten schon seit den ältesten Zeiten
bekannt war, dessen Verwendung jedoch als Naht- und Unter¬
bindungsmaterial als vollkommen neu gelten musste.
Ausgezeichnet in erster Linie durch seine Resorbirbarkeit,
entsprach dieses Naht- und Unterbindungsmaterial dem hervor¬
ragendsten Grundsätze der Liste r’schen Wundbehandlung —
dem „to be let alone“.
Im Beginn der antiseptischen Wundbehandlung spielte die
Catgutfrage als solche keine besondere Rolle. I)io Resultate
waren durch die Liste r’sche Behandlung so viel besser ge¬
worden als früher, dass man sich um mehr oder weniger gering¬
fügige Störungen des Wundverlaufes nicht kümmerte, wurde
doch jetzt in der Regel die Heilung des Patienten erreicht, im
Gegensatz zu der vorantiseptischen Aera, wo der Pat. leider sehr
oft eine selbst geringfügige Operation mit dem Leben bezahlen
musste.
Erst etwa 10 Jahre nach der Einführung der antiseptischen
Wundbehandlung wurde man aufmerksam auf gewisse Störungen
der Wundheilung, Abscesse der Nahtlinie, der Stichcanäle etc.,
die man geneigt war, dem Catgut Schuld zu gehen. Das damals
noch ausschliesslich gebrauchte ursprüngliche Liste r’sche
Carbolöl-Catgut wurde von verschiedenen Seiten geprüft, und
das Ergebniss dieser Prüfungen war, dass einerseits Zweifel
im Carbolölcatgut pathogene Mikrobien fand, während anderer¬
seits von Robert Koch festgestollt wurde, dass manche Anti-
septica — und speciell Carbolsäure — in öligen Vehikeln ihre
antiseptische Kraft zum Theil cinbiissten.
In dieser Zeit ereignete es sich, dass Kocher eine Kranke
nach Strumaoperation, bei der er Carbolölcatgut zu den Liga¬
turen verwendet hatte, an Sepsis verlor. Als er die noch übrigen
Catgutproben öffnete, hatten sie alle einen fauligen Gestank. Dies
war für Kocher der Ausgangspunkt von sehr eingehenden und
sorgfältigen Untersuchungen über die antiseptische Kraft der
ätherischen Oele. Das praktische Ergebniss derselben w*ar das
*) Vortrag, gehalten im biologischen Verein zu Hamburg
am G. Februar 1900.
„Juniperusölcatgut“, ein ganz entschiedener Fortschritt auf dem
Gebiete der Catgutzubereitung.
Dies J uniperuseatgut K o c h e Fs spielte eine Rollo in der
Chirurgie bis Ende der 80er Jahre, wo Kocher selbst zu der
Ueberzeugung gelangte, dass auch dies Catgutpräparat nicht
den Anforderungen entspräche, die man bei der grossen Verant¬
wortlichkeit des Chirurgen an dasselbe stellen müsste.
K o c h e r ist im Jahre 1888, wie er selbst ausgesprochen hat,
vollkommen vom Cat gut abgegangen und hat sich zunächst —
wie lange, vermag ich nicht genau zu sagen — zu Ligaturen und
Nähten ausschliesslich der Seide bedient bei allen seinen Opera¬
tionen. Die Seide, ebenfalls ein animalischer Stoff (Chitin), hat
von vornherein vor dem Catgut den entschiedenen Vortheil voraus
gehabt, dass sie durch Auskochen einwandsfrei aseptisch gemacht
werden konnte. Ferner bildet sie, in die Körpergewebe versenkt,
nicht in derselben Weise, wie das Catgut, einen günstigen Nähr¬
boden für Mikrobieu. Aber die Seide steht dem Catgut darin
entschieden nach, dass sie nicht resorbirbar ist oder doch in sehr
viel geringerem Maasse als jenes. Trotz der Sicherheit, mit der
wir sie aseptisch machen können, ist und bleibt sie ein Fremd¬
körper, der im menschlichen Körper nicht immer mit Sicherheit
dauernd einheilt. Trotz strengster Asepsis und trotz einwands¬
freier Heilung durch prima intentio stossen sich gelegentlich
Ligaturen und Suturen aus Seide nachträglich aus, oft noch nach
Monaten, und bilden so eine höclist unangenehme Zugabe für Pa¬
tienten und Arzt nach dem vermeintlichen Abschluss der Be¬
handlung.
Wir selbst haben vor ca. 5 Jahren eine ähnliche Periode
durchgemacht. Wir haben 8 Monate lang das Catgut vollkommen
aufgegeben und zu Ligaturen und Nähten nur Seide gebraucht.
Wir sind aber, als das nachträgliche Abstossen der Ligaturen
und der versenkten Nähte begann und in einzelnen Fällen nicht
eher wieder auf hörte, als bis alle Fäden fort waren, dauernd
zu der Anwendung des Catgut zurückgekehrt, allerdings erst,
nachdem wir uns vorher nochmals eingehend mit der Catgut¬
frage beschäftigt hatten und ein einwandsfreies Catgut gefunden
zu haben glaubten.
Noch im Jahre 1895 hegte man begründeten Verdacht gegen
das Catgut als primären Träger von Infectionskeimen. Ich selbst
konnte 1 ) im Jahre 1895 unter 216 Proben von Naht- und Unter¬
bindungsmaterial, die ich bacteriologisch untersuchte, in 149
Proben von sogenanntem „sterilen Catgut“, wie es im Handel
cursirte, 35 mal entwicklungsfähige Keime nachweisen. Ich ge¬
langte in dieser Arbeit zu dem Schluss, dass, solange das im
Handel vertriebene, sogenannte „sterile“ Catgut noch entwick¬
lungsfähige Keime enthielte, es nicht frei sein würde von dem
Verdachte, dass cs Wundinfection veranlassen könne.
Es ist nun seitdem durch unablässige Thätigkeit auf dem
Gebiete der Catguterforschung, an der sich Bactcriologen, Gynä¬
kologen, vor Allem aber Chirurgen bethoiligt haben (siehe das an¬
gehängte Literaturverzeichniss), das nicht mehr anzuweifelnde
Resultat erreicht worden, dass cs jetzt in der That eine Reihe von
Zubereitungsmethoden gibt, die ein keimfreies Catgut gewähr¬
leisten.
Unter diesen führe ich folgende an:
1. v. Bergmann's Sublimatcatgut: 1. Entfettung, 2. Ein¬
legen in 1 proc. Sublimatalkohol (80 Alkohol, 20 Wasser), in dieser
Lösung wiederholt umgelegt.
2. B r uuner: a) 1. Entfettung (1—2 Tage Aetlier), 2. 3 Stun¬
den im Dampfsterilisator in Xylol kochen, 3. Auswaschen in Al¬
kohol, 4. Conserviren in Sublimat 1,0, Alkohol 900,0, Glycerin 100,0.
b) 1. Kaliseife, 2. y g Stunde Aether, 3. 12 Stunden 1 proc. Sublimat,
4. Conserviren in Sublimatalkoholglycerin.
3. Dowd (1893): 30 Minuten lang in siedendem 97 proc. Al¬
kohol im Wasserbade kochen. Die von ähnlichen Gesichtspunkten
ausgehende Sau l’sche Zubereitungsmethode erwdes sich bei der
Marke W i e s s n e r ausreichend, nicht aber bei dem Genfer Catgut¬
material der Tübinger Klinik.
4. Cumol-Catgut (Krönig-Zweifel).
5. Jodoform-Catgut (Rosenbach-Jacobi, Körte).
I) 3 Monat Juniperusöl, 2) 2—24 Stunden Auswaschen in Aether
oder Alkohol, 3) 5—8 Stunden Durchtränkung mit Jodof. Aether
Alk. Glyc. (5,0 zu 50,0 zu 50,0 zu 20,0).
G. Hofmeister 1) 4 proc. Formalinlösung (Härtung 24 Std.
lang), 2) Kochen im Wasser bis 10 Minuten, 3) Nachhärtung und
Aufbewahrung in Alkohol mit Zusatz von 5 Proc. Glyc. und 1 Prom.
Sublimat. (Auf die Entfernung der massenhaft sich ausetzenden
Luftblasen ist beim Einlegen in die Formollösung zu achten.
J ) Siehe das Literaturverzeichniss.
No. 15.
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Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
502 MÜNCHENER MED1CINISCHK WOCHENSCHRIFT. No. 1 5 .
Ferner muss das Cat gut oxact gewickelt. resp. unter Spannung
gelallten werden und nach der F.-Eösung gut gewässert werden.)
7. 1 4 -I 1 selbst bin seit über 4 Jahren zu der Benutzung folgenden
Catguts übergegangen, zu dessen Zubereitung ich nach verschie¬
denen Versuchen gelangt bin:
Das entfettete und auf trockenem Wege sterilisirte C. wird
S Tage lang in ">u proe. Creolinvasogene gelegt, ln dieser üusserst
bacterioiden Flüssigkeit quillt das C. sehr stark auf, so dass es
von der Creolinvasogene vollkommen durchdrungen wird, dann
wird es in '1 proe. Salicylspiritus mit 3b IToe. (Uycerinzusatz ge¬
bracht und in dieser Flüssigkeit wiederholt um gelegt. Es gewinnt
hierin »eine alte Consistenz und Festigkeit. Vor dem Gebrauche
wird es in >/ a proe. Formalinspiritus eingelegt. Dieses C. habe ich
zu meiner vollen Zufriedenheit jetzt seit 4 Jahren gebraucht. Ueble
Erlebnisse habe ich seit dessen Anwendung nicht mehr gesehen.
Die l'ntersuchung dieses C. durch bacteriologische Prüfung, die
Herr L’rof. Dun bar im hygienischen Institute hierseihst die
Güte gehabt hat. ausführen zu lassen, hat vollkommene Keimfrei¬
heit ergeben. Diese Zubereitung scheint mir ebenso einfach wie
sicher zu sein.
Die Mehrzahl der modernen Catgutpräparationen hat nun
das Bestreben, nicht nur ein aseptisches Catgut herzustellen,
sondern auch dem Catgut antiseptische Eigenschaften zu ertheilen,
und dies ist sicherlich durchaus rationell; denn alle Unter¬
suchungen und Erfahrungen der neueren Zeit haben ergeben, dass
sowohl die Haut des Kranken, als auch die Hände des Opera¬
teurs und der Krankenpfleger nur äusserst schwierig keimfrei
gemacht werden können. Manche andere Körpergebiete, wie be¬
stimmte Schleimhäute, so z. B. des Mundes und Schlundes, der
Vagina und des Rectum, gelingt es überhaupt nicht annähernd
zu sterilisircii aus naheliegenden Gründen. Ich selbst habe im
Jahre 1896 eingehende Untersuchungen angestellt über die Mög¬
lichkeit, die Haut des zu operirenden Kranken keimfrei zu
machen. Wir untersuchten im Ganzen 147 Hautproben auf ver¬
schiedenen .Nährböden. Unter 102 Fällen von ein- und mehr¬
tägiger Desinfeetion der Haut gelang es 58 mal nicht, dieselbe
keimfrei zu machen. Kur 44 mal gelang es. Unter diesen 44
Malen war 12 mal die Desinfeetion 1 mal und 32 mal mehrtägig
ausgeführt. Unter 58 Fällen einer mehrtägigen Desinfeetion
der Haut gelang es 24 mal überhaupt nicht, dieselbe keimfrei zu
machen, und unter diesen 58 Fällen sind alle Fälle von entzün¬
deter Haut ausgeschlossen worden.
Bei diesem Stande der Frage müssen wir annehmen, dass,
falls hei Verwendung von keimfreiem Catgut doch Infectionen
entstehen, die von den Fäden ihren Ausgangspunkt zu nehmen
scheinen, die hier wirksamen Inf ec t ionser reger erst secundär,
nach der Entnahme aus dem einwandsfreien Catgutbehälter, hinzu¬
gelangt sein müssen, und zwar 1. entweder durch unsere Hände,
oder die Luft oder aber 2. durch die Berührung mit dem Körper
des zu operirenden Kranken selbst (Haut, Schleimhaut, Darm¬
canal etc.).
Wir müssen uns den Vorgang dieser secundären Catgutinfec-
tion so vorstellen, dass das Catgut, das ursprünglich aus Binde¬
gewebe und Muskelfasern besieht und das oft durch die darauf
angewendete Hitze zum Theil schon in Leim übergeführt ist,
innerhalb des Körpers quillt, indem es sich mit Serum, Lymphe,
Blut anfüllt. Diese Flüssigkeiten bilden nun einen vorzüglichen
Nährboden für die hineingelangenden Mikroorganismen, da sie
ausgcsehaltet aus dem Stoffwechsel des Körpers wie eine feuchte
Kammer in der Körpertemperatur wirken.
Zweierlei Dinge sind es nun, die trotz dieser unabänderlichen
Eigenschaften des Catgut es befördern, einen günstigen Wund-
vcrlauf zu erzielen:
1. Dir Ertheilung mitiseptischer Eigenschaften an dasselbe.
2. Eine peinliche Asepsis bei allen Operationen und eine besondere
Rücksichtnahme in der Verwendung des Catgut hei jeder einzelnen
Operation.
Ks soll nach Möglichkeit vermieden werden, das Catgut mit
den Fingern zu berühren. Insbesondere soll der Operationswärter
den Catgutfaden mit der Bineettc gefasst herreichen; er kann
ihn auch mit der Pincette einfädeln. Es genügt vollkommen,
dass der Chirurg allein den Faden anfasst. (Die Fähigkeit der
Aerzte, sieh zu desinficiren, ist im Allgemeinen grösser, als die
der Wärter.)
Wir thun gut, bei den Patienten, die wir operiren, zu unter¬
scheiden zwischen dringenden und nicht dringenden Fällen. Die
nicht dringenden Fälle kann mail meistens mehrere Tage vor-
hereiten und so zu einer wesentlich besseren Reinlichkeit der Haut
gelangen, als in dringenden Fällen (Ileus, ITerniotomic, Tracheo-
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tomie, compl. Fracturen). In solchen Fällen kann man mit
Sicherheit eine keimfreie Haut nicht erzielen, man thut daher
gut, in allen solchen Fällen die tiefen Nähte von der Haut aus
nach Möglichkeit zu vermeiden. Schon durch die Einführung der
Nadel, die erst die Haut passirt und dann in die übrigen Gewebe
dringt, geht eine richtige Impfung vor sich. Der Impfung folgt
unmittelbar auf dem Fusse die Einführung des Nährbodens in
den Stichcanal (Catgut -f- Lymphe) und man muss sich eigentlich
von rech Uwegen über jeden Fall wundern, in dem ein bei nicht
vollkommen keimfreier Haut in die Tiefe gelegter Catgutnaht-
faden nicht eitert. Es spielen übrigens bei dieser Catgutinfection
noch andere Momente eine Rolle, die jedem Chirurgen geläufig
sind, so vor Allein die Festigkeit, mit der die Nahtfäden ange-
zogen werden. Fest angezogene Nähte geben, wie jeder Chirurg
weiss, überhaupt sehr viel leichter Veranlassung zu Vereiterungen
als lose geknüpfte Nähte. Dass man dies bei Catgutligaturen
eigentlich so gut wie nie beobachtet, muss doch wohl direct auf
den Gehalt der Haut an Mikrobiell geschoben werden. I 11 vielen
Fällen ist die Naht überhaupt als eine Klippe zu betrachten, au
der Mancher namentlich im Beginn seiner Thätigkeit scheitert.
Wer an einem reichlichen Verletzungsmaterial viel und ohne
Ueberlegung näht, wird manche Nackenschläge bekommen. Wenn
von zwei Aerzten, die an demselben Orte thätig sind, der eine alle
Wunden nälit, der andere die Naht aber nur mit Vorsicht und
Auswahl an wendet, sich auch nicht scheut, gelegentlich eine
Wunde, die ihm dafür geeignet zu sein scheint, offen zu lassen, so
wird binnen wenigen Jahren der Letztere dem Erstereu bei Weitem
den Vorrang abgelaufen haben.
Auch die einzelnen Körpergebiete sind mit Bezug auf die
Indieation der Naht verschieden und zwar wegen ihrer wechseln¬
den Versorgung mit Blut- und Lymphgefässen, wegen der An- uml
Abwesenheit von Sehnenscheiden etc. Schon in der vorantisep¬
tischen Zeit nähte man unbedenklich die Schmisse im Gesichte.
Aber wesshalb die alten Chirurgen solchen Respect hatten vor
der Anlegung von Nähten in Gegenden wie der Kopf schwarte,
der Hohlhand und der Fusssohle, ist uns ohne Weiteres verständ¬
lich.
Seit Jahren schon habe ich es gänzlich aufgegeben, tiefe
Nälite von der Haut aus zu legen und helfe mir mit grossem
Vortheil für meine Kranken mit versenkten Catgutnähten. Auch
die oberflächlichen Nähte, die der Cutis und der Epidermis, kann
man vollständig unterlassen, wenn man nur die übrigen Schichten
gut genäht hat. Man kann es durch Uebung leicht dahin bringen,
dass die Hautränder trotz Fehlens oberflächlicher Nähte glatt,
an einander liegen, und dass die spätere Narbe nichts an Festig¬
keit einbüsst. Bei der Vereinigung von Dammrissen vermeide
ich es grundsätzlich, in die Schleimhaut der Vagina und des
Rectum Catgutnähte einzulegen. Man kommt hier vollkommen
aus mit der para- oder submucösen Naht, wie ich sie schon
vor 15 Jahren empfohlen habe.
Ich kann diese Bemerkungen über die Catgutfrage nicht
schließen, ohne den Gesichtspunkt zu erwähnen, den O r 1 a 11 d i
und Poppert hervorgehoben haben, über die chemotactisclion
Vorgänge, die zuweilen durch das Catgut, resp. die ihm inne¬
wohnenden chemischen Körper, die theils als antiseptische Stoffe,
theils als Ptomaine bezeichnet werden, hervorgerufen werden. Es
sind dies Einwirkungen auf das umgebende Gewebe, die sich theils
als Irritation, theils als Mortification, theils als Coagulutions-
nekrose darstellen, zum Theil in einer Beförderung der Auswande¬
rung weisser Blutkörperchen sich äussern. Diese Vorgänge sind
wohl in Parallele zu stellen theils mit den Wirkungen derjenigen
Stoffe, die, wie Crotonöl, bestimmte Säuren und Quecksilbersalze,
eine Eiterung ohne Mikrobien hervorrufen können, theils mit den
Vorgängen, wie sie Büchner neuerdings experimentell fest-
gestellt hat, dass z. B. die Stoffwechselproduete des Gälirungs-
pilzes ohne den Gährungspilz selbst im Stande sind, Gährungs-
vorgänge hervorzurufen. Wenn diese Parallelen richtig sind, so
würde es am nächsten liegen, die von O r 1 a n d i und Poppert
hervorgerufenen Erscheinungen auf die Ptomaine zurüekzu-
führen, die von den ursprünglichen „Catgutbaeterien“ herrührend,
nachträglich von den Catgutfäden aus ihre Wirkung auf die Ge¬
webe entfalteten.
Ein Resume über meine Bemerkungen würde folgender-
niaassen lauten:
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
503
1. Die Catgutfrage ist im Laufe der letzten 20 Jahre insofern
zu einem gewissen Abschlüsse gelangt, als eine ganze Reihe von
Zubereitungsmethoden gefunden worden sind, die uns die Gewähr
eines keimfreien Catgut bieten.
2. Kommen bei Verwendung solchen keimfreien Catguts doch
Infeetionen vor, so müssen sie auf seeundiire Tn feet ion bezogen
werden. Diese kann theils vor der Operation (Hände, Luft), theils
im Körper des Operirten zu Stande kommen (Haut, Schleim¬
haut).
3. Daher muss bei Verwendung des Catgut in jedem Falle
vor Allem die Asepsis auf das allerstrengste gehandhabt worden.
Dazu verdient es in jedem Einzelfalle Berücksichtigung, w i e die
Oat.gutnaht am zweckmiissigsten anzuwenden sei.
4. Vom wissenschaftlichen wie praktischen Standpunkte er¬
scheint es durchaus rationell, dem aseptischen Catgut noch anti-
septisclie Eigenschaften hinzuzufügen.
5. Die erwiesene Möglichkeit, das Catgut keimfrei zu machen,
zusammen mit der unschätzbaren Eigenschaft seiner Resorbirbar-
Ixoit sichern ihm einstweilen als unübertroffenem Unterbindungs-
imd Nahtmaterial Bestand in der operativen Mediein.
6. Soweit man es bis jetzt übersehen kann, würde das keim¬
freie Catgut, wie wir es heute besitzen, in Zukunft nur ühertroffen
werden durch ein gleichfalls resorbirbares Fadenmaterial, das
aber weder die Eigenschaft hätte, in den Geweben des lebenden
Körpers aufzuquellen, noch seihst ein guter Nährboden für Mi
krobien wäre.
Literatur verzeichniss.
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Aus dem bacteriologischen Laboratorium der Deutschen Uni-
versitäts-Frauenklinik (Vorstand: Prof. Sänger) zu Prag.
Bacteriologisches zur mechanisch-chemischen Des¬
infection der Hände.
V on Dr. Ferdinand Sehen k und Dr. Gustav Zaufal,
Assistenten der geburtshilflichen Klinik.
Die Frage der Händedesinfection durch chemische Mittel ist
trotz jahrelanger Bemühungen zahlreicher Forscher und trotz
heftiger Kämpfe einer Lösung noch nicht entgegengebracht
worden.
Mit der Methode von Eiir br i nger-K iimmell, der Alko¬
hol-Sublima tdesini’ertion, der wir jahrelang — allerdings bei den
besten Resultaten — das grösste Vertrauen eiitgegengebraeht
haben, schien eine Zeit lang das Problem, Keinifreiheit der Haut,
gelöst zu sein und nur einzelne Autoren (Landsberg 1 ) haben
von Anfang an dem Alkohol nicht die grosse Bedeutung beigelegt,
wie sie ihm von F ürb ringer zugesprochen wurde. Bacterio-
1 ogi sehe Nachprüfungen aus der jüngsten Zeit, von Gottstein
und B 1 u m b e r g ') in der Weise vorgenominen, dass die Finger¬
spitzen der zu prüfenden Ilaud in Petrischalen mit 1 cm hoher
Agarschicht eingedrückt wurden, haben in der That sehr schlechte
Resultate ergeben. Es fanden sich 61,3 Proc. keimhaltiger Hände
und der Procentsatz stieg auf 75, wenn das Sublimat mit
Schwefelammoniuni ausgefällt wurde.
Eine sehr grosse Rolle spielt die Desinfection mit Alkohol
seit der Einführung des Alkohols unter die gebräuchlichen Des¬
infectionsmittel durch F ürbringer. Ursprünglich nur wegen
seiner fettlösenden Eigenschaft von ihm empfohlen, wurde ihm
bald von verschiedenen Seiten eine erhöhte Aufmerksamkeit
als Desinficiens gewidmet und man warf die Frage auf, welche
von den promiscuo verwandten Mitteln (Alkohol, Sublimat, Car-
bolsiiurc) das eigentlich wirksame oder wirksamste sei. Von
vielen Forschern auf diesem Gebiete hat sich besonders
nachhaltig Ahlfeld mit der Alkoholdesinfeetion befasst
und ist in mehr als 10 Publicationen bis in die jüngste
Zeit ’) für dieselbe („Hoisswasseralkoholdesinfectioii“) als beste
und allen anderen überlegene Methode unentwegt eingetreten.
Paul und S a r w c y 4 ) welche als die Letzten sich mit der
bacteriologischen Nachprüfung der Hcisswasseralkoholdcsinfcc-
tion beschäftigen und welche auch ausführliche Literaturangaben
über diesen Gegenstand bringen, kommen aber gleich vielen
Anderen wieder zu dem Ergebniss, dass im Gegensätze zu A li 1 -
fei d’s Aufstellungen die Hände mittels ITeisswasseralkoholdes-
mfection nicht keimfrei gemacht werden können.
Auch andere, weniger gebräuchliche chemische Desinf<x‘tions¬
verfahren konnten strengeren bacteriologischen Nachprüfungen
nicht Stand halten und wir müssen Sänger 6 ) Recht geben,
wenn er sagt, dass wir an einem Punkte angelangt sind, wo liin-
*) Zur Desinfection der menschlichen Ilaut mit besonderer Be¬
rücksichtigung der Hände. I.-D., Breslau 1888.
2 ) Inwieweit können wir unsere Hände sterilisiren? Berl. klin.
Wochenschr. 1899, No. 34.
s ) Der Alkohol als Desinfieiens. Monntssehr. f. Geburtsli. u.
Gynäk. 1899. Bd. X.
6 Experimental - Untersuchungen über Händedesinfection.
Münch, med. Wochenschr. 1899.
°) Aphorismen über mechanische Desinfection etc. Antritts¬
rede. Prager med. Wochen sehr. 1900, Nil 2.
Original frorr^*
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
504
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
sichtlich einer Wahl unter den chemischen Desinficientien förm¬
lich Rathlosigkeit besteht.
Eines fundamentalen Theiles der Händedesinfection müssen
wir bei dieser Einleitung noch Erwähnung tliun, nämlich der
Vorbereitung der Hände, ehe sie der chemischen Desinfection
unterworfen werden. Hier bestellen grosse Verschiedenheiten,
namentlich in subjectiver Beziehung und unter der Herrschaft
eines Requisits, das in seiner Bedenklichkeit längst erkannt ist,
und dessen Beibehaltung für die Händedesinfection künftig an
besonders strenge Bedingungen geknüpft sein wird, die Hand¬
bürste, welche hauptsächlich als Werkzeug zur mechanischen
Bearbeitung der Haut diese Aufgabe mit einem anderen Ver¬
fahren zu theilen haben wird, dem in Zukunft sogar die Ueber-
legenlieit zugesprochen werden dürfte, nämlich dem Gebrauch des
Quarz- und Marmorsandes in Verbindung mit Seifen, wie es
durch Sänger und Schleich zuerst geübt wurde und jetzt
einer zunehmend grösseren Verbreitung entgegensieht °).
Welche Consequenzen werden nun aus der gewiss sehr un¬
erfreulichen Thatsache der Unzulänglichkeit der chemischen Des-
iufection gezogen? Hie Einen geben das Factum zu, tröstbn
sieh aber mit den guten Erfolgen, die sie trotz keimhaltiger
Hände erzielen, und lassen Alles beim Alten. Andere glauben
einfach nicht an die unvollkommenen Hesinfectionsergebnisse,
operiren mit ihren in gewohnter Weise desinficirten Händen und
beruhigen sich, wenn der, mit in ganz ungenügender Weise ab¬
genommenem, Impfmaterial beschickte Nährboden steril ge¬
blieben ist, oder sie folgen dem Vorschläge von Wölfler,
Mikulicz und Döderlein und operiren mit Handschuhen,
deren Gebrauch gewiss den Keimgehalt der Haut gegenstandslos
macht, aber keine Lösung der obschwebenden Frage bedeutet.
Das allein Richtige kann schliesslich doch nur das Bestreben
sein, an Stelle der noch immer unzulänglichen Desinfections-
methoden andere zu setzen, die mehr leisten sollen. Lange schon,
bevor noch auf die Unzulänglichkeit der gebräuchlichen chemi¬
schen Methoden hingewiesen worden war, hat Sänger bereits
betont, dass es von der grössten Wichtigkeit sei, die Haut so
energisch wie möglich mechanischzu bearbeiten, und hat sich
zu diesem Zwecke vorwiegend des Quarzsandes, theils für sich
allein, theils in Verbindung mit verschiedenen Seifen bedient.
Der mechanischen Reinigung wurden für gewöhnlich auch che¬
mische Desinfectionen mit Sublimat (1 prom.), Alkohol und Subli¬
mat oder Kalium hypermanganicum mit Oxalsäure u. a. nachge¬
schickt, es wurden jedoch auch Operationen ohne chemische Des¬
infection nach blosser Sandseifenwaschung vorgenommen, wobei
der Gedanke, an Stelle der chemischen Desinfection die mecha¬
nische zu setzen, zum Ausdruck kam. Auf dem gleichen Wege
ging vor Jahren auch Schleich*) vor, erst mit einer einfachen
Marmorstaubseife, nunmehr mit einem auf Grund theoretischer
Erwägungen zusammengesetzten mechanisch-chemischen Ge¬
mische, der „Marmorstaubsteralceralseife“, welche die Mikroben
nicht abtÖdten, sondern unter Zusammenziehung der Procedur in
einem Act sie fortschwemmen und Aufnahme frischer ver¬
hindern soll.
In seiner Antrittsvorlesung hat Prof. Sänger die Auf¬
stellungen Schleie h\s einer eingehenden Kritik unterzogen
und u. a. die Art und Weise der bacteriologischen Untersuchung
der desinficirten Hände, wie sie von Schleich geübt wird, mit
Recht als nicht einwandsfrei bezeichnet. Schleich hat vom
ausgestreckten Zeigefinger mit einer weichen Platinöse abgeimpft
und will hiebei bis zu 97 Proc. keimfreie Hände erzielt haben.
Vergleichen wir die nun zu immer grösserer Feinheit und
Exactheit ausgebildeten bacteriologischen Prüfungsmethoden der
Haut der auf diesem Gebiete bekannten Autoren mit dem von
Schleich geübten legeren Verfahren, so ergibt sich ohne
Weiteres die Unzulänglichkeit desselben im Gegensatz zu diesen,
ob sie nun in Abschabung der Epidermisschuppen mittels scharfer
Instrumente oder mittels Holzstäbehen oder im Wegziehen von
sterilen Seidenfäden unter den Fingernägeln und in Reiben der¬
selben zwischen den Händen u. a. bestehen. Tiefer gelegene
Keime können dabei überhaupt nicht erreicht und damit auch
nicht nachgewiesen werden.
•) 1. c. S. 16.
T ) Neue Methoden der Wundheilung. Berlin 1899.
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Einen Finger zu prüfen, ist auch völlig unzulänglich. Mit
Recht betonen Gottstein und Blumberg 8 ), dass es für
praktische Zwecke richtiger sei, wenn man beide Hände einer Per¬
son als Einheit betrachtet und die Desinfection nur dann als ge¬
lungen bezeichnet, wenn beide Hände sich als keimfrei erweisen.
Zum Mindesten muss verlangt werden, wenigstens eine Hand
ganz zu prüfen.
Auf Anregung unseres Vorstandes, Prof. Dr. Sänger, sind
wir daher daran gegangen, die so günstigen bacteriologischen Re¬
sultate S c h 1 e i c h’s mittels einer strengeren Methode nachzu-
priifen. Wir verwendeten hiezu flüssige Nährböden (Bouillon).
Bei der Prüfung wurde seitens des Betreffenden selbst mit
scharfem Messer die Epidermis der einen Hand an den ver¬
schiedensten Stellen kräftig abgeschabt, während eine andere Per¬
son die so gewonnenen Hautschuppen unter langsamem Ueber-
giessen mit Bouillon in die mit gleicher Nährflüssigkeit gefüllte
Schale hinabsehwemmte, wobei stets der Deckel der Schale über die
Hand gehalten wurde. Vor der Prüfung wurden die desinficirten
Hände jedesmal gründlich mit sterilem Wasser abgespült. Wir
prüften die Hände so wie sie waren und haben sie zuvor nur in
wenigen Fällen mit Bacterien (Bacillus prodigiosus und Bacillus
subtilis) inficirt.
Die Forderung K r ö n i g J s “), dass vor der Desinfection solche
Bacterienarten auf die Hautoberfläche gebracht werden, welche
auf den zur Aussaat verwendeten Nährböden günstige Wachs¬
thumsbedingungen finden und welche nachher leicht ident ificirt
werden können, können wir als allein giltige Prüfungsmethode
nicht für nöthig und berechtigt anerkennen. So tief als sich die
Keime in der Epidermis überhaupt vorfinden, kann man weder
nichtpathogene noch pathogene Keime in die Haut einreiben.
Resistente Keime finden sich genug in der Epidermis und cs ist
gewiss schon das blosse Eintrocknenlassen von Milzbrandbacterien
auf der Hautoberfläche riscant genug, vom energischen Einreiben
derselben nicht zu reden. Zur Prüfung verwendeten wir haupt¬
sächlich unsere eigenen Hände und ab und zu noch die Hände
solcher Personen, von denen wir annehmen konnten, dass sie die
Technik der Desinfection gründlich beherrschten und auch beim
Abschaben der Epidermisschuppen ihre Hände nicht allzu sehr
schonten.
Die neue Methode der Hautuntersuchung mit dem nicht
billigen Apparat von Paul und Sarwey 10 ) ist gewiss exacter
als die unserige, doch kann auch bei unserem einfachen Verfahren
die Luftinfeetion gewiss keine Rolle spielen und glauben wir,
dass es sich gerade für praktische Zwecke eignet, insofern, als cs
ohne viele Umstände auch zur Selbstcontrole benützt werden
kann.
Es würde uns sehr befriedigen, wenn Paul und Sarwey,
die alle gebräuchlichen Methoden der Händedesinfection in ihrem
Apparate nachuntersuchen zu wollen in Aussicht stellen, auch
unsere Versuche und Vorschläge einer Prüfung unterziehen
würden.
Die Resultate unserer Untersuchungen, deren Details aus den
beigegebenen Tabellen ersichtlich sind, sind folgende:
In 20 Fällen haben wir die Desinfection ausschliesslich mit
Schleieh’scher Seife vorgenommen und hiebei in allen
Fällen die Haut keimhaltig gefunden. Bei der Waschung
hielten wir uns streng an die Vorschriften Schleieh’s, die Toi¬
lette der Nägel geschah in der exactesten Weise und der Umstand,
dass auch bei diesen Versuchen nur die besonders gut gepflegten
Hände von erfahrenen Aerzten geprüft wurden, wird uns hoffent¬
lich vor dem Einwand bewahren, dass die Desinfection nicht
gründlich genug vorgenommen wurde. (Tabelle I.)
Wesentlich besser waren die Erfolge, wenn wir der Waschung
mit der Schleichseife noch eine chemische Desinfection mit
heisser lprom. Sublimatlösung durch 3—5 Minuten folgen Hessen.
Bei 15 derartigen Versuchen erzielten wir in 11 Fällen (73 Proc*.)
keimfreie Hände. (Tabelle n.)
Daraus können wir schon jetzt mit Berechtigung den Schluss
ziehen, dass die mechanische Desinfection mit der Schleichseife
8 ) In wie weit können wir unsere Hände sterilisiren? Berl.
klin. Wochenschr. 1899, No. 34.
•) Welche Anforderungen sollen wir an bacteriologische Unter¬
suchungen über Händedesinfection stellen? Centralbl. f. Gynäk.
1899, No. 45.
10 ) Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 49.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10. April 1900.
605
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
allein die Haut nicht keimfrei zu machen im Stande, sowie
dass eine nachherigo chemische Dcsinfection
unerlässlich ist.
Es handelt sich für uns weiter darum, zu prüfen, ob zur Er¬
langung dieses Resultates gerade die Marmorstaubceralseife noth-
wendig und ob man nicht mit der einfacheren und billigeren
Sandseife von Sänger dieselben Resultate zu erzielen im Stande
sei. Analog angestellte Versuche mit Sandscife allein, auf deren
Zusammensetzung wir weiter unten des Näheren ein gehen, hatten
denn auch dasselbe Ergebniss, wie wir es mit der Marmorstaub¬
ceralseife gewonnen hatten. (Tabelle III.) Ja, badeten wir nach
gründlicher, 3—5 Minuten lang währender, mechanischer Des-
infection die Hände 3—5 Minuten lang in heisscr 1 prom. Subli-
matlösung, so erzielten wir unter 36 Versuchen 29 m a 1
keimfreie Hände, d. i. 80 Proc., also einen noch besseren
Procentsatz, als mit Schleie h’schcr Seife. Hie Sublimat¬
lösung verwenden wir möglichst heiss, da die bactericide Kraft
derselben eine grössere ist, wenn sie höher temperirt verwendet
worden, wie die Untersuchungen von H e i d e r ll ) gelehrt haben.
Die Angabe von Sänger, dass die Haut durch die Waschung
mit der Sandseife in keiner Weise angegriffen wird und „trotz
mehrmaligem täglichem Gebrauch glatt und geschmeidig und so
gut wie gefeit gegen das berüchtigte chirurgische Ekzem bleibt“,
können wir nur vollauf bestätigen. Wir haben forcirte Wasch¬
ungen mit der Sandseife vorgenommen und nie den geringsten
nachtheiligen Einfluss auf die Haut wahrgenommen. Allerdings
muss betont werden, dass die Haut sich erst an diese Art von
Waschung gewöhnen muss, was aber rasch geschieht. Hat man
sich erst einige Zeit mit Sandseife gewaschen, dann kann man
sich förmlich nicht mehr recht an die Waschung mit Seife und
Bürste zurückgewöhnen. (Tabelle IV.)
Was die Frage der Bürsten anbelangt, so haben wir bei
unserem Desinfectionsverfahren nicht ganz darauf verzichtet.
Von grosser Wichtigkeit ist, dass die Bürsten mit Blut und
Secreten überhaupt nicht in Berührung kommen sollen, dass also
ein Unterschied gemacht werde zwischen dem Process der Ab-
biirstung zu deeinfectorischen und zu reinigenden Zwecken. Zu
ersteren soll die Bürste aseptisch sein, die Reinigung der Haut
von Blut und Secreten geschehe am besten ohne Bürste in Soda¬
oder Weinsteinlösungen, sowie mit Sandseife. Wird z. B. für die
Fingerspitzen eine Bürste benützt, so muss dieselbe dann un¬
bedingt als inficirt angesehen werden. Das erste Stadium der
Desinfection einer neuen oder gebrauchten Bürste muss die Aus¬
kochung in 1 proc. Sodalösung sein, um sie von dem massen¬
haften Schmutz zu befreien. Es hat sich aber bei unseren Prü¬
fungen ergeben, dass die nachherige Einlegung in 1 prom. Sub¬
limatlösung sie noch nicht sicher keimfrei mache, dass dies aber
geschah, sowie die Bürste einer zweimaligen fractionirten Steri¬
lisation, theils durch gespannten Dampf (Lautenschläger
jo 1 Stunde), theils im Trockenofen (V\—Vs Stunde) unterworfen
wurde, worauf dann erst die Bürste in die frisch bereitete Sub¬
limatlösung gelegt wurde.
Mit W i n t e r n i t z 1J ) befinden wir uns insofern in Ueber-
einstimmung, als auch er gegenüber Schleich die Ansicht ver¬
tritt, dass die Bürsten nicht, ohne Weiteres vermisst werden
können, so lange kein passender Ersatz für sie gefunden sei.
Derselbe schlägt vor, die Bürste durch 10 Minuten langes Aus¬
kochen in 1 proc. Sodalösung keimfrei zu machen und die aus¬
gekochten Bürsten in lprom. Sublimatlösung, wie bisher üblich,
aufzubewahren. Das Auskochen vertrügen die Bürsten beliebig
lange Zeit und beliebig oft. Wir können letzteres nicht bestätigen.
Wenn wir eine Bürste öfter als fünf- bis sechsmal eine Viertel¬
stunde lang kochten, so wurde sie unbrauchbar, die Borsten
wurden weich und biegsam. Ausserdem wurden die Bürsten,
die wir in der Weise auf ihren Keimgehalt prüften, dass wir sie
ganz in ein mit Nährbouillon gefülltes Gefäss brachten und
mehrere Tage lang im Thermostaten hielten, durch einmaliges
halbstündliches Auskochen in 1 proc. Sodalösung nicht immer
steril. Die trockene Sterilisation vertrugen die Bürsten wider
Erwarten sehr gut.
ll ) Ueber die Wirksamkeit von Desinfectionsmitteln bei höheren
Temperaturen. Centralbl. f. Bacteriol. u. Parasitenk. 1891, Bd. IX.
**) Bacteriologische Untersuchungen über den Keimgehalt und
die Sterllisirbarkeit der Bürsten. Berl. klin. Woehensehr. 1900,
No. 9.
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Wir benützten sie dann in der Sublimatlösung fast nur noch
zur Reinigung der Fingerkuppen resp. des Untcrnagelraumes.
Folgt man Sänge Fs Vorgang, die Unternagelräume durch Weg¬
schneiden der Nagelränder und der angrenzenden Haut zu eli-
miniren — es gehört dazu längere Gewöhnung und grosse Un¬
empfindlichkeit — dann kann man in der Tliat auf die Bürsten
gänzlich verzichten, da sich die Fingerkuppen dann leicht mit
Sandseife oder Jutte bezw. Holzfaser mit Sandseife bearbeiten
lassen.
Es handelt sich hier eben auch darum, inwieweit der Arzt
glaubt, die Bürstenboarbeitung zu Gunsten der geschilderten
mechanischen Desinfection entbehren zu können, wobei wohl zu
beachten ist, dass es möglich ist, sowohl ungebrauchte wie (nicht
zu oft) gebrauchte Bürsten thatsächlich keimfrei zu machen.
Ganz abgeschafft unter den Aerzten werden die Bürsten gewiss
nicht so bald werden; man denke nur, welche Bedeutung die ver¬
schiedenen bürstenartigen Werkzeuge im menschlichen Haus¬
halt einnehmen.
Für ärztliche Zwecke muss es vorerst genügen, zu zeigen,
wie der Gebrauch der Handbürsten möglichst eingeschränkt und
durch die mechanische Sanddesinfection ersetzt werde, wobei zu
betonen, dass auch im Bürgerhause des Arztes sehr wohl die
Bürste durch Auskochen im Dampf topf, durch trockene Erhitzung
im Ofen und Aufbewahrung in einem Gefäss mit Sublimat keim¬
frei gemacht und erhalten werden kann.
Die Herstellung der Sänge r’schen Sandseife, deren Liefe¬
rung die Firma F. A. Müller Söhne in Prag-Karolinenthal
übernommen hat, geschieht auf folgende Weise:
Der zur Bereitung der Seife zu verwendende Sand muss eine
scharfkantige Körnung besitzen und soll möglichst frei von
blätterigen, lehmigen und staubartigen Beimischungen sein. Ge¬
wöhnlicher Flusssand ist aus diesem Grunde unverwendbar. In
dieser Beziehung ist bei der Auswahl des Sandes sehr rigoros vor¬
zugehen, da ein lehmhaltiger Sand eine schleimige Seife gibt,
bei deren Verwendung man gerade das Gegentheil des ange¬
strebten Zweckes erreichen würde.
Der Sand wird vorerst durch ein gewöhnliches Sandsieb ge¬
worfen, um denselben von den gröberen Theilen zu sondern und-
hierauf in einen Bottich geworfen, mit reinem Wasser vermischt,
welches durch Einführen eines Dampf Strahles zum Kochen ge¬
bracht wird.
Das Schmutzwasser wird abgegosson, durch reines Wasser
ersetzt, und das Aufkochen so lange wiederholt (meist 5—6 mal),
bis das Wasser keine Trübung mehr zeigt.
Der nasse Sand wird dann auf Blechplatten geschüttet, unter
welchen sich eine Heizschlange befindet und auf diese Weise
sorgfältig getrocknet. Hierbei soll der Sand durch längere Zeit
einer Temperatur von 100° C. ausgesetzt werden. Der trockene
Sand wird hierauf neuerlich durch ein feinmaschiges Sieb ge¬
siebt, um eine gleichförmige Körnung zu erzielen.
Nun wird ganz reine, ungefällte Natronseife in circa dem
doppelten Quantum Wasser gelöst und die Lösung im Duplicator
zum Sieden gebracht. Ist die Lösung so weit eingedampft, dass
die Seife sich wieder auszuscheiden beginnt, so wird etwas Am¬
moniak zugesetzt und lässt man hierauf in diese kochende Seifen¬
lösung den Sand mittels eines Trichters langsam einregnen, wo¬
bei die Seife sehr energisch gerührt werden muss. Man kann —
dem Gewichte nach — circa das 7—8 fache der Seifenmenge an
Sand einrühren. Was den Zusatz von Ammoniak zu der Lösung
anbelangt, so folgen wir darin dem Vorschläge S c h 1 e i c h’s 1S );
auch wir konnten Kaliseifen nicht verwenden und haben, um die
Seifenmischung alkalisch zu machen, Ammoniak zugesetzt. In
entsprechender Menge schadet es in der Tliat der Consistenz der
Mischung nichts und erfüllt seinen Zweck besser als der Zusatz
von Kalilauge.
Ist die Seife so weit fertig, so wird noch etwas Soda zuge¬
setzt, der Heizdampf abgesperrt und unter stetem Umrühren
die Masse langsam abgekühlt. Ist die Temperatur entsprechend
gesunken, so lässt man nochmals etwas Ammoniak einträufeln
und fährt mit dem Umrühren und Kühlen so lange fort, bis die
Seife eine breiartige Consistenz angenommen hat. In diesem Zu¬
stande wird die fertige Seife in die Dosen eingefüllt und sol!
nach dem vollkommenen Erstarren eine Consistenz annehmen.
1K ) 1. c. p. 103.
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506
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15
welche zwar nicht teigig, aber doch so weich ist, dass man die¬
selbe mit den Fingern leicht herausheben kann.
Wenn man schon, wie unsere Versuche gezeigt haben, einer
chemischen Desinfection nicht entrathen kann, dann bleibt
noch die Frage, welches Desinficiens am besten hiezu zu verwenden
sei t Wir haben in einigen Fällen der mechanischen Desinfection
mittels Sandseife und Mormorstaubseife eine Waschung in 96proc.
Alkohol folgen lassen, waren aber mit den bacteriologisehen Be¬
funden nicht zufrieden.
Auch mit dem übermangansauren Kali, dem nach K r ö n i g
und Paul M ) noch in verdünnten Lösungen eine starke des-
iiificirende Wirkung zukommt, hatten wir keine befriedigenden
Erfolge.
K r ö n i g und Paul haben gezeigt, dass die Desinfections-
kraft einer Kaliumpermanganatlösung von einer gewissen Con-
ccntration durch eine entsprechende Menge von Salzsäure derart
gesteigert werden könne, dass schon nach 2 Minuten Eimvirkungs-
zcit auch ziemlich resistente Milzbrandsporen getödtet werden.
Kelly 15 ) verwendet starke Lösungen von Kalium perman-
ganicum und hat dieses Mittel auch experimentell geprüft. Er
erzielte damit unter 50 Versuchen 45 mal keimfreie Hände.
Itei nicke 18 ) hat diese günstigen Erfolge nicht bestätigen
können.
Herr Stabsarzt Kamen, der sich im bacteriologi sehen In¬
stitut von Prof. Pal tauf mit einschlägigen Untersuchungen
befasst und mit diesem Desinficiens ebenfalls sehr günstige Re¬
sultate erzielte, hat uns in dankenswert her Weise einige der von
ihm angegebenen doppelten Pastillen (1. Kaliumpermanganat und
Kochsalz, 2. Kaliumsulfat) zur Verfügung gestellt. Wir haben
bisher allerdings nur wenige Versuche mit diesen Pastillen ange¬
stellt, können aber schon mit Gewissheit sagen, dass die Resultate
ungünstig sind.
Besonders wichtig ist cs, wie bereits betont, die Sublimat-
lüsilng möglichst heiss zu verwenden, ebenso wie man darauf
achten muss, dass die Hand gänzlich von Seife befreit ist, bevor
sic in die Sublimatlösung gebracht wird. Dadurch wird auch
die Bürste, die, wie erwähnt, am vortheilhaftesten in der Sub¬
limatlösung zur Reinigung der Fingerkuppen verwandt wird,
möglichst wenig verunreinigt.
Bevor wir unsere Ausführungen schliessen, wollen wir noch be¬
merken, dass die Desinfection mit Sandseife und Sublimat seit
einiger Zeit sowohl auf der geburtshilflichen wie auch auf der
gynäkologischen Klinik eingeführt wurde mit durchaus befrie¬
digendem Erfolg. Auf der geburtshilflichen Klinik wird neben¬
bei statt des Lysols, welches zum Schlüpfrigmachen der Hände
diente, sterilisirte 5 proc. Bor-Glycerinlösung, welche in ge¬
schlossenen Doppelschalen auf bewahrt wird, verwendet. Auf der
Frauenklinik wird die neue Methode sowohl zur subjectiven als
auch zur objectiven Desinfection, die letztere besonders bei allen
Coeliotomien mit den besten Erfolgen geübt.
In der letzten Zeit angestellte Versuche der Händesterili¬
sation nach F ürbringer mit unseren trocken steri-
1 i s i r t e n Bürsten haben es uns wahrscheinlich gemacht, dass
die vielfach berichteten ungünstigen Resultate der Für¬
bringe rischen Methode hauptsächlich auf Rechnung der un¬
reinen Bürsten zu setzen sind; man hat, offenbar beruhigt durch
die ausgiebige chemische Desinfection, der sonstigen Reinigung
einen zu geringen Werth beigelegt.
Wenn wir auch die chemische Desinfection nicht entbehren
können, so legen wir doch neben allen anderen prophylaktischen
Maassnahmen den Hauptwerth auf gründlichere mecha¬
nische Reinigung und erblicken darin einen Fortschritt gegen¬
über den bisher geübten Methoden der Händedesinfection.
Tabelle I. *)
Versuche mit Schleieh’seher Sandseife allein.
1. Prof. Sänger. V.-A.: 10 Min. S c h 1 e i c h’s Sandseife,
Abspülen, Abschaben. B.: Schon nach 24 Stdn. einzelne Trübungs-
u ) Die chemischen Grundlagen der Lehre von der Giftwirkung
und Desinfection. Zeitschr. f. Hyg. u. Infectionsk. 1897, Bd. 25.
ll ) Händedesinfection. Amer. Journ. of obstetr. a. dis. of wom.
n. childr. 1891, citirt nach Löhlein aus Veit’s Handbuch d.
Gynäk., Bd. I.
*•) Untersuchungen über die Desinfection der Hände. Archiv
*) V.-A. “ Versuchs-Anordnung. B. = Bacteriologisches
f. Gynäk., Bd. L.
(Bouillon). E. = Ergebniss. -j- positiv. — = negativ.
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zonen um Epidermisschnppen. Mikroskopisch : Grössere
Traubencoccen -f kurze, dicke, unbewegliche Bac. Agar: Opake
Colonien von grösseren Traubencoccen -f- durchscheinende, graue
Colonien von unbeweglichen Bac. E.: -j-
2. Dr. S c h e n k. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reichliche
Triibungszouen um Epidermisschuppen. Mikroskopisch:
grössere Traubencoccen -j- kurze dicke unbewegliche Bac. Agar:
Trockene, weissliche Colonien von Staphylococc. JPR -{-• E.: -f-
3. Hebamme Fr. W. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. spär¬
liche Trübungszonen. Mikroskopisch: Nur grössere Coccen
in Traubenform. Agar: Opake Colonien von Traubencoccen.
JPll -f. E.: -f-
4. Dr. Böhm. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stunden spär¬
liche Trübungszonen. Mikroskopisch: Grössere Coccen in
Traubenform. Agar: Opake Colonien von grossen Trauben¬
coccen. Jrit -f. E.: +.
5. Prakticant. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reichliche
Trübungszonen. Mikroskopisch: Grosse Coccen in Trauben¬
form. Agar: Opake Colonien von grossen Traubencoccen. JPR -f.
E.: +.
6. Dr. Lichtenstern. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn.
spärliche Trübungszonen. Mikroskopisch : Kleine Trauben¬
coccen -f- einzelne Hefezellen. Agar: Durchscheinende, graue
Colonien von sehr kleinen Coccen -f- weisse Hefe. E.: -j—
7. Dr. Sitzenfrei. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn.
keine Trübungszonen. Nach 48 Stdn. mehrere solche. Mikro
s k o p i s c h : Nur Hefe. Agar: Feuchtglänzende, weisslichgraue
Colonien von Hefe. E.: -f. Ca. eine halbe Stunde vorher Desinfec-
tiou nach Fürbringer.
8. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: nach 24 Stdn. starke
Trübung. Mikroskopisch : Tetracoccen -f kurze, dicke Bac.
ohne Eigenbewegung. Agar: Grauweisse, schleimige -f- opakere
Colonien. Die ersteren enthalten schlecht tingirbare Kurzstübcheu,
die letzteren grosse Coccen in Traubenform. E.: -f.
9. Dr. Zauf al. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stunden starke
Trübung. Mikroskopisch : Kleine Coccen in Haufen 4 -
sclieiufadenbildende Bacillen. Agar: Trockene, weisse Colonien
von scheinfadenbildenden Bacillen mit Eigenbewegung. JPR -f.
E.: +.
10. Dr. Z a u f a 1. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stunden reich¬
liche Trübungszonen. Mikroskopisch: Grössere Coccen in
Traubenform. Agar: Weissliche, dichte Colonien von grossen
Coccen in Trauben form. E.:
11. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reich¬
liche Trübungszonen, später eigenthümliehe, grünlich-schwarze
Verfärbung der Bouillon. Mikroskopisch : Kurze Bac. ohne
Eigenbewegung. Agar: Durchscheinende, graue Colonien mit
deutlicher schwarzgrüner Verfärbung des Nährbodens. Mikro¬
skopisch: Kurze, unbewegliche Bac. E.: -f-.
12. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reichliche
Trülmngszouen. Mikroskopisch : In langgestreckten, diffe-
reneirten Häufchen liegende, kurze Bac. mit zoogloeaartiger Hülle.
Agar: Schleimige, grauweisse Colonien mit starker Gasbildung.
Bouillon: Gasbildung. Schleimig-wolkige Trübung. E.: -)-•
13. Dr. S c h e n k. V.-A.: 10 Min. S c h 1 e i c h’s Sandseife, Ab¬
spülen, kein Abschaben. B.: Nach 24 Stdn. diffuse Trübung.
Mikroskopisch : Tetracoccen -f- lange Bacillen. Agar:
Grauweisse Colonien von längeren, unbeweglichen Bac. JPR -f.
E.: +.
14. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. diffuse
Trübung mit Bildung eines ausgedehnten Mykoderms. Mikro¬
skopisch: Kurze Bac. mit mittelständigen, ovoiden Sporen.
Agar: Trocken glänzende, graue Colonien von unbeweglichen,
kurzen Bac., nach 2 Tagen Sporenbildung. JPR —. Im Agarstich
w'urzelförmige Ausläufer. E.: +.
15. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. leichte
Trübung. Netzförmiges Mykoderm. Mikroskopisch : Schein¬
fadenbildende Bac. Agar: Trockene, weisslieh-graue Colonien
von längeren Bac. Mykoderm. auf dem Condenswasser. E.: -j—
16. Dr. Lichtenstern. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn.
diffuse wolkige Trübung. Mikroskopisch : Kurze, plumpe
Bac. mit Eigenbewegung. Agar: Trockene, spröde, graue Colo¬
nien von plumpen, beweglichen Bacillen. Gasbildung. E.: -f-.
17. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. leichte
Trübung. Mikroskopisch : Grosse Coccen -f- längere, dünne
Bacillen Agar: Weisslichgraue, grosse Colonien von Coccen
-f- kleine durchscheinende, graue Colonien von kurzen, beweglichen
Bac. E.: +.
IS. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. keine
sichtbare Trübung. Nach 48 Stdn. leichte Trübung. M lkro-
s k o p i s c h : Coccen in Traubenform lange Bac. ohne Eigen-
bew’egung. E.:
19. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Stdn? diffuse
Trübung. Mikroskopisch : Grosse Coccen in Trauben form.
E.: -f.
20. Prakticant. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. sehr
schwache Trübung. Mikroskopisch : Nur Hefezelleu.
Agar: Gelbe Hefe. E.: Vorher mehrmalige Desinfection nach
Fürbringer.
Tabelle II.
Versuche mit Schleie h’scher Sandseife und
Sublimat.
1. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Minuten Sandseife, 3 Minuten Subli¬
mat, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 5 dies steril. Agar, steril.
E.: —.
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10. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 507
2. Dr. Zfluf a 1. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Stdn. 2 Trü-
bungszonen lim Epidermisscliuppen. Mikroskopisch: Grosse,
hefeartige Cocoen. Agar: Gelbe Hefe. E.: -f-.
3. Dr. Z a u f a 1. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 5 dies keiue sicht¬
bare Trübung. Agar: steril. E.: —.
4. Dr. Werner. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 4 dies steril.
Agar: steril. E.: —
5. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 2 dies keine Trü¬
bung. Agar: Mehrere (3) Colon, von grauer Farbe. Mikro¬
skopisch: Kurze unbewegliche Bac. E.: -(-.
6. Dr. Böhm. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 4 dies keine Trü¬
bung. Agar: steril. E.: —.
7. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 4 dies keine Trü¬
bung. Agar: steril. E.: —.
8. Dr. Sitzenfrei. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies keine
Trübung. Agar: steril. E.: —.
9. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. Nach 24 Std. zwei Trübungs¬
zonen. Mikro sk.: grosse Hefe. Agar: Rosa Hefe. E.: -f.
10. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 5 dies steril.
Agar: steril. E.: —.
11. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach S dies keine
Trübung. Agar: steril. E.: —.
12. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. diffuse,
wolkige Trübung. Mikrosk.: Grössere Coccen in Traubenform.
A gar: weisse Colon, von Tetracocceu. W e i s s e Maus I nach
24 Std. E.: -f.
13. Dr. Schenk. V.-A.: 10 Min. Sandseife. 5 Min. Sublimat.
Abspülen, kein Abschaben. B.: Nach 5 dies steril. Agar: steril.
E.: —.
14. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
steril. Agar: steril. E.: —.
ir>. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 2 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
steril. Agar: steril. E.: —.
Tabelle III.
Versuche mit Siinger’s Sandseife allein.
1. Dr. Zaufal. V.-A.: 10 Min. Saudseife, Abspülen, Ab-
sehaben. B.: Nach 24 Std. reichliche Trübungszonen und Epklermis-
schuppen. Mikroskop.: Hauptsächlich lange, dicke Bac. ohne
Eigeubewegung, vereinzelt grosse Doppelcoccen. Agar: Grosse
graue Colon, mit buchtigen Rändern, dann opake, gelbliche Colon,
ln ersteren lange, dicke Bac., in letzteren grosse Coccen in Haufen.
E.: -f-.
2. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. starke
Trübung. Mikrosk.: Bewegliche Kurzstäbchen. Agar: Grauer
Ueberzug von kurzen Bac. E.:
3. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. diffuse
Trübung. Mikroskop.: Vorwiegend Coccen in Traubenform,
JPR -}-» daneben kurze, plumpe Bac. Agar: Grauweisse, trockene
Colon, von kurzen Bac. und weisse, grosse Coccencolonien. E.: -f.
4. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. Nach 24 Std. leichte,
nach 48 Std. stärkere Trübung. Mikrosk. Meist Bac. ver¬
schiedener Form, einzelne Stäbchen mit Knopfbildung an einem
Ende. Agar: Grauer Ueberzug von längeren Stäbchen und weiss-
liche Coccencolonien. E.: -f.
5. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. starke
Trübung und Geruch nach faulem Obst. Mikrosk.: Verschieden
artige Bacterien, vorwiegend Bac. Agar: Verschiedene Colon,
meist Bac. Gasbildung. E.: -}-.
Tabelle IV.
Versuche mit Siinger’s Sandseife und Sublimat.
1. Dr. Schenk. V.-A.: 10 Mlu. Snndseife, 5 Min. Sublimat.
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 48 Std. steril. Agar: steril.
E.: —. Nachträglich in den Nährboden eingebrachte Bacterien
wachsen anstandslos aus.
2. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril.
Aga r: steril. E.: —.
3. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat.
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 2 dies steril, ebenso nach 3 dies.
Agar: steril. E.: —.
4. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril.
Agar: steril. E.: —.
5. Dr. Fischer. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies einzelne
Trübungszonen. Mikrosk.: Grosse Coccen in Haufen. Agar:
Weisse, grosse Colon, oder Coccen in Haufen. JPR -{-. E.: -f-.
G. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 2 dies keine Trü¬
bung. Agar: steril. E.: —. Wie oben.
7. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 2 dies keine Trü¬
bung. Agar: steril. E.: —
8. Professor. V.-A.: Dieselbe. Nach 2 dies keine Trübung.
Agar: steril. E.: —
9. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Std. sechs
Trübungszonen um Epidermisschuppen. Mikrosk.: Grosse Coccen
in Traubenform. Agar: Grauer Ueberzug von dünnen Bac., so¬
wie weisse, grössere Colonien von Hefe. E.: -j-.
10. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies keine Trü¬
bung. Agar: steril. E.: —.
11. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 48 Std. diffuse Trübung. Mikro¬
skopisch: Coccen in Traubenform und Kurzstäbchen. Agar:
Bac. Agar: Schleimiger Ueberzug von schlecht tingirbaren
Bac. Grosse Coccen. E.: -j-.
12. Dr. H inckley. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Std. starke
Trübung. Mikrosk.: Verschiedenartige Bacterien, vorwiegend
Bac. Agar: Schleimiger Uebergang von schlecht tingirbaren
kurzen Bac., sowie weisse Hefecolonien. E.: -f.
13. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Snndseife, 5 Min. Sublimat.
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies starke Trübung. Mikro¬
skopisch: Grosse Coccen und lange, dünne Bac. E.: -f.
14. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat.
2 Min. Fingerkuppen mit Bürste. Abspülen, Abschaben. B.: Nach
4 dies steril. Agar: steril. E.: —.
15. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril.
Agar: steril. E.: —.
10. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril.
Agar: steril. E.: —.
17. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat.
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies steril. Agar: steril. E.: —.
18. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies starke
Trübung. Mikrosk.: Grosse Coccen und scheinfadenbildende
Bac. Agar: Grauer Ueberzug von scheinfadenbildenden Bac.
E.: +.
19. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
2 Min. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschabeu. B.: Nach
3 dies keine Trübung. Agar: steril. E.: —
20. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat,
keine Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies keine Trübung.
Agar: steril. E.: —.
21. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
keiue Trübung. Agar: steril. E.: —.
22. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Keine Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies keine Trü¬
bung. Agar: steril. E.: —.
23. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
keine Trübung. Agar: steril. E.: —.
24. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Keine Bürste, Abspiilön, Abschaben. B.: Nach 3 dies keine Trübung.
Aga r: steril. E.: —.
25. Dr. Schenk. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 2 Min. Sublimat.
Fingerkuppen uiit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Dasselbe.
E.: —
20. Dr. Schenk. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, nicht abspülen, abschaben. Sofortige
Einimpfung von Tetragenus. B.: Nach 2 dies starke Trübung.
Mikrosk. Tetrag. Agar: Mikroc. tetragen. E.: -j-. Positiv
durch die Beschickung des Nährbodens mit Tetragenus!
27. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
keine Trübung. Agar: steril. E.: —.
28. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste. Abspülen, Abscliaben. B.: Nach 3 dies
keiue Trübung. Agar: steril. E.: —.
29. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Mim Sublimal.
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies kein Wachsthum. Agar:
steril. E.: —.
30. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
keine Trübung. Agar: steril. E.: —.
31. Praktikant. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
keine Trübung. Agar: steril. E.: —.
32. Praktikant. V.-A.: 5 Min. Sandselfe, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
keiue Trübung. Agar: steril. E.: —.
33. Praktikant. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies
keine Trübung. Aga r: steril. E.: —.
34. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspiilen, Abschaben. B.: Nach 2 dies
keine Trübung. Agar: steril. E.: —.
35. Prof. Sänger. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. Die Desinfection
vorgenommen nach Exploration eines jauchenden Cervixcarcinoms.
30. Dr. Schbnk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat.
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben.
Tabelle V.
Versuche der Sterilisation von Handbürsten.
1. V.-A: Handbürste im gewöhnlichen Gebrauch; in Sublimat.
1:1000. Abspülen in sterilem Wasser. Einlegen in ein Gefäss mit
Bouillon. B.: Nach 48 Stdn. starke Trübung der Bouillon; Geruch
nach ranzigem Fett. Mikroskopisch : Bacterien verschie¬
dener Form. Agar: Schleimig-grauweisse Colonien mit starker
Gasbildung. Pathogenese: Weisse Maus, 1 ccm intraperi¬
toneal injicirt. f 10 Stdn. Peritonitis, Sepsis. Im Herzblut und
Peritonealexsudat kleine, kurze Bacillen, Kapselreaction gelingt
nur an einzelnen Bacillen. E.: -f. Die Bürste war einige Tage in
Gebrauch gewesen.
2. V.-A.: Handbürste, nicht gebraucht, y g Std. in 1 proc. Soda¬
lösung gekocht. B.: Bouillon: Mykoderm und Trübung, reich¬
lich sborentragender Mucor. E.: -j-.
3. V.-A.: Handbürste von No. 1. Trocken sterilisirt y a Std. bei
140°. B.: Bouillon: Nach 3 Tagen sehr spärliches Wachsthum
von kurzen, sowie längere Scheinfäden bildenden Bacillen. E.: -}-.
4. V.-A.: Handbürste, ca. 14 Tage in Gebmuch, in Sublimat
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Original frorn
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508
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
1: 1000 aufbewahrt. Abspiilen mit sterilem Wasser. B.: Bouil¬
lon : Nach 24 Stdn. reichliche diffuse Trübung und starke Gas¬
bildung. Mikroskopisch : Gleichartige, ziemlich lange, dicke,
bewegl. Stäbchen, Coccen in Traubenform. Pathogenese :
Meerschweinchen 1 ccm iutraperitoneal iujieirt, bleibt gesund.
K.:
5. V.-A.: Handbürste, nicht gebraucht, 2 mal hintereinander
durch 1 Std. trocken sterilisirt bei 116°. B.: Bouillon : Steril.
E.: —
0. V.-A.: Handbürste vou No. 4 einmal trocken sterilisirt durch
1 Std. bei 110°. B.: Bouillon: Nach 24 Stdn. leichte Trübung,
welche auch nach 3 Tagen nicht stärker wird. Mikroskop.:
Kurze Bacillen mit Vacuolen. E.: -|-.
7. V.-A.: Handbürste von No. 5, von 12 Praktikanten benützt,
dann 2 mal hintereinander durch je 1 Std. bei 110" trocken sterili-
sirt. B.: Bouillon: bleibt steril. E.: —.
8. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt eine Stunde in
strömendem Dampf, eine halbe Stunde trocken bei 110". B.:
Bouillon : bleibt steril. E.: — .
0. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt wie No. 8. B.:
Bouillon: bleibt steril. E.: —.
10. V.-A.: Handbürste, durch 24 Sdn. häufig gebraucht, sterili¬
sirt wie No. 8. B.: Bouillon: Nach 3 Tagen schwache Trü¬
bung. Mikroskopisch: Keine Mikroorganismen. E.: — .
11. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt wie No. 8. B.:
Bouillon: bleibt steril. E.: —.
12. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt wie No. 8.
Tabelfe VI.
Versuche mit Sänger*s Sandseife und Kalium
permanganicum.
1. I)r. Kohn. V.-A.: 5 Min. Sand 4- Seife, 3 Min. Kalium
permang. 1 :1000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Ab-
schaben. B.: Nach 24 Stunden leichte Trübung, nach
48 Stdn. deutlicher. Mikroskopisch : Coccen in Haufen.
Agar: Grosse weisse Colouien von Coccen. E.: -J-. Die ver¬
wendeten Bürsten jedesmal trocken sterilisirt.
2. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sand -f- Seife. 3 Min. Kalium
penuaug. 1:1000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülon, Abschabeu.
B.: Nach 48 Stdn. keine starke Trübung. Agar: Grosse, weisse
Colonien von Coeeen. E.:
3. Dr. Kraus: V.-A.: 5 Min. Sand 4-Seife. 3 Min. Kalium
permang. 1:1000. Fingerkuppen mit Bürste. Abspülen, Ab¬
kuppen mit Bürste. B.: Nach 24 Stdn. dichtes Wacbstbuin. E.: -f-.
4. I>r. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sand + Seife. 3 Min. Kalium
permang. 1: 4000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben.
B.: Nach 24 Stdu. geringes Wachsthum. Agar: Zahlreiche Co¬
lonien von Staphylococcen. E.: -f.
5. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Saud-f Seife. 3 Min. Kalium
permang. 1:4000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben.
B.: Dasselbe. E.: -f.
6. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Kalium per-
mang. Fingerkuppen mit Bürste, Abspiilen, Abschaben. B.: Nach
24 wolkige Trübung. Mikroskopisch : Grosse Coccen und
dünne Bacillen. Agar: Diffuser grauer Ueberzug von dünnen,
unbeweglichen Stäbchen. E.:
Ein Taschensterilisirapparat.
Von Dr. med. B o f i n g c r in Creglingen.
Wer öfters in der Lage ist, kleinere und grössere Operationen
ausserhalb des Sprechzimmers, zum Theil in weit entfernten
Orten nuszuführen, hat es gewiss schon öfters als Uebelstand
empfunden, dass man, um die Sterilisirung der Instrumente au
Ort und Stelle vorzunehmeu, so vielerlei einzeln mit sich nehmen
muss: Spiritus, Spiritusbrenner, Gefäss zum Auskochen, Soda
u. s. w. abgesehen von Instrumententasche und Verbandmaterial.
Und so manchmal hat man das Unglück, besonders wenn man in
dringendem Fall gerufen wird, irgend etwas von den vielerlei
Dingen zu vergessen, und auf den meisten DdVfern gibt es ja
kaum Brenuspiritus zu kaufen. Diese Uebelstände haben mich
veranlasst, einen Apparat construiren zu lassen, der in möglichst
handlicher Form alles zum Sterilisiren der Instrumente Noth-
wendige, sammt kleinem Instrumentarium selbst in sich vereinigt,
und ich möchte in Kürze denselben beschreiben.
Der fertige Kasten, aus Zinkblech gearbeitet. Hat eine Hänge
von 17 Vs» cm, eine Breite von 0 % cm und eine Höhe von 4 em.
Die Grösse wurde bo bemessen' dass sich gewöhnliche Zahn-
zangen in dem Apparat noch auskochen lassen. Die Instrumente
sind in einer einfachen Scgeltuchtasche untergebracht, die sich
zusammcnklappcu lässt (s. Fig. 1). Es dürfte sich erübrigen, die¬
selben einzeln aufzuführen, es sind dieselben, die jede gut aus¬
gerüstete Verbaudtasche enthält und können andererseits von
Jedem nach Belieben ergänzt oder vermindert werden. Unter der
»Segeltucktasche befinden sich in einem ubgetheilten Rühmen, der
leicht lierauszuuehmen ist, zwei Spiritusbrenner und eine Flasche
für Brenuspiritus mit Sehniubeuschluss ts. Fig. 2). In einer Ab¬
teilung befindet sieh ausserdem eine Spritze von 2—3 ccm Inhalt
für subcutano Injectiou und für Intiltmtionsanaostliesie. ln dem
uuf der Zeichnung noch leeren Raum in der oberen rechten Ecke
lassen sich noch einige Gegenstände unterbringen; so habe ich
drei Glasröhren mit Sublimatpastillen, mit ltotteriupastillen und
Fig. 1.
mit Soda gefüllt untergebracht. Auch für sonstige Medlcamente
und Materialien, z. B. Nähseide, Tabletten für Morph.- etc. -Injcc-
Fig. 2.
tionen ist in dein Kasten oder in der Segeltuchtasche noch ge¬
nügend Raum, ohne dass derselbe übermässig beschwert würde.
Fig. 3.
Die Verwendung des Apparates zur Sterilisirung ist ganz ein¬
fach und aus Fig. 3 ohne Weiteres ersichtlich. Der Rahmen,
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10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
509
welcher durchlöchert ist, wird herausgenommen und verkehrt
wieder eingestellt, falls man in strömendem Dampf sterilisiren will,
anderenfalls lassen sich auch die Instrumente im siedenden Wasser
direct auskochen, falls man den Rahmen ganz entfernt. Mittels
der beiden Lampen wird das Wasser innerhalb 5 Minuten zum
Sieden gebracht.
Ich selbst habe den Apparat schon seit 2 Monaten im Ge¬
brauch und derselbe hat mir inzwischen gute Dienste geleistet,
so dass ich ihn nicht mehr missen möchte. Das an sich so berech¬
tigte Verlangen, dass vor jeder Morphiuminjection, vor jeder Zahn¬
extraction die Instrumente sterilisirt werden sollten, lässt sich mit
Hilfe dieses Apparates leicht erfüllen und vor Allem bin ich immer
wieder entzückt davon, wie bequem ich jetzt mein nöthiges Ma¬
terial zusammenbriuge, wenn ich zu einer Wundnaht oder etwas
Aehnlichem über Land gerufen w r erde. So wie ich den Kasten
in Gebrauch habe, mit einem ziemlich reichen Instrumentarium
wiegt derselbe ein wenig über 1 kg.
Der Kasten wird von der Fabrik A. Schweickliardt in
Tuttlingen angefertigt und ist von dort mit oder ohne Instrumente
direct zu beziehen. Musterschutz ist angemeldet.
Ueber die Bestimmung der wahren Grösse von Gegen¬
ständen mittels des Röntgen-Verfahrens.
Vorläufige Mittheihmg von Prof. Dr. Moritz.
Die Anordnung der wirksamen Strahlen beim Röntgen ver¬
fahren ist ganz analog der von Lichtstrahlen, die von einer kleinen
Lichtquelle, z. B. einem kleinen Kerzenlicht, ausgehen. Hier
wie dort breiten sich die Strahlen von einem Punkte nach allen
Seiten radienförmig aus. Wegen dieser Divergenz der Strahlen
ist es unmöglich, aus der Grösse eines Schattenbildes, wie es ja
auch beim Röntgen verfahren erzeugt wird, ohne Weiteres auf
die Grösse des Gegenstandes, der den Schatten erzeugt, einen
Schluss zu machen.
Der Schatten wird immer grösser sein, als der Gegenstand,
und zwar wird, wie eine einfache IJeberlegung lehrt, die Ver-
grösserung (V) direct proportional der Entfernung des Gegen¬
standes (Eg) von dem Projectionssehinu, und umgekehrt pro¬
portional der Entfernung der Lichtquelle (El) von diesem sein.
Ei?
V = vr. • Sollte eine Vergrösserung wegfallen, also Y = 0
n
werden, so wäre dies nur möglich, wenn entweder Eg = 0 würde,
d. h. der Gegenstand in die Fläche des Projeetionsschirmes
rückte, oder wenn El = würde, d. h. die Lichtquelle in die
Unendlichkeit rückte und damit ihre Strahlen parallel würden.
Der erstere Fall ist bei körperlichen Gegenständen in genauer
Weise weder für Licht noch für Röntgenstrahlen zu erzielen. Der
zweite Fall ist für Licht bei der Sonne gegeben. Für Röntgen¬
strahlen ist auch er nicht realisirbar. Wohl aber kann man sich
beim Röntgenverfahren dadurch helfen, dass man die ein¬
zelnen Punkte des Umrisses des aufzunehmen¬
den Gegenstandes nacheinander derart be¬
stimmt, dass der Ausgangspunkt der Kathoden-
strahlen jeweils bei der Projection eines
Punktes sich genau senkrecht unter diesem be¬
findet.
Ein solches Verfahren habe ich ausgearbeitet. Zu dem¬
selben ist zweierlei nöthig. Erstens muss die Stellung
des aufzunehmenden Gegenstandes zur Röhre successive
geändert werden und zweitens muss eine Markirung ange¬
bracht werden, welche es ermöglicht, festzustellen, ob der
Ausgangspunkt der Kathodenstrahlen jeweils genau senkrecht
unter dem aufzunehmenden Punkt des Umrisses steht. Die erste
Bedingung kann entweder dadurch erfüllt werden, dass man den
aufzunehmenden Gegenstand verschiebt oder dadurch, dass man
die Verschiebung an der Röhre vornimmt. Ich habe den letzteren
Weg gewählt, weil eine exacte Verschiebung der Röntgenröhre
leichter zu bewerkstelligen ist, als eine solche des menschlichen
Körpers, um den es sich für uns doch zunächst handelt. Die
Markirung des senkrechten Kathodenstrahles habe ich Anfangs
mit Hilfe eines Glasröhrchens bewerkstelligt, dessen Querschnitt
offenbar nur dann kreisrund (nicht verzogen) auf dem Durch¬
leuchtungsschirm erscheint, wenn seine Achse gerade auf den
Ausgangspunkt der Kathodenstrahlen gerichtet ist. Ist demnach
das Röhrchen vorher senkrecht und dann so gestellt, dass sein
Querschnitt kreisrund erscheint, so muss es die Lage des senk¬
rechten Kathodenstrahles angeben. Später habe ich aus tech¬
nischen Gründen zur Markirung einen Bleiring verwendet, der
mit Hilfe eines Lothes senkrecht auf den Kathodenpunkt ein¬
gestellt wird. Die Verschiebung der Röntgenröhre geschieht in
horizontaler Ebene. Ursprünglich benutzte ich gleitende Ver¬
schiebung, später eine solche in Pendelaufhängung, um schliess-
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lieh bei einer Verschiebung auf Walzen, als der technisch besten,
stehen zu bleiben.
Der Patient liegt unter dem feststehenden Fluorescenzschirm
auf einem Durchleuchtungstisch. Die Röhre bewegt sich unter
ihm. Die Aufzeichnung der Umrisspunkte geschieht mit einer
eigenen einfachen Vorrichtung auf Pauspapier. Es gelingt auf
diese Weise in kurzer Zeit, in wenig mehr als einer halben Mi¬
nute, ein richtiges Umrissbild, z. B. des menschlichen Herzens,
zu erhallen. Für die Bestimmung der Herzgrösse in Fällen,
wo die Percussion versagt (z. B. Emphysem), vor Allem aber auch
für die Controlirung und eventuelle Berichtigung der Percussion
überhaupt, ergibt sich damit eine aussichtsvolle Perspective.
Ich habe die Methode am 6. Februar dieses Jahres der Gesell¬
schaft für Morphologie und Physiologie zu München unter De¬
monstration des Apparates und mit demselben erhaltener Herz¬
bilder vorgetragen. Die ausführliche Publication soll demnächst
erfolgen. Ich habe mich zu dieser vorläufigen Mittheilung ent¬
schlossen, weil ich aus einem kurzen Referat in der vorigen
Nummer dieser Wochenschrift, S. 481 ersehen habe, dass Levy-
D o r n am 28. März vor der Berliner ined. Gesellschaft eine
ähnliche Methode besprochen hat, bei der er sich allerdings der
Verschiebung des Körpers (nicht der Röhre) zu bedienen scheint.
Biegsame Aluminiumschienen.
Von Dr. A. Schanz in Dresden.
Im Anschluss an Steudel’s Empfehlung biegsamer Alu-
miuiuuischienen in No. 12 dieser Wochenschr. zur Verstärkung
flxirender Verbände möchte Ich mit wenigen Worten über eine
weitere Verwendbarkeit dieser Schienen berichten. Es stellen die¬
selben nämlich ein äusserst handliches Material dar zur Anferti¬
gung von Modellen für orthopädische Schienen. Wenn wir Schienen
oder Sehienentheile direct nach dem Körper dresslren müssen,
z. B. Hüftbügel. so erleichtern wir uns die Arbeit sehr, wenn wir
die betreffende Form zunächst in einem leichter als Stahl zu hand¬
habenden Material lierstelleu und dem Stahlarbeiter überlassen,
nach diesem Modell die eigentliche Schiene zu schmieden. Man
benutzt zu diesem Zwecke allgemein biegsame Stäbe aus einer
Mischung von Zinn und Blei. Diese Stäbe haben den Nachtheil,
dass sie z u biegsam sind. Mau braucht sie nur einmal vom Tisch
fallen zu lassen und sie sind total verbogen; ja schon die Eigen¬
schwere und die beim Nacharbeiten nöthigen Manipulationen ge¬
nügen, um Formveränderungen herbeizuführen.
Dem gegenüber bieten Alurainiumschienen bei genügender Ge¬
schmeidigkeit den Vortheil völlig genügender Fixirung der ihnen
gegebenen Biegungen. Kleinere Vortheile sind die Möglichkeit, die
Aluminiumschienen öfter zu gebrauchen, sowie die grössere Sauber¬
keit derselben. Ich verwende zu besagtem Zweck glatte Schienen
von 10 nun Breite und .‘I mm Dicke.
Briefe von der Deutschen Ambulanz des Rothen
Kreuzes in Südafrika.
Herrn Geh. Rath v. Esmarch. Exc., sind wir für freundliche
Ueberlassung der nachstehend und in nächster Nummer zum Ab¬
druck kommenden, von Herrn Stabsarzt I)r. Hildebrandt,
früherem Assistenten der Kieler Chirurg. Klinik, der mit der ersten
Expedition des rotlien Kreuzes von Berlin nach Transvaal ging,
au ihn gerichteten Briefe zu lebhaftem Danke verpflichtet.
I.
Jakobsdal, den 21. Januar 1900.
Ew. Excellenz erlaubte ich mir bei unserer Abreise aus
Bloem fontein mitzutheilen, dass wir im Begriffe seien, uns
nach Jakobsdal zu begeben, um dort, nicht weit ab von Kimberley
und den Schlachtfeldern an der Westgrenze des O. V. S. ein Feld¬
lazarett! zu errichten. Nach 3 tägiger Wagenfahrt durch die öde
Steppe sind wir am 16. December hier wohlbehalten angekommen
und konnten am 19. d. M. ein schon vorher von den Aerzten des
Freistaates errichtetes Lazaretli mit einem Kraukenbestande von
39 Personen, darunter 35 grösstentheils bei Scholz Neck Ver¬
wundeten übernehmen. Eine Schilderung der Laz&retheinricli-
tungen kann ich wohl unterlassen, da hierüber ein genauer Bericht
von Herrn Stabsarzt Dr. Mathiolius an’s Rothe Kreuz ab¬
gegangen, der für die Veröffentlichung bestimmt ist.
Ich will mich daher darauf beschränken, einige Mittheilungen
über unsere Thätigkeit, sowie die Art der Verwundungen, insbe¬
sondere der durch das kleinkaliberige Geschoss verursachten, zu
machen.
Die ersten Tage nach der Uebernahme des Lazarethes durch
uns war überreichlich zu thun, da einestheils der Zustand eines
grossen Tlieiles der Patienten ein derartiger war, dass er eine so¬
fortige Operation erheischte, anderentheils fast alle Verbände er¬
neuert werden mussten. Die Aerzte aus dem Freistaate, in deren
Behandlung die Verwundeten gew r esen, schienen keine grosse Vor¬
bildung in der Chirurgie genossen zu haben, wenigstens waren die¬
selben nicht im Stande gewesen, einigermaassen gut sitzende Ver¬
bände, insbesondere Streck verbände zu machen, noch viel weniger
vermochten sie den Zustand einer Wunde zu beurthellen, die noth-
wendigen Operationen vorzunehmen. Sie hatten sich im Wesent-
Original fram
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
liehen darauf beschränkt, an den Betten der Verwundeten zu sitzen,
sie zu trösten und ihnen innerliche Mittel, Narkotica, Laxantia
n. dergl. zu verabfolgen, wie denn hier in Südafrika die Verordnung
von grossen Mengen Medien mente eine grosse Rolle spielt.
Sümmtliche Aerzte haben hier Apotheken, aus denen ihnen nach
dem allgemeinen Urtheile ein grösseres Einkommen zufliesst, wie
aus ihrer Privatpraxis. Die Folgen der von unseren südafrika¬
nischen Oollegen eingeschlagenen Therapie konnten wir denn auch
beim Beginne unserer Thittigkeit recht deutlich sehen. Der grosse
Tlieil der Wunden eiterte maasslos unter dem Verbände, in anderen
Fällen wiederum hatte ein zu fest sitzender Verband schweren De¬
cubitus erzeugt, in einem anderen Theile der Fälle, die wir über¬
nahmen, ich meine hier hauptsächlich die Hirnschüsse, waren
Complicationen (Hirnabscess) eingetreten, die eine Operation hätten
indieirt erscheinen lassen; nun war der günstige Zeitpunkt für eine
Operation verstrichen. Es kostete uns denn auch Anfangs ziem¬
lich viel Mühe, einigermaassen hierin Wandel zu schaffen, sämrnt-
liclie Verbände zu erneuern, die Patienten zur Vornahme der noth-
wendigen Operationen zu bewegen, zumal da diese im Anfänge
von grossem Misstraueu gegen uns erfüllt waren, das wohl
grösst eiltlieils auf die Bemühungen der englisch gesinnten Aerzte
zurückzuführen war, die uns gewichen. Schliesslich sahen aber
dann unsere Patienten ein, dass sie in bessere Hände geratlien.
das Misstrauen wich bald einem grossen Zuvertrauen, so dass wir
jetzt mit leichter Mühe Alles erreichen können; ja ich kann wohl
sagen, dass sich unser Lazareth hier im Lande eines grossen Re-
nommes erfreut; dies beweisen nicht nur die vielleicht etwas über¬
triebenen Lobeserhebungen in den hiesigen Zeitungen, sondern vor
Allem auch die grosse Zahl von Patienten, die trotz des Krieges zu
uns kommen, sich untersuchen resp. ein altes Leiden behandeln zu
lassen.
Der Bestand an Kranken, den wir bei der Ilebernahme des
Lazarethes vorfanden, enthielt, da die leicht Verwundeten nach
Bloemfontein, woselbst ein grösseres Lazareth vorhanden, evaeuirt
waren, meist Schwerverletzte, sowie einige innerlich Kranke. Das
ist dann im Laufe des 1. Monats unserer Thätigkeit anders ge¬
worden; es kamen hinzu eine ganze Anzahl leichter Verwundeter,
insbesondere durch Granaten und Shrapnell verletzter Mann¬
schaften, dazu noch eine nicht unbeträchtliche Zahl Typhus¬
kranker, so dass wir bald gezwungen wurden, die Aufnahme der
letzteren sehr einzuschränken und die Regierung des O. V. S. zu
veranlassen, ein anderes Lazareth für diesen besonderen Zweck am
Orte zu errichten, da anderenfalls unsere sämmtlichen Betten
(65 an der Zahl) bald besetzt gewesen wären.
Der grösste Theil der Verwundeten, die zu sehen und be¬
obachten wir Gelegenheit hatten, war durch das kleinkaliberige
Geschoss (Lee Metford 7,6 mm, Mauser 7 mm) hervorgerufen; ich
habe hier im Lazareth 34 Verletzungen durch dasselbe verursacht
gesehen, ausserdem einige mehr ausserhalb desselben. Die meisten
derselben waren, wie schon erwähnt, schwerer Natur, hatten die
Knochen durchbohrt, eine der grossen Körperhöhle eröffnet, reine
Weichthellschüsse haben wir nur 8 an der Zahl gesehen: dieselben
verliefen sämmtlich glatt und ohne Störung, so dass die Patienten,
um Raum zu schaffen, meist schon nach kürzerer Zelt in ein
anderes Lazareth evaeuirt werden konnten.
Diese Weichtheilscliüsse boten sämmtlich keinerlei Ab¬
weichung von den bis jetzt beobachteten, resp. durch Experimente
festgestellten. Die Einschussöffnung war meist klein, oftmals
ganz regelmässig, rund, auch oval; in 2 Fällen, wo das Geschoss
als Querschläger den Körper getroffen, grösser, unregelmässig:
die Ausschussöffnung war meist wohl etwas grösser, doch nicht
erheblich, nur in den Fällen, in denen das Geschoss aus nächster
Nähe den Körper getroffen (in Folge Unvorsichtigkeit beim Putzen,
meist jedoch durch Absicht, um sich dem Kriegsdienste zu ent¬
ziehen) fand sich eine grosse Ausschussöffnung beim Weiclitheil-
schusse.
Von diesen Zelfschoots (accident, wie dieselben ironisch ge¬
nannt werden) haben wir 7 im Lazareth zu sehen bekommen; die
grösste Anzahl davon (5) erhielten wir in der 2. Woche nach dem
blutigen Gefecht bei Scholz Neck, als eine Schlacht grösseren Stils
erwartet wurde: nun da dieselbe ausgeblieben, hier im Gegentheil
mit Ausnahme des ziemlich unschädlichen englischen Artillerie¬
feuers grosse Stille herrscht, fallen auch diese Unglücksfälle weg.
Von diesen 7 Verletzungen waren 4 reine Weichtheilscliüsse, hier¬
von hatte zweimal sich der Patient seine Wade als Zielobject aus¬
gesucht; es fand sich dann ein runder, kleiner, dem Kaliber ent¬
sprechender Einschuss, die Ränder geschwärzt; der Ausschuss da¬
gegen sehr gross, die Ränder zerfetzt, die Musculatur zerrissen.
Beide Fälle machen einen langwierigen Ileilungsprocess durch,
jauchten Anfangs stark und machten Drainage nothwendig. Die
beiden anderen reinen Weichtheilscliüsse aus der Nähe betrafen
Hand und Fuss; der Schuss in den letzteren hatte nur oberflächlich
die Kuppen zweier Zehen gestreift, die Verletzung der Hand
(kleiner Einschuss, grosser Ausschuss) hatte eine Sehnenscheiden¬
phlegmone zur Folge, die jedoch nach ausgiebiger Incision gut¬
artig verlief. Von den übrigen 3 Nahschüssen hatten 2 als Ziel die
Hand, 1 den Fuss gehabt; sie zeigten alle kleinen Einschuss, z. Th.
recht grossen Ausschuss. Der Knochen war in diesen Fällen mir
gestreift, nur in dem einen derselben in grösserer Ausdehnung
verletzt.
Zu den schwersten Verwundungen, die wir zu sehen bekamen,
gehörten die Schädel Verletzungen durch Kleinkaliber; von den 3,
die wir hier in Behandlung bekamen, sind dann auch 2 ln Folge
Hirnabseesses gestorben: sie alle betreffen Streifschüsse und sollen
angeblich zuerst, ohne jede Erscheinung einer Hirnverletzung resp.
Blutung verlaufen sein. Als wir dieselben jedoch in Behandlung
nahmen (8 Tage nach der Verletzung) zeigten dieselben sämmtlich
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deutlich ausgesprochen das Bild des Hirnabseesses, hohes Fieber,
Hirndruckerscheinungen, z. Th. auch ausgesprochene Herdsym¬
ptome. Bei einem der Fälle schien jede Operation aussichtslos:
die beiden anderen wurden operirt, bei einem derselben war die
Wunde äusserlieh schon völlig verklebt, die Umgebung jedoch
stark geschwollen und sehr druckempfindlich, in der Tiefe Fluc-
tuation; bei dem anderen Falle war die Wunde fest zugenäht, die
Nähte waren trotz aller schweren Erscheinungen von den behan¬
delnden Aerzteu nicht entfernt worden. Bei der Operation fanden
sich beide Male als Ursache Knochensplitter, die z. Th. 6 cm tief
in ? s Gehirn hineiugeschleudert waren. Trotz der Eröffnung des
Abscesses und anfänglicher Besserung starb der Patient nach
10 Tagen, der andere ist jetzt ausser Gefahr und sieht der plasti¬
schen Deckung des Scliüdeldefectes entgegen.
Weitere Fälle von Schädelverletzung durch Kleinkaliber habeu
wir nicht in Behandlung bekommen, insbesondere keine pene-
trirenden Schädelschüsse; nach den Angaben der bei den käm¬
pfenden Truppen verweilenden Aerzte sollen dieselben mit geringer
Ausnahme tödtlich gewesen sein; ich selbst sah in Prätoria im
dortigen Spitale einen penetrirenden Schädelschuss, der schon ein¬
mal wegen Hirnabseesses operirt war und damals die Symptome
eines neuen Abscesses an der gegenüberliegenden Seite bot, dessen
Zustand mir ebenfalls ziemlich hoffnungslos erschien. Sonst habe
ich nur von einem derartigen Fall Kenntniss erhalten, der genesen
sein soll. Ob von den Engländern, die von den Buren mit grosser
Sicherheit auf nähere Entfernung in den Kopf geschossen wurden,
derartig Verletzte mit dem Leben davon gekommen, vermag ich
nicht zu sagen; auf den Schlachtfeldern sollen dieselben massen¬
haft mit Kopfschüssen todt umhergelegen haben.
Von schweren Gesichtsschüssen sahen wir hier einen Patien¬
ten. dem durch das Lee Metford-Geschoss ein Theil des Unter¬
kiefers und Oberkiefers völlig zertrümmert war; der Einschuss ging
durch die Oberlippe, die schlitzförmig aufgerissen war, der Aus¬
schuss, ca. thalergross, befand sich vor dem Ohre, war gerade durch
die Parotis gegangen, die in grosser Ausdehnung verletzt. Eine
starke Blutung aus einem Aneurysma der Arteria maxillaris interna
machte die Unterbindung der Carotis externa nothwendig; der
Patient starb jedoch an Sepsis in Folge der mächtigen Wunde ini
Munde.
Die Brustschüsse mit Eröffnung der Pleura, resp. die voll¬
ständig perforirendeu nahmen während der Spitalbehandlung
sämmtlich einen günstigen Verlauf; in 3 Fällen, die ich Gelegenheit
hotte zu sehen, mit vollständiger Durchschiessung des Brustkorbes,
in welchen eine meist nur geringfügige Blutung zu Anfang be¬
stand, waren wir gleich nach TTebernaiime des Lazarethes in der
Lage, die Verwundeten in ein weiter heimwärts gelegenes Spital
zu evaeuiren. einer der Patienten ist jedoch 4 Wochen darnach,
als er als völlig genesen in die Ileimath entlassen, nach einem an¬
strengenden Ritte plötzlich In Folge einer Blutung gestorben. Ein
weiterer Fall befindet sich wegen eines Pyopneumothorax, der ope¬
rirt, in dem das Geschoss deutlich durch Röntgenstrahlen auf der
anderen Brustseite nachgewiesen, noch in unserer Behandlung,
zeigt jedoch Besserung.
3 Bauchschüsse, die noch in unserer Behandlung sind, wurden
von uns beobachtet, darunter einer, der das Peritoneum eröffnet
hatte. Der Einschuss klein, neben dem Nabel, schon verheilt, als
wir den Patienten übernahmen; der Ausschuss befand sich über der
rechten Crista ossis ilei; durch ihn entleerte sich fast sämmtlicher
Koth, nur sehr wenig durch den natürlichen After. Später auf¬
tretende Kothabscesse machten wiederholte Operationen noth-
weudig. Das Geschoss (Lee Metford) war angeblich aus einer Ent¬
fernung von ca. 1800 Yards abgefeuert worden. Der zweite Fall
betrifft einen Schuss aus einer Entfernung von ca. 400 Yards: Ein¬
schuss klein, in der rechten Papillarlinie, dicht unterhalb des
Rippenbogens: Ausschuss ebenfalls klein, links vom 10. Brust¬
wirbelfortsatze. Die Wunden waren schon lange verheilt, als er
wegen hohen Fiebers und allgemeiner Abgeschlagenheit sich wieder
in unsere Behandlung begab. Die Untersuchung ergab einen sub¬
phrenischen Absccss, der sich bei der Operation als ein Kothabscess
entpuppte. Es wurde späterhin noch eine Operation nothwendig;
jetzt ist Patient auf dem Woge der Besserung. Ob der Schuss
auch die Leber durchbohrt hat, ist noch fraglich; es erscheint jedoch
zweif eilos, dass der Darm verletzt war, wahrscheinlich das Querkolon.
Der dritte Fall ist wohl der interessanteste; er betrifft einen Schuss
durch den rechten Oberarm mit Querfractur des Humerus (Streif¬
schuss der Diapliyse), Eröffnung des Thorax (rechtsseitiger Haemo-
thorax), Verletzung der rechten Niere (Haematurie). Sämmtliche
Ein- und Ausschüsse klein. Der Schuss traf den Patienten,
während er den rechten Arm an den Thorax angelegt hatte; der
Verletzte ist beinahe, ohne jede Operation, genesen.
Es sind hier im Lazareth noch mehrere Bauchschüsse in Be¬
handlung gewesen: eine Verletzung der Leber endete, einen Tag vor
der Uebernahme des Lazarethes durch uns, tödtlich, mehrere
Darmschüsse nach der Schlacht bei Scholz Neck bald nach dem
Transport und der Ankunft im Spital.
Von Verletzungen der grossen Röhrenknochen habeu wir eine
Anzahl Schussfracturen des Femur durch das kleinkaliberige Ge¬
schoss zu beobachten Gelegenheit gehabt; es betreffen davon
5 die Diaphyse, 1 die Epiphyse. Letztere Verletzung war auf¬
fallend leicht; wir bekamen den Mann zu sehen, als dieselbe schon
verheilt und der Betreffende Beschwerden von dem stecken ge¬
bliebenen Geschosse fühlte. Der Einschuss war schon verheilt,
klein, handbreit unter der Mitte des Leistenbandes; die Kugel war
leicht zu fühlen zwischen Trochanter und Sitzknorren, hatte also
den Trochanter durchbohrt. Der Patient hatte kaum Blutverluste
gehabt, war noch im Stande weiter zu fechten und ritt dann selbst
zum Verbandplätze. Von uns wurde unter Localanaesthesie ein
Original frorn
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10. April 1900,
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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völlig unversehrtes Lee Metford-Geschoss extrahirt. Die Dia-
physenschüsse zeigten im Röntgenbilde sämmtlich ausgedehnte
Splitterung, theilweise hingen die Splitter noch mit dem Knochen
zusammen, zum Theil schienen sie völlig losgelöst in den Weich-
theilen zu liegen; in allen Fällen waren Tlieile des Geschosses
naclizuweisen, in 2 Fällen war das Geschoss stecken geblieben.
In einem dieser Fälle musste wegen starker Eiterung eine Revision
der Wunde vorgenommen werden; neben mehreren Splittern
wurde das vollständig deformirte Geschoss extrahirt, der Mantel
hatte sich ganz vom Kern getrennt, beide waren völlig zerrissen.
Trotz der schweren Zertrümmerung des Knochens ging in 3 Fällen
die Heilung glatt vor sich; 2 haben eine Revision der Wunde noth-
weudig gemacht; beide, der oben erwähnte, sowie ein zweiter,
betreffen Engländer, die Tage laug auf dem Schlachtfelde ohne
Hilfe gelegen. Bei den Buren war die Hilfe, bei den sehr geringen
Verlusten, die sie bisher erlitten, bald zur Stelle; spätestens am
Abend des Gefechtstages waren ihre Verwundeten versorgt,
meistens schon während des Gefechtes, da es Pflicht der nächst
liegenden 2 Kameraden, den Verletzten aus der Linie zu tragen.
Trotz der schweren Oberschenkelfractur ist noch einer der Ver¬
wendeten, dem später ein wenig defonnirtes Geschoss extrahirt
werde, im Stande gewesen, einmal auf’s Pferd gehoben, selbst zu
dem 1000 m entfernten, in Deckung befindlichen Verbandplatz zu
reiten. Die Blutung war in allen diesen Fällen auffallend gering;
der Einschuss klein, der Ausschuss grösser, doch nicht auffallend
gross.
Unterschenkelschüsse wurden bei demselben Menschen 2 be¬
obachtet; ein Epiphysenschuss, der offenbar das Kniegelenk ge¬
öffnet, lochförmig; ein Diaphysenschuss mit Splitterung dicht über
den Knöcheln. Der erstere heilte reactionslos, im 2. Falle trat eine
gutartige Eiterung auf.
Von Oberarmschüssen wurde ausser den schon oben erwähnten
ein Epiphysenschuss beobachtet, der gleichzeitig die Scapula durch
bohrt hatte. Es handelte sich um einen Lochschuss, der reactionslos
heilte.
Von platten Knochen wurden noch getroffen einmal die Sca¬
pula bei einem Brustschusse, in mehreren Fällen ausserdem Rip¬
pen; sämmtliehe heilten reactionslos, es handelte sich offenbar um
Lochschüsse.
Fast sämmtliehe der durch das kleinkaliberige Geschoss Ver¬
wundeten waren im Stehen resp. Laufen, Gehen getroffen, nur un¬
gefähr y 2 Dutzend im Liegen. Ich erwähne darunter einen Weicli-
theilschuss, dessen Einschuss dicht über der r. Glavicula über der
Grenze des mittleren und äusseren Drittels, dessen Ausschuss unter
der Scapula (Lungenverletzung nicht erwiesen) sich befand. Er
wurde Nachts bei Scholz Neck von seinen eigenen Kameraden,
als er sich auf Brandwache (Vorposten) befand, in Folge falschen
Alarms angeschossen. Bei dieser Gelegenheit wurde -wahrschein¬
lich noch ein Bur tödtlich verwundet, der erst später gefunden;
der Schuss war in den Bauch gegangen. Ein Schotte wurde liegend
verwundet; das Geschoss ging durch linken Hinterbacken und
inneren rechten Fussrand. Diese eigenthümliclie Schussrichtung
erklärt sich aus der Lage, in der ein Theil der Schotten schiesst:
auf der Hinterbacke liegend, den rechten Fuss angezogeu.
Auffallend gering ist in allen den genannten Fällen die Blu¬
tung gewesen; auch auf dem Schlachtfelde ist von den dort
thätigen Aerzten dasselbe beobachtet worden. Wie ich erfahren
habe, soll sich kaum ein Bur verblutet haben; es sollen allerdings
eine Anzahl Engländer mit Extremitätenschüssen todt auf dem
Schlachtfelde gefunden sein, die in einer grossen Blutlache, die
eingetrocknet, lagen.
Schmerz haben angeblich die meisten Verwundeten im Augen¬
blicke der Verletzung wenig gefühlt; ein grosser Theil derjenigen,
die Lochschüsse erhalten, hat noch weitergekämpft und ist erat
später zum Verbandplätze gegangen resp. geritten. Vielleicht wäre
die Zahl dieser Personen noch grösser gewesen, wenn nicht die
meisten der kämpfenden Buren die Verwundung als willkommene
Gelegenheit auf fassten, sich möglichst schnell dem Kampfe zu
entziehen. Wunderbar ist dagegen wiederum, dass ein Theil der
Verwundeten trotz schwerer Verwundung mit grosser Energie
aushielt und weiterschoss. Ich will hierbei noch erwähnen, dass
ein Theil der durch das Kleinkaliber anscheinend schwer ver¬
wundeten Pferde trotzdem weitergeritteu werden konnte. Ich
sah das Pferd eines deutschen Arztes, das 2 Schüsse, den einen
durch den Beckenknochen, einen durch den Hals unter ihm erhielt,
welches keineswegs zusammenbrach, sondern gleich nachher
weiterlief. Ein anderes Pferd erhielt einen Lungenschuss, wurde
trotzdem w'eitergerltten, bis es am Schlüsse des Gefechtes im Lager
plötzlich zusammenbrach. Derartige Fälle sind keineswegs die
Ausnahme gewesen.
Die hier erwähnten Fälle von Verletzung durch Kleinkaliber
haben wir mit Ausnahme der Nahverletzungen (Selbstschüsse)
und einigen ebenfalls schon älteren Verwundungen schon bei der
Uebernahme des Lazareths gefunden, während wir die Verletz¬
ungen durch Geschosse grösseren Kalibers erst im Laufe unserer
Thätigkeit frisch bekamen.
Seit ungefähr 6 Wochen schweigt vor Kimberley und hier bei
Scholz Neck das Gew’ehrfeuer fast vollständig, dafür hören wir
jedoch mit grosser Regelmässigkeit Morgens und Abends den
Donner der Kanonen; meist fallen jedoch nur etwa ein Dutzend
Schüsse von Seiten der Engländer jeweilig, die von keiner Be¬
deutung sind und Niemanden verletzen. Ab und zu eröffnen jedoch
die Engländer, die scheinbar den grössten Theil ihrer Truppen
von hier fortgenommen, unT diese Thatsache zu verschleiern, ein
Digitirsc by VjöÖSK
länger dauerndes Bombardement auf die Stellungen der Buren,
namentlich die Artillerie, die diese bei dem gänzlichen Mangel an
weittragenden Geschützen nicht erwidern. Man muss sich nur
immer wieder wundern, wie geringfügig die Wirkung des Bom¬
bardements ist; so richteten vor einigen Tagen die Engländer ca.
400 Schüsse auf das Lager des Comman«lanten der O. V. S.-Artil-
lerie, Major A 1 b r e c h t, und haben Niemanden verletzt, trotzdem
die Granaten dicht bei den Zelten crepirten.
Um die Lager der Buren, die ca. 10—15 000 Yards von Station
Modderriver, der Stellung der Engländer, in der Nähe von Jacobs-
dal, entfernt sind, wirksam beschlossen zu können, bedient sich der
Feind meist der grossen Schiffskanonen, die 15 cm Lydditbomben
schiesseu. Diese bestehen aus Stahlblech, explodireu, sobald sie
den Boden berühren, einmal, nach mehreren Secuudeu nochmals,
da sich in ihnen eine Kugel mit Zünder befindet. Meist schlagen
sie ein fast metertiefes Loch in den weichen Sandboden, ohne
weiteren Schaden anzurichten, oder explodireu gar nicht, so dass
man massenhaft Blindgänger finden kann. Auch wenn sie explo-
diren, scheinen sie, wie schon erwähnt, nur wenig Schaden anzu-
riehten; so bekamen wir 2 Verletzte in Behandlung, die während
des Bombardements ruhig ihre Abendmahlzeit trotz Verbots hinter
der Schanze kochten; die Bombe platzte auf der Feuerstelle, trotz¬
dem sind die Leute mit dem Leben davougekommen. Die Gase, die
das Lyddit bei der Explosion entwickelt, sind giftig; die Leute,
welche sich in der Nähe befinden, bekamen meist Uebelkeit und
Kopfweh, das Trinkwasser in den Wassersäcken schmeckte ganz
bitter und völlig ungeniessbar. Die Aasgeier, welche die Ca-
daver der durch Lydditbomben getödteteu Pferde gefressen, sollen
davon massenhaft crepirt sein.
Von den Verletzungen durch Granaten, meist, wie erwähnt,
von Lydditbomben, bekamen wir bis jetzt 13 in Behandlung, daran
ist einer (ein Engländer) bis jetzt gestorben. Es handelt sich hier
um einen Schädelschuss, in dessen Gefolge ein Himabscess auf¬
trat. Derselbe wurde operirt, trotzdem trat nach kurzer Zeit der
Tod ein. Ein weiterer schwerer Gesichtsschuss, der eine schwere
Zertrümmerung des Unterkiefers zur Folge hatte und die mehr¬
fache Naht desselben notliwendig machte, erregte erst grosse Be¬
sorgnis^ namentlich da der Patient auf keine Weise zu ruhigem
Verhalten zu bewegen war, scheint jedoch jetzt auf dem Wege zur
Besserung zu sein.
Ferner ist ein Verwundeter in Folge einer Granat Verletzung
vor einigen Tagen, ca. 5 Wochen nachher, gestorben, bei dem die
Schusswirkung noch nicht völlig aufgeklärt erscheint. Es handelt
sich um einen Buren, über dessen Kopf eine Bombe platzte,
während er selbst kauernd auf dem Boden sass. Er wurde im Ge¬
sicht leicht verletzt, fiel um, und zeigte von diesem Augenblick
eine vollständige Lähmung der unteren Extremität, des Mast¬
darms und Blase, sowie fast völlige Anaesthesie der unteren
Körperpartien. Wir hatten Gelegenheit die Section zu machen;
es fand sich ein Bruch des 2. Brustwirbelbogens mit Dislocation
eines Splitters in den Wirbelcanal, der das Mark comprimirt hatte.
Da der Patient auf völlig ebenen, sandigen Boden gefallen, ist die
Erklärung vielleicht die, dass durch den Luftdruck der Mann ge¬
waltsam vornübergeschleudert und dabei durch Muskelzug eine
Rissfractur des Bogens entstanden. Eine äussere Verletzung war
nicht nachzmveiseu.
Die übrigen Fälle haben weniger Interesse. In 2 Fällen war
eine schwere Verbrennung des 3. Grades an einzelnen Stellen
des Körpers eingetreten; der Zustand eines dieser Verletzten er¬
regte Anfangs einige Besorgniss, doch trat auch hier Besserung
ein, so dass Genesung mit starker Trübung der Hornhaut des
r. Auges und vorderen Synechien zu erwarten. Ein Fall von Zer¬
schmetterung eines Beines resp. Unterschenkels machte die Ampu¬
tation des Oberschenkels nothwendig. Die restirenden Fälle be¬
treffen meist Weiclitheilverletzungen, einmal eine Scapula- und
Rippenfractur, sowie subeutane Lungen Verletzung, ein anderes
Mal eine Rippenfractur mit Emphysem.
Von sichergestellten Shrapnellverletzungen haben wir 8 in
Behandlung genommen; hiervon ist ein Patient gestorben. Es
handelt sich auch hier um einen Schädelschuss, der in Folge Hirn-
abscesses zum Tode führte. Verursacht wurde dieser durch einen
grossen, tief in den Hiuterhauptslappen eingedrungenen Splitter.
Die Operation konnte keine Hilfe mehr bringen. Von den übrigen
betreffen 4 Knoclienfracturen, darunter einer einen Bruch des
rechten Oberarmes mit nachfolgender Radialislähmung, der die
Freilegung des Nerven und Entfernung des Geschosses nothwendig
machte, 3 Weichtheilverletzungen.
Der noch übrige Theil der von uns behandelten Kranken be¬
steht aus inneren Patienten, z. Th. auch aus chirurgischen, bei
denen kleinere Operationen nothwendig.
Unser Kranken- resp. Verwundetenmaterial ist demnach kein
allzureichhaltiges gewesen, doch sind wir im Stande gewesen,
sämmtliehe Fälle genau zu untersuchen und zu beobachten. Na¬
mentlich hat uns der Röntgenapparat, den wir mitgenommen,
werthvolle Dienste in Bezug auf die Erkennung der Geschoss¬
wirkungen gegeben, wenn auch kaum ein Einfluss dadurch auf die
einzuschlagende Therapie ausgeübt wurde.
Hoffentlich wird die nächste Zeit uns mehr Gelegenheit geben,
Beobachtungen zu machen und Erfahrungen zu sammeln, nament¬
lich hoffen wir auch, dass unsere bisherigen Beobachtungen durch
Thätigkeit auf dem Schlachtfelde ergänzt werden.
. Dr. Hildebrandt.
Original frn-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
512
Referate und Bücheranzeigen.
E. B a s s : Mittel und Wege zur Schaffung und Erhaltung
eines entsprechenden Sanitätshilfspersonals für die Militär¬
sanitätsanstalten und die Truppen im Frieden und Kriege.
Vom k. und k. Militärsanitätscomite gekrönte Preisschrift. Wien.
Josef S a f ä r. 1900. Mit 9 Tabellen und 3 Beilagen. Preis
M. 3.20.
Die Vorschläge des Verfassers, die sich ausschliesslich auf
die Verhältnisse im Österreichischen Heere beziehen, bestehen im
Wesentlichen in der Bildung eines systemisirten, stabilen
Sanitätshilfspersonals. Iliefür ist eine Aenderung in der seit¬
herigen Ausbildungs- und Verwendungsweise der Sanitätsgehilfen
nothwendig, sowie insbesondere die Einführung von Truppen¬
krankenpflegern, die dauernd als solche zu belassen sind, Bildung
einer Blessirtentriigercompagnie bei jeder Divisionssanitäts¬
anstalt aus Truppenblessir teil trägem und Schaffung von Hilfs-
blessirtenträgern analog unseren Hilfskrankenträgern, ferner
Auswahl der Sanitätsgehilfenschüler schon gleich nach der Re¬
krutenausbildung und erst im Wintersemester des zweiten Dienst¬
jahres praktische und theoretische Schulung und Verwendung
als Krankenpfleger in einem grösseren Spitale, endlich Verlegung
der rein militärischen Ausbildung der Mannschaft der Sanitäts¬
truppe zur Infanterie während des ganzen ersten Dienstjahres.
Wegen der Details der Ausführung dieser Vorschläge, des Kosten¬
punktes, des Programmes der Ausbildung muss auf das Studium
des Originals verwiesen werden. Dieudonne- Würzburg.
J. Schöfer: Leitfaden der Militärhygiene für den
Unterricht der Einjährig-Frei willigen-Aerzte. Zweite, umge¬
arbeitete Auflage. Mit 9 Abbildungen. Wien. Josef S a f ä r.
1900. Preis M. 2.50.
Das innerhalb Jahresfrist in zweiter Auflage erschienene
Werk schildert in gedrängter Form die wichtigsten Grundsätze
der Militärhygiene (Ernährung, Wasserversorgung, militärische
Unterkünfte, militärische Bekleidung, militärische Uebungen
und Infectionskrankheiten). Im letzteren Capitel sind ent¬
sprechend ihrer Wichtigkeit die Maassnahmen gegen ansteckende
Krankheiten ausführlicher besprochen. Auch die einfacheren
Untersuchungsmethoden (insbesondere des Wassers) sind genauer
beschrieben, für die complicirteren aber, die sich nur in Labora¬
torien ausführen lassen, ist meist nur das Princip derselben an¬
gegeben. Das klar und übersichtlich geschriebene Buch, das für
den Unterricht der Einjährig-Frei willigen-Aerzte bestimmt ist,
eignet sich vorzüglich zur raschen Orientirung über die wichti¬
geren militärhygienischen Fragen.
Dieudonne - Würzburg.
Dr. S t e m p e 1: Die Untersuchung und Begutachtung der
Invalidenrentenanwärter. Jena. G. Fischer. 1899. Preis
4 M.
Nach einer kurzen Vorbemerkung, welche auf die Noth-
wendigkeit einer objectiven ärztlichen Begutachtung hinweist,
bespricht St., ehemaliger Hilfsarzt der schlesischen Ver¬
sicherungsanstalt, die für den Arzt wichtigsten gesetzlichen Be¬
stimmungen, z. B. Kreis der Versicherungspflichtigen, Definition
der Erwerbsunfähigkeit, Uebernahme des Heilverfahrens durch
die Versicherungsanstalt, Anrechnung von vorübergehenden
Krankheiten, Wochenbetten und geschlechtlichen Erkrankungen
als Beitragszeiten u. s. w. Es ist zu bedauern, dass das Buch kurz
vor Erlass des neuen Invaliditätsversicherungsgesetzes zur Aus¬
gabe gelangte und dadurch die nunmehrigen, zum Theil ab¬
weichenden Bestimmungen unberücksichtigt lässt. Der zweite
Theil behandelt die allgemeinen Untersuchungsmethoden und
bringt, für den an eine systematische Untersuchung gewöhnten
Arzt nichts Neues. Im letzten, ausführlichsten Abschnitte werden
bei den einzelnen Krankheitsformen mit Ausschluss der eigent¬
lichen Geisteskrankheiten die für die Beurtheilung seitens der
Versicherungsanstalten wichtigsten diagnostischen Merkmale,
die Arbeitsunfähigkeit und die Uebernahme des Heilverfahrens
in zweckmässiger Weise besprochen. Dr. Carl Becker.
Neueste JoumaUiteratur.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1900. 54. Bd., 5. u. 6.
Heft, Februar. Leipzig, Vogel.
23) Weber: Zur Casuistik der subphrenischen Abscesse
nach Appendicitls. (Moabit Berlin [Sonnenburg].)
Unter 600 auf den Sonnenburg’sehen Abthellungen ope-
rlrten Fällen vefi "Blinddarmentzündung befinden sich 850 Fälle
Digitizea by VjOÖQIC
mit Abscessbildung, und unter diesen 9, bei denen eine Oomplication
mit subphrenischem Abscess vorlag. Von diesen 9 Kranken wurden
7 operirt mit 3 Todesfällen, 2 nicht operirte starben beide. In
G Fällen fand sich der erkrankte Wurmfortsatz nach oben ge¬
schlagen. Die Entwicklung des perityphli tischen Abscesses war
in den meisten Fällen eine intraperitoneale.
Die Zeichen des subphrenischen Abscesses traten in den
meisten Fällen erst nach Ablauf der eigentlichen Appendicitis auf,
das erste Symptom war in der Regel das Ansteigen der Tem¬
peratur.
24) L i p p m a n n : Ueber die echten Cysten der lieber.
(Evangel. Krankenhaus Düsseldorf.)
In dem mitgetheilten Fall handelte es sich um eine kinds¬
kopfgrosse Cyste der unteren Leberfläche bei einem 14 jährigen
Mädchen. Die Cyste wurde angenäht, nach einigen Tagen er¬
öffnet und die obere Kuppe abgetragen. Es blieb eine nur wenig
absondernde Schleimfistel zurück.
Der Cysteninhalt bildete eine gelbbräunliche Masse, in welcher
sich viel Schleim und Eiweiss vorfand. Alle Bestandteile eines
Echinococcus fehlten. Die bindegewebige Cystenwand war mit
einem hohen Cylinderepithel ausgekleidet. Der äussere Theil der
Wand zeigte ein System verzweigter, gewundener Canälchen, wahr¬
scheinlich Gallengänge.
L. theilt die Lebercysten ein in: 1. Gallenstauungscysten,
2. Flimmerepithelcysten, 3. Dermoidcysten, 4. epitheliale Cystome.
5. Lympheysten.
Der vom Verfasser beschriebene Fall kann wie mehrere andere
aus der Literatur bekannte Fälle nicht sicher classiflcirt werden,
da der Mutterboden unbekannt ist.
24) Martin- Köln: Beitrag zur Symptomatologie des ein¬
geklemmten Hamblasenbruches.
Bisher ging die allgemeine Lehre dahin, dass bei einge¬
klemmten Blasenbrüchen immer die Symptome der Darmeinklem¬
mung aufträten. M. beobachtete nun einen Fall, wo nur Blasen-
einklemmuugserseheinungen, aber keinerlei charakteristische
Darmincarcerationssymptome vorhanden waren. Er hat darauf
die in der Literatur niedergelegten Beobachtungen noch ein¬
mal genau geprüft und gefunden, 1. dass das Vorkommen des
ausgesprochenen Bildes der Darmincareeration bei reinen Blasen-
hemien zum Mindesten sehr zweifelhaft ist, und 2. dass das Vor¬
kommen von Blasensymptomen bei der incarcerirten Blasenhernie
durchaus nichts Seltenes ist. Der Irrthum der verschiedenen
Autoren erklärt sich dadurch, dass die allgemeinen Erscheinungen
der Blaseneinklemmung einen der Darmincareeration ähnlichen
Symptomencomplex darstellen können; die Zeichen der unter¬
brochenen Darmpassage werden immer vermisst. Die Symptome
der spcciellen Blaseneinklemmung sind von den allgemeinen wohl
zu trennen.
2G) S u b b o t i c - Belgrad: Beiträge zur Pathologie und
chirurgfischen Therapie der Milz.
6 Fälle von Milztumor, zum Theil combinirt mit Wandermilz.
Die in allen Fällen vorgenoinmene Spleneetoinie führte 4 mal zu
gutem Ausgang; die 2 Todesfälle traten In Folge septischer Peri¬
tonitis, die in einem Falle schon vor der Operation bestanden hatte,
in dem 2. Falle durch zu frühes eigenmächtiges Aufstehen des
Kranken und in Folge davon eingetretenem Riss der Bauehwand
entstanden war.
Bei 4 von den 6 Tumoren fand sich eine Stieltorsion, 2 mal
um 180 °, 2 mal um 360 °.
2 Fälle von grossen perisplenischen Blutcysten wurden incidlrt
und drainirt.
27) Husemann - Göttingen: Weitere Beiträge zur chi¬
rurgischen Anaesthesie im Mittelalter.
Der durch seine Arbeit über die Schlafschwämme den Chi¬
rurgen auf’s beste bekannte Verfasser macht uns in vorliegender
Arbeit mit weiteren Ergebnissen seiner historischen Studien be¬
kannt, die für die Geschichte der Anaesthesie von hoher Bedeutung
sind. Der arabische Augenarzt Jesu II a 1 y (um 1500) erwähnt,
dass er zur Trichiasisoperation den Kranken einschlafen lässt;
II. nimmt an, dass das Schlafmittel die Mandragora gewesen ist.
Sogenannte Opiumtrochisken zur Narkose werden von M e s u 6
dem Jüngeren (Anfang des 13. Jahrhunderts) erwähnt; dieselben
enthielten Papaver, Mandragora, Jusquiamus, Lactuca und Lu¬
pinen. Ein Poinum somniverum wird von Arnoldus Villo-
novanus (um 1200) beschrieben; bei demselben handelt es sich
um ein Macerat von Opium und verschiedenen Pflanzen thei len
(Mandragora, Hyoscyamus, Levisticum), das vermittels eines in
dasselbe eingetauchten Handtuches auf den grössten Theil des Ge¬
sichtes applicirt wird. Ein mittelenglisches Schlaftrankrecept ist
von Eawnrdus im Jahre 1328 aufgezeichnet worden; dasselbe
enthält Schweinegalle, Schierling, wilde Rübe, Lactuca, Mohn.
Hyoscyamus, Essig. Mit Hilfe desselben, heisst es, kann man den
Kranken getrost schneiden.
Ein Sehlafschwammrecept aus dem 16. Jahrhundert beweist,
dass auch den Autoren dieser Zeit die entsprechenden Mittel nicht
unbekannt geblieben sind. Ein Sehlafschwammrecept des Nicolaus
Myrepsos (13. Jahrhundert) führt ausser den gewöhnlichen
Mitteln noch den Kampher und den Succus Nenufarls (Seerose)
auf. Ein weiteres ltecept. aus dem 14. Jahrhundert zeigt eine
grosse Aehnlichkeit mit dem des Nicolaus Salernitanus.
Einathmen von Bilsensamendämpfen war im Anfang des
16. Jahrhunderts im südlichen Frankreich gegen Zahnschmerzen
gebräuchlich. H. fand, dass das Mittel in England schon mehrere
Jahrhunderte vorher angewendet wurde.
28 ) Wildbolz-Bern: Gasulstifiohe und experimentelle
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
513
Beiträge zur chronischen Osteomyelitis. (Chirurg. Klinik
Bern.)
W. hat bei 5 Fällen von chronischer Osteomyelitis Thierver¬
suche angestellt, um den Virulenzgrad der betreffenden Infections-
erreger zu bestimmen. In allen Fällen fand sich der Staphylo-
coccus, 3 mal der aureus, 2 mal der albus. Bei allen war die
Lebensfähigkeit sehr abgeschwächt, in einem Falle so sehr, dass
nicht einmal 4 ccm einer frischen Bouilloncultur, intravenös in-
Jicirt, das Versuchsthier zu tödten vermochten. Eine genaue Pa¬
rallele war aber zwischen dem Virulenzgrade der Infections-
erreger und der Heftigkeit der Kraiikheitserscheinuugen beim
Menschen nicht nachzuweiseu, was vom Verfasser auf die
Schwierigkeit der Dosirung und die verschiedene Widerstands¬
fähigkeit des betreffenden Individuums zurückgeführt wird.
20) J. Riedinger - Würzburg: Die Varität im Schulter¬
gelenk. S. d. W. 1890, S. 1050.
30) Klapp : lieber einen Fall von ausgedehnter Knochen¬
transplantation. (Chirurg. Klinik Greifswald.)
Bei einer 30jälirigen Patientin wurde die ganze sarkomatüs
erkrankte Humerusdiapliyse reseclrt. In den Defect brachte Bier
ein etwas längeres Periostknochenstück aus der Vorderfläche der
Tibia. Nach Abstossung eines corticalen Sequesters trat voll¬
kommene Consolidation ein, und das Röntgenbild zeigte, dass sich
eine vollkommene Humerusdiapliyse wieder gebildet hatte.
K. glaubt in diesem Falle die Knochenneubildung mit Be¬
stimmtheit auf das überpflanzte Periostknoclieustück zurückfülnvn
zu müssen.
31) R. v. B a r a c z - Lemberg: Retrograde Netzincarceration
mit Torsion in der Bauchhöhle.
Bei der Operation eines Xetzbruches fand sich oberhalb der
Bruchpforte in der Bauchhöhle ein stark verdicktes, hochgradig
venös hyperaemisclies, einige Male um seine Achse gedrehtes Netz.
Ein ähnlicher Fall ist von Baye r beschrieben, mit dem Unter¬
schiede, dass bei Bayer der umgedrehte Netzklumpen im Bruch¬
sack lag, während er bei Verfasser in die Bauchhöhle geschlüpft
war. Die Torsion wurde beide Male dadurch ermöglicht, dass das
Netz am Bruchsack angewachsen war.
32) W a i t z : Ein Fall von Heilung einer Peritonitis nach
Magengeschwürperforation durch Laparotomie. (Vereinsliospital
Hamburg.)
25 jähriges Mädchen. Operation 21 Stunden nach der Erkran¬
kung. Schnitt vom Rippenrand bis zur Symphyse. Exeision des
Ulcus, Naht. Ausspülen der Bauchhöhle mit warmer Kochsalz¬
lösung und sorgfältige Reinigung, keine Drainage. Heilung.
33) Martens: lieber eine diagnostisch interessante Blut¬
gefässgeschwulst an der oberen Brustapertur. (Charitö Berlin.)
Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose war, in der Annahme, dass
es sich um eine lufthaltige Geschwulst handle, auf Lungeuhernie
gestellt. Der Tumor wurde beim Pressen zwischen den beiden
Köpfen des Sternoclehlomastoideus vorgedrängt. Bei der Operation
fand sich ein eavemöses Anglom. K r e c k e.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. XI.
Heft 3 (März).
1) B. Krönig und J. F e u c h t w a n g e r - Leipzig: Die
orthopädischen Besultate der Alexander-Adams’schen
Operation.
(Schluss im nächsten Heft.)
2) A. T h e i 1 h a b e r- München: Zur Aetiologie und Therapie
des Genitalprolapses.
(Siehe Besprechung diese Zeitschrift 1809, Seite 1437.)
3) U n t e r b e r g e r - Königsberg: Betroflexio uteri gravidi
partialis incarcerata. Urachusfistel.
Ein 23 jähriges Mädchen erkrankte nach einem Sturz mit
ITnterleibsbeschwerden und Fieber. Etwa 4 Monate später konnte
der Urin nicht mehr entleert werden bis mit einem Male eine Plnt-
leerung des Urins durch den Nabel zu Stande kam. In der Folgt'
blieb diese Urinfistel bestehen und es stellten sich nun die Er¬
scheinungen eines schweren Blasenkatarrlies, schliesslich auch Ab¬
gang von Fetzen der Blasenschleimhaut ein. In diesem Zustande
wurde die Kranke dem Verf. zugeführt, der eine Retroversio-flexio
uteri partialis incarcerata annahm. Durch das Wachsthum des
schwangeren Uterus trat die Aufrichtung ohne ärztliches Zuthun
ein, dann aber abortirte die Kranke. Die Urinfistel heilte rasch,
dann auch unter der gewöhnlichen Behandlung der Blasenkatarrh.
Verf. nimmt an, dass es im Beginne der Schwangerschaft
durch den Sturz zu einer Pelveoperitonitis gekommen sei, die zu
Verwachsungen der Gebärmutter im Cavum Douglasii führte, so
dass es beim weiteren Wachsthum der schwangeren Gebärmutter
zu einer theilvveisen Aussackung des Fruchthalters und Einklem¬
mungserscheinungen kam. (Uebrigens ist ein sicherer Beweis für
eine Retroversio-flexio uteri partialis nicht erbracht, es kann sich
sehr "wohl auch nur um eine Retrottexio fixata gehandelt haben,
die sich durch das Wachsthum des schwangeren Uterus unter
Dehnung der Verwachsungen aufrichtete!)
Verf. nimmt au, dass eine theilweise Durchgängigkeit des
Urachus bestand, durch die starke Ausdehnung der Blase drang
der Urin in den Urachus und brach schliesslich durch den Nabel
durch. Einige Fälle von Offenbleiben des Urachus werden aus
der Literatur angeführt.
4) A. H a rtz - Karlsruhe: Ein Fall von Missed Labour bei
Myom des Uterus und Placenta praevia.
Bei einer 38 jährigen Kranken, bei der vor über 2 Jahren
ein Myom am Uterus festgestellt worden war. sprang am Ende
der 2. Schwangerschaft ohne Wehenthätigkeit die Blase, nachdem
Digitized by Google
kurz vorher eine geringe Blutung vorangegangen war. Der innere
Muttermund war eben für die Finger durchgängig, man fühlte
den Rand der Placenta. Die Geburt kam nicht in Gang. Das
Myom lag dicht am Beckeneingang und brachte den vorliegenden
Kopf des Kindes etwas zum Abweichen. Ohne dass nennenswerthe
Wehen aufgetreTen wären, war das Kind nach 3 Tagen abgestorben.
Nachdem nun 18 Tage nach dem Blasensprung keine eigent¬
liche Geburtsthätigkeit aufgetreten war, wurde wegen der Gefahr
der Infectiou der Gebärmutterhöhle beschlossen, die Geburt zu
beendigen. Bei der Untersuchung fand sich durch die Wehen¬
thätigkeit das Myom in den wenig erweiterten Muttermund zum
Tlieile hineingedrüngt. so dass es ein völliges Geburtshiuderniss
abgab. Die Geschwulst wurde unter Verkleinerung ausgeschält,
der Muttermund eingeschnitten. Da am Kopfe der stark mace-
rirten Frucht die Ausziehung nicht gelang, wurde ein Arm heraus¬
geholt, an dem jedoch die Entwicklung der Frucht ebenfalls un¬
möglich war. Jetzt wurde der Arm abgesetzt, ein Bein herabge¬
streckt und hieran die Ausziehung bewerkstelligt. Ein Cervixriss
wurde durch die Naht vereinigt, nachdem die zum Theile fest-
liaftende Placenta entfernt war: fieberlose Heilung.
5i O. Kaufmann- Hüstpn: Zur Kolpeuryntherfrage.
Verf. empfiehlt auf Grund von 7 Beobachtungen die An¬
wendung des Kolpeuryntliers in allen Fällen, in denen eine An¬
regung der Wehenthätigkeit oder eine Beschleunigung der Ge¬
burt notliwendig ist. Es wurde immer die Einlegung über den
inneren Muttermund angewandt. Dies Verfahren ist das Beste
zur Einleitung der künstlichen Frühgeburt.
G) 8. C h o 1 w o g o r o f f - Moskau: Sklerose der Uterin-
arterien.
In drei Uteri«, von denen zwei wegen unstillbarer Blutungen
einer wegen Careinom entfernt worden waren, fand Verfasser eine
hochgradige Sklerose der Arterien, vergesellschaftet mit einer
starken Bindegewebsentwicklung in der Uteruswand. Diese ist
wohl als eine Folge der Veränderungen an den Arterien aufzu¬
fassen, deren Ursache selbst unaufgeklärt blieb.
Verfasser macht darauf aufmerksam, dass event. mehrere
schwer zu stillende Gebännutterblutungon auf derartige Verände¬
rungen zurückzuführen sein dürften, die sich allerdings an der
Lebenden niemals mit Sicherheit feststellen lassen. Wenn die ge¬
wöhnlichen Mittel versagen, ist man in derartigen Fällen berechtigt,
die Entfernung dos Uterus vorzunehmen.
7) E. Meusel- Gotha: Eine Laparotomie mit ausser gewöhn¬
lich grosser Schwierigkeit der Asepsis.
Bei der 50 jährigen Kranken war 5 / 4 Jahre vorher versucht
worden, durch die Laparotomie ein papilläres Kystom des Ovari-
uins zu entfernen. Wegen starker Verwachsungen wurde der Ver¬
such aufgegeben, die papillären Massen in der Cyste wurden
grosseutlieils entfernt, die Cyste selbst in die Bauch wunde ein-
genälit. Natürlich wuchsen die Massen wieder nach, es stellte sich
Jauchung in der Höhle ein und die Kranke kam sehr herunter.
Verfasser umsclmitt die Wunde nach gründlicher Reinigung
des Hohlraumes, nähte unter Einkrempelung der Haut die Oeff-
nung sorgfältig zu. Nun wurde mehrmals Alles gründlich des-
inficirt und die Bauchhöhle über der oberen Kuppe der Geschwulst
eröffnet. Die Verwachsungen wurden ohne besondere Schwierig¬
keiten durchtrennt und die Neubildung entfernt. Die grosse Bauch¬
wunde liess sich nicht vollständig schliessen, wesshalb sie theil¬
weise tamponirt werden musste. Nach 5 Monaten war vollständige
Heilung eingetreten. A. Gessner - Erlangen.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 13.
1) F. Ahlfeld: Die Behandlung des Nabelschnurrestes.
Gegenüber den Vorschlägen Marti n’s, die Nabelschnur mit
einem Seidenfaden zu unterbinden und den Rest mit einer Gliih-
scheere abzutragen, empfiehlt A. nochmals seine Methode, die er
seit 3—4 Jahren in über 1000 Fällen benützt hat, und wobei er
weder Infectionen noch Nachblutungen erlebte. Das Verfahren ist
in der letzten Auflage von A.’s Lehrbuch ausführlich beschrieben
und besteht, kurz gesagt, in Kürzung des Nabelschnurrestes auf
das erlaubte Minimum, Betupfen des Restes nebst Umgebung des
Nabels mit OOproc. Alkohol und Auflegen einer Lage steriler
Watte, die nur gewechselt wird, wenn sie durchnässt worden ist.
Die Marti n’schen Vorschläge hält A. für nicht unbedenklich.
2) M e n g e - Leipzig: Schwangerschaft nach Hysterokolpo-
kleisis.
Der sehr interessante Fall, für den M. in der Literatur nur
ein Analogon (von L a n e) aufzufindeu vermochte, betraf eine
35 jährige Frau, die vor 3 Jahren wegen einer grossen Blaseu-
Cervix-Selieideufistel von Zweifel operirt worden war.
Z. machte zuerst einen Verschluss der Fistel vom Abdomen aus.
wobei er die rechte, noch wegsame Tube mit einem Seidenfaden
ligirte. Da G Tage später die Blase wieder incontinent wurde,
machte Z. nunmehr die Hysterokolpokleisis. Jetzt blieb Patientin
dauernd trocken. In Hinblick auf die Hysterokolpokleisis, Unter¬
bindung der rechten und Verschluss der linken Tube wurde Patien¬
tin gesagt, eine Gravidität sei für die Zukunft ausgeschlossen.
3 Jahre später kam Patientin im G. Monat der Schwangerschaft
wieder in die Klinik; zum vorgeschlageneu Porro kam es nicht,
da schon im nächsten Monat spontaner Abort durch die gesprengte
Kolpokleisisnarbe stattfand. Wochenbett normal. Die Blase blieb
trotz der Geburt continent.
Ueber den Weg, den die Spermatozoen gemacht haben können,
um das Ovulum zu befruchten, stellt. M. verschiedene Ver-
inuthungen auf. auf die hier nicht eingegangen werden soll. Der
Fall lehrt überdies wiederum, dass eine selbst feste Ligirung der
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
514
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 15
Tube mit. Seide nicht genügt, um sie für die Spermatozoon un¬
wegsam zu machen. J a f f e - Hamburg.
Archiv für Hygiene. Bd. XXXVI, Heft 3.
Laurenz K e d z i o r : Ueber den Einfluss des Sonnenlichtes
auf Bacterien. (Aus dem hygienischen Institut der Universität
Berlin.)
Aus der kleinen Arbeit sei erwähnt, dass bei Sauerstoff¬
abschluss die keimtödtende Wirkung des Lichtes nicht aufgehoben
und vermindert ist. dass Milzbrandsporeu in 1 Stunde 40 Minuten
nach der Bucline Eschen Methode sogar im Januar getödtet
werden, dass in Flüssigkeiten die Bonnenwirkung schwächer ist.
als nach Büchner mit Platten geprüft (nach 5 Stunden und
mehr waren 1—5 ccm Culturen der verschiedensten Bacterien nicht
steril). Im Fluss- und Cloakemvasser hatte die Abtödtung nach
7—0 Stunden aus unendlich vielen Keimen nur 127—052 am Leben
gelassen, was der Autor als „ziemlich unbedeutende Wirkung“
bezeichnet. Eine 1 mm dicke Erdschichte hemmte die Sonnen¬
wirkung stark, gab aber doch nach 5 Stunden eine Keimverminde¬
rung auf V- 5 . bei 2 mm war die Wirkung noch schwächer, aber
immer merklich.
B I e n s t o c k - Mülhausen i. E.: Untersuchungen über die
Aetiologie der Eiweissfäulniss.
Durch die vorliegende erfreuliche Arbeit hat Bien stock
seinen bereits von der Wissenschaft, als nicht mehr aufzutinden zu¬
rückgewiesenen trommelschlegelsporigen Bacillus putrifleus in
überraschender Weise reliabilitirt und seine Bedeutung dargethan.
Die Arbeit muss als die selbständige Leistung eines praktischen
Arztes besonders hoch geschätzt werden.
Es wollte Bienstock nicht gelingen, durch 24 Bacterien,
die in der Literatur als Fäulnisserreger angesehen werden, inclusive
die Proteusarten, eine Lösung von Fibrin zti Stande zu bringen.
Wohl trat Gestank auf, stets aber behielt das sterilisirte Fibrin
seine Form, eine Thatsaehe. die bei dem höchst energischen Ver-
flüssigungsvermügeu vieler Proteusarten für Gelatine sehr merk¬
würdig ist. Dagegen gelang es Bienstock, durch Infection von
Fibrinproben mit allerlei Substanzen, namentlich Strassenkoth, diese
zu typischer Fäulniss zu bringen, d. h. zu Auflösung unter pene¬
trantem Gestank. Die faulenden Gläschen zeigten stets Köpfchen¬
sporen. Die Oulturversuche zeigten, dass diese Könfchensporen
einer streng anaeroben, nicht immer leicht zu isolirenden Art ange¬
hören, welche ausführlich beschrieben wird, leider ohne den Ver¬
such einer Differentialdiagnostik von den anderen anaeroben Arten,
von vielen von denen er sich durch vollkommenen Mangel an Patho¬
genität für Thiere unterscheiden soll. In Misehculturen wächst der
Bacillus unter Unterstützung zahlreicher aerober Arten sehr gut.
auch ohne Sauerstoffabschluss, sehr interessant ist, dass Bac. coli
und lactis aerogenes umgekehrt in dem Sinne antagonistisch ein¬
wirken. dass sie wohl nicht die Vermehrung, aber die ordentliche
Ausbildung der Fiiulnissprocesse hemmen. Dieser noch weiter zu
verfolgende Antagonismus findet auch im menschlichen Darm
statt. Weitere Studien zeigten Bienstock die Richtigkeit
früherer Angaben von N e n c k i und Anderen, dass gewisse An¬
aeroben stinkende Eiweissfäulniss zu bedingen vermöchten — Bac.
oedematis maligni, Rauschbrand und Clostridium foetidum wirk¬
ten ganz ähnlich auf Fibrin. Auch auf chemischem Gebiet hat
Bien stock einige Resultat* 1 mitgetlieilt. von denen nur erwähnt
sein mag, dass der Bac. putrifleus kein Indol bildet. Den Klein’-
selien Bacillus cadaveris sporogenes und den v. Tave l’schen
Pseudotetanusbacillus möchte Bienstock für nächst verwandt
oder identisch mit seinem Organismus halten.
K. B. Lehmann- Würzburg.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenknnde und In-
fectionskrankheiten. 1900. Bd. XXVIL, No. 10 u. 11.
1) v. S t it li 1 e r n - St. Petersburg: Beitrag zur Bacteriologie
der lobären Typhusnneumonieen.
Verfasser berichtet über 2 Fälle, bei einem 20- und einem
29 jährigen Manne, bei denen während eines gleichzeitigen Abdomi-
naityphus eine Pneumonie bestand. Es fanden sieb das eine Mal
Typliusbaolllen im Sputum, das andere Mal dieselben bei der Soe-
tion iiri Lungensnft. Nebenbei konnten auch irn ersten Falle
Pneumococcen naebgewlesen werden. Die Oulturversuche ergaben
sowohl morphologisch, wie biologisch, wie durch die Serumreaction
die Identität mit dem echten Tvphushaeillus, wodurch der erneute
Beweis geliefert wurde, dass Typhusbacillen sich bei Abdominal
typhus auch in der Lunge ansiedeln können.
2) K. Land steiner - Wien: Zur Kenn tu iss der anti¬
fermentativen, lytischen und agglutinirenden Wirkungen des
Blutserums und der Lymphe.
Vorliegende Arbeit liefert Beiträge zur Seruindingnostik der
Fermente, zum Vorkommen antifermentativer Substanzen im Orga¬
nismus, zur Vortlioilung der baeterieiden Stoffe in den Körper-
fliissigkeiton und zur Kenntuiss des chemischen Verhaltens der
Lvsine, Agglutinine, Antifermente. Es kann an dieser Stelle in
Kürze nicht näher darauf eiugegangcn werden.
3) v. L i n s t o w - Göttingen: Tetrabothrium cylindraceum
Rud. und das Genus Tetrabothrium.
Artikel polemischer Natur.
4) C. B a 1 f o u r St e w a r t-Liverpool: Apparatus for heating
cultures to separate spore bearing micro-organisms.
Kleiner Apparat für oonstante Temperatur zwischen 70—80°.
R. O. Neiimann -Kiel.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 14.
1 ) Biiumlor - Freiburg i. Br.: Die Behandlung der Tuber-
culose im 10. Jahrhundert.
Sücularartikel, dessen historischer Inhalt sich nicht zum Re¬
ferate an dieser Stelle eignet.
2) S a 1 g e und Stoeltzner- Berlin: Eine neue Methode
der Anwendung des Silbers in der Histologie.
Bereits pag. 00 der Müneli. rued. Wochensclir. 1. J. besprochen.
3) M. P o r g e s - Marienbad: Experimenteller Beitrag zur
Wirkung und Nachwirkung von Schildrüsengift.
P. beobachtete an einem Stoffweehselhund, der mit Schilddrüse
gefüttert wurde, neben den bekannten Erscheinungen von Fett-
einsehmelzmig und Eiweisszerfall noch ein eigentümliches
weiteres Vergiftungssymptom, nämlich eine Laevulosurie bis 0,5
Proc. in der Hauptperiode, welche die Eingabe der Schilddrüsen
um eine beträchtliche Reihe von Tagen überdauerte. Auch beim
Menschen ist Glykosurio bei Darreichung von Schilddrüse öfter
beobachtet.
4) St. M i r e o 1 i - Genua: Ueber den pyogenen Ursprung
der Chorea rheumatica und der rheumatischen Frocesse.
M. möchte gegenüber mehreren deutschen Publicationen über
dieses Thema seine Priorität wahren. Nicht nur bezüglich der
Streptococcen, welche in den Ergüssen bei Gelenkrheumatismus
gefunden werden, sondern auch betreffs des Staphylococeus hat
M. schon früher den pathogenetischen Zusammenhang mit rheu¬
matischen Processen behauptet. Tu 17 bacteriologiseh untersuchten
Choreafüllen wurden 14 mal Strepto- resp. Staphylococcen ge¬
funden. für die einzelne Organe, besonders die Nieren und das
Ilerz, in Folge ihrer biochemischen Zusammensetzung gute Nähr¬
böden darstellen. Der Gelenkrheumatismus ist eben als scbwach-
gradige Pyaemie aufzufassen, die Gelenkaffectionen sind nicht
das Wesentliche.
5) Aus No. 12 der Berl. klin. Wochensclir. W. Gessner-
Halle wahrt gegeutiber den Ausführungen von Prof. A. Martin
über die Versorgung des Nabels der Neugeborenen seine Priorität
hinsichtlich der Methode, ausser der üblichen Ligatur des Nabel¬
stranges noch eine zweite, direct central von dem Nabelring anzu-
logou. G. schlägt vor, den Nabelstrang erst mit einer Formalin¬
lösung zu bepinseln, um baeterieid zu wirken und denselben zu
härten. Dadurch kann der Wundverlauf abgekürzt und die Re¬
sorption aus dem Strangrest reducirt werden.
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 13.
1) P. Grawitz: Ueber Adenocarcinome. (Aus dem patho¬
logisch-anatomischen Institute der Universität Greifswald.)
Vortrag, gehalten im Greifswalder medieinischeu Verein am
3. Februar 1900. Referat siehe diese Wochenschrift No. 10, p. 338.
2) II. Riese: Schenkelkopfexstirpation bei veralteter
intracapsulärer Schenkelhalsfractur. (Aus dem Kreiskranken¬
hause des Kreises Teltow in Britz.)
Der Fall betrifft eine 59 jährige Frau und wurde der Erfolg
der Operation durch Vorstellung derselben in der freien Ver¬
einigung der Chirurgen Berlins demonstrirt.
3) IT. Ostermann -Hamburg: Zur Behandlung der Ge-
bärmutterblutungen.
(Schluss folgt.)
4) A. Eulenburg: Ueber die Wirkung und Anwendung
hochgespannter Ströme von starker Wechselzahl (d’Arsonval-
Tesla-Ströme). #
Schluss aus No. 12. Referat siehe diese Wochenschrift No. 7
und 9, p. 241, bezw. 30G.
5) A. S c h o 11 - Berlin: Ein Fall von Flantarluxation des
Nagelgliedes der rechten grossen Zehe.
Casuistischer Beitrag nus der ärztlichen Praxis. Die Ver¬
letzung ist eine iiusserst seltene und sind ln der Literatur bisher
nur neun Fälle von Verrenkung im Zwischengelenke des Hallux
bekannt.
6) Bernhard R a w i t z : Medicinisch - klimatologische Er¬
fahrungen im Eismeer.
Der lesenswerthe Aufsatz enthält unter anderem interessante
Mittbeilungen über die Gewinnung des Leberthrans.
F. Lacher - München.
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jabrg.
No. 7.
1) Alb. K o e li e r: Ueber Complic&tionen der Cholelithiasis.
— Wann soll man bei Cholelithiasis operirenP (Aus der Chirurg.
Klinik von Professor Dr. Kocher in Bern.)
An der Hand von vier ausführlichen Krankengeschichten
werden mit besonderer Berücksichtigung verschiedener diagnosti¬
scher Anhaltspunkte einzelne folgenschwere Complicatiouen von
Cholelithiasis beschrieben. Im Hinblick darauf wird die Noth-
weiuligkeit einer möglichst frühzeitigen (also noch vor dem Ein¬
tritt von Complicatiouen) Operation betont.
2» S 1 d 1 e r - H u g u e n i n - Zürich: Ueber die Einwirkung
der Sterilisationsverfahren auf Cocainlösungen und über die
beste Methode, Cocain- und Atropinlösungen steril aufzube¬
wahren. (Schluss.)
Zusatz von antiseptischen Flüssigkeiten eignet sich nicht für
die sterile Aufbewahrung wegen der damit verbundenen Reiz-
erscheinungen; zur Herstellung von Cocain- und Atropinstamm-
lösungen empfiehlt sich Alkoholzusatz. Zur Aufbewahrung werden
vom Verf. eigens construirte Fläschchen angegeben, die nameut-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. r > 15
lieh das sonst notliwendige Sterilisireu der Kautsehiikhütehen er¬
sparen.
3) E. Bärri-Jonen: Fremdkörper der Lunge und dessen
Diagnosenstellung mittels Böntge n’scher Strahlen.
Eiukeihing einer „verschluckten" Nadel mit haselnussgrossem
Kopf im linken Bronchus; Versuch der Extraction; Tod durch
Pneumonie. Hammelbacher - Planegg.
Oeiterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 13.
1) J. H o c h e n e g g - Wien: Ein Fall intraabdomineller
Netztorsion.
Die Diagnose wurde bei der Selteuheit der Erkrankung erst
bei der Operation gestellt. Der 41 jährige Kranke, der an einer
leicht reponirbaren rechtsseitigen Leistenhernie litt, bekam einige
Zeit nach Riicksehiebung derselben heftige Bauchschmerzen, Er¬
brechen, Auftreibung des Leibes, zeigte verfallenes Aussehen, auf
der rechten Bauchseite bildete sich ein grosser Tumor, der auf Ex¬
sudatbildung zuriiekgeftihrt wurde. Die Operation zeigte ein
mächtig geschwelltes Netz, dessen dünn ausgezogener Stiel mehr¬
mals torquirt war. Abtragung des Netzes, Exstirpation des Bruch¬
sackes sammt dem atrophischen Hoden, glatte Heilung. Die Stiel¬
torsion war vollkommen iutraperitoueal, bei leerem Bruchsacke,
entstanden, das Netz zeigte nirgends Verwachsungen. Die Drehung
war wohl durch die Manipulationen, welche Patient beim Zuriiek-
scliieben der Netzhernie gemacht hatte, zu Stande gekommen.
2) W. Türk- Wien: Ueber die Haemamoeben L ö w i t’s im
Blute Leukaemischer.
Der Kern dieser vorläufigen Mittheilung besteht darin, dass
die Haemamoeben L ö w i t’s eben keine Parasiten, sondern Kunst-
producte aus Mastzellengranulationen darstellen, in Folge dessen
auch die Argumentationen L ö w 1 t’s bezüglich Uebertragungsver-
suchen der Leukaemie illusorisch sind. T. konnte die „Amoeben“-
Bllder auch aus dem Blute von Menschen erhalten, welche nicht
an Leukaemie litten. Der Einwurf L ö w i t's, die Färbung der
Mastzellenproducte, welche T. anwendete, sei nicht „säurefest“,
ist hinfällig.
3) A. Hecht-Wien: Zur Semiotik des 2. Pulmonaltones.
II. untersuchte die Stärke des 2. Pulmonaltones, namentlich
im Verhältniss zu jener des 2. Aortentones, mit Hilfe des Bettel-
lieim-üärtne r’schen Sthetophonoineters. Neben der schon
anerkannten Thatsache, dass die Stärke des 2. Pulmonaltones von
vielen Factoren abhängen kann, die auf Seite des Untersuchten
liegen, betont II. vor Allem auch, dass der Untersucher verschieden
stark percipiren kann, z. B. nach dem Mittagessen weniger als vor
demselben. Per 2. Pulmonalton ist normal ca. % stärker als der
2. Aortenton. H. fand, dass die Nahrungsaufnahme den 2. Pul¬
monalton stark in die Höhe treibt, dass also eine Drucksteigeruug
im kleinen Kreislauf erfolgt, ebenso auch bei abdominalen Affec-
tionen. Für die Ursache der physiologischen Pulmonaldrucksteige¬
rung nach der Mahlzeit hält Verfasser die Verdauungshyperaemie.
Bei ausgesprochenen Fällen von Influenza war der 2. Pulmonal-
tou jedesmal sehr laut, vielleicht durch Wirkung der Iufluenza-
toxiue; lad der Pleuritis gingen die ermittelten Wertlie weit aus¬
einander. Emphysem verstärkt den 2. Pulmonalton. Bei Pneu¬
monie fand sich subnonnaler Blutdruck und andererseits sehr hohe
Pulmoualtonzahleu. Bei Herzschwäche durch Myocarditis fand
Verfasser schwachen 2. Pulmonalton; das Nachlassen des letzteren
hat bisweilen ominöse Bedeutung, in anderen Fällen geht es mit
einer Besserung der Kreislaufstörung einher. Verfasser berichtet
noch über mehrere Fälle fuuctioneller Herzinsufficienz, bei denen
der 2. Pulmonalton meist laut war, sofern er nicht durch einen
verstärkten 2. Aortentou gedeckt wurde.
Dr. Grassmann - München.
Vereins- und Congressberichte.
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte.
(Bericht des Vereins.)
V. Sitzung zu Köln am 3. Deeember 1899.
(Schluss.)
Herr Lenzmann - Duisburg: Demonstration zweier Prä¬
parate, welche eine hochgradige Stenose des Athmungscanals
bewirkt hatten.
M. H.! Gestatten Sie mir, Ihnen zwei Präparate vorzulegen,
welche jedenfalls Ihr Interesse beanspruchen können. Beide haben
eine hochgradige Verengerung des Athmungsrohres bewirkt, der
Sitz dieser Verengerung und die Art, wie dieselbe zu Stande kam,
sind aber durchaus verschieden von einander. Das eine stellt einen
Tumor dar, welcher seinen Sitz in dem Athmungscanal, und zwar
unmittelbar unter der Glottis, hatte, das andere einen solchen,
welcher im hinteren Mediastinum ausserhalb des Athmungsrohres
lag und eine zur Erstickung führende Verengerung dieses letzteren
hervorbrachte, dadurch, dass er den linken und später auch den
rechten Bronchus zusammenpresste.
Die Krankheitsgeschichte des Patienten, von welchem das
erste Präparat stammt, ist kurz folgende: Anfangs September d. J.
wurde der Schlosser B. in unser Krankenhaus aufgenommen. Er
litt an Aphonie und hochgradiger Athemnoth, verbunden mit Stri¬
dor, der offenbar einem im Kehlkopf liegenden Athrnungshinder-
niss seine Entstehung verdankte; der Allgemeinzustand des Pa¬
tienten war ein sehr reducirter. Als Ursache dieser Symptome
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ergab sich bei der laryngoskopisehen Untersuchung ein unmittel¬
bar unter der Glottis liegender Tumor, der von der hinteren Wand
des Kehlkopfausgangs und an der vorderen Cominissur der Stimm¬
bänder nur einen kleinen von der vorderen Larynxwand und dem
vorderen Ende des Tumors begrenzten Kaum liess, durch welchen
der Patient mühsam sein Luftbedürfniss befriedigte. Die Stimm¬
bänder, sowie die Larynxschieimhaut waren — offenbar in Folge
eines acuten begleitenden Katarrhs — geröthet und geschwollen.
Um der lndicatio vitalis zu genügen, machten wir die Tra-
cheotomia inferior. Die später vorgenommene genaue laryngo-
skopische Untersuchung liess erkennen, dass der Tumor mit dem
linken Stimmbande, das vollständig unbeweglich war, verwachsen
war. Das rechte Stimmband functionirte, berührte aber, beim
Phonationsversuch, das linke Band nicht.
Die mikroskopische Untersuchung von auf endolaryngealem
Wege entfernten Gesellwulsttheilelien ergab keine abnorme Wu¬
cherung epithelialer Elemente, dagegen liess die Betastung mit
der Sonde eine ziemlich harte und widerstandsfähige Masse er¬
kennen, so dass an ein festes Fibrom oder Chondrom gedacht
werden musste.
Da der Patient allmählich nach Abschwellung der gerötheten
und geschwollenen Larynxschieimliaute und der htinimbander auf
natürlichem Wege wieder atInnen konnte, so verweigerte er die
Operation des Tumors und verlangte, nach Verheilung der Tra¬
cheotomiewunde, entlassen zu werden.
Vor vierzehn 'lagen trat der Zustand ein, den wir ihm bei
seiner Entlassung scheu prognostieirt hatten. Er kam mit
schweren Suftocatioiiserschemiingen in s Krankenhaus zurück und
willigte jetzt in die Kadiealoporation ein, welche ich am 21. Nov.
ausfuhrte. Prophylaktische Tracheotomie, Tamponcanüle, La-
ryngofissur und Entfernung dieses grossen Tumors, den ich nier
zeige. Derselbe ging von der hinteren breiten Fläche des Riug-
kuorpels aus und haftete fest an dem linken Stimmband. Es
handelte sich, wie Sie sehen, um ein echtes Eccliondrom. Der Pat.
athmet jetzt frei und ist last ohne Beschwerde. Ich werde Ge¬
legenheit nehmen, Ihnen denselben bei unserer nächsten Zu¬
sammenkunft vorzustellen.
Das zweite Präparat, das ich bei einer Autopsie gewonnen
habe, sehen Sie hier. Es handelt sich um ein Aneurysma der ab¬
steigenden Aorta.
Aus der langen Leidensgeschichte des Patienten, von welchem
dieses Präparat stammt, will ich kurz Folgendes hervorheben:
Der Patient, ein Gymnasiallehrer im Alter von 43 Jahren,
litt seit dem Jahre 1890 an Pharyngitis und Laryngitis sicca.
Gegen diese Affectionen wurden Pinselungen mit Jod-Jodkalium
lösung angewandt; unter dieser Behandlung blieb das Leiden in
erträglichen Grenzen, so dass der Patient seinen Beruf als Lehrer
ohne besondere Beschwerde ausfüllte. Im August des Jahres 1894
erkrankte er unter den Symptomen eines Ulcus ventriculi: Heftige
Magenschinerzen, welche sich besonders nach dem Essen zeigteu,
Schmerz bei Druck in der Pylorusgegeud, Hyperacidität, Er¬
brechen.
Wegen dieser Beschwerden suchte Patient die Heilanstalt
einer anerkannten Autorität für Erkrankungen des Magens auf,
welche auch die Diagnose Ulcus ventriculi stellte und die ent
sprechende Cur einleitete. Gebessert, aber nicht geheilt, kehrte
der Patient zurück. Regellos auftretende Magensehmerzen und
dyspeptische Beschwerden zeigte derselbe noch immer, dagegen
war objectiv ein vergrüsserter Salzsäuregehalt nicht mehr nach
zuweiseu. Der Patient blieb sehr mager und kraftlos trotz der
vorzüglichsten Ernährung. Urin frei von Eiweiss und Zucker.
Pulmones gesund. Kein Fieber.
Da erkrankte Patient im Herbst 1807 an einem diffusen Bron-
chialkatarrli mit zähem, oft borkigen Schleimauswurf; dieser
Katarrh trotzte allen Mitteln, so dass der Kranke vom Mai bis
Herbst 1898 im badischen Schwarzwald verweilte.
Als er von dort zuriiekkehrte, zeigte sich eine Veränderung
im Krankheitsbild. Zwar bestanden der Bronchialkatarrh und die
bedeutende Abmagerung nach wie vor, die Magenbescbwerden
traten aber mehr zurück, es war jetzt aber ein hochgradiges
Lungenemphysem uachzuweisen und an der ganzen linken Brust¬
seite war das Athmungsgeräusch deutlich abgeschwächt, was dem
Patieuten als Symptom eines pleuritischen Exsudats erklärt worden
war. Um dieses letztere konnte es sich aber wohl nicht handeln,
da jede Abdämpfung des Percussionsschalls fehlte, geschweige
dass eine Dämpfung vorhanden gewesen wäre.
Das Phänomen der Abschwächung des linksseitigen Athmuugs-
geräusches konnte nur erklärt werden durch die Annahme einer
Verengerung des linken Bronchus. Bald zeigte sich bei der immer
mehr steigenden Athemnoth des Patienten auch ein eigentüm¬
licher Stridor, der. wie deutlich zu hören war, in der Tiefe der
Brust erzeugt wurde und den armen Kranken zwang, bei jeder
geringsten Anstrengung und Bewegung nach Luft ringend stehen
zu bleiben. Kehlkopf — abgesehen von eiuer geringfügigen trocke¬
nen Laryngitis — gesund, vor Allem waren die Stimmbänder frei
beweglich, sowohl die Oeffner, wie die Schliesser der Glottis func-
tionirten normal.
Die Diagnose musste jetzt lauten: Verengerung des linken
Bronchus, hervorgebracht höchst wahrscheinlich durch einen Tu¬
mor im linken Mediastinum; welcher Art dieser Tumor war, die
Entscheidung war schwer zu treffen. Lues bestand sicher nicht,
zu denken war an ein Sarkom oder au Tuberculose der Bronchial¬
drüsen. Die Radiographie ergab nur einen Schatten vor der
Wirbelsäule in der Herzgegend. Zu den Symptomen fortschrei¬
tender Athemnoth, die sich zu einzelnen qualvollen und besorgniss-
Qriginal frn-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCH KN ICH MKD1CINISCHK WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
510
erregenden Anfällen steigerte, des immer schwächer werdenden
Athmungsgeräusches, nicht nur links, sondern auch rechts, des
immer mehr gesteigerten eigeuthüinlichen Stridors, der zunehmen¬
den Abmagerung gesellten sieh Anfangs October d. J. zwei eigen-
thiimliehe Erscheinungen. Die erste bestand darin, dass Patient
während des Schluckactes eine Erstiekungsnoth bekam, welche
ihn zwang, nach jedem »Schlucken, besonders eines festen Bissens,
zu pausiren und mühsam sein Athmuugsbedürfuiss zu befriedigen,
die zweite zeigte sich in blitzartig auftretenden Schmerzen in den
unteren Extrendtäten.
In der Nacht vom 3. zum 4. Nov. starb der Patient unter den
fürchterlichsten Qualen der Erstickung. Die Obductiou ergab
dieses Präparat.
Die Einigen sind hochgradig emphysematisch, im Uebrigen
aber gesund, die Schleimhaut der Bronchien ist stark hyperaemiseh
und etwas gelockert.
Die Ursache des über fünf Jahre sich erstreckenden Leidens,
das zuerst als eine Magenerkrankung sich äusserte und erst iiu
Laufe der Jahre auf eine Verengerung des luftzuführenden Ath-
mungsrolires hin wies, ist hier dieses 10 zu 12 cm im Durchmesser
haltende Aneurysma der Aorta descendens. Es beginnt an der
Aorta dort, wo sie sich gerade mit ihrem Bogen über den linken
Bronchus geschlagen hat, es liegt unmittelbar hinter diesem und
war geradezu zwischen Herz und Wirbelsäule im hinteren Me-
diastinalraum eingeklemmt.
Der Aneurysmasack ist, wie Sie sehen, mit diesem kolossalen
Fibringerinusel ganz ausgefüllt, so dass dasselbe einen getreuen
Abguss des Innern des Sackes darstellt. Wenn ich nach Auf-
klappen dos Sackes den Thrombus herausuehme. so sehen Sie, dass
in demselben an seiner vorderen Fläche eine Rinne für den Blut
ström frei geblieben ist.
Alle Beschwerden, welche der Patient zeigte, sind in letzter
Instanz durch den erst kleinen, aber immer mehr sich entwickeln¬
den und vergrösserndeu Tumor zu erklären.
Der Magen zeigte makroskopisch keine Veränderungen, vor
Allem keine Narben von etwa früher vorhandenen Magenge¬
schwüren. Die früheren Magenbeschwerden des Patienten, welche
mit zwingender Nothwendigkeit auf ein Ulcus hinwiesen und --
da. der Tumor keine anderen Symptome machte — gar nicht anders
gedeutet werden konnten, sind offenbar entstanden durch einen
Druck des sich entwickelnden Tumors auf den linken Vagus. Sie
sehen, wie dieser Nerv durch die (Jeschwulst vollständig zusammen¬
gedrückt, wie er auch bedeutend dünner ist, als sein rechter
Partner.
Der linke Vagus verläuft bekanntlich in der Brusthöhle mit
der Carotis communis zum Arcus aortae. tritt vor denselben und
dann hinter den linken Bronchus, um an der vorderen Fläche der
Speiseröhre weiter zum Durchtritt durch*« Zwerchfell zu ziehen.
Zwischen dem linken Bronchus und der (Jeschwulst war der Nerv
also vollständig eingeklemmt. Der erstere ist ganz platt gedrückt,
wie eine Säbelscheide, so dass man nur mit einiger Kraft ver¬
mittels des Fingers, den man in ihn von der Luftröhre aus ein¬
bohrt, die platten Wände von einander entfernen kann. Auch der
rechte Bronchus ist schon sehr verengt durch das Wachsthum des
Tumors, so dass dem Patienten kein genügender Athmungsweg
mehr blieb.
Die Magenbeschwerden (Schmerzen, Erbrechen) und die ob-
jectiven Befunde am Magen «Ilyperacidität» sind offenbar zurück¬
zuführen auf den Reiz, den der erst noch kleine Tumor auf den
linken Vagus ausübte. Später trat wohl eine Lähmung und Func¬
tionsuntüchtigkeit ein, welche sich aber nicht auf den Recurrens
erstreckte; so weit reichte eben der Tumor nicht, um eine Lähmung
dieses Nerven, der sich ja links um den Aortenbogen herumschlägt,
zu Stande zu bringen.
Der Bronchialkatarrli war ein Stauungskatarrh, denn der
Tumor drückte auch auf die Lungenvenen; das Emphysem ist er¬
klärt durch die Aufblähung der Lungen in Folge von Unfähigkeit
derselben, den Exspirationsstrom durch die verengte Passage des
Luftrolires hindurchzutreiben.
Der Oesophagus verläuft an der Stelle des Sitzes des
Tumors noch an der rechten Seite der Aorta. Sie sehen, wie er
durch denselben nach rechts verlagert ist und zwischen Tumor
und rechtem Bronchus geradezu eingeklemmt liegt. Dadurch kam
es, dass der ratient in der letzten Zeit beim Essen, besonders beim
Verschlucken fester Bissen, Erstickungsanfälle höchsten Grades
zeigte. Wenn der Bissen an der Stelle der Speiseröhre anlangte,
die zwischen Tumor und rechtem Bronchus liegt, dann wurde
dieser letztere erst recht zusammengepresst, denn der Tumor
konnte nicht mehr ausweielien, da er fest gegen die Wirbelsäule
lag. So ging beim Schluckact dem Patienten die letzte noth-
dürftigste Luftpassage verloren.
Die oben erwähnten blitzartigen Schmerzen in den Unter¬
extremitäten endlich werden erklärt durch die Reizung der hin¬
teren Rüekenmarksstrünge, denn das Aneurysma hatte die linke
Hälfte der Wirbelkörper des 111. und IV. Brustwirbels vollständig
usurirt, so dass hier das Periost und au einer Stelle die Pia frei lag.
Herr Lenzmann- Duisburg: Zur Nachbehandlung ope-
rirter chronischer Stirn- und Kieferhöhleneiterungen.
M. II.! Uns Allen ist bekannt, wie langwierig die Nach¬
behandlung der chronischen Eiterungen der Stirn- und Kiefer¬
höhlen sein kann. Monate- und jahrelange Nacheiterungen der
Ilöhlenschleimhaut sind nichts Seltenes, so dass die Methoden,
welche eine möglichst ausgiebige Freilegung und totale Entfer¬
nung der erkrankten Schleimhaut bezwecken, immer mehr An¬
wendung finden.
Difitized by Google
In der letzten Zeit habe ich bei meinen Fällen von Stirn- und
Kieferhöhleneiterungen nach Eröffnung der Höhlen eine Behand¬
lung eingeschlagen, welche dem Eitemngsprocess derselben be¬
deutend abzukürzen mir geeignet erscheint und welche Ihnen dess-
halb zur Nachprüfung empfohlen sei.
Ich will von vornherein bemerken, dass meine Erfahrung mit
der neuen Behandlungsmethode noch nicht auf genügend zahl¬
reichen Fällen beruht, als dass ich ein endgiltiges Urtheil abgeben
könnte, dass auch weiter — wie ich glaube — meine Behandlung
nicht in allen Fällen die Radicaloperation ersetzen kann: die
5 Kieferhöhlen- und 2 Stimhölileneiterungen aber, welche ich nach
meiner Methode behandelt habe, verliefen so auffallend rasch —
durchweg in 2 bis 3 Wochen — zur Heilung, dass ich schon jetzt
glaube, zu einem im Allgemeinen günstigen Urtheil über meine
Behandlungsmethode berechtigt zu sein.
Dieselbe besteht darin, dass ich, nachdem ich in Chloroform¬
narkose die eiternde Höhle augebohrt und durch Ausspülung das
Secret entfernt habe, in jene strömenden Wasserdampf einlasse,
eine Behandlungsweise, welche unter der Bezeichnung Atmokausis
(«/^uoU «s= Dampf, Autotf Brennen, Verbrennen) in die Gynä¬
kologie n der jüngsten Zeit von Suegire w und P i n c u s ein¬
geführt wurde und welche von verschiedenen Seiten jetzt zur Be
hundlung mancher Formen der Endometritis, der klimakterischen
Blutungen, des putriden Aborts etc. mit Erfolg angewandt wird.
Der Wasserdampf, welcher in einem zweckmassig und ge¬
nügend stark moutirten Kessel (zu beziehen vom Medicinischen
Waarenhaus-Berliu oder der Firma Hahn & Löchel - Danzig»
erzeugt wird, hat in demselben eine Temperatur von 105—112“ C.
Ich leite ihn durch einen am Kessel angebrachten Schlauch ver¬
mittels dieses mit Gummi überzogenen Röhrchens aus Neusilber
in die Höhle ein und lasse ihn 10—20 Secunden wirken. Dass
durch feuchte Watte oder Gaze die Umgebung vor der Einwirkung
des Dampfes zu schützen ist, versteht sich von selbst, ebenso ist
es selbstverständlich, dass das eingefiihrte dampfleitende Röhrchen
die Operatiousöftnung nicht hermetisch verscliliessen darf, damit
neben demselben das warme, blutige Gondenswasser in die uuter-
gelegte Watte abfiiesseu kann.
Durch den Dampf, welcher in alle Buchten und Winkel der
erkrankten Höhle eindringt, wird die eiternde Schleimhaut in ihrer
oberflächlichen infiltrirten Schicht verbrüht, sie stösst sich nach
einigen Tagen in kleinen Fetzen ab und so wird aus der soge¬
nannten pyogenen Membran eine reine Wundfläche, welche bald
zur Vernarbung gelangt.
Der Eiugrifr selbst wird in Chloroformnarkose ausgeführt,
die Nachschmerzen sind nicht grösser, wie bei einer Operation
ohne Atmokausis. Die weitere Nachbehandlung besteht in Offen-
halten der Operatiousöffnnng vermittels eines Nagels und in täg¬
lichen Ausspülungen mit steriler physiologischer Kochsalzlösung.
Meine Resultate sind bis jetzt so nur tallend günstige bezüg¬
lich der Dauer des Heilungsvorganges, dass ich die Behandlungs¬
methode weiter verfolgen werde und sie Ihnen zur Nachprüfung
nur empfehlen kann.
I) i s e u s s i o n : Herr Hopmann hält das geschilderte
Verfahren als ein pr obntoris c li e s Heilmittel für annehmbar,
spricht aber auf Grund der von ihm bei zahlreichen bretteu Auf-
meisseluugen der Gesichtshöhlen, besonders auch der Highmors-
hölile, erhobenen Befunde seine Ueberzeugung dahin aus, dass die
Mehrzahl der chronischen Empyeme durch heisse Dämpfe nicht
zur Ausheilung gebracht werden kann.
Herr Röpke bemerkt, dass das Verfahren sicher nicht bei
den Fällen angewandt werden könne, die mit Siebbeinzelleneim-
rimgen complieirt sind und bei denen die Oberkieferhöhle zugleich
das Abflussrohr für die Siebbeinzellcneiteruug bildet.
Herr Lenz m a n n : Ich habe auch nicht behauptet, dass
nun jede Radicaloperation überflüssig werden würde. Wenn z. B.
eine Erkrankung der Siebbeinzellen die Höhleneiterung complieirt.
so wird die Freilegung der erkrankten Partien selbstverständlich
uothwendig sein. Ich möchte aber doch hier jetzt schon die An¬
sicht aussprechen, dass wir in der Anwendung der Atmokausis ein
Mittel besitzen, welches geeignet ist, in vielen Fällen den Verlauf
der Nachbehandlung wesentlich abzukürzen und unter Umständen
auch die Radicaloperation (Weguieisselung der ganzen vorderen
Wand und Entfernung der erkrankten Schleimhaut) zu ersetzen.
Herr Keller fragt den Vortragenden, ob nicht wenigstens
für die ersten Stunden nach Application der Dämpfe eine schmerz¬
hafte Reaetion eintrete, Schwellung der Wange oder dergl. Bis
jetzt ist nichts derart beobachtet worden.
Herr Moll thellt eine Beobachtung mit, die die Beziehungen
zwischen Nase und weiblichen Genitalien betrifft. Bei einer Pa¬
tientin wurde ein Empyem längere Zeit mit Durchspülungen von
Formaldehydlösung vom Processus alveolaris aus behandelt und
schien fast geheilt zu sein.
Plötzlich wurde die klare Flüssigkeit trübe, eiterartig und
sogar foetid; nach ungefähr 10 Tagen wurde die Absonderung
unter Anwendung derselben Lösung wieder klar und geruchlos; es
fanden sich nur ein Paar Schleimflocken im Wasser; nach
3 Wochen wurde die Flüssigkeit wieder trübe.
Es wurde nun klargestellt, dass jedesmal beim Eintreten der
Menstruation die eitrige Absonderung sich wieder einstellte; es
ist dies die einzige derartige Beobachtung, die Moll machte.
Herr Schmithuisen: Grosses Tuberculom im Nasen¬
rachenraum mit Nekrose von Theilen des Keil- und Hinterhaupt¬
beines.
Tuberculöse Tumoren des Nasenrachenraumes sind als selten
zu bezeichnen. Professor K o e n i g thut Ihrer in einem Buche
Original frorri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
517
keine Erwähnung. Von Dr. Seifert sind im Handbuch für
Laryngologie und Rhinologie mehrere Fälle aus der Literatur der
letzten Jahre zusammengestellt. Das Tuberculom von Hajek
sass der hinteren Fläche des weichen Gaumens auf, das von
Tonton beschriebene ging breit vom Septum uasi aus. K o
schier beobachtete zwei grosse tuberculöse Geschwülste, von
der Schleimhaut des Rachendaches ausgehend. Der von A v e 11 i s
beschriebene Tumor drang bis unter das Velum vor.
Mein Fall betraf einen 45 jährigen Schlosser St. aus Kreuzau.
Er ist hereditär nicht belastet, war nie geschlechtlich krank, hat
5 gesunde Kinder. Seine Frau hat keinen Abortus gehabt.
Er ist nie ein starker Mann gewesen, erfreute sich aber immer
einer guten Gesundheit, bis er in den letzten 2 Jahren mit dem
Halse zu schaffen bekam.
Er erkältete sich leicht und wurde zeitweise heiser. Im letzten
Jahre traten Schluckbeschwerden hinzu; die Nasenathmung wurde
immer mehr behindert. Starke Kopfschmerzen benahmen ihm den
Schlaf lind machten ihn arbeitsunfähig. Aus Nase und Rachen
föetide Absonderung. Die Untersuchung ergab einen der hinteren
Rachenwand aufsitzenden Tumor von dunkelrother Farbe mit
Intacter Schleimhaut, oberhalb des Gaumensegels an Dicke zu¬
nehmend, den ganzen Raum ausfüllend und die Choanen lteinahe
vollständig verschliessend. Man hatte im Rachen das Bild einer
aufsitzenden Doppelsohle am Stiefel. Zwischen der glatten Ge¬
schwulst und den beiden seitlichen Rachenwänden verblieb eine
kleine gleichmässige Rinne. Die geschwulstförmige Erhebung
war auf der Wirbelsäule beweglich. Der Zunge gegenüber war die
Rachenschleimhaut normal. Nach unten ging sie ebenfalls in eine
hügelige Verdickung über bis zum Oesophaguseingang.
Beim Abheben des welchen Gaumens fliesst Eiter ab und
zeigt sich noch oben eine schmutzige Rinne, den oberen Theil des
Tumors in zwei gleiche Theile tlieilend.
Die Nackendrüsen waren nicht zu fühlen. Nur die linke Sub-
maxillardrüse war geschwollen.
Ferner bestanden Strumaschwellungen vorne und an der
rechten Seite des Halses.
Bei obigem Befunde musste man zunächst an Sarkom und
Carcinom denken, wie es vor mir auch schon einige Collegen ge-
than hatten. In diesem Sinne wurde er auch an Professor
B a rdenlieue r verwiesen, welcher Jod verordnete.
Syphilis musste auch in Betracht gezogen werden.
Ein zur Sicherstellung der Diagnose» herausgeschnittenes
Stück wurde von Herrn Professor D i n k 1 e r an dem hiesigen
Louisenhospital untersucht und ergab Riesenzellen und Tuberkel¬
bacillen.
Ich rasirte die ganze Geschwulst im oberen Theile ohne er¬
hebliche Blutung ab. Nun kam die Ueberraschung.
In der oben beschriebenen Rinne sah man eine schwarze Masse
und bei der Soiulirung kam man in eine lange Höhle und fühlte
muhen Knochen. Ich ging nun mit einem Löffel durch die Nase
an der mittleren Muschel vorbei und ttel nur so in die Keilbein¬
höhle. Dies Häuflein von Knochenstiickeu brachte ich zu Tage.
Der grössere ist in seiner Form als dem Hinterhauptbein an¬
gehörig zu erkennen. Diese ausgedehnte Knochennekrose machte
mich in der Diagnose stutzig. Ich dachte an die Möglichkeit einer
Doppelinfection und zwar so. dass sich auf dem ursprünglich syphi¬
litischen Knochenherde eine tuberculöse Invasion in der Umgebung
etablirte. Ich wurde zu dieser Annahme gedrängt durch die That-
sache, dass ich bei meinem nicht kleinen Beobachtungsmaterial
von Nasen tuberculöse wohl zuweilen Usur der Knochen, aber nie
ein nekrotisches Knochenstück gesehen habe. Ich liess den Pa¬
tienten, der sich sichtlich erholte und von seinem Leiden befreit
glaubte, schmieren. Die Cur blieb ohne jeden Erfolg, bekam ihm
schlecht, so dass ich bald davon Abstand nahm.
3 Monate nachher ist der Patient an allgemeiner Phthise rasch
zu Grunde gegangen. Wahrscheinlich hat bei dem langen Bestehen
des Herdes vom Nasenrachen aus eine Invasion in die Mediastinal-
drüsen stattgefunden und ist von hier aus die tödtliche ARgernem-
infection erfolgt. Wir haben also den Tumor, sowie die aus¬
gedehnte Nekrose als rein tuberculöser Natur anzusehen. Die
gleichzeitige Nekrose am Keil- und Hinterhauptbein Ist bis jetzt
bei einem Tuberculom des Nasenrachenraumes noch nicht be¬
obachtet worden.
Ob eine primäre tuberculöse Knochenerkrankung vorliegt
oder die Schleimhaut zuerst erkrankt war, darüber lassen sich nur
Vermuthungen aufstellen. Die Möglichkeit der ersteren ist jeden¬
falls nicht von der Hand zu weisen, da Hinterhaupt und Keilbein
entwicklungsgcschichtlich Wirbelkörper darstellen und diese häufig
von primärer Tuberculöse befallen werden. Ebenso sehen wir an
allen übrigen Gesichts- und Schädelknochen gelegentlich Tuber¬
eulose mit Necrose auf treten.
Ausser dem vorgetragenen Falle beobachtete ich noch 3 Tu¬
bereulome au der hinteren oberen Rachenwand, aber von bedeutend
kleinerem Umfang. Die Patienten, alle in den mittleren Jahren
stehend, wurden davon gehellt und leben noch. Zwei waren mit
Naseutul erculose vergesellschaftet, die Diagnose machte keine
Schwierigkeit. Der 3. Fall war von bekannten Berliner Aerzteu
dem Herrn Dr. Feibes in Aachen zur Inunctionscur überwiesen.
Nach (> wöchentlicher vergeblicher Cur wurde ich zugezogen, ln
der Höhe des Zäpfchens auf steigend fand sich ganz in der Mitte
der hinteren Rachenwand eine halbkugelige Erhebung, deren Spitze
wie abgeknppt schien. Die Stelle des Defectes war kein Ulcus
und schien auch von Epithel bekleidet. Die Untersuchung eines
grösseren ausgeschnittenen Stückes ergab Tuberkel und einige
Bacillen. Das Tuberculom wurde abgetragen und es erfolgte Hei-
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lung. 4 Jahre vorher hatte derselbe Patient eine locale Darmtuber-
culose und war ihm von Dr. II a h n in Berlin ein 12 cm langes
Stück Dann resecirt worden.
Tubereulome und Syphilome werden in der Hals- und Nasen¬
gegend nicht immer sicher unterschieden werden können. Die
mikroskopische Untersuchung wird häufig zu Hilfe genommen
werden müssen. Doch kann man im Allgemeinen sagen, dass bei
zerfallenem Ulcus auf infiltrirtem Grunde die Syphilis immer eine
grössere Mischinfection aufweist: das Ulcus ist schmutziger, das
Gewebe tiefer mortificirt als das tuberculöse.
D i s c u s s i o n : Herr L ü n e n b o r g : Einen ähnlichen
Fall, wie der von Herrn Collegen Lenzma n n demonstrirte,
beobachtete ich als Assistent des Herrn Sanitiitsrathos II o p -
m a n n, der sich des Patienten jedenfalls noch erinnern wird. Es
handelte sich damals (im Jahre 1801) um einen ca. 45jälirigen,
sehr kräftig gebauten Mann mit pfeifendem Atlimungsgräusehe
und ziemlich starker Cyanose des Gesichtes. Durcli die Unter¬
suchung liess sich nur ein mässiger Kehlkopf- und Bronchialkatarrh,
sowie erhebliches Emphysem nachweiseu. Es wurde die Tracheo¬
tomie gemacht, jedoch ohne dicAthmung zu erleichtern. Ungefähr
8 Tage darauf ging der Patient plötzlich und unerwartet an einer
starken Haemoptoe zu Grunde. Die Section ergab ein in die
Trachea durchgebrochenes Aortenaneurysma. Das Aneurysma
hatte bei Lebzeiten des Patienten durch Druck auf den untersten
Theil der Trachea die Stenose und das consecutive Emphysem her¬
vorgerufen.
Herr Keller hatte die Gelegenheit, den Fall längere Zeit
schon zu beobachten, bevor derselbe in die Behandlung von Soli m.
überging. Es bestand damals eine taubeneigrosse Geschwulst an
der rechten Pharynxseite mit geringer Schwellung der rechts¬
seitigen Halslymphdriisen; Schlucken etwas erschwert. Auf längere
Jodkalibehandlung schwand der Tumor ganz, jedoch entwickelte
sich in verhültnissmüssig kurzer Zelt die Nasenrachengeschwillst,
deren weiteren Verlauf der Vortragende schilderte. Vielleicht lag
doch eine Lues zu Grunde- zu welcher später die tuberculöse
Affection hinzutrat.
Herr Hopmann hält ebenfalls eine spätere Ansiedelung der
Tuberculöse auf syphilitischer Grundlage hier nicht ausgeschlossen
und erinnert bezüglich der auf mikroskopische Untersuchung basir-
ten Unterscheidung von nicht zerfallenen Gummis und Tubercu-
lomen auf die nahe histologische Verwandtschaft beider Bildungen.
Tertiäre Geschwülste des Nasenrachenraumes bezw. der Nase
operirt er, auch ohne dass Zerfall vorliegt, unter gleichzeitiger
Anwendung grosser Jodkaliumdosen und hat von dieser Be¬
handlung immer die besten Erfolge gesehen.
Herr Lenzmann: Ich muss dem Collegen Hopman n
beistimmen, dass es Symptome von Lues gibt, welche nur auf Jod¬
kali reagiren, und nicht auf Quecksilber. Dazu rechne ich vor Allem
die im sogen, tertiären Stadium auftretenden Neuralgien. Ich habe
sowohl Trigeminusneuralgien, wie ischiatische Schmerzen be¬
obachtet. welche erst dann wichen, als grosse Dosen Jodkali ge¬
geben wurden. Die Schmiereur war in diesen Fällen ohne Erfolg.
Moses- Köln.
(Verein für innere Medicin zu Berlin siebe S. 521.)
Berliner Briefe.
Erhebungen über die Verbreitung der Geschlechtskrank¬
heiten. — Blätter zur Bekämpfung des Curpfuscherthums. —
Das TJmlagerecht der Aerztekammern. — Die Infectionsclausel
ir den Dnfallversicherungspolicen. — Schulärzte.
Das Reichsseuchengesetz, dessen Entwurf jetzt veröffentlicht
ist, lässt unsere einheimischen Volksseuchen, wie Tuberculöse und
Syphilis, unberücksichtigt; dagegen ist zur Bekämpfung der vene¬
rischen Krankheiten von der Staatsregierung eine Enquete ein¬
geleitet worden, welche einen Ueberbliek über die Verbreitung
dieser Krankheiten geben soll. Für die dazu nothwendigen sta¬
tistischen Erhebungen ist dem Minister die Mitwirkung der
Aerztekammern zugesagt worden, und dementsprechend ist dieser
Tage jedem Arzt des Bezirks eine Zählkarte zugegangen, auf der
nach einem sehr einfachen Schema aiiziigobeu ist, wie viele ge-
schleehtskranke Patienten in der Zeit vom 1. bis 30. April bei dem
betreffenden Arzt in Behandlung gestanden haben.
Die ganze. Gruppirung zerfällt in männliche und weibliche
Patienten und in die 3 Rubriken: Gonorrhoe nebst Folge¬
zuständen, Ulcus molle, Syphilis [a. primäre und sccundüre,
b. tertiäre]. Es ist nicht zu verkennen, dass ein so einfaches
Schema einen schnellen und sicheren Dein r bl ick- gibt, aber anderer
seits wird man sich zu vergegenwärtigen haben, da*s das Ergebniss
dieser Zählung kein wirkliches Bild von der Verbreitung der
venerischen Krankheiten geben wird. Die Neigung der Ge¬
schlechtskranken, von einem Arzt zum andern zu wandern, ist
bekannt, sei es, dass er mit Wissen oder auf Wunsch des zuerst
behandelnden einen Specialarzt eonsult irt, sei es, dass er das¬
selbe hinter dessen Rücken thut oder überhaupt alle 14 Tage
seinen Arzt wechselt. Diese Erfahrung wird so häufig gemacht,
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
518
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
dass man oft schon bei der TTebernahme der Behandlung mit der
That sache rechnet, dass man nicht der erste und nicht der letzte
Arzt des Patienten in dieser Krankheit ist.
Es wird somit, nicht zu vermeiden sein, dass eine ganze An¬
zahl venerisch Erkrankter doppelt und mehrfach gezählt werden,
zumal da auch für die Fälle, wo die Zuziehung eines underen
Arztes bekannt ist, eine Rubrik für eine diesbezügliche Ein¬
tragung fehlt. Schwerer als die doppelt Gerechneten fällt aller¬
dings die Zahl der gar nicht Gezählten in’s Gewicht. Im wei¬
teren Verfolg ihres Wandertriebes fallen die Patienten früher
oder später in die Hände der Ourpfuscher, und nur wenige von
ihnen kehren wieder in ärztliche Behandlung zurück. Auf diese
Weise wird aber ein grosser Theil der Geschlechtskranken jeg¬
licher zahlenmässiger Schätzung entzogen. Es zeigt sich hierbei
wieder einmal die verderbliche Wirkung der Curpfuschert.hätig-
keit. Wie soll eine Volksseuche erfolgreich bekämpft werden
können, wenn schon der erste vorbereitende Schritt hierzu, die
statistische Erhebung über ihre Ausbreitung, durch das Cur-
pfuscherthum illusorisch gemacht wird. Dieses ist eben mit die
schwerste Volksseuche; sie verschlingt die meisten Opfer, aber
zu ihrer Ausrottung oder Einschränkung ein Gesetz zu erlassen,
fehlt der Regierung der Wille und den ärztlichen Standesorganen
die Macht.
Was bisher von behördlicher oder privater Seite zur Be¬
kämpfung der Curpfuseherei versucht wurde, hat wenig oder
nichts geholfen; jetzt wird ein neues Kampfmittel in Foim eines
eigenen Organs, „Blätter zur Bekämpfung des Curpfuscher-
thums“ versucht. Die Zeitschrift wird von zwei Collegen redi-
girt und soll alle 14 Tage erscheinen. Sie gehen von dem Ge¬
danken aus, dass die wilde Medicin ihre Verbreitung zu einem
wesentlichen Theil der Propaganda verdankt, welche mit Hilfe
des gedruckten Wortes für sie gemacht wird; und da sie in der
politischen Tagespresse zupi Theil Anhänger findet, zum Theil
nur sehr lau bekämpft wird, so sollen die „Blätter“ dazu dienen,
Material zu sammeln, durch welches die Gemeingefährlichkeit
des Curpfuscherthums erwiesen wird, und dieses nicht nur Aerz-
ton, sondern auch Laien immer wieder vor Augen zu halten. Es
soll also die Curpfuseherei mit einer Waffe bekämpft werden,
die sie selbst, wie man anerkennen muss, mit Erfolg zu führen
versteht.
Mit Befriedigung wurde die Entscheidung des Kriegs¬
ministers aufgenommen, dass die ä la suite des Sanitätscorps
stehenden Universitätslehrer und Privatärzte bezüglich des ac-
tiven und passiven Wahlrechts nicht als „Militär- und Marine¬
ärzte“ im Sinne der Verordnung von 1899 anzusehen, sondern
den Privatärzten gleich zu setzen sind, mit noch grösserer Be¬
friedigung die an diese Entscheidung geknüpfte Bemerkung des
Oberpräsidenten, dass die bezeichnete Gruppe von Aerzten, so
weit sie an erster Stelle als Privatärzte tliätig sind, auch der
Jurisdiction der staatlichen Ehrengerichte unterstehen. Gerade
die Ausnahmestellung, die den beamteten und Militärärzten in
dem Gesetz angewiesen wurde, war es, welche den heftigsten
Widerspruch gegen das Gesetz selbst hervorgerufen hatte, und
durch die ministerielle Entscheidung werden wenigstens die
Aerzte, für welche die Zuständigkeit des Ehrengerichts nach dem
Wortlaut des Gesetzes zweifelhaft erscheinen konnte, demselben
Gericht unterstellt wie ihre Collegen, mit. denen der Beruf sie
alltäglich in Berührung bringt. Aber auch den entschiedensten
Gegnern der staatlichen Ehrengerichtsbarkeit war ein Abschnitt
des erlassenen Gesetzes fast ausnahmslos willkommen und sym¬
pathisch, das ist der über das Umlagerecht der Aerztekammern.
Die praktische Ausführung dieses Rechtes wird jetzt in den Ver¬
einen viel discutirt, und dabei zeigt es sich, dass diese. Ange¬
legenheit. von sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus ange¬
sehen werden kann. Es ist. logisch, dass der für eine abge¬
schlossene. Berufseiasse geschaffenen Besteuerung, also gewisser-
maassen einer Gewerbesteuer, nur dasjenige Einkommen unter¬
worfen werden kann, welches aus diesem „Gewerbe“ gewonnen
wird, aber es ist nicht zu verkennen, dass eine solche auf das Ein¬
kommen aus der Praxis beschränkte Steuer nur sehr wenig er¬
giebig ausfallen lind zur Deckung der nothwendigsten Bedürf¬
nisse nur dann ausreichen würde, wenn die Steuerquote eine
recht hohe ist, so hoch, dass sie die mit Glücksgütern sonst nicht
gesegneten Oollegen allzusehr belasten würde. Darum findet im
Allgemeinen der Gedanke mehr Anhänger, dass das Gesammt-
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einkommen, auch das aus Privatvermögen, der Besteuerung unter¬
worfen werde. Wir sind eben in Wirklichkeit nicht Gewerbe¬
treibende, sondern Berufsgenossen, die mit allen ihren Mitteln
und jeder Einzelne nach seinem Können für einander eintreten
sollen. Aus demselben Grunde wird auch der Modus der progres¬
siven Besteuerung als der geeignetste angesehen, wenn auch von
einzelnen Seiten geltend gemacht wird, dass einerseits die Ermitt¬
lung des richtigen Einkommens mit Schwierigkeiten verbunden,
andererseits es Manchem unangenehm ist, wenn dem lieben Nach¬
bar seine materiellen Verhältnisse bekannt sind. Es fehlt daher
nicht an Stimmen, welche nicht nur einen gleichmässigen
Proccntsatz, sondern einen gleichen Steuerbetrag für alle Aerzte
event. unter Befreiung der niedrigen Einkommen, befürworten.
Allein auch in diesem Falle müsste die Quote hoch gegriffen
werden und also für Viele drückend sein, da ja die bedeutenden
Einkommen unter den Aerzten leider selten sind. Es werden sich
wohl Wege finden lassen, um über die genannten Schwierig¬
keiten hinwegzukommen und wenn sie auch in einzelnen Fällen
vorhanden sein sollten, so fiele doch die Ungerechtigkeit weit
mehr in’s Gewicht, die darin läge, den jungen Anfänger in
gleicher Weise zu den Standeslasten heranzuziehen wie den in
der Praxis aurea ergrauten und begüterten Collegen.
Wie auch immer die Entscheidung über diese Fragen aus¬
fallen mag, die Umlage wird für’s Erste nur die Mittel ergeben,
um der dringenden Noth, in die ein Arzt geräth oder in der er
seine Hinterbliebenen zurückgelassen hat, zu steuern. An eine
auch nur annähernd ausreichende Versorgung, wie sie etwa den
Pensionsverhältnissen der Beamten entspricht, ist dabei nicht zu
denken. Es wird daher bis auf Weiteres Sache des Einzelnen
sein, durch private Versicherung für seine Hinterbliebenen oder
für die Zeiten eigener Erwerbunsfähigkeit zu sorgen.
In letzterer Beziehung, bei der Unfallversicherung, ergaben
sich für die Aerzte nicht selten Schwierigkeiten, wenn sie in
Folge einer Infection arbeitsunfähig wurden. In wie weit, eine
Infection ein Unfall ist, war nicht genau präcisirt. Die ent¬
standenen Streitigkeiten führten zur Aufnahme der Bestimmung
in die Police, dass auch Blutvergiftungen in Folge äusserer Ver¬
letzungen unter den Begriff des Unfalls fallen. Eine äussere
Verletzung nachzuweisen, ist aber nicht immer möglich, auch
wenn sie schon aus theoretischen Gründen als vorhanden an¬
genommen werden kann. Nach längeren Verhandlungen wurde
daher die Aufnahme der sogenannten Moria n’schen Clausei
durchgesetzt, nach der die Gesellschaft auch für die Folgen
einer acuten oder chronischen Infection haftbar ist, wenn die¬
selbe zu einer unbedeutenden Haut Verletzung, einer Schramme
oder Schrunde, gleichviel aus welcher Ursache sie entstanden
sein mögen, hinzutritt; doch muss das vorherige Vorhanden¬
sein derselben durch eidesstattliche Versicherung nachgewiesen
sein. Diese letztere Bedingung aber ist häufig nicht zu erfüllen;
denn wenn auch der Sachverständige häufig nicht zweifeln wird,
dass eine Infection nur erfolgen konnte, wenn eine Hautver¬
letzung bestanden hat, so kann doch die Eingangspforte so mini¬
mal sein, dass der Betroffene sie nicht bemerkt hat, also auch
nicht in eidesstattlicher Versicherung behaupten kann. Ja das
wird sogar die Regel sein, denn wer eine Hautverletzung an sich
wahrnimmt, wird sich von infectiösen Stoffen fern halten. Die
Schwierigkeiten dieser Frage sind nun durch anerkennenswerthes
Entgegenkommen einer grossen Unfallversicherungsgesellschaft,
der Kölnischen, gelöst. In ihren Policen lautet der betreffende
Passus: „In den Versicherungsvertrag sind alle localen oder all¬
gemeinen Infectionskrankheiten, z. B. Blutvergiftung, Syphilis.
Tubereulose, Rotz, Hundswuth u. s. w. und deren Folgen einge¬
schlossen, bei denen der Ansteckungsstoff durch äussere Ver¬
letzungen (gleichviel, in welcher Weise und wann dieselben ent¬
standen sind) also nicht durch die natürlichen Eingangspforten
in den Körper gelangt sind.“ Diese Form entspricht allen billigen
Forderungen und kann als mustergiltig angesehen werden. Sie
gab daher dem Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen
Standesvereine Veranlassung, an alle grösseren Unfallversiche¬
rungsgesellschaften das Ersuchen zu richten, den bei ihnen ver¬
sicherten Berliner Aerzten (und weiterhin würde das auch für
alle anderen Aerzte Geltung haben) die Infectionsclausel der
Kölnischen Unfallversicherungsgesellschaft zu bewilligen. Es
steht, wohl zu erwarten, dass die Gesellschaften diesen Wunsch er¬
füllen werden, so dass der weitere Beschluss des Geechäfts-
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10. April 1900.
MÜNCHEN KI? MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
519
ausschusses „im Falle der Ablehnung des Gesuches den Mit¬
gliedern der Standesvereine zu empfehlen, bei geeigneter Gelegen¬
heit den Vertrag mit der ablehnenden Gesellschaft zu lösen und
einen solchen auf Grund der neuen Bedingungen mit der Köl¬
nischen abzuschliessen“, einer Verwirklichung nicht bedürfen
wird.
l)ie Schularztfrage hat sich nachgerade zu einem Schmerzens-
kinde der Stadtverwaltung ausgewachsen. Als nach langwierigen
Debatten und Commissionsberathungen endlich der Beschluss ge¬
fasst war, probeweise 20—24 Schulärzte anzustellen und einem
Arzte nicht mehr als 4 Schulen zu überweisen, schien die Sache
vorläufig erledigt. Bei der Etatsberathung entstanden jedoch
wieder Zweifel darüber, ob der Beschluss so aufzufassen sei, dass
20—24 Aerzte für je 1—4 Schulen oder ob für 20—24 Schulen
Aerzte anzustellen seien. Der Magistrat musste sich daher noch¬
mals mit der Frage befassen und hat sich für die letztere Auf¬
fassung entschieden. Es wird der Stadtverordnetenversammlung
empfohlen, die Anstellung von 10 Aerzten zu genehmigen, von
denen jedem 2 Schulen übertragen werden. Die Aerzte sind be¬
reits von der Schuldeputatiou gewählt worden. Da Berlin ca. 230
Gemeindeschulen besitzt, so muss dieser Versuch als ein äusserst
zughafter bezeichnet werden. Doch ist vom Magistrat zugleich
die Ansicht ausgesprochen, dass wenn die Einrichtung sich be¬
währen sollte, sie in wenigen Jahren auch auf die anderen
Schulen ausgedehnt werden wird. K.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 27. März 1900.
Vorsitzender: Herr Kümmell.
I. Demonstrationen:
1. Herr P1 u d e r demonstrirt 1) einen Fall von multipler
Fibrombildung der Lippen und Wangenschleimhaut bei einer
Kranken, deren Vater und Schwester die gleichen Geschwulst¬
bildungen In Gestalt theils polypöser, theils plateauartiger Wülste
gehabt haben sollen. Histologisch handelt es sich um gefässreiche
Fibrome. Die Aetiologie der seltenen Affection ist dunkel. 2) Einen
Fall von Carcinom des linken Stimmbandes, das er auf dem
laryngoskopischen Wege chirurgisch angreifen will.
2. Herr F. Krause - Altona stellt einen Fall von operativ
geheilter Epilepsie vor.
Das erblich nicht belastete jetzt 22 jährige Mädchen hat im
Alter von 2 Jahren eine schwere Gehirnentzündung überstanden.
Im 4. Lebensjahre traten allgemeine Krämpfe auf, die weiterhin
sich immer häutiger einstellten; sie sollen stets in der linken Ge¬
sichtshälfte, im linken Arm oder im linken Bein begonnen haben,
blieben auf diese Theile beschränkt oder wurden allgemein. Nach
den Krämpfen blieb das Bewusstsein oft stundenlang, später so¬
gar tagelang geschwunden. Das früher sanftmütliige Kind wurde
widersetzlich und faul, allmählich trat eine geistige Zerrüttung
ein, die bis zur vollkommenen Idiotie sich steigerte. Im letzten
Jahre vor der Operation hatte die Kranke oft stundenlang an¬
haltende Zuckungen im linken Arm und in der linken Gesichts-
hiilfte. Auch das körperliche Befinden hatte durch die Krämpfe
stark gelitten.
Am 7. Nov. 1893 wurde die Kranke aufgenommen. Bei dem
kräftig gebauten Mädchen war der linke Arm und namentlich die
linke Hand wesentlich schwächer als die andere Seite. Die Mus¬
keln waren atrophisch, Lähmungen bestanden nicht, ebenso wenig
Sensibilitätsstörungen, Reflexe normal. Die Bewegungen der linken
Hand und der Finger waren unsicher, ataktisch. Beim Beklopfen
des Kopfes erwies sich die ganze rechte Kopfhälfte als schmerz¬
haft, sonst klagte die Kranke nur über geringen Kopfschmerz.
Keine Stauungspapille; keine Hemianopsie, soweit letztere Unter¬
suchung bei der äusserst mangelhaften Intelligenz möglich war.
Die Kranke erweckte den Eindruck einer Blödsinnigen. Neun Tage
lang wmrden die Anfälle beobachtet. Sie dauerten etwa eine
Minute, begannen zuweilen mit einem Schrei und hinterliessen
vollkommene Bewusstlosigkeit. Die Zuckungen stellten sich zu¬
erst im linken Vorderarm und in der linken Hand ein, setzten sich
dann auf den linken Oberarm, das linke Bein, zuletzt auf den
ganzen Körper fort. Täglich 1—2 Anfälle.
16. XI. 93. Operation in Chloroformnarkose. Nach Bestim¬
mung des Ortes der Centralfurche am rasirten Schädel wurde ein
sehr grosser W a g n e r’sclier Lappen gebildet, dessen Basis über
dem rechten Ohr, dessen Rundung nahe dem Sinus longitudinalis
gelegen war. Die Dura mater wölbte sich stark vor, die Venen
waren strotzend gefüllt. Nach Durchtrennung und Ablösung der
Dura entlerte sich aus den Arachnoidealräumen klare Flüssigkeit
in reicher Menge. Die vordere Centralwindung lag frei. Durch
elektrische Reizung Hessen sich links sehr prompt Zuckungen im
unteren Facialisgebiet und in der Schulter, sowie im Oberarm aus-
lösen; dagegen waren das Centrum für das Bein und den oberen
Facialis nicht zu erreichen. Die Punction des Gehirns mit einem
mittelstarken Troicard entleerte etwa 300 cm wasserklarer seröser
Flüssigkeit, ln den Punctionscanal wurde ein Drain eingeführt. Es
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handelte sich offenbar um eine encephalitische Cyste.
In den durch das Zurücksinken des Gehirnes zwischen diesem
und dem Knochen entstandenen Hohlraum wurde ein Streifen Jodo-
formgnze eingefühlt, dann der Haut-Knochenlappen zurück¬
gelagert und festgenäht. Die Wundheilung erfolgte ohne Störung,
es traten keine Lähmungserscheinungen auf.
Am 17. XI. 2 epileptische Anfälle wie vor der Operation; am
19. machte die Kranke einen geistig regeren Eindruck, sie ant¬
wortete schneller und fragte viel. 20. XI. Jodoformgaze entfernt,
27. XI. auch das Drain. 29. XI. beschäftigte sich die Kranke mit
Lesen und Nähen, sie fing an das Einmaleins zu
lernen, behielt die Zahlen gut und antwortete auch auf alle
Fragen. 2. XII. war die Kraft der linken Hand stärker als vor
der Operation. 9. XII. Krampfanfall von kürzerer Dauer, 13. XII.
typischer Anfall wie vor der Operation, 14. XII. zwei Anfälle,
16. XII. ein Anfall, 19. XII. mit geheilter Wunde entlassen. In der
letzten Zeit hatte mit den Anfällen die geistige Entwicklung wieder
erhebliche Rückschritte gemacht, bei der Entlassung war die
Kranke ebenso blöde, wie vor der Operation. Es fehlten aber die
Zuckungen im linken Arm.
Nach der Entlassung traten nur noch zw r ei Anfälle auf, einer
nach 8 Tagen, der andere nach 3 Wochen; seitdem ist die Kranke
bis heute, also 6 y 4 Jahre, völlig frei von Anfällen und Zuck¬
ungen geblieben. Während im December 1893 sich der geistige
Zustand wieder verschlechterte, trat vom Januar 1894 an eine
rasche und dauernde Besserung ein. Das Mädchen beschäftigt sich
jetzt wie eine Gesunde mit häuslichen Arbeiten, liest Zeitungen
und leichtere Zeitschriften (z. B. die Gartenlaube), geht In’s Theater
und in Gesellschaften und nimmt daran regen Autheil. Die Mutter
rühmt sie als sauber und ordentlich, als „sehr bedachtsam“ in
jeder Beziehung, als willig und gehorsam. Das Mädchen erweckt
den Eindruck einer mittelbegabten, etwas langsam denkenden, aber
geistig durchaus normalen Person. Körperlich ist sie blühend
gesund. Von nervösen Störungen stellt sich zuw r eilen ein leichtes
Kribbeln im linken Handteller für einige Augenblicke ein; der linke
untere Ast des Facialis ist paretisch, was aber nur beim Lachen
in die Erscheinung tritt. Die linke Hand ist wesentlich kräftiger
geworden, die früher atactischen Bewegungen werden jetzt genau
so ordentlich wie von der anderen Hand ausgeführt. Allerdings ist
der Druck der linken Hand immer noch schwächer als der der
rechten.
II. Herr L. Voigt: Die neuen Impfbestimmungen. Er¬
läuterungen zu den neuen Vorschriften, die vor Kurzem in Kraft
getreten sind.
In der Discussion wird auf Herrn ünna’s Anfrage die
Frage ventilirt, ob an Ekzem leidende Kinder von der Impfung
zurückgestellt werden. Herr V o i g*t ist auf Grund einer aus¬
gedehnten Erfahrung der Ansicht, dass Ekzemkinder sich nicht
zur Impfung eignen und man zur Vermeidung eventueller Impf¬
schäden besser thut, die Heilung des Ekzems vorher anzustreben.
III. Herr E. Eraenkel: Demonstrationen über Abdomi¬
naltyphus mit dem Projectionsapparat.
Einleitend gibt F. statistische Belege für die Abnahme der
Typhusmortalität in den letzten Jahren. In den letzten 7 Jahren
(zusammengerechnet) ist die Typhusmortalität im Eppendorfer
Krankenhause nicht so gross, wie im Jahre 1889. F. demonstrirt
Mikrophotogramme von Typhusbacillen mit Geisselfärbung, sowie
in Schnitten von Milz, Mesenterialdrüse, Leber (sogen. Lym¬
phom), Roseolen etc. Werne r.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 8. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr Hirsch.
Herr Bleucke hält einen Vortrag: lieber orthopädische
Apparate und deren Anwendung, mit Demonstrationen.
Er theilt die Apparate in Reductions-, Retentions- und Er¬
satzapparate ein und demonstrirt, nachdem er die einzelnen For¬
derungen, die man an diese, sowie an die orthopädischen Apparate
überhaupt stellen muss, besprochen hat, zunächst ein Hessing’-
sches Stoffcorset, gedenkt dabei Hessing’s und. seiner Ver¬
dienste um die Apparatotherapie, tritt aber zugleich auch den
falschen Ansichten, die sich um H.’s Hamen gebildet haben, ent¬
gegen, dass nämlich er es gewesen sei, der eine vollkommen neue
Aera auf diesem Gebiet herbeigeführt habe und dass es ihm nur
allein möglich sei, derartige Apparate exaet und gut sitzend zu
arbeiten. Auch Corsete aus Celluloid und Hornhautleder zeigt
der Vortragende, diese will er bei schwereren Skoliosen und bei
der Spondylitisbehandlung angewendet wissen. Er betont aus¬
drücklich, dass es genug Fälle von Skoliosen gäbe, bei denen man
ohne Corsete mit einer anderen geeigneteren Behandlung sehr
wohl zum Ziele komme, dass aber auch auf der anderen Seite bei
schwereren Fällen dieselben unentbehrlich seien. Sie dürften aber
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520
MÜNCHENER MEDIOIN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
nie als einziges Heilmittel angesehen werden. Immer müsse man
ausserdem noch geeignete Gymnastik und Massage verordnen.
Sodann kommt B. auf die Behandlung der Spondylitis zu
sprechen und empfiehlt im tioriden Stadium der Erkrankung die
Anwendung des Gipsbettes und später nach Ablauf dieses den
l "ebergang zur ambulanten, d. h. zur Corsc-tbehandlung und zwar
mit Corseten aus starrem Material, die noch in gewissen Fällen
mit einem Jurymast, bezw. mit einer Hoff a’sehen oder II e u s -
n c Eschen Cravatte versehen werden müssen.
Ferner demonstrirt der Vortragende dasselbe Stoffcorset mit
sogen. Trochanterbügeln, das er bei der Nachbehandlung gewisser
Fälle von congenitalen Hüftluxationen anwendet, oder bei älteren
oder bei solchen Patienten, bei denen eine Operation aus irgend
einem Grunde nicht gerathen erscheint oder bei solchen, bei denen
die Eltern dieselbe nicht zulassen. Heilen lassen sich mit solchen
Apparaten diese Leiden nicht, wohl aber mit der Loren z’schen
bezw. Hof f a’schen Operation, Methoden, auf die dann der Vor¬
tragende noch mit einigen Worten näher eingeht.
Nachdem dann Bl. noch eine von H o f f a angegebene Bauch¬
binde, die analog dem unteren Thoile des Stoffcorsets gebaut ist,
gezeigt hat, kommt er auf die orthopädischen Apparate der
unteren Extremitäten zu sprechen, hält für die besten die sogen.
Schienenhülsenapparate und hebt deren Vorzüge gegenüber den
alten Gurtbandagen hervor. Er wendet dieselben bei den Gelenk¬
tubereulosen der unteren Extremität an, bespricht die guten Re¬
sultate, die man mit diesen Apparaten erzielen kann, auch wenn
sich bereits Deformitätsstellungen entwickelt haben, und
empfiehlt bei dieser Methode trotzenden Erkrankungen die Opera¬
tion. Um Deformitäten beseitigen zu können, bedarf es natürlich
noch verschiedener Vorrichtungen, die je nach dem Fall und je
nach der Deformität an dem Apparat in geeigneter Weise an¬
gebracht werden müssen. So z. B. demonstrirt Bl. Vorrichtungen
zur Beseitigung der Flexions-, Ab- und Adductionsstellungen im
Hüftgelenk, der Flexionsstellungen im Kniegelenk u. a. m. und
demonstrirt an Patienten, wie leicht und schnell, wie gut und wie
bequem letztere beseitigt werden können.
Bl. zeigt dann noch eine ganze Reihe anderer Apparate, die
man in leichten Fällen von Genu valgum, bei Schlottergelenken,
bei paralytischen Deformitäten etc. anwendet und kommt dann
noch zum Schluss auf die Annoncen von Nichtärzten in der medi
einischen Fachliteratur zu sprechen, in denen den Patienten auch
die „Heilung der schwersten Deformität“ „ohne Operation, ohne
Bettliegen“ versprochen wird. Es sei dies einfach nicht möglich
und nicht wahr, da weitaus die grosse Mehrzahl der Deformitäten
nicht durch Apparate, sondern nur durch die Operation beseitigt
werden könne.
An der i) i s c u s s i o n bethciligt sich II ei necke, der d *n
Vortragenden fragt, ob er den congenitalen Klumpfuss auch mit
Apparaten behandle.
B 1 e n <■ k e ivdressirt den Klumpfuss. macht bei schweren
Fällen die Tenotomie und tixirt das erreichte Resultat durch einen
(lohgipsverband; später gibt er «‘inen von Stoff eonstruirten Ap¬
parat zur Nachbehandlung.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Wien, 7. April 1900.
Zwei Aerzte als Kläger. — Triste Zustände in unseren
Kinderspitälern. — Mittel zur Abhilfe. — Oesterreichisches
Aerztekammerblatt. — Typhus in Wien.
Ein Proeess, der Ende der Vorwoche vor den Wiener Ge¬
schworenen stat t fand und in welchem zwei Aerzte, der Primär¬
arzt Dr Josef Heim und dessen Assistent Dr. Fritz Melzer,
einen Schriftsetzer auf Ehrenbeleidigung klagten, nahm einen
wahrhaft sensationellen Verlauf und bildete sogar den Vorwurf
fiir Leitartikel der politischen Tagesblätter. Besagter Setzer
hatte eine Broschüre verfasst und in 15 000 Exemplaren verbreiten
lassen unter dem Titel: „Zur Warnung für Eltern!“ Opfer der
Wissenschaft!“ In dieser Broschüre wurden die obgenannten
Spitalärzte, sodann die Einrichtungen des St. Joseph-Kinder-
spitales, die Behandlung und Pflege daselbst in einer Weise ge¬
schildert, dass die Aerzte und Pflegerinnen als roh und gewissen¬
los hingestellt und dass dem Publicum von der Einwirkung des
Heilserums bei Diphtheritis wahrhaft«. Schauergeschichten er¬
zählt wurden. Der angeklagte Schriftsetzer war Gründer und
Herausgeber eines Familienbla t tos für Naturheilkunde, die
Digitized by Goi sie
klagenden zwei Aerzte hielten daher dafür, „dass mit der inerimi-
nirten Broschüre die Naturheilkunde gegen die Wissenschaft,
gegen die staatlichen Einrichtungen und gegen die graduirten
Aerzte einen Verstoss wage, der sich mit der Verletzung ihrer
Ehre bloss zufällig verknüpft habe.“
Es ist nicht lange her, dass das Publicum durch gerichtlich
constatirte Fälle von Misshandlungen armer wehrloser Kinder
seitens der Eltern bis in’s Innerste erregt wurde. Als nun in
diesem Processe neuerdings eine grosse Reihe von Zeugen auf-
marsehirte, deren Kinder im genannten Spitale und von den ge¬
nannten Aerzten und geistlichen Pflegerinnen angeblich roh
behandelt wurden, da waren mit einem Male die Aerzte nicht
mehr die Kläger, sondern die Angeklagten, auf welche die ganze
Wucht der mit heuchlerischem Pathos vorgebrachten Beschwerden
niederging. Man denke bloss: Einen Gummikeil habe man den
Kindern behufs Untersuchung in den Mund gesteckt; die Lüftung
sei sogar mit Oeffnung der Fenster (nicht bloss der Ventilation)
erfolgt, so dass die armen Kleinen froren; die Auskünfte über das
Befinden der Kinder seien unzuverlässig gewesen; man habe oft
erfahren, es gehe besser, während das kranke Kind an demselben
Tage gestorben sei; man habe einer Mutter die Auskunft darüber
verweigert, was ihr 4 Jahre altes Kind, bevor es im Spitale starb,
gesprochen, verlangt, ob es nach Mama gefragt habe etc.
Die Zeuginnen, zumeist Mütter verstorbener Kinder, weinten
und schluchzten vor den Geschworenen, überhäuften die Aerzte
noch jetzt mit Flüchen und Verwünschungen und so kam es, dass
die 12 Volksrichter den Angeklagten von fast allen Anklagc-
punkten frei sprachen und nur wegen des Vorwurfes, die Aerzte
hätten desshalb die Herausgabe des todtkranken Kindes ver¬
weigert, weil sie wissenschaftliches Material für den Secirtisch
haben wollten (!), mit 8 gegen 4 Stimmen als schuldig erkannten.
Der geklagte Schriftsetzer wurde zu einer Geldstrafe von 50 fl.
verurtheilt.
Nach Ablauf des Processes kamen wieder allerlei Artikel über
die Unzulänglichkeit unserer Kinderspitäler und die obligaten
Interviews berühmter Kinderärzte. Professor Dr. Kassowitz
rechtfertigte öffentlich die Anwendung der sog. Mundsperre, resp.
des Mundkeils, die selbst der humanste Arzt zuweilen anwenden
müsse, die er selbst sehr oft in Gebrauch gezogen habe. Das
Oeffnen der Fenster in Krankenzimmern sei gewiss oft sehr ge¬
rechtfertigt; reine, wenn auch kühlere Luft, schade nicht. Die
Kinder sollen mit der Decke geschützt werden. Natürlich müsste
das Wartepersonal in ausreichender Zahl im Zimmer vorhanden
sein. Dass man ein krankes Kind ausnahmsweise und für kurze
Zeit in ein Bett legte, aus welchem eben ein anderes Kind ge¬
nommen wurde, dass eine Mutter mit ihrem kranken Kinde von
»Spital zu Spital wandern musste, ohne Aufnahme zu finden, das
falle nicht diesem Spitale, noch weniger diesen Aerzten zur Last.
Die Gesammtheit (Staat, Land, Gemeinde) habe die Pflicht, durch
Erbauung neuer Krankenhäuser und durch Erweiterung der be¬
reits bestehenden dieser Misere abzuhelfen. Unsere Kinder¬
spitäler (6 mit einem Belagraum von 506 Betten) werden nicht
etwa vom Staate oder der Gemeinde erhalten, dieselben verdanken
vielmehr der privaten Wohlthätigkeit ihre Entstehung und werden
auch so erhalten. In allen diesen Spitälern sind in Folge der
unzureichenden Geldmittel die Vorstände gar nicht, die Sub¬
alternärzte sehr kärglich bezahlt. Also mehr Aerzte, mehr Wärte¬
rinnen, alle besser bezahlt! Ausser dem leitenden Director sollte
in jedem Spitale eiii älterer und erfahrener Arzt sesshaft sein,
welcher einerseits das Wartepersonal fortwährend zu beauf¬
sichtigen in der Lage wäre, andererseits den jüngeren Aerzten
durch sein Beispiel als Mensch voranleuchten müsste. Das hiezu
erforderliche Geld müsste unbedingt aufgebracht werden. Soweit
Professor Kassowitz.
Für das Unhaltbare der Zustände mögen noch folgende
Ziffern dienen: In Wien werden jährlich ca. 55 000, Kinder ge¬
boren, sterben jährlich 15 000 Kinder im Alter von 1—15 Jahren;
es erkranken und sterben jährlich an Infectionskrankheiteil mehr
als 25 000 Kinder. Und solchen Zahlen gegenüber steht die Zahl
von 506 Betten in allen Kinderspitälem Wiens, sammt Poliklinik!
Am 1. April erschien die erste Nummer des „Oesterr. Aerzte¬
kammerblatt“, amtliches Organ der österreichischen Aerztc-
kammern. Vorläufig erscheint das Blatt am 1. und 15. eines jeden
Monats. Herausgegeben von Dr. Franz Brenner in Brünn, be¬
theiligen sich jetzt die Kammern von Kämthen, Krain, Mähren
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10. April 1000.
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MÜNCH KN KR MKDICINISCHR WOCHENSCHRIFT.
(deutscher Antheil), Niederösterreich (ausser Wien), Salzburg,
Schlesien und Deutsch-Tirol an dem Erscheinen desselben. Den
Inhalt des Blattes sollen bilden: Die Verlautbarungen der
Kammern an ihre Aerzte; die Berichte über die Sitzungen der
Kammern; die Bericht© über die Verhandungen der Kammertage;
ausführliche Berichte und Abhandlungen über Standesfragen;
Erlässe und Entscheidungen, Ausweis über freie Stellen, ver¬
schiedene Mittheilungen. Die uns vorliegende Nummer ist gut
ausgestattet.
Der niederösterreichische Landessanitätsrath beschäftigte
sich in seiner jüngst abgehaltenen Sitzung mit der Frage des
häufigeren Auftretens des Typhus in Wien. Die sofort vorge-
nommencn Untersuchungen schliessen jeden Verdacht einer Ver¬
unreinigung des Wiener Trinkwassers aus. Auch die bisherigen
Untersuchungen der Milch und anderer Nahrungsmittel lassen
dieselben vorläufig als Infectionsquellen ausschliessen. Die
Nachforschungen werden fortgesetzt und besondere Aufmerksam¬
keit dem Lande und der Einfuhr von Lebensmitteln aus ver¬
dächtigen Gegenden zugewendet werden. Aelmliche vorüber¬
gehende Steigerungen der Zahl der Typhuserkrankungen wurden
wiederholt, und ganz besonders 1883 und 1893 (December 143
Fälle) beobachtet. Für die Krankenaufnahme ist vorläufig in den
Spitälern vorgesorgt, doch dürfte, da der Krankheitscharakter
einen längeren Aufenthalt in den Spitälern bedingt, eventuell die
Gemeinde für die Unterbringung dieser oder anderer sich häufen¬
der Fälle von Infectionskrankheiten herangezogen werden müssen.
Verein für innere Medicin in Berlin
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 2. April 1900.
Der grösste Theil der Sitzung ist ausgefüllt von der ordent¬
lichen Generalversammlung mit ihren geschäftlichen Angelegen¬
heiten. Die wichtigste derselben ist die vor einem halben Jahre
beschlossene und ausgeführte Ueberführung der Bibliothek
des V e r e i n s in ein eigenes Heim. Durch die Lage des¬
selben (Schönebeiger Ufer 11) und die Einrichtung des Dienstes
ist mit diesem Institut in dankenswerther Weise dem Bedürfnisse
der im Westen Berlins wohnenden Aerzte nach einer Bibliothek
Rechnung getragen.
Demonstrationen.
Herr v. Leyden: Einen 41 jährigen Mann, der in Folge
einer Hemiplegie aphasisch geworden ist, aber trotzdem im Staude
ist, Lieder zu siugen, und zwar nicht bloss die Melodie, wie
dies mehrfach beschrieben ist. sondern auch den Text. Im ge¬
wöhnlichen Besprach ist er nicht im Staude die kurz vorher ge¬
sungenen Worte nuszusprechen.
Herr Paul Meyer: Einen Kranken mit Achylia gastrica.
Behandlung desselben mit dem von P.a w 1 o w in Petersburg ein¬
geführten reinen Magensaft. Derselbe wird in Petersburg
schon in grösserem Maassstab nach folgender Methode herge-
stellt: Einem Hunde wird der Oesophagus quer durehtrenut und
die beiden Enden in die Hautwunde eingenülit; darauf Gastrostomie.
Wenn nun der Hund frisst, so fallen die Speisen durch die Haut¬
wunde aus dem oberen Ende des Oesophagus wieder heraus, ohne
in den Magen gelangen zu können; nichtsdestoweniger erfolgt
eine ausgiebige Absonderung vom Magensaft, der durch die
Magenwunde abfliesst und aufgefangeu wird. Er ist ganz klar
und schmeckt leicht sauer. Der curative EfFect ist im vorliegenden
Falle gut. Viel fache Versuche von französischer Seite sprechen
ebenfalls dafür. Meyer stellte gleichzeitig Stoff Wechsel versuche
an seinem Kranken an, welche normale Ausnutzung des Fettes,
aber Herabsetzung der Stickstoffresorption ergaben. Seine Be¬
schwerden hatten vor der Behandlung lediglich in D u r c li -
fällen bestanden. Jetzt, nach der Behandlung, Gewichts¬
zunahme.
Herr Paul Jakob: Mittheilung des Herrn Prof. M a ri¬
ll e s c u über die Veränderungen von Pyramidenzellen im Verlauf
der Paniplegie. (Demonstration.) H. Ko liu.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Soci6t6 mSdicale des hopitaux.
Sitzung vom 1(1. u u d 23. Februar 1900.
Klinische Zeichen der Schmerzen beim Aneurysma.
H u c h a r d hat einen Kranken beobachtet, der mit einem
Aortenaneurysma behaftet war, welches lange Zeit unbemerkt ge¬
blieben war; Pat. litt 4 Jahre hindurch an sehr heftigen Schmerzen
bn 9. u. 10. 1. Zwisclienrippenraum (Intercostalneuralgie). Bei ge¬
nauer Untersuchung bemerkte H. in einem 2. Fall ein Aneurysma der
Bauchaorta, auf welches seine Aufmerksamkeit durch die heftigsten
Schmerzen am Oberschenkel gelenkt worden war. Ersterer Pat.
war auch Syphilitiker und seit mehr als 4 Jahren war bei den
Acrzten die ständige Diagnose: hartnäckige Intercostalneuralgie.
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H. bespricht sodann die Diät bei Patienten mit Aneurysma, wobei
es vor Allem auf die Qualität der Getränke und Speisen an
komme und Alles zu vermeiden sei, was die Gefässspannuug ver¬
mehre. Fette Suppen, Fleischsaft, Wildpret, Seefische, Fleisch-
conserven, Käse u. s. w. sind zu vermelden, Milchdiät entweder
ausschliesslich (3—4 Liter pro Tag) oder gemischt (mit Gemüsen,
Eiern, Früchten, besonders Trauben, wenig oder kein Fleisch) an¬
zuordnen. In weniger wie einem Monat haben bei ersterwähntem
Patienten nur unter dieser Diät die arterielle Spannung bedeutend
abgenommen, der Aneurysmasaok sich deutlich zurückgezogen
und die Schmerzen aufgehört. Jodkali konnte wegen völliger
Intoleranz des Patienten gegen Jod nicht gegeben werden.
Ileudu, Lion, Gaillard und Bayern berichten über
eine Reihe ähnlicher Erfahrungen wie II ucha r d. In dem Falle
von H a y e m hatte das lange Zeit nicht erkannte' Aneurysma sein-
heftige Magenschmerzen verursacht und die Diagnose irre ge¬
führt; der Kranke starb plötzlich.
Die E r n ä h r u n g der T y p li u s k r ankon war der
Gegenstand einer ausführlichen Discussiou; nach der Ansicht der
meisten Redner sollen Milch und Bouillon die llauptuahnmgs-
mittel, kalte Bäder das wichtigste therapeutische Mittel sein. In
der Dosis von 3 Litern wird Milch iiu Allgemeinen gut vertragen
und ist auch eine genügende Nahrung; wird sie. was sein* selten
ist. nicht gut vertrügen, so kann mau zu Bouillon, zu Fleischgelöe
greifen (Vi d ab.
Ueber die Cacodylsäure und deren Anwendungsart.
Da lebe hat das Natr. caeodyl. in Pillenform angewandt
und bis zu 7,5 cg gegeben, ohne dass Zufälle eiutrateu; er wählte
Kranke, deren Verdauiingsapparat und Nieren in tuet waren. Eine
gewisse Zahl der Patienten haben rasch an Gewicht zugenommeu.
Bei den Tuberculöseu hat D. keine Besserung der stethoskopisclien
Symptome coustatirt, jedoch in einigen Fällen eine beträchtliche
Gewichtszunahme und Besserung des Allgemeinbefindens; bei
anderen jedoch hat sich die Krankheit verschlimmert, ohne dass
eine Intoleranz für das Mittel vorhanden war. In der Privat¬
praxis hat I). bessere Resultate erzielt als in der Spitalpraxis. In
vielen Fällen war die hypodermatische Einverleibung vorzuzielien;
bei den meisten der Kranken der Harnstoff beträchtlich vennehrt.
I). scliliesst seine mit einer Reihe von Fällen belegten ausführ¬
lichen Darlegungen mit der Ueberzeuguug, dass das Natr. caeodyl.
in vielen Fällen wirklichen Nutzen bei der Lungentuberculoso
stiften kann, besonders wenn es möglich ist, gleichzeitig alle
strengen hygienischen und anderen therapeutischen Vorschriften
zu befolgen.
H a y e m und D a n 1 o s halten es für besser, das Natr.
caeodyl. liypoderma tisch einzuverleiben. Letzterer gab bei Psoriasis¬
kranken auf diese Weise täglich 0,4 und sogar 0,8 cg. ohne Zufälle
zu erleben. G a 11 i a v d hingegen, dessen Erfahrungen bei Lungen-
tiiberculose ähnliche sind wie die I) a 1 c li (Vs, konnte per os 0,2
bis 0,4 cg ohne Schaden geben. Merklen bestätigt auf Grund
eines Falles, dass zur Toleranz des Mittels Leber und Nieren in
gutem Zustande sein müssen.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Leeds and West Ei ding Medico-Chirurgical Society.
Sitzung vom 2. Februar 1900.
Anzeigepflicht bei Phthise.
S.Cameron empfiehlt die Einführung einer solchen Anzeige-
Pflicht als sehr nützlich. Die dagegen erhobenen Einwände seien
hinfällig. Eine Verletzung des Berufsgeheimnisses sei leicht zu
vermeiden, indem man sich die wohl selten versagte Genehmigung
des Patienten erwirke. Späterhin werde wohl die Tubereulose
in dieser Hinsicht dieselbe Ausnahmestellung einnehmen wie
Typhus und andere Infectionskrankheiten. Der Werth der An¬
zeige sei ein vielfacher: 1. es kann daun vom Amtsarzt die peri¬
odische Desinfection der vou Phthisikern bewohnten Räume vor-
genonnnen werden. 2. Es wird auf diese Weise eine gewisse Iso-
lirung von besonders virulenten Fällen ermöglicht. 3. Der Amts¬
arzt ist in der Lasre. auf Abbestellung von etwaigen iusauitüren
Zuständen in der Wohnung hinzuwirken. 4. Das Publicum wird
über die Uebertragbarkeit des Leidens allmählich immer mehr auf¬
geklärt. 5. Es ist Gelegenheit geboten, den Modus der Infection
kennen zu lernen. Praktische Erfahrungen hat man in dieser Hin¬
sicht ln der Stadt Carlisle gemacht, wo wenigstens ein gewisser
Procentsatz der Fälle gemeldet werden.
Ni ve n berichtet über die Martssregeln. welche in dieser Hin¬
sicht seit September vorigen Jahres in Manchester getroffen sind,
bei den in diesem Zeitraum gemeldeten 500 Fällen. Nachdem der
ärztliche Beirath zuerst die nöthigen Anweisungen gegeben hat,
wird die weitere Controle und Beihilfe von weiblichen Inspeetoren
geleistet. Bei wenigstens der Hälfte der Fälle konnte man eine
Uebertragungsgelegenheit nachweisen.
Epidemiological Society.
Sitzung vom 16. Februar 1900.
Arbeiterwohnungen.
Hope schildert die diesbezüglichen Verhältnisse in Liver¬
pool und bespricht eingehend die Schwierigkeiten der Frage. Es
Kind dort, namentlich in Folge der getroffenen gesetzlichen Be¬
stimmungen während der letzten 15 Jahre nicht weniger als 4500
ungesunde „HofWohnungen“ abgetragen und durch sanitäre Go-
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
522
MÜNCHENER M ED IHN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
1 müde ersetzt worden. Immerhin bleiben dort noch <*n. 5000 der¬
artige Behausungen übrig. Dieselben bestehen meist aus 3 über¬
einander gebauten Stuben, welche durch Treppen oder Leitern ver¬
bunden sind. Trotz aller Bemühungen der Behörden, sanitär
bessernd einzugreifen, beobachtet man hier Mortalitätsziffern von
40 Ins (50. sogar 75 Prorn.. während in den neuen, von der Stadt er¬
richteten Wohnungen die Zahl etwa 21 bis 22 l’rom. betrügt. Die¬
selben sind zu 1 bis 4 Zimmern eingerichtet, sind durchaus hygie¬
nisch und ergeben immerhin eine Verzinsung des Capitals zu 2»4
bis 4V'> Proe. Weitere noch verbesserte Anlagen sind in Aussicht
genommen.
S. M nrpliy sieht den Grund der angeführten Verminderung
der Sterblichkeit mehr in den persönlichen Gewohnheiten der Be¬
wohner (Trunksucht, Verwahrlosung der Säuglinge) als in den
SanitätsVerhältnissen der Wohnungen.
Willoughby empfiehlt die Vermeidung eines jeglichen
Luxus (Tapeten) bei Berücksichtigung der Gose'ze der Ileinbchke’t,
Hygiene und des Anstandes für Proletarierwohnnngen. Dieselben
dürfen dem reichlicher verdienenden Handwerker oder auch nur
dem besser gestellten Arbeiter nicht begehrenswerth erscheinen.
Philipp!- Bad Salzschlirf.
Verschiedenes.
Den elektrischen Ileissluftapparat zur localen
Behandlung von Gicht. Gelenkrheumatismus, Ischias etc. empfiehlt
angelegentlichst L i n d e m n n n - Helgoland-Hamburg (Therap.
Monatsh.,3, 1000). Die Vortheile desselben gegenüber den durch
Spiritus und Gasflammen geheizten Heissluftapparaten bestehen in
der absoluten Trockenheit. Reinheit., genauen Regulirbarlceit der
durch elektrische Heizkörper erzeugten heissen Luft. Tempera¬
turen von über 100° O. werden in dem Apparat leicht ertragen, an
den Händen wurde in einem Falle eine Temperatur von 105° G.
ohne Beschwerden zu verursachen angewandt. Nach der An¬
wendung der Hitze muss eine kurze Abkühlung der erhitzten Par¬
tien durch Douche folgen. Der Apparat ist zu beziehen von Leo¬
pold Marcus’ Nachf., Hamburg, Ifflandstr. 47. Kr.
Erfolg der Impfung auf Portorieo. Fnter dem
stolzen Titel: „Vaccinating a nation“ veröffentlicht George
G. G r o f f in Medical News. 25. November 1800. den Bericht über
die Resultate der von den Vereinigten Staaten verfügten und durch
das Sanitätscorps der Occupationsnrmee mit Hilfe der ein¬
heimischen Aerzte durchgeführten Zwangsimpfung auf Portorieo,
woselbst die Blattern seit Jahrzehnten endemisch waren. Die
Kosten dieses Verfahrens betrugen 32 000 Dollars, innerhalb
3 Monaten wurden 700 000 Personen geimpft; seit Beginn der
Impfung. Januar 1890, war kein Fall von Blattern mehr vorge¬
kommen. F. L.
Therapeutische Notizen.
Otitis externa. Zur Beliandung .der Furunculose des
äusseren Gehörgamrs wird von Laman, Oxel und Müller
in der Revue de Ther. Med.-Chir. vom 1. August 1800 folgende
Methode empfohlen: Der Gehörgang wird zunächst mit einer Lysol¬
lösung (20 Tropfen auf ein Glas Wasser) ausgespritzt und dann
mittels einer Sonde ein cylindriseher Wattetampon, welcher durch
wiederholtes Erwärmen und nachfolgendes Eintauchen in folgende
Sa Ibencom position:
Rp.: Zino. oxvd ‘ 3.0
Aeirl. carbol 0.5
Vaselin alb. ad. 30 0
m. f. ugt.
genügend durebtriinkt ist. in denselben eingeführt Die erste Ein¬
führung ist ziemlieli schmerzhaft, umsomehr als der Tampon einen
gewissen Druck ausüheu soll. Hat der Schmerz nach 3 Minuten
noch nicht nachgelassen, ist ein Tampon von geringerem Durch¬
messer einzuführen. Derselbe soll nicht über den äusseren Gehör¬
gang hinausragen und ist nach 24 Stunden zu entfernen, das Ohr
wiederum auszuspritzen und ein neuer Tampon, aber von ge¬
ringerem Volumen einzuführen. In ca. 90 Proc. der Fälle genügt
eine dreimalige Wiederholung dieser Procedur. F. L.
Blepharitis m a r g I n a 1 i s. C a r r a empfiehlt das
Schwefelsäure Antimon zur Behandlung der Liderkrankungen und
zieht dasselbe wegen seiner schmerz- und reizlosen Wirkung d m
Mercur- und Ichthyolpräparaten vor. Er verwendet dasselbe in
folgender Form:
Rp • Antimon sulf 5 0
Vaselin flav. 10.0
Lanolin ad. 30 0
m. f. ugt.
Abends die Augenlider damit einzureiben. Morgens mittels
eines in warmes Wasser getauchten Gazebausches abzuwischen.
(Medical News. 30. December 1899.) F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 10. April 1900.
— Das preussische Staatsministerium hat. oftieiöseu Nach¬
richten zu Folge, beschlossen, einem Antrag auf Zulassung
«1 e r A b i t u r tont e n d e r R c a 1 g y m n a s i e n z u m Stu¬
dium der Medici n zuzustimmeu unter der Bedingung, dass
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diese im Lateinischen den Anforderungen genügen, welche an die
Abiturienten an den humanistischen Gymnasien gestellt werden.
Feber die Zulassung der Abiturienten der Realgymnasien zu an¬
deren Studien, namentlich dem juristischen, soll kein entscheiden¬
der Beschluss gefasst worden sein . Da vorauszusehen ist, dass
lTeusscn mit seinem Votum im Bundesrnthe durchdringen wird,
so wird wohl bald zur Thatsache werden, was seit Dccennien vom
ärztlichen Staude einmiithig bekämpft wurde, dass die Pforten
der medicinischen Faculläten sich den Abiturienten der Realgym¬
nasien öffnen. Weiche Folgen dieser Schritt für den ärztlichen
Stand haben wird, ist nicht abzusehen.
— Mit Bezug auf die neuen Verordnungen zum Vollzug
d e s I in p f g e s e t z e s werden wir darauf aufmerksam gemacht,
dass auch die betreffenden Verordnungen Badens und Sachsens
die dem § 3, Abs. 2 der bayerischen Verordnung gleichlautende
Bestimmung enthalten, dass ..jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft
privatim oder öffentlich ausüheu will, den Nachweis darüber zu
erbringen hat, dass er mindestens drei öffentlichen Iwpfungs-
und ebensovielen Wiederimpfungstenninen beigewohnt und sieh
die erforderlichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der
Lymphe erworben hat“. Fnsere auf Grund eines Vergleiches mit
der betreffenden preussischen und Hamburger Verordnung, wo
ein solcher Passus fehlt, ausgesprochene Befürchtung, dass diese
Bestimmung eine Eigenthiimliclikeit der bayerischen Verordnung
sein möchte, bestätigt sich somit nicht. Die qu. Nachweise wurden
sogar, was den meisten bayerischen Collegen unbekannt sein
dürfte, in einer ganzen Reihe von Bundesstaaten, so in Sachsen,
Württemberg, Baden u. a. schon bisher auf Grund der
Bundesrathbeschlüsse vom 18. Juni 1885 gefordert. Allerdings
erfuhr die Fassung des betreffenden Bundesrathsbeschlusses, die
mit dem oben eitirten § 3. Abs. 2 der bayerischen Verordnung
gleichlautend ist, in einigen Staaten eine Abmilderung. So
war in Sachsen der Nachweis nur „auf Erfordern dos
Bezirksarztes“ beizubringen; in Mecklenburg wurde er nur von
solchen Aerzten verlangt, die bis dahin das Impfgeschäft im Iu-
lande noch nicht ausgeübt hatten, dies aber von da an aiisüben
wollten; in Reuss ä. L. waren nur diejenigen Aerzte zu dem Nach¬
weis verpflichtet, die die ärztliche Praxis im Fürstentlimn erst
n a c li dem Erlass der Verordnung begannen. In Preussen aller¬
dings ist der Nachweis von schon approbirten Aerzten überhaupt
nicht verlangt worden. Die Stellung Preussens zu dem Bundes-
rathsbeschluss gellt aus der nachstehenden Stelle eines Rund¬
schreibens des Reichskanzlers vom 21. Juli 1890 (Guttstadt,
Deutschlands Gesundheitswesen, 1891, II. Theil, S. 272) hervor:
„Was die Frage anlangt, in welcher Weise der unter No. 7 1b
des Bundesrathsbeschlusses vom 18. Juni 1885 erforderte Nachweis
der Theilnahme an Impfterminen und der Kenntnisse über Gewin¬
nung und Oonservirung der Lymphe zu erbringen ist. so liat die
Königlich preussische Regierung dahin Anordnung getroffen, dass
die Studirenden während des Impf Unterrichts zu Impfteminen zu-
gezogen werden und entsprechende Zeugnisse erhalten, während
die bezeielmeten Kenntnisse mit zum Gegenstände der ärztlichen
Prüfung gemacht werden. Zu diesem Behufe ist in Preussen Für¬
sorge getroffen, dass die mit dem Unterricht in der Impfteclmik
betrauten akademischen Lehrer zu Impfiirzten bestellt werden,
wodurch dieselben die Möglichkeit erlangen, selbst Impftermine
abzuhalten.
Diese Maassregeln scheinen mir zweckmässig zu sein, da
durch sie die Durchführung jenes Bundesrathsbeschlusses in ein¬
facher und wirksamer Weise sichergestellt wird.“
Hoffentlich ist es erreichbar, dass auf ähnliche Weise auch
für Bayern der lästigen Bestimmung die rückwirkende Kraft
genommen wird.
— Der preussische Ehrengerichtshof wird folgendermaasse»
zusammengesetzt sein: L e n t - Köln, K ö r n e r - Breslau. Lie-
v i n - Danzig. L ö bker - Bochum: vom König ernannt: Bartels
und Witte- Berlin: deren Stellvertreter: Becher- Berlin.
Ende m a n n - Kassel, Landsberger - Posen , Sondier-
Magdeburg: vom König ernannt: Sei borg und Strauch-
Berlin. Pen Vorsitz wird der Dirigent der Medicinalahtheiluug
des preussischen Cultusministoriums, Geh. Oberregierungsrath
Pr. F ö r s t (* r und in dessen Behinderung der Geh. Regierung*-
und Vortragende Rath in diesem Ministerium, Freusburg,
führen.
- - Zwischen der B e t r i e b s - K r a n k e n c a s s e d e r
s ä c li s i s c li e n S t a n t s e i s e n b a li n e n in Dresden und
de» dortigen Gassenärzteu ist es jetzt zu einer Eini¬
gung gekommen, indem sich der Cassenvorstaml einstimmig
mit einem von den Vertretern der ärztlichen Bezirks-
vereine unter Verzicht auf ihre weitorgehenden Forde¬
rungen neuerdings gemachten Vergleichsvorschlag einverstanden
erklärt hat. Danach ist die Balincasse verpflichtet, den Cassvn-
ärzten vom 1. Juli 1901 ab 1 M. für den Besuch in der Wohnung
des Kranken lind 75 Pf. Kilometergebülir bei auswärtigen Be¬
suchen (in Ausnahmefällen auch 75 Pf. für den Sprechstunden -
besuch und 1 M. Kilometergebühr) zu gewähren, doch soll sie be¬
rechtigt sein, falls es sieh herausstellt, dass die Casse das erhöhte
Aerztehonorar nicht zu zahlen im Stande ist. vom 1. Juli 1902 ah
wieder eine Ermässigimg der gedachten Sätze zu beanspruchen.
Bis Ende Juni 1901 setzen die Aerzte ihre Thätigkeit zu den alten
Bedingungen fort, und diejenigen Cassemirzte in Dresden, die ihr
Amt niedergelegt haben, werden wieder eingestellt.
- Die Oberbayerische Versicherungsanstalt hat durch Be¬
schluss vom 24. Februar d. Js. „die Febernahme von zwei Drittel
der Kosten für Zahnersätze und Reparaturen,
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
528
welche die Stumm* von 10 Mark übersteigen, im lTineip vorbehalt¬
lich der Würdigung und Bescheidung im einzelnen Falle genehmigt“.
— Pest. Britiseh-Ostindien. ln der Stadt Bombay ver¬
stürben Im Monat Februar 24.‘37, dagegen in den 4 Woehen vorher
h*2l Personen. Die Zahl der während des Monats Februar ge¬
meldeten Erkrankungen au Pest betrug in der Stadt Bombay 21)44;
während der 4 unmittelbar vorher gegangenen Woehen waren
deren 2324 gemeldet. Auch in der Stadt Kalkutta und im District
Patna hatte die Pest im Laufe des Februar Fortschritte gemacht;
in Kalkutta, woselbst iu der am 17. Februar endenden Woche
199 Personen der Seuche erlegen waren, starben in den beiden fol¬
genden Wochen 201 und 441 Personen an der Pest und int District
Patna. woselbst in der am 17. Februar endenden Woche 000 Per¬
sonen der Post erlegen waren, forderte sie in den beiden folgenden
Wochen noch 1444 und 1382, zusammen 2820 Opfer. — Vereinigte
Staaten von Amerika. Im Chinesenviertel von San Francisco sind
laut einer Anzeige vom 24. März die Leichen von 3 Chinesen unter
Anzeichen vorgefundeu, welche nach einer Erklärung des dortigen
Gesundheitsamtes darauf sehliosseu lassen, dass Beulenpest die
Todesursache sei. — Argentinien. Vom 10. bis 22. Februar sind in
Rosario von der dortigen Ortsbehörde 3 Pest fülle und 2 verdächtige
Erkrankungen verzeichnet worden. In Buenos Aires schien nach
einer Mittheilung vom 14. Februar die Seuche erloschen zu sein. —
Paraguay. Vom 3. bis 21. Februar wurden in Asuncion nach An¬
gabe des dortigen Nationalgesundlicitsraihs 4 Erkrankungen und
4 Todesfälle an der Pest gemeldet hier letzte 'Todesfall mul die
letzte Erkrankung am 17. Febriian. I de gegenwärtige Einwohner¬
zahl von Asuncion wird auf OtMH hi beziffert. — Neu-Caledonieu.
Vom 5. bis 12. März sind in Xumea 2 Erkrankungen und 1 Todes¬
fall an der Pest zur Anzeige gelangt. V. d. Iv. G.-A.
— In der 12. Woehe vom IN. 24. März 1900 hatten von
deutschen Städten über 4000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Borbeck mit 38,0, die geringste Mülheim a. Uh. mit 11.5 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Drittel aller
Gestorbenen starb an Masern in München, an Scharlach in Duis¬
burg.
— In der heutigen Nummer sind wir in der Lage, Briefe der
beiden Aerzte der ersten deutschen A m b u I a n z des rothen
Kreuzes nach Transvaal, Dr. II i 1 d e b r a u d t und Dr. Ktitt-
ner, zum Abdruck zu bringen. Dieselben werden um so grösseres
Interesse finden, als sic die ersten ärztlichen Mittheilungen vom
südafrikanischen Krieg von burischer Seite bilden. Die Briefe
zeigen, dass unseren College» dort grosse und schwer«* Aufgaben
ztigefaJlen sind, die sic zur Ehre des deutsehen Namens gelöst
haben. Dass die Ausrüstung und Thätigkeit der deutschen Am¬
bulanz eine mustergiitige ist, wurde bekanntlich auch von engli¬
scher Seite anerkannt, so von Lord K o b e r t s selbst, aber auch
von MacCormac und anderen Aerzteu in ihren Berichten an
englische Fachblätter.
Von den neueren Nachrichten aus S ii d a f r i k a interessiren
uns besonders das heftige Auftreten und Umsichgreifen epi¬
demischer Krankheiten unter den gefangenen Buren inSimonstown.
Es scheint sieh um Abdominaltyphus. vielleicht auch um Fleck¬
typhus zu handeln. Viele Todesfälle sind bereits erfolgt. Es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass die Zusammenpferchimg der
Gefangenen auf Schiffen die Ausbreitung solcher Krankheiten in
hohem Maasse begünstigen muss. Es wäre eine Ehrenpflicht der
englischen Behörden und Aerzte ihren Kriegsgefangenen gegen¬
über alle jene Maassnahmen zur Unterdrückung der Seuchen zu
treffen, die sicher getroffen werden würden, wenn es sich um
englische Truppen handeln würde.
— Von Eulonburg’s Realeucy klop iidfe der ge¬
summten Heilkunde ist jetzt der 22. Band der 111. Auflage
erschienen. Derselbe umfasst die Artikel „Schleimstoffe“ bis
„Spirometrie“. Von hervorragenderen Arbeiten, au denen auch
dieser Band überaus reich ist, neunen wir „Schultergelenk“ von
Kirchhoff (an Stelle des* verstorbenen Gurlt); „Schwanger¬
schaft“ von Kleinwächter; „Scrofulose“ von A. B a -
ginski und L. Bernhard; „Sepsis“ von v. Kahlde u; „Spiual-
lähmung“ von liemak. Auch dieser Band ist reich illustrirt.
— Von dem von G. Buschau hemusgegebenen Biblio-
graphisolieu Semesterbericht der Erschein¬
ungen auf dem Gebiete der Neurologie und
Psychiatrie (Jena, G. Fisch e r) ist soeben die 1. Hälfte des
V. Jahrganges, 1899, erschienen. Der Band verzeichnet auf 223
Seiten die gesummte einschlägige Literatur der ersten Hälfte des
al»gelaufenen Jahres. Der Preis beträgt (> Mark.
— „The Medical Review“ (Medical and Surgical Review of
Reviews) nennt sich eine in London erscheinende Zeitschrift,
welche sich zur Aufgabe stellt, zusammeuzufassen. was für den
praktischen Arzt Wissenswertlies in den medieinischeu Zeit¬
schriften aller Länder enthalten ist. Von der Revue liegt uns
der 2. Jahrgang (1899) in einem elegant ausgestatteten Bande vor.
(Hochschulnachrichten.)
Giessen. Zum ordentlichen Professor der Chirurgie und
Director der chirurgischen Klinik an der Universität (Ressen ist
d«*r dortige bisherige ausserordentliche Professor Dr. Peter
P oppert ernannt worden. Er tritt an die Stelle des Professors
Bose, der aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand ge¬
treten ist.
Göttingeu. Zum Director der hiesigen Irrenanstalt lind
Nachfolger des verstorbenen Psychiaters Professor M e y e r wurde
Professor Gramer hier ernannt.
Halle. Mit dem 1. April übernahm Prof. Frhr. v. Mering
die Leitung der kgl. medieinischeu Klinik, während Geheimrath
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Weber die der medieinischeu Poliklinik. An dieser wird Herr
Prof. Dr. Nebelt Ii a u aus Marburg wohl in die Stellung als
Oberarzt kommen. Herr Privatdocent Dr. Reinebotli hat mit
gleichem Datum seine Stelle als Oberarzt der kgl. medicinischen
Klinik uiedergelegt.
Heidelberg. Der Privatdocent der Anatomie Dr. F.
G oppert ist zum ausserordentlichen Professor ernannt worden.
M ii n c h e n. Geheimrath v. Rothm u n d legt mit Ende
dieses Sommersemesters sein Lehramt nieder.
W ii r z b u r g. Als Nachfolger Prof .v. M i c ii e Ts ist dem
Vernehmen nach Prof. Iv u h n t in Königsberg in Aussicht ge¬
nommen.
Bologna. Habilitirt: Dr. T. Secehi für Dermatologie
und Syphilis, I>r. A. B r u s c li e t t i n i und Dr. Fl. Brazzola
für Hygiene.
K i e w. Habilitirt: Dr. N. N e i e 1 o w für Geburtshilfe und
Gynäkologie.
N e a p e 1. Habilitirt: Dr. L. Cbinnl für Anatomie, Dr. B.
Baculo für Pädiatrie, Dr. F. P i c c i n i n o für Elektrotherapie.
Paris. Die Akademie der Wissenschaften wählte den Prof,
der Physik II i 11 o r f in Münster (den Erfinder der mit Unrecht
in der Regel „C r o o k e s’sche genannten Röhren) ztiin corre-
spondirenden Mitglied.
St. P e t e r s b u r g. An der militürmediciuischen Akademie
lmbilitirten sich Dr. S. V a k o w 1 e w und Dr. Abramits c li e w
für Dermatologie und Syphilis, Dr .V. Hubert für Paediatrie.
Prag. Dem Privatdoeentcn für pathologische Anatomie
an der ezechischen Universität Dr. R. Kimla wurde der Titel
eines a. o. Professors verliehen.
R o m. Habilitirt: Dr. G. P a r 1 a v e c o h i o für chirurgische
Pathologie.
Sie» a. Habilitirt: I>r. V. Martini für chirurgische Patho¬
logie, Dr. L. S i in o n e 11 a für experimentelle Hygiene.
T u r i n. Habilitirt: Dr. R. G a 1 e a z z i und Dr. B. N i g r i -
soll für Chirurgie und operative Medicin, Dr. A. Biagini und
Dr. C .Mensi für Pädiatrie, Dr. F. Abba und Dr. C. Mazza
für Hygiene, Dr. V. T i r e 11 i für gerichtliche Medicin.
Utrech t. Habilitirt: Dr. Kohlbrugge für Tropen¬
krankheiten.
W arseba u. Dr. V. N i k o 1 s k i. Privatdocent an der med.
Facultät zu Kiew, wurde zum a. o. Professor der Dermatologie
und Syphilis ernannt.
Zum Artikel des Prof. v. Bruns: „Die neuesten
Kriegserfahrungen über die Gewehrschusswunden“
auf Seite 485^ dieser Nummer.
Nach Schluss des Blattes sendet uns Herr Prof. v. Bruns
zu seinem obigen Artikel noch folgenden Nachtrag:
In einem späteren Briefe aus Jakobsdal vom 3 .März schreibt
Dr. K ii t t ii o r: „Wir haben die Verwundeten aus Cronje’s Lager
am Modderfluss übernommen und die Sehwerverwundeten im Ho¬
spital behalten. Was diese vorher auszustehen hatten, spottet
jeder Beschreibung. Aerztlielie Hilfe fehlte. So lagen die armen
Verwundeten 10 Tage lang in den Büschen am Modderfluss, mit
Tabaksblättern auf ihren Wunden, und Mancher von ihnen wurde
noch nachträglich durch die Granaten getödtet oder zum zweiten
Male verwundet. Während wir mit den Verwundeten, welche*
frisch in unsere Hiiude gelaugten (aus den Gefechten bei Jakobs¬
dal, am Riethfluss, bei Klippdrift imd der ersten Schlacht bei
Paardeberg) sehr günstige Erfolge erzielten und nur sehr wenige
verloren haben, lag die Sache mit den Verwundeten aus Cronje’s
Lager ähnlich wie hei denen, welche wir nach Magersfontein er¬
halten haben: fast alle Wunden waren mehr oder weniger inficirt.
Während wir sonst nur ganz wenige Eingriffe vorzunehmen hatten,
haben wir jetzt täglich viele Wunden zu operiren gehabt, haben
amputiren müssen, was wir bisher nicht liöthig hatten, und viele
Todesfälle an Sepsis uud einzelne auch an Tetanus erlebt“.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Ernannt: Der functiouirende Hausarzt bei^ dem Strafvoll-
streckungsgcfäiigniss in München, l)r. Max Emauuel G r u b e r,
zum Bezirksarzt I. (-lasse in provisorischer Eigenschaft.
Niederlassung: Dr. Johannes L u e b (Kneipparzt) in Augs¬
burg.
Verzogen: Dr. Anton Obermaier von Augsburg (unbe¬
kannt wohin).
Charakterisirt: als Generaloberärzte die Oberstabsärzte
1. Classe Dr. Baumbach, Chefarzt des Garnisonslazareths Neu-
Ulm und Dr. Schuster, Doceut am Operationscurs für Militär¬
ärzte.
Enthebung: Der ordentliche Professor an der k. Universität
München, k. Geheimer Rath Dr. August v. Rothmund, wurde
seinem Ansuchen entsprechend vom 1. August 1. J. an von der
Verpflichtung, Vorlesungen abzuhalten, sowie von der Vorstand¬
schaft der ophthalmologischon Klinik enthoben und demselben bei
diesem Anlass in nllerliuldvollster Anerkennung seiner langjährigen
treuen und ausgezeichneten Dienstleistung der Verdienstorden vom
heil. Michael 2. Classe verliehen.
Versetzt: die Oberstabsärzte 1. Classe Dr. Patin, Regiments¬
arzt vom 1. Ulanen-Reg., zum Kriegsministerium und Dr. II e nie,
Regimentsarzt vom 2. Chev.-Reg., iu gleicher Eigenschaft zum
4. Feld-Art.-Reg.; die Stabs- und Bataillonsärzte Dr. Langer
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
524
vom 22. Inf.-Reg. zum 1. Jäger-Bataillon mul l>r. Wind vom
4. Inf.-Reg. zum 3. Pionier-Bataillon, beide in gleicher Eigenschaft;
die Oberärzte I>r. Glas vom 3. Feld-Art.-Reg. zum Sanitätsamt
I. Armeecorps, Dr. Tüshaus vom 9. Inf.-lieg, zum Sanitätsamt
III. Armeecorps, Dr. Voigt vom 4. Inf.-Reg. zum 14. Inf.-Reg.
und Ca u di n us vom 1. Ulanen-Reg. zum 1. Feld-Art.-Reg.; die
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 13. Jahreswoche vom 25. bis 31. März 1900.
Betheil. Aerzte 272. — Brechdurchfall 7 (0*), Diphtherie,
Croup 0 (18), Erysipelas 16 (15), Intermittens, Neuralgia interm.
1 (2), Kindbettfieber 2 (2), Meningitis cerebrospin. — (—■), Morbilli
170 (213), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 4 (2), Parotitis epidem.
6 (5), Pneumonia crouposa 22 (16), Pyaemie, Septikaemie 1 (—),
Rheumatismus art. ac. 19 (42), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
8 (12), Tussis convulsiva 8 (11), Typhus abdominalis 3 (—),
Varicellen 6 (12), Variola, Vario’ois — (—). Summa 279 (356).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Assistenzärzte Freiherrn Schoben von Cronfeld vom
3. Fuss-Art.-Reg. zum 11. Inf.-Reg., I)r. Reichel vom 1. Chew-
Reg. zum 2. Ulanen-Reg., Dr. Ivetterl vom 8. Inf.-Reg. zum
3. Feld-Art.-Reg. und Pr. Scheuerer vom 2. Jäger-Bataillon
zum 2. Pionier-Bataillon.
Gestorben: Pr. Georg Egger, 43 Jahre alt, in Tittinoning.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 13. Jahreswoche vom 25. bis 31. März 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000
Todesursachen: Masern 28 (26*), Scharlach — (1), Diphtherie
und Croup 1 (2), Rothlauf 3 (1), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 2 (1), Unterleibstyphus
— (1), Keuchhusten — (—), Croupöse Lungenentzündung — (—),
Tuberculose a) der Lungen 43 (29), b) der übrigen Organe 5 (6),
Acuter Gelenkrheumatismus 2 (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 7 (5), Unglücksfälle 1 (2), Selbstmord — (1), Tod durch
fremde Hand — (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 240 (235), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 27,0 (26,4), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 18,2 (16,1).
Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: Januar') und Februar 1900.
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Bevölkerungsziffern: Obcrbnyern 1,186,950, Niederbayern 673,623, Pfalz 766,991,
Oberpfalz 646,831, Oberfranken 586,061, Mittelfranken 737,181, Unterfranken 632,588,
Schwaben 689,416. — Augsburg 81,896, Bamberg 38,940, Kaiserslautern 40,828,
Ludwigshafen 46,000, München 411,001, Nürnberg 193,890, Regensburg 41,471, Würz- I
bürg 68,747.
Einsendungen fehlen aus den Aemtern Bruck, Rosenheim , Bogen, DingoL |
fing, Eggenfelden, Neumarkt. Neunburg v/W., Hof, Dinkelsbühl, Eichstätt, Er¬
langen, Rothenburg a/T., Ebern, Königshofen, Kitzingen, Augsburg, Kempten, i
Nördliugen und Oberdorf.
Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet
aus folgenden Aemtern bezw. Orten:
Diphtherie, Croup: Stadt- und Landbezirk Schwoinfurt 28, Aemter
München TI 37, Wegscheid 25 behandelte Fälle
Morbilli: Fortsetzung der Epidemien in den Aemtern München II (293
behandelte Fülle, hievon 179 im A.-G Wolfratshausen), Schrobenhausen (im
ganzen Bezirke, 18 behandelte Fälle), Kusel (weitere Ausbreitung in Schellweiler
und Lohnweiler), Erding (Abfall der Epidemie), Landau i. Pf. (in Queichheim),
Forehheim (noch in 3 Gemeinden), Pegnitz (neuerdings im Ahornthale), Hilpolt- !
stein (29 behandelte Fälle im mittleren Theile des Bezirkes, dagegen im nörd- i
liehen und südlichen Theile erloschen), Hersbruck (noch häufig, 26 behandelte |
Fälle), Seheinfeld (ausgebreitete Epidemie in Iphofeu, gutartig), Karlstadt (in
Himmelstadt; 118 behandelte Fälle, 21 .Sterbefälle, Ende des Monats überall er¬
loschen), Sehweinfurt (neu in Hirschfeld, erloschen in Reichmannshausen und i
Pfundhausen), Donauwörth (in Marxheim Anfangs Februar 50 Schulkinder er- |
krankt, in Neuhausen Hin 16. die Hälfte der Schulkinder, Schulschluss; Ende
des Monats erloschen), Günzburg iin Offingen), Neu-Ulm (Fortsetzung in der
Stadt, im ganzen Bezirke 60 behandelte Fälle), Würzburg, Land (98 behandelte
Fälle). Epidemien ferner in den Aemtern Friedberg (in Mering; 104 behandelte
Fälle), Miesbach (im Schulbezirke Neukircheu), Wasserburg (iu Rott a. I., 30 be¬
handelte Fälle), Bergzabern |(heftig in Niederhorbach und Birkenhörde), Burg¬
lengenfeld (in Dauching), Weissenburg (in Walting, keiue ärztliche Behandlung 1 ,
Neuburg a/D. (in 4 Orten; 46 behandelte Fälle), ferner in der Stadt Memmingen.
Stadt- und Landbezirk Kulmbach 37, Aemter Kronaoh 42, Zweibrücken 35,
Bamberg 1. 45, Landau a. J., Pfarrkirchen und Fürth-Land je 24, ärztlicher Bezirk-
Pasing (München I.) 30 behandelte Fälle.
Rubeolae: Epidemie im A.G. Dahn (Pirmasens); Stadt Nürnberg 13 be¬
handelte Fälle.
Parotitis epidemica: Fortdauer der Epidemie in der Stadt Günzburg,
auch in der Stadt Amberg noch häufige Erkrankungen, 17 behandelte Fälle;
Amt München II 31 behandelte Fälle.
Scarlatina: Zahlreiche Erkrankungen in Neuhofen (Ludwigshafen), 18 be¬
handelte Fälle.
Tussis convulsiva: Fortdauer der Epidemie im ärztlichen Bezirke
Nchwandorf Burglengenfeld), 45 behandelte Falle; auch im Amte Pegnitz ist die
seit November bestehende Epidemie noch nicht vollständig erloschen. Be¬
ginnende Epidemie in Baierfeld (Donauwörtb), zahlreiche Fälle in der Stadt
Schwahach sowie in Plattling (Deggendorf) und Umgebung.
Typhus abdominalis: 3 weitere Fälle in Laudenbach B.-A. Karlstadt
(im Vormonate 6 und 5 in Thüngen), 1 Sterbfall; B.-A. Marktheidenfeld 4 Fälle.
Influenza: Fortdauer der Epidemien in den Bezirken Altötting (allent¬
halben verbreitet, 472 behandelte Fälle; häufig Neuralgien mit Herzschwäche im
Gefolge), Berchtesgadeu (Höhe Mitte Februar,daun Abnahme; 12t behandelte meist
leichte Fälle ; später die Seitenthäler ergriffen), Dachau (64 von 2 Aerzteu be¬
handelte Fälle gemeldet), Erding (Akme der Epidemie), Garmisch («89 behandelte
Fälle, meist respirat. und nervöse Form, Pneumonien, Ikterus eat. als Compli-
cationen), Laufen (83 behandelte Fälle im A-G. Laufen; im A.-G. Tittmoning
mehr als 20 Proc. der Einwohner erkrankt, häufig consec. Pneumonie), München II
(A.-G. Wolfratshausen ca. 100 behandelte Fälle; Abnahme in Dietramszell),
Wasserburg (Rott aü, 60 heb. Fälle, meist neuralgische, auch intestinale Form ,
Wcilheim (ca. 100 behandelte Fälle, meist respir. Form; einzelne intestinale
Formen mit Ikt. catarrh. complieirt; nicht selten Trigeminus-Neuralgie an-
j schliessend), Vieehtach (besonders in der 2. Hälfte des Monats; hauptsächlich
bronch. und muse. Erscheinungen, auch nervöse, selten gastr. Form, milder
Verlauf), Stadtsteinach (in 8 Ortschaften, leicht), Teuschnitz (wieder 3t Schiefer¬
arbeiter von Lehesten behandelt), Donauwörth (sehr verbreitet in Stadt uud
Land, 102 behandelte Fälle; jetzt gastrische Formen häufiger; bei kränklichen
Leuten öfter Tod durch Herzlähmung), Günzburg (Pandemie, gutartig), Neu-Ulm
(ausgedehnte Verbreitung iu Stadt uud Land). Epidemien ferner in den Bezirken
Aichach, Ebersberg (75 behandelte leichte Fälle im ärztlichen Bezirk»* Kirchseeon).
Freising (besonders von Mitte Februar ab ; 184 behandelte Fälle), F iedberg (im
ganzen Bezirke; von 2 Aerzten 51 behandelte Fälle, meist katarrhalische Form,
öfter mit complieirdr. Pleuritis), Landsberg (in allen Gemeinden des ärztlichen
Bezirkes Egling; 121 behandelte Fülle), Miesbaeh (sehr verbreitet, häufig Pneu¬
monie im Gefolge), Mühldorf (195 behandelte Fälle, davon 69 im ärztlichen Be¬
zirke Buehbach; hier und in Kraiburg ausgedehnte Epidemie), Pfaffenhofen
(heftig in Pfaffenhofen, Wolnzach und Umgebung; 62 behandelte Fälle), Schon¬
gau (sehr ausgebreitet, ca. 100 behandelte Fälle), Schrobenhausen (im ganzen
Bezirke), Traunstein (ärztlicher Bezirk Rnhpolding in der 2. Hälfte des Monats
75 behandelte Fälle), Deggendorf (hier und in Plattling), Grafenau (grosse Ver¬
breitung im Februar), Ludwigshafen (im ganzen Bezirke), Landau i. Pf. (heftig in
der 2. Hälfte des Mts ), Bergzabern (besonders in Bergzabern selbst), Pirmasens
(im A.-G. Dalini. Pegnitz (im A.-G. Pottenstein, Höhe 18. II., dann Rückgang ,
Hilpoltstein (allgemein verbreitet, gutartig), Illertissen (zahlreiche Erkrankungen
iu Illertissen und Umgebung), Mindelheim (60 behandelte Fälle von einem Arzte
angomeldet), Neuburg a. I). (im ganzen Bezirke). Städte Augsburg 2078. Nürn¬
berg S91, Bamberg 59 Stadt- und Landbezirke Ansbach 50, Amberg 36 und 10.
Bayreuth 76 und 16, Aemter Tölz 70, Cham 29, Zweibriickeu 28, Füssen 12ü,
Dillingen 211 (hievon 157 ärztlicher Bezirk Lauingen), ärztliche Bezirke Schwan¬
dorf (Burglengenfeld) 31, Pasing (München I) 45 behandelte Fälle.
Im Interesse möglichster Vollständigkeit vorliegender Statistik wird um
regelmässige und rechtzeitige Einsendung der Anzeigen (ev. Fehlanzeigen) dringend
ersucht. Insbesondere wäre auch wünschenswerth, dass sog. Sammelkarten ohne
Rücksicht auf allenfalls ansstehende Anzeigen bis längstens 20. jeden folgenden
Monats abgeschlossen und eingesandt würden. Verspätet zur Anzeige gelangte
Fälle könnten dann in der Karte des folgenden Monats, durch rothe Tinte oder
sonst wie als Nachträge gekennzeichnet, Aufnahme finden.
= Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind
durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welche sich im
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl dersich betheiligenden Aerzte
an das K. Statistische Bureau wenden wollen.
*) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 10) eingelaufencr Nachträge. — 9 ) Im Monat Januar einschliesslich der Nachträge 1412. —
*) 1. mit 6. bezw. 6. mit 9. Jahreswoche.
Verlag vou J. F. I^hmaiin In München. — Druck von K Mühlthaler’s Buch- und Knns’druckerel A.G., München
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Münch. Med. Wochennchr. erscheint wBchentl. “M/| "I 7 "VJ TT 17^ 1VT 1 f) /n«ciH!nnpi-u sfnd zu n<M«^sirni Für «lir r:> <’»<• f«»n
in Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen. IVI I I l\ i > r| |1j \ ILIv Oitosira'se t ~ Tu- Abonnement an J. F Ldi
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ins Ausland 7.60 JL Einzelne No. 00 4- an Rudolf Mnsso, rromenadcplntz Kl
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
OltGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
Cli. Biomler, 0. Bollinger, H. Gurschmann, G. Gerhardt, W. r. Helneke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F. i Wlnckel, U.». Ziemssen,
Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München.
M 16. 17. April 1900.
ftedaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Zur Diagnose der durch gewerbliche Staubinhalation
hervorgerufenen Lungenveränderungen.*)
Von Geh. Rath Prof. Dr. Bäumler in Freiburg i. Br.
M. H.! Wer als Hospitalarzt oder in der Privatpraxis viel '
der arbeitenden Classe angehörige Kranke zu behandeln hat,
kennt die nicht so selten vorkommenden Fülle, in welchen das
Krankheitsbild dem einer gewöhnlichen chronischen Lungen-
tubereulose sehr ähnlich ist, aber trotzdem die Störungen, welche
den Kranken veranlassten, ärztliche Hilfe zu suchen, einen auf¬
fallend raschen günstigen Ablauf nehmen. Die klinische Be¬
obachtung und eingehendere Berücksichtigung der Anamnese
führen zu dem Schluss, dass es sich dabei um Vorgänge handelt,
bei weichen tubereulose Veränderungen in den Lungen
entweder gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Gewöhnlich sind es Kranke mittleren oder vorgerückteren
Alters, vorwiegend männlichen, zuweilen auch weiblichen Ge¬
schlechts, bei denen neben Husten und Auswurf, geringem oder
fehlendem, nur selten im Anfang heftigerem Fieber, Ver¬
dichtungserscheinungen in dem oberen Theil einer oder beider
Lungen und mehr oder weniger ausgebreiteter Bronchialkatarih
vorhanden sind. Diese Erscheinungen, sowie der eitrig-schleimige
Auswurf, die schlechte Ernährung, die mangelhafte Bluteircu-
lation erwecken den dringenden Verdacht auf Lungentuberculose,
aber wiederholte sorgfältige Untersuchung des Auswurfs lässt
keine Tuberkelbacillen auffinden.
Bei ruhigem, zweckmässigem Verhalten und entsprechender
Ernährung erholen sich solche Kranke oft ganz überraschend
schnell, indem anfänglich vorhanden gewesenes Fieber ver¬
schwindet und die katarrhalischen Erscheinungen bis auf geringe
Reste zurückgehen. Nur gewisse Verdichtungserscheinungen
bleiben unverändert fortbestehen.
Wieder und wieder können derartige Kranke mit den
gleichen Beschwerden in Behandlung kommen und immer wieder
können sie nach einiger Zeit arbeitsfähig aus derselben entlassen
werden. Im Lauf der Jahre aber treten dann in manchen Fällen
mehr und mehr die Erscheinungen des Lungeuemphysems und
der chronisch gewordenen Bronchitis, oder Kreislaufstörungen
mit Kurzathmigkeit, Cyanose und Herzklopfen in den Vorder¬
grund. Das Krankkeitsbild kann sich zu dem eines chronischen
Herzleidens gestalten und die Kranken können, wie bei einem
solchen, hydropisch zu Grunde gehen. Die Autopsie weist dann
neben Lungenemphysem und den bei diesem gewöhnlich vor¬
handenen Herzveränderungen (vorwiegend Hypertrophie und
Dilatation des rechten Herzens) mehr oder w e n i g e r a u s-
gedehnte Pleuraverwachsungen und alte
schwielige Induration in einer oder beiden
Lungenspitzen auf. Die Anamnese aber hatte bereits
ergeben, dass der Kranke längere Zeit, vielleicht schon vor vielen
Jahren, in einer Beschäftigung gestanden hatte, bei welcher
er der andauernden Einathmung von Staub
ausgesetzt gewesen war.
Die unter dem Namen der Pneumonokoniosen zusammenge¬
fassten Veränderungen, welche bei längere Zeit fortgesetzter Ar-
*) Nach einem am 26. Januar 1900 im Verein Freiburger Aerzte
gehaltenen Vortrag.
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beit in staubiger Luft bei Steinhauern, Schleifern, Müllem und
Bäckern, bei Arbeitern in Kohlenbergwerken, Glasschleifereien,
Tabakfabriken, Flachs- und anderen Spinnereien u. s. w., sich
früher oder später einstellen, sind seit lange bekannt, und wurden
besonders in den 60er Jahren durch Virchow, Zenker,
H. Merkel, Arnold u. A. genauer studirt. Wie Ihnen be¬
kannt, werden Staubpartikelehen verschiedenster Art in den
Lvmphbahnen der Bronchen und des Lungengewebes bis zu den
bronchialen und mediastinalen Lymphdrüsen befördert und
kommen dort, wie auch im interalveolären und subpleuralen
Bindegewebe zur Ablagerung. Hier wie dort können dadurch
chronisch-entzündliche Veränderungen mit Bindegewebsneu¬
bildung und Schrumpfung hervorgerufen werden, und wie wir
in der Pleura fibröse, von einem Pigmenthof umgebene Knör-
chen oft in grosser Menge vorfinden, so können auch einzelne der
genannten Lynvjdidriisen in mehr oder weniger pigmentirte, ge¬
schrumpfte Knoten umgewandelt werden. Von ihnen aus kann
auch der chronische Eutzündungsprocess auf benachbarte Theile,
z. B. den Oesophagus, wodurch Tractionsdivertikel entstehen,
oder auf den Nervus recurrens, wodurch, wie ich in einem Falle
gesehen und beschrieben x ) habe, linksseitige Stimmbandlähmung
hervorgerufen wird, übergreifen.
Die nächsten Folgen der Staubinhalation sind Bronchial¬
katarrhe in Anfangs seltenerer, später immer häufiger werdender
Wiederholung und immer längerer Dauer. Unter ihrem Einfluß
entwickelt sich Emphysem der Lungen. Von Zeit zu Zeit, bei
heftigerem Katarrh, treten bronchopneumonische Entzündungen
auf, mit starker Betheiligung des interstitiellen Gewebes und
Ausgang in Schwielenbilduug und Schrumpfung. Dazu kommt .
Entzündung der Pleura, mit oder ohne reichlicheres Exsudat,
aber meist sehr derbe und oft flächenhafte Verwachsung zurück¬
lassend. Während bronchopneumonische Processe und Atelek¬
tasen in einem Unterlappen oft Bronchiektasien zurücklassen,
finden sich in den Lungenspitzen meist mehr oder weniger ausge¬
dehnte schwielige Indurationen mit Schrumpfung, unter Anderem
gleichfalls erweiterte Bronchen einschliessend. Früher oder
später kann Tubereulose hinzutreten. Manche
Kranke gehen, nachdem sie viele Jahre lang an nichttubercu-
lösen Processen gelitten, schliesslich an rasch fortschreitender
Luiigentuberculose zu Grunde.
Putride Bronchitis und Bronchopneumonie kann sich bei.
sackförmigen Bronchiektasien durch Stagnation des Secrets, sie
kann sich aber auch bei Einathmen putriden Staubes primär
entwickeln, wie wir wiederholt u. a. bei Pflasterern, die im heissen
Sommer auf staubigen Strassen gearbeitet hatten, beobachteten.
In Fällen der letzterwähnten Art kann Ausheilung mit schwie¬
liger Narbenbildung erfolgen.
Bei Kranken mit Pneumonokoniose, bei welchen frühzeitig,
nach den ersten ernsteren Zufällen, die ungesunde Arbeit mit einer
anderen vertauscht wird, kann ein durch Jahre hindurch bedenk¬
lich gewesenes Krankheitsbild sich so günstig umgestalten, dass
nur eine grössere Neigung zu Katarrhen zurückbleibt. Ueber-
reste jener früher durchgemachten schweren entzündlichen Ver¬
änderungen können aber dauernd Zurückbleiben und bei genauer
Untersuchung stets nachgewiesen werden.
Dies sind dann solche Fälle, wie ich sie Eingangs geschildert
habe, bei welchen ein frischer Katarrh oder eine beschränkt blei-
*) Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 37, S. 233.
1
Qrifinal from
UNIVERSITtf OF CALIFORNIA
526
MÜNCHENER MED1CINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
bonrte acute Bronchopneumonie vorübergehend das Krankheits¬
bild einer fortschreitenden Lungentnberculose Vortäuschen kann.
Ich brauche Sie kaum daran zu erinnern, dass auch bei von
vorne herein an T über cu lose der Lungen Leidenden, bei
welchen S t a u bin h a1a t i o n keine ursächliche
Rolle gespielt hat, auf Bindegewebsneubildung und
Schrumpfung beruhende Veränderungen Vorkommen können,
und dass die H e i 1 u n g s v o r g ä n g e bei der T u ber¬
eu 1 o s e gerade auf solchen Veränderungen b e-
r u h e n. Die Ursache eines derartigen Verlaufs der Tuberculose
muss in den Verhältnissen der Constitution des betreffenden
Kranken, in einer besonderen, darin begründeten Art, auf den
Reiz der sieh einnistenden Tuberkelbucillen und anderer Ent¬
zündungserreger zu reagiren, gesucht werden. Es ist daher längst
als prognostisch günstig angesehen worden, wenn bei einer etwas
ausgebrei toteren Lungen tuberculose Erscheinungen der Schrumpf¬
ung, und damit der Vernarbung, auf treten. Ja es legen manche
Fälle den Gedanken nahe, dass eine tubereulöse Lungenerkran¬
kung in einem früheren Stadium bei vorausgegangener Reizung
der Lunge durch andauernde Staubinhalation wegen der Neigung
der letzteren, Bindegewebsneubildung hervorzurufen, günstiger
verläuft, als es in sonst analogen Fällen ohne diese Oompli-
eation der Fall ist.
Dem Gesagten zu Folge ist es also von grosser diagnostischer
und insbesondere auch von prognostischer Wichtigkeit:
1. Fälle von durch Staubinhalation entstandener Luugen-
erkrankung ohne gleiclizeitig vorhandene Tuberculose richtig zu
deuten und
2. in Fällen von langsam fortschreitender Tuberculose mit
gleichzeitig vorhandenen Erscheinungen von bindegewebiger
Schrumpfung, in welchen vielleicht vor Jahren einmal Staub¬
inhalation eine Rolle gespielt hat, oder in denen dies niemals
der Fall gewesen ist, die indurativen Veränderungen nach ihrer
Stellung im Krankheitsverlauf richtig zu würdigen und pro¬
gnostisch abzuschätzen.
Unter den Erscheinungen der bindegewebigen Schrumpfung
möchte ich neben der längst in ihrer Bedeutung für Diagnose
und Prognose gewürdigten Verkürzung der einen oder
a n d e r e n Lungenspitze Sie heute besonders auf die
percussorisch nachweisbare Retraction des
einen oder anderen, oder auch beider vorderer
Lungenränder in deren oberen Theilen als auf
ein werthvolles Zeichen für die Diagnose solcher Veränderungen
aufmerksam machen. Ich habe, seitdem ich vor Jahren auf
dieses. Zeichen aufmerksam geworden war, in einer Anzahl von
Fällen, theils mit, theils ohne gleichzeitige Verdichtung einer
Lungenspitze, dasselbe gefunden. In der Mehrzahl dieser Fälle
handelte es sich um Veränderungen durch Staubinhalation ohne
gleichzeitig nachweisbare Tuberculose, ohne Fieber und ohne
Tuberkelbacillen im spärlichen katarrhalischen Auswurf. Zu¬
weilen war neben emphysematoser Vergrösserung der übrigen
Lunge lediglich am linken Sternalrand vom Stemoclavicular-
gelenk abwärts ein schmaler Dämpfungssaum neben und z. Th.
auf dem Sternum nachweisbar. Ein sehr lehrreicher Fall dieser
Art befindet sich zur Zeit auf der medicinisehen Klinik. Die bei
demselben nachweisbaren Percussionsverhältnisse auf der vor¬
deren Brustseite zeigt die Figur").
Der Kranke K. H., ein
59 jähriger Dienstmann,
wurde vor Kurzem wegen
heftiger diffuser Bronchitis
in die Klinik aufgenommeu.
Mit dem ausgesprochenen
Habitus eines Emphyse-
matikers ist er ausser¬
ordentlich kurzathmig mit
vorwiegend exspiratori-
scher Dyspnoe. Er hustet
sehr viel mit Anfangs rein
schleimigem, jetzt schlei¬
mig-eitrigem Auswurf,
welcher weder Influenza-,
noch Tuberkelbacillen ent¬
hält. Dabei ist er jedoch
f i e b e r 1 o s , bei einer
Pulsfrequenz von 72—90
und einer Athmungsfre-
quenz von 48—56. Allent-
* • '!
-) Die unterbrochene Begrenzungslinie ist die bei stärkerer
Percussion erhaltene Dämpfungsgrenze.
halben über den Lungen sind laute Rhonehi sonorl und sibllantes
hörbar.
Ein Herzspitzenstoss ist weder sieht- noch fühlbar. Das Herz
etwas vergrössert, die Leber theils durch Tiefstand, theils durch
Vergrösserung weiter in das Abdomen herabreicbend, ln letzterem
geringer Ascites nachweisbar, llaru ehveisshaltlg.
Die Percussion des Thorax ergibt nicht die gewöhnlichen Er¬
scheinungen eines Luugenemphysems. Zwar reicht hinten beider¬
seits der übervolle Percussionsschall bis zur 32. Rippe, vorne aber
sind die Lungenränder unten zurückgedrüngt durch das verbreiterte
Herz, oben retrahirt durch alte Veränderungen in den Lungen.
Dadurch, und vielleicht zum Theil auch durch die Erweiterung
der grossen daselbst l>eiindliehen Venen, treten die Lungenränder
so weit zurück, dass das vordere Mediastinum in
seiner ganzen Ausdehnung von Lunge unbe¬
deckt bleib t.
Feber der r. Lungenspitze findet sich eine geringe Dämpfung.
Dieser Manu hatte in früherer Zeit viele Jahre lang In Paris
als Oonditor, also in sehr stauberfüllter Luft, gearbeitet, hatte dort
im Jahre 1808 zweimal heftiges Blutspucken bekommen, so dass
er 10 Wochen im Hospital zubriugen musste. Er hat darauf hin
die Arbeit als Oonditor aufgegeben.
Offenbar hat er damals, als das Blutspucken auftrat, eine wohl
auf tubereulöser Basis entstandene Affection dar r. Lungenspitze,
deren Ueberrestc noch durch Dämpfung des Percussiousschalles
sich kund geben, und zu gleicher Zeit die entzündlichen Processe
durchgemacht, welche Retraction des oberen Tlieiles, nicht nur
des r., sondern auch des 1. vorderen Lungenrandes zuriickgelassen
haben. Gleichzeitig und in weiterer Folge hat sich dann allmäh¬
lich das hochgradige Emphysem mit den secundären Kreislauf¬
störungen und Herzveränderungeu entwickelt, welche jetzt das
Krankheitsbild beherrschen.
Die Häufigkeit, mit welcher nach meinen Erfahrungen bei
Stau bi nhalationskrankhei teil der Lungen eine derartige mehr
oder weniger ausgedehnte Retraction der vorderen Lungenränder
sich findet, 1 ii s st c i n o genaue topographis e h c
Percussion d o r b c 1 1 r. Gegend als von g r o s s e r
praktischer Wichtigkeit erscheine n. Ein der¬
artiger Befund ist werthvoll nicht bloss für die Diagnose rein
pneumonokoniotisolier Veränderungen in den Lungen, sondern
insbesondere auch bezüglich derartiger, eine L u n g e n t u ber¬
eu 1 o s e complieirender Processe, insoferne als solche Retraction
in das Gebiet der einen Heilungsvorgang bei Tuberculose dar¬
stellenden Veränderungen gehört.
Ihnen gegenüber, m. H., die Sie grossentheils in praktischer
Thätigkeit sich befinden, brauche ich nicht hervorzuheben,
dass es bei der Entwicklung, welche die praktische Seite der
Tubereulosenfrage in neuester Zeit gewonnen, noch um vieles
wichtiger geworden ist, als es früher schon war, dass dev Arzt
sich in jedem Fall von Lungenerkrankung ein möglichst genaue-
Bild von den pathologisch-anatomischen Vorgängen und Ver¬
änderungen in den Lungen zu verschaffen suche. Denn davon
ist zu einem grossen Theil die prognostische Beurtheilung eine
Falles abhängig.
Leider sind wir ja der Tuberculose* gegenüber nicht in der
glücklichen Lage wie bei der Diphtherie, bei welcher es genügt,
die Diagnose der spezifischen Infection zu stellen, um dann in
vielen Fällen durch das specifische Heilserum auch die Heilung
herbeizuführen und gefährlichen Zwischenfällen und Nachkrank¬
heiten vorzubeugen. Der Nachweis der Tuberkelbacillen in einem
Fall von Lungenerkrankung hat, so überaus werthvoll, ja aus¬
schlaggebend er im einzelnen Fall für die Diagnose sein kann,
doch für Prognose und Behandlung lange nicht die Bedeutung,
wie der Nachweis des Diphtheriebacillus für die Diphtherie, da
wir eben eine entsprechend wirksame specifische Behandlung*
methode der Tuberculose gegenüber nicht besitzen. Die erfolg¬
reichste Behandlung der letzteren ist die indirecte, durch
Beeinflussung der Gesammtconstitution des Kranken und mög¬
lichste Behütung der kranken Lunge vor Schädlichkeiten, vor
Allem vor unreiner Luft, während des Ablaufs der in derselben
sieh abspielenden entzündlichen Processe.
Durch die mächtige Bewegung, welche diese bewährte aber
langwierige Behandlungsmethode auch den ärmeren Bevölke-
rungsclassen, die am meisten unter der Krankheit zu leiden
haben, zugänglich machen will, sind dem praktischen Arzt neue,
verantwortungsvolle Aufgaben erwachsen. Denn bei der von
ihm geforderten Beurtheilung Lungenkranker mit Bezug auf die
Wahrscheinlichkeit einer Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähig¬
keit spricht das Ergebniss einer genauen Untersuchung der Brust -
organe, welche ein möglichst annäherndes Bild von den vor¬
liegenden verschiedenartigen Veränderungen in allen Theilen der
Lunge geben soll, eine Hauptrolle. Die Veränderungen aber, auf
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
17. April 1900.
welche ich heute Ihre Aufmerksamkeit habe lenken wollen un i
die hei Tuberculö ;en ebenso Vorkommen wie bei den mit
Pneumonokoniose Behafteten, sind, weil sie Zeiehen eines Ver~
narbungsproccsses darstellcn, oft von ganz besonderer pro¬
gnostischer Wichtigkeit.
Ueber die Ursachen der Herzhypertrophie bei Nieren¬
krankheiten.
Von Dr. August Bier, Professor der Chirurgie in Greifswald.
Ueber die Entstehung der Herzhypertrophie bei Nierenkrank-
beiten gehen die Ansichten der Aerzte noch weit auseinander.
Zwei Theorien sind es besonders, welche den grössten Beifall
gefunden haben.
Traube liess die Hypertrophie durch folgende beiden Ur¬
sachen entstehen: 1) Sollte bei frischen Nierenentzündungen
die entzündliche Schwellung, bei Schrumpfnieren die narbige
Schrumpfung zahlreiche kleine Gefässe veröden oder unwegsam
machen. Dadurch sollte das Gefiissgebiet verkleinert werden,
wodurch bei gleichbleibender Blutmenge eine Erhöhung des
Druckes auf treten müsste. 2) Sollte die verminderte Flüssig¬
keit sabgabe durch die Nieren den Inhalt des Gefiisssystcms ver¬
mehren und so in demselben Sinne wirken.
Die Theorie ist endgiltig widerlegt. Wir wissen, dass die
Verödung oder Sperrung weit zahlreicherer und grösserer Ge¬
fiisse, als bei Nierenkrankheiten in Frage kommen, ohne jeden
dauernden Einfluss auf den Blutdruck bleibt.
Und diejenige Nierenkrankheit, welche in allererster Linie
die Herzhypertrophie verursacht, die Sehrumpfniere, führt nicht
zu einer Verminderung, sondern im Gegentlieile zu einer bedeu¬
tenden Vermehrung der Flüssigkeitsabgabc.
Es kommt hinzu, dass W o r in M ii 11er und L esse r
Tiachgewiescn haben, dass der Blutdruck in hohem Grade un¬
abhängig ist von Schwankungen der Fliissigkeitsmenge, und
dass auch eine sehr bedeutende Vermehrung dos Gelassinhaltes
keineswegs eine dauernde Steigerung des Blutdrucks zur
Folge hat.
Und schliesslich findet überschüssiges Wasser noch ganz
andere Wege, den Körper zu verlassen, als den Durchgang durch
die Nieren.
Ueberholt ist die Theorie T r a u b es durch eine Ansicht,
die schon B r i g h t vertrat, .T o h n s o n aber erst genauer ent¬
wickelte. Diese lässt die Herzhypertrophie durch Verhaltung
von Auswurfstoffen im Körper entstellen, welche die kranken
Nieren nicht in normaler Weise bewältigen können. Sie nimmt
eine Vergiftung des Körpers durch die zurückgchaltenen Harn-
bestandtheile an. Diese sollen all’ die kleinen Körpergefässe,
insonderheit die kleinen Arterien, zur Zusammenziehung reizen,
den Blutdruck dauernd erhöhen und damit eine Arbeitshyper-
tiophic des Herzens hervorbringen.
Aber auch gegen diese Theorie spricht die Thatsache, dass
eine Herzhypertrophie besteht bei zahlreichen Fällen von
Schrumpfniere, welche niemals zu einer Verhaltung von Aus¬
wurfstoffen im Körper geführt haben.
Zahlreiche andere Theorien lehnen sich mehr oder weniger
an diese beiden an, oder sie setzen entzündliche Vorgänge voraus,
welche nicht nur die Nieren, sondern auch das Herz, die Gefässc
oder beide zusammen betreffen sollen. Auch sie sind keineswegs
im Stande, die Erscheinungen zu erklären, und theilweise sehr ge¬
künstelt und gezwungen.
Die Traube’sehe Theorie schliesst die Auffassung derHerz-
vergrösserung als compensatorisehe Hypertrophie schon in sich.
Die Anhänger der Bright-J ohnso n’schen Theorie dagegen
haben meist von dem Gedanken einer Oompcnsation abgesehen.
Sie sehen in den Veränderungen des Herzens und der Gefässe die
Folge einer chronischen Vergiftung. Indessen ist auch hier von
Einzelnen, besonders von O. Israel die Herzhypertrophie als
ein Compensationsvorgang auf gefasst, ohne dass ihre Ansichten
sich allgemein Geltung verschafft hätten.
Ich sehe in der Herzhypertrophie und den sie begleitenden
Gefässveränderungen eine rein compensatorisehe Hypertrophie,
also etwas Nützliches und Nothwendiges, und glaube, dass ohne
sic ein Weiterleben nicht möglich wäre. Ich will versuchen,
dies in Folgendem zu begründen, und alle im nierenkranken
Körper auftretenden Herz- und Gefässveränderungen auf ein-
Digitized by Gooole
527
fache und anerkannte physiologische und physikalische Thai-
sachcn zurückführen:
Die Ludwig’sehe Ansicht, dass die Niere ein einfaches
Filter darstellt, ohne eigentliche Absonderung von Seiten der
Epithelien, gilt als widerlegt. Aber unbestritten ist, dass für
die ITarnabsonderung die Filtration die hervorragendste Rolle
spielt, dass mit dem Steigen des Blutdrucks in der Nierenarterie
die Hurnmenge zunimrnt, beim Fallen abnimmt, und dass beim
Ilernbsinkcn des Blutdrucks unter eine gewisse Höhe die Harn-
absonderung ganz aufhört.
Betrachten wir desshalh zunächst einmal der Einfachheit
halber die Niere als Filter. Jode Nierenentzündung verkleinert
durch Zugrundegehen oder Verlegung von Gefässen dies Filter
ganz erheblich. Uebersehreitet diese Verkleinerung des Filters
eine gewisse Grenze, so kann der Rest nur dann noch genügend
arbeiten, wenn der Filtrationsdurck erhöht wird.
Genau du-selbe muss der Fall sein, wemi auf andere Weise
Nierensubstanz in grosser Menge zu Grunde geht, oder wenn
sich dem filtrirten Harn Hindernisse in den Weg stellen. So hat
man denn auch bei Ilarnstauuug durch unvollkommenen Ver¬
schluss der Harnleiter, bei Cystenniere, Hydronephrose etc. eine
Ilerzhypi rtrophie beobachtet.
Man sollte annelnnen, dass auch künstliche Entfernung
einer Niere Herzhypertrophie oder wenigstens vorübergehende
Elutdriickcrhühung hervorrufen müsste, wenn diese Vorgänge
wirklich eompeiisatorisch wären, ln der Timt hat man an, ;• in der
Regel nach dieser Verstümmlung keine Blutdruck«! : gerung und
keine Herzhypertrophie beobachtet. Dies wird ohne' Weiteres klar,
wenn wir bedenken, dass 1. wir überall mit einem grossen lleber-
chu-s von Gewebe über das not luvend igste Mindest maass hinaus
arbeiten. Dies scheint mir in der Niere in besonders hervor¬
ragendem Maasse der Eall zu sein. Man rufe sich nur in Erinne¬
rung. was Sanier, welche täglich 10—15 Täter Bier zuweilen Jahre
und Jahrzehnte lang ihrem Körper einverleiben, ihren Nieren zu-
nmthen ! Und 2. ist die übrig bleibende gesunde Niere fähig zu
liypert rophireii. und somit das verkleinerte Filter wieder zu er¬
setzen, während die besonders die Herzhypertrophie verur¬
sachende Selmimpfniere diese Fähigkeit nicht hat. sondern im
Gegeiltbeil meist unaufhaltsam weiter schwindet.
Gegen die Auffassung der Herzhypertrophie als Compcn-
sation könnte man nun einwenden, dass dagegen doch mit grosser
Deutlichkeit die weit über die Norm vermehrte Ilarnmenge der
Sehrua.j filiere .-präche. Dass eheint mir in Wirklichkeit ahm* ers
recht auf eine (’ompensation zu deuten. Denn welcher Theorie
über die Harnabsonderung wir auch huldigen mögen, immer stellt
Geh heraus, dass (‘in Vermehrung des Harnwassers entweih r natür¬
lich ist oder mi:- nützlich sein kann. Lassen wir z. B. den Harn von
vornherein als Salzlösung allsgeschieden werden, so weiss Jeder¬
mann, da>s eine verdünnte Salzlösung viel schneller durch ein
Filter läuft, als eine concentrirtere. Das schadhaft gewordene
Filter wird dadurch geschont werden und gleichzeitig mehr leisten.
Lassen wir mit L u d w i g die Epithelien der Harneanälchen den
stark verdünnt ausgeschiedenen Harn eindicken, so erklärt der
Verlust zahlreicher Harneanälchen und Epithelien, dass die Ein¬
dickung nicht in normaler Weise erfolgt.
Indessen sind, wie oben erwähnt, diese Ansichten veraltet.
Wir müssen neben der Filtration mit Bowman und Hei¬
de n li a i n annehmen, dass die Zellen der gewundenen Harn-
eanälchen die Auswurfstoffe aus dem Blute auf nehmen und in die
Canülehen absondern. Aber dann ist erst recht ein sehr reich¬
liches Harnwasser nothwendig, denn von der normalen, abson¬
dernden Zeilenzahl ist nur noch ein Bruehtheil übrig, der die Ar¬
beit der verschwundenen Zellen mitübernehmen muss. Ein raseii
und i n grosser Menge vorbei rieselndes Hamwasser wird die Zellen
viel schneller und wirksamer auslaugen, als ein langsam und spär¬
lich fl iessendes. Dadurch werden die überarbeiteten Zellen vor
Ueberlndung mit giftigen Auswurfstoffen und vor verhängnis¬
voller Ermüdung geschützt.
Diese Annahme steht mit Thatsaehen der Physiologie und
Pathologie im Einklang. Wir wissen, dass selbst die gesunden
Nieren nur im (Stande sind, eine Salzlösung von gewisser Con-
centration nach oben hin auszuscheiden, dass also eine reichliche
Auslaugung der gesunden Zellen nothwendig ist, und nach reich¬
lichem Salzgenusse oder nach erheblichem Stoffumsatz mahnt
uns der quälende Durst, dem salzreichen Blute die nöthige
1 *
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
528
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16
Wassermenge zuzuführen, weil die Nierenepitlielien nicht, im
Stande sind, die Salze ohne die nöthige Wassermenge schnell zu
entfernen.
Bei der Sehrumpfniere kommt aber zuweilen, trotzdem man
noch vorher reichliche Harnausscheidung bemerkt hatte, wie ein
Dieb in der Nacht, der uraemisohe Anfall plötzlich über den
Kranken, und die Harnausscheidung hört selbst gänzlich auf.
Es ist mir desshalb wahrscheinlich, da-s gerade die über die
Norm vermehrte Wasserausscheidung bei der Schrumpfniere die
Componsation darstellt, und dass wir desshalb gerade bei dieser
Krankheit so häufig und in so hohem Grade die Hcrzhypertropliie
beobachten. Diese ist also keine missliche und unangenehme
Folge von Zugrundegehen von Gefässen, von Vergiftung des Kör¬
pers und von Entzündungen des Herzens und der Gefiis.se. son¬
dern im Gegentheil, sie stellt einen ausserordentlich nützlichen
lind nothwendigen Compensationsvorgang dar, ohne welchen der
Kranke nicht weiter leben könnte.
Freilich, die Natur bedient sieh eines verzweifelten Mittels,
um das bedrohte Leben zu retten. Denn es ist bekannt, wie sehr
der übrige Körper unter der für die Harnausscheidung noth¬
wendigen Bl utdru oksteigerung und der Herzhypertrophie zu
leiden hat. Aber es ist das einzige physikalisch denkbare Mittel,
welches überhaupt zu Gebote steht. Ebenso wenig wie wir im
Stande sind, in dem weit verzweigten Röhrcnnotze einer
städtischen Wasserleitung, deren Hähne offen stehen, den Druck
in einem Hahne zu erhöhen, ohne dass dies auch gleichzeitig in
allen anderen geschieht, ebensowenig kann der Körper in der
Hauptarterie einer seiner Provinzen dauernd den Druck erhöhen,
ohne dass die sämintliehen anderen auch davon betroffen werden.
Die weitere Ueberlegung zeigt, dass die Blutdruckerhöhung,
hei der Schrumpfniere insbesondere, für den Körper eine unge¬
heuere Arbeitsleistung darstellt, welche keineswegs nur das Herz,
lind die grösseren Gefässe, welche ja naturgemäss stärker gespannt
werden, sondern das ganze arterielle Gefässsystem bis in die Ca-
pillaren hinein betrifft.
Die Natur verfährt hier gerade so, wie wir es — um in
dem oben erwähnten Vergleiche zu bleiben — mit der Wasser¬
leitung machen müssen, wenn wir einen Hahn unter grösserem
Drucke wollen laufen lassen. Hier sehliessen wir die anderen
ganz oder vollständig und dort verengt der Körper seine kleineren
Gefässe anderer Provinzen, um den nöthigen Blutdruck herzu¬
stellen. Die Verengerung der Gefässe sämmtlicher anderer
Körpertheile ist auch schon desshalb nöthig, weil sonst der er¬
höhte Blutdruck in einzelne, nicht an der Zusammenziehung
betheiligte Gebiete Blut im Ueberfluss hineinpressen würde.
So erklärt sieh meiner Ansicht nach auch die mehrfach be¬
schriebene Hypertrophie der kleinen Gefässe: sie ist ebenfalls
eine echte und nothwendige Arbeitshypertrophie.
Bedenkt man, dass der Mensch mit Schrumpfnieren zuweilen
noch Jahrzehnte lebt, so versteht man, welch’ eine gewaltige Ar¬
beit derselbe fortdauernd mehr leisten muss, als ein normaler
Mensch. Sein ganzes arterielles Gefässsystem ist dauernd über¬
arbeitet. Da ist es kein Wunder, dass, wie schliesslich das hyper¬
trophische ITerz, so auch die Gefässe versagen, und sieh Ent¬
artungszustände bei ihnen herausbilden, wie wir das ja von
anderen dauernd überlasteten hypertrophischen Geweben wissen.
Ich glaube, dass man hier vielfach Ursache und Wirkung
verwechselt hat, indem man krankhafte Gefässe als gemeinschaft¬
liche Ursache von chronischen Nierenentzündungen und Herz-
hjpertrophie beschuldigte, während umgekehrt die Krankheit der
Gefässe erst die versagende Hypertrophie darstellte, welche so
lange das Nierenleiden eompensirt und verdeckt hatte. Damit
will ich keineswegs behaupten, dass nicht auch Gefässkrankheiten
die Ursache von Schrumpf niere sein können.
Wir hätten nach dieser Anschauung also Herz- und Arterien¬
hypertrophie als etwas Nützliches zu betrachten. Gleichzeitig
aber zeigt das Krankheitsbild der chronischen Nierenentzündung
auf das Schönste die Schädlichkeit dauernd erhöhten Blutdruckes
und beweist ferner, welche gewaltige Kraftentwicklung noth-
wendig ist, um den erhöhten Druck auch nur in einem einzigen
kleinen Körpertheile auf traten zu lassen. E]s ist eben unmöglich,
ihn auf diesen zu beschränken, sondern es folgt aus einfachen
physikalischen Gesetzen, dass man in einer verzweigten Rohr¬
leitung, welche d«#ch ein Pumpwerk gespeist wird, nicht au einer
□ igitizedby CjOOQlC
einzelnen Stelle den Druck erhöhen kann, ohne dass die ganze
Leitung davon betroffen wird.
Diese Ueberlegung war für mich der Grund, mich überhaupt
mit den mir als Chirurgen ferner liegenden Ursachen der Herz-
hypertrophie bei Nierenentzündungen zu befassen. Ich habe mich
bemüht, die Ansicht der Chirurgen, dass nach Sperrungen grosser
Arterien und nach anderweitigen Störungen des arteriellen
Zuflusses lediglich eine Drucksteigerung — die sogenannte
collaternle Wallung — dem geschädigten Körpertheile
das nothwendige Blut zuführt, zu widerlegen. Der Kör¬
per bedient sieh hier eines ganz anderen und viel wirk¬
sameren Mittels: er setzt die Widerstände für den Blut¬
kreislauf vor Allem in den kleinen Gefässen (hier liegt der
Hauptwiderstand) des geschädigten Gebietes je nach Bedürfnis*,
im Nothfalle sogar bis aufs Aeusserste herab. Dadurch entfaltet
er für den Blutzufluss und den Blutumlauf in diesem Theile
eine viel grössere Kraft, als sie die im Bereich des physiologisch
Möglichen liegenden Drucksteigerungen jemals hervorbringen
können. Ferner kommt die ganze Kraft dem geschädigten Theile
zu Gute, während eine Drucksteigerung, die dasselbe erreichen
soll, wie wir sehen, eine ungeheuere Kraftverschwendung darstellt
mit Schädigung des ganzen übrigen Körpers, welcher diese Steige¬
rung nicht nöthig hat.
Dies sind eben 2 grundverschiedene Dinge: In dem zuletzt ge¬
schilderten Falle, bei Störung des arteriellen Zuflusses, bedarf es
nur einer reichlichen Durchströmung des geschädigten Theile*
mit frischem Blute, aus dem die hungernden, vergifteten und er¬
stickenden Zellen sich die Nahrung auswählen und in das sie ihre
Auswurfstoffe abgeben. Strömung aber wird durch Druck¬
differenz erzeugt. Dort in der geschädigten Niere dagegen
soll in höherem Grade filtrirt werden. Filtration aus den Ge¬
fässen aber bedarf einer gewissen absoluten Druckhöhe.
Widerstandsherabsetzung in den kleinen Gefässen würde im
Gegentheil den Druck erniedrigen und schädlich wirken. Druck¬
erniedrigung würde hier nur einen Sinn haben, wenn sie in den
harnableitenden Wegen stattfände. Die aber sind nach ihrem
Bau ganz und gar nicht dafür eingerichtet.
Es wäre nun noch die Frage zu erledigen, wodurch denn die
compensatorische Herzhypertrophie hervorgerufen wird. Hier
haben wir uns zunächst zu erinnern, dass wir eigentlich über die
Ursachen der compensatorischen Hypertrophie überhaupt nichts
weiter wissen, als dass sie eintritt, wo sie nöthig ist. Immerhin
aber helfen wir uns bei den gewöhnlichen Fällen dieser Art da¬
durch, dass wir sagen, der erhöhte Stoffwechsel, den die vermehrte
Thätigkeit des geschädigten Organs hervormfe, lasse die Theile
hypertrophisch werden.
Wollen wir diese Umschreibung der Thatsaehen wirklich als
Erklärung gelten lassen, so lässt sie sich ohne Weiteres auch auf
die in Rede stehende compensatorische Herzhypertrophie an-
wenden. Denn es ist eigentlich nicht richtig, wenn wir sagen,
allein die Niere bereite den Harn. Ausser der Secretion ist. wie
bereits auseinandergesetzt, eine Filtration nothwendig, und diese
wird in erster Linie nicht durch die Nieren, sondern durch das
Herz bewirkt. Niere und Herz scheiden also den Harn aus.
und bis zu einem gewissen Grade kann das eine Organ das andere
vertreten. Der Reiz des vermehrten Stoffwechsels wird also
gleichzeitig auf beide wirken.
Wir kennen nun aber nur zweierlei Reize für unsere Gewebe
und Organe, physikalische und chemische. Dass rein physikalische
Reize, ausgehend von einer Wasserüberfüllung des Körpers, oder
Zugrimdogehen von Gefässen, bei der in Rede stehenden Herz¬
hypertrophie im Spiele sind, ist, wie bereits auseinandergesetzt,
im höchsten Grade unwahrscheinlich, es blieben also nur che¬
mische übrig. Und da liegt ja in der That am nächsten, die
zurückgehaltencn Harnbostandtheilc als diese Reizmittel anztt-
sehen, zumal wir ja wissen, dass einzelne derselben blutdrook-
erhöhende und harntreibende Stoffe sind. Man braucht desshalb
noch lange nicht eine Vergiftung des Körpers durch zuriick-
gchaltenc Tfarnbestandtheilc anzunehmen. Ist die Herzliypor-
trophie soweit ausgehildet, dass sie, wie bei vielen Fällen von
Sehntnn»fniere mfrifft. völlig alle diese Stoffe aus dem Körper
entfernt, so können wir hier ebenso wenig von einer Harnvergif¬
tung. wie hei einem völlig compensirten Herzfehler von einer
Kohlen säure Vergiftung sprechen. Die Vergiftung tritt in beiden
Fällen erst ein, wenn die eompensirende Hypertrophie versagt.
oder an der Grenze des physiologisch Möglichen angelangt ist.
DiTgiral mfrn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Höchst interessant ist die in neuerer Zeit von R. Tiger¬
stedt im Skandinavischen Archiv für Physiologie (8. Band) be¬
schriebene Entdeckung des Benins. So nannte Tigerstedt
einen Stoff, welchen er aus Nieren herstellte, und welcher in das
Blut eingespritzt sehr wesentlich den Blutdruck erhöht. Der
Stoff verursacht diese Erhöhung in erster Linie durch Ein¬
wirkung auf die peripheren Gefässnerveneentren. Tigerstedt
macht darauf aufmerksam, dass das Benin „von Bedeutung für
die theoretische Erklärung der bei gewissen Nierenleiden auf¬
tretenden Herzhypertrophie sein könnte“. Nachdem der Gedanke
„der inneren Secretion“ von Brown- Sequard immer mehr
zur Anerkennung gelangt ist, und nach den merkwürdigen Er¬
fahrungen, welche wir an der Schilddrüse gesammelt haben, ist
ja eine solche Auffassung auch durchaus berechtigt.
Aber, wie bereits erwähnt, wir sind über die eigentlichen Ur¬
sachen compensatorischer Vorgänge durchaus noch nicht aufge¬
klärt und nicht viel weiter, als J. Hunter vor langen Jahren war,
welcher sagte, der Stimulus necessitas schafft sie, sie treten ein,
wo sie nöthig sind.
Ich beabsichtige auch durchaus nicht, diese weittragende und
dunkle biologische Frage zu behandeln. Ich wollte zeigen, dass
es höchst wahrscheinlich ist, dass eine compensatorische Druck¬
steigerung in den Gefässen der Niere für das Weiterleben der
Nierenkranken dringend nothwendig ist, und dass diese Druck¬
steigerung nach einfachen pysikalischen Gesetzen sich gar nicht
anders herstellen lässt, als wir es im nierenkranken Körper finden.
Neue Beiträge zur Pathologie der Speiseröhre.
Von Professor Dr. W. F 1 e i n e r in Heidelberg.
Seit meiner ersten klinischen Mittheilung über jene ange¬
borenen Formveränderungen der Speiseröhre, welche Fr. Arnold
und Luschka als zufällige Leichenbefunde erwähnt und als
Vormagen oder Antrum cardiacum bezeichnet haben,
gaben mir 6 neue Fälle dieser Art Gelegenheit, die specielle Patho¬
logie und Therapie dieser sehr merkwürdigen Zustände weiter
auszubauen.
Die ausführliche Wiedergabe der Krankheitsgeschichten
aller dieser Fälle ist hier nicht am Platze, dagegen möchte
ich an einem besonders typischen Falle die Krankheits¬
erseheinungen und an zwei Sectionsbefunden diepatho-
logischen Verhältnisse schildern, mit welchen wir es
hier zu thun haben. Im Uebrigen verweise ich auf die Disser¬
tation NettePs (Arch. f. Verdauungskrankheiten, TV. II. 1898),
auf meine Referate in der Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 7
und im Centralblatt f. Chirurgie 1899, No. 49, endlich auf eine
demnächst erscheinende Arbeit von Vogelsang (Schuls-
Tarasp), welche auch die einschlägige Literatur eingehend be¬
rücksichtigen wird.
•
I. Pathologische Verhältnisse.
Den ersten Sectionsbefund verdanke ich Herrn Dr. Fisch¬
bach in Karlsruhe. Er wurde erhoben bei einer an Peritonitis
Dach Durchbruch eines Gallenblasenempyems verstorbenen 53 jähr.
Frau, welche schon von jungen Jahren an an Schluck¬
beschwerden, M a g e n k r ä m p f e n, Würgen und
Wiederkäuen gelitten hatte. Schon aus den Schilderungen
des Leidens, welche mir die nervöse Tochter jener Frau machte,
als sie ein ähnliches Leiden wie ihre Mutter zu haben fürchtete,
liess sich ein Vormagen bei der Mutter vermuthen. In der
That fand sich, wie Herr Dr. Fischbach mir auf eine dies¬
bezügliche Anfrage mittheilte, dicht über der Cardia
ein schlaffwandiger, flaschenbauchähnlicher
Sack von der Grösse einer starken Mannesfaust.
Die Cardia selbst war normal structurirt, aber
ziemlich enge. Vergl. die nebenstehende schematische Zeich¬
nung. Fig. 1.
Auf einen zweiten, zufälligen Sectionsbefund hatte Prof.
E r n s t die Freundlichkeit, mich aufmerksam zu machen.
Es handelte sich um eine 47 jährige Frau, welche seit vielen
Jahren krank war und an einem complicirten Herzfehler, an
Knochentuberculose, an tuberculöser Peritonitis, Darmgeschwüren,
Verwachsungen zwischen Gallenblase und Kolon und endlich an
einer Darmfistel gelitten hatte. Besondere Krankheitserschei¬
nungen, welche auf die Speiseröhre hinwiesen, waren in der
Krankengeschichte nicht erwähnt. Dass solche aber da waren,
ist zweifellos, nur sind sie wahrscheinlich neben den vielen
anderen Klagen der Kranken nicht besonders beachtet oder anders
gedeutet worden. Genauere Nachforschungen bei Angehörigen
oder früheren Aerzten der Kranken konnte ich leider nicht an¬
stellen.
Bei der Autopsie der Brusthöhle dieser Frau zeigte sich
unmittelbar oberhalb des Zwerchfells ein bläu¬
lich verfärbter, schlaffwandiger Sack, welcher anscheinend Luft
und Flüssigkeit enthielt. Nach der Herausnahme von Speise¬
röhre und Magen im Zusammenhang erwies sich dieser Sack als
eine spindelförmige Erweiterung der Speise¬
röhre, ein Vormagen.
Die Grösse des Vormagens entspricht derjenigen eines kleinen
Apfels. Seine Wandung ist viel dünner als diejenige der übrigen
Speiseröhre und des Magens; weder am oberen noch am unteren
Pole der Spindel findet sich eine Einschnürung oder sonstwie
gekennzeichnete scharfe Abgrenzung. Da wo die Speiseröhre
sich ampullenförmig auszuweiten beginnt, tritt die Längs-
musculatur der Speiseröhre bündelförmig aus¬
einander und lässt sich in Gestalt weisslicher
isolirter Streifen in der Wand der Ampulle
nach abwärts verfolgen. Gegen den unteren Pol zu
treten diese isolirten Muskelbündel näher zusammen und bilden
vom Zwerchfell an wieder eine gleichmässige Schicht. (Siehe
Fig. 2.)
Fig. 1. Fig 2.
( 2 / 3 der natürlichen Grösse.)
Die Wandung der Speiseröhre ist oberhalb der spindel¬
förmigen Erweiterung nicht verdickt, die Musculatur also nicht
hypertrophisch. Auch an. der Cardia ist die Wandung nicht
dicker anzufühlen, als an einer anderen Stelle des Magens. Eine
Schlundsonde mittlerer Dicke stösst weder am oberen noch am
unteren Pole der Ampulle auf ein Hinderniss.
Ueber das Verhalten der Schleimhaut kann ich leider keine
Angaben machen, da das Präparat unversehrt gehärtet und der
Sammlung des pathologischen Instituts einverleibt wurde. Leider
hat es bei der Härtung viel von seiner Form verloren, auch die
Grössenverhältnisse treten nicht mehr so deutlich zu Tage,
Aus letzterem Grunde wäre zu empfehlen, solche Präparate
in gefülltem oder aufgeblähtem Zustande zu conserviren. Wahr¬
scheinlich würde man auch häufiger auf solche Befunde stossen,
wenn man, wie schon Kussmaul es anrieth, in zweifelhaften
Fällen noch in situ Speiseröhre und Magen mit Wasser oder
Luft anfüllte, oben und unten unterbände und dann in toto
aus der Leiche nähme.
In diesen beiden Fällen haben wir spindelförmige
Erweiterungen im untersten Abschnitt des Brusttheils der
Speiseröhre dicht über dem Zwerchfell vor uns: wirk¬
liche Vormagen. Nun gibt es aber auch noch Ausbuchtungen
und spindelförmige Erweiterungen der Speiseröhre unterhalb
des Zwerchfells. Diese sind kleiner und anscheinend auch
seltener als jene.
Nach Luschka besitzt die Pars abdominalis der Speise¬
röhre, d. h. der Abstand vom Zwerchfell bis zur oberen, durch
die Ora serrata gekennzeichneten Magenmündung nur eine ge¬
ringe, höchstens 3 cm betragende Länge. Im Allgemeinen hat
sie eine trichterförmige Gestalt. Nur der linke Theil der Basis
Vo 16.
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2
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
530
des Trichters pflegt durch eine Rinne deutlich vom angrenzenden
Blind sacke des Magens geschieden zu werden. Ausnahmsweise
findet jedoch eine deutliche Abgrenzung des ganzen Umfangs
der Pars abdominalis der Speiseröhre vom Magen durch eine
vollständige Ringfurche statt, so dass der Bauchtheil
des Oesophagus als eine annähernd ovale Auftreibung erscheint.
Jene Ringfurche kann, wie dies schon Blasius vor mehr als
200 Jahren gesehen hat, (cit. bei Luschka) so tief und die Auf¬
treibung so beträchtlich werden, dass die Pars abdominalis der
Speiseröhre wie ein eigener, sackartig erweiterter und abge¬
schnürter Anhang des Magens aussieht.
In drei von meinen Fällen schien nach den Sondirungs-
ergebnissen nicht nur eine Erweiterung der Speiseröhre, son¬
dern oberhalb von einem Vormagen noch eine zweite, ja sogar
eine dritte spindelförmige Erweiterung der Speiseröhre vorhanden
zu sein.
Es ist möglich, dass solche höher gelegene Erweiterungen
sich erst später, in Folge der durch ein Antrum cardiacum oder
durch einen Vormagen bedingten Stauung, entwickelt haben.
Die sehr interessanten Mittheilungen Mehnert’s machen es
aber wahrscheinlich, dass ebenso wie ein Vormagen oder ein
Antrum cardiacum, jene höher gelegenen Speiseröhrenerweite-
rungen angeboren oder wenigstens in der Anlage ange¬
boren sind. Sie können, wie das nebenstehende Schema von
M e h n e r t zeigt, an vielen Stellen der Speiseröhre Vorkommen.
(S. Fig. 3.)
Nach M e h n e r t präsentirt
sich der primitive Schlunddarm
(die spätere Speiseröhre) als eine
rosenkranzähnliche Röhre. Jeder
zwischen zwei Einschnürungen
oder Engen gelegene Spindel¬
abschnitt entspricht einer meta-
meren Darmeinheit und muss als
Enteromer bezeichnet werden.
Die Zahl (Maximalzahl) der En-
teromere entspricht der Zahl der
Wirbel, die Zahl der Engen der
Speiseröhre entspricht der Zahl
der Zwischenwirbelscheiben.
Die erste Einschnürung oder
die oberste Enge liegt am Ring¬
knorpel. Die letzte ist jene Ring-
furchc, welche das Antrum car¬
diacum vom Magen abgrenzt.
^*8* Ueber dem Zwerchfell liegen 11
Spindelabschnitte, unterhalb derselben nur ein einziger (Meh¬
ner t). Dieser letztere Abschnitt kann sich zum Antrum car¬
diacum erweitern, während die dicht oberhalb vom Zwerchfell
gelegene Erweiterung den Vormagen bildet.
Höher gelegene Erweiterungen der Speiseröhre befinden sich
oberhalb von einer sog. physiologischen Enge. Die be¬
kanntesten unter den letzteren entsprechen dem Ringknorpel,
dem Aortenbogen, der Trachealbifurcation, dem linken Bronchus,
dem Hiatus oesophageus. Die den physiologischen Engen der
Speiseröhre entsprechenden Stellen erkranken am leichtesten und
werden auch am häufigsten zum Sitze von Verätzungsstricturen
(v. Hacke r).
Was die Grösse der tiefsitzenden Speise¬
röhrenerweiterungen anbelangt, so ist dieselbe, wie kli¬
nische Beobachtungen lehren, sehr verschieden, ja sogar bei einem
und demselben Individuum grossem Wechsel unterworfen. In
den vorhin erwähnten Leichenbefunden hatte das eine Mal der
Vormagen die Grösse einer starken Mannesfaust, das andere Mal
diejenige eines kleinen Apfels. In einem dritten, mir durch eine
persönliche Mittheilung KuasmauTs bekannt gewordenen
Falle, war bei einer älteren Frau die Speiseröhre, von einem Vor¬
magen ausgehend, in einen Sack verwandelt, dessen Grösse der¬
jenigen des zusammengeschrumpften Magens gleichkam.
In der schlaffen Wandung dieses Speiseröhrensackes waren
noch Ausbuchtungen secundärer Art, welche Nischen und
Buchten für sich bildeten und an ein ähnliches Verhalten der
überdehnten Harnblase (Vessie ä colonnes) oder an die Haustra
des Kolon erinnerten.
□ igitized by Google
Bei allen klinisch behandelten Fällen habe ich von Zeit
zu Zeit den Rauminhalt der Speiseröhrenerweiterungen ge¬
messen und im Beginne der Behandlung ganz andere Zahlen er¬
halten, als bei der Entlassung oder später, nach länger fort¬
gesetzter Selbstbehandlung. Die nebenstehende Tabelle gibt einen
Ueberblick über diese Zahlenverhältnisse.
Rauminhalt tiefliegender, angeborener Erweiterungen der
Speiseröhre .
Diagnose
Im Beginn
der
Behandlung
Bei der Ent¬
lassung
Fall J.
7 jähr. Knabe
Antr. cardiac.
I
| 75 ccm
20—30 ccm
bisweilen leer
Fall H.
41 jähr. Mann
(cf. Netter)
tiefsitzende
spindelf. Erweiterung
der Speiseröhre
angeblich
1 bis
1000 ccm
200-100-50 ccm
Fall K. B.
30 jähr. Mann
Vormagen
| 400 ccm
140—100 später
30—25 ccm
bisweilen leer
Fall J. A.
23 jähr. Mann
Vormagen
! fast
500 ccm
250—180 ccm
Fall M.
25 jähr. Frau
Vormagen
■ 250 ccm
!
50—30 ccm
bisweilen leer
Fast möchte ich sagen, dass nach diesen Zahlen
auch die Beschwerden der Kranken sich be¬
messen lassen, denn je grösser das Volumen der in der
Speiseröhre angestauten Massen ist, desto schlimmer ist auch das
Leiden. Jede durch die Behandlung erzielte Verminderung der
Anstauung bedeutet ein Kleinerwerden des Sackes und eine
Besserung im Befinden. Gelingt es, die Durchgängigkeit der
Speiseröhre wieder so weit herzustellen, dass eine ausreichende
Nahrung in den Magen gelangt, ohne dass nennenswerthe Mengen
im Speiseröhrensacke zurückbehalten werden, so hat die Behand¬
lung die Grenzen der Möglichkeit erreicht und es kann dann
Wohlbefinden bestehen: Allerdings bleibt die Dis¬
position zu Rückfällen oder besser gesagt zu Verschlim¬
merungen zeitlebens und zwingt die Träger von an¬
geborenen Form Veränderungen der Speiseröhre zu dauernder
Vorsicht im Essen und Trinken und zu man¬
cherlei Entsagungen.
Annähernd richtige Vorstellungen von der eigent¬
lichen Grösse eines angeborenen Vormagens gibt uns nun
das kleinste Maass der nach der Durchführung
einer kunstgerechten mechanischen und diätetischen
Behandlung zurückbleibenden Erweiterung
der Speiseröhre. Meine vorhin gegebene Tabelle zeigt für solche
nach der Behandlung restirende (also auch ursprünglich da¬
gewesene) Ausbuchtungen Zahlenwerthe von 20—50 ccm Raum¬
inhalt. Rechnet man hinzu, dass nicht alle Flüssigkeit oder Luft
aus dem Vormagen mit Hilfe der Sonde zu entnehmen war, so
dürfte der Rauminhalt um 10—20 ccm grösser sein, also ein
V ormagen 30—70 ccm fassen. Ueber diese Zahlen erhebliche
hinausgehende Werthe deuten auf Vergrösserungen eines
Vormagens durch Stauung.
Die Form angeborener Speiseröhrenerweiterungen ist in
der Regel s p i n d el i g. Auch in meinen secirten Fällen hatten
die Vormagen regelmässige, spindelige Gestalt. Diese Regel¬
mässigkeit scheint sich aber mit Zunahme der Ausweitung der
Speiseröhre verlieren zu können, wenn an Stellen der Speise¬
röhrenwandung, wo die Muskelbündel weiter auseinander¬
getreten und dünner sind, durch Stauung eine stärkere Dehnung
stattfindet, als an anderen. Ein gleiches Verhalten ist bei der
Rückbildung eines grösseren Sackes möglich, wenn der muskel¬
kräftigere Theil seiner Wandung sich rascher und energischer
zusammenzieht, als der muskelschwächere Theil. Durch solche
ungleichmässige Dehnung oder ungleichmässige Zusammen¬
ziehung nimmt der dehnbare Abschnitt der Speiseröhre bei seiner
Füllung eine unregelmässige Gestalt an, welche die Sondirung
ausserordentlich erschwert. Auf Grund meiner Sectionsbefunde
und unter Zuhilfenahme einer grossen Zahl von Sondirungen
habe ich die beistehenden schematischen Figuren hergestellt,
welche erklären sollen, warum oftmals — trotz weiter Durch¬
lässigkeit der Cardia — die Sondirung der Vormagen so grosse
Schwierigkeiten bietet.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
531
Fig. 4 a zeigt die regelmässige Spindelform eines Vormagens;
cier obere und untere Pol der Spindel liegt in der Achse der
Speiseröhre. Die Sondirung. d. h. die Einführung einer weichen
Sonde in den Magen gelingt leicht und regelmässig, wenn sie mit
guten Instrumenten schonend und vorsichtig ausgeführt wird.
Bei einer Form des Vormagens, wie in Fig. 4 b, kann die
Sondirung ganz verschiedene Ergebnisse haben, einmal leicht ge¬
lingen, das anderemal grosse Schwierigkeiten machen, sogar ver¬
sagen. Die Sonde gelangt leicht in den Magen, wenn sie längs
der wenig ausgebuchteten — rechtsseitigen — Wand des Vor¬
magens hinabgleitet. Das Sondenende stösst aber auf Wider¬
stand, fängt sich und biegt sich um, wenn es längs der stark
ausgebuchteten — linksseitigen — Wand herabgleitend von der
Speiseröhrenachse abweicht. Eine halbharte Sonde leistet in
solchen Fällen oftmals bessere Dienste, als eine weiche.
Fig. t
Die Fig. 4 c lässt erkennen, dass durch vorwiegend einseitige
Ausbuchtung der Speiseröhrenwandung der Vormagen eine sack¬
förmige, divertikelähnliche Gestalt angenommen hat und die Aus¬
mündung dieses Sackes in den Magen ganz aus der Achse der
Speiseröhre hinausgerückt ist. In Fällen dieser Art, auch bei
dem am meisten divertikelähnlichen, halbseitigen Antrum cardiac.
(Fig. 4 d) erfordert die Sondirung die grösste Vorsicht und Ge¬
schicklichkeit. Mit nicht zu weichen Sonden muss zuerst die
Lage des Eingangs in den Magen aufgesueht werden, wobei
Schluckbewegungen und bestimmte, je nach dem einzelnen Falle
verschiedene Stellungen des Kopfes, der Hals- und Brustwirbel¬
säule und Schluckbewegungen erleichternd mithelfen können.
Auch die halbweichen französischen Schlundsonden mit stumpf¬
winkeliger Knickung des Sondenendes, welche ich mir nach dem
Vorbilde des Mercierkatheters hersteilen liess, sind für solche
Fälle sehr zweckmässig. (Ausführlicher über die Sondirung wird
Vogelsang in seiner Arbeit berichten.)
Die Aehnlichkeit zwischen sackförmigen Erweiterungen der
Speiseröhre ober- und unterhalb vom Zwerchfell mit Divertikeln
führt zur Frage, ob nicht überhaupt ein Vormagen, ein Antrum
cardiacum und ein tiefsitzendes Divertikel ganz gleichwerthige
Bildungen seien. Eine bestimmte Antwort lässt sich beim Mangel
genügender anatomischer Belege zwar nicht geben, doch neige ich
zur Bejahung dieser Frage aus folgenden Gründen: Die letzte Ur¬
sache eines spindelförmigen Vormagens oder eines regelmässig ge¬
stalteten Antrum cardiacum ist nicht immer eine abnorme
(physiologische) Enge an der Cardia oder am Hiatus oesophagi.
Ebenso gut und ebenso häufig kann sie in einer abnormen Nach¬
giebigkeit oder Dehnbarkeit der Wandung eines Mehner t’schen
Speiseröhrenspindelabschnitts oder Enteromers liegen, die durch
ein Auseinandertreten der Muskelbündel (wie in Fig. 2) bedingt
ist. Nur im ersten meiner Sectionsbefundo ist von einer ziem¬
lich engen Cardia die Rede, in allen anderen Fällen bestand
keine organische Stenose und die Sondirung wurde stets mit
Schlundsonden üblicher Weite (J a q u e’s Patent No. 20—22) aus¬
geführt. Im Falle H., den ich durch Netter beschreiben liess,
benutzte der Patient einen ganz ungewöhnlich weiten Schlauch
von 60 mm Umfang, der ohne alle Schwierigkeiten in den Magen
binabglitt. Weil ich das eigenthümliche anatomische Verhalten
der Muskelschicht damals noch nicht aus Anschauung kannte,
führte ich die aussergewöhnlich starke Speiseröhrenerweiterung
jenes Falles auf oesophageale Atonie zurück. Die Schlaffheit
lind abnorme Dehnungsfähigkeit der Speiseröhren wandung war
aber vermuthlich nicht eine functionelle Schwäche, son¬
dern eine organische. Findet nun ein Auseinandertreten
einzelner Müskelbündel gleichmässig im ganzen Umfang eines
enteromeren Speiseröhrenabschnittes statt, wie in Fig. 2, so ent¬
steht eine spindelförmige Erweiterung, beschränkt
sich dagegen jene musculäre Schwächung nur auf einen Theil des
Anfangs eines Speiseröhrenenteromers, so entsteht eine um¬
schriebene, sackförmige Ausbuchtung, ein Divertikel.
(Schluss folgt.)
Aus dem städtischen Krankenhause in Kiel.
lieber die Glycosurie der Vaganten.
Von G. Hoppe-Seyler in Kiel.
In den letzten Jahren sind im städtischen Eirankenhause in
Kiel mehrere Fälle von vorübergehender Glykosurie bei Leuten
zur Beobachtung gekommen, welche vor der Aufnahme ein un¬
regelmässiges Wanderleben geführt, sich während dieser Zeit
schlecht ernährt und vielen Strapazen ausgesetzt hatten.
Da vorübergehende (transitorische, passagere) Glykosurien,
welche nicht auf der Einwirkung von Giften beruhen, ein gewisses
Interesse darbieten, so möchte ich auf diese Fälle hier näher ein-
gehen, zumal in der Literatur, so viel ich weiss, diese Vaganten-
glykosurie bisher noch nicht beschrieben ist.
Es handelt sich hauptsächlich um folgende 5 Fälle:
1) L. O., 34 Jahre alt, Handschuhmacher. Will seit 19 Jahren
öfters an Magenbeschwerden (Druckgefühl, Appetitlosigkeit, Sod¬
brennen, sauerem Aufstossen etc.) leiden. Vor 3 Jahren und vor
% Jahren Magenblutung. Oefters Herzklopfen bei Anstrengung.
Am Tage vor der Aufnahme Marsch von 55 km. In der letzten
Zeit überhaupt starke Märsche, wobei die Nahrung fast nur aus
Brod und Kartoffeln bestand.
Status bei der Aufnahme am 8. Juni 1899: Mittlere Grösse,
gute Musculatur, Haut zum Theil dunkel pigmentirt (in Folge
von Pediculi und Unreinlichkeit), Füsse wund und geschwollen.
Lungen: nichts Abnormes. Herz: relative Dämpfung etwas
vergrüssert, 1. Ton an der Spitze etwas unrein. Leber: ver-
grössert, etwas härter als normal, besonders der linke Lappen.
Urin enthält 0,7 Proc. Zucker, kein Eiweiss, kein Indoxyl.
Schon am nächsten Tag kein Zucker mehr im Urin, obwohl
Patient die gewöhnliche, reichliche Mengen von Kartoffeln, Brod,
Hülsenfrächten etc. enthaltende Krankenhauskost genossen hat.
Am 11. Juni erhält Pat. 100 gTraubenzucker Morgens
nüchtern, ohne dass danach Zucker im Urin auf tritt.
Die Urinmenge schwankte zwischen 1100 und 2200 ccm
pro Tag, das specif. Gewicht zwischen 1012 und 1023.
Am 23. Juni geheilt entlassen.
2) Kr. F., 37 Jahre alt, Schneider, trinkt angeblich nur selten
Schnaps. Keine venerischen Erkrankungen. 1868 Typhus. Seit
i897 öfters Krampfanfälle, anscheinend epileptischer Art. 1898
Diphtherie.
Seit einigen Tagen heftiger Durst, Abmagerung, Obstipation,
heftige Schmerzen im Abdomen und Brust. In der letzten Zelt
grosse Märsche, hauptsächlich vegetabilische Kost. In den letzten
Tagen kein Krampfanfall.
Status am 17. Aug. 1899. Kräftig gebauter, grosser Mann.
Lungen: Emphysem. Herz: relative Dämpfung: 5,5 cm nach
rechts, 14 cm nach links die Mittellinie überragend; Töne rein.
Leber: vergrössert. Meteorismus. Urin: etwa 0,5 Proc.
Zucker.
Am 18. Aug. kein Zucker mehr im Urin, reichlich Indoxyl,
kein Eiweiss.
Am 24. Aug. Morgens nüchtern 200 gTraubenzucker.
Danach reducirt nur der eine halbe Stunde später gelassene Urin
etwas stärker als normal, dann fehlt aber der Zucker vollständig.
Am 4. Sept. entlassen.
3) Sehr. H., 44 Jahre alt, Arbeiter. Trinkt % Liter Schnaps
täglich. 1887 Gonorrhoe. Seit einem Fall auf das linke Knie im
October 1898 häufig Schmerzen und Schwellung daselbst. Zieht Im
Lande umher und hält sich bald hier, bald da seines Knieleidens
wegen In Krankenhäusern auf. Seit dem 21. Aug. 1899 wieder auf
Wanderschaft, kommt er am 15. Sept. 1899 wegen Beschwerden im
Knie zur Aufnahme.
Status: Mittelgross, blass, schlecht genährt. Temperatur
38°. Etwas Hydrops und Crepitiren im linken Knie. Lungen:
Emphysem. Herz: relative Dämpfung 6,5 cm nach rechts,
12.5 cm nach links die Mittellinie überragend; Töne leise, rein.
Leber: vergrössert, überragt um 7 cm den Rippenbogen in der
rechten Mammillarlinie. Urin: deutliche Zucke rreaction, quan¬
titativ nicht genau bestimmt. Jedenfalls über 0,5 Proc.; reichlich
Indoxyl, kein Eiweiss.
Am 16. Sept. kein Zucker mehr im Urin, er tritt auch nicht
wieder auf.
Am 18. Sept. Morgens nüchtern 100 gTraubenzucker,
es tritt danach kein Zucker im Urin auf.
Am 1. Nov. entlassen, kehrt Pat. am 3. Nov. wieder. Im Urin
kein Zucker. Nach Probefrühstück eine Stunde später fast gar
nichts mehr im Magen.
2 *
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
532
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16-
4) R. J., 21 Jahre alt. Maurer, Trinkt seit 1 Jahre täglich für
10 Ffg. Schnaps und ausserdem 0 Flaschen (zu % Liter) Bier.
Seit 14 Tagen auf Wanderschaft, hat Pat. täglich grosse
Strecken zurückgelegt und sich dabei nur mangelhaft ernährt.
Wegen allgemeiner Schwäche, starken Durstes, Appetitlosig¬
keit, wunder Fiisse, Brustschmerzen und Husten am 15. Dec. 1899
auf genommen.
Status: Mittelgross, kräftig gebaut, blass. Temperatur
normal. Lungen: etwas Emphysem und diffuse Bronchitis.
Herz: Stöss verbreitert, hebend; absolute Dämpfung 5 cm hoch,
7 cm breit ; relative reicht 6 cm nach rechts, 14 cm nach links über
die Mittellinie; systolisches Blasen an der Spitze und im 2. linken
Intercostalraum. Starker Meteorismus. Obstipation. Leber:
stark vergrössert. deutlich palpabel, resistenter, als normal; linker
Lappen reicht 9,5 cm über die Mittellinie nach links, unterer Rand
überragt um 4.5 cm den Rippenbogen in der rechten Mammillarlinie.
M a gen: etwas dilatirt. Urin: gibt deutliche Zucker reaction
(T r o m iner' sehe, O - Nitrophenylpropiolsäure-, Gährungsprobe),
enthält 0,2—0,3 Proc. Zucker (Fehling), kein Eiweiss, mässige
Mengen von Indoxyl.
Am 16. Dec. kein Zucker mehr nachzuweisen. Urinmenge:
1860 ccm, ßpcc. Gewicht 1022. Zucker fehlt von da an im Urin.
Am 18. Dec. Morgens nüchtern 100 gTraubenzucker.
Kein Zucker danach im Urin.
Nach Probefrühstück 1 Stunde später, nach Probemahlzeit
3 Stunden später kein Mageninhalt zu erhalten.
Am 30. Dec. entlassen.
5) Kl. F., Seemann, 43 Jahre alt. Trinkt täglich für 15 bis
20 Pfg. Schnaps und etwas Bier, ist 28 Jahre zur See gefahren,
hat 1885, 1887 und 1889 Malaria, 1894 Gelbfieber gehabt, 1896
Rippenfellentzündung, wobei 4 Liter klarer Flüssigkeit rechts ent¬
leert worden sein sollen. Seit 3 bis 4 Wochen starker Durst, sehr
guter Appetit, reichliche Urinentleerung, allmählich zunehmende
Schwäche. Auf der Reise von Hamburg schwollen die Füsse an,
daher Aufnahme am 22. Juli 1898.
Status: Schlecht gnährt, blass. Oedem an den Knöcheln.
Lungen: über dem rechten Unterlappen etwas Dämpfung des
Schalles. Herz: relative Dämpfung nach beiden Selten ver¬
grössert, systolisches Geräusch an der Spitze, regelmässige Herz¬
action. Leber: vergrössert, überragt in der rechten Mammillar¬
linie um 3 Querflnger den Rippenbogen. Milz: deutlich ver¬
größert, palpabel. Urin: 3 y 2 Proc. Zucker (112 g pro die),
kein Eiweiss, keine Acetessigsäure, wenig Indoxyl, Menge 3200 ccm,
spec. Gewicht 1008.
In den nächsten 3 Tagen Ist noch Zucker im Urin nachzu¬
weisen, dann verschwindet derselbe, obwohl der Pat. immer die
gewöhnliche Krankenhauskost (Kartoffeln, Graupen, Grütze, Brod
etc.) isst. Im Blute nichts Abnormes. Urinsecretion bleibt bis zur
Entlassung am 10. August immer sehr gross (bis zu 4100 ccm),
doch zeigt sich nie wieder Zucker.
Am 1. Nov. Wiederaufnahme. Organbefund derselbe ungefähr
wie im Juli. Im Urin kein Zucker, viel Indoxyl. Nach Eingabe
von 100 g Traubenzucker Morgens nüchtern kein
Zucker im Urin.
Am 22. Nov. entlassen, kommt er am 29. März 1899 wieder,
nachdem er als Gelegenheitsarbeiter an verschiedenen Orten ge¬
arbeitet hat, wegen Schwellung des rechten Fusses, Kopfschmerzen
etc. Ernährung besser als bei der ersten Aufnahme, Leber etwas
vergrössert, Herz ebenso wie früher. Urin zuckerfrei, Menge
1200—2200 ccm, spec. Gewicht 1012—1021. Auch nach 100 g
Traubenzucker Morgens nüchtern tritt kein Zucker auf.
Am 29. Mai entlassen, kehrt er am 28. Aug. zurück wegen
Schmerzen im Rücken und Brust und schmerzhafter Anschwellung
der Leistendrüsen. Ernährungszustand mässig, etwas Emphysem
und Bronchitis. Am Herzen die Symptome der Mitraünsufflcienz.
Leber nicht mehr deutlich vergrössert, auch Milz nicht mehr
palpabel, nur wenig vergrössert (Dämpfung 13,5:9 cm). Im Urin
kein Zucker, Menge 1700—3000 ccm pro die.
Am 16. October entlassen.
Ausser diesen 5 Fällen fanden sich unter den früheren
Krankengeschichten noch einige, wo bei der Aufnahme der be¬
treffenden Kranken geringe Mengen von Zucker vorhanden waren,
die rasch verschwanden. Auch hier handelt es sich um Leute,
die mehr oder weniger lang auf Wanderschaft waren, also den¬
selben Schädlichkeiten, wie die vorerwähnten ausgesetzt waren.
Doch ist damals nicht so genau auf die Glykosurie geachtet
worden, es fehlen Angaben über die Art des Zuckernachweises
und vielfach auch über den Befund an den inneren Organen.
♦9 Sch. A., 47 Jahre alt, Schlosser. Potator. Kommt wegen
Ischias am 5. Nov. 1897 zur Aufnahme.
Gross, kräftig gebaut. Lungen und Herz nichts Abnormes.
Leber: vergrössert. Urin: spec. Gewicht 1023, Spur Zucker,
kein Eiweiss oder Indoxyl. Auch am 8. Nov. noch eine Spur
Zucker im Urin (Menge 1250 ccm, spec. Gewicht 1017), dann
nicht mehr.
7) S. F., 41 Jahre alt, Arbeiter, hat sich auf der Wanderschaft
die Füsse wund gelaufen, desshalb am 27. Dec. 1897 aufgenommen.
Gross, stark gebaut. Temperatur normal, Urin enthält eine
geringe Menge Zucker, y 2 Prora. Eiweiss, Menge 1700 ccm, spec.
Gewicht 1017. Am 3. Januar 1898 bei gewöhnlicher Kost kein
Zucker mehr.
8) Br. II., 58 Jahre alt, Arbeiter, auf der Wanderschaft, kommt
wegen wunder Füsse am IS. Febr. 1898 zur Aufnahme.
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Massiger Ernährungszustand. Etwas Emphysem. Im Urin
geringe Mengen Zucker und Eiweiss. Zucker später nicht mehr
nachweisbar.
9) W. R., 60 Jahre alt, Schneider, seit 28. Febr. 1898 auf
Wanderschaft, kommt am 5. April 1898 wegen Schwellung der
rechten Hand (leichte Erfrierung) zur Aufnahme.
Im Urin geringe Menge Zucker, kein Eiweiss, kein Indoxyl.
10) R. A., 54 Jahre alt, Arbeiter, auf der Wanderschaft, kommt
wegen wunder Füsse am 19. April 1898 zur Aufnahme und zeigt
im Urin etwas Zucker, kein Eiweiss.
Es handelte sich bei allen diesen Fällen, von denen ich das
Hauptgewicht auf die 5 ersterwähnten legen möchte, um Leute,
welche längere Zeit ein unstetes, unregelmässiges Leben geführt
hatten, dabei wohl eine schlecht zubereitete, viefach ungenügende
und schwerverdauliche Kost genossen und sich dabei allerhand
körperlichen Strapazen ausgesetzt hatten.
Gemeinsam ist allen: die Anwesenheit von Zucker im Urin
bei der Aufnahme in’s Krankenhaus, das rasche Verschwinden
dieser Glykosurie bei einer gemischten, kohlehydrat reichen
Nahrung, ferner der Umstand, dass der Zucker auch nicht wieder¬
kehrte, wenn nach einigen Tagen grössere Mengen von Trauben¬
zucker (100 bis 200 g) Morgens nüchtern gegeben werden, obwohl
diese Mengen auch bei Gesunden, in dieser Weise verabfolgt, zu
Glykosurie führen können [Worm-Müller 1 )].
Es liegt daher keine reine alimentäre Glykosurie vor, keine
dauernde Herabsetzung der Assimilationsgrenze für Kohle¬
hydrate, sondern eine vorübergehende Störung des Kohlehydrat-
stoffwechsels. Diese verliert sich ohne irgend welche thera¬
peutische oder diätetische Maassnahmen.
Eine solche Glykosurie konnte auf vorübergehende Stö¬
rungen in der Medulla oblongata oder in anderen Theilen des
Centralnervensystems zurückgeführt werden. Doch waren bei
den betreffenden Kranken keinerlei Symptome vorhanden, die
diese Annahme stützen könnten. In dem Falle 2 könnte die
Epilepsie herangezogen werden, weil nach epileptischen Anfällen
manchmal Zucker im Urin beobachtet worden sein soll (L a 11 i e r
u. A.). Aber die neueren Autoren haben dies nicht bestätigt
gefunden (M i c h 6 a, Bond [nach Naunyn 1 )], van
O o r d t *), auch Naunyn nimmt einen solchen Zusammenhang
nicht an. Der betreffende Kranke hat übrigens in der letzten
Zeit vor der Aufnahme gar keine Anfälle gehabt.
Latenten Diabetes bei diesen Leuten anzunehmen, liegt auch
kein Grund vor, da die im Krankenhaus gereichte gewöhnliche
Kost so reich an Kohlehydraten ist, dass dann die Zuckerausschei¬
dung länger angedauert hätte oder wiedergekehrt wäre, besonders
nach der Traubenzuckerdarreichung. Einige Fälle von solchem
latenten Diabetes, die im Krankenhaus zur Beobachtung kamen,
zeigten bei dieser Kost immer zeitweise Zucker und nach Trauben¬
zuckereinnahme reichliche Glykosurie.
Eine erbliche Anlage zu Diabetes liess sich bei unseren
Fällen nicht feststellen, kommt wohl auch bei dem Charakter der
Glykosurie wenig in Betracht. Acute Betrunkenheit, Delirium
alkoholicum, reichlicher Biergenuss kurz vor der Aufnahme war
nie vorhanden. Es handelte sich also nicht um eine alimentäre
Glykosurie, wie sie unter diesen Umständen vielfach beobachtet
wurde [Sauvage, Kratsclimer 4 ), Moritz*), Strüm¬
pell 0 ), K r e li 1 T ), Strauss'), Bessler*), A r n d t lu )
u. A.]. Chronischer Alkoholgenuss, der ja bei mehreren Fällen
vorlag, scheint nicht häufig zu alimentärer Glykosurie zu führen
[Strauss ”), Arndt 1S )]; es würde, wenn dieser in Betracht
käme, dann auch nach Traubenzuckereingabe Zucker aufgetreten
sein.
Dagegen liegt es nahe, Störungen der Verdau¬
ungsorgane, der Leber und des Pankreas, so¬
wie der Ernährung überhaupt in ursächlichen Zu¬
sammenhang mit der Vagantenglykosurie zu bringen.
Die unregelmässige und schlechte Beköstigung, die wohl oft
das Nahrungsbedürfniss nicht deckt, der Genuss von schlechten.
’) PflügeFs Arch., Bd. XXXIV und XXXVI.
a ) Naunyn: Der Diabetes melltus. Wien 1898.
*) Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 1, S. 2.
4 ) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1886. S. 257.
°) Münch, med. Wochenschr. 1891, S. 132.
°) Berl. klln. Wochenschr. 1896, S. 1019.
T ) Centralbl. f. innere Med. 1897. No. 40.
8 ) Deutsch, med. Wochenschr. 1897, No. 18/20.
•) Diss. Erlangen 1896.
,n ) Deutsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897, X, P. 419.
n ) 1. c.
1. c.
Original frn-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
533
alkoholreichen Getränken, verbunden mit körperlicher Ueber-
anstrengung, Unreinlichkeit, Witterungseinflüssen, denen der¬
artige Leute ausgesetzt sind, all’ das ist geeignet, solche Stö¬
rungen zu erzeugen. Und so ist vielfach der Ernährungszustand
gering, die Leute sehen blass aus, Magen- und Darmkatarrh sind
bei ilmen meist dauernd vorhanden. Im Darm findet leicht eine
abnorme Zersetzung der Nahrung statt, daher ist oft eine reich¬
liche Menge von Indoxyl im Urin zu constatiren, es bestehen viel¬
fach Meteorismus und Störungen der Stuhlentleerung.
Man könnte nun an eine beschleunigte Fortbewegung der
Speisen im Darm und Resorption des Zuckers aus dem Dünndarm
durch die Chylusgefässe denken, so dass dann auf dem Wege
des Ductus thoracicus dem Blute der Zucker unter Umgehung der
Leber zugeführt würde [Nauiiyn“)]. Wohl habe ich bei
derartigen Vaganten oft eine abnorm rasche Entleerung des
Magens beobachtet, die nun von ebenso rascher Beförderung
der Speisen in den Dünndarm gefolgt sein könnte, aber in diesen
Fällen habe ich sonst Glykosurie auch nach reichlichen Mengen
von Kohlehydraten nicht constatiren können. Auch in Fall 3
und 4 liegt anscheinend eine solche Ilyperkinese des Magens vor;
denn nach Probefrühstück und Probemahlzeit war in kurzer Zeit
(1 bezw. 3 Stunden) der Magen leer. Kommt diese Anomalie der
Magenentleerung aber in Betracht für die Entstehung der Gly¬
kosurie, so muss sie nach Eingabe von grösseren Mengen von
Traubenzucker eintreten. Dies fand aber in beiden Fällen
nicht statt.
Die Leber ist bei allen Fällen, bei denen spociell auf sie
geachtet wurde, vergrößert; meist erscheint sie derber als nor¬
mal, lässt sich daher gut palpiren. Doch bestanden nie die
Zeichen einer stärker entwickelten Oirrhose. Die Oberfläche war
immer glatt, Stauungserschoinungen im Pfortadergebiet, die auf
die Leber zurückzufüliron wären, fehlten. Unsere Fälle sind
daher nicht zu dem Diabetes mit Lebercirrhoso zu rechnen
(M urchiso n 14 ), C o 1 r a t 1 "), Coutourie r” 1 ), Q u i n ck e 1T ),
Ha not und Chauffard iS ) u. A.).
In dem Fall 5 wäre an die Möglichkeit der Verbindung von
Diabetes mit Malariaveränderungen zu denken, da der Kranke
öfters Malaria gehabt hat. Doch hätte Patient dann auch auf
Traubenzuckereingabe reagiren müssen, was nicht der Fall war;
auch lag die letzte Malariaerkrankung ziemlich weit zurück.
Die Veränderungen der Leber, die in unseren Fällen zu con¬
statiren waren, sind wohl neben beginnender eirrhotischer Binde¬
gewebsneubildung hauptsächlich auf Blutstauung und Fettinfil-
tration zurückzuführeu. N a u n y n findet häufig Herzfehler¬
leber 15 ) bei Diabetes und glaubt an einen Zusammenhang der
Leberveränderungen, wie sie sich bei solchen Kranken finden, mit
Circulationsstörungen, Alterationen der Gefässwand etc. 50 )
Bei der Obduction von Leuten, die ein Vagantenleben ge¬
führt haben, findet sich meist Fettleber, ferner sehr häufig Blut¬
stauung und gewöhnlich auch Vermehrung des interstitiellen
Bindegewebes. Dabei mag der Alkohol eine gewisse Rolle spielen,
namentlich aber die Aufnahme von allerhand toxisch wirkenden
Zersetzungsproducten der Nahrung, die aus dem Darm in die
Pfortader gelangen. Die Blutstauung erklärt sich ungezwungen
aus den Störungen, die am Herz zu constatiren sind. Dasselbe
ist fast immer vergrössert, häufig sind Geräusche daselbst zu
hören, die auf Klappenfehler der Mitralis oder relative Insuffi-
cienz derselben zurückzuführen sind. Hauptsächlich handelt
es sich wohl um chronische myocarditische Processe, die die Herz-
thätigkeit beeinträchtigen und so die Circulation erschweren.
Dies wird bei stärkeren Strapazen besonders hervortreten. Da¬
durch kann aber im Verein mit der Wirkung der Unterernährung
das schon vorher in Folge des Ueberganges schädlicher Stoffe
aus dem Darm und durch den Alkohol geschädigte und veränderte
Leberparenchym so ungünstig beeinflusst werden, dass seine
Eigenschaft, den Zuckergehalt des Blutes zu reguliren, vorüber¬
gehend gestört wird. Dafür würde sprechen, dass in dem Fall 5,
wo die Glykosurie am stärksten war und am längsten anhielt,
die Leber auch am stärksten alterirt war, und zwar wohl in Folge
**) Diabetes melitus S .19.
“) Clinical lectures on diseases of the liver 1877.
“) Lyon m&llcal 1875 (nach N a u n y n).
“) Thöse de Paris 1875.
1T j Berl. klin. Wochenschr. 1876.
“) Revue de mödecine 1882.
") L c. S. 4L
*) L c. S. 88.
?o. 16
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■V Google
von Malaria, Alkohol und Mitralinsufficienz mit Myocarditis
neben der Einwirkung der ungünstigen Lebensweise. Später ist
die Leber kleiner und weicher geworden, wie dies sich bei den
mehrmaligen Wiederholungen seines Krankenhausaufenthaltes
constatiren liess. Glykosurie trat nie wieder auf.
Ferner wäre noch an Alterationen des Pankreas zu
denken bei der hohen Bedeutung dieses Organes für
den Kohlehydra tstoffwechseL Interstitielle Veränderungen,
Wucherung des Bindegewebes könnten sich in ihm entwickelt
haben, wie ich sie bei Störungen der Circulation beobachtet und
in Analogie mit Schrumpfniere gebracht habe 20 *). Man sieht ja
bei parenchymatösen und interstitiellen Erkrankungen in der
Leber häufig zugleich entsprechende Veränderungen im Pankreas¬
gewebe. Auch könnten vom Darm aus pathologische Processe
sich auf den Pankreasgang und so auf das Parenchym der Drüse
ausgedehnt haben. Doch können das nur Vermuthungen sein,
da mir Sectionsbefunde bei meinen Fällen nicht zu Gebote
stehen.
Das Hauptgewicht wird man bei dieser Vagantenglykosurie
wohl auf die Unterernährung des Körpers zu legen haben,
auf die Schädigung des Parenchyms der Organe und da werden
sowohl die Leber, als auch das Pankreas in Betracht zu ziehen
sein. Dass mangelhafte Ernährung durch Herabsetzung der Assi¬
milationsgrenze für Zucker Diabetes erzeugen kann, zeigten die
Beobachtungen Hofmeisters al ) bei schlechternährten Hun¬
den. Zu dieser Form des Diabetes wird wohl die Glykosurie der
Vaganten in naher Beziehung stehen, und es wird daher die Vcr-
muthung Nauny n’s, dass manche Glykosurie beim Menschen
eine Aeusserung dieses „Ilungerdiabetes“ darstellt, wohl zum
Theil für unsere Fälle zutreffen. Diese Glykosurie tritt nur bei
Unterernährung auf, nicht bei vollkommener, länger dauernder
Inanition, da dann die Zuckerbildung und Resorption im Darm
Noth leidet.
In wie weit ein Sauerstoffmangel der Gewebe,
namentlich der Muskeln der nach den Untersuchungen von
F. Iloppe-Seyle r“), Ar a k i”) u. A. zu Uebertritt von Gly-
kose und Milchsäure in den Urin führt, bei der Entstehung dieser
Glykosurie in Betracht kommt, lässt sich noch nicht entscheiden.
Weitere Beobachtungen, Untersuchung des Urins auf Milchsäure,
wie ich sie bisher noch nicht anstellen konnte, bei einschlägigen
Fällen, werden darüber wohl mehr Klarheit bringen.
SchlechteErnährungistes aber wohl nicht allein, die
die Glykosurie der Vaganten erzeugt, sondern es werden patho¬
logische Veränderungen (Circulationsstörungen, interstitielle und
parenchymatöse Erkrankungen) der Leber und des Pankreas bei
der Entstehung derselben eine Rolle spielen, und darauf wird es
auch zurückzuführen sein, dass die Glykosurie nicht bei allen
schlecht ernährten Individuen, sondern nur bei einem gewissen
Theil der Vaganten auf tritt. Hofmeister hat ja auch bei
seinen Hunden individuelle Schwankungen bei derselben Ver¬
suchsanordnung gefunden.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Professor
Dr. Fr. Schultze in Bonn.
I. Ein verändertes Sedimentirungsverfahren zum mi¬
kroskopischen Nachweis von Bacterien.
II. Ueber den Nachweis von Tuberkelbacillen in den
Faeces.
Von Privatdocent Dr. J. Strasburger, Assistenzarzt
der Klinik.
I. Wenn man eine kleine Menge Faeces, etwa von der Grösse
einer halben Erbse, mit einigen Kubikcentimeter Wasser verrührt
und mit Hilfe einer Centrifuge ausschleudert, so dauert es nur
kurze Zeit, bis sich am Boden des Spitzgläschens die gröberen
Bestandtheile gesammelt haben. Ueber diesen steht eine trübo
Flüssigkeit, welche ausser etwas feinem Detritus bloss Bacterien
enthält. Auch bei lange Zeit fortgesetztem Centrifugiren ge¬
lingt es nur einen kleinen Theil der Mikroben zum Absetzen
zu bringen.
*>*) Deutsch. Arch. f. klin. Med., LII, S. 171.
“) Arch. f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. 1890, Bd. 26,
S. 355 ff.
”) Beiträge zur Kenntniss des Stoffwechsels bei Sauerstoff¬
mangel. Festschrift für V1 r c h o w.
*•) Zeltschr. f. physlol. Chemie, Bd. 15, S. 335, 546.
3
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
534
mi'tnchener medicinische Wochenschrift.
No. 16.
Der Clruixl für dieses Verhalten liegt offenbar in dem ge¬
ringen speeifischen Gewicht der Bacterien, welches das desWassers
mir wenig übersteigt.
In noch höherem Maasse muss sich dieser Umstand beim
Sedimontiren von schwereren Flüssigkeiten, etwa Urin, bemerk-
lich machen; es ist klar, dass, falls Bacterien und umgebende
Flüssigkeit das gleiche specitische Gewicht aufweisen sollten,
die stärkste (Vmtrifugalkraft, resp .die längste Aufbewahrung im
einfachen Spitzglas die Mikroben nicht veranlassen könnten,
ihren Platz zu wechseln.
Will man also aus Flüssigkeiten, welche nur wenig Bacterien
enthalten, ein reichlicheres Sediment gewinnen, so ist es vor
Allem erforderlich, diesen Flüssigkeiten ein geringes specifisches
Gewicht zu verleihen. Durch Zusatz von Alkohol lässt sich
dieser Forderung leicht gerecht werden. Aus einer Anzahl an-
gestellter Versuche schien mir hervorzugehen, dass es zweckmässig
Ft, eine n Theil der Untersuchungsflüssigkeit mit zwei Theilen
'X> proc. Alkohols zu verdünnen. (Das spec. Gew. von 1 Theil
Wasser und 2 Theilen Alkohol abs. beträgt bei 15 0 C. 0,8975.)
Um die Brauchbarkeit dieses Verfahrens zu demonstriren,
können wir von der Eingangs erwähnten Faecesaufschwemmung
ausgehen: Giesst man nach Ausschleudern der gröberen Bestand¬
teile die trübe Flüssigkeit ab und verdünnt sie in genannter
Weise mit Alkohol, so genügt es, etwa eine lialbeMinute zu centri-
fugiren, um der Flüssigkeit die Durchsichtigkeit des Wassers
zu verleihen, während die Bacterien als Bodensatz angesammelt
sind. Verfertigt man jetzt aus diesem Sediment ein Trocken¬
präparat, so lässt sich erkennen, dass die Färbbarkeit der Bac¬
terien in keiner Weise gelitten hat; ausserdem ist als besondere
Annehmlichkeit anzuführen, dass das Präparat in Folge seines
Spi ritusgeh altes sehr viel schneller trocknet, als dies bei gewöhn¬
lichen, aus wässerigen Flüssigkeiten gewonnenen Sedimenten
der Fall ist.
Der Vorschlag, Alkohol zum Absetzen zu benutzen, ist nicht
neu, wie sich mir bei Durchsicht der Literatur ergab. Kamen [1]
rieth, das nach der B i e d e r t’schen Methode zur Untersuchung
auf Tuberkelbacillen vorbereitete Sputum mit Alkohol soweit zu
verdünnen, bis das specifische Gewicht des Wassers erreicht sei.
Hierzu ist eine Alkoholmenge erforderlich, die ’/„—des Ge¬
wichts der Auswurffliissigkeit beträgt.
Mein Verfahren geht einen Schritt weiter. Es bringt ent¬
schieden Vortheil, durch Zusatz von mehr Alkohol, das specifische
Gewicht noch weiter herabzusetzen. Auch A 1 b u [2] erwähnt,
«lass er dem Urin vor dem Centrifugiren Alkohol hinzugefügt
habe, um einen Niederschlag zu erzeugen. Das Verfahren habe
sieh für die gewöhnlichen zelligen Bestandteile wenig, für Bac¬
terien besser geeignet. Die Verringerung des speeifischen Ge¬
wichtes, in der ich den Schwerpunkt der Methode erblicke, er¬
wähnt A1 b u nicht.
Obgleich das Alkohol verfahren einer ausgedehnteren Ver¬
wendung fähig ist, hat es in den klinisch diagnostischen Lehr¬
büchern bislang keine Beachtung gefunden. Ich halte es aus
diesem Grunde nicht für überflüssig, etwas ausführlicher über
dasselbe zu berichten.
So konnte ich in einem durch Lumbalpunction gewonnenen
Liquor cerebrospinalis Tuberkelbaeillcn nachweisen, die durch das
bislang übliche Sedimentirungsverfahren allerdings auch, aber
nur mit viel mein* Mühe aufzufinden waren. Es machte sieb
dabei vorteilhaft bemerkbar, dass in Folge des Alkoholzusatzes
eine feinflockige Ausfüllung von Eiweiss erfolgte. Dieselbe trug
offenbar dazu bei, alle Bacterien aus der Flüssigkeit mit nieder-
zureissen. Hat doch E. d e V o s [3] mit Erfolg zu Urinen
Eiweisslüsung zugesetzt und gekocht, um mit den ausfallenden
Flocken die Tuberkelbaeillcn zu Boden zu reissen. Bei stärkerem
Eiweissgelialt der Flüssigkeit, etwa hei plouritischen Exsudaten,
wird allerdings dass Sediment zu massig, so dass die Bacterien
in demselben für den Nachweis verloren gehen.
Für Urin, falls er eiweisshaltig ist, gilt das eben Angeführte.
Auch in eiweissfreiem Harn, besonders von höherem speeifischen
Gewicht, erfolgt nach Alkoholzusatz eine Ausfällung verschie¬
dener Salze, welche, in massigem Grade, das Sedimentirungs-
verfahren unterstützt (Br. Krüger [4]), in grösserem wohl
etwas störend wirkt. Indess gelang es mir auch hier, stets zu¬
friedenstellende Resultate zu erhalten.
Als ich bei einer Anzahl Urine die Kesultate der Ausschleu¬
derung mit und ohne Alkohol verglich, zeigten sich, wie zu er-
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warten war, die geringsten Unterschiede bei Harn, der viel Eiter¬
zellen und Epithelien enthielt: denn diese verhältnissmässig
schweren Körper fallen auch in unverdünnter Flüssigkeit leicht
aus, und nehmen die Bacterien mit sich. Ganz überraschend
waren aber die Differenzen in Urin, der wenig oder keine zelligen
Elemente führte. Wenn ich zu klarem Ilarn Streptococcen.
Bacterium coli commune oder Hefe in fein vertheiltem Zustand
zusetzto und gleich lange centrifugirte, theils mit, theils ohne
Alkohol, so waren im ersteren Fall die angefertigten Trocken¬
präparate von Bacterien übersät, wenn in letzterem nur spär¬
liche Keime sichtbar wurden.
Da das Absetzen des Sediments nach Zusatz von Spiritus
viel rascher als ohne ihn erfolgt, so kann auch der praktische
Arzt, dem keine Centrifuge zur Verfügung steht, das Verfahren
mit Vortheil verwenden. Im einfachen Spitzglas ist mit Hilfe
des Alkohols oft schon nach einer halben Stunde reichliche-
Sediment vorhanden, während nach der alten Methode ein ganzer
Tag gewartet werden muss, ehe brauchbare Präparate verfertigt
werden können.
II. Die mikroskopische Betrachtung der Bacterien im Stuld
Erwachsener hat bisher nur geringe praktische Bedeutung er¬
langt. Dieser Satz gilt auch im Gegensatz zu allen sonstigen
Befunden für das Aufsuchen von Tuberkelbacillen. Am leich¬
testen gelingt es noch, in Schleim-, Blut- und Eiterflöckehen,
welche in den dünnen Entleerungen an Darmphthisc leidender
Patienten gefunden werden, Tuberkelbaeillen nachzuwcisen. Das
Auf suchen dieses Krankheitserregers in geformten und normal
aussehenden Stühlen wird aber allgemein als eine mühsame und
wenig aussichtsvolle Aufgabe angesehen. Im ersten Fall kann
man mit ziemlicher Sicherheit eine Darmtuberculose annehmen;
im zweiten Fall wird aber die aufgewandte Mühe nicht einmal
entsprechend belohnt; muss man doch immer an die Möglichkeit
denken, dass die gefundenen Bacillen nicht aus dem Darm
stammen, sondern von verschlucktem Auswurf herrühren können.
Die letztere Annahme geht von der bekannten Thatsaclie aus,
dass Tuberkelbaeillcn sieh gegen die verschiedensten Einflüsse,
besonders die Angriffe der Verdauungsfermente und der Fäul-
niss sehr resistent verhalten.
Experimentell ist die Frage, ob im Stuhl gefundene Tuberkel-
baeillen aus dem Auswurf stammen können, soweit ich festsrtellcn
konnte, nur von B o d o [5] geprüft worden. Dieser Autor unter¬
suchte den Darminhalt von 9 Phthisikerleichen und fand in
3 Fällen Tuberkelbacillen, ohne dass eine entsprechende Erkran¬
kung des Darms aufzufinden war. In einem Falle konnten die
Bacillen sogar sehr zahlreich angetroffen werden. Der Erfolg
dieser Untersuchung ist der, dass sich die meisten Lehrbücher
recht vorsichtig über die diagnostische Verwerthung des Tuberkel-
baeillenbefundes im Stuhl äussern. So lässt v. J a k s c h [6] eine
sichere Diagnose auf ulceröse Darmtuberculose nur dann zu,
wenn sich bei wiederholten Untersuchungen in den Faeces
Tubcrkelbacillen finden, und zwar vor Allem in grossen, Rein-
culturen entsprechenden Gruppen. Ausserdem müssen die
übrigen Erscheinungen, Eiter etc. auf geschwürige Processe
deuten. Es ist nun wohl sicher, dass wir unter diesen Cautelen
nur Tuberculose der unteren Darmtheile diagnosticiren können,
denn Eiter, Blut, Schleim und grosse Gruppen von Tuberkel-
lacillen, gelangen, sehr profuse Diarrhoen abgesehen, aus den
höher gelegenen Darmpartien nicht in den Stuhl.
Auch das kürzlich von J. M. R o s e n b 1 a 11 [7] angegebene
Verfahren kann nur für den unteren Dickdarm in Betracht
kommen. R. sucht durch innerliche Verabreichung von Opium
die Faeces in feste Form zu bringen. Diese streifen mit ihrer
Oberfläche Bacillen von den Darmgeschwüren ab, welche leicht
nachzuweisen sind.
Es steht nun fest, dass tubereulöse Geschwüre im Darm be¬
stellen können, ohne sich durch klinische Zeichen bemerkbar zu
machen; und doch wäre es in prognostischem Sinne wichtig,
hierüber Kenntniss zu erbalten, denn die Aussichten auf Heilung
sind für Darmtuberculose viel ungünstiger als bei einer uncompli-
cirten Lungenerkrankung. Für diese Fälle müsste die Unter¬
suchung der normalen, festen oder diekbreiigen Stühle heran-
gezogen werden, wenn nicht einerseits die Schwierigkeit des
Nachweises, anderseits die Unsicherheit in der Deutung der Be¬
funde hiervor abschreckte.
Was den zweiten Punkt betrifft, so ist gewiss die Möglich¬
keit, dass Bacillen aus dem verschluckten Sputum in den Faeces
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April 1900. MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
erscheinen können, nicht in Frage zu stellen. Es ist aber dess-
l.i'lb nicht gestattet, die von B o d o an Phthisikerleichen ge¬
sammelten Erfahrungen ohne Einschränkung auf klinische An¬
schauungen zu übertragen: Ein richtig instruirter Phthisiker
schluckt seinen Auswurf nur aus Versehen und auch dann nur in
geringen Mengen herunter, so lange sein Kräftezustand ein leid¬
licher ist. Denn nur ausnahmsweise wird es Vorkommen, dass
das Sputum im Schlund hängen bleibt und einen Schluckact aus-
h'ist. Dieses ganze Geschehen lässt sieh daher in keiner Weise
mit dem vergleichen, was ein Moribunder thut, wenn er zu
schwach und somnolent zum Aushuslen ist. Letzterer producirt
auch an sich schon mehr Sputum und schluckt von diesem dann
wohl den grössten Theil herunter.
Was nun die Schwierigkeit des Nachweises von Tuberkel-
hacillen in solchen Stühlen betrifft, welche weder Schleim noch
Kiterflöckehen enthalten, so habe ich den Versuch gemacht, diese
Schwierigkeit mit Hilfe der Alkoholcentrifugirmethode zu be¬
wältigen. Ich bekomme auf solche Weise Präparate, welche
schnell trocknen, fast nur Bacterien enthalten und diese sehr
dicht aneinander gelagert zeigen, während in den gewöhnlichen
Faccospröparaten die Verunreinigungen einen grossen Theil des
Gsichtsfeldes einnehmen.
Um den Werth der Methode zu prüfen, wurden 20 Stühle von
Lungenphthisikern untersucht und zwar in der Weise, dass eine
beliebige Partie aus der Mitte der Faeces gewählt wurde. Das
Resultat war folgendes: Bei 2 Kranken mit klinischen Sym-
Ttoraen von Darmphthise waren Tuberkelbacillen reichlich zu
finden, auch bei Wiederholung der Untersuchung. Bei einem
2. Kranken konnten zuerst keine Bacillen entdeckt werden, fanden
sich aber nach einigen Tagen in massigen Mengen.
In 2 klinisch fraglichen Fällen fehlten Tuberkelbacillen.
Bei 10 Patienten, welche keinerlei Darmerscheinungen boten,
wurden 5 mal die Keime vermisst, 2 mal je ein Bacillus fest-
gestellt. Bei den 3 übrig bleibenden ergab sieh aber ein ab¬
weichendes Verhalten. Obwohl die Stühle gut geformt waren,
keinen Schleim oder sonstige abnorme Bestandteile auf wiesen,
gelang es leicht, Tuberkelbacillen aufzufinden. Bei 2 Patienten
konnte die Untersuchung wiederholt werden und ergab einmal
wieder positives, einmal negatives Resultat.
Besonders interessant scheint mir der eine Fall zu sein:
Es handelt sich um einen jungen Mann mit massig vorge¬
schrittener Lungenphthise. Rasselgeräusche sind in beschränkter
Menge zu hören. Dementsprechend wird mehrere Tage kein Aus-
wnrf zu Tage gefördert. Der Kranke versichert bestimmt, kein
Sputum zu verschlucken. Der Allgemeinzustand ist ziemlich
schlecht. Im Stuhlpräparat lassen sich in Zeit von 10 Minuten
15 Tuberkelbaeillen auf linden, die theil weise zu zweien zusammen-
liegen. Einige Tage später finden sich ebenfalls Bacillen, wenn
auch in geringerer Menge.
Es dürfte in die-ern Falle wohl sehr nahe liegen, eine Tuber-
eulose der oberen Darmwege zu dingnostieircu und dement¬
sprechend die Prognose zu stellen.
Bei der Verwerthung positiver Befunde ist daran zu denken,
dass es noch andere Bacterien gibt, welche sich in gleicher oder
ähnlicher Weise gegen entfärbende Einflüsse verhalten, wie die
Tuberkelbacillen. Gerade bei dem R o s e n b 1 a t t’schen Ver¬
fahren liegt es nahe, eine Verwechselung mit Smegmabacillen,
welche am After Vorkommen, in ? s Auge zu fassen. Man thut
daher gut, sich in zweifelhaften Fällen durch 10 Minuten
dauerndes Entfärben in absolutem Alkohol zu schützen.
In neuester Zeit wächst aber die Zahl der Bacterien bedenk¬
lich an, welche gegen Säure und Alkohol gleich resistent wie
die Tuberkelbaeillen zu sein scheinen. Bei Durchsuchung von
f. Stühlen, die sicher nicht von Tuberculösen stammten, gelang
es mir in der That zweimal, je ein Stäbchen aufzufinden, das
die specifisehe Färbung angenommen hatte, aber kürzer, dicker
und stärker gekrümmt war, als man dies sonst bei Tuberkel¬
bacillen beobachtet. Eine Verwechselung mit Sporen, die oft
zahlreich in den Faeces erscheinen, ist in Anbetracht der ganz
verschiedenen Form ausgeschlossen.
Die kleine Zahl meiner Versuche nicht natürlich nicht aus,
um darüber Aufklärung zu bieten, wie weit negative Befunde
gegen die Annahme von Darmtuberculose zu verwerthen sind. Ich
lege auf diese negativen Resultate auch viel weniger Gewicht,
als auf die positiven. Letztere sollen vor Allem dazu dienen, die
Brauchbarkeit der angewendeten Methodik zu illustriren.
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Als Ergebniss meiner Ausführungen möchte ich daher den
Satz aufstellen, dass es mit Hilfe der verbesserten Sedimen-
tirungsmethode ohne Mühe gelingt, einschlägigen Falles auch
in üusserlich ganz normalen Stühlen Tuberkelbaeillen naclizu-
weisen. Es lohnte sich, das Verfahren häufiger anzuwenden, da
man bei vorsichtiger Abwägung aller in Frage kommenden
Momente mit viel Wahrscheinlichkeit Darmphthisen erkennen
kann, welche sonst der Diagnose entgangen wären.
L i t. e r a t u r.
t. K a w e li : Interne klin. Rundschau 1892, No. ltf.
2. A 11) u : Berl. klin. Wochensehr. 1892, p. 531.
3. E. d e V o s : Inaug.-Dissert. Rostock 1891.
4. Br. Krüger: Zeitsehr. f. Hyg. 1889. p. 109.
5. Bodo : Gazzetta mediea di Torino 1891, No. 34, ref. in Baum¬
garten’s Jahresbericht Bd. 7, p. 823.
6. v. Jak sch: Klinische Diagnostik, 4. Aufl. (1890), p. 250.
7. J. M. R o s e n b 1 a 11: Centralbl. f. innere Medicin 1899, No. 29.
lieber Kehlkopferkrankungen im Verlaufe des Diabetes.
(„Laryngitis diabetica“.)
Von weil. Otto L eicht enstern in Köln a. Rh.*)
Bei Durchsicht der nachgelassenen Aufzeichnungen und
Schriften unseres hochverehrten Chefs und Lehrers, des Herrn Ge¬
heimrath Professor Dr. Otto Leichtenstern fand sich unter
Anderem die vorliegende Arbeit. Da der Verstorbene sich des
Oefteren über das darin behandelte Thema uns gegenüber ausge¬
sprochen und ihm augenscheinlich diese Arbeit am Herzen gelegen
hat, glaubten wir dieselbe der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten
zu dürfen, obgleich die Ausarbeitung schon nahezu ein Decennium
zurückliegt. Da nur wenig Aenderungen nöthig waren, so kann
diese Arbeit als das ureigenste Werk Otto Leiehtenstern’s
gelten.
Dass die Laryngologie, wie zahlreiche andere Specialitäten,
Zweige eines und desselben Baumes, der Medicin, sind, deren ge¬
meinsamer Stamm und Mutterboden das Leben und Gedeihen der
verschiedenen Disciplinen bedingt, ist eine besonders in unseren
Tagen mit berechtigter Vorliebe ausgesprochene und unbe¬
strittene Wahrheit.
Ein Blick auf das Heer der „secundären“ Larynxcrkran-
kungen lehrt, dass der Kehlkopfspceialist, wenn er Herr seines
örtlich kleinen, pathologisch aber, insbesondere aetiologisch um
so umfangreicheren Gebietes sein will, Kenner der verschieden*
artigsten acuten und chronischen Krankheiten, vor Allem der
Lungen-, aber auch der zahlreichen Infektionskrankheiten, dass
er Neurolog, Syphilidolog, Dermatolog, mit einem Worte uni¬
versell gebildeter Arzt sein muss.
Andererseits sind sowohl die primären, als auch die im Ver¬
lauf der verschiedensten Krankheiten seeundär auftretenden
Kehlkopfaffectioneu von so grosser Wichtigkeit für die allge¬
meine ärztliche Diagnostik und die Therapie, dass zum Mindesten
die Fähigkeit der Erkennung aller dieser Localerkrankungen des
Larynx, die Beherrschung der laryngoskopischen Untersuchungs-
methoden als unerlässliches Requisit eines jeden Arztes ange¬
sehen werden muss.
Es bedarf keines tieferen Eindringens in den Gegenstand,
um zu erkennen, dass die Laryngologie als „Specialität“ weit
mehr ein Nebenzweig der Chirurgie als der sogen, „inneren Medi¬
cin“ ist, dass sie als Specialität in engerem Sinne erst mit der
operativen Technik beginnt, mit der Aneignung zahl¬
reicher, zum Theil subtiler manueller Fertigkeiten, wie sie zu
localen, instrumenteilen, insbesondere zur chirurgisch-operativen
Behandlung einzelner Kehlkopferkrankungen erforderlich sind.
Fertigkeiten, die nicht in Jedem veranlagt sind oder die nicht
Jeder sich anzueignen die Zeit und Gelegenheit, resp. den inneren
Antrieb hat, Fertigkeiten, deren Ausbildung bis zur künst¬
lerischen Vollendung („Virtuosität“) die vollste Anerkennung
verdient.
Solche trivial erscheinende Wahrheiten zu wiederholen mag
höchst überflüssig erscheinen. Indessen angesichts der in
unserem specialistischen Zeitalter sich häufenden Erscheinung,
dass strebsame Aerzte bereits wenige Monate, mitunter nur
Wochen nach ihrer Verabschiedung von der Alma Mater und
nach einer oft nur sehr kurzen Lernzeit unter der Leitung von
Meistern der Laryngologie sieh als Specialärzte in dieser Dis-
eiplin — nicht selten mit dem unter solchen Umständen gewiss
*) Herausgegeben von Dr. Th. Welscher, Assistenzarzt
am Augustahospital zu Köln a. Rh.
3*
Original frem
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
536
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16,
auffallend erscheinenden Zusatze „Specialarzt für Lungenkrank¬
heiten“ — etabliren, mag es gestattet sein, immer wieder auf’s
Neue zu betonen, dass zur Erkenntniss der Ursachen und dem zu
Folge zur rationellen Behandlung zahlreicher Kehlkopfkrank¬
heiten ausser der Handhabung des Laryngoskops und der Beherr¬
schung der laryngo-operativen Technik noch andere, durchaus
nicht nebensächliche, freilich langsamer und mühsamer zu er¬
ringende Kenntnisse und Erfahrungen von Nöthen sind.
Auch die ätiologisch specifische Form von Laryngitis, die
Laryngitis diabetica, wie ich sie der Kürze halber nennen will,
gehört zu jenen zahlreichen Kehlkopferkrankungen, welche nach
Aetiologie und Pathogenese, Diagnose und Therapie ganz und
gar in das Gebiet der „inneren Medicin“ fallen. Es handelt sich
hierbei zweifellos um seltene Vorkommnisse, wie mich die eigene
Erfahrung und das fast gänzliche Stillschweigen lehrt, das über
dieselben in den Lehrbüchern der speciellen Pathologie und
Therapie, in den Abhandlungen über Diabetes nicht minder als
in der laryngologischen „Special“-Litoratur — soweit mir dieselbe
zu überblicken möglich ist — beobachtet wird.
Ich bin aber überzeugt, dass die hierher gehörigen Mitthei¬
lungen sich allmählich häufen werden, wenn die „Specialisten“
in aetiologisch dunklen Fällen von „acuter primärer submucöser
Laryngitis“, von „idiopathischem Kehlkopfabscess“, von „pri¬
märem umschriebenen Larynxoedem“, von „primärer eitriger
Perichondritis“, von „Laryngitis phlegmonosa idiopathica“ etc.
ausser den gewöhnlich dabei discutirten aetiologischen Möglich¬
keiten auch den Diabetes bei ihren Untersuchungen nicht
vergessen, ganz besonders aber, wenn die Aerzte in Fällen von
Larynxaffectionen, die sich im Laufe des Diabetes einstellen,
wiederholte eingehende Untersuchungen des Kehlkopfs vorzu¬
nehmen nicht versäumen werden.
Zu den Kehlkopferkrankungen im Diabetes übergehend
liegt es mir selbstverständlich ferne, auf jene allbekannten Fälle
näher einzugehen, wo sich im Verlauf der Zuckerkrankheit pri¬
mär eine bacilläre Lungenphthise und im Gefolge derselben
früher oder später auch eine tuberculöse Laryngitis entwickelt.
Hier ist das Krankheitsbild das der gewöhnlichen Larynxtuber-
culose und der Nachweis von Tuberkelbacillen im Sputum gibt
uns in solchen Fällen raschen und sicheren Aufschluss über die
Natur der Erkrankung zu einer Zeit, wo die secundäre
tuberculöse Laryngitis das Stadium des Katarrhs, der Schleim¬
hautinfiltrat ion noch nicht überschritten hat.
Dagegen möchte ich hier auf eine nicht ganz seltene Form
einer scheinbar primären, den Larynx, häufig gleichzeitig auch
den Pharynx betreffenden Affection hinweisen, welche zwar nicht
Anstoss gebend für mich war, diese Mittheilungen zu machen,
die ich aber doch gerade ihrer praktischen Wichtigkeit
halber nicht mit Stillschweigen übergehen kann, schon aus dem
Grunde nicht, weil die Lehrbücher, Monographien und Abhand¬
lungen über Diabetes sowohl, als die laryngologischen hinsichtlich
jener Affection — zum Mindesten, was die Larynxaffection an¬
langt — beharrlich sich ausschweigen, während gerade unter
dieser harmlosen Maske der Diabetes mitunter zuerst in die Er¬
scheinung tritt.
Es handelt sich um hin und wieder sich darbietende Fälle,
wo ganz im Beginne des Diabetes mellitus — ich betone das —
zu einer Zeit, wo ausserdem noch keine anderen Zeichen desselben
die Aufmerksamkeit des Patienten und vielleicht auch des Arztes
erregen, gewisse relativ unbedeutende Beschwerden von Seiten
des Kehlkopfs, häufig, aber durchaus nicht immer, gleichzeitig
auch des Pharynx den Kranken veranlassen, ärztlichen, in den
Städten „specialärztlichen“ Rath einzuholen.
Es ist mir mehr als einmal begegnet, dass solche Kranke,
welche über nichts weiter klagen, als über „auffallend rasches
Trockenworden der Kehle beim lauten Sprechen“, über „Ver¬
siegen der Stimme und eintretende Heiserkeit“ dabei, oder über
Gefühl anhaltender Trockenheit im Rachen („Hals“) Wochen
und selbst Monate lang eine den heutigen Regeln entsprechende,
ringehende, oft nur allzu energische L o c a 1 behandlung ihres
Larynx resp. Pharynx genossen haben, bis die wahre Natur ihres
vermeintlichen Kehlkopf- resp. Rachenkatarrhs bei der ersten
Sitzung von mir dargethan wurde, nämlich der Diabetes mellitus.
Das Gesagte an einigen Beispielen erläuternd, will ich haupt¬
sächlich solche der jüngsten Zeit aus meinen Journalen auslesen
und sie so schildern, wie sie die Alltagspraxis in die Hände
lieferte.
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1. Fräulein Ida B., eine Sängerin, vielfach auf weiten Wande¬
rungen, consultirte mich im Juli 1886 wegen eines seit mehreren
Monaten bestehenden und von verschiedenen Specialärzten behan¬
delten „Kehlkopfkatarrhs“. Derselbe zeigte anfänglich die Eigen-
tliümlichkeit, dass er sieh nur bemerkbar machte, wenn Patientin
bei den abendlichen Productionen durch den Beifall des Publicums
gezwungen „Extraeinlagen“ zum Besten zu geben sich genöthigt
sah. Ihre Stimme sei im Beginne des Vortrags so vortrefflich wie
ehedem, als sie ihre ersten Triumphe an einem kleinen Theater
erntete. Aber das Ausdauern ist ln den letzten Monaten immer
mehr zurückgegangen, so dass sie in den letzten Wochen auch den
gewöhnlichen Anforderungen sich nicht mehr gewachsen fühlt
Ich untersuchte den Kehlkopf und fand, wie ln meinem
Journale geschrieben steht, „ausser eines auffallend
trockenen Glanzes der Stimmbänder, welche
wie lackirt aussahen, nichts Abnormes“.
Schon hatte ich der Kranken die üblichen Verhaltungsmaass¬
regeln, Schonung der Stimme etc., ausserdem eine auf Entfettung
hinzielende Diät verordnet, als mich ähnliche Erfahrungen mahn¬
ten, doch noch auf Diabetes zu fahnden. Vermehrten Durst stellte
Pat. in Ahrode, doch sei sie während der Vorstellungen, in den
Pausen, durch ihre „Austrocknung des Kehlkopfs“ ge¬
zwungen, grössere Quantitäten Zuckerwasser oder Limonade zu
trinken, um die Stimme zu erhalten. Die Frage, oh sie abge¬
magert sei, wird mit Heiterkeit verneint. Patientin ist von
grosser stattlicher Figur und erfreut sich eines Pannlculus, der
zwar noch proportional doch den Grenzen aesthetischer Zulässig¬
keit sich nähert.
Die Untersuchung des Harns ergab ein specifisches Gewicht
von 1036 und reichlichen Zuckergehalt. Die 24 ständige Harn-
inengc betrug, Tags darauf bestimmt: 2200 ccm mit 3,2 Proc.
( - 70,4 g in 24 Stunden) Zucker. Patientin, welche bereits einige
Tage später Köln verliess, unterwarf sich mit Consequenz der
angeordneten Diät. Die Folge war gänzliche Sistirung der Melli-
turie und damit völlige Wiederkehr der früheren Leistungsfähig¬
keit der Stimme, was mir Patientin in einem Briefe (dat. Hamborg)
mit grosser Freude und Dankbarkeit mittheilte.
2. Herr ,T. S. aus D„ 48 Jahre alt, consultirte mich am 30. März
1889 wegen einer seit Anfang desselben Jahres beobachteten
rascheren Ermüdung der Stimme beim Sprechen, verbunden mit
einem Gefühle der „Austrocknung der Kehle“. Die Stimme.
Morgens heim Erwachen klar, wurde nach längerem, oft auch
schon kürzerem lauten Sprechen umflort, belegt. Das war zu¬
nächst Alles, 'worüber Pat. klagte.
Die Untersuchung des Rachens ergab jene bekannte kupfer-
rothe trockenglänzende, glatte Beschaffenheit der hinteren Phn-
rynxwaud, welche Manche als Pharyngitis sicca laevis bezeichnen,
welche mein Lehrer v. P f e u f e r „S i c c i t a s fauciu in** zu
bezeichnen pflegte, wobei er sich der Schilderung bediente, „dass
die Rachenschleimhaut wie mit einem Goldschlägerhäutchen be¬
deckt aussehe“.
Auch die Schleimhaut des Gaumens zeigte sich ln geringerem
Grade und ähnlicher Weise verändert und hot das für die „Siecitas
faueium“ charakteristische, mitunter zu beobachtende Verhalten
dar, nämlich: da und dort der Schleimhaut fest anhaftende steck-
undelkopf- bis linsengrosse, zarte, durchsichtige grauwelsse
„Schüppchen“, welche sich mit dem feuchten Pinsel aufweiohen
und entfernen Hessen. Sie erinnerten an Soor, den ich in schwe¬
reren Fällen von Diabetes mehrmals beobachtet habe, stellten aber
nichts Anderes dar, als ausgetrocknete Schleimklümpchen mit reich¬
lichen „Loptothrixfäden“.
Die Untersuchung mit dem Kehlkopfspiegel ergab: die
Schleimhäute des Larynx nur wenig stärker geröthet als ln der
Norm. Die wahren Stimmbänder zeichnen sich durch einen auf¬
fallend trockenen Glanz aus, das sonst feucht glänzende Aus¬
sehen hat sich mehr in's Graue verändert, indessen fehlen alle
Zeichen von stärkerer Injection, von Hyperaemie derselben. Keine
Borkenbildung. Die scharfen Ränder der Stimmbänder erscheinen
wie abgerundet, mehr saitenartig als membranös; trotzdem sind sie
nicht deutlich schmäler als in der Norm.
Hinsichtlich der Bewegung der Stimmbänder sind Verände¬
rungen nicht erkennbar, abgesehen von einem feinspaltförmigen
Klaffen der Glottis ligamentosa bei der Phonation.
Die Stimme, im Anfänge des Consiliums noch klar, war nach
kurzer Unterhaltung mit dem Kranken matt, belegt, verschleiert.
— Husten besteht angeblich niemals.
Patient, der bis dahin an einem „chronischen Rachen- und
Kehlkopfkatarrh“ in zweckmässiger Weise behandelt worden war.
gab auf Befragen an, dass er seit ca. 10 Wochen wegen der
häufigeren Austrocknung der Kehle wohl zu häufigerem Trinken
genöthigt sei, dass er aber im Uebrigen nicht an gesteigertem Durst
leide. Eine Vermehrung der Urinmenge, Abnahme der Schweiss-
secretion stellt er bestimmt in Abrede, dessgleichen auch Ab¬
magerung.
Die Untersuchung sämmtlicher Organe des sich im Uebrigen
vollkommen gesund fühlenden und vortrefflich ernährten Mannes
ergab sonst keinerlei Anomalien, insbesondere auch keine der
Lungen.
Der Rachen-Kehlkopfbefimd und die ganze Krankengeschichte
mahnten mich auf Grund zahlreicher ähnlicher Erfahrungen, so¬
fort den Urin des Kranken zu untersuchen. Derselbe zeigte eine
reichliche Menge Zucker. Die quantitative Untersuchung, Tags
darauf vorgenommen, ergab 4,2 Proc. Die tägliche Harnmenge des
Kranken Ist mir nicht bekannt geworden, da mich derselbe nur
einmal in meiner Sprechstunde besuchte. Ich unterrichtete den
Original frorn
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17. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 537
Patienten über die Natur und Behandlung seiner Krankheit und
schickte ihn nach Carlsbad.
3. Herr Oberlaudesgerichtsrath B. in H. consultirte mich am
28. Juni 1880 wegen eines Haemprrhoidalleidens. Gegen Schluss
des Consiliums ersuchte er mich, auch seinem Kehlkopfe noch
einige Augenblicke zu schenken. Kr bemerke seit y 2 Jahre eine
auffallende Trockenheit der Kehle mit Belegtsein der Stimme.
Dieser Zustand trat regelmässig ein, wenn er in seinem Berufe
als Jurist Vorträge zu halten hatte. So habe er jüngst als Vor¬
sitzender beim Schwurgericht eine solche immer wiederkehrende
Austrocknung des Kehlkopfes bemerkt, dass er während des ganzen
längeren Vortrages fortwährend Wasser und zwar in „kolossaler
Menge“ hätte trinken müssen, um nur einigenuaasseu „die Stimme
auf ihrem Klange“ zu erhalten. Im Uebrigen sei er ausserhalb der
Sitzungen, wenn er sein Stimmorgan schonen könne, frei von allen
Beschwerden im Kehlkopf. Vermehrten Durst stellt Patient in
Abrede, auch sei er durchaus nicht abgemagert.
Ich untersuchte Rachen und Kehlkopf und fand alles normal,
konnte wieder einen Rachenkatarrh, noch Siccitas faucium, noch
deutliche Veränderungen an den Stimmbändern constatiren. Der
Kranke behielt während des längeren Consiliums seine klare
Stimme bei. Dennoch veranlasste mich die Schilderung des
Kranken auf Grund analoger Erfahrungen, den Urin zu unter¬
suchen. Derselbe hatte ein spec. Gewicht von 1032 und enthielt
eine reichliche Menge Zucker; zu einer quantitativen Bestimmung
hatte ich in der Sprechstunde keine Zeit.
Auch in diesem Falle bestanden ausser dem Symptom einer
raschen Ermüdung der Stimme mit Austrocknung der Kehle bei
lautem Sprechen keinerlei Zeichen, welche Arzt und Patient auf
die Möglichkeit eines Diabetes gewiesen hätten. Ich rieth dem
Kranken eine Cur in Carlsbad an.
4. Herr A. K. aus K., 63 Jahre alt, consultirte mich am 10. Juli
1889 wegen eines seit Herbst 1888 bestehenden, ziemlich acut auf-
getretenen „chronischen Rachen- und Nasenkatarrhs“ in Verbin¬
dung mit häutig sich einstellendem Belegtsein und Heiserkeit der
Stimme. Er schildert seine Empfindungen als „Austrocknung des
hinteren Rachens und der Nase“. Die Untersuchung ergab eine
auffallende Trockenheit, bei glatter Beschaffenheit und etwas
dunklerer Röthe der Schleimhaut der hinteren Rachen wand, so¬
wie der Naseuschleimhaut, während die Mundschleimhaut ihr
völlig normales feuchtes Verhalten darbot.
Ein ähnliches Bild der Trockenheit zeigten die Schleimhäute
des Kehlkopfs, besonders die markweissen, trocken glänzenden
Stimmbänder.
Patient, dessen chronischer Nasenrachenkatarrh bis dahin an¬
haltend energisch, aber erfolglos local beliaudelt worden war, half
sich schliesslich „auf den Rath von Freunden“ damit, dass er stets
Candisz ucker mit sich führte und reichlich genoss.
Die Untersuchung des Hains ergab eine Sehr grosse Menge
Zucker (7,5 Proc).
Mit der Ursache seines Leidens bekannt gemacht, gab Pat.
an, dass sein Urin im November 1887 gelegentlich einer leichten
Erkrankung einmal untersucht und vollkommen normal befunden
worden sei.
Der Arzt, welchen Pat. in der letzten Zeit consultirte. ein sehr
erfahrener und tüchtiger College, versicherte mir, was mit den
mir gemachten Angaben des Kranken vollständig übereinstimmt,
dass er bei dem vorzüglich genährten, fettreichen und sich im
Uebrigen vollkommen wohl fühlenden Patienten keinerlei auf Dia¬
betes hinweisende Symptome, weder vermehrten Durst, noch Poly¬
urie, noch Abmagerung etc. beobachtet habe, so dass er gleich
seinen Vorgängern in der Behandlung des Kranken den von diesen
diagnosticirten chronischen Pharynxkatarrh einfach anzunehmen
sich berechtigt sah.
Von Interesse ist der weitere Verlauf der Krankheit, welche
ich in diesem Falle in continuo zu beobachten die Gelegenheit
hatte. Mit der Einleitung der antidiabetischen Diät schwand
zwar der Zuckergehalt des Harns bis heute nicht vollständig, ver¬
minderte sich aber von 7,5 bis auf 0.9 Proc. (am 14. October 1889),
also sehr beträchtlich. Gleichzeitig damit verloren sich die den
Kranken Unsserst quälenden Symptome von Seiten des Rachens,
der Nase, die lästigen Gefühle der Trockenheit daselbst. Was eine
frühere, Monate lang fortgesetzte Localbehandlung nicht erreichen
konnte, hat eine auf richtiger Erkenntnlss der Krankheitsursache
auf gebaute Therapie innerhalb weniger Tage zu Stande gebracht
Ich könnte mich mit diesen wenigen Mittheilungen aus der
Praxis begnügen. Sie begründen zunächst praktisch die Auf¬
forderung, in Fällen von „trockenem Rachen- und Kehlkopf¬
katarrh“, namentlich aber in gewissen Fällen von „Siccitas fau¬
cium, narium et laryngis“, wo uns vielleicht bei temporär sogar
normalem objectivem Befunde über „rasche Ermüdung der
Stimme, über Trockenheitsgefühl in der Kehle beim Sprechen“
etc. geklagt wird, ausser anderen aetiologischen Möglichkeiten
auch der des Di a b e t e s zu gedenken, auch dann, wenn die
übrige Anamnese keinen Anstoss zu einer derartigen Verrauthung
gibt. Es ist dies vielleicht mehr eine Mahnung für die Sprech¬
stunde viel beschäftigter Aerzte und überfüllter Polikliniken,
als für Hospitäler, wo ja die selbstverständliche Regel besteht,
bei jedem Kranken, gleichgültig was ihm fehlen mag, wiederholte
Harnuntersuchungen nach allen Richtungen hin vorzunehmen.
Hier, im Hospitale, wird eher der entgegengesetzte Fehler ein-
No. 16.
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treten können, dass, wenn einmal die Diagnose Diabetes gas teilt
ist, den relativ unbedeutenderen Symptomen von Seiten des
Pharynx und Larynx, gewissermaassen als „selbstverständlichen“,
weniger Gewicht beigelegt wird.
Abgesehen von diesen vielleicht trivial erscheinenden prak¬
tischen Erörterungen und, wiewohl die Entstehungsursache der
geschilderten Zustände als selbstverständlich auf der Hand zu
liegen scheint, kann ich doch nicht umhin, bezüglich der Patho¬
genese Einiges anzuführen. Ich zielte den nichts präjudicircnden
Namen Siccitas laryngis oder Laryugoxerosis *) diabetica vor,
wobei ich einräumen will, dass der Ausdruck Xerosis, der be¬
kanntlich für diverse schwere anatomische Gewebsveränderungen,
indurirende, sklerosirende Processe gebräuchlich ist, leicht die
Vorstellung erwecken könnte, als ob es sich dabei um ähnliche
Vorgänge im Larynx handle. Das ist nun nicht, vielmehr das
Gegentheil der Fall. Es handelt sich nicht einmal um eine
„Laryngitis“; die Stimmbänder bieten keine Zeichen einer
solchen dar, weder Ilyperaoinie, noch Schwellung, noch. ver¬
mehrte oder qualitativ veränderte Secretion (z. B. Borkenbildung,
wie bei der sogen. Laryngitis sicca).
Aus denselben Gründen kann auch nicht von einem
„trockenen Katarrh“ die Rede sein, wiewohl ich diese Bezeich¬
nung an und für sich ihrer, übrigens nur etymologischen Contra-
diction halber nicht scheuen würde. Schon der temporäre Cha¬
rakter der Funotionsst drang spricht laut genug gegen die An¬
nahme einer Laryngitis.
Es handelt sich vielmehr bei unserer Laryugoxerosis dia¬
betica um eine Keeret ionsanomalie und zwar eine Hypo-
s e e r e t i o n und dadurch bedingte Neigung zu m
T r o c k e n w e r d e n der Stimmbänder, welche eben da¬
durch bewirkt wird, dass in Folge des Diabetes einmal die Se¬
cretion im Kehlkopf, sodann vielleicht auch der durchschnittliche
Wassergehalt der Stimmbänder auf einer gewissen niedrigen
Stufe sieh bewegt, so dass die gesteigerte Wasserabgabe, welche
mit jedem anhaltenden Sprechen einhergeht — wesshalb man
Rednerpulte mit einem Glas Wasser auszustatten pflegt — als¬
bald einen solchen Grad erreicht, dass die Schwingungsfähigkeit
der Stimmbänder darunter leidet, Asthenophonie, Mogiphonie,
Dysphonie oder wie man den Zustand aetiologisch auch nennen
kann: „Xeroplionic“') (oder auch Xeraphonie) ist die Folge
davon.
Ich möchte aber nicht leugnen, dass die beschriebene Affec-
tion nach längerem Bestände „entzündliche“ Gewebsstör-
ungen herbeiführen kann, so dass man von einer „Laryngitis“
zu sprechen berechtigt wäre; ich halte es selbst a priori nicht
ausgeschlossen, dass atrophirende, sklerosirende Processe sich
schliesslich daraus entwickeln können, aber es fehlt für eine
derartige Aufstellung bislang noch jede Beobachtung, klinische
und anatomische.
Dagegen führt die analoge Pharyngoxerosis diabetica, wie
die mitgetheilten Fälle 2 und 4 lehren, häufig zu einer wirk¬
lichen Pharyngitis (sicca, laevis), denn bei der dunkeln Kupfer-
rötlie der Rachenschleimhaut, wie wir sie antrafen, kann die
Bezeichnung Pharyngitis wohl zugelassen werden, wenn auch
der entzündliche Charakter dieser durch klinische Inspection
wahrgenommenen Veränderung anatomisch histologisch nicht
dargethan ist.
Man wäre versucht, bei dieser Gelegenheit auf die Excesse
einzugehen, welche mit der Bezeichnung „Pharyngitis“ nicht
selten begangen werden und es kann nicht schwer fallen, auf
Grund der so leicht gehandliabten Kriterien, welche oft genügen,
eine Rachenschleimhaut für „entzündet“ zu erklären, den Be¬
weis anzutreten, dass für Manche der entzündete Rachen die
Regel, der gesunde eine sehenswerthe Ausnahme sein muss.
Die Laryngo- und Pharyngoxerosis diabetica ist eine aetio-
logisch speeifische. Was ihr anatomisches Verhalten betrifft, so
unterscheidet sie sich in nichts von der durch Wasserverlust
aus dem Blute und secundär aus den Geweben bedingten Laryngo-
xerosis bei profusen Brechdurchfällen, bei acuten schweren Blut¬
verlusten, erschöpfenden Sehweissen etc. Während man aber
bei den zuletzt genannten Ursachen, so besonders bei der Laryngo-
xerosis cholerica, in Anbetracht der weitaus intensiveren und
brüskeren Wasserentziehung aus den Geweben des Kehlkopfs
*) Etymologisch richtiger Laryngoxerasis von &Qa<n{ =s Trocken¬
heit.
2 ) = „mit trockene»-, rauher Stimme“.
4
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
538
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
wohl annehmen kann, dass die dabei beobachtete Aphonie nicht
allein eine mechanische, durch die gestörte Schwingungs¬
fähigkeit der trockenen Stimmbänder bedingte, sondern auch
eine „myogene“ und „neurogene“ Functionsstörung ist, be¬
ruhend auf der Wasserentziehung aus den Muskeln und Nerven
des Kehlkopfs, dürfen wir wohl ohne Widerspruch die diabe¬
tische Laryngo-glossoxerosis als eine rein mechanische
in dem oben genannten Sinne bezeichnen, wofür die ganze Art
der Functionsstörung als einer zwar bei jedem längeren lauten
Sprechen wiederkehrenden, aber oft ebenso rasch wieder ver¬
schwindenden zur Genüge spricht. (Schluss folgt.)
•j£Zur Psychologie der Stimmermüdung.
Von Professor Dr. Max Breitung in Coburg.
In seinem auf der VI. Versammlung süddeutscher Laryngo-
logen in Heidelberg gehaltenen, sehr anregenden, an neuen Ge¬
sichtspunkten reichen Vortrag über die Stimmermüdung hat
Herr Avellis eines Vorfalles Erwähnung gethan, welcher
vielleicht Anspruch erheben darf, etwas genauer skizzirt zu
werden.
Herr Avellis sagt: Breitung erzählte mir voriges
Jahr eine auf den ersten Blick recht merkwürdige Geschichte.
Der Schauspieler B., dessen glänzende Stimmmittel wir heute
noch in Frankfurt bewundern, kam eines Abends im Verlauf
der Vorstellung, welcher der Herzog beiwohnte, zu Breitung
gestürzt: seine Stimme sei zu Ende. Er sei absolut nicht mehr
im Stande, seine Rolle zu Ende zu führen.
Breitung verabreichte ihm eine Portion Sect und ver¬
hinderte durch dieses angenehme Heilmittel einen Zusammen¬
bruch der Vorstellung.
Der hier erwähnte Vorgang spielte sich folgendermaassen ab*:
Es handelte sich um die erste Vorstellung der „Jungfrau von
Orleans“ in Meiningen, welche später für viele Tausende von
Kunstfreunden auf den Gastspielen der „Meininger“ eine Quelle
reinsten Genusses wurde und In Berlin einen wahren Taumel des
Entzückens hervorrief.
Wie immer an solchen grossen Tagen, war die ganze Presse
der Welt In Meiningen versammelt, wo der gastfreie Hof des Her¬
zogs an die Zeiten von Tasso in Ferrara erinnerte. Den Lyonei
spielte ein mir bis dahin noch unbekannter junger Künstler, Herr
B„ der mich bei seinem Auftreten durch die Ueberschüttung mit
allen Mitteln der Darstellung geradezu fascinirte. Man hatte einen
solchen Lyonei noch nicht gesehen und begriff, wie die Jungfrau
ihm gegenüber — in Verlegenheit kommen konnte. Die Vorstel¬
lung nahm einen glänzenden Verlauf.
Nach Schluss des 4. Actes erschien ein Lakai des Herzogs
bei mir und richtete mir aus, der Herzog lasse mich bitten, doch ein¬
mal nach dem Herrn B. zu sehen, er sei stockheiser. — Ich ging
sofort in die Garderobe des Herrn B. und fand diesen zur Fort¬
setzung der Vorstellung so geeignet wie eine Mumie des Königs
Nebueadnczar. Hier war nun guter Rath tlieuer. Da ich keine
Anhaltpunktc für die Annahme einer belangreichen materiellen
Laesion fand, glaubte ich die ganz plötzlich aufgetretene Stimm¬
losigkeit auf psychisches Gebiet verlegen zu sollen und entschloss
mich, zu verlieren war nichts, als eine Art Swengali die Zauber¬
künste der Suggestion spielen zu lassen. In grösster Ruhe erklärte
ich, der Zwischenfall sei belanglos, man möge die Pause etwas ver¬
längern. Herrn B. Hess ich In eine wollene Decke wickeln, gebot
absolutes Schweigen und liess ihn schnell eine halbe Flasche Sect
trinken. Dann ging ich fort mit der Erklärung: So! — Wenn es
so weit Ist, machen Sie sich fertig! Probiren Sie Ihre
Stimme vorher nicht! Sie gehen einfach her¬
aus und spielen fertig! Es geht! Ich übernehme die
Verantwortung! Auf Wiedersehen!
Ich will mir keine Mühe geben, den Grad von Herzklopfen zu
beschreiben, mit dem ich nach einer Viertelstunde das Klingel¬
zeichen hörte und Herrn B. erwartete. Herr B. kam — spielte
wundervoll zu Ende, unter einem Beifall, der das alte ehrwürdige
Hoftheater erschüttern machte.
Niemand im Theater, ausser dem Herzog, Chronegk, B. und
mir, hatte eine Ahnung, was sich hinter den Coulissen zwischen
dem 4. und 5. Acte dieser denkwürdigen Vorstellung in Meiningen
abgespielt hatte.
Vielleicht ist man Herrn Avellis zu Dank verpflichtet,
dass er mir durch seinen Vortrag Gelegenheit geboten hat, diese
immerhin ärztlich ebenso merkwürdige als interessante Episode
zu erzählen.
Wie schon gesagt, habe ich seiner Zeit den Erfolg als den
einer kräftigen Suggestion betrachtet, wie ich ihn namentlich
bei jungen Künstlern, auch sonst wohl nicht selten erreicht habe.
Avellis sagt: „Breitun g\s Heilerfolg ist aber durch
physiologische Experimente gut erklärt und zugleich ein schöner
Beweis, dass die functionelle Stimmermüdung ein centraler Vor¬
gang ist.“
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Ausserdem hat ja auch Sahli wissenschaftlich experi¬
mentell bewiesen, dass geringe Dosen Alkohol eine rasche Er¬
holung des ermüdeten Muskels herbeiführen und zwar meist so
schnell, innerhalb weniger Minuten, so dass an einen Ersatz ver¬
brauchter chemischer Stoffe nicht gedacht werden kann.
Der Alkohol wirkt ebenso, wie in anderen Fällen die Bouillon,
deren unmittelbar belebende Wirkung auf das Nervensystem be¬
zogen werden muss.
Herr B. ist mittlerweile ein Stern erster Grösse am Himmel
der dramatischen Kuust geworden und wird mir verzeihen, wenn
er zufällig von der Preisgabe dieser Erinnerung als einer in ge¬
wissem Sinne historischen, im Interesse der wissenschaftlichen
Erkenntni88, erfahren sollte.
Vermuthlieh war dieser Tag der einzige für 20 Minuten
stimmlose seiner ganzen erfolgreichen glänzenden Künstler¬
laufbahn.
Ueber das chirurgische Naht- und Unterbindungs¬
material.
Von Dr. H. Braun, Privatdocent in Leipzig.
(Schluss.)
Ich habe nun mit Hilfe des von Stich construirten Appa¬
rats Zugfestigkeitsbestimmungen verschiedener Fadenmaterialien
und verschieden imprägnirter und behandelter Fäden vorge¬
nommen 2 ) und will die Ergebnisse dieser Versuche in einigen
Sätzen zusammenfassen.
1. Man muss unterscheiden zwischen Zugfestigkeit
und Knotenfestigkeit eines Fadens. Unter Knoten¬
festigkeit verstehe ich die Zugfestigkeit an der Stelle eines
Knotens. Wir bestimmten sie, indem wir in der Mitte des zu
prüfenden Fadens um ein Filzstreifchen einen einfachen Knoten
bildeten und dann die Zugfestigkeit feststellten. Die Knoten¬
festigkeit ist bei Fäden aller Art geringer als die Zugfestigkeit
ohne Knoten; sie ist es auch, welche uns Chirurgen allein
interessirt.
2. Die Festigkeitsbestimmungen ergaben:
Fadendurchmesser Zugfestigkeit Knotenfestigkeit
Collodiumzwirn No. 300 0,28 mm 13Ü0 Gramm 1000 Gramm
Rohzwirn „ 100| n 1850 „ 1500 „
Collodiumzwirn „ 100/ ’ ” 16 OO „ 2200 „
Collodiumzwirn „ 20 0,5 „ 4500 „ 3500 w
Die Zahlen sind Durchschnittswerthe aus je etwa 20 Be¬
stimmungen. Man sieht also, dass Zug- und Knotenfestigkeit
durch die Imprägnation gleichmässig ganz bedeutend gesteigert
werden. Dies Verhalten ist absolut constant.
3. Zug- und Knotenfestigkeit des Collodiumzwims werden
nicht verändert durch beliebig häufiges Auskochen desselben in
Sodalösung oder Sterilisirung im strömenden Dampf. Ein Col¬
lodiumzwirn, der % Jahr in lprom. Sublimatlösung gelegen hatte,
besass ebenfalls unverminderte Festigkeit.
4. Gleich starke Seidenfäden besitzen ähnliche Zug- und
Knotenfestigkeit nur im rohen Zustande, verlieren davon aber er¬
heblich durch Sterilisiren oder Aufbewahren in antiseptischen
Flüssigkeiten.
5. Die Verwendung von Celluloid zur Imprägnirung des
Zwirns ist weniger praktisch. Der käufliche Celluloidzwirn No. I 4 )
hat einen Fadendurchmesser von0,32mm, also nicht viel weniger als
meine Mittelsorte, seine Zugfestigkeit ist eine verhältnissmässig
sehr hohe, 2260 g, aber seine Knotenfestigkeit ist äusserst schwan¬
kend, bisweilen ebenfalls hoch, meist erreicht sie nicht 1000 g
und geht oft zurück auf 500 g. Daher reissen diese Fäden beim
Knoten leicht, trotz ihrer Zugfestigkeit. Die Ursache dieses Ver¬
haltens ist nicht der Faden selbst, sondern das Celluloid, das ihn
offenbar brüchig macht, denn auch mein Zwirn bekommt eine grosse
Zugfestigkeit, aber minimale Knotenfestigkeit, die feinste Sorte
wird daher unbrauchbar, wenn man ihn mit Celluloid imprägnirt.
Ich kann also die Verwendung des Celluloids nicht für eine Ver¬
besserung der älteren Collodium- oder Celloidinmethode G u b 3 -
r o f f s halten.
Was nun das Verhalten des Collodiumzwims im Organismus
bei Hautnähten betrifft, so kann ich nur sagen, dass er sich so
*) Herr Oberapotheker Dr. Stich hat mich bei diesen Ver¬
suchen In der freundlichsten Welse unterstützt und mir bereit¬
willigst seinen Apparat zur Verfügung gestellt.
*) Von Lütgenau & Co. in Krefeld.
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
539
verhält wie Draht, Stichcanaleiterungen niemals verursacht, und
dass die Fadenschlingen, wenn man sie nach dem Herausziehen
unter entsprechenden Cautelen in Agar bringt, sich fast aus¬
nahmslos steril erweisen. Die Fäden bleiben auch wochenlang,
z. B. unter Gipsverbänden, reactionslos im Gewebe liegen, ebenso
regelmässig, wie man das bei Setolanähten und Drahtnähten be¬
obachten kann. Ich möchte also glauben, dass die Verwendung
eines solchen Fadenmaterials, ganz abgesehen von seiner Billig¬
keit, erhebliche Vortheile vor der üblichen Seidennaht besitzt.
Zu bemerken ist jedoch, dass bei der Naht mit Zwirn der
Knoten nicht so fest geschnürt werden darf, wie man es vom
Seidenfaden gewohnt ist. Seide ist sehr dehnbar, eine fest ge¬
knotete Seidenschlinge wird nach wenigen Minuten schlaffer.
Zwirn aber ist gar nicht dehnbar; hierauf ist Rücksicht zu
nehmen, um nicht die eingeschnürten Gewebe zu schädigen.
Ich bin von der Thatsache ausgegangen, dass die Mehrzahl
unserer Wunden, auch wenn sie per primam intentionem heilen,
eine Zeit lang bacterielle, häufig auch pathogene Keime enthalten.
Lässt man also Fremdkörper, wie aseptische Seidenfäden und
Catgutschlingen bei Gefässunterbindungen oder in Form ver¬
senkter Nähte in der Wunde zurück, so pflegen sie da gewöhn¬
lich ohne Störung einzuheilen, weil sie sich unter viel günstigeren
Verhältnissen befinden, als in einem mit der Hautoberfläche com-
municirenden Stichcanal. Wenn sie aber mit vorhandenen
Keimen Zusammenkommen, so können sie sich da wohl auch
nicht anders verhalten als im Nahtstichcanal, sie können auch da
zur Ansiedelung von Bacterien, zu Secundärinfectionen, zu
Wundstörungen Veranlassung geben, auch wenn sie steril waren
und steril in die Wunde hineingebracht wurden. Hier gewinnt
die Frage, wie solche Secundärinfectionen zu verhüten sind, noch
grössere Bedeutung. Denn die Stichcanaleiterungen sind, in der
Regel wenigstens, gleichgiltige Ereignisse, der schuldige Fremd¬
körper kann leicht entfernt werden, die Stichcanalinfectionen
manifestiren sich auch erst zu einer Zeit, wo die Wunde im
Uebrigen bereits soweit in der Heilung fortgeschritten ist, dass
kein weiterer Schaden entsteht. Bacterienentwicklung in der
Tiefe einer Wunde ist selbstverständlich viel bedenklicher.
Die Wundstörungen, die wir heut zu Tage beobachten,
machen aber auch ganz den Eindruck, als ob sie in ähnlicher
Weise zu Stande kämen, wie die Stichcanalinfectionen, durch
secundäre Ansiedelung von Bacterien an einem Locus minoris re-
sistentiae. Selten sehen wir, glücklicher Weise, die foudroyanten,
ganz acut einsetzenden und fortschreitenden Eiterungen früherer
Tage, viel häufiger entsteht bei ungestörter Heilung der Nahtlinie,
und oft ohne nennenswerthe Temperatursteigerung, eine Spät¬
eiterung aus der Tiefe der Wunde heraus, die uns zur nachträg¬
lichen Oeffnung derselben zwingt. Als Ursache der Eiterung aber
findet sich oft ein Catgutknoten, eine Seidenschlinge, irgend ein
unabsichtlich zurückgelassener Fremdkörper, eine Gewebsnekrose
(Poppert).
Die Meinung, dass da eine secundäre’ Bacterienentwicklung
in den Fremdkörpern, in den nekrotischen Geweben die Ursache
der Wundstörung ist, will mir viel wahrscheinlicher und natür¬
licher erscheinen, als die Ansicht Popper t’s, dass Catgut,
Seidenfäden und nekrotische Gewebstheile aseptische Eiterungen
hervorrufen sollen, insbesondere, nachdem wir wissen, wie leicht
Catgut- und Seidenschlingen inficirt werden. Den experimen¬
tellen Nachweis der fast selbstverständlichen Thatsache, dass in
ihrer Ernährung beeinträchtigte Gewebe prädisponirt für In-
fectionen sind, konnte Linser führen. Flüssigkeitsansamm¬
lungen in Wunden sind zwar manchmal Anfangs von seröser Be¬
schaffenheit und werden erst später eitrig; sie werden auch bis¬
weilen keimfrei gefunden (Hahn); das beweist aber nicht, dass
Bacterien nicht im Spiele bei ihrer Entstehung gewesen sind.
Gottstein beobachtete bei seinen Nahtuntersuchungen, dass
die Stichcanäle der Hautnähte bisweilen ein steriles seröses Ex¬
sudat absonderten, und doch erwiesen sich die zugehörigen Seiden¬
schlingen als inficirt. Auch sonst ist es ja kein ungewöhnliches
Factum, dass ein durch Bacterien verursachtes Exsudat bacterien-
frei gefunden wird.
Ohne Bacterieneinwirkung dagegen entstehen gewiss Flüssig¬
keitsansammlungen in Wunden, deren Flächen nicht genügend
aneinander liegen und todte Räume bilden, besonders leicht
in der Achselhöhle und hinter der Clavicula. Sie sind aber auch
klinisch wohl charakterisirt, verschwinden, wenn man sie recht¬
zeitig entleert und in geeigneter Weise Compressionsverbände an-
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legt, und sind kaum als Wundstörungen im landläufigen Sinne des
Wortes zu betrachten. Anschütz hat ihnen kürzlich eine
ausführliche Betrachtung gewidmet.
Dass die chemotactisehen Eigenschaften des Catgut, die von
O r 1 a n d i und Poppert nachgewieeen wurden, veritable
Störungen der Wundheilung verursachen könnten, ist eine Hypo¬
these, für die eine zwingende Nothwendigkeit noch nicht vor¬
liegt.
Poppert besass ein Catgut, welches, zur Hautnaht ver¬
wendet, jeden Stichcanal zur Vereiterung brachte, und er räth,
ganz im Sinne der vorliegenden Betrachtungen, jede Catgutsorte
zuvor auf ihr Verhalten Lei der Hautnaht zu prüfen, ehe man sie
zu Unterbindungen verwendet. Ich glaube nun, dass man noch
weiter gehen und es auch dann vom Gebrauch aussehliessen soll,
wenn seine Nahtschlingen regelmässig inficirt gefunden werden.
Ich besitze ebenfalls ein sehr schlechtes Catgut, welches mit For¬
malin behandelt und ausgekocht, also sicher steril, fast jeden
Stichcanal bei der Hautnaht vereitern lässt; aber so oft ich dessen
Schlingen auch geprüft habe, so oft waren sie voll von Bacterien.
Vielleicht begünstigt die chemotactische Wirkung mancher Cat¬
gutsorten ihre Inficirbarkeit.
Störungen des Wundverlaufs aber, welche man — ohne Frage
in vielen Fällen mit Recht (Klemm, Poppert, Kocher
u. A.) — den in der Wunde liegenden Catgutschlingen zuge¬
schrieben hat, kommen ganz gewiss in der Regel auf gleiche Weise
zu Stande, wie die Infection der Nahtschlingen in der Haut.
Dass in eine Wunde versenkte, namentlich starke Seiden¬
fäden — abgesehen vom Peritoneum, das vermöge hoch ent¬
wickelter natürlicher Schutzkräfte besonders geeignet zur Un¬
schädlichmachung von Fremdkörpern und Bacterien ist — häufig
zu Störungen der Wundheilung, zu Eiterungen Veranlassung
geben, ist zu bekannt, als dass es hier näher zu begründen noth-
wendig wäre. Besonders in inficirten Wunden unterhalten Seiden¬
fäden eine Eiterung, welche gewöhnlich erst dann versiegt, wenn
der letzte Faden heraus ist. Das ist wohl auch der Grund, wess-
halb viele Chirurgen bisher Catgut beibehalten haben. Aseptisch
eingeheilte Catgutfäden werden zwar ausserordentlich langsam
resorbirt, Minervini fand noch nach 120 Tagen Catgutreste
im Gewebe vor, unter dem Einfluss einer Bacterienentwicklung
aber — in Hautstichcanälen und in der Tiefe bei Wundinfec-
tionen — zerfliessen die Catgutfäden schnell, die Knoten fallen ab
und es bleibt kein schädlicher Fremdkörper zurück.
Die Vermeidung einer gewissen Anzahl von
tiefen Wundeiterungen fällt zusammen mit
der V ermei duiig der S tieh canalin fee tion. Fäden,
die im Stichcanal steril bleiben, werden das in der Tiefe der
Wunde erst recht thun, Fäden, die, wie sterile Seide und Catgut,
leicht im Stichcanal inficirt werden, werden diesem Schicksal
auch in der Tiefe der Wunde nicht immer entgehen.
Ich will mich auch hier nicht auf die Frage einlassen, wie
weit Catgut und Seide in dieser Hinsicht verbessert werden
können, wenn man sie antiseptisch imprägnirt, sondern nur daran
festhalten, dass anhydrophile Fäden auch ohne antiseptische Wir¬
kungen im Stichcanal meist steril bleiben, daher wohl auch das ge¬
eignete Material zu Ligaturen und versenkten Nähten sein
müssen.
Drahtfäden heilen bekanntlich sehr leicht und sicher ein und
werden desshalb vielfach jedem anderen Material für versenkte
Nähte vorgezogen; sie thun aber noch mehr, sie heilen selbst in
inficirten Wunden ein, wenn das von ihnen gefasste Gewebe
nicht nekrotisch wird, freilich ein nicht seltenes Ereigniss im
Verlauf einer Wundeiterung. Ich kann dafür einige Beispiele
anführen. Ich habe im Laufe der letzten Jahre 55 Radical-
operationen von Leistenbrüchen gemacht, bei denen die Bruch¬
pforte, meist nach B a s s i n i, mit feinem Draht, Silberdraht,
Eisendraht, Aluminiumbroncedraht, genäht wurde. 49 mal er¬
folgte Heilung p. p., niemals ist in diesen Fällen eine der
Drahtnähte ausgestossen worden, 6 mal entstanden tiefe sub¬
acute Eiterungen, die mich zwangen, einen Theil oder die ganze
Wunde zu öffnen. Ihre Ursache sehe ich, wie Poppert,
in Fasciennekrosen, die an dieser Stelle besonders leicht
eintreten. kann aber nicht glauben, dass solche Nekrosen
direct die Eiterung veranlassen, sondern meine, dass die Bac¬
terien, die sich in den nekrotischen Geweben ansiedeln, an der
Störung des Wundverlaufs schuld sind.
In den erwähnten 6 Fällen ist 2 mal je eine (von 6—10)
Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER M EDI« | \ i >: :HE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
540
Draht naht 4 und 6 Wochen später herausgekommen. 2 mal sind
je 2 Nähte in den ersten 14 Tagen entfernt worden, weil sie offen
in der Wunde lagen und das von der Naht gefasste Gewebe nekro¬
tisch war, alle übrigen Nähte heilten ein, 2 mal ist trotz völliger
Oeffnung der Hautwunde kein Draht herausgekommen, so dass
auch hier die vernähten Faseien in ihrer Lage geblieben und
das Endresultat erhalten worden ist. Auch bei anderen inficirten
oder dauernd offen behandelten, per secundam heilenden Wunden,
z. E. bei manchen Sehneimühtcn nach unreinen Verletzungen,
bei Hlasennähten nach Seetio alta mit inficirtem Urin und im
Vebrigen offener Wundbehandlung, kann man das fast regel¬
mässige Einheiten voll feinen Drahtnähten beobachten; Seiden¬
sehlingen werden unter solchen Umständen wohl stets ausge-
>1 ossi*n oder unterhalten eine dauernde Eiterung. Auch unter
selchen Ycrhältniscu worden eben die Stichearnile bei der Ver¬
wendung eines geeigneten Nahtmaterials meist ebensowenig in-
iicirl, \v::■ 1 lautsticlieaniih*, oder die Infection wird überwunden.
Es ist kaum anzunehmen, dass anhydrophile Fäden anderer
Art sieh anders wie Draht, dass imprägnirter Zwirn sieh anders
verhalten sollte wie Setola, welche für versenkte Nähte, nament¬
lich auch bei Bruchoperationen, seit langer Zeit und mit Erfolg
gebraucht wird.
Collodiumzwirn ist das einzige Fadenmaterial, das ich seit
% Jahren ausschliesslich auch für Unterbindungen und versenkte
Nähte — abgesehen von Knochennähten — benutze und ich em¬
pfinde das als eine ganz wesentliche Vereinfachung der Wund-
bthandlung. Die feinste Sorte des Zwirns — No. 300 — ist fein
genug für die Darmnaht, fest genug für alle nicht spannenden
Nähte und alle Geflissunterbindungen. Die stärkste Sorte —
No. 20 — kommt nur ausnahmsweise bei Massenligaturen zur
Verwendung.
Ich kann freilich noch nicht mit vergleichbaren Reihen
gleichartiger Operationen, hier mit Collodiumzwirn, dort etwa mit
Seide oder Catgut aufwarten; ich kann nur sagen, dass die Faden
vortrefflich einheilen, keine Störungen der Wundheilung ver¬
ursachen und nicht herauskommen, auch in Fällen, wo Ligaturen
in sehr grosser Zahl liegen bleiben müssen, bei Kropfexstir-
pationen und Mammaamputationen. Radiealoperationen von
Leistonbriichon habe ich erst 9 mit Collodiumzwirn ausgeführt,
welche alle p. p. geheilt sind, ich kann also nicht sagen, wie sich
da die Fäden beim Eintritt von Eiterung verhalten werden').
Bei einer Anzahl von offen behandelten Hand- und Fingerver¬
letzungen erfolgte stets Einheilung der Faseien- und Selmennähte.
Die weitere Frage, ob denn ein resorbirbares Fadenmaterial,
wie Catgut, für unsere heutige Wundbehandlung nothwendig
ist, erübrigt sieh dadurch, dass von Jahr zu Jahr mehr Chirurgen
vom Gebrauch des Catgut ganz abgegangen sind, und gefunden
haben, dass ihre Wunden dann nicht schlechter, sondern besser
geheilt sind. Auch ich bin der Meinung, dass wir ein
resorbirbares Material in der Regel nicht brauchen, ins¬
besondere dann nicht, wenn in der Wunde nur Fäden
zurückgelassen werden, welche nicht, an und für sieh
Depots von Bacteriencolonien und Ausgangspunkte für
Wundeitcrungen werden können, und welche auch in septischen
Wunden ohne Schaden verwendbar sind, nämlich anhydro¬
phil e und m ö glichst feine Fäden. Diese Eigenschaften
dürften wichtiger sein, als ihre Resorbirbarkeit.
X a e li trag bei der Corro e t u r: Der oben beschriebene
und abgebildete Apparat zur Herstellung iniprügnirten Zwirns ist
neuerdings so verändert worden, dass Wickeltrommel und Glas¬
kasten getrennt an verschiedenen Enden eines Zimmers aufgestellt
werden können. Ausserdem hat sieh gezeigt, dass Colloidin-
löKungen leichter als Collodium in <1 io Zwirnsfäden eliulriiigen. ihre
Verwendung grössere Sicherheit bietei für die Gewinnung eines
glatten und homogenen Fadens. Das Auskocheu des Zwirns vor
der Imprägnation kann hierbei stets wegfallen, was die Kelbstaus-
fiihrung der Imprägnation vereinfacht.
Literatur:
A n s e h ii t z : Feber den primären Wundverschluss ohne Drainage
und die Ansammlung von Wundseeret in aseptischen Wunden.
Beitr. z. klin. Fhirurgie. Bd. 25. lieft 3.
'» in der Diseussion, welche sich dem vorstehenden Vortrag
ansehloss (s. diese Woehenschr. No. 11. S. 377) erwähnte indessen
lt. Y o 1 k m a n n einen Fall, wo bei einer Laparotomie die Faseien
mit 24 Collodiumzwinmiihten vereinigt worden waren und in der
Folge wegen eines Bauchdeckcnabseesses die llautnaht ge¬
öffnet werden musste. 22 Nähte heilten trotzdem ein. 2 wurden
entfeint wegen Nekrose des von ihnen gefassten Gewebes — wahr¬
scheinlich die Ursache der Störung der Wundheilung.
Digitized by Google
Behring: Ueber Desinfection, Desinfectlonsmlttel und Des-
infectionsniethoden. Zeitschr. f. Hyg., Bd. IX, 1892.
Brunner: Erfahrungen und Studien über Wundinfectlon und
Wundbehandlung. Frauenfeld 1898.
Dun: The eonditions interfering wlth healing of wounds witli
experiments on lesion, Implantation and infection. Edinb. med.
Journ. 1895, No. 3.
F leischauer: Chirurgisches NUhmaterial zu Ligaturen und
verlorenen Nähten. Diss. Erlangen 1896.
Gottstein: Beobachtungen und Experimente über die Grund¬
lagen der Asepsis. Beitr. z. klin. Chir., Bd. 24, 25 (s. auch bei
Mikulicz).
Gubaroff: Ueber Anfertigung eines billigen und für chirur¬
gische Zwecke ausreichenden Nahtmaterials. Centralbl. f. Chir.
1896. p. 1025. Monatssehr. f. Geburtsh. u. Gyn. 1897, p. 213.
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Briefe von der Deutschen Ambulanz des Rothen
Kreuzes in Südafrika.
IX.
.Takobsdal, den 21. Februar 1900.
Ew. Exocllenz erlaubte ich mir in einem Briefe vom 21. Januar
d. J. einen kurzen Bericht über unsere bisherige Thätlgkeit zu tiber¬
senden. Zu der Zeit, als Ich dies schrieb, war es hier verhilltniss-
mässig still; keine grössere Action hatte damals stattgefunden,
in Folge dessen war unsere Arbeitskraft nicht allzu sehr in An¬
spruch genommen, so dass ich sogar noch Zeit hatte, am Abend
oder am Morgen gleich nach Sonnenaufgang der Jagd obzuliegen,
um meist hei dem grossen Wildreichthum mit guter Beute zurttck-
zukehren. Zeitweilig war wohl etwas mehr zu thun, dann, wenn
eine der englischen Granaten unglücklicher Weise zwischen ab¬
kochende Buren geschlagen und krepirt war. Merkwürdiger Weise
richteten jedoch die Geschütze der Engländer wenig Schaden an,
trotzdem die Geschosse nicht selten mitten zwischen dichte
Menschenhaufen schlugen: ich sah selbst, als ich unsern deutschen
Major A 1 b r e c li t besuchte, nicht weit von uns eine grosse
Lydditbombe zwischen einen Trupp Kaffee kochender Buren
erepiren, ohne dass nur ein einziger verwundet wurde. Der ganze
Monat Januar verlief so verhältnissmilssig ruhig, ebenso wie die
ersten Tage des Februar. Das wurde daun aber mit einem Male
gründlich anders. Zuerst gewahrten wir an dem Vorstosse. den
General F r e n e h mit seiner Kavalleriedivision bei Koedoes Berg
machte, dass mit der Ankunft von Lord Roberts und
Kitcliener ein anderer Zug in die Kriegsführung gekommen
war. Am 1. Februar versuchte, wie Ew. Excellenj? wohl gelesen,
die englische Kavallerie eine Umgehung der sehr festen, fast un¬
einnehmbaren Position der Buren bei Scholz Neck auf der west¬
lichen Seite, um so vorbei nach Kimberley zu kommen; dies Mal
hatten jedoch die Buren auf gepasst. Es kam zu einem mehrere
Tage dauernden Gefecht, in dem die Buren ausser 7 Todten nur
10. meist jedoch schwer Verwundete hatten. Ich war mit
Dr. Kfittner zur Hilfeleistung hinausgeritten und hatte so Ge¬
legenheit. einen Theil des Gefechtes mitzuerleben, allerdings nur
den letzten Art, der hauptsächlich in einem. heftigen Bombarde¬
ment der beiderseitigen Artillerie bestand. Ich hatte eine für
einen Zuschauer sehr geeignete Position eingenommen, so dass Ich
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
17. Apri 1^1900.
541
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
«len Gefeclitsplatz s«*ln* gut üborblmken konnte. Störcml war um*
das lebhafte Feuern der englischen Artillerie, die ab und zu auch
mal den uns als Standpunkt dienenden Kopje bestrieh. Der An¬
griff der Engländer war mal wieder zurückgeschlagen, nun war
wieder Alles ..still und ruhig”, wie der ofttcielle Bericht des O. F. S.-
Gouvernements lautete. General U ronj e. <ler Haupteommandant
der Buren bei Scholz Neck, gab sich wieder seiner gewohnten ltulio
hin, seinerseits etwas zu unternehmen hatte er keine grosse Nei¬
gung; dass die Engländer seine Stellung umgehen könnten, wollte
ihm nicht, in den Sinn, für ihn stand es fest, «lass ihre Truppen
nicht von der Eisenbahn wegkonnten. Er sollte aber aus seinem
Schlafe bald aufgeweckt werden. Am 11. Februar zeigten sich
nicht weit von Jakobsdal mächtige Staubwolken, die stete Beglei¬
tung mnrscliircuder Truppenmassen; gleichzeitig kam von
mehreren Patrouillen der Buren die Nachricht zu uns herein, dass
die englischen Truppen zum Theil ihr Enger am Modderriver ver¬
lassen hätten und südöstlich zögen. Da die Staubwolken nicht all¬
zuweit von uns entfernt, waren, ritt ich noch au demselben Nach¬
mittage mit einem österreichischen früheren Oflicier. Graf Stern¬
berg nach Griqua Land West zu. um eventuell mir von einem
hoch gelegenen Kopje die Truppenbewegung anzusehen. Wir
sahen denn auch nach einstmaligem scharfen Kitte verschiedene
Kaneerpatrouillen, offenbar Sciiendeckungen und zogen es dann
vor, uns wieder zu unserem Wohnort«* zurück zu begeben. Am
Abend desselben Tages, sowie im Anfang der Nacht, bot Jakobsdal
ein buntbewegtes Bild; fortwährend kamen liurencommandos
durch, die auszogen, um sich nach Koff.vfontein zu begeben, weil
man aus irgend welchen Gründen annahm, der Angriff der Eng¬
länder gelte nicht dem General (’ronje, sit* seien nicht aus-
marsehirt, um Kimberley zu entsetzen, sondern hätten die Absicht,
über den bisher erwähnten Ort hinaus die Bahn nach Bloemfontein
zu gewinnen. Am andern Tag traf die Nachricht hier ein, es sei
schon ein lebhaftes Gefecht im Gange; der Landdrost, ein Bruder
des Präsidenten S te 1 j n . kam zu uns. um uns zu bitten, Ililfe zu
leisten. Nachdem uns ein angeblich sicherer Führer gestellt war.
der die Stellung der Buren genau kennen sollte, fuhren Dr. Iv ü 1 1 -
n e r und ich (t>r. M a t h i o 1 i u s , Marinestabsarzt, war auf einige
Zeit verreist) mit unseren Ambulanzwagen fort. Wir sollten auf
dieser Fahrt eine interessante Abwechslung erleben. Nach circa
2‘/ v , ständiger Fahrt resp. Kitt sahen wir von einem Kopje aus
Kavallerie, die uns sofort verdächtig vorkam. Wir beschlossen
aber trotzdem ruhig weiterzufahren, im Vertrauen darauf, dass
uns die Engländer nicht belästigen würden. Wir fuhren denn
auch weiter, waren aber auch bald mitten zwischen den
10. Husaren, die unsere Wagon von fern für Proviantwagen ge¬
halten hatten. Der Oberst, zu dem wir gefühlt wurden, wie auch
die Oftlciere, waren äusserst liebenswürdig gegen uns, Hessen uns
sofort wieder frei. Da sie seit 1 Uhr Morgens unterwegs waren,
den ganzen Tag in der glühenden afrikanischen Hitze umherge¬
ritten waren (es war 4 Uhr), baten sie uns um Wasser, das natür¬
lich bereitwilligst gewährt wurde. Unser Wasser, das allerdings
auch ausnehmend gut ist, fand ihren grossen Beifall; ich glaube
allerdings, jedes Wasser hätte ihnen geschmeckt, denn hier in
Afrika lernt man erst den Durst kennen. Hier trinkt man Wasser,
das monatelang stagnirt, von dem das Vieh säuft, in dem Menschen
sich waschen, mit Hochgenuss, sobald man einige Stunden in der
afrikanischen Hitze geweilt. Recht praktisch sind die Wasser¬
behälter hier, in denen gleichzeitig das Wasser gekühlt wird,
Säcke, die in den Wind gehängt werden. Aussen verdunstet fort¬
während die Feuchtigkeit; die Verdunstmigskälte kühlt das im
Sacke befindliche Wasser auf eine augenehme Temperatur ab.
Natürlich versorgt man sieh reichlich mit Wasser, wenn man aus¬
reitet resp. fährt; so hatten wir denn auch viel des edlen Nasses
mitgenommen und konnten viele durstige Kehlen laben.
Was wir so gesehen hatten, das 10. Husaren-Regiment,
offenbar die Vorhut, hatte den Fluss am Morgen überschritten,
ohne dass die Buren es gemerkt hatten. Als wir General Cronje
liluaussagen Hessen, dass die Engländer den Fluss schon über¬
schritten härten und offenbar eine Umgehung beabsichtigten,
lachte er und sagte: „Lassen Sie sie uur kommen, die Englischen.*‘
Am 'Tage darauf war noch alles ruhig, nur gewaltige Staub- und
Rauchwolken am Horizonte zeigten die Truppen Verschiebungen an.
Am 14. Februar Morgens machte auch unser Ort zum ersten Male
nähere Bekanntschaft mit englischen Truppen; es zog in den von
Buren verlassenen Ort das 2. Mounted-Infanterie-Uegiment unter
Führung des Colonel Henry ein, nahm die öffentlichen Gebäude,
Telegraphenamt., Landdrost komtoir etc. in Besitz und besah sich
gleichzeitig unser Hospital. Wir sassen dann noch mit dem Regi¬
mentsarzte und einigen Offleieren zusammen, die, ausgehungert,
wie sie von dem langen Ritte waren, theilweise im Orte früh¬
stückten. Auch ihnen blüht«* noch eine Ueberrasclning; sie hatten
nämlich versäumt, die Morseapparate auf dem Telegraplienamte
zu zerstören; während sie noch im Orte waren, war auch die Nach¬
richt ihrer Ankunft nach General Cronje unterwegs, dessen Truppen
nur 1 Stunde zu Pferde (ca. 7 engl. Meilen) vor Jakobsdal lagerten.
Wie der Wind waren denn auch ca. 70—SO Buren hier; es gelang
ihnen, die Nachhut, unter der sich auch der Oberst befand, noch
dicht bei Jakobsdal zu erreichen uud nach heftigem Gewehrfeuer ln
die Flucht zu schlagen. Wenig angenehm war es für lins, dass die
Buren dicht am Orte lagen und zum Theil noch in den Gärten
Deckung suchten; denn nun waren die Engländer ihrerseits ge-
nothigt, den Ort zu bescliiessen, so dass wir das zweifelhafte Ver¬
gnügen hatten, ca 1 Stunde dem heftigsten Kugelregen ausgesetzt
zu sein. Glücklicher Weise wurde Niemand verwundet, da die
Kugeln die Wände der Häuser grösstentheils nicht mehr durcli-
No. IC.
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dringen konnten. Wir haben daun noch nach Ablauf des Gefechtes
bis zum Morgengrauen zu arbeiten gehabt, die nothwendigen Ver¬
bünde gemacht, ohne nur einen Augenblick Zeit zum Essen zu
haben. Unter den Verwundeten befand sich auch der Oberst
Henry, den ich noch mitten in der Nacht auf dem Schlachtfelde
mit 2 Schüssen fand. Wie zu erwarten, rückten die Engländer am
anderen i’nge wieder gegen Jakobsdal vor, diesmal aber mit ge¬
waltiger Uebermaclu, gleichzeitig Geschütze mit sich führend.
Nun begann ein zweistündiger Kampf um den Ort; Anfangs nur
mit Kleingewehr, bald zeigte uns aber der dumpfe Ton der Ge¬
schütze, «lass es nun Ernst wurde. Glücklicher Weise sahen die
englischen Artillerie-Ofliciere «lie Rothe Kreuz-Flagge und ver¬
mieden nach Möglichkeit, ihr Ziel dorthin zu richten. Trotzdem
schlug Granate nach Granate ins zu 80 Schritt vom Hospital ein.
Zugleich ergoss sich über den Ort ein grosser Hagel von Lee Met-
ford-Geschossen, die nach dem Gefechte überall (so in meinem
Bette eins) zu ttmlen waren. Mindestens 50—00 schlugen in’s
Hospital ein, in «las alle Weiber und Kinder geflüchtet waren,
glücklicher Wt*is«* ohne Jemanden zu verletzen. Im Nachbar¬
hause wurde im Zimmer ein Mann durch den Oberschenkel ge¬
schossen, unglücklicher Weise Arteria uml Vena femoralis dureh-
tivnnt; fast morihuiul unterband ich noch beide im Gefechte.
Der Mann scheint mit Gaugraeu des Beines zu genesen. Glück¬
licher \V«‘ise zogen sieh die Buren nach ca. zweistündigem Ge¬
fecht zurück, die Engländer nahmen Jakobsdal wieder in Besitz.
Während der ganzen Zeit war die Situation im Hospital eine sehr
heikle gewesen, da es galt, die aufgeregten Kranken, noch mehr
die Frauen und Kinder, zu trösten.
Noch an demselben Tage rückten mehrere Regimenter In¬
fanterie, Kavallerie in Jakobsdal ein, meist, um sich sofort weiter
zu begehen. Unsere Thätigkeit bestand darin, die verwundeten
Engländer zu versorgen (Buren hatten keine Verluste), die sehr
zahlreich waren. Wir hatten damit den grössten Theil der Nacht
zu tliun, erst gegen Morgen konnten wir uns der diesmal wohl¬
verdienten Ruhe hingebeu. Am Morgen <les folgenden Tages
rückte Lord Roberts mit seinem Stabe selbst in Jakobsdal ein;
einer seiner ersten Gänge war der Besuch unseres Hospitales.
Er äusserte sich höchst anerkennend über dasselbe lind Hess
sofort nach London ein Telegramm absenden, in dem er aus¬
sprach, dass seine Verwundeten in dem von uns (Dr. Küttner
und mir) geleiteten Hospital eine ausgezeichnete Aufnahme ge-
fuiKlen. Im Laufe «les Tages besuchten uns noch eine Menge
englischer Aerzte, darunter die berühmten Chirurgen Watson
Che y u e und MacCormac; Letzterer lässt sich Ew. Exeellenz
bestens empfehlen.
Die folgenden Tage haben uns grosse Arbeit uud sehr werth¬
volles Material gebracht, so dass wir jetzt wieder völlig beschäf¬
tigt sind. Unsere Thätigkeit ist hochinteressant; ich habe viel
Neues auf kriegschirurgischem Gebiete gesehen, auf dem sich auf
Grund der in diesem Kriege gemachten Erfahrungen viele An¬
schauungen ändern werden. Leider ist das Klima so ungünstig;
hier herrscht, seit der Zeit, dass ich hier bin, eine tropische Hitze,
dabei unendlicher Staub. Jeden Tag, meist nach Tisch weht so
2 Stunden lang ein heftiger Sandsturm, dabei herrscht völliger
Regenmangel, so dass alles trocken, wie in einer Wüste, hier ist.
Dass die Verpflegung nicht die allzu beste ist, werden Sich Ew.
Exeellenz wohl «lenken können. Doch das nimmt mau alles gern
in den Kauf; glücklicher Weise ist noch Niemand unserer Expe¬
dition wesentlich erkrankt (ich sehe ab von ziemlich heftigen
Darmkatarrhen), trotzdem Typhus, Ruhr und Malaria liier sehr
stark herrschen.
. Dr. H i 1 d e b r a n d t.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Die neueste Impfverordnung.
Von Hofrath Dr. Brauser.
Die königliche Allerhöchste Verordnung
v o m 17. D e c e m b e r 1899, den Vollzug des Impfgesetzes be¬
treffend, welche seitens der Districtspolizeibehörden sämmtlichen
praktischen Aerzten zur Kenntnissnahme mitgetheilt worden ist,
enthält in § 3, Abs. II und III Bestimmungen, welche geeignet er¬
scheinen, sämmtliche praktische Aerzte auf’s Lebhafteste zu be¬
unruhigen, sie in ihrer, durch die staatliche Approbation er¬
worbenen Berechtigung zur Ausübung der gesummten Heilkunde
wesentlich zu beeinträchtigen, und sie dadurch nicht nur materiell
zu schädigen, sondern auch in den Augen des Publicums bedenklich
zu discreditiren. Eine leidenschaftslose, objective Betrachtung
dieser neu eingeführten Bestimmungen über die Impfung durch
nicht amtliche Aerzte dürfte daher sehr am Platze sein.
Was verlangt jener Paragraph der Königl. Allerh. Ver¬
ordnung?
Er fordert, dass „jeder Arzt, welcher das Impf¬
geschäft privatim oder öffentlich austiben
will, den Nachweis darüber erbringe, dass er
mindestens zwei öffentlichen Impflings- und
ebensovielen Wiederimpfungs-Terminen bei¬
gewohnt und sich die erforderlichen Kennt¬
nisse über Gewinnung und Erhaltung der
Lymphe erworben hat“. Weiters wird bestimmt, dass
eine „ausdrückliche Inpfllchtnabme der Impf¬
ärzte, welche bei den amtlichen Aerzten mit
der dienstlichen Verpflichtung überhaupt zu
5
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. ie.
542
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
v e r I) i n (1 o n ist, bei der Uebernalime dos Impl'ge-
s c li ii f t e s st attzu finden li a b e“.
Diesen in die praktische Thiitigkeit der nicht amtlichen Aerzte
so tief und empfindlich eingreifenden Bestimmungen ist weder eine
Motivirung beigegeben, aus welcher zu erkennen wäre, welche Um¬
stände die kgl. Staatsregierung zu so strengen Verordnungen ver¬
anlasst haben, noch ist Rücksicht genommen auf die Bestim¬
mungen der R e i c li s g e w e r b e o r d n u n g , die Bestimmungen
der Reichsprüfu ngsordnung, auf das Reichsimpf ¬
gesetz, sowie auf den ganzen, seit Jahrzehnten üblichen und
ohne »Störung bethätigten Geschäftsgang der Impfung. Wir wissen
wohl, dass die gegenwärtige Verordnung auf einem Beschlüsse des
Bundesratlies beruht, welcher sich unterm 28. Juni 1899 mit den
Beschlüssen einer Sachverständigencommission betreffend das
Impfwesen einverstanden erklärte. Dieser Bundesrathsbesehluss
wird jetzt von den einzelnen Bundesregierungen dadurch in Aus¬
führung gebracht, dass jene neuen Bestimmungen in Kraft gesetzt
werden. Bayern ist hierin durch seine Kgl. Allerhöchste Verord¬
nung vom 17. Deeember 1899 voran gegangen. Die mittlerweile
erschienene kgl. preussisclie Verordnung enthält keine Bestim¬
mung über einen von den Impfärzten neuerdings beizubringenden
Befähigungsnachweis durch das Beiwohnen von amtlichen Impf¬
terminen; auch eine Revision der Privatimpfuugeu bestimmt die
preussisclie Verordnung nur im Bedürfnissfalle, während die ham-
burgische Verordnung vou beiden Bestimmungen nichts enthält.
Wenn die kgl. sächsische und grossherzoglich badische Verordnung
mit der bayerischen gleichlautend sein soll, so zeigt dies nur, dass
die Bundesstaatsregierungen versäumt haben, in einer so hoch¬
wichtigen Frage eonforme Beschlüsse und gleichlautende Bestim¬
mungen zu erlassen, was die bereits erzeugte Erregung nur zu er¬
höhen vermag. Wir bezweifeln hiebei auch, ob es in der Absicht
des Bundesratlies gelegen war, diese Bestimmungen rück¬
wirkend auf alle, auch die älteren Aerzte zu machen, welche
nur privatim impfen. Hierüber musste doch vorher zwischen den
einzelnen Bundesregierungen Uebereinstimmung erzielt werden,
denn es ist diese Auslegung kaum denkbar.
Nach § 29 der Reichsgewerbeordnung bedürfen die¬
jenigen Personen, welche sich als Aerzte oder mit gleichbedeuten¬
den Titeln bezeichnen, oder seitens des Staates oder einer Ge¬
meinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Functionen betraut
werden sollen, einer Approbation, welche auf Grund des
Nachweises einer Befähigung ertheilt wird. Diese auf Grund
staatlicher Prüfungen erlangte Approbation berechtigt den Ge¬
prüften zur Ausübung der gesammten Heilkunde
im ganzen Deutschen Reiche, und kann nur dann durch
die Verwaltungsbehörden wieder zurückgenommen werden, wenn
nach § 53 der Reichsgewerbeordnung die Unrichtigkeit der Nach¬
weise dargethan wird, auf Grund deren die Approbation ertheilt
wurde, oder wenn dem Inhaber der Approbation die bürgerlichen
Ehrenrechte aberkannt sind. Diese beiden Fälle liegen nicht vor,
und doch ist durch obige Verordnung den praktischen Aerzten das
Recht der Ausübung der gesammten Heilkunde, welches sie durch
die Approbation erlangt haben, theilweise genommen worden, in¬
dem ihnen die Ausübung der Impfung, eines Theiles der prak¬
tischen Heilkunde, durch obige Bestimmungen wesentlich er¬
schwert, ja unmöglich gemacht worden ist.
Die Reiclisprtifungsor dnung enthält in ihrer
neuesten Fassung Bestimmungen darüber, dass der Prüfungs-
candidat auch von seinen Kenntnissen und seiner praktischen Be¬
fähigung auf dem Gebiete des Impfwesens Zeugniss ablegen muss.
Es bildet die Impfung einen Prüflingsgegenstand, und wer diese
Approbationspriifung bestanden hat, den hat man bisher, und sollte
man auch künftig für befähigt halten, die Scliutzpockeuimpfung
correct auszuüben. Die neuen Bestimmungen fordern aber, voraus¬
gesetzt, dass sie wirklich rückwirkende Kruft haben, sowohl von
den älteren Aerzten, welche zwar aus der Impflehre nicht geprüft
wurden, aber doch schon seit 10, 20, ja 30 und mehr Jahren mit
Erfolg und ohne nachweisbare Schädigungen geimpft haben, als
auch von den bereits In der Approbationsprüfung aus der Impf¬
lohre Geprüften weitere Befähigungsnachweise und unterstellen
ihre Thätigkeit einer amtlichen Gontrole.
Das Impfgesetz für das Deutsche Reich end¬
lich besagt in § 8 ganz deutlich, dass ausser den Impfärzten aus¬
schliesslich „Aerzte“ befugt sind, Impfungen vorzunehmen, und
knüpft fliese Befugniss an gar keine weiteren Bedingungen. So
lange nun das Impfgesetz des Deutschen Reiches in seinem jetzigen
'Wortlaute zu Recht besteht, kann, nach unserer unmaassgeblichen
Anschauung, irgend eine Vollzugsbestimmung keine so ein¬
schneidende Veränderung an demselben vornehmen, welche dem
nicht amtlichen Aerzte das Recht, die Impfung auszuüben zwar
nicht ganz entzieht, aber doch an solche Bedingungen knüpft, die
zu erfüllen den meisten Aerzten unmöglich sein dürfte.
Der praktische Arzt muss auf Grund der neuen Bestim¬
mungen. er mag noch so viele Jahre die Impfung ausgeübt haben,
er mag in der Approbationsprüfung über das Impfgeschäft geprüft
und für befähigt befunden sein, zwei öffentlichen Impf- und ebenso-
vielen Wiederimpfungsterminen beigewohnt haben, und muss seine
fernere Thätigkeit als Impfarzt der Gontrole eines oft viel jüngeren
Gollegen unterstellen, welcher zufällig kgl. Bezirksarzt ist. Das
ist für den praktischen Arzt eine geradezu unleidliche Be¬
einträchtigung seiner persönlichen Freiheit, seines durch die Appro¬
bation erworbenen Rechtes zur Ausübung der gesammten Heil¬
kunde, für den kgl. Bezirksarzt eine unangenehme Beigabe
zu dem ohnehin recht beschwerlichen Impfgeschäft, und für das
Publicum eine geradewegs unbegreifliche Maassregel, welches
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seine bisherigen Impfärzte zur Genüge persönlich kennt, und nun
sehen muss, dass man sie wieder ln die Schule schickt.
Und was sieht denn der praktische Arzt, der vielleicht schon
Jahrzehnte privatim geimpft hat, bei der öffentlichen Impfung7
Befähigt vielleicht die Ernennung zum kgl. Bezirksarzt einen,
oft viel jüngeren Gollegen. der möglicher Weise wenige Wochen
vorher selbst noch praktischer Arzt war, plötzlich dazu, dass er
coiTecter, idealer, sicherer impft als der ältere Gollega? Wird es
ein collegial fühlender Amtsarzt über sich bringen können, coraui
publico einem älteren Gollegen, der nur praktischer Arzt ist, Be¬
lehrungen und Unterweisungen zu geben 7 Was hilft also diese
ganze Maassregel, welche den ärztlichen Stand so tief verbittert
und ihm die Ausübung der Heilkunde, zu welcher ihn die erlangte
Approbation berechtigt hat, nach einer Richtung so wesentlich er¬
schwert und unmöglich macht7
Das Gleiche gilt von der vorgeschriebenen Controle der
privatärztlichen Impfung durch die amtlichen Aerzte. Was gibt
es da zu controliren7 Ist der amtliche Arzt, weil er kgl. Bezirksarzt
geworden ist, im Stande, besser und gefahrloser zu impfen, als
seine Gollegen, welche das lmpfgescliäft vielleicht schon Jahr¬
zehnte betreiben 7 Was muss sich das Publicum denken, wenn es
einen erfahrenen älteren Arzt sieht, welcher schon Jahre lang
selbständig geimpft hat, wie er jetzt bei der öffentlichen Impfung
Zusehen muss, wenn es sieht, dass der Impftennin des älteren
Arztes durch den amtlichen Arzt controlirt, <1. li. überwacht
werden muss.
Das sind Zustände, wie sie für alle Theile peinlich, für die
davon getroffenen praktischen Aerzte geradewegs unleidlich sind.
Diese Bestimmungen werden die Folge haben, dass die einen
praktischen Aerzte sich einfach nicht daran kehren, die
anderen, wahrscheinlich der grösste Tlieil, sich der Impfung
ganz enthalten und ihre Glienten an die öffentlichen Impf¬
tennine verweisen. Unterwerfen wird sich diesen Bestimmungen
kein praktischer Arzt.
Wer aber wird dadurch geschädigt?
Nicht allein der praktische Arzt, welchem eine nicht
unbedeutende Einnahme entgeht, und welcher in die unangenehme
Lage versetzt wird, seinen Glienten anzukündigen, dass und warum
er die Impfung ihrer Kinder nicht mehr, wie bisher, privat vor¬
nehmen könne; auch der amtliche Arzt erfährt eine recht
empfindliche Mehrung seiner Arbeit an den Impfterminen, wenn
sich die praktischen Aerzte in Folge dieser Zwangsbestimmungen
künftig weigern, Privatimpfungen vorzuuelimen. Am empfind¬
lichsten aber, und das ist sehr zu berücksichtigen, leiden diejenigen
('lassen der Bevölkerung, welche bisher gewohnt waren,
gegen geringe Opfer ihre Kinder bei ihren Hausärzten impfen zu
lassen, um sie auf diese Weise den Unannehmlichkeiten der öffent¬
lichen Impftermine, dem grossen Andrange, der Gefahr der Ueber-
tragung ansteckender Krankheiten etc. zu entziehen. Die Impfung,
welche nun fast ein Jahrhundert in Bayern eingebürgert ist und
der Bevölkerung, als ein nothwendiges Uebel, nicht mehr lästig,
sondern förmlich zur Gewohnheit geworden ist, kann durch solche
unglückliche Bestimmungen recht schnell unpopulär werden, und
die Wirkung dieser Verordnung, welche die Impfung sicherer
machen und dadurch deren Gegner wirksamer bekämpfen will,
wird gerade das Gegentheil sein. Sie wird die Impfung gerade bei
der Bevölkerung discreditiren und verhasst machen. So arbeitet
man den Impfgegnern in die Hände!
Und warum das Alles?
Motive für die Kgl. Allerhöchste Verordnung vom 17. Decem-
ber 1899 sind nirgends zu finden. Es kann also nur angenommen
werden, dass die maassgebenden Behörden sich durch die zu¬
nehmende Antiimpfbewegung in Deutschland veranlasst gesehen
haben, Bestimmungen zu treffen, welche dem Volke eine noch
grössere Gewähr für die Sicherheit der Ausführung und die Un¬
gefährlichkeit der Impfung bieten sollen, als bisher.
Ob dies auf dem eingeschlagenen Wege erreicht werden wird,
möchte ich nach allem bisher Gesagten verneinen.
Undn unnocheine Frage. Mit der staatlichen Organi¬
sation der ärztlichen Standes Vertretung durch die Kgl. Allerhöchste
Verordnung vom 10. August 1871 sind den staatlich organisirten
Vertretungen des ärztlichen Standes in Bayern, den Bezirks-
Vereinen und Aerzteka m m e r n schon manche, oft viel
unwichtigere Gegenstände zur Berathung und Begutachtung vor¬
gelegt worden. Warum hat unsere kgl. Staatsregienmg gerade
in dieser, für die Allgemeinheit wie für den ärztlichen Stand so
hochwichtigen Frage diesen Weg einzuschlagen unterlassen? Wir
Aerzte wären gerne bereit gewesen, zur Sicherung der Impfung
gegen die zunehmenden Angriffe der Antiimpfbewegung Vor¬
schläge zu machen, auch O p f e r zu bringen; aber mit der durch
die Kgl. Allerhöchste Verordnung vom 17. Deeember 1899 einge¬
schlagenen Art und Weise der Verfolgung dieses Zweckes können
wir uns nun und nimmer einverstanden erklären.
Referate und Bücheranzeigen.
H. L e o: TJeber Wesen und Ursache der Zuckerkrankheit.
Berlin 1900. A. II i r s c h w a 1 d.
Den vorhandenen Theorien des Diabetes mellitus stellt Leo
auf Grund eigener experimenteller Forschungen eine neue an die
Seite. Sie erscheint nicht besser und nicht schlechter begründet,
als manche andere. Ob sie sich als richtig erweisen wird, darüber
lässt sich füglich noch nicht urtheilen, dazu bedarf es weiterer
Original frorri
_ UNIVERSITY QF CALIFORNIA_
543
17. April 1900. MÜNCHENER MEDJCINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Fntraiuchungcn, die wohl nicht lange auf sieh warten lassen
worden.
Als Ursache der Zuckerausscheidung im Harn beim Menschen
kann bisher nur ein erhöhter Zuckergehalt des Blutes angesehen
werden. Das Vorkommen eines menschlichen „Nierendiabetes“
ist möglich, aber nicht erwiesen. Es ist noch keine einzige That-
saclie bekannt, welche dafür spräche,dass dieseHypcrglykaemie auf
einer Ueberproduction von Zucker beruhe. Viel mehr weist Alles
auf eine Störung im Zuckerverbrauch hin, deren Veranlassung in
Erkrankung verschiedener Organe gesucht werden kann: der
Leber (unwahrscheinlich), des Pankreas, des Nervensystems.
Durch ungenügende Oxydationskraft des Organismus ist der ge¬
ringere Zuckerverbrauch beim Diabetes nicht bedingt. In den
genannten Organerkrankungen erkennt man in einzelnen Fällen
die Ersuche für den Diabetes. Viel häufiger ist aber eine Erkran¬
kung derselben nicht nachweisbar. Für diese Fälle, „in denen
uns die Einsicht in die Entstehungsweise der diabetischen
Hypcrglykaemie verschlossen ist“, stellt nun Leo die Hypothese
auf, „dass die Insufficienz der Zuckerverbrennung in den Ge¬
weben und Säften dadurch veranlasst ist, dass ein toxisches Agens
im Körper eirculirt, welches auf die zum Verbrauche des Zuckers
nothwendige Function hemmend einwirkt“. Auf das Vor¬
handensein eines uns noch unbekannten Giftes im Organismus
des Diabetikers deutet die Br eine Esche Blutreaction, welche
das normale Blut nicht gibt und welche nicht durch den erhöhten
Zuckergehalt des diabetischen Blutes verursacht ist, und ferner
die diabetische Neuritis hin. Die Vermuthung, dass ein solches
toxisches Agens bestehen müsse, wird für Leo zur Gewissheit
dadurch, dass cs ihm gelang, durch Eingabe per os, namentlich
aber durch subcutane Injection des zuckerhaltigen als auch des
zuckerfreien Urins von Diabetikern bei Hunden Glykosurie zu
erzeugen. Diese Glykosurie muss veranlasst sein durch Stoffe,
welche im diabetischen Harn enthalten sind. Der Stoff wird
wahrscheinlich im Blute, resp. in den Geweben gebildet, könnte
aber auch in den Nieren entstehen. Ob er durch die abnorme
Thätigkeit eines oder mehrerer Organe mit oder ohne Beein¬
flussung des Nervensystems gebildet wird, oder ob er das Stoff-
wechselproduct eines von aussen in den Körper gelangten Mikro¬
organismus ist, lässt sich noch nicht entscheiden.
Im 2. Abschnitt verbreitet sich Leo über die Ursachen des
Diabetes, wobei er namentlich auf die für einen parasitären
Charakter der Zuckerkrankheit sprechenden Erscheinungen hin¬
weist. Als solche kommen in Betracht: Das Auftreten von Dia¬
betes bei Leuten, welche lange Zeit näher mit Diabetikern ver¬
kehrt haben (Eheleute, Hausgenossen), der Diabetes acutus mit
plötzlichem Beginn und Fehlen jeglicher anatomischen Laesion,
die Analogie mit^der Oystinurie, welche nach Baumann wahr¬
scheinlich auf einer Darmmykose beruht, endlich die von Leo
gefundene Erscheinung, dass durch Producte der Hefegährung
Zuckerausscheidung veranlasst werden kann. Es können nach
diesen Versuchen Stoffwechselproducte von Mikroorganismen
Glykosurie erzeugen und es ist damit ein weiteras Moment für die
Möglichkeit gegeben, „dass auch die dem menschlichen Diabetes
zu Grunde liegende Störung des Zucker Verbrauchs auf die Lcbens-
thätigkeit eines parasitären Mikroorganismus zurückgeführt
werden kann“. Freilich sind bisher bacteriologische und IJeber-
tragungsversuche mit Blut, Geweben, Darminhalt von Diabetikern
negativ ausgefallen (nur Töpfer und Ilammerschlag
wollen mit Faecesbestandtlieilen positive Resultate erhalten
haben). Auch die Untersuchung des Harnes auf Ptomaiue und
Aetherschwefelsäuren hat keine weiteren Anhaltspunkte für die
parasitäre Theorie der Diabetes ergeben.
F. V o i t - München.
Professor Dr. Theodor v. Jürgensen - Tübingen: Er¬
krankungen der Kreislaufsorgane. Insufficienz (Schwäche)
des Herzens. Mit 20 Abbildungen. Verlag von A. Holder,
Wien 1899. Einzelnpreis 6 M.
Die Bearbeitung der Erkrankungen der Kreislaufsorgane in
der von H. Nothnagel herausgegebenen speeiellen Patho¬
logie und Therapie hat 6 grosse Haupttheilc vorgesehen: 1. den
vorliegenden; 2. die angeborenen Herzkrankheiten; 3. All¬
gemeines, Endocarditis und Klappenfehler, Hypertrophie, Dila¬
tation; 4. Erkrankungen des Herzmuskels und nervöse Erkran-
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kungen; 5. Erkrankungen des Herzbeutels; 6. Erkrankungen der
Gefässe. Die Abtrennung eines eigenen Hauptabschnittes, der
ausschliesslich der Darstellung der Herzschwäche gewidmet ist,
mag auf den ersten Blick überraschen; denn das, was unter dem
Ausdrucke „Herzschwäche“ verstanden zu werden pflegt, muss
auch in dem Inhalte aller übrigen Abschnitte wieder berück¬
sichtigt werden und es könnte scheinen, als müsste das zu Wieder¬
holungen innerhalb der von mehreren Autoren bearbeiteten
Hauptabschnitte die Veranlassung bilden. Bei näherem Zusehen
erscheint die specielle Bearbeitung der Herzschwäche indess so
berechtigt, dass man sich wundert, warum dies nicht auch bei
früheren grossen Darstellungen der Erkrankungen der Kreislaufs¬
organe allgemein üblich gewesen ist. Jedenfalls wird dieses ein¬
leitende Werk von J ürgensen auch in dieser Richtung vor¬
bildlich zu wirken berufen sein. Jürgensen erkennt in der
Insufficienz des Herzens eine allen Herzkrankheiten zukommende
eigenartige Störung, und es entspricht vollkommen der überall
zu Wort und Werth gelangenden klinisch-physiologischen Be¬
trachtungsweise des Autors, dass er das Einheitliche, was der Arzt
am Krankenbette Herzkranker zuerst wahmimmt, nämlich das
Bild der Herzschwäche, zum Ausgangspunkte der ganzen Dar¬
stellung der Herz- und Gefässkrankheiten gemacht hat. Viel¬
leicht wäre trotzdem nicht dieses originelle Werk entstanden, wie
es heute vor uns liegt, wenn nicht die besondere Art der Durch¬
führung und Darstellung dazu käme. Denn letztere ist von einer
nicht leicht zu übertreffenden Knappheit und Klarheit, und mir
will es scheinen, als sei in diesem Werke der Stil wieder einmal
der Mensch selbst. Das berührt gerade gegenüber der modernen
medieinkchcn Literatur an diesem Werke so wohlthuend.
Wie schon angedeutet, ist die Durchführung der hier gestell¬
ten Aufgabe von J ürgensen auf eine breite physiologische und
klinische Grundlage gestellt worden. Die Literatur über die zu
erörternden Fragen ist bis auf die neuesten Erscheinungen mit
kritischem Geiste verwerthet und mit einer ausserordentlichen
Gründlichkeit in das Ganze verarbeitet, soweit sie auf Bedeutung
Anspruch erheben kann. Gerade in gegenwärtiger Zeit, wo von
physiologischer Seite so prineipielle Fragen betreffs der Inner¬
vation des Herzens, betreffs der physiologischen Zustände und
Functionen des Blutes, der Lymphe und Gewebeflüssigkeiten u. a.
in den Vordergrund gerückt wurden, bedarf die Klinik der Herz¬
krankheiten oder besser gesagt die systematische Darstellung der¬
selben da und dort einer Anpassung an neu gewonnene Vor¬
stellungen und mancher Correctur alt überkommener Anschau¬
ungen. Nirgends tritt dies deutlicher hervor, als in der jetzt
überall durchdringenden Abwendung von der früheren Uebung,
die Klinik der Herzkrankheiten einseitig vom Gesichtspunkte
des pathologischen Anatomen beleuchten zu wollen, der längst
nicht ausgereicht hat, die Erscheinungen am Herzen des lebenden
Menschen, dessen Arbeitsleistung mit ihren fein abgestuften
Störungen, die Symptome der Herzmuskelermüdung, die nervösen
Herzkrankheiten u. a. in befriedigender Weise zur Darstellung
zu bringen. Die Frucht dieser Frontveränderung, welche den
Kliniker aus dem Lager der Pathologen mehr und mehr zu den
Physiologen hinübergeführt hat, ist die Erkenntniss von der Be¬
deutung der functioneilen Herzstörungen, die früher in der patho¬
logisch-anatomischen Aera der Systematik der Herzkrankheiten
keinen rechten Raum fanden: Der Arzt sah wohl die Störung,
aber das Mikroskop liess an dem todten Herzen „nichts Rechtes“
erkennen.
Eine Frucht dieses Umschwunges ist auch das vorliegende
Werk: es ist der Ausdruck der erst jüngst errungenen physio¬
logischen Anschauungsweise der Herzkrankheiten, die manche
klinische Beobachtung viel klarer erhellt, als dies früher vom ein¬
seitig anatomischen Gesichtspunkte aus möglich war. Jür¬
gensen hat in seiner bedeutungsvollen Studie thatsächlich
keine Regestenarbeit gethan, sondern Selbstbeobachtetes und Ge¬
dachtes auf Grund reicher klinischer Erfahrungen und mit voller
Benützung der neuen physiologischen Errungenschaften ncu-
schöpferisch vorgebracht. Höchst werthvoll ist die ausgedehnte
Einschiebung klinischer Beobachtungen, instructiver Kranken¬
geschichten in die Darstellung. Die Bilder am Krankenbette
müssen eben immer im Mittelpunkte alles Betrachtens bleiben.
Pathologie, Anatomie, Physiologie dürfen nur Instrumente sein,
diese Bilder noch näher zu betrachten und zu analysiren. Nur
ganz gedrängt möchte ich den Inhalt des Werkes andeuten. Nach
5*
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
544
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No 16.
einer kurzen Einleitung über den Begriff der Herzinsufficienz
besprieht J. in origineller Eintlieilung die Ursachen derselben,
mit Würdigung fremder und eigener Beobachtungen, woraus ich
besonders die schönen Ausführungen über die Ueberanstrengung
des Herzens hervorhebe. Dann werden die klinischen Erschei¬
nungen der Herzschwäche im Einzelnen mit meisterhafter Kürze
erörtert, die Untersuchungsmethode kurz besprochen, eine ein¬
gehende Würdigung finden dann die Erscheinungen an den Ge-
fiissen (mit zahlreichen Sphymogrammen), der Venenpuls in
seiner diagnostischen und prognostischen Werthung; es folgt die
kritische Würdigung der neuen Arbeiten über Blut, Lymphe
ere., besonders die Frage der Blut Veränderungen (Verdünnung
bei Herzinsufficienz). Eine bei andern Werken über Herzkrank¬
heiten selten zu treffende Darstellung hat die Anatomie der
Lungcngefässe gefunden, um auch hier, wie überall, den Erschei¬
nungen, speciell dem Herzasthma, den Bronchialkatarrhen bei
Herzschwäche etc. auf den Grund zu gehen. Daran reihen sich
eingehende Darlegungen über die Nierenfunctionen bei Herz¬
schwächen, über die Störungen an den Verdauungsorganen, am
Nervensystem, im Stoffwechsel. Die Behandlung der Herz¬
schwäche ist nur in ihren Grundzügen formulirt, die jedoch dem
Arzte ziemlich sichere Normen an die Hand geben. Ernährung,
Ruhe, Bewegung, Pflege der Herzschwächen wird kurz und bündig
besprochen, ausführlich die Nauheimer Bäder- und Bewegungs¬
therapie. gewürdigt. Nicht über Oertel’s Methode, die bei ge¬
nauer Ueberwaeliung in geeigneten Fällen Gutes schaffen kann,
aber ül>er Oertel’s Theorien bricht Jürgensen den Stab:
„Man kann sie auf sich beruhen lassen“. Schliesslich gibt Ver¬
fasser noch seine Anschauungen über Venaesection kund und be¬
spricht die einzelnen Maassnahmen zur Bekämpfung der Wasser¬
sucht.
Damit wäre diese trockene Aufzählung erschöpft. Alles oben
Gesagte lässt wohl keine andere Meinung zu, als dass wir den
Rath geben wollen, das Buch von .Jürgensen selbst zu stu-
diren. Es gewährt einen Genuss, an der Hand eines Führers,
der kein Wort zu viel sagt, durch dieses Gebiet zu wandern.
Dr. Grassmann - München.
Prof. Dr. H. Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrank¬
heiten für Aerzte und Studircnde. Mit 237 Abbildungen.
2. wesentlich vermehrte Auflage. Berlin, S. Karger. Preis
23 Mark, gebunden 25 Mark.
Schon nach Ablauf von 4 Jahren hat das vortreffliche Lehr¬
buch () p p e n h e i m’s trotz zahlreicher Wettbewerber die zweite
Auflage erlebt. Der Erfolg ist den guten Eigenschaften zu ver¬
danken, die wir schon bei Besprechung der ersten Auflage (diese
Wochensehr. 1835, No. 33) hervorhoben: Kürze und Klarheit der
Darstellung, reiche eigene Erfahrung des Verfassers, Erleich¬
terung des Verständnisses durch ausgezeichnete Abbildungen,
didactisch-zweckmässige Eintheilung des Stoffes.
In der Hauptsache hat das Werk hinsichtlich seiner äusseren
und inneren Gestaltung keine Aenderung erfahren. Wohl aber
ist der Inhalt entsprechend den raschen Fortschritten der Wissen¬
schaft reicher geworden, ohne dass dadurch eine erhebliche Zu¬
nahme. des Umfanges bedingt wurde (etwa 100 Seiten). Auch
die starke Vennehrung der Abbildungen kann dem Loser nur
willkommen sein, umsomehr, als diese grossentheils dem Be¬
obachtungskreise des Verfassers entsprangen.
Der erste allgemeine Theil, welcher sich mit den Unter¬
suchungsmethoden und mit der allgemeinen Symptomatologie
beschäftigt, ist ziemlich unverändert gehlieben. Im speciellen
Thcile finden wir manche zeitgemässe Vervollständigung, so z. B.
in der Lehre von der Localisation im Rückenmark ein genaueres
Eingehen auf die Beziehungen der Rückenniarkssegmciite zu den
Wirbeln, deren Kenntniss für die praktisch wichtige Niveau¬
diagnose unentbehrlich ist, bei der Tabes eine kurze Besprechung
der Bewegungstherapie (Frenkel), ferner eine Erweiterung des
Uapitels über eomhinirte Erkrankung der Hinter- lind Seiten¬
stränge des Rückenmarks, über Luxationen und Fraeturen der
Wirbelsäule und ihre sehr fragwürdige operative Behandlung,
iin Anhang an die Myelitis einen neuen kleinen Abschnitt über
senile Paraplegie (Greisenlähmung). Ganz neu eingefügt sind
die Erkrankungen der Cauda equina (und des Conus medullaris),
in dem Capitol über multiple Neuritis die diabetische und sonsile
Form, wesentlich erweitert und reicher illustrirt die Abschnitte
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über Localisation in der Hirnrinde, über die Leitungsbahnen und
die Gefiisse des Gehirns. Auch die Q u i n e k e’sche Lumbal-
punction, die in der ersten Auflage noch nicht erwähnt war,
findet im Anschluss an die acute Meningitis in ihrer diagnosti¬
schen und therapeutischen Bedeutung gebührende Berücksich¬
tigung.
Wie die organischen Erkrankungen des Nervensystems, so
haben auch die folgenden Theile des Werkes, welche die Neurosen,
Angioneurosen etc. enthalten, eine gründliche Neubearbeitung
und manche Bereicherung erfahren. So steht Oppenhei m’s
Lehrbuch wieder ganz auf der Höhe der Zeit und wird daher
seinem Zwecke hei Studirenden und Aerzten im vollen Maasse
gerecht werden. Stintzing.
Chr. Jakob: Atlas des gesunden und kranken Nerven¬
systems. II. Auflage. J. F. Lehmann, München 1899.
Die zweite Auflage dieses Buches ist nicht nur eine er¬
weiterte, sondern vor Allem eiue verbesserte. Die Tafeln des
neuen Atlas heben sich durch ihre naturgetreue Wiedergabe der
Farben und der Structur in vortheilhafter Weise von den Tafeln
der I. Auflage ab, die vielfach etwas schematisch gezeichnet
waren und auch in der Colorirung zu wünschen übrig Hessen.
Hervorzuhebcu sind unter den neuen Tafeln besonders diejenigen,
welche die Gehirnoberflüche von allen Seiten wiedergeben; auch
die meisten Tafeln, welche die topographische; Anatomie des Ge¬
hirns illustriren, sind neu. Die Tafeln 28—50 ersetzen durch ihre
gute Nachbildung wirklich eine Reihe von Serienschnitten durch
das ganze Centralorgan, besonders die Schnitte durch die Hemi¬
sphären und den Ilirnstamm weisen grosse Fortschritte gegen¬
über den alten Tafeln auf. Ganz neue Abbildungen finden wir
im pathologisch-anatomischen Theil, so vom Hydroceph. chron.,
von der acuten haeinorrhagisehen Encephalitis, der embolischen
Erweichung u. a. Auch der Text hat manche Verbesserungen
und Erweiterungen erfahren.
Der Referent hat in den letzten Jahren die I. Auflage stets
als Nachschlagebuch während der Sprechstunden benützt und
immer die gewünschte Auskunft erhalten; der Atlas ersetzt natür¬
lich nicht das Lehrbuch oder Handbuch, aber als rasches Orien-
tirungsmittel in der neurologischen Praxis kann er warm em¬
pfohlen werden; er gibt nicht nur einen sehr raschen und be¬
quemen Ueberbliek über die Anatomie der nervösen Centralorgane,
die er in einer Anschaulichkeit darstellt, wie sie nur den unter
dem Deckglas liegenden Gehirn- und Rückomnarksschnittcn
zukümmt, sondern auch für die ganze Pathologie und Therapie
des Nervensystems bildet der Atlas ein Buch, welches in Bezug
auf Uoborsiehtliohkeit und prägnante Darstellung kaum durch
ein ähnliches Buch vom gleichen Umfang erreicht werden dürfte.
v. II o c s s 1 i n - Neuwittelsbach.
R. L o m e r - Hamburg: Zur Beurtheilung des Schmerzes
in der Gynäkologie. Wiesbaden, J. F. Bergmann. 1899.
Der Zweck der dankenswerthen Arbeit ist, deu Arzt darauf
hinzuwoisen, wie häufig bei Frauen hyperaesthetische Bezirke
in den Bauchdeeken bestehen, die geeignet sind, schwere gynäko¬
logische Leiden vorzutäuschen. Verf. wurde hierauf durch Be¬
obachtungen bei der Massage hingeleitet. Am häufigsten finden
sich diese hyperaesthetischen Hautzonen in der Ovarialgegend
und ein leichter Druck oder Kneifen der Haut genügt hier, um
die geklagten Schmerzen, oft mit grosser Heftigkeit, auszulösen
Fast immer lassen sieh in derartigen Fällen hysterische Stigmata
auf finden, und wenn dies nicht der Fall sein sollte, so beweist
der oft rasche Erfolg der Therapie (Suggestion, Galvanisation.
Eisenpräparate) die hysterische Natur des Dudens. Meist auch
bieten die Kranken die für Hysterische charakteristischen Eigen-
thümlichkeiten in ihrem psychischen Verhalten dar.
Gewöhnlich ergibt die Untersuchung «1er Geschleehtstheile
einen regelrechten Befund, doch finden sich gelegentlich auch
geringfügige Veränderungen an den Gesehleehtstheilen, die viel¬
leicht als Agents provocateurs der latenten Hysterie gewirkt
haben.
Verf. bringt eine ganze Reihe von Krankengeschichten der¬
artiger Kranken, an denen zum Theile wiederholt schwere opera¬
tive Eingriffe ohne jeden Erfolg ausgeführt worden waren,
während die angegebene Behandlung einen meist raschen Erfolg
erzielte.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
545
Im zweiten Theile versucht Yerf. die Schmerzen im Allge¬
meinen in der Gynäkologie klar zu stellen, er bespricht- ihre In¬
tensität, Qualität, ihr Aus.strahlen nach entfernteren Körper¬
gegenden. Indem er die Schmerzen in traumatische, contraetile,
entzündliche, neuralgiformc und hysterische ointhoilt, bespricht
er dann die Schmerzen an den einzelnen Abschnitten der weib¬
lichen Geschlechtstheile und macht auch hier besonders auf die
Häufigkeit der hysterischen Schmerzen aufmerksam.
Wenn auch sicherlich manche Aeusserung nicht unwider¬
sprochen bleiben wird, so wird doch kein Frauenarzt «las Huch,
ohne reiche Belehrung gefunden zu haben, aus der Hand legen.
A. G e Sin e r - Erlangen.
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für Tuberculose und Heilstättenwesen. Bd. 1,
Heft 1.
v. Ti e y (len : Zur Einführung.
1) B. F raenkel : Die Tröpfcheninfection der Tubarcu-
lose und ihre Verhütung.
Bel früheren ITitersuelniugen der F r a e u k e 1’selien Maske
wurden immer makroskoplseh besehmutzte Miilltlieile verwendet
und in ihnen auch immer Tuberkolbacillen gefunden. Jetzt hat
Verfasser eine Versuchsreihe mit makroskopisch ganz reinen
Stellen angestellt. 13 Thiere wurden geimpft. 7 starben sehr bald
nn anderen Iufeetioneu, bei den anderen (I wurde in jedem Falle
Tuberculose gefunden. Verfasser zieht aus seinen Versuchern di •
Folgerung, dass nicht das Taschentuch, nicht der <1. e u b e'sehe)
Wattebausch, sondern die F r ä n k e Ische Maske das beste Schutz¬
mittel für die Praxis sei (V Uef.l. Wo sie nicht verweudbar ist,
sollen Bettschinne aus Elsen und Segeltuch zwischen die einzelnen
Betten gestellt werden.
2) Arthur K a n u s o m e - Bournemouth: The Conditions of
Infection by Tubercle.
Mit scharfen, aber berechtigten Worten geisselt Verf. die
nicht einmal vor Familienbanden Halt machende Ansteckuugs-
furcht. Sie hat Ihre Ursache darin, dass das Volk noch zu wenig
über die wirklichen Bedingungen einer Infection unterrichtet ist.
Diese sind folgende: 1. Der Bacillus muss in virulentem Zustande
sein, was seltener der Fall ist. als man meist anniimnt. 2. Er hat
zu seinem Gedeihen immer organische Verunreinigungen nöthig;
die Tuberculose ist eine Schmutzkrankheit. Verf. machte selbst
Versuche, aus denen die ungeheuere Wichtigkeit von Licht und
Luft als Bncillenfeinde hervorgeht, die kurz beschrieben werden.
2. Der Bacillus muss einen dispouirteu Körper vorfiuden b.’zw. in
grossen Mengen elndringen. 4. Der Bacillus erliegt der Hitze, was
für Nahrungsmittel-Prophylaxe in Betracht kommt. Zur Ver¬
hütung der Infection müssen 1. alle tuberculösen Stoffe zerstört
werden. 2. alle von Tubereulösen bewohnten Häuser gereinigt
und desinficirt werden. 3. Ortsgesimdheitsbeliördeii mit Labora¬
torien und Desinfeetionsanstalten geschaffen werden; 4. sind die
Hausbesitzer für die Güte Ihrer Wohnungen verantwortlich zu
machen. 5. Fabriken, öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel müssen
durch gesetzlichen Zwang rein gehalten werden. (5. Der Staat soll
der Bekämpfung der Thiertubemilose l "nterstütznng schenken. Bis
dahin sind alle thierisehen Nahrungsmittel nur gekocht zu ge¬
il iessen.
3) A r 1 o i n g und C o u r m ont: De Pagglutination du
hacille de Koch; application au SSrodiagnostic de la tuberculose.
(Nicht vollendet.)
4) v. S c li r ö 11 e r - Wien: Zur Heilbarkeit der Tuberculose.
Verf. verbreitet sieh zuerst über die Berechtigung der For¬
derung, die Tuberculösen. soweit möglich, in der Heiniath zu be¬
handeln und empfiehlt für Oesterreich eine Reihe geeigneter Orte.
An einem Falle, der allerdings letal endigte, dessen Verlauf aber
eine durch die Nekroskopie bestätigte deutliche Besserung während
der Cur in Allaiid zeigte, beweist Verf.. dass man die Auswahl für
die Sanatorien nicht auf die Initialfälle beschränken solle (was
u. A. Geh. San.-ltnth M i c h a e 1 i s zum Congresse betonte. Ref.).
Man soll jedenfalls so viel Sanatorien schaffen, dass alle Tu¬
berculösen aus den Krankenhäusern liinauskommeu.
5) R a h t s - Berlin: Die Bedeutung der Tuberculose als Ur¬
sache des vorzeitigen Todes bei erwachsenen Bewohnern des
Deutschen Reiches.
Bei aller Mangelhaftigkeit unserer Statistik können wir doch
schon mancherlei aus den vorliegenden Angaben ersehen. So
starben in einem Jahre z. B. in Pretissen 19 030 Land-. IS 234 Stadt¬
bewohner männlichen Geschlechtes. Wie anders klingt es aber,
dass von erstereu 37.1 Proe. über 50 Jahre alt waren, von letzteren
23.4 Proe.! Tm Alter von 20 5o Jahren starben von obigen auf
dem Lande 8977. in den Städten 10 499 (45.7 Proe. und 57,0 Proe.».
Von 100 000 Lebenden starben in einem Jahre in Ostpreussen 132,
in Westplialen 275. in Sachsen 203. aber es hatten von diesen
das 00. Jahr überschritten in Ostpreussen y t . in Westplialen y H ,
ln Sachsen V,,,. Hei solcher Prüfung der Statistik findet man
auch, dass die Tubereuloscsterblichkeit noch nicht abgenoinmen
hat. Zwar starben in Deutschland 1893 an Tuberculose absolut
88 654, 1899 nur 83 791 Personen (3.24 u. 2,91 Proin. der Lebenden»,
aber während die Sterblichkeit erwachsener Personen stetig ab¬
nahm (1894 starben von je 1000 Gestorbnen 300 über 00 Jahre alt,
1897 : 399), so erlagen der Tuberculose im Alter von 15—GO Jahren
1893: 33,0 Proe. aller Gestorbenen. 1897: 33,5 Proe. „Mithin ist
die Bedeutung der Tuberculose als Todesursache in den letzten
Jahren noch keineswegs geringer, sondern etwas grösser als
einige Jahre vorher gewesen.“
0) T u r b a n - Davos: Die Vererbung des Locus minoris
resistentiae bei der Lungen tuberculose. (Schluss folgt.)
7) G e b h a r d - Lübeck: Die Bekämpfung der Lungen¬
schwindsucht und das neue Invalidenversicherungsgesetz.
Verf. entwickelt den dem alten § 12 und nunmehr den neuen
§§ 18 ff. des Inval.-Vers.-Ges. zu Grunde liegenden Gedankengang.
Die Landesversicliorungsanstalt der Hansastädte wird jetzt den
(von anderen Versicherungsanstalten nicht ohne Bedenken ange¬
sehenen) Versuch machen, die Vortheile der genannten Bestim¬
mungen auch den A n g e li ö r i g e u der Versicherten zukommen
zu lassen. Dass die Prophylaxe auf die Kinder angewendet ge¬
radezu die ideal«» Verhütung der Tuberculose ist. ist gewiss zu¬
zugeben, wie weit der Weg in der Timt möglich ist, wird dieser
interessante Versuch lehren.
8» v a n B o g a e r t und K 1 y n e r s - Antwerpen: Diagnostic
pr€coce de la tuberculose pulmonaire. (Fortsetzung folgt.)
9) C ornet - Berlin: Ueber einige der nächsten Aufgaben
der Tuberculoseforschung. (Schluss folgt.)
Liebe.
Archiv für experimentelle Pathologie und Pharma¬
kologie. 1899. 43. Bd„ 5. u. 0. Heft,
IS) M. A 1 b a u e s e : Ueber die Wirkungen des 7- und des
3-Methylxanthins.
Beide Stoffe erregen hauptsächlich die Körpormusculatur, vlie
je nach der Thierart von Starre oder dänischen Krämpfen befallen
wird. Bei vergiftenden Dosen wird das Nervensystem gelähmt,
während das Herz noch länger weiter arbeitet. Beide Stoffe be¬
sitzen wie «lie übrigen methylirten Xamhiue (Coffein und Tlieo-
bromin) stark diuretisclie Eigenschaften.
19) R. L a s p e y r e s : Ueber die Umwandlung des subcutan
injicirten Haemoglobins bei Vögeln.
Spritzt inan bei Tauben lind Enten subcutan Haemoglidiln ein,
so wird der grösste Theil unverändert rasch resorbirt, ein kleiner
führt zu Eisenablagerung in der Haut der Injeetioiisstelle. Das
resorbirte Haemoglobin wird hauptsächlich in der Leber, ferner in
der Milz, in geringem Maasse auch in den Nieren als eine Fe-Ver¬
bindung abgelagert, die sieh durch Sdiwefelammouium und Ferro-
eyankaliuni-Salzsäure leicht nachweiseil lässt. Im Knochenmark
der Vögel findet dagegen keim» Fe-Ablagerung statt.
20) Iv. S v e li 1 a : Experimentelle Beiträge zur Kenntniss
der inneren Secretion der Thymus, der Schilddrüse und der
Nebennieren von Embryonen und Kindern.
Wässerige Extractc «ler Organe wurden Hunden tnjieirt und
die Wirkung auf Pulszahl und Blutdruck beobachtet. Tliymus-
untl Schilddriisenextract bewirkten Pulsbesclileuniguug und Blut-
druckerniedrigung. Nebeimierencxtract Blutdruckanstieg und Puls-
besehlennigtuig oder -Abnahme. Die wirksamen Stoffe entstellen
in den Drüsen zu verschiedenen Zeiten.
21) N ö 1 k e : Ueber experimentelle Siderosis.
Bei langsamer subcutauer Zufuhr entfaltet Eisen keim» Gift¬
wirkung. selbst nicht in Organen, in welchen es massenhaft auge-
liiiuft wird. Es verhält sieh in gleicher Weise, wie das aus Haemo¬
globin der zerfallenden rotheu Blutkörperchen bei pernieiöser
Anaemie und anderen Krankheiten abgespaltene und in den Or¬
ganen aufgespeielierte Metall. Ist das Eisendepot sehr reichlich,
so vergehen viele Monate, bis es wieder aus dem Körper aus-
geschieden ist.
22) L. L e w i u : Ueber die Giftwirkung des Akrolein. Ein
Beitrag zur Toxikologie der Aldehyde.
Akrolein entsteht überall da, wo Fette erhitzt werden, und
desshalb besitzen L e w i lf s Untersuchungen ein erhebliches prak-
tif-ches Interesse. Beim Menschen wirken Akroleindämpfe selbst
in geringer Conoentration stark reizend auf die Conjunetiva und
«lie Schleimhäute des Rachens. Kehlkopfes und d«»r Bronchien.
Ferner treten Störungen der Athimmg, Schwindel. Benommenheit
und Blutandrang zum Kopf ein. sowie Magendrücken und Durch¬
fälle. Das Akrolein fällt Eiweisslüsuiigen nur in geringem Gra«le.
löst aber die rothen Blutkörperchen ras«*h auf. Bei Fröschen, di«»
mit Akrolein vergiftet waren. li«»l am meisten eine enorme Ilerz-
v«‘ntrikel«*ontraetion auf. Gleichzeitig st«»llt(»n sieh an den iu-
jieirten Extremitäten motoilsehe lind sensible Lähmungen ein. Bei
Warmblütern wurde starke llyperaemie der peripheren Ven«»n.
Bronchitis, Pm»umonie uml schwere Athemstörungen auch nach
subcutauer Application beobachtet. Durch ein selbst entdecktes
Reagens (Piperidin und Nitroprussidnatriumlösiing) konnte L. nucli-
\\ eisen. dass Akrolein unveräiulert mit der Athemluft wieder aus-
ges«»hieden wird.
23) ,T. B o e k : Ueber die Wirkung des Coffeins und des
Theobromins auf das Herz.
Am isolirtcn Kaninehenberz bewirkte Zusatz von Coffein und
Thoobromin zum cireuliremlen Blut eine Erregung der beschleu¬
nigenden Herzganglien, wodurch «lie Pulsfrequenz erhöht wird.
Dabei wird «lie Elasticitiit der Ilerzmuseulatur g«»riuger uu«l das
Pulsvolum nimmt ab. Grössere Dosen bewirken eonstaut ein
►Sinken des Blutdrucks, nach kleineren kann ein schwaches An¬
steigen des Blutdrucks eintreten. Dagegen bewirkt lnjection von
Coffein bei Thieren ein länger dauerndes Steigen «los Blutdrucks,
der durch eine Erregung des vasomotorischen Centrums entsteht.
Die in «l«»r Z<»iteinl»eit nusgetrieben;» Blu1m»ng» ist «labei ver¬
mindert.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
540
No. 10.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
24) H. Winterberg : Ueber die Wirkung des Nicotins
auf die Athmung, nebst einem Anhänge über die Wirkung des
Nicotins auf den Kreislauf.
Nicotin wirkt zunächst erregend auf die Athmung (Beschleu¬
nigung der Respiration), darauf lähmend (Verlangsamung bis
Stillstand der Athmung). Bei grösseren Dosen überwiegt die
lähmende Wirkung. Näheres siehe im Original.
25) M. Elfstrand: Beobachtungen über die Wirkung
einiger aliphatischer Kohlenwasserstoffe, verglichen mit der¬
jenigen des Aethers, und über das Verhalten der Vaguserregbar¬
keit während der Narkose.
Es wurden die Wirkungen von Pental, Pentan, Cyclopendatiens
und Aether verglichen. Bei Inhalation narkotisirt Aether am
raschesten und zugleich mit der geringsten Blutdrucksenkuug.
Auch subcutane Injection der genannten Stoffe erzeugt Narkose,
wenngleich später als Inhalation. Während der Narkose schwindet
die Erregbarkeit des Vagus und kehrt nachher zurück.
20) O. Neubauer: Haematoporphyrin- und Sulfonal-
vergiftung.
Sulfonal und die nah verwandten Stoffe Trional und Tetronal
rufen durch Zerstörung der rothen Blutkörperchen beim Menschen
die Ausscheidung von Haematoporphyrin durch den Harn hervor.
Neubauer konnte feststelleu, dass subcutane Application von
Haematoporphyrin bei Hunden zu einer bedeutenden Ausschei¬
dung dieses Stoffes mit der Galle führt, während der Harn davon
frei bleibt. Bei Kaninchen liess sich auch durch längere Sulfonal-
darreichung Haematoporphyrinurie erzeugen.
J. M ü 11 e r - Würzburg.
Archiv für Hygiene. Band XXXVI. Heft 4.
II. Büchner. L. Megele und R. Rapp: Zur Kenntniss
der Luftinfection. (Aus dem hygienischen Institut München.)
Büchner macht in der vorliegenden Arbeit einige Prioritäts¬
ansprüche gegen Flügge geltend, betr. die Frage der Ablösung
von Bacterien von feuchten Flächen, ohne die Bedeutung der
Flügge’sclien Untersuchungen dadurch herabsetzen zu wollen.
Dass Luftströme von 30m Geschwindigkeit vouWasser und feuchter
Erde keine Keime ablösen, hat Büchner schon 1880 einwandsfrei
sichergestellt. Ein Emporschleudern von Keimen bis zur Höhe
von 10 cm war ebenfalls beim Versickern von Baeterienculturen
in Sand durch Platzen von Flüssigkeitsbläschen iu den oberen
Sandschichten nachgewiesen. Von trockenem Staub haben Nägeli
und Büchner bereits nach gewiesen, dass Luftbewegungen von
2—3 mm per Secunde ausreichten, Keime fortzuführen und dass
erst bei %— iy g mm dieser Erfolg unsicher wurde. Es stimmt dies
sehr gut mit F 1 ü g g e’s Angaben, dass Geschwindigkeiten unter
1 mm trockene Bacterien bewegen und dass sich trockener Staub
erst binnen etwa 4 Stunden allmählich zu Boden senkt. — Ueber die
Geschwindigkeit, die zur Bewegung feinster bacterienlialtiger
Tröpfchen nöthig ist, hat Büchner zwar auch schon experi-
mentirt, aber nicht vor Flügge publicirt. Die Experimentatoren
fanden Geschwindigkeiten von 0,1 mm in engen, von 0,14—0,26 mm
in weiten Röhren zum Transport in die Höhe ausreichend für
Bact. prodigiosum, Bierhefe braucht entsprechend ihrer Grösse
erheblichere Geschwindigkeiten: im engen Rohr statt 0,1 1,3 bis
1,8 mm. — Die von Nägeli angegebene Formel für die noth-
wendige Geschwindigkeit zum Transport von Hefezellen gibt etwa
100 mal zu grosse Werthe.
R. O. N('ii mann: Der Einfluss grösserer Wassermengen
auf die Stickstoffausscheidung beim Menschen. (Aus dem hyg.
Institut Wiirzburg.)
Die auf 24 sorgfältig durchgeführte, sich direct aneinander
anschliessende Stoff Wechsel versuche bei absolut constautcr Kost
und wechselndem Wassergenuss aufgebaute Arbeit beweist zur
Evidenz, dass die durch vermehrtes Wassertrinken auftreteude
Vermehrung der Stickstoffausscheidung im Harn unzweifelhaft in
einem Auswaschen der Gewebe begründet ist. Nur die ersten
Tage der Wasserperiode (3 Liter) ist die Stickstoffausscheidung
erhöht, dann sinkt sie trotz weiteren Wassertrinkens zur Norm.
Hört mau mit dem Wassertrinken auf, so tritt für 2 Tage eine
subnormale Ausscheidung von Harnstickstoff auf. während der¬
selbe offenbar im Gewebe auf gespeichert wird. Sind die Speicher
gefüllt, so tritt trotz fortgesetzten geringen Wassertrinkens keine
weitere Ansammlung, vielmehr ganz normale Ausscheidung auf.
Auch die Literatur ist natürlich berücksichtigt.
Albr. Burchard- Todenhagen: Beiträge zur Kenntniss
des Ablaufs und der Grösse der durch Mikrococcus ureae lique-
faciens bewirkten Hamstoffzersetzung. (Aus dem hygienischen
Institut zu Rostock.)
Die Arbeit ist mit dem Mikrococcus ureae liquefaciens Flügge
augestellt, einem Organismus, den der Verfasser leicht jederzeit
aus Harn, der mit Bodenproben beschickt war. auf Lakmusliarn-
gelatine züchten konnte. Die mit blauem Hof sich umgebenden
Colonien des Organismus waren sehr charakteristisch, werden aber
leider nur sehr kurz beschrieben und auch leider nichts weiteres
über das Aussehen anderer Culturen des Organismus beigefügt.
Die Versuche, die nach verschiedenen Richtungen fortgesetzt
werden sollen, ergaben das auffallende Resultat, dass in unver¬
dünntem Harn viel mehr Harnstoff zersetzt wird. wie in ver¬
dünntem, dass im unverdünnten, aber kaum im verdünnten Harn
der Zusatz von phosphorsaurer Magnesia und schwefelsaurem
Kalk die Hamstoffzersetzung bedeutend steigert, ohne dass dies
bis jetzt etwa durch Ammoniakbindung genügend erklärbar wäre.
Die Theilungsgoschwindigkeit der Keime (unter Annahme, dass
keine absterben) ergab sich zu 6,5—14,4 Std. 1000 Keime zersetzen
pro Stunde 0,03—0,17 mg Harnstoff oder 1 g Mikrococcen vermag
pro Stunde 180—1200 g Harnstoff zu zersetzen. Der Autor findet
dies mit Recht eine grosse Leistung im Haushalte der Natur. Ich
glaube, dieses Resultat regt noch einen Gedanken an. Wie gering
muss der Vortheil (Enorgiezuwachs) durch die Harnstoffzerlegung
sein, wenn ein Gramm der Bacterien das 1200 fache ihres Körper¬
gewichtes in 1 Stunde zerlegen, denn sie besorgen doch höchst¬
wahrscheinlich diese Zerlegung nur zu ihrem Nutzen.
Georg Michaelis: Beiträge zur Kenntniss der thermo-
philen Bacterien. (Aus dem hygienischen Institut der Universität
Berlin.)
In verschiedenen Berliner Brunnenwassern wurden therino-
phile Arten gefunden, dieselben beschrieben, benannt und gezeigt,
dass sie merklich thermophil und nicht nur thermotolerant sind.
Heinrich Wolpert: Ueber die Ausnutzung der körper¬
lichen Arbeitskraft in hochwarmer Luft. (Aus dem hygienischen
Institut der Universität Berlin.)
Die Arbeit, welche, w r ie wir das bei Wolpert gewohnt sind,
auf ein sehr grosses, nach strengen Regeln gewonnenes Versuchs¬
material gestützt ist, führte zu folgenden Resultaten:
1. Auch in hochwarmer Luft, d. h. In Luft, deren Temperatur
nur wenige Grad unter Körpertemperatur liegt, lässt sich ohne
hygienische Bedenken ebenso viel arbeiten, dieselbe maximale Ar¬
beitsleistung wie bei 12 bis 15° erzielen, wenn die Arbeitsbedin¬
gungen zweckmässige sind.
2. Zweckmässige Arbeitsbedingungen für maximale Leistungen
in hochwarmer Luft sind I. Trockenheit der Luft, II. Ablegen der
Kleider während der Arbeit, III. Luftbewegung.
3. Trockenheit der Luft (20—30 Proc. rel. Feucht, oder weniger)
ist für maximale Leistlingen in hochwarmer Luft die wichtigste
Vorbedingung, wichtiger als Ablegen der Kleidung. Aber nacktes
Arbeiten bei Windstille ist unbedenklicher als bekleidetes Arbeiten
bei 8 m Windgeschwindigkeit. Absolut unbedenklich lassen sich
bei hoher Lufttemperatur die grössten Arbeitsleistungen nur nackt
in bewegter trockener Luft, geringere nackt in ruhender trockener
Luft, noch geringere bekleidet in bewegter trockener Luft, wieder
geringere bekleidet in ruhender trockener Luft, die geringsten be¬
kleidet in ruhender feuchter Luft ausführen. Bekleidet in ruhender
trockener Luft von 33° (und 24 Proc. rel. Feucht.) kann man un¬
gefährdet höchstens halb so viel, bekleidet in ruhender, auch nur
massig feuchter Luft von 33° (und 60 Proc. rel. Feucht.) nicht
viertel so viel als nackt in bewegter trockener Luft von 33* (und
24 Proc. rel. Feucht.) arbeiten.
4. Ein objeetives Kriterium für die ungefährdete Ausführung
bezw. Fortführung einer Arbeit in hochwarmer Luft ist der Unter¬
schied der relativen Feuchtigkeit der Hautluftschicht und der
ITmgebungsluftschicht. Ist dieser Unterschied stark positiv zu
Gunsten der Hautluftschicht, so droht Wärmestauung.
IC. B. Lehmann- Würzburg.
Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In-
fectionskrankheiten. 1900. Bd. XXVH.. No. 12 u. 13.
F e i n b e r g - Berlin: Ueber den Bau der Bacterien.
In Anlehnung an eine Färbemethode, die R o m a n o w s k i
bei Plasmodien der Malaria anwandtc und damit eine deutlich
sichtbare Scheidung des Kernes vom Plasma erzielte, versuchte
Verf. dieselbe bei einer Reihe von Bacterien, darunter Mikro¬
coccen, Bacillen, Diphtherie, Tuberculose und
anderen. Es gelang ihm durch kleinere Modiflcationen der Fär¬
bungsmethode bei allen untersuchten Arten, auch bei einer Reihe
von thierischen Zellen und Amoebeu eine Differenzirung in einen
roth und einen blau gefärbten Antheil sichtbar zu machen, woraus
er den Schluss zog, dass auch die Bacterien aus Kern und Plasma
bestehen müssten.
De S i m o n i - Cagliari: Beiträge zur Morphologie und Bio¬
logie der Mucosusbacillen der Ozaena und über ihre Identität
mit den Pneumobacillen.
Die Frage nach der Identität der morphologisch und biologisch
höchst ähnlichen Pneumonie-, Ozaena-, Rhinosklerom-
und Mucosusbacillen ist noch nicht vollständig geklärt und
zwar wohl, wie auch Verf. annimmt, desshalb, weil wirklich in
die Augen fallende Unterscheidungsmerkmale, die die genannten
Arten ohne Weiteres trennen liessen, nicht vorhanden sind.
Des Verf. Untersuchungen erstrecken sich zunächst auf die
morphologischen und biologischen Eigenschaften des Bacillus
mucosus im Vergleich zu denen des F r I e d 1 ä n d e r'scbeu
Pneumoniebacillus, wobei er findet, dass die culturellen Charaktere
des Bacillus mucosus ganz bedeutend variiren, so dass auch die
Meinungsverschiedenheiten über die Classification dieses bei der
Ozaena vorwiegenden Organismus erklärlich erscheinen. S i -
in o n i verwendet aus über 100 typischen Ozaenafällen isolirte
Organismen, die er aus Gründen der grossen Veränderlichkeit in
3 Gruppen bespricht. (Schluss folgt.)
M. L tt h e - Königsberg: Ergebnisse der neueren Sporozoen¬
forschung.
Im Anschluss an seine Besprechung der Coccidienent-
Wicklung gibt Verf. eine übersichtliche ausführliche Darstel¬
lung des Entwickelungscyelus der Malariapara¬
siten. Er geht näher auf M a n s o n’s Mosquitotheorie, B i g -
n a m i’s Inoculationstheorie ein und wendet sich dann zur
Beschreibung des Wirthswechsels der Malariaparasiten. Es
folgt der Generationswehsei der Malariapara¬
siten, eine Zusammenfassung des Entwickelungs-
c y k 1 ii s des. M a 1 a r i a p a r a s i 1 e n , um mit der Syste-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
GALFRIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER
MM"
-17. April 1900.
547
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
matik der Maliiriapsirsisitou abzuschliesseu. Näber
kann an dieser Stelle auf die interessante Abhandlung nicht ein¬
gegangen werden. It. O. Neu m a n n - Kiel.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 15.
1) r. F r o s c h - Berlin: Die Pest im Lichte neuerer For¬
schungen. (Schluss folgt.)
2) II. Senator- Berlin: Ueber einige ausgewählte Punkte
der Diagnose und Therapie der Lungentuberculose. (Schluss
folgt.)
5) P. J a c o b - Berlin: Beiträge zur Apparatotherapie bei
Erkrankungen des Centralnervensystems.
J. publicirt hiewit die Krankengeschichten von 2 Patienten,
bei denen die Anbringung geeigneter Apparate einen bedeutenden
Erfolg gehabt hat. Die erstere derselben (33 jühr. Fniuiein) konnte
in Folge juveniler Atrophie der Fiisse und Hände weder gehen,
noch greifen. Der Muskelschwund hatte anscheinend spontan be¬
gonnen und nach einem Falle rapide Fortseiiritto gemacht. Im
2. Falle handelte es sich lim sch wen» Motilitätsstörungen durch
Myelitis luetica, welche durch durale Infusionen von .1 odlösungen
etwas, bedeutend aller durch Bäder gebessert wurden, in weiche
die Kranke mittels eigens coiistruirier Hängematte eingebracht
wurde. Im Bade konnten mehrfach Bewegungen ausgefiihrt
werden, die ausserhalb nicht möglich waren.
4) (] O'Aiv K ö vftsi und \V. It o t li - S c li u 1 z - Ofen-Pest:
Ueber Störungen der wassersecernirenden Thätigkeit diffus
erkrankter Nieren.
Die Verfasser suchten die Veränderungen festzustellen, welche
in der Fähigkeit der Nieren, einen stark diluirten Harn zu bereiten,
bei verschiedenen diffusen Nierenerkrankungen Vorkommen. Bei
gesunden Harnen ergab sieh, dass die Oefrierpuuktseruiedrigung
des Harnes nach reichlichem Trinken schmäl bis 0,10 und noch
mehr abnimmt. Bei der parenchymatösen Nephritis zeigte sieh
die wassersecerniremle Kraft der Nieren der Schwere des Falles
entsprechend herabgesetzt, bei der Sehrumpfniere aber mehr
weniger vollkommen erhalten, letzteres ebenso bei den Nieren von
Herzkranken mit erhaltener Kompensation. Die Stauungsnieren
stehen in dieser Hinsicht in der Mitte zwischen parenchymatöser
Nephritis mul secundürer Sehruinpfniere. Bezüglich anderer inter¬
essanter Kinzelnheiten wird auf das Original verwiesen.
Dr. G r a s s m a n n - München.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 14.
1) Heinrich Kühner- Berlin: Zwei Fälle von syphilitischen
Primäraffecten mit abnormem Sitz, bezw. Verlauf.
In dem erst beschriebenen Falle sass der Primüraffect am
Oberschenkel und muss als Ursache der Infection mittelbare An¬
steckung durch die einen au der betreffenden Stelle befindlichen
Furunkel incidirende Lancette, welche mit syphilitischem Virus
verunreinigt war, angenommen werden. An dem Verlaufe des
Falles ist ferner interessant (las im Beginn der Erkrankung mit
den Primürerscheinungeu gleichzeitige Vorhandensein periostl-
tiseher Symptome während maculo-papulöses Exanthem und Con¬
dylome erst später auftraten. Der zweite Fall betrifft eine consti-
tutionelle Syphilis nach nicht indurirten Primärgeschwüren. Die
in den beiden Fällen hereinspielende Frage der Verheirathuug
wird einer ausführlichen Besprechung unterzogen.
2) Ernst B e u d i x : Zur Serodiagnose der Tuberculose. (Aus
dem Laboratorium der 1. mediciuiselieu Universitätsklinik zu
Berlin.)
Nach einer Demonstration im Verein für innere Medicin zu
Berlin am 5. März lffOO. Referat siehe diese Wochensclir. No. 11,
pag. 372.
3) Ernst Fuerst : Zwei praktisch wichtige Fälle von
Hysterie. (Aus dem Stadtlazaretli am Olivaer Thor in Danzig.)
Fall 1: Oesophaguskrampf bei Einführung des Magen-
sehlauches. Einklemmung der Sonde. Entfernung erst in tiefer
Narkose möglich.
Fall 2: Positiver Ausfall der Xuborculinreaction, vorgetäuscht
durch hysterisches Fieber.
4) W. Lublinski - Berlin: Die Syphilis der Zungentonsille
nebst Bernerknngen über ihr Verhältnis zur glatten Atrophie
der Zungenbalgdrüsen.
(Schluss folgt.)
5) G. M. M a 1 k o f f - Petersburg: Beitrag zur Frage der
Agglutination der rothen Blutkörperchen. (Aus dem Institut für
lufectionskrnnkheiten in Berlin.)
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen werden in
folgende Sätze zusammengefasst: Die agglutinireiide Eigenschaft
des Serums rührt von einer bestimmten Substanz, dem „Agglutinin“
her. Dieses Agglutinin hat zu dem morphologischen Element,
welches es zur Agglutination bringt, eine specitische Bindungs-
afflnität, indem es nur von diesem und nichts anderem gebunden
wird. In einem normalen Serum, (las verschiedene Zellen gleich¬
zeitig agglutinirt, existiren so viele verschiedene specitische Ag-
glutinine, als das Serum verschiedene Species Zellen agglutinirt.
6) H. östermann - Hamburg: Zur Behandlung der Gehar-
mutterblutungen. (Schluss aus No. 13 d. Deutsch, med. Wochen¬
schrift.)
O. berichtet über eine Anzahl von 30 Fällen von Meno- und
Metrorrhagien, bei welchen er das ursprünglich von Labadie-
Lagrave angegebene Verfahren der intrauterinen Anwendung eines
Gemisches von Antipyrin und Salol und zwar stets mit Erfolg an¬
gewendet hatte. Er verfährt hierbei in der Weise, dass die beiden
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Medicamente zu gleichen Theilen in einem Reagensglas erhitzt
werden, es bildet sich eine bräunliche, klebrige Flüssigkeit, welche
in noch warmem Zustande mit Hilfe eines F r i t s c h’sclien mit
Watte umwickelten Aluminiumstäbehens in die vorher ausge¬
wischte Uterusliölile eingebracht wird. In den meisten Fällen
genügt nach seiner Angabe die einmalige Vornahme dieser Pro-
cedur. um die Blutung zum Stehen zu bringen.
F. Lacher- München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische_WochenBchrift. 1900. No. J4-
1) E. E hreudorf er - Innsbruck: Zu Alexanders
inguinaler Verkürzung und Befestigung der runden Mutter¬
bänder bei Rückwärtslagerung des Uterus.
Verf. bespricht zunächst die Geschichte der Alexande F-
sclien Operation und gibt dann eine eingehende Beschreibung der
Technik derselben nach folgenden Hauptmomenten: Stumpfes, vor¬
sichtiges Freilegen der äusseren Leist .en ringe, centrales Auf suchen
der Lig. rotund. nach Spaltung des Leistencanals, möglichst weites
Vorziehen der freipräpariiten Biimler; ausgiebige Kürzung der
12—15 cm langen Bänder, bruchsicherer Verschluss des Leisten-
caunls mich Bassin i und Mitfasseu der Ligamente in ihrem
natürlichen Verlaufe, exaete Blutstillung, Naht mit dünner Seide.
Die Methode ist ungefährlich, schafft kein Gcburtshindemiss und
verdient weitere Verbreitung, als sie speeiell in Oesterreich ge-
niesst.
2) F. Schenk und L. Austerlitz- Prag: Weitere Unter¬
suchungen über den Keimgehalt der weiblichen Urethra.
Verf. st (dien ihre neuen zahlreichen Versuche, die iu mehreren
Tabellen im Original angeführt sind, besonders in Vergleich zu den
Uiitersiielnmgsresuhnten von Sa vor. der an einem sehr grossen
Material die Urethra weniger häufig steril gefunden hatte, als S.
und A. bei früheren Untersuchungen. In 25 nach S a v o r’s
Methode untersuchten Fällen fanden die Verfasser 2 mal pathogene
Keime im Vestibulum, 1 mal in der Urethra. Vor Allem hat
S a v o r andere pathogene Keime gefunden als die Verfasser, be¬
sonders den Stapliyloeoecus pyog. alb. Bei Schwangeren und
Wöchnerinnen findet sich ungefähr in der Hälfte der Fälle die
Harnröhre frei von Keimen; die nachgewiesenen Keime sind meist
Saprophyten verschiedener Art.
3) Fr. P ick- Prag: Erwiderung auf Dr. Eisenmenge r’s
Aufsatz: Ueber die sogenannte Pseudolebercirrhose (Fr. Pick)
in No. 11 dieser Wochenschrift und
4) M. L ö w i t - Innsbruck: Die Haemamoeben im Blute Leu-
kaemischer
sind wesentlich kritisch-polemischen Inhalts lind zu kurzem Re¬
ferate ungeeignet. Dr. Grassmanu - München.
Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 12—15.
Fukala-Wieu: Zwei Operationsmethoden zum Einlegen
künstlicher Augen in Fällen, wo dies bisher unmöglich war.
Ueber das künstliche Auge.
Es gibt Fülle, wo von Anfang an das Einsetzen und Tragen
künstlicher Augen unmöglich ist, andere, wo erst im Laufe der
Jahre die bis dahin leicht getragene Prothese immer weniger
„häh" und schliesslich gar nicht mehr getragen werden kann. Die
Untersuchung stellt fest, dass der Fornix conjunctivae am unteren
Lid überhaupt fehlt oder ganz seicht geworden, somit der noth-
weiwlige Falzraum abhanden gekommen ist. Zur Behebung dieses
Zustandes bedient sieh F. zweierlei Methoden. Bei der ersten
wird der Tarsus mit der Conjunetiva von der Lkllniut abgetrennt
und im Ganzen nach unten verlagert und festgenäht. Seitdem F.
erkannt hat, dass sehr häufig eine Wucherung von Fettgewebe
zwischen Tarsus und Conjunetiva die Ursache der Verflachung
des Fornix ist. entfernt er dieses Gewebe von einer Querincision
in der Bindehaut aus, eventuell mit dem scharfen Löffel, und ver¬
einigt in grosser Ausdehnuug die Bindehaut und Lidliaut durch
Nähte. Die Erfolge sind sehr befriedigend. Weiter geht F. auf
die richtige Auswahl, auf das richtige Einlegen, sowie auf die
wegen der Abnützung von Zeit zu Zeit nothwendige Erneuerung
des künstlichen Auges ein. Bei Kindern, wo das Einlegen einer
Prothese möglichst frühzeitig erfolgen muss, empfehlen sich Cellu¬
loidaugen. ln einer historischen Betrachtung stellt F. schliesslich
fest, dass nicht dem Christophorus a Vega, Avie auch behauptet
wurde, sondern Ambroise Pare die Erfindung der künstlichen
Augen zu danken ist.
Ibidem No. 14.
G. K obler- Sarajevo: Zur klinischen Bedeutung der Hara-
cylinder.
Es ist eine bekannte Tliatsache, dass bei Erkrankungen, welche
mit grossen Flüssigkeitsverlusten einhergehen, speeiell bei pro¬
fusen Diarrhoen verschiedener Art, gleichzeitig Albuminurie nuf-
tritt und häufig Cylinder — namentlich hyaline — im Harn nacli-
zuweisen sind, Erscheinungen, welche mit dem Erlöschen der
Krankheit versehAvinden, ohne dass man \’ou einer Nephritis
sprechen könnte. Verfasser hat früher darauf aufmerksam ge¬
macht, dass ähnliche Veränderungen in der Beschaffenheit des
Harnes auch bei Darmerkrankungen auf treten, welche von Obsti¬
pation begleitet sind. Eingehendere Beobachtung hat ihm nun
ergeben, dass nur der iuit lebhaften Schmelzen, mit Koliken ver¬
bundenen Obstipation jene Complicatiou zukoramt. Diese Schmer¬
zen allein sollen auf reflectorischem Weg die Eiweissausschei¬
dungen der Niere hervorrufen. Die naheliegende Annahme, dass
die Resorption schädlicher Stoffe aus dem stagnirenden Darm-
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16,
Inhalt den enlsprerheiiden Beiz nuf die Niere ausiiln*. findet K.
nicht zutreffend.
Ibidem Xr. 14.
J. C a v v a h q u i 11 a : Serumtherapie der Lepra. (Oulhir des
Leprabacillus.) Ueborsotzung aus dem Französischen.
C. hat Uulturen des H a nse n'schen Leprabacillus aus dem
riüssigoii Inhalt von Lepraknötchen auf gestandenem menschlichem
Serum gezüchtet un<l es gelang ihm auch die Fortzüchtung des¬
selben auf menschlichem Serum und Rindsbouillon. Der cultivirte
Bacillus zeigte lebhafte Beweglichkeit und ist aerob. Diese Re¬
sultate weichen in wesentlichen Funkten von den Befunden
S p r o n e k's ab.
Ibidem No. IS.
A. Briefs- Wien: Ueber die Behandlung der Syphilis mit
Jodalbacid.
Auf der X e u m a n u* scheu Kliuik wurde genanntes Präparat
in 25 Fällen verwendet, und führte zu den auch anderwärts ge¬
machten Erfahrungen: Wo es gilt, eine länger dauernde Jodciir
durchzuführen, besitzt das Mittel entschiedene Vortheile vor dem
.lodkali, welches hingegen bei recenter S.vidiilis und da, wo es sich
um Erzielung eines möglichst raschen Erfolges handelt, nicht
zu entbehren ist. Ein nicht ganz einwandsfreies Präparat ver¬
ursachte mehrmals Schwindel. Kopfschmerz und ähnliche Be¬
schwerden, welche später, als ein verbessertes Präparat verwendet
wurde, ausblieben. Ein Vortheil besteht in der völligen Geschmack¬
losigkeit.
Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 13.
J. B e o k - Prag: Ueber den Sectionsbefund eines letal ver¬
laufenen Falles von Aktinomykose des Mittelohres.
Ohne nuf Näheres einzugehen, sei hier nur angeführt, dass in
dem besprochenen Fall als wahrscheinlicher Weg, auf dem die
Infection in das Mittelohr gelangte, die Tuba Eustachi! angenom¬
men wird.
Ibidem No. 14.
II. C li i a r i - Prag: Beitrag zur Lehre von der intravitalen
Autodigestion des menschlichen Pankreas.
C li i a r i stimmt B 1 u ni e und Beneke bei, welche ein
wichtiges Moment für die intravitale Autodigestion des Pankreas
in einer localen Ischaomie suchen. Eine Stütze erhält diese An¬
schauung dadurch, dass Cli. an den Arterien eines Pankreas,
welches Ultra vitaler Autodigestion unterworfen gewesen war,
arteriosklerotische Processe nach weisen konnte. Was die Frage
nach dem Zusammenhang von Fettnekrose und Autodigestion im
Pankreas betrifft, so seien diese Vorgänge von einander entschieden
getrennt zu halten. Die letztere sei der wichtigere Process und
keineswegs abhängig von der Fettnekrose.
Ibidem Xo. 11—14.
Sing e r : Ueber den Schwindel.
• Zu kurzem Referate nicht geeignet.
Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 14.
M. W a s s e r m a n n - Meran: Ueber die Veränderungen der
Fossa retromaxillaris bei wechselnder Lage des Unterkiefers und
deren Benützung in der Chirurgie. (Vorläufige Mittheilung.)
Mit Hilfe einer schematischen Zeichnung legt Verfasser dar,
dass durch eine gewisse Stellung des Unterkiefers — nämlich
massige Oeffnung des Mundes und horizontale Verschiebung des
Unterkiefers nach der entgegengesetzten Seite (KaubeAvegung) —
der retromaxillüre Raum, der bt*i geschlossenem Munde ziemlich
schmal und operativ schwer zugänglich ist. eine individuell ver¬
schiedene. aber erhebliche Vergrüsseruiig erfährt. Eine Reihe
von chirurgischen Eingriffen wird namhaft gemacht, bei denen
man sich diese Stellung zu nutze machen kann.
Ibidem No. G—14.
C. E av a 1 d : Erfahrungen an chirurgisch und medicinisch
behandelten Gallensteinkranken.
Die Arbeit, Avelelie <41 Krankengeschichten der A 1 b e r t'schen
Klinik enthält, eignet sich nicht zu kurzer Besprechung.
Wiener medicinische Presse. 1900. No. 13.
X e u m a n n - Wien: Zur Uebertragung der Tuberculose
durch die rituelle Circumcision.
Wie grosse Gefahren die rituelle Circumcision. ausgeübt von
Leuten, Avelelie keine inedicinisclien Begriffe haben, in sich
schliesst, ist oft erörtert. Speciell die Blutaufsaiiguug ist ein
schlimmer Unfug und ein geeigneter Weg zur Uebertragung der
Tuberculose. die bei intieirten Kindern oft den Charakter allge¬
meiner Bauclituberculose annimmt. X e u m a n n bekam aus einer
Ortschaft 3 Knaben in Behandlung, welche nachweisbar von der
Bcschiieidungswimde aus tuborculüs inticirt Avaren. 2 von ihnen
starben nach kurzer Zeit. Der Beschneider wurde zur Unter¬
suchung herangezogen und Avies eine Liingenspitzendämpfung,
sowie bnellleiilialtiges Sputum auf. B e r g e a t - München.
Französische Literatur.
Andr6 L e v i - Paris: Ueber Spondylose rhizom€lique. (Revue
de medeeino, August, September und October 1890.)
Seit der ersten Veröffentlichung von Pierre Marie über diese
Krankheit (1898) wurden 3 weitere Fälle derselben im Bicötre
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beobachtet, von Avelehen einer die Symptome besonders ausge¬
sprochen zeigte und auch zur Scction kam. Vorliegende umfang¬
reiche Arbeit bringt im I. Theile die bisher beobachteten Fälle,
wovon die von L. beobachteten eingehende, mit (22) Zeichnungen
über Haltung. Gang u. s. av. des Patienten versehene, Beschreibung
erfahren. Der II. Tlieil der Arbeit behandelt die pathologisch-
anatomischen Befunde; das Wichtigste und Hauptsächlichste der¬
selben ist für L. die knöcherne Degeneration, die Ossification der
Bänder, besonders jener an der Uonvcxität der Wirbelsäuk*-
krüinniung mul daneben Hypertrophie und Verwachsungen an den
ergriffenen Gelenken. Weitere l<i Zeichnungen, davon 4 radio-
graphische, vervollständigen das pathologisch-anatomische Bild
der Krankheit. Im Allgemeinen sind dabei nur die Gelenke mit
Bandscheiben (Menisken) mul Zwischenschichten ergriffen. Der
III. Tlieil der Arbeit bringt als Schlussergebniss eingehender Stu¬
dien eine allgemeine Beschreibung dieser eigentliünilichen Afl'ec-
tion. Dieselbe bestellt in einer speciellen Ernährungsstörung,
iiil'oetlösen, toxischen oder allgemein eonstitutionellcn Ur¬
sprungs; in keinem Falle handelt es sich um eine organische Er¬
krankung des Nervensystems. Die Blutiintersuchungeii ergaben
bei keinem Patienten abnorme Bestandtheile, bei allen waren die
Phosphate vermindert, die (’hlorsalze vermehrt. Von den Infec-
tiouskrankheiten. welche bei der Aetiologie dieser Wirbelerkran-
kung in Betracht kommen, ist in erster Linie die Blennorrhoe, dann
die Tuberculose und vielleicht auch Syphilis (1 Fall) zu nennen
mul zwar, glaubt L., wirken diese auf die Gelenke wahrscheinlich
nur durch die löslichen Bneterienproduote, die Toxine. Die Krank¬
heit ist dem männlichen Geschlecht eigeiithümlich und ZA\ r ar be¬
sonders der Jünglingszeit und dem ersten Maunesalter. Die
S c h m erzen sind fast immer das erste Zeichen der Affection,
gewöhnlich sitzen sie an der Stelle der zuerst ergriffenen Gelenke,
an der Lenden-, an der Steiss-, Kreuzbeingegeud oder au den
Hüften: oft werden diese Schmerzen aufallsAveise durch Kälte
und Feuchtigkeit gesteigert, aber besonders unerträglich durch
Druck und eilt sprechende Körperhaltung. Zuweilen erst hinge
Zeit danach, 2, 3, 4 Jahre später erscheint das Hauptzeichen der
Krankheit, die Ankylose; sie befällt zuerst den unteren Tlieil
der Wirbelsäule und die Ansatzstellen (Gelenke) der Unterextreini-
täten, dann den oberen Tlieil der Wirbelsäule mit (spät und unvoll¬
kommen) den Ansatzstellen der Oberextremitäten und zuweilen
der Kiefergelenke. Je completer die Steifheit und Verknöcherung
der Gelenke sich gestaltet, desto mehr nehmen die Anfangs so
heftigen Schmerzen ab, die schliesslich bei A'ölligcr Ankylose ganz
verschwinden. Entweder im Anschluss an die Periode der
„unteren Ankylose“ oder auch ein oder mehrere Jahre später
kommt eine zweite Periode, welche durch sehr heftige Schmerzen
in der Hnlsgegend sich ankündigt und durch mehr Aveniger pro-
nonoirte Flexionsankylose des Kopfes eharakterisirt ist. Zu gleicher
Zeit wie die Halswirbeln av erden auch die Schultern, wenn auch
meist nur in massigem Grade, ergriffen, ferner die Articulatio
sternoclavicularis und tomporomaxillaris. Der Process der Anky¬
lose kann zum Stillstand kommen, nachdem die ganze Wirlwdsüule
mehr oder Aveniger vollkommen und die anderen genannten Ge¬
lenke iminobilisirt sind; die Bewegungsunfähigkeit bleibt eine de¬
finitive, eine Besserung ist nur bei unvollständiger Ankylose mög¬
lich. Muskelatrophie ist meist vorhanden, Prüdilectlousstellen
sind die sacro-lumlmlen, die Gesüss- lind vorderen Schenkel¬
muskeln. Die Haltung der Patienten hat 2 typische Extreme,
die der Flexion lind Extension mit zahlreichen Zwischenfällen.
Der G a n g vollzieht sich sehr schwer, je nachdem die eine oder
beide Hüften aukylosirt sind. Die Entwicklung der Krank¬
heit ist eine chronische, in Anfällen sich steigernde. Die Krank¬
heit selbst führt nicht zum Tode, jedoch intermittirende Affoc-
tionen. besonders Bronchopneumonie, die eine häutige Folge der
verschiedenen Brust deformatioueii ist. Diffcrentialdingnostiseh
kommen in Betracht vor Allem der deformirende chronische Rheu¬
matismus, die Paget’sche Krankheit (allgemeine Hypertrophie
der Knochenl und Myositis osslftcnns. Eine rationelle Behand¬
lung der Krankheit gibt es nicht: am Anfänge derselben können
Aviederhoite Massage und forcirte BoAvegiingeu A*on Nutzen sein.
Mechnnotlierapie ist auch späterhin noch zu empfehlen, Elektri-
siren und Hydrotherapie sind von geringem Erfolg begleitet. Von
inneren Mitteln scheint allein Salol, Avelches nach Ma rie ein Spe-
citiciini gegen den infectiöseii Pseiidorheumatisiniis ist, wirklich
von grossem Nutzen zu sein und zwar G mal täglich in der Dosis
von u, g. pur oder mit der gleichen Dosis Xatr. salicyl. gemischt
und Wochen hindurch mit zcitweisen Unterbrechungen ge¬
nommen.
C. C a b a n n e s : Die chronische Tuberculose der Herzohren.
(Revue mödicale, October 1S99.)
Die Zahl der Fälle von 'Tuberculose des Myocards Ist bis
jetzt schon ziemlich beträchtlich, unter 53 A'on F u c h s zusammen-
gestellten sind 12 : _ 22,G Proc., avo die Tuberculose der Herzohren
vorherrschend und 8 -- 17 Proc., avo letztere allein vorhanden war.
Männer sind häufiger damit befallen (7 von 12). Der Iv o c h’scho
Bacillus Avurde in 8 Fällen gefunden. Die Affection besitzt an sich
keinerlei klinische Zeichen, sie ist meist völlig latent und die Tu¬
berkeln der Herzohren sind ein zufälliger Fund bei der Section:
sie besitzen insofern eine ganz specielle Eigentümlichkeit, als sie
oft eiu ganz enormes Volumen einuehmeii, wie sie es in den Ven¬
trikeln nie haben, ln letzteren sind meist nur kleine, zahlreiche
käsige Herde eiugelagert, in den Herzohreu mehrere grössere oder
bloss ein einziger (von 5 cm Länge und 3 cm Breite in einem Falle).
Das rechte Herzohr, welches den Drüsen des Mediastinums näher
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
549
liegt als das linke, ist desslialb häufiger befallen und zwar ge¬
schieht die Infection entweder durch die Lymphwege von den
Drüsen aus (per Continuität) oder vom Pericard aus (durch Cou-
tiguität).
Zabolotny: Die Pest in Ostmongolien. (Annales de
rinstitut Pasteur, November 1899.)
Mitglied der russischen Expedition zur Erforschung der Pest,
suchte Z. die Pestherde auf, welche in der östlichen Mongolei an¬
gezeigt worden waren. Nach localen Mittheilungen herrscht sie
daselbst seit ca. 10 Jahren, hat in den letzten 3 Jahren ca. 400 Todes¬
fälle in einem bestimmten von Z. besuchten Bezirke verursacht
und die Pestpneumonie soll hier besonders häufig sein. Die Be¬
völkerung ist fast ausschliesslich chinesisch und mit allen (Gewohn¬
heiten von Schmutz und Unsauberkeit dieser Rasse behaftet, ln
10 Fällen wurde Heilserum angewandt und gab 4 Heilungen,
welche Z. ausschliesslich dem Serum zuschreibt. Eine Karten¬
skizze illustrirt die von Z. bereisten, sowie die übrigen in Asien
bestehenden Pestherde.
Ferdinand Perez, Arzt am Kinder- und französischen Spital
zu Buenos-Aires: Zur Bacteriologie der Ozaena. (Annales de
rinstitut Pasteur, Decemlier 1899.)
I. o e w e n b e r g und A b e 1 (18X4 94 u. 1893 1 hatten schon
Racterien gefunden, den Uoceobacillus ozaeuai» und den Bacillus
mucosus, welche sie für die speeitischen Erreger der Ozaena an-
saheu. Perez fand nun einen Mikroorganismus, den von ihm so
genannten Uoceobacillus foetidus ozaenae, welchen er für den wirk¬
lichen Erreger dieser Krankheit hält. 03 bacteriologisch unter¬
suchte Fälle bilden die Basis dieser Arbeit, wovon 32 verschiedene
Arten von Rhinitis, 22 Fälle von Ozaena und 9 normale Nasen.
Von den 22 Fällen waren 11 solche von typischer Ozaena mit
Foetor, die 11 anderen hatten diesen nicht ; 8 mal wurde der Bacillus
isolirt, 7 inal unter den 11 Fällen von foetider atrophischer Rhi¬
nitis. Der Coccobacillus ist unbeweglich, nach Gram nicht färb¬
bar. ist pathogen für Meerschweinchen, Mäuse. Tauben und Ka¬
ninchen: fast alle seine Culturen entwickeln einen charakte¬
ristischen. stinkenden Geruch. Bei lleberimpfuiigen auf die Thiere
ist die hauptsächlich entstandene Affection hochgradige Hyper-
aonde und dicke Schleim müssen auf den Nasenmuscheln; auf
letzteren findet man wieder den überimpfton Bacillus. 1*. glaubt,
es sei ihm also gelungen, beim Kaninchen die Atrophie, welche seit
Z ii ii f ji 1 die wahre Ozaena charakterisirt, experi m e n t e 11
wieder zu erzeugen. Die Specifität des Löwenberg-
A b e l’schen Bacillus, der zudem mit dem F r i e d 1 ii n d e r’schen
Riienmobaeillus völlig identisch sei. der keine elective Wirkung auf
<lie Nasenmuscheln und in Reincultur keinen Geruch habe, müsse
daher zurückgewiesen werden. (3 Abbildungen.)
A. C a I m e 11 e und Salimbeni : Bericht über die Pest¬
epidemie in Oporto im Jahre 1899 und die Serumtherapie. (Ibid.)
Ausführlicher Bericht der nach Oporto gesandten französischen
Commission über Beginn und Verlauf der dortigen Pestfälle mit
zahlreichen Karten und anderen Illustrationen. Eine Reihe von
Krankengeschichten der mit Serum behandelten Patienten. Der
Inhalt vorliegender Arbeit war theilweise schon in Bulletin mödical
No. 85, 1899 wiedergegeben und in dieser Wochenschrift (No. 48.
1899, S. 1620) referirt worden.
D u p 1 a y : lieber die Metatarsalgie (M o r t o n’sche Krank¬
heit). (Presse mMicale, No. 89, 1899.)
I). beobachtete bei einem 33 jährigen Mann einen Fall dieser
Art, welchen er als typisch ansieht. Die Schmerzen entstanden
nach einem Sturz vom Pferde, ob in Folge einfacher Contusio oder
Distorsio. war nicht zu unterscheiden, und nahmen im Verlauf vou
5 bis 6 Monaten immer mehr zu, ebenso wie die Gehbehinderung.
Die Schmerzen blieben vollständig auf das Niveau der Artieiilatio
motatarso-phnlangea der 4. Zehe beschränkt. Im Anschluss au
diesen Fall beschreibt D. die Symptomatologie der Metatarsalgie
des Näheren, er unterscheidet eine gutartige, mittelschwere (vor¬
liegender Fall) lind schwere Form des Leidens, bei letzterer halten
die Schmerzen fast ständig an und werden besonders erhöht durch
(Gehen, Stehen. Stiefeldruck. Die Aetiologie der Affection ist noch
wenig aufgeklärt, man trifft sie bei Frauen wie bei Männern, meist
im Alter von zwischen 30 bis 40 Jahren, oft coincidirend mit Rheu¬
matismus, (Gicht, nervösen Störungen, wie Hysterie, Neurasthenie:
directes oder indirectes Trauma, Fall, Distorsio, das Tragen zu
enger Stiefel geben die Gelegenheitsursache ab. Nach der Theorie
von Pöraire und Mally entsteht unter dem Einfluss der
letzteren an einem oder mehreren Metatarsalknötclien eine Osteitis,
in deren Folgen Deviation nach hinten und innen, woher abnormer
Druck auf die Gewebe der Plantargegend. Die Therapie umfasst
Abhaltung der erwähnten Schädlichkeiten, Behandlung der rheu¬
matischen oder Gichtdiathese, bei schweren Fällen Resectiou von
einem oder mehreren Mittelfussknochenköpfchen: letztere hat D.
in 2 Fällen vollen Erfolg gegeben.
Masßoulard : Beitrag zum Studium der chronischen
Mammitis. (Bulletin mMical, No. 92, 1899.)
Im Anschluss an einen Fall chronischer Rrustdrüsenentzün-
dung bei einer 32 jährigeu Frau, der mit zunehmenden Schmerzen
an der 1. Brust begann, zur Entwicklung von zahlreichen, harten,
Uber die ganze Brust verstreuten Knötchen führte, später auch die
r. Brustdrüse betraf und mit Amputation derselben endigte, gibt
M. eine genaue Beschreibung dieser Affection. Meist ist neben der
Rrustdrüsenentzündung und -Induration geringe Entzündung der
AchseldrÜ8eu noch vorhanden, heftige Schmerzen, aber keine Se¬
kretion. Anatomisch sind diese kleinen Geschwülste aus fibrösem
(Gewebe zusammengesetzt, welches um die Drüsenelemente herum
sich entwickelt, deren Epithel proliferirt und mit embryouäreii
Zellen umgeben ist. DifTercntialdiagnostisch kommen vor Allem
die Cysten der Brustdrüsen, sowie die sog .Mammitis nodosa in
Betracht; bei beiden sollen vor Allem die Schmerzen viel geringer
sein. Von bösartigen Afl'eetioneii unterscheidet sich vorliegende
dadurch, dass das Allgemeinbefinden stets ein sehr gutes ist. Haben
die einfachen Behandlungsarten wie Hydrotherapie. Uompression
ndt elastischen Binden u. s. w. versagt, so ist vollständige Abtra¬
gung der Brustdrüse angezeigt (wolil wegen der Gefahr maligner
Degeneration V).
L a v a 1 : Die Contusionen der Harnblase ohne äussere Ver¬
letzungen. (Bulletin medical, No. RIO u. 101. 1899.)
L. unterseheidot zwei Ilauptarten von Blaseneontnsion: 1. die
unvollständige, welche sehr selten ist und 2. die vollständige oder
Blasenruptur. Zu den prädisponirenden Ursachen gehören einiger-
maassen gefüllte Blase, jugendliches Alter. Geschlecht (80 -Olt l'roe.
der Fälle Männert. Alkoholismus. pal lud. Veränderungen, wie De¬
generation der Wände. Proslnäahypert rophic, Stricturen der Harn¬
röhre. Die dirceten Ursachen können von Aussen kommen (Ge¬
waltein Wirkung* oder vom Organismus seihst (heftige Muskeleon
tractionen während strenger Arbeil. hei der (.Geburt u. s. w.t. Zum
Zustandekommen einer Ruptur ist stets massige Füllung der Blase
nöthig. Eingehend bespricht L. Pathogenese und pathologische
Anatomie der Blasenruptureit: am häutigsten 1 44 l’roe.i sind jene
nach hinten unten, was mit der anatomischen Fixirung der
Blase Zusammenhang). Die Symptome der Ruptur sind kleiner,
raselur Puls, kalter Selnveiss an Gesicht und Händen, heftiger
Schmerz am unteren Theil des Baurlms; objrctiv ist hier zuweilen
eine allmählich zunehmende Dämpfung vorhanden, beim Sondiren,
welches sehr schmerzhaft, ist, fühlt man manchmal das Ende der
Metallsonde durch die Rauchwand oder per rectum. Verlauf und
Ausgang sind bei intraperitonealen Blasenrupturen meist tödtlich,
bei den extraperitonealen beträgt die Sterblichkeit eit. 70,8 Proc.;
der Tod kann augenblicklich, nach Stunden oder erst nach einigen
Tagen eintreten. Die Prognose ist daher stets zweifelhaft. Per
Sitz der Ruptur ist schwer zu unterscheiden. Die Piagnos* gründet
sich auf 1. Art der Verletzung. 2. auf den Umstand, dass der Ver¬
letzte längere Zeit nicht urinirt hat. 3. sonoren Klang der Regio
hypogastrica, 4. fehlende Harnentleerung (spontan oder per Sonde).
Die Behandlung muss bei der intraperitonealen Ruptur in so¬
fortiger Operation bestellen. Auf die Einzelheiten der Operation,
sowie die (-omplicationen der Ruptur kann hier nicht eiugegangen
werden, es sei nur noch auf das reiche, der Arbeit beigegebene,
Literatur Verzeichnis» hingewiesen.
Frl. Pr. P o k i t o n e f f : Das Ekzem im frühen Kindes-
alter. (Annales de medecine et Chirurgie infantiles, No. 15, 17, 22
[Aug. Nüv.] 1899 und Nu. 1 [1. Jan.] 1900.)
Sämmtliche Beobachtungen der Verfasserin betrafen Kinder
im Alter bis zu (5 Monaten und alle waren bis zum Auftreten des
Hautaussehlages an der Brust genährt. Mit der künstlichen
Nahrung (Brodsuppen. sterilisirte Milch) trat merkwürdiger Weise
Besserung des Hautleideus und unter sorgfältiger Behandlung
(kalte Waschungen statt Bäder, reizmildernde Salben) in relativ
kurzer Zeit Heilung ein. Im fiebrigen bietet die umfangreiche
Arbeit wenig Neues.
Sorgente, Assistent der pädiatrischen Universitätsklinik
zu Rom: Beitrag zum Studium der bösartigen Nierengeschwülste
im Kindesalter. (Ibidem. No. 24, 1899 und No. 1. 1900.)
Bis zum Jahre 1876 waren die bösartigen Neubildungen im
Kindesalter als eine grosse Seltenheit angesehen worden: seitdem
D u r a n damals 182 Fälle von malignen Geschwülsten bei Kindern
(unter 17 Jahren» gesammelt, wurden immer mehr Fälle dieser Art
bekannt, so dass die relative Häufigkeit maligner Tumoren bei
Kindern nun allgemein anerkannt ist. Unter diesen nehmen die
Nierengeschwülste den ersten Rang ein. 8. bringt aus der Klinik
von Uoncetti 5 Fälle von Nierensarkom, weiche Kinder im
Alter von 5 und 9 Monaten, von 2 und 7 \/ 2 Jahren betrafen. Ver-
lauf des Leidens, Operation und histologischer Befund sind bei
zweien der Fälle genau beschrieben. Eines der operirten Kinder
kam mit dem Leben davon und zwar sind bereits 4 Jahre seit der
Operation verschwunden, ohne dass sieh ein Recidiv gezeigt hätte.
Aus der Statistik anderer Operateure ergibt sieh ebenfalls die
schlechte Prognose für diese Fälle, welche entweder nach der
ersten Operation oder an Reeidive zu (Grunde gehen (ca. 90 Proc.).
In den letzten Jahren scheinen aber die Fälle von definitiver Hei¬
lung zugenomtnen zu haben. S. rätli daher dringend, sofort, nach
gestellter Diagnose stets die Nephroctomie vorzunehmeu.
N. Jablokoff. Privatdocenl f. Pädiatrie an der Universität
Moskau: 2 Fälle von Lungenchirurgie bei Kindern. (Ibidem.
No. 2. 1900.)
J. führt im ersten Abschnitt seiner Abhandlung die patho¬
logischen Zustände an. wo chirurgische Eingriffe an den Lungen
indicirt sein können; es sind dies Fremdkörper, Lungentubor-
etilose, Erweiterung der Bronchien, Lungonabseess und -Gangraen
und schliesslich Eehinococcen der Lungen. Die beiden von J.
operirten Fälle betrafen einen chronischen und einen acuten
Lungonabseess; im ersteron Falle trat nach einer ersten Operation
vorübergehende Besserung und nach einer zweiten allmähliche Ver¬
schlechterung des Zustandes und schliesslich der Tod. im zweiten
Falle, der ein 10 jähriges Mädchen betraf, völlige Heilung ein.
Tletzterer Fall lehrte auch die Schwierigkeiten der Differential¬
diagnose zwischen Lungenabseess und eingekapseltem Empyem,
die Entdeckung elastischer Fasern im Auswurf kann zuweilen die
Diagnose erleichtern, besonders aber erhofft J. dies von der An-
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650
MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
Wendung der Röntgenstrahlcn, welche in den vorliegenden Fällen
nicht möglich war. Stern- München.
Italienische Literatur.
In einer Reihe von Experimenten demonstrirt im hygienischen
Institut der Universität Cagliari Rinaghi die Tliatsnrhe. dass
in der Frage der Bacteriendichtigkeit der Darmwand das Peri¬
toneum ein wichtiger Factor ist. Der Schutz, welchen das Epithel
der Darmschleimliaiit gegen Aufnahme von Mikroorganismen,
namentlich des Racterium coli, gewährt, bedarf, um ein voll¬
ständiger zu sein, der Mitwirkung des peritonealen Endothels,
welches die äussere Darmwand umkleidet. Ist die Schlitz-
w i r k u n g des P e r i t o n e u m s g c brochnn. so wir d
d i e D a r m w a n d d u r oh g ä n g ig f ii r R a e t e r i e n. ja
diese letzteren gewinnen ihre verlorene Virulenz wieder und die
Toxine vermehren sieh. (La riforma med. 1801». No. 2(52 - 2t>4.)
In einer Mittheilung aus der Turiner Klinik <11 Morgagni, No¬
vember *1890) betont Co 11a die Unmöglichkeit einer exacten
Differentialdiagnose zwischen L a n d r y’scher Paralyse, Poly¬
neuritis und Poliomyelitis.
Rei allen drei Affeetionen handelt es sieh um die gleichen im
Rillte kreisenden Noxen und die Stelle des peripherischen Neurons,
welche sie treffen, und die Intensität ergibt das Krankheitsbild.
Die differentialdiagnostischen Momente. Rotheiligung des Facialis,
dos Rulbärsystoms. die früh oder spät eintretenden Veränderungen
der elektrischen Erregbarkeit sind keine absolut sicheren Zeichen.
Mit der verbesserten Technik der mikroskopischen Untersuchung
des Nervensystems gelang es auch in Füllen von primitiver Poly-
neiiritis Veränderungen in den Rüekenmnrkszellon zu finden.
So wichtig eine Abgrenzung der Krankheftsbilder für die Pro¬
gnose ist. so sehr gehen dieselben in pathologisch-anatomischer
Beziehung in einander über.
Dass die Symptomenrcihe. welche der sog. Erythromelalgie
zu (»runde liegt: Schmerz. Schwellung. Rötho und locale Hyper¬
thermie der Extremitäten bei Luetikern beobachtet werden
kann, ist von Weir-Mitchell. C r 0 n i o r und Senator her¬
vorgehoben. Personal i beschreibt Rif. med. 1800. No. 222 drei
Fälle, in welchen das Svmptomenbild der Erythromelalgie
parallel mit anderen Symptomen der Syphilis auf trat und genau
wie die anderen Symptome prompt einer speeifisehen Behandlung
wich.
Rei einer gesunden Frau ohne neuropathische Heredität,
welche gegen übermässige Fettanblldnng mehrere Monate lang
Schilddrüsentabletten bis zu 8 Stück pro Tag genommen hatte,
stellte sich eine Psychose mit Delirien, perversen Sensationen lind
ITalhieinationen ein. welche ihre Aufnahme in’s Irrenhaus ver-
anlassten. Der Geistesstörung waren Sehwindel, Oppressions-
gcfühl. Schlaflosigkeit, sehr frequente Ilerzthiitigkoit, Ohrensausen
vorhergegangen.
Alle Symptome verschwanden mit dem Aussetzen des Mittels.
(Riforma med. 1899. No. 282.)
Ueber die von manchen Autoren betonten Beziehungen
zwischen Kleinhirn und dem optischen Centralnervensystem
tliellt R o n e a 1 i aus der chirurgischen Klinik Roms ein inter¬
essantes experimentelles Factum mit.
Wenn man einem vorher blind gemachten Hunde das Klein¬
hirn. resp. den mittleren Lappen desselben exstirpirt. so ist das
Thier nach (U Tagen noch nicht im Stande, sieh in aufrechter Stel¬
lung im Gleichgewicht zu erhalten. Macht man dasselbe Experi¬
ment bei einem Hunde mit intaetem Gesichtssinn, so steht und
läuft derselbe bereits nach 1—2 Wochen wieder. (II polielinieo,
15. November 1809.)
Ueber die Wirkung von Eisen und Arsen auf die Blut¬
bildung veröffentlicht Riva (Lo snerimentale anno 53, fase. III)
eine Reihe von Untersuehungsresnbfib'n. Dieselben sind gewonnen
an künstlich anaemisch gemachten Hunden. R. will gefunden
haben, dass die Leber, wenn sie Eisen aufspeichert, sieli auch
wieder schnell von demselben befreit, wenn der Organismus schnell
seiner bedarf und wenn die Nahrung kein Eisen enthält. Ferner
soll zwischen der ITaemoglol»inbilduni r und der Erzeugung von
Rlutkörperchen ein bestimmter Unterschied bestehen, auch inso¬
fern. als einicro Körper, in erster Linie das Arsen, die Bil-
d u n g von R ln t k ö r p e r e li e n a n r «» g e n. während andere,
darunter hauptsächlich das Eisen, die Haemoglobin-
b i 1 d n n g begünstigen.
Die Wirkling heisser Luft <300 n und mehr) und eomprimirten
Wassordampfs zur Stilluner parenchymatöser Blutungen, nament¬
lich der Leber suchten (’oec herolli und Ganonago ex¬
perimentell festzustellen. Sic erzieltem mit beiden Mitteln amte Re¬
sultate. Die überhitzte Luft hat den Na t teil einer Eschera-
bildung. nach deren Entfernung sieh wieder Rlutung einstellen
kann. Der comprimirtc Wasserdampf hat diesen Nachtheil nicht:
er bildet ein fast ndhnerirendos Goaguhim. ist leicht und sicher ln
seiner Anwendung, beeinflusst das ganze Operationsfeld günstig;
namentlich verbrennt er die etwa gelegten Scidenligaturen nicht.
(Riforma med. 1899. No. 278.)
Cysten des behaarten Koofes mit wasserliellom Inhalt lassen
in ihrer Wand häufig Schweissdrüsen in grosser Zahl erkennen:
solrhc mil festerem Inhalt Talgdrüsen. In beiden Fällen handelt
es sich um Dermnidcysten. in welchen entweder eine Secretion des
einen oder des anderen anatomischen Gebildes überwiegt, unter
Umständen ein sicheres Unters e h e i d u n g s m erkmnl
gegen angeborene in e n i n g o c e 1 i s e li e G y s t e n.
(Gazzetta degll ospedali 1800. No. 130.)
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Ein neues Tonometer zur Bestimmung des intraoeulären
Drucks, welches sich durch praktische Brauchbarkeit vor den bis¬
her erdachten auszeichnen soll, construirte Prof. Pietro Gra¬
de n 1 g o. Es wird angefertigt von Giuseppe Cavlgnato in
Padua (Gazzetta degli ospedali 1899, No. 148.)
Von dem Gedanken ausgehend, dass die Heilung operativ
behandelter tuberculöser Peritonealexsudate wesentlich durch
Eintritt von Luft ln die Peritonealhöhle bedingt ist, empfehlen
S a 1 v o 11 n i und C o m a n d i n i die Paracentese dieser tuber-
culösen Exsudate mit nachfolgender Lufteinblasung und sie be¬
richten über sechs auf diese Weise mit gutem Erfolg behandelte
Fälle. (Clin. med. Italiana 1899. No. 11.)
Ueber die Ursache der Herzhypertrophie bei Aneurysmen
veröffentlicht O r 1 a n d i (Clin. med. Italiana 1899. No. 11) Fol¬
gendes: Er fand durch wiederholte Messungen des Blutdruckes
hei einem Aneurysma der Subclavia, dass sich derselbe auf der
befallenen Seite geringer erwies. Die Hypertrophie des linken
Ventrikels bei Aneurysmen, so schliesst O.. ist aus dem Bestreben
des Herzeus herzuleiten, diesen niedrigeren Blutdruck auszu-
gleichen durch eine vermehrte Anstrengung des Myoeardiums.
In derselben Nummer der Clin. med. Italiana veröffentlichen
Colla und Mattirolo Ihre Untersuchungen über künstliche
Hyperglobulie, welche die Anschauungen Bozzolo’s bestätigen.
Durch Ligatur eines Gliedes verlangsamt sich der Blutkreis¬
lauf: es erfolgt eine Stase. Das Wasser der Gewebe dringt nicht
mehr in die Venen ein, die Blutmasse verdichtet sich, die morpho¬
logischen Bestandtheile des Blutes nehmen zu, das Haemoglobin
sowohl wie die Zahl der Erythrocyten.
Ueber die Ursache der Erscheinungen der Gehirn- und
Bückenmarkserschütterung und die anatomischen Befunde bei
derselben veröffentlichen Cavicchia und Rosa (II Polielinieo.
15. December 1899) eine lange Reihe von Thierexperimenten, welche
beweisen, dass die wesentlichen Erscheinungen der Commotion sich
am Gefiisssystem abspielen. Die Commotion führt zum Spasmus
der Blutgefässe und zur Anaemie: auf dieselbe folgt reflectorisch
Gefässdilatation und Hyperaemie bis zur venösen Stase.
Die Nervenzellen zeigen sich im Beginn in keiner Weise ana¬
tomisch verändert. Sie gerathen durch die Contusion in einen Zu¬
stand functionellen Turgors, zu welchem nur die veränderten Ge-
fässverhältnisse und die durch dieselben gesetzte ungenügende Blut¬
versorgung hinzutritt und zu dauernden Veränderungen führen
kann.
Bezüglich des Morbus Little betont Mesce (Gazetta degli
ospedali 1900, No. 3). dass die Annahme dieses Autors von einem
Zusammenhang dieser spastischen Form der Tabes und Traumen
intra partum nicht haltbar sei.
Ferner sei das Krankheitsbild des Morbus Little von der
Athetose nicht, scharf abzugrenzen, auch sei die Besserung nach
therapeutischen Eingriffen kein differentialdiagnostisches Merk¬
mal.
Für besonders aetiologisch wichtig hält M. Anomalien Im Ge-
fässsystem der Pyramidenstränge und der umgebenden Partien.
Ueber Polyklonie und Chorea bringt die November- und
December-Nummer von II Polielinieo 1899 eine Abhandlung von
M u r r i aus Bologna.
Den Namen Polyklonie schlägt er vor anstatt des von Fried-
reich gewählten Paramyoklonus Die Beobachtungen Murr Fs
mit den genauesten neuroskopischen Befunden beweisen, dass bei
der Polyklonie wfle bei der Chorea die Gehirnrinde ln Ihrer Func¬
tion gestört ist. Diese Störung kann materieller, chemischer, func-
tioneller Natur sein und die weitere Erkennung derselben richtet
sich nach den die Krankheit einleitenden, sie begleitenden oder
ihr folgenden Symptomen. Beide Affeetionen, Polyklonie wie
Ghorea, haben ihren alleinigen Ursprung ln der Roland’schen
Zone.
Laesionen dieser Zone, welche keine Hypoklonlen und keine
Chorea machen, sind schwerer Natur: sie vermindern die Erregbar¬
keit der motorischen Elemente und =o kommt es zu Paresen oder
Paralysen.
Dagegen setzt das Auftreten von Polyklonien und von Chorea
die Erhaltung dieser Erregbarkeit voraus und somit einen weniger
heftigen und weniger intensiven Process. Dieser Umstand erklärt
auch die häufig negativen anatomischen Befunde.
Die infantile Chorea oder die Chorea Sydenham ist als eine
besondere dem Kindesalter eigentümliche Functionsstörung der
Zona Rolandi zu betrachten.
Ueber Akromegalie finden sich in der No. 11 der Clin. -med.
Ital. 1899 zwei Abhandlungen:
C o 111 n a theilt die Symptome der Akromegalie ln zwei
Gruppen. Zur 1. Gruppe gehören diejenigen, welche von einer
veränderten Function der Glandula pituitaria abhängen:
Knoehenwnobsthum, Impotenz, Hyposthenie, cardiovasculnre
Laesionen. Stoff weehselstörungen. zur zweiten Gruppe die
Symptome, welche von einer Veränderung in der Hypophysis
und einer Localisation in der Sella tureica abhängen: oculare Lae¬
sionen. Anosmie, Kopfschmerz.
Bassi stellt eine infantile Form von Akromegalia cephaliea
mit loeomotorischer Ataxie auf. Sie sei eine unvollkommene Form
der classisehen Akromegalie Marie’s. Sie könne sich vergesell¬
schaften mit Syringomyelie und mit einer Sklerose der Hinter¬
stränge und sei zu den nervösen Distrophien zu rechnen.
Ueber Gedankenlesen veröffentlicht F i n i z 1 o, Schüler
V i z i o 1 l’s, eine Interessante Mitteilung (Riform. med. 1899.
265—267).
Original frarri
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17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
551
Eine hysterische Person, bei welcher im somnambulen Zu¬
stande ein Versuch des Gedankenlesens unternommen wurde,
brachte es allmählich zu einer staunenswerthen Fähigkeit und
zwar in wenigen Tagen. Auch alle Versuche, welche von anderen
Aerzten mit der Kranken angestellt wurden, und zwar später ohne
Handauflegen und ohne Berührung, hatten einen positiven Erfolg.
F. gibt eine befriedigende Erklärung dieser auf den ersten
Blick so räthselhaften Erscheinung der psychischen Nervensphäre,
und meint, dass dieselbe immer mehr alles Wunderbaren ent¬
kleidet werde in dem Maasse, als sich die Aerzte mit derselben
beschäftigen.
lieber die Ursache des Cretinisinus hat A11 a r a , bekannt
durch Studien und Untersuchungen auf diesem Gebiet, eine be-
merkenswerthe Abhandlung im Decemberheft von 11 Morgagni
veröffentlicht.
Er fasst den Cretinismus auf als eine Reihe von Entwicklungs¬
störungen verschiedenen Grades: Astheuie, Taubstummheit, Kropf,
Skrophulose, Lymphatismus, Rhachitis, Verrücktheit, fehlerhafte
moralische Anlage.
Die bisherigen Theorien über seine Entstehung sind unhalt¬
bar: namentlich gilt dies auch vom Fehlen des Jods und Broms
im Trinkwasser, wie von dem hypothetischen Cretin-Miasma.
Auch ein Zusammenhang mit Malaria ist nicht zu statuiren.
Malaria kann mit endemischem Cretinismus gleichzeitig herrschen;
doch gibt es viele Malariagegenden ohne Cretinismus und um¬
gekehrt
Die Theorie, welche nach dem Verf. in einfacher Weise das
Räthsel lösen soll, nennt er die hydrotellurische.
Das Wasser der Cretinismuslocalitäten, auf welches die an¬
spruchslosen Bevölkerungen angewiesen sind, soll abnorme Mengen
unorganischer Substanzen, namentlich Kieselsäure Verbindungen,
enthalten. Es sollen bei längerem Genüsse Ernährungsstörungen
und Entwicklungsstörungen im menschlichen Körper folgen, welche
zu allen Symptomen des Cretinismus führen können.
Die Ausscheidung der Kieselsäure und ihrer Verbindungen
aus dem Körper durch den Urin wie die Faeces soll befördert
werden durch Kochsalz, doppeltkohlensaures Natron, durch
kohlensaure Wässer, auch durch Genuss von Wein und Bier. In¬
sofern ist die Beseitigung der Krankheit auch eine Frage der
fortschreitenden Cultur und der Wohlhabenheit: und mit dem Zu-
nehmen beider sieht man sie allmählich verschwinden.
Das geologische Studium einer Gegend, der Gewässer, welche
sie durchziehen und ihr Gehalt an anorganischen Substanzen,
uamentlich an Kieselsäureverbinduugen, ist somit das erste Mo¬
ment bei der aetiologiseheu Untersuchung, zu welchem andere,
wie Armuth der Bevölkerung und fehlerhafte Lebeusgewohnheiten
als Hilfsmomente hinzu treten.
Hager- Magdeburg-N.
Laryngo-Rhinologie.
1) Wroblewskl - Warschau: Das acute Kieferhöhlen¬
empyem. (Empyema antri Highmorl acutum.) (Arch. f. Laryngol.
u. Rhinol., Bd. 10, Heft 1.)
Das acute Kieferhöhlenempyem ist eine Infectionskrankheit,
die „unabhängig vom localen Process, mit mehr oder weniger
ernsten Allgemeinerscheinungen einhergeht“, und soll desshalb
nach den Regeln der allgemeinen Therapie behandelt werden: Bett
ruhe, Antipyretica und Dinphoretica, warme Umschläge auf die
afücirte Seite und bei Nachlassen von Fieber und Schmerzen Jod-
kall zur Anregung der Schleimabsonderung und Verflüssigung des
Secretes. Da bei diesen Fällen meist Spontanheilung eintritt, und
die Diagnose durch Untersuchung der Nase nebst Durchleuchtung
fast immer mit Sicherheit gestellt weitlen kann, so hält Autor so¬
wohl Probeausspülung Wie öftere Ausspülung der Kieferhöhle zu
therapeutischem Zweck von der natürlichen Oeffnung aus für über¬
flüssig, die Punction der Highmorshöhle von einer künstlich ge¬
setzten Oeffnung (unterer Nasengang) aus im acuten Stadium für
eontraindicirt. 5 Krankengeschichten zur Illustration.
2) M y g i n d - Kopenhagen: Lupus vulgaris laryngis. (Mit
6 Abbildungen im Text.) (Ibid.)
Autor untersuchte 200 an Lupus vulgaris der äusseren Haut
leidende Patienten aus Finsen’s medicinischem Lichtinstitut in
Kopenhagen auf etwaige Mitbetlieiligung des oberen Respirations-
tractus und fand quoad laryngem bei 20 Individuen, also bei
10 Proe., ein ausgesprochen lupöses Leiden des Larynx. Dem
Geschlecht nach prüvalirte das weibliche Geschlecht (15 weibliche
zu 5 männlichen Personen). In Bezug auf das Alter wurde der
Kehlkopflupus bei jüngeren Individuen unter 30 Jahren doppelt
so oft constatirt, als bei Personen über dieser Altersgrenze. Mit
Ausnahme eines einzigen Patienten fand sich bei sämmtlicheu
Kranken ein ausgesprochener Lupus cavi nasi, ohne dass jedoch
eine Propagatlo per continuitatem nach dem Larynx sich nach-
weisen liess. Autor verbreitet sich über Symptomatologie und über
die verschiedenen durch die laryngoskopische Untersuchung fest¬
gestellten Befunde. Da die Epiglottis vorzugsweise den Sitz des
lupösen Larynxleidens bildet, schildert Verfasser an ihr die ver¬
schiedenen Entwicklungsstadien des Leidens, die er in 5 Abthel¬
lungen gliedert:
1. Subepitheliale, knotenförmige und diffuse lupöse Infiltration
der Schleimhaut
2. Stadium der Proliferation der lupösen Knötchen über die
Oberfläche der Schleimhaut.
3. Ulceration der lupösen Knötchen.
4. Ulceration des Knorpels selbst („Die Cartilago epiglottidis
ist der einzige Larynxknorpel, welcher die Neigung hat, durch den
lupösen Process destruirt zu werden.“)
5. Stadium der Narbenbildung.
Die Krankengeschichten der 20 Patienten sind in extenso dev
Arbeit angefügt.
3) B. F r a e n k e 1 - Berlin: Bemerkungen über den übelen
Geruch aus jdem Munde. (Ibid.)
Zunächst handelt es sich darum, mit Sicherheit die Nase als
etwaigen Herkunftsort des Foetors auszuschliessen. Dies gelingt
dadurch, dass man die Exspirationsluft bei fest geschlossenem
Munde durch die Nase und dann bei zugehaltener Nase durch den
Mund ausathmen lässt und beriecht. Mittels eines mit einem feinen
Wattebausch armirten Tamponträgers betupft man die ver¬
dächtigen Stellen des Mundes oder Pharynx; der Geruch des an der
Watte haftenden Secretes lässt uns daun meist den Sitz des Krank¬
heitsherdes linden. Für den Foetor ex ore sind in vielen Fällen
cariöse Zähne verantwortlich zu machen, nach deren sachgemüsser
Behandlung der üble Geruch rasch verschwindet. In zweiter Linie
stammt der Foetor aus den in den Krypten und Fossulis der ver¬
schiedenen Tonsillen sich ansammelnden Mandelpfröpfen oder
kleinen käsigen Abscessen im Gewebe. Durch Amputation der
Mandeln oder Schlitzung der Fossulae, event. Bepinselung mit
L u g o 1'scher Lösung sind diese Foetorherde zu beseitigen. Als
dritter Ort kommen die Flica tonsillaris und der Recessus tonsil¬
laris in Betracht, die bisweilen ein „in aashaft stinkender Zer¬
setzung begriffenes, eingedicktes Seeret“ enthalten. Ist an den
angegebenen Orten nichts Pathologisches nachweisbar, und.sind
auch die tieferen Respirationswege und Oesophagus als Ursprungs¬
ort des Foetors auszuschalten, „so müssen wir anuehmen, dass
Secrete der ganzen Schleimhaut in stinkender Zersetzung
begriffen sind“. In diesem Falle sind wir auf häutige Ausspülungen
von Mund und Schlund mit bacterieiden, desodorirenden Medica-
menteu angewiesen. Erwähuenswerth sind noch diejenigen Fälle,
bei denen nur eine subjeotive Kakosmie ohne objectiv wahrnehm¬
baren Foetor besteht, oder bei denen der supponirte, die Umgebung
angeblich belästigende Foetor nur in der Vorstellung des Kranken
vorhanden ist, eine Erscheinung, die z. B. bisweilen bei Hypochon¬
drie und echter Paranoia als erstes Zeichen der Erkrankung sich
einstellt.
4) Lichtwitz und Sabrazes- Bordeaux: Blutbefund bei
den Trägern adenoider Vegetationen. (Archlves internationales
de laryngologie etc. 1899, No. 0.)
Die Autoren untersuchten das Blut einer Anzahl normaler
Kinder mit unbehinderter Nasenathmung und ebenso einer Reihe
von Kindern mit hypertrophischer Rachentonsille im Alter von
4—15 Jahren auf seine Zusammensetzung und fanden folgende
Differenzen im Mittel:
Rothe Blutkörperchen
Weisse „
Haemoplobingehalt
Neutrophile, polynucleäre
Zellen:
Grosse, einkernige Zellen
Lymphoeyten
Eosinophile Zellen
Normal Adenoide Vegetationen
5,073.880 3,929.505
8,490 9,487
82 Proc. 74 Proe.
73 „ 50,96 „
2,4 „ 3,33 „
20,12 „ 29,11 „
3,44 „ 9,99 „
Ob die veränderte Blutbeschaffeulieit sich nur bei Kindern
mit hypertrophischer Rachenmandel findet, oder ob sie sich bei
jeder Nasenobstruction, unabhängig von deren Sitz, zeigt, des fer¬
neren, ob die bei adenoiden Vegetationen gefundene Formel der
Blutbeschaffenheit nach Exeision der Rachenmandel sich ändert,
soll einer folgenden Arbeit Vorbehalten bleiben.
5) Lichtwitz und Sabrazös: Blutuntersuchung bei
den Trägern adenoider Vegetationen nach deren Excision. (Ibid.
1900, No. 1.)
Von den in der früheren Arbeit eitirteu Kindern mit adenoiden
Vegetationen (cf. lief. No. 4) wurden 14 operirt; wiederholte, in
Zwischenräumen von je mehreren Wochen nach der Operation vor-
geuommene Blutuntersuchuugen ergaben, wie auch die im Text
angegebenen Tabellen erweisen, dass die Zusammensetzung des
Blutes sieh nach der Operation durchschnittlich im Sinne normaler
Procentverhältnisse umwaudelt. Da die „adenoide Kachexie“
nicht in gleichem Verhältniss zu dem Volumen der hyper¬
trophischen Racheutonsille steht, so dürften diese Untersuchungen
in den Fällen massiger Rachenmandelhypertrophie im Sinne eines
operativen Vorgehens verwerthet werden.
6 ) Kr aus-Paris: Ein neues Instrument zur Rhinoskopia
posterior. (Mit 1 Abb.) (Annales des maladies de l’oreille, du
larynx etc. 1900, No. 1.)
„Rhino-Pharyngoskop“ nennt der Autor das von Ihm ange¬
gebene und im Text abgebildete Instrument. Dasselbe besteht aus
einem in stumpfein Winkel abgebogenen Zuugenspatel, auf dem
mittels Schraube die gewöhnlichen rhinoskopischen Spiegel flxirt
sind und leicht ausgewechselt werden können. Durch Vereinigung
dieser beiden, sonst mit je einer Halid zu haltenden Instrumente
wird die rechte Hand zu etwaigen Sondirungen oder operativen
Eingriffen frei, ohne dass man der Mithilfe des Patienten oder
eines Assistenten zur Fixirung der Zunge bedarf.
7) F e r r e r i - Rom: Schule und Tuberculose der oberen Luft¬
wege. (Mit 2 Abb.) (Ibid.)
Gestützt auf eigene Beobachtungen, verschiedene Arbeiten
anderer Autoren und offieielle italienische Statistiken weist
F e r r e r i auf das häufige Vorkommen von Tuberculose unter deu
Lehrern und Lehrerinnen hin. So zeigt nach einer Statistik der
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Gck igle
Original U :.m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 16.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Lehrerstaud <*ino Mortalität au Tub«*rcul<>so von 70 Proc. Unter
dieser Kern!sel.-isse lindet sieh häutig eine primäre Larynx-
piithise ohne Miterkrankung der Lunge. Die Lehrerinnen scheinen
noch einen bedeutend überwiegenderen Procentsatz an Tuber¬
eulose im Vergleich zu den Lehrern zu stellen. Die Tuberculose
der oberen Luftwege beim Lohrerstand — die Folge des Berufes
und der ungesunden Sohulverhältuisse. namentlich in den italieni¬
schen Elementarschulen — bedarf dringend sanitärer Maass-
naInnen. Autor gil>t der Meinung Ausdruck, dass man bei der
Fürsorge für die Schüler die Lehrer zu sehr vernachlässige; ge¬
rade die Prophylaxe könne hier sehr gute Früchte zeitigen. Be¬
züglich der Vorschläge F e r r e r i's. dies von hygienischen Ge¬
sichtspunkten ausgehend, der Verbreitung der Tuberculose in den
Schulen einen wirksamen Widerstand bieten sollen, muss auf das
Original verwiesen werden. Im Schluss seiner Arbeit, der sich mit
der Therapie der Larynxphthise beschäftigt, emptiehlt Verf. bei
uloerntiven Processen Einreibungen von einer gesättigten Lösung
von .Jodoform in Aether sulfur. Zur Exeision von tuberculüsen
Granulationen und Tumoren gibt, er den im Text abgebildeten
(Mi retten, die, in Olivenforin, gefenstert, nur an einer Stelle
schneidend, eine Verletzung gesunden Gewebes unmöglich machen
mul gleichzeitig als Receptaculum für das excidirte Gewebe dienen,
den Vorzug.
S> M o n c o r g e - Mont-Dore: Ictus laryngis und Asthma,
tlbid. No. 2.)
Unter .18 Patienten mit Ictus laryngis litten 12 an Asthma.
Die genaue Beobachtung einer grossem Reihe von Kranken mit
AITeetionen des Respiratioustractus führen Autor zu dem Schlüsse,
den Ictus laryngis als „parastmathisches Phänomen“ aufzufassen.
1b Krankengeschichten in extenso.
b) L u b 1 i n s k i - Berlin: Syphilis der Zungentonsille, nebst
Bemerkungen über ihre Beziehungen zu der glatten Atrophie
der Zungenfollikel. (Ibid. No. 3.)
Luetische Secundärerseheinungen linden sieh ebenso, wie auf
«len Gaumenmandeln auch auf der Zungentousille. Die Plaques
umqueuses «lm* Zungentousille sind verbreiteter, wie man im All¬
gemeinen bisher glaubte; mit Sicherheit lässt sieh jedoch die
Diagnose erst durch Nachweis weiterer speeitischer Erscheinungen
(Erythem) stellen. In der luetischen T«‘rtiärperio«le linden sieh
in der Zungentousille nmlere Formen, nämlich di«* cireumseripten
gummösen Knoten «mtweder ob«*n in «1er Sehhmnhaut «»der in den
submiteöst*n und tnuseulären Regionen in der Tiefe. Besprechung
<l«-r DiftVreütinldingnose mit andetvn 'rumoren dieser Gegend
itiefen Fibronn*n. Sarkomen, ('areinomen. (’ysten der Zungen-
basis. accessoris<*hen Scliilddrüs«*uluppeu}. Im atrophischen,
ule«*rativen Stadium können Verwechslungen mit zerfallenen ma¬
lignen 'rumoren oder tuboreulösen Intiltraten in Betracht kommen.
Auch «li«*s«* werden diftVrentiahliagnostis«-h besprochen. Was nun
«lie glatt«* Atrophie der Zungeiibasis anlangt, so gibt es entschieden
eine solch«* ohne* specitisclie Anteeedeiitien, z. B. diejenige «les
Greisenalters, eine Folge regr«»ssiver Wriindenmgen «les lym¬
phatischen Apparat«*«. Dieselbe bi«*t«*t durchaus kein patlioguo-
moniseln*s Z«‘ieh«*n für Lues. Die auf hu*tiseh«*r Basis beruhende
glatt« Atrophie, di«* Ftdgt* ule«*rös(*r, skl«*rosir«*nder. gummöser
Intiltrate. z«*igt imm«*r Narben an <Iies«*n Stellen, und zwar handelt
«*s si«*h dann immer um tertiär«* Syphilis. Di«* Seciindäraftectiomm
«lies«*r G«*g«*nd hint«*rlassen uiemnls im Spi«‘g«*lbihl zu diagnosti-
ciivmle Narb«*n. H e e h t - München.
Dermatologie und Syphilis.
(Schluss.)
Wechsel manu (Arch.f. Dernmt.50, 1) bringt einen kritischen
und experimentellen Beitrag zur Lehre von den Antipyrinexan-
themen nach Versuchen von Prof. IL Kühner. Verf. wendet sieh
zunächst gegen eine Verallgemeinerung einer von A p o laut (nach
Versueln ‘11 an «1er eig«*nen Person) anfgestellten Behauptung, dass
für «li«* Entst(*hiing des lix«*u Antipyrinexantheins «Ile Applications-
weis«* «l«*s Me«lieam«*nts «>1> innerlich od«*r iiusserli«*h — „absolut
b«*«l«*utungslos“ s«*i. Es ergibt sieh nun aus den V«*rsu«*hen Ivöb-
n e Fs. «lass «las Antipyrin bei äuss«*r«‘r Anwendung in Snlhenfonu
nur dann wirkt, <1. h. das Wie«leraufbliihen ein«*s sogen. ..fixen
Autipyrinexantlu*ms“ h«*rvomift. w«*un «*s r«*sorbirt winl. örtlich
aber auf gesunder Haut auch bei bestehender Idiosynkrasie gar
k»*ineii EflVct veranlasst. Di«* von A poia nt gegelumt* Erklärung
für «li«- Entst«*lmng «l«*s loealisirt«*n Aiitipyriucxiiuthems, ..dasselbe
kommt in «h*r W«*is«* zu Stand«*, dass das «len Körpersiiften zu-
g«*fiihrte Antipyrin direct, lähmend auf «li«* Nervenen«ligung«*u der
kleinsten Gefässe wirkt“, wird als ganz hypotln-tisch und willkür¬
lich zurüekg«*wi(‘S(‘ii. Für die wirklieln* Pathog«*nes«*, das p ri¬
llt ii re Zustan«l«*kommen «1er localisirten fixen Antipyrinexantheme
hat auch Apolant nach der Ansicht der V«*rf. nichts Sicheres
«laig«*than. Ob üb«*rliaupt eine völlig«- Scheidung d«*sselben von
d«*m vi«*l hiiiitig«*ren univers«*llen. diss«*minirten Exantlumi nicht
bloss in klinisch«*!* Hinsicht, sondern auch bezüglich der Patho-
gi-nese begründ« , t ist, bleibt bei <h*m Vorkommen von Uebergangs-
fäll«*n zwischen beiden eine offene Frage. Ein Einfluss vaso-
niotorlsclicr (’«*ntren auf die Erhaltung der Antipyrinexantheme
ist jedenfalls zur Zeit nicht völlig von der Hand zu weisen.
Wae 1 sch (Ibid.) hat in einem Fall«* von Pemphigus vegetans
aus dem Inhalt d»*r serösen uml eitrigen Blasen constant kleine,
ziemlü'h kurz«*, grainb«*stämlig«» Bacillen g«*zü< ht«*t. «li«* er zu den
Ps<*u<io»liphth<*riebacill«*n r«*«*hin*t. «li«* and«*i’seits aber durch iln*e
specitisclie Toxicität: gegeuüber Meerschweinchen ein«* grosse Aehn-
lichkeit mit dem Löffle r*scheu Bacillus zeigten. Die exacte bac-
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teriologlsclie Prüfung gab für eine Dlfferenzlrang des gefundenen
Mikroorganismus vom Löffle rischen Bacillus keine genügenden
Anhaltspunkte. Ob der gefundene Bacillus für Pemphigus vege¬
tans pathogene Bedeutung hat. lässt Verf. dahingestellt, da natür¬
lich eine Beobachtung in dieser Richtung nicht genügt. Doch
dürfte bei weiteren Fällen die von W a e 1 s c h gemachte Beob
aehtung Berücksichtigung heischen, resp. zu Nachuntersuchungen
auf fordern.
II i t s c h m a n n und K r e i b i c h (ibid.) geben einen wei¬
teren Beitrag zur Aetiologie des Ekthyma gangraenosum. Sit*
kommen auf Grund früherer und neuerer Beobachtungen, sowie
im Einklang mit solchen Escheric h’s zu dem Schlüsse, dass
dem endemischen Vorkommen des Pyocyaneus eine pathologische
Bedeutung zugesprochen werden muss, zumal es sich beim Ek¬
thyma gangraenosum um Locale hamlelt, in denen sich kranke,
für diese Iufe«*tion prüdisponirte Kinder aufhalten. Der Bacillus
pyocyaneus ist als Erreger des Ekthyma gangraenosum anzusehen.
besitzt somit die Eigenschaften eines für den Menschen pathogenen
Bacteriums.
Paul Witte (ibid.) hat in einem Falle gonorrhoischer Bpi-
didymitis mit Abseessbildung, im Inhalt des letzteren Gonococceu
nachzuweisen versucht. Sowohl auf Grund dieses Befundes, als
auch aus theoretischen Erwägungen scliliesst sieh W. der Meinung
Derjenigen an, welche glauben, dass es sich bei der Epididymitis
gonorrhoica lim eine Fortleitung des speciüschen Erregers de*’
Urethralbleuuorrhoe von der Harnröhre her handelt, dass also die
Epididymitis bei Gonorrhoe durch den Gonococcus selbst erzeugt
wird.
In einer grösseren Arbeit von P i n k u s (ibid. 50, 1 u. 2) linden
wir sehr beachtenswerte Mitteilungen über die Hautverände-
rungen bei lymphatischer Leukaemie und bei Fseudoleuk&emie.
Ohne auf die Details der Arbeit einzugehen, dürfte eine kurze
Wieilergabe der Schlusssätze 1 und 2 wenig Werth haben. Der
für uns wichtigste Schlusssatz 8 lautet dahin: Der histologische
Befund der leukaemischen (und pseudoleukaeinischen) Haut-
tumoren besteht in einer Lyinphocytenauhüufung im Corium und
im subeutauen Gewebe, welche am Ort des Tumors selbst aus den
in der Norm schon vorhandenen lymphatischen Geweben ge¬
wachsen ist. nicht durch Zufuhr von LymphocyU-n aus der Blut-
bahn entsteht. Es handelt sich gewissermaassen um eine lymph¬
atische Granulationsgesehwulst. Die Möglichkeit ist nicht aus¬
geschlossen, dass zu dieser Lymphocyteuanhäufung im Körper
nicht allein das Wachsthum des lymphatischen Gewebes, sondern
ausserdem eine verminderte Lymphocyteuzerstörung im Körper
beiträgt.
Die Untersuchungen von Spiegler (ibd. 50, 2) über Endo-
theliome der Haut betreffen einige Fälle seltener Hauttumoreu,
die sowohl in klinischer als auch in histologischer Hinsicht inter¬
essant sind. In klinischer Hinsicht desshalb, weil das Bild, unter
dem die Tumoren auf treten, ein überaus ungewöhnliches und frap-
pfrendes ist, in histologischer Hinsicht sind die Tumoren inter¬
essant. wegen ihres Baues und wegen der Schwierigkeiten, die sich
beim Versuch, dieselben zu classiticiren. ergeben. Erhöht wird das
Interesse dadurch, dass aus den vom Verf. mitgetheilten Beobach¬
tungen sich manche wichtige Anhaltspunkte für die Annahm«*
einer Heredität gewisser Geschwülste ergeben. Wenn auch in der
Regel gutartig, sind diese Neoplasmen, welche Sp. auf Grund seiner
histologischen Untersuchungen als Endotheliome erklärt, doch auch
einer Umwandlung in bösartige Geschwülste fähig. Das äussere
Bild der vorwiegend auf dem behaarten Kopf localisirten Neubil-
«lungen (multiple, dicht aneinander gedrängte Tumoren) ergibt sich
am besten aus den beigegebenen Abbildungen, die Im Original ein¬
zusehen sind.
A 1 m k v i s t (ibhl.) erstattet kurzen Bericht über die Resultate
der Behandlung der Augenblennorrhoe mit Largin. Weun die
Fälle frühzeitig, ehe noch die Cornea ergriffen, in Behandlung
kamen, war «las Resultat ein durchweg günstiges (2 proc. Largiu-
lösung). (Die früher übliche Behandlung mit Arg. nitr. dürfte
unter gleichen Voraussetzungen analoge Resultate erzielt haben.
Refer.)
l'linta (ibid.) berichtet über eine Schnellfärbung der
N e i s s e r’schen Diplococcen in frischen, nicht fixirten Prä¬
paraten. Die Objeetträger werden mit einer alkoholischen Vs bis
1 proc. Lösung von Neutralroth (Grübler) benetzt und getrock¬
net. Nach Bedarf nimmt man auf ein Deokgläsclieu ein kleines
Tröpfchen Eiter, legt es auf das früher zubereitete Objectglas,
drückt an, und untersucht sofort das Präparat Die Gonococceu
sind fast die ersten morphotisclien Elemente, die in dem mikro¬
skopischen Bilde gefärbt erscheinen. Nachprüfungen dieser be¬
quemen Methode sind erwünscht
Himmel hat (ibid. 50, 3) günstige Wirkung der Röntgen¬
strahlen auf den Lupus beobachtet und deren Nebenwirkung
auf die Haut und ihre Anhangsgebilde studirt Wesentlich
Neues konnten wir in der Arbeit nicht finden. Was die wohl-
thätigo Einwirkung der X-Strahlen auf den lupösen Process be¬
trifft, so meint der Verf., dass die relativ unschädliche (7) Ent¬
zündung der Haut, die nach der Wirkung von X-Strahlen entsteht
sobald sie das Unterhautzellgewebe erreicht, die Bacillen ver¬
nichtet, resp. die kranke Haut einer Heilung entgegenführt. Die
X-Strahlen sind sohin von grossem Nutzen ln der Therapie des
Lupus vulgaris, seihst redend wie Verf. sagt, wenn keine neuen
Knötchen entstehen (sie!).
R o n a veröffentlicht (ibid.) zwei neue Fälle von Epidermo-
lysis bullosa, welche einhergingen mit consecutiver Hautatrophie,
Epidermiscysten und Nagel Verkümmerung (trophlsclien L&esionen);
Original fro-rri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT.
553
hinsichtlich der Frage der Identität dieser Krankheitsbilder mit
denjenigen der einfachen Epidermolysls bullosa hereditaria (Gold-
scheide Fs) nimmt K. zunächst eine abwartende Stellung ein.
Pinkus theilt (ibid.) einen Fall von Hypotrichosis (Alopecia
congenita) mit; er erklärt denselben unter Bezugnahme auf die
Untersuehungsergebnisse anderer Autoren, speclell mit Berück¬
sichtigung der Bonne t’schen Arbeit über die hypotrichotische
Ziege als eine Hemmungsbildung.
J uliusberg (ibid.) widmet der zuerst von Jadassobn
und N e i s s e r beschriebenen resp. demonstrirten Pityriasis
lichenoides chronica eine eingehende Besprechung unter Bei¬
bringung zweier neuer Fälle aus der Breslauer Klinik. J. hält die
Pityr. lichenoides chronica für eine eigenartige,
nur auf die Haut beschränkte Krankheit, ohne Zusammenhang
mit irgend welchen Störungen des Gesammtorganismus und mit
vollkommen dunkler Aetiologie. Die mikroskopische Untersuchung
der Prima refflorescenzen (Stecknadelkopf- bis linsengrosse, ganz
oberflächliche, flache, rothe Erhebungen mit sehr geringer ent¬
zündlicher Infiltration, erst glatt, später mit kleienförmiger, zarter
Schuppenabscossung) ergibt die Combination einer Parakeratose
mit einer sehr geringfügigen oberflächlichen, umschriebenen Haut¬
entzündung. Eine Heilung tritt weder spontan ein, noch gibt es
sichere therapeutische Erfolge. Subjec-ttve Beschwerden verur¬
sacht die Erkrankung nicht. (Referent kann die vom Verfasser
versuchte Abtrennung dieses Krankheitsbildes gegenüber atypi¬
schen Psoriasisformen nicht als genügend fundirt erachten.)
Einer Arbeit Kreibic li’s (ibid. 2, 3) über die Histologie
des Pemphigus der Haut und der Schleimhaut entnehmen wir als
Hauptergebniss, dass der Krankheitsprocess mit einer acuten
Entzündung, hauptsächlich der oberen Cutishälfte, beginnt. Von
diesem klinisch als Erythemfleck charakterisirten Stadium kann der
Process direct zur Rückbildung gelangen oder es kommt zur Bil¬
dung einer Blase nach 2 Typen und zwar nach dem ersten und
häufigsten Typus zur Blasenbildung zwischen Cutis und Epidermis,
oder nach dem zweiten in der Epidermis selbst. In beiden Fällen
erfolgt rasche Ueberhäutung der Basis. Im ersten Falle von der
Peripherie, von Follikelresten oder von zurückgebliebenen Epithel¬
zellen aus; im zweiten Falle durch rasche Theilung der stehen¬
gebliebenen Epithelzellen. Heber die Ursache dieser acut ein¬
setzenden und meist zur Blasenbildung führenden Entzündung gibt
die Anatomie leider keinen Aufschluss. Speciell haben bacterio-
loglsche Untersuchungen des Inhalts frischer Blasen stets, wie
schon früher, ein negatives Ergebniss gehabt. Schnitte von Pem¬
phigusblasen, in weichen nicht bloss die oberflächlichen, sondern
auch die Gewisse der tieferen Cutisantlieile und der Subcutis eine
bedeutende Ausdehnung zeigen, stellen den Uebergang zu jenen
Verhältnissen dar, welche für „Pemphigus foliaceus“
charakteristisch sind. Die histologischen Veränderungen bei Pem¬
phigus foliaceus sind Charakteristik durch eine bedeutende Aus¬
dehnung der Blut- und Lympligefiisse sowohl in den oberen als
auch namentlich in den tieferen Cutisschichten. Als consecutive Er¬
scheinung ist zu betrachten die Durchtränkung und Quellung der
gesummten Cutis und als weitere Folge der Exsudation die voll¬
ständige Abhebung der Epidermis. Die Veränderungen beim
Schleimhautpemphigus entsprechen tlieils demjenigen
beim Pemphigus vulgaris, theils den bei Pemphigus foliaceus ge¬
fundenen Eaesionen.
Der von O r b a c k (ibid.) mitgetlieilte Fall von Lichen
(planus) atrophiciis und Vitiligo dürfte nach den Begleiterschei¬
nungen als ein neurotisches Hautleiden aufzufassen sein. Die
locale Therapie (Pyrogallussalbe) hat gute Resultate gegeben.
Bornstein (Monatshefte f. prakt. Dermat. XXVIII., 1)
bringt einen casuistischen Beitrag zur Kenntniss des Pemphigus
neonatorum acutus. Die Fälle scheinen die Contagiosität der Er¬
krankung und auch die Uebertraguugsfähigkeit auf Erwachsene
zu beweisen.
Unna empfiehlt als Schleifmittel für die Haut, zur Behand¬
lung von Akne und Narben eine überfette Kaliseife mit Schleif¬
pulver (Marmor- oder Bimsteinstaub) als Sapo cutifricius: Rp.
Saponls unguinosi 40.0, Cremoris gelanthi 10.0. Pulveris pumieis
50,0. Die überfettete Kaliseife mit 10 proc. Gelanth für sich stellt
eine vorzügliche kokosölfreie Rasierseife dar. Man verordnet diese
Seife zweckmässig in Tuben und etwas parfümirt. mit Ol. resed.
oder Ol. verban.
Colombini (ibid. XXVIII., 2) theilt in seinen klinischen
und histologischen Untersuchungen über einen Fall von idio¬
pathischer Hautatrophie eine Beobachtung mit, welcher durch
die rasche Ausbreitung des Processes über die gesaramte Hautober¬
fläche (in 7 Monaten) interessirt (Extremitäten und Rumpf).
Unter dem Titel „Serotaxis durch Aetzkalilösungen“ theilt
Frickenliaus (ibid. XXVIII., 3) eine neue Methode zur Dia¬
gnose und Therapie von Hautkrankheiten (speeiell des Lupus) mit.
Dieselbe beruht im Wesentlichen auf der Anwendung verdünnter
Lösungen von Kali causticum (3,5— 7V 2 Proc.). 2—3 Minuten nach
der Betupfung eines vorher der deckenden Hornschicht beraubten
Lupusknötchens entquillt der betupften Stelle Wasserhelles, etwas
gallertartiges Serum, in welchem bei Lupus vulgaris ganz regel¬
mässig Tuberkelbacillen nachgewiesen werden können. Der inten¬
siven Serumanlockung durch verdünnte 1—3,7 proc. Kali-caust.-
Lösung schreibt Verfasser auch eine treffliche therapeutische
Wirkung zu. Das Verfahren ist schmerzhaft, der Schmerz aber
von kurzer Dauer. Auch beim Lupus erythematodes, sowie bei
Trichophytien wird die Methode ausserordentlich gerühmt. Mit
derselben hat Verfasser beim Lupus erythematodes Mikroorga¬
nismen gewonnep, über welche genauere Mittheilungen noch nicht
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vorliegen, welche er mit der nothwendigen Reserve als möglicher
Weise speciflscli für diese Erkrankung erklärt.
Unna und Schwenter-Trachsler berichten in einer
längeren Arbeit (Monatsh. f. prakt. Dermat. 5— 8 ) über ihre kli¬
nischen, experimentellen und bacteriologisclien Untersuchungen
über Impetigo vulgaris. Eine geschichtliche Betrachtung aller
derjengen Arbeiten, welche sich seit Anfang dieses Jahrhunderts
mit den impetiginösen Erkrankungen der Haut beschäftigen, lehrt
uns, dass diejenige Form, welche als endemische Kinderkrank¬
heit von den Verfassern genauer studirt wurde, und die von ihnen
unter dem Namen Impetigo vulgaris beschrieben wird, von keinem
Autor in genau derselben Weise beschrieben wurde, wie sie den
Verfassern erscheint. Bis zu einem gewissen Grade, aber doch
nicht in allen Punkten, deckt sich das Bild von Impetigo vulgaris
mit den bekannten Beschreibungen der Impetigo contagiosa
(Tilbury Fox). Während man nun aber bisher geneigt war,
die Impetigo contagiosa als eine oberflächliche Pyodermitis, ver¬
ursacht durch Eitererreger verschiedener Art (Staphylocoecen und
Streptococcen) aufzufassen, bringen die Verfasser den Nachweis,
und zwar sowohl klinisch als bacteriologisch, dass es sich dabei um
eine Erkrankung sui generis handelt, welche durch einen be¬
stimmten Streptococcus bedingt ist, dass aber das klinische Bild
der Erkrankung nicht selten durch secundäre Infection des
Bläscheninhaltes mit den vulgären Streptococcen und Staphylo-
coccen getrübt wird. Die Sonderstellung der Impetigo vulgaris
gegenüber Ekzem bedarf keiner weiteren Erörterung. Aber auch
die Impetigo staphylogenes (Bockhart) ist klinisch und bacterio-
logisch eine Erkrankung für sich, welche allerdings weniger für
das kindliche Alter von Bedeutung ist. Ivopp.
Inaugural-Dissertationen.
Universität Berlin. Januar bis März 1900.
1. Schwalbe Carl: Die Kriterien des Nahschusses bei Ver¬
wendung rauchschwachen Pulvers.
2. Henning Max: Ein Fall von congenitaler doppelseitiger
Oberschenkelfraetur mit Nabelschnurumschlingung bei einem
ohne Kunsthilfe geborenen Kinde.
3. Kämpfer Reinhold: Die Augenheilkunde des Alcoatim
a. d. J. 1159 (Theil VII).
4. Becker Kurt: Ueber Mesenterialcysten.
5. Schüler Friedrich: 4 Fälle von Orbitalverletzungen.
6 . Zander Ernst: Ueber Anaesthetica bei Zahnextractionen
mit besonderer Berücksichtigung von Stickstoffoxydul und
Bromäther.
7. Ivirstein Fritz: Ueber das Pyramklon.
8 . Landau Bruno: Ueber das gestielte Scheidenliaematom der
Schwangeren.
9. Fuhrmann Georg: Ueber Harnrührenstricturen und ihre
Behandlung.
10. Kckgren Erik: Zur manuellen Therapie in der Gynä¬
kologie.
11. Wltkowski Arnold: Uteruscarcinom und Gravidität.
12. Pfeiffer Hugo: Zur Aetiologie und Therapie des Caput
obstipum musculare.
13. Bronner Wolf: Die Augenheilkunde des Rhases.
14. Radin Eugen: Die Hysterie bei den Schwachsinnigen. Stu¬
dien über den Parallelismus zwischen dem Geisteszustände der
Hysterischen und der Schwachsinnigen.
Universität Bonn. Januar und Februar 1900: Nichts erschienen.
März 1900.
1. Ebbinghaus Heinrich: Ueber Amputationsneuralgien.
2. Mengelberg Robert Wilhelm: Die Behandlung der chro¬
nischen Sehnenscheidenentzündung und der Ganglien mit Jodo-
formglycerininjection.
3. Mut h mann Arthur: Ein Fall von professioneller Parese
im Peronealgebiet.
4. Pape Hermann: Der Erfolg der Behandlung von Prostata¬
hypertrophie mit Resection der Vasa deferentia in der Bonner
Klinik.
5. Runkel Joli.: Ueber die Verwerthung des Heroins in der
Kinderpraxis.
6 . Wahl Fritz: Ueber den Gehalt des Tabakrauches an Kohlen-
ox yd.
Universität Breslau. März 1900.
6 . Miodowski Felix: Zur Casuistik der knöchernen Orbital¬
tumoren.
7. Adler Ernst: Beitrag zur Protargolbehandlung der männ¬
lichen und weiblichen Gonorrhoe.
8 . Gebauer Ernst: Beitrag zur Behandlung der Sarkome an
den langen Röhrenknochen.
9. Ponf ick Wilhelm: Zur Anatomie der Placenta praevia.
10. Bartenstein Ludwig: Zur Bekämpfung der Phthise.
11. Ehrlich Ernst: Stoffwechselversuche mit phosphorhaltigen
und plioRphorfreien Eiweisskörpern.
12. Kobrak Erwin: Beiträge zur Kenntniss des Caseins der
Frauenmilch.
13. Schluck mann Walther, v.: Die bacteriologische Con-
trole von Wasserwerken mit Filtrationsanlagen.
14. Hasse Carl: Klinische Beiträge zur Pathologie des Thyre-
oidismus und des „atypischen“ Morbus Basedowii.
15. Kutner Roinhold: Ueber juvenile und hereditäre Tabes
dorsalis.
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. IG.
554 münuiiener Mi:i)iriMsrnr: Wochenschrift
16. Winter Julius: Die Struma maligna und ihre Behandlung.
17. Aslilhara Nobuyuki: Ueber das Lupusearcinom.
18. Sonnen fei d Julius: Ueber die Frequenz und den Mecha¬
nismus der durch Ovarialtumoren hervorgerufeuen Sticl-
torsiouen und Achsendrehungen des Uterus an der Hand von
323 Ovariotomien.
Universität Greifswald. März 1000.
2. Müller Ferdinand: Ein Beitrag zur Casuistik der Fremd¬
körper in Corpore vitreo.
3. Dogs Karl: Ueber Sprachstörungen nach Schädelfracturen.
4. Mein er s Clemens: Ueber Patellarluxationen im Anschluss
an einen Fall von habitueller Luxation der Patella.
Universität Halle. März 1000.
1. Franz K.: Bacteriologisclie und klinische Untersuchungen
über leichte Fiebersteigerungeu im Wochenbett. Ilabil.-Schrift.
April 1900.
2. L o li s s e Herbert: Ein Beitrag zu der Lehre von der Ein¬
wirkung des heissen Bades auf den menschlichen Stoffwechsel.
3. Sessous Henri: Ueber die therapeutische Verwendung des
Jodipin.
Universität Heidelberg. Mürz 1900.
4. Fraenkel Fritz: Die Behandlung der Tuberculose mit
Zimmtsüure.
5. Ollendorff Arthur: Ueber die Rolle der Mikroorganismen
bei der Entstehung der neuroparalytisehen Keratitis.
G. GrandliommeFr,: Ueber Tumoren des vorderen Mediasti¬
nums und ihre Beziehungen zu der Thymusdrüse.
Universität Jena. März 1900.
6. Röpke W .: Ueber Thierse li’sche Transplantationen.
7. Voll and Karl: Apoplectischer Insult in Folge eines Erwei-
ehungslierdes in der Brücke und spätere Dementia paralytica.
8. Enke Paul: Casuistische Beiträge zur männlichen Hysterie.
9. Dräseke J.: Beitrag zur vergleichenden Anatomie der
Medulla oblongata der Wirbelthiere, speciell mit Rücksicht auf
die Medulla oblongata der Pinnipedier.
10. Sommer Max: Die Brown-Sdquard’sche Meerschwein¬
chenepilepsie und ihre erbliche Uebertragung auf die Nach¬
kommen.
Universität Kiel. März 1900.
13. Berger Arthur: Fünfundvierzig Fälle von Delirium alco-
holicum, beobachtet im städtischen Krankenhause zu Kiel.
14. Daub Karl: Ueber Verletzungen des Ciliarkörpers.
15. Klausa Karl: Ueber die Entstehung des Magencarclnoms
aus chronischem Magengeschwüre. Ein Beitrag zur Statistik
solcher Fälle in den Jahren 1891—1900.
16. Kok Johannes: Ueber Perityphlitisoperationen In der chirur¬
gischen Klinik in Kiel im S.-S. 1899.
17. Krug Otto: Beitrag zur Statistik der Duodenalgeschwüre
und -Narben.
18. Ruthendorf-Przewoski Otto v.: Ueber die Befunde
bei plötzlichen Todesfällen.
19. P r i e u r Adolf: Ein Fall von Aneurysma traumaticum der
Carotis cerebralis dextra.
20. D a m m a n n Carl: Ueber die Behandlung von Bronchitis und
Asthma mit Pilocarpin.
21. Custodia Udo: Ueber perforiroude eitrig-jauchige Endo¬
metritis bei Cervixkrebs.
22. Behr Carl: Ueber Angioma caveruosum und Mittheilung
eines Falles von Angioma eavernosum permagnum regionis
lumbalis dextrae.
23. Baur Erwin: Ueber complicirende Bauchfelltuberculose bei
Lebercirrhose.
24. Dyck er hoff 'Wilhelm: Ein Fall von angeborener Aplasie
beider Nieren und streckenweiser Obliteration der TJreteren.
25. da Fonseca-Wollheim Bruno: Ein Fall von primärem
Magenkrebs mit schleimproducirenden Metastasen.
26. Struve Wilhelm: Ueber Kopftetanus.
27. Rriickmann Otto: Zur Casuistik der Stichverletzungen
der Arteria subclavia in der M o h r e n h e i m’sehen Grube.
28. Greisen Lane: Ueber einen Fall von Pankreascyste mit
den Erscheinungen des Clioledoohusversehlusses.
29. Maxen Heinrich: Beitrag zur Kenntniss des Alkoholismus.
Universität Leipzig. Decembcr -1899 bis Februar 1900.
1. Acliert Rudolf Eugen: Beitrag zur Kenntniss des primären
Leberkrebses.
2. Olaussnitzer Hugo William: Ueber kaemorrhagiseke
Meningitis bei Scharlach.
3. E sch Peter: Ueber Dystrophia musculorum progressiva.
4. Kassel Fritz: Beitrag zur Casuistik der Carcinome des
Pankreas.
5. Petzold Johannes: Ueber traumatische Knochenneubll-
dungen im Musculus quadriceps femoris und Musculus tem-
poralis.
6. Radike Richard: Beitrag zur Behandlung der Skoliose.
7. Richter Paul: Ein Fall von Neuritis mit secundärer Be-
tlieiligung der Medulla spinalis.
8. Itocca Curt: Ueber die Wirkung von Mioticis auf die medi-
camentös erweiterte Pupille.
9. Schwabach Hugo: Beiträge zur Aetiologie und Histo-
genese der pseudoleukacmiscken Neubildungen.
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10. Tscliaeche Hugo: Ueber die Beziehungen von Lungen-
erkrankuugen, chronische Bronchitis und Emphysem besonders
beachtet, zu Erkrankungen der Nase.
11. Wolff David: Beiträge zur Lehre von der Rhinitis fibrinosa
sive pseudomembranacea.
Universität München. Februar und März 1900.
G. W r insauer Fritz: Ueber die Einwirkung verschiedener Sub¬
stanzen auf Distomum hepaticum.
7. H e n g g e Anton: Ueber den distalen Tkeil der Wolf f’sclien
Gänge beim menschlichen Weibe.
8. Ulrich Hans: Ueber einen Fall von Sarkom der Lenden¬
wirbelsä ulc.
9. S a 1 f f n e r Ottmar: Zwei Fälle von acuter gelber Leber¬
atrophie.
10. Brunhüb n o r Hans: Zur Casuistik der Hirnsarkome (nebst
Bemerkungen über die DiiTereutialdiaguose der Kleinbirn-
tumoren).
*11. W a p p e n s c h m i t t Otto: Aus dem pathologischen Institut
zu München. Ueber Landry’sche Paralyse.
12. Seidel Rudolf: Ueber Fremdkörper im Gehirn, insbesondere
react ionslos eingeheilte Projectile.
13. II ö s c h Hugo: Ein Gumma im Rückenmark.
14. Mund Peter: Ein Fall von vergeblich versuchter vaginaler
Totalexstirpation des Uterus durcli sofortige Coeliotomia ab¬
dominalis glücklich beendet.
15. Stelzle Eugen: Ueber Epidermolysis bullosa (hereditaria?).
16. Skia re k Bruno: Experimentelle Untersuchungen über die
reizmildernde Wirkung der Mucllaginosa bei Entzündung.
17. Arnold Albert: Ueber einen Fall von allgemeiner Melano-
sarkomatose.
Universität Strassburg. März 1900.
Nichts erschienen.
Universität Tübingen. März 1900.
11. I) a i b e r Julius: Ueber Hirnabscess.
12. Grosser Kurt: Ein Fall von primärer Darmtubereulose.
Vereins- und Congressberichte.
Altonaer Aerztlicher Verein.
(Offlclelles Protokoll.)
Sitzung vom 7. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr W a 11 i c h s.
Schriftführer: Herr II e n o p.
Herr Krause stellt vor:
1. Kehlkopfoperation. Exstirpation der linken Kehlkopf¬
hälfte und der vorderen Wand des Oesophagus mit plastischem
Ersatz. Patient wurde bereits in der Sitzung vom 13. XII. 99 vor¬
gestellt. Die damals in Aussicht genommene Nachoperation, An¬
frischung und Naht, um das Kehlkopflumen und die noch vor¬
handene Oeffnung im hinteren Abschnitt des Mundbodens zu ver¬
sohl iessen, ist ausgeführt, doch trägt Patient noch eine Canüle.
Er ist jetzt im Stande, wie demonstrirt wird, vollkommen normal
zu schlucken und wenn er die Canüle zuhält, mit zwar heiserer
aber durchaus verständlicher und lauter Stimme zu sprechen.
2. Nasenplastik. Der Patient wurde gleichfalls bereits am
13. XII. 99 vorgestellt. Der Stiel des früher gebildeten Nasen¬
lappens Ist nach dessen völliger Auheilung in einer zweiten Sitzung
durchtreimt und nach Anfrischung des noch vorhandenen Stirn-
defects in diesen zurückgepflanzt worden. In einer dritten Sitzung
endlich wurde der den linken Nasenflügel bildende Lappen von
seiner Verbindung mit der Wangonbaut wieder gelöst und durch
flächenliafte Abtragung an der Innen- (Nasenloch-) fläche verdünnt,
um einen der rechten Seite möglichst ähnlichen Nasenflügel zu er¬
halten. Der untere Rand des Lappens, welcher das Nasenloch
bilden soll, wurde etwa y 2 cm eingeklappt lind diese Eiuklappung
durch Matratzennähte fixirt. Endlich wurde der Lappen seitlich
wieder durch die Nähte am inneren Augenwinkel und der Wangen¬
haut befestigt. Bei der heutigen Vorstellung des Patienten konnte
völlige Heilung mit durchaus befriedigendem, kosmetischen Re¬
sultate constatirt werden.
3. Blasenektopie bei einem 9 jährigen Knaben. Nach Er¬
örterung der heute üblichen Operationsmethoden wird die in
diesem Falle vorgenommene Operation erklärt. Nach Einführung
zweier Nelatonkatheter in dieUreteren wurde rings herum 2—3 mm
von der Grenze der epidermisirten Schleimhaut die Anfrischung
bis zur Glans penis gemacht, darauf die Blase eingestülpt und
die Wimdründer unter Vermeidung der Schleimhaut vernäht. Vor
Schluss der beiden mittelsten Nähte wurden die Katheter ent¬
fernt und statt dessen in den oberen Wundwiukel ein Drain, unten
ein dünner Nelatonkatheter in die Blase geschoben. Ueber der
Bla^nnaht wurden die Weichtheile in 3 Schichten vernäht und
zwar zuerst Naht der vorderen abpräparirten und nach hinten uin-
gesclilagcncn Rectussclieide, darüber Naht des Rectusfleisches und
endlich Hautnalit. Da die unteren 3 cm in Folge Klaffens der
Symphyse sich nicht ohne Weiteres vereinigen lassen, wurde der
knorpelige Ansatz des Rectus am oberen Seiiambelnast beiderseits
abgelöst und in der Mittellinie vereinigt Der Penis wird ober-
Qrigircal fro-rn
, , UN I VERSITY JE CALIFORNIA - -
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
555
fläcblich durch Seidennälite geschlossen. Dauer der Narkose
3 y 2 Stunden. Der nach der Operation collabirte Patient hat sich
völlig wieder erholt. Die Blasennaht hat überall gehalten und die
Yerscliliessung der Harnblase, die früher als tumorartiger Wulst
zu Tage lag, ist gelungen, die Urethranaht ist Dis auf einen ge¬
ringen Theil an der Glans aufgeplatzt und soll demnächst wieder¬
holt werden. Der Urin läuft vom unteren Winkel der
Blasennaht ab. Die Operation ist ein sehr grosser Eingriff und
daher nur bei älteren Kindern zulässig.
4. Mesenterialcyste. Der 44 jährige Patient gibt an, seit 1893
wiederholt einen Blutsturz gehabt zu haben. Im November 1808
hatte er einen Kolikanfall mul klagt seitdem über ziehende
Schmerzen im Leibe. Im letzten Vierteljahr bemerkte er eine
stetig wachsende Geschwulst unter dem linken Kippenbogen. Bei
der Aufnahme fand sich eine grosse, prall elastische Geschwulst,
welche sich im Epigastrium von der vorderen rechten Axillar¬
linie über die Höhe des Nabels bis zur linken Mammillaiiinie er¬
streckte. Die Oberfläche der Geschwulst war glatt, an einigen
Stellen flach eingezogen, die Haut überall stark gespannt, aber
nicht mit der Geschwulst verwachsen. Die Laparotomie zeigte,
dass es sich um eine Cyste des Mesenteriums oder des Pankreas
handelte. Nach Entleerung der etwa 4',i» 1 betragenden Flüssigkeit
wurde die Cystenwandöffnung mit dem Peritoneum und der Haut
vernäht und in die Cyste 2 «licke Drains eingeführt. Die Flüssigkeit
enthielt sehr viel Cliolestearin, Feit und braunes Pigment, Trypsin
ist nicht naeligewiesen. Der Zustand des Patienten ist ein guter.
5. Schwere Maschinenverletzung. Es handelt sich bei dem
17 jährigen Patienten um eine mehrfache complicirte Fractur des
Radius und der Ulna an ihrem distalen End«» mit circularer fast
% «les Unterarms einehmender Abreissung der Haut, so dass
sämmtliche Streck- und Beugesehnen frei lagen. Nachdem «lie arg
verunreinigte Wunde aseptisch ge worden war, wurde der grosse
Hautdefect durch T h i e r s c lösche Transplantationen gedeckt.
Zur Zeit ist die Wundfläche bis auf eine Fructurstelle, an der noch
nekrotischer Knochen frei liegt, epidermisirt. Die Knochen sind
consolidirt, Patient macht Bewegungsübungen. Durch die con-
smvative Behandlung ist ein Glied erhalten worden, das auf’s
Allerschwerste verletzt war.
0. Spina bifida lumbalis. Der jetzt 2 jährige Patient wurde
kurze Zeit nach der Geburt von anderer Seite operirt. Sehr bald
nach Heilung der Operationswunde trat ein stetig zunehmender,
jetzt kolossaler Ilydrocephalus auf, daneben besteht Paraplegie
beider Beine, Blasen- und MastdarmUihnumg. Die Intelligenz des
Kindes ist relativ gut. Bei Erörterung der Formen und heute
üblichen Operationsmirthodeu der Spina bitida betont Krause,
dass er wiederholt nach Schrumpfung des Sackes, möge sie durch
Kxcisioii oder durch Einspritzung von Jodlösungen erreicht worden
sein, Ilydrocephalus hat Auftreten sehen. Ihm scheint die Ein¬
spritzung von L u g o l’scher Lösung noch am ersten empfehleus-
werth.
7. Spinale Kinderlähmung schwerster Art. Die 18 jährige
Patientin gibt an, «lass sie s«*it «ler Geburt gelähmt sei. Das linke
Bein ist völlig gelähmt und im Wachsthum stark zurückgeblieben,
der Fuss steht in starker Supinations- und leichter Adduetions-
st«llung. Rechts sind der Extensor cruris und die Peronei er¬
halten, der Fuss steht in Pronations- und massiger Spitzfuss-
stellung. Patientin vermag nur mit 2 Krücken zu geh«*». Rechts
ist vor Kurzem die Arthrodese des Talo-Cruralgelenks ausgeführt;
um den vorderen dadurch noch nicht iixirten Theil des Fusses
brauchbar zu machen, sollen die erhaltenen Peronei mit den Streck-
sehuen vereinigt werden. Links soll «lie Arthrodese des Knie¬
gelenks und zur Verlängerung des Beines die Wladimirow-
M i k u 1 i c z’sclie Operation ausgeführt werden.
8. Tuberculose des Ellbogengelenks. Bei der (X) jährigen
Patientin ist im Juli vorigen Jahres die typische Resection des
Ellbogengelenks wegen schwerer Tuberculose ausgeführt worden
und völlige Heilung erzielt. Die passive B«‘weglichkeit ist voll¬
kommen frei, dabei b(*st«*lit kein Schlottergelenk, activ vermag
Patientin die Hand bis zur Nase zu führen, ein Resultat, das als
gut l»ezeichnet werden muss. B«»i einem intelligenten und energi¬
schen Patienten hätte in diesem Falle wohl vollkommene Ge-
brauclisfähigkeit des Armes erivicht worden können.
Meyer- Altona.
Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg.
(Offlclelles Protokoll.)
Sitzung vom 20. Februar 1900.
Vorsitzender: Herr I) u n 1> a r. Schriftführer: Herr Drey c r.
I. Demonstrationen.
Herr Fraenkel, dem es gelungen ist, den bisher fehlenden
Nachweis von Typhusbacillen in der Haut bei Roseola typhosa
zu erbringen, demoustrirt mikroskopisch Schnitte und Mikrophoto¬
gramme solcher von 2 Roseolen Typhuskranker und bespricht die
Methode d«»s Bacillennachweiscs.
Die Untersuchung« 1 » des Vortragenden haben nicht nur
die Anwesenheit der Bacillen im G «» w r e b e ergeben,
sondern auch festgestollt, dass es sich bei der R«>seola typh.
nicht bloss um eine einfache Hauthyperaemie, sondern um g u t
sichtbare Gewebsveränderungen handelt.
Im Einzelnen bemerkt F., dass die Bacillen nicht diffus in
der von einer Roseoie occupirten Haut zerstreut liegen, sondern
auf eine ganz umschriebene Stelle beschränkt sind und zwar kommen
nach den Befunden des Vortragenden Verschiedenheiten vor.
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Entweder sitzen die Bacillen im Papillarkörper oder in der Pars
reticularis, wobei die Art der Anordnung genau derjenigen ent¬
spricht, wie man sie in anderen von Typhuskranken stammenden
Organen (Milz, Leber) anzutreffen pflegt.
In dem orsteu untersuchten Fall linden sich die Bacillen im
G e f ä s s b e z i r k einer einzigen Papille und zwar einer
im C’ciitriim «ler ltoseole gelegenen Papille, während die den peri¬
pheren Abschnitten der Koseoie entsprechenden Papillen voll¬
kommen frei und auch histologisch unverändert sind. Dagegen er¬
scheint die die Bacillen beherbergende Papille ganz auffallend ge¬
schwollen und sehr viel zellreicher als die benachbarten. Der
Zellreiclithum ist ausschliesslich auf eine Yergrösseruug und Ver¬
mehrung der fixen Biml ege webszellen zu setzen, während Leuko-
cytenansammluiigeii vollkommen fehlen. Endlich ist im Bereich
der Baeterienansiedeluiig im Papillarkörper auch der Zusammen¬
hang zwischen Oberhaut und Lederhalit gelockert.
In der von einem z w eiten Fall stammenden Roseoie er¬
wies sich der Papillarkörper vollkommen intact, ebenso auch die
Verbindung zwischt*» diesem und Oberhaut. Hier war die I n -
v a s i o ii der B a c i 11 e u in die Pars reticularis
cutis erfolgt und zwar wiederum uur an ganz umschrie¬
bener Stelle i m C o ntrum der R o s e o l e. Die Bacillen
lagen hier in unmittelbarer Umgebung eines Arrector pili, wmderum
in d«?r für Typlmsbacillen in ander«*» Organen charakteristischen
Anordnung. Auch liier ist es nur in der unmittelbaren Umgebung
der Bacterienansl«*dlung zu einer Schwellung der fixen Gewebsele-
mente gekommen, während Leukoeytenauhäufuugen, ebenso wie
in Fall I, vollkommen fehl«*».
Herr F. behält sich eine eingehende Darstellung seiner Be¬
funde vor.
Herr Simmonds: Ueber Trauma und Fettgewebsnekrose
des Peritoneum.
M. H.! Vor 2 Jahren stellte ich Ihnen 2 Fälle von disseminirter
Fettgewebsnekrose des Peritoneum vor, in welchen ein Trauma
eine wichtige Rolle in der Anamnese spielte. Im ersten Falle hatte
eine Frau wenige Wochen vor ihrer Erkrankung an Pankreas¬
nekrose mit Fettnekrose des Bauchfells einen Fusstritt gegen das
Abdomen erlitten, im zweiten schloss sich der Proeess unmittelbar
an eine Scliussveiietzuug des Pankreas an (diese Wochenschr. 1899,
No. Öl. Heute kann ich Ihnen über eine dritte derartige Beobach¬
tung berichten.
Ein 39 jähriger Mann — Potator — stürzte Ende December
eine hohe Treppe hinab und erlitt dabei schwere Contusionen,
deren Rest«* sieh noch auf dem Sectionslisclie in Form von rost¬
farbenen llenlen dt*r Hirnrinde nach weisen Hessen. Unmittelbar
nach dem Sturz empfand er heftige Schmerzen im Rücken und in
der Magengegend. 4 Tage später wiederholten sich dieselben
Schmerzen und währten mehrere Stunden. Endlich, am 15. Tage
nach der Verletzung, stellten sich die Schmerzen wiederum in
heftiger Welse ein, verschwanden diesmal nicht wieder, sondern
eombinirten sich mit Erbrechen und schweren Allgemeinstörungen.
Bei seiner Aufnahme im Krankenhause wies Alles — die Sehmerz-
haftigk«*it. der Meteorismus, die Obstipation, das Erbrechen, der
schlechte Allg«»meinzustaiul — auf t*i»e Peritonitis hin. Im Ver¬
laufe «ler näehstt ‘11 Woche bildet«* sich «lann allmählich eine deut¬
liche Resistenz in der R«*gio «»pigastriea aus. Mau incitlirte und
gelangte in «»ine grösst*. hinti*r dem Magen gelegene, mit bräunlicher
Flüssigkeit und Gewebstetzen erfüllte Höhle. Wenige Tage später,
— 3 Wochen nach Beginn der Erkrankung, 5 Wochen nach dem
Unfall -- starb der Mann, nachdem sich die Zeichen einer Pneu¬
monie hinzugesellt hatten. Die Autopsie bot «las typische Bild einer
disseiuinirten Fettgewebsnekrose in der Peri¬
toneal li ö hie mit G a n g r a e n des Pankrea s. Ueber-
all war «lie Serosa, «las grössere Netz, besonders aber auch das
retroperitoneule Fettgewebe dicht besetzt mit kleinsten bis erbsen¬
grossen woisse», gelb«*» und zum Theil carmoisiurothen Herden.
Die eröffnet«* Höhle «nitsprach der Bursa omeutalis, in deren Grund
das völlig unkenntliche, morsche, sehwurzbraune, brandige Pan¬
kreas lag, von welchem nur ein tauboneigrosses Stück am Kopf
uml Schwunztheil sich intact gelullt«*» hatte. Das umgebende
retroperitoncale Gewebe war zerfetzt, missfarbig, die angrenzende
Magensorosa zerstört. Die mikroskopische Untersuchung des frei¬
gebliebenen Pankreasrestes ergab normale Verhältnisse, der nekro¬
tische Abschnitt zeigte nur Pigineiitsehollen, Detritus und strue-
turlose Massen. Die bacteriologische Prüfung Hess zahlreiche ver¬
schiedenartige Mikroben erkennen. Die Uebertragung eines bran¬
digen Gewebstheiles in den Bauchsack eines Kaninchens blieb
ohne Wirkung.
Wir hatten es also wiederum hier mit einer Gangraen des Pan¬
kreas und disseminirter Fettnekrose des Peritoneum zu thun, die
sich an ein schweres Trauma allgeschlossen hatten, und es liegt
da gewiss nahe, an einen Zusammenhang zwischen beiden zu
«lenken, etwa der Art, dass durch die Verletzung eine Quetschung
o«ler Blutung oder Gefässverlegung im Pankreas herbeigeführt
wurde, die w«*iterhjn zu einer ausgedehnten Erkrankung dieses
Organs mit daran sich anschliessender Fettgcwehsuekrosenblldung
im Peritoneum führte. Man darf einen solchen Zusammenhang
um so eher voraussetzen, als auch von anderer »eite Mittheilungen
über das Auftreten von Fettgewebsnekrose» dos Peritoneum nach
Verletzungen vorliegen und vor Allem die schönen experimentellen
Untersuchungen von Katz und Winkler den Beweis dafür
geliefert haben, dass schwere Laesionen des Pankreas typische
Fettgewebsnekrosen zur Folge haben können.
Nicht allein aus theoretischen, sondern auch aus praktischen
Gründen verdient die aufgeworfene Frage unsere Aufmerksamkeit,
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 16.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
da jeder Zeit ein Gutachten von uns darüber gefordert werden
kann, ob eine tödtiich verlaufene Fettgewebsnekrose mit einem
vorausgegangenen schweren Unfall in Verbindung zu bringen sei.
Ich würde in einem Falle, wie dem vorgetragenen, nicht anstehen,
diese Frage in bejahendem Sinne zu beantworten.
Discussion: Herr F r a e n k e 1 bemerkt, dass er im
Gegensatz zum Vortragenden an der Ueberzeugung festhalte, dass
bei der Fettgewebsnekrose des Peritoneum die Traumen stets eine
secimdiire Rolle spielten.
Herr Rumpf fragt an, ob bei dem demoustrirten Fall sich
Zucker im Urin habe nach weisen lassen, was Herr S i m m o n d s
verneint.
Herr W iesiuger bemerkt zu dem Falle, dass bereits bei
der Operation sich reichlich nekrotisches Fettgewebe vorgefunden
habe.
Herr Lochte stellt einen Kranken mit einem Erythema
exsudativ, multiforme (Varietät Erythema iris) vor. Gleichzeitig
bestehen zahlreiche linsengrosse, zum Theil eouiluirende Erosionen
der Mundschleimhaut, die als Theilerscheinung der Krankheit
aufzufassen sind. Differentiadiaguostisch kommen Sclileimhaut-
pemplilgus, Syphilis und Arzneiexanthem in Betracht
II. Vortrag des Herrn Vogel: Ueber Formalindesinfec-
tion.
Vortragender bespricht die Entwicklung der Desinfeetion
mit Formaldehyd, durch welche nicht nur eine Vereinfachung,
sondern auch eine Verbesserung des bestehenden Verfahrens
der Wohnungsdesinfection angestrebt wird. Die Vorzüge des
Formaldehyds, vor Allem seine energische desinficirende Energie
und seine Eigenschaft, die Integrität der Desinfectionsobjecte in
keiner Weise zu verletzen, sichern ihm zweifellos eine gewisse
Fcberlcgenheit über die anderen bekannten gasförmigen Des-
inticieut ien. Bei Versuchen im hygienischen Institut zu Hamburg,
in welchem fast sämmtliclie zur F.-Desinfection empfohlenen
Verfahren und Apparate auf ihre Verwendbarkeit in der Praxis
hin geprüft wurden, gingen feine Polituren, auch ganz frische,
vergoldete, versilberte und broncirte Gegenstände, sowie feine
Seidenstoffe vollkommen unversehrt aus der Behandlung mit F.
hervor. Bei diesen Nachprüfungen hat es sich gezeigt, dass die
im Hamburger Institut erhaltenen Resultate in der Regel wesent¬
lich ungünstiger waren, als die von den Erfindern und Construc-
teuren der betreffenden Apparate publicirten. Nach Ansicht des
Vortrag, liegt dies wohl in erster Linie an der Verschiedenheit
der verwendeten Testobjeete, sowie an der Behandlung dieser
Objecte vor und nach der Desinfeetion. Es wäre entschieden
zu wünschen, dass man sich bei der Auswahl und Vorbereitung
der Testobjecte nach bestimmten Vereinbarungen richten würde,
da nur so vergleichbare Resultate erhalten werden können. Es
ist durchaus nicht gleichgiltig, ob die verwendete Bacterienart
auf Stoffläppehen auf gestrichen, an Seidenfäden oder Deck¬
gläschen angetrocknet zum Versuche gelangt, oder ob man viel¬
leicht auf Nährböden entwickelte Culturen dem Desinfections-
mittel aussetzt. Ferner ist es für die Resistenz der Objecte von
der grössten Bedeutung, ob sie, von festen Culturen stammend,
mittels Oese ausgestrichen werden, oder ob die Läppchen,
Fäden etc. mit flüssigen Culturen getränkt werden. Die an
Seidenfäden oder Glassplitter angetrockneten, sowie vor Allem
die aus flüssigen Culturen stammenden oder nachträglich ange¬
feuchteten Testobjeete müssen gegenüber der F.-Wirkung als
leicht ab t öd t bar bezeichnet werden, während Ausstriche
von festen Culturen auf trockene Leinenläppehen sich stets als
schwer a b t ö d t b a r erwiesen. Diese Verschiedenheiten
gehen (nach Untersuchungen von Herrn Dr. Butten her g)
zuweilen so weit, dass bei ein und demselben Versuche Milzbrand¬
sporen abgetüdtet wurden, an gleichen Punkten deponirte Cho¬
leravibrionen dagegen am Leben blieben. Die Bebrütung der
desinficirten Objecte sollte stets in flüssigen Substraten erfolgen.
Eine Behandlung mit. Ammoniak ist, wenigstens bei denjenigen
Verfahren, welche das F. schon nach beendeter Wohnungs-
desinfection durch Zuleiten von Ammoniak neutralisiren, nicht
erforderlich. Die Beobachtung der Culturen soll sich auf min¬
destens 8 Tage erstrecken, denn es kommt zuweilen vor, dass erst
5—6 Tage nach der Aussaat Waehsthum cintritt..
Im hygienischen Institut sind bei sehr zahlreichen Ver¬
suchen geprüft worden: die Lampen von Barthel und
Krell, der Autoclav von Tr i 11 a t, die Apparate von Rosen¬
berg, Schering (Aesculap) und Walther-Schloss-
man n. Die erzielten desinfectorisehen Erfolge waren, von
dem Walther-Sc lilossman n’schen Apparate abgesehen,
durchweg weniger günstig, als die von den Erfindern erhaltenen.
Es konnten überhaupt die, neuerdings besonders von Flügge
in klarer Weise dargelegten, Mängel und Nachtheile der ge-
Digitized by Goosle
nannten Verfahren in jeder Beziehung bestätigt werden. Der
Lingne r’sehe (W alther-Schlossman n’sche) Apparat
lieferte in Folge der grossen zu verwendenden Formalinmengc
ein gutes baeteriologisches Ergebniss, wir empfanden aber, ebenso
wie viele andere Autoren, die diesen Apparat benutzten, den auf
den Mobilien entstehenden schmierigen Glycerinüberzug als un-
gemein störend und lästig.
Wirklich zufriedenstellende, mit den Resultaten des Erfinders
gut übereinstimmende Ergebnisse, erhielten wir bei sehr zahl¬
reichen Versuchen mit dein F 1 ü g g e’schen Apparat, wenn wir
die erforderlichen Bedingungen: gute Abdichtung der Räume
und genügender Wassergehalt der Luft, erfüllten. Der Flügge-
sclic (Breslauer) Apparat übertrifft an Einfachheit der Hand¬
habung und Sicherheit der Wirkung ohne Zweifel alle genannten
Apparate, wenngleich auch wir die schon von Flügge ausge¬
sprochene Ansicht theilen, dass (von den Formalinlampen abge¬
sehen) alle erwähnten Verfahren bei Anwendung der erforder¬
lichen E.-Menge, bei guter Abdichtung der Räume und ge¬
nügendem Feuchtigkeitsgehalte der Luft Zufriedenstellendes
leisten. Der F 1 ü g g e’sche Apparat wird aber wegen seiner Ein¬
fachheit doch vorläufig obenan stehen.
Herr Professor Dun bar hat den Rüthe-Grüne-
w a 1 «Eschen transportablen Dampfentwickler bei einer Anzahl
von Versuchen mit gutem Erfolge als Formaldehyderzeuger ver¬
wendet. Bei diesem Apparate werden brennende Flammen, die
zuweilen doch wohl eine gewisse Feuersgefahr bedingen könnten,
überhaupt nicht in den zu desinficircndcii Raum gebracht. Die
Versuche wurden so ausgeführt, dass der Dampfentwickler mit
den glühend gemachten Bolzen im Zimmer Aufstellung fand,
und dann von aussen her mittels eines durch das Schlüsselloch
geführten Gummischlauches Von einer erhöht stehenden Flasche
nus die erforderliche, in entsprechender Weise verdünnte, For¬
malinmenge zugeleitet wurde. So gelingt es, in wenigen. Minuten
mehrere Liter Flüssigkeit zu verdampfen. Der Desinfections-
effeet war bei Verwendung der von Flügge angegebenen
Mengen (2,5 g Formaldehyd pro Kubikmeter bei 7 stündiger
Einwirkung) ein ebenso guter, wie bei Benutzung des Breslauer
Apparates. Der Anwendbarkeit dieses Apparates in der Praxis
steht aber seine geringe Handlichkeit, vor Allem aber die Noth-
wendigkeit, stets ein starkes Feuer zur Erhitzung der Bolzen
zur Verfügung zu haben, störend im Wege.
Mit den Apparaten von Chaplewski, Prausnitz
und dem combinirten Aesculap (Schering) werden gegen¬
wärtig im hygienischen Institute vergleichende Versuche aus¬
geführt, die noch nicht abgeschlossen sind.
E noch hat neuerdings die Oarboformalbriquettes von
Krell und Elbs zu Desinfectionszwecken empfohlen. Vor¬
tragender führt die guten Resultate, welche Enoch erhielt,
z. Th. auf die geringe Resistenz seiner Testobjeete (Seidenfäden)
zurück, und hält auch das zur Erzeugung des erforderlichen
Wassergehaltes empfohlene Ausgiessen von warmem Wasser auf
dem Fussboden oder das Auf hängen feuchter Tücher in vielen
Fällen nicht für anwendbar oder ausreichend.
Die sämmtlichen genannten Apparate werden demonstrirt
und in Thätigkcit vorgeführt.
Discussion: Herr Enoch zeigt die Carboformalbriquetts
Krell-Elbs’ vor, deren Verwendungsweise er kurz darlegt Fester
Paraformaldehyd, der in einer Kohlehülse liegt, wird durch die
glimmende Kohle zu Formaldehyd vergast. Die uöthige Menge
Feuchtigkeit wird den Räumen durch Ausgiessen von warmem
Wasser oder Aufhängen nasser Tücher mitgetheilt. E. hält diese
Feuchtigkeitszufuhr nach seinen Versuchen für genügend, da die
Hygrometer irn Desinfectionsraum auf 95 stiegen. Luftcirculation
wird durch Auf stellen der Briquotts in verschiedener Höhe des
Zimmers bewirkt. Die Versuchsergobnisse von E., welche als Con-
trolen der Nowa c k’schen Arbeit gemacht sind, und desshalb
auch mit den gleichen Testobjecteu, sind sehr günstige, und glaubt
E., dass die einfachen Carboformalbriquetts den Immerhin um¬
ständlichen, theueren und zum Thell feuergefährlichen grossen
Formaldehydentwieklungsapparaten recht gut nebengestellt werden
können. (Vergl. Hygienische Rundschau 1899, No. 25.)
Herr Dunbar weist darauf hin, dass ein gewisser Wider¬
spruch in den Darlegungen des Herrn Dr. Enoch Insofern ent¬
halten sei, als Herr Enoch einerseits behaupte, die von ihm
empfohlene Anwendung der Carboformalbriquetts sei gleich¬
wertig mit der F1 ü g g e’scheu und anderen complicirteren
Methoden, andererseits aber angebe, dass er nur Versuche mit
leicht abtödtbaren Testobjecten angestellt hätte. Man wisse nun,
dass leicht abtödtbare Testobjeete auch durch solche Formaldehyd¬
apparate abgetödtet würden, die heute als unbrauchbar allgemein
verworfen würden. Der Vorzug des Flügge’schen Apparates
und der übrigen von Herrn Dr. Vogel demonstrirten neueren
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
557
Apparate liegt nun aber, wie D u n b a r darlegte, gerade darin,
dass neben den leicht abtödtbaren Testobjecten auch die schwerer
abtödtbaren Testobjecte vernichtet werden. Herr Dr. Bnoch
habe den Nachweis nicht erbracht, dass dieses durch die Carbo-
formalbriquetts geschehe.
Uebrigens sei die in zahlreichen Literaturangaben hervorge¬
tretene Meinung irreleitend, als ob man mittels Formaldehyd Milz¬
brandsporen mit Sicherheit abtödten könnte. Wie Herr Dr. Vogel
auf Grund der umfangreichen, unter Dunbar's Leitung aus-
geftilirteu Untersuchungen mit Recht hervorgehoben hätte, müsste
man Sporenbildner als der Formaldehyddesinfection nicht sicher
zugänglich von vornherein ausscheiden.
Die von Dr. E n o c h empfohlene Wasserverdunstung durch
aufgehängte feuchte Tücher, welche Dunbar als freiwillige Ver¬
dunstung bezeichnen möchte, hält Letzterer für durchaus minder-
werthig gegenüber der künstlichen Wasserverdampfung, wie sie
bei dem Breslauer Apparat und anderen neueren Formaldehyd¬
apparaten zur Anwendung kommt. D u n b a r glaubt die frei¬
willige Verdunstung um so weniger empfehlen zu dürfen, als die
künstliche Verdunstung des nothwendigen Wasserquantums das
Verfahren nicht erheblich erschwere oder vertheuere.
Dunbar weist darauf hin, dass der zur Zeit am meisten
umstrittene Punkt, betreffend die Grenzen der Anwendbarkeit des
Formaldehyds In der Frage liege, ob man bei allen Krankheiten,
wo desinflcirt werden soll, neben dem Formaldehyd auch noch das
jetzt übliche Desinfectionsverfahren unter Mitnahme bestimmter
Gegenstände ln die Desinfectionsanstalt zwecks Dampfdesinfection
beibehalten soll, oder aber ob man nach dem Vorgänge F1 ü g g e’s
eine bestimmte Krankheitsgruppe (Tuberculose, Diphtherie, In¬
fluenza, Scharlach, Masern) festlegen solle, bei denen die Formal¬
dehyddesinfection genüge, um sümmtliehe vorhandenen Objecte
zu desinficiren, bei der übrig bleibenden Gruppe von Krankheiten,
nämlich Typhus, Cholera, Ruhr, Pocken, Pest, Kindbettfleber, aber
von der Formaldehyddesinfection überhaupt absehen solle.
Im Hinblick darauf, dass der Hauptvortlieil der Formaldehyd¬
desinfection, wie Flügge sehr treffend hervorgehoben habe, ge¬
rade darin liegt, dass bei einer grossen Zahl der Krankheiten
die ganze Desinfection bei Formaldehydanwendung in den
Krankenstuben selbst erledigt werden kann, ohne dass irgend
welche Objecte aus dem Hause entfernt werden, möchte D u n b a r
die von Flügge vorgeschlagene Begrenzung der Anwendung des
Formaldehyds für die empfehlenswertheste halten, nicht aber das
kürzlich von verschiedenen Seiten empfohlene Vorgehen, wonach
bei allen Krankheiten bestimmte Objecte der Formaldehyddesinfec¬
tion, andere aber anderweitigen Deslnfectionsmethoden unterzogen
werden.
Herr F r a e n k e 1 ist der Ansicht, dass, da nur sehr wenige
Infectionskrankheiten sich der Formalindesinfection als zugänglich
erweisen, die Zahl der nach dieser Methode ausgeftihrten Desinfec-
tionen eine nur geringe sein werde.
Herr D u n b a r erwidert, dass nach Ermittelungen von
Flügge die grösste Zahl aller Desinfeetionen — bis zu 80 Proc. —
allein schon auf die Diphtherie entfalle und dass demnach In der
Praxis nur sehr -wenig Desinfeetionen der Formalinmethode sich
entziehen würden.
Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 13. November 1899.
Vorsitzender: Herr Leichtenstern.
Schriftführer: Herr Dreesmann.
1. Herr W o 1 f f bespricht eine von Bardenheuer ange¬
wandte Methode, durch die es gelingt, Schlottergelenke der
Schulter zu beseitigen, wie solche im Anschluss an ausge¬
dehnte Resectionen des oberen Humerusschaftes zu resultiren
pflegen: Die Resectionsfläche des Humerus wird an die angefHsehte
Cavitas glenoidalis scapulae mit einem langen Nagel angenagelt;
zwischen den aneinandergenagelten Knochenflächen tritt knöcherne
Ankylose ein. Derartige Operirte erheben activ den Arm bis zur
horizontalen Schulterhöhe und noch etwas darüber hinaus, indem
der Arm durch Vermittlung der mit ihm verwachsenen Scapula
elevirt wird. Die Methode hat sich in mehreren Fällen bewährt,
der vorgestellte Patient hebt den Arm activ mit der Scapula bis
zum Winkel von 120°.
Bei demselben Kranken ist vor 6 Jahren eine ausgedehnte
Fussresectiou wegen Caries vorgenommen worden. Das Fuss-
skelet besteht nur noch aus dem Gelenkstück des Talus und den
Zehen, alle übrigen Fuss-wurzelknochen, sowie die gesummten
Mittelfussknochen sind entfernt worden. Auch in diesem Falle
ist die Grundphalanx der grossen Zehe an den Talus mit einem
Nagel augenagelt worden; Hallux und Talus stehen in knöcherner
Verbindung, während im Talocruralgelenk active Bewegungen im
Siune der Dorsal- und Plantarflexion ausführbar sind. Der Kranke
kann sich vollkommen fest auf den verkürzten Fuss aufstützen
und gut damit gehen.
2. Herr Wallerstein: Vorstellung eines Falles von
Axillarislähmung.
Der Vortr. stellt einen 23 jährigen, kräftigen Holzträger vor,
der auf eigentümliche Weise eine Lähmung des r. N. axillaris
erworben hat. Der Mann trug am 7. X. 99 einen Stoss Bretter im
ungefähren Gewicht von 2 Centnern auf der linken Schulter. Zum
Abwürfen der Last führte er die rechte Hand hinter dem Kopf
gegen dieselbe und ertheilte ihr aus dieser im Scliultergeleuk über¬
streckten Stellung heraus einen kräftigen Ruck. Unmittelbar nach
dieser Bewegung fiel der rechte Arm schlaff herunter und konnte
activ seitdem nicht mehr erhoben werden. Passiv konnte der Arm
unmittelbar nach dem Unfall Im Schultergelenk frei nach allen
Richtungen bewegt werden. Am folgenden Tag stellte sich im
rechten Oberarm ein Gefühl von Taubheit und bei Bewegungen
des Arms auch Schmerzen ein. Die Schmerzen verloren sich nach
wenigen Tagen. Bei der Vorstellung am 13. XI. 99 bot der Kranke
folgenden Befund: Die Umrisse der Schulterknochen springen
rechts deutlicher hervor wie links, der r. M. deltoides fühlt sich
schlaff an und ist deutlich atrophisch. Der Oberarm kaun activ
nicht vom Brustkorb entfernt werden, weder nach der Seite noch
nach vorn oder hinten. Passiv sind alle Bewegungen im Schulter¬
geleuk vollkommen frei. Lässt man den bis zur Horizontalen oder
Verticalen passiv erhobenen Arm los. so fällt er w r ie eine todte
Masse herunter. Die Drehung des Oberarms nach aussen Ist nicht
beeinträchtigt, was nicht auffallen kann, da an derselben neben
dem vom N. axillaris versorgten M. teres minor auch der vom
N. suprascapularis innervirte M. infraspinatus wesentlich bethei¬
ligt ist. Die Beweglichkeit im Ellbogengelenk. Handgelenk, der
Finger ist durchaus normal. An der Aussenseite des rechten
Oberarms bis etwas unter die Mitte dessell>en ist die Sensibilität
für alle Qualitäten wesentlich beeinträchtigt. Es besteht typische
Entartungsreaction. Diagnostische Schwierigkeiten bietet der
Fall kaum. Das Vorhandensein einer scharf begrenzten Sensi-
bilitätsstömng und vor Allem die Entartungsreaction beweisen,
dass es sich um eine Lähmung handelt, die begründet ist durch
eine Schädigung des peripheren nervösen Apparates. Erwähnens-
w'erth ist der Fall einmal wegen der relativen Seltenheit voll¬
kommener Axillarislähmungen überhaupt und zweitens wegen der
eigenartigen Entstehungsweise.
Herr Wolter erörtert die Frage, wie es komme, dass Patient
nicht im Stande sei, den Arm über die Horizontale zu erheben
und zu halten, trotzdem nur von einer Axillarislähmung und nicht
von einer solchen der Nerven des M. eucullaris und M. serratus
ant. m. die Rede sei. Bei einer completen Axillarislähmung
könnte wohl ein geringes Schlottergelenk entstehen und dies
daher den M. eucull. und M. serr. ant. an wirksamem Eingreifen
hindern.
3. Herr Jung: lieber Chorioidealsarkom (Demonstration).
Bei einer 55 jährigen Frau, welche seit mehreren Monateu
einen Schimmer vor ihrem linken Auge bemerkte, fand sich bei der
Augenspiegeluntersuchung eine circumscripte flache und faltenlose
Netzhautabhebung nach oben vom Sehnerven; letzterer war von
der Abhebung In seiner oberen Hälfte überdeckt. Die Niveau¬
differenz zw ischen Opticus und Netzhautabhebung betrug 6 Diop¬
trien, der Durchmesser der Netzhautabhebung ungefähr 10 Papillen-
durebmesser. Im Bereich der Netzhautabhebung hatte die Ader¬
haut einen gelblichen Farbenton, nur an der Peripherie der Ab¬
hebung war sie stärker pigmentirt. In der veränderten Aderhaut
fanden sich einzelne Blutungen, hier und da stärkere Pigment-
anhäufungen; von neugebildeten Gefässen war nichts zu erkennen.
Die veränderte Aderhaut lag direct unter der Netzhaut; denn bei
derselben Einstellung waren die Netzliautgefässe und die darunter-
llegeude Aderhaut scharf zu erkennen. Entsprechend der Netz¬
hautabhebung fand sich bei der Gesichtsfelduntersuchung ein ab¬
solutes Skotom für Weiss. Die Sehschärfe dieses Auges betrug die
Hälfte der normalen.
Auf Grund des Augenspiegelbildes wurde die Diagnose auf
Aderhautsarkom gestellt, zumal man auch im Verlaufe der Be¬
obachtung constatiren konnte, dass die Neubildung an Grösse lang¬
sam zunahm. Nach längerem Schwanken ging die Patientin auf
die vorgeschlagene Enucleation ein. Diese bestätigte die gestellte
Diagnose. Entsprechend dem Augenspiegelbilde fand sich im auf-
gesclinittenen Auge eine flache, festgefügte, graugefärbte Ge¬
schwulst, von 2 mm Dicke und 10 mm Flächendurchmesser. Mikro¬
skopisch stellte sich dieselbe als ein Spindelrundzellensarkom dar
mit wenig Gefässen. Interessant w*ar, dass sich am mikro¬
skopischen Präparate constatiren Hess, dass die Geschwulst im Be¬
griffe war, trotz ihrer Kleinheit, dem Verlaufe eines hinteren Ciliar-
gefässes entlang, nach aussen durchzubrcchen. Das vorliegende
Präparat bewies also, wie falsch der Standpunkt eines fran¬
zösischen Augenarztes (Ophthalm. Klinik, II. Jahrg., S. 356) ist, mit
der Enucleation zu werten, bis der acute Glaukomanfall aus¬
gebrochen ist. Sicher hätte dann in diesem Falle das Sarkom schon
die Grenzen des Auges überschritten.
Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 1. März 1900.
Vorsitzender: Herr S e n d 1 e r.
Vor der Tagesordnung stellt Herr Brandt einen Fall von
localer Sklerodermie mit beginnender Sklerodaktylie an der
linken Hand eines 15 jährigen Mädchens vor. Vom Capitulum
ulnae über das Handgelenk bis an die Wurzeln des IV. und V.
Fingers findet sich eine des normalen. Pigmentes beraubte, etwa
3 cm breite, scharf abgegrenzte Hautstelle vor. In ihrem proxi¬
malen Theil zeigt die vitiligoähnliche Hautpartie eine dunkler pig-
mentirte, rauhe und bei Berührung stark hyperaestlietisehe. etwa
marksttickgrosse Stelle. Die Schmerzhaftigkeit ist hier so gross,
dass man fast an das Vorhandensein eines Neuroms glauben
könnte. Im Interstitium des IV. und V. Fingers ist eine gleiche,
aber kleinere veränderte Hautpartie deutlich sichtbar, ferner ist
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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16-
die Haut über dem proximalen Theile des Nagelfalzes geröthet und
straff, fast wie narbig verändert.
Die Affection, die zu der Annahme einer trophischen Störung
der Haut im Gebiete der Nervi digitales dorsales des Ulnaris be¬
rechtigt, hat begonnen mit Schwellung und Röthung und rheuma¬
toiden Schmerzen an der Ausseuseite des 1. Handgelenks und be¬
steht jetzt seit 3 Monaten.
Herr Schreiber legt dann Celluloidkapseln für Augen¬
verbände vor, die nach seinen Angaben angefertigt in den ver¬
seil iedensten Augenkliniken viel Anklang gefunden haben. Die¬
selben werden mit einem schräg von der Stirn nach der Wange
des Patienten angelegten Heftpflasterstreifen über dem sterilen
Trockenverbande befestigt. Eine Binde kann darüber angelegt
werden, ist jedoch nicht nöthig. Zu beziehen sind die Kapseln
bei dem Instrumentenmacher Hoffmeister in Magdeburg,
Tischlerbrücke 3.
Herr Schreiber hält darauf einen Vortrag: Heber
Magnetextraction eiserner Fremdkörper ans dem Augen-
innern.
Er bedauert, dass seit der Einführung des elektrischen
Strassenbahnbetriebes in Magdeburg sein A s s m u s’sches Sidero-
skop bei Tage nicht mehr functionirt, eine Beobachtung, die be¬
reits von Linde, H i r s c h b e r g u. A. gemacht ist. Das
Sideroskop zeigte bereits Störungen, als eine 530 m von dem
Untersuchungszimmer entfernte elektrische Bahnlinie eröffnet
wurde. Er setzt dahet jetzt jeden auf eisernen Fremdkörper
im Augeninnern verdächtigen Fall direct an den grossen
Magneten und bedient sich des Schlösse r’schen Magneten,
welcher in einem Gleichstrom von 110 Volt Spannung einge¬
schaltet etwa 28 Pfund trägt. Den Hirschberg’schen Ma¬
gneten wendet er für Fremdkörper an, welche die Hornhaut per-
forirt haben oder in der vorderen Kammer oder in der Iris sitzen.
Auch die Fälle, welche sofort nach der Verletzung mit Eisen im
Auge in die Sprechstund«' kommen, werden meist mit dem
Hirschber g’schen Magneten von dein Fremdkörper befreit.
Für Corpora aliena in der Linse empfiehlt es sich, dieselben ver¬
mittels des grossen Magneten in die vordere Kammer zu ziehen
und dieselben von dort vermittels des Hirschber g’schen
Magneten nach Eröffnung der vorderen Kammer heraus zu be¬
fördern. Auch ein in der Linse seit Jahresfrist eingekapselter
Fremdkörper folgte prompt dem Zuge des grossen Magneten,
ebenso ein Corpus alienum von nur Vz mg Gewicht. Die grössten
Triumphe feierte der S c h 1 ö s s e r’sche Magnet bei der Ent¬
wicklung von Fremdkörpern aus dem Glaskörperraum. Zur Er¬
härtung dieser Thatsache theilte der Vortragende eine grosse
Anzahl von selbst behandelten Fällen mit, und stellte geheilte
Kranke vor. Um den Fremdkörper um den unteren Linsenrand
herum in die vordere Kammer zu ziehen, bediente sich Sch.
häufig der Methode, die magnetische Kraft von unten nach oben
wirken zu lassen, indem er den Schlösse r’schen Magneten mit
der Spitze nach oben auf einen Drehschemel stellte. Der Pa¬
tient musste sich mit beiden Händen auf den Drehschemel
stützend, das Gesicht nach unten gewendet über den Magneten
beugen. Der auf der Erde sitzende Operateur führte nun das
Auge des Patienten an den Magneten heran und controlirte unter
seitlicher Beleuchtung die Bewegungen des Auges. Da diese Me¬
thode den magnetischen Zug mit der Schwerkraft des Fremd¬
körpers combinirt, so leistet sie auch bei sehr kleinen Fremd¬
körpern vorzügliche Dienste. Der kleinste Fremdkörper, welcher
auf diese Weise aus dem Glaskörper entwickelt wurde, wog nur
% mg. Die in die vordere Kammer gezogenen Fremdkörper
wurden fast ausnahmlos mit dem Hirschber g’schen Ma¬
gneten zu Tage gefördert. Die Resultate waren fast durchweg
hocherfreuliche.
Nach S c h.’s Ansicht ist der Schlösse Psehe Magnet
sehr wohl geeignet, die in der Linse sitzenden, wie im Glaskörper
frei beweglichen eisernen Fremdkörper, auch wenn sie ein Ge¬
wicht von nur VL> mg haben, in die vordere Kammer zu ziehen; er
macht daher den Meridionalschnitt- zur Extraction von Fremd¬
körpern aus dem Glaskörperraum fast vollkommen entbehrlich.
Der Meridionalschnitt ist nur noch anzuwenden bei den ein¬
geheilten oder so fest eingekeilten Fremdkörpern, dass der
Sehl Ö s s e r’sche resp. II a a lösche Magnet dieselben nicht zu
ziehen vermag.
Discussion: Herr F. S c h n e i d e r stimmt Schreiber
darin bei, dass in erster Linie «las II a a lösche Verfahren und erst
in zweiter Linie das II i r s c h b e r g’sclie in Fragt* kommt, resp.
dass durch das letztere das erst«‘re ergänzt werden soll. Man wird
immer gut thun, dasjenige Verfahren zu wählen, welches ohne
Setzung einer neuen Wunde und unter Vermeidung der Verletzung
wichtiger Gewebe zum Ziele führt; d. h. mau wird beim H a a b-
schen Verfahren vor Beschädigung der Linse und der Iris, und
beim H irschber g’schen vor Herumwühlen im Glaskörper sich
zu hüten haben. Bezüglich der Diagnose ist Schn, sehr von dem
A s s m u s’schen Sideroskope eingenommen. Bei der Extraction der
Fremdkörper empfiehlt Schn., mehr als bisher die Chloroforin-
narkose in Anwendung zu ziehen; ausschliesslich muss letztere
natürlich benutzt werden, wenn Verlust an Glaskörper droht. —
Gegen die ananmestischen Angaben der Patienten hat Schn, sieh
ein grundsätzliches Misstrauen ungeeignet, da alle Angaben der¬
selben. dass z. B, der Fremdkörper gross gewesen wäre, dass er
wieder abgeprallt wäre etc. zumeist auf subjectiv falschen Vor¬
stellungen beruhen. Im Allgemeinen springen die Corpora aliena
mehr von dem bearbeiteten Gegenstände, als von dem Werk
zeuge ab.
Herr Schreiber entgegnet, dass er von der Chloroform-
narkose den ausgiebigsten Gebrauch macht, wo solche nothwendig
ist. Bei der Behandlung der Patienten mit dem Riesenmagneteü
ist jedoch aus technischen Gründen die Chloroformnarkose nicht
anwendbar. Die Anfrage des Collegen Hager, ob das A s s m u s -
sehe Sideroskop nicht vielleicht besser functionirte, wenn es in
der höchsten Etage aufgestellt würde, beantwortete der Vortr.
dahin, dass nach der Veröffentlichung von Scheudel auch
Prof. Hirschberg sein A s s m u s’sches Sideroskop, welches
sich in der III. Etage der Klinik befindet, nicht mehr gebrauchen
könnte, seitdem durch die Karlstrasse der elektrische Bahnbetrieb
geführt ist.
Aerztlicher Verein München.
(Officielles Protokoll.)
Sitzung vom 15. November 1899.
1. Herr Klaussner: Chirurgische Mittheilungen mit
Demonstrationen.
2. Herr J. Bauer: Heber functionelle Störungen des
Herzens und deren Bedeutung für den Militärdienst. (Der
Vortrag erschien in No. 13 dieser. Wochenschrift.)
Discussion : Herr Moritz: Behufs Abgrenzung der
„functionellen“ Störungen des Herzens von solchen auf orga¬
nischer Grundlage ist natürlich eine sehr sorgfältige An¬
wendung der Hilfsmittel der physikalischen Untersuchungs-
methoden nöthig. Da wo wir gegenüber der Norm Verände¬
rungen im Percussions- und Auscultationsbefunde finden,
werden wir mit der Annahme bloss functioneller Störungen sehr
zurückhaltend sein müssen. Ich bin seit längerer Zeit auf ein
Phänomen aufmerksam geworden, das mir in dieser Hinsicht von
einer gewissen Bedeutung zu sein scheint. Wenn mau die zu unter¬
suchende Person zunächst tief insplriren, dann maximal exspiriren
lässt, was man durch Druck mit der flachen Hand auf die Brust
unterstützt, und in maximaler Exspiration den Athem anhalten
lässt, so kommt nicht ganz selten im 2. Intercostalraum links vom
Sternum ein systolisches Geräusch zum Vorschein, während sich
vorher ein solches weder hier noch anderswo am Herzen constatireu
liess. In anderen Füllen wieder wird ein Geräusch, das an dieser
Stelle vorher nur andeutungsweise zu hören war, auf diese Weise
sehr laut. Iu vielen Fällen ferner, wo an der Spitze des Herzens
ein systolisches, auf Mitralinsufflcienz zu beziehendes Geräusch
hörbar war, wird mit dem angegebenen Kunstgriff auch im 2. Inter¬
costalraum links vom Sternum ein solches vernehmlich. Fast
immer lässt sich ausserdem in den Fällen, in denen bei tiefster Ex¬
spiration ein solches Geräusch wahrnehmbar wird, eine Aceen-
tuirung des 2. Pulmonaltones constatiren.
Ich stehe nicht an, diese Geräusche als Zeichen einer Mitral-
insufficienz aufzufassen. Dass gerade der 2. Intercostalraum links
vom Sternum als Ort, wo das linke Herzohr der Brustwand nahe
liegt, für die Wahrnehmung im linken Vorhof entstehender Ge¬
räusche, d. i. eben von Insuffieienzgeräuschen der Mitralis, häufig
sehr geeignet ist, ist ja bekannt. Für cardio-pulmonaler Natur kanu
ich die in Frage stehenden Geräusche nicht halten. Man hat viel¬
mehr durchaus den Eindruck, dass ihr Erscheinen bei tiefster Ex¬
spirationsstellung der Lunge durch die Retraction der Lungen¬
ränder vom Herzen und dadurch ermöglichte bessere P^ortleitung
schwacher, im Herzen selbst entstandener Geräusche auf der Brust¬
wand bedingt sei. Natürlich denke ich bei der Annahme einer
Mitralinsufflcienz auf Grund eines derart hörbar gemachten systo¬
lischen Geräusches nicht immer an eine endocarditische Klappen
erkrankung. Es w ird sich sehr häufig um eine „musculäre** In-
sufficienz der Klappe handeln, d. h. der Klappen m u s k e 1 apparat
(Papillarmuskeln und Ringmusculatur der Atrio-Ventriculargrenzei.
der zum völligen Schluss der Klappe ebenso nöthig ist, wie di»*
anatomische Unversehrtheit der Klappensegel, functionirt nicht ge¬
nügend. Der Grund zu dieser musculären Insufficienz kann in
anatomischen Erkrankungen der Herzmusculatur oder aber auch
nur in Anaemie, gelegentlich vielleicht auch in Intoxicationou
(Tabak, Alkohol), wohl auch einmal in körperlicher Ueberanstreu-
gung, oder schliesslich auch in „nervösen** Störungen liegen.
Die Prognose ist daher bei dem „Basisgeräusch in
Exspirationsstellung“ je nach Lage des einzelnen Falles
ganz verschieden. Man sieht das Phänomen nicht selten nach
einiger Zeit verschwenden. Ein gemeinsamer Gesichtspunkt für
alle diese Fälle liegt aber meines Erachtens darin, dass man bei
einem Herzen, das das Phänomen zeigt, auch wenn subjective
Herzbeschwerden nicht vorhanden sind, hinsichtlich grossem-
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17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
659
Körperanstrengungen Vorsicht walten lassen sollte. Um so mehr
wird dies aber dann der Fall sein müssen, wenn sieh ausserdem
Funetionsstörungen von Seiten des Organs (Herzklopfen, Dyspnoe,
rasche Ermüdbarkeit etc.) geltend machen. Die Grösse der Herz¬
dämpfung braucht dabei nicht verändert zu sein.
Herr S o 1 b r i g dankt vor Allem im Namen der Militärärzte
Herrn Prof. Bauer für das lebhafte Interesse, welches dieser der
für die Militärärzte so wichtigen Frage der functioneilen Herz¬
störungen in ihrer Beziehung zur Militärdiensttauglichkeit ent¬
gegenbringt und für die lehrreichen Winke hinsichtlich ihrer Be-
urtheilung. Da Prof. Bauer bei gewissen Arten dieser Störungen
dem Militärdienste mit seiner methodischen körperlichen Aus¬
bildung, der Regelmässigkeit in der Verpflegung und Lebensweise
sogar einen heilsamen Einfluss zuerkennt, so wird das ärztliche
Gewissen der Militärärzte nicht zu schwer belastet werden, wenn
sie einen Mann mit nervösen Herzstörungeu zum Dienste heran¬
ziehen lassen.
Was das Zusammenwirken der Civil- und Militärärzte bei der
Entscheidung der Frage der Dienstfähigkeit von Wehrpflichtigen,
namentlich von Einjahrig-Freiwilligen betreffe, so werde es von
Seiten der Militärärzte stets dankbarst begriisst, wenn sie über
die Vorgeschichte des au Untersuchenden von dem Hausarzte unter¬
richtet werden, wobei es von grösserer Wichtigkeit sei, durch ein
Zeugniss zu bestätigen, dass der Mann z. B. an Gelenkrheumatismus
behandelt worden, als dass er mit einem Herzfehler behaftet sei,
den der untersuchende Militärarzt selbst feststellen könne und
müsse. Sehr zu empfehlen sei, dem Kranken von dem Inhalte des
Zeugnisses keine Kenntniss zu geben.
Herr Karl Francke: Die Entscheidung, ob ein funetionelles
oder ein organisches Herzleiden vorliegt, ist oft ungemein
schwierig. Man hat eben kein Mittel der unmittelbaren Erkennt¬
nis», keine Röntgenstrahlen oder Sonstiges, und gerade die Fälle,
um die es sich zumeist bei der Diensttauglichkeit handelt, sind die
weniger ausgesprochenen. Die Fälle aber, die zur Section ge¬
langen, sind meist nicht mehr einfach, sondern so complicirt, dass
man die Anfangsstadien der Erkrankung aus dem Sectionsbefund
nicht mehr erkennen kann. Da die Auscultation und die Percussion
oftmals keine Entscheidung ermöglichen, so müssen wir die
anderen physikalischen Hilfsmittel, die uns zur Verfügung stehen,
zu Rathe ziehen, besonders auch die Beobachtung des Pulses und
die Sphygmographie. Letztere wurde bisher nicht erwähnt, jeden¬
falls darum, weil der Satz nahezu allgemeine Verbreitung gefunden
hat, dass die Sphymograpliie für die Praxis von keiner wesentlichen
Bedeutung sei. Diesem Satz muss ich nach meinen Unter¬
suchungen widersprechen. Das Hera schwankt eben in der Grösse
seiner Leistung ganz ungemein, und zwar tritt auf jeden Reiz hin
rasch eine Verstärkung der Kammerzusammenziehung auf. Darum
tritt auch oft eine Aendenmg des Spliymograinmes ein, und man
kann an ein und demselben Menscheu die verschiedensten Puls¬
bilder erhalten. Diese so ungemein häufigen Schwankungen müssen
bei unseren Untersuchungen durch besondere Maassnahmen aus¬
schaltet werden. Geschieht das, so hat sich mir gezeigt, dass d i e
Sphygmographie für die Praxis recht wohl ver-
werthbare Ergebnisse liefert. Ich bin in der Lage,
für diesen Satz Beweise vorlegen zu können. Vielleicht ergibt sich
bald einmal Gelegenheit, Ihnen die Ergebnisse meiner Untersuch¬
ungen hier vorzuführen. Ich hielt es heute Abend für meine
Pflicht, für die Sphygmographie einzutreten.
Herr Grassmann hat die von Prof. Moritz erwähnte
Methode, Herzgeräusche besser hörbar zu machen, ebenfalls bei
vielen Untersuchungen angewendet. Er kann bestätigen, dass
bei forcirter Exspiration manche sonst schwach hörbare Ge¬
räusche deutlicher oder überhaupt erst hörbar werden. Eine Mitral-
iusufücienz anzunehmen, sobald neben verstärktem 2. Pulmonal¬
ton ein derartiges Geräusch hörbar zu machen ist, kann sich Gr.
nur relativ selten entschliessen. Denn es zeigte sich, sobald Kranke
mit derartigem Herzbefund, sogar noch dazu mit starker R.-Ver¬
breiterung Wochen und Monate lang bezüglich des Herzens con-
trolirt wurden, dass eines Tages der Herzbefund ein normaler ge¬
worden ist. Gr. hat das bei mehreren hundert untersuchten
Kranken mindestens zwei Dutzend Mal beobachtet. Es kann sich
bei diesen Fällen nicht um Mitralinsufficienzen Im gewöhnlichen
Sinne handeln, sondern eben nur um sog. musculäre Insufflcienzen,
2 Formen, die überhaupt schärfer geschieden werden sollten. Die
Rolle der Anaemie und Chlorose dabei hält Gr. für noch nicht ganz
geklärt, denn derartige Mitralinsufficienzen kommen auch bei an¬
scheinend normalem Blutbefuude vor oder stellen sich z. B. ein,
während der Haemoglobingehalt zunimmt.
Herr W o h 1 m u t h : Nur mit ein paar Worten möchte ich
darauf hinweisen, dass nicht jeder nach Ablauf der entzündlichen
Erscheinungen am Herzen vorhandene organische Klappenfehler
irreparabel Ist. Ich glaube, beim kindlichen Organismus ist es
möglich, und einige wenige Fälle aus meiner eigenen Erfahrung
bestätigen es, dass ein Klappenfehler nach Gelenkrheumatismus
selbst nach Jahren noch vollständig zum Verschwinden gelangen
kann, so dass weder subjectiv noch objectiv eine Störung mehr
nachweisbar ist. Weitere möchte ich noch darauf aufmerksam
machen, dass öfters Klappengeräusche, welche an dem stehenden
Patienten nicht wahrnehmbar sind, bei dessen Untersuchung im
Liegen deutlich zu constatiren sind.
Herr B ö g 1 e : Bei der klinischen Beurtheilung der Erschei¬
nungen von Seite der Herzklappen, besonders der Geräusche an
den Atrio-Ventricular-Klappen dürfte es vor Allem darauf an¬
kommen, welche Vorstellung man sich macht vom Zustande¬
kommen des Klappenverschlusses.
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In einer von mir veröffentlichten Abhandlung „Ueber den
Mechanismus des menschlichen Ganges und die Beziehungen
zwischen Bewegung und Form. München 1885. Seite 96—103"
habe ich nach Analogie der Form Veränderungen der Skeletmuskeln
während ihrer Actiou bei der Gehbeweguug nachzuweisen gesucht,
das die Contractionen der Kammermusculatur ein abwechselndes,
von der Basis zur Herzspitze fortschreitendes Winden und
Wiederaufdrehen des Herzkörpers veranlassen.
Durch dieses Zusammenwinden der Iierzmuskelraasse, an welchem
sich selbstverständlich auch die eigentlichen Heraklappenmuskeln,
die Papillarmuskeln, betheiligen, werden die Klappenzipfel
übereinander gedreht und damit die Klappen geschlossen.
Die Oeffnung derselben geschieht dann wieder durch das Zurtick¬
winden während der Diastole.
Die Sicherheit des Klappenverschlusses hängt also unter sonst
normalen Verhältnissen von der Energie ab, mit welcher die ge¬
summte Herzmuseulatur arbeitet, und es ist auf diese Weise leicht
einzusehen, dass bei Schwächezuständen, wie Blutarmuth, Bleich¬
sucht, Reeonvalescenz von schweren, langdauerndeu Krankheiten,
wo auch die Leistungsfähigkeit der übrigen Musculatur herabge¬
setzt ist, die verminderte Energie des Herzmuskels einen geringeren
Effect der Torsion, d. h. mangelhaften Verschluss der Klappen und
das Auftreten von Geräuschen zur Folge hat.
Wenn man früher bei jedem Geräusch an eine entzündliche
Auflagerung an den Klappen gedacht und demgemäss einen
Klappenfehler diagnosticirt hat, so wird man doch auch heute
noch, wo man die Möglichkeit von Störungen der Function der
Papillarmuskeln einräumt, so lange geneigt sein, solche Störungen
auf pathologische Veränderungen an den Klappen selbst zurück-«
zuführen, als man annimmt, dass beim Schliessungsact der Klappe?
nur die Papillarmuskeln, nicht aber die Gesammtmusculatur, in
Betracht kommen.
Theilt man jedoch die eben gegebene Auffassung, nach welcher
die Schliessung der Klappen eine Function der
gesummten Kammermusculatur ist, so wird man
keinen Grund mehr haben, auf blosse Wahrnehmung von Ge¬
räuschen hin sofort eine pathologische Veränderung am Klappen¬
mechanismus anzunehmen und wird sich eher dazu verstehen, die
Erklärung dafür ln verminderter Energie der gesammten Herz¬
action zu suchen.
Herr Tesdorpf bemerkt in Bezug auf die von Herrn Prof.
Bauer über die Differentialdiagnose zwischen organischen und
functionellen Herzleiden gemachten Mittheilungen, dass bei vielen v
Nervösen, insbesondere Neurasthenikern und Hysterischen, die
herzleidend seien, ein auffallender Widersprach zwischen Herz-
thätigkeit und Pulsbeschaffenheit bestehe, ein Widerspruch, wie
Herr T. ihn bei solchen Kranken, die ein organisches Herzleiden be¬
sitzen und frei von Nervosität, beziehungsweise Neurasthenie und
Hysterie sind, nicht beobachtete. Dieser Widerspruch äussere
sich bei einer Reihe der bezeichneten Kranken darin, dass ge¬
legentlich einer Herzuntersuchung die Herzthätigkeit sehr kräftig,
aber der gleichzeitige Radialpuls von geringer Fülle, Spannung
und Elasticität sei, bei einer Reihe anderer jener Kranken darin,
dass neben schwacher Herzthätigkeit gleichzeitig ein unverhält-
nissmässig voller, gespannter, selbst schnellender Radialpuls zur
Beobachtung komme. In Fällen ferner, wo bei Nervösen, bezw.
Neurasthenikern und Hysterischen sich Herzgeräusche fänden,
ohne dass ein Klappenfehler vorhanden sei, fehle die dem be¬
treffenden Klappenfehler entsprechende Pulsform. Dieses Fehlen
der einem Klappeufehler zukommenden Pulsform bei Vorhanden¬
sein des für denselben charakteristischen Geräusches, könne eben¬
falls ein Hilfsmittel abgeben, um die Differentialdiagnose zwischen
organischem Herzklappenfehler und functioneller nervöser Herz-
affection zu Gunsten der letzteren zu stellen.
Herr Heller mann führt als Beitrag für die Schwierigkeit
der Diagnostik der Herzkrankheiten an, dass nach den Erfah¬
rungen der Lebensversicherungsgesellschaften Personen, welche
wegen Herzfehler militärfrei geworden sind, bei der von sehr
tüchtigen Vertrauensärzten vorgenommenen Untersuchung bezüg¬
lich des Herzeus verhältnissmässig häufig als ganz normal be¬
funden wurden.
Aerztlicher Verein in Nürnberg.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 15. Juni 1899.
Vorsitzender: Herr Carl Koch.
1. Herr v.Ead berichtet über einen Fall von Tumor (Solitär¬
tuberkel) in der rechten Ponshälfte. ✓
L. R. aus Schwabach, 29 Jahre alt, stammt aus einer mit ner¬
vösen Erkrankungen nicht belasteten Familie. Bei der am 16. XII.
1898 vorgenommenen Untersuchung machte der Patient folgende
Angaben: Seit ca. 4 Monaten habe er zeitweise sehr heftige Kopf¬
schmerzen, die besondere im Hinterkopf localisirt werden, sowie
anhaltend ein sehr intensives Schwindelgefühl, auch schwanke er
sehr stark beim Gehen und zwar stets mit der Neigung nach links
zu fallen. Er will dabei das Gefühl haben, als w r enn er betrunken
wäre. Erbrechen habe er nie gehabt. Seit einigen Wochen seien
der linke Arm und das linke Bein viel schwächer geworden, auch
habe er an der ganzen linken oberen Extremität ständig ein Gefühl
von Pelzigsein und Ameisenlaufen und sei die linke Hand fast
gefühllos. In der letzten Zeit will er zeitweise sehr heftiges
Klingen und Sausen In beiden Ohren gehabt haben.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCH KN KR MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
500
Her auf das Aeusserste abgemagerte Patient bietet über beiden
I.ungen die Erscheinungen einer weit vorgeschrittenen Phthise.
Beide Bulbi stehen nach links.
Her rechte Abducens ist gelähmt. Beim Blick nach rechts
bleibt, auch der linke Musculus internus zurück, während derselbe
bei Konvergenz sehr gut fuuctiouirt. I)ie übrigen Augenbewe¬
gungen sind sämmtliehe frei. Pupillen gleich und von mittlerer
Weite. Reaetion auf Licht und Konvergenz beiderseits normal.
Augenhiiitorgrund ohne jeden pathologischen Befund.
Gehör beiderseits gut. Ohrenspiegelbefund negativ.
Facialis und Trigeminus beiderseits intact.
Die Percussion des Kopfes ergibt keinen besonderen Befund.
Es besteht leichte Nackenstarre und Schmerzhaftigkeit im
Nacken bei activen und passiven Bewegungen mit dem Kopfe.
Zunge wird gerade, ohne Zittern herausgestreckt, ist ohne Be¬
fund. Sprache nicht gestört.
Active und passive Bewegungen der oberen und unteren Ex¬
tremitäten frei, doch erfolgen die Bewegungen im linken Arme und
Beine weit schwächer als rechts. Bei leichtem Widerstand gelingt
es völlig, dieselben zu unterdrücken. Sehnen- und Hautreflexe
beiderseits in normaler Stärke auslösbar. Beiderseits (links in
stärkerem Maasse) besteht Ataxie, namentlich bei Augenschluss.
Die Sensibilität ist am linken Arm und Bein für Berührungs-,
Schmerz- und Temperaturemptiudung wesentlich herabgesetzt.
Beweguugsempfluduug nicht wesentlich beeinträchtigt.
Sehr auffallend vermindert ist der stereognostische Sinn der
linken Hand. Die in dieselbe bei geschlossenen Augen gegebenen
Gegenstände werden nicht oder nur ganz unvollkommen erkannt;
• während dieselben rechts sofort richtig bezeichnet werden.
Beim Stehen und Gehen tritt sofort sehr starkes Schwanken
nach links auf. das sich noch beträchtlich steigert bei Augen-
sehluss und bei plötzlichem Halten und lvehrtmachen. Es wurde
bei der ersten Untersuchung die Diagnose auf eine tuberculöse
Affection (Tumor) im Bereiche der rechten hinteren Schädelgrube
gestellt. Ob Pons oder Oerebelluiu vorzugsweise ergriffen war,
wurde offen gelassen, ersteres wurde wegen des Fehlens der
Stauungspapille und des Erbrechens als wahrscheinlicher ange¬
nommen. Im weiteren YYrlaufe blieben die rechtsseitige Ab-
ducensliiInnung und die linksseitige motorische und sensible Hemi-
paresis unverändert bestehen; dagegen machte die Lungentuber-
culose weitere Fortschritte.
Am 8. IV. 99 erlag der Patient derselben.
Nach der gütigen Mittheilung des Herrn Medicinalraths
Dr. Lochner in Schwabach ergab die Sectiou in erster Linie
einen in der rechten Seite des Pons vortreibenden kirschkern-
grossen. ausschälbaren Knoten (Solitärtuberkel). Meningen, Gross-
hiru und Kleinhirn waren ohne pathologische Veränderungen. In
den Lungen fanden sich beiderseits grosse Kavernen mit ausge¬
dehnter tuberculöser Infiltration des Lungengewebes.
Sitzung vom 6. Juli 1899.
Vorsitzender: Herr Goldschmidt.
1. Herr Wertheimber demonstrirt Placentarreste von
einem Todesfälle nach normaler Geburt in Folge von unerklärter
Auaemie und Lungenoedem, ferner eine Traubenmole.
2. Herr Neukirch berichtet über einen Fall von Orchitis
bei linksseitigem Kryptorchismus im Anschluss an acute Gonor¬
rhoe.
3. Herr Marx berichtet über Extraction einer sehr grossen
Fischgräte aus dem Kectum, die unter Narkose bewerkstelligt
werden musste.
Sitzung vom 20. Juli 1899.
Vorsitzender: Herr Goldschmidt.
1. Herr P. Giulini berichtet über einen Fall von tubarer
Extrauterinschwangerschaft, der nach gelungener Operation am
3. Tage zu Grunde ging durch Embolie der Art. foss. Sylvii in Folge
von alter Endocarditis.
Rostocker Aerzteverein.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 13. J a n u a r 1900.
Herr Garrfc: Heber Gefässnaht.
Nach einem kurzen Hinweis auf die Bedeutung der Gefäss¬
naht für die conservative Chirurgie geht der Vortragende zu¬
nächst auf die V enennaht ein, die 1881 zuerst von Czerny
an einer V. jugul. ausgeführt wurde, aber zur Thrombose Ver¬
anlassung gab. 1892 hat Schede sodann über 25—30 Fälle
von WlRu! Verletzungen von Venen berichtet, die alle mit Erfolg
durch die Naht geschlossen wurden. In den letzten Jahren finden
wir mehr solcher Fälle in der Literatur verzeichnet. Die Erfolge
sind Dank unserer aseptischen Wundbehandlung fast ausnahmslos
gute. Die Venennaht hat sich in der Chirurgie eingebürgert.
Garrö referirt sodann über 2 Venennähte, die er ausge¬
führt hat. die eine an der Vena axillaris, aus der ein
kleiner Krehsknoten (bei Mammacarcinom) an der Abgangsstelle
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der Vena subseapularis exstirpirt wurde. Blutstillung durch digi
tale Compression, Naht mit Seide. Reactionslose Heilung, kein
Oedem.
Die andere Naht ist ain 8. November 1899 an der Vena
cava inferior angelegt worden. Bei der Exstirpation eines
kopfgrossen rechtsseitigen Niereusarkoms bei einer 30 jährigen
Frau riss die Vena cava nahe der Einmündungsstelle der Vena
renalis ein. Bissstelle sogleich mit einer Klammer verschlossen.
Der Tumor ist auch am Winkel der Vena cava und renalis nd-
haerent; hier entsteht ein 2. kleiner Einriss. Nach Abtrennung
des Sarkoms wird die Klammer an der Cava, die, seitlich angelegt,
den 1 cm langen Riss schliesst, durch eine fortlaufende Seidennaiu
ersetzt. Damit die Vena renalis ligirt werden kann, muss auch der
Riss an ihrem Einmündungswinkel durch 2 Knopfnähte ge¬
schlossen werden. Reactionslose Heilung.
Diese ist die 2. ausgeführte Naht der Vena cava. Schede
musste bei einer gleichen Operation einen 2 cm langen Einriss
der Cava nähen, was ebenfalls glücklich heilte.
Von grösserer Bedeutung sind die Arteriennähte, vor¬
ausgesetzt, dass damit Gefässwunden oder Defecte so verschlossen
werden können, dass die Circulation keine wesentliche Beein¬
trächtigung erfährt. Gegenüber der Venennaht erhoben sich hier
grössere Schwierigkeiten schon allein durch den hohen intra-
vasculären Druck auf die Nahtstelle; dementsprechend sind im
Falle des Misslingens, d. h. beim Einreissen der Naht oder
Nekrose der Gefässwand die Gefahren sehr bedeutende. An Thier¬
experimenten hat es nicht gefehlt; erst seit 1894 sind Arterien -
nähte an Menschen mit Erfolg ausgeführt von Heidenhain
(A. axillaris), v. Zoege-Manteuf f el (A. femoralis), Israel
(A. iliaca), Ssabanjeff (A. fern.), O r 1 o w (A. popl.), Lind-
ner (A. fern.). Als 7. und 8. Fall schliessen sich diesen die zwei
vom Vortragenden ausgeführten Arteriennähte an:
49 jähriger Mann, Januar 1897. Totale Larynxexstlrpation
wegen Careinom; Februar 1898, Drlisenrecidiv längs der grossen
Gefässe. Vena jug. sin. wird unterbunden. Krebsknoten hat die
Wand der Carotis interna durchwuchert, bei der Ablösung entsteht
ein kleiner Wanddefeet. Digitale Compression, fortlaufende Nabt
mit Seide. Keine Nachblutung. Arterie pulsirt gut. Heilung.
22 jähriger Schnitter, 17. Juli 1898. Stich mit einer Heugabel
dicht oberhalb des rechten Ellbogens. — Aneurysmabildung mit
Stauung an Hand und Vorderarm, Taubheit der Finger, grosse
Schmerzen. Operation unter Compression der Art. braehialis, Aus¬
räumung der Blutcoagula. Art. brach, in halber Circumferenz auf-
gerlssen, Lappenwunde, 4 Kopfnähte mit Seide durch die ganze
Wanddicke. Puls an der Art. rad. und ulnaris erscheint sofort
nachher. Heilung. 28. Juli entlassen.
Einen weiteren wesentlichen Fortschritt in der Arteriennaht
hat neuerdings Murphy inaugurirt. Er hat durch das Ex¬
periment bewiesen, dass völlig durchtrennte Arterien durch In-
vagination des proximalen in’s distale Ende unter Anwendung
einer besonderen Nahtmethode zur Verheilung gebracht werden
können unter Erhaltung der Bluteirculation. Die Brauchbar¬
keit seines Verfahrens hat er selber erwiesen, indem er bei einem
29jälirigen Italiener, dem ein Schuss die Art. fern, zerrissen
hatte, Va Zoll aus der Continuität des Gefässes resecirte und die
Lumina durch Invagination zur Vereinigung und glücklichen
Verheilung brachte. Ihm ist Kümmell gefolgt, der auf der
Münchener Naturforscherversammlung über eine circuläre Naht
der Art. fern, und eine solche der Vena fern, berichten konnte.
Bei den wenigen Fällen, die zur Beurtheilung der dabei be¬
folgten Technik vorliegen, ist es nicht zu verwundern, dass die
Anschauungen der Autoren in vieler Hinsicht von einander ab¬
weichen. Gar re hat desshalb seinen früheren Assistenzarzt
Dr. Dörfler veranlasst, experimentell die Frage zu bearbeiten,
was er in vorzüglicher Weise trotz erschwerender äusserer Um¬
stände durchgeführt hat. Seine Arbeit ist soeben in den Bei¬
trägen z. klin. Chir. 25. Bd. erschienen. D. hat 16 einfache Ar¬
teriennähte an Hunden ausgeführt, von denen ihm 12 gelungen
sind; von 4 eirculären Nähten mit der M u r p h y’schen Invagi-
nationsmethode ist ihm nur 1 Fall gelungen.
Die haupsächlichsten Ergebnisse der Experimente sind kurz
folgende: Asepsis ist Grundbedingung; bei inficirter Wunde ist
die Naht zu unterlassen. Gefäss schonend freilegen, Anfassen
mit Pincetten vermeiden. Abklemmung am besten durch Finger¬
druck, event. mit zusammengedrehten Gazestreifen. Naht-
material am besten feinste Seide; das Mitfassen der Intima
(also Durchstechen durch die ganze Dicke der Gefässwand)
schadet nicht. Blutung aus den Stichcanälen steht auf Com¬
pression.
In der Discussion interpellirt Herr Axenfeld den
Herrn Vortragenden bezüglich des Einflusses des Alters bei der
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17. April "’IÖOO.
MÜNCHENER MEDlClNTSfHE WOCHENSCHRIFT.
661
Unterbindung der Carotis communis. Herr Gnrrfc sieht den¬
selben in der eintretenden Arteriosklerose, so dass dadurch die
Bildung eines Collateralblutlaufes erschwert werde.
Herr Langendorff berichtet über die Gofässnaht in der
Physiologie und führt den E c k’sclieu Versuch bei cntlrberten
Thieren an. Des Weiteren wird über die Gerinnung und Thrombe-
sirung discutirt.
Herr Pfeiffer demonstrirt einen neuen Idchtprüfer für
Arbeitsplätze von Prof. Hermann 0 ohn - Breslau.
In der Discnssion über diesen Punkt hält Herr A x o n -
f e 1 d die nach ähnlichem Priueip construirten B u r c h a r d’selieii
Punktproben für ebenso werthvoll, jedenfalls für einfacher in der
Handhabung. Dem scliliesst sieh Herr Langen d n r f f an und
führt aus. dass das schnelle Lesen nicht nur von der Beleuchtung,
sondern noch von vielen anderen Factoren abhiinge. Herr G a r re
macht den Einwand, dass die rauchgrauen Gläser bei heinera-
loplschen Untersuche™ von besonderer Einwirkung sein würden.
Herr Axenfeld weist auf den bei Myopen verkommenden
herabgesetzten Lichtsinn hin. Sodann werden noch die für dunkle
Zimmer erfundenen Tageslichtretleetoreii (prismatische Fenster
u. a.) erwähnt.
Wiener Briefe.
(Eigener Berichte
Wien, 14. April 1900.
lieber die therapeutische Verwendung der Kohlensäure
und der heissen Luft. — Ueher die Therapie der Tabes. —
Die Ursache des Geburtseintrittes.
Im medicinischen Club hielt Docent. T)r. Max Herz einen
Vortrag über die therapeutische Verwendung der Kohlensäure
und der heissen Luft. Her Vortragende beschreibt zunächst die
Eigenschaften der Kohlensäure und weist nach, dass die Scheu
vor der Inhalation grösserer Mengen derselben, welche einer aus-
gebreitoten Verwendung dieses Gases bisher sehr hinderlich ge¬
wesen, ganz ungerechtfertigt sei. Er seihst habe sieh lange Zeit,
oft durch Stunden, in einer mit CO., geschwängerten Atmo¬
sphäre aufgehalten, ohne auch nur suhjeetiv Schaden zu leiden.
Hie Kohlensäure wird in gelöstem Zustande oder als freies
Gas therapeutisch verwendet. Hie gelöste Kohlensäure wird
sowohl innerlich zu Trinkeuren wie äusscrlich zu Bädern ver¬
wendet, zumeist und seit langer Zeit in Ourorten, ausserhalb der¬
selben erst in letzter Zeit häufiger in Gestalt des künstlichen
kohlensauren Bades, Hie mit solchen Bädern erzielten Erfolge
werden jetzt ziemlich allgemein anerkannt. Has freie Kohleu-
süuregas dient der Therapie ebenfalls auf zweierlei Art: In
eomprimirtem (flüssigem) Zustande als Kraftaeeumulator und
dann als eigentliches therapeutisches Agens, indem es auf die
Oberfläche des Körpers geleitet wird. Zur erstgenannten Kate¬
gorie gehört z. B. der von Hr. J. M ii 11 e r aus Karlsbad domon-
strirte Inhalationsapparat oder der in jüngster Zeit beschriebene
Doucheapparat von W i n t e r n i t. z und Gärtner. Aeusserlieh
wird die freie Kohlensäure als Gashad applicirt. um einen milden
Reiz auf die gesammte Körperoherfläehe zu setzen. Man hat es
auch versucht, das Gas in das Innere des Uterus zu leiten, hat
jedoch auf diese Weise Peritonitiden theilweise sogar mit tödt-
liehem Ausgange erzeugt. Auf die äusseren weihliehen Geni¬
talien und in die Vagina geleitet, soll das Gas — nach ameri¬
kanischen Berichten — die Wirkungen eines milden Adstringens
entfalten.
Nachdem H. die verschiedenen Formen der Heisslufttherapie
und ihre Indioationen besprochen hat, beschreibt er seine eigene
Methode der Anwendung heissen Kohlensäurcgases. zu welcher
ihn B. Bernstein angeregt hat. Er lässt aus einem mit
flüssiger Kohlensäure gefüllten Cvlinder das Gas ausströmen
und in einem Schlangen roh re über Ncusilberdrähtc streichen,
welche durch den elektrischen Strom erhitzt werden. Has aus-
tretendo Gas ist heiss und wird nun entweder in geschlossene
Kästchen geleitet, in welchen sieh die zu behandelnden Tvörper-
theile befinden, oder man lässt dasselbe frei misströmen und die
Haut- bestreichen. Gemeinsam mit Hr. Löwi hat Vortr. eine
grosse Reihe von Kranken auf diese Weise behandelt. Es
tritt zuerst eine Cutis anserinn, hierauf eine heftige Röthung
der Haut ein. Fast, immer war eine sofortige schmerzstillende
Wirkung nachweisbar. Als besonders interessant berichtet H.
zwei Fülle von langjähriger Ischias, welche allen therapeutischen
Versuchen Widerstand geleistet hatten und nach Anwendung
des heissen Kohlensäuregases vollständig heilten, der eine der¬
selben allerdings nach einer anfänglich überaus heftigen Steige¬
rung der Erscheinungen.
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In der Gesellschaft der Aerzte stellte Professor Benedikt
mehrere Tabiker vor, an welchen er nach blutiger Hehnung der
Tschiadici eine wesentliche Besserung der Geh- und Stehfähigkeit
herbeigeführt hatte. Hieran anschliessend erörterte B. ausführ¬
lich di«» Therapie der Tabes. Er entwickelte vorerst seinen Fun¬
damentalsatz von dem ewigen inneren Wechsel zwischen Unter-
und Ueberspannung in den Geweben, eine biomechanische Be¬
trachtungsweise, die uns in unserer Behandlung von Krank¬
heiten leiten soll, auf deren Erörterung wir aber hier nicht
cingchen können, und fährt sodann fort: Entwickelt sich die
Tal »es subacut oder werden Nachschübe beobachtet, so ist die
Antiphlogose angezeigt, also absolute Ruhe, Kälteanwendung
längs der Wirbelsäule, allenfalls blutig«* Schröpfköpfe und Extr.
>(.‘calis eornuli innerlich. Später, wenn die Zehrung der Gewebe
fortgeschrit len. ist, muss umgekehrt, die. Blutzufuhr begünstigt
werden und starke, event. schottische Douchen bewirken dies tun
besten. Tm Beginne der Erkrankung kommt auch der Galvani¬
sation eine grosse Rolle zu, während die Earadisation bei der
Bekämpfung des S ec und ii rs v in p t on i s der Anaesthesie und als
örtliches Betäubungsmittel gegen den tabisehen Schmerz in Be¬
tracht kommt. Her Kalt wasseren r kommt eine gleichwertige
Rolle zu, während Thermen bloss milde und kurz angewendet
werden sollen, da sie sonst schaden. Höchst bedeutsam ist die
unblutige Hehnung, als wichtigste Methode gilt aber die blutige
Helmung der Tschiadici, sie soll in jedem Falle in früher Zeit
und sogar öfters bei den Einzelnen ausgeübt werden. Sie wirkt
auf die Besserung der Motilität, und das Schwinden der
Schmerzen unvergleichlich besser als die unblutigen Verfahren.
Tm Weiteren bespricht B. die TVbungstherapie, mit welcher
er geringe Erfolge erzielte, die medicamentöse (Quecksilber und
Jod), durch welche die Kranken sehr oft intensiv geschädigt
werden, zumal wenn die Ratio dafür fehlt, nämlich die syphi¬
litische Grundlage des Leidens. Besteht ein Verdacht auf Lues,
so macht B. Einspritzungen von Sublimat; erst wenn diese er¬
folgreich zu sein scheinen, lässt B. schmieren, mit vorsichtiger
Steigerung der Bosis von 2,0 aufwärts bis zu 4,0. Wenn Still¬
stand der Besserung oder gar Verschlimmerung eintritt, so ist
diese Behandlung zu unterbrechen oder allenfalls zu ver¬
schieben. Beim »Todgebrauch ist die Tagesdosis von 1,0 wohl
immer genügend und die Wirkung, wie heim Quecksilber, strenge
zu überwachen. Sind die Schmerzen sehr heftig, so kann man
Sublimat oder Jod in drei Tagesgaben mit je In eg Morphin
verabreichen; dieses ist immer noch das beste schmerzstillende
Mittel, wiewohl andere, wie Jodnatrium, Salicylpräparate, Phen¬
acetin eie. zu versuchen sind.
Wichtig siful noch die Points de feu, welche B. längs der
Wirbelsäule setzt und wobei er die Wundeiterung durch längere
Zeit anhallen hisst (Einreihung von TTngt. Mezerei). Sie sind
von enpitnler Bedeutung für die Behandlung der Crises gastri-
ques, besonders wenn noch kein Morphinismus besteht. Hier
wird sogar zuweilen dauernde Abhilfe erzielt.
Tn derselben Gesellschaft besprach Hr. The neu die Ur¬
sache des Gehurtseintrittes. Hie bisher aufgestellten Hypo¬
thesen über die Ursache dos Gehurtseintrittes können der Kritik
nicht. Stand halten, da sie nicht hei jeder Gehurt Geltung haben
und insbesondere nicht zur Erklärung des Eintrittes der Wehen
bei extrnuteriner Lage der Frucht herangezogen werden können.
Wenn das lebende befruchtete Ei mit dem mütterlichen
Organismus in Verbindung getreten ist, übt es auf denselben
einen mächtigen Reiz aus, der zur Entwicklung der Sehwanger-
sehaftsveränderungen führt. Bie Schwangerschaft ist eine
specifwohe Reaetion des weiblichen Organismus auf den Reiz
des Eies, Hauer und Verlauf der Schwangerschaft, sind an den
Fortbestand dt s Reizes geknüpft. Hie bedeutendsten Reactions-
erseheinungen bietet naturgemäss der Uterus. Has physio¬
logische Ende der Schwangerschaft tritt ein. wenn der Reiz
von Seite des Eies entfällt oder unter die erforderliche Grösse
sinkl ; dann muss auch der Uterus zu seiner normalen Function
zurüekkehren, deren erste Aeusserung die Ausstossung seiner
verändert on Mucosa ist.
Hie Ursache des Geburt sein trit tes liegt daher nicht im Auf¬
treten eines neuen Reizes, sondern im Ausfälle jenes Reizes,
welcher die Schwangerschaft hervorgerufen hat. Hie am Ende
der Schwangerschaft bemerkbaren Hegenerationserscheinungen
an der Plaeenta sind Folgen der physiologischen Rückbildung
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
562
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
der letzteren. Die Placentn erhält nämlich nur dasjenige Blut
als Nälirmaterial, welches den Foetus schon passirt hat. Um die
30. Woche der Schwangerschaft hat aber dieser schon eine solche
Ausbildung erlangt, dass das von ihm abströmende Blut schon
veniger Nährstoffe enthält als früher, und dass daher die Pla-
centa auch langsamer wächst. In der Folgezeit geräth die
Plaeenta in Folge der Verschiebung des Verhältnisses zwischen
ihr und dem Foetus in immer ungünstigere Ernährungsbeding-
ungen, deren Folgen sich dann im Wachsthumsstillstande (circa
in der 36. Woche) und nachher in Folge Unterernährung im
Auftreten der Degeneration äussom. Die Degenerationserschei¬
nungen treten vorwiegend an den Haftzotten auf, welche die
vitale Verbindung vermitteln, da sie nur von Endverzweigungen
der (lefäsM* versorgt werden, während die Ernährungszotten weit
.seltener der Degeneration anheimfallen können, da sie vom
mütterlichen Blute uinspiilt werden und so das nöthigo Nähr¬
material aufnehmen können.
Tn Folge der Degeneration der Haftzeiten erfolgt die physio¬
logisch« 1 Trennung von Frucht und Mutter, wodurch sich der
vom Ei übertragene Beiz immer mehr verändert, bis er schliess¬
lich nicht mehr hinreicht, den Uterus in Schwangerschafts-
ronction zu erhalten. Er kehrt zu seiner normalen Funktion
zurück und stösst die veränderte Schleimhaut und mit ihr den
Inhalt aus. Bei der Extrauteringravidität stellt sich derselbe
Vorgang ein, in Folge der Verlagerung der Haftstelle der Pla-
oenta zeigen sich aber graduelle Unterschiede in den Schwanger¬
schaf fssymptomen des mütterlichen Organismus gegenüber der
normalen Schwangerschaft. Auch hier erfolgt die Ausstossung
(ho 1 Docidun nach Ausfall des Beizes d<?s lebenden Eies. Diese
Hypothese erklärt nicht nur den Geburtseintritt in einheitlicher
Weise, sondern liefert auch die Aufklärung, warum die Schwanger¬
schaftsdauer eine typische ist.
Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften.
Soci€t6 de Therapeutique.
Sitzung vom 21. Februar 1000.
Die Behandlung der Influenza und ihrer Abortivformen.
Huchard legt besonderes Gewicht auf letztere, da sie zu
Epidemiezeiten oft nicht erkannt werden. Er unterscheidet solche
ohne und mit Fieber. Erstere sind gekennzeichnet durch ver¬
schiedene Neuralgien, durch allgemeine Nerven- und Muskel-
sehwächo oder durch Lungencongestion (an der Basis beider
Rungen), welche ganz latent ist oder nur geringfügige Erschei¬
nungen zeigt; auch gibt es Influenzaabortivarten gastrointesti¬
naler Art, welche durch einfache Magenaffectiou oder verschiedene
Magen-Darmstörungen gekennzeichnet sind. ■ Die fieberhafte
Abortivform der Influenza ist ehnrakterisirt durch manchmal sehr
hohes Fieber von 42—48 ständiger Dauer, welches von keinen
Organerkrankungen begleitet, ist und spontan oder nach thera¬
peutischem Eingriff zurückgeht. Prophylaktisch sind gegen
solche Fälle und besonders gegen deren gefährliche Folgen
strengste Anti- und Asepsis der Haut und dos Mundes (Pinselung
der tieferen Theile dos Rachens mit Sublimatlösung) zu em
pfohlen. Therapeutisch wendet H. stets von Beginn der Affection
Chinin, sulfur. 1.0—1,5 g per Tag, 3—4 Tage hindurch an.
manchmal zugleich Secale eornut. (0,1 des wässerigen Extracts und
0.1 Chinin auf 1 Pille, davon 0 Pillen täglich). Da das Antipyrin
die Nierensecretion vermindert, sollte es nicht zu oft benützt
worden. Bei hochgradiger Nervenschwäche ist Strychnin von
Vortheil (2 - 3 mg pro Tag in Pillen oder subcutan). Als ein Mittel,
welches Antipyretienm ist und zugleich anticongestionell und
gefässzusnmruenziehend wirkt, sollte das Chinin neben den hygi¬
enischen Maassnahmen und der Mundrachenhöhleantisepsis die
Basis einer prophylaktischen Behandlung sein.
Stern.
Aus den englischen medicinischen Gesellschaften.
Manchester Medical Society.
Sitzung vom 7. Februar 1900.
W. E. F o t h e r g i 11 berichtet über die Darreichung von
Salol und Petroleum bei Diarrhoe der Kinder. Die Fälle sind im
letzten Sommer in der Poliklinik beobachtet worden. Salol wurde
bei 35 Fällen gegeben. 2 Kinder starben. 6 erholten sich erst beim
('»(‘brauche anderer Mittel, während die übrigen 27 unter aus¬
schliesslichem Gebrauch von Salol rasch und vollständig genasen.
Bei 2,2 Kindern wurde eine Emulsion mit 33ft* Proc. Petroleum ge¬
geben. Ein Kind starb, 2 erholten sich langsam unter Beihilfe von
anderen Mitteln, und die tirigen 29 Fälle verliefen unter Behand¬
lung ausschliesslich mit der Emulsion schnell günstig.
P h i 1 i p p 1 - Bad Salzschlirf.
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Gck igle
Congress zur Bekämpfung der Tuberculose als Volks¬
krankheit
in Neapel vom 25.-28. April 1900.
Programm.
Dienstag, den 24. April, Abends 9 Uhr Begrüssung im
Palazzo Maddalonf; Mittwoch, den 25. um 10 Uhr Vorm, feier¬
liche Eröffnungssitzung in Anwesenheit des Königspaares; An¬
sprachen des Ministers B a c c e 11 i, des Bürgermeisters von Neapel
und der fremden Deiegirten,. 2 Uhr Verhandlungen der Seetion I
(Aetiologie und Prophylaxe). 9 Uhr Abends Empfang im Rath-
liause. D o n n e r s t a g, den 26., Vorm. 9 Uhr Verhandlungen der
Seetion II (Pathologie und Klinik). 8 Uhr Abends Galaoper.
Freitag, den 27. Vorm. 9 Uhr Verhandlungen der Seetion Ii.
Nachm. 2 Uhr Seetion III (Therapie). Sonnabend, den 28..
Vorm. 9 Uhr Seetion III, Nachm. 2 Uhr Seetion IV (Sana¬
torien), 0 Uhr Schluss des Congresses, 8 Uhr gemeinschaftliches
Diner. Sonntag, den 29. Ausflug im Golf vom Neapel auf einem
Künigl. Kriegsschiff, Montag, den 30. Ausflug nach Pompeji;
Frühstück. Wahrscheinlicher Weise wird auch ein Gratisausflug
nach Palermo zur Besichtigung des F 1 o r i o’sehen Sanatoriums
Hygiea statttinden. — Die Mitgliedschaft des Congresses wird
gegen Einzahlung von 20 Lire erworben, theilnehmende Damen
zahlen den gleichen Preis; die Mitglieder erhalten auf den italieni
sehen Rahnen und Dampfschiffliuien eine Ermässigung von
50 Proc.. und.zwar falls die Hinfahrt zwischen 18. und 20. April,
die Rückfahrt zwischen 25. April und 5. Mai zuriiekgelegt wird;
der Genuss dieser Ermässigung ist vom Besitz der Mitgliedskart« 1
abhängig. Auskunft über Reiseangelegenheiten etc. ertlieilt das
Reisebureau Carl Stange n, Berlin, Friedrlchstr. 72, woselbst
auch die deutschen Theilmüimer ihren Mitgliedsbeitrag entrichten
können.
Verein der deutschen Irrenärzte.
.T a lm‘ssitzung in Frankfurt a. M. am 20. und 21. April
1900, Früh 9 Uhr, im S e n k e n b e r g’schen Institute.
Tagesordnung.
1. Geschäftliche Mittkeilungen, Rechnungslegung.
2. Die Prognostik der Geistesstörungen In Bezug auf § 1569
d«‘s Bürgerlichen Gesetzbuches (Ehescheidung). Ref.: Herr Prof.
Dr. Lenel - Strassburg. Corref.: Herr DIrector Dr. K r e u s e r -
Sclnissenried.
3. Ueber den heutigen Stand der Lehr«» von der Betheiligung
des Rückenmarks bei der allgemeinen Paralyse. Ref.: Herr Prof.
Dr. F ii l* s t n e r - Strassburg.
V o r t r ii g e ;
1. Herr Privatdocent Dr. Ki rehhoff - Neustadt: Der inelaii
cliolisch« 1 Gesiehtsaiisdiuck und seine Bahn. — 2. Herr Privat¬
docent Dr. B o n h o e f f «» r - Breslau: Die Zusammensetzung «les
grossstädtischen Bettler- und Vagabundeuthums. — 3. Herr Dr.
Vogt-Berlin: Zur Grosshirnfaserung. — 4. Herr Prof. Dr.
S i e m e r 1 i ii g - Tübingen: Ueber Entwickelung der Lehre von d«*u
geisteskranken Verbrechern. — 5. Herr Dr. S a n d e r - Frank¬
furt a. M.: Zur Aetiologie und pathologischen Anatomie acuter
Geistesstörungen (mir Demonstrationen). — 6. Herr Dr. Raecke-
Frankfurt a. M.: Einiges über die Veränderungen im Kleinhirn und
Hirnstamm bei der Paralyse (mit Demonstrationen). — Herr Dr.
F r i e d 1 ä u d e r - Frankfurt a. M.: Ueber die klinische Stellung
der sogen. Ereutropkobie. — 8. Herr Dr. Alzheimer- Frank¬
furt a. M.: Einiges zur pathologischen Anatomie der chronischen
Psychosen (mit Demonstrationen). — 9. Herr Geheimrath I>r.
S c h ü 1 «> - TUenau: Ueber Beschränkung der Heiratbsberechtigimg
bei Geisteskrankem. — 10. Herr Director Dr. S i o 1 i - Frankfurt
a. M.: Warum bedürfen die grossen Städte einer intensiveren Für¬
sorge für Geisteskranke als das flache Land? — 11. Herr Dr.
Daune m ann- Giessen: Die Einrichtung eines psychiatrischen
Städteasyls, mit Demonstration von Plänen. — 12. Herr Pr.
Kapl a n - Herzberge: Ein neues Mikrotom (Excenter-Rotations-
Mikrotom „Her/bergc“) von Kaplan und G. Meyer.
Der Vorstand:
F ü r s t n e r - Strassburg. — Hitzig- Halle. — J o 11 y - Berlin.
Krensor - Sclnissenried. ^ Laehr - Zehlendorf. — Pelman-
Bonn. — Siemens- Lauenburg i. P.
Verschiedenes
Aus den Parlamenten.
1 >as p r e u s s i s e ho Herrenhaus konnte es sich nicht
versagen, auch seinerseits «len F a 11 N e is s e r (vgl. diese Wochen
schril't S. 379 1 zu hrkritcln; «»in Redner brachte sogar die Sache in
Zusammenhang mit der Yivis<*ctiou. Oberbürgermeister Bender
und Dr. Förster nahmen sich warm der Vertlieidigung
NeisscFs an mul hoben seine ernsten und verdienstvollen For¬
schungen hervor: wenn wirklich einmal ein Mann, der sieh all« 1
Mülle gebe, die furchtbare Geissei der Menschheit, die Syphilis, aus
der Welt zu schaffen, dabei einen Fehler begangen haben sollte,
was noch gar nicht unchgewieseu sei, so dürfe man nicht so hart
urtheilen.
Original frnrri
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
17. April 1900.
MÜNCHENER MEDICI\ISCHE WOCHENSCHRIFT.
563
Die bayerisc h e K a m m e r der lt e i e h s r ä t k e trat i gutem Erfolge gemacht hat. Da.s Publicum iu Passau glaubt nicht
den auf S. 347 d. YV. erwähnten Beschlüssen der Abgeordneten¬
kammer hinsichtlich Erwirkung eines Reichs-Fleisch-
lioscbaugesetzes bei. In der Diseussion hob Reichsrath
v. A u e r den Widerspruch hervor, dass nach diesen Beschlüssen
auf der einen Seite die Fleischbeschau in gewissen Fällen, nämlich
hei den sogen. Ilaussehlachtmigen, als vollständig überflüssig hin-
gestellt werde, auf der anderen Seite dagegen beim ausländischen
Fleische die Beschau in einer solchen Ausdehnung verlangt werde,
dass hiedurch seine Einfuhr unmöglich gemacht werde.
An das bayerische Abgeordnetenhaus gelangte
eiu Gesetzentwurf über Abänderung und Ergänzung des baye¬
rischen Polizeistrafgesetzbuches in Bezug auf den Verkehr mit
Arznei- und Uehelmmitteln, auf YY r o li n u n g s p o 1 i -
zei und Baupolizei. Bei dem letzten Punkte handelt es
sich im Grossen und Ganzen darum, die diesrheinischen baupoli¬
zeilichen Vorschriften auch für die Pfalz gelten zu lassen: hin¬
sichtlich der Wohnungsfrage soll eine gesetzliche Grundlage ge¬
schaffen werden, auf der dann die weiteren Verordnungen, ober-
nnd ortspolizeilichen Y T orschriften erlassen werden können. Die
bisher bestehenden Lücken in der Gesetzgebung über den Verkehr
mit Arznei- und Gehehnmitteln sollen nunmehr ausgefüllt und auch
Strafbestimmungen gegen die Anpreisung von Geheimmitteln zu¬
gelassen werden. Y'on mehreren Seiten wurde hiezu der Wunsch
ausgesprochen, dass in Bezug auf die Hausmittel, die Tliierarznei-
mittel und die Handapotheken auf dem Lande nicht zu rigoros
verfahren werde, und die neuen Bestimmungen nicht zum Nutzen
der Apotheken ausgelegt werden sollten; auch wurde angeregt,
dass die Regierung, ähnlich wie in Baden, die Geheimmittel unter¬
suchen lassen und das Ergelmiss veröffentlichen solle. Der Ge¬
setzentwurf ward zunächst an einen besonderen 14 gliederten Aus¬
schuss verwiesen.
In der gleichen Sitzung befasste sich die Kammer mit der Ab¬
änderung tles Gesetzes über die 1 a n d - u n d f orstwirtü-
schaft liehe Unfallversicherung. Der Antrag Dr.
Haube Fs, dass Unfälle mit einer Erwerbsbeschränkung unter
20 Proc. nicht mehr entschädigt werden sollten (s. S. 482 d. W.),
fand auch im Plenum keine Zustimmung, da eine derartige ein¬
seitige Beschränkung für eine Kategorie von Unfallversicherten
nicht zugelassen werden wollte, dagegen fanden die Anträge des
YY T irthschaftsausscluisses Annahme, welche eine bessere Controle
der Rentenempfänger lind eine t heil weise Abwälzung der Unfali-
versicheruügskosten auf die Invaliditätsversicheruug bezwecken;
vergeblich wurde auf die Undurchführbarkeit des letzteren An¬
trages und die Verschiedenheit beider Gesetze liingewieseu. Inter¬
essant war die statistische Feststellung, dass bei der bayerischen
forst- und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft 2 Drittheile
der Unfallrenten auf die Betriebsuuternehmer treffen und nur
1 Drittel auf die Dienstboten. Nach Mittheilung des Ministers
haben die bisherigen Controlen der Rentenempfänger eine nicht un¬
wesentliche Herabminderung der Rentenzahlungen, vereinzelt auch
eine Erhöhung der Renten zur Folge gehabt; die Controle erfolgte
meist in der YVeise, dass Vertreter der Berufsgenossenschafteu in
Begleitung eines bisher unbeteiligten Arztes eine Gemeinde auf¬
suchen und dort alle Rentenempfänger sich vorstellen lassen. Ge¬
klagt wurde darüber, dass für Vergütung von Unfällen in den land¬
wirtschaftlichen Betrieben noch viel zu wenig geschehe. Dass es
ohne Angriffe auf die ärztliche Behandlung und Begutachtung
nicht abgehen konnte, ist selbstverständlich. Nach den Mit¬
teilungen des Ministers betrugen die Kosten des Heilverfahrens
ca. 3y 2 , die Kosten für ärztliche Gutachten 4 und die Y r erwaltungs-
kosten 3 Proc. der ganzen Entschädigungssumme.
Die k. Staatsregierung projectirte die Errichtung der Stelle
eines Landesinspectors für das Turn wesen. Der¬
selbe sollte als Beirath des Ministeriums das Turnwesen an den
Mittelschulen und auch an den Volksschulen überwachen, für
zweckmässige Förderung des Turnunterrichtes und Sicherung
eines einheitlichen Turnbetriebes wirken, sowie den Turnlehrern
Anregungen geben. Das Postulat wurde im Finanzausschüsse
vorläufig abgelehnt, dagegen wurden 1000 M. als Diäten und Reise¬
kosten behufs Vornahme von Turn Visitationen bewilligt.
Der Fall Zehnder.
Wie aus den Tageszeitungen bekannt Ist, wurde der prakt.
Arzt Dr. Zehnder in Passau am 23. März Morgens von
2 Polizeibeamten in seiner Wohnung abgeholt und sofort in die
Kreisirreuanstalt Deggendorf überführt.
Auf Veranlassung der k. Regierung von Niederbayern war
vorher von dem Director der Kreisirrenanstalt Deggendorf ein Gut¬
achten über den Geisteszustand des Dr. Zehnder erholt worden.
Das Gutachten sprach sich auf Grund der Acten dahin
aus, dass I)r. Zehnder an Verfolgungswahn leide und gemein¬
gefährlich sei. Auf Grund dieses Gutachtens wurde vom Stadt¬
magistrat Passau die vorläufige Unterbringung des Dr. Zehnder
in der Kreisirrenanstalt Deggendorf nach Artikel 80, Abs. 2 des
Pol.-Str.-G.-B. verfügt.
Die vielen in den letzten Wochen in den Tagesblättern er¬
schienenen Mittheilungen über den Geisteszustand des Dr.
Zehnder können nicht als maassgebend betrachtet werden,
authentisches Material liegt zur Zeit nicht vor, es muss desshalb
das Uriheil darüber, ob das polizeiliche Vorgehen materiell
gerechtfertigt war oder nicht, vorläufig verschoben werden.
Fest steht einstweilen das Eine, dass Dr. Zehnder bis zum
letzten Augenblick seine ärztlichen Geschäfte aufs Beste besorgt
hat. dass er z. B. am letzten Tage eine Uterusexstirpation mit
an eine geistige Erkrankung.
Ganz klar auf der Hand liegt die Erkrankung demnach nicht.
Bei einem so gelagerten Fall muss selbstverständlich erwartet
werden, (lass ein so folgenschwerer Schritt, wie die polizeiliche
Einschaffung in die Irrenanstalt für den Betroffenen ist, von der
ntaassgebemlen Behörde nur gemacht wird unter peinlicher Ein¬
haltung der bestehenden Vorschriften.
Ein Fall, der vor einigen Jahren iu Würzburg spielte und sehr
unliebsames Aufsehen erregte, veranlasst# das k. Staatsministerium
des Innern, eine Verordnung d. d. 1. Januar 1895 zu erlassen. Die¬
selbe beginnt folgendermaassen:
„Zum Vollzug des Art. 80, Abs. 2 des Pol.-Str.-G.-B. i n s -
b e s onde re zur Sich e r un g der Interessen de r
(l u r e h die b e z ü g 1 i c h e n Maassu a li m e n zunächst
betroffenen Personen wird Nachstehendes angeordnet":
§ 2 der YVrordnung lautet:
„Das dem distrietspolizcilichen Beschlüsse nach ausdrück¬
licher Vorschrift des Art. So, Abs. 2 zu Grunde zu legende bezirks¬
ärztliche Gutachten ist a u s n a h m s 1 o s a uf G r u n d p e r -
s ö n 1 i c h e r Untersuchung der uiiterzubringenden, bezw.
zu verwahrenden Person d u r c li d e n be t re f fenden, zu r
G u t a c li t e u s a b g a b e v e i*a nlusst e n Amtsa r z t zu
erstatten.“
Diese persönliche Untersuchung durch den begutachtenden
Arzt hat im Falle Z e li n d e r nicht statt gefunden, sondern das
Gutachten, welches die Einsehaffung zur Folge hatte, war aus
schliesslich auf Grund der Acten abgegeben, es war dem Dr.
Zehnder vor seiner Einsehaffung keine Möglichkeit gegeben,
sieh zu vertheidigen oder Aufklärungen zu geben.
Y\ r ir wissen nicht, aus welchen Gründen die persönliche ärzt¬
liche Untersuchung im vorliegenden Fall unterblieben ist. YY'ii
müssen aber das Unterbleiben derselben entschieden verurtheilen.
Denn Vorschriften, die ausdrücklich zur Sicherung der Interessen
der betroffenen Personen erlassen sind, müssen unter allen Um¬
ständen eingehalten werden, am allermeisten aber von Seite der
Behörden.
Eine Aufklärung von zuständiger Seite wäre daher dringend
nothwendig.
Wie bekannt, siedelte Dr. Zehnder in voriger Woche au;'
eigenen Wunsch in die Nervenheilanstalt Neufriedenheim über.
Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.
Der heutigen Nummer liegt das 102.Blatt der Galerie bei: Thomas
Grainger Stewart. Eiu Nekrolog war bereits in No. io.
S. 345 enthalten.
Therapeutische Notizen.
Zur Therapie der Obstipation. R. 0. Fisher
bespricht in Texas Medical News, August 1899 die Wirkung der
Cascara sagrada und äusserst sich dahin, dass die Anwen¬
dung derselben als Catharticuin nicht zweckmässig und selten von
dem gewünschten Erfolge begleitet sei. Ihre Hauptwirkung äussert
sich bei Darreichung kleiner Dosen in einer tonischen Erregung
der unteren Darmabschnitte. Da nun eine Kotlistauung in diesen
Partien in der Regel mit einer mangelhaften Gallenausscheidung
zusammenhängt, so empfiehlt er für diese Formen eine eombinirte
Anwendung von Hydrargyr. corrosiv., Strychnin und Sagrada in
folgender Form:
Rp. Hydrargyr. corrosiv. 0,1^
Strychnin, sulfur. 0,05
Aq. dest. 30,0
Extr. cascarae sagradae fluid. 120,0
Glycerin ad 250,0
M.D.S. 1—3 Theelöffel täglich.
Die zur Erreichung einer täglich einmaligen Dar ment leeru ng
genügende Minimaldosis muss ausprobirt und alsdann längere
Zeit hindurch regelmässig genommen werden. Von Wichtigkeit
ist die Gewöhnung und Einhaltung einer gewissen Tageszeit.
F. L.
Incontinentia v e s i e a e. Gegen das, namentlich bei
älteren Frauen häufige Harnträufeln und unwillkürlichen Harn¬
abgang bei Husten, Nleasen u. s. w. wird iu der Cincinnati Lancet-
Clinic vom 4. November 1899 die 3 bis 4 mal täglich wiederholte
Darreichung von 1 Tropfen Cantharidentinctur iu Wasser em¬
pfohlen, wodurch eine Kräftigung des Blasenschliessmuskels er¬
zielt werden soll. E. L.
K y r o f i n ist ein von der Baseler Chemischen Fabrik in
den Handel gebrachtes Antipyreticum und Antineuralglcuin und
heisst chemisch Methylglykolsäurephenetidid. Nach Breiten-
stein (Therap. Monatsh. 3, 1900) setzt dasselbe in Dosen von
0,5—1,0 die Temperatur schnell herab, ohne die Herzthätigkeit
und das Allgemeinbefinden zu beeinflussen. Ausserdem bewährte
es sich in der gleichen Dosis bei allen möglichen Neuralgien,
auch scheint es gewisse hypnotische Eigenschaften zu besitzen.
Kr.
Burophen wird neuerdings von Saalfeld (Thernp.
Monatsh. 3, 1900) wieder angelegentlich zur Behandlung des harten
und weichen Schankers empfohlen. In seiner Wirksamkeit stellt
dasselbe der des Jodoforms in keiner Weise nach, während die
Mängel des letzteren dem Mittel in keiner Weise anhaften. Kr.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
564
No. 16
MUNCHBXKR MKDICIN
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 17. April 1900.
— Mit der Allerli. Verordnung, den Vollzug des Impf¬
gesetzes betrelleml, haben sieh jetzt auch die bayerischen
Standes vereine zu beschäftigen begonnen. So die ärztlichen Be¬
zirksvereine von Nürnberg und von Regensburg, die beide sich
mit Petitionen um Abänderung des § 3, Abs. 2 der Verordnung
an die Regierung gewandt haben. Der Regensburger Verein hat
überdies beschlossen, bis zur Verbesclieidung seines Protestes auf
die Ausübung von Privatimpfuiigen zu verzichten und das Publi¬
cum durch die Presse über diese Maassualime zu informiren. Wir
geben uns noch immer der Hoffnung hin, dass die Regensburger
(’ollegen nicht in die Lage kommen werden, den Verzicht auf die
Privatimpfungen, der vielleicht von der Regierung gar nicht ungern
gesehen würde und jedenfalls eine zweischneidige Waffe wäre,
durchzuführen, dass vielmehr die Regierung es den Aerzten er¬
möglichen wird, auch ohne die Nachweise des § 3 Abs. 2 erbracht
zu haben, in das bevorstehende Impfgeschäft einzutreten. Der
ärztliche Bezirks verein München wird sich in einer Sitzung am
30. ds. Mts. mit der Impfverordnuug beschäftigen, wobei Herr
Pr. Carl Becker das Referat erstatten wird.
— Fes t. Brit. Ostindien. In Karachi beginnt nach Mitthei-
h iigen vom 15. März die Pest, wieder zuzunehmen; während der
zweiten Woche des März sind dort täglich lü bis 12 neue Fälle vor-
gekommen. Seil der letzten Epidemie ist die Stadt nie ganz pest¬
frei gewesen; es wurden täglich 1 bis 2 Fälle festgestellt, nur an
einzelnen Tagen hatten sich keine Neuerkrankuugen gezeigt_Kap-
land. Hinsichtlich der am 7. März auf einem Dampfer im Hafen
von Kapstadt festgestellten 3 Pestfälle wird nachträglich berichtet,
dass das am Morgen des 3. März aus Rosario in der Tafelbai an-
gokommeiie Schiff mit der gesummten Mannschaft einschliesslich
der Erkrankten nach der etwa 00 engl. Meilen nördlich von der
Tafelbai gelegenen Saldanlia-Bai geschickt worden ist, um dort
so lange in Quarantäne zu bleiben, bis eine Gefahr der Verbrei¬
tung der Seuche ausgeschlossen erscheint. Die 3 Kranken wurden
in ein Lazareth gebracht und dort isolirt, das Schiff wurde des-
inticirt. Der Kapitän des Schiffes war einen Tag vor Ankunft
desselben an einer unbekannten Krankheit gestorben. — Argen¬
tinien. Vom 23. Februar bis 1. März sind in Rosario 13 Todes¬
fälle verzeichnet worden. Die meisten Fälle — etwa 4 von je 5 —
verlaufen lüdtlieh. Die Kranken werden nach Isolirbaracken ver-
biacht, die Impfung ihrer Eingebung mit Pestserum, die Des-
infeclion. die Vertilgung der Ratten und mannigfache andere
hygienische Maassregeln werden mit verstärktem Eifer betrieben.
— Neu Süd-Wales. Zu Folge einer Mittheilung vom 27. Februar
waren in Sydney seit dem 23. Februar zwei neue Fälle von
Beulenpest, deren einer rasch Lüdtlieh verlief, festgestellt worden.
Alle Personen, welche mit den beiden Pestkranken in der letzten
Zeit verkehrt hatten, im Ganzen 30 bis 40, waren auf die Quarau-
tünestation gebracht. L>ie von ärztlicher Seite vorgeschlagenen
Versuche, möglichst viele Ratten zu vertilgen, unterblieben an¬
geblich, weil nach der Ansicht der beiheiligten Kreise es ganz
unmöglich sein würde, diese' Tliiere in den Docks und auf den
Schilfen auch nur einigermaassen auszurotten. — Neu-Caledonien.
Vom 13. bis 21. März sind in Numea 4 Erkrankungen und 1 Todes¬
fall an der Pest zur Anzeige gelaugt. IV. d. K. G.-A.)
— In der 13. Jahreswoche vom 23. bis 31 März 1900 hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterb¬
lichkeit Elbing mit 38,7, die geringste Schöneberg mit 9,8 Todes¬
fällen pro Jahr und ,1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Scharlach in Dortmund, Essen.
—- Das bisher für die Firma Benno J a f f 6 und Darm-
stiidter in Martinikenfelde bei Berlin eingetragene Waareu¬
zeichen „Lanolin“ ist unterm 22. v. M. vom K. Patentamt ge¬
löscht worden. Das Urtbeil geht von der Auffassung aus, dass die
Bezeichnung „Lanolin“ für das gereinigte Wollfett ursprünglich
nicht den Zweck hatte, als Wortmarke zu dienen, sondern der
Waare einen Namen zu geben, und führt u. a. aus: „Hätte Lieb¬
reich der Allgemeinheit rechtzeitig kundgegeben, dass das Wort
Lanolin nicht als Name, sondern als Marke Verwendung finden
solle, so würde der Verkehr in der Lage gewesen sein, gegen die
Aufnahme des Namens Lanolin sich ablehnend zu verhalten und
es wäre die Möglichkeit gegeben gewesen, dass ein anderer Name
dem Producte beigelegt worden wäre. Dadurch aber, dass
Dr. Braun und Liebreich dem neuen Producte den Namen
Lanolin beilegten und letzteres der Allgemeinheit kundgaben, ge¬
währten sie der Allgemeinheit das unverkürzbare Recht, den
Namen Lanolin im Verkehr nicht für die von der jetzigen Zeichen¬
inhaberin hergestellte Waare, sondern für jede Waare, mochte die¬
selbe rechtmässig oder rechtswidrig hergestellt sein, zu gebrauchen
und sie begaben sich, unter der tbatsäclilich eingetreteuen Voraus¬
setzung, dass der Name vom Verkehr aufgenommen wurde, zu¬
gleich des Rechtes, das Wort „Lanolin“ für die von ihnen bezw.
ihren Rechtsnachfolgern hergestellte Waare als Marke in An¬
spruch zu nehmen.“
— Dr. Max Breitung in Coburg wurde zum Professor
ernannt
— Herr Dr. Julius Marcuse in Mannheim wurde zum
correspondirenden Mitglied der Sociötö Frangaise d’Hygiöne in
Paris ernannt.
- - Durch einige bemerkenswerthe Neugründungen ist die
deutsche Zeltschriftenliteratur in jüngster Zeit bereichert worden.
ISCHE WOCHENSCHRIFT.
Die lebhafte literarische Thätigkeit, die auf dem Gebiete der Tuber-
culoseforscliung im Gange ist, machte ein besonderes Organ für
dieses Arbeitsfeld schon lange wünschenswerth. Die im Verlage
von Veit & Co. in Leipzig erscheinende, von B. Frünkel,
C. Gerhardt und E. v. Leyden herausgegebene „Zeit¬
schrift für Tuberculose und Heilstätteuwesen“
entspricht daher einem Bedürfnisse. Das soeben erschienene
erste Heft enthält Beiträge einer Anzahl der bekanntesten Autoren
auf diesem Gebiete. Da der Inhalt der neuen Zeitschrift einen
grossen Kreis von Aerzten interesslren wird, werden wir über
denselben regelmässig referireu und beginnen damit in der
vorliegenden Nummer.
Einem verwandten, aber noch enger begrenzten Gebiet
dient die im Verlage von J. A. Barth in Leipzig erscheinende,
ebenfalls im ersten Heft vorliegende Zeitschrift: „L e p r a.“ Sie
wird von den Lepraforschern E. B e s n i e r, K. Debio, E.
Ehlers, Annulier Hansen, J. Kevins H y d e, J. Hut¬
chinson und A. Neiöser herausgegeben. Sie ist, wie die
vorgenannte, international; aber während dort ausländische
Autoren nur zu Gaste sind, während der Charakter der Zeit¬
schrift deutsch bleibt, ist hier die Interuationalität streng durch¬
geführt. Der Titel ist lateinisch, der Text deutsch, englisch oder
französisch. Da diese drei Sprachen Gemeingut aller Gebildeten
sind, so wäre dagegen nichts einzuwenden. Peinlich berührt aber
die sichtliche Zurücksetzung der deutschen Sprache. Man geht
darin soweit, dass in dem in Deutschland erscheinenden Blatt
deutsche Arbeiten von deutschen Referenten in englischer oder
französischer Sprache rei'erirt werden. Man kann sich denken,
was dabei herauskommt. Abgesehen von dem ungünstigen Ein¬
drücke, den manche dieser Referate wegen der mangelhaften Be¬
herrschung der fremden Sprache im Auslande hervorrufen werden,
könnte man für die deutsche Sprache doch Gleichberechtigung
mit den beiden anderen und für die deutschen Mitarbeiter Zu¬
lassung in ihrer eigenen Sprache verlangen. Im Uebrigeu kann
dem Inhalte, sowie der Ausstattung des ersten Heftes der „Lepra“
nur Anerkennung gezollt werden.
Eine weitere begrüsseuswertlie neue Zeitschrift ist: „D e r
V 1 k o h o 1 i s m u s. Eine Vierteljahrsschrift zur wissenschaft¬
lichen Erörterung der Alkoholfrage“, herausgegeben von A. B a e r.
Bölimert, v. Strauss und Torney und Waldscliuiidt.
Den Verlag hat O. V. Böhmert in Dresden übernommen. Da
die bisher existirenden, der Bekämpfung des Alkoholismus
dienenden Blätter vorwiegend agitatorischen Charakter haben,
eia Organ für die wissenschaftliche Erörterung der Alkoholfrage
aber fehlte, so entspricht auch diese Zeitschrift einem Bedürfniss.
Das uns vorliegende erste Heft enthält Beiträge von A. B a e r,
Böhmert, Grawitz, S n e 11, Schenk u. A. Der Preis
für den Jahrgang beträgt 8 Mark.
— In 2. Auflage erschien im Verlag von G. C a r r 6 und
C. N a u d in Paris „Les Sanatorla. Traitement et
prophylaxie de la phthisie pulmonaire“ von S.-A.
Knopf. Dieses vorzüglich ausgestattete und reich illustrirte
Werk (XV und 493 Seiten gross 8°) ist wohl die umfassendste
neuere Abhandlung über Heilstätteuwesen und moderne Schwind-
suchtsbeliamllung. Es erörtert den Stoff nach allen Richtungen;
der Verfasser beginnt mit einem kurzen Abriss der Geschichte
der Ileilstüttonbowegung, er bringt statistische Mittheilungen
über Schwindsuchtssterbliclikeit, bespricht die Heilbarkeit der
Tuberculose, die Prophylaxe, die Gesetzgebung der verschiedenen
Länder im Kampfe gegen die Tuberculose etc. Besonders ein¬
gehend werden die in den verschiedenen Ländern im Betrieb be-
befindlichen Heilstätten geschildert unter Beigabe von zahlreichen
Ansichten und Plänen. Die Freiluftbehandlung. Hydrotherapie,
diätetische, symptomatische, pädagogische, medicamentöse etc.
Behandlung wird in gesonderten Capiteln besprochen. Dem Tu-
bereuliu und der Serumbehandlung ist ein eigenes Capitel ge¬
widmet. Das reichhaltige Werk sei Jedem empfohlen, der die
moderne Seliwindsiiehtsbehandluug eingehender zu studiren
wünscht. Der Preis beträgt 22 Fr.
(Hochschulnachrichten.)
Halle. Privatdocent Dr. R e i n e b o t li hat das Prädieat
„Professor“ erhalten. Zum Oberarzte an der inneren Klinik ist
Dr. Hoffmann ernannt worden.
II e i d e 1 b e r g. Privatdocent Dr. G. Aschaf fenburg,
Ililfsnrzt der psychiatrischen Klinik, wurde zum ausserordentlichen
Professor ernannt.
Paris. Die Academie de mßdecine hat in ihrer letzten
Sitzung Geheimrath R ö n t g e n in München zum auswärtigen
Mitglied gewählt.
(T o d e s f ä 11 e.)
Dr. Stscherbakow, früher Professor der physiologischen
Chemie zu Kasan.
Dr. Th. B. H o o d, Professor der Nervenkrankheiten an der
Howard-Universität zu Washington.
In London starb der bekannte Gynäkologe Sir William
P r i s 11 e y, 71 Jahre alt.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Arnold Vldal, appr. 1889, ln München.
Digitized by
Verlag von J. F. L
Gougle
ln Mtaohen.— Amok von B. Mühlthaler’i Buch- and Kanatdraokerel A.G., München.
Original fro-rri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Münch. Med. Wochenschr. erscheint wöchontl.
in Nummern von durchschnittlich 4—6 Bogen.
Preis in Deutschi, u Oest.-Ungarn vlertelj-ihrl. ti
ins Ausland 7.50 JC. Einzelne No. >>0 -j.
Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redaciioü
Ottostra«se 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬
mann, Heustrasse 20. - Für Inserate und Beilagen
an Rudolf Mosse, Promcnadcplatz 16.
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT)
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgcgoben von
Ch. Blamier, 0. Bollfeger, H. Curschmian, C. Gerhardt, W. i Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H.». Ranke, F. ». Winckel, H. t. Ziemssea,
Freiburg I. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg München. München. München.
.li 17. 24. April 1900.
Redaction: Dr. B. Spatz, Ottosirasse 1.
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20.
47. Jahrgang
Originalien.
Aus der kgl. geburtshilflichen Poliklinik der Universität Breslau.
(Geh.-Rath K ü s t n e r.)
Die Hystereuryse in der Praxis.
Von Dr. Deckart, Assistenzarzt.
Die Hystereuryse als '.Mittel zur Einleitung resp. Beschleu¬
nigung der Gehurt ist in den letzten Jahren von verschiedenen
Seiten warm empfohlen worden und wenn auch noch nicht alle
Fachmänner sich zu einer ausgedehnteren Anwendung des
Mittels haben entschlies.M-n können, so ist doch erfreulicher
Weise zu constatiren, dass die Zahl der Anhänger dieses Ver¬
fahrens rasch zugenommen hat. Naturgemäss wurde dieses Ver¬
fahren zuerst ausschliesslich in Anstalten geprüft, die Resultate
waren aber so ermuthigend, dass es bald auch von praktischen
Aerzten geübt und zur .Nachahmung empfohlen wurde [Füth,
Ger ich u. A. 1 )]. Selbstverständlich ist das Beobaehtungs-
mnterial dieser Autoren klein und erlaubt nur in geringem Grade,
ein Urtheil über die Verwendbarkeit des Hystereurynters im
Privathause zu geben. Die Miltheilungm aus Gebäranstalten
verfügen nun ja über grössere Zahlenreihen, al>er ihrem Einfluss
auf die allgemeine Praxis steht der nicht ganz unberechtigte Ein¬
wand, den mancher skeptisch veranlagte Arzt machen wird, ent¬
gegen, dass nämlich ein Verfahren, welches in einer Klinik mit
gutem Wartepersonal, zuverlässiger Assistenz und allem mög¬
lichen Comfort ausgeführt, sieh vortrefflich bewährt, desshalb
doch noch nicht für die Geburtshilfe in einer TagelÖlmers-
wohnung geeignet sein muss. Dazu kommt, dass vielfach nicht
nur diese äusseren Verhältnisse, sondern auch die Beschaffenheit
der Fälle selbst nicht ganz dem Wirkungskreise des praktischen
Arztes entsprechen. So befinden sieh z. B. unter den 23 Fällen
Biermer’s 16 künstliche Frühgeburten. Es ist aber klar,
dass wegen der üusserst verantwortlichen Indieatioiisstellung in
Betreff des Zeitpunktes, in dem die Schwangerschaft bei höheren
Graden von Bockenenge unterbrochen werden soll einerseits,
andererseits wegen der doppelt peinlichen Beobachtung, die man
einer solchen Geburt naturgemäss angedeihen lassen will, der
praktische Arzt die Schwangere meist einer Klinik überweisen
wird — obwohl die Technik der Hystereuryse auch zwecks künst¬
licher Frühgeburt so einfach ist, dass sie auch in der Privatpraxis
ohne Gefahr ausgeführt werden könnte.
Es dürfte daher dem praktischen Arzte nicht unwillkommen
sein, wenn im Folgenden die Erfahrungen initgetheilt werden, die
in den letzten 6 Jahren in der Breslauer geburtshilflichen Poli¬
klinik gesammelt wurden; in der Poliklinik spiegeln sich ja die
Verhältnisse, unter denen der praktische Arzt operirt, am ehesten
wieder, ja sie sind wohl meistens noch dürftiger.
Gerade in unserer Klinik ist die Hystereuryse zur Erregung
von Geburtswehen besonders häufig geübt worden, denn sie ist
die praktische Verwerthung unserer Anschauungen über die Ur¬
sache des Geburtsbeginns, welchen verschiedene aus der K ü s t -
n e Eschen Schule hervorgegangene Arbeiten von Keilmann,
Weidenbaum und Knüpfer in neuerer Zeit Bahn ge¬
brochen haben. Desshalb wird in unserer Klinik der Hyster-
curynter prineipiell zur Einleitung der künstlichen Frühgeburt
»j Centralbl. f. Gynäkol. 1806 und 1897.
ho. 17.
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benutzt. Auch in der Poliklinik wurde auf mannigfache In-
dicationen hin von der Hystereuryse Gebrauch gemacht. Inner¬
halb der letzten 6 Jahre kam sie in 42 Fällen zur Anwendung.
Von diesen Fällen muss man jedoch 7 abziehen, bei denen einmal
nach einiger Zeit von dem Verfahren Abstand genommen wurde,
weil der betreffende Arzt sich plötzlich veranlasst sah, sehr rasch
zu entbinden, den Hystereurynter wieder entfernte und nach
einigen Cervixineisionen die Zange anlegte. In 6 Fällen er¬
eigneten sieh Störungen in der Technik (2 mal Versagen resp.
Zerbrechen der Spritze, 4 mal Platzen des Hystereurynters), wie
sie bei dem Erproben eines neuen Verfahrens ja leicht Vorkommen
können. Trotzdem müssen, wie schon eine flüchtige Durchsicht
des Journals ergibt, die Versuche recht befriedigend ausgefallen
sein, denn die Zahl der Hystereurysen nahm jährlich zu:
1804/95 und 1895/96 wurde sie nur je einmal ausgeführt, im
jetzigen Jahrgang schon 12 mal. Und umgekehrt lässt sich con-
statiren, dass die Zahl der combinirten Wendungen, d. i. der¬
jenigen Operation, mit der die Hystereuryse am meisten con-
currirt, erheblich abgenommen hat. Zwar ist sie in dem vorletzten
Jahrgang mehrfach angewandt worden, indess findet man dann
stets einen Vermerk, wesshalb man in dem einzelnen Falle die
Vortheile der Hystereuryse entbehren konnte, meist handelte es
sich um todte Früchte im 7. und 8. Monat.
Es ist meiner Ansicht nach ein Hauptvorzug der Hyster-
ouryse, dass sie dem Geburtshelfer um die Klippe der combinirten
Wendung herumhelfen kann. Die Hystereuryse ist eine einfache
Operation, die weder Mutter noch Kind schaden kann, sie lässt
sich immer ohne Narkose ausführen. Die combinirte Wendung
ist nicht gleichgiltig für das Kind. Dem Geburtshelfer kann es
nur allzu leicht passiren, dass er bei dem mühsamen Entgegen¬
drücken der Fiisse die Nabelschnur maltraitirt oder die Placenta
partiell ablöst und dadurch das Kind schädigt. Selbst bei der
classisehen Wendung, bei erweitertem Muttermunde, lassen sich
derartige Vorkommnisse nicht immer vermeiden. Bei dieser aber
fallen sie nicht so schwer in ? s Gewicht, weil man nach derselben
sofort extrahiren kann. Zweitens aber ist die combinirte Wen¬
dung oft sehr schwer, ja oft unmöglich; jedenfalls ist sie nach der
Meinung vieler Autoren eine Operation, die an das Können des
praktischen Arztes vielfach zu hohe Anforderungen stellt. Es soll
damit gar nicht geleugnet werden, dass ein erfahrener Geburts¬
helfer mit der combinirten Wendung gute Erfolge erzielen kanu.
Das ist schliesslich bei jeder Operation der Fall. Dem Arzte
wird aber immer das Verfahren das liebste sein, das auch in den
Händen eines nicht routinirten Geburtshelfers leistungsfähig ist,
und ein solches ist die Hystereuryse.
Den besten Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung
geben die Resultate, die wir bei der häufigsten Anwendung des
Hystereurynters, nämlich bei Placent» praevia, erzielt haben.
Wir verfügen über 19 Fälle. In zweien davon waren bei der
Uebernahme der Gehurt die Kinder schon abgestorben. Von
den restirenden 17 wurden lebend geboren 12, das ergibt also eine
Mortalität von 30 Proc. Stellt man diesen Ergebnissen die Re¬
sultate Anderer gegenüber, welche in neuerer Zeit für die Be¬
handlung der Placenta praevia durch die Wendung nach
Braxton-Hicks eingetreten sind, so ergibt sich ein augen¬
fälliger Unterschied, der wohl Jeden für unser Verfahren ge¬
winnen muss: Die Mortalitätsziffer der Kinder stellt sich unter
gleicher Berechnung bei T r e u b (Centralbl. f. Gynäk. 1898) auf
1
Original frn-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
666 MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT. No. 17.
56 Proc., bei R i b b i u s (Centralbl. f. Gynäk. 1897) auf 52 Proc.,
bei Pia tzor (Centralbl. f. Gynäk. 1897) auf 53 Proc.
Von den 5 Kindern .die intra partuin abstarben, hätte sich
der Tod des einen vielleicht vermeiden lassen, wenn damals (der
Fall stammt aus dem 3. Jahrgänge) der Ilystereurynter genügend
gefüllt worden wäre; so aber wurde die Extraction bei unge¬
nügend erweitertem Muttermunde vorgenommen, wobei das Kind
abstarb und dann erst nach Perforation des nachfolgenden Kopfes
entwickelt wurde. Ein Kind starb in Folge von vorzeitiger
Lösung der Planenta, ein drittes durch Verletzung foctaler Pla-
eentargefässe, 2 an Asphyxie, die einmal noch während der
Hystereurynterlagc, einmal erst längere Zeit nach dessen Aus-
stossung begann.
Die Einführung des Ilystereurynters hat insofern bei der
Plac. praevia etwas Besonderes, als man dabei die Eihüllen durch¬
bohren muss, damit der Ilystereurynter den vorliegenden Pla-
centarlappen von oben gegen die Uteruswand drücken kann.
Liegt die Placenta total vor, so dass man nicht zu den Eihäuten
gelangen kann, so bleibt nichts übrig, als die Placenta selbst mit
dem Finger oder einem stumpfen Instrument, einem Katheter
oder einer Kornzange, zu durchbohren. Das bringt mitunter die
Gefahr mit sich, dass dadurch grössere kindliche Gefässe zer¬
rissen werden, wie das in dem oben erwähnten Falle geschehen ist.
Trotzdem ein solcher Zufall recht bedauerlich ist, halte ich ihn
nicht für einen hinreichenden Grund, das Verfahren zu miss-
creditiren. Man vergesse doch nicht, dass wir in der Hyster-
euryse ein Mittel besitzen, mit welchem wir, ohne die Mutter
dabei in grössere Gefahr zu setzen, als bei der combinirten Wen¬
dung, einen energischen Versuch zur Rettung des Kindes machen,
während die Anhänger der combinirten Wendung wenig oder gar
nicht Rücksicht auf das Leben des Kindes nehmen, oder, wie
II o f m e i e r es ausgedrückt hat, den Muth haben müssen, das
Kind sterben zu lassen.
Man könnte dieser Fatalität dadurch zu entgehen suchen,
dass man den Ilystereurynter zwischen Utcruswand und Placenta
legte, und das ist auch, freilich nicht mit dieser Ueberlegung,
mehrfach ausgeführt worden. Aber man würde dabei von der
Scylla in dieCharybdis gerathen, denn dann können leicht grössere
Flächen der Placenta abgelöst werden und das Kind, wie in dem
einen oben erwähnten Falle, asphyktisch werden. Vor allen Dingen
aber verzichtet der Operateur dabei auf die exaete Blutstillung,
deren er bei der Einführung i n die Eihöhle sicher ist. Plaeirt er
nämlich den Ballon ausserhalb der Eihöhle, so kann es leicht
zwischen Hystereurynter und Placenta bluten. Glücklicher
Weise wurde dies nur einmal in unbedeutendem Maasse be¬
obachtet. Man wird daher auch weiterhin immer die Placenta
durchbohren und die geringe damit verbundene Gefahr dadurch
zu vermeiden streben ,dass man nach dem Rathe von Kiestner
wie in der Leberchirurgie, stetig tastend, allen grösseren Gefässen
aus dem Wege zu gehen versucht.
Das Resultat für die Mütter gestaltete sich ausserordentlich
günstig. Nur eine Frau, die schon im Stadium der schwersten
Anaemie übernommen wurde, starb eine halbe Stunde nach Be¬
endigung der Geburt. In allen Fällen aber (mit Ausnahme
des im vorigen Abschnitte angeführten, bei dem der Hvster-
eurynter ausserhalb der Eihöhle lag) stand die Blutung
prompt. Fast stets traten nach kurzer Zeit, nur selten nach
längerem Zuwarten kräftige Wehen auf, und bei zweckent¬
sprechender Füllung war der Muttermund stets für die eventuell
nothwendige entbindende Operation genügend erweitert.
Aus einem besonderen Grunde noch ist das Verfahren für
die Praxis gerade bei Placenta praevia zu empfehlen, weil es
nämlich die Geburt zu jeder Zeit in Gang bringen kann, auch
wenn der Cervixcanal durch Geburtsvorgänge noch nicht, oder
nur sehr unbedeutend erweitert ist. Demjenigen praktischen
Arzte, der die Ilystereuryse nicht anwenden will, bleibt im All¬
gemeinen nichts weiter übrig, als zu warten, bis er die combinirte
Wendung ausführen kann und bis dahin eventuell die Scheide
mit Jodoformgaze zu tamponiren, ein Nothbehelf, der vom Stand¬
punkte der Asepsis aus nicht einwandsfrei ist und zudem nicht
immer die Blutung vollkommen zum Stehen bringt. In einer
Klinik, wo jedem Falle eine sorgfältige Beobachtung gewidmet
werden kann, mag man mit diesem Verfahren auskommen. Wie
gefährlich und verantwortlich das aber in der allgemeinen Praxis
auch heute noch ist, beweist eine Arbeit von E ü t h (Centralbl. f.
Gynäk. 1898), in der er eine Statistik der Placentae praeviae des
Koblenzer Kreises gibt und nachweist, dass dort von 50 Müttern
19 — 38 Proc. gestorben sind, und zwar 12 an Verblutung und 6
an Sepsis.
Erheblich seltener (nämlich 8 mal) als bei Placenta praevia
erfolgte die Indicationsstellung zur Ilystereuryse bei Querlagmi
mit unorweitertem Muttermund und vorzeitigem Wasserabfluss.
Auch liier käme nach dem allgemein befolgten, z. B. im Lehrbuch
von Rung e angegebenen Grundsätzen nur die combinirte Wen¬
dung mit weiterem Spontanverlauf in Betracht. Ein 7. Fall be¬
weist recht schön, wie zweifelhaft der Werth derselben gewesen
wäre. Der Uterus befand sich nämlich in Dauercontraetion.
Erst längere Zeit, nachdem der Ilystereurynter lag, besserte sich
dieser Zustand um ein Geringes. Trotzdem fiel aber nach Aus-
stossung des Ilystereurynters bei vollkommen erweitertem Mutter¬
munde die Wendung einem erfahrenen poliklinischen Assistenten
wegen der Reizbarkeit des Uterus ungemein schwer, so dass das
Kind währenddessen abstarb. Selbst wenn ihm die combinirte
Wendung unter diesen erschwerenden Verhältnissen gelungen
wäre, was er selbst übrigens stark bezweifelte, hätte sie wegen
des engen Muttermundes nicht das schonendere Verfahren für
die Mutter dargestellt. In allen übrigen Fällen war nach der
Ilystereuryse die innere Wendung leicht ausführbar, die Ex¬
traction machte nie Schwierigkeiten und die Resultate für
Mutter und Kind waren durchaus zufriedenstellend.
Einmal wurde der Ilystereurynter eingeführt, nicht um die
Wendung zu erleichtern, denn die Wendung war nicht indicirt,
da es sich um eine todte, 7 monatliche Frucht handelte, sondern
um die Geburt zu beschleunigen, nachdem während mehr als
4 ständiger Beobachtung die Schulter noch nicht tiefer getreten
und der Muttermund noch nicht weiter geworden war. Bald
nach Ausstossung der Gummibla.se erfolgte die Geburt con-
duplicato corpore.
Eine weitere Indieation bildete vollkommener Wehenmangol
nach vorzeitigem Wasserabfluss. In Kliniken wird man allein
auf diese Indieation hin nur sehr selten die Geburt einleiten.
denn eine unmittelbare Gefahr besteht ja weder für Mutter noch
für Kind, da sieh ohne Wehenthätigkcit keine Dehnungserschei¬
nungen am Uterus und keine Störungen im Placentarkreislauf
bilden können. Es sind ja auch zahlreiche Fälle bekannt, in
denen ohne schädliche Folgen Tage und Wochen lang vor der
Geburt das Fruchtwasser abgeflossen ist. Eine Infection wird
sieb, besonders bei Beschränkung der inneren Untersuchungen,
immer vermeiden lassen. In der Praxis erfordert aber ein solcher
Fall viel mehr Aufmerksamkeit, weil man nicht controliren
kann, ob die Hebammen, wie sie das in ihrer Ungeduld vielfach
thun, unnüthig häufige vaginale Explorationen vornehmen. Daher
sind häufige und genaue Temperaturmessungen nothwendig, auch
muss man durch Percussion die Bildung einer Physometra aus-
schliessen. Bei etwaiger Temperatursteigerung muss sofort die
Geburt mittels Ilystereurynter eingeleitet werden. Ja ich halte
es unter diesen Umständen für vollkommen gerechtfertigt, wenn
man die Geburt, auch ohne dass bedrohliche Symptome vorliegen,
einige Tage nach dem Wasserabfluss einleitet, nicht in letzter
Linie mit Rücksicht auf die Kreissende resp. Schwangere. Ans
diesem Grunde wurde von uns die Geburt 4 mal eingeleitet, mit
sehr promptem und zufriedenstellendem Erfolge. 2 Gebuten ver¬
liefen spontan, 2 wurden auf weiterhin eintretende Indieationen
hin operativ beendet.
Ausserdem wurde noch wogen anderer seltener vorkommender
Geburtscomplicationen die Ilystereuryse ausgeführt. Einmal
handelte, es sich um vorzeitige Lösung der normal sitzenden
Placenta bei einer Luetischen. Nachdem der Ilystereurynter
überraschend schnell ausgestossen worden war, wurde das in
Querlage befindliche, todte Kind gewendet und extraliirt. Ein
anderes Mal bestand hohes Fieber. Der Muttermund war noch
fast geschlossen, es floss übelriechendes Fruchtwasser ab, der
7 monatliche Foetus war abgestorben. Die Geburt verlief nach
der Ilystereuryse spontan, das Fieber fiel bald ab. Einmal wurde
wegen anhaltender Blutungen in der Schwangerschaft die künst¬
liche Frühgeburt resp. der künstliche Abortus eingeleitet. Ferner
wurde bei einer Fusslage mit markstückgrossem Muttermund und
frühzeitig gesprungener Blase die Geburt durch Einführung des
Ilystereurynters beschleunigt, besonders mit Rücksicht auf den
uraemisehon Allgemcinzustand der Mutter. Die Geburt verlief
danach völlig spontan, nach der Geburt der Placenta traten
uraemisch-eklamptische Anfälle auf, ein Ereigniss, das gewiss
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
567
24. April 1900.
für die Be reell tigung des Verfahrens spricht. Die Gelegenheit
zur Ilystereuryse bei Eklampsie hat sieh zufällig in der Poli¬
klinik nicht ergeben, da die verhiiltnissmiissig wenigen Eklam-
ptisehen meist in die Klinik geschafft wurden. Sicherlich würde
sich aber, wenn bei Eklampsie die Eröffnung des Muttermundes
zögert, das Verfahren bewähren, wofür einige unserer klinischen
Beobachtungen, sowie anderwärts gemachte Erfahrungen
sprechen. Einmal wurde der H.ystereurynter wegen Nabelschnur-
Vorfalles bei engem .Muttermunde ein geführt, um die digital
reponirte Nabelschnur zurückzuhalten. Es gelang leider niehr,
das Kind zu retten, trotzdem glaube ich aber, dass der Fall die*
Leistungsfähigkeit des Verfahrens beweist, denn es gelang durch
dasselbe, das Kind, so lange der llystereurynter lag, vor einer
schweren Asphyxie zu bewahren. Dasselbe starb erst während
der Wendung ab, die wegen einer Gesichtseinstellung nicht ganz
leicht gelang. Jedenfalls muntert nicht nur dieser, sondern auch
ein Fall, den K e i 1 m a n n ') in seiner Habilitationsschrift ver¬
öffentlicht hat, zur Wiederholung in geeigneten Fällen auf. Bei
demselben handelte es sich um das Vorliegen eines grossen Con-
voluts von Nabelschnurschlingen. K e i 1 m a n n machte in Knie¬
ellenbogenlage die Ilystereuryse (sc. unter Schonung der Blase).
Daraufhin erholten sich die Herztöne. Da sich nach der Ge¬
burt des Ilystereurynters die Nabelschnur von Neuem vorlegte,
wurde die Wendung gemacht und ein asphyktisohes, aber wieder-
bclebtes Kind extrahirt.
Des Weiteren möchte, ich mir einige Bemerkungen über die
Technik der Ilystereuryse, wie sie bei uns gehandhabt wird, er¬
lauben. Zwar bin ich mir bewusst, damit viel Bekanntes zu wieder¬
holen, möchte es aber doch mit Rücksicht auf einige Modifi-
oalionen, die von praktischer Bedeutung sind, nicht unter¬
lassen.
Zunächst möchte ich mir eine Bemerkung zur Nomenclatur
gestatten. Viele Autoren, z. B. auch B i e r m e r, legen den Ballon
nach Belieben bald in die Scheide, bald in den lTorus ein, nennen
ihn aber nichtsdestoweniger stets Kolpeurynter. Da aber bei der
Einführung in die Scheide sich eim* Reihe von Eobelständen
(ungenügende Erregung von Wehen, mangelhafte Erweiterung
des Muttermundes, unvollkommene Blutstillung) bemerkbar
macht, die bei der Einführung in den Uterus in Wegfall kommen,
da überhaupt zwischen den versehiodenen Amvendungsweisen
ein fundamentaler Unterschied bestellt, ist es durchaus im Inter¬
esse der Sache, wenn man diesen Unterschied auch durch beson¬
dere Namen zum Ausdruck bringt. Wir nennen desshalb das
Instrument stets H y s t e r e u r ,v n t e r. Ich möchte daher den
Autoren Vorschlägen, um eine Füllt; von Unklarheiten zu ver¬
meiden, das Instrument nach seiner jeweiligen Verwendung zu
benennen: Hystereurynter, Traclielcurynter, Kolpeurynter.
Wir benutzen das einfachste und billigste Modell, den
B rau n’schen Kolpeurynter, der mit einem 40—50 cm langen,
nicht durch Hahn verschlossenen Schlauch versehen ist. Der
Verschluss wird durch eine gewöhnliche Arterienklemme bewerk¬
stelligt. Complicirtere Oonstructionen sind nicht handlicher,
werden sich auch wohl desshalb nicht in die Praxis einführen,
weil sie zu theuer sind (eiu von K 1 i e n angegebener Apparat
kostet 17.50 M.). Ferner gehört zum Instrumentarium eine
grössere Stempelspritze und eine besonders zu diesem Zwecke
construirte, mit einer Beckenkrümmung versehene Kolpeuryntcr-
zange mit glatten Branchen. Die Einführung gelingt zwar auch
ohne grosse Schwierigkeiten mittels einer gewöhnlichen Korn¬
zange, vielfach auch manuell, indessen empfindet man besonders
bei hochstehender Portio die Beckenkriimmiing der Zange als an¬
genehme Erleichterung. Der Hystereurynter wurde in der Poli¬
klinik stets unter Führung des Fingers, nie unter Leitung des
Auges nach Einsetzen eines Rinnenspeculunis eingelegt, was den
Vortheil bietet, dass man keine Assistenz nötliig hat. Auch ein
Auhaken der Portio war, da es sich meist um Mehrgebärende
bandelte und Spuren von Goburtsthätigkoit selion eine geringe
Erweiterung der Cervix angebahnt hatten, niemals nothwendig.
Die Gummiblase muss vor ihrer Einführung auf ihre
Dichtigkeit geprüft werden, dann wird sie in ihrer Längsrichtung
mehrfach zusammengefaltet, damit sie ein möglichst geringes
Volumen einnimmt und so in die Zange eingeklemmt, dass die
Spitze derselben durch die Gummiblase gedeckt ist und keine
0 Alexander Keilmann : Klinisch - experimentelle Be¬
obachtungen über künstliche Erregung von Geburtswehen. Bres¬
lau 1898.
e
Weichtheilverletzungen machen kann. Bemerken will ich hier¬
bei, dass das Zusammenfalten besonders leicht gelingt, wenn
man den Schlauch des vorher leer gedrückten Ballons zuklemmt.
Beim Einführen schiebt man den Hystereurynter, event. unter
mehrmaligem Nachgreifen mit der Zange so hoch wie möglich,
jedenfalls mindestens so weit, dass %— V» desselben oberhalb des
noch nicht entfalteten Cervixtheils zu liegen kommen. Indem
man dann den unteren Theil des Ballons mit dem Finger fixirt,
lässt man von der Hebamme aufspritzen. Geschieht dieses ge¬
nügend langsam, so gleitet stets auch der untere Theil des
Ilystereurynters in den eiborgenden Raum.
Zur Füllung wurde in erster Zeit Lysol verwendet, später
eine verdünnte Sublimatlösung von 1:5000 oder 1:10 000. Da
man indessen immerhin mit dem Platzen des Ilystereurynters
rechnen muss, werden wir in Zukunft, wenn irgend möglich, ab¬
gekochtes Wasser benutzen.
Besondere Aufmerksamkeit verwende man auf die Menge
der Füllung. Sie soll so gross sein, dass der Umfang des Ballons
ungefähr demjenigen des Kindskopfes gleichkommt, also beim
ausgetragenen Kinde 32 cm (fronte - occipitaler Kopf umfang,
Ahlfeld) erreicht. Dazu genügt nach den LI a h n’schen Be¬
rechnungen, die sich in der Arbeit von Keilmann finden, eine
Füllung von weniger als 600 ccm (600 ccm Inhalt entsprechen
33 ein Umfang). Ist das Kind nicht ausgetragen, so kann man,
individunlisirond, die Füllung auf 500 oder 450 ccm herabsetzen.
Weiter herunter gehe man nicht, weil dann die Erweiterung
des Muttermundes unzureichend wird und man eventuell bei
der Entwicklung des nachfolgenden Kopfes, wie in dem oben er¬
wähnten Falle, Schwierigkeiten hat. Andererseits darf aber die
Füllung 600 ccm nicht übersteigen.
Fine Vergrößerung des Umfanges über 33 cm hinaus ist
zwecklos, zumal (s. Keilman n) jeder weitere Umfangszuwachs
bei stärkerer Füllung nur durch Injectiori sehr grosser Flüssig-
keitsmengen zu erzielen ist. Damit stellt man aber an die Gummi¬
blase zu hohe mechanische Anforderungen und riskirt, dass sie
platzt. Nur aus diesem Grunde ist einem Assistenten in früherer
Zeit, als wir uns über die zweckmässige Menge der Füllung noch
nicht klar waren, der Ballon zweimal geplatzt. Ferner erhöht
man durch die maximale Auftreibung durchaus nicht immer die
wehen erregende Wirkung. Wenigstens ist mir eiu Fall von
künstlicher Frühgeburt in Erinnerung, bei welchem auch ziem¬
lich stark aufgespritzt war und über 24 Stunden lang, abgesehen
von einigen schwachen schmerzlosen Contractionen, keine Wehen
auftraten; prompt, nachdem man ein gewisses Quantum der
Füllung abgelassen hatte, setzten kräftige Wehen ein, die den
Hystereurynter nach wenigen Stunden austrieben. Vielleicht
ist das so zu erklären, dass der ad maximum gespannte Ballon
nur die Kugelform beibehalten kann und sich mit seinem unteren
Pol nicht der in Entfaltung begriffenen Cervix ansehiniegt, also
auch nicht im Stande ist, durch Druck auf die paracervicalen
Ganglien Wehen auszulösen.
Nachdem der Hystereurynter placirt und die Frau wieder
in’s Längsbett zurückgelegt ist, wird an den Schlauch eine
Schnur befestigt, diese über das Ende des Bettes gelegt, nun
mit einem genügen Gewichte beschwert — wir benutzten faute
de mieux eine halbgefüllte oder leere Bierflasche (= 700 resp.
450 g). Jeder stärkere Zug ist bei uns verpönt. Denn wir wollen
nicht, wie es B i e r m e r in seinem Schlusssatz empfiehlt, die
Entbindung forciren und den Muttermund in möglichst kurzer
Zeit grob mechanisch erweitern. Auf eine schnelle, foreirte Er¬
weiterung konnten wir in allen Fällen verzichten, selbst bei Phic.
praevia.
Wir wollen bei der ilystereuryse so weit wie möglich physio¬
logische Vorgänge nachahineu, durch den Druck der Gummi¬
blase auf den oberen Cervixabschnitt regelmässig aufeinander¬
folgende Weben anregen, ebenso wie es am Ende der Gravidität
der durch das Wachsthum des Eies und durch die Straffheit der
Bauchdeck eil tiefer tretende Kopf thut, wir wollen auch die Er¬
weiterung de* Cervixrestes der Wehenthätigkeit überlassen. Um
das zu erreichen, genügt aber ein minimaler Zug, der gerade hin¬
reicht, den Hystereurynter auf * den (unteren) oberen. Cervix-
absehnitt zu fixiren und den Ansatzschlauch stets gespannt zu
erhalten. Ein starker event. gar manueller Zug, wie er von
Vielen ausgeführt wird, kann recht erhebliche Complicationen
zur Folge haben. Zunächst kann sehr leicht der Schlauch an
seinem Ansatzstück abreissen. Zweitens erzielt mau damit
1 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized b 1
■y G00gl
568
MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
durchaus nicht sicher eine genügende Erweiterung des Mutter¬
mundes, weil sich nämlich, wie es G e r i c li genau beschreibt,
der Hystereurynter bei starkem Zuge wurstfönnig auszieht. Dess-
halb war in dem einen von Ger ich veröffentlichten Falle der
Muttermund trotz einer recht erheblichen Füllung (800 ccm) nach
dem Durchziehen des Ballons erst für eine Hand zugängig; bei
der trotzdessen gemachten Wendung und Extraction entstand
ein Cervixriss. Vor allen Dingen aber erregt man beim gewalt¬
samen Durchziehen keine geordneten Wehen. Dieser Nachtheil
hisst sich ja schliesslich bis zur Geburt des Kindes noch in Kauf
nehmen: Ist die Entbindung indicirt und kann der Uterus das
Kind nicht austreiben, so kann es doch der Geburtshelfer, wenn
es nur der Muttermund gestattet, am Kopf oder Fuss heraus¬
ziehen. Um so übler ist er dafür in der Nachgoburtsperiode
daran, in welcher er ganz auf die Wehenthütigkcit angewiesen ist.
Desshalb hat auch G e r i c h in seinen 5 Fällen immer Nach¬
geburt sstörungen gehabt, 3 leichtere und 2 schwere. Wir haben
Atonien in der Nachgeburtsperiode eigentlich nicht erlebt. Aller¬
dings ist unter den 35 Fällen 4 mal die manuelle Placentarlösung
ausgeführt worden. Jndcss bestand in allen diesen Fällen Plu-
centa praevia, also eine Anomalie, bei welcher in Folge der Kares
ficirung der Muskelelemente im unteren Uterusabschnitte durch
die reichliche GefiissentWickelung sehr leicht Störungen in der
Nachgeburtsperiode eintreten, ganz abgesehen davon, dass wegen
der vorher schon bestehenden Anaemie eipe vitale Indication zur
manuellen Lösung viel eher als in anderen Fällen ein tritt. —
In einem Falle wurde nach vollständiger Beendigung der —
übrigens ganz spontan verlaufenen — Geburt eine geringe Nach¬
blutung beobachtet, die indess nach Darreichung von Cornutin
und sanfter Uterusmassage schnell gestillt wurde.
Ferner möchte ich noch kurz auf einige meist nicht schwer¬
wiegende Einwände eingehen, die der Hystereuryse hie und da
gemacht worden sind. — Die Maassnahmen bei derselben sind
von den gewöhnlichen geburtshilflichen Verfahren etwas ab¬
weichend, und der Kreissenden und der Hebamme ungewohnt,
so dass ich die Vermuthung gehört habe, mancher Arzt könnte
möglicher Weise aus diesem Grunde von der Hystereuryse Ab¬
stand nehmen. Wir können aber im Gegentheil bestätigen, dass
Hebammen und Kreissende schnell in ein freudiges Erstaunen
geralhen, wenn sie merken, wie gut der Versuch „künstliche
Wehen einzusetzen“ gelungen ist.
Eher mag Mancher auf die Methode verzichten, weil er
fürchtet, es könnte bis zur Geburt des Hystereurynters zu viel
Zeit verstreichen. Biermer hebt desshalb in seinem Vorwort,
indem er implicite die Berechtigung eines derartigen Einwandes
zugesteht und an die Geduld des praktischen Arztes appollirt,
gegenüber diesem Missstand die mannigfachen Vortheile des Ver¬
fahrens um so dringlicher hervor. Diejenigen, welche trotzdem
noch diesen Uebclstand als zu lästig erachten, möchte ich noch¬
mals darauf aufmerksam matdien, dass % von Bier in e r’s
Material sich aus künstlichen Frühgeburten rccrutiren, es han¬
delte sich also um Frauen, bei denen noch keine Geburtsvorgänge
aufgetreten waren, um Schwangere. In den Fällen aber, die der
praktische Arzt in erster Linie mit. der Hystereuryse behandelt,
werden meist schon, wie bei der grossen Mehrzahl der unsrigen, die
ersten Eröffnungswehen ihre Arbeit gethan und den während der
Schwangerschaft nicht zum ei bergenden Kaum benutzten Cervix-
theil bis auf einen mehr oder minder kleinen Rest aufgebraucht
haben; man hat also eine Kreissende vor sich und bei dieser hat
aber der Hystereurynter naturgemäss weniger Arbeit zu leisten
und wirkt dementsprechend schneller. Die Durchschnittszeit,
die in unseren Fällen bis zu seiner Ausstossung verstrich, betrug
3Vs* Stunden. Seine Wirkung war meist eine sehr prompte.
Während vorher in der Kegel nur objectiv einige leichte, nicht
schmerzhafte Uteruscontractionen wahrgenommen wurden, traten
bei der Hälfte der Fälle schon beim Umlegen der Frau in’s Längs¬
bett, oder doch innerhalb der ersten V-i Stunde, spätestens aber - -
mit wenigen Ausnahmen — innerhalb der ersten Stunde kräftige,
schmerzhafte Wehen auf, die mit dem Tiefertreten des Hyster¬
eurynters schliesslich den Charakter der Druckwehen annahmen.
ln der Mehrzahl der Fälle geschah die Ausstossung sogar schon
2 Stunden nach der Einführung. Diese Zeit bei einer Kreis¬
senden, die sich durch Placenta praevia in Lebensgefahr befindet,
zuzubringen, wird gewiss Niemanden reuen, zumal man sie dazu
benutzen kann, um die anaemische Frau wieder zu kräftigen.
Hat jedoch der Arzt die Hystereuryse bei Wehenmangel und bei
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Querlagen ausgeführt, so kann er sich getrost, nachdem er den
Weheneintritt constatirt hat, entfernen und seinen sonstigen
Geschäften nnchgehoü, bis er von der Geburt des Hystereurynter^
benachrichtigt, wird.
(Schluss folgt.)
Aus der Universitäts-Poliklinik für Nasen- und Ohrenkranke
in Bonn.
lieber Spätdiphtherie im Nasenrachenraum.*)
Von Privatdoeont Dr. E s c h w e i 1 e r.
Von den diphtheritIschen Erkrankungen der oberen Luft¬
wege ist die isolirte Spätdiphtherie des Nasenrachenraums selten
Gegenstand der Besprechung gewesen. Ich hatte Gelegenheit,
im Januar dieses Jahres einen einschlägigen Eall in der Poli¬
klinik zu beobachten, dessen Krankengeschichte folgende ist:
Am 22. Jan. brachte eine Mutter ihr dreijähriges Töchterelien
zur Klinik und gab an, dass dasselbe schon seit mehreren Tagen
über Halsschmerzen klage. Vor einer Woche habe es Diphtherie
Überstunden. Der Hausarzt sei am 25. Dec. zum letzten Male bei
dem Kinde gewesen und habe dasselbe für geheilt erklärt. Eine
Heilserum in jection sei nicht gemacht worden. Bei der Unter¬
suchung des ganz munteren und nicht fiebernden Kindes ergab
sieh nur eine leichte Rüthuug des Pharynx und der Gaumen¬
mandeln. von denen die rechte in mittlerem Grade vergrössert
war. Die Rhinoskopia anterior ergab normale Verhältnisse: es
war nieht möglich, bis in den Nasenrachenraum hinein zu sehen.
Die Khinoskopia posterior gelang, wie gewöhnlich bei so kleinen
Kindern, nicht. Da eine Wiederansiedelung von Diphtheri«*-
bacillon im Nasenrachenraum möglich war, uuterliess ich die digi¬
tale Untersuchung des Cnviim pharyngo-nasale. Im Uobrigen
aber neigte ich mehr zu der Ansieht, dass es sich um katarrha¬
lische Residuen der Angina diplitheritiea handle und verordnete
P r i e s s n i t z’sehen Umschlag und Trinken warmer Getränke.
Nach zwei Tagen kam die Mutter mit dem Kinde wieder lind
erzählte, dass am Abend vorher plötzlich Ausfluss aus der Nase
entstanden sei.
Es zeigte sich, dass nur aus dem rechten Nasenloch schleimig-
eitriges Secret entleert wurde. Nach Auswischen des Nasen-
vorhofs bemerkte man eine dicke gelblich - weisse Membran
zwischen unterer Muschel und Septum eingeklemmt. Die linke
Nasenlialfte war ganz frei. Im ltachen war derselbe Befund, wie.
am ersten Beobachtuugstage. Di«» Diagnose schwankte jetzt
zwischen drei Möglichkeiten: erstens konnte es sich um einen
Fremdkörper in der Nase handeln. Dafür sprach die einseitige
Eiterung mit Bildung membranöser Auflagerungen. Dagegen
sprach der Untersuchungsbefund von vorgestern, der die recht«*
Nasenseite frei ergeben hatte — in so kurzer Zeit ruft ein Fremd¬
körper selten eine starke reaetive Entzündung hervor. Zweitens
konnte Naseudiplitherie bestehen und zwar eine spät auftretemh»
secumläre Diphtherie, oder endlich konnte eine diphtherische
Membran, die im Nasenrachenraum gesessen hatte, in die Nase
entleert und dort festgehalten worden sein.
Zur Piagnosensbdlung führte ich eine sterile Cürette bei
sorgfältiger Fixation des Kopfes durch den mittleren Nasengang
nach hinten und versuchte die Membran herauszuholen. Ein
grösseres Stück von ihr blieb in der Cürette hängen und wurde
in sterilem Röhrchen zum hygienischen Institut geschickt. Bei
der Manipulation in der Nase des Kindes floss kein Tropfen Blut.
Nachdem Aristol iu die Nase eingeblasen war, wurde das Kind
entlassen. Bei der Untersuchung am nächsten Tage war der Be¬
fund fast derselbe. Ich spülte nun mit Hilfe der mit 5 proc. Bor-
säurelösung gefüllten Ballonspritze die Nase aus, indem ich die
Olive des Ballons in’s linke Nasenloch einsetzte, so dass der
Wasserstrahl aus dem rechten austrat, natürlich unter sehr ge¬
ringem Druck, um ein Eindringen des Wassers in die Tuben zu
verhüten. Dabei entleerten sich Membranfetzen, Schleim und Eiter.
Nachdem auf dieselbe Weise am folgenden Tag der Rest der Mem¬
bran entfernt war, blieb die Nase frei von pathologischem Secret
und Inhalt.
Die bacteriologischo Untersuchung des entfernten Membran¬
stückes nahm Herr Dr. Weissenfeld, Assistent am hygienischen
Institut vor; er hatte die Liebenswürdigkeit, mir mitzutheilen,
dass im Deckglaspräparat sich Bacillen fanden, welche als kleine
Diphtheriebacillen angesprochen werden mussten. Beim Cultur-
verfahren wuchsen auf der Platte Culturen von echten Diplitherie-
bacillen, die sich beim Impfversuch als virulent erwiesen. 1 c«*m
der Botiilloncultur tödtete Meerschweinchen in 30 Stunden.
Ich glaube in diesem Falle die Diagnose: Spätdiphtherie im
Nasenrachenraum stellen zu dürfen. Das Erscheinen einer diph-
theritischen Membran in der Nase wird darauf zurückzuführen
sein, dass sie aus dem Nasenrachenraum in die Nase hinein¬
geschnaubt wurde und dort liegen blieb. Gegen eine wahre
Diphtherie der Nase spricht die Einseitigkeit der Affection,
ferner das plötzliche Eintreten und Verschwinden der Nasensym¬
ptome und besonders die so leicht gelingende, selbst bei instru-
mentellor Manipulation unblutige Entfernung der Membran.
*) Nach einem in der Niederrheinischen Gesellschaft für
Natur- und Heilkunde in Bonn gehaltenen Vortrag.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
U. April‘190Ö.
MÜNCHENER MEDICINISCHE W0CHENSCHfttE1\
569
Die isolirte Diphtherie im Nasenrachenraum und zwar so¬
wohl die acute als auch die chronische ist sicher viel häufiger, als
den wenigen in der Literatur mitgetheilten Fällen entspricht.
Es liegt dies daran, dass bei der Schwierigkeit, isolirte Erkran¬
kungen im Nasenrachenraum kleiner Kinder nachzuweisen, die
Diagnose: Diphtherie nicht gestellt wird, oder dass die Diph¬
therie erst manifest wird, wenn secundäre Erkrankungen vom
Nasenrachenraum ausgehen, die dann als primäre Diphtherie an¬
gesehen werden. Vielfach wird der Nasopharynx, auch wo es
möglich ist, überhaupt nicht untersucht. Mit Unrecht, denn es
liegt auf der Hand, dass die dritte Mandel, die Pharynxtonsille,
ebenso an Diphtherie erkranken kann, wie die Gaumenmandeln,
und dass die Erkrankung auf den Nasenrachenraum beschränkt
bieiben kann. Sicher würden manche Fälle von Fieber ohne
nachweisbare Ursache, hartnäckige Rhinitiden, Lähmungen diph¬
therischer Art ohne constatirte Diphtherie, endlich manche
schwer verlaufende und zu grossen Zerstörungen führende Mittel¬
ohreiterungen in ihrer Entstehung klar sein, wenn eventuell ein
Nachweis von isolirter Rachenmandeldiphtherie erbracht worden
wäre.
Wahrscheinlich sind eine grosse Zahl von sogen, primärer
Rhinitis fibrinosa diphtheritica nicht in der Nase entstanden,
sondern im Nasenrachenraum. Wenn wie in unserem Falle die
Membranen in die Nase entleert werden, so kann natürlich sehr
leicht eine diphtheritische Rhinitis zu Stande kommen.
Besonders die einseitige diphtherische Rhinitis möchte
ich hierhin rechnen.
Mit den bisher gemachten Erfahrungen über chronische, resp.
spät wieder exacerbirende Diphtherie der oberen Luftwege stimmt
unser Fall in den wesentlichen Punkten überein. Zunächst in der
langen Dauer der Erkrankung vom ersten Auftreten bis zur end-
giltigen Heilung. Viel citirt wird der Fall von C a d e t de
Gassicour t 1 ), wo 61 Tage nach der Tracheotomie noch Mem¬
branen ausgehustet wurden. Auch von W a 1 b") sind Fälle be¬
schrieben, wo noch wochenlang diphtherische Membranen aus
dem Nasenrachenraum entfernt wurden. Häufiger als eine
solche Dauerproduction von Membranen ist die Tenacität der
Bacillen betont worden. Vielleicht hat in diesen Fällen Mem¬
branbildung im Nasenrachenraum bestanden, von wo aus der
Rachenschleim immer wieder mit Bacillen beschickt wurde. Für
diese Annahme spricht unter anderm der von Abel 3 ) erhobene
Befund, dass nach Schwinden der Membranbildung bei primärer
Rhinitis fibrinosa diphtheritica auch in kurzer Zeit die Bacillen
nicht mehr nachweisbar waren. In unserem Falle wurden 10 Tage
nach Entfernung der Membran im Nasenschleim keine Diph-
theriebacillen mehr gefunden. Es würde interessant sein, durch
locale Behandlung des Nasopharynx nach scheinbar abgelaufener
Diphtherie festzustellen, ob nicht auf diese Weise ein früheres
Verschwinden der Diphtheriebacillen aus Nase und Rachen sich
erzielen liesse.
Endlich ist bei der Spätdiphtherie in der Regel das All¬
gemeinbefinden der Patienten wenig gestört. Auch im vorliegen¬
den Fall war die Kleine ganz munter und fieberfrei. Es handelt
sich offenbar um eine Gewöhnung des Organismus an das Diph¬
theriegift, um eine relative Immunität des Individuums, nicht
aber immer um eine Abschwächung der Virulenz der Bacillen.
Manche Autoren haben zwar eine gewisse Herabsetzung der Viru¬
lenz gefunden — bei Gerber und P o d a c k 4 ), denen wir sehr
sorgfältige Untersuchungen verdanken, starben die geimpften
Meerschweinchen meist nach mehr als 30 Stunden, oft nach mehr
als 3 Tagen — in unserem Falle erfolgte der Tod der Thiere nach
30 Stunden.
Uebrigens verlaufen nicht alle Fälle so günstig. Es kann
besonders bei Constitutionsanomalien der Patienten nicht nur
schwere Störung des Allgemeinbefindens, sondern auch eine sehr
ausgedehnte Uleerirung im Nasenrachenraum entstehen, die
lange Zeit hindurch jeder Therapie trotzt und endlich mit Hinter¬
lassung grosser Narben und Defecte heilt. Derartige, auf den
0 Gazette hebdomad. de möd. et de Chirurgie 1876, citirt nach
Gerber und P o d a c k.
*) Ueber chronische Dlphtheritis des Rachens. Berl. klin.
Wochenschr. 1882, No. 50.
*) Zur Kenntniss des Diphtheriebacillus. Deutsch, med.
Wochenschr. 1894, S. 692.
4 ) Ueber die Beziehungen der sogenannten primären Rhinitis
fibrinosa u. s. w. zum Diphtheriebacillus. Deutsch. Arch. f. klin.
Medicln 1895, Bd. 54, S. 262.
No. 17.
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nicht direct sichtbaren Pharynx beschränkte Erkrankungen an
Spätdiphtherie sind zuerst von W alb“) publicirt worden. Mit
der im Thierexperiment constatirten Virulenz ist erwiesen, dass
eine Uebertragung der Spätdiphtherie auf andere möglich ist.
Auch in diesem Falle liess sich hierfür der Beweis erbringen,
denn die Mutter unserer Patientin gab nachträglich an, dass sie
zur Klinik gekommen sei, als ihr Söhnchen, welches bis dahin
von seiner Schwester getrennt gewesen sei und eben erst wieder
in einem Bett mit ihr geschlafen habe, auch an Rachendiphtherie
erkrankt sei.
Das Factum von der Erhaltung giftiger Bacillen so lange
Zeit hindurch mahnt auf’s Dringendste zu grosser Vorsicht be¬
treffs Isolirung der erkrankten Kinder. Hier hatte die Mutter
geglaubt, nach 4 Wochen sei die Gefahr der Ansteckung vorbei
und dennoch fand eine solche statt. Die Forderung einer minde¬
stens 4 wöchigen Isolirung, wie sie z. B. von Henoch*) gestellt
wird, ist also noch nicht streng genug.
Als unterstützendes Moment für das Auftreten der Spätdiph¬
therie glaube ich in unserem Falle die adenoiden Vegetationen be¬
trachten zu dürfen, welche ich nach dem Verschwinden aller
acuten Symptome durch Digitaluntersuchung nachwies. Das
Kind hat im Nasenrachenraum einen vielfach zerklüfteten
Zapfen von adenoidem Gewebe, der sicher besonders geeignet ist,
den Diphtheriebacillen einen ungestörten langen Aufenthalt zu
erlauben.
Therapeutisch empfehlen sich bei der chronischen Nasen¬
rachendiphtherie vorsichtige Ausspülungen des Nasopharynx mit
der Ballonspritze auf die angegebene Weise. Nur der Arzt darf
dieselbe vornehmen, da die Bemessung des Wasserdrucks viel
Geschick erfordert, um ein Eindringen der Flüssigkeit in Tube
und Mittelohr zu verhüten. Wer sich nicht durchaus sicher im
Gebrauch der Ballonspritze weiss, nehme lieber einen das Nasen¬
loch nicht verschliessenden Ansatz an Stelle der Olive. Auch der
Irrigator darf unter keinen Umständen den Angehörigen des
erkrankten Kindes in die Hand gegeben werden.
Zur Spülflüssigkeit kann ein mildes Antisepticum, z. B. Bor¬
säure, verwendet werden. Die Hauptrolle Spielt natürlich die
mechanische Entfernung der Auflagerungen. Wenn die Kinder
gurgeln können, so ist es zweckmässig, auch gurgeln zu lassen,
denn bei Anwesenheit von diphtherischen Membranen im Nasen¬
rachenraum wird auch die Gegend der Gaumenmandeln stets
von bacillenhaltigem Seeret erfüllt sein. Besser noch als Gur¬
geln wirkt die Anwendung des Zerstäubers, der besonders aus¬
giebig bei kleinen, nicht gurgelnden Kindern zu brauchen ist.
Wie man sich gegenüber der Serumtherapie bei chronischer
Diphtherie verhalten soll, möchte ich weder im befürwortenden,
noch ira verwerfenden Sinne entscheiden. Da eine gewisse Im-
; munität des Organismus gegen das Diphtheriegift besteht, so
kann eingewendet werden, dass die künstliche Immunisirung
nicht mehr nöthig sei. Andererseits ist von der Injection, so
lange Bildung von Membranen besteht, auf die rasche Abstossung
derselben ein ähnlich günstiger Einfluss zu erhoffen, wie er bei
der acuten Diphtherie so oft beobachtet wird. Von Fall zu Fall
wird man sich entscheiden müssen.
Nach Abheilung des acuten Processes und nach Ver¬
schwanden der Bacillen aus Nase und Rachen ist die Entfernung
der adenoiden Vegetationen indicirt, besonders auch um eine
Wiedererkrankung an Diphtherie zu verhüten. Der besprochene
Fall möge daran erinnern, dass die Hyperplasie der Rachen¬
mandel nicht nur dann als eine Schädlichkeit betrachtet werden
darf, wenn sie Nasenstenose oder Gehörleiden veranlasst, sondern
dass auch zu prophylaktischen Zwecken die ungefährliche Opera¬
tion vorgenommen werden soll.
Aus der Dr. V u 1 p i u s’schen orthopädisch-chirurgischen Heil¬
anstalt in Heidelberg, Abtheilung für Unfallverletzte.
Zur Casuistik der Sehnenzerreissungen.
Von Oscar Vulpius.
Die subcutanen Zerreissungen, resp. Abreissungen von
Sehnen sind in neuerer Zeit häufiger beschrieben worden, sind
aber doch nicht gerade alltägliche Vorkommnisse.
Im Lauf der letzten 3 Jahre gingen unserer Anstalt 7 solche
s ) 1. c.
'■) Vorlesungen Über Kinderkrankheiten, 9. Aufl., 1897.
2
Original fröm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
670
MÜNCHENER MEDlCtNlSCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17
Fälle zu, von denen zunächst 2 die Strcckmusculatur des Vorder¬
armes, 1 die Strecker am Unterschenkel betrafen.
Die Zcrreissungen entstanden hier durch Einwirkung
stumpfer Gewalt, bedingten schwere functioneile Störungen,
boten aber im Uebrigen kein besonderes Interesse.
Zwei weitere Verletzte zeigten eine Abreissung der langen
Bicepssehne. Bei dem einen derselben war das Bild so charak¬
teristisch, dass ich es hier wiedergeben möchte.
Ein G4 .Tahre alter Schiffstaglöhner war mir wegen der Folgen
einer anderweitigen Verletzung zur Begutachtung überwiesen.
Als bei ihm zufällig die Bicepsruptur entdeckt wurde, gab er
an. dass er vor, 2—3 Jahren ohne bekannte Ursache Schmerzen im
linken Arm verspürt
habe und dass er vor¬
übergehend beim Aus-
und Anziehen etwas
gehindert gewesen sei.
Er habe aber bald
wieder arbeiten kön¬
nen wie vorher und
sei nur durch die Ver¬
dickung gelegentlich
daran erinnert wor¬
den, dass am Arm
etwas nicht ganz in
Ordnung ist.
Wenn der linke
Arm ruhig herab-
liiingt, so bemerkt
man oberhalb des
Muskelbauches des
Biceps eine Delle, die
rechts fehlt. Dieselbe
wird bei passiver
Beugung des Ell¬
bogens noch deut¬
licher.
Wird eine active
krä ft ige Contraction
des Muskels gemacht,
so windet sich der¬
selbe eigenthümlich
wie ein Wurm und
nimmt die wurst¬
förmige Gestalt an,
wie die Fig. 1 sie zeigt.
Die Palpation lässt erkennen, dass die lange Bicepssehne fehlt,
während der kurze Bauch sich anspannt Der Muskelbauch hat
sich offenbar von der Sehne gelöst und ist am Oberarm herab-
gerutscht.
Auffallend ist die fast symptomlose Entstehung der Ver¬
letzung, die keinerlei functioneile Störungen hinterliess.
Während diese Zerreissungen des Biceps schon öfters be¬
schrieben worden sind, dürfte die bei unserem 6. Patienten con-
statirte Verletzung des Latissimus eine seltene Localisation dar¬
stellen.
Der 32 Jahre alte Mann wollte beim Turnen am Barren die
sogen. Kippe ausführen. Bei dieser Uebung muss der Aufschwung
vom Boden aus mit vorgestreckten Armen gemacht werden. Der
Latissimus hat dabei, während er passiv gedehnt ist, eine sehr
energische Contraction zu machen. Im Moment des Schwunges
fühlte der Turner einen hörbaren Krach, „als ob sein Hemd zer-
reisse“, dann mässigen Schmerz. Als der musculöse Verletzte nach
3 Wochen zur Untersuchung kam, war der Muskel angeschwollen,
kaum druckempfindlich. Bei der Contraction rollte er sich in
seiner äusseren Hälfte geradezu kugelig zusammen, der Cou-
tractionswulst rückte weit nach unten, die Lücke in der hinteren
Axillar wand war sehr auffallend.
Eine functioneile Störung war so gut wie nicht vorhanden.
Der Zustand ist seit einem Jahre unverändert geblieben.
Die eigentliche Veranlassung zu dieser Mittheilung bildete
indessen der nunmehr genauer zu schildernde 7. Fall, der eine
doppelseitige Abreissung der Quadricepssehne am oberen Kami
der Patella darstellt.
Der beim Eintritt in unsere Anstalt 6G Jahre alte Fuhrwerks¬
besitzer F. war immer gesund und ein ungewöhnlich rüstiger Fuss-
gänger gewesen.
Bis vor einigen Jahren will er neben seinem Lastwagen her¬
schreitend Touren von 10—20 Stunden regelmässig gemacht haben.
Vor 5 Jahren stieg er eine kleine Treppe hinunter, that dabei mit
dem rechten Fuss einen ungeschickten Tritt, fühlte ein Krachen
im Kniegelenk und brach zusammen, als er sich beim nächsten
Schritt wieder auf das Bein stützen wollte.
Das stark geschwollene Gelenk wurde mit Umschlägen be¬
handelt. Nach einigen Wochen nahm er allmählich wieder die
Arbeit auf. Die Gehfähigkeit besserte sich sehr, wenn auch etwas
Hinken zurückblieb. Er konnte wieder ca. G Stunden nach¬
einander gehen, Frachtgut abladen u. s. w.
Am 8. VI. 1897 hatte er wieder einen G stündigen Marsch ge¬
macht. Abends stürzte er plötzlich beim ruhigen Gehen auf
ebenem Boden zusammen.
Nun schwoll das linke Kniegelenk an, er vermochte nicht mehr
zu stehen.
Als er am 7. Tage nach der Verletzung in meine Behandlung
kam, liess sich bei dem kräftig gebauten, aber fettarmen Manne
folgender Befund feststellen:
Der rechte Oberschenkel erscheint abgemagert. Die Knie¬
scheibe prominirt stark mit ihrem oberen Rand (vgl. Fig. 2), dar¬
über liegt eine tiefe Furche, deren Grund das Femur bildet.
Der Unterschenkel kann activ bis 150° gestreckt werden, wo¬
bei der abgerissene untere Rand des Quadriceps 3 Querfinger über
der Kniescheibe fühlbar wird.
Dicke Fascienstränge — der Reservestreckapparat — springen
beiderseits mächtig vor.
Bei der Beugung des Kniegelenkes sieht man die Condylen
des Femur, die Fossa intercondylica bis zu den Kreuzbändern
geradezu durch die straff angespannte Haut hindurch, die Patella
rückt weit abwärts.
Das linke Kniegelenk, dessen Haut sich stellenweise blut¬
unterlaufen zeigt, ist durch einen Erguss stark geschwollen. Man
fühlt, dass auch auf dieser Seite der Quadriceps dicht an der
Patella abgerissen, aber nur um Fingerbreite zurückgewichen ist
Active Streckung ist völlig unmöglich. Bei der Beugung ver-
grüssert sich die Diastase sehr beträchtlich, so dass 3 Querfinger
in der Lücke Platz finden, wobei man deutlich das verdickte freie
Ende des Muskels resp. der Sehne fühlt.
Am 9. Tage nach der Verletzung wurde zur Operation ge¬
schritten. Von einem Längsschnitt aus wird die Rissstelle frei¬
gelegt. Es zeigt sich nach Entleerung des blutigen Ergusses ein
Querriss dicht an der Basis der Kniescheibe, aber von da aus auch
nach beiden Seiten die Gelenkkapsel durchsetzend, so dass das Ge¬
lenk in der Hälfte seiner Peripherie eröffnet ist.
Die abgerissene Quadricepssehne zeigt einen unregelmässig
zerfetzten Rand und namentlich auf ihrer Innenfläche eine gerade¬
zu schwefelgelbe Verfärbung als Ausdruck hochgradiger fettiger
Degeneration. Nach erfolgter Reinigung der Gelenkhöhle wird die
Gelenkkapsel mit einer Reihe von Catgutnähten geschlossen und
mit starkem Catgut die Quadricepssehne mit dem Periost der
Patella und zurückgebliebenen sehnigen Antheilen fest vernäht.
Die Hautwunde wird mit Silkworm vereinigt. Die Heilung
erfolgte unter dem sofort in Strecksteilung angelegten Gipsverbaud
reactionslos.
Nach 4 Wochen fing Patient in einem inzwischen construirten
Schienenhülsenapparat zu gehen an.
Nachdem er noch einige Tage massirt worden war, ging er
nach Hause.
Ich habe 1% Jahre später Gelegenheit gehabt, eine Nachunter¬
suchung vorzunehmen, und erfahre jetzt, dass der Zustand auch
heute noch ein unverändert günstiger ist.
Der Apparat wurde zu Hause bald bei Seite gelegt, die Berufs¬
tätigkeit wieder auf genommen. Der Mann hat kaum mehr Be¬
schwerden, er geht wieder andauernd, steigt behende auf den Bock
u. s. w.
Die Naht hat durchaus gehalten, das Kniegelenk ist völlig
frei und kräftig beweglich sowohl in Beugung wie in Streckung
und zeigt ausser der unbedeutenden Incisiousuarbe keine Ab¬
normität.
Der Fall ist in verschiedener Hinsicht nicht ohne Interesse.
Was zunächst die Aetiologie angeht, so ist hierüber
nicht allzu viel bekannt, abgesehen von den wenigen Fällen, wo
eine directe Gewalt die Sehne trennte. Die Einen glaubcu,
dass die Zcrreissung im Kniestreckapparat und speciell die Lo¬
calisation des Risses am Ligament, innerhalb der Patella oder
an der Sehne durch die Zugrichtung im Moment der Verletzung,
durch Hebelwirkung u .dergl. zu erklären ist. Andere halten
nicht dafür, dass willkürliche Muskelcontraction an und für sich
eine Ruptur erzeugen kann.
Anhaltspunkte für einen krankhaften Zustand des Streck¬
apparates, der die Zerreissung begünstigen könnte, sind selten
gefunden worden. M a y d 1 beobachtete 1 mal fettige Degenera¬
tion, Hafemann constatirte 2mal Tabes.
Köhl und Wunsch sahen Knorpelkörper in die Sehne
eingelagert. Ersterer fand ausser 3 soliden Einlagerungen
einen analogen freien Gelenkkörper und nahm eine chronische
Arthritis als Ursache an. Wunsch constatirte die Knorpel-
Fig. 1.
□ igitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY qF_CAUFORNJA
24. April 1900.
MÜNCHENER MEDJCIN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
571
bildung beiderseits und diagnosticirte mit Wahrscheinlichkeit
eine Exostosis tendinea.
In unserem Falle handelte es sich unzweifelhaft um eine sehr
erhebliche fettige Degeneration. Die mikroskopische Unter¬
suchung eines excidirten Sehnenstückchens stützte diese Diagnose.
Es liegt nahe, diese Entartung auf die langjährige und ausser¬
ordentliche Ueberanstrengung der Beimnuskeln zu beziehen, da
der Mann ja als Fussgänger geradezu unermüdlich gewesen zu
sein scheint.. Dafür spricht auch die Art der Entstehung: Beim
ersten Einriss ein unbedeutendes Fehltreten, beim zweiten keine
andere Ursache als ruhiges Gehen auf glattem Boden, also nor¬
male funetionelle Inanspruchnahme der Sehne.
Der Rückschluss ist somit wohl erlaubt, dass bei Fällen, wo
ohne Trauma die Abreissung eintrat, wohl eine ähnliche De¬
generation Vorgelegen haben mag, so z. B. bei einem von M a y d 1
erwähnten Patienten, dem beide Sehnen durchrissen, während
er ruhig auf einer Treppe stand.
Die Abreissung der Sehne direct an der Patella, wie in
unserm Falle, scheint die häutigste Localisation des Quadriceps-"
sehnenrisses darzustellen. Walz fand sie unter 67 Fällen 25 mal
am Patellarrand, 13 mal dicht darüber, nur 12 mal im Verlauf der
Sehne höher oben.
Dass die Verletzung doppelseitig zu Stande kam, wie bei
unserem Patienten, ist ziemlich selten mitgetheilt worden, den
11 derartigen von Walz in der Literatur gesammelten Fällen
wäre ausser dom meinigen auch ein Patient von Champion-
niere beizufügen. Gelegentlich tritt die Ruptur gleichzeitig
au beiden Beinen ein, wie bei dem oben erwähnten Kranken
M a y d Fs, manchmal erfolgt die Zerreissung auf der anderen
Seite erst nach Jahren, bei unserer Beobachtung nach 5 jährigem
Intervall, bei einem von Hafemann citirten Fall erst nach
6 Jahren.
Das Krankheitsbild ist so charakteristisch, dass ein
Verkennen kaum möglich ist, namentlich wenn ein blutiger Ge-
fenkerguss nicht oder in geringem Maass entstanden oder bereits
zurückgegangen ist.
Die Lücke über der Patella, die mehr weniger breit den
Finger direct auf das Femur gelangen lässt, das kolbig verdickte
und bei der Contraetion sich hiuaufziehende freie Sehnenende,
die prominirende Patella, und, was Riedin ger als charakte¬
ristisch hervorhebt, das Ilervortreten der Facies patellaris bei
der Beugung, endlich die Unfähigkeit der activen Streckung —
diese Reihe von Symptomen springt sofort in dei Augen.
Die Prognose hängt, wie Wunsch sagt und wie unser
l all beweist, davon ab, wie weit der Riss sich nach beiden Seiten
hin ausdehnt und den sogenannten Reservestreckapparat, die
lateralen Fascienstränge, die sehnigen Ausläufer des Vastus
medialis und lateralis in Mitleidenschaft zieht. Bei unserem
Patienten war die erste Verletzung eine auf die Rectussehne
beschränkte, die Function des Kniegelenkes stellte sich in ge¬
nügender Weise wieder her, ebenso wie dies von manchen Fällen
in der Literatur berichtet wird.
Reisst die seitliche Kapselwand nicht ein, so bleibt auch die
Diastase der Sehne meist eine geringe, eine spontane Heilung
kommt manchmal zu Stande.
Durchsetzt aber der Riss die ganze Vorderkapsel, so ist und
bleibt die funetionelle Störung eine sehr erhebliche. Es stehen uns
dann nur zwei Wege zur funetionellen Wiederherstellung offen.
Entweder geben wir einen Schienenhülsenapparat, der mit dem
künstlichen Quadriceps, den über dem Gelenk gekreuzten Gummi¬
gurten, versehen ist, in der Weise, wie ihn unser Patient zur
Sicherung der Sehnennarbe, zur Verhütung starker Beugung
einige Zeit trug.
Oder aber wir schreiten zur operativen Vereini-
8 u ng des Sehnenrisses. Ueber solche Operationen wurde be¬
richtet von Liste r, Roxbury, Kaufmann, Midel-
fast, Köhl, Champion niere (2), Helferich, König,
denen sich nun mein Fall als 10. anreiht.
Die Naht wurde in verschiedener Weise ausgeführt. L i s t e r
nähte die losgelösten Vasti an die Patella bei einem insofern
dem meinigen analogen Fall, als doppelseitige Zerreissung vor¬
lag, nur eine Seite operirt wurde. Helferich spaltete die
Sehne in frontaler Richtung in zwei Lappen, zwischen welche er
die Kniescheibe befestigte. Championniere legte durch
den Muskel einen Drahtring und zog diesen mittels zweier Längs-
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drähte gegen die Patella hinunter. In anderen Fällen gelang,
wie bei meinem Patienten die lineäre Vereinigung mit starkem
Catgut, Känguruhsehnen, Silberdraht.
Die Erfolge waren durchweg günstig, die Streckfähigkeit
wurde wiederhergestellt, wenn auch nicht immer vollkommen.
Allerdings wurde die Beugung nicht immer bis zum rechten
Winkel wieder möglich.
Der Fall von Champion niere war insofern interessant,
als er nach einfacher Drahtnaht ein Recidiv erlebte, das er dann
durch die oben beschriebene complieirtere Naht beseitigte. Das
Röntgenbild zeigte später, dass die eingeheilten Drähte zwar sich
gelöst hatten, dass aber inzwischen die Sehne eine genügend
feste Narbe erhalten hatte.
Die Dauerhaftigkeit des Resultates ist ebenfalls be¬
reits sicher gestellt. Unter anderem constatirte Champion¬
niere bei seinem ersten Fall nach 4 Jahren ein unverändertes
Bestehen des guten Resultates.
Dass auch mein Patient nach 2% Jahren recidivfrei und
völlig mobil ist, muss eigentlich Wunder nehmen. Denn die hoch¬
gradige Degeneration de« Sehnengewebes liess eine so geringe
Widerstandskraft des Streckapparates annehmen, dass bei der
rücksichtslosen Inanspruchnahme des Quadriceps ein erneutes
Zerreissen fast wahrscheinlich war. Diese glücklicher Weise un¬
bestätigt gebliebene Befürchtung hielt mich auch bisher von der
Mittheilung des stets im Auge behaltenen Falles zurück.
Freilich kann das Unglück immer noch nachkommen. Sind
doch Fälle bekannt, wo der spontan geheilte Riss nach 7 % Jahren
sich wiederholte.
Immerhin dürfte doch die Reihe gelungener Operationen
im Hinblick auf die Einfachheit und Ungefährlichkeit des Ein¬
griffes dem schon wiederholt auf gestellten Satz zur Unterlage
dienen: Bei jeder funetionelle Störungen
machenden Zerreissung der Quadr iceps-
sehne ist die Sehnennaht i n d i c i r t.
Dass die, frühzeitig ausgeführte Operation die besten Er¬
folge auf weist, wie in unserem Fall, liegt auf der Hand, da hier
der Quadriceps noch nicht der Atrophie verfallen ist.
Schliesslich sei noch ein Fall von Zerreissung des Streck¬
apparates erwähnt, der wegen der Aetiologie unser Interesse in
Anspruch nahm.
Die 51 Jahre alte Frau S. fiel am 23. XII. 1899 im Zimmer hin
und konnte nicht mehr auf dem Bein stehen. Am 25. XII. wurde
ich gerufen und fand eine mächtige Schwellung der linken Knie¬
gelen ksgegeud mit Erguss in’s Gelenk.
Die Gegend des Ligamentum patellae war äusserst schmerz¬
haft. Suchte mau das Band seitlich zu verschieben, so fühlte man
Crepitation und als Ursache derselben ein bewegliches Kuocheil-
stiiek, das der Tuberositas tibiae entsprach.
Active Bewegung des Beines, Aufheben desselben von der
Unterlage war unmöglich.
Die Diagnose lautete demgemäss auf Abreissung des Ligamen¬
tum patellae proprium nebst der Tuberositas tibiae.
Nachdem durch nasse Wickelung, Hochlagerung, Massage der
Eiguss zurückgebracht. war. ohne dass funetionelle Besserung oin-
getreten wäre, schritt ich zur Operation, behufs Annähung der ab-
gesprengten Tuberositas.
Am 4. I. 1900 wurde das Ligament mit einem seitlichen Längs¬
schnitt freigelegt, der grössere Theil derselben war in der That
mit einer Knochenplatte abgerissen. Zugleich aber zeigte sich
neben der Sehne vorquellend graues, granulationsartiges Gewebe.
Per scharfe Löffel gerätli in einen weichen Tumor, nach dessen
Entfernung im oberen Ende des Schienbeins eine apfelgrosse
Höhle bestand. Ringsum stand nur eine dünne Knochenschale,
aus deren vorderer Wand die an der Sehne haftende Knochenplatte
ausgebrochen war. Oben wurde die Höhle von dem missfärbigen,
theilweise perforirten resp. usurirten Gelenkknorpel begrenzt. Die
Höhle wurde möglichst gründlich ausgeräumt, desinfleirt, mit Jodo-
foimemulsion gefüllt. Von einer Knochennaht wurde Abstand
genommen. Die Hautwunde wurde völlig geschlossen.
. Die Heilung erfolgte glatt, ohne jede Störung.
Die im pathologischen Institute freundlichst ausgeführte
mikroskopische Untersuchung bestätigte unsere Diagnose: Es
handelte sich um ein myelogenes Riesenzellensarkom.
Nachträglich gab nun die Patientin an, dass sie wohl schon
einige Monate rheumatische Schmerzen im Bein gehabt, aber bis
zum Unfall den Haushalt geführt habe und ziemlich gut zu Fuss
gewesen sei.
Die Einwilligung zu einer radicaleren Operation wurde uns
zunächst nicht gegeben, die Patientin befindet sich in Beobachtung
und macht eine Arsenikcur durch.
Merkwürdiger Weise hat sich die Gelenkfunction unerwartet
gut wiederhergesteilt. Das Bein wird nicht nur bis zum Rechten
gebeugt, sondern auch völlig und kräftig gestreckt. Die Frau
2 *
Original fro-m
UNIVERSUM OF CALIFORNIA
572
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
kann wieder gehen, hat keine Beschwerden und hofft, dass der
Unfall ein Glücksfall war, indem er die Veranlassung zur Ent¬
deckung und Entfernung der bösartigen Neubildung gab.
Literatur über Zerreissung der Quadriceps-
sehne:
1. L. Championniöre: Sur l’emploi etc. Aunales de
Chirurgie et d’orthopödie 1898, No. 4. — 2. Doebbelin: Behand¬
lung Irischer Verletzungen etc. Deutsch, med. Wochenschr. 1899,
No. 49. — 3. Hafemann: lieber subcutaue Zerreissung etc.
Dlss. med., Berlin 1889. — 4. Kaufmann: Correspondenzbl.
f. Schweizer Aerzte 1888, 15. Mai. — 5. Klingel*: Ueber Muskel-
zerreissung. Dlss. med., Leipzig 1897. — 0. Köhl: Correspondenzbl.
f. Schweizer Aerzte 1893. — 7. Oberbeck: Zerreissungen der
Qnadrlcepsselme. Diss. med., Berlin 1888. — 8. Riedinger:
TJeber Riss Verletzungen der unteren Extremitäten. Monatsschr. f.
Unfallheilk. 1898, No. 10. — 9. Roxbury: Centralbl. f. Chir.
1879. — 10. W a 1 z : Zum Mechanismus der subcut. Zerreissungen.
Deutsch. Zeitschr. f. Chir., Bd. 44, p. 430. — 11. Wunsch: Ab¬
riss der Quadricepssehne. Deutsch. Zeitschr. f. Chir., Bd. 43,
p. 613.
Ueber Muskel- und Sehnenrisse im Biceps brachialis
Von Dr. Ernst Pagenstecher, Oberarzt am Diakonissen-
haus Paulinenstift zu Wiesbaden.
Im Jahre 1895 veröffentlichte ich in der Berl. klin. Wochen¬
schr. No. 16 2 Fälle von Rissen im Biceps brachialis, darunter
einen von Abriss des langen Kopfes. Seitdem habe ich Gelegen¬
heit gehabt, ziemlich kurz hintereinander wieder 2 Fälle zu sehen,
so dass ich glaube, sie sind nicht allzuselten. In der Literatur
sind auch, soweit mir erinnerlich, seitdem ebenfalls noch welche
auf gezeichnet. Trotzdem hat mir gerade der letztbeobachtete
gezeigt, dass offenbar die Affection vielerorts nicht recht be¬
kannt sein muss; daher möchte ich die Aufmerksamkeit hier
nochmals auf das charakteristische Krankheitsbild lenken. Ich
beschränke mich auf die Risse des langen Kopfes; es kommen
auch Risse und Abrisse der gemeinsamen distalen Sehne vor.
Diese geben natürlich ein anderes Bild.
Normaler Weise bildet der lange Kopf des Biceps einen
Wulst von gleichmässiger Consistenz zwischen Ellbogenbeuge
und Deltaansatz. Der Uebergang in die Sehnen erfolgt ziemlich
rasch. Bei weniger museulösen Leuten hat der Bauch eine mehr
cy lind rische Gestalt, bei Athleten bildet er mehr einen derben
Wulst, der fast kugelig wird; immer aber bleibt charakteristisch,
dass die Muskelsubstanz nach oben bis an den Delta reicht und
bei Contraction beide dicht aneinander grenzen nur durch eine
seichte Furche getrennt. Reisst nun der Kopf ein, so ändert sich
das. Es kann nun die Sehne selbst reissen oder aus dem Gelenk
rei8sen. Meist erfolgt der Riss in dem oberen Theil des Bauches,
da wo die Sehne beginnt. Bei Contraction zieht sich dann der
Bauch nach der Ellbogenbeuge hin zusammen und bildet einen
vorspringenden Wulst, oberhalb dessen eine Grube erkenn¬
bar wird, welche mehr minder direct auf den Knochen führt. In
frühen Stadien kann man den erschlafften Bauch durch
massirende Bewegungen nach oben an seinen natürlichen Ort
schieben, so dass dann zwischen beiden Armen kaum eine Diffe¬
renz besteht. Dies ändert sich dann wieder sofort zu dem vorher
beschriebenen Bild, sobald wieder angespannt wird. Später
scheint der abgerissene Theil zu atrophiren, da er keine Function
mehr leistet, und dann ist das Manöver, ihn nach oben zu schieben,
nicht mehr auszuführen. Auch wird bei Contraction der Wulst
kleiner. Merkwürdig ist aber doch, dass selbst nach 2 Jahren
noch ein Unterschied zwischen Ruhe und Anspannung zu er¬
kennen ist. Vielleicht dass die Fasern an Fascientheilen an-
wachsen und dadurch einen neuen, freilich nutzlosen Stützpunkt
bekommen. Immer bleibt die Grube bestehen und lässt noch nach
Jahren erkennen, welche Verletzung seinerzeit stattgefunden hat.
Ein zweites wichtiges Moment wird durch den eigentüm¬
lichen Verlauf der langen Seime bedingt. Sie erreicht durch den
Sulcus bicipitalis das Schultergelenk, und legt sich über den
Kopf hinweg, um am oberen Rand der Gelenkpfanne sich anzu¬
setzen. Daher gibt sie einen Widerhalt gegen den Kopf und
presst ihn bei ihrer Anspannung durch Contraction des Muskels
gegen die Gelenkfläche an. Weim sie nun an irgend einer Stelle
durchreisst, oder ihr Muskel, und letzterer daher seine Spannung
nicht mehr auf sie zu übertragen vermag, so hat der Kopf, wie
schon altere Beobachter hervorheben, die Neigung zu einer Sub¬
luxation; er tritt nach vorn und oben.
Dies Vorkommen ist jedoch nicht die Regel. Es fehlte sogar
in dem von mir früher mitgetheilten ersten Fall, obwohl dort an¬
genommen werden musste, dass die Sehne aus dem Gelenk heraus¬
gerissen war. Warum es hier nicht eintrat, ist nicht klar ge¬
worden. In anderen Fällen mag das Phänomen desshalb fehlen,
weil der Riss des Muskelbauches kein completer war. Fiel er so,
dass zwar die Musculatur sich durchtrennte, aber die Fascie, etwa
in hinteren oder seitlichen Thcilen erhalten blieb, so hat zwar die
Musculatur keine Kraft, aber die Sehne genug Spannung, um
den Kopf noch niederzuhalten. Zu dieser Kategorie gehören wohl
die meisten Fälle, die man sieht, der zweite, in der früheren
Arbeit beschriebene, und ein neuerdings beobachteter.
Er betraf einen muskelkräftigen Herrn, der beim Kegel¬
schieben einen plötzlichen Schmerz im Oberarm und seitdem an¬
dauernd massige Schwäche und Schmerzen in demselben bemerkt
hatte. Der Befund war typisch. Der Riss sass im oberen Drittel
des Muskelbauches. Eine Verschiebung des Kopfes des Oberarms
bestand nicht.
In diesen Fällen bleibt also, wie erwähnt, die typische Grube
oberhalb des abnorm retrahirten Muskels deutlich, aber die Kraft
und Gebrauchsfähigkeit des Armes ändert sich nur wenig. Es
treten genügend Muskeln für den einen ausgefallenen Bauch ein.
Schwerer werden aber die Störungen, wenn wirklich die be¬
schriebene Subluxation eintritt.
Der 67 jährige Patient erlitt die Verletzung dadurch, dass ein
Kalb, welches er mit der rechten Hand am Stricke hielt, plötzlich
daran zerrte. Er empfand einen so heftigen Schmerz,, dass er
sich niedersetzen musste, um nicht ohnmächtig zu werden. Der
Arm fiel sofort kraftlos herab. Ich sah ihn erst 2 Jahre später,
nachdem er inzwischen vielfach von Aerzten untersucht worden
war. Wenn man Patienten von vorne betrachtete, so schien es
auf den ersten Blick, als ob der Schulterkopf verdickt sei, da die
äussere Sehultercontour vom Akromion an nicht so steil wie links
abfiel, sondern sich mehr nach aussen wölbte, auch vorne der
Kopf stark hervortrat. Als ich dann aber die alte Ruptur des
langen Bicepskopfes entdeckte, war es mir unzweifelhaft, dass es
sich nur um eine Verschiebung handelte, zumal eine Verdickung
von der Hinterfläche des Gelenkes her nicht nachzuweisen w*ar.
Das Röntgenbild gibt ein unzweifelhaftes gleichlautendes
Resultat. Der Kopf steht nicht der Gelenkfläche angepasst, son¬
dern etwas nach oben verschoben, so dass er dem Schlüsselbein
genähert ist und bei Aufnahme von vorne her die Schatten von
Spina scapulae und oberem Theil des Kopfes sich decken..
Im Uebrigeu sind die Verhältnisse folgende: Der Arm kann
ln der Schulter activ kaum bis zur Horizontalen erhoben w r erden,
weitere, passive Versuche, sowie auch solche der Rotation ver¬
ursachen lebhaften Schmerz. Druck auf alle Theile des Gelenkes,
sowie auf’s Akromialgelenk ist sehr empfindlich. Patient hat leb¬
hafte spontane Schmerzen. Es ist möglich, dass er vor seiner Ver¬
letzung schon hie und da „Reissen“ im Gelenk hatte, im Wesent¬
lichen bestehen die Erscheinungen seitdem, und haben allmählich
zugenommen. Die verschiedenen Aerzte, die bisher den Patienten
sahen, diagnosticirten Arthritis deformans. In der That scheinen
auch gewisse Rauhigkeiten der Gelenkoberfläche des Humerus im
Röntgenbild darauf zu deuten,
Die Entstehung liegt nahe. Vielleicht lag eine Disposition vor.
Pat ist im Alter von 67 Jahren. Es erfolgt ein Riss im Bereich des
Gelenkes. Der Kopf wird subluxirt und drückt nun fortwährend
auf das Dach des Gelenkes, presst die Kapsel gegen sich und
Akromion resp. akroininles Ende der Clavicula. Bei Bewegungen
schleifen normaler Weise nicht aufeinander passende Flächen
gegen einander. Bei Abductlon müssen das Collum und die Tuber¬
cula früher eine Hemmung erfahren: Momente genug, welche eine
schleichende chronische Entzündung einleiten konnten, ohne dass
ich über die specielle anatomische Natur derselben, die ja un¬
zweifelhaft besteht, ein strictes Urtheil fällen will.
Dieser entzündliche Zustand der Schulter trat nun so in den
Vordergrund, dass die eigentliche Natur der Verletzung gar nicht
erkannt w urde. Die anaranestischen Angaben sind hier sehr lehr¬
reich und haben mich eben zu dieser Veröffentlichung veranlasst
Zuerst begibt sich Patient am Tag nach der Verletzung zu
Dr. A. Dieser scheint eine Schulterdistorsion angenommen zu
haben und legt den Arm in eine Schlinge. Nach einigen Wochen
sieht Kreisphysikus B. den Patienten, findet eine schwere Schulter-
gelenksentzündung. Nun kommen aber eine Fluth anonymer An¬
zeigen. Welche den Patienten der Simulation beschuldigen, da er
schon vorher Rheumatismus gehabt, und nach der Verletzung
wieder gearbeitet habe. Anfangs hält Dr. B. daran fest, dass
Patient krank sei, dann wird er auch stutzig und schickt den
Patienten In die chirurgische Klinik zu C., wo man ihn poliklinisch
untersucht und eine „adhaesive Schultergelenksentztindung“ dia-
gnosticirt; nachher in die chirurgische Klinik zu D., w t o er von
Assistenten und Professor untersucht und für an Arthritis de¬
formans des Schultergelenkes leidend erklärt wird. Dr. B. sieht
ihn dann noch öfters und schickt ihn mir schliesslich zur Röntgen¬
untersuchung
Jetzt erst wird festgestellt, was vorliegt und zugleich in un¬
trüglicher Weise nachgewiesen, dass überhaupt eine Verletzung
stattgefunden habe.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
B73
24. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ich muss gestehen, wenn mir das Krankheitsbild nicht durch
frühere Erfahrungen und Studien näher bekannt gewesen wäre,
würde ich vielleicht den Muskelriss, den Schlüssel zum Ganzen, an .
dem mageren Arme auch übersehen haben. Eben desshalb habe ich
aber die Aufmerksamkeit weiterer Kreise wieder neuerdings dar¬
auf lenken wollen.
Zur Vervollständigung des Ganzen darf ich noch Einiges an¬
führen über die Gifferentialdiagnöse und Therapie. Bei ober¬
flächlichem Zusehen können Muskelhernien und Haematomo ähn¬
liche Veränderungen der Armcontoiiren herbeiführen. Eine
Blutung muss ja bei jedem Riss erfolgen, doch treten sie gerade
hei den Bicepsrissen zurück, weil dieselben in der Nähe der Sehne,
also an gefässarmer Stelle erfolgen.
Entstehen Iiaematome durch Stoss, Schlag, Zerrung im
Muskelbauch, so wird anderseits nur ein Tlieil der Fasern ge¬
trennt und tritt daher der Effect der Trennung zurück. Oder
Jlaeiuatome entstehen durch Einrisse der Fascie allein, sind sub-
oder suprafaseial. Sie bilden circumscripte Vorwölbungen und
Verdickungen, die bei Erschlaffung wie Anspannung des Muskels
gleiche Consistenz bewahren und neben denen die normalen
Muskeleon touren erhalten sind.
Die Muskelhernien führen um so eher zu Verwechslungen,
weil man mit diesem Namen früher auch die Muskelriss© be-
zeichnete. In Deutschland ist wohl letzteres Wort für die da¬
durch gut beschriebene Affection in Gebrauch, in Frankreich, wo
F a r a b e u f ') die Trennung zuerst vornahm, erinnert an die
einstige Confundirung noch das barbarische Wort pseudo-hernie
musculaire für Muskelrisse. Während bei den Muskelrissen das
Verhalten der Fascie ein durchaus secundäres ist, tritt der Fas-
cienriss bei den echten Hernien in den Vordergrund, ja gerade
Bedingung ist es, dass die Musculatur unversehrt bleibt. Die
echten Ilernien entstehen dadurch, dass sieh Muskelfasern durch
einen Riss der Fascie vorstiilpen. Sie linden sieh daher vor¬
wiegend da beobachtet, wo eine stark gespannte Fascie über
kräftige Muskeln zieht, also am Bein. Ob sie auch am Biceps br.
gesellen wurden, ist mir nicht einmal bekannt. Als ihre charakte¬
ristischen Symptome führen Fara b e u f und Hartma n n *)
an: Verschwinden der Hernie bei passiver Dehnung, wonach man
in der Fascie eine Delle, eine Bücke fühlt; Entstehen bei Ruhe¬
lage des Muskels; wiederum Verschwinden bei starker Con-
traction.
Letzterem Punkt gegenüber berichtet R a w i t z 3 ) von
2 Fällen, in welchen die Geschwulst bei der Muskelanspannuug
gerade grösser und härter wurde, ja durch isolirte active Con-
traction gerade hervorgerufen werden konnte. Jedenfalls besteht
die Aehnliehkeit mit den Muskelrissen darin, dass man die Con-
touren des Gliedes durch passives Dehnen des Muskels normal
machen kann im einen, Ausstreichen des erschlafften im anderen
Fall von Riss (s. unseren früher publicirten Fall). Die charakte¬
ristische Grube aber andererseits entsteht bei Rissen erst bei An¬
spannung des Muskels, bei Ilernien wird sie in Folge das Ileraus-
tretens der Muskelfasern eben dann verdeckt. Endlich bilden die
Hernien eine wirkliche Geschwulst, bei Rissen tritt nur der
Muskelstumpf etwas stärker hervor, seine Grösse wird durch die
Delle über das wirkliche Maass hervorgehoben.
Gemeinsam ist wiederum der Wechsel der Consistenz, der je¬
doch, wio aus Obigem hervorgeht, ganz verschiedene Phasen ein¬
hält. Bei der gewöhnlichen schlaffen Haltung ist auch der
Muskelriss zu sehen, die Hernie verschwunden.
Therapeutisch ist in leichten Fällen von Riss nichts zu thun,
weil keine oder nur vorübergehende Funetionsstörungen dadurch
bedingt werden. Ja es ist sogar auffallend, wie gering sie sind,
und wie leicht sie durch vicariirende Thätigkeit anderer Muskel¬
bäuche und Muskeln ersetzt werden. Dies Verhalten beobachtet
man sogar bei Abriss des ganzen Muskels von der Tuberositas
radii. In schwierigen Fällen und bei totalem Riss, besonders
wenn die Schulterfunction gestört wird, ist die blutige Muskel¬
naht anzurathen, welche auch von Manchen, so von Barden-
heuer 4 ) ausgeführt wurde. Meist wird man aber auf ein ab¬
lehnendes Verhalten der Patienten stossen, wie es auch mir in
allen Fällen ging. In dem letzterzählten beabsichtigte ich wegen
*) Farabeuf : Bull. d. 1. soe. de chir. 1881, 15. Juni.
s ) Hartmann: Revue de chir. 1893.
8 ) R a w i t z : Arch. f. klin. Chir., Bd. 24, p. 382.
9 Bei den Muskelhernien ist mit Erfolg die Aponeurosennaht
ausgeführt worden.
So. 17.
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der besonderen Verhältnisse die Arthrotomie (die zugleich das
Verhalten der Bieepssehne klargelegt hätte), eventuell Resetion
oder Arthrodese. Auch hier weigerte sich der Patient.
Ueber die Art des Zustandekommens derartiger
Rupturen habe ich in meiner früheren Arbeit Einiges erörtert,
dem ich heute nichts zuzufügen habe.
Schleimkolik und membranöser Dickdarmkatarrh.*)
Von R. Schütz in Wiesbaden.
Die Discussion über Colica mucosa und Enteritis
membranacea, die seit Jahren nicht mehr verstummt ist,
hat nicht den Erfolg gehabt, die gegensätzlichen Anschauungen
über das Wesen der Krankheit auszugleichen; vielmehr haben
sich diese Gegensätze im Laufe der Jahre noch bestimmter
herausgebildet. Das lehrt ein Vergleich der Darstellungen unserer
neuesten Lehrbücher mit dem Ergebniss der Erörterungen, die
s. Zr. im Berliner Verein für innere Medicin über diesen Gegen¬
stand stattgefunden haben [1],
Die Meinungsverschiedenheit betrifft bekanntlich die Frage,
ob der Proeess als Neurose oder als organische Er¬
krankung des Dickdarmes, als Katarrh resp. Entzündung
aufzufassen ist. Und da finden wir, dass von den 3 fast gleich¬
zeitig erschienenen Lehrbüchern aus neuester Zeit das vou
Nothnagel [2] die grosse Mehrzahl der fraglichen Fälle als
durchaus nicht entzündlich auffasst, Boas [3] dagegen die
Schleimkolik am liebsten ganz streichen und die gesammten Fälle
dem Dickdarmkatarrh zuweisen möchte, während E w a 1 d [4]
sich reservirtcr ausdrückt und eine Colitis neben einer Colica
mucosa bestehen lässt, ohne über das Iläufigkeitsverhältniss
beider Affeetionen sich auszusprechen.
Unter solchen Umständen erscheint das Interesse an dieser
Frage keineswegs erschöpft, und ich möchte Ihnen heute über
einige Fälle meiner Beobachtung in Kürze berichten, die in ver¬
schiedener Beziehung beachtenswerth sind.
Es handelt sieh um 4 E r a u e n resp. Mädchen im Alter
von 28, 36 ujid 42 Jahren, alle ausgesprochen nervös, beziehungs¬
weise hysterisch, eine ausserdem in früheren Jahren Melancholica.
Bei dreien reicht die Nervosität, und ebenso eine habituelle Ver¬
stopfung. zweifellos um Jahre hinter das jetzige Darmleiden
zurück, bei Fall 4 hat sich anscheinend im Gefolge des letzteren
die Nervosität entwickelt und ist eine fast acut entstandene Ob¬
stipation als di recte Krankheitsursache zu beschuldigen.
Des Weiteren lässt sich allgemein sagen: dass die Schleim¬
abgänge in den Fällen 3 und 4 stets mit den Stühlen, bei Fall 1
und 2 z. Th. für sich allein erfolgten — betreffs der Eigenschaften
des entleerten Schleims: dass bei allen Kranken neben typischen,
wohl ausgebikleten Membranen, grossen häutigen Fetzen, sträng-,
netz-, z. Th. auch röhrenförmigen Gebilden zeitweise ungeformter,
glasiger Sclilcim, ferner kleine und grössere Flöckchen und Fetz-
ehen sich fanden, wie man sie bei jedem Dickdarmkatarrh sehen
kann — und schliesslich, dass alle Patienten Kolikschmerzen von
wechselnder, z. Th. sehr bedeutender Intensität allgaben, die von
wenigeu Minuten bis zu Stunden, bei der 4. Patientin selbst Tage
anhielten.
Im Besonderen ist zu bemerken:
Die 1. Patientin, die wegen nervösen Erbrechens und
conseeutiver Ernährungsstörung in meine Behandlung gekommen
war, batte während einer 5 wöchentlichen Beobachtungszeit hei
wöchentlich 2—3 maliger Controle, stets schleimfreie
und unter der üblichen Behandlung regel¬
mässige Entleerungen. Ganz unerwartet — nachdem das
Erbrechen längst aufgeliört und der Kräftezustand sich bedeutend
gehoben hatte — traten in Zeit von 8 Tagen 2 typische An¬
fälle von Dickdarmkolik auf mit erheblicher Störung
des Allgemeinbefindens und gefolgt von der Entleerung
reinen, z. Th. ungeformten, z. Th. häutigeu und
netzförmigen Schleims.
D e r 2. F a 11 ist dadurch besonders bemerkeuswerth, dass im
Anschluss an eine starke gemütkliche Erregung (Tod einer
Schwester) die vordem viel selteneren Schleimabgänge im Verlauf
der letzten % Jahre oft Wochen lang ohne Unterbrechung
anhielten oder mit Pansen von wenigen Tagen immer wieder auf¬
traten, während die Verstopfung wiederholt von längeren Perioden
z. Th. starker Durchfälle abgelöst wurden.
Die Diagnose war von verschiedenen Seiten auf chronischen
Darmkatarrh gestellt. Ich fand innerhalb der ersten 5 Wochen
bei täglicher Untersuchung in den regelmässig ohne
alle Nachhilfe entleerten Stühlen auch nicht
eine Spur Schleim.
*) Vortrag im Neuen ärztlichen Verein, März 1900.
3
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
No. 17.
T)74 Ml'NOHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Anfangs der 6. Woche setzte nach geringen nervösen Vor¬
boten eine 4 w ö e h entliehe Periode ein von sich ständig
■wiederholenden Schleimabgängen und vorgängigen Dick-
darmkoliken oder auch unbestimmteren krampfartigen Ko¬
lonschmerzen. Ein Heer nervöser Beschwerden leitete meist die
Scene ein, wie Schlaflosigkeit, Unruhe und psychische Verstim¬
mung, Magenbeschwerden, „rheumatische“ Schmerzen in den ver¬
schiedensten Muskelgebieten, in der Zunge, den Fersen etc.
Nach ca. 8 tägiger Pause traten die schleimhaltigen Stühle und
Kolikanfälle nochmals für 2—3 Tage auf, um dann für den Rest
der Beobachtungszeit, 6—8 Tage wieder zu verschwinden.
In beiden Fällen habe ich die Diagnose Schleimkolik
gestellt. Sie ergibt sich bei beiden Kranken nach meiner An¬
sicht mit Nothwendigkeit. Denn es handelte sich beide Male
um das Auftreten von Schleimabgängen im Anschluss an Dick¬
darmkoliken, nachdem in den Stühlen während
einer Reihe von Wochen vor dem Anfall n i e-
m als irgend welcher Schleim zu finden ge¬
wesen war. Eine Periode fast täglicher Schleimkoliken
von 4 Wochen Dauer ist allerdings ungewöhnlich — Noth¬
nagel [2] spricht von einer Woche —. Allein ein Dickdarm¬
katarrh mit reichlicher Schleimabsonderung, die auf 5 Wochen
vollständig verschwände, um dann ohne jede nachweisbare Ur¬
sache wiederzukehren und nach weiteren 4 Wochen zum 2. Male
zurückzutreten — einen solchen Dickdarmkatarrh gibt es nicht.
Gegen die Annahme eines solchen lässt sich vielleicht auch der
Umstand verwerthen, dass das objective körperliche Befinden
der Patientin in dieser ganzen Zeit sich fortdauernd besserte;
«las Gewicht in 9 Wochen um fast 28 Pfund zunahm.
Hätte ich die Beobachtung während der Periode der Schleim¬
abgänge begonnen, so wäre ich vermuthlich trotz der Kolik¬
schmerzen gleichfalls zur Annahme eines Katarrhs gelangt. So
aber glaube ich, dass dieser Fall, ebenso wie der 1.,
gegen Boas [3] spricht, der das Vorkommen rein perio¬
discher Schleimentleerungcn nicht anerkennen möchte.
Den beiden ersten möchte ich die Fälle 3 und 4 gegenüber¬
stellen, bei denen ich gleichfalls häufig Anfälle von Krampf¬
zuständen des Kolon beobachtet habe, mit heftigsten Leib¬
schmerzen, starker Druckempflndlichkeit und Coqtraction des
Kolon descendens, sowie hochgradiger Alteration des Allgemein¬
befindens.
Bei Patientin 3 traten meist sporadisch kurze Schmerzanfälle
vor den Entleerungen auf; bei der 4. Patientin, die in Folge fort¬
gesetzten, willkürlichen Zurückhaltens des Stuhls binnen kurzer
Zeit eine schwere Verstopfung acquirirt hatte — während vordem
ihre Verdauung ganz in Ordnung war — beobachtete ich iin Ver¬
laufe einiger Monate 4 schwere und sehr -eigenartige Schmerz¬
attaquen. Die Kranke machte dabei stets den Eindruck einer
Schwerkranken, war geradezu collabirt und klagte über üusserst
heftige Schmerzen, die stets von der Gegend des S romanum und
Kolon descendens aus nach der Magengegend zu — Kolon trans-
versum — verliefen, von da in Rücken und Brust, selbst bis gegen
den Hals ausstrahlten und stets erst nach mehreren, meist 6—8
Tagen unter massigen Opium- oder auch Morphiumgabeu nach-
liessen, nachdem zuvor einige Entleerungen meist exquisit
spastischer Art erfolgt waren. Dabei machte ich gelegentlich
einer vaginalen Untersuchung — die ich vornahm, um eine event.
Affection der Beckenorgane nicht zu übersehen — die interessante
Beobachtung, dass bei Betasten der hinteren Scheidenwand die
Kranke spontan heftigen Druckschmerz im Mastdarm angab.
Irgend ein Exsudat im Verlaufe des Kolon,
eine entzündliche Infiltration und Verdickung desselben war
niemals nachweisbar, so dass keine Entzündung der Darmwand
mit Betheiligung des Peritoneums, eine Sigmoiditis entsprechend
der Perityphlitis, anzunehmen war; auch war in den anfalls¬
freien Zeiten die Druckempfindlichkeit nur mässig oder sehr
gering.
Wie gesagt, enthielten die Stühle beider Patientinnen nach
den Kolikanfällen häufig membranösen, auch netz- und strang¬
förmigen Schleim; trotzdem glaube ich diese Fälle als chro¬
nische Dickdarmkatarrhe auffassen zu müssen, weil,
auch wenn längere Zeit keine Kolikschmerzen
a u f t r a t e n, meistens Schleim in irgend einer Form
und nicht selten gerade ausgesprochen membranöser, sich in den
Entleerungen fand. Auch schienen die Koliken, wenigstens bei
Fall 4, nicht allein von dem Schleim herzurühren, indem zu
wiederholten Malen gerade während und nach der Kolikperiode
sehr w’enig Schleim ausgeschieden wurde.
Während bei der ersten dieser 4 Kranken das Urtlieil kaum
schwanken konnte, zeigen uns die übrigen Fälle die grossen
Schwierigkeiten, die der Diagnose auf diesem Gebiet entgegen¬
stehen können und die unter Umständen nur durch längere Be¬
obachtung zu überwinden sind.
Fragen wir, wie das von den Einen als Enteritis, von den
Anderen als Coliea aufgefasste Krankheitsbild im
Wesentlichen sich darstellt, so finden wir den einzelnen A n -
fall ganz allgemein beschrieben als paroxysmalen kolikartigen
Schmerz im Bereich des Kolon, der oft äusserst heftig, mit er¬
heblicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens verbunden
ist und init dem Abgang eigenthümlicher Schleimmassen aus
dem Darm endigt.
Die Kolikschmerzen können nur angedeutet sein oder ganz
fehlen, so dass nur der Schleimabgang bestehen bliebe.
Andererseits kommen (Boas) auch kolikartige Schmerzen
vor ohne Abgang von Membranen, oder sie wechseln auch mit
Membranaussehcidiing, und zwar solcher mit Schmerzanfällen
und ohne sie.
Im Uebrigen wird das Bild vervollständigt durch den
nerv ü s e n resp. hysterischen G e s a m m t h a b i t u s
der meist betroffenen Frauen, was die in den Vordergrund
stellen, die den Proeess als Neurose auffassen; während die¬
jenigen, welche einen K a t a r r h annehmen, besonderen Nach¬
druck auch auf o r g a n i s c h e, z. B. Adnexerkrankungen.
En tc.ro ptose, legen.
Daraus folgt, dass wir die fragliche Affeetion unter sehr
ver.schic d e n e n U m s t ii n d e n antreffen, combinirt mit
allen möglichen Kraiikheitserscheinungen, die mit dem
Darmlcidcn nicht noth wendiger Weise etwas
zu t h u n haben und dasselbe in keiner Weif#
charakterisi rcn.
M. E. hat gerade das Hervorheben der begleitenden Um¬
stände und ausserhalb des Darmes liegenden Erscheinungen
dazu beigetragen, die Diagnose, wie es heute der Fall ist, zu er¬
schweren und zu verwirren.
Die F r auen stelle n b e kanntlich auch für
chronische D a r m ka tar r h e und nicht nur für die von
uns als nervöse Schleimhypcrsecretion aufgefasste Störung das
11 aupteo n t i n g o n t der F ii 11 e, und zwar naturgemäß
solche Frauen, die an Unterleibsaffectinnen und EnteropP>-c
leiden, nervös und verstopf! sind und Missbrauch mit Abführ¬
mitteln getrieben haben.
A 1 s o d ii r f t e d o r n e r v ö sc* A 11 g e m o i n s t a t u s
n i c li t. f ü r S c li 1 e i in k o 1 i k u n d g e g e n 1) a r m -
k a t a r r h e n t s c h c i d o n.
Aber auch der Kolikschmerz ist für Schleimkolik
gegenüber Diekdarmkatarrh n i c h t u n bedingt charak¬
teristisch. Denn derselbe kann einerseits hei ersterer nur
angedeutet sein oder fehlen, während er auf der anderen Seite
auch bei chronischer Colitis verkommt. Ich erinnere an die Ver¬
wechselung von Kolonsehmerzcn mit denen bei Ulcus ventrieuli
(Edleffsen [5], Kleiner [6], Schütz [7]).
Demgemäss kann die exacte Diagnose, ob Katarrh oder Kolik,
in letzter Linie nur aus der Beobachtung der
Stühle gestellt werden. Nur die Fälle dürfen, wie Ewald [4]
treffend sagt, als Secretionsneurose aufgefasst werden, bei denen
die krankhafte Seeretion von Schleim (im Gegensatz zum wirk¬
lichen Katarrh) die ursprüngliche Störung ist. Die Frage-
Stellung in u s s also laut e n: ist die Schleimabseheidung
eine r e i n p e r i o d i s c h e, der Stuhl in den anfallsfreien
Pausen durchaus normal, d. i. sehleimfrei, oder enthält er auch in
den Zwischenzeiten mehr oder weuiger regelmässig Schleim? Tn
letzterem Falle handelt es sieh, wie Boas [3] mit Recht betont,
nicht um eine rein periodische Schleimbildung mit wirklichen
Intervallen von ganz schleimfreien Entleerungen, sondern um
einfache Exacerbationen eines sonst wenig beobachteten, weil
stark reinittircnden Processes.
Wie leicht die Diagnose „Sehleimkolik“ nach gelegentlicher
Constatirung einer anscheinend paroxysmalen Schlei men tleerung
verfehlt werden kann, wird klar, wenn man bedenkt, dass auch bei
chronischem Diekdarmkatarrh gelegentlich die ganze Dejection
ausschliesslich aus mächtigen Sehleimmassen bestehen kann lind
ebenso, was wohl von keiner Seite bestritten ist, Abgang von
häutigem und röhrenförmigem Schleim vorkommt — allerdings
nach Nothnagel’s [2] Angabe nur ausnahmsweise.
Nun, was das Vorkommen membranösen Schleims bei Darm¬
katarrh betrifft, so dürfte die Ansicht über dessen Häufigkeit
schwanken, je nach dem Standpunkt, den man gegenüber der
Diagnose „Schleimkolik“ annimmt.
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
24. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
«575
Ich selbst halte das Vorkommen von Schleimmembranen
(verschiedener Grösse) bei chronischer Colitis auf Grund der mir
bisher vorgekommenen und von mir als sichere Katarrhe ange¬
sehenen Fälle für ein durchaus nicht ungewöhnliches.
v. Noorden [8], der gleichfalls betont, dass bei Colitis
mcmbranähnliche Schleimgebilde unter Kolikschmerzen abgehen
können, will diese Membranen von denen der Colica mucosa unter¬
scheiden in Rücksicht auf die grössere Masse des Ko¬
lik s c h 1 e i m s und dessen wesentlich v e r s e h i e d e n c Be¬
schaffenheit, insofern er wasserarmer» geweblichen Mem¬
branen ähnlich sein soll. Ich glaube nicht, dass sieh diese Unter¬
scheidung aufrecht hallen lässt. Denn, wie Verschiedentlich
betont ist, und wie auch ich beobachtet habe, kann bei zweifel¬
loser Schleimkolik neben membranösciu auch ungeformter,
gallertartiger und wasserreicher Schleim entleert werden und
andererseits der katarrhalische Schleim genau so wasserarm und
zäh sein, wie der bei Schleimkolik. Auch die Quantität des ab¬
gegangenen Schleims dürfte keinerlei Maassstab für die Diffe-
rcntialdiagnose abgeben.
Nach diesen Ausführungen kommen wir also zu dem
Schlüsse, dass an der Schleimkolik als einer besonderen Darin-
affection gegenüber dem Darmkatarrh fest.gehalten werden muss,
dass aber diese Unterscheidung im einzelnen Fall eine überaus
schwierige diagnostische Aufgabe sein kann.
Erscheint es aber auch richtig, eine E n t e r i t i s m e in -
branacea als selbständige, eigenartige» Er-
k r ankungsfor m v o n der c h r o n i s c h c n (’ o litis
a b z u z w e i g e n X Ich meinerseits glaube, diese Frage ver¬
neinen zu sollen.
Wie charakterisirt z. B. Boas [3]. der diese Trennung mit
besonderer Schärfe durchführt, die (’olitis membrauacen '{ In
erster Linie durch die e i g e n t h ii in licht* S c h 1 c i m b i 1 -
tl u ng: ii »geformt, structurlos — membranös, tubulös. Indess
ist gerade bei einfacher chronischer Colitis das Vorkommen der
verschiedensten Ausscheidung s f o r m e n des
Schleims nebeneinand e r, darunter der Membranen,
gar nicht so ungewöhnlich. Zeitweise treten dann diese letzteren
zurück, zu anderen Zeiten werden sie wieder sichtbar; es würde
also für die Diagnose, ob einfache oder membranöse Colititis,
nur darauf ankommen, zu welcher Z(*it diese Fälle zur Unter¬
suchung kommen. Und von welcher Grösse der Schleimfetzen an
soll man membranöse Enteritis annehmen? Sollte sich die Ent¬
stehung der verschiedenen Schleimformen bei Katarrhen mit
reichlicher Schleimabsonderung nicht vielleicht auf einfache
Weise erklären lassen, nach dem was Marchand [9] über die
Entstehung der membranösen Bildungen sagt? „In dem bei
längerer Unthätigkeit zusammen gezogenen
Dickdarm formt sich der Darm schleim in der
Tiefe der Längsfalten zu runden Strängen, die
sich netzförmig verbinden oder verzweigt
erscheinen und durch Zusammenrollen und
Verkleben in der Längsrichtung dickere
Stämme bilde n.“
Darnach würde zur Bildung solcher Formen ausser einer ge¬
nügenden Menge Schleims nur eine längere V er¬
st o p f n n g gehören, sei es in Folge spastischer Zustände oder
Atome der Darmwand; und der verschiedene Wasserreichthum
des Schleims, den v.Noorden [8] in difPerentialdiagnostischcr
Beziehung hervorhebt, würde sich wohl ebenso durch eine ver¬
schieden lange Retention im Dickdarm, also eine verschieden
intensive Wasserentziehung erklären lassen.
Aber auch das ganze Krank hei tsbild der Colitis mem-
branacea, wie es B o a s [3] aufstellt, möchte ich nicht als un¬
bedingt charakteristisch ansehen gegenüber der gewöhnlichen
chronischen Colitis, sowohl betreffs des Verlaufs, der da wie dort
chronisch und schwankend ist, der verschiedenen nervösen Erschei¬
nungen und organischen Störungen — eine Feststellung, ob etwa
eine regelmässige Membranausscheidung bei den Darmkatarrhen
der Nervösen oder Patientinnen mit Unterleibsleiden und Entero-
ptose überwiegt, existirt wohl nicht. Auch Obstipation, Druck¬
ein pfiudlichkeit des Kolons und schliesslich auch der Kolikschmerz
sind nicht zu verwerthen; denn wir finden Schleimfetzen bei Ka¬
tarrhen ohne gleichzeitige Koliksehmerzen, und
andererseits kommen, wie Boas selbst sagt, kolikartige
Schmerzen ohne Abgang von Schleim vor. Wie
ich schon angeführt habe, fand sich.bei meiner 4. Patientin ge-
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rade zur Zeit schwerer Kolikanfälle in den Stühlen auffallend
wenig Schleim, viel weniger als gelegentlich sonst.
Ich möchte also meine Ausführungen
dahin präcisiren, dass die Unterscheidung
einer Schleimkolik vom Dickdarmkatarrh
st-icli nicht stützen kann auf nervösen A11 -
g e m e i n s latus, organische Com plicationen etc.
— d e n n diese können sieh bei beiden A f f e c -
t i o n e n f i n d e ti. Auch das Bild des einzelne U
A n f a 11s — K o 1 i k s c h m e r z und S c h 1 c i in a b g a n g
— ist n i c h | völlig eindeutig — de n n d i e
g 1 e i c li e ii S c h m e r z e n u nd Arten des Schlei m s
k o m nt e n b e i in K a t a r r h wie bei der Kolik v o r.
E i n e <* x a e t e Entscheidung ist vielmehr n u r
a u s e i n e r 1 ii n g e r e n Beobachtung zu erhalten,
d u r c h d e n — wie das Litcraturstudiuin zeigt,
v i e 1 f a e h vernachlässigten Nachweis, ob ei n e
n u r p e r i o d i s c h e S c h 1 e i m li y p e r s e c r e t i o n vor-
liegt, ob also in den Zwischenzeiten die Stühle
wirklich schlei m frei sind.
B e i Anwendung s o 1 c h ’ systematisch *3 r
Untersuchung, die f ii r die Ha uspraxis aller¬
dings k a u in in Frage kommt, dürfte man m. E.
dahin gelangen, an der Colica mucosa Noth-
n a g e 1 ? s , 1. o u b e’s , Ewalds u. A. als einer eigen¬
artigen D armaff ection festzu halten, dagegen
Boas darin Recht zu geben, dass die grosse
MehrzalilderFällemitmembranöserSchleim-
a u s s e li e i d u n g wirklich katarrhalischer Na¬
tur ist. Diese enteritischen Fälle aber als b e -
s o n d e r e. Form von der gewöhnlichen chroni¬
schen abz u t, r e n n e n, erscheint u n b e g r ü n d e t.
Literatur:
1. Verein für innere Medicin Berlin. Deutsch, ined. Woclienschr.
1882. Desgl. 1893, S. 999.
2. Nothnagel: Spee. Pathologie u. Tlierap. XVII.
3. Boas: Darmkrankheiten.
4. E w a 1 d : Diseases of the intestines, Twentieth Century Prac-
tice of Medecine, Vol. IX, New-York.
5. Edleffsen: Diagnostik.
6. F 1 e i n e r : Krankheiten der Verdauungsorgane I. Berl. klin.
Woclienschr. 1893, 3 u. 4.
7. Verhandlungen des Congresses für innere Medicin 1899.
8. v.Noorden: üeber die Behandlung der Colica mucosa. Zeit-
sehr. f. prakt. Aerzte.
9. Citirt nach K i t a g a w a : Beiträge zur Kenntniss der En¬
teritis membr. Zeitschr. f. klin. Med., 18. Bd., 1891.
Ueber gehäuftes Vorkommen von Talgdrüsen in der
menschlichen Mundschleimhaut.
Von Dr. Suchannek, Privatdoeent in Zürich.
Ebenso merkwürdig wie die Duplicität gewisser seltener
Krankheitsfälle ist der Fund bisher nicht bekannter medici-
nischer Thatsachen jedweden Speeialfachs, unabhängig, zu
gleicher Zeit, durch verschiedene Forscher.
Für dieses Spiel des Zufalls mag meine Beobachtung, dio
durchaus unabhängig, wenn auch einige Monate später als
die von Douglas, W. Montgomery und W. G. Ha.y
(Dermatol. Zeitschr., Bd. VI, Dee. 99, II. 6)'erfolgte, einen kleinen
Beitrag bilden.
Ich kenne die erwähnte Arbeit nur aus einem ganz kurzen
Referat (Berl. klin. Woclienschr. v. 5. II. 00, No. 6, Literatur-
anzeiger), kann mir also kein definitives Urtheil über die dort
niedergelegte Beschreibung erlauben.
Meine Beobnchtung bezieht sich auf eleu 46 jährigen Herrn
I). aus Zürich, einen mir von früher her durch seine ängstliche
Selbstbeobachtung bekannten, etwas hypochondrischen Patienten.
Pat. hat früher eine Pharyngitis überstanden, die allmählich zur
Atrophie der Bachenschleimhaut führte, ein Process, der sich
aber auch an der Mundschleimhaut durch die Anwesenheit einer
dünnen trockenen Mucosa bemerkbar machte.
Neuerdings sind Herrn D. bei gelegentlicher genauerer Be¬
sichtigung seiner Mundhöhle eigentümliche gelbe Flecken auf-
gefallen, die ihn beunruhigten und über deren Charakter er Auf¬
schluss wünschte.
Die oberflächlichere Inspection der Wangenschleimhaut, wie
sie gewöhnlich vorgenommen wird, ergab in der That das Vor¬
handensein gelber Flecke und zwar hauptsächlich gegenüber der
Zahnreihe der oberen Molaren und dann noch ein Stück hinauf
vis-ä-vis deu Gingivae. Ich hielt die gelben, theils punktförmigen.
3 *
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
576
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
theils hirsekorngrossen gelblichen Tüpfclien für verkalkte Schleim¬
drüsen und glaubte damit den Pat. beruhigt zu haben. Diese
Aeusserung genügte Letzterem aber keineswegs, so dass ich ihm
zwecks genauerer Diagnose die Excision eines Schleimhautstück¬
chens proponirte. Das geschah und die kleine Wunde wurde nach
Stillung der ganz unbedeutenden Blutung mittels Ferripyrinwatte
in 2—3 Tagen bei regelmässigen antiseptischen Spülungen des
Mundes zur Heilung gebracht.
Bei dem Andrücken der Ferripyrinwatte spannte ich die ge¬
summte Wangenschleimhaut ziemlich stark an und mit einem
Schlage traten mm auch auf den übrigen Stellen der Baeken-
taschen im interdentalen Raum und vis-ü-vis den Molaren des
Unterkiefers, wo ich bisher nichts entdeckt, eine sehr grosse
Menge dieser Gebilde zu Tage. Sie erwiesen sich als ganz leicht
prominente, aber völlig weiche Plaques von Linsengrösse (und
darüber) und gelblicher Farbe.
Die mikroskopische Untersuchung des in 4 proc. Formalin und
Alkohol gehärteten und in Celloidin eingebetteten Schleimhaut¬
stückchens ergab an dem fraglichen Gebilde den Typus ausge¬
sprochener Talgdrüsen. Und zwar handelte es sich nicht nur
um ein bimförmiges Säckchen, sondern um 2—3 oder mehr
Schläuche oder Bläschen, die in einen Ausführungsgang mün¬
deten. Der ganze Drilseueomplex erstreckte sich mehr in die
Breite als in die Länge und eine Reihe von Messungen ergaben
die Durchmesser: 0,1250 Mill. : 0.1875 Mill. oder 0,1250:0,2 bezw.
0,2075, ferner 0,1025:0,25. Einzelne Drüsenbläschen verhielten
sich wie 0,0875:0,1375 oder 0.1250:0,1500 Mill.
Die mit Ptlasterepitliel bekleidete Schleimhaut trug wenig
breite und niedrige Papillen. Das Epithel selbst besass einen
Durchmesser von 0,0025—0,1250 Mill., war in seinen obersten
Schichten kernlos, verhornt und hob sich tlieilweis in Lamellen ab.
Stellenweise besass es kleine 0,05—0,075 hohe, schlanke Ilorn-
spitzen.
Am subepithelialen Gewebe fiel eine, der Drüse stellenweise
anliegende Infiltratiouszone, einem adenoiden Balg ähnelnd, auf.
Von eigentlichen Entzündungserseheinungen kann ich aber man¬
gels weiteren Materials nicht sprechen.
Der Ausführungsgang, 0,125—0,1875 Mill. breit, war mit dem
abgesonderten Secret der Talgdrüsen und Talgdrüsenzellen ge¬
füllt und durchbohrte die Schleimhaut in schräger Richtung.
Ich habe nach diesem Befund eine grössere Anzahl jugend¬
licher und älterer Personen auf die Anwesenheit von Talgdrüsen
in der Mundschleimhaut inspieirt, dabei stets die zu unter¬
suchenden Theile scharf angespannt — die einzige brauchbare
Methode, um trügerischen negativen Resultaten zu entgehen —
und die Gebilde als stecknadelspitz- bis stecknadelkopfgrosse
gelbliche Stippchen oder Pünktchen an allen Theilen der Wangen-
und Lippenschleimhaut angetroffen. Dabei war freilich von irgend
welcher Regelmässigkeit der Anordnung oder einer Gesetzmässig¬
keit der Quantität keine Rede. Manchmal konnte ich nur 2—3
solcher Pünktchen entdecken und dann häufte sich wieder die
Anzahl. Ihr Auftreten erfolgt in distincter Weise oder in
Gruppenform und es werden, wie Montgomery und Hay
sagen, die interdentalen Wangenschleimhautpartien bevorzugt.
Auch an der Schleimhaut, die den aufsteigenden TTnterkieferast
überzieht, sah ich mehrmals diese Drüsen.
Dass man bei Schleimhautstücken, die man Leichen ent¬
nimmt, ein Manöver, das sich nicht gut unter der so nöthigen
Controle vorzüglicher Beleuchtung ausführen lässt (Kiefer¬
sperre !) — ganz und gar der Laune des Zufalls unterworfen ist —
liegt auf der Hand. Nur das satte Roth oder Rosa der lebenden
Mucosa, verbunden mit scharfer Beleuchtung, unterstützt das
Auffinden der Drüsen. Kein Wunder, dass ich in 4 Fällen auch
nicht einer Drüse begegnete. Und zu ausgedehnten Versuchs¬
reihen und Serienschnitten mangelt es mir leider an Zeit.
Bisher glaubte man, dass sich Talgdrüsen höchstens noch im
Bereich des Lippenroths (Mundwinkel und mittlerer Theil der
Lippe) vorfinden. Diese Entdeckung ist von Kölliker ge¬
macht und der hochverdiente Altmeister der Histologie erwähnt
ihrer im I. Band seines Lehrbuches (6. Auflage 1889). Sodann
berücksichtigt sie Ebner (ibidem Bd. III, pag. 4, 1899).
Dem Neonatus sollen sie nach Wertheimber fehlen.
Herr Professor R i b b e r t , dem ich den Befund im Anfang
Jauuar demonstrirte und der sofort dem Gebilde den Charakter
einer Talgdrüse verlieh, forderte mich auf, Nachforschungen an¬
zustellen, ob nicht bisher ein Zusammenhang zwischen diesen
Gebilden und einem Mundschleimhautkrebs constatirt wäre.
Er hatte gewisse Arbeiten von Carl S c h u c h a r d t im Auge.
Ich glaube, dass es sich nur um des Letzteren „Beiträge zur Ent¬
stehung der Carcinome aus chronisch-entzündlichen Zuständen
der Schleimhäute und Hautdecken“ — 1885 — Volkmann’s
klin. Vorträge No. 257 (Ohir. No. 80) handeln kaun. Dort betont
S. freilich, dass senile Seborrhoe der Gesichtshaut gewisse
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Beziehungen zum Krebs besässe, aber ein Ursprung aus den Talg¬
drüsen (N. B. der Haut!) war nicht bemerkbar. Es handelt sich
an letzterer nur um Retentions- und Degenerationsprocesse. Ueber
die Entstehung der Mundschleimhautkrebse ist nach dieser Rich¬
tung hin noch nichts Genaueres untersucht und wenn daher diese
Publieation eine Anregung zu weiteren Forschungen geben
sollte, so ist ihr Zweck erfüllt.
Klinische Beobachtungen über Ichthalbin bei Darm¬
krankheiten.*)
Von Dr. Rolly, I. Assistent der Poliklinik Heidelberg.
Trotzdem sowohl über Ichthyol als Ichthalbin bereits eine
Reihe von Publicationen vorliegen *), haben sich diese Präparate
dennoch einen festen Platz in der Behandlung der Darmerkran-
kungen bisher nicht erwerben können, was wohl hauptsächlich
darin seinen Grund hat, dass jene Versuche meist an zu wenig
einwandsfreiem Material angestellt wurden.
II o m b u r g e rder als einer der letzten Autoren das Ich¬
thalbin an der Poliklinik für Kinderkrankheiten von Dr. Neu-
ni a n n - Berlin prüfte, beobachtete unter Anderem neben der
Hebung des Allgemeinbefindens einen günstigen Einfluss sowohl
auf einfache wie tuberculüse, chronische Darmkatarrhe. Schon
mehr als ein Jahr vor der Publieation der Homburgc r’schen
Arbeit waren an unserer Klinik bei Darmkrankheiten Versuche
mit Ichthalbin gemacht worden, welche sehr zu Gunsten dieses
Mittels zu sprechen schienen. Ich entschloss mich daher, die
Wirkung dieser Substanz an einem möglichst umfangreichen
und ein wandsfreien Material festzustellen. Später wurden dann
die oben mitgetheilten Stoffwechsel versuche und Aetherschwefel-
säurcbestimnnmgen 3 ) ausgeführt, welche die hier mitzutheilenden
klinischen Resultate zu ergänzen und zu erklären bestimmt sind.
Zur Beurtheilung der Wirkungsweise eines Mittels bei Darm¬
katarrhen können natürlich nur solche Eälle herangezogen
werden, bei denen der Einfluss anderer Heilfactoren wie Diät
ausgeschlossen ist. Ich ging daher bei den unten mitgetheilten
Fällen unter den bekannten Vorsiehtsmaassregeln, das heisst so
vor, dass ich entweder genau dieselbe Diät, die das Kind vorher
schon bekam, weiter fortsetzte und erst nach einigen Tagen,
sobald ich über die Wirkung des Ichthalbin ein Bild hatte, eine
zweckentsprechende Diät einführte, oder ich gab zunächst die
dem Falle entsprechende Diät und fügte nach einiger Zeit, wenn
diese sich als wirkungslos erwiesen hatte, ausserdem Ichthalbin
hinzu.
Von den Aufzeichnungen, die von mir in der hiesigen
Kinder- und Poliklinik von subacuten und chronischen Enteritis¬
fällen gemacht wurden, will ich in Folgendem 28 Eälle, die in
der Beurtheilung durchaus einwandsfrei sind, veröffentlichen.
Die eigentliche Zahl der so behandelten Patienten war eine weit
grössere; da aber in der Ambulanz viele Patienten sieh d»r
weiteren Behandlung und genauen Beobachtung entzogen, so
gingen manche schöne Erfolge der Publieation verloren.
A. Einfache chronische Enteritis (8 Fälle).
1. Franz D., 5 y 2 .Talire alt. Diagnose: Chronische Enteritis.
Anaemle, Pseudoascites. Seit 3>/ 2 Jahren fortwährend Durchfall.
Haferschleim, Eieheleaeao, Tanuinpräparate etc. hatten nur mo¬
mentan Nutzen. Seit 1 y 3 Jahren abnorme Zunahme des Leibes:
starke Abmagerung etc.
Da der Zustand sieh nach 22 tägiger Beobachtung nicht
besserte, während welcher Zeit die Stühle trotz Tannalbins et •.
immer dünnflüssig, stinkend und zahlreich (3—5 mal täglich)
blieben, wird am 23. Tage bei gleicher Diät (nur etwas mehr
Fleisch) 3 X 0.5 Ichthalbin gereicht; darauf am nächsten Tage
ein geformter, gut verdauter Stuhl. Aussetzen des Ichthalbins
bewirkt nach weiteren 4 Tagen wieder Durchfall, der auf tägliche
Gaben von 1,5 Ichthalbin nach 3 Tagen wieder verschwand. Von da
an regelmässiger geformter Stuhl, Körpergewichtszunahme in
2 Wochen von 800 g. Bei einer Vorstellung des Patienten nach
•Ti Jahren sieht Pat. sehr gut aus, hat bedeutend zugenommen, etc.;
die Eltern geben heute Ichthalbin noch in geringen Dosen zeit¬
weilig in Zwischenräumen.
*) Schluss aus No. 14 dieser Wochenschr.: Rolly und S a a in :
Ueber den Einfluss des Ichthalbin auf den Stoffwechsel und die
Darmthätigkeit der Kinder.
J ) Siehe unter anderm v. Hoffmann und Lange, Therap.
Mcnatsh. 1889, H. 5; ferner M. Lange, Allg. Med. Centralztg.
1S97, No. 3; Nussbaum, Therap. Monatsh. 1888, Januar.
*) Therap. Monatsh. 1899, Juli.
*) Münch, med. Wochensehr. 1900, p. 401,
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
4. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
577
2. Margaretha K., 9 Wochen alt. Anamnese: Vor 6 Wochen
Krämpfe, 1 Tag lang, darnach Durchfall und Erbrechen, letzteres
lässt dann etwas nach, in den letzten 8 Tagen wieder Erbrecheu
und Durchfall und Abmagerung. Ernährung: Reisschleim
und Milch, in den letzten 8 Tagen nur Reisschleim.
Diagnose: Einfach chronische Enteritis (Dick- und Dünndarw-
katarrhj.
Aufnahme: Beibehaltung von Reisschleim, trotzdem in den
ersten 2 Tagen je 0 sehr schlechte, schleimige, stark fäculent
riechende Stühle.
Auf täglich 1,5 lchtlialbin werden nur 2—3 dickbreiige, im
Anfang noch stinkende Stühle entleert, es wird wieder Milch
vertragen, Körpergewichtszunahme von 200 g in 14 Tagen.
3. Luise Z., 8 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis, neben
Dünndarm- auch schwerer Dickdarmkatarrh. Seit Jahren ab¬
wechselnd Durchfall, Verstopfung, Appetitlosigkeit. Aufgenommen
am 27. II. 99 mit salbenförmigen, hellen, aus viel Schleimfetzen
und wenig dttnnbreiigem Stuhl bestehenden Defäcationen.
Therapie: Diät H und Haferbrei.
6. III. 2,0 lchtlialbin täglich; da seit Aufnahme die Stühle
nicht besser.
8. III. Geformte Stühle, bekommt Alles zu essen.
15. III. Dauernd gute, geformte Stühle, Appetit besser, Ent¬
lassung, nimmt draussen 2 X 9,5 lchtlialbin weiter. Der Darm¬
katarrh ist, wie eine spätere (Jonsultation bestätigt, geheilt.
4. R. B., % Jahre alt Seit längerer Zeit Durchfall, Ab¬
magerung, Auaemie. Therapie: täglich 3,0 Ichthalbin, nach vier
Tagen dickbreiige, gute Stühle.
5. F. B., 1 Jahr alt. Schlechte Stühle schon von Geburt an,
ln letzter Zeit 10—12 Defäcationen täglich. Bei Beibehaltung der
Diät und 4,0 Ichthalbin täglich wird nach 3 Tagen die Oeffnung
nicht mehr so häufig und dickbreiig. Da die Stühle jedoch noch
schleimig und stark stinkend sind, wird noch eine zweckent¬
sprechende Diät verordnet, worauf geformte Stühle in einer Woche
erfolgen.
0. S., 2i/ 2 Jahre alt. Diagnose: Enteritis chronic. Bekommt
sofort täglich 3,0 Ichthalbin. Nach 7 Tagen bedeutende Besserung
des Darmkatarrhs, dickbreiige Stühle, besseres Aussehen etc.
7. J„ 5 Jahre alt. Diagnose: Enteritis chronic., Appetitlosig¬
keit. Therapie: täglich 3,0 Ichthalbin und Raeahout, nach 5 Tageu
gute Stühle und guter Appetit.
8. W., 4 Monate. Diagnose: Enteritis chronic. Fast immer
Durchfall; seit 3 Tagen wieder täglich 8 bis 12 Stühle. Therapie:
täglich 3,0 Ichthalbin und nur Schleim. Nach 3 Tagen ein fester
Stuhl.
B. Ci li r o n i s c li e E n t c r i t i s in i t Peritonitis
(3 Fälle).
War also bei (len 8 oben citirten Fällen von einfacher chro¬
nischer Enteritis eine rasche Besserung des Katarrhe« durch
Ichthalbin zu beobachten, so werde ich in Folgendem 3 Fälle
von chronischer Enteritis verzeichnen, bei denen gleichzeitig
ein peritoneales Exsudat und Verdacht auf tuberculöse Peri¬
tonitis bestand.
1. H. H., 4 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis mit schwerem
Dickdarmkatarrh und mit peritonealem Exsudat, tuberculöse Peri¬
tonitis. Eine Schwester des Pat. an Tuberculöse, die Grosseitem
au Phthise gestorben. Pat. selbst leidet seit ly 3 Jahren abwech¬
selnd an Diarrhoe und Verstopfung, ln der letzten Zeit starke
Zunahme des Leibes unter grosser Abmagerung des ganzen Kör¬
pers. Viel Schleim in den Stühlen, vollständiges Darniederliegen
des Appetits.
Das Exsudat steht beim Liegen des Pat. 1 Querfinger breit
oberhalb dos Nabels. Auf Resorciu und Diät, Schmierseifenein-
reibuug nur vorübergehende, geringe Besserung. Da der Zustand
wieder schlimmer wurde, wird bei gleichbleibcnder Diät nach drei
Wochen täglich 3,0 lchtlialbin gegeben. Der Stuhl wird nach einer
Woche geregelt, dickbreiig, 2—3 mal täglich, der Appetit hebt sich
in auffallender Weise, so dass Patient fortwährend essen will,
das peritoneale Exsudat ist geringer geworden. Momentan hat
Pat. täglich nun noch 1—2 Defäcationen, das Körpergewicht nahm
in den letzten 5 Wochen 3 Pfd. zu (27 Pfd.), bekommt immer noch
3 kleine Messerspitzen Ichthalbin.
Die Bestimmung der Aetherschwefelsäure, die kurz nach An¬
fang der Behandlung gemacht wurde, hatte bei diesem Pat. einen
prompten Rückgang der Darmfäulniss unter Ichthalbinmedication
ergeben. (Siebe oben, Münch, med. Woehensehr., p. 402, „Hart¬
man n“.)
2. M. M., 514 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis mit peri¬
tonealem Exsudat (tuberculöse Peritonitis?). Erkrankung begann
vor 3 l / 2 Jahren mit Abmagerung, Leibseh merzen, Appetitlosigkeit,
dünnen lind schleimigen Stühlen. Der Zustand erfuhr zeitweise
eine Besserung, der Leib war immer aufgetrieben.
Das Kind war von anderen Aerzten mit Kreosotkapseln, Salz¬
bädern, Scbmierseifeneinreibungen, Leibbinde, Diät etc. ohne Er¬
folg behandelt worden. Bei der Aufnahme in die hiesige Kinder¬
klinik handelte es sich um ein stark herabgekommenes, anaemi-
sches Kind mit einem beim Liegen bis über den Nabel reichenden
etwas schwer beweglichem peritonealen Exsudat
Ordination: Diät II mit viel Schleim und Brei. Auflegen von
Sapon. virid. auf den Leib. Die Stühle enthalten viel Schleim, sind
manchmal dick, dann wieder ganz dünn, keine Bacillen. Da der
Stuhl sich ln den ersten 20 Tagen nicht besserte, der Appetit eher
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schlechter wurde, die Laparotomie von den Eltern verweigert
wurde, so wird am 21. Tage täglich 2 X 9,5 Ichthalbin gegeben.
Am nächsten Tage schon wurde der Stuhl dickbreiiger, 3 Tage
später geformt. Von da an hat Pat regelmässigen Stuhlgang,
der Anfangs noch etwas Schleim enthielt, welcher dann später
auch verschwand.
Gewichtszunahme von 550 g in den ersten 14 Ichthaibintagen.
3. Georg Kl., 11 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis, fühl¬
bare Mesenterialdrüsen, Verdacht auf Tuberculöse. Seit Jahren
Durchfall, dicker Leib. Nach Aufnahme in die Klinik wurde
Anfangs Alles versucht, des Durchfalls Herr zu werden, doch
vergebens; es bestanden die schleimigen, salbigen Stühle weiter.
Vom 3. XII. 1898 ab bei gleichbleibeuder Diät täglich 3 mal 0,5
Ichthalbin. Nach 4 Tagen geformte, noch mit etwas Schleim ver¬
mengte Stühle, Körpergew’ichtszuuahme vom 7. XII. bis 14. XII.
1898 800 g. ln der Folgezeit wurden die Stühle zum Theil wieder
etwas salbenförmig, jedoch nahm Patientin bis 8. I. 1899 um
weitere 3000 g zu. Leider wurde dieser Fall der weiteren Be¬
obachtung entzogen.
Unter Darreichung von Ichthalbin besserte sich also auch
in diesen schweren Fällen das Aussehen und Allgemeinbefinden
der Patienten rasch. Der Stuhlgang wurde regelmässig und ge¬
formt. Die Kinder nahmen an Gewicht zu. Dass die Verringe¬
rung des Exsudates, welche in 2 von den 3 Fällen beobachtet
wurde, eine Folge der Ichthalbinmedication war, ist kaum an-
zunehmen.
C. Chronische Enteritis mit Tuberculöse
(5 Fälle).
»Schon in der Ncuman n’sehen Klinik wurden günstige
Erfolge von der Darreichung des Ichthalbin bei chronischer En¬
teritis, die mit Tuberculöse complicirt war, beobachtet. Kürzlich
kam mir ein englischer Aufsatz von Kilburn Jones zu Ge¬
sicht, der gleichfalls einige Fälle von schwerem chronischen
Darmkatarrh mit Tuberculöse durch Ichthalbin günstig beein-
llusst sah. Ich führe in Folgendem 5 derartige Fälle an, über
die ich genaue Aufzeichnungen besitze.
1. Seh. L., 2 Jahre . Diagnose: Disseminirte Tuberculöse der
Lungen, Pleuritis, chron. Enteritis. 13. IX. 1898 3,0 Ichthalbin.
Nach vorhergehenden wochenlangen Durchfällen hat Pat. auf Ich-
thalbingabe vou 3,0 täglich 3 Wochen dickbreiige Stühle, bis sodann
im Februar 1899 der Exitus an Miliartubereulose erfolgte.
2. Z. P., 1 Jahr. Lungentuberculose. Ichthalbindarreichung
vou 1,0 täglich besserte die Stühle und den Allgemeinzustand. Pat.
nimmt sogar in den ersten 2 Wochen um 250 g zu.
3. G. L., 2 y> Jahre. Bronchialdriisentuberculose. Bei Gaben
von 1,0 Ichthalbin täglich nahm Pat. in einer Woche 300 g zu.
nachdem er die vorhergehende Woche 700 g an Gewicht verloren
hatte. Die Stühle verloren ihren stark stinkenden Charakter und
wurden dickbreiig. Exitus nach 7 Monaten.
4. Bei einer erwachsenen Frau (Z.), die an Miliartubereulose
litt, Mutter vou Pat. 2, bei welcher ich Anfangs Opium und Tannin¬
präparate gegen die blutigen Diarrhoen erfolglos anwandte, hatte
dieselbe Dosis Opium mit 3 Messerspitzen Ichthalbin täglich
y t Jahr lang gute Erfolge.
5. B. Th., 2 Jahre. Diagnose: Enteritis chron. mit Bronchial-
drüsentuberculose. Täglich 3,0 Ichthalbin, nach 2 Tagen geformte
Stühle, entzog sich nach 10 Tagen der weiteren Beobachtung.
y 2 Jahr später Wiederaufnahme in die Klinik in ganz desolatem
Zustande mit Anamnese, dass er noch lange Zeit draussen Ichthal¬
bin weiter genommen. Nach 14 Tagen Exitus. Die Section ergab
allgemeine Miliartubereulose, aber keine Tuberculöse im ganzen
Darmtractus, noch tuberculöse Peritonitis.
Dieser Fall wurde von pathologisch - anatomischer Seite
(Gelieimrath Prof. Arnold) in Anbetracht des Alters als ein
Unicum von Freibleiben des Darmes bei disseminirter Tuber-
culose aller anderen Organe erklärt. Der Kranke hatte 7 Monate
vor seinem Tode mit geringen Unterbrechungen täglich 3,0 Ich¬
thalbin genommen. Ob hier eine dauernde, wirksame Desiniec-
tion des Darmtractus durch Ichthalbin angenommen werden soll,
welche selbst die Tuberkelbacillen avirulent machte? Diese
Frage lässt sieh natürlich nicht beantworten, indessen soll der
auffallende Befund für den Fall analoger Beobachtungen nicht
verschwiegen werden.
Wie ersichtlich, wurden auch diese 5 Enteritisfälle, bei denen
gleichzeitig Tuberculöse anderer Organe bestand, durch Ich¬
thalbin temporär günstig beeinflusst und die Patienten nahmen
theilweise an Gewicht zu.
D. Subacute Magen- und Darmkatarrhe
(12 Fälle).
Aus den oben mitgetheilten 12 Fällen ersehen wir, dass
Ichthalbin bei chronischer Enteritis selbst dort mit gutem Er¬
folg gegeben wurde, wo verschiedentlich andere Mittel versagt
hatten. Am meisten überraschte mich die gute Wirkung des
Original frem *
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
Münchener medicinische Wochenschrift.
No. 17.
fe? 8
Ichthalbins bei der chronischen Peritonitis und der chronischen
Enteritis bei tuberculösenPatienten. Die Resultate der später aus¬
geführten Stoffwechsel versuche aber und besonders die Abnahme
der Aetherschwefelsäuren, also die Herabsetzung der Darm-
fäulniss, scheinen mir geeignet, die günstigen Erfolge bei diesen
Patienten zu erklären.
Diesen guten Resultaten stehen natürlich auch manche Miss¬
erfolge gegenüber. Es schien mir fernerhin von Interesse, fest¬
zustellen, ob das Iclithalbin auch auf die subacuten, d. h. ver¬
schleppten acuten Magen- und Darmkatarrhe von irgend welchem
Einfluss sei. Hier waren öfter Misserfolge zu verzeichnen.
Immerhin habe ich unter meinen Aufzeichnungen 12 Fälle von
subacutcn Darmkatarrhen, bei denen das Ich thalbin einen
günstigen Einfluss auf den Verlauf des Darmkatarrhes ausge¬
übt hat. Es würde mich zu weit führen, diese Fälle einzeln
hier anzuführen und ich bemerke nur, dass der Appetit und
das Allgemeinbefinden dieser Patienten unter Ichthalbin sich
hoben, die Stühle weniger und besser wurden, so dass die
Kranken nach 3 bis 8 tägigen Gaben von 3 X 0,5 bis 1,0 Ich¬
thalbin als geheilt entlassen werden konnten.
Bei acuten Enteritisfällen habe ich das Mittel nur wenig
versucht. Ich stehe davon ab, irgend welche Schlüsse aus den
entsprechenden Beobachtungen zu ziehen, da ich meist ge¬
zwungen war, bei Uebemahme der Fälle sofort eine andere Diät
einzuleiten, so dass die Wirkung des Mittels nicht rein zu Tage
treten konnte.
E. Anaemie und Appetitlosigkeit.
Der Ausfall der Stoffwechselversuche, sowie die häufige Be¬
obachtung über Hebung des Appetits und Zunahme des Körper¬
gewichts führten von selbst dazu, das Mittel auch bei anae-
mischcn Individuen mit damiederliegendem Appetit zu ver¬
suchen. Die Zahl der einwandsfreien Beobachtungen, über die
ich bisher verfüge, ist aber zu gering, um schon jetzt ein sicheres
Urtheil über die Brauchbarkeit des Ichthalbins als Tonicum
zu gestatten. Die Beobachtungen sollen an der hiesigen Klinik
desshalb fortgesetzt werden, und ich werde in einer späteren
Publication darauf zurückkommen.
Schlussfolgerungen.
1) Ichthalbin wurde in Dosen bis zu max. 8,0 pro die ohne
Schaden lange Zeit gerne genommen. Es bewirkt selbst in
solchen Dosen keine Verstopfung, noch Reizerscheinungen von
Seiten des Darmes oder der Nieren.
2) Es beförderte in unseren Stoffwechselversuchen den Ei¬
weissansatz, indem es sowohl die Stickstoffausscheidung durch
den Ham verringerte, als auch die Ausnutzung der gereichten
Nahrung erhöhte.
3) Ichthalbin hob bei unseren Patienten schon in Dosen von
3 X 0,3—0,5 den Appetit und das Körpergewicht und scheint
daher als Tonicum wirken zu können.
4) Es setzte bei unseren 4 Versuchen in täglichen Dosen
von 1,5—3,0 die Menge der Aetherschwefelsäuren stark herab
und verminderte somit die Fäulnissvorgänge im Darm, wenn
auch die Stühle ihren stinkenden Charakter erst allmählich ver¬
loren.
5) Unter gleichbleibenden sonstigen Bedingungen (Diät etc.)
hatten tägliche Dosen von 1,5—3,0 Ichthalbin einen günstigen,
theilweise sehr günstigen Einfluss sowohl auf einfach chronische
Enteritis, als auf solche Fälle, die mit Peritonitis oder Tuber-
culose complicirt waren.
6) Die subacuten Magen- und Darmkatarrhe wurden z. Th.
günstig beeinflusst, hingegen war bei den acuten Erkrankungen
eine einwandsfreie Wirkung nicht nachzuweisen.
Dosirung. Bei den chronischen Daraikatarrhen von
Kindern unter 1 Jahr 3X0,3—0,5, von Kindern über 1 Jahr
bis zu einem Alter von 5 Jahren 3 X 0,5—1,0, über 5 Jahre
3X1,0; bei Kindern und Erwachsenen als Tonicum 3X0,3
bis 0,5. Auch dürfte es sich wegen der Billigkeit empfehlen,
das Ichthalbin eventuell als Schachtelpulver zu verordnen. 3 mal
täglich 1 Messerspitze voll.
Dem Director der Klinik, Herrn Prof. Dr. O. Vierordt,
sprechen wir für eein dieser Arbeit entgegengebrachtes Interesse
sowie für seine Rathschläge unseren besten Dank aus.
Digitized by Gouole
Neue Beiträge zur Pathologie der Speiseröhre.
Von Professor Dr. W. Flein er in Heidelberg.
(Schluss.)
II. Krankheitserscheinungen.
Angeborene Erweiterungen der Speiseröhre können lange
Zeit hindurch — in manchen Fällen sogar zeitlebens — latent
bleiben. Beschwerden geringfügiger oder schwerster Art treten
gelegentlich einmal auf, wenn Nahrungsbestandtheile im er¬
weiterten Abschnitte der Speiseröhre festgehalten werden, können
aber rasch wieder verschwinden. In schwereren Fällen wiederholt
sich dieses Ereigniss häufiger, ohne zu erheblichem Schaden zu
führen. Die schwersten Krankheitserscheinungen werden eben
hervorgerufen, wenn die Dysphagie lange Zeit hindurch oder
dauernd bei jeder Mahlzeit sich einstellt.
Die Anstauung von Nahrungsbestandtheilen in einem Vor¬
magen verursacht ganz charakteristische Beschwerden und Krank-
heitserscheinungen. Bei mässiger Füllung des Sackes besteht ein
unbehaglicher, „steinerner“ Druck über dem Magen, hinter dem
Brustbein. Füllt sich der Sack stärker an, so müssen die Kranken
mit Essen und Trinken aufhören und zuwarten, bis sich die Ent¬
leerung des — sagen wir — Vormagens bewerkstelligt hat. Thun
sie dies nicht, so ruft jeder weitere Schluck odejr Bissen durch
stärkere Dehnung des Sackes heftigen Schmerz hervor.
Entleert sich der Sack in den Magen, was bei noch genügen¬
dem Tonus der Speiseröhren wand oft ziemlich rasch geschehen
kann, so verschwindet der Druck oder der Schmerz hinter dem
Brustbein und bei entsprechender Vorsicht im Kauen und
Schlucken kann dann eine Mahlzeit ohne weitere Störung ganz
beendet werden. Ist aber der Zugang zum Magen erschwert, etwa
weil ein verschluckter Bissen zu gross war, oder weil in Folge
grösserer Reizung der Wand am unteren Pole einer spindel¬
förmigen Speiseröhrenerweiterung ein Spasmus sich eingestellt
hat, so kommt es zum Regurgitiren.
Bald treten Regurgitationen ein nur nach dem Verschlucken
grosser und fester Bissen, bald nach jeder Art von Speise und
Trank, oft gleich nach dem Schlucken, oft erst stundenlang nach
der Nahrungsaufnahme. Das Regurgitiren kann spontan er¬
folgen und ohne besondere Beschwerden vor sich gehen, ähnlich
wie das „Speien“ der Säuglinge. Es kann aber auch mit heftigem,
beschwerlichem Würgen verbunden sein. Dabei kommt entweder
alles Verschluckte mit Schleim und Speichel vermengt wieder
herauf, oder aber es werden nur die festen Bestandtheile der
Nahrung hochgebracht, während die flüssigen in den Magen ge¬
langen. Die in grösseren Mengen her auf ge würgten Massen wer¬
den gewöhnlich nach aussen entleert, während kleinere Volumina
hochkommender Nahrung oft wieder verschluckt werden. Mit¬
unter wird in solchen Fällen das Regurgitiren zur Gewohnheit
und wir haben dann eine besondere Art des Wiederkäuens
oder der Rumination vor uns.
Einem meiner Patienten, der viel zu trinken pflegte, entleerte
sich der im Vormagen angestaute Inhalt häufig durch die Nase;
oft geschah dies des Nachts im Schlafe unbemerkt und erst beim
Erwachen zeigte ihm das beschmutzte Kissen, was geschehen war.
Bei dem von mir beschriebenen Kinde mit dem Vormagen (Krank¬
heiten der Verdauungsorgane I, S. 109) stellte sich nur Nachts im
Bette ein eigentümlicher Husten ein, der vermutlich durch
Aspiration hochgekommenen Vormageninhaltes ausgelöst wurde.
Audi traten in diesem Falle merkwürdig laute und glucksende
respiratorische Geräusche in der Brust auf, wie wenn Flüssig¬
keit und Luft vom Vormagen her durch die Zwerchfells¬
bewegungen in der Speiseröhre auf- und abbewegt würden. Diese
Geräusche ängstigten die Mutter des kranken Kindes derart, dass
sie selbst den Schlaf nicht finden konnte oder aus demselben auf¬
geschreckt wurde. Kam es nun bei einem stärkeren Hustenanfall
endlich zum Erbrechen, d. h. zum Ausleeren des Vormagens, so
hörte der Husten und das Rasseln in der Brust für den Rest der
Nacht ganz auf, und das Kind schlief tief und ruhig weiter.
Recht qualvolle Zustände treten auf, wenn in einem Vor¬
magen verschluckte Massen oder vom Magen heraufkommender
Inhalt, Gase oder saurer Speisebrei eingeklemmt werden.
Solche Incarcerationserscheinungen kommen
in Vormagen mit entzündeter oder stärker ge¬
reizter Wandung häufig zu Stande und zwar dadurch, dass
ein chemisch oder mechanisch stärker reizender Inhalt die Mus-
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
24. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
579
ciilatur zu spastischer Contractur anregt, wobei sowohl am oberen
als am unteren Pole des Vormagens ein Abschluss bewerkstelligt
und ein Entweichen des angestauten Vormagenin halt es nach oben
oder unten unmöglich gemacht wird.
Besteht ein solcher Spasmus oder stellt er sich beim Sondiren
ein, so stösst die Sonde sowohl am oberen als am unteren Ende
einer Speiseröhrenspindel auf einen Widerstand, der aber lang¬
sam und schonend zu überwinden ist. Entleert sich dabei der
Vormageninhalt durch die Sonde, so hören die vorher furchtbaren
Beschwerden ganz plötzlich auf. Während der Incarceration
klagen die Kranken über einen heftigen Schmerz, „wie wenn
ihnen die Brust auseinandergerissen würd e u .
Mit diesem Schmerz ist oft auch Angst, Athemnoth und Beklem¬
mung verbunden.
Die Einklemmungserscheinungen treten anfallsweise auf,
namentlich während der Mahlzeiten. Ein Anfall hält gewöhnlich
nur kurze Zeit an, einige Secunden, eine oder mehrere Minuten.
Er endet mit dem Hinabgleiten des Vormageninhaltes in den
Magen oder mit Herauswürgen desselben. Sehr leicht kehren
die Einklemmungserscheinungen wieder: die Kranken werden
desshalb sehr vorsichtig beim Essen, nehmen nur kleine Schlücke
und kleine Bissen und kauen mit grösster Sorgfalt. Entsteht
trotzdem eine Oesophagitis oder Gastritis oder ein stärkerer Reiz¬
zustand des Vormagens an seinen Polen (Fissuren und Rhagaden,
Sehleimhautexeoriationen durch unvorsichtiges Sondiren), so
werden die Kranken gezwungen, ihre Mahlzeiten einzuschränken
und trotz des Hungers faste Nahrung, Fleisch und Brot
lind sonstwie reizende Substanzen, namentlich Alkoholica zu ver¬
meiden. Es entwickelt sich desshalb rasch ein Zustand der Unter¬
ernährung, Abmagerung und Entkräftung, dessen Eintritt noch
dadurch beschleunigt wird,dasstrotz aller Vorsicht beim Essen und
Trinken ein Theil der auf genommenen Nahrung in der Speise¬
röhre anstaut, diese noch mehr (also auch oberhalb des Vor¬
magens) erweitert und schliesslich doch durch Auswürgen dem
Körper verloren geht.
Die Gelegenheitsursachen, welche einen Vormagen
aus seinem Latenzstadium hervortreten machen und das ge¬
schilderte Krankheitsbild — in oft sehr merkwürdiger indivi¬
dueller Färbung—hervorrufen, können sehr verschiedenartig sein.
Die an anderem Orte mitzutheilenden Krankengeschichten
(Vogelsang) werden hierüber Näheres berichten. Ich will
hier nur einen Fall mittheilen, bei welchem jeweils eine
Schwangerschaft schwere Krankheitserscheinungen von
Seiten eines Vormagens hervorrief und zwar dadurch, dass bei
dem morgendlichen Uebelsein im Anfang der Schwangerschaft
durch die reflectorisch ausgelösten Brechbewegungen Mageninhalt
in denVormagen gepresst,dort inearcerirt wurde,ohne dass er nach
oben entleert werden konnte. Hierzu kam dann noch die Er¬
schwerung des Sehlingens, die Anstauung der verschluckten Nah¬
rung und die immer grösser werdende Erweiterung der Speise¬
röhre oberhalb des eigentlichen Vormagens.
Frau M. aus R., 27 Jahre alt. über mittelgross, schlank und
gut gebaut, aber sehr blass und abgemagert, erinnert sich aus
der Kinderzeit, dass ihr öfters Kirschen im Schlunde
stecken blieben und wie ein Stein über dem Magen drückten,
bis sie wieder in den Mund herauf kamen. Im 10. Jahre erkrankte
sie an D i p h t h e r i t i s und konnte damals einige Tage lang
gar nichts schlucken. Sogar von den Eissttickchen, die sie in den
Mund bekam, sei nach einiger Zeit das geschmolzene Wasser
immer wieder aus dem Halse heraufgekommen. Auch sei da¬
mals von Milch oder Schleimsuppe nach einiger Zeit wieder etwas
in den Mund heraufgekommen und habe einen so
eigenthü milchen Geschmack gehabt, dass sie diesen
nie mehr habe vergessen können. Seit dem sie so schlecht
schlucken könne, empfände sie jenen eigenthttmlichen fad-sauren
Geschmack fast anhaltend. Als junges Mädchen bekam sie bei
Aufregunszuständen hin und wieder einmal Schluck¬
beschwerden, so dass ihr die Bissen im Halse stecken
blieben, sonst war sie aber gesund und blühend und verheirathete
sich mit 21 Jahren.
In der ersten Schwangerschaft 1894 hatte sie des
Morgens viel an Uebelkeit zu leiden. Trotz heftiger
Würgbewegungen kam es aber niemals zum Er¬
brechen, nur entstand ein starker Druck über dem Magen und
dieser steigerte sich zu Schmerzen, „wie wenn alles
ln der Brust auseinanderrelssen müsste“. Dabei
wurde ihr ganz schlecht, ohnmachtähnlich, und die Speiseröhre
brannte den Hals hinauf wie Feuer. Dazu gesellten sich nun
Schluckbeschwerden, zuerst nur beim Genuss fester
Nahrung, dann auch bei Flüssigkeiten. Die Bissen blieben über
dem Magen stecken; Versuche, dieselben mit Flüssigkeiten
hinunterzuspülen, gelangen manchmal. Oft ging aber auch Alles
wieder oben heraus, der Druck über dem Magen blieb jedoch be¬
stehen und wurde oft furchtbar schmerzhaft. Oft konnte Patientin
tagelang gar nichts geniessen und magerte desshalb sehr rasch ab.
In der chirurgischen Klinik zu Tübingen, wo Patientin gegen
ihr Leiden Hilfe suchte, diagnosticirte Herr Professor Bruns
ein Divertikel der Speiseröhre. Er sondirte und liess
auch zu Hause die Sonde weiter gebrauchen.
Nach der Entbindung besserte sich der Zu¬
stand rasch wieder, so dass sich die Patientin gut er¬
holte. Bald stellte sich aber die zweite Schwangerschaft ein und
damit wieder derselbe Zustand, wie das Jahr vorher.
Diesmal wandte sich Frau R. an Herrn Professor Lieber¬
meister in Tübingen, welcher eine spastische Stenose
der Cardia annahm und während eines mehrwöchentlichen Auf¬
enthaltes in der Klinik Sondenfütterung vornehmen liess.
Mit dem Aufhören dieser Behandlung verschwand die erzielte
Besserung wieder und der üble Zustand dauerte an, bis nach der
Entbindung, dann erholte sich Patientin wieder sehr rasch.
Während der dritten Schwangerschaft 1896 übernahm Herr
Oberamtsarzt Rush die Behandlung und erhob dabei folgenden
Befund: Zarte, anaemische Frau mit Blutgeräuschen über Mi¬
tralis und Pulmonalis. Lungen frei. Links hinten unten am
Thorax eine spindelförmige, bis zum 6. Brustwirbel hinauf¬
reichende, unten 3 fingerbreite Dämpfung. Beim Einftihren einer
weichen Sonde (No. 18) fliesst reichliche, sauerriechende, faden¬
ziehende Flüssigkeit, mit Speiseresten vermischt, aus der Sonde,
noch ehe diese in den Magen gelangt ist. Die Sonde gleitet leicht
in den Magen, auch Sonde 22 lässt sich leicht einführen. Däm¬
pfung hinten unten nachher verschwunden.
Bei der nächsten Untersuchung Unmöglichkeit, die Sonde ein¬
zuführen, ein anderes Mal Widerstand beim Herausziehen.
Auf Grund dieser Befunde diagnosticirte Dr. R.: spasti¬
sche Stenose der Cardia, Stauungsectasie der
Speiseröhre, auch Anätzung der Schleimhaut der ectatischen
Stelle durch stagnirenden Inhalt.
Galvanisiren erwies sich ohne Erfolg. Nach der Entbindung
wurde der Zustand wieder erträglich, bis mit dem Eintritt der
4. Schwangerschaft, eingeleitet durch die morgendlichen Uebel-
keiten, wieder so starke Beschwerden sich einstellten, dass bis
zur Entbindung die Frau 2 mal täglich von ihrem Manne mit der
Sonde gefüttert werden musste. Nebenher konnte sie nur wenig
flüssige Nahrung nehmen.
Trotz der ernstlichen Erkrankung der Mutter bei jeder
Schwangerschaft sind alle Kinder gesund und wohlentwickelt.
Keines zeigt Schlingbeschwerden; Eltern und Verwandte der
Mutter sind auch frei von solchen.
Nach der 4. Geburt kam wieder eine Besserung, bis mit Ein¬
tritt der jetzigen 5. Schwangerschaft der Zustand sich von Neuem
verschlimmerte. Auf Rath des Dr. R., welchem ich einen ausführ¬
lichen Krankheitsbericht verdanke, kam Patientin im 3. Monat
ihrer 5. Schwangerschaft in meine Behandlung.
Durch äussere Untersuchungen war nicht Abnormes wahr¬
nehmbar, nur schien die Frau mager und blutleer; der Haemo-
globjngehalt ihres Blutes betrug ca. 50 Proc. (F1 e I s c h 1), im
Urin war weder Eiweiss noch Zucker. Beim Enführen einer
weichen Schlundsonde stiess ich an verschiedenen Stel¬
len der Speiseröhre auf leichten Widerstand, auf einen
unüberwindlichen erst 51 cm hinter der Zahnreihe. Während der
Sondining flössen insgesammt etwa 200 ccm einer trüben, fad¬
säuerlich riechenden, mit Speiseresten vermischten Flüssigkeit
aus der Sonde. Nach der Spülung der erweiterten Speiseröhre
mit lauwarmem Wasser wurde eine halbweiche Sonde eingeführt,
welche endlich auch in den Magen gelangte.
Dabei zeigte sich, dass der Magen selbst auch Flüssigkeit
enthielt. Diese hatte eine andere Färbung, als die aus der Speise¬
röhre heraufgeholte, gab aber keine Salzsäurereactlon. Eine Rein¬
waschung des Magens konnte mit der halbweichen Sonde nicht
erzielt werden. Nach der künstlichen Fütterung mit ca. 600 ccm
Haferbrei mit Milch verdünnt, wurden die Grenzen des Magens
bestimmt und dabei gefunden, dass die grosse Curvatur halbhand¬
breit unter den Nabel reichte und dass der Magen in grosser Aus¬
dehnung plätscherte. Er war also sehr schlaff. Ord.: Bettruhe
und flüssigbreiige Nahrung, häufiges Trinken kleiner Portionen von
Vichywasser, um auf die offenbar sehr gereizte Speiseröhren¬
schleimhaut mildernd einzuwirken.
Am 2. Tage ging die Sondirung viel leichter von Statten; die¬
selbe weiche Sonde, mit welcher die Speiseröhre gespült worden
war, glitt nach kurzem Aufenthalt beim Hinderniss 51 cm hinter
den Schneidezähnen in den Magen, konnte also auch zum Spülen
dieses Organes und zur Fütterung verwendet werden.
Wiederum war der Magen Früh nüchtern nicht leer, sondern
enthielt Nahrungsüberreste von anderer Beschaffenheit, als der
Speiseröhrensack.
Abends vor dem Einschlafen wurde von nun an der
Speiseröhrensack mit einer weichen Sonde durch Ex¬
pression täglich entleert (ohne Spülung). Des Morgens fand
sich dann von Tag zu Tag weniger angestaute Flüssigkeit im Vor¬
magen. Der Magen selbst blieb jedoch noch eine Zeit lang mo¬
torisch insufficient; enthielt Früh nüchtern eine trübe Flüssigkeit
und musste vor der künstlichen Fütterung reingespült werden,
wozu in der Regel 5—6 Trichter Spülwasser nöthig waren.
Nach 6 Tagen liess ich Patientin, die inzwischen um 6 Vs Pfd.
zugenommen hatte und sieh beschwerdefrei fühlte, aufstehen.
4 *
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Original From
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
580
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
Auch wurden Versuche mit fester Nahrung gemacht, mit gekochten
Mehlspeisen und gewiegtem Fleisch, die gut ausfielen. Des Abends
wurden aus dem Vormagen 150—100 ccm Inhalt herausgeholt.
Frühmorgens nur etwa 30 ccm, meist aus trübem Speichel mit viel
Plattenepithelien bestehend. Im nüchternen Magen war weniger
Inhalt als Anfangs, leer war er aber immer noch nicht. Zur künst¬
lichen Fütterung wurden nun 800—900 ccm Hafergrütze und Milch
verwendet. Der Stuhl war angehalten, so dass durch Klystiere
nachgeholfen werden musste, aber gut ausgenutzt und verdaut.
Schlaf und Appetit gut, überhaupt Allgemeinbefinden vorzüglich,
da Patientin keine Beschwerden mehr hatte und die gewohnte
Procedur der Fütterung sie kaum belästigte.
Erst nach 4 Wochen war die Atonie des Magens soweit, be¬
hoben, dass der nüchterne Magen leer und rein war und nur noch
wegen des vom Vormagen abgeflossenen Inhalts kurzer Spülung
bedurfte.
Auch die Stauungserweiterung der Speiseröhre
ging täglich zurück: Abends selten über 100 ccm angestauter
Speisereste, Morgens 20—30 ccm trüben Speichels Im Vormagen.
Einige Male war der Vormagen Früh nüchtern sogar leer.
Die Spülung der Speiseröhre wurde allmorgendlich
stufenweise vorgenommen und so ausgeführt, dass man
30 cm hinter der Zahnreihe kleine Wassermengen (50—75 ccm)
elnlaufen Hess. Ein Ueberlatifen nach dem Kehlkopf und Husten¬
reiz kam selten einmal vor, weil die Speiseröhre sich oben fest
um die Sonde anlegte und so einen Abschluss bildete. Wenn die
Speiseröhre voll war, stockte der Zufluss aus dem hochgehaltenen
Trichter ruckweise. Unter fortwährendem Spülen wurde nun die
Sonde tiefer geschoben, so dass die Speiseröhrenwand In jeder
Höhe bespritzt, sozusagen gedoucht wurde. Regelmässig stiess
man 44 cm hinter der Zahnreihe auf ein kleineres, 51 cm auf ein
grösseres Hinderniss, die aber beide bei hochgehaltenem Trichter
und gleichzeitigem Schlucken mit der weichen Sonde überwunden
werden konnten.
Ich vermuthe, dass diese beiden 7 cm auseinander stehenden
Hindernisse dem oberen und dem unteren Pole der Vormagen¬
spindel entsprechen.
In den letzten 2 Wochen ihres Heidelberger Aufenthaltes
konnte die Patientin die Spülung der Speiseröhre, des Vormagens
und des Magens, dessgleichen auch die Fütterung Frühmorgens
selbst ausführen: sie tliat dies stets unter Aufsicht, aber so correct
und zuverlässig, dass man ihr die Selbstbehandlung auch daheim
überlassen konnte. Mittag- und Abendessen, aus gemischter,
fester Nahrung bestehend, dessgleichen die flüssigen Zwischen¬
mahlzeiten um 10 Uhr und um 4 Uhr genoss sie ohne Sonde ohne
Beschwerden. Brechreiz. Regurgitiren oder Herauswürgen kam
nicht mehr vor. Nur einmal, als Patientin, einem Gelüste fol¬
gend. auf dem Markte rohes Obst gekauft und etwas hastig ge¬
gessen hatte, empfand sie Druck über dem Magen, bis die Obst¬
reste des Abends aus dem Vormagen entfernt wurden. Die vor
dem Einschlafen aus dem Vormagen mit der Sonde herausgeholtc
Menge zurückgehaltener Speisereste betrug auch zuletzt immer
noch 70—90 ccm.
Dagegen war das Spülwasser von Speiseröhre. Vormagen und
Magen Früh nüchtern fast ganz klar und reagirte nlcTit mehr sauer.
Die frei Salzsäure fehlte in einer 3 Stunden nach einem Probe¬
mittagessen (Schleimsuppe, Rostbeef und Kartoffelbrei) entnom¬
menen Magenlnhaltsprobe; die Acidität des Mageninhaltes betrug
65, diejenige des Vormageninhaltes 35! — Gekräftigt und blühend
aussehend, mit einer Gewichtszunahme von 13 Pfund und einer
Steigerung des Haemoglobingehaltes des Blutes um 20 Proc. (nach
F1 e i s'c h 1) wurde Patientin nach 6 wöchentlicher klinischer
Behandlung nach Hause entlassen, um dort die Selbstbehandlung
in der angelernten Weise bis zur Entbindung fortzusetzen. Sub-
jectlv fühlte sich Patientin so wohl wie seit ihrer Mädchenzeit nicht
mehr. Die Schwangerschaft machte ihre keine Beschwerden,
täglich konnte Patientin Spaziergänge von 2—3 Stunden ohne An¬
strengung unternehmen.
Nach kürzlich eingetroffenen Nachrichten ist die Entbindung
gut von Statten gegangen — nach dem Wochenbett hat aber Pa¬
tientin wieder zur Sonde greifen müssen, um beschwerdefrei zu
sein.
Die Diagnose einer Speiseröhrenerweiterung ist aus den
wohleharakterisirten Krankheitserscheinungen, welche durch die
Anstauung von Speise, Trank und Speichel oberhalb des
Magens verursacht werden, leicht zu stellen.
In manchen Fällen gibt dann die Vorgeschichte der Kranken
darüber Aufschluss, ob schon in früher Jugend gelegentlich
Schlingbeschwerden da waren oder ob im Laufe der Jahre
periodische Störungen auftreten, welche auf angeborene
Formanomalien der Speiseröhre hinweisen. Endlich müssen die
Resultate einer oft wiederholten Sondenuntersuchung ergeben,
dass der unterste Abschnitt der Speiseröhre eine spindel- oder
sackförmige Erweiterung trägt, ohne dass eine organische Stenose
durch Narbe oder Neubildung vorhanden ist, die man als Ur¬
sache dieser Erweiterung ansprechen könnte. So lange oesopha-
gitische Reizzustände in dem erweiterten Speiseröhrenabschnitt
bestehen, welche bei der Sondenberührung die Wandung zu
spastischen Oontracturen anregen, ist jene Entscheidung nicht
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immer bestimmt zu treffen. Desshalb wird die sichere Diagnose
einer angeborenen Speiseröhrenerweiterung oftmals erst im Ver¬
ls ufe der Behandlung, und zwar der erfolgreichen Behandlung,
möglich.
Grosse Schwierigkeiten bereitet in vielen Fällen die Frage,
ob die angeborene Erweiterung oberhalb oder unterhalb vom
Zwerchfell sitzt, ob also ein Vormagen oder ein Antrum
cardiacum vorliegt. Meine Sectionsbefunde betrafen jeweils
Vormagen. Man könnte also glauben, dass diese Art ange¬
borener Speiseröhrenerweiterungen häufiger sei, als die unterhalb
vom Zwerchfell gelegenen. Einen gewissen Widerspruch rufen
aber die Sondirungsergebnisse bei den klinisch behandelten
Fällen hervor, denn da wurden fast durehgehends die auf die
unteren Pole der spindelförmigen Erweiterungen bezogenen
Widerstände sehr tief gefunden, tiefer als man gewöhnlich
den Hiatus oesophageus anzunehmen pflegt. In solchen Fällen
werden etwaige Zweifel durch die Untersuchung mit Röntgen¬
strahlen beseitigt werden können, nachdem die Patienten ihren
Vormagen mit einer Wismuthaufschwemmung oder mit einem
reichlich mit Wismuth gemischten Brei gefüllt haben.
Die Behandlung der durch einen Vormagen (ein Antr.
cardiacum, eine spindelförmige Erweiterung oder ein tief¬
sitzendes Divertikel der Speiseröhre) hervorgerufenen Störungen
erfordert ebensoviel Geschicklichkeit, Geduld und Ausdauer vom
Aizte wie vom Kranken.
Die erste Aufgabe wird sein, den Kranken an die Ein¬
führung der Sonde zu gewöhnen, dann das geeignetste Instru¬
ment und die Methode ausfindig zu machen, mit welcher man
schonend und sicher in den Magen gelangt. Es ist von vorn¬
herein ein unschätzbarer Vortheil, wenn man möglichst dicke
Sonden in den Magen bringt, auch möglichst weiche. Man kann
dann die Sondenfütterung viel leichter bewerkstelligen, als mit
dünnen Sonden, grössere Mengen von Nahrung und nicht nur
flüssige, sondern auch breiige, ja sogar feste, zerkleinerte und
gemischte Nahrung einführen, also den Bedarf des Körpers
decken.
Gestatten es die Verhältnisse, die Sondirung und Sonden¬
fütterung dreimal täglich auszuführen und auf diese Weise dem
kranken oder entkräfteten Körper genügende Nahrungsmengen
eine Zeit lang einzuflössen, so bilden sich die vorhandenen Speisc-
röhrenerweiterungen bald zurück, weil bei künstlicher Fütterung
keine Stauung von Speisen mehr stattfindet.
Ist aber die Speiseröhre oder der Vormagen katarrhalisch
entzündet oder staut sich selbst der herabfliessende Speichel dort
an, so muss vor der Sondenfütterung die Speiseröhren¬
spülung vorgenommen werden. Sehr bewährt hat sich mir
das stufenweise Spülen der Speiseröhre. In der'Regel ge¬
nügte hierzu lauwarmes Wasser; es könnten aber auch schwache
adstringirende oder desinficirende Lösungen (Salicylsaure 1:1000)
und bei Excoriationen Wismuthaufschwemmungen in Anwendung
kommen. Ferner lasse ich trotz Speiseröhrenspülungen und
Sondenfütterungen Tags über in Abständen von Y*—Ys Stunde
kleine Schlucke eines alkalischen, kohlesäurearmen Mineral¬
wassers (am besten Vichywasser), bisweilen auch eine schleimige
Flüssigkeit trinken (Quittenkernschleim) oder Stückchen von
Gummi arabicum oder nicht gezuckerte Gummikugeln zerkauen.
Haben sich die Verhältnisse allmählich soweit gebessert, dass
die Nahrung auf gewöhnliche Weise, ohne Sonde, eingenommen
werden kann, so ist es doch zweckmässig — wochen- oder monate¬
lang — des Abends vor Schlafengehen eine weiche Sonde in den
Vormagen einzuführen, um etwa zurückgehaltene Speisereste
durch Ausdrücken, Aushebern oder noch besser durch rasches
Ausspülen zu entfernen und dadurch abnormen Zersetz¬
ungen, welche die Speiseröhrenwandung reizen, den Geschmack
und die Magen Verdauung verderben und üblen Geruch aus dem
Munde verursachen, möglichst vorzubeugen. Der
Speiseröhrensack bleibt dann wenigstens über Nacht leer und
kann sich während derselben auf sein engstes Maass zusammen¬
ziehen.
Nach und nach kehrt dann ein Vormagen in sein Latenz¬
stadium zurück, in einen Zustand, in welchem er keine Be¬
schwerden und keine Störungen verursacht, wenn die Emälirungs-
und Lebensweise den Locus minoris resistentiae am Ende der
Speiseröhre berücksichtigt. Völlig verschwinden wird ein ange-
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581
24. April c 1900. MÜNCHENER MF.DICTNISOHE WOCHENSCHRIFT.
borener Vormagen nicht, völlige Heilungen haben desshalb die
internen Behandlungsmethoden nicht erzielt. Bis jetzt hat es
auch nicht den Anschein, dass hier chirurgische Eingriffe Abhilfe
schaffen könnten.
lieber Kehlkopferkrankungen im Verlaufe des Diabetes.
(„Laryngitis diabetica“.)
Von weil. Otto Leichtenstern in Köln a. Rh.
(Schluss.)
Hie Laryngo- und Pharyngoxerosis diabetica hat, wie die
angeführten Krankengeschichten lehren, ihre grosse praktische
Bedeutung darin, dass sie als F r ü h Symptom des Diabetes, als
ein scheinbar rein locales ITebel in die Erscheinung tritt und
es erklärt sich hieraus die Erfahrungsthatsache, dass solche Fälle
oft lange Zeit als rein locale Krankheiten behandelt werden, bis,
vielleicht rein zufällig einmal, der Diabetes als Ursache auf ge¬
deckt wird.
Es wird mir der Einwurf nicht erspart bleiben, Zustände ge¬
schildert zu haben, welche die natürlichen Attribute eines jeden
Diabetikers seien, und dass eben hauptsächlich auf dieser Aus¬
trocknung der Schleimhäute des Mundes, Rachens, Kehlkopfs
die Steigerung des Durstgefühls bei diesen Kranken beruhe.
Diesem scheinbar berechtigten Einwurf ist entgegonzu-
halten:
1. Gesteigertes Durstgefühl ist durchaus nicht das Attribut
eines jeden Diabetikers; es gibt zahlreiche Zuckerkranke, welche
ohne nennenswerthe Polyurie und ohne jegliche auffallende Poly¬
dipsie beträchtliche Mengen Zucker ausscheiden. Ob zufällig
oder nicht, die geschilderten Fälle von Laryngo-Pharyngoxerosis
diabetica waren sämmtlich solche, welche ohne Steigerung
des Durstes einhergingen. Gerade das Fehlen dieses Sym¬
ptoms und die Latenz der übrigen subjectiven Diabetessymptome
hatten zur Folge, dass die betreffenden Kranken selbst erfahrenen
Aerzten als einfache Fälle von chronischem Pharynx- oder
Larynxkatarrh erschienen. Die betreffenden Patienten antwor¬
teten auf meine, nach gestellter Diabetesdiagnose, an sie ge¬
richtete Frage, ob sie nicht auch vermehrtes Durstgefühl beob¬
achtet hätten, beispielsweise wie Fall 3, der einen hochgestellten
Juristen betraf: „Ich habe durchaus keinen vermehrten Durst;
wohl aber zwingt mich die rasche Austrocknung meines Kehl¬
kopfes bei längeren Vorträgen sehr häufig zu trinken, um die
Stimme nothdürftig auf ihrem Stande zu erhalten“. (Vergl.
Krankengeschichte 3.) Sind derartige Fälle bereits in special-
ärztlicher Behandlung gewesen, so pflegen sie sich noch be¬
stimmter auszudrücken, sie sprechen dann überhaupt nur noch
von ihrem „chronischen Rachen- oder Kehlkopfkatarrh“ als einer
erledigten Diagnose.
Seit Jahren habe ich meine an einer nicht unbeträchtlichen
Zahl von Diabet&skranken angestellten Untersuchungen mit einer
gewissen Vorliebe auch auf die Inspection des Mundes, Rachens,
Kehlkopfs ausgedehnt und dabei Folgendes gefunden:
Die gewöhnlichen Diabetiker, besonders jene mit lebhaft
gesteigertem Durstgefühl, schildern auf näheres Befragen ihr
Durstgefühl ganz ebenso wie beispielsweise eine Patientin von
Külz*), als ein Gefühl der Dürre des Mundes *), der Lippen,
des Gaumens. In einigen Fällen, durchaus nicht immer, gibt
sich diese Xerostomie. wie man den Zustand nennen kann, auch
objectiv durch eine auffallende Trockenheit („trockene Röthe“)
der Zähne, des Zahnfleisches, der Wangen- und Gaumenschleim¬
haut, der Zunge zu erkennen. Diese Xerostomie, welche auf
einer verminderten Secretion der Glandulae muciparae und wohl
hauptsächlich auf einer Verminderung der Speichelsecretion be-
rnfit, kann, wie ich nicht bezweifle, mit der Pharyngo-Laryngo-
xerosis verbunden Vorkommen. Aber meine an letzterer Affection
leidenden Diabetiker klagten, wie die mitgetheilten Kranken¬
geschichten lehren, ausschliesslich über Symptome von „Aus¬
trocknung des Rachens, der Kehle, oder über rasches Versiegen
*) Beiträge z. Path. n. Therap. d. Diabetes mellitus. Marb.
1874, S. 18.
*) Einzelne Diabetiker locallsirten ihr gesteigertes Durstgefühl
merkwürdiger Welse auf den Magen. Ich will hier nicht in das
dunkle Gebiet der Physiologie und Pathologie des Durstgefühls
einlenken und die schwierige Frage meiden, ob der Durst stets
„auf einer primären Erregung der Tastnerven des Gaumens durch
das wasserverarmte Blut beruht“ oder durch dieselbe Blutbe¬
schaffenheit auch in anderen Organen, insbesondere direct ln noch
unbekannten Centralorganen erzeugt werden kann.
der Stimme beim lauten Sprechen“ etc., während sie die Erschei¬
nungen der Xerostomie weder subjectiv noch objectiv darboten.
Diese Unterscheidung ist von Wichtigkeit, denn, ich scheue nicht
zu wiederholen, gerade die Beschränkung der Trockenheit auf
den Kehlkopf oder die hintere Rachenwand oder beide gleich¬
zeitig. bei Abwesenheit von Xerostomie, von gesteigertem Durst¬
gefühl und allen anderen subjectiven Diabetessymptomen ist es,
was die Laryngo-Pharyngoxerosis diabetica so oft als einfachen
„Katarrh“ oder „Pharyngitis sicca“ erscheinen und die Aetio-
logie, den Diabetes, übersehen lässt. Es erübrigt noch naehzu-
tragen, dass die Kranken mit Laryngoxerosis diabetica weder
über Schmerz im Kehlkopf klagen noch Husten darbieten. Dass
der Kehlkopf einen höheren Grad von Austrocknung erfahren
kann, ohne dass dadurch Husten erregt würde, beweisen bekannte
Erfahrungen, z. B. in der Cholera. Von der Laryngoxerosis
diabetica sind überdies hauptsächlich die Stimmbänder befallen,
deren Reizung nach bekannten Versuchen keinen Hustenreflex
aaslöst.
Was nun die Pathogenese unserer Affection und der mit ihr
zwar nicht verbundenen, aber auf gleicher pathogenetischer Stufe
stehenden Xerostomie anlangt, so leuchtet vor Allem ein, dass
es weder der vermehrte Zuckergehalt des Blutes, noch der ge¬
steigerte Was^erverlust aus dem Blute durch die Nieren sein
kann, der dieser Xerosis zu Grunde liegt. Wäre dies der Fall,
so müsste jeder Diabetiker mit reichlicher Melliturie und
Hydrurio die genannten Erscheinungen von Seiten des Mundes,
Pharynx und Larynx darbieten. Dem ist aber durchaus nicht so.
Sowohl die Xerostomie als die noch weitaus seltenere Laryngo-
Pharyngoxerosis diabetica werden mit ihren subjectiven und ob-
jectiven Symptomen nur bei einem sehr geringen Procentsatz
der Diabetiker beobachtet: irgend welche Proportionalität zwi¬
schen der Intensität des Diabetes (an Zucker -und Wasseraus¬
scheidung gemessen) und unserer Affection besteht nicht. So
werden wir auf andere pathogenetische Vorgänge hingewiesen
und diese können wir in nichts anderem suchen, als in der Wir¬
kung sccretori scher Nerven resp. deren Centren.
Die directe und indirecte Abhängigkeit jedweder Drüsen-
secretion vom Nervensystem darf als Axiom betrachtet werden.
Von diesem Gesetze ist auch die Secretion der Glandulae muci¬
parae der Mund-, Rachen-, Kehlkopf Schleimhaut etc. nicht aus¬
genommen, mögen auch experimentelle Untersuchungen diese
Drüsenkategorie betreffend, soweit ich im Augenblick übersehen
kann, nicht vorliegen. — In den 3 Fällen von Xerostomia dia¬
betica beruht die Trockenheit der Mundhöhle wohl der Haupt¬
sache nach auf einer Verminderung der Speichelsecretion. Seit
den Untersuchungen Eckhar d’s, N ö 11 n e r’s, GrützneFs
ist bekannt, dass am Boden des IV. Ventrikels ein Centrura
für die Speichelsecretion gelegen ist, dessen zufällige Mitver¬
letzung bei der Piquüre in den Versuchen Eckhardt z. B.
Salivation zur Folge hatte. So ist auch Külz in einem Falle
von Ptyalismus, den er bei einem Diabetischen beobachtet, ge¬
neigt, den Ptyalismus von einem abnormen Reizzustande des
Centrums für die Speichelsecretion abzuleiten. Wenn aber Rei¬
zung dieser Centren vermehrte Secretion zur Folge hat, so steht
der Hypothese nichts im Wege, dass eine andersartige Störung,
sagen wir Lähmung oder Ausserfunctionsetzung der betreffenden
Centren (vielleicht auch Reizung secretionshemmender Centren)
Verminderung der Speichelsecretion, Xerostomie herbeiführen
kann.
Von diesen kaum zu bestreitenden Sätzen aus gehe ich nun
zur Erklärung unserer i s o 1 i r t auftretenden Laryngoxerosis
und Pharyngoxerosis einen Schritt weiter und nehme an, dass
auch die Secretion der Glandulae muciparae des Larynx und
Pharynx am Boden der Rautengrube in der unmittelbaren Nähe
der vorhin genannten Centren ein Centrum besitzt, vielleicht ein
erregendes sowohl als ein hemmendes, von dessen Thätigkeits-
zastand die Menge und Beschaffenheit des Secrets der Glandulae
muciparae abhängt. Je nach der Art und räumlichen Ausdeh¬
nung der directen oder reflectorischen Störung, die in diesen Cen¬
tren im Diabetes stattfinden kann, beobachten wir bald vermehrte,
bald verminderte Secretion, bald ausschliessliche Xerostomie oder
ausschliessliche Pharyngoxerosis oder auch ausschliessliche
Laryngoxerosis, während eine sehr ausgedehnte Störung Xero¬
stomie und Pharyngo-Laryngoxerosis gleichzeitig zur Folge
haben muss.
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582
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
Don Anstoss zu diesen Erläuterungen gaben aber nicht
die bisher mitgetheilten Erfahrungen, sondern eine andere,
wenn auch seltenere, aber weit wichtigere und schwerere Er¬
krankung des Kehlkopfs. Es handelt sich um eine acute,
scharf umschriebene, meist in kurzer Zeit die Stelle
befallende Entzündung mit Ausgang in Abscess-
wechselnde, d. h. verschiedene Kehlkopfregionen hintereinander
b i 1 d u n g, eine Affection, welche mit der diabetischen Haut-
furuneulose e ) auf gleicher Stufe steht und die ich daher am
liebsten als Eurunculosis laryngis diabetica be¬
zeichnen möchte.
Diese Erkrankung ist eine ausserordentlich seltene. Unter
412 Fällen von Diabetes, welche ich in meinen Journalen seit
dem Jahre 1879 hier, in Köln, gesammelt, ist die Furunculosis
diabetica laryngis nur in 2 einander völlig analogen Fällen von
mir beobachtet worden. Ihr aetiologischer Zusammenhang mit
dem Diabetes ist über jeden Zweifel erhaben.
Ich will nur den einen dieser Fälle kurz schildern und bevor¬
zuge dnbei jenen, welchen ich vor Kurzem mit meinem ver¬
ehrten Freunde, dem Herrn Sanitätsrath Dr. A. König, ge¬
meinsam mehrere Monate hindurch zu beobachten und zu behan¬
deln Gelegenheit hatte. Ich kann nicht umhin, Herrn Sanitäts¬
rath Dr. König für die Liberalität, mit welcher er mir die ein¬
gehende, fast tägliche Beobachtung dieses Falles gestattete,
meinen Dank hier auszusprechen.
Frau K., eine in glänzenden Verhältnissen lebende 50 jährige
Dame, erfreute sich stets einer vortrefflichen Gesundheit. Im
Laufe des Jahres 1888 litt sie einige Wochen hindurch an recidi-
virender multipler Furuneulose der Haut. Am 14. Dec. 1888 er¬
wachte Pat, nachdem sie bereits einige Tage hiudurch eine gering¬
fügige Heiserkeit bemerkt hatte, mit totaler Stimmlosigkeit. Sie
schob diese Affection auf eine Tags vorher stattgehabte über¬
mässige Anstrengung des Stimmorgans.
Die nun sofort angestellte Untersuchung des Kehlkopfs ergab
zunächst das Bild einer acuten diffusen Entzündung des Kehlkopf¬
eingangs, beträchtlicher Hyperaemie und Schwellung, besonders
der Taschenbänder, welche die wahren Stimmbänder vollständig
zndeckten, so dass letztere sowohl bei Inspiration als Phonation un¬
sichtbar waren. Der Kehldeckel normal, die aryepiglottischen
Falten und die Umgebung des Larynx nicht verändert.
Unsere Diagnose lautete: Acute Laryngitis, besonders der
Taschenbänder.
Nach Einleitung einer energischen Therapie ging die
Schwellung der Taschenbänder innerhalb weniger Tage zurück,
so dass die wahren Stimmbänder ihrer ganzen Länge nach be¬
quem inspicirt werden konnten. Sie zeigten ausser einer gewissen
leichten Trübung und matterem Glanze keinerlei Anomalien, waren
frei von hyperaemiseher Röthung.
Dagegen bot sich nun, bei Fortdauer der absoluten Stimm¬
losigkeit und der übrigen Beschwerden (massiger Schmerzhaftig¬
keit., geringer respiratorischer Behinderung) ein sehr interessanter
und seltener Spiegelbefund:
Dicht unterhalb der sogenannten „vorderen Commlssnr“ *) der
Stimmbänder, also in der Regio hypoglottica anterior, von der
Schleimhaut an der hinteren Fläche der Cartilago thyreoldea aus¬
gehend (dem concaven Theile des Winkels entsprechend, welchen
die beiden Schildknorpelplatten bilden!, präsentirt sich eine in das
Lumen des Kehlkopfs vorspringende, kugelige, etwas über erbsen¬
grosse, glatte, grauweisse, oedematös glänzende, blasige, trans¬
parente Geschwulst, von dem bekannten Aussehen des acuten Kehl¬
kopfoedems. Indem der oberste Pol der geschilderten Blase
zwischen den vorderen Enden der Stimmbänder eindringt, ver¬
hindert die Geschwulst den Schluss der Stimmbänder bei der
Phonation.
Unsere Diagnose lautete nun: Laryngitis acuta hypoglottica
anterior circumscripta — acutes umschriebenes entzündliches Kehl¬
kopf oedem in der Regio hypoglottica anterior.
Trotz der Geringfügigkeit der Stenoseerscheinungen waren
wir für gewisse Eventualitäten gerüstet, zogen aber eine zu¬
wartende Stellung vor, verordneten Wärme in Form von Kata-
plasmen und Inhalationen. Schon am nächsten Tage zeigte die
') Vergl. Prof. C h i a r i : Ueber primäre acute Entzündung
des submucösen Gewebes des Kehlkopfs. Wiener klin. Wochenschr.
X. 5. 1897. S. 110.
•) Eine „Oommissura anterior“ der Stimmbänder gibt es,
strenge genommen, nur im mikroskopischen, nicht im makro¬
skopischen Sinne. Die elastischen und Bindegewebsfasern der
beiden Stimmbänder kreuzen sich am vorderen Ende der Stimm¬
bänder. Eine makroskopische Commissur existirt nicht; wohl
aber findet sich in der Schleimhaut der Cartil. thyreoldea unmittel¬
bar unterhalb der wahren Stimmbänder resp. unter deren
„vorderer Commissur“ mitunter ein kleines, queres Schleim-
hautfültchen. welches „nur eine physiologische Abnormität und
nicht als pathologische Erscheinung, für die es oft gehalten wird,
aufzufassen ist“. (Vergl. Schrötter: Vorlesungen über die
Krankheiten des Kehlkopfs. 1887. Lief. I, S. 21.)
Dem hier geschilderten Fältchen entsprechend lagert unser
oben beschriebener Abscess.
oedematöse Geschwulst vermehrte Spannung ihrer Wände und
eine deutlich gelbe Farbe; der Inhalt der Blase war getrübt, sie
hatte ihre oedematöse Transparenz verloren, ohne sich wesentlich
vergrössert zu haben. Kurz bevor wir die beabsichtigte Incision
des „Ab s c e s s e s“ vorzunehmen gedachten, öffnete sich der
Abscess während der Nacht plötzlich spontan unter Entleerung
einer unsere Erwartungen übersteigenden bedeutenden Menge eines
schleimigen mit Blut vermischten Eiters. Derselbe, mikroskopisch
untersucht, zeigte das gewöhnliche Verhalten des Eiters. Tuberkel¬
bacillen, worauf auch bei den späterhin auftretenden Abscessen
wiederholt gefahndet wurde, fehlten.
Sofort mit der Eröffnung des Abscesses an der vorderen Kehl¬
kopfwand war der Klang der Stimme wiedergekehrt, wenn diese
auch noch viel an Reinheit zu wünschen übrig liess.
Ich will nun den chronologischen 'Verlauf der Kranken¬
geschichte unterbrechend, bei diesem ersten Abscesse, dessen
eigenthiimlichen Verlauf schildernd, etwas stehen bleiben. Der
Abscess. nach seiner Entleerung eine schlotterige, collabirte. gelbe
Tasche darstellend, füllte sich Immer wieder auf’s Neue,
anfänglich schon nach 2—3 Tagen hatte er seine ursprüngliche
Grösse mit entsprechender Spannung der Wände erreicht, um dann
spontan oder auf mechanisches Ausdrücken mit der Kehlkopfsonde
liiu wieder zu collabiren unter Entleerung beträchtlicher Eiter¬
mengen. Es bedurfte volle zwei Monate (bis Februar 1889), bis es
endlich gelang, schliesslich unter energischer Anwendung von
Höllensteinätzungen solide und dauernde Heilung mit Zurück¬
lassung einer narbigen Verdickung an genannter Stelle (s. u.) zu
erzielen.
Schon glaubten wir (18.—24. Dec. 1888) einen jener seltenen,
auch von uns beobachteten Fälle von „idiopathischem Kehl-
kopfabscess“, von „primärer umschriebener phlegmonöser Laryn¬
gitis hypoglottica“ vor uns zu haben, und mein College König
wie ich durchforschten die Literatur dieses Gegenstandes, ohne aus
derselben über die Aetiologie auch für unseren Fall den geringsten
Aufschluss zu erhalten, als uns bei der Untersuchung am 24. Dec.
ein eigenthiimlicher uns wohl bekannter „Obstgeruch“, chloroform-
ähnlicher Geruch ans dem Munde der Kranken bei der Spiegel¬
untersuchung aufflel und zu denken gab. Wiewohl Patientin alle
unsere sofort auf Diabetessymptome fahndenden Fragen: Polyurie,
Polydypsie, Körpergewichtsabnahme, gesteigerten Appetit etc. be¬
treffend, entschieden verneinte und die Anamnese T ), abgesehen
von der uns erst nachträglich mitgetheilten vorhergegangenen
Furuneulose der Haut, keinen Anlass gab. auf Diabetes zu
schliessen, so untersuchten wir den Urin, der bei einem spec. Ge¬
wichte von 1040 einen Zuckergehalt von 8 Proc. aufwies.
Nunmehr waren wir, wenige Tage nach Beginn unserer laryn-
gologischen Beobachtungen, über die Natur des vermeintlich
„p rimären“ Kehlkopfabscesses aufgeklärt.
Kehren wir nun zu dem interessanten Verlaufe der Kehlkopf-
affection zurück. — Nach der spontanen Eröffnung des geschil
derten Kehlkopfabscesses in der Regio hypoglottica anterior, der.
wie erwähnt, immer wieder reeidivirte. hielten wir den Process im
Larynx für örtlich abgeschlossen, als am 30. Dec. plötzlich ein¬
tretende erhebliche Beschwerden von Selten des Larynx (Schmerzen
beim Schlingen, totale Heiserkeit) uns eines Anderen belehrten. Die
Untersuchung des Kehlkopfes ergab eine bedeutende oedematöse
blasige Anschwellung in der Gegend des linken Ary- (Santorini-
schen)-Knorpels mit nicht unbeträchtlicher Respirationsstörung.
Auch hier wiederholte sich derselbe Verlauf, wie bei dem bereits
geschilderten Abscesse in der Regio hypoglottica anterior. Die
oedematöse Geschwulst trübte sich und platzte spontan unter Ent¬
leerung einer beträchtlichen Menge schleimig-blutigen Eiters.
Kurze Zeit darauf (Jan. 1889) wurde ganz in derselben Weise
die Gegend des rechten Aryknorpels befallen mit dem gleichen Aus¬
gang in AbscessbilduDg und spontaner Eröffnung des Abscesses.
Während die Gegend des rechten Aryknorpels nach Entleerung
des Abscesses bleibend innerhalb weniger Tage zur Norm zurück¬
gekehrt, wiederholte sich die Abscessbildung über dem linken Ary-
knorpel noch zweimal in längeren (mehrwöchentlichen) Intervallen.
Im Jan. 1889 wurde endlich auch die Gegend an der hinteren,
oesophagealen Fläche der Cartilago cricoldea inclus. der Hinter¬
fläche der inesoarytaenoidealen Falte von umschriebener Ent¬
zündung mit acut oedematöser Schwellung und Ausgang in
Abscessbildung befallen, eine Localisation, die mit ausserordent¬
lich schmerzhafter Dysphagie verknüpft war.
Schliesslich trat definitive Heilung ein. Seit März 1889 hat
die volle 3 Monate sich hinziehende multiple Abscessbildung im
Larynx keine Recidive gemacht. Die Patientin, welche Im Sommer
einen mehrmonatlichen Aufenthalt theils im Bade Neuenahr, theils
ln der Schweiz genommen, befindet sich, was Ihren Kehlkopf an¬
langt, gesund, von einer geringfügigen Unreinheit der Stimme ab¬
gesehen. An der vorderen Commissur der Stimmbänder resp. dicht
unterhalb derselben, da wo der erste häufig recidivirende Abscess
seinen Sitz hatte, befindet sich eine weisse, linsengrosse Verdickung
(Narbe), welche sich auf den oberen Rand des linken Stimmbandes
fortsetzt.
9 Nachträglich erzählt Patientin, dass sie seit einem Jahre
eine unbezwingliche Neigung zu Süsslgkeiten, ganz entgegen ihrer
seitherigen Gewohnheit, an sich beobachtet habe, so dass sie mit
Vorliebe auf ihren Wanderungen Conditorläden aufsuchte. Auch
sei sie einen anhaltenden „süsslicken Geschmack“ nicht los¬
geworden. Aehnliche Beobachtungen sind einigemale von Dia¬
betikern mir mitgethellt worden und hinlänglich bekannt.
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24, April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 583
Der Diabetes besteht in geringerem Grade fort. Patientin
gehört zu jenen Zuckerkranken, welche auch nach Ausschluss aller
Ainylaceen Zucker (in unserem Fall 1,5—2 Proc.) im Harne aus-
scheiden, ferner zu jenen Diabetikern, welche weder nennens-
werthe Polyurie (Harnmenge 1500—2500 in 24 Stunden) noch ge¬
steigertes Dur8tgefükl darbieten. Sie erfreut sich bei Fortdauer
dieser Zuekerausseheidung eines vollkommen normalen Wohlbe¬
findens, ist gut genährt, wenn auch im Vergleiche zu früheren
Zeiten magerer geworden. Lungen- und sonstige Organverände¬
rungen fehlen gänzlich.
Epikritisch möchte ich folgende Punkte unsere Furun-
c u 1 o s i s diabetica laryngis betreffend nochmals be¬
tonen :
1. Das acute Auftreten der Larynxaffeetion zunächst unter
dem Bilde eines umschriebenen Larynxoedems, das rasch in Ab-
seessbildung übergeht.
2. Die Wiederholung desselben Vorganges hintereinander
an verschiedenen Kehlkopfregionen, wobei, wie es auf Grund
meiner zwei Beobachtungen scheint, besonders gerne die Gegend
der Spitze des Aryknorpels, der hinteren Fläche der Aryknorpel-
platte incL der mesoarytaenoidealen Falte, die Regio hypoglottica
befallen wird.
3. Die für gewöhnlich rasche Heilung des Abscesses
nach seiner Entleerung, wobei freilich unser eben geschilderter
hypoglottischer (subchordaler) Abscess an der Vorderwand des
Kehlkopfes eine sehr bemerkenswerthe Ausnahme bildet.
4. Das Fehlen von Fieber und die dementsprechend gering¬
fügige Alteration des Allgemeinbefindens.
5. Den Umstand, dass das Perichondrium in unseren
zwei Fällen stets verschont blieb.
Ich möchte aber, was diesen Punkt anlangt, nicht bezweifeln,
dass die Laryngitis phlegmonosa diabetica unter Umständen
auch ähnlich wie die analogen entzündlichen Processe in den
Lungen der Diabetiker, zu ernsteren, tiefer greifenden Processen,
zu Gewebszerfall, Perichondritis mit Knorpelnekrose etc. und auf
diese Weise selbst zu chronisch ulcerativen Vorgängen
führen könne. Es fehlen mir hierüber bislang eigene Beobach¬
tungen und auch diesbezügliche Mittheilungen in der Literatur
sind mir unbekannt.
Mit der Einführung der Laryngitis phlegmonosa diabetica
G,Furunculosis laryngis diabetica“) in die Larynx- und Diabetes¬
pathologie eröffnet sich ein völliger Parallelismus der diabetischen
Larynx- und Lungenerkrankungen. Letztere anlangend ist kli¬
nisch und anatomisch längst bekannt, dass ausser den meist
sehr chronisch verlaufenden „tuberculösen“ Lungenerkrankungen
im Diabetes durchaus anders geartete, entzündliche, acut fort¬
schreitende Infiltrationen, mit oft rapidem Gewebszerfall (Gan-
graen) oder mit Eiterung (Abscessbildung) und daraus hervor¬
gehende Ulcerationen im Diabetes Vorkommen. Der klinische
Verlauf dieser Lungenerkrankungen hat lange in der vor-
bacillären Zeit dieselben von den tuberculösen klinisch scharf
getrennt. Ich erwähne beispielsweise nur einen derartigen
Fall, den ich vor nunmehr 10 Jahren beobachtete.
Ein kräftiger bis dahin völlig gesunder Mann in den besten
Jahren sollte an acuter floridester Phthlsis erkrankt sein. Die Zu¬
nahme der Lungeninfiltration war von Tag zu Tag constatirt
worden. Schon zehn Tage nach dem Beginne der Erkrankung, als
ich den Kranken zum ersten Male sah, konnte ich ausser einer
totalen Infiltration des ganzen linken Oberlappens die Zeichen einer
umfangreichen Höhlenbildung in diesem Lungentheile nachweisen.
Der klinische Verlauf liess mich auf Grund ähnlicher Erfahrungen
an Diabetes denken und die sofort angestellte Untersuchung des
Harnes ergab einen enormen Zuckergehalt desselben.
Der Fall verlief in kurzer Zeit tödtlich.
Aber nicht minder als die Kliniker sind die pathologischen
Anatomen mit jenen, von der tuberculösen Lungenerkran¬
kung himmelweit verschiedenen Pneumonien längst vertraut,
welche sich meist mit Ausgang in Abscess- und Höhlenbildung
oder Gangraen im Diabetes zeigen. Von Schüppel, Buhl
z. B. hörte ich diese specifischen acuten und chronischen Diabetes¬
pneumonien schon Anfangs der siebziger Jahre beim Capitel der
Bronchopneumonien „dissecirende Pneumonien mit Ausgang in
nekrotischen Zerfall und Cavernenbildung“ (Schüppel) von
den tuberculösen Veränderungen scharf trennen.
Mit der epochemachenden Entdeckung R. K o c h’s ist die
Unterscheidung dieser verschiedenartigen pneumonischen Pro¬
cesse im Diabetes klinisch und anatomisch eine ebenso einfache
als sichere. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Unterscheidung
der diabetischen Larynxerkrankungen.
Die diabetische „Laryngitis circumscripta phlegmonosa“
pflegt in acuter Weise stürmisch aufzutreten; der scharf um-
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schriebene entzündliche Process führt rasch zu seröser Exsuda¬
tion, das Oedem reift binnen wenigen Tagen zum Abscesse.
In der laryngologischen Literatur herrscht noch bezüglich
der Bezeichnung der im „submucösen Gewebe“ auftretenden ent¬
zündlichen Vorgänge eine nicht geringe Verwirrung, welche da¬
durch hervorgerufen ist, dass man, von dem Bedürfnisse aus¬
gehend, für die verschiedenartigen in der Submucosa auftreten¬
den Entzündungsvorgänge einen Colleetivnamen aufzustellen,
in der Wahl eines solchen nicht glücklich war. Man wählte
Namen wie „Oedema laryngis“, „Laryngitis phlegmonosa“ zu
Colleetivnamen, welche sich als solche nicht eignen, weil sie eine
ganz bestimmte Form, ein bestimmtes Stadium der Entzündung
bezeichnen, ein Stadium, das ebenso gut fehlen, als auftreten
kann. Auch dem Vorschläge von J ürgensmeyer, die Pro¬
cesse zu trennen und mit Cruveilhier und Friedreich
die „rein entzündliche Infiltration des submucösen Gewebes als
Laryngitis submucosa“ zu bezeichnen, während „für
die seröse Durchtränkung dieses Gewebes der Name Oedema
laryngis“ gebraucht werden soll, kann ich nicht beipflichten.
Denn die seröse Exsudation, das entzündliche Oedem ist eben
nichts anderes als eine Laryngitis submucosa, die sich von der
„einfachen Infiltration“ (laryngoskopisch: Ilyperaemie, Schwel¬
lung) nur durch ein Plus von seröser Transsudation unterscheidet,
wodurch im letzteren Falle das charakteristische klinische Bild
des Oedema laryngis hervorgerufen wird.
Das Richtige liegt auf der Hand, nämlich alle in der „Sub¬
mucosa“ ablaufenden entzündlichen Processe mit dem Collectiv-
namen „Laryngitis submucosa“ zu belegen und für gewisse
Formen und Stadien der Entzündung die Bezeichnungen Oedema
laryngis, „Laryngitic oedemateuse (Mande), oder wenn es zur
Abscessbildung kommt „Laryngitis phlegmonosa“, „Abefcessus
laryngis“, „Laryngitis submucosa purulenta und seropurulenta“
(Cruveilhier) etc. zuzulassen.
Die Specialisten lieben, wie es in der Natur der Sache liegt,
subtile Eiutheilungen ihrer Krankheitsbilder nach anatomischen
und klinischen Kriterien, und die Namensgebung hat, wie sich
am besten an der dermatologischen Nomenclatur zeigen Hesse,
ein um so grösseres Feld und um so grössere Berechtigung, je
mehr es an aetiologischen Gesichtspunkten für die Eintheilung
gebricht.
Was die Aetiologie unseres Falles anlangt, so steht der Zu¬
sammenhang der phlegmonösen Laryngitis mit dem Diabetes
mellitus wohl ausser Zweifel
Nachdem es sich um eine Abscessbildung handelt, so ent¬
spricht es unseren heutigen Erfahrungen, die Ansiedelung eiter¬
erregender Spaltpilze, der ubiquitären pyogenen Staphylococcen
im Larynx unserer Kranken anzunehmen. Eine bacteriologische
Untersuchung des laryngealen Abscesseiters unterblieb, weil nur
eine combinirte und in unserem Falle nicht ausführbare Anord¬
nung des Versuches (Desinfection der Oberfläche des Abscesses,
Aspiration des Eiters mittels sterilisirter Spritze) zu einwands¬
freien Ergebnissen hätte führen können.
Die von uns beobachtete multiple Abscessbildung im Larynx
einer Diabetischen steht aetiologisch mit der diabetischen Haut-
furunculose, an welcher auch unsere Kranke einige Monate vor
der Larynxaffeetion gelitten hatte, auf der gleichen Stufe. Ich
würde den Ausdruck „Furunculosis laryngis d ia¬
het i c a“, da er sofort auf die aetiologische Identität mit der all¬
bekannten diabetischen Hautentzündung hinweist, allen anderen
Bezeichnungen vorziehen, wenn eben nicht der Ausdruck
Furunkel bisher ausschliesslich für die bekannte von den Haar¬
bälgen, Talg- und vielleicht auch Schweissdrüsen ausgehende
Hautentzündung meist mit Ausgang in Eiterung, partielle
Nekrose üblich gewesen wäre. Nachdem man aber von einer
Pachydermia verrucosa laryngis spricht und auf der anderen
Seite das Ekzem als einen „Hautkatarrh“ definirt, dürfte auch
die Bezeichnung Furunculosis laryngis (man spricht auch von
Variola, Ery sipelas, Pemphigus laryngis etc.) nicht mehr allzu
gewagt erscheinen.
Die Häufigkeit der Hautfurunculose im Diabetes weist dar¬
auf hin, dass die Haut des Diabetikers (ebenso wie nach Typhen *),
*) Wenn jüngst in einem Artikel über „Furunkel“ (Eulen-
burg’s Real-Encyklopädie, Bd. VII, S. 373) die Behauptung auf-
gestellt wurde, dass Furunculosis der Haut „namentlich bei solchen
Fällen von Abdominaltyphus sich ereignen, die einer intensiven
Kaltwasserbehandlung unterzogen waren“, so werden wohl Alle,
Original ffom
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584
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No 17.
acuten Exanthemen, die Haut Kaehektischer etc.) besonders dis¬
ponibel ist für die erfolgreiche Ansiedelung pyogener Staphylo-
coccen, dass die, wie Schimmelbusch*) experimentell ge¬
zeigt hat, durch Reibung in die Haarbälge und Talgdrüsen ein¬
dringendem ubiquitären Staphylococcen beim Diabetiker leichter
als beim Gesunden (sei es in Folge einer erhöhten Vulnerabilität,
„Kampfuntüchtigkeit“ der Epithelzellen, sei es in Folge unbe¬
kannter Eigenschaften der Lymphwege der Haut in diesen
Fällen) die Grenze zwischen Epithel und Bindegewebe über¬
schreiten und sich erfolgreich, d. h. Entzündung und Abscedirung
anregend in dem umgebenden Bindegewebe ansiedeln können 1 “).
Im Gegensätze zu der Häufigkeit der Hautfurunculose im
Diabetes bildet unsere Furunculosis laryngis diabetica eine grosse
Seltenheit. Der Larynx setzt, wie ja auch die Seltenheit primärer
Abscesse desselben zeigt, dem Eindringen resp. der Ansiedelung
pyogener Staphylococcen einen grossen Widerstand entgegen. Es
bedarf einer besonderen Vulnerabilität des Larynx, um dieses
Eindringen zu gestatten, ln dieser Hinsicht ist, was unseren
Fall betrifft, die mehrtägige „Heiserkeit“, welche der acuten Ab-
seessbildung vorausging und durch eine Ueberanstrengung des
Stimmorgans hervorgerufen war, wie ich glaube, von grosser
aetiologischer Bedeutung. Die.ser ursprünglich geringfügige
acute Larynxkatarrh dürfte meiner Meinung nach den durch den
Diabetes bereits praedisponirten Boden in der Weise praeparirt
haben, dass nunmehr das Eindringen der ubiquitären pyogenen
Staphylococcen ermöglicht wurde. Mit anderen Worten: Der
Diabetiker hüte sich vor Larynxkatarrlien, da diese zur phlegmo¬
nösen Laryngitis, zur Furunculosis laryngis führen können.
Auch in dem Fall, dass, was a priori nicht unwahrscheinlich ist,
die constante Anwesenheit pyogener Spaltpilze in den dia¬
betischen Hautfurunkeln dargethan werden sollte, ist die Mög¬
lichkeit nicht ausgeschlossen, dass es gewisse, uns unbekannte
Stoffwechselproducte („Toxine“) im Diabetes sind, welche, viel¬
leicht bei ihrer Ausscheidung durch die Talgdrüsen, daselbst
einen Entzündung erregenden Reiz ausüben mit Ausgang in
Furunkelbildung (Eiterung -j- Gewebsnekrose), ähnlich wie z. B.
Jod und Brom bei ihrer Ausscheidung durch die Talgdrüsen die
unter dem Namen der Jod- und Bromakne bekannte, meist pustu-
löse Hautentzündung veranlassen, das Brom mitunter umfang¬
reiche furunkelartige Knoten, selbst mit Ausgang in Eiterung
und Geschwürsbildung. Auch hinsichtlich der Jod- und Brom¬
akne ist, soviel mir bekannt, die Frage nach der constanten An¬
wesenheit pyogener Spaltpilze in den Eiterpusteln noch offen.
Wenn auch eine Eiterung ohne pyogene Spaltpilze, wie es scheint,
zu den grössten Seltenheiten gehört, so hat doch auf diesem in
unseren Tagen so häufig durch forschten Gebiet, die, wie es eine
Zeit lang schien, gänzlich zurückgedrängte Annahme einer durch
gewisse chemische Stoffe hervorgerufenen Eiterung neuer¬
dings wieder festen und sicheren Boden gewonnen. Selbst wenn
keiner der zahlreichen Stoffe, mit denen an Thieren experimentirt
wurde, jemals, bei einwandsfreier Versuchsanordnung, eine Eite¬
rung zu Stande gebracht haben würde, so wäre damit selbstver¬
ständlich noch nicht bewiesen, dass es überhaupt keine che¬
mische Agentien, z. B. pathologische Stoffwechselproducte des
Organismus (von den Stoffwechselproducten gewisser B ac¬
te r i en abgesehen) gäbe, welche Eiterung zu erregen im Stande
wären.
Ich beschränke mich auf diese wenigen Bemerkungen, za
welchen mich ein Blick auf die Aetiologie der diabetischen Haut-
weiche gleich mir die Kaltwasserbehandlung des Typhus an einem
grossen Beobachtungsmaterial (mein Material erstreckt sich auf
weit über 2000 Typhen) durchzuführen in der Lage waren, einer
derartigen Behauptung als einer durchaus unbewiesenen, ja defini¬
tiv irrigen auf das Bestimmteste widersprechen.
°) Archiv f. Ohrenheilkunde, 27. Bd., XV, S. 252: „Ueber die
Ursachen der Furunkel.“
u ’) Bemerkenswertli ist die zeitliche Häufung der Hautfurunkel
im Diabetes; der Umstand, dass sich Furunkel innerhalb einer ge¬
wissen Zeit hintereinander an den verschiedensten Orten etabliren,
um dann wieder längere Zeit hindurch gänzlich zu fehlen, trotz
Fortbestandes des Diabetes. Es weist dies auf temporär ge¬
steigerte Disposition zu Furunkelbildung im Diabetes hin. Von
einer Einsicht in die Ursachen dieser temporären Schwan¬
kungen der Disposition resp. Invasion sind wir natürlich noch weit
entfernt. Auch erkranken bekanntlich lange nicht alle Diabetiker
an Furunculose. Die Disposition zur Furunculose kommt nur bet
einer gewissen Zahl (nach einer Angabe 40 Proc.) der Diabetiker
zum Ausdruck und bei einem und demselben Diabetiker nur zu
gewissen Zeiten, dann alter erst mit auffallender Multiplicitüt
der Furunkel.
furunculose veranlasst hat, die zahlreichen Fragen, die sich hier¬
bei auf werfen, sind um so weniger discutabel, als eben der sichere
Weg der exueten Untersuchung bislang fehlt.
Das Studium der inneren Medicin in Frankreich,
England und Deutschland.
Von Privatdocent Dr. L. R. Müller, I. Assistenzarzt an der
med. Klinik in Erlangen.
Während einer mehrmonatigen Studienreise in Frankreich und
England war es mein Bestreben, neben der Verfolgung wissen¬
schaftlicher Zwecke auch deu medicinischen Lehrgang ln dieseu
Staaten möglichst gut kennen zu lerneu.
ln folgenden Zeilen soll nun ein Vergleich zwischen dem kli¬
nischen Unterricht in diesen Ländern und dem in Deutschland ge¬
zogen werden. Und zwar möchte ich nicht so sehr das betonen,
was an der Ausbildung der Aerzte in England und Frankreich
weniger gut ist, als das, was mir der Beachtung und Nachahmung
wertli erscheint.
Ohne des Chauvinismus geziehen zu werden, können wir sagen,
dass der theoretisch- wissenschaftliche Unterricht
in Deutschland besser, ja weitaus besser und gründlicher ist, und
das wird auch vom Ausland zugestanden. Nicht so ohne Weiteres
ist das für die klinisch- praktische Ausbildung zu be¬
haupten. Doch bevor ich auf Vergleiche näher eingehe, sei kurz
der ganze Lehrplan in den genannten Ländern besprochen und
erwähnt, welche Vorbildung zum Medicinstudium dort verlangt
wird.
Bei unseren westlichen Nachbarn J ) berechtigt zum eigentlich
ärztlichen Studium, das mit der Ernennung zum Docteur en
mödeeine abscliliesst nur das Baccalaureat des lettres, d. h. das
Reifezeugniss eines staatlichen Lycßums, welches im Wesentlichen
unseren humanistischen Gymnasien entspricht (9 Jahresclassen,
Unterricht im Lateinischen und Griechischen). Die Absolvirung
eines Realgymnasiums gibt nur Erlaubniss zum Studium auf deu
„Oflicier de Saute”, einen Arzt zweiten Ranges, der etwa unserem
früheren Wundarzte entspricht
Im ersten Jahre lässt sich der jugendliche Universitätsstudem
bei der Facultö des Sciences einschreiben und hört dort Physik,
Chemie, Botanik und Zoologie. Erst nach dem Bestehen eines
naturwissenschaftlichen Vorexamens wird er an der Facultd de
Mödecine immatriculirt und treibt Anatomie und Physiologie. Schou
im nächsten Jahre, also im dritten Uuiversitätsjahre, beginnt die
klinische Praktikaiitenzeit (Stage höpitalier), welche während
dreier Jahre die Anwesenheit der Candidateu in den Kranken¬
häusern erfordert. Der „Stagiaire“ hat die Vormittagsvisite mit-
zumachen und über Kranke, die ihm zugctheilt werden, Journal
zu führen. Und zwar muss er je ein Jahr an einer medicinischen
und an einer chirurgischen Klinik bleiben, drei Monate auf einer
gynäkologischen Station, deu Rest der vorgeschriebenen drei Jahre
kann er au Spitälern für Kinder-, Haut- und Geschlechtskrank¬
heiten verbringen. Im Laufe dieser Zeit hat er sich verschiedenen
Prüfungen (die erste über Anatomie und Physiologie) zu unter¬
werten, deren Bestehen für das Weiterschreiten seines Studiums
Bedingung ist. Die Nachmittage werdeu durch theoretische Vor¬
lesungen und praktische Uebungcn ausgefüllt. Deu Schluss des
mediciuischen Studiums bildet ein strenges Examen in allen kli¬
nischen Fächern. Nach Einreichung der Thöse (Dissertation) wird
Doctortltel und die Berechtigung zur Ausübung der ärztlichen
Praxis gleichzeitig ortheilt.
Mit dieser fünfjährigen Studienzeit wird sich der französische
Mediciuer im Hinblick auf sein späteres Fortkommen nur aus¬
nahmsweise begnügen. Er wird immer darnach trachten, während
seines Studiums eine Stelle als Externe und, wenn irgend mög¬
lich, auch eine solche als Interne des Höpitaux zu erlangen. Die
Zulassung zu beiden bängt von einem Concurs, einer Prüfung, ab.
Das Externat ist der Einrichtung unserer Unterassistenten zu ver¬
gleichen, die damit im Krankendienst zugebraclite Zeit wird als
Stage, als Praktikaiitenzeit angerechnet. Die begehrte Stelle eines
Interne ist bezahlt, bietet Wohnung im Hospital und entspricht
dem deutschen Assistenzarzt, nur mit dem Unterschied, dass die
Schlussprüfungen erst-nach dieser Zeit abgelegt werden, die In¬
ternes also keine approbirten Aerzte sind. Wegen des grossen
Zudraugs zu diesen Stellen darf der Interne nicht länger als eilt
Jahr auf einer Abtheilung des Krankenhauses bleiben. Zur Er¬
langung eines Ansehen als Arzt und einer guten Praxis ist es
sehr wünschenswerth, eine derartige Ausbildung nachweisen zu
können. Allerdings wird damit die Zeit vom Beginn des Studiums
bis zur Approbation auf 6—9 Jahre verlängert
Ganz anders ist der Studiengang in England. Staatliche
Schulen, die unseren Gymnasien entsprechen, gibt es dort nicht.
Es wird nicht darnach gefragt, auf welchen der vielen Privat¬
schulen (Boarding Schools) die Vorbildung erworben wurde. Der
Eintritt In eine Medical School hängt lediglich von einer Auf •
*) Mittheilungen über den französischen Studiengang verdanke
ich zum Theil Herrn Dr. Schober in Paris, der früher schon in
der Zeitschrift „Die Heilkunde“ 1898 einen ausführlichen Aufsatz
über das französische Medicinstudium veröffentlicht hat. In der¬
selben Monatszeitung finden wir einen Artikel: „Die ärztliche Er¬
ziehung in England“ von zum Busch (Die Heilkunde, Oetober
1897).
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24. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
585
nahmsprilfung ab, auf die sieb der zukünftige Mediciner
meist durch einen Einpauker vorbereiten lässt. Die wohlhabenden
Studenten verbringen, ehe sie sich dem Fachstudium zuwenden,
meist einige Semester auf den Universitäten zu Oxford und Cam¬
bridge zu philosophischen und anderen allgemeinbildenden Studien.
Die Medicinsehulen in London (12 au Zahl) sind in enger Verbin¬
dung mit den grossen Krankenhäusern und als Privatanstalten
unabhängig von der Universität.
Der Mediciner verbringt seine ganze Studienzeit an ein und
derselben Schule. Ein mit dem Hospital verbundenes Internat
(resideutial College) bietet der grösseren Anzahl der Studenten
Wohnung und Verpflegung.
Natürlich beginnt auch hier der Unterricht mit naturwissen¬
schaftlichen, anatomischen und physiologischen Studien. Ertlieilt
wird derselbe von den Aerzten des Hospitals. Der Student hat
Gelegenheit, sich in chemischen Laboratorien und auf dem ITä-
parirsaal die nöthigen Kenntnisse zu erwerben. Nach einem ersten
Examen über Physik, Chemie und Biologie und einem zweiten über
Anatomie und Physiologie beginnt der klinische Unterricht. Der
Candidat wird jetzt zum Krankendienst herangezogen, muss die
Untersuchungen am Krankenbett vornehmen und Kranken¬
geschichten führen, er lernt bei grösseren Operationen zu assistiren,
kleinere unter Controle bald selbst auszuführen. So wird er im Laufe
derzeit in den verschiedenen Fächern, so auch in der pathologischen
Anatomie ausgebildot. Auf regelmässigen Besuch der Hörsäle und
Krankensäle wird streng gesehen. Die Approbation (Licence) wird
nicht vom Staate, sondern von privilegirten Körperschaften (z. B.
Apotheearies Halls, Royal College of Physicians und Royal College
of Surgeons) ertlieilt, vor denen das Schlussexamen abzulegen ist.
Mit der Approbation verleihen diese Gesellschaften das Recht zur
Führung eines Titels, der landesüblich nur mit dem Anfangs¬
buchstaben bezeichnet wird.
Nach dieser kurzen Skizze des Studienganges in den genannten
Staaten möchte ich etwas eingehender auf die medieiniscli-
klinische Ausbildung zu sprechen kommen.
Der englische Student wächst ganz in einem Krankenhause
huf. Auf der internen Abtheilung hat er 0 Monate als Clinical
Clerk Spitaldienst zu leisten. Ich konnte mich wiederholt davon
überzeugen, dass die ausführlichen Krankengeschichten der jungen
Mediciner von dem Abtheilungsvorstand genau durchgesprochen
und corrigirt wurden. Im Beobachten, im Untersuchen und in der
therapeutischen Technik (Functionen, Catheterisiren, Magenaus-
spülungen u s. w\) ist die Schulung an den englischen Hospitälern
wirklich ganz vorzüglich. Eine Klinik in unserem Sinne, d. li. eine
klinische Vorstellung von Kranken im Hörsaal vor grösserem
Auditorium, findet in England nicht statt. Der klinische Lehrer
macht mit einer beschränkten Anzahl von Studenten (1(V—15) Visite,
und am Krankenbett werden einzelne Fülle eingehend besprochen.
Diese Art des Unterrichts hat den grossen Vorzug, dass Lehrer und
Schüler sich persönlich näher treten und dass der Student auch
gleichzeitig den Verkehr mit den Kranken lernt und den Verlauf
der Krankheit verfolgen kann. Die Medical Schools sind so zahl¬
reich und das Krankenmaterial an den mächtigen Hospitälern ist
so gross (meist bestehen an einem Krankenhause mehrere medi-
cinische Abtheilungen mit ebenso viel Oberärzten nebeneinander),
dass niemals eine diesen „persönlichen Unterricht“ störende Ueber-
fülle von Candidaten eintritt. Es braucht nicht speciell betont zu
werden, dass der Student am Krankenbett und im Laboratorium
in allen physikalischen, chemischen und mikroskopischen Untersuch¬
ungsmethoden eingeführt wird und dass er auch Gelegenheit hat,
ln Vorlesungen sich theoretische Kenntnisse zu erwerben.
Ein wesentliches Hilfsmittel zu diesem praktisch-klinischen
Unterricht sind dl egrossen reichhaltigen Sammlungen, wie sie be¬
sonders schön das Guy’s-, St. Bartholomews-, St. Thomas- und
Middlesex-Hospital aufzuweisen haben. In grossen, hellen Sälen
sind dort, leicht zugänglich und gut bezeichnet, Präparate von den
wichtigsten Orgauerkrankungen aufgestellt; und zwar sind mehr
die häufigen und typischen Erkrankungen vertreten und geringeres
Gewicht ist auf seltene Fälle gelegt. Besonders werthvoll für den
Unterricht erschienen mir unter anderen die zahlreichen, künst¬
lerischen Wachsnachbildungen der verschiedenen Hauterkran¬
kungen. Der diese Hospitalssammlungen besuchende fremde Arzt
kann sich überzeugen, dass dieselben eifrig von den jungen Medi-
cinern zum Studium benützt werden; und dieses wird durch zweck¬
mässige Einrichtungen und geschickte und übersichtliche Anord¬
nung der Präparate sehr erleichtert.
Ebenso allgemein zugänglich wie die Sammlungen sind in
jedem Medical School - Hospital die grossen Bibliotheken, welche
die medicinische Literatur fast vollständig beherbergen und iu
deren weiten Sälen auch stets zahlreiche fleissige Studenten zu
finden sind.
Neben seinem Studium nimmt sich der junge Mediciner reich¬
lich Zeit zu körperlichen Hebungen; alljährlich finden Wettkämpfe,
Bootsrennen zwischen den Angehörigen der einzelnen Mediein-
schulen statt.
Auch im französischen Studienplau des Mediciners ist das
Hauptgewicht auf die praktisch-klinische Ausbildung gelegt. Von
den drei Jahren, die der Candidat als Stagiaire an den Kranken¬
häusern zu prakticiren hat, trifft eines auf die interne Abtheilung.
Wie in England ist auch hier der Unterricht im Wesentlichen am
Krankenbett, nur 2—3 mal iu der Woche versammelt der klinische
Lehrer seine Studenten im Hörsaal zu einem nach Form und In¬
halt gleich sorgfältig ausgearbeiteten Vortrag, zu dem sich dann,
Jn Paris wenigstens, immer zahlreiche fremde Aerzte einstellen.
Als Stagiaires, Externes und Internes des Höpitaux haben die
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Studenten reichlich Gelegenheit, sich im Laufe der Jahre unter
guter Leitung einen werthvollen Schatz von klinischer Erfahrung
und praktischer Schulung zu erwerben, so dass sie wohlvorbereitet
in die Praxis treten. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass die
theoretisch-wissenschaftliche Ausbildung, besonders die in der
pathologischen Anatomie, wesentlich hinter der praktischen zu-
riieksteht.
Wenden wir uns nun der medicinisch-kliuisclien Ausbildung in
Deutschland zu. Auch an unseren Universitäten ist ein
Practiciren vorgeschrieben. Wahrend zweier Semester hat der
Candidat die medicinische Klinik zu besuchen; er wird im Hörsaal
an das Bett des vorzustellenden Kranken gerufen und muss bei
der Besprechung Rede und Antwort stehen. Verdient schon dies
kaum den Namen des „Practicirens“. so wird es vollends zur reinen
Formsache in den überfüllten Kliniken unserer grossen Universi¬
tätsstädte. Obgleich zu einem einzelnen Fall oft mehrere Studenten
herangezogen werden, so kommt der Candidat meist nicht öfter
als 2—3 mal im Semester an die Reihe. Sonst sieht er die Kranken
nur von seinem, oft recbt entfernten Sitze aus. Bei so grosser
Anzahl der Praktikanten ist es ganz unmöglich, dass der Lehrer
den einzelnen kennt, geschweige denn, dass er seine Fragen nach
dessen Kenntnissen einrichten kann.
Freilich wird es stets und von allen Seiten als wiinschenswerth
betont, dass die medicinische Klinik länger als nur die zwei direct
vorgeschriebeneu Semester besucht wird. Aber bei der grossen
Anzahl der sonst zu hörenden Vorlesungen, Kliniken und
Ctirse ist dies in den 4 bis 5 Semestern, die nach dem
deutschen Studienplan auf das klinische Studium ent¬
fallen, schwer möglich. Ein weiterer in’s Gewicht fallender Punkt
ist der: Das Honorar für die Kliniken ist verliältnissmässig hoch 2 ).
Der wenig bemittelte Student wird bedauerlicher, aber begreiflicher
Weise sich scheuen, noch weitere Ausgaben als die dringend noth-
wendigen zu machen.
Wann und .wo soll nun der Student mehr Kranke sehen und
diese untersuchen lernen? Es gibt dazu eine Reihe von Speclal-
cursen, die wohl jeder Candidat besucht und in denen die Aus-
cultation und Percussion, das Kehlkopfspiegeln u s. w. gelehrt und
geübt wird. Zur Erlernung der systematischen Durchuntersuchung
des ganzen Körpers aber und damit zur Aufnahme eines Status
hat der Student nur schwer Gelegenheit.
Die Einrichtung der Famuli oder Unterassistenten würde dies
bieten. Doch wird von erfahrenen Lehrern und Aerzten den Stu¬
denten von der Bewerbung um solche Stellen häufig .abgerathen
und zwar mit Recht, denn der viertel- oder halbjährige Dienst
im Krankeuliause hält ihn von dem Besuche wichtiger Vorlesungen
und Curse ab. die er bei der so kurz bemessenen Studienzeit kaum
mehr nachholen kann. In den 4—5 Semestern, welche dem kli¬
nischen Studium zur Verfügung stehen, ist für den fleissigen Stu¬
denten, der in der pathologischen Anatomie, in den theoretischen
Fächern (Hygiene u. s. w.) und den dringend nothwendigen Fach¬
studien, Ophthalmologie, Psychiatrie, Dermatologie u. a. sich ausbil¬
den will, fast jede Stunde des Tages belegt, oft mehr als der Aufnahme
füliigkeit der jungen Leute entspricht; geschweige denn, dass ihm.
wie seinem englischen Collegeu, Zeit übrig bliebe, seinen Körper
durch Hebungen in freier Luft zu kräftigen.
Eine Einrichtung freilich ist in hervorragendem Maasse ge¬
eignet, den Candidaten iu die praktische Medicin einzuführen. Es
ist das die Poliklinik a ). die übrigens in Frankreich und Eng¬
land für den Lehrzweck nur wenig ausgenützt wird. Hier bietet
sich für den Studenten der sehr wertlivolle Verkehr sowohl mit
dem Lehrer als mit dem Kranken, hauptsächlich dann, wenn die
Poliklinik ihrem Namen entsprechend eigentliche „Stadt“-Klinik ist
und der Professor mit seinen Schülern in die Wohnungen der
Kranken geht, was allerdings nur in den kleinen Universitäts¬
städten gut durclizuführen ist und ziemlich viel Zeit erfordert. Es
ist gerade dies eine Vorbildung für den praktischen Arzt, wie sie
ihm die Klinik nicht bietet, der Student muss lernen, unter er¬
schwerten Verhältnissen doch genau zu untersuchen und seine
therapeutischen Anordnungen der gegebenen Lage anzupassen.
Das Prakticiren an den Polikliniken ist aber nicht gesetzlich
vorgeschrieben und somit wird diese Gelegenheit zu guter prak¬
tischer Ausbildung nur von einem Tlieil der Studenten ausgenützt.
Der Grund dafür liegt hauptsächlich wieder au dem Mangel au
Zeit.
So stossen wir immer wieder auf die leidige Zeitfrage. Diese
kann nur dadurch gelöst werden, dass die klinische Studienzeit,
verlängert wird. Denn auf Kosten der anderen Kliniken, des
theoretischen Unterrichtes und der Specialfächer, in denen heut zu
Tage nothwendiger Weise jeder Arzt bewandert sein muss, kann
man aus der kurzen bisher vorgeschriebeneu klinischen Studien¬
zeit nicht mehr für die intern-medicinisehe Ausbildung heraus-
-) In Frankreich hat der Student nur 30 Fr. für die Inscription
in jedem Quartal zu zahlen. Vorlesungen und Kliniken sind frei,
ähnlich sind die Verhältnisse in Italien. Ebensowenig werden in
E n g 1 a li d die einzelnen Vorlesungen honorirt, der Student zahlt
beim Eintritt eine allerdings sehr erhebliche Pauschalsumme an
seine Schule (100—130 Guineen). In Dänemark ist das medi¬
cinische Studium vollständig frei. In Ungarn hat der Medicin-
studirende für das Semester 30 Gulden zu entrichten und hat damit
das Recht erworben, alle beliebigen Vorlesungen und Kliniken zu
besuchen.
8 ) Die Vorzüge dieses Instituts zu Lehrzwecken hat u. A.
Penzoldt : Heber den poliklinischen Unterricht (Klin. Jahrbuch
1802) ausführlich erörtert.
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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
I
586
MI'NCHKNKK MKOICINISCHK WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
schlagen. Und doch ist für den praktischen Arzt eine gründliche
Schulung in der internen Medicin unbestritten das Wichtigste.
Die überwiegende Mehrzahl seiner späteren Patienten ist „inner¬
lich krank“. Und auch für den Specialisten, gleichviel welchem
Fache er angohöre, ist eine gute Durchbildung in der internen Medi¬
oin unerlässlich. In unserem jetzigen Studienplan wird die interne
Medicin, ich will nicht gerade sagen stiefmütterlich behandelt,
doch ist ihr nicht die Zeit angewiesen, die ihrer Wichtigkeit ent¬
spricht.
Wie die Verhältnisse liegen, müssen wir uns gestehen, dass
der junge Arzt in Frankreich und England eine wesentlich
bessere klinische Schulung und Erfahrung von der Universität mit-
nimint. Unsere Aerzte müssen sich diese zum Theil zu ihrem und
der Kranken Schaden erst in der Praxis erwerben. Thatsiichlich
ist das klinische Studium in Deutschland von allen Ländern 4 )
das kürzeste.
Der Mangel in der praktisch-klinischen Ausbildung wird bei
uns ja allgemein und schon seit Langem empfunden. Zur Abhilfe
sind verschiedene Vorschläge gemacht worden. Seit einer Reihe
von Jahren schweben Verhandlungen über eine nach dem Staats¬
examen anzuschliessende praktische Schulung. Dass diese Pläne
so lange nicht in die Tliat uiugesetzt wurden, beweist schon, welche
Schwierigkeiten der Sache im Wege stehen. Unsere communalen
Krankenhäuser und deren Leiter haben kein besonderes Interesse
daran, die letzte praktische Ausbildung der Aerzte zu übernehmen.
Der andere Vorschlag, Volontäre einem tüchtigen, beschäftigten
praktischen Arzt zu atlacliiren, ist wohl kaum durchführbar; es
würde das eine einseitige Bevorzugung der ausgewählten Aerzte
sein und wer sollte diese Auswahl übernehmen? Ausserdem muss
eben doch die Approbationsprüfung, die zur Praxis berechtigt, auch
fertige Aerzte schaffen.
Was in anderen Staaten durchführbar ist, sollte doch auch bei
uns möglich sein. Eine Verlängerung des klinischen
8 t u d i u in s würde allen Schäden abhelfen. Man kann dann ver¬
langen, dass die medicinisclie Klinik mehr als 2 Halbjahre be¬
sucht wird; im ersten Semester auscultando, in den späteren müsste
den Praktikanten Gelegenheit geboten werden, auch in den Sälen
den Verlauf der Krankheiten zu verfolgen und sich dort im Unter¬
suchen und in therapeutischen Eingriffen zu üben. Bei einer Ver¬
mehrung der klinischen Semester würde dann dem Candidaten un¬
beschadet seiner anderen Studien auch Zeit zur Verfügung stehen,
sich als Unterassistent eine gewisse Erfahrung am Krankenbett zu
erwerben. Vor Allem aber könnte dann auch der Besuch der Poli¬
klinik, in der ein individualisirender Unterricht wie sonst nirgends
möglich ist. obligatorisch gemacht werden.
Das Alles müsste aber gesetzlich festgelegt werden; denn was
nicht direct vorgeschrieben ist, wird sowohl der wenig bemittelte,
als der wenig strebsame Student nicht immer freiwillig zu seiner
Ausbildung thun.
In den theoretisch- wissenschaftlichen Leist¬
ungen steht die deutsche Medicin unbestritten an der Spitze der
Völker. Wollen wir, dass auch unsere Aerzte mit zu den besten
zählen, so müssen wir mehr Zeit auf ihre praktische Schulung
verwenden.
Referate und Bücheranzeigen.
Behrens: Mikrochemische Technik. Verlag von L. Voss..
Hamburg und Leipzig 1900. 68 8. 2 M.
Behrens hat die mikrochemische Analyse, ver¬
möge deren man aus kleinsten Substanztheiloheii Natur und Zu¬
sammensetzung von Verbindungen oder Gemengen erkennen
kann, methodologisch ausgcbildet. Er hat früher herausgegeben
..Anleitung zur mikrochemischen Analyse“ (anorganischer Prä¬
parate) und 4 Hefte „Anleitung zur mikrochemischen Analyse
4 ) Frankreich und England sind schon erwähnt.
In Belgien „beansprucht das Universitätsstudium eines
Modlciners inclusive der Naturwissenschaften in minimo 6 Jahre,
l'actiscli aber fast ausnahmslos 7 Jahre“. Auf die praktische
Ausbildung wird nach französischem Muster grosses Gewicht ge¬
legt. (N uel : Die praktische Ausbildung der Aerzte in Belgien
Klin. Jahrbuch 1891.)
In der Schweiz besucht der Student die medicinisclie Klinik
2 Semester als Auscultant und 2 Semester als Prakticant.
In O e s t e r r e i c h muss der Studirende naehweisen, dass
er die Klinik für innere Krankheiten durch 4 Semester besucht
hat. (Puschmann: Der klinische Unterricht in Oesterreich.
Klin. Jahrbuch 1S90.)
In U n ga r n ist ausserdem vorgeschrieben, dass der Candidat
bei der Meldung zur Approbationsprüfung eine gewisse Anzahl
selbst mitgenommener Krankengeschichten vorlege.
In 11 a 1 i e n „ist die Inscription der mcd. Klinik für 3 J a h r e
obligat**. (C a t a u i : Der med. Unterricht in Italien. Klin. Jahr¬
buch 1890.)
,.1-1 — 15 Semester ist der Zeitraum, den der dänische
Mediciucr durchschnittlich für sein Studium verwendet“. (Steen¬
berg: Die Ausbildung der Aerzte in Dänemark. Klin. Jahrbuch
1.899.)
In Schweden nimmt das Studium der Medicin sogar in
der Kegel 11 Jahre in Anspruch, von dieser Zelt entfällt ein
grosser Theil auf den prakt. Dienst in den Kliniken. (Axel Key:
Die Ausbildung der Aerzte in Schweden. Klin. Jahrbuch 1891.)
organischer Präparate“. Das vorliegende Heft soll eine Er¬
gänzung zu den genannten Werken sein. Es soll einen Leitfaden
zur Herstellung von mustergiltigen Präparaten mit möglichst
einfachen Hilfsmitteln darstellen, ln demselben wird das nöthige
Handwerkszeug und die verschiedenen Verfahren für die Dar¬
stellung der Präparate: Sublimireu, Krystallisiren, Fällen, Aus¬
waschen, Schleifen, Aetzen, Ei lisch Hessen etc. geschildert. Um
Missverständnisse zu vermeiden, sei betont, dass in der „Mikro¬
chemischen Technik“ Behrens’ keinerlei der vom Mediciner zum
Nachweis physiologisch-chemischer oder pathologischer Producte
geübten Methoden berührt werden, dieselbe vielmehr vor Allem für
den Gebrauch des analytischen Chemikers, des Mineralogen und
Technikers bestimmt ist. Heinz- Erlangen.
L. Knapp : Wochenbettstatistik, eine klinische Studie.
Berlin 1898. F i s e li e r’s medicin. Buchhandlung. Preis M. 2.40.
Die Arbeit stellt einen Bericht über die Thätigkeit auf der
Prager deutschen geburtshilflichen Universitätsklinik von 1891
bis 1897 dar. Es wird eine genaue Beschreibung der Landesgebär-
anstalt und ihrer Einrichtungen, des ganzen Betriebes, besonders
auch des Unterrichtes gegeben. Die genaueste Berücksichtigung
erfahren die Temperaturmessungen. Bei ihrer Besprechuug wird
ausführlich auf den Werth derartiger Zusammenstellungen, auf
die vielen Fehlerquellen u. dergl. eingegaiigeii. Die Reetal¬
messung wird als nicht nothwendig hingestellt.
In sehr zahlreichen Tabellen, die mit einem ausserordent¬
lichen Fleisse ausgearbeitet sind, wird das ganze reiche Material
nach den verschiedensten Gesichtspunkten eingetheilt und über
die gewonnenen Erfahrungen auf den einzelnen Gebieten be¬
richtet.
Nur wer sieh selbst einmal mit derartigen Zusammen¬
stellungen befasst hat, vermag zu schätzen, welche Summe von
Arbeit hier oft in wenigen Zeilen enthalten ist, und doch wie oft
werden — ganz mit Unrecht — derartige Arbeiten mit einer ge¬
wissen Geringschätzung bcurtheilt!
Wenn man beobachtet, mit wie grosser Genauigkeit offenbar
die einzelnen Abschnitte durchgearbeitet sind, so wird man auch
zugestehen müssen, dass derartigen Arbeiten ein hoher Werth bei¬
zumessen ist. Würde man sich dahin einigen können, an den ver¬
schiedenen Kliniken derartige mühsame Zusammenstellungen von
einheitlichen Gesichtspunkten aus anzufertigen, so könnte durch
eine weitere Zusammenstellung und Vergleichung der einzelnen
Ergebnisse zweifellos noch manches wichtige Resultat gewonnen
werden.
Auf Einzelheiten der Arbeit einzugehen verbietet der
Rahmen dieser kurzen Besprechung, es möge nur hervorge¬
hoben werden, dass die Statistik 6226,Wöchnerinnen berück¬
sichtigt, dass die Erkrankungsziffer 11,41 Proc. (darunter 9,99
Proc. Infectionsfälle) beträgt. Die Sterblichkeit betrug 0,88 Proc.,
die an Wochenbettfieber 0,38 Proc.
A. Gessner - Erlangen.
Prof. E. Bottini: Die Ischuria prostatica. Verlag von
L. Nicolai- Florenz.
In dem vorliegenden Werke hat Prof. Enrico Bottini
seine Studien über die Ischuria prost atica zusammen¬
gefasst. Die von dem Verfasser für die obengenannte Krankheit
erfundenen Heilmethoden, sowie die glänzenden, sowohl in der
Klinik der Universität Pavia, als in vielen anderen inländischen
und ausländischen Kliniken erzielten Resultate sind nunmehr
Gemeingut der Wissenschaft geworden. Höchst anerkennende
Urtheile wurden bereits aller Orten ebenso über die leichte Aus¬
führbarkeit der thermo-galvanischen Diaeresis der Prostata nach
dem System Bottini, wie auch über die sofort sich bemerkbar
machenden heilsamen Wirkungen und die Dauerhaftigkeit der
therapeutischen Resultate abgegeben.
B o t t i n i theilt sein Werk in 7 Lectionen ein, weiche fort¬
schreitend von der inneren Structur, von der Anatomie, von der
Topographie und den Vergrößerungen der Prostata handeln.
Es folgen dann die klinische Physiognomie der I schür io, die
Therapie, die thermo-galvanischc Diaeresis, die Beschreibung der
Instrumente etc. Das 215 Seiten starke und mit 16 111 U8trations¬
tafeln versehene Werk wird sicher nicht verfehlen, jeden Chi¬
rurgen auf’s Lebhafteste zu interessiren. ItaloTonta.
Rudolf Temesvdry, Frauenarzt in Ofen-Pest: Volks-
bräuche und Aberglauben in der Geburtshilfe und der Pflege
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
587
24. April 1900.
des Neugeborenen in Ungarn. Ethnographische Studien. Mit
16 Abb. im Text. Leipzig. Th. Grieben’» Verlag. 1900.
148 p. 8°. M. 2.80.
Mittels Fragebogen, die von 120 Aerzten und 170 Hebammen
ausgefüllt wurden, hat der Verfasser ein stattliches Material zu¬
sammengebracht.
Das Buch ist in 8 Hauptabschnitte getheilt: Menstruation,
Sterilität, künstliche Sterilität. Schwangerschaft, Geburt,
Wochenbett, Säugegesehäft, das neugeborene Kind.
In den Volksbräuehen ziehen sieh folgende Charakterzüge
wie rotlie Fäden, nach des Verfassers Ausdruck, durch sämmt-
liche Capitel: 1. Glaube an Dämonen (Hexen etc.), 2. mangelnder
Reinlichkeitssinn, 3. Unkenntnis! der Bedeutung von Blut¬
verlusten, sogar günstige Beurtheilung derselben, 4. Misstrauen
gegen den Arzt und die diplomirte Hebamme, Furcht vor ärzt¬
lichen Eingriffen.
Die in Ploss, das Weib, enthaltenen, auf Ungarn bezüg¬
lichen Angaben hat der Autor, wie er selbst hervorhebt, fast ganz
ausser Acht gelassen.
Besonders reich sind die Capitel Geburt und Wochenbett an
interessanten Daten. Wir erfahren hier, dass bei den Magyaren
eine besondere Schutzgöttin dem Gebäract Vorstand. Das Ver¬
sehen der Schwangeren, dem man in neuerer Zeit nach den
Arbeiten von P r e u s s und v. W e 1 s e n b u r g , auch nord¬
amerikanischer Forscher, wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt
hat, wird ebenfalls ausführlich abgehandelt.
Es wäre eine dankenswerthe Arbeit, wenn man die Ergebnisse
unseres Autors mit den "Werken von G rolim a n n (Aberglauben
und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, I, 1864), Lammert
1869, H ö f 1 e r 1888, W uttke 1869 zusammenstellend ver¬
gleichen wollte.
Die Abbildungen stellen Lagerstätten für Kinder, Gängel¬
apparate etc. vor. Jedem Freund der medicinischen Folkloristik
kann das gut ausgestattete und billige Buch empfohlen werden.
J. Ch. Huber- Menrmingen.
Neueste Joumalliteratur.
Deutsches Archiv für klinische Medicin. 65. Band,
1. u. 2. Heft.
1) Lindemann: Die Concentration des Harnes und
Blutes bei Nierenkrankheiten mit einem Beitrag zur Lehre von
der Uraemie. (Aus dem klin. Institut München.)
Verfasser hat bei den verschiedensten Erkrankungen der
Niere die Concentration des Harnes sowie des Blutserums unter¬
sucht. Zur Ermittelung des Concentrationsgrades bediente er sich
der Messung des osmotischen Druckes, für den die Bestimmung
des Gefrierpunktes den Maassstab abgab, da die Gefrierpunkts¬
erniedrigung einer Lösung dem osmotischen Druck derselben direct
proportional ist. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, auf die ein¬
zelnen Versuche und die aus ihnen gezogenen Schlüsse näher ein¬
zugehen, erwähnt soll nur werden, dass die vom Verfasser erziel¬
ten Resultate geeignet scheinen, sowohl in diagnostischer als auch
prognostischer Beziehung werthvolle Aufschlüsse zu geben.
2) E b s t e i n - Göttingen: Klinische Beiträge zur Lehre von
der Herzarhythmie, mit besonderer Rücksicht auf die Myo-
carditis fibrosa.
Verfasser bespricht kritisch die verschiedenen über die Gründe
der Herzarhythmie auf gestellten Theorien und zieht ans den, in
Tabellen übersichtlich zusammengestellten, auf einer grösseren
Reihe klinischer und anatomischer Erfahrungen beruhenden Mit¬
theilungen den Schluss, dass alle Störungen der rhythmischen
Thätigkeit des Herzens als der Ausdruck gesteigerter Anforde¬
rungen an die Herzarbeit aufzufassen sind, wenn die Herzhöhle
mit Blut überfüllt ist, und wenn ein Missverhältnis zwischen
Kreislaufswiderständen und Leistungsfähigkeit des Herzens be¬
steht. Dagegen kann aus der Arhythmie des Herzens, welcher Art,
von welcher Intensität und Dauer sie auch sein möge, ein sicherer
Rückschluss auf die die Regelmässigkeit der Herzthätigkeit
störende Ursache nicht gezogen werden. Von den in dieser
Richtung gewöhnlich als aetiologiseli besonders bedeutungs¬
voll geltenden pathologischen Veränderungen des Herzens
haben die Myocarditis fibrosa, die Myofibrosis cordis (D e li i o),
die Herzfibrome und die sogen. Kugelthromben eine besonders ein¬
gebende Behandlung erfahren.
3) S t a d e 1 m a n n : Pharmakotherapeutische Bestrebungen
bei Herzkrankheiten. (Aus der II. medic. Abtheilung des städt.
Krankenhauses am Urban in Berlin.)
Verfasser berichtet über seine Versuche mit Erythrophlein,
Atropin, Nikotin, Pilocarpin und Physostigmin hinsichtlich deren
Verwendbarkeit bei Erkrankungen des Herzens. Das Resultat der
Untersuchungen ist das, dass diese Medicamente zur Behandlung
von Herzkranken nicht herangezogen werden dürfen, hauptsäch¬
lich weil die Nebenwirkungen derselben derartig sind, dass thera¬
peutisch, wenigstens bei diesen Kranken, davon Abstand ge¬
nommen werden muss.
4) H i s : Die Ausscheidung von Harnsäure im Urin der
Gichtkranken, mit besonderer Berücksichtigung der Anfalls¬
zeiten und bestimmter Behandlungsmethoden. (Mit 11 Curven.)
(Aus der medic. Klinik in Leipzig.)
Da die tägliche Harnsäureausscheidung bei Gesunden, wie bei
Gichtkranken ausgiebigen Schwankungen ausgesetzt ist, so sind
die Wertlie einzelner Tage oder kurzer Zeitperioden für die Be-
urtheilimg nicht manssgebeml. Der acute Gichtanfall wird ein-
geleitet durch eine Verminderung der llarnsäureausfuhr, die dem
Anfall um 1—3 Tage vorausgeht. Dem Anfall folgt eine Ver¬
mehrung der Ausfuhr, die ihr Maximum am 1.—5. Tage erreicht.
Die mittlere tägliche Harnsäureausscheidung der Gichtkranken
in den Anfalls- und Ruheperioden zeigt keine typischen Unter¬
schiede. Natron bicarbonicum, Faehinger Wasser, Fachinger
Salz, sowie die Citronencur beeinflussen die Menge der ausge-
sc-hiedenen Harnsäure nicht nachweislich. Lithion carbouicum
scheint die Menge der Harnsäureausscheidung constant um ein
Geringes herabzusetzen.
5) Reinebot li und Iv o h 1 h a r d t : Blutveränderungen
in Folge von Abkühlung. (Aus der medic. Klinik in Halle.)
Die vorliegenden Untersuchungen führen die Verfasser zu
folgenden Schlüssen: Die Altkühlung schädigt die rothen Blutzellen
des kreisenden Blutes und führt zur Haemoglobinaemie. Die
Alteration der rothen Blutkörperchen drückt sich früher im Haemo-
globinverlust aus, als in der Verminderung der Zahl der rothen
Blutkörperchen, diese wird erst bei wiederholter Abkühlung er¬
heblicher beeinflusst. Man könnte also zuerst von der Erzeugung
eines chlorotisclien und dann eines anaemischen Zustandes
sprechen.
6) Eisenbarth - Köln: Ein Fall von. spontan "geheiltem
tuberculösem Kehlkopfgeschwür. (Mit 1 Abbildung.)
Einer kurzen Erörterung der Frage über die Häufigkeit, Aetlo-
logie und Ausheilungsmöglichkeit der Larynxtubereulose folgt die
Mittheilung einiger Fälle aus der Literatur und dann der Fall
eigener Beobachtung mit Krankengeschichte und Sectionsbefund.
Es fand sich bei der Autopsie ein spontan, ohne jeden thera¬
peutischen Eingriff ansgeheiltes tu bereu loses Geschwür, welches
das ganze rechte und die vordere Hälfte des linken Stimmbandes
zerstört hatte. Die Lungentuberculose war dabei fortgeschritten
und hatte den Tod des Patienten zur Folge.
7) Besprechungen. Heller- Erlangen.
Zeitschrift für klinische Medicin. XXXIN. Bd., 5. u. 6. Heft.
18) G u m p r e c h t - Jena: Experimentelle und klinische
Prüfung des Riva-Eoce i’schen Sphygmomanometers.
Zunächst wurden durch sinnreiche Versuche die Fehlerquellen
des Apparates festgestellt, welcher auf Bestimmung des Druckes
beruht, der nöt.hig ist, um bei circularer Comprossion des Ober¬
arms den Radialpuls verschwinden zu machen. Es "wurde ge¬
funden, dass zwar die elastische Spannung des comprimirenden
Schlauches zu vernachlässigen ist, also der Compressionsdruck dem
Innendruck annähernd gleich ist, dass aber durch den elastischen
Gegendruck der Arimveiehtheile ein Tlieil des Druckes compensirt
wird. Das Sphygmomanometer gibt um 30—50 mm Quecksilber
zu viel an. Ferner zeigt es nicht den mittleren Blutdruck, sondern
den maximalen Pulsdruck. Da aber die Fehler annähernd constant
sind und der Apparat sehr handlich ist, kann er trotzdem als sehr
brauchbar empfohlen werden. Ein besonderer Vorzug ist es, dass
es gelingt, auch den Seiteudruck der Arterie, nicht bloss ihren
Enddruck zu messen. Die Blutdruckdifferenz zwischen Art. axil¬
laris und brachialis betrug 30—00 mm.
Eine Reihe klinischer Untersuchungen bestätigen im Wesent¬
lichen die bereits von anderen Autoren gefundenen Resultate.
19) H. Lüthje- Marburg-Greifswald: Stoff Wechsel versuch
an einem Diabetiker mit specieller Berücksichtigung der Frage
der Zuckerbildung aus Eiweiss und Fett.
Von den Resultaten dieser Untersuchungen ist hervorzuheben,
dass im Gegensatz zu F. Vo i t's lind L o m m e l’s Anschauungen
es durch Zufuhr grosser Nueleinmengen (Pankreas) nicht gelang,
Oxalurie zu erzeugen, ebenso wenig Pentosurie. Nach Eiweiss¬
zufuhr stieg die Zuckeruusscheidung stets und zwar verhielten sich
die verschiedenen Eiweissarten nicht gleichwertig. Die Zucker¬
ausscheidung war nach Casein- und Pankreasuahrung höher als
nach Rindfleisch- und Kalbsthyrausnalinmg, am geringsten nach
Eiereiweissnahrung. Die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens
der Ei weissarten ist nicht klar. Eine Zucke rbilduug aus Fett
konnte nicht constatirt werden.
20) J e 1 1 i n e k - Wien: Heber den Blutdruck des gesunden
Menschen. (Aus dem k. k. Garnisonsspital. Stabsarzt Dr. Pick.)
Das Resultat der Untersuchungen, die mit dem Gärtner’-
selieu Tanometer an mehreren Hundert gesunder, unter gleichen
Bedingungen befindlicher Soldaten ausgefiihrt wurden, war:
Die normale Blutdrucksziffer schwankte um über 100 Proe.
zwischen 80 und 185 mm Quecksilber, am häufigsten waren die
Wertlie von 100—100 mm. An der rechten Hand war die Blut¬
drucksziffer in einem Viertel der Fälle höher wie an der linken.
Aeussere Einflüsse (Baden, Marschiren, Scharfschiessen, Essen)
waren von keiner gesetzmässigen Wirkung auf den Blutdruck. Bei
Personen mit niederem Anfangsdruck waren die Schwankungen
grösser als bei solchen mit höherem Anfangsdruck. Bei 2 länger
beobachteten Versuchspersonen fanden sieh die höchsten Blut¬
druckziffern Immer in den Nachmittagsstundeu. Eine Beziehung
zwischen Blutdruck und Pulszahl bestand nicht.
21) B i a 1 - Kissingen: Ueber Pentosurie. (Aus der I. med.
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588
No. 17.
MÜNCHENER MKDICINISOHK WOCHENSCHRIFT.
Klinik, Geh.-Rath v. L o y d o n , und der nu»d. Klinik Breslau, Goli.-
Rath Käst.)
Zu don bis jetzt bekannten 2 Füllen chronischer Peilt osurie
ist Verfussor in dor Lage 2 neue zu fügen.
22) U in her- Berlin: „Sensorielle Krisen“ bei Tabes dorsalis.
(Aus dor med. Klinik Strassburg.)
Mit diesem Namen bozeielinot. Verfasser eigenthümliclie,
höchst widerwärtig«» Sensationen in der Geruchs- und Gesehmacks-
sphäre, welche bei einem Tabiker anfallsweise regelmässig im
Anschlus an typische gastrische Krisen auf traten.
22) v. Decastello und II o f b a u e r - Wien: Zur Klinik
der leukopenischen Anaemieen. (Aus der II. med. Kliuik, Iiofrath
N euss e r.)
Verschiedenartige Anaemien, die mit Vt»rminderung der Blut-
körperehenzahl einhergingen (Chlorosen, perniciüse Anaemien,
secundäre Anaemien) zeigten gemeinsam, trotz verschiedener Aetio-
logie, «»ine constante Veränderung im Procentverhiiltniss der ein¬
zelnen Leukocytenfonnen im Sinn einer relativen Zunahme der
Lymphocyteu. einer relativen Abnahme der neutrophilen l'oly-
nucleären. Nur bei den Anaemien mit Driisenerkrankimgeu
(Pseudoleukaemieni war das procentmile Verhiiltniss ein wech¬
selndes. Ein prognostisch ungünstiges Symptom (Ehrlich)
ist die Leukopenie keineswegs, sie ist nur als eine functioneile
Hemmung der blutbildenden Orgaue aufzufassen.
24) S t r o g a n o f f - Petersburg: lieber die Pathogenese der
Eklampsie. (Aus d. kaiserl. klin. Ilebammeninstitut.)
Auf Grund klinischer und pathologisch - anatomischer Er¬
wägungen, hauptsächlich aber auf Grund der Beobachtung, dass
die Fälle von Eklampsie sehr oft gruppenweise Auftreten, sich
manchmal zu förmlichen kleinen Epidemien häufen, die als Haus-
infectionen, von eingeschleppten Fällen ausgehend erscheinen,
kommt Vorf. zu dem Schlüsse, dass die Eklampsie eine Infections-
krankheit ist. Der vermut bete Keim ist schwach virulent und
findet nur selten günstige Bedingungen: er dringt vermuthlicli
durch die Lunge ein. Die Iucubation ist kurz, beträgt nur wenige
Stunden, der Keim behält seine Widerstandsfähigkeit einige
Wochen. Eklampsiekranke müssen daher isolirt worden.
Das gruppenweise Auftreten der Eklampsiefälle in den Peters¬
burger Entbindungsanstalten ist in einer Leihe von Tabellen
graphisch dargestellt.
25) M e t z n e r - Dessau: Casuistischer Beitrag zur Frage
der Peritonitis gonorrhoica.
Eine Peritonitis, die von einer Tubenerkrankung ausging,
wurde von Diploeoccen verursacht, die sieh nach G r a m nicht
färbten und intracellulär lagen. Es handelte sich also mit grosser
Wahrscheinlichkeit um Gonococeen.
26) Kritiken und Referate.
Kerschenstei n e r - München.
Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 13. 14, lf>.
No. 13. Ernst v. C z y li 1 a r z und Julius Donath: Ein
Beitrag zur Lehre von der Entgiftung. (Aus der I. Modle. Klinik
in Wien.)
Bei Meerschweinchen wurde eine hintere Extremität möglichst
weit oberhalb des Knies so fest umsclmürt. dass ein Abfluss von
Blut oder Lymphe centripetalwärts als ausgeschlossen betrachtet
werden konnte. Sofort danach iujicirten die Verfasser in die
derart abgebundene Extremität eine Quantität von Strychnin, die
sie bei gleich schweren Controlthioren als in 2—5 Minuten absolut,
sicher letal wirkend erkannt hatten. Nach Ablauf von 1—4 Stun¬
den wurde nun die Ligatur vom Oberschenkel des Meerschwein¬
chens wieder abgenommen. Es zeigte sich nun, dass alle diese
'filiere — 12 an der Zahl — obgleich ihnen, wie schon erwähnt,
eine sonst in einigen Minuten letal wirkende Dosis Strychnin
injieirt worden war. vollständig gesund blieben und zwar dies
während einer bei den meisten mehrwöchentlichen Beobachtungs¬
dauer. Aus diesen Befunden geht hervor, dass durch das Unter-
hautzellgewebe, die Musculatur und die in diesen befindliche Blut-
und Lymphflüssigkeit das Strychnin in irgend einer Weise in vivo
gebunden bezw. neutralisirt wurde.
No. 14. 1> L. G r ü n \v a 1 d - München: Die Bedeutung der
hypeosinophilen Granula.
Verfasser vertlieidigt seine Befunde über hypeosinophile
Granula gegenüber Bett mann.
2) Bettmann - Heidelberg: Erwiderung auf vorstehenden
Artikel des Herrn Dr. Grünwald.
Der Verfasser hält seine Ein wände aufrecht.
No. 15. F r i e d e b e r g - Magdeburg: Einige Bemerkungen
über Aspirin.
Aspirin ist ausserordentlich geeignet, in vielen Fällen Salicyl
voll wert big zu ersetzen. Es empfiehlt sich, in solcheu Füllen, wo
Nebenwirkungen des Salicyls einem Patienten entweder lästig oder
schädlich sein können, nicht erst Salicyl zu versuchen, sondern
von vornherein Aspirin anzuwenden. Das trifft besonders für
solche Kranke zu, welche einen irritablen Magen besitzen oder
welche ein Herz- oder Ohrenleiden haben. Ferner ist Aspirin dem
Salicyl dann vorzuziehen, wenn es sich darum handelt, einen
schnellen Effect zu erzielen, z. B. bei schwerem acuten Gelenk¬
rheumatismus und grösseren serösen Exsudaten. Ein Zeitverlust
in der Heilung durch öfteres Aussetzeu des Mittels, wie dies bei
Salicyl meist nötliig. wird Ihm Anwendung von Aspirin erspart, da
dasselbe, ohne zu schaden, eine Woche und darüber in Tagesdosen
von 4—5 g gegeben werden kann. Auch gegen Neuralgien ist das
Präparat von Nutzen. W. Zinn- Berlin.
Beiträge zur klinischen Chirurgie. Red. von P. v. Bruns.
Tübingen, Laupp. XXVI. Bd. 1. Heft. 1900.
Das 1. lieft des 26. Bandes der Beitr. z. klin. Chir. eröffnet
aus der Tübinger Kliuik eine eingehende Arbeit von H. K ü 11 n e r:
Ueber das Peniscarcinom und seine Verbreitung auf dem Lymph>
wege. Eine Bearbeitung des auf 60 Fälle sich belaufenden Beobach-
tungsmatoriales der betr. Klinik. K. constatirte u. a. das weit über
die Grenzen des Primürtumors hinausreichende, continuirliche und
discontinuirliche Vorkommen von Krebsknoten in den Corpora
cavernosa (in 6.S Proc. der Fälle), das directe Einbrechen der
Krebszellen in die Venen und die vollständige Ausfüllung von
Gefässen mit Krebsmassen mit ausgesprochener Rundzellen-
inliltraiioii der Wandung. Mit anderen Hautkrebsen (Platteu-
epithelkrebseii) tlieilt das Peniscarcinom die Eigenschaft nur
selten, in inneren Organon zu metastasiren. Bezüglich des von I\.
eingehend studirten Lymphgefüsssystems des Penis unterscheidet
derselbe die oberflächlichen und tiefen Lymphgefässe des Penis und
das Lynipligefässsystem der Harnröhre. Als Wtirzelgebiet der
tiefen ist die Haut der Eichel anzusehen, die davon abführenden
Ilauptstümmo verlaufen zunächst im Sulcus retrugland. und um¬
kreisen den Penis, um sich dann der Vena dors. penis subfascial
anzuschliessen und bis zur I’euiswurzel zu folgen. Das Lympli-
gefässnelz einer Penishälfte geht eontiniiirlich in das der anderen
über. Die Mehrzahl der oberflächlichen und tiefen Lymphbahnen
des Penis führt zu den Leistendrüsen; die kleinen Drüsen an der
Vorderfläche der Symphyse pflegen in ein aus den tiefen Lymph-
gefässen des Penis hervorgegangenes Geflecht eingeschaltet zu
sein uud gibt es zahlreiche Lymphbahnen des Penis, die mit Um¬
gehung der Leistendrüsen direct zu den Drüsen im Innern des
Beckens führen (Lymphogland. iliac. liypogastr. epigastr. inf. vesi-
cales aut. et lat.). Die Erkrankung der regionären Lymplidrüseu
kommt besonders in den späteren Stadien der Erkrankung vor, der
Primärtumor kann dabei auffallend klein bleiben, das Missverhält¬
nis zwischen diesem und der Drüsemuetustase zuweilen ein sehr
grosses sein, so dass derPat. wegen derDriisenschwellung ärztlichen
Rath aufsucht, das Carcinom oft nicht bemerkte. Zuweilen sind
aber die Drüsenschwellungen auch rein entzündliche, zumal ln'i
Uleernt innen und angeborener Phimose. Die Beckendriisen könucn
primär erkranken, gewöhnlich werden sie erst secundär befallen.
Bezüglich der Prognose gehört das Peniscarcinom zu den pro¬
gnostisch günstigen Krebsen; sich selbst überlassen, führte es
meist erst nach 4— 6 Jahren zum Tod, meist durch Kachexie oder
intercui r« nte Erkrankungen (Pneumonie. Sepsis); doch spielt unter
den Todesursachen auch Blutung aus den von dem Drüsencarclnom
arrodirten Cruralgefässen eine Rolle. Da das Peniscarcinom
relativ lange local bleibt, bietet es günstige Chancen für dauernde
Heilung bei rechtzeitigem Eingreifen; nach lv. wurden 59,46 Proc.
dauernd geheilt, 40.54 Proc. erlagen ltecidiven, von den dauernd
geheilten wurden 73 Ihm*, ohne Drüsenexstirpation geheilt.
II. plaidirt immerhin für 1 »eiderseitige Drüsenausräuinung und
auch Entfernung leicht erreichbarer Beckendrüsen, bei grossen
Drüsenmetastasen wird mit der Operation nichts erreicht lind
K. erklärt die von L e u n n n d e r empfohlenen ausgedehnten
Dviisenexstirpatiouen (bis zur Iliaca hinauf) für zwecklos; ebenso
widerrüth K. die Castratiou.
Ein Drittel der Peuiscarcinome entfällt auf das 6. Jahrzehnt,
drei Viertel auf (las 5., 6. und 7. Wenn auch in 54,5 Proc. der
Fälle angeborener Phimose vorhanden war, so wird doch das
Peniscarcinom auch bei Beschnittenen nicht selten beobachtet.
Betreffs des klinischen Bildes unterscheidet lv. das papilläre
Blumenkohlgewächs, das Carcinomgeschwür und den nicht pa¬
pillären Krebstumor uud gibt treffende farbige Abbildungen der
einzelnen Typen; besonders ersterer Typus ist relativ gutartig.
Schliesslich gibt K. noch eine kurze Uobersicht der betreffenden
Krankengeschichte.
O. Hahn schildert aus der gleichen Klinik ein Nabel con-
crement von Taubeneigrösse bei 43 jährigem Manu uud sammelt
in Anschluss daran ca. ein Dutzend Fälle von Nabeiconcrementen
au::, der Literatur.
R. Plattner beschreibt aus der Iunsbrucker chirurgischen
Kliuik einen Fall von Aneurysma der Art. brachialis, geheilt
durch Exstirpation des Sackes. Es handelte sich ln dem be¬
treffenden Fall um einen 26jälirigen Mann, bei dem sich gelegent¬
lich eines Absturzes bei der Jagd über 4 m hohe Wand der Schuss
entlud und Patient die starke arterielle Blutung mittels einer
Hundeleine, die er über Hemd und Rock sich selbst anlegte, stillte.
Erst nach 12 Stunden gelaugte der Patient in’s Krankenhaus und
drang bei Lösung der Strangulation wieder hellrothes Blut hervor.
Die Schussfraetur wurde antiseptisch verbunden uud liess sich nach
14 Tagen deutlicher Callus constatiren. aber auch eine flachkugelige
pulsirende Geschwulst an der Innenseite des Oberarmes bemerken,
die mit plötzlichem Schmerz nach einer „Schmiedearbeit“ sich
stark vergrösserte. Um den Vorderarm auf die Ausschaltung des
für ihn wichtigsten Blutweges gewissermaassen vorzubereiten,
wurde die zuführende Brachialis digital, täglich y 2 Stunde so com-
primirt. dass der Radialpuls verschwand, später besorgte Patient
selbst täglich mehrmals diese Compression, so dass deutliche Ab¬
nahme der Geschwulst zu constatiren war, als am 12. Tag nach der
Aufnahme in der Klinik zur Operation geschritten wurde. Die
Exstirpation des Aneurysma wurde, nachdem eine eigentliche Ge-
füssscheide wegen Verwachsungen mit den Nachbarorganen nicht
zu finden war, nach Spaltung in der Längsrichtung und Entfernung
der geschichteten Thrombusmassen und Aufsuchen des St&mm-
gefüsses mittels Sonde in der Weise ausgeführt, dass zuerst central,
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24. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
689
Claim peripher die Geschwulst abgelöst wurde. Im Anfang wurde
<lie Wunde mit lockerer Jodoformgaze verbunden und der horizon¬
tal gelagerte Arm durch Wärmflaschen erwärmt; derselbe war
noch nach 10 Tagen um 2° kälter.
Aus der Strassburger Klinik berichtet Scheib über Osteo¬
genesis imperfecta, d. h. eine eigenartige Hemmung in der
TCnochenbildung mit gesteigerter Resorption der spärlich ange¬
legten Knochenbälkchen (halisteret. Knochenschwund), wie sie zu
Spontanfracturen und eigenthlimlicher Verkürzung der Extrem i-
tä ten führten, so dass die Eltern das mit dicker Lanugo bekleidete
Kind als „Maulwurfsmensch“ auf Jahrmärkten hatten sehen
lassen.
Aus der gleichen Klinik schildert E. Deetz 2 Fälle von
seltenen Knochenerkrankungen, nämlich eine Knochencyste der
Tibia und ein subperiostales Haematom der Beckenschaufel, welch’
letzteres als Sarkom imponirt hatte.
Aus dem Neuen allgemeinen Krankenhause zu Hamburg
schreibt Iv fimmell über circulare Gefässnaht beim Menschen
und berichtet nach entsprechenden einleitenden geschichtlichen
Bemerkungen über 2 betreffende erfolgreiche Fälle von Gefäss-
resection mit circulärer nachfolgender Naht in der Cruralgegend,
danach lassen sieh 4—5 cm grosse Defecte in der Continuität da¬
durch ausgleichen.
Löwenstein berichtet aus der Heidelberger Klinik über
mikrocephal. Idiotie und ihre chirurgische Behandlung nach
Lannelongue und verwirft im Anschluss an eine erfolglose
Operation eines Falles von Mikröcephalie und Idiotie, combinirt
mit spastischer Cerebralparalyse, die betreffende Operation, nach¬
dem die Hypothese der primären Synostose der Nähte etc. als falsch
sich erwiesen hat. Bei 111 aus der Literatur gesammelten Fällen
wurde inl7Proc.Tod nach der Operation, bei 22,5 Proc. völlige Erfolg¬
losigkeit (9 Proc. mit geringem Erfolg), bei 21,5 Proc. Besserung
notirt.
Wagner berichtet aus dem städt. Krankenhause zu Karls¬
ruhe zur Casuistik der Pankreas- und abdom. Fettgewebsnekrose
und gibt im Anschluss an 3 betreffende Fälle eine kurze Uebersicht
der seit der K o e r t e’sehen Monographie publicirten betreffenden
Fälle.
E. Kalmus gibt aus der Prager Klinik einen Beitrag zur
operativen Behandlung des Caput obstipum spasticum und schil¬
dert im Anschluss an 95 operativ behandelte Fälle (mit 118 Opera¬
tionen), die er aus der Literatur zusammenstellt und einem von
W ö 1 f 1 e r operirten Fall, die verschiedenen Arten des spas¬
modischen Schiefhalses, bei denen es sich um unwillkürliche, ruck¬
weise, heftige Bewegungen des Kopfes im Sinne der Rotation,
Flexion und Deflexion oder um krampfhafte schiefe Haltung des
Kopfes (klonische oder tonische Krampfzustände) handelt. Die
Prognose ist, abgesehen von den hysterischen Formen, im Ganzen
ungünstig. Von den zur Heilung unternommenen Operationen, die
in den Fällen, die anderer Therapie widerstanden, indicirt sind,
hat die Dehnung des Accessorius wohl geringe Erfolge zu ver¬
zeichnen, die Resection des Accessorius (die in G8 Fällen 23 Hei¬
lungen, 20 mal grössere oder geringere Besserung, 4 mal nur ge¬
ringen Erfolg brachte, während 1 Patient an Erysipel starb) muss
wohl hauptsächlich in Betracht kommen, ev. ist auch bei Betheili¬
gung der von Oervicalästen versorgten Nackenmuskeln, wie in dem
v. Wölfler operirten Fall typische Resection des hinteren Astes
des Cerviealis III. angezeigt.
C. Brunner berichtet aus dem Kantonsspital In Münster-
1 Ingen über Kropfrecidive und Recidivoperationen und unter¬
scheidet eigentlich genuine, locale Recidive, Heranwachsen oder
Neubildung von Struma nach der Operation aus nicht operirten
Theilen der Schilddrüse; eigentliche Recidive constatirt Br. In
18 Proc., solche im nicht operirten Lappen in 23 Proc. der Fälle,
unter 540 nachuntersuchten Fällen, die er zusammenstellte, liess
sich bei 168 Heranwachsen und Neubildung von Struma con-
stotiren, in 31 Proc. der Fälle. Wie u. A. Sulzer nachwies
stellen sich die Recidive oft erst relativ spät ein; 4—7—12 Jahre
nach der ersten Operation. Für Br. ist es ausser Zweifel, dass bei
festen Kröpfen und multiplen Cysten die Exstirpation und Re¬
section im Hinblick auf Dauerresultate vorzuziehen ist; Br. macht
es sich auch (wie auch Roux) zur Regel, bei allen Fällen von
Enucleation auch bei soliden Cysten mindesten eine der Schild-
drüsenarterien der betreffenden Seite zu ligiren. Sehr.
Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 14.
J. Schoemaker - Nimwegen: Etagennaht ohne verlorene
Fäden.
Sch. empfiehlt für die Etagennaht die Kettenstichnaht (wie
bei den alten Nähmaschinen), bei der jede Schlinge durch die fol¬
gende gefasst wird, aber ihren Halt verliert, sobald diese zurück¬
gezogen wird, so dass danach demnach der ganze Faden frei wird.
Das Anlegen der Naht Ist etwas complicirter, als bei gewöhnlicher
fortlaufender Naht, doch lässt es sich mit einiger Uebung leicht
machen. Man braucht hiezu eine Nadel mit einem Oehr neben der
Spitze, ähnlich der Nähmaschine oder eine de M o o y’sche Nadel,
mit der man die eine Schlinge durch die andere zieht. Ein Vor¬
theil dieser Naht liegt darin, dass sie um so leichter entfernt wird,
je fester sie angelegt war und dass sie die Wundränder miteinander
in breite Berührung bringt. Sehr.
Centralblatt für Gynäkologie. 1900. No. 14.
1) Otto Küstner- Ein operatives Palliativverfahren bei
inoperablem Carcinoma uteri.
Das Verfahren K.’s besteht in einer Kolpokleisis rec¬
tal I s, d. h. Anlegung einer Reeto-Vaginalfistel und Verschluss der
Vagina. Hierdurch wird der jauchige Ausfluss in das Rectum
geleitet, unter Verschluss des Sphincter ani gestellt und Beine Ent¬
leerung willkürlich gemacht. Der Hauptvortheil der Operation ist
die Befreiung der Kranken von dem scheusslichen Gestank. Die
Ausführung der Operation ist einfach: Anlegung einer breiten
Communication zwischen Rectum und Vagina. Durchleitung eines
Fadens durch die Fistel, an dem sich ein in der Vagina liegender
Alkoholtupfer befindet, Verschluss des Vestibulum vaginae. Der
Alkoholtupfer wird am 4. Tage aus dem Anus herausgezogen.
Nähere Angaben über die operirten Fälle macht K. nicht.
2) Desider S t a p 1 e r - S. Paulo: Hysterectomia rapida.
St. hat vor 2 Jahren bereits empfohlen, die Blutstillung bei
der abdominalen Totalexstirpation des Uterus durch besondere
Klemmen zu besorgen, wodurch die Operation in wenigen Minuten
beendet werden soll. Angeregt durch die Angiotribe von Doyen
und T u f f i e r, hat St. jetzt ein neues Schraubenmodell zur Ab¬
klemmung der Ligamente eonstruiren lassen, das nach seiner
Ansicht die Instrumente von Doyen, Thumim, Zweifel
u. A. weit übertrifft. Als Vortheile seiner „Schraubenklemme“
führt St. an: sie ist leicht, kräftig, übt einen hohen Druck aus und
klemmt das ganze Ligament auf einmal ab, ohne dass das Gewebe
ausweichen kann. Ausser zur abdominalen Myomotomie soll das
Instrument auch zur vaginalen Totalexstirpation und zur tem¬
porären Blutstillung bei Operation der Tubargravidität geeignet
sein. An der Lebenden hat St. sein Instrument bisher noch nicht
erproben können. J a f f 6 - Hamburg.
Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 16. Band.
5. und 6. Heft.
E. A. Meyer: Ein Fall von systematischer Erkrankung
der Seitenstränge bei Carcinose, klinisch unter dem Bild der
spastischen Spinalparalyse verlaufend. (Aus dem Krankenhaus
zu Hamburg-Eppendorf.)
Bei einer Frau entwickelte sich zu gleicher Zeit mit einem
Uteruscarcinom auch eine spastische Paraplegie der Beine, als
deren Ursache eine Degeneration der Pyramideuseitenstrangbahnen
anzuschuldigen war. M. glaubt dieselbe als durch die specifischen
Toxine des Careinomes bedingt auffassen zu dürfen und stellt sie
der syphilitischen Spinalparalyse zur Seite.
Kirchgässer - Bonn: Beiträge zur Kindertetanie und
Beziehungen derselben zur Rachitis und zum Laryngospasmus
nebst anatomischen Untersuchungen über Wurzel Veränderungen
im kindlichen Rückenmark.
Wenn auch die Kinder, die an Tetanie und Laryngospasmus
leiden, in der überwiegenden Mehrzahl rachitisch sind, so gibt
es doch sicher Fälle, bei welchen trotz strengster Kritik rachi¬
tische Veränderungen nicht nachgewiesen werden können.
In einer grossen Anzahl der an Tetanie leidenden Kinder
findet sich Laryngospasmus und umgekehrt: bei Kindern mit
Stimmritzenkrampf besteht in der Hälfte der Fälle manifeste
oder latente (positives Trousseau’sches Phänomen) Tetanie.
Bei den anatomischen Untersuchungen des Rückenmarks von
an Tetanie gestorbenen Kindern konnten mit der March i’schen
Methode krankhafte Veränderungen an den vorderen Wurzeln
ln ihrem intramedullären Verlauf constatirt werden. Da aber
ähnliche, gleichstarke Veränderungen der motorischen Wurzeln
auch bei Kindern gefunden werden, die an anderen Krankheiten
gestorben sind, glaubt K. diesem Befund keine specifische Be¬
deutung zuschreiben zu dürfen.
Steinhausen -Hannover: Ueber Lähmung des vorderen
Sägemuskels.
Im Anschluss an zwei Fälle von Serratuslähmung, die be-
merkenswerthe Unterschiede in der Symptomatologie boten, re-
ferirt St. über die bisherigen Beobachtungen in der Literatur und
unterzieht das in den letzten 2 Jahren in der Armee gesammelte
Material über diese Krankheit einer Durchsicht. Auf Grund dieser
Forschungen kommt St. im Gegensatz zu den bisherigen Anschau¬
ungen zu der Ueberzeugung. dass in den meisten Fällen von
Serratuslähmung eine Erhebung des Armes über die Horizontale
noch möglich ist. Die Fälle, in denen der Arm bis zur Senk¬
rechten erhoben werden kann, l>eruhen nach der Ansicht des Ver¬
fassers auf einer partiellen Lähmung des Serratus mit Erhaltung
seiner oberen Zacken.
Hirschberg: Zur Lehre von den Erkrankungen des
Conus terminalis. (Aus der Poliklinik des Prof. Oppenheim.)
Klinische Mittheilung eines durch Trauma bedingten, typischen
Falles von Erkrankung des unteren Rückenmarksabschnittes.
Der Umstand, dass die vom Ischiadicus versorgten Muskeln ln
Degeneration waren, die Functionen der Blase und des Mastdarmes
sich aber bald erholten und die Erection und Ejaculatlon nie ge¬
stört war, liess den Autor annehmen, dass nur die oberen
zwei Sacralsegmente durch eine traumatische Myelitis lädirt, die
unteren Sacralabschnitte dagegen verschont geblieben waren.
B a 1 i n t: Beiträge zur Aetiologie und pathologischen
Anatomie der multiplen Sklerose. (Aus der medicin. Klinik in
Ofen-Pest.)
Die Krankheitserscheinungen der Sklerosis multiplex traten
bei der hier beschriebenen Patientin zum ersten Male nach einem
völlig normalen Puerperium auf und steigerten sich sprungweise
nach jeder folgenden Entbindung. Bei der Autopsie konnte man
constatiren, dass das ganze Rückenmark von sklerotischen Herden
durchsetzt war. Die ganz frischen Plaques boten das Bild der
subacuten Myelitis mit beginnendem Zerfall der Markscheiden
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590
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
und reactiven Stützsubstanzwucherung. Die älteren Herde
entbehren der Markscheiden vollständig, bleiben also bei der
W e i g e r t’schen Markscheidenfärbung völlig hell.
Auf Grund dieses Befundes hält der Autor den Process für
eine durch perivasculäre Entzündung verursachte Markscheiden¬
erkrankung, in deren Gefolge die Gliawucherung auf tritt. Welche
Ursache die „perivasculäre Entzündung“ aber hat, darüber äussert
sich der Verfasser weiter nicht.
Preobrashensky - Moskau: Zur Casuistik der Ptomain-
Paralysen.
Nach Genuss von verschiedenen Fisch’waaren erkrankten eine
bis dahin gesunde Frau und ihr 15 jähriger Sohn ohne irgend¬
welche intestinale Störungen mit schweren Muskelparalysen. Und
zwar begann die Erkrankung mit der Lähmung fast aller Muskeln,
welche von den Gehirnnerven innervirt werden und schritt von da
in absteigender Richtung auf die Rumpf- und Extremitäten-
musculatur über. Sensibilitätsstörungen konnten keine nachge¬
wiesen werden, die Functionen der Blase und des Mastdarmes
waren intaet geblieben. Pr. vermuthet, dass es sich um eine
Ptomainvergiftung handelt und weist darauf hin, dass die Wir¬
kung des hypothetischen Giftes in den hier beschriebenen Fällen
viel Aohnlichkeit mit dem des Cu rar in hatte. Die Vermuthung des
Autors, dass mancher Fall von Polyneuritis, der bisher als „rheu¬
matischer“ auf gefasst wurde, auch durch Ptomaine bedingt war,
besteht zweifellos zu Recht.
Brodmann : Kritischer Beitrag zur Symptomatologie der
isolirten Serratuslähmung nebst Bemerkungen über die erwerbs¬
schädigenden Folgen derselben. (Ans der psychiatrischen Klinik
zu Jena.)
Auch in diesem Falle von Serratuslähmung war eine Er¬
hebung des Armes über die Horizontale fast bis zur Senkrechten
(bis zu 160°) möglich. Der Serratus war nach der Ueberzeugung
des Verfassers in seinem ganzen Umfaug gelähmt; in die ver¬
loren gegangene Functionsleistung des vorderen Sägemuskels
tlieilen sich nach seiner Ansicht der mittlere und obere Theil des
Cucullaris, der Deltoideus und der Infraspinatus. Indem diese
Muskeln hypertrophisch werden, können sie die Functionen des
gelähmten Cucullaris völlig übernehmen.
Kleinere Mittheilungen:
Krafft-Ebiug -Wien: Ein scheinbarer Fall von Para¬
lysis agitans.
Es handelte sich bei dem hier beschriebenen Kranken um
einen hysterischen Tremor, der dem Zittern bei der Parkinson-
sehen Krankheit in frappanter Weise ähnelte.
Z u e 1 z e r - Berlin: Ein Fall von doppelseitiger Er bischer
combinirter Schulterarmlähmung nicht traumatischen Ur¬
sprungs.
Strümpell : Historische Notiz betr. die Pseudosklerose.
Besprechungen. L. R. Müller.
Archiv für Hygiene. Bd. XXXVH, Heft 1,' lbOO.
1) Stanislav R u z i c k a - Prag: Vergleichende Studien über
den Bacillus pyocyaneus und den Bacillus fluorescens lique-
faciens.
Im Anschluss an eine frühere Arbeit über dasselbe Thema,
in welcher Verfasser zu dem Resultat gekommen war, dass es
nicht immer möglich sei, den Bacillus pyocyaneus vom
Bacillus fluorescens liquefaciens zu unterscheiden,
legt er sich nunmehr die Frage vor, ob bei typischen Stämmen
beider Formen wechselseitige Umänderungen wenigsten? ein¬
zelner Eigenschaften auftreten können, die geeignet wären,
eine bessere Unterscheidung zu ermöglichen.
Er stellte 2 Versuchsreihen an, indem einmal der Bacillus
fluorescens „unter parasitäre Verhältniss e“, d. h.
auf die Haut oder auf Wunden von Mensch oder Thieren gebracht
wurde, der Bacillus pyocyaneus dagegen „unter saprophy-
tischen Verhältnissen“ leben sollte. Dabei zeigte sich,
dass sich der Bacillus fluorescens auf Wunden mehr als 2 Wochen,
in Reineultur oder auch verunreinigt, halten und dass er ebenfalls
Anlass zu Elterentwicklung geben kann. Irgend welche morpho¬
logisch charakteristische Neuerscheinungen konnten jedoch auch
dann nicht aufgefunden werden, als Versuche bei höherer Tem¬
peratur im Thermostaten angestellt w T urden. Immerhin ist zu be¬
merken, und dies tritt auch recht deutlich bei Züchtung des Ba¬
cillus pyocyaneus unter saprophytischen Verhältnissen — also im
Wasser — hervor, dass typische Stämme beider Arten unter den
gleichen oder auch unter verschiedenen Lebensbedingungen sich
entweder vollständig oder nur zu einer Uebergangseigenschaft um¬
ändern oder endlich, dass sie Eigenschaften acquiriren können,
welche iil>erhaupt weder für den einen noch für den anderen als
charakteristisch zu bezeichnen sind. Diese Umänderungen, welche
sich sehr lange Zeit erhalten können, sollen mit ziemlich grosser
Wahrscheinlichkeit auf höhere Temperaturen und reichlichere
Luft zurückzuführen sein.
Die Quintessenz der Arbeit ist, dass mau im gegebenen Falle
— falls man nicht die Provenienz des betreffenden fluoreseirendon
Organismus kennt — nur sehr schwer in der Lage sein wird, den¬
selben für einen „Pyocyaneus“ noch einen „Fluorescens“ zu er¬
klären, eine Schwierigkeit, die, wie schon Lehmann und Neu-
mann betonen, durch die grosse Variabilität beider Arten hervor¬
gerufen wird.
2) Otto Kalischer: Zur Biologie der peptonisirenden
Milchbacterien.
Die Untersuchungen desVerf. erstrecken sich auf einen sporen¬
tragenden Organismus aus der Gruppe des Subtills oder Kartoffel-
baoillus, welcher nur aerob gedeiht und die Fähigkeit besitzt, das
in der Milch gefällte Eiweiss wieder aufzulösen. Der Bacillus ist
im Stande, bei lange dauerndem Wachsthum die Müch vollständig
zu zersetzen, wobei jedoch das Fett in keiner Weise angegriffen
wird.
Am schnellsten und ehesten wird der Milchzucker in
Mitleidenschaft gezogen, indem er eine stufenweise fortschreitend«»
Verminderung erfährt. Jedoch bis unter 2,6 Proc. geht der Gehalt
an Milchzucker nie herab. Als weitere Zersetz ungsproductc
wurden nur flüchtige Säuren nachgewiesen.
Bei der Zersetzung des C a s e i n s entsteht zuerst Albumose,
später Pepton, daneben aber auch Ammoniak, Valerian- und Essig¬
säure, Tryptophan, Leucin und Tyrosin. Indol, Skatol und Phenole
konnten dagegen nicht nachgewieseu werden. Das von den Bak¬
terien producirte verdauende Ferment stimmt mit dem Trypsin
bis auf die Bildung von aromatischen Oxysäuren vollständig über¬
ein. Das gebildete Labferment unterscheidet sich von dem gewöhn¬
lichen Labferment nicht.
3) A. Schatteufroh und R. Grassberger: Ueber
Buttersäuregährung. I. A bhandlung.
Die viel umstrittene Frage über die Erreger der Buttersäure-
gähruug wird von Neuem von den Verfassern aufgegriffen und ein¬
gehend studirt. Bei ihren Untersuchungen finden sie unter anderen
einen streng anaeroben sporentragenden Bacillus, der ausserordent¬
lich verbreitet ist, bisher aber nicht bekannt war, und zeigen ausser¬
dem, dass die Existenz des bisher als Hauptorganismus bei der
Buttersäurevergährung angesehenen Bacillus butyricus
B o t k i n angezweifelt werden muss. Der von den Verfassern
reingezüchtete, mit dem Namen „Granulobacillus sae-
charobutyricus immobilis liquefaciens“ (!) be-
zeichnete Organismus wurde mittels des B o t k i n’schen Verfahrens
aus Milch gewonnen, indem dieselbe einige Zeit dem strömenden
Dampf ausgesetzt war und dann bei 37 0 aufbewahrt w’urde.
Der gefundene Organismus wächst am besten bei Bruttem
peratur, ist streng anaerob, lässt sich zwar auf allen Nährböden
züchten, doch gedeiht er am vorzüglichsten auf zuckerhaltigem
Substrat. Ebenso zeigt sich Milch als Nährboden sehr geeignet.
Die Stäbchen sind dick, nach Gram färbbar und tragen Sporen,
die am vollkommensten auf Stärkekleisternährböden zur Ausbil¬
dung gelangen. Ihre Widerstandsfähigkeit gegen Hitze ist ausser¬
ordentlich gross.
Bei der Gährung entstehen ausser Buttersäure noch Kohlen¬
säure, Wasserstoff, Rechtsmilchsäure und geringe Mengen von
Alkohol.
Verfasser fanden den „Granulobacillus“ im Boden, im Wasser,
in Mehl »und Käsearten, im Koth von Menschen und besonders
häufig im Koth von Rindern.
Pathogene Eigenschaften konnten nicht nachgewieseu werden.
R. O. Neumann - Kiel.
Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 16.
1) W. F 1 e m m I n g - Kiel: Ueber Zelltheilung. Säcular-
artikel.
Zu kurzem Referate an dieser Stelle ungeeignet.
2) K. Brandenburg -Berlin: Erfahrungen über die Vor¬
untersuchungen zur Aufnahme in die Lungenheilstätte am
Grabowsee.
Verf. schildert die für die Aufnahme in die genannte Heil¬
stätte maassgebenden Grundsätze. Die Einweisung der meist
poliklinisch behandelten Bewerber erfolgt, ohne das Auftreten von
Tuberkelbacillen im Sputum abzuwarten, hauptsächlich auf Grund
des physikalischen Lungenbefundes mit Berücksichtigung gewisser
Ernährungsstörungen (Abmagerung, Mattigkeit, Magenbesehwer¬
den, Anaemie, Neigung zu Sclnveissen) und der Familienverhält-
nisse. Unter den anderen Frtthsymptomen wird besonders die
initiale Haemoptoe neuerdings betont, sowie Kurzathniigkeit.
Von der Anstaltsbehandlung werden ausgeschlossen die Kranken
mit doppelseitigen Affectionen, wenn auch nur auf einer Seite
die Dämpfung die 2. Rippe überschreitet. Kehlkopf erkrank ung
bildet keine ausnahmslose Contra!ndication, ebensowenig kleine
Pleuraexsudate. Schliesslich schildert Br. den von ihm geübten
Untersuchungsmodus.
3) H. W o 1 f f - Berlin: Ueber eine neue Untersuchungs-
methode des Augenhintergrundes im aufrechten und im umge¬
kehrten Bilde mit einem neuen elektrischen Augenspiegel.
Da die Einrichtung des Instrumentes ohne Zeichnung nicht
wohl verständlich gemacht werden kann, so muss auf das Original
hingewiesen werden. Mit dem Spiegel kann auch die Autoph-
thalmoskopie bequem ausgeführt werden. Bei weiter Pupille kauu
die Sehnervenscheibe und die Macula lutea gleichzeitig und zwar
in allen Theilen gleich hell gesehen werden. Die Lichtintensität
ist geringer als bei der sonst üblichen Beleuchtung und daher für
den Untersuchten schonender. Der sonst so störende Hornhaut¬
reflex verschwindet.
4) H. Senator-Berlin: Ueber einige ausgewählte Punkte
der Diagnose und Therapie der Lungentuberculose.
Von den Frühsymptomen bespricht S. zunächst die Haemo¬
ptoe. Besonders ist zu beachten, ob man es wirklich mit Blnt-
h u 81 e n zu thun hat. Es kann gleichzeitig letzteres mit Blut¬
brechen stattflnden. Traumatische Einflüsse, bei Kindern Ver¬
schlucken von Fremdkörpern, sind zu berücksichtigen, ferner
CirculationsstÖrungen, Geschwülste, Aneurysmen, Parasiten, die
sog. haemorrhagische Diathese. Die „vicariirende Haemoptoe“ ist
nicht ganz von der Hand zu weisen. Hinsichtlich des physi-
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24. April 1900.
MÜNCHENER MEDlClNlSCHE WOCHENSCHRIFT.
591
kalischeu Frühbefundes ist wichtig, dass hei Tuberculose die
Dämpfung wenig oder gar nicht ausgesprochen ist, während die
Auscultation schon bestimmte Veränderungen aufweist. Die Unter¬
scheidung syphilitischer Processe von tuberculösen gelingt nicht
immer.
Die Haemoptoe behandelt S. mit absoluter Ruhe, spärlicher
Ernährung mit flüssiger Kost, Milch, ferner Abkochungen von
Gelatine (15—20 g auf 200 W T asser), Morphium, bei aufgeregter
Herzthiitigkeit mit Digitalis, Eisblase.
Von Seealepräparaten sieht Verf. wenig Wirkung, eher noch
vom Stypticin subcutan. Ob das Binden der Glieder etwas nützt,
ist fraglich. Starkes Fieber sucht S. durch Phenacetin, Pyramiden
zu beeinflussen; die Haut lässt er mit Mentholkampherspiritus ab¬
reiben, auch Abends Speckeiureibungen vornehmen. Wirksam
gegen den Schweiss ist besonders auch stellenweises Pinseln
mit Formol. Innerlich kommen Atropin, Agaricin, Kainphersäure,
tellursaures Natron (0,02—0,05) in Betracht, auch Sulfonal.
5) K. Gumbertz - Berlin: Ueber einen ungewöhnlichen
Fall von Poliomyelitis anterior acuta adultorum auf infectiöser
Grundlage.
Bei einem gesunden, 23 jährigen Mann trat im Anschluss an
ein gastrisches Fieber plötzlich eine einseitige schlaffe Lähmung
des oberen Theiles des Plex. brachial., sowie Parese des Beines
derselben Seite mit Verlust des Kniephänomens auf. Verf. er¬
örtert die Berechtigung obiger Diagnose.
Dr. Grassmann -M ünchen.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 15.
1) L. L e w i n: Heber die toxikologische Stellung der
Raphiden. (Aus dem pharmakologischen Laboratorium von Prof.
L. L e w i n in Berlin.) (Schluss folgt.)
2) D e t e r m a n n - St. Blasien: Ueber die Beweglichkeit des
Herzens bei Lageveränderungen des Körpers.
Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin in Berlin am
26. Februar 1900. Referat siehe diese Wochenschr. No. 10, p. 338.
3) Richard Müller- Berlin: Zur Indicationsstellung für
Mastoidoperationen. __
M. vertheidigt seinen schon früher präcisirten Standpunkt,
wonach bei jeder acuten Mittelohreiterung, welche trotz sach-
gemässer Behandlung nach 14 Tageu noch keine Besserung zeigt,
die Eröffnung des Antrum mastoideum angezeigt ist.
4) A. Hesselbach - Halberstadt: Ovarialcyste als Ge-
burtshinderaisB' durch Colpotomia posterior entfernt.
Casuistische Mittheilung.
5) W. Lublinski' Berlin: Die Syphilis der Zungentonsille
nebst Bemerkungen über ihr Verhältniss zur glatten Atrophie
der Zungenbalgdrüsen. (Schluss aus No. 14.)
Die glatte Atrophie der Zungenbalgdrüsen kommt sowohl bei
der oberflächlichen sklerosirenden, als bei der gummösen ulcerösen
Erkrankung des Zuugengrundes vor und zwar nur als Tertiär¬
symptom. Pathognomonisch ist diese Affection ‘ aber nicht für
Syphilis, da dieselbe auch unabhängig von dem syphilitischen
Localprocess im höheren Alter, bei Tuberculose, schwerer Anaemie
u. s. w. auftreten kann. F. Lacher- München.
Correspondenzbl&tt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg
No. 8.
1) Albert K o eher: Eine Methode früher Radicaloperation
bei Perityphlitis. (Aus der Chirurg. Klinik von Prof. K o c h e r in
Bern.)
Prof. Kocher wendet seit 1896 bei acut eiteriger Perityph¬
litis folgende Operationsmethode (4 Fälle) an: Eröffnung des Ab-
scesses durch kleinen Schnitt vollständig innerhalb der begrenzen¬
den Adliaesionen, Ausspülung, Tamponade, Verband. Am nächsten
oder zweiten folgenden Tag Exstirpation des Wurmfortsatzes
nach Schrägschritt am Rectusrand und Eröffnung des Peritoneums;
Naht des Peritoneums und der Fascie, am nächsten Tag auch der
Haut. Durch die Methode wird einerseits die Infection des Peri¬
toneums (Colibacillen und Pneumococcen sind weit weniger ge¬
fährlich als Staphylo- und Streptococcen) verhütet, andererseits eine
ganz exacte Entfernung des Wurmfortsatzes ermöglicht. Hernien
an der Stelle der Abscessincision sind allerdings zu erwarten.
2) C. L e u w : Ein durch Laparotomie geheilter Zwerchfell¬
bruch. (Aus dem Cantonsspital Glarus.)
Bisher der erste Fall mit glücklichem Ausgang. Der Bruch
war wohl bei früherem Trauma entstanden und machte Symptome
eines unvollständigen subacuten Darmverschlusses. Die Reposi¬
tion des Bruchinhaltes konnte nicht vollständig gemacht werden.
Anlegung eines künstlichen Afters, der bald versiegte.
PI s c h i n g e r.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 15.
1) A. E 1 z h o 1 z - Wien: Ueber Beziehungen der Korsa-
k o f f'sehen Psychose zur Polioencephalitis acuta haemor-
rhagica superior.
Verf. erörtert zunächst die polyneuritische Psychose nacli
Korsakoff mit eingehender Würdigung der darüber vor¬
handenen Literatur, besonders auch mit Rücksicht auf die K.’sche
Theorie betr. der zu Grunde liegenden Toxaemie, um sodann das
Wesen der W e r n i c k e’schen Polioencephalitis (conjugirte
Augenmuskellähmungen, Störungen des Ganges, Bewusstseins¬
alterationeu u. a.) zu besprechen nebst den Moiiiflcationeu, welche
spätere Autoren an dem ursprünglichen Krankheitsbilde Vor¬
nahmen. Besonders wichtig in letzterer Hinsicht sind die Fälle,
welche in Heilung ausgingen. In 6 letzterer fand sich eine Com-
bination des Leidens mit der sogen, polyneuritisclien Psychose.
Der alkoholischen Polioencephalitis scheint die Tendenz inue zu
wohnen, sich regelmässig mit der Korsakof f’schen Psychose
zu combiniren. Der pathologisch - anatomische Befund bei der
polyneuritisclien Psychose kann mit den Befunden bei der Wer-
nick e’selien Polioencephalitis im Wesentlichen übereiiistimmeu.
Näher kann auf den ausführlichen Vortrag hier nicht eingegangen
werden.
2) I). P u p o v a c - Wien: Ein Beitrag zur sogen, retrograden
Incarceration.
Der Ausdruck, von Maydl stammend, bezeichnet den Zu¬
stand, dass der incarcerirte Theil des betr. Organes bauchwärts
vom inearcerirenden Ringe gelegen ist. Das betrifft hauptsächlich
Tube und Wurmfortsatz.
In dem 1. der vom Verf. beschriebenen Fälle (80 jähriger
Diener, 10 Tage post operat. an Lobulärpneumonie gestorben)
handelte es sich um ausschliessliche Erkrankung des Process.
vermiform., dessen peripherster Theil bauchwärts vom Bauchringe
lag und am schwersten geschädigt war. Der Wurmfortsatz war
lang und hatte ein freies Mesenterium. Nur 1 ähnlicher Fall ist
von Rose beschrieben. Im 2. Fall (46 jähriger, operativ ge¬
heilter Patient) betraf die retrograde Incarceration das Netz.
Verf. bespricht noch das Unzutreffende des Ausdrucks „retrograde
Incarceration“.
3) R. Sa vor-Wien: Zum Artikel von Schenk und
Austerlitz: „Weitere Untersuchungen über den Keim¬
gehalt der weiblichen Urethra“. (Wien. klin. Wochenschr. 1900.
p. 319 ff.)
S. führt gegenüber den Befunden der beiden Autoren aus,
dass ihre Untersuchungsmethode abweichend von der seinigen
war, wodurch die erhaltenen Resultate nicht vergleichbar würden.
Dr. Grass mann - München.
Inaugural-Dissertationen.
Universität Königsberg. Januar 1900.
3. Kreis Samson: Experimentelle Beiträge zur Lehre von den
Wirbelluxationen.
4. Radilowsky Mendel: Beiträge zur Therapie schwerer
Skoliosen.
Februar 1900.
5. P u p p e 1 Ernst: Beiträge zum Studium der Ausbreitung des
Gebärmutterkrebses in praeformirten Lymphbahnen.
6. L i e p m a n n Paul: Ueber das Vorkommen von Talgdrüsen
im Lippenroth des Menschen.
März 1900.
7. Friedenthal Adolf: Beitrag zur Kenntniss der embryo¬
nalen Schädelentwicklung.
8. Neu mann Paul: Ein neuer Fall von Teratom der Zirbel¬
drüse.
9. Schwartz Conrad: Ueber ein Teratoma testis.
10. Streit Hermann: Ueber Vitiligo.
11. Collmann Beno: Fünf Fälle von Balantidium coli im Darm
des Menschen.
12. S o k o 1 o w s k y Ralph: Beitrag zur pathologischen Anatomie
der Lepra.
13. M e n d e 1 s o h n Georg: Ueber Epilepsie in der Schwanger¬
schaft.
Universität Würzburg. März 1900.
22. Bevermann Willy: Zur toxischen Beeinflussung des Ge¬
ruchssinnes.
23. Bonsmann Fritz: Zur Casuistik der Becken Verletzungen
bei künstlichen Geburten.
24. Bramkamp Heinrich: Ein Beitrag zu den Deformitäten
des Brustkorbes (Pectus obliquum).
25. Gundert Gustav: Die Häufigkeit des Vorkommens der
Mastitis puerperalis an der Würzburger Universitäts-Frauen¬
klinik in den Jahren 1889—1899.
26. Heizer Heinrich: Ein Fall von Aneurysma des Truncus
thyreocervicalis.
27. Kalkbrenner Paul: Ueber den natürlichen Farbstoff der
rothen Wurstwaaren.
28. Kon dring Johannes: Ueber Osteotomia subtrochauterica
obliqua bei Luxatio coxae congenita.
29. Kress Hermann: Zur Frage der functioneilen Anpassung.
30. Pottgiesser Gustav: Acht Fälle von Rhinophym.
31. Rosenberg Wulf-Wladimir: Beiträge zur Kenntniss der
Bacterienfarbstoffe, Inbesondere der Gruppe des Bacterium
prodigiosum.
32. W o k e n i u s Hugo: Polyneuritis acuta infectiosa.
Vereins- und Congressberichte.
29. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
in Berlin vom 18.—21. April 1900 siehe S. 594.
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592
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17 .
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 10. April 1900.
Vorsitzender: Herr Kümmell.
I. Demonstrationen:
1. Herr Kellner demonstrirt das Gehirn eines 12jährigen
Idioten, der im Leben die typischen Zeichen der Porencephalie
geboten hatte. Es fand sich eine ganz besonders stark ausge¬
prägte Differenz der Entwickelung der beiden Hirnhälften. Das
Gesammtgewicht des Gehirnes beträgt 905 g, davon betrifft 4 / a
die eine und nur der 5. Theil wird von der anderen „m ikro-
c e p h a 1 e n“ Hälfte ausgemacht.
2. Herr Kümmell stellt einen Patienten vor, bei dem er
eine extraperitoneale Besection eines Dickdarmcarcinoms mit
Erfolg ausgeführt hat.
Bei dem wegen „Mageucareinom“ operirten Kranken fand
man ein in das Kolon ascendens intussuscipirtes Coecumcarcinom,
dessen Entwirrung mit Schwierigkeiten gelang. Der Kranke war
zu elend, um eine ausgedehnte Darmreseetion vorzunehmen. K.
beschloss, die Bauchhöhle dauernd abzuschliessen und resecirte
nach Abschluss derselben den nach aussen gelagerten Darm¬
tumor. Später wurden die beiden Darmstücke angefrischt und
durch Darmnaht vereinigt, in einer weiteren kleinen Nachoperation
wurde die Bauchhaut darüber vernäht In Fällen, in denen der
Kräftezustand die Vornahme von primären Iieseetionen nicht ge¬
stattet, empfiehlt K. diese Methode, die ihm bereits mehrfach
gute Resultate gegeben hat.
II. Vortrag des Herrn Eoss (als Gast): Einwirkung des
Sauerstoffs auf Herz- und Arterienarbeit.
Ausgehend vom physiologischen Experiment, dass ein Muskel,
speeiell der Herzmuskel, in Sauerstoff länger und ergiebiger con-
tractionsfähig bleibt, als in athmosphärischer Luft, hat F. Sauer¬
stoff inhalationen in allen solchen Fällen verabreicht, wo ihm ein
erhöhtes Sauerstoffbedürfniss vorhanden zu sein schien. Dies ist
vor Allem im heissen Bade der Fall. Die üblen Nebenwirkungen
heisser Bäder und insbesondere heisser Moorbäder: Angst; Herz¬
klopfen, Pulsfrequenz, Schlaflosigkeit sind die Folge der durch
das heisse Bad verursachten ungenügenden Athmung. Liess F.
nun Sauerstoff (etwa 3 Bomben pro Bad) inhaliren, so verschwan¬
den die lästigen Nebenwirkungen. Um den Erfolg dieses thera¬
peutischen Vorgehens, der in 23 Fällen nicht vermisst wurde, zu
illustriren, hat F. vergleichende Pulscurven auf¬
genommen, die er mittels Projeetionsapparat demonstrirt und
erläutert. Der Vortrag wird ausführlich in der Zeitschrift
für Krankenpflege erscheinen.
Discussion : Herr G 1 e i s s bespricht den günstigen
Einfluss der Sauerstoffiuhalationen bei Chloroformasphyxien. Er
hat sich 1895 auf Schede’s Veranlassung eingehend mit dieser
Frage befasst und damals mehrere evidente Erfolge gesehen.
Auch eine Verstärkung der Pulswelle liess sich sphygmographisch
nachweisen.
Herr Kümmell hat nach Schede’s Fortgang die Sauer¬
stoffinhalationen bei Narkosezufällen noch mehrere Jahre fort¬
setzen lassen, ist aber jetzt ganz davon zurückgekommen, da er
immer den Eindruck gehabt hat, dass die günstig verlaufenden
Fälle auch ohne Sauerstoff gerettet wären und er mehrere Todes¬
fälle trotz Sauerstoff erlebt hat. Er bespricht kurz die Sauer¬
stoffbehandlung localer Asphyxien (beginnende spontane Gangraen),
die scheinbar einzelne Erfolge aufzuweisen hat. Werner.
Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 27. November 1899.
Vorsitzender: Herr Leichtenstern.
Schriftführer: Herr Dreesmann.
1. Herr G r o t h e : Zur Behandlung der habituellen
Schultergelenksluxation, mit Demonstration.
(Der Vortrag erscheint ausführlich in dieser Wochenschrift.)
2. Herr Huismans: Morbus Addisonii.
(Der Vortrag ist veröffentlicht in No. 13 dieser Wochenschr.)
3. Herr Goldberg: lieber Prostatitis gonorrhoica.
Die bisher vorwiegend bekannten Arten der Betheiligung der
Prostata an der Gonorrhoe, die Prostatitis parenchymatosa und
die Prostatorrhoe, sind die seltensten Erscheinungsformen der
Prostatitis gonorrhoica.
Die Gonorrhoen, welchen durch die Prostataaffection eine be¬
sondere Eigenthümlichkeit verliehen wird, lassen sich klinisch
gruppiren in folgende Arten:
1. Anscheinend Urethritis anterior, Prostatitis latent;
2. Urethritis totalis mit Prostatitis, acut und subacut;
3. vereiternde Prostatitis, Prostataabscess;
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4. chronische Prostatitis, mit oder ohne Neurasthenie, mit
oder olme Prostatorrhoe.
Vortragender bespricht im Einzelnen die Krankheitsbilder.
Die Prognose der Gonocoeeeninfection der Prostata ist
im Allgemeinen günstig, wenn auch langdauernde Beobachtung
und Öftere baeteriologische Untersuchungen des Secrets zu einem
diesbezüglichen Urtheil erforderlich sind. Die Prognose der Er¬
krankung quoad restitutionem ist dagegen stets zweifelhaft.
Die Therapie erörtert G. sowohl hinsichtlich der einzelnen
Formen, wie der verschiedenen Technieismen und ihrer Begrün¬
dung.
Herr W a 11 e r s t e i n : Ich möchte mir die Anfrage g»*
statten, in wie vielen seiner Fälle es dem Gollegen G o 1 d b e r g
gelungen ist, das Secret der im Anschluss an eine Gonorrhoe ei¬
lt rankten Prostata gonoeoccenfrei zu machen. Meines Erachtens
kommt es wesentlich darauf an, wenigstens für die Frage der
Infectionsgefahr. Ob das Secret der Prostata sonstwie abnorm
ist oder bleibt, ob ihm eine mehr oder weniger grosse Anzahl vou
Eiterkörperchen beigemischt ist, ist ja gewiss nicht gleichgiltlg,
aber man darf diesem Verhalten doch auch keine übertrieben
hohe Bedeutung beimessen. Wenn man bedenkt, dass der über¬
wiegende Theil unserer männlichen Bevölkerung sich einmal eine
Gonorrhoe zugezogen hat und dann berücksichtigt, in wie vielen
Fällen das Leiden zur Ausheilung kommt, ohne dass die Prostata
einer besonderen Behandlung unterzogen wurde, so möchte Ich
doch glauben, dass dieser Prostatitis nicht die Gefahr inne wohnt,
wie man nach den Ausführungen des Herrn Vortragenden an¬
nehmen müsste.
Medicinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Offlcielles Protokoll.)
Sitzung vom 6. März 1900.
Vorsitzender: Herr B a h r d t.
Schriftfülirer: Herr W indscheid.
Herr J. Lange stellt ein 8 Monate altes, hereditär-
luetisches Kind vor, bei dem sich im Alter von 19 Wochen im
linken Stirnbein ein grosser Defect, der fast bis an die Orbita
reichte, ausbildete. Belm Schreien wölbte sich der Schädelinhalt
genau wie bei der grossen Fontanelle vor. Gleichzeitig bestand
eine sehr hochgradige Kraniotabes. Unter Phosphorbehandlung
bildete sich der Defect spurlos zurück, ziemlich gleichzeitig mit
der Kraniotabes, so dass nach ca. 7 Wochen nichts mehr nachzu¬
weisen war. 0 Wochen später entwickelte sich auf beiden Stirn-
hülften je eine ca. fünfpfenniggrosse, kreisrunde dellenförmigc
Vertiefung, die aber den Knochen nicht perforiren, auch keinen
erhöhten Rand zeigen. Allgemeinbefinden ungestört.
Die Diagnose bleibt zunächst in suspenso. Der erste Vor¬
gang ist wohl als rhaehltisclie Kraniotabes aufzufassen, während
die Dellenbildung eher der Lues zuzuschreiben ist. (Autoreferat.i
Herr Schwarz demonstrirt zwei Fälle von trachomatöser
Hornhautentzündung.
Herr Eollmann : Eigene Erfahrungen über cysto-
skopische intravesicale Operation gutartiger Blasengeschwülste
(mit Demonstration).
Bisher sind es nur wenige Autoren gewesen, welche eigene
Erfahrungen mittheilten über Operation von Blasengeschwülsten,
die vermittels der von N i t z e angegebenen cystoskopischen intra-
vesiealen Methode ausgeführt wurde. Ausser der bekannten
grossen Veröffentlichung von Nitze selbst (Centralbl. f. d.
Krankh. d. Harn- u. Sexualorgane 1896, H. 7 u. 8) und einigen
kleineren, besitzen wir noch die ausführliche Beschreibung eines
erfolgreich operirten Falles von Papillom durch Görl (das
gleiche Centralbl. 1896, H. 3), und 1897 bemerkte Viertel in
seiner vortrefflichen Darstellung der physikalischen Unter¬
suchungsmethoden der weiblichen Blase (Handbuch der Gynäko¬
logie von V e i t, 2. Bd.), dass er die Nitz e’sche Methode eben¬
falls ausübe. Endlich ist noch L. C a 9 p e r zu erwähnen, der in
seinem Handbuch der Cystoskopie 1898, bei Gelegenheit der Be¬
sprechung des von ihm modificirten Instrumentariums, mittheilte,
3 Tumoren — darunter ein Carcinom — intravesical operirt zu
haben.
Anknüpfend an die im Vorstehenden citirten Publicationen
berichtete K. über 15 Fälle von Blasengeschwülsten, die er im
Laufe der letzten 5 Jahre beobachtet hat; einige davon wurden in
verschiedener Weise chirurgisch behandelt, in 7 Fällen nahm K.
aber intravesicale Operationen vor.
In 2 von diesen Fällen handelte es sich um Carcinom; hier
wurden weitere intravesicale Eingriffe sistirt, nachdem durch die
Mikroskopie der schon bei der Cystoskopie entstandene Verdacht
auf das Bestehen einer malignen Geschwulst bestätigt war.
Der längste Dauererfolg vollständig gelungener intravesicaler
Operation, den K. vorläufig zu verzeichnen hat, betrifft einen Fall
Original from
UNIVERSITtf OF CALIFORNIA
24. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
593
von wallnussgrossem Papillom bei einem jungen Mann, mit dessen
Entfernung im Februar 1897 begonnen wurde; die letzte Revision
wurde 3 Jahre später vorgenommen und zeigte vollständiges
Fehlen jeglichen Recidivs. Die übrigen Fälle von intravesical
operirtem Papillom vertheilen sich auf das gleiche und die folgen¬
den Jahre, ebenso auch die oben erwähnten Fälle von Careinom.
Im Ganzen wurden von K. bis zum heutigen Tage etwa 60
intravesicale Sitzungen vorgenommen, die von Erfolg begleitet
waren. Blutungen von Belang traten nur nach einer einzigen
Sitzung auf, aber auch in diesem Falle schwanden sie wieder von
selbst bei entsprechendem exspectativen Verhalten. Andere Com-
plicationen hat K. bisher noch niemals beobachtet, vor Allem
keinen Blasenkatarrh, abgesehen von ganz minimalen und schnell
wieder verschwindenden Erscheinungen, die hierauf zu beziehen
wären; von Entzündungen der Prostata, des Hodens oder Neben¬
hodens, oder der oberen Harnwege und der Niere wurde aber in
keinem Fall auch nur die geringste Andeutung wahrgenommen.
K. muss nach seinen bisherigen Beobachtungen die von
N i t z e gemachten Angaben in jedem Punkte bestätigen; dag
Verfahren verdient die Beachtung aller Fachgenossen in vollstem
Maasse. Leicht ist die dazu nöthige Technik keinesfalls, oft wird
sie sogar ganz ausserordentlich schwierig; aber in den für die
Operation passenden Fällen von gutartigem Papillom, vor Allem
solchen, die frühzeitig diagnosticirt werden, darf die Nitz e’sche
Methode wohl darauf rechnen, den Kampf mit der Sectio alta
siegreich zu bestehen.
Herr Menge: Heber Urinbefnnde nach Nierenpalpation.
Der Vortrag erscheint ausführlich in dieser Wochenschrift.
Sitzung vom 20. März 1900.
Herr Trendelenburg demonstrirt das Epidiaskop
und die neu erbaute chirurgische Klinik.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Wien, 21. A p r i 1 1900.
Eine Warnung. — Die Stellung der Regierung zu den
Aerztekammern. — Zahl der Mediciner. — Ruptur eines
Aneurysma der Carotis int. an der Hirnbasis, Unterbindung
der Carotis communis, Exitus.
Der Verband der Aerzte Wiens hat jüngst die folgende
„Warnung" publicirt: „Mit Bezug auf ein vor Kurzem in einem
Wiener Tagesjournale eingeschaltetest Inserat, durch welches
eine Meisterkrankencasse mehrere Controlärzte
sucht, wird seitens des Verbandes der Aerzte Wiens in Erin¬
nerung gebracht, dass laut Beschluss des allgemeinen Wiener
Aerztetages und der Wiener Kammer die Annahme einer solchen
Stelle standeswidrig ist und einem Verratlie an der Ge-
sammtheit der Collegen gleichkommt,“ Nun bestehen in Wien
bereits mehrere Meisterkrankencassen, welche derartige, fix be¬
stellte Controlärzte aufweisen, trotz Aerztetag und trotz Aerzte-
kammer, und hieran wird wahrscheinlich auch die jüngste
Schöpfung, der sog. „Verband der Aerzte Wiens“ leider nichts
ändern. Es gibt eben unbotmässige Collegen, die eigene Wege
gehen, wenn auch die Gesammtheit in moralischer und materieller
Hinsicht hiedurch intensive Schäden erleidet.
Dass unsere Behörden bezüglich der Werthschätzung der
Institution der Aerztekammern und implicite des ärztlichen
Standes gar sonderbare Ansichten haben, das geht aus einem
Circular des Präsdenten der Vorarlberg’schen Aerztekammer her¬
vor, welches jüngst die Runde machte, d. h. allen Aerztekammern
Oesterreichs zur Kenntniss gebracht wurde. Die Kammer in
Vorarlberg hatte gegen zw r ei Aerzte, welche trotz der Bestim¬
mungen der Aerztekammer pauschalirtc Cassenstellen ange¬
nommen und trotz der an sie ergangenen ehrenräthlichen „Ver¬
warnung“ die Stellen beibehielten, ein ehrenräthlichovS Urtheil
gefällt mit Geldbusse, wogegen die zwei Aerzte an die Statt¬
halterei für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck Recurs ergriffen.
Diesem Recurse wurde Folge gegeben, das ehrenräthliche Urtheil
aufgehoben, weil der Ehrenrath „die Competenz überschritten
habe“, dadurch, dass er eine Strafe gegen eine Handlung von
. Aerzten beschlossen habe, welche in anderen Körperschaften so¬
wohl als auch im Krankencassengesetze zulässig, ja sogar durch
die allgemeinen Strafgesetze nicht einmal verpönt sei.
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Gegen diese Entscheidung gab's keinen Itccurs, doch existirte
für die Aerztekammer noch der § 3 des Kammergesetzes, der es
zulicss, dass sie sich an die Behörde mit einem „Anträge und
Anliegen“ wende, um authentischen Aufschluss über die Com¬
petenz der Kammer und des Ehrenrathes zu erhalten, damit
in Hinkunft solche ungerechte ehrenräthliche Urtheile nicht
mehr gefällt werden und damit die politischen Landesbehörden
nicht mehr beschäftigt werden müssten. Die Frage war ja eine
principielle und man hätte erwarten sollen, dass das Ministerium
des Innern diese Gelegenheit gerne ergreifen würde, um die
Competenz der Aerztekammern Oesterreichs streng zu um¬
grenzen. Es kam ganz anders. Nach fast zweij ährigein
Zuwarten antwortete das Ministerium in einem Erlasse, dass der
Aerztekammer in diesem Falle das Recht einer — „Berufung“
nicht zukomme! Sie hatte ja gar nicht recurrirt, sie hatte bloss
gebeten, ihre Competenz zu umgrenzen, damit sie und die
Schwesterkammern in Oesterreich in Hinkunft ihr Vorgehen
darnach einrichten. In der Antwort des Ministeriums geschieht
nicht einmal Erwähnung über die gestellte Frage, ob die Aerzte¬
kammern competent seien, die Beschlüsse, welche sie einstimmig
gefasst haben und welche von der Aufsichtsbehörde (Statthalterei)
nach § 14 des Kammergesetzes nicht inhibirt oder beanstandet
wurden, auch durchzuführen, oder ob es jedem kammerpflich¬
tigen Arzte freistehe, die Beschlüsse der Kammer zu befolgen
oder nicht. „Somit wäre der Ehrenrath der Aerztekammer —
so klagt der Präsident der Vorarlberg’schen Kammer — auf
Gnade und Ungnade der politischen Landesbehörde anheim¬
gegeben und gegen solche politische Entscheidungen in Ehren¬
rathsachen der Aerzte gibt’s keine weitere Berufung, sondern die
Kammer hat sich der unfehlbaren Weisheit eines oder mehrerer
politischer Beamten zu unterwerfen.“
Und weiter: „Man sollte vorerst annchmen dürfen, dass
gegen eine Entscheidung des Ehrenrathes in merito keine Ein¬
wendung oder Berufung zulässig wäre, wie solche auch bei der
Advocatenkammer oder militärischen Ehrengerichten nicht zu¬
lässig ist; denn über den Ehrbegriff im ärztlichen Stande
urtheilt doch die ärztliche Körperschaft, nicht ein politischer
Beamter, welcher in seinem Stand«' vielleicht andere Ehrbegriffe
kennt. Es spricht aber auch das Kammergesetz dafür, dass der
Ehrenrath c o m p o teilt ist, gegen Aerzte, welche ihre Pflichten
als Angehörige der Aerztekammer verletzt haben, strafend vorzu¬
gehen. Damit aber strafend vorgegangen w r erden darf, muss docli
ein meritorisches Vergehen constatirt sein, über das nur der
Ehrenrath entscheidet.“
Der Schluss lautet: „Das Gesetz ist. unvollständig, mangel¬
haft und in keiner Weise den erwarteten Erfolgen entsprechend.
Eine Abänderung wäre dringend nüthig, aber bei der jetzigen
Oonstellation wohl aussichtslos.“ Bleibt also bloss die Selbst¬
hilfe der Aerzte übrig, um durch Organisation und Consolidirung
die honorigen Aerzte gegen einzelne renitente Collegen zu
schützen.
An der Wiener medicinisehen Facultät waren im abge¬
laufenen Wintersemester 2108 Hörer inseribirt, von welchen
1270 ordentliche, 160 ausserordentliche waren, ferner 661 Fre¬
quentanten und 17 llospitantinnen (14 Russinnen). Gegenüber
dem Wintersemester des Vorjahres ist die Zahl der Mediciner
gesunken, und zwar hat die Ziffer der ordentlichen Hörer um 112,
der ausserordentlichen Hörer um 100 a b g e n o m m e n.
In der Vorwoche demonstrirte Dr. Karplus in unserer
Gesellschaft der Aerzte das anatomische Präparat eines Falles,
bei welchem intra vitam die Diagnose auf ein rupturirtes Aneu¬
rysma der Carotis interna an der Hirnbasis gestellt und Heilung
durch Unterbindung der Carotis communis versucht worden war.
Der ungemein interessante Fall verlief folgendermaassen:
Eine 69 jährige Frau, anscheinend gesund, wurde plötzlich
von einem stechenden Schmerze befallen, der vom linken Unter¬
kieferwinkel zum Scheitel hinaufzog. Seither heftige Kopf¬
schmerzen linkerseits, zugleich ein Rauschen im linken Ohre; zwei
Tage später leichte Ptosis links, die allmählich an Intensität zu¬
nahm, linker Exophthalmus. Doppelsehen beim Emporheben des
linken Augenlides. An der Klinik Krafft-Ebing’s wurde
ausserdem constatirt: Arteriosklerose der tastbaren Gefässe,
Hypertrophie des linken Ventrikels, eine Spur Eiweiss im Harne;
ferner Parese des linken N. abducens und der äusseren Aeste des
linken N. oculomotorius. Legte mau das Ohr an den Kopf der
Kranken, so hörte man ein lautes Geräusch, das rhythmisch, mit
dem Puls synchron und links deutlicher zu hören war als rechts,
am lautesten hinter der linken Ohrmuschel. Man hörte das Ge¬
räusch auch auf eine Distanz von mehreren Centimetern vom
Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
rM
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 17.
Kopfe: Cnmpression der linken Carotis communis am Halse
brachte das Geräusch zum Verschwinden. (legen die anhaltenden
Kopfschmerzen Eisbeutel und Antineuralgiea mit vorübergehender
Erleichterung.
Der Vortragende begründete seine Diagnose auf Ruptur eines
kleinen Aneurysma der linken Carotis interna an der Hirnbasis.
Die Kranke willigte in di*» Operation (‘in. welche von Professor
v. Mosetig vorgenomnion wurde. Nach l’nterbindung und
Durchsclmeidung der linken Carotis communis am Halse» waren die
Ivoptschmerzen mit einem Schlage» verschwunden und kehrten nicht
wieder; das auch von de»r Kranken wahrgenommono Sause»n ver¬
lor sich im Laufe» de»s niiehstem Tage»« nach und nach vollkommen;
ebenso.schwand der Exophthalmus, der Bulbus war nicht empfind¬
lich, die» Ptosis und die» Parese gingen zurück, Patientin war über¬
glücklich. Leider trat schon Tags darnach Herzschwäche ein,
welche»! - sich rechtsseitige Hemiplegie mit Aphasie hinzuge»sellton;
Lobuliirpnemmonie. Exitus nach einigen Tage»n.
Die» von Prof. W e» i c h s e» 1 b a u m vorgenoiniheno Scetion
beslät igte die klinische» Diagnose. An eh»r linki»n Carotis im Sinus
cavernosus ze»igt das Präparat ein sackförmiges. Haches, etwa 1 cm
langes Aneurysma, welches an der medialen Wand eine» .‘1 cm lange,
von einem Thrombus verstopft.» Bissstelle aufweist. Der Circulus
art. 5\ illisii war normal e*nt wickelt, die» basale»» Hirngefässc wenig
arteriosklerotisch, nirgends thrombosirt: die linke» Ilinihemisphäre
erweicht, die» Herzmuseailatur fettig elegeiu»rirt, von Seliwielen
durchsetzt. In einem ähnliche»» Palle» müsste», trotz ele»s Exitus,
wieder eiu operativer Eingriff in Erwägung gezogen werden.
29. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Berlin, IS.—21. April.
Referent: Dr. Heinz Wollige m u t. h - Berlin.
I. Sitzungstag: Vormittagssitzung.
Der Vorsitzende, Herr v. B e» r g m a n n - Berlin. be»griisst die
Versammlung und gibt in kurzen charakteristischen Zügen ein Bild
vom Standpunkt. de»r Chirurgie» von heute in (Jege;»nübe»rstellung der
grossen Errungenschaften des vergangenen .lahrlumderts zu dem
Können im Anfänge desselben. Er betont, wie das vergangene
Jahrhundert sieh vor Alle»m um die Erforschung el:»r Entstehung
und Be»handluug der bösartigen Geschwülste verdient gemacht
hat. der auch die heutige» Vormittagssitzung ge»wielmet ist. Erster
Vortragender ist
Herr C z e r n y - Hcid(»lh<»rg über die Behandlung inope¬
rabler Krebse.
Nach de»n Statistiken, so führt Redner aus, seien 75 Proe. aller
chirurgischen Carcinome» inoperabel. Nach Dülirsscn werde
von den (’areinomcii des rte»rus nur der lo. Tlu»il geheilt. Das
ist gewiss ein trauriges Resultat, und er ist. durch diese schlechten
Resultate zu dem wohlüberlegten Schluss gekommen, dass er einen
Patienten mit e»iiiem inoperaiüi»n oder schwer zu ope»rirenelen Car¬
einom lieb«»r in der Hoffnung, doch noch gesund zu werden, zu
Grunde» gehen sieht, als dass e»r mit so traurigem Resultat,
welches die beste Operation oft nicht vermeiden kann, operirt wird
und seine Hoffnung auf Genesung schwinden sieht L>as Ver-
ti »uien zum Arzt ist eine Hauptsache gerade» bei den bösartigen
(Jeschwülstou. Nur durch die Ersehütterung desselben Lallen
die Patienten oft der (Tirpfuselierei anheim. Hier haben Arzt und
Publicum zu gleichen Theilen Schuld. Hei letzterem ist es zumeist
der \\ underglaube an versehie»elene pflanzliche» oder auch sym¬
pathische Mittel, der die Schuld trägt, dann aber auch elie Le»ieli*tig-
keit, mit der heutzutage der Patient andere» Aerzto unter Um¬
gehung seines Haus- oder behandelnden Arzte*« fragt. Der Haus¬
arzt ist in vielen Fällen nur der dünne sympathische Nervoustraug
der zum Specialisten liinl(‘ite»t. An den Aerzten liegt die Schuld!
weil die Diagnose» Careinom für viele ein Horror ist. Viele junge
Ae'izte» ke»ime»ii lind viele ältere» wollet! damit nichts anfangeu, wenn
sie den Fall für innpcrahe»l halte*». Doch muss e*r gerade* ein
Hauptgewicht. auf dieBehandlung diesen* Art von Careinomen le*gen.
Mit der Diagnose „Krebs“ will er überhaupt „alle* bösartigem Ge¬
schwülste bezeichnet wissen, welche we»iter wuchern und durch
Infcction oder Marasmus seldie»sslk;h zum Tode führen". Soll man
nun jedem Krebs operiivn: Soweit wie» möglich, ja. sogar bei dem
so «ehr gefürchteten Carcinoma lenticulare will e»r eine» Exstir-
patiem weit im Gesunden versucht wissen. Manchmal gelingt cs.
ihn so zu lu»ile»n. Drei Dinge» sind e»s. die vor Allem bei der Behänd!
lung de»« Careinoms vermieden werden missen: Blutung. Jauchung
unel Schmerzen. Als 1’alliativope‘raiion kommt hier manchmal die
T nte'rbiiielung der zuliihivnden Gefässe in Betracht, wie sie beim
/unge»iieareinoin sieh nicht selten von gutem Erfolg erweist
erner die* Aush.tYelimg und das Ferrum candens. Durch Aus¬
schabung und Aetzung bringen wir dein Patienten oft Erleichte¬
rung und manchmal Heilung. Die» Aetzung soll am besten eine
chemische sein und hier haben sieh ihm die» 20—50 proe. Chlorzink-
]"jungen, mit denen Gaze»streifen befeuchtet werden und die» Wund-
iMüde tamponirt wird, am vortheilhaft(»sten gezeigt. Bei flachen
(»(»schwuren ist auch eine» Actzpaste am Platze». Be*i den Carei-
nomen der (Vrvix Uteri le»istet der Thermokauter oder eli » Ileiss-
luttbeliandlung mit nachfolgender Aetzung gute Dienste, nur soll
man nicht vergessen, die Scheide» gut einzufetten unel sie» nachher
1,111 m o proe. Na Cl-LÖsung getauchten Gazestreifen gut auszu¬
stopfen. Auch he»i Reetumeareinom hat C. gesehen, da«« nach
J lllo ^'>‘l< ; itz.ing e»in vorher für inoperabel gelialte»nes Care-inom
Im»\\ (»glich wurde» und dann exstirpirt werden konnte. Be»i reei-
djvlrte'iu ( nivinom der Clavieula, des Gesichtes etc. konnte er nach
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10 öO proe. Chlorainkätzung fast stets einen guten Erfolg am-
weiseii. Bei 48 I’teruscarcinomen erreichte er nach Ausschabung
uml Tamponade kein Resultat, dagegen uacli weiterer Chlorzink-
ätzung Heilung. Vortragender theilt dann noch mehrere Kranken¬
geschichten mit, wo z. B. nach Auslöffelung, Abtragung und
Aetzung mit 8o proe. Chlorzinklösung bei einem von autoritativer
Se»ite» für inoperabel gehaltenen Careinom Heilung'erfolgt, ist. Er
hat auch Actzungcii mit Eormalin als 10—30 proe. Umschlag, mit
Arsenpaste und Sol. Uenvleri als Injection ve*rsucht, doch die'se
lunchen Entzündungen und Schmerzen, nicht selten auch Vergif¬
tungen. Voll Arsen und .Todkali, von dem Caneroin-Adamkiewicz
hat er ebensowenig wie von den zahlreichen, anderen Injections-
mitteln und der elektrische»» Behandlung Nutzen gesehen. Aber
auch die Pflanzeinnilte»l will er nicht vermissen, wenn er sieht,
dass der Kranke diese Dinge, die ihm heilkräftig dünken oder von
deren Heilkraft e*r ge»hört hat. erproben will, we»un er auch zu-
ge'ben muss, dass alle» Versuche, durch allgemeine Behandlung
Heilung zu erzielen, nutzlos sei. Ein Lichtblick für die Carcinoni-
behanellung schien e»s zu se»in, als man erfuhr, dass das Erisypel
auf die Resorption des Sarkoms so vortheilhaft ein wirkte. aber
auch diese Hoffnung hat sieh nicht erfüllt. Ueberhaupt werden
wir zu einer rationelle»» Grundlage für die Behandlung des Carci-
noms e»rst dann gelangen, wenn elie Ursachen selbst des Carcinoms
erforscht worden sind. Daher ist. die Initiative des Cultusmiui-
steriums mit Freuden zu begriissen, welches zu einer Snmniel-
forseliung zur Erforschung des Krebses auffordert und auch die
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie sollte dies unterstütze»», und
zur besseren Erforschung, zum gründlicheren Studium sollten di**
Careinomkranken in besondere Hospitäler kommen. Die Statistik
hat ge»z(»igt, dass die» Krebsseuche fortwährend zu nimmt, in Eng¬
land ist sie auf das Vierfache gestiegen, in New-York soll sie die
Tuberculose, den Typhus und die Blattern zusammen um das
10 faclu» übertreffen. Sie ist in Städten häufiger als auf dem
Lande, elie Erkrankungen sind um so zahlreicher, je enger und
dichter die Menschen beisammen wohnen. Das spricht für eine*
von aussen kommende! Ursache. Daher soll man wie in Laudon, New-
York und in andere»» Städte»» Cancer-Hospitäler bauen mit allen
Einrichtungen moderne»!* Forschung und Behandlung. Diese Hospi¬
täler sollen nicht Sinecuren für alternde Bezirksä rate sein, sondern
junge Aerzte mit juge»ndliehem Forscherdrang sollen sie leiten:
denn keine Krankheit forde*re so sehr das Mitgefühl mit den armen
Leidenden wie das Careinom.
Di sc u ss io n. Herr F r i e el r i e li - Leipzig betont, dass
Thierscli schon in den letzten 20 Jahren seines Lebens der para¬
sitären Natur für eine gewisse Reihe von Careinomen zug«*-
lieigt hat.
Herr II e 1 f e r ich- Kiel tritt für die Chlorainkätzung ein.
Herr S t e i n t h a 1 - Stuttgart hat sehr schwere Nach¬
blutungen nach Abstossung des Schorfes bei Chlorzlukätzungen
gesehen.
2. Herr K r ö n 1 e i n- Zürich: Darm- und Mastdarmcarcinome
und die Resultate ihrer operativen Behandlung.
Der deutsche Standpunkt der operativen Behandlung des Mast
elarmeareinoms wie aller anderen Carcinome wird eigentlich nur
in Deutschland selbst vertreten. Es sprechen dagegen mehrere
Dingt»: 1. die schlechten Endresultate, 2. die Mortalität bei der
Operation. 2. die schlechte»» fimctionelle» Resultate». Um einen
Ueberblick zu gewinnen, hat er das ganze Material der in Deutsch¬
land operirten Carcinome von 11 Kliniken gesammelt. Was nun
elie? Mortalität anlaiigt, see sind von zusammen 881 in den letzten
2 Deeennien operirten und exstirpirten Fällen von Carcinoma iveti
10,4 Proe., d. h. V- aller Fälle gestorben, eine Mortalitätsziffer, di«*
bei den verschiedenen Autoren natürlich bedeutend schwankt. Der
eine The*il. 0 Kliniken mit 444 Operationen, habe 12,(5 Proe*. Todes¬
fälle, ele»r andere, 5 Kliniken mit 487 Operationen, habe dagegen
2(5.7 Proe. aufzuweisen. Weun man sieh nun nach der Ursache*
dieser grossen Mortalität erkundigt, so sieht man, dass an Sepsis
51.8 Proe., d. li. mehr als die Hälfte an Wundinfeetiou, an (’ollaps
18 Proe.. an Pneumonie, Embolie etc. 12,1 Proe. zu Grunde ginge»».
In keiner Beziehung zur Operation starben 15 Proe. An diesen
Resultaten ist wohl in einzelnen Fällen eine zu weit gestellte In-
dieation zur Operation schuld, in anderen wohl die Methode» der
Operation. Iv. unterscheidet 2 Ilauptmethoelen derselben: 1. eli«»
perineale». 2. die dorsale mit oder ohne Voroperution. Die erste
greift direct den Mastelarm au, die zweite holt erst das iutmte»
Mastelarmrohr heraus. Diese Operation wurde zuerst von den fran
züsische»» Chirurgen Den ein v I liier und Verneuil ange¬
geben. bei uns heisst sie elie K o c li e r’sche Methode. Danach (rat
Kraske mit der osteoplastische» Reseetion de*s Kreuzbeins auf.
Was nun die Wahl der Operationsmethode anlangt, so verfahre»»
die meisten Chirurgen ecleetiseh, mit Ausnahme von Höchen-
egg. der die saerale Methode zum Princip erhebt. In Bezug auf
die» Dauenvsultate ist der Standpunkt bis jetzt ein sehr pessi¬
mistischer. doch wird er besser, wenn man diese Resultate vom
pathologisch - anatomischen Standpunkt aus betrachtet. Axel
Ivorst» n hat eine Statistik geliefert, nach welcher in operirten
und nicht operirte»» Fällen bei an Careinom gestorbenen Patienten
in fast der Hälfte aller Fälle keine Metastasen in Leber. Milz etc.
nachziiwe*isen. darum wäre vom pathologisch-anatomischen Stand¬
punkt dieser Pessimismus picht gerechtfertigt. Wann sollen wir
nun eine Heilung als Dauererfolg annehmon? Er glaubt, dass
2 Jahre genug sind und nach seiner Statistik ist nach diesem
Grundsatz in J /r aller Fälle ein Dauererfolg aufzuweisen. Aber
er hat auch 18 Spätrecidive unter allen seinen Fällen aufzuwe»isen
und daher will er nicht von einer Radicalheiluug, sondern nur von
Original from
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
24. April 1900.
MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
595
Dauererfolgen sprechen. Der Kreis der Indiention zur Operation
sollte nicht mehr erweitert werden, das Zulässige ist nach seiner
Meinung schon überschritten. Man soll Halt machen, sobald die
Nebenorgane ergriffen sind. Die Reseetion der Blase und der Harn¬
röhre hat stets schlechte Resultate geliefert. Lieber solle man den
Ivreis der Indicationen enger ziehen. Die functioneilen Resultate
betreffen in erster Reihe immer die Continenzfrage. Beobachtungen
darüber hat er wenig gefunden, daher will er aus Erfahrungen in
seiner eigenen Klinik sprechen. Die Continenzfrage hat in den
Augen der Patienten die grösste Bedeutung, grösser noch als die
Mortalitätsfrage. Daher soll man möglichst conservirend ver¬
fahren, nicht rücksichtslos exstirpiren aus Furcht vor Reeidiven,
im Interesse gründlicher Säuberung. Entweder ganz oder partiell
soll ein gesunder Anus erhalten werden und wenn auch nur ein
Schleimhautstreifen den gesunden Anus mit dem centralen Mast¬
darmende verbindet. Er hat nie einen Anus sacralis praeter¬
naturalis geduldet, sondern ihn stets geschlossen, und hat in seinen
39 Fällen in 30 Proc. vollkommene Continenz, relative Con
tineuz in 60 Proc., absolute Ineontinenz in 10 Proc aufzuweisen.
Verschiedenes
Realgymnasium und Medicinstudium.
In der von der „Badischen Landeszeitung** Aeranstalteten Um¬
frage (s. u.) äussert sich Geli.-Rath K u s s m a u 1 Exc. wie folgt:
Von einer schweren Influenza langsam genesend, bin ich erst
jetzt im Stande, die an mich gerichtete Frage: ob auch den Abi¬
turienten der Realgymnasien der Zugang zum medicinischen Stu¬
dium an den Universitäten eiTffnet werden solle, kurz zu beant¬
worten.
Vor allen Dingen ist bei Erörterung dieser Frage festzustellen,
aus welchen Gründen eine weitere Schleuse eröffnet werden soll,
um den bereits übermässigen Andrang der Jugend zu dem ärzt¬
lichen Berufe zu steigern. Au Aerzten fehlt es in Deutschland
nicht, die Städte sind von approbirten Aerzten iiberfluthet, auch
in kleinen Städten haben sich bereits Specialisten verschiedenster
Art niedergelassen, in jedem etwas grösseren Dorfe sitzt min¬
destens ein akademisch gebildeter Arzt, sie fehlen nur an den
ärmsten Orten, wo sie die Mittel zum Lebensunterhalte nicht
finden, und auch hier hilft häufig der Staat nach und stellt be¬
soldete Aerzte an. Bei diesem ausserordentlichen Wettbewerb
um die Praxis konnte es nicht nusbleiben, dass eine Menge appro-
birter Aerzte ihr Auskommen nicht finden; in der That sind die
ärztlichen Zeitungen voll von ernsten Mahnungen und Warnungen
vor dein Ergreifen des ärztlichen Studiums. Die grossen Ein¬
nahmen einzelner hervorragender Aerzte ändern an der traurigen
Gesammtlage des ärztlichen Standes nichts.
Bereits ist im Princip auch der weiblichen Jugend diu* Zugang
zum ärztlichen Berufe unter den gleichen Bedingungen, wie der
männlichen, zugestanden, und bald werden mit den männlichen
approbirten Aerzten weibliche mitbewerbend um die Palme ringen,
wenigstens in der Frauen- und Kinderpraxis.
Es wäre unrecht, zu bestreiten, dass unsere humanistischen
Gymnasien im Grossen und Ganzen die Aufgabe erfüllt haben, ihre
Schüler für den medicinischen Unterricht auf den Universitäten
genügend vorzubereiten, wenn auch nicht in Abrede gestellt werden
soll, dass diese Vorbereitung nach manchen Richtungen hin einer
Verbesserung fähig und bedürftig wäre. Man hat die Schulung des
Denkvermögens zu ausschliesslich grammatisch-philologisch be¬
trieben, es ist zu wenig geschehen für Schärfling der sinnlichen
Beobachtung, für Uebung von Hand und Auge Im Zeichnen, für
Erlernung neuer Sprachen und tiefere Erfassung der eigenen
Muttersprache. Bei gutem Willen wäre da ohne Schwierigkeit ab¬
zuhelfen. Für Mathematik, womit es früher an vielen Gymnasien
schlecht bestellt war, scheint bereits durch bessere Lehrer und
Benützung besserer Unterrichtsmethoden ausreichend gesorgt zu
sein. Hätten die humanistischen Gymnasien ihrer Aufgabe als
Vorschule für die Universitätsstudien und speeiell das medicinische
so wenig entsprochen, wie es ihre Gegner behaupten, so würden
unsere deutschen Aerzte das Ansehen nicht gemessen, dessen sie
sich in der ganzen Welt erfreuen, sie stehen jedenfalls denen keiner
anderen Nation nach und übertreffen die meisten an gründlicher
Ausbildung, deutsche Aerzte sind über alle Welttlieile zerstreut
und überall geschätzt. An diesem Verdienste haben mit den
Universitäten auch die humanistischen Gymnasien ihr Theil zu
beanspruchen.
Es ist allerdings richtig, dass nach meiner und anderer älterer
Aerzte Schätzung das Ansehen des ärztlichen Standes im All¬
gemeinen in Deutschland gegen früher eher gesunken, als gestiegen
ist, obwohl die ärztliche Wissenschaft und Kunst immer grössere
Triumphe erringen und die heutigen Aerzte unendlich mehr posi¬
tive Kenntnisse und technische Fertigkeiten besitzen als die vor
einem halben Jahrhundert. Der Grund davon liegt einzig in dem
Uebermaass von Aerzten, dem erdrückenden Wettbewerb in der
Praxis um das tägliche Brod, dem Anwachsen eines ärztlichen
Proletariats, dem sein erwählter Beruf nicht die nöthigen Mittel
gewährt zu einer würdigen Lebenshaltung und was noch mehr
bedeutet, zu stetiger Fortbildung. Zu dieser übleren Stellung hat
unzweifelhaft der Umstand beigetragen, dass der ärztliche Stand
sich aus der vornehmen Höhe der edlen Künste zum niedern
Gewerbe degradiren liess, und die Freigelmng der ärztlichen Praxis
in Jedermanns Belieben, insofern sie nur auf die Verwendung der
offlciell als giftige Substanzen bezeichneteu Arzneimittel verzichtet.
Damit ist das Pfuscberthum zu einer vor der Freigebung unbe¬
kannten Höhe empor gewuchert und hat namentlich unter dem
lockenden Aushängeschild der Naturheilkunde den approbirten
Aerzten vielfach Abbruch getlian.
Demnach ist es schon aus socialen Gründen bedenklich, durch
Erleichterung des Zugangs zum medicinischen Studium und der
staatlichen Approbation den Andrang zum ärztlichen Berufe noch
zu steigern, denn als Erleichterung dürfte die Zulassung der Abi¬
turienten der Realgymnasien angesehen werden. Je ungeinesseuer
die Zahl der approbirten Aerzte wächst, desto tiefer wird ihre
Qualität sinken. Die Zulassung der Abiturienten der Realgymn-
nasien wäre nur dann gerechtfertigt, wenn diese bessere Garantien
für die richtige Vorbereitung der Jugend zum medicinischen Stu¬
dium böten, als die humanistischen, oder mindestens die gleichen.
Es sind zwar Stimmen in diesem Sinne laut geworden, der Beweis
dafür aber wäre erst noch zu erbringen und man sollte gewagte
Experimente nicht ohne Notli unternehmen. Leute von ungewöhn¬
licher angeborener Begabung mögen auch bei ungenügender gym¬
nasialer Vorbildung ausgezeichnete Aerzte werden, etwa Avie ein
Faraday ohne physikalische Durchbildung einer der grössten
Physiker geworden ist, aber Ausnahmen stossen die Regel nicht
um, und die Schulen sollen ihre Einrichtungen für die Leute von
Durchschnittsbegabung treffen. Ich habe wiederholt Gelegenheit
gehabt, Abiturienten von Realgymnasien und ähnlichen Lehr¬
anstalten klinisch zu unterrichten und es ist mir aufgefallen, dass
es Aveit scliAverer hielt, sie in das medicinische Denken einzuführen,
insbesondere sic das diagnostische Schliessen zu lehren, als ihre
humanistisch geschulten Uommilitonen. Andere meiner früheren
Collegen der Strassburger Facultiit haben dieselbe Erfahrung ge¬
macht. Dabei kam mir in Erinnerung, Avas mir vor mehr als
40 Jahren Justus Liebig gelegentlich einer Unterhaltung über
den Werth der humanistischen Vorbildung für Aerzte und Natur¬
forscher mittheilte. Er habe in seinem Laboratorium die Er¬
fahrung gemacht, dass die mit dem Reifezeugniss humanistischer
Gymnasien bei ihm eingetretenen Praktikanten zwar Anfangs
hinter den anderen, die eine mehr realistische Vorbildung genossen
hatten, z. B. hinter geübten und geivaudten Pharmazeuten, die
bereits vorher in Offieinen gearbeitet hatten, zurückgeblieben seien,
diese aber doch schliesslich überflügelt hätten und brauchbarere
Assistenten gOAVorden Avären, als jene.
Es Aväre einseitig und verkehrt. Avie zuweilen ernstlich em¬
pfohlen Avird. die Vorbildung der Mediciner desslialb auf ganz
oder vorwiegend realistischem Boden einzurichten, AVeil die Heil¬
kunst sich allmählich in einen reichen Besitz technischer und che¬
mischer Untersuchungs- und Heilmethoden gesetzt hat. Sie sind
doch nur ein Stück Medicin und nicht die ganze. Die psychischen
Imponderabilien spielen in der Heilkunst keine geringere Rolle,
als Specula und Reagentien, Bistouris und Sägen. Der vorzüg¬
liche Mathematiker. Physiker und Chemiker kann zum Arzte nicht
taugen, und das rechte Wort zur rechten Zeit aus dem Munde eines
erfahrenen, human gebildeten Arztes thut oft grössere Wunder,
als Arznei- und Wassercuren. Wenn die humanistische Schule
nicht bloss durch Sprachunterricht das Denken zu schärfen be-
ZAveckt, sondern im Sinne Mola licht ho ns, aus den alten Schrift¬
stellern auf Charakter-, Herzens- und Gemüthsbildung der Jugend
zu Avirken versteht, ihr ethische, historische und ästhetische Inter¬
essen einflösst. so verschafft sie dem künftigen Arzte eine allge¬
meine Bildung, die ihn weit über eine lediglich auf das Nützlieh-
keitsprincip basirte ausschliesslich realistische erhebt. Es gibt
zu denken und spricht zu Gunsten der bisher in Deutschland ge¬
übten gymnasialen Bildung, dass die antiseptische Wundbehand¬
lung ZAvar von dem Engländer L i s te r erdacht, aber iu Deutsch¬
land zuerst allgemein adoptirt und ausgebildet Avurde.
Aus diesen Gründen scheint es sich mir zu empfehlen, für
die Zulassung zum medicinischen Studium und Staatsexamen nach
Avie vor das Reifezeugniss eines humanistischen Gymnasiums zu
fordern. Von diesem Grundsätze sollte erst daun abgegangen
Averden, ivenu die Prophezeihung eiugetroffen sein wird, die der
geistvolle Geh. Oberschulrath Prof. Dr. Hermann Schiller in
Leipzig (Deutsche Revue, December 1899, S. 322) ausgesprochen
hat, dass in nicht ferner Zeit beide Schulkategorieu, das huma¬
nistische und das Realgymnasium, die gleiche allgemeine geistige
Schulung und Vorbildung für alle Avissenschaftlichen Berufs¬
fächer, nicht für die Medicin allein, gewähren werden.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 24. April 1900.
— Bezüglich des Beschlusses des preuss. Staatsministeriums
über die Zulassung der Abiturienten von Real-
g y m n a s i e n z u m Studium der Medicin (vergl. No. 15
d. W.) heisst es jetzt in Berliner Blättern, dass es sich dabei nicht
um die jetzigen Realgymnasien handele, sondern es sei die Zu¬
lassung nach einer Verbesserung des lateinischen Unterrichtes an
den Realgymnasien unter Wegfall des Griechischen in Aussicht
genommen. An der Thatsaclie, dass die preuss. Regierung bereit
ist, den Abiturienten von Realgymnasien das medicinische Stu¬
dium zu eröffnen, Avird durch diese Fassung nichts geändert. Bei
der fundamentalen Bedeutung, welche diese» Thatsaclie für den
ärztlichen Stand besitzt, muss man sich wundern, wie wenig Notiz
ärztliche Kreise, auch die ärztliche Fachpresse, bisher von dem
Beschlüsse des preuss. Staatsministeriums genommen haben. Und
doch dürfte sich in der Stellungnahme des ärztlichen Standes
dieser Frage gegenüber nichts geändert haben. Erst vor Kurzem
hat sich ein hochangeseheuer akademischer Lehrer. Professor
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No. 17.
596 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.
11. B u c li u e r, iu einem sehr lesenswertlien Artikel (in der
Deutschen Revue; ein Referat erscheint in unserer nächsten
Nummer) mit aller Entschiedenheit für das Festhalten an der
humanistischen Vorbildung der Aerzte ausgesprochen und das
Ergebnis« einer soeben von der „Badischen Landeszeitung“ veran¬
stalteten Umfrage bei Aerzten und Professoren geht ebenfalls dahin,
dass die überwiegende Mehrzahl der Antworten die gestellte Frage:
„Empfiehlt es sich, für die Zulassung zum mediclnischen Studium nach
wie vor das Reifezeugnis« eines humanistischen Gymnasiums zu
fordern?“ bejaht. Unter den von dem Blatte veröffentlichten Ant¬
worten (Beilage zu No. 104, 7. April) sind manche recht bemerkens-
wertlie; Männer wie Ebstein, G e g e n b a u l*, Kocher.
K u s s m a u 1, Lüblein, Mauz, Schäle, V i e r o r d t,
W i n c k e 1 und viele Andere geben ihr mehr oder weniger aus¬
führlich begründetes Votum in dem angedeutetem Sinne ab.
Unter der Minderheit, die den entgegengesetzten Standpunkt ver¬
tritt. befinden sich auffallender Weise drei Anatomen, H i s,
Merkel und Wiedersheim; G egen bau r allerdings
hält das humanistische Gymnasium für „unerlässlich“, da der Arzt
nicht auf eine niederere Bildungsstufe herabsteigen dürfe. Leider
mangelt uns der Raum, um eine grössere Anzahl der Antworten
hier mitzutheilen; wir beschränken uns darauf, die schönen Worte
eines Mannes anzuführen, den wir Alle als eine ärztliche Ideal¬
gestalt verehren und dessen Worten wir daher erhöhte Bedeutung
beilegen: K u s s m a u l’s; sie finden sich an anderer Stelle dieser
Nummer (S. 505).
Wenn hiernach auzuuehmen ist, dass der ärztliche Stand nach
wie vor an seinem Standpunkte, die humanistische Vorbildung für
seine Jünger zu fordern, festhält, so wäre es hohe Zeit, dass er von
Neuem seine Stimme erhöbe und für seinen Standpunkt mit aller
Entschiedenheit einträte. Dass man die Aerzte um ihre Ansicht
fragen wird, scheint ausgeschlossen; sie werden sich selbst
Gehör verschaffen müssen. Wenn aber erst der Bundesrath ge¬
sprochen haben wird, wird es zu spät sein.
_ Der Ausschuss d e r p r e u s s i s c li e n A erzte-
kanimern tritt am 21. d. M. in Berlin zusammen, um gegen
den Beschluss der preuss. Regierung betr. die Zulassung der Real-
schulabiturieuton zum Studium der Medicin Stellung zu nehmen.
_ Aus Anlass der Vorstellung des ärztlichen B.'zirksvereins
Nürnberg über die Auslegung des § 3 der Allerhöchsten Verordnung
vom 17. December v. Js., den Vollzug des Impfgesetzes
betreuend, hat das Staatsministerium tles Innern sich zu einer
authentischen Interpretation dieses Paragraphen herbeigelassen.
Es ist folgende Erschliessung ergangen:
„Durch die neueren auf Vereinbarung unter den deutschen
Bundesregierungen beruhenden Vorschriften über den Vollzug des
Impfgesetzes, wie sie für Bayern in der Allerhöchsten Verordnung
vom 17. December v. Js. und der Ministerialbekanntmachung vom
21. December v. Js. unter No. 01 des Gesetz- und Verordnungs¬
blattes zum Ausdrucke gelangt sind, wurde weder an den Bestim¬
mungen der Reichsgewerbeorduung noch an jenen des Impfgesetzes
etwas geändert.
Nach den §§ 8 und 10 des Impfgesetzes sind „ausser den Impf¬
ärzten ausschlieslich Aerzte befugt, Impfungen vorzunehmen und
wird bestraft, wer unbefugter Weise Impfungen vornimmt“.
Da hienach für die Befugnlss zur Vornahme von Impfungen
nur die ärztliche Approbation vorausgesetzt ist, so steht es jedem
Arzte zu, bei der Ausübung ärztlicher Praxis auch Impfungen vor-
zunehmen; durch den § 3, Abs. 2 der Allerhöchsten Verordnung vom
17. December 1890 wird der Arzt in dieser Befugnis« nicht be¬
schränkt und ist derselbe nicht gehalten, den dort bezeichneten
Nachweis hiefür zu erbringen.
Der § 3, Abs. 2 a. a. O. bezieht sich nur auf solche Aerzte,
welche öffentlich oder privatim allgemeine Impfungen ausführen
und im Sinne des Abs. 3 jenes § 3 amtlich für die Ausübung des
Impfgeschäftes in Pflicht genommen werden. Insoweit Aerzte bei
Ausübung ihrer Praxis ohne amtliche Verpflichtung Impfgeschäfte
vornehmen, sind sie der Anforderung des § 3, Abs. 2 der Aller¬
höchsten Verordnung vom 17. December v. Js. nicht unterworfen.
Ein Arzt, welcher dieser Anforderung nicht entspricht, kauu
einer Bestrafung nicht unterliegen, kann aber für die Ausübung
des Impf geschältes nach Maassgabe des Art. 3, Abs. 3 a. a. O. nicht
verpflichtet werden.“
Es ist höchst dankenswert!», dass das k. Staatsministerium
nicht gezögert hat, dem beanstandeten § 3 der Verordnung durch
diese Entschliessung eine Auslegung zu geben, welche die von den
Aerzten gehegten Bedenken völlig zerstreut. Die praktischen
Aerzte können hiernach ungehindert, wie bisher, an die Ausübung
des Impfgeschäftes gehen.
— Pest. Britisch-Ostindieu. Iu der Stadt Bombay starben
während der am 3., 10. und 17. März endigenden Wochen 733, 735
und 727 Personen an der Pest. In Kalkutta und im Bezirke Patna
hatte zu Folge einer Nachricht vom 22. März die Pest weitere Fort¬
schritte gemacht, denn in den oben bezeichneten 3 Wochen betrug
die Zahl der Peststerbefälle in Kalkutta 411, 001 und 744, im Be¬
zirke Patna 1382, 1581 und 2044. — Hongkong. Während der ersten
Aprilwoche sind in Hongkong 0 Fälle von Pest beobachtet worden.
—Argentinien, ln Rosario wurden während der beiden Wochen
vom 2. bis 15. März je 8 neue Fälle von Pest festgestellt. Iu Buenos
Aires waren bis zum 13. März (seit Anfang dieses Jahres) 52 Er¬
krankungen unter pestverdächtigen Erscheinungen beobachtet, von
denen 18 tödtlich geendet hatten. — Neu-Süd-Wales. Zu Folge
einer Mittheilung vom 6. März waren in Sklney seit dem 27. Februar
2 weitere Personen au der Pest gestorben und 3 neue Erkrankungs¬
fälle festgestellt, darunter 2 bei Sackträgern in Producten-
gescliäften. Die 3 bisher verstorbenen hatten durch ihren Beruf
Verkehr mit Schiffen; der eine war ein Segelmacher, der andere ein
Stauer und der dritte Sehankwlrtli am Hafen. Die Erkrankten
wurden mit ihren Familienangehörigen und allen Personen, die
mit ihnen in der letzten Zeit verkehrt hatten, auf die Quarantäne-
Station übergeführt, die befallenen Häuser wurden isolirt. Angeb
lieh wurden die Docks und die Arbeiterstadttlieile am Hafen von
Sidney auf Anordnung der Regierung gründlich gereinigt und des-
inficirt; viele Gassen und Häuser daselbst sollen vor Schmutz
starren; Ratten wurden in grosser Zahl eingefaugeu und verbrannt.
(V. d. K. G.-A.)
— In der 14. Jahres woche vom 1. bis 7. April 1900 hatten von
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Bochum mit 36,7, die geringste Hildesheim mit 7,0 Todesfällen
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬
storbenen starb an Scharlach in Altendorf, Beutlien, Duisburg; an
Diphtherie und Croup in Bromberg. Kaiserslautern.
— Die Kölnische Unfallversicherung« - Actieugesellschaft iu
Köln a. Ith., welche vor Kurzem eine für die Aerzte günstige Iu-
fectionsklausel eingeführt hat (s. d. W. No. 10), Ist, wie sie uns
mittheilt, bereit, den sämmtliehen bei ihr versicherten Aerzten auf
Wunsch durch Nachtrag zur Police die Vergünstigung dieser
Klausel zuzuwenden.
(Hochschulnachrichten.)
Florenz. Der Professor an der medicinischeu Facultät
zu Siena Pr. I.. G uait a wurde zum o. Professor der oplithalmo-
logisclien Klinik ernannt.
Prag. An der tschechischen mediciuischen Facultät habili-
tirte sich Dr. V. M 1 a <1 e jovs k y für Balneologie und Climato-
logie.
(Todesfäll e.)
Sir A. D o u g 1 a s M a c 1 a g a n. früher Professor der Hygiene
und gerichtlichen Medicin zu Edinburgh.
Dr. P. S g r o s s o, Privatdocent der Augenheilkunde zu
Neapel.
(B e r i c h t i g u n g.) Der Verfasser der in No. 15, S. 512 ref.
Arbeit „Ueber die echten Cysten der Leber“ ist Dr. L e p p m a n n
(nicht L i i> p m a n n) in Berlin.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Adolf Bach, appr. 1897 (nicht 1900, wie
in No. 13 gemeldet), in Thannhausen. Dr. Adolf Jordan, appr.
1895, iu München.
Verzogen: Dr. Heinrich Volk von Rosshaupten (B.-A. Füssen)
nach Augsburg.
Versetzt: Der Bezirksarzt I. Classc Dr. Friedrich Böhm in
Neuulm, seiner Bitte entsprechend, auf die Bezirksarztsstelie
I. Classe für den Verwaltungsbezirk der Stadt Augsburg. — Der
Bezirksarzt I. Classe Di 1 . Karl Grasmann in Pfaffeuhofeu
a. d. Ilm, seiner Bitte entsprechend, auf die Bezirksarztsstelie
I. Classe iu Regensburg.
Erledigt: Die Bezirksarztsstelie I. Classe in Neuulm. Be¬
werber um dieselbe haben ihre vorschriftsmässig belegten Ge¬
suche bei der ihnen Vorgesetzten k. Regierung, K. d. I., bis zum
7. Mai 1. Js. einzureichen. Die Bezirksarztsstelie I. Classe iu
Pfaffenhofen a. d. Ilm. Bewerber um dieselbe haben ihre vor¬
schriftsmässig belegten Gesuche bei der ihnen Vorgesetzten
k. Regierung, K. d. I., bis zum 7. Mal 1. Js. einzureichen.
Gestorben: Hofrath Dr. Guido Jochner, 70 Jahre alt, in
München. Dr. Leonhard Stern pfle, 28 Jahre alt, in Edesheim
(Rheinpfalz). Dr. Georg ltupprecht, 45 Jahre alt, in Nürnberg.
Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München
in der 15. Jahreswoche vom 8. bis 14. April 1900.
Betheil. Aerzte 522. — Brechdurchfall 5 (4*), Diphtherie,
Croup 12 (11), Erysipelas 15 (18), Intermittens, Neuralgia interm.
1 (1), Kindbettfieber 1 (—), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli
90 (97), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 5 (4), Parotitis epidem.
6 (10), Pneumonia crouposa 16 (16), Pyaemie, Septikaemie 1 (—),
Rheumatismus art. ac. 23 (28), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina
3 (5), Tussis convulsiva 10 (5), Typhus abdominalis 2 (2),
Varicellen 7 (9), Variola, Vario^is — (—). Summa 197 (210).
Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 15. Jaliresw'oche vom 8. bis 14. April 1900.
Bevölkerungszahl: 463 000
Todesursachen: Masern 10(11*), Scharlach — (—), Diphtherie
und Croup 1 (—), Rothlauf 1 (1), Kindbettfieber — (1), Blutver¬
giftung (Pyaemie) — (2), Brechdurchfall 2 (4), Unterleibstyphus
1 (—), Keuchhusten — (2), Croupöse Lungenentzündung — (—),
Tuberculose a) der Lungen 35 (38), b) der übrigen Organe 2 (13),
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬
heiten 6 (4), Unglücksfftlle 2 (1), Selbstmord 2 (3), Tod durch
fremde Hand — (—).
Die Gesammtzahl der Sterbefälle 212 (228), Verhältnisszahl auf
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 23,8 (25,6), für die
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,6 (15,9).
*) Die eiugeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche.
Verla* von J. F. Lehmann ln München - Druck von K MühUhaler « Buch- und Komi’rtrucfcerei A G., München
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