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Full text of "Muenchener Medizinische Wochenschrift 47 ( 1900), 1. Halbjahr, T. 1 S. 1 595"

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^MÜNCHENER 

MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 


CH. BAUMKER, 0. B0LLIN6ER, H. CURSCHMANN, C. GERHARDT, W. ». HEINERE, 6. MERKEL, U MICHEL, H.». RANKE, F. i. WINCKEL, H.». ZIEMSSEN, 

Freibiirg i. B. München. Ijeipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Berlin.. München. München. München 


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HOFRATH D* BERNHARD SPATZ 

PRAKT. ARZT. 


XL VII. JAHRGANG. 

I. Hälfte (Januar—Juni). 

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MÜNCHEN 

VERLAG VON J. F. LEHMANN 
1900 . 


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MÜNCHENER -o 

MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


HERAUSGEGEBEN 


CH. BAUIILER, 0. BOLLINGER, H.CURSCHMANN, C. 6ERHARDT, W. i. HEINEKE, 6. MERKEL, J. i. MICHEL, H. v. RANKE, F. i. WINCKEL, H. i. ZIEMSSEN, 

Freibarg i. B. Manchen. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Berlin. Manchen. Manchen. Manchen. 


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II0FR1TH !)“• BERNHARD SPATZ 

PRAKT. ARZT 


XL VII. JAHRGANG. 


MÜNCHEN 

V E KLAG VON J. F. LEHMANN 


1900. 


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I. Originalartikel. 


Seite 

Adler, Beitrag zur Lagerungsbehandlung.1517 

Aichel, Zur Kenntniss der Nebennieren.1228 

Albers-Schönberg und Hahn, Die Therapie des Lupus 
und der Hautkrankheiten mittels Röntgenstrahlen. (Aus 

dem Röntgeninstitut in Hamburg) .284^ 325, 363 

Alexander, Meine Behandlungsmethode der Lungentuber- 
culose mit subcutanen Injectionen von Ol. camphor. 

Pharm, gefm.291 

Althaus, Ein Fall von Leberechinococcus mit Durchbruch 

in die Gallenwege .1135 

— Beschreibung einer Missgeburt .... .1825 

Ammon, Zur Diagnose und Therapie der Augeneiterung der 
Neugeborenen (Aus der k. Univ* rs -Augenklinik in 

Mönchen.). 12 

Ansichten und Bedenken des Metzer Aerztevereins über die 
4 Punkte im Programm des Verbands der Aerzte Deutsch¬ 
lands zur Wahrung ihrer wirthschaftlichen Interessen . 1704 
Aveliis, Schleimhautpemphigus als Ursache der Verwachsung 
des weichen Gaumens und Heilung derselbe i mittels 


besonderer Hartgummibougies. (Illustr.).321 

— Typische Form von Kehlkopfneuralgie.1592 


nachmann, Dr. August Pyes .159 

15aeck, Ueber den Zusammenhang zwischen Skrophulose und 
Trachom. (Aus der Augenhcilunstalt für Oberschlesien 

in Gleiwitz).255 

15ü uui 1 e r. Zur Diagnose der durch gewerbliche Staubinhalation 

hervorgerufenen Lungenveränderungen. (Illustr) . . 525 

Buginsky, Einrichtung von Heilstätten für tuberculöse Kinder 1128 

hatsch, Zur Atropinbehandlung des Ileus.931 j 

Bauer, Ueber nervöse Störungen des Herzens und ihre Be¬ 
ziehungen zum Militärdienst .415 

Bayer, Ein Fall von Raupenhaar-Ophthalmie. (Aus der kgl. 

Univ.-Klinik für Augenkranke in Erlangen ).730 

Becker C., Zum Vollzüge des Impfgesetzes.47 L 

Becker Ph F, Ein Fall von neurasthenischem Schtttteltremor 

nach Trauma (Aus der medic. Univ.-Klinik zu Bonn.) 314 j 

— Bemerkungen zur prognostischen Bedeutung der Diazo- \ 

Teaction Tuberculöser. (Aus der inneren Abtheilung des i 

Louisenhospitals zu Aachen.).1198 j 

Beckers, Meine „Lagerungsbehandlung“ bei Gestalts-, Lage- 

und Grösse Veränderung des Uterus.1178 | 

Behm, Ein Fall von angeborenem Hirnbruch. (Illustr.) . . 1089 i 

Bendix, Beiträge zur Ernährungsphysiologie des Säuglings . 1035 

Bergmann, Ein Fall von acuter Cocain Vergiftung. 392 j 

Berliner und Cohn, Klinische Beiträge zur Diagnose des j 
Abdominal-Typhus. (Aus der inneren Abth. des städt. I 
Krankenhauses am Friedrichshain zu Berlin. (Illustr.) 1263 | 
Besteimeyer, Bemerkung zu dem Artikel von Prof. Heller ! 

in Kiel: „Zur Lehre vom Selbstmord“. 1780 j 

Bettmann, Ueber eine besondere Form des chronischen j 
Ikterus. (Aus der Heidelberger med. Klinik) .... 791 

Bezold, Drei Fälle von intracranieller Complication bei akuter 

Mittelohreiterung. (Illustr).. . . 763 

— Ergebnisse der functioneilen Gehörsprtifung mit der 
conti nuirlichen Tonreihe, insbcs.’am Taubstummenohr637, 690 

Biberfeid, Ein eigenthümlicher Schadenersatzanspruch . . 715 

— Die rechtliche Stellung der Gefängnissärzte.902 

— Rechtsprechung in Krankencassenangelegenheiten . . 1023 

— Die Taxen für das ärztliche Honorar. 1703 j 

Bickel, Ueber Compensationsvorgänge.1528 

Biedert, Schwangerschaft bei Stillenden. 1256 j 

Bier, Ueber die Ursachen der Her/hypertrophie bei Nieren- j 

krankheiten . 527 \ 

Bemerkungen zur Cocainisirung des Rückenmarkes. (Aus i 

der kgl Univers.-Khnik in Greifswald.) ... f ... . 1226 j 


Seile 

Bicnner, Einige Bemerkungen zu der Arbeit des Herrn 

Dr. Deckart „Die Hystereuryse in der Praxis“ ... 1046 
Bischofswerder, Ueber das Saugen künstlich ernähr!er 

Kinder . 139 

Bl e n cke, Ein kleiner Beitrag zur Bekämpfung der Curpfuscherei 295 
Bloch, Ein Fall von hysterischer Stummheit, jedenfalls her¬ 
vorgerufen durch Intoxication . .968 

Blum, Neue experimentell gefundene Wege zur Erkenntniss 
und Behandlung von Krankheiten, die durch Auto* 

intoxicationen bedingt sind.1036 

Bofinger, Ein Taschensterilisirapparat. (Illustr) .... . 508 

Bollinger, Zur Reform des Pension«Vereins für AVittwen und 

Waisen bayer. Aerzte.870 

Boni, Methode zur Darstellung der Bacterionkapsel auch in 

festen Nährböden. (xVusdempatholog.Institutin München) 1262 
B r a a tz, Ueber eine bisher unbeachtete Eigenschaft des Alkohols 

bei seiner Verwendung zur Händereinigung.1001 

— Zur Bedeutung des Alkohols für die Hämle-Desinfeciion 1693 
Bräuninger, Ueber einen seltenen Fall von Radiaüslähmung, 

geheilt durch Freilegung und Dehnung der Nerven . . 290 
Brandenburg, Ueber die Reaction der Leukocyten auf die 

Guajaktinctnr. (Aus der 2. med. Klinik zu Berlin.) . . 183 
Braun, Ueber das chirurgische Naht- und Unterbindungs- 


Brauser, Die Anzeigepflicht im künftigen deutschen Reichs- 

Seuchengesetz .■.159 

— Aus den preussischen Aerztekammern.229 

— Diu neueste Impf Verordnung .541 

Breitung, Zur Psychologie der Stimmermüdung.538 

— Zur Casuistik der Fremdkörper in der Nase.1630 

Brodmann, Neuritis ascendens traumatica ohne äussere Ver¬ 
wundung. (Aus der psychiatr. Univ.-Klinik zu Jena.) 829, 868 

Brun8, Die neuesten Kriegserfahrungen über die Gewebr- 


Buchner, Zur Kenntniss der Alexine, sowie der specifisch- 
bactericiden und specifisch-haemolytischen Wirkungen. 

(Aus dem hygien. Institut der Univ. München.) . . . 277 

— Sollen die Mediciner an der humanistischen Vorbildung 

festhalten? ... 802 

— Immunität.. . . 1193 

Burgl, Eine Reise in die Schweiz im epileptischen Dämmer¬ 
zustände und die transitorischen Bewusstseinsstörungen 

der Epileptiker vor dem Strafrichter.1270 

Burwinkel, Haemorrhoidalknoten im frühesten Kindesalter 393 

Clemens, Die diesjährige Influenzaepidemie in Freiburg i. B. 

(Aus der medic. Klinik zu Freiburg i. B.) tllustr.) . . . 925 
Cloetta, Ueber die therapeutische Verwendbarkeit de9 „Ferra- 

togen“ (Eisennuclein) . 160 

Cohn M., Einige Bemerkungen über die basophilen Körnchen 
in den rothen Blutscheiben (Aus dem Laboratorium 
der 3. kgl. medicin. Klinik zu Berlin.) (Illustr.) .... 186 

Cohn Th, Ueber subentane Milzruptur.• *>09 

Cohnheim und Krieger, Eine Methode zur Bestimmung 
der gebundenen Salzsäure im Magensaft. (Aus dem 
physiolog. Institut und der med. Klinik zu Heidelberg) 381 
Craemer, Grundsätze des Geburtshelfers für die erste Er¬ 
nährung des Kindes. Mit 4 Curven.).1585 

v. Criegern, Untersuchung eines Falles von angeborener 
Sternalspalte mittels fluorescirenden Schirmes. (Aus der 

med. Poliklinik der Universität Leipzig.).. 1378 

C urschmann, Ueber Cystitis typhosa. (Aus der medic. 

Klinik zu Leipzig) . .1449 


Dämmer, Mittheiluug über einen Fall von Tetanie nach In¬ 
toxication. (Aus der med. Univ.-Poliklinik in Jena » . 1587 


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IV 


INHALTS-VERZE1CHNISS. 


1900. 


Seite 


Seite 


Deckart, Die Hystereuryse in der Praxis. (Aua der kgl. ge- 

burtshilfl Poliklinik der Universität Breslau) . . . 565, 611 
Deiters, Ein geheilter Fall von multiplen Darmverletzungen 1239 

— Beitrag zur Kenntniss der Typhuspsychosen.1623 

Demme, Weitere Beiträge zur Atropinbehandlung des Ileus 1665 
Dennig, Ueber acute Leukämie. (Aus der med. Klinik zu 

Tübingen.).1297 

Deppisch, Land- und forstwirthschaftliche Berufsgenossen- j 

schaft und Arzt. 433 j 

Der kgl. bayer. Operationscurs für Militärärzte.329 

Deutscher AerzteVereinsbund und Verband derAerzte Deutsch- . 

lands zur Wahrung ihrer wirtbschaftlichen Interessen . 1632 | 
Dieudonnö, Ueber die Desinfection mit Carboformal-Glüh- | 

blocke. (Aus der bacteriologisehen Untersuchungsstation , 

des kgl. Gamisonslazareths Würzburg.). 1456 I 

Dinkler, Zur Pathologie und Therapie der Basedow schen | 

Krankheit. 724 | 

Doerfler H.-Regensburg, Zur Behandlung der chronischen f 

Obstipation im Kindesalter . ..113 j 

Doerfler H.-Weissenburg, Casuistischer Beitrag zur Sympto¬ 
matologie des Pankieatitis acuta.254 

Doering, Ueber Infection mit Influenzabacillen und mit Bart, 
proteus. (Aus der inneren Abtheilung des städtischen 

Krankenhauses in Stettin.). 1580 J 

Doernberger, Tannopin (Tannon) qjs Darmadstringens . . 464 i 

Dornblüth, Die Behandlung der Neurasthenie. 74 j 

Dünschmann, Zur Diagnose des Hungertodes. 1349 j 

v. Düngern, Beiträge zur Immunitätslehre. (Aus d. Institut 

für experimentelle Therapie zu Frankfurt a/M. . . 677, 962 I 

— Eine praktische Methode, um Kuhmilch leichter ver- i 

daulich zu machen.1661 


Edel, Ueber einen günstigen Erfolg durch Behandlung mit 
Nebennieren-Tabletten in einem Falle von Morbus 
Addisonii. (Aus der med. Klinik zu Giessen.) .... 

Edlefsen, Eine neue Ham- und Zuckerprobe. 

Eichel, Ueber Heraia epigastrica. 

— Ueber Osteomyelitis acuta des Atlas. 

Einhorn, Ueber ein neues Guajacolpräparat. 

Eine schwere Gefahr ungeeigneter Tripperspritzen. 

Engelhardt, Neuritis optica bei Chlorose; Krankheitsverlauf 

und Tod unter den Symptomen eines Hirntumors. (Aus 

dem Augustahospital in Köln). 

Engelmann, Ersatz des Cocains durch Eucain B bei der 
Bier’schen Cocainisirung des Rückenmarks. (Aus der 

kgl. Universitäts-Frauenklinik in Bonn). 

Erb, Ueber das ..intermittirende Hinken“. 

— Zur Frühdiagnose der Tabes. 

Erne, Zur Beurtheilung der Desinfection mit den sog. Carbo- 

formalgltihblock8. (Aus dem hygien. Institut der Univ. 

Freiburg i. B.). 

Eschweiler, Ueber Spätdiphtherie im Nasenrachenraum. 
(Aus der Univ.-Poliklinik für Nasen- und Okrenkranke 

in Bonn) . 

Esser, Sklerema neonatorum oedematosum im Zusammen¬ 
hang mit ausgedehnter Lungenblutung. (Aus dem pathol. 

Institut in Giessen). 

Eversbusch, Zum 70. Geburtstag von August v. Roth- 

mund . .... 

Eversmann, Ein Fall v. Selbstbeschädigung auf hysterischer 
Grundlage. (Aus der inneren Abtheilg. des Louisen¬ 
hospitals zu Aachen.) (lllustr.). 


1821 

826 

426 

1201 

10 

393 


I 


1233 


1532 | 
224 j 
989 | 

I 


1666 

568 


352 

1082 

290 


Fehling, Ueber die Berechtigung der Selbstinfectionslehre 

in der Geburtshilfe. 1651, 1697 

Fein, Die Behandlung der typischen Pachydermia laryngis 
mit Salicylsäure. (Aus der Abth. für Halskranke des 
Prof. O. Chiari an der allgem. Poliklinik in Wien.) . . 1134 
Fl ein er, Neue Beiträge zur Pathologie der Speiseröhre. 

(lllustr.). 529, 578 

— Ueber Gallenblasenentzündungen und davon abhängige 

Magendarmstörungen. (lllustr.).1292 

Fölkel, Klinisch-therapeutische Versuche mit „Fersan“. (Aus 

der I. medicin. Abth der Allgem Poliklinik in Wien) . 1536 
Fraenkel C., Bemerkungen zu dem Aufsatze von Prof. Kopp 
über „Persönliche Prophylaxe und Abortivbehandlung 


des Trippers“.1780 

Fraen kel, Polikliniken für Tuberculöse. 686 

Fröhlich, Casuistische Mittheilungen über Schädel- und Ge¬ 
hirnverletzungen. (Jllustr.).192 

Froriep, Beitrag zur Total exstirpation des completen Scheiden- 
und Uterus Vorfalles nach A. Martin. (Aus der kgl. Univ.- 
Frauenklinik Greifsw r ald.).S09 

Gaertner, Ueber das Tonometer. (Zweite Mittheilung) . . 1195 

Gerhardt, Blaublindheit bei Schrumpfniere 1 


Gernsheim, Zur Behandlung des Brechdurchfalls mit 


Biedert’schem (künstlichem) Rahmgemenge .... 1627 
Glauning, Ueber die Behandlung inficirter perforirender 
Bulbuswunden. (Aus der kgl. Univ.-Klinik für Augen¬ 
kranke in Erlangen. (lllustr.).1070 

Göschei, Ein Fall von Perityphlitis im Bruchsack; Resection 
des Coecum und Processus vermiformis. (Aus dem 

Nürnberger städt. Krankenhause. (lllustr.).156 

Goldflam, Ueber Tendovaginitis capitis longi bicipitis . . 1822 
Graes er, Ueber Alkohol verbände. (Aus dem Deutschen 

KrankenhauBe in Neapel.).999 

Grober, Ueber die Wirksamkeit der Spinalpunction und das 
Verhalten der Spinalflüssigkeit bei chronischem Hydro- 
cephalus (Aus der medicin. Klinik in Jena) (lllustr.) . 245 
Grote, Die Varietäten der Arteria temporalis in ihrer Be¬ 
ziehung zu Blutdruckbestimmungen.733 

G rot he, Zur Behandlung der habituellen Schultergelenks¬ 
luxation .650 

Grusdew, Ueber die Anwendung des Calciumcarbids in der 
gynäkologischen Praxis. (Aus der militär-medicinischen 

Akademie in St. Petersburg.).832 

Guttentag, Ein Fall von idiopathischer Erweiterung des 

Oesophagus im unteren Abschnitt.797 


Iladenfeldt, Ueber totale Pylorusstenose nach Laugen¬ 
ätzung. 'Aus dem Anscharkrankenhause in Kiel.) . . . 216 
H ä b e r 1 i n, Der heutige Stand der Salzwasserinfusionen, nebst 

Beschreibung eines compendiösen Infusionsapparates . 45 

Hager, Zur Pathogenese der Gicht. 1101 

Hartmann, Casuistisches zum Hungertod.1110 

Hahn Fl., Zur Casuistik der Darmlipome. (Aus der Chirurg. 

Abth. d. allgeiu. Krankenhauses zu Nürnberg.).288 

Hahn M. u. Trommsdorff, Ueber Agglutinine. (Aus dem 

hygien. Institut München).413 

Hahn E., Nierenblutung bei Haemophilie, durch Gelatine 

geheilt.1459 

Hauenschild, Untersuchungen über die Einwirkung neuerer 
Antiseptica auf inficirte Hornhautwunden. (Aus der 

Univ.-Augenklinik zu Würzburg.) . 146 

— Ein Fall von spontan anftretender intraocularer Blutung, 
die zur Bulbusruptur führte. (Aus der Univ.-Augenklinik 

zu Würzburg.).1074 

Hausen, Ein neuer geburtshilflicher Zangenhaken. (lllustr.) 867 
Hecht, Ein handlicher elektrischer Sterilisationsapparat für 
dfls Instrumentarium der kleinen Chirurgie, insbesondere 
für Kehlkopf-, Ohren- und Nasen-Instrumente. (lllustr.) 1240 
Hecker, Ueber einen Fall von Fremdkörper im linken Bron¬ 


chus .1132 

II e i 1, Ein weiterer Beitrag zur Entstehung des Hautemphysems 

nach Laparotomie'. . 1208 

v. Heinieth, Ein Fall von Carotisdrüsenperitheliom. (Aus 
Dr. v. Heinleth’s Chirurg.-gynäkolog Privat-Klinik in 

Reichenhall.) (lllustr.) . 899 

Heinz, Studien über Entzündung seröser Häute. (lllustr.) . 213 
Heller, Zur Lehre vom Selbstmorde nach 300 Sectionen. 

(Aus dem pathologischen Institut zu Kiel ).1653 

Henkel, Klinische Beibäge zur Tuberculöse: 1. Ein Beitrag 
zur Frühdiagnose der Lungentuberculose — die Punction 
der Lunge zum Nachw’eis der Tuberkelbacillen .... 419 

— Klinische Beiträge zur Tuberculöse. Ein Fall von ge¬ 
heilter Meningitis cerebrospinalis tuberculosa. (Aus dem 
Neuen Allgem. Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.) . . 799 

Henne mann, Zur Behandlung der Spina bifida.1380 

Iienrici, Zur Kenntniss der multiplen Neuritis. (Aus der 
inneren Abtheilung des Diakonissenkrankenhauses zu 

Dresden.).891 

Herxheimer und Hildebrand, Ueber Xeroderma pig¬ 
mentosum. (Aus der dermatolog. Abtheilung des städt. 

Krankenhauses zu Frankfurt a. M.).1099 

Hijmans, Eine Bemerkung zur Arbeit des Herrn Dr. med. 

v. Noorden: „Zur Lymphknotentuberculose“.690 

Hildebrandt, Briefe von der Deutschen Ambulanz des 

Rothen Kreuzes in Südafrika. 509, 540, 738 

Hirsch, Zur klinischen Diagnose der Zwerchfellhernie. (Aus 

der med. Klinik zu Leipzig) (lllustr.).996 

— und Beck, Eine Methode zur Bestimmung des inneren 

Reibungswiderstandes des lebenden Blutes beim Men¬ 
schen. ( Aus der med. Klinik und aus dem Institut für 
angewandte Chemie in Leipzig.) Jllustr.).1685 

II o e f 1 m av r, Die subjectiven Beschwerden der Neurastheniker 1594 
v. H o e 8 s 1 i n, Ein Fall schwerer Uraemie, geheilt durch 

Aderlass.930 

Hoffa, Zur Behandlung des Pes valgus. (lllustr.).490 

Hoff mann, Ueber die hereditäre progressive spinale Muskel¬ 
atrophie im Kindesalter. (Aus der med. Klinik zu 

Heidelberg.).\ . . . 1649 

Hofmeier, zur Verhütung des Kindbettfiebers.1257 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




































































1900. 


INHALTS-VERZEICHNTSS. 


V 



Seite I 


Holz, Zur Atropinbeliandlung des Ileus .1664 

Hoppe-Seyler, Ueber die Glycosurie der Vaganten . . . 531 

Huber, Notizen zur Fleischkunde.1628 

Hügel, Mittheilungen aus der dermatologischen Klinik der 
Universität Strassburg. L Ein Fall von Lichen obtusus. 

II. Ein Fall von Pityriasis rubra pilaris.1737 

Hui8mans, Ueber Morbus Addisonii. (Aus der inneren Ab¬ 
theilung des St. Vincenzhauses in Köln.).421 

H uns che. Das Vorkommen des Demodex folliculorum am j 
Allgenlide und seine Beziehungen zu Liderkrankungen. 

(Aus dem pathol. Institut zu Kiel) .1563 

Jacob, Zur Behandlung des Tetanus uteri.1209 

Jessen, Ueber die Beziehungen des Oliver*sehen Symptoms 
zum Aortenaneurysma und zu intratlioracalen Ge¬ 
schwülsten. (Aus dem Vereinshospital zu Hamburg) . . 1565 j 

Jo ebner, Chirurgische Mittheilungen.1596 

.Jungmann, Ein neuer Speitopf für Phthisiker.175 | 


Kaufmann, Bericht über die im Sommer 1900 beobachtete 
Blatternepidemie. (Aus der inneren Abth. des städt. 

Krankenhauses zu Frankfurt a. M.) (Illustr.). 1733 ; 

Kehr, Die Verwendung der Gelatine zur Stillung chol- 
aemischer Blutungen nach Operationen am Gallen¬ 
system nebst Bemerkungen über Popperl’s wasserdichte 
Drainage der Gallenblase.18», 226 j 

— Wie verhält es sich mit den Recidiven nach unseren 

Gallensteinoperationen?. 720 ; 

Kehrer, Ein eigenartiger Fall von Azoospermie.1 25 

Keller, Ueber das Vorkommen von Rhodan im Nasensecret . 1597 
Kelling, Zur Frage der Pneumonie nach Laparotomien in 

der Nähe des Zwerchfells.1161 

Kiefer, Beitrag zur operativen Behandlung des Magen- und 

Duodenalgeschwürs. 837 , 

Killian, Die oesophagoskopische Diagnose des Pulsions¬ 
divertikels der Speiseröhre. (Illustr.).112 j 

— Ueber einen Fall von acuter Pericliondritis und Periostitis 

der Nasenscheidewand dentalen Ursprungs .155 

Kirchgaesser, Fehldiagnose eines Aortenaneurysmas in 1 

Folge der Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen. (Aus j 

der med. Klinik zu Bonn).646 

Kirchner, Eine wenig bekannte Pupillenreaction (Lidschluss- 
reflex der Pupille) und ihre therapeutische Vcrwcrthung 

1532, 15G7, 1720 

K i ss k a 11, Ueber locale Disposition, Erkältung und Abhärtung. 

(Aus dem hygienischen Institut Würzburg).110 

Kissling, Ein Fall von infantiler Cerebrallähmung mit com- 
plicirter Oculomotoriuslähmung (Aus der Nerven-Ab- 
theilurtg des Wiener k. k. allgem. Krankenhauses) . . 897 J 
Klapp, Ueber die Behandlung von Gelenkergüssen mit 
heisser Luft. (Aus der kgl. Chirurg. Univ.-Klinik zu 

Greifswald.) . ..•.794 

lebs, Zur causalen Behandlung der Tuberculose. (Illustr.) 16*8 
lein, Ueber einen neuen verbesserten Respirator. (Illustr) 651 

— Der Aderlass bei Hitzschlag . . . . .929 

Koch, Zur Kenntnis der acuten Osteomyelitis. (Aus dem 

Luisen-Hospital in Aachen.855 

Ko ekel, F. V. Birch-Hirschfeld Nekrolog. 53 

Köhler und Scheffler, Die Agglutination von Faeeal- 
bacterien bei Typhus abdominalis durch das Blutserum. 

Aus der medicin. Kliirk und dem hygien. Institut zu 

Jena).. .. 757, 800 

Köl liker, Ein zweiter Fall von Entfernung des Schulter¬ 
gürtels wegen Sarkom der Scapula. 53 

Kopp, Persönliche Prophylaxe und Abortivbehandlung des 

Trippers beim Manne.1662 

Kossmann, Casuistische Miscelloneen aus dem Gebiete der 

Geburtshilfe und Gynäkologie.. . . 313, 361, 394 

Kraemer, Ein Fall angeborener (intrauteriner) complicirter 

Fractur des Unterschenkels. 1238 

Krapf, Die Distorsion des unteren Fussgelenks. (Aus dem 

Reconvalescentenhaus f. Unfallverletzte zu Strassburg i.K | 355 
Krec ke, Adenocarcinom des Coecum. Invagination, Resection, 

Heilung. (Illustr ). 42 

— Ueber Skoliosis ischiadica. (Illustr.).188 


— Zur Frage der ärztlichen Unterstützungs-(Streik ) Kassen 1463 
Krey und Sarauw, Tetanus traumaticus cornpl. durch üarin- 
verschluss. (Laparatomie. Heilung ohne Seruminjection.) 

(Aus dem Kreiskrankenhause in Sonderburg a. Alsen.) 1210 
Kroemer, Zur Kenntniss der Lithopaedien. (Aus der gynä- 
kolog. Abtheilung des Krankenhauses der Elisabetherin- 
nen zu Breslau.) (Illustr.). 1153, 1497 


Seite 


Krönig, Klinische Versuche über den Einfluss der Scheiden¬ 
spülungen während der Geburt auf den Wochenbetts- 
verlanf (Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Leipzig. 1 
— Eine kurze Bemerkung zu dem Aufsatz von M. Hof¬ 
meier: Zur Verhütung des Kindbettfiebers.1422 


— und Blumberg, Vergleichende Untersuchungen über 
den Werth der mechanischen und Ahlfeld’schen Alko- 
holdesinfection gegenüber der Desinfection mit Queck¬ 
silberverbindungen, speciell dem Quecksilberaethylen- 
diainin. (Aus der Univ.-Frauenklinik zu Leipzig.) 1004, 1044 
Kühn, Beitrag zur Lehre von der ankylosirenden Entzündung 

der Wirbelsäule. (Aus der Rostocker med Klinik. (Illustr.) 1333 
K ü m m e 11, Die Gefrierpunktsbestimmung des Blutes und des 
Urins zur Feststellung der Functionsfähigkeit der Nieren 
vor operativen Eingriffen. (Aus dem Neuen Allgem. 


Krankenhaus in Hamburg.). 15*25 

Landau, Hundert Jahre Heilkunde. 87 

Lamliofer, Zur Behandlung der Augeneiterung der Neu¬ 
geborenen .253 

Lange, J, Ueber Krämpfe im Kindesalter. 37 

Lange, F., Ueber periostale Sehnenverpflanzungen bei Lähm¬ 
ungen. (Aus dem orthopäd. Ambulatorium der kgl. 

Chirurg. Klinik zu München ) (Illustr.).486 

Lange, L, Tdiopatipche Osteopsathyrosis. (Aus deT Chirurg. 

Heilanstalt von Dr. Krecke in München.) (Illustr.) . . 862 

Lanz, Asepsis contra Antisepsis (Illustr).492 

Lauen stein, Zur Catgut-Frage .501 

Lauk, Acht Fälle von Wurstvergiftung.1345 

Laves, Ueber das Eiweissnfthrmittel „Roborat“ und sein Ver¬ 
halten im Organismus, verglichen mit ähnlichen Prä¬ 
paraten. (Aus dem physiol.-cliem. Laboratorium des 

Krankenhauses Hannover).1339 

Lehmann, Eine Reise in das russische Hungergebiet . . 468 

Leichtenstern, Ueber Kehlkopferkrankungen im Verlaufe 

des Diabetes. („Laryngitis diabetica“.). 535, 581 

Lengnick, Zur Casuistik der Rückemnarksverletzung durch 
Wirbelfractur nebst Beschreibung eines Gehverbandes 
für Patienten mit Lähmung beider unterer Extremitäten. 

(Aus der kgl. Chirurg. Univ.-Klinik zu Königsberg i,Pr.) 

(Illustr.).386 

Lent, Otto Leichtenstern f. 430 

Leutert, Welchen »Standpunkt dürfen wir jetzt in der Frage 
der Therapie chronischer Mittelohreiterungen einnehmen 
und wie steht es mit der Cholesteatomfrage? 1329, 1382, 1418 
Lewy, Ueber das Saugen künstlich ernährter Kinder .... 634 
Liebig, Die Muskelkraft unter dem erhöhten Luftdruck . . 608 
Lode und Durig, Ueber die Kohlensäurenusscheidung bei 
bei wiederholten kalten Bädern (nach Versuchen an 
Hunden). (Aus dem hygienischen Universitätsinstitut 

in Innsbruck.).. . 109 

Löhnberg, Ein Fall von Stich Verletzung des Ohres mit Aus¬ 
fluss von Hirnwasser. 81 

Loewenfeld, Ueber die nervösen Störungen im Bereiche 

des Brachialplexus bei Angina pectoris ...... . 1095 

Lohnstein, Ueber die Dauer der Hefegährung in zucker¬ 
haltigen Urinen .1385 

Lotheisen, Ueber die Gefahren der Acthylchloridnarkose. 

(Aus Prof. v. Hackers chirurfl. Klinik zu Innsbruck) 601 
Lublinski, Zur Behandlung der Pachydermia laryngis mit 

Salicylsäure.1629 

Lüttgen, Zur Atropin-Behandlung des Ileus.1693 

Luxenburger, Experimentelles und Klinisches überOrtho- 

forrn. (Aus der chirurg. Univ.-Poliklinik in München) 48, 82 

Madien er, Zucker als wehenverstärkendes Mittel.1177 

Maillefert, Ein Fall von indirektem Bruch eines Mittelfuss- 

knochens. (Illustr.).1237 

Manasse, Ueber die Koplik’schen Flecken bei Masern . . 8(0 
Marcinowski, Zur Atropinbehandlung des Ileus .... 1492 
Marcuse, Pater Bernhard, ein Vorgänger Kneipp’s. Ein 

Kapitel aus der Geschichte der Wasserheilkundc . . . 124 

— Die Ausstellung für Krankenpflege in Frankfurt a M. . 397 

— Die Lehranstalt von Salerno und ihre Bedeutung für 

die Entwicklung des Medicinalwesens. . . 695 

— Antisepsis und Asepsis im Alterthum.1630 

Martin, Zur Indicationsstellung und zur Technik der Mvom- 

operationen .1301 

Marx, Ueber Intubation in der Privatpraxis.1590 

Mayer G., Zur Pathologie derMiliartuberculose. (Aus der Unter¬ 
suchungsstation am Garnisonslazareth Würzburg ) . 71, 121 

— Zur Kenntniss der Infection vom Conjunctivalsack auö 1169 

— Reisebriefe aus Ostasien.1793 

Mayer W., Revolution oder Evolution des ärztlichen Standes 1667 
Menge, Ueber Urinbefunde nach Nierenpalpation.789 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
























































VI 


IMHALTS. VERZEICHNISS. 


1900. 


Seite 


Merkel, Nekrolog auf Dr. Friedrich Ernst Aub.693 

Messerer, Ueber den Befund bei Erstickung durch Einwir¬ 
kung auf den Hals (Illustr). 726, 771 

Metzger, Ueber den Einfluss von Nührklysmen auf die Säft- 

secretion des Magens. (Aus dermed. Klinik zu Giessen.) 1553 
Meusel, Zur Technik der Unterschcnkclaniputhtion .... 1460 
Meyer C. F., Ist die Zeiss-Thoma’schc Zählkammer wirklich 

vom äusseren Luftdruck abhängig? . . ^.428 

— J., Ueber Lohnstein’s Präcisions Saccharometer .... 1240 
Meyerson, Bemerkungen zu Prof. Ilofmeier's Arbeit. „Zur 

Behandlung der Nachgeburtszeit“. 86 

Michaelis, Zwei Fälle angeborener Mikroccphalie. (Aus der 

kgl. Univ.-FrauenkJinik zu München.) (Illustr.) ... 605 
Michel, Zur Kenntniss der Ursachen einer primären Iritis 

auf Grund einer statistischen Zusammenstellung . . . 853 
Mock, . Ueber einen Fremdkörper im Augeninnern, dessen 
Bestimmung mit Röntgenstrahlen und Magnetextraction. 

(Illustr.).932 

Model, Schwerste Opiumvergiftung eines atrophischen Kindes 157 

— Medicinisch-botanische Streifzüge. Ein verschollenes (?) 

heroisches Giftgewächs ans Madagascar .. 1081 

— Chloral und Blutungen. (Eigene Erlebnisse).1739 

Mond, Schwangerschaft und Ovarialtumor.1230 

Morian, Beitrag zu den intratendinösen Ganglien.1766 

Moritz, Ueber die Bestimmung der wahren Grösse von Gegen¬ 
ständen mittels des Röntgen-Verfahrens.509 

— Bericht über die medicinische Poliklinik in München im 

Jahre 1899 . 611 


— Eine Methode, urh heim Röntgenverfahren ans dem 
Schattenbilde eines Gegenstandes dessen wahre Grösse 
zu ermitteln (Oithodiagraphio), und die exacte Bestim¬ 
mung d* r Herzgrösse nach diesem Verfahren (Illustr.) 992 
Mosbacher, Heilung eines Gesichtserysipels durch Ichthyol¬ 


salbe in 24 Stunden!.175 

— Befreiung von einer blutenden Ohrwarze durch ein 

Volksmittel (Urin) .209 

Muck, Ueber das Vorkommen von Rhodan iin Nasen- und 
Conjunctivalsecret. (Aus der Ohren- und Kehlkopfklinik 
in Rostock.! .. 1168 

— Ueber das Auftreten der acuten Jodintoxication nach 

Jodkaligebrauch in ihrer Abhängigkeit von dem Rhodan¬ 
gehalt des Speichels, des Nasen- und des Conjunctival- 
secrets.• .1732 

Mühlig, Epileptiforme Anfälle in der Reconvalescenz eines 

Unterleibstyphus.221 

Müller J., Ueber Tropon und Plasmon. (Aus dem physiolo¬ 
gischen Institut zu Erlangen). . . 1769, 1826 

Müller R., Mittheilung von zwei Fällen von Tetanus trau- 
matieus. (Aus d. Neuen Allgem. Krankenhause Ham¬ 
burg-Eppendorf.) . 318 

— L. R, .Das Studium der inneren Medicin in Frankreich, 

England nnd Deutschland .584 

— J , Ueber den Zungenbelag bei Gesunden und Kranken. 

(Aus der medicin Klinik zu Würzburg.).1125 

— J., Zur operativen Behandlung der habituellen Schulter¬ 

gelenksluxation. (Aus dem Chirurg. Ambulatorium des 
Herrn Dr. Kronacher in München.).1380 

Muscatello, Zur Frage der Entzündung und Verwachsung 

seröser Häute. 688 

— Ueber die Gasgangrän. (Aus der Chirurg.-propädeut. 

Klinik zu Neapel.).1303 

Naegeli, Ueber individuelle Schwangerschaftszeichen nebst 
einer Bemerkung über die anatomischen Verhältnisse 
des Orificium extr. urethrae.836 


Nakinishi, Vorläufige Mittheilung über eine neue Färbungs¬ 
methode zur Darstellung des feineren Baues der Bacterien 187 
— Beiträge zur Kenntniss der Leukoevten und Baeterien- 

sporen. (Aus d. hvgien. Institut d Universität München) 680 
Nassauer, Hydrorrhoea ovarialis intermittens. (Hydrops 
ovarii prolluens.) Die Lehre von den Tubo-Ovarialcysten. 


(Illustr.) . 221,256, 293 

X ehr körn, Beitrag zur Purpura haemorrhagica. (Aus der 

Chirurg. Klinik in Heidelberg.).1372 


Neisser und Wechsberg, Ueber eine neue einfache Me¬ 
thode zur Beobachtung von Schädigungen lebender 


Zellen und Organismen. (Bioskopie) (Aus dem kgl. 
pretiss. Institut für experimentelle Therapie zu Frank¬ 
furt a. M).1261 

Neuburger, Ueber die neue Dienstanweisung der bayer. 
Hebammen hinsichtlich der Verhütung der Augen¬ 
eiterung der Neugeborenen.1273 

Neumayer, Ueber Oxvkampher. (Aus der medic. Univ.- 

Poliklinik in München.).349 

Nonne, Wilhelm Erb . . . ..1666 

voll Noorden, Zur Lymphknotentnberculose.115 

— Zur Schiefhals-Behandlung. 323 


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Seite 


Oberst, Ein Beitrag zu der Frage von den traumatischen 

Wirbelerkrankungen. (Illustr.).1347 

Oe hl er, Ueber Peritonitis tuberculosa.1823 

Opp, Ueber hysterische Aphonie. (Aus der II. medic. Klinik 

in Berlin.).729 

Ostermaier, Zur Darm Wirkung des Atropins ....... 1695 

Ott, Zur Embolie der Mesenterialarterien. (Aus der medicin. 

Klinik des Hrn. Geheimrath v. Leube zu Würzburg) . 455 

— Ueber den Nachweis des Gallenfarbstoffes im Harne 

von Herzkranken. (Alis der med.-propüdeut. Univ.- 
Klinik zu München.).928 

— Zur Aetiologie der fibrinösen Bronchitis. (Aus der med. 

Klinik zu Würzburg ).965 


Pagenstecher, Ueber Muskel und Sehnenrisse im Biceps 

brachialis.572 

Sir James Paget. 158 

Papasotiriu, Notiz über den Einfluss des Petroleums auf 
den DiphtheriebncillnR. (Aus dem hj'gienischen Institut 
der Universität Würzburg.).1381 


Paul und Sarwey, Experimentaluntersuchungen über Hände- 
desinfection. (Aus dem bacteriolog. Laboratorium der 
Univers.-Franenklinik in Tübingen.) 934,968,1006,1038, 1075 
Paulsen, Ein Fall von gonorrhoischen Gelenk- und Haut¬ 
metastasen im Anschluss an Blennorrhoea neonatorum 1209 
— Ein Fall von tödtlich verlaufender spontaner Nabel- 


bliitung hoi einem haemophilen Neugeborenen .... 1597 
Payr, Beiträge zur Frage der traumatischen Nierenbeweglich¬ 
keit. (Aus derk. k. Chirurg. Klinik zu Prag.) (Illustr.) 1725, 1773 
Peters, Aus der Unfallpraxis.360 

— J. C, Ueber die Wirkung des Dormiol, eines neuen 

Schlafmittels. (Aus dem Luisenhospital zu Aachen ) . 463 

— C , Die Alexander-Adams'sche Operation bei Retroflexio 

uteri mobilia. 1163 

Phelps, Die Behandlung von Abscessen der Gelenke mit 
Glasspeculum-Drainage und reiner Carbolsftufe, nebst 

einem Bericht über 7o Fälle. (Illustr.).1307 

Piorkowski, Zur Arbeit: „Der Werth des Harnnfihrbodens 
für die Typhusdiagnose“ von Dr. Ernst Unger und Dr. 

Ernst Tortner, Voloyitärärzten .. 87 

Plato, Ueber die Beurtheilung des Lebenszustandes und der 
Leistungen der Phagocyten mittels der vitalen Neutral- 
rothfärbung, (Aus der kgl. Dermatolog Univ -Klinik zu 

Breslau).1227 

Poppert, Entgegnung auf die Bemerkungen Kehr’s zur Me¬ 
thode der Cholecystotomie mit wasserdichter Drainage 328 

— Heinrich Bose. .. . 1111 

Port, Zur Frage der Heilbarkeit der habituellen Skoliose. 

(Illustr.) . 1625 

Prochownick, Die Anzeigestellung zum chirurgischen Ein¬ 
greifen bei extrauteriner Schwangerschaft . . . 1093, 1153 

Prölss, Heus und Atropin.1223 


Rammstedt, Ueber eine eigenthümliche Pfählungsverletzung. 

(Aus der kgl. Chirurg. Univ.-Klinik zu Halle a. S.) (Illustr.) 354 
v. Ranke, Ueber Eselmilch als Säuglingsemährungsmittel . 597 
— Zur chirurgischen Behandlung des nomatösen Brandes. 

(Aus der k. Univ.-Kinderklinik zu München.) (Illustr.) 1485 
Realgymnasium und Studium der Medicin. Eingabe der 
Vorstände der ständigen Ausschüsse der Aerztekammern 
an das kgl. Staatsministerium, des Innern um Erhaltung 
der humanistischen Vorbildung für das Studium der 


Medicin . . 939 

Reiche, Zur Klinik der 1899 in Oporto beobachteten Pest- 

erkranknngen .... 1061 

— Zur Verbreitung des Carcinoms. (Illust.) .1337 

Reinecke, Zur Retroflexio uteri gravidi cuin incarcerationo 860 
Reuter, Zur Casuistik der Tetanusbehandlung mit Antitoxin 1211 
Rieger, Ein sonderbarer Influenzaausbruch auf der Haut, bei 

mir und in meiner Umgebung. 7 

Rissmann, Heilung und Verhütung der Ketrodeviationen 

des Uterus im Wochenbette.312 

Roeger, Angina mit Endocarditis. (Aus der inneren Ab¬ 
theilung des Marienhospitals in Stuttgart.).252 

— Metapneumonischer Abscess mit dem Diplococcus pneu¬ 

moniae in Reincultur. (Aus dem Marienhospital in 
Stuttgart.).1415 

Röpke, Casuistische Beitrüge zur Schwierigkeit der Diagnose 

endocranieller otogener Erkrankungen ....... . 320 


Rolly, Klinische Beobachtungen über Ichthalbin bei Darm¬ 
krankheiten. (Aus der Heidelberger Univ-Poliklinik.) . 576 
— und Sa am, Ueber den Einfluss des Ichthalbin auf den 
Stoffwechsel und die Damithätigkeifc der Kinder. (Aus 
der Heidelberger Univ.-Poliklinik.) (Illustr.) . . . . 460 

Rommel, Beitrag z. Behandlung frühgeborener Kinder. (Illustr.) 357 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




























































1000 . 


1NHALTS-VERZEICIIN1SS. 


r 


ltoos, Zur Behandlung der Obstipation. (Aus der mcdic. Poli¬ 
klinik in Freiburg i. B.). ... 1481 

Rosenbach, Ueber cerebrales und eardiales Asthma nebst 
Bemerkungen über Stenocardie, Albdrücken und ver¬ 
wandte Zustände. 683, 735 

— Hat die Hyperaemie resp. Cocain-Anaemie der Con- 
junctiva palpebralis Einfluss aut' die Weite oder den 

Puls der Arteria tempor. superfic ?.1621 

Rosenberger, Ueber das Vorkommen von Reitweh an der 

Patella.247 

Rosenfeld, Zur Topographie und Diagnostik des Magens . 1204 
Rosin, Entgegnung auf die ..Kritischen Bemerkungen** der 
Herren Dr. Spiegel und Pe ritz in No. 7 dieser Wochen¬ 
schrift . 294 

Rostoski, Untersuchungen über die Lage des Magens bei 

Chlorotischen. (Aus der med. Klinik zu Würzburg. (Illustr) 1369 
Rothschild, Ein Fall von Skorbut auf dem Lande .... 82 

Rotter. Die Herznaht als typische Operation. (Illustr ) ... 79 

Rumpf, Zum Stande der Heilstättenfrage für Lungenkranke 1037 
Russow, Ileus und Atropin.1406 


Sagebiel, Beobachtungen über die Wirkung der Naphthalan- 
behandlung bei ekzematösen Erkrankungen des äusseren 
Ohres. (Aus der kgl. Univ.-Poliklinik für Ohrenkranke 
zu Göttingen.). . 1664 

— Beobachtungen über die W rkungen der Amyloform- 
behandlung bei chronischen Mittelohreiterungen. Aus 

der k. Univ.-Poliklinik für Ohrenkranke zu Göttingen . 1693 
Schaefer, Verjährung ärztlicher Forderungen, bestehender 

Ansprüche v. Heil- und Pflegeanstalten nach neuem Recht 16 

— Erweiterte Concessionspflichtigkeit der Privat kranken- 

anstalten.397 

Schanz, Biegsame Albuminiumschienen.509 

— UeberdieGipsbehandlungderSkoliose. (Ausderorthopäd 

Heilanstalt des Dr. med. A. Schanz in Dresden.) . . 1588 

Sch attenf roh und Grassberger, Ueber Buttersäurebacillen 
und ihre Beziehungen zu der Gasphlegmone. (Aus dem 
hygien. Institut der Universität Wien.) . . . 1032, 1077 

— Die Beziehungen der unbeweglichen Buttersäurebacillen 
zur Rauschbrandaffection. uYus dem hygien. Institut 

der Universität Wien.).1733 

Schenk und Zaufal, Bacteriologisches zur mechanisch¬ 
chemischen Desinfection der Hände.503 

— Weitere Beiträge zur Bacteriologie der mechanisch- 
chemischen Desinfection der Hände (Ans dem bacteriol. 
Laboratorium der deutschen Univ.-Frauenklinik zu Prag.) 1558 

Scheurer j Zur Therapie der Oholelithiasis. (Aus der Chirurg. 


Abtheilung am St. Hedwigkranken hause in Berlin.) . 827 
Schiller, Zur Verwendung ungedrehter Rennthiersehnenfäden 
als Naht- und Ligaturmaterial. (Aus dem Laboratorium 

der Heidelberger Chirurg. Klinik ). . 1555 

Schilling, Ein Besteck für Magenuntersuchung. (Illustr.) . 1038 
— Häufigkeit und Bedeutung der Krystalle im Stuhl. (Illustr.) 1457 
Schmi dt MB, Ueber das Verhältniss der Fettge websnekrose 
zu den Erkrankungen des Pankreas. (Aus dem pathol. 

Institut zu Strassburg) :.6j0 

Schmidt P., Zwei Fälle von Beri-Beri (Panneuritis endemica 

Balz) an Bord eines deutschen Dampfers .191 

Schmitt, Ueber die Indicationen zur Operation bei Appen- 

dicitis. (Aus der kgl. Chirurg. Klinik zu München.) . . 383 
Schoedel, Mittheilungen aus der städtischen Diphtherie- 

Untersuchungsstation in Chemnitz. ... 895 

Scholz, Ein Beitrag zur Frage über die Ursachen des Todes 
bei Verbrennungen und Verbrühungen. (Aus dem Neuen 
Allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg-Eppendorf.) . . 152 


Schorlemmer, Ueber den Nachweis von Gallenfarbstoff in 
den Faeces, in Sonderheit mit der Ad. Schmidt’schen 
Probe, und über die klinische Bedeutung des Vorkommens 
von Bilirubin in denselben. (Aus dem Laboratorium 

der med. Klinik zu Bonn.) ..458 

Schottenhelm, Ueber einen Fall von WeiPacher Krankheit. 

(Aus dem Karl Olga-Krankenhaus zu Stuttgart.) (Illustr.) 966 
Schüle, Ueber die Differenz zwischen der Temperatur des 
Rectum und der Achselhöhle speciell bei der eitrigen 

Appendicitis.603 

Schütz, Schleimkolik und membranöser Dickdarmkatarrh 573 

Schnitze E., Ueber epileptische Aequivalente .... 416, 465 
Schnitze Fr., Ein Fall von anscheinender Maul- und Klauen¬ 
seuche beim Menschen. (Aus der med. Klinik zu Bonn.) 885 
Schulz H.,f Ein Beitrag zur Kenntniss der Terpentinöl Wirkung. 


(Aus dem pharmakolog. Institut der Universität Greifs¬ 
wald). (Illustr.).957 

Schulz Fr. N, Eiweiss und seine künstliche Oxydation . . 1521 
Schulze-Vellinghausen, Beitrag zur Kenntniss des pri¬ 
mären Endothelkrebses der Pleura. (Aus dem Kranken¬ 
haus Bethanien in Berlin.).647 


VII 

Seite 

Schwalbe, Pcbcr Variabilität und Pleomorphismus der Bac- 

terien.. . lfilb 

Segge 1, Ueber die Naht der Arterien. (Aus der Chirurg. 

Klinik in München.). 1105, 1138 

Seiffer, Ein Fall von Beri-Beri. (Aus der psychiatr. und 

Nervenklinik der kgl. Charit^ in Berlin ) (Illustr.) . . . 762 
Seitz, Bericht der k. Universitäts-Poliklinik für Kinderkrank¬ 
heiten im Reisingcrianum pro 1899 . 193 

— Versuche mit localer Alkolioltherapie in der Gynäkologie. 

(Aus der kgl. Univ.-Frauenklinik in München) . . . 388 

Scssous, Ueber die therapeutische Verwendung desJodipin. 

(Aus der med. Klinik zu Halle.).1175 

Sicherer, Ueber den antiseptischen Werth des Quecksilber* 

oxycyanids. (Aus dem hygien. Inst. d. Univ. München 1002 
Siebert, Kurze dermatotherapeutische Mittheilungen. (Aus 

der Poliklinik für Kinderkrankheiten im Rcisingerianum.) 1489 
Simmonds, Ueber Blutungen des Endometrium bei Sklerose 


der Uterinarterien. 5*2 

— Ueber Tuberculose des Magens. (Aus dem Allgemeinen 

Krankenhause Jiamburg-St. Georg).317 

Soxhlet, Ueber die künstliche Ernährung des SäugliDgs 1658, 1699 

Spaeth, Das ärztliche Unterstützungswesen in Bayern . . . 871 

— Misserfolg mit Dührssen'scher Tamponade bei Atonia 

uteri. ... li.06 

Spiegel und Peritz, Kritische Bemerkungen über die Rosin- 
sche Methode zur Bestimmung der reducirenden Kraft 
des Harns u. s w. 225 


Starck, Die Verwendung der Divertikelsonde bei Oesovagus- 

tumoren. (Aus der med. Klinik in Heidelberg. Illustr.) 1687 
Staude und Rösing, Entgegnung auf den Artikel des Herrn 

Prof. Dr. Hofmeier: Zur Behandlung der Nachgeburtszeit 261 
Steinborn, Ein Fall von Brustdrüse am Oberschenkel. (111.) 734 
Steinthal, Ueber die Nachbehandlung schwerer Unterleibs¬ 
operationen. (Aus der Chirurg Abtheilung der Ev. Dia- 


conissenanstalt Stuttgart) ... .. . 251 

Stern, Beitrag zur operativen Freilrgung des Herzens nach 
Rotter wegen Schussverletzung. (Aus dem städtischen 

Barackenkrankenhaus in Düsseldorf).424 

Steudel, Biegsame Aluminiumschienen. (Illustr.).390 

Stich, Ersatz für versteuerten Waschsäther . 1613 

S t ö 11 z i n g, Ein Beitrag zur Aetiologie und Therapie der Epi- 
scleritis periodica fugax. (Aus der Univ.-Augenklinik zu 

Rostock ) .219 

Strasburger, I. Ein verändertes Sedimentirungsverfahren 
zum mikroskopischen Nachweis von Bacterien. II. Ueber 
den Nachweis von Tuberkelbacillen in den Faeces. (Aus 
der med. Klinik des Herrn Prof. Dr. Fr. Schultze in 

Bonn.).533 

Strohmayer, Die therapeutischen Erfolge mit Unguentum 
argenti colloidalis Crede. (Aus dem Diakonissenhause 

zu Halle a. S.).1064 

Strubeil, Ein neuer Beitrag zur Therapie des Milzbrandes. 

(Aus der med. Klinik in Jena.) .642 

— Ueber Diabetes insipidus.. . 1008 

Strümpell, Ueber Vorkommen und Diagnose der Gicht. . 1289 
Struppler, Ueber das cavernöse Angiom des Grosshirnes. 

(Aus der U. med Klinik in München.) (Illustr.) .... 1267 
Stumpf, Ergebnisse der Schutzpockenimpfung im König- 

_„:„U ... : T~T 1 ortd -i n l i «rrrtr 


Suchannek, Ueber gehäuftes Vorkommen von Talgdrüsen 

in der menschlichen Mundschleimhaut.575 

Sutherland, Hauttransfixion als Mittel gegen Neuralgie . . 1683 


Tappeiner, Ueber die Wirkung fluorescirender Stoffe auf 
Infusorien nach Versuchen von O. Raab. (Aus dem 
pharmakolog. Institut München.). 5 

— Ueber die Wirkung einiger Gifte auf den Lebergel 
(Distomum hepaticum''. (Aus dem pharmakolog. Institut 

zu München.).1729 

Tendeloo D. E., Siegenbeek van Heukelom.1745 

Theilhaber, Die Ursachen der klimakt. Blutungen .... 453 

-- Die Gefahren der Scheidenirrigationen ..... . 834 

Thiersch, Ueber Corset und Reformkleidung ... ... 1108 

Thorn, Zur operativen Heilung der Inversio uteri nebst 
einigen Bemerkungen zu ihrer Aetiologie und foren¬ 
sischen Bedeutung.856 

Toff, Eine Verbesserung der „Sonde intrauterine dilatatrice“. 

(Illustr.). 224 

— Ein Fall von Thoracopagus. (Illustr.).1493 

Trautmann, Ueber einen Fall von Jodkaliumparotitis . .117 

Treupel, Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kennt¬ 
nisse von der Tuberculose, speziell der Lungentuber- 
culose.821 

— und Edinger, Untersuchungen über Rhodan-Ver¬ 
bindungen.. 717, 767 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




















































1 i>ÖÖ. 


VIII 


Turban, Bemerkungen zu Schröder s Entgegnung auf meinen 
Aufsatz: Die Blutkörperchenzählung im Hochgebirge und 
die Meissen’sche Schlitzkammer .42t) 


v. ffexküll, Nekrolog auf Wilhelm Kühne.1)37 


Volhard, Ueber Resorption und Fettspaltung im Magen 

(Aus der medicin. Klinik in Giessen.).IIl, 194 

Vulpius, Zur Casuistik der Sehnenzerreisaungen. (Aus der 
Dr. Vulpius’schen orthopäd -Chirurg.Heilanstalt in Heidel¬ 
berg, Abth. für Unfallverletzte.) (Illustr.).569 


Wal eher, Ueber die Einschränkung des aseptischen Feldes 

bei Operationen ... .497 

Walz, Ein einfacher Brutofen für den praktischen Arzt . . . 933 
— Ueber die normale „respiratorische Leberbiegung“ und 
die Genese der sogenannten Exspirationsfurchen der 
Leber. (Aus dem patholog. Institut der Universität 

Tübingen.) (Illustr.).1029 

Warnecke, Befund von Xerosebacillen bei progredienter 
Phlegmone, secundärerWundinfection und Otitis interna. 

(Aus der k. Univ.-Ohrenklinik zu Berlin.) (Mit 2 Curven.) 1412 

Weiss A., Schulärzte .294 

Weiss H., Blutdruckmessungen mit Gärtners Tonometer. 

(Aus der medicinischen Abtheilung des k. k. allgemeinen 

Krankenhauses in Wien.) (Illustr.).C9, 118 

Weissenberg, Mittel gegen Hustenreiz der Phthisiker .1718 

W engl er, Die Bertilion sehe Methode der Körpermessung für 

praktische Aerzte dargestellt.1493 

Wetzel, Ueber Leiehenerscheinungen und ihre Zeitbe¬ 
stimmung ... . 1767, 1828 

Weygandt, Psychiatrisches zur Schularztfrage.148 


Seile 

Wickel, Ein Fall von Friedreich'scher Krankheit. (Aus der 

psychiatrischen Klinik zu Tübingen.).249 

Winckler, Zur Behandlung der Stiinhöhleneiterung .... 77 

Winkler, Schule für tropische Medicin in London .... 3u7 

Winternitz, Erfahrungen über Angiothrypsie. (Aus der 

Universitäts-Frauenklinik zu Tübingen). 1765, 1796 

Witthauer, Die Behandlung der Gallensteinkrankheit mit 

Olivenöl. .1491 

Wolf, Zwei Fälle von angeborenen Mist-bildungen. (Illustr.) 766 
WolffhÜgel, Ueber die ersten Anfänge d-r idiopathischen 
Herz Vergrößerung und die Bedeutung der dilataliveii 
Herzmuskelschwäche für die Militärdiensttauglichkeit. 

Aus dem k. Garnisonslazareth München) .... 1409, 1460 
Wormser und Bing, Ein ein wandsfreier Fall von hysteri¬ 
schem Fieber. (Aus der Frauenklinik der Universität 

Basel) (Mit feiner Curve ). 1373, 1417 

Wulff, Ein Fall von Aneurysma der Carotis interna nach 
Tonsillarabscess, Heilung durch Unterbindung der Ca¬ 
rotis communis. (Aus der Chirurg. Abtheil, des israclit. 

Krankenhauses in Hamburg).G87 

Wunderlich, Zur Einwanderung von Fremdkörpern in den 

Dünndarm nach Laparotomie . ..971 


Zängerle, Zur Kenntniss des Pseudomucins aus den Eier¬ 
stockscysten. (Aus der med. Poliklinik zu Marburg.) . 414 

-- Agglutinirende Fähigkeit des Blutes bei einem gesunden 
Kind einer typhuskranken Mutter, (Aus der med Poli¬ 


klinik in Marburg.890 

Zeltner, Ueber die Wirkung des Digitoxin, crystal isat. 

Merck im Vergleich zu der der Digitalisblätter. (Aus 

der med Univ.-Poliklinik in Erlangen.).886 

Zorn, Ueber einen Fall von Formalinvergiftung. Aus der II 

med. Klinik in München).1588 

Zum 70. Geburtstag Heinrich v Ranke».652 


INHALTS-V KRZEIOHNISS. 


II. Namen-Register. 

(Die fett gedruebten Ziffern bedeuten Originalartikel.) 



Seite 

A. 

Abadie . . . 

. . . 810 

Abba .... 

. 778, 1503 

Abde .... 

. 203, 945 

Abel R. . . . 

... 333 

Abel C.-Berlin 

1581, 1605 

Abraham . . 

. . . 1674 

Ach. 

. . . 1751 

Achard . . . 

1152, 1282 

Achert . . . 

1541, 1581 

Adamidi . 

. . . 1217 

Adamkiewicz . 

. . . 1502 


Adams-Lehmann . . 1060 

Adamson. 22 

Adler A.-Wien . . . 1517 
Adler H.-Wien ... 173 

Adickes.1396 

Adrian . . 334, 335, 475 
Agramonte .... 844 
Ahlfeld 513,1352,1425,1636 

Ahman.336 

Ahrens . . . 1749, 1757 
Aichel . 260, 439, 1228 

Albanese .... . 545 
Albers-Schönberg 284 » 339 

Albert.1116 

Albrecht P. A. . . . 777 
AlbrechtA.-München 129 
Albrecht E.-München 164, 
742, 777, 80 », 877, 907, 
942,975,1012,1051,1088, 
1115, 1144, 1184, 1245, 
1358, 1602 


Seite 

Albu 127, 441, 448, 876, 
1187, 1280, 1356 

v. Aldor.1141 

Alexander-Nürnberg 1580 
Alexander G.-Wien . 1706 
Alexander - Reichen - 


hall .... 


291 

Alexandroff . 


1762 

v. Alfthern 


845 

Allara .... 


551 

Allgeyer . . . 


910 

Almkvist . . 

. 471 

552 

Alsberg . . . 

1441, 

1834 

Alt. 

. . 27 

621 

Althaus . . . 

ms. 

1825 

Alvarez . . . 


1439 

Aiy. 


881 

Alzheimer . . 


<•24 

Ammann . . 


1010 

v. Ammon . 

12 

196 

Amsler . . . 


701 

Amoödo . . . 


1141 

Anders . . . 

.' 443j 

1216 

Anderson . . 


441 

Andreae . . . 


260 

Andrewes . . 


1442 

v. Angerer . 


705 

Annandale . 


1507 

Anschütz 


1466 

d’Antona . . 


1445 

Apolant . . . 


335 

Aporti . . 127, 

lOSßj 

1613 

Apostoli . . . 


106 

Arcoleo . . . 


1016 

Arloing . 775, 

*1357] 

1752 


Seite 


Arndt.1224 

Arneill.1215 

Arnheim . . . 27' 1 , 1761 

Arning.207 

Arnold J.942 

Arnold V.-Lemberg . 698 

Arnsperger.742 

Aron 778, 942, 1184, 1637 
Aronson .... 1327 
d'Arrigo . . . 1315, 1603 

Ascarelli.1613 

Asch.343 

ABchaffenburg . 812, 1677 
Ascher .... 333, 1388 
Aschoff Göttingen . 1183 
Ascoli A. 954, 1385, 1544 

Ascoli G.1673 

Askanazy 701, 10 50, 1603, 
1670 

Assendel ft.201 

Atkinson . ... 22 

Audion.266 

Aue.873 

Auerbach B.-Köln . . 750 
Auerbach M.-Berlin 334 
1605 

Auerbach S. - Frank¬ 
furt .1086 

Aufrecht 1277, 1317, 1366 

Aujeszky.129 

Ausch .’.699 

Austerlitz.517 

Austin.476 

Auvray.1014 

Avanzini.1613 


Seite 

Avellis . . 321, 945, 1592 

A versa.746 

Aviragnet.174 

Aymard.987 

Axenfeld . . 172, 983 
Azoulay.1577 


B. 


Baas.1312 

Babcock .337 

Babes 700, 1543,1676,1677 

v. Babo.1602 

Babucke .... 263, 975 
Baccelli .... . 178 


Bach.399 

Bachmann . . 159 

Bachmann - Helsing- 
fors .... 265, 1141 

Backhaus.1475 

Backmann .... 1540 

Badano.1016 

Bade.1472 

Badei.633 

Bäck . . . 255, 401, 1467 

Bäcklin.264 

Bähr.707 

Bärri.515 

Bäumler .... 525, 740 
Baginsky A. 199, 369, 746 
882, 1<*57, 1128, 1242, 
1323 


Baginsky B.369 

Bahls.1711 


Seite 


Bail-Berlin . . 
Bail O.-Prag . . 
Bailey . . . . 
Bain ... 

Baker . 

Bäkes. 

Baldi. 

Baldy. 

Balin. 

Balint. 

Ball. 

Ballaban . . . 
Ballantync . . 

Ballin. 

Ballner .... 

Balzer. 

Bandi . . 


. 1671 
129, 658 
. . 1518 
. . 914 
. . 1710 
. . 298 
. . 131 
. . 337 
. . 1573 
. . 589 
. . 1468 
. . 1576 
. 1116 
808, 1388 
. . 907 
. . 1362 
. . 1088 


Bandler 266,336,471, 618, 
1781 


Barabo . . 713, 751, 1792 
v. Baracz 513, 656, 657, 
1143 

Barannikow ... 908 

Barbacci.1639 

Barbe .1440 

Barbara .... 986, 1405 
Barbier . . 174, 407, 1476 

Barbo.942 

Bardenheuer 302, 1363 
1470, 1471 

Bardescu.263 

Bardet.981 

Barfurth . . . .378, 11*2 

Barid.1317 

Bariot.922 


Difitized by 


Gck igle 


Original From 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
































































































1900. 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


IX 


Seite 

Barker A. E.943 

Barker L. F.844 

B&rling. 22 

Bariow .... 744, 1781 

B&rnax.1389 

Barth A.-Danzig . . 666 
Barth A.-Winterthur 1604 
Barth E.-Brieg . 843, 1572 

Bartz.1471 

Barueh.776 

Basch. 264 

Basler.332 

Bass.512 

Basset-Sinith.... 1444 
Basset M. E.-Minne- 

sota. 60 

Bassi.550 

Bätsch. 931 

Battlehner .... - 1678 

Bauer E.809 

Bauer C.-Zürich . . 701 
Bauer J.-München 415 , 558, 
741 

Baumgarten .... 130 

Baumholtz . . . .1318 

Baup.946 

Baur.1426 

Bayer C.1635 

Bayer-Erlangen . . 730 
Bayer C.-Prag . 128, 1635 
Bayer H. - Strassburg 163 

Baylac.1282 

Beatty. 23 

Becher J. A.742 

Becher W.-Berlin . . 704 
Beck C.-Leipzig . . 1685 
Beck C.-New York 130,1518 
Beck J.-Prag .... 548 
Beck M.-Berlin . . . 942 

Beck Rud.1612 

Becker-Aachen . . . 1471 
Becker A.-Aachen . 974 
Becker C.-München. 331 
471 , 512, 634, 674, 904, 
921,941,1141,1276 
BeckerE.-Hildesheim 162, 
233 

BeckerPh. F.-Aachen 315 , 

1198 

Beckers . . . . . . 1178 

Beckmann.875 

Böclere.1281 

v. Bechterew . 439, 1314 
Beddies .... 483, 1244 

Behla. 263, 440 

Behm . . . ... 1069 

Behrens.586 

Behring.129 

Behriuann.1751 

Belfanti.1544 

Beütz-Heimann . . 263 

Bell.944 

Belotti.1639 

Benaroieff.298 

Benas.337 

Benda 137, 372, 753, 1575 
Bender . . . 1087, 1711 
Bendersky . . . 1147 

Bendix B.-ßerlin 57, 91, 

372, 1035 , 1833 
Bendix E.-Berlin . . 93 

Benedikt . . . 561, 752 

Beneke.1574 

Benks .659 

Bennett.1402 

Benzler.334 

Berard.815 

Berdach.655 

Berend.906 

Beiger F.906 

Berger P. . . . 100, 810 
Berger A.«Wien . . 1215 
van den Bergh . . 1504 
Berghing ..... L247 
v. Bergmann A.-Riga 1214 
v.Bergmann E.-Berlin 705, 
706, 1250, 1640 
Bezgmann M.-Wolf- 
hagen ....... 398 


Seite 

Berliner. 1263 

Bermann.1215 

Bernard . 174, 474, 1283 

Berndt.1783 

Bernhard.656 

Bernhardt M - Berlin 96 
1637, 1673 

Bernhardt P. - Ste¬ 
phansfeld .... 234 
Bernheim J. ... 1504 
Bemheim A -Phila¬ 
delphia .1246 

Bernheim S.-Paris . 1317, 
1397, 1399 


Bernheimer 
Berry . . . . 
Bertelsmann 
Bertheau . , 


... 58 

1116, 1443 
. . . 1641 
. . . 1357 


Berthold. 1705 I 

Bertschinger . . . . 1752 i 
Bessel-Hagen . 666, 706 i 
BeBtelmeyer .... 1780 

Bethe.811 I 

Bettmann 233,475,791,915 | 

Betz.1247 

Beuttner . 164, 262, 1352 j 

Beyfuss.16H6 ! 

Bezan<;on. 1646 ! 

Bezold 637, 763,1248, 1501 j 

Bezi.1361 

Bial . 241, 587 

Biberfeld 715,903,1024,1703 I 
Bickel A. . . 1211, 1528 ! 
Bickel L.-Berlin 703, 1711, , 
1833 i 

Bidwell ... 23, 1402 

Bie. 59, 451 

Biedert . 1256, 1312, 1475 

Biedl. 621, 704 

Biehl.266 

Bienstock.514 

Bier. 527, 1226 

Biermer H.-Magdebg. 711, 
1214 

Biermer R.-Wiesbad. 1046 

Bihler .775 

Bilik.906 

Billeter.1215 

Billings.879 

Binaghi .... 550, 777 

Binder.878 

Bing.1373 

Binswanger .... 232 
Binz . . . 1427, 1705 

Biondi.1284 

Birmingham .... 786 

Biro.1246 

Bischoff . . . 1388, 1575 
Bischofswerdcr . . 139 
Blacher .... 18, 1751 

Blau.1501 

Blauberg.1539 

Blecher.1352 

Blencke 295,519,1313,1714 
Bleuler 260, 472, 872, 1010, 
1634 

Bliesener . . . 263, 905 


Bloch 

Bloch R. . 

Bloch W. . 

Bloch-Berlin 
Bloch-Paris 
Bloch H.-Nürnberg . 968 
Bloch O.-Kopenhagen 811, 
840, 1396 

Bloch R.-Zborowitz . 
Bloodgood . . 23, 
Blomqvist . . 

Blum F.-Frankfurt . 

1051, 1283 
Blum V.-Wien 

Blumberg L.1243 

Blumberg M.-Leipzig 1004 , 
1188 

Blumenreich .... 1183 
Blumenthal 103, 372, 1762 

Blumreich.298 

Boas . . 663, 882, 1187 
Boccardi ..... 709 


J1188 
. . 336 
. . 369 
164, 200 
1319 


371 

844 

376 

1036 , 


441 


Seite 

Bock J. .545 

Bock H.-Münehen . 843 

Bode Fr.127 

Boden. 1254 j 

Boeck.1361 

Boöri. 709, 1639 1 

Böhi .... 1543, 1604 j 

le Boeuf.879 

Bötticher . ... 1351 

Böttiger.978 

Bofinger. 508 

van Rogaert . . . .1114 
Boinet . 1250, 1281, 1283 
du Bois-Heymond . 872 
v. Bökay . . 1541, 1602 

Bokenham . . . 1443 

Bollenhagen . 776, 1387 
Bollinger . . . 653, 870 

Bonardi.131 

Bonhöffer.622 

Boni „. . . . 1262 

Bonomo.1320 

Borchard.1711 

Border.1468 

Boree.1117 

Bornikoel . . . 60, 1572 

Bornstein 553, 662, 1141 

v. Borosini ... 1051 
Borrmann . . . 907, 1426 

Borst ..848 

Bosse. 1114 

Boston.787 

Bott. 19 

Bottini.586 

Bourgeois.266 

Bourget . . . 114S, 1191 

Bovee W..1507 

Bovet.241 

Boyd.1402 

Bra.408 

Braatz 400, 1001 , 1013, 
1243, 1693 

Brabec.371 

Bracci.1016 

Bradford B. H.-Boston 59 
Bradford E. il.-Boston 878, 

. 1216. 

Brähmer.946 

Bräuninger . . . 290 

Brailey.1443 

v. Braitenberg . . . 1115 
v. Bramann 1252, 1253, 
1712 

Brandt .... 272, 557 
Brandenburg 183 , 590, 747, 
845, 978, 1022, 1118, 
1678, 1757 

Braquehaye ... 1148 

Brasch.332 

Brauer . . . .914, 1429 
Braun-Berlin . . . 301 

Braun H.-Göttingen 706, 
1142. 

Braun H.-Leipzig 377, 498 
Braun R.*Wien . . . 1428 
Braun W.-Altona 95, 168, 
1018. 

v. Braun-Fern wald F.-Wien 
293. 

v. Braun-Fernwald R.-Wien 
18, 473. 

Braunstein .... 167 
Brauser-München 808,1540 
Brauser A.-Regensburg 159 , 
229 , 367 , 400, 541 , 1670 

Bregmann.1467 

Breitenstein . . 563, 1113 
Breitung 538 , 1355, 1630 
v. Bremen .... 237 
Brennecke .... 134 

Brenner.1011 

Brentano.666 

Bresler.1647 

Breuer.1088 

Brieger . . 164, 266, 473 

Briess.548 

Brisson.1014 

Brocq 1153,1361,1439,1476 
Brodmann-Frankfurt 1677 


1573 
. . 134 

372, 1248 
. . 1504 
. . 1145 i 
. . 1673 i 


Seite 

Brodmann R.-Jena590,829 

Bröse.1425 

Bromann 842 

Bronstein.265 

Brosch . . . 1213, 1748 

Brosin.177 

Brosius.1439 

Brouardel 1222,1634,1646 

Browicz.1279 

Brown.337 

Brubacher . . . 368, 743 

Bruce. 986, 1504 

Bruck A.-Berlin . . 882 
Bruck F.-Berlin 742, 943 
Brudzinski 
Brueggemann 
Brühl .... 
van Brüggen 
Brugisser . . 

Bruhns C. . . 

Bruhns-Berlin 1022, 1603 | 
De Bruine-Ploos van 

Amstel. 620 ' 

v. Brunn. 1427 : 

Brunner A-Triest . 300 ! 
Brunner C.-Münster- I 

lingen . 97, 262, 589 | 

Bruno. 478 I 

Brunon .... 746, 1439 j 
Bruns H.-Strassburg 370, ! 

405, 439 I 

Bruns L -Hannover . 942 | 
v. Bruns P.-Tübingen 485, 
701 

Brunton .755 

Bruschettini .... 96 

Bruxo.1406 

Bryant.780 

Bucco.132 

Buch .... 1386, 1672 
BuchbinderH.Strass- 
burg .... 94, 343 
Buchbinder H. E.- 
Leipzig . . .479, 973 
Büchner. 277, 546, 616, 
802, 940, U93 

de Buck.167 

Budin 
Büdinger 
Bührer 
Bürger 
Bürkner 
Buffet . 

Buist . 

Bulkley 
Bull . 

Bullot . 

Buist . 

Bum . 

Bumm 
v. Bunge 
Bunge-Königs 
Burchard 
v. Burckardt 
Burckhard . 

Burghard , 

Burghart 
Burgl . . . 

Burkardt 
Burmeister 
Burmin . 

Burwinkel . 

Bury.1403 

zum Busch 23, 167, 270, 
661,781,945,1117, 1444, 
1507, 1710 

Buschhaupt .... 657 
Buschke 335,336, 747, 1784 

Busquet.810 

Buss.163 

Busse . 62, 942, 947, 972 

Bu8senius.1572 

Bussi.1544 

Butte.1646 

Broca. 175, 921 

Brock.334 

Buttenberg . . 333, 1714 
Buttersack 133, 332, 368, 
782, 882, 1748 


918, 


G. 


. . 1399 
976, 1674 
. . 1543 
. . 437 
. . 1571 
. . 1358 
. . 269 
820, 1440 
. . 844 
. . 401 
22 

94lj 1680 
. . 1465 
. . 1571 
iberg 201, 709 
546 
906 
1387, 1782 
. . 1403 
338, 1013 
480, 1270 
. . 656 
. . 336 
. . 332 


Seite 

Buxbaum . . . . 1746 

Buxton.1405 

Byers.1404 

C. 

Cabannes.548 

Caccianiga .... 909 

Caccini.1613 

Cahen.1324 

van Calcar .... 132 

Callero.1398 

Calmette.549 

Camerer jr.1474 

Cameron ..... 521 
Caininer . . . 782, 882 
de la Camp .... 403 

Campana.1366 

Campbell.343 

Canali.1614 

Cantlie.1445 

Cao.• . . . 1315 

Caponago . . . 550, 1143 

Capps. 23 

Capurro.874 

Carbone.1543 

Carlier.1283 

Caro.747 

Carow.1522 

Carra.548 

Carrasquilla .... 541 
Carstanjen .... 1506 
de Carvalho .... 1545 

Caselü.1114 

Caspari.1214 

Casper . . 672, 842, 1051 
Cassel . . 240, 845, 910 
Castaigne . . 1014, 1223 

du Castel.1123 

Cattaneo.1573 

Catani .... 1639, 1640 

Causse.786 

Cavazzani.633 

Cavicchia.550 

Cecherelli 550, 709, 746, 
1148, 1188 

Celli 234,265,440,806,1637 

Ceresoie .1427 

Cervello.746 

Chaleix-Vivie . . . 1398 
Champneys . . 268, 1321 
Chantemesse . . . 100 

Chatin.1576 

Chätini&re.1439 

Chaumier.1439 

Chauvel.378 

Cheyne.166 

Chiari . . 239, 548, 1394 

Chicotot.174 

Cbipault . . 1219, 1319 

Chlopin.907 

Chlumsky 262, 1142, 1387 

Cholewa.946 

Cholwogoroff . . . 513 

Christen.1143 

Christiani.1782 

de Christmas . . . 1280 
Christomanos . . . 809 
Chrzelitzer .... 483 

Cioffl.909 

Cipriani-Mandos . . 1638 

Clairmont.907 

Clarke J.1403 

Clarke M. 22 

Clarke W. B.945 

Clemens . , . ... 925 
Clemow .... 943, 1215 
Cloetta .... 760, 1751 

Clowes.815 

Cnopf . 1020, 1151, 1611 

Coates.269 

Cobb.1467 

Cobbett.1783 

Codivilla.1218 

Coe.844 

Cohen.1113 

Cohn.1677 

Cohn C..368 

Cohn H.-Berlin 241, 399 
Cohn J.-Berlin . . . 1278 


Digitized b 


■V Google 


Original fro-m 


2 


UNIVERSITY OF CALIFORNIA 













































































































































































































X 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900. 


Seite 

Cohn M.-Berlin 126, 186. 

234, 378, 753, 1863, 1679 
Cohn M.-Breslau . 1502 

Cohn Th.-Barinen 609 
Cohn T.-Berlin . . 1214 
Cohnheim O.-Heidelb. 381 
Cohnheim P.-Berlin . 209, 
265, 741, 1147 

Coirre.378 

Colard.268 

Coley.879 

Colla. 550, 1327 

Colley. 94 

Collina.550 

Colombini . . . 553, 1091 

Colombo.909 

Comandini.550 

Comby.1439 

Cominotti.1428 

Concetti .... 202, 402 
Conradi . 700, 1315, 1467 

Conrads.1475 

Coon .... . 1468 

Coop.709 

Coppez . .97 

Coriat. .476 

Corlette. 1443 

Cornet.775 

Coronedi.746 

Ccsma.1676 

Cossmann .... 1785 

Coste.260 

Costinesco.1014 

Coston.177 

Couper.661 

Courmont 775, 1357, 1576, 
1752 

Cox.1675 

Cozzolino.369 

Craig.476 

Cramer A -Güttingen 260, 
1708 

Cramer H.-Bonn 129, 474, 
1437, 1438, 1585 
de Crecchio .... 1389 

Cred£. 705, 1059 

Orevelli.921 

v. Crlegern . .171, 1378 

Crispino.1544 

Cronheim.1541 

Croner.1572 

Crook.442 

Cross.1443 

Crowder ..... 1216 

Crzellitzer.1707 

Csokor.1716 

Cullen .... 1285, 1397 

Cun£o.1218 

Cunningham . . 59, 1710 
Curschmann 303,1449,1580 
Cushing .... 23, 1216 

Outhbert. 21 

Czaplewski . . . 930,1748 

Czempin.263 

Czerny A.-Breslau . . 202 
Czerny V.-JIeidelberg 
95, 597 

v. Czvhlarz99,588 f 619,1709 



Seite 

Davey . . . . 

. 269 

David . . . . 

. . . 1465 

Davidsohn C. . 

... 129 

Davidsohn Berlin 977,1022 

Davidsohn G.-Berlin 1781 

Davidsohn H.-Berlin 203 

Davidsohn Mackenzie- 

London . . 

. . . 1403 

Davidson . . 

. . . 1710 

Davis . . . . 

. 337, 844 

Deane .... 

... 844 

Debrand . . . 

. . . 1280 

v. Decastello . 

... 588 

Deckart . 

... 567 

Decrolv . . . 

... 167 

Deetjen . . . 

... 376 

Deetz .... 

... 589 

1 Dehio .... 

. . . 1708 

1 Dehler . . . 

. . . 1502 

! Deiters . . . 

1239, 1623 

Delageniere . 

1284, 1398 

Delbanco 2'.>S, 

950, 951, 

952, 978 


Delezenne . . 

. . . 1516 

Delmas . . . 

. . . 1361 

Delorme . . . 

. . . 1121 

Delpeuch . . 

1280, 1599 

Delpino . . . 

. . 440 

Dematei . . 

. . . 1247 

Demateis . . 

. . . 131 

Demme . . . 

. - 1665 

Democh . . . 

... 808 

Dengel . . . 

. . . 976 

Denison . . . 

. . . 1424 

Denker . 472, 

1248, 1545 

Dennig . . . 

. 655, 1297 

Dent .... 

. 944, 1444 

Le Deiitu . . 

. 633, 1279 

Depage . . . 

. 697, 879 

Deppisch . . 

. . . 433 

Derscheid . . 

. . . 879 

Destol . . . 

. . . 1251 

Determaun 

. 338, 840 

Detert . . . 

. . . 1605 

Dettmer . . . 

. . . 1671 

Dettweiler . . 

. . . 1113 

Deutsch E.-Ofen-Pest 699 

Deutsch L.-Ofen-Pest 267, - 


21 , 


Seite 

1468 
1468 
955 
1675 
988 
1466 
1673 
1544 
1116 
1638 
88 t 
698 
711 
1430 
1363 

. 658 
975 

975 

335 

97 

1512 

668 

266 

1477 

1281 

1440 

1349 

1086 

1183 

1427 

1119 

1661 

22 

1445 

549 

1398 

109 

442 


1215 

906 

749 

710 

941 

1760 


Dahms . . 
Daland . . 
Dalche . . 
Damen . . 
Dames . . . 
Dämmer . 
Damsch . . 
Dana . . . 
Danlos . . 
Dannegger 
Dannemann 
Dansauer 
Danysz . . 
Darier . . . 
Darling 
Dartigims 
Dastre . 
Dauchez . . 


521 


1144 

Deutsch W.-Wien 
Deutschländer 
Deutschmann 
Devoto . . . 

Dietrich . . . 

Dietzer . . . 

Dieudonne 512, 1385, 1456 
Dieulafov . 1121, 1147 

Dinkler \ 724, 812, 1433 

Dirksen.778 

Dirmoser.702 

Dirska.1575 

Dobbertin.1353 

Döderlein 1011,1397,1603, 
1635 

Dönitz .... 659, 977 
Doerfler H.-Regens 

bürg ..113 

AVeissen- 


LG2, 

337, 


1222, 


. 100 , 


1468 
1281 
, 922 
1185 
132 
1587 I 
163 , 
476 
753 | 
1748 , 
625 
813 , 
1280 
136 L ' 
1506 i 
1279 
17 

1439 ! 


Doerfler H. 

bürg 
Doering 
Doernberger 
Dötsch 
Dogliotti 
Doktor 
Doldris 
Dollinger 


57, 


254 

1530 

464 

301 

1544 

335 


1222, 1284 
. . . 1635 


Domela-'Nieuwenhnis 1143, 
1182 

de Domenici i . . . 
Donath J.-Ofen-Pest. 

131 

Donath J.-Wien 588, 

844, 849 

Donati. 

Dopt er. 

Doran .1404 

Dorf.476 

Domblüth-Frankfurt 1192 
Dornblüth O.-Rostock 74 


1281 

127, 

617, 

1352 

1279 


Douglas. 

Douglass .... 

Doumer. 

Dowd. 

Doyle ...... 

Draghiescu . . . 

Draghi . 

Drago. 

D rake-Brock in a nn 
Dräsche 20, 878, 977 
Dreesmann . . . 
Drohmann . . . 
Drescher .... 

Dreser. 

Dreyer A.-Kohi 12S6, 
Dreyer G.-Kopen¬ 
hagen . 

Drever AV'.-Hamburg 
lil8 

v. Drigalski 
Drohnv . . 

Druault . . 
v. Drygrtlski-!“(*rHn 
Dubelir . . . 

Dubois . . . 

Dubreuilh . . 

Dtickwork . . 

Duerey . . 
Dünschmann . 

Dürck 161, 437, 972, 
Dülirssen 263, 773, 

Duniont. 

I Dun bar 975, 

v. Dungern 677, 962, 

Dünn. 

Dupaigne. 

Duplay . '. 

Dura ute. 

Durig. 

Dyson ...... 

K. 

Easterbrook . 781, 1405 

Eb erhärt.1434 

Eberl in .... 

ICberth. 

Ebner . 

v. Ebner V.-AVien 
Ebstein 163, 161, 587, 975, 
1141, 1539, 1784 

Eccles.443 

Ecker . 91 

Edel. 1278, 1821 

Edgar. 337, 844 

Edinger 330, 718, 811, 976 
Edington . . 1116, 1427 
Edletsen 127,374,446, 826 

Eger.20 

Egger.1144 

Ehlers.1176 

Ehrendorfer . . 547, 841 

Ehrenfest. 438 i 

Ehret.135 i 

Ehrhardt . . . 233, 261 ! 
Ehrlich-Stettin . . . 264 
Ehrlich P.-Frankfurt 778 
Ehrmann 702, 1279, 1440, 
1582 

Eichel 135, 405, 426, 1201 
Eichengrün ... 1469 

Eichhorst.1670 

Eid.1317 

Einhorn A.-München 10 
Einhorn M.-New-York 264, 
905, 1147, 1243 

Einis.1795 

v. Eiseisberg ... 1320 
Eisenbartl i .... 587 

Eisenberg.1752 

Eisenmenger . . 275, 441 

Eisler.14-41 

Eider.780 

Elfstrand.546 

Eigart.13o9 

v. Eljas-Radzikowski 1255 

Ellinger.1316 

Elliot .... 787, 1468 

Elmassian.101 


262 

1012 

334 

1598 



Seite 



Seite 

Elmgren. 

91 

Fermi 1091,1278,1388,1396 

Eisberg A.-New-York 

674, 

Fernet . . . . 


785 

875 


Ferran . . . . 


1113 

Eisberg C. A.-Breslau 

262 

PYrrannini 127, 

954, 

1247 

Pdsclmig. 

1752 

Ferrerv . , 


551 

Elsner . 

842 

Fertig . . . 


1142 

Elsner Y . 

1350 

v. Fetzcr . . . . 


617 

Pilsner-Berlin . . . 

265 

PYuchtwanger . 

95, 

841 

Elzholz. 

591 

Fick. 


58 

Emanuel . 

776 

P’icker . . . . 

701, 

1637 

Emmerich . . . . 

975 

1 Fickler . 128, 

976, 

1081 

Enderlein. 

1021 

PYgaroli . . . . 


1086 

Enderlen 656, 905, 

, 973 

: Figini . 


1145 

Pingel . . 126, 840, 

1598 

Finger . . . . 


1362 

Engelhardt A.-Essen 

1233 

Finizio . . . . 


550 


Engelhardt G.-Köln 631, 
1051, 12-0 

Engelmann 1531,1707,1759 

Engert .1183 

Engstrom. 91 

Epstein A. . . 473, 878 
Epstein 8.-Prag 439, 907 
Erb 224, 811, 812, 989 
Erben 201, 840, 1141. 1716 
D’Erch ia ..... 776 

PYdheim.203 

Erdmann.879 

Erich.1466 

Erlen meyer .... 92 

Erne.1666 

Emst-Heidelberg 103, 478 
Ernst P. Zürich . . 1602 

Eseat.946 

Esch bäum.164 

Esc her. 94 

Escherich 1086, 1186, 1322, 
1133 

Esch weiler .... 568 

Esguerra.1188 

v. Esmarch . . . . 212 
Espina y Capo . . . 710 

d’Espine A.1359 

Essen-Möller .... 1388 
Esser J.-Giessen . . 352 

Esslemont. 20 

Etienne.407 

Engster.1427 

PIulenberg.399 

Eulenburg 241, 306, 1424, 
1430, 1433 


274 


Pink .... 
Pinkelstein . 
Finney . . . 

Pensen . . . 

Firket .... 
Fischbein . . 
Fischel . . . 
Flschenich 
Fischer . . . 
Fischer Alfons 
Irischer A.-Leipzig 
Irischer B.-Bonn . 
Fischer B.-Kiel 
Fischer H.-Berlin 
Irischer J -AVienll83, 
Fischl R -Prag 
Fisher . . 

Fisk . . . 

Fitz G. M. . 

Fitz R. H. . 

Flachs . . 
Flatau-Berlin 
304, 1706 

Flatau 8. - N ürnberg 
1792 

Fleiner . . 
Fleischmann 
Flesch . . 


63 

741 

1507 

1361 

1675 

1472 

1782 

1637 

178 

333 

1542 
1012 

376 

1831 

1543 
909 
563 
945 

66 

476 

300 

1011 

163, 


Eulenstein 
Evans . 
Eve . . 
Everke 


774 

844 

269 

1436 


PiVersbusch . . 1017, 1084 


Eversinami 
Evill 
Evler 


m 

1710 
1056, 1092 


Ewald 300, 406, 449, 548, 
746, 977,1022,1056, 1354 


de Fleury . 
Flexner . . 
Flick . . . 
Flint . . . 
Flörsheim . 
Floresco 
Föderl . . 
Fölkel . 
Folger . 
Kolli . . . 
Formanek . 
Fornario 
Forssmann 
v. P’orster . 
PYrt 


. 529, 1292 

. . . 202 
. . . 305 
785 


. 306, 

1442, 1783 
. . . 1315 
. 844, 1215 
1833 
17 
714 
1536 
1661 
1613 
1051 
1317 
. 842, 1012 
1090, 1581 
1320 


Ewart 

Evforth 


1444, 1506 
. . . 1312 j 


F. 

de Fabbro.1320 

Faber . . 617, 840, 1315 

Fahre.1399 

Fabris .... 450, 1602 

Fajardo.370 

Falk . . 29S, 669, 1715 

Falkenheim .... 1473 

Falta.1116 

Farnarier ..... 1014 

Faust.1088 

Fauve.1148 

Favulla.1147 

Fe<le.1323 

Feer.1473 

Fehling . . . 1434, 1651 

Kehr. 58 

Feilchenfeld . . . 262 

Fein. 1134 

Feinberg . 103, 546, 619 

Fenoglio.1282 

P'eldbausch .... 1574 
v. Fenyvessy . . . 266 

Fere.810 

Ferguson.1216 


1709 

130, 

781 


Le Fort.1218 

Foss. 592, H)24 

Fothergill.56*2 

Foulis .1506 

Fournier . . . . 1398 

Fox.1361 

Fraenkel-Heidelberg 655 
Praenkel-Nürnberg . 1516 
Fraenkel A -Baden- ß | 

weiler.1425 

Fraenkel A.-Berlin . 137, 
337, 449, 1605 
Fraenkel A.-Wien 
Fraenkel B.-Berlin 
440, 545, 551, 681. 
Fraenkel C.-Halle 948, 949, 
1150, 1356, 1780 
Fraenkel E Hamburg 30, 
163, 263, 270, 519, 555, 
897,911,1388,1669,1758, 
1834 

Fraenkel L.-Berlin . 298 

La Franca ... 1389 

Francke-Braunschw. 307 
Francke E -Berlin 298, 301 
Frank-Chicago 1281, 1352 
Frank A.-Göttingen . 163 

PYank PI.-Wien . . 438 
Frank E.-Köln 1437, 1470 
1472 

Frank F.-Köln . . . 1788 


Difitized b 1 


■V Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

























































































































































































r 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


Reite 

Krank J.-Fürth . . . 1090 
Frank O.-München . 055 
Franke .... 30, 1747 
Frankenburger . 785, 1191 
Frankenhäuser 1327, 1572 

Frankl.841 

v Fran<iu6 848, 1420, 1503 
Franz.1830 


Seite 

Gaglio . . . 1390, 1445 

Galatti.1470 

Galbraith. 23 

Galli ...... 1083 

Galli-Valerio 129, 44U, 1503 

Galliard.11*8 

I Gallois.1148 

j Gallowav.1301 

j Gangitano.1300 

Garei.1445 


Frasetto.1400 

Fredgold.1075 

Frei .1752 

Fremun.1505 

Fremont.953 

Frenkel.1314 

Frese.1748 

Frendenberg 208, 067,1056 
Freudenthal . 1468, 1508, 
1002 

Freudweiler . . 975,1010, 
1243 

Freund E.-Prag . . 698 
Freund G.-Königsberg 742 
Freund H.-Strassburg 300, 
984, 1434, 1437 
Freund E-Wien 918, 1793 
Freund R.-Frbg. 1000, 1635 
Freund W.-Berlin 1541, 
1573 

Frev A.-Raden-B. 332, 812, 
922 

v. Frey M.-Würzburg 872 
Frey er ... 815, 1403 

Frickenliaus .... 553 


Garnier . 1(0, 1014, 1249 

I Gane.500 

| Gasparino.1255 

I Gassmann . . . 474, 1389 

] Gaston.178 

j Gatta.1545 

j Gatti.746 

Gaucher . 139, 1440, 1411 

Gau pp. 91 

Gauthier.1279 

Gautier 105, 753, 785,1444 

Gay .1153 


Godlee . . . ] 
GöUell . . . 
Goepel . . . 
Göppert . . . 

dörl. 

Goschei . . . 
Gola ... 
Goldberg-Berlin 
Uoldberg B. - ] 
Wildlingen . 
Goldflam . . . 
Goldman . . 
Goldmann . 
Goldscheider . 
Goldschmidt . 
Goldzieher . . 
Golischewsky 
Gomperz . . . 
Gordinier . . 
Gorini .... 
Gotscblieh . . 
Gottlieb . . . 


Frieben .... 
Friedberger . . 
Friedeberg . . 
Friedeinann . . 
Friedheini . . . 
Friedjung . . . 
Friedländer K. . 


271, 446 
. . 055 
. - 588 
. . 1113 
. 11S2 
. . 1751 
. . 1500 


Friedländer J. - Frankfurt 
621 

Friedländer M.-Berlin 1212 
Friedmann-Berlin. . 1550 
Friedmann F.-Berlin 1353 
Friedmann F.-Wien 943, 
17*4 

Friedmann F. 1*’.-Berlin 908 
Friedmann M.-Mannheim 
123 

Friedrich Jv P.-Kiel 342 
Friedrich W. P.-Leipzig 706 
Frieser 619, 878, 1246,1709 

Fringuet.100 

Fritsch 128, 1140, 1436, 
1036 

Fröhlich. 192 

Fromm.973 

Frommei.1635 

Frommer.619 

Froriep. 309 

Frntiger.1248 

Fry.23 

Fuchs A.-Wien . . 702 
Fuchs II.-Kiel 618, 1672 
Fuchs Th.-Wien . . 405 

Fuchsig.1279 

Fuerst E-Danzig . 547 
Fürst L.-Berlin . . . 402 
Fürstner . . 023, 808, 811 

Füth. 96 

Fütterer.1244 


Gavala . . . 

Gazert .... 
Gebauer . . 

Gel »bal d ... 
v. Gebhardt 
Gebhart .... 
Gohrko .... 
Geigel ... 

Geipel. 

Geissler .... 
Ee Gendre . . 4 
Genersich . . . 
Gengou .... 
Gentes .... 
Geraldini . . . 
Gerard .... 
Gerber O. l'.-Wiei 
Gerber 1*. G.-Köni 

9 erg. 

Gerhardt C.-Berlin 
1424, 1539, 103'* 
Gerhardt I). - Stra 

bürg. 

Germani .... 
Gernsheim . . . 0' 
Gerstenberg . 124 
Gersuny ... 97 


. . 1210 
. . . 1070 

. . 1278 
. 545 
. . 1070 

. . . 808 
. . 1758 

. . 1574 

. . . 373 

. 33*, 1574 
. 407,1281 
. . . 370 

. . . 101 

. . . 1327 ! 

. . . 744 I 


Seite 

1023, 1402 
. . - 1142 
. . . 09* 
. 264, 657 
. . . 1120 
- 156* 1510 
. - . 1076 
i . . 987 

Köln 

. 592,1049 
. . . 1822 
. . . 839 

. 1279 
. 25, 103 
. .1279 
. 972 
. . . 201 
.371, 1240 
. . . 337 


Gullstrand . . . 
Gunnnert . . . 
Gmnpertz . 591, 
(mmprecht 587, 
1009 

Gunning . 
Gtmsburg . . . 
Gunsett . . . . 
Gutmann . . . 
Guttenberg . . 
Guttentag . . 
Giiltmann . . . 
Guttmann E.-Brc 
Gut/.mann . . 


Suite 

. . 745 
. . 1277 
*i*9, 1639 
062, 908, 


Seite 

Hartz.513 

Hasenclever .... 1572 

Hasenfeld.1783 

Ilaskovec. 99 

Haslund.336 

Hasse.1314 

1 lasslauer.621 

Hauenschild . 146, 1074 

Haultain.1647 

Hausen . . ... 867 
Ilauser 18, 162, 655, 807, 
1069 

Hausmann . . 127, 1600 

Hawkins. 22 

Hawthorn.1024 

liaynes.879 

Hecht A.1184 

Hecht A.-Beuthen621, 1830 
Hecht A.-Wien . . . 515 




1315 

Habart . . 

.813 

liecht H.-Münehen . 130, 


333 

157', 

Haberda 

... 438 

552, 946, 1240, 1508 



20 

Haberkant 

. 1073 

Hecker . . . 

1132, 1610 

24, 

?98, 

12*0, 

Habs . . . 

1044, 1789 

Heddaeus . . 

... 745 

*1 



Hache . 

... 1217 

I-legar .... 

. . . 1671 

A. - Bi 

Hin 

970, 

Hadenfcld.it 

.216 

Hegi .... 

. . . 618 




Häberlin 

. . . 45 

Heichelheim . 

. . . 17*4 

II.-Lire 

slau 

202, 

I laedkc . . 

. . . 1144 

Heidenhain E.- 

Worms 94, 




Haegier . . 

.... 840 

1000 



22, 

58 

Hürnig 

. 913, 1143 

1 Leidenhain M 

.-Tübingen 



550 

Ilaenel . . 

.... 770 

18, 55, 1500, 

1599, 1633 



59 

Hagcti-Thurn . . . 201 

Heil. 

. . . 1208 



1389 

IEigenbach - 

Burck- 

: Heile ... 

. . . 1603 

1049,1140, 

1599 

lnirdt . . 

.... 1389 

Heiligenthal . 

. 439, 80* 


. . 441 

rlin 1, 985, 


bürg.108* 

Germani.1514 

Gernsheim . . . 099,1627 
Gerstenberg . 1243, 1750 
Gersuny . . . 976, 1700 

Gerulanos . 233, 900, 1831 

Gessler.774 

Gessner-Berlin . . . 233 
Gessner A.-Erlangen 50, 
91, 90,139, 513, 545, 715, 
774, 841, 873, 904, 1090, 
1277, 1314, 1706, 1750, 
1783, 1832 

Gessner W.-Hallo . . 514 

Giese.1011 

Gigli . ..1749 

Gilbert 1223, 1249, 1280, 
1634, 1(3*3 

Gile.s.1444 

Gilford.1116 

Gilleain.1210 

1 Gillet .... 1361, 1439 
| M’ Gillivray .... 209 

| Giofrcdi.177 

Giordano . . 1217, 1358 
de Giovanni-Bologna 1390 
j de Giovanni-Padua G07 
j Giovannini . . . . 334 


Digitized fr, 


171* 

Gottstein I 
700 

Gowers W. 
('iradenigo 
Gradwohl 
Graef . . 


Graes er .... . 999 

Graupner.057 

Graham. 59 

Grand i er.1361 

Granier.13“0 

Grashey ...... 017 

Grassberger f 90.1032,1733 
Grassi . . 1037, 1783 

Grassmann 200, 297. 544, 
054, 097, 774, *07, 810, 
*73,973,1049,1182,1212, 
1350, 1424, 1510, 1572, 
1073,1674,1705,1704,1781 

Graul.129 

Graupner ... . 18 

Grawitz E.-( ’barlotten- 
hurg .... 103, 10* 
Grawitz P.-Greifswald 170, 
230, 338, *77, 947, 975, 
1758 

Gra/.zi .130 

Grebncr.1543 

Gregor A.-Innsbruck 619 
GregnrK.-Breslau 1087,1114 

Griesbach.1746 

Griffon.1016 

Grisson.133 

■Grober 245, 302, 847,1748 

Grün hol in.1507 

Groff .522 

Grohe . , 103,375, 650 

Gromakowsky . . . 1245 
Gross A.-Strassburg. 1088 
Gross II -Strassburg 127 
Gross O.-Breslau . . 1832 
Grosse-Halle . 706, 1149 

Grosse-Stuttgart . . 15<>2 
Grossmann ... 1350 
Grosz.1674 


Hager 132, 340, 378, 450, 
551, 744, 807, 910, 915, 
917,980,1010,1091, 1101, 
1145, 1247, 1390,1390, 
1445,1545,1613,1040,1791 
Hngnpoff 1188, 1300, 1399 
Habu-Bisehofleinitz. 099 
Hahn E.-Elmshorn . 1459 
Halm Fl.-Nürnberg . 288, 
1580 

Hahn M.-München . 413 
Halm o.-Tiil>ing<*i i94, 588, 
875, 1831 

Hahn B.-Hamburg . 284, 
0 06, 1041, 1757 


van der Haide . . . 020 

Haike ....... 1248 

Haläsz.621 

llalban . . 438, 908,1783 

Hall A. J.443 

Hall B.21 

Halle M.-Berlin . . 1245 

Halle.1577 

Halliburton 450,1110, 1405 
llallopcau . . . 3»34, 1441 

llalstead.1247 

Hamburger 472, 020, 777, 
879, 11*5 

Hamei.1243 

Hamilton ... . 59 

Handln.878 

Hammer. 94 

Hammerselilag Kö¬ 
nigsberg . . . 941, 1314 
Hammerschlag V. 

Wien . . . 1210, 1248 
Hammcsfahr . . . 1700 
Hanel ...... . 875 

Ilanneeart.175 


Heim.778 

Heine A Kopenhagen 1116 
Heine ß.-Berlin . . 1245 
Heine E-Breslau . . 97 

Heinlein . 172, 273, 713 
1021, 1151, 1191 
v Heinleth .... 899 
Heinrich ... . 12* 

Heinricius . . 13*7, 17*2 

Heinz P. R.1244 

Heinz R.-Erlangen . 17, 

213, 580, 703 

Heitler. 58 

Hektoen.1443 

Helbing.782 

Helfericb 232, 233, 376, 
900, 1069 

Hellat.130 

Helle.1184 

Hellendall . . . 059, 1752 
Heller-Würzburg 1670,1748 
Heller A.-Kiel . . . 1653 
Heller A-Nürnberg . 740 
Heller J.-Charlotten- 
burg 305,333, 1181,13*8, 
1515 

Heller L-Erlangen . 128, 
439, 587, 618, 655, 741 
775,808,1213,1243,1277 
Hell ström . . . 57, 1637 

Heipke.843 

Hemmeter .... 1188 
Henderson . . . .1710 
Hengge 19,298, 1183, 1750, 
1781 

Henke.452 

Henkel 133, 340, 419, 799 
Hennemann . . . . 1380 
Henrard.879 


Fuiinami 1143, 

1184, 1574 

Girard . . . 

. . 709 

Grote . . . 

.733 

Hansemann 270, 

1510, 

Henrici . 


891 

Fukala 


. . . 547 

Giudiceandrea 

1010, 1613 1 

Grothe . . 

650 

1637, 1710, 1833 


FI en sch en 


1049 

Fullerton 


. . . 944 

Giuffre . . . 

. . . 710 ; 

Grouven 

. . . 334 

Hansv ...... 

402 

Hensen . 

342, 1276, 

1608 

Fulton . 


. . . 1467 

Giulini . . . 

. . . 560 

Grube . . . 

. 627, 1721 

Hanszel. 

300 

v. Ilerff . 

473, 972, 

1672 

Funk . . 


. . . 842 

Glaessner . . 

... 908 j 

Gruber . . 

. . . 1249 

Hare . . . 23, 66, *44 

Herford . 

. . 1315, 

1605 

Funke . 

332 

9*4, 1601 

Glaser .... 

744,1070 ' 

Griinbaum 

1405, 1792 

H armer. 

13*9 

Herhold . 


300 

Furster . 


. . . 1317 

Glauning . . 

Grueneberg 

. 28, 1757 

Harn ach .... 057 

, 749 

Hermes . 


400 

Futcher . 


. . 00, 878 

Glax . ... 

330, 1706 

Grünwald . 

... 100 

Harnsberger-Catlett . 

379 

Hern an de? 


1219 




Glitsch . . . 

. . . 1183 

Grusdew 

. 099, 1314 

Harris. 

1405 

Heron 


1476 


O. 


| Glöckner. . . 

. *07,1353 

Grzes . . . 

. . . 1000 

Harrison A.W. . . . 

1116 

Herrensclimidt. . . . 

174 



, Gloeckner . . 

. . . 875 

Guenot . . 

. . . 810 

Harri sou R. 

780 

Herrgott 


1399 

Gabel . . 


. . . 165 

Glorieux . . . 

. . . 167 , 

v. Guerard 

1435, 1832 

Hart. 

1404 

Herring . 


1506 

Gabrilowitsch 

1389, 1512 

Gluck 60, 706, 

711, 1283 , 

Guercini 

. . . 909 

Itartmann. 

1398 

Herrmann 

E. - Berlin 

945, 

1 4ache 


. . . 126 

I Gluzinski . . 

. . . 1784 

Gilgenheim 

1020, 1611 

Hartmann-Jena . . 

1830 

1503 



Gaertner 


. . 1195 

! Glück . . . 

. . . 336 

Guiteras . . 

. 1500 

Hartmann Fr.-Graz . 

1543 

Herrmann G.-Breslau 

776 

Gaethgens 


. . .1749 

j Gnauck 

. . . 953 

Guizzetti . , 

. 346, 744 

Hartmann J.-Pfaffen- 


Hertwig . 

. . . 231, 

1391 

GafFky 

. 

. . . 1355 

! Gockel . . . 

. . . 1432 

Gulland . . , 

. . . . 138 

1 bofen. 

1110 

Hervieux 


954 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

































































































































XII 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900. 


Seite 

Herxheimer . . . . 1099 

Herz H.-Breslau . . 870 

Herz M.-Wien . 561, 1792 

Herz R.-Prag . . . 402 

Herzberg.1833 

Herzfeld A-Wien 274, 406, 
473 

Herzfeld J.-Berlin . 1278 
Hess .... 1090, 1834 
Hesse . . 333, 370, 1315 

Hessler.1248 

Heubner 60,710,1322,1473, 
1474 

Hewlett.106 

Heymann ... 19, 1761 

Heymans.1430 

Hijmans.690 

Hilbert.658 

Hildebrand .... 941 
Hildebrand R.-Frank- 

furt.1099 

Hildebrandt H. . . 1050 
Hildebrandt-Hamburg 750 
Hildebrandt-Kiel 509, 541, 
739 

Hildebrandt K.-Berlin 628 

Hillmann.813 

Hilsum.842 

Himmel.552 

Hink.1576 

Hinterstoisser . . . 1638 
Hinterberger . . . 701 
Hintnerl71, 713,1120,1792 
v. Hippel . . . 914, 1507 

Hirota.437 

Hirsch-Berlin . . .1581 
Hirsch-St. Petersburg 1748 
Hirsch-Prag .... 274 
Hirsch C.-Leipzig 996,1685 
Hirsch H.-Köln 478, 630, 
980 

Hirsch M.-Wien . . 1246 
Hirschberg . .241, 589 
Hirschfeld 200, 208, 698, 
710, 839, 1833 
Hirschkopf .... 1142 

Hirschl.1013 

Hirechmann . 444, 477 

Hirst . ..844 

Hirth.883 

Hirtz . . 710, 753, 1152 

His 587, 655, 064, 1213, 
1429, 1469 

Hitschmann .... 552 
Hitschmann Fr. 438, 1674 
Hitschmann R -Wien 137 

Hitzig.1603 

Hjelmman .... 334 
Hoche .... 811, 842 
Hochenegg 99, 345, 515 
Hochhans . . 1433, 1579 
Hochsinger . . . .1473 

Hock.878 

Hockenjos .... 657 
Hödlmoser 20, 1052, 1604 

Höher.202 

Höflmayr . . . 807, 1594 

Hönig. . . 1213 

Höniger .... . 948 
v. Hoesslin 331, 544, 774, 
930 

Höttinger.1088 

van der Hoeven . . 1504 
Hofbauer . . . 332, 588 

van t’Hoff.1391 

Hoffa 490, 698, 706,1141, 
1386 

Hoffmann-Greifswald 1758 
Hoffmann A.-Düssel- 
dorf 662, 742,1212, 1433 
Hoffmann J.-Heidel- 
berg . . 478, 812, 1649 
Hoffmann P. H.-St. 

Louis.878 

Hoffmann R.-Braun¬ 
schweig .370 

Hoffmann R.-Rostock 167 
Hofmann A.-Halle .1011, 
1052, 1244 


Seit« 

Hofmann C.-Bonn 57, 810 
1706 

Hofmeier . . . 875, 1257 
Hofmeister . 874, 1831 

Hohlbeck.873 

Hoke.1709 

Holder. 23 

Holländer 619, 630, 707, 
1115 

Holmboe.1748 

Holz. 841, 1664 

Holzapfel.1510 

Holzhäuser . 1152, 1255 
Holzknecht 402, 619, 943, 
1316, 1793 

Homa.1752 


Hornberger E. 
Honl .... 
Honsell . . . 
van Hontum . 
Hope .... 
Hopmann . . 
Hoppe J.-Köln 


. . 658 
. . 235 
94,1831 
. . 132 
59 t 

443^ 1548 
1019 


Hoppe J. M.-Ucht- 

springe. 28 

Hoppe-Seyler 342, 531, 

1579, 1642 

Hoole.1540 

Horcicka.164 

Horn.1832 

Home.1444 

Houston . . 1013, 1405 

Howard.476 

Huber A.474 

Huber J. Ch.-Mem¬ 
mingen 587, 739, 839, 
1113, 1276, 1600, 1628, 
1708 

Huchard . 521, 561, 1317 

Hübl. 235,1783 


Hübscher 

Hügel . . 

Htis8y 

Hueter 

Hughes , 

Hugouwenq 

Huismans 

Hunner . 

Hunsche 

Husemann 


93, 368 
984, 1733 
. . 1749 
271, 1019 
850, 1599 
. . 922 
. . 421 
23, 337 
. . 1563 
512 


Hutchinson 779, 945,1117, 
1444, 1506, 1675 

Huth.441 

Hutinel.1359 

Hutton ..... 1444 
Huttunen. 91 


Jablokoff.549 

Jackson .... 945, 1719 
Jacob-Marseille . . 1399 
Jacob O.-Berlin 168, 547, 
1022 

Jacob M.-Landau 
Jacobi-Freiburg . 
Jacobi-New-York . 

Jacobs . 

Jacobsohn 


Jacobson 
Jacobsthal 
Jaenicke 
Jaquet 
Jadassohn Bern 
Jägerski öl d 


1209 

630 
1321 
1320 
. . . 306 
1142, 1466 
. . . 1115 
. . 1748 
. 174 
1360 
908 


Jaff6 697, 904, 972, 1140, 
1187, 1388, 1503, 1571, 
1782, 1830 

Jahn.874 

Jakob Ch.544 

Jakob P. Berlin . . 1833 
Jakobsthal . .777 

Jaks.1707 

v. Jaksch .... 300 

Janni.873 

Japha 985,1057,1541,1174, 
1640 

Jatta.700 

Jawein.1637 


Seite 

Jayle.1014 

Jellinek .... 201, 587 

Jelly.1247 

Jemma .... 744, 810 

Jennings.177 

Jentzer.262 

Jess. 1607 

Jessen . . . 1515, 1565 

Imbert.633 

Imhofer.1543 

Immelmann .... 630 
Impallomeni .... 1613 

Impens.167 

Infeld.1604 

Ingiani.297 

Inglis.1504 

Inglis-Parsons . . . 1398 

Intze.1356 

Joachimsthal 208,630,1350, 
1354 

Joal.946 

Jochmann.782 

Jochner . . . . . . 1596 

Jodlbauer.697 

Johannessen, 299,332,810, 
1322 

Johnson.1247 

Jolles 447, 714, 849, 1313, 
1751 

Jolly.306 

Jonas.972 

Jones.1468 

Jones L.1504 

Jones Macnaughton 1405 

de Jong ..1277 

Jonnesco 1217, 1218, 1219, 
1358, 1577, 1676 
Jordan 265, 335, 700, 1244, 
1672 

Jores.1012 

Joseph .... 335, 475 
Joseph J.-Berlin 984,1219, 
1605 

Jo wett.1443 

Isaak.1761 

Israel-Berlin ... 133 
Israel E.-Berlin . . 843 
Israel J.-Berlin . . 664 
Israel O.-Berlin . . 1181 

Jünger.1213 

Jürgens.1056 

Jürgensen Chr. . . 93 

v. Jürgensen Th.-Tü- 
bingen . . . 543, 1633 

Juliusberg.553 

Jullien.1362 

Jung-Greifswald 236. 841, 
1711 

Jung-Köln . . . 557, 980 
JungF.A R.-Washing¬ 
ton . . 700, 1215, 1672 
Jungmann . . 176, 1389 

Junkers.408 

Justesen .... 93 

Justus . . ... 1440 

Jutassy.1246 

Iwanow.975 

K. 

Kaberlah.1312 

Kaefer .. 94 

Kaeppeli.1215 

Kafemann ... 1747 
v. Kahlden 61, 777, 1704 

Kahn.162 

Kahnert.1214 

Kaiser.973 

Kalabin . 95, 1707, 1751 
Kalischer 163, 590, 1711 

Kalivohäs.668 

Kalmus .... 589, 1354 

Kalt.1427 

Kammer 1115, 1118, 1572 

Kane.1468 

Kantor.402 

Kaposi II. - Heidel¬ 
berg .1143 

Kaposi Wien .371, 475 


Seite 

Kapper.300 

Karamitsas .... 1250 

Karcher.1059 

Karewski ... 95, 1761 

Karfunkel.299 

Karplus.593 

Kasem-Beck .... 873 

Kasper.711 

Kassowitz . . . 402, 1246 

Katsura.1503 

Kattwinkel . . 807, 1670 
Katz A.-Wien . . . 1085 
Ivatz L.-Nürnberg . 713 

Katzenbach .... 1247 
Ivatzensteinl470,1831,1833 
Kauffmann .... 263 
Kaufmann . . . . 475 

Kaufmann C -Zürich 1279 
Kaufmann M.-Frank¬ 
furt .1733 

Kaufmann O.-Hüsten 513 
Kayser .... 874, 1705 

Kedzior.514 

Keegan.1709 

Keen . . . 1319, 1468 

Kehr 162, 181, 666, 705, 
720 

Kehrer E. . . . . . 1570 

Kehrer F. A.1225 

Keiler.1086 

Keith. 21 

Keitler.1636 

Keller A.-Breslau 57, 1597 
Keller C.-Köln 479, 1220, 
1545, 1518 

Kelling . . . 1161, 1671 
Kellner . . 58, 592, 1641 
Kelly A. O. J. . . . 476 
Kelly H. A. . . 337, 1468 

Kemp.476 

Kendirdy.1647 

Kentmann.473 

Kenwood.1405 

Kerr. 443, 1710 

Kerschensteiner 127, 163, 
201, 332, 588, 840, 1142, 
1502 

Keschraann .... 1215 

Kiefer.837 

Kienböck 752, 1581, 1612, 
1792 

Kieseritzky .... 1354 
Killian 112, 154, 401, 742 

Kirne.634 

Kimura.842 

King. 337 

Kionka.1088 

Kirch.942 

Kirchgässer . . 589, 646 

Kirchhoff.623 

Kirchmayr .... 1638 
Kirchner-Berlin . . 24 

Kirchner-Mülheim . 1022 
Kirchner H.-Bamberg 1532, 
1720 

Kiriak.1398 

Kirmisson.296 

Kirsch .... 104, 1714 

Kirste. 751, 784 

Kirstein A.-Berlin . . 1572 
Kirstein Fr.-Giessen 1542 
KirsteinG.-Königsbg. 1502 
Kisch . . 332, 702, 1427 

Kisskalt. HO 

Kissling.897 

Kister-Hamburg . . 1054 
Kister-Kiel .... 1118 

Kistler.634 

Klaatsch . . . . 1441 

Klapp.513, 794 

Klaussner.1350 

Klebs.1688 

KleinE.-Londonl245, 1542 
Klein G.-München . 1426 
Klein K.-Giessen 651, 929 

Klein S.-Wien . . . 878 
Kleinschmidt ... 55 

Klein Wächter . . . 2426 
Klemperer 711, 781, [985 


Seite 

Klett.370 

Klingmüller ... . 976 

Kluczenko.1504 

Klüber .1416 

Klyneus .1114 

Knap.1504 

Knapp H. . . . 744 

Knapp Ph. C. ... 844 
Knapp L.-Prag . 586, 1636 

Knauer.618 

Knich.1467 

Knöpfe Im ach er . 58, 1574 

Knopf.1113 

Kobert .... 172, 1614 
Koblanck 96, 1503, 1574 
Kobler . 547, 702, 977 

Kobrak.1388 

Koch C.-Nttrnberg 480,1580 
Koch E.-Aachen 855, 13fc0, 
1427 

Koch J.-Greifswald . 1712 
Koch M.-Berlin . . 876 
Koch R. Berlin 234, 263, 
912, 1612, 1784 
Kocher . 514, 591, 1086 
Kockel .... 53, 343 

Koebel.262 

Köbner.547 

Köhler.697 

Köhler F.-Jena 63,655,757, 
1243 

Kölliker A.-Würzburg 55 
Kölliker Th.-Leipzig . 53 

König F.-Berlin 203, 209, 
629, 656,1013,1050,1387, 
1673 

König R -Bern . . . 1601 
König W.-Dalldorf . 809 

Königer.907 

Könitzer.1387 

Koeppe.1242 

Körner . 621, 1248, 1287, 
1288 

Körte.629 

Köster.1748 

Kövesi .... 264, 547 

Kofmann.1114 

Kohlbrugge .... 1574 

Kohlhaas.1255 

Kohlhardt.587 

Kohn H.-Berlin 25,26,103, 
136, 137, 168, 209, 270, 
3(6, 337, 338, 372, 407, 
449, 481, 521, 672, 711, 
753, 782, 845, 882, 910, 
936, 1515, 1518, 1550, 
1581, 1605, 1641, 1761, 
1762, 1833 

Kohn J.-Berlin . . 1115 
Kohnstamm .... 905 


Kohts . 
Kokoris 
Kolb . 
Kolbe . 
KoliBch 
Kolischer 
Solle 
Koller 
Kollmann 
Kolster 
Koltze 
Koplik 


1152, 1719 
. . . 1215 
.655, 740 
. . . 1277 
. 58, 704 
. 699, 1747 
... 135 
... 742 
592, 1287 
... 129 
. . . 1351 
1247, 1361, 1751 


Kopp 336, 553, 741, 1010, 
1182, 1213, 1242, 1662 
Kopytowski .... 334 

v. Koranyi.625 

Kom. 657 

Kornfeld . . . 1366, 1762 

Korteweg.620 

Kossel A.1423 

Kossel H.263 

Kossmann . 57, 313, 394, 
841, 875, 1425, 1541 

Kostjamin.1707 

Kothe.482 

Kotowtschicoff . . . 127 

Kottmann.1184 

Kowarsky . . 909, 1708 

JKraemer C.-Cannstatt 1366 


Digitized b' 


■V Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

























































































































































































1900. 


Seite 

Kraemer O.-Gräfenberg 

1238 

Kraepelin . . . 367, 811 
v. Krafft-Ebing 590, 1011, 
1116 

Krajewska.1709 

Kramer . . . 1600, 1831 

Krantz.903 

Krapf.355 

Kraus-Paris .... 551 
Kraus H.-Prag . 663, 779 
Kraus K.-Wien . 164, 907 
Krause C.-Jena . . 1119 

Krause F.-Altonal69, 339, 
519. 554, 555, 657, 669, 
706, 749, 1019, 1143 
Krause F.-Berlin . . 1219 
Krause P.-Hamburg 207, 
263, 975, 1246 
Krause P. F.-Vietz 263,370 
Krause R.-Berlin 91, 232 

Krebs.876 

Krecke 42, 94, 189, 201, 
261, 298, 513, 656, 906, 
974, 1011, 1050, 1142, 
1214, 1351, 1352, 1387, 
1463, 1502, 1671, 1831, 
1836 

Kredel .... 233, 1352 

Krehl.19, 1540 

Rreibich . . 336, 552, 553 

Kreis.1050 

Kreisch .1086 

Kretschmann. . 134, 404 
Kretz . . 475, 1762, 1784 
Rreuser . 622, 812, 1673 
Kreutzmann .... 1782 
Krevet . . . 1352, 1781 

Krewer.200 

Krey.1210 

Krieger-Heidelberg . 381 

Kjrjukoff. 202 

Krocker.1182 

Krömer.1453 

Krönig B.-Leipzig . 1, 95, 
263, 710, 841, 1004,1284, 
1422, 1541, 1673 
Krönig G.-Berlin . . 481 
Krönlein .... 594, 666 
Krohne ..... 1638 
Krokiewicz 700,1184,1467 
Krompecher . 1353, 1707 
Krukenberg .... 172 

Kröger.204 

Kralle.747 

Kruse .... 1191, 1428 

y. Kryger.1090 

Krzyszkowski . . . 1314 
Kudriachoff .... 699 

Köhn.1333 

Kühnaii.845 

Köhne.1011 

Kümmell 403, 589, 592, 
665, 1515, 1525, 1757 

Kürsteiner.1543 

Kürt.1639 

Küster B.-Berlin . .1671 
y. Knester- Berlin . . 201 

Köetner .589 

Köttner 94, 523, 588, 1832 
Kahn-Cassel .... 1425 

SSZ; Z 

Kakala . 

Kuntze . • 975 

Karimoto . - • 

Kan - -. 

IST“. : : •>*>«• 

Kutner . * • 

Kutscher • • Ö 07 1 Sa 

Kuznitzky . • • 939 

L. 

. .1282 

.. 13 °* 

Laborde. . 105,242,1121 
Lacher F. 60,337,879,1248, 
1468, 1604 


8eite 

Lacher M.1604 

Lachmanski .... 369 

Laitinen.1315 

Laman. 522 

Lambertz.368 

Lambotte.101 

Lamhofer . . ... 253 

Lampe. 94 

Lancereaux . 1222, 1444 
Landau L.-Berlin 1636,1708 
LandauR.-N ürnberg 87,480 

Landolt.307 

Landorezy . . . 708, 1222 

Landow.1470 

Landsteiner .... 514 

Lane.943 

Laug 714, 909, 1284, 1361 
de Langö C.-Ztlrich . 104 

Lange F.-München 296, 
486,917,1350,1386 
Lange J.-Leipzig 37, 592 
Lange L.-München . 862 
Langemak 375, 1466, 1644 
Langhans.473 


I NHAL TS-VERZEICHN1SS. 

Seite 

Levi.548 

Levin.1581 


xin 


370, 

701 
307 

481 
1141, 1502 
261 
840 
130 
1086 
701 
778, 


Langmann 
Langovoy . . 
Langstein . . 
Lannelongue 
Lannois . . . 
de Lannoise . 
Lanz .4 
Lapinsky . . 
Laplace . . . 
Laquer 


. . 1386 
. . 1748 
. . 1184 
. . 668 
100, 1317 
709, 1424 
!, 843, 973 
. . 439 
. . 59 

812 


Laqueur . 978, 1050, 1756 

Lartigau. 59 

Laschtschenko . . . 907 

Lasnet ..... . 1224 
Laspevres . . . 545, 1670 
Lassar 672, 697, 984,1439 
Lassar-Cohn .... 973 

Latzko . . . 1355, 1680 
Lauenstein 93, 270, 340, 
501, 1502,1578,1635,1759 

Lauk.1345 

Laval .549 

Laveran.954 

Laves . . . ... 1339 

Lazarus.164 

Lobby. 66 

Leber.1366 

van Leersum E. C. . 132 

Lefas.100 

Legros.1152 

Leguen.1647 

Lehmann 264,333,399,440, 
514,546,983,984,1242, 
1350,1351 

Leichtenstern . . . 535 

Leick.237 

Lenel.621 

Lengemann . . 58, 1182 

Lengnick.380 

Lenhartz 30,295,1669,1834 
Lennander .... 1506 

Lenni ..704 

Lennhoff.704 

Lenoble.1281 

Lent.432 

Lenz.1279 

Lenzmann 515, 516, 1057, 
1432, 1753 

Leo. 543, 1572 

Leopold 19, 298, 401, 1397, 
1749 

Lepsius.942 

Lereboulletl121,1223,1683 

Leredde.715 

Lermoyez . . 1327, 1508 
Leroux .... 954, 1360 

Leser.232 

Lesser331,1242,1362,1572, 
1603,1640 

Leasing.169 

v. Leube . . . 741, 1120 
Leutert .... 621, 1329 

Leuw.591 

Ldvai .... 1086, 1246 
Leven.1014 


Levy E.-Strassburg 
439, 976 

| Levy W.-Berlin 
Levy-Neuhofen . 
Levy-Dorn . . 164, 

Lewandowsky 
Lewerenz . . 

Lewi .... 

; Lewin L. . . 
i Lewin C.-Berlin 
I Lewin E.-Berlin 
! Lewin L.-Berlin 545, 

I 1604 

1 Lewis.1216 

! Lewison.779 

j Lewkowicz.402 

j v. Lew’Bchin .... 1313 

1 Lewtas.1710 

, Lewy .... 034, 1184 

Lexer .... 706, 1671 

1 v. Leyden 92, 133, 136, 

1 521,672,1581,1678, 1679, 

1762 

j Libmann .1426 

! Lielitenauer . 656, 1352 

! Lichtenstein A.-Mön- 
! eben 202,369, 699, 

! 906, 1114, 1352, 1751 

I Lichtenstein-Neuwiedl751 
1 Lichtwitz . 130, 551, 946 
i Liebe 545, 776, 1425, 1571, 
j 1749 

1 Lieberraeister . . . 440 

! v. Liebig ■.608 

1 Lieblein . . . 1182, 1466 
| Liebreich 978, 1856, 1357 

Liepelt. 19 

I Liepmann.1354 

Liermann ..... 94 

Liesau.809 

Limnel.473 

Lindemann E.-Ham¬ 
burg .522 

Lindemann L.-Mün¬ 
chen . . 587, 807, 1670 
Lindemann W.-Mos- 

kau.1012 

Lindenthal . . 438, 1674 

Lindfors . . . 841, 1503 

Lindner H. . . 203, 974 

Lindner K.874 

v. Lingen.298 

Linkenheld .... 923 
Linser . . . 966,974,1831 

v. Linstow.1603 

Lipowski.1637 

Lipowsky . . . . 809 

Lipmann-Wulff 1581, 1679 
Lippmann-Berlin 137,1711 
Lippmann-Düsseldorf 512 

Liscia.1390 

Littauer-Berlin . . . 1056 
Littauer-Leipzig. 64, 237 

Litten. 103, 663 

Little.1443 

Littlewood ... . 269 

Lochte . 272, 373, 556 

Lockwood.441 

Lode.109 

Löb.618 

Löffler.947 

Löhlein.1467 

Löhnberg . . .81, 474 

Loeper . 1317 

Löw r enbach 474, 942 
Loewe nfeld 472, 1095 
Löwenstein .... 589 

Löwenthal.1572 

Loewi.657 

Löwit . . 658, 662, 1603 
Löwy-Wien .... 1502 
Loew r yA.-Berlinl214, 1503 

Lohmer.1602 

Lohnstein.1515 

Lohnstein H. . 845, 1683 

Lohnstein R. 58 

Lohnstein Th. . . . 1385 


Seit« 

Lohsse . 1644 

Loison . . . 1251, 1280 

Lomer.544 

Longard 1313, 1471, 1472 

Longhurst.1506 

Longuet.811 

Loos ..1831 

LorenzH - Wien 1470, 1502 
Lorenz W.-Ybhs . . 1604 

Lostorf er.671 

Lotheissen 871, 601, 1114 
1182, 1600 

Lovett.1247 

Loza.1518 

Lubarsch.1542 

Lublinski 552, 591, 1629, 
1751 

Lubowski.1542 

Lueae.621 

Lucas H.-Ivöln . . . 127 
Lucas-Championiöre. 1251 
Lucatello.1544 


Luce 

Lucke . . 
Ludwig G. 

heim . 
Ludwig H.-Wien 
Ludwig-Hamburg 


207, 911, 978 
. 203, 1013 

Heppen- 

1677 
1428 
133 


Lühe.546 

Lüthje .... 5S7, 1712 

Lüttgen.1665 

Luitlilen .... 336, 1145 

Luke.1507 

Luksch . . . 702,1313 

Lumbao.1278 

Lunz.877 

Lutaud.1123 

Luttinger.1426 

Luxenburger ... 48 

Luzzatto 779, 1012, 1573 

Lydston.844 

Lyon J. P.337 

91. 

Maas.1550 

Mc Adam.878 

Mc Bride.1444 

Mc Callum . . . 1216 

Mc Crae . . . 1216, 1468 
Mc Dougall .... 815 

Mac fadyan.106 

Macharg.441 

Mackenzie.1507 

Mc Keown .... 1404 
Mac Lagan T. G. . . 443 
Mc Laren . . 1117, 1674 

Mc Lean.476 

Macleod .1444 

Mc Nair Scoff . . . 1542 
Mac William .... 1506 
Mc Williams .... 1248 
Madelung . . 343, 1152 

Madlener . . 841, 1177 

Madsen.299 

Maeder.700 

Maffucci.910 

Magnus . 1501 

Magnus R.-Heidelberg 657, 
1751 

Magnus-Levy - Strass¬ 
burg .703 

Maguire.106 

Mahler.974 

Mahn .... 1327, 1508 

Maier.974 

Maillart.1832 

Maillefert .... 1237 

Malartie.1222 

Malherbe.1508 

Malkoff . . . 547, 1143 

Mally.1014 

Malvoz.101 

Manasse C.-A faltrach 800, 
1024 

Manasse P.-Strassburg 1087 

Mandl.438 

Manfredi.129 

Mangiagalli .... 1285 


Seite 

v. Mangolt.G29 

Mann.439 

Mannaberg . . 617,1187 

Mannini.1639 

Mansell-Mouliin . . 269 
Manz ...... 1466 

Maragliano 708,1145,1246, 
1425 

Marburg . . . 1088, 1709 

Marchant.378 

Marchesi . 19 

Marcinowski . . . . 1492 

Marcone.668 

Marcus.1427 

MarcuseJ.-Mannheim 93, 
124, 378, 397, 695, 1442, 
1030 

Marcuse P.-Berlin .1184 
Marechal . . 101, 1321 

Marfan . 267, 1323, 1757 

Margulies . 59, 371, 1412 

Marie.1577 

Marini .... 1282, 1613 

Marinesco.633 

Mariotti-Bianchi . . 1389 

Marischier.264 

Markl .... 701, 1707 

v. Mars.1313 

Marsden . . . • . .1116 

Marshall.1443 

Martens 93, 301, 513, 1502 
Martin A.-Greifwald 236, 
300, 947, 1301, 1705 
Martin E.-Halle . . 1601 
Martin E.-Köln 512, 1472 

Martini.1353 

Martyn. 1443 

Marx A.-N ürnberg 560,1590 
Marx H-Berlin 93, 1013, 
1088, 1245, 1388, 1671 


Marx-Frankfurt 
Marzinowsky 
Mosch ke . . 
Masius . . 
Massai ongo 
Massey G. B. 
Massoulard 
Mathieu . . 
Maticuzo . . 
Matschin8ky 
Matte . . . 
di Mattei . 
Matthaei . . 
Matthes 
Matthev 


1012 
. 1144 
. 843 
. 1249 
. 633 
. 844 
. 549 
. 1187 
. 844 
. 1015 
. 1248 
. 1278 
18, 130 
. 1746 
. 1678 


1 Mattirolo . 164, 346, 550 
| Matzenauer752, 1476,1708 
1 Matzuschita .... 1426 
I Mauclaire . . 1283, 1398 
1 v. Maudach .... 742 
I Maukowski A. . 19, 129 

Maurer.1245 

May.1670 

Mayer-Dresden . . . 1313 
Mayer G.-W ürzburg 71,877, 
1109, 1244, 1245, 1793 
Mayer P.-Berlin . 57, 672 
Mayer W.-Fürth 1090, 1607 

Mayet.954 

Maygrier.1399 

Maylard.1320 

Mayo Robsnii . . . 1188 
v. Meer . . . 1636, 1672 

Megele.546 

Meier.813 

Meinecke. 30 

Meinert. 99 

Meisel . . 235, 402, 630 
Meissei P.-Freiburg . 1600 
Melnikow-Rasweden- 

kow.1353 

. 1386 
. 1318 
. 449 
. 877 
1152 


Meitzer .... 
Menciere . . . 
Mendel-Paris . . 
Mendel F.-Berlin 
Mönötrier 


i Menge 263, 513, 789, 1284 
j Menko .... 266, 1215 
Menn.477 


Digitized b" 


■V Google 


Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


























































































































































































XIV 


INHALTS-VERZErCIINISS. 


. 743 
175G 
334 

695 

312 , ; 

301, ! 


Menz. 

Menzer . . . 157 

Merk. 

Merkel G.-Nürnberg. 
Merkel H.-Erlangen 
1012, 1353, 1303 
Merkel J.-Nürnberg 
751, 784, 1702 
Merkel S.-Nürnberg 1356, 
1394, 1396 

Merkens.298 

Merkl.778 

Merklen . 753, 12 >2, 1249 
Merttens . . . 202, 1750 

Mesce.55U 

Messerer . . . ... 726 

Metin.1577 

Metzger. 1563 

Metzner.588 

Meuuier.1147 

Meusel . . . 513, 1460 

Mewius.333 

Meyer A.-Berlin . . 1672 
Meyer C.-Ziirieh . . 97 

Meyer C. F.-Davos . 428 
Meyer E. A.-Flamburg 589 
Meyer E.-Tübingen 808, 
1144, 1708 

Meyer G.-Gotha . . 1243 
Meyer J. -Berlin . . 1708 
Mever J. -Frankfurt . 1240 
Meyer M.-Bcrlin . . 298 
Meyer M.-New-York . 476 
Meyer P.-Berlin . . 521 
Meyer R.-Berlin . . 875 
Meyer W.-Hildesheim 93 
Meyer-Kn egg . . . .1214 
Meyer Hans .... 904 
Meyer-Altona . . . 555 
Meverson . . • 86 

Mibelli.336 

Michaelis-Berlin . 703 
Michaelis G.-Berlin . 546 
Michaelis G.-Miinch. 605, 
1600 

Michaelis L.-Berlin . 753, 
1550, 1581, 1605 
Michaelis M -Berlin . 474 
Michaelsen .... 401 
Michailowskv . . . 1218 j 
Michaux . / . 1149, 1217 
v. Michel J.-Berlin . 853, I 
1016, 1507 | 

Michel-Paris . . . . 1188 j 
Micheli .... 164, 346 
Middendorp .... 1318 

Mignon.1283 

Migula .398 

Miller.268 

Milo ...... 1313 

Mincroini.1149 

Minervini . . 201, 1575 

Minkowski.662 

Minne.1675 

Mintz.1144 

Mirabeau . . 438, 1314 

Mircoli 514, 910, 1246,1247 
Miura .... 128, 1427 

Miyamato.1115 

Mock. 273, 932 

Moczutkowski . . . 1719 
Model . . 157, 1081, 1739 

Modica.1247 

Moebius . 99, 1241, 1314 

Moeli. 162, 624 

Modler A.299 

Möller M.1008 

Modler A-Belzig 775, 1114 
Möller G.-Greifswald 1088 
Mönkemöller .... 1673 
Mohr L.-Berlin . . 1427 

Mohr M.-Ofen-Post . 475 
v. Monakow .... 812 
Monconge ... . 552 

Mond. 1230 

Mongour . . . 408, 1327 

Monro.1112 

Monti.1322 

Moor.1283 


Seite ; Seite 

Moore. 59 

v. Moraczewski 200, 1114 

Morano.1639 

Morax. . 97 

Morgan.1505 

Morgenroth . . . 778, 908 
Morestin 1218, 1279, 1284, 
1319 

Morian. 1766 

Morishima K. ... 19 

Morison.1116 

Moritz 509, 611, 774, 993 
Moro . . 235, 1087, 1573 
Morpurgo . . .877, 986 
Morris H -London 165,1710 
Morris R. T.-Ne w-York 1216 


7K2. 


. . 1215 

175, 210 

. . 262 
270, 443, 517 
1114 
1572, 1581 
. . 1516 
707, 1830 
. . 1706 
.21. 1675 
. . 1614 
. . 1576 
. . 1359 
. . 203 
. . 21 
621,1168, 

. . 1575 
656 
872, 

842 
1059 
1088 
1762 
96 
232 


Morse 
Mosbacher 
Moser . . 

Moses . . 

Mosler . . 

Müsse 

Mosso .... 

Most .... 

Moszkowicz . 

Mott. 

Moty .... 

Mouchet . . . 

Moussous . . 

Moxter . . . 

Movnihan . . 

Muck 130, 620, 

1732 

Mühlmann . . 

Mühsam . . . 

Mueller A.-München 
1750, 1783 

Müller F. 

Müller II. 

Müller F.-Basd . . 

Müller F.-Berlin . 

Müller F.-Freiburg 
Müller Gg.-Berlin . . 
Müller H.-Uchtspringe 27 
Müller J.-Beckenried 1380 
Müller J.-Wiirzburg . 20, 

546, 657,10-8,1125,1751 
Müller J.-Erlangen . 1769 
Müller L. R.-Erlangen 522, 
584,590, 973, 1011,1047, 
1084, 1315 

Müller O.-Hirschberg 1674 
Müller P.-Dresden . 1387 
Müller P.-Graz . . . 1707 
Müller R.-Berlin . . 591 
Müller R -Hamburg . 318 
Müller W.-Aachen . 163, 
1472 

Müller W.-Leipzig 304, 707, 
1608, 1643 
Müller-Berlin . 

Mugdan . . . 

Muhlig . . . 

Mulder . . . 

Mulzer . . . 

Munson . . . 

Munter . . . 

Murphy . 

Murray F. W. 

Murray G. . . 

Murray L. . . 

Murray R. W.-l. 

pool . . 

Murray W. 

Murri . . 

Muscatello 
Musser 
Muskat . 
v. Mutach 
Muus . . 

Mazzotti . 

Mya . . . 

Myers . . 

Mygind . 

Mysch . . 

N. 

Nadoleczny . 907, 1249 

Nägeli 701, 836, 1243, 1245 


1541 
942 
221 

132 
1540 
1467 
1708 

1358 
1117 
1505 
1505 

ver- 

269, 442 
442 

550 
1303 
1216 
1749 

976 
163 
378 

1359 
1315 

551 
233 


1255, 


Soiti* 

Nagel. 55 

Nagelschmidt ... 96 

Nakanishi 187, 080, 842, 
I 1427 

i Nanu 1219, 1283, 1319, 
| 1320, 1321, 1398, 1677 

Napp.334 

Narath .203 

Nassauer . . 221, 1832 

Nathan.334 

Nattan-Larrier . . . 1360 
Naunyn . 135, 405, 1393 
! Nawrateki . . 1011, 1224 
I Nebdthau 439, 1254, 1712 

| Neck.1502 

Nedjelsky.1012 

Nehrkorn . ... 1372 

Neisser A.-Breslau . 1476 
1781 

Neisser E.-Slettin . . 1214 
Neisser M.-Frankfurt 1261 
1784 

Net er.1574 

Netter 921,1188, 1359,1360 

Neubauer A.1543 

Neubauer 0.546 

Neubauer Th. . . .1709 

Neuberg.1762 

Neuberger.336 

Neuburger . . 1273, 1610 
Neu fehl . . . 266, 1388 

Neugebauer F. -Mührisch- 

ostrau.1389 

Neugebauer Fr.-Warschau 
741 

NeugebauerT.L.-Warschau 
KL 5 

Neukirch 560, 1715 

Neumann E . 1050, 1636 

Neumann F.1389 

Neumann Jul. . . . 438 
Neumann-Halle . 1671 
Neumann Reinerz . 1718 
Neumann A. E. Berlin 400, 
1601 

Neumann H.-Berlin . 653, 
1605, 1640 

Neumann J.-Wien . 548, 
1612 

Neumann M.-Strassbnrg 
812 

Neumann R. O.-Kiel 96, 
336, 546, 590, 700, 778, 
887,907,1013,1051,1315, 
1354, 1388, 1542,1603, 
1637, 1707 
Neumayer . 

Neusser . . 

Neustatt er 
Neve . . . 

Nichols E. H 
Nichols J.B.AY 
ton . . 

| Nicolai 
! Nicolaier . 

| Nicoletti . 

Nieolle 
Nied . . 

Niehues . 


Seite 

Nove-Josserand . . . 1014 


Novv. 

1277 

Nut fall . 

337 

O. 


Übermüller . . . 

1012 

Oberndorfer . . . 

1114 

Oberst. 

1347 

Obersteiner . . 

872 

Obrastzow . . 700 

1672 

Ochsner . 

1427 

O’Conor .... 22 

945 

v. Odenius .... 

103 

Oehler. 

1823 ; 

Oeh 1 Schläger . . . 

lou ! 

Ölberg . 

634 ! 

Oestreich 845, 942 

1352 ; 

Ogata. 

1278 1 

Ohmann-Dumesnil 

1192 

Oldtield. 

1105 S 

Ollier. 

1251 

Olshausen .... 

666 

Onodi. 

130 ! 

Opitz ..... 

262; 


Opp 
Oppenheim 
Oppenheim II 
Oppenheim I, 
Oppenheimer 
Orbuch . . 
Orgler . . . 
Orlandi . . 
Orth .... 
Orthmann . 
Ortner . . . 
Ortowski . . 
Osler . . . 
Ostermaier . 
Ustermann . 
Osterwald . 
Ostmann . . 
de Ott . . . 
Ott-Odcrherg 
v. Ott-Petersburj 
1750 

Ott Fr.-Wiirzhur 

965 

Ottolenghi . 
Overlacli . . . 
Owen .... 
Oxel .... 
Ozarkiewicz . 


Berlin 

-Basel 


729 

514 
370 
620 
1 175 
553 
1711 
550 
1181 
128 
1746 
1142 
1468 
1695 
517 
1751 
1500 
1286 
. . .1670 
841,1050. 


621, 

1285, 


455, 928, 


100 , 


1315 

1635 

1504 

522 

264 


P. 


Ni essen . . 
van Nissen 
Nissl . . . 

I Nobecmirt . 

! Nobl . . . 

; Noble Ch. P. 

! Nocoladoni 

I Noe. 

' Noebel . . 

| Nölke . . . 

Noesske . . 
i Nonne 28, 21 
1 v. Noorden 0. 
furt . 
v. Noorden W 
1 eben . . 

Noriega . . 

' Normann 
J Norris . . . 

I v. Notthafft 


. . 349 

. . 627 

873, 1312 
. . 1710 
. . 1216 

nshing- 
. . ". 59 

. . . 1760 
. . . 162 
. . .1149 
. . . 267 
. . . 1013 
1471, 1472 
. . . 1255 
. . . 1440 
812, 1428 
. . . 1280 
. . . 1440 
. . . 337 
. . . 1050 
. . . 1783 
... 474 
140, 545 

874, 905 
0, 749, 1667 
Frank- 

. . . 1783 
.-Mim- 

115, 323, 756 

. 1284 
. 268 
. 337 
. 774 


Pabedinskv ... 1750 

Pabst . . '.908 

Paekard . . . . .1216 

Paessler ... 480, 1287 

Paffrath.820 

Page.269 

Pagcl. 739, 1113 

Page n s t c ch e r E. • Wi e s - 
baden . . ... 572 

PagensteeherF. Elber¬ 
feld .1354 

PagenstecherL.-t )sna- 

brück.202 

Paine.1683 

Pd. 264, 1582 

Palleske.1313 

Palm. 1277 

Palmer.1116 

Paltauf.805 

Panech.619 

Pank.1709 

Pantaloni.162 

Paoli.744 

Papadakis . ... 1517 

Papasotiriu .... 1381 

Papillon .... 709, 1317 

Pappenheim A.-Königs¬ 
berg ...... 831 

Pappenheim A.-Berlin 876, 
1087 

Papst.1471 

Parcel le.1551 

Pariser.305 

Parisius. 28 


1900. 


Seite 

Parker. 

1504 

Parreidt. 

743 

Passin i. 

1504 

Paste au. 

954 

Pa ster. 

1113 

Patella. 

709 

Pattin. 

1405 

Paul 968,1006, 1038, 

1075, 

1541, 1783 
Paulesco . . 1317, 

1836 

Pauli. 

849 

Pan Isen . . . 1209, 1597 

Paunz . 

878 

Pause . 

57 

Paviot. 

100 

Pauloif ...... 

1439 

Pawlowskv .... 

700 

Paver .... 95, 

707 

Pavne . 

1403 

Pavr 233, 1184, 1502,1725 

Pearce . 

1247 

Pech kranz. 

99 

Peconi . 

1613 

Peham. 

95 

Peiper. 

63 

Pel . . . 127, 626, 

1088 

Pelicelli. 

1613 

IVlnar. 

235 

Pcls-Leusden . 3<)1, 

, 656 

Pendl.-448, 

, 844 

Penibres. 

746 

Pensuti. 

909 

Pcnzoldt 1635, 1669, 

1746 

Pdraire . . .1218, 

1577 

Perez. 

549 

Pt • ritz. 

225 

IVrnice Frankfurt 
1352, 1750 

Perrim. 

1440 

Perron cito. 

1327 

Persona li ... 

550 

Perthes . 237, 906, 

1020 

Pcstalozza. 

1285 

Peters. 

360 

Peters IT. . . . 234, 

903 

Peters C. Dresden 95, 1163 

Peters J. C.-Aachcn 
Petersen-Heidelberg 

463 

705, 

881, 1358, 1470 

Peteraen Ch.-Kiel 

1787 

Petit. 

1398 

Petri. 

1144 

Petrucci. 

1613 

Petruschkv . . . . 

708 

Petterssen. 

877 

Pezzolini. 

1390 

Pfalz. 

98 

Pfaundler. 

1323 

Pfeiffer L.-Rostock . 

561 

Pfeiffer L.-Weimar . 

1312, 

1781 


Pfeiffer R.-Königsberg 658 

Pflüger . 

1465 

v. Ptlugk. 

745 

Pförringer. 

975 

Pforte. 

1574 

Pfuhl A.-Hannover 

369, 


1575 

Pfuhl E.-Berlin 263, 1388 
Phelps . 275, 1307, 1403 
Philippi 106, 175, 450,522, 
562, 786, 815, 1023 


Philippson 

Philippsohn 


787 
1501, 1638 
. . 1516 

128 
874 
475 
1670 
778 


702, 


Phisalix 
Piccoli . . 

Pichler 
Pieiardi . 

Pick-Prag 
Pick A.-Prag 
Pick F.-Prag 300, 702, 840, 
1011, 1250 

Pick L.-Berlin 270, 618. 

781, 809 

Picque . 1279 

Pierallini . . . 200, 1184 

Piering. 438 

Piffl.173 

Pigeaiul.1573 


Digitized b' 


■V Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 















































































































































r 


... 475 
785, 1399 
808, 941 
633 

. 552, 553, 876 
. 1352 
. 87 

. 779 
. 909 


1900. 

Seite 

Pilcz 
Pinard 
Pincus 
Pini . 

Pinkus 

Pinna-Pintor . 

Piorkowski . . 

I'irone .... 

Pisani .... 

Piscliinger 126,297,437,617, 
18:30 

Piza.1515 

Placzek . . . 975, 1144 

Place.442 

Plato.1227 

Plattner.588 

Plaut .... 402, 978 

Plechl.707 

Plehn.1579 

Pionski.753 

Pluder.519,1757 

Plucker . 1363 

Poduschka.657 

Podwyssotzki . . 234, 810 

Poensgen . 1386 

Pohorecky.618 

Pokitoneff.549 

Polacco.1544 

Polak.1185 

Polano .1782 

Poljakoff. 58 

Pollak E.1145 

Pollak J.-Alland 164, 943 
Poncet . . . 175, 815 

Ponfiek . 126, 474, 1473 

Pope8Ciil ... 941, 1183 

Poppert . . . 329, 1111 

Porak .... 1393, 1399 

Porcile.1639 

Porges .... 514, 976 

Port G.-München 200,1142 
Port K.-Nürnbg. 1611, 1625 

Porter.1468 

Portucalis.1114 

Posadas.1014 

Posner 709, 1115, 1278, 
1603 

Posselt .... 99,1276 

Potain.954 

Poten .... 1214, 1781 

Potte vin.101 

Pousson.815 

Poynton.1683 

Powell.660 

(d’Arcy) Power ... 21 

Pozzi ! . . . 1358, 1397 

Pratt.1467 

Prausnitz.1394 

Preble.1215 

Predtetschensky . . 840 

Preindlsberger . . . 878 

Preiss E -Kattowitz 19,400 
Preise O.-Olgersburg 1086 
Preobrasliensky . . 590 

Prettner .... 234, 975 

Pringle .779 

Probst.808 

Prochaska .1670 

Prochownik 374, 749, 784, 
911, 1093 
Proebsting . 

Prölss. . • 

Prokess . . 


INHALTS-VERZEICHNIS«. 


XV 


Quincke.1579 


Quine . 


879 


j Rabinowitsch 619, 942, 976 

I Rabitsck.1709 

| Racovieeanu - Pitesci 1149 
v. Rad 480,559,1020,1080, 
1150, 1314, 1760 

Radaeli.1389 

Radzievskv 96, 98, 1278, 
1388 

Raecke.624 

Rager.1749 

Rahds.545 

Raimann . . . 131, 336 
Rambousek .... 1707 
Rammstedt 354, 874, 1050 

Rancon.955 

v. Ranke . . . 597, 1489 

lianoletti.1223 

Ransom.1674 

Ranusoine.545 

Rapmund.941 

Rapp.546 

Rasch.335 

Rathery.1280 

Rathmann.265 

v. Ratz. 1012 

Raudnitz ..... 699 

Ravaut 1152, l. ) S2, 164(5 

Ravogli.476 

Raw.1404 

Rawitz.26, 514 

Raymond.266 

Rebensburg . . . .1144 

Reber.1215 

v. Recklinghausen . 984 

Redlich.173 

Reed R.-Philadelphia 23 
Reed Ch. A.-Cincinnatti 23 

Reeve.268 

Regnault ... 1577 

Rehn.628 

Reich.1244 

Reichard .778 

Reiche . 1061, 1337, 1425 

Reichel.630 

Reichelt ..... 1316 
Reichenbach . 1(53, 619 

Reinbach.261 

Reineke 1395, 1580, 1829 
Reineboth . 163, 587, 617 
Reinecke . . ... 860 

Reiner.702 

Reisinger.666 

Reiske .1182 

Reitzenstein .... 1089 
Remlinger 810, 1279,1445, 
1646 

Renaut.753 

Rendu.174 

Rennie. 21 

Renon . 1281, 1318, 1646 
de Renzi . 709, 745, 909 

Respinger.874 

R4thi. 58 


Prowe . . 

Pros . - « 
Prutz . - 

Pryor . . • 
przedborski 
pgaltoff - - 
Pulle . . « 
Pupovac . 
Purro 


105 

1223 

387 

942 

843 

1671 

23 

1508 

1321 

1185 

591 

1278 


Putiata-Kerschbaumerl275 


Qaadflieg.W72 

Qaeirolo.bbd 

Qnfenu.378 


Seite 

Richter P. F.-Berlin . 265, 
910, 1051, 1572 
Richter W.-Kottbus . 878 

Ricketts.210 

Rigbv. 21 

Rieek 876, 947, 1086, 1442 

Riecke .1608 

Rieder . . 774, 1540, 1747 

Riediuger.1086 

Riegel A-Giessen . 1501 
Riegel W. - Nürnberg 784 

Rieger. 7, 1010 

Riehl G.1575 

Riehl-Leipzig .... 64 

Rieken.1575 

Riese .... 514, 706 


Rieth us . . 
Rindfleisch 
Ringel . . . 
Ringier . . 
i Ri sei 


1088 
129, 1121 
. . . 1641 
. . . 334 
1052, 1149 


| Rissmann 312, 1436, 1438 

v. Ritook.976 

Ritter G.907 

Ritter-Kiel.233 

Ritter-Greifswald . . 1712 
v. Ritter G -Prag . . 1639 
Riva . . . 550, 619, 1613 

Robert.1439 

Robin . . 130, 785, 1222 
Robinson . . 879, 1402 


252, 


Rey E. . 
van Rey . 
Reynes . 
Reynolds 


1508 


1361 

1613 

1280 

701 

1415 

130 

401 

911 

300, 


444 

233 

941 


Rocas . 

Rocchi 
Röchet 
Rodella 
Roeger 

Röhr. 

| Römer. 

Römer O.-Strassburg 
Römer P. - Giessen 
401, 908, 1013 
Röpke .... 319, 

Roestel. 

Rose .... 200, 

Roger .... 100, 1014 

Rogers.1542 

Rohden.905 

Rohnstehl.1115 

Rolleston . . . 165, 779 

Rolly. 460, 576 

Roioff.233 

Rommel .... 357, 1610 
Rona . . . 475, 552, 842 

Roncali.550 

Rondelli.1503 

Ronsse J.167 

Roos . . .1481 

Roques de Fursac . 1320 

Rosa.550 

Rose A.-New-York . 56 

Rose E.-Berlin 1142, 1387, 
1604 

Rosemann ... 62, 169 
Rosenbach 400, 683, 840, 
1621 

Rosenberg.1669 

Rosenberger 247, 1021,t470 
Rosenfeld G.-Berlin 1573 


| Seite 

I Rothberger .... 907 
I Rothschild D.-Soden 667, 
! 745 

Rothschild M.-Rand- 


Rothschild O.-Frkfrt. 1466 
Rothschuh .... 1432 
Kolter E.-München 79, 1385 
Roder .T.-Berlin 1213, 1504 

Rounne.955 

Roux.1357 


della Rovere 
Rovsing . . . 
Roxburg . . 
Ruata . . . . 
Rubeska . , 
Kühner 940, 
1354 


450 

201 

22 


Seite 

Sasuchin.473 

Sata . . . 708, 877, 1012 
Saul . . 

Saundby 
Savage 
Savor . . . 

Saxer . . . 

Schaefer R. . 

Schäfer F.-M Uneben 
483 

Schaefer Fr.-Strassbg. 1600 
Schaefer K.-München 17, 

398 

Seliaeffer R. . . . 1143 


. 1550 
175, 268, 1117 

.106 

... 20, 591 

.1580 

842 
243, 


1051, 


Rudin . . . 

Rudi off . . . 

Rudolph . . 

Kühl. 19 

Rüge. 700, 1052 

Ruhemann . . . 1386 

Rumiuo 954, 1016, 1317 
Rumpel 270,339,978, 1091 


. 746 

SchaefferO.-IIeidelbcr 

g 55, 

. 1759 

! 333, 697 


1353, 

Schalita. 

1246 


Schambacher .... 

94 

r , 1315 

Sehamelhout . . . 

437 

. 1678 

SchanzA.-Dresden 509, 698, 

. 1248 

707, 873, 1313, 1588 

>, 1190 

Schanz F.-Dresden . 

333 


. . . 1575 
1636, 1671 
590, 1032, 


Rumpf 
Rumpf E.-Friedriehs- 

heim. 

Rumpf Th.-Hamburg 
698, 877, 1432 
Runeberg 
Kupp . 

Rupprecht 
Ruprecht 
Russow . 

Ruzicka 
ltybalkin 
Rybiczka 
llydygier 


1243, 


1641 

1037 

133, 

778 

1350 

1143 

1508 

1406 

590 

1314 

371 

1320 


618, 1437 
. . . 1638 
. . . 234 


S. 


Ribbemont - Dessaig- 
nes .... 
Ribbert 128, 742 
1830 

Ricci .... 
Richardiere . 


332, 1244 


1211 

Rosenfeld G.-Breslau 

332, 

Salomon V.-Lausanne 1144 

100 

1204, 1277 

Salomonsohn 


1640 

1474 

Rosenfeld E. Nürn- 


Salowij . . 


1314 

1320 

berg .... 1580, 

1610 

Saltarino . . 


904 

337 

Rosenheim . . . . 

1572 

Salvolini . . 


550 

265 

Rosenstein . . . . 

201 

Salzer . . . 


1276 

1018, 

Rosenthal . . . 338, 

1708 

Salzmaim . 


368 

Rosin 201, 894, 845, 

1057, ■ 

Salzwedel . 


842 

843 

1118, 1354, 1573 


Sames . . . 


778 


Rosinski. 

57 

Samt er . . 


707 

1321 

Ross. 

1444 

Samways 


944 

, 976, 

Rossa. 

1782 

Sander . . 


623 


de Rossi. 

877 

Sandmeyer . 


1575 

1117 

Roatoski 1121, 1144, 

1245, 

Sanarelii 


668 

1360 

1278, 1369 


Sansom . . 


661 

, 945 

Rotgans .... 132 

, 620 

Sansoni . 131, 699, 

1283 

. 1675 

Roth W. 

976 

Sapelier . . 

. . 175 

, 921 

. 1285 

Roth-Berlin .... 

200 

Sarauw . . 


1210 

. 986 

Roth H.-New-York . 

879 

Sarfert. . . 

. 1.313, 

1711 

. 265, 

Roth O.-Zürich . . 

1752 

Sarwey968,1006.1038,1075 


Roth-Schulz .... 

547 

1183, 1541, 

1783 



Digitized b' 


■V Google 


Schaper . . 

Scharfe . . 

Schattenfroh 

1353, 1733 

Schatz . . . 

Schaumann 
Schauta . . 

Schech 972,16G9,1705,1747 

Schede . 1115 

Scheele.460 

Seheffer J. G. Tb. 132, 657 

Seheffer.883 

| Seheffer O.-Heidelbg. 1573 
! Seheffler . . . 757, 1278 

! Scheib A.-Prag . . 619 
I Scheib J.-Strassburg 589 
! Scheibe 472,621,916,1249, 

! 1501, 1571 

■ Schenk F.-Prag 263, 503, 
547, 1558 

Schenk P-Berlin . . 1327 
Scheube . . . . . 1634 

i Scheuer 827 

j Scheurlcn.370 

i Schiech.1508 

I Schiele.745 

Schierbeck.1542 

, Schiff-Wien . . . .1213 
| Schiff A.-Wien . . . 1243 
! Schiff E-Wien ... 918 

| Schiller.1555 

| Schilling 1038, 1354, 1457 

i Schindler.1614 

Sehittenhelm . 966, 1243 

Schkarin.1011 

Schlagintweit ... 93 

Schleich. 473 

Schlesinger H.-Wien 131, 
405, 447, 819, 1467 
Schlesinger W.-Wien 275 

Schlifka.99 

' Schlödte.264 

! Schl off er. 94 

! Schloth 132,620,118\ 1504 
Schmauch . . . 262, 777 

I Schmaus.1181 

, Schmid-Monnard . . 1441 
Schmid R.-Wien . . 1638 

Schmidt P.191 

Schmidt-Bonn . . . 1475 
Schmidt M.-Cuxhaven 233, 
298, 974, 1352 
Schmidt M. B.-Strass- 
I bürg . 343, 640, 1050 

| Schmidt W.-Hannover 656 
! Schmidt-Rimpler 1052,1278 
i Schmieden . . 1115, 1636 
i Schmilinsky . 399, 1515 
i Schinit . . . 438, 1750 

j Schmithuisen . . . 516 
Schmitt A.-München 232, 
s 383, 447, 814 
j Schmitt H.-Wien . . 1707 
1 Schreiber E -Göttin- 
I gen ... . 163, 1424 

! Schreiber P.-Magde- 
| bürg.558 


Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


Saal fehl.876 

Saarn.460 

Sabouraud.1440 

Sabrazds.551 

Sacerdotti.1087 

Sachs-Hamburg . . 1834 
Sachs H.-Berlin . . 126 
Sachs R.-Breslau . . 1467 
Sachse .... 238, 304 

Saequep^e.1279 

Sae misch 1049, 1141, 1599 
Saenger A.-Hamburg 133, 
170, 341, 374, 904, 978, 
1515, 1606 

Sänger M.-Leipzig . 972 
Sagebiel . . . 1664, 1693 

Saida.975 

Saint-Philippe . . . 1361 

Salaglii.1540 

Salge. 60, 1022 

Salimbeni.549 

Salkowski 742, 942, 1242 
Salomon H.-Frankfurt 234 
Salomon M.-Berlin . 1278 















































































































































































XVI__INHALTS-VERZEICHNIS. 1900. 

Seite I Seite | Seite 8eite Seite 


kJVJUl V/Jf VI • • • • • ... • .. U^V^lVA.XU V m 

Schroeder E.-Königs- Schramm. 20 Siredey.1318 Stepp.1612 i 

berg. 1502 Schreiber.741 SitBinsky .1314 ' Sterling. 1425 | Tändler.1581 

Schröder G.-Schörn- Scott. 23 Sittmann . 775 Stern Breslau . . . 210 i Talamon.820 

berg. 976 Scudder. 1247 Sjöbring. 265 Stern-Kassel . . . 1472 Tallqvist.840 

Schröder H.-Bonn . 1437 Secklmann . . 209, 241 Skinner. 476 Stern C.-Düsseldorf 434, Talma . . 701, 1115, 1185 

v. Schrön ..... 710 Seelig. 1638 Skorscheban . . . 438 j 1471 Tandler ....... 621 

v. Schrötter .... 545 Seeligmüller .... 1150 Skschivan .... 1426 I SternM.-Mtinchen 101,175, Tansini.954 

Schrohe. 742 Sögale.1218 Slaimer.47G 268, 306, 550, 562, 815, v. Tappeiner . . 6, 1729 

Schubert. . . 903,1760 Seggel C. 260,368,399,437, Slawvk. 942 922, 986, 1015, 1280, Taptas.1508 

Schuchardt-Stettin298,629, 774, 840, 904, 940, 973, Smit'. 1504 1286, 1324, 1362, 1399, i Tarehetti . . . 1277, 1390 

656 1010, 1017, 1049, 1141, Smith F. J. 780 | 1441, 1477, 1516, 1640, j Targett.1404 

Schuchardt F.-Berlin 1541 1313, 1466, 1501, 1599, Smith H.1710 I 1646 Tarnowskv.1362 

Schudmak A ... 1088 1748 Smith S. A. 269 i Sternberg-Berlin . . 126 Tarulla.1283 

Schücking. 657 Seggel R. . . . . 1105 Smith-Lublin .... 1443 Sternberg C.-Wien 909, Tauber.1010 

Schüle 235, 264,603, 1184, Sehrwald . . . .99,266 Smith A.- Marbach 662, ! 1388, 1602 Tavel .... 334, 974 

1277 Seibert. 473 1469 Sternberg M.-Wien . 943 I Taylor.1318 

Schüler. 742 Seifert 130, 973, 983, 1245 Smith-Noble . . . 1443 Sternfeld. 380 Teer E.-Basel .... 810 

Schüller A.-Wien . . 878 Seiffer 301, 762,845, 1088, Smits. 874 Steudel .... 390, 877 Temesvary.586 

Schüller M-Berlin 262,266, 1315 SneguirefE 18, 66, 368,1285 v. Stejskal . . .201, 840 Tendeloo.1745 

658 Seiffert .... 777, 1476 v. Sohlern. 1783 Stich.1614 Tenderich.1387 

Schürmayer .... 1434 Seitz.1313 Sokolowsky .... 1143 Sticher. 1782 Terrien.175 

Schütz 335, 573, 908, 973, Seitz C-München 193,1780 Solger. 170, 947 Sticker ... 18, 96, 941 Terrier . . 811, 1014, 1397 

1214 Seitz J.-Ziirich . . . 401 Sommer. 842 Stiassny S.-Heidelbg. 1600 Terni.1088 

Schütze . . . 126, 1013 Seitz L.-München . . 388 Sommerfeld . .369,1466 Stieda A.-Chemnitz 1542 Tesdorpf . 609, 1113, 1514 

Schultheiss .... 666 Seitz O.-München 1016,1464 Sonnenberger . . . 662 Stieda L.-Königsberg 1351 Testevint.1445 

Schultz. 58 Selberg. 1353 Sonnenburg .... 234 Stierlin .... 873, 905 Thalmann.1013 

Schultze 0.19 Selhorst. 1676 Sonntag. 1638 Stinson . . . . 177 Theilhaber 453, 834, 1325 

Schultze-Duisburg . 1470 Seligmann.1515 Le Sorel. 1320 Stintzing 544, 741, 1424, Thenen . . . 561, 619 

Schultze B.-Jena 1321,1671 Seilheim. 1464 Sorgente. 549 1669 Theodor.906 

Schultze E.-Bonn 92, 128, Selter. 1475 Sotow. 1352 Stock .. 98 Thevenot.1577 

162, 233, 330, 416, 812 Semon.130 Soubbowitsch . . . 1217 Stöcker. 1707 Thibault.175 

1753 Senator 164, 590, 708, 1088 Souligoux. 1357 Stockmann .... 1639 Thiem .1551 

Schultze Fr.-Bonn 885,1051 Sendler lu4, 1150, 1609, Soury.471 Stoeckel . . .876, 1436 Thiemich . . 130, 299 

Schultzen . . 775, 1425 1714 Soxhlet. 1659 Stöltzing . . . 219 Thierach . . . 1108, 1276 

Schulz Fr. N.-Jena .1521 Senger. 750 Spaot . 872 Stoeltzner . . . .60,299 Thiery . . . . 1251, 1320 

Schulz H.-Greifswald 957 Senn A.-Wyl . . . 1279 Spaeth . 1206 Stolper. 438 Thilo.399 

Schulz J.-Hamburg . 1143 Senn G.-Halle . . . 778 Spaethe.1144 Stolz-Strassburg 134, 343 Thöle.808 

Schulze F.-Göttingen 346 Senni. 744 Spalteholz. 18 Stolz M.-Graz . . 1636 Thorna E.-lllenau . . 1314 


Schulze-Vellinghausen 647 de Sergneux .... 19 Spatuzzi. 708 Storch . . . 877, 906 Thoma R.-Magdeburg 1749 

Schupfer.743 Serieux.1014 Spee . 1607 Strada. 1783 Thomann.369 

Schur. 1502 Serono. 1283 Sperling. 333 Stradomsky .... 1386 Thomas P. H. S. . . 132 

Schuster F.-Wien . . 843 Sersiron. 747 Spicer. 1444 Straeter. 1246 Thomas E.M.-Gladbach 976 

Schuster L.-Aachen . 1467 Sessous . . . . ■ . 1175 Spiegel. 225,976 Strasburger 533, 1314 Thomesco . . 1014, 1476 

Schwabe. 1643 Severano . . 1148, 1149 Spiegelberg 202, 940,1539 Strasser. 702 Thompson.1405 

Schwalbe E.-Heidel- Severeanu 1218, 1358,1676 Spiegler .... 552, 1440 Strassmann . . 747, 1679 Thomson J.1117 

berg .... 975, 1617 Seydel.1182 Spiller. 1468 Stratz. 262 Thomson St.7b0 

SchwalbeJ.-Berlinl36,1182, Shattuck. 1467 Spinelli. 1398 Strauch-Berlin . . . 1573 Thomson - Edinburgh 1443 

1424, 1539 Shober . . . 23, 476 Spirak. 878 Strauch-Braunschw.. 163 Thorn . . 104, 856, 1609, 


Schwartze. 1249 Shukowsky . . 699 Spitta. 778, 1542 704,908,977, 1118,1147, Thornburn.780 

Schwarz-Köln ... 631 Siber .... 904, 1276 Spitzer . 1708 1501, 1573, 1756, 1833 Thorndike.1467 

Schwarz-Leipzig 1019,1580 Sicard. 1646 Spolverini. 1577 Strauss J.-Frankfurt 331 v. Thümen . . . 952 

SchwarzF.-Fünfkirchen942 v. Sicherer. 1002 Sprengel. 705 Strauss W.-Berlin . 1781 Thumim . . . 1603, 1749 

Schwarz J.-Baden . . 977 Sick-Kiel. 906 Sprigg.1216 Strebei . . . 1052, 1719 Thursfield.1505 

Schwarz K.-Agram . 1709 Sick C.-Hamburg 170, 978 Springer.241 Streber. 952 Tibault.921 

Schwarz L.-Prag 172, 703 1641 Springfeld . . . 904, 1276 Ströhmberg . . . .1571 Tichonowitsch . . . 472 

Schwarzenbach 95, 1635, Sidler Huguenin 474, 514 Springorum .... 848 Stroganoff 5i8, 1285, 1782 Tietze . . 262, 706, 1387 

1672 Siebenmann 31, 401, 943 Ssobolow. 1574 Strohmayer . 1013, 1064 Tillmanns . . 842, 343 

Schwenter - Trachaler 553 Siebert. 1489 Stadelmann 126, 300, 587 Strübing. 62 Tilmann .... 62, 1543 

Schwertassek . . . 299 Sieberth.1426 Staehelin.1213 v. Strümpell . 1289, 1424 Tirard .1443 

Schnabel ... . 753 Siedentopf 480, 848, 1119 Stähler. 1277 Strube.1011 Tischer . . . 483, 1244 

Schneider. 444 Siebourg. 1750 Stahl.1215 Strubell . 642,664, 1008 Tittel .... 307, 1116 

Schneider F.-Rostock 874 Siegel. 1278 Stamm ... 699, 881 Struppler . . 1267, 1425 Tizzoni.131 

Schneider J .-Fulda . 58 Siegert 203, 299, 473, 657, Stapler.5»9 Struycken. 1504 Tjaden.1183 

Schneider J.-Prag . . 439 742, 1011, 1087, 1476, Stare.210 v. Stubenrauch . . 629 Tobeitz.906 

Schneider L.-Freiburg 204 1541, 1574, 1602 Starck H.-Heidelberg 1687 Sttibben ...... 1395 Toeplitz.1641 

Schneider P.-Magde- Siemerling . . 623, 842 v. Starck 376, 699, 1573 v. Stühlern .... 514 v. Török . . 336, 779 

bürg. 272 Sieur. 1283 Starke. 703 Stühlinger. 19 Toff 224, 441, 1115,1493, 

o-7i om o; o ck. __ dca o*_-f t tnät -tonn 


Schober. 1705 Sighicelli. 909 v. Stein St. 840 Stumpf M.741 Tomasczewski E. . . 299 

Schoedel . . . . 895 Sigismund. 28 Stein C.-Feudenheim 264 Sturmann. 372 Tomlinson. 60 

Schöfer.512 Silberschmidt . 658, 943 Stein L.-Wien 1576, 1708 Stutzer. 1354 Tommasoli . ... 136- 

Schoemaker . . . 589 Silberstein . . . 301,1223 Steinborn .... 734 Subbotic.512 Tonsini.1388 

Schoen .... 99, 1602 Silex .... 908, 1710 v. Steinbüchel 473, 1183 Suchannek .... 575 Tonta.586 

Schoenichen .... 1312 Simmonds 52, 237, 317, Steiner Berlin . 275, 1710 ! Sudeck . . 207, 749, 874 Torggler.438 

Scholder. 474 555, 1578, 1758 Steiner J.-Köln . . 1788 Sudhoff.1310 La Torre.1398 

Scholefield .... 781 Simon A.-Wien-Berlin 127 Steiner V.-Hagenau . 1601 Sudsuki . . . .942, 1050 Torrey.1468 

Scholl.514 Simon M.-Nürnberg Steinhardt. 784 Suleiman Bey . . . 332 Torri.1016 

Schölten. 1672 480, 1715 Steinhausen . . 589, 908 Sutherland . . 443, 1683 Torrisi.1640 

Scholtz .... 474, 1115 Simonelli. 1639 Steinschneider . . . 876 Svehla .... 545, 1476 Tostevint .... 1646 

Scholz F. . . . . . 697 de Simoni . 96, 546, 658 Steinthal . . . 251, 705 Sybel. 1353 Traina.1783 

Scholz E.-Hamburg . 152 Simpson A. R. . . . 1117 Stekel.1215 i Sykoff.1313 Trautmann F. . . . 1248 

Schorlemmer . 458, 1672 Simpson F. 337 Stembo. 843 i Syms. 879 Trantmann G.-Mün- 

Schott . . 628, 702, 943 Sinnreich. 336 Stempel.512 j Szego. 1352 chen.117 

Schottelius .... 1251 Sioli. 625 Stenger. 338 j Szili. 1543 Treitel.1761 

Schottmüller.... 1184 v. Sion. 908 Stenhouse. 269 v. Szontagh .... 906 Trendelenburg . . . 1020 

Schonte. 620 Sion-Moschuna . . . 1466 8tephan .. 620 | Szymonowicz . . . 1633 Treupel ... 718, 821 


Digitized by Go», igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





























































































































































































r 


1900. 

Seite 

Trevea . . 443, 984 », 1117 

Trias.709 

Triboulet.1281 

Triepel.339 

Tripet.1191 

Trnkii.657 

Troeli-Peterson . . . 333 
Trömner . 749, 1006, 1641 
1757 

Troitzky. 1352 

Trolard.1015 

Troller. 127, 264 

Trommadorff . . . . 413 
Trumpp . . 653, 654, 940 

Truneeek.1614 

Trunczek .1149 

Tsakiris.1439 

Tschistowitsch . . . 1015 
Tschmarke1150,1190,1191, 
1749 

Tsehudi. 20 

Tuczek.1677 

Türck.1149 

Türk S. . . . 98, 953 

Türk W.-Wien . 515, 662 

Tuffier .... 1148, 1251 

Tnnniclife.1444 

Turban. 429, 775 

Turck. 59, 1468 

Turner A. J. . 945, 1443 

Turner G. R.165 

Tuaini.1670 

Tuszkai.1386 


U. l 

Uexküll. 939 ! 

Ughetti.743 

Ugolotti. 1618 , 

Uhlenhut . . . 236, 1673 | 

Uhraa. 552 ! 

Uhthoff . . . 839, 1783 j 

Ullmann 1246, 1321, 1752 
Umber-Berlin 588, 1502 
Umber-Straasburg . . 200 

Ungar.1474 

Unna . . 553. 807, 1360 

Unterberger.513 

Urban. 750, 881 

Ury.1115, 1706 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


XVII 


Seite 

Villemin.1280 

Villy.1674 

Vincent M H -Paria . 101 
Vincent-Vai-de-Gritce 1250 

Vincenzi.700 

Vindevogel .... 1676 

Vineberg. 60 

Vinci.1445 

Virchow 57, 270,984, 1087, 
1115, 1183 

Vittodini.1145 

Vlachos.1088 

Voelcker-London . . 1442 
Völcker F.-Heidelberg 1182 
Vogel G.-Würzbg. 809, 875, 
1426,1601,1636,1672,1832 
Vogel K.-Marburg . 1353 
Vogel M.-Hamburg . 556 

v. Vogl.843 

Vogt .623 

Voigt J. ...... 298 

Voigt L.-Hambg 519,1352, 
1759 

Voinitach-Sianojentzky 

1320 

Voit 543, 655, 807, 839, 
1242 

Vold.1673 

Volhard .... 142, 1278 ; 

Volland. 634 ! 

Vollbrecht. 1086 I 

Vorster. 1678 1 

Vorstetter.1679 

Vucetic.906 

V ulpiua 103,197, 569, 698, 
707, 1141, 1313, 1319, 
1465, 1471, 1749, 1783 

W. 

Wälscli ... 475, 552 

Wagenmann 63, 272, 301, I 
375 

Wagner-Karlsruhe 589,1749 
Wagner v. Jaureek 743 


Seite 

WassermannM.-Meran 548 
v'. Watraszewskv . . 335 

Webb 755 

Webber.441 

Weber F.1706 

Weber F. P.775 

Weber-Berlin . . . 512 

Weber-Halle . 1052, 1713 
Weber H.-London 270,1216 

Webster.879 

Weehsberg .... 1261 
Wechselmann . . . 552 

Wegener . . . 301, 1502 
Weigmann-Hamburg 1118 
Weigmann-Kiel . . 1055 

Weil.1707 

Weinberger M. . . 336 

Weinberger A.-Wien 1246 
Weinlechner .... 448 

Weintraud . . . 628, 1431 

Weischer.1425 

Weiss L.744 

Weiss A.-München . 295 
Weiss A.-Wien . 336, 955 
Weiss H -Wien ... 69 

Weiss J.-Basel . . . 703 

Weiss M.-Wien . . 1543 
v. Weiss O -Sarajevo 975, 
1279, 1832 

Weiss S.-Wien . . . 777 

Weissenberg .... 1718 
Weissenberger . . . 1541 
Weissenfeld .... 1542 
Wuisz-Ofen-Pest . . 1670 


Welander 
Weleminsky 
Wells . 
Wen ekel,ach 
Wen gl er 
Werewkina 
Wernninn . 


. . 335 

. . 402 

. 1216 
332, 627 

. 1493 

. . 1352 
. . 234 


Vallas. 

Vannini . . . 1051, 

Vanzetti. 

Vaquez . 

Variot .... 174, 

Vassmer. 

Veau . . . . 1016, 

Yeiel. 

Veilchenfeld . . . . 
Veillon .... 1361, 
Veit . 472, 776, 877, 

Veraguth. 

Verceeco. 

Verworn . 

Viala . 

Vicenzo . 

Vidal-Hycres . . . . 

Vidal-Kiel . 

Vierordt . 

Viertel. 

Viilar. 

Villard. 


1576 

1145 

633 

481 

1322 

1781 

1218 

1182 

208 

1439 

1436 

1314 

1359 

1428 

1795 

1639 

1249 

618 

662 

1471 

1217 

1280 


Walbaum . . . 

-vn», UJ.O 

. . 1184 

Walcher G. • . 

. - 497 

Waldeyer . . . 

. . 168 

Waldvogel 163, 1604, 1673 

Waldstein 438 1466, 1749 

Walker . . . . 

. . 20 1 

v. Walla. . . . 

. . 776 

W aller .... 

. . 1516 

Wallerstein . . 

. . 557 

Wallis . . . . 

. 1402 ! 

Walsh . . . 

. . 1505 ! 

Walz . 

933, 1029 

Walzer . . . . 

369, 1052 

Wanner P. A. . 

. . 975 

Wanner F.-München 807. 

881 


Wappenschmidt 

. . 439 

Warburg . . . 

. . 1221 

Ward . 

. . 1362 

Warnecke . . . 

945, 1412 

Wamekros . . 

. . 1514 

Warren . . . . 

. . 1467 

Washburn . . . 

. . 106 

v. Wasiliewski . 

. . 778 

WassermannA.-Berlin 707, 

1052 



Wassermann M.-Berlin- 
München 93, 332, 698, 
986, 1056, 1057, 1086, 
1386, 1541 


Werner 63, 134, 207, 271, 
340, 404, 509, 592, 669, 
750,912,978,1091,1114, 
1606, 1642, 1834 
Wertheiin 439, 1716, ! 1752 
Wertheilnher A ,-Miinchen 
92, 1312, 1781 
Wert h ei in be r T h. - N n r n I) er g 
560 

Wesener .1468 

West .... 1443, 1710 
Westermark ... 1750 
Westphal . . . 808, 1758 
Westplialen F.-Flens¬ 
burg .298 

Westphalen H. St.- 
Petersburg 58, 2(54, 1244 

Wethered.1710 

Wettendorff .... 879 

Wetzel.1767 

Weygandt 148, 368, 1242, 
1599, 1673, 1717 

Weyl.306 

Whiting.620 

Wichmann . . . 330,1057 
Wickel . . . 249, 1708 
Widal 753, 954, 1152,1222 
1282, 1646 

Widenmann .... 168 


Wiedeburg . . 
Wiedersheim . 
Wiemann . . 
Wiener . . . 
Wiener E. . . 


. . 1541 
91, 330 
. . 1351 
. . 1464 
. . 1052 


Seite 

Wiener J.-New-York 337 
Wiesinger 30, 237, 1578, 
1757, 1834 

Wieting .... 94, 1641 
Wild bolz . • .... 512 

Wilbrandt.904 

Wilks.270 

Wille.1388 

Willerain. -882 

Wilgerodt,.1152 

Williams.787 

Williams K.1506 

Williams II. 1.337 

Williams-London . . 1443 
Williams J. W.-Balti¬ 
more . 23 

Williams F. II.-Boston 59, 
844 

Williamson R. T. 443, 1444, 
1506 

Williamson-Cvpern . 1444 
Wilma . . ’. 436, 1020 

v. Winckel 1285, 1436, 1437 
Winckler E.-Bremen 31,77 
Winckler E.-Marburg 1277 
Windscheid .... 1019 

Winkler A.1751 

Winkler F.1085 

Winkler K. 307,335, 1602, 
1637 

Winter-IIagenau . 741 

Winter G.-Königsberg 1503 
Winterberg H. 333, 546 
Winterberg J.-Wien 1428, 
1576 

Winternitz.474 

Winternitz W. ... 658 
Winternitz A.-Tübing. 333 
Winternitz E.-Tübing. 260, 
1435, 1635, 1765, 1796 
Winternitz H.-Halle . 1085 

Wintgen.1388 

Wirtz.1438 

Wisniewski .... 334 
Wellington .... 1247 
Witte ... . . 552 

Witthauer 1491,1614,1832 
Witzei 698, 810,1706, 1832 
Wölfler .... 165, 172 

v. Woerz.1314 

Wolligem utk 672,707,1214, 
1250, 1283, 1543 
Woithe . . . 1013, 1245 

Woldert.879 

Wolf-Berlin .... 1351 
Wolf W.-Lüdenscheid 766 
Wolff-Berlin .... 370 
Wolff A. -Berlin . . . 1353 
Wolff A .-Strassburg . 405 
Wolff A. -Tübingen . 1013 
Wolff B.-Berlin . 18, 618 
Wolff F.-Reiboldsgrün 747 
Wolff H.-Berlin 129 , 590, 
1013 

Wolff J.-Berlin 128 , 800, 
372, 618, 701, 1510 
Wolff M.-Berlin 270, 1051 
Wolff O.-Köln 298, 557,881 

Wolff berg. 98 

Wolffhügel E.-Mün¬ 
chen .... 808, 1409 
Wolffhügel K.-Glau¬ 
gau .1144 

Wollermann .... 1278 
Wolpert .... 440, 546 
Wood.1505 


Seite 

Woods.177 

Woodson.476 

Wormser 1373, 1601, 1636, 
1672 

Wright .... 269,1504 
Wroblewski .... 551 

Wülfing.1781 

Würz.974 

Wulff.687 

Wunderli.974 

Wunderlich . . . . 971 
v. Wunschheim 1115, 1542 

Wuth.974 

Wybauw 167, 879, 1670, 
1751 

Wvlie.844 

Wyss.974 

Yamagivu . . . 809, 1244 
Yarrow.878 

Zabe.1188 

Zabludowski ... 93 

Zabolotny.549 

Zängerle.414 

Zambaco . . 1122, 1444 
Zander . . . 242, 841 

Zamiko. 63, 946 

Zaudy 163, 809, 1144, 1354 
Zaufal.... 503, 1558 

Zeehuisen. 19 

v. Zeissl.1638 

Zeitlmann.946 

Zeltner.886 

Zen.1145 

Zengerle.890 

Zepler ... 163, 441 
Zeroni . . . 1248, 1249 

Zettnow.975 

Zeuner.1024 

Ziegler.774 

Ziehen.272 

Ziem.946 

Ziemann.942 

Ziembicki.1318 

Ziemssen.1184 

Zimmermann F. . . 18 

Zimmermann-Halle . 1831 
Zimmermann A.-Zürich 
1600 

ZimmermannE. -Strassburg 
134 

Zimmermann P.-Berlin 976 
Zimmermann W.-Osnabrck. 
1183 

Zink.912 

Zinn 57,61, 133,296, 301, 
338, 1085, 1212, 1635, 
1706 

Zollikofer.1389 

Zorn . . .1588 

Zotos.1143 

Zuckerkandl E. . . 1500 
Zuckerkandl 0.-Wien 99, 
344, 1669 

Zuelzer.1427 

Zupitza.299 

Zupnik. 20 

Zuppinger . . . 659, 1182 

Züsch.1244 

Zweifel.1398 


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3 

Original frnm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 









































































































































xvur 


INHALTS-VERZEICHNTES. 


1900. 


III. Sach-Register. 


A. 

Abdominal- und Pleuralpunction, von 

Hellendall.659 

Abdoininaltyphus s. a. Typhus, lleo- 
typhus, Unterleibstyphus. 
Abdominaltyphus, von Fitz 476, Resul¬ 
tate der Forschungen gegen —, von 
Wright 269, Demonstrationen über 
—, von Fraenkel 519, Schutzimpfungen 
gegen —, von Fullerton 944, — mit 
posttyphöser Schilddrüseneiterung, 
von Schudmak und Vlachos 1089, 
gangraenöse Dermatitis bei —, von 
Stahl 1215, Behandlung des —, von 
Musser, Anders und Packard 1216, 
Diagnose des —, von Berliner und 
Cohn 1263, operative Behandlung der 
Peritonitis bei —, von Shattuck, War- 
ren u. Cobb 1467, Verbreitungsweise 

des —, von Dräsche.1688 

Abfallstoffe, Fosses Mouras und ähn¬ 
liche Einrichtungen zur Beseitigung 
der, von Roth und Bertschinger . .1752 
Abführmittel der Aloederivatgruppe, von 

Esslemont. 20 

Abgeordnetenkammer, Finanzausschuss 

der bayerischen.307 

Abhärtung, von Kisskalt.HO 

Abkühlung, Blutveränderung in Folge 
von, von Reineboth 163, von Grawitz 
163, von Reineboth und Kohlhardt . 587 

Abnormitäten, von Saltarino.904 

Abortausräumen, Technik des, von Thorn 1790 
Abortus arteficialis, von Oehlschläger 
1011, Behandlung des unvollständi¬ 
gen —, von Fischer 1543, Chorea und 
Leukaemie als Indication zu künst¬ 
lichem —, von Merttens.1750 

Abscess, subphrenischer, von Strohmayer 
1063, von Heinlein 1151, von Godlee 
1402, von Krohna 1638, metapneu¬ 
monischer — mit dem Diplococcus 
pneumoniae in Reincultur, vonRoeger 
1415, Behandlung von — mit reiner 
Carbolsäure, von Phelps 1307, von 

Jochner.1596 

Abwasser, bacterielle Behandlung der 

Londoner, von Clowes.816 

Acardii und ihre Verwandten, von Schatz 

368, 618 

Acardius, von Wolff. 18 

Aceton, Entstehung von, aus Eiweiss, 
von Blumenthal und Neuberg . . .1762 
Acetonausscheidung, von Schwarz 703, 

von Voit.807 

Acetonglykosurie, von Buschhaupt . . 657 
Acetonurie, von Waldvogel 163, puer¬ 
perale —, von Schölten.1672 

Acetopyrin, von Winterberg und Braun 1428 
Achillessehnenreflex, Fehlen des, von 

Strasburger.1314 

Achondroplasie, von Porak und Durante 
1398, — im Kindesalter und beim 

Erwachsenen, von Marie.1577 

Achsencylindertropfen, von Neumann . 1050 
Achylia gastrica, von Meyer 521, 672, 
Pepsinfrage bei — gastrica, von 

Troller.264 

Addison’sche Krankheit, von Zaudy 163, 
von Huismans 421, von Sergent und 
Bernard 1283, von Engelhardt 1286, 
Behandlung mit Nebennieren-Tab¬ 
letten bei —, von Edel.1821 

Adenitis, praecoecale, von Marchant . 378 
Adenocarcinome, von Grawitz 338, — 

des Coecüm, von Krecke. 42 

Adenoide Wucherungen, Kopfweh als 

Folge von —, von Mc Keown . . . 1404 
Adenom der Supraclaviculargegend, von 
Becker 1471, malignes —. von Sel- 
berg 1353, von Hansemann .... 1637 


Adenomyom, lymphangiektatisches, des 
Lig.rot., von Rosinski 57, — des Epo¬ 
ophoron und Paroophoron, von Pick 
618, 809, — des Lig. rotundum uteri, 

von Engelhardt. 

Aderlass bei Uraemie, von Richter 265, 

— bei Hitzschlag, von Klein 929, 

schwere Uraemie, geheilt durch —, 
von v. Iloesslin 930, — bei Säug¬ 
lingen, von Gregor. 

Adnexerkrankungen, conservirende Be¬ 
handlung entzündlicher, von Ilerr- 

mann. . . . 

Adnexoperationen, Spätresultate von 
doppelseitigen, von Baruch . . . . 
Adnextumoren, conservativc Behand¬ 
lung der eiterhaltigen, von Diilirsseii 

Adresse an Prof. Stintzing. 

Aerzte s. a. Arzt, Amtsarzt, Bahnärzte, 
i Berufsgenossenschaft, Cassenärzte, 

| Honorar, Gefängnissärzte, Militär- 

j ärzte, Praxis, Qu arantai ne-Aerzte, 

i Nothlage, Schematismus, Streik, Ta- 

! xen, Unterstützungscassen, Verjahr- 

! ung, Verträge. 

Aerzte, weibliche, s. a. Medicinstudium, 
| Frauenstudium, Aerztinnen. 

Aerzte, Vertheilung der, in Deutschland 
! 106, Zunahme der — in Oesterreicli 

! 240, Conflict zwischen — und Cassen 

in Dresden 276, 522, — und Kranken- 
cassen 346, weibliche — bei den 
Krankeucassen 372, Unterstützungs- 
Verein für — in Wien 405, — als 
Kläger 520, von — und Patienten, von 
Scholz 697, sollen lungenkranke — 
Schilfsdienste nehmen? von Freund 
| 698, humanistische Vorbildung der — 

i 787, Verein zur Unterstützung inva- 

| lider hilfsbedürftiger — in Bayern 

755, 1718, 1719, 1795, Auskunftsstelle 
für Niederlassung deutscher — im Aus¬ 
lande 920, Besteuerung der — 928», 

, 1018, weibliche — 955, — in Italien 

( 1025, Gesundhoitsverhältnisse der - , 

von Kruse 1191, Anstellung weiblicher 
! — bei Krankeucassen 1220, Verband 

! der — Deutschlands zur Wahrung ihrer 

| wirtschaftlichen Interessen 1367, 

j 1106, 1407, 1549, 1614, 1632, 1647, 

i 1679, 1683, 1684, 1704, 1716, 1717, 

1719, 1720, 1763, Fortbildungscurse 

I für — in Frankfurt 1583, Sterbecasse 
der— Wiens 1612, Annoncirender—, 
Aerztebueb, Württembergisches .... 
Aerztccursus in Greifswald . 

Aerztekammer für Berlin-Brandenburg 
107, 343, 716, 787, 923, 1796, 1834, aus 
den preussischen —, von Brauser 229, 
thüringische —• 243, Umlagereehtder 

— 518, österreichische — 593, 1582, 

bayerische 850, 1445, Verbescheidung 
der bayerischen — 1123, Wiener — 
1478, resolute — 1478, Verhandlungen 
der bayerischen —. 

Aerztekammer-Ausschuss, preussiseher 
596, 716, 

Aerztekammerblatt, österreichisches . . 

Aerztekammerwahl, Berliner. 

Aerztetag, Deutscher 755, mittelrheini¬ 
scher — 788, Einsetzung eines bay¬ 
rischen —. 

Aerzteverein, Ansichten und Bedenken 
des Metzer, über das Programm des 

V. d. Ae. I). z. W. i. w. I. 

Aerztevereinshund, Geschäftsaussehuss 
des . . 451, 1583, 1614, 1632, 1647, 
Aerzteversainmlung, allgemeine, in Wien 
Aerztinnen, Gesuch der Berliner, um 

Schularztstellen. 

Aerztliche Behandlung der Militär-Ange¬ 
hörigen . 


1051 


1087 

776 

776 

1183 

1091 


1836 

347 

108 


1797 

753 

520 

26 


1795 

1764 

1679 

1680 

203 

1224 


1 Seite 

| Aerztliche Interessen,Verein zum Schutze 

i der, in Ludwigshafen.1517 

I Aerztliche Rechts- und Gesetzeskunde, 
j von Rapmund und Dietrich ... . 941 

I Aerztliclier Stand, neue Wandlungen im, 
von Müller 1089, Revolution oder 
! Evolution des —, von Mayer . . . 1667 
Aerztliclier Verein München, Stiftungs. 

I fest des .1583 

j Aether s. a. Wasehacther. 

Aethermaske, Thermophor bei der Wag- 
( ner-Longard’sehen, von Longard . . 1313 
Aetheruarkose, vonGunning 1460,Todes- 

i fall bei —, von Schneider. 58 

j Aethylchloridnarkose, Gefahren der, von 

j Lotheisen.601 

| Agglutination s a. Typhus 
j Agglutination des Milzbrandbacillus, von 
Lambotte und Marechal 101, — von 
Tuberkelbacillen, von Bendix 372, 

— der rotlien Blutkörperchen, von 

Malkotf 547, — von Faecalbacterien 
durch das Blutserum, von Köhler und 
Scheffler 767, - des Koch’schen Ba¬ 
cillus, von Arloing und Courmont 
775, — des Bact. coli, von Rothberger 
907, Verwertlibarheit der — für die 
Diagnose der Typhusbacillen, von 
Sternberg . 

Agglutinationslehre, von Köhler . . . 
Agglutinationsreaction,von Bezan<pm und 

Griffon. 

Agglutinationsversuche mit mütterlichem 
und kindlichem Blute, von Halban 
Agglutininbildung, von Deutsch .... 
Agglutinine, von Hahn und Tromrns- 
dorff 413, specifische —, von Mal- 
voz 101, Beziehungen zwischen — 
und Lysinen, von Gengou .... 
Airolpaste, Bruns’sche, von Frankl 841, 

von Stocekcl .. 

Aix-les-Bains in Savoyen, von v. Leyden 
Akademie der Wissenschaften in Wien 
Akanthosis nigricans, von Burmeister . 

Akne urticata, von Löwenbach 474, Be¬ 
handlung der nekrotisirenden —, von 

Luithlen. 

Akrolein, Giftwirkung des, von Lewin . 
Akromegalie, von Bonardi 131, von Col¬ 
li na, von Bassi. 

Aktinomyceskolben, morphologische Be¬ 
deutung der, von Benda. 

Aktinomycespilz, von Sternberg .... 
Aktinomykose, von Poncet und Berard 
815, Leber mit —, von Litten 103, 
metastasirende —, von Benda 372, 

— des Mittelohrs, von Beck 548, Be¬ 
handlung der —, von Tansini 954, 

— der Haut, von Lieblein 1182, Jod- 
kaliumbehandlung der menschlichen 
—, von Lieblein 1466, — des Fusses, 
von Tusini 1670, — des Ober- und 
Unterkiefers, von lloffmann .... 1758 

Albert, Hofrath Professor Dr. E. f 1400, 

— ’s Lehrkanzel 1478, Gedenkrede 

auf — . . .1550 

Albuminurie des scheinbar Gesunden, 1 ] 
von Hawkins 22, Pathogenese der 
cyklischen —, von Rudolph 400, — 
und Diabetes, von Schupf er 743, mi¬ 
nime —, von Raudnitz 699, cyklische 
—, von Daucliez 1439, intermittirende 

— des Kindesalters, von Gillet 1439, 

acute — mit Uraemie, von Evill und 
West..1710 

Albumosurie, Bence-Jones’sche, v. Zuelzer 1427 
Alexander’sche Operation, Technik der, 

von Török.779 

Alexander-Adams’sehe Operation bei Re- 
troflexio uteri mobilia, von Peters . 1163 
Alexine, Kcnntniss der, sowie specifisch- 
baeterieiden und spec.-haemolytischen 


1388 

1243 

1646 

968 

1144 


101 

876 

92 

818 

336 


1145 

545 

550 

753 

909 


Difitized b 1 


■V Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







































1900. 


TNHALTS-VERZBICHNISS. 


Wirkungen, von Buchner 277, Ex- ! 
traction von — aus Kaninchenleuko- 

cyten, von Laschtschenko. 907 ( 

Alkohol, Einfluss des, auf die Muskel¬ 
arbeit, von Scheffer 132, eiweissspa- 
rende Wirkung des —, von Rosemann 
169, — als Gegengift der Carbolsäure, i 
von Phelps 275, von Jochner 1596, t 
Einfluss des — auf die Muskelarbeit, 
von Scheffer 657, — als Desinfec- 
tionsmittel, von Salzwedel und Elsner 
842, Verwendung des — zur Hände¬ 
reinigung, von Braatz 1001, erregende 
Wirkung des —, von Gregor 1087, | 

nährende oder toxische Wirkung des , 
—, von Kassowitz 1246, Wirkung des 
— auf tuberculöse Processe, von Mir- 
coli 1246, Einfluss des — auf die 
Empfindlichkeit für Infectionsstoffe* 
von Laitinen 1315, Pathologie des —, 
von Rosenfeld 1573, Bedeutung des — 
für die Händedesinfection, von Braatz 1693 
Alkoholdämpfe als Desinfectionsmittel, 

von v. Brunn .1427 

Alkoholismus in den Pariser Spitälern, 
von Jacquet 174, Vierteljahrsschrift 
für — 564, Behandlung des —, von 
Crivelli 921, — der Kinder, von 
Brnnon 1439, VIII. intemat. Congress 

gegen den —.. . . 1836 

Alkoholnarkose, von Matthaei .... 18 

Alkoholomanie und Serum alkoholisirter 
Thiere, von Broca, Sapelier und Thi- 

batilt ... 175 

Alkoholverbände, von Graeser . . . . 999 
Alkoholtherapie, locale, in der Gynäko¬ 
logie, von Seitz. 388 

Allantoinausscheidung, von Poduschka . 657 
Alopecie, von Lassar 1439, Pawloff 1439, 

Sabouraud.1440 

Alopecia syphilitica, von Gaucher 139, 
von Pionski 753, — und Seborrhoea 
capitis, von Gessner 715, — prae¬ 
matura, von Saalfeld 876, durch Rönt¬ 
genstrahlen geheilte — areata, von 
Kienböck 1612, Behandlung der — 
mit Radiotherapie, von Freund . . 1793 

Alsol, von Frieser.1246 

.Alterssklerose, Symptomatologie der, von 

Friedmann.943 

Aluminiumschienen, biegsame, von Sten¬ 
del 396 , von Schanz . . . 509 

Al varen gapreis.1518 

Amblyopie aus Nichtgebrauch, von Silex 
908, — nach der Hochzeit, von Hut¬ 
chinson .1117 

Ambossextraction, Instrument zur, von 

Zeroni.1249 

Ambulanz, Deutsche, in Südafrika . . 523 
Ambulatorien, gegen die, in Wien . . 917 
Ambulatorienfrage 

Amoeba ciliata als Krankheitsträger, von 
Graham 59, — coli, von Fenoglio . 1282 
Amtsärzte, Jnstrnctionscurse für, in 

Oesterreich.1365 

Amyloformbehandlung, von Sagebiel . 1693 
Amyloid des Larynx etc, von Glöckner 1353 
Amyloiderkrankung, Stadien der, von 

Davidsohn.• . . . . 129 

Amyloidgeschwülste, multiple, der oberen 

Luftwege, von Manasse.1087 

Anaemie s. a. Blut, Herzgrösse. 

Anaeraie, leukopenische, von Decastello 
und Hofbauer 588, mit Antistrepto- 
coccenserum behandelte perniciöse 
—, von Eider 780, perniciöse —, 
von Stejskal und Erben 840, von 
Caccini 1613, perniciöse — mit 
gelbem Knochenmark, von Engel 
840, Veränderungen am Digestions- 
tractus bei der pemiciösen —, von 
Faber und Bloch 840, progressive 
perniciöse — im Kindesalter, von 
Theodor 906, acute —, von Wanner 
975, Kenntniss und Behandlung der 
—, von Senator 1088, Stoffwechsel- 
versuche bei schwerer —, von Mora- 
czewski 1114, rapid verlaufende 


schwere —, von Leube 1120, Aetio- 
logie der progressiven perniciösen —, 
von Bussenius 1572, — mit lymph- 
aemischem Blutbild, von Geissler und 
Japha 1574, Aetiologie der progres¬ 
siven —, von Vincenzo 1639, schwere 

— bei Knochencarcinose, von Frese 1748 ; 
Anaesthesie s. a. Cocain, Localanasthesie. 
Anaesthesie, chirurgische, im Mittelalter, 

von Husemann 512, Einschränkung 
der allgemeinen —, von Bloch 811, 

— durch Coeaininjectionen in das 

Rückenmark, von Severano 1148, , 

von Racoviceanu-Pitesci 1149, all¬ 
gemeine — mit Aethylchlorid, von 
Severeanu 1358, — durch Cocain- ; 

injection in den Lumbalsack, von 
Leguen und Kendirdy.1647 

Anaesthetica, Wirkung der, auf die 
Nieren, von Kemp 476, von Thomp¬ 
son und Buxton.1405 

Analeptica der Athmung, von Impens . 167 

Anallist ein, von Meisel .1600 

Anastomosenklemme, von Krause . . . 1143 
Anastomosis, intestinale, von Ferguson 
1216, — vesico-rectalis, von Frank 
1284, intestinale und gastro intesti¬ 
nale —, von Roux 1357, von Souli- 

goux.1357 

Anatomie, Handatlas der, des Menschen, 
von Spalteholz 18, Gaupp’s — des 
Frosches, von Ecker und Wieders- 
heirn 91, Gestaltung der patliol. — 
in Deutschland, von Virchow 1087, 

Atlas der topographischen —, von 
Zuekerkandl 1500, Lehrbuch der ' 

mikroskopischen —, von Szymono- 

wicz.. . 1633 1 

Aneurysma s. a. Aorta, Brustaneurysma. 
Aneurysma der Goronararterien, von 
Capps 23, — aortae, von v. Leyden 
136, — der Aorta thoracica descen- 
dens, von Wemberger u. Weiss 336, 
traumatisches — der Art. brach., von 
Sinnreich 336, Schmerzen bei—, von 
Huchard 521, — der Art. brachialis, 
von Plattner 588, — der Carotis int., 

! von Karplus 593, von de Fabbro 
j 1320, — der Bauchaorta, von v. Ley- 
. den 672, — der Carotis interna nach 
Tonsillarabscess, von Wulff 687, Be¬ 
handlung des — mit Gelatineinjec- 
tionen, von Futcher 878, — des Ar¬ 
cus aortae, von Ewald 1622, mit Ge- 
hitineinjectionen behandeltes — der 
Aorta, von Lancereaux 1222, Behand¬ 
lung von — durch Elektrolyse , von i 
Bernheim 1246, — cordis, von Strauch 
1573, — arterio-venosum, von Lewtas 
1710, — der Nierenarterie, von Morris 1710 
Aneurysmatischer Sack, Draht zur Ein¬ 
führung in einen, von Reeve . . . 268 

Angina mit dem Bac. fusiformis, von 
Vincent 101, — mit Endocarditis, 
von Roeger 252, — chron. lepto- 
thricia, von Epstein 878, Diagnose 
der —, von Bezan^on und Griffon 
1646, — pectoris, von Salomon 1278, 
nervöse Störungen im Bereiche des 
Brachialplexus bei — pectoris, von 
Löwenfeld 1095, Appendicitis nach 
—, von Kretz 1762, Phlegmone des 
Proc. vermiformis nach —, von Kretz 1784 
Angioelephantiasis, von AVolff .... 330 
| Angiokeratoma, von AVisniewski . . . 334 
I Angiom, cavernöses, von Heinlein 273, 

I Behandlung des —, von Le Dentu 
I 633, cavernöses — des Grosshirnes, 
von Struppler 1267, — senile, von 

| Dubreuilli.1477 

I Angiothrypsie, Erfalirungen über, von 

Winternitz . . . . 1765, 1798 

Anguillula intestinalis, von Zinn 57, In¬ 
vasion der — intestinalis in die 

Darmwand, von Askanazy.701 

Anilin, Vergiftung mit, von Landouzy 

u. Brouardel.1222 

Aniodol, von Hawthorn.1024 


Ankylostomiasis, von Goldman 839, von 
Giles 1444, — in Centralamerika, von 

Prowe.942 

Ankylostomakranke, Stoffwechsel der, 

von Vannini.1145 

Ankylose, vertebrale, von Dana 476, 
Wiederherstellung der Beweglichkeit 

bei —, von Chlumsky.1387 

Annales de l’institut de pathologie et de 

bacteriologie de Bucarest.1025 

L'annee chirurgicale, von Depage . . . 697 
AntelixirendeOperationen,Dauerresultate 

der, von Cohn.1502 

Anthrax, von Murray u. Coates .... 269 
Antialkoholserum, von Broca, Sapelier, 

Thibault.921 

Antikörper, Vielheit der, von Neisser . 1784 
Antileberserum, von Delezenne .... 1516 

Antimellin, von Hirschfeld.1833 

Antipyrese, von Liebermeister .... 440 
Antipyretische Mittel,AVirkungsweise von, 
von Krehl, von Stühlinger .... 19 

Antipyrin, Einfluss von, u. Chinin auf 
den Gaswechsel des Gesunden, von 
Liepelt 19, mandelsaures —, von 

Frieser.878 

Äntipyrinexantliewe, von Apolant 335, 

von Wechselmann.552 

Antiseptica, Einwirkung neuerer, auf in- 
ficirte Plornhautwunden, von Hauen¬ 
schild .146 

Antisepsis, Grundlagen der, von Gottstein 
262, — u. Asepsis im Alterthum, von 

Marcuse. 1630 

Anti.streptocoecenserum,vonScharfel636, 

— in der Behandlung des Puerperal- 
j fiebers, von Williams, Pryor, Fry u. 

Reynolds 23, Behandlung septischer 
Lymphangitis mit —, von Stenhouse 
269, durch — geheiltes Erysipel u. 
Puerperalfieber, von Anderson 441, 

— bei pemiciöser Anaemie, von Eider 
780, — gegen Erysipel, von Harrison 
1116, — bei Epilepsie, von Jones 1505, 
durch — geheiltes Puerperalfieber, 

von A\ r ood.1505 

Antitussin, zweifelhafterAVerth des,gegen 

Keuchhusten, von Krause.1246 

Antro-Atticotomie, von Baraez .... 656 
Antrumeinpveme, Behandlung der, von 

Sachse “.304 

Anurie, schmerzhafte, von Stepp . , . 1612 
Anzeigepflicht im künftigen deutschen 

Reichs-Seuchengesetz, von Brauser . 159 

Aorta s. a. Brustaorta, 
j Aorta, Spontanruptur der, von v. Kahlden 
i 62, Aneurysma der —, von Pick 300, 
j Ligatur der — abdominalis, von Keen 
| 1319, Compressionsinstrument zur Be¬ 

handlung des Aneurysma der — ab¬ 
dominalis, von Keen 1319, complete 
I Ruptur der —, von Flörsheim . . . 1833 
| Aortenaneurysma s. a. Aneurysma, Aorta, 

I Gelatine. 

| Aortenaneurysma, von Hare u. Holder 23, 
von Rasch 335, mitGelatineinjectionen 
| behandeltes —, von Fraenkel 337, 

| Fehldiagnose eines — in Folge der 
| Durchleuchtung mit Röntgen strahlen, 

, von Kirchgaesser 646» Elektrolyse bei 

! —, von Hare 844, Differentialdiagnose 

j zwischen — u. Tumor durch Röntgen- 
| strahlen, von Gebauer 1278, Behand¬ 
lung der — mit subcutanen Gelatine- 
injectionen,von Pauleseo 1317, Oliver’- 
sche8 Symptom beim —, von Jessen 
1565» moderne Therapie der —, von 

Rumpf.1641 

Aorteninsufficienz, von Schlesinger 447, 
rhythmische Kopfbewegungen bei —, 

von Delpeuch.1280 

Aorteninsufficienzherz, Leistungsfähig¬ 
keit des fettig entarteten, von Hasen¬ 
feld .1783 

Aortenklappe, Bewegungsphänomene bei 
Insufficienz der, von Schlesinger 1467, 
i traumatische Zerreissung einer —, 

: | von Strassmann.1679 


Digitized fr, 


Google 


Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
















































XX 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900 . 


Seite i 


Seite 


Seite 


Aortenstenose, von Cassel.1710 

Apepsia gastrica, Resorption und Stoff¬ 
wechsel bei, von Strauss.1573 

Aphasie,von v. Leyden 521, uraemische —, 
von de Bruine Ploos van Amstel 620, 
durch Trepanation geheilte —, von 
Steven u. Luke 1507, Behandlung der 

—, von Gutzmann.1761 

Aphonie, hysterische, von Opp .... 729 
Apomorph in als Hypnoticum,von D ouglas 1468 

Apotheken, Hygiene der.345 

Apothekerverein, Eingabe des, .... 1836 
Apothekerwesen, Reform des .... 481 
Apparate, orthopädische, und deren An¬ 
wendung, von Blencke.519 

Apparatotherapie bei Erkrankungen des 

Centralnervensystems, von Jacob 547 
Appendicitis s. a. Darm, Paraappendicitis. 
Appendicitis, von Barling 22, von Richard- 
son 337, von Terrier 811, Appen¬ 
dicitis, von Neugebauer 1389, von 
Delagöniere 1398, v. Port 1611, Prog¬ 
nose u. moderne Behandlung der —, 
von d’ Arcy Power 21, — u. Darmob- 
struction, von Aviragnet und Bernard 
174, Indicationen zum Chirurg. Ein¬ 
greifen bei —, von Mansell-Moullin 
269, Bedeutung der —, von Falk 298, 
Lokalisation der —, von Curschmann 
303, Indicationen zur Operation bei 
—, v. Schmitt 383y 814, Pathogenese 
der —, von Kelly 476, subphrenische 
Abscesse nach —, von Weber 512, 
Temperatur bei der eitrigen —, von 
Schüle603, — und Schwangerschaft, 
von Pinard 785, Chirurg. Behandlung 
der —, v. Esguerra 1188, Behandlung 
der —, von Le Sorel 1320, Sicherheits¬ 
methoden bei der operativen Be¬ 
handlung der —, von Thi<§ry 1320, 
Bla8encomplication bei —, v. Reyn&s 
1320, — u. Entbindung, von Herrgott 
1399, Rectalernähung bei —, von 
Ochsner 1427, — larvata, von Lenz¬ 
mann 1432, — u. Geburtshilfe, von 
König 1601, Beziehungen zwischen 
— und allgemeinen Neurosen, von 
Schauman 1688, — u. Traumen, von 
Neumann 1671, — nach Angina, von 


Kretz .1762 

Appendicitisexperimente, v. Mühsam . 656 

Appendicitisfälle, von Kaposi.1600 

Appendicitisoperationen, von Merkel . 1792 

Approbationen 1898/99 . 451 

Aprosexie, von Broeius.1439 

Arbeiterwohnungen, von Hope .... 521 
Arbeitskraft, Ausnutzung der körper¬ 
lichen, in hochwarmer Luft, von 
Wolpert.546 


Archiv, deutsches, für klinische Medicin 
587, 617, 655, 740, 774, 807, 1050, 

1213,1243,1276,1670,1748, — für kli¬ 
nische Chirurgie 201, 260, 873, 1010, 
1213,1351,1670,—für Gynäkologie 18, 

298,368,618,1183,1749,1781, Yirchows 
— für patholog. Anatomie 128, 163, 

742, 777, 809, 906, 942, 975, 1011. 

1050,1037,1114,1143,1183,1244,1352, 

1574, 1602, 1636, — für Hygiene 
514, 546, 590, 877, 907, 1051, 1353, 

1542, 1707, — für Psychiatrie und 
Nervenkrankheiten 808, —für Kinder¬ 
heilkunde 202, 369, 699, 906, 1114, 

1352, 1451, — für Verdauungskrank¬ 
heiten 264, 699, 1243, 1672, — für 
experimentelle Pathologie und Phar¬ 
makologie . . .19, 545, 657, 1088, 1751 
Argentum col loidaleCredö, therapeutische 
Erfolg mit Ungt. —, von Strohmayer 1064 
Arhythmische Störungen, v. ILoffmann 1433 
Armenfürsorge, Bedeutung der, in der 
Krankenfürsorge, von Buttersack 782, 882 
Arsen, Nachweis von, auf biologischem 
Wege, von Abel und Buttenberg 333, 

Rolle des — im Organismus, von 


Gautier.1444 

Arsenik im thierischen Organismus, von 
Gautier 105, 449, — bei Epithelial- 
carcinom, von Trunecek.1614 


Arsenvergiftung, von Morishima ... 19 

Arsonvalisation s. a. Wechselströme. 
Arsonvalisation, von Eulenburg .... 1433 
Arterien, Naht der, von Seggel .... 1106 
Arterie, Einfluss der Hyperaemie resp. 
Cocain-Anaemie der Conjunetiva auf 
die Weite oder den Puls der — 
tempor.superfic., von Rosenbach 1631, 
Verletzung der — brachialis, von Koch 1761 
Arterien Varietät, seltene, von Ernst . . 104 

Arteriosklerose, Quecksilber in der Be¬ 
handlung der Herzschwäche bei, von 
Morison 1116, klinisches Symptomen- 
bilei der —, von Maragliano 1145, 
hereditär-syphilitische —, von Berg- 

hinz.1247 

Arthritis deformans, von Bade 1472, — 
blennorrhagica bei Kindern, v. Halld 1577 

Arthromotor, von Seholder.474 

Arthropathia tabica, von Ähren 1749, 

von Dietzer.1760 

Arzneibuch, Entwurf für die 4. Auflage 
des — für das Deutsche Reich, von 
Harnack 749, 4. Ausgabe des — für 
das Deutsche Reich . . . 176, 1153, 1223 
Arzneimittel, einige neuere, von (Ver¬ 
lach 400, 1635, Verkehr mit — und 
Geheimmitteln 819, ärztliche Gut¬ 
achten über neu erfundene —, von 
liis, Eichengrün, Kayser 1430, 1469, 
harnsäureau{lösende —, von Vinde- 

vogel.1676 

Arznei- u. Arzneitaxwesen , Missstände 

im bayr.1795 

Arzt s. a. Aerzte. 


Arzt, der — und die Heilkunst in der 
deutschen Vergangenheit, v. Peters 
903, Verantwortlichkeit des — 917, 
weiblicher — bei der Sittenpolizei in 
Berlin 1399, Approbation als —, . . 1836 
Arztwahl, freie, 347, 880, — in Hamburg 
307, in München 308, in Berlin 787, 

Centralstelle für —.1480 

Ascitis, milchweisser, von Poljakoff 58, 
chirurgische Behandlung des —, von 
Rolleston u. Turner 165, Stoffwechsel 
bei —, von Marischier und Ozarkie* 


wicz.264 

Ascitesflüssigkeit., von Burghart .... 338 
Ascitesformen, pseudochylöse, v. Micheli 

und Mattirolo.164 

Asepsis contra Antisepsis? von Lanz 492 , 

— der Operationen, von Katzenstein 
1470, Prophylaxe in der —, v. Hammes¬ 
fahr .1706 

Aseptik der Hände, von König .... 1387 

Aspergillose, von Renon.1281 

Asphyxie als Cardiotonicum, von Mau- 

kowski. 19 

Aspirationsapparate, Federventil für, von 

Evler. 1056, 1092 

Aspirin, von Friedeberg 588, von Liesau 


809, von Manasse 1024, von Witthauer 
1614, von Gazert 1670, Erfahrungen 
mit —, von Dengel 976, von Gold¬ 
berg 987, therapeutischer Werth des 

—, von Renon.1646 

Aspirinbehandlung, von Zimmermann . 976 

Asterol, von Karcher.1059 

Asthma s. a. Bronchialasthma, Bronchi^J- . 

musculatur, Bronchitis 
Asthma, von Wettered 1710, — dyspep- 
tieum, von Ehrlich 264, — bronchiale, 
von Fraenkel 449, cerebrales und car- 
diales — von Rosenbach 683 , — thy- 
micum und sein Verhältnis zum 
Status lymphaticus, von Fried jung . 1751 
Ataxie, Compensation der sensorischen, 
von Bickel 1711, von Bickel u. Jakob 1833 
Athemleistung und AthembedÜrf niss, von 

von Dreser .1431 

Athmung, künstliche, bei Neugeborenen, 
von Champneys 1321, von Ribbe- 
mont-Dessaignes 1321, von Schultze 
1321, — Methoden künstlicher — 
Neugeborener, von Schultze .... 1671 
Atlas, anatomischer, der geburtshilflichen 
Di agnostik n. Therapie, von Schaeffer 
55» — n. Grundriss der spec. patho¬ 


logischen Histologie, von Dürck 161, 
stereoskopischer medicinischer — 
v. Neisser 331, 635, 1781, — des ge¬ 
sunden und kranken Nervensystems, 
von Jakob 544, — der Lehre vom Ge¬ 
burtsakt und der operativen Geburts¬ 
hilfe, von Schaeffer 697, mikrophoto¬ 
graphischer — der pathol. Mykologie, 
von Frankel 807,1669, histologischer 
— der Haut, von Unna 807, stereosk.- 
medic. — der Ophthalmologie, von 
Uhthoff 839, — und Grundriss der 
Ophthalmoskopie und ophthalmosk. 
Diagnostik, von Haab 940, — der 
normalen und pathol. Anatomie in 
typischen Röntgenbildern 1350, — 
und Grundriss der Verbandlehre, von 
Hoffa 1386, topographischer — zur 
Anatomie des weiblichen Beckens, 
von Seliheim 1464, — der topograph¬ 
ischen Anatomie des Menschen, von 
Zuckerkandl 1500, — von Beleuch¬ 
tungsbildern des Trommelfells, von 
Bürkner 1571, — und Grundriss der 
chirurgischen Operationslehre, von 


Zuckerkandl.1669 

Atmokausi3 s. a. Vaporisation. 

Atmokausis, Temperaturmessungen bei 
der, von Pincus 941, — des Endo¬ 
metrium, von Simpson 1117, — und 

Zestokausis von Stoeckel.1436 

Atmokausisfrage, von Flatau.163 

Atrepsie, Harnanalyse bei, von Blacher 1751 
Atrophie, juvenile, von Jakob 168, — 
und Entwicklung, von Mühlmann . 1575 
Atropin s. a. Ileus. 

Atropin, temperaturherabsetzende Wirk¬ 
ung des —, von Ferrarini 1247, Wirk¬ 
ung des —, von Gaglio 1445, Darm¬ 
wirkung des —, von Ostermaier . . 1695 
Aub, Dr. Ernst Friedrich f, von Merkel 693 
Augapfel, Nachbehandlg. b. Operationen 

am, von Gutmann.671 

Auge s. a. Sehorgan, Bulbus, Lepra, 
Pemphigus. 


Auge, Lepra des, von Franke 30, Locali- 
sation von Allgemeinleiden im —, von 
Schoen 99, Glassplitterverletzung des 
—, von Wagenmann 272, Durch¬ 
schnitt durch das menschliche —, 
von Salzmann 368, 2 Operations¬ 
methoden zum Einlegen künstlicher 
—, von Fukala 547, Eisen Split ter im 
—, von Glauning 744, Wachsthum 
des menschlichen —, von Weiss 744, 
Neurologie deB —, von Sänger und 
Willbrandt 904, Entstehungsweise 
einer typischen Missbildung des —, 
von v. Hippel 914, — und Sehiess- 
leistnng, von Seggel 1017, Sarkom 
des —, von Putiata-Kerschbaumer 
1275, Kalkverletzungen der —, von 
Schmidt-Rimpler 1278, erste Hilfe¬ 
leistung bei Kalkverletzungen des 
—, von Stutzer 1354, Nitronaphtol- 
erkrankung des —, von Silex . . .1710 

Augenaffectionen, Kopfschmerzen bei, 

von Brailey.1443 

Augenbewegungen, Beziehungen der vor¬ 
deren Vierhügel zu den, von Bem- 

heimer. 58 

Augenblennorrhoe, Behandlung der, mit 

Largin, von Almkvist.552 

Augeneiterung, Diagnose und Therapie 
der, der Neugeborenen, von v. Am¬ 
mon 13, 108, Behandlung der — der 


Neugeborenen, von Lamhofer . . . 253 
Augenheilkunde, Handbuch der ges., 
von Graefe-Saemisch 437, 774, 1049, 

1141, 1599 

Augenhintergrund, neue Untersuchungs¬ 
methode des, von Wolff.590 

Augenkammer, abnormale Fasern in der 

vorderen, von Schoute.620 

Augenkrankheiten, mit Influenza zu¬ 
sammenhängende, von Mohr 475, 
Therapie der —, von Goldzieher 972, 

— des Kindesalters und ihre Be¬ 
handlung, von Guttmann.1140 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 








































1900. 


inhalts-verzeichniss. 


XXI 


Seite 

Augenleiden, Behandlung scrophulöser, 

von Heddaeus.745 

Augenmaassstörung, bei Hemianopikern, 
von Liepmann und Kalmus .... 1351 

Augenmagnet, von Türk.953 

Augenspiegel, elektrischer, von Wolff . 270 
Augenverbände, Celluloidkapseln für, 

von Schreiber.558 

Ausathmungsluft, Giftigkeit der, von 

Forinänek.1051 

A ungleich ungs Vorgänge in Krankheiten, 

von Leube.741 

Ausstellung für Krankenpflege in Frank¬ 
furt a. M., von Marcuse. 397 

Auswurf, diagnostische und therapeut¬ 
ische Bedeutung der Bacterien im, 

von Brieger.473 

Autointoxication, von Ewald 300, von 

Blum .1283 

Axillarislähmung, von Wallerstein . . 557 
Azoospermie, von Kehrer. 1225 


Babinski'sches Phaenomen, von Giudice- 

andrea.1016 

Bactericidie und Milzbrandinfection, von 

Conradi. ... 1315 

Bacterien, s. a. Darmbacterien, Galle. 
Bacterien, Reductionsvermögen der, von 
Müller 9d, von Radzievsky 96, redu- 
zirende Eigenschaften der —, von 
Klett370, System der—, von Mignla 
398, Einfluss des Sonnenlichtes auf 
—, von Kedzior514, Sediraentirungs- 
verfahren zum mikroskopischen Nach¬ 
weis von —, von Strasburger 533, 

Bau der —, von Feinberg 516, ther- 
mophile—, von Michaelis 546, Wachs¬ 
thum der —, von Feinberg 619, säure¬ 
feste, tuberkelbacillenähnliche — bei 
Lungengangraen, von Rabinowitscli 
619, säurefeste , von Korn 657, bei 
höherer Temperatur wachsende — 
und Streptothrixarten, vonSames 778, 
Romanowski’s Färbung der —, von 
Zettnow 975, Reductionsfähigkeit der 
—, von Wolff 1013, Differentialdia- 
giiose der säurefesten — aus der Tuber- 
culosegruppe, von Mayer 1244, Bio¬ 
logie der —, von Marx und Woithe 
1245, — coli, von Radzievsky 1388, 
pathogene —, von Libmann 1426, 

Rolle der anaeroben — in der Patho¬ 
logie, von Veillon 1439, active Beweg¬ 
lichkeit der —, von Gabritsckewsky 
1542, Elimination der — durch Leber 
und Nieren, von Metin 1577, Varia¬ 
bilität und Pleomorphismus der —, 
von Schwalbe 1618 , Nachweis von —, 
von Marx 1671, Diagnostik des —■ 
typhi und coli, von Rambousek 1707, 
Einwirkung flüssiger Luft auf die —, 
von Meyer 1708, Chemie der —, von 

Bendix.1833 

Baeteriencapsel, Darstellung der, in 
festen Nährböden, von Boni . . . 1262 
Bacterienfärbepräparate, von Feinberg . 103 
Bacterienfärbung, von Dreyer ... . 658 

Bacterienverdauung, von Purro .... 1278 
Bacterienzelle, Empfindlichkeit der, von 

Fischer.1542 

Bacteriologische Curse für bayerische 

Aerzte.139 

Bacillus der Athemwege, von Elmassian 
101, Pfeifferscher —, von Elmassian 
101, Farbstoffproduction des — pyo- 
cyaneus, von v. Kuester 201, Koch- 
Weeks’scher —, von Hoff mann 370, 

— pyocyaneus und — fluorescens 
liquefaciens, von Ruzikca 590, — va- 
riabilis lymphae vaccinalis, von Na- 
kanishi 842,1427, — pyocyaneus und 
die Gesetze der Farbstoffbildung, von 
Noesske 874, — pyocyaneus, von 
Krause 975, neuer farbstoffbildender 
—, von Marx und Woithe 1013, — 


acidophilus, von Moro 1087, Ver¬ 
breitung des — tuberculosis in der 
Milch, von Klein 1245, — pulmonum 
glutinosus, von Martini 1353, — an¬ 
ein neuer —, von Ceresoie 1427, — 
aerogenes capsulatus, von Thorndike 
1467, Pratt und Fulton 1467, Koch - 
scher — in skrophulüsen Lvmph- 
drüsen, von d Arrigo 1603, ausVaccine- 
pusteln gezüchteter —, von Ficker 1637 

Bad Nauheim.987 

| Badconjunctivitis, endemische, von Fehr 58 

I Baden und Schwimmen in ihrer hy- 
1 giemsch-diätetischen Bedeutung, von 

j Marcuse.• . . . . 93 

j Bader, Befugnisse der.140 

; Bäder, Kohlensäureausscheidung nach 
kalten, von Lode und Durig 109, Ein¬ 
fluss heisser — auf den respiratori¬ 
schen Stoffwechsel, von Winternitz . 1085 
Bahnärzte, Organisation der österreichi¬ 
schen . 1478 

Balantidium coli im menschlichen Darm- 

j canal, von Sievers.265 

Balneologencongress. 242, 1616 

Baineotherapie, Lehrbuch der, von Glax 330 
Bandwurm, Abtreibung des, von Kirne 634 
Barlow’sche Krankheit, Knochenerkrank¬ 
ungen bei, von Jakobsthal .... 777 
Basedow’sche Krankheit, von Donath 
127, von Ehrich 1466, Pathogenese 
der —, von Haäkovec 99, Pathologie 
und Therapie der —, von Dinkler 
725, Verlauf der — bei innerer Be¬ 
handlung, von Klemperer 781, — mit 
Myxoedemsymptomen, von Hirschl 
10 i3, Aetiologie der —, von Breuer 1089 

Basisfractur, von Jolly.306 

Bauchcliirurgie im Privathaus,'vonSchmidt 1352 
Bauchdeckenreflex, respiratorischer, von 

Schmidt.1638 

Bauchfell, schwielige Verdickung des, 

von Grawitz.170 

Bauchfelltuberculose, von Martens 301, 
geheilte — bei Kindern, von Cassel 
845, 910, operativ behandelte —, von 

Bartz .1471 

Bauchhöhle, teratoide Geschwülste der, 
von Lexer 706, foetale Inclusion der 

—, von Lexer.1671 

Bauchnarbenbrüche, Operation grosser, 
von Heinrich 128, Verhütung und 
Behandlung der —, von Gottschalk 1781 
Bauchorgane, Aetiologie und Therapie 

der Erkrankungen der, von Reed . 23 

Bauchschnitt, Einschränkung des, durch 
die vaginale Laparotomie, von 

Diihrssen .773 

Bauchwassersucht, Nachweis freier, von 

Landau.1636 

Bauchwunden, Verschluss von, durch 

versenkte Nähte, von Witzei . . . 698 
Becken, spondylolisthetisches, von v. 
Braun-Fernwald 298, Frequenz der 
anomalen — in Amerika, von Davis 
844, Kindeslagen beim engen —, von 

Gloeckner. 875 

Beckenechinococeen, von Gräupner . . 657 
Beckenenchondrom, von Wilms .... 706 
Beckenmessung, radiographische, von 
Fahre 1399, innere — an der lebenden 
Frau, von Neumann und Ehrenfest 438 
Beckenorgane, Beziehungen der, zur 
Blutbeschaffenheit, von Reed ... 23 

Beckenperitonitis, Behandlung der, von 

Stratz.262 

Behaarung, abnorme, von Freund . . 1635 
Behandlung, manuelle, in der Gynä¬ 
kologie, von Piering.438 

Beiträge, Bruns’, zur klinischen Chirurgie 
93,261,588,874, 974, 1142, 1182, 1466, 

1600, 1831, Hegar’s — zur Geburts¬ 
hilfe und Gynäkologie 1600, 1635, 

1671, Zieglers — zur pathologischen 
Anatomie und allgemeinen Pathologie 

777, 842, 1012, 1353, 1602 
Bell’sches Phaenomen bei Facialislähm- 
ung, von Marguliös . ..371 


Bergmann-Commers.716, 748 

Beri-Beri s. a. Kakke. 

Beri-Beri, von Seiffer 301, 762 , — an 
Bord eines deutschen Dampfers, von 
Schmidt 191 , Haematozoarie des — 

im Gehirn, von Fajardo.370 

Beriberikrankheit, klinische Zeichen der, 

von Normann.268 

Bericht s. a. Jahresbericht. 

Bericht der k.Univ.-Poliklinik für Kinder¬ 
krankheiten im Reisingerianura pro 
1899, von Seitz 193 , — über die med. 
Poliklinik in München 1899, von 

Moritz.ßll 

Berufsgenossenschaft, land- u. forstwirth- 


schaftliche, und Arzt, von Deppisch 433 


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i 

j Beschäftigungstherapie, von Buttersack 332 
Bett, orthopädisches, von Barnax . . . 1359 
Bettler- und Vagabundenthum, gross- 
städtisches, von Bonhoeffer .... 622 
Bewusstseinsstörungen, transitorische, 
der Epileptiker vor dem Strafrichter, 

von Burgl.1270 

Bewusstseinstrübung, idiopathische pas- 

sagere, von Placzek .1144 

Bezirksverein, ärztlicher, inMünehen 1684, 

1716, Leipzig Stadt 1673, Regensburg 1795 
Bibliographia medica 276, — derDeutschen 

Zeitschriften-Literatur.924 

Biceps, morphologische Bedeutung des 
kurzen Kopfes des —, von Klaatsch 1441 
Bierhefe, therapeutische Anwendung der, 

von Coirre.378 

Bindehautekzem, pathologische Anatomie 

des, von v. Michel.1507 

Bindehautentzündungen, Aetiologie der, 

von Morax. 97 

Bindehaut-Hornhautplastik, von Schwarz 1019 
Bilirubin, klinische Bedeutung des Vor¬ 
kommens von, in den Faeces, von 

Sehorlemmer . . . . 458 

Biologie, Entwicklung der, im 19. Jahr¬ 
hundert, von Hertwig.1391 

Birch-Hirsclifel, Nekrolog, von Kockel . 53 

Blase s. a. Harnblase, Harnröhre. 

Blase, Capacität der weiblichen, von 
Hunner und Lyon 337, Papillom der 
—, von Pendl, von Weinlechner 448, 
retrostricturales Oedem der weib¬ 
lichen —, von Kolischer.699 

Blasencarcinom, von Wiesinger .... 237 

Blasenchirurgie, von Viertel.1471 

Blasendefecte, Transplantation des Netzes 

auf, von Enderlin.G56 

Blasenektopie, von Krause 554, von De- 

lageniere.1284 

Blasenfistel, durch Transplantation ge¬ 
heilte, von Weber.1706 

Blasengeschwülste, cystoskopische Ope¬ 
ration gutartiger, von Kollmann . . 592 

Blasengeschwür, von Asch.343 

Blasenkrebs, von v. Kahlden. 61 

Blasenmastdarmanastomose, von Frank 1352 
Blasenmole, vonGeipel 373, bösartige —, 
von Salowy und Krzyszkowsky . . 1314 
Blasenmolenschwangerschaft, von Poten 

und Vassmer.1781 

Blasennaht beim hohen Steinschnitt, 

von Lotheissen. 371 

Blasenneurosen, Behandlung der, von 

Auerbach .1086 

Blasenplastik, experimentelle, von En- 

derlen.666 

Blasenruptur, intraperitoneale, von Braun 169 
Blasenscheidewand, Autocystoplastik u. 
Kolpocystoplastik bei grossen De- 

fecten der, von Witzei.1832 

Blasenschleimhaut, Verletzung der, von 

Schnitzler 371, von Dorf.476 

Blasenstein, von v. Rindfleisch 1121, 
enormer —, von Schultheiss 666, Be¬ 
handlung des — durch Lithotomie 
und Litholapaxie, von Pank 1709, 
Operationen bei —, von Curringham 
1710, operative Behandlung von — 

in Kashmir, von Neve.1710 

Blasenstörungen, cerebrale, von v.Czyh- 
larz und Marburg.1709 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




























































1900 . 


XXII 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


Seite 


Seite 


Seite 


Blasentuberculose, von Casper 711, Pa¬ 
thologie und Therapie der —, von 

Casper.672 

Blasen-Uterus-Scheidenfistel, Operation 

der tiefen, von Bardescu.263 

Blasenwand, Resorptionsvermögen der, 

von Hamburger.620 

Blasenwurmleiden, geographische Ver¬ 
breitung des, von Posselt.1276 

Blastomyeeten, Aetiologie und pathogene 

Rolle der, von Leopold.1397 

Blattern, Verbreitung der, durch die 

Fliegen, von Hervieux.954 

Blatternepidemie, im S. 1900 beob¬ 
achtete, von Kaufmann . . . . . . 1733 
Blaublindheit bei Schrumpfniere, von 

Gerhardt. 1 

Blei, blutbildende Eigenschaft des, von 

Giudiceandrea.1613 

Bleilähmung, von v. Rad 1020, Patholo¬ 
gie der —, von Bernhardt. 96 


Bleivergiftung, Parotitis infolge, von 
Petit 174, Diagnose der —, von Turner 945 
Blennorrhagie, Ursache der Allgemein- 
infection bei —, von Lesser, Tomma- 

soli. Ward, Balzer.1362 

Blennorrhöen, Largin bei, von Allgeyer 910 
Blepharitis ciliaris und Acarus folliculo- 
rum, von Mulder 132, — marginalis, 

von Carra.522 

Blinddarmaktinomykose, von Hofmeister 874 
Blut s. a. Durst. 

Blut, Untersuchung des, bei Krankheiten, 
von Gulland 138, toxische und anti¬ 
toxische Eigenschaften des —, von 
Decroly und Ronsse 167, Färbekraft 
und Eisengehalt des menschlichen 
—, von Rosin und Jellinek 201, Al- 
kalescenz des — bei pathologischen 
Zuständen, von Burmin 332, Methae- 
moglobinbildung im —, von Dennig 
655, Verhalten des — bei Magen- 
carcinom, von Krokiewicz 700, anti- 
bacterielles Vermögen der — und Ge¬ 
websflüssigkeit, von Hamburger 777, 
Pathologie des —, von Lipowski 809, 
Schätzung der Färbestärke des —, von 
Tallqvist 840, agglutinirende Fähig¬ 
keit des — bei einem gesunden Kind 
einer typhuskranken Mutter, von Zän- 
gerle 890, Verhalten virulenter und 
avirulenter Culturen gegenüber acti- 
vem —, von Nadoleczny 907, che¬ 
mische Zusammensetzung des — bei 
perniciöser Anaemie, von Erben 1141, 
chemische Zusammensetzung lymph- 
aemischen —, von Erben 1142, jodo- 
phile Zellen im —, von La Franca 
1389, Bestimmung des inneren Reib¬ 
ungswiderstandes des lebenden -- 
beim Menschen, von Hirsch und Beck 1685 
Blutabgang, continuirlicher, von der 


Bauchhöhle her, von Kossmann . . 394 

Blutalkalescenzbe8timmung, Salkowßki’- 

sche, von Waldvogel.1604 

Blutalkalescenzgehalt, Schwankungen 

des, von Karfunkel ..299 

Blutbefund, atypischer, von Geisel er 338 

Blutbildung, Wirkung von Eisen und Ar¬ 
sen auf die, von Riva 550, Rolle des 
Eisens bei der —, von Hofmann . 1244 
Blutdruck s. a. Digitalis. 

Blutdruck des gesunden Menschen, von 
.Tellinek 587, — bei neuropathischen 


Kindern, von Heim 778, — bei Schlaf¬ 
losigkeit und während des Schlafes, 
von Bruce 986,1505, Physiologie und 
Pathologie des —, von Hensen 1276, 

— vor und nach Operationen, von 
Schröder 1437, der — und Lymph- 
circulation, von Friedmann .... 1784 

Blutdruckbestimmuugen, Varietäten der 
Art. temporalis in ihrer Beziehung 

zu —, von Grote . . . . 733 

Blutdruckmessungen mit Gärtners Tono¬ 
meter, von Weiss 69 , von Schüle 1184, 

— bei Geisteskranken, von Pilcz 475, 


— zur Diagnostik von Nervenkrank¬ 
heiten, von Kornfeld. 

Blutentziehungen, N-Umsatz bei, von 

Ascoli und Draghi. 

Blutgefässgesehw’ulst, diagnostisch inter¬ 
essante, von Martens 513, Wachs¬ 
thum und Nomenclatur der —, von 

Borrmann. 

Blutgefäss- und Nervennaht, von Payr. 

Blutgerinnung, von Quincke. 

Bluttilarien, Uebertragung der, durch 
Stechmücken, von Grassi und Noe . 
Blutkörperchen s. a. Iiaemoglobin. 
Blutkörperchen, degenerative Veränder¬ 
ungen an den rothen, von Grawitz 
168, kernhaltige rothe — im strömen¬ 
den Blute, von Jünger 1213, körnige 
Degeneration der rothen —von Ha¬ 
mei 1243, verschiedene Formen der 
w r eissen —, von Carstanjen 1541, 
Entwicklung der rothen —, von En¬ 
gel 1598, weisse —, von Carstanjen 
Blutkörperchen Vermehrung im Gebirge, 
von Gottstein und Schröder . . . . 
Blutkörperchenzählung, von Starke 703, 

— im Hochgebirge und die Meissen’- 
sche Schlitzkammer, von Turban 

Blutkrankheiten, jodophile Leukoeyten 

bei, von Hofbauer. 

Blutpräparate, von Deetjen 376, von Mi¬ 
chaelis 1550, Fixirung von —, von 

Edington.1116, 

Blutscheiben, basophile Körnchen in den 

rothen, von Cohn. 

Blutschwamm, Behandlung des, von Hol¬ 
länder .. . . 

Blutserum, antifermentative, lytische und 
agglutinirende Wirkungen des, von 
Landsteiner 514, agglutinirende Fähig¬ 
keiten des menschlichen —, von 

Donath . 

Blutstillung ohne Ligatur, von Holländer 
707, comprimirter Wasserdampf zur 
—, von Caponago 1145, neue Art 

der —, von Michaux. 

Bluttransfusion, Technik der, von Wein- 

traud. 

Blutungen s. a. Gelatine, Haemophilie, 
Haemorrhagie. 

Blutungen des Endometrium bei Skle¬ 
rose der Uterinarterien, von Sim- 
monds 52, Gelatine zur Stillung cho- 
laemischer —, von Kehr 181, Ur 
Sachen der klimakterischen —, von 
Theilhaber 453, 1325, Stillung paren¬ 
chymatöser —, von Ceccherelli und 
Caponago 550, zu Bulbusruptur füh¬ 
rende spontane intraoeulare —, von 
Hauenschild 1074, Formoltherapie bei 
uterinen —, von Gerstenberg 1243, 

— post partum, ihre Verhütung und 
Behandlung, von Byers 1404, Behand¬ 
lung der innerlichen —, von Smith 
1443, Chloral bei —, von Model . . 

Blutuntersuchung, von Mc I^ean 476, 
bacteriologische — bei Pneumonien, 

von Prohaska. 

Blutwirkungen, von Büchner. 

Blutzellen, farblose, von Pappenheim . 
Bodenschlamm, pathogene Bewohner 
des, der Limmat, von Böhi . . 1543, 
Borscht, die, genannte Gährung der 

rothen Rüben, von Mann. 

Bose Heinrich, von Poppert. 

Botalli ductus, von Scharfe 1671, Offen¬ 
bleiben des —, von Schmilinsky . . 
Botulismus, Aetiologie des, von Römer 
Brachy- u. Hyperphalangie an der Hand, 

von Rieder. 

Branchiom, malignes, der Halsgegend, 

von Veau.. 

Brand, chirurgische Behandlung des no- 

matösen, von v. Ranke. 

Brandwunden, durch industrielle Elektri- 

cität verursachte, v. Mally. 

Brechdurchfälle, epidemische, in Kinder- 
Spitälern, von Escherich 1086, Be- 


1762 I 
1673! 


1107 ! 
707 ! 
1579 1 

1783 

i 


1601 

976 

429 

232 

1427 

186 

619 

844 

1149 

1434 


1739 


handlung der — mit Biedert'schem 
Rahmgemenge, von Gernsheim 1627, 1764 
Briefe s. a. Reisebriefe. 

Briefe, Berliner 26, 203, 372, 517, 880, 

1018,1220,1397,1549,1679, Londoner Q 
— 1326, Römische — 1681, Wiener — 

65, 137, 173, 207, 239, 274, 304, 344, 

405, 448, 480, 520, 561, 593, 670, 714, 

752, 818, 849, 917, 1365, 1400, 1478, 

1550, 1581, 612, 1680, 1715, 1762, 1792 
Bromaethyl-Anaesthesie in Rose’scher 

Lage, von Malherbe.1508 

Bromeigone, von Tischer u. Beddies . . 483 
Bromipin von Lorenz 1604, — bei Epi¬ 
lepsie, von Schulze.. . 346 

Bromoform, von Gay.1153 

Bromofomivergiftung, von Katz 713, von 
Engster 1427, von Longliorst 1506, 

von Darling.1506 

Brompraeparate, Toleranz dei, bei älteren 

Epileptikern, von Fere.810 

Bronchialasthma, epidemisches, von 

Bellotti.1639 

Bronchialdrüse, von Wiesinger .... 1578 
Bronchialerkrankungen, Behandlung der, 

durch Lagerung, von Jacobson . . . 1466 
ßronchialmuHculatur und Asthma, von 

Aufrecht.1277 

Bronchitis, auf diphtheritischer Infection 
beruhende, von Lenhartz 30, — 
fibrinosa u. Asthma bronchiale, von 
Posselt 99, Aetiologie der fibrinösen 
—, von Ott 965, — fibrinosa, von 
Schittenhelm 1243, — foetida, von 

Parcelle.. . . 1551 

Bronchoskopie bei Luneencarcinom, von 

Killian.".742 

Brüche s. a. Fracturen, Hernien. 

Brüche, Behandlung brandiger, v. Krause 
706, von Hofmeister 1831, Heilung sub- 
cutaner — langer Röhrenknochen, von 
Ziegler 774, 214, operativ behandelte 
eingeklemmte —, von Springorum . 848 
Brütofen, einfacher, für den praktischen 

Arzt, von Walz. 933 

Bruch, brandiger, von Bayer.128 

Bruchoperationen, von Gaben ..... 1324 
Bruchpforten, Verscbliessung von, von 

Witzei, von Goepol.698 

Brustaneurysma, Frühsymptome des, von 

Eccles.. . 443 

Brustaorta, radiographisches Verhalten 
der normalen, von Holzknecht 402, 
radiographisches Verhalten patholo¬ 
gischer Processe der —, von Holz¬ 
knecht .943 

Brust-Bauch Verletzung, v. Zimmermann 134 
Brustdrüse am Oberschenkel, von Stein¬ 
born 734, Cy sten der —, v. Bryant 
780, Hypertrophie der weiblichen —, 

von Donati.1352 

Brustdrüsenextract, Anwendung des, in 

der Gynäkologie, von Shober . . . 476 

Brustentziindiing, gangraenöse, v. Roger 


1670 

669 

1087 

1604 

439 

1111 

339 

1013 

774 

1015 

1485 

1014 


und Garnier.100 

Brustkrebs, von Banks Gf>9, Prognose 
der operativen Besandlung des, von 

Mc Williams.1248 

Brustwarze, primäre Geschwulstbildung 

der, von Lindfors.841 

Bubo, venerischer, und Buboneneiter, 

von Adrian.475 

Buckel, Streckung des Pott’schen, von 

Joseph.984 

Bürsten, Keimgehalt und Sterilisirbarkeit 

der, von Winternitz.333 

Bulbusruptur, von Hauenschild .... 1074 
Bulbusverletzungen, conservative Be¬ 
handlung der perforirenden, v. Römer 4D1 
Bulbuswunden, Behandlung inficirter 

perforirender, von Glauning .... 1070 
Butter, Tuberkelbacillen-Nach weis in, von 

Hellström.1637 

Buttermilch, Ernährung mit, von Salge 1022 
Buttersäurebacillen u. ihre Beziehungen 
zur Gasphlegmone, von Schattenfroh 
und Grassberger 1032 , Beziehungen 


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Original From 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

























































1900 . 


der unbeweglichen — zur Rausch- 
brandaffection, von Schattenfroh und 

Grassberger. 1733 

Buttersäuregährung, von Schattenfroh 
und Grassberger.590 


€. 

t'acodylsäure und deren Anwendung, 
v. Dalche 521, v. Widal, Merklen, 

Gautier, Danlos, Hirtz.753 

Cancroide, Riesenzellenbildung in, von 

Becher.742 

Cannabis indica-Vergiftung von Foulis 1506 
Caput obstipum, operative Behandlung 
des, spasticum, von Kalmus 589, neue 
Operation bei —, von Föderl . . . 714 
Carbolsäure als Specificum geg. Tetanus, 
von Woods 176, Werth der —, von 
Minervini 201, Behandlung von Abs- 
cessen mit reiner —, von Phelps 
1307, von Jochner 1596, — gegen 

Erysipel, von Jochner.1596 

Carcinoin s. a. Infectionstheorie. 

Carcinom, von Koch 1612, der Flexura 
sigmoidea, von Paltauf 305, geheiltes 
Mastdarm- —, von v. Bergmann 706, 
zunehmende Verbreitung des —, von 
Massey 844, primäres —, des Ductus 
choledochus, von Brenner 1011, Aetio- 
logie des -, von Jürgens 1056, Supra- 
daviculardrüsen in der Diagnose der 
abdominellen —, von Tarchetti 1277, 
Halstead’sche Operation bei — mam- 
mae, von Nanu 1320, Verbreitung 
des —, von Reiche 1337, frühzeitige 
Diagnose des —, von Cullen 1397, 
Aetiologie des —, 1506, von Csokor 
1716, — der Pylorusgegend, von Koch 
1580, Wachsthum d. Haut u. Schleim¬ 
haut —, von Lohmer 1602, — cervicis, 
von Thorn 1609, Aetiologie des — 
und die pathogenen Blastomyceten, 

von Leopold.1749 

Carcinomatose, Hirnsymptome bei, von 

Saenger. 341, 374 

Carcinompräparate, von v. Leyden . . 1678 
Carcinose s. u. Knochencarcinose. 

Cardioptose, von Rummo.1317 

Caro porosa, von Huber.1628 

Carotis, doppelseitige Ueberbindung der 

— communis, von Polak.1185 

Carotisdrüsenepitheliom, von v. Heinleth 899 
Casein als pyogene Substanz, v. Colard 268 
Caseinausnützung, von Knöpfelmacher 58 
Cassenärzte, Vorträge für, über Tuber- 

culose 203, über ökonomische Recept- 
verschreibung 1795, Beeidigung von , 1365 
Cassenärztliche Vereine in Berlin . . 1399 
Cassen und Aerzte ln Dresden .... 522 
Castration in rechtlicher socialer und 
vitaler Hinsicht, von Rieger 110, — 
bei Vaginaldefekt, von Eberlin 262, 
Schwangerschaft u. Entbindung nach 
beiderseitiger —, von Kossmann 313, 

— zur Heilung inoperabler Brust- 

careinome, von Boyd.1402 

Castrationsatrophie, von Beuttner . . . 262 

Casuistisches und Therapeutisches aus 
der Landpraxis, von Neubauer , . . 170^ 

Catgutfrage, von Lauenstein.501 

Catgutsterilisation, von Eisberg .... 875 
Cellulosebestimmung im Kothe, v. Mann 439 
Centralblatt für innere Medicin, fast in 
jeder Nummer, — f. Chirurgie ebenso, 

— für Gynäkcologie ebenso, — für 
Bakteriologie ebenso, — für Stoff¬ 
wechsel- u. Verdauungskrankheiten 788 

Centralnervensystem, das, von Soury471, 
Arbeiten aus dem Institat für Ana¬ 
tomie und Physiologie des — an der 
Wiener Universität, von Obersteiner 
872, pathol.-anat. Vorgänge am Stütz¬ 
gerüst des —, von Storch 877, 906, 
postmortale Cystenbildung im -, von 

Hartmann.1543 

Centralorgane, Bau der nervösen, von 
Edinger. 3301 


INH ALTS-V E RZE101INISS. 


XXIII 


Centren, optische, dos Menschen, von 

Monakow.812 

Cephalea, Therapie der, von Brimton . 755 
Cephalocele basilaris, von Tauber . . . 1010 
C'ephalopoden, Wirkung des Phosphors 
und Pulegons auf die —, von Linde¬ 
mann, Uraemiebei —, von Lindemann 1012 
Cophalotripsie am nachfolgenden Kopf, 

! von Targett.1404 

j Cerebnillähmung, infantile, von Kissling 897 
Cerebrospinalflüssigkeit, v.Lewandowsky 
| 1502, Abfluss von — durch die Nase, 

j von Freudenthal. 1468, 1602 

; Cerebrospinalminingitis,intrauterine,von 
j Gradwohl 59, baeteriologisehe Unter- 

Buchungen bei epidemischer —, von 

1 Faber.1315 

Cervicalpolypen, Dignität der, von Keitler 1636 
Cervix, Aetzstenose der, von Schenk . 263 
Cervixdehnung und Cervixzerreisstmg, 

von Hammerschlag.941 

Cervixdilatation, Metallinstrument zur, 

von Schwarzenbach.. 95 

Cervixverkürzung, neue Methode der, 

von Fuchs.1672 

Chemie, Einführung in die, von Lassar- 
Cohn 973, physikalische — in der 
Medicin, von Koeppe 1242, Prac- 
ticum der physiologischen und pa¬ 
thologischen —, von Salkowski 2242, 
Lehrbuch der anorganischen —, von 

Erdmann.1616 

China, Sanitätsexpedition des Rothen 

Kreuzes nach,.1024 

Chininamblyopie, von Schwabe .... 1642 
Chinosol in der Hebammenpraxis, von 

Tjaden.1183 

Chirol, von Kossmann 1425,vonSchaeffer 1143 
Chirurgen, Gesellschaft der russischen, 1616 
Chirurgie du foie et des voies biliaires, 
von Pantoloni 162, Einfluss der mo- 
! demen — auf die Medicin, von Smith 
780, Grundriss der orthopädischen—, 

| von David.1465 

I Chloasma, von Bulkley.820 

Chloral und Blutungen, von Model . . 1739 
| Chloroform, schädliche Nachwirkungen 
[ des, von Lengenmann 1182, Einfluss 

' des — auf den Herzschlag, von Mac 

| William.1506 

j Chloroformflasche, von Blumberg . . . 1243 
' Chloroformnarkose, von Frankenburger 
I 785, Prophylaxe bei der —, von 

| Feilchenfeld.262 

l Chlorose, heisse Bäder bei, von Brosin 
177, elektrische Reizbarkeit hei 

I von Aporti und Marini.1618 

, Cholaemie, Pathogenese der, von Bickel 1211 
i Cholecystectomie, Resultate der, 

I Michaux. 

j Cholecystitis, Typhusbaeillus bei acuter, 
von Hunner 23, experimentelle 

von Cushing. 

Cholecystotomie mit wasserdichter Drai 

nage, von Poppert. 

Choledochotomie, transduodenale, von 
Pozzi 1358, — und Cholecvstentero 
anastomose, von Pendl .... 
Cholelitliiasis, von Naunyn 135, Com 
plicationen der —, von Kocher 514 
• Indicationen zur operativen Behänd 
lung der —, von Rotgans 620, The¬ 
rapie der —, von Scheuer 827, Magen¬ 
erkrankungen bei —, von Petersen 1470 
Cholesteatom, von Körner .... 
Cholesteatomfrage, von Leutert . . 
Chondromatose des Kniegelenks, von 

Reichel. 

Chorea s. a. Abort. 

Chorea, von Müller 1608, pyogener Ur¬ 
sprung der — rheumatica, von Mir 
coli 514, Psychosen bei —, von v. 
Krafft-Ebing 1116, psychische Stö 
rungen bei der — chron. progressiva, 
von Kattwinkel 807, Huntington’sche 

—, von Kattwinkel. 

Chorioepitheliome, Histologie und Ver¬ 
lauf der, von Krebs . 

Chorioidealsarkom, von Jung . . . 


1217 


23 

329 


844 


1288 

1329 

630 


1670 

876 

557 


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Seite 

Christus als Arzt .408 

Chrysarobin gegen Warzen, von Fitz . 66 

Chylurie, europäische, von Predte- 

tschensky.840 

Ciliargegend, Wunden der, von Dünn . 22 

Cirrhose, Hanot’sche, von llasenclever, 

1572, Erzeugung von — bei Thieren, 
voji Flexner 1442, von Hektoen . . 1443 
Citrophen,vonTittel 1116, — von Kornfeld 1366 
Claudication s. a. Hinken. 
Claudicationinlermittente,vonKlemperer 

711, von Grassmann.807 

Cocainanaesthesie, medulläre, vonTuftier 

1148, von Nicoletti.1149 

Cocainanalgesie, medulläre, von Schwarz 1709 
Cocaininjectionen, von Doleris u. Malartie 
1222, — in den Lumbalsack, von 

Leguen u. Kendirdy.1647 

Cocainisirung s. a. Medullamarkose. 
Cocainisirung des Rückenmarks, von 
Bier 1226, — von Dumont 1427, Er¬ 
satz des Cocain’s bei der Bior’schen 
j — des Rückenmarks, von Engelmann 1531 
Cocainlösungen, Einwirkung der Sterili¬ 
sationsverfahren auf, von Sidler- 
i Huguenin 474, sterile Aufbewahrung 

I von —, von Sidler-Huguenin . . . 514 

Cocainvergiftung, acute, von Bergmann 392 
j Coecum, Gallertkrebs des, von Hahn . 1580 
i Coecumcarcinom u.Tuberculose,Diagnose 

! des, von Obrastzow.700 

| Coffein, Wirkung des, auf das Herz, von 
[ Bock 545, Einwirkung des — auf das 

| Gesichtsfeld, von Schwabe.1642 

| Colitis, chirurgische Behandlung der 
I chronischen, von Lindner 974, — 

| membranaeea, von Boas, von Manna- 

i berg, von Mathieu.1187 

| Collodium, Gebrauch des, von Samways 944 
' Collumamputation, von La Torre . . . 1398 
Colon,entzündliche Stricturen des, sigmoi- 
deum und pelvinum, von Rotter . 1213 
Coloquinthen, Vergiftung mit, v. Jennings 177 
Coma diabeticum, von Sternberg 126, 
künstlich hervorgerufenes —, von 
Grube 627, traumatisches — diabeti¬ 
cum, von Spitzer 1708, Pathologie 
des — diabeticum, von Grube . . . 1751 
Commotio cerebri, von Hauser .... 655 
Compensationsvorgänge, von Bickel . . 1528 
Compression des Brachialplexus, von 

Engelken.1602 

Congresse, s. a. u. IV. 

Congress für med. Electrologie u. Radio¬ 
logie 483, — der Krankenpfleger, 
Masseure und Heilgehilfen in Dresden 
1255, VIII. internat. — gegen den 

Alkoholismus.1836 

Congresse, Berichterstattung der Tages¬ 
zeitungen über medicinische .... 1220 

Congressnachrichten.379 

Conjugata, Relation zwischen Sternum 

und, von Kurtz.618 

Conjunetivaltuberculo8e, von Jung . . 980 
Conjunctivalxerose, Verhornung des 
i Bindehautepithels bei infantiler, von 

I Dötsch.301 

Conjunctivitis, durch Heilserum be¬ 
handelte, diphtheritica, von Hanne- 
cart u. Terrien 175, gonorrhoische —, 

von Welander.335 

Conservenfabrication, von Bischoff u. 

| Wintgen.1388 

I Conserviren von Fisch und Fleisch mit 

I Salzen, von Petterssen.877 

Conservirung pathol.-anat. Präparate, von 

| Pick.781 

i Contagium, Beyerink’s, vivum fluidum, 

> von Reineke.1580 

| Contentionsapparat, neuer, von Debrand 1280 
Contractionsphänomen, Stelle des Auf- 

! tretens des, von v. Herff.473 

| Contractionsring, von Rossa ..... 1782 
' Contractur, operative Behandlung der 

Dupuytren’schen, von Lotheissen . 1114 

Controversi, von Henke. 452 

Conus, Anatomie des, myopicus, von 
Heine 97, Erkrankungen des — ter- 
minalis, von Hirschherg.589 


Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 































































XXIV 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900 . 


Seite 

Coordination, Tonus und Hemmung, von 

Kohnstamm.905 

Cornea, Impermeabilität des Epithels der, 
für Sauerstoff, von Bullot .... 401 
Corpus eavern. tympanicum beim See¬ 
hund, von Tandler.621 

Correspondenz 108, 140, 212, 380, 452, 

675 , 756, 820, 1060, 1154, 1256 1684,1764 
Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte, 
fast in jeder zweiten Nummer. 

Corset s. a. Stützkorset. 

Corset u. Reformkleidung, von Thiersch 
: 1108 , orthopädisches — bei Skoliose, 


von Htissy.1749 

Corsetdruck, von Thiersch.1276 

Coxa vara s. a. Schenkelhalsverbiegung. 

Coxa vara, von Bähr 707, von Lauen stein 
1578, von Wagner 1749, Anfangs- 
stadien der —, von Schanz .... 1313 
Coxitis, Frtihoperation der, von Blood- 
good 844, — hysterica, von Porter . 1468 
Credd’sches Verfahren bei Neugeborenen, 

von Michaelsen.401 

CretinismuB, Ursache des, von Allara 
551, endemischer und sporadischer 
—, von Wagner u. Jauregg ... 743 
Cruralhernie, von Wiesinger 1578, — 
im Labium majus, von Stieda . . . 1351 

Crurin, von Steiner.275 

Cubitus valgus femininus, von Hübscher 93 
Culturgläserverschluss, neuer, von Hesse 370 

Cultusetat, preussischer.17$ 

Curorthygiene, von Kuthy.1246 

Curpfuseher 1518, Vorgehen gegen — 
in Hamburg 955, ärztlicher — u. Col- 
legialität 1718, —Anzeigen 1220, — 

in illustrer Gesellschaft. 1399 

Curpfuscherei, Bekämpfung der 817, von 

Blencke. 295 

Curpfuscherthiim, Blätter zur Bekämpf¬ 
ung des .518 

Cyanose, von Vierordt.662 

Cyclopaedia, annual and analytical, of 

practical medicine. 924 

Cystadenoma mammae, von Tietze . . 1387 
Cyste, von v. Bergmann 1640, — des 
behaarten Kopfes 550, — der Darm¬ 
wand, von Sprengel 705, aus den 
Scheidendrüsen hervorgehende —, 

von Davidsohn . .. 1781 

Cystenbildungen, pathologische Histo¬ 
logie der, von Kühne 1011, — in 
Ovarialresten, von Waldstein . . . 1466 
Cystennieren, von Theilhaber 1325, fö¬ 
tale —, von Mirabeau 438, — eines 
Neugeborenen, von Frieben .... 446 
Cysticerken im Rückenmarke, von Pichler 
702, subretinale —, von Schwarz . . 1580 
Cystin und die verunreinigten Wässer, 

von Causse.786 

Cystitis, von Hillmann 813, Aetiologie 
der infectiösen —, von van Calcar 
132, blennorrhagische —, von Pini 
633, — typhosa, von Curschmann . . 1449 
Cystocele lineae albae, von Gerulanos 233 
Cystodiagnostik, von Widal u. Ravaut . 1282 
Cystofibrosarkome der Mamma mit epi- 
dermoidaler Metaplasie, von Grohe . 656 
Cy stoma, rasches Wachsthum eines, 

ovarii glanduläre, von Kossmann . . 36? 
Cystopexie, indirecte, von Petit.... 1398 
Cystoskop, neues, von Schlifka 99, von 
Kollmann.1287 

l>. 

Dämmerzustand, Reise im epileptischen, 

von Burgl. 1270 

Dampfsterilisatoren, Controlapparat für, 

von Sticker.18, 941 

Dampfsterilisirapparate, Controle von, 

von Schüller. ... . 262 

Darier’sche Erkrankung, von Doctor . . 335 
Darm s. a. Dickdarm, Dünndarm, Colon, 
Duodenum etc. 


Darm, Achsendrehung des, von Schreiber 
163, Physiologie, Pathologie undBac- 


Seite 

teriologie des —, von Buchbinder 
479, — und Mastdarmcarcinome, von 
Krönlein 594, .Untersuchungen am 
lebenden Thier- und Menschen—, 
von Buchbinder 973, Schnürverschluss 
des —, von Vollbrecht 1U86, moto¬ 
rische Thätigkeit des —, von Hem¬ 
met er 1188, Functionsprüfung des 
—, von Philippsohn 1638, Infection 
des—, von Buttersack 1748, entzünd¬ 
liche Erkrankung des — in der Regio 


ileocoecalis, von Lenzmann .... 1753 
Darmausschaltung, totale, von Payr . . 1184 
Darmbaeterien und Darmbacteriengifte 

im Gehirn, von Seitz.401 

Darmcarcinom, Frühdiagnose des, von 

Holländer. 1115 

Darmdivertikel, von Bayer. 1635 ! 

Danneinklemmung, von Meyer .... 93 

Darmgries, von Eichhorst.1670 

Darminvagination, von v. Bramann 1712, 
Chirurgie und pathol. Anatomie der 

—, von Brunner.262 

Darmlipom, von Hahn 288, von Lange- 

niak 14< 6, von Gross.1674 

Darmlumen, Verschluss des,von v. Barne/ 

657, von Haegier.840 

Darm naht, von Kuhn.262 

Darmocelusion durch Meckel’sehes Diver¬ 
tikel, von Hohlbeek 873, Diagnose 
und Behandlung der —, von v. Berg¬ 
mann .1214 

Darmresection, von Krause.669 

Darmruptur, von Engelmann 1707, sub- 

cutane —, von Schnitzler.819 

Darmspülungen, hohe, von Turck . . 59 

Darmstenose, geheilte, von Jochner . . 1596 
Darmsyphilis, von Forssmann 842, von 

Lereboullet ... ...... 1121 

Darmulcera, multiple stricturirende, von 

Luce.978 

Darm Vereinigung, Technik der, von 

Hinterstoisser.1638 

Darmverletzung, von Schnitzler 819, ge¬ 
heilte multiple —, von Deiters 1239, 
subcutane —, von Hirstein .... 1502 
Darinverschliessungen und Verengerun¬ 
gen, von Martens .1502 

Darmverschluss, angeborener, durch 
Atresie, von Sick 170,arterio-mesente- 
rialer —, von Albrecht 777, von Stieda 
1351, — während der Schwanger¬ 
schaft, von Tendericli ...... . 1387 

Darmwand, Baeteriendichtigkeit der, von 
Binaghi 550, Durchgängigkeit der — 
für Bacterien, von Posner und Colin 1278 

Daumenluxation, von Koch.1612 

Daumenplastik, von Noeoladoni .... 1050 
Decapitation mit dem Zweifel’schen Tra- 

chelorhekter, von Fiith. 96 

Decapitationshaken, v. Braun’seher, von 

Herzfeld, von v. Braun-Fernwald . . 473 
Deciduoma malignmn, von van der 

Iloeven. 1504 

Deckzellen, Pathologie der serösen, von 

Borst.848 

Defäcation, psychisch bedingte Störung 

der, von Pick . . . 778 

Defloration, anatomischer Nachweis der 

erfolgten, von Haberda.438 

Degeneration, amyloide, von Davidson . 977 
Deject.ionen, Bacterienbefunde in, von 

Pigeaud.1573 

Deltoideslähmung, isolirte, von Stein¬ 
hausen .908 

Dementia, postsyphilitische, von Krause 
1119, Herdsymptome bei — paraly* 
tica, von Mönkemöller 1673, Früh¬ 
symptome der — paralytica und ihre 
Behandlung, von Hutchinson . . . 1675 
Demodex folliculorum, Vorkommen des, 
am Augenlid, von Hunsche .... 1563 
Dermatitis exfoliativa infantum, von 
Luithlen 336, — tuberosa ex jodo, 
von Neumann 336, exfoliative —, von 
Wolff 405, — herpetiformis, von Hall 
443, perifolliculäre pustulöse—, von 


Seite* 

Huber 474, Histologie der — exfo¬ 
liativa, von Bender.1087 

Dermatologie und Syphilis, Referat über, 

334, 474, 552 

Dermatologische Vereinigung ... . 243 

Dermatomyome, multiple, von Jacobi . 630 

Dermoidcysten, von Bandler 266, von 
Siedentopf 480, Entstehung der —, 
von Bandler 618, von Wilms 1750, 

von Bandler.. . 1781 

Dermoide der Bauch- und Beckenhöhle, 

von Funke.1601 

Desinfection s a Alkohol, Bürsten, 
Formalin, Formaldehyd, Glycoforrual- 
desinl'ection, Hände, Händedesinfec- 
t.ion, Marmorseife, Scheindesinfection, 
Scheidenkeime. 

Desinfection, Bacteriologisches zur, der 
Hände, von Schenk und Zaufal 503 , 

— der Hände, von Kossmann und 
Zander 841, — der Hände und der 
Haut, von Ilanel 875, gastrointesti¬ 
nale —, von Schütz 908, — inficirter 
Badewässer, von Babucke 975, — der 
Brunnen mittels Kalium permangani- 
eum, von Delorme 1121, —dertuber- 
culösen Sputa in Wohnräumen, von 
Ottolenghi 1-U5, — mit Carboformal- 
Glühblocks, von Dieudonnö 1456, von 
Erne 1666- — von Wohnräumen, von 
Abba und Roridelli 1503, — der He¬ 
bammenhände, von Kossmann 1541, 
mechanisch-chemische — der Hände, 
von Schenk und Zaufal . . ... 1558 

Dextroeardie, von Lohsse 1644, reine 
angeborene —, von Crispino 1544, 
angeborene —, von Löwenthal . . 1572 
Diabetes s. a. Coma, Herzkrankheiten, 
Nierendiabetes, Ohrenerkrankungen, 
Zuckerkrankheit. 

Diabetes insipidus, von Strubeil 1608 ? 
von Rebensburg 1144, von Niessen 
1225, Stoffwechsel bei — insipidus, 

von Vannini.1051 

Diabetes, von v. Noorden 1783, diäte¬ 
tische Behandlung des — mellitus, 
von Kolisch 58, Lipaemie bei — ! 
mellitus, von Futscher 60, — und 
Akromegalie, von Schlesinger 275, 
Kehlkopferkrankungen im Verlauf 
des —, von Leichtenstern 535 ? pan- 
kreatogener —, von Bauermeister 
700, Behandlung des —, von Saundby 
1117, — mellitus, Unterleibskoliken u. 
Oedeme, von Ebstein 1141, geheilter 
Fall von — mellitus, von Zaudy 1144, 
Milchdiät bei — mellitus, von Berger 


1215, Gangraen bei — mellitus, von 
Grossmann 1350, Zuckerausscheidung 
bei — mellitus, von Stradomsky 1386, 
Blutreaction bei — mellitus, von 
Williamson 1506, — mellitus und 
Tabes dorsalis, von Croner .... 1572 
Diabetesmilch, Rose's, von Sandmeyer . 1575 
Diabetikerdiät, Eiweisszufuhr in der, von 

Lenne.704 

Diät, Stoffwechseluntersuchungen bei 


vegetarischer, von Rumpel 133, blut¬ 
reinigende — bei Galen, von Basler 
332, — bei Hyper- u. Hypochlorhydrie, 
von Buch 1386, — und Salzsfture- 


Tsecretion, von Meyer.1672 

Diagnose, antenatale, v. Ballantyne 1116, 
Elemente der pathologisch-anato¬ 
mischen —, von Israel.1181 

Diagnostik, 'Taschenbuch der medicin- 
ischen, von Seifert und Müller 973, 
pathologisch-anatomische —, von Orth 1181 

Diaphorese.1153 

Diapliragmadivertikel, musculöses, von 

Bromann.842 

Diarrhoe, Salol und Petroleum bei, der 
Kinder von Fothergill 562, Behand¬ 
lung der — Tuberculöser, v. Doumer 

und Rancon.955 

Diathese, hamsaure, von Ortowski . . 1142 


Digitized by 


Gck igle 


Original From 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






















































1900 . 


iNHALTS-VERZEtCIimSS. 


XXY 


1198 

842 

261 

592 

1600 

629 

716 

619 

1191 


703 


1222 

745 


Diazoreaction, von Damen 1185, Beein¬ 
flussung der —, von Burghart 338, 
diagnostische und prognostische Be¬ 
deutung der — bei Phthisikern, von 
Michaelis 474, Ehrlieh’sche —, von 
Arneill 1215, prognostische Bedeutung 
der — Tuberculöser, von Becker . . 

Dicephalus, von Schaefer .. 

Dickdarm, angeborene Abknickung des, 

von Göppert. 

Dickdarmcarcinom, extraperitoneale Re- 
section einer, von Kümmell . . . 
Dickdarmresection wegen Carcinom, von 

Zimmermann.. . 

Dickdarmtumoren, operative Behandlung 

der malignen, von Körte. 

Dienstzeit, einjährige, der Mediciner 
Digitalis, Verhalten des Blutdruckes nach 
Darreichung von, von v. Czyhlarz . 
Digitalisgaben, chronische Verabreichung 
kleiner, von Frankenburger .... 
Digitalisgruppe, pharmakologische Wir¬ 
kung der Stoffe aus der, von Wybauw 1751 

Digitalis Wirkung, von Heinz. 

Digitoxin, Wirkung des, crystallisat. 
Merck im Vergleich zu der der Digi¬ 
talisblätter, von Zeltner. 

Dionin, von Wolffberg 98, — in der Augen¬ 
heilkunde, von Darier. 

Dioptrie, Bedeutung der, von Gullstrand 
Diphtherie s. a. Intubation Magendiph¬ 
therie, Spätdiphtherie, Serumbehand¬ 
lung. 

Diphtherie, v. Walker 20, laryngo-tracheo- 
bronchiale —, von Smith 269, bac- 
teriologische Diagnose der —, von 
Concetti 402, Erbrechen bei —, von 
Rolleston 779, 4 Jahre vor und nach 
der Serumbehandlung der , von 
Siegert 10ö7, 1178 Fälle von von 
Richardifcre 1860, Toxicität des Urins 
bei —, von Mariotti-Bianchi 1389, 
Verlauf der — bei Serum an Wendung, 
von Zollikofer 13ö9, bacteriologische 
Diagnose der—, von Andrewes 1442, 

— und Scharlach, von Wesener 1468, 
Serumbehandlung der -, von v. Bökay 
1602, Erfahrungen mit -, von Knopf 
1611, Prophylaxe der septischen und 
phlegmonösen —, von Behrmann 
1751, Herz bei —, von v. Leyden 

Diphtherieartiger Organismus bei Tauben, 
von Macfadyan und Hewlett . . . 
Diphtheriebacillen s. a Löfflerbacillen. 
Diphtheriebacillen und Heilserum, von 

Kassowitz.402 

Diphtheriediagnose, bakterioskopische, 

von Bronstein.265 

Diphtherieheilserum, eigenthümliche Er¬ 
krankung nach, von v. Szontagh 906, 

1000 faches — 1025, 1154, — in Ma¬ 
drid, von Robert 1439, prophylaktische 
Injectionen von - bei masernkranken 
Kindern, von Netter und Nattan 

Lanrier. 

Diphtheriekranke, Zeitraum der An¬ 
steckungsfähigkeit der, von Ewart . 
Diphtherieserumtherapie und Intubation 
im Kinderspital in Basel, vonWeissen- 

berger. .... 

Diphtheriestamm, atoxischer und aviru- 

lenter, von Lubowski.1512 

Diphtheriesterblichkeit, Abnahme der, 

von Munn.477 

Diphtherietoxin, Wirken des — auf den 

Vagus, von Colla.1327 

Diphtheritische Lähmung und Antitoxin, 

von Ransom.J674 

Diplococcen, Schnellfärbung derNeisser’- 

schen, von Uhma.552 

Diplogonoporus grandis, von Kurimoto 840 
Disposition, locale, Erkältung und Ab¬ 
härtung, von Kisskalt.110 

Distanzbehandlung .447 

Distomum hepaticum s. a. Leberegel. 
Distomum felinum, von Askanazy 1603, 

— hepatis spafchulatum, v. Simmonds 1758 


Distorsion des untern Fussgelenkes, von 
Krapf 


1762 

106 


1360 

1506 


. 1541 


1674 
Sudsaki 1050 
1687 
850 
716 
-441 
1056 
62 
463 

1540 

1144 
18 
264 

707 


355 

1751 


1142 

1641 


Diurese, von Magnus 
Diuretische Wirkung von Digitalis, Stro 
phanthus und Diuretin, von Mc Laren 
Divertikel am S romanum, von 
Divertikelsonde, von Starck . 

Doctorjubiläum. 

Doctorwiirde, nichtpreussische 
Doppeldiaphanoskop, von Gerber 
Doppelkatheter, von Frendenberg 
Doppelmissbildungen, von Busse 
Dormiol, Wirkung des, von Peters 
Douchen, in der Hydrotherapie gebräuch¬ 
liche, von Rieder . 

Draht s. a. Knochen, Filigrangeflecht. 
Drepanidotaenia-Bloch, von Wolffhügel 
Drillingsgeburt, von Wolff . 

Drüsen, gastrische, von Basch 
Drüsenabscesse, Topographie der retro 
pharyngealen, von Most 
Druck, osmotischer, thierischer Flüssig¬ 
keiten, von Senator 164, osmotischer 

— zwischen Mutter und Kind, von 
Veit 776, intrapleuraler—, von Aron 1184 

Druckstauung, von Perthes 906, 1020, 

— und Fettembolie, von v. Reckling¬ 
hausen .984 

Ductus, Offenbleiben des, omphalo- 

mesentericus, von Cnopf.1020 

Dünndarm, Carcinom des, von v. Kahl- 
den 61, Achsendrehung des —, von 

Fertig. 

Dünndarmruptur, geheilte, von Ringel. 
Dünndarmstenosen tuberculösen Ur¬ 
sprungs, von Erdheim.203 

Duodenalatresien, congenitale, von Wyss 974 
Duodenum, Haemorrhagien des, von 

Babes.1676 

Duplicitas intestini crassi, von Grobö . 376 
Dura, Geschwülste der, mater, von Engert 
1183, Bau der — mater, von Melni- 

kow-Raswedenkow.1353 

Duralmfusion, von Jacob.164 

Durst, Einfluss des, auf gewisse Eigen¬ 
schaften des Blutes, von Wettendorff 
Dyes, Dr. August (Nekrolog), von Bach¬ 
mann . . 

Dysenterie, Aetiologie der tropischen, 

von Flexner . 1 443, 1783 

Dysmenorrhoe, Behandlung der, von 

Haultain.1647 

Dyspepsie, Eintheilung der, von Frö- 

mont .953 

Dystocie durch den Contractionsring, 

von Veit.472 

Dystrophia muscul. progress. adultorum, 
von Hess .1090 

E. 

Echinococcus s. a. Blasenwurm, Cysti¬ 
cercus , Leber, Leberechinococcus, 

Niere 

Echinococcus der Orbita, von Wagen¬ 
mann 63, — des Oberschenkels, von 

Delbanco.950 

Echinococcusgeschwülste, von Kokoris 1215 
Ecraseur, neuer abdominaler, von Jon- 

nescu.1676 

Eczem s. a. Naphthalanbehandlung. 

Eczem, Behandlung des chronischen, 
von Neuberger 336, parasitäre Natur 
des —, von Scholtz 1115, parasitärer 
Ursprung des —, von Unna, Jadas- 
sohn 1360, von Galloway, Brocq und 
Veillon 1351, — und verwandte 
Krankheiten, von Freeman .... 1505 

Ehrendoctor.226 

Ehrengerichte, ärztliche, in Preussen 179, 

675, 755, 817, 850, 1836, Geschäfts¬ 
ordnung für die ärztlichen — ... 635 
Ehrengerichtshof, preussischer . . 522, 1445 
Eier, Atrophie der, in den Eierstöcken 
der Säuge thiere, von Matschinsky . 1015 
Eiereiweiss, Nachweis von, auf biologi¬ 
schem Wege, von Uhlenhutb . . 1673 


879 

159 


Eierstock, Pathologie des, von Bollen¬ 
hagen 1387, Geschwülste des über¬ 
zähligen —, von Stolz 1636, Krank¬ 
heiten der —, von Martiner .... 1705 
Eierstock8cyste,tuberculöse,von Grusdew 1314 
Eierstocksgeschwulst, neuer Typus einer 
bösartigen, von Gottschalk .... 298 
Eihäute, Retention der, von Maygrier . 1399 
Eihüllen, Bau der menschlichen, von 
Blacher 18, Retention der —, von 

d’Erchia ..776 

Eileiterschwangerschaft, operative Be¬ 
handlung der, von Jung . ... 841 

Eingeweide-Transplantationen, von Ull- 

mann.1321 

Einklemmung, innere, von Tillmanns . 343 
Einläufe, Wirkung hoher, von Turck . 1468 
Einreibungscur und Badecur, von 

Schuster.1467 

Eisen s. a Harneisen. 

Eisen, Resorption des medicamentösen, 

von Cloetta.1751 

Eisenbahnunfälle, von Saenger 1606, erste 
Hilfe bei — 137, Folgezustände nach 

—, von Saenger.1515 

Eisenpräparate, Wirkung neuer, von 

Sehtirmayer.1434 

Eisensomatose, von Nathan.334 

Eisentherapie, von Müller.1762 

Eismeer, medic -klimatologische Erfahr¬ 
ungen im, von Rawitz.26, 514 

Einstülpungsnaht, von Bayer.1635 

Eiweiss und seine künstliche Oxydation 
von Schulz 1581 Entstehung von 
Aceton —, von Blumenthal und 

Neuberg.1762 

Eiweissbestand, Hebung des im Organis¬ 
mus, von Bomstein.662 

Eiweissfäulniss, Aetiologie der, von Bien¬ 
stock . 514 

Ei weisskörper, Bence Jones’scher, von 

Magnus-Levy.703 

Eiweisspeptone,Nährwerth der,vonAustin 476 
Eiweisspräparate, Verwendung neuer, zu 
Culturzwecken, von Glaessner . . . 908 

Eiweissprobe, von Jolles. 447 

EiweiBsatoffe, von Kosael u. Kutscher . 1423 
Eiweissstoffwechsel bei Unterernährung, 

von Albu .127 

Eiweissumsatz und Zuckerausscheidung, 

von Rumpf . 1432 

Eklampsie, Prophylaxe und Therapie der 
puerperalen, von Davis, Edgar, King, 
Reynolds, Norris 337, Pathogenese 
der —, von Stroganoff 588, Behandlung 
der —, vonPopescul 941, von Mangia- 
galli 1285, von Stroganoff 1285, puer¬ 
perale — mit Pilocarpin behandelt, 
von Inglis 1505, moleculäre Concen- 
tration des Blutes bei — gravidarum, 
von Szili 1543, 58 Fälle von — ohne 
Todesfall, von Stroganoff .... . 1782 
Eklund’sche Pillen, von Hecht .... 1836 
Ekthyma, Aetiologie des, gangraenosum, 

von Hitschmann u. Kreibich .... 552 
Elastin, Verhalten des, im Stoffwechsel 

des Menschen, von Mann.439 

Elastisches Gewebe, Regeneration und 
Neubildung des, von Jores 1012, — 
in der Gebärmutter und im Eierstock, 
von Woltke 1012, — der Scheide, von 

Obermüller.1012 

Elektrische Applicationen, Stütz Vorricht¬ 
ung für, von Salaghi.1540 

Elektrische Ströme, tödtliche Wirkung 

der, von Cunningham. 59 

Elektrolyse, von Kafemann.1747 

Elektrotherapie, das Faraday'sche Gesetz 
in der —, von Frankenhäuser . . . 1572 
Elephantiasis, von Stern 1640, von Cohn 1679 
Elevator, the O’Connor, von Wieting . 1641 
Ellenbogengelenk, Complicationen nach 

Verletzungen des, von Littlewood . 269 
Elytroclisis bei Ureter-Scheidenfistel, von 

Kossmann .... . 381 

Embolie in der Pulmonalarterie, von 
Dräsche.878 


I 


Digitized b" 


■V Google 


Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




































































XXVI 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900 - 


1602 


1761 

1834 

370 

699 

1501 

16 n 2 


319 

876 

810 

699 


Embryoma ovarii, von Strasamann 747, 
RtickbildungsVorgänge an abortiven 

—, von Engel . 

Empyema neceaaitatis bei Kindern, von 
Audion u. Bourgeois 266, chron. — 
des Antrum Highmori, von Warneeke 
945, — im Kindesalter, von Cnopf 
1151, — im Säuglingsalter, von Ru¬ 
dolph 1190, tubereulöses —, von Sick 
1641, langdauerndes —, von Karewsky 
Empyemfälle, geheilte, von Lenhartz . 
Encephalitis, von Nonne 270, — ac. non 
purulenta, von Oppenheim .... 
Encephalopathia saturnina durch Hebra* 

salbe, von Hahn. 

Encyclopädie der Ohrenheilkunde, von 

Blau. 

Endarteriitis und Endoplilebitis oblite- 

rans, von Sternberg. 

Endocarditis, von v. Jürgensen 1633, von 
Hansemann 1710, ulceröse —, von 
v. Kahl den 62, von Barabo 179?, — 
'gonorrhoica, von Loeb 618, von Stein 
1708, — und ihre Beziehungen zu 
anderen Krankheiten, von Litten 663, 
maligne —, von Gavala 1246, von 
Fraenkel 1605, maligne — bei Gelenk¬ 
rheumatismus, von Bari6.1317 

Endocranielle otogene Erkrankungen, 
Schwierigkeit der Diagnose der, von 

Röpke . 

Endometritis dolorosa, von Sneguireff 18, 

- dolorosa Sneguireff b, von Pinkus 
Endotlieliome der Haut, von 8piegler552, 

— der Knochen, von Berger . . . 
Englische Krankheit, von Shukowsky . 
Enophthalmin als Mydriaticum, von Ci- 

priani-Mandos.1638 

Enteroptose, von Herzfeld 274, von Po- 

lacco 1544, chirurgische Behandlung I 

der —, von Blecher 1352, günstiger i 
Einfluss der Schwangerschaft auf die 

—, von Maillart. 1832 I 

Entfettungscuren, von Kisch. 1427 ! 

Entgiftung, von v. Czyhlarz und Donath 
588, von Heymans 1431, — des Or¬ 
ganismus, von Ellinger 1316, Lehre 1 

von der —, von Meitzer und Lang¬ 
mann . 

Entropie des Keimsystems und erbliche 

Entlastung, von Hirth.883 

Entwicklungslehre, Elemente der, des 
Menschen und der Wirbelthiere, von 

Hertwig.231 

Entzündung seröser Häute, von Heinz 213 
Entzündungslehre, Entwicklung der, im 

19. Jahrhundert, von Ponfik .... 474 
Enucleatio bulbi, von Schmidt-Rimpier 1052 
Epicarin, ein neues Heilmittel, von Ka¬ 
posi 371, — bei Scabies, von Siebert 1489 
Epidermolysis bullosa, von Rona 552, 
von Bettmann 915, — bullosa here- 

ditaria, von Elliot.1468 

Epidiaskop, von Dreyer.1118 

Epididymitis, gonorrhoische, von Witte 
552, Castration bei — tuberculosa, 
von Lanz 973, varicöse —, von Mig¬ 
non und Sieur . ■.1283 

Epignathus, von Martin.236 

Epilepsie s.a. Meerschweinchen-Epilepsie. 
Epilepsie, von Binswanger 232, rationelle 
Behandlung der —, von Laborde 105, 
senile —, von Redlich 173, — und 
gastrische Störungen, von de Fleury 
306, Behandlung der —, von Kothe 
482, von Fürstner 808, operativ ge¬ 
heilte —, von Krause 519, Methylen¬ 
blau bei —, von Paoli 744, Brom- 
medication bei —, von de Fleury 785, 
Santonin bei —, von Lydston 844, 
corticale —, von Lunz 877, Behand¬ 
lung der — mit Bromipin, von Lo¬ 
renz 1604, — und Polyklonie, von 

Mannini. 

Epilepsiebehandlung, von Biro 
Epileptische Aequivalente, von Schultze 
Epileptische Anfälle und Harnsäure- 
Ausscheidung, von Caro.743 


1386 


1639 

1246 

416 


Epiphysenlösungen, traumatische, von 

Wolff. 

Epiphysistumoren, von Neumann . . . 
Episcleritis, Aetiologle und Therapie der, 
periodica fugax, von Stöltzing . . . 
Epitheliom beider Brustdrüsen, von 
Dentu und Morestin 1279, multiple 

— auf der Basis eines Lupus, von 

Pringle 779, verkalkte — und Endo- 
theliome, von Linser. 

Epithelkörperchen und Thymusstrang, 

von Kürsteiner. 

Epithel Veränderungen durch Temperatur¬ 
einflüsse, von Petersen. 

Epityphlilis und Cholecystitis, von Meisel 
Epuiis und ihre Riesenzellen, von Ritter 

Erb Wilhelm, von Nonne. 

Erbrechen, nervöses, von Bendersky . 
Erfrieren, Tod durch, von Deila Rovere 
Ergüsse, pseudoehvlöse, von Gross . . 
Erholungsstätten für Cassenmitglieder 
in Berlin 26, — vom Rothen Kreuz 

in Berlin.. 

Erinnerungen aus meinem Leben, von 

Kölliker. 

Erkältung, von Kisskalt. 

Erlass, amtlicher: Belehrung über die 
Pest 34, Entwurf von Vorschriften 
über den Verkehr mit Geheimmitteln 
108, Berliner Polizei Verordnung 140, 
Ausführungsbestimmungen zu dem 
Gesetze, betr. die ärztlichen Ehren¬ 
gerichte, das Umlagerecht und die 
Cassen der Aerztekammern 179, An¬ 
trag, betr. Umgestaltung des See¬ 
mannskrankenhauses und Verbin¬ 
dung desselben mit einem Institut 
für Schiffs- und Tropenkrankheiten 
(Hamburg) 210, k. Allerhöchste Ver¬ 
ordnung, den Vollzug des Impf¬ 
gesetzes betr. 409, Bekanntmachung, 
betr. die Verleihung medic. Reise 
Stipendien für das Jahr 1900 756, Be¬ 
kanntmachung, betr. medic. Doctor- 
würde nichtpreussischer Universi¬ 
täten 924, Bekanntmachung, betr. die 
Einführung des hundertheiligen Ther¬ 
mometers 955, Gesetz vom 22. Juni 
1900, die Ergänzung und Abänderung 
des Polizeistrafgesetzbuches für das 
Königreich Bayern vom 26. December 
1871 betr. 1026, Gesetz, betreffend 
die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten vom 30. Juni 1900 1026, 
Bekanntmachung, das hilfsärztliche 
Externst in Sachsen betr. 1060, — 
betr. die Verhandlungen der Aerzte¬ 
kammern in Bayern im Jahre 1899 
1123, Bekanntmachung, betr die Prü¬ 
fung für den ärztlichen Staatsdienst 
in Bayern vom Jahre 1901 1124, An¬ 
weisung, betr schulärztliche Unter¬ 
suchungen im Herzogthum Sachsen- 
Meiningen 1160, Bekanntmachung 
betr. die Bekämpfung der Lungen¬ 
schwindsucht 1256, — betr. Vorlage 
der bei der Krankenversicherungs¬ 
novelle besonders in Erwägung zu 
ziehenden Fragen an die Aerzte¬ 
kammern 1367, Entwurf eines Ge¬ 
setzes, die Standesordnung und Ehren¬ 
gerichte für die Aerzte des Gross¬ 
herzogthums Hessen betr. 1446, Be¬ 
kanntmachung, die Stiftung des In¬ 
genieurs Dr. A B Nobel in Stockholm 
betr. 1519, Vorläufige Ausführungs¬ 
bestimmungen zu dem Gesetze, betr. 
die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten 1519, 1720, Die neue 
Promotionsordnung für Mediciner 
1583, Morbiditätsstatistik der Infec- 
tionskrankheiten betreffend . . 
Ernährung der Gefangenen im Zucht¬ 
hause, von Hirschfeld 698, künstliche 
—, von Jacobi 1321, von Heubner, 
Monti, Johannessen, Variot 1322, erste 

— des Kindes, von Cramer 1437,1685, 
Versuchsstation für —, von Biedert 


298 

812 

219 


974 


1543 


881 

630 

233 

1666 

1147 
4 0 
1088 


748 

55 

110 


Seite [ Seite 

1475, künstliche — des Säuglings, von 

Soxhlet. 1658 

Ernährungsphysiologie des Säuglings, 

von Bendix . 1035 , 1060 

Erstickung, Befund bei, durch Einwirkung 
auf den Hals, von Messerer .... 726 
Ertaubungen, Pathogenese der acuten, 

von Baginsky.369 

Erwerbsfähigkeit, Begutachtung der, nach 
Unfall Verletzungen des Sehorgans, 
von Ammann 1010, procentuale Ab¬ 
schätzung der — durch Aerzte, von 

Schindler. 1614 

Erysipel, die leukocytäre Formel bei, von 
Chantemesse und Rey 100, Therapie 
des — von Fischer 178, - und Ery- 
sipeloid, von Lenhartz 295, Conta- 
giosität des —, von Respinger 874, 

— faciei.976 

Erythema exsud. multiforme, von Lochte 

556, infectiöses — bei Kindern, von 
Escherich 1433, —exsudativum mul¬ 
tiforme nach chemischer Reizung der 

Urethra, von Heller.1515 

Erythrocyten, endoglobuläre Körperchen 
in den, der Katze, von Schmauch . 777 

Erythromelalgie, von Personali 550, vaso¬ 
motorische Reflexe bei —, von Bracci 1016 
Erythrophobie, klinische Stellung der 

sog., von Friedländer.624 

Eselmilch als Säuglingsernährungsmittel, 
von v. Ranke .... • . . ... 597 

Eserin, Einwirkung des, auf die Circu- 
lation im Auge, von Grönholm . . 1507 
Etagennaht ohne verlorene Fäden, von 
Schoemaker 589, — ohne versenkte 

Enden, von Hagopoff.1188 

Eupyrin, von Overlach.1635 

Europhen, von Saalfeld.563 

Exanthem, lenticuläres papulöses, von 
Aming 207, Aetologie der acuten —, 
von Siegel 1278, — durch Primula 

obconica, von Piza.1515 

Exercirknochen, von Eichel .405 

Exophthalmus, intermittirender, v.Hitsch- 
mann 187, pulsirender —, von Widen- 
mann 168, von Keschmann 1215, pul¬ 
sirender — nach Schussverletzung, 
von Wagenmann 301, — pulsans, 

von Barth.1604 

Expectoration, Mechanik der, v. Geigel 1574 

Exsudate, ehylöse, von Micheli u. Matti¬ 
rols 346, von Ascoli 1544, rectale 
Exploration und Incision perityphli- 

tischer —, von Langemak.1644 

Extensionsmethode, functionelle Ergeb¬ 
nisse der Bardenheuerschen von 

Bliesener.905 

Externat, hilfsärztliches, in Sachsen . . 1060 

Extrauterinschwangerschaft s. a. Gra¬ 
vid itas, Tube, Tubargravidität, Eileiter¬ 
schwangerschaft, Tubenschwanger¬ 
schaft. 

Extrauterinschwangerschaft, von Giulini 
560, von Stumpf 741, v. Seligmann 
1515, — und Intrauternigravidität, 
gleichzeitige, von Hermes 400, The¬ 
rapie der—, von Lindenthal 438, va¬ 
ginale Operationen bei —, von Madie- 
ner 841, — geheilt durch Laparotomie, 
von Hock 878, operative Indicationen 

bei —, von Prochownik.911 

Extremitäten, angeborene Verbildungen 
der oberen, von Joachimsthal 1350, tro¬ 
pische Störungen an den —, v.Paulesco 1836 
Extremitätenverletzungen, Mortalität 
der, von Kaufmann.1279 

F. 

Facialis, Lähmung des N., von Köster 1748 
Facialiscentren, corticale, von Figini . 1145 
Facialislähinung, von Bernhardt 1637, 
periphere traumatische —, v. Biehl 
266, Symptomatologie der —, von 
Mohr 1427, von Bernhard 1673, — 
nach Spontangeburt, von Vogel 1832, 

— nach Ohreiterung, von Herzberg 1838 
Fadenbacterium, neues, von Cozzolino 869 


1764 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


















































1900 . 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


XX VH 


Seite i 

Fadenreaction, von Eisenberg. 1752 I 

Fadenträger, von v. Pflugk. 745 i 

Faecalien, Unschädlichmachung der, von ! 

Houston. 1405 I 

Faeces, Intrument zum Durchspülen von, I 

von Boas. 882 | 

Faecespräparate, von Delbanco . . . , 951 
Färbungsmethode, neue, zur Darstellung 
des feineren Baues der Bacterien, 

von Nakinishi. 188 

Fall Neisser.879 

Fall Strubeil. 883, 1008, 1024, 1091 

Familien-Ikterus, von Gilbert, Castaigne 

und Lerebonllet.1223 

Farbe, gelbgrüne, der Bleichsüchtigen, 

von Bloch . 11>8 

Farbenringe um Lichtquellen, v. Druault 97 
Farbensinn,Täfelchen zur Prüfung feinen, 
von Cohn 399, Apparat zur prakti¬ 
schen Untersuchung des — von 

Evershusch.1017 

Farbstoffbildungen des Bac. prodigiosus 

von Kuntze.908 

Farbstoffe der Galle und der Leber, von 

Dastre und Floresco. 17 

Farbstoffproduction des Bac. pyocyaneus, 

von v. Kuester.201 

Fasern, elastische, in Riesenzellen von 

Rona.842 

Faule Ecken bei Kindern, von Epstein 473 
Favus, von Knich 1467, von Riecke . . 1608 
Fehlgeburt, von Schwarzenbach .... 1672 

Feldzahnarzt.1224 

Femurkopfepiphyse,traumatische Lösung 

der, von Rammstedt .1050 

Fenestra rotunda, von Frutiger .... 1248 

Feriencurse in Berlin ..1092 

Ferment, diastatisches, in Leukocyten, 

von Tarchetti.1J90 

Ferratogen, therapeutische Verwendbar¬ 
keit des, von Cloetta . . . . . .760 

Ferropyrin als Haemostaticum, von Toff 1115 
Fersan, von Silberstein 1223, klinisch- 
therapeutische Versuche mit —, von 

Fölkel.1536 

Festschrift der physik.-medic. Gesell¬ 
schaft zu Würzburg.296 

Fett- und Seifeabsorption im Dünn- und 
Dickdarm, von Hamburger .... 879 

Fett, Vorkommen von, in der Haut und 
einigen Drüsen, vonSata 1012, Spal¬ 
tung und Zersetzung von — und 

Fettsäuren, von Rubner.1051 

Fettbestimmung, Methodik der, von 

Rosenfeld. 1277 

Fettembolie, von Ribbert 976, — des 

Gehirns, von Haemig.1142 

Fettgewebsnekrose, von Simmonds 555, 
Verhältniss der — zu den Erkrank¬ 
ungen des Pankreas, von Schmidt 
644, multiple —, von Katz u. Wink¬ 
ler 1085, makro- und mikrochemische 
Reaction der —, von Benda . . . .1575 

Fettleibigkeit, Behandlung der, von Kisch 

70 , von Strasser. 702 j 

Fibrin, Herkunft des, von Heinz . . . 1244 
Fibrolipom im retroperitonealen und 
Beckenbindegewebe, von König . . 1013 
Fibrom der Rückenhaut, von Delbanco 
952, Selbstau88tos8ung grosser —, 
von Weiss 975, multiple —, von Zusch 1244 
Fibrombildung der Lippen- und Wangen¬ 
schleimhaut, von Pluder.519 

Fibromyom und Schwangerschaft, von 
Hof meier 875, — des rechten Mutter¬ 
bandes, von v. Mars.1313 

Fibrosarkom im Lig. latum, von Limnel 
473, — am Halse, von Ritter . . . 907 

Fieber, apyretisches, von Ughetti 743, 
gibt es ein hysterisches — ? von 
Kobler 977, Lehre vom —, von Nebel- 
thau 1254, hysterisches —, von 
Wormser und\Bing 1373, Behandlung 

des —, von Frieser.1709 

Filaria s. a. Blutfilarien. 

Filaria sanguinis, von Loche.373 

Filigrangeflechte, Technik der Anlegung 
von, von Witzei.1706 


Seite 

Finger, der schnellende, von Sudeck 874, 

von Tilmann.1443 

Finnenkrankheit, von Achard ... .1152 

Fischgräte, von Hansemann 270, von 

Marx.560 

Fissura ani, Pathogenese und Therapie 

der, von Rosenbach.400 

Fistel der Hinterbacke, von Buffet 1358, 
amerikanischeOperationsmethode der 
vesicovaginalen —, von Nanu . . . 1677 
Fixationsabcesse, von Bauer .... 809 
Fixationsstützcorsett, Dr. Zenkers, von 

Rhoden.905 

Flagellaten des Rattenblutes, von v. Wa- 

siliewski und Senn.778 

Flatulenz .177 

Fleischbeschau-Gesetz.7e6 

Fleischconserven, Temperaturzunahme 

in, von Pfuhl.. . 1388 

Fleischkunde, von Huber.1628 

Fleischpräparate, von Gautier ... . 785 
Fleisch Verkleinerungsapparat, von Selter 1475 
Fliegenlarven als Schädlinge, von Peiper 63 
Flimmerepithelcysten, multiple, von Pick 270 

Flöhe, Uebertragung der Pest durch, 

von Galli-Valerio.129 

Flüsse, Verunreinigung und Selbstreinig¬ 
ung der, von Spitta.1542 

Fluidextracte, toxische, von Bührer . . 1543 
Fluor, Milchsäure gegen, von Sneguirew 66 
Fluorescirende Stoffe, Wirkung von, auf 

Infusorien, von v. Tappeiner ... 5 

Fluoride als Conservirungsmittel . . . 174 
Foetus, Gehalt an Mineralsalzen beim 
menschlichen, von Hugounenq 922, 
Schwerpunkt des —, von Schatz . . 1437 

Folie ä deux, von Jelly.1247 

Foramen ovale, offenes, von Veilchen* 

feldt.208 

Forceps in mortua, von Fleischmann 202, 

von Neumann . . . ■.400 

Formaldehyd, Anwendbarkeit des, im 

Epidemiedienste, von Gruber . . . 174 
Formaldehyddesinfection, von Kluczenko 1504 
Formalin, Zimmerdesinfection mit, von 

Bruns.•.405 

Formalindesinfection, von Vogel . . . 556 
Formalin Vergiftung, von Zorn 1588, acute 

—, von Kl über . . . . .1416 

Fortbildungscurse, bacteriologische . . 108 

Fossa retromaxillaris, Veränderungen 

der, von Wassermann.548 

Fracturen s. a. Brüche, Spontanfractur. 
Fractura, ungewöhnliche Dislocation bei, 
cruris, von Reichenbach 619, — des 
tuberculum maj. humeri, von Wohl- 
gemuth 672, 7ü7, operative Behand¬ 
lung uncomplieirter —, vonLane 943, 

— durch den Hals des Astragalus, 
von Jackson 94 >, Einfluss des Nerven¬ 
systems auf die Heilung von —, von 
Arcoleo 1016, experimentelle — der 
Gesichtsknochen, von Le Fort 1218, 
operative Behandlung frischer —, von 
Scudder 1^47, Fortschritte in der Be¬ 
handlung der — seit Einführung der 
Röntgenstrahlen, von v. Bergmann 
1250, Reduction der — durch die 
Radiographie, von Tuffier 1251, ver¬ 
kannte — und die Radiographie, von 
Destot 1251, mit methodischen Be¬ 
wegungen und Massage behandelte 
—, von Lucas-Championiere 1251, 
Knochennaht bei —, von Thiery 1251, 
angeborene complicirte — des Unter¬ 
schenkels, von Kraemer 1238, Be¬ 
handlung einfacher —, von Bennett 
1402, geheilte — im Lichte der Rönt¬ 
genstrahlen, von Torrey 1468, — des 
Radiushalses, von Mouchet .... 1576 

Framboesia, von Hutchinson.1444 

Franklinisation, allgemeine concentrische, 

von Breitung.1355 

Frau, die, als Mutter, von Meyer . . . 904 
Frauen, Immatriculation von 451, Zu¬ 
lassung der — zum medic. Berufe 634, 
zunehmende Unfähigkeit der —, ihre 
Kinder zu stillen, von v. Bunge . .1571 


903 

1573 

1678 


1550 


1831 


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I Frauenkrankheiten, Diagnose und Thera- 
j pie der nervösen, von Krantz 
, Frauenmilch, von Cohn 753, diastatisches 
Enzym in der —, von Moro .... 

Frauenparalyse, von Matthey. 

| Frauenstudium s. a. Medicin, Prüfungen. 
Frauenstudium 1224, — im Auslande, 

| von Neustätter 873, — im S. 8. 1900 
I 1153, — in Oesterreich 1365, Frauen¬ 
ärzte über das —. 

Fremdkörper s. a. Grasähre, Kirschkern, 

1 Knochenstück, Larynx, Magnetex- 

i traction, Münze, Trompetenmund¬ 

stück. 

j Fremdkörper, vonMadelung 343, Deutsch¬ 
mann 749, — der Lunge, von Bärri 
515, Wirkungen von — auf den 
thierischen Organismus, von Binaghi 
777, — im Augeninnern, von Mock 
932, Einwanderung von — in den 
Dünndarm nach Laparotomie, von 
Wunderlich 971, — im Rectum, von 
Wilms lu2d, — im linken Bronchus, 
von Hecker 1132, — in der weib¬ 
lichen Blase, von Morgan 1505, — in 
der Nase, von Breitung 1630, 

Gelenken, von Katzenstein . 
Fremdkörperextraction aus dem Gehirn, 

von Lewschin . .1313 

Frequenz der deutschen medic. Facul- 
täten im W.-S. 1899/1900 66, im S.-S. 

1900 954, — der Schweizer medic. 
Facultäten im W.-S. 1899/1900 139, 

im S.-S. 1900 . 1153 

Friedreich’sche Krankheit, von Wickel 249 
Frucht, Retention einer abgestorbenen, 

von Krevet.1781 

Frühgeborene, Lage der in den Geburts¬ 
anstalten, von Deutsch.699 

Frühgeburt, 44 Fälle künstlicher, von 
Skorscheban 438, künstliche - , von 
Grusdew 699, Kiwisch’sehe Scheiden- 
douche zur Einleitung der —, von 

Sarwey.1183 

Furunkelbehandlung, von Philippson . 787 

Fuss s. a. Pes, Plattfuss. 

Fuss und Vorderarm 850, vordere Stütz¬ 
punkte des —, von Seitz 1313, Defor¬ 
mitäten des —, von Frank ... .1788 

Fusssohle, Reflexerscheinungen bei Reiz¬ 
ung der, von Koenig.809 

«. 

Gährung schwer vergährbarer Zucker¬ 
arten, von Bendix. 93 

Galerie hervorragender Naturforscher 
und Aerzte 66, 176, 450, 563, 674,716, 

954, 1091, 1122, 1518, 1683, 1763 
Galle, Keiragehalt der normalen, von 
Ehret 135, Bacteriologisches und Ex¬ 
perimentelles über die —, von Fraen- 
kel und Krause 263, Keimgehalt der 
—, von Stolz 343, krampferregende 
Wirkung der —, von Bickel 703, 
Lyssavirus schädigende Eigenschaf¬ 
ten der —, von Kraus 907, specifische 
bacteriolytische Wirkung der, von 
Neufeld 1388, pathologische Verän¬ 
derungen der —, von Brauer . . . 1430 
Gallenblase, carcinomatüse, von v. Kahl 
den 61, wasserdichte Drainage der —, 
von Kehr 181, von Poppert 328, ver¬ 
wachsene - , von Sendler.1150 

Gallenblasenentzündungen und davon 
abhängige Magendarmstörungen, von 

Fleiner. 1292 

Gallenblasenoperation, Magenblutung 

nach, von Dehler .1502 

Gallenfarbstoff, Nachweis des, im Ham 
von Herzkranken, von Ott 928, Nach¬ 
weis von — in den Faeces, von Schor- 

lemmer . 458, 1672 

Gallengangsystem,intracelluläreWurzeln 

des, von Fütterer ..1244 

Gallensecretion, Physiologie und Patho¬ 
logie der, von Albu 448, Wirkung 
des Methylviolett auf die —, von 
Barbara . . . ..986 

4* 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




































































xxvin 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900 . 


1491 


720 

976 


Gallensteincrepitus als diagnostisches 

Merkmal, von Anders.443 

Gallensteine, von Vorstetter 1679, Durch¬ 
gängigkeit der — für Röntgenstrah¬ 
len, von Naunyn . . . .1152 

Gallensteinerkrankungen, von v. Kryger 
1090, — mit den Symptomen einer 

Appendicitis, von Reyn&s.1217 

GallensteinileuB, von Sendler.1609 

Gallensteinkranke, Erfahrungen an, von 

Ewald.548 

Gallensteinkrankheit, Behandlung der — 
mit Olivenöl, von Witthauer . 
Gallensteinoperationen, Recidive nach, 
von Kehr 666, wie verhält es sich 
mit den Recidiven nach unseren —? 

von Kehr. 

Gallensteinwanderung, von Porges . . 
Gallenwege, Geschwülste der, von Ter¬ 
rier und Auvray.1014 

Ganglien, intratendinöse, von Morian . 1766 
Ganglienbildung in der Continuität der 

Sehnen, von Hofmann. 57 

Ganglienzellen veränderungen, von Meyer 1144 
Ganglion Gasseri, Weg zum, von Krause 
657, intrakranielle Entfernung des 

—, von Dollinger.1635 

Gangraen s. a. Spontangangraen, Gas* 
gangraen. 

Gangraen,vonGessnerl090,idiopathische 
—, von Krause 169, — an den un¬ 
teren Extremitäten, von Bunge 706, 
symmetrische —, von Tesdorpf 809, 
von Wichmann 1057, von Lippmann 
1711, spontane — im Wochenbett, 

von Wormser.1601 

Gangräne foudroyante, von Hämig und 
Silberschmidt 943, Pathologie und 
Aetiologie der —, von Hitschmann 

und Lindenthal.1674 

Garnisonsbeschreibungen vom Stand¬ 
punkte der Gesundheitspflege . . . 1305 
Gartner’scher Gang, Persistenz des, von 
Vassmer 368, adenomatöse Hyper¬ 
plasie am Drüsenanhang des —, von 

Thumim.1749 

Gasflammen im abgeschlossenen Raum, 

von Mayer.877 

Gasgangraen, von Muscatello. 1303 

Gasphlegmone, von Schattenfroh und 

Grassberger. 1032 

Gastralgie, von Stare.210 

Gastrektasie nach Traumen, von Cohn¬ 
heim .265 

Gastritis, chronisch ulceröse, von San- 
soni 181,699, nervöse Complicationen 
der chronischen —, von Richter . 
Gastroenteritiden, secundäre, im Kindes- 

alter, von Marfan. 

Gastroenteritis der Säuglinge, von Marfan 
Gastroenteroplastik, von Reiske . . 
Gastroenterostomie, von Sick 978, von 
Gangitano 1390, von Chlumsky 1142, 

— mittels des Murphyknopfes, von 
Kaefer 94, dreimalige —, von Kehr 
705, ulcera des Jejunum nach —, 
von Steinthal 705, Darmverschlingung 
nach —, von Petersen 705, Verein 
fachung der —, von Credö 705, In- 
dicationen und Resultate der —, von 
Bourget 1148, Anatomisches und Chi¬ 
rurgisches zur —, von Petersen . 
Gastroenterostomosis, Gastrostomosis u 
Gastroenterostomosis externa, von 

Witzei und Hof mann. 

GastroptoBe, von Rovsing. 

Gastroskop s. u. Gummi-Gastroskop. 
Gastrostomie, Technik der, von Lucke 
203, — als HilfBoperation, von Hel 

ferich. 

Gasvergiftungen, Apparat zu, an Thieren. 

von Harnack. 

Gaswechsel kranker Menschen, 

Riethus. 

Gaumenmandeln, in den Krypten der, 
gefundene Bacillenarten, von Marzi 

nowsky. 

Gaumenspalten, von Saehs . . . 


1244 

1751 

267 

1182 


1358 


810 

201 


906 

657 


1088 


1144 

1834 


Gaumentonsillen als Eingangspforte der i 

tuberculösen Infection, v. Friedmann ' 

908,. 1353 ! 

Gebärmantel, von Jaks . 1707 j 

Gebärmutter, Carcinom der postpuer- ! 

peral hyperinvolvirten, von Engström 
91, totale vaginale Exstirpation der j 

rupturirten —, von Iwanow .... 975 I 
Gebärmutterblutungen, Behandlung der, | 

von Ostermann. 547 | 

Gebärmutterhals, Carcinom des, von 

Elmgren. 91 j 

Gebärmutterkrebs, Behandlung des, von . 

Richelot 1285, von de Ott 1285, von ' 

Cullen 1285, operative Behandlung 
des —, von Waldstein 1749, von v. 

Ott 1750, von Herzfeld.1752 ! 

Gebärmuttervorfall, operative Behänd- I 

lung des, von Chipault.1782 

Gebiss s. a. Magen. 

Gebühren fürgerichtsärztl. Verrichtungen 670 j 
Gebührenordnung, neue Oldenburgisehe 1796 j 
Geburt, Untersuchung während der, von | 

Sprigg 1216, Chloroformnarkose bei , 

der physiologischen —, von We¬ 
stermark 1750, Mechanik der —, von 

Rossa.1782 

Geburtsact, Atlas des, von Schaeffer . 697 
Geburtseintritt, Ursache des, von Thenen 

561,.619 

Geburtshilfe, Volksbräuche und Aber¬ 
glauben in der, in Ungarn, von 
Temesväry 586, Encyclopädie der — 
und Gynäkologie, von Sänger und 
von Herff 972, intrauterine Anwen¬ 
dung des Kautschukballons in der 

—, von Rubeska.1749 

Geburtsverletzungen , Einfluss der, auf 
das Wochenbett, von Zimmermann 1183 
GedächtniBs, Mechanik des, von Adam- 

kiewicz.1502 

Gedankenlesen, von Finizio.550 

Gefäliigkeitsatteste, von Görtz ... . 275 

Gefängnissärzte. rechtliche Stellung der, 

von Biberfeld. 902 

Gefängni8spsychosen, klinische Formen 

der, von Rüdin.1678 

Gefässnaht, von Garre 560, von Hein¬ 
lein 713, circuläre —, von Kümmell 589 
Gefrierpunktsbestimmung des Blutes und 
des Urins zur Feststellung der Func¬ 
tionsfähigkeit der Nieren vor opera¬ 
tiven Eingriffen, von Kümmell . . 1525 
Geheimmittel 379, Vorschriften über den 
Verkehr mit —, 107, 108 . ... 210 

Gehirn s. a. Hirn, Kleinhirn. 

Gehirn, Hemiatrophie des, von Mott und 
Fredgold 1675, Ursache der Erschein¬ 
ungen der — und Rückenmarkser¬ 
schütterung, von Cavicchia u. Rosa 
550, Circulationsstörungen im — , von 

Linscr.183 L 

Gehirnabscesse, von Westphal .... 808 
Gehirnhyperaemie, Behandlung der, von 

Sehrwald. 99 

Gehirnnervenneuritis, multiple vollstän¬ 
dige, von v. Rad.1314 

Gehirnpräparat, von Barabo.751 

Gehirnsection, von Bresler.1647 

Gehörgang, Entfernung von Wachs aus 
dem, von Ricci 1117, Atresie und 
Strictur des —, von Schwartze 1249, 
Dehiscenz an der Wand des knö¬ 
chernen —, von Gruber.1249 

Gehörgangsverletzungen, von Hasslauer 621 
Gehörgangs Verschluss, erworbener, von 

Deutschländer.906 

Gehörorgan, Function des, nach Radical* 
Operation, von Gomperz 371, ver- 
j gleichend anatomische Untersuch¬ 
ungen über das — der Säugetbiere, 

I von Denker 472, Carcinom des —, 
von Zeroni 1248, Krankheiten des 
! — in der Armee, von Ostmann 

| Gehörsprüfung, functionelle, mit der 
I continuirlichen Tonreihe, von Bezold 
| Gehverband bei Lähmung beider unterer 
I Extremitäten, von Lengnick .... 386 


1500 

637 


i 


Seite 

Geisselfärbungsverfahren, von Hinter¬ 
berger .701 

Geisteskranke, intensivere Fürsorge der 
grösseren Städte für die, von Sioli 
625, Spätgenesungen bei —, von 
Kreuser 812, das Recht Chirurg."Ein¬ 
griffe bei —, von Aschaffenburg 812, 
die hessischen Provinzial -Siechen- 
anstalten und die —, von Ludwig . 1677 
Geisteskrankheiten s. a. Irresein. 
Geisteskrankheiten unter Bleiarbeitern, 
von Jones 1405, Organotherapie der 
—, von Easterbrook 1405, Sexual 
erkrankungen und —, von Jones 
1405, Spätgenesungen bei —, von 
Kreuser 1673, — u. Geistesschwäche 
nach dem B. G. B, von Tuczek ,1677, 
erbliche Uebertragung von —, von 

Vorster.1678 

Geistesstörungen im B. G. B. und in der 
Civilprocessordnung, von Moeli 162, 
Prognostik der — in Bezug auf 
§ 1569 des B. G. B , von Lenel 621, 
von Kreuser 622, Aetiologie und 
path. Anatomie acuter —, von Sander 
623, — bei einem Hunde, von Nissl 
812, — nach dem B. G. B., von Wey- 

gandt.1717 

Gelatine 8. a. Haemophilie. 

Gelatine, Verwendung der, zur Stillung 
cholaemischer Blutungen, von Kehr 
181 , nachtheilige Erfahrung bei der 
Anwendung der - als blutstillendes 
Mittel, von Freudweiler 1010, — bei 
Haemorrhagien, von Rocchi . . . .1613 

Gelatinculturen im Brutschrank, von 

Bliesener.263 

Gelatineinjectionen, von Fraenkel 337, 
von Futcher 878, von Gaglio 1390, 
subcutane —, von Geraldini, von 
Senni 744, parenchymatöse —, von 

Pensuti.909 

Gelatineschälchen, verbesserte, v. Petri 114 t 

Gelbfieber,experimentelles,v.Bruschettini 
96, Serumbehandlung des —, v. Mati- 
cuzo 844, bac-teriologische Studien 

über —, von Agramonte.844 

Gelenke, Behandlung v. Abscessen der, 
mit Glasspeculum-Drainage u. Car- 
bolsäure, von Phelps 1307 , Behänd- 
der primär synovialen Eiterungen 
der grossen —, von Hartmann 1830, 
Fremdkörper in —, von Katzenstein 1831 
Gelenkentzündung, verschiedene Formen 
chronischer, u. ihre Unterscheidung, 
von Rubinstein 338, gonorrhoische —, 

von Rubin stein . ..1315 

Gelenkergüsse, Behandlung von, mit 

heisser Luft, von Klapp. 794 

Gelenkerkrankungen,Differential diagnose 
der, von Rosenberger 1021, syphiliti¬ 
sche —, von Isaak.1761 

Gelenkkörper, von Martens 93, beweg¬ 
liche —, v. Torrisi 1640, freie —, v.Franz 1831 
Gelenkleiden, multiple, bei einem Tabe¬ 
tiker, von Massalongo u. Vanzet’i . 633 
Gelenkoperationen, chirurgische Technik 

der, von Koenig.629 

Gelenkrheumatismus s. a. Endocarditis. 
Gelenkrheumatismus, von Powell 660, 
Trauma u. —, von Schulze-Berge 210, 
chronischer — u. Arthritis deformans 
im Kindesalter, von Johannessen 332, 
acuter u. chron. — des Kindesalters, 
von Lachmanski 369, Bacteriologie 
des —, von Triboulet 1281, acuter u. 
chronischer —, von Weisz 1670, Me- 
thylsalicylat bei —, von Cosma 1676, 
gonorrhoischer —, von Laquer . . . 1756 
Gelenktuberculose, Trauma und, von 

Honseil.1831 

Generalbericht über die Sanitätsverwal 

tung im Königr. Bayern.739 

Generalrapport über die Kranken der 
k. b. Armee 67, 212, 380, 636, 756, 

851, 988, 1154, 1328, 1520, 16.6, 1796 
Genitalien, elephantiastische u. ulcera- 
tive Veränderungen der, bei Prostitu- 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




























































1900. 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


XXIX 


Seite 

irten, v. Händler 836, intermittirende 
Anschwellung der —, von Lauenstein 
340, Missbildungen der weiblichen —, 
von Kreisch 10b6, Anatomie u. Phy¬ 
siologie der weiblichen —, von Klein 1426 
Genitalorgane, Geschwülste an den, von 

Holz.841 

Genitaltuberculose, chirurgische Behand¬ 
lung der, von Longuet 811, primäre 
—, beim Weibe, von Bemheim 1397, 

weibliche —von Polano.1782 

Geräusch, cardiopulmonales, im Siiug- 

lingsalter, von Freund.1541 

Gerinnung, extravasculftre, von Schwalbe 975 
Geruch, übler, aus dem Mund, von 

Fraenkel .... 551 

Geschlechtsbestimmung, irrthümliche, 

von Neugebauer.1015 

Geschlechtskrankheiten, Verbreitung 
der, in Preussen 483, Verbreitung der 

—.517 

Geschlechtsreife, frühzeitige, von besser 1572 
Geschwür am Boden der Nasenhöhle, 

von Brubacher.713 

Geschw ülste, parasitäre Theorie der bös¬ 
artigen, von Czerny 95, Myxomyceten 
als Erzeuger der —, bei Thieren, von 
Podwyssotzki 234, Mikroorganismen 
in den —, von Sjöbring 265, aus 
weichen Naevis hervorgegangene bös¬ 
artige, von Wälsch 475, scheinbar 
primär maligne —, von Lindner 874, 
traumatische Entstehung, von Würz 
974, pulsirende —, v. Littauer 1056, 
retropharyngeale —, von Willgerodt 
1152, Casuistik der —, vonDobbertin 
1353, Aetologie der bösartigen —, von 

Hegar . .1671 

Geschwulstbildungim weibl. Geschlechts¬ 
apparat, von Wülfing.1781 

Geschwulstthrombose, von Rosenstein 201 
Gesellschaften s. a. u. IV. 

Gesellschaft der Aerzte in Wien 481, — 
für Natur- u. Heilkunde in Dresden 
1683, Deutsche — für Volksbäder 
1719, physiologische — in Berlin . .1719 
Gesicht, Aufgedunsenheit des, von 

Azoulav ..1577 

Gesichtsausdruck, melancholischer, von 

Kirchhoff .\ 623 

Gesichtserysipel, durch Ichthyolsalbe 

geheiltes, von Mosbacher. 175 

Gesichtslage, von Popescul.11*3 

Gesichtsschwindel, aphakischer, von 

Klein.87* 

Gesundheit, Etat für die, in Bayern . . 820 
Gesundheitliche Verhältnisse im J. 1899 1583 
Gesundheitsamt 66, Ausstellung des — 98? 
Gesundheitspflege, Verein für öffentliche 1327 
Gesundheitsgesetze, Handhabung der, 
in Preussen, von Springfeld und Siber 

904, 1276 

Gesundheitsverhältnisse d. Aerzte, Geist¬ 
lichen und Oberlehrer, von Kruse . 1191 
Gesetz zur Bekämpfung gemeingefähr¬ 
licher Krankheiten 33, 178,1026,1519,1720 
Gewebelehre, Köllikeris Handbuch der, 

von v. Ebner.1598 

Gewehrschusswunden s. a. Schusswunden. 
Gewehrschusswunden, neueste Kriegs¬ 
erfahrungen über die, von v. Bruns 485 , 523 
Gewerbehygiene, Lehrstuhl für ... . 674 

Gewerbeordnung, Novelle zur.786 

Gewerbe-Unfallversicherungsgesetz 674, 715 
Gicht s. a. Vogelgicht, Kalk, Diathese. 

Gicht, Behandlung der chronischen, 
von Bain 944, Pathogenese der —, 
von Hager 1101, von Le Gendre 
1281, von Duckworth 1281, Vor¬ 
kommen und Diagnose der —, von 
v.Strümpell 1289, — u. Rheumatismus, 

von Delpeuch .... 1599 

Gichtische Erkrankungen des Magens 

und Darmes, von Grube.627 

Gichtknoten, Wesen der, von His . . 655 
Gichtkranke, Harnsäure im Urin der, 

von His.587 

Giftprimeln, von Kobert.1644 


1607 


1315 

200 


. 1507 


Seite 

Giftschlangen Nordamerikas, von Kelly 337 
Giglisäge s. a. Kraniectomie. 

Giglisäge, Führungssonde für die, von 

Gross.127 

Glasbläsermund, von Scheele.400 

Glaskörper, Erkrankungen des, von 

Ballaban.1576 

Glaskolben zur Herstellung von Nähr¬ 
böden von v. Borosini .1051 

Glaukom, Behandlung des chronischen, 

von Cross.1443 

Gleichgewichtsstörung, von Rieken . . L>75 
Gliome, multiple, des Rückenmarks, von 

Schultze.1051 

Glottisoedem, acutes, von Müller ... 27 

Glutoidkapseln, diagnostische u. thera¬ 
peutische Versuche mit, von Jobs 
G lycerin alB Constituens für Antiseptica, 
von v. Wunschheim 1115, — bei 

Fieber.1122 

Glycoformaldesinfection, von Thomas 
und van Hontura 132, von Schneider 

439, von Flick. 

Glykolyse, von Umber. 

Glykosurie, alimentäre, bei Infections- 
krankheiten, von v. Bleiweiss 127, 
Prognose der — und des Diabetes, 
von Hirschfeld 208, alimentäre, spon¬ 
tane und diabetische —, von Strauss 
331, alimentäre —, von Raimann 336, 
vorübergehende - , von Hoppe-Seyler 
342, — der Vaganten, von Hoppe- 
Seyler 531, metatraumatische alimen¬ 
täre —, von.Haedke 1144, — und 
Diabetes in Beziehung zur Lebens¬ 
versicherung, von Mackenzie 

Goldberger-Preis.1550 

Gonococcen im Eiter, von Drobny . . 335 
Gonococcus, Biologie des, von Scholtz 
474, Züchtung des —, von Thalmann 
1013, — und seine Toxine, von de 

Christmas. 1280 

Gonococcenbefunde bei Prostituirten, 

von Kopytowski.334 

Gonococcenfärbung, von Hornberger 
658, — mit Neutralroth, von Herz 
Gonorrhoe s. a. Endocarditis, Epididy- 
mitis, Gelenkentzündung, Herz, 
Hydrotherapie, Myelitis, Peritonitis, 
Tripper. 

Gonorrhoe, Exantheme bei, von Buschke 
336, Todesfälle in Folge von —, von 
Kossmann 395, Abortivbehandlung 
der —, von Hutchinson 779, Folge¬ 
erkrankungen der —, von König 1673, 
Behandlung der -, von Casper 842, 
von Strebei 1719, Pathologie und 
Therapie der —, von Buschke . 
Gonorrhoetherapie, von Görl . . . 

G onorrhoeuntersuchung der Prostituirten, 

von Gumpertz. 

Gonorrhoische Gelenks- u. Nervenkrank¬ 
heiten, von Bloch. 

Gonorrhoische Gelenk- und Hautmeta¬ 
stasen bei Blennorrhoea neonatorum, 

von Paulsen. 

Gonorrhoischer Eiter, eosinophile Zellen 

im, von Bettmann.475 

Goutte, la, et le Rheumatisme, von 

Delpeuch.1599 

Gräfe’sches Symptom, diagnostischer 

Werth des, von Flatau.1011 

| Graefepreis.1367 

! Grainger Stewart f.345 

I Granula, hypeosinophile, von Bettmann 233 
Grasähre in der Lunge, von Habs . . 1644 
i Gravidität im Klimakterium, von Flatau 1792 
Graviditas tubo-ovarialis, von Leopold . 298 
I Graviditas extrauterina infundibulo- 
i ovariea, von Alexander u. Moszkowicz 1706 
I Gravidität, Einfluss der, auf die Blut- 
I alkalescenz, von Blumreich . . . 293 | 

Grenzzustände, Behandlung der, in foro, ! 

I von Cramer. 1708! 

’ Griechen, die, und ihre Sprache seit der j 
! Zeit Konstantins des Grossen, von 

, Rose. 56 

Grosshimfaserung, von Vogt.623 


402 


1784 

1120 

1639 

336 


1209 


Seite 

Grosszehenreflex bei Kindem,von Passim 1504 
Grundriss der orthopädischen Chirurgie, 

von David.1465 

Grundwasser, Keimgehalfc des, von 

Pfuhl.263 

Guajacolpräparat, neues, von Einhorn 10 

Gummi-Gastroskop, von Rewidzoff . . 265 

Gynäkologie des praktischen Arztes, 

von Nagel. . 55 

Gynäkologische Abtheilungen, Ver¬ 
mehrung der, in Wien. 65 

Gynatresien, Behandlung der nicht- 
puerperalen, von Engström .... 91 


H. 

Haarausfall, neue Behandlungsart des, 
von Scheffer 883, Behandlung des —, 


von H4ron.1476 

Haarpflege, von Jackson.1719 

Haarschwund, von Gessner.139 


Haemamoeba, s. a. Leukaemie. 
Haemamoeben Löwit's im Blute Leuk- 
aemischer, von Türk 515, 662, Leuk¬ 
aemie der—, von Hirschfeld 710, — 


leukaemiae magna, von Löwit . . . 1603 
Haemarthros, Behandlung des, genu, von 

O’Conor.945 

Haematemesis nach Operation einer 
Nabelhernie, von Lauenstein . . 1502 

Haematocele, organisirte, von Thorn . 1610 

Haematocit, von Daland.1281 

Haematokolpos und Haematometra, von 

Toff.441 

Haematometra, Behandlung der, von 

Hermann.945 

Haematommole, von Herzfeld .... 406 
Haematoporphyrin- und Sulfonalvergift- 

ung, von Neubauer.546 

Haematologische Untersuchungen, von 

Becker.1316 

Haemoglobin, Entstehung des, und der 
rothen Blutkörperchen, von Aporti 
127, Umwandlung des subcutan inji- 

■ cirte —, von Laspeyres.545 

Haemoglobinurie, paroxysmale, von Man¬ 
naberg und Donath 617, Schicksal 
der rothen Blutkörperchen bei der —-, 
von Christomanos 809, — durch 
Chiningebrauch, von Pecori und 
Ascarelli 1613, neue Form der —, 

von Michaelis.1605 

Haemolyse, von Michaelis .... .1581 


Haemolysine, von Ehrlich und Morgen- 
roth 778, — und Antihaemolysine, 
von Kraus 164, blutbildende Eigen¬ 
schaft verschiedener—, vonBelfanti 
und Carbone 1544, von Luratello 1544, 


von Schwartz.1541 

Haemophilie s. a. Nabelblutung. 
Haemophilie, von Neumann 1389, Nieren¬ 
blutung bei — durch Gelatine geheilt, 

von Hahn ... . 145 ? 

Haemoptoe, Therapie der, von Aronson 1327 

Haemoptyse, von Hecht.1836 

Haemorrhagie, Serumin jectionen bei 

puerperaler —, von Maygrier 1399, 
neuropathische — der Geschlechts¬ 


und Harn organe,von Lancereaux 1444, 
der Athemwege, von Lancereaux . 1444 
Haemorrhoidalknoten im frühesten Kin¬ 
desalter, von Burwinkel 393, Exstir¬ 
pation der —, von Vercesco . . . 1359 
Haemorrhoidalleiden, chirurgische Be¬ 
handlung schwerer, von Sendler . . 104 

Haemorrhoiden, von Rounne . . . , 955 
Hände s. a. Desinfection, Sterilisation. 
Hände, Desinfection der, in der He¬ 
bammenpraxis, von Kossmann und 
Zander 841, Werth der mechanischen 
und Alkoholdesinfection der — gegen¬ 
über der Desinfection mit Queck- 
silbersalzen, von Krönig und Blum¬ 
berg 1004, Aseptikder—, von König 
1387, Bacteriologie der mechanisch- 
chemischen Desinfection der —, von 
Schenk und Zaufal. 1558 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



































































XXX 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900. 


Seite 


Händedesinficiens, Seifenspiritus als, 

von Ahlfeld.1636 

Händedesinfection, von Braatz 1693 , Ex¬ 
perimentaluntersuchungen über 
von Paul und Sarwey 934 , 968 , 1006 , 

1038 , 1075 , Bacteriologisches zur —, 

von Dellmer .1671 

Händedesinfectionsfrage, gegenwärtiger 
Stand der, von Döderlein . ... 1603 

Händedesinfectionsversuche, Tübinger, 
von Ahlfeld 1352, von Paul und Sar¬ 
wey 1541, Ahlfeld und die —, von 

Paul und Sarwey.1783 

Hallucinationen, von Vold.1673 

Halsfistel, angeborene, von Gugenheim 

1020, 1611 

Halsmark, einseitige Zellveränderung im, 

von Meyer.808 

Halsmuskeldefecte, angeborene, von 

Kredel. 1352 

Halsrippe, congenitale, von Windscheid 1019 
HalBsympatbicus, Pathologie des, von 

Heiligenthal.808 

Halswirbel Säule, polyarthritische Er¬ 
krankung der, von v. Jaksch . . . 300 

Hand, Lipom der, von Richardson . . 1675 


Handbuch der ges. Augenheilkunde, von 
Graefe-Saemisch 774,1019,1141,1599, 

— der Schulhygiene, von Baginsky 
1242, — der prakt. Medicin, von Eb¬ 
stein und Schwalbe 1539, Kölliker's 

— der Gewebelehre des Menschen, 

von v. Ebner.1598 

Ham, Phenylhydrazinprobe im, von 
Mayer 57, Nachweis des Phenetidin 
im —, von Edlefsen 127, Mucin- 
gerinnsel im —, von Frank 163, 
quantitative Bestimmung von Queck¬ 
silber im —, von Eschbaum 164, 

Rosiu ’sche Methode zur Bestimmung 
der reducirenden Kraft des —, von 
Spiegel und Peritz 285 , Reductions- 
kraft des —, von Rosin 295 , neue — 
und Zuckerprobe, von Edlefsen 374, 

446, 826 , Untersuchung des —, von 
Hamburger 472, Phenylhydrazinprobe 
auf Zucker im —, von Coriat 476, 
Einfluss des Alkohols auf die Aus¬ 
scheidung der reducirenden Sub¬ 
stanzen im —, von Gregor 619, Acet- 
essigsäure im pathol. —, von Arnold 
698, Nachweis von Oxybuttersäure 
im —, von Michaelis 753, Eiweiss 
im — anscheinend gesunder Personen, 
von Levison 779, Kohlehydrate des 

— bei Diabetes, von Rosin und v. 
Alfthem 845, Methode zur Bestimm¬ 
ung der Purinbasen im —, von Jolles 
1313, diagnostische Bedeutung des 
Bence-Jones’schen Körpers im —, 
von Askanazy 1670, Tag- und Naeht- 
—, von Laspeyres 1670, epikritische 
Aciditätsabnahme des — bei Pneu¬ 
monie, von Pick 1670, Modificationen 
der Phenylhydrazinprobe zum Nach¬ 
weis von Zucker im —j, von Ko- 


warski.1708 

Harnblase, Abreissung der, von Braun 
168, Naht der —, von Golischewsky 
201, Contusionen der von Laval 549 
Hamblasenbruch, Symptomatologie des 

eingeklemmten, von Martin .... 512 
Hamblasenplastik, experimentelle, von 

Enderlen.973 

Harncylinder, Abstammung der, von v. 
Czyhlarz 99, klinische Bedeutung der 
—, von Kobler 547, Conservirung 

der —, von Boston.787 

Harneisen und Bluteisen, von Jolles und 

Winkler.1751 

Harnleiter s. a Ureter. 

Harnleiter, Implantation der, in den 

Darm, von Kalabin.95 

Hamleiterkatheterismus, therapeutische 
Anwendung des, von Stockmann . 1639 
Harngelatine, Piorkowski’sche, von Bi- 
schoff und Menzer.1575 


Belte 

Hamkrankheiten,A11gemeininfectionbei, 

von Posner und Kohn.1115 

Harnnährboden s. a. Nährboden. 
Harnnährboden, Werth des, für die Ty- 
phusdiagnose, von Piorkowski ... 87 

Harnorgane, Krankheiten d. männlichen, 

von Friedländer.1212 

Harnröhre, Regeneration dermännlichen, 
von Ingiani 297, Erkrankungen der 
weiblichen —, von Meyer 298, Er¬ 
krankungen der weiblichen — und 

Blase, von Kolischer.1747 

Hamröhrendivertikel bei Knaben, von 

B6kay.1541 

Harnröhren krebs, Heilbarkeit des, von 

Rupprecht.1143 

Harnsäure, Verhalten und Reactionen 
der, und ihrer Salze in Lösungen, 
von His 664, Bestimmung der —, 
von Jolles 849, Bildung und Aus¬ 
scheidung der —, von Halliburton 
1405, — unter physiologischen und 
pathologischen Bedingungen, von 

Schreiber.1424 

Harnsäureablagerungen auf den serösen 

Häuten, von Richter .910 

Harnsäureausscheidung, von Goeppert. 657 
Harnsäurebestimmung, Woemer’sche Me¬ 


thode der, von Lewandowsky . . . 1141 
Harnsäurebildung, Einfluss der Benzoe¬ 
säuren auf die, von Lewandowsky . 1141 
Harnsäureinfarcte, von Schreiber ... 163 

Harnsediment, Fixation und Conservir¬ 
ung von, von Cohn .126 

Harnsteine, von Zotos 1143, von Posner 1603 
Harnstoff, Ausscheidung des, durch die 

Haut, von Crook.442 

Hamstoffzersetzung, durch Mikrococcus 
ureae liquefaciens bewirkte, von Bur- 

chard. 546 

Harnverhaltung, Verdauungsstörungen 

bei chronischer, von Zuckerkand! . 344 

Harnwege, Concretionen der, von Zucker- 
kandl 99, Geschwülste der grossen 
—, von Busse.947 


Haut, Resorptionsvermögen der, von 
Brock 334, Entzündung und Ver¬ 
wachsung seröser —, von Muscatello 
688 , gegenseitige Beeinflussung von 
— und inneren Organen, von Moritz 
669, Durchgängigkeit der unversehr¬ 
ten —, von Vogel 809, Sarkom der 
—, von Linser 974, Einfluss des 
Lichtes auf die —, von Möller 1008, 
Lebensfähigkeit von Transplantations¬ 


stückchen der —, von Pezzolini . . 1390 
Haut- und Geschlechtskrankheiten, En- 
cyclopaedie der, von Lesser 1242, 

Vorträge über —.1549 

Hautanaesthesie, Localisation der tacti- 
len — Tabetischer, von Grebner . 1543 
Hautatrophie, idiopathische, von Heller 

305, von Colombini.653 

Hautcarcinome, Natur und Behandlung 

der, von Ravogli.476 

Hautemphysem, traumatisches, von Ham¬ 
mer 94, — nach Laparotomien, von 

Heil.1208 

Hautentzündungen, furunculöse und sep¬ 
tische, von Ullmann.1246 

Hautgeschwüre, Behandlung der, von 

Couper.661 

Hautkrankheiten, Albuminurie bei, von 
Pechkranz 99, Behandlung einiger —, 
von Abraham 1674, Radiotherapie der 

—, von Hahn.1757 

Hautlappen, ungestielter, von Krause . 169 
Hautnaht mit Wundagraffen, von Michel 1188 
Hautnekrose, spontane, von Hensen . 342 
Hautoedem, chronisches, von Buschke 
747, diffuses chronisches —, von Ro¬ 
sin 1354, von Lublinski.1751 

Hautsarkom, multiples, von Tietze 706, 

von Krulle.747 

Hautsarkomatose, von Joseph .... 335 
Hautthätigkeit des Europäers und Ne¬ 
gers, von Rubner.1354 


Seite 


Hauttransflxion gegen Neuralgie, von 

8utherland...1683 

Hautwassersucht, von Ebstein 164, Be¬ 
handlung der —, von Miura . . . 1427 
Hautwarzen, Behandlung der . . . 1123 


Hebammen, Zusammenwirken der, mit 
den Aerzten, von Schwarz 631, neue 
Dienstanweisung der bayerischen —, 
von Neuburger 1273 , Wiederholungs- 
curs für — 1365, Reichsgesetze & 

— und Wärterinnen, von Rissmann 1438 
Hebammentasche, von Krevet .... 1352 
Hedonal, von Nawratzki und Arndt 1224, 
von Schüller 878, von Lenz 1279, von 
Haberkant 1673, von Heichelheim . 1784 
Hefenuclein, neues Spaltungsproductdes, 

von Ascoli.13i* 5 

Heidelbeerklystiere, von Strauss . . . 634 
Heilanstalt Herzogshöhe 462, psychische 
Einflüsse in offenen —, vonWiedeburg 1541 
Heilerziehungsheim für krankhaft ver¬ 
anlagte Töchter gebildeter Stände . 675 
Heilgymnastik, maschinelle, von Kirsch 104 
Heilkunde, hundert Jahre, von Landau 87 , 

Zeitschrift für —.675 

Heilmethode, hochmoderne, von WoUer- 

mann. 1278 

Heilquellen, Wirkung der, auf die Haut, 

von Frankenhäuser.1327 

Heilserum, Potenzgrad des antitetani- 
schen, von Tizzoni 131, prophy¬ 
laktische Injection mit - , von Kraus 779 
Heilstätte s. a. Volksheilstätte, Jahres¬ 
bericht , Lungenheilstätte, Lungen- 
tuberculose, -Sanatorien. 

Heilstätte, Deutsche, in Davos 483, — 
für tuberculöse Kinder, von Baginsky 
1128, — an der See für Rachitiskranke, 


von Leroux .1360 

Heilstättenbehandlung, Auswahl ge¬ 
eigneter Fälle für die, von Moeller 775 
Heilstattenfrage für Lungenkranke, von 

Rumpf. 1037 

Heilstättentherapie, von Kammer . . .1118 
Heilverfahren, Handhabung des, bei Ver¬ 
sicherten durch die Hanseatische 
Versicherungsanstalt für Invaliditäts¬ 
und Altersversicherung i. J. 1898 . 297 

Heilversuche im Reagensglas,von Moeller 299 

Heinze, lex.450 

Heissluft s. a. Luft. 

Heissluftapparat, elektrischer, von Linde¬ 
mann .522 

Heissluftbehandlung, von Walsh 1505, 

— des Lupus, von Holländer 630, Er¬ 
folge der , von Laqueur.978 

Heissluft- und Kältebehandlung, von 

Vorstetter.1679 

Heissluftdouche, von Frey 332, Behand¬ 
lung von Neuralgien mit der —, von 

Frey .812, 922 

Heisswasserbehandlung localer Infec- 

tionen, von Moty.1614 

Helminthiasis, von Demateis.131 

Hemianaesthesie und Hemiplegie, cere¬ 
brale sensible und sensorielle, von 

Hof mann.1011 

Hemiathetose, von Hoppe-Seyler . . . 1579 
Hemiplegie, der obere Facialis bei der 
cerebralen, von Saenger 17u, Athmung 
bei —, von Boeri u. Simonelli . . . 1639 
Hemisystolie, sog., von Frank u. Voit . 655 

Hepatopexie, von Bötticher.1351 

Herde, alte tuberculöse, in den Lungen¬ 
spitzen und croupöse Pneumonie, von 

v. Schrön.710 

Heredosyphilitische, Descendenz der,von 
Tarnowsky, Finger, Jullien .... 1362 


Hernien s. a. Bruch, Brüche, Hamblasen¬ 
bruch, Inguinalhernie, Leistenbruch, 
Nabel, Radicaloperation, Zwerchfell¬ 
bruch. 

Hernie, operative Behandlung der, von 
Bloodgood 23, — diaphragmatica, von 
Benda und Fraenkel 137, von Saxer 
1580, — epigastrica, von Eichel 426, 
— obturatoria incarcerata, von Bern- 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
























































1900. 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


Xxxi 


bard. 666, Diagnose und Therapie 
der — incarcerata, von Syms 879, 

— lineae albae congenita, von Keiler 

1086, Radicaloperation der —, von 
Hirschkopf 1142, Behandlung der —, 
von Nosiega 1284, Therapie der — 
cruralis, von Bonomo.1320 

Heroin, von Brauser 1670, — bei Keuch¬ 
husten, von Hintner .713 

Herpes bei Frauen, von Lewin 701, Nach¬ 
schmerzen bei — zoster, von Hut¬ 
chinson 1117, — tonsurans, von du 
Castel 1123, Rolle des — bei der 

Pneumonie, von Vidal.1249 

Herz, Einfluss der Leber auf das, von 
Heitler 58, — mit offenem Septum 
ventric, von Israel 133, Untersuch¬ 
ung des menschlichen — mittels 
des fluorescirenden Schirmes, von 
v. Criegern 171, congenitale Hyper¬ 
trophie des —, von Hueter 271, Be¬ 
weglichkeit des — bei Lageveränder¬ 
ungen des Körpers, von Determann 
338,840, active Dilatation des —, von 
Herz C70, nervöse Störungen des — 
und ihre Beziehungen zum Militär¬ 
dienst, von Bauer 415, operative Frei¬ 
legung des — nach Rotter, von Stern 
424, Insufficienz des —, von v. Jür- 
gensen 543, functionelle Störungen 
des —, von Bauer 558, physiologi- 
seheErklärung der Arhythmie des —, 
von Wenckebach 627, congenitale 
multiple Rhabdomyome des —, von 
Seiffert 777, Pathogenese der Ueber- 
anstrengung des —, von Wolffhügel 
808, Lues des —, von v. Leyden 882, 
congenitale Missbildung des —, von 
Mc Call um 1216, Percussion des —, 
von Oestreich 1352, Tiefstand des —, 
von Mosse 1581, Erkrankungen des 

— im Verlaufe der Syphilis und 

Gonorrhoe, von Rosenthal.1708 

Herzarhythmie, von Ebstein 687, — bei 
Cardiosklerose, von Huchard . . . 1317 
Herzbeutel, frei bewegliche Ergüsse in, 
von Darnach 162, acut entstandene 
Ergüsse im —, von Aporti und Figaroli 1086 
Herzcontractionen, Einfluss der Körper¬ 
lage auf die Frequenz der —, von 

Langowoy.1748 

Herzdilatation s. a. Malaria. 

Herzdilatation, acute, und Cor mobile, 
von Hoffmann 742, — nach Trauma, 

von Strauss.1756 

Herzerkrankungen, functionelle, von 

Hochhaus . ..1433 

Herzfehler, Diagnose der angeborenen, 
von v. Starck 699, — u. Schwanger¬ 
schaft, von v. Guerard.1832 

Herzfleisch, bindegewebige Induration 

des, von Dehio .1708 

Herzgeräusche, accidentelle, in den 

ersten Lebensjahren, von v. Starck 699 
Herzgrenzen, Bestimmung der, von Smith 662 
Herzgrösse bei Chlorose und Anaemie, 
vonWybauw 879, exacte Bestimmung 
der — durch Orthodiagraphie, von 

Moritz. 992 

Herzhypertrophie, Ursache der, bei 
Aneurysmen, von Orlandi 550, Ur¬ 
sache der — bei Nierenkrankheiten, 

von Bier.526 

Herzinversion, von Henr&rd.879 

Herzkrankheiten s. a. Influenza. 
Herzkrankheiten, Behandlung der, durch 
Merkur, von Beatty 23, pharmako- 
therapeutische Bestrebungen bei —, 
von Stadelmann 587, Behandlung 
der rheumatischen, von Sansom 661, 

— auf diabetischer Basis und ihre 
Behandlung, von Schott 702, Zu¬ 
sammenhang von — und Epilepsie, 
von 8tintzing 741, rechtsseitiger Hy- 
drothorax bei —, von Germani 1544, 

—, Behandlung der, von Hellendall 1752 
Heran oskelfaaem, Verkalkung von, von 
Jacobathal.1115 


Herzmuskelschwäche, dilatative, von 

Wolffhügel.1409 

Herznaht, von Nanu 1320, als typische 
Operation, von Rotter 79, Herzwunden 

und —, von Eisberg.202 

Herzschwäche, dilatative, im Kindesalter, 

von Neumann.1601 

Herzstörungen, Behandlung der, im Alter 

von Ross.1444 

Herzstützapparat bei Herzaffectionen, 

von Ab4e.203 

Herzthätigkeit, Einfluss der Muskelarbeit 

auf die, von Staehelin.1213 

Herztöne, Messung der Stärke der, von 

Bock.843 

Herzuntersuchung, von Smith .... 1469 
| Herzvergrösserung, Anfänge der idio- 

• patbischen, von Wolffhügel .... 1409 

| Heilbehandlung, von Ewald.406 

' Heufieber, Behandlung des, mit Neben - 

I nierenextrakt, von Douglass .... 1468 
j Heuschnupfen, Therapie des, von Leh¬ 
mann .984 

* Highmorshöhle s. a. Nasen-Nebenhöhlen, 

Stirn- und Kieferhöhle. 

Highmorshöhle, Behandlung der chron¬ 
ischen Eiterungen der, von Sieben¬ 
mann 31, Empyem der —, von Halle 

1245, von Heymann.1761 

Hilfsschulen f. schwachbefähigte Kinder, 

j von Laquer.812 

i Hinken, s. a. Claudication. 
j Hinken, intermittirendes, von Erb 224, 

von Saenger.750 

! Hinterscheitelbeinstellung, von Bollen- 

I hagen.776 

| Hippokrates als Kinderarzt, von Troitzky 1352 
I Hirnabscess, von Ludwig und Saenger 

133, — von Hoffmann.1758 

Hirnanatomie und Psychologie, von 

Edinger.811, 976 

Hirnbruch, angeborener, von Behm . . 1069 
Hirnnervenlähmung, multiple, v. Seiffert 845 
Hirnsyphilis, Prognose und Therapie der 

von v. Hoesslin.774 

Hirntumoren, Diagnose der, von Nonne 
28, — u. Hinterstrangveränderuugen, 

von Hoffmann.1433 

Hirnveränderungen, syphilitische, von 

Mott. 21 

Histologie, Atlas der spec. pathologischen, 
von Dürck 161, Lehrbuch der —, von 

Szymonowicz.1633 

Histologische Untersuchung, Technik 

der, von v. Kahlden.1704 

Hitze, therapeutische Wirkung der 
trockenen, von Skinner 476, Krank¬ 
heitsfälle in Folge grosser —, von 

Smit.1504 

Hitzschlag, von Klein 929, von Herford 1605 
Hoden-Nebenhodentuberkulose, Behand¬ 
lung der, von Mauclaire.1283 

Hoden, in der Bauchhöhle zurückge¬ 
bliebene, von Fraenkel.1758 

Hörcentrum, corticales, von Alt und Biedl 621 

Hörreste bei Taubstummen von Keller 479 

Hörvermögen, Uhr zur Prüfung des, von 

Neubauer.1543 

Hofmann, Dr. Ottmar f, von Brauser . 366 

Hofmokl, Professor Dr., f . . • . . . 481 

Holocain, von Knapp.744 

Homoeopathie, Lehrstuhl für . . . 674 

Honorare, ärztliche, in Amerika 755, 
Taxen für das ärztliche —, von Biber¬ 
feld .1763 

Honorarprocess.1478 

Honthin, ein Darmadstringens, von 

Reichelt.1316 

Hornhaut, Wanderzellenbildung in der, 

von Grawitz.975 

Hornhautwunden, Einwirkung neuerer 
Antiseptica auf inficirte, von Hauen¬ 
schild .146 

Hospitalbrand, von Matzenauer 752, 
Aetiologie des —, von Matzenauer . 1476 
Hospitäler n. Medicinschulen in London, 

von Braner.914 

Howard-Medaille.988 


Seite 

Huchard’sche Pillen.1836 

Hüftgelenk s. a. Luxatio, Coxa. 

Hüftgelenk, Operationen wegen schwerer 
Zerstörungen im, von Barker 943, 
Osteotomia subtrochanterica bei 
Ankylose des —, von Menci&re 1318, 
blutige Reposition von Luxationen 

des —, von Payr . . 1502 

Htiftgelenksankylose, doppelseitige, v. . 

Krause.1019 

Hüftgelenksluxation, congenitale, im 
stereoskopischen Röntgenbilde, von 
Hildebrand 941, congenitale —, von 

Nichols und Bradford.1216 

Hüftgelenkspfanne, neugebildete, von 

Wolff.881 

Hüftgelenksresectionen, vorderer Schnitt 

bei —, von Röchet.1280 

Hüftluxation, angeborene, von Mayer . 1090 
Hüftverenkung, Stand d. Schenkelkopfes 
bei der angeborenen, von Schanz . 698 

Hühnerei, Durchlässigkeit der Schale 
des, für pathogene Mikroben, von 

Bucco.131 

Humanitätsinstitute des Wiener Doc- 

| tore Q-Collegiums.480 

j Humerusluxation, subacromiale intra¬ 
capsuläre, von Bum. . . 819 

Hungergebiet, Reise in das russische, 

! von Lehmann . . . .468 

I Hundswuth s. a. Lyssa, Rabies, Tollwuth 
i Hundswuth, von Babes 1543, Beeinflus- 
l sung der —, durch Injection normaler 

, Nervensubstanz, von Babes .... 700 

! Hungertod s. a. Verhungern. 

Hungertod, von Hartmann 1110, Dia¬ 
gnose des —, von Dünschmann . . 1349 

j Hustenreiz, von Weissenberg.1718 

j Hydatidencysten, Behandlung der, durch 

Naht, von Cohn.1677 

! Hydrastis canadensis, von Lutaud . . 1123 
I Hydriatrische Behandlung poliklinisch 
! häufiger Krankheitsformen, von Rosin 1573 

I Hydrocephalie, Schädelform bei, von 

I Regnault.1677 

| Hydrocephalus, Verhalten der Spinal¬ 
flüssigkeit bei acutem, von Grober 
245, — luicus, von Neumann . . . 1605 
Hydrodiaskop, Lohnstein’sches . . . , 172 
Hydronephrose, von Perthes 1020, von 
Koblanck und Pforte 1574, Behand¬ 
lung der —, von Reisinger 666, von 
Witzei 1706, acute —, von Rosen¬ 
feld .1580 

Hydrops anasarca, essentieller, von Maz- 

zotti.378 

Hydrorrhoea ovarialis intermittens, von 

Nassauer. 221 

Hydrotherapie in der Gynäkologie und 
Geburtshilfe, von Tuszkai 1386, — 
bei der Behandlung der Syphilis und 
Gonorrhoe, von Munter 1708, Lehr¬ 
buch der —, von Matthes 1746, Lehr¬ 
buch der klinischen —, von Bux- 

baum.1746 

Hygiene, Lehrbuch der, von Rubner 940, 
deutsche — auf der Weltausstellung 
zu Paris 1900 1122, Journal of —■, 

1551, Vortragscyclus über — für 

Krankencassenmitglieder.1679 

Hygienische Erfahrungen in Konstanti¬ 
nopel, von Weyl.306 

Hymenopteraart, Biss einer, von Wil- 

liamson. 1444 

Hyperacidität s. a. Snperacidität. 
Hyperaciditas gastrica, Diagnostik der, 
von Schüler 742, diätetische Behand¬ 
lung der —, von v. Sohlern .... 1783 
Hyperaemie, acute toxische, und Nephri¬ 
tis nach operativen Eingriffen, von 

Simpson.337 

Hyperchlorhydrie s. a. Diät. 

Hyperchlorhydrie, Diät bei, von Buch . 1386 
Hyperemesis, Therapie der — gravida¬ 
rum, von Dirmoser 702, Aetiologie 
der —, von Evans 844, Indication 
zum Abort bei — gravidarum, von 
Walzer 1062, schwere —, von Thom 1790 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


































































xxxn 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900. 


Seite 


Hyperepidermotrophie, von Brocq . . . 1476 
Hvperglobulie, künstliche, von Colla 
und Mattirolo 550, — und Spleno¬ 
megalie, von Cominotti.1428 

Hyperostose, gonorrhoische, vonHirtz . 1152 
Hyperthermie, nervöse, bei Frauen, von 

Leven.1014 

Hyperidrosis spinalis superior, von Ka¬ 
posi .475 

Hypertrichosis universalia, von Lcsser . 1572 
Hypnose, Psychologie und Indicationen 
der, von Trömner . . . 1606, 1641, 1757 

Hypochondrie, von Alt . 27 

Hypophysis, Function der — cerebri, 
von Caselli 1145, pathologische Histo¬ 
logie der —, von Benda 1711, Total¬ 
exstirpation der — cerebri, von Fried¬ 
mann und Maas.1550 

Hypotrichosis, von Pinkus.553 

Hysterektomie, von Flatau 304, — ra- 

pida, von Stapler.589 

Hystereuryse in der Praxis, von Deckart 
565, — in der Praxis Bemerkungen 
zu der Arbeit von Dr. Deckart, von 

Biermer .... .1046 

Hysterie, von Fuerst 547, Lähmungs¬ 
erscheinung bei —, von Pick 703, 
Anschauungen über —, von Schultze 
812, Harnveränderung nach Anfällen 
der gründe —, von Rybalkin . . 1314 


Hysterische Operationssucht, von Latzko 1680 
Hystero-cysto ventropexie, von Kiriak . 1398 

J. 

Jaborandialkaloide, Chemie u pharma¬ 
kologische Wirkung der, von Jowett 

u. Marshall.1443 

Jahrbuch für Kinderheilkunde 202, 299, 

473, 657, 741, 1011, 1086, 1541, 1573, 

1601, — der Photographie und Repro- 
ductionstechnik, von Eder 1059, — 
derprakt. Medicin von Schwalbe 1182, 1424 
Jahresbericht s. a. Bericht. 

Jahresbericht des Vereins Heilanstalt 
Alland 297, — der Basler Heilstätte 
für Brustkranke in Davos und des 
Basler Hilfsverein für Brustkranke 
für d. J. 1898 297, 30. — über das 
Medicinalwesen in Sachsen 1898 654, 

— über die Chirurg Abtheilung und 

die Chirurg. Poliklinik des Spitals in 
Basel 1898 . 940 

Jahreszeit, Einfluss der, auf die Gesund¬ 
heit, von Hutchinson.945 

Jahrhundert, zum neuen, von Virchow 1087 
Ichthalbin, von Binder 876, von Siebert 
1490, Einfluss des — auf den Stoff¬ 
wechsel und die Darmthätigkeit der 
Kinder, von Rolly und Saarn 460, 

— bei Darmkrankheiten von Rolly 576 
Ichthargan, von Aufrecht 1366, von 

Lohnstein.1683 

Ichthyoform bei Darmtuberculose, von 

Schäfer. ... 483 

Ichthyol in der Scharlachbehandlung, 
von Seibert 473, — als Laxans, von 

Gunsburg.1191 

Ichthyosis, von Riehl ... 64 

Ictns laryngis u. Asthma, von Moncorg^ 552 

Idioten, von Kellner 1641, Sprache und 
Sinnesempfindungen der —, von 

Kellner. 58 

Idiotie, mikrocephalische, u. ihre chirur¬ 
gische Behandlung, von Löwenstein 
589, familiäre amaurotische —, von 
Falkenheim 1473, Schilddrüsenbe¬ 
handlung der myxomatösen —, von 
Neumann 1605, myxoedematöse —, 

von Neumann.1640 

Jejunostomie bei Inanition, von Heiden¬ 
hain . 94 

Igazol, von Cervello.746 

Ikterus, besondere Form des chronischen, 
von Bettmann 791, Pathogenese des 
—, von Browicz 1279, familiärer —, 
von Gilbert und Lereboullet.... 1683 


Seite 

Ikterusepidemie bei Kindern, v. Fringuet 100 
Ueosigmoideostomie, von Giordano . . 1358 
Ileotyphlitis, hypertrophische, v. Schwarz 1320 
Ileotyphus in Wien 480, Wasserbehand¬ 
lung des —, von Kobler 702, Kalt¬ 
wasserbehandlung bei —, von Bäum- 
ler 740, - u. Scharlach zu gleicher 

Zeit, von Le Boeuf.879 

Ileus s. a. Atropin, Meckel'sches Divertikel. 
Heus, von Murphy 1358, Atropinbehand¬ 
lung des —, von Bätsch 931, von 
Marcinowski 1492, von Holz 1664, 
von Demme 1665, von Lüttgen 1665, 
das Meckel’Hche Divertikel als Ur¬ 
sache des —, von Strauch 163, chi¬ 
rurgische Behandlung des —, von 
Schreiber 741, — und Atropin, von 
Prölss 1223, von Kohlhaas 1255, von 
Russow 1406, operative Behandlung 
des postoperativen —, von v. Winckel 
1435, mechanischer —, von Flatau . 1792 
Hidze, Therme von, von v. Weiss . . . 1279 
Immunität s. a. Infection. 

Imbecillität, Diagnose der, von Thiemich 130 
Immunität, von Büchner, 1193, Lehre von 
der — u Idiosynkrasie, von Zeehui- 
sen 19, — gegen Proteide, von Myers 1315 
Immunitätslehre, von v. Düngern 677, 963 
Immunserum, specifisches, gegen Sper- 
matozoen, von Moxter 203, l>acteri- 
cide u. agglutinirende Eigenschaften 
des Pyocyaneus* —, von Müller . . 1707 
Impetigo, von Kistler 634, — contagiosa, 
von Kaufmann 475, — vulgaris, von 
Unna und Schwenter-Trachsler 553, 

— circumpilaris, von Minne- . . . 1675 
Impfung s. a. Lymphe, Schutzpocken¬ 
impfung, Variolavaccine. 
Impfbestimmungen, die neuen, von Voigt 519 
Impfergebnisse, Beurtheilung der, von 


Schenk .1327 

Impferlass.409 

Impfgesetz, Vollzug des, 408, 483, 522, 

564,596, von Becker 471 , Ausfübrungs- 

bestimmungen zum —.923 

Impftechnik, von Flachs.300 

Impfung, Erfolg der, auf Portorico, von 
Groff 522, — gegen die Tollwuth im 
Institut Pasteur, von Viala . . . 1795 
Impf Verordnung, neueste, von Brauser 

541 , — in Meiningen.820 

Impotentia, Therapie der, virilis, von 

Zabludowski. 93 

Inaugural-Dissertationen 101, 132, 235, 

371, 479, 553, 591, 661, 702, 745, 

844, 879, 977, 1089, 1116, 1145, 1316, 

1429, 1508, 1604, 1640, 1784, 1832 

Incarceration, retrograde, von Pupovac 591 


Incontinentia urinae, Paraffineinspritzung 
bei, von Gersuny 1750, — vesicae . 563 
Index Catalogue of the Library of the 
Surgeon General's Office, U. S. Army 1763 
Indien, 21 Jahre in, von Breitenstein . 1113 
Infection s. a. Tröpfcheninfection. 

Infection, von Radzievsky 1278, — vom 
Conjunctivalsack aus, von Römer 300, 
von Mayer 1169» secundäre — der 
Kinder, von Baginsky 369, 57 Fälle 
puerperaler —, von Macharg 441, — 
und Immunität, von Pawlowsky 700, 
Reaction des Nervensystems auf die 
tuberculöse -, von Papilion 709, von 
Adenoiden ausgehende -, von Gallois 
1148, experimentelle —, von de Do- 
menicis 1281, Theorie der —, von 
Marx 1388, puerperale —, von Kalt 
1427, Schleimhaut des Magendarm- 
tractus als Eingangspforte pyogener 
—, von Bail 1671, Morbiditätsstatistik 


der —. 1764 

Infectionsclauseil.596 

Infections- und Acclimatisationskrank- 

heit, acute, von Gabel.165 

Infectionskrankheiten, Antisepsis und 
Isolirung bei den acuten —, von 
Grancher, vonBezy 1360, geschlecht¬ 
liche — in der Charite, von Schaper 1575 


Seite 

Infectionstheorie bei Sarkomen und Car- 

cinomen, von Ritter.1712 

Infiltration, seröse, des parauteiinen 

Bindegewebes, von Ehrendorfer . . 841 
Influenza, von Baccelli 177, von Weiss 
955, — in London 107 — in England 
140, — in Europa 178, — in Berlin 
372, Herz bei —, von Saundby 175, 

— Prophylaxe 208, lässt sich — 
coupiren? von Fürst 402, Behandlung 
der —, vonHuchard 562, — und chro¬ 
nische Herzkrankheiten, von Schott 
628, von Fernet 785, Reinculturprä- 
parate von —, von Czaplewski 980, 
Pathologie der —, von Wassermann 
1052, nach — auf tretende Erkrank¬ 
ungen des Nervensystems, von Bury 
1403, haemorrhagische Form der —, 
von Petrucci 1613, bacteriologischer 
Befund bei —, von Cantani .... 1640 
Influenzaausbruch, sonderbarer, auf der 

Haut, von Rieger. 7 

Influenzabacillen, Allgemeininfection mit, 
von Slawyk 333, Infection mit — und 
Bact. proteus, von Doering .... 1530 
Influenzaepidemie 1889/90 in der bayer. 
Armee, von v. Vogl 843, diesjährige 
— in Freiburg i. B., von Clemens 935 , 
Beobachtungen aus der jüngsten —, 
von Gerber 976, — 1900, von Möller 1088 


Influenzaherz, von Saundby.268 

Inlluenzapräparate, von Fraenkel . . . 270 
Tnfusionsapparat, compendiöser, von 

Häberlin. 45 

Inguinalhernie, Radicaloperation der, 
von Girard 1284, von Schwartz 1284, 

von Morestin.1284 

Initialsklerose, Pathologie der, von Ehr¬ 
mann 1279,1440, seltene Localisation 

der, von Ehrmann.1582 

Insecten, Arachniden und Myriapoden 
als Infectionsträger, von Nuttall . . 337 
Inserat aus Shakespeare’s Zeiten . . 1551 


Institut für Schiffs- und Tropenkrank¬ 
heiten 178, 210, 211, klinisches — für 
Geburtshilfe und Gynäkologie in St. 
Petersburg, von v. Ott 841, Statistik 
des — Pasteur zu Algier, von Trolard 
1015, Impfungen im — Pasteur zu 
Paris 1899 1795, — für medicinische 

Diagnostik in Berlin.1018 

Instrumentarium zur endovesicalen The¬ 
rapie, von Mirabeau 1314, — für en- 
dovesicale Operationen, von Latzko 1355 
Insult, Todesfall durch psychischen, von 

Pagenstecher.1354 

Intentionstremor, posthemiplegischer, 

von Infeld.. . 1604 

International Directory of Laryngologists 

and Otologists. . . 884 

Interviews der Professoren in Wien . . 480 
In toxica tion, Tetanie nach, von Dämmer 1587 
Intubation, von Quadflieg 1472, von 
Steinhardt 784, unblutige operative 
Behandlung der Larynxstenosen mit¬ 
tels der —, von Trumpp 940, Decu¬ 


bitus und Stenosen nach —, von 
Hagenbach-Burckhardt 1389, — in 
der Privatpraxis, von Marx .... 1599 
Intussusception, chronische, von Ender- 
tein.1021 


lnvagination, von Rrecke 42 , von Sondier 
1714, — ileocolica, von Schmilinsky 1515 
Invalidenrentenanwärter, Untersuchung 
und Begutachtung der, von Stempel 512 
Jochbein, temporäre Resection des, von 


Becker.233 

Jod, Pharmakotherapie und Toxikologie 

des, von Kobert .172 

Jodakne, von Giovannini.334 

Jodalbacid, Behandlung der Syphilis mit, 

von Briese .548 

Jodeigone, von Chrzelitzer.483 

Jodintoxication, acute, nach Jodkali¬ 
gebrauch, von Muck. 1738 

Jodipin, von Klingmüller 976, von Holz¬ 
häuser 1152, therapeutischer Werth 


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INHALTS-VERZEICHNISS. 


lönö. 


NXXItl 


Reite I 

des -, von Frieser619, therapeutische ! 
Verwendung des —, von Sessous . 1175 | 
Jodipintherapie, von Holzhäuser . . . 1255 
Jodkaliuunparotitis, von Trautmann . . 117 

Jodlösuug zu äusserlichem Gebrauch, 

von Eisberg.674 

Jodoformgeruch, Beseitigung des, von 

Ricketta. 210 

Jodoformglycerinemulsion, Intoxication 
bei Gebrauch der, von Frommer und 

Panek.619 

Jodoformogen, von Severeanu .... 1676 
Jodoform Vergiftung, von Anschütz . . 1466 
Jodoformwirkung und Jodoformersatz, 

von Fraenkel . 17o9 

Jodopyrin, von Junkers.407 

Jodothyrin, von Paulesco.1836 

Jodquelle, neue, in Bad Tölz, von Streber 952 
Johimbin, Wirkung des, von Loewy . . 1503 

Journal,, kleines, für Hygiene.1679 

Irrenfürsorge, öffentliche, in Bayern . 715 
Irresein, recidivirendes, von Kerr 443, 
puerperales —, von Easterbrook 781, 
Heilung v. epileptischem—, von Rose 1604 
Irrthümer, diagnostische, von Lichten¬ 
stein . . . 1751 

Iridochorioiditis, Aetiologie der chroni¬ 
schen, von Senn und Spirig . . . 1279 
Iritis, Ursachen einer primären, von v. 

Michel.853 

Ischias, Behandlung der, mit Salzsäure, 
von v. Eljas-Radzikowski 1255, — 

scoliotica, von Blencke.1714 

Ischuria prostatica, von Bottini .... 586 


K. 

Kaffee, Gebrauch des, von Hutchinson 
1506, Wirkung von — und Thee auf 
Athmung und Herz, von Binz . . . 1705 
Kaiser Franz Joseph-Pavillon im k. k. 

allg. Krankenhaus zu Prag.651 

Kaiser- und Kaiserin Friedrich-Kinder¬ 
krankenhaus, 10 jähriges Bestehen des 1518 
Kaiserschnitte aus gehäuften Indica- 
tionen, von Freund 300, — aus rela¬ 
tiver Indication, von Martin 947, 
wiederholte —, von v. Weis . . . . 1832 
Kaiserschnittstatistik, von Gummert . . 1277 
Kakke s. a. Beri-Beri. 

Kakke, von Yamagiva 809, — der Säug¬ 
linge, von Hirota.437 

Kakkedyspepsie bei Säuglingen, von 

Miura.128 

Kalender, deutscher militärärztlicher, von 

Krocker und Friedheim.1182 

Kalk, Einfluss des, auf gichtkranke 

Hühner, von Kionka . . j . . . . 1088 
Kamerun-Neger, ethnologische und pa- * 
thologiBche Verhältnisse, der, von 

Plehn.1579 

Kapselverengerung bei Gelenkaffec- 

tdonen, von Baxdenheuer.1471 

Kardioptosis, von Ferranini.127 

Kataloge .. . . 1836 

Kataplasmen, temperirbare, v. Davidsohn 203 
Katarrhe, Behandlung der, der oberen 

Luftwege, von Linkenheld .... 923 
Katheter, Sterilisationsvorfahren für ela¬ 


stische, von Kümmell.1757 

Katheterismus, von Hottinger .... 1089 


Kauen, Zerkleinerung und Lösung der 
Speisen beim, von Lehmann . . . 983 
Kehlkopf s. a. Pachydermia, Larynx. 
Kehlkopf, von Hueter 271, Entfernung 
des —, von Gluck 60, Angiome des 
—, von Seifert 983, Anleitung zur 
Diagnose und Therapie der —, Nasen - 
und Ohrenkrankheiten, von Kayser 
1705,Lymphgefässapparat von — und 


Trachea, von Most.1830 

Kehlkopfcarcinom, von Frieben . . . 271 

Kehlkopfgeschwür, tuberculöses, von 

Eisen barth.5^7 

Kehlkopfhälfte, Exstirpation der, von 

Krause.339 

Kehlkopfkrankheiten währendd Schwan¬ 
gerschaft, von Przedborski . . . 15'> 


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Si:ile 

Kehlkopfneuralgie, typische Form von, 

von Avellis . . . . .1592 

Kehlkopfoperationen, von Klause 169, 554 
Kehlkopfschleimhaut, Regeneration der, 

von Grawitz.. . . 947 

Kehlkopfspiegel, Lysollösung zur Ver¬ 
hinderung des beschlagens der, von , 

Ruprecht.1508 

Kehlkopftuberculose, örtliche Behand¬ 
lung der, von Heller. 740 1 

Keloid, von Joseph.475 

Keratitis, Behandlung der, profund«, 

von Guttmann.301 

Keratoconus, von Krukenberg .... 172 

Kernmangel, angeborener, von Heubner 710 
Keuchhusten s. a Stickhusten, Pertussis. 
Keuchhusten, cerebrale Affeetionen im 
Verlaufe des, von Hockenjos 657, 
Heroin bei —, von Hininer718, neuere 
Behandlungsmethoden des —, von 
Fischl 909, Verschicken kranker Kin¬ 
der bei —, von Schwarz 977, Aetio¬ 
logie des - , von Luzzatto 1012, Be¬ 
handlung des —, von Leroux und 
P&steau 954, von Tittel 1116, Bella¬ 
donna gegen den —, von Gillet 
1360, Bäder mit eomprimirter Luft 


bei —, von Rocas und Delmas 1360, 
operative Behandlung des —, von 
Smit 1501, Lähmung nach —, von 

Arnheim.1761 

Kiautschou, Gesundheitsverhältnisse in, 242 
Kiefercysten, Behandlung von, and An- 
trumempyemen, von Sachse .... 238 
Kieferdeformitäten, orthopaedische Be¬ 
handlung der, von Stern .... 147*2 
Kieferfracturen, Behandlung der, von 
Wamekros.1514 


Kieferhöhlenempyem s. a. Empyem, An¬ 
trumempyem, Highmorshöhle. 
Kieferhöhlenempyem, acutes, von Wro- 
blewski 551, Ausgang des acuten —, 


von Avellis. . 945 

Kind s. a. Säugling, Hilfsschulen. 

Kinder, Behandlung frühgeborener, von 
Rommel 357 t hereditär-luetische —, 
von Lange 592, uneheliche — in 


Berlin, von Neumann 653, Extraction 
eines lebenden — nach dem Tode 
der Mutter, von Kirch 942, Grund¬ 


sätze des Geburtshelfers für die erste 
Ernährung des —, von Cramer 1585 » 
Wärmekasten für frühgeborene —, 


von rvommei.« . . . . 

Kindbettfieber s. a. Puerperalfieber. 
Kindbettfieber, Verhütung des, von Hof¬ 
meier 1257 , von Krönig . 1422 

Kinderernährung im Säuglingsalter, von 

Biedert.1312 

Kinderheilkunde, Lehrbuch der, von 
Bendix 91, von Baginsky 199, von 

Gerhardt 1539, von Seitz.1780 

Kinderlähmung, von Krause 1019, von 
Little 1443, spinale — von Krause 
555, cerebrale —, von Merz 743, von 

Dinkler.1433 

Kinderspitäler, Zustände in den in 

Wien. 520 

Kindersterblichkeit in Norwegen, von 
Johannessen 1322, — der Oberplalz, 

von Mulzer.1510 

Kindertetanie, von Kirchgässer .... 589 
Kindertuberculose, von Thomeseu . . 1476 


Kindesalter, Krämpfe im, von Lange 37, 
Behandlung der chronischen Obsti¬ 
pation im —, von Doerfler 113, Dia¬ 
gnose der Imbecillität im frühen —, 
von Thiemich 130, Pyelitis im —, 
von Hintner 171, Typhus im —, 
von Barbier und Herrenschmidt 174, 
chron. Myocarditis im —, von Rosen- 
stein 201, Lungenentzündungen im 
Gefolge von infeetiöser Erkrankung 
im frühesten —, von Spiegelberg 2'J.', 
Tetanie im —, von Thiemich 299, 
chron. Gelenkrheumatismus im -, 
von Johannessen 332, Behandlung 
des chron. Ekzem im —, von Neu 


Seil« 

berger 336, Gelenkrheumatismus im 
—, von Lachmanski ö69, Haemor- 
rhoidalknoten im , von Burwinkel 
39J, Ekzem im frühen —, von Pokito- 
neff 549, bösartige Nierengeschwülete 
im —, von Sorgente 549, l^ebercarci- 
nom im —, von Engelhardt 631, Darm¬ 
krebs im —, von Zuppinger 659, 
Kleinhirnerkrankungen im frühen —, 
von Hahn 699, pathogenetische Be¬ 
deutung des Pseudoinfluenzabacillus 
im —, von Luzzatto 779, Seelen¬ 
störungen im —, von Gumpertz 809, 
Hypertrophie und Dilatation des Dick¬ 
darms im —, von Johannessen 810, 
Pneumonie im —, von Rheiner 843, 
Limanotherapie im —, von Bilik 906, 
progressive, pernieiöse Anaemie im 
—, von Theodor 906, Bleivergiftung 
im —, von Turner 945, Augenkrank¬ 
heiten des —, von Guttmann 1140, 
Empyem im —, von Cnopf 1151, 
Myocarditis im —, von Koplik 1247, 
Uebertragung und Prophylaxe der 
Tuberculose im —, von d’Espine, 
Hutinel, Moussous, Richardifcre 1359, 
intermittirende Albuminurie des —, 
von Gillet 1439, Pneumonie im —, 
von Tirard 1443, Milzvergrösßerung 
im —, von West 1443, Salol beim 
Typhus des —, von Thomeseu 1476, 
Laryngoskopie im —, von Kirstein 
1572, Skoliosen und Spitzeninfiltratio¬ 
nen im —, von Mosse 1572, Pneumo- 
coccengrippe im —, von Luzzatto 1573, 
dilatative Herzschwäche im —, von 
Neumann 1601, Tetanie nnd Eklam¬ 
psie im —, von Hecker 1610, here¬ 
ditäre progressive spinale Muskel¬ 
atrophie im —, von Hoffmann 1649, 
secundäre Gastroenteritiden im —, 
von Marfan 1751, Asthma thymicum 


im —, von Friedjung.1751 

Kindeslagen, Benennung u. Eintheilung 

der, von Müller.1750 

Kirschkern im 1. Hauptbronchus, von 

Gernsheim.699 

Klappenfehler durch Tabak, von Eid . 1317 
Kleingewehrverwundungen und Humani¬ 
tät im südafrikanischen Krieg, von 
Dent 944, moderne —, von Dent . 1444 


Kleinhirn, cystische Degeneration im, 
von Schüle 235*, Beziehungen zwi¬ 
schen — und optischem Central¬ 
nervensystem, von Roncali 550, an¬ 
atomische Beziehungen des — zum 
übrigen Nervensystem, von Bruns 
942, Functionen des —, von Gatta . 1545 
Kleinhirnabscess, von Dieulafoy 1121, 

otogener —, von Braun.1018 

Kleinhirntumoren, von Schede . . . .1115 

Klemmnaht, von Schultze.1470 

Klimakterium, von Galbraith 23, Gravidi¬ 
tät im —, von Flatau.1792 

Klimmzuglähmungen, von Sehrwald 266 

Klinik, neue, in Prag 207, unheilvolle 
Verhältnisse der Kieler medicinischen 
—, von v. Esmarch 212, Greifswalder 
chirurgische —, 1875—1899, von Hel- 
ferich 233, Beschuldigungen gegen 
die medic. — in Jena, 833, staat¬ 
liche psychiatrische — in München 
883,955, Mittheilungen aus der medi¬ 
cinischen — zu Upsala, vonllenschen 
1049, — für Ohren- und Kehlkopf¬ 
kranke zu Rostock, von Körner 1248, 
Mittheilungen aus der dermatologi¬ 
schen — zu Straßsburg, von Hügel 
1737 , Besuch geburtshilflicher — in 
Paris, Berlin, Leipzig, Dresden und 

! Genf, von Kalabin. 1751 

; Klop Duvel Klop, von v Bremen . . 237 
Klumpfass, offene Durchschneidung bei, 

! von Phelps 1403, Behandlung des— 

Erwachsener, von Vulpius.1471 

Knabengeburten, Ueberschuss an, und 
seine biologische Bedeutung, von 
Barfurth ..981 

5 


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XXXEV 


INHALTS-YERZElCHKlSS. 


Knie, intermittirender Hydrops de«, von 

Katzenstein.1838 

Kniegelenk, congenitale Luxationen des, 
von Drehmann 69s, Contracturen und 
Ankylosen im —, von Blencke . .1313 
Kniegelenkscontracturen,instrumentelle8 
Redressement der, von Lorenz . 1470 
Kniephänomen, Fehlen des, von Mar- 

guliös. .... 59 

Kniereflex, Verlust des, von Williamson 443 
Kniescheibenbrüche und ihre Behand¬ 
lung, von Lichtenauer .... 65(5, 1352 
Knieschwund, angeborener, von Luce . 911 
Knochen, Inactivitätsatrophie der, von 
Sudeck 207, Stossfestigkeit der —, 
von Triepel 338, Biologie der —, von 
Helferich 376, Farbe des lebenden 
rachitischen —, von Muck 621, Ver¬ 
änderungen des wachsenden — nach 
dem Einfluss des Phosphors, von 
v. Stubenrauch 629, Draht zum Er¬ 
satz für Continuitätsdefecte der —, 

von Hofmann.1706 

Knochenarchitectur, Röntgenbilder der, 

von Wolff .701 

Knochenatrophie, von Kimura .... 842 
Knochenbrüche durch direkte Gewalt, 

von Rubinstein.707 

Knochencarcinom, Anaemie bei, von 

Frese.1748 

Knochenendotheliome, von Th^venot . 1577 
Knochenerkrankungen, seltene,von Deetz 589 ! 
Knochengestalt, functioneile, von Wolff 1*8 
Knochengerüst, Entwicklung des mensch¬ 
lichen, von Lambertz ..368 

Knochenheteroplastik, von Büdinger . 1674 
Knochenmark, rothes und Myeloblasten, 
von Naegeli 701, Zusammensetzung 
des rothen —, von Pappenheim 876, 
blutbildende Function des—, von Zen 
1145, — und Blutbildung, von Schur 

und Löwy.1502 

Knochenneubildung, chirurgische, von 

Ollier.1251 

Knochenplastik am Unterkiefer, von 

Sykoff.1313 

Knochenstück, in der Lunge steckendes, 
von Killian 401, implantirtes —, von 

Grosse.1149 

Knochentransplantation, von Frank 1470, 

ausgedehnte —, von Klapp . . . . 513 | 
Knochenwachsthum, Störungen des, von j 

Gilford.1116 1 

Knoll, Prof. Philipp f.207 j 

Knorpelfett, von Sacerdotti. 1087 I 

Knorpelgeschwulst, Verbreitung einer, 
in der Blutbahn, von EmBt . . 478, 1602 
Kochsalzinfusion, Veränderung der Blut- I 

Zusammensetzung nach, von Magnus 657 
Kocbsalzinjectionen, subcutane, von 

Drago . ..1544 

Koeliotomie, vaginale, von Fritsch 1436, 

Aufplatzen der Bauchwunde nach —, i 

von Kreutzmann.1782 

Körnchen, basophile, von Cohn 186, von 

Strauss.208 

Körnerkrankheit, Bekämpfung der en- j 

demischen, von Hirschberg .... 241 
Körperform und Lage der Nieren, von 

Lennhoff und Becher.701 

Körpermaasse, Werth von, zur Beur- 
theilung des Körperzustandes von 

Kindern, von Schmid-Monnard . 1441 

Körpermessung, Bertillon’sche Methode 

der, von Wengler. 1494 

Kohlehydrate, Untersuchungen über, 

von Rosenfeld.332 

Kohlenoxydgas-Vergiftung, von Folli . 1613 

Kohlensäure, therap. Verwendung der, 
und der heissen Luft, von Herz 561, 

— bei Erkrankungen derNase, von Joal 946 

Kohlensiiureausscheidung bei wieder¬ 
holten kalten Bädern, von Lode und 

Durig.109 

Kohlenwasserstoffe, Wirkung einiger ali¬ 
phatischer, von Elfstrand.546 

KoUkschmerzen, von Lucke.1013 


Kolon, Missbildungen des, von Concetti 
202, — Hamblasenfistel, von v. Bra- 

mann.1252 

Kolpaporrhexis sub partu, von Belitz- 

Heimann.263 

Kolpeuryse und Metreuryse, von Bosse 

1114, von Müller.1783 

Kolpeurynter, s. a. Geburtshilfe. 
Kolpeurynterfrage, von Kaufmann . . 513 
Kopf, Impression des vorangehenden, in 
Walcher’scher Hängelage, von Crarner 1438 

Kopfgrind, von Elliot. 787 

Kopfklammer, von Schuchardt .... 656 
Kopfschütteln, Aetiologie des,mitNystag- 
mus bei Kindern, von Thomson . .1117 
Korsakoff'sche Psychose, von Elzholz . 591 

Kost, kräftige, von Czerny.202 

Kothtumor, von Poten.1214 

Krämpfe im Kindesalter, von Lange 37, 
durch — bewirkte Veränderungen 
im Kinderauge, von Schoen .... 1602 
Kraniektomie, Technik der, von Gigli . 1749 
Krankenanstalten, s. a. Privatkranken¬ 
anstalten. 

Krankenanstalten, Erweiterung der, in 

München . ..1327 

Krankenbehandlung, Werth der Beschäf¬ 
tigung in der, von Buttersack . . . 332 
Krankenfürsorge der Landesversicher¬ 
ungsanstalten 1399, von Mugdan . 942 
Krankenhäuser, Verpflegungssätze in den 

Berliner.203 

Krankenhaus, städt., zu Köln.788 

Krankenhaus-Erweiterung in München 1024 
Krankenhausfrage in Wien .... 239, 818 

Krankenhausnoth in Berlin.372 

Krankenkassen, s. a. Meisterkranken¬ 
kassen, Receptur. 

Krankencassen 1288, — und Aerzte 107, 

804, Fahrpreisermässigung für — 451, 
Centralisation der Berliner — 1220, 
Vertragsentwurf einer — 1399, Kampf 

gegen die —.1715 

Krankencassenangelegenheiten, Recht¬ 
sprechung in, von Biberfeld .... 1023 
Krankencassen verband, württembergi- 

scher.1406 

Krankenküche, Berliner, von v. Leyden 1581 
Krankenpflege, Museum für, 210, Aus¬ 
stellung für — in Frankfurt 210, 
Taschenbuch der —, von Pfeiffer . 1781 
Krankenverein der Aerzte Wiens . . . 481 
Krankenversicherungsgesetz, Novelle z., 

635, 1367, 1684 

Krankheilen, Gesetzentwurf über die 
Bekämpfung gemeingefährlicher 633, 
neue Wege zur Erkenntniss und Be¬ 
handlung von —, die durch Autoin- 
toxicationen bedingt sind, von Blum 
1038, — der Frauen, von Fritsch 1140, 

Diät in der Behandlung von —, von 
Martyn 1443, — der warmen Länder, 

von Scheube.1634 

Krankheitszustände, Behandlung nervö¬ 
ser, in Sanatorien, von Poensgen . 1386 
Kraniektomie, temporäre, bei Gehirn- 

abscessen, von Nanu.1219 

Kranio-Rhachischisis, von Lewis . . . 1216 
Kraniotomie, Technik der, von Codivilla 1218 
Kraurosis vulvae von Jung 236, vonBaldy 
und Williams 337, von Heller . . . 1388 
Krebs, Zunahme der Sterblichkeit an, 
von de Haan 132, Behandlung in¬ 
operabler —, von Czerny 594, chi- , ,, 

rurgische Behandlung des —, von 
Fauve 1148, — der Wange, von Mo¬ 
restin .1218 

Krebsaetiologie, von Behla.440 

Krebserkrankungen, Zunahme der, von 

Maeder.700 

Krebsforschung, Comitd für, 308, 787, 

1406, geographisch-statistische Me¬ 
thode der —, von Behla.2G3 

Krebsfragen, von Oldfield.1405 

Krebsmetastasen der Wirbelsäule, von 

Fraenkel. 30 

Krebssammelforschung.1446 


Belt« 

Krebsumfrage, von v. Leyden .... 1679 
Kreisarztgesetz, preussisches . . . 450, 674 
Kreislauf, Energetik des, von Rosenbach 840 

Kreislaufmodell, von Moritz.774 

Kreislaufsorgane, Erkrankungen der, von 

Jürgensen. 543, 163 5 

Kreispflegeanstalten, badische, von Batt- 

lehner.1678 

Krieg s. u. Südafrika. 

Kriegsverband wesen, Reform des, von 

Port.1142 

Krisen, gastrische, von Favulla .... 1147 

Krötenfleisch, von Huber.1628 

Kröpfe, chirurgische Behandlung der 
gutartigen, von Reinbach 261, ope¬ 
rative Behandlung der — nach Wölf- 
ler, von Preindlsberger 878, geogra¬ 
phische Vertheilung der — in Frank¬ 
reich, von Mayet 954, Exstirpation 
der —, von Berry 1116, Behandlung 
der einfachen —, von Murray . . . 1505 

Kropfknoten, von Sendler.1150 

Kropfrecidive und Recidivoperationen, 

von Brunner.5^9 

Krystalle, Charcot-Leyden’scbe, von Lcwy 
8 40, — und Spermakrystalle, von Le wy 1184 
Küchenkoller, von Leopold . . . 4<)1 

Kühne Wilhelm f, von v. Uexküll . . 93 J 

Kugelextraction aus dem Gehirn mit 
Hilfe des Röntgenverfahrens, von 

Chlumsky .262 

Kugeln, tingible, von Winkler .... 335 

Kuhmilch,praktische Methode, — leichter 
verdaulich zu machen, von v. Dün¬ 
gern ..... .1661 

Kuhmilchcasein, Ausnützung des, von 

Knoepfelmacher.1574 

Kupferarbeiter, Untersuchungen an, von 

Lewin. ... . 1604 

Kyrofin, von Breitenstein.563 


Labenzyme und ihre Antikörper, von 

Morgenroth. 

Labour, missed, bei Myom und Placenta 
praevia, von Hartz ........ 

Labyrintheiterung, chirurgische Behand¬ 
lung der, von Körner. 

Labyrinthlaesionen, cariöse und trau¬ 
matische, von Lucae. 

Labyrinthsequester, von Pluder . . . 

Lacton-hoe . 

Ladenpersonal, Sitzgelegenheit f. das 275, 
Lähmung, diphtheritische, von Marfan 
(00, traumatische periodische —, von 
Donath 131, geheilte spondylitische 
—, von Tillmanns 342, — des Plexus 
cervicalis, von Trömner 749, — des 
Acusticus und Facialis, von Saenger 
978, — der Schultermuskeln, von 
Ahrens 1757, essentielle —, von Grüne¬ 
berg 1757, Apnoö bei diphtheritischer 

—, von Ebstein. 

Lagerungsbehandlung, von Adler 1517 
— bei Gestalte-, Lage- und Grösse¬ 
veränderung des Uterus, von Beckers 
Lagerungsschienen aus Rohrgeflecht,von 

Sarfert. 

Lakolk, Nordseebad. 

Landkrankenpflege .. 

Landtag s. a. Parlamente. 

Langenbeck-Büste. 

Lanolin. 

Laparotomie, von Meusel 513, bei — 
zurückgelassene Compresse, von 
Merttens 202, Einschränkung der —, 
zu Gunsten der vagin. Coeliotomie, 
von Schauta 234, Instrument zur —, 
von Jonnescu 1577, acute gelbe Leber¬ 
atrophie nach —, von Selhorst 1676, 
Verhütung und Behandlung der 
Bauchnarbenbrüche nach —, von 

Gottschalk. 

Largin, von Allgeyer 910, von Falta . . 
Laryngologisch-otologische Gesellschaft 
in München . 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






































































1000. 


INHALTS-VERZEICHNI8S. 


XXXV 


Seit« 

Larvngo-Rhinologie, Referat über, 131,551, 945 
Laryngoskopie im Kindesalter, von Kir- 

Btein.1572 

Laryngotyphus, Bacteriologie des, von 

Vincent. ... 1250 

Larynx b. a. Kehlkopf. 

Larynx, Fremdkörper im, von Hirsch- 
mann 477, Pseudostimme nachTotal- 
exstirpation des —, von Gottstein 
706, Pathologie und Behandlung der 
toxischen Lähmungen des —, von 

Williams und Home.1444 

Larynxerysipel, sogen., von Sittmann . 775 
Larynxkrebs, operative Behandlung des, 

von Semon.130 

Larynxintubation, von Tsakiris .... 1439 
Larynxphthise,Therapie der, von Imhofer 1543 
Larynxstridor, congenitaler, von Stamm 699 
Larynxtuberculose, Behandlung der, von 

Freudenthal.1508 

Lauge Vergiftung, von Bornikoel 60, — 
bei Kindern, von Johannessen . . 299 
Lebensformen, einfachste, des Thier- und 
Pflanzenreiches, von Eyferth . . . 1313 
Lebens weise,therapeutische Verwendung 
der vegetarischen, von Rumpf . . 698 

Lebenszeichen, letztes, von Waller . . 1516 
Leber s. a. Wanderleber. 

Leber, Farbstoffe der, Eisen der —, von 
Dastre und Floresco 17, Bedeutung 
der —, von Sachs 126, Chirurgie der 

— und der Gallenwege, von Panta- 
loni 162, cavemöse Degeneration der 
—, von Fabris 450, echte Cysten der 
—, von Lippmann 512, Wärmebildung 
in der —, von Cavazzani 633, Tele¬ 
angiektasien der —, von Schrohe 
742, Ptosis der —, von Treves 1117, 
Cirrhose u. multiple Adenombildung 
der —, von Schmieden 1115, chirur¬ 
gische Behandlung der Hydatiden- 
cysten der —, von Jonnesco 1217, 
neue Art der Blutstillung bei der —, 
von Sögalc 1218, forensische Bedeut¬ 
ung von Glykogen und Zucker in der 

— einer Leiche, von Modica 1247, 

— bei den Anaemien, von Gilbert 
und Garnier 1249, Eiterungen in und 
tun die —, von Loison 1280, acute 
Fettdegeneration der —, von Sansoni 
und Serono 1283, multiple Echino- 
coccen der —, von Könitzer 1387, 
Glykogenbildung in der —, von Bussi 
1544, cavernöse Degeneration der—, 
von Fabris 1602, solitäre Adenome 

der —, von Barbacci.1639 

Leberabscesse, Chirurgie der, von 
Smits 874, chirurgische Behandlung 
der —, von Giordano, von Adamidi, 
von Hache 1217, Behandlung der —, 
von Macleod,Cantlie, Smith u.Bassett- 
Smith 1444, idiopathische —, von 

Beyfuss.. . . 1636 

Leberatrophie, acute gelbe, nach Laparo¬ 
tomie, von Selhorst.1676 

Leberbiegung, normale respiratorische, 
und die Genese der sog. Exspirations¬ 
furchen der Leber, von Walz . . . 1029 
Lebercareinom im Kindesalter, von En¬ 
gelhardt .. . . 631 

Lebercavernome, von Schmieden . . . 1636 
Lebercirrhose, von Kretz 475, milch- 
weisser Ascites bei syphilitischer —, 
von Poljakoff 58, chirurgische Be¬ 
handlung des Ascites bei —, von 
Rolleston und Turner 165, Darm¬ 
blutungen bei —, von Stein 264, 
hypertrophische —, von Eberth 1012, 
letale Magendarmblutungen bei - ,von 
Preble 1215, Pathologie der —, von 

Voelcker.1442 

Leberechinococcus mit Durchbruch in die 

Gallenwege, von Althaus. 1135 

Lei*rege), Wirkung einiger Gifte auf 
den, von v. Tappeiner. 1729 

Lebererkrankungen, Entstehung chroni¬ 
scher, von Hoppe-8eyler,.1642 


Leberfieber, intermittirendes, von Pick 

Lebergallenfistel, von Albu. 

Leberinfarct, von Heile. 

Leberlymphome, von Marcuse. 

I^eberkrebs, von v. Kahlden 61, Zusam¬ 
menhang von Distomum felinum mit 

—, von Askanazy. 

Leberneuralgie, von Fuchs. 

Leberruptur, traumatische, von Kirste . 
Lebersklerose, praeascitische Oedeme 

bei, von Morano. 

Leberthraninjectionen, von Zeuner . . 

Legat, Dr. Herz’sches. 

Lehrbuch der Kinderheilkunde, von Ben- 
dix 91 ,von Baginsky 199, von Seitz 1780, 

— der Nachbehandlungen von Verletz¬ 
ungen, von Müller 232, — der chirur¬ 
gischen Krankheiten angeborenen 
Ursprungs, von Kirmisson 296, — 
der Balneotherapie, von Glax 330, 

— d. Nervenkrankheiten, von Oppen¬ 
heim 544, —- der Hygiene, von Rub- 
ner 940, — für Heilgehilfen und 
Massöre, von Granier 1386, — der 
spec. Pathologie und Therapie der 
innern Krankheiten, von v Strüm¬ 
pell 1424, —der Kinderkrankheiten, 
von Gerhardt 1539, — der anorgani¬ 
schen Chemie, von Erdmann 1616, 

— der Histologie u. mikroskop. Ana¬ 

tomie, von Szymonowicz 1633, — der 
Hydrotherapie, von Matthes 1746, — 
der klin. Hydrotherapie, von Bux- 
bäum. 

Leichenerscheinungen und ihre Zeitbe¬ 
stimmung, von Wetzel. 

Leichenschau, obligatorische 883, Noth 
wendigkeit der obligatorischen — 
Leichenverbrennung, facultative . . . 
Leichtenstem Otto f, von Lent. . . 
Leiatenbruch, innerer, von Escher 94, 
Radicaloperation der — bei Säuglin¬ 
gen, von Karewski 95, Operation der 
! —, bei kleinen Kindern, von Francke 

307, intraparietale —, von Göbell . 
Leistengegend, Anatomie der, v. Cushing 
Leistenhernien, Radicalbehandlung der 

—, von Grosse. 

Leitfaden, d. Schwangernuntersuchung, 

von Winternitz. 

Lepra, von Dönitz 977, — des Auges, 
von Franke 30, von Guönot u. Rem- 
linger 810, Behandlung der — mittels 
des Calmette’schen Serum, von Wood- 
son 476, Serumtheraphie der —, von 
Carrasquilla 548, Zeitschrift für — 
564, Bacteriologie der —, von Baran- 
nikow 908, pathologische Anatomie 
der —, von Sokolowsky 1143, Heil¬ 
barkeit der—, von Ehlers 1476, von 
Hutchinson 1675, Veränderung des 
Muskelgewebes bei —, von Fujinami 
1574, — maculosa, von Neumann . 
Leprabacillen, Verbreitung der, im 
menschlichen Körper, von Uhlenhut 
Leprademonstration, von Lassar .... 
Leprahäuser sonst u. jetzt, von Kirchner 
Leptomeningitis. Aetiologie d. otitisehen, 

von Vincenzi. 

Leukaemie s a. Haemainoeba, Abort. 
Leukaemie, Veränderungen am Central¬ 
nervensystem bei, von Bloch und 
Hirschfeld 200, Stoffwechselversuche 
bei —, von v. Stejskal u. Erben 201, 
Hautveränderungen bei —, v. Pinkus 
552, Parasiten der —, von Löwit 
658, 662, — eine Protozoeninfection, 
von Vittodini 1145, acute — beim 
Kinde, von Mc Crae 1216, acute —, 

von Denm'g. 

Leukocyten, Reaction der, auf die Gua- 
jaktinctur, von Brandenburg 183, 

— und Bacteriensporen, von Naka- 
nishi 680, Granulafärbung lebender 
und überlebender —, von Arnold 942, 
polynucleäre —, vou Marini 1282, 
intravitale Neutralrothfärbung der —, 


8eite 

1250 

407 

1603 

1184 


1603 

405 

751 

1639 

1024 

820 


1746 

1767 

919 

179 

340 


1142 

1216 

1502 

260) 


1612 

236 

672 

24 

700 


1297 


• Seite 

von Marcus 1427, — beim Säugling, 
von Japha 1541, eosinophile — in 

Tumoren, von Feldbausch.1574 

Leukocytenstoffe, mechanische Gewin¬ 
nung bactericider, von Weleminsky 402 
Leukocytose, Entstehung der, von Lenge¬ 
mann . 58 

Leukoplakia oris, von Schütz 335, von 

Perrin.1440 

Levinsenia pygmala Levinsen, von Jä- 

gerskiöld. .... 908 

Lexikon, therapeutisches, von Bum 941, 
biographisches — hervorragender 
Aerzte des 19. Jahrhunderts, von 

Pagel.1113 

Lichen planus atrophicus und Vitiligo, 
von Orback 553, — ruber planus, 
von Dreyer 1286, — obtusus, von 

Hügel. 1737 

Licht s. a. Phototherapie. 

Licht, Einfluss des, auf die Haut, von 
Möller 1008, chemische Kraft des —, 
von Warburg 1221, Anwendungsfor¬ 
men des — in der Therapie, von 

Boden.1254 

Lichtheilanstalt in Berlin.243 

Lichtprüfer für Arbeitsplätze, von Pfeiffer 561 
Lichttherapie, von Strebei 1052, von 

Finsen.1361 

Lichtwärmestrahlen, Wirkung der, von 

v. Drigalski.975 

Lidcarbunkel, von v. Förster.1581 

Lidgangraen nach übermässiger Eisan¬ 
wendung, von Plaut.402 

Ligamentum patellare, Zerreissung des, 

von Koch.1612 

Ligaturen, Anlegung von, von Katzen¬ 
stein .1470 

Lignosulfit, von Dannegger.1748 

Limane, von Baginsky.1057 

Limanotherapie, von Bilik.906 

Limbeck, Professor v., f.714 

Lingua geographica, von Delbanco 978, 

von Carow.1574 

Linse, die operative Beseitigung der 
durchsichtigen, von Pflüger ... . 1465 

Lipaemie, von Ebstein.163 

Lipome, Entstehung der multiplen, von 
Askanazy 1050, retroperitoneale —, 

von Heinricius.1387 

Lippen- und Kieferspalten, von Schmidt 343 

Literatur, amerikanische 23,59,337,478, 

844, 878, 1215, 1246, 1467, belgische 
■— 167, 879, 1674, englische — 21, 

1«5, 268, 441, 659, 779, 943, 1116, 

1505, 1674, 1709, französische — 100, 

266, 548, 810, 1014, 1279, 1576, hol¬ 
ländische - 132, 620, 1185, 1504, 
italienische — 131, 550, 743, 909, 

1016, 1145, 1246, 1389, 1544, 1639, 
österreichische — fast in jeder Nr., 

rumänische —.1675 

Lithokelyphos, von Jung ..1711 

Litholapaxie, von Pank 1709, von Baker 
1710, von Sünder 1710, von Smith 
1710, perineale —, von Henderson 
1710, — bei Knaben, von Keegan . 1709 
Lithopaedien,Kenntniss der,vonKroemer 1453 
Little’sche Krankheit, von Mesce 550, 

— und conBanguinäre Heirathen, von 

van der Heide.620 

Localanaesthesie, von Kossmann 1785, 

— und Narkose, von Schleich . . . 473 
Localisationstabellen zur graph. Dar¬ 
stellung des Sitzes und der Verbrei¬ 
tung von Krankheiten, von Pick . . S40 

Löfflerbacillus, Pathogenität des, von 
Bloch und Sommerfeld . . ... . 869 

Lues, von Brueggemann 134, Behand¬ 
lung der tertiären —, von Stinson 
177, — hereditaria tarda in der Wiener 
Garnison, von Schuster 843, — here¬ 
ditaria mit Tabes, von Wilms . . . 1020 
Luft, heisse, gegen Atfectionen der oberen 
Luftwege, von Lermoyez und Mahu 1327 
Luftdruck, Muskelkraft unter dem er¬ 
höhten, von v. Liebig.698 


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5 * 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






















































XXXVI 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900. 


Seite 


Seite 


Luftfeuchtigkeit, Einfluss der, auf den 

Arbeitenden, von Wolpert.440 

Luftinfection, Kenntniss der, von Büch¬ 
ner, Megele und Rapp.516 

Luftliegecur, von Neumann ..1718 

Lufttemperaturen, Anpassungsfähigkeit 
des Menschen an, von Rubner . . 1853 
Luftwege, chronische Erkrankung der 
oberen, von Neisser u. Kahnert . . 1214 
Lumbalhernien, von Borchardt . . . .1711 


Lumbalpunction, von Kohts 1152, 1719, 
Gefahren der —, von Gumprecht . 908 
Lunge s. a. Thierlunge. 

Lungenabscess, Klinik des, von Jacobson 1142 
Lungenadenom, congenitales, von Linser 906 
Lungen aff ectionen, medicamentöse The¬ 


rapie der —, von Goldmann . . . 1279 
Lnngenbrandhöhle, von Lenhartz ... 30 

Lungenchirurgie bei Kindern, von Jab- 

lokoff.549 

Lungenemphysem, von Sudsuki • . 912 

Lungenentzündung, Stoffwechsel bei, 
von Moraczewski 200, — im Kindes- 
alter, von Spiegelberg 202, Entstehung 


der, von Müller 304, 704, Behandlung 
der acuten —, von v. Koranyi . . 625 

Lungenerkrankungen nach chirurgischen 
Eingriffen, von Gerulanos . . 1760, 1831 

Lungengangraen, von Luce .207 

Lungenheilanstalt, Pädagogik in der ge¬ 
schlossenen, von Moeller.1114 

Lungenheilstätte s. a. Volksheilstätte. 
Lungenheilstätte, Voruntersuchung zur 
Aufnahme in die, am Grabowsee, 

von Brandenburg.590 

Lungenhernie, Heilung der, von Vulpius 1783 
Lungeninduration, braune, von Neu- 

mann.1636 

Lungenkranke, Dauerresultate der Be¬ 
handlung von —, von Gabrilowitßch 1389 
Lungenkrankheit, infectiöse, der Meer¬ 
schweinchen, von Strada und Trat na 1783 
Lungenmilzgrenze, Percussion der, von 

Buttersack.1141 

Lungenoedem, Pathogenese des acuten, 
von Masius, 1249, — und Uraemie, 

von Merklen. . 1249 

Lungenphthise, Gerbsäure in der Behand¬ 
lung der —, von Derscheid .... 879 

Lungenschwindsucht, Bekämpfung der, 
von Gebhard 515, Behandlung der 
— im Krankenhaus und der ärmeren 
Praxis, von Burghart 1018, Bekämpf¬ 
ung der — 1256, Bedeutung der erb¬ 
lichen Belastung bei —, von Reiche 
1425, operative Behandlung der —, 
von Sarfert 1711, Prognose der —, 

von Gottstein.1718 

Lungenspitzentuberculose, percussori- 
sches Frühsymptom der, von Krönig 
481, Untersuchung mit Röntgen¬ 
strahlen in den Anfangsstadien der 
—, von Williams 59, Behandlungs¬ 
methode der — mit subcutanen In- 
jectionen von Kampheröl, von Ale¬ 
xander 291 , Frühdiagnose der —, 
von Levy und Bruns 370, von Strauss 
908, Resultate 20jähr. Krankenhaus¬ 
behandlung der —, von de la Camp 
403, Diagnose und Therapie der —, 
von Senator 590, — und Heilstätten¬ 
behandlung, von v. Fetzer 617, von 
Egger 1144, Einfluss von Vaguslae- 
sionen auf die Entwicklung von — 
von Tria 709, Athemttbungen bei 
der Behandlung der —, von Schnitzen 
775,1425, Vererbung des Locus inino- 
ris resistentiae bei —, von Turban 
775, Frühoperation bei sicher dia- 
gnosticirter —, von Pahner 1116, Al¬ 
terationen der Nieren bei —, von 
d’Arrigo 13.5, Ursache und örtlicher 
Beginn der —, von Aufrecht 131*', 
Behandlung der — mit Hetolinjec- 
tionen, von Krokiewicz 1467, (ins- 
einathmung bei —, von Cervello 1640 
Lungenventilation bei Aenderung des 
Atmosphärendruckes, von Aron . . 942 


Lungenveränderungen, graphische Re- 
gistrirung der physikalischen, von 

Freudweiler.1243 

Lupus s. a. Heissluftbehandlung. 

Lupus, mit Röntgenstrahlen geheilter — 
faciei, von Kuifas 132, Therapie des 
— und der Hautkrankheiten mittels 
Rüntgenstrahlen, von Albers-Schön¬ 
berg und Hahn 284 , Radicalexstir- 
pation des - vulgaris, von Buschke 
335, — vulgaris laryngis, von Mygind 
551, — erythematosus, von Kopp 741, 


Behandlung des — mit X-Strahlen, 
vonScholefield 781,— erythematodes, 
von Kuznitzky* 980, von Hügel 984, 
Exstirpation des —, von Lang 1284, 
Behandlung des —, von Butte . . 1646 
Lupusbehandlung, neuere Methoden der, 

von Lassar.697 

Lupusfall, geheilter, von Liebreich . . . 1357 

Lupusinstitiit in Petersburg.1025 

Lupustherapie, von LaDg, Einsen . . . 1361 
Luxatio, blutige Behandlung der— clavi- 
culae, von Büdinger 976, operative Be¬ 
handlung veralteter — im Ellenbogen¬ 


gelenk, von Bunge 201, traumatische 
— coxae, von PI ücker 1363, Sub¬ 


luxationsstellung bei — coxae con¬ 
genita, von Rager 1749, Behandlung 
der congenitalen —, von Schultze 1753 
Lymphadenie und myelogene Leuk- 

aemie, von Boinet.1250 

Lymphaemie ohne Lymphdrüsenschwell- 

ung, von Pappenheim.331 

Lymphdrtisen, einfache cystische De¬ 
generation der, von v. Odenius . . 163 
Lymphe, neues Bacterium der, von Levy 
u. Fickler 976, antipestöse —, von 

Terni und Bandi.1088 

Lymphganglionsystem, Bedeutung des, 
für Infection und Immunität, von Man- 

fredi.129 

Lymphgefässe, Netz peritonealer, von 
Malkoff 1143, gonorrhoische und 
syphilitische Erkrankungen der —, 

von Nobl. 1440 

Lymphscrotum, intermittirendes, von 

Lauenstein.1759 

Lymphknotentuberculose, von v. Noor- 

den 115, 756 , von Hijmans .... 690 
Lyssa s. a. Hundswuth, Rabies, Tollwuth. 
Lyssa, experimentelle, bei Vögeln, von 

Kraus und Clairmont.907 

Lyssakranke, Behandlung der, in Japan, 
von Karimoto.975 


m. 

Macula lutea, Lage des Centrums der, 
im Gehirn, von Laqueur und Schmidt 1050 

Magen s. a. Gummi-Gastroskop,Vormagen. 

Magen, Salzsäureausscheidung des 
menschlichen, von Jürgensen und 
Iustesen 93, Schussverletzungen des 
—, von Kukula 99, Resorption und 
Fettbildung im —, von Volhard 141, 
Pepsinabsonderung bei Erkrankung 
des —, von Roth 200, Tuberculose 
des —, von Simmonds 237, 317, Ein¬ 
fluss der Menstruation auf die Thätig- 
keit des —, von Elsner 265, Säure- 
resection des —, von Talma 701, 
Function des —, von Strauss 704, 
Formel zur Restbestimmung im —, 
von Cohnheim 741, Einfluss des Ge¬ 
bisses auf die Erkrankung des —, 
von Brubacher 743, Toxine des —, 
von Robin 785, Gestalt und Stellung 
des —, von Birmingham 786, — und 
Duodenalgeschwür, operative Behand¬ 
lung des, von Kiefer 837, Selbstauf¬ 
blähung des —, von Spirak 878, Be¬ 
ziehungen des Fettes zu den Func¬ 
tionen des —, von Strauss 1147, To¬ 
pographie und Diagnostik des —, von 
Rosenfeld 1204 * Syphilis des —, von 


Einhorn 1243, Werth der frühzeitigen 
exploratorischen Operationen des—, 
von Maylard 132ö, Lage des — bei 
Chloroti8chen, von Rostoski 1369 , 
Einfluss von Nährklysmen auf die 
Saftsecretion des —, von Metzger 1553 , 
Chirurgie des —, von Kelling 1671, 


Volvulus des —, von Wiesinger . . 1757 
Magenblutung,tödtliche parenchymatöse, 
von Reichard 778, — nach Chole- 

cystectomie, von Schmidt.974 

Magen carcinom, von Herhold 300, Chi¬ 
rurgie des —, von Lindner 203, Salz- 


sftureabsonderung bei —, von Richter 
265, - mit Knochenmetastasen, von 
Virchow276, eigenartiges Symptomen- 
bild des —, von Schütz 1214, Blut- 
befund bei —, von OBler und Mc Crae 1468 
Magendarmcanal, normale und patholo¬ 
gische Histologie des, von de Lange 
1011, — und nervöse Leiden, von 

Pearce ..1247 

Magendarmkatarrh, acuter, bei entwöhn¬ 
ten Kindern, von Cattaneo .... 1573 
Magendarmsyphilis, acquirirte, von 

Fraenkel.163 

Magendefecte, Deckung von, durch tranß- 

plantirtes Netz, von Enderlen . . . 905 

Magendilatation, Tetanie bei, von Ury 
1115, acute postoperative —, von 

Müller.1387 

Magendiphtherie, bacilläre, von Schoedel 895 

Magenektasie, von Cohnheim.209 

Magenerosionen, von Einhorn .... 264 

Magenerw*eiterung s a. Gastrektasie. 
Magenerweiterung, Aetiologie der, von 
von Cohnheim 265, diätetische Be¬ 
handlung der — von Albu 441, acute 


—, von Heine.1116 

Magenexstirpation, totale, von van Leer- 
sum und Rotgans 132, totale —, von 
de Carvalho.1506 


Magengeschwür, von Dieulafoy 1147, 
perforirtes —, von Adamson 22, ope¬ 
rative Behandlung des —, von Bid- 
well 23, Behandlung des chronischen 
—, von Richter 332, rundes —, von 
Payne 1403, tuberculöses —, von 
Struppler 1425, perforirendes —, von 
Finney 1507, Behandlung des pep¬ 
tischen —, von Gluginski.1784 

Magengrenzen, Bestimmung der, von 
Queirolo 663, Queirolo’sche Methode 
zur Bestimmung der —, von Edel 

und Volhard.1278 

Mageninhalt, gasförmiger, im Säuglings¬ 
alter, von Leo.1572 

Magenkrebs, Diagnostik des, von Schüle 235 
Magenoperationen, von Rvdygier, von 

v. Eiseisberg.1320 

Magenpathologie, von Kövesi.264 

Magen Perforation, durch Operation ge¬ 
heilte, von Davey und Eve .... 2(59 

Magenphlegmone nach Gastroenterosto¬ 
mie, von Stieda.1351 

Magenpräparate, von v. Kahlden ... 61 

Magen pumpe als Peristalticum, von 

Ziemssen.1184 

Magensäfte, Haltbarkeit der, von Rath¬ 
mann . 265 

Magensaft, Methode zur Bestimmung der 
gebundenen Salzsäure im, von Cohn¬ 
heim und Krieger 381, Menge des 
Labfermentes im —, von Meunier 1147 
Magensaftfluss, von Albu und Koch . 876 
Magensaftsecretion, künstliche Beein¬ 
flussung der, von v. Aldorll41, Ein¬ 
fluss des Morphiums auf die —, von 

Riegel. 1501 

Magensarkome,^primäre, von Mintz . . 1144 
Magenschleimhaut, haemorrhagische 

Erosion der, von Pariser.305 

Magensecret, Gewinnung reinen —, von 

Troller.. . 127 

Magenuntersuchung, Besteck für, von 

Schilling.1038 

Magnetextraction eiserner Fremdkörper 
aus dem Augeninnem, von Schreiber 558 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 















































1900. 


INH ALTS-VERZEICHNIS. 


XXXVII 


Seite 

Malaria s. a. Blutfilarien, Filaria. 

Malaria, von Celli 806, von Hager 915, 
Epidemiologie und Prophylaxe der 
—, von Celli 265, Mosquitotheorie 
der —, von Woldert 879, Befreiung 
von — durch Mücken Vernichtung, 
von Fermi 1091, Prophylaxe der —, 
von Fermi und Lumbao 1278, Pro¬ 
phylaxe der - , von Fermi und Ton- 
sini 1388, nervöse Störungen bei —, 
von Boinet 1281, acute Herzdilatation 
bei —, von Fornario 1817, Polyneu¬ 
ritis nach —, von Ewald 1354, 
Versuche zur Verhütung der —, von 
Grassi 1637, Immunität gegen —, von 

Firket.1675 

Malariaartiger Blutparasit bei Affen, von 

Kossel. .... 263 

Malariaconferenz 635, internationale — 820 
Malariaepidemiologie, von Celli 1637, — 
vom neuesten aetiologischen Stand¬ 
punkt aus, von Celli und Delpino . 440 
Malariaexpedition, Bericht über die i 
Thätigkeit der, von Koch 234, 942, j 
Koch’s zweite —, von Kohlbrugge 
1574, Ergebnisse der —, von Koch 1784 
Malariafieber, Prophylaxe des, durch j 
8chutz gegen die Schnaken, von di 

Mattei. 1278, 

Malariaforschungen, neueste, von Fischer 

376, Stand der —, von Löffler . . . 947 | 
Malariainfection, von Grawitz 877, Im¬ 
munität gegen —, von Celli 234, — I 
durch Ueberimpfung, von Katzen- ! 

bach.1247 

Malariamilz, Exstirpation der, von 

Michailowsky.1218 

Malarianeuritis, von Sacqu4p£e und 

Dopter.1279 

Malariaparasit 8. a. Tertianaparasit. 
Malariaparasit, Entwicklung des, von 
Koch 263, Biologie der —, von Lew- 
kowicz 402, Cbromatinfärbung des —, 
von Rüge 700, Beziehungen der 
Mosquitos zu den —, von Ziemann 
942, Diagnosefärbung der —, von 

Rüge .1052 

Malariaplasmodien,von Engel 126, Geisel¬ 
formen der —, von Craig.476 

Malariastudien in Italien, von Galli . 1681 
Malpighi’sche Körperchen, von Herring 1506 
Maltafieber, von Brunner 300, Klinik 

des —, von Neusser.627 

Mammae, von Benas 337, Seifencysten 

der —, von Freund.742 

Mammacarcinom, in der Heidelberger 
Klinik beobachtete Fälle von, von 

Mahler.974 

Mammitis, chronische, von Massoulard 549 
Mann, der versteinerte, von Virchow . 984 
Marmorekserum, mit, behandelte Septi- 
caemie, von de Sergneux ... .19 

Marmorseife, Schleich’sche, von Merkel 784 
Marmorstaubseife,Schleich’8, von Fuchsig 1279 
Marschiren, über das, von Bradford . . 878 
Maschinenverletzung, von Krause . . . 555 
Masern s. a Morbilli. 

Masern, Koplik’sches Früh Symptom der, 
von Cohn 378, Koplik’sche Flecken 
bei —, von Manasse 800» — in Halle, 
von Weber 1052, Phototherapie bei 
—, von Chatiniere 1439, praeliminäre 
Ausschläge bei -, von Thursfield . 1505 
Ma8emepidemie 1899, von Steinhardt . 785 
Massage, Technik der, von Hoffa 1141, 
physiologische Wirkung der —, von 

Colombo.909 

Massagebäder, von Preiss.1086 

Massagebehandlung bei tubaren Erkrank¬ 
ungen, von Palm.1277 

Massagekugel, von Toeplitz.1641 

Masseure, Zeugnisse der.670 

Mastdarm, Resection des, von Levy 701, 
fibröse Polypen des —, von Pöraire 1577 
Mastdarmamputation und -Resection,Ver¬ 
besserung der Technik der, von Rehn 628 
Jfastdarmcarcinom, von Heinlein . . . 1021 


Seite 

Mastdarmkrebs, Statistik und operative 
Behandlung des, von Christen 1143, 
Radicaloperation des —, von Wolf 
1351, Bacrale Exstirpation des, von 

Prulz.1671 

Mastdarmoperationen, vaginale, von Lier- 
mann 94,120, Bacrale —, v. Hochenegg 628 
Mastdarm Verschwärung, stricturirende, 

von Wo! ff.300 

Mastdarmvorfall, operative Therapie des, 

von Bakes.298 

Mastitis, chronische, und das sogenannte 

CyBtadenom, von Roloff.233 

Mastoiditis, Bezold’sche, bei Kindern, 

von Muck.620 

Mastoidoperationen, Indicationsstellung 

für, von Müller.591 

Mathematik, Anlage zur, von Möbius . 1241 
Mauerfeuchtigkeit, Bestimmung der, von 
de Rossi 877, von Ballner 907, aräo- 
metrische Bestimmung der —, von 

Markl.1707 

Maul- und Klauenseuche, anscheinende, 
beim Menschen, von Schultze 885, 

— bei Kindern, von Schreyer . . . 1252 

Mechanik der Bewegungen im Schulter¬ 
gelenk, von Thöle.808 

Meckel’sches Divertikel und Ileus, von 
Schmidt 233, Darmocclusion durch 

—, von Hohlbeck.873 

Mediastinaltumor, von Benedikt 752, von 

Strauss.1118 

Medicin s. a. Tropenmedicin, Realgym¬ 
nasium, Frauenstudium. 

Medicin, Zulassung von Realschulabitu- 
rienten zum Studium der, 107, 522, 
633,754,755,786,817, 1832, Geschichte 
der — in Hildesheim während des 
Mittelalters, von Becker 162, Schule 
für tropische — in London 307, At¬ 
las der gerichtlichen —, von Lesser 
331, Studium der innern — in Frank¬ 
reich, England und Deutschland, von 
Müller 584, Zulassung der Kadetten¬ 
hausabiturienten zum Studium der 

— 635, Einführung in das Studium 
der — von Pagel 739, weibliche Stu- 
dirende der — 850, Entwicklung der 
innern —, einschliesslich der Hygiene 

und Bacteriologie im 19. Jahrhundert, j 

von Naunyn.1393 

Medicinalpflanzen, Köhler’s.697 

Medicinalwesen, wissenschaftliche De¬ 
putation für das 1616, — des Ham- 
burgischen Staates, von Reineke . . 1829 
Mediciner, Zahl der, in Wien 593, rich¬ 
tige Vorbildung der —, von Büchner 
616, sollen die — an der humanisti¬ 
schen Vorbildung festhalten? von 

Büchner . 802 

Medicinisch-botanische Streifzüge, von 
Model.1081 

Medicinische und klimatologische Er¬ 
fahrungen im Eismeer, von Rawitz . 26 | 

Medicinstudirende, Abnahme der . . . 1025 

Medicinstudium.8'0 

Medullarnarkose bei Gebärenden, von 

Kreis.1050 

Meerschweinchenepilepsie, Brown - Se- 

quard’sche, von Sommer.842 

Meisterkrankenkassen in Wien 593, 670, 

1550, 1582, 1680 

Mekoniumpropf der Neugeborenen, von 

Cramer . . •.474 

Mekonium-Abgang, Bedeutung des, von 

Kossmann . . 313 

Melanosarkom, multiples, von Wagen¬ 
mann 375, — der weiblichen Scham- 

theile, von Torggler.438 

Meningeablutungen, von Wiemann . . 1351 
Meningealcyste der Medulia oblongata, 

von Fabris.. . . 1602 

Meningismus und Meningitis abortiva, 

von Dauchez. 100 

Meningitis, Aetiologie der, cerebrospinalis 
epidemica, von Zupnik 20, geheilte 
toberculöse —, von Henkel 133, spo 


Seite 

radische und epidemische — cerebro¬ 
spinalis, von Stadelmann 126, — 
serosa, von v. Leyden 133, von Ham¬ 
merschlag 124G, — suppurativa durch 
Bact. lactis aerogenes, von Scheib 
619, — cerebrospinalis tuberculosa, 
von Henkel 799, Behandlung der — 
cerebrospinalis purulenta, von Netter 
921, das*Ependym der Hirnventrikel 
bei tuberculöser —, von Walbaum 
1184, Lumbalpunction bei —, v. Hirsch 
1246, acute nicht tuberculöse —, von 
Mya, Netter 1359, von Koplik 1360, 
typhöse —, von Hagopoff 1360, Cyto- 
diagnose und Cryoskopie der tuber- 
culösen —, von Widal, Sicard und 

Ravaut.1646 

Meningitisepidemie in Trifail 1898, von 

Berdach ..655 

Meningocele, angeborene, operirte, von 
Vogel 875, — spuria traumatica, von 

Stamm.881 

Meningoencephalocele, von Müller . . 1472 
Meningoencephalitis, gummöse, von 

Nonne.749 

Meningotyphus, von Hof mann .... 1052 
Menopause, diätetische Behandlung der 
Frauen in der, von Kisch .... 332 
Menstruation und Brunstzeit der Thiere, 

von Gauthier.1444 

Meralgia paraesthetica, von Glorieux . 167 

Mercuriol, von Blomqvist.336 

Mercurol, von Guiteras.1506 

Merkfähigkeit, von Kraepelin.811 

MesenterialarterieD, Embolie der, von Ott 455 
Mesenterialcyste, von Krause 555, Total¬ 
exstirpation einer grossen —, von 

Schramm. 20 

Mesenterium, Cysten des, von Dowd . 1675 
Messer, neues, zur Stichelung der Portio, 

von Biermer.1214 

Mesßingvergiftung, chronische, von Mur¬ 
ray . ...... . 1506 

Metnlldrackrsr, Thorax der, von Stern¬ 
berg .943 

Metatarsalgie, von Duplay.549 

Meteorismus, von Rosenthal.338 

Methaemoglobin, Umwandlung subcutan 

eingespritzten, von Vidal.618 

Methylum salicylicum bei Gelenkrheu¬ 
matismus, von Cosma.1676 

Methylxanthin, Wirkungen des, von Al¬ 
banese .545 

Metreurynter, von Preiss .400 

Motritis cervicalis, von Döderlein, von 
Pozzi, von Mendez de Leon 1397, 
Methylenblau zur Behandlung der 
blennorrhagischen—,v. Chaleix-Vivie 1398 
Migräne mitrecidivirender Augenmuskel¬ 
lähmung, von Seiffer 1088, — und 
Wärmebildung, von Stekel .... 1215 
Migraenin, Exanthem nach, von Fraenkel 781 
Mikroben, neue pathogene, von Klein . 1542 
Mikrocephalie, angeborene, von Michaflis (06 
Mikrochemische Technik, von Behrens 586 

Mikrochilie, von Fraenkel.130 

Mikrococcus intertriginis Rossbach, von 

Meyer.476 

IVtikrognathie, von Lorenz.1502 

Mikroorganismen ans dem Schlamm der 
Themse, von Houston 1013, patho¬ 
gene —, von Danysz 1280, Dauer der 
Lebensfähigkeit der — , von Kirstein 1542 
Mikroskopie und Chemie am Kranken¬ 
bett, von Lenhartz.1669 

Mikrotom, neues, von Moeli ..... 624 
Miliaria, von de Giovanni .... . 1390 

Milch s a Muttermilch. 

Milch, saure, nnd Zähmilch, von Troeli- 
Peterson 333, fermentbildende Mi¬ 
kroben des Caseins der —, von Jemma 
744, Beschaffung einwandfreier —, 
von Kühnau 845, polizeiliche Con- 
trole des Verkehrs mit —, von Zink 
912, Verhalten pathogener Mikro¬ 
organismen in pasteuri8irter —, von 
Hesse 1315, chemische Zusammen- 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


































































XXXVTTT 


TNHATiTS-VERZETCHNTSS. 


1900. 


Seite 

Setzung der — nach Hungern, von 

Barbera.1405 

Milchabkochung, Methoden zur, von 
Kister 1054, von Weigmann 1055, 

— Kister und Weigmann.1118 

Milcharten, Eiweissstoffe verschiedener, 

von Wassermann. 986, 1057 

Milchbacterien, peptonisirende, von Ka¬ 
lischer 590, pathogene Wirkung der, 
von Jernma8l0, Verhalten der — im 
Milchthermophor, von Dunbar und 

Dreyer.975 

Milchcontrole, von Betz.1247 

Milchdiät, von Höher.902 

1475 


Milchgerinnung, von Bankhaus 
Milchpräparate, Beurtheilung von, von 

Caspari .1214 

Milchproducte, Bacteriengehalt von, von 

Bloch. .164 

Milchsäure ira thierisehen Organismus, 
von Morishima 19, — bei Gastroen¬ 
teritis der Kinder, von Bailey . . . 1518 
Milchsäurebacterien, Gährfähigkeit der, 

von Schierbeck.1524 

Milchsäuregährung, von Epstein . . . <K)7 

Milchsecrotion, Eintritt der, von Bndin 1399 

Milchsterilisation, von Winter 741, städt¬ 
ische —, von Harris ..... . 1405 

Milchthermophor, von Dunbar 975, 1119, 
Verwendung des —, von Sommer¬ 
feld . . . . . 1466 

Miliartnberculose, Pathologie der, von 
Mayer 71, Veränderungen der Ilerz- 
ganglien bei —, von Sotow . . . 1352 

Militärärzte, Studien koste n en tschftdigung 
für 1092, Ersatz «ler österreichischen — 1400 
Militärärztliche Applicationsschule . . 1400 
Militärdiensttaugliehkeit, Bedeutung der 
dilatativen Herzschwäche für die, 

von Wolffhügel.1409 

Militftrgeschosse, moderne, von Keith 

und Rigby .. 21 

Militärhygiene, Leitfaden der, von ; 

Schöfer.512 j 

Militärstipendien an Mediciner .... 1400 
Milz, Exstirpation der verletzten, von 
Moses 270, Pathologie und chirurgi¬ 
sche Therapie der —, von Subbotic 512 
Milzbrand, Therapie des, von Strubeil 
642, Inhalations- und Fütterungs— 
beim Menschen, von Fraenkel . . . 911 
Milzbrandbacillen, Auflösung der, durch 1 

Pyocyanose, von Emmerich und Saida 
975, Varietät der —, von Phisalix 1516, 
Veränderungen der — ausserhalb des 

Körpers, von Berndt.1783 

Milzbrandfeindliche Eigenschaften des 

Hundeorganismus, von Bail .... 658 ! 
Milzbrandheilserum, Sclavo’sches, von ' 

Liscia.1390 1 

Milznekrose, von Eberhart. 1435 j 

Milzpigment, Entstehung des von 

Reich . . . 1244 

Milzrnptur, von Barabo, von Plücker 
1363, chirurgische Behandlung sub- 
cuUrner —, von Lewerenz 261, sub- 
cutane —, von Cohn . . . .... 609 
Milztnmor, Ursachen des acuten, von 

Jawein.1637 

Milzvergrösserung, Behandlung der, von 

Lasnet.1024 

Mimik des Menschen auf Grand volun- 
taristischer Psychologie, von Hughes 1599 
Mineralbäder, Einfluss der, auf den osmo¬ 
tischen Druck, von Hughes .... 850 
Mischgeschwülste, von Wilms .... 436 
Mischinfection, Bedeutung der, von 

Maragliano 708, von Sata.708 

Missbildung, von Barabo 713, angeborene, 
von Friedjung 202, von Wolff 766, 
von Tschmarke 1749, cyklopische —, 
von Drescher 711, — der menschlichen 
Gliedmassen, von Klaussner . . . 1350 
Missgeburt,'yon 7 Althaus31825, seltene —, 

von Parisius . . .. 28 

Mitralstenose, von Strauss 1883, familiäre 
Erblichkeit der —, von Rnmmo und 
Ferrannini 954, rudimentäre, anor¬ 


male und complicirte Formen von —, 

von Rnmmo. 

Miltelfussknocben, Spontanbrüche des, 
von Muskat 1115, indirecter Bruch 

eines —, von Mailiefert. 

Mittelohr, Therapie der Verwachsungen 
im —, von Gomperz 1246, Pathologie 
und pathol. Anatomie des —, von 
Haike 1248, Behandlung katarrhali¬ 
scher Adhaesivprozesse im —, mit 
Pilocarpininjectionen, von Fischenich 
Mittelohreiternngen, Chirurgie der, von 
Zarniko 63, acute —, von Kretsch- 
mann 404, Complicationen acuter 
und chronischer —, von Leutert 621, 
intracranielle Complication bei acuter 
—, von Bezold 763, von Scheibe 916, 
— u. Hirntumor, von Hessler 1248. 
Therapie chronischer —, von Leutert 
1329. Amvloformbehandlg. bei chron¬ 
ischen —, von Sagebiel. 

Mittelohrentzündungen, Gefährlichkeit 
acuter eitriger, im Alter, von Heine 
1245, genuine, acute, exsudative —, 
von Nadoleczny 1249, Coupirung be¬ 
ginnender —, von Einis. 

Mittheilungen aus der gynäkologischen 
Klinik dos Prof. Engström 91, chirurg¬ 
ische —, von Jochner 1596, ophthal- 
mologisch-klinische —, von Elschnig 
Mola hydatidosa, Ursprung der, von 

van der Hoeven.. . 

Molluscum contagiosum, von Kuznitzky 

237, von Hoppe. 

Monatsschrift für Geburtshilfe u. Gynä¬ 
kologie 94, 437, 472. 513, 841, 875, 
1277, 1313, 1706, 1750, 1782, 1832 
— Deutsche, für Zahnheilkunde . . 
Morbillen, Schleimhautaffoctionen bei, 

von Cioffi. 

Morbidität in Frankreich, von Raymond 
Morbiditätsstatistik der Infectionskrank- 
heiten für Bavern 67, 244, 348, 484, 
524, 676, 852/956, 1124, 1368, 1408, 

1552, 1724 . 

Morphin, Ersatzmittel des —, von Nied 
1013, Gewöhnung an —, von Faust 

Morpiones.•. 

Morton’sche Krankheit, von Duplay . . 

Mt. Sinai hospital reports. 

Mucosusbacillen der Ozaena, v. de Simoni 

Münze, von Hoffmann. 

Mund, offener, von Fraenkel. 

Mundhöhle. Resonanz der, von Hensen 
1608, Krankheiten der —, des Rachens 
und des Kehlkopfes, von Rosenberg 
Mundschleimhaut, Talgdrüsen in der 
menschlichen, von Suchannek . 
Mundspeichel, Functionen des mensch¬ 
lichen, von Schale. 

Mundwässer, von Röse. 

Mundwinkel, geschwtirige, bei Kindern, 

von Epstein. 

Murphyknopf, von Heipke 843, Anwend 
ung des —, hei der Gastroenter¬ 
ostomie, von Merkens 298, Verwend 

ung des —, von Kirste. 

Muskel, Histologie des, von Koch 1712, 

— und Sehnenrisse imBiceps, von 

Pagenstecher. 

Muskelatrophie, progressive, von Hoppe 
. 28, von Naunvn 405, von Bruno 478, 
von Placzek 975, von Pick 1011, Kern- 
Veränderungen bei —, von Kottmann 
1184, hereditäre progressive spinale 

— im Kindesalter, von Hoffmann . 
Muskeldystrophie, progressive, von Hoe- 

niger . 

Muskelkrampf, isolirter, von Erben . . 
Muskellähiming, Behandlung der Volk- 
mann’schen ischaemischen, von Page 
Muskelton, Auscultation des, von Herz 
Muskeltonus hei Phthisikern, von de 

Renzi und Ooop.- . 

Muskelverknöcherungen, traumatische, 

von Rammstedt . .. 

Musculatnr, Histologie d. quergestreiften, 
von Haack 1011, —, Untersuchungen 


Seite i Seite 

über die quergestreifte —, an der 

1016 | Erlanger med. Klinik.1047 

Mutterbänder, Alexander’s inguinale Ver¬ 
kürzung der, von Ehrendorfer 547, 

1237 | primäre desmoide Geschwülste der 

breiten —, von Fuchs.618 

Mutterhals, Entfaltung und Nichtent¬ 
faltung des, in der Schwangerschaft, 

von Bayer.163 

Muttermilch, Ersatzmittel für, vonButten- 

1637) berg.1714 

Muttermund, künstliche Erweiterung des, 

während der Geburt, von Meyer-Ruegg 1214 
Myasthenia gastrica, von Bach .... 1672 
Mycosis fungoides, pathologische Ana¬ 
tomie der, von Gaucher.1441 

Myelitis, acute gonorrhoische, von v. Rad 1715 
Myelocystocele, von Tschmarke 1190, 
multiple —, von Enderlein .... 1021 

Myelom, von Winkler. 1602, 1637 

1693 | Myocarditis im Kindesalter, von Koplik 
1247, chron. —, im Kindesalter, von 
Rosenstein 201, Beziehungen der — 
zu den Erkrankungen der Arterien¬ 
wandungen, von Fujinami.1143 

1763 | Myomalacie, von v. Kahlden. 62 

Myom, Complication von — und Schwan¬ 
gerschaft, von Walzer 369, cystisch 
entartetes —, von Siedentopf 480, 

17521 anatomische Veränderungen inter¬ 

stitieller — im Wochenbett, von 
1504 | Hammerschlag 1314, Fehlgeburt bei 

—, von Schwarzenbach 1635, — bei 
10191 rudimentärem Uterus bicomis uni- 

collis, von Heinricius.1782 

Myomdegeneration, von Eberhart . . . 143*4 
Myometrium, Drüsen, Cysten und Ade- 

743 | nome im, von Meyer.875 

Myomoperationen , Indicationsstellung 
909 I und Technik der, von Martin 130!. 

266 I Dauererfolge der —, von Burckhard 

1387, Thrombose und Embolie nach 

—, von Burckhardt .1782 

Myosarkom, verjauchtes, von Flatau . 1792 
17641 Myositis ossifleans, von Virchow 984, 

— traumatica, von Rothschild 1466, 

1088 I — ossifleans traumatica, von Grün- 

987 | bäum 1792, von Kienböck.1792 

549 Myopie, Rehandlung hochgradiger, von 

125! Bull.844 

546 Myotonie 8. a. Thomsen’sche Krankheit. 

1757 | Myotonia congenita, von Seiffer 845, von 

130 Nebelthau.1712 

Myxidiotie, infantile, von Siegert . . . 1476 
1 Mvxoedem, von Mya 1255, — und Hypo- 
’ physis, von Ponfick 126, congenitales 
—, von van Brüggen.1504 


1669 

575 


264 

200 


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N. 

Nabel, Versorgung des, der Neugebo- 
473 | renen, von Martin 300, von Gessner 

514, von Rieck . . .876 

Nabelbehandlung, von Wirtz.1438 

Nabelblutungen, von Hintner 1120, tödt- 
781 lieh verlaufene spontane — hei einem 
haemophilen Neugeborenen, von 

Paulsen . . . . .1597 

672 Nabelbrüche, Technik der Operation bei, 

von Bessel-Hagen.706 

Nabelconcrement. von Hahn.588 

Nabelhernie und Enteroptose, von Zabö 
1188, Radicalbehandlung der —, von 

Piccoli.128 

(649 | Nabelinfectionen, von Escherich . . .1116 

Nabelschnur, Entstehung der velamen- 
948 I tösen Insertion der, von v. Franquö 
171 I 848, falsche Knoten in der —, von 

Thoma.1749 

269 I Nabelschnurhruch, von v. Steinbüchel . 1183 

1792 I Nabelschnurrest, Behandlung des, von 

Ahlfeld 513, von Rieck 1086, Be- 
709 i handlung des — nach Martin, von 

Ballin. 808, 1388 

874 | Nabelsepsis, von Finkeistein.741 

Nabelstrangbruch, von Knap .... . 1604 

Nabelvereorgung, von Rieck.947 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 








































































j 90Ö. 


INHALTS-VERZEICHtflSS. 


XXXIX 


Suite 

Nachgebartszeit, Behandlung der, von 
Meyerson 86 » Entgegnung auf den 
* Artikel Hofmeiers zur — ... 260 » 270 
Nachgeburtstheile, Pathologie der, von 

v. Franqud.1503 

Nachtquartiere für die Allerärmsten, von 

Pattin.1405 

Nachtschweisse, von Coston.177 


Nadel im Kniegelenk, von Schnitzler . 305 
Nährboden, Piorkowski’scher, von Her¬ 
ford 1315, Hesse-Niedner’scher, — 
von Müller 1707, Hesse’s Nährstoff- 


Heyden- —, von Gähtgens . . . .1749 

Nährklysmen, Einfluss von, auf die Saft- 
secretion des Magens, von Metzger 1553 
Nährpräparate, Einfluss neuerer, auf die 

Darmfäulniss, von Lewin.1086 

Naevus derAugapfelbindehaut,vonHirsch 
274, — sebaceus, von Bandler 474, 
Histogenese des weichen —, von 

Löwenbach ..942 

Nagel, Behandlung des eingewachsenen, 
von Webb 755, Krankheiten der —, 
von Heller . . .1181 


Nahrungsmittel und Ernährung der Ge¬ 
sunden und Kranken, von Hirsch¬ 
feld 839, Borax und Formaldehyd in 
—, von Halliburton 1116, Unter¬ 
suchung von —, Genussmitteln und 
Gebrauchsgegenständen, von Rupp 
1350, Praxis des Chemikers bei Unter¬ 
suchung von —, von Elsner 1350, 
Schädlichkeit conservirter —, von 
Liebreich 1356, Zusatz von antisep¬ 
tischen und Färbemitteln zu —, von 

Grünbaum.1405 

Nahtmaterial, von Krönig 1673, Rennthier¬ 
sehnenfäden als —, von Sneguireff 
368, 1285, chirurgisches — u. Unter¬ 
bindungsmaterial, von Braun 377,498, 
von Rissmann 1436, ungedrehte Renn¬ 
thiersehnenfäden als — und Ligatur¬ 
material, von Schiller . . . .... 1555 
Naphthalan, von Bloch 371, —behand- 
lung bei ekzematösen Erkrankungen 
des äusseren Ohres, von Sagebiel . 1664 
Narben, Retractibilität der, von Mincroini 1149 

Narbenstränge, von Lewin.1581 

Narkose, von Koblanck 96, von Czempin 
263, — und Irrsein, von Savage 1U6, 

— mit Lachgas und Aether, von 
Miller 268, Reflexerregbarkeit der 
Nasenschleimhaut und —, von Bruck 742 
Nase, Lymphgefässe der äusseren, von 
Küttner 94, Anatomie der Neben¬ 
höhlen der —, von Brühl 372, Er¬ 
krankungen und Behandlung der 
Nebenhöhlen der — 881, Erkrank¬ 
ungen der —, von Seifert 1245, Neben¬ 
höhlen der —, von Brühl 1248, Elektro¬ 
therapie der rothen —, von Weiss 
1543, Fremdkörper in der —, von Brei¬ 
tung 1630 , angeborene Spaltung der, 
von Lexer 1671, Verbreiterung der 


knöchernen —, von Treitel ... .1761 
Nasenaffectionen, Behandlung der, von 

Lermoyez und Mahu ..1508 

Nasenbein, blutige Behandlung der 

Brücke des, von Büdinger.976 

Nasenhöhle, maligneEpithelialgeschwülste 

der oberen, von Herzfeld.1278 

Nasenkrebs, Verbreitung des, von Küttner 94 
Nasen-Nebenhöhlen s. a. Highmorshöhle. 
Xasen-Ncbenhöhlen-Empyeme, Häufig¬ 
keit der, von Lichtwitz.130 

Nasen - Nebenhöhlen- Affectionen, Dia¬ 
gnose und Behandlung der, von Seifert 130 

Nasenöffner, von Roth.976 

Nasenplastik, von Krause .... 169, 554 
Nasenpolypen, warum recidiviren? von 

Kolewa . 946 

Nasenrachenfibrom, von Hopmann 443, 
Extraction von -, von Escat . . . 946 
Nasenrachenraum, Tuberculom im, von 

Schraithuisen. 516 

Nasenschleimhaut, Reflexerregbarkeit 
der, von Brack 742,. Carcinom der —, 
von Fluder ........... “57 


Seite 


Nasen Verkleinerungen, operative, von 

Joseph ... .1219, 1605 

Nasenverletzung, von Winckler . . . 3i 

Natr. cacodylicum, von Imbert u. Badei 633 

Natron, saures harnsaures, in Bauch- 
und Gelenkhöhle des Kaninchens, 

von His.1213 

Naturforscher-Versammlung, 71., in Mün¬ 
chen . 66 

Naturheilanstalten.1762 

Naturheilbewegung, von Kantor . . . 402 

Naturheilmethode, gegen die sogen. . 1478 

Naturwissenschaften, Entwicklung der 

exacten, von van t’Hoff.1391 

Nauheimer Thermalsoolsprudel, neuer, 

von Lepsius und Schott.943 

Nearthrosenbildung am Unterkiefer, von 

Kofmann.1114 

Nebennieren, von Aichel 1218, blut¬ 
drucksteigernde Substanz der -, von 
Gerhardt 1088, Functionen der —, 
von Boinet.1283 


Nebennierenextract, von Landolt 307, 
Wirkung des — auf Herz und Ge- 
fässe, von Gottlieb 2U, wässeriges — 
als Adjuvans zur Cocainanaesthesie, 

von Lichtwitz.946 

Nebenmerentabletten bei m. Addisonii, 

von Edel ... . 1821 

Nectrianin, von Bra und Mongour 408, 

von Mongour und Gentes.1327 

Neisser, Fall.562 

Neoplasmen, Erkennung maligner, von 

Pelicelli.1613 

Nephrectomie, von Thumim.1603 

Nephritis, Behandlung der, mit Mineral¬ 
wässern und Bädern, von Schlagint- 
weit 93, Veränderungen des Pankreas 
bei —, von Lefas 100, Erblichkeit 
der chronischen —, von Pel 127, trau¬ 
matische —, von Stern 210, — bei 
jungen Kindern, von Cassel 240, — 
bei Varicellen, von Haenel 776, trau¬ 


matische parenchymatöse —, von 
Yarrow 878, — bei Secundärsyphilis, 

von Stepler . . . ..1575 

Nephrolithiasis, operativ behandelte, von 
Ts<?hudi . . . . .. 20 


Nervus, Laesion des, ulnaris, von Payr 
233, Schmid-Lantermann-ZawerthaT- 
sche Einreibungen am —•, von 
Engelken 1602, Erkrankung des 
distalen Endes des — medianus, von 


Steiner.1788 

Nervendehnung, von Chipault ... . 1319 
Nervenelemente, Veränderungen der, 

bei Infectionen, von Pirone .... 779 

Nervenerkrankungen, gonorrhoische, von 

Eulenburg. 1431 

Nervenfasern, Untersuchung degenerir- 
ter markhaltiger mit Polarisations¬ 
mikroskop, von Brodmänn .... 1677 
Nervenkranke, Behandlung von, in der 

Familie, von Gnauck. 953 

Nervenkrankheiten, Lehrbuch der, von 
Oppenheim 644, Diagnostik von —, 
durch Blutdruckmessungen, vonKorn- 

feld.. . 1762 

Nervenleiden, hereditäres, von Gieße 
1011, orthopädische Behandlung von 

—, von Vulpius ..103 

Nervensystem, Atlas der, von Jakob . 544 

Nervenzellen des Gehirns und Rücken¬ 
marks, von Rosin.1057 

Netz, entzündliche Geschwülste des, von 
Braun 706, chirurgische Pathologie 

des —, von Friedrich.706 

Netzhautvenenpuls, Entstehung des phy¬ 
siologischen, von Türk. 98 

Netzhauttumoren, von Emanuel . . . 1602 

N T e t zin car ceration, retrograde, von v. 

Baracz.513 

Netzplastik, von Tietze . 262 

Netzlorsion, intraabdominale, von Ho- 

chenegg. 345, 515 

Neubildungen, Coincidenz von gut- und 
bösartigen, von Neugebauer 741, 
cmitotische Theilung in pathologi- 


Selte 

sehen —, von Nedjelsky 1012, endo¬ 
theliale —, von Ssobolew.1574 

Neugeborene, Nahrungsaufnahme der, 
von Cramer 129, Lage der — in Gebär¬ 
häusern und Kliniken, von Berend 
906, das Baden der —, von Kowarsky 
909, chemische Zusammensetzung 

des —, von Camerer.1474 

Neuralgie, operative Behandlung der — 
des Trigeminus, von Tichonowitsch 
472, Behandlung der — mit der Heiss- 
luftdouclie, von Frey 812, 922, Haut- 
Iransfixion gegen —, von Sutherland 1683 
Neurasthenie, Behandlung der, von 
Dornblüth 74, Entstehung der —, von 


Höflmayr 8o7, Arzneibehandlung der 
—, von Dornblüth ........ 1192 

Neurastheniker, subjective Beschwerden 
der, von Höflmayr. 1594 


Neuiitis ascendens traumatica ohne 
äussere Verwundung, von Brodmänn 
829, multiple —, von Henrici 891, 

— optica bei Chlorose, von Engel¬ 
hardt 1233, acute retrobulbäre —, 
von Bregmann . . . • . . . 1467 

Neurogiia, neue Färbung der, von 

Yamagiwa.. . 1244 

Neurologie, Semesterbericht der Er¬ 
scheinungen a. d. Gebiete der, und 
Psychiatrie 5v3, — des Auges, von 

Sänger und Wilbrandt.104 

Neurologisches Institut, Arbeiten aus 
dem Wiener, von Obersteiner . . . 1634 
Neurolyse u. Nervennaht, v. Kramer 1600, 1*31 
Neurom, axillares, des Plexus brachialis, 
von Schmidt und Delbanco .... 298 
Neuron, von Alsberg 1441, — in Ana¬ 
tomie und Physiologie, von Verworn 1428 
Neuronlehre vom pathologisch-anatomi¬ 
schen und klinischen Standpunkte 

aus, von Nissl 1428 

Neurotropismus, von Forssmann . . . 1012 
Neuwittelsbach, Curanstalt ..... . 210 
Neulralroth zur Diagnose der Bact. coli, 

von Scheffler.1278 

Nicotin, Wirkung des, auf die Athmung, 

von Winterberg . ..546 

Niere s. a. Schrumpfniere, Wanderniere. 
Niere, embryonale Mischgeschwülßteder, 
von Muus 163, operative Spaltung 
der —, von Braatz 400, wassersecer- 


nirende Thätigkeit diffus erkrankter 
—, von Kövesi und Roth Schulz 547, 
maligne Nebennierenadenome der —, 
von Burkardt 656, Feststellung der 
Functionsfähigkeit der — vor opera¬ 
tiven Eingriffen, von Kümmcll 665, 

— und Glykosurie, von Richter 1572, 
Echinococcus der —, von Stein 1576, 
Angio-Myo-Lypom der —, von Gra* 

witz .. . . . . . . . . 1758 

Nierenaffectionen, Wichtigkeit der secun- 
dären, in der Gynäcologie, von 

v. Winckel.1285 

Nierenausschaltung durch Harnleiter¬ 
unterbindung, von Landau .... 1708 
Nierenbecken, Papillomatose des, von 

Francke. 301 

Nierenbeweglichkeit, traumatische, von 

Payr 1726 

Nierenchirurgie, von Schmitt.447 

Nierencysten, congenitale, von Jakob 

und Davidsohn.1022 

Nierendiabetes, von Eger. 20 

Nierendiagnostik, functionelle, von Cas- 

per und Richter. 1051 

Nierendystopie, von Hochenegg 99, von 
Buss. 163 


Nierenerkrankung, Wirkung des weissen 
und schwarzen Fleisches bei chroni¬ 
scher, von Pabst 908, Veränderungen 
der kleinen Arterien bei —, von 

Friedemann.1143 

Nierenexstirpation, von Ileinlein 172, 

von Prochownik. . . 749 

Nierenextracte, organische, von Tarulla 1283 
Nierenfunction, von Lipman-Wulf 1679, 
Schätzung der —, von Vaquez , , 481 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


































































TNHALTS-YEBZETCHNTSS. 


190Ö 


jtt 


Seite 

Nierengesch wülstc, bösartige, im Kindes- 
alter, von Sorgente 549, Bau, Ent¬ 
wicklung und Eintheilnng der —, 

von Busse.942 

Niereninfarcte, von Ribbert.128 

Niereninsufficienz, von Achard 1282, von 

Laache.1282 

Nierenkranke, Stickstoffausscheidung u. 

Diaphorese bui, von Köhler .... 655 
Nierenkrankheiten, Concentration des 
Blutes und Ilarnes bei, von Linde¬ 
mann 587, Behandlung der — mit 

Soolbädern, von Leber.1866 

Nierenpalpation, Urinbefunde nach, von 

Menge. 789 

Nierenpapillennekrose, von Chiari . . 239 
Nierenrupturen, Behandlung subcutaner, 

von Stern.1471 

Nierenspaltung, diagnostische, von Barth 666 
Nierensteine, von Klemperer 985, Zu¬ 
sammensetzung von —, von Spiegel 
976, — und Uretersteine, Operatio¬ 


nen bei, von Israel.664 

Nierentuberculose, von v. Kahlden 61, 
chirurgische Behandlung der —, von 
König 209, von Pousson 815, Unter¬ 
suchungsmethode bei —, von Noble 

und Babcock.337 

Nierentumor, von v. Kahlden 61, selte¬ 
ner —, von Krönlein.666 

Nirvanin in der Chirurgie, von Braque- 

haye.1148 

Nitronaphtholerkrankung, von Silex . .1710 
Noma, chirurgische Behandlung der, von 

v. Ranke . . 1485 

Nothlage, Vorschlag zur Abhilfe der, des 

ärztlichen Standes.880 

Nobelstiftung.1519 

Nuclein, Abbau des, im Stoffwechsel, 

von Weintraud.628 

Nncleinstoffwechsel, von Loewi .... 657 
Nncleose als therapeutisches Mittel, von 
Bouvet.241 


O. 


Oberflächenkrebs, drüsenartiger, von 

Krompecher . ..1353 

Obergutachten, Collegium zur Erstattung 

von.851 

Oberkiefercarcinome, von Winckler . . 31 

Oberkieferresectionen, Technik ausge¬ 
dehnter, von König 1050, neue Me¬ 
thode der —, von Severeanu . . . 1218 
Oberlid, Mitbewegung des herabgesunke¬ 
nen, von Neuburger.1611 

Obermedicinalausschuss, verstärkter . .1719 
Oberschenkelfractur bei einem Tabiker, 

von Wiesinger. 30 

Oberstabsarztprüfung in Preussen . . .1719 
Obstipation, von Roos 1481, Behandlung 
der chronischen — im Kindesalter, 
von Doerfler 113, habituelle — 276, 
Therapie der —, von Fisher 563, 
chronische —, von Westphalen . . 1244 
Obstruction, Behandlung der nasalen, 

von Spicer.1444 

Obturator, von Heymann.1761 

Ochronose, von Heile.1184 

Oculomo oriuslfthmungen, periodische, 
von Möbius 1314, doppelseitige —, 

von Salomonsohn.1640 

Odontologisclies.987 

Oedem, malignes, von Brabec ... . 371 
Oeffnung,persistente retroauriculäre,nach 
Radicaloperation, von Trautmann . 1248 
Oelinfusion, subdermale, von Ewald . . 1056 
Oelklystiere. Wirkung der, von Koch . 1427 
Oe8ophagotom : e, von Wilms.1020 


Oesophagus s. n. Soor. 

Oesophagus, idiopathische Erweiterung 
des, im untern Abschnitt, von Gut- 
tentag 797 . ulcus pepticum - , von 
Glöckner 807, idiopathische Erweiter¬ 
ung des —, von Einhorn 1147, chi¬ 
rurgische Behandlung der spastischen 
Verengerungen des —, von Jacobs 


Seit * 1 

1320, Behandlung der Verengerungen 
des —, von Fort 1320, Stenose des 

—, von Plücker.1363 

Oesophaguscarcinom, von Ewald 449, 
von Urban 881, Diagnose des laten¬ 
ten —, von Hödlmoser 1604, —, 
Magen- und Darmcarcinome 200, von 

Boas.663 

Oe-sophagusdilatation, diffuse idiopathi¬ 
sche, von Westphalen.264 

Oesophagusdivertikel, von Richardson 
945, von Heinlein 1191, von Brosch 
1213, Diagnostik der —, von Blum 
441, Radicaloperation der —, von 
Veiel 1182, Diagnose der —, von 

Jung.1215 

Oesophagusstenose, objectiver Nachweis 
der —, von Pauli 849, Diagnose der 

—, von Holzknecht.1316 

Oesophagustumoren, Verwendung der 
Divertikelsonde bei, von Stark . . . 1687 
Ohr s. a. Schallüberleitung. 

Ohr, Riesenwuchs und operative Ver¬ 
kleinerung des, von Joseph ... .1219 
Ohraffectionen bei Kindern, von Hal- 


stead.1217 

Ohrerkrankungen der Diabetiker, von 
Friedrich 342, von Eulenstein . . . 774 

Ohrenheilkunde s. a. Otiatrie. 
Ohrenheilkunde, Encyclopaedie der, von 

Blau.1501 

Ohrenkranke, fahrlässige Behandlung 
und Begutachtung von, von Oppen¬ 
heim .620 

Ohrenkrankheiten, Wirkung des Küsten¬ 
klimas und der Seebäder auf, von 

Körner.1248 

Ohrenleiden, intranasale Therapie bei, 

von Mc Bride.1444 

Ohrspeicheldrüsen, symmetrische Affec- 
tion der, von van den Bergh . . . 1504 


Oidien und Oidiomykose, von Cao . . 1315 
Oliver’sches Symptom, von Jessen 1515, 

— beim Aortenaneurysma, v. Jessen 1565 
Oliver - Cadarelli’sches Symptom, von 
v. Ritook 976, — bei Mediastinal¬ 


tumor, von Auerbach.334 

Omphalotripsie, von Porax.1399 


Operation, dringende, ohne Einwilligung 
der Eltern 175, Vorbereitung zu asep¬ 
tischen —, von LoCkwool 441, Ein¬ 
schränkung des aseptischen Feldes 
bei —, von Walcher 497 , orthopae- 
dische Resultate der Alexander- 
Adams'schen —, von Kroenig und 
Feuchtwanger 841, inter-ileo-abdomi- 
nale —, von Nanu 1319, die typischen 
— und ihre Uebung an der Leiche, 

von Rotter.1385 

Operationscurs, k. b., für Militärärzte . 329 
Operationshandschuhe, von Küster 1671, 

neue —, von Blumberg.1189 

Operationslehre, Atlas der chirurgischen, 

von Zuckerkandl.1669 

Operationstisch, von Braatz.1243 

Operations-Vademecum, von Leser 232, 114 
Ophthalmoblennorrhoea der Neugebo¬ 
renen, von Buist und M'Gillivray . 259 
Ophthalmologen - Congress, scandinavi- 

scher.988 

Ophthalmologie, Referat über, 97, 401, 

744, 1016 .. . 1507 

Opium, Darm Wirkung des, und Morphins, 

von P41.1582 

Opium-Bromcur, von Meyer und Wickel 1708 
Opi um Vergiftung eines atrophischen 
Kindes, von Model 156, tödtliche —, 

von Bihler.775 

Orbita, retrobulbäre Chirurgie der, von 
Doraela-Nieuwenhuis .... 1143, 1182 
Orbitalwand, Osteom der obern, von 

Schuchard.‘298 

Orchitis, vonNeukirch 560, gummöse —, 

Delbanco.951 

Organismus, Wechselbeziehungen zwi¬ 
schen Form und Function der ein¬ 
zelnen Gebilde des, von Wolff . . . 1510 
Organsafttherapie, von le Gendre . . 407 


Seile 


Organtherapie, wissenschaftliche Begrün¬ 
dung der, von Hansemann .... 1510 
Orientierungsmittel der Thiere, von Bethe 811 

Orthodiagraphie, von Moritz. 992 

Orthoform, von Bardet 378, Experimen¬ 
telles und Klinisches über —, von 
Luxenburger 48 , Misserfolg mit —, 

von Katz. 713 

Orthopaedie, deutsche, im J. 1899, von 

Vulpius. 197 

Ossificatio m. brachialis int., von Mysch 233 
Osteogenesis imperfecta, von Scheib 588, 

von Hildebrandt.1050 

Osteoidchondrosarkom der Harnblase, 

von Beneke. 1574 


Osteomalacie s. a. Ovarium. 

Osteomalacie, von Littauer 237, nicht 
puerperale, von Littauer 64, männ¬ 
liche —, von Berger 100, infectiöse 
Form der —, von Morpurgo 986, — 
in Bosnien, von Krajewska .... 1709 
Osteom, centrales, des Humerusschaftes, 
von Landow 1470, erbliche multiple 
—, von Pulle 1185, — des Sin. fron- 

talis, von Zimmermann.1831 

Osteomyelitis der Wirbel, von Hahn 94, 
chronische —, von Wildbolz 512, 
acute —, von Koch 855 , von Becker 
974, — acuta des Atlas, von Eichel 
1201, — gonorrhoica, von Ullmann 
1752, — acuta purulenta sterni, von 
Fraenkel 1758, — träum, purul. cranii, 

von Fischer.1881 

Osteoplastik, von Müller.1472 

Osteopsathyrosis, idiopathische, v. Lange 862 
Osteotomie, keilförmige, der Tibia, von 
Luksch 702, — des Os hyoideum, 

von Vallas . . 1576 

Otiatrie, Referat über .. 620, 1248 

Otitis, localbehandlung der, media mit 
Acetanilid, von Libby 66, mykotische, 

—, von Kretschmann 134, — tuber- 


culosa, von Piffi 173, media mit rhi- 
nogenem Gehirnabscess, von Koebel 
262, — externa, von Laman, Oxel 
und Müller 522, Aetiologie und Pa¬ 
thologie der — media im Säuglings¬ 
alter, von Weise.777 

Otogene Erkrankungen, endocranielle, 

von Röpke .444 

Otologie, Unterricht in der, von Körner 621 
Ovarialcarcinom, von Rosenfeld . . . .1610 


Ovarialcyste, von v. Franqu4 1426, zwei- 
kammerige —, von Flatau 304, l'.nt- 
stehung einfacher —, von v. Kahlden 
777, Infection von —, von Wunderli 974 
Ovarialdermoide, Aetiologie der, von 


Emanuel.776 

Ovarialdermoidcyste, von Habs .... 1789 
Ovarialerkrankun gen,Organotherapie bei, 
von Shober. 23 


Ovarialkystom, von Martin.236 

Ovarialmischgeschwulst, von Witthauer 1832 
Ovarialreste, Erhaltung von, von Fischer 1183 
Ovarialtumoren, aus accessorischen Ne¬ 
bennierenanlagen entstandene, von 
Peham 95, — bei rudimentärem Ute¬ 
rus und Vagina, von Heinricius . . 1782 
Ovarium, Tumor des, von v. Kahlden 
61, cystisches Sarkom des —, von 
Tkorn 104, Lage des —, von Bena- 
roieff 298, Rundzellensarkom des —, 
von Siedentopf 480, Dermoidcysten 
des —, von Arnsperger 742, mangel¬ 
hafte Function der —, von Javle 1014, 
conservative Operationen am —, von 
Dudley 1398, subcutane Implantation 
von —, von Mauclaire 1398, klein- 
cystische Entartung bei der —, von 
v. Babo 1602, osteomalacische —, 
von Scharfe 1636, Teratoma des —, 


von Falk 1750, Einfluss der — auf 
die Entwicklung des Genitales, von 
Halban 1783, Papillom des —, von 
Thorn.1789 


Ovarientransplantation, von Knauer . . 618 
Ovariotomie per an um, von Peters 234, 

— an der Klinik Schauta, von Büiger 437 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 































































1000. 


1N1IALTS-VERZE1C1 INISS. 


XL1 


Oxalsäure, Entstehung u ml Ausscheidung 

der, von Salkowski.” 

Oxalurie, alimentäre, von Picrallini . . 
<>xydutiunsfermonte, von Stendel . . 

Oxyden« *r vivtory. 

«Kykamplier, von Neumayer . . . , . 
< >xy uriasis cutanea, von Barbagalb» . 

«»zaena, von Sicbenmann 401, Aetiologie 
und operative Radiealheilung der ge¬ 
nuinen^ —, von Noebel und Loehn- 
berg 474, Bacteriologie der —, von 
Perez 540, Mucosusbacillen der —, 
von de Simoni 658. Therapie der —, 
von Bruck, von Siebenmann . . . 


Pachynieningitis.chron.,des Brustmarkes, 

von Ziehen . 

Pachydermia, Behandlung der typischen, 
laryngis mit Salicylsäure, von Fein 
1134, — Behandlung der, laryngis 
mit Salicylsäure, von Lublinski . 

Paget, Sir James (Nekrolog). 

Paget s Disease, von Ehrhardt . . . . 
Palmarfasciencontractur,Dupuytrensche, 

von Nichols. 

Panaritium, Behandlung des, paraten- 
dinosum und tendinosurn, von Bar¬ 
denheuer . 

Pankreas, zuckerzerstörende Eigenschaf¬ 
ten des, von Pierallini i00, intravi¬ 
tale Autodigestion des —, von Chiari 
518, Selbstverdauung des —, von 
Pförringer 075, Nucleoproteid des—, 
von Umber 1502, Haemorrhagien des 

—, von Babes . . . .. 

Pankreascarcinom, von HOdlmoser . . 
Pankreaschirurgie, von Ceccherelli 1183, 

von Mayo Robson. 

Pankreascyste, haemorrhagische, von 

Soiibbovitsch. . . 

Pankreaserkrankungen, von Israel 843, 

acute —, von Francke . 

Pankreasferment, Finfluss der Milz auf 
die Bildung von, von Badano . . . 
Pankreaskopf, Erkrankung des, von 

Robinson. 

Pankreasnekrose, von Gessner 233, — 
und Fettgewebsnekrose, von Wagner 
580, geheilte —, von Brentano . . 
Pankreastumoren, Diagnose und Be¬ 
handlung der, von Yillar. 

Pankreatitis mit Fettnekrose, von Scott 
23, — acuta, von Doerfler .... 

Pankreon, von Gockel. 

Pannus, durch Erysipel geheilter, tra- 
chomatosus, von Bäck 401, — Be¬ 
handlung des trachomatösen, mit Je* 

«luirity, von Gasparino. 

Panophthalmie, von Delbanco . . . . 

Paraappendicitis, von Quenu. 

Paraeelsisclie Schriften, Versuch einer 
Kritik der Echtheit der, von Sudhoff 
Paralyse s. a. Dementia, Frauenparalyse. 
Paralyse, Aetiologie und Pathologie der 
allgemeinen, von Mott 21, Bethei- 
ligung des Rückenmarkes bei der 
ailg. —, von Fürstner 62 t, Verände¬ 
rungen im Kleinhirn und Hirnstamm 
bei —, von Raccke 624, Aetiologie 
der allgemeinen —, von Serieux und 

Farnarier. 

Paralysis agitans, von v. Krafft-Ebing 
590, Aetiologie der —, von Dana 337, 
Pathologie der —, von Gordinier . . 
Paralyse, Landry sehe, von Kapper 300, 
von Wappenschmidt 439, von Dinkler 
812, Differentialdiagnose zwischen —, 
Polyneuritis und Poliomyelitis, von 
Colla 550, ascendirende —, von Guiz- 

zetti. 

Paraplegie der Beine, von Jacob . . . 
PaiaphenylendiaminVergiftung, von Pol- 

lak ... ... 

Parlamente, aus den, 176, 307, 346, 347, 
379, 450, 563, 634, 674, 716, 755, 787, 
819 . 


Parovarialcyste, doppelseitige, von Thorn 
Paste, v. Bruns’sehe, von I Kid er) ein . 

Pasteurmedaille. 

Patella, angeborene Luxation der, von 

Mc Laren. 

Patellarbrücbe, Behandlung veralteter 
ungeliebter, von Tenderieh .... 
Patellarfraeturen, Therapie der, von 
Coste 260, — ohne Diastase imRönt- 

! genbild, von Wegener. 

j Patellarluxation, Behandlung der liabi- 

I tuellen, von Schanz . 

| Pater Bernhard, ein Vorgänger Kneipp's, 

von Marcuse.. 

! Pathologie, neue Namen und neue Be¬ 
griffe in der, von Virchow 57, Ent¬ 
wicklung der — mit Berücksichtigung 
der äusseren Medizin, von Chiari . 
Paukenhöhle, Entfernung eines Korallen¬ 
knopfes aus der, von Hirschmann . 

| Pectoralisrippendefect, angeborener, von 

| Schlesinger. ... 

I Pellagra, Pathogenie der, von Babes . 

| Pemphigus ac. malignus neonatorum, 

! von Bloch 3 >9, — neonatorum acutus, 

1 von Bornstein 553, Histologie des —, 
von Ivreibich 553, — vegetans, von 
Waelsch 552, — der Bindehaut, von 
v Michel lol6, Identität von — neo- 
1 natoruui und Impetigo contagiosa, 
von Matzenauer 1708, —■ und essen¬ 
tielle Schrumpfung der Bindehaut des 

; Auges, von Franke. 

Penis, Dermoide des, von Gerulanos . 
Penisamputation, von Lucas ..... 
Peniscarcinom und seine Verbreitung 
. auf dem Lymphwege, von Köttner . 
i Pensionsverein für Wittwen und Waisen 
j bayer. Aerzte 66, 1406, Generalver¬ 
des b. — 82->, 851, Reform des bayer. 

i —, von Bollinger. 

Pentosen, psychologische Chemie der, 

' und Methylpentosen, von Suleiman- 

Bey. 

; Pentosurie, von Bial 587, von Lüthje . 

' Pepsin, Indicationen des, von Robin . 
i Pepsinsecretion, Physiologie und Patho¬ 
logie der, von Schiff.: 

Percnssionsschall, Entstehung des, von 

May und Lindeinann. 

Perforation des Kindes intra partum, von 

Pernicc. 

Perforationsperitonitis, von v. Schmitt 
446, von Urban 750, geheilte —, von 

Waitz . . .. 

Periarthrit is lmmero - scapularis, von 

Colley. ... 

Pericardialergüssc, Percussion der acut 
entstandenen, von Schule . . . . : 

Pericarditis, mit Bright.'scher Krankheit 

verbundene, von Chatin.i 

Pericardotomie, von Voinitsch - Siano- 

jentzky . 

Perichondritis, acute, mit Periostitis der 
Nasenscheidewand, von Killian . . 
Perigastritis adhaesiva, von Westplmlen 

und Fick. 

Perineum, Behandlung der Ruptura, von 

Huttunen. 

Periost, vita propria der Zellen des, von 

Groh6 163, von Morpurgo. 

Periostitis,multiple typhöse, voq Conradi ; 
Peritonealexsudat, tuberculöses, von Sal- 

volini und Comandini. 

Peritonealhöhle, Behandlung der um- 
schriebcnen Abscesse der, vonSonnen- 

burg. 

Peritoneum, Trauma und Fettgewebs¬ 
nekrose des, von Simmonds .... 
Peritonitis, Behandlung der acuten, von 
Laplace 59, Behandlung und Drainage 
bei diffuser —, von Bode 127, Heilung 
einer — durch Laparotomie, von 
Waitz 513, — gonorrhoica, von Metz- 
ner 588, durch Laparotomie geheilte 
tuberculöse —, von Stamm 699, acute 
fortschreitende —, von Burckardt 906, 
Behandlung der tuberculösen —, von 


Baylae 1282, durch Laparotomie ge¬ 
heilte tuberculöse —, von Psaltoff 
1321, Diagnose der tuberculösen —, 
von Löhlein 1467, chronische — und 
peritoneale Tuberculöse bei Kindern, 
von Ungar 1474, — tuberculosa, von 

Oehler. 

Peritonsillarabscesse, Behandlung der, 

von Thomson. 

Perivaginitis phlegmonosa, von v.Lingen 
Perityphlitis, von v. Bramann 1253, von 
Mareclial 1321, — im Bruchsack, von 
Göschei 156, Frühe Radicaloperation 
bei —, von Kocher 591, Douglas- 
abscesse bei —, von Rotter .... 

Perl-Collodiuin, von Credo. 

Peroneuslähmung, Zügel bei, von Jacob 
| Pertussis, krampfartiges Niesen bei, von 

i Szegö . 

| Pes valgus, Behandlung des, von Hoffa 
| Pes varus compensatorius bei Genu val- 

| gum, von Luksch. 

i Pes ecpiino-varus,Operation eines doppel- 
! seitigen, von Zimbicki 1318, Behand- 

' lung des —, von Schultze. 

Petroleum, Einfluss des, auf den Diph¬ 
theriebacillus, von Papasotiriu . . . ! 
Petroleumöfen, Kohlensäureverunreini- 
gung der Luft durch, von Babucke 

i Petrosulfol, von Ehrmann. 

Pe3t 33, 67, 107, 1J9, 178, 210, 243, 276, 

1 308, 34?, 379, 4»8, 451, 483, 523, 564, 

596, 635, 675, 716, 755, 7ö7, 851, »84, 
924,955,987, 1024, 1092, H23, 1192, 
1255, 1288, 1329, 1367, 1406, 1445, 
1480, 15)1, 15»3, 1616, 1648, 1684, 
1719,1763,1796—, von Deane 844, von 
, Schottelius 1251, Belehrung über die 
I —, 34, Desinfectionsan Weisung bei —, 

i 1(20, — in Ostmongolien, von Zabo- 
i lotny 549, — in Glasgow 1326, — 
durch grosse Dosen Carbol geheilt, 
von Atkinson 22, Uebertragung der 

— durch Flöhe, von Galli-Valerio 
129, Aetiologie und pathol. Anatomie 
der —, von Sata 877, Incubationszeit 
der —, von Clemow 943, — durch 
Rattenbiss, von Bell 944, klinisches 
Bild der —, von Clemow 1215, die 

— in Indien und China, von Flint 

1215, Massregeln zur Bekämpfung 
der —-, von Gaffky.! 

Pestbacillen, Fortexistenz virulenter, im 
Sputum, von Gotschlich ..... . 
Pestbacterium, Morphologie des, von 

Skschivan. 

Pestbüchlein, von v. Bremen. 

Pestcommission, Report der indischen 
Pestcurse im Institut fürlnfectionskrank- 

heiten in Berlin. 

Pestdistricte in Indien, von Barker und 

Flint. 

Pestepidemie, Bericht über die, in Oporto 
und die Serumtherapie, von Calmette 
und Salimbeni 549, — zn Kolobovka, 
von Tschistowitsch 1015, — in Kobe, 
von Ogata 1278, — in Alexandrien 

1899, von Gotschlich.1 

Pesterkrankungen auf dem Lloyddampfer 
Berenice 65, 137, Klinik der 1899 in 
Oporto beobachteten —, von Reiche 1 
Pestexpedition nach Kisiba 1897/93, 

von Zupitza. 

Pestkranke, Schnitte aus den Organen, 

von Grawitz . . . •. 

Pestlaboratorien, Einrichtung und Be¬ 
trieb von, von Markt 701, — in 

Baden. 

Pestverdacht, von Risel 1149, unbegrün- 

j deter. 1220, 1 

| Pfählungsverletzung, von Rammstedt 

I 354, von Stiassny.] 

Pfeilgifte, von Brieger. 

I Pfortaderthrombose, acute, von Stephan 
| Phagocytose, Einfluss venöser Stauung 

auf die, von Hamburger. 

| Phagocyten, Beurtheilung des Lebens- 
j zustandes und der Leistungen der, 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 































































X MT 


1NHALTS-VERZEICHN1SS. 


1900. 


_ v Seite 

mittels der vitalen Neutralrothf ärbung, 

von Plato. 1227 

Phalangitis, hereditärsyphilitische, der 

Säuglinge, von Hochsinger.1473 

Pharmakologen-Vereinigung.632 

Pharmazeuten, Dienstpflicht der .... 451 
Pharyngitis,Behandlung der chronischen 

katarrhalischen, von Grazzi .... 130 

Pharyngotomia subhyoidea, von Honseil 94 
Pharynx, Narbenbildung im, von Fink 63 
Pharynxstrictur, totale, von Keller 1220, 1548 
Phenylhydrazinaemie, von Kammer und 


Rohnstein. .1115 

Phenylhydrazinprobe, Neumann’sche 

Modiflcation der, von Margulies . . 1427 
Phenylhydrazinvergiftung, von Kaminer 

782, 882, 1572 

Phimosenoperation,Contraindication der, 
von Rey.1474 


Phlegmasia alba dolens, von Hagapoff 1399 
Phlegmone, Sauerstoffwasser bei, von 
Chauvel 378, durch Gonococcen ver¬ 
ursachte —, von Almkvist 474, Be¬ 
handlung der —, von Bardenheuer 1470 
Phloridzindiabetes, von Biedl und Kolisch 


704, von Seelig.1638 

Phocomelie, von Orgler .1711 

Phonationsapparat, von Gluck .... 706 
Phonationscentrum, subcerebrales, von 
Onodi . •.130 


Phosphor, Bedeutung des, für den Stoff¬ 
wechsel des Kindes, von Cronheim 
und Müller 1541, Wirkung des — 
und des Pulegens auf die Cephalo- 

poden, von Lindemann.1012 

Phosphornekrose, von L^vai.1246 

Phosphorvergiftung, von Sansoni und 

Serono.1283 

Photographie, Jahrbuch der, 1059, Miss¬ 
erfolge in der - , von Müller . . . 1059 
Photometrie, praktische, von Crzellitzer 1707 
Phototherapie 8. a. Licht. 

Phototherapie, von Bie 59, 451, — bei 

Masern, von Chatinifcre .1439 

Phthirius pubis, von Waldeyer .... 168 

Phthise, Anzeigepflicht bei, von Cameron 
521, — in der russischen Armee, von 
Dubelir 668, Prophylaxe der - auf 
den Eisenbahnen, von Sanarelli 66i, 
Frühdiagnose der —, von Senator 
708, Landouzy 708, Petruschky 708, 
Bozzolo 708, Ursprung des Fiebers 
bei —, von Giuffre 710, Aetiologie 
der —, von Espina y Capo 710, 
Therapie der —, von de Renzi 745, 
Hetolbehandlung der —, von Ewald 
746, Hydrotherapie bei , vonKutby 
746, Euphorbininjectionen bei —, von 
Penieres 746, Klima der Normandie 
bei —, von Brunon 746, Behandlung 
vergrösserter Lymphdrüsen bei —, 
von Ceccherelli 746, Jodoleine bei —, 
von Coronedi 746, Dauerinhalationen 
bei —, von Ruata 746, Injectionen 
von Myrthol etc. bei — , von Gatti 
746, Formaldehydinhalationen bei —, 
von Aversa, von Cervello 746, Re¬ 
sistenz der rothen Blutkörperchen 
bei — pulmonum, von Baumholtz . 1318 
Phthiseotherapie, neue Medicamente in 

der, von Pollak. 164, 943 

Phthisikerschweiss, von de Renzi und 

Boeri ..* . . . 709 

Pikrinsäurevergiftung, von Winterberg. 1576 

Piperazin, von Giofredi.177 

Pilocarpin, von Harnsberger-Catlett . . 379 
Pilocarpininjectionen, von Fischenich . 1637 
Pilze, essbare und giftige, von Leh¬ 
mann .984 

Pilzvergiftungen, von Hegi.618 

Pityriasis rubra, von Graul 129, — li¬ 
chenoides chronica, von Juliusberg 
553, — rubra pilaris, von Hügel . . 1738 
Placenta, menschliche, von Leopold, 

Bott und Marchesi 19, Luftembolie 
bei — praevia, von Hübl 235, Ana¬ 
tomie der - praevia, von Ponfick 368, 
Beziehungen der tubaren — zum 


Seite 

Tubenabort, von Aschoff 1183, Ent¬ 
stehen von Cysten der —, von de Jong 
1277, Gefässanomalien der —, von 
Möller 1388, Anatomie der —, von 
Veit 1436, Pathologie der —, von 
Herrmann 1503, von Martin 1601, 

— praevia, von Frommei 1635, Ver¬ 
wachsung der — mit dem Schädel, 
von Barabo 1792. Insertion der — 
auf einem submucösen Myom, von 
Schwarzenbach 1672, Retentio — eor- 
nualis, von Thorn 1790, Technik der 
manuellen Lösung der —, von Thorn 1790 
Placentarpolyp, fibrinöser, von Langhans 473 


Placentarreste, von Wertheimber . . . 560 

Plasmon und Tropon, von Müller . . . 1789 

Plastik mittels quergestreiften Muskel¬ 
gewebes, von Capurro.873 

Platienepitlielialcarcinom der Ulna, von 

Maier.974 

Plattfüsse, von Petersen.Ii87 

Pleura, Endotheliom der, von v. Kahlden 
61, primärer Endothelkrebs der—, von 


Schulze-Vellinghausen 647,Infections- 
wegeder -, von Grober 847, 1748. Re- 
sorptionskralt der —, von Castaigne 
1014, Durchgängigkeit der — für Natr. 
salicyl., von Widal und Ravaut . . . 1152 
Pleuritis, eitrige, bei Säuglingen, von 
Sclikarin 1011, eitrige — mit Eberth’- 
schen Bacillen, von Galliard 1188, 
pulsirende —, vonB<*clere 181, durch 
Streptothrix bedingte - ulcerosa, von 

Ritter. 1639 

Plexus, perineuritische Erkrankungen 
des, sacralis, von Guttenberg . . . 1431 
Pneumathaemie und Schaumorgane, von 

Bernhardt.234 

Pneumococcengrippe im Kindesalter, von 

Luzzatto.1573 

Pneumococcenperitonitis, primäre, von 

M^n^trier und Legros.1152 

Pneumonie, Behandlung der, von Wilks 
270, von Weber 270, vonVillard 1280, 
Behandlung der croupösen —, von 
Pel 626, Ansgang der — in Induration, 
von Ribbert 742, Antifebrin bei —, 
von Paffrath 820, Argentum nitr. bei 
—, von Caccianiga 909, — nach La¬ 
parotomie in der Nähe des Zwerch¬ 
fells, von Helling 1161, contagiöse 
Form der — bei Kindern, von Weber 
1216, Behandlung der fibrinösen —, 
von Paessler 1287, Histologie der — 
fibrosa chronica, von Vogel 1253, 

— im Kindesalter, von Tirard 1443, 
Disposition der arabischen Rasse zu 
—, vonTestevintund Remlinger 1445, 

Harn bei croupöser —, von Pick . 1670 
Pneumonieerreger, meningococcenähn- 

liche, von Bemheim.1504 

Pnoumoniker, Pupillenveränderungen 

bei, von Sighicelli .909 

Pneumothorax, von Rumpel 1091, von 
Morse 1215, Aetiologie des tuber- 
culösen —, von Dräsche 20, merk¬ 
würdige Schallerscheinung bei —, 
von Schneider 204, spontan geheilter 


tuberculöser von Schlesinger 819, 
bilateraler —, von Dräsche 977, Topo¬ 
graphisch-Anatomisches bei -, von 
Rumpel 978, Mechanik des ge¬ 
schlossenen —, von Aron.1637 

Pneumotomie, von Tillmanns.343 

Polarisationsmikroskop, von Brodinann 1677 
Polikliniken, Behandlung Kassenkranker 

in .1519 

Polyarthritis chron. villosa und Arthritis 
deformans, von Schüller 266, —rheu- 

rnatica, von Japha.1640 

Polyklonie und Chorea, von Murri . . 550 
Poliomyelitis ant. ac. adultorum, von 

Gumbertz.591 

Polymyositis, von Gowers 58, acute 
haemorrhagische —, von Bauer . . 741 
Polyneuritis,vonEwald 977,von Hess 1834, 

— alcoholica, von Koch 1612,ataktische 
Form des — alcoholica, von Hönig . 1213 


Seite 


Polyposis recti et intestini crassi, von 

Rotter.1213 

Polyurie, von Marinesco.633 

Porencephalie, von Grawitz 170, von 

Kellner .592 

Porokeratosis, von Mibelli .336 

Posticuslähmung, von Bruggisser . . 1145 

Pott'sche Krankheit, Diagnostik der, von 

Siredev.1318 

Praxis, Curiosa aus der, von Mosbacher 
209. Verbot der — fremder Aerzte 

in Italien.451 

Piäcisions - Saccharometer, Lohnstein’s, 

von Meyer.1240 

Präparirmikroskop, von Pfeiffer . . . 658 

Präparate, pathologisch-anatomische, von 

v. Kahlden. 61 

Praeputium, Gefahren des engen, bei 

Neugeborenen, von Saint-Philippe . 1360 

Praetuberculose und Erblichkeit, von 

Papillon.1318 

Preisanfgaben der Hufeland’schen Ge¬ 
sellschaft 1123, Dr. Unna’s dermato¬ 
logische — 452 

Priiriüraffeet, syphilitischer, m.abnormem 
Sitz, von Köbner 547, extragenitaler 
—, von Eckstein 155t», — am Auge, 
von Alexander 1580, — am obern 
Augenlid, von Hahn 1606, — an der 

Nasenspitze, von Hahn.1641 

Primula, s. a. Giftprimeln. 

Primula obconica, von Piza.1515 

Privatkrankenanstalten, erweiterte Con- 
cessionspflichtigkeit der, von Sehaefer 397 
Projektionszeichenapparat für Skoliose, 

von Milo .1313 

Prolaps, Scheidenexstirpation bei, von 

Stöcker.1707 

Prolapsoperation, von Fritsch 128, an 
der Klinik Schauta ausgeführte peri¬ 
toneale —, von Schmit 438, Dauer¬ 
resultate bei —, von v. Herff . . 1672 


Promotionsordnung e. a. Rigorosenord- 
nung. 

Promotionsordnung, neue, für Mediciner 1583 
Propaedeutik, physikalisch - chemische, 

von Griesbach.1746 

Prophylaxe in der Gynäkologie, von 

(Joe, Wylie und Edgar ...... 814 

Prostata hypertrophica, von Freuden¬ 
berg 208, Atrophie der -, von Clarko 945 
I rostatacarcinom, von Wiesinger 237, 
von Engelhardt . . ... 1051 

Prostatahypertrophie, Behandlung der, 
nach Bottini, von Kümmell 403, Bot- 
tioi’sche Operation bei - , v. Freuden¬ 
berg 667, Castration bei —, von Lanz 843 
Prostatasecret, Reaction des, von Lohn¬ 
stein . . 1515 

Prostatectomie, perineale, von Freyer . 815 
Prostatitis gonorrhoica, von Goldberg 

592, von v. Thümen.952 

Prostitution, vom Ströhmberg.1571 

Provincial - Siechenanstalten, hessische, 

von Ludwig.1677 

Prüfungen, Zulassung von Frauen zu 

den ärztlichen.1153 

Prüfungsordnung, neue.1836 

Pruritus, von Lereddo 715, — ani, von 
Mnguire 107, von Shervvood Dünn 
476, Behandlung des —, senilis, von 

Jaonicke.1748 

Psammom, von Virchow.1183 

Pseudarthrose des Schienbeins, von Hein¬ 
lein 172, Behandlung der —, mit 
Thyreoidin, von Murray 1117, Behand¬ 
lung der — durch Osteoplastik, von 
Lotheissen 11«2, — des Humerus mit 
Radialislähmung, von Roques de Fur- 

sac.1320 

Pseudocysticerkose, von Huber .... 1708 
Pseudodiphtheriebacillen, von de Siraoni 
96, Differentialdiagnose verschiedener 

—, von Gromakowsky.1246 

Pseudolebercirrhose, pericarditische, von 

Eisenmenger.275, 441 

Pseudomucin, Kenntniss des, aas den 
Eierstockscysten, von Zängerle . . 414 


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19 °°. 

Seite 


Pseudomyxoma peritonei, von Peters 
95, Anatomie des — peritonei, von 

Westphalen .• . 298 

Pseudotumor, epibulbärer syphilitischer, 
von tuberculöser Structur, von Axen- 

feld.983 

Psoriasis, von Talamon 820, von Ewald 
1056, von Brocq 1153, — und Glyko- 
surie, von Nagelschmidt 96, — pal- 
maris syphilitica, von Duraesnil . 1192 
Psorospermioseninfection , allgemeine, 

von Posadas.1014 

Psoitis, benigne Formen der, von More¬ 
stin . 1319 

Ptomainparalvsen, von Preobrashensky 590 
Ptosis. intermittirende, von Abadie . . 810 
Psychiatrie, gerichtliche, von Gramer . 260 
Psychiatrische Aufgaben des Staates, 

von Kraepelin.367 

Psychiatrische Literatur im Jahre 1899 
von Schucbardt.1541 


Psychosen, Beziehungen gynäkologi¬ 
scher Erkrankungen zu den, von 
Tomlinson und Basset 60, Korsa¬ 
kowsche —, von Raimann 131, von 
Dansauer 813, palh. Anatomie der 
chronischen —, von Alzheimer 624, 
Aetiologie der acuten —, von Knapp 844 
Puerperalfieber s. a. Kindbettfieber. 
Puerperalfieber, Behandlung des, mit An- 
tistreptococcenserum, von Williams, 
Pryor, Frv und Reynolds 23, Anzeige¬ 
pflicht bei —, von Hart 1404, -, durch 
Seruminjection geheiltes, von Webber 
441, Behandlung des —, von Steiner 1601 
Puerperalpsychosen, klinische Formen 

der, von Aschaffenburg.1677 

Pulmonalton, Semiotik des 2., von Hecht 515 
Pulmonalarterien, erworbene Stenose 

der, von Kasern Beck.873 

Pulpitis, Aetiologie der, von Sieberth . 1426 
Puls, Analyse des unregelmässigen, von 
Wenckebach 332, — paradoxus ex- 

spirator.us, von Dogliotti.1544 

Pupillenreaction, paradoxe, von v. Bech¬ 
terew' 439, wenig bekannte —, von 

Kirchner . . . . . 1532, 1720 

Pupillenreartionsprüfung, von Wolff . 1013 
Pupillen Störungen, von Riegel .... 784 
Purinderivate, diuretisclie Wirkung 

einiger, von Ach.1751 

Puro, von Schäfer . 243 

Purpura rheumatica und Angina, von 
Bruck 882, Blut bei der —, von Le- 
noble 1281, — haemorrhagica, von 
Nehrkorn 1372, — bei mit Malaria 
behafteten Kindern, von Spolverini 1577 
Pyaemie, abgelaufene, von Wegener 301, 


ot Bische —, von Meier.813 

Pyelitis im Kindesalter, von Hintner . 171 
Pyelocystostomose, von Witzei .... 1706 
Pyelonephritis, von Perthes 237, — cal- 

cnlosa, von Thumim .1603 

Pvlonis, Stenosirung des, von Meisel 236, 
Carcinom des —, von Krause 1019, 
Olivenöl bei Stenosen des —, von 

Cohnheim.1147 

Pyloruscarcinom, von Becker.1471 

Pylorushypertrophie, angeborene, von 

Hansy .402 

Pyloruskrebs, von Strauss. 977 

Pylorusresection, von Rydygier 1243, 
von Kümmell .1757 


Pylorusstenose, von Heinlein 273, totale 
— nach Laugenätzung, von Haden- 
feldt 216, — bei Phthisikern, von Pa¬ 
tella 709, Behandlung der gutartigen 

—, von Bidwell.1402 

Pvodermite vdgdtante, von Hallopeau . 334 

Pyorrhoea alveolaris, von Godlee . . . 1023 
Pyosalpinx, von Sieden topf 848, vonThorn 1789 
Pyramiden bahnen beim Menschen, von 

Ugolotti.1613 

Pyramidenkreuzung, von Rothmann . . 809 

Pyramidon, von Hoffmann 167, von Rn- 

bin und Bardet.1222 

Pvrogallol, von Braunstein.167 


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INHALTS -VERZEICHNISS. 

Sette 

4 . 

Quarantaine-Aerzte in Alexandrien . . 178 
Quecksilber, Bestimmung des, im Harn 
und Ausscheidung bei mit — behan¬ 
delten Kranken, von Eschbaum 164, 
Nachweis des — im Harn, von Jolles 
714, Wirkungsmecbanismus des — 
auf die syphilitischen Veränderungen, 
von Justus 1440, Terpentin und —, 
von Loza 158, Verhalten des — im 

Organismus, von Gola.1676 

Quecksilberoxycyanid, antiseptischcr 
Werth des, von v. Sicherer .... 1002 
Quecksilbervergiftung, Einfluss der, auf 
die Darmbacterien, von Katsura . . 1503 
Querlage und Wendung bei EMgebären- 

den, von Vogel ..1426 

Quetschung, schwere, von Göschel . . 1516 

R. 

Rabies, von Salomon .1144 

RachenentzünduDg, diphtherieähnliche, 

von Villy .1674 

Rachenmandel, Tuberculose der, von 

Lewin .130 

Rachitis, von Frank 1090, von Hanse¬ 
mann 1?*33, Behandlung der — mit 
Nebennierensubstanz, von Stoeltzner 
299, Aetiologie, Prophylaxe tfnd Be¬ 
handlung der —, von Zweifel 1398, 
Theorie der infectiösen —, von Chau- 
mier 1439, Behandlung der — mit 
Nebennierenextract, von Neter . . . 1574 
Rachitische Kinder, eigentümliche Kry- 
stalle in den Knochen von, von Stoeltz¬ 
ner und Salge. 60 

Rachitische Verkrümmungen, von Krause 1019 

RaehiPsmilz, von Sasuchin.473 

Radfahren, Hygiene des, von Merkel . 1394 
Radialislähmung, von Müller 1472, —, 
geheilt durch Dehnung des Nerven, 

von Bräuninger . . —. 290 

Radicaloperation, an Lupuskranken aus¬ 
geführte, von Reiner 702, - der In¬ 
guinalhernie, von Gerard 1284, von 

Schwartz.1284 

Radiographie, von Tuffier, Destot, Loi- 
son, Ollier 1251, Institute für — in 
Oesterreich 2u8, — des Herzens, von 

Variot..922 

Radiographischer Irrthum, von Beck . 130 
Radioskopische Beobachtungen zur Dif 
fcrentialdiagnose zwischen Broncho¬ 
pneumonie und lobärer Pneumonie, 


von Variot und Chicotot.174 

Radiotherapie, Neuen s über, von Schiff 

und Freund.918 

Radius, congenitaler Defect des, von 

Tschmarke. •.1191 

Rahmgemenge, Biedcrt’sches, von Gerns¬ 
heim . 1627 

Ranke Heinrich v. Zu seinem 70. Ge¬ 
burtstage . 653 

Rankenangiom, Alkoholtherapie des, 

von Wuth.974 

Rankenneurom der weiblichen Genita¬ 
lien, von Schmauch. 2G2 

Raupenhaar-Ophthalinie, von Bayer . . 730 

Rassenimmunität, von Prettner . . 234, 975 


Rauschbrandaffection 8. a. Buttersäure¬ 
bacillen. 

Raynaud s disease, von Monro ... .1112 
Reaction, Gruber-Widal’sche, von Köhler 
1243, jodophile —, von Porcile . . 1639 

Realencyclopaedie. 523, 1424 

Realgymnasien s. a. Medicin 
Realgymnasialabiturienten 379, 451, 452, 

716, 883 

Realgymnasium und Medicinstudium, 
von Kussmaul 595, — und Studium 
der Medicin. Eingabe der Vorstände 
der st. Ausschüsse der b. Aerzte- 

kammern. . 939 

Realschulabiturienten, Zulassung der, 
zum Studium der Medicin.678 


XLUI 

Seite 


Receptur für die Ortskrankenkasse, von 

Krüger.204 

Rechts- und Linkshändigkeit, von Hecht 

und .Langstein.1184 

Recidiviren der Infection im Reagens¬ 
glas, von Saul.1550 

Rectalprolaps, Heilung des, von Ott. . 1050 
Rectum, Exstirpation des, von Schuchard 
629, Resection des —, von Jonnesro 
1358, nicht maligne Siricturen des 

—, von Wallis.1402 

Uectumcnrcinome, Statistik und opera¬ 
tive Behandlung der, von Pichler 
874, Behandlung der —. von Schneider 874 
Redressement des Malum Pottii, von 

Villemiji.1280 

lieflexhyperaesthesien bei Verdauungs¬ 
krankheiten, von Faber.617 

Reflexneurosen, Symptomatologie und 
Therapie der nasogenen, von Jonas 972 
Reflexzuckung bei Pleuritis und Peri¬ 
hepatitis, von Schmidt.1638 

Regeneration und Neubildung elastischen 

Gewebes, von Jores .1012 

Regurgitiren, von Bäckltn.264 

Reibungswiderstand 8 a. Blut. 

Reichs-Fleischbeschaugesetz.563 

Reichsimpfgesetz, Ausführung des, von 

Risel.1052 

Reichs Seuchengesetz 1024, 1026, An¬ 
zeigepflicht im —. von Brauser 159i 

Entwurf des —.. 482, 483, 818 

Reichsversicherungsamt, Entscheidungen 
des, 407, Geschäftsbericht des —, . 1518 
Reisebriefe aus Ostasien, von Mayer . 1793 
Reitweh an der Patella, von Rosenberger 247 


Reizung, sympathische, von Bäck . . . 1467 
Rennthiersehnenfäden s. a. Nahtmaterial. 
Rentensätze für glatte Schäden, von Bähr 1092 
Resectio synchondrosis sacroiliacae, von 

Bardenheuer. .302 

Resorbinquecksilber, von Silberstein . 301 
Resorption und Fettbildung im Magen, 
von Volhard 141, Beeinflussung der 
— im Dünndarm durch Adstringen- 

tien, von Gebhart.808 

Respirationsversuche, von Schattenfroh 1353 
Respirator, neuer verbesserter, von Klein 651 
Retina, Aetiologie und Therapie der Ab¬ 
latio der, von Schneider 272, mark¬ 


haltige Nervenfasern der —, von 

v. Hippel .1507 

Retroflexionsbehandlung, operative, von 

Biermer.711 

Retropharyngealabscesse, Behandlung 

der, von Schmidt. 656 

Rettnngsgesellschaft, Berliner ... 26, 203 
Review, the Medical ........ 523 

Revolverkugel, von Krause.749 

Rhabdomyosarkom, von Fujinami . . . 1184 
Rheumarthritis, Pathogenese der, von 
Poynton und Paine.1683 


Rheumatismus lind die Salicylpräparate, 
von Ayraard 976, Ernährungsverhfilt- 
nisse bei chronischem —, von Weisz 
1086, Behandlung des gonorrhoischen 
— mit heisser Luft, von Renon und 
Latron 1223, — bei Kindern, von 
Barbier 1476, moderne Therapie der 
—, von Sontag 1638, — der Hals¬ 
wirbelsäule, von Hoke.1709 

Rhinitis, genuine, fibrinosa, von Spirig 
20, — fibrinosa mitDiptheriebacillen, 

von Reichenbach ..163 

Rhinopharyngitis, Behandlung der, von 

Gaston. 178 

Rhino-pharyngologischeOperationslehre, 

von Kafemann.1747 

Rhinosklerom, von Sturmann.372 

Rhinoskleromkrankheit, von Rona . . 475 
Rhinoskopia, neues Instrument zur, 

posterior, von Kraus.551 

Rhodan im Nasen- und Conjunctival- 
secret, von Muck 1168, — im Nasen- 

secret, von Keller . . . . 1597 

Rhodangehalt des 8peichels, des Nasen- 
und Conjunctivalsecrots, von Muck . 1792 


6 * 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






































































XLIV 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


1900. 


Seite 

Rhodanverbindungen, Untersuchungen 
über, von Treupel und Edinger . . 717 
Rhodomycee erubescens, von Ascher . 1388 

Riberapreis.82o 

Rieinvergiftung, von M üller.842 

Riesenwuchs, angeborener partieller 
symmetrischer, von Schwarz 172, — 
und Zirbeldrüsengeschwulst, von 

Oestreich und Slawyk.942 

Riesenzellen, von Petersen ..... 881 
Riesenzellensarkom der Cervix, von 

Borrmann.1426 

Rigorosenordnung, neue oesterreichische 

65, 137, 172 

Rinderpest, Schutzimpfung gegen, von 

Rogers . . ..1542 

Rinderpest Studien.1024 

Rindertuberculose, von Marcone . . . 668 

Rinne'scher Versuch, Analyse des, von 

Wanner.881 

Rippen, von Solger 170, Beweglichkeit 
der zehnten —, von Meinert ... 99 

Rippenknorpel, Uebertragung von, von 

v. Mangoldt.629 

Roborat, Eiweissn ährmittel, und sein 
Verhalten im Organismus, von Laves 1339 
Roseola typhosa, von Fraenkel . . . 1388 
Rotz, von Zaudy 809, chronischer — 
beim Menschen, von Baracz . . . 1143 
Rotzbacillus, von Galli-Valerio 1503, 
Hyphomyeetennatur des —, von 

Conradi.700 

Rotzkrankheitbeim Menschen,von Strube 1011 
Rothes Kreuz, Centralcomitö des . . . 451 
Rothmund, zum 70. Geburtstag August 
v., von Eversbusch . . . .... 1082 

Rothmund-Feier.1092 

Röntgenstr. s. a. Radiographie, Skia- 
giamm. 

Röntgenaufnahmen, stereoskopische, von 

Hildebrandt.750 

Röntgenbilder, von Fraenkel 1516, Nieren¬ 
steinnachweis in —, von Lauenstein 
270, — der Knoohenarchitectur, von 

Wolff.372 

Röntgenlicht, Einwirkung des, auf die 

Haut, von Kienböck.1581 

Röntgenographie, Irrth ümer der, von Beck 1518 
Röntgenphotogramme, von Krause . . 169 
Röntgenphotographien, von Kienböck . 1612 
Röntgenstrahlen, Untersuchung mit, bei 
Lungentuberculose, von Williams 59, 
mit — geheilter Lupus faciei, von 
Kuifas 132. Therapie des Lupus und 
der Hautkrankheiten durch —, von 
Albers-Schönberg und Hahn 284, 
Untersuchung der Brust mittels —, 
von Levy-Dorn 481, günstige Wirkung 
der — auf den Lupus, von Himmel 
552, diagnostischer Werth der —, von 
Williams 844, Durchgängigkeit der 
Gallensteine für —, von Naunvn 
1152, Behandlung einiger Hautkrank¬ 
heiten mit —, von Jntassy 1246, 
Therapeutische Anwendung der —, 
von Straeter 1246, Nachweis der 
Schenkelhalsverbiegung durch —, 
von Lauenstein 1635, Verwerthung 
der — in der Geburtshilfe, von 

Wormser.1672 

Röntgentechnik, Fortschritt in der, von 
Albers-Schönberg339,Verbesserungen 

der —, von Davidsohn.1403 

Röntgenuntersuchung, Irrthümer bei, 

von Holzknecht.1793 

Röntgenverfahren, von Immelmann , 

Joachimsthal 630, Kugelextraction aus 
dem Gehirn mit Hilfe des —, von 
Chlumskv262,Bestimmungder wahren 
Grösse von Gegenständen mittels des 
—, von Moritz 609, 992, Werth des 

—, von Kienböck.752 

Rötheln- und Masernepidemie in Halle, 
von Weber 1713, Unterscheidung der 
— von Masern und Scharlach, von 

Koplik.1751 

Rubeolaepidemie in CJraz, von Tobeitz 906 


! Rückenmark, Reizungsversuche am, von 
Enthaupteten, von Hoche 842, mul- 
I tiple Gliome des —, von Freudweiler 

975, Venenthrombose im —, von 
Werewkina 1352, combinirte Strang- 
I erkrankungen des —, von Hoch- 

! haus.1579 

, Rückenmarksaffectionen mit schwerer 

i Anaemie, von Marburg.1089 

Rückenmarkshäute, Geschwülste der, 

I von Schultze.128 

! Rückenmarksnerven und ihre Segment- 

| bezüge, von Wichmann.330 

I Rückenmarkstumor, von Heubner . . .1474 
[ Rückenmarksverletzung, Kniephänomen 

bei hoher, von Margnlies. 59 

Ruhr als Volks krankbeit, von Kruse . 1428 
Ruhrbacillus, von Kruse.1428 


S. 

Saromanum, abnorme Länge und W r eitc 

des, von Detert ..1605 

Saccharification des Stärkemehls, von 

Pottevin.101 

Saccharin, Wirkung des, von Bornstein 1141 
Saccharometer, Brauchbarkeit der neueren, 

von Späthe.1144 

Saccharomyces neofonnans Sanfeliee, 

von Csokor .1715 

Saeralgesehwulst, angeborene, von Hagen- 

Thorn.201 

Sacto-Salpinx purulenta tuberculosa, von 
Martin 286, Entstehung der — und 
Tuboovarialcysten, von Orthmann . 128 
Sägemnskel, Lähmung des vorderen, 

von Steinhausen.589 

Säuglinge, Ammoniakausscheidungen bei 
den Ernährungsstörungen der, von 
Bendix 57, von Keller 57, Mongolis¬ 
mus und Kretinismus der —, von 
Sutherland 443, künstliche Ernährung 
des —, von Fraenkel 948, 949, Rolle 
der Bacterien bei den Magen- und 
Darmkrankheiten der —, von Esche- 
rich 1322, von Baginsky, Fede, 
Marfan 1323, Stoffwechselstörungen 
an magendarmkranken —, von 
Pfaundler 1323, Mineralstoffwechsel 

beim —, von Blauberg.1539 

Säuglingsatrophie, von Heubner . . . 1478 
Säugling8ernährung, von Feer 810, von 
Schmidt 1475, künstliche —, von 
Oppenheimer 1475, Verwendung des 
Mehles in der —, von Gregor 1114, 
Milchthermophor in der —, von 

Kobrak . 

Säuglingssterblichkeit und erbliche func 
tionelle Atrophie der Schilddrüse 
von Bolbnger 653, Ursachen und Be 
kämpfung der hohen -, von Praus 

nitz . 

Säuglingsstuhl, nach Gram färbbare Ba 
cillen des, von Moro 235, —, Proteus 
vulgaris im —, von Brudzinski . . 
Salerno, Lehranstalt von, von Marcuse 
Salicylaldehyd, antiseptische Wirkung 
von, u. Benzoesäure-Anhydrid, von 

Salkowski. 

Salicylsäure bei Pachvdermia laryngis, 

von Lublinski.1629 

Salipyrin auf gynäkologischem Gebiete, 

von Beuttner.164 

Salol, Einfluss des, auf die Diazo- 
reaction, v. Thomescu 1476, Wirkung 
des — beim Typhus des Kindes- 

alters, von Thomescu.1476 

Salpingitis bilateralis, von Lindfors 1503, 

— haemorrhagiea, von Tliorn 1789, 
Heilung einer — bilateralis, von 

Nassauer.1832 

Salubratapeten.755 

Salzbergschlamm, Jscbler, von Wiener 1052 
Salzlösungen, chemische Constitution u. 
Wirkung der anorganischen, von 
Brasch.332 


1388 


1394 


1573 

695 


942 


Salzsäureabscheidung, Methoden der Un¬ 
tersuchung der, von Backmann . . 
Salzwasserinfusionen, heutiger Stand 

der, von Hftberlin. 

Samariter- und Rettungswesen, Bedeu¬ 
tung des, für den deutschen Aerzte- 

stand .. 

Samaritertag, 4. Deutscher. 

Samenstrang, Resection des, von Mau- 
claire 12b3, von Carlier 1283, Torsion 

des —, von Nanu . 

Sanatoria, des, von Knopf. 

Sanatorien bei tuberculösen Kindern, 
von Baginsky 746, — für Lungen¬ 
kranke 1328, städtische — für Schwind¬ 
süchtige, von Raw . 

Sanatogen, therapeutische Studien über, 

von Rybiezka. 

Sanduhrmagen, von Heinlein. 

Sanitätscorps, Vermehrung des, in Eng¬ 
land, von Treves . 

Sanitätshilfspereonal, Schaffung und Er¬ 
haltung eines entsprechenden, von 

Bass. 

Sanitätsoffieiere, Wahlberechtigung der 

preuss. . 

Sanitätsübereinkunft, internationale, von 

Venedig, von Becker. 

Sapo cutifricius, von Unna. 

Sarcom s. a. Jnfectionstheorie. 

Sarcoma ovarii, von Roxburgh 22, auf 
traumatischer Basis entstandene —, 
von Grueneberg 28, — idiopath. mul¬ 
tiplex pigmentosum cutis, von Ber- 
nard 474, —, am Halse eines ein 
jährigen Kindes, von Cahen . . . 
Sarkomatosis cutis, von Merk .... 
Sauerstoff, Pinwirkung des, auf Herz- 
und Arterienarbeit, von Foss 592, 
Apparate zur Bestimmung des — in 
Gasgeniengen, von Chlopin 907, the¬ 
rapeutische Verwerthung des —, von 
Foss 1024, Wirkung und Application 
des comprimirten —, von Mosso 
Sauerstoffeinathmungen, von v. Leyden 
Sauerstoffmedication, von Mendel . . 
Sauerstofftherapie, von Michaelis . . 

Sangen künstlich ernährter Kinder, von 
Bischofswerder 138, von Lewy . . . 
Scabies, Nicotianaseife gegen, von Mar¬ 
cuse 378, Behandlung der —, von 
Sachs 1467, E^picarin bei —, v. Siebert 
Scapula, Sarcom der, von Kölliker 53, 
Hochstand der —, von Schlesinger 
13*, Totalexstirpation der —, von 

Madelung ... . .. 

Schade n ersa tzan s pru ch, e i ge nth üml i ch er, 

von Biberfeld ... . 

Schädel, Verschluss von Defecten am, 
von Büdinger 1674, — und Gehirn¬ 
verletzungen, von P'röhlich . . . . 
Schädelbasis, Bruch der, von Depage . 
Sehädelbasisfibrom, von Hopmann . . 
Schädelbasisfraetur, von Stierlin . . . 

Schädelbrüehe, von Tilmann. 

Schädelcapacität, Begründung der, von 

Virchow. 

Schädelstreifschuss, von Stierlin . . . 
Schädeltrepanation, von Gross .... 
Schallüberleitung, Helmholtz’sche Theo¬ 
rie der, aut’ das innere Ohr, von 

Engelmann. . 

Schamlippen, Conglutination der kleinen, 

von Menko. 

Schanker, experimentelle Erzeugung des 
weichen, beim Affen, von Nicolle . 
Scharlach, bösartiger, von Variot u. Deve 
175, secundäre Lvmphdrüselischwel- 
lung bei —, von Steinbo 843, Bacterien- 
befund hei —, von Baginsky 882, 
Veränderungen der Leber hei —, von 
Roger u. Garnier 1014, — und Masern, 

von El gart. 

Scharlachdesquamation, von Williams . 
Schatten probe, Grundriss der Theorie 
und Praxis der, von Neustätter . . 
Scheide, künstliche, von Sitsinsky . . 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


Seite 

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45 


919 

1154 


1283 

564 


1404 

371 

1191 

1444 


512 

483 

672 

553 


1324 

334 


1516 

133 

449 

703 

634 


1489 


1152 

715 


192 

879 

1548 

873 

62 

1115 

905 

127 


1759 

1215 

267 


1389 

787 

1313 

1314 



































































1900. 


INHALTS-'VERZEICHNIS. 


Scheiden-u Heiss wasserspüler, vonHasse 1314 
Scheiden- und Uterosvorfall, Totalexstir¬ 
pation des completen, von Froriep . 309 
Scheidenbruch, vorderer, von Rose . . 1387 
Scheiden drüsen, von Davidsohn . . . 1781 
Scheidengewölbe, Zerreissung der, sub 

coitu, von Schaeffer.333 

Scheidenirrigationen, Gefahren der, von 

Theilhaber. 834 

Scheidenkeime, Bedeutung der, von 

Sticher.1781 

Scheidensarkom, primäres, von Seilz . 1464 

Scheidenspölungen, Einfluss der,während 
der Gebart auf den Wochenbett verlauf, 

von Krönig. 1 

Scheidentampons, Instrument zum Selbst¬ 
einführen von, von Wille ... 1383 
Scheidentumoren, chorio epitheliale, von 

Schmitt.1707 

Scheindesinfection, von Ahlfeld . . . 1636 

Schematismus der Aerzte in Bayern . 78H 

Schenk, Prof., entfernt . . 65 

Schenkelgeschwüre, Bacteriotherapie der, 

von Honl.235 

Schenkelhalsverbiegung, Ursachen der 
statischen, von Manz 1460, Nachweis 
der Kocher’schen — durch Röntgen¬ 
strahlen, von Lanenstein.1635 

Schenkelkopfexstirpation, von Riese . 514 

Sehenkelsporn, von Solger.947 

Schenkung.1684 

Schiefhals, von Hoffa.706 

Schiefhals-Behandlung, von v. Noorden 323 
Schiffs- und Tropenkrankheiten, Institut 
für, in Hamburg .... 178, 210, 211 
Schilddrüse, Function der, vonBaldi 131, 

— von Gauthier 1279, Verhalten der — 
bei Infectionskrankheiten, von Torri 
1016, — als entgiftendes Organ, von 

Blum. 1051 

Schilddrüsenbehandlung der Idiotie, von 

Neu mann.1605 

Schilddrüsengift, Wirkung und Nach¬ 
wirkung von, von Porges.514 

Schilddrüsensaft, Wirkung des, auf Circu- 

lation und Athmung, von v. Feny vessy 266 

Schilddrüsentabletten .550 

Schlafmittel, von Binz.1427 

Schlaflosigkeit, Constatirung der, von 

Deutsch ... . 

Schlangenbiss geheilt durch Calmette's 

Serum, von Rennie . .. 

Schlangengift, Chemie, Toxikologie und 
Behandlung des, von Brown . . . 
S<hk‘ich'schesVerfahren,vonBaumgarten 
Schleifenendigung. Hauben bahnen, dor¬ 
sales Längsbündel und hintere Com- 

missur, von Probst . 

Schleimbeutelerkrankungen, seltenere, 

von Ehrhardt. 

Schleimdrüsen, Cysten und Cvstortbroine 
der retrotrachf alen, von Simmomls 
Schleimkolik und inembranö3er Diek- 

darmkatarrli, von Schütz. 

Sclileimhautpemphigus als Ursache der 
Verwachsung des weichen Gaumens, 

von Avellis . 

Schlinge,vereinfachte kalte,vonSchneider 

SChlitzspeculum, von Zepler. 

Schlottergelenke der Schulter, von WölfT 
Schmerz in der Gynäkologie, von Lorner 
Schraerzempfindungen, Verlegen der, in 
d : e Bauchhöhle, von Obrostzow . . 
Schmidt sehe Probe, von Schorlemmer 
Schmierkur, Ersatz der, von Welander 
Schnupfen, Uebertragbarkeit des, von I 

Ferrni. 

Schock, Verhütung des, bei chirurgischen 
Operationen, von Moynihan 21, Be¬ 
handlung des —, von ITall 21, Methode, 
dem — und der Infection bei Opera¬ 
tionen vorzubeugen, von Türck 1149, 
Hypodermoklysis bei —, von Kaue 1468 
Schreiben mit der Schreibmaschine, von 

Seeligmüller.1150 j 

Schrumpfniere, Blaublindheit bei, von j 

Gerhardt I, — mit Amyloid, von 
Krause.1019 


1215 


21 


337 

130 


808 

261 

1578 

573 


321 

444 

163 

557 

544 


458 

335 

. 1-106 


Seite 

Schütteltremor, neurasthenischer, nach 

Trauma, von Becker.314 

Schulanaemie, von Starck.1573 

Schulärzte, in Berlin *26, 519, — von 

Weiss 295, von Sternfeld.380 

Schularztfrage, 923, von Lohnstein 58, 
von Radziejewski 9**, Psychiatrisches 

zur —, von Wevgandt.148 

Schulbank, Construetion der, von Brad¬ 
ford und Stone. 59 

Schulconfcrenz.850 

Schule s. a. Hilfsschule. 
Schulgesundheitslehre, von Eulenberg 

und Bach.399 

Schulhygiene, von Ilamlin 878, Hand¬ 
buch der —, von Baginsky 1212, — 
in Schöneberg, von Hirsch ... 1581 
Sehulinspection, ärztliche, von Mc Adam 878 
Schulterblatt s. a. S'apula. 

Schulterblatt. Hochstellung des, v. Novd- 

Josserand und Brisson ...... 1014 

Schulterblatt, Abtragung des, von Picque 

und Dartigues . ..1279 

Schultergelenksluxation, Behandlung der 
habituellen, von Grothe 650, von 

Müller.1380 

Schultergürtel, Entfernung des, wegen 
Sarkom der Scapula, von Kölliker 53, 
Verschiebung des —, von Kirsch . .1714 
Schulterluxation, Ursachen der habi¬ 
tuellen, von Samter.707 

Schulterverrenkung, Einrichtung der vor¬ 
deren, von Graef.1389 

Schutzimpfungen, Report über die Iluff- 

kine'sehen.442 

Schutzpockenimpfung, Bericht über die 
von Voigt 1352, — Ergebnisse der, 
in Bayern i. J. 1899, von Stumpf . . 1741 
Schussinfection, experimentelle Studien 

über, von Kayser.874 

Sehussverletzung, gleichzeitige, an Brust 
und Bauchhöhle, von König 203, — 
der Leber, von Braun 301, pulsirender 
Exophthalmus nach - , von Wageti- 
raann 301, — des Schädels, von 

Braun.1018 

Schusswunden s. a. Gewehrschusswunden. 
Schusswunden, von Border 1468, — im 
Burenkrieg, von Sick 906, durch 

Mauserkugeln, von Cox.1675 

Schwangere, Einfluss des Zuckers auf 

den Stoffwechsel der, von Payer . . 95 

Schwangerenuntersuchung, Leitfaden für 

die, von Winternitz.260 

Schwangerschaft s. a. Gravi di tas, Extra¬ 
uteringravidität. 

Schwangerschaft, künstliche Unterbrech¬ 
ung der, von Heymann 19, Erkennen 
abgelaufener früherer, von Opitz 202, 

— nach Hysterokolpokleisis, von 
Menge 513, chirurgisches Eingreifen 
bei extrauteriner —, von Prochownik 
1093, künstliche Unterbrechung der 
—, von v. Braitenberg 1115, Stoff¬ 
wechsel wahrend der—, von Schräder 
1183, — und Ovarientumor, von 
Mond 1230, — bei Stillenden, von 
Biedert 1256, Complication von — 
und Ovarialkystom, von Fehling 1134, 
durch Myome des Uterus complicirte 
—, von Pahedinsky 1750, Verhütung 
der —, von Hager 1791 , Herzfehler 
und —, von v. Guerard 1832, günstiger 
Einfluss der — auf die Enteroptose, 

von Mai Hart.1832 

Schwangerschaftsdauer, von v. Winckel 1437 
S ch wa n g er.sei laftszei che n, individuelle, 

von Naegeli. 836 

Schwarzwasserfieber, von Karamitsas 

1250, — nach Eueliiniii, von Richter 878 
Schweiss, englischer, von Ebstein . . 975 
Schweissdrüsen, fehlende, von Taendler 1581 
Schweisse, spinale, und Schweissbahnen, 

von Schlesinger.405 

Schwimmbad, Selbstreinigung eines, von 

Ililsum.842 

Schwimmbassin, Ansteckungsgefahr der, 

von Maschke.813 


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xr.v 

Seite 

Schwindsüchtige, Ruhe- und Luftliegccur 

bei, von Dettweiler.1113 

Schwitzen, Einfluss des, auf die Magen- 

saftsecretion, von Simon.127 

Sclerosensecret, Ueberimpfen von, von 

Adrian.335 

Scorbut auf dem Lande, von Rothschild 
83. Ursache des kindlichen —, von 
Corlette 1443, Pathologie und Therapie 

des —, von Wriglit.1505 

Scrophulose, Zusammenhang zwischen, 
und Trachom, von Bäck 255, Therapie 
der, und Phthisis incipiens, von Levy 
307, Entstehung der von Volland 
634, — und Tuberculose, von Ponfick 1473 
Seborrhoea corporis, von Török .... 336 
Sectio caesarea, von v. Braun-Fernwald 
18, — Porro, von Riedinger 1086, — 

— in moribunda, von Prokess 368, 
Indications8tellung der —, von Frank 438 
Sectionsbefunde, seltene, von Kolster . 129 

Sectionsprotokoli, von Busse . . . 972 

Sectionstisch, Technik undDiagnostik am, 

von Graopner und Zimmermann . 18 

Secrete, Bacteriologie der puerperalen, 

von Döderlein und Winternitz . . . 1635 
Secundärnaht des Plexus brachicalis, von 

Thornburn.780 

Secundärsyphilis, Nephritis bei, von 

Stapler.175 

Seekrankheit 210, von Washburn 07, 

Behandlung der —, von Mc Dougall 815 
Sehleistungen von Gemeindeschulabitu- 

rienten, von Radziejewski. 98 

Sehnen-Muskelumptlanzung, von Müller 163 
Sehnennaht, von .Tochner . . ... 1596 
Sehnenplastik in der Orthopaedie von 
Lange 917, — und Bänderplastik bei 
Fussdeformitäten, von Frank . . . 1472 
Sehnenrupturen, subcutane, von Kirch- 

mayr.1638 

Sehnenüberpflanzung, von Vulpius . . 1319 
Sehnenverpflanzungen, periostale, hei 

Lähmungen, von Lange.486 

Sehnenzerreissungen, von Vulpius . . 569 
Sehnervenatrophie, glaukomatöse, von 

Schnabel.753 

Sehorgan,Verletzungen des, mit Kalk etc., 
von Andreae 260, Unfallverletzungen 

des —, von Ammann.1010 

Sehschärfe und Treffsicherheit, von 

Steiger.266 

Sehstörungen, Mechanismus corticaler, 

von Hitzig.1603 

Seifenspiritus als Händedesinficiens, von 

Ahlfeld.1636 

Seitenstränge, systematische Erkrankung 

der, bei Carcinose, von Meyer . . 589 
Selbstbeschädigung auf hysterischer 

Grundlage, von Eversmann .... 290 
Selbstinfectionslehre, Berechtigung der, 

in der Geburtshilfe, von Fehling . 1651 
Selbstlüftungseoefficient kleiner Wohn- 

räume, von Wolpert. 440 

Selbstmord, Lehre vom, nach 300 Sec- 
tionen, von Heller 1653, Bemerkungen 

hiezu, von Besteimeyer.1780 

Selenige und teil arische Säure in der 

Bacteriologie, von Seheurlen .... 370 
Sensibilitätsstörung im Gebiet des N. cut. 

femoris ext., von Nawratski .... 1011 
Septicaemie, mit Marmorekserum be¬ 
handelte acute, von de Sergncux 19, 
puerperale —, von Doleris 1284, von 
Menge u. Krönig 1284, von Pestalozza 1285 
Serotaxis durch Aetzkalilösungen, von 

Frickenliaus.553 

Serratuslühmiing, isolirte, von Brodmnnn 5tK) 
Serum s. a. Iminunserum, Marruorek- 
serum, Taubenserum. 

Serum, Calmette’s, gegen Schlangenbiss, 
von Rennie 21, antileukocytäres —, 
von Funk 842, zellenlösende —, von 
Schütze 1013, ervthrocytenlösendes 

—, von Krompeclier.1707 

Serumagar, Joos’scher, von Scboedel . 896 
Serumenanthemc, Anatomie und Patho¬ 
genese der, von Seiffert.1476 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






























































XLVI 


INHALTS-YERZEICHN1S3. 


1900- 


Seite 


Serumreaction bei Proteus vulgaris, von 

Rodella.701 

Serumtherapie, von Wassermann 704, 
von Dokenham 1443, von Galatti . 1476 
Sexualemp tindung, Behandlung contriirer, 

von Fuchs .702 

Sexualerkrankungen , Zusammenhang 
zwischen — und Geisteskrankheit und 

Verbrechen, von Jones.1405 

Sexualorgane, Störung der physiologi¬ 
schen Function der weiblichen, von 

lvoblanck .1503 

Shakespeare und die Psychiatrie, von 

f loche .811 

Siderosis, experimentelle, von Nölke . 545 

Sidonal, von Blumenthal.372 

Siegenbeek van Heukelom, von Tendeloo 1745 
Signalhörner, In fectionsgefahr durch, von 

Brähmer.946 

Silber, Anwendung des, in der Histologie, 
von Salge und Stoeltzner ... 60 

Silberimprägnirung, von Mosse ... . 782 
Singen, Theorie der Abdominalatlmiuiig 

beim, von Hellat.130 

Sinus, Sondiren des, frontalis, von 

Struycken.1504 

Sinusblutung, von Bertelsmann .... 1641 
Sinusoperntionen, Luftembolie bei, von 

Meier.813 

Sinuspyaemie, von Kerr ..... .1710 

Sinusthrombose, von SteDger 338, von 
Gluck 711, klin. Verlauf und Ope¬ 
rationstechnik bei —, von Whiting, 620 

Sirolin, von Oelberg.634 

Situs viscerum inversus, von Koller 742, 
von Barbo 942, von Impallomeni . 1613 
Skiagramme, von Tschmarke .... 1150 


Skiaskopie s. a. Schattenprobe. 

Skelet, Knochen Veränderungen an prä¬ 
historischen, von Zambaco . . . .1122 
Sklerema neonatorum oedematosurn in 
Zusammenhang mit Lungenblutung, 


von Esser .... . 352 

Sklerodermie, von Rosin 1118, locale —, 
von Brandt 557, Casuistik und Thera¬ 
pie der —, von Lindemann .... 807 


Sklerose, herdförmige, von Lannois und 
Paviot 100, Aetiologife und pathol. 
Anatomie der multiplen —, von Ba¬ 
hnt 6>*9, pathologische Histologie der 
multiplen —, vonThoma 1314, Sensi¬ 
bilitätsstörungen bei — polyinsularis, 


von v. Gebhardt.1670 

Skoliose s. a. Corset. 

Skoliose, von Williams 1443, — ischia 


dica, von Krecke 129, Redression 
schwerer —, von Schanz 707, —, Genu 
valgum u. PI ttfuss, von Clarke 1403, 
— und Spitzeninfiltrationen im Kindes¬ 


alter, von Mosse 1572, Gipsbehand¬ 
lung der —, von Schanz 1588, Heil¬ 
barkeit der habituellen —, von Port 
1625, habituelle — , von Bum 16h0, 
Pathologie und Therapie der —, von 

Kirsch .1714 

Skoliosenbehandlung, Fortschritte der, 
von Hoffa 69*, portative Apparate in 

der —, von Schanz .873 

Smegmabacillus, von Pahms.1468 

Solan in, Entstehung des, in den Kar¬ 
toffeln, von Weil.1707 

Somnambulismus und Spiritismus, von 

Loewenfeld.472 

Somnolenz, hysterische, und das Doppel¬ 
bewusstsein, von Williams .... 1506 
Sonde intra-uterine dilatatrice, von Do- 
teris, vonToff 224, elektrothermische 

—, von Schtlcking.657 

Sondirung, indirecte, von Kulm . . . 1425 
Sonnenlicht, Einfluss des, auf Bacterien, 

von Kedzior .514 

Soolen, jodhaltige, von Salso-Maggiore, 

von Ceccherelli.1148 

Soor, Behandlung des, von Kürt 1639, 
Obturationsstenose des Oesophagus 

durch —, von Fraenkel.1758 

Spiitdiphtherie im Nasenrachenraum, von 
Esch woiler. 568 


Seite 

Spargel als Diureticum, von Hare . . 66 

Spasmus nutans, von Ausch .... 699 
Speculum, geschlitztes, von Preise 19, 
einfaches selbsthaltendes --, von 
Steinschneider 876, von v. Mutach . 976 
Speichel s. a. Mundspeichel. 

Speichel und sein Einfluss auf die Magen¬ 
verdauung, von Cohn 234, Rhodan¬ 
gehalt des —, von Muck.1732 

Speichel- und Thränendrüsen, symmetri¬ 
sche Erkrankung der, von Alsberg . 1834 
Speiehelsteinbildung, von Hanszel . . 300 
Speicheltumor in der Parotisgegend, von 

Morestin.1218 

Speiseröhre s. a. Oesophagus. 

Speiseröhre, oesophagoskopische Dia¬ 
gnose des Pulsionsdivertikels der, 
von Killian 113, Pathologie der —, 
von Kleiner 529, Diagnose der Di¬ 
vertikel der —, von Jung 700, Ver¬ 
ätzung der — durch Aetziauge, von 
Bomikoel 1572, Divertikel und Ekta¬ 
sien der — , von Rosenheim 1572, 
Differentialdiagnose zwischen Diver¬ 
tikeln und Dilatation der -, von Jung 1672 
Speiseröhrenerkrankungen, von Reitzen¬ 
stein . 1089 

Speiserührenerweiterung, chirurgische 
Behandlung der spindelförmigen, von 

Martin.1472 

Speitopf, neuer, für Phthisiker, von Jung¬ 
mann .175 

Spermareaction, Florence’sche, von de 

Crecchio.1389 

Sperrvorrichtungen im Thierreich, von 

Thilo.399 

Sphygmomanometer, Riva - Rocci'scher, 

von Gumprecht.597 

Spina bifida, von Steiner 476, von 
Krause 555, von Tschmarke 1190, 
von Bartz 1471, Behandlung der —, 
von Villemin 882, von Hennemann 1380 
Spinalflüssigkeit, neuer Bestandtlieil der 
normalen, von Gumprecht . . . 662 

Spinallühmtingen, transitorische, von 

Krewer.200 

Spinalparalyse, spastische und syphili¬ 
tische, von Friedmann 128, spastische 
—, von Democh 808, infantile, fami¬ 
liäre, spastische —, von v. Krafft- 
Ebing 1011, syphilitische spastische 
—, von Schubert und v. Rad . . . 1760 
Spinalpunction, Wirksamkeit der, von 

Grober. 245 

Splanchnicus, motorischer Einfluss des, 

auf den Dünndarm, von Päl . . . 264 
Splenectomie, von Bessel-Hagen 666, 
von Jonnesco 1218, — wegen con- 
gestiver Hypertrophie, von Boree . 1117 
Splenomegalie, hereditäre Form von, 

von Minkowski.662 

Spondylitis, Drucklähmung des Dorsal- 
marks in Folge von — tuberculosa, 
von Meisel 402, ankylosirende —, 
von Auerbach 750, — typhosa, von 
Schanz 873, von Lovett und Wi- 
thington 1247, — rhizomelica, von 
Menko 266, von Levi 548, von Can- 

tani.J 639 

Spontanamputation, intrauterine, von 

Wolff. ,618 

Spontanfractur des Oberschenkels, von 

Lauen stein.340 

Spontnngangraen, von Sternberg . . . 1602 

Sporozoenforschung, Ergebnisse der 

neueren, von Lühe.546 

Sport, Trainiren zum, von Hoole . . . 1540 

Sportathmen, von Matthaei ..... 130 

Sprachcentrum, Verletzung des, von 

Longard.1471 

Spulwürmer, Verdauungscan aj der, als 
Sitz von Infectionsträgern, von De- 

matei. 1247 

Sputumuntersuchungen für Kassenmit¬ 
glieder in Berlin 243, — durch die 
Bnhnttrzte, von Hager .947 


Seite 


Staatsdienst, Prüfung für den ärztlichen, 

in Bayern. 1123, 1124, 1406 

Städteasyl, psychiatrisches, von Danne 

mann. 

Standesordnung, hessische . . . 

! Staphylococcus quadrigeminus Czaplews- 
ky, von Kieseritzky 1354, — mit Hefe, 
von Mc Nair Scoff 1542, Morpho¬ 
logie des — albus, von Saul . 
Staphylococcenenteriti8 der Brustkinder, 

von Moro.. . . 

StarausziehuDg bei Einäugigen, von 

Mendel . 

j Staroperation, Fistelbildung nach, von 

Elschnig. 

Staubinhalation, Diagnose der durch ge¬ 
werbliche, hervorgerufenen Lungen¬ 
veränderungen, von Bäumler . 
Stauungsascites, Beseitigung von, auf 
operativem Wege, von Grisson 
Stauungsblutungen nach Rumpfcompres- 
sion, von Braun 1142, von Neck 
Steine im Ureter, von Morris 165, Ent¬ 
fernung grosser — aus der Blase 

von Freyer . 

Steinkohlenfelder, Ausdehnung und Zu¬ 
sammenhang der deutschen, von 

Holzapfel. 

Steinkranke, Bericht über 630, von As- 

sendelft. 

Steinniere, von Steiner. 

Stein-Nummer der Indian Med. Gazette 


625 

1446 


1550 

1573 

877 

1752 


525 

183 

1502 


1403 


1510 

201 

1710 

1709 


Steinoperationen in Mooltau, von Da¬ 
vidson .1710 

Stenose, hochgradige, des Athmungs- 

canales, von Lenzmann.515 

Sterbekasseverein, bayer.451 

Sterblichkeit s. a. Syphilis. 

Sterblichkeit in Griechenland, von Papa- 
dakis 1517, — der hereditär-luetischen 
Säuglinge, von Freund ..... . 1573 
Sterilisation, s. a. Hände, Desinfection. 
S‘erilisation der Hände mittels Chirol, 
von Kossmann 875, — der Hände, 

von Levai. 1086 

Sterilisationsapparat, handlicher elektri¬ 
scher, von Hecht . . . .1240 

Sterilisirung des Nahtmateriales, von 

Sticher. 96 

Sterilität und Tripper, von Benzler . . 334 
Sternalspalte, Untersuchung eines Falles 
von angeborener — mittels fluores- 
cirenden Schirmes, von v. Criegern 1378 
Stickhusten, Bacteriologie des, von Am¬ 
heim.270 


Stickstoffaii8scheidung, Einfluss grösserer 

Wassermengen auf die, von Neumann 546 
Stichverletzung des Ohres mit Ausfluss 
von Hirnwasser, von Löhnberg . . 81 

Stillen s. a. Frauen. 

Stillen, Unfähigkeit der Mütter, zu, von 

Conrads .1475 

Stimmermüdung, Psychologie der, von 

Breitung. 538 

Stimmritzenkrampf, von Fischbein . . 1472 
Stirn- und Kieferhöhle s. a. Highmors¬ 
höhle, Kieferhöhle. 

Stirn- und Kieferhöhle, Nachbehandlung 
chronischer Eiterungen der —, von 
Lenzmann 516, Erkrankungen der —, 


von Lipowski .1637 

Stirnhöhleneiterung, Behandlung der, 

von Winckler. 77 

Stirnhöhlenempyeme, Nachbehandlung 

operirter, von Muck .130 

Stimhöhlengeschwülste, von Moser . . 262 
Stirnlagen, Entstehung der, von Glitsch 1706 
Stirnlappenabscess, von Stenger . . . 338 
Stirnspiegel, sauberer, von Zarniko . . 916 
Stoffwechsel, Physik des organischen, 

_ j i-»_.T-k_i orn ir^ 


Strausse, infectiöse Krankheit der, von 

Marx.. . 1012 

Streckmetall, ein neues Schienenmaterial, 
von Hübscher.368 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 













































































1900. 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


XLVII 


SritP. 

Streik von Spitalärzten.670 

Streptococcus, Wahl des Nährbodens 
beim Nachweis von, von Menge u. 
Krönig 203, anaörober —, von Stern¬ 
berg 909, nener pathogener —, von 

Libmann.1426 

Strictoren, Behandlung der callösen 

resilienten, von Lohnstein .... 845 

Ströme s. a. Wechselströme. 

Ströme, häutig unterbrochene, in der 
Gynäkologie, von Apostoli 106, An¬ 
wendung hochgespannter —, von 

Eulenburg.241 

Strophanthus, Wirkung von, von Pisani 909 
Struma, luetische, von Wermann 234, 

— suprarenalis, von v. Winckel 1436, 
Diagnostik der malignen —, von Hahn 1831 
Strychninwirkung, Einfluss derSauerstoff- 
athmung auf die, von Osterwald . . 1751 
Stümpfe, Erzielung tragfähiger, von 

Hirsch. 478, 630, 980 

Stülzeorsett,ortbopaedi 8 ches,vonVulpiu 8 

707, von Weinberger.1246 

Stuhl, Häufigkeit und Bedeutung der 
Krystalle im, von Schilling .... 1457 
Stummheit, hysterische, durch Intoxi- 

cation, von Bloch . . . . 968 

Südafrikanischer Krieg 67, 139, 178, 179, 

243, 345, 347, 408, 485, 523, 906,1675, 

1684, — von Dent 944, Verletzungen 
im —, von Treves 986, kriegschirurgi¬ 
sche Erfahrungen aus dem —, von 

Küttner ... 1832 

Südafrika, seine vorherrschenden Krank¬ 
heiten und gesundheitlichen Ver¬ 
hältnisse. von Kolle 135, Briefe von 
der Deutschen Ambulanz des Rothen 
Kreuzes in —, von Hildebrandt 509, 

540. 738, erste Niederländische Am¬ 
bulanz in —, von Korteweg 62 O, 
Typhus in —von Doyle 988, von 

Packer.1505 

Südpolarexpedition, Plan und Aufgaben 
der deutschen, von v. Drygalski . . 1512 
Suggestion und Psychotherapie, von 

Dubois.266 

Superacidität, diaetetische Behandlung 
bei, von Backmann 265, Fettdiät 

bei —, von Backmann.1141 

Sympatliieus, Resection des Cervical- 
abschnittes des, von Jonnesco 1219, 
Entfernung des oberen Halsganglion 
des —von Burghard 1403, Resection 

des von Ball.1468 

Symphysenruptur, von Sa vor .... 20 

Symphvseotomie, von Bulst 22, — von 
Jacob 1399, — von Frank 1437, von 
Gross 1832, Indicationsstellung der 

—, von Fritsch.1636 

Syncytioma malignum, von Franz 950, 
beginnendes —, von Poten und 

Vassmer.1781 

Synovitis, Behandlung der acuten serösen, 

von Hoffmann.878 

Synthese im Thierkörper, von Hilde- 

brandt.628 

Syphilide, zonenförmige, von Barbe . . 1440 
Syphiiiderma, haemorrhagicum adulto¬ 
rum, von Piciardi .... ... 475 

Syphilis, g. a. Darmsyphilis, Herz, Hirn- 
syphilis, Hirn Veränderungen, Hydro¬ 
therapie, Initialsclerose, Infections- 
krankheiten, I^ebercirrhose, Magen, 
Nephritis, Orchitis, Phalangitis,Pri mür- 
affect, Schmierkur, Sclerosensecret, I 
Secundärsyphilis, Spinalparalyse, | 
Sterblichkeit, vener. Krankheiten. 

Syphilis, tertiäre, von Solger 1/0, Er¬ 
krankungen der oberen Luftwege im 
secundären Stadium der —, von 
J/>chte 272, Behandlung der — mit 
QnecksiJberinjectionen, von Brandt 

273,_in larvirter Gestalt, von Merkel 

304, _der Zungentonsille, von Heller 

333* von Lublinski 552,591, Persistenz 
der histologischen Gewebsverände- 
r a n g en bei —, von Hjelmsnn 384, 


Rachen- und Kehlkopfaffectionen bri 
—, von Jordan 335, Mercuriol bei —, 
von Blomqvist und Ahmann 336, — des 
Centralnervensystems, von Nebclthau 
439, Behandlung der —, mit Jodalbacid 
von Bries .548, Einfluss der — auf die 
Sterblichkeit unter Versicherten, von 
Runeberg 778, viscerale Form der 
congenitalen —, von Oberndorfer 1114, 
Beziehungen der — zu Tabes und 
Paralyse, von ßermann 1215, Ge¬ 
schichte der —, von Reber 1215, — 
des Magens, von Einhorn 1243, — 
des Extremitäten, von Sybel 1353, — 
in Nicaragua, von Rothschuh 1432, 

— und deren Associationsinfectionen, 
von Bulkley 1440, Ducrev 1440, Hal- 
lopeau 1441, — und asociirte Infec- 
tionen, von Neisser 1476, Erschein¬ 
ungen der —, von Bruhns 1603, Ge¬ 
schichte und allgemeine Pathologie 
der — von Lesser 1603, — innerer 
Organe, von Gerhardt 1638, Behand¬ 
lung der —, von Bruhns 16/3, Re- 
infection mit —, von Hutchinson 1675, 
Tonsillenschlitzung bei—, von Nicolai 1760 
Syphilisaetiologie, von Schüller . . 658 

Syphilisbehandlung durch Inhalation, 

von Kutner. 96 

Syphiliscontagium und Syphilistherapie, 

von Lang.714, 909 

Syphilisinfection, Stoffwechsel bei fri¬ 
scher, von Radaeli .1389 

Syphiliskörperchen, neue, von Lostorfer 671 
Syphilisreaction, Justus’sche, von Jones 1468 
Syphilistherapie, von Lang 714, von 

v. Watraszewsky.335 

Syringomyelie, von Stolz 134, von de 
Renzi 909, von v. Rad 1150, Otitis 
media bei —, von Matte.1248 


T. 

Tabes s a. Arthropathia. 

Tabes, Pathologie der, von Gowers 22, 

— cervicalis ohne Reflexstarrheit der 
Pupille, von de Buck 167, sensorielle 
Krisen bei — dorsalis, von Umber 
588, Therapie der —, von Benedikt 
561, Frühdiagnose der —, von Erb 
812, 989« von Adams-Lehmann 1060, 
Aetiologie und Therapie der — dor¬ 
salis, von Pel 1088, — dorsalis bei 
Kindern, von v. Rad 1090, mechanische 
MuskelerregbarkeitundSehnenreflexe 

Lei — dorsalis, von Frenkel . . .1314 

Tabiker, von Schwarz.173 

Tablettenfrage. 66 

Tachycardie, paroxysmale, von IJoff- 

mann. 666, 1212 

Taenia africana, von v. LinstoW 1603, 
Durchbohrung des Duodenums und 
Pankreas durch eine —, von Stieda 1042 
Talent, mathematisches, von Mocbius . 99 

Talusextirpation, von Merkel.751 

Tannopin, von Tittel 307, — als Dann¬ 
adstringens, von Doernberger . . . 464 
Tarsoptose und Tarsalgie, von Bloch . 1319 
Taschenbuch für Dermatologen und Uro¬ 
logen, von v. Notthafft.774 

Taschenphantom, geburtshilfliches, von 

Müller.872 

Taschensterilisirapparat, von Bofinger . 508 
Taubenserum, bacteriolytische Wirkung 

des, von Kraus und Clairmont . . 907 
Taubheit, Feststellung einseitiger, von 
Röhr 130, Diagnose der einseitigen —, 
von Wanner 807, Symptomatologie 
der hysterischen - , von Barth . . 843 
Taubstumme, Untersuchungsergebnisse 
bei, von Bezold 1248, die — der Prov.- 
Taubstummen-Anstalt zu Soest, von 

Denker.1240 

Taubstummenanstalten 715, bayerische 

— 715, Bericht der — zu Ratibor, 

von Hecht.621 


Seite 

Taubstummheit, lleiralhcu zwischen 
Blutsverwandten und, von Huth . . 441 
Taubstummenunterricht, Reform des, 

von Keller. . 479 

Taxen, ärztliche, von Biberfeld .... 1708 
Technik der histologischen Untersuchung 
pathologisch-anatomischer Präparate, 
von v. K ah Iden 1704, mikroskopische 
—, von Friedländer ... ... 1500 

Temperatur, Grenzen der normalen, von 
Marx 93, Differenz zwischen der — 
des Rectum und der Achselhöhle bei 
der eitrigen Appendicitis, von Schüle 
603, — in tropischen Meeren, von 

Mayer.1793 

Temperatursteigerungen. posttyphöse, 
von Riva Olt», Bedeutung ephemerer 

—, von Fromm. 973 

Tendovaginitis capitis longi bicipitis, von 

Goldflam.1322 

Tensor tympani, Reflexbewegung des, 

von Hammerscblag.1248 

Teratoma ovarii, von Falk.669 

I Terpentin und Quecksilber, von Loza . 1518 
Terpentinölwirkung, von Schulz . . . 357 
Tertianaparasit, von Maurer . . 1245 

Teslaströme, Wirkung der, auf den Stoff¬ 
wechsel, von Loewy und Cohn 1214, 
therapeutische Versuche mit —, von 

Cohn.1214 

Tetanie, von Westphal 1758, — und te- 
tanoide Zustände im ersten Kindes¬ 
alter, von Thiemich 299, recurrirende 
—, von Hödlmoser 1052, — nach In- 
toxication, von Dämmer 1587, — und 
Eklampsie im Kindesalter, von 

Hecker.1610 

Tetanus, von Naunyn 405, Carbolsäure 
gegen —, von Woods 177, — trau- 
maticus, von Müller 318, durch Anti¬ 
toxin geheilter —, von Murray 442, 
geheilter traumatischer —, von Dyson 
412, Behandlung des — der Pferde 
j mit Carbol, von Place 442, — puer- 
peralis, von Kentmann 4/3, von Sie- 
! bourg 175u, Aetiologie des —, von 
| Tbalmann 778, — nach Schussver¬ 
letzung, von Kaposi 1143, mit Gehirn- 
I emul 8 ion behandelte Fälle von — 
traumaticus, von Krokiewicz 1184, 

— traumaticus compl. durch Darm¬ 
verschluss, von Krey und Sarauw 
1210, durch Tizzoni ’ s Te tanusan ti tox in 
geheilter Fall von —, von Iloma 
1752, — nach gynftkologischer Ope¬ 
ration, von Menzer .1756 

Tetanusantitoxin, von Abbe 945, intra- 
cerebrale Injet tion von , von Cutli- 
bert 21, Werthbestimmung des —, 

von Behring .129 

Tetanusbehandlung mit Antitoxin, von 

Reuter . . 1211 

Tetanusgift, Zerstörung des — im Magen, 

von Brusco und Fräsetto .... 1406 
Tetanus Vergiftung, von Miyamato . . .1115 
Thalsperren wasser, von Fraenkel . . . 1356 
Therapie, physikalische, von Goldschei¬ 
der 25, 103, pneumatische —- von 
1875—1900, von Lazarus 164, — mit 
Alkalien und Säuren, von Dalche 922, 
Kncyclopaedie der —, von Liebreich 
973, Technik der speciellen —, von 
(rumprecht 1G69, Vorlesungen über 
j specielle — innerer Krankheiten, von 

, Ortner .1746 

Thermalwasser,Schinznacher,vonAmsler 701 
I Thermometer, Einführung des handert- 

theiligen ..955 

Thermophor s. u. Milchtliermophor. 
Thermophorapparate, von Aly .... 881 

| Thermotherapie, von Thiem.1551 

Thiere, wie finden die, nach Hause? von 

Bethe.811 

Thierlungen, Keimgehalt normaler, von 

Müller.1643 

Thiol bei Frauenkrankheiten, von Zander 242 
Thomsen’Bche Krankheit 8 . a. Myotonie. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

















































Seile 


Seite 


XIA Ul 


1 NII AI /PS- VERZEICHN 1 SS. 


1900. 


Thomseu’öche Krankheit, von lloffmann 
«12, von Beck 1612, von Weiss 1612, 
von Koch 1712, neue Behandlung der 

— f von Gessler . 774 

Thoracopagus.von Palleskel313, von Toff 1493 

Thoracoplnslik, vmt Longard.1172 

Thoraxscito, 1‘esection der linken, von 

Baissier ...... .... 480 

Thranenahtluss, Behandlung deHAbstruc- 

lion den, von Berry .1443 

Thrilnencanälchen, Pilzmassen im, von 

Silberschmidt.0:>8 

Thrombophlebitis der Sinus, von Riese 706 
Thrombose, marantische, von v. Leyden 
fc82, — in den Venen des Beckens, 

von Lennander.1506 

Thymus, innere Secreiion der, von Svehla 545 
Thymusdämpfung, von Oestreich 84;), 

Von Blumenreich.1183 

Thymusdrüse, Rolle der, von Svehla . 1476 
Thymushyperplasie, von Proebsting . . 100 

Thvmustod, von Kohn .■ 910 

Thyreoidin bei Entfettungseuren, von 

Schi öd tc .264 

Thyreoiditis acuta, von Stamm .... 699 

Thyreoptosis, Folge)) der, von Kocher. 1086 
Tibia, Absprengungsfractur der, vo)i 
Lauenstein 93, Osteoplastik bei De- 
fecten der, von Sehloffer 94, con¬ 
genitaler Defect der —, von Tschmarke 1190 

Tibiadefect, von Grosse.706 

Tod s. a Hungertod, Verblutungstod. 

Tod, Ursachen des, bei Verbrennungen 

und Verbrühungen, von Scholz . . 152 

Todesfälle: Abbcgg 1446, Acconi 1615, 
Acland 1518, Albert 14 8, Althaus 883, 
Altmann 1796, Anders 1060, Auderson 
1684,Apostoli 755,Arndt l48o,Aub409, 
Bergeat 1583, Berger ö2o, Boeckel 348, 

Bose 596, Brosin 820, Browning 1552, 
Brunetti 179, Bruno 379, Bölau 1615, 
Cordes 1480, da Costa 1446, 1518, 
Cristeller 1060, Crudeli 850, Deces 
348, Del stauche 211, Deroide 1720, 
Douglas Maclagan 596, Duplouy 1720, 
Eigenbrodt 820, Ellis 716, Embleton 
1720, Faesebeck 103, Falconi 1123, 
Griggs 1446, Gruber 484, Hammond 
179, Hanau 1288, llartlaub 1684, Hirsch 
1518, Iloadley 276, Hofmann 308, 366, 
Hofmann 924, Hofmokl 484, Holmes 
4'j9, Hood 564, Hughes 1615, Knoll 
211, Korssakow 755, Kotljar 1480, 
Kruse 308, Kühne 883, Kuhn 1367, 

Lach 988, Lange 820, Leichtenstern 
308, 430, Leonard <16, Leroy 409, 
Lewandowski 880, v. Limbeck 716, 

Lissa 880, Long 788, Lowe 1446, Ma- 
son 179, Mc Guire 14t>0, Meyer 244, 

Mich] 1154, Mooren 67, Mosengeil409, 
Moxter 244, Murillo 4ö4, Murphy 484, 
Nieberding 379, Noyes 1720, Orsi 1C8, 

Otis 924, Pacetti 308, Paget 67, Po- 
dr#ze 1720, Pristley 564, Quinlan 1720, 

Rallis 148H, Ruhinstein 880, Rudolphi 
108, de Sande Saccadura Botte 348, 

Sarell 1480, Sauer 379, Saxtorph 484, 

Sayre 1518, Schaffer 1288, Seoezynski 
379, Sgrosso 596, Shaw 308, Siegen- 
beck van Heukelom 1552, Simpson 
1288,Spinola 1720, Sommer 108, Stein- 
hach 379, Stewart 244, 345, Stille 1480, 
Stokes 1224, Stscherbakow564,O’Sulli- 
van 179, Teijeiro 1552, Thorne 33, 
v. Techurtschenthaler 409, Tonrdes 
211, Valenti 179, Wagner 1154, Weiss 
883, Whistler 409, Widmann 276, Wil- 
inot 348, Wynne Foot 1446, Zarewicz 1446 

Tölz-Krankenheil.484 

Tollwuth s. a. Hundswuth. 

Tollwuth, histologisclie Veränderungen 
bei, von Laveran 954, Widerstands¬ 
fähigkeit des Virus der —, von v. 

Rdtz 1012, Pasteur’sche Schutzimpf¬ 
ungen gegen —, von Marx 1088, 
Impfungen gegen die — im Institut 
Pasteur, von Viala.1795 


Tonometer, von Uradenigo 550, von 
Gaertner 1195, Blutdruckmessungen 
mit Gärtners —, von Weiss .... 69 

Timreihe, Untersuchungen mit Bezold’s 
eontinuirlioher, von Keller 1545, von 

Denker.1545 

Tonsille, Sarkom der, von Moses . . . 443 

Tonsil!ensehlit/.ung bei Syphilis, von 

Nicolai.1760 

Tonsillotomieholag, von IJarmer . . . 1389 
Torsionsfraeturen, von Zuppinger . . 1182 

Tortieollis, operative Behandlung des, 

spasmodicus, von Wölf ler . . 165, 172 

Totalexstirpation von Scheide umirterus, 
von Sippel 201, abdominal# — hei 

Myom, von v. Guerard .1435 

Toxhaemie, tuberculose, von Maragliauo L425 
Toxische Zustände bei Kindern, von 

Alvarez.143)8 

Toxine in der Aotiologie der Bindehaut¬ 
entzündungen, von Marax 97, Wirk¬ 
ung verschiedener — auf die Cornea, 

von Coppez. 97 

Trachea, eigenartige Foriuveränderuug 

der, von Brosch.1748 

Traehealcaniile, erprobte, von Gersuny 976 
Trachcaldefecte, plustische Deckung vo)i, 

vo)i Aue ... •.873 

Tracheal- und Kehlkopfstenose)), Be¬ 
handlung von, von Niehues .... 1471 
Trachelorhekter, Zweifel’seher, von Füth 96 
Trachcoplastik, vo)i Trnka.6o7 


I Tracheotomie hei Compression der Tra¬ 
chea, von Pcs-Leusdcn301, Einheit s- 
) eanüle für —, von Gernsheim 699, 

Complicatioii bei —% von Thomas 976 
Trachom s. a. Körnerkrankheit. 

I Trachom, neuere Behandlungsmethoden 
des, von Adler 173, Scrophulose und 
—, von Bäck 255, — in der Ost¬ 
schweiz, von Bauer 701, .Todsäure, 

| Gallicin und Jodgallicin bei —, von 

: Schiele. 745 

Trachomepidemie in Berlin, von Schultz 58 
I Traite de medicine et de therapeutique, 

von Brouardel und Gilbert .... 1634 

Transfusion, von Annandale.1507 

Transplantation vonPanniculusadiposus, 
von Axenfeld 172, Thiersch’sche 
—, von Frank 1090, — eines Meta¬ 
tarsus, von Bardenheiler.302 

Trauma und Gelenkrheumatismus, von 
Schulze-Berge 210, — Epiphysen¬ 

lösung von (’oxa vorn, von Kredel 
233, aetiologische Bedeutung des - , 

von Dirska.1575 

Trepanation, von Plücker 1363, Fraise- 
apparat zur —, von Sudeck 749, ge¬ 
fahrlose —, von v. Stein 840, — 
wegen alter Schädel Verletzungen, 

von Peraire.1218 

Trepanationsfraise, S m leck ’s, von 11 eiden- 

hain.1600 

Trepanationsöffnung, Verschluss einer, 

von Krause .749 

Trichinosis, von Howard.476 

Trichophytonculturen, von Plaut . . . 978 

Triehoptilose, von Spiegler .1440 

Trigeminus, Resectionen im Gebiete des, 

von Keen und Spiller.1468 

Trigeminusneuralgie 1153, Ammonium- 

chlorid gegen , von Campbell . . 346 

Trigeminusresectionen, 24 intracranielle, 

von Krause .1219 

Trinker, Unterbringung heilbarer . . . 240 

Trinkerheilanstalt, Berliner.1018 

Trinkwasser, Bestimmung der Salpeter¬ 
säure im, von Kostjamin.1707 

Tripper und Ehe, von v. Zeissl 1638, 
persönliche Prophylaxe und Abortiv¬ 
behandlung des — heim Manne, von 
Kopp 1662, Bemerkungen hiezu, von 

Fraenkel.... .1780 

Tripperrheumatismus, Chirurg. Behand¬ 
lung des, von O'Conor.22 

Tripperspritzen, schwere Gefahr un¬ 
geeigneter .393 


.Site 


Tröploheninfcction s. a. Tuberculose. 
Tröpfcheninfection, von Koeniger . . 907 
Trommelfell, Atlas von Beleuchtungs¬ 
gebilden des, von Biirkner .... 1571 
Trommelschlegellinger, von Donath . . 849 
Trompetenmundstück, von Hintner . . 1792 
Tropen, Truppenverpflegung in den, von 

Munson.1467 

Tropendiensttauglichkeit.1223 

Tropenmedicin s. a. Medicin, Schiffs- und 
Tropenkrankheiten. 

Tropenmedicin, Schule für .307 

Tropou und Plasmon, von Müller . . . 1769 
Trunksucht, Entmündigung wegen, nach 
dem B. G.-B, von Erlenmeyer ... 92 

Tubarabort, von Franz 950, completer —, 

von Mandl.438 


Tuhargravidität, von Fischei 274, 1709, 
geplatzte —, von Franz 950, von 
Braun 10.9, — bei gleichzeitiger In- 
trauterinschwangersehaft, von Strauss 

1781, von Thorn.1789 

Tube, Ruptur der schwangeren, von 

Flat a u.1706 

Tubencarcinom, primäres, vonNovy 1277, 

von Witthaiier.. . 1832 

Tubenmyome, von Muskat.1749 

Tubensäeke, periphere, von Waldstein 438 

Tubenschwangerschaft, von Kolbe 1277, 
Aetiologie der —, von Glitsch 1183, 

— und Ruptur, von Thorn .... 1609 
Tuberculose, Polikliniken für —, von 

Fraenkel 686. Specialabtheilungen 
für die — in Krankenhäusern, von 
Aron 778, Eheschliessung der —, von 
Gerhardt 975, 1424, toxische Blut¬ 
beschaffenheit bei —, von Maragliano 
1246, verminderte Zurechnungsfähig¬ 
keit —, von Mircoli 1246, Wirkung 
des Alkohols auf — Processe, von 
Mircoli 1246, — Erkrankungen vom 
Standpunkt des Klinikers aus be¬ 
trachtet, von Owen 1505, neues 
norwegisches Gesetz gegen — Er¬ 
krankungen, von Holmboe . . . 174S 

Tuberculose s. a. Genitaltuberculose, 
Kindertuberculose, LungeüSchwind¬ 
sucht, .Schwindsucht, Miliartubercu- 
lose, Phthise, Praetuberculose, Rin- 
dertuberculose. 

Tuberculose der Kieferhöhle, von R#thi 

58, Uebertragbarkeit der — vom 
Rind auf den Menschen, von Moore 

59, die — in Argentinien, von Gache 
126, Diagnose der — von Henkel 133, 
Vorträge über die Frühdiagnose der 

— in Berlin 178, Vo) träge über — 
für Kassenärzte 203, — der serösen 
Häute unter dem Bilde der Perl- 
sucht, von Pelnär 235, Behandlung 
der — nach Koch, von Krause 263, 
Diagnose beginnender — aus dem 
Sputum, von Brieger und Neufeld 
266, — der weiblichen Geschlechts 
organe, von Voigt 298, — des Magens, 
von Simmonds 317, — der Binde¬ 
haut und Cornea, geheilt durch Ery¬ 
sipel, von Kuhnt 401, Häufigkeit der 

— in Paris, von Barbier 407, klini¬ 
sche Beiträge zur —, von Henkel ■ 

419, Fürsorge und Prophylaxe der 

— in England, von Schamelhout 437, 

— der weiblichen Geschlechtsorgane, 
von Stolper 438, Frühdiagnose der 
—, von Fräükel 440, Tröpfcheninfec¬ 
tion der — und ihre Verhütung, von 
Fraenkel 545, Infectionsbedingungen 
der —, von Ransome 545, Heilbar¬ 
keit der —, von v. Schrötter 545, 

— als Ursache des vorzeitigen Todes, 
von Rabts 545, chronische — der 
Herzohren, von Cabannes 548, Ueber- 
tragung der — durch rituelle Circurn- 
cision, von Neumann 548, Schule und 

— der oberen Luftwege, von Ferreri 
551, — des Ellbogengelenks, v. Krause 
555, Ansteckung mit—,vonVolland634, 


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Original From 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



































1900. 


Behandlung der — mit Zimmtsäure, 
von Fraenkel 655, — der Niere, von 
König und Pels-Leusden 656, Be¬ 
kämpfung der — als Volkskrankheit, 
von Wintemitz 658, Aussichten, die 

— auszurotten, von Dönitz 659, die 
Prädisponirten zur —, von de Gio¬ 
vanni 667, Einfluss des Klimas auf 
die —, von Lannelongue 668, Ge¬ 
setzesplan gegen die —, von Kali- 
vohas 668, Prophylaxe der — vom 
administrativen Standpunkt, von 
Plechl 707, — in Neapel, von Spatuzzi 
708, chirurgische Behandlung der —, 
von Ceccherelli 709, — unter dem 
Wartepersonal der Spitäler, von 
Devoto 710, pneumographische Stu¬ 
dien bei —, von Hirtz 710, Zustande¬ 
kommen der hereditären — durch 
Placentarinfection, von Arrigo 747, 
Werth des Fleisches für die Ver¬ 
hütung und Behandlung der —, von 
Weber 775, klinische Beiträge zur —, 
von Henkel 799, gegenwärtiger Stand 
nnserer Kenntnisse von der —, spe- 
ciell der Lungentuberculose, von 
Treupel 821, — der Knochen und 
Gelenke des Fusses, von Hahn 875, 
Uebertragung der — vom Rind auf 
den Menschen, von Robinson 879, 
Bacillus der menschlichen —, von 
von 8ion 908, hereditäre Uebertragung 
der —, von Maffucci 910, Werth der 
Courmont’schen Serumreaction für 
die Frühdiagnose der —, von Beck 
und Rabinowitsch 943, larvirte — der 
Tonsillen, von Baup 946, Erkran¬ 
kungen der bayerischen Eisenbahn¬ 
bediensteten an —, von Zeitlmann 
946, Uebertragung der — durch Milch 
und Milchproducte, von Rabinowitsch 
975, Behandlung der — mit rohem 
Fleisch, von Richet 986, — des Manu- 
brium sterni, von Krause 1019, wich¬ 
tige Gesichtspunkte aus der —Lehre, 
von Lenzmann 1057, Diagnostik der 
—, von Ferran 1113, Paladiumchlorid 
bei —, von Cohen 1113, Früherken¬ 
nung der —, von Knopf 1113, Schnell¬ 
diagnose der —, von van Bogaert und 
Klynens 1114, Syphilis und —, von 
Portucalis 1114. — des Coecums, von 
Crowder 1216, Häufigkeit, Localisation 
und Ausheilung der —, von Nägeli 
1245, — und 8yphilis, von Bernheim 
1317, rohes Fleich zur Behandlung 
der —, von Furster 1317, aetiologische 
Rolle der — bei der Raynaud’schen 
Krankheit, von Renon 1318, Aetiologie 
der —, von Middendorp 1818, Dia¬ 
gnostik der — durch Sero - Aggluti¬ 
nation, von Arloing und Co ormont 
1357, Behandlung der — nach einer 
neuen Methode, von Labadie 1357, 
von Bertheau 1357, Uebertragung 
und Prophylaxe der — im Kindes¬ 
alter, von d'Espine, Hutine], Mous- 
sous, Richardifere 1359, — verrucosa 
cutis, von Dreyer 1363, Behandlung 
der — mit Zimmtsäure, von Kraemer 
1366, — und Schwangerschaft, von 
Bemheim 1399, Eingreifen der Local¬ 
behörden bei der Verhütung der —, 
von Kenwood 1405, Controle der —, 
von Denison 1424, Behandlung der 

— mit Organotoxin, von de Lannoise 
1424, Seehospize zur Prophylaxe der 
—, von d’Antona 1445, Natriumper¬ 
sulfat bei der Behandlung der —, 
von Garei 1445, Behandlung der 
chirurgischen — mit Zimmtsäure, von 
Niehues 1472, Prophylaxe der — im 
Kindesalter, von Feer 1478, Scrophu- 
lose und —, von Ponfick 1473, von 
Uhthoff 1789, Muskelentartung bei 
chronischer —, von Schmieden 1686, 
Sterblichkeit an — in Frankreich, 


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TNHALTS-VERZEICHNTSS. 


8eite 

von ßrouardel 1646, Seltenheit der 

— in Tunis, von Tostevint und 
Remlinger 1646, - in Rumänien und 
deren Bekämpfung, von Babes 1677, 
causale Behandlung der —, von Klebs 
1668, Behandlung der — mit Ligno- 
sulfit, von Dannegger 1748, Betracht¬ 
ungen eines prakt. Arztes in Betreff 
der -, von Hirsch 1748, Werth der 
Serumreaction für die frühzeitige 
Diagnose der —, von Arloing und 
Courmont 1752, — der Conjunctiva, 
von Uhthoff 1783, Preisschrift über 

— als Volkskrankheit, von Knopf 
1796, Ausbreitung der — im Körper, 

von Ribbert .1830 

Tuberculose-Commission.987 

Tuberculosecongress, s. a. IV. Th. 
Tuberculosecongress, britischer .... 1719 
Tuberculosecongress in Neapel . . 451, 483 
Tuberculoseforschung, einige d. nächsten 

Aufgaben der, von Coraet.775 

Tubereulide, von Boeck, Fox, Campana, 

Darier.1361 

Tuberculin R bei Lupus und Scrophu- 
loderma, von Adrian 334, von Napp, 
von Grouven 334, — und die Früh¬ 
diagnose derTuberculose, von Fränkel 
440, — alsDiagnosticum, von Fraenkel 
1425, Wirkung des — auf die Iris- 
tuberculose, von Schiech ..... 1508 
Tuberculintherapie, Ursachen des Miss¬ 
erfolges der, 1891, von Krause . . 370 
Tuberkelbacillen, s. a. Bacillen. 
Tuberkelbacillen, Wachsthum der, von 
Tomasczewski 299, Untersuchungen 
von Butter und Milch auf —, von 
Ascher 333, Nachweis von — in den 
Faeces, von Strasburger 633, Wachs¬ 
thum der — auf sauren Gehimnähr- 
böden, von Ficker 701, Injection mit 
dem specifischen Gifte der —, von 
Boccardi 709, Trennung der —, von 
de Launoise und Girard 709, Säure¬ 
festigkeit der —, von Helbing 782, 
Anreicherungs verlahren bei derünter- 
suchung auf —, von Jochmann 782, 
Wachsthumsgeschwindigkeit des —, 
von Römer 908, Modification des —, 
von Mircoli 910, Methoden des Nach¬ 
weises von —, von Wolff 1051, Ver¬ 
hütung der Ansteckung mit —, von 
Mosler 1114, Wucherung der — auf 
Heydenagarplatte, von Fraenkel 1150, 
Eintrittspforte des —, von Taylor 
1318, beschleunigte Züchtung des —, 
von Hesse 1315, — im Froschkörper, 
von Lubarsch 1542, — Nachweis im 
Butter, von Hellström 1637, Nach¬ 
weis der — im Sputum, von Cza- 

plewski.1748 

Tuberkelpilze, Verbreitungs weise der, 

von Moöller.299 

Tubo-Ovarialcysten, von Nassauer ... 221 
Tumor, von Delbanco 952, — cerebelli, 
von Schtile 235, — in der rechten 
Ponshälfte, von v. Rad 559, intra- 
thoracischer —, von Holzknecht 619, 
parasitärer Charakter der —, von 
Podwyssotzki 810, Aetiologie der ma¬ 
lignen —, von Ziem 946, Behandlung 
maligner — mit Arsenik, vonTrunczek 
1149, Chlorzinkätzungen bei inoperab¬ 


len —, von Völcker 1182, Pathogenie 
der gemischten parabuccalen —, von 
Cunlo und Veau 1218, verimpfbare —, 

von Gehrke.1768 

Tumorenoperation an der Medulla spina- 

lis, von Böttiger . ..978 

Tumwesen, Landesinspector für das . 563 
Typhlitisanfall, chirurgischer Eingriff 
während eines, von Rosenberger . 1470 
Typhöse Geschwüre in Vulva und Va¬ 
gina, von Lartigau. 59 


Typhus s. a. Abdominältyphus, Aggluti¬ 
nation, Unterleibstyphus, Ueotyphus, 
Laryngotyphus, Meningotyphus,Ulcus. 


XLIX 


Seite 

Typhus abdominalis, von Köhler 63, von 
Rumpf 877, Impfungen gegen —, 
von Duckworth 21, Entzündung der 
Rippenknorpel nach — abdom. von 
Lampe 94, Verbreitungsweise des — 
durch Austern, von Horcika 164, — 
im Kindesalter, von Barbier und 
Herrenschmidt 174, Himdrucksymp- 
tome bei —, von Salomon 234, Ur¬ 
sprung der Antikörper beim —, von 
Deutsch 267, Himdrucksymptome 
beim —, von Stadelmann 300, — 
ohne Fieber, von Etienne 407, — in 
Wien 521, Agglutination von Faecal- 
bacterien bei — abd. durch das Blut¬ 
serum, von Köhler und Scheffler 767, 
furunculöser Ausschlag im Verlaufe 
des — abd., von Busquet 810, — als 
Folgekrankheit der Influenza, von 
Potain 954, rascher Beginn des —, 
von Widal 964, — in Südafrika, von 
Doyle 988, von Parker 1505, Kranken¬ 
hausübertragung des — abdominalis, 
von Thomesco und Costinesco 1014, 
meningitische Symptome beim —, 
von Netter 1188, Myelitis haemor- 
rhagica transversalis bei — abdom., 
von Schiff 1213, die Leukocyten beim 
— abdominalis, von Naegeli 1243, 
Desquamation beim —, von Rem¬ 
linger 1279, — in Czernowitz 1892 
bis 1899, von Luttinger 1426, Salol 
bei —, von Thomescu 1476, Agglu- 
tinationscurve beim —, von Cour¬ 
mont 1576, Blutgefrierpunkt bei — 
abd., von Waldvogel 1673, Schnell¬ 
diagnose des — abd. nach Piorkowski, 

von Menzer.1756 

Typhusagglutinin, Untersuchungen über, 

von Winterberg ..333 

Typhusähnliche Erkrankung, von Schott¬ 
müller .1184 

Typhusbacillus, von Guizetti 346, Nach¬ 
weis von — nach Piorkowski, von 
Schütze 126, Unterscheidung des — 
von Bact. coli, von Maukowstd 129, 
Nährsubstrat zur Isolirung von —, 
von Maukowski 129, Nachweis von — 
in der Haut bei Roseola typhosa, 
von Fraenkel 555, Hankin'sehe Me¬ 
thode zum Nachweis der —, von 
Hilbert 658, Züchtung der — aus 
dem Stuhle, von Kraus 663, Agglu¬ 
tination des von Jatta 700, Ver- 
werthbarkeit der Agglutination für 

die Diagnose der —, von.1388 

Typhusbehandlung, von Billings, Quine 

und Webster.879 

Typhusdiagnose, Werth des Harnnähr¬ 
bodens für die —, von Piorkowski 87, 
neuere bacteriologische Methoden der 
—, von Krause 207, Piorkowski’sches 
Verfahren der —, von Mayer . . . 1245 
Typhusepidemie, von Genersich 370, — 


in Löbtau 1899, von Hesse .... 333 
Typhusfälle, von Auerbach ...... . 1605 

Typhusimpfungen.1025 

Typhuskranke, Ernährung der .... 521 


Typhuspleuritis, von Widal und Merklen 1222 
Typhuspneumonien, Bacteriologie der 

lobären, von v. Stühlern.514 

Typhuspsychosen, von Deiters .... 1623 
Typhus exanthematicus, v. Moczutkowski 1719 

V. 

Ulcus typhosum, mit Operation behan¬ 
delte Fälle von, von Marsden 1116, 
Behandlung des— ventriculi mitEisen- 
chloridausspülungen, von Bourget 
1191, — molle und Bubo, von Krulle 1638 
Ulna, Architectur der menschlichen, von 


Albrecht.1116 

Unfall .1648 

Unfallfolgen, reelle und eventuelle, von 
Pfalz 98, Anleitung zur Begutachtuug 
von —, von Müller.282 


7 

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INHALTS-'VERZEICHNISS. 


1Ö00. 


Unfallkranker, von v. Leyden u. Butter- 
sack 133, schädliche Suggestionen 

bei —, von Seiffer. 

Unfallpraxis, aus der, von Peters . . 

Unfallrentelasten, Abminderung der 
Unfallversicherung, land- uud forstwirth- 

schaftliche.5G3, 

ünfallversicherungsanstalten und ärzt¬ 
liche Honorare. 

Unfall Versicherungsgesellschaft, Kölnische 
Unfallversicherungsgesetz . . . 754, 

Unfallversicherungspolicen, Infections- 

dausel in den. 

Unguis incarnatus, von Kudriachoff 
Universalgriff, galvanokaustischer, von 

Schneider. 

Universitatsnachrichten • Berlin 33, 67, 
179,210, G35,675,716,755,788,820,850, 
955, 988, 1060,1192, 1224, 1328,1108, 
1446, 1836, Bonn 988, Breslau 33, 67, 
1024, 1060, 1518, 1551, 1684, Erlangen 
716, 1060,1092, 1256, 1408, 1583, Frei¬ 
burg 67, 179, 1092, Giessen 523, 755, 
Göttingen 523, 850, 1367,1518, Greifs¬ 
wald 108, 179, 210, 409, 1024, 1154, 
Halle 179,210,409,523,564,755,883,924, 
1123,1192,1256,1446,1647,1796,1836, 
Heidelberg 33, 67, 179, 211, 409, 451, 
484, 523, 564, 988, 1024, 1060, 1092, 
1408, 1446, 1518, Jena 635,1256,1647, 
Kiel 716, 788, h83, 1024, 1123, 1551, 
1647, Königsberg 755, 850, Leipzig 33, 
924, 1024, 1060, 1224, Marburg 379, 

716.1060, 1192, München 33,140, 243, 
523, 850, 1024, 1256, 1647, 1720, 
Rostock 716, 755, 988,1480,1518,1684, 
Strassburg 716, 755, 850, 883, 1024, 
1060,1256, 1551, 1720,1796, Tübingen 
820, 924, 988, 1024, 1060, 1224, 1836, 
Würzburg 179,276, 347, 379, 522, 755, 
1024, 1154, 1720. 

Amsterdam 108, 243, Athen 409, 
1285, 1480, Baltimore 924, 1224, Basel 
67, Bern 1615, Bologna 346, 523, 924, 
1328,1480, Brüssel 1446, Buffalo 1551, 
Cagliari 924, 1328, Catania 108, 409, 
Charkow 1480, Chicago 924, 955,1092, 

1224.1796, Christiania 1552, Cork 409, 
924, Dorpat 67,1684,1720,Edinburg308, 
1092, Florenz 67, 211, 596,1408,1552, 
Genf 67, 409, Genua 140, 347, 755, 
924, 955, 1123,1328,1408, 1446,1480, 
1552, Glasgow 635, Graz 67, 451, 755, 
1518, 1615, Grenoble 1224, Groningen 
1796, Helsingfors 1408, Jassy 347,Inns¬ 
bruck 409,1154,Kasan 67,Kiew 523, Ko¬ 
penhagen 67, 243,409,1367,1518, Kra¬ 
kau 347, Lausanne 1123, Lemberg 108» 
1684, Lille 635, 924, London 108, 955, 
1154, 1828, Lund 243, Messina 347, 
924, 955, 1092, 1615, Modena 1408, 
Montpellier 924, Moskau 67,379,1615, 
Neapel 67, 108, 140, 523, 924, 1092, 
1154, 1328, 1408, 1508, 1684, New- 
Haven 1224, New-York 347, 788, 
Odessa 451, Ofen-Pest 140,1123,1480, 
Padua 243, 635, 924, 1060, Palermo 

635.924.1060, 1328, Paris 523,564,755, 

955.1123.1796, Parma 1328,1552,1615, 
Pavia 243, 635, St. Petersburg 140, 
523, 635, 755, 924, 955, Philadelphia 
635, 1092, Pisa 1552, Prag 140, 451, 
523, 596, 788, 1060, 1092, 1154, 1367, 

»1408, Reims 379, 1684, Rennes 1224, 

[ Rio-de-Janeiro 1446, Rom 211, 523, 
1060, 1328, Siena 523, Tours 1720, 
Turin 140, 347, 523, Utrecht 523, 
Warschau 523, Wien 67, 108, 243, 
308, 788, 988,1060,1123, 1720, Zürich 
409, 820. 

Unterbindung des Truncus innominatus, 


von Hernandez.1219 

Unterbindungs- s. a. Nahtmaterial. 
Unterbindungs- und Nahtmaterial, von 

Rissmann.. . . . 1436 

Unterkieferfractur, von Bahls .... 1711 
Unterleibscontusionen, Operationen 

wegen, von v. Angerer.705 


Seit« Seite 

Unterleibsoperationen, Nachbehandlung 

schwerer, von Steinthal.251 

1315 Unterleibstyphus, epileptiforme Anfälle 
361 in der Reconvalescenz eines, von 


482 Mühlig 221» Aetiologie des —, mit 
Berücksichtigung der Stadt Mülheim, 
883 von Kirchner 1Ö22, Pathologie und 
Therapie des —, von Barth 1572, 
849 Schnelldiagnose des —, von Btschoff 


347 u. Menzer.1575 

786 Unterleibsverletzungen durch Btumpfe 

Gewalt, von Roestel.233 

518 Unterrichtstafeln, augenärztliche, von 

699 Magnus.1501 

Unterschenkelamputirter mit tragfähigem 

444 Stumpf, von Hirsch.980 

Unterschenkelamputation, Technik der, 

von Meusel. . 1460 

Untersuchungen, bacteriologisclie, über 
Luft und Wasser, von Minervini . 1575 

Untersuchungsanstalten, Geschäfte der 
öffentlichen für Nahrungs- und Ge¬ 
nussmittel 1899 . 1153 

Untersucliungsmethode, neue physi- 

j kalisclie, von Weisz.370 

| Unterstiitzungscasse, württemhergische 
ärztliche 788, ärztliche —, von Krecke 
1463, wirtschaftliche — für die Aerzte 
Deutschlands, von Krecke 1716, von 

Dörfler :.1717 

Unterstützungswesen, ärztliches, in 

Bayern, von Spaet.871 

Urachusfistein, von Jahn.874 

Uraemie, Venaesectio bei, von Dames 132, 
Aderlass bei —, von Richter 265, 
schwere —, durch Aderlass geheilt, 

von v. Hoesslin.930 

Uraemische Zustände der Kindheit, von 

Comby.1439 

Urein, von Moore.1283 

Ureter s. a. Harnleiter. 

Ureter, Steine im, von Morris 165, 

—Genitalfistel, von Gottschalk . . 1750 
Uretercystoskop, von Kollmann . . . 1287 
Ureterdivertikel, von Lippmann-Wulff . 1581 
Ureterenchirurgie, von Werthheim . . 439 
Uretereneinpflanzung, von Bovee . . 1507 
Ureterensteine, Diagnostik der, von Kelly 1468 
Uretero-Cysto-Anastomosis, abdominale, 

von Gottschalk.1750 

Uretero-Cysto-Neostomie, von Pemice . 1750 
Urethra, Keimgehalt der weiblichen, von 
Schenk und Austerlitz 547, Keim¬ 
gehalt der —, von Savor.591 

Urethraldrainage, von Strebei.1719 

Urethralfäden, Häufigkeit des Vorkom¬ 
mens von, von Brauser.808 

Urethritis non gonorrhoica, von Barlow 
774, Mercurol bei —, von Guiteras . 1506 
Urethrostomie, perineale, von Poncet . 175 
Urin, Pentosehaltiger, von Bial 241, im 


— auftretende Proteine, von Halli- 
f 1 burton 450, — bei Erkrankungen des 
[ Magens, von Friedberger 655, — nnd 
Blutuntersuchung, von Strubell 664, 
Dauer der Hefegährung in zucker- 
f haltigem - , von Lohnstein 1385» Aus¬ 
scheidung enterogener Zersetzungs- 
producte im —, von Strauss und Phi- 


lippsohn.1601 

Urininfiltration, extraperitoneale, von 

Braun.1019 

Urinsecretion, Einfluss des Nervensy¬ 
stems auf die, von Vinei.1445 

Urinuntersuchung mittels Gefrierpunkts¬ 
und Blutkörperchenmethode, von 

Hamburger.1U5 

Urogenitaltuberculose, Infectionswege 

bei, von Posner.709 

Urosinbehandlung bei harnsaurer Dia- 
these, von Weiss.703 


Urotropin, von Nicolaier 162, von Zaudy 
1354, von Ganali und Avanzini 1613, 

— in der Behandlung der Oystitis, 
von Goldberg 1049, — als UriUanti- 
septicum, von Drake-Brockmann . 1116 
Urticaria chronica, von Kreibich 836, — 

I pigmentosa, von v. Starck.376 


Seite 

Uterinarterien, Sclerose der, von Chol- 
wogoroff 513, Blutungen bei Sclerose 
der —, von Simmonds . . . . . . 62 

Uterus s. a. Gebärmutter, Totalexstir¬ 
pation. 

Uterus, Geburtsstörungen nach Vagino- 
fixation des —, von Rühl 19, Ent¬ 
fernung der — und Adnextumoren, 
von Sigismund 28, Fixatio —, von 
Vineberg 60, retroversioflexio — mo¬ 
bilia, von Krönig und Feuchtwanger 
95, — bicornis unicollis, von Bren¬ 
necke 134, multiples Myom des gra¬ 
viden —, von Pagenstecher 202, Ca¬ 
stration bei — rudimentarius, von 
Eberlin 262, kreissender — mit Pla- 
centa praev. tot, von Fraenkel 298, 
Heilung und Verhütung der Retro- 
deviationen des — im Wochenbett, 
von Rissmann 312, Belastungstherapie 
bei Retroflexio — gravidi, von Funke 
332, epitheliale Keime der Adeno- 
myome des —, von Pick 368, Para¬ 
lyse des nicht schwangeren —, von 
Kossmann 394, Enderfolge der ope¬ 
rativen Behandlung der Retroversio¬ 
flexio —, von Halban 438, decidualer 
Polyp des —, von Hitschmann 438, 
Carcinoma psammosum corporis —, 
von Scbmit 438, orthopaedische Be¬ 
handlung der Lageveränderungen des 
—, von Zepler 441, wegen Erkrank¬ 
ungen des Corpus entfernte —, von 
Siedentopf 480, retroflexio — gravidi 
part. incarcerata, von Unterberger 513, 
Palliativverfahren bei inoperablem 
Carcinom des —, von Küstner 589, 
Endothelgeschwülste des —, von Po- 
horecky 618, Anatomie des — von 
Neugeborenen und Kindern, von 
v. Maudach 742, ruptura — completa, 
von v. Walla 776, myomatöser —, 
von Prochownik 784, Operation der 
Inversio —, von Hirst 844, operative 
Heilung der Inversio —■, von Thom 
856, Aetiologie und forensische Be¬ 
deutung der inversio —, von Thora 
856, retroflexio — gravidi cum incar- 
ceratione, von Reinecke 860, inversio 
—, von Vogel 875, Entzündungen 
und Lageveränderungen des —, von 
Veit 877, Fusswanderung mit rupturir- 
tem —, von Schwarz 942, Lagerungs¬ 
behandlung des —, von Beckers 1178, 
Dührssen’sche Tamponade bei Atonie 
des —, von Spaeth 1206, Behand¬ 
lung des Tetanus —, von Jacob 1209, 
Ventrofixatio —, von Gilleain, von 
Morris 1216, Duplication des — und 
der Vagina, von Wells 1216, Chirurg. 
Eingriff bei retroperitonealem Fibro- 
myom des —, von de Ott 1286, Liga¬ 
tur der Gebärmutterarterien bei My¬ 
omen des —, von Gottschalk 1286, 
Achsendrehung des —, von v. Woerz 
1314, Fibromyom des Fundus —, von 
Pinna-Pintor 1352, Contractions- und 
Erschlaffungszustände des — in den 
ersten Schwangerschaftsmonaten,von 
Beuttner 1352, chirurgische Behand¬ 
lung des Prolapsus —, von Terrier 
1397, Behandlung des — Prolapses, 
von Inglis-Parsons 1398, Retrodevia- 
tion des —, von Fouraier 1398, 
chronische Inversion des —, von 
Spinelli 1398, Behandlung der — 
-Adnexentztindungen mit vaginalen 
Injectionen, von Callero 1398, Fibrome 
des —, von Doran 1404, Elevation 
des —, von Ludwig 1428, Abort in¬ 
folge Blennorrhoe des —, von Drag- 
hiescn undSion-Moschunal466, Häufig¬ 
keit der Retroversioflexio —, vcn 
ßchroeder 1502, Nebenhora des 
doppelten —, von Kehrer 1570, Aus¬ 
ladung oder Bicomität des — gra- 
vidus, von Hink 1576, — bipartitus, 
von 8immonds 1578, vom — aus- 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

































1900. 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


LI 


Seite 

gehende septische Infection, von 
Abel 1581,1605, beginnender Cervix¬ 
krebs des —, von Freund 1600, Tor¬ 
sion des graviden —, von Thom 
1609,In versio—i ncompleta.vonThorn 
1609, Myombildung bei doppeltem —, 
von Gunsett 1635, Geburt bei — bi- 
eornis bicollis, von v. Meer 1636, 
Zusammenhang von — und Magen¬ 
leiden, von Tuszkai 1706, rudimen¬ 
tärer — unicomis bicollis, von Hin- 
ricius 1782, Cystadenoma — cysticum 
polyposum, von Fischei 1782, myo- 
inatöse —, von Thom 1789, Hyperae- 
sthesie des graviden —, von Thom 
1790, Carcinom des —, von Thorn . 1790 
Uterusbindegewebe, Veränderungen der, 
in der Umgebung des Eies, von Spee 1607 
Uterasblntungen, mechanische Behand¬ 
lung atonischer, von Schwertassek 299 
Uteruecarcinom, Frühdiagnose des, von 
Wiener 337, inoperable, von Ranoletti 1223 
Uterusemphysem und Gassepsis, von 

Halban .438 

Uterusexstirpation, vaginale, als radicale 
Krebsoperation, von Winter .... 1503 
Uterusfibrome, Naturgeschichte der, von 

Champneys .268 

Uterusgangraen, puerperale, von Beck¬ 
mann .•. . 875 

Uterusgefässe, von Meinecke. 30 

Uteruskrebs, Radicaloperation bei, von 

Wertheim .1716, 1752 

Uterusmyome, conservative chirurgische 
Behandlung der, von Olshausen 666, 

— und Diabetes, von Kleinwächter 
1426, Complicationen der —, von 

Freund .1434 

Uterusruptur, von Doctor 57, von Funke 
984, von Franz 1437, - während der 
Gebart, von Siedentopf 1119, spon¬ 
tane complete —, von Baur 1426, 

—in der Schwangerschaft, von Freund 
1437, von Alexandroff 1782, Therapie 

der —, von Schmit.1750 

Uterusschleimhaut, nekrotische,von Gott¬ 
schalk . 24 

Uterussubstanz, Aufbau der, von Pick . 781 
Uterastuberculose, von Michaelis . . . 1600 
Uterusvaporisation, von Johnson . . . 1247 
Uvealtractus, Prognose des Sarkoms des, 
von Stock. 98 


V. 

Vaccina generalisata, von Haslund 336, 

von Vucetic.906 

Vaccination, antagonistische Wirkung 
von, und Tussis convulsiva, von 

Guercini.909 

Vaccineerkrankung des Auges, von v. 

Förster.1090 

Vaccineinfection an den Lippen, von 

Jungmann.1389 

Vademeccum für den Geburtshelfer, von 

Kleinschmidt. 55 

Vagina, Atresie der, von Schalita 1246, 
Exstirpation der —, von Bröse 1425, 
Conception und Abort beiDefect der 

—, von v. Meer.1672 

Vaginal cysten, Symptomatologie und 

Genese der, von Pincus.808 

Vaginalsecret, Streptococcen des, von 

Stähler und Winckler.1277 

Vaginifixur und Geburt, von Rieck . . 1442 
Vaginofixation, Dauerresultat nach, von 

Kauffmann.263 

Valsalva’scher Versuch bei geöffneter 
Brusthöhle, von Reineboth ... . 617 

Vaporisation s. a. Atmokausis, Wasser¬ 
dampf, Uteras Vaporisation. 

Vaporisation, Technik der. von Dührssen 
263, intranasale —, von Berthold . 1705 
Vaporisationsapparate, von Freund . . 984 

Variola, Behandlung der — vera, von 
Kotowtschicoff 127, — und Strepto- 
cocceninfection, von Rumpel 270,339, 

— und Phthisis, von Sterling . . . 1425 


Seite 


202 

1573 


1600 


1468 


780 


Variolavaccine, von Voigt.1759 

Varicellen s. a. Nephritis. 

Varicellen, gangraenöse, von Krjukoff 
Varicellenausschlag, von v. Starck . 

Varicen, Veränderungen der Venenhäute 
bei, von Janni 873, Unterbindung der 
V. saphena bei —, von GrzeB . 

Varicocele, Radicaloperation der, von 

Narath. .203 

Varixbildung der Rückenmarksvenen, 

von Coon . 

Vasektomie in der Behandlung der Pro¬ 
statahypertrophie und der atonischen 

Blase, von Harrison. 

Vegetationen, adenoide, von Goldschmidt 
1279, Blutbefund bei den Trägern 
adenoider —. von Lichtwitz und Sa- 
brazes 551, Operation der adenoiden 

, von Rudi off.1248 

Vena portae, chirurgische Oeffnung neuer 
Seitenbahnen für das Blut der, von 

Talma.1115, 

Venen, Entzündung, Sklerose und Er¬ 
weiterung der, von Fischer . 
Venenerkrankung, Aetiologie der vari 
cösen, von Schambacher .... 
Venenpuls der V. saphena, von Launois 

und Loeper. 

Venerische Krankheiten in Aegypten, 

von Rabitsch. 

Verband-Compresse. 

Verblutungstod aus der unterbundenen 
Nabelschnur, von Balin . . . 

Verbrecher, Lehre von den geistes 
kranken, von Siemerling . . . 623, 
Verbrennungen, Tod bei, von Scholz 

Verbrühung, von Koth. 

Verdaulichkeit verschiedener Eiweiss¬ 
nahrung, von Beddies und Tischer 
Verdauungsleukocystose, von Japha 975, 
Verdauungsstörungen, acute, im Säug 
lingsalter, von Sonnenberger 
Verdopplung des Zeigefingers, von Joa¬ 
chimsthal . 

Vereine s. u. IV. 

Vergiftung, alimentäre, mit intermitti- 
rendem Fiebertyphus, von Rendu 
Vergiftungen in Betrieben und das Un 
fallversicherungsgesetz. von Lewin 
Verhandlungen der Deutschen Patholo 
gischen Gesellschaft 1446, — der 
Gesellschaft für Kinderheilkunde 
Verhungern, Tod durch, von Frei 
Verjährung ärztlicher Forderungen nach 
neuem Recht 33, von Schaefer 
Verkrümmungen, hochgradige, von Drees 

mann. 

Verletzungen, Lehrbuch der Nachbehand¬ 
lung von, von Müller. 

Versammlungen s. u. IV. 

Verstopfung, habituelle, bei Kindern 

von Concetti.. 

Verträge, ärztliche, mit privaten Ver¬ 
einigungen . 

Verunreinigung der Liinmat durch die 
Abwässer der Stadt Zürich, von Tho 

mann. 

Verurteilungen, ehrengerichtliche 
Verwundungsfrage im Kriege und Sani 
tätsdienst, von Habart .... 
Vesicovaginalfisteln, Methode, zuzu¬ 
nähen, von Spassokonkozky . 
Veterinärmedizin, Abiturientenexamen 
als Vorbedingung für das Studium der 
Vibrationsmassage, von Achert 1581, 
Heilerfolg der—, von Ostmann 621 
instrumentelle —, von Achert . . , 

Vioform, von Tavel.974 

Viscin, von Riehl.1575 

Vitiligo, Aetiologie der, von Gaucher . 1440 
Vitium cordis copgenitum, von Henkel 340 

Vivisection ..674 

Vogelgicht, von Kionka.1088 

Dr. v. Vogl’s Rücktritt.178 

Volksbäder, Deusche Gesellschaft für 

33, 139, 1445, 1719 
Volksgesundheitspflege, Blätter für . . 1551 
Volksheilstätten s. a. Heilstätte. 


1185' 

1012 

94 

1317 

1709 

1683 

1573 

842 

152 

1612 

1244 

1057 

662 

1354 


174 

778 


1446 

1752 

16 

881 

232 


2 " 2 
748 


Seite 

Volksheilstätte des Kreises Altena bei 
Lüdenscheid 297, Behandlungsme¬ 
thode der deutschen — für Lungen¬ 
kranke, von Wolff 747, IV. Bericht 
des Münchener Vereins für — ... 923 

Volkshygiene, Verein für, in München 1616 
Volkssanatorien in Frankreich, von Ser- 

siron.747 

Volvulus, Darmausschaltungen bei, von 
v. Bergmann 705, — coeci, von Kaiser 
973, Resection des — der Flexura 
sigmoidea, von Steinthal 705, chro¬ 
nischer — coeci, von Hausmann 1600, 

— des Magens, von Wiesisger . . 1757 
Vorhof, Fibromyxom des linken, von 

Jacobsthal.1115 

Vormagen, von Hoppe-Seyler.1643 

j Vulva, Diphtherie der, von Leick . . 237 
Vulvovaginitis gonorrhoica der Kinder, 
j von G assmann 1389, Behandlung der 

- bei kleinen Mädchen, von Siebert 1489 


369 

1836 


843 

942 


715 


1541 


Digitized b' 


■V Google 


w. 

Wachsthumshemmung, von Springer 241 

Wahlrecht der Frau Doctorin.849 

Wanderleber und ihre klinische Bedeu¬ 
tung, von Einhorn.905 

Wanderniere, durch — vorgetäuschte 
Gallensteinbeschwerden, v. Mc Lagan 
und Treves 443, Fixation der —, von 
Biondi 1284, Befestigung der— durch 
Filigrangeflecht, von Witzei .... 1706 
Wangenlymphdrüsen, Lage und Erkran¬ 
kungen der, von Buchbinder ... 94 

Wärme, therapeutische Verwendung der 

feuchten, von Davidsohn.203 

Wärmebehandlung, forcirte, von Kroenig 710 
Wärmekasten für frühgeborene und 

atrophische Kinder, von Rommel . 1610 
Wärmestich, von Schultze ...... 19 

Warzen, ChryBarobin gegen, von Fitz . 66 

Warzenfortsatz, Küsters osteoplastische 
Aufmeisselung des, von Pause 57, 
Trepanirung des —, von Haläsz . . 621 
Waschaether, Ersatz für versteuerten, 

von Stich .... .1613 

Wasser, Hygiene des, von Levy und 
Bruns 439, — der Spree innerhalb 
Berlins 1886 und 1896, von Dirksen 
und Spitta 778, Anwendung des 
siedenden — und Dampfes bei 
Wunden, von Braatz 1013, hygie¬ 
nische Beurteilung des , von Weis- 

senfeld.1542 

Wasserdampf, Verwendung des heissen, 
in der Gynäkologie, von v. Stein¬ 
büchel 473, Apparat für Erregung 
von gesättigtem — und sterilem 
Wasser, von v. Wunschheim . . . 1542 
Wasserreinigung, Schumburgisches Ver¬ 
fahren zur, von Pfuhl .369 

Wasserstoffsuperoxyd in der Wundbe¬ 
handlung, von Müller.1674 

Wasseruntersuchung, Technik der bac- 
teriologischen, von Abba 778, Nähr¬ 
boden bei der bacteriologisehen —, 

von Müller.1707 

Wasserversorgung mittels Thalsperren, 

von Intze und Fraenkel.1356 

Wechselströme s. a. Ströme, Teslaströme 
Wechselströme, Anwendung hochge¬ 
spannter, von Eulenburg 306, Wirkung 
der starken — auf den Stoffwechsel, 

von Tripot.1191 

Weichselzopfstatistik.1836 

Weil’sche Krankheit, von Schittenhelm 966 
Wendung auf den Kopf, von Horn . . 1832 
Widalsche Reaction, Werth der, von 
Fischer 333, — und Abdominaltyphus, 

von Mewius.333 

Wiederbelebung in Todesfällen, von Prus 843 
Wirbelcaries, Pathologie und pathol. 
Anatomie der Rückenmarkscompres- 

sion bei, von Fickler.1084 

Wirbelerkrankungen, traumatische, von 
Schulz 1143, traumatische —, von 
Oberst. 1347 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
































































Lrr 


INH ALTS-VE R ZEICHNISS. 


1900. 


Seite 

Wirbelfractur, Rückenmarksverletzung 
durch, von Lengnick 386, Statistik 

über —, von Chipault.1219 

Wirbelsäule Steifigkeit der, von Flesch 
305, chronische ankylosirende Ent¬ 
zündung der —, von Darnach 163, 
von Heiligenthal 439, Apparat zur 
Extension der —, von Schanz 698, 
Ankylose der —, von Glaser 882, 
ankylosirende Entzündung der —, 


von Kühn .... . 1333 

Witterung, Sonnenscheindauer, Infec- 
tionskrankheiten, von Ruhemann . 1386 
Wochenbett, leichte FiebersteigeruDgen 
im, von Franz 1601, spontane Gan- 
graen im —, von Wormser 1601, 
höchste Tagestemperaturen im —, 

von Wormser.1636 

Wochenbetterkrankungen, Entstehung 
der fieberhaften, von Ahlfeld 1425, 

von Krönig.1541 

Wochenbettstatistik, von Knapp . . . 586 

Wochenbetts verlauf, Einfluss der Schei¬ 
denspülungen auf den, von Krönig 1 


Wochenschrift, Berliner klinische, fast 
in jeder Nr., Deutsche medicinische — 
eben80, Festnummer der Deutschen 
medicinischen —, 67, Generalver¬ 
sammlung der Herausgeber der 
Münch, med. —,379, psychiatrische—, 1025 
Wöchnerinnenasyl und Reform der 
WochenbettBbygiene, von Sperling . 333 
Wörterbuch, medicinisches, d. deutschen 
und französischen Sprache, von 

Schober.1705 

Wohnungen s. a Arbeiterwohnungen. 
Wohnungen, die kleinen, in Städten, 
ihre Beschaffung und Verbesserung, 
von Reineke 1395, von Stübben 1395, 

von Adickes.1396 

Wohnungsaufsicht, polizeiliche .... 819 
Wohnun gsverhältnisse,Verbesserungder 450 

„Wolf “-Binde.987 

Worttaubheit, transitorische reine, von 

Veraguth.1314 

Wundbehandlung, Werth der Pulver- 
antiseptica bei der, von Brunner und 
Mever 97, entzündungserregende 
Mittel bei der --, von Meyer . . . 1213 
Wunden, Behandlung inficirter, mit Was¬ 
serstoffsuperoxyd, von v. Bruns 701, 
Behandlung der inficirten —, von 

Bloch 1396, von Lejars.1396 

Wurmfortsätze, exstirpirte, v. Hoffmann 1758 

Wurstdarm, Kothrückstände im, von 

Schilling.1354 

Wurstgenuss, Massenerkrankung nach, 
von Pfuhl.1575 


8eite 

Wurstvergiftung, 8 Fälle von, v. Lank 1345 
Wuth, Immunisirting gegen, v. Aujeszky 129 

X. 


Xeroderma pigmentosum, von Lassar 
984, von Herxheimer u. Hildebrandt 

1099, von Lesser.1640 

Xerosebacillus, sogenannter, von Schanz 
333, — bei Phlegmone und Otitis 
interna, von Warnecke . . .... 1412 

¥. 

Yaws, von Hutchinson.1444 

Z. 

Zählkammer, Zeiss - Thoma’sche, von 

Meyer. 428 

Zahn- und Mundpflege, von Röse . . 941 
Zahnärzte, Promotionsverhältnisse der, 

408, — als Peripatetiker.917 

Zahncaries, Häufigkeit der, bei den Kin¬ 
dern, von Berger 906, — und anä¬ 
mische Zustände, von Billeter . . . 1215 

Zahnersatz, Kosten für,.522 

Zahnheilkunde, Cursus der, von Cohn 
368, — in der gerichtlichen Medicin, 

von Amoödo.1141 

Zahntechniker, Narkosen bei.1399 

Zange als lageverbesserndes Instrument, 

von Schäffer.1573 

Zangenhaken, neuer gehurtshilflcher, 

von Hausen .... . 867 

Zehe, Plantarluxation der grossen, von 

Scholl.514 

Zehenreflex, von Kalischer.. . 163 

Zehenschuh, von Rose.1142 

Zehnder, Fall . •. 563, 674, 820 

Zeitschrift für klinische Medizin, 126, 


200, 331, 587, 840, 1011, 1141, 1501, 
1572, — für diätetische und physi¬ 
kalische Therapie 92, 332, 697, 905, 
10ö6, 1386, 1540, — für Tuberculose 
und Heilstättenwesen 564, 775, 1113, 
1424, 1748, deutsche — für Chirurgie 
93, 162, 233, 297, 512, 656, 905, 973, 
1142,1351,1387,1502,1830,— für ortho¬ 
pädische Chirurgie 698, 1313,1749, — 
für Geburtshilfe und Gynäkologie 
262, 776, 875, 13^7, 1425, 1502, 1781, 
deutsche — für Nervenheilkunde, 
128, 439, 589, 1314, allgemeine — für 
Psychiatrie 1541, 1673, — für Hygiene 
und Infectionskrankheiten 263, 299, 
333, 369, 700, 778, 907, 1315, 1388, 


Belte 

1542, 1576, - für Heilkunde 675, 
medicinische — mit Preisaufgaben . 1679 

Zelleinschlüsse, von Gorini .1315 

Zellen, Umbildungen an, und Geweben, 
von Ribbert 876, eosinophile — und 
Knochenmark, von Nösske 905, — 
im Auswurf und entzündlichen Aus¬ 
scheidungen, von Grttnwald 1011, 
Methode zur Beobachtung von Schä¬ 
digungen lebender —, von Neisser 
und Wechsberg 1261« eosinophile - , 
von Wolff 1353, eosinophile — im 

Phthisikersputum von Ott.1670 

Zickzacknaht, verborgene, von Severano 1149 

Zimmtsäure, von Kraemer.1366 

Zittern, von Levy- Dorn.i 64 

Zoonose, von Winternitz.474 

Zucker als wehenverstärkendes Mittel 

von Madlener . . . .1177 

Zuckerabspaltung aus Eiweiss, von Wohl- 

gemuth .1214 

Zuckerarten, Elimination einiger, durch 
den Urin im Kindesalter, von Nobe- 

court .1280 

Zuckerbestimmung, neue Methode der 

quantitativen, von Grober ... . 302 

Zuckerbildung aus Eiweies und Fett, 

von Lüthje.587 

Zuckerkranke, Operationen an, von Fisk 945 
Zuckerkrankheit, Wesen der, von Leo . 542 
Zuckerrübensäfte, Dunkelwerden der, 

von Epstein.439 

Zunge s. a. Lingua. 

Zunge, Totalexstirpation der ganzen, von 
Kümmell 1515, — und Kehlkopfcar- 
cinom, von Heinlein 1U21, Exstir¬ 
pation der — und des Mundbodens, 

von Koltze.1351 

Zungenbelag bei Gesunden und Kranken, 

von Müller . . . . , .1125 

Zungenepitheliom, von Renaut .... 753 
Zungenspatel, fixirbarer, von Paunz . . 878 
Zungenspitze, traumatische Gangraen 

der, von Werner.978 

Zurechnungsfähigkeit, geminderte, von 

Cramer .1708 

Zwerchfell, Ruptur und Bruch des, von 

Weischer.1425 

Zwerchfellbruch, durch Laparotomie ge¬ 
heilter, von Leuw 591, — bei einem 

Kinde, von Kaeppeli.1215 

Zwerchfellhernie, klinische Diagnose der, 

von Hirsch. 996 

Zwergwuchs und seine Pathogenese, 

von Gilbert und Rathery.1280 

Zwillingsschwangerschaft, zweieiige, von 

Wolff.618 


IV. Aus Instituten, Kliniken, Krankenhäusern, aus Vereinen, Versammlungen etc. 


Seite 

Aachen: Louisenhospital. 290, 463, 885, 1198 

Altona: Aerztlicher Verein. 28, 168, 554, 1018 

Andernach: Provinzial-Irrenanstalt.1623 

Barmen: Städtisches Krankenhaus.609 

Berlin: II. med. Klinik. 183, 729 

— IH. med. Klinik.186 

— Universitäts-Ohrenklinik.1412 

— Psychiatrische und Nervenklinik der kgl. Charitö . . 762 

— Chirurgische Abtheilung am Hedwigskrankenhaus . . 827 

— Innere Abtheilung des Krankenhauses Friedrichshain . 1263 

— Krankenhaus Bethanien.647 

— Medicinische Gesellschaft 24, 102, 135, 168, 208, 240, 

270, 305, 338, 372, 406, 448, 487, 671, 710, 753, 781, 845, 

882, 953, 984, 1056, 1514, 1550, 1681, 1605, 1640, 1710, 1833 


Seite 

— Verein für innere Medicin 25, 103, 136, 209, 241, 306, 

338, 372, 449, 521, 711, 782, 845, 882, 910, 985, 1057, 

1515, 1581, 1605, 1679, 1711, 1833 

— Gesellschaft der CharitAAerzte 60, 138, 168 , 301, 337, 

747, 845, 977, 1022, 1118, 1678, 1756 

Bonn: Medicinische Klinik. 314, 646, 885 


— Laboratorium der medicinischen Klinik.458 

— Universitäts-Frauenklinik.1532 

— Universitäts-Poliklinik für Nasen- und Ohrenkranke . 568 

Breslau: Geburtshilfliche Poliklinik.565 

— Dermatologische Universitäts-Klinik.1227 

— Krankenhaus der Elisabetherinnen.1453 

Chemnitz: Städtische Diphtherie-Untersuchungsstation . . 895 
Dresden: Diakonissenkrankenhaus.891 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




























































1900. 


INH ALT8-VERZEICBNISS. 


Seite 

Dresden: Orthopädische Heilanstalt des Dr. A. Schanz . . 1588 

Düsseldorf*. Städtisches Barackenkrankenhaus.424 

Erlangen: Medicinische Klinik. 1047, 10t4 

— Universitäts-Klinik für Augenkranke. 780, 1070 

— Medicinische Universitäts-Poliklinik.886 

— Physiologisches Institut.1769 

Frankfurt: Institut für experimentelle Therapie 677, 962, 1261 

— Innere Abtheilung des städtischen Krankenhauses . . 1733 

— Dermatologische Abtheilung des städt. Krankenhauses 1099 

Freiburg: Medicinische Klinik.925 

— Medicinische Poliklinik.1481 

— Hygienisches Institut.1666 

— Verein der Aerzte. 61, 204, 235, 402, 603, 1251 

Giessen: Medicinische Klinik. 141, 1553, 1822 

— Pathologisches Institut.352 

Gleiwitz: Augenheilanstalt für Oberschlesien ... 255 

Göttingen: Kgl. Poliklinik für Ohrenkranke . . . 1664, 1693 

Greifswald: Chirurgische Klinik. 794, 1226 

— Universitäts-Frauenklinik.309 

— Pharmakologisches Institut.957 

— Medicinischer Verein . . 62, 119, 236, 338, 946, 1711, 1758 

Halle: Medicinische Klinik.1175 

— Chirurgische Universitätsklinik.364 

— Diakonissenhaus.1064 

— Verein der Aerzte . . . 749, 948, 1052, 1149, 1252, 1712 

Hamburg: Neues Allgemeines Krankenhaus zu Hamburg- 

Eppendorf . 152, 318, 799, 1525 

— Krankenhaus St. Georg.317 

— Chirurgische Abtheilung des israel. Krankenhauses . . 687 

— Vereinshospital.1565 

— Röntgeninstitut von Dr Albers-Schönberg und Dr. Hahn 284 

— Aerztlicher Verein 63, 138, 2« 6, 270, H39, 403, 519, 592, 

669, 750, 881, 911, 978,1090, 1442, 1515, 1606, 1641, 1757, 1831 

— Biologische Abtheilung des Aerztlichen Vereines 30, 170, 

237, 271, 340, 373, 446, 555, 782, 845, 912, 950, 978, 

1054, 1118, 1578, 1714, 1758 

Hannover: Physiol.-ehern. Laboratorium des Krankenhauses 1339 
Heidelberg: Medicinische Klinik .... 381, 791, 1649, 1687 

— Chirurgische Klinik. 1872, 1555 

— Universitäts-Poliklinik. 460, 576 

— Physiologisches Institut.381 

— Vulpius’sche orthopädisch-chirurgische Heilanstalt . . 569 

— Naturhistorisch-medicinischer Verein . 103, 478, 881, 914 

Jena: Medicinische Klinik. 245, 642, 757 

— Psychiatrische Klinik.829 

— Medicinische Poliklinik.1587 

— Hygienisches Institut.757 

— Medicinisch naturwissenschaftliche Gesellschaft 63, 272, 

301, 375, 813, 847, 1119 

Kiel: Pathologisches Institut. 1563, 1653 

— Anscharkrankenhaus.216 

— Physiologischer Verein 342, 376, 1579, 1607, 1642, 1760, 1787 

Köln: Angustahospital.1233 

— Innere Abtheilung des Vincenzhauses.421 

— Chirurgische Abtheilung des VincenzhauseB .... 650 

— Allgemeiner ärztlicher Verein 237, 302, 478, 557, 692, 

680,750,881,980,1019,1221,1254,1286,1324,1363,1760, 1788 

Königsberg: Chirurgische Universitätsklinik.386 

Leipzig: Medicinische Klinik. 996, 1449, 1685 

— Medicinische Poliklinik.1378 

— Universitäts-Frauenklinik.1, 1004 

— Institut für angewandte Chemie . ..1685 

— Medicinische Gesellschaft 64, 171, 287, 303, 842, 877, 479, 

592, 1019, 1189, 1287, 1580, 1608, 1648 

Magdeburg: Medicinische Gesellschaft 104, 134, 272, 404, 

480, 519, 558, 711, 813, 843, 915, 1119, 1150, 1190, 1609, 

1644, 1714, 1789 

Marburg: Medicinische Poliklinik.414, 890 

München: H. medicmische Klinik.1267, 1588 

— Med.-propädeut. Universitäts-Klinik.929 

— Chirurgische Klinik. 383, 1105 

— Frauenklinik. 388, 605 

— Universitäts-Augenklinik.12 

— Universitäts-Kinderklinik.1485 

— Pathologisches Institut.1262 

— Hygienisches Institut. 277 413, 680, 1002 

— Pharmakologisches Institut.5, 1729 

— Medicinische Universitäts-Poliklinik.349 

— Chirurgische Universitäts-Poliklinik.48 

— Orthopädisches Ambulatorium der chir. Klinik .... 486 

— Poliklinik für Kinderkrankheiten.1489 

— Gamisonslazareth ..1409 

— Chirurgische Heilanstalt von Dr. Krecke.862 

— Chirurgisches Ambulatorium von Dr. Kronacher . . . 1380 

— Aerztlicher Verein 447,558, 669, 814, 916, 952, 1325, 1585, 1610 

— Gesellschaft für Morphologie und Physiologie .... 

— Aerztlicher Bezirksverein.1684, 1716 


Nürnberg: Städtisches Krankenhaus.156 

— Chirurgische Abtheilung des allg. Krankenhauses . . . 288 

— Medicinische Gesellschaft und Poliklinik 171, 273, 304, 

713, 751, 784, 1021, 1120, 1151, 1191, 1761, 1792 

— Aerztlicher Verein 480, 559, 1020, 1150, 1516, 158'\ 1610, 

1715, 1760 

Reichenhall: Dr. v. Heinleth’s chirurg.-gynäkol. Privatklinik 899 
Rostock: Medicinische Klinik.1338 

— Universitäts-Augenklinik.219 

— Ohren- und Kehlkopfklinik.1168 

— Aerzte verein. 172, 560, 952, 981, 1287, 1644 

Sonderburg a. Alsen: Kreiskrankenhaus.1210 

Stettin: Innere Abtheilung des städtischen Krankenhauses 1530 
Strassburg: Dermatologische Klinik. 1694, 1787 

— Pathologisches Institut.640 

— Reconvalescentenhaus für Unfallverletzte.355 

Stuttgart: Diaconissenanstalt.251 

— Marienhospital. 263, 1415 

— Karl-Olga-Krankenhaus.966 

Tübingen: Medicinische Klinik.1297 

— Universitäts-Frauenklinik. 934, 9 68, 1765 

— Psychiatrische Klinik.* . 249 

— Pathologisches Institut.1029 

Würzburg: Medicinische Klinik. 455, 965, 112 >, 1369 

— Augenklinik. 146, 1074 

— Hygienisches Institut.110, 1381 

— Untersuchungsstation am Gamisonslazareth . . 71, 1456 

— Physikalisch-medicinische Gesellschaft . . 848, 983, 1120 

— Aerztlicher Bezirksverein.1021, 1717 

72. Naturforscherversammlung zu Aachen. 408, 987, 1155 

Allgemeine Sitzungen. 1390, 1509 

Sitzung der medicinischen Hauptgruppe.1428 

Abtheilung für innere Medicin und Pharmakologie 1430, 

1468, gemeinsam mit Neurologie.1433 

Abtheilung für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten . 1434 

Abtheilung für Chirurgie.1470 

Abtheilung für Kinderheilkunde.1472 

18. Congress für innere Medicin zu Wiesbaden 138, 378, 625, 

662, 703 

29. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zu 

Berlin. 275, 594, 628, 635, 664, 705 

Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege 346, 987, 

1152, 1355, 1394 

21. öffentliche Versammlung der Baineologischen Gesellschaft 
zu Frankfurt a. M. 242, 22. öffentliche Versammlung 

zu Berlin.1616 

Verein der deutschen Irrenärzte.. 179, 562, 621 

Anthropologen-Congress. 787, 1441 

Deutsche Otologische Gesellschaft. 379, 881 

Pharmakologen-Vereinigung.632 

Verband deutscher Eisenbahnärzte.953 

Verein süddeutscher Laryngologen, 6. Versammlung zu Heidel¬ 
berg 31, 105, 7. Versammlung zu Heidelberg . . 480, 672 
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte zu Köln 443, 

477, 515, 1545 

25. Versammlung der sttdwestdeutschen Neurologen und Irren¬ 
ärzte zu Baden-Baden. 379, 715, 811 

6. Versammlung mitteldeutscher Psychiater und Neurologen 

zu Halle.1479 

31. Versammlung der südwestdeutschen Irrenärzte zu Carls- 

ruhe. ... . . 1677 

17. Hauptversammlung des preussischen Medicinalbeamten- 

Vereins.922 

Aerztetag, 28. Deutscher.918 

— Mittelrheinischer.787 

— Mittelfränkischer.1090 

Aerzteverein, Altmärker. ... 27 

— unterelsässischer. 134, 343, 405, 984, 1152 

Wissenschaftliche Wanderversammlung der Aerztevereine des 

Kreises Duisburg .. 1022, 1057, 1753, 1785 

Generalversammlung des Vereins Pfälzischer Aerzte zu Neu¬ 
stadt a. H.1517 

Bezirksverein, ärztlicher, für Südfranken.1717 

— — Regensburg.1795 


Oesterreich. 

Graz: Chirurgische Klinik.1725 

Innsbruck: Chirurgische Klinik.601 

— Hygienisches Institut.109 

Prag: Deutsche Universitäts-Frauenklinik.1558 

— Verein deutscher Aerzte. 172, 239, 274 

Wien: Medicinische Abtheilung des k k allg. Krankenhauses 69 

— Nervenabtheilung des k. k. allg. Krankenhauses . . . 897 

— Hygienisches Institut. 1032, 1738 

— Allgemeine Poliklinik.1586 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 










































































































LIV 


INH ALTS-VERZEICH N ISS. 


1900. 


8eite 

Wien: Abtheilung für Halskranke an der allg. Poliklinik. . 1134 

— Gesellschaft der Aerste 137, 274, 805, 345, 406, 448, 481, 

561, 593,671,714, 752, 819, 849, 918,1581,1612,1716,1762, 1792 

— Medicinischer Club 173, 275, 305, 405, 447, 561, 714, 849, 

1612, 1680, 1792 

— Medicinisches Doctorencollegium 173, 179, 345, 447, 1631 

Schweiz. 


Basel: Frauenklinik.1373 

England. 

Birmingham and Midland Counties Brauch .175 

Edinburgh: Medico-chirurgical Society. 138, 986 

— Obstetrical Society.1647 

Leeds and WeHt Riding: Medico-chirurgical Society . . 521 

London: Royal Medical and Chirurgical Society . . . 986, 1023 

— Medical Society.815 

— Pathological Society. 106, 450, 1683 

— Epidemiological Society.521 

— Society of Anaesthetists.106 

— The Sanitary Institute.815 

Manchester: Medical Society. 562, 815 

British Medical Association (Jahresversammlung zu Ipswich) 1402,1442 
Royal Academy of Medecine in Ireland.786 

Italien. 

Bologna: Medic.-chirurg. Gesellschaft . 378, 450, 633, 986, 1405 
Ferrara: Akademie der Medicin und Naturwissenschaft . . (>33 

Florenz: MecL-physiologische Gesellschaft.1255 

Genua: Medicinische Akademie ..954 

Messina: Akademie.1445 

Neapel: Deutsches Krankenhaus.999 

— Chirurgisch-propädeutische Klinik.1303 

Palermo: Medicinisch-chirurgische Gesellschaft.954 

Parma: Medicinisch-chirurgische Gesellschaft .... 346, 1618 


Seite 

Rom: Lancisiana-Gesellschaft.1613 

Sassari: Medicinische Gesellschaft .. 1091, 1405 

Siena: Akademie. . 986, 1255 

Turin: Medicinische Akademie zu Turin . 346, 450, 633, 1327 

Congress gegen die Tuberculose' zu Neapel 451, 483, 562, 

667, 707, 745 

I^mbardisch-venetianischer Congress zu Padua.1445 

Societa italiana per gli studi della malaria.1681 


Frankreich. 

Paris: Acadämie de Mödecine 105, 174, 241, 449, 663, 785, 

815, 921, 953, 1121, 1222, 1444, 1646 

— Acad&nie des Sciences . 785, 922, 1191, 1516 

— Socitftö de Thörapeutique 138, 306, 378, 562, 785,922, 953, 1222 

— Soctet^ mödicale des höpitaux 174, 407, 4nl, 521, 753, 

921, 953, 1152, 1222, 1646, 1683 


— Soci6t6 de p^diatrie. . 174, 883 

— Society de Biologie .. 986, 1646 

— Soci^tö de Chirurgie. 378, 815 


— XHI. internationaler medicinischer Congress 850 , 8c3, 

923, 955, 1059, 1146, 1187, 1192, 1216, 1249, 1280, 1317, 

1356, 1396, 1438, 1476 

— X. internationaler Congress für Hygiene und Demo¬ 
graphie . 850, 1092, 1224 

— IV. internationaler dermatologischer Congress .... 922 

— XIII. internationaler Congress für experimentellen und 

therapeutischen Hypnotismus zu Paris . . . 1477, 1513 

— IV. intemat. Congress für Psychologie zu Paris 1477, 1513 

— Internationaler Congress für ärztl. StandeRangelegen- 

bciten zu Paris. 306, 408, 1185 

— I. internationaler Congress der medicinischcn Presse . 1059 

Russland. 

St. Petersburg: Militärmedicinische Akademie.832 

Moskau: Gesellschaft der russischen Chirurgen.1616 


V. Abbildungen und Curventafeln. 


Seite 


1 Abbildung zu Krecke, Adenoc&rclnom des Coecum ... 42 

1 Curventafel zu Weiss, Blutdruckmessungen mit Gärtner’s 

Tonometer . 69 

2 Abbildungen zu Rotter, Die Herznaht als typische Ope¬ 

ration . 79 

1 Abbildung zu Killian, Die oesophagoskopische Diagnose 

des Pulsionsdivertikels der Speiseröhre.112 

4 Abbildungen zu Mayer, Zur Pathologie der Miliartuber- 

culose.121 

1 Abbildung zu Göschei, Ein Fall von Perityphlitis im Bruch¬ 
sack; Resection des Coecum und Proc. vermiformis . . 156 

1 Abbildung zu Cohn, Einige Bemerkungen über die baso¬ 

philen Körnchen in den rothen Blutscheiben.186 

2 Abbildungen zu Krecke, Ueber Skoliosis lschiadlca .... 188 

1 Abbildung zu Fröhlich, Casuistische Mittheilungen über 

Schädel- und Gehirn Verletzungen.192 

6 Abbildungen zu Heinz, Studien über Entzündung seröser 

Häute ..213 

2 Abbildungen zu Nassauer, Zur Lehre von den Tubo-Ovarlal- 

cysten .221 

2 Abbildungen zu Toff, Eine Verbesserung der „Sonde Intra¬ 
uterine dilatatrice“ von Doleris.224 

1 Curventafel zu Grober, Ueber die Wirksamkeit der Spinal- 
punetion und das Verhalten der Spinalflüssigkeit bei 

chronischem Hydrocephalus.245 

1 Abbildung zu Eversmann, Ein Fall von Selbstbeschädigung 

auf hysterischer Grundlage.290 

1 Abbildung zu Avellis, Schleimhautpemphigus als Ursache 

der Verwachsung des weichen Gaumens und Heilung 
desselben mittels besonderer Hartgummlbougies . . . 321 

2 Abbildungen zu v. Noorden, Zur Schiefhals-Behandlung . . 323 

2 Abbildungen zu Ranimstedt, Ueber eine eigenthümlicbe 

Pfählungsverletzung.354 

6 Curventafeln zu Rommel, Beitrag zur Behandlung früh¬ 
geborener Kinder.357 

1 Abbildung zu Braun, Ueber das chirurgische Naht- und 

Unterbindungsmaterial.377 

4 Abbildungen zu Lengnick, Zur Oasuistik der Rückenmarks¬ 
verletzung durch Wirbelfractur.387 


Seite 


6 Abbildungen zu Steudel, Biegsame Aluminlumschienen . 390 

2 Curventafeln zu Kossmann, Casuistische Miscellaneen aus 

dem Gebiete der Geburtshilfe und Gynäkologie .... 395 

3 Curventafeln zu Rolly und Saarn, Ueber den Einfluss des 

Ichthalbin auf den Stoffwechsel und die Darmthätigkeit 

der Kinder.460 

10 Abbildungen zu Lange, Ueber periostale Sehnenüberpflanz¬ 
ungen bei Lähmungen.487 

5 Abbildungen zu Hoffa, Zur Behandlung des Pes valgus . . 490 

5 Abbildungen zu Lanz, Asepsis contra Antisepsis? .... 493 
1 Abbildung zu Braun, Ueber das chirurgische Naht- und 

Unterbindungsmaterial.499 

3 Abbildungen zu Bofinger, Ein Tascbensterilisirapparat . . 508 

1 Abbildung zu Bäumler, Zur Diagnose der durch gewerb¬ 

liche Staubinhalation hervorgerufenen Lungenveränder¬ 
ungen .525 

4 Abbildungen zu Fleiner, Neue Beiträge zur Pathologie der 

Speiseröhre.529 

2 Abbildungen zu Vulpius, Zur Oasuistik der Sehnenzerreiss- 

ungen.569 

4 Abbildungen zu Michaelis, Zwei Fälle angeborener Mikro- 

cephalie.605 

1 Abbildung zu Klein, Ueber einen neuen verbesserten Re¬ 
spirator .651 

6 Abbildungen zu Messerer, Ueber den Befund bei Er¬ 

stickung durch Einwirkung auf den Hals .... 727,771 

1 Abbildung zu Steinbora, Ein Fall von Brustdrüse am Ober¬ 

schenkel .734 

3 Abbildungen zu Seiffer, Ein Fall von Beri-Beri.762 

2 Curventafeln zu Bezold, Drei Fälle von intrakranieller 

Complication bei acuter Mittelohreiterung.763 

3 Abbildungen zu Wolff, Zwei Fälle von angeborenen Miss¬ 

bildungen .767 

1 Abbildung zu Lange, Idiopathische Osteopsathyrose . . . 863 
1 Abbildung zu Hausen, Ein neuer geburtshilflicher Zangen¬ 
haken .867 

1 Abbildung zu v. Heinleth, Bin Fall von Carotisdrüsen¬ 
peritheliom .899 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






















































1900 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


Seite 


6 Curventafeln zu Clemens, Die diesjährige Influenza¬ 
epidemie in Freiburg i. B.925 

1 Abbildung zu Mock, Ueber einen Fremdkörper im Augen¬ 
inneren, dessen Bestimmung mit Röntgenstrahlen und 

Magnetextraction .932 

3 Curventafeln zu Schulz, Ein Beitrag zur Kenntniss der 

Terpentinölwirkung.957 

1 Curventafel zu Schittenhelm, Ueber einen Fall von Weil- 

scher Krankheit.966 

6 Abbildungen zu Moritz, Eine Methode, um beim Röntgen- 
verfahren aus dem Schattenbilde eines Gegenstandes 
dessen wahre Grösse zu ermitteln.992 

3 Abbildungen zu Hirsch, Zur klinischen Diagnose der 

Zwerchfellhernien .997 

1 Abbildung zu Walz, Ueber die normale „respiratorische 
Leberbiegung“ und die Genese der sogen. Exsplrations- 

furchen der Leber.1029 

1 Abbildung zu Schilling, Bin Besteck für Magenunter¬ 
suchung .1038 

4 Abbildungen zu Behm, Ein Fall von angeborenem Hira- 

bruch.1069 

3 Abbildungen zu Glauning, Ueber die Behandlung inflcirter 

perforirender Bulbuswunden .1071 

1 Abbildung zu Mailiefert, Ein Fall von indirectem Bruch 

eines Mittelfussknochens.1237 

1 Abbildung zu Hecht, Bin handlicher elektrischer Sterili¬ 
sationsapparat .1240 

1 Abbildung zu Berliner und Cohn, Klinische Beiträge zur 

Diagnose des Abdominaltyphus.1263 

2 Abbildungen zu Struppler, Ueber das cavernöse Angiom 

des Grosshirns.1267 

1 Abbildung zu Fleiner, Ueber Gallenblasenentzündung und 

davon abhängige Magendarmstörungen.1293 

3 Abbildungen zu Phelps, Die Behandlung von Abscessen 

der Gelenke mit Glasspeculum-Drainage und reiner 


.. 

13 Abbildungen zu Leutert, Welchen Standpunkt dürfen wir 
jetzt in der Frage der Therapie chronischer Mittelohr- 


LV 

Beite 


I elterung einnehmen und wie steht es mit der Ohole- 

! steatomfrage?.1329,1418 

I 1 Abbildung zu Kühn, Beitrag zur Lehre von der ankylo- 

I sirenden Entzündung der Wirbelsäule.1333 

1 1 Curventafel zu Reiche, Zur Verbreitung des Carcinoms . 1337 

I 3 Abbildungen zu Oberst, Ein Beitrag zur Lehre von den 

1 traumatischen Wirbelerkrankungen.1347 

1 Abbildung zu Rostoski, Untersuchungen Uber die Lage des 

Magens bei Chlorotischen.1369 

1 Curventafel zu Wormser und Bing, Ein einwandfreier 

Fall von hysterischem Fieber.1373 

2 Curventafeln zu Warnecke, Xerosebaclllen bei pro¬ 

gredienter Phlegmone, secundärer Wundinfection und 
Otitis interna.1412 

3 Abbildungen zu Kroemer, Zur Kenntniss der Lithopaedien 1453 

1 Abbildung zu Schilling, Häufigkeit und Bedeutung der 

Krystalle im Stuhl .1457 

12 Abbildungen zu v. Ranke, Zur chirurgischen Behandlung 

| des nomatösen Brandes.1485 

1 Abbildung zu Toff, Ein Fall von Thoracopagus ...... 1493 

4 Curventafeln zu Cramer, Grundsätze des Geburtshelfers 

für die erste Ernährung des Kindes.1585 

3 Abbildungen zu Port, Zur Frage der Heilbarkeit der 

habituellen Skoliose.1625 

I 2 Abbildungen zu Hirsch und Beck, Eine Methode zur Be- 
| Stimmung des inneren Reibungswiderstandes des leben¬ 
den Blutes beim Menschen.1685 

1 Abbildung zu Starck, Die Verwendung der Divertikelsonde 

bei Oesophagustumoren.1687 

1 Curventafel zu Klebs, Zur causalen Behandlung der Tuber- 

culose.1688 

2 Abbildungen zu Kaufmann, Bericht Uber die im Sommer 

1900 beobachtete Blatternepidemie.1733 

2 Abbildungen zu Payr, Beiträge zur Frage der trauma¬ 
tischen Nierenbeweglichkeit.1773 


Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck von E. Mühlthaler’s Buch* und Kunstdruckerei A.Q, München. 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF CALIFORNIA 


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Die Münch. Med. Wochenschr. erscheint wöchentl. 
In Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen. 
Preis In Deutschi, u Oest.-Ungarn vierteljährl. H JC, 
ins Ausland 7.50 JL. Einzelne No. 60 4- 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind zu adressiren : Für die Redaction 
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬ 
mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen 
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16. 


MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 

Ch. Bäumler, 0. Boliinger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. v. Heineke, 6. Merkel, J.». Michel, H.i. Ranke, F.». Wlnckel, H. t. Zlemssei, 

Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


. 1 » 1. 2. Januar 1900. 


KVdae.tion: Dr. B. Spatz. < Mo «strasse 1. 
Verlag : J. F. Lehmann, IUiisirasse 20. 


47. Jahrgang. 


Originalien. 

Blaublindheit bei Schrumpfniere. 

Von C. Gerhardt. 

Von Prof. Arthur König wurde in den Sitzungsberichten 
der Königl. Preußischen Akademie der Wisseiisrha l’t.eii ISO?, 
XXXIV eine Mittheilung über Bla uh lind heit; gemacht, die Sieh 
auf Untersuchung von Kranken bezieht. Er fand mit Riehard 
Simon zusammen blaublinde Bezirke der Ketioa hei 25 'Per¬ 
sonen, von welchen 14 an Retinitis albuminurica, 3 an Retinitis 
syphilitica, 3 an Retinitis centralis aus unbekannter Prsache. 
5 an Ablatio retinae litten. Dabei wird bemerkt, da>s manchmal 
bei völlig ausgesprochener Blaublindheit auf dem entsprechenden 
Bezirke; der Netzhaut ophthalmoskopisch nur ganz geringe Ver¬ 
änderungen sichtbar sind, ln mehreren Füllen verschwand mit 
der Besserung der Retinitis auch die Blaublindheit. Einmal, 
bei Ablatio retinae, wurden die blaublindeii Bezirke wieder voll- 
kommen farbentüchtig, wenn sieh die betreffenden Netzhaut- 
steilen in Folge einer Punetion anlcgtcn lind blieben es, solange 
die Anlegung dauerte. Abgesehen von den Fällen von Ablatio 
retinae, wo immer ein grösserer Bezirk befallen war, beschränkte 
sieh die Blaublindheit fast stets auf den centralen, nur wenige 
Grade im Durchmesser enthaltenden Theil des Gesichtsfeldes. 

Gelegentlich einer Besprechung über diese Mittheilung von 
Prof. König erinnerte sieh Oberstabsarzt Landgraf, dass 
zur Zeit seiner Function als Assistent in meiner Klinik ein 
Blei krankeil* mit Schrumpfniere lag, der von selbst klagte, dass 
er blaue Gegenstände schwarz sehe, dass er Blau nicht unter¬ 
scheiden könne. Die Krankengeschichte war trotz allen Suchens 
nicht mehr auf zu finden. Inzwischen habe ich öfter Nierenkranke 
gefragt nach ihrer Fähigkeit, Farben zu unterscheiden. In zwei 
Fällen erhielt ich Antworten, die auf Blaublindheit grösserer 
Theile des Gesichtsfeldes hinzuweisen schienen. Der eine Fall 
betraf einen älteren Lehrer, der, an vorgeschrittener Sehrumpf¬ 
niere leidend, auch über Abnahme des Sehvermögens klagte. Auf 
meine Frage, ob er alle Farben gleich gut unterscheiden könne, 
antwortete er: Ja, alle ausser Blau; wenn ich in meinen Garten 
gehe, wundere ich mich immer, dass die Astern mir wie schwarz 
Vorkommen. Irgend genauere Prüfung war bin einmaligem 
Sehen in der Sprechstunde nicht möglich. Auch den zweiten 
Fall sah ich nur flüchtig. Es war ein hochbetagter Handels¬ 
mann, der, schon seit mehreren Jahren an Nephritis schwer 
leidend, durch Digitalis und ähnliche Mittel noch am Leben er¬ 
halten wurde und über Abnahme des Sehvermögens klagte. Von 
vorgehaltenen Gegenständen erkannte er die Farben richtig, 
ausser Blau, das er für Schwarz hielt. 

Wiewohl ich mir der Unvollständigkeit dieser Angaben be¬ 
wusst bin, glaube ich doch daraus die Berechtigung entnehmen 
zu können, auf die praktische Bedeutung der Entdeckung 
A Koni hinzuweisen, die namentlich in dem Vorkommen 
gänzlicher oder doch ausgebreiteter Blaublindheit gegeben zu 
sein scheint. 


So. I- 

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Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Leipzig (Geheimrath 
Prof. Dr. Zweifel). 

Klinische Versuche über den Einfluss der Scheider- 
spülungen während der Geburt auf den Wochenbetts¬ 
verlauf. 

Von Dr. K r ö ii i g , Privatdozent an der Universität. 

Die Miiassnahmen, welch;- während der Geburt zur Ver¬ 
hütung des Kindbet t Heber- in den verschiedenen geburtshil i - 
liehen Kliniken getroffen werden, sind zur Zeit noch ziemliGf 
von einander abweichende. Wenn wir hier abseheu von den Des- 
in feetioiisvorsehrifteu, welche der geburtslei totalen Person ge¬ 
geben werden, so ditferiren die Ansichten betreffs der Desinfe.- 
t ion der Krei-sendeii in-ofeni, als die Einen die Asepsis des G - 
biiitseinials an und für sieh anerkennen und daher von jed: r 
Desinfeetion desselben Al*sraml nehmen, während die Anderen 
eine mehr oder weniger intensive Desinfeetion des Scheiden- 
und GiTvixcanals intra partum verlangen. Eine vermittelnde 
Stillung nehmen diejenigen Geburtshelfer ein, welche nur Vor 
geburtshilflichen Opera t innen eine Desinfeetion der Scheide 
fördern. So wird z. B. in den Kliniken von Bumm und 
Zweifel grundsätzlich jede Scheidcnspiilung unterlassen, 
gleichgültig, ob ein operaliver Eingriff sieh nothweiidig macht 
oder nicht; in den Kliniken von () 1 s h a u s e n , Winckel, 
1) ö d e r 1 e i n , F e h 1 i n g , L e o p o 1 d werden Scheidonspül- 
ungen im Allgemeinen nur vor operativen Geburten ausgeführt, 
während in den Kliniken von S e h a u t a , II o f m e i e r , A h 1 - 
f e 1 d eine Scheidcnspüliing hef jeder Kreissenden vorgenommen 
wird. 

Zur Entscheidung der Frage, oh eine Desinfeetion des 
Seheidencanals int ra partum nothweiidig ist oder nicht, können 
klinische Versuche im Allgemeinen nur so angestellt werden, 
dass der Verlauf des Wochenbetts von Kreissenden, bei denen 
während der Gehurt desinficirende Scheidenspülungen zum 
Zweck derAbtödtung oder Entwicklungshemmung der Soheiden- 
haeterien gemacht sind, verglichen werden mit dem Wochen- 
bettsverlauf solcher, bei denen während der Geburt keine Spül¬ 
ungen vorgenommen wurden, sondern die Bacterientiora sich 
selbst überlassen blieb. 

Zahlreiche Resultate derartiger Versuche sind mitgetheilt. 
sie weichen aber zum Theil weit von einander ab. 

Bumm 1 ) hat in seinem Referate über Aetiologie und 
Pathogenese des Kindbettfiebers eine kurze Zusammenstellung 
dieser Resultate gegeben. 

Es differiren danach zunächst die Ergebnisse ver¬ 
schiedener Kliniken. 

Die Morbidität im Wochenbett beträgt z. B. in der Mar- 
burger Klinik 35 Proc., während die Morbidität an der Würz¬ 
burger Klinik nur 9,5 Proc. beträgt. Und doch wird, wie sieh 
Bumm ausdrüekt, in Marburg wie in Würzburg aus Ueber- 
zeugung und jedenfalls gründlich gespült. In gleicher Weise 
differiren aber auch die Resultate, welche von Kliniken berichtet 
werden, bei welchen die Scheidenspülungen unterbleiben; Mer- 
m a n n erzielte 6 Proc., Leopold 8,3 Proc., Rosthor o 
10 Proc., Zweifel ca. 27 Proc. Morbidität. 

*) Bumm: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
Gynäkologie, VIII. Versammlung 1899, pag. 276. 

1 

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2 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Aber selbst dann, wenn die Versuche an ein und der¬ 
selben Ivlinik ausgeführt wurden, führten sie in den Kliniken 
zu verschiedenen Resultaten. Steffek, Ahlfeld, Gün¬ 
ther und verschiedene andere Autoren berichten über ein 
Sinken der Morbidität im Wochenbett nach Einführung 
der praeliminaren Scheidenspülung intra partum, während 
Leopold, Fehling, Heinricius, Zweifel nach 
Aussetzen der Scheidenspülungen zum Theil wesentliche 
Besserungen in den Wochenbettserkrankungen erzielten. 

Man muss den Ausführungen Bumm’s voll und ganz bei¬ 
pflichten, dass die Verschiedenheit in den Resultaten viel¬ 
leicht zum Theil durch Beobachtungsfehler, vor Allem aber 
wohl dadurch zu erklären ist, dass auf die Häufigkeit der fieber¬ 
haften Erkrankungen im Wochenbett nicht bloss die Anwendung 
oder das Unterlassen der Scheidenspülungen während der Ge¬ 
burt Einfluss haben, sondern auch andere wesentliche Momente 
in Frage kommen, wie Handhabung der Asepsis bei der Geburt 
im Allgemeinen, Art der Händedesinfection, Abstinenz nach 
Berührung mit infectiösem Material, Häufigkeit der Untersuch¬ 
ungen bei der Geburt, Art der Geburts- und Wochenbettsleitung, 
Behandlung der lnfection, Art der Temperaturmessung u. s. \v. 

Es ist selbstverständlich, dass diese verschiedenen Factoren 
in verschiedenen Kliniken nicht in gleicher Weise vorhanden 
sind, so dass zunächst hieraus gefolgert werden muss, dass die 
Resultate verschiedener Kliniken nicht dazu verwerthet werden 
können, um den Einfluss der prophylaktischen Desinfection der 
Scheide auf den Wochenbettsverlauf zu bestimmen. 

Die Verhältnisse liegen günstiger, wenn an einer Klinik 
die Versuche so angestellt werden, dass eine gewisse Zeit, z. B. 
zwei Jahre lang, die Scheidenspülung während der Geburt 
in jedem Fall durchgeführt wird und dass dann in den folgenden 
Jahren jede Scheidenspülung unterbleibt. 

In dieser Weise sind bisher fast alle mitgetheilten Versuche 
ausgeführt worden. Jedoch auch so ist die Forderung, alle 
anderen für den Wochenbetts verlauf in Betracht kommenden 
Momente ganz gleich zu setzen, praktisch kaum durchführbar. 

Im Verlauf einiger Jahre — dieser Zeitraum ist gewöhnlich 
erforderlich, um ein genügend grosses Beobachtungsmaterial zu 
haben — wechselt das Personal in einer geburtshilflichen 
Klinik; von dem jeweiligen Assistenten der geburtshilflichen 
Station ist die Ausführung der antiseptischen Vorschriften 
zu einem grossen Theile abhängig; die Behandlung des Puer¬ 
peralfiebers bleibt nicht die gleiche. Wenn daher an den ver¬ 
schiedenen Kliniken aus den gleichen Versuchen keine gleichen 
Resultate gewonnen sind, so zeigt dies nur, wie schwer es ist, 
hier gleiche Versuchsbedingungen zu schaffen. 

Diesen Einwand mussten wir auch unseren Versuehsserien 
machen, welche an hiesiger Klinik in früheren Jahren ausge¬ 
führt sind und deren Resultate in einer Dissertation von 
Bayer“) niedergelegt sind. 

Die Statistik umfasste 3499 Geburten. In einer Serie von 
1414 spontan verlaufenden Geburten waren desinfi eilende 
Scheidenspülungen gemacht worden, in den folgenden Jahren 
war in einer Serie von 1629 Spontangeburten jede Scheiden- 
spülung unterlassen. 

Das Ergebniss dieser Versuche war, dass die Morbidität im 
Wochenbett geringer war bei den während der Geburt nicht 
scheidengespülten Wöchnerinnen. 

Da diese Versuche aus den angegebenen Gründen nicht ge¬ 
nügten, um den Einfluss der Scheidenspülungen klar zu er- 
Iv( nnen, so entschlossen wir uns im November 1898 zu einer 
neuen Versuchsanordnung, welche die Fehlerquellen möglichst 
umgehen sollte. 

Das Princip der Versuchsbedingungen war gegeben. Da der 
Wochenbettsverlauf von sehr vielen Factoren abhängig ist, so 
müssen wir, will man einen Factor, also hier den Einfluss 
der Scheidenspülung erkennen, in den beiden Versuehsserien 
alle anderen Factoren möglichst gleich setzen, und nur den 
gesuchten Factor wechseln. 

Wir glauben, dieser Forderung in folgender Weise, so weit 
es bei klinischen Versuchen möglich ist, gerecht geworden zu 
sein. 


“) Bayer: lieber den Einfluss des Ausspülens und Tou- 
chirens bei der Geburt auf das Wochenbett. Inauguraldissertat. 
Leipzig 1894. 


Im Aufnahmezimmer des Kreisssaals bekam jede zweite 
eintretende Gebärende einen Zettel, wodurch sie dazu bestimmt 
wurde, dass bei ihr die Scheidenspülungen vorgenomxnen 
werden sollten; bei den anderen unterblieben dieselben. 

Die Scheidenspülung wurde nach den Vorschriften von 
II o f in e i e r s ) ausgeführt, welche ich hier wiedergebe. 

Die Kreissende wird bei der ersten Desinfection auf den 
Untersuchungsstuhl gelegt. Nach sorgfältiger äusserliclier 
Reinigung und Desinfection der äusseren Geschlechtstheile, so¬ 
wie der eigenen Hände führt man zwei Finger in die Scheide 
ein, setzt den Mittelfinger in den Gebärmutterhals, soweit man 
in denselben bequem gelangen kann und dirigirt den Flüssig¬ 
keit sstrorn (Sublimatlösung 1:2000, lauwarm) möglichst in den 
äusseren Muttermund hinein, während man mit dem Zeigefinger 
die Scheide auswäscht. Dann wechselt man die Finger, reinigt 
mit dem Zeigefinger den Gebärmutterhalscanal und wäscht mit 
dem Mittelfinger den noch übrigen Theil der Scheide ab. 
Gleichzeitig sorgt man durch Niederdrücken des Dammes für 
freien Abfluss der Flüssigkeit. 

Das Flüssigkeitsquantum beträgt 1 Liter. 

Weiterhin wird die Kreissende nach jeder inneren Unter¬ 
suchung, sonst alle 2—3 Stunden, auf einem Unterschieber im 
Längsbett ausgespült, wiederum mit 1 Liter einer Sublimat- 
lö.-ung 1:2000. 

Vor einer jeden Ausspülung wurde Irrigator und Schlauch 
1 Minute und das Spülrohr 10 Minuten lang in Wasser mit 
geringem Sodazusatz ausgekocht. 

Die Desinfeetionsvorschrift der Hände war folgende: 

Nach sorgfältiger Reinigung des Unternagelraums werden 
die Hände und Unterarme mit Bürste und Seife in möglichst 
warmem Wasser 8 Minuten lang bearbeitet. 

Nach Abspülen mit Wasser werden die Hände 3 Minuten 
lang in die Desinfeetionslösung getaucht, bis eine Mahagoni¬ 
farbe der Oberhaut erzielt ist. Die Desinfeetionslösung wurde 
auf folgende Weise hergestellt: 45 ccm Acid. hydrochlorie. pur. 
werden mit 1600 ccm Wasser gut gemischt und hierauf 500 cem 
feiner 4 proc. Kaliumpermanganatlösung zugesetzt.*) 

Nach Behandeln mit dem Desinficienz wurden die Hände 
kurze Zeit mit Wasser abgespült und in einer Oxalsäurelösung 
entfärbt. 

Sobald die Geburt beendet ist, werden die Wöchnerinnen 
in das Wochenzimmer gebracht; eine räumliche Trennung der 
Frauen, welche während der Geburt mit Scheidenspülungen be¬ 
handelt waren oder nicht, wurde nicht vorgenommen. 

Bei einer derartigen Anordnung des Versuches, bei welchem 
die beiden Versuchsreihen also nebeneinan d c r gleichzeitig 
ausgeführt werden, ist Gleichheit der Bedingungen, sowohl der 
Geburts- als Wochenbettsleitung, ziemlich sicher garantirt. 
Ganz ähnliche, parallel laufende Versuche hat Leopold in 
der Dresdener Klinik angestellt, nur waren hier in den beiden 
Serien die geburtsleitc nden Personen verschieden, einmal Aerzte, 
das andere Mal ausschliesslich Hebammen. 

Wäre jede Temperatursteigerung im Wochenbett über 
eine bestimmte Höhe durch lnfection puerperaler Wunden be¬ 
dingt, so Hesse sich in der That aus einer Zusammenstellung 
der Fieberhöhen im Wochenbett mit grosser Sicherheit der Ein¬ 
fluss der desinfieirenden Scheidenspülungen für das Puerperal¬ 
fieber ableiten. 

Da aber ein Theil der Temperatursteigerungen im Wochen¬ 
bett bestimmt auf andere, ausserhalb des Genitales liegende 
Ursachen zurückzuführen ist, so müssen auch bei dieser Ver¬ 
suchsanordnung sehr grosse Zahlen verlangt werden, um den 
dadurch entstehenden Fehler möglichst gering zu machen. Es 
ist selbstverständlich, dass bei Aufstellung einer derartigen 
Statistik alle Temperaturerhöhungen gerechnet werden 
müssen, gleichgiltig, ob der Arzt die Ueberzeugung im ein¬ 
zelnen Fall gewinnt, dass das Fieber hier nicht durch eine Er¬ 
krankung der Genitalien bedingt ist, weil sonst dem subjectiven 
Ermessen des Untersuchers ein zu weiter Spielraum gegeben 

*) Vergl. Steffek: Zcitsclir. f. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. XV. 
S. 401. — Hofineler: Deutsch, med. Woeliensclir. 1891. Bor! 
klin. Wocheusclir. 1898, No. 40. 

*) Vergl. Krönig und Paul: Die chemischen Grund¬ 
lagen der Lehre von der Giftwirkung und Desinfection (Zeitsehr. 
f. Hyg. u. Infeetionskrankh. v. Koch u. Flügge, 1897. p. 78. 


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2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


3 


i*t; nur eine objective Wiedergabe aller Temperatursteigerungen 
ist vollwerthig. Bei grossen Zahlenreihen werden sich bei 
gleicher Wochenbettsbehandlung etwaige Differenzen in der 
Statistik, welche durch den Einfluss extragenitaler Erkrankung 
auf den Wochenbettsverlauf hervorgerufen sein könnten, in 
beiden Serien ausgleichen. 

Wenn ich im Folgenden über eine Serie von 1100 Geburten 
berichte, so anerkenne ich vollständig, dass diese Zahl zu klein 
ist; die Veröffentlichung geschieht trotzdem schon jetzt, in der 
Hoffnung, dass vielleicht andere Kliniken gleiche Versuche an¬ 
stellen, wodurch der Entscheid in der schwebenden Frage wesent¬ 
lich beschleunigt würde. 

Bei Ausführung der Versuche ist vor Allem der Thermo- 
metrie besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 

Durch vergleichende Messungen in der Achselhöhle und im 
After konnten wir bestätigen, dass die Temperaturmessungen 
in der Achsel zu viele Fehlerquellen haben, um für der¬ 
artige Versuche verwerthbar zu sein. Wir haben bei den 
Versuchen die Messung nur dann in der Achsel ausgeführt, 
wenn Da Hirnverletzungen, bei der Geburt die Aftermessung ver¬ 
hinderten. Es ist im Folgenden stets besonders angegeben, 
wenn ausnahmsweise in der Achsel gemessen war. 

Bei der Messung im After wurde darauf Gewicht gelegt, 
dass die Quecksilberkugel stets gleichweit — bis zum Beginn 
der Scala — eingeführt war und dass das Ablesen genau nach 
einer bestimmten Zeit — 5 Minuten nach Einführen des Ther¬ 
mometers — vorgenommen wurde. 

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass viele für die 
Thennometrie am Krankenbett bestimmten Thermometer für 
genaue Temperaturmessungen unbrauchbar sind. Wir be¬ 
obachteten, dass manche derartige Thermometer bei längerem 
Gebrauch falsch anzeigten; es ist dies dadurch bedingt, dass 
aus dem Steigrohr des Thermometers bei der Anfertigung nicht 
alle Luft ausgetrieben war; bei häufigerem Senken und Heben 
des Thermometers kann dann ein Theil der zurückgebliebenen 
Luft unter die Quecksilbersäule gelangen und dadurch natür¬ 
lich ein zu schnelles Ansteigen der Quecksilbersäule bei Erwär¬ 
mung bedingen. 5 ) 

Die Ausführung der Thennometrie bei den Wöchnerinnen 
gesell a h folgendermaassen. 

Morgens 7 Uhr und Abends 5 Uhr wurden die Messungen im 
Rectum vorgenommen. Die Wöchnerinnen wurden dazu in Seiten¬ 
lage gebracht ; in jedem Wohnzimmer wurden bei allen Wöchner¬ 
innen gleichzeitig das Thermometer von der betr. Ilebammen- 
schülerin eiugeführt und die Höhe der Temperatur nach 5 Mi¬ 
nuten — die Zeit wurde mit der Rennuhr controlirt — von der 
Oberhebamme abgelesen. Dr. Glöckner hat sich im Interesse 
der Versuche der grossen Mühe unterzogen, mehrmals wöchentlich 
die Temperaturangaben der Oberhebamme zu controliren; er hat 
keine nennenswerthen Differenzen feststellen können. Ich 
stimme Bum in nach unseren Erfahrungen vollständig bei, dass 
wohl geringe Beobachtungsfehler Vorkommen können, dass diese 
aber nicht so gross sind, dass sie das Gesammtresultat beein¬ 
flussen können. 

Im Ganzen konnten für die nachstehenden Resultate 1114 
Wöchnerinnen verwerthet werden; von diesen waren 577 intra 
partum mit Scheidenspülungen behandelt, 537 nicht ausgespült 
worden. Dass die Zahl der „Ausgespülte n“ und „N icht- 
a u s g e s p ii 11 e n“ nicht übereinstinunt, was man a priori 
erwarten sollte, ist dadurch bedingt, dass viele Frauen nach¬ 
träglich noch von der Statistik ausgeschlossen werden mussten. 

So konnten sämmtliche Frauen, bei denen während der Ge¬ 
burt Eklampsie auftrat oder bei denen Blutungen in Folge 
Placenta praevia bestanden, nicht verwerthet werden, weil die 
eventuell auszuführende Scheidenspülung nicht exact genug 
hätte durehgeführt werden können; ferner mussten alle die 
Frauen von der Statistik ausgeschlossen werden, gleiehgiltig ob 
dieselben für die Scheidenspülung bestimmt waren oder nicht, 
bei denen der Partus während der Vorbereitungen zur Ent¬ 
bindung — Verabfolgung des Einlaufs, äussere Desinfeetion 


*) Während der Yersuchsserie benützten wir ausschliesslich 
Thermometer von der Glashandlung F. O. R. G ö t z e - Leipzig. 
Bas Stück znm Preise von 3 Mark, Biese zeigten bei allen Nach¬ 
prüfungen niemals Störungen. 

No. 1. 


u. s. w. — erfolgte. ‘ Im Ganzen mussten so 158 Kreissendo aus¬ 
geschaltet werden. 

Bei einer vergleichenden Statistik sind für unseren Zweck 
besonders die Frauen zu verwerthen, bei welchen jeder operative 
Eingriff während der Geburt unterblieb. Bei den Operationen 
überwiegt die Möglichkeit der Ausseninfection zu sehr, als dass 
der eine Factor, die Scheidenspülung, wesentlich zur Geltung 
kommt. 

Desswegen ist der Hauptwerth der Statistik auf den 
Wochenbettsverlauf der Kreissenden zu legen, welche entweder 
gar nicht innerlich untersucht sind, oder bei denen wenigstens 
ausser der innerlichen Untersuchung kein weiterer Eingriff vor¬ 
genommen wurde. Wenn wir also zunächst nur den Wochen- 
bettsverlauf derjenigen Kreissenden betrachten, bei welchen 
jeder, auch der kleinste operative Eingriff unterblieb, so er¬ 
gibt sich für unsere Versuchseriell Folgendes: 

Die Zahl der Ausgespülten beträgt 515. 

Davon hatten: 


Temperatursteigerungen 

über 38,0 im 

Wochenbett 235 = 45,6 Proc. 

(im Rectum gemessen) 

„ 38,5 „ 

,, 

121 = 23,5 „ 


„ 39,0 „ 

„ 

75 = 14,5 „ 


„ 39,5 „ 

* 40,0 * 


41 = 7,96 „ 


. 

17= 3,3 „ 


Eine Wöchnerin starb an Sepsis, welches einer Mortalität 
von 0,19 Proc. entsprechen würde. 

Die Zahl der Ni eh tausgespülten beträgt 465. 

Davon hatten: 

Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 177 = 38 Proc. 
(im Rectum gemessen) „ 38,5 „ „ 86 = 18 „ 

„ 39,0 „ ,, 45= 9,6 „ 

„ 39,5 „ „ 25= 5,1 „ 

„ 40,0 „ „ 12= 2,5 „ 

Eine Wöchnerin starb an Sepsis, welches einer Mortalität 
von 0,21 Proc. entspricht. 

Diese Zahlen differiren im Verhältniss der Temperaturhöhen 
der Ausgespülten zu den Nichtausgespülten nicht weit von der 
Berechnung, welche Bayer früher in der erwähnten Arbeit 
an dem Material der hiesigen Klinik gemacht hatte. 

Bayer fand bei Achselmessung der Wöchnerinnen unter 
1414 Wöchnerinnen, welche während der Geburt ausgespült 
waren, bei 512 Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochen¬ 
bett = 36,21 Proc. 

Darunter 4 Todesfälle an Sepsis, welches einer Mortalität 
von 0,28 Proc. entsprechen würde. 

Unter 1629 Wöchnerinnen, welche während der Geburt nicht 
ausgespült waren, bei 422 Temperatursteigerungen über 38,0 im 
Wochenbett = 25,91 Proc. 

Darunter 1 Todesfall = 0,06 Proc. 

Wenn wir nur völlig Gleichartiges in beiden Serien gegen¬ 
überstellen wollen, so müssen wir noch in beiden Grüppen die 
während der Geburt innerlich untersuchten Wöchnerinnen 
trennen von den während der Geburt nicht touchirten Wöch¬ 
nerinnen. In Wirklichkeit fällt dies weniger in’s Gewicht, weil 
schon aus der B a y e r’schen Statistik hervorgeht, dass in hiesi¬ 
ger Klinik der Einfluss des Touchirens allein nicht deutlich in 
der Häufigkeit der Temperatursteigerungen im Wochenbett 
zum Ausdruck kommt. 

Durch diese Trennung werden die vergleichbaren Zahlen 
natürlich noch kleiner und ihre Beweiskraft verringert; trotz¬ 
dem gebe ich eine kleine Uebersicht hier wieder. 

Von den 515 Ausgespülten wurden 123 während der 
Geburt tou<?hirt. 

Davon hatten: 


Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 
(im Rectum gemessen) „ 38,5 , „ 


» 

n 

n 


39,0 

39,5 

40,0 


»* 

n 

n 


65 = 52,9 Proc. 
30 = 24,3 „ 

16 = 13 „ 

7= 5,6 „ 

2 = 1,6 „ 


Von den 456 Nichtausgespülten wurden 78 tou- 
chir*, davon hatten: 


Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 26 = 33,3 Proc. 
(im Rectum gemessen) 


38,5 „ 

ft 

10=12,8 

39,0 „ 

n 

4= 6,1 

39,5 , 

n 

2= 2,5 

40,0 „ 

n 

0= 0 


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4 


MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Von den Ausgespülten wurden nicht touchirt 392, 
davon hatten: 

Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 170 = 43,3 Proc. 
(im Rectum gemessen) „ 38,6 „ „ 91 = 23,2 

„ 89,0 „ „ 59=15 

„ 39,5 „ „ 34= 8,6 „ 

, 40,0 „ „ 15= 3,8 „ 

Von den N ich tausgespülten wurden nicht tou- 
cliir*: 387, davon hatten: 

Temperatursteigerungen über 38,0 im Wochenbett 151 = 39,0 Proc. 


n 

a 38,5 „ 


76 = 19,6 

1t 

n 39,0 „ 

n 

41 = 10,5 


» 39,5 „ 

„ 

23= 5,9 

ft 

n 40,0 „ 

„ 

12= 3,1 


Um nicht bloss zu ermitteln, wie viele Wöchnerinnen Tem- 
peraturstcigerung über eine bestimmte Grenze hinaus hatten, 
sondern um auch eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie oft 
von einer Wöchnerin im Durchschnitt bestimmte Tem- 
peraturhöhen erreicht wurden, wurde folgendermaasscn ver¬ 
fahren. Aus der Temperaturcurvo einer jeden Wöchnerin 
wurde abgezählt, wie oft in den Morgen- und Abend¬ 
temperaturen Temperatursteigerungen zwischen 38,1 und 38,5, 
wie oft zwischen 38,6 und 39,0, zwischen 39,1 und 39,5, zwischen 
39,6 und 40,0 und über 40,0 verzeichnet waren. 

In derselben Weise geschah dies bei den Wöchnerinnen, 
welche eine einmalige Temperatursteigerung über 38,0 hatten, 
mit der Frequenz des Pulses und zwar in den Grenzen 
von 81—100, 101—120, 121—140 und darüber. Die Pulszahl der 
Wöchnerinnen war gleichzeitig mit dem Ablesen der Tem¬ 
peraturen Morgens und Abends festgcstelllt. 

Schliesslich wurde die Summe der Verpflegungstage, welche 
die Wöchnerinneu über den 10. Tag hinaus in der Klinik zu¬ 
gebracht hatien, gezogen und auf eine Wöchnerin im Durch¬ 
schnitt berechnet. 

Ueberstieg die Verpflegungszeit in der Klinik 6 Wochen 
nach der Entbindung, so wurden Temperatursteigerungen, Puls* 
erhöhungen. Verpflegungstage nur bis zu dieser Zeit, also bis 
zum 42. Tage .nach der, Entbindung gerechnet. Es ist dies noth- 
wendig, weil sonst durch eine fiebernde Wöchnerin die Sta¬ 
tistik zu Gunsten der einen oder anderen Serie zu sehr beein¬ 
flusst werden kann. 

Da hier nur grössere Zahlenreihen statistischen Werth be¬ 
sitzen, so habe ich in der nachfolgenden Zusammenstellung nur 
die „ A usgespülten“ den ,,N ichtausgespülte n“ 
gegenübergestellt, ohne Rücksicht darauf, ob diese bei der Ge¬ 
burt touchirt oder nicht touchirt waren, ob es sich um Erst¬ 
oder Mehrgebärende handelte. 


Tempera¬ 
turen 
im After 
gemessen 

Aus.gesptilte 

Nichtausgespülte 

Die 235 Fiebern¬ 
den hatten 
in Summa 

Also eine 
Fiebernde im 
Durchschnitt 

Die 177 Fiebern¬ 
den hatten 
in Summu 

Also eine 
Fiebernde im 
Durchschnitt 

von 38,1-38,5° 

450 

1,91 

3s0 

2,14 

„ 38,6-39,0° 

194 

0,82 

143 

0,80 

„ 39,1-39,5° 

119 

0,50 

57 

0,32 

„ 39,6-40,0° 

66 

0,28 

40 

0,22 

„ 40,0° 

32 

0,13 

35 

0,19 

Pulsfrequenz 





von 81—100 

1437 

6,32 

1035 

5,84 

„ 101-120 

438 

1,86 

244 

1,37 

„ 121—140 

82 

0,84 

44 

0,24 

„ 141 

10 

0,04 

4 

« 

0,02 

Verpflegungs¬ 

tage 





über 10 

434 

1,84 

287 

1,62 


Ich füge hier noch die Zahlen der Bayer’sclien Statistik 
an: die Temperaturen sind hier in der Achsel gemessen. Eine 
absolute Vergleichung der Zahlen ist daher natürlich ausge¬ 
schlossen, sondern nur bis zu einem gewissen Grade eine relative 
zwischen „Ausgespülten“ und „Nichtausgespülten“. 

(Tabelle siehe nebenstehend.) 

Soviel geht zur Zeit aus der vorliegenden Statistik hervor, 
dass bei den Nichtausgespülten die Höhe der Temperaturstei¬ 
gerung, die Höhe der Pulsfrequenz und die Verpflegungszeit 


Tempera¬ 

turen 

Ausgespülte 

Nichtauß ge spülte 

Die 512 Fiebern-, 
den hatten 
in Summa 

Also eine 
Fiebernde im 
Durchschnitt 

Die 422 Fiebern¬ 
den hatten 
in Summa 

Also eine 
Fiebernde im 
Durchschnitt 

von 38,1-38,5° 

1111 

2,17 

819 

1,94 

„ 38,6-39,0° 

665 

1,30 

398 

0,94 

„ 39,1-39,5° 

362 

0,71 

242 

0,55 

„ 39,6-40,0° 

240 

0,47 

173 

0,41 

„ 40,1° 

130 

0,25 

83 

0,20 

Pulsfrequenz 


von 81—100 

6614 

12,92 

4333 

10,27 

„ 101-120 

2363 

4,62 

1206 

2,86 

„ 121 

844 

1,65 

320 

0,92 

Verpflegungs¬ 





tage 





über 10 

2497 

4,88 

1144 

2,71 


geringer sind als bei den während der Geburt mit Sublimat¬ 
spülungen der Scheide Behandelten. Ob sich dies bei einer 
grösseren Serie von Versuchen bestät igen wird, bleibt abzuwarten. 


W r ird die Asepsis des Geburtscanals der Kreissenden an¬ 
erkannt, so können die Scheidenspülungen nicht bloss bei den 
spontan verlaufenden, sondern natürlich auch bei den operativ 
beendeten Geburten entbehrt werden, eine sichere Asepsis der 
operirenden Hände und der verwendeten Instrumente voraus¬ 
gesetzt. 

Eine vergleichende Statistik hat hier natürlich, wie 
schon erwähnt, einen viel beschränkteren Wörth für die Ent¬ 
scheidung der Frage, ob die prophylaktische Scheidenspülung 
intra partum nothwendig ist oder nicht. Es überwiegt einmal 
zu sehr die Möglichkeit der Ausseninfection im Allgemeinen, 
ferner ist, wie Olshauseu hervorhebt, die Gefahr der puer¬ 
peralen Infection bei den einzelnen Operationen sehr ver¬ 
schieden. W T ir dürfen nicht aus dem Vergleich des Wochenbetts- 
Verlaufs nach Extractionen am Beckenende oder nach Extrac¬ 
tionen mit der Zange bei im Beckenausgang stehendem Kopf 
mit dem Wochenbettsverlauf nach den viel grösseren Eingriffen 
der manuellen Placentarlösung, Decapitation u. s. w. einen 
Rückschluss machen auf eine während der Geburt in der 
einen oder anderen Gruppe ausgeführten oder unterlassenen 
Scheidenspülung. 

Sicherlich darf die Statistik zweier Kliniken hier nicht ver- 
werthet werden. 

Ilofmeier sah unter 100 operirten Frauen nur in 6 Fällen, 
also in 6 Proc., fieberhafte Wochenbetten bei Achselmessung auf- 
treten bei Sublimatspülung der Scheide; wir beobachteten früher 
bei Lysolspülung der Scheide in 43,22 Proc. der Fälle Temperatur¬ 
steigerungen über 38,0 im Wochenbett bei Achselmessung und 
neuerdings bei Sublimatspülung der Scheide nach Hofmeier 
bei Aftermessung unter 28 operirten Frauen bei 13 = 46,4 Proc. 
Temperatursteigerung über 38,0 und bei 7=25 Proc. Temperatur- 
Steigerung über 38,5. Es kommen bei den Operationen viel zu 
viel andere Faetoren, welche auf den Wochenbett9verlauf von 
Einfluss sind, in Betracht, vor Allem kommt es zu sehr auf 
die Grösse der betreffenden Eingriffe an; je geringer der opera¬ 
tive Eingriff, um so besser im Allgemeinen ceteris paribus die 
betreffende Statistik. 

Hof meier kann daher auch den Vergleich seiner Morbidi¬ 
tätsstatistik nach Operationen mit der in hiesiger Klinik bei 
nicht ausgespülten operirten Frauen erzielten Morbidität nicht 
benutzen, um daraus den Werth der prophylaktischen Scheiden¬ 
spülung abzuleiten. In der Leipziger Frauenklinik waren Tem¬ 
pera turstei gerungen über 38° im Wochenbett nach Operationen 
häufig, gleichgiltig ob die Scheide intra partum desinficirt war oder 
nicht; im ersteren Falle 43,22 Proc., im letzteren Falle 49,41 
Proc. ö ). 

In den jetzigen Versuchsserien waren unter den während der 
Geburt ausgespülten Frauen 28, unter den nicht ausgespülten 
Frauen 43 operirt. Es sind hier nur diejenigen erwähnt, bei 
welchen die Aftermessung im Wochenbett durchgeführt werden 

•) Ilofmeier hatte gerade letztere Zahl in der Discusslon 
über Puerperalfieber auf dem Gynäkologencongress in Berlin er¬ 
wähnt. Zweifel äusserte sich, dass ihm diese Zahl etwas hocii 
vorkomme und dass vielleicht ein Versehen vorliege. Wir be- 


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2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


5 


konnte. Sobald bei der Geburt ein Dammriss entstanden war, 
musste die Achselmessung an die Stelle treten. 

Von den 28 ausgespülten operirten Frauen hatten 13 
im Wochenbett Temperatursteigerung über 38,0° (im Rectum ge¬ 
messen). 

Von den 43 nichtausgespülten operirten Frauen 
hatten 24 Temperatursteigerungen üer 38,0° (im Rectum ge¬ 
messen). 

Eine derartige allgemeine Gegenüberstellung der Tempera¬ 
turverhältnisse ist bei der verschiedenen Werthigkeit der Opera¬ 
tionen für die Entscheidung der schwebenden Frage nicht zu 
verwerthen, höchstens können gleichartige Operationen in beiden 
Serien mit einander verglichen werden. 

Wir können allenfalls die Zangenoperationen, die zer¬ 
stückelnden Operationen, die Wendungen etc. in beiden Gruppen 
gegenüberstellen. 

Ich gebe hier nur einige wenige Zahlen 7 ): 

Bei 17 Zangen Operationen war in 8 Fällen die Sublimat¬ 
spülung der Scheide nach H o f m e i e r gemacht, von diesen 
hatten 6 Temperatursteigerung im Wochenbett über 38,0° (im 
Rectum), bei 3 überstieg die Temperatur die Höhe von 38,5 0 (im 
Rectum). 

in 9 Fällen war keine innere Desinfection vorgenommen, von 
diesen hatten 5 Temperatursteigerungen im Wochenl>ett über 38,0° 
iim Rectum), bei 4 überstieg die Temperatur die Höhe von 38,5° 
<im Rectum). 

Benutzen wir bei der Berechnung der Verpflegungstage der 
Fiebernden diejenigen Fälle von Zangengeburten mit, bei denen 
wegen gleichzeitiger Verletzung des Dammes die Temperatur- 
messungen in der Achselhöhle vorgenommen wurden, so hatten in 
der Gruppe der Ausgespülten unter 10 Fällen von Zangen¬ 
geburten 7 Wöchnerinnen Fieber, von diesen hatten 6 keine Ver¬ 
pflegungszeit länger als 10 Tage, 1 Fiebernde hatte eine Ver- 
pflegungszeit von 21 Tagen; in der Gruppe der Nichtausgespülten 
hatten von 11 mit Zange entbundenen Frauen 6 Fieber im 
Wochenbett, bei diesen überschritt bei 4 die Verpflegungsdauer 
in der Klinik nicht den zehnten Tag; eine hatte eine Ver¬ 
pflegungszeit von 15 Tagen, eine Fiebernde eine Verpflegungs¬ 
zeit von 18 Tagen. 

V on den zerstückelnden Operationen, Per¬ 
forationen, Kraniotomien und Decapitationen waren in 4 Fällen 
die Scheiden desinficirt worden, von diesen hatten 2 Temperatur¬ 
steigerung über 38,0 ,bei 2 überstieg die Temperatur die Höhe 
von 38,5. 

Die Verpfleguugszcit betrug bei 5 fiebernden Wöchnerinnen 
— es sind hier 3 Wöchnerinnen, bei welchen wegen Damm¬ 
verletzungen die Achselmessung gemacht werden musste, mit¬ 
gerechnet — in einem Falle 13 Tage, in einem 15 Tage, in einem 
18. in einem 25 Tage, nur in einem Falle nicht über 10 Tage. 

In 14 Fällen war die Scheide bei der Vornahme der zer¬ 
stückelnden Operation nicht desinficirt worden. 

Von diesen hatten 7 Temperatursteigerungen über 38°, bei 

5 überstieg die Temperatur auch die Höhe von 38,5. Von den 
7 Fiebernden — es wurden alle im After gemessen — hatten 

6 keine Verpflegungszeit über 10 Tage, 1 eine Verpflegungszeit 
von 13 Tagen. 

Die Temperatursteigerungen nach Wendungen können 
nicht zum Vergleich herangezogen werden, weil die 3 ange¬ 
führten Wendungen ausschliesslich in die Serie der „Ausge¬ 
spülten“ fallen, ebenso nicht die Temperatursteigerungen nach 
manueller Placentarlösung, intrauteriner Entfernung von Eihaut¬ 
resten, Einleitung der künstlichen Frühgeburt, weil diese umge¬ 
kehrt zufällig ausschliesslich in die Serie der „Nichtausge- 
spültcn” fallen; nur möchte ich erwähnen, dass von diesen Opera¬ 
tionen — im Ganzen 4 Fällen — keine Wöchnerin eine Tem¬ 
pera tursteigerung über 38,5 (im After gemessen) im Wochenbett 
hatte, und bei keiner die Verpflegungszeit den 10. Wochenbetts- 
tag überschritt. 

Bei Dammrissen nach Spontangeburten sind alle Frauen 
stets in der Achsel gemessen worden und da die Achselmessung 
gewisse Fehlerquellen in sich schliesst, sind die Zahlen nicht 
direct mit den früheren vergleichbar. 

stätigen die Angaben Hofmeier’s, betonen aber ausdrücklich, 
dass diese Zahl schon desshalb nicht für den Werth der Scheiden- 
spülungen sprechen kann, weil Temperatursteigerungeu über 38° 
nach prophylaktischen Scheidenspülungen fast gleich oft Vor¬ 
kommen, nämlich in 43,22 Proc. der Fälle. 

0 Die ausführliche Arbeit erscheint demnächst als Inaugural¬ 
dissertation von Dr. Pflug. 

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Ich erwähne nur kurz, dass die Temperaturverhältnisse in 
beiden Serien ungefähr gleich waren. 35 Proc. Temperaturstei¬ 
gerungen über 38,0 bei 34 Dammrissen in der Serie der Aus¬ 
gespülten und 31 Proc. unter 29 Frauen in der Serie der 
N ichtausgespülten. 

Die vorliegende Statistik von 1100 Geburten ist noch nicht 
gross genug, um die Frage nach dem Einfluss der Scheiden- 
spülungen auf den Wochenbettsverlauf zu entscheiden. Die Ver¬ 
suche sollen noch über weitere 2000 Geburten ausgedehnt werden. 
Soviel aber scheint sich doch in Zusammenfassung mit der 
früheren Statistk von Bayer aus der hiesigen Klinik über 
3482 Geburten, wenn dieser auch gewisse Einschränkungen zu 
machen sind, zu ergeben, dass eine prophylaktische Scheiden¬ 
spülung in der Geburt zum Mindesten unnöthig ist. 

Die Zahl der Temperatursteigerungeu über 38 ü im Verlauf 
des Wochenbettes ist im Vergleich zu manchen anderen Kliniken 
scheinbar eine sehr hohe, sowohl in der Serie der Ausge¬ 
spülten als auch der Nichtausgespülten; es ist dies zum Theil 
durch die Art der Temperaturmessung (Messung im Rectum) 
bedingt, zum Theil wohl auch dadurch, dass alle Temperatur¬ 
steigerungen, gleichgiltig welchen Ursprungs, zur Statistik ver¬ 
wendet wurden. 

Dass die Handhabung der Asepsis im Allgemeinen keine 
schlechte ist, geht daraus hervor, dass bei 2094 Geburten — 1629 
der B a y e r’schen und 465 der vorliegenden Statistik — bei 
welchen ausschliesslich nur äussere Desinfection der Kreissenden 
aber kein operativer Eingriff statt fand, 2 Wöchnerinnen an 
Sepsis starben; es ergibt dies eine Mortalität von ca. 0,1 Proc., 
einProeentsatz, welcher mit zu den besten gerechnet werden darf. 

Ich verdanke die Veröffentlichung meinem Chef, Herrn Ge¬ 
heimrath Zweifel, welchem ich für die Ueberlassung des Ma¬ 
terials und für sein Interesse meinen Dank ausspreche. 


Aus dem pharmakologischen Institut München. 

Ueber die Wirkung fluorescirender Stoffe auf In¬ 
fusorien nach Versuchen von 0. Raab.*) 


Von Prof. H. v. Tapp ein er. 


Von Binz wurde bekanntlich gefunden, dass Chininsalze 
ganz auffallend starke Gifte für Infusorien sind und die 
Vermuthung ausgesprochen, dass diese Eigenschaft in einem 
inneren Zusammenhang mit der Chininwirkung bei Malaria 
stehe ‘). 

Spätere Untersuchungen von Grethe und mir 2 ) ergaben 
indess, dass diese nähere Beziehung nicht besteht. Wir fanden, 
dass andere Substanzen, Phenylchinoline und Phenylacridine 
(Phosphine), eine noch bedeutend grössere Giftigkeit für In¬ 
fusorien besitzen, in ihrer Wirkung auf Malaria hingegen dem 
Chinin erheblich nachstehen. Mannaberg, der auf meine 
Bitte noch einige weitere Malariafälle mit diesen Substanzen be¬ 
handelte, kommt zum Schlüsse, dass die Fieberanfälle durch diese 
Stoffe wohl mehrere Tage völlig niedergehalten werden können, 
nach dem Aussetzen derMedication, mitunter selbst beim Fortge¬ 
brauche kehren sie in 2—3 Tagen wieder, indem die Malaria¬ 
parasiten wohl auf einige Zeit gelähmt und an der Sporulation 
verhindert, aber nicht zum Zerfall gebracht werden, wie durch 
das Chinin. 

Die ganz ausserordentlich starke Wirkung der Phenylacri¬ 
dine auf Infusorien (dieselben tödten noch in einer Verdünnung 
von 1:1000 000 in wenigen Stunden) veranlasste mich, diesen 
Befund im Auge zu behalten und zunächst Herrn cand. med. 


O. Raab die Muttersubstanz des Acridin 


Cöll4 


/ | T \ 
\CH/ 


CeH< 


resp. dessen wasserlösliches Chlorid untersuchen zu lassen. Das 
Untcrsuchungsobject war wie bisher Paramaecium caudatum, 
die Beobachtungen geschahen am hängenden Tropfen in feuchter 
Kammer. Es zeigte sich, dass auch das Acridin stark giftig ist, 
wenn auch lange nicht in dem Grade, wie sein Phenylderivat: 


*) Vortrag, gehalten bei der Versammlung Deutscher Natur¬ 
forscher und Aerzte zu München in der Abtheilung für innere 
Medicin und Pharmakologie, 19. September 1899. 
l ) Central bl. f. d. med. Wissenschaften 1807. 

*) Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. LVI. 189 u. 308; Münch, 
med. Wochenschr. 1896, No. 1. 

a ) Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. LIX, 185. 


2 * 


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e 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Zusatz von 1:1000 zu gleichen Theilen tödtete sofort, 

„ „ 1: 5000 in ca. 30 Minuten, 

„ „ 1:10 000 in durchschnittlich 60 Minuten. 

Als dann zur Auffindung der unteren Grenze der Wirkung 
geschritten und eine Lösung von 1 :20 000 untersucht wurde, 
erhielt O. Raab ganz verschieden ausfallende Ergebnisse. Bald 
waren die Paramaecien nach 60—100 Minuten todt und zerfallen, 
bald lebten sie über einen halben Tag (800—1000 Minuten). Die 
in Folge des damals herrschenden Witterungscharakters sehr 
wechselnden Licht Verhältnisse brachten uns schliesslich auf den 
Gedanken, es möchte ein Einfluss des Lichtes bei diesen sonst 
ganz unerklärlichen Versuchsergebnissen im Spiele sein. In der 
That brachte ein dementsprechend eingerichteter Versuch sofort 
unzweifelhafte Gewissheit. 

Paramaecien mit Acridinlösung 1:20000 ver¬ 
setzt starben bei Sonnenlicht in 6 Minuten, 
dem zerstreuten Tageslicht ausgesetzt in ca. 
60 Minuten, ganz im Dunkeln gehalten, waren 
sie noch nach 60000 Minuten (100 Stunden) am 
Leben. 

Da diese Resultate sich nicht änderten, wenn zwischen Licht¬ 
quelle und Paramaecien zur Ausschliessung von secundären 
Lichtwirkungen, wie Verdunstung und Erwärmung eine 10 cm 
dicke Schichte von gesättigter Kupfersulfatlösung eingeschaltet 
wurde, so hat man in ihnen einen directen Einfluss des Lichtes 
vor sich, wie er unseres Wissens in dieser Weise in der Biologie 
noch nicht beobachtet wurde. 

Behufs Erklärung konnte man zunächst daran denken, dass 
das Licht auf die Acridinlösung chemisch 
unter Bildung von Zersetzungsproducten 
grösserer Giftigkeit wirkt. Gegen diese Annahme 
sprechen indess zwei gewichtige Gründe: 1. Eine dem Sonnen¬ 
lichte ausgesetzte Acridinlösung ist nicht giftiger, als eine im 
Dunkeln bereitete und auf bewahrte; 2. Paramaecien in ver¬ 
dünnter Acridinlösung, welche dem Lichte bis zu deutlicher 
Schädigung ausgesetzt werden, erholen sich alsbald, wenn sie in 
dieser Lösung in’s Dunkle verbracht werden. 

Als zweite Erklärung bot sich dann die Annahme, dass es sich 
um das Zusammenwirken zweier Schädlich¬ 
keiten handle: der schwach giftigen, ver¬ 
dünnten Acridinlösung und des Lichtes, die beide 
für sich allein nur ganz langsam und unzureichend wirkten. 
Dagegen sprechen indess mit Entschiedenheit zwei Gründe: 

1. Man kann Licht als solches nicht gut als eine Schädlich¬ 
keit für Paramaecien ansprechen, da Versuche ergaben, dass 
diese selbst directes Sonnenlicht viele Stunden ohne erkennbare 
Schädigung ertragen. 

2. Der schädigende Einfluss des Lichtes müsste sich auch 
bei allen anderen zahlreichen Paramaeciengiften in verdünnten 
Lösungen zeigen, was laut folgenden Versuchen keineswegs der 
Fall ist. 

Lösungen von Morphinchlorid 1:50, Strychnin nitricum 
1:100—10 000, salzsaurem Phenylchinaldin 1:1000—20 000 u. a. 
tödteten ebenso rasch, mochten sie in directem Sonnenlicht oder 
im Dunkeln auf Paramaecien einwirken. Demgegenüber zeigten 
sich dem Acridin ganz analoge Differenzen bei folgenden Sub¬ 
stanzen : 

Paramaecien wurden ge- im zerstreuten - n , , 

tödtet durch Zusatz von Tageslicht 1 

Methylphosphin 1: «500 000 in 30—120 Min. nach 4 Tagen 

Chinin, sulf. 1: 10 000 „ 15 „ in 70 Minuten 

Eosin 1: 400 „ 15 „ „ 90 „ 

„ i: 800 „ 15 „ nach 24 Stunden 

„ 1: 40000 „ 80—90 „ nach mehreren Tagen 

noch lebend. 

Diese Versuche eröffnen indess eine dritte Erklärungs¬ 
möglichkeit. 

Die letztaufgeführten Substanzen haben nämlich mit dem 
Acridin hervorragende optiseheEigenschaften gemein¬ 
sam: Ihre Lösungen besitzen starke Absorption für gewisse 
Lichtstrahlen und starke Fluorescenz. Mit der ersten optischen 
Eigenschaft, der Lichtabsorption als solches, hat unsere 
Erscheinung nichts zu thun. Denn Lösungen solcher Substanzen, 
welche in passender Coneentration ungefähr dieselbe Licht¬ 
absorption besitzen, wie Acridinlösungen, d. h. die Strahlen vom 
ultravioletten Ende bis in das Blau absorbiren, aber nicht fluores- 
ciren, verhalten sich im Lichte und im Dunkeln völlig gleich. 


Es werden getödtet durch im Hellen im Dunkeln 

Ferrocyankalium 5:100 nach 15 Min. nach 15 Min. 

Phosphormolyldaensäure 1:20 „ 12 „ „ 12 „ 

Verdünntere Lösungen zeigen ebenfalls keinen Unterschied. 

Es bleibt somit nur die zweite optische Eigenschaft: die 
Fluorescenz. Dass diese in der That mit der in Rede stehen¬ 
den Lichtwirkung in Beziehung steht, geht mit grosser Wahr¬ 
scheinlichkeit aus folgenden 2 Versuchen hervor, welche zeigen, 
dass die Wirkung nur von gewissen, für jeden fluorescirenden 
Stoff verschiedenen Strahlen und zwar denselben, welche auch 
die Fluorescenz erregen, hervorgerufen wird. 

1. Man entwirft mittels Glaslinse und Glasprisma oder, um 
mehr ultraviolette Strahlen zu bekommen, mittels Quarzlinse 
und Quarzprisma das Spectrum einer Schucker t’schen Pro- 
jcctionslampe von 1500 Kerzenstärke auf einen Tisch und stellt 
im rothen, grünen, violetten und ultravioletten Theil je eine mit 
Eosinlösung 1:800 zu gleichen Theilen versetzte Paramaecien- 
cultur auf. Jedesmal zeigte die im grünen Lichte aufgestellte 
Cultur in 2—4 Stunden alle Stadien der Wirkung bis zum Tode, 
während die anderen keine oder nur geringe Einwirkung be¬ 
merken Hessen. Bei Eosin sind also die grünen Strahlen die für 
Paramaecien wirksamen und bekanntlich wird durch dieselben 
Strahlen auch die Fluorescenz des Eosins am stärksten erregt. 
(Die Versuche wurden im physikalischen Institut der Univer¬ 
sität ausgeführt.) 

2. Stellt man eine mit Acridinlösung 1:20 000 versetzte Para- 
maeciencultur derartig auf, dass alles an sie tretende Licht vor¬ 
her eine 4—5 cm dicke Schicht einer concentrirten Acridin¬ 
lösung (1: 500) passiren muss, so tritt die in Rede stehende Licht¬ 
wirkung nicht mehr ein, die Paramaecien sind noch nach einer 
Woche gesund, selbst bei Durchleuchtung mit Sonnenlicht. 
Nimmt man hingegen als Vorlage eine Chininlösung, so tritt die 
Wirkung in gewohnter Weise ein, offenbar weil jetzt nur mehr 
die unwirksamen ultravioletten und nicht die die Fluorescenz 
des Acredins erregenden violetten Strahlen von der Vorlage ab- 
sorbirt werden. 

Der Versuch 2 beweist zugleich, dass nicht das ausgesandtc 
Fluorescenzlicht, sondern der Vorgang bei der Fluoreseenz- 
erregung selbst das schädliche Moment darstellt. Zum gleichen 
Schlüsse führt auch die Beobachtung, dass Paramaecien, welche 
von dem Fluorescenzliehte einer in ihrer nächsten Nähe auf- 
gestellten Eosinlösung beschienen werden, noch nach mehreren 
Tagen völlig gesund sind. 

Die auf geführten Versuche lassen sich somit einstweilen in 
folgende Sätze zusammenfassen: Licht gewinnt bei 
Gegenwart von Acridin, Phenylacridin, Eosin, 
Chinin in Verdünnungen, in denendiese Stoffe 
für sich allein (im Dunkeln) entweder gar nicht 
oder nur noch sehr wenig giftig sind, einen 
stark schädigenden Einfluss auf Paramae¬ 
cien. Diese Wirkung steht mit der Eigenschaft 
genannter Stoffe, zu fluoresciren, in geneti¬ 
schem Zusammenhang. Das Schädliche liegt 
indess nicht im erzeugten Fluorescenzliehte, 
sondern im Vorgänge der Fluorescenzerreg- 
ung selbst. 

Wie man sich dieses vorzustellen hat, ist bei der derzeitigen 
unvollkommenen physikalischen Kenntniss des Wesens der Flu- 
orescenzerregung nicht näher zu pracisiren. Herr O. Raab ver- 
muthet, dass es sich um eine Umsetzung der Energie der Licht¬ 
strahlen in chemische Energie handelt, analog dem Chlorophyll 
(einem ebenfalls stark fluorescirendem Körper!), nur mit dem 
Unterschiede, dass diese Uebertragung bei den Paramaecien die 
Vernichtung, bei den Pflanzen die Fortführung des Lebens be¬ 
dingt. 

Daran schlösse sich nun die Frage, hat diese neue Art von 
Lichtwirkung eine allgemeine biologische Bedeutung? Versuche 
hierüber stehen noch aus. Man kann es aber als wahrscheinlich 
bezeichnen, dass diese Erscheinung doch nicht auf Paramaecien 
resp. Infusorien beschränkt ist, sondern auch bei Zellen höherer 
Organismen, soweit selbe dem Lichte zugänglich sind, eine nütz¬ 
liche oder schädliche Rolle spielen kann, und zwar auf zweierlei 
Weise: 

1. Vermöge des Umstandes, dass einzelne thierische Organe 
und Flüssigkeiten, z. B. äussere Haut, Netzhaut, Blut- und 
Lymphserum fluoresciren, allerdings meist nur in schwachem 


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2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. • 


7 


Grade, immerhin aber so, dass es von Seiten der Physiologen und 
Therapeuten beim Studium der Einwirkung des Lichtes Beach¬ 
tung verdient. 

2. Durch von aussen aufgenommene fluorescirende Stoffe. 
So könnte z. B. die bisher räthselhafto schwere Hautentzündung, 
welche bei hellfarbigen Schafen und Schweinen an sonnigen 
Tagen nach Aufnahme von Buchweizen auftritt, in der Auf¬ 
nahme resp. Bildung fluorescirender Stoffe aus dem Futter ihren 
Grund haben. Umgekehrt können sieh vielleicht durch Einver¬ 
leibung resp. Auftragung von gewissen fluorescirenden Stoffen 
lx*i Einwirkung des Lichtes auch therapeutisch verwendbare 
Wirkungen einstellen, so dass dann solche Stoffe z. B. in der Der¬ 
matologie eine ähnliche Verwendung finden würden, wie es in 
der Photographie empyrisch schon seit ca. 10 Jahren mit dem 
Eosin und anderen fluorescirenden Farbstoffen als „Sensibili¬ 
satoren“ der Fall ist. 

Die ausführliche Mittheilung von l)r. (). Raab wird dem¬ 
nächst in der Zeitschr. f. Biologie, Bd. 89, erscheinen. 


Ein sonderbarer Influenzaausbruch auf der Haut, bei 
mir und in meiner Umgebung. 

Von Dr. Rieger, Professor der Psychiatrie in Würzburg. 

Einleitung. 

loh darf wohl sagen, dass, auf dem Wege eigener Beobach¬ 
tung oder mündlicher Mittheilung oder des Lesens, Jahraus 
Jahrein, so ziemlich alles zu meiner Kcnutniss gelangt, was aus j 
der inneren Mcdicin Neues und Wichtiges zu erfahren ist. Wenn 
ich nun von einem sonderbaren Influenzaausbruch, wie ich ihn an j 
mir selbst und an einer barmherzigen Schwester meiner Klinik ') 
erlebt habe, sonst nichts beobachtet, gehört oder gelesen habe, so 
darf ich desshalb daraus mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den j 
Schluss ziehen, dass solche Fälle noch nicht in grösserer Anzahl 8 
beschrieben worden sind, denn sonst hätten sie wohl meiner 
Kenntniss nicht völlig entgehen können. Schon dieses ca- 
suistische Interesse dürfte die nachstehende Veröffentlichung 
rechtfertigen, wobei ich, selbstverständlicher Weise, mich sehr 
gerne eines Besseren belehren lassen werde, wenn die Kopf- und 
Gcsichtsschwellungen, um die es sieh handelt, schon anderweitig 
beschrieben und von mir bis jetzt doch übersehen worden sein 
sollten. Dass die Fälle besonders häufig seien, glaube ich jedoch 
desshalb nicht, weil ich im letzten Jahrzehnt, besonders im 
Juliusspital, ziemlich viele Influenzakranke beobachtet habe, i 
ohne dass ich mich eines einzigen entsinnen könnte, der dir* 
sonderbare Krankheitslocalisation gezeigt hätte. Andererseits 
dürfte aber auch nicht anzunehmen sein, dass sie s e h r s e 1 t e n 
seien. Denn es liegt doch kein Grund dafür vor, dass sic nicht 
anderswo etwa in derselben geringen Häufigkeit auftreten sollten, 
wie sic in meiner Umgebung aufgetreten sind. Sollte also meine 
Annahme richtig sein, dass noch wenig darüber veröffentlicht ist, 
so dürfte dies wohl in erster Linie seine Erklärung finden da¬ 
durch, dass Diejenigen, welche solche Fälle beobachtet haben, 
nichts Rechtes damit anzufangen gewusst und aus diesem Grunde 
die Beschreibung unterlassen haben. Sollten aber doch schon 
zahlreichere Beschreibungen vorliegen, die nur mir entgangen 
wären, so wird nachstehende kurze Mittheilung trotzdem dess¬ 
halb nicht ohne Interesse sein, weil sie, als Selbstbeobachtung, 
Einiges enthält, was Beobachtungen an anderen nicht, zu Tage ■ 
fördern können. Auch ist cs mir erwünscht, mich bei dieser Ge¬ 
legenheit über einige Punkte allgemein physiologischer und 
pathologischer, sowie auch psychologischer Natur zu äussern, i 
die schon lange Jahre mein Nachdenken in meiner ärztlichen 
Praxis beschäftigen, ohne dass ich mich bis jetzt je öffentlich 
habe darüber äussern können. 

I. Die Krankheitserschein ungen. 

Dass der Krankheitsausbruch, um den es sich handelt, 
zur Influenza gehört, ist genügend bewiesen dadurch, * dass 
eine barmherzige Schwester meiner Klinik, einige Monate vor 
mir, und nachdem sie gleichfalls allgemeine Symptome einer In¬ 
fluenza infection längere Zeit zuvor gezeigt hatte, ganz die 
gleichen Kopf- und Gesichtsschwellungen bekommen hat, wie 
ich sie einige Monate später bekommen habe; und zwar ich 
gleichfalls nach deutlichen Influenzasymptomen gewöhnlicher 

9 und (siehe unten den Schluss) auch au einem Manne meiner 

Umgebung. 

No. 1. 

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Art. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese zwei 2 ) auffallenden 
Erkrankungen rein zufälliger Weise, ohne durch das Band der 
Influenzainfection verbunden zu sein, sich innerhalb desselben 
Zeitraums bei zwei verschiedenen Bewohnern eines und desselben 
Hauses gezeigt hätten, ist so gering; die Wahrscheinlichkeit 
des Gegentheils so gross, dass der, durch die Influenza ver¬ 
mittelte, Zusammenhang als sichcrgesteilt gelten darf, und zu¬ 
mal, da in diesem Frühjahr LS99 so ziemlich die gesummte Be¬ 
wohnerschaft meiner Klinik von Influenza befallen war, die 
sieh aber bei allen übrigen, ohne besondere Merkwürdigkeiten 
iiusserte. Als die barmherzig«* Schwester ihre Kopf- und Gc- 
siehtssehwellungen hatte, war ich verreist. Ich kann desshalb 
über sie nicht aus eigener Anschauung berichten. Der Beschrei¬ 
bung nach war der Verlauf aber ganz der gleiche wie bei mir. 

Ich bekam am ü. .Juli 1899 einen Schüttelfrost, den ich sofort 
als einen Intiuenzaanfall desshalb auf lassen konnte, weil ich schon 
seit Monaten über schleichende Symptome dieser Krankheit, be¬ 
sonders über Muskelschmerzen, zu klagen hatte. Eine Specialitiit 
dieser meiner Influenza und ebenso der derbarmherzigen Schwester 
war aber schon mehrere Monate lang die gewesen, dass wir beide 
von unerträglich juckenden Zuständen an Kopf- und Gesichts« 
haut gequält wurden. Bei mir habe ich den Verlauf genau ver¬ 
folgt. Zuerst kamen leichte Neuralgien, dann an deren Stelle 
ein heftiger Trieb, so lange die Haut zu kratzen und aufzureiben, 
bis sie von Epidermis entblüsst war. An den aufgekratzten Stellen 
lagen dann immer seoernirende Drüseuausführungsgiinge bloss. 

Alles dies heilte dann immer ganz rasch; aber immer wieder 
ging au neuen Stellen der alte Zustand los. Als nun am G. Juli 
1891) der Schüttelfrost ausbrach, da trat unter heftigem Fieber, 
statt der bisherigen vereinzelten Hauteruptionen, eine gewaltige 
Schwellung zuerst der ganzen behaarten Kopfhaut auf, die nun 
ganz schreckhaft, nämlich wie eine aufgewölbte Kappe, anzu¬ 
sehen war. Dabei war diese auf getriebene Haut merkwürdiger¬ 
weise durchaus nicht etwa besonders roth, sondern eher blass, 
und alle Venen traten ganz unheimlich geschwollen hervor, wie 
man sie sonst kaum zu sehen bekommt. Ein Bew’eis dafür, dass 
es sich im Wesentlichen gehandelt hat um eine Auftreibung der 
Haut durch ein Exsudat, war auch dieses: Verschiedene Stellen 
an der Haargrenze, die in Folge der vorhin erwähnten Hautauf- 
treibungen besonders dünn geworden waren, wölbten sich nun 
in diesem Zustand allgemeiner Schwellung ganz besonders her¬ 
vor, und man bekam von diesen Stellen den Eindruck mächtiger 
Auftreibungen. Weil ich mich für den Zustand sehr interessirte. 
so beobachtete ich ihn fortwährend sorgfältig mittels des Spiegels 
und dictirte auch gleich meine Beobachtungen. Am ersten Tage 
war die behaarte Kopfhaut befallen, am zweiten die Stirne, am 
dritten die Nasenwnirzel und Umgebung, am vierten die ganze 
Nase und die Wangen zur Seite der Nasenflügel. Damit hatte 
die Schwellung ihr Ziel erreicht. Auf die Unterkiefergegend hat 
sie durchaus nicht übergegriffen. Die Schwellung einer Gegend 
dauerte immer nur 24 Stunden. Wenn die Fortsetzung weiter 
schwoll, so schwoll das Bisherige ab und zwar genau nach den 
vorhin aufgezählten Gegenden. Nase und Wangen wurden 
schliesslich auch so dunkelroth, dass der Anblick dem eines Ery¬ 
sipels glich. Aber dies war doch mir eine ganz äusserllche Aelin- 
lichkeit, und im Grunde hatte die Schwellung durchaus keinen 
erysipelatösen Charakter, sondern den eines flüssigen Exsudates 
unter der Haut. Die Schwellung war im Wesentlichen bilateral 
symmetrisch, erstreckte sich von der Medianebene gleich weit 
nach beiden Seiten. Sehr bemerkenswertli w’ar die ganz vorzugs¬ 
weise Uocalisatiou der Schwellung an solchen Stellen, an denen 
Knochen unter der Haut liegen. So war die Schwellung viel 
stärker an dem knöchernen als an dem knorpeligen Tlieil der 
Nase, und besonders an den Wangen w’ar charakteristisch, wie 
stark die Schwellung über dem Jochbein war, während sie auf 
die rein nmsculösen Partien der Wangen nur sehr wenig Über¬ 
griff. Es schien durchwegs die Tendenz zu herrschen, das Ex¬ 
sudat da ahzusetzen. wo es auf harter knöcherner Unterlage die 
Haut rasch und stark spannen konnte. 

Während <lor vier bis fünf Tage des successiven Ausbruchs der 
Exsudats bestand heftiges Fieber. Nach der Beendigung der 
Schwellungen war auch das Fieber vorüber, und es trat dann 
eine grosse Schwäche mul Abgeschlngenlieit ein, wie nach jedem 
Influenzaanfall, woran jedoch nichts Besonderes mehr zu ent¬ 
decken w’ar. An den Stellen, die geschwollen gewesen waren, 
trat durchaus keine besondere Abschuppung ein. wie dies nach 
Erysipel in der Regel In sehr hohem Grade der Fall ist, sondern 
nachdem das Exsudat geschwunden war, sank die Haut einfach 
wieder ein. bekam wieder ihre normale Faltung, nachdem sie 
während der Schwellung wie ein gespanntes Wasserkissen ge¬ 
wesen w’ar. Nur an einigen Stellen traten kleine Pusteln auf. 
aber auch nicht in höherem Grade, als sie vor dem Ausbruch 
der Schwellungen vorhanden gewesen waren. 

II. M o i n E r k 1 ä r u n g s v e r s u c h und w t eitere B e - 
t r a e li t u n g e n. 

Was war nun diese sonderbare Schwellung ( Nach Allem, 
was vorangegangen war, kann ich nichts anderes annehmen, 

-) Der, inzwischen neu dazu gekommene, dritte Fall (siehe 
unten Schluss) bestätigt, vollends diese Annahme. 

8 

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8 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


als dass in meiner Kopf- und Gesichtshaut seit Monaten sich be¬ 
sonders viel Influenzagift auf gespeichert hatte, und dass, als 
sich diese Vergiftung immer mehr in die Länge zog, mein 
Körper durch eine energische Reaction dieses Gift zu zerstören 
versucht hat, und zwar durch eine Art von Verbrühung, indem 
er in einem heissen Exsudat den Giftstoff ertränkt hat. Dass 
auch bei mir diese Zerstörung völlig gelungen sei, dies kann ich 
allerdings heute, am 31. Juli 1899, noch nicht sicher behaupten, 
weil die Zeit noch zu kurz ist. Aber der völlig analoge Fall 
der barmherzigen Schwester lässt es mich hoffen. Denn diese 
ist, nachdem sie gleichfalls vorher Monate lang alle möglichen 
Beschwerden gehabt hatte und besonders auch die fortwährenden 
lästigen Hauteruptionen, durch dieselbe Schwellungskrise, die 
ich jetzt durchgemacht habe, völlig gesund geworden und es 
jetzt schon Monate lang geblieben. Besonders imponirt hat mir 
die Prjieision und Energie, die in dem ganzen Vorgang in zeit¬ 
licher Beziehung geherrscht hat. Jeden Tag ein Stück Schwel¬ 
lung, und dann auch ebenso bestimmt wieder Abschwellung, 
dies ging so programmmässig von Statten, wie wenn eine be¬ 
wusste menschliche Technik eine planmässige Reinigung*- oder 
ähnliche Arbeit ausgeführt hätte. Es ist mir bei dieser Gelegen¬ 
heit wieder besonders klar geworden, wie gross und fein die 
Intelligenz unseres unbewussten Körpers ist, unendlich überlegen 
aller Thätigkeit, die sich auf dem Gebiet des Bewusstseins voll¬ 
zieht. Es ist ganz undenkbar, dass es gelänge, mittels einer be¬ 
wussten Thätigkeit, etwa durch Application von Medieamenten 
oder dergleichen, etwas so Zweckmässiges und Feines in unserem 
Körpet* zu bewirken, wie dieser Reinigungsproeess war, den wir 
viel mehr als Genesungs-, denn als Krankheitsprocess betrachten 
sollten. Von besonderem Interesse war es mir, darüber nach¬ 
zudenken, welche Gründe gerade jetzt ausschlaggebend ge¬ 
worden waren für den Ausbruch der Krisis? Diese Frage spielt 
bei den Infectionskrankheiten für gewöhnlich keine besondere 
Rolle* weil in der Regel eine Infectionskrankheit eben dann aus¬ 
bricht, wenn, nach einer längeren oder kürzeren Incubations- 
zeit, 4fer Infectionsstoff diejenige Giftigkeit erreicht hat, die 
nothig ist, um die Reaction hervorzurufen, die man Krankheit 
heisst. In meinem Falle könnte es nun zwar auch so gewesen 
sein, indem gerade zur Zeit des Ausbruchs eine Cumulativ- 
wirkung des Gifts eingetreten wäre, die nunmehr nothwendiger- 
weise zu einer Reaction führen musste, nachdem vorher Monate 
lang die Giftwirkung nur eine so schwache gewesen war, dass 
sie keine energische Reaction bewirkte. Allein nothwendig ist 
diese Annahme nicht. Sie wäre rein hypothetisch gemacht dazu, 
um den Ausbruch der Krisis gerade zu dieser Zeit zu erklären. 
Eine Stütze erhält sie z. B. durchaus nicht etwa dadurch, dass, 
gerade in den Tagen vor dem Ausbruch, ein besonderes Un¬ 
behagen vorhanden gewesen wäre als Zeichen steigender Ver¬ 
giftung, so wie es gewöhnlich am Ende von Incubationszeiten 
der Fall ist. Im Gegentheil waren die Tage vor dem Ausbruch 
eher besser als viele Tage in den Monaten zuvor. Ich neige dess- 
halb mehr zu folgender Betrachtung: Das Gift, als solches, be¬ 
fand sich immer noch in einem Zustand wie seit Monaten, in 
welchem es ohne besonders starke Beschwerden auch noch länger 
hätte ertragen werden können. Aber der Körper wollte nun 
einmal eine Radicalcur vornehmen. Es war ihm dies zum 
vitalen Bedürfniss geworden. Er hätte sich jedoch vielleicht 
aus zwingenden socialen Gründen zu einem Aufschub be¬ 
stimmen lassen, wenn nämlich solche Vorgelegen hätten. Auf 
solche Beziehungen muss immer wieder hingewiosen werden, 
da Gefahr besteht, dass sie zu wenig beachtet werden vor der 
überwiegenden Beachtung, welche dem Krankheitsstoff selbst 
geschenkt wird. Es gibt ja zweifellos Infectionen von solcher 
Stärke, dass sie gewissermaassen alles über den Haufen werfen; 
und solchen gegenüber ist auch ein noch so energischer Trieb 
ohnmächtig, der im Körper darauf gerichtet ist, eine Aufgabe 
zu erledigen, deren Erledigung mit einer gleichzeitigen stärkeren 
Krankheitsreaction nicht verträglich ist. Aber andererseits 
lehrt auch, bei allem Respect, den wir vor den Infectionsstoffen 
bekommen haben, doch noch manche Erfahrung, dass solche Be¬ 
trachtungen nicht ganz grundlos sind, wie z. B. folgende, von 
11 u f e 1 a n d angestellte s ): 

s ) Siehe Immanuel Iv a n t : Von der Macht dos Gemiithw, 
durch den blossen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister 
zu sein. Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von 
0. W. H u f e 1 a n d. (Anmerkung von Hufeland zu dem Ab¬ 
schnitt vom Schlafe.) 


„Unglaublich ist es, was der Mensch vermag, auch 
im Physischen, durch die Kraft des festen Willens, und 
so auch durch die Noth, die oft allein einen solchen 
festen Willen hervorzubringen vermag. Woher kommt es, 
dass die arbeitende, durch Noth oder Pflicht zur Arbeit ge¬ 
triebene Classe viel weniger kränkelt, als die miissig gehende? 
Hauptsächlich daher, dass jene keine Zeit hat, krank zu sein, 
und also eine Menge Anwandlungen von Krankheiten übergeht, 
das heisst, in der Arbeit sie vergisst, und dadurch wirklich liber¬ 
windet und aufhebt, statt dass der Miissige, den Gefühlen nach¬ 
gebend und sie pflegend, dadurch oft den Keim zu Krankheiten 
ausbildet. 

Wie oft habe ich diese Erfahrung in meinem Berufsleben 
an mir selbst gemacht und welcher Pflicht- und Berufsmeuseb 
hat sie nicht gemacht? Wie oft glaubte ich Früh nicht im Stande 
zu sein, wegen körperlicher Beschwerden das Zimmer zu ver¬ 
lassen. Die Pflicht rief zum Krankenbett oder auf's Katheder, 
und so sauer es Anfangs wurde, nach einiger Zeit der Anstreng¬ 
ung war das Uebel vergessen, der Geist siegte über den Leib 
und die Gesundheit war wieder hergestellt. Ja, am auffallendsten 
zeigt sich die Kraft des Geistigen bei ansteckenden und epiilc- 
demischen Krankheiten. Es ist eine ausgemachte Erfahrungs¬ 
sache, dass die, welche guten Mutli haben, sich nicht fürchten 
und ekeln, am wenigsten angesteckt werden. Aber, dass eine 
schon wirklich geschehene Ansteckung noch durch freudige 
Exaltation des Geistes wieder aufgehoben werden könne, davon 
bin ich selbst ein Beispiel. Ich hatte in dem Kriegsjahre 1807, 
wo in Preussen ein pestartiges Faultieber herrschte, viele solche 
Kranke zu behandeln und fühlte eines Morgens bei dem Erwachen 
alle Zeichen der Ansteckung: Schwindel, Kopfbetäubung, Zer¬ 
schlagenheit der Glieder, genug, alle Vorboten, die bekanntlich 
mehrere Tage dauern können, ehe die Krankheit wirklich aus- 
bricht. Aber die Pflicht gebot; Andere waren kränker als ich. 
Ich beschloss, meine Geschäfte wie gewöhnlich zu verrichten und 
Mittags einem frohen Mahle beizuwohnen, wozu ich eingeladen 
war. Hier überlless ich mich einige Stunden ganz der Freude 
und dem lauten Frohsinn, der mich umgab, trank absichtlich 
mehr Wein wie gewöhnlich, ging mit einem künstlich erregten 
Fieber nach Hause, legte mich zu Bett, schwitzte die Nacht hin¬ 
durch und war am anderen Morgen völlig hergestellt.“ 

Es bestellt ja gewiss heutzutage allgemein eine Abneigung 
dagegen, solches zu glauben, und wenn wir diese Abneigung auf 
ihren Grund analysiren, so werden wir als ihr Hauptmotiv dieses 
wirksam finden,dass wir uns, vom Standpunkt unseres bewussten 
sprachlichen Denkens aus, so schwer vorstellen können, wie so 
der n i c h t sprachliche und (lesshalb unbewusste Verkehr 
zwischen den Kräften in unserem Inneren von Statten gehen 
solle? Aber dass wir uns an die richtige Schätzung dieser hoch- 
intelligenten und unbewussten Vorgänge in der ganzen orga¬ 
nischen Natur gewöhnen müssen, dies ist unerlässlich für jeden 
weiteren Fortschritt unserer Naturerkenntniss. welche, in Folge 
der Vernachlässigung dieser Betrachtungen, einer sehr schäd¬ 
lichen Einseitigkeit verfallen ist. Und wenn in unserem Körper 
fortwährend ein, unserem Bewusstsein entzogenes, Ineinander¬ 
greifen von Vorgängen stattfindet, welches nur gekennzeichnet 
werden kann als eine Thätigkeit hoher Intelligenz; so liegt auch 
kein Grund vor daran zu zweifeln: dass, wofern die vitalen Inter¬ 
essen nicht zu stark überwiegen, ein starker, im Dienst socialer 
Interessen stehender Trieb nach äusserer Bethätigung im ge¬ 
gebenen Zeitpunkt die Krankheit unterdrücken kann. Die wich¬ 
tigste Krankheitsreaction gegen eine Infection ist bekanntlich 
die Ueberheizung des Körpers, die wir als Fieber bezeichnen. 
Die Herde dieser Ueberheizung sind ganz überwiegend die Mus¬ 
keln. Zugleich sind die Muskeln, vermöge ihrer Zusammen¬ 
ziehung, auch die einzigen Arbeit wo rgane und, vermöge ihrer 
Spannung, die einzigen Denkorgane des Körpers. 

Arbeiten und Denken kann man aber, wenn man absieht 
von der geringen Arbeit, die der Mensch auf die directe 
Nahrungseinfuhr zu verwenden hat und die, weil bloss imDienste 
seines individuellen Lebens stehend, nur als vitale Thätigkeit, 
zusammen mit der Thätigkeit der Respiration, Circulation, Di¬ 
gestion etc., betrachtet werden kann; — Arbeiten und Denken, 
sage ich, kann man als die socialen Thätigkeiten des Men¬ 
schen betrachten, deren Ziele von den niedersten (Kochen und 
dergl.) bis zu den höchsten (rein wissenschaftliches, politisches 
Denken) gehen, die aber alle dieses gemeinsam haben, dass sie 
nicht ausschliesslich im Dienste des eigenen Körpers (vcluti 
pecora quae natura prona atque von tri oboedentia finxit) 4 ), son¬ 
dern wesentlich im Dienste des socialen Körpers stehen. 

Indem nun in den Muskeln des Menschen sich einerseits die 
vitalen Vorgänge abspielen, rein im Interesse der Erhaltung des 
eigenen Körpers, andererseits die Muskeln die einzigen Executiv- 
apparate sind für die vielfachen socialen Bethätigungen des 
Menschen, so muss daraus nothwendiger Weise der Antagonismus 

*) S a 11 u s t: Catiliua I. 


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2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


9 


entstehen, der das ganze menschliche Dasein beherrscht und der 
seinen treffendsten Ausdruck gefunden hat in dem Spruch: der 
Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. 

Der Zustand, der in diesen Worten gekennzeichnet ist, muss 
immer dann eintreten, wenn die Muskeln, das Fleisch, im ge¬ 
gebenen Zeitpunkt so sehr durch vitale Bedürfnisse in Beschlag 
genommen sind, dass sie für die socialen Bedürfnisse, auch wenn 
zu deren Befriedigung eine starke Tendenz besteht, versagen. 
Sind aber die socialen Triebe im gegebenen Zeitpunkt sehr 
stark, so können sie auch die vitalen unterdrücken, allerdings 
häufig zum vitalen Schaden. 

find so ist es wohl möglich, dass ira Körper eine vitale Ten¬ 
denz besteht zur TTeberheizung, behufs Verbrennung eines In- 
fectionsstoffs, dass diese Tendenz aber nicht so stark ist, dass sie 
die, jetzt gerade übermächtige, sociale Tendenz, die normal ge¬ 
heizte Muskeln braucht, zu überwältigen vermöchte. Ist aber 
die Infection zu stark, dann wirft sie freilich alle entgegen¬ 
stehenden Tendenzen über den Haufen. 

Es ist hier nicht der Ort, näher einzugehen auf diese funda¬ 
mental wichtigen, physiologischen Betrachtungen. In meinem 
Buche: Beiträge zur Physiologie und Psychologie, das in den 
nächsten Jahren erscheinen wird, werde ich über alle diese Fragen 
eingehend handeln. Aber ganz unerwähnt wollte ich diese Be¬ 
ziehungen hier doch nicht lassen; und so will ich auch noch 
darauf hinweisen, dass unser Verständniss der Hirnfunctionen 
vor Allein desshalb heutzutage noch auf das Aeusserste erschwert 
ist, weil man, fast ausnahmslos, nur dasjenige als vom Hirn ab¬ 
hängig betrachtet, was sich in den Muskeln vollzieht als Zu¬ 
sammenziehung und Spannung im Dienste socialer Interessen, 
nicht aber auch dasjenige, was darin lediglich Heizung im vi¬ 
talen Interesse ist. Je höher das Hirn stellt, und beim Menschen 
desshalb am meisten, desto mehr ist das Hirn vor Allem ein 
Thermoregulationsapparat, und die, unendlich verschlungenen, 
Beziehungen und auch vielfach Conflicte, in welche die Regu¬ 
lirung der Zusammenziehung und der Spannung in den Muskeln, 
im Sinne der Arbeit und des Denkens, geräth mit der Regu¬ 
lirung der Heizung — diese sind es, welche den Körper zu einem 
Schauplatz so wunderbarer, ewig wechselnder, häufig auch tra¬ 
gischer Zustände und Kämpfe machen. Beim Menschen, in 
dessen Ilim Alles, was in den Muskeln geschieht, im höchsten 
Grade einheitlich eoncentrirt ist, sind desshalb alle Fiebcr- 
reaetionen gegen Infectionsstoffe nur gewissermaassen mit Er- 
laubniss des Hirns möglich. Und immer handelt es sich dann 
darum, so lange das Gift noch nicht übermächtig ist: Was siegt 
im Hirn? Die Tendenz, mit normal geheizten Muskeln weiter 
normal zu denken und zu arbeiten? Oder die Tendenz, mittelst 
überheizter Muskeln, unter vorübergehendem Verzicht auf nor¬ 
malen Muskelgebrauch, das Gift zu vernichten? 

Man kann sich, bei einiger Abstractionsfähigkeit, leicht vor¬ 
stellen, dass in den unserem Bewusstsein entzogenen Zuständen 
des Hirns in solchen Zeiten das gleiche Schwanken der entgegen¬ 
gesetzten Tendenzen obwaltet, das wir, in Bezug auf unsere be¬ 
wussten Geisteszustände, als den Zustand des Zweifels bezeichnen. 
Wie aber auch im Gebiete des Bewusstseins höhere Gewalt und 
Xothwendigkeit alle Zweifel löst, so kann selbstverständlicher 
Weise, eine starke Vermehrung des Giftes auch hier dem „Zwei¬ 
fel” ein entschiedenes Ende bereiten und die Ueberheizungs- 
tendenz so stark provociren, dass bis auf Weiteres der entgegen¬ 
gesetzte Trieb, der normale Heizung zu erhalten strebt, völlig 
unterdrückt wird. 

III. Einige psychiatrische Gesichtspunkte. 

Endlich gestatte ich mir noch einige, speciell psychiatrische 
Bemerkungen. Ich hatte seit meiner Kindheit nie an einer 
fieberhaften Krankheit gelitten und dies im theoretischen Inter¬ 
esse manchmal bedauert, weil ich niemals auf Grund wissen¬ 
schaftlicher Selbstbeobachtung über Fieberdelirien mitsprechen 
konnte. Als nun neulich mein Fieber ausbrach, freute ich mich 
wenigstens darüber, dass nun mein theoretisches Bediirfniss 
nach eigener Erfahrung über die psychischen Zustände im Fieber 
befriedigt werden dürfte. Ich wurde aber sehr enttäuscht, 
wenn ich gehofft hatte, solche Merkwürdigkeiten an mir zu er¬ 
leben, die mir Aufschluss geben könnten über das, was ich, Jahr 
aus Jahr ein, an meinen psychiatrischen Objecten beobachte. 
Denn obgleich ich so heftiges Fieber hatte, dass ich einige Zeit 

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lang in somatischer Hinsicht völlig gelähmt und kraftlos und 
in psychischer auch Stunden lang völlig betäubt und in einem so 
somnolenten Zustand war, dass er als ein solcher fast völliger 
Bewusstlosigkeit bezeichnet werden konnte; so trat doch von 
denjenigen Erscheinungen, welche in der psychiatrischen Praxis 
mich alltäglich umgeben, so gut wie nichts hervor. Besonders 
merkwürdig war mir, wie wenig mir das fehlte, was das deutsche 
Wort „Besonnenheit“ treffend bezeichnet und was bei acuten 
Geistesstörungen immer in so hohem Grade beeinträchtigt zu 
sein pflegt. Mitten aus der grössten Betäubung heraus war ich 
im Stande, complieirte Aufträge hinsichtlich meines Berufs 
durchaus correct zu dictiren, ohne dass es mir auch nur Sonder¬ 
liche Mühe gemacht hätte, worüber ich mich am meisten ge¬ 
wundert habe. Und dass ich wegen meines Hirnzustandes etwas 
versäumt oder vergessen hätte, was ich zu erledigen hatte, dieses 
scheint mir ganz undenkbar. Die Vorgänge in meinem Hirn 
gingen, so weit als es Ort und Zeit erforderte, ganz normal von 
Statten, obgleich ich, sobald der Stimulus der Pflicht wegfiel, 
in meine Somnolenz zurückfiel. Von dem positiven Unsinn, den 
wir in beginnenden Geistesstörungen beobachten, und von der 
charakteristischen Loslösung von der Wirklichkeit habe ich bei 
mir gar nichts entdecken können. 

Auch mein betäubtes Hirn kam nicht eigentlich aus dem 
Geleise. Und wenn leichte „Delirien“ vorhanden waren (welches 
lateinische Wort, von lira Furche, gerade Linie abgeleitet, ja 
Entgleisung bedeutet), so hatte ich doch immer eben so rasch die 
Fähigkeit der Correctur und der Selbstbesinnung, wie man sie 
immer sofort hat bei den unendlich häufigen Uebergängen, die 
man allnächtlich vom Traum zu der Wirklichkeit macht, welche 
Fähigkeit aber gerade Geisteskranken in so charakteristischer 
Weise fehlt. 

Diese Selbstbeobachtung, dass der psychische Zustand im 
Fieber etwas ganz anderes ist als eine Geistesstörung, enthält 
übrigens nur eine Bestätigung dessen, was jeder erfahrene 
Irrenarzt, wenn er es sich nur zum Bewusstsein bringen will, 
mit Xothwendigkeit sich abstrahiren muss aus seiner objectiven 
Erfahrung, der zu Folge Fälle, in welchen mit guten Gründen 
behauptet werden könnte, dass eine wirkliche Geistesstörung ent¬ 
standen sei in causaler Abhängigkeit von einer acuten Inf ections- 
krankheit, verschwindend selten sind. Wenn man freilich alle 
Fälle, in welchen ein solcher Causalzusammenhang behauptet 
wird, unbesehen als wirkliche Beweise registriren wollte, dann 
wäre die Zahl solcher Fälle sogar eine sehr grosse. Aber, sobald 
man näher zusieht, zeigt es sich immer, dass die Causalität un¬ 
möglich zu beweisen ist. Oft sind es Menschen, die einfach dess- 
wegen, bei Gelegenheit eines Influenza- oder ähnlichen Krank¬ 
heitsanfalls, als psychisch gestört declarirt werden, weil sie ein 
Arzt bei dieser Gelegenheit kennen lernt und ihren Schwachsinn 
oder ihre Paranoia, die schon lange Zeit bestanden hatte, ohne 
dass sie Jemand constatirt hätte, notorisch macht. Gerade in 
solchen Fällen heisst es dann aber häufig mit besonderem Nach¬ 
druck, der Kranke sei durch Influenza u. dergl. geisteskrank 
geworden. 

Schluss. 

Ich werde als Psychiater keiner besonderen Entschuldigung 
dafür bedürfen, dass ich von meinem einfachen Krankheitsfall 
in das Hirnphysiologische und in das Psychologische abgeschweift 
bin. Ich will aber zum Schlüsse zurückkommen auf die einfache 
und schlichte Casuistik und in dieser Hinsicht Folgendes be¬ 
richten. 

Erstens: Als es der Zustand meiner Reconvalescenz gestat¬ 
tete, habe ich genaue Umfrage gehalten danach: ob auch sonst 
hier in Würzburg eine solche Influenza beobachtet worden sei? 
Das Ergebniss dieser Fragen war völlig negativ. 

Zweitens: Es war mir in Bezug auf die Hautaffection, die 
hauptsächlich in dem Zwang bestand, die Drüsenausführungs¬ 
gänge aufzukratzen und ihnen dadurch eine blossliegende Oeff- 
nung nach aussen zu verschaffen, von grossem Interesse, dass 
mir College v. L cube mittheilte: Untersuchungen über das 
Influenzagift haben ergeben, dass es besonders durch die 
Schweissdriisen aus dem Körper hinausgeschafft werde. 

Drittens: Inzwischen ist in meiner Klinik noch ein dritter 
Fall auf getreten von Gesichtsschwellung, der auch nicht ein¬ 
fach als Erysipel aufgefasst werden kann und der meinen Prä¬ 
parator betroffen hat, welcher sich auch regelmässig auf dem 
gleichen Stockwerk aufhält wie ich und die barmherzige 

3* 

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No. 1. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Schwester. Da dieser Krankheitsanfall in eine Zeit fiel, in welcher 
ich noch nicht ausgehen konnte, so habe ich ihn nicht persönlich 
beobachtet. Der Beschreibung nach war es aber gleichfalls ein Ex¬ 
sudat, wie bei mir, jedoch mit dem grossen Unterschied in Bezug 
auf die Localisation, dass es durchaus nicht bilateral sym¬ 
metrisch war, sondern im Gegentheil streng auf die linke Ge¬ 
sichtshälfte beschränkt. Charakteristische Influenzasymptome 
waren vorhergegangen. 

Wenn somit bei drei Menschen, welche sich vielfach auf 
einem und demselben Stockwerk aufgehalten haben, es mit 
grösster Wahrscheinlichkeit die Influenza gewesen ist, welche sich 
in dieser Weise als Hautkrankheit geäussert hat, dann darf wohl 
auch angenommen werden, dass auch anderswo die gleichen 
Fälle zur Beobachtung kommen werden. Es würde sich 
dabei nur die gleiche Differenzirung an der Influenza voll¬ 
ziehen, wie bei vielen Infectionskrankheiten, dass sie sich 
nämlich localisiren a) im Respirations-, b) im Darmtraetus, 
welche beide Localisationen jetzt schon von der Influenza 
reichlich bekannt sind; endlich aber auch c*) in der Haut, was. 
so häufig es bei einer Masse anderer Inflationen ist, auffallender 
Weise bei der Influenza noch selten vorzukommen scheint. 

Würzburg, 31. Juli 1899. 

Nachtrag bei der Correctur am 16. Deccmber 1899. 

Seit ich Vorstehendes niedergeschrieben habe, sind vier und 
ein halbes Monat vergangen; und ich habe, während dieser Zeit, 
noch des Weiteren überall herumgefragt: ob nicht die gleichen 
Fälle auch sonst beobachtet worden sind. 

Ich habe dabei den Eindruck gewonnen: dass die Fälle in 
der That auch sonst Vorkommen; dass sie aber, meines Erachtens 
durchaus fälschlich, als Erysipolfiille aufgefasst werden. Sollte 
Jemand diese Anschauung mir gegenüber vertreten, so wäre ich 
gerne bereit, meine Gründe dagegen ausführlich darzulegen. 
In diesem kurzen Nachtrag kann ich dies jetzt nicht thun, in 
welchem ich vielmehr nur noch die epikritische Mittheilung 
hinzufügen will: dass meine Prognose völlig in Erfüllung ge¬ 
gangen ist. Während ich vom 1. April bis zum 6. Juji eigent¬ 
lich jeden Tag krank war, so erfreue ich mich, seit deT Beendi¬ 
gung dieser heilsamen Krisis, eines ebenso ungetrübten Wohl¬ 
befindens wie vor dem April 1899; und, parallel damit, hat, auch 
unter den ca. 90 Menschen meiner klinischen Umgebung, das 
Influenzaelend, das im Frühjahr 1899 extensiv und intensiv arg 
war, völlig aufgehört; bei Mehreren nach offenbar sehr nütz¬ 
lichen diarrhoeischen Darmkrisen, die ich in Analogie stelle mit 
den Hautkrisen der kleinen Minorität. 

Während mein Allgemeinbefinden seit Juli 1899 ein vor¬ 
zügliches gewesen ist, besteht dagegen die locale Hautaffeetion 
noch fort, die ich wohl am passendsten vergleichen kann mit 
dem, was als „Bromakne“ eine allgemein geläufige, Vorstellung 
ist. Ich habe, seit meiner frühen Jugend, einerseits niemals 
etwas Medicamentüses in meinen Leib gebracht, andererseits 
nie etwas wie Akne gehabt. Seit Frühjahr 1899, wie ich glaube, 
in causaler Abhängigkeit- von der Influenza, hat sich diese, nur 
auf Kopf und Hals beschränkte, llauterupt ion eingestellt, die 
nur sehr.langsam verschwindet. Wenn Niemand daran Ausland 
genommen hat, dem pharmakologischen Gift Brom Derartiges 
zuzuschreiben; so wird es auch gestattet sein die Aufmerksam¬ 
keit auf diesen, von mir geglaubten, Zusammenhang mit einem 
organischen Infectionsgifte zu lenken, der auch in dem Parallel¬ 
fall der, sonst kerngesunden, barmherzigen Schwester, die vor 
der Influenza auch niemals Derartiges gehabt hatte, eine Stütze 
findet. 


lieber ein neues Guajacolpräparat. 

Von Prof. Dr. Alfred Einhorn in München. 

Seitdem S o m m e r b r o d t das Kreosot als wirksames 
Mittel zur Bekämpfung der Tuberculose empfohlen hat, ist 
dasselbe allmählich immer mehr und mehr in Aufnahme ge¬ 
kommen und es dürfte heutzutage nicht allzuviele Aerzte 
geben, die bei der Tubcrculosebeliandlung auf die Ordi¬ 
nation von Kreosot oder der neben anderen in demselben ent¬ 
haltenen Phenole Guajaeol nnd Kreosol, die die wirksamen Be- 
standtheile des Kreosots darstellen, verzichten möchten. 

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Nichtsdestoweniger ist, man über die Wirkungsweise des 
Kreosots, resp. dos Guajacols und Kreosols, bis jetzt noch nicht 
zu völliger Klarheit durchgedrungen. Im Wesentlichen stehen 
sich hier zwei Auffassungen scharf gegenüber, diejenige, welche 
den Heilfactor dieser antiseptisch wirkenden Mittel in der 
directen Beeinflussung der Tuberkelbacillen erblickt: vermag 
doch nach P. G u t m a n n das Kreosot noch in Verdünnung von 
1:4000 das Wachsthum der Tuberkelbacillen zu schädigen, und 
die andere, modernere, welche die günstige Wirkung der Prä¬ 
parate darauf zurückführt, dass sie als Stomachica wirken, die 
Magenverdauung günstig beeinflussen und, wenn Störungen vor¬ 
liegen, durch ihre antiseptische Wirkung die Resorptionsverhält¬ 
nisse im Darm günstig reguliren. Vielleicht sind bis zu einem 
gewissen Grade beide Auffassungen, die sieh ja nicht gerade aus- 
sehliessen, richtig, jedenfalls aber haben die klinischen Er¬ 
fahrungen, was auch auf dem letzten internationalen Tuber- 
culoseoongress in Berlin wieder zum Ausdruck gelangte, er¬ 
geben, dass das Kreosot, resp. die in demselben enthaltenen Phe¬ 
nole die Tubereulose sehr häufig günstig beeinflussen. 

Ein grosser Pöbelst and hat sich bei der innerlichen Dar¬ 
reichung dieser Präparate schon längst gezeigt, der darin bestellt, 
dass dieselben den Magen stark reizen, zu Appetitstörungen, 
Aufstossen und Erbrechen, selbst zu Gastroenteritis, Dunkel- 
färbung des Harnes und anderen Vergiftungserscheinungen An¬ 
lass geben. 

Die Jatroehomio hat sich daher bemüht, die aus dem Kreo¬ 
sot isolirten reinen Phenole, das Kreosol und besonders das 
Guajaeol, durch Abstumpfung des Ilydroxyls mit einer Säure¬ 
gruppe — also durch Ueberführung in die Phenolester — in 
bekömmlichere Verbindungen überzuführen, denen die störenden 
Nebenwirkungen nicht mehr zukommen und die im alkalischen 
Darmsaft, resp. im Kreislauf, die Phenole wieder abspalten. 
Solche Verbindungen sind z. B. Benzosol, Duotal, Kreosot.al. 
Styrakol, Kosot, Geosot, Guajaeolphosphat etc., sie alle erfüllen 
nach den klinischen Beobachtungen mehr oder minder ihren 
Zweck, was um so auffallender ist, als diese theilweise viel ge¬ 
brauchten Medicamente sämmtlioh unlöslich sind und e» von 
einigen derselben sogar experimentell nachgewiesen worden ist, 
dass sie nicht vollständig zur Resorption ‘) gelangen. Da es die 
Ansicht vieler Praktiker ist, dass nur die Einfuhr grosser Mengen 
der Kreosotphenole in den erkrankten Körper die Tuberculose 
günstig beeinflusst, durfte man mit einiger Wahrscheinlichkeit 
eine noch ergiebigere. Wirkung von resorptionsfähigeren, lös¬ 
lichen Guajaeol- und Kreosot Präparaten erwarten. Es hat daher 
auch nicht an Bestrebungen gefehlt, solche Verbindungen dar- 
zustellon, ein Ziel, welches aber noch nicht erreicht worden ist, 
denn das einzige bisher unter dem Namen Thioeol in den Arznei¬ 
schatz eingeführte lösliche Guajacolpräparat, das orthoguajacol- 
sulfosaureKalium, ist bekanntlich im eigentlichen Sinn des Wor¬ 
tes keine Guajaoolverbindung mehr, da ihr die Fähigkeit, im 
Organismus Guajaeol abzuspalten, vollständig abgeht. In Ge¬ 
meinschaft mit Herrn Dr. II ü t z ist es mir indessen schon vor 
einiger Zeit gelungen, die gesuchten wasserlöslichen Guajaeol- 
und auch KreosolVerbindungen, welche die gewünschte Eigen¬ 
schaft besitzen, aufzufinden. 

Aus dieser Arbeit, welche wir gemeinschaftlich an anderer 
Stelle ausführlich zu publieiren gedenken, sei hier nur mit- 
getheilt, dass die betreffenden Verbindungen entstehen, wenn 
man auf die OhloraeetylVerbindungen der Phenole unter ge¬ 
wissen Vorsiehtsmnassregeln substituirte Ammoniake einwirken 
lässt, und dass sieh von den so herstellbaren Verbindungen bis 
jetzt «las salzsnurc Salz des Diaethylglycocoll-Guajacol 2 ) 

OCI13 

CgIRÜ für modicinischo Zwecke am ge- 

O-COCHuNCrjhO.lH'l 
eignotsten erwiesen hat. 

Dasselbe krystallisirt in weissen Prismen vom Schmelzpunkt 
184°, die schwach nach Guajaeol riechen, einen salzigen, bitteren 
Geschmack haben und in Wasser ausserordentlich leicht löslich 
sind. Die wässerige Lösung rcagirt gegen Lakmus neutral und 
lässt auf Zusatz von kohlensauren Alkalien das freie ''Diaethyl¬ 
glycocoll-Guajacol iiv Form eines basischen Oels ausfallen. 


9 Vergl. z. B. Eselile: Zeitschr. f. klin. Med. XXIX, Heft 
3 und 4. 

*) Dasselbe wird von den „Farbwerken vormals Meister. 
Lucius und Brüning“ in Hoechst a. M. dargestellt und uuter 
dem Namen „Gujasanol“ in den Handel gebracht. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


11 


Herr Privatdocent Dr. R. Heinz in Erlangen war so 
freundlich, die pharmokologische Prüfung der Substanz zu über¬ 
nehmen und stellte Folgendes fest: 

1. Dass sie ungiftig ist, was in der Weise constatirt wurde, 
dass einem Kaninchen 2 mal 2 g in den Magen, bezw. nach¬ 
einander 1 g und 2 g subcutan innerhalb 4 Stunden verabreicht 
wurden, wobei keine Wirkungen auf traten und keine patho¬ 
logischen Veränderungen nachweisbar waren. 

Der Harn der Tbiere wurde mir zur Verfügung gestellt und 
gelang es nach dem Ansäuern mit verdünnter Salzsäure durch 
Extraction mit Aether reichliche Mengen freies Guajacol aus dem¬ 
selben zu isoliren, welches durch die Benzoylverbindung identifl- 
cirt wurde. 

2. Dass sie in 2proc. Lösung Wunden nicht reizt, wohl aber 
in höheren Concentrationen und dass eine 10 proc. Lösung sehr 
empfindliche intacte Schleimhäute deutlich reizt, aber dieselbeu 
nicht ätzt und keine pathologischen Veränderungen bewirkt. 

3. Dass sie eine leicht anaestliesirende Wirkung besitzt. Eine 
5 proc. Lösung erzeugt z. B. nach wiederholtem Eiuträufeln in 
das Auge, wobei Anfangs Reizung auftritt, vollständige Auaes 
thesie, die aber nicht lange anhält. 

4. Dass sie antiseptisch und desodorislrend wirkt. 

Herr Prof. Hans Büchner hatte die Liebenswürdigkeit, 
die antiseptische Wirkung des Präparates in Gemeinschaft mit 
Herrn Dr. P e r u t z genau festzustellen und machte mir darüber 
folgende Mittheilungen, für welche ich beiden Herren meinen 
verbindlichsten Dank aussprechen möchte. 

Die Prüfung auf den desinfectorischen Werth der vorliegen 
den Substanz wurde in folgender Weise vorgenommeu. 

Es wurden zu Röhrchen mit steriler Bouillon soviel von 
einer Stammlösung des betreffenden Körpers zugefügt, dass auf 
diese Weise Lösungen von 

1:50, 1:100, 1:200, 1:500, 1:1000, 1:2000, 1:10 000 
hergestellt wurden. Die Menge von Bouillon -f- Desinficiens be¬ 
trug jedesmal 10 ccm. Die Einwirkung des Mittels wurde stu- 
dirt auf Baet. coli, Pyocyaneus, Staphylococcus pyog. und Fäul- 
nlssbacterien. Es kamen dabei 24 ständige Agarculturen zur Ver¬ 
wendung, aus denen mit einer Platinnadel Spuren in die Bouillon 
übertragen wurden. Jede Serie enthielt ausserdem eine Control¬ 
röhre, in welcher die Bouillon in gleicher Weise infleirt wurde, 
der Zusatz des Desinficiens aber unterblieb. 

Sämmtliche Röhren kamen in den Thermostaten bei 37 °. 

Die im Nachstehenden, in der Tabelle, verzeichneten Resul¬ 
tate ergaben sich schon nach 24 Stunden und erfuhren in weiteren 
24 Stunden keine wesentliche Aenderung. 



Bactcrien- 

art 

1: 60 

1:100 

1: 200 

1:1000 

1:1000 

1 : 2000 

1 :10000 

Contrlo- 
röhre ohne 
Desinficiens 

Lösungen 



Bact. coli. . . 

Bouillon 1 leicht 1 

klar | ge trübt | Starke Trübung 

Bacterienwachsthum 

Starke 

Trübung 

Pyocyaneus . . 

Bouillon 1 leicht 1 Ä ~ ..._ 

klar (getrübt | StÄrke T^ung 

Bacterienwachsthum 

Starke 

Trübung 

Staphylococcus 
ppyog. aur. . 

Bouillon 1 fast 1 Q . . „ _ 

klar 1 klar | Starke Trübung 

Bacterienwachsthum 

Starke 

Trübung 

Fäulnissbact. 
(Proteus) . . 

(getrübt | Starke Trübung 

. Bacterienwachsthum 

Starke 

Trübung 


Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Substanz nur 
in Lösungen von 1:50 und 1:100 das Wachsthum der zur Prü¬ 
fung gekommenen Keime aufhebt; In Concentration von 1:200 
zeigt sich noch Wachsthumsbehinderung, am deutlichsten noch 
bei Staphylococcus aureus. Alle weiteren Verdünnungen erwiesen 
sich wirkungslos; die Trübung der Bouillon wies in allen nahezu 
den gleichen Grad auf, wie in den Controlröhrchen. 

Hiernach entspricht der antiseptische Werth des salzsauren 
Diaethylglycoeoll-Guajacols etwa dem der Borsäure. 

Die Ungiftigkeit dieser von Aetzwirkungen freien löslichen 
Guajacolverbindung, ihre anaesthesirende antiseptische und des- 
odorisirende Wirkung, ihre Fähigkeit, im Organismus Guajacol 
abzuspalten, forderten in mehrfacher Hinsicht dazu auf, sie 
einer klinischen Prüfung unterziehen zu lassen. 

Diese Untersuchungen, welche in gewohnter dankenswerther 
Weise zuerst in der medicinischen und chirurgischen kgl. Uni¬ 
versitätspoliklinik zu München und später in verschiedenen 
anderen Krankenhäusern etc. angestellt worden sind und über 
die von den Aerzten der betreffenden Anstalten ausführlich be¬ 
richtet werden wird, haben den therapeutischen Werth des Prä¬ 
parates zweifellos dargethan. 

Bei Behandlung der Phthise wurde das Präparat, an¬ 
fangend mit 3 g bis zu 12 g täglich, in Oblaten per os und 
durch hypodermatische Injection einer concentrirten wässerigen 
Lösung verabreicht. Bei letzterem Verfahren wird das Mittel 
gut resorbirt und selbst bei gelegentlicher Injection von 3—4 g 
No. 1. 

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entstehen weder locale Störungen noch Fern Wirkungen auf das 
Blut, das Herz, die Niere u. s. w. 

Bei beiden Darreichungsformen wird das Mittel sehr gut 
vertragen, insbesondere stellen sich niemals Magenstörungen ein 
und es wurde beobachtet, dass der Appetit der ihrer gewohnten 
Beschäftigung nachgehenden Patienten unter dem Einfluss des 
Mittels so gehoben wurde, dass sie, ohne sich einer besonderen 
Ernährungstherapie etc. zu unterwerfen, an Gewicht Zunahmen. 

Ferner wurde eine günstige Beeinflussung der Erschei¬ 
nungen der Lungenspitzentuberculose bei täglicher 
Darreichung der Substanz constatirt. 

Die recht grossen Dosen, in welchen die neue Verbindung 
verabreicht werden kann, ohne dass Störungen irgend welcher 
Art zu befürchten sind, gestatten, den Organismus in ganz un¬ 
schädlicher Weise mit Guajacol zu durchschwemmen und so ge¬ 
langtem unter dem Einfluss des Mittels u. a. tuberculöse 
Geschwüre des Larynx ohne örtliche Behandlung zur 
Heilung. 

Freund 8 ) hat nachgewiesen, dass der mangelhafte Er¬ 
nährungszustand der Schwindsüchtigen im Wesentlichen auf 
unzureichende Verwerthung der Nahrung zurückzuführen ist, 
indem ein grosser Theil des zugeführten Eiweisses, der Kohle¬ 
hydrate und sogar der Cellulose durch Fäulnissprocesse zersetzt 
wird und so verloren geht, während nur ein relativ geringer An- 
theil der Nahrungsstoffe zur Resorption gelangt, demnach ist 
also ein Darmdesinficiens indicirt, und zwar erscheint hier unser 
Präparat, weil es wegen seiner Ungiftigkeit in relativ grossen 
Gaben eingeführt werden kann, besonders geeignet. In der That 
wurden nach zahlreichen Beobachtungen bei innerlichem Ge¬ 
brauch (3 g) tuberculöse Diarrhoen in der Regel mit 
prompter Sicherheit sofort sistirt. 

Sehr zufriedenstellende Resultate wurden ferner bei 
Ozaena mit dem neuen Präparat erzielt. Die Behandlung be¬ 
steht in einer Tamponade mit 10—20 proc. Lösung des Salzes, 
wobei die Tampons V,—1 Stunde liegen bleiben und der üble Ge¬ 
ruch dann sehr schnell verschwindet und die Borkenbildung ein¬ 
geschränkt wird. Bei Unterbrechung der Behandlung macht 
sich der Geruch erst nach Wochen wieder bemerkbar. 

Als Desodorans hat sich die Verbindung bei Behandlung von 
jauchigen Carcinomen — ausgenommen Uteruscarei¬ 
nomen —, aufgebrochenen Sarkomen, luetischen 
Knochenulcerationen etc. bewährt, wobei meistens 
Dauerverbände mit 2 proc. Lösung des Präparates zur An¬ 
wendung gelangten. 

Verschiedene Fälle von sehr übelriechender Stomatitis 
wurden nach mehrtägigem Spülen mit 1 / 2 —2 proc. Lösungen 
oder bei Bepinselung mit 5proc. Lösung des Salzes geruchlos; 
in einem Fall von Pylorusstenose, bei welcher der Magen¬ 
inhalt sehr stark roch und Schwefelwasserstoffreaction 
zeigte, verschwand durch Spülungen von 1,0 : 5000 bis 1,0 :1000 
der üble Geruch und die Reaction, auch bei Behandlung von 
Kieferhöhlenempyemen hat sich die desodorisirende 
Wirkung der Verbindung bewährt. In Lösungen von 0,5 bis 
1,0 :1000 wurde das Mittel in mehreren Fällen auch als 
Blasendesinfieiens benutzt, in denen Salicyl-Borsäure- 
spülungen nicht vertragen wurden und bewirkte rasche Besse¬ 
rung ; stärkere Lösungen bis 3 :1000 und auch innerliche Dar¬ 
reichung von täglich 8 g leisteten bei jauchiger Cystitis 
gute Dienste. 

Auch in der Ophthalmologie ist das Präparat in lproc. 
Lösung als Reinigungsmittel bei allen oberflächlichen 
Verletzungen des Auges brauchbar, wobei sich beson¬ 
ders die leichte anaesthesirende Wirkung angenehm bemerkbar 
macht, ferner bei chronisch entzündlichen Affec- 
tionen der Bindehaut, bei welchen die stark adstrin- 
girenden und ätzenden Mittel nicht ertragen werden, es wird in 
diesen Fällen die Nachwirkung von den Patienten angenehmer 
empfunden als bei anderen Mitteln. 

Als Resume ergibt sich, dass das salzsaure Diaethylglyeocoll- 
Guaiacol: 

1. Das einzige leichtlösliche Guajacolpräparat ist, welches im 
Organismus Guajacol abspaltet; 

2. eine ganz ungiftige Verbindung ist, nicht ätzt, leicht re¬ 
sorbirt wird und anaesthesirend, antiseptisch und desodorisirend 
wirkt; 

•) Therap. Monatsh. 1899, S .395. E s c h 1 e : Ibid. S. 808. 

4 

Original fro-m 

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12 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. I. 


3. ohne Aufstossen und Erbrechen oder sonstige Schädi¬ 
gungen zu verursachen in grossen Dosen bis zu 12 g täglich per os 
(Dosirung 3 g in Oblate) oder subcutan verabreicht werden kann 
und dadurch berufen zu sein scheint, bei der Behandlung der 
Tuberculose eine Rolle zu spielen; 

4. tuberculose Diarrhoen sofort sistirt; 

5. als Desodorans bei Ozaena, Stomatitis, jauchigen Carci- 
nomen etc. geeignet ist; 

6. als Antisepticum und leichtes Anaestheticum bei der 
Blasendesinfection und in der Augenheilkunde Verwendung 
finden kann. 

Aus der K. Universitäts-Augenklinik in München, Geheimrath 
Prof. Dr. v. Rothmund. 

Zur Diagnose und Therapie der Augeneiterung der 
Neugeborenen.*) 

Von Dr. v. Ammon, Oberarzt im K. B. 1. Schweren Reiter¬ 
regiment, commandirt zur Klinik. 

M. H. ! Die eine Zeit lang herrschende Ansicht, dass die 
Augeneiterungen Neugeborener in den allermeisten Fällen auf 
gonorrhoische Ansteckung zurückzuführen seien, wobei zugleich 
die Zeit der Ansteckung in den Verlauf des Geburtsvorganges 
verlegt wird, wurde während der letzten Jahre mehrfach ange¬ 
griffen. Sie verdient aber nicht allein bezüglich der Classifi- 
cirung der Infectionsträger, sondern auch hinsichtlich des Zeit¬ 
punktes der Uebertragung des Virus rectificirt zu werden. 

Man spricht gerne von einem typischen Bilde, und so hat 
man auch ein typisches Bild der Ophthalmogonorrhoe der Neu¬ 
geborenen construirt. Das Recht der Benützung desselben zur 
Diagnose ist jedoch nur bedingt zuzugeben, da es einerseits eine. 
Reihe von Fällen gonorrhoischer Natur gibt, die aus verschie¬ 
denen Gründen wenig entzündliche Erscheinungen aufweisen, 
und da andererseits Fälle zur Beobachtung kommen, bei denen 
trotz hochgradigster entzündlicher Veränderungen die Gono- 
coccen absolut keine Rolle spielen. Was die Häufigkeit der go¬ 
norrhoischen Infektionen unter den Augeneiterungen Neuge¬ 
borener anlangt, so befunden sich unter den von mir unter¬ 
suchten 100 Fällen 56 gonorrhoische, also ein weit geringeres 
Verhältniss der gonorrhoischen Entzündungen, als man all¬ 
gemein annimmt. In 44 Fällen wurden andere Mikroben ge¬ 
funden. Bei den 56 Fällen trat die Eiterung der Bindehaut nur 
in 15 Fällen zwNohen dem 1. und 3. Tage, davon einmal am 
l. Lebenstage auf, bei 18 Fällen zwischen dem 4. und 7. Tage 
und bei 23 Fällen erst nach dem 7. Tage. 

Während wir aber über die Zeit, welche vom Beginne der 
Infection bis zum Auftreten von Krankheitserscheinungen in 
der Conjunctiva der Neugeborenen vergehen kann, bei den nicht¬ 
gonorrhoischen Fällen noch ganz ungenügend unterrichtet sind, 
stehen für die Bestimmung der Incubationsdauer der gonor 
rhoischen Fälle Vergleiche mit der durch spätere und zeitlich be¬ 
stimmbare Inf ection entstandenen Conjunctivitis gonorrhoica Er¬ 
wachsener sowie die Impfversucne von Bumm zur Verfügung. 
Die Conjunctivitis gonorrhoica bei Erwachsenen ist einerseits 
bereits wenige Stunden nach der Infection der Bindehaut auf- 
getreten, andererseits wurde eine längere Incubationszeit als 
2 bis 2 l / s Tage noch nicht festgestellt. Michel gibt dieselbe in 
seinem Lehrbuche nur zu 36 Stunden an. Ferner ergaben die 
1 mpfversuche von Bumm, welche derselbe mit Reinculturen 
vorgenommen hat, schon am 2., spätestens am Beginne des 
3. Tages ein positives Resultat. In Anbetracht dessen jedoch, 
dass die Bindehaut der Neugeborenen für Infectionen irgend 
welcher Art erfahrungsgemäss mindestens so empfänglich ist, 
wie die der Erwachsenen, darf man die Zeit, welche das gonor¬ 
rhoische Virus bei der Conjunctiva der Neonati zur Entwicke¬ 
lung seiner schädlichen Eigenschaften braucht, jedenfalls nicht 
länger als auf höchstens 3 Tage bemessen. Mit Rücksicht auf 
dieses kurze Incubationsstadium können dann aber alle die¬ 
jenigen Fälle, welche erst nach dem 3. Tage aufgetreten sind, 
nicht mehr auf eine während oder unmittelbar nach der Geburt 
geschehene Infection bezogen werden. Auf das Zahlenverhält- 
niss unserer Fälle angewendet, würde das so viel bedeuten, dass 

•) Vortrag, gehalten am 20. September 1899 in einer gemein¬ 
samen Sitzung der Abtheilungen für Geburtshilfe und für Augen- 
heükunde bei der 71. Versammlung deutscher Naturforscher und 
Aerzte ip München. 


nur ungefähr ein Viertel der Ophthalmogonorrhoen der Neu¬ 
geborenen bei oder kurz nach der Geburt entstanden sind. Die 
hohe Wahrscheinlichkeit der Häufigkeit von Spätinfectionen 
wird dem sehr klar werden, der sich einmal in den Wohnungen 
der Leute umsieht, aus deren Mitte die allermeisten der erkrank¬ 
ten Kinder stammen. Man muss nur Zusehen, wie dort gelegent¬ 
lich mit einem Schwamm, in einer Schüssel, mit einer 
Seife Alles gewaschen wird, wie die Badewanne des Kindes 
auch als Waschbehälter für die gesammte Leib- und Bettwäsche 
dient, wie das gleiche Handtuch von Allen zu Allem benützt 
wird und man wird sich nicht darüber zu wundern brauchen, 
dass die meisten Augeneiterungen Neugeborener in den Kreisen 
der minderbemittelten Volksclassen Vorkommen. Das Vorliegen 
gonorrhoischer Schleimhautkatarrhe der Mütter allein kann die 
Schuld daran nicht tragen, da solche Affectionen auch in besser 
situirten Gesellschaftskreisen nicht vergebens gesucht zu werden 
brauchen. Die Ansicht, dass die Augeneiterungen der Neu¬ 
geborenen grösstentheils in Folge einer Infection während oder 
kurz nach der Geburt auftreten, scheint mir desshalb den that- 
säehlichen Verhältnissen nicht zu entsprechen. Es ist vielmehr 
sehr wahrscheinlich, dass die Mehrzahl der genannten Augen¬ 
erkrankungen einem Mangel an Reinlichkeit von Seiten der 
Kindespflege in den auf die Geburt folgenden Tagen ihre Ent¬ 
stehung verdankt. Wenn wir durch die bei uns jetzt seit 
11 Jahren eingeführten Zählkarten feststellen, dass im Bereiche 
der Thätigkeit dieser oder jener Hebamme auffallend viele 
Augeneiterungen Vorkommen, so ist daran meistentheils nicht 
die Hebamme schuld, sondern jedenfalls der Umstand, dass eben 
manche Hebammen ihren Beruf in solchen Kreisen ausüben 
müssen, wo mangels genügender Mittel, hinreichender Warte¬ 
kräfte, nothwendiger Reinlichkeit und genügender Einsicht In¬ 
fectionen eben beschriebener Art die Regel bilden werden. Aus 
diesem Grunde wird auch der Erfolg des Kampfes gegen das Auf¬ 
treten der Augeneiterung Neugeborener weniger von der mehr 
oder minder gewaltsam eingeführten Anwendung der Höllen¬ 
steintropfen, als vielmehr von der allgemeinen Besserung der 
socialen Verhältnisse abhängig sein. 

Während bei mehr als der Hälfte unserer Fälle im Binde¬ 
hautseerete echte Gonococcen nachweisbar waren, fiel bei 44 Fäl¬ 
len dieser Nachweis negativ aus. Und doch befanden sich viele 
Fälle darunter, welche die schwersten Entzündungserschei- 
ungen darboten. Homhautaffectionen bestunden dabei nur 
2 mal, bei den gonorrhoischen Erkrankungen waren 8 mal Horn¬ 
hautgeschwüre schon beim Eintritt in die Behandlung vorhanden 
gewesen. Sind nun aber auch bei den nichtgonorrhoischen Binde¬ 
hautentzündungen die Reizerscheinungen oft in gleicher Weise 
wie bei den gonorrhoischen im Beginne der Krankheit aus¬ 
gesprochen, so unterscheiden sich die erstgenannten von den 
letzteren doch sehr rasch im Verlaufe weniger Behandlungs¬ 
tage. Der ziemlich schnell erfolgende Eintritt der Besserung 
des Zustandes ist dann sehr geeignet, falsche Schlüsse über die 
Wirksamkeit dabei angewandter Medicamente zu veranlassen. 

Bei nur zweien unserer Fälle, deren acute Symptome in 
wenigen Tagen zurückgingen, fanden sich sog. Pseudogono- 
coccen. In 15 Fällen fanden sich Pneumoeoccen. Da Pneumo- 
cocceninfectionen bei Neugeborenen ein wie es scheint eigenes 
Symptom im Krankheitsverlauf darzubieten pflegen, so dürfen wir 
ebensogut wie von einer Conjunctivitis gonorrhoica von einer 
Pneumoeoccenconjunetivitis sprechen. Die gonorrhoischen Fälle 
brauchen nicht nur zu ihrer Heilung sehr lange Zeit, sondern 
zeigen auch eine nur ganz allmählich fortschreitende Besserung. 
Ganz anders die Pneumoeoccenconjunetivitis. Nach circa 3 bis 
5 Tagen sehr starken Katarrhs und profuser Eiterung wird der 
Process mit einem Male besser und geht dann auch bald der 
Heilung entgegen. Homhautaffectionen habe ich dabei nicht 
beobachtet.. Die Heilungsdauer wechselte zwischen 10 und 
16 Tagen. 

In zwei Fällen fanden sich Staphylococcen in ungeheuerei 
Menge wie in einer Reincultur. Es handelte sich um sehr 
schlecht genährte Zwillinge, die am 3. Lebenstage mit starker 
Lidschwellung und reichlicher Eiterung in Behandlung traten. 
Die Augenerkrankung hatte schon zwei Tage bestanden, die 
Hornhaut war beiderseits stark diffus getrübt. Am nächsten 
Tage zeigten sich Homhautgeschwüre, die auf je einem Auge be¬ 
reits perforirt waren, am übernächsten Tage trat Exitils letalis 
an Brechdurchfall ein. Diese Fälle weisen darauf hin, dass 
Staphylococcen gelegentlich ebenso rasch deletär auf die Hprn- 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


13 


haut einzuwirken vermögen wie die gefürchteten Gonococcen, 
wenn die allgemeine Widerstandsfähigkeit des Organismus aus 
irgend einem Grunde gelitten hat. Daraus folgt aber, dass man 
nicht berechtigt ist, aus einem Leukoma adhaerens noch nach 
Jahren die Diagnose auf Ophthalmogonorrhoe zu stellen, ledig¬ 
lich desshalb, weil die Anamnese die Thatsache einer Augen¬ 
eiterung im frühesten Kindesalter ergab, wie dies bei einem zu 
richterlicher Entscheidung über Entschädigungsansprüche ge¬ 
kommenen Falle im Anfang dieses Jahres geschehen war. 

In 3 Fällen habe ich im Secrete der erkrankten Conjunctiva 
kurze Stäbchen mit abgerundeten Enden gesehen, welche von 
einer Kapsel umgeben waren und nach Gram entfärbt wurden. 
Sie wären also morphologisch mit dem Bacterium pneumoniae 
identisch. Culturen wurden jedoch nicht angelegt. Der Verlauf 
war mittelschwer und bot nichts Besonderes. 

In den übrigen Fällen fehlte ein typischer Mikrobenbefund 
und es sollen davon nur noch zwei Fälle besonders erwähnt 
werden, welche den von Peters im Jahre 1891 bereits erwähn¬ 
ten Formen, auf die er neuerdings wieder aufmerksam machte, 
einzureihen sind. Es handelte sich um profuse, einseitige Eite¬ 
rung. Im Eiter fanden sich Staphylococcen. Die Menge des 
Eiters war jedoch viel grösser, als es dem wenig gereizten Zu¬ 
stande der Conjunctiva entsprach. Dagegen fand sich die Ge¬ 
gend des Thränensackes leicht vorgewölbt, die Haut darüber 
jedoch nicht geröthet. Ein starker Druck auf diese Gegend ent¬ 
leerte aus dem gleichseitigen Nasenloch eine grosse Menge Eiter. 
Am 2. Tage konnte in dem einen Falle nur noch ganz wenig, 
in dm anderen überhaupt kein Secret durch Druck mehr ge¬ 
wonnen werden. Die von vornherein wenig entzündete Con¬ 
junctiva* wurde blass und der Process war am 3.Tage abgeheilt. 
Es lag also jedenfalls auch hier ein membranöser Verschluss def 
Einmündung des Thränenschlauches in die Nase vor, nach dessen 
Sprengung die Affection behoben war. Jedenfalls ist auf diese 
Form der Augeneiterung stets zu achten, insbesondere aber bei 
einseitig verlaufender Erkrankung. 

Bacterienformen, welche zur genaueren Untersuchung auf 
Dipbtheriebacillen oder Bacterium coli aufgefordert hätten, habe 
ich nicht gefunden. Bezüglich der Thatsache aber, dass es eine 
Reihe von Augeneiterungen bei Neugeborenen gibt, die mit Go¬ 
norrhoe nichts zu thun haben, dass dabei vielmehr auch andere 
Mikroben, und von diesen besonders die Pneumococeen eine 
wirksame Rolle spielen, stimmen unsere Resultate vollkommen 
mit den Erfahrungen überein, welche Groenow in der vorig¬ 
jährigen Versammlung der ophthalmologischen Gesellschaft zu 
Heidelberg vorgetragen hat. Der Name Blennorhoea wäre dess¬ 
halb am besten ganz zu vermeiden, da er nur ein Symptom ätio¬ 
logisch ganz verschiedener Processe berücksichtigt. Mindestens 
aber sollte für die von amtlicher Seite ausgegebenen Zählkarten 
der Begriff der Ophthalmoblennorrhoea neonatorum genau prä- 
cisirt werden. Ihrer praktischen Wichtigkeit halber dürften 
darunter vorläufig nur die gonorrhoischen Fälle zu verstehen 
sein. Mehr Werth als bisher wäre aber auch darauf zu legen, 
dass man im einzelnen Falle zu erfahren trachtet, an welchem 
Lebenstage bei Neugeborenen eine Augeneiterung zum ersten 
Male aufgetreten ist, da wir ohne Berücksichtigung dieses Mo¬ 
mentes über die Wirksamkeit prophylaktischer Maassregeln 
immer im Unklaren bleiben werden. Nach unserer Erfahrung 
ist die gonorrhoische Infection bei der Geburt, also die 
eigentliche Ophthalmogonorrhoea neonatorum, relativ 
selten im Verhältniss zu den Spätinfectionen. 

Unter den zur Heilung der gonorrhoischen Conjunctivitis 
der Neugeborenen angewandten Verfahren scheint die Argentum 
nitricum-Behandlung gegenwärtig noch am meisten im Ge¬ 
brauche zu sein. Und doch musste G r a e f e seiner Zeit das Ge¬ 
wicht seiner ganzen Autorität einsetzen, um der Anwendung 
des Höllensteins bei der Behandlung der gonorrhoischen Binde¬ 
hautleiden ihre Einführung zu verschaffen, eine Thatsache, an 
die man in unseren Tagen wieder erinnern darf, wo mehr und 
mehr gegen die Zuverlässigkeit und Zweckmässigkeit dieser Be¬ 
handlungsweise eingewendet wird. Es darf bei dieser Gelegen¬ 
heit auch erwähnt werden, dass man sich im Verlaufe der Jahre 
über die Wirkung des salpetersauren Silbers recht verschiedene 
Vorstellungen gemacht hat. Die Ueberzeugung von der Noth- 
wendigkeit, einer vorhandenen Entzündung eine künstliche 
gegenüber stellen zu müssen, ist längst auf gegeben. Vergessen 
sind die durch das „Causticum“ angeblich verursachten che¬ 
mischen Veränderungen des in der Schleimhaut circulirenden 


Blutes und Anderes mehr. Lediglich die Verengung der über¬ 
füllten Blutgefässe sieht man noch als eine erwünschte Folge der 
Einwirkung des Höllensteins an und auch diese Wirkungsweise 
ist nicht die in erster Linie beabsichtigte. Gegenwärtig tödtet 
man eigentlich nur noch Gonococcen, und lange Untersuchungs¬ 
reihen wurden angewendet, um den dazu nothwendigen Concen- 
trationsgrad zu ermitteln. 

Dass eine 2 proc. Lösung von Argentum nitricum an sich im 
Stande ist, die Erreger der Gonorrhoe im Reagensglase in sehr 
rascher Zeit abzutödten, soll nicht bezweifelt werden. Wo aber 
bleibt die gonococcen vernichtende Wirkung, wenn das Causti¬ 
cum am lebendigen Gewebe wochenlang angewendet wird, und 
die gefürchteten Mikroben gedeihen immer noch fort ? 

Diese Unzuverlässigkeit bezüglich seiner therapeutischen 
Leistung einerseits und manche unangenehme Zwischenfälle, 
welche bei der Anwendung des Mittels scheinbar nicht ganz zu 
umgehen waren, sind denn auch die Ursache dafür gewesen, 
dass sich viele Aerzte veranlasst sahen, zu einer anderen Behand¬ 
lungsweise überzugehen. Insbesondere werden beinahe ein¬ 
stimmig von Seiten Derjenigen, welche die Argentum nitricum- 
Therapie verlassen haben, die unangenehmen Eigenschaften des 
Höllensteins dahin präcisirt, dass die Anwendung dieses Mittels 
in recht vielen Fällen das Entstehen der Hornhautgeschwüre 
nicht nur nicht zu verhindern vermochte, sondern sogar direct 
zu verursachen im Stande war. Auch bei der iraAllgemeinen 
doch gerühmten Crede’schen Prophylaxe ist die Sicherheit 
der Wirkung des Höllensteins nicht über jeden Zweifel erhaben. 
Diese Thatsachen rechtfertigen jedenfalls das Bestreben, auf 
experimentellem Wege eine Erklärung über die vermutliche 
Wirkung der bei der Ophthalmogonorrhoe angewandten Arznei¬ 
körper zu suchen. Seine gonococcenvernichtenden Eigenschaften 
vermag das Argentum nitricum natürlich rur da zu entfalten, 
wo es mit den Mikroben in Berührung kommt. Um nun zu 
sehen wie weit das Silbernitrat in das Gewebe einzudringen im 
Stande sei, habe ich zunächst in den gesunden Bindehautsack eines 
Kaninchens einen Tropfen 2 proc. Argentum nitricum-Lösung 
gebracht und nach 5 Minuten das Thier getödtet. Das mit- 
sammt dem unverletzten Bindehautsacke aus der Orbita ent¬ 
fernte Auge wurde sofort in gesättigtes Schwefelwasserstoff¬ 
wasser gebracht, um das in das Gewebe eingedrungene gelöste 
Silber in der Form von unlöslichem schwarzen Schwefelsilber 
niederzuschlagen, welches seinerseits dann mit dem Mikroskop 
bequem nachgewiesen werden konnte. Da mit der Möglichkeit 
gerechnet werden musste, dass das Schwefelwasserstoffwasser 
nicht so weit in das Gewebe Vordringen könnte, als die Argen¬ 
tumlösung, so wurde das Glas, in welchem sich das Auge mit 
nach aussen umgeklappter Bindehaut befand, */ 4 Stunden dem 
grellsten Sonnenlichte ausgesetzt, um auch auf diesem Wege 
eine Schwärzung der mit dem Silberpräparate imprägnirten Ge- 
webstheile zu erreichen, eine Vorsichtsmaassregel, die sich 
übrigens später als überflüssig erwies. Von dem auf diese 
Weise gewonnenen Präparate legte ich Serienschnitte an, und 
zwar so, dass die Schnittrichtung die Lider, den Bindehautsack 
und die Hornhaut traf. 

Betrachten wir zunächst die Einwirkung des Höllensteins 
auf die Bindehaut des Lides bei dem nach der C r e d eichen 
Methode behandelten Auge. Die Epithelien sind beinahe im 
Bereiche des ganzen Bindehautsackes in verschiedener Tiefe 
schwarz gefärbt, zum grossen Theile so intensiv, dass man die 
Zellconturen nur hie und da schwer zu erkemien vermag. Am 
meisten in die Tiefe des Epithelzellenlagers geht die Schwarz¬ 
färbung im Bereiche der unteren und dann der oberen Ueber- 
gangsfalte, wo sie stellenweise so tief greift, dass von Silbersalz 
freies Epithel überhaupt nicht mehr zu erkennen ist. Während 
an einigen Stellen ein Drittel des Epithellagers, an anderen nur 
die oberste Epithelzellenlage von der Höllensteinlösung erreicht 
worden ist, fehlt aber an mehreren Stellen die Imprägnirung 
mit Argentum vollständig. 

An der Hornhaut ist die oberste Epithellage durchwegs ge¬ 
bräunt ; an den unteren Partien reicht die Argentum Wirkung 
bis zur 2. Epithelzellenlage. Dann aber sieiit man ein Netz ver¬ 
zweigter schwarzer Linien, die sich zwischen den einzelnen Epi¬ 
thelzellen befinden und somit in der Kittsubstanz gelegen sind. 
Diese schwarzen Linien gehen tief in das Comealepithel und 
hören erst zwei Epithelienbreiten von der Membrana elastica 
anterior entfernt auf. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Es zeigt sich sonach, dass die Höllensteinlösung an ver- 1 
schiedenen Stellen sehr ungleich wirkt und dass sich »an manchen 
Schleimhautpartien, vermuthlich wegen kleiner vorliegender 
Schleimpartikelchen, überhaupt keine Argentumwirkung be- 
merklich macht. Was den Einfluss des 11 Öllensteins auf die 
Hornhaut betrifft, so erscheint die Zerstörung des Epithels im 
Verhältnisse zu der der Bindehaut zwar gering, sie ist jedoch in 
Anbetracht der Wichtigkeit des betroffenen Gewebes als durchaus 
nicht unbeträchtlich zu erachten. Abgesehen von der directen 
Verbrennung stellt sie eine Lockerung des Zellgefüges dar, die 
nahezu zwei Drittel des Epithels durchsetzt. 

Fragen wir uns nach der Sicherheit der Wirkung des 
C red eichen Tropfens als prophylaktisches Mittel, so dürfen 
wir uns gewiss der Ueberzeugung hingeben, dass die 2proc. 
Höllensteinlösung kurz vor der Anwendung des Mittels in den 
Bindehautsack gerathene Mikroben unschädlich zu machen im 
Stande ist. Anders aber wird es sich verhalten, wenn Infections- 
erreger frühzeitig, bei einer lange andauernden Austreibungs¬ 
periode eine Infection der Bindehaut bewirkt haben und wenn 
sie Zeit hatten, in das Epithellager einzudringen. In Anbetracht 
des Umstandes, dass die Höllensteinlösung nicht an allen Stellen 
der Bindehaut gleichmässig zur Wirkung kommt, vermögen sehr 
wohl inficirte Schleimhautflächen zurückzubleiben. Die darin be¬ 
findlichen Mikroorganismen finden dann aber keine gesunde, 
sondern eine verletzte, in ihrer vitalen Energie jedenfalls nicht 
intacto Conjunctiva mehr vor, und es lässt sich denken, dass 
trotz der technisch vollkommen richtig ausgeführten Crede’- 
schen Methode eine unter Umständen noch stürmischer als sonst 
verlaufende Augeneiterung auftritt. Somit wären die Ursachen 
der Fehlerfolge der C r e d e’schen Prophylaxe nicht sowohl iu 
der mangelhaften Technik Derer, die sie auszuführen haben, wie 
Cohn meint, als vielmehr in den Zufälligkeiten und Mängeln, 
von denen eben schliesslich kein Verfahren vollkommen frei ist, 
zu suchen. Bemerkenswerth ist aber, dass ein mit Höllenstein 
behandeltes Auge und vor Allem die Hornhaut einer späteren 
Infection, die nach unserer Erfahrung die häufigere ist, ent¬ 
schieden ungünstiger gegenüber steht als ein nicht prophylak¬ 
tisch behandeltes Auge. Es scheint mir umso berechtigter zu sein, 
darauf hinzuweisen, als seit kurzer Zeit in Bayern die C r e d e’- 
sche Behandlung bei einer besonderen Gattung von Fällen offi- 
ciell eingeführt ist. Ob es zweckmässig war, den Hebammen die 
Diagnose der Krankheit, von der die Anwendung der Prophylaxe 
abhängig ist, zu überlassen, soll hier nicht näher berührt werden. 
Nim, dass wir deshalb von jetzt ab keine Ophthalmogonorrhoe bei 
Neugeborenen mehr zu sehen bekommen werden, ist kaum zu er¬ 
warten. Wer aber bei der Unfehlbarkeit der Credeisirung festhält, 
wird natürlich bei ungeachtet ihrer Anwendung erfolgtem Auf¬ 
treten einer Augeneiterung Fehler in der Technik verantwortlich 
machen wollen, und gegen angebliche Nachlässigkeit in der Pro¬ 
phylaxe vorzugehen geneigt sein. Mir erscheint es jedoch nicht 
gerecht. Anderen Ungeschicklichkeit oder noch mehr zu impu- 
tiren, nur um die Methode zu retten. Sollen wir uns vielmehr 
von unserem sehr berechtigten Streben, die Zahl der Erblindeten, 
welche ihr Sehvermögen in Folge einer Augeneiterung im 
frühesten Kindesalter verloren haben, möglichst zu beschränken, 
Erfolge erwarten dürfen, dann genügt es nicht, auf der Durch¬ 
führung einer Maassregel zu bestehen, deren nicht immer 
sichere Wirkung das ausschliessliche Zustandekommen einer In¬ 
fection während oder kurz nach der Geburt zur Voraussetzung 
hat, sondern wir müssen vielmehr darnach trachten, dass die 
trotz prophylaktischer Maassnahmen aufgetretenen Augen¬ 
erkrankungen möglichst bald in Behandlung kommen. Aus 
diesem Grunde scheint es mir viel rationeller, nur die Hebammen 
zur Verantwortung zu ziehen, welche, wie es sehr häufig vor 
kommt, die Augeneiterung als eine harmlose, mit der Gelbsucht 
zusammenhängende und ärztlicher Hilfe nicht bedürfende 
Sache darstellen, als gegen Diejenigen vorzugehen, denen wir 
nie werden beweisen können, dass sie die in ihrer Praxis vorkom¬ 
menden Augeneiterungen Neugeborener mitverschuldet haben. 
Sobald die Hebammen aber von der Thatsache, dass infectiöse 
Augenerkrankungen bei den von ihnen entbundenen Kindern 
Vorkommen, Nichts mehr zu fürchten haben, dann werden sie 
auch keinen Grund mehr besitzen, diese Erkrankungen der ärzt¬ 
lichen Beobachtung zu entziehen, ein Bestreben, das bei dem 
jetzigen Verfahren nur zu leicht erklärlich ist. 

Um die Einwirkungen der zu therapeutischem Zwecke vor¬ 
genommenen Höllensteineinpinselungen zu prüfen, habe ich die 


umgeklappte Conjunctiva eines Kanninchens mit 2 proc. Höllen¬ 
steinlösung gepinselt, sodann den Uebersehuss mit Kochsalz¬ 
lösung neutralisirt. Zur Beurtheilung der gelegentlich vorkora- 
menden Aetzungen der Hornhaut durch unbeabsichtigt dahin ge¬ 
langte Höllensteinlösung brachte ich eine Spur der Lösung auf 
die Cornea. Das ebenso wie das erste mit Schwefelwasserstoff¬ 
wasser weiter behandelte Präparat zeigte die obersten Epithel- 
schichten der Lidbindehaut tief gebräunt und theilweise voll¬ 
kommen schwarz, so dass Zellconturen nicht mehr erkennbar 
waren. Die grosse Ungleichmässigkeit der Aetzung fiel auch hier 
in die Augen. Während an einigen Stellen nur eine oder zwei 
Lagen von Epithelien geschwärzt erschienen, ging die Argentum 
nitricum-Wirkung an anderen Stellen bis über die Hälfte und 
weiter in das Epithellager hinein. Im Bereiche der oberen 
Uebergangsfalte aber finden sich in Folge der zahlreichen Falten 
der Schleimhaut viele Stellen, an die überhaupt keine Höllen¬ 
steinlösung gelangt ist. An der Stelle der absichtlichen Coraeal- 
verletzung waren 2 bis 3 Lagen von Epithelzellen vollkommen ge¬ 
bräunt und theilweise von den daruntergelegenen abgehoben. 

So sehen wir, dass auch die Pinselung mit Höllensteinlösung 
sehr ungleichmässige Resultate liefert. Die Wahrscheinlichkeit, 
durch wiederholte Aetzungen der Conjunctiva alle Gonococceu, 
welche im Gewebe sitzen, zu erreichen, ist demnach sehr gering, 
besonders im Hinblick auf die Bum machen Untersuchungen 
über das Vordringen des Gonococcus im Gewebe. Schon am 
2. Krankheitstage sind die Coccen bis über die 4. Epithelzellen¬ 
lage eingedrungen, in den folgenden Tagen finden sie sich bereits 
in noch tieferen Gewebspartien. So weit reichen aber die Aetz¬ 
ungen nicht, welche vom Auge noch ertragen werden. Die hohe 
Gefahr einer öfteren Anätzung der Hornhaut wird selbst von den 
unbedingten Anhängern der Argentum nitricum-Therapie zu¬ 
gegeben; sie liegt aber ungeheuer nahe, wenn 3 bis 4 Wochen 
lang und nach manchen Berichten noch länger, täglich von 
Neuem Höllensteinpinselungen vorgenommen werden, bei denen 
in Folge der plötzlichen Bewegungen, welche oft die zu behan¬ 
delnden Kinder machen, eine kleine Menge der Höllensteinlösung 
nur zu leicht auf die Hornhaut fliessen kann. 

Die hier durch das Experiment gewonnenen Schlüsse hat die 
Praxis theilweise schon längst aus der klinischen Erfahrung ge¬ 
zogen und der Wunsch nach einer weniger gefahrvollen Therapie 
als die Höllensteinbehandlung zeitigte auch die Versuche, durch 
Ausspülungen des Bindehautsackes mit antiseptischen Mitteln 
auf das gonorrhoische. Virus einzuwirken. Gegenwärtig stehen 
die organischen Silberverbindungen im Vordergrund des Inter¬ 
esses, und auch unter diesen haben sich verschiedene schon wieder 
gegenseitig abgelöst. Den meisten Eingang von diesen Prä¬ 
paraten hat das Protargol gefunden, und ganz auffallende Wir¬ 
kungen werden von ihm berichtet. 

T)ns neue Silberpräparat sollte insbesondere dadurch ein*’ 
ganz hervorragende Bedeutung besitzen, dass es eine ausge¬ 
sprochene Tiefenwirkung ohne Aetzung entfaltet. Frei¬ 
lich wurde diese Wirkung mehr aus den chemischen Eigen¬ 
schaften des Mittels gefolgert und vermuthet, als bewiesen. Die 
Versuche von B e n a r i o, welcher im Agar eine Tiefenwirkung 
erzielte, sind meines Erachtens zwar für die Gallerte beweis¬ 
kräftig, nicht jedoch für das lebende Gewebe. Mir wurde die 
Tiefenwirkung dadurch zweifelhaft, dass man eine gonorrhoisch 
erkrankte Conjunctiva 14 Tage, 3 Wochen und oft länger damit 
behandeln darf, und die Gonoeoccen sind immer noch vorhanden. 
Wo bleibt da die gepriesene Eigenschaft des neuen Antigonor- 
rhoicums, wenn es 3 Wochen lang vergebens in die Tiefe wirkt? 

Die zur Ermittelung des Grades dieser Tiefenwirkung vor¬ 
genommenen Versuche haben mich dann aber überzeugt, dass 
dem Protargol eine Wirkung in das Innere der Gewebe von dem 
Grade, dass dadurch tiefer im Epithel befindliche Mikroorganis¬ 
men geschädigt würden, nicht zugebilligt werden darf. 

Von einem mit 5 proc. Protargollösung 2 Minuten lang aus¬ 
gespültem und nach der Tödtung des Thieres mit Schwefel¬ 
wasserstoffwasser behandeltem Kaninchenauge wurden Serien¬ 
schnitte wie früher durch Lider, Bindehautsack und Hornhaut 
gemacht. Im mikroskopischen Präparate sehen wir das Epithel 
der Lidbindehaut von einer braunen Schichte überzogen, welche 
oft grössere Strecken lang abgelöst ist und darunter die oberste 
Grenze der Epithelzellen erkennen lässt. Die erste Lage der 
Epithelien selbst erscheint durchwegs, wenn auch in verschieden 
starkem Grade, braun gefärbt. Diese Färbung ist am inten¬ 
sivsten an der Oberfläche und nimmt nach innen zu allmählich 


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2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ab. Weiter gegen die Tiefe zu aber, als der Lage der zweiten 
Zellenreihe entspricht, ist eine Protargolwirkung nirgends zu 
sehen. 

Das Cornealepithel aber scheint dem Protargol ein absolutes 
Hinderniss zu sein, da die Hornhautepithelien nicht gebräunt 
sind. 

Da die Möglichkeit vorlag, dass ein höherer Concentrations- 
grad des Mittels eine tiefer gehende Wirkung zur Folge habe, 
wurde ein weiteres Präparat durch Ausspülen des Bindehaut¬ 
sackes mit 10 proc. Protargollösung gewonnen. Dabei zeigt sich 
aber lediglich, dass der Niederschlag an der Oberfläche der 
Schleimhaut stärker ist, das Eindringen der Lösung in die 
Zellen erweist sich dabei nicht intensiver. 

Diesen an der gesunden Conjunctiva angestellten Versuchen 
wurden solche an der künstlich in pathologischen Zustand ver¬ 
setzten angeschlossen. Aber auch bei den dadurch gewonnenen 
Präparaten sieht man, dass das Protargol nicht tiefer in das Ge¬ 
webe eindringt und dass durch Erhöhung des Coneentrations- 
grades der Lösung ein stärkeres Vordringen der Silberverbindung 
in das Gewebe nicht stattfindet. 

Es wäre noch der Einwand zu machen, das Protargol 
brauche, um in das Innere des Gewebes zu gelangen, eine gewisse 
Zeit, welche ihm bei meinen Versuchen nicht gelassen wurde. 
Aus diesem Grunde habe ich bei einem an starker Bindehaut¬ 
entzündung leidenden Hunde eine 2 Minuten lange Ausspülung 
des Bindehautsackes mit 10 proc. Protargollösung vorgenommen 
und das Thier erst nach */ 4 Stunden getödtet. Die gewonnenen 
Präparate beweisen aber, dass die Silberverbindung, anstatt in 
die Tiefe zu dringen, nur eine Verdünnung erfuhr. Lediglich die 
obersten zwei Epithelzellenanlagen haben das Protargol ange¬ 
nommen, wie bei den vorhergegangenen Versuchen; von dem 
aufgenommenen Medicamente ist aber allem Anscheine nach be¬ 
reits wieder eine gewisse Menge abgegeben worden, da die im 
Präparate sichtbare Braunfärbung nur noch sehr blass aus¬ 
gefallen ist. 

So kann dem Protargol, so schön das auch wäre, eine eigent¬ 
liche Tiefenwirkung im lebenden Organismus nicht nachgesagt 
werden. An ausgeschnittenen Organstücken mag man immer 
eine grosse Penetrationskraft nachzuweisen Vermögen. Ebenso¬ 
wenig wie mit der Anwendung des Höllensteins wird es mit dem 
Protargol gelingen, die im Inneren des Gewebes befindlichen 
Gonococeen oder andere Mikroben zu erreichen und ich glaube, 
dass wir diese Bestrebungen überhaupt werden aufgeben müssen. 
Die mit dem Mittel erzielten Erfolge wären daher auf andere 
Weise zu erklären. Ich habe die Wirkungsweise der verschiedenen 
Verdünnungen des Protargols, seine eigene Wirkung, sowie seine 
Wirkung in Verbindung mit Eisumschlägen möglichst genau zu 
beobachten versucht und habe zuletzt gefunden, dass bei frisch in 
die Behandlung gekommenen Fällen mit den schwächsten Lös¬ 
ungen am schnellsten ein Rückgang der acuten Entzündungs¬ 
erscheinungen zu erzielen war. Schliesslich wandte ich in den 
ersten Behandlungstagen noch eine andere Flüssigkeit zu Aus¬ 
spülungen an, von der gewiss Niemand behaupten wird, dass sie 
im eigentlichen Sinne bactericid wirkt. Eine sorgfältige Aus¬ 
spülung des Bindehautsackes mit physiologischer Koch¬ 
salzlösung in Verbindung mit Eisumschlägen vermochte 
die hochgradigsten Lidschwellungen am raschesten zu beseitigen. 
Die auf Grund der Behandlung unserer Fälle gewonnenen An¬ 
schauungen und Erfahrungen haben denn dahin geführt, dass ich 
nachfolgende Grundsätze für die Therapie der Augeneiterung 
Xeugeborener für richtig halten zu dürfen vermeine. 

Da wir ein Mittel, welches auf die Infectionserreger direct 
und zuverlässig einzuwirken vermöchte, nicht besitzen und da 
das erkrankte Gewebe sich der Infection, solange der Gesammt- 
organismus gesund und widerstandsfähig bleibt, selbst zu er¬ 
wehren vermag, so besteht die Aufgabe der Therapie zunächst 
darin, dass sie das Auftreten von Hornhauterkrankungen ver¬ 
hütet. In Anbetracht aber des Umstandes, dass die Homhaut- 
geschwüre in den meisten Fällen jedenfalls primär in Folge 
einer Nekrose des durch die hochgradig geschwollenen Lider ge¬ 
drückten Hornhautepithels entstehen, ist für die im acuten Ent¬ 
zündungsstadium der Augeneiterung befindliche Conjunctiva 
nur diejenige Behandlung zulässig, welche durch rasche Vermin¬ 
derung der Lidschwellung den Druck der Lider auf die Hornhaut 
zu beseitigen und eine möglichst wenig gewaltsame Reinigung 
des Bindehautsackes zu ermöglichen vermag. Diese Arbeit kann 
durch eine vollkommen reizlose und antiphlogistische Therapie, 

No. 1. 


welche in der 2 mal täglich vorgenommenen Ausspülung des 
Conjunctivalsackes mit physiologischer Kochsalzlösung und 
fleissig alle 3 Minuten zu wechselnden Eisumschlägen besteht, 
vollkommen geleistet werden. Die Verwendung von antisepti¬ 
schen Mitteln zur Ausspülung, auch die von dem sog. reizlosen 
Protargol, vermag das rasche Zurückgehen der acuten Entzün¬ 
dungserscheinungen höchstens zu verzögern, nicht zu be¬ 
schleunigen. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt in der An¬ 
wendung der Kälte und in der mechanischen Reinigung. Das 
Ausspülen des Bindehautsackes muss selbstredend mit grösster 
Schonung und vor Allem ohne die Verwendung eines Lidhalters 
ausgeführt werden, der bei den ganz unberechenbaren Beweg¬ 
ungen kleiner Kinder immer eine Epithelverletzung der Horn¬ 
haut verursachen kann. Am Schlüsse der Ausspülung werden 
die Lidränder mit gelber Vaseline bestrichen, um das Zusammen¬ 
kleben der Lider durch eingetrocknetes Secret und eine Stauung 
des Eiters im Bindehautsacke zu verhüten. 

Die Wirkung der Kälte besteht nicht in einer Schädigung 
der im Gewebe befindlichen Mikroben durch die unter das Tem¬ 
peraturminimum gebrachte Temperatur, sie ist vielmehr darin 
zu suchen, dass durch den immer wieder erneut auf die Haut¬ 
nerven angewendeten Kältereiz die Innervation der tiefer liegen¬ 
den Gefässe gesteigert wird, wodurch der Gefässtonus eine Er¬ 
höhung erfährt. So wird die gesammte Blutmenge des Lides 
verringert und die Abschwellung angebahnt. Auch die schmerz¬ 
stillende Wirkung der Kälte ist zu beachten und äusserst 
wünschenwerth, da die kranken Kinder weniger veranlasst sind, 
mit den Händen gegen die Augen zu greifen und sich mit den 
Fingernägeln Hornhautverletzungen zuzufügen. Damit das 
leztere aber nicht doch geschieht — und ich glaube, dass es häu¬ 
figer ist als man annimmt — ist strenge darauf zu achten, dass 
bei kleinen augenkranken Kindern die Hände mit in die Kissen 
gebunden werden. Der einzige Fall von Hornhautgeschwür, den 
ich unter meiner Behandlung auftreten sah, entstund dadurch, 
dass sich das kranke Kind die Hornhaut mit dem Fingernagel 
verletzte, nachdem die Augeneiterung schon nahezu abgelaufen 
war. 

Bei Anwendung der rein antiphlogistischen Behandlung 
geht die Lidschwellung und der stärkste Reizzustand der Binde¬ 
haut so schnell zurück, dass man oft schon am 2., spätestens am 
3. Tage die Lidspalte ohne jede Gewaltanwendung leicht zu 
öffnen im Stande ist und den Bindehautsack bequem reinigen 
kann. Die Eiterung hat ebenfalls abgenommen. Die Kinder 
sind bald in der Lage, die Lider spontan etwas bewegen zu 
können, wodurch der Eiter keine grosse Ansammlung mehr er¬ 
fährt. Einer Reinigung der Augen durch die Angehörigen haben 
wir nie das Wort geredet, da man nie wissen kann, wie dabei vor¬ 
gegangen wird. 

Sobald die Lidschwellung soweit zurückgegangen ist, dass 
die Kinder die Augen selbst wieder zu öffnen vermögen, was nach 
3 bis 5 Tagen der Fall ist, kann zu einer adstringirenden Behand¬ 
lung übergegangen werden. Hiebei nun habe ich das Protargol 
als ein sehr geeignetes Mittel befunden. Die bisher an das Medi- 
cament noch nicht gewöhnte Bindehaut reagirt nun äusserst gut 
darauf, die Secretion nimmt ziemlich rasch ab, die Eisumschläge 
brauchen nicht mehr so häufig angewendet werden. 

Bis zur völligen Heilung vergehen aber immer ca. 3 bis 4 
Wochen. Zu bemerken ist, dass man mit der Protargolinstil- 
lation auch einmal aufhören muss, will man nicht den Eintritt 
der Heilung bis in’s Unbestimmte verzögern. Bleibt nach ca. 
dreiwöchentlicher Behandlung ein gewisser Reizzustand der 
Bindehaut mit geringerer Schwellung und massiger Secretion be¬ 
stehen, so ist mit dem Adstringens abzuwechseln. Das alte Zin- 
cum sulfurium leistet dann oft in wenigen Tagen mehr als die 
modernen kunstvoll zusammengesetzten Mittel. 

Was die Heilungsaussichten bereits vorhandener Homhaut- 
geschwüre anlangt, so sind dieselben auch bei der Protargol- 
behandlung schlecht. Gerade hier sollte man aber von der be¬ 
haupteten Tiefenwirkung etwas erwarten dürfen, da doch kein 
hinderndes Epithellager dem Mittel mehr im Wege steht, in die 
Tiefe zu dringen. Leider dringt aber in der Regel nur das Ge¬ 
schwür in die Tiefe. Jedenfalls dürfen Eisumschläge dabei nicht 
gemacht werden. Sie erscheinen aber auch desshalb nicht mehr 
nothwendig, weil mit dem Eintritt von Geschwüren die Eiterung 
von selbst geringer zu werden pflegt. Von der Anwendung des 
Eserin habe ich keinen deutlichen Erfolg gesehen. Die Haupt¬ 
aufgabe scheint mir dabei wie bei der Behandlung der Oph- 

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IG 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


thalmogonorrhoe überhaupt eine sorgfältige Beobachtung des 
allgemeinen Ernährungsstandes zu sein. 

Bei einseitiger Erkrankung haben wir das andere Auge da¬ 
durch zu schützen versucht, dass wir täglich einen Tropfen 2proc. 
Protargollüsung einträufelten. Ob das Mittel wirksam war, 
lässt sich schwer beweisen, jedenfalls ist nie eine Uebertragung 
auf das nicht erkrankte Auge vorgekommen. Vielleicht wäre 
(lesshalb das Protargol zu prophylaktischen Einträufelungen zu 
versuchen, da es die Nachtheile des Höllensteins nicht besitzt 
und eventuell ebensoviel zu leisten vermag. 

Die nicht gonorrhoischen Fälle wurden ebenso wie die go¬ 
norrhoischen behandelt, jedoch mit dem Unterschied im Erfolge, 
dass die Heilung nur die Hälfte bis ein Drittel der Zeit bean¬ 
spruchte. 

Wenn ich zum Schlüsse meine Erfahrungen zusammen¬ 
fassen darf, so muss ich sagen: Die Therapie der Augeneiterungen 
Neugeborener kann im Beginne der Erkrankung nicht reiz¬ 
los genug sein. Dass dieser Grundsatz richtig ist, darf man, 
wie ich glaube, daraas scliliessen, dass bei den mit gesunder 
Hornhaut in unsere Behandlung gekommenen 48 gonorrhoischen 
Fällen mit Ausnahme des schon erwähnten, durch eine Verletz¬ 
ung bedingten Falles keine Hornhautgeschwüre aufgetreten 
sind. Wir können desshalb alle Medicamente, die unter Um¬ 
ständen Schaden verursachen, bei der Behandlung der Augen¬ 
eiterung Neugeborener entbehren, so dass man nicht mehr zu 
sagen braucht, die Ophthalmogonorrhoe der Noonati sei sowohl 
an sieh eine sehr gefährliche Erkrankung, als auch in Hinsicht 
auf die dabei zur Anwendung kommenden therapeutischen 
Mittel. 


Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Verjährung ärztlicher Forderungen, bestehender An¬ 
sprüche von Heil- und Pflege-Anstalten nach neuem 
Recht. 

(Gesetzeskraft ab 1. Januar 1000.) 

Die bisherigen landesgesetzlichen Vorschriften über die Ver¬ 
jährung erfahren durch das Inkrafttreten des bürgerlichen Gesetz 
1 nclies eine Veränderung in zweifacher Richtung. Einmal stellt 
dns bürgerliche Gesetzbuch für ärztliche und andere Forderungen. 
\. eiche vom 1. Januar 3000 ab begründet werden, neue, von den 
bisherigen Vorschriften abweichende Verjährungsgrundsätze auf. 
Weiterhin gibt Art. 300 des Einführungsgesetzes wichtige Ueber- 
gaugsbestimmungen für alle diejenigen ärztlichen und anderen 
Forderungen, welche noch vor dem 1. Januar 1000, also noch unter 
d u* Herrschaft der bisherigen Landesgesetze begründet wurden. 
Es ist selbstverständlich, dass alle ärztlichen Forderungen etc., 
welche erst ab 1. Januar 1000 fällig werden, folglich erst von da 
ab gerichtlich eingeklagt werden können, unter der Herrschaft des 
eenen Rechtes stehen, folglich in den vom bürgerlichen Gesetz¬ 
buch aufgestellten neuen Fristen verjähren. Dagegen nicht selbst¬ 
verständlich ist die in Art. 109 des Einführungsgesetzes zum 
bürgerlichen Gesetzbuch enthaltene Bestimmung, dass auch die 
vor dem 1. Januar 3900 entstandenen ärztlichen und anderen 
Forderungen, welche bis dabin nicht eingeklagt sind und deren 
Verjährung vom Fälligkeitstage ab nach den alten Fristen läuft, 
vom 1. Januar 1000 ab nach den neuen Verjährungsfristen des 
bürgerlichen Gesetzbuches zu Verlust gehen, und zwar auch dann, 
wenn diese neuen Fristen, wie überwiegend der Fall, kürzer 
bemessen sind, als die bisherigen alten Verjährungsfristen. Da¬ 
durch treten also die bisherigen Verjährungsfristen mit dem 
1. Januar 1000 schlechthin ausser Kraft und es treten an ihre 
Stelle die neuen Verjährungsfristen des bürgerlichen Gesetzbuches. 
Eine Ausnahme hievon folgt weiter unten. Dieser Umstand lässt 
os für Alle, welche aus den letzten Jahren noch Forderungen aus¬ 
ständig haben, geboten erscheinen, sich mit den Neubestimmungeil 
bekannt, zu machen. Setzen die neuer) Verjährungsbestimmungen 
für die Verjährung der Forderung eine kürzere Frist als bisher, 
tu gilt vom 1. Januar 1900 ab nunmehr diese Frist, und zwar in 
<’er Weise, dass sie ohne Rücksicht auf den bereits nach der alten 
Verjährungsfrist verstrichenen Zeitraum einfach an die Stelle der 
; Iten Frist tritt. Die der Forderung nach bisherigem Recht zu 
;iit gekommene längere Verjährungsfrist läuft mithin nicht aus, 
sondern sie wird um so viel verkürzt, als die neue Frist des bürger- 
lieben Gesetzbuches kürzer ist. Der Verlust der vor dem Inkraft¬ 
treten des bürgerlichen Gesetzbuches entstandenen fälligen ärzt¬ 
lichen Forderungen tritt daher um so viel eher ein. Ist z. B. eine 
Forderung im Jahre 1808 entstanden, welche nach bisherigem 
Rechte in 5 Jahren verjährt, nach dem bürgerlichen Gesetzbuch 
.Hier in 2 Jahren, so ist die Verjährung der Forderung bereits am 
21. Deeember 1002 vollendet. Um andererseits zu verhindern, 
dass durch Anwendung der kürzeren Verjährungsfristen des 
bürgerlichen Gesetzbuches ältere Forderungen, deren längere Ver¬ 
jährungsfrist. mich dem lüsherigen Recht demungeachtet früher 


als jene abgelaufen sein würde, zeitlich begünstigt werden, so 
ist im bürgerlichen Gesetzbuche für diese Fälle wiederum eine 
Ausnahme vorgesehen. Kommt nämlich die nach den bis- 
herigen Landesgesetzen für die Forderung maassgebende, w’enn 
auch längere Verjährungsfrist früher zum Ablauf als die im 
bürgerlichen Gesetzbuch bestimmte kürzere Verjährungsfrist, 
so bleibt demungeachtet die ältere längere Ve r j ä h rungs¬ 
frist für die Forderung maassgebend. 

Wie ersichtlich, begünstigt die neue bürgerliche Gesetzgebung 
den Schuldner und stellt, den Gläubiger schlechter, der sich 
nicht frühzeitig genug die Verfolgung seiner Ansprüche angelegen 
sein lässt. Das neue bürgerliche Gesetzbuch steht nämlich auf 
dem Standpunkt, es soll Jeder künftig innerhalb möglichst kurzer 
Fristen seine Forderungen geltend machen, wenn jene 
Forderungen sich wie beim Arzt und anderen Berufsstünden aus 
den Geschäften des täglichen Verkehrs, der beruflichen Praxis 
hersclireiben. Nimmt der Forderiingsbereclitigte aus irgend 
welchen Rücksichten Anstand, dies dem einen oder anderen 
Pflichtigen gegenüber zu tlnin, so gibt ihm das bürgerliche Gesetz¬ 
buch ein Mittel an die Hand, den Lauf der Verjährungsfrist zu 
sistiren und dadurch den Verlust der Forderung durch Zeltablauf 
hintanzuhalten. Es ist dies die Stundung des Betrages. Der 
Forderimgsberechrigte, der nicht Klage erhellen will, muss, um 
den Ablauf der Verjährungsfrist gegen sich zu hemmen, den 
Schuldner benachrichtigen, dass er ilmi die fällige Forderung auf 
bestimmte Zeit stunde. Innerhalb dieser Zeit läuft dann gegen 
ihn als Gläubiger für die betreffende Forderung die Verjährung 
nicht. Ist die Stuiulimgsfrist abgelaufen, so kann der Forderungs- 
bereelitigte sein An fordern erneuern oder eventuell, um den Lauf 
der Verjährung seines Anspruches weiter zu hemmen, eine neue 
Stundungsfrist gewähren. Sieht er aber, (lass auf diesem Wege 
nicht an’s Ziel zu kommen ist, so wird er schliesslich seinen 
Schuldner auf den Ablauf der Verjährung aufmerksam machen 
und wenn dieser zur Begleichung sieh nicht entscliliesst, den 
Weg der gerichtlichen Klagestellung bei Vermeidung des Ver¬ 
lustes der Forderung betreten müssen. Alsdann aber kann Jener 
hieran gewiss keinen Anstand mehr nehmen. 

Es ist selbstverständlich, dass die Fragen, wann die Ver¬ 
jährung beginnt, wann und wodurch ihr Lauf gehemmt oder ihre 
Vollendung unterbrochen wird, für Forderungen, die erst nach 
dem 3. Januar 3900 zur Entstehung gelangen, sich ausschliess¬ 
lich nach (len neuen Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches 
beantworten. Handelt es sicli dagegen um Forderungen, die noch 
vor dem 3. Januar 3900 entstanden sind, so entscheidet über 
den Zeitpunkt, des Beginnes des Laufes der Verjährung das bis¬ 
herige Landesrecht, soweit es sieh um Verjährungshemmungen, 
-Unterbrechungen oder Verjährungsbeginn In einer vor dem 
3. Januar liMM» zurückliegenden Zeitperiode handelt. Spätere Zeit¬ 
perioden stehen auch in diesen Fragen, z. B. nach eingetretener 
Unterbrechung der Verjährung nach altem Recht und darauf ge¬ 
folgtem Wiederbeginn einer neuen Verjährung, unter der Herr¬ 
schaft des bürgerlichen Gesetzbuches. 

Die auch für Aerzte, Heil- und Verpflegungsanstalten be¬ 
acht entwert heil Neubestimimiiigen des bürgerlichen Gesetzbuches 
über die Verjährung linden sich im 5. Abschnitt desselben, 
§§ 300—225, vor. Das neue Recht unterscheidet zwischen einer 
längeren und einer kürzeren, allgemeinen, einheitlichen Ver¬ 
jährungsfrist. Die ersten» beträgt 20 Jahre, die letztere 2 Jahre. 
Unter die letztere Verjährung fallen auch die Forderungen der 
Aerzte, der öffentlichen mul privaten Heil- und Verpflegungs- 
anstalton, einschliesslich der Ansprüche auf Erstattung der in 
Folge von Verpflegung oder Heilung gemachten Aufwendungen. 
Die kurze Verjährungsfrist ist hier desshalb gewühlt, um bei 
längerer Fortdauer der Verpflegung und Behandlung die Ver¬ 
pflegten vor übermässigen Anforderungen zu schützen, mit denen 
die Pfleger nach bewirkter Heilung oder nach Ableben der Ver¬ 
pflegten den Erbeu gegenüber später mitunter hervortreten. 
Den Aerzten und Wundärzten sind im bürgerlichen Gesetzbuch 
die Zahnärzte, Thierärzte und Geburtshelfer rüeksielitlich ihrer 
Forderung für Behandlung, einschliesslich Ersatz der Auslagen 
vollkommen gleichgestellt. Für alle diese Forderungen beginnt 
am 3. Januar 1900 die neue 2jährige Verjährung zu laufen, 
und zwar auch für die bereits vor diesem Zeitpunkt entstandenen 
noch nicht verjährten Forderungen, sofern sie kürzer ist, als die 
für die Forderung bisher landesgesetzlich vorgesellriebene Ver¬ 
jährungsfrist und (1er Ablauf der älteren Frist nicht bereits vor 
dem 3. Januar 1002 die Verjährung vollendet haben würde. 

G e b ii h r e n a n s p l* ii c li e ärztlicher Personen, welche zur 
Besorgung gewisser Functionen öffentlich bestellt oder zugelassen 
sind, wie z. B. die ärztlichen und chemischen Prüfungsstellen, 
die gerichtssacliverständigen Medicinalbeamten müssen innerhalb 
2 Jahren nach Schluss desjenigen Jahres spätestens geltend ge¬ 
macht werden, in welchem die gebührenpflichtige Leistung er¬ 
folgt (bisher: beendet worden) ist. Bei gerichtlicher Bethätiguug 
verjährt nach (lern Reichsgesetz vom 30. Juni 1878 der Gebühren¬ 
anspruch schon binnen 3 Monaten nach Beendigung der Tliütig- 
keit. In 2 Jahren verjähren auch die Forderungen der privat- 
dienstlich (im Heil- und Verpflegungsdienst) Angestell¬ 
ten. soweit sie auf Gehalt oder andere Dienstbezüge, einschliess¬ 
lich der Auslagen, gerichtet sind. 

Das Entstelningsjalir dos Anspruchs oder der Forderung wird 
nicht in die 2 jährige Verjährungsfrist miteingereclinet, die 
2 jährige Frist beginnt, vielmehr erst mit dem 31. Deeember des 
Entstelnmgsjalires zu laufen, und wenn die Forderung befristet ist, 
erst mit dem 31. Deeember des Jahres, in welchem die Frist ab- 


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Original ftom 

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2. Januar 1900. 


.MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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gelaufen ist. Das bürgerliche Gesetzbuch nahm hier auf die Ge¬ 
pflogenheit. Rücksicht, dass ärztliche Honorare gewöhnlich erst am 
Schlosse des Bestelluugsjalires der ärztlichen Dienstleistung ge¬ 
fordert und beglichen zu werden pflegen. Es deckt sich also die 
hier ein tretende Erstreckung der 2 jährigen Verjährungsfrist zu¬ 
gleich mit der ärztlicherseits eiugeführten geschäftsüblichen 
Sumdungsfrist bis zum 1. kommenden Jahres. 

Auch die Ansprüche der Privatangestellten im Heil- und Ver- 
ptiegungsdlenste beginnen zu verjähren bereits vom Schlüsse 
des Jahres au, in welchem die Forderung entstanden ist, während 
nach einer Anzahl von Landesgesetzen solche Forderungen erst 
vom Schlüsse des Jahres an zu verjähren begannen, in welchem 
das Dienstverhältniss des Angestellten sein Ende gefunden hatte. 

Die durch das Gesetz bestimmte Verjährungsfrist kann durch 
Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger noch weiter ab¬ 
gekürzt. nicht aber verlängert oder ganz ausgeschlossen werden. 

Wer mithin aus berufsgeschäftiieher Thätigkeit etwas zu 
fordern hat, hat auch dafür zu sorgen, dass er innerhalb des 
laufenden und der zwei folgenden Jahre zu seiner Befriedigung 
kommt und sei es auch mittels Erhebung einer Klage oder Er¬ 
wirkung eines Zahlungsbefehle». Unterlässt er dies (Mahnung, 
einfache oder mittels Gerichtsvollzieher setzt den Schuldner nur 
in Verzug, hemmt oder unterbricht aber den Lauf der Verjährung 
des Anspruches nicht), dann versagt die Rechtshilfe bezüglich 
des Anspruches, wenn der Schuldner sich auf dem Zeitablauf vor 
Gericht, beruft. Das Schuld Verhältnis» gilt alsdann als rechtlich 
nicht mehr bestehend, es hätte eher geordnet, der Versuch zur 
Ausgleichung im Rechtswege eher unternommen werden müssen. 
Ido bisherigen 0 monatlichen, 12 monatlichen, .1 jährigen (bei 
Aerzten z. B. auf der linken Rheinseite unter der Herrschaft des 
rheinisch-französischen Rechtest, 3 und r> jährigen besonderen Ver¬ 
jährungsfristen sind ausnahmslos aufgehoben, auch die sog. unvor¬ 
denkliche Zeit. d. i. eine über 30 Jahre hinaus reichende Verjährung, 
gibt es künftig nicht mehr. Forderungen des Fiskus gemessen 
keinen Vorzug mehr, man verjährt vielmehr gegen den Fiskus 
in der gewöhnlichen Verjährungszeit. 

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Hemmung und 
Unter b r e c li u n g der Verjährung. Die Hemmung der Ver¬ 
jährung bewirkt nur, dass die Verjährungsfrist, solange das 
llemmniss besteht, nicht weiter abläuft. Fällt das lleinmniss 
wieder fort, so beginnt die Verjährungsfrist, soweit sie noch nicht 
al»gelaufen war, weiter abzulaufen, wie z. B. bei ärztlicher Stun¬ 
dung. 

Eine U n terbrec h u n g der Verjährung bewirkt dagegen 
ei» völliges Aufheben des bis dahin durch Zeitablauf geschaffenen 
Verjährung«- und Verlustzustaudos. Es entfällt die bis dahin 
abgelaufene, noch nicht beendete Verjährungszeit vollständig und 
cs beginnt erst von dem Augenblicke an. wo die Unterbrecliungs- 
liandluug zu Ende ist. eine neue, selbständige Verjährungsfrist 
für die Forderung. Diese Verjährungsfrist ist in ihrer Zeitdauer 
<lie gleiche wie die frühere, nur bei rechtskräftig fest gestellten 
»der durch Irrtheil oder Vergleich entschiedenen fälligen An¬ 
sprüchen tritt (»ine 30 jährige Verjährungsfrist, an die Stelle der 
bisherigen. A b w e s e u li e i t des Forderungsberechtigten und 
eine hierauf sich stützende Unkeuntniss vom Ablauf der Ver¬ 
jährungsfrist- bewirken als Regel weder eine Hemmung, noch eine 
rnterbreclnuig der Verjährung; ein Abwesender muss sieb eben, 
um der Verjährung vorzubeugen, einen geschäftlichen Vertreter 
bestellen. Dagegen wird die Verjährung des Anspruches, soweit 
sic im Lauf war. unterbrochen und aufgehoben durch eine v o r 
Uccndigung der Verjährung durch den Schuldner dem Berech¬ 
tigten gegenüber (Arzt oder dessen Stellvertreter) erfolgte aus¬ 
drückliche oder stillschweigende Anerkennung der Ver¬ 
pflichtung. Als stillschweigendes Anerkenntnis« gelten in dieser 
Beziehung: Theilzahlung. Zahlung von Zinsen, Leistung einer 
Sicherheit, für die Forderung oder ähnliche Handlungen. Selbst¬ 
redend bewirkt die gerichtliche Geltendmachung des Anspruches 
gegcuiilicr dem Pflichtigen eine sofortige Unterbrechung der Ver¬ 
jährung. Als solche gilt, aber nicht nur die auf Befriedigung, 
sondern auch die auf blosse gerichtliche Feststellung des An¬ 
spruches gerichtete Klage, das Gesuch um Erlass eines Zahlungs¬ 
befehle«, die Anmeldung der Forderung im Uoncurs und anderes. 
I >ie Zusendung einer Liquidation oder Rechnung bewirkt, keine 
rnterbrechung der Verjährung, selbst wenn darin der in Rechnung 
gestellte Betrag gefordert wird. Auf bereits verjährte Forde¬ 
rungen Geleistetes kann nachträglich nicht mehr unter Berufung 
auf die Verjährung zurüekverlangt worden, noch kann damit, 
gegen eine andere Forderung aufgerechnet werden, es sei denn, 
»lass die Forderung zur Zeit, als ihre Aufrechnung zulässig war. 
noch nicht verjährt war (siehe § 30 des bürgerl. Gesetz!).). Hat 
vom Schuldner ein Anerkenntnis« einer bereits verjährten Schuld 
oder eine Sicherheitsleistung für solche in Unkeuntniss der Yer- 
jührmig stattgefunden, so ist gegen dieses Anerkenntnis» ein 
Widerruf oder die Einrede nicht mehr zulässig, dass die aner¬ 
kannte Forderung bereits verjährt gewesen sei. Die für die ver¬ 
jährte Forderung gestellte Sicherheit ist gütig und wirksam. 

Bevor man eine Forderung gerichtlich geltend macht, wird 
man vor allen Dingen und ganz besonders vom 1. Januar k. Js. 
ah wegen der in Geltung tretenden neuen Verjährungsgrund- 
sitze genau die Vorfrage zu prüfen haben; Wie steht es mit der 
Verjährung? Ist sie nach neuem Recht noch im Lauf? Hat 
zwischenzeitlich eine Unterbrechung oder Hemmung der Ver¬ 
jährung durch Anerkenntniss, Zinszahlung, Theilzahlung, Stun¬ 
dung der Forderung stattgefunden? Dr. Karl Schaefer. 


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Referate und Bücheranzeigen. 

A. Dastre und N. Floresco: Recherche» sur les 
Mati&res colorantes du foie et de la bile et sur le fer hepatique. 

Paris, G. S t e i n h e i 1, 1899. 205 S. 

Die Arbeit von D. und F. behandelt 3 Gegenstände: 1. Die 
Farbstoffe der Galle, 2. das Eisen der Leber, 3. die Farbstoffe der 
Leber. 

1. Die normale Galle enthält nach 1). und F. ausser Bili- 
rubin (bezw. Bilirubinat) und Biliverdin (bezw. Biliverdinat) 
noch zwei weitere Farbstoffe: einen grünen, Biliprasin, und einen 
gelben, Biliprasinat, jener eine Säure, das Biliprasinat das Al¬ 
kalisalz dieser Säure. Während Bilirubin und Bilirubinalkali, 
bezw. Biliverdin und Biliverdinalkali die gleiche gelbe, bezw« 
grüne Farbe zeigen, schlägt das Grün des Biliprasin» bei Zu¬ 
satz von Alkali in Gelb, das Gelb des Biliprasinuts bei Zusalz 
von Säure in das Grün der Biliprasinsäure, des „Biliprasin^ 
um. Biliprasin war von Staedeler ein aus pathologischer 
Galle gewonnener Farbstoff benannt worden. Derselbe wurde 
jedoch als ein Gemenge erkannt, und zwar, wie man anmdnn, 
von Biliverdin und Bilifuscin. In Wirklichkeit ist aber Staede- 
1 e r’s Biliprasin ein Gemenge von Biliverdin und dem von I). 
und F. neu gefundenen Farbstoff, für den sie desshalb den 
Namen Biliprasin adoptirt haben. Das Biliprasin ist aus Bili¬ 
rubin zu gewinnen durch langsame Oxydation (während en¬ 
ergische Oxydation sofort zu Biliverdin führt); es entsteht aus 
Bilirubin u. a .bei Gegenwart von viel Wasser: es scheint also 
Oxydation unter Hydratation stattzufinden. D. und F. unter¬ 
suchten eine Anzahl Gallen: Die Galle vom Kalb enthielt Bili¬ 
prasin und Biliprasinat, daneben zuweilen als accessorischen 
Bestandtheil einen gelben Farbstoff, der auf Zusatz von Säure 
sieb in Roth verwandelt (vielleicht identisch mit dem Colo- 
haematin von MacMunn.) Die Galle vom Schwein enthält 
Bilirubin, Natriumbilirubinat und Natriumbiliprasinat. Die 
Galle vom Hund enthält Natriumbiliprasinat und Bilirubinat, 
die vom Kaninchen Biliprasin, die vom Huhn, von der Schild¬ 
kröte, vom Frosch ebenfalls Biliprasin bezw. Biliprasinat. 

2. Die Leber besitzt in ausgesprochenem Maasse die Fähig¬ 
keit, Eisen zu fixiren. Das gilt für Wirbelthiere mit eisonreiehem 
Blut, wie für niedere Thierc, deren Blut kein oder nur Spuren 
von Eisen enthält. 1). und F. stellten den Eisengehalt der 
Leber bei einer grossen Anzahl niederer Thierc fest. Das Ver¬ 
fahren ist ein colorimetrisches; das Eisen wird, nachdem die 
organische Substanz unter bestimmtenVorsiclitsmnassri^eln ver¬ 
brannt ist, in Eisensulfocyunat verwandelt und mit einer 
Lösung desselben Salzes von bekanntem Gehalt verglichen. Bei 
Orustaceen, Mollusken, Lamcllibrunehiatcn, (Vphalopoden, 
Gastropoden erwies sich die Leber als das bei Weitem eisen¬ 
reichste Organ; sie enthielt, 5 bis 25 mal mehr als der übrige 
Körper. Die Leber besitzt ein specilisches, cleetives Fixirungs- 
vermögen für die minimalen Spuren Eisen, die das Blut führt. 
Umgekehrt wird das Kupfer, das im Blute vieler Wirbellosen 
enthalten ist, in der Leber nicht in wesentlicher Menge abge¬ 
lagert. Der Eisengehalt ist sehr beständig und von äussere i 
E inflüssen, insbesondere der Nahrung, in weiten Grenzen un¬ 
abhängig. Bei den Wirbelt-bieren stammt ein Theil des Eisens 
aus zerfallenden rotben Blutkörperchen. Abgesehen von dieser 
besonderen Function der Ilaemolvse bat die Leber der Wirbel- 
thiere wie die der Wirbellosen eine allgemeine „fönet ion mar- 
tiale“, und zwar besteht dieselbe nach I). und F. in Debertraguiig 
von Sauerstoff zwecks Unterhaltung der „langsamen Verbren¬ 
nung“ organischer Substanzen. Experimentelle Stützen für 
letztere Anschauung werden nicht gegeben. 

3. Die Pigmente der Lebersubstanz sind dio gleichen bei 

Wirbelthieren wie Wirbellosen. Es finden sich zwei Pigment»* 
von golbrother Farbe: das eine, Ferrin, in Wasser löslich, reich 
an Eisen, das zweite, Cholechrom, löslich in Alkohol und Chloro¬ 
form, eisenfrei, ein Zwischenproduct zwischen Lipochrom und 
Gallenpigment, namentlich in fettreichen Lebern verkommend. 
Eine Ausnahme bilden die Schnecken, deren Leber Hacinocbro- 
mogen, also die Grundsubstanz des Haemoglobins. enthält. 
Schliesslich findet sieh bei zahlreichen Mollusken ein Farbstoff 
Hepatochlorophyll (bezw. Hepatoxantliophyll) mit allen Eigen¬ 
schaften des grünen Farbstoffes der Pflanzen. Dasselbe ist in der 
That vegetabilischen Ursprungs, nicht animaler Natur: e« 
stammt aus der Nahrung; denn Entziehung derselben macht c-s 
aus der Leber verschwinden. Heinz- Erlangen. 

5* 

Original fram 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Werner Spalteholz, a. o. Professor an der Universität 
Leipzig und Gustos der anatomischen Sammlungen: Handatlas 
der Anatomie des Menschen. Mit Unterstützung von Wilhelm 
H i S, Professor der Anatomie der Universität Leipzig. Erster 
Band: Knochen, Gelenke, Bänder. Zweite Auflage (4.—6. 
Tausend). Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1899. Preis 13 M. 

Von dem S p a 11 eh o 1 z’schen Atlas ist nunmehr, noch die 
das ganze Werk zu Ende geführt werden konnte, die erste Ab¬ 
theilung bereits in zweiter Auflage erschienen, ein Beweis, dass 
das Werk sich sofort in weiten Kreisen eingebürgert hat. Wir 
haben seiner Zeit die erste Auflage referirt und rühmend an¬ 
erkannt; das Buch erfreut sich mit Recht grosser Beliebtheit 
wegen der guten Auswahl der Abbildungen, wegen ihrer An¬ 
schaulichkeit und wegen der Verlässlichkeit des Textes. Die 
neue Auflage der ersten Abtheilung ist im Ganzen wenig ver¬ 
ändert und empfehlen wir den Ankauf auf’s Neue besonders 
für den Gebrauch der jungen und jüngsten Semester, welche das 
Buch an die Stelle des bisher beliebten II e it z m u n n sehen 
Atlas setzen sollten. Martin II e i d e n h a i n. 

R. Graupner und F. Zimmermann : Technik und 
Diagnostik am Sectionstisch. Mit 126 Abbildungen in Drei¬ 
farbendruck auf 65 Tafeln und 25 Abbildungen im Text. 
2 Bände. Zwickau SA. Druck und Verlag von Förster 
& Borries, 1899. 

Das Werk geht über den gewöhnlichen Kahmeu einer 
Sectionstechnik hinaus, indem es nicht allein diese enthält, 
sondern zugleich auch eine Anleitung für die pathologisch-ana¬ 
tomische Diagnostik, soweit eine solche am Sectionstisch mög¬ 
lich und erforderlich ist, geben will. Da die meisten Erkran¬ 
kungen sich an der Leiche bereits aus den makroskopisch wahr¬ 
nehmbaren Veränderungen mit Sicherheit erkennen lassen, so 
ist das Hauptgewicht in der Diagnostik auf eine möglichst prä- 
eise Schilderung der makroskopisch wahrnehmbaren Verände¬ 
rungen gelegt, unter besonderer Berücksichtigung der dia¬ 
gnostisch und differentialdiagnostisch wichtigsten Merkmale. 
Dem gleichen Zwecke soll auch der dem Werke beigegebene 
Atlas dienen, dessen zahlreiche Abbildungen fast ausnahmslos 
von den Verfassern selbst nach frischen Präparaten hergestellt 
wurden. Man muss anerkennen, dass fast sämmtliehe Ab¬ 
bildungen nicht allein mit grosser Naturtreue, sondern auch in 
technischer Hinsicht vortrefflich ausgeführt sind, so dass der 
Atlas ein glänzendes Zeugniss von dein künstlerischen Können 
der Verfasser ist. Auch haben die Verfasser es sich angelegen 
sein lassen, möglichst charakteristische Fälle von den einzelnen 
Krankheiten zur Darstellung zu bringen. Doch wären wohl 
manche Abbildungen, wenn mit dem Atlas lediglich dia¬ 
gnostische Zwecke verfolgt werden sollen, zu entbehren gewesen; 
eine Gehirnblutung, eine Thrombose des Sin. longitudinalis, 
subpericardiale Blutungen, ein gemischter Thrombus im linken 
Herzohr u. s. w. lassen sich wohl auch ohne Abbildungen in 
der Leiche erkennen, sofern man sich überhaupt einmal auch nur 
kürzeste Zeit, mit pathologischer Anatomie beschäftigt hat, was 
von Denen, für die das Buch geschrieben sein soll, immerhin 
vorausgesetzt werden kann. Es wäre aber gewiss für die Ver¬ 
breitung des Werk«* von Vortheil gewesen, wenn durch Re- 
ducirung der Tafeln der Preis hätte ermässigt werden können. 

Auch die in den Text aufgenommenen Figuren, welche 
grösstentheils zur Erleichterung der Sectionstechnik dienen, sind 
von guter Ausführung und sehr instructiv gehalten. 

Da nicht selten die Natur der Erkrankung aus den makro¬ 
skopischen Veränderungen allein sich nicht mit Sicherheit stellen 
lässt, so haben die Verfasser auch die einfachsten Methoden der 
mikroskopischen Technik, soweit sich dieselben im unmittelbaren 
Anschluss an die Section am Leichentisch ausführen lassen, 
berücksichtigt. 

Hinsichtlich der Sectionstechnik schliessen sich die Ver¬ 
fasser im Allgemeinen den bekannten V i r c h o w’schen Vor¬ 
schriften an, doch empfehlen sie für besondere Fälle auch andere 
Methoden, wie z. B. das Ilerausnehmeii der Brustorgane im Zu¬ 
sammenhang bei gemeinschaftlichen Erkrankungen der oberen 
Luftwege und der Lungen. 

Die Anlage des Textes kann Referent nicht praktisch 
finden. Durch eine zusammenhängende Darstellung der Sections¬ 
technik wäre nach seiner Ansicht mehr Uebersicht geboten, 
als sie die Angliederung der Vorschriften für die Section der 

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einzelnen Organe an die Schilderung der in diesen vorkommen¬ 
den pathologischen Veränderungen gewährt. Auch trägt es ge¬ 
wiss nicht zur Uebersicht bei, dass die SectionsVorschriften bald 
am Anfang, bald. am Schluss der von den einzelnen Organen 
und Organsystemen handelnden Capitol angefügt sind. 

Die Ausstattung des Werkes ist eine ganz vorzügliche. 

II a u s e r. 


Neueste Journalliteratur. 

Centralblatt für Chirurgie. 1899. No. 48 u. 49. 

No. 48. Mattliaei - Danzig: Die Alkoholnarkose. 

M. fand durch Versuche an Kaninchen, dass die Narkose mit 
Alkoholgas zu lang dauert und nicht, sehr tief ist, dass man aber 
durch ein vorhergehendes Klystier von 3—5 g Spiritus auf 10—15 g 
in 2—3 Minuten mit Alkoholgas narkotisiren kann, er empfiehlt die 
Alkoholnarkosc zuerst an betrunkenen Säufern zu prüfen, während 
hei Enthaltsamen vorher ein Weinklystier gegeben werden müsse. 
Die Kappeier sehe Maske bedarf für Alkoholnarkose einiger Aen* 
derungen. Das gläserne Becken für den Spiritus muss recht breit 
und flach sein, damit es grössere Mengen fasst und nicht beständig 
gefüllt werden muss, die Maske muss am unteren Rand eine Ver¬ 
tiefung haben (in der sich der etwa niedergeschlagene Alkohol 
sammelt, damit er nicht in den Mund ttiesst) und wird am besten 
aus einem schlechten Wärmeleiter hergestellt. Das Becken für den 
Spiritus umgibt man zweckmässig mit einer Thermophorschicht. Die 
Ausathmungsüffnung kann mit einem Schieber versehen werden, 
damit man durch ilire Verengerung die Wirkung steigern kann. 

No. 49. Sticker-Breslau: Ein einfacher Controlapparat 
für Dampfsterilisatoren. 

Empfehlung eines aus der Abbildung ersichtlichen Apparates, 
bei dem das bei 98° schmelzende Phenantren in eiiieui entsprechend 
kleineren Apparat aus Glas zur Controle benützt wird, dass der 
betr. Verbandsstoff etc. mindestens 10 Minuten eilige wirkt hat. 
Für Sterilisatoren mit gespanntem Dampf dient das bei 104° 
schmelzende Brenzkatechin (das allerdings byposkopisch und dess- 
lialb vor Einbringung in das Röhrchen zu trocknen ist) zum Zweck 
der Controle der Sterilisation. Sehr. 

Archiv für Gynäkologie. 1899. 59. Bd., 2. lieft. 

1) Prof. W. E. Sneguiroff - Moskau : Endometritis 
dolorosa. 

Die nicht sehr seltene Krankheit hat ihren Ilauptsitz in der 
Schleimhaut des Fundus oder der Tubengegend oder des inneren 
Muttermundes. Eine constante Begleiterscheinung ist Blutstauung 
in der Gebärmutter. Pathognomonisehe Schmerzpunkte entsprechen 
Nerven aus dem 1. und 2. Wurzelpaar des Lumbalplexus, ferner 
dem Plexus hypogastricus solaris und besonders renalis. Prognose: 
güiißtig. Therapie: Blutegel in der Steissbeingegend, Dilatation und 
Tamponade der Uterushöhle, Ausschabung und, wenn dies versagt, 
Hysterotomie sphincterieime anterieure nach Defontaine. 

2) Dr. Bruno W o 1 f f : Heber eine Drillingsgeburt mit 
einem Acardius. (Aus der geburlsli.-gynäk. Univ.-Polikl. der 
Kgl. (Jlmrite.) 

Das mit dem Acardius aus demselben Ei stammende Kind 
war an Grösse dem dritten Kinde gleich, an Gewicht wenig über¬ 
legen, dagegen waren Herz und Leber des ersteren absolut und 
relativ erheblich grösser als dieselben Organe des vom Acardius 
unabhängigen Kindes. — Röntgenbild der injicirten Missgeburt. 

3) K. B 1 a e h e r - Reval: Noch ein Beitrag zum Bau der 
menschlichen Eihüllen. 

Nach seinen Untersuchungen schliesst B.: Die Placenta be¬ 
steht aus dem in einem verhältnissmässig kurzen Zeitraum hyper- 
plastisch entwickelten und zu einem Arterien- nebst Venensysteni 
orgaiiisirten Capillarnetz der Uterusschleimhaut, in dessen Scheide¬ 
wänden ausser den arteriellen Capillaren auch die Chorionzotten 
sich entsprechend entwickelt haben. Die Zwischenzottenräume sind 
also wirkliche Capillaren. 

4) Dr. Richard v. B r a u n - Fernwald: Ueber die in den 
letzten 10 Jahren ausgeführten Sectiones caesareae. (Aus der 
Klinik des Hofr. Gustav Braun in Wien.) 

Bei Brau n traf auf 402 Geburten 1 Kaiserschnitt, bei Leo¬ 
pold auf 225, Chrohuk auf 901,5. — 74 Fälle: 34 mit Erhaltung, 
40 mit Entfernung der Gebärmutter. — Gesammt-Mortalität: 8,1 Proc.; 
bei der conservativen Methode 11,8 Proc.; bei der entfernenden Me¬ 
thode 5 Proc. Kinder: in allen 34 Fällen von conservativem 
Kaiserschnitt lebend entwickelt, in den 40 Fällen von entfernendem 
K. waren 4 vorher abgestorben, 2 tief asphyktische wurden nicht 
mehr belebt. 

Die verschiedenen Arten der Schnittftthrung und Nahtanlegung 
hält v. B. für ziemlich gleichwerthig; in Fällen schwerer Eklampsie 
bei Erstgebärenden hält v. B. bei sehr grosser Frucht die abd. 
Sect. caes. für indieirt. Für die conservative 8ect. caes. sind Wehen 
nicht unbedingt erforderlich. — Die Symphyseotomie betrachtet 
v. B. im Vergleich zum Kaiserschnitt als inindenverthige, zumindest 
ebenso gefährliche Operation, dagegen ist der vag. Kaiserschnitt in 
den meisten Fällen der Indicationsstellung Dührssen’s mit Er¬ 
folg anzuwenden. 

Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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5) Dr. F. Heymann: Ueber Methode und Indicatlonen 
der künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft Erfahr¬ 
ungen aus 107 Fällen. (Aus dem Wöchnerinnen - Asyl zu Mann¬ 
heim, Director Mermann.) 

Der Verfasser verfolgt vor Allem den Zweck, „die Vorzüge der 
erprobten Krause’schen Methode von Neuem in das rechte Licht 
zu setzen“. Die Methode besteht darin, dass ohne vorherige Des- 
infection der Vagina ein Bougie vollständig in den Uterus einge¬ 
führt wird bis über den inneren Muttermund hinauf. Dasselbe 
kann 4 Tage liegen bleiben. Die Schlusssätze aus den zahlreichen 
mitgetheilten Erfahrungen wurden nach H.’s Ausspruch auch von 
anderer Seite schon aufgestellt und vertheidigt. 

6) Prof. Leopold, Dr. Bott-Würzburg und Dr. Marchesi' 
Palermo: Zur Entwicklung und dem Bau der menschlichen 
Placenta. (Frauenklinik in Dresden.) 

Die Arbeit umfasst die Beobachtungen an einem 7—8 Tage 
alten Ei und an fünf Uteris mit Eiern aus dem 2.—4. Schwanger¬ 
schaftsmonat. 

Die Bildung der Decidua capsularis hängt mit der Befestigung 
des Eies auf der Uterusschleimhaut eng zusammen. Nach Graf 
Spee (Kaninchen) und Peters (2—3 Tage altes menschliches Ei) 
bohrt sich das Ei in die Schleimhaut ein. — Auf der freien Ober- 
Hache der Capsularis sieht man in frühen Stadien einige Drüsen¬ 
mündungen. 

Das Gewebe der Serotina wird in der ersten Schwangerschaft 
zur Decidua, bleibt bis zum 2. Monat fast unverändert, dann ordnen 
sich die Zellen der Spongiosa in Längszüge, die Compacta wird zu 
einer gleichmässigen Masse mit schwach gefärbten Kernen, die Ober- 
Häclie wird durch eine Fibrinschicht gebildet. Drüsen mit deut¬ 
lichem Epithel konnten bis zum Ende der Schwangerschaft nach- 
gewiesen werden. — Die Verbindung der mütterlichen Gefässo mit 
den intervillösen Räumen geschieht theils per rhexin wie bei der 
Menstruation, theils durch actives Vordringen der Zotten. — In 
dem 7—8 Tage alten Leopold’schen Ei finden sich selbst in den 
feinsten Zöttehen Blutgefässe. — Eigentliches Serotina-Epithel kommt 
nicht vor, beobachtete Beläge der Serotina sind als Syncytium auf- 
znfassen, welches von den nächstliegenden Zotten abgelöst wurde 
und hängen blieb; vielleicht überzieht das Syncytium nach und 
nach die ganze Serotina und foetales Gewebe kleidet alle inter¬ 
villösen Räume aus. Die Langhans sehe Zellschicht gehört zum 
Ektoderm. Dr. A. II engge-München. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1899. No. 50 u. 51. 

No. 50. 1) R. de S erg neu x-Genf: Ein mit Marmorekserum 
erfolgreich behandelter Fall acuter Septikaemie. 

Verfasser berichtet die Krankheitsgeschichte einer 21jährigen 

I. Para, die am Ende der Schwangerschaft ohne jede äussere Ver¬ 
anlassung eine schwere acute Sepsis bekam. Die einige Tage 
darauf eintretende Geburt brachte keine Wendung zum Besseren, 
ebensowenig eine subeutane Infusion von G00 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung. Hierauf injicirte S. 20 ccm Marmorekserum und 
nun trat allmählich Heilung ein. S. gibt seihst zu, dass es zweifel¬ 
haft sein kann, ob das Serum oder die Kochsalzinfusion mehr ge¬ 
holfen hat, hält es aber doch für richtig, in verzweifelten Fällen 
allgemeiner Sepsis das Marmorekserum zu versuchen. 

2) Ed. Preiss-Kattowitz 0/S.: Ueber das geschlitzte Spe- 
culum. 

Technische Vorschläge zur Verbesserung des B a n d 1 sehen 
und Cusco’schen Speculums, um Assistenz beim Gebrauch der¬ 
selben zu Hparen. 

No. 51. AVilh. Rü hl-Dillenburg: Zur Behandlung schwerer 
Geburtsstörungen nach Vaginofixation des Uterus. 

R. kommt auf einen Vorschlag zurück, den er vor 2 Jahren 
bereits veröffentlicht, der aber wenig Beachtung gefunden hat. 
Es handelt sich um den vorderen Uteru s-Sehei denschnitt 
bei GeburtHstörungen nach Vaginoflxation des Uterus. R. erörtert 
zunächst die anatomisch-physiologischen Vorgänge hei Geburt nach 
vaginaler Fixation, als deren typische Symptome Tiefstand des 
Fundus, Hochstand der Cervix und Retroposition der Cervix ge¬ 
nannt werden. Hierdurch wird die Frucht nach dem Promontorium 
zu gepresst und, da das kleine Becken durch die vordere Uterus- 
und Vaginalwand überhrückt ist, bleibt kein Raum für den Durch¬ 
tritt des Kindes und die Ausführung geburtshilflicher Operationen. 
Diesem Uehelstande soll R.’s Operation abhelfen, die er ff mal aus¬ 
führte. 

Von seinen 3 Fällen genasen alle 3 Mütter, dagegen nur 
1 Kind. Aehnliche Fälle fand R. in der Literatur 8, die mit Sectio 
caesarea behandelt wurden und eine Mortalität von 50 Proc. für 
die Mütter aufwiesen. 

R.'s Operation besteht in der schrittweise ausgeführten Spaltung 
der vorderen Muttermundslippe, vorderen Uterus- und Seheiden- 
waufi bis zu einer Ausdehnung, dass man bequem die Hand ein¬ 
führen kann. Es gelingt dann die Wendung und Extraction leicht 
and rasch, und vor Allem lässt sich der Uterus nach Entleerung 
«eines Inhalts ohne Mühe bisfzur Vulva vorziehen, wo dann die 
incidirten Partien durch Naht wieder geschlossen werden. Den 
Hanptvortheil seiner Methode vor dem Kaiserschnitt sieht R. in 
der Möglichkeit» die Fracht vollkommen extraperitoneal zu ent- 

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wickeln, und dadurch weit geringeren Gefahr einer septischen 
Infection. 

Eine 2. Gefahr der Sectio caesarea, die hier fortfällt, besteht 
in Blutungen durch Zerreissung der Scheide beim Versuche, den 
Uterus aufzurichten. 

Uebrigens glaubtR. mit Dülirssen, dass richtig ausgeführte 
Vaginofixationen, d. h. wo nicht der Fundus uteri, sondern ein 
tieferer Abschnitt angenäht Avird, keine üblen Folgen für spätere 
Geburten haben. Jaffe-Hamburg. 

Archiv für experimentelle Pathologie und Pharma¬ 
kologie. 1899. 43. Bd., 3. u. 4. Heft. 

10) L. Krehl: Bemerkungen zu einigen Versuchen über 
die Wirkungsweise antipyretischer Medic&mente. 

K. L i e p e 11: Ueber den Einfluss von Antipyrin und Chi¬ 
nin auf den Gas Wechsel des gesunden Menschen. 

Stühlin’ger: Ueber fdie Einwirkung [einiger antipyreti¬ 
scher Mittel auf den Wärmehaushalt gesunder und kranker 
Thiere. 

ln diesen Arbeiten sucht Krehl im Verein mit seinen beiden 
Schülern jene viel umstrittene und für den Praktiker so brennende 
Frage zu klären, nämlich wie und ob überhaupt der Arzt das 
Fieber beeinflussen soll. Liepelt untersuchte den Gaswechsel 
von ff gesunden Personen, die unter der AVirkung von Antipyrin 
und Chinin standen, mit Hilfe des Geppert-Zuntz’schen Re- 
Kpiration8upparates. Es zeigte sich, dass mittlere Gaben von 
Chinin (1,0-1,5 g) keine wesentliche Aenderung des Gaswechsels 
gesunder Menschen hervomifen, l>ei Antipyrin (2—3 g) dagegen 
wurde eine geringe Herabsetzung der AVärme production beob¬ 
achtet — Stühlinger beobachtete den AVärmehaushalt bei ge¬ 
sunden und flel>ernden Kaninchen und Meerschweinchen nach 
Verabreichung von Antipyrin, Chinin und salicylsaurem Natron. 
Bie benutzten Thierspecies verhielten sich diesen Mitteln gegen¬ 
über nicht gleich, auch die einzelnen Individuen derselben Thier¬ 
art reagirten nicht gleic.hmäseig. Uebeihaupt stellte sich heraus, 
dass die Wirkungsweise der Antipyretica höchst wahrscheinlich 
eine äusserst complicirte ist, dass sich dabei Erregungen lind 
Lähmungen in den mannigfachsten Zellen auf das Sonderbarste 
mischen. Als Facit von St.’s A T ersuchen lässt sich sagen: Chinin 
und die Stoffe der Antipyringruppe führen bei Thieren, deren 
wärmeregulirende Apparate durch einen Krankheitszustand ver¬ 
ändert sind, zu Lähmungserscheinungen und in Folge dessen zur 
Verminderung der Eigenwärme. Auf den Menschen sind diese 
Ergebnisse nur mit Reserve zu übertragen, immerhin fordern die 
lähmenden Eigenschaften der Antipyretica auf, sich dieser Mittel 
am Krankenbett nur mit Vorsicht zu bedienen. 

11) O. Schultze: Ueber den Wärmehaushalt des Kanin¬ 
chens nach dem Wärmestich. 

Der AVärmestich erzeugt am Kaninchen zunächst eine 
Steigerung der Wärmeproduction und nicht entsprechende Ver¬ 
minderung der Wärmeabgabe. Nach einigen Stunden tritt ein 
stationärer Zustand mit gleichmässig erhöhter Temperatur ein, in 
dem Production und Abgabe der AVärme erhöht, aber gleichmässig 
sind. Darauf kehren beide zur Norm zurück. Im Gegensatz zum 
fieberhaften Zustand erfolgt beim AVärmestich die Erhöhung der 
Wärmeproduction zum allerkleinsten Theil auf Kosten von Eiweiss. 

12) K. Morishima: Ueber das Vorkommen der Milch¬ 
säure im thierischen Organismus mit Berücksichtigung der 
Arsenvergiftung. 

Die Hauptergebnisse dieser Untersuchungen lauten: 

1. Die Fleischmilchsäure bildet einen constanten Bestandteil, 
der frischen normalen Leber, der Nieren, der MagendamiAvand und 
des Blutes. 

2. Die Lebermilchsäure erfährt post mortem eine Zunahme, 
wahrscheinlich auf Kosten des Glykogens. Die Hauptmenge der 
gebildeten Milchsäure ist aber Gährungsmilchsäure. 

3. Intra vitam vermehrt sich die Milchsäure auch bei der Arsen¬ 
vergiftung. Aber hier wird nur Fleisch- wie Gährungsmilchsäure 
angetroffen. Ein Zusammenhang mit dem Glykogenverlust der 
Leber ist hier sehr unA\ahrscheinlich. 

13) J. B. Le at lies: Beiträge zur Chemie der Ovartai- 
mucoide. 

Die Abhandlung ist, weil von speeiell chemischem Interesse 
zum Referat in dies. Wochenschr. nicht geeignet. 

14) A. Maukowski: Bemerkung zu dem Aufsatz von Dr. 
G. N. Durdufi: «Die Asphyxie als Cardiotonicum». 

AI. hat in einer früheren Arbeit ebenfalls die Hypothese auf¬ 
gestellt, dass nicht die Kohlensäure, sondern das Nebennierensecret 
bei der Asphyxie eine Erhöhung des Blutdrucks bedingt. In neuerer 
Zeit neigt er aber zu der Ansicht, dass ausser dem Nebennieren- 
secret noch andere blutdrucksteigemde Momente mitspielen. 
AVelcher Art letztere sein sollen, wird aber nicht erwähnt. 

15) H. Zeehuisen: Beiträge zur Lehre der Immunität und 
Idiosynkrasie: 1. Ueber den Einfluss der Körpertemperatur auf 
die Wirkung einiger Gifte an Tauben. (Schluss.) 

Als Hauptresultat der angestellten Versuche sei Folgendes 
erwähnt: Bei strychninvergifteten Tauben bewirkt die Abkühlung 
mit kaltem Wasser oder kalter Luft im Allgemeinen zwar eine 
Milderung der Krampferscheinungen, aber bei stärkerer Abkühlung 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



20 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


eine Erhöhung der Mortalität gegenüber der normalen Taube. 
Dagegen ruft die Erwärmung nicht allein eine geringere Empfind¬ 
lichkeit gegen die Krampfwirkung des Strychnins, sondern auch 
eine Verminderung der Mortalität hervor. 

16) E. Essl emo nt: Beiträge zur pharmakologischen Wir¬ 
kung von Abführmitteln der Aloederivatgruppe. 

Nur jene Mittel der Aloegruppe, welche höchst wahrscheinlich 
den Anthraeenkern enthalten, wirken purgirend. 

17) R. Gottlieb: Ueber die Wirkung des Nebennieren- 
extracts auf Herz und Gefässe. 

Versuche am isolirten Säugethierlierzen zeigten bei Appli¬ 
cation von Nebennierenextract eine Vermehrung der Pulsfrequenz 
und eine Blutdmcksteigerung, die nur vom Herzen selbst abhängig 
sein konnte. Ausserdem konnte an dem überlebenden Katzen¬ 
herzen nach Langen dort' eine bedeutende Verstärkung der Herz¬ 
schläge demonstrirt werden. Das Nebennierenextract wirkt also 
nicht nur auf die Gefässwände, sondern auch auf die motorischen 
Apparate des Herzens ein. J. Müller-Würzburg. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1809. No. 52. 

1) .7. S c h l* a in m - Dresden: Totalexstirpation einer grossen 
Mesenterialcyste. 

Der allmählich die ganze Leibeshöhle ausfallende Tumor war 
bei der 48 jährigen Patientin ohne wesentliche Beeinträchtigung 
der Arbeitsfähigkeit gewachsen. Die Geschwulst verursachte 
keine Schmerzen, nur hartnäckige Obstipation. Wegen des Pal- 
pationsliefuiides wurde sie für eine einkümmerige Ovarialcyste 
gehalten. Laparotomie; nach derselben entleerten sich durch 
Punction 8 Liter Flüssigkeit. Eine Stielbildung war nicht zu be¬ 
merken. Emicleation der Cyste, Entfernung des 1. cystisclien 
Ovariuins, Naht der Bauch wunde. Nach 4 Wochen völlige Hei¬ 
lung. Der Ausgang der Cyste war wahrscheinlich von der Wurzel 
des Mesenteriums erfolgt. Die hartnäckige Obstipation soll jm 
den inarcantesteii Zeichen dieser Geschwülste gehören. Verfasser 
widciTÜth die Probepunction der cystisclien Bauchgeschwiilste 
zu Gunsten der Probeiueision, der event. die Radicaloperation 
anzuschliessen ist. 

2) Ed. M e y e r - Berlin: Zur endolaryngealen Behandlung 
des Kehlkopfkrebses. 

Cfr. das Referat hierüber pag. 1484 der Münch, med. Wochen¬ 
schrift. 

3) J. P e t r u s c li k y - Danzig: Die specifische Behandlung 
der Tuberculose. 

Referat, erstattet in der Sitzung der Tuberculosecomnilssiou 
der 71. Versammlung deutscher Naturforsclier und Aerzte in 
München 1899. Vergl. Bericht der Müncli. med. Wocheuschr. 
hierüber. Dr. G lass m a u u - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1899. No. 51. 

1) H. Braun: Die diagnostische Bedeutung acuter 
Flüssigkeitsergüsse in die Bauchhöhle. (Aus der chirurgischen 
Universitätsklinik in Göttingen.) 

Nach einem Vortrag in der chirurgischen Section der 71. Ver¬ 
sammlung 'deutscher Naturforsclier und Aerzte in München am 
23. September 1899. Referat, siehe diese Wochenschrift No. 50, 
pag. 1694. 

2) Paul Friedrich Richter: Zur Frage des „Nieren¬ 
diabetes“. (Aus dem Laboratorium der III. medicinischen Univer¬ 
sitätsklinik in Berlin.) - 

Nach einem Vortrage, gehalten im Verein für innere Medicin 
in Berlin am 10. Juli 1899. Referat, siehe diese Wochenschrift 
No. 29, pag. 973. 

3) Kger-Berlin: Zur Frage des Nierendiabetes. 

Im Anschluss an obigen Aufsatz theilt E. zwei von ihm 
beobachtete Fälle von Nephritis mit Glykosurie mit. Kr ist ge¬ 
neigt, das Auftreten von Glykosurie bei chronischer Nephritis 
einer acut zunehmenden Insufticienz des erkrankten Organs zuzu¬ 
schreiben, eventuell einer Intoxication des Organismus durch zu¬ 
rückgehaltene Stoft'wechselproducte. In diesem Sinne wäre der 
Nachweis von Zucker bei chronischer Nephritis auch von diagnosti¬ 
schem bezw. prognostischem Werthe als ein Zeichen beginnender 
Insufticienz und drohender Uraemie. 

4) Leo Zupnik: Zur Aetiologie der Meningitis cere¬ 
brospinalis epidemica. (Aus der I. deutschen medicinischen 
Universitätsklinik in Prag.) (Schluss aus No. 50 der deutschen 
med. Wochensehr.) 

Die Eigenschaft eines specifischen Krankheitserregers der 
epidemischen Cerebrospinalmeniogitis wird bekanntlich von einer 
Seite dem Weichselb au m’schen Diplococcus intracellularis, von 
anderer dem Fraenkelschen Pneumoniecoecus zugesebrieben. 
In neuerer Zeit jedoch mehren sich die Beobachtungen, wonach 
eine einheitliche Aetiologie dieser Krankheitsform durch einen be¬ 
stimmten Mikroorganismus trotz ihres epidemischen Charakters 
zweifelhaftjerscheint. Hiezu gehört auch der hier beschriebene 
Fall, in welchem die bacteriologische Untersuchung einen mikro¬ 
skopisch dem Weich sei bäum sehen Meningococcus nahe¬ 
stehenden, culturell aber sich durchaus verschieden verhaltenden 
Doppelcoccus ergab, der mit dem jüngst von Pfaundler be¬ 
schriebenen identisch zu sein scheint. 

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5) Karl TH bei eisen- Bad Thalkirchen-München: Ein Fall 
von Hysteria virilis. 

Casuistische Mittheilung aus der ärztlichen Praxis. 

F. Lacher-München. 

Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXIX. Jnhrg. 
No. 24. 

E. T s c li u d i - Zürich: Ueber einen Fall operativ be¬ 
handelter Nephrolithiasis. 

Doppelseitige N. mit sccundärer (häufiger Katlierismus wegen 
Anurie) Pyelitis durch 2 Nephrotomien (mit einem Zwischenraum 
von b Ji Jahren) geheilt. Lumbal schnitt, Luxation der Niere vor die 
Wunde, Sectionsschnitt der Niere, Nephropexie nach Ha h n; Kocli- 
salzklvstire zur Anregung der Diurese. 

Vor der *2. Operation Röntgenaufnahme, mit deutlichem Er- 
gebniss (Beilag«*); hierzu praktische Rathschläge. 

Aug. W alker- Solothurn: Ueber Diphtherie. 

Im Solothurner Bürgerspital (Chefarzt Dr. Aug. Kottmann) 
wurden in dt*n letzten 3’/2 Jahren 315 Fälle von Diphtherie (nicht 
regelmässig baeteriologisch festgestellt) behandelt. Die Mortalität 
betrug 15,8 Proe. (früher gewöhnlich um 50 Proc), bei den (117) 
Trachcotomirten 22,6 Proc. Die wi<-btigsten Complicationen, Pneu¬ 
monie, Herzschwäche etc. werden kurz besprochen, vor derZwangs- 
ernälirung wird gewarnt. 

In Anwendung kommt durchaus die Sernmtherapic (die übrigens 
die Zahl der Tracheotomien nicht beeinflusste), gewöhnlich 
1000—1500 A. E. K«*iue schädlichen Nebenwirkungen ausser 4 mal 
Pemphigus. Intubation wurde nicht gemacht. 

W. S p 1 r i g : Genuine Rhinitis übrinosa oder Nasen¬ 
diphtherie ? 

Kurze Al «Weisung der Bezeichnung genuine Rh. f. bei An¬ 
wesenheit von Diphthoriebacillcii. (cf. J. Morf., Corr.-Bl. No. 21.) 

Pischinger. 


Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1899. No. 51. 

1) Drasch e. - Wien • Aetiologie des tuberculösen Pneumo¬ 
thorax. 

Verfasser konnte innerhalb 40 Jahren 19.S Fälle (158 Mänuer, 
40 Weiberj voll tubereulösem l’ueumothorax beobachten. An 
letzterem erkrankten Männer doppelt, so häutig wie Weiber. Dass, 
wie W e i 1 allgibt, 8 10 Proe. aller Tubereiilösen Pneumotliorax 

bekonimen, ist unriehtig. Am meisten wird das Alter zwischen 
20. und 30. Jahr betroffen. In über 71 Proe. der Fälle fand der 
(’avernemliirehbnich in den Oberlappen statt, meist aus einer 
Oeffnuug. selten aus mehreren. Gelegenheltsursuelieu bilden 
Husten, körperliehe Anstrengungen. Traumen. Die nach der Per¬ 
foration sich entwickelnde Pleuritis kommt nicht von der eiu- 
dringenden Luft als solcher, sondern von den In den Brust raum 
gelangenden Infeetionskeimen und destruirten Gewobselementeu. 
Die Raschheit, mit welcher der Erguss aus einem serösen ein 
eiteriger wird, ist sehr verschieden. 

2» G. K a p s u in m e r - Wien: Blutdruckmessungen mit dem 
Gaertner 'sehen Tonometer. 

0fr. hierüber das Referat pag. 1750 der Müncli. med. Wochen¬ 
schrift. 

3) O. llüdlmoser- Wien: Zur Casuistik, des Pankreas- 
carcmoms. 

Die Erkrankung begann bei dem erst 27 jährigen Patienten, 
einem Schriftcnmnler, mit heftigen Schmerzen im Leib und Kreuz, 
Abmagerung; daun trat Ikterus hinzu, ferner wurde ein quer- 
gesteliter Tumor in der Oberbuuchgegeud fühlbar; der ausgo- 
lieberte Mageninhalt enthielt keine frei«» Ol H, die Leber war zu¬ 
nächst nicht verändert. Es wurde eiu an der hinteren Magen¬ 
wand sitzendes Oareinom angenommen. Zucker trat im Ilarn nie 
auf. Unter zunehmender Kachexie und Ikterus erfolgte der Tod. 
Die Section ergab eiu Oareinom des Pankreaskopfes, das den Duct. 
choledoch. umwachsen und das Duodenum bis zum Pylorus in- 
Ültrirt hatte. II. bespricht die diagnostischen Schwierigkeiten 
des Falles, im Hinblick auf die fehlende Uebereiustimmung mit 
den für das Pankreaseareinoin entworfenen klinischen Bildern. 
Auch die häutig typische Veränderung des Stuhles fehlte hier. 

4) R. Sa vor-Wien: Ueber Symphysenruptur. 

An der Cliro b a k’sehen Klinik ereigneten sich binnen 
.22 Jahren unter 04 149 Geburten nur 3 Sympliysenrupturen, alle 
I. Pa rae. Der 1. Fall betraf (»ine 32 jährige I. Para mit allgemein 
gleichmässig verengtem Becken; ein Versuch, das Kind mittels 
Zange zu entwickeln, fand statt, doch wurde Craniotomie nöthig. 
Heilung mit guter Gehfähigkeit. 

Der 2. Fall (28 jährige Frau) zeigte koxalgisch schräg ver¬ 
engtes Becken; Zangenentbindung uni er mässiger Kraftentwick¬ 
lung. Zerreissung der Symphyse. Tod der Mutter nach 30 Stun¬ 
den an Sepsis und Anaemie. 

Im 3. Fall (Rhachitiea) wurde wegen Eklampsie kraniotomirt, 
dabei Symphysenruptur, trotzdem der extrahirte Schädel enthirnt 
war. Unter Anlegung eines Beckengürtels erfolgte Herstellung 
guter Gehfähigkeit. Die Artic. saero-iliac. war nicht zerrissen. 

Dr. Graasmann- München. 

Original frn-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDKTNTSOHE WOCHENSCHRIFT. 


21 


Englische Literatur. 

Sir Dy re Duck worth: Bemerkungen über die Wirkung 
von Impfungen gegen Typhus. ( Brit. medio. Journ., 17. Nov.) 

Die englischen Truppen, die zum Kampfe gegen die Buren 
mich Südafrika geschickt worden sind, haben sieh zum grossen 
Tlieile (70 Proe.) freiwillig einer Schutzimpfung gegen Typhus 
unterzogen. Duckworth beschreibt hier die unmittelbaren 
Wirklingen der Impfung au einem typischen Falle. Der 24 jiihr. 
Mann erhielt nach sorgfältiger Reinigung der Haut und aller zur 
Verwendung kommenden (Gegenstände am 23. October, Morgens 
!i l'lir 30 Min. seine erste Einspritzung von 1 rem der von Prof. 
W r i g li t in Netley hergestellten Vaccine. Die vorher normale 
Temperatur stieg nach 2 Stunden um 2" F., auch der Puls wurde 
frequenter, ausserdem wurde eine stark vermehrte Diurese be¬ 
obachtet. Der Urin war auffallend hell, aber eiweiss- und zucker¬ 
frei. Im Laufe des Tages trat Kopfschmerz auf, sowie ein un¬ 
angenehmes (Gefühl an der Einstichstelle (linke Flanke), dann 
Stechen in dem Bein und später auch in der gleichnamigen Schulter. 
Um (> Uhr trat plötzlich eine erysipelasähnliche Köthung um die 
Kinstichstelle auf. Die Nacht war gut und am folgenden Tage 
verloren sich alle abnormen Erscheinungen, so dass der Kranke 
am 3. Tage aufstaud und ausging, nur eine gewisse Steitigkeit 
im linken Bein wurde noch bemerkt. Am 2. November wurde au 
der gleichen Stelle dieselbe Menge Vaccine (‘ingespritzt und waren 
die Folgen dieselben. Die ltöthung der Einstichstelle verbreitete 
sich sogar noch weiter, aber wieder war am 3. Tage Alles vorbei. 
Piazoreaction konnte im Urine nicht nachgewiesen werden. Am 
!>. November wurde das Blut untersucht und man fand noch bei 
200fa«*ht»r Verdünnung eine sehr ausgesprochene \V i d a l'sche 
Ibaction. Verfasser hält bei gesunden Leuten die Einspritzungen 
für ganz ungefährlich, empfiehlt aber stets 2 zu machen und den 
lnjiclrten einige Tage ganz ruhig im Bett zu halten. 

S. J. K e n nie: Schlangenbiss, geheilt durch C at¬ 
met t e’s Serum. (Ibid.) 

Ein 12 Jahr. Hinduknabe war Morgens von einer Cobra ge¬ 
bissen worden, bald begann der gebissene Finger und der Arm 
zu schwellen, dann der ganze Körper, es trat Halbsoitenlühmung 
und beiderseitige Blindheit auf, als der Arzt ihn etwa 10 Stunden 
später sab. war er benommen und konnte nur mit Mühe auf- 
gerüttelt werden. Die Lähmung und die Schwellung bestand 
noch, die Athmung war reine Bauchathmnug, er schien sterhcml. 
Es wurden sofort 12 ccm des C ulmett e'schon Serum gegen 
Schlangengift subeutan injicirt und Brandy- und Beefteaklystiere 
gegeben. Die Localbehandlung mit Uhlorgold (U a 1 m e t t e) 
unterblieb, da der Fall zu weit vorgeschritten war. Während der 
nächsten 15 Minuten nahm die LäInnung der Atliemmuskeln zu 
und die Athmung hörte plötzlich ganz auf. Der Puls schlug nur 
noch 4 mal in der Minute. Nachdem 30 Minuten lang" künstliche 
Athmung gemacht war, arbeiteten die Athcmmuskeln wieder; es 
wurde nun noch eine snbeutane Strychnineinspritzung gemacht 
und die Klystiere fortgesetzt. Dann erholte sich der Knabe rapid 
und war nach 4S Stunden wieder ganz wohl; nur (‘ine Diplopie 
blieb noch längere Zeit zurück. Verfasser hat schon mehrere 
Fülle mit Erfolg mit dom Serum behandelt und ist fest davon 
überzeugt, (lass der Knabe ohne dasselbe verloren gewesen wäre. 

C. Firmln Du th b e r t : Intracerebrale Injection von 
Tetanusantitoxin. (Ibid.) 

Eiu 21 jühr. Mann fiel vom Pferde und zog sich eine stark 
verunreinigte Quetschwunde über der Tibia zu, dieselbe wurde 
desinfieirt lind genäht. 8 Tage später trat Tetanus auf. Am 
selben Tage wurde auf jeder Seite ein Loch in den Schädel ge- 
lwilirt mul 2 '/„ ccm getrockneten Serums (gelöst in derselben 
Quantität 'Wasser und einer doppelten Quantität des flüssigen 
Serum entsprechend) wurde in joden Frontallappen gespritzt. 
Patient wurde nach «1er Operation entschieden besser und hielt 
sich 2 Tage lang unter fortgesetzten subeutanon Antitoxinein- 
spritzungen sehr gut, am 3. Tage delirirto er, wollte aus dem 
Heit und sank plötzlich (wahrscheinlich in Folge von Herz¬ 
schwäche) todt nieder. (Siehe auch Bericht, über 2 auf diese 
Weise geheilte Fälle im Brit. med. Journ., T. Januar und 3. Juni 
*81)9.) 

D'Arcy Power: Die Prognose und moderne Behandlung 
der Appendicitis. (Brit. med. Journ., 25. November.) 

Diese Arbeit gibt die Anschauungen wieder, die jetzt von den 
meisten englischen Chirurgen angenommen sind. Viele Appen- 
dicititiden heilen ohne Operation; nie darf Opium im Anfangs¬ 
stadium angewendet werden, da es die Symptome verschleiert, 
am besten bewährt sieh ein Seifenwassereinlanf und Verabfol¬ 
gung von Magnes. sulphur. (stündlich ein Theelöffel in Wasser 
gelöst bis Stuhlgang erfolgt). Local wende man, je nachdem, 
einen Eisbeutel oder warme Umschläge au. Dabei leicht ver¬ 
dauliche. flüssige Kost. Sind die Schmerzen sehr bedeutend, so 
gebe der Arzt selbst eine Morphiuminjeetion, beobachte aber 
darnach das Befinden des Kranken um so genauer. Am wich¬ 
tigsten ist die Beobachtung des Pulses, steigt derselbe über 100, 
wird er kleiner und weicher, so ist (Gefahr im Anzuge, gesellen 
sich dazu noch stärkere Schmerzen im Leibe, Verschwinden der 
HaucliatInnung und Erbrechen, so operire man sofort. Meist 
legt man den Schnitt parallel dem P o u p a r Uschen Baude zwi- 
selien Xaliel und Spina anterior suporior (M cBurne y’s Punkt). 
Jedes Suchen nach dem Wurmfortsatz ist zu vermeiden, sobald 
ein Abscess geöffnet ist, da die Adhaosioneii, welche die freie 
Bauchhöhle abscliliessen, naturgemäss noch sehr zerrcissbar sind. 
Findet man dagegen den Wurmfortsatz vorliegend, so entferne 
inan ihn stets. Am besten ist es, die Bauehwunde ohne Drainage 


ganz zu sehliessen, selbst wenn kleinere Abscesse eröffnet wurden, 
grössere wäscht man mit einer Lösung von Binijodidqueeksilber 
(1:5000) aus und drainirt. Kommt man erst in späteren Stadien 
zur Operation, so bandelt es sich meist um grosse, gut nbgo- 
kapselio Abscesse, die oft weit sich ausdehnen, sie müssen gründ¬ 
lich geöffnet und allseitig zugänglich gemacht werden. Nach der 
Operation ist Opium meist indicirt und oft von grossem Nutzen. 
Bauchhernien bilden sich auch bei per secundam geheilten Fällen 
selten. Ist es schon zu einer allgemeinen Peritonitis gekommen, 
so kann mau noch operiren, doch ist der Erfolg meist negativ. 
Bei Kranken, die gezwungen sind, oft längere Zeit in menschen¬ 
leeren (Gegenden zu leben, wie Matrosen, Farmer in (Kolonien etc. 
entferne man womöglich den Appendix stets bei der ersten Ope¬ 
ration. wenn wir auch noch nicht sicher wissen, ob die Entfer¬ 
nung den Kranken wirklich heilt. Verfasser erzählt von einem 
Falle, in welchem ein Kranker, der häutig so schwere Anfälle 
hatte, dass er sprachlos wurde, und welcher mehrfach operirr 
worden w r ar. Derselbe liess sich zuletzt auf seiue Ileocoeeal- 
gegeiul tütowiren: ,,Bitte, öffnen sie meinen Bauch nicht wieder, 
der Appendix wurde schon dreimal entfernt.“ 

Moynihan: Die Verhütung des Schock bei chirurgischen 
Operationen. (Ibid.) 

Basil Hall: Die Behandlung des chirurgischen Schock 
durch grosse Strychnindosen. (Ibid.) 

Moynilian glaubt, dass die Verhütung des Shoek in 
vielen Füllen möglich sei. Er verwendet einen heizbaren 
Operationstisch und hält das Zimmer sehr warm, oft umwickelt 
er die Extremitäten mit heissen Wattebandagen und Flanell. 
Vor Beginn der Narkose injicirt er 10 Tropfen des Liqu. Stryclini 
und wiederholt die Dose während der Operation; man kann 
20—30 Tropfen einspritzen, ohne üble Folgen zu bemerken; eben¬ 
falls vor der Operation macht er einen heissen Salzwassereinlauf 
In das Rectum, während der Operation lässt er Transfusionen 
von Kochsalzlösung folgen. Am Ende der Operation lässt er 
den Kranken nicht sofort in den Saal tragen, sondern lässt ihn 
noch längere Zeit im Operationssaal liegen. Natürlich wendet 
er alle diese Vorsiehtsmaassregeln nur bei solchen Operationen 
an, die naturgemäss leicht zu Schock führen und er ist nament¬ 
lich von der prophylaktischen Wirkung sehr grosser Stryehnin- 
dosen überzeugt. 

H a 11 wendet auch beim vollentwickelten Schock das 
Strychnin in sehr grossen Dosen an und erläutert seine guten 
Erfolge an Krankengeschichten. Die kleinste wirksame Anfangs¬ 
dose beträgt cg Strychnin subeutan. 

Mott: Neurologisches Archiv aus dem Pathologischen 
Laboratorium der Londoner Grafschaftsasyle zu Ciayburg. 
11. lieft.) 

Diese neue Veröffentlichung wird von nun an regelmässig 
erscheinen und von dem bekannten Pathologen M o 11 redigirt 
werden. Aus dem ersten Bande seien nur horvorgelioben einige 
Arbeiten von Mott, die von grossem, allgemeinen Interesse sind. 
Pie erste Arbeit beschäftigt sieh mit den gröberen syphilitischen 
Hirnveränderungen, wie Gummata, Meningitis, Thrombose im 
Gefolge von specifischer Eudarteriitls u. s/w. Die klinischen 
Symptome, die Differentialdiagnose und die pathologische Ana¬ 
tomie dieser AffeetIonen werden genau geschildert. Mott glaubt, 
dass diese Erkrankungen häufig verkannt und als Epilepsie oder 
Dementia paralytica gedeutet w'erden; leider wird dann der beste 
Zeitraum für eine erfolgreiche Behandlung versäumt und die 
Kranken verfallen dem zunehmenden Irresein. Eine zw'elte Arbeit 
ist betitelt: Beobachtungen über die Aetiologie und Pathologie 
der allgemeinen Paralyse. Ist auch die uetlologlsche Bedeutung 
der Syphilis noch nicht vollkommen sicher erwiesen, so spricht 
doch Alles dafür. Häufig genug wird bei der Anamnese nicht ge¬ 
nügend auf Syphilis gefahndet und werden auch Spuren iiber- 
standener Syphilis übersehen. Dementia paralytica ist selten in 
Ländern, in denen Syphilis selten verkommt, ebenso bei Frauen 
der besseren Stände. Bei 22 von ihm beobachteten Füllen von 
Dementia paralytica bei Kindern war fast immer angeborene 
Syphilis nachweisbar. (Diese 22 Fälle bilden den (Gegenstand 
einer weiteren Arbeit in demselben Hefte.) Mott glaubt, dass 
Dementia paralytica und Tabes pathologisch dieselbe Krankheit 
ist, von der verschiedene Tlieile des Nervensystems befallen 
werden. Im Blute lind im Liquor cerebrospinalis der Paralytiker 
findet sich stets Cholin, das von dem degenerirten Gehirngewebe 
geliefert wird. Das Cholin führt zu Thrombosen der kleinen 
Venen, wodurch dann epileptiforme Anfälle ausgelöst werden. 
Eine Reihe weiterer Arbeiten anderer Autoren beschäftigen sieh 
mit anderen Fragen aus dem Gebiete der Dementia paralytica, 
während der zweite Tlieil des 550 Seiten umfassenden Archivs 
anderen Arbeiten aus dem (Gebiete der Nerveupathologie ge¬ 
widmet ist. Druck und Papier, sowie Illustrationen der neuen 
Veröffentlichung sind vortrefflich, der Preis jeden Bandes, 15 M.. 
ist ein billiger zu nennen. (lief, wird später über einige andere 
Arbeiten aus diesem Bande berichten, möchte aller schon heute 
auf das für jeden Neurologen hochwichtige Heft hinweisen.) 

Arthur K e i t h und Hugh. M. R i g b y : Moderne Militär¬ 
geschosse, eine Studie über ihre zerstörende Kraft (Lancet, 
2. December.) 

Die Verfasser haben vor Allem die Versuche von Prof, 
v. Bruns nachgeprüft, der sich, wie bekannt, so entschieden 
gegen die von (len Engländern verwendeten (Geschosse der Dum- 
Dumclasse und der Marke IV ausgesprochen hatte. Von englischen 
Geschossen verwandten sie zu ihren Scldessversuehen das Dum* 
Duujgeschoss, ferner die Marken II und IV, das alte Martinl- 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1 


22 


Henrygeschoss und die Kugeln des Webleydienstrevolvers, der 
von den englischen Truppen in Südafrika benutzt wird. Mit diesen 
verglichen sie die von den Buren benutzten Mausergewehre und 
Mauserpistolen, resp. deren Geschosse. Die Verfasser selbst sagen 
in der Vorrede, dass sie ihre Versuche schon lange vor Ausbruch 
des Krieges angestellt haben, dass es ihnen aber zur grossen 
Freude gereicht, zu wissen, dass weder Dum-Dum- noch Marke IV- 
Geschosse in diesem Kriege zur Verwendung kommen. Die sorg- 
fiiltige Arbeit ist mit vielen Abbildungen versehen, welche besser 
als der Text die Wirkungen der verschiedenen Geschosse er¬ 
läutern. Setzt man die zerstörende Wirkung des Mausergewehres 
gleich 1, so ist die Wirkung der Kugel Marke II gleich 1,7. die 
der Marke IV gleich 2 und die des Dum-Dumgeschosses gleich 
5,4. Auch die Wirkung der englischen Kevolvorkugeln ist eine 
viel zerstöreudere als die der Mauserpistolenkugeln. Für weitere 
Einzelheiten muss auf das Original verwiesen werden. 

William G owers: Die Pathologie der Tabes in Beziehung 
zur Dementia paralytica. (Brit. med. Journ., 9. Deoember.) 

Der bekannte Neurologe spricht sich in dieser Arbeit noch 
einmal für den Zusammenhang zwischen Tabes und Syphilis aus. 
Bei den letzten 100 Fällen von Tabes, die er in der Privatpraxis 
sah, fand er in 68 Fällen deutliche Spuren überstandener Syphilis, 
bei 12 weiteren Kranken war Syphilis sehr wahrscheinlich, jeden¬ 
falls hatte ein Schanker bestanden, die übrigen 20 Fülle hatten 
wenigstens Tripper durchgemacht und in keinem Falle konnte 
Lues mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden, bei allen 
Fällen von Jugendlicher Tabes konnte er angeborene Lues nach- 
welsen, in einem Falle litten Vater und Sohn an Tabes, der eine 
in Folge von erworbener, der andere von angeborener Lues. 
Hüuüg schliesst sich Dementia paralytica an Tal>os an. nie geht 
sie ihr voraus. Auch die Dementia paralytica ist eine Folge¬ 
krankheit der Syphilis und zwar müssen wir uns vorstellen, dass 
bei beiden Krankheiten die Syphilis eine vorbereitende Rolle 
spielt. Die Toxine der Syphilis schwächen das Gentralnerven- 
system und bereiten den Boden für die schädliche Wirkung 
anderer, uns bisher unbekannter Einflüsse. Antisyphilitica haben 
keinen Einfluss auf die Krankheit. 

H. P. H a w k i n s : Die Albuminurie des seheinbar Ge¬ 
sunden. (Ibid.) 

Die interessante Arbeit bietet eine gründliche Zusammen¬ 
stellung der in England über diesen Gegenstand gütigen An¬ 
schauungen. Es werden besprochen die Albuminurie in Folge von 
Anstrengungen, eine neurotische Albuminurie, eine diätetische 
und eine Lagerungsalbuminurie. Die Albuminurie in Folge von 
Diätfehlern findet sich zumeist bei Leuten, die nebenbei an Oxal- 
urie leiden. Die Lagerungsalbuminurie, bei welcher das Eiweiss 
nur bei gewissen Lagen des Körpers beobachtet wird, hält Ver¬ 
fasser für eine vasomotorische Störung. Die Behandlung kann 
sich natürlich nur auf die Beseitigung etwaiger Ursachen er¬ 
strecken. 

John 0*0 onor: Die chirurgische Behandlung des Tripper- 
rheumatismus. (Lancet, 9. December 1899.) 

Seit fast 3 Jahren hat Verfasser alle in seine Behandlung 
kommenden Fälle mit Eröffnung des Gelenkes behandelt. Er er¬ 
öffnet das Gelenk an einer oder mehreren Stellen, wäscht den Er¬ 
guss aus und drainirt. Auf diese Welse gelang es ihm stets, ein 
in den Gontouren und der Beweglichkeit völlig normales Gelenk 
zu erzielen, was bei der früheren conservativen Behandlung 
häufig unmöglich war. 

M ilford A t k i n s o n : Pest durch grosse Dosen von Garbol 
behandelt und geheilt. (Ibid.) 

Ein 30 jähriger Schotte erkrankte an Pest. Er wurde mit 
einer Temperatur von über 40° G. aufgenommen. Es bestand 
Delirium und Bubo der Leistendrüsen. Nachdem man im Blute 
Pestbacillen mit Sicherheit nachgewiesen hatte, gab man ihm 
4 stündlich 0,2 Garbolsüure in Pillenform. Die Dose wurde am 
Abend noch gesteigert, da der Gesammtzustand noch bedrohlicher 
wurde. Am folgenden Tage war der Kranke besser und man fuhr 
mit der Mediein fort, erst nach 3 Tagen gab man etwas weniger 
Garbol, da Patient über Brennen beim Urinireu klagte, ohne dass 
übrigens Garbolharn aufgetreteu wäre. Erst nach 15 Tagen trat 
Garbolharn auf und setzte man die Medieation aus, da die Pest¬ 
symptome unterdessen bis auf einen grossen, zur Incision 
kommenden Bubo alle verschwunden waren. Der Kranke genas 
und wurde geheilt entlassen. Verfasser hat die Behandlung ver¬ 
sucht, da er von den guten Erfolgen gelesen hatte, die B a c c e 11 i 
mit Garbolinjeetionen bei Tetanus erzielt hatte. 

Peroy I> u n n : Wunden der Ciliargegend und Ihre Be¬ 
handlung. (Ibid.) 

Verfasser verfolgt eine sehr conservative Behandlungsweise, 
da er, wenn immer angängig, das Auge zu erhalten sucht. In 
vielen Fällen stellt sich, selbst bei anscheinend blinden Augen, 
das Sehvermögen zum grossen Theile wieder her, nachdem der 
Bluterguss in den Glaskörper sich rosorbirt hat. Er legt ein sehr 
grosses Gewicht auf gründliche Desinfection der ganzen Augen¬ 
gegend und des Conjunctivalsackes mit Chinosol (1 :2000). Auch 
während der Behandlung wird die Conjunctiva 2 mal täglich mit 
dieser Lösung ausgespült. Suturen legt er nie an, da sich die 
Wundränder stets von selbst gut aneinauderlegen. Etwa vor¬ 
gefallene Iris wird in grosser Ausdehnung abgeschnitten. Bei 
einfachen Wunden wird Eserin eingeträufelt, bei solchen mit 
traumatischem Katarakt Atropin. Sinkt der Druck im Auge, 
so ist Gefahr der Pauophthalmie, da der geringe Druck auf Ein¬ 
schmelzung des Glaskörpers beruht, solche Augen sind sofort zu 
entfernen, ebenso diejenigen, bei welchen die Natur und der Sitz 
der Verletzung ein Wiedererlangen des Sehvermögens ausschliesst. 


Michell Clarke: Ueber die Temperaturcurve bei Fällen 
von Apoplexie und über das Auftreten von'Oedemen und das 
Verschwinden des v Patellarreflexesiin denfgelähmten Gliedern 
der Hemiplegiker. (Bristol medico-chirurgical Journal, Juni 1899:) 

Boi allen Fällen von Hirnblutung ist die Temperatur zuerst 
herabgesetzt, sterben die Kranken sehr rasch, so bleibt die 
Temperatur subuormal, leben sie dagegen noch einige Stunden, 
so tritt meist noch eine l>etrücht liehe Steigerung vor dem Tode 
auf. Leben die Kranken noch einige Tage, so folgt der sub- 
uormalen Temperatur eine Periode normaler Temperatur, kurz 
vor dem Tode kommt es aber stets zu beträchtlichem Fieber. 
Bei Fällen, die in Genesung enden, bleibt die Temperatur für 
längere Zeit etwas snbnormal. Bei thrombotischer Hirnerwei- 
chtmg tritt keine oder doch nur eine sehr geringe anfänglich«» 
Temperaturerniedrigung auf, meist steigt die Temperatur sehr 
bald an und schwankt dann für längere Zeit in weiten Grenzen. 
Bei Hirnblutungen, die zur Hemiplegie führen, ist die Temperatur 
aut der gelähmten Seite höher wie auf der gesunden, bei rasch 
verlaufender thrombotischer oder embolischer Hirnerweichung 
findet sich dies Symptom nicht. 

Verfasser hat dann noch die Beobachtung gemacht, dass bei 
einem Falle von IIemipl«»gie durch Blutung die Temperatur auf 
der nicht gelähmten Seite nach dem Tode noch anstieg, während 
auf der gelähmten Seite (die vorher eine um 1 u höhere Tem¬ 
peratur zeigte) die Temperatur gleich blieb. Vielleicht übt die 
gesunde Iliruseite eine gewisse Controle über die Temperatur 
der gegenüberliegenden Seite aus, ein Einfluss, der natürlich mit 
dem Tode endete. Verfasser spricht dann noch über das Oedem, 
das sich manchmal auf der g«»lühmten Seite einstellt und das er 
für eine trophisclie Störung hält, häufig ist es mit heftigen 
Schmerzen am gelähmten Gliede verbunden. Schliesslich be¬ 
schreibt er noch 3 Fälle, bei denen der Kniereflex auf der ge¬ 
lähmten Seite fehlt«», ganz im Gegensatz zu der Regel, dass der 
Reflex gesteigert ist. 

A. R o x b u rgh : Sarcoma ovarii. (Glasgow Medical Journ., 
December 1899.) 

Verfasser gibt genaue Krankengeschichten von 4 Fällen, 
aus denen hier nur hervorgehoben sei, dass stets heftige epi- 
gastrisch« Schmerzen und Erbrechen schon lange vor dem Auf¬ 
treten der übrigen Symptome bestanden; Verfasser legt grosses 
Gewicht hierauf für die frühe Stellung einer Diagnose, er glaubt, 
dass das Erbrechen durch die Resorption von Toxinen zu Stande 
komme, welche im Sarkom producirt würden. (Wenn Verfasser 
für eine häufigere Untersuchung per vaginam oder rectum ein- 
trltt, die in der Privatpraxis ja leider häufig zu spät vorgenommen 
wird, so hat er darin gewiss Recht, nur werden die meisten 
Aerzte bei Magenschmerzen und Erbrechen, das sich bei jungen 
Miidcher. eiustellt. wohl zuerst an ein Magenulcus denken und 
nicht gleich toucliiren. Ref.) 

R. O. A da mso n ; Zwei weitere Fälle von perforirtem 
Magengeschwür. (The Scottish medical and surgical Journal, 
December 1899.) 

Verfasser hat schon 2 durch Operation geheilte Fälle ver¬ 
öffentlicht (1. c. April 1898). Von den hier b«»sclirlebenen konnte 
nur der eine gerettet werden. Auch hier fand sich wieder das 
vom Verfasser schon früher beschriebene Symptom, dass die 
äusserst heftigen Magenschmerzen nach der linken Schulter aus- 
strahlten. Sehr interessant war, dass eine Morphiuminjection, 
die vor der Ueberführung in das Krankenhaus gegeben wurde, 
eine völlige Euphorie herbeiführte und alle schweren Symptome 
maskirte. (Dies illustrirt sehr deutlich die Richtigkeit des vom 
Referenten seit Langem gegebenen ltathes, bei dunklen Ab- 
domiualerkrankungen niemals Narkoti«*a zu geben, da sie das 
ganze Bild der Erkrankung oft so verändern, dass der beste Zeit¬ 
punkt für eine Operation verpasst wird.) 

R. C. B u 1 s t : Die Nachgeschichte von zwei Fällen von 
Symphysiotomie. (Ibid.) ' 

Wir miisen dem Verfasser dankbar sein, dass er uns heute 
die Nachgeschichte von zwei von ihm vor längerer Zeit operirten 
Frauen gibt. Fall I, eine IV. Para (die drei ersten Kinder todt 
geboren), wurde im 8. Monat nach Frank operirt. Es entstau«! 
Tympanitis und das Kind wurde eine Woche nach der Operation 
leicht geboren, starb aber nach 13 Tagen an Bronchitis. Das 
Becken klaffte stark während der Geburt, wurde nachher nicht 
genäht; die Frau konnte nach 2 Monaten mit fest geheilter Sym¬ 
physe vorzüglich gehen und ihrem Laden vorstehen. Die Opera¬ 
tion fand am 28. Februar 1897 statt: am 17. August 1899 entband 
Verfasser sie nach einer ganz regelmässig verlaufenen Schwanger¬ 
schaft von Neuem, diesmal zur richtigen Zeit. Er brachte sie 
in die W a 1 c li e r'sche Lage und extrahirte ein Kind in Steiss- 
lage, darnach ein zweites durch Wendung; beide Kinder uud die 
Mutter leben. 

Fall II wurde im März 1898 subcutan nach Ayre sym- 
physiotomirt und gebar ein gesundes Kind. Obwohl nur eine 
fibröse Vereinigung zu Stande kam, konnte die Mutter doch schon 
nach 3 Monaten wieder in der Spinnerei arbeiten. Die zweite 
Schwangerschaft im Juli 1899 verlief normal und ohne Bo- 
schwerden und ein gesundes Kind wurde in der W a 1 c li e r’schen 
Lage spontan geboren. Die Symphyse erweiterte sich bei der 
zweiten Entbindung nur wenig. 

G. Barling: Appendicitis. Die Resultate von 117 Ope¬ 
rationen mit Bemerkungen über die Diagnose und Prognose 
der Krankheit und über Rückfälle. (Fidinburgh med. Journal, 
December 1899.) 


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Original fro-m 

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2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


23 


Verfasser scheidet von seinen 117 Fällen 42 aus, die er im 
freien Intervall operirte (1 Todesfall). Die übrigen 75 Fälle theilt 
er ln 4 Gruppen. 1. Der ungefährliche, abgekapselte Abscess, der 
sich ohne Eröffnung der*freien Bauchhöhle incidiren lässt, 
2. Der abgekapselte Abscess, der aber nicht mit den Bauchdecken 
verwachsen ist, wobei also stets die Bauchhöhle eröffnet werden 
muss. 3. Die subacute (progrediente) Peritonitis. 4. Die acute 
„fulminante“ Perforationsperitonitis. In den beiden letzteren 
Classen bildet übrigens das Kolon nicht selten eine Barriöre, 
über welche hinaus die Peritonitis nicht nach oben hin weiter¬ 
schreitet. 

Classe I umfasste 19 Patienten, von denen 18 genasen 
(1 Todesfall). In keinem Falle wurde der Appendix entfernt, 
aber nur in 1 Falle trat 6 Wochen nach der Operation bei heftiger 
Bewegung ein Rückfall auf, der zu einer zweiten Operation 
führte, bei welcher der Appendix entfernt wurde. Die 21 Pa¬ 
tienten der Classe II wurden alle geheilt. Bel 13 wurde der Ap¬ 
pendix nicht entfernt, doch trat kein Recidiv auf. Ein Patient 
hat aber eine eitrige Fistel und ein anderer eine Kothfistel zu¬ 
rückbehalten, die sich nicht haben schliessen lassen. 

Von Classe III starben 3 von den 9 Operirten; nur einmal 
wurde der Appendix entfernt/-' Es wurde bisher kein Recidiv be¬ 
obachtet. Von den Gestorbenen starb einer an Oesophagusruptur 
während des Brechens; einer der Genesenen hat eine eiternde 
Fistel. 

Von Classe IV, die 26 Fälle umgriff, starben 13, während 
15 geheilt wurden. Bei 15 Kranken wurde der Appendix ent¬ 
fernt; 7 von diesen starben, von den übrigen 11, bei denen der 
Appendix nicht entfernt wurde, starben 4 . Nur in 1 Fall wurde 
ein Recidiv beobachtet, das nach einer zweiten Operation zum 
Tode führte. Verfasser glaubt, dass die Mortalität bei Kindern 
höher ist wie bei Erwachsenen. Viele Fälle sterben, weil zu 
spät operirt wird. 

Verfasser spricht dann ausführlich über die Diagnose und 
die Indicationen zur Operation. Er ist kein B'reund der sofortigen 
Operation, will aber den Fall von vornherein mitbeobachten. 
Den Appendix entferne man nur, wenn man ihn leicht findet. 
Besteht schon allgemeine Peritonitis, so lege man den Schnitt in 
der Mittellinie und wasche den Bauch gründlich aus, wonach 
drainlrt wird. 

Wallace B e a 11 y : Die Behandlung der Herzkrankheiten 
durch Merkur. (Dublin Medical Journal, October 1899.) 

Merkur wirkt besonders günstig in Fällen von schwerer 
venöser Stauung bei Mitralaffectionen, ebenso bei allgemeiner 
venöser Stauung bei Herzschwäche im Gefolge von Emphysem 
und Bronchitis; schliesslich auch bei Hypertrophie des linken 
Herzens im Gefolge der Schrumpfniere. Merkur wirkt als Purga- 
tivum und als Diureticum. Man gibt Kalomel oder „Blue pill“ 
in häufigen kleinen Dosen, jneist zusammen mit Digitalis oder 
Scilla, bei starker Diarrhoe verbinde man es mit Opium; meist 
tritt nach wenigen Tagen eine gewaltige Diurese ein. Auch bei 
der Herzinsufficienz im Gefolge der Schrumpfniere wirkt Kalomel 
oft vorzüglich, allerdings meist nur sehr vorübergehend. Stets 
achte man auf etwa einsetzende Stomatitis. 

J. P. zum Busch- London. 

Amerikanische Literatur. 

1) Jos. C. B 1 o o d g o o d - Baltimore: Die operative Behand¬ 
lung der Hernien. (Johns Hopkins Hospital Reports, Vol. VII.) 

Ausführlicher Bericht über 459 im Johns Hopkins Hospita 
von Juni 1889 bis Januar 1899 beobachtete Fälle von Hernien 
unter specieller Berücksichtigung der 268 nach der H alsted’schen 
Methode operirten Fälle, sowie der in einzelnen Fällen zur An¬ 
wendung gebrachten Transplantation des Musculus rectus. Die um¬ 
fangreiche Abhandlung ist mit zahlreichen vorzüglichen Abbildungen 
ausgestattet und zum Specialstudium sehr zu empfehlen. 

2» J. W. W 111 i a m s - Baltimore. W. R. Pryor- New-York, 
H. D. Fr y- Washington und E. Reynolds - Boston: Ueber den 
Werth des Antistreptococcenserums in der Behandlung des 
Puerperalfiebers. (American Journal of Obstetrics, Sept. 1899.) 

Die von der American Gynaecological Society zum Studium 
dieser Frage eingesetzte Commission veröffentlicht hier die Resul¬ 
tate ihrer eingehenden Untersuchungen. Aus dem Berichte geht 
hervor, dass 352 Fälle puerperaler Infection mit Serum behandelt 
wurden mit einer Mortalität von 21 Proc. Die Ansicht des Comite’s 
geht dahin, dass das Marmorek’sche die ihm zugeschriebene 
speeifisehe Wirkung gegen Puerperalfieber nicht besitzt, dass das¬ 
selbe nur gegen die Infection desjenigen Streptococcus schützt, 
von dem es gewonnen wurde, gegen jede andere Streptococcen- 
form, und insbesondere bei Mischinfectionen aber absolut wirkungs¬ 
los ist. Die reine Streptococcen-Endometritis hat überhaupt nur 
eine Mortalität von 5 Proc. Es wird empfohlen mit Hilfe der 
Döderlein 'sehen Sonde eine bacteriologisclie Lochien Untersuchung 
vorzunehmen und den Uterus nach Entnahme der Probe mit 4—5 
Liter steriler Kochsalzlösung auszuspülen, bei einfacher Streptococcen- 
infection jede weitere Local bei landlung aber zu unterlassen. Andern¬ 
falls, insbesondere bei Miterkrankung des Peritoneums ist die Curet- 
tage mit nachfolgender Gazeausstopfung des Uterus, eventuell Er¬ 
öffnung und Drainage des Douglas mit Gazestreifen angezeigt. 

3) John B. S h o b e r - Philadelphia: Organotherapie bei 
Ovari&lerkrankungen. (Ibld.) 

Sh. berichtet Über 9 weitere Fälle von Ovarialerkrankung, in 
welchen er den Extract der Parotisdrüse mit Erfolg zur Anwen- 

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düng brachte. In den betreffenden Fällen handelte es sich meist 
um local beschränkte chronische Oophoritis ohne Complicationen. 

4) Charles A. R e e d - Cincinnati: Die Beziehungen der 
Beckenorgane zur Blutbeschaffenheit beim Weibe. (American 
Gynaecological and Obstetrical Journal, Sept. 1899.) 

In diesem vorläufigen Berichte (September 1899) schildert der 
Autor die interessanten Beobachtungen, welche er bei der Unter¬ 
suchung eines mehrere hundert Fälle umfassenden Materials über 
das Verhältnis der verschiedenen Zustände der weiblichen Becken¬ 
organe zu der quantitativen und qualitativen Blutbeschaffenheit ge¬ 
macht hatte. Zu einem positiven Resultate ist er noch nicht ge¬ 
kommen, doch werden die Untersuchungen fortgesetzt. Auf die 
Details der Arbeit kann hier nicht weiter eingegangen werden. 

5) A. M. G a 1 b r a i t h - New-York: Physiologische Studie 
des Klimakteriums. (Ibid., October 1899.) 

In Beantwortung der Frage, ob die Gefahren der Menopause, 
oder mit andern Worten die dem Klimakterium eigenthümlichen 
Störungen natürlich, durch das Wesen der Climax bedingt oder 
acquirirt sind, ist G. geneigt, die Hauptschuld auf das durch die 
Lebensverhältnisse, Krankheiten u. s. w. geschädigte Nervensystem 
zu werfen. Als Beweis wird die Thatsache angeführt, dass ledige 
Frauen in der Regel weniger klimakterische Beschwerden zeigen 
als verheirathete. Ferner die Beobachtung, dass von 16 Frauen, 
welche abortirt hatten, nur eine in der Menopause von Störungen 
frei blieb. 

6) L. A. Bldwell - London: Die operative Behandlung des 
Magengeschwürs. (American Journal of the Medical Sciences, 
September 1899.) 

B. gibt eine Uebersicht dieses neuen Eroberungsgebietes der 
Chirurgie. Von 783 operirten Fällen von ;Ulcus ventriculi wurden 
437 geheilt, also eine Mortalität von 44 Proc. Davon treffen 414 
Fälle mit 66,5 Proc. Mortalität auf Perforation mit folgender Peri¬ 
tonitis, 33 mit 51,5 Proc. Mortalität bei subphrenischem Abscess, 
21 Operationen wegen Magenblutung mit 57 Proc. Mortalität, 130 
Gastroenterostomie und 185 Pyloroplastik mit 11,5 bezw. 14,5 Proc. 
Sterblichkeit. Die Operation ist, abgesehen von den Fällen von 
Perforation, indicirt bei lang dauernden oder öfters wiederholten 
schweren Magenblutungen, bei heftigen Gastralgien mit hartnäcki¬ 
gem Erbrechen, wenn die üblichen Mittel erfolglos bleiben, und 
endlich bei Magenerweiterung in Folge von Stricturen innerhalb 
derselben oder von Verwachsungen mit den Nachbarorganen. 

7) J. A. C a p p s : Aneurysma der Coronararterien. (Ibid.) 

Beschreibung zw eier Fälle von Aneurysma der Coronararterien 

mit Sectionsbefund. Während die Literatur über die Herzaneurys¬ 
men und die-Aneurysmen des Anfangstheiles der Aorta überreich 
ist, sind nur sehr w T enig Fälle obiger Art beobachtet, C. fand in 
der Literatur nur 19 derartige Fälle beschrieben. 

8) H. A. H a r e - Philadelphia und C. A. Holder: Ueber 
Aortenaneurysma. (Ibid., October 1899.) 

Die Schlüsse, welche aus dem kritischen Studium von 953 
aus der neuern Literatur entnommenen Fällen von Aortenaneurysma 
gezogen werden, gehen dahin, dass das Leiden meist bei Männern, 
nur selten beim Weibe auftritt, dass hauptsächlich der aufsteigende 
Ast des Aortenbogens, viel seltener der absteigende Theil, sowie 
der Arcus selbst, beide ungefähr gleich oft betroffen werden. Die 
Todesursache ist nicht so oft Ruptur des Aneurysmas als vielmehr 
die durch den Tumor bedingte Compression der Brustorgane. Was 
endlich die Aetiologie betrifft, so wird nach ihrer Ansicht der Sy¬ 
philis eine zu grosse Rolle zugeschoben, wenigstens in activer Be¬ 
ziehung, während ein Einfluss derselben mehr passiver Natur, in¬ 
dem durch sie ein prädisponirendes Moment von wesentlicher Be¬ 
deutung geschaffen wird, nicht geleugnet wird. 

9) J. A. Scott- Philadelphia: Acute gangraenoese Pancrea- 
titis mit Fettnekrose. (Ibid.) 

Casuistischer Beitrag zu dieser relativ seltenen, in der letzten 
Zeit mit erhöhtem Interesse studirten Krankheitsfonn. 

10) Guy L. H u n n e r : Nachweis des Typhusbacillus bei 
acuter Cholecystitis und 

11) Harw ey C n s h i n g : Ueber experimentelle Cholecys¬ 
titis. (Johns Hopkins Hospital Bulletin, Aug—Sept. 1899.) 

Während H. einen Fall von acuter, eitriger Gallenblasenent- 
zündung beschreibt, bei der eR ihm gelang, den Typhusbacillus aus 
dem Eiter zu isoliren und in Culturen zu züchten, berichtet C. 
über eine Beobachtung während seiner experimentellen Unter¬ 
suchungen über Gallensteine, wonach bei einem Kaninchen nach 
Einimpfung einer Cultur des Eberth’sehen Bacillus in das Ohr, 
Bildung von Gallensteinen stattfand. 

12) Boardmann R e e d - Philadelphia: Zur Aetiologie und 
Therapie der Erkrankungen der Bauchorgane. (Therapeutic 
Gazette, September 1899.) 

Autor bespricht die durch Verlagerungen, Verwachsungen und 
Dilatation der Bauchorgane, durch die Wanderniere, Enteroptose, 
Uterusflexionen u. s. w. bedingten Störungen. Dieselben sind beim 
weiblichen Gesehlechte weit häufiger als beim Manne, und nach 
seiner Ansicht in der Mehrzahl der Fälle die Folge unzweck¬ 
mässiger Kleidung. Das Resultat seiner Beobachtungen fasst er 
folgendermaassen zusammen: Mehr als die Hälfte der innerhalb 
drei Jahren von ihm untersuchten Patienten litten an einer oder 

Original from 

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24 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


mehreren Formen der obenerwähnten Krankheiten, ein Beweis für 
die Häufigkeit derselben. Die Mehrzahl dieser Fälle aber ist sich 
ihres Zustandes nicht bewusst, wird zum Theil auch an ganz 
anderen Krankheiten behandelt — von 362 von ihm constatirten 
Fällen war nur 1 Proc. vorher diagnostirt, bezw. entsprechend be¬ 
handelt worden. — Eine zweckmässige rechtzeitig einsetzende 
Therapie hat hier ein grosses Feld, und bewahrt vor der sonst 
nöthigen Operation. (Fortsetzung folgt.) 

Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 20. December 1899. 

Demonstration: 

Herr Oottschalk demoustrirt die während eines Puer¬ 
peralfiebers ausgestossene nekrotische TJterusschleimhaut fol¬ 
genden Falles: Allgemein verengtes Becken; C. v. ca. 9 cm, kräf¬ 
tige Wehen, trotzdem Kopf nach 3 Tagen nicht iu’s Becken ein¬ 
getreten. Als G. hinzukam, Kopf im Eingang fest, vordere 
Muttermundlippe eingeklemmt, Uterus fest um Frucht contrahirt, 
Contractionsreiz deutlich. Hohe Zange ohne Erfolg. Wendung 
glückt schliesslich .wenn auch schwer. Kind lebend und am 
Leben geblieben. Uterus p. p. gut contrahirt, Placenta in circa 
V/ 2 Stunden ausgestossen. Dem behandelnden Collegen war 
schon vor der Geburt der frequente Puls aufgefallen. Am fol¬ 
genden Tag Schüttelfrost. Ausfluss nicht übelriechend; 
Singultus, Uterusausspülung mit 1,5 Liter 60proc. Alko¬ 
hol, was ohne Schmerzen ertragen wird. Trotzdem und trotz 
Kampher, Secale u. s. w. Verschlechterung des Allgemeinbefindens 
bis zum 6. Tag. Puls unfühlbar; nunmehr subcutane Koch¬ 
salzinfusion (0,9 prom.) in die Fossa subclavicularis. Von 
diesem Moment ab Besserung; kräftige Diurese, die mehrere 
Tage sistirt hatte; guter Schlaf; Heilung. Am 15. Tage zum 
ersten Male übelriechender Ausfluss und Ausstossung eines un¬ 
gefähr uterusförmigen nekrotischen Stückes, das sich mikro¬ 
skopisch als üternsschleimhaut, durchsetzt von Coc- 
cen und mit vielen Thromben angefüllt, erweist 

Ursache der Nekrose: in Folge der Herzschwäche schlechte 
Blutversorgung der Schleimhaut, was durch Eisblase und Secale 
gesteigert wurde. Hinzukommendes Moment: nekrotisireude 
Wirkung der Bacterien. Und endlich nicht ausser Acht zu lassen 
die Wirkung des Alkohols bei der Spülung. 

Einen gleich prompten und günstigen Erfolg der Kochsalz¬ 
infusion sah Vortragender in diesen Tagen in einem zweiten Falle 
von .Puerperalfieber. 

Tagesordnung: 

Herr Kirchner: Leprahäuser sonst und jetzt. 

Neben den grossen Fortschritten, welche die Bacteriologie 
für die Erkenntniss der grossen Volksseuchen gebracht hat, 
sind doch auch manche Räthsel geblieben. Dazu gehört das plötz¬ 
liche Auftreten von grossen Seuchen und ihr Verschwinden. 
Ein solches Beispiel einer grossen plötzlich kommenden Seuche 
war das Auftreten der Cholera in diesem Jahrhundert, die bis 
dahin in Europa völlig unbekannt gewesen war. Und dazu ge¬ 
hört auch das räthselhafte Auftreten und Verschwinden zweier 
Seuchen, die im Mittelalter die ganze civilisirte Welt decimirten, 
der Pest und der Lepra. Und merkwürdiger Weise sind diese 
beiden beinahe schon völlig verschwunden geglaubten Seuchen 
in den letzten Jahren wieder in unseren Gesichtskreis getreten. 
Zwar ist die Lepra bei uns in Deutschland erst in geringer Zahl 
in der Ostgrenze des Reiches aufgetreten; wenn man aber nicht 
darauf achtet, kann sie bald wieder eine verheerende Volksseuche 
werden. 

Wie weit sich die heutige Lepra, welche durch die Ent¬ 
deckung Armauer-Hanse n’s (Leprabacillus) sich nun ge¬ 
nau abgrenzen lässt, mit dem Aussatze des Alterthums und 
Mittelalters deckt, lässt sich nicht genau sagen. Es scheint, 
dass gerade unter dem biblischen Aussatze häufig mehrere Haut¬ 
krankheiten verstanden wurden und auch später vielfach Ver¬ 
wechslungen vorgekommen sind. 

Dass für die Aussätzigen früher nicht sehr gut gesorgt 
wurde, kann man sich denken, wenn man sieht, wie noch heuti¬ 
gen Tages in manchen Ländern mit ihnen umgegangen wird. 
Noch bis vor Kurzem, bis zu dem, durch die Wirksamkeit der 
Miss Marsten bedingten Wendepunkt, wurden in Sibirien die 
Aussätzigen in die Wälder getrieben und ihnen von den An¬ 
gehörigen Speise und Trank an bestimmte Wege gebracht, von 
wo die Kranken sie abholen mussten. 

Pipin machte die Leprösen rechtlos und Karl der Grosse 
machte die Lepra zum Ehescheidungsgrunde. Es bildete sich 
allmählich ein ganz bestimmtes Verfahren aus, die Lepra zu 
erkennen; und wenn die dafür aufgestellte Persönlichkeit, Arzt 

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oder Bader, Jemand für leprös erklärt hatte, so wurde er ge- 
wissermaassen lebendig begraben. Er wurde in der Kirche, 
oft auch auf einem Katafalk, eingese®iet, dann nach dem Kirch¬ 
hof gebracht, dort wurden ihm die Beine mit Erde bestreut und 
die Leichenrede gehalten. Von diesem Moment ab war er 
bürgerlich todt; sein Vermögen verfiel dem Staate und 
er selbst wurde in einer Hüte untergebracht; wenn er sie ver- 
liess und unter Menschen ging, musste er besondere Ab¬ 
zeichen tragen, die Begegnenden von Weitem durch eine 
Schelle oder Klapper auf die Gefahr aufmerksam machen. 
Den Unterhalt musste er sich durch Almosen verdienen. Bald 
kam es zur Gründung von Leprosorien — in Frankreich gab es 
z. B. 2000 —, die meist einem Heiligen geweiht waren, theilweise 
aber bald ganz in geistliche Hände übergingen. 

Aus dieser Zeit stammt auch der Name Lazareth (Lazarus). 
Und noch manches heutige grosse Krankenhaus führt seinen 
Ursprung auf jene „Guten Leut“-Häuser oder Siechenhäuser 
zurück. ^ 

Anfänglich waren die Leprosorien noch sehr bescheiden 
und unhygienisch, aber es gab auch bald bessere, namentlich als 
sie durch fromme Stiftungen besser dotirt waren. 

Im 16. Jahrhundert war die Lepra bei uns ausgestorben. 
In neuerer Zeit entstanden die ersten Leprosorien in Süd¬ 
russland, wo zu Anfang der dreissiger Jahre die Lepra im Ge¬ 
biete der Don’schen Kosacken auftrat. Sie gingen jedoch bald 
wieder ein, da man damals auf dem Standpunkte war, die Lepra 
für nicht ansteckend zu halten. Die nächsten Leprosorien 
folgten in Südafrika, im Kaplande; erst etwas einfacher, jetzt 
sehr gut eingerichtet und für 700 Kranke ausreichend, auf 
einer Insel in der Nähe des Kaps gelegen. 

Einen weiteren grossen Fortschritt brachte Norwegen, wo 
1856 ein Leprosorium in Bergen entstand; es folgte Schweden, 
woselbst die Lepra übrigens sehr viel seltener als in Norwegen ist. 

Aus eigener Anschauung kennt Vortragender die dann ent¬ 
standenen Leprosorien in Russland; dort wurde sie in den 
Ostseeprovinzen entdeckt von unserem Chirurgen 
v. Bergmann; ein zweiter Herd ist das schon erwähnte Ge¬ 
biet der grossen Ströme Südrusslands. Jetzt besteht in Riga 
ein ausgezeichnetes Leprosorium, welches in einem Wäldchen ge¬ 
legen, aus 2, durch einen für Wirthschaftsräume bestimmten 
Mittelbau verbundenen Pavillons besteht. Mit diesem Mittelbau 
sind diese Flügel durch heizbare Corridors vereinigt. Ausserdem 
befindet sich dort ein Gebäude für den Arzt, ein vortrefflich ein¬ 
gerichtetes bacteriologisches Laboratorium, Garten, Feld u. s. w. 
Zwar werden die Leprösen als Kranke in Krankenzimmern ge¬ 
halten, doch wird durch gemeinschaftlichen Speisesaal und 
sonstige reichliche Nebenräume das Princip des Krankenhauses 
durchbrochen. Die Kranken arbeiten dort, doch ist ihre Arbeits¬ 
kraft eine geringe. 

Diesem folgten dann zahlreiche weitere Leprosorien in Russ¬ 
land, die freilich nur zum Theil den modernen Anforderungen 
entsprechen. In letzter Zeit hat die russische Regierung 
100000 Rubel für die Versorgung der Leprösen bewilligt und 
damit wird diese Frage einer raschen Lösung entgegengeführt. 

Boi uns in Deutschland fanden sich schon in den 
achtziger Jahren einzelne Mittheilungen über das Auftreten der 
Lepra in den Berichten der Physici. Officiell trat die Re* 
gierung der Sache näher im Anschluss an Blaschko’s Vor¬ 
trag und Reise nach dem Bezirk Memel zum Studium der Lepra. 
In Folge dessen schickte der Minister Herrn R. Koch nach 
Memel und darauf den Vortragenden nach Russland zum 
Studium der dortigen Leprosorien und mit dem weiteren Auf¬ 
träge, im Kreise Memel ein geeignetes Terrain für eine Lepra¬ 
heim ausfindig zu machen. Dasselbe war leicht gefunden und es 
wurde ca. 4 km von Memel entfernt ein Lepraheim errichtet, 
welehcs in der äusseren Anlage dem von Riga entspricht; im 
Innern aber so eingerichtet ist, dass die Kranken dort den Com¬ 
fort eines wohlhabenden Privathauses finden. Für 
die Anlage einer eigentlichen Colonie ist die Zahl der Leprösen 
zu gering, nämlich 16 sichere und 4 zweifelhafte im Kreise 
Memel. Dazu kommen noch 6 innerhalb des Reiches wohnende, 
polizeilich bekannte Kranke. Da nach dem jetzigen Gesetze die 
Lepra nicht einmal anzeigepflichtig ist (Gesetz von 1835) und 
man die Kranken auch nicht zwingen kann in Leprosorien zu 
gehen, so muss man sie durch freundliches Zureden dort hin¬ 
bringen, was auch bei 16 schon gelang. 

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.2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Um der Lepra völlig Herr zu werden, bedarf es noch weiterer 
Maassnahmen. Den ganzen Kreis, wie Blaschko will, auf 
Lepra untersuchen, ist nicht durchführbar. Jedoch muss der 
Physikus von Zeit zu Zeit die Angehörigen der notorisch 
Leprösen untersuchen. Der Physikus in Memel konnte auch den 
Nachweis erbringen, dass die Lepra nicht erst seit dem Anfang 
der siebziger Jahre in Preussen auf getreten sei, sondern dass sie 
im Jahre 1848 aus Russland eingeschleppt wurde. Um einer 
weiteren Einschleppung vorzubeugen, müssten wir dem Beispiele 
Amerikas folgen, welches jeden leprösen Einwanderer rück¬ 
sichtslos zurückschickt. Uns bietet das bestehende Gesetz noch 
keine Handhabe, aber in’s neue Reichsseuchengesetz, 
welches wahrscheinlich noch in dieser Tagung dem Reichstage 
vorgelegt werden wird, sollen aucli Bestimmungen über die Lepra 
aufgenommen werden. 

Zum Schlüsse weist Vortragender darauf hin, dass die 
Hygiene der Siechenhäuser noch sehr vernachlässigt worden sei 
gegenüber der der Krankenhäuser, welche auf eine kaum mehr 
zu übertreffende Höhe gelangt ist. Wenn schon die Lepra, eine 
doch unheilbare Krankheit, nach Aufnahme der Kranken in 
Leprosorien ganz auffallende Besserungen zeigen, so sei eine 
Erleichterung des Schicksals anderer Siecher gewiss erst recht 
zu erhoffen. Ein erfreulicher Anfang sei jüngst in Hannover 
mit der Eröffnung eines Heims für Krebskranke und 
Aehnliche gemacht worden. Auch der Tuberculösen 
nehme man sich jetzt an, aber nur im Anfangsstadium. 
Aber gerade dann, wenn diese armen Kranken schwer erkrankt 
sind, massenhaften Auswurf entleeren und damit die Gefahr für 
deren Umgebung sehr viel grösser geworden ist, dann lasse man 
sie zu Hause in den oft kümmerlichsten Verhältnissen. E s s e i 
eine Aufgabe des kommenden Jahrhunderts, 
für die chronisch Kranken und für Siechen¬ 
häuser zu sorgen. 

Discussion: Herr V i r c b o w dankt dem Vortragenden 
und versichert, dass alle Anwesenden seine Wünsche theilen. 
Er seinerseits sei zwar betr. der Heilbarkeit der Phthise nie so 
weit gegangen, wie man dies jetzt thue. Dies hindere aber nicht, 
alle Bestrebungen zu ihrer Bekämpfung zu unterstützen. 

Den Aussatz habe er seit Langem verfolgt; im Jahre 1859 
sei er zu dessen Studium in Norwegen gewesen. Es habe sich 
doch gezeigt, dass die Befürchtung, welche mau damals in Nor¬ 
wegen hegte, nicht eingetreten und die Lepra verhUltnissmiissig 
beschränkt geblieben sei und eine geringe Zahl von Anstalten 
zur Isolirung der Kranken genügte. Aus seinen damaligen ein¬ 
gehenden Studien über die Lepra habe er die Ueberzeugung ge¬ 
wonnen, dass die Lepra niemals eine sehr grosse 
Verbreitung gefunden habe, die etwa der Verbreitung 
der Syphilis gleichkäme; nicht einmal nach den Kreuzzügen sei 
dies der Fall gewesen. 

Dass es sich im biblischen Alterthum wirklich um Lepra ge¬ 
bandelt habe, sei unzweifelhaft. Die „heiligen Christspitäler“ 
seien nicht im Zusammenhang mit den Leproserien zu bringen, 
jedoch die dem St. Georg geweihten Häuser und die Lazarethe. 
Uebrigens sei der Ausdruck Leprosorium barbarisch, Leproserie 
genüge völlig. 

Jedenfalls sei kein Grund zur Beunruhigung 
wegen des neuerlichen Auftretens der Lepra vorhanden. Das 
solle aber nicht hindern, mit Bewunderung und Dankbarkeit den 
Arbeiten zuzusehen, welche auf die Eindämmung dieser Krank¬ 
heit gerichtet sind. 

Herr L e s s e r knüpft an den Vortrag den Wunsch, die noch 
erhaltenen Reste der Leprahäuser und -Institutionen zu sammeln 
und dem germanischen Museum in Nürnberg einzuverleiben. 

Herr Blaschko: Zwar sei die Verbreitung und Uebertrag- 
barkeit der Lepra nicht entfernt so gross, wie bei der Syphilis, 
aber gerade da die Wege ihrer Uebertragung rttthselhaft 
seien, sei die Isolirung geboten. Die Anlage der Leproserie in 
Memel sei eine sehr glückliche; er knüpft daran noch einige kleine 
Wünsche, wie Entschädigung oder vielmehr Subvention der 
Angehörigen, Besuchszeiten; dann strengere Ueberwachung der 
russischen benachbarten Lepraherde. 

Herr Kölle: In Südafrika habe die Lepra doch eine gewisse 
epidemische Ausbreitung angenommen; so sei im Jahre 1817 dort 
der erste Fall eingeschleppt worden und jetzt bereits 6—8 Tausend 
Kranke vorhanden. 

Herr Kirchner: Die Wünsche Blaschko’s seien z. Th. 
schon erfüllt. Eine Unterstützung der Angehörigen könne aber 
aas finanziellen Gründen nicht statthaben. Es wird im tPrincip» 
daran festgehalten, dass der Kranke für sich selbst bezahle; doch 
werde naturgemäss dieses Princip meist umgangen. Würde man 
bei den Leprösen die Angehörigen unterstützen, so könnte man 
dasselbe für die ungeheure Zahl der Tuberculösen auch fordern. 
Die Einwftnde Virchow’s gebe er zu; er habe auch keineswegs 
beunruhigen wollen; das habe ihm völlig fern gelegen. 

H. Kohn. 


Verein für innere Medicin zu Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 18. December 1899. 

Herr Goldscheider: Beiträge sur physikalischen 
Therapie. (Fortsetzung.) 

Vortragender weist des Weiteren auf jenen interessanten 
Fall von Spontanheilung einer durch Wirbelaffection be¬ 
dingten Compressionsmyelitis hin, den er vor einigen Monaten 
in diesem Verein demonstrirte. Es können also auch Spontan¬ 
heilungen Vorkommen, wenn nur erst die Wirbelaffection zur 
Ausheilung komme; dies hebe er ausdrücklich hervor, um dem 
Missverständnisse zu begegnen, als ob durch die Bewegungs¬ 
therapie und ähnliche Maassnahmen allein ein Erfolg erzielt 
werden könne; die Conditio sine qua non hiefür sei die Aushei¬ 
lung des Wirbelprocesses. 

Vortragender bespricht nun einige Hilfsmomente für die 
mechanische Therapie, z. B. einen Bindenzügel zur 
Unterstützung der Bewegung bei Peroneuslähmung; um 
die Abduction noch mehr zu unterstützen, kann dieser von der 
Hand zum kranken Fuss laufende Zügel über eine an der Seite 
des Bettes angebrachte Rolle geführt werden. Für Patienten, 
die ausser Bett sind, wird ein Stiefel benutzt, an dessen 
Sohle seitlich Schnürriemen und Zügel angebracht sind. 

Dasselbe Princip kommt bei Radialislähmung und 
Hemiplegie zur Behandlung der Hand zur Anwendung in 
Gestalt eines Handschuhs, an dessen Rückfläche 8 Schnüre an¬ 
gebracht sind, und zwar 4 an der 1. Phalange, 4 an dem obersten 
Interphalangeajgelenk („Radialishandschuh“). Ein wei¬ 
teres technisches Hilfsmittel bildet für die Linderung der Be¬ 
schwerden bei Lungenemphysom ein um die untere 
Thoraxapertur mehrfach gelegter Gummigürtel. 

Vortragender geht dann über zur Besprechung der Hilfs¬ 
mittel, welche auf dem Wege der „Bahnung“ und „Hem- 
m u n g“ von Nervenimpulsen ihre Wirkung entfalten. Als Bei¬ 
spiel hiefür gilt die „Thermomassage“ mittels des vom Vor¬ 
tragenden angegebenen Apparates, dieselbe wirkt bei Schmerzen 
und Paraesthesien durch Hemmung der Schmerzleitung mit 
Hilfe der Wärme und Massage. Bei dieser Gelegenheit bemerkt 
Vortragender gegen Herrn Eulen bürg, dass es wohl sein 
kann, dass man früher mit einem Bügeleisen massirt habe. Dass 
dies aber doch wenig bekannt geworden sei und sich z. B. in 
Eulenburg’s Buch nicht finde. 

Ein weiteres Beispiel bildet die Bewegung bei 
S c h m c r ze n. Dieselbe ist nicht nur wirksam bei hysterischen 
Schmerzen oder Gelenkneurosen, sondern auch bei organischen 
Erkrankungen, z. B. bei tabischen Schmerzen. Auch 
bei N euralgien, z. B. Ischias; einen für letztere Affection 
passenden Stuhl mit verstellbaren Lagern für die Beine zur 
Nervendehnung stellt Vortragender vor. Zur Hemmungs- 
bchandlung, gleich den vorangehenden, rechnet Vortragender 
auch die Luftbäder, z. B. bei Neurasthenikern, die 
nicht eiusehlafen können. Aehnlich wirken Umschläge, 
Wärmflaschen, besonders heisse Wärmflaschen an den 
Fusssohlen. 

Als Beispiel für Lähmungsbehandlung führt Vortragen¬ 
der Faradisation mit wechselndem, d. h. sprung¬ 
weise wechselndem Angriffspunkt des faradischen Pinsels an; 
ebenso die D o u c h e mit wechselndem Angriffspunkt. Bahnend 
wirken auch passive Bewegungen mit der Aufforderung, 
activ mitzubewegen. Zu den bahnenden Wirkungen 
rechnet er auch die Wirkung des heissen Wasser¬ 
strahles bei schwer heilenden Geschwüren, von dessen guter 
Wirkung er sich in 3 Fällen von Mal jperforant du pied über¬ 
zeugen konnte. Es handelt sich hierbei um einen bahnenden 
Einfluss auf die Nerven mit trophischer Wirkung. Es erinnert 
dies an die Wirkung des alten Cauterium potentiale. 

Vortragender kommt zum Schlüsse nochmals auf den 
E ulenbur g’schen Vorwurf (Deutsch, med. Wochenschr.) zu¬ 
rück, dass es sieh bei der ganzen modernen physikalischen 
Therapie um altbekannte Dinge handele. Gewiss sei zuzugeben, 
dass ein Theil der angegebenen Mittel schon bekannt sei; aber 
es komme darauf an, diese hier und dort geübten Dinge zur all¬ 
gemeinen Kenntniss zu bringen, so dass sie gleich den pharma¬ 
kologischen Kenntnissen Allgemeingut der Aerzte werden. Die 
Schwierigkeit lag darin, dass bisher ein systematischer Ausbau 
fehlte und dass diese Dinge sich auch nicht so einfach mittheilen 


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26 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1, 


lassen, wie ein pharmakologisches Reeept; sie erfordern eine 
genauere Beschreibung bezvv. eine Demonstration. 

Die physikalische Therapie soll die pharmakologische nicht 
verdrängen, wesswegen die „Naturheilärzte“ auch ganz im Irr¬ 
thum sind, wenn sie meinen, dass die Schulmediein jetzt in 
ihre Bahnen hinüberwandle. Insbesondere sei auch in Zukunft 
eine genaue, mit allen modernen Hilfsmitteln zu stellende Dia¬ 
gnose die Hauptsache für eine gute Therapie. 

Schliesslich warnt Vortragender vor der naheliegenden Ge¬ 
fahr einer Polypragmasie, wie sie sich in manchen An¬ 
stalten schon jetzt häufig zeige. 

Herr Rawitz : Medicinische und klimatologische Er¬ 
fahrungen im Eismeer. 

Vortragender hatte mit einer von der Deutschen Secfi.-cherci- 
Gesellschaft ausgerüsteten Expedition mehrere Wochen in diesem 
Sommer auf der Bäreninsel verbracht. Das Klima ist be¬ 
dingt durch die Wechselwirkung zwischen' dem warmen Golf¬ 
strom einer-, dem kalten Polarstrom andererseits. Im Anfang 
seines Aufenthalts war trockenes, klares Wetter auf der Insel 
selbst, während in der Umgebung rings herum Nebel lagerte. 
Im späteren Theile des Sommers hingegen lag die Insel selbst 
im Nebel und die Luft war dementsprechend feucht. Es zeigte 
sich der Einfluss des Wetters nun darin, dass im Anfang alle 
feuchten Gegenstände, wie z. B. die gefangenen Fische, schnell¬ 
stens ohne Fäulnis» trockneten, die Wunden bei den Seeleuten 
ohne jede Eiterung blieben, aber auch nicht zuheilten. Als der 
Nebel aber über der Insel lag, ging Alles schnell in Fäulnis» 
über und die Wunden eiterten leicht, kamen aber trotzdem 
überraschend schnell zur Heilung. Grosse Panaritien z. B. seien 
nach der Incision in 24 Stunden geheilt (!). 

Die zweite ärztlich interessante Erfahrung bezieht sich auf 
die Leberthranbereitung in Norwegen, aus den Lebern der 
Dorsche und Kabeljaus. Der Schellfisch, der hiezu 
auch geeignet, kommt im nördlichen Eismeer nicht vor. Der 
Leberthran wird nun theils auf kaltem Wege, indem man die 
Leber 4 Wochen der Sonne und der Luft aussetzt, gewonnen, was 
ohne Fäulniss geschieht, theils auf warmem Wege mittels 
strömenden Wasserdampfes. Letzterer, bezw. Medicinleberthrari, 
ist aber in Deutschland nicht verkäuflich, da er nicht den An¬ 
forderungen der Pharmakopoe entspricht. Dieser Umstand und i 
die Unmöglichkeit, in unserem Klima die Leber 4 Wochen an 
der Luft liegen zu lassen, verhindern die Gewinnung des Leber-: 
thrans aus dem in deutschen Gewässern so häufigen Schellfisch.; 

Es kommt in Norwegen auch eine Verschlechterung des! 
•Leberthrans oder wenigstens eine Vermischung zum Vortheile | 
des Verkäufers vor, indem man die Lebern eines 4—5 m grossen j 
Haifisches zur Gewinnung des Leberthranes mitverwendet. 1 

II. K o h n. | 


Berliner Briefe. 

(Eigener Bericht.) 

Nachklänge zur Aerztekammerw&hl. — Anstellung von< 
Schulärzten. — Aerzteverein der Rettungsgesellschaft. —\ 
Erholungsstätten für Krankencassenmitglieder. jj 

Die Aerztekainmerwalilen sind vorüber, und der unlieb-, 
same Streit der Parteien ist damit vorläufig zur Ruhe ge-, 
kommen. Bedauerlicher Weise sind auch die auswärtigen 
Collegen zu Zeugen und Richtern der rein localen Zwistig-" 
keiten aufgerufen worden; es wird daher von Werth sein, aus 
dem Wahlergebnis einen Rückschluss auf die Ansichten der 
Majorität der Berliner Aerzte zu ziehen. Es ist zunächst be¬ 
merkenswerte, dass trotz der erhöhten Wichtigkeit der dies¬ 
maligen Wahlen die Wahlbetheiligung eine geringere war als 
früher; und man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, 1 
dass, abgesehen von dem bei Vielen chronischen und unheil¬ 
baren Indifferentismus, der Unmuth über den ewigen Hader 
an der Wahlenthaltung Schuld w r ar. Von 2075 wahlberechtigten 
Aerzten haben nur 1362 (= 66 Proc.) ihr Wahlrecht ausgeübt 
gegen 72 Proc. im Jahre 1896. Die Wahl endete mit einem 
unzweifelhaften Siege der Standesvereine, deren mit dem Verein 
zur Einführung freier Arztwahl gemeinschaftlich aufgestellte 
Candidaten sämmtlich gewählt winden. Wenn somit das Wahl¬ 
resultat den Mitgliedern der Standesvereine eine gewisse Be¬ 
friedigung bietet, so mischt sich doch auch das Gefühl auf¬ 
richtigen Bedauerns darüber hinein, dass die mühsam ange¬ 
knüpften Verbindungen mit der Gegenpartei dabei gelookert, 
w enn nicht zerrissen sind. Es scheint, dass die bisher. noch 


teeilweise latenten principiellen Gegensätze jetzt manifest ge¬ 
worden sind. Der Zwiespalt, welcher beide Parteien trennte, 
ist grösser als zuvor, und das einzige Bindeglied zwischen 
ihnen, die gemeinsame wirthschaftliche Commission, ist bei 
dieser Gelegenheit in die Brüche gegangen. Wenn es der 
neuen Kammer gelingen sollte, den Bruderzwist zu schlichten 
und die streitenden Parteien durch ein festes und dauerhaftes 
Band zu vereinigen, so wird sie jedenfalls eine ihrer vor¬ 
nehmsten Aufgaben erfüllt haben. Ausser den schon von 
früheren Kammern behandelten Fragen wie: Freie Arztwahl, 
Rettungswesen, Curpfuscherei u. A. harren ihrer zwei neue 
Aufgaben, nämlich die Ausübung der Ehrengerichtsbarkeit und 
die Organisation des ärztlichen Unterstützungswesens auf Grund 
des ihr verliehenen Umlagerechtes. 

Mit dem kommenden Jahr wird auch eine andere seit 
Langem angestrebte Neuerung, wenn auch vorläufig nur in 
beschränktem Umfange verwirklicht werden. 

Die Stadtverordneten-Versammlung hat sich endlich ent¬ 
schlossen, den Fortschritten der Hygiene Rechnung zu tragen 
und auch in der Reichshauptstadt Schulärzte anzustellen. Nach 
der ersten Anregung, die nach dieser Richtung hin gegeben war, 
hatte die Angelegenheit recht lange im Dunkel irgend eines 
Actenbündels geruht, und nach dieser jahrelangen Ueberlegungs- 
zeit hätte man vielleicht noch etwas mehr erwarten dürfen als 
die probeweise Anstellung weniger Aerzte. Aber unsere Stadt¬ 
väter gehen sehr langsam, sehr vorsichtig, sehr bedächtig vor. 
Dir Beschluss geht dahin, dass zunächst ein Versuch mit der 
vertraglichen Annahme von 20—24 Schulärzten vom 1. April 
1900 ab auf vorläufig 2 Jahre gemacht w r erde. Bei der Be- 
rathung kamen wieder die alten imd längst widerlegten Be¬ 
denken zum Vorschein, dass die Einrichtung Anlass zu Diffe¬ 
renzen zwischen Schulärzten und Lehrern, sowie zwischen 
Schule und Elternhaus geben, und dass der Unterricht empfind¬ 
liche Störungen erleiden w r ürde. Den Freunden der Vorlage 
gelang es zwar, diese Bedenken zu zerstreuen, doch ist es 
immerhin schwer verständlich, dass die Reiehshauptstadt mit 
ihren über 200 Gemeindeschulen einen zaghaften Versuch mit 
20—24 Schulärzten macht, nachdem in mehreren anderen Städten 
die Einrichtung längst besteht und tadellos functionirt, ohne zu 
den gefürchteten Differenzen zu führen. Wir zweifeln aber 
nicht, dass der Versuch gelingen wird, und dass nach Ablauf 
der Probezeit für sämmtliche Schulen Schulärzte angestellt 
w erden. In dieser Erw artung können wir den vorläufigen Ver¬ 
such als eine Abschlagszahlung dankbar annehmen. 

Am 14. December hielt der Aerzteverein der Rettimgs- 
gesellschaft seine diesjährige Generalversammlung ab. Aus 
dem Geschäftsbericht entnehmen wir, dass die Thätigkeit der 
Rettungswachen in erfreulichem Wachsen begriffen ist., Es 
wurde in mehr als 6000 Fällen die erste Hilfe geleistet und 
getreu den Grundsätzen der Gesellschaft die Thätigkeit stets 
auf die erste Hilfe beschränkt. 

Die Zahl der Rettungswachen ist um 3 vermehrt worden, 
und die gesammte Einrichtung hat bereits vorbildlich für andere 
Städte gewirkt. Einen .nicht zu unterschätzenden idealen Vor¬ 
theil hat aber, wie v. Bergmann in einem sich an den Ge¬ 
schäftsbericht anschliessenden Vortrag hervorhob, die Thätigkeit 
i der Aerzte im Rettungsdienst für sie im Gefolge gehabt, das 
ist die engere Verbindung zwischen den Aerzten und den 
Krankenhäusern und ihren Leitern. Es w r ar früher häufig recht 
unangenehm empfunden worden, dass der Mediciner mit dem 
Verlassen der Universität und dem Eintritt in’s praktische 
Leben meist alle Beziehungen zu seinen akademischen Lehrern 
verliert und für seine Fortbildung im Wesentlichen auf sich 
selbst angewiesen ist. Durch die gemeinschaftliche Thätigkeit 
im Dienste der Rettungsgesellschaft wird aber nothw r endiger- 
weise wieder ein engerer Connex zwischen den praktischen 
Aerzten und den Krankenhausdirectoren hergestellt, der nicht 
ohne Einfluss auf die Fortbildung der Aerzte bleiben kann. 
Diesem Bestreben soll auch noch durch Einrichtung von Fort- 
bildungscursen direct entgegengekommen werden. Es ist in 
Aussicht genommen, für die Aerzte der Rettungsgesellschaft 
Vorträge über das Rettungswesen, über Vergiftungen, über erste 
Hilfe bei Unglücksfällen einzurichten. 

Während hier die Aertze als Lernende den Vorträgen bei¬ 
wohnen werden, sollen sie in einem anderen Cyclus von Vor¬ 
tragen als Lehrende auftreten. In diesen Vorträgen sollen die 
Mitglieder der Krankencassen über die wichtigsten Fragen der 
modernen Hygiene Aufklärung erhalten. Man hofft, dass diese 
Einrichtung mit dazu beitragen werde, dem Unwesen der Cur- 
pfusoherei zu steuern. In einer von der „Centralcommission 


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2. .Januar 1 OCX). 


MÜNCH EN KR MEDIZINISCHE W 0( ’H EN S( •H RIFT. 


2 V 


«ler Krankencassen Berlins“ einberufenen Versammlung, zu der 
»uie.li die Berliner Aerzte eingeladen waren, konnte mitgetheilt 
werden, dass die Vorbereitungen bereits so weit gediehen sind, 
dass die Vorträge in allernächster Zeit ihren Anfang nehmen 
werden, ln derselben Versammlung wurde auch eine von ärzt¬ 
licher Seite zuerst auf dem Tuberculosecongress ergangene An¬ 
regung besprochen, welche bezweckt, ausserhalb, aber in der 
Nähe der Städte in passender Gegend Unterkunftsräume zu 
schaffen, wo sich erholungsbedürft ige Cassenmitglieder den Tag 
über aufhalten können. Im Besitz des rothen Kreuzes befinden 
sich eine Anzahl Baracken, welche sich hierzu sehr gut eignen 
würden. Auf Verlangen sollen den Kranken bezw. Reconvales- 
«eilten gegen massiges Entgelt auch Speisen und auf Kosten 
der Krankeneasse Milch verabreicht werden. Diese Anregung 
tiel auf fruchtbaren Boden. Auf Veranlassung des Lungenheil- 
stätten-Vereins vom rothen Kreuz wird die erste Erholungs¬ 
stätte demnächst hei Berlin begründet und schon im nächsten 
Frühjahr eröffnet werden. Wenn die Einrichtung sich hier 
bewährt, so wird der Lungenheilstätten-Verein sich ihre allge¬ 
meine Verbreitung in ganz Deutschland angelegen sein lassen: 
und es wäre damit ein weiterer Fortschritt auf dem Gebiete 
der Krankenfürsorge erreicht. Iv. 

Altmärker Aerzteverein. 

(Officielles Protokoll.) 

II. wissenschaftliche Sitzung zu Uchtspringe 
a m 15. März 1899. 

Vorsitzender: Herr Schnitzer - Stendal. 

Schriftführer: Herr Weber- Uchtspringe. 

1. Herr A11 - ITchtspringe: Ueber Hypochondrie (mit 
Kranken Vorstellung). 

Die Hypochondrie ist, wie die Melancholie, gekennzeichnet 
durch krankhafte Verstimmung schwerster Art, die 
sich bis zu lebhafter Angst steigern kann. Zu ihrer Erklärung 
werden auch hier Wahnideen beigezogen; aber, im Unter¬ 
schied zum Melancholiker, sucht der Hypochonder die wahr¬ 
hafte Erklärung nicht in einem eigenen V orschulden, 
klagt nicht sieh früherer Vergehungen an, sondern den Grund 
seiner Verstimmung bilden t h e i 1 s wirkliche, aber 
wahnhaft übertriebene, theils eingebildete 
krankhafte Zustände des eigenen Körper s. 
Sich selbst misst er dabei nur insoweit eine Schuld zu, als er 
nicht den richtigen Arzt aufgesucht hat, sich nicht genug ge¬ 
schont hat u. s. w. Um so lebhafter richten sieh seine An¬ 
klagen gegen seine Umgebung: gegen die Eltern und Erzieher, 
die ihn vernachlässigt, namentlich aber gegen die Aerzte, die 
ihn, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Bosheit, falsch behandelt 
hätten,'endlich sucht er die Ursache seiner Erkrankung in Nach¬ 
stellungen geheimer Feinde, die ihn vergiften oder anderweitig 
körperlich und geistig zu Grunde richten wollen. Im letzteren 
Falle benennt man das Krankheitsbild auch als hypochon¬ 
drische Verrücktheit. 

Liegen den hypochondrischen Wahnideen wirkliche Er¬ 
krankungen irgend eines Körperorganes zu Grunde, die nur 
wahnhaft übertrieben werden, so spricht man von ITypo- 
(diondria cum materia, im Gegensatz zur IIypo¬ 
ch o n d r i a sine materia, bei der eine selbst unbedeutende 
Erkrankung des in den Bereich der Wahnideen gezogenen Kür- 
pororganes nicht nachzuweisen ist. Die letzte Form ist selten; 
in den meisten Fällen entbehren die Klagen der Hypochonder 
nicht ganz der thatsächlichen Unterlagen; nicht selten bietet 
ein unbedeutendes, aber mit Schmerzen oder langdauernden, 
unangenehmen Empfindungen ei nhergehendes, körperliches Leiden 
rlio Veranlassung zur hypochondrischen Verstimmung, die auch 
noch auftreten kann, wenn die betreffende körperliche Erkran¬ 
kung längst abgelaufen ist. (Dahin gehört die Hypochondrie 
nach Tripper, nach Traumen u. s. w.) In anderen Fällen handelt 
os sich um lange sich hinziehende Erkrankungen bestimmter 
Organe; in erster Linie ist hier der Verdauungsapparat, zu 
nennen, dessen Störungen die Veranlassung zu einer hypochon¬ 
drischen Verstimmung geben können. Die sogenannten func- 
tionellen Magenerkrankungen, namentlich die Ilyperacidi- 
t ä t und Anacidität, sowie die continuirliche Hypersecre- 
tion sind im Stande, hypochondrische Verstimmungen, die bis 
zur lebhaftesten Angst sich steigern können, auszulösen. In 


ähnlicher Weise wirken chronische Erkrankungen des Darms, 
der Urogenitalapparate, des Herzens und der Lunge. 

Die Diagnose der Hypochondrie ist unter Berücksichtigung 
der erwähnten Momente eine leichte. Von anderen mit Ver¬ 
stimmung einhergehenden Geistesstörungen, die differential- 
diagnostisch in Betracht kämen, ist zu erwähnen: 

' 1. Die Melancholie, bei der die Selbstanklagcn im 

Vordergrund stehen (siehe* oben). 

2. Die Paranoia in einzelnen Formen. 

Dass es eine hypochondrische Paranoia gibt, wurde oben 
erwähnt. Je mehr die wahnhaften Verfolgungsideen in dem 
Krankhcitsbileie eine Rolle spielen, um so mehr nähert es sieh 
der eigentlichen Paranoia, bei der schliesslich das Gefühl der 
Schädigung und Beeinträchtigung des eigenen Körpers erst 
secundär ausgelöst erscheint. 

3. Das F r ii li s t a d i u m d e r progressiv e n P a r a - 
1 y s e. 

Auch hier kann hypochondrische Verstimmung auftreten; 
doch sind die entsprechenden Wahnideen einerseits sehr unwahr¬ 
scheinlich und auf’s höchste übertrieben, anderseits sehr sprung¬ 
haft und vorübergehend. Ausserdem werden bei genauer körper¬ 
licher Untersuchung Lähmungs- oder Reizungserscheinungen 
namentlich im Gebiete der Hirnnerven (Augen, Facialis, Zunge) 
nicht fehlen. 

Zur Diagnose der Hypochondrie gehört endlich eine genaue 
Feststellung der etwa zu Grunde liegenden körperlichen Erkran¬ 
kung; auch bei scheinbar völlig unbegründeten Wahnideen kann 
unter Umständen sich eine leichte Veränderung des betreffenden 
Organes ergeben. 

Die Therapie wird sich in erster Linie mit diesen 
körperlichen Störungen zu beschäftigen haben; sie zu beseitigen, 
ist ihre erste Aufgabe. Dass diese keine undankbare ist, be¬ 
weisen die Erfolge, die man z. B. bei den oben erwähnten Magen¬ 
neurosen erzielen kann, indem man die Säureverhältnisse regelt. 
So lässt sieh unter Umständen schwerste hypochondrische Angst, 
die auf Hyperacidität des Magens beruht, durch Darreichung 
von Natr. bicarb. oder eines Eies beheben; im entgegengesetzten 
Fall, bei Mangel an Salzsäure, bei Milch- oder Buttersäure- 
production im Magen, leisten Ausspülungen und blando Diät 
vortreffliche Dienste. 

Indem derartige therapeutische Maassnahmen gleichzeitig 
suggestiv wirken,, berücksichtigen sie auch die psychische Seite 
der Behandlung; der Kranke sieht eine Besserung des ihn so 
tief verstimmenden körperlichen Leidens und gewinnt dadurch 
einen Theil seiner Lebensfreudigkeit und die Hoffnung auf die 
Zukunft wieder. Es ist weiterhin die Aufgabe der Behandlung, 
den Kranken aus der gewohnten Umgebung zu entfernen, seine 
Lebensführung einer gründlichen Regelung zu unterwerfen, 
alle beruflichen und häuslichen Sorgen und Aufregungen von 
ihm fern zu halten. Für Leute, die sich körperlich nicht aus¬ 
arbeiten, ist das Angewöhnen an eine ermüdende Arbeit (wie 
Gartengrahen, Holzhacken u. dergl. mehr) nicht selten ein vor¬ 
zügliches Mittel, die hypochondrischen Anwandlungen zu ver¬ 
scheuchen. Die Hypochondrie ist eine der psychischen Erkran¬ 
kungen, bei der nicht immer Anstaltsbehandlung, wenigstens 
nicht immer in einer Irrenanstalt, geboten erscheint; der prak¬ 
tische Arzt kann hier, sofern es ihm nur gelingt, Einfluss auf 
den Kranken zu gewinnen, gute Heilerfolge auch ausserhalb der 
Anstalt erzielen. Bei den schwereren Formen, namentlich wenn 
es sich um erblich hochgradig belastete Kranke handelt, wenn 
die Wahnideen nach der Paranoia hinneigen, ist die Prognose 
ungünstiger. Eine vollständige Heilung ist hier kaum, eine 
Besserung am ehesten in der Anstalt zu erzielen. 

(Krankenvorstellung: eine Dame, bei der ausser erblicher 
Belastung thatsächlich schwere körperliche Erkrankung der 
Augen den Anstoss und Grund zu schwerer Hypochondrie gab.) 

2. Herr Müller- Uchtspringe: Acutes Glottisoedem mit 
tödtlichem Verlauf. 

Ein 14 jähriger Schwachsinniger, der in der Nähe der An¬ 
stalt Uchtspringe in Familienpflege war, wurde am 2Ö. I. d. ,T. 
wegen einer schmerzhaften Schwellung am Halse in die Anstalt 
geschickt. Abends 0 Uhr sah man unterhalb des linken Unter¬ 
kiefers eine mit dem Knochen scheinbar nicht zusammenhängende, 
teigige, druckempfindliche Anschwellung. In Mund- und Itaehen- 
höhle war Besonderes nicht zu sehen, nur links eine schmutzig be¬ 
legte Zahnhöhle, aus der am Tage vorher ein unterer Backen¬ 
zahn extrahirt war. Eine Behinderung der Athmung war nicht 
vorhanden. Der Knabe wurde in der Anstalt behalten und erhielt 


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MÜNCH KN KR MKDICIN1SCHK WO( ■HENSGllRIFT. 


No. 1 


einen feuchtwarmen Umschlag. Gegen 8 Uhr wurde eoustutirt, 
dass der Kranke 41° Fieber hatte und schlecht atliniete. Eine 
Viertelstunde später, bevor eingeschritten werden konnte, er¬ 
folgte der Exitus letalis unter Zeichen von Atbnumgsbehinderung. 

Bei der am nächsten Tag vorgenommenen Section fand sich 
links ein wallnussgrosser, jauchiger Itetrotonsillarabscess, an ihn 
anschliessend eine phlegmonöse Durchsetzung des lockeren 
Bindegewebes zwischen den Muskeln des Zungenbodens, die sich 
auch in die linke Submaxillaris hineinzog, ferner (Jedem der 
Uvula, der oberen Fläche der Epiglottis und der linken nry-epi- 
glottischen Falte. Haemorrhagien an den serösen Ueberziigen 
der Brusthöhle. Infectionsmilz. 

Mikroskopisch wurde eine fortgeschrittene Nekrose des den 
Abscess begrenzenden Gewebes, eine Exsudation mit Leuko- 
cytenansammlungeu und Fibrinbildung im lockeren Bindegewebe 
der Umgebung, ferner Leukocyteuherde im interstitiellen Gewebe 
der Suimiaxillaris festgestellt, während ihr Drüsengewebe in- 
tact war. Die bacteriologische Untersuchung ergab: Staphylo- 
eoecus pyogenes aureus und albus nebst Fäulnissbaeterien. 

Da der Abscess sicher alt ist, muss er als Ausgangspunkt 
der Phlegmone angesehen werden. ()1> die Zahnextraction als 
veranlassende Ursache zu betrachten ist, bleibt fraglich, ist aber 
höchst unwahrscheinlich. 

In der Praxis hätte der Fall leicht, zu falscher Beurtheilung 
führen können, indem die Zahnextraction als di recte Ursache 
der tödtlichen Erkrankung angesehen worden wäre. 

3. Herr H o p p e - Uchtspringe stellt einen lljiihr. Idioten 
mit der myopathischen Form der progressiven Muskelatrophie 
vor, bei dem das Leiden allmählich im 9. Lebensjahr begann 
und sich in zwei Jahren bis zu dem gegenwärtigen, überaus cha¬ 
rakteristischen Krankheitsbilde entwickelte. Befallen ist haupt¬ 
sächlich die Musculatur des Beckens und der Schulter. Bezüg¬ 
lich der Therapie legt Vortragender neben der mechanischen 
Behandlung der Muskeln mittels Massage und Faradisation das 
Hauptgewicht auf eine consequent durchgeführte Uobererniilir- 
ung, welche noch am ehesten den stets vorhandenen Kräfteverfall 
aufzuhalten vermöchte. Bei dem vorgestellten Knaben, dessen 
Körpergewicht früher trotz reichlicher, aber willkürlich gewählter 
Nahrung nicht zunehmen wollte, gelang es seit Einführung einer 
ganz genau geregelten Ernährung, bei welcher besonders auf 
reichliche Eiweisszufuhr geachtet wurde, in 5 Wochen eine Zu¬ 
nahme von 5 kg zu erzielen. 

4. Herr Parisius - Calbe a. M.: Eine seltene Missgeburt. 

Am 13 d. M. wurde hier ein Kind männlichen Geschlechts 

mit folgenden Hemmungsmissbildungen geboren. 

Der rechte Oberarm reichte bis zum Ellenbogengelenke, ist 
dort wie abgeschnürt und zeigt dort eine Narbe, wie bei einem gut 
verheilten Amputationsstumpf. 

Das rechte Bein ist dem linken gegenüber um etwa 2 cm 
verkürzt und zeigt auf der Vorderfläche der Tibia, dicht ober¬ 
halb des Fussgelenks, eine Knochenaufreibung, wie von einer 
schlecht geheilten Fractur. Die drei ersten Zehen des rechten 
Fusses sind normal entwickelt, während die vierte und fiiufte 
nebst den entsprechenden Metatarsalknocheu fehlen. 

Der linke Oberarm ist abgeschnürt, wie der rechte, doch ist 
noch ein kleiner Theil der Gelenkfläche des Unterarms mit dem 
Olecranon vorhanden, ln der Mitte der „Amputationsuarbe“ 
findet sich ein völlig entwickelter Mittelfinger von normaler Länge 
und ein knospenförmiges Anhängsel als Andeutung eines anderen 
Fingers. 

Der linke Fuss ist normal entwickelt bis auf die fehlende 
fünfte Zehe und den zugehörigen Metatarsusknochen. Die Ge¬ 
burt des lebenden, 4 kg wiegenden Kindes erfolgte leicht in Steiss- 
lage. Die Schwangerschaft verlief normal, nur traten in der 
letzten Zeit geringe Blutungen ein, auch fehlten die Kindsbewe¬ 
gungen fast ganz, so dass der Tod der Frucht angenommen wurde. 
Die Eltern sind völlig gesund, ebenso wie zwei ältere Geschwister 
von drei und zwei Jahren. Missbildungen sind in den Familien 
der Eltern niemals vorgekommen. 


Altonaer Aerztlicher Verein. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 6. December 1899. 
Vorsitzender: Herr W a 11 i c h s. Schriftführer: Herr Hcnop. 

Herr Qrueneberg demonstrirt einen Patienten, der vor 
3 Jahren wegen eines auf traumatischer Basis entstandenen 
Sarkoms im Altonaer Kinderspital operirt -worden war. 

Bei dem im Jahre 1883 geborenen Knaben sind keine hereditär 
verdächtigen Momente nachzuweisen, er selbst ist stets gesund 
gewesen. Juni 1896 stiess sich Patient, als er beim Turnen auf 
einen Barren springen wollte, gegen den Unterleib, wodurch eine 
Blutung in den Hodensack hervorgerufen wurde, der um das 
Doppelte anschwoll. Eisblase, Hochlagerung, Ruhe hatten, 
längere Zeit durcbgeführt, ebensowenig Erfolg, wie die vorgenom¬ 
mene Punction, die nur geringe Quantitäten blutiger Flüssigkeit 
entleerte. Als bis September keine Besserung, sondern eher eine 
Vergrösserung der Geschwulst auf trat, erfolgte am 10. Scpt. 1896 
die Aufnahme in’s Hospital zwecks Operation. 

Hier wurde eine harte Schwellung des ganzen, dunkelroth 
aussehenden, vergrösserten Hodensackes constatirt, Hoden Messen 
sich nur ungenau abtasten, Palpation nur wenig schmerzhaft, 
Fluctuation nicht nachzuweisen, keine Drüscnseliwellung. All¬ 
gemeinbefinden gut. 


Bei der Operation zeigte sich ein unregelmässig stark blutig 
durchsetztes Gewebe, das sich von den Hoden vollkommen glatt, 
von den Scheiden des Samenstranges nur schwer abpräpariron 
liess. Naht. Heilung per primam. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung (Dr. Fischer) ergab grosszelliges Spindelzellensar¬ 
kom, das au einzelnen Stellen kleine Spindelzellen zeigte. Februar 
1897 traten in der Narbe ausgedehnte Infiltrate auf, die sofort 
entfernt wurden und mikroskopisch dieselbe Structur zeigten. 
Seit dieser Zeit ist Patient frei von Kecidiven geblieben, hat sich 
körperlich ausserordentlich gut entwickelt und ist ein kräftiger 
Schlosserlehrling geworden. Anfangs November 1897 stellte sieh 
Patient wieder vor, weil er seit 14 Tagen in seinem Hodensack 
eine kleine Geschwulst bemerkte. Dieselbe ist wallnussgross, 
kugelig, fühlt sich prall elastisch an, zeigt aur Druck keine 
Schmerzhaftigkeit, findet sich unterhalb des Leistencanales und 
zeigt nach keiner Richtung hin Verbindungen. Hoden vollkommen 
frei. Ferner findet sich in der rechten Leistenbeuge eine schmerz¬ 
hafte, haselnussgrosse Drüse. Beide Geschwülste werden exstir- 
pirt. ln der Hodensackgeschwulst, die blutigseröse Flüssigkeit 
im Innern enthält, finden sich mikroskopisch grosszellige Spindel- 
zelleu. Die Untersuchung der Drüse hat einen negativen Befund. 
Wundheilung p. p. 

Zweifellos muss in diesem Falle die Entstehung des Sarkoms 
auf das Trauma zurückgeführt werden, da die Geschwulst an der 
Stelle des stattgehabten Traumas und in unmittelbarem Zusam¬ 
menhänge mit demselben entstanden ist. — Demonstration der 
mikroskopischen Präparate. 

Herr Nonne : Erfahrungen in der Diagnose von Hirn¬ 
tumoren. 

N. bespricht an der Hand eines Materials von 89 Fällen die 
..Ailgemeinsymptome“ von Hirntumoren und weist nach, dass 
gar nicht selten jcnles einzelne der Symptome: Kopfschmerz, Er¬ 
brechen, Pulsverlaiigsamung,«Stauungspapillo fehlen kann. Er 
berichtet über Fälle, in denen anstatt des bei der Obduction ge¬ 
fundenen Hirntumors diagnosticirt worden war: Hysterie, Simu¬ 
lation, Enecphalomalacie, multiple Sklerose, Meningitis tuber- 
eulosa, Delirium alcobolicum, Epilepsie, Migräne, Apoplexia 
sanguinea, Uraemic, Syphilis cerebri. Sodann referirt Vor¬ 
tragender über Fällt*, von Complicationen: Tumor und Abscessus 
cerebri, Tumor cerebri und eitrige Otitis media, Tumor cerebri 
und Meningitis tuberculosa. 

Zum Schluss werden Fälle besprochen, in denen ein ursäch¬ 
licher Zusammenhang zwischen Trauma und Tumor cerebri an¬ 
genommen und von den Rente ertlieileuden Körperschaften an¬ 
erkannt wurde, sowie Fälle, in denen ein Causalnoxus zwischen 
einem statt gehabten Kopftrauma und einem anatomisch nach- 
gewiesenen Hirngummi nicht angenommen werden konnte. 

Discussion : Herr Boetticher. 

Herr Sigismund : Ueber die Methoden zur Ent¬ 
fernung der Uterus- und Adnextumoren. 

Die Grundlage des Vortrages bildet das Hervorheben der 
vaginalen Radicaloperation bei entzündlichen Adnexerkrankungen 
gegenüber den anderen, besonders den abdominellen Methoden. 
S. stützt seine Ansicht auf die guten Erfolge, die er während 
einer vierjährigen Assistentenzeit bei Schwarz in Halle be¬ 
obachten konnte, der schon seit 1891 den vaginalen Weg bevor¬ 
zugte. Es werden ferner Landau, P e a n, Doyen, Leo¬ 
pold und Seliauta angeführt und dessen Statistik aus dem 
Archiv für Gynäkologie kurz referirt. S. legt wie S c h a u t a 
den Hauptwerth auf die Dauerheilung, die nach seiner 
Ansicht nur durch die Radicaloperation sicher erzielt werde. 
Ebenso spricht zu Gunsten des vaginalen Verfahrens die weit 
geringere Mortalität — nach S c h a u t a 2,7 Proc. zu 10,5 Proe. 
bei der abdominalen Radicaloperation. Dem gegenüber darf 
die grössere Schwierigkeit in der Technik bei der vaginalen 
Methode nicht in Frage kommen. Es wird auch auf die Gefahr 
der Bauchhernien hingewiesen und C o h n’s Bericht aus dem 
Archiv für Gynäkologie herangezogen, in dem dieser über 28 
durch Abel abdominal ausgeführte Adnexoperationen berichtet 
und dabei für diese Methode cintritt, trotzdem Abel dabei 
18 Proc. Bauchhernien zu verzeichnen hat. 

S. ist der Ansicht, dass man — besonders hei der arbeitenden 
Classe — sich nicht immer streng auf einen conservativen Stand¬ 
punkt stellen könne, denn es handele sieh in erster Linie um 
eine dauerdo Heilung und völlige Wiederherstellung der Ar¬ 
beitskraft., die zu erstreben seien. 

Damit sei es aber hei der „conservativen“ Methode schlecht 
bestellt. So weist Schauta’s Statistik bei einseitiger Adnex¬ 
operation nicht einmal ein Viertel Heilungen auf! 

lleignicr musste hei 56 conservativ durch Punction be¬ 
handelten Adnextumoren noch 23 inal nachträglich radical ope- 
riren. Direct für falsch hält es der Vortragende, die beider- 


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2 . .Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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zeitigen erkrankten Adnexe zu entfernen und den Uterus zurück¬ 
zulassen: Stumpfexsudate, Metrorrhagien, profuser Fluor, secun- 
<i;ire. tixirto Lageveränderungen mit allen ihren Beschwerden 
«•ien zu erwarten. So musste Barden heuer nicht weniger 
als 14 mal den isolirt zurückgelassenen Uterus entfernen, Veit 
in 2 Jahren 4 mal, S. selbst 2 mal. Aus eben diesem Grunde hält 
S. auch Fri tsch's neueste Methode, hei der die Cervix zuriiek- 
gelnssen wird, nicht für einen Fortschritt, da die Uterusinnen- 
tläeho in diesen Fällen selten harmlos sein dürfte, auch späterer 
Entwicklung von Tumoren am Cervixstumpf vorgebeugt werden 
müsse. 

Häufig erscheine es dem Vortragenden wichtiger zu sein, 

< onservativ in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit zu operiren und 
aus diesem Grunde sei es dringend geboten, den Bauchschnitt 
noch weit mehr als es schon geschehe cinzuschränken. 

Aus diesem Grunde bevorzugt S. bei einseitige n, nicht 
allzu hoch sitzenden Adnextumoren bis Faustgrösse den vorderen 
Scheidenbauchschnitt und erinnert an einen auf diese Art 
nperirten Fall von Tubengravidität, den er im Hamburger 
Acrzteverein demonstrirt habe. 

S. bespricht sodann die Operationen, die bei Adnexiinneren 
in Frage kommen: 

1. I)ic einseitige und doppelseitige abdominale Adncx- 
nperation, 

2. die abdominale Radiralexstirpation, 

o. die Ineision und Drainage der Tumoren, 

4. die Kolpotomien, 

5. die vaginale Radiealoperation, 

und stellt daraufhin folgende Thesen auf: 

I. Sowohl in Bezug auf Dauererfolge als auch auf Mortali¬ 
tät beansprucht die vaginale Radiealoperation unter ihnen die 
«•Me Stellung. 

II. Es harnhdt sich nicht in erster Linie darum, die Kranken 
von ihren augenblicklichen Leiden zu befreien und über die Ge¬ 
fahren der Operation hinauszubringen, sondern um eine end¬ 
gültige. völlige Heilung und dabei ist es häufig nicht angebracht, 
>idi auf einen streng conscrvntiven Standpunkt zu stellen. 

III. Die Laparotomie ist in Folgt» ihrer Gefahren in Bezug 
auf Mortalität und Dauererfolge nach Kräften einzuschränkcn 
zu dunsten der Kolpocoeliotomie und der vaginalen Radical- 

< »Iteration. 

Sodann erwähnt S. noch kurz die Combination des vaginalen 
um! abdominalen Verfahrens wie cs in der S e h w a r /'sehen 
Klinik seit Jahren üblich war und neuerdings wieder für fort 
geschrittene Oarcinome empfohlen wird. 

Zum Schlüsse werden für jede Operationsmethode eine An¬ 
zahl Präparate demonstrirt und kurze Notizen der inter¬ 
essantesten Krankengeschichten beigegeben. 

Für die vaginale Radiealoperation mit 12 Fällen: 

o Fälle von Myomen; 

1 Fall eines fortgeschrittenen Portiocareinoms; 1 Fall, in 
dem die Radiealoperation wegen bedrohlicher Metrorrhagien an¬ 
gezeigt war, nachdem ein Chlorzinkstift nur ungenügend gewirkt 
hatte; 

sodann G Fälle von Pyosalpinx bilateralis und 1 Fall von ein¬ 
mütiger Pyosalpinx mit Salpingitis der anderen Seite. (Folgen 
Krankengeschichten.) 

Auf die 12 Fälle vaginaler folgen 2 Fälle abdominaler Tolal- 
exstirpation. 

Im ersten Falle wareu vor 5 Monaten von anderer Seite rechts 
Tube und Ovarium, links nur die Tube wegen doppelseitiger Pyo¬ 
salpinx entfernt worden. Die Patientin blieb wegen unerträg¬ 
licher Schmerzen arbeitsunfähig und hato obendrein einen Bruch 
im unteren Wundwiukel des Bauchschnittes aequirirt. Bei der 
Beseitigung des Bruches wurde die Entfernung des Fteius vom 
Abdomen aus vorgenommen und die Patientin war in kurzer Zeit 
wieder arbeitsfähig. 

Im zweiten Falle handelte es sich um Pyosalpinx bilateralis 
mit aussergewölmlich ausgedehnten und festen Darm Verwach¬ 
sungen. An 2 Stellen wurde ein Stück der Sack wand an einer 
Darmschlinge belassen. In solchen Fällen pflegt S.. besonders bei 
Eitersacken nach dem Douglas oder wenn ein Abschluss der 
Bauchhöhle vom kleinen Becken erwünscht ist, mit gutem Erfolge 
auch nach oben zu drainiren. Der erste Combinationsfall, der nun 
folgt, war dem eben erwähnten ähnlich. Der grössere Theil der 
rechten Höhlenwandung bleibt an der Beckenwand sitzen, da 
Peritoneum lind Tubenwandung eine starre Schwarte bilden. 
Pas ganze kleine Becken bestand aus einer Wundfläche und 
«lamm wurde ergiebig nach oben und unten drainirt mit denk¬ 
bar bestem Erfolge. Der zweite Combinationsfall betraf ein in’s 
rechte Parametrium entwickeltes Carcinom, das schon nach der 
Vagina perforirt war und dessen Ausgangspunkt noch nicht ganz 
*kher steht, vielleicht von Resten des G a r t n e r’selien Ganges. 


Zum Schlüsse demonstrirt S. noch einen nicht in das be¬ 
sprochene Gebiet fallenden Tumor. Es handelte sich nämlich um 
ein hoch- und festsitzendes Rectumcarcinom, das er nach der 
Krask e’schen Methode entfernte. Obwohl sich hier bei breiter 
Eröffnung des Peritoneums die Adnexe als anscheinend normal 
erwiesen, musste doch schon nach 6 Wochen ein doppeltfaust¬ 
grosses Recidiv des rechten Ovariums entfernt werden, das also 
rapide gewachsen sein muss. Leider erlag die Fatientin 8 Monate 
nach der Operation in ihrer Heimath einem zweiten Recidiv, 
das seinen Ausgang von den retroperitonealen Lymphdrttsen ge¬ 
nommen hatte. 

Discussion : Herr Rose bekennt sich zu einem wesent¬ 
lich eonservativeren Standpunkt als Herr Sigismund, will den 
Frauen, wenn irgend möglich, die Conceptionsfähigkeit oder 
wenigstens die Menstruation erhalten wissen, hat bei der Nach¬ 
untersuchung eines grossen diesbezüglichen Materials Macken- 
r o d t’s recht befriedigende Resultate gesehen lind unter ca. 50 
Patientinnen nur einen Bauchbruch bei einer Patientin, die aber 
mit Drainage behandelt war, gefunden. Die Ausfallserschei¬ 
nungen bei Verlust beider Ovarien sind häufig ausserordentlich 
quälend. Eine Berechtigung, bei einseitiger Adnexerkrankung 
die gesunden Adnexe desslialb abzutragen, weil sie erkranken 
könnten, kann R. dem Operateur nicht zuerkennen; der Uterus 
kann zum Ausheilen gebracht werden. Die Frauen können die 
Schwere des Eingriffes nicht beurtheilen, sonst würden sie oft 
nicht einverstanden sein mit der Totalexstirpation. Ebensowenig 
wie ein Chirurg z. B. bei tuberculöser Kniegelenkserkrankung 
desslialb, weil bei dem conservativen Verfahren Recidive Vor¬ 
kommen. ohne Weiteres das Bein amputiren wird, ebensowenig soll 
ein Gynäkologe desslialb, weil bei conservativen Operationen 
Recidive Vorkommen, die Frauen gleich der ganzen Genitalien 
berauben. 

Bei der Gegenüberstellung der Mortalität bei abdominalen 
und vaginalen Verfahren habe S. die günstige Statistik Z av e i - 
f e l's, die von keinem Verfechter der vaginalen Totalexstirpation 
erreicht sei. zu erwähnen vergessen. 

Herr M. Frank bemerkte in der Discussion, dass er im All¬ 
gemeinen einer weniger radiealen Behandlung der Aduexaffec- 
lionen huldigt. Er suche bei den Operationen vor Allem bei 
Frauen, die von der Menopause noch entfernt sind, von den Geni¬ 
talien zu erhalten, was irgend geht. Er leugnet nicht, dass Fälle 
Vorkommen, avo es am rathsa nisten sei, radieal zu operiren, doch 
dürften die nicht allzu häufig sein. F. hat 4 mal die Radiealopera¬ 
tion vorgenommen, 2 mal auf abdominalem und 2 mal auf vagi¬ 
nalem Wege. In allen Fällen ein guter Erfolg. 

F. kommt sodann auf die Wahl des Operationsweges — vagi¬ 
nal oder abdominal zu sprechen. Er setzt die Lieht- und 
Schattenseiten auseinander, wobei er besonders betont, dass nach 
den neueren Statistiken die Zahl der Bauclibrüche keine allzu 
grosse sei. besonders bei Primalieilung und exacter Schichten- 
naht der Bauch wunden, und dass ferner die Mortalitätsstatistik 
bei beiden Methoden nicht viel differire. 

F. gibt zu. dass wir in dem vaginalen Vorgehen eine be¬ 
deutende Bereicherung unserer operativen Technik erfahren 
haben. Es ist aber nur auf bestimmte Fälle, nach besonderer 
Iudication zu beschränken auf: 

1. Fälle, wo wir von vornherein radieal Vorgehen wollen, avo 
die Adnextumoren nicht weit in’s grosse Becken hineinragen 
(Darmadhaesionen) und wo die Zellen vor Allem nicht festere 
Verwachsungen mit dem hintern äussern Quadranten des Beckens 
eingegangen sind. 

2. Fälle von einseitigen Tumoren, wenn letztere nicht zu 
starke Verwachsungen, besonders nach der Cortical. sacr.-iliac. 
hin aufAveisen, Avenn der Uterus gut beweglich und das Ligam. 
infundibul. pelvic. dehnbar ist. Das sind jedoch Fälle, bei denen 
man, abgesehen a^oii den Neubildungen, meist auch ohne Operation 
Erfolge erzielen kann. 

Allo Fälle, die diese Bedingungen nicht erfüllen, besonders 
solche, bei denen man keinen genauen Palpationsbefund auf- 
lielmien konnte, sind der Laparotomie zuzuweisen. 

Herr R a o t h e r erinnert die älteren Collegeu daran, dass 
vor ca. 7 Jahren in Altona (zum Theil auch vou ihm) viele Bauch¬ 
schnitte bei doppelseitigem Pyosalpinx ohne Entfernung des 
Uterus gemacht worden seien. Bei geringer Mortalität wären die 
Dauerlieilungen mangelhafte gewesen. Avesshalb er Im Allgemeinen 
seit Jalireu die Mitentfernung des Uterus bei doppelseitiger Er¬ 
krankung vorzöge. Aebnliche Einigungen haben vor- und nach¬ 
her Autoren Avie P 6 a n, Leopold. Landau, Doyen, 
Segoud, Schauta, Martin und viele Andere zur Mitent¬ 
fernung des Uterus gedrängt. Gerade die vom Vortragenden be¬ 
vorzugte vaginale Methode biete wegen der geringeren Mortali¬ 
tät grosse Vorzüge für conservatives Vorgehen, da man nach Kolpo- 
tomia anterior den Uterus gut vorrücken, Myome und einseitig 
erkrankte Adnexe entfernen, eventuell neue Tubenmündungen an- 
legen könne etc. und sind die conservativen Operationen ohne 
Entfernung des Uterus die weitaus häufigeren, ergeben aber 
Avenig zur Demonstration geeignete Präparate. Da die vaginalen 
Operationen ungefährlicher sind. Bauchbrüche dabei überhaupt 
nicht Vorkommen können, soll man auch die Mühe der schAverereu 
Technik uicht scheuen. 

Herr Sigismund: Herrn Frau k möchte ich eutgegnen, 
dass ich selbstverständlich nur dann radieal operire, wenn ein 
radicales Verfahren geboten ist. Ich glaube dies auch in meinem 
Vortrag genügend betont zu haben und wenn Sie die 16 hier auf¬ 
liegenden TTteruspräparate ansehen. so werden Sie zugeben 
müssen, dass hier mit «lern besten Willen nichts zu erhalten Aval*. 


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No. 1 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Was die Neben Verletzungen betrifft, so ist mir bei reichlich 
40 vaginalen Totalexstirpationen keine einzige passirt, auch 
kommen ja Blutungen und Nebenverletzungen bei abdominalen 
Operationen zuweilen vor. Auch Enterocelen sah ich bei einem 
sehr grossen Material nicht eine einzige, was vielleicht an der 
Methode (Drainage) liegt. Wenn Herr Frank meint, dass man 
bei der Kolpocoeliotomie manchmal nicht so conservativ ver¬ 
fahren könne als vorher beabsichtigt sei, so will ich dies zugebeu, 
obwohl ich keine persönliche Erfahrung darüber habe. Sollte dies 
aber unter 50—GO Fällen wirklich einmal Vorkommen, so kann dies 
doch nicht in’s Gewicht fallen gegenüber den grossen Vorzügen 
der Methode, ln Bezug auf die angeführten starken Verwach¬ 
sungen und die dadurch bedingten Beschwerden bei der Ivolpo- 
coeliotomie verweise ich auf meine Resultate bei der Vaginae- 
tixatio uteri. Vermeidet man Instrumente beim Vorziehen des 
Uterus, und verwendet statt deren Seidenzügel und näht man das 
Peritoneum besonders, so wird man auch allzu starke Verwach¬ 
sungen vermeiden können. Für mich ist dafür der beste Beweis 
der Umstand, dass ich in keinem Falle von Vaginaetixatio — von 
Prof. Schwa r z, I)r. R a e t li e r und mir operirt — eine einzige 
Dystokie erlebte, dagegen konnte ich allein in Altona (5 normale 
Partus nach Vaginaetixatio beobachten. 

Bauchbrüche, dies möchte ich Herrn Frank mul Herrn 
Rose entgegnen, werden nie völlig vermieden werden und je 
grösser das Material, je grösser die Zahl der Hernien. Uebrigens 
bekommt ja auch der Operateur selbst nicht alle ihm zur Last 
fallenden Fälle wieder vor Augen. Wenn die neuesten Statistiken 
besonders gute Resultate ergeben sollen, so mag das auch mit 
daran liegen, dass die Beobachtungsdnuer eine ungenügende ist. 
Die vorzüglichen Resultate Z w e i f e l's mit der Laparotomie 
sind mir wohl bekannt, aber dem gegenüber stehen die meisten 
Operateure mit besseren Erfolgen bei der vaginalen Methode. 
Herrn R o s e’s Verfahren, Uterus und Ovarien allein zurück¬ 
zulassen, halte ich aus den oben angeführten Gründen direct für 
falsch und verweise wieder auf die häutige Nothwendigkeit der 
nachträglichen Uterusexstirpation. Sein Vergleich zwischen den 
Ovarien und den Beinen scheint mir etwas schwach, denn eine 
genitalkranke Frau, besonders eine ältere, wird sehr gerne ihr 
gesundes Ovarium opfern, aber eine Frau mit einem kranken Bein 
würde sich den Verlust des gesunden kaum gutwillig gefallen 
lassen. 

Biologische Abtheilunq des ärztlichen Vereins Hamburg 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung v o m 24. O e t o b c r 18 )9. 

Vorsitzender: Herr S i m m o n d s, 

Schriftführer: Herr Henkel. 

Demonstrationen. 

Herr Meinecke demonstrirt, im Anschluss an den Vortrag 
von Herrn üimmonds, Präparate, welche für eine Arbeit über 
Uterusgefasse gemacht sind. 

Er hat bei 12 Uteri, die von Frauen von 28 Jahren aufwärts 
stammen und ohne Auswahl den Leichen entnommen wurden, in 
7 Fällen GefiissVeränderungen gefunden und hat folgende Be¬ 
funde: 

In allen Fällen, auch bei denen ohne pathologische Gefäss- 
veräuderungen, erscheint die Muscularls der Uterusarterien stark 
entwickelt. 

DeformirendeVeränderungen der Intima sind nicht gefunden. 

In einem Falle handelte es sich um eine proliferiremle Eiul- 
arteriitis. 

In den übrigen Fällen betreffen die Veränderungen haupt¬ 
sächlich die Muscularis, in geringerem Grade die Advcntltia. Die 
Media ist enorm verdickt, in ausgedehntem Maasse ist Kem- 
schwund der Muskelzellen und hyaline Degeneration eingetreten. 
In einem Falle ist viel Kalk in die Media eingelagert. In einzelnen 
Fällen ist auch die Adventitia verdickt und zum Theil hyalin de- 
generirt. 

Es wurde niemals Blutung iu’s Gewebe oder unter die 
Schleimhaut oder im Uavum uteri gefunden in der Nähe der er¬ 
krankten Gefässe. 

M e i n e e k e zieht aus diesen Befunden den Schluss, dass 
1. nicht so sehr die Intima der Uterusarterien eine deformirende 
Veränderung eingeht, als vielmehr sich die Media und Adventitia 
pathologisch verändert und dass 2. bei der Häufigkeit von Ver¬ 
änderungen der Uterusarterien diese nicht so sehr für die von 
Herrn S I m m o u d s vorgestellten Blutungen verant wortlich ge¬ 
macht werden dürfen. 

D i s c u s s i o n : Herr S i m m o n d s hat die von Herrn 
Mein ecke beschriebenen Arterienveränderungen bei jüngeren 
Frauen nur dann gefunden, wenn Schwangerschaften voraus¬ 
gegangen waren. Er zeigt das Photogramm einer Uterinarterie 
einer 21) jährigen Frau, welche P/ 2 Jahre zuvor geboren hatte. 
Eine hochgradige Verengerung des Gefüsslnmons war hier durch 
Intima Wucherung verursacht worden. 

2. Herr Wiesinger legt das Präparat einer Ober- 
schenkelfractur vor, welche bei einem seit 25 Jahren an Tabes 
leidenden <54 jährigen Manne dadurch entstanden war. dass der¬ 
selbe an einem Tische stehend plötzlich einknicktc und hinfiel. 
Es handelte sich also um eine sogenannte Spontanfractur. wie 
sie bei Rüekeumarksleiden. Tabes. Syringomyelie ete. bedingt 
durch trophisehe Störung, durch Rareficirung der Knochen zu¬ 
weilen beobachtet wird. Das Präparat ist insofern von Interesse, 


als das proximale Ende in die Markhöhle des distalen eingekeilt 
erscheint. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die Cortiealis 
des distalen Endes der Länge nach gespalten ist und die Lücken 
durch Callusmasse ausgefiillt sind, so dass ein vollständiger 
Uylinder hergestellt wird, in welchem das proximale Ende der 
Diapliyse steckt. 

Bemerkenswerth ist noch, dass im vierten Monat (die Fractur 
war nicht consolidirt), während das Bein im Streckverband lag, 
eine spontane Vereiterung der Bruchstelle eintrat, hervorgerufen 
durch haematogeue Infectiou durch ulcerirende Lungentiibercu- 
lose. 

3. Herr E. Fraenkel demonstrirt an zahlreichen, theils 
frischen, theils eonservirten, zum Theil niacerirten Sägeschnitten 
durch die ganze Wirbelsäule, sowie au der Hand von Röntgen- 
bildern das Vorkommen von Krebsmetastasen der Wirbelsäule. 
Danach ist zu unterscheiden: 1. eine osteomalacische 
Fo r m , die zu einem Schwund der Kuochensubstnnz führt, und 
die theils in der Form einzelner oder zahlreicher, circumscripter 
Knötchen vorkommt, oder aber eine diffuse krebsige Infiltration 
der Spongiosa vorstellt. Es lässt sich aber auch für diese Form 
nachweisen. dass sie aus der Uonfluenz einzelner Knötchen her¬ 
vorgeht. 2. eine osteoplastische Form: hier kommt es 
zur Neubildung von Knoehonsubstanz; diese Form trifft man 
hauptsächlich bei Männern, und zwar bei primärem Prostata- 
Uarcinom an. während sie bei Frauen seltener ist und liier nur 
nach Mammaearcinom beobachtet wird. 3. Combiuation von 
1 und 2. 

D i s c u s s i o n. Herr S i m m c> n d s: Gibt es Caremomfälb*. 
bei denen die Mctastasenbildung sich lediglich auf die Wirbelsäule 
beschränkt? 

Herr F raeukel glaubt sich auf das Vorkommen derartiger 
Fälle zu besinnen. 

4. Herr Lenhartz demonstrirt das anatomische Präparat 
eines Falles von acuter fibrinoeser Bronchitis auf diphtheri- 
tischer Infection beruhend, bei einem 7 jährigen Knaben. 2 mal 
24 Stunden nach dem Auftreten der ersten Kranklieitsersehei- 
liimgeu Mar der Exitus eingetreten: das ganze Bronchialsystem 
bis in die feinsten Aeste war mit tibrinöseu Gerinnseln atis- 
gogossen. Bei Envachsencu hat L. 4 derartig ausgedehnt' 1 Fällt* 
beobachtet. Klinisch handelte es sich jedesmal tun acute librinösr 
Bronchitis, baeteriologisch um Diphtherie. 2 von diesen Fällen 
wurden durch Diphtherieserum günstig beeinflusst, so dass L. 
zu dem Resultat gekommen ist, dass ein grosser Theil der echten 
fibrinösen Bronchitisfülle auf diphthcritisclie Infection zurück¬ 
zuführen ist. 

D i s e u s s i o n. Herr F r a e n k e 1 : Die Ausführungen des 
Herrn Lenhartz gipfeln in der Frage: Gibt es einen acuten 
Larynxcroup oder nicht, und ist weiterhin der Diphtheriebacillus 
als Erreger dieser Krankheit anzuspreeheu? Fr. hat in 4 der¬ 
artigen Fällen den Löffle Eschen Dinhtheriebaclllus nach¬ 
weisen können. Das Freibleiben der Nase und des Nasenrachen¬ 
raums spricht an sich nicht gegen das Vorkommen des acuten 
Larynxeroups. Sodann gibt es eine chronisch recidivirende fibri¬ 
nöse Bronchitis, die nur bei Erwachsenen verkommt und sich in 
Intervallen über Tage und Wochen hiuzieht. Handelt es sich hier¬ 
bei aetiologisch auch um Diphtherie? 

Herr L e n li a r t z : He n o c h negirt im Gegensatz zu L. 
das Vorkommen des primären Larynxeroups überhaupt. L. nimmt 
jedoch an, dass es sich hierbei sehr wohl um Infection mit dem 
Diphtheriebaeillus handeln könne. Ad 2 verfügt er über keim» 
eigenen Erfahrungen, möchte jedoch glauben, dass die Aetiologie 
dieser Krankheit eine andere sei. 

5. Herr Lenhartz demonstrirt den Iuhrtlt einer durch 
Operation eröffneten Lungenbrandhöhle.] Der betreffende Kranke 
war 1V, Jahr vorher an Empyem (Streptococceninhalt) operirt 
M'ordon. Wohlbefinden bis vor l /* Jahr, dann Husten, foetider 
Auswurf. Physikalisch wurde eine Uaverne im 1. Unterlappen 
festgestellt. Spntummengeii täglich 300 ccm, stark stinkend. 
Baeteriologisch dichter Bactcrienraseii, ausserdem Fettnadeln. 
Aetiologie des Brandherdes hier unbekannt. Im vorletzten von 
L. operirt eil Fall fanden sich in der Höhle Zahnfragmciite. Der 
Patient, ist jetzt fast vollständig geheilt, hat nur noch wenig, 
nicht riechenden Auswurf. 

Vortrag d<»s Herrn Franke : lieber die Lepra des Auges. 

Fr. hat gemeinsam mit Dr. Del bauen 3 Augen von 2 In¬ 
dividuen untersucht, welche an maculüs-anaesthctischer Lepra 
zu Grunde gegangen waren. 

Das erste Auge stammte von einem 20 jährigen Patienten, 
der interstitielle Rnndkeratitis M'älirend des Lebens gehabt hatte. 
Das Auge war zuletzt völlig reizlos und gebrauchsfähig gewesen. 
Mikroskopisch fanden sich Bacillen in Häufchen liegend im Cilinr- 
korper zwischen den Muskelbündeln und im bindegewebigen An 
theil, soM’ie den Ciliarfortsätzen. Von dort aus gingen die Bacillen 
in die Iriswurzel. Hornhaut und angrenzende Lederhaut üben 
Die hinteren Tlieile des Auges waren gesund. Das zweite Auge 
zeigte makroskopisch I’lithisis anterior (von der Hornhaut war 
nur noch ein Viertel vorhanden). Die Hornhaut war auf etwa ein 
Viertel ihres Areals reducirt. Mikroskopisch fand sich die Horn¬ 
haut in allen Schichten durchsetzt von Bacillen. Irls uud Ciliar 
körper Maren aufgegangen in lepröses Granulationsgewebc. 
welches den Raum der früheren Vorderkammer füllte und in dem 
die Reste der D e s e e m e Vsclien Haut lagen. Dieses Gewebe 
enthielt in sehr reichlicher Menge Leprubaeillen. Die Linse war 
in der Resorption begriffen, die frei endigenden Liusenfasern 


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2. Januar 1900% 


MÜNCHEN EU MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


31 


waren von Fremdkörperriesenzellen umklammert. Von den vor¬ 
deren Theilen der Aderhaut war die Suprachoreoidea kolossal ver¬ 
breitert, die in ihr verlaufenden Ciliarnerven umgeben von Ba¬ 
cillenhaufen, welche sich auch in den Nerven selbst fanden. Die 
vordersten Abschnitte der Netzhaut gleichfalls enorm verbreitert 
durch Hypertrophie der Stützfasern; gleichzeitiger Schwund der 
nervösen Elemente. In allen Theilen dieses Abschnittes zahl¬ 
reiche llerde von Bacillen, sowie vereinzelt liegende Exemplare 
derselben. 

Lederhaut in den vorderen Abschnitten gleichfalls durch¬ 
setzt von Bacilleu. 

Hintere Theile normal, abgesehen von Stauungspapille. 

Drittes Auge ähnlich, nur waren die Veränderungen hier noch 
weiter fortgeschritten, die Hornhaut fehlte völlig, ebenso die 
Binse. 

Epikritisch wird darauf hingewiesen, dass das Vorkommen 
von Bacillen überall an Granulationsgewebe gebunden war, ab¬ 
gesehen von der Netzhaut. Allenthalben fanden sich Lymph- 
gefässe, die völlig durch Bacillen thrombosirt waren. 

Vortragender spricht sich für endogenen Weg der Infcction 
in seinen Fällen aus und macht auf das besonders deutliche 
Hebergreifen der Infection auf die Aderhaut auf dem Wege der 
Nervenbahn aufmerksam. 

(Der Vortrag wird durch eine grosse Zahl von mikro¬ 
skopischen Präparaten und Zeichnungen erläutert.) 


VI. Versammlung des Vereins süddeutscher Laryn- 
gologen 

zu Heidelberg am 3. April 1899. 

III. 

Demonstrationen. Herr Winckler - Bremen zeigt 1. die 
Photographie einer Nasen Verletzung, bei der es sieh um einen 
eomplieirten Querbrueh im unteren Drittel der Nasenbeine mit 
Luxation des Septumknorpels ln der Verbindung mit dem Vomer 
gehandelt hat. Die Reposition wurde in Narkose 2 Tage nach der 
Verletzung vorgenommen und die richtige Stellung der Nase 
durch Jodoformgazetamponade gesichert, die 10 Tage hindurch in 
der Nase liegen blieb. Die nach der Fracturstelle führende kleine 
Hautwunde wurde ebenfalls mit einem Jodoformgazestreifen 
ausgefüllt, der häufiger gewechselt wurde . Die Heilung ist. wie 
eine zweite Photographie zur Anschauung bringt, vollkommen 
gelungen. 

2. Ich möchte Ihnen sodann 2 Präparate herumgeben, welche 
ich im verflossenen Sommer 1898 durch Resection des Oberkiefers 
gewonnen habe. Sie bringen gleichzeitig das verschiedenartige 
Wachst luirn der Oberkiefercarcinome zur Illustration, ln dem 
einen Falle handelte es sich um einen fast die ganze Mundhöhle 
einnehmenden Tumor, der dem 67 jährigen Patienten die Nahr¬ 
ungsaufnahme nahezu unmöglich machte. Ich musste bei der 
Operation nicht allein den ganzen rechten Oberkiefer, sondern 
auch das von Tumorrnassen zerstörte Septum naiium und den 
von der Geschwulst eingenommenen linken Nasenboden entfernen. 
S Tage nach der Operation konnte dem Patienten bereits eine 
grosse Platte mit Zähnen angefertigt werden, die ihm die Nahr¬ 
ungsaufnahme auch festerer Form gestattete. Trotz des unglück¬ 
lichen Zustandes war der Patient jetzt sehr zufrieden. Er wurde 
Mitte September operirt. Seit Anfangs November habe ich ihn 
nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich wird er ein Recidiv haben 
und möglicher Weise nicht mehr am Leben sein. Ohne die Ent¬ 
fernung der Geschwulst wäre er elend verhungert. Erwähnen 
möchte Ich noch, dass Patient angeblich längere Zeit hindurch 
mit d< in Galvanokauter behandelt wurde. Dies sei 2 Monate 
vor n.einem Eingriff 4 Wochen hindurch geschehen. Darauf sei 
Innerhalb kurzer Zeit eine rapide Zunahme des Tumors einge¬ 
treten. Sie sehen die respectable Grösse der Geschwulst, die mau 
als fast faustgross bezeichnen kann. Während nun bei diesem 
Fall das seltene Waclisthum der Oberkiefercarcinome vom Antrum 
Ilighmori durch die dicke untere Wand nach der Mundhöhle zu 
stau fand, die Nasenhöhle selbst nur in den unteren Abschnitten 
an dem carcinoinatösen Process betheiligt war, zeigt der zweite 
Fall die gewöhnliche Verbreitung des Oberkiefercarcinoms durch 
die relativ schwache mediale Antrumwand. Der Fall betrifft 
eine 56 jährige Frau, welche etwa seit 3 Monaten an totoaler Ver¬ 
stopfung der rechten Nase litt. Aeusserst profuse Blutungen, 
welche die Patientin innerhalb der letzten Wochen sehr herunter 
gebracht hatten, veranlnssten meine Cousultation und meinem 
Eingriff. Bemerken möchte ich bei diesem Falle, dass sowohl das 
Kiebbein als auch die Keilbeinhöhle der affieirten rechten Nasen¬ 
seite mit Polypen angefüllt waren, die sich als Schleimpolypen 
auf chronisch entzündeter Schleimhaut nach der mikroskopischen 
1 Untersuchung herausstellten. Aus der Stirnhöhle, deren Boden 
ich ebenfalls eröffnete, wurde ein dickschleimiges Secret entleert. 
Polypen wurden bei der Evacuation mit dem scharfen Löffel nicht 
heraus befördert. Bei der am 4. VIII. 1898 ausgeführten Resec¬ 
tion des rechten Oberkiefers glaubte ich in diesem Falle den 
rechten Nasenboden und das Septum nariuin, da beide makro¬ 
skopisch vollkommen normal aussahen, erhalten zu können. Als 
Ich nach meiner Ferienreise im October die Patientin wieder sah, 
hatte sich lm Septum in der Höhe der mittleren Muschel ein 
Tumor entwickelt, der mich zu einer ausgiebigen Resection der 


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Nasenscheidewand am 4. XI. 1898 bestimmte. Gleichzeitig ent¬ 
fernte ich die linke mittlere Muschel, welche dem Tumor dicht 
anlag. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Septuiu- 
geschwulst Carcinom war. Bis jetzt — ich habe die Patientin am 
30. III. 1899 wieder gesehen — ist ein Recidiv nicht zu beobachten. 
Ob sie geheilt bleiben wird, kann man nicht wissen. Sicher ist, 
dass sie ohne Operation an den Blutungen wohl bald zu Grunde 
gegangen wäre, und dass sie seit dem Eingriff au Gewicht zu- 
genommeu hat (ca. 10 Pfund). Sie hat bei der Resection, die in 
diesem Falle nach vorausgeschickter Tracheotomie — im ersten 
Falle ohne den Luftröhrenschnitt — gemacht wurde, nach Aus¬ 
sage des der Operation beiwohnenden Hausarztes nicht hall) so 
viel Blut verloren, wie bei einer der vo rau «gegangenen Nasen- 
blutungen. Erwähnen«werth ist noch, dass gleichzeitig mit dem 
Recidiv im Septum auch wieder Polypen im oberen ausgeräumten 
Abschnitt der Nase zur Beobachtung gelangten, welche wohl 
durch Usur der dünnen Haut am inneren Augenwinkel eine 
grössere Fistel erzeugt hatten. 

Bei dieser Patientin habe ich nun in den breiteröffneten 
rechten Sinus sphenoidalis einen weiblichen Katheter gelegt und 
eine Röntgenaufnahme machen lassen. Ebenso ist in den rechten 
Hiatus semilunaris eine Sonde gesteckt lind veranschaulicht Ihnen 
beifolgende Röntgenaufnahme die Lage und Tiefe der Sonde. 

Herr Siebenmann- Basel : Die Behandlnng der chro¬ 
nischen Eiterungen der Higmorshöhle durch Resection der 
oberen Hälfte (Pars supraturhinalis) ihrer nasalen Wand. 

Im Laufe des letzten Jahres trat in unsere klinische Behand¬ 
lung ein junger Mann mit beinahe totaler Verstopfung beider 
Nasenhöhlen und mit beiderseitiger Naseneiterung. Anamnese 
und Untersuchung ergaben, dass vor einiger Zeit wegen Polypen 
die Nase „ausgebrannt“ worden war mul dass nun die hyper¬ 
trophischen Schleimhuutpartion der mittleren Muschel sowohl mit 
dem Septum als mit der lateralen Nasenwand derart ausgedehnt 
verwachsen waren, dass für die Schlinge sich nirgends Platz noch 
Angriffspunkt bot. Das Gebiss war untadelig er¬ 
halte n. Eine Function der Oberkieferhöhlen ergab beiderseits 
eitrigen Inhalt. Ich führte nun in diesem Falle nach voraus¬ 
geschickter Cocainisiruug den kleinen Finger kräftig und rotireud 
bis in die Gegend der mittleren Muschel, trennte auf beiden 
Flächen ihre Synechien und entfernte ihre vordere Hälfte mit der 
Knochenzange. Dann drückte ich unter der Bulla ethmoidalis 
die Wand dos mittleren Nasenganges mit der Kuppe des kleinen 
Fingers ein und schlitzte ebenso ohne weiteres Instrument die 
gesetzte Oeffnung nach vorn und hinten in der ganzen Länge 
der nasalen Wand der Ilighmorshöhle, so dass eine Oeffnung von 
etwa 1 r /jj cm Höhe und 2—3 cm Länge entstand und die in der 
Highmorsliöhle liegende Fingerspitze deren sulzig geschwellten 
höckerigen Wände bequem abtasteu konnte. Ebenso verfuhr Ich 
auf der anderen Seite. Eine starke Blutung machte iu der Folge 
die Tamponade nothwendig. Nach 4 Tagen wurden die Jodoform¬ 
gazestreifen ohne weitere Erneuerung entfernt und nun konnten 
bequem mit der kalten Schlinge die beim Einreisseu der Wand 
entstandenen Fetzen entfernt werden. In den nächsten Wochen 
erlernte Patient das Einfuhren unseres Katheters in die beiden 
Kieferhöhlen und später auch in die ebenfalls eiternden, von der 
Nase aus ziemlich leicht zugänglichen Stirnhöhlen. Eine Controle 
ln den letzten Wochen hat uns gezeigt, dass die Kieferhöhlen- 
eiterung, nachdem Patient während ca. Y* Jahr täglich selbst zu 
Hause die Borausspülung vorgenommen hat, nun nicht mehr 
nachweisbar ist. das Stirnhöhlenempyem aber, wenn auch wesent¬ 
lich gebessert, noch fortbesteht. 

Seither haben wir noch 5 weitere chronische Oberkiefer¬ 
höhlenei terungen auf diese Weise behandelt und sind dabei zu 
der Uebcrzeugung gelangt, dass die genannte. Operation nicht 
nur in allen Fällen leicht und rasch von Statten geht, sondern 
dass auch in der weiteren Folge für den Patienten damit gewisse 
Vortheile verbunden sind, auf deren Besprechung ich mir hier 
noch kurz einzugehen erlaube. 

Dabei möchte ich vorausschicken, dass in der Regel nur ein 
chronisches Empyem einen solchen Eingriff erfordert und 
erlaubt. Ich würde aber auch bei der acuten Eiterung in 
Zukunft ebenso Vorgehen, im Falle dass die Beschwerden über¬ 
haupt eine Operation verlangen und dass eine Anbohrung von 
der Alveole aus durch das Vorhandensein eines i n - 
tacten Gebisses verunmöglicht wäre. Zucker¬ 
kand 1 sagt in dieser Beziehung sehr richtig (vergl. Anatomie 
der Mundhöhle, Wien 1891, p. 194): „Bei intactem Gebiss einen 
Mahlzahn zu extrahiren, wie dies auch vorgeschlagen wurde, 
ist gelinde gesagt eine Barbarei und dürfte überhaupt nur bei 
jenen Patienten möglich sein, die mehr behandelt als gefragt 
werden“. 

I)as eigentliche Gebiet für die Resection der Pars supra- 
turbinalis wird indessen die ch ronische Oberkieferhöhlen- 
eiterung sein und zwar speciell 1. jene Fälle, wo aus eben ge¬ 
nannter Ursache vom Alveolarfortsatz (und wohl auch von der 
Fossa canina) aus eine Eröffnung nicht gemacht werden darf, 
oder 2. wo bei defcctem Gebiss die Höhle zwar iu der Alveolar¬ 
bucht eröffnet worden ist, die Behandlung aber sich sehr in die 

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32 


Münchener medicinische Wochenschrift. 


No. i. 


Länge zieht und der Canal bei stetiger Tendenz zu Verengerung 
wiederholt erweitert werden muss. In letzterem Falle sieht man, 
dass oft die Besorgung der Höhle vom Patienten vernachlässigt 
wird und dass Letzterer, schon aus Furcht vor dem Schmerz beim 
Einführen des Instrumentes durch den verengten Canal, sich in 
der weiteren Folge der Behandlung entzieht. Obturatoren, 
welche dies verhindern sollen, werden lästig empfunden, schädi¬ 
gen — wenn sie durch Klammem an benachbarte Zähne fixirt 
sind — letztere oft empfindlich und können, wenn sie Nachts 
nicht entfernt werden, zu ernsten Gefahren Veranlassung geben. 
Trägt der Patient ein Gebiss, so passt ihm dasselbe nach der 
breiten Eröffnung vom Alveolarfortsatz aus nicht mehr genau. 
Bei sehr ausgiebiger Resection tritt ein näselnder Timbre auf, 
bis nach einigen Monaten die Oeffnung sich wieder verengt hat. 

Was die Resection der facialen Highmorshöhlen wand 
bei intaetem Gebiss anbelangt, so stehen etwas geringere 
Hindernisse entgegen. Immerhin kommen auch hier fast die 
nämlichen Indicationen und Contraindicationen in Betracht. 
Auch das Abfliessen des Eiters in den Mund ist das nämliche wie 
nach der Resection der Alveolarbucht, dagegen ist das Risiko 
des Eindringens von Speisen geringer. Beides wird vermieden 
durch das Verfahren von Mikulicz-Krause. Aber auch 
mit den Modificationen von Torwaldt und Schmidt etc. 
ist schon das Anlegen des Bohrcanals namentlich bei jüngeren 
Individuen schwierig, weil die Knochenwand dick ist und das 
Instrument zudem meistens schräg durch diese hindurch ge¬ 
bohrt werden muss. Noch schwieriger aber ist das Offenbehalten 
des Bohrcanals auf einer solchen Weite, dass dem auswärts 
wohnenden Patienten eine lange Nachbehandlung ganz über¬ 
lassen werden kann. 

Der mittlere Nasengang bietet die geeignetsten Chancen zur 
Anlegung einer grossen persistirenden Oeffnung, da 
hier die Wand am dünnsten ist und am raschesten eine lippen¬ 
förmige Uebernarbung des Wundrandes zu Stande kommt. Die 
Möglichkeit, von hier aus die Höhle abzutasten, ist genügend. 
Die Ausspülung kann durch den Patienten leicht und gründlich 
auf diesem Wege vollzogen werden; ausserdem wird die eiternde 
Schleimhautfläche durch die Resection dieses Stückes in vor- 
theilhafter Weise verkleinert. 

Ein kurzes Wort bedarf noch die Frage, ob die geschilderte 
Methode als inferior zu qualificiren sei gegenüber den schon 
bestehenden Operationsverfahren bloss desswegen, weil die 
eiternde Höhle in ihrer oberen Hälfte eröffnet wor¬ 
den i s t. Es genügt wohl, in dieser Beziehung darauf hinzu¬ 
weisen, dass die Abflussverhältnisse hier mindestens so günstig 
liegen, als in denjenigen Fällen von Anbohrung der Highmors¬ 
höhle, wo die Oeffnung in der Alveolarbucht ausser der Zeit der 
Ausspülung verschlossen ist, entweder durch Granulation oder 
durch einen Obturator. 

Bezüglich der Ausführung der Operation wäre etwa noch 
Folgendes nachzuholen: 

Eine allgemeine Narkose ist durchaus entbehrlich. Vor¬ 
läufiges Einlegen eines cocaingetränkten Tampons in die Nasen¬ 
höhle, event. auch Einspritzen einer Cocainlösung in die High¬ 
morshöhle, rufen eine genügende Anaesthesie hervor, so dass 
ich bis jetzt zu keinen submucösen Einspritzungen greifen 
musste. Bei sämmtlichen bis jetzt operirten Erwachsenen war 
es nur möglich, den kleinen Finger in seiner ganzen Länge 
in die Nase hinein zu pressen; bei ganz engem Vestibulum 
müsste die Operation mit dem scharfen Löffel ausgeführt werden. 
Ich habe denselben übrigens in 2 Fällen, während der Finger in 
der Nasenhöhle lag, auch von der Punctionsöffnung des Alveolar¬ 
fortsatzes aus unterstützend gebraucht und mich also hierbei 
dem B ö n n i n g h a u s’schon Verfahren genähert. Für die 
rechte Highmorshöhle wird vom Operateur der kleine Finger 
der rechten Hand, für die linke Highmorshöhle der kleine Finger 
der linken Hand eingeführt. Das Abtasten der Oberkiefer¬ 
höhle und das Aus wischen der Schleimhaut Wucherungen mit der 
Fingerspitze gelingt erst, nachdem die ganze Pars supraturbi- 
nalis eingedrückt und aufgerissen ist. 

Die Entfernung des fetzigen Randes der 
Operationswunde geschieht am besten erst nach erfolgter Blut¬ 
stillung, d. h. nach 4 tägiger Tamponade. Ausser der kalten 
Schlinge findet auch die schneidende Zange, der scharfe Löffel 
lind das Sichelmesser Verwendung. Die mittlere Muschel 
muss nur da entfernt werden, wo sie abnorm kräftig entwickelt 

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ist, und auch hier nur wegen der Erleichterung, welche dem 
Patienten bei der Caiiülencinführung undi bei der späteren 
Selbstbehandlung hieraus erwächst. Bei gleichzeitig bestehender 
Eiterung anderer Nebenhöhlen ist ihre Entfernung wünsehens- 
werth. Letztere gelingt um so leichter, als die dünne knöcherne 
Platte bei dem von mir beschriebenen Eingriff ja doch gewöhn¬ 
lich an der Ansatzstelle einbricht. Eine Verletzung des Ductus 
lacrimalis ist bei dem beschriebenen Verfahren ganz aus¬ 
geschlossen, da derselbe am vordersten Ende der Pars supra- 
turbinalis liegt und hier von einem knöchernen Mantel um¬ 
hüllt ist. Indessen ist es doch rathsam, das Sichelmesser und 
den scharfen Löffel an dieser Stelle gar nicht oder nur unter 
schwachen Druck anzuwenden. 

Das hier in Betracht kommende Krankenmaterial und die 
Beobachtungszeit sind zu gering, als dass ich Ihnen brauchbare 
Zahlenangaben machen köimte bezüglich der auf obige Weise 
erzielten Heilungsresultate. Der Zweck des Vortrages war viel¬ 
mehr der, hinzuweisen darauf, dass wir ein noch wenig geübtes 
Operationsverfahren besitzen, welches, trotzdem die Persistenz 
der Oeffnung dabei am sichersten garantirt ist, doch zu den 
schonendsten gehört. 

Herr Fiselienieh hat gegen die Siebenmann’sche 
Methode einzuw r enden, dass dieselbe doch nur in einer verschwin¬ 
denden Anzahl von Fällen möglich ist, da das Eiuführen des 
Fingers in die Nase uud das nachträgliche Eindrücken der Sinus¬ 
wand grosse Schwierigkeiten macht. F. fragt an, ob es sich in 
dem ersten Falle nicht gleichzeitig um eine Phlegmone der unteren 
Muscheln handelte, wie er über einen solchen Fall, allerdings 
mit Betheiligung des hinteren oberen Choanenrandes vor mehreren 
Jahren berichtete. 

Herr Richard Hoffmaun - Dresden hat in einem Falle 
die Kieferhöhle, bezw. einen Nebenraum derselben, worüber noch 
berichtet werden soll, vom unteren Nasengang aus eröffnet, nach 
Resection der vorderen Hälfte der unteren Muschel. Die an¬ 
gelegte Oeffnung liess sich in diesem Fall leicht offen halten. 
Will man etwa bei intaetem Gebiss die Kieferhöhle von der Nase 
aus eröffnen, so erscheint H. die Eröffnung vom unteren Naseu- 
gang aus rationeller als das Verfahren von Sieben mann, weil 
die Höhle an ihrem tiefsten oder einem relativ tiefen Punkte ge¬ 
troffen wird. Andererseits erfordert die Freilegung vom unteren 
Nasengang aus die partielle Resection der unteren Muschel, was 
nicht ohne Bedenken zu sein scheint. 

H. demonstrirt eine Trephine für die Freilegung der Kiefer¬ 
höhle vom unteren Nasengang und ein Winkelhandstück zum 
Anschluss an den Elektromotor. 

Herr Seifert hält die von Herrn Siebenmann ange¬ 
gebene Operationsmethode für nicht ganz unbedenklich und zwar 
könnte sehr leicht der Arzt sich eine Infection zuziehen. 

Herr Jens hat auch wiederholt vom mittleren Nasengang 
die Kieferhöhle eröffnet aber nicht mit dem Finger, sondern mit 
gebogenen Messern von der hinteren Fontanelle aus, indem er 
zwei Schnitte nach vorne führt und das entsprechende Gewebs- 
sttick mit einer gebogenen Zange wegnimmt. 

Herr K i 11 i a n macht darauf aufmerksam, dass schon im 
Jahre 1869 (Langenbeck’s Archiv, Bd. 11) Wagner die Kiefer¬ 
höhle mit dem kleinen Finger vom mittleren Nasen¬ 
gang aus eröffnet hat. Auch Bayer (Deutsch, med. Wochenschr. 
1899) und Rethi (Wiener med. Presse No. 16, 1896) legten hier 
auf instrumentellem Wege grössere Oeffnungen an. Sehr bequem 
geht das mit dem K i 11 i a n’schen Sichelmesser, welches in eine 
natürliche oder künstliche Oeffnung der Kieferhöhle im mittleren 
Nasengang eingeführt wird. 

Da man von solchen Löchern aus, auch wenn sie sehr gross 
sind, die oedematösen Wülste der Antrumschleimhaut niemals 
aus allen Winkeln entfernen kann, so wird die breite Eröffnung 
vom Munde aus nach wie vor zu Recht bestehen bleiben. 

Herr W i n c k 1 e r hat die Methode des Herrn Sieben mann 
im Jahre 1898 bereits 2 mal beschrieben. Er betont, dass es eine 
Reihe von Fällen gibt, bei denen sich die Entstehung der com- 
binirten Herdeiterung: Siebbein und Antrum durch den ver¬ 
breiterten Siebbeinbogen nachweisen lässt. Nimmt man die 
Operation von der Fossa canina aus vor, so gelingt es unter 
Leitung des Auges, unter Umständen bis an die Lam. papyracea- 
cribrosa und Keilbeinhöhle zu gelangen, lt. zeigt dann noch eine 
Reihe von Präparaten, in denen der Sinus sphenoid. bis an das 
Antr. Highmori reicht 

Herr Lieven - Aachen sah den Vorgang, den Herr Sieben¬ 
mann bei seiner Operation vornimmt, in 2 Fällen spontan ent¬ 
stehen, indem ein grosses Stück aus der lateralen Nasenwand 
durch syphilitische Caries abgestossen wurde. Hierdurch konnte 
gleichzeitig bestehende Highmorshöhleneiterung rasch der Hei¬ 
lung entgegengeführt werden. 

Herr Slcbenmaun (zu seinem Vortrag) erwidert Herrn 
Fischenich, dass eine Phlegmone in dem von ihm ange¬ 
deuteten Sinne völlig ausgeschlossen gewesen sei, sondern dass 
es sich lediglich um ausgedehnte Adhaerenzen von Schleimhautpoly¬ 
pen handelte. Das von Fischenich betonte räumliche Missver- 
hältniss zwischen Finger und Nase kann gewiss hie und da ein¬ 
mal in Frage kommen; ebenso darf die Infeetionsgefakr für den 
operlrenden Finger durch Knochenfragmente nicht unterschätzt 
werden. Indessen hat die Erfahrung bis dahin gar keine Ver- 

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2. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


33 


aulassung zu diesen Bedenken gegeben. Was schliesslich den von 
K i 11 i a n erwähnten Vortheil eines gründlichen Curettements 
gegenüber demjenigen eines blossen Auswiscliens der Schleim- 
hautexcrescenzen durch den betastenden Finger betrifft, so denkt 
der Vortragende weniger optimistisch von aller Therapie länger 
bestehender Empyeme. Auch er glaubt, dass die geschilderte 
Methode für das unheilbare chronische Empyem ihren Haupt¬ 
werth besitze. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 2. Januar 1900. 

— Im Berliner Institut für Infectionskrankheiten 
haben Curse begonnen, um für den Fall, dass die Pest auch 
uns heimsuchen sollte, gerüstet zu sein und einen 8tab geschulter 
Aerzte mit dem erforderlichen Wärterpersonal zur Verfügung zu 
haben. Die Aerzte sollen durch besondere Curse befähigt werden, 
die Krankheit ihrem Charakter nach sofort festzustellen und den 
Erkrankten die geeignete Behandlung angedeihen zu lassen. Das 
Medicinalministerium lässt zu diesem Zwecke durch das Institut 
für Infectionskrankheiten in einem Laboratorium ausserhalb der 
Stadt solche Curse von je zehn Tagen veranstalten. Der erste 
Cursus hat Donnerstag, den 28. ds. begonnen und dauert bis zum 
8. Januar, der zweite findet vom 15. bis zum 25. Januar, der dritte 
vom 29. Januar bis zum 8. Februar, der vierte vom 12. bis zum 
22. Februar statt. Zugelassen werden dazu Bacteriologen, die ent¬ 
weder hygienische oder bacteriologische Institute selbständig leiten 
oder an Bolchen Instituten wenigstens ein Jahr als Assistenten ge¬ 
arbeitet haben. Die Zulassung erfolgt aber nur gegen die Ver¬ 
pflichtung, sich im Falle des Auftretens der Pest dem Medicinal* 
ministerium zur Untersuchung und Feststellung der Krankheit und 
zur Krankenbehandlung zur Verfügung zu stellen. Auch Bacteriologen 
in nicht staatlicher Stellung können an den Veranstaltungen theil- 
nehmen; sie haben ein Honorar von 50 Mk. zu zahlen. Die Leitung 
haben der Director des Königsberger Hygienischen Instituts Prof. 
Dr. Pf eif f er, der Vorsteher der wissenschaftlichen Abtheilung des 
hiesigen Instituts für Infectionskrankheiten Prof. Dr. Frosch und 
der Assistent am Institut Prof. Dr. K o 11 e übernommen. Aelin- 
liche Curse für Pestuntersuchung und Krankenbehandlung ver¬ 
anstaltet gleichzeitig das Reichsgesundheitsamt für preussische 
nnd nichtpreussische Bacteriologen. Anmeldungen zu diesen Cursen 
nimmt der Präsident des Reichsgesundheitsamtes, Wirkl. Geheim. 
Oberregierungsrath Dr. Köhler, zu den preussischen Prof. Dr. 
Frosch im Institut für Infectionskrankheiten entgegen. Mit der 
Unterweisung der Aerzte geht eine Ausbildung der Krankenwärter 
Hand in Hand. 

— Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung ge¬ 
meingefährlicher Krankheiten soll, wie verlautet, dem 
Bnndesrath in Kürze zugehen. In demselben wird, der Allg. Zeitung 
zufolge, die Anzeigepflicht für Lepra vorgesehen und eine Er¬ 
weiterung des Kreises von Maassregeln zum Schutz gegen die 
Uebertragung der Pest beantragt. Unter anderem sollen solche zur 
Vertilgung und Femhaltung von Ratten, Mäusen und anderem Un¬ 
geziefer angeordnet werden dürfen. Auch soll der Buudesrath er¬ 
mächtigt werden können, über die bei der Ausführung wissen¬ 
schaftlicher Arbeiten mit Krankheitserregern zu beobachtenden 
Vorsichtsmaassregeln, sowie über den Verkehr mit Krankheits¬ 
erregern und deren Aufbewahrung Vorschriften zu erlassen. 

— In der heutigen Nummer bringen wir auf Seite 16 von 
sachverständiger Seite eine Darstellung der Bestimmungen des 
büigerlichen Gesetzbuches über die Verjährung ärztlicher 
Forderungen. Wir bemerken dazu, dass, wie aus dieser Dar¬ 
stellung hervorgeht, die Angaben, die der Münchener Rechtsschutz¬ 
verein über die Verjährung nach neuem Recht seinen Mitgliedern 
gemacht hat und die auch in No. 50 d. W. mitgetheilt waren, nicht 
ganz zutreffend sind und daher der Berichtigung bedürfen. 

— Die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder hat 
den beamteten Aerzten des Reichs einen Fragebogen Überreicht, 
aus dessen Beantwortung der jetzige Stand des öffentlichen Bade¬ 
wesens in Deutschland hervorgehen soll. Es liegt im Plane, die 
gewonnene Uebersicht auf der Pariser Ausstellung des kommenden 
Jahres zu allgemeiner Kenntniss und Würdigung zu bringen. — 
Demnächst tritt auch das Preisgericht zusammen, welches über Er- 
theilung der von der Gesellschaft ausgesetzten Preise für die besten 
Entwürfe von kleineren und mittleren Volksbadeanstalten ent¬ 
scheiden soll. Die eingegangenen Pläne werden im Laufe des 
Monats Januar der Öffentlichen Besichtigung zugänglich gemacht, 
und zwar. Dank dem Entgegenkommen des Herrn Präsidenten 
Dr. Köhler, im Sitzungssaale des Gesundheitsamtes (Klopstock- 
strasse 19/20) zur Ausstellung gelangen. 

— Pest. Britisch-Ostindien. Die Zahl der während der Woche 
vom 18. bis zum 25. des laufenden Monats in ganz Indien bei den 
Behörden zur Meldung gelangten Peststerbefälle betrug 2080 gegen¬ 
über 2968 in der vorhergehenden Woche. In der Stadt Bombay 
haben sich diese Todesfälle von 100 auf 136 gesteigert, dagegen 
sind die entsprechenden Ziffern für die gleichnamige Präsident¬ 
schaft von 2055 auf 1714 gesunken; namentlich ist in den südlichen 
Marhattastaaten eine bedeutende Besserung eingetreten. Die Prä¬ 
sidentschaft Madras und der Staat Mysore wiesen keinen erheb¬ 
lichen Wechsel im Stande der Krankheit auf. In Kalkutta ge- 

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langten während der Berichtswoche 48 Peststerbefälle gegenüber 
44 in der Vorwoche zur Meldung, und im Saranbezirk in der Pro¬ 
vinz Bengalen kamen einige vereinzelte Fälle vor. — Paraguay. 
In der Zeit vom 31. October bis 6. November incl. sind 6 Todes¬ 
fälle an Pest constatirt worden, davon 2 ausserhalb der Haupt¬ 
stadt. Im Monat October sind im städtischen Civilregister im 
Ganzen 102 Sterbefälle eingetragen, darunter 22 an Pest. 

— In der 49. Jahreswoche, vom 3. bis 9. December 1899, hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬ 
keit Bamberg mit 34,2, die geringste Solingen mit 5,9 Todesfällen 
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬ 
storbenen starb an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Gera, Hagen, 
Köln, Nürnberg; an Scharlach in Altenburg, Duisburg, Gleiwitz; an 
Diphtherie und Croup in Bromberg, Halberstadt. (In der Vorwoche 
an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Nürnberg, Plauen, Würzburg). 
— In der 50. Jahreswoche, vom 10. bis 16. December 1899, hatten 
von deutschen Städten über 40000 Einwohner die grösste Sterblich¬ 
keit Bamberg mit 31,2, die geringste Koblenz mit 8,7 Todesfällen 
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬ 
storbenen starb an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Plauen, Würz¬ 
burg; an Scharlach in Metz; an Diphtherie und Croup in Bamberg, 
Brandenburg, Flensburg, Görlitz, Halberstadt, Linden, Lübeck. 

— Prof Hermann Kos sei wurde zum Regierungsrath und 
Mitglied des kaiserl. Gesundheitsamtes ernannt. 

(Hochschulnachrichten): 

Berlin. Geheimrath Prof. Brieger, bisher Vorsteher der 
Krankenabtheilung des Instituts für Infectionskrankheiten, hat 
einen Lehrauftrag für allgemeine Therapie erhalten. Der Assistenz¬ 
arzt am hiesigen Institut für Infectionskrankheiten Dr. Wilhelm 
Ko Ile ist zum Professor ernannt worden. 

Breslau. Der Brest. Ztg. zu Folge soll Geheimrath Dr. Käst 
für Halle als Nachfolger von Theodor Weber bestimmt sein, 
während Professor Dr. Uhthoff einen Ruf nach Berlin an Stelle 
Schweigger’s, dos Nachfolgers Gräfes, erhalten habe. 

Heidelberg. Die medicinische Facultät der Universität Heidel¬ 
berg hat auf Anregung von Seiten der Regierung hin einstimmig be¬ 
schlossen, F r a u e n als ordentliche Hörerinnen zuzulassen. 
Sie haben damit gleiche Pflichten und Rechte wie die männlichen 
Commilitonen, können alle Prüfungen wie diese ableisten, müssen 
aber das Zeugniss der Reife eines deutschen Gymnasiums erlangt 
haben. Ausserordentliche Hörerinnen werden nicht zugelassen. 
Die betreffende Sitzung fand Mittwoch, 20. December, statt. 

Leipzig. Prof. March and-Marburg hat einen Ruf als Nach¬ 
folger Birch-Hirschfeld’s erhalten und angenommen. 

München. Am 20. December 1899 habilitirte sich für Ana¬ 
tomie Dr. Ludwig Neumayer aus Freising, Assistent an der ana¬ 
tomischen Anstalt. Die Probevorlesung behandelte als Thema: 
„Die gegenwärtige Kenntniss des Zusammenhangs der Zellen des 
Thierkörpers durch Zellbrücken.“ Die Habilitationsschrift führt den 
Titel: „Studie zur Entwickelungsgeschichte des Gehirns der Säuge- 
thiere“. 

(Todesfälle.) In London starb der bekannte Epidemiologe 
und Medicinalstatistiker Sir Richard Thorne, früher Arzt am 
St. Bartholomew’s Hospital, 58 Jahre alt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Auszeichnungen: Der Verdienstorden vom heiligen Michael 
IV. Classe: Dem Regierungs- und Kreismedicinalrath in Lands¬ 
hut, Dr. Ambros Herrmann und dem praktischen Arzt Hof- 
rath Dr. Guido Jochner in München. Der Titel und Rang 
eines k. Medicinalrathes: dem Bezirksarzt und Hausarzt bei der 
Gefangenanstalt Sulzbach, Dr. Peter Walter; dem Bezirksarzt 
I. Classe in Regensburg, Dr. Julius Bertram; dem Bezirksarzt 
I. Classe in Pegnitz, Dr. Georg Teicher; dem Bezirksarzt I. Classe 
für den Amtsbezirk München I, Dr. Otto Zaubzer; dem Bezirks¬ 
arzt I. Classe in Erlangen, Dr. August Maurer. Der Titel und 
Rang eines k. Hofrathes: dem praktischen und Bahnarzt Dr. Max 
Grünewald und dem praktischen Arzt Dr. Ferdinand May in 
München; dem ausserordentlichen Professor an der k. Universität 
München, Dr. Friedrich B e z o 1 d; dem praktischen Arzt Dr. Gustav 
Herrich Schaeffer in Regensburg; dem praktischen Arzt Dr. 
Gustav W o 11 n e r in Hersbruck; dem praktischen Arzt Dr. Heinrich 
Welsch in Bad Kissingen; dem praktischen und Bahnarzt Dr. 
Carl Fröhlich in Aschaffenburg; dem Oberarzt der chirurgischen 
Abtheilung des städtischen Krankenhauses in Augsburg, Dr. August 
Schroiber. Der Titel eines k. Geheimen Rathes: dem ordent¬ 
lichen Professor an der k. Universität Würzburg und Oberarzt des 
Juliusspitals daselbst, Dr Wilhelm Olivier Ritter v. Leube; dem 
ordentlichen Professor an der k. Universität Erlangen, Dr. Walther 
Ritter v. H e i n e k e. Der Titel und Rang eines ausserordentlichen 
Universitätsprofessors: dem Privatdocenten an der k. Universität 
München, Dr. Carl Schlösser. Das Komturkreuz des Militär¬ 
verdienstordens: dem Generalstabsarzt der Armee Dr. Ritter v. Vogl, 
Chef des Sanitätscorps und der Medicinalabtheilung im Kriegs¬ 
ministerium. Das Ritterkreuz 2. Classe des Militärverdienstordens: 
den Oberstabsärzten 1. Classe Dr. Kratzer, Regimentsarzt im 
6. Chev.-Reg. und Dr. Baumbach, Chefarzt des Gamisonslazareths 
Neu-Ulm. (Fortsetzung auf Seite 36.) 

Original frnrri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



34 


MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Amtlicher Erlass. 

Deutsches Reich. 

Bei der commissarischen Berathung, welche zur Verein¬ 
barung von Pestmaassnahmen am 28. September 1891) im Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamte stattgefunden hat, wurde die Zusammen¬ 
stellung und Veröffentlichung einer ausschliesslich für Aerzte 
bestimmten Belehrung über die Pest für uothwendig erachtet. 
Mit der Feststellung des Wortlauts einer solchen Belehrung wurde 
ein Sonderausschuss, bestehend aus den ausserordentlichen Mit¬ 
gliedern des Gesundheitsamtes, Herren Geheimen Medicinal- 
riithen Prof. Dr. G a f f k y - Giessen und Prof. Dr. Gerhardt- 
Berlin, sowie den Herren Prof. Dr. Pfeiffer- Königsberg und 
Prof. Dr. S t i c k e r - Giessen, beauftragt. Die Belehrung hat die 
nachstehende Fassung erhalten: 


Belehrung Uber die Pest. 


Die Geschichte der Seuchen lehrt, dass die Pest, so oft sie 
sich in Europa gezeigt und gewüthet hat, stets eiugeselileppt 
Worden ist. Sie lehrt ferner, dass wiederholt ein einzelner Pest¬ 
kranker es war, der ein vorher verschontes Land angesteckt hat. 
und dass ausnahmslos jede Pestseuche auch dann, wenn die Art 
ihrer Einschleppung unbekannt blieb, sich mit vereinzelten Krank¬ 
heitsfällen langsaip und allmählich angesponnen hat. 

Bei drohender Pestgefahr ist also die Erkennung der ersten 
Fälle von unberechenbarer Bedeutung, ja die Vorbedingungen für 
frühzeitige und wirksame Abwehr weiterer Pestausbreitung. 

Die folgende Belehrung hat den Zweck, die Aerzte mit den 
wesentlichen Erscheinungen der Pest als Krankheit und a 1 s 
Seuche bekannt zu machen und sie so in den Stand zu setzen, 
nach Möglichkeit der Verantwortung für das Gemeinwohl gerecht 
zu werden, welche sie in Pestzeiten wie sonst bei ansteckenden 
Seuchen mit den öffentlichen Gesundheitbehörden theilen. 

Die Pesterkrankung setzt meistens plötzlich ein und verläuft iu 
der Regel als ein 3 bis 5 tägiges Allgemeinleideu. Eine entzünd¬ 
liche Schwellung äusserer Lymphdrüsen oder eine Pustel, ein 
Carbunkel auf der Haut oder eine Lungenentzündung treten als 
örtliche Krankheitserscheinung im Beginn oder irn weiteren Vol¬ 
lauf hervor oder werden erst an der Leiche gefunden. Das ist. 
das allgemeine Bild in den gröbsten Zügen. 

Zu alten Zeiten, in welchen die Pest auftrat hat sich gezeigt, 
dass selbst hervorragende Aerzte, welche die feineren Züge des 
Bildes nicht kannten oder an die Pest nicht dachten, bei den 
ersten Krankheitsfällen die Ueberzeugung hegen konnten, sie 
hätten es mit einem gemeinen Carbunkel oder mit einer gewöhn¬ 
lichen Lymphdrüseninfectiou oder mit einer alltäglichen Lungen¬ 
entzündung oder mit einem rasch oder bösartig verlaufenden 
Typhus, Wechselflober, Milzbrand zu thun, und dass sie so lange 
in ihrem Irrthum verharrten, bis die Häufung ähnlicher Erkran¬ 
kungen, die wachsende Zahl der Todesfälle, die zweifellose An¬ 
steckungskraft der Krankheit ihnen zum Bewusstsein brachte, 
dass ein ausserordentliches, unheimliches Uebel unter ihren Augen 
sich entwickelt hatte. 

Die Krankheit befällt Personen beider Geschlechter in jedem 
Alter und jedem Stande; in den Häusern der Armen und Elenden 
pflegt sie zuerst zu erscheinen und am bösartigsten aufzutreten. 

Dem Beginn des ausgesprochenen Krankseins gehen mitunter 
stundenlang oder tagelang Vorboten vorauf: Mattigkeit, Nieder¬ 
geschlagenheit. Kreuzschmerzen, Kopfweh, Vermehrung des 
Durstes, Verminderung der Esslust. Häufig ist der Beginn ganz 
plötzlich. Stechende, brennende oder dumpfe Schmerzen an der 
Stelle, an welcher sich später oder alsbald die Drüsenentzündung, 
der Carbunkel oder die Pneumonie ausspricht, können das erste 
o sein ’ zu welchem daun rasch Frösteln bis zum 

Schüttelfrost und folgende Fieberhitze sich gesellen. Das Fieber 
kann einige Stunden oder Tage bestehen, ehe die örtlichen Zeichen 
sich ansbilden. 


_ P? n Krankheitsbeginn begleitet fast ausnahmslos ein Gefiil 
des Schwindels im Kopf, das sich zum schweren Rausch Steiger 
kann und dann mit den äusseren Zeichen grosser Beuommenlie 
und mangelnder Herrschaft über die Glieder einherzugehen pfleg 
Ekel oder Erbrechen begleitet den Schwindel oft; Herzschwäcl 
bis zum Collaps nicht selten. 

... ^ e 5 in J ^ er Kl *anke in ärztliche Behandlung kommt, so ist g 
wohnlich in schweren Fällen das ICrankheitsbild schon voll en 
wickelt. Den Blick in’s Leere gerichtet, das Gesicht gedunsei 
schlaff und ausdruckslos, das Augenweiss lebhaft gerötliet m 
schwerer, stammelnder Sprache, unsicherem, taumelndem Gan 
macht der Kranke ganz den Eindruck eines Betrunkenen. Dies* 
Wi L d ™ ltu l lter dadurch vermehrt, dass Abschürfung^ 
S lge ® eu, S n der Haut, beim Wanken und Hinstürzen d< 
Kranken entstanden, Gesicht und Glieder entstellen. Die Zum 
ist weisshch, wie mit Kalk getüncht, seltener himbeerähnllch roi 
md warzig; die Haut ist am ganzen Leibe trocken und brenner 

wi hrond d0 ai 8 e f?* 4 an r GesIcht unfl Rumpf erhöhte Wärm 
Ivwonfu k U i ? i ; ls os ? u Glieder schon kühl und mit klebrige 
wiliu !?i bed ? Ck , t s L iDd - 1>ie . Athmung ist ängstlich, seufzend, di 
Herzschlag stark beschleunigt, die Arterien entspannt, der Pu 

dem d Frl?«ni allS dHPPdschlägig, gross oder bereits fadenförmi 
dem Erloschen nahe, wahrend der Ilerzstoss noch lebhaft ist 
Zu Bette gebracht liegt der Kranke bald in grosser Scliwiicl 
l? e H l g ??* murmelt friae oder schwatzt verworren v< 
l al hin d n r n M WU Zt ? k ; h unruhI K mi t lautem Irrereden auf de 
..In g wiia m \ 1nd r? P , r ’ erhebt sich, beginnt ein rastloses Wandel* 
1 ^dtheudes loben und macht unter dem Antrieb der Vorsti 


lung: er müsse nach Hause, er müsse an sein Geschäft, er müsse 
seinen Durst löschen, Fluchtversuche, wenn er nicht vom Wärter 
gehalten oder an’s Bett gefesselt wurde. 

Bei genauer Untersuchung gelingt es in den meisten Fällen, 
bereits in den ersten Krankheitsstunden den örtlichen Krankheits¬ 
herd zu finden und damit der Diagnose näher zu kommen. Eine 
frisch entstandene Drüsengeschwulst oder eine Hautpustel oder 
die Zeichen beginnender Lungenentzündung gehören zum vollen¬ 
deten Bilde der Pestkrankheit, die also unter drei Formen, als 
Drüsenpest, Hautpest oder Lungenpest, auftreten kann. 

Magendarmpest ist bisher nur bei Thiereu sicher festgestellt. 

Bei der D r ü s e n p e s t oder Bubonenpest, der weitaus häu¬ 
figsten Form der Krankheit, handelt es sich um die Bildung eines 
Bubo, der sich als geringere oder stärkere, rascher oder langsamer 
sich entwickelnde, entzündliche Anschwellung einer oder mehrerer 
Lymphdrüsen und der sie umgebenden Gewebe darstellt; jede 
äussere Lymphdrüse kann erster Krankheitssitz sein. In den 
weitaus meisten Fällen entsteht der Bubo in der Leistenbeuge 
oder im oberen Schenkeldreieck; häufig in der Achselhöhle oder 
— besonders bei Kindern — am Halse; iu einzelnen Fällen sind 
die Drüsen am Hinterkopf, in der Ellenbeuge, in der Kniekehle, 
die vorderen oder hinteren Ohrdrüsen, die Zungenbeindrüse u. s. w. 
Sitz der Entzündung. Sehr oft findet man die äusseren Lymph¬ 
drüsen iu einem geringen Reizzustand oder scheinbar vom Krank¬ 
heitskeim übersprungen, während die verborgenen Drüsen zweiter 
oder dritter Ordnung zu Bubonen sich entwickeln, so dass z. K. 
die Schenkeldrüsen frei bleiben und ein grosser Iliacalbubo oder 
Lumbalbubo entsteht, der wie eine perityphlitische Geschwulst 
durch die Bauchdecken hindurch gefühlt werden kann; oder eine 
Halsdrüse undeutlich geschwollen ist, dagegen eine Dämpfung in 
der Schlüsselbeingegend und Druckerscheinungen an den Hals¬ 
organen die Bildung eines Bubo im obersten Theil der Brust¬ 
höhle verrathen. Am Bubo lassen sich entweder die einzelnen ver- 
grösserten Drüsen deutlich abtasten oder die Entzündung des 
Zw’iscliengewebes hat sie zu einein dicken Haufen verpackt, der 
sich gegen die Umgebung nur undeutlich absetzt, häufig auch von 
teigigem Oedem w r eit in die Nachbargew r ebe und über die Haut 
umgeben wird. Am Bubo ist die Druckempfindlichkeit gewöhn¬ 
lich w eitaus grösser als der spontane Schmerz, so dass der Kranke 
bei ruhiger halber Beugung des Gliedabschnittes, über welchem 
der Bubo sich entwickelt, keine Qual zu leiden hat. Ein kleiner 
Bubo wird von dem Kranken und seiner Umgebung häufig gar 
nicht bemerkt, so das er vom Arzt durch Abtasten aller erreich¬ 
baren Drüsen vorsichtig und wiederholt gesucht w-erden muss. 

Pestpustel und Postenrbunkcl sind im Vergleich zum 
Pestbubo nicht; häufig. Sie beginnen mit einem flohstichartigen, 
etw a linsengrossen Flecken an irgend einer Stelle der Haut. Aus 
dem lebhaft schmerzenden Flecken entwickelt sich rasch ein 
kleineres oder grösseres Bläschen mit trübem Inhalt. Entweder 
bleibt es dann bei der Bildung der Pustel oder die unterliegenden 
Gewebe werden derb und hart, um sich bald zu einem tiefgreifen¬ 
den Karbunkel und weiterhin in ein brandiges Geschwür umzu- 
wandelu. Von der Pustel sieht man oft entzündete Lymphgefässe 
zu dem nächsten Drüsenlager führen, in welchem dann ein Bubo 
zu entstehen pflegt. Auch zum ausgebildeten Karbunkel kann 
sich der benachbarte Bubo gesellen. 

Die L u n g e u p e s t, w r elche in einzelnen Pestseuchen auf¬ 
fallend vorherrscht, meistens aber gegenüber der Drüsenpest an 
Häufigkeit zurücktritt, verläuft fast genau wie eine gewöhnliche, 
heftige, katarrhalische oder w r ie eine croupöse Pneumonie. Sic 
kann, wenn auch die schweren Allgemeinerscheinungen ihr oft 
von vorneherein ein besonders bösartiges Aussehen geben, im 
einzelnen Falle von anderen Lungenentzündungen ohne die bac- 
terioskopisclie Untersuchung des Ausw r urfes nicht mit Sicherheit 
unterschieden w erden. 

Bubo, Pestpustel, Lungenentzündung sind gleich zu Beginn 
der Krankheit, mitunter vor dem Fieber, da oder entwickeln sich 
deutlich einige Stunden oder Tage nachher; selten verzögert sich 
ihr Erscheinen bis zum dritten Tage. 

Bei allen Formen der Pest ist die frühe Herzschwäche auf¬ 
fallend; bei allen können im Beginn Reizerscheinungen am Magen 
und Darm, Druckempfindlichkeit in der Gegend des Oberbauches 
und in der Blinddarmgegend, heftiges Erbrechen, später auch Ab¬ 
gang schwarzer Kothmassen auftreten. Mit einiger Regelmässig¬ 
keit w r erden beobachtet ein leichter Grad von Aufblähung dos 
Bauches, eine weiche, tastbare oder percutirbare Milzanschwel¬ 
lung, Spuren von Nucleoalbumin und Serumalbumin im Harn, 
Bluterbrechen oder Blutharnen sind seltener. Eine diphtherische 
Erkrankung der Gaumenmandeln wird oft und frühzeitig ge¬ 
funden, fast regelmässig ist ein geringerer oder stärkerer Grad 
von Bindehautreizung, zu der sich häufig und oft rasch eine Horn¬ 
hautentzündung gesellt, welche zur völligen Vereiterung des 
Auges führen kann. Punktförmige oder streifenförmige Blu¬ 
tungen in der Haut und in den Schleimhäuten sind iu ver¬ 
schiedenen Epidemien ungleich häufig. Mitunter sieht man im 
Verlaufe der Krankheit unterhalb der Bubonen sich Lymph- 
gefässentzündungen entw ickeln, im Bereich derselben Blasen auf- 
schiessen, neue Bubonen in verschiedenen Körpergegenden sich 
den alten hinzugesellen. 

Der Verlauf der Pesterkrankung ist, je nach dem Organ, 
welches befallen w r urde, insofern verschieden, als manche Fälle 
von Hautpest, und Drüsenpest ziemlich milde und gutartig ohne 
bedeutende Krankheitszeichen verlaufen können, während die 
Lungenpest in der Regel unter schwersten Erscheinungen rasch 
zum Tode führt. Unter den Bubonen pflegen die Halsbubonen 
den übelsten Krankheitsverlauf zu bedingen; bei ihnen erfolgt 


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2. .Januar 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


35 


der Tod häufig durch Erstickung. Es gibt auch Fälle, in welchen 
vor jeglichen Zeichen einer Localisirung, sogar ehe den Kranken 
ihr Leiden zum Bewusstsein kommt, der Tod blitzschnell eintritt. 
Der dritte oder auch wohl der vierte Krankheitstag bringt zu¬ 
meist einen Abfall des Fiebers und sehr häufig zugleich den Tod. 
Wenn der Kranke den dritten oder vierten Tag übersteht, so 
kann er entweder auch fernerhin fieberfrei bleiben, um zu ge¬ 
nesen. oder das Fieber beginnt auf’s Neue und verläuft wie bis 
dahin ohne oder mit Nachlässen weiter. Am sechsten und am 
neunten Krankheitstage zeigen sich dann fast regelmässig wieder 
tiefe Einschnitte der Temperatur- und Pulscurve, so dass eine 
längere Kranklieitsdauer, welche sich ausnahmsweise selbst über 
die zweite Woche hinaus erstreckt, durch Nachschübe bedingt 
erscheint, die sich auch im Auftreten neuer secundärer Bubonen 
kimdgeben können. Die Körperwärme pflegt im Fieber 3« bis 
40 ° c.. oft aber auch weniger zu betragen; ein Ansteigen oder 
Verweilen auf 41 u C. und mehr wird namentlich im Beginn der 
Krankheit oder eines Nachschubes nicht selten beobachtet. Vor 
dem Tode pflegt die Körperwärme mit dem schnellen Verfall der 
Kräfte rasch zu sinken oder auch wohl plötzlich abzufalleu; sie 
kann jedoch auch noch steigen und selbst in der Leiche 42° C. 
und mein* betragen. 

Der geschilderte Gang des Pestfiebers wird in manchen 
Fällen durch hinzutreteude anderweitige Infectionen gestört; 
noch häufiger schliessen sich der eigentlichen Pesterkraukung 
andere Infectionen mit dem durch sie bedingten Fieber au, so 
namentlich Infectionen mit Streptococcen, Staphylococcen, 
Pueumococcen oder Influenzabacilleu. 

Der Tod kann den Krankheitsverlauf zu irgend einer Zeit 
unterbrechen; in den mit Genesung endigenden Fällen kann der 
Abfall aller Krankheitserscheinungen plötzlich oder allmählich 
erfolgen. Todesursache pflegt, wo nicht Erstickung durch Hals¬ 
bubonen oder durch Lungenentzündung eintritt, die allmählich 
oder plötzlich eintretende Lähmung des Blutkreislaufes zu sein. 

Des Ausganges in Genesung erfreuen sich 10 bis höchstens 
etwa 40 Proc. der Erkrankten. Er erfolgt nach der Entfieberung 
bei Drüsenpestkrankeu unter allmählicher Zertheilung oder an¬ 
nähernd ebenso häufig unter Vereiterung des Bubo; bei Kar- 
bunkelkranken unter rascher oder langsamer Abstossung der 
brandigen Gewebe. 

Die Genesung zieht sich in den schweren Fällen lange hin. 
Ein plötzlicher Herztod kann scheinbar Geheilte noch früh oder 
spät wegraffen. Im Eiterfleber sterben Viele; an später Pest- 
meningitis Einige. Secundäre Infectionen, besonders der Luft¬ 
wege, begünstigt durch mangelhafte Pflege und unsaubere Um¬ 
gebung. tödten zahlreiche Reconvalescenten. Noch nach Wochen 
und Monaten gehen Manche in fortschreitendem Siechthum an 
langwieriger Eiterung, an fortschreitender Entartung innerer 
Organe oder an zunehmender Blutverarmiing zu Grunde. 

Puter den Nachkrankheiten spielen Lähmungen im Bereich 
der verschiedensten Nervengebiete eine grosse Rolle. 

Die allgemeine Prognose der Pestkrankbeit ist bei der 
grossen Tödtliehkeit schlecht. Im einzelnen Falle ist sie nie mit 
Sicherheit zu stellen. Man kann sagen, dass, wer nach dem 
dritten oder sechsten Tage fieberfrei ist, wahrscheinlich genesen 
wird, falls nicht schwere Complicationen bestehen. 

Frühzeitiges Auftreten der Bubonen ist verhältuissmässig 
günstig; durchaus ungünstig sind blutiges Erbrechen, Bluthamen, 
Petechien, nachträgliches Ausbrechen von Furunkeln und Kar¬ 
bunkeln, Mandeldiphtherie. Singultus kündet den nahen Tod an. 
Von Lungenpest genesen Wenige. Vorherbestandene chronische 
Krankheiten der Lunge und anderer Eingeweide nehmen die Aus¬ 
sicht auf Genesung fast ganz. Die Sterblichkeit der Schwind¬ 
süchtigen, der Syphilitischen, der Säufer pflegt in Pestläufen 
ausserordentlich gesteigert zu sein. 

Zweimalige Erkrankung au der Pest gehört zu den Aus¬ 
nahmen. Der zweite Anfall endet meist tödtlich. 

Die Diagnose der Pest ist innerhalb der Epidemie aus 
dein schnell ausgebildeten schweren fieberhaften Allgemeinleiden 
m den meisten Fällen leicht zu stellen, wenn die Ausbildung eines 
ertlichen Krankheitsherdes in Lymphdrtisen, auf der Haut, in 
der Lunge hinzutritt, und wenn überdies die rauschartige Be¬ 
nommenheit des Kranken, der wankende Gang, der elende, ausser¬ 
ordentlich weiche Puls, die Injection des Auges, die weiss- 
iMunclite Zunge berücksichtigt werden. Ausserhalb der Epidemie 
bleibt sie selbst im ausgebildeten Krankheitsfalle eine Wahr- 
s< heinlichkeitsdiagnose, welche Milzbrand, bösartige Wechsel¬ 
nder oder Typhus, gewöhnliche Pneumonie mit in Betracht zu 
ziehen hat. Die leichteren Fälle mit geringen örtlichen und all- 
P meine Iv rank hei tszei eben und die schwersten, bei welchen der 
Tod vor der Bildung irgend eines örtlichen Krankheitsproductes 
eintritt, entgehen der Diagnose, wenn nicht die bacteriologische 
1 ntersuchung am Kranken oder an der Leiche hinzutritt. 

Teberhaupt schützt vor Fehldiagnosen allein der Nachweis 
dt-s Pesterregers, dessen Eigenschaften daher an dieser Stelle 
ebenfalls kurz besprochen werden sollen. 

Der Pesterrege r ist ein Bacillus ohne Eigenbewegung, 
dir in Form und Grösse je nach den äusseren Entwickelungs- 
bedingungen, der Beschaffenheit des Nährbodens und dergi. zie.ru- 
•kli beträchtliche Verschiedenheiten aufweist, ln der Regel er¬ 
scheint er als kurzes, an den Enden abgerundetes Stäbchen, dessen 
Länge etwa 2 bis 3 mal die Breite übertrifft. Nicht selten ist aber 
auch der Unterschied zwischen Länge und Breite so gering, dass 
die Stäbchen form wenig hervortritt. 

Die Pestbacillen lassen sich in Ausstrichpräparaten leicht 


mit den gebräuchlichen Anilinfarben färben. Dabei nehmen die 
äusseren Theile des Bacillenkörpers und namentlich die Enden 
vielfach die Farbe stärker auf als die Mitte (Polfärbung), eine Er¬ 
scheinung, welche besonders bei vorsichtiger Färbung mit 
Methylenblau hervortritt. Nach der Gram’schen Methode lassen 
sich die Pestbacillen nicht färben. 

Die künstliche Züchtung der Pestbacillen gelingt bei Luft¬ 
zutritt auf und in den gebräuchlichen Nährböden und Nährflüssig¬ 
keiten (Agar-Agar, erstarrtem Blutserum, Gelatine, Bouillon etc.) 
leicht; bei Luftabschluss bleibt dagegen das Wachsthum aus. In 
zuckerhaltigen Nährböden rufen die Pestbacillen keine mit Gas¬ 
entwicklung einhergehende Gährung hervor. Ihr Wachsthum ist 
bei Temperaturen zwischen etwa 25 und 37 0 C. annähernd gleich 
gut Zwischen 10 und 15 ü C. ist es zwar verlangsamt, aber noch 
kräftig, und selbst bei einer Temperatur von etwa 5° C. ist es 
noch nicht ganz aufgehoben. Wenn die für die Cultur benützte 
Aussaat dem pestkranken Körper oder der Pestleiche entnommen 
war, so ist das Wachstlium selbst bei günstigen Wärmegraden ein 
langsames. Auf der Oberfläche von erstarrtem Agar z. B., das 
bei 37 u C. gehalten wurde, zeigen sich unter solchen Umständen 
die ersten, mit blossem Auge eben wahrnehmbaren Anfänge der 
Colonienbildung uicht vor Ablauf von 24 Stunden, und zur vollen 
Entwickelung bedarf es eines Zeitraumes von 2 mal bis 3 mal 
24 Stunden. Die Obertiächencultur besteht daun aus zarten, 
bei Lupenbetrachtung durchsichtigen, kleinen, tröpfchenartigen 
Colonien, welche wenig Neigung zum Zusammentiiessen haben. 
In Bouillon gezüchtet, wachsen die Pestbacillen vielfach in Form 
von mehr oder weniger laugen streptococcenähnlichen Ketten. 
Auf sehr trockenem Agar, namentlich aber auf Agar mit 2 bis 
3 proc. Kochsalzgehalt gezüchtet, bilden die Pestbacillen schon in 
1 bis 2 Tagen zahlreiche, ganz auffällige Involutionsformen, 
grosse kugelige oder unregelmässig gestaltete Gebilde, welche sich 
grösstem heils nur mangelhaft mit Anilinfarben färben lassen. 

Dauerformen der Pestbacillen sind nicht bekannt. In 
Flüssigkeiten sterben die Bacillen schon bei einer Erwärmung 
auf 55 bis 60° in 10 Minuten ab. Die Siedehitze tödtet sie sofort. 
An Leinwand und dergleichen angetrocknet, können sie sich in 
unserem Klima mehrere Wochen lebensfähig erhalten. 

Die Pestbacillen finden sich in allen Krankheitsproducten des 
Lebenden und meistens ira ganzen Körper des an der Pest Ver¬ 
storbenen. Der Saft und die Gewebe frischer Bubonen und Kar¬ 
bunkel, das entzündliche Exsudat in der Lunge enthalten die 
Bacillen in ungeheurer Menge. Im Inhalt der spontan auf¬ 
brechenden oder bei eingetretener Reife aufgeschnittenen Bubonen 
werden sie nur ausnahmsweise gefunden, so dass sie in Fällen von 
Drüsenpest, die in Genesung endigen, durch Ineision des frischen 
Bubo gewonnen werden müssten. Doch geben diese Fülle am 
wenigsten Anlass zu diagnostischen Zweifeln und Irrthtiraern. 
Die Blasen und Karbunkeln liefern, wenn sie angeritzt werden, 
leicht das Material für die bacteriologische Diagnose. In den 
weitaus meisten Fällen von Lungenpest giebt der Auswurf, der 
stets zahllose Pestbacillen enthält, das sichere diagnostische 
Mittel. Fehlt der Auswurf, so gibt die Section oder eine Punction 
der Lunge an der Leiche den Aufschluss, falls er nicht schon vor¬ 
her aus der bacteriologischen Untersuchung des Blutes gewonnen 
war. Diese Blutiintersuchung sollte in keinem Pestfalle unter¬ 
lassen werden, da sie immer leicht aiiszuführen und oft ent¬ 
scheidend ist. Bei den allermeisten Pestkranken, welche sterben, 
findet man während der letzten Lebensstunden, mitunter schon 
Tage vorher, im Blutstropfen, welcher durch einen Nadelstich von 
irgend einer Hautstelle gewonnen wird, die Bacillen spärlich oder 
zahlreich. Aus den normalen Absonderungen, aus Speichel, 
Schweiss, Harn, Milch. Menstrualblut, Lochien sind sie schwerer 
und weniger häutig zu gewinnen. Massenhaft und regelmässig 
erscheinen sie im terminalen Lungenoedern. 

War die bacteriologische Untersuchung beim Lebenden aus 
irgend einem Grunde unausführbar oder erfolglos, so ist sie an der 
Leiche stets leicht und sicher, besonders wenn man die Unter¬ 
suchung von Gewebsschnitten, Cultureii und den Impfversuch 
an einer Ratte oder Maus der mikroskopischen Prüfung hinzu¬ 
gefügt. Ausser den primären Locallsadenen in der Haut, in den 
Drüsen und in der Lunge bieten Blut, Milz, Lungenhypostasen, 
Galle, Duralflüssigkeit besonders geeignete Objecte für den Nach¬ 
weis des Bacillus. 

Ueberhaupt stellt erst die Leicheneröffnung viele Pestfälle, 
welche während des Lebens unerkannt oder unsicher blieben, 
klar. Der anatomische Befund pflegt gleichmüssiger und desshalb 
charakteristischer zu sein als das Krankheitsbild. Neben den 
Primärläsioneu. den speckig oder markig geschwollenen Lymph- 
drüsen mit sulziger, oft blutiger, weit reichender Durchtränkung 
der Nachbargewebe ln dem einen Falle, dem Karbunkel mit tief¬ 
greifender Infiltration seiner Unterlage im anderen Falle, den 
lobulären oder lobären Verdichtungen der Lunge im dritten Falle, 
findet man fast in jeder Leiche eine weiche geschwollene Milz, 
lackfarbenes Blut und wohl ausnahmslos Blutaustritte in ver¬ 
schiedenen Organen, besonders reichlich im Magen, im Dünndarm 
und Coeeuin, in den Nierenbecken u. s. w„ ferner hier und da 
herdförmige Nekrosen und hochgradige parenchymatöse Ent¬ 
artungen der drüsigen Eingeweide, besonders der Leber. 

In der Behandlung der Pestkranken ist das Wich¬ 
tigste die Sorge für ein gutes Lager, für frische Luft, für kühle 
Waschungen. Der grosse Durst der Kranken soll unbeschränkt 
gelöscht werden. Frisches Wasser, säuerliche Getränke, Milch 
nehmen die Kranken am liebsten. Geistige Getränke widerrathen 
viele Aerzte bei ausgesprochener Depression des Hirns und der 
lebenswichtigen Centren. 


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MÜNCHENER MEIHCIXISCIIE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Kino Reinigung der Yerdauungsorgane durch Ricinusöl oder 
ähnlich«* milde Mittel wird von vielen Aerzten empfohlen und er¬ 
scheint zweckmässig auf Grund des Leichenbefundes, der gerade 
an mechanisch g«*ivizt«»n und dur<*h Kothstauung beschwerten 
I tarmtheilen gehäuft«» Hlutaustritte ergibt. Heber die Wirksam¬ 
keit herzoiTegender Mittel in der IVst sind die Aerzte nicht einig. 

Ausbrentieii oder Ansätzen «ler etwa vorhandenen Pestpustel, 
Einreibungen von grauer Salbe, Sublimat- oder (’arbolwasserum- 
Schläge über Lyiuplig«»füss<*ntzümliingi»n oder Bubonen erscheinen 
zweckmässig. Die weitere Behandlung der Bubonen geschieht 
nach chirurgischen Grumlsülzcn. Bei Kranken mit Lungenpest 
ist die Einathmung einer 1 proc. (’arbolwasserzerstäubung zu ver¬ 
suchen. 

Der wichtigste Schutz für Wärter und Aerzte bildet pein¬ 
lichste Reinlichkeit. Die grosse Gefahr der Ansteckung durch 
das Sputum der Luugeupesi kranken und durch die Lungenoedem- 
tliissigkeit der Sterbenden ist besonders zu vergegeinvärUgtm. 

Di«» Desinfect io n hat sich auf alle Abgänge des Pa¬ 
tienten und auf die mit ihm in Berührung kommenden Degen- 
Stände zu erstrecken. Von chemischen Desinfektionsmitteln eignen 
sich besonders Lösungen von Sublimat (1 prom.i, (’arbolwasser 
i.‘> proc.n Kresol sei feil h'jsung. sowie ('hlorkalklösung »2 proc.i. 

Als vofb e ugendt'S Mittel wird — namentlich zum 
Schutze von Aerzten und Krankt*nptl<*goni die I m p f u n g mit 
abgetödteten Pesteulturcn. die sogenannte aclive Immunisirung, 
in Frage kommen. Diese Pestschulzimpfung ist. wie die in In¬ 
dien aiisgeführteu Massenimpfungen gezeigt haben, ungefährlich 
und verleilit einen, wenn auch nicht sicheren, so doch unverkenn¬ 
baren Schulz gegen die Infecuoii. Zu heriieksiclitigen ist dal» i 
allerdings, dass, soweit die Tliierv<»rsu«-lu» ein Frtheil gestatten, 
die Impfung ihre schützende Wirkung erst nach 7 Tagen entfaltet. 

Mail hat nach Analogie des 1 Mplitherieserums aiidi «las Stumm 
hochgradig gegen Pestbneillen imnmuisirtcr Thicre sowohl zu 
Vorbeugungs- als auch zu Heilzwecken empfohlen. Trotz seiner 
im Thierversuche deutlich hervortrötenden spcelüschen Eigen¬ 
schaften hat aber das Pestserum bei «l«*r Mensehenpest bisher all- 
geineiu anerkannte Erfolge nicht zu erzielen vermocht. 

E p i d e m i o 1 o g i s c li e s. In der Einleitung ist bereits da¬ 
rauf hingewiesen worden, dass die Pest nach erfolgter Einschlep¬ 
pung sieh zunächst langsam aiisbreilet. Vielfach hainhüt «*s sich 
anfänglich nur um Fälle in den Familien der Zuerst Erkrankten 
und bei Personen, welche bei der Ptlege oder bei Besuchen der 
Kranken sich ansteekten. Bald aber ptiegeii. zunächst immer 
noch in geringer Zahl, in benachbarten Iläuseru oder in entlege¬ 
nem! Qunrti«*r»*n Pesterkrankungeii auch bei solch: n IVvs ■ , »i‘i’. 
aiifziuivttm. bei welchen eiu<* Beziehung zu früher E/krankt- n in 
keim»r Weise sieh naebwew •*» S«* ’*!oet <b<•> Sem-'v*. "<*» 

sie einen günstigen B«.«l. ii !t::d t li.m sieh selbst überlassen ineibt. 
im Laufe von Wochen lind Monaten allmählich sieh ein. nimmt 
dann aber nicht selten verhältnissmässig schnell zu. um nach Er¬ 
reichung ihres Höhepunktes wied«Ttim erst: schneller dann lang¬ 
samer abzunehmen. Ihr Erlöschen ist oft nur ein scheinbares; 
nach einer Ruhezeit von Wochen oder Monaten beginnt nicht, 
selten eine neue Epidemie und auch dieser können weitere folgen. 

Epidemien von so plötzlicher Entwickelung, wie sie bei der 
asiatischen Cholera und beim Abdominal!yplius in Folge des 
Hineingelangens der Krankheitskeime in das Trink- und Brauch¬ 
wasser zu Stande kommen können, werden bei der Pest nicht be¬ 
obachtet. 

Ein wichtiger Zug in dem Verhalten der Pest ist ihre Neigung, 
sieh an einzelne Iliiuser zu heften und in di<‘sen besonders ver¬ 
heerend aufziitroten. Wenn solche von der Seuche bevorzugte 
Häuser geräumt werden, so ptiegeii unter den anderweitig unter- 
gebrachten Bewohnern weitere Iufcotionen atiszubleiben. 

Für die Verbreitung der Pest kommt in ersttu- Linie die Fcber- 
tragung des Krankheitskeimes vom Menschen zum Menschen in 
Betracht. Diese Febertragung kann sowohl unmittelbar erfolgen, 
als auch in der Weise, dass mit den Kranken in Berührung ge¬ 
kommene Wäsche- und Kleidungsstücke und sonstige (lebrauehs- 
gegenstände die Zwischenträger abgeben. 

Auf welchen Wegen die Krankheitserreger den Körper ver¬ 
lassen, ist bereits früher dargelegt. Die Ansteckungsgefahr ist 
im Allgemeinen gering bei den leichteren Fällen von Drüsenpest, 
bei welchen die IVstkeiine zunächst in den geschwollenen Drüsen 
zurüekgehalteii werden. Dies ändert sich aber kaum, wenn die 
Bubonen in Erweichung übergehe» und aufbrechen; denn in der 
Regel sind die Pestbacillen unter solchen Umstünden bereits ab¬ 
gestorben. Ganz anders ist die Ansteckungsfiiliigkeit der schweren 
septicaemischen Fälle von Drüsenpest zu bourtheilen, bei welchen 
die Krankheitskeime noch während des Lebens mit den ver¬ 
schiedenen Körperabsonderungen ausgeschieden werden können, 
namentlich-aber kurz vor dem Tode massenhaft im Luugeuoedem 
erscheinen. Am gefährlichsten sind endlich die Lungenpest¬ 
kranken. und zwar durch ihr massenhaft IVsthacillen enthaltendes 
Sputum, welches beim Husten und selbst schon l>eim Sprechen in 
Form feinster Tröpfchen in die Luft gelangt. 

Die von Kranken ausgesehiedeueu Pestkeime linden dann 
wieder bei Gesunden durch kleinste, meistens unbemerkt bleibende 
Epidermis Verletzungen, unbedeutende Kratz wunden, Flohstiche 
und dergleichen ihren Eingang in die Lymphbahnen; in anderen 
Fällen nisten sie zunächst in der Schleimhaut der Mund- oder 
Rachenhöhle oder auf den Tonsillen ein, können auch vom Con- 
juncti valsack aus in die Nasenhöhle gelangen oder werden end¬ 
lich mit der Athmungsluft oder von der Mundhöhle aus in die 
Bronchien aspirirt. 


Dass diesen verschiedenartigen Infectionen vom Menschen 
zum Menschen da besonders Thür und Thor geöffnet ist, wo eine 
unreinliche Bevölkerung in engen, dunklen mul überfüllten Woh¬ 
nungen haust, liegt auf der Hand. Wo Licht und Luft reichlich 
vorhanden sind und Reinlichkeit herrscht, limlet die Pest erfah- 
rungsgemäss keinen rechten Boden für eine epidemische Verbrei¬ 
tung. 

Die mittelbare und mmi.ittelb.nro Ansteckung im menschlich« n 
Verkehr bildet, aber nicht den einzigen Weg. auf dem di«* Pest- 
keinn* sich verbreiten. Manche Erscheinungen im Auftreten m:d 
Forrsclmüt«*» der Seueh«* word«*n erst verständlich durch die Tliat- 
sacln*. «lass auch gewisse in «ler Eingehung «l«*s Menschen lebende 
Thier«* von mörd«*riseln>n Epidemien h«ümg«*sinüit wer<l<*n können. 
Vor Alhmi kommen hier di«* Ratten in Betracht, welche auch 
«ler lVstinfoetion vom Mag«*ndarmcanal aus in höchstem Maass 
zugänglich sind. Da sie di«* Gewohnheit. haben, ihre erkrankt«'» 
od«*r verendeten Artg«*noss«*n anzimagen, so verbr«*it«*t si«*h di * 
Pest unt«*r ihnen, wenn si«* erst einmal aiisgtü>roeln*n ist. überaus 
leicht. 

Di«» P«*stratt«*n sind aller nicht nur für ihtvsghüclien gefähr¬ 
lich. Mit ihren Auss«-li«‘idung<*n. die in grossen Meng«»» Pest¬ 
bacillen «»Inhalten, können um so leichter <Iie menschlichen Woh¬ 
nung«*» inli«*irt werden, als pestkranke Ratt«*n erfahrungsgeniäSs 
die Solu*» vor dem Mensch«*» v«»rlieren, aus ihr«*» Schlupfwinkeln 
h«*rvorkomm«*n mul nicht s«*lt«n in «l«*n Wohnungen verenden. 
Eint* ähnli«*he Rolle können. wenn auch offenbar in gering«*reni 
Maass«*. anscheinend die Mäuse spitdou. 

Durch jene zum Tlu*il unterirdischen und ganz uncontrolh- 
baren Verbindungen wird uns «las «»rwähnt«* scheinbar zusammen- 
hangslos«» Auftreten »(‘tier Pestherde erklärlich, nicht minder auch 
die ausg«*sproeh«rm* X«»hrimg «ler P«*st. in übervölkerten. eng«»ii 
tjuart i«*r«*n sicli fest zu setzen und s«*lbst mit Fnt<»rbr«»chiingcn sich 
zu «*rh;iltcn. 

W«*nn die vorst«*h«*inl»*n Ausführung«*» zur Förderung d«*s 
Yerstünd»iss«*s von «l«*m Wesen mul der Wrbreitiingsweisi» d«*r 
Pest ladt ragen, so ist ihr Zweck erreicht. Mögen sie vor Allem 
den Aerzten. falls die S<*iioh<* auch nach Deutschland verschleppt 
w«‘r«l«*n sollte, die richtige Beiirtheilung der erst«*n Fälle erleich¬ 
tern. damit <liest‘lb<*ii alshald zur Anzeige gelang«*!!. Dabei braucht 
wohl kaum lmrvorgehobrn zu w«*rden, «lass bei der ausserordent- 
licli«»n Tragweite. wel«*ln» d«*r Feststellung des Ausbruches der 
Pest an «ünemOrte zukommt, «li«» endgiltig«» Diagnose in den erst«*» 
Fäll«*» nur im Einv«*rn«‘lmien mit «lern zuständig«*» M«»dicinal- 
hcamtcii und auf (iruml verlässlicher bac-teriologisoher Unter- 
suchuug ansg«*sproeh«*u w«*rden «larf. 


Personalnachrichten. 

Bayern. (Fortsetzung von Seite 33c 
Erledigt: Di«* Bezirksarztstelle I. Classe in Wolfstein ist in 
Erledigung gekommen. Bewerber um dieselbe haben ihre v«>r- 
schriftsnnissig belegten Gesuche bei der ihnen Vorgesetzten k. Re¬ 
gierung, Kammer des Innern, bis zum S. Januar 1 DDO einzureichen. 

Verzogen: Dr. Ilcunig von Göllheim mich Westpreussen. 
T>r. Emst Holper (nicht Holpes' von Bayreuth nach Nürnberg. 

Versetzt: Der Bezirksarzt. 1. Flusse Dr. Karl Vanselow in 
Wolfstein, seiner Bitte «»»sprechend, in gleicher Eigenschaft auf 
die Be/irksarztsstelle I. ('lasse zu Bad Kissingen. 

Verliehen: Dem prakt. Arzte und Stabsarzte der Landwehr 
Dr. Vincenz Bredatier in München, Leibarzte Weiland Sr. Kgl. 
Hoheit des Herzogs Maximilian Emanuel in Bayern, der Verdienst¬ 
orden vom hl. Michael IV. Classe. 


Morbiditätssta*istik d.lnfectionskrankheiten für München 

in «ler öl. Jahreswoche vom 17. bis 23. December 1899. 
Betheil. Aerzte 305. — Brechdurchfall 8 (6*), Diphtherie, 
Croup lö (17), Erysipidas 1.'* (7), Intermitt«*ns. Xeuralgia interm. 
1 (—), Kindbettthdier 1 (2), Meningitis cerebrospin. . (—), Morbilli 
181 (K>0), Oiihthalmo-Blennon'hoea neonat. 4 (4), Parotitis epidem. 
4 (9), Pneumonia erotiposa 25 (22), Pyaemie, Septikaemie . (—), 
Rheumatismus art. ac. 27 (33\ Ruhr (dysenteria) . (—), Scarlatina 
4 8), Tussis «-onvtilsiva 14 (22), Typhus abdominalis 1 v 2), 

Vari«-elleii 12 (21), Variola, Variolois . (—). Summa 318 (313). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München. 

während der 51. Jahreswoche vom 13. bis 23. December 1899. 

Bevölkerungszahl: 445 000. 

Todesursachen: Masern 4 (-—*), Scharlach . (-), Diphtlmrie 
und Croup 3 (4), Rothlauf . ( 2 ), Kindbettfieber . (1), Blutver¬ 

giftung (Pyaemie) . (—), Brecb«lurchfall 1 (1), Unterleibstyphus 
. (1), Keuchhusten 2 (3), Croupöse Lungenentzündung 2 (3), 

Tubemilosi* a) «ler Lungen 23 (21), b) der übrigen Organe 6 (11), 
Acuter Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 4 (2), Unglücksfälle 1 (3), Selbstmord 5 (—), Tod durch 
fremde Hand . (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 200 (209), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 23,4 24,4, für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,3 (16,4). 


*) Die emgekhimm«*rten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 

Wring von .1. F. Lehman ii in München. — Druck von E. Mühlllmler s Huch- und Kunstdrucken» A.-G., München. 


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We Btftnch. Med. Woehensohr. erscheint wdchentl. 
ln Nnnunern von durchschnittlich 4—5 Bogen. 
Preis in Deutschi, u Oest.-Ungam vierteljährl. 6 M, 
ins Ausland 7.60 JL Einzelne No. ü0 4 . 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redaktion 
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh- 
mann, Reustrassc 20. — Für Inserate und Beilagen . 
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16. 


MEDICINISCHE WOCHENSCHBIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 


Ck. Bäumler, 0. Bolllnger, H. Curschmann, G. Gerhardt, W.». Heineke, 6. Merkel, J. 1 . Michel, H. 1 . Ranke, F.». Winckel, H. *. Zlemssen, 

Freiburg i. B. München. Leipzig. lierliu. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München 


Erlaugen. 


Nürnberg. Würzburg. 


München. 


München. 


Al 2. 9. Januar 1900. 


lledaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Ueber Krämpfe im Kindesalter.*) 

Von Privatdocent Dr. J. Lange in Leipzig. 

Als mir die ehrenvolle Aufgabe wurde, das Referat über 
Krämpfe im Kindesalter zu übernehmen, war ich mir bewusst, 
dass es sieh um eine ebenso heikle als wenig dankbare Aufgabe 
handelte. Es gibt wenige Gebiete in der Kinderheilkunde, die so 
verschwommen erscheinen, bei deren Besprechung die subjective 
Anschauung eine so grosse Rolle spielt, wie gerade hier. Es gilt 
dieses allerdings nicht für sämintliche Krampferscheinungen, 
denen wir beim Kinde begegnen, wohl aber für diejenigen, welche 
wir gemeinhin unter der Bezeichnung „Eklampsia infantum“ zu¬ 
sammenfassen. — Es schien unmöglich, im Rahmen eines Re¬ 
ferates Alles, was als „Krämpfe“ bezeichnet werden kann, ab¬ 
zuhandeln und haben wir daher im Einverständniss mit dem Vor¬ 
stande der Gesellschaft unser Thema auf die „Eklampsia 
infantum“ beschränkt und ferner den Laryngospasmus und die 
Tetanie nur gelegentlich gestreift, da ja erst 1896 in Frankfurt 
a. M. diese das Thema der ausführlichen Referate der Herren 
Loos und F i s c h 1 bildeten. Auf diese Weise haben wir es in 
der Hauptsache mit den ersten zwei bis drei Lebensjahren zu 
thun und — wenigstens scheinbar — ein mehr geschlossenes 
Thema vor uns, aber Sie werden sehen, wie ausserordentlich um¬ 
fangreich es trotz alledem ist. Es wird uns auch so nicht mög¬ 
lich sein, alle Fragen, die sich beim Betreten dieses wüsten 
Gebietes kaleidoskopartig vorschieben, genügend zu erörtern. 

Ehe ich mich der naturgemäss interessantesten Seite der 
Frage, der Aetiologie und der Pathogenese der Kinderkrämpfe 
zuwende, dürfte es gerathen sein, die Symptome in gedrängter 
Kürze zu präcisiren, welche wir unter diesem Namen zusammen¬ 
fassen. 

Versuchen wir an der Hand der Beschreibung der Autoren 
und eigener Erfahrung den acuten eklamptischen Anfall im All¬ 
gemeinen zu schildern, so sehen wir, dass er häufig wie aus 
heiterem Himmel das scheinbar gesunde Kind überfällt, und 
zwar bald mit, bald ohne mehr oder weniger stark angedeutetem 
Kehlkopfkrampf, mit tonischer Starre der Extremitäten einsetzt, 
um meist sehr bald in klonische Zuckungen überzugehen, die ver¬ 
schieden lange, von wenigen Secunden bis zu mehreren Stunden, 
dauern können, um entweder direct zum Tode zu führen, oder 
nach Aufhören der Krämpfe das erschöpfte Kind in Schlaf fallen 
lassen, aus dem es unter Umständen durch einen neuen Anfall 
aufgeschreckt wird. Dabei ist, bei den schwereren Convulsionen 
wohl fast immer, das Bewusstsein erloschen, Pupillen- und Cor- 
nealreflex geschwunden, die Augenlider stehen weit offen, die 
grosse Fontanelle — falls noch offen — ist vorgewölbt, die Kiefer 
sind fest aufeinander gepresst, oder werden krampfhaft ver¬ 
schoben, Schaum steht zuweilen vor dem Munde, die Lippen, die 
Ohren, zuweilen die ganze äussere Haut sind livid bis dunkelblau; 
die Athmung ist stertorös, oft unregelmässig, der Puls meist 
sehr frequent, oft irregulär und inäqual, es geht oft Harn und 
Stuhl unwillkürlich ab — ein Bild, das dem epileptischen Anfall 


*) I. Referat, erstattet in der Abtheilung für Kinderheilkunde 
der <1. Natinforsch*r Versammlung zu München lc99, von Privat-, 
docent Dr. J. Länge-Leipzig. 

No. 2. ^ 

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gleichen kann, wie ein Ei dem anderen. Ebenso aber, wie wir 
bei der Epilepsie eine Reihe von graduell verschiedenen Formen 
zu unterscheiden gewohnt sind, von der kurz dauernden Bewusst¬ 
seinstrübung, vom epileptischen Aequivalent bis zum grossen 
Fallsuchtsanfall, ebenso finden wir auch beim Säugling eine 
Reihe von Erscheinungen, die oft sehr schwierig zu beurtheilen 
sind und wo es schwer hält, sich mit Sicherheit zu entscheiden: 
ist der Zustand noch normal, oder haben wir es schon mit mo¬ 
mentaner Bewusstseinstrübung, mit wirklichen, motorischen 
Reizerscheinungen zu thun, die nicht immer mit eompleter Be¬ 
wusstlosigkeit und Aufhebung der Empfindung einherzugehen 
brauchen. Zum Theil sind hierher die sogenannten inneren oder 
Kopfkrämpfe — nicht die „convulsions internes“ der Franzosen 
— zu rechnen, die sieh bald durch leichtes Verdrehen der Augen, 
bald durch leichtes Zucken der Mundwinkel oder anderer Ge- 
siehtsmuskeln, Aufschreien und unruhigen Schlaf andeuteil. 
Daher sind auch die Meinungen über die Häufigkeit von Pro¬ 
dromen sehr gctheilt. Es ist dies sehr erklärlich: Wird der 
Patient über kurz oder lang von einem unzweifelhaften Anfall 
gepackt, dann ist man nur zu leicht geneigt, von Vorboten zu 
sprechen, treten keine deutlicheren Symptome auf, so wird man 
keinerlei Werth auf derartige Kleinigkeiten legen. Zu erinnern 
wäre noch an das Verhalten der Augen, die oft durch Aufwärts¬ 
rollen der Bulbi, dann wiederum durch wechselnde Erweiterung 
und Verengerung der Pupille, durch oscillirende Bewegungen des 
Augapfels, durch Schielen und Ausdruckslosigkeit den Anfall 
einleiten können. Achten wir genauer auf die Gesichtszüge, so 
fällt häufig eine initialeRunzelung der Stirne, ein rüsselförmiges 
Spitzen des Mundes, auch wohl einseitiges Verzerren des Ge¬ 
sichtes u. s. w., auf. Die Respiration ist, unabhängig von einem 
gleichzeitigen Glottiskrampf, häufig durch directes Ergriffensein 
der Museulatur beeinträchtigt, das zu Asphyxie führen kann. 
Der Leib ist krampfhaft gespannt, häufig meteoristiseh aufge¬ 
trieben, die Magengrube vorgewölbt. Die oberen Extremitäten 
werden meist in einer sehr typischen Beugestellnug gehalten, (Tic 
Oberarme sind an den Rumpf gepresst, die Unterarme spitzwinke¬ 
lig zum Oberarm gebeugt, die Hände gewöhnlich zur Faust ge¬ 
ballt, wobei der Daumen eingeschlagen zu sein pflegt, die Hände 
sind ebenfalls gebeugt; seltener beobachtet man ein Spreizen der 
Finger. Die Beine sind meist in ausgesprochener Pes equinus- 
Stellung, die Zehen stark gebeugt, zuweilen so stark gegen die 
Fusssohle und gegeneinander gekrümmt, dass die grosse Zehe 
unter die zweite zu stehen kommt. Dabei werden die Extremi¬ 
täten, oft synchron mit dem Kopfe, in klonische Zuckungen 
versetzt, die in einem gleichmiissigen Rhythmus zu verlaufen 
pflegen. Zuweilen besteht Opisthotonus, Die Athmung kann 
minutenlang sistiren, dann wieder unregelmässig, schnappend 
auf treten, offenbar ein Zeichen von Störung der Zwerchfellsinner¬ 
vation. Was die Dauer des Anfalles betrifft, sind die Meinungen 
ziemlich divergent. Die Einen behaupten, der einzelne Anfall 
dauere nur ganz kurze Zeit und die Angabe stundenlanger 
Krämpfe beruhe nur auf Täuschung, bedingt durch baldiges Ein¬ 
setzen einer neuen Attaque. Andere wieder haben Anfälle be¬ 
obachtet, die stundenlang dauerten, ohne dass man eine Pause 
wahrnehmen konnte. Es dürfte wohl zuzugeben sein, dass in 
Fällen von relativ geringerer Betheiligung der Athemmusculatur 
die Zuckungen lange Zeit fortdauem können, ohne den Tod 
durch Asphyxie herbeizuführen; ich habe erst in jüngster Zeit 

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38 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2, 


einen fast zwei Stunden dauernden Anfall bei einem 7 jährigen 
Knaben im Gefolge einer schweren gastrischen Störung be¬ 
obachtet, wobei thatsächlich gar keine Intermissionen vorkamen. 
Sind aber Zwerchfell und die anderen Respirationsmuskeln mit¬ 
ergriffen, so wird ein intensiver Krampf eben innerhalb kürzester 
Frist zum Tode führen müssen. Schon Trousseau, dem wir 
überhaupt eine noch heute vollgiltige Schilderung der Sympto¬ 
matologie verdanken, macht darauf aufmerksam, dass es sich bei 
derart lange Zeit dauernden Anfällen streng genommen mehr 
um partielle Krämpfe handele, wie wir sie als Theilerschein- 
ungen der Eklampsie in verschiedenen Gebieten auftreten sehen. 

Die Meinung Trousseau’s, dass in solchen Fällen auch 
der Verlust des Bewusstseins kein vollständiger sei, dürfte für 
viele Fälle stimmen, da man auch schwaches Reagiren auf Nadel¬ 
stiche u. s. w. bemerken kann, aber doch nicht für alle. Das Ende 
des Anfalles charakterisirt sich meist durch gestörten Rhythmus 
der Convulsionen, tiefere Athemzüge, Nachlass der Contracturen, 
Blasswerden oder Röthung der Haut und Schweissausbruch. 
Fast immer schlicsst sich ein Zustand von Benommenheit an, 
in dem die Kinder wohl auf Anrufen reagiren, ohne aber über 
das Vorgefallene in’s Klare zu kommen. Treten keine neuen 
Krämpfe auf, so verfällt der kleine Patient in Schlaf, um schein¬ 
bar ganz gesund, oft nur etwas blass und matt, zu erwachen. 
Auf nähere Detaillirung der Symptome will ich nicht näher 
eingehen, obwohl noch Vieles zu berücksichtigen wäre, vielmehr 
zur Hauptfrage, der der Aetiologie des Leidens, mich wenden. 

Wir sind, wenn wir uns den ursächlichen Verhältnissen 
zuwenden, daran gewöhnt, die Convulsionen des Kindesalters in 
organisch bedingte und in functione Ile Krämpfe 
zu scheiden, wobei der Unterschied factisch nur darin liegt, dass 
wir bei ersteren eine anatomisch nachweisbare Veränderung 
nachzuweisen im Stande sind, während uns dieses greifbare Sub¬ 
strat in letzterem Falle bis dato fehlt. Für eine ganze An¬ 
zahl von Fällen dürfte dieser Nachweis in Zukunft noch geführt 
werden können, da wir doch noch lange nicht die Grenzen der Er¬ 
kenntnis in dieser Richtung erreicht haben dürften. Bei 
anderen wird es dagegen wohl nie möglich sein, da es sich voraus¬ 
sichtlich um schnell vorübergehende, event. chemisch wirkende 
Agentien handelt, die keinerlei bleibende Laesion zu hinterlassen 
brauchen. Sind uns besonders die mit Heilung endenden 
Eklampsien ausserordentlich schwer zugänglich, so ist auch bei 
den zur Obduction gelangenden Leichen die Trennung von Ur¬ 
sache und Wirkung zuweilen höchst schwierig. In der That sind 
die pathologisch-anatomischen Befunde so ausserordentlich dürf¬ 
tig oder unsicher, dass ich gar nicht darauf eingehen will, zu¬ 
mal wir es ja nur mit der sogenannten funetionellen Eklampsie 
im engeren Sinne zu thun haben. Aber, wie schon gesagt, auch 
diese passageren Momente müssen vermuthlich in sehr ähnlicher 
Weise auf die betreffenden nervösen Centralorgane wirken, wie 
die bleibenden Läsionen, welche wir mit unseren, für diese Ver¬ 
hältnisse noch recht groben Mitteln und Werkzeugen unseren 
Sinnen zugänglich machen können. 

Die functioneile Eklampsie wird ferner von den meisten 
Autoren in eine sympathische und eine idiopathi¬ 
sche Eklampsie geschieden, ob mit Recht, lassen wir zunächst 
dahingestellt. 

Die bei Weitem grössere Mehrzahl ist den sympathischen 
Krämpfen zuzurechnen und ist diese Erkenntniss schon recht 
alten Datums; so sagt Meissner schon zu Anfang unseres 
Jahrhunderts: „Die Convulsionen kommen nur sehr selten als 
idiopathisches, um so häufiger aber symptomatisches (sympathi¬ 
sches) Leiden vor“. Die Eklampsie ist eben keine Erkrankung 
essentieller Art, wie etwa die croupöse Pneumonie oder die 
Pocken, sie ist nur ein Symptom und es handelt sich meines Er¬ 
achtens darum, den Nachweis zu führen, dass schon jetzt die 
allermeisten Fälle von Eklampsie direct auf einen pathologischen 
Vorgang zurückgeführt werden können. Die Diagnose 
Eklampsie oder Krämpfe müsste aus dem In- 
haltsverzeichniss der Lehrbücher der Patho¬ 
logie und Therapie ebenso verschwinden, 
wie etwa Fieber, Erbrechen oder Kopfschmerz. 
Sehen wir zunächst von den idiopathischen Convulsionen ganz ab, 
und beschäftigen wir uns vorerst nur mit den sog. sympathi¬ 
schen, so ist es wohl am einfachsten, wenn wir der Soltmani¬ 
schen Eintheilung folgen und eine Eklampsia reflectoria von 
einer Eklampsia haematogenes trennen, wir werden 

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nachher sehen, dass wir damit thatsächlich ganz gut auskommen. 
Zu den Reflexkrämpfen werden nach seiner Eintheilung alle 
diejenigen gerechnet, die durch irgend welchen „mechanischen 
(traumatischen) Reiz, der die sensiblen Nerven, sei es der Haut 
oder der Schleimhaut u. s. w. trifft“, ausgelöst werden. Hierzu 
werden gerechnet: grosse und plötzliche Temperaturdifferenzen, 
zu heisse Bäder, Verbrennungen, ferner Eiterungen, Wunden, 
spitze Fremdkörper und dergleichen mehr, Nadelstiche, Um¬ 
schnürungen einer Zehe mit einem Haar; besonders aber sind es 
Reize, die die Schleimhaut des Magendarmcanals und zwar vom 
Munde bis zum After treffen, aber auch solche des Urogenital¬ 
apparates und der Respirationsorgane. Mit anderen Worten: 
Auf jeden sensiblen Reiz kann die Antwort in Gestalt eines 
eklamptischen Anfalles erfolgen, falls das betreffende 
Individuum hiezu disponirt ist. — Hier möchte ieli 
die Besprechung der Pathogenese des Krampfanfalles einschieben, 
um später auf die verschiedenen Gelegenheitsursachen des 
Näheren einzugehen. Nach der bekannten Arbeit von Kuss¬ 
maul und T e n n e r können durch künstlich herbeigeführte 
Anaemie des Gehirns tonisch-klonische Krämpfe ausgelöst 
werden, aber auch nervöse Hyperaemie sollte nach L a n d o i s 
und Hermann analog wirken. Ferner würden vasomotorische 
Störungen, die sowohl zu Anaemie, als auch zu Hyperaemie der 
in Frage kommenden Theile führten, auch durch periphere Rei¬ 
zung sensibler Nerven veranlasst. Nun hat neuerdings Borysch- 
polsky auf Grund experimenteller Untersuchungen den Beweis 
zu führen unternommen, dass während des Anfalles der inter- 
kranielle Druck steigt, die arterielle Zufuhr vermehrt sei. Es 
handle sich also um a c t i v e Hyperaemie, die ausschliesslich 
durch vasomotorische Factoren (Verengerung der Gefässe der 
Körperperipherie und Erweiterung der Hirngefässe) verursacht 
werde. Es scheinen demnach verschiedene Füllungsverhältnisse 
des feinsten Gehirngefässnetzes Convulsionen hervorrufen zu 
können, wenn diese Schwankungen schnell genug eintreten. Von 
welchen Stellen aus der Anfall ausgelöst wird, hat besonders 
Nothnagel durch Aimahme seines Krampfcentrums in der 
Brücke zu erkennen geglaubt, aber Bechterew bestreitet das 
Vorhandensein eines solchen und nimmt statt dessen an, dass die 
Krämpfe durch die Uebermittlung der Reizung auf die moto¬ 
rischen Ilimrindenregionen bedingt werden. Für die Epilepsie 
nehmen auch W e r n i c k e, G owers und andere Autoren als 
Sitz der Affection die motorischen Rindenbezirke des Grosshirns 
an. Es dürfte nach Allem, was wir bisher über die Epilepsie und 
Eklampsie wissen, zum mindesten sehr berechtigt erscheinen, 
wenn wir ähnliche Ursachen und ähnlichen Sitz für beide 
Affectioncn annehmen. Nun aber kommt das Dilemma: das, 
was wir als Eclampsia infantum bezeichnen, pflegt innerhalb der 
ersten 2—3 Lebensjahre, selten noch später aufzutreten, um im 
späteren Leben sich nicht wieder zu zeigen, während die Epilepsie 
eine, mindestens im Laufe von Jahren, sich fortsetzende Reihe 
von Anfällen bedingt, in den allermeisten Fällen aber unheilbar 
erscheint; erstere pflegt ohne bleibende Schädigung zu ver¬ 
schwinden, letztere führt in vielen Fällen zu dauernden, psychi¬ 
schen Störungen. 

Es war ein unbestreitbares Verdienst S o 11 m a n n’s, als 
er durch eine Reihe experimenteller Arbeiten den Nachweis 
lieferte, warum und wieso gerade das Nervensystem des jugend¬ 
lichen Säugethieres zu Krampfzuständen besonders neige und 
zwar in Folge des Fehlens der psychomotorischen Rindencentren 
und des Mangels der Hemmungsapparate im Rückenmark und 
Gehirn und der erst herabgesetzten und späterhin gesteigerten 
Erregbarkeit, sowohl der sensiblen, als auch der motorischen 
Nerven. Durch die Arbeiten Westphal d. Ae. und besonders 
Westphal d. J. haben diese Untersuchungen ihre weitere Be¬ 
stätigung gefunden. Von anderer Seite ist freilich darauf hin¬ 
gewiesen worden, dass erst nach Ablauf der ersten Lebensmonate 
die ocasionellen Verhältnisse gehäuft Vorkommen, die wir für 
die Eklampsie verantwortlich zu machen pflegen, so namentlich 
die acuten Verdauungsstörungen, Erkältungen, Infectionen 
u. s. w. Nach Soltmann ist also in der physiologischen Ent¬ 
wicklung des kindlichen Gehirns die Disposition der betreffenden 
Altersclassen für die Convulsionen zu suchen. Aber diese 
schönen Untersuchungen sind schliesslich doch nicht im Stande 
gewesen, den Schleier zu lüften, denn sie beweisen zu guter Letzt 
doch nur die grössere Disposition des jugendlichen Kindesalters 
für die in Frage kommenden Convulsionen. Es ist nicht recht 

Original fram 

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!l Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


89 


ersichtlich, warum das eine Kind bei irgend einer Gelegenheits- 
Ursache Eklampsie bekommt, das andere Gleichalterige bei der 
gleichen Ursache nicht. Ich möchte hierbei gleich an die alte 
Lehre von den Zahnkrämpfen erinnern: War ein Kind in dem 
entsprechenden Alter und hatte es Convtilsionen, so nannte man 
cs und nennt es leider auch jetzt noch „Zahnkrämpfe“ und doch 
weiss jeder Laie, dass die überwältigend grosse Mehrzahl der 
kleinen Geschöpfe seine Zähne bekommt, ohne je von Krämfen 
befallen zu werden. — Die Lehre von den wenig entwickelten 
Ilommungscentren gibt uns wohl in Gemeinschaft mit der an¬ 
fänglich sehr geringen, später aber relativ schnell sich steigernden 
Erregbarkeit der peripheren Nerven eine Erklärung, warum ge¬ 
rade in dem Alter vom 4. Monat bis Ende des 1. Lebensjahres 
etwa die Eklampsie relativ häufig auf tritt—a ber die Aetio- 
logie selbst lässt sie dunkel. 

Nehmen wir den vorhin verlassenen Faden wieder auf, und 
sehen wir zu, was reflectorisch Alles Convulsionen auslösen kann, 
so finden wir ferner angeführt: Fremdkörper in Nase, Rachen, 
Oesophagus; im Ohr, Kehlkopf und Trachea; intensive Haut¬ 
reize, zu eng anliegende Kleidungsstücke, Nadeln in den Win¬ 
deln, Hautfurunkel, besonders Incision solcher, Einstechen von 
Ohrringen u. s. w. Wenden wir uns dem Digestionstractus zu, 
sc» kommen wir gleich zu dem umstrittensten Gebiete: den Zahn¬ 
krämpfen. 

Es kann nicht das Amt eines Referenten sein, in seinem Re¬ 
ferate seine eigene Meinung ohne Berücksichtigung anderer An¬ 
schauungen auszusprechen. Im Gegentheil, m. E. ist der Re¬ 
ferent dazu da, ein möglichst objectives Bild von dem jeweiligen 
Srnnde des Themas zu bieten. Wäre dieses nicht der Fall, 
so würde ich mich etwa so äussern: Betreffend den Begriff der 
Dentitionskrämpfe, den ich leider streifen muss, glaube ich, dass 
wir denselben endlich in die Rumpelkammer mittelalterlicher 
Anschauungen verweisen müssen. Es gibt kaum so schlecht ge¬ 
stützte Lehren in unserer an Zweifelhaftem noch recht reichen 
Pathologie, als eben diese. Man ist wohl vorsichtiger geworden 
mit der Diagnose „Zahnkrämpfe“, man gibt sie nur noch zu, 
..wenn anderweitige Krankheitserscheinungen nicht zu entdecken 
sind“, — man gehe doch lieber einen Schritt weiter und gestehe 
zu, dass man noch nicht in der Lage ist, in jedem einzelnen Falle 
den Punkt oder den Weg nachzuweisen, von wo aus der Krampf¬ 
anfall ausgelöst wird. — Aber, wie gesagt, ich muss objectiv re- 
pistriren, dass eine grosse Anzahl von Paediatern sowohl, als auch 
besonders von Neurologen die Zahnkrämpfe theils als ganz etwas 
Sei!»stverständliches, theils mit der oben erwähnten Clausel ab¬ 
handelt. So gibt z. B. G o w e r s bei der Aetiologie der Epilepsie 
für ca. 10 Proc. Zahnkrämpfc an und ähnlich behandeln andere 
Neurologen diesen Begriff gewissermaassen als Glaubenssatz. 
Eine Reihe anderer Autoren negiren sie vollständig, so Kasso- 
w i t z, Coraby und viele Andere. Ich persönlich habe ebenfalls 
bisher noch keine Dentitionseklampsie gesehen. Gehen wir 
weiter, so finden wir Hinweise auf den Einfluss von Erkrank¬ 
ungen und Volumvergrösserungen der Gaumen- und Rachen- 
tonsillen (Hahn) und auch die Hypertrophie der Uvula wird 
beschuldigt, die eklamptischen Anfälle erregt zu haben. Die 
Heilung wurde in einigen Fällen durch Resection derselben an¬ 
geblich prompt bewirkt. Ferner wird Ueberladung des Magens 
mit schwerverdaulichen Massen (klumpigen Caseingerinnseln, 
Fremdkörper) acute Gastritis, Erkrankungen des Magendarm¬ 
canals, beginnend mit einfacher Dyspepsie bis zu schweren dysen¬ 
terischen Processen, Würmer, Afterfissuren, Mastdarmpolypen, 
angeführt. Besonders die Fissura ani kann durch den bei det 
Defaecation ausgeübten Reiz zu den schwersten epileptiformen 
Krämpfen führen, welche nach Abheilung der Fissur für immer 
verschwinden. Nennen wir noch kurz die Störungen von Seiten 
der Urogenitalorgane, wie Blasen- und Nierensteine, Katarrhe, 
Phimosis, Eichelsteine, Verletzungen u. s. w., so hätten wir ziem¬ 
lich Alles angeführt, was auf reflectorischem Wege die Krämpfe 
auslösen soll. 

Wir müssen nun eijier grossen Gruppe von Krämpfen 
gedenken, die wir mit einer grossen Häufigkeit im Beginne 
von acuten, fieberhaften Infectionskrankheiten beobachten 
und die wir daher als initiale infectiÖse Eklamp¬ 
sien bezeichnen. Es sind hauptsächlich zwei Anschau¬ 
ungen, die sich hier gegenüberstehen, die Einen machen das 
Krämpfen gedenken, die wir mit einer gewissen Häufigkeit im 
beginne von acuten, fieberhaften Infectionskrankheiten be- 

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obachten und die wir daher als initiale infectlöse 
Eklampsien bezeichnen. Es sind hauptsächlich zwei An¬ 
schauungen, die sich hier gegenüberstehen, die Einen machen das 
plötzlich ansteigende, hohe Fieber für die Auslösung des Krampf¬ 
anfalles verantwortlich, die anderen dagegen die Toxine der z. Z. 
noch unbekannten baeteriellen Krankheitserreger. Was die erste 
Anschauung anbetrifft, so ist sie aus dem Grunde in vielen 
Fällen nicht recht haltbar, weil wir gar nicht selten initiale 
Krämpfe bei Pneumonien, Scharlach etc. sehen, ohne dass eine 
nennenswerthe Temperatursteigerung stattfindet. Zugegeben, 
dass sich dies durch eine ganz besonders gesteigerte Disposition 
erklären lässt, so ist es doch viel einfacher, wenn wir eine 
bacterielle Giftwirkung annehmen und zwar gerade in Folge der 
auffallenden Häufigkeit, mit der die initialen Convulsionen bei 
bestimmten Infectionskrankheiten Vorkommen. So ist längst 
bekannt, dass besonders die Variola, der Scharlach, gewisse 
Formen von lacunären Anginen und acuten Spitzenpneumonien 
sich dadurch auszeichnen. Durch die Annahme einer verschieden¬ 
artigen Einwirkung des specifischen Krankheitsgiftes auf die 
nervösen Organe wäre diese Thatsache unserem Verständniss 
bedeutend näher gerückt. Nun kann es natürlich auch zu Com- 
binationen kommen, insofern Giftwirkung und anatomische 
Laesion die Krämpfe gleichzeitig bedingen können; als classi- 
sches Beispiel hiefür nenne ich nur die Polioencephalitis und die 
Poliomyelitis ac. anterior. Hier handelt es sich doch wohl 
immer um anatomische Veränderungen des Rückenmarks, resp. 
des Gehirns, die die Bezeichnung f unctionell nicht mehr gestatten, 
wenn schon sie nach unseren modernen Erfahrungen als echte 
Infectionskrankheiten aufzufassen sind. Eine dritte ältere Auf¬ 
fassung ist die Vergleichung des initialen Krampfes mit dem 
Schüttelfröste des Erwachsenen, den man ja ebenfalls durch den 
raschen Fieberanstieg erklären wollte. Als Typus hiefür konnte 
besonders die Febris intermittens gelten, aber auch hier kommt 
ein unbekanntes, geheimnissvolles Etwas hinzu, denn sonst 
müsste jeder Malariaanfall bei jedem Kinde die Convulsionen 
auslösen, wenn das Fieber hoch ist — und das ist absolut nicht 
der Fall. Meine eigenen Erfahrungen über Malaria sind übrigens 
viel zu gering, um eine eigene Meinung hierüber haben zu 
können. Schwierig ist es, sich vorzustellen, warum die Krämpfe 
bei den meisten Infectionskrankheiten gewöhnlich nur im Be¬ 
ginn ein- eventuell zweimal auftreten. Man könnte annehmen, 
dass es sich um eine sehr schnelle Gewöhnung an das Gift 
handelt — aber die Beobachtungen sind wiederum nicht extrem 
selten, wo die Anfälle sich mehrfach, ja tagelang wiederholen 
können. Die Heranziehung einer Art Idiosynkrasie gegen das 
betreffende Toxin ist etwas gewaltsam, aber doch wohl kaum zu 
umgehen. Schliesslich muss noch der Möglichkeit kleinster Em¬ 
bolien im Rindengebiete durch Verschleppung kleinster endo- 
carditischer oder bacterieller Massen gedacht werden, wobei 
eine klinische Diagnose der Endocarditis nicht einmal nothwendig 
zu sein braucht, doch würden das nicht mehr functionelle 
Krämpfe sein. 

Verlassen wir die acuten Infectionskrankheiten und wenden 
wir uns den chronischen Inf ectionen resp. den Constitutionskrank¬ 
heiten zu, so sind es spcciell die Rhachitis, weit seltener die 
hereditäre Syphilis, aber auch die Skrophulose, die angeschuldigt 
werden, eine Disposition zu Convulsionen zu schaffen. Obwohl 
von anatomischen Laesionen bei im eklamptischen Anfall ver¬ 
storbenen Kindern so gut wie nicht die Rede ist, so wird doch 
immer und immer wieder der innige Zusammenhang zwischen 
Rhachitis und Eklampsie—Spasmus glottidis, Tetanie, Contrac- 
turen — u. s. w. betont, und es macht dieses Dogma entschieden 
grossen Eindruck. Ist aber ein zwingender Beweis für die Ab¬ 
hängigkeit der Convulsionen von der Rhachitis erbracht? Wenn 
wir mit Kassowitz als solchen die günstige Beeinflussung 
beider Zustände durch den Phosphor betrachten, dann ja — aber 
könnte da nicht mit ähnlichem Rechte Jemand eine Beziehung 
zwischen Malaria und Keuchhusten befürworten, die gegebenen 
Falles beide günstig auf Chinin reagiren, oder Chlorose und 
Chorea auf Arsen und so fort? Es ist sehr schwer, den Beweis 
zu erbringen, dass eine derartig verbreitete Krankheit wirklich 
die Ursache einer doch relativ seltenen Affection sein soll. Da¬ 
bei muss immer wieder betont werden, dass man sowohl schwerste 
Rhachitis ohne Spur von irgend welchen Krämpfen verlaufen 
sieht, nls auch leichteste Rhachitis mit schwersten Convulsionen, 
andererseits kommt Eklampsie auch bei Kindern vor, die noto¬ 
risch keine Spur von Rhachitis zeigen, 

1 * 

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MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Im letztön Jahrzehnt hat nun eine neue Lehre in die all¬ 
gemeine Pathologie Aufnahme gefunden; ich meine die Lehre 
von den Autoinfectionen und Autointoxicationen. Nichts lag 
näher, als dass auch für das dunkle Problem der Eklampsieaetio- 
logic diese Autointoxicationen das aetiologische Moment bilden 
sollten. Einem grösseren paediat.rischen Publicum sind hierher¬ 
zielende Anschauungen auf dem Internat, medicinischen Con- 
gress in Rom 1893 von Frl. Dr. Chernbach vorgetragen 
worden. Die C h e r n b a c h’schen Versuche schlossen sich an 
Arbeiten französischer Autoren über die Toxicität des Harns, 
speeiell auch eklamptischer Frauen, an, die direct oder indirect 
auf das grundlegende Werk B o u c h a r d’s: „Logons sur lcs auto- 
intoxications dans los maladies“ (1887), das den klinischen Be¬ 
griff eingeführt hatte, sich stützten. Es ist nicht möglich, auf 
die Autointoxicationslehre hier des Näheren einzugehen, ins¬ 
besondere da dieses Thema noch sehr umstritten und variirt wird. 
Es dürfte für unsere Zwecke vielleicht genügen, zu erwähnen, 
dass bereits voriges Jahr Friedrich Müller in Wiesbaden die 
sogen, enterogenen Intoxicationcn gestrichen haben wollte. Ge¬ 
rade diese sind es aber, die für unsere Frage mit besonderer Vor¬ 
liebe herangezogen werden. Bei diesen Vergiftungen durch die 
Aufnahme von Toxinen durch die Gastrointestinalschleimhaut 
haben wir es fast ausschliesslich mit „Bacteriemvirkung auf 
Darmsecrete und Darminhalt“ zu thun. Bedingung hiefür ist: 
vermehrte Giftbildung, abnorme Anhäufung und günstige Re¬ 
sorptionsverhältnisse. Nach dem Schema von Martius werden 
diese wiederum getheilt in 1. Formen, die durch Nachweis des 
enterogenen Giftes im Urin fest gestellt worden sind und 
2. solche, die klinisch als enterogene Intoxicationcn ohne Nach¬ 
weis des specifischen Giftes charakterisirt sind. Hierzu rechnet 
er speeiell die enterogene Tetanie. 

Viel klarer ist die zweite Hauptgruppe, die der Körper- 
stoffwechselgifte, wobei es sich um ganz alltägliche Stoffwechsel- 
producte handelt, die durch mangelhafte Ausscheidung zu einer 
Anhäufung im Organismus und nun zur Giftwirkung führen, 
es sind das 1. die C0 2 -Vergiftung bei Insufficienz der Athmung, 
2. die Uraemie bei Insufficienz der Niere und 3. das Auftreten 
schwerer nervöser Symptome nach ausgedehnten Hautverbrenn¬ 
ungen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass alle diese 
3 Intoxicationen zu schweren Krampferscheinungen führen. 

Die C h e r n b a e loschen, an einem sehr grossen Material 
gewonnenen Ergebnisse hatten den Nachweis erbracht, daa der 
sogen, urotoxische Coeffieient im Ilarne eklamptischer Kinder 
ein relativ höherer sei, als im Harne Erwachsener. Abgesehen 
davon, dass die Methodik der französischen Schule, die sich an 
die Namen Bouchard’s, C h a r r i ns und ihrer Schüler 
knüpft, nicht als einwandsfrei bezeichnet werden kann, ja sogar 
von Fr. Müller, Brieger u. A. als ganz unzureichend und 
grob bezeichnet worden sind, so möchte ich insbesondere darauf 
‘ hinweisen, dass es unzulässig erscheint, bei Eklampsien, die bald 
scheinbar essentiell, bald im Beginn oder im Verlauf von lnfec- 
tionskrankheiten eintreten, bald an Erschöpfungszustände oder 
an CXX-Intoxication sich anschliessen, — als von einem nur 
einigermaassen vergleichbaren Materiale zu reden. Wir sind 
schliesslich doch nur im Stande, uns eine Autointoxication nach 
Analogie der uns bekannten exogenen Vergiftungen vorzu¬ 
stellen. 

Wir wissen aber auch, dass gewisse Gifte speeiell auf das 
Nervensystem des jungen Thieres, resp. Menschen, auffallend 
stärker krampferregend wirken; es sind dieses speeiell die Opiate. 
Andere Gifte wirken wiederum weniger intensiv, z. B. das 
Chloralhydrat etc. — Nun ist es leider nicht möglich, die Resul¬ 
tate von Thierversuchen direct auf den Menschen zu übertragen 
und zwar besonders, weil schon die einzelnen Thierarten sieh 
ausserordentlich verschieden gegen dasselbe Gift verhalten. So 
vertragen z. B. Hunde und Katzen beide verhältnissmässig sehr 
grosse Mengen Morphium, aber die Wirkung ist zunächst eine 
total verschiedene: bei der Katze beobachten wir hochgradigste 
Erregungszustände, offenbare Hallucinationen, während auf den 
Hund die Morphininjection in prompter Weise als Abführ¬ 
mittel wirkt, worauf ■ sehr bald tiefer, ruhiger Schlaf eintritt. 

Erst bei sehr grossen Mengen zeigen sich Krämpfe, die man 
eher als Erstickungskrämpfe auf fassen kann. Fast am meisten 
ähneln dem eklamptischen Anfalle die Strychnin- aber auch 
Morphinkrämpfe junger Katzen. 

Ausgehend von der Idee, dass es doch möglich sein könnte 
im Ilarne eklamptischer Kinder durch den Thierversuch krampf- 

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erregende Gifte nachzuweisen, ohne dabei so grosse Mengen von 
Harn in’s Gefässsystem der Versuehsthiere einzubringen, wie es 
die angeführten Versuche thaten, habe ich eine Anzahl Versuche 
angestellt. Ich habe einer Reihe von Fröschen, jungen Kanin¬ 
chen und jungen Hunden kleine Mengen des möglichst frischen 
filtrirten Harnes suheutan injicirt. Leider kann ich aber nur 
über zwei positive Resultate berichten. Einmal trat bei einer 
mittelgrossen Rann esc ul ent a nach Injection von 1 ccm Harn 
nach 57 Minuten ein tetanischer Anfall auf, der von einer Reihe 
klonischer Zuckungen abgelöst wurde und nach einer weiteren 
Stunde unter Erscheinungen von Herzlähmung zum Tode führte, 
während Controlinjectionen mit Harn eines gesunden Säuglings 
und mit 10 proc. Harnstofflösung bei gleich grossen Fröschen 
ohne jede Reaction vertragen wurden. Es handelte sich um ein 
siebenmonatliebes rhachitisches Kind mit Spasmus glottidis und 
massiger Eklampsie ohne Fieber. Aber ein ca. 800 g schweres, 
junges Kaninchen vertrug 5 ccm desselben Harnes, ohne zu 
reagiren, und Harn von demselben Kinde, aber drei Tage später 
entnommen, nachdem sich inzwischen keine Convulsionen gezeigt 
hatten, blieb auch bei Fröschen ohne jeden Einfluss. Der Ver¬ 
such, aus dem giftverdächtigen Harne mittels Alkoholfällung ein 
Toxin zu erhalten, ergab ein völlig negatives Resultat. Für 
weitere Untersuchungen war leider die Hammenge zu gering. 

Der zweite Fall, bei dem ich mich von einer deutlichen Toxi¬ 
cität des Harnes überzeugen konnte, betrifft ein lOmonatliches 
Kind, massig rhaehitiseh, welches nach einer ca. 10 Tage dauern¬ 
den Verdauungsstörung plötzlich mit Erbrechen und heftigem 
Durchfall, hohem Fieber (40,3 °, Puls 160) und schweren, mehrere 
Stunden anhaltenden Convulsionen erkrankte, und dem ich mit 
dem Katheter ca. 15 ccm Ham entnehmen konnte. Der Harn 
war deutlich sauer, hatte sehr geringen Eiweissgehalt und ging 
ein mittelgrosser Frosch nach Injection von 1 ccm filtrirten 
Harnes unter allgemeinen Lähmungserscheinungen binnen 55 
Minuten zu Grunde. 3 ccm desselben Harnes, einem 16 Tage 
alten, 335 g schweren Kaninchen injicirt, verursachten nach ca. 
45 Minuten massiges Unbehagen und leichte Zitterbewegungen, 
aber schon eine Stunde später war Fresslust und Munterkeit 
wieder vorhanden. Leider starb das Kind wenige Stunden später, 
ohne dass nochmals Harn erlangt worden wära Die Seetion 
wurde verweigert. In einer Reihe von Controlversuchen mit 
Harn von nicht an Krämpfen leidenden Kindern habe ich nie 
irgend welche Vergiftungserscheinungen gesehen, aber auch nicht 
bei Verwendung von Harn von 9 weiteren eklamptischen Säug¬ 
lingen. Immerhin lehren derartige Versuche, dass durch den 
Harn gewisse Stoffe ausgeschieden werden können, die im 
Stande sind, krampferregend oder auch lähmend zu wirken, denn 
von einer Einwirkung zu grosser Injectionsmengen kann hier 
nicht wohl die Rede sein. Wie weit es sich dabei aber um Auto¬ 
intoxication handelt, ist damit gar nicht bewiesen, e3 kann ebenso 
gut eine echte Vergiftung sein. 

Wenn ein Kind Krämpfe hat, weil die Amme dem Alkohol 
huldigt, so ist das wohl eine Intoxication, aber keine Autointoxi¬ 
cation. Ich kann auch nicht zugeben, dass es sich um einen 
reflectorisclien Krampf handelt, wenn einem Säugling Wein 
oder Schnaps eingeflösst wird. Das sind einfache Vergiftungen. 
Ebenso muss man die Fälle von Convulsionen bei Darmparasiten, 
speeiell Ascariden, auffassen, da die Stoffwechselproducte der¬ 
selben giftig zu wirken im Stande sind. Uebergehen wir die 
Krämpfe bei Intoxicationen mit ectogenen Giften, da sie ja für 
unsere Frage nur ditferentialdiagnostisch in Betracht kommen. 

Dagegen wäre der Convulsionen zu gedenken, welche wohl 
die grösste Rolle bei den Mortalitätsstatistiken spielen, ich meine 
die terminalen Convulsionen durch CO,-Intoxication. That- 
sächlich sind es diejenigen Krämpfe, die am meisten dem Bilde 
entsprechen, das man sich als Autointoxication vorstellen kann. 
In der That wird die C0 2 im Organismus selbst erzeugt und nur 
durch zu geringe Abgabe und verringerte O-Aufnahme tritt 
eine derartige Ueberladung des Blutes mit derselben ein, dass 
eine so weitgehende Schädigung des Centralnervensystems zu 
Stande kommt, dass sie zu Krämpfen, resp. schnell zum Tode 
führt. Klinisch müssen wir hier zweierlei trennen: erstens kommen 
hier Erkrankungen der Respirationsorgane in Betracht, wobei 
theils durch Verringerung der Respirationsoberfläche O-Mangel 
und C0 2 -Ueberladung des Blutes statt hat — das Paradigma 
hierzu wäre etwa die acute Capillarbronchitis, ferner die Larynx- 
stenose beim Croup, und zweitens die in Folge eines Spasmus 
glottidis auftretende Asphyxie, die secundär wieder zur C0 2 - 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Vergiftung führen kann und hierdurch gesteigerte Eklampsie 
un d Tod herbeizuführen im Stande ist — ein Circulus vitiosus, 
wie er schlimmer nicht gedacht werden kann. Ihn, in gewissem 
Sinne, analoge Vorgänge handelt es sich bei den gefürchteten 
Convulsionen beim Keuchhusten, der ja schon eine gewisse 
Spasmophilie bedingt und wo durch die Asphyxie wiederum 
nervöse Stauung im Gehirn erzeugt wird, die ja bekanntlich bis 
zu Gehirnblutungen führt. 

Wir mögen uns drehen und wenden, wie wir wollen, 
e* bleibt immer die Grundfrage, wie wir uns die, ab¬ 
gesehen von der Altersdisposition, gesteigerte Neigung zu 
Convulsionen erklären wollen. Wie ich schon erwähnte, ist 
es hier wieder einmal die Rhachitis, dies Mädchen für Alles, 
die herhalten muss, und es lässt sich nicht leugnen, dass viele 
Gründe für diese Theorie zu sprechen scheinen. Die grosse 
Mehrzahl der Autoren vertritt heute diesen Standpunkt, mögen 
sie nun die Rhachitis als solche auf das Nervensystem alterirend 
wirken lassen, oder wie andere meinen, Convulsibilität und Rha¬ 
chitis auf die gleichen Ursachen zurückführen. An die Idee 
E 1 s ä s s e Fs, dass der Spasmus glottidis durch Druck auf die 
rareficirten Hinterhauptsknochen hervorgerufen würden, glaubt 
man ja heutzutage meist nicht mehr, aber ich möchte betonen, 
dass es doch Fälle gibt, wo man durch manuelle Compression 
oder noch eher durch Verschiebung der Schädelknochen, Krampf¬ 
anfälle hervorrufen kann. 

Auch die Kassowit z’sche Ilyperaemielehre hat sich 
keine Anerkennung verschaffen können. Eine Erklärung hat 
auch G o w e r s versucht, er meint: „Zu der Zeit, in der dieser 
constitutionelle Zustand hauptsächlich auf tritt, ist die Entwick¬ 
lung der Structuren des Nervensystems bereits vollendet. Aber 
es ist wahrscheinlich, dass die functionelle Capaeität erst nach 
vollendeter structureller Entwicklung ganz vorhanden ist, und 
die zuletzt zur Entwicklung gelangten Theile mögen mehr von 
dem allgemeinen Entwicklungsdefect betroffen werden, als die¬ 
jenigen Theile, welche schon länger fertig und gebrauchsfähig 
waren.“ Für die Beeinflussung des Nervensystems durch die 
Rhachitis spricht ja auch die Beobachtung E p s t e i n’s über 
kataleptische Erscheinungen bei Rhachitikern, ferner die An¬ 
nahme von rhachitischen Lähmungen, besonders der unteren Ex¬ 
tremitäten, nach der Auffassung von Vierordt und Anderen. 
Auch Escherich hat sich mit seiner Lehre von der Tetanie 
stark dem rhachitischen Ursprünge derselben genähert. .Nehmen 
wir als letzte Ursache der Rhachitis eine Infection oder Intoxi- 
cation, vielleicht hereditärer Art an, dann liegt es auch hier 
nahe, von Autointoxication zu sprechen, die das Nervensystem 
zu dem nothwendigen Grade von Uebererregbarkeit führt, dass 
durch sonst harmlose Anlässe der eklamptische Anfall ausgelöst 
wird. Auch mit der Reflexeklampsie kommen wir nicht ohne 
ähnliche Annahme aus; es gehört nothwendig eine individu- 
elleDisposition hinzu. Sonst ist nicht einzusehen, warum 
z. B. ein Kind bei Incision eines Furunkels schwere Eklampsie 
bekommt, während ein anderes unter genau den gleichen Ver¬ 
hältnissen den Eingriff mit einem Aufschrei quittirt. Genau 
ebenso verhält es sich mit all’ den anderen Anlässen, die reflec- 
torisch Krämpfe zu verursachen im Stande sind. Es lässt sich 
nicht leugnen, dass die Autointoxicationslehre für das Verständ- 
niss des Zustandekommens einer solchen Disposition eine neue 
Möglichkeit erschliesst, obwohl sie noch hypothetisch ist. In 
diesem Sinne können wir auch die S o 11 m a n n’sche haema- 
togene Eklampsie anerkennen, wenn wir sie so auffassen, dass 
die betreffenden Schädlichkeiten auf dem Blutwege oder durch 
das Blut der Hirnrinde übermittelt werden, während es sich bei 
der reflectorischen Eklampsie bald um vasomotorische Störungen, 
bald um Blutdruckschwankungen handelt. 

Wenn ich mich nun zur Frage der Differentialdia¬ 
gnose wende, so versteht es sich von selbst, dass es sich in der 
Hauptsache darum handelt, ob sich eine directe Ursache für die 
Eklampsie in Form eines organischen Leidens, einer Infections- 
krankheit u. s. w. finden lässt oder nicht. Am wichtigsten aber 
wäre es, festzustellen, ob es sich um Eklampsie, d. h. also um 
einen vorübergehenden Zustand handelt oder um wahre Epi- * 
lepsie, und gerade hier lässt uns die Diagnostik so gut wie voll¬ 
ständig im Stich. Der einzelne Anfall als solcher ist überhaupt 
nicht von dem epileptischen zu unterscheiden, ja manche Neuro¬ 
logen, an ihrer Spitze der bedeutende Kenner der Epilepsie, 

F 6 r 6, wollen die beiden Zustände gar nicht getrennt wissen. 
Das eine ist eine Epilepsie die früh zur Heilung gelangt, das 

. No. 2 . 

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andere heilt erst spät oder auch gar nicht aus. Weder die Dauer 
des Anfalles, noch die verschiedene Schwere der Convulsionen, 
noch die Tiefe der Bewusstlosigkeit gibt uns einen Anhaltspunkt 
für unser Urtheil. Das Wenige, das wir wissen, lässt sich mit 
wenigen Worten sagen: wir werden an Epilepsie denken müssen, 
wenn die Anamnese hereditäre Belastung ergibt, sodann wenn 
das Wiederauftreten der Krämpfe in verschieden grossen Inter¬ 
vallen ohne nachweisbare Gelegenheitsursache sich wiederholt 
und ferner, wenn in der anfallsfreien Zeit psychische, vaso¬ 
motorische und andere Störungen sich zeigen, die als epileptoide 
imponiren; es gilt dieses natürlich im Allgemeinen nur für 
ältere Kinder. Nur eine langdauernde, sorgfältige Beobachtung 
kann zur sicheren Diagnose führen. Es ist auch behauptet 
worden, dasss die Epilepsie sich erst im Gefolge eines eklamp* 
tischen Anfalles, also durch diesen gesetzte corticale Verände¬ 
rungen, entstehen könne. Wie gross die Anzahl der Epileptiker 
ist, die als kleine Kinder Eklampsie gehabt hatten, entzieht 
sich einer genaueren Berechnung. Die Angaben, die ich in der 
Literatur gefunden habe, schwanken zwischen 8 Proc. und 
34 Proc.! G o w e r s gibt an einer Stelle an, dass bei ein Achtel 
aller Epileptiker der Beginn des Leidens in die 3 ersten Lebens¬ 
jahre fällt. Er vertritt auch mit besonderer Schärfe die Idee, 
dass Reflcxconvulsionen, die durch verschiedene Ursachen, bei¬ 
spielsweise durch Wurmreiz bedingt waren, nicht für immer zu 
verschwinden brauchen, „vielmehr als idiopathische Epilepsie 
weiterbestehen können, augenscheinlich als Folge der im Nerven¬ 
system durch die primären Convulsionen hervorgerufenen Ver¬ 
änderungen“. Auf die epileptische Natur der bei älteren Kindern 
vorkommenden Salaamkrämpfe, die anfänglich, im ersten und 
zweiten Lebensjahre mit den harmlosen analogen Formen bei 
— wie Raudnitz meint — in lichtarmen Wohnungen auf- 
wachsenden Raehitikern zu verwechseln sind, habe ich bereits 
in Braunschweig hingewiesen. 

Aber nicht nur als Vorläufer der Epilepsie, sondern auch der 
Hysterie ist die Eklampsie beobachtet worden. In letzter Zeit 
haben speeiell Bruns, Fürstner und Oppenheimer 
hierauf hingewiesen. Jedenfalls ist diese Frage noch nicht ge¬ 
nügend klar gelegt. Mein Herr Correferent wird weitere dia¬ 
gnostische Momente berücksichtigen. 

Ich muss Ihre Aufmerksamkeit noch für einige Augenblicke 
in Anspruch nehmen, um der Therapie einige Worte zu 
widmen. 

Von prophylaktischen Maassregeln will ich der Kürze halber 
absehen. Als selbstverständlich scheint es, dass man bei sehr 
erregbaren, vielleicht hereditär belasteten Kindern plötzliches 
Erbrechen, Angstzustände und Erregungen möglichst vermeidet. 
Eine vernünftige, somatische oder psychische Hygiene wird auch 
hier das richtige treffen. Hat das Kind bereits Convulsionen ge¬ 
habt, so ist es in erster Linie nothwendig, so weit als möglich dar¬ 
über klar zu werden, ob es sich um eine bestimmte, genauer rubri- 
cirbare Form von Eklampsie handelt, etwa um initiale Eklampsie 
im Beginne einer Infectionskrankheit u. s. w. In einem solchen 
Falle wird man von einer Behandlung der Krämpfe selbst fast 
stets absehen können, es sei denn, dass es sich um ganz besonders 
schwere und gefahrdrohende Attacken handelt. Anders wenn wir 
in der Lage sind, die Stelle aufzufinden, von der aus die Anfälle 
ausgelöst werden. Die Entfernung eines Ceruminalpropfes, von 
adenoiden Wucherungen, die Operation einer Phimose können 
mit einem Schlage die hartnäckigsten Krämpfe beseitigen. Im 
acuten Anfall wird es sich um eine rein symptomatische Therapie 
handeln. 

Wie beim epileptischen Anfall sorgt man für Lockerung 
beengender Kleidung, besonders am Halse und am Leibe, um 
Athmung und Blutumlauf möglichst wenig zu hindern. Ferner 
empfiehlt sich jedenfalls die Anwendung eines lauwarmen Bades 
mit vorsichtigen, kühlen Uebergiessungen. Ist ein Bad nicht 
zu beschaffen, so können kühle Umschläge, event. auch isolirt, 
auf den Kopf empfohlen werden. Von Eisbeutel, kalten Pack¬ 
ungen und kalten Bädern bin ich persönlich ganz abgekommen, 
sie schienen mir öfters sogar erregend zu wirken. Das beliebte 
Besprengen des Gesichts und der Brust mit kaltem Wasser hilft 
bei schweren Anfällen nichts, in leichteren ist vielleicht eine An¬ 
regung der Respiration zu erwarten. Auch die Verabreichung 
beruhigender oder ableitender Klysmata mit Kamillen- oder 
Essigzusatz hat keinen besonderen Effect, für leichtere Fälle 
sind sie immerhin empfehlenswerth. 

2 

Original fro-m 

UNIVER5ITV OF CALIFORNIA 



42 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Eine weitere Methode besteht in dem Ansetzen von Blut¬ 
egeln an den Nacken, resp. die Warzenfortsätze, eine Behandlung, 
die nur bei sehr kräftigen Kindern und intensivem Blutzudrang 
nach dem Kopfe eine Berechtigung hat. In wirklich schweren 
Fällen, speciell auch bei Theilnahme der Athemmusculatur bleibt 
uns als souveränes Mittel die Narkose. Am ehesten mit 
Chloroform, im Nothfalle auch mit Aether. Ich muss gestehen, 
dass ich hierin ein warmer Anhänger von Trousseau und 
H e n o c h bin, auch insofern, als ich die grosse Angst vor der 
Chloroformnarkose nicht theilen kann. Aether erscheint mir 
weniger angebracht, weil er, besonders bei Verwendung weniger 
reiner Sorten, und bei der Neigung rhachitischer Kinder zu 
Bronchialkatarrhen, leicht Congestion der Respirationssehlei m- 
haut hervorrufen kann. In prognostisch weniger ungünstigen 
Fällen genügt Chloralhydrat, am besten per Klysma beigebracht, 
aber in grossen Dosen, bei Kindern unter einem halben Jahre 
0,5 g pro dosi, bei älteren 1,0 in 30,0—50,0 Salepsehleim. Kleinere 
Dosen sind in ihrer Wirkung unsicher. Der Nachlass der 
Krämpfe pflegt innerhalb 10 Minuten, zuweilen noch schneller 
einzutreten. 

Schliesslich haben wir noch die Fälle zu erwägen, wo immer 
wieder in grösseren oder geringeren Pausen Anfälle ver¬ 
schiedenster Intensität auftreten, wo der Arzt sehr oft gar keine 
oder nur rudimentäre, zuweilen auch wohl ausgesprochene 
Attacken sieht. Hier sind die sedativen Mittel am Platz, an 
ihrer Spitze die Bromsalze. Aber mit kleinen Mengen erreichen 
wir nur sehr wenig. Man verordne ruhig eine 5proe. Lösung 
und lasse hiervon 2 stündlich 1 Kaffeelöffel, bei Kindern über 
1 Jahr auch einen Kinderlöffel voll nehmen, bis deutliches 
Nachlassen der Krämpfe erfolgt. Wenig Erfolg haben T. am- 
brae c. Moscho, ferner die Flores Zinci etc. Dagegen möchte ich 
warm für die Verabreichung des Phosphor bei sogen, idio¬ 
pathischen Krämpfen eintreten. Schon nach 2, höchstens 3 mal 
24 Stunden pflegen die hartnäckigsten Convulsionen zu ver¬ 
schwinden und gibt man noch einige Wochen Phosphor weiter, 
so kommen sie auch nicht wieder. Hierbei handelt es sieh nicht 
nur um rhachitische Kinder, sondern auch um solche, bei denen 
die Eklampsie vermuthlich auf sonstige Autointoxicationen 
zurückzuführen ist. Ich bin der Ueberzeugung, dass Phosphor 
direct antispasmodisch wirkt und bin hierin noch bestärkt 
worden durch einen Thierversuch, der wegen Mangels an Zeit 
leider nicht wiederholt werden konnte. Ich gab einem 3 Wochen 
alten Hunde 6 Tage lang ä 0,002 Phosphor intern, während der 
Controlhund aus demselben Wurfe keinen Phosphor erhielt. Am 
7. Tage injicirte ich jedem Hunde 0,0001 (V 10 mg) Strychn. nitr. 
Der Unterschied war ein ganz eclatanter: Während der Phosphor¬ 
hund einen leichten Tetanusanfall bekam, von dem er sich in 
20 Minuten vollständig erholte, bekam der andere schwerste 
tetanische Krämpfe, Erbrechen, hetzende Athmung und wurde 
nur durch Aetherinhalationen am Leben erhalten. Dabei war 
das Lebendgewicht des Phosphorhundes bedeutend geringer. 
Wenn auch ein einzelner Versuch nicht beweisend ist, so wollte 
ich doch nicht verfehlen, denselben mitzutheilen. 

Ich muss schliessen. Eine Besprechung aller in Betracht 
kommenden Fragen war mit der zu Gebote stehenden Zeit un¬ 
vereinbar. Möge die Discussion neue und interessante Gesichts¬ 
punkte liefern 1 

Adenocarcinom des Coecum. Invagination, Resection, 
Heilung. 

Von Dr. K r e c k e in München. 

Seit dem gewaltigen Aufschwung der Magendarmchirurgie 
hat sich immer dieCoecalgegend einer ganz besonderen Beachtung 
zu erfreuen gehabt. Die Entzündungen dieser Region haben zu 
einer solchen literarischen Iloehfluth Veranlassung gegeben, dass 
die Bewältigung derselben allein schon eine ganz erhebliche 
Summe von Arbeit erfordert. Etwas weniger häufig, aber immer¬ 
hin mit grosser Gründlichkeit sind die Tumoren der Ileoeoecal- 
gegend bearbeitet worden. Nachdem Billroth und Kraus¬ 
sold schon im Jahre 1876 je eine Coecumresection ausgeführt 
hatten, gelang es erst im Jahre 1882 M ay dl, den ersten glück¬ 
lichen Ausgang bei einer Coecumresection zu erzielen. Die erste 
Resection wegen Tuberculose des Coecum machte Czerny im 
Jahre 1884. Ausser dem letztgenannten Autor haben sich in 
neuerer Zeit besonders König und Körte um die Chirurgie 
der Coecaltumoren verdient gemacht. 


Im Sommer 1898 hatte ich Gelegenheit, eine mir von Herrn 
D. R. v. H ö s s 1 i n zugewiesene Patientin mit Adenocarcinom 
der Coecalgegend mit Erfolg zu operiren. Da die Kranken- * 
geschichte Gelegenheit gibt, auf eine Reihe der hier in Betracht 
kommenden Fragen näher einzugehen, so erlaube ich mir, im 
Folgenden dieselbe den Faehgenosson zu unterbreiten. 

Frl. N., 63 Jahre alt. Eine Schwester der Patientin starb an 
Magenkrebs. 

Patientin hat vor 10 Jahren eine sehr schwere, mit vielen 
blutigen Entleerungen verbundene R u li r durchgemacht. Sie 
musste damals 7 Wochen zu Bett liegen, wurde aber von dieser 
Erkrankung vollkommen wieder hergestellt. 

Ihr jetziges Leiden datirt von einer im Frühjahr 1897 über* 
standenen Influenza her. Sie magerte allmählich sehr beträcht¬ 
lich ab und begann Mitte Juli an Unregelmässig¬ 
keit beim Stuhlgang zu leiden. Es stellte sich 
neben Appetitlosigkeit hartnäckige Verstopfung 
ein, manchmal bestand Erbrechen der genossenen Speisen, 
und wiederholt hatte Patientin reichliche blutige Entleerungen 
aus dem Mastdarm. Gleichzeitig begann die Kranke über 
heftige Schmerzen im Leib zu klagen, bei denen sie die 
Empfindung hatte, als ob ein harter, spitziger Gegenstand in 
den Leib gedrückt würde. Die Schmerzen stellten sich meistens 
Nachts ein, oft nach tage- und wochenlangen Pausen, währten 
oft mehrere Stunden lang. In der rechten Seite des Leibes be¬ 
merkte Patientin eine harte, bewegliche Anschwellung, die bei 
Druck Schmerzen verursachte. Das Erbrechen war im September 
besonders heftig, 3 mal hatte es k o t li i g e u Charakter. 

Patientin fühlte sich gleich vom Anfang der Erkrankung 
an so matt, dass sie von Mitte Juli bis zum 20. September das 
Bett hüten musste. Das Körpergewicht sank während dieser Zeit 
von 118 auf 94 Pfund. Am 29. September Hess sie sich in die 
Heilanstalt Neu-Wittelsbach aufnehmen. 

In Neu-Wittelsbach blieb die Patientin bis zum 10. Juli 1898. 
Nach der mir von Herrn Dr. R. v. H ö s s 1 i n gütigst zur Ver¬ 
fügung gestellten Krankengeschichte ergab die Untersuchung bei 
der Aufnahme in der Mitte zwischen Nabel und Symphyse einen 
quer verlaufenden, unregelmässig höckerigen, etwa 20 cm langen 
und 5 cm breiten Stra n g, der auf Druck massig empfindlich 
war. 

Aus der genau geführten Krankengeschichte entnehme ich 
ferner, dass im laufe der weiteren Beobachtung die Lage dieser 
strangartigen Geschwulst sehr wechselte, dass sie bald 
mehr rechts, bald mehr links zu fühlen war, bald von rechts oben 
nach links unten, bald umgekehrt verlief, dass sie ferner oft für 
mehrere Tage überhaupt, nicht nachzuweisen war. 

Am r». October stellte sieh ein richtiger 11 e u s a u f a 11 ein- 
reichliches Erbrechen von gelblich gefärbten und kothartig 
riechenden Massen, völliges Fehlen von Flatus, aufgetriebenes. 
schmerzhaftes Abdomen, kleiner und frequenter, unregelmässiger 
Puls. Eine Mageuausspülung brachte alle diese Erscheinungen 
bald zum Verschwinden. 

Der Stuhl war während der ganzen Beobachtungszeit un¬ 
gehalten und erfolgte im Allgemeinen nur auf Oel- und Wasser¬ 
einläufe. Daneben stellten sich sehr häufig blutige und schleimige 
Entleerungen ein. Am 6. März 1898 fand ein Abgang von sein- 
reichlichem frischem, rothen Blut statt. 

Das subjective Befinden war dabei sehr wechselnd, oft fühlte, 
sieh Patientin tagelang völlig wohl, dann wurde sie wieder von 
Uebelkeiten, kolikartigen Schmerzen im Leib und grosser Un¬ 
ruhe der Gedärme geplagt. Das Körpergewicht blieb auf 
94 Pfund. 

Am 14. Juli 1898 bat mich Herr College R. v. H ö s s 1 i n, die 
Kranke mit ihm zu untersuchen; es ergab sich jetzt folgender 
Status: 

Patientin ist mittelgross, von gracilem Knochenbau, sein- 
geringem Fettpolster. Haut schlaff und w-elk, in grossen Falten 
aufhebbar, von blassgelblichem Colorit. Puls 84, mittelw-eit und 
kräftig, regelmässig. 

Herz- und Lungenbefund normal, Urin ehveissfrei. 

Das A 1) d o m e u erscheint bei der stark abgemagerten Pa¬ 
tientin etwas vorgebuchtet, besonders in der unteren Hälfte. Bei 
längerer Betrachtung sieht, man häufig kräftige peristaltisclie 
Wellen unter den Bauchdecken hinlaufen, plötzlich zum Still¬ 
stand kommen und sich zu 5—6 deutlich sichtbaren rundlichen 
Tumoren von etwa Hühnereigrösse ausbilden. Diese Tumoren 
fühlen sich meist elastisch an, verschwinden nach einiger Zeit 
plötzlich und Alles ist ruhig. Nach einigen Minuten tritt dasselbe 
Spiel von Neuem auf. Während dieser heftigen Peristaltik hat 
Patientin ausserordentlich starke, kolikartige Schmerzen, an dem 
Schluss des Anfalls hört man sehr laute, polternde Geräusche. 

Bei ruhender Peristaltik fühlt man in der linken Fossa 
i 1 i a c a einen etwa emueigrossen Tumor von ziemlich derber 
Conslstenz, leicht unregelmässiger Oberfläche, mässiger Druck- 
empfiudlichkeit. Der Tumor lässt sich aus seiner Lage nicht 
verschieben, der Percussionsschall über demselben ist leicht ge¬ 
dämpft. 

Der Befund von der Vagina und vom Rectum her ist 
negativ. 

Unmittelbar vor der Untersuchung hatte Patientin einen 
Stuhl von theils breiigen, theils flüssigen Kothmassen, mit zahl¬ 
reichen, kleinsten flüssigen Schleimfasern vermengt 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



0. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


43 


Diagnose: Tumor, wahrscheinlich des Diekdarms, mit 
Darmsteuose. 

10. Juli 1808. Aethernarkose. Aetherverbraucli 200 g, Dauer 
150 Minuten. Vor Beginn der Operation wird nochmal eine Unter¬ 
suchung des Abdomens vorgenommen. Der Tumor liegt nunmehr 
zwischen Nabel und Symphyse, ist etwa emueigross, von derber 
Oonsistenz, leicht höckeriger Oberfläche. Er zeigt eine ausser¬ 
ordentlich grosse Beweglichkeit und lässt sich leicht sowohl nach 
rechts, wie nach links, wie auch nach oben verschieben. 

Schnitt in der Einen alba vom Nabel bis zur Symphyse. Naeh 
Eröffnung des Bauchfelles liegen zunächst einige stark geblähte 
Diinndarmschlingen vor. Der gefühlte Tumor liegt im Kolon 
ascendens und lässt sich in demselben leicht hin- und h rsehieben. 
Bei der grossen Beweglichkeit des Tumors wird zunächst ver¬ 
mut het, dass derselbe vielleicht stieli'örmig aufsitzt» und ohne 
ringförmige Keseetion entfernt werden könne. Daher Eröffnung 
des Kolon. Der Tumor sitzt der Dickdarmwaml breitbasig auf, 
ist etwa emueigross und hat eine feingekörnto. leicht uleerirte 
Oberfläche. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse erweist 
sich, dass er mitsummt einem Theil des oberhalb gelegenen Darm¬ 
rohrs in das Kolon ascendens iuvagiuirt ist, und wie man jetzt 
nach dem Coecum sieht, ist dasselbe nicht sichtbar. 

Es handelt sich also um einen Tumor am Anfangstheil des 
Kolon und eine Invaginatlon des ileocoeealen 1 >arm- 
abschnittes in das Kolon ascendens. Eine Entwicklung der In- 
vagination erweist sich als unmöglich. Es wird desshalb die 
Keseetion des ganzen betheiligten Darmabschnittes be¬ 
schlossen und ausgeführt. Durchtrennung des Dünndarms ober¬ 
halb. des Dickdarms unterhalb der Invagination. Abbindung 
des Mesenteriums und Durchtrennung desselben. 

Es folgt die directe Vereinigung der beiden Darmenden durch 
die circulare Naht. Wenn auch das Dünndarmlumen sich weit 
grösser erweist als das Dickdarmlumen, so gelingt es doch, eine 
exacte, gut scliliessende Naht anzulegen. Schliesslich wird der 
Schlitz im Mesenterium durch eine fortlaufende Catgutnaht ge¬ 
schlossen und die Bauchwunde vernäht. Keine Drainage. 

Die ganze Reseetion hat sich gut vor den Bauchdeeken aus- 
fiihren lassen, eine Verunreinigung der Bauchhöhle mit Darm¬ 
inhalt ist vermieden worden. 

Patientin ist während der Operation sehr blass geworden, 
die Athmung sehr oberflächlich, der Puls klein und unregelmässig. 
Noch vor Beendigung der Operation erhält Patientin einen Liter 
Kochsalzlösung subcutan. Bald darnach hebt sich der Puls und 
wird regelmässiger. 

Der Verlauf war ein sehr günstiger. Patientin erholte 
sich sehr bald von dem Eingriff. Am 1t). Juli gingen auf ein 
kleines Kochsalzklystier sehr reichliche Flatus ab, am 19. Juli 
erfolgte der erste Stuhlgang. 

Die Temperaturen bewegten sich in den ersten 8 Tagen 
zwischen 36.2 und 37,8. Am 20. Juli war die Abendtemperatur 
38,2 und innerhalb der nächsten 14 Tage kam es noch 2 mal zu 
einer gleich hohen Steigerung. Als Ursache dieser Temperatur¬ 
erhöhung fand sich nach oben von der Ileocoecalgegend eine etwa 
hühnereigrosse, derbe, umschriebene Resistenz, die auf Druck 
ziemlich schmerzhaft war. Auch klagte Patientin manchmal über 
ziehende Schmerzen an dieser Stelle. Das Allgemeinbefinden war 
durch diese Sache in keiner Weise beeinträchtigt. Der Tumor 
wurde allmählich von selbst kleiner und war am 15. August völlig 
verschwunden. 

Patientin machte bei gutem Appetit in ihrer Ernährung 
schnelle Fortschritte, am 14. September wurde sie aus der Be¬ 
handlung entlassen. 

Seit der Entlassung hörte ich öfter von der Patientin und 
konnte sie zum letzten Male am 10. April 189!) untersuchen. 
Patientin fühlt sich, abgesehen von nervösen Beschwerden, völlig 
wohl. Von Recidiv keine Spur. Körpergewicht 120 Pfund. 

Beschreibung des Präparates. 

Das excidirte Darmstück hat im invaginirten Zustand eine 
Länge von 15 cm. Nach der Aufschneidung der ersten Schicht 
«Kolon ascendens) liegt der invaginirte Theil des Kolon vor und 
genau an seiner unteren Kuppe sitzt der einueigrosse Tumor. 
Diese untere Kuppe entspricht genau der Ileocoecalklappe. Der 
Tumor geht ziemlich breitbasig von der hinteren und inneren 
Wand des Coecum aus und wuchert blumenkohlartig in das 
Darmlumen vor, sich über die Ileocoecalklappe liinüberlegend. 
Die Oberfläche ist sehr unregelmässig mit Stecknadelkopf- bis 
kirschgrossen Höckern versehen, die zum Theil einen darm- 
schleimhautähnlichen Ueberzug zeigen, zum Theil einen warzen¬ 
artigen, papillomatösen, stellenweise erodirten Charakter tragen. 
Die Consistenz ist eine sehr derbe. Die näheren Verhältnisse der 
Invagination ergeben sich am besten aus beistehender Zeichnung. 



Auf der Schnittfläche Ist der Tumor im Allgemeinen von 
gleichmässlger grauröthlicher Farbe, gleichmässig derber Con- 

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sistenz mit nur wenigen Stellen von etwas weicherer Beschaffen¬ 
heit. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigt- der Tumor im 
Allgemeinen einen rein drüsigen Bau. Die einzelnen Drüsen¬ 
durchschnitte zeigen eine einfache runde oder längliche Form, 
nur hin und wieder sind grössere Einstülpungen und Ausbuch¬ 
tungen der Drüsenwand zu sehen. Das auskleidende Epithel ist 
ein reines Cylimlerepithel, grössteutheils einschichtig, seltener 
mehrschichtig. In dem Driisenlumeu linden sich mehrfach An¬ 
häufungen von Rundzellen und Detritusmassen. Zwischen den 
einzelnen Drüsenschläuchen sieht man ein müssig derbes Binde¬ 
gewebe. hin und wieder mit nicht sehr reichlichen Rundzellen¬ 
anhäufungen. An der Oberfläche dos Tumors ist an manchen 
Stellen noch die normale Dickdarmdrüsenschicht sichtbar. 

Was zunächst die klinischen Erscheinungen der 
Ileoeoecaltinneren anbetrifft, so finden wir bei unserer Patientin 
nahezu alle charakteristisch ausgesprochen, wie sie uns zumal 
die ohissische Darst ellung K ö n i g’s geschildert hat. Es ist selbst¬ 
verständlich, dass die Symptome, wie sie bei den Coecaltumoren 
auftreten, in derselben Weise sieb auch bei allen Kolontumoren 
und im Allgemeinen auch bei den Dünndarmtumoren vorfinden. 
In Folge der zu mechanischen und chemischen Reizen Veran¬ 
lassung gebenden Verengerung ist die Ileocoecalgegend ein Prä- 
dilectiousort für die Entstehung von Darmtumoren, und die 
Symptomatologie derselben kann ganz gut als Paradigma für 
alle Darmtumoren gelten. 

Der wichtigste Symptomeneomplex ergibt sieh für die Diek- 
darmtumoren aus der Behinderung der Stuhlent¬ 
leerung. Der Koth häuft sieh oberhalb der stenosirten Stell»; 
an, und als erste Erscheinung zeigt sieh eine ausserordentlich 
hartnäckige Verstopfung. Die Verstopfung kann lange 
Zeit das einzige Symptom bleiben, die Kranken fühlen sich dabei 
völlig wohl, magern nicht ab, haben guten Appetit, bis plötzlich 
wie aus heiterem Himmel ganz schwere Erscheinungen daher 
kommen. Derartige Zufälle sind ja zu bekannt, als dass man 
noch einmal besonders darauf aufmerksam machen sollte. Ich 
habe erst vor Kurzem eine Patientin beobachtet, bei der langt; 
Zeit gar nichts weiter nachzuweisen war, als eine hartnäckige 
Stuhl Verstopfung. Mitten im besten Wohlsein kam es plötzlich 
zum vollständigen Darmverschluss. Wie ich nach 4 Tagen ge¬ 
rufen wurde, waren sehon die Anzeichen beginnender Peritonitis 
vorhanden. Trotzdem machte ich noch auf Drängen der An¬ 
gehörigen einen operativen Eingriff, der natürlich nur in der 
Anlegung eines Kunstafters bestehen konnte. Die Kranke starb 
nach 36 Stunden. Die Section ergab ausser einem Carcinom der 
Flexur und beginnender eiteriger Peritonitis ausgedehnte nekro¬ 
tische Verschwärungen im ganzen Kolon. 

Bei sehr hartnäckiger Verstopfung können aber manchmal 
in Folge der erheblichen Koprostase weitere Erscheinungen auf¬ 
treten, auf die König die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Die 
Patienten verlieren den Appetit, magern rasch ab, und zeigen be¬ 
sonders eine grosse Theilnahmslosigkeit und Schläfrigkeit. 
König erklärt dieses Symptomenbild aus einer Intoxi- 
c a t i o n durch die stagnirenden, sich aus den angehäuften 
Fäcalinassen entwickelnden Darmgase. Eine gehörige Dosis Rici- 
nusöl kann alle die Erscheinungen zum Rückgang bringen. 

Neben der Verstopfung sind Durchfälle keine seltene 
Erscheinung. Sehr häufig bestehen die flüssigen Entleerungen 
allerdings nur aus kothigem Darmschleim. Blutige Bei¬ 
mischungen zu den Entleerungen sind natürlich ein nicht 
seltenes Vorkommniss, doch können sie auch während der ganzen 
Dauer der Erkrankung ausbleiben. 

Sehr charakteristische Erscheinungen stellen sich ein, wenn 
es bei Zunahme der Stenose zu kolikartigen und i 1 e u s - 
artigen Anfällen kommt. Oberhalb der Stenose sammeln 
sich reichlich Kothmassen und Darmgase an, der betreffende 
Darm theil wird erweitert und hypertrophisch in Folge der ver¬ 
mehrten pcristaltisclien Bewegungen, die das Hinderniss zu über¬ 
winden suchen. Die vermehrte Peristaltik macht ausserordent¬ 
lich heftige, wehenartige Schmerzen, man sieht die peristaltischen 
Bewegungen deutlich durch die Bauchdecken hindurch ablaufen, 
und kollernde und gurrende Geräusche sind weithin vernehmbar. 
Plötzlich fällt der Leib zusammen uiul gleichzeitig hört mau ein 
Geräusch, als ob Flüssigkeit durch eine enge Stelle getrieben 
würde (König). Gelingt es der vermehrten Peristaltik nicht, 
das Hinderniss zu beseitigen, so treten antiperistaltischo Be¬ 
wegungen auf, es kommt zu Uebelkeit, Erbrechen, schliesslich 
zum Kothbrechen. Die Krankengeschichte unserer Patientin 
lehrt uns, dass bei ihr beide Arten von Anfällen in sehr charakte- 

2 * 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN SCHRIFT 


No. 2. 


ristischer Weise aufgetreten sind. F. Crämer -München hat 
das Stenosengeräsuch wiederholt beobachtet und bezeichnet es 
als Schüttgeräusch. Nach Crämer kommt es dadurch zu 
Stande, dass die Kothmassen mit grosser Gewalt gegen die enge 
Stelle angetrieben und dann sofort wieder zurückgeworfen werden. 
In einer Dissertation von King ist irrthümlicher Weise die 
Gräme r’schen Bezeichnung als Spitzenzischgeräusch ange¬ 
geben. 

Der örtliche Befund wird bei den Tumoren des Coe- 
cum wie des Kolon überhaupt gewöhnlich ein ganz charakte¬ 
ristischer sein. In Folge der oberflächlichen Lage des Kolon 
wird sich eine Neubildung den palpirenden Fingern alsbald be¬ 
merkbar machen. Die Lage in der Coecalgegend wird gewöhnlich 
für einen von diesem Organ ausgegangenen Tumor sprechen. 
Man muss aber bedenken, dass mitunter Tumoren anderer Darm¬ 
abschnitte, Dünndarm, Querkolon, durch Verwachsungen in der 
Ileocoecalgegend festgelegt sein können. Andererseits kann ein 
Tumor des Coecum, wie in unserem Falle, so beweglich sein, dass 
er an allen möglichen Punkten der Bauchhöhle, so auch in der 
linken Fossa iliaca, angetroffen wird. Hätte man den Dickdarm 
mit Gas aufgebläht, so würde bei unserer Kranken die Diagnose 
wohl mit Sicherheit haben gestellt werden können. 

Hüten muss man sich, Anhäufungen von Kothmassen im 
Dickdarm für einen Tumor anzusprechen. Vor 2 Jahren be¬ 
obachtete ich eine 35 jährige Kranke, welche die Erscheinungen 
eines schweren Darmleidens darbot und bei welcher das ganze 
Kolon transversum und descendens knotig infiltrirt erschien. 
Bei der Section fand sich nur ein kleines, ringförmiges Car- 
cinom der Flexur, die fühlbar gewesenen Knoten bestanden aus¬ 
schliesslich aus Kothmassen. 

Körte weist auf die recht seltene Abscess- und 
Fistelbildung hin, die bei den Ileocoeealtumoren ange¬ 
troffen wird. Körte fand sie unter 16 Fällen 8mal, 4mal bei 
Tubereulose und 4 mal bei Carcinom. Eine solche Eiterung und 
Fistelbildung wird natürlich die Differentialdiagnose zwischen 
Tumoren und entzündlichen Processen sehr schwierig machen. 

Sehr eigenthümliche Erscheinungen können sich einstellen, 
wenn der Darmtumor zu einer Invag in ation des betreffenden 
Darmabschnittes Veranlassung gibt. Ganz ähnlich wie bei 
unserer Patientin war es auch in einem Falle König’s und 
einem K ö r t e’s zu einer Invagination des erkrankten Coecums 
mit einem Theile des Dünndarms in das Kolon ascendens ge¬ 
kommen. Auch bei diesen Patienten bestanden die Zeichen 
von Störungen der Kothpassage, Verstopfung abwechselnd mit 
Durchfall, Koliken, ileusartige Zufälle. Charakteristisch war 
bei diesen Kranken das Fühlbarsein eines langen, wurstförmigen 
Tumors, der schon am nächsten Tage wieder verschwunden sein 
konnte. So war es auch bei unserer Patientin gewesen. Herr 
College K. v. Hösslin hatte schon r.m 9. Nov. 1897 einen 20 cm 
langen, 5 cm breiten Strang gefühlt, der mehrere Tage lang 
deutlich nachzuweisen war, dann aber plötzlich wieder verschwand. 
Wir müssen annehmen, dass die Invagination sich bei diesem Be¬ 
fund immer von selbst wieder löste. Wie die Patientin zur Ope¬ 
ration kam, war die Invagination eine feste geworden, so dass 
sie auch nach Freilegung des Darmes nicht zu lösen war. 

Auf die bei Darmtumoren auf tretenden Allgemein¬ 
erscheinungen wurde schon oben hingewiesen. Ausser der 
schon oben genannten Theilnahmslosigkeit und 
Schläfrigkeit seien hier nur noch die genügend bekannten 
Symptome der Abmagerung, der fahlen Farbe, der 
Appetitlosigkeit genannt. Es sei aber nochmals daran 
erinnert, dass schwere Allgemeinerscheinungen bei den Darm¬ 
tumoren oft verhältnissmässig lange ausbleiben. 

Ueberblicken wir nach diesen Bemerkungen nochmals den bei 
unserer Kranken beobachteten Symptomencomplex, so bietet uns 
derselbe fast alle besprochenen Erscheinungen in charakteristi¬ 
scher Weise dar. Wir haben die hartnäckige Verstopfung, ab¬ 
wechselnd mit Durchfall, die blutigschleimigen Ausleerungen, 
die heftigen, mit vermehrter Peristaltik einhergehenden Koliken, 
die ileusartigen Anfälle, das Fühlbarwerden und Wiederver¬ 
schwinden einer langen, wurstförmigen Resistenz, das Auftreten 
eines sehr beweglichen Tumors, die hochgradige Abmagerung 
und den Kräfteverfall. Die Diagnose konnte darnach mit Sicher¬ 
heit auf einen mit Darmstenose einhergehenden Tumor gestellt 
werden. Die grosse Beweglichkeit hinderte, einen Tumor der 
Ileocoecalgegend anzunehmen. 

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Die Operation der Coecaltumoren wird von erfahrenen 
Operateuren, wie König und Körte, als ein recht schwieriges 
Unternehmen angesehen. Die Belege für ihre Anschauung findet 
man in ihren Krankengeschichten, die von schwer zu lösenden 
Verwachsungen mit den Bauchdecken, mit den Nachbarorganen, 
von der schwierigen Vereinigung der Darmenden erzählen. Um 
so angenehmer war ich von der verhältnissmässigen Leichtigkeit 
der Operation in unserem Falle überrascht. Nach Klarstellung 
der Invaginationsverhältnisse gelang die Exstirpation des er¬ 
krankten Darmes ohne besondere Schwierigkeiten. Der Grund 
für die einfachen Verhältnisse war in der abnormen Länge des 
Mesokolons zu suchen, wodurch die Isolirung des Darmes erheb¬ 
lich erleichtert war, die es auch gestattet hatte, den Bauchdecken¬ 
schnitt in der Linea alba anzulegen. Auch war dadurch ermög¬ 
licht, das mediale und laterale Blatt des Mesokolons gemeinschaft¬ 
lich zu unterbinden, während es sich in der Regel empfiehlt, diese 
Unterbindungen getrennt vorzunehmen. Den von mir befolgten 
Gang der Operation, erst Durchtrennung des Darmes und dann 
Abbindung, würde ich auf K ö r t e’s Empfehlung in Zukunft 
umändern, indem ich zuerst den Darm abbinden und dann durch¬ 
trennen würde. Man vermeidet auf diese Weise am sichersten 
eine Verunreinigung des Operationsfeldes durch Darminhalt. 
Bei der Unmöglichkeit der Desinvagination war die völlige Ent¬ 
fernung des Intussusceptum und des Intussuscipiens das ein¬ 
fachste Verfahren. 

Auch die Vereinigung der beiden Enden des Heum und 
Kolon gelang ohne besondere Schwierigkeiten durch die fort¬ 
laufende Naht nach Czerny. Bekanntlich haben sich öfters 
sowohl aus der Entfernung der beiden Darmenden von einander, 
wie aus der Ungleichheit der Darmlichtungen recht erhebliche 
Schwierigkeiten ergeben. Körte redet für solche Fälle sehr der 
seitlichen Implantation des Dünndarmes in den Dickdarm das 
Wort, die sich viel leichter und schneller ausführen lasse, wie 
die directe Vereinigung der beiden Darmenden. 

Nachdem die Darm wunde genäht und der Schlitz im Me¬ 
senterium durch eine fortlaufende Catgutnaht geschlossen war, 
wurde bei unserer Patientin ein völliger Verschluss der 
Bauchwunde ohne Drainage vorgenommen. Bekanntlich 
sind die Ansichten darüber, ob man in einem solchen Falle drai- 
niren soll oder nicht, noch getheilt. Körte empfiehlt dringend 
die Drainage mit Jodoformgaze, die wohl eine geringe Heilungs¬ 
verzögerung macht, dafür aber auch eine erheblich grössere 
Sicherheit bietet. Nach den Beobachtungen bei unserer Pa¬ 
tientin möchte ich in Zukunft auch eher zu einer Drainage der 
Bauchhöhle geneigt sein. Wie aus der Krankengeschichte her¬ 
vorgeht, bildete sich an der Stelle der Resection unter leichtem 
Fieber ein massig druckempfindliches Exsudat. Ich muss sagen, 
dass ich wegen dieses Exsudates mehrere Tage lang grosse Sorge 
gehabt habe Und eine Vereiterung desselben als sehr wahrschein¬ 
lich angesehen habe. Glücklicher Weise kam es nicht dazu. 
Wäre die Wunde aber drainirt worden, so wäre man der Sorge 
um die Möglichkeit einer späteren Vereiterung enthoben gewesen. 

Die unmittelbaren Resultate der Coecumresee- 
t i o n haben sich in den letzten 10 Jahren zweifellos erheblich 
gebessert. Während B a i 11 e t für 45 ileocoecale Resectionen bis 
zum Jahre 1889 eine Mortalität von 37,7 Proc. berechnete, er¬ 
hielt er für 25 Operationen aus der Zeit von 1889—1894 28,6 Proc. 
Mortalität. Diese Zahlen müssen allerdings als zu günstig be¬ 
zeichnet werden, weil viele Einzelbeobachtungen in denselben 
mitenthalten sind. Wölfler berechnet auf 69 ileocoecale Re¬ 
sectionen eine Mortalität von 42 Proc. Auch ist zu bedenken, 
dass unter diesen Resectionsfällen die Fälle von Coecumtuber- 
culose mitenthalten sind, die nach der neuesten Statistik von 
Conrath eine Mortalität von nur 16,7 Proc. geben. Welche 
ausgezeichneten Resultate die Coccumresection in der Hand ein¬ 
zelner erfahrener Chirurgen gibt, zeigen die Mittheilungen von 
Czerny und Körte. Ersterer hatte unter 8 Operationen 1 
und Körte unter 9 Operationen keinen Todesfall. Auch J u 1 - 
1 i a r d hatte bei 3 ileocoecalen Resectionen keinen Todesfall, 
jedoch scheint ein wirklicher Tumor in keinem der 3 Fälle Vor¬ 
gelegen zu haben. Dass auch in geübten Händen das Resultat 
nicht immer ein günstiges zu sein braucht, zeigt die Mittheilung 
von F r a n z k e aus der W assilje w’schen Klinik: auf 3 Re¬ 
sectionen des carcinomatösen Coecums 2 Todesfälle. 

Was die Dauerresultate anbetrifft, so ist es bekannt, dass 
die Resection des carcinomatösen Dickdarms überhaupt schon 
recht erfreuliche Resultate aufzuweisen hat. So ist die von 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Ö. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


45 


Martini-Gussenbauer im Jahre 1879 Operirte nach 
18 Jahren gestorben, ohne dass Metastasen aufgetreten sind. 
Nach Wö 1 f 1 e r’s Zusammenstellung verfügt Mikulicz über 
einen Fall, der seit 8 1 / 2 Jahfen gesund ist, Czerny und 
Billroth haben je einen Kranken operirt, bei dem die Heilung 
noch nach 6 Jahren Bestand hatte. Von Körte’s Kranken mit 
Carcinom des Ooecurn ist einer seit 6*4 Jahren geheilt, 2 seit 
über 3 Jahren. 

Bei unserer Patientin ist jetzt ein Jahr seit der Operation 
verflossen, und von Recidiv keine Spur aufgetreten. Hoffen wir, 
dass auch dieser Fall später zu den Dauerheilungen von Coecum- 
carcinom gehören wird. 

Literatur. 

König: Die Operationen am Darm bei Geschwülsten. Langenb. 
Archiv, 40. Bd., H. 4. 

B a i 11 e t : La rösection du Segment ileo-coecal de l’intestin. 
Thöse, Paris, 1894. 

Körte: Zur chirurgischen Behandlung der Geschwülste der 
lleocoecalgegend. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, 40. Bd., 

H. 5 u. a 

W ö 1 f 1 e r : Ueber Magendarmchirurgie. Verhandlungen der 
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 1896. 

Czerny und Rindfleisch: Beiträge zur klin. Chirurgie, 
9. Bd., H. 3. 

Julliard: Trois cas d’exstirpation du coecurn. Rev. möd. de la 
Suisse rom. 1897, S. 386. 

Palleroni : Sur un cas d’exstirpation du coecum pour caucer. 

guörison. Gazette hebdomadaire 1897, 47. 

F r a n z k e : Resection des carcinomatösen Blinddarms. Annal. 
der russischen Chirurgie 1898, H. 2. Ref.: Centralbl. f. Chir. 
1898, 24. 

C o n r a t h : Coecumtuberculose und ihre chirurgische Behand¬ 
lung. Beitr. z. klin. Chirurg., Bd. 21, H. 1. 

Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 1898, 

I, 109 ff. (Gussenbauer, Körte). 

Der heutige Stand der Salzwasserinfusionen, 

nebst Beschreibung eines compendiösen Infusionsapparates. 

Von Dr. med. Häberlin in Zürich. 

Seit den grundlegenden physiologischen Untersuchungen 
von Kronecker und Sander in den Jahren 1878 und 1879 
über die Erfolge der Salzwasserinfusionen bei verblutenden 
Thieren ist dieses therapeutische Hilfsmittel mannigfach ver¬ 
sucht worden. Neue Indicationen wurden auf gestellt; im La¬ 
boratorium und in der Klinik wurde lebhaft an der Ausbildung 
der Methode gearbeitet. Obschon noch viele wichtige Punkte der 
Aufklärung und der weiteren Prüfung harren, so ist die Methode 
zur Zeit doch so weit studirt und gereift, dass sie auch das rege 
Interesse des praktischen Arztes verdient. 

Es ist die folgende Uebersicht für den praktischen Arzt be¬ 
stimmt, wobei das längst Bewährte und Bekannte nur kurz er 
wähnt, die Punkte dagegen genauer erörtert werden sollen, in 
welchen noch keine Einigung erzielt wurde. — Zum Schlüsse 
folgt noch die Beschreibung eines compendiösen Apparates, 
welcher hoffentlich wesentlich dazu beitragen wird, um die Me¬ 
thode aus den Kliniken in die Praxis hinauszutragen. 

Hie Infusion ist die jüngere Schwester der Transfusion. Der 
Unterschied der Leistungsfähigkeit zu Gunsten der Blutzufuhr 
ist nach übereinstimmenden Befunden auf jene extremen Fälle 
beschränkt, in welchen das verblutete Wesen bereits im Stadium 
der anaemischen Paralyse sich befindet, in welcher die Athmung 
stockt und Reactionslosigkeit eingetreten ist, in welchen Fällen 
nur durch arterialisirtes Blut, aber nimmermehr durch indiffe¬ 
rente Losungen das Leben zurückgerufen werden kann. Thier¬ 
blut ist aber nicht zu verwenden, Menschenblut gewöhnlich im 
nothwendigen Moment nicht zu haben, wobei die gefährliche 
Thatsache nicht übersehen werden darf, dass bei der Transfusion 
defibrinirten Blutes ein für das Blut des Empfängers gefährliches 
Gift in die Blutbahn gebracht wird. 

Aus diesen Gründen wurde die Transfusion durch die In¬ 
fusion völlig verdrängt. 

Lassen Sie uns nun in Kürze die einzelnen Indicationen 
Revue passiren, dabei stets zuerst die physiologischen Beobach¬ 
tungen registrirend und dann die klinischen Resultate an¬ 
schliessend. 

Wir beginnen mit den Infusionen bei acuten Anae- 
mien, chirurgischer und geburtshilflicher I 
Provenienz. | 

No. 2. 

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Als physiologische Basis dient die von verschiedenen Autoren 
gemachte Beobachtung, dass nicht sowohl der Verlust an Blut¬ 
körperchen, sondern die Leere derGefässe nach Blutungen lebens¬ 
gefährlich sei, indem die Herzpumpe „leer“ gehe. 

Das Salzwasser füllt die Gefässe wieder, erhöht den arteri¬ 
ellen Blutdruck und ermöglicht so die Fortdauer des Lebens. 
Während nun Kronecker die Infusionen als lebensrettend be¬ 
zeichnet, so konnten sich andere Experimentatoren (F e y s, 
M a y d 1 und Schram m) nur von der belebenden Wirkung 
überzeugen. 

Klinisch ist die gute Wirkung seit dem ersten Versuch 
von B i s c h o f f anno 1881 allseitig bestätigt. Wenn schon na¬ 
türlicher Weise die Entscheidung, ob sie lebensrettend waren oder 
nicht, nur vom subjectiven Ermessen des Beobachters abhängt, 
so kann doch daran kein Zweifel sein, dass in 
solchen V e r b 1 u t u n g s f ä 11 e n kein Mittel so 
schnell und in so hohem Maasse bei absoluter 
Gefahrlosigkeit belebend auf die Herzthätig- 
keit wirkt, wie die Infusion. Damit ist die Streit¬ 
frage für den praktischen Arzt erledigt. 

Meine Erfahrungen in 3 Fällen von acuter hochgradigster 
A naemio nach geplatzter Tubargravidität decken sich damit und 
möchte ich mich nicht länger dabei aufhalten, sondern noch auf 
eine wichtige Nebenwirkung hinweisen. 

Die Injectionen haben zugleich eine haemostatische 
Wirkung. Experimente französischer Autoren (Hayem, 
Delbet, F a m e y und Füurmeaux) zeigen, dass die Blutung 
aus Muskelwunden nach einer Kochsalzinfusion nach l 1 /, bis 
3 Minuten aufhört, während sie bei dem Controlthier viel länger 
dauert. Diese haemostatische Wirkung soll sogar noch grösser 
sein als bei der Anwendung von Blutserum. Dabei handelt es 
sich um die vermehrte Auswanderung der Haematoblasten in’s 
Blutserum, das noch ziemlich reichlich Fibrin enthält, wodurch 
Coagulation eintritt. 

Diese blutstillende Nebenwirkung verhindert bei dem durch 
die Infusion vermehrten Blutdruck eine erneute Blutung. Die 
Einverleibung von kleineren Dosen wurde ebenfalls von den 
Physiologen empfohlen bei internen Blutungen, wobei die me¬ 
chanische Blutstillung ausgeschlossen ist. Dahin gehören Blut¬ 
ungen aus dem Magen, Darm, Lunge Gebärmutter, Nase und die 
Blutungen bei Ilaemophilie. 

Klinisch scheint diese Nebenwirkung noch nicht verwerthot 
worden zu sein. Hier wird man zweckmässig zuerst kleine Dosen 
(100—200 g) einverleiben bis zur hacmostatischen Wirkung und 
erst später, nach einigen Stunden, mehr injiciren, um den Blut¬ 
druck wieder zu heben. 

In der mir zur Verfügung stehenden Literatur habe ich 
keine klinischen Mittheilungen gefunden, welche die physio¬ 
logische Beobachtung stützen. In einem Fall von Prof. Sahli 
war bei Ulcus ventriculi die Infusion gegen die Folgen der 
Perforation und nicht gegen die Blutung gerichtet. Mir haben 
per Zufall die geeigneten Fälle gefehlt, um die Wirksamkeit zu 
prüfen, doch scheint es mir angezeigt, bei klimacterischen Blut¬ 
ungen und bei Menorrhagien auf chlorotischer, biliöser und event. 
gichtischer Basis in Zukunft die Infusion einer Prüfung zu 
unterziehen. 

Neben den Blutungen führen heftige und andauernde Diar¬ 
rhoen zu raschem Flüssigkeitsverlust. 

Kochsalzinfusionen wurden desshalb schon durch Cantani 
anno 1865 gegen Cholera angewendet. Ausser in Italien hat 
man bei der Hamburger Epidemie die Methode in zahlreichen 
Fällen systematisch versucht und Sick kommt zum Schluss, 
dass durch intravenöse Infusionen eine Reihe von Kranken über 
das erste Stadium hinweggebracht wurden. 

Noch günstiger sind die Resultate beim acuten Brech¬ 
durchfall der Kinder. Die Gefahr der Autointoxication, 
der Austrocknung der Gewebe wird acut, dabei muss der Magen 
geschont werden, Klysmata genügen nicht. Prof. Sahli hat 
auf diese stricte Indication hingewiesen und H e u b n e r anem¬ 
pfiehlt die täglich mehrmals wiederholte Verabreichung von In¬ 
fusionen von 50, 60 bis 80 g. Da die Gewebe die Flüssigkeit 
rasch resorbiren, so ist die Schmerzhaftigkeit des Eingriffes ver¬ 
mindert, was ja bei Kindern praktisch von grosser Bedeutung ist. 

In engem Zusammenhang mit dem eben beschriebenen Zu¬ 
stand stehen jene, wo durch chronisch beschränkte Wasserauf¬ 
nahme die Flüssigkeit im Blut und in den Geweben reducirt ist. 

3 

Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



46 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 2. 


Es handelt sieli hauptsächlich uni chronische Magen- und Darm¬ 
leiden mit verminderter Resorptionsfähigkeit. Der Körper hat 
sich allmählich an diese Veränderung gewöhnt und ist quasi 
wieder im Elüssigkeitsgleichgewieht; aber der geringste Säfte¬ 
verlust durch Blutung, Diarrhoe oder Erbrechen oder eine acut 
eintretende Verminderung der schon spärlichen Zufuhr (Aus¬ 
schluss der Magenfunction) kann verhängnissvoll werden. In¬ 
fusionen sind daher häuhg angezeigt nach Operationen am Magen, 
Darm, weil hier die beiden erwähnten verhängnissvollen Momente 
Zusammenwirken. Ich habe in 2 Fällen von Magenkrebsopera¬ 
tionen die Ueberzeugung erhalten, durch Infusionen die Pa¬ 
tienten gerettet zu haben. 

Ich gebe einen Fall als Illustration: 

Gastroenterostomie nach Roux wegen inoperablen Pylorus- 
carcinoms bei einer schwachen, 64 jährigen Frau, welche vor der 
Operation Abends trotz Weinklysmas und Injection von 750 ccm 
Kochsalzlösung einen kleinen, beschleunigten Puls zeigte (108). 
Dauer der Operation 2 Stunden. Puls nachher klein, Athmung 
röchelnd. Am ersten Tage 2 Infusionen von 1 Liter und von 
100 g, daneben Weinklysmata. Am anderen Morgen Puls rasch, 
klein, 124. Kalter Schweiss. Unwillkürlicher Stuhlabgang, Pa¬ 
tientin sehr unruhig, moribund. Sofort Kampher und Strychnin 
subcutan. Nachher 1 Liter infundirt. Die Haut hatte ihren Tonus 
verloren und liess anfänglich die Flüssigkeit abüiessen, erst später 
kommt der Tonus der Haut und der Sphincteren zurück. Puls 
besser. Der fortgesetzten Stimulation gelang es, die Patientin zu 
retten. 

Natürlich liegt es mir ferne, hier der Infusion allein den 
guten Erfolg zuzuschreiben, der Kampher, das Strychnin haben 
mitgeholfen, aber nur durch Infusion konnte das Öefässsystem 
gefüllt werden. Der Magen und das Rectum funetionirten nicht 
mehr. 

Da die klinischen Beobachtungen keine einwandsfreie objee- 
tive Beweiskraft haben, stets entscheidet der subjective Eindruck 
am Krankenbett, so will ich den Leser mit der Wiedergabe des 
zweiten ähnlichen Falles nicht ermüden. 

Dass man in allen Fällen, wo die Flüssigkeitszufuhr per os 
ausgeschlossen ist, den Durst der Patienten auf ungefährliche 
Art sicher stillen kann, ist einleuchtend und wurde schon von 
Prof. Sahli bei peritonitischen Zuständen und nach Perfora¬ 
tionen des Darmtractus praktisch verwerthet. 

Der Usus der Koche r’schen Klinik, schon vor Magen- und 
Darmoperationen durch Infusionen die Kräfte des Patienten zu 
heben und ih n gegen die Gefahr der Operation widerstands¬ 
fähiger zu machen, ist eine durch physiologische Erwägungen 
und durch klinische Erfahrungen gleichbegründete Prophylaxe, 
die allgemeine Nachahmnug verdient. 

Lassen Sie mich noch zum Abschluss dieses Capitels eine 
Beobachtung aus den jüngsten Tagen kurz mittheilen, welche 
zeigt, welch’ werthvolles Hilfsmittel die Infusion in der Nach¬ 
behandlung der abdominalen Operationen bei heruntergekom¬ 
menen Individuen bedeutet. 

Am 6. Nov. operirte ich eine 35 jährige Frau, welche seit 
Jahren an Magenbeschwerden und wiederholten localen Unter¬ 
leibsentzündungen litt Die an und für sich schwächliche Frau 
gebar rasch 8 Kinder und musste sich in der Haushaltung sehr 
anstrengen. Der Appetit sehr gering, bei reichlicherer Nahrungs¬ 
aufnahme trat Uebligkeit und Erbrechen auf. Bei der erneuten 
Gravidität ging der Appetit ganz verloren, die Frau kam sichtlich 
herunter, so dass der Hausarzt (Collega Schäppi) die Indication 
auf künstlichen Abort in der 7. Woche stellte, welche Therapie 
auch mir als absolut geboten erschien. Ausräumung, Jodoform¬ 
gazetamponade und anschliessend daran Excision der beiden 
Tuben, wobei starke Verwachsungen des Darmes mit den inneren 
Genitalien und letzterer unter sich sich vorfanden. Mässiger 
Blutverlust, Dauer der Operation V« Stunden. 

Im Laufe des Nachmittags einmal Erbrechen, dann con- 
stantes Erbrechen von Galle und Schleim während der ganzen 
Nacht bis zum anderen Nachmittag. Dabei Nahrungsaufnahme 
fast null. Die Jodoformgaze wurde nach 20 Stunden entfernt, 
weil die Möglichkeit der Jodoformintoxication erwogen wurde. 
Keine Nachblutung, der Unterleib nur unbedeutend aufgetrieben, 
kein Fieber. Der Puls, der am Morgen des 2. Tages noch gut war 
(92), wurde im Laufe des Nachmittags in kurzer Zeit miserabel, 
an der Radialis gar nicht zählbar, klein, aussetzend, dabei starkes 
Herzklopfen. Patientin fühlte sich sterbendselend. Sofort In¬ 
fusion von 7a Liter subcutan, worauf der Puls im Verlauf einer 
halben Stunde sich hebt, regelmässig und langsamer (132) wird 
und der ganze bedrohliche Zustand vorübergeht. 

In den späteren Tagen (8—10) der Reconvalescenz trat das 
ähnliche quälende Erbrechen von wenig Schleim und Galle wieder 
auf, ohne Störung des Allgemeinbefindens. 

Der Fall bedarf in therapeutischer Beziehung keiner weiteren 
Erklärung. Er scheint mir aber in anderer Hinsicht sehr inter- 

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essant, indem er vielleicht geeignet ist, einiges Licht zu werfen 
auf jene unerklärlichen Todesfälle nach Laparotomien, die unter 
den Erscheinungen des ( ollnpses, des Schocks, des Ileus, des un¬ 
stillbaren Erbrechens verlaufen, und in welchen die Section 
keine nennenswerthen Veränderungen nachweist und die dann 
unter der Diagnose: Schock, acuteste Sepsis, unstillbares Er¬ 
brechen, Pseudoileus figuriren. Es ist hier nicht der Ort, näher 
auf die Frage einzugehen. 

Gehen wir nun über zu der II. Hauptgruppe, b .? i 
welcher das veränderte, erkrankte Blut durch 
die I n j e c t i o n e n verbessert werden soll. Es han¬ 
delt sich um die Intoxicationen und Inf ec t innen. 

Wenn wir zuerst in Kürze die experimentellen Resultate bei 
der Intoxication und experimentellen Infection erwähnen, so 
müssen wir gleich bekennen, dass die Physiologen zur Zeit noch 
keine genügende Erklärung über die Wirkung zu geben im Stande 
sind. Mehrere Experimentatoren (D a s t r e und de Loge, 
L e j a r s , I) e 1 b c t, E nriquez und H a 11 i o n) verloren die 
ausgewaschenen Thiere rascher als die Controlthiere. Roger 
arbeitete mit Strychnin um sulf. und sah bei kleinen Infusionen 
keinen Effect, bei grösseren wurden die Vergiftungssymptome 
verlangsamt und vermindert, indem die Absorption des Giftes 
verlangsamt, dessen Elimination beschleunigt und der Wider¬ 
stand der nervösen Centren verändert werde. Bose und V e d a 1 
studirten die Coliinfection bei Hunden und fanden bei sehr 
starker (die Controlthiere haltenden) Infection verlangsamten 
Verlauf der Erkrankung, bei starker Infection Heilung, sofern 
die Infusion rasch folgte. Bei mittlerer Infection erfolgte 
Heilung, sofern die Infusion fast zugleich gemacht wurde. 
Wurde sie dagegen erst 8—T0 Minuten nach der Infection 
ausgeführt, so traten die Infectionserscheinungen gefährlicher 
auf, dauerten länger und wichen erst erneuten Infusionen. Bei 
schwacher Infection endlich konnten die Erscheinungen ganz 
unterdrückt werden. 

Halten wir an der auch von anderer Seite bestätigten That- 
sache fest, dass die Injection nur hilft, wenn sie der Infection 
rasch folgt. Sanguirico hat bei Vergiftungen mit Strychnin, 
Alkohol, Chlorul, Caffein, Urethan, Paraldehyd etc. gute* Erfolgt* 
gehabt, nicht aber bei Morphium und Curare und schliesst da¬ 
raus, dass die Auswaschung des Blutes nur in jenen Fällen nützt, 
wo das Gift weder auf die Gefässcentren noch auf das Herz wirkt 

Handelt es sich überhaupt um eine Auswaschung ? 

Roger hat experimentell bewiesen, dass sowohl Ferrum 
cyankali als Indigo nach Infusion rascher aus dem Körper aus 
geschieden wird. Um so überraschender war die Beobachtung 
von H a 11 i o n und Carrion, dass selbst bei vermehrter 
Diurese eher weniger organische Substanzen ausgeschiedeo 
werden. 

Was nun die klinischen Erfahrungen anbetrifFt, 
so beschränke ich mich auf die Publication von Prof. Sahli 
(Correspondenzbl. f. Schweiz. Aerzte 17, 1890) hinzuweisen. 

Bei typhösen und uraeinischen Zuständen wurde eine be¬ 
trächtliche (bis auf’s Doppelte) Mehrausscheidung an trockenen 
Substanzen iin Harn nachgewiesen, so dass also die Wirkung 
einer Auswaschung gleichkommt. 

Neben diesem wichtigen Punkt hat aber Sahli noch auf 
andere, auch experimentell festgestellte Nebenwirkungen auf¬ 
merksam gemacht. 

Stets wird der arterielle Druck erhöht, die Diurese und Dia- 
pho ?se begünstigt und damit alle Secretionen gefördert. Hand 
in Hand geht damit die Verdünnung der im Blut circulirenden 
Gifte, wovon ich mich bei einer jüngst beobachteten, tödtlich ver¬ 
laufenden puerperalen Sepsis mehrmals überzeugen konnte. 
Morgens starke Benommenheit, Abends, nachdem Tags über 3 
bis 4 Liter infundirt worden, trotz höheren Fiebers, hellte sich 
das Sensorium stets auf. 

Ueber die klinischen Erfahrungen bei septischen Processen 
schreibt L e j n r s (Semaine med. 1896, No. 25): 

Selbst in verzweifelten Fällen verlängert die Salzwasser- 
infusion das Leben und bedingt oft einen kostbaren Aufschub. — 
Bei gut functionirenden Nieren gibt sie bei der Infection un¬ 
erwartete Resultate und verdient, allgemeine Methode zu werden. 
Eine schwere, bedrohliche Infection kann durch eine ausgiebige 
Injection von mehreren Litern beschworen oder abgeschwächt 
werden; meist ist es nothwendig, die Auswaschung während 
mehreren Tagen zu wiederholen und im Ganzen sehr beträcht¬ 
liche Massen zu injiciren. 

Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Andere Autoren wollen gar keine Wirkung gesehen haben. 

Was ist vernünftiger Weise zu erwarten? 

Da die Infusion gemäss den physiologischen Versuchen 
(jimd eeupirende Wirkung nur ausübt, wenn sie der Infection, 
d. h. der Infection des Blutes, unmittelbar nachfolgt, so kann in 
praxi dieser Erfolg höchstens bei pyaemischen Schüttelfrösten in 
Frage kommen; in allen anderen Fällen und Stadien kann es 
sich nur um die Auswaschung des Körpers, die Verdünnung des 
vergifteten Blutes, die Stimulation der Herzkraft mit dem 
günstigen Einfluss auf die vegetativen Processe handeln. Die 
Grenze dieser Wirksamkeit illustrirt folgende Erfahrung. 

Ich wurde vom behandelnden Arzt zu einer Wöchnerin. I. Para, 
gerufen, welche vor 48 Stunden vermittels Forceps im Becken¬ 
ausgang entbunden worden war. Patientin ist eyauotisch, hat 
kalte Extremitäten, der Radialispuls ist nicht zu fühlen. 

Die Infusion konnte auf die Infection nicht mehr direct ein¬ 
wirken. Nachdem 3 Liter intravenös zugeführt waren, kehrte der 
Puls zurück, wurde regelmässig, klein aber ordentlich gespannt, 
128 pro Minute. Die Infusion dauerte 7* Stunden, der Puls hielt 
sich nachher noch 1 Stunde. Nach dem Verschwinden des Pulses 
blieb auch eine 2. Infusion von 1 y 2 Liter erfolglos. 

Bei einer moribunden, septischen Puerpera konnte also die 
Herzkraft vorübergehend gehoben werden, wodurch das Leben 
um ca. 2 y 2 Stunden verlängert wurde. 

In leichteren Fällen wird diese kräftige Stimulation über 
die kritische Zeit hinweghelfen können, was auch die Erfahrung 
bestätigt. 

Aus meinen Beobachtungen glaube ich folgern zu dürfen, 
dass ich 1 Patientin dem sicheren Tode entrissen habe und dass 
in den anderen tödtlich verlaufenden Fällen den Injectionen 
stets vorübergehende Besserungen folgten, indem der Puls kräf¬ 
tiger, die Diaphorese und Diurese vermehrt und das Sensorium 
freier wurde. 

Ob nicht meine Resultate bessere gewesen wären, wenn ich 
mich dem Vorgehen L e j a r s’ auch in den ersten Fällen grössere 
Dosen angewendet hätte, mag die Zukunft entscheiden. 

Eine vorhergehende Blutentziehung nach dem Vorschlag von 
Pose habe ich nie gemacht aus Furcht, den Organismus zu 
schwächen. 

Dass neben den Infusionen alle anderen erprobten thera¬ 
peutischen Maassnahmen ungestört fortgesetzt wurden, ist selbst¬ 
verständlich. Die Infusionen sind nur Hilfstruppen im Kampfe, 
um so werthvoller, wenn die anderen versagen, wenn die Wasser¬ 
aufnahme durch den Darmtractus aus irgend einem Grunde be¬ 
schränkt oder ausgeschlossen ist. 

Die Zahl der klinischen Erfahrungen ist noch zu gering, um 
ein abschliessendes TJrtheil zu bilden. Bei der völligen Gefahr¬ 
losigkeit der Methode ist zu hoffen, dass sie in Zukunft von 
vielen Seiten geprüft werde. 

Ausser diesen zwei grossen Krankheitsgruppen sind die In¬ 
fusionen noch bei den verschiedensten Erkrankungen probirt 
worden, z. B. bei der Pneumonie, beim Typhus exanthematicus, 
bei der Eklampsie und Epilepsie, bei Tetanus, bei der paroxys¬ 
malen Tachycardie, haemorrhagischen Pocken, ausgedehnten 
Verbrennungen, Phthise, selbst bei den Dermatosen. 

Im Allgemeinen ist die Infusion von Kochsalz¬ 
lösungen indicirt in allen Fällen, wo der Herz- 
pumpe das n ö t h i g e Blutquantum fehlt, wo 
der Körper du re h Säfteverlust austrocknet, 
oder wo die Flüssigkeitsaufnahme darnieder¬ 
liegt, wo das Blut und die Gewebe durch gif¬ 
tige Substanzen angefüllt sind, die Herz- 
kraft erlahmt, die Drüsenthätigkeit vermin¬ 
dert ist, die nervösen Centren betäubt sind. 

Als Contraindi cation en gelten allgemein die Zu¬ 
stände von Herzinsufficienz mit Oyanose und Lungenoedem und 
hochgradiger Hydrops bei Nephritis. 

Gehen wir über zur Injectionsflüssigkeit. Nach 
zahlreichen Versuchen benützt man gewöhnlich die 7,5 prom. 
Kochsalzlösung, welche die rotlien Blutkörperchen nicht an- 
greift und welche bis zur dreifachen Blutmenge dem Versuchs¬ 
thier ohne Gefahr einverleibt werden kann. 

T r i o 11 e t hat unter dem Mikroskop naehgewieson, dass 
Lösungen unter 7 Prom. die rothen Blutkörperchen aufblähen 
und das Haemoglobin entweichen lassen: bei höheren Concen- 
trationen werden sie im Gegentheil zusamrnengepresst , das Wasser 
dringt ein und der Blutfarbstoff entweicht in\s Plasma, d. h. 
also: Bei 7 prom. Lösungen besteht Gleichgewicht im osmotischen 

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47 


Druck des Blutplasma und der Blutkörperchen, ähnlich wie im 
normalen Blut. In zu schwachen Lösungen nimmt der os¬ 
motische Druck im Plasma ab, die Blutkörperchen dehnen sich 
aus wegen ihres höheren Druckes. Das Umgekehrte geschieht 
bei zu starken Lösungen, wo der Druck des Plasma überwiegt 
und die Blutkörperchen zusammendrückt. 

Ich habe mich anfänglich der T a v e l’sehen Lösung (7,5 
Prom. Na CI und 2,5 Prom. Soda) (Mittheilung von Professor 
Kocher) bedient, weil diese Lösung schneller, in */ 4 ständigem 
Kochen, sterilisirt werden kann und den gleichen Effect auf das 
Blut und die Gewebe hat. Krone cker aber hat eine Mischung 
von 6 Na CI und 1 Soda auf einen Liter Wasser als eine gefähr¬ 
liche Lösung bezeichnet, so bin ich auf die 7 prom. Kochsalz¬ 
lösung zuriiekgekc.mincn. Schon früher hat Prof. Gaule seiner 
Natronhydratlösung (Na CI 0,6 und Na OH 0,005) 3,5 Proc. 
Zucker zugefügt und diesem Zusatz eine gute Wirkung nach¬ 
gerühmt. S c h ii e k i n g (Verhandl. der deutsch. Naturforscher 
und Aerzteversammlung, München 1899) will bei puerperaler 
Sepsis und bei gefahrdrohenden Blutungen die Wirkung der 
Kochsalzlösung durch einen Zusatz von Natr. saeehar. 0,3 bis 
1,0 auf 1 Liter in hohem Maasse gesteigert haben und preist das 
Natr. saeehar. als ein wirksames Herztonicum. 

Für den Praktiker kann es sich zur Zeit nur um die reine 
Kochsalzlösung handeln und habe ich bei der Zusammenstellung 
des Apparates nur darauf Rücksicht genommen. Die Temperatur 
soll 40 0 betragen. Da nach Beobachtungen von R i c h e t und 
Lepine intravenöse Infusionen von sehr kalten und sehr 
warmen Flüssigkeiten gut vertragen werden, so braucht man in 
dieser Hinsicht nicht so ängstlich zu sein, darf aber nie vergessen, 
dass bei subcutanen Injcctionen bei übermässigen Temperaturen 
Gangraen der Haut und des subcutanen Zellgewebes eintreten 
kann. 

Darüber sind alle Experimentatoren und Kliniker einig, 
dass grosse Quantitäten infundirt werden müssen.. 

Das t re und de Loge haben bei Thieron mit gesunden 
Nieren, ohne die geringsten schädlichen Folgen, bis zu zwei 
Drittel des Körpergewichtes eingeführt, weil eben die Nieren 
den Ueberfluss sofort wieder ausscheiden. 

Bei acuter Anaemie sollen 1—3 Liter rasch eingeführt werden, 
wobei natürlich der venöse Weg vorzuziehen ist. Bei Intoxica- 
tionen hat Prof. Sahli bis auf 4 Liter pro Tag verabreicht, bei 
2 Fällen von Infection Lejars bis zu 14 Liter in 5Tagen und bei 
einer pulslosen Patientin am Tage nach einer Ovariotomie 5 1 /, 
Liter in 3 Stunden. Ich bin in meinen letzten Fällen bis auf 
4 Liter pro die gegangen, glaube aber das erlaubte Maass noch 
nicht erreicht zu haben. 

Was die Schnelligkeit der Infusion anbetrifFt. so 
wurde experimentell festgestellt, dass bei Kaninchen 3 ccm, beim 
Hund 1 ccm pro Kilo und pro Minute die Grenze bilden. 

Prof. Sahli hat in 10—15 Minuten je 1 Liter subcutan ge¬ 
geben, musste aber der Schmerzhaftigkeit wegen einmal zur Nar¬ 
kose seine Zuflucht nehmen. Um die Methode in der Praxis 
einzuführen, ist es wohl rathsamer, etwas langsamer vorzugehen, 
wobei allerdings etwas mehr Zeit gebraucht wird. Für eine 
einmalige Infusion kann wohl jeder Arzt sich Zeit nehmen, bei 
täglicher Wiederholung wird der Arzt nur die Infusion einleiten, 
die Ueberwachung und die Beendigung aber ganz gut einer 
zuverlässigen Wärterin überlassen. Ich brauchte stets im 
Mittel eine V 2 Stunde für 1 Liter, wobei ich mich stets nach der 
Schmerzhaftigkeit richtete. 

Ort der Injection. Wenn wir von der intraperitone¬ 
alen Methode absehen, welche meist nur nach abdominellen Ope¬ 
rationen in Frage kommen wird, so bleibt noch der intravenöse 
und der subcutaneWeg. Bei intraarterieller Infusion wurde 
nämlich einmal Gangraen der Hand beobachtet, so dass diese 
Methode kaum mehr riskirt werden dürfte. 

Die intravenöse Zufuhr ist angezeigt überall da, wo es sich 
um rasche Hilfe handelt, also bei acuter Anaemie und hoch¬ 
gradigem Flüssigkeitsverlust. Am häufigsten werden die sub¬ 
cutanen Infusionen gemacht; als besonders günstige Stellen 
erwähne ich dieSubclaviculargegenden, die seitlichen Partien des 
Abdomens und die Oberschenkel. Nach Ablauf von 24 Stunden 
kann die gleiche Stelle event. wieder benützt werden. 

Nun noch zum Schlüsse wenige Worte über das nöthige 
Inst r u m e n t a r i u m und über meine Zusammenstellung 
speciell. 

8 * 

Original frn-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



48 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Hohlnadel, Schlauch und Trichter oder Irrigator sind die 
einzigen nothwendigen Bestandtheile. Den gleichen Dienst thut 
im Nothfall eine Spritze, z. B. der P o t a i n’sche Apparat. Das 
nöthige Wasser und das Kochsalz sind auch überall zu haben und 
so sollte man meinen, ein besonderer Infusionsapparat sei ein 
rechter Luxus. In praxi liegt die Sache anders und schon anno 
1885 hat Nienhans die Wünschbarkeit eines leicht transpor¬ 
tabel^ compendiösen Apparates betont. Bis vor Kurzem habe 
ich den bekannten Apparat nach Prof. Sahli benutzt. Als 
aber zu wiederholten Malen nach langen Vorbereitungen der 
Erlen m eye r’sche Kolben noch im letzten Moment in der 
Hitze des Gefechtes zerbrach und da der Transport des Glas- 
gefässes sammt der verschiedenen Glasröhren immer umständlich 
ist und auch nach persönlicher Mittheilung beim Erfinder ge¬ 
legentlich mit der Ueberschwemmung der Arzttasche endigte, 
da habe ich nach einfacheren Mitteln gesucht. Die Anwendung 
des Heberprincips macht ein voluminöses Gefäss überflüssig. 
Meine Zusammenstellung enthält verschiedene Hohlnadeln (von 
Stahl für den subcutanen und von Glas für den intravenösen 
Gebrauch), einen ca. 135 cm langen und einen kurzen Schlauch 
mit Plongeur und 2 Glasbügel. Dazu kommen die nothwendigen 
Hilfsmittel, Kochsalzpastillen 1 ) ä 1,0, Thermometer und eng¬ 
lisches Heftpflaster. 

Wer auch noch die nöthigen Instrumente für die intravenöse 
Injection im Apparat vereinigen will, der verschafft sich noch 
den Einsatz mit Messer, Scheere, D e c h a m p’scher Nadel, 
Schieberpincette, Nadel, Faden. 

So ausgerüstet kann die Infusion in kürzester Zeit einge¬ 
leitet werden. In einer sauberen Pfanne wird die Injections- 
flüssigkeit sammt dem chemischen Zusatz, 1, 2 oder mehr Liter, 
V 4 Stunde gekocht. Unterdessen sterilisirt man in einer anderen 
Pfanne Hohlnadel, Schlauch, Bügel und, wenn nöthig, das chi¬ 
rurgische Instrumentarium und das Nahtmaterial. Die Des- 
infection des Schlauches mit Sublimat führte in einem meiner 
intravenösen Infusionen bei acuter Anaemie zu heftigen Intoxi- 
cationserscheinungen, wesshalb ich davon abratlie. Will man die 
Injectionsflüssigkeit aus der Pfanne in ein anderes Gefäss, 
Flasche, Milchhafen etc. giessen, so wird dasselbe ebenfalls ge¬ 
kocht oder sonst peinlich gereinigt. Während die Injeetions- 
tliissigkeit auf ca. 45° abgekühlt wird, kann die Leitung montirt, 
die Haut desinficirt werden. Durch Ausstreichen der Luft im 
langen Schlauch füllt sich der Schlauch mit Wasser, man lässt 
es einige Zeit abfliessen, damit alle Luft sicher entweicht, weil 
sonst der Abfluss gehemmt wird und bei intravenösen Infusionen 
die Gefahr der Luftembolie entsteht. Das Reservoir wird mit 
Vortheil gegen Staub gedeckt und gegen zu rasche Abkühlung 
mit einem wollenen Tuche umwickelt. Trotzdem muss gelegent¬ 
lich mit Spiritus- oder Kerzenflamme nachgewärmt werden. 

Bei häufiger Anwendung hat sich das Ganze bis jetzt be¬ 
währt. Wer mit höherem Druck arbeiten will, muss den Schlauch 
verlängern. 

Ich fasse die Ausführungen in folgende Sätze zusammen: 

1. Die subcutanc intravenöse Infusion ist 
bei verschiedenen Krankheiten und patho¬ 
logischen Zuständen w irksa m. 

2. Die Infusion steriler, 0,75 p r o c. Kochsalz¬ 
lösungen unter aseptischen C a u t e 1 e n ist ab¬ 
solut und mit dem geeigneten Instrumen¬ 
tarium leicht und in kürzester Zeit aus- 
f ii h r b a r. 

Es ist zu hoffen, dass die von Prof. Sahli vor 9 Jahren 
ausgesprochene Prophezeiung in Erfüllung gehen möge, dass die 
subcutanc Salzwasserinfusion in der modernen Medicin binnen 
kurzer Zeit eine häufige und ungeahnt vielseitige Anwendung 
finden werde. Fiat! 

Anmerkung: Der Infusionsapparat ist zu haben bei Han- 
hart & Ziegler, Bahnhofplatz Zürich, zum Preise von Frc. 15 
ohne, zu Frc. 30 mit chirurgischen Instrumenten. Die Pastillen 
liefert das Sanitätsgeschäft Hausmann in St. Gallen. 


') Sollten sich complicirtere chemische Zusätze (Natr. sac- 
rharat., Pa CI, etc.) klinisch bewähren, so wäre die Bestellung 
der alle (Komponenten in den entsprechenden Gewichtsverhält¬ 
nissen enthaltenden Pastillen eine einfache Aufgabe. 

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Aus der chirurgischen Universitätspoliklinik in München. 

Experimentelles und Klinisches Uber Orthoform. 

Von Dr. August Luxenburger, Assistenzarzt. 

Seit den ersten, vor mehr als Jahresfrist publicirten Berich¬ 
ten des Herrn Professor Klaussner 1 ) und Dr. Kallen- 
b o r g e r *) über die günstigen Erfolge mit dem von Einhorn 
und Heinz entdeckten Localanaestheticum Orthoform ist das 
Präparat an dem grossen Krankenmaterial der chirurgischen 
Universitätspoliklinik in ausgedehntem Maasse weiter zur An¬ 
wendung gelangt. Die Zeit ist nunmehr gekommen, um an der 
Hand der von uns und zahlreichen anderen Autoren gesammelten 
Erfahrungen ein definitives Urtheil zu fällen über die Berechti¬ 
gung, das Orthoform dem Arzneischatz des Arztes, speeiell des 
Chirurgen einzuverleiben. 

Besonders der Letztere muss von einem neuen, ihm zur 
Wundbehandlung empfohlenen chemischen Körper unbedingt 
verlangen, dass er neben seiner Zweckerfüllung — hier die locale 
Anacsthesirung — nicht schadet, d. h. weder die Wundheilung 
noch den Gesammtorganismus irgendwie beeinträchtigt. Das 
Orthoform also durfte vor Allem, so wie es die Fabrik liefert, 
keine infectiösen Keime enthalten. Nim hat öfteres Einbringen 
in Gelatine, Agar und Bouillon gezeigt, dass Orthoform die 
erste Bedingung der Sterilität erfüllt. Zum gleichen günstigen 
Resultat kamen Lichtwitz und Sabrazes 8 ). Aus ihren 
weiteren Versuchen mit genanntem Mittel folgerten sie eint* 
mittelmässige autiseptische Wirkung desselben. Seine stark 
eiweissfäulnisswidrige Kraft, auf die schon Kallenberger') 
hinwies, hat Mosso 1 ) bestätigt, ausserdem die Möglichkeit er¬ 
wähnt, mit Orthoformzusatz zu offenstehendem Ham die ammo- 
niakalische Gährung zu unterdrücken. Von letzterer Thatsache 
habe auch ich mich überzeugen können. Bereits 0,5 proe. Ortho- 
formbeimengung zum Tlarn verhindert nicht nur die ammonia- 
kalisehe Gährung desselben auf Wochen hinaus, sondern auch 
das Fortschreiten bereits eingetretener Gährung kann auf solche 
Weise sistirt werden und der faulig stinkende Harn wird nahe¬ 
zu geruchlos. Ebenso wird die Alkobolgährung mittels Hefe in 
zuckerhaltigem Urin bei Anwesenheit von Orthoform bedeutend 
\ erzögert. 

Um die von Licht witz und Sabrazes als mittelmässig 
bezeichnet« autiseptische Eigenschaft des Orthoforms näher zu 
präeisiren, stellte ich zunächst Ziichtungsversuche verschiedener 
Mikroorganismen, besonders der Eiterereger auf den gebräuch¬ 
lichen Nährböden an unter Zusatz des früher benützten Ortho¬ 
forms und des jetzt hauptsächlich verwendeten billigeren Ortho¬ 
forms „neu“, welche Körper sich, wie im Folgenden zu ersehen 
ist, ziemlich gleichmässig verhalten. 

I. Auf frisch angelegte Agarstrichculturen von Bae. pyo- 
cyancus, Staphylococcus albus und aureus wird sofort eine dicke 
Schicht Orthoform alt aufgestreut, die Controlröhren in der¬ 
selben Weise mit Lykopodium und Schwefel behandelt. 

Nach 2, 4, 6, 8 tägigem Stehen im Brutofen wird von beider¬ 
lei Röhren in Bouillonröhren abgeimpft. Es zeigt sich nach 
l 1 /, Tagen, dass nur die Abimpfungen von den Orthoformröhren 
steril blieben, während die Abimpfungen von den Schwefel- und 
Lykopodium röhren die genannten Bacterien aufwiesen. 

II. Ebenso wird Orthoform neu auf frische Agarstriehcul- 
turen vom Bae. pyoe.. Staphylococcus eitr. und Streptococcus ge¬ 
streut, die Controlculturen aber mit Lykopodium und Jodo¬ 
form bedeckt. Wiederum liess sich durch Abimpfungen con- 
statiren, dass unter lykopodium und Jodoform die Culturen un¬ 
beeinflusst gediehen, unter Orthoform neu dagegen jedes Waehs- 
thum ausblieb. 

Durch diese gleichmässig angelegten Versuche war für beide 
Substanzen die gleiche baeterienentwickelungshemmende Wir¬ 
kung bewiesen und es handelte sich nunmehr darum, diese Ver¬ 
hältnisse quantitativ zu verfolgen, was um so leichter gelingt, 
als beide Orthoformarten sich zu ca. 1 Proc. in Agar, Gelatine 
und Blutserum lösen, unter Auftreten einer leichten braungelben 

l ) Münch, med. Wochenschr. No. 46, 1897. 

a ) Inauguraldissertation, München 1897. 

•) Bulletin medical No. 94, 1897. 

4 ) Berl. klin. Wochensehr. No. 12, 1898. 

a ) Deutsch, med. Wochenschr. No. 26, 1898. (Durch folgenden 
Versuch: Soda-Feptonlösung mit Stuhlgang inflclrt faulte nicht, 
wenn 0,4 Proc. Orthoform zugesetzt worden war.) 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



r 


9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


49 


Verfärbung 1 , verursacht durch die leicht alkalische Reaction der 
ersteren. Nährböden, die in verschiedener Concentration Ortho- 
form enthielten, waren demnach leicht herzustellen und schienen 
am geeignetsten, den Grad der antiseptischen Qualität deutlich 
zu kennzeichnen. 


Auf schief erstarrten Agarröhren, die absteigende Concen- 
trationen von Orthoform alt und neu enthielten, wurden Bac. 
pyocyaneus, Staphylococcus aureus und albus aufgestrichen. 
Nach 2 tägigem Aufenthalt im Brutschrank kam das in der 
Tabelle dargelegte Resultat zu Gesicht. 


Concentration von 
Orthoform 

1 Proc. 

7s Proc. 

73 Proc. 

7i Proc. 

7« Proc. 

78 Proc. 

7 12 Proc. 

1 7 18 Pro«* 

j 7 24 Proc. 

Bac. pyoevan. 

Colonien 

0 

( ’olonien 

0 

Colonien 

0 

sehr wenige 
klimmerliche 
Colonien 

einige Colonien 

massig zahl¬ 
reiche Colontenj 

reichliches 
Wachsthum, 
keiu Farbstoff 

sehr dicker Belag, 
etwas Farbstoff, deutlicher 
Geruch. 

Staphyl. aureus .... 

0 

0 

0 

sehr wenige 
kümmerliche 
Colonien 

mehrere 

Colonien 

massig zahl¬ 
reiche Colonien 

sehr viele 
Colonien 

dicker, gelber Belag. 

Staphyl. all>. 

0 

0 

1 

I 0 

wenige 

Colonien 

rneh rere 
Colonien 

viele Colonien 

dicker 

weisslieher 

Belag 

ausgedehnt e r wo i sslielio r 
Belag. 

Concentration von 
Orthoform neu 

1 Proc. 

0,5 Proc. 1 

0,32 Proc. 

0,25 Proc. 

0,17 Proc. 

0,125 Proc. 

0,1 Proc. 1 

0,05 Proc. 


Bac. pyocyan. 

Colonien 

0 

Colonien 

0 

Colonien 

0 

wenige 

Colonien, 

kümmerlich 

j leichter Belag 

dicker Belag 

dicker 1 sehr kräftiges 

ausgedehnter Wachsthum, 

j Belag 1 etwas Geruch 

kein Farbstoff. 


Staphyl. citr. - . . . . 

0 

0 

0 

0 

vereinzelte 

Colonien 

massiger 

blassgelber 

Belag 

dicker, gelber 
Belag 

dicker, gelber 
Belag 


Streptococcus. 

0 

0 

0 

0 

vereinzelte! 

Colonien 

wenige 

Colonien 

massiger Belag 

{reicher Belag 



Mit diesem Ergebniss stimmen die nachfolgenden Versuchs¬ 
resultate, die mit Orthoformgelatine verschieden hoher Concen¬ 
tration erhalten wurden, überein. Je 10 ccm dieser Gelatine 
wurden mit je einer Oese Bac. pyocyaneus-, Staphylococcus 


aureus- etc. Bouilloncultur geimpft, dann nach guter Vertliei- 
lung in diesem Medium in gleich grosse Petrischalen gegossen. 
Nach 2 tägigem Stehen bei 22 Grad wurde das in der Tabelle 
niedergelegte Resultat erhalten. 


Concentration von 
Orthoform 

1 Proc. 

7a Proc. 

7s Proc. 

74 Proc. 

7 0 Proc. 

78 Proc. 

7 12 Proc. 

Bac. pyocyan. 

Colonien 

0 

Colonien 

0 

Colonien 

0 

durchschnittlich 

2 Colonien im 
Gesichtsfeld 

durchschnittlich 

3 Colonien im 
Gesichtsfeld 

| durchschnittlich | 
I 25 Colonien im 
Gesichtsfeld 

[Unzählige Colonien. 

1 

Staphyl. albus. 

0 

0 

0 

durchschnittlich 

1 Colonic im 
Gesichtsfeld 

durchschnittlich 
32 Colonien im 
(iesiehtsfeld 

unzählige Colonien 

Staphyl. aureus. 

0 

0 

» 1 

0 

durchschnittlich 1 
3 Colonien im 
Gesichtsfeld 

durchschnittlich 

5 (’olonien im 
Gesichtsfeld 

durchschnittlich 

12 Colonien im 
Gesichtsfeld. 

Concentration von 
Orthoform neu 

1 Proc. 

0,5 Proc. 

; 0,32 Proc. 

0,25 Proc. 

0,17 Proc. 

0,125 Proc. 


Bac. pyocyan. 

Colonien 

0 

_ 

Colonien 

0 

Colonien 

0 

Colonien 

0 

durchschnittlich 
10 Colonien im 
Gesichtsfeld 

|unzählige Colonien, 
kein Farbstoff. 


Staphyl. «streus. 

0 

0 

0 

0 

durchschnittlich 

4 Colonien im 
Gesichtsfeld 

durchschnittlich 

9 Colonien im 
Gesichtsfeld. 


Streptococcus. 

0 

0 

0 

0 

durchschnittlich l 
13 Colonien im 1 
Gesichtsfeld. | 

durchschnittlich 1 
35 Colonien im 
Gesichtsfeld. | 



Die Platten, welche 0,5 Proc., 0,32 Proc. und 0,25 Proc. 
Orthoformgelatine enthielten und keine Spur von Bacterien- 
wachsthum gezeigt hatten, wurden bei 37 Grad langsam ver¬ 
flüssigt und die Concentration durch Ilinzufiigen des 2 fachen 
Volumens reiner Gelatine auf den dritten Theil verringert. 
Nun war auf ihnen nach 2 mal 24 Stunden ein mehr oder weniger 


üppiges Aufkeimen der ursprünglich zurückgehaltonen Bac- 
terienarten zu constatiren und somit erkannt, dass 0,5, 0,3 Proc. 
etc. nicht genügt hatte, um dieselben abzutödten. 

Auf Blutserum w r urde nur mit Orthoform neu gearbeitet, 
mit folgendem Resultat: 


Concentration von 
Orthoform neu 

1 Proc. 

7 2 Proc. 

7s Proc. 

74 Proc. 

7 5 Proc. 

V 10 Proc. 

7 1 & Proc. 

7'2ö Proc. 

Bac. pyocyan. 

Colonien j 

0 

(’olonien 

0 

Colonien 

0 

Colonien 

0 

sehr vereinzelte 
Colonien 

wenige 

Colonien 

sehr viele 
Colonien 

dicker Belag, 
keiu Farbstoff. 

Staphyloc. citr. 

0 

0 

0 

0 

0 

wenige 1 

schwächliche 
Colonien ' 

reichlicher, blassgelber Belag. 

Streptococcus. 

0 

0 

0 

0 

1 

0 

massiger 

Belag 

dicker Belag. 


Aus dem Vergleich der in den vorausgehenden Tabellen an¬ 
geführten Zahlen und Angaben lässt sich entnehmen, dass ein 
Zusatz von l / 3 Proc. Orthoform zu einem für Bacterienentwiek- 
liing günstigen Nährboden sicher jegliches Wachsthum unter¬ 
drückt; dass meist schon */ 4 Proc. zu diesem Zweck genügt. 

Nach diesem zur Entwicklungshemmung nöthigen ziemlich 
hohen Procentsatz und der schon vorher mitgetheilten Beobach¬ 
tung, dass in Concentrationell von 0,5, 0,3 etc. Mikroorganismen 


No. 2. 


Digitized by 


Gck igle 


nicht absterben, war eine ausgesprochene bactericide Kraft des 
Orthoforms nicht zu erwarten. Die Bestätigung dieser Ver- 
muthung lieferte folgender Versuch: 

Auf rauhe Glasplättchen (geschnitten aus Mattscheiben) 
wurden Rcinculturcn von Bac. pyocyaneus, Staphylococcus albus 
und citrcus gestrichen. Nach dem Trocknen in einem Exsiccator 
steckte ich dieselben in sterile Reagenzgläser, füllte den übrigen 
Raum mit Orthoformpulver aus, so dass die Plättchen ganz darin 

Original frtm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





































50 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


verschwanden. Nach 14 tägigem, resp. 1 monatlichem Stehen 
wurden dieselben herausgenommen, mit sterilem Wasser ab- 
gespiilt und in Bouillonröhren versenkt. Die meisten Plätt¬ 
chen erwiesen durch lebhaftes Baeteriumwaehsthum in den 
Bouillonröhren, dass örthoform die angetrockneten Keime nicht 
getödtet hatte. Circa ein Viertel der Plättchen war anscheinend 
nicht mehr im Stande, die Bouillon zu inficiren. Auch die erstere 
Kategorie liess eine Schädigung insofern erkennen, als Control¬ 
plättchen, die anderweitig steril aufgehoben worden waren, viel 
früher eine Trübung der Bouillon hervorriefen. 

Diesen Versuch ergänzte ein weiterer, der in ähnlicher Weise 
auch von Lichtwitz und Sabraees') angestellt wurde. 

Mehrere Tage alte Pyoeyaneus-, Citr.- und Staphylococcus 
albus-Bouilloneulturcn wurden reichlich mit Örthoform neu 
versetzt und unter häufigem Umschüttoln im Brutschrank ge¬ 
halten. Nach ca. 3—4 Tagen erwiesen Abimpfungen, dass 
die Keime in ersteren abgestorben waren. 

Eine geringe bacterieide Kraft des Orthoforms kann, wie 
clie eben beschriebenen Versuche erkennen lassen, nicht be¬ 
zweifelt werden; jedoch ist gemäss der Schwerlöslichkeit des 
Orthoforms kaum zu sagen, welche Quantität zu dieser Leistung 
erforderlich ist, da man ja nicht weiss, wie viel gerade in Action 
tritt. 

Mehr Gewicht dürfte auf ein anderes Moment gelegt werden. 
In den Tabellen ist öfters bemerkt, dass z. B. Bae. pyoeyaneus 
auf den Orthoformnälirböden, selbst niederster Concentration, 
kaum Farbstoff und wenig Geruch producirt, dass Staphylococcus 
citr. nur blassgelb wuchs; ferner war es leicht, sich zu über¬ 
zeugen, das abgeimpfte Keime von solchen Orthoformculturen 
sehr lange Zeit brauchten, um reine Bouillon zu trüben (sich 
gleichsam erst erholen mussten); kurz gesagt, die unter Ortho- 
formeinfluss aufgezogenen Bacterien schienen in ihren Lebens¬ 
äusserungen sehr geschwächt zu sein. Damit war die Frage 
nach einer event. derart geschaffenen Virulenzverminderung ge¬ 
geben. Sie wurde leicht durch einen diesbezüglichen Versuch 
gelöst. 3 Kaninchen wurden mit je l / 2 ccm einer virulenten 
Streptococcencultur unter der Rückenhaut geimpft, aber mit 
dem Unterschied, dass beim Kaninchen A die Cultur 10 Stunden 
vorher reichlich mit Örthoform versetzt wurde, bei B 5 Minuten 
vorher, bei C wurde die reine Cultur injicirt. 

Kaninchen C starb nach V/ a Tagen an Sepsis. Coccen 
wurden in Blut und Organen gefunden. B bekam einen grossen 
Abscess, starb nach 3 Tagen mit gleichem Sectionsbefund. 
A blieb wohl, zeigte an der Injectionsstelle nur eine gering¬ 
gradige, rasch vorübergehende Schwellung.*) 

Auf dem eben besprochenen Wege glaubte ich genügend den 
nicht unbeträchtlichen antiseptischen Werth des Orthoforms be- 
M'iesen zu haben. Von einem eigentlichen Antisepticum ist das¬ 
selbe noch weit entfernt, aber als solches soll es ja auch nicht 
dienen. Da sich im käuflichen Örthoform keine Keime befinden, 
und diejenigen, welche beim Hantircn mit genannter Substanz 
oder beim Offenstehen des Vorrathsgefässes hineingelangen, 
sicher nach längerem Contaet mit Örthoform meist zu Grunde 
gehen oder soviel von ihrer Virulenz einbüsssen, dass sie einen 
Schaden nicht mehr anstiften, können Gründe der Asepsis nicht 
mehr gegen den Gebrauch, selbst bei nicht inficirten frischen 
Wunden in’s Feld geführt werden, auch ohne weitere Sterilisation 
des Mittels. 

Andere Hinderungsgründe, wie schlimme Nebenwirkungen, 
konnte nur die längere klinische Erfahrung lehren, desshalb 
ziehe ich es vor, erst nach der Zusammenstellung der mit Ortho- 
form behandelten Fälle auf diesen Punkt zurückzukommen. 

Zuvor erscheint cs nothwendig, einige allgemeine Angaben 
über die an der chirurgischen Poliklinik gebräuchliche Anwen¬ 
dungsart des Orthoforms zu machen. 

Nachdem obige Versuche gezeigt hatten, dass Örthoform 
nicht als vollwerthiges Antisepticum gelten kann, war man ge¬ 
zwungen, falls man nicht überhaupt ganz auf die Anaesthesirung 
inficirter Wunden und Geschwüre verzichten wollte, neben dem 
Orthoformgcbrauch mit den lang bewährten Desinficientien zu 

'} 1. c. 

*) Hier sind noch 2 später Angestellte Versuchsreihen nacli- 
zutragen, deren Resultat zu Obigem passt: Weisse Mäuse wurden 
mit hoch virulenter Typhus- resp. Ilühnercholeracultur inficirt. 
Dieselben blieben nur dann am Leben, wenn die betreffenden Cul- 
tiireii 2 resp. 4 Stunden vorher mit Örthoform versetzt und öfters 
tüchtig geschüttelt worden waren. 

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arbeiten, von welchen bekannt ist, dass sie die Reinigung der 
Geschwüre etc. begünstigen. Auch die Combination mit aner¬ 
kannt granulationsbefördernden und Secretion einschränkenden 
Wundstreupulvern, wie Jodoform, Bisinuthsubnitr., Dermatol etc. 
schien geeignet, den doppelten Zweck, Schmerzlosigkeit und 
Heilung, zu fördern. Nun war zu bedenken, dass vielleicht 
länger dauernder Contaet des Orthoforms mit den genanntem 
Agentien auf der Wundfläche, zumal beim Hinzutreten alkali¬ 
scher Secrete, Veranlassung geben könnte zur Bildung neuer, in 
ihrer Wirkung unbekannter, event. sogar den Wunden schäd¬ 
licher chemischer Körper. Heber eine solche Aenderung der 
Componenten konnten einige einfache Reagensglasversuche 
ziemliche Klarheit verschaffen. Desshalb wurde Örthoform in 
völlig gleichrnässigcr Weise mit pulverförmigen und flüssigen 
Wundheilmitteln zusammengebracht und, um die Verhältnisse 
auf der Wunde einigermaassen nachzuahmen, etwas schwach 
alkalische physiologische Kochsalzlösung zugefügt. 

Jodoform mit Örthoform und Kochsalzlösung zu einem Brei 
angerührt zeigt nach mehreren Tagen ausser minimalem Dunk¬ 
lerwerden keine Veränderung. Das gleiche gilt für Thiojodoforni, 
Dermatol. Zinkpuder, Europhon, Aristol. Bismuthum subnitric. 
dagegen wird nach einigen Tagen choeoladebraun. Demnach 
wird man gut t-hun, von letzterer Pulvermischung abzusehen; 
dem Gebrauch ersterer steht nichts im Wege. 

Von grösserem praktischen Interesse war der Nachweis, 
dass Aetzmittel, wie Kalomol, Salicylsäure, auf deren wünschens- 
werthe Application zuweilen wegen damit verbundener heftiger 
Schmerzerregung verzichtet werden muss, durch Örthoform 
nicht weiter modificirt werden (abgesehen von unwesentlich ge¬ 
ringer Bräunung). Der Zusatz des Anaesthetieums ist hier also 
besonders empfehlenswerth und hat de facto schöne Erfolge 
gezeitigt. 

Ferner können wir die genannten Streupulver zusammen 
mit den beliebteren Salbenconstituentien zu Salben verarbeiten, 
ohne dass der gewünschte Effect des einen oder anderen Mittels 
dadurch verloren geht. Das Gleiche gilt für Suppositorien mit 
Butyr. Oacao. 

Wichtiger noch war die Prüfung des Verhaltens des Ortho¬ 
forms zu den bekannten flüssigen bactericiden Mitteln, da ab¬ 
gesehen von frischen Verletzungen (durch Quetschung oder Ver¬ 
brennung), gerade inficirte Wunden meist lebhaft schmerzen, 
also neben dem desinficirenden auch eines schmerzstillenden 
Agens bedürfen. 

Das zuverlässigste Antisepticum Sublimat gibt in wässeriger 
Orthoformlösung eine Trübung; es scheidet sich nach kurzer 
Zeit eine gelbe Verbindung aus, offenbar ein Doppelsalz von 
Örthoform mit Quecksilberchlorid. Wenn man zu einer Sus¬ 
pension von Örthoform in Wasser wenige Tropfen verdünnter 
Quecksilberchloridlösung zusetzt, so verwandeln sich die Ortho- 
formkrystalle tlteilweise in die eben genannte gelbe Verbindung. 

Carbolsäure, 3 proc. bis 5 proc., verändert Örthoform nicht. 

Aehnliches hisst sich für Lysol- und K r e s o 1 lösungen 
constatiren. 

Bl eiwasser, Bor und essigsaure Thonerde¬ 
lösungen lassen das Örthoform anscheinend ganz unberührt. 
Mit Chlorzinklösung bildet das Örthoform eine Doppelver¬ 
bindung. 

Die bis jetzt genannten Flüssigkeiten werden durch den 
Contaet mit Örthoform nach ca. 48 Stunden gelbbräunlich ge¬ 
färbt, ausgenommen die essigsaure Thonerdelöaung, die ein 
leicht violettes Colorit erhält. Alle lösen etwas Örthoform, 
relativ am meisten Borsäure. 

Kaliumpermanganat lösung wird durch Örthoform 
sofort reducirt; nach mehreren Minuten fällt braunschwarzes 
Mangansuperoxydliydrat voluminös heraus, die darüber stehende 
Flüssigkeit bleibt sclimutziggelbroth. 

In Argentum nitri c.-Lösung ruft Örthoform ebenfalls 
in Folge eines Reductionsvorganges einen schwarzgrauen Nieder¬ 
schlag hervor von metallischem Silber. 

Im Contaet mit Formalinlösung entsteht sofort ein leuch¬ 
tend gelbrotlier, wolkiger Niederschlag, offenbar ein neues Re- 
actionsproduct von Formaldehyd mit Örthoform. 

Aus diesen einfachen Experimenten geht wohl mit genügen¬ 
der Sicherheit hervor, dass unter den gebräuchlichen Desinfici- 
entien bei gleichzeitiger Ort.hoformauWendung abzusehen ist von 
Formalin, Argentum nitricum- und Kal. permanganatlösungen. 

Sublimat dürfte kaum durch den Orthoformzusatz seine 

Original frorri 

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9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Wirksamkeit einbüssen, sondern entfaltet dieselbe wohl auch 
zweifellos noch in Verbindung mit dem Anaestheticum, zumal 
die Doppel Verbindung nicht ganz unlöslich sei. 

Es erübrigt noch, mitzutheilen, dass Aetzmittel wie Ter¬ 
pentinöl, J o d t i n c t u r, Cuprumsulfuri c*. - Lösung 
sich Orthoform gegenüber ziemlich indifferent verhalten. 

Auch eine Combination mit Ichthyol bietet Vortheile, wobei 
als bequemer Träger Glycerin oder Collodium ) benützt werden 
kann. 

Theils allein, meist aber mit den eben aufgefiihrten chemi¬ 
schen Stoffen, wurde Orthoform an der grossen Reihe der jetzt 
zu 1 k- trachtenden Fälle angewendet. Es sind folgende: 

35 Fälle von meist stark verunreinigten Abquetscliuugen von 
Fingerkuppen mit oder ohne Fractur der Endpluilangen, Gelenk- 
eröffnung und Sehnenzerreissungen. Aufpuderiiiig von reinem 
Orthoform, darüber feuchter Borsäure- oder essigsaurer Thonerde¬ 
verband, an 2—3 Tagen hinter einander wiederholt. 

22 Fälle von Risswunden, hauptsächlich an den Händen und 
Unterschenkeln. 3—4 tägige Orthoformpuderung, darüber Jodo- 
fonngazeverband oder wo eine Infeetion sichtbar oder zu ver- 
nmtlien war, essigsaure Thonerdeverband. 

20 Fälle von inficirteu Schnittwunden, meist mit Lympli- 
angitis, 3—4 Tage lang tägliche Orthoformpuderung, darüber 
feuchter Bleiwasser- oder Sublimatverband. Die klinischen Er¬ 
folge sprechen nicht für eine Schwächung des Sublimats durch 
die Gegenwart des Orthoforms. 

28 Fälle von Hautabschürfungen, besonders an der Vola 
inanus und den Schienbeinen. 5—10 proc. Orthoformdermatol- 
salbe, wo keine Infeetion vorhanden war. 

31 Fälle von Brandwunden 2. Grades durch Benzin, 
Spiritus etc., incl. Verbrühungen mit Dampf und Verätzungen 
mit Säuren, meist nur Vorderarme, Hände oder Gesicht ein¬ 
nehmend. Die direct nach dem Unfall in die Anstalt Verbrachten 
also ohne wahrscheinliche Infeetion) werden nach Abtragung der 
Blasen mit 10 proc. Orthoformdermatolamylumpuder behandelt, 
später mit 10 proc. Orthoformdermatolvaseline, wenn sich die 
Sccretion in massigen Schranken hielt. Zeichen nachträglicher 
Verunreinigung gaben die Indication ab zu Bleiwasserumschlägen 
auf die mit Orthoform bestreute Wundfläche. 

8 Fälle von luetischen Geschwüren meist am Unterschenkel, 
einige bis ln den Knochen reichend. 8—12 tägige Orthoform- 
anwondung comblnirt mit feuchten Sublimatverbilnden, oder 
Jodoformgaze oder grauer Salbe. Durch mehrtägige Aetzuug mit 
Kalomel (3 Theile), Orthoform (1 Theil), darüber Kochsalz- 
vcrbawl konnte öfters Reinigung schmieriger Geschwürsflächou 
schmerzlos erzielt werden. 

3 Fälle tubereulöser Geschwüre (2 am Hals, 3 im Mund) er¬ 
forderten wochenlange Anwendung von Orthoform und Jodoform 
zu gleichen Theileu. 

5 Fälle traumatischer Geschwüre amFuss durch St iefeldruek), 
meist mit begleitender Lymphangitis. Aufpuderung von Ortho 
form, darüber feuchter essigsaure Thonerdeverband. 

3 Fälle von Decubitusgeschwüren am Kreuzbein bis zu Haud- 
grösse. Bei einem, sehr schmierig belegten und stark übelriechen¬ 
den. schien der Geruch durch Orthoformanwendung allein sich 
zu vermindern. Hier, wie in den anderen Fällen, wurden bis zur 
Peinigung der Gescliwürsfläehen neben Orthoformaufstreuung 
Bleiwasserverbnnde ohne Guttapercha verordnet, später dann 
Orthoforimlermatolstreupulver oder dito Salbe. Allo heilten. 

4 Fälle von trophischem Geschwür, volar an der grossen Zehe 
\m Tabikern (2), Diabetiker (1), Arteriosklerotiker (1). Aufwen¬ 
dung von Orthoform und Jodoform oder Orthoform und Glutol, 
Orthoformichthyolsalbe. Wo starke Schwielen um das Geschwür 
vorhanden waren, Orthoform und Salieylsäure ana. 2 Geschwüre 
gelangten zur Heilung, die übrigen sind gebessert. 

15 Fälle von varieüsen Untersehenkelgeschwüren, meist leb¬ 
haft schmerzende, sog. erethische Geschwüre verschiedener 
Grösse, einige mit Symptomen massiger Infeetion, reichlich secer- 
nirend, einige atonische mit schwieligen Rändern, seröser Seere- 
tion, schlecht grauulirendem Grund. 

Die lebhaften Beschwerden erethischer, ziemlich gereinigter 
Geschwüre wurden mit Orthoform-Permatol-Talgpudor oder dito 
Salbe rasch beseitigt; darüber kam ein trockener Gazeverband 
mul zentripetale elastische Bindeneinwicklung. Sehr starke 
Schmerzen, Fehlen jeglicher Heilungstendenz iiulicirto neben 
strenger Bettruhe tagsüber häufig gewechselte Umschläge mit 
Büro Wischer Lösung, für Nachts Orthoformaufpudcrung, da¬ 
rüber Bleiwasserverband. 

Stark entzündete Fussgeschwüre wurden mit 2 mal täglich 
gewechselten feuchten Verbänden von essigsaurer Thonerde be¬ 
handelt, nach einmaliger Orthoformbestreuung am Tag, später 
oinigeinalo mit 5 proc. Orthoformthon iu Gazecompresseii eiu- 
genäht, was bei sehr starker Secretion unbestreitbare Vor¬ 
züge hat. 

Bei atonisehen Geschwüren wurde Orthoform nur benützt. 


r ) Auch von Y o n g e (British med. Journal 1898, No. 193G) 
empfohlen. 

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um die länger dauernde Application eines Aetzmittels schmerz¬ 
los zu gestalten. Aufstreuung von Kalomel (3) + Orthoform (1), 
darüber feuchte Kochsalzcoinpressen werden ebenso anstandslo ; 
ertragen, wie eine Aetzuug von 2—5 proc. Chlorzinklösung oder 
Jodtinctur, wenn 20 Minuten vorher mit Orthoform anaesthcsirl 
worden war. 

Um eine Krustcnhilduiig zu vermeiden und jeweils leicht 
alle Pulverroste zu entfernen, pflegte ich namentlich bei Pulver- 
verbänden vor der Aufpuderung von Orthoform erst eine Schicht; 
nicht zu feinmaschiger Gaze auf die Wunde zu legen. Mit 
letzterer kann heim Verbandwechsel verbrauchtes Material leielit 
entfernt worden. Ferner wurde in fast allen Fällen, die längeres 
Tragen feuchter Verbände bcnötliigtcii, die Umgehung des Ge¬ 
schwürs mit dicker Zinkpasta gedeckt. 

Von den 15 Fällen sind 10 mit guter Vernarbung ohne 
weiteren operativen Eingriff geheilt, 4 besuchen noch mit Aus¬ 
sicht auf baldige Wiederherstellung das Ambulatorium, 1 dürfte 
wogen allgemeiner Deerepidität ungohcilt bleiben. Unter diesen 
Patienten befinden sich solche, die 6 Wochen lang Orthoform 
bcnötliigtcii. 

Bei 2 S c li u n k e r g e s e h w ii r e n diente die Orthoform- 
bestreuung nur dazu, die enorme Schmerzhaftigkeit der 20 Min. 
später erfolgenden Cupr. sulfuric.-Aetzuug erträglicher zu machen 
(resp. auf ein Minimum herabzusetzen). 

Von 5 c arcinomatöse n Geschwüren zeigte eines, an der 
Zunge, die deutlichste Rcaction auf Orthoform. Der auaesthesirtc 
Patient war glücklich, wieder unbehindert essen zu können und 
3—5 Stunden in seinem rebellirenden III. Trigemiuusast Ruhe zu 
haben. Den gleichen guten Erfolg bot ein ulcerlremles Penls- 
carelnom. Auch hier liess sich nach Orthoformbepiiderung eine 
rasche Abnahme des üblen Geruchs nicht verkennen. Ein Patient 
mit Rectum- und Analcarcinom fühlte auf Ortlioformsuppositor. 
(10proc.) erhebliche Erleichterung. Ein Tonsillarcarcmoinkrauker 
wurde nur bezüglich seiner Schluckfähigkeit gebessert. Die bis 
in’s Ohr ausstralilenden Schmerzen dauerten fort. Keine Ver¬ 
dauungsstörungen durch verschlucktes Orthoform. 

Bei 3 A n a 1 f i s s u r e n verhüteten 5—10 proc. Butyrcacao- 
suppositorien das gewöhnlich bald nach dem Stuhlgang auf- 
tretende, höchst lästige Brennen. Aufpuderung von Orthoform 
nahm dm* 20 Minuten später ausgeführten Argent. nitric.-Aetzung 
ihre Schmerzhaftigkeit, auf den dabei entstehenden schwarz- 
grünen Schorf (metallisches Silber) hat bereits Bock 8 ) aufmerk¬ 
sam gemacht. 

An 5 in massigem Grade eingewachsenen Nägeln verschwand 
die Schmerzhaftigkeit der Nagelbettgranulationeu, und nach 
einigen Tagen diese selbst, unter Deckung mit Aeid. salicylic. 
und Orthoform zu gleichen Theileu. 

Bei 4 schmerzhaften Fisteln (1 anal, 1 urethral, 2 tubereu- 
löse am Hals) bewährten sich 5 proc. t'aeaobutterstäbchen gut 
(dieselben können mit höherem Procentgehalt nicht gut her¬ 
gestellt werden, wegen grosser Brüchigkeit). 

3 Geschwüre auf Frostbeulen heilten bald uud mit wenig 
Belästigung unter Auflegung von Ichthyolorthoformvaselino 
(3,0 : 2,0 : 30,0). 

In den bis jetzt angeführten 198 Fällen wurde fast aus¬ 
nahmslos 8 ) der Zweck der Orthoformapplication, die Schmerz- 
befreiung erreicht und zwar trat dieselbe nach geringgradigem 
Brennen gewöhnlich nach 3—5 M i n u t e n, seltener nach 8 Mi ¬ 
nuten ein, unter steter Voraussetzung, dass Coiitinuitiits- 
trennungen der Haut den dirccten Contact des Mittels mit den 
sensiblen Nervenendigungen ermöglichten. Hieraus erklärt sieh, 
dass entsprechend dem einheitlichen physiologischen Vorgänge 
des von der Peripherie ausgelösten Schmerzes (ceutripetal fort- 
geleitetc Erregung der schmerzempfimlcnden Nerven fasern) die 
Aetiologio der Continuitätstrennung der Bedeckungen gar keine 
Rolle spielt. Ob dio zu treffende Nervonfaserendigung in einem 
luetischen Geschwür am Sternum oder carcinomatösen der Zunge 
oder varicösen des Unterschenkels freiliegt, bleibt sich für den 
Effect gleich; sic bietet jeweils dem Orthoform einen Angriffs¬ 
punkt. Ebenso irrelevant ist die Loealisation, Form und Grösse, 
ferner die Thatsache, oh ein Geschwür kaum die Famo erreicht 
oder sogar in den Knochen vordringt oder eine durch Inflation 
verursachte Complication vorliegt. Natürlich wird auf einem 
icinen, mit reichlichen Granulationen besetzten Geschwürsgrund, 
welche aufgelegte Agentien gierig aufsaugen, ein intensiverer 
Effect rascher zu Stande kommen, als dort, wo zäh klebendes 
Secrct den Contact des Orthoforms erst allmählich zuliisst. 

Die Dauer der Anacsthcsio variirt zwischen Stunden und 


*) Therap. Monatsh. No. 7, 1898. 

*) Ausnahmen: Einmal wurde ein erethisches Fussgeschwür 
mit stärkerer Chlorzinklösung geätzt, worauf lebhafte Schmerzen 
eintraten. Das nachträglich aufgelegte Orthoform coupirte die* 
selben nicht, ebenso versagte 10 proc. Cocainlösung. 

4 * 

Original fro-m 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Tagen und ist in erster Linie von der Quantität des Aufwandes 
an Substanz abhängig. Ein grösseres Depot, von dem immer 
eine Spur gelöst in Wirkung tritt, wird ja weniger raseh auf¬ 
gezehrt sein als ein kleineres. Wo das Orthoform schlecht haftet, 
B. an einem Tonsi 11arcareitiom, und desshalb die Deponirung 
ansehnlicher Mengen durch die Localisation sich verbietet oder 
dort, wo reichliehe Secretion das Pulver wegsehwoinmt, wird In¬ 
tensität und Dauer der Anaesthesie verringert werden. Dieser 
rebelstand lässt sich durch öftere Application eompensiren. 
Durchschnittlich dauerte die Anaesthesin ca. 10 Stunden, oinige- 
malo 2 Tagt 1 . Heck e r ‘ ') sah bei La rynxuleerat innen eine 
7 tägige Anat stliesie nach einer Einblasung. Die Intensität der¬ 
selben kann so tief sein, dass es mir ebenso wie Wohl¬ 
gemut h") öfters gelang, schmerzlos granulirende Flächen 
abzukratzen zum Zweck der Vornahme von Transplantationen. 
Dies geschieht am besten so: 2—3 Stunden vor der Abtragung 
der (iranulationen wird auf dieselben reichlich Orthoform auf¬ 
gepulvert, darüber Gaze aufgelegt, die mit Borsäure und etwas 
Alkohol getränkt ist, zuletzt ein Billrothbattist. 

(Schluss folgt.) 

Ueber Blutungen des Endometrium bei Sklerose der 
Uterinarterien'-). 

Von Dr. M. Simmonds, Proscctor am Allgemeinen Kranken¬ 
hause, Hauiblirg-St. Georg. 

M. 11.! Wer oft Sectionen alter Frauen auszuführen Gc- 
hgcnhei! hat, weiss, wie ausserordentlich häutig man dabei ab¬ 
normen Verhältnissen im Dercich des (ienitaltraetus begegnet. 
Ich erinnere nur an die Narbenbildungeu der Vagina und der 
Cervix, an die mehr oder minder ausgebreiteten Verwachsungen 
der Flcrii'unncnHäche mit Ektasie der proximal gelegenen 
Höhlung und Erfüllung derselben mit Schleim, Blut, Eiter, an 
die Cysten, Myome, Polypen und so manche andere pathologische 
Bildungen. Bei Weitem häutiger als allen diesen Dingen be- 
g'-gnet man bei Greisinnen einem an der Cterusinnentläche sich 
ahspielemh n Processc, der als A p o p 1 e x i a Uteri bezeichnet 
werdet) Dt. loh glaube nicht zu hoch zu schätzen, wenn ich sage, 
dass bei jeder dritten bis vierten Frau jenseits «lei* sechziger 
Jahre dies, r Befund anzut reffei| ist. 

Das Vorkommen derartiger Blutungen in der Uterus- 
wanduug ist lange bekannt gewesen und schon Cruveilhier 
hatte den Namen „Apoplexia Uteri“ angewendet. Späterhin 
scheint man indess von pathologisch-anatomischer Seite sich 
meht weiter damit befasst zu haben und daher rührt wohl die 
überraschende Thatsachc, dass die meisten Handbücher an Stelle 
eigener Beobachtung auf die alten Angaben von Cruveilhier 
und R o k i t a n s k y liinweisen. Erst im letzten Jahre erschien 
dann die Arbeit von v. K a h 1 d e n (Zieglcr’s Beiträge, Bd. 23), 
welche in erschöpfender Weise all«' in Betracht kommenden 
Punkti' aut Grund von 8 eigenen Fällen behandelt hat. Wenn 
ich trotzdem heule noch einmal dieses Thema behandle, so ge¬ 
schieht das, weil ich Ihnen gern einen Theil meines seit Jahren 
angesanu icltcn, nach Dutzenden zählenden Materials verlegen 
möchte, dann aber schien es mir danken*werth, hei der Gelegen¬ 
heit die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Arterio¬ 
sklerose und Menorrhagien im Klimakterium anzuregen. 

Die Veränderungen, welche wir bei der Apoplexia Uteri an¬ 
treffen, werden Sie am besten an diesem Uterus sollen, den ich 
heute Mittag bei der Seetion einer an Oberkieferkrebs ver¬ 
storbenen 77 jährigen Frau fand. Der Uterus ist klein, die 
Höhlung eng. Sie erkennen, dass die glatte Innenfläche dunkel- 
brnunrnth gefärbt ist, dass innerhalb dieser blutig tingirten 
Fläche wieder intensiver roth gefärbte Punkte und Flecken sich 
bilden. Auf dem Querschnitt sehen Sie, dass die liaemor- 
ijiagisehe Zone sich nicht auf das Endometrium beschränkt, 
sondern noch etwa l J. cm weit in die Musculatur hinein reicht. 
Verglci ‘heu Sic* damit die übrigen eonservirten Präparate, so 
werden Sie immer wieder dieselben Veränderungen constatiren, 
.liir mit dein Unterschied, dass die Ausdehnung der Blutung 
( ine verschiedenartige ist. Sie sehen Fälle, wo das ganze Uterus- 
innere diese \ eränderuug zeigt. Sie sehen Fälle, wo nur grössere 

Kill weiterer Misserfolg hei der Itöntgon-Verbrennung eines 
II ysierisi-lieii. 

; i Inauguraldissertation, Merlin 181)8. 

“) Deutsch, med. Woclieiisclir. No. 17, 181)8. 

*) Vorgclragi'ii in der biologischen Abtheilung des ärztlichen 
Vereins am IU. Octobcr 1899. 

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Abschnitte, speciell die hintere Wand Sitz der Blutung ist. Sie 
sehen Präparate, wo nur fleckenförmige ITnemorrhagien sich vor- 
finden. Wie ausgedehnt der Proeess aber auch ist, ausnahmslos 
werden Sie die Cervix fast völlig frei von Blutungen treffen, 
diese beschränken sieh stets nur auf den Körper des Uterus. 

Bei einer derartigen starken blutigen Durchtränkung der 
Uterus in neu fläche muss es nun auf fallen, dass es so äusserst 
selten zu einer Blutung in die Gebärmulterhühlung kommt. 
Nie habe ich frisches Blut und nur ausnahmsweise blutig ge¬ 
färbten Schleim im Genitalkanal angetroffen und damit stimmt 
es auch überein, das man intra vitam in allen meinen Fällen 
nichts von Metrorrhagien bemerkt hatte. 

Wie sind nun diese Blutungen in der Uteruswamlung auf¬ 
zufassen? Menstruale Blutungen waren es nicht — es handelte 
sieh stets um Frauen jenseits des Klimakteriums im Alter von 
55—80 Jahren. Acute Infectionskraukheiten, die gelegentlich 
zu Blutungen führen, Vergiftungen, chronische Stauungen durch 
Herz- und Lungeukranklieiten waren für die Mehrzahl der Fälle 
auszuschlicsscn. Es konnte sich also nur um Blutungen handeln, 
die durch locale Veränderungen verursacht worden waren und 
hierüber lieferte die histologische Untersuchung Aufschluss. 

Bei Durchsicht der aufgcstellten mikroskopischen Prä¬ 
parate werden Sic sehen, dass neben der hacmorrhagischeii In¬ 
filtration dos Endometrium und der angrenzenden Muskel“ 
schichten, oft eine auffallende pralle Füllung der kleinen Venen 
und Capillarcn vorhanden ist. Sie begegnen da Bildern, die 
völlig dem entsprechen, was man als liaemorrbagiseho In- 
farcirnng zu bezeichnen pflegt, und es liegt nabe, vorauszusetzen, 
dass der Blutaustritt in das Gewebe eine Folge schwerer Cireu- 
lationsstörung ist. 

Dass nun in der Tliat solche (’ireidationsstürungen vor¬ 
liegen können, werden Sie nach einer Besichtigung der aus dem 
tieferen Schichten der Uteruswand stammenden, mikroskopischen 
Präparate wohl zugeben. Sie sehen, dass überall die schwersten 
Veränderungen an den Arterien Platz gegriffen haben. Ihnen 
fällt vor Allem an einer grossen Zahl von Gefiissen das Miss¬ 
verhältnis zwischen Lumen und Wanddicke auf. An manchen 
Gefiissen ist das Missverhältnis derart, dass kaum noch ein 
Linnen erkennbar ist. lind bei stärkerer Vcrgrösscrung ist 
leicht der Nachweis zu führen, dass diese Wandvordickung zum 
grossen Theil einer Wucherung der Intima, zum Theil auch 
einer Verbreiterung der Media zur Last zu legen ist. Sic sehen 
die Intima unregelmässig verbreitert,, kernarm, dagegen reich 
an lieugebildcten Fasern und Platten elastischen Gewebes, durch 
die Weigert’sehe Methode leicht kenntlich gemacht. Die 
Media zeigt vielfach hyaline Degenerationsherde, vor Allem aber 
imponiron in ihr die mächtigen Kalkablagerungen, welche be¬ 
sonders den inneren Lamellen angehören und vielfach auf die 
äusseren Schichten der Intima übergreifen, so dass die Elastica 
oft nicht mehr nachweisbar ist. Diese Kalkspangen umgreifen 
oft völlig ringförmig die Gefässe und geben dadurch zu ganz 
eigenartigen Bildern Veranlassung. leb will dann endlich 
noch darauf liinweisen, wie häufig man in dem die Arterien um¬ 
gebenden Gewebe, recht ausgedehnte nekrotische Herde mit 
völligem Kernsehwund antrifft. 

Bei einer so hochgradigen Veränderung eines grossen Brucli- 
theils der zufuhrenden Gefässe, die eine starke Verengerung 
ihres Lumens und einen völligen Verlust ihrer Contractilität 
erlitten haben, ist wohl vorauszusetzen, dass es unter geeigneten 
Verhältnissen zu schweren C’ireulationsstörungeii kommen und 
dass dann trotz vorhandener Anastomosen eine richtige In- 
farcirung der peripher im Endometrium gelegenen Gebiete sieb 
ausbilden kann. 

leb sagte „unter geeigneten Verhältnissen“ und damit be¬ 
rühre ich eine andere Frage, nämlich die, wann jene Haemor- 
rhagien sich gebildet haben. Aelteren Datums sind sie keines¬ 
falls, das zeigt die Farbe des Blutes, das mikroskopische Verhalten, 
der Mangel von Pigmentablagerungen und anderen Residuen 
älterer Blutungen. Sie können nur aus den letzten Lebens* 
tagen odor Lebensstunden stammen, aus einer Periode, wo die 
Herzkraft beträchtlich nachgelassen hat und das Sinken des 
Blutdrucks mag den Anstoss zu den beschriebenen Circulations- 
stürungen im Gebiete der stark veränderten Uteringefässe ge¬ 
geben haben. I) i e A p o p 1 e. x i a uteri wäre demnach 
nur eine atonale oder präagonale Erschei¬ 
nung, der eine klinische Bedeutung der Regel 
nach nicht gebührt. 

Original ffom 

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GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER. 

F' ßrRCH-^lRsCHFELD. 





Beilage zur Münchener medicinischen 
Verlog von J. F. LEHMANN in 


I Wochenschrift. 
München. 



Go gle 



















































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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Nun fragt es sich aber, ob nicht doch unter anderen Be¬ 
dingungen ähnliche schwere Veränderungen der Üterinarterien 
zu Blutungen Veranlassung geben können, speciell, ob die in 
den klimakterischen Jahren bisweilen beobachteten heftigen 
Menorrhagien nicht auch mit der Arteriosklerose in Zusammen¬ 
hang zu bringen sind. Wissen wir doch, dass gerade 1 die Uterin¬ 
arterien ein Lieblingssitz dieser (iefässerkrankung ist. Prüft 
man regelmässig am Sectionstiseh die Arterien des Uterus, so 
wird man erstaunt sein, wie häutig man bei Frauen schon in den 
vierziger Jahren auf sklerotische Veränderungen trifft. Dabei 
kann die Arteriosklerose bisweilen völlig auf den Uterus be- 
sehriinkt sein und das übrige (lefässsystcm zeigt keine oder 
nur minimale Veränderungen. Fis liegt, daher nahe, anzu¬ 
nehmen, dass diese Proeesse im Zusammenhang stehen mit den 
nach dem Puerperium normaler Weise an den Gelassen sich ab- 
>l»ielenden Umwandlungen. 

Von gynäkologischer Seite ist nun die Frage nach einem 
Zusammenhänge zwischen Menorrhagien im Klimakterium und 
Arteriosklerose bejaht worden. Aus L e o p o 1 d’s Klinik er¬ 
schien im vorletzten Jahre eine Arbeit von Bei nicke (Arch. 
i. Gynäkologie, Bd. 53), der 4 Falle mittheilt, in welchen hart¬ 
näckige Blutungen zur Fxstirpatio uteri veranlasst, hatten. In 
allen diesen Fällen ergab die Untersuchung des Endometrium 
keinen Aufschluss über die Ursache der Blutungen, hingegen 
Hessen sich regelmässig an den Gelassen Veränderungen naeh- 
weisen, welche der Verfasser für die Entziehung der Ilaeinor- 
lhngien verantwortlich macht. 

Wenn mir nun auch die von II e i n i c k e mitgetlieilteu 
histologischen Befunde an den G(‘fassen — Hypertrophie und 
massige .Degeneration der Media ohne stärken' Betheiligung der 
Intima und ohne Einengung des Arterienlumens — nicht aus¬ 
reichend erscheinen, um so heftige Blutungen zu erklären, so 
glaube ich doch, das man in alle n F ä 11 e n , w o s t ä r k e r e 
G e f ä s s a 1 t e r a t i o n c n a n g e t r o f f e n w e r d e n , b e - 
r e c h t i g t ist, di e s e m i t <1 e n M e n o r r h a g i e n i n 
Z u s a m in e n h a n g z u b r i n g e n. Im (iegensatz zu den 
bei der Apoplexia uteri der Greisinnen auftretenden, in erster 
Linie durch hochgradige Verengerung der Arterien bedingten 
und bei sinkender Herzkruft auf tretenden 1 laemorrhagien, 
wären die in den klimakterischen Jahren beobachteten Blutungen 
als Folge der Gongestion des Organs während der Menstruation 
bei bestehender grosser Starrwandigkeit der Gefasst' aufzufassen. 

Ich selbst habt» bisher nur einen derartigen Fall zu unter¬ 
suchen Gelegenheit gehabt. College L o m e r hatte bei einer 
53 jährigen F'rau wegen andauernder bedrohlicher, durch keinen 
Eingriff zu beseitigender Menorrhagien den Uterus entfernt. 
Ich fand das Organ etwas vergrössert, das Endometrium intaet, 
die Museulatur ohne liennensworthen Befund. Hingegen fiel 
schon makroskopisch die starke Schlängelung und Starrheit der 
Gefasst; auf und mikroskopisch waren Wucherungen am Endo¬ 
metrium, hyaline und verkalkte Herde an der Muscularis, Ver¬ 
engerung des Arterienlumens nachzuweisen, kurzum Bilder, 
welche stark an die erinnerten, welche ich bei der Apoplexia uteri 
zu sehen gewohnt war. Ich habe daher auch nicht gezögert, in 
jenem Falle die Sklerose der Uteringefässe für die Ursache der 
Verhüngnissvollen Blutungen zu erklären. 

In welchen Fallen nun die in den klimakterischen Jahren 
so häufigen Menorrhagien auf diesen Factor zurückzuführen 
sind, ist. intra vitam wohl kaum zu bestimmen. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung der ausgekratzten Uterusinneuwand 
wird stets nur über das Verhalten der Mucosa, vielleicht noch 
angrenzender Muskelfasern Auskunft geben. Die Ilauptübel- 
thiiter, die sklerosirten Gefässe, sitzen aber in der Tiefe der 
Uteruswandung und entziehen sich demnach ganz unserer Be- 
urtheilung. Eher wird der Nachweis arteriosklerotischer Pro¬ 
zesse an anderen Körperrcgionen einen Anhalt geben, während 
umgekehrt das Fehlen derartiger Symptome nicht verwerthet 
worden darf, da oft genug die Gebärmutter der einzige Sitz der 
Gefäßerkrankung ist. Ganz besondere Schwierigkeiten werden 
endlich jene Fälle bilden, wo das Vorhandensein von Myomen 
oder von Veränderungen des Endometrium das Krankheitsbild 
complieirt. 

Jedenfalls hat man bei hartnäckige n G e bär- 
m u 11 e r b 1 u t u n g e n älterer Frauen nach Aus¬ 
schluss anderer a ^biologischer Momente a n 
die Arter iosklero sc zu denken und bei der bisweilen 


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beobachteten Ohnmacht aller therapeutischen Maassregeln in 
derartigen Fällen ist die Entfernung des Organs als ultimum 
rofugium vollkommen berechtigt. 


Ein zweiter Fall von Entfernung des Schultergiirtels 
wegen Sarkom der Scapula. 

Von Prof. Th. Kölliker in Leipzig. 

ln dieser Wochenschrift (1897. No. 20) hat mein Assistent 
CL Franc ko über eine von mir ausgefiihrto Entfernung des 
Schultergürtels wegen Sarkom der Scapula berichtet. Der 
Kranke ist fast 2 Jahre nach der Operation an Metastasen des 
Gehirns und der Lunge gestorben. 

Inzwischen habe ich die Operation nochmals ausgeführt 
und erlaube mir hei der immerhin noeli nicht, grossen Casuistik 
dieser Operation (Vcrgl. Könitzer. Zur totalen Entfernung 
des knöchernen Selmltergürtels. Deutsche Zeitschrift für Chi¬ 
rurgie, Bd. 52, Heft 5, (>) kurz über diesen zweiten F'all zu 
berichten: 

W., 56 Jahre alt, bemerkt seit einigen Monaten eine Schwel¬ 
lung der rechten Schulterblattgegend. Die Geschwulst von Apfel- 
grösse geht von der Spina scapulae aus und füllt die ObergrRten- 
grube. Die Elevation des rechten Armes ist behindert und schmerz¬ 
haft. In der rechten Achselhöhle geschwollene Drüsen. Operation 
am 9. Februar 1899. Bildung eines vorderen Hautlappens von der 
Mitte der Clavicula ausgehend, über die Scliulterhöhe verlaufend 
und durch die Achselhöhle bis zum unteren Schulterblattwinkel 
sich erstreckend. Durchtrennung des M. pectoralis major, Durch- 
siigung der Clavicula mit der Drahtsäge, Durchschneidung des M. 
pectoralis minor und M. suhclavius. Unterbindung der Art. trans¬ 
versa scapulae, dann der Art. u. V. subclavia hinter dem Schlüssel¬ 
bein. Durchtrennung des M. latisslmus dorsi. Alsdann wird ein 
hinterer bogenförmiger Lappenschnitt vom Ausgangs- und End¬ 
punkte des vorderen Lappens aus gebildet, der bis über den me¬ 
dialen Schulterblattrand zurückpräparirt wird. Ablösung des Tra- 
pezius von der Clavicula und der Spina scapulae, des M. serratus 
anticus major von der Scapula, dann der Mm. rhomboidei und 
schliesslich des Levator scapulae. Massige Blutung aus den Aesten 
der Art. transversa colli. Naht der ganzen Wunde. 

Dauer der Operation, die in Chloroformnarkose ausgeführt 
wurde, b /4 Stunden, kein Collaps. 

Patient erholt sich rasch und macht eine Reconvalescenz 
durch, die nur durch ein Delirium potatorum gestört war. Ein 
halbes Jahr nach der Operation erliegt Patient einer Influenza- 
Pneumonie. Kein Recidiv. 

Die Untersuchung des Präparates ergibt, dass das Sarkom 
— ein grosszelliges Randzellensarkom — auf die Kapsel des 
Schultergelenkes übergegangen war. In der Achselhöhle eine 
Anzahl sarkomatöser Drüsen. 


F. V Birch-Hirschfeld. 

Nekrolog von Prof. K o c k e 1. 

Am l!>. November 1899 verstarb in Leipzig Geheimer Medi- 
cinalrath Dr. F'elix Victor Birch-Hirschfeld, Pro¬ 
fessor der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie, 
Director des pathologischen Instituts der Universität. 

Es ist ein schwerer Verlust, der den medicinischen Lehr¬ 
körper der Leipziger Universität betroffen hat. 

Birch-llirschfcld war als Mehsch wie als Gelehrter 
in gleicher Weise hochbedeutend. 

Berührte schon sein Aeusseres achtunggebietend und sym¬ 
pathisch, so war das in noch viel höherem Maasse der Fall bei 
dem ganzen Wesen des Verstorbenem 

Eine in hohem Grade ideal angelegte Natur, brachte 
Birch-Hirschfeld Allen, die mit ihm in Berührung 
kamen, herzliches Wohlwollen entgegen. 

Seinen Schülern war er ein väterlicher Freund und gern 
stand er ihnen mit Rath und That zur Seite. 

Immer besass er ein mildes Herz und eine offene Hand für 
die Armen, und selbstlos gönnte er Jedem das Seine; nie ver¬ 
mochte er es über sich, auf Kosten Anderer sich Vortheile zu ver¬ 
schaffen. 

Neben grosser Bescheidenheit wohnte dem Verstorbenen ein 
mächtiges Gefühl für Recht und Pflicht inne; keine Schonung 
kannte er gegen seine eigene Person, sondern mit bewunderns- 
werther Energie kämpfte er bis zuletzt gegen seine schwere 
Krankheit an. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



54 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Bireh-Hirschfeld besass einen klaren Verstand, ein 
vortreffliches Gedächtnis» und eine scharfe Logik. 

Diese Eigenschaften befähigten ihn in hervorragendem 
Maassc, die geistigen Produete Anderer richtig zu beurtheilen 
und einer sachlichen Kritik zu unterwerfen. 

Aber auf die Kritik beschränkte sich die geistige Thätig- 
keit des Verstorbenen nicht. Er war vielmehr jederzeit gerne 
bereit, seine eigenen Ideen seiner Umgebung mitzutheilen und 
verstand es, in der Form zwangloser Unterhaltung durch die 
Fülle seiner Gedanken mächtig anregend auf Alle zu wirken, 
die ihm nahten. 

Immer war seine Diction formvollendet und fesselnd, mochte 
es sich um gelegentliche Ansprachen handeln oder um wissen¬ 
schaftliche Vorträge. 

Stets war das, was er sagte, gehaltreich und nicht selten 
gewürzt durch feinen Humor oder schlagfertigen Witz. 

In seinen Vorlesungen wusste B i r ch - H i r s c h f c 1 d mit 
hervorragender didactischer Begabung das Interesse der Hörer 
zu wecken und rege zu erhalten; dafür lohntet ihn die warme 
Verehrung derselben, und besonders gern baten i h n die Stu- 
direnden, bei ihren Festen die erste Stelle einzunehmen. 

Die wissenschaftliche Laufbahn Bireh- 
H i r s c h f c 1 d’s bietet manches Bemerkenswert he. 

Geboren am 2. Mai 1842 in Cluvensieck bei Rendsburg, stu- 
dirte der Verstorbene in Leipzig, wo er 1867 promovirt wurde. 

Schon 1866 im Choleraspital unter W u n d e r 1 i c h thätig, 
war er von 1867 bis zum Herbst 1868 Assistent E. W a g n e r’s, 
der zu jener Zeit das pathologische Institut und die medicinischc 
Poliklinik leitete. 

Nach seinem Weggang von Leipzig war Birch-Hirsch- 
f c 1 d ein Jahr lang Hilfsarzt an der Heilanstalt Sonnenstein und 
hiernach Assistenzarzt an der gleichartigen Anstalt in Colditz, 
von wo er am 1. Februar 1870 als Prosector an das Stadtkranken¬ 
haus in Dresden berufen wurde. 

1875 wurde der Verstorbene unter Ernennung zum Medi- 
ciualrath in das sächsische Landes-Medicinalcollegium berufen 
und 1881 als Oberarzt mit der Leitung der Irrenabtheilung des 
Dresdener Stadtkrankenhauses betraut. 

1885 folgte Birch-Hirschfeld einem Rufe nach Leip¬ 
zig als Nachfolger C o h n h e i m’s und wurde 1892 zum Ge¬ 
heimen Mcdicinalrath ernannt. 

Schon Anfangs des Jahres 1890 entsandte die Universität 
den Verstorbenen als ihren Vertreter in die I. Kammer des 
sächsischen Landtages, der er bis zu seinem Tode angehört hat. 

Die wissenschaftlichen Arbeiten Bireh- 
II i r s c h f e 1 d’s tragen fast sämmtlieh ein eigenartiges Ge¬ 
präge. 

Der Verstorbene war kein zünftiger Fachgelehrter, sondern 
ein hervorragender Arzt, der durch selbständiges Arbeiten seine 
Stellung in der wissenschaftlichen Welt sich errungen hat. 

Schon unter E. Wagner gelullten, neben der Pathologie 
ärztliche Praxis zu betreiben, ist Birch-Hirschfeld auch 
später, besonders in Dresden, in der glücklichen Lage gewesen, 
am Krankenbett reiche klinische Erfahrungen zu gewinnen. 
Gleichzeitig aber fand er Gelegenheit, als Prosector des Dres¬ 
dener Stadtkrankenhauses eine Fülle von pathologisch-anato¬ 
mischen Beobachtungen zu sammeln. 

Diese Eigenart seines Lebensganges kommt beinahe in allen 
wissenschaftlichen Mit thei hingen des Verschiedenen zum Aus¬ 
druck. 

Immer geht Birch-Hirschfeld bei seinen Unter¬ 
suchungen von Beobachtungen am Kranken aus und sucht die 
Resultate seiner Feststellungen für die ärztliche Praxis zu ver- 
werthen. 

Bis in seine letzte Lebenszeit war der Verstorbene bestrebt, 
den Zusammenhang zwischen pathologischer Anatomie und 
klinischer Medicin aufrecht zu erhalten; er war der Ansicht, 
dass eine erfolgreiche Weiterentwicklung der beiden Disciplinen 
nur möglich sei, wenn die eine mit der anderen Hand in Hand 
gehe. 

Ohne gegen die modernen aetiologischen Untersuchungs¬ 
methoden sich ablehnend zu verhalten, legte Birch-Hirsch¬ 
feld doch immer besonderen Werth auf die pathologische 
Morphologie und ihre Bedeutung für die klinische Diagnostik. 

Es muss als ein Hauptverdienst Bireh -II irsch¬ 
fei d’s bezeichnet werden, dass er nie versuchte, die Pathologie 

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um ihrer selbst willen zu betreiben, sondern dass er immer be¬ 
strebt war, sie in den Dienst der kranken Menschheit zu stellen. 

Birch-Hirschfeld hat neben einer Reihe kleinerer 
Veröffentlichungen, unter denen besonders bemerkenswerth 
sind die Arbeiten über „Die Entstehung der Gelb¬ 
sucht Neugeborener“ (Vircli. Arch. 1887) und „Ueber 
das Verhalten der Lebcrzellen in der Amy¬ 
loid 1 e b e r“ (Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1887), zunächst 
mehrere Abhandlungen aus dem Gebiete der Geschwulst- 
lehre veröffentlicht 

Von besonderem Wert he sind in der Zahl dieser die beiden 
1894 und 1899 mitgetheilton über „Sarkomatöse Ge¬ 
schwülste der Niere im Kind es alt er“ (Centralbl. 
f. d. Krankli. d. Harn- u. Sexualorgane 5, bezw. Ziegler’» Bei¬ 
träge 24). 

Das Hauptinteresse B i r c h - II i r s e h f e 1 d’s war von je¬ 
her den Infectionskrankheiten zugewendet. 

Untersuchungen über Pyaemie, Typhus, Syphilis und Milz¬ 
tumoren zeigen das. 

Unter den Infcctionen war es wieder besonders die T ube tr¬ 
eulose, die der Verstorbene mit Vorliebe zum Gegenstand 
seiner Studien machte. Hauptsächlich war er bestrebt, die In¬ 
fe c t i o n s p f o r t e n dieser Krankheit festzustellen. 

Vorbereitende Untersuchungen nach dieser Seite hin stellen 
seine Experimente „Ueber die Pforten der placen- 
taren I n f e c t i o n des Foetus“ (Ziegler’s Beiträge 9) dar. 

Hieran schliessen sich die unter dem directen Einfluss des 
Verstorbenen im Leipziger pathologischen Institut entstandenen 
Arbeiten über intrauterine Infection mit Tuberkelbacillen beim 
Menschen und beim Rind (Ziegler’s Beiträge 9, 16). 

Im weiteren Verlaufe seiner Tuberculosestudien schuf 
Birch-Hirschfeld die Grundlagen zu seiner bedeutendsten 
Publieation: „U eber den Sitz und die Entwicklung 
der primären Lungentubereulose“ (D. Arch. f. klin. 
Med. 64). 

Diese letzte Arbeit erscheint um so verdienstlicher, als sie 
völlig Neues auf einem (Jebiete bringt, dessen fernere Be¬ 
arbeitung vielfach als nicht mehr lohnend betrachtet zu werden 
pflegte. 

Ungetheilte Anerkennung haben sich seit langer Zeit die 
Lehrbücher des Verstorbenen erfreut: Das Lehrbuch 
der allgemeinen und s p ec i e 11 e n p athologisc li e n 
Anatomie und der G r u n d r i s s der a 11 g e m e i n e n 
Pathologie. 

Beide Bücher legen ein glänzendes Zeugnis» ab für den 
enormen Ueberblick des Verfassers über das Gesammtgebiet 
der Medicin und für seine grosse persönliche Erfahrung. Unter 
dem Zusammenwirken der beiden Momente sind wissenschaft¬ 
liche Werke entstanden, in denen das Bekannte zusammen¬ 
gefasst und durch das reife Urtheil des Verfassers kritisch be¬ 
leuchtet wird, ohne dass dem didaktischen Werth der Bücher 
Abbruch geschehe. Bireh- Hirsch fei d’s Lehrbuch muss 
als eine Fundgrube selbst für Denjenigen bezeichnet werden, 
der die ersten Anfänge der pathologischen Anatomie über¬ 
wunden hat. 

Kleinere zusammenfassende Artikel sind vom Verstorbenen 
in Eulenburg’s „Realencyklopädie“ und in Eulenburg’s 
Handbuch des öffentlichen Gesundheitswesens veröffentlicht 
worden. 

Im verflossenen F rühjahr stellte. I> ir eh- Hirse li f e 1 d 
die Resultate seiner Untersuchungen über d i o Wir¬ 
kung des Giftes der Kreuzotter (Festsehr. z. Feier 
d. 50 jälir. Bestehens des Stadtkrankenhauses Dresden-Fr., 1899) 
zusammen, die ihn seit mehreren Jahren beschäftigt hatten. 

Die Sommermonate dieses Jahres verwendete er zur Aus¬ 
arbeitung des Vortrages: Medici nif e h e W i s s e n s c h a f t 
und Heilkunst (Ber. d. Naturforschervers., München 1899), 
der Allen, die im September in München weilten, unvergesslich 
bleiben wird. 

Diese letzte, glänzende Leistung zeigte so recht, dass 
Birch-Ilirsclifeld neben hervorragender wissenschaft¬ 
licher Begabung auch volles Verständniss für die Interessen des 
ärztlichen Standes besass. 

Schon während seines Aufenthaltes in München war 
Biroh-Hirschfeld schwer leidend. 


Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


55 


Im Anschluss an eine putride Bronchitis, die der Verstorbene 
im Jahre 1886 in Ausübung seines Berufes sich zugezogen hatte, 
uud die fast jährlich recidivirte, hatten sieh starkes Lungen¬ 
emphysem und Herz Veränderungen entwickelt; schwere Anfälle 
von cardialem Asthma und Oedeme suchten den Verblichenen in 
den letzten Monaten heim, hinderten ilm aber nicht, Anfang 
November seine Vorlesungen zu beginnen. 

Die zunehmenden Beschwerden zwangen Birch- Hirse Il¬ 
feld schliesslich, seine Thätigkeit einzustellen, und nach 
11 tägigem Krankenlager verschied er, umgeben von seiner 
Familie, seinen Freunden und Schülern. 

Mit Achtung und Anerkennung werden Alle, die ihn 
kannten, des hervorragenden Gelehrten gedenken, mit Liebo und 
Verehrung aber werden die, die ihm näher standen, des theuren 
Lehrers und unvergesslichen Freundes immer und immer dank¬ 
bar sieh erinnern. 


Referate und Bücheranzeigen. 

A. Kölliker: Erinnerungen aus meinem Leben. Mit 

7 Vollbildern, 10 Textfiguren und dem Porträt des Verfassers 
in Heliogravüre. Leipzig. Verlag von Wilhelm Engel mann, 
1899. 899 Seiten. 

Vor Kurzem ist mit Kolliker’s Erinnerungen ein Werk 
erschienen, welches das ausserordentliche Interesse aller Fach¬ 
genossen, Freunde und Schüler des Verfassers in Anspruch 
nehmen darf. Unter den jetzt Lebenden dürfte kaum irgend 
Jemand mehr sein, der dem hochberühmten Gelehrten in seinen 
jüngeren Jahren nahe gestanden hat und dem zu Folge be¬ 
fähigt wäre, über die ersten Anfänge der wissenschaftlichen 
Entwicklung v. Kolli ker’s irgend etwas Maassgebliches zu 
berichten. Dass der Autor schon in den 40 er Jahren einen 
wohlbegründeten wissenschaftlichen Ruf besass, während etwas 
später von der Mitte des Jahrhunderts an seine Person und 
seine Arbeiten eine fortwährend steigende Bedeutung auf dem 
Gebiete der Anatomie und allen verwandten Zweigen des 
Wissens gewannen, das ist den nachlebenden Geschlechtern 
meist nur vom Hörensagen bekannt, denn jene Zeiten gehören 
schon längst der Geschichte der Wissenschaften an. Aber unter 
Jen Epigonen gibt es viele, die dem greisen Gelehrten in den 
letzten Jahren noch, sei es in wissenschaftlicher, sei es in 
freundschaftlicher Beziehung näher treten durften, und Alle, 
die mit der Person oder den Werken v. Kolli ker’s auf ihrem 
Lebenswege in Berührung gekommen sind, werden gerne diese 
..Erinnerungen“ durehblättern, um davon Kenntniss zu nehmen, 
aus welchen Quellen dieses schöne, befriedigte und ungewöhn¬ 
lich erfolgreiche Leben geflossen ist. 

Das Buch ist keine Biographie in gewöhnlichem Sinne des 
Wortes, durchaus nicht etw r a eine belletristische Ausarbeitung 
der reichen persönlichen Lebenserfahrungen im Stile eines für 
das lesebedürftige Publicum verfassten Memoiremverkes, sondern 
es ist im Grossen und Ganzen betrachtet ein Beitrag zur Ge¬ 
schichte der biologischen Disciplinen wöhrend der letzten 
0 Jahrzehnte des abgelaufenen Jahrhunderts imd ferner eine 
Erläuterung der Antheilnahme, w r elche der Herr Verfasser 
durch eigene Thätigkeit an der in Betracht kommenden Ent¬ 
wicklung hatte. Nur die ersten 48 Seiten des Werkes sind 
einer allgemeinen Biographie gewidmet, in welcher wir Auf¬ 
klärung über Eltern, Familie, Erziehung, Schilderungen aus der 
Studienzeit, ferner Notizen über die ersten wissenschaftlichen 
Bestrebungen und die Anfänge der akademischen Thätigkeit’ 
schliesslich auch Erwähnung von Freundschaftsverhältnissen 
aus früherer und späterer Zeit finden. Leider ist diese allge¬ 
meine Einleitung bei dem hohen Interesse, w r elches das Publicum 
der Person des Verfassers entgegenbringt, zu kurz ausgefallen. 
Offenbar hat sich v. Kölliker gescheut, die persönlichen Ein¬ 
drücke, Anregungen und übrigen Verhältnisse seiner Knaben-, 
Jünglings- und ersten Studienjahre in grösserer Breite zu 
schildern, obwohl ja gerade diese sehr wichtig, ja meist für 
die spätere Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung sind. 

Da es nicht Aufgabe des Referenten sein kann, das Buch 
zu excerpiren, so sei nur erwähnt, dass v. Kölliker mit 
seinem Bruder unter den Augen einer vortreffliche^ Mutter 
eine vorzügliche Erziehung erhielt, die das geistige wie körper¬ 
liche Wohl gleicher Weise berücksichtigte. Eine frühzeitige gute 
Ausbildung auf dem Gebiet der modernen Sprachen (italienisch, 
französisch, englisch) erleichterte ihm später das Eindringen in 
fremde Literaturen und die Ausführung weiter wissenschaftlicher 
Reisen in den 40 er und 50 er Jahren (Italien, Frankreich, Holland, 

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Spanien, England, Schottland), wodurch der junge Gelehrte in 
persönliche Fühlung mit den wissenschaftlichen Kreisen der 
bedeutendsten Culturländer trat. Noch wäre* wichtig zu er- 
wähnen, dass möglicher Weise vielfache in den Jugendjahren 
eifrig betriebene Leibesübungen, als da sind: Turnen, Schwimmen, 
Jagen und Reiten, den soliden Grund für die ausserordentliche 
physische und intellectuelle Leistungsfähigkeit legten, die alle 
Näherstehenden an dem Herrn Verfasser bis in sein jetziges 
hohes Alter hinein zu bewundern Gelegenheit haben. 

Der zweite Hauptabschnitt des Buches bringt den Abdruck 
einer grossen Reihe von Briefen, welche auf wissenschaftlichen 
Reisen geschrieben und heimwärts gesandt wurden. Diese 
Briefe sind eine hochinteressante Lectlire, indem sie sowohl 
ein reichliches Material zur Lebensgeschichte des Autors als 
als auch eine Reihe sehr bemerkenswerther Schilderungen, die 
wissenschaftlichen Zustände einer vergangenen Zeit betreffend, 
enthalten. 

Der Rest des Buches, mehr als die Hälfte des ganzen 
Werkes, beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Leistungen 
und Erfolgen, v. Kölliker gibt uns ausser einem kurzen 
Bericht über seine Lehrthätigkeit vor Allem eine Art Autor¬ 
referat über die schier unübersehbare Menge seiner Schriften. 
Es sind fast 250 Nummern, die aufgezählt, viele übrigens 
bloss dem Titel nach erwähnt werden. An einigen Stellen 
werden umfassende Uebersichten über ganze Serien von 
Arbeiten gegeben, zum Theil mit Ergänzungen oder unter 
erneuerter Hervorhebung solcher Darstellungen, die früher ge¬ 
ringere Beobachtung gefunden hatten (z. B. „histologische 
Grundanschauungen“ pag. 192 ff, Entwicklung der Blutkörperchen 
pag. 210 ff, Nervensystem pag. 235 ff, Eierstock 298 ff, Knochen¬ 
entwicklung 315 ff, Descendenzlehre 322 ff). Es ist hier indess 
nicht der Ort auf Einzelheiten einzugehen und müssen wir auf 
das Werk selbst verweisen. 

Das mit einer Reihe von Porträts und anderen Bildern, 
auch neuen wissenschaftlichen Zeichnungen geschmückte Buch 
ist unentbehrlich für den Historiker der Medicin. An der Hand 
desselben wird es später auch gelingen, eine eigentlich so 
zu nennende Biographie des Autors zusammenzusetzen, welche 
allerdings nur zu schreiben wöre an der Hand einer möglichst 
vollständigen Kenntniss der Entwicklung der Anatomie und 
Physiologie im 19. Jahrhundert. Martin Heidenhain. 

G. Kleinschmidt: Vademecumfür den Geburtshelfer. 
München, Lindauer’sche Buchhandlung. II. Aufl. Preis 4 M. 

0. Schaeffer: Anatomischer Atlas der geburtshilflichen 
Diagnostik und Therapie. Lehmann’s med. Handatlanten, 
Bd. II, 2. Aufl. Preis 12 M. 

O. Schaeffer: Atlas und Grundriss der Gynäkologie. 
Lehmann’s med. Handatlanten, Bd. III., 2. Aufl. Preis 14 M. 

W. Nagel: Die Gynäkologie des praktischen Arztes. 
Berlin, H. Kornfeld. 

Jo mehr der Lehrstoff sich vergrössert, desto mehr macht 
sich auch das Bedürfniss geltend, neben den ausführlichen Hand- 
und Lehrbüchern kurz gefasste Lehrbücher zu besitzen, die es 
gestatten, zu gegebener Zeit rasch den Inhalt eines Abschnittes 
zu überfliegen. Darin liegt sicherlich die Berechtigung eines 
sog. Vademeeum begründet. Seine Benützung setzt allerdings 
immer ein eingehendes Studium eines ausführlichen Lehrbuches 
voraus. Leider gestalten sich die Verhältnisse immer mehr so, 
dass die Studierenden sich mehr und mehr den „kurzgefassten“ 
Lehrbüchern zuwenden und darüber ein eingehendes Studium 
vernachlässigen. Es kann nicht geleugnet werden, dass hierin 
ein schwerer Nachtheil zu erblicken ist. Wenn nun gar noch in 
einem derartigen Büchlein, wie in dem von Kleinschmidt, 
in der Vorrede angegeben wird, „zweitens soll es dem jungen 
Arzte, der zur Entbindung gerufen wird, als Vademeeum dienen, 
aus dem er bei schwierigen Fällen sich schnell orientiren kann, 
ob und wie er operiren soll“, so liegt darin allein schon eine Ver¬ 
urteilung des ganzen Unternehmens! 

Es stände schlimm um unsere „jungen Aerzte“ und noch 
schlimmer um ihre Pflegebefohlenen, wenn hiernach gehandelt 
werden sollte! Die Ausübung der Geburtshilfe setzt eine solche 
Fülle praktischer Erfahrung und theoretischer Kenntnisse vor¬ 
aus, und das geburtshilfliche Handeln baut sich jedesmal so 
folgerichtig aus ihnen auf. dass der mit ihnen und einem gesun¬ 
den Menschenverstände ausgerüstete Arzt wahrlich eines der¬ 
artigen „Vademeeum“ entrathen kann! Wer aber nach dem 
Untersuchungsbefunde und nach Abschätzung der ganzen Sach¬ 
lage noch nicht weiss, „ob und wie er operiren soll“, der handelt 

Original ffom 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


gewiss klüger und mehr in seinem und der Schutzbefohlenen 
Interesse, wenn er seine Hände davon lässt, als wenn er sich 
Rath aus dem Büchlein erholt und einen Eingriff unternimmt ! 

Auf einer ganz anderen, viel höheren Stufe, stehen die beiden 
Handatlanten der Geburtshilfe und Gynäkologie von O. S c h a e f- 
f e r. Obwohl sie ihrem Texte nach eigentlich nur als Grund¬ 
risse anzusehen sind, stellen sie doch auf der anderen Seite durch 
ihre ausserordentlich zahlreichen, zum grössten Theil vortreff¬ 
lichen farbigen Abbildungen Ergänzungswerke zu den Lehr¬ 
büchern dar. Niemand wird den hohen Werth derartiger, dem 
Anschauungsunterrichte dienender Werke verkennen wollen. 

Da auf die beiden Atlanten schon bei ihrem ersten Erschei¬ 
nen in dieser Zeitschrift ausführlicher eingegangen wurde, möge 
hier nur hervorgehoben werden, dass sich der Verfasser bemüht 
hat, nach allen Richtungen hin den Text weiter auszugestalten 
und dass es ihm gelungen ist, eine übersichtliche Darstellung 
der beiden Fächer in knapper Form zu bieten. 

Das Buch Nagel’s ist nicht für den Fachmann, sondern 
für den in allgemeiner Praxis beschäftigten Arzt bestimmt. Nach 
einigen kurzen Abschnitten über die Vorbereitungen für dia¬ 
gnostische und therapeutische Eingriffe und über die Unter¬ 
suchungslehre werden die Erkrankungen der einzelnen Abschnitte 
der weiblichen Geschlechtstheile abgehandelt. Jedem Capitel 
ist eine Besprechung der normalen Anatomie vorausgeschickt, 
die, wie Nagel selbst in der Vorrede meint, „vielleicht Manche 
zu ausführlich finden werden“. Dies trifft auch gewiss an man¬ 
chen Stellen zu, so ist es doch für ein zum Gebrauche des prak¬ 
tischen Arztes bestimmtes, kurzes Lehrbuch wohl zu weit ge¬ 
gangen, wenn die normale Anatomie des Ovarium auf fast 13 
Seiten (von denen noch l 1 /, Seiten der Betrachtung gewidmet 
sind, dass die Verhältnisse an Thieren nicht einfach auf den 
Menschen übertragen werden dürfen) abgehandelt wird, während 
die pathologische Anatomie des Ovarium demgegenüber nur 
10 Seiten füllt. Hierin allein liegt doch schon ein grosses Miss- 
verhältniss, das durch die Bedürfnisse der Praxis keinesfalls sich 
entschuldigen lässt. 

Die Bedürfnisse der Praxis erfordern vor Allem eine genaue 
Besprechung der Diagnostik und ferner der sog. „kleinen Gynä¬ 
kologie“. Erstero wird zwar in der Vorrede versprochen, aber 
oft genug entspricht dem der Text nicht, letztere ist geradezu 
vernachlässigt. 

In einem für den Praktiker bestimmten Buche dürfen nach 
des Referenten Ansicht nur solche Anschauungen vorgetragen 
werden, die sich der allgemeinen Anerkennung erfreuen. Hegt 
der Verfasser andere Ansichten, so sind diese doch höchstens als 
eigene Anschauung anzuführen und auch dann nur, wenn 
sich der Verfasser an anderer Stelle durch ausführliche Arbeiten 
bemüht hat, seiner Ansicht Geltung zu verschaffen. Geradezu 
mit Erstaunen liest man aber in Nagel’s Buch, dass die sogen. 
Erosionen des Muttermundes wirkliche Geschwüre darstellen, 
während „nach einer älteren hier und da noch vertretenen An¬ 
sicht die Erosion darin besteht, dass das Cylinderepithel aus 
dem Cervicalcanal heraustritt, um über die Aussenfläche der 
Portio sich auszubreiten“. Soweit dem Ref. bekannt, ist dies 
die allgemein herrschende Anschauung, gegen die in neuerer Zeit 
auch Niemand mehr Einspruch erhoben hat. Nagel behauptet 
ferner, dass die Carcinome des unteren Gebärmutterabschnittes 
stets von den Cervicaldrüsen ihren Ausgang nähmen. Die all¬ 
gemein angenommene Eintheilung in Carcinome der Cervix und 
Carcinome der Portio ist nicht nur anatomisch wohl begründet, 
sondern es ist auch aus^ diagnostischen Gründen (für Manche 
auch aus therapeutischen!) an ihr festzuhalten, wie dies Nagel 
übrigens an anderen Stellen auch tliut, und dass es vom Platten¬ 
epithel der Portio vaginalis ausgehende Carcinome gibt, daran 
ist nicht zu rütteln! 

Auch sonst finden sich in dem Buche zahlreiche Unrichtig¬ 
keiten, oder mindestens Ungenauigkeiten. So wird z. B. bei 
der Beschreibung der Anatomie des Carcinoma uteri gesagt, die 
Schleimhaut bestelle an der entarteten Stelle „aus dicht an¬ 
einander liegenden, mit mehrkantigen Epithelzellen ausgefüllten 
Hohlräumen, deren Wandung von der Basalmem¬ 
bran der Drüse gebildet wird“. „Die schwerste Form 
der Endometritis glandularis, vielfach Adenom oder malignes 
Adenom genannt....“ Die gonorrhoische Cystitis wird als die 
häufigste Form bezeichnet. 

Es geht doch wohl nicht an, wie dies von Nagel geschieht, 
die Kraurosis vulvae einfach als eine Form des Pruritus vulvae 

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abzuhandeln. Blasenscheidenfisteln entstehen doch wohl kaum, 
wie Nagel anführt, wenn der Kopf lange i m Becken stehen 
bleibt. Ureterenscheidenfisteln sollen so gut wie nie aus Anlass 
einer Geburt entstehen. Neigt m a n wirklich neuerdings der 
Ansicht zu, „dass die Parotitis die Theilerseheinung einer durch 
die Laparotomie entstandenen Infcction bilde“! Ist es richtig, 
wenn Nagel bei der Besprechung der Laparotomie behauptet: 
„Man hat desshalb versucht, sie (die Schwämme) durch wollene 
(gestrickte), leinene oder Gazestiicke zu ersetzen, stets aber 
ist man zu den Schwämmen zurückgekehrt....“? 

Diese kleine Zusammenstellung, die leicht noch erheblich 
vergrössert werden könnte, möge genügen. 

Sehr eigenthümlich hat es den Ref. berührt, wenn Nagel 
bei der Besprechung der Nachbehandlung nach Laparotomien 
angiebt, dass diesen Vorschriften zum Theile das zu Gründe 
liege, was er bei einem längeren Aufenthalte in England gesehen 
habe, zumal wenn dann in diesen Vorschriften sich ausser 
der Darreichung von heissem Wasser und dem mindesten doch 
sehr zweifelhaften Ruthe, bei drohender Sepsis salinische Ab¬ 
führmittel zu reichen, auch nicht das Geringste findet, was nicht 
in deutschen Kliniken allgemein üblich wäre. 

Die Sprache enthält ausser vielen Flüchtigkeiten (z. B. 
die Labie) leider auch viele Holperigkeiten und selbst 
undeutscho Redewendungen. Die zum Theile etwas zu grob- 
schematischen Abbildungen lassen vielfach die in der Vorrede 
erwähnte „Wahrung der natürlichen Verhältnisse“ vermissen. 

A. Gessner - Erlangen. 

Dr. Achilles Rose: Die Griechen und ihre Sprache seit 
der Zeit Konstantins des Grossen. Nebst einem Vorwort von 
D. N. Botassi. Leipzig, Verlag von Wilhelm Friedrich. 
X, 332. Preis M. 5.—. 

Dieses schöne Werk unseres Collegen, des in New-York 
wirkenden hervorragenden deutschen Arztes, correspondirenden 
Secretärs der deutschen medicinischen Gesellschaft zu New- 
York, sei der Aufmerksamkeit unserer Leser auf’s Wärmste 
empfohlen. Der Verfasser, ein begeisterter Philhellene, schildert 
im 3.—7. Capitel die Geschichte der Griechen seit der Gründung 
Constantinopols, entkräftet viele darüber verbreitete Irrthümcr 
und versteht es, unsere Sympathie für die Nachkommen des 
edlen Volkes, in dem menschliches Denken und Empfinden einst 
zu der herrlichsten Blütho gediehen war, zu gewinnen. Für das 
speciell ärztliche Interesse besonders fesselnd sind jedoch das 
1., 2. und 8. Capitel, in denen die griechische Sprache und ihre 
Verwendbarkeit als internationale Gelehrtensprache behandelt 
wird. Der Verfasser weist darauf hin, wie gross das Bedürfnis» 
der Wissenschaft nach einem solchen universellen Verstän¬ 
digungsmittel sei; wie die Eifersucht der Nationen niemals ge¬ 
statten werde, die Sprache eines der grossen Culturstaaten zur 
Weltsprache zu machen; wie schon jetzt die allermeisten Kunst - 
ausdrüeke, insbesondere unserer Mediein, aus der griechischen 
Sprache stammten, und es demnach das nüchstliegende sei, auf 
diese ganz zurückzugehen. Der lateinischen gegenüber habe die 
griechische den Vorzug, keine todte Sprache zu sein. Die Sprache 
des modernen gebildeten Griechen weiche nur in geringfügiger 
Weise von dem elassischen Attisch ab; die Worte selbst seien 
zum grössten Theil, die für die Kunstsprache in Betracht 
kommenden, ausnahmslos identisch mit denen der elassischen 
Sprache oder nach deren Regeln neugebildet, so dass jedes 
moderne griechische Lehrbuch uns dazu dienen könne, unsere 
durch Unwissenheit zum Theil sehr verderbte Kunstsprache von 
ihren Fehlern zu reinigen. Auch würde die Erlernung der 
griechischen Sprache als internationalen Verständigungsmittels 
nicht mehr Schwierigkeiten machen, als die irgend einer anderen 
Sprache, sofern wir sie eben von den heutigen Griechen lernen 
wollten. Dazu gehöre dann allerdings, dass wir auf die in unseren 
Schulen gelehrte, von Erasmus erfundene, aber zu keiner Zeit 
in Geltung gewesene Aussprache verzichteten und uns ent¬ 
schlössen, das Griechische griechisch auszusprechen. Ucbrigens 
würden wir dadurch, dass wir Griechisch als eine lebendige 
Sprache erlernten, d. h. dass wir es erst lesen und sprechen 
lernten, bevor wir uns in die Grammatik vertieften, auch erst 
den wahren Lohn unserer Studien finden, den Genuss und die 
geistige Förderung, die die griechischen Classikcr Demjenigen 
bieten, der Griechisch mit wirklicher Leichtigkeit liest und 
griechisch zu denken vermag. Unsere Schulen seien ja leider 

Original fram 

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9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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weit davon entfernt, ihre Schüler auf diese Bildungsstufe zu 
bringen. 

Ich habe in Obigem versucht, die leitenden Gedanken aus 
dem Werke unseres begeisterten Philhellenen in kurzen Sätzen 
wiederzugeben und ich denke, wir Alle werden dem Verf. in den 
meisten Punkten, zumal aber darin Recht geben, dass es ein 
Nonsens ist, Schülern ein Griechisch zu lernen, das ein Grieche 
dem Klange nach überhaupt nicht als seine Sprache wieder zu 
erkennen vermag, und sie in alle Finessen der griechischen 
Grammatik einzuweihen, ohne dass sie je im Stande wären, 
einen eigenen Gedanken griechisch auszudrücken. 

Ob aber nicht doch das Lateinische eher, als das Griechische, 
geeignet wäre, wieder zur internationalen Gelehrtensprache zu 
werden, wage ich zu bezweifeln. Es hatte doch diese Geltung 
noch bis in unser Jahrhundert herein; Männer die wir persön¬ 
lich gekannt haben, besassen noch die Fähigkeit, medicinisehc 
Themata schriftlich und mündlich in lateinischer Sprache zu 
behandeln; ein Machtwort gegen die Ciceronianer und die gram¬ 
matikalischen Tüfteler in unseren Gymnasien (die selbst nicht 
lateinisch sprechen können) würde genügen, um die auch jetzt 
schon dem lateinischen Unterricht gewidmeten zahlreichen 
Schulstunden für die wirkliche Erlernung der lateinischen 
Sprache nutzbar zu machen. Unsere Kunstausdrücke aber sind 
zwar z. Th. griechischen Stammes, aber, abgesehen von den doch 
auch recht zahlreichen lateinischen, sind sie uns alle nur in 
lateinischer Aussprache und Betonung geläufig. Wenn wir statt 
hlennorrhoea sagen müssen wlennörria, imipligfa statt hemi- 
plegia, alle d und th mit dem englischen Lispellaut ausspreehen 
sollen u. s. w., so wird uns der Umstand, dass blennorrhoea 
und liemiplegia von jeher eigentlich griechische Worte gewesen 
sind, das Umlernen nur wenig erleichtern. Sicherlich stehen 
also der Einführung des Griechischen als internationaler Ge¬ 
lehr tensprache weit grössere praktische Schwierigkeiten ent¬ 
gegen, als der Wiedererweckung des Lateinischen. 

Wie dem auch sei, die Begeisterung Rose’s für die 
griechische Sprache als Quelle höchster menschlicher Kunst und 
Weisheit, ist ebenso berechtigt, als sie wahrhaftig ist. Wir 
dürfen stolz darauf sein, dass ein deutscher Arzt unter der Last 
seines Berufs, im banausischen Getöse der transatlantischen 
Weltstadt, einem so edlen Enthusiasmus für die idealsten Güter 
der Menschheit treu zu bleiben vermocht hat. 

K o s s m a n n. 

Neueste Journalliteratur. 

Centralblatt für innere Medicin. 1899. No. 52. 

1) Bernhard Ben d ix-Berlin: Die Ammoniakausscheidung 
bei den Ernährungsstörungen der Säuglinge. 

Bei einer grösseren Zahl von an Darmstörungen leidenden 
Säuglingen war die Ammoniakausscheidung durch den Harn 
niedrig. Diese Thatsache würde gegen die Ansicht K e 11 e r’s resp. 
Czerny's sprechen, die auf Grund hoher Ammoniakwertlie in 
mehreren Fällen diesem Befunde eine wichtige Rolle für die Er¬ 
klärung der chronischen, zur Atrophie führenden Ernährungs¬ 
störungen der Säuglinge beimaassen. 

2) K e 11 e r - Breslau: Bemerkungen zu obigem Artikel. 

K. spricht seine Auffassung dahin aus: „Die Untersuchung 

der Ammoniakausscheidung zur Prüfung der Oxydationskraft des 
Organismus unter bestimmten Verhältnissen Ist ein werthvolles 
Hilfsmittel bei der Beurtheilung der Ernährungsstörungen im 
Säuglingsalter“. W. Z i n u - Berlin. 

Centralblatt für Chirurgie. 1899. No. 50. 

Rud. Pause -Dresden: Zu Küste r’s osteoplastischer Auf- 
meisselung des Warzenfortsatzes. 

Polemik gegen die von Küster angegebene Methode, die P. 
für technisch und kosmetisch und betr. Sicherheit der Heilung der 
eigenen und Stacke’schen Methode inferior ansieht. 

C. Hofmann: Ueber Ganglienbildung in der Continuität 
der Sehnen. 

Mittheilung eines operativ entfernten in der Continuität der Sehne 
des Peroneus III gelegenen (traumatisch entstandenen) Ganglions. 

Sehr. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1899, No. 52. 

1) A. D o k t o r - Ofen-Pest: Uterusruptur mit Austritt der Frucht 
in die Bauchhöhle. Sectio caesarea. Heilung. 

Der Fall betraf eine 30jährige III. Para mit engem Becken, 
die 2mal spontan geboren hatte, lmal eine todte, lmal eine 
lebende Frucht. Die Ruptur trat nach 20ständigem Kreissen ein, 
nachdem vergebliche Extractionsversucbe mit der Zange gemacht 
worden waren. Bei der Lapar i :.i!e wir.- .e der Idem* x-uirpirt, 

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der Stumpf vernäht. Während der Operation erhielt Patientin 30 (!) 
Kampherinjeetinnen, 2 Liter Kochsalzlösung subeutan und Aus¬ 
spülung der Bauchhöhle mit warmem sterilen Wasser. Heilung bis 
auf einen Bauch wandabseess und Bildung einer Blasenscheidenfistel 
ungestört. 

Die folgenden Bemerkungen des Verfassers bringen nichts 
Neues. Sie behandeln die häufigsten Todesursachen nach Uterus¬ 
ruptur, Verblutung und Sepsis, und versuchen den günstigen Ver¬ 
lauf im vorliegenden Fall zu erklären. 

2) B. R o s i n s k i - Königs! »erg: Lymphangiektatisches Adeno- 
myom des Ligamentum rotundum. 

Der Fall gehört zu den Geschwülsten, die sich klinisch ul* 
Tumoren in der Leistengegend präsentiren und leicht als Hernien 
imponiren, anatomisch als lymphektatisehe Fibromyome des runden 
Mutterbandes anfzufassen sind, — R.'s Fall betraf eine 51 jährige 
Frau, die wegen Fterusmyom in Behandlung kam. Als Neben¬ 
befund fand sich ein eiförmiger Tumor der linken Tnguinalgegend. 
Vaginale Uterusexstirpation. S Tage später entzündliche Schwellung 
des Inguinaltumors, der sieh bei der Ineision als frisch entzündete 
Cyste auswies. Recidiv nach einem halben Jahre; Exstirpation 
einer pHaumengrossen Cyste aus dem Inguinalcanal, die vom Lig. 
rotundum ausgegangen war. 

Die histologische Untersuchung stellte den in der Ueberschrift 
genannten Charakter der Geschwulst lest. J a f f e - Hamburg. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In- 
fectionskrankheiten. Bd. XXVL. No. 22., 23. Doppelheft. 

1) A. de Simoni-Cagliari: Beitrag zur Morphologie und 
Biologie der Pseudodiphtheriebacillen. (Schluss folgt.) 

2) F. E. Hellström • Helsingfors: Erwiderung auf einige 
Bemerkungen von Dr. Th. Madsen gegen die von mir ver¬ 
tretenen Ansichten betreffe der Wachsthumserscheinungen des 
Diphtheriebacillus. 

3' W. Zinn-Berlin: Ueber Anguillula intestinalis. 

Verfasser hatte Gelegenheit, bei einem Neger, der wegen 
Tuberculose in Behandlung war, 6 Monate lang fortlaufende 
Untersuchungen über die Entwicklung der tropischen An- 
guillula anzustellen. Zweifellos batte Patient sieb während 
eines längeren Aufenthaltes in Ostafrika diese Anguillulainfectioii 
zugezogen. Das Züchtungsverfahren zeigte sich am günstigsten, 
wenn der Koth mit gekochtem Wasser angerieben und bei ca. 
25° stehen gelassen wurde. Man fand die Thierehen dann meist 
dicht unter der Oberfläche. Interessant ist nun, dass während der 
ganzen Dauer der Beobachtung die Entwicklung der Anguillula- 
Embryonen ausschliesslich auf dem Wege der geschlechtlichen 
Zwischengeneration erfolgte, während die direete Metamorphose — 
d. h also die Umwandlung der Embryonen der Anguillula intesti¬ 
nalis in filariaförmige Larven, und diese wieder in parasitische 
Anguillula — auch nicht ein einziges Mal beobachtet werden 
konnte. Es findet durch diese Thatsache die Leichtenstern’schc 
Hypothese — dass die Anguillula der gemässigten Zone immer 
mehr den viel einfacheren und vom Klima weitaus unabhängigeren 
Entwicklungsmodus der directen Umwandlung der Embryonen in 
die filariaförmigen Larven begünstige — in sofern eine Stütze, als 
Verfasser eben in seinem Falle von tropischer Anguillula diesen 
einheimischen Modus nicht vorfand. 

4 V M. Lühe-Königsberg: Beiträge zur Kenntniss der Bothrio- 
cephaliden. 

Arbeit rein systematischen Inhaltes. 

R. O. X e u m a n n - Berlin. 

> Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 1. 

1) R. V i r c h o w : Neue Namen und neue Begriffe in der 
Pathologie. 

V. kritisirt in diesem „Versuch“ die moderne Lust, neue 
Namen für alte Dinge einführen zu wollen und vor Allem auch 
die Barbarismen in der medicinischen Sprache. Die Einführung 
eines neuen Namens in der Pathologie ist nur berechtigt, wenn 
in der That eine neue Krankheit nachgewiesen wird, die keines¬ 
wegs neu entstanden zu sein braucht, aber noch nicht erkannt 
war. V. führt das am Beispiel der Rachitis näher aus. 

2) E. L e x e r - Berlin: Operation eines Mesenterialfibromes 
mit ausgedehnter Resection des Dünndarms. 

Cfr. hierüber Ref. p. 10(52 der Münch, med. Woclienschr. 181>t). 

3) P. May er-Berlin: Ueber die Bedeutung der Glykuron- 
säure für die Phenylhydrazinprobe im Harn. 

Für letztere wird von einzelnen Autoren betont, dass sie auch 
positiv Ausfallen und Zucker im Harn vortäuseheu künue, wenn 
Glykuronsäureverhindungen im Harn vorhanden seien. Doch lagen 
über letztere Möglichkeit systematische Untersuchungen bisher 
nicht vor. M. untersuchte nun, ob nach Zufuhr von Substanzen, 
die sich im Harn mit der Glykuronsüure paaren, Harne entleert, 
werden, die mit dem Phenylhydrazin eine Verbindung liefern. 

Er fand, dass Harne, In denen nach Einnehmen von Menthol 
Mentholglykuronsüure vorhanden ist, In der Tliat mit Phenyl¬ 
hydrazin eine krystallinische Verbindung liefern, die dem Glyko- 
sazon im Ansehen vollkommen entspricht, daher die Anwesenheit, 
von Traubenzucker Vortäuschen kann. Die so mögliche Täuschung 
fällt aber nach Ansicht von M. für die klinische Verwerthung der 
Phenylliydrazinprobe nicht weiter in's Gewicht. 

Original frnrri 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


1) II. Kionka-Berlin: Künstliche Erzeugung von Gicht. 

Cfr. die Iieferate der Münch, med. Woeliensehr. über die 

Nnturforsohorvt*rsaininlung 1800 in München. 

5) P o 1 j a k o f f - Moskau: Ueber einen Fall von milch- 
weissem Ascites bei syphilitischer Lebercirrhose. 

Bei der 48 jährigen Kranken zeigten sieh klinisch die Er¬ 
scheinungen oint'r parenchymatösen Nephritis und von Leber- 
cirrhose. Die Punction des vorhandenen hochgradigen Ascites 
ergab 0 Lit. einer milchweissen Flüssigkeit, in der sich 1,025 Prom. 
Eiweiss. überwiegend Serumeiweiss. 1.42 Prom. Harnstoff, ab«*r 
nur 0.20 Prom. Fett und extractive Stoffe fanden. Die Ursache 
für das milchige Aussehen mancher Aseitesfliissigkeit beruhte in 
fast allen bekannten Füllen auf dem Vorhandensein sehr reich¬ 
lichen Fettes. In dem vorliegenden Falle traf das nicht zu, auch 
klärte sich die Flüssigkeit beim Schütteln mit Aetlier nicht auf; 
ferner bestand die milchweisse Farbe schon im Momente der 
Ablassung der Flüssigkeit, nicht erst beim Erkalten. Die Seetion 
ergab eine syphilitische Lebercirrhose. 

0) F e h r - Berlin: Endemische Badconiunctivitis. 

Verfasser könnt«' im vorigem Sommer «»ine grössere Anzahl 
junger Tarnte beobachten, die alle ein ähnliches Bild von Augen- 
entzündung darboten. Die Lider waren geschwollen, die Con- 
junctiva tief blauroth injicirt und mit auserordentlich zahlreichen, 
tiefsitzenden, grossen Körnern bestreut. Anfänglich wurde die 
Diagnose auf Trachom gestellt, zumal sich nachweisen licss. dass 
die Kranken alle in der nämlichen Badeanstalt, resp. demselben 
Bassin gebadet und sich angesteckt hatten. Die schwereren Fälle 
brauchten 5—0Wochen zur Heilung: der Verlauf zeigt*.' im (tanzen, 
dass man es hier mit einem besonderen, jedenfalls sehr eon- 
tngiösen Bindohautloiden. aber nicht mit Trachom, zu thun habe, 
dessen — übrigens noch nicht gefundener - - speeifiseher Erreger 
in dem selten gewechselten Bassinwasser ein gutes Medium ge¬ 
funden hatte. 

7) P. Schultz-Berlin : ” Ein* Beitrag r zum Charakter, Ver¬ 
lauf und zur Behandlung' der jüngsten Trachomepidemie in 
Berlin. 

Sch. beschreibt 20 Fälle, die sich aus der nämlichen Quelle 
inficirt hatten, wie jene des vorhergehenden Autors. Er sieht 
aber diese Fälle mit aller Bestimmtheit für Trachom an. Es waren 
nur männliche Kranke, bei denen die Granulöse sich vorfand. 
Letztere zeigte verschiedene Grade der Intensität. 2 Fälle heilten 
mit Narbenbildung, manche mit Pannusbildungen und Coinpli- 
cationen der Hornhaut. Zu einer Geschwürsbildung an letzterer 
kam ('s übrigens in keinem Falle. Die Behandlung bestand in 
Ausdrücken oder Allsbrennen der Körner, Reiben der Conjunc- 
tiva mit 0.5 prom. Sublimatlösung, bis sie blutete. Einträufelungen 
mit. 20 proc. Protargollösung. wodurch im Allgemeinen gute Er¬ 
folge erzielt wurden. Verfasser fordert bei seiner Annahme echten 
Trachoms scharfe Uoborwachung der Schwimmbassins öffent¬ 
licher Badeanstalten und Erweiterung der Anzoigepflicht bei 
Trachomfällen. Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1800. No. 52. 

D P. L e n g e m a n n: Ueber die Entstehung der Leukocytose 
und von Zellverschleppungen aus dem Knochenmark. (Aus der 
chirurgischen Universitätsklinik in Breslau) 

Tn diesem in der medicinisehen Seetion der schlesischen Gesell¬ 
schaft für vaterländische Cultur am 2. Juni 1800 gehaltenen Dcmon- 
fltrationsvortrage, auf dessen Details hier nicht weiter eingegangen 
werden kann, sucht L. nachzuweisen, dass die histologische Unter¬ 
suchung des Knochenmarks hei einer weitaus grösseren Zahl von 
Frkrankungen mehr oder weniger charakteristische pathologische 
Veränderungen ergibt, als bisher angcnommeiUwird. Insbesondere 
0i dies für die mit stärkerer Leukocytose einhergehenden Processe. 

2) J. Sehn ei der: Ein Todesfall bei Aethernarkose. (Aus 
dem Landkrankenhause in Fulda.) 

Nach He u sl er ist die Hauptgefahr hei der Aetheramvendung 
die Lähmung derAtlnnung als Vorbote der tödtliehen Herzlähmung. 
Bei rechtzeitiger Unterbrechung der Narkose kann die Gefahr fast 
immer vermieden werden. 

Der hier beschriebene Fall einer Herzlähmung, welche der 
Rospirationslähmung auf dem Fusse folgte, gehört zu den seltenen 
Ausnahmen. Es handelte sich um einen 58jährigen mit Athero- 
matose behafteten Mann, der wegen Fussgangraen operirt werden 
sollte. 

T IT. Wostphalen und W. Fick: Ueber zwei Fälle von 
Perigastritis adhaesiva (pylorica). (Aus dem Deutschen Alexander- 
Männerhospital in 8t. Petersburg.} 

Die Schlüsse, welche aus dem bisher veröffentlichten Material 
und den beiden hier beschriebenen Fällen gezogen werden, lassen 
sich dahin /usammehfassen, dass die Gastrnlyse, die operative 
Lösung der Verwachsungen des Magens mit den Nachbarorganen 
nur dann indicirt ist, wenn dadurch eine dauernde Freilegung des 
T’vlorus garantirt wird. Ist das nicht der Fall, so ist seihst hei an¬ 
scheinend leichter Entfernung der Adhaesionen die Gastroentero¬ 
stomie indicirt, der Hauptpunkt liegt dann in der Functionsaus- 
schallung des verwachsenen und fixirten Pylorus. 

4j R Loh n s t c i n • Ein casuistischer Beitrag zur Schularzt¬ 
frage. b\us der Poliklinik für Augenkranke des Vereins für häus¬ 
liche (icsundheitspfh'iro in Berlin.) 

l>cr hier mitgotheiltc Fall ist von actuellem Interesse durch die 
Thatsaehc, dass ein wegen congcnilahmi Schichtstaar mit" Erfolg 


operirter, sehender Knabe lediglich auf Anordnung des Schulrectors 
ohne ärztliche Untersuchung aus der Volksschule entfernt, einer 
Blindenschule überwiesen und dort trotz Protest festgehalten wurde. 

5) K e 11 n er-Hamburg-Eppendorf: Ueber die Sprache und. 
Sinnesempfindungen der Idioten. 

Interessanter Bericht über die Resultate der in diesem Sinne 
angestellten Untersuchungen an 544 Idioten der Alster lorfer An¬ 
stalten bei Hamburg. Bezüglich der Einzelheiten muss auf den 
Originalartikel verwiesen werden. F. Lacher München. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1811b. No. 52. 

1) M. Heit ler: Ueber den Einfluss mechanischer Er¬ 
regung der Leber auf das Herz. 

II. hat schon früher beobachtet, (lass bei gewissen Fällen 
von Arrhythmie kleinen Pulsen ein grosses Herzvolumen ent¬ 
spricht und umgekehrt: ferner findet mau bei grosser Herz¬ 
dämpf ung und kleinem Pulse eine grosse Leber- und Milzdäm- 
pfung und umgekehrt. Nun konnte II. an einem 21jährigen, ner¬ 
vösen Tischlergehilfen Folgendes constatireu: Wenn er bei klei¬ 
nem Pulse die Leber stark pereutirte oder erschütterte, so wurde 
unmittelbar nach dem mechanischen Eingriff der vorher klein«* 
Puls gross und voll und das Herzvolumen kleiner. Verfasser 
führt das Phänomen mit Bestimmtheit auf die Erschütterung der 
Leber zurück, da es beim Percutiren der unteren Partien der 1. 
Thoraxhälfte ganz regelmässig nicht eintrat. Einflüsse der Leber 
auf das Herz sind lange bekannt. 

2) R. K o 1 i s c h - Wien-Karlsbad: Zur diaetetischen Be¬ 
handlung des Diabetes mellitus. 

K. setzt in diesen zu einem kurzen Referat sich schwer 
eigneiulen Vorträgen auseinander, «lass die herrschende Calorion¬ 
lehre für die Ernährung der Diabetiker, resp. für die quantitativen 
Diätvorschriften bei denselben nicht maassgebend sein könne un«l 
manche Erfahrungen existiren, welche kaum mit der Annahme 
einer Störung des Zuckerverbrauches in Einklang zu bringen sind. 
Bei Diab. mell, handelt es sich vor Allem auch darum, die Nahrung 
quantitativ auf das niedrigste noch ausreichende Maass zu redu- 
ciren: besonders ist aber auch die Eiweisszufuhr einzuschränken. 
da durch dieselbe die Toleranzgrösse für Kohlehydrate herab¬ 
gesetzt wird. Einen sehr guten Erfolg bei schweren Diabetes¬ 
fällen sah K. von einem streng vogetarianischem Regime, wobei 
sich die Harnmenge rasch vermindert; grössere Beachtung ver¬ 
dient auch die Milchdiät. 

2) W. K n öpf e 1 ma«* h e r - Wien: Neue Versuche über 
Caseinausnützung. 

Dieselben sind an Säuglingen angestellt und zwar hat Iv. 
die Caseinausnützung auf Grund der Ausnützung des Kasein-P. 
berechnet. Auch bei der neuen besseren Methode, die Verfasser 
nunmehr angewandt hat. kommt er zum Schlüsse, dass ein 
Theil des Caseinphosphors ungenützt in den Faeces ausgeschieden 
wird. Bezüglich der zahlenmüssigen Details wird auf das Ori¬ 
ginal verwiesen. 

4) St. Bern hei’mer-Wien öDie"Beziehungen*der vorderen 
Vierhügel zu den Augenbewegungen. 

B. kritisirt die jüngst an dieser Stelle publicirten Versuche 
von Prus - Lemberg und bezeichnet auf Grund seiner eigenen 
Versuche an Affen dessen Resultate, dass in den vorderen Vier¬ 
hügeln ein Centrnm für die synergischen Augenbewegungen be¬ 
stehe, als irrig. f«'rner wirft er P. vor, dass dieser am nicht nar- 
kotisirten Thier operirt habe. B. reproducirt als Ergebnlss seiner 
eigenem Versuche gegenüber jenen von P.: Die vordem Vier- 
hiigel sind weder ein Reflexcentrum für die Augenbewogungen. 
noch ziehen die Neurone zur Hirnrinde durch sie hindurch. Die 
Verbindungsneurone von den Au genmuskelkernen zur Rinde des 
G.vr. angul. verlaufen gekreuzt, die Kreuzung muss unter dem 
Niveau «les Aquaeduct. sylv. stattfinden. 

Folgt noch di«' Erwiderung von Prus-Lemberg auf die Aus¬ 
führungen Bernheimo r’s. Er constatirt, dass er das fragliche 
Centrnm im hintern Vierhügel gefunden habe. 

Dr. Grassmann - München. 

Wiener medicinische^Presse. 1899. No. 51. 

L. Röthi-Wien: Ein weiterer Fall von Tuberculose der 
Kieferhöhle. 

Die Cnsuistik dieser als Empyem auftretenden Erkrankung 
umfasst bisher erst 9 Fälle, darunter 2 vom Verfasser publielrt«'. 

Ibidem No. 52. 

W. G o w e r s - London: Ueber Polymyositis. 

Klinische Vorlesung auf Grundlage eines Falles von ehre 
nischer Polymyositis mit ausgedehnten Contracturen. G. bringt 
die Polymyositis in enge Verbindung mit der Polyneuritis, als 
deren Thei lorschein ung er sie hinstellt, wobei die Symptome von 
Seite der Mnsculatur. sowohl an Intensität als Extensität ge¬ 
steigert, in den Vordergrund treten. 

Diagnostisch ist demgemäss auf die bilaterale Symmetrie der 
Erscheinungen grosserWerth zu legen. In aetiologlscher Beziehung 
spielt die Erkältung eine bedeutende Rolle, d. h. nach G.’s Auf¬ 
fassung Toxine, welche sich in Folge der durch die Erkältung be¬ 
wirkten Veränderung der chemischen Vorgänge im Organismus 
bilden. Vermöge einer gewissen Variabilität in der Wirkung 
dieser Toxine entsteht bald das Krankheitsbild der Polyneuritis, 
bald das der Polymyositis. 

Original frorn 

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Digitized ty 


'V Google 



.Tanuar 1900. 


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MÜNCHENER MEniOINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Wiener klinische Rundschau. 1899. No. 52. 

A. M a r g u 1 i 6 . s - Prag : Experimentelle Untersuchungen über 
das Fehlen des Kniephänomens [bei hoher Rückenmarksver¬ 
letzung. 

Die klinische Erfahrung am Menschen hat gezeigt, dass 
durch totale Querdurchtrennung des llals- oder oberen Bnisi- 
theils des Rückenmarkes das Kniephänomen dauernd zum Er¬ 
löschen gebracht wird. S li e r r i n g t o n fand bei Affen, dass 
das so verloren gegangene Phänomen längstens 3 Worhen narb 
der Verletzung sich wieder einstellte. Die Versuche Anderer an 
anderen Thieivn ergaben übereinstimmend nach Dmvhschneidung 
des genannten Rückenmarktheiles eine Steigerung des Knio- 
jdiäuomenes. Der Verfasser nun, welcher an Hunden und 
Kaninchen experimentirte, beobachtete eine Verschiedenheit 
je nach der Art der Verletzung. Bei scharfer Durchs« lmei- 
dung stellte sich eine hochgradige Steigerung bis zur völligen 
«’ontracturstellung ein, nach Zertrümmerung der Wirbelsäule 
und stumpfer Durchtrennueg des Rückenmarks verschwand der 
genannte Retlex, um sich bei 2 überlebenden Kaninchen nach ü 
bezw. 7 Tagen wieder herzustellen. B e r g e a t - München. 

Amerikanische Literatur. 

(Fortsetzung u. Schluss^ 

19) Walter Reed und J. Carroll: Der specifische Erreger 
des Gelbfiebers. 

14) J. G. Novy: Der Bacillus icteroides. 

15) F. Vitale: Gelbfleberinfection auf intestinalem Wege, 
und Experimentelle Steatose der Leber und Coagulations- 
nekrose. (Medical News 9. und 23. September, 21. Octobcr 1S99.) 

Fortsetzung der Controverse über die Speeilität des S a n a r e 11 i ’- 
sehen Bacillus icteroides. 

19) A J. Lartigau-Newyork: Typhöse Geschwüre in Vulva 
und Vagina. (Boston medical and eurgical Journal 7. Sept. 1899.) 

Die hier beschriebene Beobachtung von Gesehwürsbildung in 
Vulva und Vagina im Verlauf eines Ähdomiiniltyphus bei einem 
16-, bezw. 20jährigen Mädchen mit baeteriologischem Nachweis des 
Typhusbacillus in den Geschwüren ist neu und in der Literatur 
noch nicht erwähnt. 

17) Edward Moore-Albany: Die Uebertragbarkeit der Tu- 
berculose vom Rind auf den Menschen. ^New-York medical 
Journal, 9. September 1899) 

M. bestreitet die Möglichkeit der Uebertragung der Tuberenlose 
vom Rind auf den Menschen, bezw. der infection durch Milch oder 
Fleisch taberculüser Thiere, indem er behauptet, dass durch die 
Verpflanzung in einen andersartigen Organismus die pathogene 
Eigenschaft des Bacillus verloren geht, analog den Beobachtungen 
bei anderen Mikroorganismen. Ausserdem sei noch in keinem ein¬ 
zigen Falle die Infection vom Thier zum Menschen und umgekehrt 
bacteriologisch genau und einwandsfrei nachgewiesen. 

18) Ernest La place-Philadelphia: Behandlung der acuten 
Peritonitis mittels continuirlicher Irrigation mit warmer Koch¬ 
salzlösung. (Philadelphia medical Journal, 14. October 1899 ) 

Vorläufige Mittheilung. Beschreibung eines Falles von schwerer 
allgemeiner Peritonitis, bei welcher nach gründlicher Toilette der 
Bauchhöhle durch einen mit dem Irrigator verbundenen Glasdrain, 
welcher in den Douglas’schen Raum versenkt und am untern 
Ende der Bauchwunde fixirt wurde, eine beständige Spülung mit 
physiologischer Kochsalzlösung von 38° 0., 72 Stunden lang in 
einer Stärke von circa ii 1 /* Liter pro l /\ Stunde, im Ganzen also 
über 1600 Liter durch die Bauchhöhle gespült wurden. Die Proce- 
<lur wurde ohne besondere Beschwerden ertragen, die Symptome 
der Peritonitis schwanden sehr rasch, ebenso wie sich der Allge¬ 
meinzustand zusehends besserte, und völlige Heilung trat ein. Dem 
Verfahren der continuirliehen Irrigation, das sich in anderen Zweigen 
der Therapie schon bewährt, scheint sich also bei der acuten Peri¬ 
tonitis ein weiteres Feld erfolgreicher Anwendung zu eröffnen. 

19j Henry G. Gr ah am-Chicago: Amoeba cili&ta als Krank¬ 
heitsträger. (New-York medical Journal, 30. Sept. und 7. Oct. 1899.) 

In einer längeren Abhandlung stellt G. eine neue Theorie 
über die Entstehung der Infectionskrankheiten auf, indem er der 
im Trinkwasser vorkommenden Form der Amoeba eiliata eine ähn¬ 
liche Rolle, wrie dem Mosquito für die Malaria, als Träger der ver¬ 
schiedenen pathogenen Keime zuschreibt. Während die Amoeba 
selbst nur von untergeordneter Bedeutung erscheint, erweist sie 
sich durch ihr Vermögen, in die innern Organe einzudringen, und 
durch den Schutz, den sie den Mikroorganismen gegen die Ein¬ 
wirkung der Körpersäfte u. s. w. gewährt, als ein wichtiger Factor 
in der Aetiologie der infectionskrankheiten. So genial und plau¬ 
sibel die hier entwickelte Deduction erscheint, ermangelt sic doch 
einer genauen bacteriologischen und experimentellen Begründung 
und bedarf zunächst erst noch weiterer Untersuchungen, ehe sie 
discussionsreif ist. 

20) R. B. G r a d w o h 1 - St. Louis: Ein Fall von intrauteriner 
Cerebrospinalmeningitis. (Philadelphia medical Journal, 2. Sep- 
temberJ1899.) 

Bei der Section einer an epidemischer Cerebrospinalmeningitis 
gestorbenen Frau fanden sich im Gehirn des 7 Monate alten Foetus 
dieselben pathologischen Veränderungen wie bei der Mutter. Die 
bacteriologische Untersuchung ergab in beiden Gehirnen das Vor¬ 
handensein des Diplococcns intercellularis. Der hier beschriebene 

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Fall bildet ein Gegenstück zu dem von Herwerden 1S93 ver- 
üffentiiehten Fall intrauteriner Meningitis mit Nachweis des Pneu- 
mococcus. 

21) Fenimi B. T u r e k - (’hieago : Die hohen Darmspülungen. 
Journal of the Amoriran medical Association, 7. Oelobor 1899.": 

l)io experimentellen Untersuchungen, welche T. an Hunden 
und Menschen mit hohen Einläufen, Irrigation des Kolons, wie er 
es nennt, machte, orgahon folgende Resultate: Einläufe mit einer 
Temperatur von 55° C. bowirkon eine etwa eine halbe Stunde an¬ 
dauernde Erregung des Herzens und der vasomotorischen f’entren. 
Wasser von ls 50° bat eher eine Verminderung, mit 55" (\ 
dagegen deutliche Erhöhung der Leukorvtose zur Folge. Fheiiso 
bewirkt letztere vermehrte Peristaltik Das hiebei auftretende 
Schnu rzgefiihl lässt sich durch allmähliche Steigerung der Tempera¬ 
tur von 5() u zu 55" jedoch vermeiden. Der erregende F.infhiss der 
Einläufe auf die Nieren erhebt aus der vermehrten Frin- und 
HarnstotVatisscheidung. T. empfiehlt zur Vernähme dieser Spülungen 
Rückenlage mit etwas erhöhtem Steiss. Besonders werthvoll er¬ 
weisen sich dieselben hei uraemisrheu Zuständen und Autointoxi- 
calionen. 

22) Francis 11. \Y i 11 i a m s - Boston : Ueber den Werth der 
Untersuchung mit Röntgenstrahlen in den Anfangsstadien der 
Lungentuberculose. (Medical News, 16. September 1>99), und 
Röntgenbilder bei Pneumothorax und Pneumohydrothorax. 
(Philadcl|>hia medical Journal, 23. Sep'.tunher 1S99.) 

Auf Grund der an 165 Patienten mit beginnender Lungon- 
1 uherculose, welche Weiterhin durch den Nachweis des Tuherkel- 
haeillus oder durch positive* Keaetion der Tuhcrculineinspritzuiur 
klinisch festge>telll wurde, - - gemachten Beobachtungen, spricht 
\V. der Untersuchung mit Rö n t g e n strahlen hohen Werth zu. Der 
lhiupthefund zeigt sich in einer dunkleren Färbung der befallenen 
Lungenpartie und verminderter Excursion des Zwerchfells auf der 
betreffenden Seite, er ist deutlicher auf dem Schirme als auf der 
Photographie zu erkennen. Die Methode versagte nur in 2 von 
den 1G5 Fällen. 

In dem zweiten Aufsatz bringt W. die ausserordentlich charak¬ 
teristischen B ö n t ge n hilder eines Falles von Pneumohydrothorax 
und zweier Falle von 11vdrothorax. 

23) 1L II. (’ u n n i n l; h a m - New-York : Die tödtliche Wirkung 
elektrischer Ströme. New-York medical Journal, 21. und 2S. Oc¬ 
tober 1S99.§ 

In dieser eingehenden Arbeit weist ('. nach, dass der Tod bei 
Einwirkung der aus den städtischen oder industriellen Leitungen 
stammenden elektrischen Ströme nicht in Folge von Asphyxie, 
sondern durch Ilcr/lähmung {fibrilläre Contraclion) (‘intritt. Die 
Lähmung des Centrnlnervensystems erfolgt erst durch die plötzliche 
Unterbrechung der Uirculati«>n. 

öur in dem Falle, dass der Strom quer durch die Cervical- 
portion des Gehirns geht, ist eine Respiratiouslahmung als Todes¬ 
ursache anzunehmen. - - C. spricht sieh unter anderem auch gegen 
die Hinrichtung durch Elektriciiät aus, da nach sinnen Beob¬ 
achtungen das Bewusstsein theilweise wenigstens erhalten bleiben 
kann, wenn auch die Sensibilität aufgehoben wird. 

21) Valdemar B i e • Kopenhagen : Phototherapie. (Philadelphia 
medical Journal, 7. October 1*99). 

Ausführliche Beschreibung der F i n s e n 'scheu Phototherapie 
mit Illustrationen. Die Mel linde bestellt darin, dass die chemischen 
Lichtstrahlen, welchen die eigentliche Wirkung zugeschrieben wird, 
durch eine mit blauer Flüssigkeit gefüllte Sammellinse isolirt werden. 
Günstige Erfolge wurden erzielt namentlich hei Lupus vulgaris und 
erythematosus, sowie hei Alopecia areata. Die betreffenden Kranken¬ 
geschichten werden mitgetheilt. 

25) W. F. Hamilton- Montreal: Congenitaler Defect beider 
Schlüsselbeine. (Philadelphia medical Journal, 14. October 1-99.) 

Casuiatisolier Beitrag zu dieser seltenen, in der Literatur nur 
in 20 Fällen beschriebenen Missbildung. Der Aufsatz ist durch 
zwei Allbildungen illustrirt. 

26) J. B. Nichols-Washington: Zur Histologie der Du- 
puy tr en’schen Palmarfasciencontractur. (Medical News, 
14. October 1*99.) 

Die mikroskopische Untersuchung zweier zur Section ge¬ 
kommenen Fälle von lang bestehender Palmarfasciencontractur, im 
Verein mit dem Befunde bei einem schon früher veröffentlichten 
Falle mehr acuter Natur ergab folgendes Resultat: ln den ersten 
Stadien der Erkrankung besteht bedeutende Vermehrung des Zell- 
und vaseulären Gewebes, während späterhin diese beiden Elemente 
verschwinden und an ihre Stelle ein dichtes fibröses Gewebe tritt. 
Die hypertrophischen fibrösen Stränge bilden sich aus der beson¬ 
ders längs der zahlreichen kleinen Blutgefässe ausgesprochenen Pro¬ 
liferation der Bindegewebszellen. Der Charakter der Erkrankung 
ist demnach der einer Bindegew ebshypertrophie. Bemerkenswert li 
ist der in allen drei Fällen constatirte Nachweis zahlreicher Pacini- 
seher Körperchen im Bereich der Affection. 

27) P. H. Bradford und J. S. S t o n e-Boston: Die Con- 
struction der Schulbank. (Boston medical and surgieal Journal, 
5. October 1899.) 

Eine, mit zahlreichen Abbildungen versehene Abhandlung 
über die Mängel der üblichen Schulbänke und die Anforderungen, 
welchen dieselben genügen sollen. Er empfiehlt zum Schlüsse eine 
Modification der Millersehen Bank mit verstellbaren Sitz- und 


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60 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Rückentlieil, welch’ letzterer zwei dem Dorsal- und Lumbarabscbnitt 
der Wirbelsäule entsprechende Stützen aufweist. Den praktischen 
Werth dieser Construction zugegeben, wird jedoch stets das Haupt¬ 
gewicht auf eine individuell angepasste und zeitlich nicht zu kurz 
bemessene, über den ganzen Tag entsprechend vertheilte Gym¬ 
nastik zu legen sein. 

28 ) Hit. Tom lins 011 und M. E. Bas set-Minnesota: Die Be¬ 
ziehungen der gynäkologischen Erkrankungen zu den Psy¬ 
chosen. (Journal of the American medical Association, 80. Sept. 
1899.) 

Die seit 1891 im St, Peter Hospital-Minnesota geführten 
Untersuchungen sind ein neuer Beleg dafür, dass der von Manchen 
behauptete Causalnexus zwischen Erkrankung «1er Beckenorgane, 
und geistigen Storungen beim Weibe im allgemeinen nicht be¬ 
steht, indem sich einerseits bei den Geisteskranken weder eine 
erhöhte Morbiditätsziffer, noch ein Einfluss der gynäkologischen 
Behandlung auf den psychischen Zustand nachweisen Hess, direct 
operative Eingriffe aller fast stets eine Verschlimmerung «1er Psy¬ 
chose zur Folge hatten. 

29) H. N. Vineberg New-York: Die Fixatio uteri mit vagi¬ 
naler Vemähung der Ligamenta rotunda. (Journal of the 
American medical Association, 21. October 1899.) 

Das von V. seit 8 Jahren an 44 Fällen erprobte Verfahren 
der vaginalen Vemähung der breiten Mutterbänder ist nach seiner 
Ansicht in allen Fällen von Retroversio und Itetroflexio uteri, 
welche Beschwerden verursachen, und in denen das Pessar nh-lit 
vertragen wird, indicirt. Oomplication durch Adnexerkrankung ist 
an und für sich keine Contraimlication, nur bei acut entzündlichen 
und schwereren Fällen, ebenso wie bei Infiltration der Ligamenta 
lata, bei ausgedehnten Verwachsungen, oder Eiterbildung ist die¬ 
selbe zu vermeiden. 

30) Thomas B. F u teiler-Baltimore : Lipaemie bei Diabetes 
mellitus. (Ibidem.) 

Während bei Diabetikern post mortem wiederholt schon 
Lipaemie eonstatirt. wurde, ist die Beobachtung dieses Phänomens 
intra vitam eine ziemlich seltene. Der hier beschriebene Fall be¬ 
trifft einen 3") jährigen Mann mit starker Polyurie .8 Liter pro die, 
spec. Gewicht 1038, Zucker 5 Froc.). Die Symptome des Diabetes 
waren erst seit ein paar Monaten stärker aufgetreten. Nach ein- 
monatliclier Behandlung war der Zucker ganz aus dem Urin ver¬ 
schwunden, und das Blut zeigt«; nur mehr Spuren lipaemischer 
Veränderung. F. Lac h e r-Münehen. 

Vereins- und Congressberichte. 

Gesellschaft der Chariteärzte in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 21. Dccembor 1899. 

Herr Gluck zeigt mehrere Patienten, an welchen die Ent¬ 
fernung oder Ausschaltung des Kehlkopfs vorgenommcu ist. 
Sämmtliche Kranke sprechen theils mit, tlieils ohne Phonations- 
apparat mit deutlicher Stimme. 

Herr Widenmann stellt einen Kranken mit halbseitigem 
Biesenwuchs vor. 

Herr H e u b n e r demonstrirt den neuen Frojectionsapparat 
der Kinderklinik in der von ihm für den klinischen Unterricht ge¬ 
übten Weise. 

Herr Bornikoel berichtet über eine Patientin, welche an 
einer Laugenvergiftung gestorben ist. Am 8. Krankheitstage 
erbrach die Patientin einen zusammenhängenden Abguss der 
Speiseröhre von 22 cm Länge, bestehend aus Mucosa, Submucosa 
und zum Theil noch aus Muscularis. Das Präparat sowie der 
Magen werden demonstrirt. 

Herr Stoeltzner und Herr Salge: Ueber das Vor¬ 
kommen von eigenthümlichen Krystallen in den Knochen 
von mit Nebennierensubstanz behandelten rachitischen 
Kindern. 

Die Vortragenden haben in den 3 Fällen, in welchen bis¬ 
her eine histologische Untersuchung der Knochen von mit Neben- 
liierensubstanz behandelten rachitischen Kindern vorgenommen 
werden konnte, jedesmal eigenthümliche Krystalle gefunden, 
welche vordem noch niemals in rachitischen Knochen gesehen 
worden sind. 

In den histologischen Präparaten (Fixirung in Alkohol, Ent¬ 
kalkung in alkoholischer Salpetersäure, Einbettung in Celloidin) 
präsentirten sieh diese Krystalle in Gestalt von ansehnlich 
grossen, ra< bärgest reiften Kugeln, welche zum Theil auch eine 
Art eoiieeii Irischer Schichtung erkennen Hessen, und über deren 
Oberfläche vielfach kleine Spitzchen oder Häkchen hinausragten. 
Diese Kugeln waren besonders zahlreich in den Markräumen 
angehäuft; manche Markräuino waren in toto erfüllt von zu- 
sum inengesinterten, offenbar aus dem gleichen Material bestehen¬ 
den Massen. Chemisch zeichneten diese Krystalle sieh aus 
durch ihre sehr starke Affinität zum Silber (s. den nächsten 
Vortrag). 

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Bei längerem Verweilen der Schnitte in dünnem Alkohol 
wandelten sich die Kugeln in dünne Nadelbüschel um, in de- 
stillirtem Wasser lösten sie sich vollständig auf. 

Beim Verdunsten des wässerigen Extractes krystalhsirte die 
Substanz unter Aufnahme von Krystallwasser in Formen aus, 
welche von denen der Sperminkrystalle dem Aussehen nach nicht 
zu unterscheiden waren (abgestumpfte Spindeln, Sternformen, 
Holzscheit- und Pleurosigmaformen). 

Eine bestimmte Ansicht über die chemische Natur der 
Krystalle glauben die Vortragenden jedoch noch nicht aus- 
spreehen zu sollen. Vorläufig ist nur soviel sicher, dass es sich 
um eine in Alkohol und in alkoholischer Salpetersäure minde¬ 
stens sehr schwer lösliche, in Aether imlösliche, in Wasser lös¬ 
liche Substanz handelt, die aus dem wässerigen Extract unter 
Aufnahme von Krystallwasser in denselben Formen wie das 
Spermin auskrystallisirt, und welche eine besondere Affinität 
zum Silber hat. (Demonstration.) 

Herr Salge und Herr Stoeltzner : Eine neue 
Methode der Anwendung des Silbers in der Histologie. 

Die histologischen Silberfärbungen beruhen darauf, dass 
manche Gewebsbestandtheile eine grössere Affinität zum Silber 
haben als andere. Diese Gewebsbestandtheile ziehen, wenn man 
die Präparate in eine Silberlösung bringt, mehr von der Silber¬ 
verbindung an sieh, und fesseln sie an sich trotz Auswaschens. 
Durch Niederschlagen von metallischem Silber aus der Silber¬ 
verbindung werden dann die chemischen Affinitäten für das 
Auge unmittelbar sichtbar gemacht. 

Die Vortragenden haben nun den Weg eingeschlagen, dass 
sie in den Präparaten Brom- resp. Jodsilber entstehen Hessen, 
und diese Silberverbindungen dann der Einwirkung eines photo¬ 
graphischen Entwicklers aussetzten. Sie haben den sauren Eisen- 
entwiekler sehr brauchbar gefunden; von den alkalischen Ent¬ 
wicklern bewährte sich ihnen besonders gut der sehr bequeme 
Amidolentwickler. Das Verfahren war somit dieses, dass die 
Schnitte zunächst auf 3 Minuten in eine 0,5 proc. Argent. nitric.- 
Lösung kamen und dann nach kurzem Abspülen in destillirtem 
Wasser auf eine Minute in eine 5proe. Brom- bezw. Jodnatrium¬ 
lösung übertragen wurden. Nach abermaligem Abspülen in 
Wasser wurden die Schnitte sodann im Amidol (dieselbe Lösung, 
wie sie in der Photographie gebraucht wird) entwickelt. Das 
Resultat ist eine prachtvolle Kernfärbung, sowie an Präparaten 
von rachitischen Knochen eine elective Färbung der verkalkt ge¬ 
wesenen Knochensubstanz, mit ausgezeichneter Differencirung 
gegen die osteoide Substanz auch an entkalkten Objecten; im 
Knorpel rachitischer Knochen werden dieselben Gewebsbestand¬ 
theile gefärbt, welche auch vom Saffranin, Fuchsin etc. gefärbt 
werden. Ein besonderer Vortheil liegt noch darin, dass die nach 
diesem Verfahren gesilberten Präparate sich ganz ungewöhnlich 
gut für die photographische Reproduction eignen. Wird die 
Färbung nicht, kräftig genug, so kann das Verfahren an einem 
und demselben Schnitt mehrfach wiederholt werden. 

Der schöne Erfolg, welchen die Vortragenden durch die Ein¬ 
führung der photographischen Entwickler in die histologische 
Technik erreicht hatten, veranlasste sie, noch andere in der 
Photographie übliche Methoden an histologischen Objecten zu 
versuchen. Sie haben in Verfolgung dieser Absicht die ge¬ 
silberten Präparate noch nachträglich platinirt, vergoldet und 
mit Quecksilber verstärkt. Alle diese Methoden gaben recht gute 
Resultate, ohne jedoch wesentlich mehr als die einfache Silber¬ 
färbung zu leisten. Sehr gut hat sich den Vortragenden dagegen 
die Verstärkung mit Uran bewährt. Der metallische Nieder¬ 
schlag erhält durch diese Nachbehandlung einen sehr schönen 
röthlich-gelben Farbenton; die so präparirten Schnitte eignen 
sich sehr gut sowohl zum mikroskopischen Studium, als auch 
besonders zur farbigen Projection. Die Entwicklung mit Eisen 
ist fiir Präparate, welche uranirt werden sollen, nicht zu em¬ 
pfehlen, weil, wenn nicht sehr gründlich vor dem Uranbade aus¬ 
gewaschen wird, durch Zusammenkommen des Ferrosalzes aus 
dem Eisenentwickler und des Ferrisalzes aus dem Uranbade Ber¬ 
liner Blau entsteht, welche Färbung im Laufe der Zeit grünlich 
oder grau und dadurch unansehnlich wird. 

Als Contrastfarben empfehlen die Vortragenden für die 
einfach gesilberten Präparate das Lithionearmin, für die ura- 
nirten Präparate das Methylblau und das Wasserblau IIIB. 
Das Lithionearmin färbt nach den Erfahrungen der Vortragen - 

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9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


61 


den an rachitischen Knochen eleetiv die osteoide Knochensub¬ 
stanz, auch an entkalkten Objecten. 

Zum Schluss sprechen die Vortragenden die Hoffnung aus, 
dass das neue Princip der Einführung der photographischen 
Entwickler in die histologische Technik sich auch für andere 
Organe als gerade für rachitische Knochen als ein Fortschritt 
herausstellen wird. (Demonstration.) W. Zinn- Berlin. 


Verein Freiburger Aerzte. 

(Officielles Protocoll.) 

Sitzung vom 27. October 1899. 

Herr v.Kahlden: Demonstration pathologisch-anatomi¬ 
scher Präparate. 

1. Die grosse Geschwulst, die ich Ihnen zunächst demon- 
8trire, stammt von einem 48 Jahre alten Manne, bei dem sich zum 
ersten Male vor 8 Jahren Symptome von Schmerzen beim Stuhl¬ 
gang und Abgang von Blut gezeigt haben. Wie Sie sehen, hat 
sich der Tumor zwischen Blase'und Mastdarm entwickelt und ist 
wesentlich gegen den Mastdarm hin vorgewachsen, während die 
Blase verschont geblieben ist. Eine Operation wurde ^verweigert. 
Der Tumor füllte bei der Section das Becken vollständig aus 
und ragte über die Symphyse noch handbreit empor. In der 
Vorderwand des Mastdarms befindet sich ein 7—8 cm im Durch¬ 
messer haltendes Geschwür, in dessen Grund die polypöse Ober¬ 
fläche der Geschwulst hineinragt. Im Centrum derselben verläuft 
ein länglicher, mit Eiter gefüllter glattwandiger Abscess. 

Da die Prostata vollständig in dem Tumor untergegangen 
ist, kann man sie wohl als den Ausgangspunkt ansprechen. 

Wie Sie sehen, enthält die Leber eine Unmasse von kirsch- 
bis faustgrossen Metastasen. 

Das Hauptinteresse nehmen die histologischen Verhältnisse 
in Anspruch. Die primäre Geschwulst ist aus bündelförmig an¬ 
geordneten Spindelzellen zusammengesetzt; die Bündel sind theils 
im Längs-, theils im Querschnitt getroffen, so dass der Tumor ganz 
und gar einem Fibromyom des Uterus gleicht. Genau denselben 
Bau zeigen sämmtliche Metastasen der Leber. Wie Sie sich an 
den aufgestellten Präparaten überzeugen wollen, ist die Ueberein- 
Stimmung dieser metastatischen Leberknoten mit einem gewöhn¬ 
lichen Fibromyom eine so vollständige, dass auch der Geübteste 
zu einer falschen Diagnose verleitet werden könnte, wenn ihm 
nur eine Stelle aus der Mitte einer derartigen Metastase, ohne an¬ 
grenzendes Lebergewebe, vorgelegt würde. 

2. Dieser grosser Nierentumor wurde bei der Section 
eines 7 Jahre alten Knaben gewonnen. Die linke Niere ist zum 
grössten Theil in eine Geschwulst verwandelt, nur am oberen 
Pol ist ein 5 mm breiter Saum von Nierengewebe erhalten, gegen 
den die Geschwulst abgekapselt ist. Die letztere hat eine Länge 
von 20 cm, eine Breite von 18 cm und eine Dicke von etwa 15 cm. 
Der Durchschnitt ist zum Theil haemorrhagisch, zum Theil grau- 
roth, zum Theil gelb gefärbt, die Consistenz sehr weich, in den 
haemorrhagischen Partien fast breiig. Unmittelbar an den Nieren¬ 
tumor grenzt, mit diesem stellenweise noch ganz locker verbunden, 
eine kindskopfgrosse Lymphdrüsenmetastase. Die Leber ist enorm 
vergrössert und von zahllosen Metastasen durchsetzt, auch beide 
Lungen sind sowohl unter der Pleura, wie im Innern von Ge¬ 
schwulstknoten durchsetzt. In der Spitze der linken Lunge sehen 
Sie eine kleinapfelgrosse Metastase. 

Aas den mikroskopischen Präparaten ersehen Sie, dass es 
sich um eine Mischgeschwulst, um ein Adenosarkom handelt, 
welches aus Rundzellen und aus rundlichen und länglichen Hohl¬ 
räumen zusammengesetzt ist, die mit hohem Epithel ausgekleidet 
sind. 

Nicht nur in der histologischen Struetur, sondern auch in 
dem makroskopischen Verhalten und in dem jugendlichen Alter 
des Trägers der Geschwulst besteht vollständige Uebereinstimmung 
mit einem Nierentumor, den ich vor einiger Zeit hier demonstrirt 
habe Ich kann mich daher bezüglich der Genese auf das damals 
Gesagte beziehen. 

3. Bei der Section eines 63 Jahre alten Mannes wurde dieses 
Endotheliom der Pleura gefunden, welches mit einem Theile 
der Rippen und der rechten Lunge im Zusammenhang heraus¬ 
genommen wurde Als Ausgangspunkt ist die Pleura diaphrag- 
matica anzusehen, das Zwerchfell ist in eine 2—3 cm dicke, grau- 
weisse Tumormasse von fester Consistenz verwandelt, während die 
Pleura pulmonalis nur eine ganz geringe, nicht tumorartige Ver¬ 
dickung zeigt. Dagegen ist die Pleura costalis, namentlich im 
vorderen Theil, ebenfalls an der Geschwulstbildung betheiligt. Die 
hochgradige Compression der Lunge ist nur zum Theil durch die 
Geschwulst, der Hauptsache nach durch Blut und Coagula im Pleura¬ 
raum bedingt. In den Bronchialdrüsen und in der Pleura der 
anderen Lunge wurden einzelne Metastasen gefunden. Ferner 
waren die supraclavicularen Drüsen rechts und die retroperitonealen 
Drüsen von Metastasen befallen. Eine letzte Metastase von 
Hühnereigrösse fand sich endlich ,3 cm unterhalb der rechten 
Scapula zwischen der Haut und der Musculatur. 

In den aufgestellten mikroskopischen Präparaten sehen Sie 
schmale, längliche Züge und kleine Nester von epithelähnlichen 

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Zellen, die in ein ausserordentlich reichliches, derbes, bindegewe¬ 
biges Stroma eingelagert sind. 

4. Dem Gebiete der Geschwulstlehre gehört auch der manns¬ 
faustgrosse Tumor des linken Ovariums an, der bei der Section 
einer 48 Jahre alten Frau gewonnen wurde. Er stellt ein Rund¬ 
zellensarkom dar; seine ausserordentlich weiche Consistenz ist 
theils durch Nekrosen, theils durch die zahlreichen Haemorrhagien 
bedingt, welche Sie auf der Schnittfläche sehen. Als einzige 
Metastase fand sich ein erbsengrosses Knötchen auf der Oberfläche 
des anderen Ovariums. 

5. Der ausgedehnte Blasenkrebs, den ich Ihnen hier 
zeige, stammt von einem 52jährigen Manne. Die ganze hintere 
Wand der Blase ist von einem blumenkohlförmigen, mehr wde 
kinderfaustgrossen Tumor eingenommen, der an der Oberfläche 
nur ganz geringe Zerfallserscheinungen zeigt. Die Gegend des 
Trigonum und der Plarnröhrenöffnung ist frei, ebenso die ganze 
vordere und seitliche Wand. In den retroperitonealen Lymph- 
drüsen fanden sich Metastasen. 

6. Dieser primäre Leberkrebs wurde bei einem 43 Jahre 
alten Manne gefunden. Der grösste Theil des rechten Lappens 
ist von einer infiltrativ gewachsenen, markigen Geschwulst ein¬ 
genommen. Im linken Leberlappen finden sich einige kirsch¬ 
grosse metastatische Knötchen. 

7. Die carcinomatöse Gallenblase stammt von einem 
44jährigen Manne. Sie sehen die ganze Gallenblase in einen 
2-3 cm dicken, markigen Tumor verwandelt, durch welchen das 
Lumen auf einen ganz kleinen Hohlraum reducirt ist. In diesem 
sitzt, fest eingekeilt, ein Gallenstein. Im Gegensatz zu diesem 
Präparat zeige ich Ihnen hier eine geschrumpfte Gallen¬ 
blase, welche ebenfalls, aber nicht carcinomatös, einen Stein 
fest umschliesst. 

Dennoch ist an dem ausserordentlich prädisponirenden Ein¬ 
fluss der Gallensteine für Entstehung von Carcinomen nicht zu 
zweifeln. Gegen die secundäre Entstehung der Gallensteine 
sprechen die anatomischen Verhältnisse der im Anschluss an ein¬ 
geklemmte Steine carcinomatös werdenden grösseren Gallengänge, 
und die Thatsache, dass das Carcinoin der Gallenblase bei Frauen 
häufiger vorkommt, wie bei Männern, entsprechend der grösseren 
Häufigkeit der Gallensteine. Die 80 Jahre alte Frau, von welcher 
dieser Gallenstein stammt, hatte, wie Sie hier sehen, noch einen 
bohnengrossen Nierenstein und eine ungewöhnlich hochgradige 
Sklerose der Aorta. 

8. Das kaum kirschgrosse, flache Carcinom des Dünn¬ 
darms hatte bei einer 76 Jahre alten Frau trotz seiner Kleinheit 
schwere Symptome hervorgerufen. In der Umgebung der einzigen 
metastatisch erkrankten Mesenterialdrüse war eine narbige Schrum¬ 
pfung des Mesenteriums entstanden, die zur Abknickung des 
Darmes und zu Erscheinungen von Heus geführt hatte. 

9. Kehlkopftuberculose bei einem 51 Jahre alten Manne 
und Tractionsdivertikel der Oesophagus an der typischen 
Stelle durch den Zug einer ttiberculösen Lymphdrüse. 

10. An diesem Magencarcinom eines 58 Jahre alten Mannes 
können Sie die Entstehung aus einem Ulcus besonders deutlich 
sehen, insofern nur die Ränder des tiefen, mit dem Pankreas ver¬ 
wachsenen alten Geschwürs carcinomatös sind. 

11. Interessante Verhältnisse bietet der Magen eines 40 Jahre 
alten Mannes, der an Darmtuberculose, tuberculöser Peritonitis und 
alter Spitzentuberculose gestorben ist. In der Magenschleim¬ 
haut liegen ausserordentlich zahlreiche, stecknadelkopf- bis erbsen¬ 
grosse Geschwüre, die bei der Section einen gelblichen Grund 
zeigten und deren Gesammtzahl weit über 100 betrug. 

Frische Tuberkel waren makroskopisch in der Nachbarschaft 
nirgends zu sehen, ebenso überzeugen Sie sich an den ausgestellten 
mikroskopischen Präparaten, dass es sich nur um einfache, nicht tuber- 
culöse Magengeschw’üre handelt. Man kann an eine Entstehung 
aus multiplen haemorrhagischen Erosionen denken. Dass solche 
bei Phthisikern manchmal in grosser Anzahl Vorkommen, beweist 
Ihnen dieser Magen eines 24 Jahre alten, mit Knochen- 
tuberculose behafteten Phthisikers. Die meisten Haemorrhagien 
liegen in noch nicht zerfallener Schleimhaut, nur an den grösseren 
können Sie die beginnende Erosion wahrnehmen. Hanau konnte 
in einem Falle von Miliartuberculose für die zahlreich gefundenen 
nicht tuberculösen Magengeschwüre eine embolische Entstehung 
für diese nachw^eisen. Ein solcher Nachweis w r ar in dem vorliegen¬ 
den Falle nicht zu erbringen, wiew ohl auch multiple kleine Embo¬ 
lien die ausserordentlich grosse Zahl der Geschw’üre gut erklären 
w'tirden. 

12. Die nachfolgenden Präparate von Nieren- resp. Uro¬ 
genitaltu bereulose, die ich Ihnen vorlege, sind alle dadurch 
ausgezeichnet, dass auch die Blase von der Tuberculose be¬ 
fallen ist. 

1) 16 Jahre alter Lehrling, der trotz der hochgradigen Ver¬ 
änderungen noch bis 5 Tage vor seinem Tode gearbeitet hat. Die 
linke, stark vergrösserte Niere ist von einer beträchtlichen Anzahl 
stecknadelkopf- bis haselnussgrosser käsiger Herde durchsetzt, von 
denen einzelne in Zerfall begriffen sind. Das ganze Nierenbecken 
ist mit einer zusammenhängenden Käsemasse ausgekleidet, die sich 
durch den ganzen erweiterten und verdickten Ureter bis zur Blasen¬ 
mündung fortsetzt. Links in der Niere, dem Nierenbecken und dem 
Ureter ganz ähnliche Verhältnisse. Die Schleimhaut der weiten 

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62 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Blase ist mit zahlreichen, verschieden grossen gelben Plaques be¬ 
deckt. In der Gegend des Trigonum Ulcerationen. Prostata, Hoden 
und Nebenhoden sind frei. Lungentubereulose. In den mikro¬ 
skopischen Präparaten sehen Sie unter der käsigen Oberfläche ver¬ 
einzelte typische kleinste Tuberkel. 

2) 10 Jahre altes Mädchen. Die rechte, vergrösserte Niere 
ist in der ganzen Marksubstanz von grossen, kurzen, in Zerfall be¬ 
griffenen Herden durchsetzt, in deren Nachbarschaft miliare Tuberkel 
liegen. Die Schleimhaut des ganzen erweiterten und verdickten 
Ureters ist verkäst. Die Schleimhaut der Blase enthält kleine 
Haemorrhagien, miliare Tuberkel, halblinsengrosse Ein- und Auf¬ 
lagerungen und grössere membranartige Verkäsungen. Linke Niere 
und Ureter sind frei, ebenso die Genitalorgane. Doppelseitige 
Lungentuberculose. 

In den mikroskopischen Präparaten sehen Sie an einzelnen 
Stellen das Epithel noch erhalten und unter diesem typische Tu¬ 
berkel. An anderen Stellen fehlt über den bis dicht an die Ober¬ 
fläche reichenden Tuberkeln das Epithel und an noch anderen 
Stellen sehen Sie die Oberfläche in verkäsendes tuberculöses Gra¬ 
nulationsgewebe verwandelt, dem an einzelnen Stellen kleine 
Incrusta'ionen aufgelagert sind. 

3) 36 Jahre alte Frau mit Phthisis pulmonum und frischer 
Miliartuberculose. 

Der untere Theil der Ureteren ist in pelveoperitonitische 
Adhaesionen eingelagert, oberhalb deren sie zu bleifederdicken 
Strängen erweitert sind. Das erweiterte rechte Nierenbecken war 
mit gelber Flüssigkeit gefüllt. In der Marksubstanz zahlreiche 
käsige Herde. Auch die linke Niere enthält bis taubeneigrosse 
käsige Herde. 

Die Schleimhaut der Ureteren ist in eine käsige Masse ver¬ 
wandelt. 

Die Schleimhaut der Blase ist mit zahlreichen käsigen Plaques 
bedeckt. Mikroskopisch sehen Sie nur an vereinzelten Stellen unter 
diesen bis auf die Muscularis reichenden Nekrosen kleine Tuberkel. 

4) 21 Jahre altes Mädchen. Tod an tubtrculöser Basilar- 
meningitis und Phthisis pulmonum. 

Linke Niere enorm vergrössert und von einem System von 
tuberculösen Herden durchsetzt. In der rechten Niere nur ein grösserer 
käsiger Herd. Rechts stellt der Ureter ein dickes starres Rohr dar, 
seine innere Oberfläche ganz mit Käsemassen bedeckt. Linker 
Ureter frei. 

Die Schleimhaut der Niere ist an einzelnen Stellen mit um¬ 
fangreichen käsigen Plaques bedeckt, an anderen Stellen liegen 
Geschwüre frei zu Tage. Rechtsseitige Tubentuberculose. 

In den mikroskopischen Präparaten fehlt die Schleimhaut fast 
vollständig, sie ist, ebenso wie der grösste Theil der Submucosa 
ersetzt durch tuberculöses Granulationsgewebe, welches aus Rund¬ 
zellen, epitheloiden Zellen und zahlreichen Riesenzellen zusammen¬ 
gesetzt ist. 

Wie Sie aus den bisherigen Präparaten ersehen, kann die 
Blasentuberculose in drei, oft neben einander vorkommenden 
Formen auf treten, als miliarer Tuberkel, als Geschwür und am 
häufigsten in der Form der Verkäsung. 

Besondere Verhältnisse zeigt der folgende Fall: 

5) 43 Jahre alte Frau mit Tuberculose der Lungen, des Darms 
und der Tuben, während Nieren und Ureter intaet waren. 

Die Schleimhaut der Blase ist ausserordentlich dicht mit stark 
8tec*knadelkopfgroBsen, harten prominenten Knötchen besetzt, die 
gross und glänzend sind, und in Folge ihrer Farbe, festen Resistenz 
und starken Prominenz eine gewisse Aehnlichkeit mit Reiskörper¬ 
chen besitzen. 

Das Epithel ist, wie Sie in den Präparaten sehen, vielfach 
zwischen den Knötchen noch erhalten. Auf der Höhe der Knöt¬ 
chen fehlt es; die letzteren bestehen ans grossen blassen Zellen 
und kleinen Rundzellen. 

Der Umstand, dass unter 5 Fällen von Blasentuberculose 4 
Personen weiblichen Geschlechts betreffen, zeigt Ihnen deutlich, 
dass dieses gegen Blasentuberculose durchaus nicht immun ist, 
wie man früher irrthümlich angenommen hat. 

13. Die Blase eines 17 Jahre alten Mannes, die ich Ihnen 
hier vorlege, ist in Folge einer langdauernden Cystitis unbekannten 
Ursprungs bis zu Taubeneigrösse geschrumpft, die Wand ent¬ 
sprechend stark verdickt und bretthart. In der linken Niere finden 
sich zahlreiche Abscesshöhlen, die mit einer glatten Membran aus¬ 
gekleidet sind, in der rechten Niere neben solchen älteren Abscessen 
auch umfangreiche frischere eitrige Infiltrate und frische Abscesse. 

14. Eine noch hochgradigere Schrumpf ung bis zu Daumen¬ 
grösse weist die Blase einer 44 Jahre alten Frau auf, die eben¬ 
falls an langdauemder Cystitis und einer feinen Blasenscheiden¬ 
fistel gelitten hatte. Der grösste Theil der rechten Niere ist in 
einen Abscess mit eingedicktem, stellenweise verkreidetem, gelblich- 
weissem Inhalt verwandelt. 

15. Verkäste Nebennieren ohne Broncefärbung. 

16. Eitrige Convexitätsmeningitis bei croupöser 
Pneumonie. 

17. Appendicitis durch ein fast bohnengrosses Concrement 
bei 9 jährigem Knaben. Von vornherein war hochgradige allgemeine 
Peritonitis aufgetreten. 

i F fc,18. Sporadische Dysenterie des Dickdarms und des 
untersten Theiles des Dünndarms. 

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19. Ausgedehnter embolischer Erweichungsherd in der 
linken Hemisphäre. 

20. Uleeröse Endocarditis der Aorta und Mitralis- 
Namentlich an letzterer neben ausgedehnten thrombotischen Auf¬ 
lagerungen ziemlich hochgradige Zerstörungen an einzelnen Stellen. 

21. Myomalacie nach Thrombose der sklerotischen Coronar 
arterie, des grösseren Theils des Septum ventriculorum und des an¬ 
grenzenden Theils der hinteren Wand des linken Ventrikels bei einem 
39jährigen Manne. An dieser letzteren Stelle eine Perforation, die 
Haemopericard veranlasst hatte. 

Ich möchte Sie besonders auf die fibrinöse Pericarditis auf¬ 
merksam machen, die, wie in manchen anderen Fällen auch in 
diesem mehrere Tage vor der Perforation über der erweichten Partie 
und deren Nachbarschaft aufgetreten war und die geeignet ist, 
intra vitam werthvolle diagnostische Anhaltspunkte zu geben. 

22. Spontanruptur der Aorta bei einem 38 Jahre alten 
Manne. Sie sehen 1V* cm oberhalb der Klappe einen 2 cm breiten, 
querverlaufenden, etwas zackigen RisR, der schräg nach unten gegen 
das Herz hin verläuft, so dass der obere Rand des Risses ziegel¬ 
artig über den unteren vorragt: aussen mündet der Riss dicht über 
der Abgangsstelle der Aorta an deren hinterer Fläche mit einer 
l ji cm weiten Oeffnung. Der Herzbeutel war enorm durch Blut 
ausgedehnt. Zwei derartige Blutklumpen, der eine fast mannsfaust- 
der andere kinderfaustgross liegen dem Präparate bei. 

Wie Sie sehen, sind an der Aorta ascendens nur ganz gering¬ 
fügige atheromatöse Veränderungen vorhanden. Ein ähnliches 
Verhalten zeigte die Aorta in ihrem ganzen Verlaufe. Auch speciell 
an der Rissstelle sind keinerlei besondere Wand Veränderungen zu 
bemerken. Von Interesse ist die hochgradige linksseitige Herz- 
hypertropliie, für die sich in der Leiche eine Ursache nicht ergab, 
die Nieren sind unverändert. 

Auch in einem früheren Falle von Aortenruptur an der Durch¬ 
trittsstelle durch das Zwerchfell, den ich Ihnen hier demonstrirt 
habe, waren keine hochgradigen atheromatösen Veränderungen der 
Aorta vorhanden. In dem früheren Falle war auf den 6 cm langen 
zackigen Längsriss noch ein kleiner Querriss aufgesetzt. 

In der Literatur, soweit sie mir bekannt ist, sind etwas über 
vierzig Beobachtungen von spontaner Aortenruptur veröffentlicht. 

Atherom ist etwa nur in 1 /s der Fälle notirt, scheint also bei 
dem Zustandekommen dieser Risse, die meist quer, seltener in anderer 
Richtung verlaufen, keine Rolle zu spielen. Damit stimmen auch 
die Altersangaben der Verstorbenen tiberein, es finden sich darunter 
ungefähr doppelt so viel Fälle zwischen 20 und 40 Jahren, wie 
zwischen 40 und 70 Jahren. Das Alter zwischen 70 und 80 Jahren 
ist dann wieder bedeutend häufiger befallen. 

Die meisten Rupturen liegen intrapericardial, ein Bluterguss 
in das Pericard ist in nahezu 30 Fällen angegeben. Vondemextra- 
pericardialen Theil ist die Aorta descendens etwas häufiger der Sitz 
von Rupturen, wie der Arcus. 

Etwa in der Hälfte der Fälle ist linksseitige Herzhypertrophie 
besonders hervorgehoben, die ja auch an dem hier demonstrirten 
Herzen ausserordentlich stark ausgesprochen ist. 

Greifswalder medicinischer Verein. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung am 24. October 1899. 

Vorsitzender; Herr Landois; Schriftführer: Herr Busse. 

1. Herr Rosemann demonstrirt den Tonographen nach 
Gärtner und den Blutdruckmesser nach Frey. 

2. Herr Busse bespricht die verschiedenen Gruppen der 
Doppelmissbildungen, demonstrirt Präparate von menschlichen 
und thierischen Doppelinissbildungen und erklärt die näheren ana¬ 
tomischen Einzelheiten. 

In der Discussion macht Herr Martin darauf aufmerksam, 
dass die Geburt der Missbildungen oft leicht und spontan vor 
sich gehe. 

Herr Bonnet führt aus, dass die Entstehung der Doppel¬ 
missbildungen in die allererste Zeit der Entwicklung zu verlegen ist. 

3. Herr Strübing stellt einen 63jährigen Patienten mit 
Aortenaneurysma und dadurch bedingter linksseitiger Recurrens- 
lähmung vor. Die auf Grund des physikalischen Untersuchungs¬ 
befundes gestellte Diagnose wurde im vorliegenden Falle durch das 
Röntgenbild gesichert. 

4. Herr Le ick demonstrirt einen an juveniler progressiver 
Muskelatrophie (Erb) leidenden Patienten. 

5. Herr T i 1 m a n n: Experimentelles über Sch&delbrüche. 

Im Anschluss an seinen Vortrag im Februar 1898: „Ueber 
Sohädelschüsse“ berichtet T., dass die damals festgestellte Theorie 
noch zu Recht bestehe. Krönlein habe auf dem Cliirurgen- 
congress allerdings zwei Fälle mitgetheilt, die dagegen sprechen 
sollten. T. führt aus, dass der erste Fall, bei dem das Gehirn in 
toto aus dem Schädel geschleudert wurde, immöglich durch einen 
gewöhnlichen Gewehrschuss verursacht sein konnte. Der zweite 
Fall sei nicht genügend klargestellt und widerspricht ganz den 
herrschenden Ansichten. Auch, bei den Schädelfracturen trägt 
das Gehirn zur Verschlimmerung der Knoclienzertrümmerung bei, 


Original ffom 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



fl. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


63 


wie Fall- und Schlagversuche mit entliirnten oder vollen Schädeln 
zeigen. Die eigenthiimliche Wirkung des Contrecoup erklärt T. 
auf Grund von Versuchen mit Gelatineklösen durch directe Fort- 
leitung des Stosses im Gehirn selbst. 

6. Herr Peiper: Fliegenlarven als Schädlinge des 
Menschen. 

Das durch Fliegenlarven hervorgerufene Krankheitsbild der 
Myiasis dermatosa und der Myiasis intestinalis wird besprochen 
und 3 neue Beobachtungen der letzteren mitgetheilt. 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 2. Januar 1900. 

Vorsitzender: Herr Rumpf. 

Demonstration: 

Herr Fink stellt eine eigenthiimliche Narben- und Mem¬ 
branbildung im hinteren Pharynx bei einem 5 jährigen Knaben 
vor. Derselbe hatte vor 2 Jahren eine unter Serumbehandlung 
abheilende Diphtherie. Seit jener Zeit leidet er au einer exqui¬ 
siten Dyspnoe, die sieh bei Anstrengungen bedenklich steigert. 
Dieselbe wird verursacht durch eine vom oberen Ende der hintereu 
Daumenbögen entspringende, die Gaumen bögen verbindende, sieb 
bis zur hiuteren Rachemvand erstreckende Membran, die sich 
bis zu den Seiten der Epiglottis fortsetzt und damit den Aditus 
laryngis verlegt. Eine derartige, zur Strictur führende • Bilduug 
narbiger Verwachsungen und Membranen ist nach Diph¬ 
therie bisher nicht beobachtet. 

Vortrag des Herrn Z a r n i k o : Ueber einige Fort¬ 
schritte in der Chirurgie der Mittelohreitemngen. (Fort¬ 
setzung.) 

Im zweiten Theil seiner Ausführungen gibt der Vortragende 
ein Referat über die Entwicklung der ohrchirurgischen Behand¬ 
lung der Mittelohreiterungen in den letzten 10 Jahren. Er be¬ 
spricht zunächst die bis vor 10 Jahren allein herrschende sogen, 
typische Eröffnung des Warzenfortsatzes nach Schwa rtze, 
die Indientionen und Zwecke der Operation, ihre Mängel, die 
besonders in der Unübersichtlichkeit des Operationsfeldes, in 
der mühsamen, lang dauernden Nachbehandlung (B 1 e i n a g e 1) 
und in der immerhin recht grossen Unsicherheit des Erfolges be¬ 
stehen. Er berührt dann die Küste Fsehe Operation, die über¬ 
all da indicirt ist, wo die Warzenzellen und das Antrum erkrankt 
sind, während die Veränderungen im Kuppelraum und an den 
Gehörknöchelchen rückbildungsfähig sind. Sodann erläutert Z. 
die von Halle aus inaugurirte Extraction der Gehörknöchelchen, 
die er nur nach Erschöpfung aller conservativen Methoden in 
Fallen isolirter Gehörknöchelchenerkrankung vorgenommen 
wissen will. Als die Idealoperation zur sicheren Ausheilung von 
Mittelohreiterungen bezeichnet er die Radicaloperation nach 
Z a u f a 1 und Stacke, deren Ziel die Herstellung einer gemein¬ 
samen Höhle, gebildet durch das Antrum, den Kuppelraum und 
den Mentus extemus, ist, die den Vorzug hat, dauernd frei un 1 
übersichtlich und der Nachbehandlung und Revision zugänglich 
zu sein. Auch das Hörvermögen wird bei dieser Operation eher 
gebessert. Mittels der Körner’schen Plastik ist auch der cos- 
metisehe Effect ein guter. Die Anwendung des „Schützers“ gegen 
Facialisverletzung widerräth er. 

Discussion: Die Herren IM u d e r, T h o s t und der 
Vortragende. Weruer. 


Hedicinisch-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena. 

Section für Heilkunde. 

Sitzung vom 9. November 1899. 

Vors. : Herr Bockeimann. Schriftf.: Herr Gumprecht. 

1. Herr Köhler: Mittheilungen über^Typhns abdomi¬ 
nalis aus der medicinischen Klinik. 

Seit 1887 sind bis heute 215 Fälle von Unterleibstyphus iu 
der hiesigen medicinischen Klinik zur Behandlung gekommen. 
In diesem Jahre erreichte die Statistik den Höhepunkt mit 
40 Fällen, welche besonders auf die Monate Juli, August und 
September fallen. Die Mortalität betrug von 1887—1898 
10,8 Proc. Vortragender geht auf die Gründe der in den letzten 
Jahren zu constatirenden Tendenz des Typhus zu einer besseren 
Prognose ein und glaubt, dafür Verbreitung wie Einbürgerung 
der Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit der hygienischen 
Maassregeln beim grossen Publicum, wahrscheinlich aber auch 
eine Umwandlung des Charakters beim Unterleibstyphus, ähn¬ 
lich wie bei der Pneumonie und Diphtherie, anführen zu dürfen. 

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Bei der diesjährigen kleinen Epidemie ist in der Klinik kein 
Todesfall vorgekommen. 

Die Aetiologie der diesjährigen gehäuften Fälle in Jena 
ist noch unklar. Da aus den verschiedensten Theilen der Stadt 
und aus zahlreichen Dörfern Thüringens Fälle eingeliefert worden, 
lasse sieh die reine Trink wassertheorie nicht aufrecht erhalten, 
es handele sich höchst wahrscheinlich um zur Typhusverbreitung 
disponirende klimatische und tellurisehe Einflüsse. 

Die Diagnose war meist leicht. K. referirt über mehrere 
Fälle, deren Erkennung zunächst Schwierigkeiten bereitet habe, 
so über einen Fall, der zuerst ausgesprochene meningitische Sym¬ 
ptome dargeboten habe, bei dem indess die W i d a l’sehe R e - 
a c t i o n bis zur Verdünnung 1 :160 ein positives Resultat ergab 
und der nach Ablauf der später erst unzweifelhaft typhösen 
Symptome in Genesung überging. Bei einem anderen Fall ge¬ 
lang durch die Augenuntersuchung (Chorioidealtuberkeln) und 
den positiven Bacillenbefund in der Spinalflüssigkeit die Dia¬ 
gnose auf Meningitis tubcrculosa ante mortem. WidaFsche 
Reaction war völlig negativ. 

Interessant, weil selten beobachtet, war ein haemor- 
rhagischer Typhus mit 4 maligen Darm-, Zahnfleisch- 
und Nasenblutungen, sowie Hautblutungen nach Art des Morbus 
Werlhof. Curschmann sah diese Art unter 5000 Fällen nur 
6 mal, Liebermeist ij r unter 1900 nur 3 mal, Andeutungen 
von haemorrhagischem Typhus, welche nicht selten sind, wurden 
2 mal beobachtet. 

Recidive kamen in 18,4 Proc. vor, als Complicationen 
2 mal Darmblutungen,Phlebitis, Periostitis, Pneumonie, Muskel- 
abscesse. 

Dio W i d a l’sche Reaction wurde 35 mal mit durchaus 
befriedigendem Resultat angewandt. Sie verlief in 30 Fällen 
positiv, meist bis zur Verdünnung 1:160. Die Reaction wurde 
in jedem Fall serienweise mit Verdünnungen 1:160, 1: 80, 1: 53, 

1: 40, 1:32, 1: 20 angestellt. Einmal blieb die W i d a 1 - 
Reaction bei einem unzweifelhaft klinisch sicheren, aber 
leichten Typhus negativ. Die Reaction gelang meist schon vom 
5. Tage ab; die späteste Untersuchung erfolgte am 97. Tag mit 
positivem Erfolg. Bei 3 suspeeten, negativen Ausfall zeigenden 
Fällen ergab auch die klinische Diagnose keinen Typhus. 

Bei der Behandlung wurden u. a. einfache und kohlen- 
saure Bäder angewandt. Letztere wurden besonders gut 
vertragen, ohne dass indess eine stärkere Fieberremission fest¬ 
zustellen war. Ueber Blutdruckmessungen etc. wird M a 11 h e s 
an anderer Stelle berichten. 

Die Ausführungen werden in extenso in den Correspondeiiz- 
blättern des ärztlichen Vereins für Thüringen erscheinen. 

An der Discussion betheiligten sich Herr Binswanger 
und Herr Stintzing. 

2. Herr Wagenmann berichtet über einen Fall von 
Echinococcus der Orbita bei einem 6 jährigen Knaben. 

Die richtige Diagnose konnte erst durch die pathologisch¬ 
anatomische Untersuchung gestellt werden. 

Die Eltern des Kindes hatten etwa seit einem Jahr am linken 
Auge eine Geschwulst bemerkt, die Anfangs weiter nach dem 
inneren Lidwinkel sass, später aber mehr unter die Mitte des 
oberen Lids gerückt war. Seit etwa 8 Wochen bestand stärkere 
Schwellung der Geschwulst und Köthung des Auges. Bei der 
Aufnahme fand sich die Mitte des linken oberen Lids durch eine 
Geschwulst stark vorgetrieben; das obere Lid hing schlaff herab, 
konnte nicht gehoben werden, wohl aber schloss sich noch die 
Lidspalte vollkommen. 

Bei mässlgem Exophthalmus war das Auge nach unten innen 
verschoben und iu seiner Beweglichkeit nach oben stark be¬ 
schränkt. Nach dem Ektropioniren des oberen Lids zeigte sich 
ein kegelförmiger subconjunctivaler, der Mitte der oberen Bulbus¬ 
hälfte auf sitzender, auf der Sklera leicht verschieblicher Tumor, 
der ca. r/ 2 cm prominirte und sich offenbar noch weit in die 
Orbita fortsetzte. Der sichtbare Theil der Geschwulst war von 
stark injicirter Bindehaut bedeckt. Die vordere stumpfe Spitze 
des Tumore Hess eine gelbliche Farbe durchschimmern uud 
fluetuirte leicht. Der Bulbus selbst war anscheinend normal, 
der Augenhintergrund ohne Veränderung. Das Sehvermögen be¬ 
trug circa ein Drittel der Norm. 

Man war nach dem klinischen Befund am meisten geneigt, 
eine im Durchbruch begriffene Dermoidcyste der Orbita anzu- 
nehmen. 

Da bei Beginn der Operation die gelbliche Spitze der Ge¬ 
schwulst perforirte und sich etwas Eiter entleerte, wurde zu¬ 
nächst die Perforationsstelle mit einer Sutur geschlossen uud die 
kegelförmige Spitze durch einen Seidenfaden abgebunden, so 
dass sich nichts mehr entleeren konnte. Nach der Erweiterung 
ler äusseren Lldcommissur durch einen Scheerenschnitt wurde 
die Bindehaut rings um die Spitze des Tumors durchtrennt und 

Original frnrri 

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64 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


die Geschwulst freigelegt. Die eine derbe Kapsel besitzende Ge¬ 
schwulst liess sich verhilltnissmUssig leicht, theils durch stumpfes 
Lösen, theils durch einige Sclieereuschnitte ohne nennenswerthe 
Blutung ausschiilen. Ihr hinteres Ende reichte tief in die. 
Orbita hinein. Die Conjunctivalwunde wurde durch 3 Suturen, 
der gespaltene äussere Lidwinkel durch 2 Suturen geschlossen. 
Die Heilung verlief glatt. Am 11. Tage nach der Operation konnte 
ler Knabe mit starker Ptosis und Beweglichkeitsbeschränkung 
des Auges nach oben entlassen werden. Der gehärtete Tumor, 
der etwa 3,5 cm lang und 2 cm dick war, wurde in der Mitte 
durchschnitten. Man erkannte nun, dass die Geschwulst aus einer 
derben, 3 mm dicken Kapsel bestand und aus einem ebenfalls für 
sich zusammenhängenden weicheren Inhalt, in dem schon makro¬ 
skopisch eine gefaltene Membran sich abgrenzen liess. 

Mikroskopisch besteht die Kapsel aus einer dicken Lage 
sklerosirten, aber stark eitrig iniiltrirten Bindegewebes. Die 
Fibrillen sind durch gleichmässige Züge von Leukocyten aus¬ 
einander gedrängt und aufgelockert. Neben der diffusen, in 
den innersten Schichten am dichtesten Infiltration sind auch noch 
zahlreichere circumscripte, etwas grössere Infiltrationsherde, 
zum Theil in deutlicher Knötchenform ausgelagert. Die äusseren 
Lagen der Kapsel bestehen ans infiltrirtem jungem Bindegewebe. 
Ausserdem finden sich zum Theil ln der Kapsel eingeschlossene, 
zum Theil in deutlicher Knötchenform eingelagert. Die äusseren 
Muskelgewebe, dessen Fasern verschieden hochgradig hyalin 
degenerirt sind. Auch infiltrirtes und mit Granulationsgewebe 
durchsetztes Fettgewebe grenzt an die Kapsel. Der inneren 
Oberfläche haften stellenweise homogene oder feinkörnige 
Detritusmassen an. Der Inhalt der Kapsel besteht aus einer 
stark gefalteten, mehrfach unterbrochenen, regelmässig ge¬ 
schichteten Membran, die ohne Weiteres als die veränderte Cysten¬ 
wand eines Echinococcus anzusprechen ist. Die gefaltete Mem¬ 
bran Ist in ein Exsudat eingebettet, das aus feinkörnigen geron¬ 
nenen Eiweissmassen und zahlreichen, gleiclimässig vertheilten 
Zellen besteht. Die Zellen haben verschiedene Form; man er¬ 
kennt einfache Rundzellen und mehrkörnige Eiterkörperchen, 
daneben Fettkörnchenzellen und Zellen mit grossem Protoplasma¬ 
leib, in deren Innern feinkörnige, zum Theil noch mit Eosin färb¬ 
bare Partikelchen verschiedenster Art eingeschlossen sind, da¬ 
neben grosse Zellen mit mehreren Kernen, Zellen mit hyalinem 
Inhalt etc. Die verschiedenartigen Zellen deuten darauf hin, dass 
eine lebhafte Resorption des Geschwulstinhalts im Gange war. 
Die Chitinmembran selbst erscheint vielfach durch Leukocyten 
deutlich angenagt, durch eingedmugene Zellmassen aufgelockert 
und aufgeblättert; einzelne an das Exsudat grenzende Schichten 
sind feinkörnig verändert und im Zerfall begriffen. Auch gegen 
Farbstoff verhalten sich einzelne Schichten verschieden, woraus 
man auf gewisse chemische Veränderungen schliessen kann. In 
dem Exsudat, das sämmtliche Falten der Membran ausfüllt, 
finden sich des Weiteren zahlreiche freie Köpfchen mit deutlichem 
Hakenkranz und Saugnäpfen, die zum Theil durch Leukocyten- 
einwanderung bereits stark verändert und ebenfalls in Resorp¬ 
tion begriffen sind. 

Grössere Riesenzellen wurden weder in der Kapsel noch in 
dem Exsudat der Blase angetroffen. 

Nach dem mikroskopischen Befund lag also ein Echino¬ 
coccus der Augenhöhle vor, der spontan abgestorben und in voller 
Resorption begriffen war. Die starke Entzündung mit aus¬ 
gesprochen eiterigem Charakter ist allein auf die entzündung- 
erregende Wirkung des Entozoons zu beziehen. 

Der Vortragende demonstrirt die Präparate seines Falles 
und besprach an der Hand der bisher bekannten Fälle zusammen¬ 
fassend das Vorkommen, die Symptomatologie, die Diagnose und 
Therapie der Echinococcenerkrankung der Augenhöhle. 


Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Officielles Protocoll.) 

Sitzung vom 5. Decmber 1899. 

Vorsitzender: Herr Curschmann. 

Schriftführer: Herr Braun. 

Herr R i e h 1 hält den angekündigten Vortrag über Ichthy- 
osis in klinischer Beziehung. 

Einleitend bemerkt R., dass die Ichthyosis von Seiten des 
praktischen Arztes mehr Beachtung verdient, als sie bisher 
gefunden. 

R. schildert die Formen der Ichthyosis und der verwandten 
resp. ähnlichen Proeesse. Verlauf, Therapie, Anatomie und 
Aetiologie. 

Ausführlicher werden die localisirten Ichthyosisformen be¬ 
sprochen — so die Ichthyosis der Flachhände und Füsssohlen, 
der behaarten Kopfhaut, der Brauen, Lider etc. 

Differentialdiagnostisch werden besonders die Nervennaevi, 
D a r i e r’s Krankheit, Porokeratitis, Hauthörner, Schwielen, 
Keratoma palmare hered., die Pachydermie u. a. verglichen und 
Bilder, Moulagen und lebende Kranke demonstrirt, 

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Ebenso wird die Besprechung der Ichthyosis foetalis und 
ihrer Beziehung zur Ichthyosis vulgaris durch Demonstration 
zweier Neugeborener und mehrerer Abbildungen illustrirt. 

Bezüglich der Häufigkeit der Ichthyosis theilt R. mit, dass 
in Sachsen spec. bei der kleineren Rasse der Bevölkerung Ich¬ 
thyosis ausserordentlich häufig, wenn auch in geringer Intensi¬ 
tät, gefunden werde. R. sieht auch Ichthyosis serpentina in 
seiner Poliklinik häufiger als in Wien. 

Eingehend bespricht R. die Complieationen der Ichthyosis. 
Da diese andere Krankheiten keineswegs ausschliesse, seien auch 
Complieationen nicht selten. Einerseits übt die Ichthyosis Ein¬ 
fluss auf complieirende Krankheiten, andererseits wird sie selbst 
beeinflusst. 

(Demonstration von Furuneulosis und Akne mit Ichthyosis 
bei zwei Patienten.) 

Fieberhafte Allgemeinkrankheiten oder entzündliche Local¬ 
erkrankungen können die Ichthyosis in toto oder theilweise 
bessern oder zum Schwinden bringen, z. B. Erysipel etc. oder 
Variola, Morbilli (II e b r a). 

Nicht selten sei die Combination von Ichthyosis und Psoria¬ 
sis; sie bedingt keine Vermehrung der Schuppenauflagerung, 
sondern meist Abstossung derselben, ja Nässen. Ichthyotische 
Psoriasiskranke sind gegen Chrysarobin und Pyrogallustherapie 
sehr empfindlich, erkranken leicht an Erythema und Dermatitis. 

Die wichtigste Complication ist die mit Ekzem. Sie ist 
schon vielfach erwähnt, aber mehr als Folge des Kratzens oder 
zufällige und seltene Complication aufgefasst worden. 

Ekzem ist nach R. eine sehr häufige Begleiterscheinung 
der Ichthyosis, da aber besonders die niederen Entwicklungs¬ 
grade der Ichthyosis für Ekzem disponiren, werde dies meist 
übersehen. 

Die Ichthyosis leichten Grades bildet geradezu das häufigste 
prädisponirende Moment in Fällen von hartnäckig recidiviren- 
dem Ekzem und ist oft die Ursache der Erblichkeit der Ekzem¬ 
disposition in Familien (Herpetismus, Arthritismus der älteren 
französischen Autoren). 

Dieses Ekzem befällt namentlich die von ichthyotischen 
Veränderungen frei gebliebenen Beugen der grossen Gelenke 
(öfters scharf begrenzt), Hände und Gesicht, zeigt grosse Nei¬ 
gung zu Recidiven und zu chronischer Verdickung der Papillar- 
schicht. 

Die Haut Ichthyotischer ist weit empfindlicher als normale 
Haut, daher sind bei Ichthyosiskranken Gewerbeekzeme sehr 
häufig. 

R. weist auf analoge Disposition der Prurigokranken hin. 

Ichthyosisekzeme widerstehen der macerirenden Behandlung 
hartnäckig, heilen aber prompt auf Theer- und Schwefelbehand¬ 
lung, selbst weim diese Mittel im Stadium des Nässens an¬ 
gewendet werden. 

Besserung der Ichthyosis durch sorgfältige Hautpflege 
bessert auch die Neigung zur Ekzemerkrankung. 

(Demonstration mehrerer Kranker.) 

Herr Littauer stellt 2 Fälle „nicht puerperaler Osteo- 
malacie”, die er mit Phosphor behandelt hat, vor; die eine Pa¬ 
tientin ist seit zwei Jahren geheilt, die andere, seit 1 / 4 Jahr in 
Behandlung stehende, ist wesentlich gebessert. 

Im Anschluss an die Vorstellung erwähnt Vortragender, dass 
die Zahl der Osteomalaciefälle von Jahr zu Jahr beträchtlich 
zunähme, dass die Verbreitung der Osteomalacie eine ziemlich 
allgemeine geworden sei und dass bereits 42 Fälle viriler Osteo¬ 
malacie bekannt seien. 

Die Erkrankung hängt meist mit den Zeugungsvorgängen 
zusammen; für die „nicht puerperalen Formen“ gibt es zur Zeit 
keine genügende Erklärung. 

Bei schwangeren Frauen haben die anatomischen Unter¬ 
suchungen II a n a u’s eine physiologische Osteomalacie ergeben. 
Die Therapie der Osteomalacie hat lange im Argen gelegen, bis 
Fehling erkannte, dass die Castratiou die Krankheit heilen 
könne. Gegenüber 20 Proc. Heilungen in früherer Zeit kann 
man durch Wegnahme der Ovarien 83,1 Proc. Heilung erzielen. 

Die Untersuchung der Eierstöcke Osteomalacischer hat als 
wesentlichen Befund hyaline Degeneration, namentlich der Ge- 
fässe, ergeben, doch kann man hierbei nicht von einer typischeu 
Erkrankung reden. 

Dass ein Zusammenhang zwischen Keimdrüsen und Knochen¬ 
wachsthum besteht, ist sicher; für die Beziehungen det Osteo- 

Üriginal fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


65 


malacie zu den Ovarien sind wir aber nur auf Hypothesen an¬ 
gewiesen. Die Einen meinen, die Wirkung der Castration liege 
allein in der anticipirtcn Climax; Andere (Fehling) erklären 
die Osteomalacie für eine von erkrankten Ovarien reflectorisch 
ausgelöste Trophoneurose, während Kehrer neuerdings einen 
von den Eierstöcken producirten, die Knochensubstanz lösenden 
Körper anschuldigt. 

Aehnliche Wirkung wie die Castration erzielt bei der Osteo¬ 
malacie ein chemischer Körper, nämlich der Phosphor, jedoch 
nur dann, wenn er nach Sternberg genügend lange Zeit in 
grossen Dosen verabreicht wird. 

Die Phosphortherapie ist unbequemer und unsicherer als 
die Castration; sie ist aber weniger gefährlich und lässt den 
Frauen functionirende Ovarien. 

Bei fehlschlagender Phosphortherapie kann noch immer die 
Castration vorgenommen werden, während andererseits auch 
schon einige vergeblich mittels Castration behandelte Frauen 
durch Phosphor Genesung fanden. 


Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht.) 

Wien, 30. December 1899. 

Eine neue medicinische Rigorosenordnung. — „Bere¬ 
nice“-Kaffee,. — Mehr gynäkologische Abtheilungen. — 
Prof. Schenk entfernt. 

Das neue Jahr hat die Publieation einer neuen Rigorosen¬ 
ordnung gebracht, welche das Resultat jahrelanger Berathungen 
der maassgebenden Corporationen ist. Die bisher in Wirksam¬ 
keit befindliche Prüfungs- und Studienordnung datirt seit dem 
Jahre 1872, war aber schon seit langer Zeit reformbedürftig, 
da sie Uebelstände in ihrem Gefolge hatte, welche die wün- 
schenswerthe praktische Ausbildung der Medioiner geradezu 
unmöglich machte. Folgende Reformen greifen Platz. 

Die drei Collegien in Zoologie, Botanik und Mineralogie 
und die entsprechenden Prüfungen aus diesen drei Fächern 
entfallen in Hinkunft. An deren Stelle kommt eine Prüfung 
aus allgemeiner Biologie, welche dem ersten Rigorosum orga¬ 
nisch einverleibt wird. Das ist ein Fortschritt, da der Mediciner 
von heute die ersten 4 Semester mit den „Vorprüfungen“ (Ten- 
tamen physicum) verzettelte und hiebei seinen Studien in Ana¬ 
tomie und Physiologie nicht vollkommen gerecht werden konnte. 
Das gesammte Studium umfasst — wie bisher — 10 Semester. 
Nach 4 Semestern kann der Studirende das 1. Rigorosum (Ana¬ 
tomie, Physiologie, Chemie , Histologie — alle vier Disciplinen 
mit gleichzeitigen theoretischen und praktischen Prüfungen — 
endlich allgemeine Biologie und Physik) ablegen; er muss es 
aber nicht, doch zählt ihm nicht die etwa durch Nichtablegung 
des ersten Rigorosums verlorene Zeit, da der zweite Studien¬ 
abschnitt mindestens 6 Semester umfassen muss. Das erste 
Rigorosum verliert seine Giltigkeit, wenn das zweite Rigorosum 
5 Jahre nach Ablegung des ersten noch nicht begonnen wurde. 

Das zweite und dritte Rigorosum können — wie bisher — 
erst nach lOsemestriger Studienzeit abgelegt werden: neu ist, 
dass diese 2 Rigorosen eine grosse Einheit in dem Sinne bilden, 
dass sie beide in der Maximalzeit von 6 Wochen absolvirt sein 
müssen. Das z w e i t e Rigorosum umfasst also eine Uebersichts- 
prüfung aus Anatomie und Physiologie, eine praktische und 
theoretische Prüfung aus pathologischer Anatomie imd patho¬ 
logischer Histologie, dann Pharmakologie u. Receptirkunde, end¬ 
lich — wieder neu — Hygiene. Das dritte Rigorosum, welches 
innere Medicin, Chirurgie, Geburtshilfe, Augenheilkunde, Psy¬ 
chiatrie, Kinderheilkunde, Dermatologie und Syphilis und gericht¬ 
liche Medicin umfasst, wird in der Weise abgehalten, dass für 
die ersten beiden Gegenstände eine getrennte praktische und 
theoretische Prüfung eingeführt wird; doch wird für dieses 
Rigorosum eine grössere Vorbildung in Geburtshilfe und Gynä¬ 
kologie wie bis jetzt verlangt, da diesem Gegenstände nunmehr 
zwei klinische Semester (bisher eines) gewidmet w r erden müssen. 
Diese praktischen Prüfungen in der internen Medicin werden 
sich — nicht wie bisnun über je V* Stunde, sondern — über 
2 Tage erstrecken, so dass sich der Examinator von den Kennt¬ 
nissen des Examinanden auch gründlich überzeugen kann. 
Schliesslich werden auch eine Neuerung — die ausserordent¬ 
lichen Professoren und Docenten als Examinatoren herangezogen 
werden. 

Man hofft, dass durch diese neue Prüfungsordnung eine 
Vertiefung und Verbreiterung des Wissens und Könnens des 
Arztes erzielt werden wird, man wünscht den Mediciner so aus- 

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ziibilden, dass er als denkender, selbständiger Mann mit prak¬ 
tischen Kenntnissen und Fertigkeiten reich ausgerüstet die 
Hochschule verlässt. Ob dieses Resultat auch wirklich erreicht 
werden wird, das können wir heute nicht erörtern; das Eine 
ist sicher, dass der künftige Mediciner vom ersten Tage ab und 
recht viel wird arbeiten müssen, um in Ö'^ — 6 Jahren sein 
Ziel zu erreichen. Das Studium der Medicin wird also in 
Oesterreich um Vieles erschwert sein. Die neue Rigorosen- 
Ordnung tritt vom nächsten Schuljahre an (1900/1) in Wirk¬ 
samkeit. 

Unter dem Schlagworte: „Berenice“-Kaffee haben die poli¬ 
tischen Zeitungen Wien’s jüngst die sanitäre Behandlung des 
Lloyddampfers „Berenice“, der bekanntlich einige Pestfälle an 
Bord hatte, ehe er in Triest landete, und der hauptsächlich 
Kaffeeballen als Ladimg führte, in spaltenlangen Artikeln be¬ 
sprochen. Nunmehr liegt hierüber der officielle Bericht vor, 
welcher lautet: „Nach Ankunft des Schiffes im Seelazarathe 
Valle S. Bartolomeo wurde dasselbe noch vor Eröffnung der 
Laderäume einer eingehenden Revision und Desinfection unter¬ 
zogen. Ratten waren während der letzten Wochen der Fahrt 
von der Schiffsmannschaft an Bord nicht beobachtet worden, 
auch konnten lebende Ratten bei den seit der Ankunft des 
Schiffes im Lazarethe eitrigst gepflogenen Durchsuchungen 
nicht vorgefunden werden. Die Löschung der Ladung erfolgt 
im Lazarethe, und hängt die endgiltige Entscheidung über die 
weitere Behandlung derselben von dem bei der Löschung sich 
ergebenden sanitären Befunde ab. Das im Lazarethe befindliche 
ärztliche und Wärterpersonal, sowie die zur Durchführung der 
Löschungsarbeiten aufgenommenen Hafenarbeiter wurden durch 
Injection von Pestserum immunisirt. Die Arbeiten, welche vor 
zehn Taigen in Angriff genommen wurden, und ungefähr drei 
Wochen in Anspruch nehmen dürften, werden unter strenger 
ärztlicher Aufsicht vorgenommen: Die bisher ausgeladenen 
Kaffeesäcke zeigen keine Spur einer Annagung oder 
Verunreinigung von Ratten. — Der Gesundheitszustand 
der Schiffsmannschaft, sow r ie der Hafenarbeiter und aller übrigen 
im Lazarethe befindlichen Personen ist ein andauernd günstiger. 
Die mit dem Schiffe heimgesandte Ausw r andererfamilie wurde 
nach zehntägiger ärztlicher Uebenvachung im Lazarethe unter 
den entsprechenden Vorsichtsmaassregeln in ihre Heimath nach 
Avio, Bezirk Rovereto, befördert, wo sie bereits eingetroffen 
ist. Die Reinigungs- und Desinfectionsarbeiten wurden ununter¬ 
brochen fortgesetzt; dieselben sind nunmehr bis auf jene in den 
Laderäumen durchgeführt.“ — Man denkt also nicht daran, 
w as von einzelnen politischen Zeitungen allen Ernstes in Vor¬ 
schlag gebracht wurde, den gesammten „Berenice“-Kaffee zu 
vernichten, man hofft, die werthvolle Ladung durch sanitäre 
Maassnahmen ohne Schädigung der Bevölkerung retten zu 
können. 

Da es nur wenige gynäkologische Abtheilungen in den 
grossen öffentlichen Spitälern Wien’s gibt, das reiche Material 
also sich an den Kliniken ‘ zusammendrängt und dasselbe kaum 
aufgearbeitet werden kann, sicherlich aber nur w’enig zur 
Heranbildung tüchtiger Fachmänner in dieser so eminent 
wichtigen Disciplin der Medicin verwendet w r ird, hat sich der 
oberste Sanitätsrath jüngst mit dieser Frage eingehend be¬ 
schäftigt und hat die Förderung der fachmännisch gynäkologi¬ 
schen Behandlung, insbesondere in den Krankenanstalten Wien’s 
durch Vermehrung der gynäkologischenAbtheilun- 
gen beantragt. An tüchtigen Gynäkologen, welche diesen vu 
creirenden Abtheilungen vorstehen könnten, hat es in Wien 
keinen Mangel. 

Vor circa 2 Jahren erschien eine aufsehenerregende Bro¬ 
schüre des ordentlichen Professors der Embryologie in Wien, 
des Dr. L. Schenk, in welcher eine neue Theorie entwickelt 
wurde, wie das Geschlecht des Kindes schon in utero beein¬ 
flusst werden könnte. Man wird sich wohl erinnern, dass 
Schenk behauptete, durch Regelung der Ernährung des Weibes 
während der ersten Wochen der Schwangerschaft (Ueber- resp. 
Unterernährung) nach Belieben ein w eibliches oder männliches 
Kind erzielen zu können. Es braucht w r ohl nicht gesagt zu 
w T erden, dass die Unhaltbarkeit dieser Theorie bald von allen 
Seiten dargelegt wurde. Damit war aber nicht die ganze Sache 
abgethan. Die Art und Weise, in welcher Professor Schenk 
seine „Erfindung“ in den politischen Zeitungen bekannt gab, 
■ resp. durch Inspirirung der Tagesblätter bekannt geben liess, 
erregte den lebhaften Unwillen der Aerzte Wiens, so dass selbst 
die damalige Aerztekammer, welcher Professor Schenk nicht 
angehörte, die Angelegenheit dem medicinischen Professoren- 
, collegium an’s Herz legte. Eine Disciplinaruntersuchung gegen 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



66 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Professor Schenk, die in der Richtung geführt wurde, oh 
Schenk „für seine angeblich wissenschaftliche Entdeckung um 
seines geschäftlichen Vortheiles willen Reelame gemacht habe“, 
endete damit, dass er vor dem akademischen Senate eine Rüge 
erhielt. Das Professorencollegium begnügte sich aber nicht 
damit, sondern stellte heim Unterrichtsministerium noch den 
Antrag, man möge Professor Schenk von der Universität 
amoviren resp. ihn pensioniren. Monate lang lag dieser Act, 
jetzt wurde die Sache acut. Das Unterrichtsministerium theilte 
dem Collegium vor einigen Tagen mit, es nehme den Spruch 
des Disciplinarrathes zur Kenntniss, wünsche sodann, dass dem 
Professor Schenk nahegelegt werde, aus Gesundheitsrücksichten 
freiwillig in den Ruhestand zu treten; sollte Professor Schenk 
dies nicht tliun, dann werde das Ministerium die Pensionirung 
verfügen. Gleichzeitig verfügte das Ministerium, dass Professor 
Schenk einen Urlaub auf unbestimmte Zeit anzutreten und 
damit die Leitung des embryologischen Institutes niederzulegen 
habe. Letzteres hat Schenk sofort gethan. 

Verschiedenes. 


Frequenz der deutschen medicinischen Facultäten. 
Winter-Semester 1899/1960. 1 ) 


1 

1 

| Winter 1898/99 | 

| Sommer : 

1899 | 

Winter 1899/1900 

j In- I Aus- 1 ) 1 
ÜRnder IRnder 

Summa 

Iu- 1 Aus--) 
iRnder lRnder® umma 

. Summa 

IRnderi IRnder, 

Berlin 

783 

307 

1090 

914 

397 

1311 

909 

i 

437 

1346 

Bonn 

318 

19 

337 

240 

12 

1 252 

237 

7 

244 

Breslau 

350 

14 

364 

313 

8 

321 

240 

20 

260 

Erlangen 

140 

176 

316 

160 

165 

325 

154 

145 

299 

Freiburg 

82 

364 

446 

107 

287 

394 

öl 

235 

3^ 

Giessen 

86 

143 

229 

79 

136 

215 

67 

97 

164 

Göttingen 

175 

50 

225 

171 

48 

222 

155 

45 

200 

Greifswald 

298 

25 

323 

— 

— 

318 

261 

27 

1 288 

Halle 

200 

45 

245 

197 

44 

241 

221 

4 

1 225 

Heidelberg 

55 

217 

212 

69 

171 

240 

67 

186 

1 253 

Jena 

59 

153 

212 

56 

138 

194 

52 

110 

162 

Kiel 

306 

122 

428 

253 

68 

321 

267 

93 

360 

Königsberg 

220 

29 

249 

219 

29 

248 

222 

17 

239 

Leipzig 

299 

287 

586 

315 

328 

643 

299 

328 

627 

Marburg 

224 

50 

274 

217 

53 

270- 

180 

44 

224 

München 

458 

724 

1182 

439 

642 

1081 

462 

636 

1098 

Rostock 

51 

45 

99 

82 

23 

105 

60 

45 

105 

Strassburg 

163 

161 

324 

172 

163 

335 

170 

145 

315 

Tübingen 

133 

145 

278 

148 

113 

261 

150 

121 

271 

Würzburg 

176 

451 

627 

198 

452 

650 

176 

376 

552 

Zusammen 

H 

3277 

7947 

4540 

3334 

7874 

4430 

3118 

7548 


*) Nach amtlichen Verzeichnissen Vergl. d. W. 1899, No. 29. 

2 ) Unter Ausländern sind hier Angehörige anderer deutscher 
Bundesstaaten verstanden. 


Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher. 
Unserer heutigen Nummer liegt das 99. Blatt bei: F. V. Birch- 
Hirschfeld. Nekrolog siehe Seite 35. 

Therapeutische Notizen. 

Chrysarobin als Specificum gegen Warzen. G. M. 
Fitz empfiehlt, die Hautwarzen nach Abtragung der oberen Schichten 
mittels Messer, Glas oder Sandpapier bis Blutung eintritt, Abends 
mit einer lOproc. Chrysarobin-Oollodiu in- oder Aetherlösung einzu¬ 
pinseln. Nach ein- bis höchstens dreiwöchentlicher Behandlung 
tritt Heilung ohne Narbenbildung ein. Hühneraugen werden durch 
diese Frocedur nicht beeinflusst. (Boston, med. and surg. Journal, 
29. Juni 1899.) F. L. 

Spargel als Diureticum, Die allgemein bekannte harn¬ 
treibende Eigenschaft des Spargels wurde von Hare-Philadelphia 
einer klinischen Prüfung unterzogen. Er verwandte ein von Parke, 
Davis & Co. hergestelltes Fluidextract und constatirte unterdessen 
Anwendung rasches Schwinden eines allgemeinen Hydrops mit 
Anasarka in Folge von Lebercirrhose und in einem anderen Falle 
von Hydrops bei Mitralinsufficienz eine Steigerung der Diurese von 
700 auf 1200 ccm pro die, so lange die Mediation erfolgte. Die 
Dosirung des Mittels bestand in der auf drei Portionen vertheilten 
Darreichung von 10 g des Extractes pro die. (Therapeutic Gazette, 
September 1899.) F. L. 

Localbehandlung der Otitis media mit Acetanilid. 
G. F. Li bby-Portland hat seit drei Jahren Versuche mit der An. 
wendung feinpulverisirten Acetanilids bei acuten und chronischen 
Mittelohreiterungen angestellt und damit sehr befriedigende Resul¬ 
tate erzielt. Z Die Krankengeschichten von 10 aus einer Serie von 
75 nach dieser Methode behandelten Fällen werden mitgetheilt. 

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L. ist ein Gegner der allgemein üblichen Ausspritzung des Ohres, 
welche er nur bei Fremdkörpern und Ceruminalpfröpfen angewendet 
wissen will. An deren Stelle verwendet er Wasserstoffsuperoxyd, 
dessen mechanisch reinigende und desinficirende Wirkung das Feld 
für das gleichfalls antiseptisch wirkende und austrocknende Acet¬ 
anilid vorbereitet. (Medical News, 14. October 1899.) F. L. 

Milchsäure gegen Fluor. Ausgehend von derThatsache» 
dass der Vaginalschleim unter normalen Verhältnissen saure Re’ 
action zeigt, welche auf den Gehalt an Milchsäure zurückzuführen 
ist, zog Sneguirew den Schluss, dass d’eser Säure eine natür¬ 
liche antiseptische und antibacterielle Wirkung zukomme. Die darauf¬ 
hin angestellten Versuche ergaben, dass durch Anwendung von 
Irrigationen mit einer 3 proc. Lösung von Acid. lact. in kürzester 
Zeit profuse und übelriechende Leukorrhoen zum Schwinden ge¬ 
bracht wurden. Milchsäure in Substanz oder Lösung direct in den 
Cervix oder das Cavum uteri gebracht, bewirkten unter starker 
Epithelabstossung Heilung endocervicaler und endometritischer 
Entzündungsorscheinungen. Ueber einen Einfluss der Milchsäure 
auf Gonococcen wird nichts erwähnt. (Journ. de m6d. de Paris, 
30. Juli 1899.) F. L. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 9. Januar 1900. 

— Der Verwultungsrath des Pensious Vereins für 
Witt w e n und Waisen bayer. Aerzte hat nach dem Ab¬ 
leben seines verdienten Vorstandes Hofrath Schnizlein au 
dessen Stelle Obermediciualrath Prof. Bollinger, als stell¬ 
vertretenden Vorstand Hofrath Dr. Stiel er und als Cassier 
Prof. Dr. S c h e c li gewählt. 

— Der Ausschuss der preussischen Aerztekammern hat sich in 
seiner Sitzung vom 9. December 1899 mit der ,,Tabletten- 
frage“ beschäftigt. Die Berl. klin. Wochensclir. thellt darüber 
Folgendes aus dem Protokoll mit: 

„Punkt 3 der Tagesordnung betrifft die Anfrage des Herrn 
Ministers über die Verwendung zusammengesetzter Tabletten. 
Den hierzu vorliegenden schriftlichen Bericht von Körner- 
Breslau vertritt l’artsch. Er bedauert, dass die Aerztever- 
tretung zu diesem Gegenstände erst nachträglich gehört wird, 
und bittet in dem Antwortschreiben an den Herrn Minister dies 
hervorzuheben. Eine allgemeine Besprechung wird nicht beliebt. 
Die Schlussätze des Referats werden in folgender Form an¬ 
genommen: 

1. Das ursprüngliche Verbot Ist aufzuheben, weil es a) ganz 
unklare Verhältnisse schafft und ganz willkürlich gegen einzelne 
Arzneiformen sich wendet mit Gründen, die gegen andere ähn¬ 
liche Formen nicht geltend gemacht werden, obwohl diese dann 
alle logischer Weise aus denselben Gründen dem Verbot unter¬ 
liegen müssten, b) eine für die Kranken bequeme und billige Ver¬ 
ordnungsform trifft. 

2. Auch bei Einschränkung des Verbots auf Tabletten mit 
Stoffen aus den Tabellen B. und C. des Arzneibuches ist dasselbe 
nicht aufrecht zu erhalten a) weil dadurch die Unklarheit, 
an der das Verbot leidet, nicht geändert wird und ebenso wenig 
der Charakter desselben als Ausnahme, b) weil sich durch 
entsprechende Ueberwachuugen etwa zu befürchtenden Schädi¬ 
gungen der Kranken Vorbeugen lässt. 

3. Dagegen ist Sorge zu tragen: a) für geordnete, scharfe, 
sachverständige Controle der betreffenden Grossbetriebe und 
ihrer Erzeugnisse, etwa in ähnlicher Weise, wie das für Dlph- 
therieheilserum geschieht, b) für zw'eckmässige Vorschriften über 
das Vorrüthighalten dieser Tabletten in den Apotheken, e) für 
strenge Untersagung der Abgabe aller Tabletten, welche Stoffe der 
Tabellen B. und C. enthalten, im Hand verkaufe, d. h. anders als 
gegen schriftliche ärztliche Verordnung. 

Dagegen lehnt der Ausschuss ab, die Gewiihrung eines Zu¬ 
schlages beim Verkauf dieser Tabletten durch die Apotheker zu 
befürworten.“ 

— In die biologische Abtheilung des kaiserlichen Gesundheits¬ 
amtes sind Dr. Hiitner, bisher Assistent an der pflanzenpbysio- 
logischen Versuchsstation zu Tharandt und in die bacteriologische 
Abtheilung Dr. Tjaden, bisher Kreisassistenzarzt zu Giessen, zur 
comtnissarischen Beschäftigung berufen worden. — An Stelle der 
ausgeschiedenen Militärärzte, kgl. bayer. Oberarzt Dr. Martius und 
kgl. säciis. Stabsarzt Dr. Böder wurden der kgl. bayer. Assistenz¬ 
arzt Dr. Mayer und der kgl. sächs. Oberarzt Dr. Fritz sehe zur 
Dienstleistung am kaiserlichen Gesundheitsamt vom 1. Januar 1900 
ab commandirt. — Der kgl. preuss. Oberstabsarzt Dr. Mus eh old 
schied aus dem Commandoverhältniss zum Gesundheitsamt aus. 

— Die Geschäftsführung der 71. Versammlung deutscher 
Naturforscher und Aerzte in München hat nach nunmehr 
beendigter Abrechnung einen weiteren Beitrag von 2070 M. 80 Pf. 
für die Hochwasserbeschädigten in Bayern dem kgl. Staats¬ 
ministerium des Innern überreichen lassen. Die von Seiten der 
Naturforschervereammlung zu diesem Zweck überwiesenen Beiträge 
(die Bruttoeinnahmen aus den öffentlichen Vorträgen der Professoren 
Chun und Nansen, besondere während der Versammlung einge¬ 
zahlte Beiträge und die Einnahmen aus der Garderobe und dem 
Verkauf von Ansichtspostkarten) haben somit eine Gesfanmteumme 
von 10070 M, 80 Pt ergeben, 

Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




9. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


67 


— Die Deutsche medicinische Wochenschrift 
ist mit Beginn dieses Jahres in ihren 26. Jahrgang eingetreten. 
Das Jubiläum ihres 25 jährigen Bestehens feiert das Blatt durch 
Herausgabe einer Festnummer, in welcher eine Reibe berufener 
Autoren Rückblicke auf die Entwicklung der verschiedenen 
Zweige der Medicin in den letzten 25 Jahren geben. 

— Pest. Portugal. In Lissabon ist ein Soldat der dortigen 
Garnison, welcher in Porto auf Urlaub war, an der Pest erkrankt. 
Umfassende Desinfections- und Absperrungsmaassregeln wurden laut 
amtlicher Mittheilung vom 27. Dezember alsbald getroffen. — Britisch- 
Ostindien. In der Woche vom 25. November bis zum 2. Dezember 
v. J. hat die Pest erheblich abgenommen. Die Gesammtzahl der 
in der Berichtswoche gemeldeten, durch die Seuche herbeigeführten 
Sterbefälle betrug 1946 gegenüber 2080 in der Vorwoche. Die zuerst 
genannte Zahl schliesst jedoch annähernd 300 Fälle ein, welche im 
Staate Hyderabad früher erfolgt, aber erst jetzt zur Kenntniss der 
Behörden gelangt sind, ln der Stadt Bombay sind die Ziffern für 
die Peststerblichkeit innerhalb der gedachten Zeit von 136 auf 129 
und in den zu der gleichnamigen Präsidentschaft gehörigen ver¬ 
schiedenen Staaten und Bezirken von 1714 auf 1274 zurückgegangen. 
In den Centralprovinzen kamen 11, im Punjab keine Pesttodesfälle 
während der Berichtswoche zur Anzeige. Im Staate Mysore ist der 
Stand der Seuche unverändert geblieben, dagegen sind die Zahlen 
der gemeldeten Peststerbefälle in Kalkutta von 48 auf 52 und in 
der Präsidentschaft Madras von 17 auf 23 gestiegen. — Japan. 
Zufolge einer Mittheilung vom 21. November s : nd seit dem Auf¬ 
treten der Seuche in Kobe G Erkrankungen amtlich festgestellt, 
welche alle tödtlich verliefen. — Mozambique. In Magude hat laut 
amtlicher Nachricht vom 18. November die Pest immer noch nicht 
aufgehört, scheint sich indessen auf diesen Ort beschränkt zu haben. 
—• In Louren^o Marques ist kein pestverdächtiger Fall mehr vor¬ 
gekommen. Trotz der Ansammlung von mehreren Tausend Flücht- 
ÜDgen, deren Ernährung nur unvollkommen erfolgen kann, und 
trotz regnerischen Wetters ist dort der Gesundheitszustand gut. — 
Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des Nationalgesundheits- 
rathes zu Asuncion sind im Monat Oktober 27 Personen, davon 23 
in Asuncion, 4 in benachbarten Ortschaften an der Pest gestorben. 
Vom 3. bis 16. November kamen 8 Todesfälle an der Pest in und 
bei Asuncion zur Anzeige, ferner 6 erwieseno und 2 verdächtige 
Erkrankungen. V. d K G.-A. 

— In der 51. Jahreswoche, vom 17. bis 23. December 1899, hatten 
von deutschen Städten über 40000 Einwohner die grösste Sterblich¬ 
keit Altendorf mit 48,3, die geringste Dessau mit 10,8 Todesfällen 
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel a'.ler Ge¬ 
storbenen starb an Masern in Bamberg, Essen, Fürth, Köln, Nürn¬ 
berg; an Scharlach in Bochum und Elberfeld; an Diphtherie und 
Croup in Plauen. 

— Wie man in England jetzt Alles, was an Mannschaften auf- 
geboten werden kann, nach Südafrika entsendet, so wird auch 
die Hilfe von Civtlärzten zur Unterstützung des Sanitiitscorps 
jetzt ausgiebig in Anspruch genommen. Ausser den bereits an der 
Front befindlichen Chirurgen MacCormac, Treves und 
M a k i n s wurden jetzt noch Sir William Stokes, Watsou 
Olieyne, 6. L. Cheatle und Kendal Franks zu consul- 
tlrenden Chirurgen ernannt. Ferner wurden zahlreiche praktische 
Aerzte mit einem Gehalt von 1 L. St. pro Tag als Chirurgen für 
die Armee angeworben. Erstaunlich ist, dass die obengeuaunten 
consultirenden Aerzte, die jetzt doch wahrlich Arbeit genug be¬ 
kommen haben, Zeit finden, den Londoner Fachblättern ausführ¬ 
liche Berichte über ihre Thätigkeit zu senden. So bringt Brit. 
med. Journ. spaltenlange Berichte von M a k i n s vom Oranjefluss, 
Lancet solche von MacCormac. Beide betonen die ausser¬ 
ordentlich günstige Heiltendenz der durch Mauserkugeln gesetzten 
Wunden; von den am Modderfluss Verwundeten soll bereits ein 
Drittel geheilt sein. Makins erklärt, dass er nicht einen ein¬ 
zigen Fall gesehen habe, der auf eine explosive oder Dum-Dum- 
Kugel zurückzuführen sei. Der Lancet-Berichterstatter im Wyn- 
berg-Lazareth (Kapstadt) wundert sich darüber, dass Ver¬ 
letzungen der Wirbelsäule unter den am Modderflusse verwundeten 
Hochländern die häutigsten gewesen seien; die Erklärung für diese 
Thatsache ist doch nicht schwierig. Treves hat sich auf den 
Natal-Kriegsschauplatz begeben und wird sieh dort speciell der 
Behandlung von Bauchwunden widmen. Nach den Urtheilen der 
englischen Fachpresse haben sich die Vorkehrungen des englischen 
Sanitütscorps auch den jetzt gesteigerten Anforderungen gegen¬ 
über als genügend erwiesen, die Times dagegen klagt in jüngster 
Zeit über Unzulänglichkeit der Lazaretlieinrichtungen in Wyn- 
berg-Kapstadt. Das Verhältnis zwischen Todten und Ver¬ 
wendeten auf englischer Seite, das wir in No. 52 v. J. auf 1 :5,3 
angegeben haben, hat sich inzwischen nach den letzten grossen 
Schlachten verschlechtert, es beträgt nach Brit. med. Journ. jetzt 
1 :3,6, während der bisherige englische Gesammtverlust ebenda 
auf 908 Todte, 3524 Verwundete und 2321 Vermisste, zusammen 
auf 6813 Mann, einschliesslich 438 Ofüciere, angegeben wird. 

(Hochschulnach richten): 

Berlin. Prof. Dr. Gustav Fritsch, bisher ausserordentlicher 
Professor für mikroskopische Anatomie an der Berliner Universität 
und Vorsteher der Abtheilung für Histologie am physiologischen 
Institut, ist zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt worden. — 
Privatdocent Dr. Windisch, bisher technischer Hilfsarbeiter im 
Kaiserl. Geundheitsamt ist zum Vorstand der oenochemischen Ver- 
Buchstation in Geisenheim a/Rhein ernannt worden. 

B r e 81 a o. Privatdocent Dr. Arthur G r ö n o u w (Ophthalmologe) 
wurde zum Professor ernannt. 

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Freiburg i. B. Dr. Otto Manz, Assistent der chirurgischen 
Klinik, hat sich als Privatdocent für Chirurgie habilitirt. Geheim¬ 
rath He gar feierte am 6. ds. seinen 70. Geburtstag. 

Heidelberg. Der Professor der Chemie, Geheimrath Curtins, 
erhielt das Ritterkreuz vom Orden Berthold I. Der Professor des 
patholog. Anatomie, Geheimrath Arnold, erhielt das Commandeur- 
kreuz I CI. vom Orden vom Zähringer Löwen. Der Professor der 
Hygiene, Hofrath Kn auf f, wurde zum Geheimen Hofrath ernannt. 

Basel. Die ausserordentlichen Professoren an der hiesigen 
Hochschule Dr. L. G. Courvoisier (Chirurgie), Dr. Karl Mel- 
linger (Ophthalmologie) wuirden zu ordentlichen Professoren er¬ 
nannt. 

Dorpat. Der ausserordentliche Professor der Geburtshilfe 
und Gynäkologe an hiesiger Universität, Dr. Muratow, ist zum 
ordentlichen Professor ernannt worden, 

Florenz. Dr. M. Salaglii, bisher Privatdocent an der medi- 
cinischen Facultät zu Neapel, habilitirte sich für Orthopädie an der 
medicinischen Schule. 

Genf. Dr. L. Bard, Professor der Hygiene an der medici- 
nischen Facultät zu Lyon, wurde zum Professor der medicinischen 
Klinik ernannt. 

Graz Der aussero r dentliche Professor der Ohrenheilkunde 
an hiesiger Universität Dr. J. Hab er mann ist zum ordentlichen 
Professor ernannt worden. 

Kasan. Habilitirt: Dr. W. A. Arnoldow für Hygiene. 

Kopenhagen. Dr. Rovsing wurde zum Professor der 
Chirurgie ernannt. 

Moskau. Habilitirt: Dr. V. F. Poliakow für Krankheiten 
der Respirationsorgane. 

Neapel. Habilitirt: Dr. G. BelliBari für Neurologie. 

Wien. Professor Dr. Hofmokl, seit 1885 Professor der 
Chirurgie, ist aus Gesundheitsrücksichten um seine Pensionirung 
eingekommen. 

(Todesfälle.) ln Düsseldorf starb am 31. vor. Mts. der aus¬ 
gezeichnete Augenarzt, Geh. Medicinalrath Professor Dr. Albert 
Mooren, im Alter von 71 Jahren. 

In London starb im Alter von 85 Jahren Sir James Paget, 
einer der hervorragendsten Chirurgen der älteren englischen Schule, 
der sich hauptsächlich durch seine pathologisch-anatomischen und 
histologischen Untersuchungen berühmt gemacht hat. 


Generalrapport Uber die Kranken der k. bayer. Armee 

für den Monat November 1899. 


Iststärke des Heeres: 

64 964 Mann, 16 Invaliden, 209 Kadetten, 149 Unteroff.-Vorschüler. 


1. Bestand w r aren am 

31. October 1899: 

Mann 

Invali¬ 

den 

Kadetten 

Unter- 

Offlzier- 

vor- 

sehiiler 

1366 

2 

6 

2 

2. Zugang: j 

[ im Lazareth: 

im Revier: 

[ in Summa: 

1617 

4011 

5628 

1 

1 

2 

21 

23 

23 

23 

Im Ganzen sind behandelt : 

°/oo der Iststärke: 

6994 

107,6 

3 1 
187,5 1 

29 

138,7 

25 

167,7 

3. Abgang: < 

dienstfähig: 

u /oo der Erkrankten: 

gestorben: 

°/uo der Erkrankten: 
invalide: 

dienstunbrauohbar: 
anderweitig: 

, in Summa: 

4761 

680,7 

5 

0,71 

32 

158*) 

252 

5208 

1 

333,3 

1 

24 

827,6 

24 

1 23 
! 920,0 

23 

4. Bestand 
bleiben am 
30. Nov. 1899. 

f in Summa: 

°/oo der Iststärke: 

1 davon im Lazareth: 

1 davon im Revier: 

1786 

27,5 

1115 

671 

2 

125,0 

2 

5 

23,9 

5 

2 

13,4 

2 


Von den in Ziffer 3 aufgefiihrlen Gestorbenen haben gelitten 
an: Acuter Miliarluberculose 1, Lungentuberculose 2, Magen- und 
Lungenkrebs 1, Lungenentzündung 1. 

Ausserdem endeten 2 Mann durch Selbstmord, davon 1 durch 
Erschiessen, 1 durch Erhängen. 

Der Gesammtverlust der Armee durch Tod betrug demnach im 
Monat November 7 Mann. 


*) Darunter 132 gleich bei der Einstellung. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Dr. Heinrich Beer, approb. 1893, hier. 
Verzogen: Dr. Ernst Meixner von Michelau nach Birkenfelp« 
Dr. Wolfgang Kaspar, approb. 1893, von Frankenthal nach Wörth 
a. M. Dr. Ar c li e n a u e r von Fridolfing nach Steinweg, Post Stadtamhof. 

Auszeichnungen (Nachtrag): Der Titel und Rang eines kgl. 
Hofrathes dem praktischen und Bahnarzt Dr. Ludwig Es er, Ober¬ 
arzt des Domcapiterschen Krankenhauses in Regensburg. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


fi8 


Ahscliiod bewilligt: Dem Oberstabsarzt I. CI. Dr. Popp, 
Regimentsarzt im 14. Inf.-Reg., unter Verleihung des Charakters 
als Generaloberarzt mit der gesetzlichen Tension und mit der Er¬ 
laubnis zum Tragen der Uniform mit den für Verabschiedete 
vorgeschriebenen Abzeichen; ferner dem Assistenzarzt Dr. Friedr. 
Bock des 12. Inf.-Reg. behufs Uebertritts in Königlich Preussische 
Militärdienste; dem Oberarzt Dr. Otto Dees der Landwehr 2. Auf¬ 
gebots (Wasserburg.) 

Ernannt: Zum Regimentsarzt der Stabsarzt Dr. Flasch, 
Abtheilungsarzt vom 4. Feld.-Art. - Reg, im 14. Inf.-Reg. unter Be¬ 
förderung zum Oberstabsarzt 2. CI; zum Abtheilungs (Bataillons-) 
Arzt der Stabsarzt Dr. Hillenbrand im 4. Feld-Art.-Reg. und 
der Oberarzt Dr. Deichstetter vom 1. Feld-Art.-Reg. im 2. Inf. 
Reg. unter Beförderung zum Stabsarzt. 

Versetzt: Der Stabsarzt Dr. Rapp, Bataillonsarzt vom 2. Inf.- 
Reg., zur Inspection der Militftr-Bildungsanstalten und die Assistenz¬ 
ärzte Dr. Lutz vom 23. Inf.-Reg. zum 1. Feld-Art.-Reg.; Dr. Wiede¬ 
mann vom 3. Chev.-Reg. zum 19. Inf.-Reg., Dr. W ä 1 d i n vom 
10. Inf.-Reg. zur Reserve des Sanitätscorps und der Assistenzarzt 
Paul Iftner von der Landwehr 1. Aufgebots (Erlangen) zur Reserve. 

Befördert: Zu Oberstabsärzten I. CI die Oberstabsärzte 2. CI. 
Dr K öl liker mit einem Patente vom 20. Juli 1899 und Dr. 
Heim, Beide ä la suite des Sanitätscorps, dann überzählig die 
Oberstabsärzte 2. CI. und Regimentsärzte Dr. Koch im 13. Inf.- 
Reg., Dr. v. Graf enstein im 5. Feld-Art.-Reg. und Dr. Baudrexl 
im 2. Fuss-Art.-Reg.; zum Stabsarzt der Oberarzt Dr. Schlier im 
15. Inf.-Reg.; zu Oberärzten die Assistenzärzte Dr. Hasslauer 
im 3. Inf.-Reg. T Dr. Riedl im 4. Inf.-Reg., Dr. Heckenlauer 
und Dr. Tüshaus im 9. Inf.-Reg., Dr. Wiedemann im 19. Inf.- 
Reg., «ämmtliche überzählig. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 52. Jahreswoche vom 24. bis 30. December 1899. 
Betheil. Aerzte 295. — Brechdurchfall 8 (8*), Diphtherie, 
Croup 12 (16), Erysipelas 10 (15), Intermittens, Neuralgia interm. 

I (1), Kindbettfieber 3 (1), Meningitis cerebrospin — (—), Morbilli 
228 (181), Ophthalmo-Blennorrhoea neonat. 1 (4), Parotitis epidem. 
6 (4), Pneumonia crouposa 43 (25), Pyaemie, Septikaemie — (—), 
Rheumatismus art. ac. 23 (27), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 

II (4), Tussis convulsiva 17 (14), Typhus abdominalis 3 (1), 
Varicellen 14 (12), Variola, Variolois — (—). Summa 380 (313). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller.. 


Uebersicht der Sterbefälle in München. 

während der 52. Jahreswoche vom 24. bis 30. December 1899. 

Bevölkerungszahl: 445 000. 

Todesursachen: Masern 1 (4*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Croup — (3), Rothlauf — (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 1 (D, Unterleibstyphus 
1 (—), Keuchhusten 1 (2), Croupöse Lungenentzündung i (2), 
Tuberculose a) der Lungen 23 (23), b) der übrigen Organe 4 (6), 
Acuter Gelenkrheumatismus 4 (1), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 4 (4), Unglücksfälle 2 (1), Selbstmord 3 (5), Tod durch 
fremde Hand — (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 207 (200), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 24,2 23,4, für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,9 (15,3). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: October 1 ) und November 1899. 


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61 

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Bcvölkcrungsziffcm : Oberbayern 1,186,950, Niorterbayern 078,52:1, Pfalz 765,991, 
Oberpfalz 540,884, Oberfranken 680,001, Mittelfranken 787,181, Untorfranken 082,688, 
Schwaben G89.41G. Augsburg 81,8%. Hamberg 88,940, Fürth IG.72G, Kaiserslautern 
•10,828, Ludwigshafen 89,799, München 111,001, Nürnberg 198,890, Regensburg 41,471, 
Würzburg G8.747. 

Einsendungen fehlen ans der Stadt Fürth und den Aemtern Laufen, Bogen« 
Dingolfing, Neumarkt, Neunburg v/W., Neustadt a/WN., Sulzhaeh, Hof, Dinkels¬ 
bühl, Neustadt a'A., Nürnberg, Ebern, Hassfurt, Königshofen, Mellrlehstadt, 
Obernburg und Augsburg. 

Höhere Erkrunkungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet 
aus folgenden Aemtern bezw. Orten: 

Diphtherie, Croup: Fortsetzung der Epidemie im ärztlichen Bezirke 
Auerbach (Eschenbach) 81 behandelte Fälle; kleine Epidemie in Nordheim (Schein¬ 
feld); Städte Freising 28, Pirmasens 42, Aemter Höchstadt a/A. 75, München II 61 
(hievon 38 im iirzt. Bezirke Wolfratshausen), Hersbruek 30 behandelte Fälle. 

Morbilli: Fortsetzung der Epidemien in den Städten Ansbach (315), Bam¬ 
berg (3G2), Nürnberg (1144) und Würzburg (1213), ferner in Lohberg (Kötzting), 
bisher 4 Kinder gestorben, Schulschluss, in 7 Gemeinden des Amtes Forehheim 
fl 15), in Untersteinaeh (Stadtsteinach), weitere Verbreitung auf Outtenberg, Bez - 
Amt Feuchtwangen (56), Günzenhausen (hier G0), ausserdem Epidemie in vielen 
anderen Orten des Amtes, im District Lauf (Hersbruek), 47 behandelte Fälle, im 
Stadt- und Landbezirk Schwnhach, gegen Süden fortschreitend (Stadt 33, A.-G. 
Sehwabach 48, A.-G. Roth 284 Fälle), Stadt Weissenburg, Ellingen, Dorsbninn, 
theihveise Schulschluss, in Zellingen (Karlstadt) 15 Sterbfälle, bloss 31 behandelte 
Erkrankungen, Amt Kitzingen (110), gutartig, Stadt Neuburg n/D. und 3 weiteren 
Gemeinden 91 behandelte Fälle; in der Stadt Sehwcinfurt (09) gegen Ende des 
Monats erloschen, ebenso in 4 Orten des gleichnamigen Amtes, dagegen in 8 Orten 
weiter verbreitet 102 behandelte Fälle. Epidemisches Auftreten ferner in Ge¬ 
meinde Derching (Friedberg), in Passau (Altstadt), in Marxgrün Naila), vom 
Amte Forehheim eingebraeht, im Amte Rothenburg a/T., Schulschluss in Unter- 
weissonbrunn und Unsieben (Neustadt a/S.), im Amte Donauwörth, von der 
2. Novemberwoche ab in Ammerfeld (von 40 Schülern 21 krank, Schulschluss), 
Ende November erloschen, endlich ausgebreitete Epidemie In Ammerdingen (Nörd- 
lingen), leicht. Aemter Tölz 58, Wimsiedel 45, Bamberg I und II 22 und 33, 
Parsberg 28 behandelte Fälle. 


Parotitis epidemica: Epidemie unter Schulkindern in Lauenstein 
(Teusehnitz), keine ärztliche Behandlung, ferner einige Verbreitung in der Stadt 
Ingolstadt. 

Scarlatina: Fortsetzung der Epidemie im ärztl. Bezirk Auerbach (Eschen¬ 
bach) neben Diphtherie, 35 behandelte Fälle; Epidemie in Weyher (Landau i Pf.', 
von der letzten Novemberwoche ab häufigere Erkrankungen im Amte Ebersberg. 

Tussis convulsiva: Fortsetzung der im September im Amte Ingolstadt 
begonnenen Epidemie in den Gemeinden südlich der Donau; Epidemie in Tirschen¬ 
reuth und Umgebung, in 3 Orten des Amtes Sehwcinfurt (nach Masern), endemisch 
in der Stadt Pegnitz, selten ärztlich behandelt. 

Typhus abdominalis: Fortsetzung der Fpidemie im Amte Karlstadt 
(in Laudenbach und Thiingen Je 0 behandelte Fälle, von letzteren 5 in einer 
Hausepidemie) und in Weilbaeh (Miltenberg). Aemter Zweibrücken 9, Berg¬ 
zabern 7, Kusel und LiehtenfeLs je 0, Unterfrank (Pfarrkirchen) 5, von Metz ein- 
g.-bracht; Hausepidemie (i von 12 Kindern einer Familie) in Iggelsheim (Ludwigs¬ 
hafen), Kröppen (Pirmasens) 4 behandelte Fälle. 

Varicellen: Epidemisch in der Stadt Deggendorf. 

Variola, Variolois: 1 tödtlieh verlaufener Fall in Untermenzing 
(München I), 2 leichte Fälle von Variolois in der Stadt München. 

Influenza: Epidemisch in einigen Orten des Amtes Erding, Städte Augs¬ 
burg 07, Nürnberg 27, Stadt- und Landbezirk Ansbach 23, ärztl. Bezirk Furth i/W. 
(Cham) 20, ausserdem mehr oder weniger vereinzelte Fälle aus der Stadt Bamberg, 
den Aemtern Ebersberg, Garmisch, Ingolstadt, Bamberg I, Forehheim und Alzenau. 

Im Interesse grösserer Vollständigkeit und Ermöglichung rechtzeitiger 
Veröffentlichung des Gesammtergebnisses vorliegender Statistik für das Jahr 1899 
wird um Einsendung der Anzeigen für December sowie um Mit¬ 
theilung allenfalls noch nicht zur Anzeige gelangter Fälle aus 
früheren Monaten als Nachträge (ausgeschieden nach Monaten) an das 
K. Statistische Bureau bis längstens 20. Januar dringend ersucht. 

- Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind 

durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welehe sich im 
Bedarfsfälle unterAngabe der Zahl der sich betheiligenden Aerzte 
an das K. Statistische Bureau wenden wollen. 


J ) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 49) eingelaufener Nachträge. — 8 ) Im Monat Octobcr einschliesslich der Nachträge 1480- 
.*) 40. mit 43. bezw. 44. mit 48. Jahreswoche. 


Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck von E Mühlthnler’s Buch- und Kunstdruckerei, A.-G. München. 


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We Ifftaeh. lled. Woohensohr. erscheint wöchentl. "TIT VVXT/Pi TT Tjl"VT*Ij! TF Zusendungen sind m. adre«*iren : Für die Redaetion 

to Hummern von durchschnittlich 4 — 5 Bogen. |w| I 1 l\ U j rl lii l\ |1 j rC, Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh- 

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EDICINISCHE WOCHENSCHBIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Heraasgegeben von 


Ck. Biislir, 0. Boliliger, H. Curscbssnn, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J.». Michel, H. i. Rinke, F. ?. Wlnckel, H. v. Zlenssen, 

Freiburg I. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München. 


M 3. 16. Januar 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


Originalien. 

Aus der medicinischen Abtheilung des. Prim. Doc. Dr. P a 1 im 
k. k. allgemeinen Krankenhause in Wien. 

Blutdruckmessungen mit Gärtner’s Tonometer. 

Von Dr. Hugo W e i s s , Secundararzt. 

Die Mängel der bisher bekannt gewordenen Apparate zur 
Bestimmung des Blutdruckes veranlassten Gärtner, ein neues 
Instrument zu construiren. Er richtete sein Augenmerk auf die 
kleinsten Arterien und die Capillaren. Da es gleichgiltig ist, 
an welcher Stelle des Arterienrohres man den Druck misst, so 
wählte Gärtner das Gebiet der feinen Digitalarterien. Die¬ 
selben gestatten eine gewisse Controle ihres Füllungszustandes 
durch die Beobachtung der Injection ihres Capillargebietes und 
werden überdies am wenigsten von sklerosirenden Procossen be¬ 
troffen. Der Blutdruck ist allerdings am grössten an den grossen 
Arterien und wird gegen die Capillaren zu langsam geringer, 
bis er in den Venen fast schwindet. Es ist aber der Unterschied 
zwischen dem Druck an den Arteriae digitales und der Radialis 
kein erheblich verschiedener, seine Schwankungen kommen da 
wie dort deutlich zum Ausdruck. 

Das G ä r t n e Esche Tonometer, auf dessen genaue Be¬ 
schreibung in der Wiener med. Wochenschr. 1899, No. 30, ich 
verweise, besteht aus einem pneumatischen Ring, der mit einem 
Gummiballon und einem Manometer in Verbindung steht. Der 
Druck auf den Ballon vertheilt sich im ganzen pneumatischen 
System gleiehmässig. Gemessen wird an den Fingern der Hand 
derart, dass aus der Fingerbeere das Blut ausgepre st, der Rück¬ 
fluss desselben durch Aufblasen des pneumatischen Rings an 
der II. Phalange gehindert und dann mit dem Druck so lange 
nachgelassen wird, bis sich die Fingerkuppe wieder röthet, was 
deutlich und plötzlich geschieht unter gleichzeitigem Gefühl 
eines mit dem Herzpuls synchronischen Klopfens. Die Com- 
pression der Arteriae digitales geschieht mit demselben Drucke, 
den das Manometer (Quecksilber oder Aneroid) anzeigt. „Die 
Arterien können, da die Compression von allen Seiten gleich¬ 
zeitig erfolgt, nach keiner Richtung ausweichen und der Druck 
überträgt sich durch die um einen knöchernen Ring gleiehmässig 
vertheilte, weiche, aber incompressible Umgebung in idealer 
Weise auf die Blutgefässe.“ 

Eine solche Messungsmethode kann natürlich keine absolute 
GrÖsee für den Blutdruck angeben. Der letztere ist die Resul- 
tirende aus dem durch die Herzcontraction auf die Blutmasse 
übertragenen Impuls und den Widerständen im Gefässsystem. 
Der Experimentator misst diesen Druck direct durch Ein¬ 
führung einer Canüle in eine Arterie. Am lebenden Menschen 
ist auf diese Weise der Druck gelegentlich von chirurgischen 
Eingriffen auch gemessen worden, so von Faivre 1 ), Albert*). 

Die Messung am unverletzten Arterienrohre muss hingegen 
eine indirecte bleiben. Was sich hier darbietet, ist nicht 
der Blutdruck allein, sondern ein Conglomerat von Factoren, 
die an verschiedenen Individuen ebenso schwanken, wie an einem 
und demselben. 


*) Faivre: Gazette m6d. de Paris 1856, p. 727. 
*) Albert: Med. Jahrbücher 1883, p. 248. 

No. 3. 

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47. Jahrgang 


Allen diesen Methoden haftet von vornherein der Fehler an, 
dass sie eben indirecte Methoden sind. Sie basiren auf dem 
Satze, dass Arteriendruck gleich ist Arterienspannung. Ihre 
Principien sind von den Versuclisergebnissen an elastischen 
Röhren hergenominell, welche lauten: 1. Die Spannung einer 
Röhre ist. gleich der Summe aus der Wandspannung und dem 
inneren Druck der Flüssigkeit. 2. Der innere Druck (wie auch 
die Wandspannung) bezieht sich auf eine Oberfläche, welche dem 
doppelten Längen- und dem doppelten Breitcndurchmesser der 
Pelotte, also dem vierfachen Flächendurchschnitte derselben ent¬ 
spricht (W aldenburg). 

Bei den Arterien handelt es sich aber um lebende Gewebe 
mit Eigenspannung und selbständiger Contractionsfähigkeit, so¬ 
wie einem von vielerlei Ursachen abhängigen Tonus. Dazu 
kommt noch die Länge des Gefässsysteras, die variable Con- 
tractilität seiner einzelnen Abschnitte (Bau der Capillaren!), 
die Elasticität der Arterienwandung und die Beschaffenheit der 
umgebenden Weichtheile. Es kommt der Füllungszustand der 
Gefässe, die Quantität des Blutes in Betracht, demnach 
Momente, welche bedeutenden Schwankungen unterworfen sind. 
Dass dementsprechend das Messungsresultat nur relativ zu 
nehmen ist. liegt auf der Hand. W aldenburg betont, dass 
aus diesen Gründen der Blutdruck der Arterienspannung nicht 
proportional sein könne. 

Man müsste also bei Zahlenangaben jedesmal auch die 
aceidentellen Momente berücksichtigen, um zu erfahren, auf 
Rechnung welches Factors die grössere Hälfte des erhaltenen 
Resultates zu setzen sei. 

Der Gefässtonus ist eine Grösse, die bei der Berechnung der 
Widerstände nicht sehr in die Wagscliale fällt (v .Base h), er 
regulirt aber doch einerseits die Vertheilung des Blutes, und be¬ 
einflusst andererseits die Dicke der (»efässwände. 

Durch nervöse Einflüsse wird die Wandstarrheit zweifellos 
vermehrt, was insbesondere bei kleinen und kleinsten Arterien 
von Wichtigkeit ist, während bei grösseren Arterien die active 
Dilatation und Oonstriction ziemlich belanglos ist. 

Von den zahlreichen Instrumenten und Methoden zur in- 
directen Messung — ich nenne nur Marey, Waldenburg, 
Potain, v. Basch, Hürthle, Mos so, Frey, Riva- 
R o c c i etc. — konnte sich bloss das Sphygmomanometer von 
Basch Eingang in die Praxis verschaffen, und die meisten 
neueren Arbeiten über Blutdruck basiren auf seiner Verwendung 
(Zadek, Federn, Kornfeld. Gerhardt etc.). Das 
geistvoll erdachte Instrument fördert inconstante Werthe zu 
Tage, weil es schwierig zu handhaben ist. Es bedarf gründlicher 
Einübung und eines gut ausgebildeten Tastgefühls, wodurch es 
zu einer rein subjectivcn Methode wird. Bei Tigers ted t.*) 
finden sieh die Fehlergrenzen des Instrumentes mit 32 mm bis 
78 mm Hg angegeben. 

Die G ä r t n e Esche Idee ist im Princip schon von anderen 
Autoren herangezogen worden. N. v. Kries hat die Spannung 
menschlicher Hautcapillaren durch den Gewichtsdruck her- 
stimmt, der erforderlich ist, um eine Hautstelle zu anaemisiren. 


a ) Tigerstedt: Lehrbuch der Physiologie des Kreislaufs. 
1893. 

*) W i e s s n e r : lieber Blutdruckmessungen während der 
Menstruation und Schwangerschaft (Discussion). Sitzung der Ges. 
f. Geburtsh. zu Leipzig, 19. Juni 1899. 

1 

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70 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


Dieser Druck lässt sich leicht in hydrostatischen Druck re- 
duciren, wenn die Grösse der eomprimirten Fläche bekannt ist. 

Mar ey bediente sich zu dieser Berechnung des Luft- und 
Wasserdrucks, indem er einen ganzen Vorderarm luftdicht in 
ein Glasgefüss brachte und die Luft darin so lange comprimirte, 
bis der Arm blass wurde. Der im Moment des Farbenweehsels 
gemessene Luftdruck ist gleich dem Blutdruck in den Arterien 
des Vorderarmes. 

Ch. S. R o y und Graham Brown haben den Blutdruck in 
den kleinsten Arterien, Venen und Capillaren an der Frosch¬ 
schwimmhaut gemessen. 

Beim Apparat von R i v a - R o c c i, wird der Oberarm durch 
einen Schlauch circular comprimirt bis zum Verschwinden des 
Pulses, in welchem Momente man die Höhe des Blutdrucks am 
Manometer ablesen kann. Der Zeitpunkt des Erscheinens und 
Schwindens dos Radialpulses ist oft schwer festzustellen; ferner 
wirkt der Druck nicht direct auf die Brachialis, sondern zunächst 
auf das umliegende Gewebe von beträchtlichem Umfang und 
endlich liegt die Brachialis nicht auf fester Unterlage, sondern 
mitten im Oberarm, so dass sie ihre Lage leicht ändert und 
schwer eomprimirbar ist. 

Vor allen diesen Apparaten hat das G ä r t n e rische Tono¬ 
meter die Eigenschaft der überaus leichten Handhabung und 
der prägnanten objectiven Controle voraus. Es muss aber aus¬ 
drücklich hervorgehoben werden, dass es sich bei den damit er¬ 
haltenen Zahlen um relative Werthe handelt, die eigentlich nur 
Schlüsse auf ein und dasselbe Individuum gestatten. Wie die 
übrigen Instrumente hat auch dieses seine Fehlerquellen, be¬ 
deutet jedoch schon dadurch einen Fortschritt, weil dabei auf 
das subjectiv so sehr variirende Tastgefühl gänzlich verzichtet 
werden kann. 

Methode der Messung. 

Bei den Messungen wurden alle von Gärtner angegebenen 
Bedingungen streng beobachtet.. Soweit es anging, wurden die 
Kranken liegend gemessen, die Hand in Herzhöhe, jedesmal an 
der gleichen Phalange. Neben dem Hg-Manometer fand ein 
sorgfältig geprüftes Aneroid Verwendung, das häufig durch das 
erstens nacheontrolirt wurde. Die meisten Bestimmungen 
wurden öfters wiederholt, wobei sich kaum jemals nennenswerthe 
Differenzen ergaben. Bei schwieliger Haut waren die Werthe 
nur um ein Geringes erhöht, immer innerhalb der zulässigen 
Grenzen, so dass dieser Umstand füglich vernachlässigt werden 
konnte. Bei nur einiger Uebung gelingt eine Messung in einer 
halben Minute, doch ist es von Wichtigkeit zu bemerken, dass 
man mit dem Druck im Ballon langsam und von 5 zu 5 Theil- 
strichen nachlassen muss, weil hei zu raschem Oeffnen des Com- 
pressoriums (das vortheilhaftor ist als die blosse Hand) höhere 
Zahlen resultiren als beim suecessiven Nachlassen. 

Die Anaemisirung der Fingerkuppe gelingt am besten mit 
den kleinen Kautschukringen, während der dem Apparat bei¬ 
gegebene Fingerhut unverlässlich ist. 

Von den Fehlerquellen wäre als wichtig hervorzuheben das 
VerhäJtniss der Grösse des pneumatisehen Ringes zur Finger¬ 
dicke. Bei einem dünnen, mageren Finger bedarf es bis zur Be¬ 
rührung desselben mit der aufgeblähten Kautschukmembran 
schon einer ganz beträchtlichen Druckgrösse, die bei einem 
starken Finger entfällt. Und wenn auch bei dom letzteren wieder 
die Wcichthcile massiger sind, so weiss man die Grösse des 
hieraus resultirenden Fehlers nicht anzugeben. Ferner sind die 
sternförmigen Falten am Ring nicht gleichgiltig, denn die 
Druckgrösse ist auch abhängig von der Grösse der gedrückten 
Fläche, die bei verschieden dicken Phalangen variirt. Man muss 
demnach, um exact vorzugehen, verschieden grosse Ringe haben 
und bei den Resultaten auch die Ringgrösse angeben. 

Des Weiteren wäre auf die gleiche Qualität des Kautschuk 
zu achten, dessen Dehnbarkeit bei verschiedener Dicke sich 
ändert. 

Bei meinen Messungen habe 1 ich getrachtet durch Auswahl 
der Fälle dem Missverhältniss zwischen Finger und Ring zu be¬ 
gegnen, da mir nur eine Ringsorte zur Verfügung stand. 

M e s s u n g e n an Gesunden. 

im Allgemeinen lassen sieh die an Gesunden gefundenen 
Resultate dahin zusammenfassen, dass Männer eine höhere tono- 
nietrisehe Zahl ergaben als Frauen, ferne# dass kräftige, grosse, 
gutgeniilirte Leute höhere Zahlen hatten als schwächliche, untcr- 

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ernährte, was wohl mit den erhöhten peripheren Widerständen 
zusammenhängt, gegeben durch die dickeren Gefässwände und 
den grösseren Gefässdurchmesser und in Folge dessen die höhere 
Herzenergie. Dieses Resultat findet seine Bestätigung bei 
W aldenburg, der bemerkt, dass die relativen Schwankungen 
des Blutdruckes gesunder Personen abhängen von der Grösse des 
Individuums, von seinem Körpergewicht und noch manchen 
anderen erst noch zu erforschenden Umständen. 

Als mittlere Zahl fand ich bei Männern 120 mm, bei Frauen 
100 mm. Die untere Grenze bei Männern 90 mm, bei Frauen 
80 mm, die obere Grenze unbestimmbar, weil sich zuweilen 
Zahlen ergaben, die als pathologisch bezeichnet werden müssten, 
trotzdem sich absolut kein Anhaltspunkt für eine Erkrankung 
auffinden liess. Z. B.: 

Dr. S., 29 Jahre alt, sehr gross, kräftig, starker Cigaretten¬ 
raucher, ohne Beschwerden, mit normalen Darmfunctionen, der 
unregelmässigen Lebenswandel führt, Veneri et Baccho tapfer 
huldigend, zeigt den Durehschnittsdruck von .150 mm nach 
Gärtner. Keine Hypertrophie des linken Herzens, Lues aus¬ 
geschlossen. Manchmal sinkt der Druck auf 120 mm. 

Man könnte sich vielleicht in diesem Falle die Blutdruck¬ 
steigerung als unter nervösen Einflüssen entstanden denken, wo¬ 
zu im Abusus von Tabak und Alkohol Anhaltspunkte gegeben 
sind. Dagegen spricht ein zweiter Fall. 

Ein anderer, nicht minder kräftig gebauter, gut genährter 
College, Dr. M., 26 Jahre alt, ohne jedwede Beschwerde, weder 
Raucher noch Trinker, der nie grössere Excesse begeht, hat 
160 mm Druck. Keine Herzhypertrophie, nichts Auffallendes 
an den peripheren Gefässen, im Harn keine pathologischen Be¬ 
standteile. 

Diese 2 Beispiele sind Extreme; für gewöhnlich darf man 
die oben angegebenen Zahlen erwarten, wobei es auf 10 mm 
mehr oder weniger nieht ankommt. Jede höhere Zahl bringt 
den meist berechtigten Verdacht auf eine innere Erkrankung, 
gewöhnlich der Gefässe oder der Nieren. 2 eclatante Fälle werde 
ich im Capitel Arteriosklerose erwähnen. 

Die Messungen wurden, wie bereits erwähnt, im Liegen ge¬ 
macht. Der Unterschied zwischen Liegen und Sitzen ist nur 
gering. Auf die Art der Fingerhaut, die Dicke der Phalangen, 
Oedem etc. wurde Rücksicht genommen. 

Den geringen Einfluss einer Fingerschwiele auf die tono- 
metrisehe Zahl zeigte ein 20 jähriger Typhusreconvalescent, der 
stark herabgekommen war, verminderte Herzaction hatte und 
dessen Fingerhaut überaus dick war. Bei ihm resultirte die 
Zahl 70 mm Hg, wie nach der Pulsfühlung an der Radialis zu 
erwarten war. 

Ausschlaggebend war ausgiebige körperliche Bewegung. Ich 
fand, dass nach raschem Gehen, Stiegensteigen, körperlicher 
Arbeit, wenn sie nicht anstrengend war, die tonometrische Zahl 
grösser wurde, während bei ermüdender Muskelarbeit der Druck 
sank, weil vermuthlich ein Affiuxus zu den arbeitenden Muskeln 
statt fand, wodurch der Blutstrom von der Peripherie abgelenkt 
wurde. Das Gleiche zeigte sich nach der Mahlzeit, wobei der 
periphere Druck sank durch Ableitung der Blutmasse in die 
Därme. 

Psychische Emotionen brachten zuweilen hohe T. Z. (tono- 
metrische Zahlen). Ich beobachtete mehrmals Anstieg um 30 bis 
40 mm Hg-Druek nach Aufregungen. Ausführlich hat diese 
Frage Kornfeld mit dem Sphygmomanometer von Basch 
studirt; ich konnte mich nur auf wenige Fälle beschränken. Dass 
Nerveneinflüsse den Blutdruck zu steigern vermögen, steht 
übrigens ausser Frage. Wahrscheinlich handelt es sich um Reize 
auf Hie Gefässnerven und damit Erhöhung der peripheren Wider¬ 
stände. 

Einigemal mass ich den Druck nach Magenausheberungen, 
wonach eine Drucksteigerung von 5—30 mm Hg sich ergab: 

1. W. Johann, 41 Jahre, Neoplasma ventric., zeigt am 1. Ring¬ 
finger vor der Ausheberung 108 mm T. Z. 

2. K. Johann, 65 Jahre, Neoplasma ventric., vor der Aushebe¬ 
rung 100 mm, nach der Ausheberung 110 mm T. Z. 

3. Sch. Jos., 79 Jahre, Care, ventr. inclp. und Arteriosklerosis, 
vor der Ausheberung 130 mm, nach der Ausheberung 150 mm T. Z. 

4. G. Ferdinand, 62 Jahre, Myodeg. cordis, vor der Aushebe¬ 
rung 80 mm, nach der Ausheberung 90 mm T. Z. 

5. M. Josef. 52 Jahre, Care, ventr., vor der Ausheberung 
70 mm, nach der Ausheberung 75 mm T. Z. 

Interessant war ferner die constant wiederkehrende That- 
•nche, dass star k e Raucher hohe tonometrische Zahlen auf- 

Qrigiraal fro-m 

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16.* Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


71 


wiesen; dass die Ursache in einer toxischen Tonuserhöhung der 
peripheren Arterien gelegen sei, wage ich nur zu vermuthen. 

Der Blutdruck des Gesunden steht unter dem Einfluss ver¬ 
schiedenartiger äusserer Zufälligkeiten, die an einer Curve gut 
ersichtlich sind, welche die Tagesschwankungen zeichnet. 

Dr. H. f 30 Jahre alt, gesund, kräftig, klein, leicht erregbar. 

Dieses Paradigma 
zeigt die Erhöhung 
des Blutdruckes nach 
körperlicher Arbeit 
(Herumgehen, Trep¬ 
pensteigen) und ge¬ 
ringere nach psychi¬ 
scher Erregung, starke 
Depression der Curve 
zur Zeit der Verdau¬ 
ung, kleinere bei gei¬ 
stiger Anstrengung. — Systematische Untersuchungen über den 
Einfluss der Muskelarbeit auf den Blutdruck haben Grebner und 
Grün bäum 6 ) mit dem Gär tner’schen Tonometer angestellt. Es er¬ 
gab sich während der Arbeit Steigerung des Drucks, die be¬ 
deutend wurde bei sehr angestrengter Arbeitsleistung und bei 
raschem Arbeitstempo. 

Messungen an Kranken. 

Dass die Ergebnisse der tonometrischen Messungen am 
Kranken sehr variabel sein müssen, liegt in der Natur der Sache. 
Abgesehen von den Tagesschwankungen wie bei Gesunden, 
kommen doch die beiden Addenden des Blutdrucks, Herzarbeit 
und Widerstände, im kranken Organismus ganz besonders in 
Betracht. Ich habe zu erheben versucht, in wiefern sich die 
tonometrischen Messungen praktisch verwerthen lassen. 

Ich fand, dass hohe Zahlen einen wichtigen Fingerzeig 
geben, dass schwere pathologische Veränderungen vorhanden 
seien, welche den Blutdruck steigern. Beispiele dafür bietet 
insbesondere die Arteriosklerose. Mittlere Zahlen sind schwer 
verwerthbar. Dem Einwand gegenüber, dass die gebräuchliche 
Pulsuntersuchung annähernd zureichende Aufschlüsse über die 
Beschaffenheit des Seitendruckes gibt, kann ich in Ueberein- 
stimmung mit v. Basch 0 ) auf das Bestimmteste erklären, dass 
diese Annahme nicht gerechtfertigt ist. Es ist zwar im All¬ 
gemeinen sehr wahrscheinlich, dass man einen hohen Druck von 
einem niedrigen wird unterscheiden können, über diesen Rahmen 
jedoch gehen die Schätzungen nicht. Das Tonometer, wie die 
anderen Apparate, liefert aber gerade bezüglich der Schwan¬ 
kungen bei hohem Druck wesentlich positivere Resultate. Ich 
hatte wiederholt Gelegenheit mich zu überzeugen, dass die 
Druckschätzungen von sehr erfahrenen Fachleuten, insbesondere 
da, wo es sich um Erweiterung des Gefässgebietes handelte, sehr 
häufig irrige waren. Der tastende Finger vermag eben nie ver¬ 
lässlich über Herzenergie, Innendruck und Arterienzustand zu 
urteilen. Bekanntlich täuscht oft eine dicke, nicht rigide, 
jugendliche Arterie mit guter Füllung, hohen Druck vor ( Aorten - 
insufficienz, Anaemie etc.) während das Messungsresultat ganz 
entgegengesetzt ist. Federn, der eine grosse Erfahrung auf 
diesem Gebiete gesammelt hat, macht in seiner Arbeit über Blut¬ 
druck und Darmatonie auf diese Täuschungen aufmerksam. 

Wieder ist es die Arteriosklerose, welche diesbezüglich leicht 
irreführt. Man findet oft an den tastbaren Arterien keine 
Sklerosirung> während in der Aorta hochgradiges Atherom be¬ 
steht. Das gerade sind die Fälle für’s Tonometer. 

Jedenfalls wird also der Apparat, soweit er mit seinen re¬ 
lativen Zahlen verwerthbar ist, insofern von praktischer Be¬ 
deutung sein, als man ein Hilfsmittel in die Hand bekommt, 
um einem Ueberschätzen der subjectiven Beschwerden des 
Patienten aus dem Wege zu gehen. Es wird dann beispielsweise 
die frühzeitig erkannte Arteriosklerose, die Nephritis, der Satur- 
nismus etc. an Stelle der oft schablonenhaft diagnosticirten 
Hysterie, Neurasthenie, des Magenkatarrhs u. a. treten. 

(Schluss folgt) 


*) Grebner und Grünbaum : Wien. med. Presse 1899, 
No. 4». 

•) v. Basch: Wien. med. Presse 1895, No. 15. 

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Aus der Untersuchungsstation am Garnisonslazareth Würzburg. 

Zur Pathologie der Miliartuberculose. 

Von Assistenzarzt Dr. Georg Mayer. 

Der im Folgenden geschilderte Fall von Miliartuberculose 
zeigte einerseits in der Krankengeschichte, andererseits im Sec¬ 
tio nsbei und und bei der histologischen Li ntersuchung einige nicht 
uninteressante Befunde. Die Krankheitsgeschichte ist in Kurzem 
folgende: 

Sebastian S., 21 Jahre alt, zugegangen am 6. Januar v. Js., 
an geringem Husten und Auswurf leidend, sowie Athemuoth bei 
körperiiciien Anstrengungen, schlecht genährter, schwächlich 
gebauter Alaun, Schallverkürzung 1. li. o., feinblasige Kassel- 
gerausche Uber dem linken Überlappen, ziemlich kräftiger Spitzen- 
stoss, schwacher, weicher Puls; an der Beugeseite des rechten 
Handgelenks eine 2 cm lange blauröthliche, 3 mm breite Hautnarbe, 
über der Unterlage verschieblich, handbreit darüber ein 1 '/a cm 
breites, J / a cm trichterförmig in die Tiefe gehendes Gesekwürcken, 
dünn weissgelbliches Secret entleerend, Abendteinperaturen um 
38 ’, keine iuherkeibacillen im Auswurf. Zustand bis 18. 11. 
ziemlich gleich, abendliche Temperatursteigeruugen bis 38,5 u . 
18. 11. plötzlich Abends 39,1 '. aui 23. II. bei heftigem Husten 
Erbrechen, 39,0". Abends Schwellung der Haut beider Unter¬ 
schenkel, gedunsenes Gesicht, Harnmenge 330 ccm, speciüsches 
Gewicht 10^5, Ei weissgekalt l,3Proc. Gesammte Urinmenge centri- 
fugirt, zeigt keine Tuberkeibacilien im Sediment. Leberwand 
stumpf sich anfühleud, Milz palpabei. Im Sputum Tuberkel¬ 
bacillen. Augeukintergrund normal. — Blutbefund: Zahl der 
weissen zu der der rothen Blutkörperchen wie 1: 720, vereinzelt 
eosinophile Zellen mit a. Granulationen, hauptsächlich polynucle- 
ure mit neutrophiler Körnung. 20. II. Naclnn. 4 Uhr wiederum 
plötzlich heftiger Husten, Brechreiz, Beschleunigung der Athmung 
auf 48, des Pulses tbis dahin zwischen 70—80) auf 108. Herz- 
thatigkeit leise, regelmässig. Leber beiden Lungen reichliche, 
leine Kasselgeräusche, Ternp. 37,9 u ! Harnmenge 970 ccm, kein 
Eiweiss! speciüsches Gewicht 102o. Zustand nur in halbliegender 
Stellung auf der linken Seite erträglich, ausserdem sofort hef¬ 
tigste Athemuoth. 27. II. Status id. 28. II. merkwürdiges Wohl- 
beündeu trotz erhöhter Athemnotli Nachmittags, Gesicht geröthet, 
Lippen bläulich, Schweiss auf der Stirne, heftiger Hustenreiz, in 
dem geringen Auswurf keine Tuberkeibacilien. Herzthätigkeit 
leicht unregelmässig, Zahl der Herztöne 100, Puls kaum zu fühlen 
trotz Exeitantien, an der Herzspitze ein fernes, schwaches, un¬ 
bestimmtes Geräusch, synchron mit den Herztönen; mehrmals 
Erbrechen, keine Harnabsonderung, Temperatur 37,5 ", Athmung 
00. 1. All. subjectives Wohlbefinden, Harnmenge 250, speciüsches 
Gewicht 1030, 1.2 Proc. Eiweiss. Ternp. 30,5, Athmung 02, syn¬ 
chron mit den Herztönen, feine, unbestimmte Geräusche, Herz¬ 
thätigkeit sehr unregelmässig, sehr leise, Puls nicht fühlbar. 2. III. 
Ternp. 36,0, Harnmenge 250, speciüsches Gewicht 1028, 2 Proc. 
Eiweiss, Athmung 60, starker Husten mit blutigem, geringem 
Auswurf, keine Tuberkeibacilien, mehrere Durchfülle, am Herzen 
deutliches Geräusch, synchron mit den schwachen, unregelmässig 
lauten und unregelmüsig sich folgenden Herztönen. Die Art des 
Geräusches ist bald ähnlich den blasenden, bald wieder den rei¬ 
benden Geräuschen. 3. III. Temp. 36,5 u , Athmung 62, keine Harn¬ 
absonderung, Herztöne fast vöüig verdeckt durch ein lautes, dem 
reibenden ähnliches Geräusch, Wohlbefinden subjectiv bis kurz 
vor dem Nacfirn. 2 Uhr plötzlich erfolgenden Exitus. 

Auszug aus dem Sectionsprotokoll: Am rechten Arm, zwi¬ 
schen Hand- und Ellenbogengelenk unregelmässige, leicht ein- 
gezogene, weisslieh strahlige, verschiebliche, kleine Narben, ausser¬ 
dem zwei l / a cm breite, mit weissgelblichen Krusten und schwam¬ 
migen Granulationen versehene seichte Geschwürcken, in ihrer 
Umgebung linsengrosse, blauröthliche, leicht erhabene Fleckchen. 
— Unterhautzellgewebe oedewatös durchtränkt — Lungen wenig 
retrahirt, gebläht, leicht lösliche Verwachsungen mit der Pleura 
costalis; 1. L., O. L.: Schnittfläche dunkelrütklich grau, schaumig¬ 
blutige Flüssigkeit entleerend. In der Spitze stark zerfallene 
Cavemen, dazwischen Kalkeinlagerungen, Verkäsungen. Die 
ganze wallnussgrosse Partie gegen die Umgebung durch eine 
schmale, grauweisslicke Bindegewebszone deutlich abgegrenzt; 
übrige Schnittfläche durchsetzt von zahllosen, hirsekorngrossen, 
graugelblichen Knötchen. Auf der hinteren Seite eine weisslich- 
strahlige, breite Einziehung, in deren Mitte eine feine, für die 
Sonde eben durchgängige Oeffnung. Von der Narbe zieht sich 
ein derber, weisslick rötklich gefärbter Bindegewebszug keilförmig 
in die Tiefe. — U. L.: dunkelgrauroth, mit zahllosen Knötchen. 
Ii. L., O. L.: hinten unten wiederum eine derbe bindegewebige 
Einziehung, Schnittfläche graugelbliekrotk, Knötchen im Zerfall. 
R. L., M. L.: Zahl der Knötchen geringer. K. L., U. L.: Rundliche 
Kalkeinlagerung 1 cm breit auf der Pleura, Obertkeil der Schnitt¬ 
fläche lebhaft hellgraurotk mit massig zahlreichen Knötchen und 
einer haselnussgrossen, glattwandigen, kugeligen Höhle. Unter¬ 
teil dunkelblauroth, fast frei von Knötchen. — Retrobronchial- 
drflsen vergrössert, Durchschnitt schwarzröthlichgrau. — Im Herz¬ 
beutel 200 ccm hellseröse, Flüssigkeit. Herz: Gewicht 288 g, Um¬ 
fang am Annulus eartilagineus 26 cm, Länge von der Aortawurzel 
zur Herzspitze 13 cm, Dicke des rechten Vorhofes 1 mm, des 
linken 2 mm, des rechten Ventrikels im Conus 3,2 mm, des linken 
8,5 mm; Epicard fettarm, stellenweise sehnig getrübt, Farbe gelb- 
röthlieh, am rechten Herzen fast weissgelblichröthlich, Sulci der 
Gefässe abgeflacht, Venen stark geschlängelt, rechtes Herzohr 

1 * 

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72 


MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


und die angrenzenden Vorhofpartien dunkelblauroth, hart, linkes 
Ilerzohr röthliehbläulich, ebenfalls hart, beide Iierzohren fest den 
Ursprung von Aorta und Pulmonalis umlagernd, die Herzhöhlen 
mit Cruonuassen gefüllt; nach deren Entternung erscheint, ein 
buntes Bild; das rechte Herzohr ist ausgefüllt von einem weiss- 
röthiichen Thrombus, der bis zu den Forainina Thebesii herab- 
reicht und an seinem Ende fein ausgezackt ist; in der Fossa ovalis 
steckt ein l'/ 2 cm langer, gegen die Tricuspidalis dick und kugelig 
werdender, glatter, weisser Thrombus, mit einem 2 mm dicken 
Stiel. In zwei Forainina Thebesii weissliclie, runde, kleinerbsen¬ 
grosse Thrombeu. ln fast allen, auch den kleinsten Kecessus zwischen 
den Muse, pectinati kugelige und längliche, weissröthliclie, auf der 
Musculi pectinati kugelige und längliche, weissröt bliche, auf der 
Oberfläche thcils fein gerippte, tbeils rhomboid gefelderte Throm¬ 
ben von Linsen- bis Haselnusskerngrösse. Der rechte Ventrikel 
von der Spitze bis zum Ansatz der Tricuspidalis 7 cm hoch, ist 
von der Spitze aufwärts in einer Höhe von 2 l /a cm ausgefüllt von 
einer weisslichen, theils innen erweichten, theiis röthliclie Schich¬ 
tung zeigenden Thrombusmasse, über welche gerippte, weisse 
Thromben, davon einer kleinkirschgross, hervorragen; ausserdem 
in allen Kecessus zwischen den Fapillariuuskeln und den Trabe- 
culae carneae Thromben bis Haselnussgrösse, endlich noch feinste, 
kleinste in den Winkeln der Selmenfädeu der Tricuspidalis. 

Das linke Herzohr ausgefüllt von einem weisslichen, innen 
tlieilweise erweichten Thrombus, dessen in den Vorhof reichendes 
Ende ebenfalls zackig, ln der Gegend des früheren Foramen 
ovale ein grau weisser, feingerippter, 1 cm langer, an dem Mitralis¬ 
ende kugeliger, mit feinem Stiel dem Septum scheinbar glatt auf- 
sitzender Thrombus. In der Spitze des linken Ventrikels verfilzte, 
weisse Thrombenmassen, über welche andere bis haselnussgrosse 

hervorrageu. i.L.i.h-n. .u ia..,«-. s.-us, lerner Kleine unter 

der Ansatzstelle der Mitralis. 

Das Myocard sehr schlaff, graugelblich-röthlich, namentlich 
im rechten Ventrikel, theilweise mit feinsten, weissgelblichen 
Pünktchen durchsetzt. Endocard, soweit sichtbar .ebenfalls gelb- 
röthlich und namentlich an den Papillarmuskeln des rechten Her¬ 
zens mit zahlreichen, kleinsten, weissgelblicheu Fleckchen. Die 
Trabekel abge flacht. Klappen: Tricuspidalis normal, Breite 
2,82 cm, Pulmonalis ebenso, Breite 2,9 cm, gefensterte Halbmonde. 
Aorta: Breite 2,4 cm, Halbmonde lebhaft geröthet, undurchsichtig, 
zwischen dem vorderen und rechten eine röthliclie arrodirte Stelle, 
zwischen dem rechten und linken eine rundliche, scharf um¬ 
schriebene Röthung; Mitralis: Breite 3,2 cm mit knötchenförmigen, 
derben, weisslicbröthlichen Verdickungen an den Ansätzen der 
Chordae tendiueae. Intima der Aorta an zahlreichen Stellen mit 
feinen, weissgelblichen Streifen. Linke Coronararterie: Lumen 
etwas starr, Abgang normal, Oeffnung nicht verengt, ebenso die 
rechte. Lumen der Kami descendentes beider Kranzarterien 
makroskopisch starrer als die übrigen Verzweigungen. 

Bauchhöhle: ln den abhängigen Tlieileu mässlge, hellseröse 
Flüssigkeit, Leber nach Gewicht und Volumen vergrössert. Kapsel 
weisslich getrübt, Schnittfläche gelbbräunlich, scharf marmorirt. 
Milz gering vergrössert, Kapsel mit zahlreichen weisslichen Trü¬ 
bungen, Schnittfläche braunroth, theilweiso deutliche Balkeuzeieh- 
nung. Linke Niere geringe Fettkapsel, derbe Substanz, Länge 
13, Breite 7, Dicke 4,5 mm, Kapsel ziemlich löslich, Oberflächen¬ 
farbe gelbbräunlich, lebhaft bläuliche Venenstämmchen, Rinden¬ 
substanz verbreitert, hervorquellend, graugelblich; M a 1 p i g h i’- 
sche Pyramiden lebhaft roth. Nierenbecken oedematös, rechte 
Niere Rindensubstanz noch heller, graugelblich, sonst wie links. 
Kopfhöhle ohne Besonderheiten. 

Bei der Untersuchung im Zupfpräparat sind die Herzmuskel¬ 
zellen sehr leicht abstreifbar, erfüllt mit Albuminoid-, dagegen 
leer von Fetttropfen, unter Muskelflbrillen mit unkenntlichem 
Kern kleine, glänzende Schollen: Amyloidreaction negativ, da¬ 
gegen intensive Färbung mit Saffranin. Ein Theil der Muskel¬ 
zellen in zwei bis drei Bruchstücke zerrissen, ein anderer mit ver¬ 
dünnter Essigsäure feine, hellglänzende, quer und schräg unregel¬ 
mässig, namentlich in der Nähe der Kerne verlaufende Linien 
zeigend. 

Im Oberlappen der linken Lunge wurden die Bronchien und 
Gefässe bis an den Spitzenherd mit Hilfe der Lupe aufgeschnitten, 
um eventuell eine Stelle zur Untersuchung auf Einbruch der 
Miliartubereulose zu finden: Resultat negativ. 

Ductus thoracicus, sonst leicht freizulegen, in der Höhe der 
2. Rippe in mittelstarke, bindegewebige Massen eingebettet und 
an dieser Stelle lebhaft geröthet. Untersuchung auf Tuberculose 
in Serienschnitten war, wie ich vorausschicke, negativ. 

Zur histologischen Schnittbehandlung diente die Lupusgegend 
nebst einer 10 cm oberhalb jeder makroskopisch sichtbaren Ver¬ 
änderung gelegenen Hautpartie in Serienschnitten, ebenso die 
ganze Spitzenverdichtung der linken Lunge, ferner Theile aus allen 
Lappen, die Retrobronelnaldriison, Theile von Leber, Niere, Milz; 
am Herzen: Aortaklappen, Mitralsegel, Gegend des Foramen ovale, 
ein von der Spitze bis zum Herzohr reichender, 2 cm breiter Keil 
aus jeder Herzliiilfte. der, soweit mit Thromben besetzt, voll¬ 
ständig in Serienschnitten, ausserdem in 3 Schnitten aus jedem 
Würfel untersucht wurde. 

Fixirung in Formalin, Z e n k e r’scher Lösung, Hermann’- 
scher Lösung mit Holzessigbehandlung, Färbung nach Z1 e h 1, 
Weigert, van G i e s o n , mit Haematoxylineosin, Saffranin, 
auf Amyloid nach V i r e h o w und Birch- Hirschfeld; 
Einbettung in Paraffin; Schnittaufklebung mit Wasser. 

Lunge: Herd in der Spitze durch eine breite Zone zellreichen, 
engmasehigeu, gefässnrmen. lungenschwarzhaltigen, in die mit 
dicken, bindegewebigen Auflagerungen versehene Pleura sich fort- 

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setzenden Bindegewebes gegen das übrige Gewebe deutlich in 
ganzer Ausdehnung abgekapselt, einige Käseherdchen mit Riesen¬ 
zellen, In denen vereinzelt Tuberkelbacillen, vorgelagert und mit 
breiten Bindege webskapseln versehen. Der obigen Zone folgt eine 
doppelt so breite, von Bindegewebe durchzogene Lymphoidzellen- 
aitHäufung mit geschrumpften Alveolen von verdickten Wan¬ 
dungen. Es folgen verkäste Tuberkel, ihrerseits von weitmaschigem, 
keruarmeu Bindegewebe umschlossen; am Rande gegen die um¬ 
spinnenden Lymphoidzellenanliäufuugen zahlreiche Capillaren 
mit bindegewebig verdickten Wänden. Die grösseren Gefässe 
ebenfalls mit bindegewebig verdickter Adventitia; in Media und 
Intima wenige Kerntheilungen und polynucleäre Leukocytenaus- 
wanderungen. In den Riesenzellen einige gut gefärbte Tuberkel¬ 
bacillen, daneben ungefärbte, etwas dickere, lichtbrechende, sonst 
gleichgross«? Gebilde. Aul diese Zone folgt ein anfangs 
eng-, spater weitmaschiges, durch breite zellarme Bindegewebs- 
massen abgeschlossenes Cavernensystem mit zwdschengelagerten, 
verkreideten Tuberkeln, an deren Rand tuberkelbacnlennaltige 
Riesenzellen. Die Gefässe mit enorm verdickter Wandung, viele 
thrombosiri, namentlich in der Nahe der Cavemen. ln Letzteren 
fettigkörniger Detritus, weisse Blutkörperchen, Coccen und Stäb¬ 
chen, keine Tuberkelbacillen, keine rothen Blutkörperchen. 

Die übrigen Lungenlappen zeigen nächst der Gefässe ge¬ 
legene, typische Miliartuberkel in verschiedenen Verkäsungs¬ 
stadien, um die Riesenzellen feine Fibrinfädchen; die Epithelold- 
zellenzone durchzogen von feinen Fibrinoidfasern, die, in das 
Innere der Verkäsung coucentrisek einstrahlend, ein feines Netz 
bilden; an der Grenze von Lymphoid- und Epithelioidzeilen zahl¬ 
reiche zusammeugeklumpte Tuberkelbacillenhäufchen. Meist 
neben diesen Tuberkeln liegen kleine, 4—5 Alveolen mit zellreicher 
dicker Wandung umfassende, pneumonische Herdchen, erfüllt 
von Leukoeytenhäufclien und spärlichen Epithelioidzeilen, das 
Ganze dick durchflochten von Fibrinfasern, zwischen den Zellen 
zahlreiche, einzeln liegende Tuberkelbacillen. Die umgebenden 
Alveolen gebläht; theil weise,, ebenfalls lobulär, mit gering ver¬ 
dickter, von wenigen Leukocyten durchsetzter Wandung mit 
strotzend gefüllten Capillaren. Im Lumen abgestossene Epi- 
thelien, weisse und rothe Blutkörperchen, Häufchen von Strepto¬ 
coccen. 

Die glattwandige Höhle Im rechten Unterlappen war eine 
sackförmige Bronehiectasie. 

Haut: a) Geschwürsgegend: Theil weise ganz normales Bild 
aller Schichten bis in die unterliegende Musculatur. An ziemlich 
scharf begrenzt«*u Stellen und zwar fast ausschliesslich in der Um¬ 
gegend der Haare und der Haarbälge Veränderungen: Stratum 
corneum sich verdünnend, Stratum germinativ. in immer grösseren 
Zapfen zwischen die Papillen tretend, die letzteren sich stetig 
vergrössernd, immer mehr von Zügen polynucleärer neutrophiler 
Leukocyten und von immer mehr Capillaren durchzogen. Zu¬ 
nächst des Haaraustrittes liegt das Stratum germinativ. bloss, 
zieht nur kurz in die Tiefe, geht über in ein von obigen Leuko¬ 
cyten durchsetztes, an Bindegewebszellen und Capillaren reiches 
Bindegewebe, das sich in der Breite der vergrösserten PapUlen 
fortsetzt bis zur Mündung des Ausführungsganges der Gl.sebaceae. 
Der bindegew ebige Haarbalg sammt Haar, w r o dies erhalten, liegt 
abgestossen, von Leukocyten durchsetzt in dem so entstandenen 
Canal, der reichlich Strepto- und Staphylococcen enthält- In der 
Gegend der meist noch gut kenntlichen Ausführungsgänge der 
Talgdrüsen liegen an und in kleinen Verkäsungen Langhans'- 
sehe Riesenzellen. Die Talgdrüsen untergegangen, an ihrer Stelle 
typisch gebaute Tuberkel mit einzelnen Tuberkelbacillen am Rand 
von Lymphoid- und Epithelioidzeilen; zahlreiche Bindegewebs¬ 
zellen und Fasern, sowie Capillaren ziehen bis in die Lymphoid- 
zellen hinein. Abwärts vom Ausführungsgang erscheint das 
gleiche Gew’ebe in gleicher Breite, wie oberhalb beschrieben, bis 
zur Gegend der Haarpapille: Diese verändert zu einer unförmigen 
Masse, gebildet von polynucleären Leukocyten, hauptsächlich aber 
grossen, runden und polygonalen, mit Kerntheilungen versehenen 
Zellen, dazwischen Bindegew r ebszüge. Kranzförmig um die Pa¬ 
pille gelagert, theil weise in Klümpchen liegende, Tuberkelbacillen 
enthaltende Tuberkel von oben geschildertem Aussehen. Das die 
erkrankten Haarbälge umgebende Gewebe durch einen breiten 
Leukocytemvall geschieden und durch Bindegewebsanhäufung in 
geringem Umkreis verdichtet. 

Ferner setzen sich von den Haarbalgherdchen Züge der Leu¬ 
kocyten längs der Ilaarbalggefässchen fort, ebenso erscheinen um 
dieLymphcapillaren des papillären Netzes, w r eiter um die grösseren 
Lymphgefässe, die Venen des subpapillaren und cutanen Netzes, 
und zw-ar dicht der theils bindegewebig verdickten, theils von 
Wanderzellen durchsetzten, mit Theilungen der Endothelzellen 
versehenen Wand angelagert, längliche und rundliche Leukocyten- 
häufchen, manchmal unter Ihnen eine Epithelioidzelle, ganz ver¬ 
einzelt in einigen der grösseren Häufchen nach Z i e h 1 gefärbte 
Tuberkelbacillen. An einer einzigen Stelle nun und zwar an einer 
unter einer normalen Gl and. sudoripara entlang ziehenden mitt¬ 
leren Vene des cutanen Netzes (im Schnitt schräg getroffen) 
greift ein Häufchen auf die Venenwand über; 
an der Übrigen Wand das gleiche Bild wie sonst, nur grössere 
Massen von Wanderzellen, zwei Drittel der Wand aber sind In 
eine dichte Anhäufung einer sich durch die Wand fortsetzenden, 
sowohl auserhalb wie im Innern einen Epithelioidzellenherd ent¬ 
haltenden Anhäufung von Lymphoidzellen umgewandelt Diese 
Anhäufung steht im Lumen der Vene in Verbindung mit einem 
kleinen, centripetal gerichteten Zellpolypen mit verdicktem Ende, 
in w’elclr letzterem zwar die (mit Carmin) gut gefärbten Kerne, 
nicht mehr aber (bei van Gieson) das Zellprotoplasma sicht¬ 
bar war. In der Gegend des Herdes das Endothel theil weise 
abgehoben, mit fibrinösen Auflagerungen, die Zellen nekrotisch, ihr 

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lü. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Kernrand (mit Saffraniu) intensiv gefärbte, halbwoiidartige Stellen 
enthaltend. In dem Epithelioidherd ausserhalb der Venenwand 
in einem Schnitt 2' Häufchen von Tuberkelbacillen (Z i e h 1). 

b) Hautstück an der Vereinigung der V. medianae und 
■cephalicae: Epidermis und Corium bis zum Str. reticulare normal, 
ln letzterem an den Venen und nachstgelegeneu grosseren Lyrnpli- 
gefässen des cutanen .Netzes massige Anhäufung von Leukocyteu 
unregelmässig längs der Wand; an einer Stelle neben einem 
Lymphgefass eine vollständig kreisrunde dichtere Anhäufung, 
umgeben von einer dünnen .Lage zellarnien Bindegewebes. An 
einer weiteren Stelle, zwischen einer V. mediana und einem unter 
ihr gelegenen grosseren Lymphgefässe lindet sich eine durch 
3 zusammenhängende typische, nicht verkäste Tuberkel gebildete, 
m der Nahe einer Biesenzelle tuberkelhaciilenhaltige, von einem 
breiten Leukocyteuwall umschlossene .Neubildung. 

Herz: a) Linker Ventrikel: Epicard mit wenig Fetttropfen, 
vereinzelt kleine Anhäufungen von Wauderzellen dicht unter dem 
Epithel; Muskellibrillen zum grossen Tlieil gut quergestreift, 
gteichiuässige Kernform, gut gezeichneter Kernbau, Perimysium 
irei von Zellanhiiufungeu. Partienweise, und zwar mehr in den 
transversal und den inneren, longitudinal gerichteten Muskel¬ 
fasern, erscheinen verschieden grosse Fibrilleiitlieile, namentlich 
oft nur das Sarkoplasma U>ei den Haemato.xylinfärbungeni, un¬ 
gefärbt, hellgelb, Querstreifung verwischt, gefärbte Panien ver¬ 
schmälert, zugespitzt oder auch in der Mitte aufgebauclit; es treten 
mit Saffraniu bezw. Säurefuchsin färbbare, hellglänzende, kern¬ 
grosse Massen neben dem Kerne, ebenso runde und längliche, 
entlang der Fibrillen liegend, auf; Kernleib eigenthiimlich zackig, 
mit tiefen Einschnitten, intensiver Kandfarbung oder auch 
Chromutiu klumpig in der Mitte verdichtet; die nächstgelegeueii, 
nur blassgefärbten, grossen Tlieils verschmälerten Fibrillen haben 
reichliche, Längsstreifung vortäuschende, mit Osmium nicht ge¬ 
schwärzte, licht brechende Körnchen im Sarkoplasma, wie in den 
Fibriilenbiattern. In den geschilderten Herden, sowie in kurzer 
Entfernung davon, verlaufen durch die Muskelfasern fein ge¬ 
zackte Limen, die ihnen zunächst liegenden Fibrilleiitlieile un¬ 
gefärbt; andere Fasern in Stücke zerfallen, au einigen Hervor¬ 
treten der Kittlinieu. Wiederum diesen Partien entspricht am 
Endocard Vermehrung der Endothelzellen, zahlreiche Theiluugs- 
tiguren, stärkere Capillarfüllung, ferner in das Stratum der 
elastischen Fasern erfolgte Einwanderung von Leukocyteu, die 
sieh in kurzen Zügen in die nächsten Perimysieu fortsetzen; end¬ 
lich entsprechen den Endocard Wucherungen an den Thromben die 
Haftstellen, welch' letztere ausserdem gewöhnlich nicht au den 
tiefsten Stellen der Trabekelwinkel sind: die Thromben bestehen 
aus (mit Haematoxyliii oder Saftrauin) leicht diffus gefärbten, 
faserigen und körnigen Massen, denen Herde von mehr oder 
weniger gut erhaltenen, weissen und rotheu Blutkörperchen und 
von Blutfarbstoff eiugelagert sind; am Bande der Thromben 
ziehen stärker gefärbte Fibrinfaserzüge, ihnen folgt eine ziemlich 
regelmässige Leukoeytenschiclit, ihrerseits von feinfaserigen 
Fibrinzügen bedeckt; au den Haftstellen nun ist grösstentheils 
Endothel und Thrombus durch dichte Fibrinzüge getrennt. Stellen¬ 
weise werden aber letztere durch keilförmig sich vordräugende 
Züge von Leukocyteu, untermischt mit länglichen Zellen mit 
langen, scharf tlugirtcu Kernen, durchbrochen, während an den 
gleichen Stellen Fibrinfasern in das Thrombusinnere ausstrahlen 
und die Thrombusmassen auseinander gedrängt erscheinen. 

b) Linker Vorhof: Wand Veränderungen geringgradig stärker, 
Thromben fast rein weiss, Beziehungen zur Herzwaud wie oben, 
namentlich auch die des grosseu Thrombus im Herzohr, desseu 
Haftstelleu hauptsächlich iu der Gegend der Oeffuuug in den 
Vorhof liegen. 

c) Beehter Vorhof: Epicard wie links, Muskeltibrillen in 
grösster Unordnung, vielfach zerbrochen, dabei gequollen, an 
zahlreichen Stellen kleine Anhäufungen rother Blutkörperchen; 
Kerne entweder mit Haematoxylin und Karmin ungefärbt, bei Be¬ 
handlung nach II e r m a u n mit feinsten rotlien Körnchen er¬ 
füllt, theilweise nur schwärzliches Gerüst zeigend, oder au Stelle 
-der Kerne saplirauophile, klumpige, unregelmässige Körner. Es 
durchsetzen iu Zügen und Schollen die meisten Muskelfibrillen 
/eine glänzende Massen, nur mit Saffraniu und wenig mit Säure¬ 
fuchsin färbbar, quer getroffene Fibrillen sind oft wie von einem 
feinen Bing umschlossen, von dem aus kurze Fortsätze in die 
Fibrillen gehen. Eine Differeucirung von Sarkoplasma lind 
Fibrillen blättern ist nicht mehr sichtbar, dagegen liegen auch, 
dem erstereu entsprechend, sowie um die Keragegend, die be¬ 
schriebenen glänzenden Massen in kleineren Streifen und 
Körnern. Interfibrilläre Capillaren bedeutend erweitert, nament¬ 
lich in der Gegend von Venen mit gemischten Thromben, Endocard 
lu grosser Ausdehnung, namentlich im Herzohr abgestossen, 
nnderorts Endotbelzellen gequollen mit pykuotiselien Kernen. Die 
Thromben, speciell der im Herzohr, durch geringe Fibrinlagen 
mit den Endocardresten verbunden, enthalten grosse Klumpen von 
rotheu Blutkörperchen, bestehen im Uebrigen aus gleichmässigen 
feinkörnigen Massen, dicht durchsetzt von verschieden gut er¬ 
haltenen Leukocyteu, nirgends Orgauisationsersclieinungen. 

d) Gegend des Foramen ovale: Die hier beiderseits auf sitzen¬ 
den rein weissen Thromben durch reichliche Fibrinfasern mit dem 
Endothel verklebt, an diesem wenige Kemtheilungs- und Zell¬ 
vermehrungsvorgänge. Thrombus im linken Vorhof haftet in 
einer trichterförmigen Einziehung, Endocard hier durch Binde- 
gewebseinlagerungen erheblich verdickt. Kerne der Muskel- 
flbrillen dicht zusammengedrängt, Veränderungen der Fibrillen 
etwas stärker wie am linken Vorhof, kleine, interflbrillär gelegene 
Leukocytenherdchen kommen hinzu. 

e) Mitralklappe: Die knötchenförmigen Verdickungen bedingt 
durch reichliche Einlagerung von Bindegewebszügen, Epithellage 


No 3. 

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Gck igle 


allenthalben gering verdickt, die kleinen Thrombusmassen durch 
Fibriufäden angeklebt. 

f) Aortakinppen: Die Bindegewebsseliicbt reichlich durch¬ 
setzt von zusammenliegenden Zügen von Bindegewebszellen; am 
Endothel kleine Verluste mit entsprechender Leukoeyten- 
auluiutuug; die Bütliuug au der Berühruugsstelle zweier Klappen 
entspricht einem etwas grösseren Endotheldefect mit Leukocyieu- 
auhuufung in der Umgebung und Kry stall nadeln und körnigem 
Detritus am Grunde. 

h) Beeilter Ventrikel: Die Veränderungen sind geringer wie 
am rechten Vorliof, erscheinen herdweise und geben sehr deut¬ 
liche, fast schematische Bilder: die Muskeltibrilleu zum Theil 
normal, namentlich in der Gegend des Auuulus, weiter gegen die 
Spitze alhumiuoide Körnung, Chromatiuumlageriiugen der Kerne; 
nächst der Spitze, im Bereich des Bamus desceudens, nament¬ 
lich die Trabekel betreffende eigenthümlicbe llerdchen: die Kör¬ 
nung verwandelt sich am Bande der letzteren iu feinste, die 
Fibrillenblätter auseinander drängende Streifen, der Band der 
Fibrillen tritt durch stärkere Färbung wie eine Membran hervor, 
das Sarkoplasma hebt sich deutlich als heller gekörnte Masse ab. 
Weiter werden die Streifen breiter, die Fibrillenblätter mehr aus¬ 
einander gedrängt, die Fasern sind am Ende auf gebaucht und 
gehen in wurzeliormig auseinander tretende Fäden über. Die 
hellbläuliehen Fibrillenblätter treten gegen die gelbe Zwischen¬ 
substanz (Haematoxylin-Eosin) immer mehr zurück, sind zuerst 
noch als dicklädiges, später als ganz feines Netz vorhanden, der 
Band der Muskel!asern intensiv blau gefärbt. Das Netzwerk ver¬ 
schwindet dann, die Fasern erscheinen bei schwacher Vergrösse- 
rung homogen gelb, mit blauem Baud, bei Oe. J. dagegen sind sie 
aus kleinen, unregelmässigen Schollen zusammengesetzt, denen 
einzelne, noch starker licht brechende eingelagert; weiter ver¬ 
schwindet auch der blaue Band, die Schollen bleiben als helle, 
nur mit Blende sichtbare Massen. Auf Querschnitten erscheinen 
die Fibrilleuründer mit Zunahme der Scholleuanhäufung immer 
unregelmässiger, die Fibrillenblätter zuletzt als feines Netz. Auch 
am Sarkoplasma werden die Körner allmählich zu Schollen, zuerst 
in der Nähe der Kerne, die helle Substanz desselben differeneirt 
sich immer weniger, ist beim Auftreten des dickfädigen Netzes 
nicht mehr zu erkennen. Die Kerne sind iu den gekörnten Fasern 
zunächst laug gestreckt, die Membran getüpfelt, das Chroma¬ 
tin wie bei Kerntheilung, iu 2 rundlichen Massen. In anderen 
Fasern liegen 2 längliche Kerne dicht aneinander. Bei Beginn der 
Fibruienbiätterstreifuug ist die Kernwand dickblau punktirt, 
weiter das Innere fast homogen hellblau, es erscheinen im Innern 
dickblaue Chromatiupunkte, zwischen diesen zur Zeit der Blätter- 
auffaserung, glänzende Pünktchen, letztere werden im dicken 
Netz zu Schollen, die Ohrornatinmassen erscheinen als breite 
Leisten um dieselben, die Kemmembran ist verbreitert und 
weniger gefärbt. Im feinen Netz liegt das Chromatin, in 2—3 
klumpigen, kleinen Massen, eingebettet in glänzende Schollen. 
Nach Verschwinden des Netzes ist das Chromatiu als feines Faden¬ 
werk zwischen den Kernschollen sichtbar. Nach Verschwinden 
des blaugefärbten Fibrillenrandes sieht man noch die Kern¬ 
membran, später auch diese nicht mehr, die Kerngegend ist nur 
noch bei enger Blende und Oe. J. als stärkerer Schatten zu er¬ 
kennen. Die quergetroffeueu Kerue zeigen die gleichen Bilder. 
In der Gegend der Herde sind die Venen mit homogenen, glasigen 
Thromben erfüllt, denen einige schlecht erhaltene, weisse Blut¬ 
körperchen eiugelagert sind. In den zugehörigen Capillaren und 
auch Arterien liegen die rotlien Blutkörperchen, untermischt mit 
spärlichen weissen, dicht zusammengepresst. Die Musculatur der 
Arterien, namentlich die ringförmigen Fasern, zeigen genau die 
gleichen Veränderungen, wie die Herzmuskelfibrilleu; in der In¬ 
tima einige Wauderzellen, die Kerne mit klumpigen, grossen 
Chromatinmassen. Die Fragmeutirung ist im ganzen rechten 
Ventrikel auffallend gering und daun fast nur an den Albuminoid- 
körnclien enthaltenden Fibrillen vorhanden; im interfibrillären 
Bindegewebe zahlreiche, grosse Zellen, namentlich am Bande 
obiger Herde, erfüllt mit Saffrauinkörnchen und einen polygonalen 
Kern enthaltend, dessen Membran mit Gentianaviolettkörnchen 
punktirt; ferner am Bande der Herde und auch der Fibrillen zahl¬ 
reiche Bindegewebszellen; nirgends Leukocyteu. Die Thromben 
sind an den Trabekelu mit obigen Veränderungen bei schwacher 
Vergrösserung scheinbar homogen glasig, bei starker ebenfalls aus 
kleinen Schollen zusammengesetzt, dabei gehen sie au den Haft¬ 
stellen, denen das Endocard gänzlich fehlt, scheinbar direct in 
die glasigen Gewebstrümmer über; im Uebrigen gehören sie zu 
den gemischten, enthalten den Blutfarbstoff hauptsächlich in 
Haematoidinkrystallform; au den Ventrikeltheilen mit annähernd 
normaler Muskulatur ist das Endocard theilweise erheblich ver¬ 
breitert, das Stratum der bindegewebigen und elastischen Fasern 
mit Leukocytenzügen durchsetzt, die sich iu das iuterfibrilläre 
Bindegewebe fortsetzen, die Endothelzellen mit zahlreichen Ivern- 
spindeln, zwischen ihnen kleine Häufchen von Leukocyteu und 
grosse Zellen mit langgestreckten Kernen, die schon iu der Binde- 
gewebssehiclit erscheinen; aus den geuanuten Zellformen be¬ 
stehende Massen erheben sich zapfenartig und dringen, wo Throm¬ 
ben haften, in diese, wobei die Bindegewebszellen sich in Zügen 
ordnen, an anderen Stellen in feine spitzige Fasern übergehen, 
wieder an anderen der Abgang dieser Fasern leicht ausgehöhlt er¬ 
scheint; die Fasern sind miteinander durch Verzweigungen ver¬ 
bunden und enthalten in ihrem Verlauf langgestreckte Zellen; 
wo die Bindegewebszellen erscheinen, sind sie begleitet von gut 
erhaltenen Leukocyteu; diese Vorgänge treten hauptsächlich am 
Rande der Thromben auf, gleichgiltig, ob die Haftstelle die Spitze 
oder die Breitseite des Thrombus betrifft; eine schmale Schicht am 
äussersten Rand des Thrombus aber nimmt, entfernter von den 
Haftstellen, wiederum nicht theil. Tiefer lm Thrombuslnnem 
I findet man nur einzelne Bindegewebszellen. — Die mehrfach ge> 

Original from 2 

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74 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


schilderte, glänzende Substanz wird bei Saffranin hellroth, bei 
Säurefuchsin hellpurpurroth. bei Haematoxylineosin gelb, bei 
Weigert leicht bläulich, bei Carrain nicht, bei Fuchsingeutiana- 
violett tiefdunkelroth gefärbt. Die Färbung nach Z i e h 1 ergab 
in allen Herztheilen keine Tuberkelbacillen. Die Färbung auf 
Amyloid nach Birch- Hirschfeld war stets negativ. 

Leber: erweiterte, strotzend gefüllte Läppclieneapillaren. ln 
den Zellkernen oft unförmige Chromatinmassen, im Protoplasma 
reichlich braune Pigmentkürnchen, ebensolche um die Central¬ 
venen und zwischen den Leberzellen. 

Milz: venöse Bluträume erweitert, Pulpa dicht von Erythro- 
cyten erfüllt, Trabekel theilweise schon bindegewebig verdickt. 

Niere: alle Blutgefässe prall gefüllt, in einzelnen Gloraeruli 
das Epithel abgestossen, dazu Blutaustritte; in den gewundenen 
Harncaniilchen die Epitlielien stellenweise mit ungefärbten, nur 
noch chromatische Gerüstzeichnung aufweisenden Kernen, Proto¬ 
plasma in oberflächlicher Abstossung, Anordnung der Altman n’- 
schen Granula gestört, zwischen den Epithelzellen Anhäufungen 
bräunlichen Pigmentes, im Lumen der Canälchen glänzende, mit 
abgestossenen Epithelien untermischte Cylinder. 

(Schluss folgt.) 


Die Behandlung der Neurasthenie. 

Von Dr. Otto Dornblüth, Nervenarzt in Rostock. 

Mehr noch als andere Krankheiten erfordert die Neur- 
astenie das Eingehen auf den einzelnen Fall, die Behandlung des 
Kranken als Mensch. Dazu gehört vor Allem, dass der Arzt dem 
Kranken menschlich näher tritt. Das im Gedränge der Kassen¬ 
praxis oft genug zum Schema werdende Verfahren, durch kurze 
Frage und Antwort auf eine annähernde Diagnose zu kommen 
und diese schnell durch Untersuchung zu sichern, ist gegenüber 
dem Neurastheniker nicht angebracht. Hier kommt es zunächst 
darauf an, dass der Kranke Zeit und Ruhe hat, sich auszu¬ 
sprechen; er muss behaglich und breit erzählen können. Das gibt 
ihm eine gewisse Erleichterung, und zugleich verschafft es dem 
Arzte den unentbehrlichen Einblick in das „Milieu“, dem der 
Kranke und oft auch die Krankheit entstammt. Ueber einer 
solchen Aussprache kann freilich leicht eine halbe Stunde oder 
auch mehrere solche vergehen, aber die Zeit ist nicht verloren, 
weder für den Kranken noch für den Arzt, denn sie wird in der 
Behandlung wieder eingebracht. Am besten lässt man den 
Kranken zunächst erzählen, was ihn augenblicklich bedrückt; 
man erleichtert ihm durch kleine Zwischenfragen die Voll¬ 
ständigkeit des Berichtes und geht dann allmählich auf die Vor¬ 
geschichte, auf seine Entwicklung von der Kindheit her ein. 
Zum Schluss kann man durch Befragen die erbliche nervöse Ver¬ 
anlagung feststellen, aber mit Vorsicht, denn die Kranken stehen 
durch die Mittheilungen der neueren Literatur ohnehin meist 
sehr unter dem Banne tragischer Vorstellungen in dieser Rich¬ 
tung, und man hat oft Mühe, schwer hypochondrische Vorstel¬ 
lungen solcher Art zu beseitigen, die durch unvorsichtige ärzt¬ 
liche Fragen angeregt worden sind. In Wirklichkeit bedeutet 
bei reiner Neurasthenie die nervöse Belastung, wenn sie 
nicht übermässig schwer ist, gar nichts Ungünstiges, vielmehr er¬ 
klärt sie oft nur, wesshalb verhältnissmässig geringe Ursachen zu 
neurasthenischen Erscheinungen geführt haben. 

Ist so die Anamnese vollkommen erhoben, so schreitet 
man zur Untersuchung. Wie die Haut und die sichtbaren 
Schleimhäute gefärbt sind, ob die Pupillen besonderes bieten, ob 
die Nase frei ist, ob Mund und Rachen krankhafte Erscheinungen 
aufweisen, ob Drüsenschwellungen am Halse oder an den Ellen¬ 
bogen vorliegen, ob das Herz für Percussion und Auscultation 
normal ist und ob der Leib aufgetrieben und der Darm überfüllt 
ist, endlich ob die Patellarreflexe normal sind, sollte in jedem 
Falle festgestellt werden, denn damit schützt man sich vor Irr- 
thümem in der Diagnose und in den Verordnungen. Eine Geni¬ 
taluntersuchung sollte nur vorgenommen werden, wenn besondere 
Erscheinungen (namentlich erheblichere Menstruationsstörungen) 
darauf hinweisen, dann soll man sie aber nicht unterlassen. Im 
Allgemeinen wünscht auch der Kranke eine vernünftige Unter¬ 
suchung; er sieht daran, dass der Arzt die Sache ernst nimmt, 
und wird über mancherlei hypochondrische Vorstellungen hin¬ 
weggebracht, so dass in mancher Hinsicht auch die Untersuchung 
einen Theil der Behandlung darstellt. Wo der Verdacht auf 
Chlorose oder Anämie vorliegt, ohne dass die gewöhnliche Unter¬ 
suchung einen sicheren Aufschluss gibt, ist die Untersuchung des 
Blutes mit dem Mikroskop und mit dem Gowers-Sahli- 
schen Haemoglobinometer zur Entscheidung heranzuziehen. 

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Der Praktiker wird vielleicht einwenden, dass diese Vor¬ 
schriften dem Arzte zu viel Zeit kosten, wenn es sich doch nur 
um ein functionelles Leiden handelt, das keine Gefahr für den 
Kranken mit sich bringt. Ich kann diesen Standpunkt nicht für 
richtig halten; übernimmt der Arzt die Behandlung eines 
Kranken, so muss er ihm alle Sorgfalt zuwenden, einerlei, oh 
das Leiden seiner Meinung nach ernst oder unbedeutend ist. Der 
Kranke hat das berechtigte Verlangen, von seinen Beschwerden 
befreit zu werden, und wenn die Neurasthenie für gewöhnlich 
auch keine gefährliche Krankheit ist, so kann sie doch dem 
Kranken sein Leben sehr schwer und seinen Beruf unerträglich 
machen. Jedenfalls erwächst dem Arzt, wenn er ein Mann der 
Wissenschaft und kein Gewerbetreibender sein will, die heilige 
Pflicht, wenn er selbst nicht Zeit oder Lust zu sorgfältiger Be¬ 
handlung solcher Kranken hat, sie rechtzeitig einem Special¬ 
arzte zuzuweisen. In dieser Hinsicht stellt es augenblicklich 
überall in Deutschland, wie ich aus eigener Erfahrung und von 
zahlreichen Fachgenossen weiss, noch sehr traurig. Kaum 
10 Proc. der Neurasthenischen, die zum Specialarzt kommen, 
sind von ihrem Hausarzte dazu veranlasst; von den übrigen 
90 Proc. ist vielleicht ein Drittel vom Hausärzte ernst genommen 
und einer Behandlung (leider oft nicht einer sachgemässen) 
unterzogen, der Rest ist mit der Versicherung abgesteuert 
worden, dass die Krankheit nur nervös sei, dass damit nichts zu 
machen sei oder doch nichts gemacht zu werden brauche. Kein 
Wunder, dass darauf hin Tausende den Naturheilkünstlern, Heil- 
magnetiseuren u. s. w. in die Hände fallen. Wenn man sich die 
Mühe nimmt, von solchen Patienten, die vorher in der Cur von 
Pfuschern gewesen waren, herauszubringen, wie sie dazu gekom¬ 
men waren, so ergiebt sich in den meisten Fällen der für den 
Aerztestand lief betrübende Thatbestand, dass der Patient zum 
Curpfuscher gegangen war, weil ihn der Arzt in der angegebenen 
Weise im Stich gelassen und dabei auch versäumt hatte, ihm 
etwa den Weg zu einem Specialarzte zu weisen. Professor 
Rubner hat in seinem bekannten Vortrage die Meinung aus¬ 
gesprochen, die Curpfuscherei sei dadurch gefördert worden, 
dass das Publikum sich zu sehr an die Befragung von Special¬ 
ärzten gewöhnt habe. In Wirklichkeit liegt die Sache anders. 
Viele Aerzte haben eine ganz unüberwindliche Abneigung gegen 
Specialärzte und suchen ihre Kranken auch da, wo ihre eigene 
Kenntniss nicht ausreicht, von deren Befragung zurückzuhalten; 
der Patient geht dann um so eher zum Curpfuscher, weil er sich 
hier vor Verrath an den Hausarzt um so sicherer fühlt. Es ist 
nicht angenehm, diese Dinge zu berühren, weil dabei zu leicht 
Missdeutungen hervorgerufen werden; ich weiss aber durch 
Mittheilungen von Specialfachgenossen, dass diese Verhältnissse 
in ganz Deutschland ziemlich gleich sind und wirklich einen 
Krebsschaden für den deutschen Aerztestand bedeuten. 

Also nach gründlicher Vernehmung des Kranken eine hin¬ 
reichende gründliche Untersuchung; daran schliesse ich dann 
eine vernünftige Belehrung über die Art und Bedeutung der 
Krankheit und eine ausführliche, genaue Verordnung. Man 
muss bei der Belehrung, wie immer, wenn man ärztliche Dinge 
mit Laien bespricht, nichts bringen, was sie nicht verstehen oder 
was sie missverstehen können; man muss vermeiden, sie durch 
das Gesagte zu beunruhigen, aber man soll sie auch nicht allzu 
leicht davon kommen lassen, weil sie dann die Verordnungen un¬ 
genau befolgen und sich wahrscheinlich nur das davon heraus¬ 
suchen, was ihnen bequem und einleuchtend erscheint. Bei der 
grossen Neigung der Neurasthenischen, mit Leidensgenossen 
über ihre Krankheit zu sprechen und therapeutische Erfahr¬ 
ungen auszutauschen, thut man gut, jedesmal, wenigstens bei 
allen eingreifenderen Verordnungen, zu sagen, dass die Verord¬ 
nung nur für den vorliegenden Fall gelte u. s. w. Sonst kann 
man es bald erleben, sich als den Urheber der einseitigsten Ur- 
tlieile citirt zu sehen. 

Bei der eigentlichen Behandlung der Neurasthe¬ 
nie muss man einen gewissen Unterschied machen zwischen den 
acuten neurasthenischen Zuständen, wo die reizbare Schwäche, 
die Erschöpfung des Nervensystems im Vordergründe steht, und 
den chronischen Zuständen. Die an letzterer Form Leiden¬ 
den pflegen allerdings auch, wenigstens zunächst, während einer 
vorübergehenden V erschlimmerung zum Arzte zu kom¬ 
men, und dann steht ihr Zustand, was die Behandlung anlangt, 
der acuten Neurasthenie gleich. Bei der acuten Krankheit wie 
bei der vorübergehenden Verschlimmerung heisst das erste Gebot 
der Behandlung Ruhe. Man glaubt gar nicht, wie sinnlos hier- 

Qriginal fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


75 


gegen gefehlt wird. Der Kranke, dessen Nervensystem durch 
geistige Ueberarbeitung, Gemüt hsbewegungen, Nachtwachen, 
Alkoholmissbrauch u. s. w. geschwächt oder zerrüttet ist, soll nun 
in ausgedehnten Spaziergängen und körperlichen Hebungen Ab¬ 
lenkung und Erholung finden. Die Ablenkung tritt ja in 
leichteren Fällen ein, aber die wirkliche Erholung wird vereitelt, 
liier ist der Punkt, woran so manche Cur einer Neurasthenie 
scheitert. Das verdient besondere Beachtung zu einer Zeit, 
wo die Errichtung eigener Arbeitscuranstalten für Nerven¬ 
schwäche bei den weniger Eingeweihten leicht den Glauben er¬ 
weckt, dass nun das Allheilmittel gefunden sei. Wir werden 
später sehen, für welche Fälle die Arbeit das Heilmittel bildet. 
Für die acuten Zustände, einerlei, ob sie dem Beginn der Krank¬ 
heit oder einer Schwankung im Befinden angehören, ist die Ruhe 
das einzig richtige und zwar am besten die B e t t r u h e. Es ist 
geradezu überraschend, wie schnell oft schwere nervöse Magen¬ 
störungen, völlige Schlaflosigkeit, quälende Angst zustande, 
Schwindel und Kopfdruck der einfachen Bettruhe weichen. Von 
dem Grade der reizbaren Schwäche hängt es ab, wie lange die 
Bettbehandlung andauern muss; sie kann von 8 Tagen bis zu 
6 Wochen ausgedehnt werden. Längere Zeit wird nur in ganz 
besonderen Fällen angezeigt sein, im Allgemeinen kommt dann 
eine Zeit, wo weniger die schonende Wirkung der körperlichen 
Ruhe als ein erschlaffender Einfluss bemerkbar wird, und der 
muss natürlich unter allen Umständen vermieden werden. In 
leichteren Fällen hält es schon aus äusseren Gründen oft schwer, 
die Kranken zur Bet truhe zu überreden, obwohl die Wirkung auch 
i ier gewöhnlich sehr glänzend ist. Man verordnet dann wenig¬ 
stens, dass der Kranke alle freie Zeit dazu benutzt, sich flach hin¬ 
zulegen, und seien es nur 5 oder 10 Minuten mehrmals am Tage. 
Gerade in den leichteren Fällen der Neurasthenie, z. B. bei der 
einfachen Ueberarbeitung, tritt so oft eine nervöse Rastlosigkeit 
hervor, die den schwächenden Einfluss des mangelhaften Schlafes 
in sehr unerwünschter Weise steigert ; die Kranken verrichten 
alle ihre Arbeit mit unruhiger Hast, eilen von einem Geschäft 
zum anderen, rennen in der Zwischenzeit ohne rechten Zweck im 
Zimmer oder auf der Strasse umher und sind schliesslich selbst 
höchst erleichtert, wenn der Arzt sie auf das Verkehrte dieses 
Verhaltens aufmerksam macht. Haben solche Kranke, die ihren 
Beruf fortsetzen müssen, so wenig Zeit, dass ihnen nur die Wahl 
bleibt, entweder auf die eingeschobenen Liegepausen oder auf den 
täglichen Spaziergang zu verzichten, so rathe ich regelmässig, 
den Spaziergang fahren zu lassen, und ich bin mit den Erfolgen 
sehr zufrieden. Um so eher kommt die Zeit, wo die Körper¬ 
bewegung im Freien Nutzen schafft. Nur die Erfahrung kann 
natürlich den richtigen Zeitpunkt erfassen lehren. Meist geht 
es so, dass der Kranke, der sich zunächst etwas ablehnend und 
widerwillig in die Verordnung möglichster Ruhe oder in das 
Bettliegen gefügt hat, nach einigen Tagen den guten Erfolg 
deutlich wahrnimmt und nun gar nicht mehr an’s Aufstehen 
denkt; sobald aber die Wirkung genügend ist, kommt ganz von 
selbst wieder das Verlangen, aufzustehen. Im Volke findet man 
vielfach die Meinung, dass „das Bett zehrt“. In Wirklichkeit 
ist das da, wo Ruhebedürfniss besteht, nicht der Fall. Nach 
längerem Liegen erfordert das Wiederauf sein natürlich eine ge¬ 
wisse Gewöhnung, das Aufstehen verursacht, dann Anfangs etwas 
Schwindelgefühl u. dgl., worauf natürlich Rücksicht genommen 
werden muss, aber schon beim zweiten und dritten Versuch treten 
die guten Erfolge hervor. Die Bettruhe begünstigt ja den 
Schlaf, die psychische Ruhe und meist auch die Nahrungsauf¬ 
nahme, es ist daher selbstverständlich, dass die Kräfte wachsen 
müssen. Oft ist die Gewichtszunahme sehr beträchtlich. Bei 
der bekannten Mastcur ist, wie ich durch vergleichende Beobach¬ 
tungen gefunden habe, die geistige und körperliche Ruhe bei 
Weitem das wichtigste Moment, die Menge der zugeführten 
Nahrung thut lange nicht so viel! 

Für die psychische Ruhe ist es nicht unwesentlich, dass der 
Kranke den Einwirkungen des Verkehrs entzogen wird. Die 
Einsamkeit ist in den acuten Zuständen der Neurasthenie etwas 
sehr Günstiges für den Kranken. Hütet er das Bett, so ist sie 
am leichtesten durchzuführen, aber auch sonst kann man durch 
nachdrücklichen Hinweis vielfach von dem unglücklichen Miss¬ 
griff abhalten, dass der Kranke durch Besuche und Verkehr zer¬ 
streut, abgelenkt werden müsse. Gerade die Neigung zum 
Grübeln, die der Laie nothwendig mit Ablenkung und Be¬ 
schäftigung bekämpfen zu sollen glaubt, weicht der völligen gei¬ 
stigen und körperlichen Ruhe des Krankenzimmers am besten. 


Erst wenn richtige Ruhe eingetreten und die Widerstandsfähig¬ 
keit wieder genügend geworden ist, darf an Verkehr wieder ge¬ 
dacht werden. 

Neben der Ruhe ist die Diät von grosser Wichtigkeit. Man 
könnte sich kurz darüber fassen, wenn die Regeln einer normalen 
Ernährung schon Allen in Fleisch und Blut übergegangen wären, 
denn im Wesentlichen bedarf der Neurastheniselie nur einer 
normalen Ernährung. Ich verstehe darunter fünf Tages - 
mahlzeiten, die je durch 2 l / 2 —3 ständige Pausen getrennt sind. 
Ich erlaube Kaffee und Thee und alle nicht übermässig schwer 
verdaulichen Speisen, verbiete aber ein für allemal die alkoho¬ 
lischen Getränke, denn es ist sicher, dass sie dem Neur- 
astheiiischen nur das trügerische Gefühl einer Erleichterung be¬ 
reiten, aber stets eine Erschlaffung hinterlassen und die Er¬ 
hol u n g s f ü h i g k e i t des Nervensystems schädi¬ 
gen, die ja ohnehin darniederliegt. Eine solche normale Kost 
lasse ich auch den Neurastheniker mit nervöser Dyspepsie inne¬ 
halten, seit ich gesehen habe, dass solche Kranke, denen die raffi- 
liirtesten Vorschriften der Magenärzte keinerlei Nutzen gebracht 
hatten, nachher unter Ruhe und rationeller Allgemeinbehand¬ 
lung die normale Kost vortrefflich vertragen und ausnutzen. 
Nur bei höchster Reizbarkeit des Magens, die sich in heftigen 
Schmerzen nach dem Essen und in Erbrechen äussert, beginne 
ich mit einer Kost, wie sie sonst in der Behandlung des Magen¬ 
geschwür üblich ist; oft genügt es auch, wenn man alle andert¬ 
halb Stunden abwechselnd feste und flüssige Kost verabreicht. 
Diese Trennung der festen und flüssigen Mahlzeiten wirkt auf 
den reizbaren Magen oft ganz überraschend gut (zum Theil ge¬ 
wiss auf suggestivem Wege). Im Allgemeinen ist Ruhe nach den 
grösseren Mahlzeiten werthvoll; manche kräftigeren Kranken 
kommen übrigens besser über die vibrirenden und sonstigen Em¬ 
pfindungen in der Magengegend hinweg, wenn sie sich unter¬ 
halten können. Ein grosser Theil der Magenbeschwerden bei 
Neurasthenie hängt von ungenügender Darmentleerung ab und 
verschwindet, wenn man durch geeignete Diät u. s. w. diese be¬ 
seitigt. 

In dritter Linie stehen die Heilwirkungen der Hydro¬ 
therapie. So mannigfach sich diese gerade unter den viel¬ 
fältigen Anforderungen der neurasthenisehen Zustände ab¬ 
stufen und verändern lassen, so einfach kann sich der Praktiker 
darin zurecht finden, wenn er die Besonderheiten, die „Speeiali- 
täten“, den Anstalten überlässt und sich selbst nur auf die An¬ 
wendungen beschränkt, die in der Praxis leicht durchführbar sind. 
Ich glaube, dass man hier immer mit dem Priessnitz’schen 
Leibumschlag, dem Ha 1 bbad und der nassen Ab¬ 
klatschung auskommen wird. Man muss nur nicht, wie es 
leider immer noch geschieht, diese Anwendungen sämmtlich für 
gleichbedeutend halten, und man muss vor Allem genaue Vor¬ 
schriften dafür geben, wenn man bestimmte Wirkungen erzielen 
will. Ich lasse beim Priessnitz’schen Umschlag das Lein¬ 
tuch in stubenwarmes Wasser (ca. 12° R.) einweichen, gut aus¬ 
ringen und rings um den Leib legen. Die Patienten haben oft die 
Neigung, das Wasser wärmer zu nehmen, aber damit fällt gerade 
der anfängliche Schock fort, der zu einem guteu Theil die er¬ 
wünschte Wärmereaction bedingt. Darauf muss man also be¬ 
sonders hinweisen. Uebcr das Leintuch kommt dann ein Um¬ 
schlag von trockenem Flanell, der mit Sicherheitsnadeln oder 
Bändern gut befestigt werden muss. Das Ganze bleibt bis zum 
anderen Morgen liegen; bei Bettruhe kann man den Tag über 
einen Morgens erneuten Umschlag anlegen. Der Priess¬ 
nit z’sche Umschlag in dieser Form wirkt beruhigend, man 
könnte sagen, als mildeste Form der allgemeinen Wasserbehand¬ 
lung, und zugleich anregend auf Magen- und Darmthätigkeit. 
Das II a 1 b b a d, ein Bad in gewöhnlicher, aber nur halbgefüllten* 
Wanne, wobei Beine und untere Rumpf hälfte des Badenden im 
Wasser sind, der freie Oberkörper vorn durch den Badenden, 
hinten durch den Badediener beständig mit dem Wasser des 
Bades bespült wird, hat für unseren Zweck am besten eine 
Wärme von 25—22° R. und eine Dauer von 4 Minuten; man lässt 
es bald nach einer kleineren Mahlzeit nehmen und lässt den 
Badenden nachher eine Viertelstunde ruhen. Im Bade und beim 
Abtrocknen soll nicht frottirt werden, denn dadurch erzielt man 
ebenso wie durch kühlere Bäder, eine kräftige Anregung, 
während hier nur eine beruhigende, sanft umstim¬ 
mende Wirkung erwünscht ist. Das ist auch der Grund, 
wesshalb die wegen ihrer Einfachheit in unserer badestuben- 
armen Zeit so beliebten nassen Abreibungen den Neurasthenisehen 

2 * 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHEN SCHRIFT 


No. 3. 


gewöhnlich so schlecht bekommen. Ich verwende sie, wenn nicht 
der ganze Zustand eine kräftige Reizwirkung erfordert, nur 
selten und nur in der Form der Abklatschung, wobei nicht 
gerieben, sondern nur das nasse Laken überall angedrückt wird, 
und mit nachfolgendem sanften Abtrocknen und in einer Wärme 
von 24° R. Auch für allgemeine Abwaschungen und für sog. 
Schwammbiider lasse ich das Wasser von 24 °R. nehmen, in der 
warmen Jahreszeit von 22 0 R. 

Als vierten Theil der Allgemeinbehandlung, der wirklich in 
den meisten Fällen mit Vortheil angewendet werden kann, be¬ 
trachte ich die allgemeine Farad isation mit schwa¬ 
chen Strömen, am besten mit der faradischen Hand. Bezüglich 
der Anwendung verweise ich auf meine „Klinik der Neurosen für 
den praktischen Arzt“ (Leipzig 1897, Hartung & Sohn). 
Dies vortreffliche Heilverfahren, das auch bei Chlorose Gutes 
leistet, sollte viel mehr geübt werden. 

Neben diesen körperlichen Maassnahmen steht schliesslich 
als unentbehrliches Glied der Behandlung die Psychothera 
p i e, die geistige Beeinflussung des Kranken. Sie wird einge¬ 
leitet durch die vorhin ausführlich besprochene Art der ersten 
Unterredung mit dem Kranken, und sie wird fortgesetzt mit 
jedem Wort, das der Arzt zum Kranken spricht. Hie Beständig¬ 
keit dieser Aufgabe erfordert cs. dass man immer nur streng die 
Wahrheit sagt, und nur sagt, was man weiss. Jede Abweichung 
davon bringt in die Gefahr von Widersprüchen, die das Ver¬ 
trauern erschüttern. Man soll auch vor Allem nicht glauben, 
dem Kranken durch grosse Worte seine Krankheit ausreden zu 
können. So gewiss es Fälle gibt, wo der Kranke nach der ersten 
Unterredung mit dem Sachverständigen „fast geheilt“ ist, so 
sicher geht diese Suggestions- oder BeruhigungsWirkung wieder 
zurück, und eine wirkliche Besserung oder Heilung tritt nur 
ein, wenn es gelingt, die functionelle, aber doch that- 
säehlich vorhandene Erschöpfung des Nerven¬ 
systems auszugleichen. Hann tritt nachher die wich¬ 
tige, oft überaus schwierige Aufgabe an den Arzt heran, dem 
Genesenen solche Wege zu weisen, dass er mit seinen Kräften und 
Anlagen möglichst gut durch die Fälirlichkeiten des Lebens hin¬ 
durchkommt. Hier vereinigen sich die Forderungen für die 
Behandlung der acuten und der chronischen nervösen Zustände. 

Aber die Aufgabe gegenüber den acuten Zuständen ist noch 
nicht erschöpft. Zu den besprochenen allgemeinen Maassregeln, 
die in jedem Falle die Grundlage der Behandlung bilden sollen 
kommen die Verordnungen, die der Befund bei dem einzelnen 
Kranken erfordert. Ein grosser Theil der Neurasthenischen 
leidet an mangelhafter Rlutbesch affenheit - Ich 
sage absichtlich nicht Anaemic oder Chlorose, denn es handelt 
sich lange nicht immer um deren klaren Befund. Hemgemäss 
wirken auch die antichlorotisehen Specifiea, vor Allem das an- 
organische Eisen, bei der neurasthenischen Bysaemie meist gar 
nicht oder sehr unvollkommen. Es ist oft wirklich erstaunlich, 
was die Kranken schon an mehr oder minder vollkommenen 
Eisenmitteln genommen haben. Natürlich spielen die mit so 
grosser Reclame in Laienzeitungen angenriesenen Mittel wie 
Haematogen TI o m m e 1 dabei eine grosse Rolle, leider meist nur 
zu Gunsten des Fabrikanten, nicht des Kranken. Teil bin seit 
vielen Jahren zu der Meinung gekommen, dass man deut¬ 
lichen Nutzen am häufigsten von den Kr c welschen San- 
guinnlpillen und von Arsenik sieht. Bas Wirkungs- 
gehiet, beider ist natürlich nicht ganz dasselbe; je deutlicher die 
klinischen Zeichen der Anaemie, um so mehr erwarte ich von 
Sanguinal, während ich Arsenik besonders in den Fällen ver¬ 
ordne. die sieh durch neuralgische und rheumatische oder gichti¬ 
sche Erscheinungen der von den Franzosen angenommenen ar- 
tliritischen Krankheitsgruppe nähern. Wesentlich ist die 
Bosirung. Von den Sanguinalpillen verordnet man am besten 
Anfangs 3 mal täglich 2. nach einer Woche 3 mal täglich 3 gleich 
nach dem Essen, lässt im Ganzen 3 Gläser zu 100 Stück nehmen 
und bei der 2. Hälfte des letzten Glases die Zahl wieder auf 3 mal 
täglich 2 einschränken. Je nach dem Einzelfall kann man statt 
der einfachen Sanguinalpillen auch ihre neueren Zusammen¬ 
setzungen mit Chinin, liydrochl. 0,01 oder mit Extr. Rhei 0,05 
pro Pille verwenden. 

Ben Arsenik verordne ich gewöhnlich in Form der asia¬ 
tischen Pillen, 0,1 Acid. arsen. mit Pip. nigr. 2,0, Pulv. Liq. 5,0 
und Muc. q. s. auf 90 Pillen, davon 3 mal täglich eine im Verlauf 
der Mahlzeit zu nehmen. Nach 8—10 Tagen steigt man damit 

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auf 5—6 Pillen pro Tag, lässt soviel etwa 3 Wochen lang nehmen 
und geht dann noch für 10 Tage auf 3 Pillen pro Tag zurück. 
Oft ist es übrigens von Vortheil, noch grössere Gaben zu verab¬ 
reichen. 

Auf die Einzelheiten der symptomatischen Behandlung will 
ich nicht eingehen. Sie ist natürlich von Wichtigkeit für die 
Praxis, vor Allem kommt es aber doch darauf an, dass der Arzt 
sich an die allgemeine Behandlung hält, die allein zu bleibenden 
Erfolgen führen kann. In dieser Richtung schliesst sich den be¬ 
reits angeführten Methoden für alle schweren und namentlich 
lieh für die depressiven Formen der Neurasthenie die von 
mir empfohlene systematische Behandlung mit C o d e i n an. 
Es ist höchst überraschend, wie oft auf diese Weise die mit 
anderen Verfahren vergeblich angestrebte Beruhigung und Er¬ 
holung der Nerven in kurzer Zeit und mit bleibender Wirkung 
herbeigeführt wird. Irgend ein Nachtheil oder eine Gefahr 
haftet dem Verfahren nicht an, wie ich nach meinen viel¬ 
jährigen, ausgedehnten Erfahrungen mit dieser Methode be¬ 
stimmt versichern kann. Mit wachsender Erfahrung verstärkt 
sich mir der Eindruck immer mehr, dass es sich nicht um eine 
narkotische Wirkung handelt, sondern um eine trophische, jeden¬ 
falls um eine Wirkung, die die Wiederherstellung der nervösen 
Funct ion begünstigt. Sehr auffallend kann es sein, wie in Fällen, 
wo Ueberarbeit ung zu schwerer Erschöpfung mit anhaltender 
Müdigkeit und Schläfrigkeit bis zu völliger Arbeitsunfähigkeit 
geführt hat, schon nach den ersten Codeindosen die Leistungs¬ 
fähigkeit grösser wird. Bie Bedingung des Erfolges ist hier wie 
überall richtiges und planmässiges Vorgehen. Wer einem Neur¬ 
astheniker nur Codein verordnet, ohne die allgemeinen Verord¬ 
nungen daneben zu stellen, wird immer nur flüchtige Besse¬ 
rungen sehen. Ebenso wichtig ist es, dass man mit geringen 
Gaben, etwa 3 mal täglich 0,01. anfängt, sie allmählich steigert., 
nötigenfalls bis zum 10 fachen der Anfangsgabe, und dann 
eben so allmählich wieder die Bosis verringert. Zu wirklichen 
Erfolgen führt immer nur die Erfahrung, die jede Einzel¬ 
heit des Curplanes dem Einzelfalle anzupassen versteht. 

Bie Bedeutung der Erfahrung für die Behandlung der Neur¬ 
asthenie tritt sehr deutlich in den wachsenden materiellen Er¬ 
folgen und in der zunehmenden Zahl den Sanatorien für 
N e r v e li k r a n k e hervor. Während die praktischen Aerzte, 
wie mir scheint, noch zu sehr an der Empfehlung klimatischer 
Curorte mit freier Behandlung oder gar ohne ärztliche Behand¬ 
lung für die Nervenkranken festhalten, haben die Kranken selbst 
schon seit längerer Zeit herausgebracht, dass es für sie weit mehr 
auf den Arzt und auf günstige Verhältnisse in Wohnung , Ver¬ 
pflegung u. s. w. ankommt, als auf ein bestirntes Klima. Bie 
Neurasthenie ist eben eine Krankheit, deren Heilung — zum 
Glück möchte man sagen — nicht an Ort und Jahreszeit gebun¬ 
den ist. Bie Erfolge würden noch viel mehr für die Anstalts¬ 
behandlung sprechen, wenn es nicht gar zu viel Anstalten gäbe, 
die den Namen einer Heilanstalt mit einigem Unrecht in An¬ 
spruch nehmen. Zumal manche Wasserheilanstalten sind wirk¬ 
lich nichts weiter als „Hotels mit ärztlicher Bedienung“, wie 
sich einmal eine Patientin scharf ausdrückte; es wird eine Zahl 
von Kranken aufgenommen, die weit über die Leistungsfähig¬ 
keit des Arztes hinausgeht, und nun ein Ourplan aufgestellt, 
der weniger auf individueller Beurtheilung zu beruhen, als auf 
reichliche Beschäftigung für den Kranken berechnet zu sein 
scheint. Bie Unsitte, aus dem Verbrauch alkoholischer Ge¬ 
tränke Gewinn zu ziehen oder gar die ganze Anstalt als ein ein¬ 
trägliches Restaurant zu betreiben, verbessert natürlich die Cur- 
erfolge auch nicht. Es ist zu hoffen, dass die guten Wasser¬ 
heilanstalten, woran es zum Glück auch nicht fehlt, allmählich 
die Alleinherrschaft oder doch den allgemein bekannten Vorrang 
gewinnen. Es wird Sache der Aerzte sein, durch sorgfältige Aus¬ 
wahl der Anstalt, z. B. mit Hilfe der durch grössere Erfahrung 
genauer unterrichteten Specialärzte, das Richtige zu finden. 

Vor Allem muss man wissen, dass sich nicht jede Anstalt 
für alle Kranken eignet. Bie grösseren Sanatorien mit ihrem 
Reichthum an Geselligkeit können für leichtere Kranke und für 
Reeonvalesccnten von unschätzbarem Werth sein, aber für 
schwerere Kranke und zumal für solche, die individueller Behand¬ 
lung und psychischer Beeinflussung in reicherem Maasse be¬ 
dürfen, völlig versagen. Ich mache bei den Kranken, die mich um 
Rath fragen, einen sehr grossen Unterschied und schicke sie je 
nach dem, was ihnen noth thut, in grosse oder mittelgrosse Sena¬ 
te rigi raa I fro-m 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE^WQCHENSCHRIFT. 


11 


torien oder nehme sie in meine Privatklinik auf, wo sie zwar alle 
für die Behandlung in Frage kommenden Einrichtungen und 
individuelle Sorgfalt finden, aber der Anregungen eines grösseren 
geselligen Lebens entrathen müssen. Diese Auswahl allein 
sichert dem Arzte und dem Kranken nachträgliche Zufriedenheit. 

Ob der Neurasthenische einem Sanatorium zuzuführen ist 
oder nicht, muss wesentlich nach den häuslichen Verhältnissen 
entschieden werden. Im Ganzen kann man sagen, dass eine 
Hausfrau selten in ihrer eigenen Häuslichkeit die zu einem durch¬ 
greifenden Erfolge nöthige Ruhe finden wird. Nur in recht 
leichten Krankheitsfällen wird man also hier Gutes erwarten 
dürfen; die mittleren und namentlich die schweren neurastheni- 
schen Krankheitszustände werden das Sanatorium erfordern. 
Bei dem Hausherrn fragt es sich, ob beim Verbleiben am gewöhn¬ 
lichen Wohnorte eine genügende Loslösung von den geschäft¬ 
lichen und geselligen Beziehungen zu erwarten ist und ob die 
Pflege unter den häuslichen Verhältnissen den Anforderungen 
der Cur entsprechen können wird. Unselbständige Familien¬ 
glieder finden am ehesten dalieim ein geeignetes Milieu für die 
Cur. Schickt man aber den Kranken fort, so wähle man gleich 
ein gutes Sanatorium oder wenigstens einen Ort mit sicherer 
fachmännischer Autorität; der aus Sparsamkeit so oft vorge¬ 
zogene freie Aufenthalt an einem Curort, zu blosser Erholung, 
erweist sich allzuoft hinterher als unnütze Geldausgabe. Beach¬ 
tung verdient auch der Erfahrungssatz, dass man dem Kranken 
als Begleitung nicht den anderen Ehegatten mitgebe, weil damit 
gerade die erwünschte Loslösung aus den gewohnten Denkkreiseu 
verloren geht. Die Frauen pflegen zwar den entsprechenden 
ärztlichen Rath mit einiger Verstimmung aufzunehmen, aber 
auch die liebe- und verständnissvollste Frau ist nicht davor 
sicher, durch ihre Gegenwart die Ruhe der Cur zu stören. 

Wir kommen nun zu der Frage wie die chronisch- 
neurasthenischen Zustände zu behandeln sind. In 
den meisten Fällen — wenigstens so weit ich nach dem mir vor¬ 
kommenden Material urtheilen kann — bedürfen sie Anfangs 
derselben Behandlung, wie sie vorhin geschildert ist. Die 
Kranken wenden sich ja gewöhnlich dann an einen neuen Arzt 
oder suchen wieder eine Hilfe, wenn eine Verschlimmerung ihres 
Leidens sie dazu treibt. Es gibt zahllose Neurasthenische, die seit 
Jahren hier und da in Behandlung gewesen sind, aber niemals eine 
vernünftige Cur gründlich durchgemacht haben. Leider gehören 
hierzu viele Kranke mit traumatischen Neurosen, die 
nach Heilung ihrer ursprünglichen Verletzung mit einer Rente 
abgefunden sind und nun ganz arbeitslos oder mit beschränkter 
Arbeit ein trauriges Leben führen. Man sieht oft genug, dass 
sie nach einer geeigneten Cur wieder vollkommen arbeitsfähig 
werden und Lust zur Arbeit haben, die ihnen vorher manchmal 
in recht harter Weise abgesprochen worden war. Die Errichtung 
von Nerve nheilstätten für Unbemittelte und von 
Sanatoriumstheilen für Unbemittelte verspricht hier für die Zu¬ 
kunft reichen Segen. Nach der Beseitigung der Erschöpfung 
und der erheblicheren Beschwerden hat hier die Erziehung 
zur Arbeit einen ausgezeichneten Wirkungskreis. Sie hat 
ihn aber auch bei den zahlreichen Neurasthenisehen der wohl¬ 
habenderen und reicheren Classen, die nicht eigentlich krank 
sind, aber bei einer gewissen Widerstandslosigkeit gegen die Be¬ 
schwerden des Lebens nie zu einer vernünftigen Anwendung ihrer 
Kräfte kommen, zum Theil gerade desswegen, weil sie nicht die 
richtige und ihrer Fähigkeit angemessene Art der Arbeit ge¬ 
lernt haben. Viele von ihnen bedürfen auch der ärztlichen Lei¬ 
tung und des geordneten Anstaltsbetriebes, um aus ihrer 
Alkoholgew <^h n h e i t herauszukommen, in die sie theils 
aus eigenem Antriebe und nach den Trinksitten der heutigen 
Gesellschaft, theils beklagenswerther Weise durch ärztliche Ver¬ 
ordnungen hineingekommen sind. Die Gewöhnung an Ordnung 
und Arbeit bedeutet hier eine sociale Rettungsarbeit von un¬ 
schätzbarem Werth! Gelegentlich sind, wenn der psychische 
Einfluss des Arztes und die Willenskraft des Kranken aus- 
reichen, auch ohne Anstaltshilfe in dieser Richtung schöne Er¬ 
folge zu erreichen. Es kann aber nicht dringend genug betont 
werden, dass zuerst die Krankheit beseitigt oder wenigstens ein¬ 
geschränkt werden muss; fängt man zu früh mit körperlichen 
Anstrengungen an, so ist man um den Erfolg betrogen. 


No. 3. 

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Zur Behandlung der Stirnhöhleneiterung.*) 

Von Dr. Winckler in Bremen. 

M. H.! Die Freilegung der erkrankten Oberkieferhöhle ist 
eine relativ einfache Operation. Es bleibt weder nach der Fort- 
nahme der facialen, noch nach Entfernung der medialen Wand 
des Antrum Highmori eine Entstellung der äusseren Form des 
Gesichtsschädels zurück. Ferner haben wir es mit der Neben¬ 
höhle zu thun, welche im Vergleich zu der Stirnhöhle wie der 
übrigen Nebenräume eine im Ganzen ziemlich gleich bleibende 
Gestalt und Grösse auf weist. Endlich bedingen die individuellen 
Differenzen, welche die Oberkieferhöhle in ihren Beziehungen 
zum Siebbeinlabyrinth wie eventuell zur Keilbeinhöhle darbieten 
kann, keine wesentliche Aenderung der Operationsmethode. 

Ganz anders liegen die Verhältnisse, wenn es sich um die 
Eröffnung der erkrankten Sinus frontales handelt. Dass man 
bei allen chronischen Stirnhöhleneiterungen, wie ich dies vor 
2 Jahren ausdrücklich betonte, das Siebbein nicht unberück¬ 
sichtigt lassen darf, scheint nunmehr anerkannt zu sein. Auch 
bei den acuten Eiterungen wird es, falls sie die Eröffnung von 
aussen nothwendig machen, immer zweckmässig sein, sein 
Augenmerk auf das Siebbein zu richten. Das freizulegende 
Operationsfeld ist demnach bei den Erkrankungen der Stirn¬ 
höhlen: der Sinus frontalis und das Siebbeinlabyrinth. Die 
nahen Beziehungen der Sinus frontales zu einander können zu- 
näclist einen Unterschied in dem operativen Vorgehen in der 
Weise bedingen, dass der Eingriff sich nicht unwesentlich modi- 
ficirt, wenn es sich um eine einseitige oder um eine beiderseitige 
Erkrankung der Stirnhöhlen handelt. 

Wer sich mit der Anatomie der Stirnhöhlen näher be¬ 
schäftigt hat, weiss, wie ausserordentlich variabel dieselben in 
ihrer Form und Grösse sind, und wie gross der Wechsel in ihren 
Beziehungen zum Siebbeinlabyrinth ist. Da ich das Verhalten 
der Nebenhöhlen zu einander sowohl für die Entstehung als auch 
für die Behandlung der combinirten Nebenhöhleneiterungen 
durchaus der Beachtung werth erachte, so möchte ich auch an 
dieser Stelle nochmals das betonen, was ich bereits im verflossenen 
Jahre in 2 Arbeiten des Längeren für alle Nebenräume aus¬ 
geführt habe. Es gibt Stirnhöhlen, die von dem Siebbeinlabyrinth 
mehr oder weniger ganz isolirt sind, und es gibt Stirnhöhlen, in 
denen der mediale Abschnitt des Bodens hinter dem Ostium, zu¬ 
weilen auch vor ihm vollkommen vom Siebbein gebildet wird. 
Ferner möchte ich erwähnen, dass die Form der Stirnhöhlen für 
die Wahl der Operationsmethode von Bedeutung werden kann, 
wenn es sich herausstellt, dass die eröffnete Stirnhöhle eine mehr¬ 
zellige Kammer ist, oder wenn sie durch Septen in einzelne mehr 
oder weniger geschiedene Hohlräume getheilt wird, dann ist eine 
vollkommene Klarlegung des Sinus erforderlich. Endlich möchte 
ich noch darauf hinweisen, dass zwar die Tiefe des Stirnhöhlen¬ 
bodens sehr variabel ist, dass aber, wie ich schon vor ca. 6 Jahren 
im Archiv für Laryngologie berichtet habe, der mediane Ab¬ 
schnitt des Bodens stets so gross angetroffen wird, dass seine 
gänzliche Entfernung eine gute Communieation des Sinus fron¬ 
talis mit der Nasenhöhle ergeben muss. Welche Rolle hierbei 
die Spina ossis frontis spielen kann, habe ich ebenda auseinander¬ 
gesetzt. 

Vor 2 Jahren habe ich ebenfalls im Archiv für Laryngologie 
die bis dahin beschriebenen Operationsmethoden, welche bei der 
Behandlung der Stirnhöhlenerkrankungen in Frage kommen 
können, besprochen. Dass die Autoren derselben nach ihren 
Berichten mit denselben gute Erfolge erzielt haben, zeigt uns, 
dass jede Methode ihre guten Seiten hat und im gegebenen Falle 
allen Verhältnissen Rechnung tragen kann. Es ist nunmehr 
aber wohl an der Zeit, sich über gewisse Punkte zu einigen und 
für die verschiedenen Operationsmethoden bestimmte Indica- 
tionen aufzustellen. Ich halte es für recht einseitig, wenn man 
in jedem Falle von chronischer Stimhöhleneiterung sich auf 
die sog. Kuhn t’sche Methode in der Weise, wie dies noch kürz¬ 
lich von Röpke in Solingen empfohlen ist, beschränken wollte, 
oder wenn man in jedem Falle nach dem Vorschlag von J ansen 
vom Stirnhöhlenboden und der Lamina papyracea aus die in 
Rede stehende Erkrankung angreifen würde, und glaube sicher, 
dass bei solchem steten principiellen Festhalten an einer Me- 


*) Vortrag, gehalten ln der VI. Versammlung des Vereins 
süddeutscher Laryngologen zu Heidelberg am 3. April 1899. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


thode Manches zum Schaden der Patienten nicht genügend ge¬ 
wahrt wird. 

Um zunächst die Methode von Jansen zu erledigen, so 
ist meiner Ansicht nach letztere nur dann indicirt, wenn durch 
die Eiteransammlung in der Stirnhöhle bezw. im Siebbein das 
Auge in sichtbarer Weise in Mitleidenschaft gezogen ist. Han¬ 
delt es sich um einen Durchbruch des Stimhöhlenempyems oder 
der Siebbeinzellen in die Orbita, und hat derselbe zu entzünd¬ 
lichen Erscheinungen im orbitalen Fettgewebe geführt, so ist 
der J a n s e n’sche Schnitt nach der alten Regel — ubi pus, ibi 
evacua — durchaus gegeben, wenn ich auch selbst über einen 
Fall berichtet habe, bei dem mir durch ein anderes Vorgehen die 
Heilung gelungen ist. Fehlen dagegen an dem Orbitalinhalt 
alle entzündlichen Erscheinungen, so halte ich den Eingriff nach 
Jansen nicht für geboten und zwar aus dem Grunde, weil ich 
den bisher noch Ungeschädigten Orbitalinhalt durch die opera¬ 
tive Behandlung der vorliegenden Stirnhöhlenerkrankung doch 
gerade vor allen eventuellen Folgen schützen will. Es ist meiner 
Meinung nach durchaus verkehrt, den gesunden Augapfel, der 
zwar Vieles vertragen kann, irgend welchen Insulten auszu¬ 
setzen, wenn sich dieses durch die Wahl einer anderen Opera¬ 
tionsmethode vermeiden lässt. 

Ich komme nun zu der Kuhn t’schen Methode, die sich der 
grössten Anhängerzahl zu erfreuen scheint. Auf die Nachtheile 
derselben und die kosmetischen Endresultate bei geräumigen 
Stirnhöhlen habe ich bereits wiederholt aufmerksam gemacht 
und verweise auf meine Arbeiten im Archiv für Laryngologie, 
sowie die in der Bresgen’schen und Haug’schen Sammlung. 
Wenn trotzdem Röpke die Kuhn t’scho Methode als die allein 
zum Ziele führende wieder empfiehlt und meine Erwägungen 
durch die Aufführung einer grösseren Anzahl von guten Re¬ 
sultaten als hinfällig zu bezeichnen meint, so möchte ich ihm 
empfehlen, meine Ausführungen etwas genauer durchzulesen. 
Principiell habe ich die Kuhn t’sche Methode nicht verworfen. 
Ich halte es aber principiell für falsch, wenn sie bei allen Fällen, 
ohne Rücksicht auf die anatomischen und besonderen patho¬ 
logischen Verhältnisse, angewendet wird. Dass die Fortnahme 
der vorderen Stirnhöhlenwand bei kleinem Sinus kaum eine Ent¬ 
stellung zurücklässt, habe ich wiederholt selbst gesehen und 
dafür auch in der Hau g’schen Sammlung eine Abbildung ge¬ 
bracht. Bei grösseren Stirnhöhlen gibt es stets eine Delle, die 
ich gerade nicht als kosmetisch sehr günstig bezeiclmen möchte. 
Dass diese Methode sich so schnell eingebürgert hat, möchte viel¬ 
leicht darauf beruhen, dass sie gar keine technischen Schwierig¬ 
keiten bietet. Dies ist aber doch kein Grund, principiell in 
jedem Falle das Gesicht in einer Weise zu verunstalten, dass 
der Ausdruck ein vollkommen anderer wird. Ich bleibe noch 
heute auf dem Standpunkt, dass die Fortnahme der vorderen 
Stimbeintafel und die Abflachung des Stirnhöhlenbodens durch 
Abkneifen des Orbitalrandes, sowie die Abflachung der Nasen¬ 
beine an dem Uebergang in den Stimtheil eine ganz ab¬ 
schreckende Entstellung ergibt. Noch kürzlich sah ich mit Be¬ 
dauern einen solchen Fall, der im ärztlichen Verein in Bremen 
als kosmetisch günstiges Ergebniss vorgestellt .wurde. Nun, 
über die Geschmäcke lässt sich nicht streiten, und kann man den 
Operateuren, die dies für schön halten, nur bestens zu einer so 
grossen Anspruchslosigkeit gratuliren. Heute möchte ich auf 
diesen Punkt nicht weiter eingehen, sondern vielmehr zur Er¬ 
wägung anheimgeben, ob in jedem Fall von Stirnhöhlenerkran¬ 
kung uns die Berechtigung gegeben ist, mit der Knabber¬ 
zange gesunden Knochen fortzuknabbern. Denn in der Mehrzahl 
der Fälle ist die vordere Stirnbeintafel gesund und ebenso der 
Stirnhöhlenboden wie das Os nasale. Ich glaube, dass diese Be¬ 
rechtigung doch entschieden nicht vorhanden ist, zumal da es 
andere Methoden gibt, die erkrankten Nebenhöhlen der Behand¬ 
lung zugänglich zu machen und zur Ausheilung zu bringen. 

Die Kuhn t’sche Methode kann meiner Meinung nach nur 
indicirt sein, wenn folgende Bedingungen gegeben sind: 

1. Erkrankung der vorderen Sinuswand (Fistelbildungen, 
Nekrosen etc.). 

2. Rhinogene Cerebralerkrankung oder Verdacht, dass ein 
Durchbruch durch die hintere Wand stattgefunden hat. 

3. Unter Umständen mehrzellige Stirnhöhlen, deren osteo¬ 
plastische Freilegung nicht gelingt. 

4. Lasse ich die Kuhn t’sche Eröffnung bei kleinem Sinus 
frontal, und isolirter Stimhöhleneiterung gelten. 

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ad 2 möchte ich noch erwähnen, dass, falls bei Verdacht 
bezw. sicher nachgewiesener rhinogener Hirnerkrankung eine 
breite Trepanation indicirt ist, ich stets eine osteoplastische 
Freilegung des Stirnhirns, ohne Berücksichtigung des Sinus, 
vornehmen würde, wie ich dies vor 2 Jahren beschrieben habe. 

ad 3 und 4 kommen meiner Meinung nach nur bei einseitiger 
Erkrankung in Betracht, während bei doppelseitiger Stirnhöhlen- 
affection stets osteoplastisch vorzugehen ist. 

Wenn die aufgezählten 4 Gründe nicht vorliegen, so gebe 
ich anderen Methoden den Vorzug. 

Trotz der auf gezählten Resultate von Röpke behaupte ich, 
dass die an die Kuhn t’sche Methode angeschlossene Ausräu¬ 
mung des Siebbeins selbst nach partieller Fortnahme des Nasen¬ 
beins — sofern dabei die mittleren und hinteren Siebbeinzellen 
in Frage kommen — im Allgemeinen eine Operation im Dunkeln 
ist. Man kann sich diese Zellen nur dann zugängig machen, 
wenn die Sinus frontales sehr tief sind — wenn sie also ausnahms¬ 
weise eine Tiefe von 30—40 mm haben. Bei den Sinus mit 
2—2 % cm Tiefe findet die Operation an den mittleren und 
hinteren Siebbeinzellen oder gar an der Keilboinhöhle trotz 
aller elektrischen Stirnlampen nicht unter Controle der Augen 
des Operateurs statt. Hievon habe ich mich an 12 nach Kuhnt 
operirten Stirnhöhlen, sowie an 150 Leichenuntersuchungen ge¬ 
nügend überzeugt, so dass ich meinen Standpunkt trotz aller 
gegnerischen Behauptungen nicht aufgebe. Um das Siebbein¬ 
labyrinth und die Stirnhöhle gleichzeitig in ganzer Ausdehnung 
freizulegen, bedarf es grösserer osteoplastischer Operationen am 
Nasengerüst, welche ich in den erwähnten Arbeiten beschrieben 
habe. Wenn demnach als sog. Radicaloperation, um mich dieses 
schrecklichen Ausdruckes zu bedienen, die Kuhn t’sche Methode 
nicht oder nur selten ausreichend ist, sie also nur in der Mehr¬ 
zahl der Fälle eine breite Verbindung zwischen Stirnhöhle und 
Nasenhöhle herzustellen ermöglicht — wesshalb dann die fort¬ 
dauernde principielle Empfehlung dieser Methode? Das Gute, 
welches sie bringt, die Veroedung des Sinus — d. h. dass nach 
Fortnahme der vorderen Wand an die hintere das Periost der 
Stirnwand anheilt — ist nur bei flachen Stirnhöhlen vol kommen 
zu erreichen. 

Seitdem C z e r n y und Küster durch die osteoplastische 
Resection der vorderen Stirnlamelle gezeigt haben, dass man den 
Sinus zur Ausheilung bringen kann, ohne die Configuration 
des Gesichtschädels zu beeinträchtigen, ist es unsere Pflicht, auf 
die Kosmetik Rücksicht zu nehmen. Es gelingt, wie mich wieder¬ 
holte Versuche lehrten, den Sinus dadurch vollkommen klar zu 
legen, und auch mehrzellige Stirnhöhlen in einen glatten Hohl¬ 
raum umzuwandeln. In einem Falle habe ich die lateral ge¬ 
legenen Zellen mit Erhaltung des grössten Theiles der vordoren 
Stirnbeintafel, isolirt von aussen her, jederseits veroedet (Photo¬ 
graphie). Dass dies gelingt, beweist der Umstand, dass bei dem 
Patienten nach einer über Jahresfrist währenden Beobachtung 
keine Spur von Eiterung nachweisbar ist. Operirt am 12. XI. 
1897. Letzte Controle 29. III. 1899. Also unbedingt gibt das 
Vorhandensein eines mehrkammerigen Sinus noch keine Indica- 
tion für die Kuhn t’sche Methode. Auch Polypenbildung in 
den Sinus front, kann mit Erhaltung der vorderen Stirnbein¬ 
tafel, d. h. durch osteoplastische Freilegung der Höhle, zur Aus¬ 
heilung gebracht werden. Daher kann auch diese nicht ohne 
Weiteres den Grund zur Fortnahme der vorderen Sinuswand 
geben. 

Eine vollkommene Verödung und Ausräumung der Sinus¬ 
schleimhaut ist bei polypöser Entartung derselben nothwendig. 
Diese ist aber wohl stets mit hochgradigen gleichen Verände¬ 
rungen der angrenzenden Siebbeinräume combinirt. Erfordert 
die Stirnhöhle also Eröffnung und Freilegung, so hat man die 
Methode zu wählen, welche alle kranken Räume zugleich trifft. 
Dies können nur die osteoplastischen leisten, welche ich in 
meinen Arbeiten erwähnt habe. 

In vielen Fällen — namentlich wenn jede Polypen- und 
Cystenbildung auf der Sinusschleimhaut fehlt — halte ich eine 
vollkommene Verödung der Sinusschleimhaut nicht für nÖthig. 
Es scheint dann durchaus zu genügen, wenn zwischen Sin. front, 
und Nasenhöhle eine breite Communication besteht, und wenn 
das Siebbein in toto ausgeräumt ist. Letzteres ist die Haupt¬ 
bedingung. Die Idee K i 11 i a n’s, eine genügende Abflussöffnung 
aus dem Sinus zu schaffen, ist im verflossenen Jahre von 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Barth 1 ) auf dem Chirurgencongress wieder angeregt worden. 
Die Methode selbst ist schon vorher von Gussenbauer zu 
anderen Zwecken versucht worden. Beifolgende Photographien 
erläutern Ihnen am besten die Schnittführung und Freilegung, 
sowie das Endresultat: die kleine Narbe, welche ebenso gering 
entstellt, wie die von Grünwald angegebene Eröffnung in 
der Corrugatorfalte. Man kann den Hautschnitt auch ganz in 
die Augenbrauen und seine Verlängerung mehr nach dem 
Augenwinkel verlegen, während der Knochenschnitt in der 
Medianlinie gemacht wird. Für die einfachen chronischen 
Eiterungen ohne Polypenbildung ist dieser kleine Schnitt an¬ 
scheinend ausreichend 

Kürzlich bin ich auch so vorgegangen, dass ich in die Naso- 
labialfalte einen Schnitt legte und nun den Proc. nasal, oss. 
front, und oss. max. durchmeisseltc, oben seitlich einkerbte und 
dann durch Umkippen des Knochenlappens nach innen mir die 
Stirnhöhle nebst angrenzendem Siebbein sichtbar machte. 
(Photographien.) 

Dass man sich durch beide kleine Eingriffe für die intra¬ 
nasale Nachbehandlung einen breiten Zugang schaffen kann, 
zeigen Ihnen diese Röntgenaufnahmen. 

Ich glaube, dass wir bei der Behandlung der Stirnhöhlen- 
eiterungen alle Methoden zu berücksichtigen haben und nicht 
principiell einer, z. B. der bequemen Kuhn t’schen Knabber- 
zangenoperation, alle Patienten ausnahmslos zu unterwerfen 
berechtigt sind. Die jedesmal vorliegenden Verhältnisse haben 
die Operation zu bestimmen und nicht die Vorliebe des Opera¬ 
teurs für diese oder jene Methode. Handelt es sich um eine 
doppelseitige Stirnhöhlen- und Siebbeinerkrankung, so bestimmt 
die Configuration des Gesichtsschädels — die Dicke der vorderen 
Stirnbeintafel — ,falls eine osteoplastische Operation zu wählen 
ist, ob die vordere Stirnhöhlenwand nebst Nasengerüst von oben 
nach unten oder von unten nach oben umgeklappt werden 
müssen. Besondere Höhe und Breite der Nase lassen unter 
Umständen auch das Auseinanderklappen der oberen Nasen¬ 
partien zu. Ob man bei einseitiger Erkrankung von innen nach 
aussen oder in umgekehrter Richtung umklappt, richtet sich 
darnach, was man von dem Naseninnem zu sehen wünscht. Be¬ 
merken möchte ich nur, dass die Operationen, welche eine osteo¬ 
plastische Resection des ganzen Nasengerüstes bezwecken, tech¬ 
nisch recht schwierig sein können. Der Blutverlust lässt sich 
bei vorsichtigem Präpariren auf relativ minimale Mengen be¬ 
schränken. (Demonstration der verschiedenen Operations¬ 
methoden an der Hand von photographischen Aufnahmen.) 

Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass ich bei der 
Nachbehandlung der eröffneten Nebenhöhlen nunmehr voll¬ 
ständig alle Spülungen aufgegeben habe und lediglich trocken 
mit Gazetamponade bezw. mit Insufflationen und Inhalationen 
behandele. 

Die Herznaht als typische Operation.') 

Von Oberstabsarzt Dr. Emil Rotter. 

Der glänzende Erfolg, welchen R eh n - Frankfurt vor 
| Jahren mit seinem kühnen chirurgischen einschlägigen Vor¬ 
gehen erzielte, musste den Wunsch nahe legen, diese Operation, 
bei welcher man der Sachlage nach meist nichts zu verlieren 
und viel zu gewinnen hat, recht bald in typischer Art so aus- 
gebaut zu sehen, dass sie Eigenthum aller Aerzte werden kann. 
Wie die Tracheotomie, Trepanation und übrigen Dringlichkeits¬ 
operationen sollte Jeder, und insbesondere auch jeden- isolirte 
College auf dem flachen Lande, die Freilegung des verwundeten 
Herzens systematisch, mit ihren Einzelheiten und Pointen, er- 
fahrungsgemäss zu erwartenden Zwischenfällen u. dergl. sieh art¬ 
eignen, sie gelegentlich seiner Sectionen am Kadaver üben können 
und dadurch schliesslich ihre Ausführung vollkommen beherr¬ 
schen. Das Bestehen dieses Wunsches beweisen mehrseits bereits 
gemachte Vorschläge systematischer Verfahren, auf Grund der 
bisherigen, durchweg ohne typisches Vorgehen, „nur den Ein¬ 
gebungen des Augenblickes folgend“, behandelten Fälle, sowie auf 
Grund von Studien an der Leiche. Ich habe nun versucht, 
fussend auf allen bisherigen bezüglich mitgetheilten klinischen 

*) Barth: Zur Operation des Stirnhöhlenempyem. Arch. 
f. klin. Chirurg., 57. Bd., H. 4. 

•) Vortrag in der militärärztlichen Section der Naturforscher- 
Versammlung in München, 1899, 


Erfahrungen und kritisch am Kadaver nachprüfend, eine Grund¬ 
form für diese Operation zu gewinnen, welche für die Praxis 
nach allen Richtungen möglichst geeignet sei, ihr Gerathen zu 
gewährleisten. 

Die Anforderungen an eine Operation von der Eigenart der 
vorliegenden formuliren sich einfach und bestimmt. Sie muss 

1. ausgiebigen Zugang zum ganzen Herzen schaffen (beson¬ 
ders auch desshalb, weil die nicht operative diagnostische Fest¬ 
stellung des getroffenen Herzt heiles erfahrungsgemäss höchst 
unsicher ist); 

2. muss rasch ausgeführt werden können, besonders bei den 
gefährlichen Symptomen der Rose’schen Herztamponade; 

3. sie muss für möglichst alle therapeutisch überhaupt 
zugänglichen Fälle von Herzverletzung passen und 

4. mit geringster Assistenz ausführbar sein. 

l)i esen Anforderungen kommt das nachstehende Verfahren 
am nächsten. Dasselbe ist naheliegend. Es wurde von N i n n i - 
Neapel an der Leiche ersonnen, dann aber von diesem selbst und 
seiner Schule, aus meiner Ansicht nach nicht stichhaltigem 
Grunde, verlassen. Hierauf ist zurückzukommen. 

Die Methode ist folgende: Man schneidet 1,5 cm vom linken 
Sternalrande beginnend entlang dem unteren Rande der 3. Rippe 
10 cm weit lateralwürts, dessgleichen entlang dem unteren Rande 
der 5. Rippe etwa 8 cm weit, und verbindet die Endpunkte dieser 
beiden ersten Schnitte durch einen dritten innerhalb der Mamilla 
herab. Diese Schnitte gehen durch die ganze Brustwand und 
eröffnen somit den linken Pleurasack. Im lateralen Schnitte 
durchtrennt man nun die beiden freigelegten Rippen und klappt 
den jetzt thürflügelförmigen Weiehtheilknochenlappen mit 
medialer Basis nach letzterer um, indem man die Rippen in 
ihrem Brustbeinansatz luxirt. Das gibt einen Raum von durch¬ 
schnittlich 12 cm Diagonale. 

Zur Unterbindung kommen die Enden der 4 .und 5. Inter- 
costalarterien, sonst nichts. Man schiebt nun die von links her 
immer in den Schnitt hereinragende Lunge lateralwärts und er¬ 
öffnet in der Diagonale von innen oben nach aussen unten den 
Herzbeutel. Das nach der Natur gezeichnete Resultat dieses 
Vorgehens gibt Fig. 1: Das Herz ist in ausgezeichneter Weise 



h \ 


breit freigelegt, kann emporgehoben, genau untersucht und von 
allen Seiten gut zugänglich mit der Naht behandelt werden, 
sogar an seiner Hinterfläche. Wo nöthig, kann man noch die 
3. Rippe in den Lappen einbeziehen, bei complicirteren Ver¬ 
wundungsverhältnissen, etwa der wenig mobilen Vorhof s- 

8 * 


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80 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


gependen oder wo man kleinere Herzwunden zu suchen hat, 
welche, wie die von Taschenmessern oder kleineren Revolver¬ 
kugeln, erfahrungsgeinäss übersehen werden könnten. Die aus¬ 
giebige Bloslegung des Herzens ist aber mit diesem Verfahren 
eine überraschend einfache Sache, von einem cinigermaassen ge¬ 
übten Operateur leicht in kurzer Zeit ausgeführt. Es kommt 
ja in praxi gewöhnlich noch eine kleine, gleich zu besprechende 
Voroperation hinzu, zur Orientirung, wie tief die Verletzung 
geht und ob Pericard und das Herz selbst überhaupt ge¬ 
troffen sind. 

Die Blutung ist bei dieser Lappenbildung, wie man sieht, 
sehr gering. Die Mammaria int. kommt überhaupt nicht in Be¬ 
tracht, deim dieselbe verläuft nach J o e s s e 1 vom Sternalrande 
„5 bis höchstens 10 mm“ entfernt. Ich habe das an meinen 
Leichen nachgemessen und als grösste Entfernung nur 8 mm 
gefunden. Ich erwähne das desshalb, weil nach Abbildungen in 
sonst klassischen Werken, wie II e n 1 e, die Entfernung dieser 
Arterie vom Brustbeinrando viel grösser erscheint. Mit dieser 
also kommen die horizontalen Schnitte gar nicht in Berührung; 
denn wenn man sie erst 1,5 cm vom Sternalrande beginnen 
lässt, genügt dies nach meinen Versuchen für die Mobilität des 
Lappens vollauf. 

Aber auch mit wenig Assistenz kommt man zu diesem 
Verfahren der Freilegung des Herzens aus. In den äussersten 
Nothfällen, um welche es sich hier oftmals handelt, muss und 
kann bei dem relativ kleinen und immer gut überblickbaren 
Operationsfeld ganz sicher auch sogar cinigermaassen intelli¬ 
gente Laienassistenz genügen, wenn ärztliche fehlt. Nun ist 
das gerade der Punkt, welcher die Neapler nachträglich ab¬ 
schreckte: sie verlangen für das Verfahren wenigstens 2 Assi¬ 
stenten, weil der luxirte Weichtheilknochenlappen zu seiner 
Fixation einen eigenen erfordere und erklären für die anerkannt 
gerade hier oft vorkommenden Fälle der Nothwendigkeit, ohne 
genügende Assistenz rasch zur Operation zu schreiten, den 
Postempsk i’schen rechteckigen Lappen mit der Basis nach 
unten als die passende Methode, weil dieser heruntergeklappt 
sich von selbst in seiner Lage erhält. Das geht zu weit. Und 
wäre ein schlechter Eintausch, denn der Postempsk i’sche 
Lappen ist mangelhaft ernährt, wie die anatomische Ueber- 
legung zeigt, sei er mit unterer oder oberer Basis angelegt, und 
bietet dadurch, besonders bei sehr anaemischen Individuen, die 
Gefahr partieller Nekrose; letztere ist auch thatsäehlieh bereits 
einem Operateur widerfahren, Paria vecchio, welcher ihn 
für eine Zwerchfells Verletzung verwendete. 

Nein, dem gewiss unbequemen Assistentenmangel muss und 
kann man hier, wie in anderen Nothfällen, wo sofort operirt 
werden muss, einfacher abhelfen: durch Vorräthighalten in dem 
Instrumentarium von einigen Gewichtskettenhaken, wie man sie 
bei den Physiologen sieht, für deren Operationen als sehr vor- 
theilhaft erwiesen, aber trotzdem in die Praxis der Chirurgen 
noch recht wenig eingebürgert. Ich habe an diese Haken zu 
ihrem gewöhnlichen Hänggewicht von etwa 50 g neben diesem 
2 Carabiner anbringen lassen, um durch Anhängen weiterer 
Gewichte, in Nothfällen für den isolirten Arzt auch anderer 
Beschwcrungsmittel, etwa eines Schlüsselbundes, ja einer Com- 
presse oder eines Taschentuches mit eingelegten beschwerenden 
Steinen (es ist ja weit genug vom Operationsfelde weg: die mit 
Gummisehläuehen überzogenen Kettchen sind 45 cm lang) ihre 
Wirksamkeit erhöhen zu können. Mit diesen modificirten Ketten¬ 
haken kommt man, meiner Ueberzeugung nach, in Nothfällen 
mit einer auf das Darreichen beschränkten Assistenz aus. 

Die kleine Voroperation besteht in bemessener Er¬ 
weiterung der äusseren Wunde nach beiden Seiten hin und 
sehichtweisem Tiefergehen. Sie wird zur Orientirung über die 
Tragweite der Verletzung meist vorausgeschickt werden müssen, 
wenn die Allgemeinerscheinungen sie nur irgendwie zulassen. 
Ihr Nutzen ist einleuchtend, und meist wird sie auch möglich 
sein, denn nach den bisherigen Erfahrungen geben die Herz¬ 
verwundungen oftmals a / 4 bis 1 Stunde Zeit zu einem operativen 
Eingriff. Man verliere sie nicht mit allgemein excitirenden 
Mitteln! Ein Erguss angesammelten Blutes aus dem Pleura¬ 
sack, der hier Vorkommen kann, darf nicht verblüffen: Aus¬ 
stopfen des Pleuralraumes mit sterilem Mull und Jodoformmull 
abwechselnd stillt die Blutung aus der etwa mitverletzten Lunge. 
Stellt sich bei der Voroperation aber die Wunde als nicht pene- 
trirend heraus, so ist durch erstere immerhin die sichere primäre 

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Desinfection des Wundcanals geschaffen, gegebenen Falles auch 
die Gelegenheit zur Blutstillung in ihm. 

lieber die nach der Freilegung des Herzens nun folgende 
Behandlung der Herz Verletzung selbst, in der aus den Ver¬ 
öffentlichungen bekannten Weise ist keine Controverse und hier 
nichts anzuführen. Es wäre nur etwa aus neuester Zeit zu er¬ 
wähnen, dass W e h r - Lemberg in seinen jüngst mitgetheilten. 
51 Thierexperimenten fand, dass auch an den blutenden Herz¬ 
stellen der Fingerdruek das beste Verfahren ist, für den Augen¬ 
blick der Blutung so Herr zu werden, dass die Naht dadurch er¬ 
leichtert wird. Ferner, dass das Langlassen der ersten Naht¬ 
schlingen, wie s. Z. von Rehn, so auch jüngst von Pagen- 
Stecher- Elberfeld warm empfohlen wird, ebenfalls um die 
Fortführung der Naht zu erleichtern. Letzterer benutzte seine 
langgelassenen Fadenschlingen von Celluloidzwirn auch mit Vor¬ 
theil gleich zur Drainage, indem er sie zur Pericardwunde 
herausleitete. 

Gerade der Umstand, dass man ein so einfaches Operations¬ 
verfahren zur Frcilegung des Herzens aufstellen kann, macht 
die Erfolge von Rehn, Parozzani und Pa gen steche r 
so verlockend, ja so verheissungsvoll. Denn viele Praktiker 
würden sonst, in so verzweifelten Fällen, wie sie Herzverwun¬ 
dungen an sieh schon darstellen, sehr komplicirte und lang¬ 
wierige Verfahren in den oft komfortlosen ausserklinischen Ver¬ 
hältnissen mit einem gewissen Rechte ablehnen. Von dieser 
Ueberlegung aus kann ich schliesslich nicht umhin, meinen 
Standpunkt auszusprechen zu denjenigen operativen Vor¬ 
schlägen für die vorliegende Aufgabe, welche bisher von 
deutscher »Seite ausgegangen sind; bis jetzt 3, jüngst von 
Pagenstecher und kurz vor ihm bekanntlich von Wehr 
und dem um die Fortschritte der deutschen Chirurgie sehr ver¬ 
dienten Ry dygier - Lemberg, alle 3 ebenfalls auf Grund von 
Studien an der Leiche gemacht. Diese 3 unter sieh ver¬ 
schiedenen Methoden haben die Bemühung gemeinsam, bei dem 
Vordringen gegen das Herz den Pleurasack intact zu erhalten: 
durch sorgsames subperiostales, mehr weniger weit gehendes Re- 
seciren des Sternums und von Rippentheilen rechts und links 
von ihm. Dadurch kommen sie eben zu komplicirten oder doch 
wenigstens subtil präparatorischen, zeitraubenden Methoden, wie 
sie mir für die dringenden Verhältnisse dieser Operation nicht 
zu passen scheinen, und der wünschenswertlien Verbreitung der¬ 
selben als Gemeingut hinderlich sein müssen. Nun frage ich 
aber: braucht man denn überhaupt, aus Rücksicht auf die In- 
tacterhaltung des Pleurasackes diese komplicirteren Methoden 
unumgänglich ? Ich glaube, für die Praxis nicht. Denn die An¬ 
schauung guter Thoraxdurchschnitte, wie der hier (Fig. 2) ab¬ 
gebildete von Joes sei zum Beispiel, durch den 3. Zwischen¬ 



rippenraum und durch die Mitte des 8. Brustwirbels, zeigt 
uns, dass von beiden Seiten her die Pleurasäcke so weit 
hinter das Sternum sich herüberziehen, dass bei Herz¬ 
verletzungen immer schon durch die Verletzung selbst der auf 
dem Weg der letzteren gelegene Pleurasack eröffnet sein muss, 
jene gute Absicht also zu spät kommt. Man könnte also 
höchstens für Herzrupturen ohne äussere Zugangswunde diese 
präparatorisch zeitraubenden therapeutischen Verfahren gelten 
lassen. Allein in diesen Fällen wiederum überholt erfahrungs- 
gemäss gewöhnlich der Tod sogar die Diagnose. 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Ein Fall von Stichverletzung de$ Ohres mit Ausfluss 
von Hirnwasser. 


Von I)r. Löhnberg in Hamm i. W. 


Der 19 jährige Kaufmann C. L. stürzte am 24. IX. Abends, 
während er in einem hiesigen Balllocal mit einem Freunde tanzte, 
unter dem Ausruf: „Ich bin in’s Ohr gestochen“ ohnmächtig zu 
Boden. Einen Moment darauf erhob er sich, von seinem Freunde 
gestützt und liess sich auf einen Stuhl nieder. Hier ergriff ihn 
heftiger Schwindel und Uebelkeit; er begab sich desshalb, von 
seinem Freunde geführt, auf den Hof. Seinen Bekannten, die 
über seinen schwankenden Gang lachten, rief er dabei zu: „Ich 
bin nicht betrunken! Mich hat Einer gestochen.“ Während er 
ging, hatte er das Gefühl, als ob er von der geradlinigen Richtung 
immer nach rechts abweichen müsste. Draussen stürzte er zum 
zweiten Male nieder. Sein Freund hob ihn auf und führte ihn in 
seine nahe. Wohnung. Unterwegs erbrach Ti. Da« Erbrechen 
hielt die ganze Nacht an; dazu gesellten sich heftiges Sausen im 
linken Ohr und Kopfschmerzen. Am nächsten Tage blieb er zu 
Bett. Fast unaufhörlich schwindelte ihn. Speise nahm er gar 
nicht zu sich, klagte aber viel über Durst. Als seine Mutter ihm 
das Ohr untersuchte, fand sie vor dem Gehörgangseingang ge¬ 
ronnenes Blut, das mit einer klaren, wässerigen Flüssigkeit unter¬ 
mengt war. Abends versuchte L., sich die Strümpfe anzuziehen, 
um auf den Abort hinauszugehen; als er sich hierbei auf den Bett¬ 
rand setzte, fiel er rücklings in’s Bett zurück. Später klagte er 
viel über Schmerzen im Kopf und jammerte lange: „Mein Ohr, 
mein Ohr“. Die Nacht zum 26. IX. war sehr schlecht; L. klagte 
viel über Schwindel und „phantasirte“. Da die Mutter Morgens 
wieder Blut „und Wasser“ vor dem Ohre fand, hielt sie ärztlichen 
Rath für nöthig. Um 9 Uhr Vormittags führte sie den Kranken in 
meine Sprechstunde. Ich erhob folgenden Befund. 

Der ungewöhnlich kräftig gebaute Mann von 19 Jahren — 
übrigens dutzendfach preisgekrönter Radfahrer — ist nicht im 
Stande, ohne Unterstützung sich auf den Beinen zu halten und 
gar zu gehen. Auch gestützt taumelt und schwankt er derart, 
das er zum Zwecke der Untersuchung nur mit Mühe auf dem 
Stuhl zu flxiren ist. Der Gesichtsausdruck ist leidend und nicht 
unähnlich dem eines Betrunkenen. Haut blass und oedematös. 
Bewusstsein klar. Patient klagt über Schwindel, Uebelkeit und 
Sausen im linken Ohr. Ueber den Hergang der Verletzung weiss 
er nichts anzugeben. Nach Erkundigungen, die ich bei seinen 
Kameraden einzog, ist es am wahrscheinlichsten, dass L. im Tanz 
heftig gegen eine Dame angerannt ist und sich deren Hutnadel 
in s Ohr gebohrt hat. Im linken Gehörgang eine massige Menge 
wässeriger Flüssigkeit, vielleicht Wasser, das ihm beim Ab¬ 
waschen des Ohres hineingeflossen ist. An der hinteren oberen 
Wand eine kleine blutige Schrunde. Trommelfell getrübt, Ge¬ 
wisse injicirt, vom Hammer nur der kurze Fortsatz sichtbar. Im 
hinteren oberen Quadranten eine stecknadelknopfgrosse Perfora¬ 
tion, auf deren unterem, nach innen umgebogenen Rande ein 
pulsirender Lichtreflex. Eine nähere Untersuchung und Gehör¬ 
prüfung erscheint bei dem elenden Zustande des Kranken nicht 
angebracht. Ich tupfte das Ohr sorgsam mit Watte aus, legte 
einen sterilen Mullstreifen ein, verband es lege artis und liess den 
Kranken unter Anordnung absolutester Ruhe und flüssiger Kost 
zu Bett bringen. 


26. IX. Abends befand sich Patient subjectiv sehr wohl. 
Kein Schwindel, kein Erbrechen mehr. Nur Sausen im Ohr und 
viel Durst. Temp. 36,9°, P. 54. 

27. IX. Verbandwechsel. Bei Herausnahme des Tampons 
heftiger Schwindel mit Uebelkeit und schnell vorübergehender 
Bewusstlosigkeit unter Aussetzen des Pulses. Der Mullstreifen 
ist völlig durchtränkt mit einer wasserhellen, dünnen Flüssigkeit. 
Dieselbe tropft zusehends aus dem Gehörgange ab und benetzt 
die Umgebung des Ohres und die Wange. Ich fing eine geringe 
Menge davon auf und untersuchte sie auf Eiweiss und Kochsalz. 
Weder die Kochprobe noch die Schichtungsprobe mit Salpeter¬ 
säure ergab Albumen; dagegen fiel bei Zusatz von Höllenstein¬ 
losung reichlich Chlorsilber aus. Ich konnte also mit Sicherheit 
annehmen, dass die Flüssigkeit Hirnwasser sei. Temp 37 0° 
W r e b e r : Stimmgabel (Kl. C.) vom Scheitel nach links. Weitere 
Stimmgabelprüfung nicht angängig. 


27. IX. Abends. Subjectives Befinden befriedigend. Im Ohr 
pnlsatorisches Klopfen. Dabei Klirren. Beim Aufrichten Schwin¬ 
del. P. 48, Temp. 36,4 °. 

28. IX. Patient hat wenig geschlafen. Belm Erwachen 
Schwindel. Vorübergehend Ohrenschmerz. Beim Verband¬ 
wechsel Schwindel, aber weniger wie gestern. Tampon nur wenig 
durchfeuchtet. Flüstersprache ca. 1 m. P. 54, Temp. 35,8°. 

, s i.? 8 ’ i X .' ^ bends - Befinden sehr gut. Nur vorübergehend 
leichter Schwindel und etwas Uebelkeit P. 48, etwas arhvth- 
rnisch, Temp. 36,4°. 


29. IX. Tampon nur am Ende etwas feucht. Bei Heraus- 
nahme plötzlich Schmerzen in Stirn und Hinterkopf, zugleich 
Schwindel und Asphyxie. Darnach wieder relatives Wohl¬ 
befinden. 


29. IX. Abends. Patient ist in bester Stimmung und be¬ 
hauptet, absolut nicht krank zu sein. Appetit ausgezeichnet. 
Keinerlei Ohrerscheinungen. P. 54, Temp. 36,8 °. 

30. IX. Morgens beim Aufsetzen Schwindel. P. 60, Temp. 37 °. 

1. X. Beim Tamponwreehsel Schwindel. P. 54 leicht 

irregulär. 


No. 3. 


Abends sah ich den Kranken nicht. Angeblich hat er Stirn- 
und Hinterkopfschmerzen gehabt, später Schwindel. Nacht un¬ 
ruhig durch wirre Träume. 

2. X. Befinden gut. P. 60, Temp. 37,2°. 

2. X. Abends. Beim Aufrichten und Aehnlichem immer noch 
etwas taumelig. Tampon völlig durchtränkt. 

3. X. Befinden sehr gut. Nachts einmal unter Schwindel er¬ 
wacht. Nachmittags sitzt Patient 4 Stunden auf. Viel Durst. 
Urin frei von Zucker und Eiweiss. 

4. X. Befinden ausgezeichnet. Beim Gehen mit geschlossenen 
Augen leichtes Abweichen nach rechts, Stehen etwas unsicher. 
Tampon wieder durchtränkt. P. 54. Patient sitzt den ganzen Tag 
auf. Nachts wieder viel wirre Träume. 

Am 5. X. kommt Patient in die Sprechstunde. Unterwegs 
fasst ihn bei dem Lärm einer Fabrik leichter Schwindel. P. 66. 
Stimmgabeluntersiichung: Weber (Kl. C. u. Gr. C.) nach links. 
Rinne links negativ. Uhr ad conch., an Knochen unsicher, llör- 
feld lückenlos, Galtonpfeife bis zur normalen oberen Grenze*. 
Fliisterstimme hohe Töne 3 m, tiefe 0,70 m. 

7. X. Befinden andauernd sehr gut. Aus der Trommelfell¬ 
öffnung etwas geruchloses, eitriges Secret. P. 60. 

9.X. Perforation geschlossen. 

21. X. Flüsterstimme („Weihnachten“) links 9 m. Weber 
(Gr. C.) angeblich nach links, Rinne (Gr. C.) links negativ; mit 
Kl. C. W e b e r im Kopf. Knochenleitung nicht verlängert. Hör¬ 
feld lückenlos, Uhr ad conch. Im hinteren oberen Trommelfell¬ 
quadranten eine lineare Narbe; Trommelfell sonst völlig normal. 
Patient wird aus der Behandlung entlassen. 

Directe Verletzungen des Labyrinths sind äusserst selten 
(Moos). 1 ) Die ersten gut beobachteten und analysirten Fälle 
sind von Schwartze veröffentlicht. Sch wart ze®) verletzte 
im Jahre 1875 bei einer Aufmeisselung des Warzenfortsatzes die 
Labyrinthhöhle und zw'ar den Can. semicirc. ext. und dasVesti- 
bulum — mit dem Handbohrer — und sah darnach Schwindel, 
Erbrechen, Gleichgewichtsstörung und Hinüberhören der Stiinm- 
gabeltöne vom Scheitel nach dem gesunden Ohr, während vor¬ 
her die Töne nach dem kranken Ohr lateralisirt worden waren. 
„Soviel mir bekannt ist“, bemerkt Schwartze, „liegt in dieser 
Beobachtung der erste sichere experimentelle Beweis am Menschen 
vor für die Abhängigkeit dieser Erscheinungen von einerVerletzung 
des Ohrlabyrinths.“ 5 Jahre später beobachtete Schwartze 8 ) eine 
„Stichverletzung des Ohres mit Ausfluss von Liquor cerebro¬ 
spinalis“ vermittels einer Stricknadel. Auch hier folgte Schwindel, 
Erbrechen und nahezu völlige Taubheit; dagegen war „kein auf¬ 
fälliges Schwanken oder Taumeln bemerkbar“, und wurden Stimm¬ 
gabeltöne durch den Knochen nur im verletzten Ohr wahrge¬ 
nommen. 

Schwartze lässt in diesem Falle die Frage offen, ob that- 
sächlich das Labyrinth eröffnet werden und etwa „der acustische 
Endapparat im Labyrinth nur partiell zerstört war“, oder aber, 
ob die Nadel unter Trennung des Hammer-Ambossgelenkes 
ihren Weg durch das Tegmen tympani genommen und nach 
Perforation der Dura die subarachnoidealen Räume eröffnet hat. 

Ein Pendant zu diesem nennt Ko er n er 4 ) seinen Fall von 
„Sehussverletzung des Ohres mit Ausfluss von Liquor cerebro¬ 
spinalis“. Hier folgten auf das Trauma — es handelte sich um 
einen Selbstmordversuch mit Revolver — Schwindel, Gleich¬ 
gewichtsstörung (Reitbahnbew r egung) und Taubheit auf dem ver¬ 
letzten Ohr; eine Stimmgabehmtersuchung fand nicht statt. 
Wahrscheinlich lag eine Fractur des knöchernen Labyrinths 
mit Einriss des häutigen Theils vor. 

Dass in unserem Falle eine Verletzung des Labyrinths statt¬ 
gefunden hat, erscheint mir sehr zweifelhaft, wenn nicht aus¬ 
geschlossen. Da« Erbrechen, der Schwindel, die Störung des 
Gleichgewichte, in der man zur Noth eine Reitbahnbewegung 
angedeutet sehen könnte, sprechen ja dafür: aber der Stimm- 
gabelbefund und die relativ geringe Herabsetzung der Hörweite 
sprechen zu sehr dagegen. 

Weit plausibeler erscheint die Erklärung, zu der Schwartze 
seinem Fall hinneigt, dass nämlich eine Perforation des Tegmen 
tympani und der Dura und eine directe Eröffnung der subarach¬ 
noidealen Räume vorliegt. Dagegen lässt sich ja geltend 
machen, dass die Erscheinungen von Seiten des Hirns und seiner 
Häute nur minimale gewesen sind (geringgradige Bewusstlosig¬ 
keit, Kopfschmerzen, Delirien [?], Angstanfälle, wdrre Tiäiu ). 
dass die Temperatur niemals einen febrilen Grad erreicht bat. 
und dass das subjective Befinden des Kranken meist auffallend 
gut gew r esen ist. Wenn wir aber — aus den angeführten 
Gründen — eine Labyrinthlaesion aussehliessen, so fällt dafür 
Alles in’s Gewicht, was anSymptomen^übrig bleibt: Abfluss 

q Schwartze’s Handbuch der Olirenheilk., Bd. I, p. 499. 

2 ) Arch. f. Ohrenlieilk., Bd. XII, p. 332. 

3 ) 1. c„ Bd. XVII, p. 117. 

4 ) 1. c., Bd. XVII, p. 195. 

4 


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82 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


von Hirnwasser, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Erbrechen 
daneben Pulsverlangsamung (Vagusreiz?) und Polyurie. Dass 
die directe Entleerung von Hirnwasser aus den subarachnoidealen 
Raumen ohne jegliche Himerscheinungen erfolgen kann, lehrt 
ein von Jansen auf dem Moskauer Congress 1897 mitgetheilter 
Pall aus der Praxis von Lucae, welchen Letzterer neuerdings 
ausführlich publicirt hat-. 6 ) 

Wahrscheinlich handelt es sich also in unserem Falle um 
eine Durchbohrung des Paukendachs und der Arachnoidea, 
welche völlig aseptisch und ungewöhnlich leicht verlaufen ist. 


Ein Fall von Scorbut auf dem Lande. 

Von Dr. M. Rothschild, prakt. Arzt in Randegg (Baden). 

Während Scorbutepidemien im Allgemeinen schon aus 
ältester Zeit bekannt und ihrem Wesen nach studirt und oft 
beschrieben wurden, ist dies bei sporadisch auftretenden Fällen 
immerhin in viel geringerem Maasse geschehen und was das 
Auftreten sporadischer Fälle in gewissen Gegenden betrifft, 
bis jetzt überhaupt unterblieben. Aus diesem Grunde möchte 
ich es mir nicht versagen, einen von mir beobachteten Fall von 
Scorbut seinem ganzen Verlaufe nach an dieser Stelle zu schil¬ 
dern, da derartige Fälle im südlichen Baden gar nicht oder doch 
höchst selten zur Beobachtung gelangt sind und keine genauere 
Schilderung erfahren haben. 

Allgemein bekannt ist, dass die epidemische Form des 
Scorbut hinsichtlich seines geographischen Auftretens die käl- 
leren Zonen bevorzugt und dass derselbe im hohen Norden bis 
heute am meisten beobachtet wurde. Audi im nördlichen Deutsch¬ 
land sind Fälle bekannt geworden, deren Aetiologie manche Er¬ 
klärungen gefunden hat, jedoch bis jetzt noch nicht hinreichend 
erklärt werden konnte. 

Von fast allen Autoren werden als Ursachen dieser Er¬ 
krankung hygienische Missstände, Abnormitäten der Ernährung, 
eine von der gewohnten Lebensweise verschiedene, ungenügende 
und wenig abwechselnde, insbesondere Mangel an gemischter 
Nahrung angegeben; auch schlechtes Trinkwasser, feuchte Kälte, 
schlechte Wohnungsverhältnisse, feuchte, wenig gelüftete Wohn- 
l'äurae, enges Zusammenleben grösserer Menschenmengen und 
individuell stark deprimirende Gemüthsaffecte finden als Haupt- 
ursachen, auch des sporadisch auftretenden Scorbut, aetio- 
logisch Verwerthung. 

Der am hiesigen Orte (etw-a 450 m ii. Meer) beobachtete Fall 
von Scorbut betrifft eine 25 jährige, ledige, gut genährte, etwas 
anaemische Patientin, die mit Ausnahme von Erkrankungen an 
Scharlach und Diphtherie im Kindesalter und Muskelrheumatis- 
mus vor einigen Jahren nie wesentlich krank und stets heiterer Ge- 
müthsstimmung war. Hereditäre Belastung nach irgend welcher 
Richtung ist nicht nachzuweisen. Der Vater starb 45 Jahre alt 
an Lungenentzündung; die Mutter ist 64 Jahre alt und leidet an 
Degeneratio adiposa cordis; ein Bruder hat in Folge eines mehrere 
Jahre dauernden Gelenkrheumatismus etwas Steifheit eines Knie¬ 
gelenkes. Alle anderen Geschwister sind gesund und, was für 
unseren Fall von besonderer Wichtigkeit ist, sind Haemophilen 
in der Familie bisher nicht zur Beobachtung gekommen. Auch 
Patientin selbst hat ausser einigem Nasenbluten in früheren 
Jahren niemals stärkere Blutungen gehabt; einige vor nicht langer 
Zeit von mir vorgenommene Zahnextractionen verliefen ganz 
normal. 

Die oben erwähnten aetiologischen Momente können in diesem 
Falle von Scorbut nicht in Betracht kommen. Die Lebensweise 
der in guten Verhältnissen lebenden Patientin war immer eine 
geregelte, die Ernährung völlig ausreichend, die Wahl der 
Nahrungsmittel, was deren Mischung betrifft, normalen Verhält¬ 
nissen entsprechend, insbesondere hinsichtlich des Genusses von 
frischem Fleische und frischen Gemüsen. Die Wohnung ist sehr 
sauber gehalten, geräumig, nur von wenigen Personen bewohnt, 
trocken und sonnig, hat hohe, luftige Zimmer und genügende 
Ventilation. Das Trinkwasser hier ist vorzügliches Quellwasser. 
Der Ort selbst hat gemässigt mildes Klima, liegt am Berges- 
abhaug mit gutem Wasserabfluss und ist grundwasserfrei. Ein 
Scorbutfall ist in unserer Gegend bisher nicht, vorgekommen oder 
wenigstens nicht zur Veröffentlichung gelangt. 

Alle diese Momente sind aetiologisch für diesen Scorbutfall 
nicht zu verwerthen; allenfalls die für dieses Frühjahr hier wie 
überall auf tretende und ziemlich lang anhaltende feuchte Kälte. 
Da diese jedoch in unserer Gegend keine weiteren Scorbut- 
crkraukuugen veranlasst hat, müsste in unserem Falle nur eine 
persönliche Disposition angenommen werden. 

Patientin erkrankte etwa 8 Wochen vor Eintritt des Exitus 
letalis an Rheumatismus der Muskeln und verschiedener Gelenke, 
war jedoch am Ausgehen nicht, behindert. Aerztliche Hilfe wurde 
erst etwa in der 5. Woche seit Bestehen der Gelenkschmerzen 
in Anspruch genommen und wurde der Aufenthalt, zu Bette als 

Berl. kl in. Wochenschr. 1899, No. 40. 

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dringend nothwendig empfohlen. Selbstverständlich verlangte die 
Erkrankung ein ärztliches Eingreifen und wurden thatsächlich die 
rheumatischen Beschwerden durch Gaben von Salipyrin, Salicyl- 
säure u. s. w. zum Rückgänge gebracht, so dass Patientin einige 
Male das Bett verlassen konnte. 

Während der ganzen Zeit waren Appetit und Schlaf normal, 
und Patientin auch, wenn nicht gerade durch Schmerzen belästigt, 
heiterer Gemüthsstimmung. Rheumatische Beschwerden waren 
an einem Kniegelenk, den Hand- und Fingergelenken, längs des 
ganzen Unterkiefers bis zu dessen Gelenken vorhanden und der 
ganze Unterkiefer besonders schmerzhaft, ein Umstand, der mir 
später den Gedanken nahe legte, ob nicht schon die ganze Art 
dieses Rheumatismus scorbutischer Natur war, da verschiedene 
Autoren gerade die Unterkieferschmerzen als typisch bei Scorbut 
bezeichnen und von Manchen überhaupt Gelenk- und Muskel¬ 
aff ectionen als Prodromi des Scorbut genannt werden. Es ist 
wohl einleuchtend, dass ein Praktiker, in dessen Wirkungskreis 
und w r eit darüber hinaus Scorbutfälle nicht Vorkommen oder 
wenigstens nicht bekannt geworden sind, bei Gelenkschmerzen 
viel eher an Gelenkrheumatismus als an Scorbut denken wird. 

Nachdem die Gelenkschmerzen, abwechselnd mehr oder 
weniger heftig, etwa 2 Monate bestanden hatten, da veränderte 
sich auf einmal das Bild. Es traten zuerst mässige, dann heftigere 
Blutungen des Zahnfleisches, mit Ausnahme der Stellen, wo 
bereits die Zähne fehlten, auf; die Haut wurde trocken, von 
lividem, erdfahlem Aussehen, Lippen und Wangen cyanotisch; 
es stellte sich Appetitmangel und später häufiges Erbrechen, 
heftiges Kopfweh, besonders in der Stirngegeud, ein. Fieber war 
während des ganzen Verlaufs der Erkrankung nicht vorhanden. 
Am zw-eiten Tage der Blutungen wurde das Zahnfleisch wmlstig 
geschwollen, blauroth verfärbt und es bildeten sich Ulcerationen 
mit Substanzverlusten. Weicher Gaumen und Uvula zeigten 
starke Ecchymosen. Die immer heftiger werdenden Zahnfleisch¬ 
blutungen, die mit einem selbst der Patientin sehr lästigen 
Foetor ex ore verbunden waren, veranlasst durch die zersetzten 
fauligen Blutcoagula aus den gangraenös gewordenen Zahnfleisch- 
theilen, konnten wieder durch verschiedene adstringirende Mund¬ 
wässer, noch durch subcutane Ergotininjectiouen zum Stehen 
gebracht werden; erst durch Tamponade der Mundhöhle längs 
des ganzen Zahnfleisches vor und hinter den Zähnen mit Eisen¬ 
chloridwatte wurden die Blutungen nothdürftig gestillt, um bei 
geringem Loslösen der Watte bei flüssiger Nahrungsaufnahme 
(vermittels Glasröhre), oder beim Erbrechen wieder von Neuem 
unaufhaltsam hervorzuquellen und dadurch einer vollständigen 
Anaemie entgegenzuführen. Auch Metrorrhagie war zu be¬ 
obachten. Der immer heftiger werdende, ein dauerndes Stöhnen 
der Patientin veranlassende Kopfschmerz war durch aufgelegte 
Eisblase nicht zu mildern; wahrscheinlich haben auch Gefäss- 
zerrei8sungen im Gehirne stattgefunden. Ein Collaps folgte dem 
anderen und machten den fortgesetzten Gebrauch subcutaner 
Aether- und Kampherinjeetionen nothwendig, konnten aber eben¬ 
sowenig wfle eine Autotransfusion und rectale Kochsalzinfusion 
die Katastrophe auf halten; und unter dem Bilde grösster Anaemie 
und allgemeiner Kachexie trat 3 Tage nach Beginn der Blutungen 
der Tod durch Erschöpfung ein. 

Es ist wohl kaum zu leugnen, dass dieser fast typisch ver¬ 
laufene Scorbutfall ganz besonderes Interesse bietet, weil der¬ 
selbe ohne jegliches beweiskräftiges aetiologisches Moment in 
einer Gegend und unter Verhältnissen auftrat, unter welchen 
nach den bisherigen Erfahrungen nicht gerade, zahlreiche Scor¬ 
butfälle zur Beobachtung gelangt sind. Es widerspricht auch 
im Allgemeinen den Anschauungen über die Krankheits a r t 
des Scorbut, da gerade der oben beschriebene Fall w’eder als eine 
miasmatische Infeetionskrankheit auf gefasst werden kann, noch 
auch irgend welche Contagiosität nachzuweisen ist. Auch als eine 
Inanitionskrankheit ist der Scorbut bezeichnet worden, wobei 
als Krankheitsursachen neben mangelhafter Ernährung andere 
schädigende Factoren, insbesondere solche hygienischer Natur, 
ganz besonders hervorgehoben sind. Dieser Krankheitsart liess 
sich dieser sporadische Scorbutfall wohl noch am ehesten unter¬ 
ordnen, obgleich auch dafür die Aetiologie nur mangelhaft be¬ 
weiskräftig zu verwerthen ist, wenn wir nicht gerade ein einziges 
aetiologisches Moment — die allgemeine feuchte Kälte — als 
Krankheitsursache anzuerkennen Willens sind. 


Aus der chirurgischen Universitätspoliklinik in München. 

Experimentelles und Klinisches Ober Orthoform. 

Von Dr. August Luxenburger, Assistenzarzt. 

(Schluss.) 

Die guten Dienste, welche Orthoform bei den zufälligen 
Verletzungen, die dem Chirurgen in die Hände kommen, geleistet 
hat, auch für den Nachschmerz nach Operationen nutzbar zu 
machen, war ein sehr naheliegender Gedanke. In dieser Absicht 
haben Andere schon vom Orthoform Gebrauch gemacht und 
Nutzen gesehen, so rühmt Blondel 1 *’) die Orthoformtamponade 


”) Revue Je Thörapeutique No. 10, 1898. 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


83 


nach Auskratzungen des Uterus. Gomperz“*) will dieselben 
nach Operationen in der Nase und im Ohr angewendet wissen. 
Üreyf uss“) benutzte Orthoform nach einer Phimosenopera¬ 
tion. Sollte es gelingen, mit einer massigen Orthoformappli- 
cation dem Kranken nach der Operation die wohlverdiente 
Ruhe zu verschaffen, so wäre dieses Verfahren, da es den All¬ 
gemeinzustand nicht weiter zu alteriren schien, den bisher ge¬ 
bräuchlichen Morphininjectionen in vielen Fällen gewiss vorzu¬ 
ziehen. Die Anwendung von Orthoform in den gleich auf¬ 
zuzählenden Fällen hat nun gezeigt, dass es sehr oft möglich ist, 
den Nachschmerz ganz zu ersparen, meist aber auf ein so erträg¬ 
liches Maass herunter zu drücken, dass nur selten zum Morphium 
zurückgegriffen werden musste. 

Bei 8 Transplantationen liess lOproc. Ortlioformsalbe den 
sonst sich einstellenden brennenden Schmerz an der Entnahme¬ 
stelle der Hautläppcheu nicht aufkommen. 

Nach Incision von 5 Abscessen verschiedener Regionen und 
2 eitrigen Bursitiden des Olecranon und Tamponade mit mit 
Orthoform bepuderter Gaze blieb das Wohlbefinden ungestört. 

16 Panaritien, 5 Paronychien, 8 Phlegmonen verursachten 
nach Incision, Tamponade mit Orthoformgaze, kaum Beschwerden 
mehr. 

6 Furunkel und 2 Carbunkel belästigten nach Orthofonn- 
einstäubung und Anlage eines essigsaure Thonerdeverbandes nur 
mehr durch geringe Druckempfindlichkeit den Träger der Affec- 
tion (Controle durch einige nicht so> behandelte, gleichzeitige 
Furunkel an demselben Patienten). 

Nach 5 Auskratzungen verkäster, tuberculöser Ilalsdrüsen, 
einer Aktinomykose der Halshaut versicherten die betreffenden 
mit Orthoformgaze behandelten Kranken, bei geringen Beschwer¬ 
den gut geschlafen zu haben. Aehnliches gilt für 

3 Auskratzungen inguinaler Bubonen. 

9 Auskratzungen von meist tuberculösen Knochenherden 
hatten auf Jodoform-Orthoformgazetamponade nur sehr massigen 
Nachschmerz im Gefolge 

Bei 7 Thermokauterisationen wegen Angiom (1). Lupus (2), 
Naevus (2), Analfisteln (2) äusserte Orthoformdermatolsalbe resp. 
-gaze sehr gute Wirkung. 

Nach 6 Zahnnarkosen hinderte Orthoformeiustäubuug nicht 
nur das Auftreten des Nachschmerzes, sondern auch des üblen 
Geruchs, der sonst sich öfters unangenehm bemerkbar macht. 

Bei 3 Excisionen eingewachsener Nägel sammt Nagelbett 
hatte Orthoformgazeauflage ein sehr gutes Resultat. 

Diese letzten drei Operationen bildeten den Uebergang zu 
der Verwendung des Orthoforms nach aseptischen Eingriffen. 
Wenn auch bei ihnen im Allgemeinen das Bedürfniss nach einem 
Mittel zur Bekämpfung des Nachschmerzes nicht so gross ist, 
als bei den zuvor aufgezählten Eingriffen, so dürften doch ge¬ 
wisse Operationen, wie die an Knochen oder Periost und Sehnen, 
welche für gewöhnlich intensive Schmerzen für 1 oder 2 Tage 
nach sich ziehen, den berechtigten Wunsch nach Linderung 
derselben laut werden lassen. Als Hinderungsgrund der Ortho- 
formanwendung hätte man neben dem bereits erledigten Moment 
der event. gefährdeten Sterilität der Wunden nur eine Störung 
der primären Verklebung durch die Anwesenheit des Orthof orms 
ansehen dürfen. Dass eine solche nicht zu befürchten war, 
schienen bereits Thierexperimente zu lehren. Einem Kaninchen 
zerquetschte ich einige Oberschenkelmuskeln mittels Klemmen, 
streute reichlich Orthoform darauf und nähte zu. Es resultirte 
glatte Heilung ohne besondere Secretion nach wenigen Tagen. 

Bei mehreren Thieren erwiesen sich einige durchschnittene 
mit Orthoform bestreute und genähte Sehnen nach 16 Tagen 
fest verwachsen, ebenso nach 3 Wochen der durchsägte Radius 
bei 2 Thieren. 

Zum klinischen Experimentirobject wurden die zahlreichen 
Atherome des Gesichts, Rückens etc. gewählt. Da sie öfters mul¬ 
tipel Vorkommen und zuweilen Patienten sich in einer Sitzung 
mehrere solche Gesehwülstchen entfernen lassen, konnte, man 
genau vergleichen, ob eine mit Orthoform eingestreute Excisions- 
wunde ebenso rasch und gut verklebte, als eine ohne diese Zu¬ 
gabe, ob eine bemerkenswert he Secretion dabei auftrat. Ein 
Unterschied in der Heilungsdauer verschieden behandelter Ex- 
cisionswunden war nun nicht zu constatiren, dagegen machte 
sich ein anderer, wenn auch zu vernachlässigender Uebelstand 
bemerkbar: nämlich bereits trockne Wunden fangen für kurze 
Zeit wieder etwas parenchymatös zu bluten an 11 ), wenn Ortho- 
form eingewirkt hat, sie färben sich dabei anfangs grau und er¬ 
halten dann ein braunschwarzes, unschönes Aussehen. Die Ver- 
muthung, es könnte sich dabei um eine Verwandlung des Blut- 

u *) Monatssehr. f. Ohrenheilk. No. 6, 1899, S. 256. 

“) Münch, med. Wochensehr. No. 17, 1898. 

w ) Ist beim Jodoform auch in geringem Maasse zu sehen. 

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farbstoffes in Methaemoglobin handeln, Hat sich nicht bestätigt, 
denn die spektroskopische Untersuchung defibrinirten, mit Ortho¬ 
form für längere Zeit gemischten Blutes zeigt deutlich den 
Streifen des reducirten Haemoglobins oder, mit Luft geschüttelt, 
die zwei charakteristischen Streifen des Oxyhaemoglobins. 

Die Bräunung des Blutes rührt desshalb wohl von der so 
häufig eintretenden und hier schon mehrfach angeführten Ver¬ 
färbung des Orthoforms her, die wir auch öfters an 2—3 Tage; 
alten Pulverkrusten, z. B. an Quetschwunden, bemerken können. 

Der Hcilungs verlauf von 25 Atheromen, 2 Lipomen, 
4 Drüsenoperationen zeigte ferner, dass die Anwesenheit von 
Orthoform die Etablirung einer Wundinfection nicht begünstigt. 
Es sind auch bei den folgenden kleineren Operationen nicht 
mehr Eiterungen zu verzeichnen gewesen, als in der Zeit vor dein 
Orthoformgebrauch. Diese erklären sich leicht aus dem Um¬ 
stand, dass viele Patienten bereits mit infieirten Wunden er¬ 
scheinen, andererseits dadurch, dass diese kleineren chirurgischen 
Leiden meist als Uebungsobjecte für jüngere Mediciner, die mit 
den Regeln der Asepsis noch nicht sehr vertraut sind, dienen. 

Bei 4 Bubononexstirpationen, 4 Excisionen von Lupus und 
Careinomen, 9 Fingeramputationen, 5 Spaltungen zur Extraction 
von Fremdkörpern, 2 Phimosenoperationen, 5 Sehnennähten 
konnte den Patienten durch Bestäubung der Wunden mit Ortho¬ 
form die sonst gefürchtete erste Nacht nach der Operation be¬ 
deutend erträglicher gemacht werden, so dass auch hier der Ge¬ 
brauch des Mittels gerechtfertigt erscheint. 

Die Hoffnung, dass bei den grössten chirurgischen Eingriffen 
durch Orthoform die Morphingaben ausnahmslos erspart werden 
könnten, dürfte sich wohl nicht erfüllen, da zur Erreichung 
dieses Zweckes wohl zu grosse Orthoformgabeu benöthigt würden. 
Nun scheint ja nach den bisherigen Erfahrungen das Mittel un¬ 
giftig zu sein, aber gewiss nur wegen seiner Schwerlöslichkeit. 
So ertragen Hunde 3—6 g Substanz innerlich, 3 g in einer Haut- 
tasche eingebracht 15 ). Kaninchen, denen ich 1—l l / 3 g in einer 
Hauttasche ausgebreitet hatte, zeigten keine Intoxieationss.ym- 
ptome. Ein Patient von Klaussner 1 ®) erhielt ohne Störung 
60 g pro Woche auf ein Hautcarcinom. Neumeyer 17 ) sah 
keine besonderen Erscheinungen bei Medication von 3—4 g pro 
Tag. In diesen Fällen kamen aber keine besonders ausgedehnten, 
resorbirenden Flächen in Betracht, wie dies z. B. eine Ampu¬ 
tationswunde von Arm und Bein darstellt, auf der unzählige 
durchschnittene Venen und Lymphgefässe in der kürzesten Zeit 
grosse Massen, selbst corpusculärer Elemente aufsaugen können. 

Dass hier mit einiger Vorsicht zu Werk gegangen werden 
muss, lehren die Versuche von Soulier und Guinard 18 ), 
die von der gut resorbirenden Peritonealhöhle aus tödtliclie In- 
toxieationen sahen bei einer Dosis von 0,5 pro Kilo Hund. In 
Venen eingespritzt genügte 0,012 pro Kilo Hase. Nun sind das 
ziemlich beträchtliche Dosen, so dass daraus entnommen werden 
kann, dass der Mensch mehrere Gramm Orthoform in einer 
Wunde wohl gut verträgt. (Einige oben figurirende Verbren¬ 
nungen erhielten einige Tage hinter einander täglich 2 g auf 
die wohl gut resorbirenden Wunden auf gestreut.) 

An den gleich aufzuführenden Patienten, deren zum Theil 
ausgedehnte Wunden meist mit 1 g Orthoform beschickt wurden, 
Hessen sich nie Symptome einer Intoxication constatiren* trotz 
rascher Resorption des Mittels. Nach 2 Stunden konnte im 
Ham mit Eisenchlorid die violette Orthoformreaction erhalten 
werden. 

Bei 3 Nekrotomien an der Tibia wegen Osteomyelitis wurde 
mit Orthoform die Knochenlade ausgerieben, ferner das Periost 
und die Hautränder bestreut. 1 mal Tamponade mit Jodoform¬ 
gaze, 2 mal rasche Heilung unter S c li e d e’sehem Blutschorf. 
Die sonst äusserst heftigen Nachschmerzen wurden auf ein er¬ 
trägliches Maass vermindert. 

Ferner 3 Hernienradienloperationen au 2 Patienten. Dem 
doppelseitig Operirten wurde nur in die rechtsseitige Wunde eine 
Orthoformborsäuremischung (4:1) eingestreut. Heilung per 
priinam in 10 Tagen. Secretion beiderseits minimal. Patient 
verspürt in den ersten Tagen nach dem Eingriff recliterseits gar 
nichts, links Brennen und Stechen. 1 Mann mit Blasenselmitt 
klagt nur etwas über den Verweilkatheter. 

Bei 3 Unterschenkelamputationen, 1 wegen arteriosklero¬ 
tischer Gangraen, 2 wegen Erfriergangraen wird die genannte 
Orthoformborsäuremischung hauptsächlich an die durchsclinit- 


15 ) Kallenberger: Berl. klln. Wocheuschr. No. 12, 1898. 
18 ) Münch, med. Wochenschr. No. 46, 1897. 

1T ) Münch, med. Wochenschr. No. 44, 1897. 

“) Repertoire de Pharmacie No. 9, 1898. 

4* 

Original frn-rri 

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84 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3 


tenen Nervenstämme, an’s Periost, an die Fascien und Haut¬ 
ränder gebracht Die sonst sich einstellenden reissenden Schmerzen 
erschienen erheblich gemindert . 

Bei einer Tracheotomie war nichts Bemerkenswerthes zu 
verzeichnen. 

Ueber die Nützlichkeit des Orthoforms und die Berechti¬ 
gung seiner Anwendung bei grossen chirurgischen Operationen 
kann ich, da die Zahl derselben noch zu gering ist, kein ab¬ 
schliessendes Urtheil aussprechen, doch scheinen die bisherigen 
Versuche zur Fortsetzung derselben zu ermuntern. 

Von anderer Seite 10 ) ist mehrfach auf den zweckdienlichen 
Zusatz von Orthoform zu den sonst starken Schmerz erregenden 
Arseninjectionen aufmerksam gemacht worden. Kalomelortho- 
forminjeetionen empfiehlt Pouchet 20 ). Bei den in unserer 
Anstalt zahlreich vorgenommenen Jodoformglycerinin jectionen 
konnte ich mich 14 mal überzeugen, dass Beifügung von 5 Proc. 
Orthoform nicht nutzlos und nicht schädlich ist. 

Eine besondere Besprechung verlangen die hervorragenden 
Leistungen, welche Injectionen von Orthoform bei schmerzhaften 
Blasenaffectionen geboten haben. 

3 Fälle von Blasenstein (2 mit schwerer, 1 mit leichter Cystitis 
und öfterem Blutabgang) erhielten täglicli Abends 1 g Orthoform 
aufgeschwemmt in ein möglichst kleines Quantum physiologischer 
Kochsalzlösung nach voraufgegangener Borsäureausspülung. Da¬ 
rauf sank nicht nur die Frequenz der gezwungenen Blasen- 
entleerungen (von ca. 16 auf 3 Nachts), sondern auch die be¬ 
gleitenden Tenesmen nahmen an Heftigkeit ab. Selbst der Reiz¬ 
zustand der Blasenmusculatur, der nur eine Füllung des Cavums 
von ca. 50 ccm erlaubte, verringerte sich so, dass nach einigen 
Tagen schon eine Füllung auf 150—200 ccm möglich wurde. Auch 
konnten die Patienten sich wieder leichter bewegen, ohne gleich 
einen Schmerzanfall in Folge des herumrollenden Steines zu ris- 
kiren. 

Ein Fall von tuberculöser Cystitis lehrte dasselbe. 

Dagegen sah man bei 2 gonorrhoischen Cystitiden gar keine 
Besserung der allerdings nicht hochgradigen Beschwerden. 

Einen vollen Erfolg erlebte ich an 2 Prostatikern mit jauchiger 
Cystitis. Neben der erheblichen subjectiven Erleichterung war 
die rasche Besserung des Hambefunds bemerkenswerth. Der 
Harn verlor früher seinen stinkenden Geruch durch die bereits 
oben erwähnte, auch im Glas constattrbare Unterdrückung am- 
moniakalischer Gährung, als bei der bis jetzt bei uns geübten 
Therapie (alleinige Salicylborsäuresptilungen und innerliche Medi- 
cation von Urotropin). 

Das Gleiche gilt für einen Fall schwerer Cystitis bei trau¬ 
matischer Strictur der Harnröhre mit Harnfistel am Perineum. 
Bei diesem, wie in einem ähnlichen Fall w T urde nach Exeision der 
Strictur für längere Zeit ein Verweilkatheter eingelegt. Zum 
Einfetten des letzteren diente Orthoformvaseline (10 proc.). 
Oefters wurde neben dem Verweilkatheter ein sehr dünner, 
elastischer Katheter eingeführt und an den Blasenhals und Pars 
prostatica Orthoformöl (Orthoform 1,0, Oleum olivar. 20,0) injicirt. 
Diesem Verfahren glaube ich es verdanken zu müssen, dass der 
Verweilkatheter in einem Fall mit geringer Belästigung 
3 Wochen lang ertragen wurde. 

Ein Patient mit Blasencarcinom zeigte erhebliche Besserung 
der subjectiven Beschwerden und des Urinbefundes. Derselbe 
erhielt mehrere Wochen lang Orthoform ohne bemerkbaren 
Nacht heil. 

Demnach hatten die gewöhnlich Abends vorgenommenen 
Injectionen von 1— l l / 2 —2 g Orthoform überall einen deutlich 
günstigen Einfluss auf die schmerzhaften Tenesmen, auf die 
Blasenspannung, Zahl der Mictionen und Urinbef und, ausge¬ 
nommen bei 2 gonorrhoischen Cystitiden. Das Ausbleiben einer 
Besserung des subjectiven Wohlbefindens erklärt sich hier, wie 
sonst überall bei Affectionen der Haut und Schleimhäute, aus 
dem wahrscheinlichen Mangel an Substanzverlusten, resp. Ge¬ 
schwüren. In 2 Fällen (einer tiibereulösen, einer jauchigen Pro¬ 
st atiker-Cystitis) konnte ich mit dem Cystoskop Geschwüre mit 
auf geworfenen Rändern sehen. Es liegt desslialb nahe, aus dem 
Eintritt der subjectiven Besserung auch in den übrigen Fällen 
(zumal dort, wo Steine vorhanden w r aren) auf die Anwesenheit 
von Substanz Verlusten zu schliessen und hier bezüglich der 
Affcctionen der Blase gerade so wie dies von anderer Seite für 
die Kehlkopf- und Magenschleimhaut behauptet und mehrfach 
bestätigt worden ist, dem Orthoform einen diagnostischen Werth 
zuzusprechen, natürlich nur für den positiven Ausfall der 
Probe. 

Nach diesen eigenen günstigen Erfahrungen wunderte es 
mich Anfangs, die von N o g u e s M ) berichteten Misserfolge zu 
lesen. Bei 3 Steinen, 5 tuberculösen und 4 anderen Cystitiden 


”) Czerny und Trunececk: Semaine medieale No. 20, 
1808 und Sinestous: Gazette hebdomadaire etc., 10.April 1898. 
20 ) Progrös mßdical, 29. April 1899. 

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erlebte er meist Vermehrung der Beschwerden, keine Besserung 
der Schmerzen nach Orthoformtherapie. Der Grund für dieses 
schlechte Resultat ist nur in der von ihm gewählten Anwendungs¬ 
weise zu suchen. Er benützte als Träger des Orthof orms Glycerin, 
da dasselbe Orthoform im Verliältniss von 5:100 löst, instillirte 
davon täglich 2—3 mal, wie viel ist nicht gesagt. Nun ist be¬ 
kannt, w T ie heftig Glycerin in Hautschrunden brennt, wie rasch 
es ferner von der Mastdarmschleimhaut Contractionen der Mus- 
culatur auslöst. Aus diesen Gründen schon ist es als ungeeignetes 
Vehikel anzusehen, da doch die Bubstanzverluste der Blase eben¬ 
falls mit Brennen und die Musculatur mit Contractionen re- 
agiren wird, bevor überhaupt das gelöste Orthoform Zeit hat, 
seine Wirkung zu entfalten. Letzteres fällt überdies bei der 
Berührung mit dem wässerigen Urin sofort aus; es hat also eine 
Lösung von Orthoform in Glycerin keinen Zweck. Ausserdem 
ist es unmöglich, mit Instillationen eine genügende Menge 
Orthoform in die Blase zu bringen, es wäre dazu von einer 5 proc. 
Lösung die kaum verwendbare Menge von 20 g Glycerin notli- 
wendig. Eine physiologische Kochsalzlösung, die weder Blascn- 
musculatur noch Geschwüre tangirt, ist desslialb als Aufschwem¬ 
mungsmittel (1: 30,0 oder 50,0) sicher vorzuziehen. Mit ihr kann 
der Versuch der Schmerzbefreiung aller in ihrem Allgemein¬ 
befinden schwergestörten Bla senk ranken unbedingt empfohlen 
werden. 

Man könnte an eine Begünstigung der Steinbildung durch 
die Gegenwart dos schwerlöslichen Pulvers denken. Sicheres 
darüber vermag nur die Erfahrung bei weiterer Anwendung 
lehren. Wahrscheinlich ist mir eine solche Eventualität nicht, 
da sowohl saurer als alkalischer Urin immer etwas Orthoform 
löst, ferner durch Mictionen oder Spülungen die Hauptmasse 
bald wieder weggeschafft wird, ferner von den Nieren her fort¬ 
während neue Lösungsflüssigkeit abgesondert wird. Auch han¬ 
delt es sich in den wenigsten Fällen um einen dauernden Ortlio- 
formgebrauch (nur bei malignen Neubildungen). 

Eine sehr gute Anaesthesirung der Blase mit Abnahme über¬ 
mässiger Spannung durch Orthoform in Borsäure suspendirt 
sah auch Mirabeau 31 ), so dass es ihm möglich war, selbst sehr 
empfindliche Blasen unter vollkommener Toleranz zu cystosko- 
piren. 

Die Erfolge bei der grossen Zahl der in 2 Jahren mit Ortho¬ 
form behandelten Fälle (ca. 330) lehrten, dass das Mittel den 
Hauptzweck, von Wunden aus Anaesthesirung hervorzurufen, 
mit seltenen Ausnahmen erfüllt. Ferner liefert der Umstand, 
dass sich ernstere Zwischenfälle selbst bei wochen- und monate¬ 
lang fortgesetzter Verwendung des Orthoforms nicht einstellten, 
den brauchbarsten Beweis der Ungefährlichkeit bei maassvoller 
Anwendung. Nur einige localisirt bleibende Störungen mussten 
auf die Anwesenheit des Anaestheticums zurückgeführt werden. 

Diese, meist vesiculöso oder pustulöse Ekzeme, die unter 
massigem Jucken in der nächsten Umgebung der Wunde auf- 
traten, habe ich meist nur dort beobachtet, wo in überaus reich¬ 
lichem Maasse Orthoform aufgepudert wurde, z. B. bei einer 
grossen Verbrennung an Hand und Vorderarm, ferner an Stellen, 
die besonders zu Ekzemen geneigt sind, also auf der varicösen 
und chronisch oedematosen Unterschenkelhaut alter Leute oder 
an Stellen, wo viel Sehweiss secernirt wird und stagnirt, wie in 
der Inguinalgegend (z. B. an einer hier localisirten Röntgenver¬ 
brennung, au einer schankerös vereiterten Leistendrüse, an zwei 
Fussgeschwüren). Auch A s a m ") beschrieb 4 Ekzeme, eines 
darunter mit Neigung zur Generalisation. Mailland 2 *) be¬ 
richtet über 4 Fälle universellen Erythems nach überaus reich¬ 
licher Orthoformapplieation auf ausgedehnte Wundflächen. 

Diese nach unserer Erfahrung seltenen Ekzeme sind, wenn 
auch nicht besonders unangenehme Ereignisse, so doch geeignet , 
den Heilverlauf der Wunden aufzuhalten und ängstliche Pa¬ 
tienten zu beunruhigen. Um den Gründen der Entstehung der 
Ekzeme auf die Spur zu kommen, war es nothwendig, sich über 
eine eventuelle Reizwirkung des Orthoforms zu orientiren. 


21 ) Centralbl. f. Gynäk. No. 11, 1899 u. Monatssehr. f. Geburtsh. 
Bd. XI. . i 

2Ü ) Annales des maladics des Organes genito-urinaires 1898, 
S. 347. 

") Münch, med. Wochenschr. No. 8, 1899. 

") La Province mödicale No. 12 u. 13, 1899. 

Original ffom 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


85 


Boisseau**) sah auf der Bindehaut des Auges kaum eine 
Reaction durch das eingestäubte Orthoform. Injectionen in 
seröse Höhlen, wie Pericard, Pleura und Peritonealhöhle des 
Kaninchens rufen, wie ich mich mehrfach überzeugt habe, keine 
Entzündung oder Fibrinablagerung, nur minimale Exsudation 
seröser Flüssigkeit hervor. Die Einspritzung in einen durch 
Punction entleerten Hydrocelensack in der Absicht, eine event. 
Verklebung der serösen Blätter zu erreichen, hatte nur die Folge 
einer etwas schnelleren Wiederanfüllung bei völligem Fehlen 
reactiver Entzündungserscheinungen. An einem durch Arthritis 
difformans erheblich destruirten Gelenk waren nach Inject ion 
von Orthoform weder besondere subjective noch objective Sym¬ 
ptome zu constatiren. 

Bei 2 acuten Ekzemen wurde Orthoform unter den gewöhn¬ 
lich verordneten Zinkpuder gemischt. Dieselben heilten ohne 
weitere Ausbreitung ebenso schön, wie 3 chronische Ekzeme, 
denen eine Mischung von Orthoform, Ol.Rusci und Spiritus auf- 
gepinselt worden war. Auch von Korn”) ist bereits Orthoform 
zur Behandlung von Ekzemen, Prurigo und Herpes empfohlen 
worden, von Hanszel”) 10proc. Orthoformsalbe für Nasen- 
ekzeme. 

Nach diesen Versuchen kann ein allgemeiner Satz, wie: 
Orthoform ist ein jeweils reizender Körper und macht desshalb 
leicht Ekzeme, nicht ausgesprochen werden, selbst abgesehen da¬ 
von, dass die grosse Reihe obiger, nicht mit Ekzemen complicirter 
Fälle dasselbe beweist. Noch andere klinische Experimentir- 
objecte liessen diese Ansicht nicht aufkommen. Bei 2 Patienten, 
deren Haut auf Anwendung von Jodoform resp. Sublimat bald 
mit einem Ekzem reagirte, wurde Orthoform benützt. Dem einen 
davon, mit symmetrischen Hautabschürfungen an beiden Unter¬ 
schenkeln, acquirirt durch Fall, hat die Auflegung von Jodoform 
rechterseits eine erhebliche Reaction verursacht, Orthoform links 
nicht. Einen anderen naheliegenden Entstehungsgrund für Ek¬ 
zem hätte man in einem unreinen Präparat oder in eventuellen 
Zersetzungsproducten des Orthoforms suchen können, zumal, 
da dieses sich bei langem Stehen am Licht etwas bräunt. Gegen 
erster© Annahme sprach neben der Zuverlässigkeit der das Prä¬ 
parat liefernden Firma die Thatsache, dass von derselben Portion 
Orthoform, welche einmal Ekzem verursacht hatte, an anderen 
Individuen kein Nachtheil gesehen wurde; letztere Annahme 
wurde durch Versuche mit einem 2 Jahre alten, ziemlich gelb¬ 
braunen Präparat und den schwärzlichen und bräunlichen Zer¬ 
setzungsproducten des Orthoforms hinfällig, die sich bilden, 
wenn alkalische Lösungen des Präparates längere Zeit an der Luft 
stehen bleiben oder mit Wasserstoffsuperoxyd oxydirt werden. 
Die mit derartigen Zersetzungsproducten bestreuten Geschwüre 
verschiedener Regionen liessen keine auffallenden Veränderungen 
erkennen und auch ihre Umgebung blieb intact. 

In der Art der jeweiligen Application wurde ebenfalls keine 
befriedigende Erklärung gefunden für den Widerspruch, dass 
Orthoform in den meisten Fällen ohne Nachtheil in grossen 
Mengen ertragen wird, in wenigen anderen schon kleine Dosen 
locale Reaction mit Ekzemen veranlassen. Ich musste mich daher 
begnügen, diese Lücke der Erkenntniss mit dem Worte Idiosyn¬ 
krasie auszufüllen, ohne damit mehr sagen zu wollen, als dass 
gewisse Individuen Orthoform gegenüber eine ebenso merkwürdig 
geringe Widerstandskraft haben, als gegenüber anderen Mitteln, 
wie Jodoform, Salicylsäure, Wismut, Quecksilber. Dazu war 
umsomehr Berechtigung, als ein von Schroppe") veröffent¬ 
lichter Fall eine passende Illustration bietet. Ein Mann bekam 
im Laufe eines Jahres 3 mal in grösseren Zwischenräumen ein 
Orthoformekzem, 1 mal nach Betupfung eines Zungengeschwürs, 

1 mal nach Einblasung in’s Ohr, das 3. Mal nach Einlage einiger 
Körnchen Orthoform in einen hohlen Zahn. Nun kann doch 
die Wirkung einer Quantität, die in einen hohlen Zahn geht, 
gewiss nur durch eine höchst seltene Intoleranz weniger Menschen 
erklärt werden. In gleicher Weise ist aufzufassen ein Fall von 
Brocq"), in dem einmalige Betupfung einer Vulvafissur 
einen Ausschlag zur Folge hatte und der einzige bis jetzt be- 

*•) Gazette hebdomadaire des Sciences mödlcales de Bordeaux 
No. 51, 1897. 

“) Aerztl. Praxis No. 13, 1898. 

") Wiener klin. Wochenschr. 1898, No. 49. 

*) Petersburger med. Wochenschr. No. 12, 1899. 

*) Presse mödicale, 15. April 1899. 

No. 8. 

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obachtete Fall wahrscheinlicher Intoxication, den Epstein 29 ) 
veröffentlicht hat. Auf Injection von Kalornel zusammen mit 
0,08 Orthoform waren mit Wahrscheinlichkeit 6—8 Stunden 
dauernde Erscheinungen wie Nausea, Schwindel, Erbrechen zu 
beziehen. 

Ebenso wie man für die Entstehung von Orthoformekzemen 
eine Idiosynkrasie einzelner Menschen verantwortlich machen 
muss, verdient dieselbe Ansicht, wen igstens bis zu einem gewissen 
Grade, für die wenigen beschriebenen Fälle tiefgehenderer Ge¬ 
websveränderungen nach Orthoformgebrauch den meisten Glau¬ 
ben. So schrieb A s a m ’°) über 5 Fälle von Gewebsnekrose auf 
varicösen Geschwüren nach 3—14 tägiger Anwendung 2—10 proc. 
Salbe, Miodowskv 31 ) über einen Fall. Mir selbst kamen 
2 Fälle von gangraenösem Belag auf varicösen Fussgeschwüren 
zu Gesicht. Beide Individuen hatten ohne Oontrole sich selbst 
mit täglicher Ort.hoformpulverbestreuung 14 Tage bis 4 Wochen 
behandelt. Es war jeweils auf einem nicht ganz handtellergrossen 
Geschwür mit etwas gerötheter Umgebung ein fünfmarkstiiek- 
grosser, grauschwarzer, hornartiger, gegen Berührung unempfind¬ 
licher Belag zu constatiren. Unter Borsäureumschlägen hob sich 
der beschriebene Schorf ringsum am Rande pilzförmig ab, sass 
aber noch eine geraume Zeit in der Mitte des Geschwürs mit 
einem Stil fest. Nach Abstossung desselben, 10—14 Tage später, 
lag ein schön gereinigtes, granulirendes Geschwür vor. Da ich 
um diese Zeit noch nicht vom causalen Zusammenhang des 
Orthoformgebrauehs mit einem derartigen Wundbefund über¬ 
zeugt war, puderte ich wegen Schmerzen weiter Orthoform auf 
und zwar erhielt : 

No. 1, ein Mann, der seine Arbeit nicht aussetzen wollte, 
täglich Orthoform, darüber feuchter Borsäureumschlag ohne 
Guttapercha. 

No. 2, eine Frau, lag auf meine Verordnung im Bett, machte 
sich Anfangs fortwährend Bleiwassermnsehläge, dabei Morgens 
und Abends Orthoformaufstreuung. Später Orthoform-Dermatol- 
ta lepuderverba nd. 

Nach 5 Tagen bekam das Geschwür des No. 1 einen grau- 
weissen, nicht abwischbaren Belag aus nekrotisirendem Gewebe, 
der auf Slstirung der Orthoformbehnndlung nach 3 Tagen wieder 
verschwand. No. 2 wurde ohne Störung bald wieder bergest«'!lt. 

Die Verschiedenheit des Verlaufs beider gleichartiger Fälle 
war merkwürdig. Nahezu dieselbe Behandlungsweise wurde den 
gleich grossen und tiefen Geschwüren zu Theil, die beide circa 
ein halbes Jahr bestanden hatten, dasselbe Aussehen boten, 
auf stark varicösen und etwas oedematösen Unterschenkeln mit 
atrophischer, theilweise pigmentirter Haut sassen. Demnach 
musste neben der Idiosynkrasie, die ja beide Fälle bewiesen 
hatten, noch ein anderes Moment in Action getreten sein. Ge¬ 
klärt wird nun die Sache durch das verschiedene Verhalten 
beider Kranker. Die besser situirte Patientin hielt strenge Bett¬ 
ruhe ein, so dass die venöse Stase in der Haut auf ein Minimum 
reducirt wurde. Der zum Broderworb gezwungene, nicht von 
einer Kasse unterstützte Arbeiter bot mit seinen fingerdick dila- 
tirten Venen in Folge 10 stündiger, stehender Beschäftigung als 
Maurer für eine Gewebsnekrose die denkbar günstigsten Ver¬ 
hältnisse. Die Beobachtung, dass Stauung einer Gangrän Vor¬ 
schub leistet, ist ja allbekannt. So verursacht oft ein minimales 
Trauma (Contusion) oder eine unbedeutende Infection durch 
Kratzen ein locales Absterben circumscripter Partien an varicös 
gestauter Unterschenkelhaut. Andererseits hat schon mancher 
Fuss durch Beseitigung der Stauung mittels Suspension vor der 
Gangraen gerettet werden können. Kommt nun auf ein Ge¬ 
schwür, dessen Ernährung in Folge der nahezu gänzlich stag- 
nirenden Blutcirculation auf ein Minimum herabgesunken ist. 
ein Mittel, welches schmerzempfindende Nervenendigungen für 
längere Zeit ganz ausser Function setzt, desshalb mit einiger 
Wahrscheinlichkeit auch trophischc Fasern afficirt. so kann 
dieses wohl ein Absterben von kleineren Gewebspartien ver¬ 
ursachen, was nicht weiter wunderbar erscheint. Sowohl in 
A s a m’s Fällen als in dem von Miodowskv handelte es sich 
um schlecht ernährte Regionen, die unter dem Einfluss hoch¬ 
gradiger Stauung standen. 

Abgesehen von dem Moment der Stauung, die eine un¬ 
erwünschte Orthoformwirkung zuweilen nach sich zieht, kommt 
aber noch zuweilen Anderes in Betracht. Oefters sind Schmerzen, 
welche einen Orthoformgebrauch indiciren, ein Hinweis auf die 

“) Dermatolog. Centralbl. No. 5, 1899. 

") Münch, med. Wochenschr. No. 8, 1899. 

n ) Münch, med. Wochenschr. No. 12, 1899. 

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Original from 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


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Anwesenheit von Infectionskeimen in der Wundfläche. In der 
Vorort hoformzeit hahen die Beschwerden den Kranken veranlasst, 
sein krankes Bein zu schonen und lindernde Umschläge zu 
machen. Jetzt bekommt er ein Mittel, das ihm die Schmerzen 
wegzaubert, er hält sich in Folge dessen für beinahe gesund, 
setzt sein Bein mit sammt dem inficirten Geschwür der Schäd¬ 
lichkeit. der täglichen Anstrengungen und der Stauung aus. 
Unter dem üblichen Ort.hoformpuder- oder Salbenverband, den 
sich der Kranke selbst kritiklos anlegt, bleibt das abgesonderte 
Secret (was früher durch Umschläge entfernt wurde) sitzen und 
übt einen fortwährenden Reiz aus. Auf diesen wurde der 
Patient früher durch lebhaftes Brennen aufmerksam, mit Ortho- 
forrn anaesthesirt merkt er von dem Uebelstand nichts und fährt 
mit der ungeeigneten Therapie fort. Da ferner die massige 
antiseptische Kraft des Orthoforms nicht genügt, um als Ersatz 
der sonst üblichen Desinficientien dienend, der vorhandenen Ge- 
schwürsinfection Einhalt zu gebieten, ausserdem letzterer noch 
die Soeretanhäufung zu Gute kommt, ist eine Nekrotisirung 
schlecht ernährter Gewebstheile durch Zusammentreffen mehrerer 
begünstigender Umstände leicht erklärlich. Orthoform an und 
für sich, ohne die Mitwirkung genannter Fnetoren. verschuldet 
keine Nekrosen. Zur Bekräftigung liessen sich die oben er¬ 
wähnten Fällt* (3 wegen Gangraen amputirte Unterschenkel, 
2 trophUehe, 3Doeubitusgesohwüro),die unterOrthoformgebrauch 
anstandslos heilten,, nochmals hcranziehen, obwohl sie gewiss zu 
einer Gangraen günstigen Boden bildeten, wo aber Stauung. 
Infcction fehlten. 

Eesmnirend glaube ich über die unangenehmen Nachwir¬ 
kungen des Orthoforms Folgendes aussprechen zu können. 

Nach den diesseitigen Erfahrungen sind Orthoformekzeme 
selten (5 unter ca. 330 Fällen), Gangraen noch seltener. Zur 
E n t s t e h u n g des Orthoformekze m s geh ö r t in 
erster Linie eine selten vorkommende In¬ 
toleranz des Individuums. Zu reichliche Auf- 
P u 1 v e r u n g u n d L o c a 1 i s a t i o n d e r z u behandeln¬ 
den A f f e c t i o n dürften dabei noch eine Rolle 
spielen. 

Das Auftreten einer Orthof ormnekroso er- 
f o r d er t neben eine r I d i o s y n k r a s i e des Indivi¬ 
duums hauptsächlich an und für sich schlecht 
ernährte Gewebstheile, die uni e r d e m u n gün¬ 
stigen Einfluss einer Blutstauung oder auch 
einer Tnfection stehen. 

Aus diesen Sätzen ergibt sieb von selbst ein Wegweiser 
zur Vermeidung der in Rede stehenden Nachtheile. Vor Allem 
darf Orthoform nur unter häufiger Controle des Arztes benutzt 
werden. Relbstbehandlung ist, da der Patient sich über sein 
Befinden täuscht, verwerflich. Der Arzt kann den Ekzemen in 
vielen Fällen aus dem Wege gehen durch anfängliches Vermeiden 
zu luxuriösen Gebrauchs, durch Deckung der Geschwürsum¬ 
gebung mit dicker Zinkpaste. Tritt es doch auf, so ist mit 
Aussetzen des Orthoforms und 2—3 tägigem Puderverband etc. 
dem kleinen Schaden leicht abgeholfen. 

Zur Verhütung von Gangraen ist Leuten mit starker 
venöser Stauung in den Beinen (um diese Extremität handelt 
es sich ja immer) strengste Bettruhe anzuempfehlen, ferner ist 
bei vermut.hlieher Infection der Geschwüre, die desinficirende 
Behandlung mit den gebräuchlichen Antisepticis nicht zu ver¬ 
säumen. 

Einer kurzen Erwähnung bedürfen noch zwei Punkte. Von 
verschiedener Seite ist dem Orthoform sowohl eine secretions- 
Ix‘schränkende, als auch eine heilende Eigenschaft, nachgeriihmt 
worden. Kallenberger 8 *) überzeugte sich bei Transplan¬ 
tationen und einem carcinomatösen Geschwür von ersterer 
Fähigkeit. Kassel 33 ) sagt, dass bei Anwendung im Larynx 
die seröse Secretion vermindert wird, auch Hanszel") rühmt 
diesen Vortheil und glaubt, dass eine Heilung von Larynx- 
geseh wären begünstigt wird. Ebenso F reudenthal *'). Auch 
J e s s e n ) und Wittkowsky 8 ‘) bezüglich der Geschwüre 
der Proeesse im Mund. Ich selbst sehe mich genüthigt, mit Vor- 

IMss. inaug.. München 1898. 

“i Tlierap. Monatsh.. Octoher DSPS. 

Wien. klin. Woehensohr. No. 4t), DSPS. 

::v > Monatsschr. f. Ohronheilk. No. DSPP. 

3i ) Deutsch, zaliniirztl. Zeitschr. No. IS, 181)8. 

* 7 ) Odontol. Blätter No. 10, 1898/90, 

Digitized by Gougle 


sicht ein Urtheil auszusprechen, das im Ganzen nur nach einer 
Summe allgemeiner, desshalb ungenauer Eindrücke, gefällt 
werden kann. Im Vergleich möglichst ähnlicher Geschwüre 
oder Verletzungen, wie z. B. Hautabschürfungen, Fingerkuppen¬ 
abquetschungen etc., die theils mit Orthoform, theils mit Jodo¬ 
form etc. behandelt wurden, kam ich nicht zum constanten 
Resultat, dass Orthoform jeweils in allen Fällen die Secretion 
deutlich beschränkt, oder schnellere Heilung bietet. Letzteres 
konnte ich nur an 3 chronischen Ekzemen feststellen, wo Unter¬ 
drückung des Juckreizes ermöglichte, dass die Patienten ihre 
Affection in Ruhe liessen und das Heilungshindemiss des fort¬ 
währenden Kratzens wegfiel. 

Andererseits erschien nach eben denselben Versuchen das 
Resultat aber zweifellos, dass Orthoform weder die Secretion 
vermehrt, noch die Wundheilung verzögert. Meiner Ansicht nach 
braucht man von ihm mehr nicht zu verlangen. Es genügt voll¬ 
ständig, dass es bei maassvollem Gebrauch, besonders in der 
Hand des Arztes, ein absolut unschädliches Localanaestheti- 
cum ist, welches dem Chirurgen gestattet, mit geradezu ver¬ 
blüffender Sicherheit den Wundschmerz zu beseitigen. 

Schliessend ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem 
Chef. Herrn Prof. Klaussner, für die liebenswürdige Ueber- 
lassung des Materials und das freundliche Interesse, welches er 
diesen Untersuchungen entgegen gebracht hat, meinen besten 
Dank auszusprechen. 


Bemerkungen zu Prof. Hofmeier’s Arbeit: „Zur 
Behandlung der Nachgeburtszeit“. 

Von Dr. S. M e y e r s o n in Treuehtlingen.. 

Der in No. 48 dieser Wochenschrift erschienene Artikel von 
Prof. H o f m e i e l* „Zur Behandlung der Nachgeburtszeit“, der 
weniger zur Erörterung einer wissenschaftlichen Streitfrage, son 
dern vielmehr als Directive für den praktische^ Arzt bestimmt 
ist dürfte durch seine autoritativen Ausführungen von bedenk¬ 
lichem forensischen Interesse sein und in weiten Kreisen der prak¬ 
tischen Aerzte Beunruhigung hervorrufen. 

Es ist gewiss sehr zweckmässig, dass Hof meier die Gren¬ 
zen der Indication zur Placentarlösung durch intrauterinen Ein¬ 
griff möglichst enge zieht, da in der Infectionsgefährlichkeits- 
scala der geburtshilflichen Operationen die manuelle Placentar¬ 
lösung die höchste Stelle einnimmt. Man wird damit einverstanden 
sein, wenn er auch bei Blutungen den Arzt nur dann ziir'so- 
f o r t i g e n operativen Entfernung der Nachgeburt für be¬ 
rechtigt hält, wenn die Blutung 1—l 1 /. Liter beträgt. 

Ist keine Blutung vorhanden, so hält Hofmeier den Arzt 
erst nach 3—4 Stunden post partum dazu berechtigt Diese 
Vorschrift ist in einer Klinik, in der ständig ein Assistent ist, 
sehr leicht zu befolgen; dem beschäftigten Arzte, der oft 2 Stunden, 
ja noch weiter zu eiher Entbindung über Land fahren muss, ist 
aber ein so langes Warten kaum zuznmuthen, und, da. Hof- 
meier selbst zugibt, dass dieser Zeitbestimmung eine gewisse 
Willkürlichkeit anhaftet, so dürfte das Einhalten der von Runfee 
und S p i e g e 1 b e r g angegebenen Wartezeit von 2 Stunden 
in derartigen Ausnahmefiillen genügen, um vor dem Vor¬ 
wurfe eines Kunstfehlers zu schützen. 

Wenn Hofmeier für eine Verpflichtung des Arztes 
zur Placentarlösung bei Fehlen von Blutungen keinen Zeitpunkt 
angibt, weil längeres Zuwarten bis zu 12 Stunden und darüber 
hinaus an sich die Verhältnisse nicht verschlechtere, so habe ich 
bei der Verteidigung des praktischen Arztes gegen die Möglich¬ 
keit. ihm ans dem § 222 des Strafgesetzbuches unberechtigt 'einen 
Strick zu drehen, keine Veranlassung. Bedenken zu üussern. 

Peinlich wird die Mehrzahl der Aerzte berührt sein .von 
H o f m e i e r’s Vorschriften über die Notwendigkeit der gründ¬ 
lichen inneren objectlven Desinfection der Kreissenden, deren 
Unterlassung er einen durch den § 222 des Strafgesetzbuches zu 
ahndenden Kunstfehler nennt. . . .. 

Die Notwendigkeit sorgfältigster Reinigung der äusserep 

Geschlechtsteile unter Anwendung desinflclrender Mittel _ von 

eigentlicher Desinfection kann man ja hier nicht sprechen, da 
Alkohol Waschungen und Heisswassorseifenbürstungen der Vulva 
der Schmerzen wegen undurchführbar sind — wird allgemein an¬ 
erkannt. 

Ganz anders steht es mit der Desinfection der Vagina. Die 
Bestrebungen nach innerer Desinfection stützen sich darauf,”dass 
bei bacteriölogisehen Untersuchungen des Scheidensecrets in *40 
bis 50 Proe. der Fälle pathogene Mikroorganismen gefunden 
•wurden: Cuiturversuehe und Injeetionen ergaben aber, dnss die¬ 
selben nicht im Zustande der Virulenz, dass sie durch das 
Scheidonsecret geschwächt waren. 

Hierbei ist zu bedenken, dass bei dem zu Unterrichtszwecken 
von Studenten vielfach mit nicht einwandsfreier sublectiver 
Antisepsis untersuchten klinischen Materiale eher pathogene 
Keime in der Vagina vorhanden sein dürften, als bei den Ge¬ 
bärenden der Privntpraxis. 

Bel geburtshilflichen Operationen wird flie Innere Desinfec¬ 
tion von einer grossen Zahl hervorragender Geburtshelfer unter- 

Qrigiraal fro-m 

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16. Januar 1900. MÜNCHENER M EDICINISCHE WOC HENSCH RIFT. 


lassen und ihre Morbiditätsstatistik ist sogar günstiger als die 
der Anderen 1 ). 

Was versteht übrigens Ho f m e i e r unter gründlicher Des- 
infection der VaginaV Er spricht sich darüber gar nicht aus, 
obwohl der Begriff nicht ohne Weiteres klar ist. 

Sind es gründliche desinücirende Abreibungen der Scheide, 
so sind solche, wenn man nicht eine Scheiudesinfection treiben 
will, wohl in einer Klinik, bei einem fast militärisch subordinirten 
Kranken material ausführbar; in der Privatpraxis aber würden 
sich die Patientinnen diese höchst schmerzhafte Procedur, deren 
Nützlichkeit übrigens von vielen Seiten geleugnet wird, nicht ge¬ 
fallen lassen. 

Oder sind es desinücirende ScheidenausspiiluugenV 

Mögen solche immerhin in der Mehrzahl der Fälle v o r der 
Geburt des Kindes als unschädlich zugestandeu werden, voraus¬ 
gesetzt, dass Spülwasser und Irrigator nebst Zubehör gekocht 
sind. Erfüllt der Arzt nicht gewissenhaft diese umständlichen 
Arbeiten, so kann die Ausspülung Gefahr bringen. Gefährlich 
werden kann sie auch durch Einschwemmen von Keimen aus der 
Vagina in den Uterus; gefährlich wird sie sein bei Placenta 
praevia centralis mit schon theilweiser Piacentarlösung und 
offenem Muttermunde durch die Möglichkeit einer acuten Lysol- 
etc. -Intoxication oder einer Luftembolie in die offenen mütter¬ 
lichen Placentarsinus. 

Doch H o f m e i e r’s Thema ist ja die Desiufection der 
Scheide nach der Geburt des Kindes. Hier hat doch schon in 
gewissem Maasse eine natürliche Reinigung der Scheide — von 
Desiufection kann man freilich nicht sprechen — stattgefundeu, 
nämlich eine mechanische Abreibung durch das austretende 
Kind und ausserdem eine Abspülung mit dem Fruchtwasser, wo¬ 
durch die Infectionsgefahr etwas verringert ist. Kanu nun eine 
2proc. Lysolausspülung nach der Kindsgeburt als eine unter 
keinen Umständen schädliche Maassregel bezeichnet werden, wie 
Hofmeier sagt? Durchaus nicht. 

Nachgeburtsoperationen werden meist wegen Blutungen aus¬ 
geführt; es ist also meist ein Theil der Placenta schon gelöst, 
und die entsprechenden mütterlichen placeutaren Uterinsinus 
stehen offen, da sich der U terus in der Regel nicht fest coutrahirt, 
so lange die Placenta in ihm ist. Es kann somit, besonders wenn 
starke Blutungen stattgefunden haben, und dadurch der schon 
sonst geringe Blutdruck in den Venen negativ geworden ist, so 
dass eine venöse Saugwirkung statttindet, leicht zu einer acuten 
Desinfteiensintoxication und vor Allem zu einer Luftembolie 
kommen. 

Mag auch sorgfältigst Irrigatorschlauch und -ansatz luftfrei 
gemacht sein, das Eindringen des Wassers in die Vagina bringt 
die dort und besonders die im schlaffen Uterus vorhandene Luft 
vorübergehend unter höheren Druck, und das kann zur Luft¬ 
embolie, d. h. zu sofortigem Tode führen. 

Ebenso gefährlich, vielleicht noch mehr, sind Ausspülungen, 
besonders gründlich desinücirende, nach der Entfernung der Nach¬ 
geburt, auch hier kann sehr leicht acute Intoxication oder Luft¬ 
embolie, abgesehen von Keimverschleppung, eintreten. 

Ich Habe früher stets, wie ich es auf der Universität gelernt 
hatte, vor und nach der Entbindung, Anfangs desinücirende, 
später aseptische Ausspülungen gemacht, bis ich trotz Beobach¬ 
tung aller Cautelen und niedrigem Stande des Irrigators 2 mal 
acut den Tod unmittelbar auf die Ausspülung nach der Entbin 
düng eintreten sah, das erste Mal bei einer 1 proc. Lysol- 
ausspiilung, das zweite Mal bei Ausspülung mit gekochtem 
Wasser, in beiden Fällen offenbar durch Luftembolie. Seitdem 
mache ich keine Ausspülungen mehr nach der Geburt des Kindes, 
auch nicht vor Nachgeburtsoperationeu, deren ich in den letzten 
2 Jahren 5 gemacht habe, die gänzlich fieberfrei blieben. 

Die subjective Desinfection mache ich selbstverständlich in 
peinlichster Weise: 10 minutenlange Heisswasserseifenbürstungen 
mit gekochter Bürste und oft wiederholtem Wasserwechsel, dann 
Alkohol-, Sublimat- und zuletzt Lysolbürstungen, ein Verfahren, 
das der Bequemlichkeit des Arztes mehr zumuthet, als die ob- 
jective Desinfection der Kreissenden. 

Sollten die angeführten Unglücksfälle als ganz ungewöhn¬ 
liches Pech bezeichnet werden, so bemerke ich, dass mir Collegen 
ähnliche Erfahrungen mitgetheilt haben, auch dürften die obigen 
Ausführungen ergeben, dass die Möglichkeit eines solchen Un¬ 
glücks bei Spülungen nach der Kindsgeburt stets vorhanden, der 
Eintritt desselben im einzelnen Falle weder voraussehbar, noch 
ganz sicher abwendbar ist. 

Ne noceas ist und war stets dar erste Princip des Arztes. 
Erkennt man das an, so darf man nicht mit dem Finger auf den 
§ 222 des Strafgesetzbuches weisend den Arzt zu einer Maass¬ 
regel zwingen wollen, über deren Nützlichkeit noch sub judice 
lis est, und deren mögliche Schädlichkeit schon mancher Arzt 
schaudernd erfahren hat. 


*) Unterdessen erschien in der vorigen Nummer der Münch, 
med. Wöchenschr. die sehr exacte Experimentalstatistik der Leip¬ 
ziger Klinik, auf Grund deren K r o e n i g Ausspülungen Intra 
partum für „mindestens unnöthig“ erklärt 

Digitized by Gouole 


Zur Arbeit: „Der Werth des Harnnährbodens für die 
Typhusdiagnose 11 von Dr. Ernst Unger und Dr. Ernst 
Portner, Volontärärzten. 

Von Dr. Piorkowski. 

Die in No. öl dieser Wöchenschr. erschienene Arbeit der oben 
genannten Herren, die im Grossen und Ganzen eine dankeuswerthe 
Bestätigung meiner Angaben über den Werth meiner Methode 
bildet, kommt zu folgenden Resultaten: 

1. Fehlen gefaserte Golouien in mehreren Aussaaten, so liegt 
kein Typhus vor. 

2. Zahlreiche langgefaserte Colonien sind für Typhus be¬ 
weisend. 

3. Kürzer gefaserte Colonien sprechen im Verein mit klini¬ 
schen Zeichen für Typhus, sind aber ohne sie nicht zu verwertheu. 
►Sicherheit bringt erst die weitere bacterioiogiselie Prüfung. 

Die betreuenden Befunde stimmen jedoch nicht in allen 
Punkten mit den von mir angegebenen überein und scheint mir 
die Ursache hiefür darin zu liegen, dass die betreffenden Herren 
sich nicht in ganz exacler Weise an die von mir gegebenen Vor¬ 
schriften gehalten haben, wie sie dieselben auch in der betreffen¬ 
den Arbeit nicht richtig wiedergebeu. 

Im Interesse der ssaehe selbst erscheint es mir desshalb ge¬ 
boten, auf diese Punkte hinzuweiseu. 

Zunächst (das sei nebenbei erwähnt) habe ich nirgends davon 
gesprochen, dass der Harn im Brutschrank alkalisch ge¬ 
macht werden soll, ich habe nur gesagt ‘), dass normaler Harn 
einige Tage bei Zimmertemperatur stehen soll, bis er eine leicht 
alkalische Reaction angenommen hat. 

Der nun folgende Passus, der in der gegebenen Fassung 
leicht, die Deutung zulässt, als wäre er die Fortsetzung meiner An¬ 
gaben, gibt die Auffassung der 1 teilen Autoren wieder. Ich habe 
ferner -) darauf hingewiesen, dass eine künstlich herbei¬ 
geführte Alkalesceuz nicht zu empfehlen ist, weil hierbei 
der Typus der Ausfaseruug nicht so charakteristisch 
ist. 

Diesem Umstande darf wohl auch zugeschriebeu werden, 
dass in 9 Typhusfülleu erst bei wiederholter Aussaat die ersten 
Colonien sichtbar wurden, während mir bei einem Material von 
einigen 40 Fällen eine sterile Aussaat niemals vorgekom¬ 
men ist, aber auch die Typhuscolonien stets bei der ersten Im¬ 
pfung au ft raten. 

Ferner bemerken die Herreh Verfasser obiger Arbeit, dass 
nach meiner Ansicht „alle mit Ausläufern versehene Colonien, 
auch die kürzer gefaserten, dem Tjphusbaelllus augehören, Coli- 
colonien dagegen stets in kreisrunder Gestalt auftreten“. 

Nun habe ich allerdings in meiner ersten vorläufigen 
Mi 11 h e ! 1 u n g ') gesagt, dass die Colonien des Bact. coli coinmuu. 
sich rund, gelblich, feinkörnig und seliarfrandig präsentiren. Die 
Verfasser weisen in ihrer Veröffentlichung aber nicht nur auf 
meine Ausführungen in der Berl. klin. Wöchenschr., sondern auch 
auf die Sitzungsberichte des Vereins für innere Mediciu vom 
30. X. 1809 hiu. Sie müssen also wissen, dass ich dort gesagt 
habe: „Die Ausfaserungeu der Typhusbaeterien siud deutlich zu 
differenziren von anderem Ausstülpungen, die mehr höcker¬ 
artig siud und es höchstens bis zu kleinen Stacheln bringen, die 
mitunter den Colibacterien eigen sind.“ 

Zum Schlüsse möchte ich noch darauf hlnweisen, dass die 
von den Herren Verfassern bestätigten Angaben W i 11 i c h’s 
betr. Abstiche in Harngelatine von Coli und Typhus, die Bestäti¬ 
gung meiner Angaben siud, wie ja auch Herr Witt ich augibt. 
ich freue mich umsomehr dieser Bestätigung seitens der Herren, 
als laut Discussion im Verein für innere Medicin-Berlin *) zu jener 
Zeit seitens eines der Herren die diesbezüglichen Resultate W i t - 
t i c h’s nicht übereinstimmend gefunden worden sind, übrigens 
der Harunährboden für die Frühdiagnose sehr werthvoll gehalten 
wurde, während heute nach der Ansicht desselben Autoren von 
einer solchen im Allgemeinen nicht gesprochen werden kann?! 

Ich darf hoffen, dass, wenn die Herren gemäss der von mir 
angegebenen Methode mit den von mir präcisirten Cautelen ar¬ 
beiten w erden, sie zu noch günstigeren Resultaten gelangen 
werden. 


Hundert Jahre Heilkunde.*) 

Von Dr. med. Richard Landau in Nürnberg. 

M. H.! Der diesjährige Neujahrstag bedeutet zugleich zweier 
Jahrhunderte Scheidepunkt. Ein Jahrhundert ist zu Ende ge¬ 
gangen, das in seinem Schoosse gewaltige politische Ereignisse 
getragen hat, das mit seinen wissenschaftlichen, seinen künst¬ 
lerischen, seinen technischen Errungenschaften der Welt ein 
neues Antlitz gegeben hat. Die gewaltigen Wogen, welche es 
mit elementarer Gew r alt durchfluthet habeu, Hessen unsere schöne 
Wissenschaft — ,,der Wissenschaften edelste, well ihr Object, 
der Mensch, der Schöpfung Krone ist“ (Roderich a Castro) — 
Hessen die Heilkunde wahrlich nicht unberührt Wenn officiell 
angeordnet wurde, im öffentUchen Leben des scheidenden neun- 


9 Vereinsbeilage No. 44 der Deutsch, med. Wöchenschr. 1899. 
a ) eod. loc. 

3 ) Berl. klin. Wöchenschr. No. 7, 13. Februar 1899. 

4 ) Vereinsbeilage No. 44 der Deutsch, med. Wöchenschr. 1899. 
*) Vortrag, gehalten im Aerztlichen Verein zu Nürnberg am 

4. Januar 1900. 

6 * 

Ongiral frer 

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88 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


zehnten Jahrhunderts zu gedenken, so treibt uns der Zug dos 
Herzens, im engen Kreise gleichgesinnter Facligenossen auf das¬ 
selbe im Hinblick auf die Heilkunde zurüekzuschauen. 

M. 11.! Es wäre vermessen, im Kähmen eines kurzen Vor¬ 
trages hundert Jahre Heilkunde, wie die letztvertiossenen, als 
ein geschlossenes Ganze festlialten zu wollen, Ihnen darin eine 
Geschichte der Medicin des XIX. Jahrhunderts liefern zu wollen. 
Lias liegt mir ferne — nur kurze Züge des gewaltigen, ja über¬ 
wältigenden Hildes will ich Ihnen vor Augen führen, welche Sie 
die Bedeutung des Gesammtbildes ahnen lassen mag und Sie an¬ 
regen mag, in seine Einzelheiten sich selbst zu versenken. 

AA'enn wir ganz im Allgemeinen den Beginn des XIX. Jahr¬ 
hunderts kennzeichnen wollen, können wir es nicht, besser als 
mit der auch von Vircho w gewählten Benennung als philo¬ 
sophisches Zeitalter. Die Philosophie, welche seit den Zeiten der 
Reformation die Vorherrschaft im wissenschaftlichen Leben be- 
sass und alle Zweige desselben aus ihren Wurzeln ernähren wollte, 
hatte gerade zu Ende des XV11L. Jahrhunderts und zu Beginn 
des XIX. Jahrhunderts auch der Heilkunde ihr gedankenreiches, 
methodisch zurechtgeschnittenes Gewand umgehängt. Wie das 
System in der l'hilosophie herrschte, so in der Medicin; dorten 
löste deu Kritieismus K a u t’s 11 e g e l’s System ab, und S c li e 1 - 
ling schuf sich eine neue Seele; hier folgten das B r o w n’sehe 
System, in Deutschland wesentlich durch Markus in Bamberg 
gestützt, der Vitalismus mit seiner Spaltung in die französische 
Richtung von Bordell und die deutsche von Reil, die in 
11 u f e 1 a n d einen mächtigen Fürsprecher fand, M e s m e r’s 
tliierischer Magnetismus , 11 a h n e m a n n ’ s liomoeopathische 

Lehre und R a d e m a c h e r's Erfahrungshelllehre. Was gilt uns 
Aerzten heute das SystemV! — vor hundert Jahren galt es alles! 
Besonders Schöllings Naturphilosophie, die Lehre von der 
Identität der Natur und des Geistes, fand unter den Aerzten und 
Naturforschern zahlreiche begeisterte Anhänger. Die Einen be¬ 
mühten sich auf empirischem Wege „die Gesetze der Welt aus 
denen des menschlichen Denkens zu entwickeln" (Kiel m e y e r, 
Oken) — die Anderen auf dem Boden phantastischer Speculation 
(W aguer - Würzburg. Hendrik Steffens). Diesen Ein- 
iluss S c h e 11 i n g’s schildert A. G. Siegmund in einem Rück¬ 
blick mit folgenden Worten; „Die oberste Staatsbehörde selbst 
räumte der Philosophie das Recht ein, für alle Zweige der AA r issen- 
schaft die leitenden Grundsätze festzustellen, und, als es König 
Friedrich Wilhelm IV. gelang, Herrn v. Sc hell in g zur Ueber- 
siedlung nach Berlin zu bewegen, da pries man diesen Erfolg als 
ein Ergelmiss von hoher Bedeutung. Man erwartete von dem neu 
gewonnenen Lehrer die wunderbarsten Aufschlüsse über das 
Wesen der Natur. Die ersten Männer der Wissenschaft, unter 
ihnen Alexander v. H nmboldt, mischten sich im Hörsaal unter 
die eigentlichen Schüler.“ 

Doch schon während dieser Epoche vielfacher geistiger Ver¬ 
irrungen erwachte das Interesse an den exacten Naturwissen¬ 
schaften, au Physik und Chemie, und selbst der preussische Kron¬ 
prinz »der nachmalige König Friedrich Wilhelm 111.) hatte 
bereits zu Ende des XV111. Jahrhunderts deu privaten Vorlesungen 
des Arztes Markus Hirsch über die Experimentalphysik bei- 
zuwohuen Interesse genug gehabt. Der Werth exacter Forsch¬ 
ung statt philosophischer Speculation musste um so mehr in die 
Augen springen, als sie in der Physik sowohl, als in der Chemie, 
grundlegende Erfolge zeitigte, die Entdeckung von der Constanz 
der Kraft, die ldentiliciruug von Magnetismus und Elektricität, 
die Atomenlehre u. a. m. L ud auf dem engeren Gebiete der Me¬ 
dicin liesseu die schönen Ergebnisse experimenteller Forschung 
von Purkinje, welcher 181b zuerst wieder den subjeetiven 
Versuch in der Physiologie auf nahm, den Werth solcher Methoden 
ahnen. 

So konnte sich allmählich aus der dualistischen Lehre von 
der Lebenskraft, jenem unbestimmten Etwas, das, im Organismus 
nach einem Plane wirksam, nicht nur fähig war, deu Körper auf¬ 
zubauen, sondern sogar ihn zu verbessern als eine Vis medicatrix 
naturae — das, ohne an ein bestimmtes Substrat gebunden zu 
sein, während des Lebens den anorganischen Kräften im Körper 
das Gleichgewicht halten sollte, bei der Zeugung sich in’s Unend¬ 
liche vermehren, mit dem Tode spurlos verschwinden sollte, der 
Monismus entwickeln und sich Geltung erringen, nach dem in 
organischen und anorganischen Individuen die gleichen Kräfte 
wirksam sind. Noch das universelle Genie Johannes M ü 11 e r’s 
lag in den Fesseln dieser mystischen Lebenskraft; seine Schüler 
entsagten dem A'italismus und verhalten dem Monismus zum 
Siege. Doch gerade Johannes Müll e r und seine Schüler stützten 
sich auf »las Experiment und auf nüchterne, exacte Beobachtung 
und schufen dadurch deu Boden für unsere moderne Medicin. So 
hat Müller selbst, um eines zu erwähnen, die fast vergessene 
Entdeckung von Charles B e 1 1. dass die Sensibilität der Rücken¬ 
marksnerven den hinteren Wurzeln entspringt, durch das Experi¬ 
ment am Frosche neu erhärtet und als grundlegendes Axiom der 
ärztlichen Wissenschaft fest längefügt. In seinem Laboratorium 
„ist die Thierzellenlehre geboren (1839). von hier aus machte ihr 
Autor Theodor Schwann seine Studien über die Gährung, die 
Basis der heutigen Bacteriologie, bekannt; von hier aus nahm der 
Prosector und Privatdocent Pr. Heule mit seinen berühmten 
„pathologischen rntersuclnmgen“. in denen zum ersten Male die 
theoretischen Beweise für das Contagium animatum geliefert 
wurden, ferner die Holm hol tz. Du B o i s - R e y m o n d. 
Brücke, die A'orkiimpfer der physikalisch-chemischen Richtung 
der Physiologie, ihren Weg: hier machten R e i c h e r t und R e m a k 
ihre ent wicklungsgeschichtlichen Studien; hier erhielten Rein¬ 
hardt, Vircho w, Meckel, T raube, die Begründer der 

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experimentellen Pathologie in Deutschland, die erste Anregung zu 
wissenschaftlichen Arbeiten.“ l ) 

Dankbar ist in der Reihe dieser Pfadfinder modernen medi- 
cinischen Forschens und Denkens des so früh verstorbenen 
B i c h a t (1771—1802) zu gedenken, der in einem einzigen Winter 
000 Leichenöffnungen vomahm, und durch seine wesentlich in den 
Jahren 1800 und 1801 veröffentlichten Ergebnisse der Begründer 
der Gewebelehre geworden ist. A r on ihm rührt die Erkenntniss 
her, dass jedes Gewebe für sich allein erkranken kann, und dass 
die Veränderungen, welche die Gewebe erleiden, in allen dieselben 
enthaltenden Organen die gleichen sind. H a e s e r bezeichnet ihn 
in geschichtlichem Sinne als unmittelbaren Nachfolger Albrechts 
v. Halle r, der mit seiner Entdeckung von der Irritabilität des 
Muskels den ersten Schritt auf dem Gebiete der experimentellen 
Erforschung der fundamentalen Vorgänge des thierischen Lebens 
gethan hatte. 

Ein entschiedener und begeisterter Anhänger der experi¬ 
mentellen Methode und bereits ein Vorkämpfer gegen den Altalis- 
mus ist der Landsmann B i c h a t’s, Francois M a g e n d i e 
(1783-1855). „Für ihn“, sagt Pagel : ), „gab es nur e 1 ne Quelle 
der Erkenntniss, das Experiment.“ „Speeiell um die Physiologie 
sind seine Verdienste immens; in derselben hat er fast jedes 
Capitel, besonders die über Absorption, Herz, thierische Wärme, 
A T erdauuug, Nervenpliysiologie etc. durch seine bahnbrechenden 
Experimente an lebenden Thieren erheblich bereichert und um- 
gestaltet." J ) Erbe seines Amtes und Erbe seines Ruhmes ward der 
noch in die Neuzeit hineinragende Claude Bernard, der die 
Bedeutung des Pankreas für die Fettverdauung, die zuckerbilden- 
deu Eigenschaften der Leber, die vasomotorischen Functionen des 
Sympathicus u. v. a. zuerst erkannt und erwiesen hat. 

Unter den deutschen Schöpfern und Förderern der experi¬ 
mentellen Methode haben wir Purkinje, den Entdecker des 
Keimbläschens im Ei höherer Thiere, schon genannt; zu ihm ge¬ 
sellt sich sein Mitarbeiter Gabriel Gustav Valentin, mit dem 
er seine „Beobachtungen über Flimmerbewegung“ 1835 gemein¬ 
schaftlich veröffentlichte. Dazu kommen die drei Brüder 
AA 7 e b e r, von denen die beiden jüngeren, Wilhelm und Eduard, 
uns die „Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge“ lehrten 
(1830). Nicht zu vergessen ist der Einfluss Justus v. Liebig’s 
auf unsere Kenntniss von den A 7 erdauungsvorgängen durch seine 
Untersuchungen über die Bedeutung der Eiweissstoffe und der 
Kohlehydrate. 

Die exacte Methode der Forschung musste naturgemäss auch 
neues Licht in die Entwicklungsgeschichte des Menschen, welche 
in der zweiten Hälfte des vorangegangenen Jahrhunderts durch 
Caspar Friedrich AV o 1 f f begründet worden war, werfen. Hein¬ 
rich Christian v. P a n d e r vertiefte sicli zu Würzburg in die 
denkwürdigen „Untersuchungen über die Entwicklung des Hühn¬ 
chens im Ei“, welche die Bahn für eine lange Reihe späterer Unter¬ 
suchungen bildeten und allgemeine Theilnahme erregten (1817) *). 

Der geniale Karl Emst v. B ä r gab wenig später die Resul¬ 
tate seiner embryologischen Studien bekannt, die in der Ent¬ 
deckung des Säugethier-Eies (1827) gipfelten. Beide waren Schüler 
von Ignaz I) ö 11 i n g e r , der selbst zu den tüchtigsten und eif¬ 
rigsten Verfechtern der naturwissenschaftlichen Richtung in der 
Heilkunde zu zählen ist und selbst zahlreiche anatomische, physio¬ 
logische und embryologische Thatsachen aufgefunden hat In 
dieser Schule entstand die Lehre von den Keimblättern. B ä r’s 
„Entwicklungsgeschichte der Thiere“ darf nach dem vollwichtigen 
Urtheil K ö 111 k e r’s „sowohl wegen des Reichthums und der 
A r ortreff 1 ichkeit der Thatsachen als auch der Gediegenheit und 
Grösse der allgemeinen Beobachtungen halber unbedingt als das 
Beste bezeichnet werden, was die embryologische Literatur aller 
Völker und Zeiten aufzuweisen hat“ 4 ). Ausser dem wahren 
Ovulum der Säugethiere entdeckte Bär die Chorda dorsalis und 
die Entwicklung des Amnion. Diese grundlegenden Unter¬ 
suchungen wurden dann gefördert und ausgebaut von Rudolf 
Wagner, Remak, Reichert, His, Waldeyer, 
K ö 11 i k e r u. A. m. 

Der praktischen Medicin nähern wir uns jetzt auf dem Wege 
der pathologischen Anatomie, welche vorzüglich durch B i c h a t’s 
Untersuchungen eine exacte Grundlage gewann. Von einem Zeit¬ 
genossen des Franzosen, dem Oesterreicher Alois Rudolf Vetter, 
der seit 17117 die Prosectur des AViener allgemeinen Krankenhauses 
verwaltete und später eine Professur ln Krakau bekleidete, 
stammt die erste deutsche Schrift über diesen Gegenstand, d. s. 
die 1803 erschienenen „Aphorismen aus der pathologischen Ana¬ 
tomie“; er gab zuerst eine allgemeine systematische Eintheilung 
aller pathologischen Veränderungen und Neubildungen. Seine 
Arbeiten gründen sich auf eigene Untersuchungen; er rühmte sich 
bereits im 30. Lebensjahre mehrere tausend Sectionen gemacht zu 
haben. Besonders auf dem Gebiete der Teratologie erwarb sich 
Johann Friedrich Meckel, der berühmteste dieser Arztfamilie, 
welcher im ersten A T iertel des 19. Jahrhunderts der Universität 
Halle weithin strahlenden Glanz verlieh, unsterbliche Verdienste; 
sein AVissen umfasste gleichzeitig die normale, die pathologische 
und vor Allem auch die vergleichende Anatomie, und sein Denken 
ist schon so durchaus modern naturwissenschaftlich gewesen, 
dass sich in seinen Lehrsätzen Anklänge an die Descendenztheorie 
vorfinden. In Strassburg gründete etwa zu gleicher Zeit Lob- 


‘) P a g e 1 : Die Entwicklung der Medicin in Berlin, Wies¬ 
baden 1897, p. 60. 

-) Biograph. Lexikon der hervorragenden Aerzte, Band IV, 
p. 93, AV’ien und Leipzig 1886. 

*) K ö 11 i k e r : Grundriss der Entwicklungsgeschichte des 
Menschen. Leipzig 1884, p. 8. 

Original fram 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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stein ein pathologisch-anatomisches Museum, und wenig später 
begann A1 b e r s einen ersten deutschen Atlas der pathologischen 
Anatomie zu Bonn herauszugeben, während 2 Jahre vor ihm in 
Frankreich ein ähnliches Werk von Cruveilhier zu er 
scheinen begonnen hatte. Im Vaterlande Bichat’s war nämlich 
besonders durch die Lehrtliätigkeit und die Forscherarbeit des 
hervorragenden Corvisart die pathologische Anatomie zu 
hoher Blütho gelangt. Dafür zeugen die Arbeiten Corvisar t’s 
selbst über die Herzkrankheiten, die Bayl e’s über die Phthisis. 
die Bretonuea u’s über die Diphtherie, die Bostan’s über 
Gehirnerweichung, die Gabriel And r al s über Nerven- und Ge 
hirnkrankheiten u. A. m. 

Johann Friedrich Meckel, Lobstein und Andral 
ijaben Karl v. Rokitansky nach seinem eigenen Zeugniss 
die ersten Anregungen zu seinen pathologisch-anatomischen 
Studien, die ihren höchsten Glanz in seinem „Handbuch der 
pathologischen Anatomie“ entfalteten. Die Krasenlehre dieses 
Forschers, seine Hypothesen vom erkrankten Eiweiss und Faser¬ 
stoff, erlagen der vernichtenden Kritik Rudolf V i r e h o w’s, und 
auf dessen Cellularpathologie, welche die Krankheit einfach ais 
Leben unter veränderten Bedingungen bezeichnet und deren Ort 
in die Zelle verlegt, hat sich die heutige pathol. Anatomie aufgebaut. 
Die grundlegenden Entdeckungen Virchow’s und seiner 
Schüler zusammenstellen zu wollen, ldesse eine Geschichte der 
modernen pathologischen Anatomie schreiben und würde den mir 
bemessenen Kaum weit überschreiten. 

Die Einführung der pathologischen Grundlage in die Klinik, 
die Uebertragung der an der Leiche gesammelten Erfahrungen 
auf das Leben, den Vergleich der Symptome in vivo und in 
mortuo, also kurz die klinische Medicin, ist wohl wesentlich auf 
den schon genannten Gabriel Andral zurückzuleiten und auf 
seine Clinique mödicale, ein fünfbändiges Werk, das zuerst 1S23 
bis 1827 erschien; er betonte die Vergleichung der pathologisch¬ 
anatomischen Befunde mit den Krankheitserscheimmgen der 
Lebenden als wichtigste Aufgabe der Klinik, und er verlangte 
die Analyse jedes Krankheitsfalles und aus den gewonnenen ana¬ 
lytischen Elementen eine Gruppirung in methodischer Weise, um 
so zu wohlumgrenzten Krankheitsgruppen zu gelangen. „Der 
Gang seiner Darstellung ist im Allgemeinen der, dass die ab¬ 
zuhandelnde Kranklieitsspecies zuerst an einer Reihe von klini¬ 
schen Einzelfällen exemplificirt wird, die in knappen und kurzen 
Zügen das Bild des Krankheitsverlaufes, sowie eventuell den 
Sectionsbefund nebst kurzem, epikritischem Commentar des 
letzteren vorführen. Daran schliesst sich alsdann erst die ein¬ 
gehende und ausführliche Gesammtbetrachtung der Krankheit 6 ).“ 

In Deutschland verdanken wir die Durchführung dieser 
exacten Methode vor Allem Nasse, Krukenberg und 
Schönlein. Nass e’s Thätigkeit fällt haupsächlich nach 
Gönn, die Krukenberg’s nach Halle, wo er N a s s e’s Nach¬ 
folger ward und als einer der beliebtesten Lehrer zahlreiche 
Schüler um sich versammelte. Johann Lukas S c h ö n 1 e i n end¬ 
lich, ein Bamberger, Anfangs in Wtirzburg und in Zürich thätig, 
seit 1840 in Berlin: „der für die Klinik etwa eine ähnliche Re¬ 
formation anbahnen sollte, wie sie durch Joh. Müller für die 
Biologie erfolgt war*)“, ist, obgleich er anfänglich von Schel- 
ling’s Lehre beeinflusst ward, so recht ein Vertreter der exacten 
klinischen Methode, einer von Denen, die die Heilkunde zu einer 
Naturwissenschaft umgewandelt haben. „Ausgerüstet mit 
genialer Begabung, glänzendem Lehrtalent, gediegener natur¬ 
wissenschaftlicher Bildung, gründlicher Kenntnis« der Literatur 
und Geschichte der Medicin und einem seltenen Umfange von 
praktischer Erfahrung, gründete er die klinische Unterweisung 
auf die umfassendste physikalische, mikroskopische, chemische 
und pathologisch-anatomische Untersuchung des kranken Zu¬ 
standes“ (H a e s e r). S c h ö n 1 e i n ist als Entdecker des Favus¬ 
pilzes der Begründer der Lehre von den Dermatomykosen. Seine 
klinischen Vorträge hielt er im Gegensatz zu seinen Vorgängern 
nicht mehr in lateinischer, sondern in deutscher Sprache. 

Hervorragende Begabung bekundete Schönlein auch in 
der Wahl seiner Schüler und Assistenten; deren Bedeutendster 
darf Ludwig Traube genannt werden, der noch unter Pur¬ 
kinje studirt und sich an den Werken der grossen französischen 
Kliniker fortgebildet hatte. Er zählt in der deutschen Heilkunde 
zu den Ersten, die experimentellpathologische Forschungen unter¬ 
nahmen; unter ihnen sind die Versuche über Vagusdurchschnei¬ 
dung wohl die bekanntesten; von hervorragender Bedeutung sind 
auch seine Untersuchungen über das Verhältnis zwischen den 
Erkrankungen der Nieren und des Herzens. Sowohl S c h ö n 1 e i n 
als der Pariser Schule verdankte seine Ausbildung Hermann 
Lebert, welcher mit zuerst die Wichtigkeit des Mikroskops 
für die pathologische Anatomie erkannte und zahlreiche patho¬ 
logisch-anatomische, biologische und klinische Arbeiten veröffent¬ 
lichte. 

Als Schüler Krukenberg’s erwähne ich noch den durch 
sein weit verbreitet gewesenes „Handbuch der specielleu Patho¬ 
logie und Therapie“ bestbekannten Felix v. Niemeyer, der 
in Magdeburg, Greifswald und Tübingen gewirkt hat. 

S c h ö n 1 e i n’s Lehren stellte sich theilweise entschieden 
entgegen Karl Reinhold August Wunderlich, ein Württem- 
berger, der Anfangs in Tübingen und Stuttgart, dann in Leipzig 
eine segensreiche Wirksamkeit entfaltete; er bekämpfte vorzüg¬ 
lich die Ueberschätzung der medicinischen Hilfswissenschaften 
nnd stellte die exacte physiologische Forschung an die Spitze. 

*) A. Eulenburg im „Biogr. Lex. d. hervorrag. Aerzte“, 
Bd. I, p. 137. 

*) Pagel: Die Entwicklung der Medicin in Berlin. Wies¬ 
baden 1897, p. 70. 

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Sein mit seinem Freunde Griesinger seit 18*2 heraus¬ 
gegebenes Archiv für physiologische Heilkunde wurde sehr rasch 
der Sammelpunkt für die Arbeiten der Anhänger exaeter medi- 
cinisclier Forschung. „Er war ein feinsinniger Beobachter, ein 
scharfer Dialektiker und besass eine seltene oratorische Be¬ 
gabung, die ihm beim klinischen Unterricht gestattete, das Bild 
der Krankheit klar und bündig darzustelleu“ (Thiers c h). Zu 
seinen Schülern gehört der verstorbene Ernst Leberecht Wagner 
und der lebende Otto 11 e u b n e r. 

Alle diese erfolgreichen Vertreter der klinischen Medicin 
durften sich auf die grossnrtigen Bereicherungen der medicinischen 
Diagnostik stützen, auf Auscultation, Percussion, 
e x a c t e T li e r m o m et r i e. 

Die Percussion war bekanntlich 1754 von A uenbrugger, 
Arzt am spanischen Hospital zu Wien, zuerst geübt worden; die 
Ergebnisse seiner 7 jährigen Untersuchungen gab er 1761 bekannt, 
ohne damit eine grössere Beachtung zu tiiideu. Erst Cor¬ 
visart, der nach 20 jähriger Prüfung dieser Untersuchungs¬ 
methode am Krankenbett Aueubruggo r’s Buch in französi¬ 
scher Sprache 3808 neu herausgab, verschaffte ihr die verdiente 
Würdigung. Pier ry erfand wenig später das Plessimeter und 
veröffentlichte 1828 seine Abhandlung über Percussion, die preis¬ 
gekrönt ward und auch in deutscher Sprache erschien. 

Ergänzt wurde die Percussion durch die Auscultation, mit 
der uns Laennec beschenkte; er demonstrirte seine Methode 
bereits 1815 der Akademie und beschrieb sie 1819 in seiner Ab 
handlung: De l’auseultation mödiate. ln ihrem Wert he wurde 
diese Neuerung in der Diagnostik zuerst besonders von englischen 
Klinikern, von F o r b e s in London und von W. Stokes in 
Dublin, erkannt; namentlich der Letztere bevorzugte die physi¬ 
kalische Untersuchung in der Klinik und verfasste hochbedeut¬ 
same Werke über die Erkrankungen der Brustorgane (1837 und 
1854). 

Den vollsten Glanz verliehen die neuen physikalischen Unter¬ 
suchungsmethoden der Wiener klinischen Schule, wo ein Joseph 
Skoda denselben rationelle Grundlagen und methodischen Aus¬ 
bau verlieh, wo Johann Oppolzer 21 Jahre lang, von einem 
dichten Kreis wissensdurstiger und lernbegieriger Schüler um 
drängt, sie übte und lehrte. Von Skoda rühren die Unter 
Scheidungen in vollen und leeren, hellen und dumpfen und in 
tympanitischeu Percussionston, in vesiculäres, bronchiales und 
unbestimmtes Athmen her, und von ihm geht der Grundsatz aus 
dass der Arzt nur durch Verbindung von pathologisch-anatomi¬ 
schem Wissen mit Verwerthung der durch die physikalische 
Untersuchung gewonnenen Ergebnisse eine Krankheit richtig 
erkennen könne. 

Von Laennec und von Skoda unterrichtet, kam Ludwig 
Traube nach Berlin und ertheilte dort seit 1843 seine weit be¬ 
rühmten Percussions- uud Auscultatiouscurse, die er, als er 1849 
der erste Civilassistent von S c h ö n 1 e i u geworden war, in dessen 
Klinik verlegte. Traube zählte auch zu den Ersten, die die hob.* 
Bedeutung der Tliermometrie im vollen Umfange erkannten. 
Dieser Zweig der modernen Krankenuntersuchung wurde beson¬ 
ders an der Hallenser Klinik Krukenberg’s gepflegt; die von 
hier ausgegangenen „Untersuchungen über die Temperaturver¬ 
hältnisse des Foetus und des erwachsenen Menschen im gesunden 
und im kranken Zustande“, welche Felix v. Biirens p r u n g 
1851 und 1852 erscheinen Hess, bilden einen Markstein in der Ge¬ 
schichte der Medicin. In spätere Zeit (1868) fällt das Erscheinen 
des Wunderlic h’scheu Buches über „das Verhalten der Eigen¬ 
wärme in Krankheiten“, das, in mehrere fremde Sprachen über¬ 
setzt, der regelmässigen Temperaturmessung am Krankenbett 
wesentlich mit ein dauerndes Bürgerrecht in der Heilkunde ver¬ 
schaffte. 

Vervollständigt wurden diese ungeheueren Fortschritte in der 
Krankenuntersuchung durch die Erfindung des Augenspiegels 
durch H e 1 m h o 11 z und seine methodische Anwendung von 
Albreeht v. Gräfe und durch die Erfindung des Kehlkopfspiegels. 
Die Entdeckung des Augenspiegels fällt in das Jahr 1851. der 
geniale Entdecker Hess in den Jahren 1856—1866 sein Handbuch 
der physiologischen Optik folgen, in dem die wesentliche Grund 
läge für unsere heutige Kenntnis« vom Sehen und von den Licht¬ 
phänomenen enthalten ist. G r ä f e’s hervorragendste That, die 
er mit dem Augenspiegel gewann, ist neben der Lehre von der 
Amblyopie wohl die Aufklärung über die Beziehungen des Augen 
hintergrundes zu somatischen Erkrankungen. Den Kehlkopf¬ 
spiegel erfand ursprünglich ein Laie, der Gesanglehrer Manuel 
Garcia in London, .1854, ohne freilich seinen Werth für die 
Heilkunde zu ermessen; Ludwig Türck in Wien erfand den 
Spiegel von Neuem, und Johann Nepomuk Czermak begründet.' 
mittels dieses Instrumentes die moderne Laryngoskopie. 

M. H.! Der Satz qul bene diagnoscit, bene medebitur, musste 
bei dieser Bereicherung unserer diagnostischen Kenntnisse zur 
Wahrheit werden. Das neunzehnte Jahrhundert hat uns die 
rechten Waffen in die Hand gegeben zum Kampfe gegen unseren 
Feind, gegen die Krankheit, und hat damit die Heilkunde ihrem 
letzten Ziele, das, um mit Oppolzer zu reden, das Heilen 
ist, ein gutes Stück näher gebracht. Weit voran auf diesem 
Wege ist vor Allem im abgelaufenen Jahrhundert die Chirurgie 
geschritten. Sie, einst missachtet und lange Zeit als Handwerk 
der Heilkunst schroff entgegengesetzt, hat sich zu einer stolzen 
Höhe emporgesehwungen und ward aus der Magd der inneren 
Medicin die gleichgestellte und bewunderte Schwester! Das hat 
vor Allem Sir Josef L i s t e r, der Erfinder der antiseptischen 
Methode der Wundbehandlung (1873), erreicht; „wir haben“, sagt 
E s m a r c h, „die unermesslichen Fortschritte der neueren Wund¬ 
behandlung nur dem grossen Chirurgen Joseph Lister zu ver¬ 
danken“. Es Messe Eulen nach Athen tragen, wollte ich in diesem 

Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


Kreise Wesen und Werth dieser Methode, die sieh unter unsereu 
Augen allmählich zur Aseptik umgewaudelt hat, beleuchten. 
Wer von uns kennt noch die accidentellen Wundkrankheiten: 
ilospitalbrand, Wunddiphtherie u. s. w., die einst die Verwundeten 
dahinraff len? Wer von uns empfände es nicht als Pflicht, 
die keinen Ruhm bedeutet, seinen verletzten Kranken Erysipel, 
Wuudtieber, Pyaemie und Septikaemie hintanzuhalten und zu 
ersparen? Und wer will ermessen, wie viele Tausende solcher 
Art vor langem, schmerzhaften Krankenlager, vor Siechthum und 
Tod gewahrt wurden und täglich noch gewahrt werden! 

Zu dieser Grossthat der Chirurgie gesellt sich eine andere, 
an Jahren ältere — die allgemeine Verwendung der Narkose. 
Häser theilt die Chirurgie des XIX. Jahrhunderts geradezu in 
diese drei Perioden - - die erste, welche die ersten vier Decenuien 
umfasst und durch die eifrige Pllege der chirurgischen Anatomie 
und Pathologie ausgezeichnet ist, in der Antonio S c a r p a seine 
Arterienunterbindungen ausführte, der ältere G r ä f e die Rhino¬ 
plastik neueinführte, Lorenz i> i e f f e n b a c li durch seine sub¬ 
cutanea Tenotomien, seine Schieioperationen und seine plastischen 
Operation glänzte, D u p uytreu zu Paris als Meister der 
Technik seine Zeitgenossen überragte — bis zur Entdeckung der 
anaesthesirenden Inhalationen rechnend, die zweite von da bis 
zur Einführung der Antiseptik und die letzte von dort an datirend. 
In der Geschichte der Narkose gebührt der erste Platz Sir James 
Young Simpson, der 184b sein ciussisehes Werk über „An¬ 
wendung von Chloroform und Aether" erscheinen Hess. Die erste 
Aetherisirung scheint der Zahnarzt M ortou am 3U. Sept. 1840 
ausgeführt zu haben; Simpson wandte sie zuerst am 19. Januar 
1847 bei einer Entbindung an; derselben folgte am 4. Nov. 1847 
die erste Entbindung unter Chloroformnarkose. Er hat sich, wie 
Gurlt sagt, „als Entdecker der Chloroformanaesthesie allein 
den Dank der Nachwelt gesichert“. Zur allgemeinen Narkose ge¬ 
sellte sich die locale Betäubung, Anfangs der Uichardso n'sche 
Aetherspray, dann die Anwendung von Aethylchlorid und neu- 
estens die Cocain- und Eucaiueinspritzungen, die sich durcli 
Schleich zur Methode vervollkommneten. 

Es würde zu weit führen, wollte ich aufzählen, was die Chi¬ 
rurgie unter der Herrschaft der Narkose und der Antiseptik, bezw. 
Aseptik geleistet hat: wir alle kennen ja die klangreichen Namen 
eines Langeubec k, eines V o 1 k m a n n, eines Billrot li, 
eines N u s s b a u in, eines S y m e, eines V e 1 p e a u u. A., um 
nur der gestorbenen Grossen zu gedenken! Auch nur andeuteu 
kann ich, wie sich die operative Gynäkologie in unserer Zeit unter 
dem Scepter von Narkose und Antiseptik zu einer ungeahnten, 
ruhmreichen Höhe ent wickelt hat; begründet ward sie in Deutsch¬ 
land von Karl Wilhelm Mayer in Berlin, der freilich schrift¬ 
stellerisch ohne Bedeutung Ist und vor Allem von Erz. K iwlsch 
von Rotterau, der in Würzburg von 1S45—1850, später in Prag 
wirkte. „Noch höhere Verdienste“, sagt von ihm Klein- 
w achter 7 ) nach Würdigung seiner Bedeutung als Geburts 
helfet*, „erwarb sich Iv i w i s c li um die Gynäkologie. Das, was 
vor ihm in Gynäkologie gearbeitet und publicirt wurde, ist ent¬ 
weder total unbrauchbar oder besitzt nur ein historisches Inter¬ 
esse. Seine „Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der 
Krankheiten des weiblichen Geschlechts“ stellen das erste 
deutsche wissenschaftliche, gynäkologische Werk dar, welches 
Jahre hindurch das einzige in seiner Art blieb.** In der Folgezeit 
erwarben sich ausser dem schon genannten Simpson, Marion 
Sims und Karl Schroeder unsterblichen Ruhm auf dem 
Felde der operativen Gynäkologie. 

L i s t e r‘s Ruhmesthat übte endlich auch auf die moderne 
Geburtshilfe ihren Einfluss auf. Doch hat hier der grosse Brite 
einen würdigen Vorläufer in dem zu Lebzeiten verkannten und 
vielgeschmähten, erst jetzt nach Gebühr geschätzten Ignaz 
Semmel weis, dem Entdecker der Ursache des Kindbett¬ 
fiebers, der ektogenen Infection der Kreissenden durch unreine 
Hände und Instrumente, die er selbst in das Jahr 1847 verlegt; 
1860 erschien dann weiter „Die Aetiologie, der Begriff und die 
Prophylaxis des Kindbettfiebers“. Mit vollem Rechte erklärt 
Ferdinand Hüppe auf dem VIII. internationalen Congress für 
Hygiene zu Pest im Jahre 1804, dass man gezwungen sei, 
Semmelweis als den wahren, seiner Zeit weit vorgeeilten 
Begründer auch der antiseptischen Wundbehandlung anzu¬ 
erkennen. 

Es mag an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die 
wissenschaftliche Geburtshilfe im 19. Jahrhunderte, von der eben 
berichteten Thatsache abgesehen, besonders durch Gustav 
Michaelis, der „das schrägverengte Becken“ uns meisterhaft 
dargestellt hat, durch Franz Karl N a e g e 1 e , der sich gleichfalls 
um die Lehre vom engen Becken, ferner um die Lehre vom 
Geburtsmechanismus u. a. m. verdient gemacht hat, durch 
Busch, der die Methode der Wendung verbesserte und die 
Lehre von der künstlichen Frühgeburt ausbaute, und manchen 
Anderen wesentlich gefördert wurde. 

Hervorzuheben ist, dass der schon im Beginn des 19. Jahr¬ 
hunderts anhebende Kampf gegen die Polypragmasie in der Ge¬ 
burtshilfe, wie sie noch Benjamin O s i a n d e r befürwortete 
— geführt von dem bayerischen Arzte Lukas Johann B o e r , 
der die Notliwendigkeit von Kunsthilfe bei Gesichts-, Steiss- und 
Fusslagen in der Mehrzahl der Fälle leugnete und den Gebrauch 
der Zange wesentlich einschrünkte —, am Ende des Jahrhunderts 
den Sieg davongetragen hat. Das ist fürwahr kein kleiner 
Ruhmestitel, den das 20. Jahrhundert vom 19. übernimmt. 

T ) Biogr. Lex. d. hervorrag. Aerzte, Bd. III, p. 485. 

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M. H.! Die heute nur allzu zahlreichen Specialdisciplinen der 
Heilkunde, soweit ich sie bisher nicht berührt habe, in ihrer Ent¬ 
wicklung im abgelaufenen Jahrhundert zu betrachten, muss ich 
mir versagen, so reizvoll das auch in mancher Hinsicht wäre. Nur 
eines Zweiges habe ich noch die unabweisliche Pflicht zu ge¬ 
denken — eines Zweiges, der ein Kind des 19. Jahrhunderts ist 
uud, einem rüstigen, in der Blüthezeit prangenden Manne gleich, 
in das 20. hinübertritt, um ihm gewiss die reifsten Früchte zu¬ 
fallen zu lassen —, nämlich der Hygiene! Sie ist, wenn ich so 
sagen darf, das Bindeglied zwischen medicinischer Wissenschaft 
uud deu breiten Volksschichten geworden — sie ist aber auch in 
einem gewissen Sinne die Krone der Heilkunde, weil sie bestrebt 
ist, die Menschheit gesund zu erhalten, weil zu ihren Auf¬ 
gaben zählt, die Seuchen, die Geissein des Menschengeschlechts, 
von seinen Wohnstätten zu verbannen. Pettenkofer, der 
ehrwürdige Greis, der noch in unserer Mitte weilt, von einer 
ganzen Welt gepriesen und bewundert, geliebt von Allen, die ihn 
jemals sahen oder hörten, trägt den Namen des Vaters der 
modernen Hygiene. Was wir Assanirung der Städte nennen, 
das ist im Wesentlichen sein Werk! Gerade in dieser Hinsicht ist 
aber auch der Mitarbeit Rudolf V i r c h o w’s dankbar zu er¬ 
wähnen. 

Wenn wir in das Gebiet der Hygiene die Prophylaxe der 
Seuchen einbeziehen, so wäre hier der Platz, an das Verschwinden 
der Pocken zu erinnern, dorten, wo der Impfzwang, die Folge der 
segensreichen Entdeckung der Vaccinatiou durch Edward 
Jenner, eingeführt ist. In Deutschland ging in dieser Hin¬ 
sicht allen Ländern Bayern voran, das schon 1807 den Impfzwang 
vorschrieb, im übrigen Europa Schweden, das seit 1810 den Impf¬ 
zwang eingeführt hat. 

Zur Hygiene hat sich seit Robert K o c h’s bahnbrechenden 
Arbeiten über Aetiologie des Milzbrands, der Wundinfections- 
krankheiten und der Tuberculose in den Jahren 1876—1882, denen 
später seine Cholera-, Pest-, Rinderpest-, Malariaforschungen ge¬ 
folgt sind, die Bacteriologie gesellt. Um Koch hat sich eine 
ganze Generation von Aerzten als Schüler geschaart, von denen 
ich nur Behring, Kossel, Ehrlich, Kitasato. 
Pfeiffer nennen will. Eine praktische Frucht dieser zunächst 
theoretischen Wissenschaft ist noch am Ende des scheidenden 
Jahrhunderts iu der Serumtherapie entstanden. Es wäre ver¬ 
früht, schon jetzt ein endgiltiges Urtheil über dieselbe fällen zu 
wollen. Ihre höchsten und unbestreitbaren Erfolge hat sie in 
der Behandlung der Diphtherie gefeiert, und es ist wohl zur Zeit 
unmöglich, an der geringeren Mortalität uud an dem milderen 
Verlauf dieser tückischen Krankheit unter der Herrschaft der 
von Behring innugurirten Serumbehaudlung, dieser ihren 
wesentlichen oder alleinigen Autheil daran abzusprechen. Frei¬ 
lich reicht keiner der zahlreichen anderen serumtherapeutischeil 
Versuche an das Ergebniss des Diphtherieheilserums nur an¬ 
nähernd heran. Das 20. Jahrhundert wird das letzte Wort über 
diese jedenfalls interessanten und auf rationeller Basis stehenden 
Heilbestrebungen sprechen dürfen. Sollte es einen Irrthum darin 
erkennen, wird es den Männern, die ihre Lebensarbeit darin 
fanden, doch nicht Anerkennung und Bewunderung versagen 
und wird sie unter Denen nennen, die strebten, die Seuchen zu 
unterdrücken zum Segen der Menschheit. 

Der Kampf gegen diese gehört überhaupt zu den Merkmalen 
des letzten Decenniums des 19. Jahrhunderts und hat auch die 
mächtige Bewegung aller Orten und bei fast allen civilisirten 
Nationen gezeitigt, deren Wogen brausend hinüberschallen in's 
neue Jahrhundert — ich meine den Kampf gegen die Tuberculose. 
diesen grausamsten Feind menschlichen Glücks und Friedens, 
diesen unersättlichen Würgengel in den dichtbewohnten Volks¬ 
vierteln unserer modernen Gressstädte! Was die Rückkehr zur 
diaetetischen Behandlung dieser Krankheit und die Errichtung 
von Volkssanatorien, die diesem Zwecke dienen, leisten wird, 
auch das muss die Zukunft klären und entscheiden. 

M. II.! Was ich Ihnen vor Augen zu führen versucht habe, 
ist eine gewaltige Summe bemerkenswerther Thatsachen, und 
dennoch bin ich, ich wiederhole es, bewusst und unbewusst un¬ 
vollständig in meinem Berichte gewesen. Doch hoffe ich, Sie über¬ 
zeugt zu haben, dass w ir voll berechtigten Stolzes hinüberschreiten 
dürfen in die neue Zeit. Das 19. Jahrhundert, das wir scheiden 
sahen, hat die Heilkunde zu einer Naturwissenschaft im besten 
Wortsinn umgestaltet; es hat uns Dank der emsigen Arbeit scharf¬ 
sinniger Köpfe neue und geschärfte Waffen zum Kampfe gegen 
die Krankheit in die Hand gegeben; es hat Fortschritte in der 
Würdigung von Krankheitserscheinungen und in deren wirksamer 
Behandlung gezeitigt, welche — das darf man ohne Ueberhebung 
sagen! — viele Tausende von Menschenleben gerettet, viele 
Tausende vor Elend und traurigem Siechthum bewahrt, welche 
die Gesundheit des Volkes um ein gutes Stück gefördert und ge¬ 
hoben haben! An uns ist es zunächst, dass wir nach dem Dichter- 
wort, was wir ererbt von unseren Vätern haben, erwerben, um 
es zu besitzen! An uns Ist es aber auch, unbeirrt von Irrwegen, 
die Manche auch in diesem Zeitraum abseits und rückwärts ge¬ 
führt haben, die gerade Strasse zu wandeln, empor zur Vollen¬ 
dung — an uns, das stolze Gebäude der modernen Heilkunde vor 
Verfall zu schützen, gegen Unbill zu stützen und daran weiter 
zu bauen! Denn mit Recht sagt V i r c h o w , „es wäre eine Thor- 
heit. zu glauben, dass wir am Ende seien mit der Forschung, 
dass wir sicher wären vor neuen Gefahren; nicht einmal die alten 
sind vollständig überwunden“. Gar manche schöne und grosse 
Aufgabe harret noch der Lösung, gar manchen Kampf noch gilt 
es gegen Unverstand und Aberglaube, und auch das 20. Jahr¬ 
hundert wird von Enttäuschungen nicht frei bleiben. Aber gleich¬ 
em ri§i na I from 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDTOTNTSCHE WOCHENSCHRIFT. 


91 


viel — unseren Theil haben wir zur Vollendung der Heilkunde 
beigetragen, wenn wir fortfahren, nach dem Leitworte des Niko¬ 
laus van Tulp, im Dienste für die Mitwelt unsere Kräfte zu 
verbrauchen. 


Referate und Bücheranzeigen. 

Ecker A. undWiedersheim K.: Anatomie des Frosches. 

Auf Grund eigener Untersuchungen durchaus neu bearbeitet von 
Ernst Gaupp. II. Abtheilung. II. Hälfte. Lehre vom Gefäss- 
system. II. Auflage. Braunschweig, Friedrich View eg & Sohn. 

Mit dem eben erschienenen, circa 20 Bogen starken Heft 
liegt nun die H. Abtheilung des Gaupp’schen Werkes voll¬ 
endet vor. Wir sagen „Gaupp’sches Werk“, denn von dem 
„Ecker-Wiedersheim“ ist nur noch der Titel geblieben, das 
beweist wiederum das vorliegende Heft. Alles, was zum Lobe 
der beiden früheren Hefte gesagt wurde, gilt auch für das vor¬ 
liegende. Eine vorzügliche Bearbeitung, wie sie nur Derjenige 
schreiben kann, welcher seinen Stoff aus eigenen, umfang¬ 
reichen Studien durchaus beherrscht. Ebenso vollendet in der 
Durcharbeitung, wie in der Darstellung. 

Die vorliegende Hälfte behandelt das Gefässsystem. Hier 
sind ganze Capitel neu hinzugekommen, welche namentlich 
die histologische, embryologische und vergleichend anatomische 
Seite des Gegenstandes betreffen. Vor allem anderen aber er¬ 
schien uns die Beschreibung des Herzbaues und die Darstellung 
des so complicirten Systems der Lymphsäcke hervorragend ge¬ 
lungen. 

Hoffen wir, dass der Verfasser uns recht bald die HI. Ab¬ 
theilung bescheert, welche Eingeweide, Sinnesorgane und In¬ 
tegument behandeln soll. Wir werden dann noch einmal aus¬ 
führlich auf das ganze Werk zu sprechen kommen. 

Rudolf Krause-Berlin. 

Mittheilungen aus der gynäkologischen Klinik des Prof. 
Dr. 0. Engström. Bd. II, Heft 3. S. Karger. Preis 3 M. 

25) O. Engström: Zur Kenntniss und Behandlung der 
nichtpuerperalen Gynatresien mit consecutiver Retention von 
Menstrualblut bei einfachem Utero-Vaginalcanal. Genaue Be¬ 
schreibung von 5 Fällen. 

I. 18jähriges Mädchen, mit 2'/« Jahren „Diphtheria labiorum 
pudendi“; jetzt Atresia vaginae. Haematokolpos, Narben an den 
äusseren Geschlcchtstheilen und in der Scheide, Einschnitt und 
stumpfe Erweiterung: Die Kranke hat später 3mal glücklich ent¬ 
bunden. 

II. 21jähr. Mädchen, erste Regeln mit 16 Jahren, mit 19 Jahren 
starker Fluor albus, darnach Atresia vaginae, Haematokolpos inter- 
mittens. An den Scheidennarben öffnet sich zeitweise, während 
in Folge der Regeln starke Beschwerden aufgetreten sind, eine 
haarfeine Oeffnung und lässt das eingedickte, theerartige Blut ab- 
fliessen. Stumpfe Erweiterung. An der ohne Beschwerden Ver- 
heiratheten läset sich später kaum noch etwas von dem früheren 
Verschlüsse nachweisen. 

p j; IH. 43jährige Bauersfrau, nie menstruirt gewesen, vielleicht ist 
der Zustand auf einen Typhus zurückzufühlen: Atresia vaginae, 
Haematokolpos, Haematometra. Durchtrennung der 2 cm dicken 
Narbenschicht und stumpfe Erweiterung. Heilung. 

IV. 17 jähriges Mädchen. Atresia oris uteri extern! Haemato- 
metra, Beschwerden bestehen seit einigen Monaten, Eröffnung mit 
dem Troikart. Heilung. 

V. 21 jähriges Mädchen, nie menstruirt gewesen. Atresia oris 
intemi uteri. Haematometra et Haematosalpinx bilateralis. Bei 
der Laparotomie wird die rechte stark ausgedehnte Tube entfernt. 
Da angenommen wurde, es liege ein Myom des Fundus uteri vor, 
wurde darauf eingeschnitten: es handelte sich aber um die durch 
Blut ausgedehnte Gebärmutterhöhle, nun wurde von der Höhle aus 
die Narbenmasse durchstossen, die Wunde im Uterus geschlossen. 
Die linke Tube blieb zurück. Völlige Heilung. 

Im Anschluss an diese Fälle bespricht Engström des Ge¬ 
naueren alle in Betracht kommenden Punkte, besonders ausführ¬ 
lich die Frage der Entstehung des Haematosalpinx. Er glaubt 
nicht, dass es sich hier um eine einfache Rückstauung des Blutes 
handeln kann Da es sich in seinem Falle um zahlreiche Blut¬ 
ergüsse in die Umgebung der inneren Geschlechtstheile und be¬ 
sonders auch in die Wandungen der Tube handelte, so glaubt 
Engström, dass von hier aus in Folge einer allgemeinen, sämmt- 
liehe Generationsorgane umfassenden Blutfluxion die Blutansamm- 
lang in den Tuben entstehe. Es werden ferner ausführlich die Er¬ 
scheinungen und die Ausgänge besprochen. Wahrscheinlich erlischt, 
in nicht behandelten Fällen die Menstruation allmählich unter dem 
hohen Druck, der in der Gebärmutter entsteht, auch Durchbrüche 
des Blutes nach aussen werden in Nachbarorgane kaum eintreten, 
die mitunter durch entzündliche Veränderungen eingeleitet werden. 
Die Behandlung wird eingehend erörtert. Ist Haematosalpinx fest¬ 
gestellt, so ist die Eröffnung des Leibes •wegen der grossen Gefahr 
des Platzens eines solchen Sackes stets angezeigt, verstümmelnde 


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Eingriffe müssen vermieden werden. Vielleicht lassen sich auf dem 
im V. Falle eingeschlagenen Wege Fälle behandeln, die von der 
Scheide aus nicht angegriffen werden können, 

26) J. E. Huttunen: Zur Behandlung der clcatrisirten 
Ruptura perinei completa nach der Methode von Lawson 
Tait. 

An der Hand von 15 Fällen wird das Verfahren wegen seiner 
Einfachheit und der Sicherheit des Erfolges empfohlen. Einige 
der Kranken haben später, ohne dass eine Verletzung des Dammes 
eingetreten wäre, geboren. 

27) O. Engström: Zwei Fälle von Carcinom der post¬ 
puerperal hyperinvolvirten Gebärmutter. 

Im ersten Falle Portiocarcinom, 9 ’/-2 Monate nach der Gehurt 
bis dahin hatte die Kranke gestillt) vaginale Totalexstirpation. 
Recidiv nach 13 Jahren nicht nachweisbar. 

Im zweiten Falle Cervixcarcinom, 3 Monate nach der Geburt 
vaginale Totalexstirpation. Tod einige Monate später unter den 
Erscheinungen eines Magencarcinoms. 

E. nimmt an, dass in beiden Fallen die Carcinomentwickelung 
erst nach der Geburt aufgetreten sei; er konnte ähnliche Fälle 
nicht in der Literatur finden. 

28) R. E1 m g r e n: Beobachtungen, von Carcinom des Gebär¬ 
mutte rhalses bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. 

Im ersten Falle wurde ein lebendes Kind mit der Zange ent¬ 
wickelt. Im Wochenbett Auskratzung und Ausbrennung, einige 
Monate später Tod. Im zweiten Falle Aceouchement force bei im 
5. Monat abgestorbener Frucht. Spätere Behandlung und Ausgang 
wie im ersten Fall. Der dritte Fall ist desshalb bemerkenswert!!, 
weil ein Carcinom der vorderen Lippe mit Amputation dieser Lippe 
(von anderer Seite!) behandelt wurde, bald darauf trat Conception 
ein. Nachdem im 5. Monat die Geburt erfolgt war, wurde das weit 
vorgeschrittene Carcinom ebenfalls mit Auslöffelung nnd Aus¬ 
brennung behandelt. Alle 3 Fälle zeigten im Anschluss an die 
Schwangerschaft einen raschen Verlauf. 

A. Gcssner-Erlangen. 

Dr. B. Bendix, I. Assistent an der Universitäts-Kinder¬ 
poliklinik der k. Charite zu Berlin: Lehrbuch der Kinderheil¬ 
kunde für Aerzte und Studirende. 2. Auflage * von Weil. 
Prof. Uffelmann’s Handbuch der Kinderheilkunde. Mit 12 
Holzschnitten. Urban und Schwarzenberg, 1899. Preis 
10 Mark. 

Im Untertitel bezeichnet sieh das uns vorliegende Werk 
als 2. Auflage des im .Jahre 1893 erschienenen U f fe 1 in a n lo¬ 
schen Handbuches; in Wirklichkeit aber ist es durch die gründ¬ 
liche Umgestaltung, bezw. Neubearbeitung der einzelnen Capitol 
sowie durch die Einfügung einer grossen Anzahl vorher nicht 
vorhandener Artikel ein neues, selbständiges Werk geworden; 
nur die Herzkrankheiten und die pathologisch-anatomischen 
Einleitungen zu den einzelnen Abschnitten sind zum grossen 
Theile in der ihnen von Uffelrnann gegebenen Fassung ver¬ 
blieben. So wie das Buch sich gegenwärtig darstellt , bietet 
es ein klares, übersichtliches Bild des vorgeschrittensten Stand¬ 
punktes der darin abgehandelten Disciplin. Neben mannigfachen 
Bereicherungen aus des Verfassers eigenem Beobachtungskreise 
begegnen wir allenthalben den Anschauungen und Lehren 
Heubner’s, und so trägt das Werk die ausgesprochene Sig¬ 
natur der Schule, aus der es hervorgegangen. 

Unter den von Bendix neu aufgenommenen Krankheits- 
formen sind hauptsächlich solche vertreten, deren nähere 
Kenntniss uns erst in den letzteren Jahren erschlossen wurde, 
wie z. B. der Scorbutus infant. (B arlow’sehe Krankheit), die 
Oolicvstitis. die angeborene Pylorusstenose und die verschie¬ 
denen Formen der chronischen Nephritis (zumeist nach Heub¬ 
ner’s bekannter Monographie bearbeitet). Dass auch der Sinus¬ 
thrombose, wenngleich sie nur eine Folgeerscheinung anderer 
krankhafter Zustände, ein eigenes Capitel gewidmet ist, er¬ 
scheint durchaus berechtigt im Hinblick auf deren häufiges 
Vorkommen im Kindesalter und auf die Wichtigkeit der Pro¬ 
phylaxe. 

Von den hervorragendsten Artikeln des Buches seien hier 
nur die Magen-Darmkrankheiten der Säuglinge, die Tuberculose, 
die acuten Exantheme und die Diphtherie erwähnt. In einem 
der umfassendsten Abschnitte gibt Bendix eine sowohl in 
wissenschaftlicher wie namentlich auch in praktischer Hinsicht 
vollendete Darstellung der letztgenannten Krankheitsform; ins¬ 
besondere ist das Heilserum und dessen Anwendung in einer 
der Bedeutung des Gegenstandes vollkommen entsprechenden 
Ausführlichkeit abgehandelt. 

Dass in einem Werke, welches sich über ein so weites 
Gebiet erstreckt , auch manche Lücke vorhanden und manche 
anfechtbare Angabe mit unterläuft, ist wohl nicht allzu streng 
zu beurtlieilen. Nur einige wenige Pimkte mögen kurz berührt 
werden: Die Symptomatologie des echten Croup wird ein- 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


92 


geleitet mit den Worten: „Die Laryngitis crouposa beginnt fast 
immer urplötzlich, in der Regel spät Abends oder in der Nacht. 
Nachdem die Kinder noch völlig gesund (!) zur Ruhe gebracht 
worden, erwachen sie aus dem Schlafe mit dem Gefühle der 
Beengung und mit einem charakteristischen Husten“. 4 ) Diese 
Schilderung entspricht genau dem Beginn des Pseudocroup; 
gerade das unvermittelte und plötzliche Auftreten der Larynx- 
stenose ist bezeichnend für die Laryngit. catarrhalis. während 
dem echten Croup der allmählige Beginn und die progressive 
Steigerung der stenotischen Erscheinungen eigen ist. In dem 
Capitel über die Parotitis epidemica vermissten wir irgend 
wolclie Andeutung über die nicht gar seltene und beachtens- 
werthe Anomalie, bei der unter gänzlichem Freibleiben der 
Ohrspeicheldrüse nur die Submaxillaris ergriffen wird (sub- 
inaxillarer Mumps). Die Forderung des Verfassers, auch bei den 
Masern die gesunden Geschwister des Erkrankten von der 
Schule auszuschliessen (eine Maassregel, die zeitweise fast zu 
einer Entvölkerung der Schulen führen würde) dürfte schwer¬ 
lich vielseitige Zustimmung finden. Zur Behandlung der Pru¬ 
rigo empfiehlt Bendix unter Anderem 5 proc. Naphtol- und 
2—5 proc. Pyrogallolsalben. Erwägt man, dass es sich hier 
namentlich um Säuglinge oder Kinder in den frühesten Lebens¬ 
jahren handelt und dass der Ausschlag meist über grössere 
Flächen ausgebreitet ist, so erscheint die Anwendung der ge¬ 
nannten Arzneikörper durchaus nicht unbedenklich (Haemoglo- 
binurie, Collaps!); überdies leisten sie nicht mehr als das weit 
unschädlichere Ichthyol (als 2 proc. Ichthyol- oder Ichthyol- 
tumenolsalbe). 

Selbstverständlich sollen und können diese vereinzelten 
Ausstellungen den Werth des im Ganzen vortrefflichen Buches 
in keiner Weise schmälern. W e r t h e i m h e r. 

Albrecht Erlenmeyer: Die Entmündigung wegen 
Trunksucht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Goblenz und 
Leipzig, W. Gross. 1899. 76 Seiten. 

Die vorliegende Arbeit ist die mit einem Preise gekrönte 
Lösung der bekannten Preisaufgabe des Deutschen Vereins 
gegen den Missbrauch geistiger Getränke; diese lautete: 
„Welche Anforderungen sind an die künftige Einrichtung und 
Verwaltung von Trinkerheilanstalten und Trinkerasylen zu 
stellen, und welcher weiteren Maassnahmen auf dem Gebiete 
der Gesetzgebung, Verwaltung und Vereinsthätigkeit bedarf es 
zur wirksamen Durchführung der Bestimmungen des bürger¬ 
lichen Gesetzbuches über die Entmündigung wegen Trunksucht ?“ 

Der erste Abschnitt erörtert die Voraussetzungen der im 
B. G.-B. vorgesehenen Entmündigung wegen Trunksucht und 
ihre Wirkung in socialer, medicinischer und rechtlich-administra¬ 
tiver Hinsicht. E. hebt besonders hervor, dass jetzt zum ersten 
Male von juristischer Seite die Trunksucht als ein krankhafter 
Zustand, als eine Krankheit der eigenen Kraft, des eigenen 
Willens, somit als eine Seelenstörung aufgefasst sei. Zu ihrer 
Heilung bedarf es einer unter Umständen zwangsweisen Deten- 
tion; soll diese gerechtfertigt erscheinen und nicht einer straf¬ 
baren Freiheitsberaubung gleichkommen, so sind auch nach 
verhängter Entmündigung weitere gesetzliche und administrative 
Verordnungen unbedingt noth wendig. Dass deren Erlass 
dringend wünschenswerth erscheint, wird gewiss jeder zugeben, 
nicht aber, dass nach den vorliegenden Bestimmungen der 
Vormund ein Recht habe, seinen trunksüchtigen Mündel gegen 
dessen Willen in eine Anstalt unterzubringen. Von juristischer 
Seite wurde mir entgegengehalten, dass die Anstaltsunter¬ 
bringung eines Trunksüchtigen durch einen Vormund nicht den 
Charakter einer „widerrechtlichen“ Freiheitsberaubung habe; 
und andererseits könne man keinem die so weitgehende Ver¬ 
antwortung für die verbotenen oder unerlaubten Handlungen 
Dritter, w r ie sie § 832 auferlegt, zumuthen, wenn nicht der 
Vormund befugt sei, seinen trunksüchtigen Mündel, der weiter 
trinke und Andern Schaden zufüge, auch zwangsweise zu de- 
tiniren. Die herbe und sicherlich berechtigte Kritik, die E. an 
dem sog. Besserungsparagraphen 681 der G.-P.-O. ausübt, trifft 
heute nicht mehr zu, da der genannte § inzwischen eine ver¬ 
ständigere Fassung bekommen hat. Gleich vielen Andern be¬ 
mängelt es E., dass dem Staatsanwalt das Recht versagt sei, 
den Antrag auf Entmündung zu stellen, sowie, dass die Ent- 
mündung einer Person wegen Trunksucht von dem Amts¬ 
gericht öffentlich bekannt zu machen sei. ('§ 687 G.-P.-O.) 


') Wie wir nachträglich fanden, sind die oben citirten Worte 
unverändert aus Uffelmann's Handbuch 1. Aufl. herübergenom¬ 
men. — Ref. 


Dass mit den Bestimmungen des B. G.-B. allein nicht die 
Aufgabe der Bekämpfung der Trunksucht gelöst werden kann, 
gibt die oben citirte Preisfrage in ihrer Fassung deutlich an; 
im engen Anschluss an diese bespricht E. in einem zweiten 
Abschnitt die weiteren Maassnahmen auf dem Gebiete] der 
Gesetzgebung, Verwaltung und Vereinsthätigkeit. 

Zu den ersteren gehört ein Sondergesetz über die Ver¬ 
sorgung der Gewohnheitstrinker und Trunksüchtigen, welches 
deren Heilung, auch gegen ihren Willen, also unter Umständen 
zwangsweise anstreben soll. E. ist der Ansicht, dass für viele 
Fälle die Irrenanstalt der geeignete Ort sei; ich fürchte, es 
werden Wenige seinen Standpunkt theilen, wiewohl es heute 
an öffentlichen Trinkeranstalten sehr mangelt, und viele der 
vorhandenen Trinkeranstalten nicht allen berechtigten oder 
auch nur wünschensworthen Anforderungen genügen. Auch 
ein Irrengesetz, wie es E. schon früher in einer bekannten 
Brochüre „Reorganisation unseres Irrenwesens 1896“ angegeben 
hat, kann die einschlägigen Fragen regeln. Besteht aber 
weder ein allgemeines Irren- noch ein besonderes Trinker¬ 
versorgungsgesetz, so können die Aufnahme und Entlassung 
der Kranken, die Leitung und Einrichtung der Anstalten sowie 
deren Beaufsichtigungauf administrativem Wege durch Ministerial- 
verfügungen geregelt werden; E. theilt mit, wie er sich deren 
Wortlaut denkt. 

Vielen Erfolg verspricht sich E. von den Abstinenz- sowie 
Temperenzvereinen, besonders, wenn sich viele Ortsgruppen 
bilden, und diese in einen innigen Verkehr mit der Anstalt 
treten; Aufgabe dieser Vereine ist es auch, sich der Familie 
des in der Anstalt untergebrachten Trinkers sowie der aus der 
Trinkeranstalt Heimkehrenden anzunehmen. Leider trifft E. ? s 
Bemerkung nur zu sehr zu, dass es heutzutage keine Vereins¬ 
thätigkeit gebe, bei der nicht getrunken wird; Abhilfe ist 
dringend notluvendig, aber werden wir sie noch erleben? 

Das Schlusscapitel gibt kurz die Anforderungen wieder, 
die an die künftige Einrichtung und Verwaltung von Trinker¬ 
heilanstalten und Trinkerasylen zu richten sein werden. So 
sehr E. auch die Errichtung öffentlicher Trinkerheilstätten 
befürwortet, so verkennt er doch keineswegs die Hindernisse, 
die sich einem derartigen Unternehmen schon vom fiscalischen 
Standpunkte in den Weg stellen, und als Ausweg empfiehlt 
er die Unterbringung der Trinker in besondern Abtheilungen 
von öffentlichen Irrenanstalten, wie es bekanntermaassen beispiels¬ 
weise in Berlin geschieht. 

Die Frage der gesetzlichen Fürsorge der Trunksüchtigen 
ist eine recht actuelle dank dem baldigen Inkrafttreten des 
B. G.-B., und andererseits ist sie so wichtig und greift in so 
viele Interessensphären ein, dass sich auch der praktische Arzt 
mit ihr beschäftigen muss. Mit Rücksicht hierauf durfte eine 
kurze Inhaltsangabe des zu besprechenden Buches berechtigt 
erscheinen, wenn sie auch nicht die Lectüre des Buches er¬ 
setzen kann. 

Nicht alle Ausführungen E.’s werden auf ungeteilten 
Beifall rechnen dürfen, wie das schon Referent angedeutet hat; 
das liegt einmal an der Materie selbst, um die wir uns in 
Deutschland nach der praktischen Seite hin fast zu wenig ge¬ 
kümmert haben, sowie daran, dass Rechtsfragen eines erst in 
Geltung tretenden Gesetzbuches in Betracht kommen. Meinungs¬ 
differenzen sind also hier zum mindesten begreiflich. Aber sie 
beeinträchtigen den Werth des Buches nicht, und bei der sach- 
gemässen Behandlung und klaren Darstellung der zu erörtern¬ 
den Fragen kann es allen Betheiligten als Rathgeber nur 
empfohlen worden, und das um so mehr, da die Schrift, wie 
sich das schon im voraus erw-arten liess, e ner lebendigen 
Frische und einer scharfen Kritik nicht entbehrt, zweier Eigen¬ 
schaften, die sicherlich das Gute haben, eine Lectüre zu er¬ 
leichtern und genussreicher zu gestalten. Emst Schultze. 

Neueste Journalliteratur. 

Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie. 

1899. 3. Bd. 7. Heft, 

1) v. Leyden: Aix-les-Bains in Savoyen (Schwefelbad, 
Douchemassage.) 

Verfasser lenkt die Aufmerksamkeit der deutschen Aerzte 
auf das während seiner letzten Ferienreise persönlich besuchte 
Schwefelbad, welches durch seine malerische Lage (am Lac de 
Bourget in den savoyischen Alpen), als auch durch seine beson¬ 
dere Heilmethode (fast ausschliesslich Anwendung von Douchen 
mit der natürlich heissen Quelle von 45—46° C. und gleichzeitiger 
Massage), namentlich bei chronischen Gelenkleiden, Asthma, 
Neuralgien, Lähmungen, Muskelatrophie und Syphilis jeder Art, 
sich von Altere her sehr grosser Berühmtheit erfreut. 


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16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


93 


2) Chr. Jtirgensen und I. J u s t e s e n - Kopenhagen: 
Experimentelle Untersuchungen über die Salzsäureaüsschei- 
dong des menschlichen Magens bei verchiedener Nahrung. 

Während bis in den letzten Jahren die Eiweissdiät bei Super¬ 
acidität des Magens von den meisten Klinikern (zur Bindung des 
freien HCl) bevorzugt wurde, hat sich in der letzten Zeit ein 
Umschwung der Anschauungen geltend gemacht, iusoferue die 
vegetarische Nahrung bei Hyperacidität und Magensaftfluss auf 
liruud zahlreicher klinischer Erfahrungen und entsprechender 
T.li ierexperimente sich einzubürgern beginnt. 

Gleichwohl harrt die Entscheidung der Frage, welche Diät 
■len Vorzug verdient, noch der stricten wissenschaftlichen Begrün¬ 
dung, namentlich durch beweisende Versuche am Menschen. 

Zu diesem Zwecke nun liess J. bei zweckmässiger Darstel¬ 
lung von Versuchsmahlzeiten, bestehend aus Brod, Brod und 
Flcischmischung und Fleisch unter Zusatz von jedesmal gleich- 
lilcibenden Mengen von Milch und Salz durch cand. mod. 

.1 ii s t e s e n an eigener Person Untersuchungen anstellen, welche 
M Aspiriren des Mageninhalts 1. in verschiedenen Zeiten nach 
der betreffenden Probemahlzeit am selben Tage (Methode der 
»■intägigen Curve), 2. in verschiedenen Zeiten nach derselben 
Frobemahlzeit. aber an einanderfolgenden Tagen (Methode der 
mehrtägigen Curve) zur Aufgabe hatten, den HCl-Gohalt zu be¬ 
stimmen (Bestimmung der Gauzacidität, Totalsalzsäure, freie 
Salzsäure). Durch Berücksichtigung der Durchschnittszahlen 
aus lw?iden Curven glaubte J. manche Versuchsfehler auszu- 
>diliessen. 

Ohne aus der zu geringen Anzahl der Versuche bindende 
Schlüsse zu ziehen, kommen die Verfasser zu dem Resultate, dass 
bei ihrer Versuchsanordnung der Totalsalzsäuregehalt des Magens 
proportional dem Fleischgehalte der Probemahlzeiten steigt und 
auch die Verdauung bei fleischhaltiger Nahrung entsprechend 
länger dauert als ohne Fleisch. 

3) Marx: Die Grenzen der normalen Temperatur. (Aus 
ihm Institute für Infectionskrankheiten zu Berlin.) 

Die iu fast alle Lehrbücher übergegangenen Temperatur- 
Grenzen (Aehselhöhlenmessung) Wunderlic h’s, der als sub- 
normal 3(5,0—30,5°, normal 3(5.0—37,4°, subfebril 37,5—38,0° an¬ 
gegeben hat, seien au über 200 Männern angestellteii Messungen 
•los Verfassers nicht zutreffend; denn die Temperatur des Ge¬ 
sunden bewege sich normalerweise unter 37 0 und zwar zwischen 
•1(5,0 und 37.0°. 

Gelegentliche Temperatursehwankungen bis 37,2 0 würden 
auch bei Gesunden beobachtet, aber nur bei besonderen Ursachen 
iz. B. Verdauung). Temperaturen über 37,2° seien stets mit kör¬ 
perlichem Unbehagen und demgemäss schon dadurch als völlig 
ausser dem Normalen liegend deutlich kenntlich gemacht. 

Temperaturen etwas unter 30,0° kämen auch vor, ohne dass 
cs sich um Collaps handelt. 

Es gebe zahlreiche Phthisiker mit noch im Gange befindlichen 
rein tuberculösen Processen, deren Temperaturen sich in diesen 
normalen Grenzen bewegen. 

4) .T. Zabludowski - Berlin: Zur Therapie der Impo- 
tentia virilis. 

Verfasser schildert eine, wie er sagt, bei Zuständen von Pol¬ 
lutionen, Spenuato-Prostatorrhoe und Impotentia coeundi wohl- 
b<-währte Methode der Massage, welche local an den Genitalien 
'Hoden und Damm) beginnt, daun aber in allgemeine Massage 
'les Körpers (Oberschenkel, Analgegend, Bauchdeeken, Rücken, 
Nacken, Prostata, Blase) übergeht. 

Zur speciellen Behandlung obiger Arten der Impotenz gibt Z. 
ausserdem noch besondere liathschUige. 

5) F. S c h l a g i n t w e i t - München-Bad Brückenau: Zur 
Behandlung der Nephritis mit Mineralwässern und Bädern. 

Verfasser warnt auf Grund zahlreicher Beobachtungen von 
N'phritikern vor rein schematischer MineralwasserVerordnung, 
"ie sie gemeiniglich geübt wird. 

Genaue klinische Beobachtung und im Speciellen Berück 
s khtigung der Wasserbilanz (Verhältniss der per os aufgenoin- 
"iciien zu der durch den Urin abgegebenen Flüssigkeit iu 24 Stun- 
'loiu. des spcciflscheu Gewichts und des proeentualiter bestimmten 
Kiweissg4‘lialtes lieferten ihm den Beweis, dass mau in jedem 
Falle, sei es dass cs sich um eine parenchymatöse oder indurative 
Form von Nephritis handelt, streng individualisiren müsse. 

Als Wirkung der Wernarzer Quelle auf die Nierenfuuction de.* 
dosundeu ergab sich bei einem nicht über 1000 ccm gehenden Er- 
s ;'t7. einer bisher gegebenen Flüssigkeit durch Wernarzerwasser 
' lue erhöhte Wasser- und Stoffausfuhr, d. h. eine iu 24 Stunden 
V'Tiuehrte Wasserausfuhr bei vermehrtem oder wenigstens nicht 
"Tinimlertein spoeiflsehen Gewichte. 

Die Erfahrungen an Kranken nun zeigten, dass der gleiche 
Truikeffect (Vermehrung der Urinmenge mit Erhöhung des spe¬ 
zifischen Gewichtes) wie bei der gesunden Niere auch bei der 
pathologischen als Idealforderung in Betracht komme. 

Während mehrere Krankengeschichten beweisen, wie Zu¬ 
führung von willkürlich grossen Mengen Mineralwassers stets 
'ine Schädigung des Zustandes herbeigeführt hat, ist zur ratio¬ 
nellen Durchführung der Cur eine methodische Controle der 
-1 ständigen Harnmenge, des speciflschen Gewichts und des Ei- 
weissgehalts und dementsprechende individuelle Verordnung der 
” asseraufuhr nothwendig. 

6) Ernst Bendix-Berlin: Ueber die Gährung schwer ver- 
gährb&rer Zuckerarten. (Aus dem Laboratorium der I. medicin 
Klinik. Director: Geheimrath von Leyden.) 

Verfasser hat auf Anregung B u r g h a r t’s und Blumen- 

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t h a l’s die Einwirkung organischer Substanzen, wie Pankreas, 
Ovarium, Milz, Darm, Albumoseu und Peptone, unter Hinzu¬ 
fügung von verschiedenen Baeterien auf verschiedene Zuckerarten 
studirt. Es stellte sich dabei heraus, dass unter diesen Be¬ 
dingungen Zuckerarten vergähreu, die bisher als schwer oder gar 
nicht vergälirbar galten, wie z. B. Xylose, Raumose, Arabiuosc, 
Galactose. (Vergl. Bendix: 1800, 2. Bd., 3. Heft, p. 218 d. 
Zeitschr. f. diiitet. u. pliysik. Therapie.. Sollte es sich bei den 
damaligen so interessanten Mittheilungen nicht auch um Bac 
terieueinwirkung gehandelt habenV Der Bef.) 

7) Julian Marcuse-Mannheim: Baden und Schwimmen in 
ihrer hygienisch-diätetischen Bedeutung. 

Nach einem Ueberblicke über die Physiologie der Haut und 
die Wirkung kalter Hautreize im Allgemeinen führt M. des 
Weiteren aus. wie das Schwimmbad durch Combination von 
Muskelbewegung in freier Luft mit dem abhürtenden und die 
Wänneregulirung übenden Reiz des kalten Wassers und dem dar¬ 
aus resulti remlen Einfluss auf Blutbescliaffenheit, Stoffwechsel, 
Her/-, Lungern hat igkeit und Nervensystem ein unübertreffliches 
und vor Allem — auch für die lieranwaehsende Jugend nicht zu 
unterschätzendes Volksgesundheitsinittel sei. 

M. Wasser m a n n - Berlin. 

Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1899. 53. Bd., 5. u. (5. 

Heft, November. Leipzig. Vogel. 

13) IIübseher-Basel: Ueber den Cubitus valgus femininus. 

Bezüglich der genannten Anomalie ist Verfasser zu sehr be- 
merkenswerthen, für <hm Anatomen, Chirurgen und Künstler gleich 
wichtigen Resultaten gekommen. Bekanntlich bildet der im Ell¬ 
bogengelenk gestreckte Vorderarm mit dein Oberarm keine gerade 
Linie, sondern in der Regel einen nach aussen offenen Winkel, 
den physiologischen Cubitus valgus; die seltener vorkommende 
Varietät des nach innen offenen Winkels heisst Cubitus varus. 
Nachdem schon früher mehrere andere Autoren sich mit der Sache 
befasst hatten, hat Verfasser an 225 Armen mit Hilfe seines 
Winkelmaasses sehr genaue Messungen angestellt. Ans denselben 
ergibt sich die sehr interessante Thatsache, dass Männer und 
Knaben, sonne Mädchen bis zum 12. Jahre einen mehr oder 
weniger geradlinigen Arm besitzen. Mädchen über 13 Jahre und 
besonders erwachsene Frauen haben einen Cubitus valgus bis zu 
30°. Das Auftreten des Cubitus valgus beim Weibe fällt also zu¬ 
sammen mit der Zeit der Pubertät. Die Stelle der Verkrümmung 
sitzt regelmässig an der Grenze des mittleren und unteren Drittels 
vom Humerus, nicht im Ellbogeugelenk. 

Die Entstehung des Cubitus valgus femininus wird von II. 
mit der in den gleichen Zeitraum fallenden Umformung .'des weib¬ 
lichen Beckens in Verbindung gebracht: der herabhängende Vorder¬ 
arm wird von den in die Breite wachsenden weiblichen Hüften 
nach aussen gedrängt (Bei Skoliose konnte ein bedeutender 
Unterschied beider Arme bis zu 10° beobachtet werden.) Ferner 
ist in Betracht zu ziehen eine Zugwirkung der Beugemusculatur, 
deren Masse bekanntlich am Ellbogen viel mächtiger ist, wie die 
der Streckmusculatur. Da die gewöhnliche Haltung des Frauen¬ 
armes die gebeugte ist, so muss der Ellbogen eine Knickung im 
Sinne des Muskelzuges erfahren. 

In der klassischen Kunst hat II. einen Cubitus valgus nicht 
auffmden können. Verschiedene B öckli n’sehe Bilder zeigen 
aber ausgesprochene Valgusarme bis zu 25°. 

Für die Chirurgie hat der Cubitus valgus seine hauptsächlichste 
Bedeutung bei der Behandlung der Fracturen am unteren Humerus¬ 
ende. Besonders die Fractura supracondylica und die Fracturen der 
Condylen lassen leicht seitliche • Verschiebungen zurück. Zur 
Vermeidung der letzteren empfiehlt sich am meisten die primäre 
Fixation in Streckstellung. 

14) C. L a u e n s t e i n - Hamburg: Eine typische Absprengungs- 
fractur der Tibia. 

L. beobachtete in 4 Fällen neben anderen Verletzungen der 
Unterschenkelknoehen eine Absprengung einer trapezförmigen 
Knochenplatt«' ans der Vordcrlläche des unteren Tibiaendes. In 
drei Fällen führte das abgebrochene Stück zu Störungen der Ge¬ 
lenkbewegungen, wesswegen es exstirpirt werden musste. Im vierten 
Falle musste wegen einer schweren Phlegmone die Amputation 
des Unterschenkels gemacht werden. 

Zu der Literatur konnte L. nur eine Bemerkung von Volk- 
mann über eine ähnliche Beobachtung auffinden. 

15j Martens: Zur Kenntniss der Gelenkkörper. (Charite 
Berlin.) 

In diesem 2. Abschnitt behandelt ,M. diejenigen Gelenkkörper, 
welche nicht ein Stück der Gelenkfläche darstellen, sondern im 
Gelenk neu gebildet worden sind. Dazu gehören zunächst die sel¬ 
tenen abgebrochenen Eechondrosen. M. rechnet dieselben nicht 
zur Arthritis deformans. Von letzterer wurden 9 Fälle beobachtet. 

Die einschlägigen Krankengeschichten werden genau mitgetheilt. 

Zum Schluss gibt M. einige diagnostische Anhaltspunkte und betont 
die Wichtigkeit der Röntgenuntersuchung. 

16) Friedrich- Leipzig: Experimentelle Beiträge zur Kennt¬ 
niss der chirurgischen Tuberculose. 

S. d. W. 1899, S. 1313. 

17) W. Meyer: Ueber 2’ I Fälle von»Darmeinklemmung in 
noch nicht ^beschriebenen Bauchfelltaschen. (Städt. Kranken¬ 
haus Hildesheim.) 

Original fro-m 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. S 


Der erste Fall kam zur Section und konnte genau untersucht 
werden. Mit der vonBrösike beschriebenen Hernia parajejunalis 
stimmte die Sachlage insofern überein, als das Anfangsstück des 
Jejunum mit der hinteren Bauchwand verlöthet war und der Bruch¬ 
sack zum grösster! Theil in der rechten Bauchhälfte lag. Dagegen 
fehlte die grössere Arterie im vorderen Rande der Bruchpforte, 
auch war an demselben die Wurzellinie des Dünndarmgekröses 
nicht angeheftet. Verfasser glaubt trotzdem, dass es sich in diesem 
Falle ursprünglich um eine Hernia parajejunalis gehandelt hat, 
die sich in Folge des queren Verlaufes der Mesenterialwurzel ins 
retroperitoneale Bindegewebe der rechten unteren Bauchhälfte ge¬ 
schoben hat. 

Der zweite, durch die Operation geheilte» Fall zeigte ähnliche 
Verhältnisse. 

18) E s c h e r-Triest: Ueber den inneren Leistenbruch beim 
Weibe. 

E. hat von dieser allgemein für sehr selten gehaltenen Hernie 
bei 600 Leistenbruchoperationen 5 Fälle beobachtet, bei im Ganzen 
49 Leistenbrüchen bei Weibern. 

19) Colley: Die Periarthritis humero-scapularis. (Chirurg 
Klinik Marburg.) 

C. möchte die Aufmerksamkeit auf die genannte Erkrankung 
richten, welche in Frankreich als Duplaysche Krankheit be¬ 
zeichnet wird. Dieselbe besteht im Wesentlichen in einer binde¬ 
gewebigen Veränderung der Bursa subacromialis und subdeltoidea 
bei völligem Intactsein des Gelenks. Die Erkrankung schliesst 
sich an ein leichtes Trauma und belästigt die Kranken durch die 
ausserordentlich heftigen Schmerzen. Bei der Untersuchung findet 
man eine starke Atrophie der Schultermuskeln und eine beträcht¬ 
liche Beschränkung der Abductionsbewegung, während die Pendel¬ 
bewegungen von vorn nach hinten und die Rotationsbewegungen 
unbehindert sind. Die Behandlung hat baldigst Massage und 
passive Bewegungen anzuwenden, bei chronischen Fällen müssen 
zunächst in Narkose die Verwachsungen an den Schleimbeuteln 
gesprengt werden. 

Verfasser berichtet über 45 derartige Kranke. 29 wurden 
völlig geheilt, 11 relativ. 

20) Schambacher: Ueber die Aetiologie der varicösen 
V enenerkrankung. 

Auf Grund eingehender mikroskopischer Untersuchungen 
kommt Verfasser zu dem Ergebniss, dass die Steigerung des Blut¬ 
druckes als eine Ursache der Venenerweiterung anzusehen ist. Die 
gesteigerte Druckwirkung ist eine Folge der als Alterserscheinung 
oder als Bildungsfehler auftretenden Klappeninsufficienz. Zu der 
Druckwirkung hinzu tritt dann noch eine Schwächung der Gefäss- 
wand, bedingt durch die abnorme Entwicklung der musculösen 
und elastischen Elemente. Die verschiedenen Grade und Formen 
der Ektasie entstehen dann je nach der Art der in der Gefässwand 
sich findenden abnormen Verhältnisse: massige Ektasie bei 
schwacher Entwicklung der elastischen Elemente, partielle Ektasie 
bei streckenweiser Schwächung der elastischen Elemente. 

21) Lampe-Bromberg: Ueber die Entzündung der Rippen¬ 
knorpel nach Typhus abdominalis. (Chirurg. Stadtlazareth Danzig.) 

L. hat bei einem Falle von typhöser Rippenknorpelentzündung, 
in derenEiter Typhusbacillen nacligewiesen wurden, sehr eingehende 
histologische Untersuchungen der resecirten Rippenknorpel vor¬ 
genommen. Darnach ergibt sich, dass die genannte Erkrankung 
nur bei Patienten jenseits des 2. Deeenniums vorkommt, d. h. erst 
dann, w r enn der Knorpel seine Altersveränderungen in Form der 
Vascularisation und Markraumbildung eingegangen ist. Der Process 
besteht dann in einer eitrigen Entzündung des Knorpelmarkes mit 
Nekrotisirung und Einschmelzung des benachbarten Knorpels; die 
Betheiligung des Perichondriums ist erst eine secundäre. Der Pro¬ 
cess kann in 3 Formen auftreten: einfache Auftreibung, Auftreibung 
und Erweichung mit nachfolgender Vernarbung, Auftreibung, Er¬ 
weichung, Knorpelnekrose und Fistelbildung. Die Therapie der 
letzten Form hat in der Resection des erkrankten Knorpels zu be¬ 
stehen. 

22) Heidenhain: Ueber Jejunostomie bei Inanition durch 
Ulcus ventriculi (duodeni) und Folgezustände derselben. (Städt. 
Krankenhaus Worms.) 

H. empfiehlt bei solchen Kranken, welche an Ulcus ventriculi 
leidend in einen Zustand vollkommener Inanition gerathen sind 
und eine Gastroenterostomie nicht mehr aushalten können, die 
Jejunostomie an einer der obersten Dünndarmschlingen auszuführen. 
H. hat diese Operation 2mal mit befriedigendem Erfolge ausgeftihrt; 
es wurde ein Drain nach Witzei in den Dünndarm eingenäht. 

23) Kaefer: Zur Casuistik der Gastroenterostomie mittels 
des Murphyknopfes. (Rothes Kreuz-Krankenhaus Odessa.) 

Verschiedene nach einer Gastroenterostomie aufgetretene Stör¬ 
ungen glaubt Verfasser auf den Murphyknopf zurückführen zu 
müssen und warnt vor der Anwendung desselben. Krecke. 

Beiträge zur klinischen Chirurgie. Red. von P. v. Bruns. 
Tübingen, Laupp. XXV. 1. Heft, mit 11 Abbild, im Text und 
4 Tafeln. Mk. 15.50. 

Das 1. Heft des neuen Bandes eröffnet eine Arbeit von Hammer: 
traumatisches Hautemphysem durch Pulvergase, in der im An¬ 
schluss an einen in der Freiburger Klinik beobachteten Fall von 

□ igitized hy Google 


derartigem Emphysem an Hand und Vorderarm in Folge einer in 
der Hand explodirten sogen. Schlagröhre über das Auftreten trau¬ 
matischen Hautemphysems durch Pulvergase entsprechende Ver¬ 
suche mitgetheilt werden, die positives Resultat ergaben. 

H. Buchbinder berichtet aus der Strassburger Klinik über 
die Lage und die Erkrankungen der Wangenlymphdrüsen 
und möchte diese Drüsengruppe neben den bisher unterschiedenen 
sublingualen, submaxillaren und periauriculären Drüsen näher prä- 
eisiren, da ihre Kenntniss zur Vermeidung diagnostischer Schwierig¬ 
keiten und Jrrthümer nöthig ist. Unter Berücksichtigung der Mit¬ 
theilungen von Poncet u. A. fand B. hauptsächlich folgende 
Gruppen von Wangenlymphdrüsen, die bei entzündlichen und raeta- 
slatiKchen Erkrankungen eventuell zu berücksichtigen sind: 

I. Eine Gruppe (2 Drüsen auf der äusseren Fläche des Unter¬ 
kiefers vor dem Masseter in dem Raum vor den Kaumuskeln hinter 
den seitlichen Kinnmuskeln etwa V* cm oberhalb des unteren 
Kieferrandes, (die Glandulae maxill. super.). 2. Hinter dem Kiefer¬ 
winkel die Gland. buccinator., nämlich auf dem Muse. bucc. liegen 
2 weiter vorn (Bucc. ant.) zwischen Art. max. int. und Vena facial. 
ant. und 3. 2 mehr nach hinten an der Einmündungsstelle des 
Ductus Stenonianus (Buccinat. post.). 4. Solche auf dem Ober¬ 
kiefer. Nach Albert in, Vigier beobachtet man acute entzünd¬ 
liche Schwellungen und Erkrankungen dieser Drüsen am häufig¬ 
sten hei cariösen Zähnen, aber auch tuberculöse u. a. chronische 
Erkrankung dieser Drüsen werden beobachtet; (Ref. hat auch mehr¬ 
fach die tuberc. erkrankte gland. buccinat. entfernt); sodann wird 
die Differentialdiagnose zwischen der Tuberculöse der Wangendrüse 
und der Tuberculöse der Wangenhaut (Skrofuloderma) näher be¬ 
rücksichtigt ; nicht selten sind diese Drüsen der Sitz von Metastasen 
bei malignen Neubildungen, bei kleinen Epitheliomen an der Nase, 
dem Augenlid, der Wange und den Lippen. 

Küttner: Ueber die Lymphgefässe der äusseren Nase 
und die zugehörigen Wangenlymphdrüsen in ihrer Beziehung 
zu der Verbreitung des Nasenkrebses hat im Anschluss an 
2 Fälle von Care, nasi der Tübinger Klinik, die beide Frauen von 
60 Jahren betrafen und bei denen an der gleichen Stelle der Wange 
eine haselnussgrosse, resp. w T allnussgrosse Lymphdrüse constatirt 
w’urde, die Lymphgefässe der Nase näher studirt und theilt seine mit 
den Buchbinder ’schen Befunden erfreulich übereinstimmenden Re¬ 
sultate näher mit; K. fand auch chronisch geschwellte Lymphdrüsen 
der Wange, die dem Lymphgebiet der Nase zugehören und empfiehlt 
für die Praxis, bei jedem Carcinom der Nase und deren Umgebung 
die Weichtheile der Wange einer genauen Untersuchung zu unter¬ 
ziehen, um eventuell Drüsenmetastasen baldigst zu exstirpiren. 

.1. Wieting berichtet unter genauerer Mittheiluug von 
<; Fällen des neuen Hamburger allgemeinen Krankenhauses zur 
Anatomie und Pathologie der Spina bifida und Zweitheilung 
des Rückenmarkes. 

H. Schloff er: Zur Osteoplastik bei Defecten der Tibia 
theilt aus der Prager Klinik einen wegen Verlustes eines grossen 
Theiles der Tibia durch Osteomyelitis mittels Ueberpflanzung eines 
Hautperiostknochenlappens operirten Fall und einen ebenfalls mit 
der Müller’schen Plastik erfolgreich operirten Pseudarthrosefall mit 
und kommt zu dem Schluss, dass der Müller sehen Plastik bei der 
operativen Behandlung von Pseudarthrosen der Tibia ein weiteres 
Feld offen steht, als ihr bisher eingeräumt wurde. 

W. L i e r m a n n berichtet aus dem städtischen Krankenhaus 
Frankfurt a. M. (L.Rehn): Ueber vaginale Mastdarmoperationen 
und glaubt den Bew r eis erbracht zu haben, dass für eingreifende 
Mastdarmoperationen beim Weibe (Carcinom, Strictur) der vaginalen 
Methode der Vorzug vor den sacralen, perinealen und combinirten 
Methoden gebührt; von einer cireulären Darmnaht will er aller¬ 
dings, auch wenn die Möglichkeit hiezu vorliegt, abselien und 
empfiehlt (selbst, wenn der grösste Theil der Pars perinealis recti 
frei ist), doch diesen Theil mit Schonung der Sphincterenfasem zu 
excidiren oder durch Excision der Schleimhaut anzufrischen, da 
man darnach, sobald der centrale Stumpf im Analring befestigt ist, 
sofort den Vortheil eines geschlossenen Darmrohrs hat. Er führt 
die günstigen Erfolge des Verfahrens auch darauf zurück, dass 
während der Operation nach vaginaler Methode der Inhalt des 
Wundtrichters jederzeit abfliessen kann und späterhin Drainage gut 
functionirt. 

P. S u d e c k berichtet aus dem Hamburger neuen allgemeinen 
Krankenhaus: Ueber die Behandlung des nicht tuberculoseu 
Totalempyems mit der Sched e’schen Thoraxresection. 

B. Hon seil bespricht (aus der Tübinger Klinik) die Pharyngo- 
?omia subhyoidea*im Anschluss an 4 Fälle genannter Klinik, in 
denen die Operation sehr verschiedenen Zwecken (Fremdkörper¬ 
entfernung, Geschwmlstexstirpation) dienen musste, und die er be¬ 
treffs Technik präliminärer Tracheotomie etc. unter Berücksichtigung 
von 93 Fällen der Literatur analysirt und in kurzen Krankenge¬ 
schichten zusammenstellt. 

O. Hahn berichtet aus der gleichen Klinik über die acute 
infectiöse Osteomyelitis der Wirbel und reiht seiner früheren 
Arbeit vom Jahre 1895 2 weitere Beobachtungen der Tübinger 
Klinik und 27 aus der Literatur an, so dass das heutige Material 
41 Fälle umfasst (12 w r eibliche, 23 männliche Individuen) 7 mal;Hals- 
wirbel, 12 mal Brustwirbel, 17. Lendenwirbel betreffend. Nach H. 
nimmt die acute Osteomyelitis der Wirbel keine Ausnahmestellung 
gegenüber der anderer Knochen ein, weist aber häufig schwere Com- 

Qrifjinal fro-m 

UNIVERSUM OF CALIFORNIA 



Iß. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


95 


plicationen auf (durch Uebergreifen auf die Körperhöhlen, nervösen 
(Yntralorgane), nur in letzteren Fällen oder bei Pyaemie wird die 
Diagnose unüberwindliche Schwierigkeiten aufweisen. Die Prognose 
j>t ernst, vom Charakter der Infection, Sitz, AllgemeinzAistand etc. 
frühem Erkennen und Eingreifen abhängig. Die Therapie soll so 
frühzeitig als möglich, und möglichst activ eingreifen, bei schweren 
Complicationen hat sie natürlich ihre Grenzen. 

W. Braun gibt aus dem städtischen Krankenhaus in Altona 
klinisch-histologisohe Untersuchungen über die Anheilung un¬ 
gestielter Hautlappen, die durch entsprechende Tafeln gut illustrirt 
werden; schliesslich erörtert: 

V. Czerny das Thema: Warum dürfen wir die parasitäre 
Theorie für die bösartigen Geschwülste nicht aufgeben? und 

fasst die Gründe zusammen, die ihn vorläufig an dieser Theorie 
Ysthalten lassen. Nach den klinischen Erfahrungen muss eine 
Disposition und eine Ursache für die Entstehung vorhanden sein, 
als locale Disposition gelten chron. Reizungen aller Art, vielleicht 
auch chemische Reize. C. bespricht die verschiedene Localisation 
der Hautkrebse und entstehen nach ihm z. B Hautkrebse im Ge¬ 
sicht fast ausschliesslich bei Leuten, die Seife fast nie gebrauchen. 
Das Lippencarcinom ist allein in den letzten 30 Jahren seltener 
geworden (wohl, weil das Pfeifenrauchen aus der Mode gekommen 
und die Zähne besser gereinigt werden), jedenfalls entstehen die 
Krebse in der Regel an der Oberfläche der Haut oder Schleimhaut 
an Stellen, die durch chron. Entzündung oder Narben disponirt 
sind, oder an welchen leicht Schmutz oder Darminhalt für längere 
Zeit haftet. Bis zu einem gewissen Grad wirkt excessive Reinlich¬ 
keit prophylaktisch. Analog den entzündlichen Neubildungen, von 
denen die Tumoren sich nicht scharf trennen lassen, nimmt C an, 
dass wir auch für die vielgestalteten Tumoren eventuell eine grosse 
Zahl verschiedener Geschwulsterreger annehmen müssen. Auch die 
Fälle von Uebertragung des Krebses von einem Individuum auf 
das andere, die Implantationsmetastasen, das relativ häufige 
Erkranken von Geschwistern oder Eheleuten in der gleichen 
Wohnung bald hintereinander, die Vox populi, (die wie für die 
Tuberculose auch für die Krebse eine Contagiosität anzunehmen 
geneigt ist), zieht C. heran, um die parasitäre Theorie zunächst 
noch festzuhalten und cgegen eine vorzeitige Unterdrückung der¬ 
selben durch absprechende Urtheile hochverdienter Forscher» 
(Ziegler, Hauser etc.) zu plaidiren. Betreffend der Therapie 
der Krebse ist die operative Behandlung immer weiter auszubilden, 
doch tritt C. der Coley'schen Ansicht bei, dass etwa 75 Proc. aller 
Krebse unserer Therapie mit dem Messer unzugänglich sind; un¬ 
vollständige Operationen beschleunigen oft das Waehsthum und 
die Dissemination der Krebse, während Chlor/.inklösung oft noch 
Lei inoperablen Carcinomen gute Erfolge (temp. Heilungen) ergibt 
und versichert C., dass erz. B. manche inoperable Carcinomedes Uterus, 
in der Submaxillargcgend durch combinirte Methode (Ausschabung 
der erweichten Massen mit scharfem LöfFel, Heissluftgebläse und 
Chlorzinkgazetamponade (30-50 Proc,)) noch heilen konnte. C. be¬ 
spricht schliesslich noch die Frage der Spontanrückbildung von 
Geschwülsten und theilt einzelne entsprechende Beobachtungen 
von Rückbildung unter den Coley’schen Streptococcus prodigiosus- 
Milchsterilisatinjectionen mit, die zeigen, dass selbst ganz ver¬ 
zweifelte inoperable Fälle von bösartigen Neubildungen durch eine 
combinirte, zielbewusste Behandlung einer Heilung zugängig sind. 

Sehr. 

Centralblatt für Chirurgie. 1899. No. 51. 

F. Karowskl - Berlin: Zur Radicaloperation der Leisten- 
brüche bei Säuglingen. 

Karewski hält für die Radicaloperation der Leistenbrüche bei 
Säuglingen resp. Kindern vor 3 Jahren die complicirteren Methoden 
(Bassini) nicht für nöthig, er sah stets glatte dauernde Heilung 
nach stumpfer Ablösung des Bruchsacks und möglichst hoher 
Fnterbindung am inneren Leistenring, auch er behandelt diese 
Fälle meist ambulant. K. betont es übrigens als sicherstehend, 
dass die überwiegende Mehrzahl kleiner Brüche bei Säuglingen 
unter dem Gebrauch eines Bruchbandes zur Heilung kommt. Bei 
älteren Kindern ist nach K. die Aussicht auf Spontanheilung eine 
viel geringere und die operative Beseitigung häufiger angezeigt. 

J. Kalabln - Moskau: Zur Frage von den Veränderungen 
in der Schleimhaut des Darmes und der Nieren nach der Im¬ 
plantation des Harnleitersin den Darm. 

Mittheilung der Resultate entsprechender experimenteller Ver¬ 
suche an Hunden, es fand sich bedeutende, gleichmässig diffuse 
Wucherung des Bindegewebes besonders in der Medullarschicht 
zwischen den Hamcanälchen und das Epithel in den H e n 1 e ’schen 
Schlingen gequollen und theilweise in körnigem Zerfall. Sehr. 

Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. X, 

Heft 6 (December). 

1) H. Peham-Wlen: Aus accessorischen Nebennieren¬ 
anlagen entstandene Ovarialtumoren. 

Verfasser beschreibt 2 Eierstocksgeschwülste, die ln Ihrem 
Baue völlig den bekannten bösartigen Nierengeschwülsten ent¬ 
sprachen, die auf versprengte Nebennierenkeime zurtickgeftikrt 
werden. Er nimmt desshalb an, dass auch die von ihm be¬ 
schriebenen Geschwülste von versprengten Nebennierenkeimeu 


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ihren Ausgang genommen haben, die ursprünglich im Eierstock 
oder in dessen nächster Nähe gelegen waren. 

2) B. Krönig und J. Feuchtwanger : Zur klinischen 
Bedeutung der Retroversioflexio uteri mobilia. 

Iu neuerer Zeit haben sich die Stimmen gemehrt, die ge¬ 
neigt sind, der Retroversioflexio uteri eine geringere Bedeutung 
zuzusprechen, als dies früher für diese Falschlage von fast allen 
Seiten geschah. Gehen doch sogar Einzelne so weit, die Klagen 
vieler Kranker, die diese Verlagerung zeigen, auf andere Ur¬ 
sachen, wie Hysterie, Enteroptose u. s. w. zurückzuführen und 
rathen desshalb von jeder Behandlung der einfachen Lagever- 
änderung ab. Andere wiederum sehen in der Verlagerung der 
Gebärmutter einen krankhaften Zustand, der früher oder später 
zu Krankheitsersclieinuugon führen muss, und rathen desshalb 
in allen Fällen, einerlei ob zur Zeit Klagen bestehen oder nicht, 
die Gebärmutter in eine richtige Lage zu bringen. Es ist ja 
höchst merkwürdig, dass über eine scheinbar so einfach liegende 
Frage die Anschauungen so weit auseinander gehen. Jeder Bei¬ 
trag zur Klärung dieser Frage muss daher begriisst werden, be¬ 
sonders wenn die Untersuchungen in so sorgfältiger Welse an¬ 
gestellt werden, wie die. über die in dieser Arbeit berichtet 
wird. Einzelnes aus den Ergebnissen möge hier nur hervor¬ 
gehoben werden. Frauen mit Anteversio und Retroversioflexio 
uteri gaben ungefähr gleich oft Beschwerden und auch gleich¬ 
artige Beschwerden an. Bei einer grösseren Anzahl von Frauen 
mit richtig gelagerter Gebärmutter musste nach der Unter¬ 
suchung Hysterie angenommen werden, ebenso aber auch bei 
Frauen mit beweglicher Retroversioflexio uteri. Es ist jedoch 
höchst unwahrscheinlich, dass diese LageVeränderung Hysterie 
hervorruft. 

Da Frauen mit Anteflexio und Retroflexio uteri ungefähr 
gleich oft besehwerdefrei waren, da Frauen mit Anteflexio oft 
„Retroflexkmsbesehwerden“ hatten, die in vielen Fällen auf 
Hysterie zurückzufilhren waren, so liegt kein Grund vor, wenig¬ 
stens in einem Theile der Fälle, dieselben Beschwerden bei 
Retroflexio uteri auf eine nachweisbare Hysterie zu beziehen. 
Dies wurde auch oft genug durch die Art der Behandlung be¬ 
stätigt. Sicherlich Ist oft der der Lageverbesserung zuge¬ 
schriebene Erfolg der Behandlung nur als auf Suggestion be¬ 
ruhend anzusehen. 

Hoffentlich werden weitere, an einer noch grösseren Anzahl 
von Frauen angestellte Untersuchungen uns in den Stand setzen, 
zu einem endgiltigen Schlüsse über die klinische Bedeutung der 
Retroflexio uteri zu kommen. 

3) C. P e t e r s - Dresden: Pseudomyxoma peritonei. 

Unter eingehender Berücksichtigung der bisher beschriebenen 
Fälle veröffentlicht. Verfasser 4 neue Fälle, aus der Werth’- 
schen Klinik. Die von Werth gegebene Erklärung wird völlig 
aufrecht erhalten. Neben den eigenthiimliclien Veränderungen, 
die das Peritoneum durch den Austritt gallertiger Massen aus 
einem Kystoma ovarii iu die freie Bauchhöhle erfährt, muss man 
noch eigentliche „Implantationsmetastasen“ unterscheiden. Selbst 
ausgebreitete Veränderungen in der Bauchhöhle dürfen nicht von 
einer möglichst vollständigen Entfernung der Massen abhalten, 
da mau oft eine Rückbildung zurückgebliebener kleinerer Theile 
der Neubildung beobachten kann. Rückfälle treten mitunter erst 
nach langen Jahren ein, so dass bei der im Allgemeinen un¬ 
günstigen Vorhersage jedenfalls erst nach einer Jahre langen Be¬ 
obachtung von einer wirklichen Heilung gesprochen werden darf. 

4) Schwarzenbach-Zürich: Ein Metallinstrument als Er¬ 
satz für den Ballon bei der_Cervixdilatation. 

Das Instrument setzt sich aus 4 dünnen Metallblättern zu¬ 
sammen, die aneinander gelegt die Form einer Tulpe bieten. Es 
soll die gleichen Vortheile wie der Ballon, ohne dessen Nach¬ 
theile besitzen. Es lässt sich auch bei feststehendem Kopfe an¬ 
wenden, ist leicht durch Auskochen keimfrei zu macheu. Bei 
seiner Anwendung lässt sich die Sprengung der Blase, die weitere 
Ablösung der Eihäute oder des tiefsitzenden Fruchtkuchens, 
sowie der Vorfall der Nabelschnur oder kleiner Theile ver¬ 
meiden. 

In 8 Fällen kam das Instrument zur Anwendung und 6 mal 
liess sich ein sehr günstiger Einfluss auf den Fortschritt der Ge¬ 
burt feststellen. 

Die Tulpe kann zur Anwendung kommen, wenn der Hals¬ 
canal für einen Finger durchgängig ist, wenn der kleinste Becken¬ 
durchmesser den grössten Durchmesser der Tulpe um etwa V* cm 
übertrifft, wenn in dem Eintreten kräftiger Wehenthätigkeit keine 
Gefahr erblickt werden muss. 

Verfasser empfiehlt desshalb die Tulpe zur Einleitung der 
künstlichen Frühgeburt, wenn das Kraus e’sche Verfahren sich 
als ungenügend erweist, wenn eine möglichst rasche Entbindung 
nothwendig ist; ferner bei eingetretener Geburt: bei Welien- 
seliwäche, wenn die übrigen Mittel sich als wirkungslos erwiesen 
haben, bei Starrheit des Muttermundes, wenn mit Rücksicht auf 
die Mutter oder das Kind eine baldige Beendigung der Geburt 
wüuschenswerth oder nothwendig ist. 

5) A. Payer-Graz: Ueber den Einfluss des Zuckers auf 
den Stoffwechsel der Schwangeren und auf den Geburtsverlauf. 
(Schluss.) 

Je weiter die Schwangerschaft vorgeschritten ist, desto 
leichter tritt die alimentäre Glykosurie auf. Erstgebärende neigen 
mehr hierzu, besonders jüngere. Bei Mehrgeschwängerten be¬ 
obachtet man kein Sinken der Aufnahmefähigkeit für Trauben¬ 
zucker mit dem Alter. 


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06 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3- 


Im zweiten Theile der Arbeit berichtet Verfasser über Ver¬ 
suche an Kreissenden und kommt hierbei zu folgenden Schlüssen: 

Die Wirkungen des Zuckers während der Geburt sind 
folgende: 

1. Wehen Verstärkung und Geburtsbeschleuniguug durch ein¬ 
malige oder wiederholte geringe Zuckergaben (30—00 g) bei 
Wehenschwäche in den verschiedenen Geburtsabschuitten, be¬ 
sonders während der Austreibungszeit. 

2. Beeinflussung des Gesamm tablauf es der Geburt durch 
grosse Zuckergaben (100—130 g) vor ihrem Beginn. 

3. Herabsetzung der Schmerzhaftigkeit der Wehen. 

A. G e s s n e r - Erlangen. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1899, No. 1. 

1) S t i e h e r - Breslau: Ueber Sterilisirung des Nahtmateriales. 

S. stellt folgende Anforderungen an ein Nahtmaterial, das zu 

aseptischen Operationen, speciell versenkten Nähten, verwendbar 
sein soll: Es muss 1. absolut steril sein und bleiben bis zur Ope¬ 
ration; 2. haltbar sein; 3. die Umgebung der Wunde nicht reizen 
und 4. billig sein. Von allen Herstellungsweisen erfüllt nur die 
Erhitzung des Nahtmaterials in Cumol bei 155—160° naehKrönig 
die erste Hälfte der Forderung 1. Die übrigen Forderungen 
werden auch durch das Krönig’sche Catgut nicht erfüllt. 8. 
glaubt dies mit dem von Küstner empfohlenen Hanf erreichen 
zu können, den er in näher beschriebener Weise ebenfalls mit Cu- 
raol sterilisirt. Der also präparirte Hanf soll absolut steril und vor 
dem nachträglichen Hineingelangen von Keimen geschützt, ferner 
haltbar sein, die denkbar geringste Fremdkörperwirkung entfalten 
und sowohl billig als leicht herstellbar sein. 

2) H. Füth-Leipzig: Ueber die Decapitation mit dem 
Zw eifei'sehen Trachelorhekter. 

F. weist zunächst die von Herzfcld gegen das Zweifel’sche 
Instrument erhobenen Einwände zurück und betont nochmals die 
Mängel, welche dem Braun’sehen Schlüsselhaken anhaften. Der 
Trachelorhekter hat sich bis jetzt in 17 Fällen gut bewährt, von 
denen keiner an Sepsis gestorben ist Es starb von diesen über¬ 
haupt nur 1 Frau in Folge von Erschöpfung nach grossem Blut¬ 
verlust. In allen Fällen ging die Durchtrennung der Wirbelsäule 
auffallend schnell und leicht vor sich; sie liess sich auch unter 
den schwierigsten Verhältnissen in situ luxiren. Versagt hat das 
Instrument bisher noch nie. Zweifel hat die Indication für seine 
Anwendung noch dahin erweitert, dass man bei überdehnter Cervix 
und todtem Kinde nie mehr die Wendung versuchen, sondern nur 
decapitiren soll. 

31 Koblanck-Berlin: Zur Narkose. 

Als Zeichen drohender Chloroformasphyxie bezeichnet K. 
athetotische Fingerbewegungen, die zuerst die Gefahr an¬ 
kündigen sollen, während Puls und Athmung noch ungestört,^'die 
Pupillen eng oder mittelweit, aber reactionslos sind. Beim Auf¬ 
treten dieses Symptoms warnt K. dringend vor weiteren Gaben 
Chloroforms. 

Bei eingetretener Asphyxie weist K. von neuem auf den be¬ 
kannten Handgriff hin, die Epiglottis direct mit dem Finger vor¬ 
zuziehen. Dieser Handgriff ist vielfach bekannt,* wird aber in der 
betreffenden Literatur meist nicht erwähnt. Jaff ^-Hamburg. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In- 
fectionskrankheiten. Bd. XXVI., No. 24., 25. 

1) Al. R a d z i e v s k y - Bern: Beitrag zur Kenntniss des 
des Bacterium coli. — Biologie. — Agglutination. — Infection. 

Die bekannte Mannigfaltigkeit in den Eigenschaften der der 
„Coligruppe“ angehörenden Mikroorganismen, veranlasste Verfasser 
an einer grossen Anzahl selbst isolirter Colistämme Untersuchungen 
anzustellen, ob sich nicht in Bezug auf Biologie, Agglutination und 
Infection einheitliche Momente auffinden liessen. Er züchtete 
64 Stämme, vorwiegend aus dem Darm, fand aber meist, dass 
in morphologischer und besonders biologischer Beziehung unter 
den isolirten Arten grosse Mannigfaltigkeit herrschte. Auch die 
Virulenz und das Phänomen der Agglutination schwankten unge¬ 
mein, so dass nach Ansicht des Verfassers die Coligruppe noch 
in weit mehr Unterabtheilungen als bisher zerfallen müsste. 

Die hervorgerufene tödtliche Infection beim Meerschweinchen 
durch Coli fasst Verfasser als durch 2 Processe entstanden auf, 
und zwar ist der eine die Vermelirung der Bacterien im Organismus, 
wodurch die Entstehung des Giftes erklärt wird, und der andere 
ist die Degeneration und Auflösung derselben, wodurch der sterile 
Befund der Säfte und Gewebe bei der Seetion der Thiere seine 
Erklärung findet. 

2) A. de S 1 m o n i - Cagliari: Beitrag zur Morphologie und 
Biologie der Pseudodiphtheriebacillen. 

Zur Entscheidung der viel umfochtenen Frage, ob die „Pseudo¬ 
diphtheriebacillen* mit den echten Diphtheriebacillen identisch 
seien, stellte Verfasser mit zahlreichen selbstisolirten Arten ausge¬ 
dehnte Versuche an. Durch seine Resultate glaubt er zu der An¬ 
nahme berechtigt zu sein, dass Pseudodiplitheriebacillen für die 
gewöhnlichen Versuchsthiere vollkommen unschädlich seien, jedoch 
bisweilen durch Symbiose mit anderen virulenten Keimen toxisch 
zu wirken im Stande sind. Die Virulenz gehe aber sehr leicht 
wieder verloren. Ausser dieser hervortretenden Eigenschaft der 
Nichtpathogenität sei aber auch eine Gosanunthoit von morpho¬ 


logischen und biologischen Eigenschaften der Pseudodiphtheri«*' 
bacillen im Stande, dieselben von den echten Diphtheriebacill<?ir 
unterscheiden zu lassen. Die Pseudodiphtheriebacillen seien nicht 
als einzige Bacillenart,wohl aber als eine Gruppe anzusehen, deren 
zahlreiche Arten durch Beibehaltung gewisser fundamentaler Eigen¬ 
schaften sich durch beständige Unterschiede innerhalb bestimmt er 
Grenzen unterscheiden lassen. 

3) A. Bruscliettini - Turin: Beitrag zum Studium dies 
experimentellen Gelbfiebers. 

Verfasser theilt in seiner ausführlichen Darlegung die Resul¬ 
tate mit, die er innerhalb zweier Jahre mit dem Sanarelli’sclit*n 
Bacillus icteroides gefunden hat. Von seinen zahlreichen 
obachtungen sei unter anderen erwähnt, dass er alle mögliche*u 
Thierarten durch Injectionen krank machen konnte, eine Gelbfieher- 
infection vom Magen aus gelang ihm aber nicht, obwohl er «tark 
verseuchte Organe gefallener Thiere verzehren liess. Ueber Impfung 
und Immunisirung mittels Serum resp. anderem immunisirenden 
Material lässt sich sagen, dass 1. In der Leber und der Milz SLin 
meisten immunisirende Substanz sich befindet und 2. dass die* 
Emulsion dieser Organe im Stande ist, die Thiere gegen Gelbfieber- 
infection zu schützen, wenn auch das Blut noch keine Schutz- 
wirkung angenommen hat. 

4) V. D i a m a r e - Neapel: Einige Bemerkungen zur Ant¬ 
wort an Hm. Dr. L. Cohn. 

Polemischer Natur! 

5) Friedrich M ül 1 er-Freiburg: Ueber das Reductionsvermögen. 
der Bacterien. 

Die Farbenveränderung verschiedener Farbstoffe, w r elche durch 
die reducirenden Stoffwechselproducte der Bacterien hervorgerufen 
w’erden, sind noch nicht allgemein zur Beurtheilung der biologischen 
Charaktere der Bacterien herangezogen worden, da der Ausführung 
solcher Untersuchungen gewisse Schwierigkeiten entgegenstehen. 
Verfasser unterzieht desshalb alle bisher benützten bekannteren 
Farbstoffe wie Methylenblau, Lackmus, Indigocarmin und Rosa- 
nilin einer neuerlichen Untersuchung, deren Hauptergebnisse fol¬ 
gende sind: 1. Bei der Untersuchung über das Reductionsvermögen 
der Bacterien sind nur Farbstoffe von bekannter Constitution zu 
verwenden. Am geeignetsten scheint das schon von Ehrlich vor¬ 
geschlagene Methylenblau. 2. Die Reduction der Farbstoffe findet 
ausserhalb des Bacterienleibes statt und zwar durch ausgeschiedene 
Stoffwechselproducte. Letztere werden allmählich durch den Sauer¬ 
stoff der Luft zerstört. 3. Viele Bacterien können während des 
Lebens Farbstoffe aufnehmen, nicht scheint dies der Fall zu sein 
bei farbstoffbildenden Bacterien und bei Milzbrand, Bacill. subtil, 
und Proteus. 4. Bei 20 Arten Bacterien und einigen Schimmelpilzen 
wurden reducirende Eigenschaften angetroffen. 

6) M. D e e 1 e m a n n - Dresden: Vergleichende Untersuchungen 
über coliähnliche Bacterienarten. 

Zu kurzem Referat nicht geeignet. R. O. Neumann-Berlin. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 2. 

1) M. Kirchner-Berlin: Aussatzhäuser sonst und jetzt. 

Zu kurzem Referate ungeeignet. 

2) M. Bernhardt -Berlin: Beitrag zur Pathologie der Blei¬ 
lähmungen. 

B. publicirt 2 bei Malern vorgekommene Fälle von Blei- 
lähmung, die dadurch interessant und selten sind, dass sie eine 
isollrte Lähmung der kleinen Handmuskeln darboten, während, 
entgegen der gewöhnlichen Beobachtung, die sonst zumeist und 
zuerst ergriffenen Strecker der Hand und Finger durchaus int&ct 
blieben. In dem 1. Fall (19 jähriger Kranker) konnten die 
atrophischen Muskeln auch durch sehr starke faradische Ströme 
nicht erregt werden; beim 2. Fall (41 jähriger Kranker) erwiesen 
sich ausschliesslich die rechten M. interossei afficirt und zeigten 
ebenfalls Entartungsreaction. Es können also, entgegen der Regel, 
bei Bleivergiftung die kleinen, dem Medianus- oder Ulnarisgebiet 
oder beiden ungehörigen Muskeln der Hand vor den Streckern 
der Hand und Finger gelähmt werden. Dann beschreibt Verfasser 
noch 3 Beobachtungen bei Feilenhauern: Der 1. litt wohl häufig 
an Bleikolik, aber nie an Lähmungszuständen; der 2. zeigte rechts 
neben Lähmung der Hand- und Fingerstrecker eine Betheiligung 
der Zwischenknochen und Daumenballenmuskeln, links fast nur 
Schwäche und Lähmung der M. interossei lind des Adduct. 
pollicis; der 3. Kranke zeigte rechts Parese der M. interossei und 
der Thenarmuskeln, links nur eine Herabsetzung der elektrischen 
Erregbarkeit der eher hypertrophischen Daumenballenmuskeln. 

3) Fr. K önig-Berlin : Ueber gleichzeitige Schussverletzung 
von Brust- und Bauchhöhle. (Fortsetzung folgt.) 

4) Frz. N a g e 1 s c h m i d t - Berlin: Psoriasis und Gly- 
kosurie. 

Zunächst theilt N. einen von Senator beobachteten Fall 
mit, wo bei einer 32 jährigen psoriatischen Frau ein Diabetes 
mellitus sich entwickelte. Verfasser selbst untersuchte an 
25 Psoriatikern deren Disposition zu alimentärer Glykosurie und 
fand letztere bei 8 Personen vorhanden. Bei 3 dieser Psoriasis¬ 
kranken bestanden noch weitere, zur Glykosurie prädisponirende 
Zustände. Eine erhöhte Disposition für Glykosurie ist demnach 
bei Psoriasis gegeben. 

5) R. K u t n e r - Berlin: Eine neue Methode der Syphilis¬ 
behandlung durch Inhalation. 


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Iß. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


97 


K. lässt Hg-Salbe iu einem Kasten verreiben und die Patien¬ 
ten mittels Maske den sich entwickelnden Hg-Dampf tätlich circa 
eine halbe Stunde inkaliren. Vergiftungen. Stomatitis kamen bis¬ 
her nicht vor, der therapeutische Effect war befriedigend, nach 
„einer Anzahl“ Inhalationen fanden sich ..nennenswerthe" Mengen 
Ilg im Harn. Eine ausführliche Arbeit soll über diese neue 
Methode noch folgen. Dr. G r a s s m a u n - München. 

• - 7 T ' 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 1. 

1) E. v. Leyden: Die innere Klinik und die innere Medicin 
in den letzten 25 Jahren. 

2) V. Czerny-Heidelberg: Fortschritte der Chirurgie in den 
letzten fünfundzwanzig Jahren. 

3) H. Schmidt-Rimpler: Rückblicke auf ein Vierteljahr¬ 
hundert Ophthalmologie. 

4) Heinrich Fritsch: Die Gynäkologie und Geburtshilfe 
des letzten Vierteljahrhunderts. 

5) Karl v. Bardeleben: Ein Ueberblick über das letzte 
Vierteljahrhundert der Anatomie und Entwickelungsgeschichte. 

6) Hugo R i b b e r t - Zürich : Allgemeine Pathologie und patho¬ 
logische Anatomie in den letzten 25 Jahren. 

7) C. Flügge-Breslau: Rückblick auf die Entwicklung der 
Hygiene und Volksgesundheitspflege in den letzten 25 Jahren. 

8) Schjerning: Die letzten 25 Jahre im Militär-S&nitäts- 
wesen <1874—1899). 

Sämmtliche Aufsätze sind mit den Porträten der hervor¬ 
ragendsten Vertreter der einzelnen Fächer illustrirt. 

F. Lach er-München. 

Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg. 
No. 1. 

Conrad Brunner- Münsterlingen und Carl Meyer- Zürich : 
Praktische Erfahrungen und kritische Bemerkungen über den 
Werth der Pulverantiseptica bei der Wundbehandlung. Mit¬ 
theilung über Bismuthoxyjodidtannat. (Ibid.) 

Das feine Pulver Ibit (Oxy-Jodid-Bismuth-Tannat) ist als Streu¬ 
pulver und zur Gazeimprägnation ein sehr empfehlenswertlus Er 
satzmittel des Jodoforms. Vor diesem hat es voraus die Geruch¬ 
losigkeit, Sterilisirbarkeit und hochgradige Unschädlichkeit, theilt 
mit ihm die Fähigkeit zu desodoriren und durch allmählich frei¬ 
werdendes Jod (im Urin ausgeschieden) auf Bacterienculturen (Nähr¬ 
böden) entwicklungshemmend und z. Th. tödtend zu wirken, während 
entwickelte Culturen nicht deutlich beeinflusst werden, wohl aber, 
wenn (reducirender) Eiter zugesetzt wird. Zahlreiche Versuchsreihen 
dienen zum Beleg. Pisehinger. 

Ophthalmologie. 

Morax: Di© Wirksamkeit der Toxine in der Aetiologie 
der Bindehautentzündungen. (Ber. über die Verhandlungen des 
IX. internat. Ophthalm.-Congr. in Utrecht. Zeitsehr. f. Augenheilk. 
IM. II. Ergänzungsheft. S. 51.) 

Die Mehrzahl der Bindehautentzündungin wird durch die 
Entwickelung gewisser Mikroorganismen (Gonoeoccus, Pneumo- 
coceus etc.) auf oder in den oberen Schichten der Gonjunc- 
tiva hervorgebracht. Vortragender hat durch Instillation von 
Diphtherietoxin iu das Kanincbenango erwiesen, dass man hier¬ 
nach eine der Coujunct. diphtlier. beim Menschen ganz ähnliche 
Entzündung beobachten kann. Es genügt also schon das Toxin 
allein, um die locale Reactiou hervorzubringen. Im Einzelnen war 
zu bemerken, dass bei einer normalen Schleimhaut 8—10 Stunden 
bis zum Auftreten der ersten Entzündungserscheinungen vergingen: 
nach 3<>—48 Stunden war die fibrinöse Absonderung auf ihrem 
Höhepunkt. 

Ein auf 100° erhitztes Toxin erwies sich nicht mehr als wirk¬ 
sam. Wie verhält es sich nun mit der blennorrhoischen, I’neiimo- 
eoccen- etc. Conjunctivitis? 

Die Erreger dieser Entzündungen kommen auf der thierischen 
Conjunctiva nicht fort. Wenn man aber z. B. aus einer (T>—*5 Tage 
alten) Gonococcencultur in Bouillon alle 2 Minuten 5—0 Stunden 
hindurch einen Tropfen lu den Bindehautsack eines Kaninchens 
eintropft, so sicht man nach Ablauf dieser Zeit die Bindehaut sich 
entzünden und anschwellen. Die Entzündung ist am folgenden 
Tage geschwunden. Sie ist um so heftiger, je virulenter die be¬ 
nützte Cultur ist. Eine auf 58 u erwärmte Oultur gibt noch die¬ 
selben Wirkungen, wie die mit den lebenden Mikroben; also auch 
hier geht in die Culturflüssigkeit. ein speciflsch wirkender Stoff 
aus dem Baeterienleibe über. Erhitzen auf 120° hebt jede ent¬ 
zündliche Wirkung auf. Bel Instillation in das Auge des Menschen 
beobachtet man ganz ähnliche Wirkungen; doch scheint die 
menschliche Bindehaut noch etwas sensibler zu sein. 

Man hat in der Behandlung des Trachoms zur Umstimmung 
der Heiltendenz die Inoeulation einer acuten blennorrhoischen 
Ophthalmie empfohlen. Morax hat diesen Versuch durch In¬ 
stillation von Culturflüssigkeit in 4 Fällen gemacht. Der thera¬ 
peutische Erfolg war negativ. — Mit der Cultur des Koch- 
W e e k s’sclien Bacillus, des Diplobaeillus und des Stapliylococ- 
cus erhält man bei Thieren ähnliche, doch weniger heftige ent¬ 
zündliche Reizungen wie mit dem Toxin der Gonococcen. 

Man kann also hiernach behaupten, dass bei Erzeugen der 
Bindehautentzündungen lösliche und speciflsch wirkende Stoffe, «i 


die von den Mikroorganismen geliefert werden, von besonderer 
Bedeutung sind. 

C o p p e z : Wirkung verschiedener Toxine auf die Cornea. 

(Ibid., S. 72.) 

Vortragender fasst folgende zwei Punkte iu’s Auge: 

1. Au f w e 1 c 1» e m \V ege k ö n u e n Toxine, die i n 
d e n Bin d e li aut« a c k geträufelt w e r d e n. auf die 
Hornhaut e i n w i r k e n V Man kann als Krankheitstypus 
die Diphtheritis der Conjunctiva nehmen. Ein Theil des Toxins 
geht in den allgemeinen Kreislauf über, ein anderer breitet sich, 
gemischt mit den Thriincn, auf der Conjunctiva bulbi und der 
Cornea aus. Auf der Conjunctiva bulbi wird die Absorption ge¬ 
ring sein: Diese absorbirt im Zustande der Entzündung schlecht, 
und die Toxine gehen in Folge des grossen Volumens ihrer Molc- 
cüle nur mühsam durch thicrische Membranen. Demgemäss ent¬ 
faltet das Diphtheriegift seine Haupt Wirksamkeit auf der Vorder¬ 
fläche der Cornea. Das Epithel setzt dieser Wirkung zunächst 
einen gewissen Widerstand entgegen, aber sobald es zerfällt, ver¬ 
ändert sich die Hornhaut rasch. Alle die Umstünde, welche eine 
Verletzung der vorderen Oberfläche der Hornhaut herbeiführen, 
werden also die Affeetion verschlimmern. Das Epithel kann durch 
Eingriffe des Arztes oder der Umgebung verletzt werden, durch 
eine bestehende Erkrankung, durch Reiben der Membranen, end¬ 
lich durch die Wirkung des Toxins selbst, welches das Epithel 
nach ca. 48 Stunden zerstört. Die Tliräneii scheinen keine anti- 
toxische Wirkung auf das Diphtheriegift zu haben. 

2. W e 1 c li e s ist die j e d e m Toxin e i g e n t h li m - 
lieh e W i r k u n g V 

a) Das Diphtheriegift äussert eine starke Wirkung auf die 
Hornhaut, wie Vortragender lst>7 dargelegt lmt. 

b) Das Abrin, in den Bindehautsaek gebracht, führt Trübung 
und Nekrose der Cornea herbei. Der Gebrauch des Jequirity hei 
Pannus granulosus zeigt, dass das Abrin nicht dadurch auf die 
Hornhaut wirkt, dass es die Ciivulatiou in den pericornealen 
Gefässen unterbricht. Im Gegeilt heil, die Toxine haben eine vas- 
cularisircnde Wirkung. 

c) Das Gift des Streptococcus übt eine sehr geringe Wirkung 
auf die Cornea aus. Die bei Experimenten erhaltenen Erschei¬ 
nungen rühren nicht vom Toxin selbst, sondern von beigemengten 
Substanzen her. 

di Das Toxin des Pneumococcus hat ebenfalls geringe Wir¬ 
kung auf die Cornea. Das hängt nicht allein mit der besonderen 
Widerstandsfähigkeit des llornliautepithels diesem Gifte gegen¬ 
über zusammen, sondern auch und besonders mit der geringen 
Energie des letzteren. 

el Die Toxine des Staphylocoecus würden im Kleinen die 
Wirkungen des Staphylocoecus selbst liervorbringen. 

Druault: Ueber Farbenringe, die man normaler Weise 
und bei pathologischen Zuständen um Lichtquellen herum 
sehen kann. (Ibidem S 62.) 

Diese Farbenkreise sind sehr zahlreich; drei von ihnen sind 
etwas eingehender studirt: der Farbenring bei Glaukom und zwei 
physiologische Farben ringe. Einer der letzteren entsteht durch 
die Faserstructur der Linse. Manche Menschen sehen ihn in nor¬ 
malem Zustand und die meisten Menschen können ihn seien, 
wenn die Pupille erweitert ist: cs genügt das Einträufeln eines 
Cocain tropf ens. um ihn entstehen zu lassen. Bei Atropinein- 
triiufehmg könnte sein Auftreten au einen Glaukomanrall denken 
lassen. Wenn mau aller die Pupille nach und nach mittels eines 
Lichtschirms verdeckt, so verschwindet der Farbenring auf beiden 
Selten auf einmal, sobald die Pupille ein wenig mehr als liali) 
verdeckt ist, was ohne Weiteres seine Diagnose gestattet. Das 
ist in (1er That der einzige von allen Farbenringen des Auges, 
der diese Erscheiuung darbietet, die leicht aus der strahlenart igen 
Anordnung der Linsenfasern verständlich wird. Der scheinbare 
Durchmesser dieses Ringes beträgt ungefähr 0° für die gelbe 
Farbe. 

Der zweite physiologische Ring ist etwas kleiner, sein Durch¬ 
messer betrügt nur 4°. Wenn man ein Licht durch eine in Wasser 
gebrachte Hornhaut betrachtet, so sieht man um dieses Lieht 
herum einen Farbenring von genanntem Durchmesser. Dieser 
letztere Ring entsteht auf dem hinteren Endothel, denn wenn man 
dasselbe abkratzt, auch nur ganz leicht, so verschwindet der Ring. 
Andererseits, wenn man das vordere Epithel vollständig mittels 
Curette entfernt, ohne das hintere Endothel zu berühren, so bleibt 
der Ring. 

Den Glaukomring schreibt man einer Störung in den tieferen 
Schichten der Hornhaut, zu. Donders und Andere nach ihm 
haben diesen Ring mit dem Linsenring verglichen. Nun aber hat 
der Glaukomring einen Durchmesser von 8°; er verschwindet 
nicht auf zwei entgegengesetzten Punkten, wenn man die Pupille 
verdeckt. Er muss also verschieden sein vom Linsenring. 
Uebrigens zeigt die Rechnung .dass die Gebilde, die ihn hervor¬ 
bringen, ungefähr die Grösse der Gebilde der tiefen Schiebt des 
Honilmutepithels haben. 

Andere Ringe wurden beobachtet hei Bindehautentzündung, 
nach Einwirkung von Wasser- oder von Osmiumsäuredämpfen 
auf die Hornhaut, oder auch beim Erwachen des Morgens. 

Ileine: Anatomie des Conus myopicus. (Ibid., S. G5.) 

Die mikroskopischen Untersuchungen Hein e’s beweisen, 
dass die für das myopische Auge charakteristischen Verzerrungen 
an der Pupille und deren Umgebung bedingt sind durch ein dif¬ 
ferentes Verhalten der drei Bulbushüllen gegenüber den dehnenden 
Kräften. Da die elastischen Elemente der Aderhaut weniger nach¬ 
geben als Retina und Sklera, so zieht die Lamina elastica clio- 


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98 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


roideae bei ihrer „relativen Retraction“ eine Sehnervenfalte keil¬ 
förmig zwischen Retina und Sklera hinein. Im Bereiche der re¬ 
lativen Lamina retractiva atropliirt die Choroidea und so entsteht 
der temporale Conus. 

Wolffberg: Heber die mit Dionin zu behandelnden 
Augenkrankheiten. (Wochenschr. f. Therap. u. Hyg. d. Auges, 
3. Jahrg., No. 4.) 

Verfasser hat mit Anwendung des Dionin bedeutend raschere 
und bessere Erfolge erzielt als mit anderen Mitteln bei allen den¬ 
jenigen Affectionen der Cornea, welche nicht, wie z. B. der 
Pannus traehomatosus, Folgezustände eines Bindehautleidens 
sind; speciell eignet sich jede traumatische, skrophulöse und Meso¬ 
keratitis für die Dioninbeliandlung. Besonders empfiehlt Ver¬ 
fasser dieses Mittel noch für jede Bulbusoperation und bei allen 
Verletzungen des Augapfels, sowie des Bindehauttractus. End¬ 
lich erklärt er Dionin für ein Unterstützungsmittel für die Be¬ 
handlung des grünen Stares. Die Wirkung des Mittels besteht in 
einer Lymphüberschwemmung des Auges, also in einer activen 
Infiltration, welche die Widerstandskraft des Gewebes gegen pa¬ 
thogene Mikroben erhöht. Bezüglich der A n w e n d u n g s - 
form gibt Verfasser an, dass er in den Fällen, wo eine schnelle 
und kräftige Wirkung erzielt werden soll, das Pulver in Substanz 
anwende und es mit einem Hartgummilöffel einbringe. Bei Horn¬ 
hau taffectionen verwendet er 35 proc. Cacao-Dioninstäbchen, die 
je nach Umständen stündlich bis zweistündlich eingelegt werden. 

Stock : Zur Prognose des Sarkoms des Uvealtractus. (Die 
ophthalm. Klinik 1889, No. 20, 5. Nov.) 

Unter 72 618 in der Augenklinik zu Tübingen behandelten 
Patienten fanden sich 28 Fälle von Sarkom des Uvealtractus, 
die zur Operation kamen. Hinsichtlich der Prognose theilt Ver¬ 
fasser die Fälle in 4 Stadien ein, in denen sie zur Zeit der Opera¬ 
tion standen: 

1. Stadium des reizlosen Verlaufes; 

2. Stadium der Entzündung mit glaukomatösen Erschei¬ 
nungen; 

3. Stadium des Auftretens episkleraler Knoten, Perforation 
des Bulbus: 

4. Stadium der Generalisation (Bildung von Metastasen). 

Es wurden operirt im ersten Stadium 9 Fälle, im zweiten 

11 Fälle, im dritten 8 Fälle, im vierten keiner. 

Zur Bestimmung der Prognose verwendet Verfasser nur die¬ 
jenigen 17 Fälle, bei denen mindestens 3 Jahre seit der Operation 
verflossen sind. Davon sind 8 Fälle — 47 Proc. als geheilt zu 
betrachten. Von den im ersten Stadium Operirten stellt sich der 
Procentsatz auf 80 Proc.; von den im zweiten Stadium Operirten 
auf 57,14 Proc.; von den im dritten Stadium Operirten ist Keiner 
als geheilt zu zählen. Diese Statistik zeigt, dass, je früher operirt 
wird, desto günstiger sich die Prognose für den Patienten stellt. 

Radziejewski : Untersuchung, betr. die Sehleistungen 
von Gemeindeschulabiturienten; ein Beitrag zur Schularzt¬ 
frage. (Wochenschr. f. Therap. u. Hygiene d. Auges 1899, 5., 
3. Jahrg.) 

Verfasser stellt am Schlüsse seines Berichtes folgende Forde¬ 
rungen auf: 

1. Dass jedes Kind vor dem Eintritt in die Schule ein genaues 
Attest über seine Sehfähigkeit etc. bringen soll, damit es gehörig 
in der Classe placirt und im Unterricht eventuell auf dasselbe 
Rücksicht genommen werden kann; 

2. dass jedes Kind beim Austritt aus der Schule sich zunächst 
den ärztlichen Rath einholt, ob es sich für den Beruf, den es sich 
gewählt hat, eignet oder nicht, resp. zu welchem anderen, ihm 
sympathischen, ärztlich zu rathen sei; 

3) dass auch während der Schulperiode bereits auf die ge¬ 
ringsten Klagen seitens der Augen, der Auffassung, der Auf¬ 
merksamkeit und Kopfschmerzen besonders u. a. m. sofort ge¬ 
achtet wird, damit ungesäumt die erforderlichen Maassregeln ge¬ 
troffen und — befolgt werden; 

4. dass Nachmittags die Schulstube nicht dem Unterricht, 
sondern der Anfertigung der häuslichen Arbeiten, und nur diesen, 
geöffnet sein solle. 

Türk S.: Untersuchungen über die Entstehung des physio¬ 
logischen Netzhautvenenpulses, (v. Gräfe’s Archiv f. Augenheilk. 
Bd. XLVIII. Abth. 3. 8. 512.) 

Ueber die Entstehung des Netzhautveneupulses existiren 
2 von einander abweichende Grundanschauungen. Nach der einen 
kommt dieser Puls durch die Thätigkeit des rechten Herzens und 
zwar des rechten Vorhofes zu Stande. Die andere Anschauung 
lässt den Netzhautvenenpuls durch die Action des linken Herz¬ 
ventrikels entstehen. 

Verfasser hat die Ergebnisse seiner sehr sorgfältigen Unter¬ 
suchungen in folgende Sätze zusammengefasst: 

1. Der physiologische Netzhautvenenpuls entsteht durch con- 
tinuirliche Fortpflanzung der Pulswellen von den Arterien auf 
dem Wege durch die Capillaren in die Venen. Er ist also ein 
sogen, „progressiver” Venenpuls, bei welchem die pulsatorisehe 
Erweiterung, wie in den xlrterien durch die Herzsystole entsteht. 

2. Diese, verglichen mit anderen Körpertheilen, abnorm weitf 
Ausbreitung der Pulswellen wird durch den verhältnissmässig 
hohen extravasculären Druck verursacht, dem die Gefässe im 
Auge physiologischer Weise unterworfen sind. 

3. Die Thatsache, dass die Pulswellen im Netzhautgefäss 
System erst an den papillären Enden der Venen in deutlichen 
Erscheinung treten, beruht darauf, dass an verengten Abschnitten 
einer Strombahn ein gleicher pulsatorischer Fliissigkeitszuwachs 


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eine verhältnissmässig stärkere Ausdehnung verursachen muss 
als an weiteren Stellen. 

4. Die Verengerung, die an den Venenenden in den Pulsinter- 
vallen \orhanden ist, stellt eine Erscheinung dar, die am Ende 
eines unter äusserem Drucke stehenden, dünnwandigen, nach¬ 
giebigen Strömungsrohrabsclmittes bei einer gewissen Druckhöhe 
sich immer zeigt und unter bestimmten Bedingungen als dauern¬ 
der Gleichgewichtszustand bestehen bleiben kann. 

Pfalz: Reelle und eventuelle Unfallfolgen. (Zeitsclir. f. 
Augenheilk. Novemberheft 1899, S. 516.) 

Die Verletzungen des Sehorgans nehmen hinsichtlich ihrer 
Bedeutung für die Erwerbsfähigkeit unter den Verletzungen von 
erwerblich gleich wichtigen Körperorganen dadurch eine eigen¬ 
artige (ja mau kann sagen einzigartige) Stellung ein, dass jede 
der beiden Hälften, die dasselbe als Ganzes zusammensetzen, 
auch allein für sich ersetzend für das Ganze einzutreten vermag. 
Einseitige Erblindung kann bei den vorwiegend in Betracht 
kommenden Erwerbsgebieten kein dauernd schädigendes 
Moment darstellen. Verfasser unterscheidet ausdrücklich 
zwischen Leistungsfähigkeit und Erwerbsfähig¬ 
keit und erblickt die Hauptaufgabe des ärztlichen Gut¬ 
achtens in der Beurtheilung der verbliebenen Leistungs¬ 
fähigkeit, während die daraus auf die Erwerbsfähig¬ 
keit zu ziehenden Schlüsse wesentlich Aufgabe der Berufs- 
genossenschaften und der weiteren entscheidenden Instanzen sind. 

Auf Grund seiner Erfahrung über die Vervollkommnung des 
monoculären Sehactes bei einäugig Gewordenen kommt Verfasser 
zu dem Satze: „dass, so lange das unverletzte Auge 
normal ist, die Leistungsfähigkeit Einäugiger nach Ablauf 
eines je nach Alter, Intelligenz und Strebsamkeit verschiedenen 
Zeitraums — in maximo ca. 1 Jahr — derjenigen Zweiäugiger 
nicht oder nicht erheblicli nachsteht.“ Dies gilt in gleichem 
Maasse von der Leistungsfähigkeit aller einseitig Augenverletzten, 
bei denen das binoculäre Tiefenschätzungsvermögen aufgehoben 
ist, z. B. bei einseitigem Linsenverlust, einseitiger Beweglichkeits¬ 
störung, so dass ein Auge der Doppelbilder wegen vom Sehact 
ausgeschlossen werden muss. Bei allen einseitigen Sehstörungen, 
wo das binoculäre Tiefenschätzungsvermögen intaet ist, ist die 
Leistungsfähigkeit des Gesammtsehorgans von vornherein über¬ 
haupt nicht gestört. 

Für complicirte Verhältnisse, wenn also das unverletzte Auge 
nicht normal ist, ergeben sich die weiteren Folgerungen aus 
den Erfahrungen, die wir über die erwerbliehe Leistungsfähigkeit 
bei verschiedenen Sehschärfegraden, Refractionsanomalien etc. 
des einzelnen Auges — bei Einäugigkeit des einzigen, bei Zwei- 
äugigkeit. des besten Auges — haben. Addirt man dazu die Nach¬ 
theile, welche sich aus gezwungenem Wechsel der Arbeitsstelle, 
verminderter Gelegenheit zu voller Ausnutzung der vorhandenen 
Leistungsfähigkeit, durch Vorurtheile der Arbeitgeber oder aus 
Rücksicht auf die zu vermeidende Gefahr ergeben, so erhält man 
die reellen Unfallfolgen für die Erwerbsfähig¬ 
keit. Diesen stellt Verfasser die eventuellen Unfall¬ 
folgen gegenüber und versteht darunter: 1. Die Unfallfolgen, 
welche in späterer Zeit als möglich denkbar sind durch Ver¬ 
schlechterung des Zustandes des verletzten Auges. 2. Die Unfall¬ 
folgen, welche als Folgen der Verletzung auch das unverletzte 
andere Auge betreffen können. Hier kommt wohl lediglich die 
sympathische Entzündung in Betracht. Die Ansicht ist zurüek- 
zuweisen, als sei die Gefahr sympathischer Entzündung ein die 
Rente erhöhendes Moment. Eine Gefahr kann nicht durch eine 
Rente entschädigt werden. Die Factoren, welche zu sympathischer 
Erkrankung führen, liegen in anderem, als in einer Berufsthätig- 
keit. Wenn die sympathische Entzündung wirklich ausbricht, 
dann wird die bis dahin eventuelle Unfallfolge reell, dann wird 
sie voll entschädigungspflichtig. 

3. Fasst Verfasser als eventuelle Unfallfolgen auch diejenigen 
Nachthelle in’s Auge, welche der einseitig Verletzte bei Schädi¬ 
gung des unverletzten Auges, gleichgiltig aus welcher Ursache, 
erleiden kann. Auch sie hält er, wenn sie reell werden, für ent¬ 
schädigungspflichtig. 

Für die meisten Berufsarten liegt heute die Sache so, dass 
die für die Einäugigkeit gezahlte Rente keine wirkliche Ent¬ 
schädigung, sondern einen Zuschuss zu dem gegen früher nicht, 
oder nicht wesentlich herabgesetzten Lohn darstellt, so dass sich 
thatsächlich der einäugige Arbeiter vielfach wirthschaftlich besser 
steht als seine unverletzten Collegen. Dies ändert sich, sobald 
das einzige Auge durch nicht entschädigungspflichtige Ursache 
einen schweren Schaden erleidet. Dann wird aus dem gut be¬ 
bezahlten Handwerker ein schlecht bezahlter Taglöhner oder gar 
arbeitsloser Invalide. Es wäre Sache der Berufsgenossenschaft, 
den Versicherten gegen die durch einen Unfall erhöhte weitere 
Unfallgefahr zu versichern. Also bei einseitigen Augenverletz¬ 
ungen, die nur die Sehschärfe eines Auges herabsetzen, hat nach 
Ansicht des Verfassers die Rente keinen Sinn. Die Entschädi¬ 
gungspflicht der Berufsgenossenschaft sollte ruhen, solange die 
Unfallfolgen nur eventuelle bleiben, um sofort beansprucht 
zu w erden, sobald die Nachtheile einen reellen Charakter bekom¬ 
men. Einer Aenderung des Gesetzes bedarf es dazu nicht, nur 
einer Aenderung der Anschauung über die Bestimmungen des 
§ 5 und § 65 des U.-V.-G. 

Diesen Ausführungen sind folgende „Entscheidungen des 
Reichsversichernngsamtes“ nebst den zu Grunde liegenden Ver¬ 
letzungsfällen angefügt: 

1. Ist eine wesentliche Besserung im Sinne des § 65 des 
U.-V.-G. bei einem einseitig Staroperirten in der Besserung des 

Original fro-m 

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16. Januar 1900. 


MÜNCHENer MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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staroperirten Auges zu erblicken? Bejaht. R.-E. vom 15. XI. 1898. 
(Eine 20 proc. Rente war wegen Besserung durch Starglas ge¬ 
strichen, auf Recurs zu 10 Proc. erkannt worden.) 

2. Bei jugendlichen, einseitig Staroperirten mit normalem, 
unverletzten Auge kann trotz Aufhebung des binoculären Seh- 
acts und massiger Schielstellung des operirten Auges mit gelegent- 
licben Doppelbildern eine Rente von 10 Proc. als ausreichend er- 
avlitet werden. R.-E. vom 5. IX. 1898. 

3. Die Verweigerung rechtzeitiger Enueleation begründet bei 
nachfolgender sympathischer Erkrankung nicht die Ablehnung 
völliger Entschädigung der Erwerbsbeschränkung. R.-E. vom 
14. XI. 1898. 

4. Einseitige Herabsetzung der Sehschärfe innerhalb miissiger 

Grenzen bei intacter Leistungsfähigkeit begründet an sich noch 
keinen Anspruch auf Rente. Rente ist keine Risicoprämie. R.-E. 
vom 11. IV. 1899. Rhein- München. 


Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 1. 

1) Zur Jahrhundertwende. 

2) E. v. C z y h 1 a r z - Wien: Beitrag zur Lehre von der Ab¬ 
stammung der Harncylinder. 

C. referirt zunächst über die verschiedenen Anschauungen, 
welche hinsichtlich der Abstammung und Zusammensetzung 
namentlich der hyalinen Cylinder bestehen. Auf Grund eigener 
histologischer Untersuchungen glaubt Verfasser betreffs der 
granulirten Cylinder, dass dieselben aus Detritusmassen ent¬ 
stehen, welche sich in den gewundenen Harncanälchen bei par¬ 
enchymatöser und fettiger Degeneration reichlich linden, wobei 
auch ein starker Zerfall der Epithelien dieser Canälchen zu be¬ 
merken ist. Diese Entstehuugsart gilt aber nicht für alle Fälle. 
Die Nierenepitheleylinder entstehen hauptsächlich durch Des¬ 
quamation der Epithelien in den Sammelröhrchen. Die im Harn 
gefundenen Nierenepithelzellen können aus den oberen, speciell 
den gewundenen Harncanälchen kaum stammen, weil ihre Grösse 
dagegen spricht. 

3) J. H o c h e n e g g - Wien: Zur klinischen Bedeutung der 
Nierendystopie. Ein Fall von operirter Beckenniere. 

Die 52 jährige, mit schweren nervösen Erscheinungen be¬ 
haftete Patientin litt seit Jugend an hartnäckiger Obstipation, 
deren Grad später noch zunahm. Die Untersuchung ergab einen 
piuseeigrossen, glatten Tumor im kleinen Becken, der für ein 
Myom gehalten wurde. Bei dem Versuch einer vaginalen Opera¬ 
tion fand sich der Tumor jedoch retroperitoneal in der Kreuzbcdn- 
höhlung liegend. Daher beschloss II. die Entfernung auf sacralem 
Wege. Der Tumor war eine 3 eckige, gelappte Niere, mit dem 
Hilus nach vorne stehend. Abbindung des letzteren, Entfernung 
des Organs. Während der Wundheihing traten psychische Stö¬ 
rungen auf, schliesslich völlige Heilung mit Verschwinden der 
Obstipation. Verfasser gibt eine anatomische Darlegung über 
diese Form der Beckenniere, die dadurch entsteht, dass die physio¬ 
logisch beim Foetus statttindende Aufwärtswanderung der einen 
oder beider Nieren vom Promontorium bis zur Stelle der Neben¬ 
niere ausbleibt. Das verlagerte Organ kann besonders auch Ge¬ 
burtsstörungen bewirken. Die meist vorhandenen Defaecations- 
störungen beruhen auf Verschiebung des Reetums, wie auch im 
vorliegenden Fall. Die Diagnose wurde bisher nur 1 mal in vivo 
gestellt. Wichtig wäre Ureterensondirung. Für die operative 
Entfernung ist der sacrale Weg entschieden der Laparotomie 
vorzuziehen. 

5) O. Z u c k e r k a n d 1 - Wien: Einige seltenere Con- 
cretionen der menschlichen Hamwege. 

Verfasser beschreibt zuerst 3 Fälle, bei denen Steine in der 
Harnröhre vorhanden waren, wohin sie aus der Blase gelangen 
oder autochthon entstehen. Die Folgen sind zunächst ver¬ 
schiedene Formen von Dysurien. Der eine, mit Erfolg operirte 
Patient war ein erst 3 l / a jähriger Knabe; der 2. Kranke entleerte 
das Concrement (cfr. Abbildungen!) spontan. Für die Diagnose 
sind geknöpfte weiche Bougies zu empfehlen. Andere Steine 
kommen in seltenen Fällen im Praeputium vor. Verfasser be¬ 
schreibt einen solchen Fall bei einem l>3 jährigen Kranken, ferner 
Befund und Operation bei einem Harnleiterblasenstein (55 jährige 
Frau), der radiographisch sichtbar gemacht werden konnte. Be¬ 
merkenswerth ist die Form („Hantel“) dieser Steine. Selten fin¬ 
den sich Concremente im Ureter. 

6) M. S e h 1 i f k a- Wien: Ein neues Cystoskop zum Kathe¬ 
terismus der Ureteren. 

Bezüglich Abbildung und Beschreibung des Instruments, das 
nach dem Princip des C a s p e r’schen Ureterencystokops con- 
struirt ist, verweist Referent auf das Original. 

Dr. Grassmann - München. 

Wiener medicinische Wochenschrift. 1899. No. 51, 52. 

S. Pechkranz -Warschau: Albuminurie und acute diffuse 
Nephritis im Verlauf einiger Hautkrankheiten. 

S. hat bei 128 männlichen Skabieskranken, vorwiegend im 
Alter von 9—20 Jahren, mit mehr oder weniger starkem Kratz¬ 
ekzem vor Einleitung irgend einer Therapie den Urin untersucht 
und bei 24 Albuminurie, bis zu 2 Prom., nachweisen können. 

Ibidem 1900, No. 1. 

W. S c h o e n : Her Einfluss der Beizung auf die Localisation 
von Allgemeinleiden im Auge. 

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Wir können hier nicht näher auf den Gedankengang des Ver¬ 
fassers eingehen und müssen uns mit der Wiedergabe seiner 
Hauptsätze begnügen. Der Symptomencoinplex: häufiger Lid- 
schiag, Thräneu und Drücken im Auge, welcher in so vielen Fällen 
für genügend zur Diagnose Conjunctivitis erachtet, und gegen den 
die Therapie mit mancherlei Mitteln vorgeht, ist, abgesehen von 
den Fällen, wo chemische, thermische, Fremdkörper- oder Licht¬ 
reize vorliegen, in den meisten Fällen nichts anderes als ein dis- 
ponireuder Roizzustand in Folge von Accomodatiousaiiomalien, 
Ametropie, Astigmatismus, Insul'fieienz. „Alle Leute mit länger 
dauernder, öfters wiederkehrender oder chronischer Conjuncti¬ 
vitis sind Hypermetropen, Astignmtiker, Presbyopen oder leiden 
an Insufficienz.“ Diejenigen Kinder erkranken an Lid- und Horn¬ 
hautekzem, bei welchen jene Reizung die Eiubruehspforte schafft, 
d. h. die hypcrmctropischen und astigmatischen, bei den arnetro- 
pisclien locallsiren sich Masern und Scharlach auf der Conjunc- 
tiva. Auch die Cataracta diabetica kommt nur bei solchen Dia¬ 
betikern zu Stande, welche gleichzeitig an Ametropie oder In- 
sufficienz leiden.“ Die Unterlassung der Refractionsprüfung und 
der Ausgleichung der Fehler bei jeder vermeintlichen Bindehaut¬ 
entzündung und jeder Ekzemkeratitis ist „geradezu ein Kunst¬ 
fehler“. 

S e h r w a 1 d - Freiburg i. B.: Zur Behandlung der Gehirn - 
hyperaemie. 

Bei einem Fall mit bedrohlichen Hitzsclilagersclieinungen 
hat S. nach Fehlschlagen anderer Mittel einen raschen und an¬ 
haltend günstigen Erfolg erzielt, indem er beide Beine und die 
untere Rumpfiiülfte in Leintücher einschlug, welche iu sehr 
heisses Wasser getaucht waren. Darauf legte er dicke wollene 
Decken und erzielte einen lebhaften Selnveissausbrueh, dem er 
den günstigen Effect zumisst. 

Ibidem No. 2. 

L. llaskovec - Prag: Neue Beiträge zur Pathogenese der 
Basedow'sehen Krankheit. 

Durch intravenöse Injectiou wässerigen frischen Schild- 
drüsenextracts wird bei Hunden vorübergehende Tacliycardie er¬ 
zielt, welche auch nach Atropindosen und nach Durchschneiduug 
der N .vagi nicht ausbleibt. Dagegen kommt die Pulsbesclileuni- 
gung nicht zu Stande, wenn vor der Injection das Rückenmark 
an der Stelle durchschnitten wird, wo die Accelerationsfasern 
nach dem Ganglion stellatum abgehen. Verfasser schliesst dar¬ 
aus, dass bei seinen Versuchen die Tacliycardie durch Reizung 
des Nervus aceelernns entstanden ist. 

E. M e i u e r t - Dresden: Ueber die Beweglichkeit der 
zehnten Bippe als angebliches Merkmal vorhandener Entero- 
ptose. 

Stiller hatte der „Corta fluctuans decirna“ die im Titel be- 
zeiclinete pathognomonisclie Bedeutung zugeschrieben. Diese 
stellt M e i n e r t bestimmt in Abrede auf Grund klinischer und 
anatomischer Studien, welche eine grosse Verschieblichkeit der 
X. Rippe als einen normalen Befund (90 :100) ergaben. 

Wiener klinische Rundschau. 1899. No. 51—53. 

O. Kukula - Prag: Beitrag zur Pathologie und Therapie 
der Schussverletzungen des Magens. 

Dass Verfasser auf Grund seiner, allerdings meist ältere Fälle 
umfassenden Statistik einem möglichst frühzeitigen operativen 
Eingreifen das Wort redet, bedarf fast nicht der Erwähnung. 
Bemerkenswert!! ist, dass er bei 2 Kranken in dem direct ent¬ 
nommenen Mageninhalt das Bact. lactis aerogenes nachweisen 
konnte. Inwieweit dieses für die Entstehung einer Perforations¬ 
peritonitis beim Menschen in Betracht kommt, Ist noch unent¬ 
schieden. Bei einem Kaninchen entwickelte sich nach intra- 
peritonealer Injection eine sero-fibrinöse Peritonitis. Dem Magen¬ 
safte scheinen antiseptische Eigenschaften nicht in dem ihm zu¬ 
geschriebenen hohen Grade eigen zu sein. 

Ibidem No. 2. 

P. Möbius: Ueber das mathematische Talent. 

Aehnlich der musikalischen Begabung gibt es auch ein be¬ 
sonderes mathematisches Talent, das an manchen Personen in 
hervorragendem Maasse zur Entwicklung gelangt, anderen, auch 
sonst geistig hochstehenden, völlig versagt ist, den Frauen im All- 
gmeinen fast ganz zu fehlen scheint. Schon Gail hat versucht, 
einen gewissen Typus der Gesichtsbildung als den körperlichen 
Ausdruck dieser specifischen Fähigkeit aufzustellen. Moebius 
hat neuerdings den Gegenstand aufgegriffen und erklärt, G a 1 l’s 
Angaben bestätigend, eine bestimmte ungewöhnlich starke Ent¬ 
wicklung des äusseren Augenhöhlenwinkels, der Stirnecke, als 
bezeichnend für die mathematische Begabung. Besonders die 
linke Seite zeichne sich charakteristisch aus. Als das cerebrale 
Centrum des mathematischen Talentes lasse sich mit Wahr 
scheinlichkeit der vordere Theil der dritten Stirnwindung an¬ 
nehmen, deren starke Ausbildung dem Bau der Stirnecke das be¬ 
zeichnende Gepräge verleihe. B e r g e a t - München. 

Prager medicinische Wochenschrift. 1899. No. 52. 

A. P o s s e 11 - Innsbruck: Zur vergleichenden Pathologie 
der Bronchitis flbrinosa und des Asthma bronchiale. 

Die umfangreiche Arbeit führt zu folgenden Schlüssen: 

Es Ist nicht gerechtfertigt, die Bronchitis flbrinosa nur als 
eine Steigerung des asthmatischen Proeesses aufzufassen, sie ist 
eine völlig unabhängige Erkrankung. Es gibt eine selten auf¬ 
tretende, gewöhnlich chronisch verlaufende, reine Form dieser 

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100 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


Bronchitis ohne jedes Asthmasymptom, bei welcher das Sputum 
fast nur aus Fibrin besteht mit sehr spärlichen Zellelementen 
und Schleimbeimengungen; daun eine zweite, mit Asthma com- 
plicirte Form, welche im Sputum sehr zelleureiche Gerinnsel mit 
Krystallbildung und Spiralen sowie reichlichere Schleim¬ 
beimengung: aufweist. Der Verlauf ist mehr acut und schwerer. 

Französische Literatur. 

Lannois und Paviot, ausserordentl. Professoren zu Lyon: 
Herdförmige Sklerose in Folge einer tuberculösen Schulter¬ 
gelenksentzündung. (Revue de m^deeine, August 1899.) 

Die 46jährige Patientin war seit ihrem 18. Lebensjahre mit 
einer alten Tuberculose des rechten Schultergelenkes behaftet, 
welche sich lange Zeit in fast torpider Weise dahin zog, es traten 
im Alter von 44 Jahren allmählich zunehmende Lähmungserschein¬ 
ungen der rechten Körperhälfte auf, wobei das Gesicht (Facialis) 
unversehrt blieb, die Sehnenreflexe erhöht waren und epileptoide 
Krämpfe sich einst eilten. Die Erscheinungen bulbürer Affection 
traten erst gegen Ende der Krankheit ein, ebenso wie die Störungen 
der linken Seite, so dass zu Lebzeiten vor Allem eine Neuritis an¬ 
genommen wurde, welche auch im Rückenmark eine mehr oder 
weniger diffuse irritirende Laesion verursacht hatte. Erst bei der 
genauen Autopsie wurde die richtige Diagnose gestellt. Was die 
beiden Autoren als Resume ihres Falles besonders hervorhoben, 
ist die grosse Rolle, welche lnfectionen bei der Aetiologie der herd¬ 
förmigen Sklerose spielen, es scheint ihnen nicht zweifelhaft, 
dass dieselbe hier unter dem Einfluss der Schulteraffeetion ent¬ 
stand und fügen die Tuberculose als aetiologisches Moment jenen 
Fällen zu, wo Typhus, Blattern, Masern, Scharlach, Cholera u. s. w. 
ursprünglich die Sklerose verursacht haben, 

H. Daucliez: Meningismus und Meningitis abortiva. (Revue 
mensuellc des maladies de l’enfanee, August 1899.) 

Unter Meningismus versteht man eine Summe klinischer Er¬ 
scheinungen, welche unabhängig von jeder wirklichen Laesion der 
Meningen, auf dynamische und functionelle Störungen der Gehirn- 
und Gehirnhaut-Circulation zurückzuf(ihren ist und mit wahrer 
Meningitis nicht verwechselt werden darf. Der Meningismus ist aus¬ 
gezeichnet durch die ncuropathische Anlage des befallenen Indi¬ 
viduums (Hysterie), durch den plötzlichen Beginn, die fast absolute 
Apyrexie, die Regelmässigkeit des Pulses, Geringfügigkeit derllaupt- 
symptome der Meningitis (Fieber, Verstopfung, Erbrechen'), von 
welchen einige meist fehlen, durch die Dauer, welche entweder 
kürzer oder länger wie die der Meningitis ist, und schliesslich den 
Ausgang, welcher stets ein günstiger ist. D. beschreibt .‘5 Fälle von 
solchem Meningismus, von welchen der erste hei einem einjährigen 
Kinde im Verlaufe einer Influenza-Enteritis mit gleichzeitigem poly¬ 
morphem Erythem vorkam, die zwei weiteren Fälle nach Influenza 
resp. Pneumonie sich einstellten; letzterer endete schliesslich mit 
wirklicher Meningitis und Tod. Bei dem Meningismus oder der 
abortiven Meningitis handelt es sich, wie die 3 Fälle beweisen, 
meist um infectiöseu Ursprung, wobei jedoch eine neuropathische 
Disposition mit vorhanden ist. Beim hysterischen Meningismus 
fehlt die Leukoeytose (Hayem), die Erdphosphate und Alkalien 
vermindern sich im Allgemeinen bei der sogen, falschen Meningitis 
im Verhültniss von 1: 2 oder 1:1 statt 1: 3 (bei der wirklichen 
Meningitis). In zwei Tabellen sind die Differentialmerkmale dieser 
beiden Affectionen übersichtlich einander gegenüber gestellt. 

M. Marfan: Die diphtheritische Lähmung. (Annales de 
medecine et Chirurgie infantiles, August 1899.) 

In dem einen der zwei Fälle, welche M. beobachtete und genau 
beschreibt, war die Lähmung des weichen Gaumens einige Tage 
nach dem primären Leiden, in dem zweiten erst 14 Tage nach der 
Heilung des Halsleidens eingetreten. In dem ersten Fall war die 
Lähmung ziemlich gutartiger Natur und ging nach 14 Tagen zurück, 
in dem zweiten trat nach 1 Monat erst Heilung ein; es war com- 
plete Lähmung des Gaumensegels und beinahe vollständige Dys¬ 
phagie, Lähmung der Nackenmuskeln, unvollständige Lähmung der 
Uiiterextreinitäton mit atactischem Gang und Aufhebung des Patellar- 
reflexes vorhanden. Die Ernährung mit der Sonde war nicht noth- 
wendig, sondern die Anwendung des galvanischen Stromes hat rasch 
die Lähmung der Schhindmusculatur beseitigt. M. glaubt nun, dass 
die erster», leichtere Art der Lähmung durch die Wirkung der Diph¬ 
theriegifte auf das centrale und periphere Nervensystem, die auf 
dem Wege der Blutgefässe ergriffen würden, entstehe, während bei 
der zweiten, schwereren Form das Gift langsam vom Rachen in das 
verlängerte Mark vermittels der eentripetalen Nerven, wie die Toxine 
der Hundswuth und des Tetanus, gelange. Im verlängerten Mark 
angelangt, verbreite sich das Gift durch die Nerven oder den Liquor 
cerebrospinalis auf das Rückenmark und von da auf die peripheren 
Nerven. Marfan ist jedoch nicht der Ansicht, dass die letztere, 
schwere Form, wie Mya glaubt, speeiell die Folge der zu spät oder 
ungenügend behandelten Diphtherie sei und die gutartige Form nur 
bei den geeignet behandelten Fällen vorkomme. Beide vorliegende 
Fälle wurden nicht mit Heilserum behandelt und nach Marfan 
sprechen dieselben insofern auch günstig für die Anwendung des 
Serums, als er glaubt, dass seit und mit Anwendung dieses Mittels 
die Zahl der diphtheritischen Lähmungen abgenommen habe. Die 
zwei wirksamsten Mittel der letzteren sind die Elektricität (täglich 
einmal Faradisirung bei den gutartigen, Galvanisirung bei den 


schwereren Fällen) und die Nux vomica (Tinctura strychni 5 —15 
Tropfen täglich); bei ausgesprochenen Schlingbeschwerden gibt 
man den Kranken nur halbflüssige Nahrung, stimulirende Mittel 
u. a, m. 

E. Lefas: Die Veränderungen des Pankreas bei Nephritis. 

(Presse medicale, No. 51, 1899.) 

Die Fälle von Nephritis, welche L. in dieser Beziehung studirt 
hat, waren solche von Syphilis des Neugeborenen, bei Bleivergiftung 
und Diabetes, Bright’sclier Krankheit, Amyloiddegeneration. Die 
Veränderungen des Pankreas vertheilen sich in solche der Zellen 
(trübe Schwellung, Coagulationsnekrose, in manchen Fällen fettige 
und amyloide Degeneration) und der Gefässe (Endarteriitis oder 
Endophlebitis der kleineren Gefässe); fast constant besteht aus¬ 
gesprochene Congestion in den Venen, die Veränderungen der Ca- 
pillaren im Verein mit Hyperaemie und Oedern des interstitiellen 
Bindegewebes wurden bei der Heredosyphilis beobachtet. Die secer- 
nirenden Canäle selbst zeigen in der Regel entweder keine oder 
nur geringfügige Veränderungen. Im Allgemeinen gehen die Ver¬ 
änderungen des Pankreas sowohl der Zeit wie dem Grad nach 
Hand in Hand mit jenen der Nieren, ist bei ersterem bereits Skle¬ 
rose eingetreten, so fehlt sie auch nicht bei den Nieren. Die Be¬ 
deutung der verschiedenen Veränderungen am Pankreas ist nun 
ziemlich verschieden: die Zell Veränderungen, wie Coagulations-, 
fettige Nekrose, amyloide Degeneration, hängen speeiell mit Auto 
intoxication zusammen, die Veränderungen der Gefässe und des 
Bindegewebes, Sklerose, (ledern u s. w. müssten der Wirkung des 
primären Processes, welcher die Nephritis verursacht und gleicher¬ 
weise das Pankreas beeinflusst, zugeschrieben werden. Was nun 
den e : gcntlichen Einfluss der Pankreasveränderungen auf den Sym- 
ptoinencomplex der Nephritis betrifft, so glaubt L. mit Klippel, 
dasH sie jedenfalls von Bedeutung für die (infectiöse) Uraemie sind 
und besonde rs die dabei vorkommenden Verdauungsstörungen von 
der Erkrankung des Pankreas abhängen. 

Paul Berger: Männliche Osteomalacie mit ausserordent¬ 
lich schweren Skelettveränderungen. (Presse mödicale No. 52, 
1899.1 

Der seltene Fall von männlicher Osteomalacie, welcher einen 
20jährigen Mann betraf und radiographisch (3 der Bilder sind 
wiedergegeben) studirt wurde, ist in seinem ganzen Verlauf genau 
beschrieben. Die Krankheit wurde von keiner Art Medication, 
weder P, Leberthran, Glycerophosphaten u. s. w. beeinflusst, der 
progressive Verlauf ist ein unaufhaltsamer und das deletäre Ende 
vorauszusehen. Der Gedanke, die doppelseitige Castration, welche 
leim Weibe viel Erfolg gegeben, vorzunehmen, scheiterte an dem 
Zustande des Patienten (Nephritis). 

Prof. Chantemesse und E. Rey: Die leukocytäre Formel 
beim Erysipel. (Ibidem.) 

Aus der durch eine Reihe von Curventafeln verständlich ge¬ 
machten Arbeit geht hervor, dass der Reichthum an Leukocyten, 
besonders vielkernigen, im Blute beim Erysipel in directem Zu¬ 
sammenhang mit der Schwere der Krankheit steht. Man kann 
also beim Erysipel nicht wie bei vielen Infectionskrankheiten (z. B. 
Pneumonie) eine günstige Prognose aus der Hyperleukocytose stellen. 
Die Zahl der weissen Blutkörperchen steht in directem Verhältnis 
zu der Menge der Toxine. Wenn der Erfolg dieser phagocytären 
Invasion nicht direct heilend ist. so liegt beim Erysipel die Todes¬ 
ursache nicht in der Blutinfection, sondern meist in Organverände¬ 
rungen und speeiell der Entwicklung einer Streptococcencultur in¬ 
nerhalb des Gehirns des Rückenmarks. Ist die Reincultur ent¬ 
wickelt, so wirkt der Mikroorganismus direct auf die nervösen 
Centralorgane durch seine Secrete und die Hyperleukocytose ist 
nur ein äusserster, machtloser Vertheidigungsact. 

Fringuet: Eine Ikterusepidemie bei Kindern. (Presse 
mödicale, No. 53, 1899.) 

Bei 7 Kindern im Alter von 7—13 Jahren, welche die gleiche 
Schule besuchten, aber von verschiedenen Orten stammten, beob¬ 
achtete Fr. kurz hintereinander das Auftreten von Ikterus, wobei 
die Symptome fast immer die gleichen waren: Anfangs allgemeine 
Schwäche, Appetitlosigkeit, Verdauungsbesehwerden, Uebelkeit, Er¬ 
brechen, Nasenbluten, nach 4—5 Tagen ikterische Verfärbung der 
Haut, die Leber war fast immer hypertrophisch, auffallend war die 
Pulsverlangsamung (bei dreien der Patienten), welche selbst noch 
bestand, nachdem die Leber die normale Grösse wieder angenom¬ 
men hatte. Die Behandlung bestand in Purgantien und Salol, 
Vichysalz, Milch. Die Prognose der Krankheit ist stets eine gute, 
von allen Symptomen verschwindet der Ikterue am langsamsten 
(8 — 10 Tage nach der völligen Reconvaiescenz). Ueber Ursprung 
und Ursache dieser Epidemie, welche noch mehr Kinder ergriff, 
konnte Nichts ermittelt werden; die meisten Kinder waren bis zu 
dieser Krankheit gesund gewesen, Influenza oder Typhus damals 
nicht vorhanden. 

Roger und Garnier: Ein Fall von gangraenöser Brust¬ 
entzündung. (Presse mödicale, No. 58, 1899.) 

Der Fall betraf eine 17jährige Frau, welche rechtzeitig ent¬ 
bunden hat. Schon zur Zeit der Schwangerschaft war die linke 
Brust entzündet, später ulcerirt und es trat trotz aufmerksamer Be¬ 
handlung theihveise Gangraen ein. Am 7. Tage nach der Ent¬ 
bindung stellte sich als weitere Complication Scharlach ein, welcher 
Anfangs schweren Charakter zeigte, aber bald auf Kaltwasserbehand¬ 
lung wich; die Wunde an der Brust brauchte ca. 3 Wochen bis zur 


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10. Januar 1900. 


MÖNCH EN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


101 


völligen Heilung. Nach der bacteriologiselieii Untersuchung lag 
hier ein ganz ßpecifischer Bacillus zu Grunde. Die (iangraen der 
Brust scheint übrigens beim Menschen ausserordentlich selten zu 
sein; bei Thieren kommt sie häufiger vor. Bei der rntersnchung 
von 22 Fällen von Mammitis bei Kühen fandLoicet 10 mal Mikro- 
coccen, welche mit jenen im vorliegenden Falle eine gewisse Aehn- 
lichkeit haben; aber aus den vergleichenden Studien von Roger 
und Garnier ergibt sich, dass der bei der Mammitis des Menschen 
gefundene Mikroorganismus eine gewisse Individualität bewahrt 
und seine culturellen Eigenschaften wie die pathogene Wirkung 
für die Versuchsthiere ihn mit anderen ähnlichen Arten nicht ver¬ 
wechseln lassen. 

M. H. Vincent: B&cteriologische Untersuchungen über 
die Angina mit dem Bacillus fusiformis. (Annales de l’institut 
Pasteur, August 1899.) 

Die in Rede stehende Affection, welche V. seit dem Jahre 1893 
zu beobachten Gelegenheit hatte, steht den Fällen von pseudo¬ 
membranöser Angina, welche die Diphtherie simuliren können, 
nahe; sie ist in der That, besonders am Anfänge, durch ein weiss- 
graues, speckiges Exsudat, welches sich auf der Oberfläche der 
Tonsillen bildet, ausgezeichnet. Sie ist von Adenitis, oft ziemlich 
ausgesprochener, von Dysphagie, Fieber, begleitet und zeigt so die 
Hauptsymptome der diphtheritischen Angina. Sie ist jedoch von 
einem charakteristischen Bacillus, der leicht von dem Lö f f le L r'schen 
zu unterscheiden ist, abhängig. Es gibt wieder zweierlei Arten 
dieser Angina, je nachdem der Bacillus für sich allein oder mit 
einem anderen assoeiirt vorkommt. In dem ersteren Falle ist die 
Affection eine diphtheroide, bei welcher die Pseudomembran eine 
unbedeutende oder leichte Exulceration bedeckt, diese Form ist 
die weniger gewöhnliche und ähnelt völlig der Diphtherie. Bei der 
zweiten Form wird die diphtheroide eecundär eine geschwürig- 
membranöse. Die Diagnose dieser Affection, welche bei Kindern 
einen sehr schweren Verlauf haben kann, bei Erwachsenen meist 
günstige Prognose hat, gründet sich vor Allen auf mikroskopischer 
Untersuchung. Der Bacillus fusiformis (spindelförmig) wird wegen 
seiner an beiden Enden verdünnten und in der Mitte ziemlich 
dicken Form so genannt; er hat eine Länge von ca. 8—42 p, ist 
also viel grösser und ganz anders geformt als der Löf fl er'sehe 
Bacillus, er färbt sich leicht mit Anilinfarben (Thionin, Ziehl’scher 
Lösung), nicht aber nach Gram und Weigert wieder im Gegen¬ 
satz zum Diphtheriebabillus. Die Culturversuche dieses Bacillus 
sind weder bei noch ohne Luftzutritt bis jetzt gelungen, ebenso¬ 
wenig Ueberimpfungen auf Thiere. Bei der ulcero-membranösen, 
der häufigeren Form der Affection ist dieser Bacillus mit einer Art 
von Spirillen, welche oft sehr zahlreich sind, associrt. Er kann 
auch bei gewissen Eiterungen in der Nähe der Mundhöhle Vor¬ 
kommen (Oberkieferempyem nach Lichtwitz und Sabraz&s). 
Am Schlüsse der mit 2 Abbildungen versehenen Arbeit führt V. 
an, dass sowohl vom klinischen wie bacteriologisehen Standpunkt 
aus zwischen dieser Ilalsaffection und dem jetzt beinahe ganz ver¬ 
schwundenen Hospitalsbrand grosse Aehnlichkeit besteht. Beide 
Affectionen sind durch die Bildung einer Membran charakterisirt, 
die Analogie geht sogar bis zur Aehnlichkeit der Baeterienarten bei 
beiden Leiden, nur der eine Unterschied ist vorhanden, dass beim 
Hospitalsbrand die Drüsen nicht geschwellt sind. Die Frage, ob 
es sich um ein und dasselbe Leiden, welches hier im Rachen, dort 
an der Oberfläche einer chirurgischen oder zufälligen Wunde sich 
loealisirt, handelt, muss noch eine offene bleiben, da die Rein- 
cultnr der Bacillen für beide Affectionen trotz zahlreicher Versuche 
noch nicht geglückt ist. 

Elmassian: Ein Bacillus der Athemwege und seine Be¬ 
ziehungen zu dem Pf eiffer’schen (Influenza-) Bacillus. (Ibid.). 

E. wurde im Laufe seiner Untersuchungen über die Aetiologie 
des Keuchhustens auf einen kleinen, feinen Bacillus aufmerksam, 
welcher mit dem von Pfeiffer gefundenen Influenzabacillus die 
grösste Aehnlichkeit hatte und nur durch die Art der Reineultur 
auf Serum von demselben verschieden war. Unter 32 Fällen von 
Keuchhusten wurde der fragliche Bacillus 8mal im Bronchialsecret 
isolirt, jedoch auch in Fällen acuter Bronchitis ohne Keuchhusten 
bei Erwachsenen und Kindern gefunden, so dass ihm E. eine aetio- 
logische Bedeutung für den Keuchhusten nicht beimisst. Anderer¬ 
seits untersuchte er das Bronchialsecret von 6 Influenzakranken 
und fand bei 3 derselben den Pfeifferschen Bacillus, welcher all’ 
die von dem Entdecker hervorgehobenen Eigenschaften zeigte und 
völlig identisch mit dem obigen Bacilhn war. E. glaubt daher, dass 
der Pfeif fer’sehe Bacillus, dessen Rolle bei der Influenza nur eine 
sehr wahrscheinliche und nicht völlig bewiesene sei, einer Bacterien- 
art angehöre, welche saprophytisch auf der Schleimhaut der Athem- 
wege'existire, ähnlich wie der Pneumococcus. Dieser Mikroorganismus 
vermehrt sich und kann im Laufe anderer Infectionen der Lungen- 
luftröhrenßchleimhaut (Pneumonie, Keuchhusten u. s. w.) pathogen 
werden. Mit dieser Erklärung, welcher eine längere Beweisführung 
vorausgeht, würde E. die von ihm gefundenen Thatsachen für ver¬ 
einbar halten. 

P o 11 e v i n : Die Saccharlflcation des Stärkemehles. (Ibid.) 

Aus den eingehenden, mit genauen Berechnungen versehenen 
Untersuchungen geht hervor, dass das Stärkekömehen, welches 
physikalisch eine heterogene Masse bildet, nach der Gelatinisation 
heterogen bleibt; die weniger cohärenten Theile geben eine Stärke- 
masse, welche sich rasch in Dextrin und Zucker umwandelt. Die mehr 

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cohärenten Theile geben eine Masse, welche sich nur langsam in 
Dextrin und Zucker umbildet, sie stellen die Residualdextrine dar, 
welche nicht unangreifbar, aber jedenfalls schwer bei jeder am 
Ende angelangten Sacclmrification zu verändern sind. 

Malvoz: Ueber das Vorhandensein speciflscher Agglu- 
tinine in den Bacterienculturen. (Ibid.) 

Lambotte und Marechal: Die Agglutination des Milz¬ 
brandbacillus durch das normale Menschenserum. (Ibid.) 

Gengou: Die Beziehungen zwischen Agglutininen und 
Lysinen. (Ibid.) 

Die 3 Arbeiten, welche aus dem pathologisch bacteriologischen 
Institut von Liege hervorgehen, suchen im Grundprincip und als 
Ergebnis« aller Forschungen, zu welchen der Milzbraiidbacillus und 
dessen Reinculturen gewählt wurden, das Wesen der Agglutination 
zu ergründen. Lambotte und Marechal fanden, dass das 
Serum von Menschen, gesunden oder an allen möglichen Affec¬ 
tionen (Tuberculose, Pneumonie, spastische Paralyse, Nephritis 
u. s. w) erkrankten, den Milzbrandbacillus agglutinire und zwar in 
solcher Verdünnung, dass man das Serum in diesen Fällen als 
wirklich specifisch ansehen könnte. Alan muss also beim Milz¬ 
brand bezüglich der Serumdiagnose sehr vorsichtig sein. Malvoz 
schliesst aus seinen Versuchen, dass, beim Milzbrand wenigstens, 
die agglutinirende Eigenschaft des Serums, nicht wie die präven¬ 
tive oder antitoxische, aus Reactioncn der Zellen hervorgehe, 
sondern aus einer ganz speciellen Thätigkeit der Organe unter 
dem Einflüsse der Baeterien oder deren Producto, deren Natur wir 
nicht kennen, die aber in Gegenwart gewisser Substanzen wie 
Bouillon u. s. w. ein die Baeterien umhüllendes Coagulum oder 
eine specielle Klebrigkeit (der Bncterienstäbchen) bilden. Am ein¬ 
gehendsten studirte Gengou die Agglutination speciell beim Milz¬ 
brand, auch seine Untersuchungen schliessen dahin, dass dieselbe 
keine Erscheinung ist, welche bei der Immunität und der Selbst- 
vertheidigung des Organismus die Rolle spielt, welche ihr noch 
vor Kurzem von Grube r u. A. zugeschrieben wurde. Es besteht 
weder zwischen natürlicher Immunität und Agglutination noch 
zwischen bactericider Eigenschaft eines Serums und der letzteren 
irgend ein Zusammenhang. Die bactericiden Körper und die Anti¬ 
körper entstehen aur. den Zellen des Organismus, sei es im Blut 
oder in gewissen Organen (Milz, Knochenmark), die Agglutinine des 
Milzbrands scheinen keinesfalls diesen Ursprung zu haben und die 
Zellen vielmehr eine ganz passive Rolle dabei zu spielen. 

Stern-München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität Berlin. October 1899. (Nachtrag.) 

51. Schw arzweiss Leo: Die Augenheilkunde des Alcoatim aus 
dein Jahre 1159 (Theil V). 

November 1899. 

52. Gasteazoro Mariano: Ueber den Lupus und dessen Behänd 
lang. 

53. Elia sc he ff Israel: Zur Casuistik der Hirntumoren im Säug¬ 
lingsalter. 

December 1899. 

54/Windmüller Ernst: Die Augenheilkunde des Alcoatim aus 
dem Jahre 1159 (Tractat IV). 

55. Allard Eduard: Die Augenheilkunde des Alcoatim aus dem 
Jahre 1159 (Theil VI). Zum ersten Male in’s Deutsche übersetzt. 

56. Tb ure -Brandt Aimö: Zur manuellen Therapie der Wander¬ 
niere. 

Universität Bonn. December 1899. 

21. Wiese Wilhelm: Ueber Strumectomien. 

22. Corsten Joseph: Ueber das Verhalten der elastischen Fasern 
in den Arterien bei der Arteriosklerose. 

Universität Breslau. November und December 1899. 

28. Deckart P.: Ueber Ileus in Folge von Thrombose oder Embolie 
der Mescntorialgcfflsse. 

29. Stabr Hermann: Der Lymphappar.it der Nieren. 

30. Brey er Anton: Die praktische Verwerthung des Pyramidons 
als fieberwidrigen und schmerzstillenden Mittels. 

31. Leipziger Richard: Ueber Stoffwcchselversuclie mit Edestin. 

32. Bib e rf e 1 d David: Ueber die Druekverhältnisse in der Schleich- 
schen Quaddel. 

33. Ostermann Arthur: Die Ergebnisse der Behandlung der 
Diphtherie mit Heilserum in der kgl. Medicinischen Klinik zu 
Breslau. 

34. Niemczyk Richard Emanuel: lieber teratoide Geschwülste 
der Mund- und Rachenhöhle. 

35. Saloschin N.: Ueber Ozaena und ihre Combination mit Nasen¬ 
polypen. 

Universität Erlangen. December 1899. 

39. Naegelsbach Wilhelm: Ueber die während der letzten 12 Jahre 
in der Erlanger chirurgischen Klinik zur Behandlung gelangten 
Oberkieferturaoren. 

Original fro-m 

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102 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


Universität Freiburg. December 1899. 

56. ]) o b b e r k e Frederik Carel: Ueber vocal- und instrumental- 
musikalisclie Störungen bei der Aphasie. 

57. Schäfer Paul: Ein Fall von Bulbärlähmung mit Beiheiligung 
der Extremitäten ohne anatomischen Befund. 

58. Natterer Martin: Ueber Irradialionshallucinationen. 

Universität Giessen. November und December 1899. 

23. Seybold Carl: Ueber das Melanom. 

24. Riegel Alfred: Ueber die Myome der Harnblase. 

25. M ä u s e r t Adolf : Zur Casuistik der Vena cava superior sinistra 
und der einen Spitzenlappen der rechten Lunge abschnürenden 
Anomalie der Vena azygos. 

26. K 1 e w i t z Karl: Zur Casuistik der primären Fibromyome des 
Beckenbindegewebes. 

27. Hegar Karl: Embryom oder Dermoid des Beckenbindegewebes? 

28. Berberich Emil: Eine Epidemie von acutem Erythem bei 
Kindern in der Umgebung von Giessen. (Erythema infectiosum 
acutum.) 

Universität Halle. December 1899. 

11. Barthel Reinhold: Ueber Geburten nach Vagino* und Vesico* 
fixatio uteri. 

12. Nuernberg Franz: Ueber chronische Invagination. 

13. Scheunemann Emil: Ueber den Einfluss heisser Bäder auf 
den Gaswechsel beim Menschen. 

Universität Heidelberg. December 1899. 

31. Die hl August: Ueber die Eigenschaften der Schrift bei Ge' 
sunden. 

32. Haas Reinhard: Ueber Trepanation bei Hirntumoren. 

Universität Jena. December 1899. (Nichts erschienen.) 

Universität Leipzig. August bis November 1899. 

47. Hahn Robert: lieber das Wesen und die Ursache der im An¬ 
schlüsse an die Narkose auftretenden Lungenentzündungen. 

48. IkedaHideo: Ueber die Resection des Darms bei Ileus mittels 
des Murphyknopfes. 

49. Röper Wilhelm: Ueber die Ursachen des Todes bei Morbus 
Basedowii und über den acuten Verlauf desselben. 

50. Schlesier Hans: Die Gastroenterostomie und ihre Anwendung 
in der chirurgischen Universitätsklinik zu Leipzig seit 1895. 

51. Schmidt Diedrich: Ein Fall von isolirter Chorioidealruptur 
bei Stich Verletzung des Auges. 

Universität Marburg. December 1899. 

29 Schmidt Otto: Ueber operative Behandlung der Epilepsie im 
Anschluss an zwei in der Marburger chirurgischen Klinik 
operirte Fälle. 

30. Hellenthal Wilh.: Ueber traumatische Darmrupturen und 
ihre Beziehungen zu Brüchen. 

31. Zillassen Otto: Ueber Erkältung als Krankheitsursache. 

Universität München. December 1899. 

114. Hammelbacher Angelo: Ueber Radicaloperationen von 
Inguinalhernien im Kindesalter. Mit 1 Abbildung. 

115. Bachauer Josef: Ein Fall von künstlicher Frühgeburt mittels 
des Metreurynters. 

116. Mindak Paul: Ueber einen Fall von Otitis media purulenta 
acuta nach Influenza. 

117. Albert Ludwig: Ueber Tuberculose der platten Schädel¬ 
knochen. 

118. HertkornR.: Ein Fall von cystösem Gliom der rechtseitigen 
Corpora quadrigemina. 

119. Wiedemann Georg: Ueber trophische Störungen bei Tabes 
dorsalis im Anschlus an einen Fall von Mal perforant du pied. 

120. Feurer Otto: Ueber einen Fall von Gallertkrebs des Darms. 

121. Zink Franz: Ein Fall von traumatischer retroperitonealer 
Ruptur des Duodenums ohne Verletzung der Bauchdecken. 

Universität Strassburg. December 1899. 

33. Sc hi ekele Gustav: Beiträge zur Morphologie und Entwicklung 
der normalen und überzähligen Milchdrüsen. 

34. Bernhardt Paul: Die Radicaloperation der Leistenbrüche nach 
Kochers Verlagerungsmethode. 

35. Reeb Moritz: Weitere Untersuchungen über die wirksamen 
Bestandtheile des Goldlacks (Cheiranthus Cheiri L.). 

36. Hoch Albert: Ueber Inversio uteri nebst Mittheilung eines 
Falles von Inversio uteri completa, complicirt mit Prolapsus 
uteri totalis, geheilt durch Totalexstirpation per vaginam. 

Universität Tübingen. November und December 1899. 

November 1899 nichts erschienen. 

December 1899. 

40. Niederstein Friedrich: Flüssigkeitsentziehung bei der Behand¬ 
lung von Fettleibigkeit. 

Universität Würzburg. October bis December 1899. 

105. Braun N.: Zur Casuistik der Blutungen bei Bright’scher 
Nierenkrankheit. 


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106. Brehme: Ueber eine klinisch verwerlhbare Methode der Be¬ 
stimmung des Blutzuckers im Menschen nebst Untersuchungen 
des Blutzuckers in der alimentären Glykosurie. 

107. Casott: Ein primäres Sarkom der Milz. 

108 Ehrensberger: Ueber habituelle Patellarluxationen und 
ihre Behandlung. 

109. F erger: Ueber einen eigenthümlichen Fall von intermittirendem 
Herzgeräusch. 

110. Ha s: Die hyperplastischen Erkrankungen der haematopoöti sehen 
Organe mit besonderer Berücksichtigung der Leukaemie und 
Pseudoleukaemie im Anschluss an einen Fall von malignem 
Lymphom. 

111. Kotzen berg: Untersuchungen über das Rückenmark des Igels. 

112. Lebram: Das Diverticulum Meckelii und die von ihm aus¬ 
gehenden pathologischen Störungen. 

113. Mayer: Ueber den Zusammenhang zwischen schwerer Ge¬ 
burt und der Little'sehen Erkrankung. 

114. Mulzer: Toxicologische Studien über das Natriumnitrat mit 
Beziehung auf andere Natronsalze. 

115. Preis werk: Beiträge zur Corrosionsanatomie der pneuma¬ 
tischen Gesichtshöhlen. 

116. Rost.oski: Ueber Echinococcus multilocularis hepatis. 

117. Stamm: Ueber Uterusprolaps bei Schwangerschaft und Geburt. 

118. Stoeckle: Die Behandlung der Cancrolde des Gesichts und 
das Auftreten der Recidive nach den Ergebnissen der Würz¬ 
burger chirurgischen Klinik 1887—1897. 

119. Wagner: Ueber angeborenen Mastdarm Verschluss. 

Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 10. Januar 1900. 
Ordentliche Generalversam m lu n g. 

Die Gesellschaft hat z. Z. nahe an 1200 Mitglieder und ein 
Vermögen von ca. 140 000 Mark. 

Der erste Vorsitzende wurde durch Stimmzettel gewählt 
und es fielen von 366 abgegebenen Stimmen 362 auf Rudolph 
Virchow. Der übrige Vorstand und die verschiedenen Com¬ 
missionen wurden per Acelamation wiedergewählt. 

Hierauf tritt die Versammlung in die Berathung des von 
den Herren Z a d e k und Freudenberg gestellten An- 
trages ein : „dem § 4 der Sitzungen der Berl. med. Gesellseh., 
welcher lautet: Ordentliches Mitglied der Gesellschaft kann 
jeder in Berlin oder dessen Umgebung wohnhafte approbirte 
Arzt oder Doetor niedieinae rite promotus werden etc.“, folgende 
Fassung geben: 

„Ordentliches Mitglied der Gesellschaft 
können alle in Berlin oder dessen Umgebung 
wohnhafte Aerzte oder Aerztinnen oder rite 
promovirte doctores niedieinae werden.“ 

Hiegegen beantragte der Vorstand folgende Aenderung 
des § 4: „Ordentliches Mitglied der Gesell¬ 
schaft kann nur ein für das Deutsche Reich a p 
probirter Arzt werden.“ 

Hiezu waren noch 3 Amendements eingegangen, von deren 
Anführung wir absehen können. Sie wollten theils den Begriff 
„Arzt“ so fassen, dass darüber kein Zweifel bestehen konnte, 
dass auch weibliche Aerzte mitinbegriffen seien, theils wollten 
sie nur die Aerzte von Berlin und Umgebung darin haben, theils 
sollten auch nicht im Deutschen Reiche approbirte Aerzte aus¬ 
nahmsweise Aufnahme finden können, wenn es um die Wissen¬ 
schaft besonders verdiente Persönlichkeiten wären. 

Auf Wunsch des Vorsitzenden sah man von einer General- 
diseussion ab und beschränkte sich auf eine Specialdiscussion 
der einzelnen Anträge. 

Herr Zadek : Derselbe gibt eine kurze Geschichte selues 
Antrages, welcher dadurch veranlasst worden war, dass eine in 
der Schweiz approbirte Aerztin sich zur Aufnahme gemeldet und 
von der Aufnahmecommission mit Hinweis auf die Statuten ab¬ 
gelehnt worden sei. Der Antrag des Vorstandes bedeute zwar ein 
Entgegenkommen, indem er in Deutschland approbirte Aerztinnen 
zulassen wolle, scbliesse aber gleichzeitig einen Rückschritt in 
sich, indem er nationale Grenzen ziehe. 

Herr Vircho w begründet den Antrag des Vorstandes. Der 
Vorstand stellte sieh einfach auf den Boden der Gesetzgebung, 
ohne dieser zu priijudiciren, was nicht Sache der Medicinischen 
Gesellschaft wäre. Es würden sonst gewissermaassen 2 Kate¬ 
gorien von Aerzten geschaffen, solche, welche vom Staate diplo- 
mirt seien und solche, die die Medicinische Gesellschaft diplomirt 
habe. Das sei eine entschieden gefährliche Situation, die den 
Versuch zu Täuschung und Confusion sehr nahe lege. Der An¬ 
trag des Vorstandes stelle sich einfach auf den Standpunkt, wer 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



1H. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE^WOCHENSCHRIFT. 


108 


von der Gesetzgebung des Reiches als Arzt anerkannt ist, ist es 
auch von uns. Dies sei correet, nicht aber das Umgekehrte. 

Der Ausdruck Doctor rite promotus in der alten Fassung der 
Statuten rühre aus jener Zeit, in der es noch Aerzte zweiter Ord¬ 
nung ohne Approbation gegeben. 

Nachdem noch die 3 übrigen Antragsteller zu ihren Amende¬ 
ments gesprochen, wird ein Schlussantrag mit grosser 
Mehrheit angenommen und es erhalten die Antragsteller das 
Schlusswort. 

Herr F reudenberg begründet unter fortgesetztem Pro¬ 
test der Gesellschaft, unter Schlussrtifen und einem unerhörten 
Lärm nochmals seinen Antrag. 

Herr v. Bergmann sprach in Vertretung des durch eine 
katarrhalische Indisposition zur Uebergabe des Vorsitzes an 
Herrn Abraham veraulassten Herrn V i r c h o w nochmals 
ganz kurz über den Antrag des Vorstandes. Er sei sowohl in 
Russland, wie in Deutschland approbirt und könne versichern, 
(lass im Auslände Niemand es der medicinischen Gesellschaft 
verübeln werde, wenn sie die im Anträge des Vorstandes ge¬ 
gebenen nationalen Grenzen ziehen würde. Feber den Antrag 
des Vorstandes hinauszugehen, sei heutzutage ganz gewiss nicht 
zeitgeinäss. „Lasst uns sein ein einig Volk von Aerzten.“ 

Es folgte die Abstimmung, in welcher siimmtliehe Anträge 
nbgclehnt wurden bis auf den des Vorstandes, der mit 
überwältigender Majorität zur Annahme ge¬ 
langt. 

Berichtigung zum Sitzungsberichte vom 20. December 1809. 

Das von Herrn Gottsclialk demonstrirte. aus dem IIterus 
ausgestossene nekrotische Stiiek bestand nicht bloss aus Schleim¬ 
haut, sondern umfasste noch ein dickes Stück Muscularis mit. 

H .Koli n. 


Verein für innere Medicin zu Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 8. -Januar 1900. 

Herr Blnmenthal berichtet in Kürze über die 
ö() jährige Feier der Society de Biologie in Paris, der er als Ver¬ 
treter des Vereins beigewohnt hatte. Aus dem Berichte über 
die Festsitzung hebt er mit Recht einen dort über Claude 
Bernard gefallenen Ausspruch hervor, dass dieser grosse 
Forscher die ganz exeeptionelle Eigenschaft hatte, von seinen 
Schülern nicht zu wünschen, dass sie seine 
Forschungsresultate nach Möglichkeit zu 
> t ii t z e n suchen, sondern, dass sie diese nach 
Kräften bekämpfen; denn nur dadurch könne der Wahr¬ 
heit näher gekommen werden. 

Demonstrationen. 

Herr Oesterreich : Ein Gehirn mit doppelseitiger 
frischer Hirnblutung. 

Herr L i 11 en : Leber mit Aktinomykose; am Nabel ein 
fistulöses Geschwür, aus welchem sich drusenlialtiges Secret ent¬ 
leert hatte. 

Herr Feinberg: Baeterienfürbepräparate, in welchen 
nach dem Vorgänge von Romanow sky und Z 1 e h m a n n mit 
einem Gemische von Eosin und Methylenblau, d. h. mit dem durch 
Mischung dieser Körper entstandenen neuen Farbstoff eine Dar¬ 
stellung von Zellhülle und Zellkern möglich ist. 

Ziehmann hatte in Sprosspilzen und Spirillen diese 
Dlffereucirung erzielt und Vortragender dies Verfahren auf 
Amoeben und Spaltpilze ausgedehnt. In allen untersuchten 
Bacterien, auch in Coccen, z. B. Gonocoecen, glaubt Vortragender 
diese Unterscheidung ermöglicht zu haben. Er lässt es dahin¬ 
gestellt, in wie weit diese Iverae den Keinen in thierischen und 
anderen pflanzlichen Zellen entsprechen; doch, meint er, wäre es 
möglich, dass die von Ihm gesehenen Einschnürungen analog den¬ 
jenigen bei der amitotischen Kerntheiluug sein könnten. 

Discussion zum Vor trage des Herrn Gold- 

scheider : Beiträge zur physikalischen Therapie. 

Herr Georg Mayer demonstrirt ein Buch aus dem Jahre 
1734, iu welchem Quellmals eine „Anleitung zu einer gesund- 
heits-dienlichen neuen Art der Bewegung“ gibt und worin u. a. 
schon der aus den medico-meehanischen Instituten bekannte 
Reitsattel abgebildet ist. 

Herr Zabludowski bespricht seine Erfahrungen auf dem 
Gebiete der Bewegungstherapie und Massage. 

Herr Jakob erwähnt zwei auf der Leyden’sclieu Klinik 
mit Extension und gutem Resultate behandelte Fälle von Com- 
pressiousmyelitis und bestätigt die Goldscheide r’sche An¬ 
sicht, dass man auch hei blossem Verdacht auf Caries der Wirbel¬ 
säule extendiren (durch Corsett) soll, ein Verfahren, das sich ihm 
in einem prägnanten Falle bewährt habe. 

Herr Goldscheider: Schlusswort. 

Herr C. Gerhardt berichtet, dass er in einem englischen 
Journale letzthin Angaben über das Auftreten von diffusen Ery- 

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themen nach Klystiereu gelesen habe mul fragt, ob Aelmliehe;’. 
von dem Anwesenden beobachtet worden sei 7 Es meldet sich 
Niemand zum Wort. H. Kohu. 


Naturhistorisch-Medicinischer Verein Heidelberg. 

(Medicinische Sectio n.) 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 17. November 1899. 

Herr Vulpius: Ein Fall von willkürlicher Verrenkung 
des Kniegelenks. 

Wird an anderer Stelle mitgetheilt werden. 

Derselbe: Die orthopaedische Behandlung von Nerven¬ 
leiden. 

Die Beziehungen zwischen Orthopädie und Neurologie sind 
in jüngster Zeit bedeutender geworden, sowohl quantitativ bezüg¬ 
lich der Zahl zu orthopädischer Therapie geeigneter Fälle, als 
qualitativ hinsichtlich der erreichbaren Resultate. 

Unter den spinalen Affectionen ist besonders wich¬ 
tig die Kinderlähmung. Während der ersten Monate ist, 
orthopädische Prophylaxe angezeigt, um Contracturen u. dergl. 
zu vermeiden. Nach Ablauf der Restitutionsfrist (V 4 —1 Jahr) 
stehen wir vor partieller oder totaler Lähmung. Seihst 
die letztere bedingt nicht durchaus ein therapeutisches Ein¬ 
greifen, entscheidend ist nur die praktische Störung der Ge- 
brauehsfähigkeit gelähmter Extremitäten. Bei totaler Lähmung 
aller Muskeln eines Gelenkes muss letzteres in irgend einer Weise 
festgestellt werden. Bei partieller Lähmung ist Beschränkung 
oder Regulirung der Bewegung zu erstreben, sind Contracturen 
oder secundäre Deformitäten zu beseitigen. 

In der Hauptsache haben wir zwischen 3 Methoden die Wahl: 

1. Orthopädische Apparate vermögen verschiedene 
Zwecke zu erreichen: 

a) Absolute Feststellung eines Gelenkes in starrer Hülse. 

b) Leitung der Gelenkbewegung in physiologischer Bahn 
durch Scharniere. 

c) Hemmung der Bewegung in beliebiger Phase. 

d) Ersatz mancher Bewegungen durch sog. künstliche 
Muskeln. 

Die moderne Apparatteehnik der Modellhülsen ist gerade¬ 
hin von Werth, weil diese weniger emährungsstörend wirken, 
als die alten strangulirenden Sehienengurtapparate. 

2. Die Arthrodese fixirt das Gelenk ohne Apparat, frei¬ 
lich unter dauernder Opferung des Gelenkes. 

Da ausserdem Contracturen manchmal auf die Operation 
folgen, soll dieselbe auf gewisse Indicationen eingeschränkt 
werden. 

3. SehnenOperationen dienen entweder in Form der 
Tenotomie, der Sehnenplastik zur Beseitigung von 
Contracturen oder als Ueberpf lanzung zur Beseitigung von 
Functionsverlusten, zur Wiederherstellung wichtiger Gelenk¬ 
bewegungen, zur tendinösen Fixation von total lahmen Gelenken. 

Die Wahl unter diesen Methoden ist von Fall zu Fall ver¬ 
schieden, immerhin lassen sieh einige Normen aufstellen: Am 
Schultergelenk ist die Arthrodese dankbar, falls der Vorderarm 
gut ist. Am Ellbogengelenk ist eine in jedem Winkel feststell¬ 
bare Schamierhülsc zu verwenden. Für das Handgelenk kommt 
Sehnenüberpflanzung und Verkürzung in Betracht zur Erzielung 
der Dorsalflexion, an den Fingern gelegentlich eine Ueberpflan- 
zung. 

Das Hüftgelenk bedarf meist nur wegen Contractur eines 
Eingriffes, der in Durchtrennung der Beuger besteht, sehr selten 
wegen paralytischer Luxation. 

Im Kniegelenk gibt das Schlottern, Genu recurvatum, val- 
gum Indication zur Arthrodese, die Beugecontractur entweder 
zur Tenotomie oder zurVersteifung mittels Apparat resp. Arthro¬ 
dese. Der Ersatz des Quadrieepa durch Transplantation kann 
gelegentlich versucht werden. 

Für partielle wie totale Lähmung des Sprunggelenkes ist 
die Sehnenüberpflanzung die Operation der Wahl. 

Periphere Lähmungen (z. B. des N. radialis, peroneus) 
sind ebenso wie spinale der Sehnentransplantation bisweilen zu¬ 
gänglich. 

Die Contracturen im Gefolge der Myelitis trans¬ 
versa werden durch Tenotomie und Redressement beseitigt. 

Die Behandlung der sog. Compressionsmyelitis 
mittels exacter Fixation und permanenter Extension hat über- 

Original fro-m 

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104 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3 


raschend gute Resultate ergeben. Die Lamincctomie ist nur in- 
dicirt, wo die Lähmung trotz Extension fort schreitet, Blase und 
Mastdarm ergreift, ferner bei Bogencaries. 

Die jüngst aufgestellte Indication der Compression durch 
Enge des Wirbeleanals (dislocirte Sequester etc.) ist patho¬ 
logisch-anatomisch richtig, in praxi nie zu gewinnen. Ein Ver¬ 
such mit C a 1 o t'schem Redressement ist berechtigt, ehe zur 
Operation geschritten wird. 

Die T a b e s ist mit wechselndem Erfolg resp. Misserfolg 
behandelt worden mittels Suspension. Ungefährlicher und 
stundenlang zu verwenden ist die horizontale Extension im Bett. 
Ein Bügclcorsett vermag nicht zu extendiren, nicht zu heilen, 
wird aber als Stütze angenehm empfunden. Oomplicirtere Ap¬ 
parate vermögen hochgradige Ataxie zu bessern. 

Unter den spastischen Affectionen ist die Litt- 
1 e’sche Krankheit hervorzuheben, welche durch multiple Teno- 
tomien, Sehnenüberpflanzung, Fixirung in Uebereorrectur und 
sorgliche Nachbehandlung recht günstig zu beeinflussen ist. 

Das Gleiche gilt für die cerebrale Kinderlähmung. 
Nach Ueberpflanzung schwinden manchmal die Spasmen. 

Orthopüd. Behandlung der a poplect i seht* n II e m i - 
plegic hat bisher wenig Beachtung gefunden, selten bieten 
Dystrophia muscularis, hysterische Contracturon u. a. m. Ge¬ 
legenheit hierzu. 

Auf dem geschilderten Grenzgebiet ist gewiss nicht Alles 
vom Orthopäden zu heilen, aber doch manches Leiden wesent¬ 
lich zu bessern. 

Herr Ernst demonstrirt als seltene Arterieuvarietät un¬ 
paarigen Ursprung der Intereostal- lind Lumbalarterien aus der 
Aorta und erörtert die Beziehungen dieser Anomalie zur Onto- 
und Phylogeuie. (Seither erschienen in der Zeitschr. f. Morphologie 
u. Anthropologie, Bd. 1, H. 3.) 

Sitzung vom 21. November 1899. 

HerrPassow: Küster’s osteoplastische Aufmeisselung 
des Warzenfortsatzes (mit Krankenvorstellung). 

In No. 49, 1899 dieser Wochenschrift veröffentlicht. 

Herr Jordan: Die Zerreissung der Arteria meningea 
media, ihre Folgen und ihre Behandlung (nebst Vorstellung 
eines durch Operation geheilten Falles). Erscheint in dieser 
Wochenschrift. 

Sitzung vom 5. December 1899. 

Herr Bettmann: Der praktische Werth der eosino¬ 
philen Zellen. (Erscheint in Volkmann's klinischen Vor¬ 
tragen.) 

Herr Kiefer- Mannheim: Ein operirtes Ulcus duodeni. 

(Wird in dieser Wochenschrift veröffentlicht.) 

Sitzung vom 19. December 1899. 

Herr Jordan: Vorstellung dreier Fälle von Trepa¬ 
nation nach Schädelverletzungen und Besprechung der Aus¬ 
füllung des Defectes durch Autoplastik und Heteroplastik. 

(Erscheint in dieser Wochenschrift.) 

Herr Cohnheim (nach gemeinschaftlichen Untersuchungen 
mit Dr. Krieger): Eine Methode zur Bestimmung der ge¬ 
bundenen Salzsäure im x Magen. 

(Wird kurz in dieser Wochenschrift, ausführlich in der Zeit¬ 
schrift für Biologie veröffentlicht werden.) 


Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 9. November 1899. 

Vorsitzender: Herr S e n d 1 e r. 

Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr T h o r n ein mäch¬ 
tiges cystisches Sarkom des linken Ovarium, das ausgezeichnet 
ist durch eigenthiimliche pilzförmige Vortreibungen der Ober¬ 
fläche. Der Tumor sass noch zum Theil im linken Ligament, lat., 
theils war er durchgebrochen und die erwähnten Excrescenzen 
schienen dadurch zu Stande gekommen zu sein, dass einzelne 
Partien des Ligment. lat. stärkeren Widerstand dem Wachsthum 
entgegengesetzt hatten und scheinbar fest die Stiele der pilzför¬ 
migen Gebilde um schnürten. Der Tumor war total mit Netz, zahl¬ 
reichen Darmschlingen, Peritoneum parietale, Rückwand des 
Uterus und Douglas verwachsen und erschien zunächst inoperabel. 
Doch gelang es allmählich, allerdings unter starker Verletzung der 
Darmwand an verschiedenen Stellen, ihn zu Isoliren und in toto 
abzutragen. Das rechte Ovarium war in gleicher Weise im Be¬ 
ginn der Erkrankung, ebenfalls total adhaerent und wurde mit¬ 
entfernt. Die Verletzungen des Darmes wurden, soweit es tech¬ 
nisch möglich war, vernäht; eine Resection hätte an verschiedenen 


Stellen gemacht werden müssen und wäre in Anbetracht des 
kaehektischen Zustandes der Kranken ein Wagnlss gewesen. Von 
Metastasen war nichts tastbar; es bestand ziemlich reichlicher 
Ascites. 

Die Kranke überstand die Operation zunächst durchaus gut. 
Bei der ersten Stuhlentleerung am 3. Tage fand sich allerdings 
ein frisches Blutcoaguluin im Koth, sicher von einer der ver¬ 
letzten Darmstellen herrührend. Doch functionirte der Darm 
in der nächsten Zeit durchaus gut; die höchste Temperatur betrug 
38,5° am 2. Tage, der Puls hielt sich in guter Qualität stets zwi¬ 
schen 80—90 Schlägen. So schien die Heilung unerwartet günstig 
von Statten zu gehen, als am 12. Tage ganz plötzlich die Erschei¬ 
nungen einer Perforation sich zeigten. Der Leib wurde sofort 
geöffnet, die zerstörte Darmschlinge in die Wunde geheftet, die 
Bauchhöhle ausgcsptilt und drainirt, doch war das Ende nicht 
abztiwenden; 24 Stunden später trat der Exitus ein. 

Sodann hält Herr Kirsch einen Vortrag: Ueber maschi¬ 
nelle Heilgymnastik. 

Herr K i r s c li bespricht einleitend die Wichtigkeit körper¬ 
licher Bewegung für Erhaltung und Wiederherstellung der Ge¬ 
sundheit, sowie ihre verschiedenen therapeutisch verwendbaren 
Formen als: Sport, deutsches Turnen, Spazierengehen, Berg¬ 
steigen, manuelle und maschinelle Heilgymnastik. Unter dem 
Apparaten werden die Z a n d e Eschen ihrer Construction nach 
besprochen. Am wichtigsten sind die activen Widerstands- 
apparate, welche einen Gewichtshebel haben. Der an- und ab¬ 
schwellende Widerstand derselben kann trotz der von Herz- 
Wien erhobenen Bemängelungen als gleichmässig wirkend und 
als physiologisch begründet angesehen werden. 

Therapeutisch findet maschinelle Gymnastik vielfache Ver¬ 
wendung in der Chirurgie und Orthopädie, namentlich zur Nach¬ 
behandlung von Verletzungen, andererseits aber auch im Bereich 
der inneren Medicin, bei Herzkrankheiten, bei Emphysem, den 
funotionellen Neurosen, der Gicht etc. Die grösste Einwirkung 
findet auf das Gefässsystem statt. Bei Herzkranken müssen die 
Bewegungen so gegeben werden, dass jedenfalls keine Erhöhung 
der Pulsfrequenz stattfindet. Gymnastik soll nicht sym¬ 
ptomatisch angewandt werden, sondern sich immer in Berück¬ 
sichtigung des Gesammtzustandes in den Heilplan einfügen. 

Es folgt der Vortrag des Herrn Sendler: Zur chirur¬ 
gischen Behandlung schwerer Haemorrhoidalleiden. 

Herr S e n d 1 e r gibt zunächst einen kurzen Abriss des 
Krankheitsbildes schwerer Haemorrhoidalleiden und ihrer Folge- 
/ustiinde und empfiehlt für diese Fälle auf Grund eigener, an 
53 glatt und gleichmässig verlaufenen Operationen gesammelten 
Erfahrungen die blutige Entfernung der Haemorrhoiden in 
Form der circulürcn Exeision mit nachfolgender Vemähung der 
Schleimhaut des Rectum mit der Analhaut. 

Diese Methode ist allen anderen überlegen, weil durch die¬ 
selbe die Primärheilung ermöglicht, die Heilungsdauer ab¬ 
gekürzt und die Bildung von Strieturen vermieden wird, so 
dass sehr bald ganz normale Functionsverhältnisse des Mast¬ 
darms erreicht werden. 

Der Vortrag wird in etwas anderer Form im Druck er¬ 
scheinen. 

Disoussion. Zum Vortrag des Herrn Kirsch nimmt 
Herr T sch marke das Wort und hebt insbesondere die Vor¬ 
züge der Heilgymnastik bei Herzkranken hervor. 

Zum Vortrag des Herrn Sendler bemerkt Herr Habs 
historisch, dass das von Sendler geschilderte Operationsver- 
fahreti bereits im Jahre 1882 von Walter Whitehead ent¬ 
worfen wurde (Brit. med. Journ., 4. Febr. 1882). — Im Jahre 1887 
veröffentlichte Whitehead dann eine grosse Zahl nach diesem 
Verfahren operirter Fälle (Brit. med. Journ., Febr. 1887). — Zu 
gleicher Zeit erschien eine Veröffentlichung von F. Lange 
(Philadelph. Medical News, Febr. 1887), welcher, ohne von White- 
chead’s erster Veröffentlichung Kenntniss zu haben, gleich¬ 
falls eine grössere Zahl von Fällen nach dem gleichen Verfahren 
head’s erster Veröffentlichung Kenntniss zu haben, glelch- 
dann auch Lange dies Verfahren als zw r eckmässigstes. 

Herr Hei necke empfiehlt Pessarbehandlung und Dehnung 
des Sphincter; Herr Gremse hält von der ersteren nichts. 

Herr T h o r n bemerkt zur Controverse zwischen Send* 
1 e r und Habs über die Urheberschaft der Operation, dass die 
amerikanischen Veröffentlichungen wenig bekannt waren und 
dass voraussichtlich eine ganze Anzahl Operateure schon vorher 
in gleicher Weise operirt hat, so auch Th. selbst. Th. kam zuerst 
zu diesem Verfahren bei dem den Prolapsus uteri et vaginae 
häufig complieirenden Prolapsus recti, der häufig mit starken 
Haemorrhoiden vergesellschaftet ist, und hat es später sehr häufig 
bei Haemorrhoiden, die einen Eingriff erheischten, angewandt. 
Th. pflichtet durchaus in der Werthung dieser Operation Send¬ 
ler bei und hält sie bei fehlender stärkerer Entzündung für das 
einzig richtige Verfahren. Eine Opiumtherapie, um den ersten 
Stuhl zu retardiren, hält Th. nicht für nöthig; ist der Darm ante 
operat. wirklich gründlich entleert, so kommt bei flüssiger Diiit 


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16 . Januar 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


105 


vor dem 8. Tage kaum je Stuhlgang und bis dahin ist die Heilung 
genügend vorgeschritten. Th. hat zumeist noch ein mit Jodoform¬ 
gaze umwickeltes, nicht zu dickes Gummirohr eingelegt. Bei 
starker Entzündung ist zunächst eine kräftige Dehnung des 
Sphincter nothwendig: Th. hat in solchen schweren und anderer¬ 
seits in leichten Fällen, die zur Operation nicht aufforderten, 
mit der Glycerintamponade sehr gute Erfolge erzielt und kann 
diese nur angelegentlichst empfehlen. Th. hat seit einem Decen- 
nlnin kein Glüheisen bei Hacmorrhoiden mehr angewandt. 

VI. Versammlung des Vereins süddeutscher Laryn- 
gologen 

zu Heidelberg am 3. April 1899. 

IV. 

12. Herr Win ekler- Bremen: Zur Behandlung der Stirn- 
höhleneiterung. 

Der Vortrag ist an anderer Stelle dieser Nummer abgedruckt. 

Wegen vorgerückter Zeit wird auf eine Discussion ver¬ 
zichtet. 

13. Herr Proebating- Wiesbaden: Demonstration eines 
Präparates von Thymushyperplasie bei einem an inspiratori¬ 
schem Stridor gestorbenen Kinde. 

M. H.! Auf unserer letzten Versammlung hat Herr Avellis 
eine interessante Mittheilung über den sogen, typischen inspira¬ 
torischen Stridor der Säuglinge gel -rächt und dabei die Ansicht ent¬ 
wickelt, dass diese Affection durch die Compression der unteren 
Trachea und der Bronchien durch die vergrössertc Thymus bedingt 
sei, dass es sich also nicht um eine Neurose, um eine dauernde 
Heizung der corticalen Kehlkopfcentren, wie Semon u. A. meinten, 
handle, sondern um eine rein mechanische „Tracheostenosis thymica“. 

In der Discussion hoben die Herren Schech und Killian 
hervor, dass es doch Fälle von typischem Stridor gebe, bei denen 
nervöse Einflüsse die Trachealstenose bedingten. 

Da die Discussion im Vorjahre wegen der vorgerückten Stunde 
abgekürzt werden musste, und die Meinungen nicht überein stimmten, 
da ferner die Pathologie der Thymus, dieses „merkwürdigen Organs“, 
wie Fr. Albin Hoff mann in Nothnagels Handbuch sagt, bisher 
vernachlässigt erscheint und besonders Seetionsbefunde von Kindern, 
die an inspiratorischem Stridor gestorben sind, nur vereinzelt be¬ 
kannt geworden sind, so erlaube ich mir, Ihnen folgendes Präparat 
zu zeigen. 

Es handelte sich um ein Kind von 9 Monaten, das Mitte 
Februar 1899 Btarb — es wurde Morgens unerwartet todt im Bett- 
chen gefunden — nachdem ich es seit Anfang December 1898 wegen 
des typischen inspiratorischen Stridors beobachtet hatte. Das Kind 
hatte den eigenthümlichen Athmungstypus gleich nach der Geburt 
gezeigt und stets beibehalten und zwar Nachts, und wenn es ruhig 
lag, weniger, als wenn es schrie, trank oder sich bewegte. Zwei 
Geschwister von 8 und G Jahren sind gesund, aber gracil gebaut 
und etwas blass aussehend. Ein Bruder ist an acuter Krankheit, 
anscheinend Diphtherie, verstorben. Bei der ersten Untersuchung 
fand sich der Bachen frei, die Epiglottis nach hinten stehend und 
ihre Seiten zusammengedrückt, so dass ein Einblick in den Larynx 
unmöglich war. Die Nasenathmung schien auch behindert, obwohl 
das Kind auch bei zugehaltenem Mund durch die Nase athmen 
konnte. Am Hals fühlte man Kehlkopf und Schilddrüse normal 
und neben dem unteren Theil der Trachea einen rundlichen, von 
der Schilddrüse getrennten Tumor, der sich bis unter das Sternum 
verfolgen liess. Der Percussionsscball auf dem Manubrium sterni und 
rechts von demselben ist verkürzt. Nach meiner Ansicht handelte es 
sich hier um die hyperplastische Thymus. Das Kind war schon 
damals in der Ernährung entschieden zurückgeblieben, die Epiphysen 
verdickt, die Kopfknochen sehr weich, die Fontanellen weit offen, 
kurz die Rachitis war schon ausgesprochen vorhanden. Ich stellte 
das Kind den Herren Collegen Cramer und W. Cuntz vor, um 
mit ihnen wegen der eventuellen Operation nach Art des Rehn- 
schen Falles Rücksprache zu nehmen. Wir konnten uns indessen 
zur Opeiation, zum Herauszerren und Festnähen der Thymus nicht 
entschliesscn, da bei der Lage des Organs das Herausziehen des¬ 
selben aus dem Mediastinum durch den damit verbundenen Druck 
und Zerren vitaler Nerven und wichtiger Gefässe nicht unbedenk¬ 
lich erschien, auch der Effect der Operation bei der Grösse des 
Organs zweifelhaft war, und Einer von uns (Cuntz), der sich viel 
mit dieser Affection beschäftigt hat, wesentliche theoretische Be¬ 
denken gegen die supponirte Tracheostenosis thymica erhob. 

Wir haben dem Kinde also Phosphorleberthran gegeben, ich 
habe ihm den Nasenrachenraum mittels Gottstein ausgeschabt und 
freigemacht, wodurch der Stridor allerdings in keiner Weise beein¬ 
flusst wurde — und so schien der, Fall, wie die meisten dieser Art, 
ruhig verlaufen zu wollen, die rachitischen Erscheinungen traten 
indessen weiterhin noch mehr hervor und am 14. Februar trat der 
plötzliche Tod des Kindes ein 

Die Section wurde am selben Tage durch Herrn Coli. Koeni’g 
vorgenommen und hier habe ich das Präparat. Sie sehen die ver- 
grösserte Thymus, die bis zur 6. Rippe herabreichte, links oben ver¬ 
wachsen mit der Carotis und dem N. vagus. Sie sehen die Trachea 
vollkommen rund und ohne eine Spur von Compression. Die 

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Knorpelringe sind, wie man besonders an der frischen Leiche bei 
der Section sehen konnte, absolut normal elastisch und rund. Der 
Kehldeckel ist eigentümlich nach der Mitte zu comprimirt und der 
Larynxeingang wesentlich verkleinert. 

Bei der Section überzeugten wir uns, dass in diesem Fall, wo 
die Luftröhre durchaus nicht comprimirt war und wo die Thymus 
sehr weit nach unten reichte, die Eröffnung des Mediastinum und 
Versuche, die Thymus heraufzuholen und oben festzunähen, ganz 
zwecklos gewesen und das Kind durch die Zerrung der Carotis, 
des Vagus und Recurrens nur in grosse Gefahr gebracht haben 
würde. 

Ob ich nun die Erfahrung, die wir in diesem Fall machten, 
verallgemeinern und überhaupt die Tracheostenosis thymica als Ur¬ 
sache des inspiratorischen Stridor leugnen sollte, lasse ich dahin¬ 
gestellt. Jedenfalls wird man in der Diagnose der Tracheostenosis 
thymica und in dem Entschluss zur Operation nach Rehn vorsichtig 
sein müssen und noch weitere Beobachtungen abwarten. 

Erfahrene l*raktiker, die eine Reihe solcher Fälle beobachtet 
haben, sind der Ansicht, dass der Stridor sich meist nach dem 
2. Lebensjahre verlöre, und dass der plötzliche Tod, wie in unserem 
Fall, nur die Ausnahme sei und demgegenüber sei die gefährliche 
Operation nicht zu rechtfertigen. 

14. Herr Gustav Killian- Freiburg i. B.: Die oesophago- 
skopische Diagnose des Pulsionsdivertikels der Speiseröhre. 

15. Herr Gustav Killian- Freiburg i. B.: Ueber einen 
Fall von acuter Perichondritis und Periostitis der Nasen¬ 
scheidewand dentalen Ursprungs. 

Beide Vorträge erscheinen in extenso in dieser Wochen¬ 
schrift. 

16. Sir Felix Semon- London, als Gast: Die Stellung 
der Laryngologie bei den internationalen Congressen und 
die Frage ihrer Vereinigung mit der Otologie bei diesen 
und ähnlichen Gelegenheiten. 

(Der Vortrag erscheint ausführlich in den Verhandlungen des 
Vereins.) 

Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Acad6mie de Mädecine. 

Sitzung vom 5. December 1899. 

Das Vorkommen von Arsenik im normalen Organismus. 

Gautier konnte constatiren, dass das Arsenik normaler 
Weise in sehr kleinen, aber trotzdem wägbaren Dosen im Gehirn, 
in der Schilddrüse, ln noch kleineren Mengen in der Haut und in 
der Thymusdrüse sich findet, aber keine Spur davon in den 
anderen Eingeweiden vorhanden ist. Das Arsenik exlstirt als Ver¬ 
bindung mit Nuclein (Arsennucleln), welches neben den gewöhn¬ 
lichen Phosphornucleinen im Zellkern eine wichtige und sogar 
nothwendige Rolle spielt. Bei den verschiedenen Krankheiten 
jener Organe, wo es normaler Weise vorkommt und woraus es 
im kranken Zustande verschwindet, ist die Verabreichung des 
Arseniks als Medicament von Nutzen. Die Schilddrüse enthält 
bei einem Gewicht von 21 g nur 0,16 mg Arsenik, d. i. = ■/woooooo 
des Totalgewichts des Menschen; und dennoch genügt diese 
schwache Dosis, dass die Drüse normal functionirt. Es ist also 
anzunehmen, dass im Organismus specifische latente Functionen 
existiren, bei welchen chemische Reactionen Vorkommen, die 
charakterisirt sind durch die Anwesenheit und Fixirung gewisser 
specieller chemischer Körper in gewissen Zellen. Das ist der 
Fall für das Mangan, welches man in einigen oxydirenden Fer¬ 
menten findet, das Jod in der Schilddrüse, Fluor in den Knochen, 
Arsenik im Gehirn, in der Haut und Schilddrüse. Diese all¬ 
gemeine Annahme, welche auf genauen chemischen Analysen be¬ 
ruht, führt zu einer Art speeifischer Therapie, welche den ver¬ 
schiedenen Organen den unumgänglich nothwendigen chemischen 
Körper zuführt, der ihnen bei diesem oder jenem bestimmten 
Fall fehlt. Schliesslich haben diese Thatsachen auch vom ge¬ 
richtsärztlichen Standpunkt aus Ihre Wichtigkeit; man kann ln 
Zukunft nicht mehr das Arsenik der verschiedenen Eingeweide¬ 
organe zusammen dosiren, da man im normalen Zustande da¬ 
von abwägbare Mengen in der Schilddrüse, Haut und im Gehirn 
finden kann. In Folge dessen ist der Arsenikbefund nur dann 
von gerichtsärztlicher Bedeutung, wenn die Untersuchung auch 
auf die anderen Organe, wo As sich normaler Weise nicht findet, 
ausgedehnt wird. 

Zur rationellen Behandlung der Epilepsie. 

L a b o r d e behauptet, dass zur wirksamen Behandlung der 
Epilepsie es nicht nöthig sei, den Organismus der Mineralsalze 
zu berauben, wie es Ric he t und Toulouse in der letzten 
Sitzung vorgeschlagen und begründet haben, sondern dass es 
genügt, das Bromkali oder -natrium durch Bromstrontium zu 
ersetzen. Der Organismus besitzt ln der That eine beträchtliche 
Toleranz für dieses Salz, dessen physiologische oder therapeu¬ 
tische Wirkung mindestens ebenso gross ist wie die des Bromkall. 
Bei einem Epileptiker, welcher 14—15 g Bromkall täglich nahm 
und Bromismus ibereite^ hatte, 1 hatj F e rjö plötzlich und unver¬ 
mittelt dieses Salz durch dieselben Dosen Bromstrontium er¬ 
setzt, sah den Bromismus schwinden und Beruhigung eintreten. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



106 


No. 3. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Laborde selbst erzielte in viel schwereren Fällen vortreffliche 
Resultate, indem er mit 4 g Bromstrontium begann, jeden Tag 
uml g stieg, ohne jemals 8—10 g zu überschreiten, und hat 5 Fälle 
dieser Art, wo die Heilung seit 2—3 Jahren anhält. 

Zur Anwendung des häufig unterbrochenen Stromes ln der 
Gynäkologie. 

Apostoli wandte diese Form Elektricität seit 3 Jahren 
in seiner Klinik an, sie ist absolut unschädlich, wird gut ver¬ 
tragen und wirkt einerseits analgesirend, andererseits resolvirend 
oder decongestionirend. Sowohl vom symptomatischen wie ana¬ 
tomischen Gesichtspunkte aus scheinen die intrauterinen Appli- 
cationen des häufig unterbrochenen Stromes energischer und 
lösender zu wirken als die ähnlichen Applicationen in der Vagina 
und sind besonders angezeigt bei mangelhafter Involution der Ge¬ 
bärmutter und in all’ den Fällen, wo es sich darum handelt, 
mehr oder weniger schmerzhafte oder Congestionserscheinungen 
zu lösen. Der häufig unterbrochene Strom vereinigt in sich die 
Eigenschaften des galvanischen und faradischen Stromes und 
bildet nach Apostoli eine werthvolle Bereicherung in der 
conservirenden Therapie der Frauenleiden. An 308 Kranken 
wandte ihn A. im Ganzen 4232 mal an. 

Aus den englischen medicinischen Gesellschaften. 

Society of Anaesthetists. 

Sitzung vom 3. November 1899. 

Narkose und Irrsinn. 

G. H. Savage besprach diesen Gegenstand von folgenden drei 
Gesichtspunkten aus: 1. Die Narkose als ein aetiologisches Moment 
hei der Entstehung des Irrsinns. 2. Die Arten des auf Narkose 
folgenden Irrsinn« und die Bedeutung der verschiedenen Arten der 
Narkose. 3 Die Wirkung, welche die Narkose auf Irrsinnige, hoch¬ 
gradig Neurotische und auf genesene Irre ausübt. Die gewöhn¬ 
lichsten Geistesstörungen, welche man nach der Narkose beobachtet, 
sind Manie, sowie Stupor und Verwirrtheit. Ausser bei Personen, 
welche durch Erschöpfung, früheres Irresein oder dergl. stark prä- 
disponirt sind, sieht man nur verschwindend selten Geisteskrank¬ 
heiten auf diese Weise sich entwickeln. Gewiss ist gelegentlich 
auch die vorgenommene chirurgische Operation mit ihren Neben¬ 
umständen an sich von aetiologischer Bedeutung. Die Art des Be¬ 
täubungsmittels scheint weniger ausschlaggebend zu sein. S. hat nach 
Verabreichung von Lachgas behufs Zahnextraction eine acute Manie 
auftretcn sehen. Ferner hat er gelegentlich nach Geburten, bei 
denen Anaesthetiea angewandt worden waren, Geistesstörungen 
auftretcn sehen. Auffallend ist das vermehrte Auftreten von Stupor 
von mehrwöchiger Dauer nach Operationen am Mastdarm und der 
Blase, Besonders gefährlich ist die Narkose bei Personen, welche 
an recurrentem Irrsein leiden. Recidive in directem Anschluss an 
dieselbe sind bei solchen keineswegs ganz selten. Bei wirklich 
Geisteskranken dagegen sieht man dadurch keine Verschlimmerung 
des Zustandes eintreten. Ein Nutzen ist davon aber auch nicht zu 
erwarten, ausser vielleicht in einzelnen Fällen von grosser Schwäche 
nach manischer Erregung. 

W. Tyrell erwähnt eine Beobachtung an einem kleinen 
Mädchen, das nach zeitweilig klarem Bew usstsein nach der Narkose 
in einen dreitägigen Stupor verfiel. 

Frau Scharlieb berichtet über eine Dame, welche zweimal 
nach der Narkose vorübergehend geistesgestört war. Einige ihrer 
Wahnvorstellungen bestehen noch fort. 

Crouch berichtet über einen Patienten, der im Anschluss 
an Betäubung durch Lachgas und Aether wegen einer Zahnoperation 
heftiges Delirium mit nachfolgender lebenslänglicher Demenz ac- 
quirirte. 

J. F. W. Silk (Vorsitzender) glaubt an einen gewissen Zu¬ 
sammenhang zwischen dem Delirium nach Aethernarkosen und 
dem Ausbleiben von Erbrechen. Er hat auch verschiedentlich Fälle 
von Manie im Anschluss an Resectionen des Rectums beobachtet. 

Philippi. 

Pathological Society of London. 

Sitzung vom 7. November 1899. 

Ueber einen diphtherieartigen, bei Tauben yorkommenden 
Organismus berichtet A. Macfadyan und R. T. Hewlett 

Es war ihnen ohne nähere Angabe eine Portion von dem Inhalt 
des Rachens einer Taube geschickt worden, und sie hatten die 
Diagnose auf Diphtherie mit Kl ebs-Löff 1 ersehen Bacillen ge¬ 
stellt. Als ihnen der Ursprung des Präparates bekannt wurde, 
untersuchten sie eine Reihe von sowohl gesunden Thieren als auch 
von solchen, welche, wie der erste Fall, an „pigeon cancer“, Krebs¬ 
schaden der Tauben, litten. Diese Krankheit beifällt sowohl den 
Kopf als den Schlund der Vögel und bildet theils trockene, 
warzige Knoten. theils sehr fest haftende Membrane auf der 
Schleimhaut. Bei allen fanden sich neben Coccen auch Bacillen, 
welche betreffs Grösse, paralleler Anordnung und Färbew'eise 
typische Erscheinungen wie echte Diphtheriebacillen aufwiesen. 
Sie sind nicht beweglich und geben, nach Gram gefärbt, zwei 
Unterarten. Die erste gibt auf Serum eine trockene, festhaftende 


Cultur wie der Xerosebacillus sowie auf Bouillon ein Häutchen wie 
der Parkes sehe Diphtheriebacillus, während die zw'eite Art in 
ihrem Wachsthum mehr dem gewöhnlichen Diphtheriebacillus 
ähnelt. Erstere war von den äusseren Knötchen gewonnen und 
gibt eine schwache Indolreaction, letztere stammte vom Rachen 
her und gibt eine deutliche Reaction auf Indol Beide Arten ent¬ 
wickeln Säure wie der Diphtheriebacillus. Die Affection lässt sich 
von einer Taube zur anderen direct übertragen, doch ist bisher 
eine Impfung mit den Reinculturen noch nicht geglückt. 


Verschiedenes 


Vertheilung der Aerzte in Deutschland. 

Die Zahl der Aerzte in Deutschland betrug nach dem „Personal- 
verzeichniss“ in Börner’s Reichsmedicinal-Kalender pro 1900, II.Th., 
:»m 15. October 1899 26689 (gegen 25 757 im Vorjahre). Ee treffen also 
bri einer Bevölkerungszabl von 52 251 917 Einwohnern auf 1957 Ein¬ 
wohner 1 Arzt, auf 10 000 Einwohner 5,1 Aerzte. 

Im Jahre 1886 (s. diese Wochenschrift 1887, No. 4) betrug die 
Zahl der Aerzte 16 292 bei einer Bevölkerungszahl von 46 840 687, 
also 1; 2875 und 3,4:10 000. Die Zahl der Aerzte hat sonach am 
63,8 Proc., die Einwohnerzahl Deutschlands um 11,5 Proc. zuge- 
genommen. 

Auf die wuchtigsten Einzelstaaten vertheilt, gestaltet sich das 
Verhältniss folgendermaaßsen: 



Preussen . . 
Bayern .... 
Sachsen . . . 
W ürttemberg . 

Baden . 

Hessen ... 
Elsass-Lothriiieen 


28 313 833,9 347131 855 12s!l6 103 l:302»ll: 1978 
5 416 180 1 973 1 5 797 414 2 947 1:2745111:1967 
3 179 168 1156, 8 783 014 1 968 1:275011:1922 
1994 849 614i 2 080 898 8701:8248111:2392 

1600 839 685J1 725 470 1 027 1:2 336j|l: 1680 
956170! 414 1 1039 388 661 1:280911: 1572 

1563145! 496 1 641220 7661:3151 1:2140 


Proc! 

72.3 

50.3 
70,2 
41,7 
59,1 
59,6 

54.4 


Die stärkste Zunahme fand somit in Preussen, die geringste 
in Württemberg statt. 


In den deutschen Städten mit über 100000 Einwohnern ge¬ 
staltete sich die Zahl der Aerzte und deren Verhältniss zur Zahl 


der Einwohner wie folgt: 

1886 1899 

Berlin. 1320 000 1193 1:1106 1 833 147 2314 1: 725 

Hamburg. .. 518712 319 1:1624 675351 544 1:1241 

München.... 260 005 333 1: 780 411001 637 1: 640 

Leipzig. 170 076 214 1: 794 399 963 411 1: 973 

Breslau. 299 405 273 1:1096 373166 510 1: 732 

Köln. 161 270 135 1:1194 360 047 330 1: 974 

Dresden .... 245515 240 1:1023 354285 408 1: 868 

Frankfurt a. M. 154 504 154 1:1003 229 279 328 1: 699 

Magdeburg... 114 298 76 1:1503 214 424 169 1:1269 

Hannover . . . 139 746 122 1.1145 209 535 235 1: 892 

Düsseldorf ... 115183 79 1:1458 176 025 158 1:1114 

Königsberg .. 151 177 141 1:1072 172 796 256 1: 675 

Nürnberg. . . . 114 632 72 1:1592 162 386 146 1:1111 

Chemnitz. . . . 110 808 38 1:2916 161017 100 1:1610 

Charlotten bürg — — — 160 000 308 1: 513 

Stuttgart .... 125906 127 1: 991 158321 200 1: 792 

Stettin. — — — 151813 160 1: 780 

Altona. 104 719 46 1:2276 148 944 87 1:1712 

Bremen. 118 615 64 1:1846 141937 115 1:1234 

Elberfeld.... 106 500 40 1:2662 139 341 73 1:1909 

Strassburg ... 112220 118 1: 949 135313 215 1: 629 

Barmen. 103 066 33 1:2916 127 002 73 1:1740 

Aachen. — — — 126 345 112 1:1128 

Danzig. 114 822 69 1:1664 125 639 146 1: 860 

Halle. — - - 116 304 203 1: 573 

Braunschweig . — — — 115 138 110 1:1046 

Dortmund ... — — — 111232 77 1:1445 

Krefeld. — — — 107 278 60 1:1787 


Am reichsten ist also Charlottenburg mit Aerzten versorgt (1:513); 
es folgen, in aufsteigender Linie geordnet, Halle, Strassburg, München, 
Königsberg, Frankfurt a. M., Berlin, Breslau, Danzig, Dresden, Stettin, 
Hannover, Leipzig, Köln, Braunschweig, Nürnberg, Düsseldorf, Aachen, 
Hamburg, Bremen, Magdeburg, Dortmund, Chemnitz, Altona, Barmen, 
Krefeld, Elberfeld (1:1909). 

Es zeigt sich hier einerseits der Einfluss der Universitäten an 
einer auffallend grossen, der Einfluss der Krankencassen in grossen 
Industriecentren an einer geringeren Anzahl von Aerzten; der Durch¬ 
schnitt beträgt 1:1063. 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



























16. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


107 


Im Jahre 1886 hatte von den Städten mit mehr als 100000 Ein¬ 
wohnern die meisten Aerzte München mit 1:780, die wenigsten 
Barmen mit 13123, der Durchschnitt betrug damals 1:1515. 

Die Bevölkerung hat sich in Berlin um 38,8 Proc., in München 
um 58,7 Proc., die Zahl der Aerzte in Berlin um 93,9 Proc., in München 
um 91,3 Proc. vermehrt. 

Die 2947 bayerischen Aerzte vertheilen sich auf die einzelnen 
Kreise wie folgt: Oberbayern 991 (davon München 637), Mittel- 
franken 397, Unterfranken 385, Pfalz 325, Schwaben 304, Ober¬ 
franken 200, Niederbayern 184, Oberpfalz 161. 

50,0 Proc. der bayerischen Aerzte leben in Städten mit über 
10000 Einwohnern, 40 Proc. in Städten mit über 40000 Einwohnern, 
21 Proc. in München. Auf dem Lande und in Städten bis zu 10000 
Einwohnern hat die meisten Aerzte Oberbayem ^1:2300), es folgen 
Unterfranken (1:2500), Schwaben (l -2600\ Pfalz (1:3000), Mittel- 
franken (1:3300), Oberfranken (1:4300), Niederbayern (1:4500) und 
Oberpfalz (1:4700). 

Auf 100 qkm wohnen im Deutschen Reiche im Durchschnitt 
4,94 Aerzte und zwar am dichtesten in Sachsen (13,13), am wenigsten 
dicht in Bayern (3,88) Jedoch wohnen hier in Oberbayern 5,92, 
in der Pfalz 5,47, in Mittelfranken 5,24 Aerzte auf 100 qkm, in 
Niederbayern dagegen 1,71, in der Oberpfalz 1,67. 

Es ergibt sich aus diesen Zahlen, dass die Zahl der Aerzte in 
Deutschland in den letzten 13 Jahren in viel stärkerem Maasse ge¬ 
wachsen ist, als der Zunahme der Bevölkerungsziffer entspricht, 
und dass namentlich der Zugang in den grossen Städten «ranz un- 
verhältnissmässig gross ist. Unter solchen Umständen ist die un¬ 
günstige Lage des ärztlichen Standes leicht erklärlich, und eine 
Besserung nicht zu erhoffen, solange der Zudrang zum ärztlichen 
Berufe sich nicht vermindert. R. S. 

Therapeutische Notizen. 

Pruritus ani. Maguire empfiehlt in Therapeutie Progress 
folgende nach gründlicher Reinigung des Afters äusserlich sowohl 
wie in die unteren Rectumpartien zu applicirende Salbencomposition: 

Rp.: Creolin 

Resorcin äa 1,25, 

Lanolin 30,0. 

M. f. ugt. F. L. 

Seekrankheit. Nach dem Motto: «Similia similibus>, wie 
es scheint, lässt L. C. Washburn zur Vermeidung der Seekrank¬ 
heit */a Liter Seewasser trinken. Die Folge davon ist natürlich Er¬ 
brechen, sehr oft wirkt dasselbe auch als salinisches Abführmittel. 
Die prophylaktische Wirkung dieser etwas heroischen Procedur soll 
in keinem Falle ausbleiben. (Merck’s Archives, August 1899.) F. L. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 16. Januar 1900. 

— Im deutschen Reichstag ist am 13. ds. bei Berathung des 
Etats des Reichsamts des Innern die Frage der Zulassung von 
Realschulabiturienten zum Studium der Medicin zur 
Sprache gekommen. Dabei hat sich der Staatssekretär Graf Posa- 
dowsky für diese Zulassung ausgesprochen. Er führte etwa Fol¬ 
gendes aus*.' „Ich stehe in diesem Punkte auf einem etwas moder¬ 
nen Standpunkt. Wie ich entschieden dafür eingetreten bin, dass 
weibliche Personen als Aerzte approbirt werden können, so möchte 
ich mich auch .mehr bejahend als verneinend aussprechen in der 
Frage, die der Vorredner an mich gerichtet hat. Der Kreis der 
Aerzte wird ein recht geringer sein, der noch die Werke griechischer 
und lateinischer Aerzte im Urtext studirt. (Sehr richtig! links.) 
Jene Werke haben doch mehr eine historische Bedeutung. Ich 
könnte mir desshalb wohl denken, dasB man den Realsehulabitu- 
rienten unter Umständen den Zutritt zu dem ärztlichen Beruf er¬ 
öffnen könnte, vielleicht unter der Voraussetzung, dass der Unter¬ 
richt des Lateinischen, wo das verlangt wird von zuständiger Stelle, 
etwas vertieft und dementsprechend eine Aenderung des Lehrplans 
der Realschule vorgenommen wird. Aber ich bitte, mich auf diese 
Erklärung nicht festnageln zu w-ollen. Es ist eine persönliche Auf¬ 
fassung, und ich kann keine Erklärung zur Zeit abgeben, wie sich 
die verbündeten Regierungen dazu stellen werden, insbesondere, 
welche Stellung die preussische Regierung dazu einnimmt. (Hört!) 
Ich habe aber immerhin den Eindruck, dass auch diese einen in¬ 
transigenten Standpunkt einzunehmen nicht gedenkt.“ — Der Herr 
Staatssekretär unterschätzt hier die deutschen Aerzte. In wenigen 
belehrten Berufen wird man eine so grosse Zahl von Männern fin¬ 
den, die sich zum Zweck historischer Studien eingehend mit den 
alten Klassikern beschäftigen, wie unter den Aerzten. Es wäre 
leicht, eine ansehnliche Reihe von Aerzten zu nennen, die noch 
in den letzten Jahren wichtige Ergebnisse ihrer medicinisch-histo- 
rischen Quellenstudien veröffentlicht haben. Aber davon abgesehen 
lernen wir doch Latein und Griechisch nicht nur desshalb, um die 
alten Klassiker im Urtext lesen zu können, sondern w r eil man dieses 
Studium als die beste Schulung des Geistes und die Beschäftigung 
mit den Alten für geeignet betrachtet, die Bildung der Jugend mit 
einem höheren sittlichen Inhalt zu erfüllen. Wenn dies zutrifft, 
so kamt die humanistische Vorbildung der Aerzte nicht preis- 

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gegeben werden, denn kein anderer Beruf stellt an seine Jünger 
so hohe sittliche Anforderungen, wie der ärztliche. Erkennt aber 
der moderne Standpunkt, auf dem der Herr Staatssekretär steht, diese 
veredelnde Wirkung der humanistischen Studien nicht an . hat 
das Studium der alten Sprachen wirklich keinen tieferen Zweck 
als die Leetüre der Klassiker im Urtext, so quäle man allerdings 
unsere Jugend nicht länger mit diesem Studium, sondern werfe es 
über Bord, aber nicht nur für die künftigen Aerzte, sondern allge¬ 
mein und überlasse es Denen, die die alten Sprachen für ihren 
Beruf brauchen, sich die Kenntnis» derselben auf dem Wege des 
Fach Studiums zu erwerben. Die Forderung der Aerzte muss immer 
die bleiben, dass dem ärztlichen Nachwuchs die höchste überhaupt 
erreichbare allgemeine Bildung zu Theil wird. 

— Was Vorstände von Krankenoassen ihren Cassenürzten Alles 
zu bieten wagen, davon hat man ja unter der Herrschaft des 
Krankenversieherungsgesetzes manch hübsche Probe erlebt; niemals 
aber dürfte zu Aerzten eine impertinentere Sprache geredet worden 
sein, als sie der Vorstand der Ortskrankeneasse VIII der Stadt 
München seinen Cassenärzten gegenüber sich zu führen erlaubt. 
Diesen ist vor Kurzem seitens des Cassenvorstandes ein Schreiben 
zugegangen, das folgenderinaassen anhebt: 

«Bei der heutigen Auszahlung der Krankengelder musste 
leider die Erfahrung gemacht werden, dass die Herren Cassenärzte 
ihre Pflicht nicht gethan haben! Es ist nach dem Resultat des 
heutigen Tages ganz unmöglich, dieses harte Urtheil auch nur in 
etwas abzumindern. Wir wenden uns daher an Sie mit der Hoff¬ 
nung, dass Sie das Versäumte nachholen und erklären ausdrücklich, 
dass wir nicht einmal untersuchen w f ollen, wer Alles an diesem 
«Erfolg» schuld ist und dass der oben erhobene Vorwurf nicht 
denEinzelnen, sondern die Gesammtheit der Herren Cassen¬ 
ärzte trifft.» 

Das Schreiben weist sodann ein starkes Anwachsen des 
Krankenstandes und der auszuzahlenden Krankengelder nach und 
führt dies darauf zurück, dass Leute als arbeitsunfähig behandelt 
würden, die dies keineswegs sind und «dass den Meisten lediglich 
ein leichter Katarrh anhafte, wie ihn im Winter die Mehrzahl der 
Menschen habe.» Es fehle an der Energie, mit der diesen Leuten 
gesagt werden müsse, dass sie zwar möglicherweise krank, auf 
keinen Fall jedoch arbeitsunfähig seien. 

«Kann denn», fährt das Schreiben fort, «absolut nicht aus¬ 
einandergehalten werden, dass es sich lim eine Krankencasse 
handelt? 

Aus deren Mitteln kann und darf doch aus gar keinen Gründen 
Armen- oder Arbeitslosenunterstützung angewiesen werden!! Auch 
dann nicht, wenn sich der Arzt beliebt machen will!» 

Es folgen dann eine Reihe von Vorschlägen, von deren stricter 
Erfüllung allein Erfolg erwartet wird. 

Es ist selbstverständlich, dass die Aerzte der Casse diese grobe 
Verunglimpfung nicht ruhig hingenommen haben. Vor Allem 
haben sämmtliche Polikliniken, sowohl im Reisingerianum wie in 
den Krankenhäusern, die weitere Behandlung von Mitgliedern 
dieser Casse sofort eingestellt und die übrigen in Betracht kom¬ 
menden Aerzte haben eine sehr entschiedene Entgegnung an die 
Casse gerichtet, in der sie verlangen, dass das Schreiben unter 
dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen werde. Die Casse 
ist somit durch die Grobheit ihres Vorstandes in eine wenig ange¬ 
nehme Lage gerathen und dürfte wohl dafür sorgen, dass ihre 
Beamten in Zukunft sich mit dem Ton, der gebildeten Männern 
gegenüber geziemt, besser vertraut machen. 

— Die neue Aerztekammer für Berlin-Brandenburg wählte zu 
ihrem Vorsitzenden wiederum den Geh. Sanitätsrath Dr. Becher. 
Als Delegirter zur wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal- 
wesen wurde Prof. Mendel mit Prof. Landau als Stellvertreter 
gewählt. Mit der Vertretung der Aerztekammer im Medicinal- 
collegium der Provinz Brandenburg w r urden Dr. G o c k, Director der 
Landesirrenanstalt in Landsberg a. W., und Prof. Dr. Thiem-Kott- 
bus als Mitglieder und Sanitätsrath Dr Lewandowsky-Berlin und 
Prof. Dr. Kossmann-Berlin als deren Stellvertreter betraut. In 
den Ausschuss der Aerztekammem wurden Geheimer Sanitätsrath 
Dr. Becher-Berlin als Mitglied und Geheimer Medicinalrath Dr. 
Wiebecke-Frankfurt a. O. als Stellvertreter abgeordnet, 

— An anderer Stelle dieser Nummer veröffentlichen wir den 
Entw’urf von Vorschriften über den Verkehr mit Geheim¬ 
mitteln, der zur Zeit dem Bundesrath vorliegt. Der Entwurf 
verbietet die öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln und die 
Feilhaltung von schwindelhaften und gesundheitsgefährlichen Ge¬ 
heimmitteln. Welche Mittel Geheimmittel im Sinne dieses Ge¬ 
setzes sind , bleibt der Entscheidung der Behörden überlassen, ein 
Vorbehalt, der dadurch nothwendig w’urde, dass eine zutreffende 
Definition des Begriffes „Geheimmittel“ bisher nicht gefunden wurde. 

— In London herrscht z. Z. eine heftige Influenza- 
Epidemie. Dieselbe verursachte in der Woche vom 31. December 
bis 6. Januar 316 Todesfälle, gegen 38, 69 und 193 in den drei 
vorhergehenden Wochen. Die Hälfte dieser Todesfälle betrifft Leute 
im Alter von mehr als 60 Jahren. 

— Pest. Britiseh-Ostindien. In der Woche vom 2. bis 9. De¬ 
cember v. J. hat die Pest im Ganzen weiter abgenommen. Die 
Gesammtzahl der in jener Zeit gemeldeten, durch die Seuche her¬ 
beigeführten Todesfälle betrug 1579 gegenüber 1946 in der Vor- 

Qrifjinal fro-m 

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108 MÜNCHENER MEDICINISCJIE WOCHENSCHRIFT. No. 3. 


woche. In der Präsidentschaft Bombay sind die entsprechenden 
Sterblichkeitsziffern auf 1161 von 1274 zurückgegangen; sämmtliche 
dortige Bezirke, mit Ausnahme desjenigen von Sholapur, wiesen 
eine Besserung auf. Dagegen ist die Zahl der Peststerbefälle in 
der Stadt Bombay von 129 auf 159 gestiegen. In der Provinz 
Madras haben sich die gemeldeten tödtlichen Fälle in der Be* 
riehtswoche auf 10 und in den Centralprovinzen auf 11 von 
23 bezw. 16 in der Vorwoche vermindert. Im Staate Mysore 
war kein Wechsel im Stande der Seuche eingetreten; im Jullun- 
der*Bezirk im Punjab kamen 9 tödtliclie Fälle vor, in Kalkutta 
haben sich dieselben von 52 auf 56 gesteigert. — China. In der 
portugiesischen Colonie Makao ist zufolge Mittheilung von Ende 
Deeember v J. die Pest ausgebrochen. — Madagaskar. In Tama- 
tave ist in der Woche vom 5. bis 11 Deeember 1899 eine Er¬ 
krankung und ein Todesfall an der Pest festgestellt; vom 12. bis 
18. Deeember wurde eine Erkrankung, Jedoch kein Todesfall an 
der Pest gemeldet — Sandwich-Inseln. In Honolulu sind am 
11. Deeember v. J. 2, am 25. Deeember 3 Fälle von Pest beobachtet 
worden. V. d. K. G.-A. 

— In der 52. Jalireswmche, vom 24. bis 30. Deeember 1899, hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬ 
keit Danzig mit 34,6, die geringste Kottbus mit 8,9 Todesfällen 
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬ 
storbenen starb an Masern in Bamberg, Danzig, Essen, Frankfurt 
a. O., Köln, Plauen; an Diphtherie und Croup in Kaiserslautern, 
Osnabrück. 

— Bacteriologisclie Fortbildungscurse für amt¬ 
liche und praktische Aerzte. Wir machen aufmerksam auf 
eine Bekanntmachung im nicht-redactionellen Theil des Blattes, 
wonach der nächste derartige Curs im kommenden März im hygie¬ 
nischen Institut München, ein weiterer im Herbst in Erlangen 
stattfindet. 

— An der Universität Greifswald wird für die 'zweite Hälfte 
des Juli auch dieses Jahres ein Aerztecursus geplant, der von den 
Professoren der Universität in Verbindung mit den Privatdocenten 
und Assistenten abgehalten werden wird. Dauer des Cursus ist 
entsprechend den bei früheren Gelegenheiten geäusserten Wünschen 
der Theilnehmer auf 14 Tage festgesetzt. 

(Hochschulnachrichten.) 

Amsterdam. Dr. J. K. A. Wertheim-Salomonson wurde 
zum a. o. Professor der Neurologie, Elektrotherapie und Radiographie 
ernannt. 

Catania. Der Privatdocent an der medicinischen Facultät 
zu Neapel D. G. Traversa habilitirte sich für experimentelle Phar 
makologie und Therapeutik. 

Lemberg. Dem Privatdocent für medicinische Pathologie 
Dr. O. v. Widmann wurde der Titel eines ausserordentlichen 
Professors verliehen, 

London. Der Professor der Materia medica und Therapeutik 
Dr. N. J. C. Tirard wurde zum Professor der Medicin an King's 
College ernannt. 

Neapel. Habilitirt: Dr. F. Matoni für medicinische Patho¬ 
logie; Dr. C. Colucci für Neurologie; Dr G Angiolella für 
Psychiatrie; Dr. A. Sanduli für operative Medicin. 

Wien. Als provisorischer Leiter des embryologischen Institust 
wurde nach Prof. Schenk’s Beurlaubung Prof. Schaffer bestellt. 

(Todesfälle.) Dr. Fr. Orsi, Professor der medicinischen Klinik 
zu Pavia. 

Hofrath Dr. Faesebeck in Braunschweig, 90 Jahre alt, einer 
der ältesten noch prakticirenden Aerzte in Deutschland. 

Dr. Wilhelm Sommer, Director der Provinzialirrenanstalt in 
Allenberg (Ostpreussen), 47 Jahre alt. 

Obermedicinalrath Dr. Adolf Rudolphi zu Neustrelitz, seit 
1896 Mitglied und seit 1897 stellvertretender Vorsitzender des Aus¬ 
schusses des Allgemeinen Mecklenburgischen Aerzte-Vereins. 


Amtliches. 

Die Pharmaceut. Zeitung veröffentlicht folgenden, dem 
Bundesrath vorliegenden 

Entwurf von Vorschriften über den Verkehr 
mit Geheimmitteln. 

Der dem Bundesrath vorliegende Entwurf hat folgenden 
Wortlaut; 

$ 1. Auf den Verkehr mit Geheimmitteln, die zur Verhütung 
oder Heilung von Menschen- und Thierkrankheiten bestimmt sind, 
finden die Vorschriften der nachstehenden §§ 2 bis 6 Anwendung. 

§ 2. Welche Stoffe, Zubereitungen und Gegenstände als Ge¬ 
helmmittel im Sinne dieser Vorschriften zu gelten haben, wird 
durch die Landescentralbehörde bestimmt. 

Als Geheimmittel werden in der Regel nicht erklärt Stoffe 
und Zubereitungen, welche 

1. in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen worden sind 
und unter der dort angewendeten Bezeichnung angeboten werden; 

2. in der medicinischen Wissenschaft und Praxis als Heil¬ 
mittel allgemeine Anerkennung gefunden haben; 

3. lediglich als Desinfectionsmittel, kosmetische Mittel, 
Nahrungs- und Genussmittel oder Kräftigungsmittel angeboten 
werden. 

§ 3. Die öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln ist 
verboten. 


§ 4. Die Gefässe und die äusseren Umhüllungen, in denen 
Geheimmittel abgegeben werden, müssen mit einer Inschrift ver¬ 
sehen sein, welche den Namen des Geheimmittels und den Name;» 
oder die Firma des Verfertigers deutlich ersehen lässt. Ausserdem 
muss die Inschrift auf den Gefässen oder den äusseren Umhül¬ 
lungen den Namen oder die Firma des Geschäfts, in welchem 
das Geheimmittel verabfolgt wird, und die Höhe des Abgabe¬ 
preises enthalten. 

Es ist verboten, auf den Gefässen oder äusseren Umhül¬ 
lungen, in denen Geheimmittel abgegeben werden, Anpreisungen, 
insbesondere Empfehlungen, Bestätigungen, gutachtliche Aeusse- 
rungen oder Danksagungen, in denen eine Heilwirkung oder 
Schutz Wirkung dem Geheimmittel zugeschrieben wird, anzu¬ 
bringen oder solche Anpreisungen, sei es bei der Abgabe von Ge¬ 
heimmitteln, sei es auf sonstige Weise zu verabfolgen. 

§ 5. Auf die Verabfolgung von Geheimmitteln in den Apo¬ 
theken finden die §§ 1 bis 8 der vom Bundesrath am 13. Mal 1896 
(§ 293 der Protokolle) beschlossenen Vorschriften, betreffend die 
Abgabe starkwirkender Arzneimittel u. s. w„ Anwendung. 

Der Apothekeninhaber ist verpflichtet, sich Gewissheit da¬ 
rüber zu verschaffen, dass die Verabfolgung der von Ihm vor- 
räthig gehaltenen Geheimmitteln im Handverkaufe den In Abs. 1 
bezeichneten Vorschriften nicht zuwiderläuft. 

Geheimmittel, über deren Zusammensetzung der Apotheken¬ 
inhaber sich nicht soweit vergewissern kann, dass er die Zulässig¬ 
keit der Abgabe im Hand verkaufe zu beurtheilen vermag, dürfeu 
nur auf schriftliche, mit Datum und Unterschrift versehene An¬ 
weisung eines Arztes, Zahnarztes oder Thierarztes, in letzterem 
Falle jedoch nur beim Gebrauche für Thiere verabfolgt werden. 
Die wiederholte Abgabe ist nur auf jedesmal erneute ärztliche, 
zahnärztliche oder thierärztliche Anweisung gestattet. 

Bel Geheimmitteln, welche nur auf ärztliche Anweisung ver¬ 
abfolgt werden dürfen, muss auch auf den Abgabegefässen oder 
den äusseren Umhüllungen die Inschrift „Nur auf ärztliche An¬ 
weisung abzugeben“ angebracht sein. 

§ 6. Geheimmittel, durch deren Verwendung die Gesundheit 
gefährdet wird, sowie solche Geheimmittel, durch deren Vertrieb 
das Publicum in schwindelhafter Weise ausgebeutet wird, dürfen 
nicht angeboten oder feilgehalten werden. Welche Gehelmmittel 
diesem Verbote unterliegen, bestimmt die Landescentralbehörde. 


Correspondenz. 

In meiner Publication In No. 1 dieses Jahrganges findet sich 
die Bemerkung, dass die Pneumococcenconjunctivitis nach meinen 
Beobachtungen ein „wie es scheint“ eigenes Symptom im 
Krankheitsverlaufe, nämlich eine Art von kritischem Abfall der 
Eutzündungserscheinungen darzubieten pflegt. Den Ausdruck 
„wie es scheint“ habe ich deshalb gewählt, weil die Anzahl 
der in dieser Hinsicht beobachteten Fälle relativ gering war. Von 
Herrn Prof. Dr. A x e n f e 1 d - Rostock erfahre ich nun brieflich, 
dass er, wie mir allerdings nicht bekannt war, die gleiche Be¬ 
obachtung des kritischen Verlaufes schon früher gemacht hat und 
dass er diesen Verlauf für typisch und sichergestellt hält, wie er 
in No. 44 der Deutsch, med. Wochenschr. vom Jahre 1898 aus- 
geftihrt habe. 

Von dieser Mltthellung möchte ich ira Interesse einer ge¬ 
rechten Feststellung der Priorität der Beobachtung Kenntnlss 
geben. 

München, 10. Januar 1900. 

Dr. v. Ammon. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheitqnfür München 

in der 1. Jahreswoche vom 31. Dec. 1899 bis 6. Jan. 1900. 
Betheil. Aerzte 286. — Brechdurchfall 6 (8*), Diphtherie, 
Croup 14 (12), Erysipelas 5 (10), Intermittens. Neuralgia intenn. 
1 (1), Kindbettfieber — 1 3), Meningitis cerebrospin — (—), Morbilli 
414 (228), Ophthalmo-Blennorrhoea neonat. 12 (1), Parotitis epidem. 
3 (6), Pneumonia crouposa 17 (43), Pyaemie, Septikaemie — (—), 
Rheumatismus art. ac. 27 (23), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
7 (11), Tussis convulsiva 16 (17), Typhus abdominalis 3 (3), 
Varicellen 23 (14), Variola, Variolois — (—). Summa 531 (380). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München. 

während der 1. Jahreswoche vom 31. Dec. 1899 bis 6. Jan. 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000. 

Todesursachen: Masern 6 (1*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Croup 8 (—), Rothlauf — (—), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall — (11, Unterleibstyphus 
— (1), Keuchhusten 2 (1). Croupöse Lungenentzündung — (1), 
Tuberculose a) der Lungen 19 (23), b) der übrigen Organe 4 (4), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (4), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 4 (4), Unglücksfälle 4 (2), Selbstmord 2 (3), Tod durch 
fremde Hand — (—). 

Die Gesammtzahl der 8terbefälle 201 (207), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 23,1 <24,2), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,8 (15,9). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


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Verlag von J. F. L> 

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Lehmann in München. — Druck von E. M itlthilu'f lul- nd 


Ki mc »u c Inti, A. O. Kirdcn. 

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Pfe Mfinch. Med. Wochenschr. erscheint wöohentl. 
ln Nummern von . durchschnittlich 4—1 > Bogen. 
Preis ln Deutschi, u Oest.-Ungam vlcrteljährl. 6 JC, 
ins Ansland 7.50 JC. Einzelne No. *X) 4 . 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind zu adresslren: Für die Redaciioä 
Ottostracae 1. - Für Alionnement an J. F Leh¬ 
mann, Heustrasse 20. Für Inserate und Beilagen 
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz ifi 


MEDIOINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 

Ch. Bäuraler, 0. Bollinger, H. Gurschmann, C. Gerhardt, W. r. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H, t. Ranke, F.». Winckel, H,». Zlenssen, 

Vreiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München. 


Jß. 4. 23. Januar 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Aus dem hygienischen Universitätsinstitute in Innsbruck. 

(Jeher die Kohlensäureausscheidung bei wiederholten 
kalten Bädern (nach Versuchen an Hunden). 

Vorläufige Mittheilung von Prof. A. Lode und Dr. A. D u r i g. 

X a s a r o f f') hat unser<*s Wissens zuerst die bedeutsame 
Thatsache festgestellt, dass Versuehsthiere, und zwar Hunde, 
nach täglich wiederholten Bädern es dahin bringen, dass die 
Differenzen zwischen den vor dem Bade und nach dem Bade ab¬ 
gelegenen Beetaltemperaturen allmählich kleiner werden. Selbst¬ 
verständlich muss die Badetemperatur, um den Versuch ein¬ 
deutig zu machen, so niedrig gewählt werden, dass der Abfall 
der Körpertemperatur bei den ersten Bädern ein beträcht¬ 
licher ist. 

Es findet also durch irgend eine sieli ausbildende Ein¬ 
richtung des Organismus eine Art Anjuissung des Körpers an 
diese Wänneentziehungen statt, als deren Resultat das zähere 
Festhalten des Körpers an seine normale Körperwärme anzu¬ 
sehen ist. 

Dass hierzu eine Leistung des Körpers erforderlich ist, geht 
auch daraus hervor, dass hungernde und herabgekommene Thiere 
sieh abweichend von der eben erwähnten Norm verhielten und 
eine „Anpassung“ nicht zeigten. 

Da in der Literatur die Beobachtungen N a s a r o f Fs , 
wenigstens unseres Wissens, nicht weiter erwähnt wurden, 
waren wir Anfangs etwas skeptisch den Ermittelungen gegen¬ 
über. Bald überzeugten uns aber Nachprüfungen, die von Einem 
von uns schon im hygienischen Institut des Herrn Professors 
G r über in Wien begonnen worden waren, von der voll¬ 
kommenen Richtigkeit der erwähnten Tlmtsachc. 

So ergab, um nur einen allerdings besonders günstigen Ver¬ 
such anzuführen, der Hund D. bei einer Badedauer von 10 Min. 
und einer Wassertempelatur von rund 10° C. am ersten Tage 
einen Temperaturabfall von 5,6° C., am zweiten Badetage von 
6,3 0 C., am dritten von 3,4 0 C., am vierten von 2,8 0 C., am fünften 
von 0,9 11 C., am sechsten und siebenten von 0,3 0 C. 

Ebenfalls in Uebereinstiinmung mit Nasaroff konnten 
wir feststellen, dass junge oder schlecht genährte Hunde diese 
allmähliche Anpassung nicht zeigten, sondern unregelmässig, 
vielfach von Tag zu Tag mehr Körperwärme im Bade ein- 
büssten. 

Nachdem also, wenigstens bei kräftigen Thieren, die Ver¬ 
minderung des Temperaturabfalles nach wiederholten kalten 
Bädern, gemessen im Rectum mindestens 10 cm oberhalb der 
Analöffnung, als eine gesetzmässige Erscheinung festgestellt 
worden war, eine Erscheinung, für welche wir die Bezeichnung: 
N a s a r o f f’schcs Phänomen vorzusehlagen uns erlauben, legten 
wir uns die Frage vor, ob es möglich sei, durch Experimente 
klar zu legen, in welcher Weise diese merkwürdige Verminde¬ 
rung des Temperaturabfalles zu Stande kommt. 

Es waren vor Allem 2 Möglichkeiten zu erwägen. Es konnte 
dieses Phänomen verursacht sein entweder durch eine Aenderung 

*) Einige Versuche über künstliche Abkühlung und Erwär¬ 
mung warmblütiger Thiere lAus dem Laboratorium für ex¬ 
perimentelle Pathologie des Herrn Prof. Paschutln zu St. 
Petersburg). Virchow’s Archiv Bd. 90, pag. 482. 

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der Wärmeabgabe in dem Sinne, dass die Thiere es allmählich ler¬ 
nen, weniger Wärme an das Badewasser abzugeben. Die zweit Mög¬ 
lichkeit bestand in einer progressiv sich steigernden Wärme- 
produetion. Nach der letzteren Annahme käme also eine all¬ 
mähliche Steigerung des Stoffwechsels und die durch diese be¬ 
dingte erhöhte Wärmeerzeugung in Betracht. 

Schliesslich wäre eine Combination beider Möglichkeiten 
denkbar. 

Die Aenderung der Wärmeabgabe könnte auf dem Wege der 
oxactcn Messung der Wassertemperaturen vor und nach den 
Bädern ermittelt werden, wobei selbstverständlich die Wärme¬ 
abgabe des Badewassers an die Wanne, an die umgebende 
Luft etc. in Rechnung gezogen werden müsste. Wenn man in 
dieser Hinsicht nicht zu falschen Schlüssen gelangen wollte, 
müsste die subtile Technik calorometrischer Versuche in An¬ 
wendung kommen. Diese in Anwendung zu bringen war jedoch 
aus vielen Gründen unmöglich. Um nur Einiges in dieser Hin¬ 
sicht anzuführen, sei darauf hingewiesen, dass die Thiere unter 
keinen Umständen zu bewegen sind, im Bade von IO' 1 C. ohne 
Anwendung von Gewalt zu verbleiben. Sie müssen also gehalten 
werden. Werden die Thiere gefesselt, beraubt man sie eines 
möglicher Weise wichtigen Regulationsmittels, der Bewegungen 
ihrer Musculatur. Hält man aber die Thiere, wie wir es 
machten, mit den Händen im Bade fest, so kommt die Wärme¬ 
abgabe der haltenden Hände und Arme, welche sich theilweise 
ebenfalls im Wasser befinden, als ein durch eine Correctur nicht 
zu bestimmender Factor zur gesammten dem Wasser mitgetheil- 
ten Wärme dazu und macht eine exacte Berechnung ebenfalls 
illusorisch. Weiters lässt sich die Wassermenge kaum mit ge¬ 
nügender Genauigkeit bestimmen. Stets mussten wir, um die 
gewünschte gleiche Temperatur des Badewassers zu erzielen, 
entweder warmes Wasser zugeben oder durch Eis die Temperatur 
des Wassers herabsetzen. Genau diese Mengen zu ermitteln ist 
kaum bei rascher Arbeit möglich; arbeitet man aber langsam, 
so ändert während der Arbeit das Wasser abermals seine 
Temperatur. Dazu kommt noch, dass durch die Abwehr¬ 
bewegungen des Hundes unter Umständen grössere und abermals 
nicht messbare Wasserquantitäten verspritzt werden. 

Die Wärmeabgabe aber, wie dies Nasaroff gethan hat, 
aus der Körpertemperatur resp. Mastdarmtemperatur unter Be¬ 
rücksichtigung des Körpergewichtes des Hundes zu berechnen, 
ist grundsätzlich falsch und muss unbedingt zu Irrthümem 
führen, da die verschiedenen Körperbestandtheile ver¬ 
schieden temperirt sind. Legt man der Berechnung der ge¬ 
sammten vorhandenen Körpertemperatur die Mastdarmtempera¬ 
tur zu Grunde, so miisson die Werthe für die Körpertemperatur 
zu hoch ausfallen, da Haut, Unterhautzellgewebe und die diesem 
anliegenden Muskeigruppen sicherlich niedriger temperirt sind. 
Legt man die übrigens aus technischen Gründen schwer zu be¬ 
stimmenden Hauttemperaturen zu Grunde, so fallen die Werthe 
weitaus zu klein aus. Zieht man das arithmetische Mittel 
dieser beiden Temperaturen und berechnet hieraus die im Körper 
vorhandene Wärmemenge, so hat man wiederum kein auch nur 
annähernd zutreffendes Urtheil für die gesuchte Zahl. 

Wir mussten also von vorneherein auf die vielleicht be¬ 
quemere Ermittelung der Wärmeverluste verzichten und die 
Wärmeproduction durch die Bestimmung einer den Stoffwechsel 
indicirenden Constante ermitteln. 

Original fmm ^ 

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110 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Wir bestimmten zunächst die Grösse der gesammten, 
während des Versuches ausgeschiedenen Kohlensäure nach einer 
Methode, deren genauere Beschreibung wir für die ausführliche 
Mittheilung unserer Versuche auf sparen wollen. Die Bestim¬ 
mung des Sauerstoffverbrauches unterliessen wir bei den bis¬ 
her abgeschlossenen Versuchsreihen. Da aber diese Grösse zu 
kennen von Wichtigkeit ist, sowohl zur Controle für unsere 
CO a -Werthe, als auch zur Berechnung des sogenannten Re¬ 
spirationsquotienten, schliessen wir solche Bestimmunmgen eben 
an, und behalten uns deren Veröffentlichung ebenfalls für die 
ausführliche Publication vor. 

Im Wesentlichen bestand unsere bisher geübte Methode 
darin, dass den Versuchsthieren eine eigens construirte und 
exact gedichtete Athemklappe vor Mund und Nase fixirt- war; 
durch zu- und abführende weite Glas- und Kautschukröhren 
wurden die Respirationsproducte mit Plilfe Mülle r’scher mit 
Oel gefüllter Ventile in einen grossen, ca. 60 Liter fassenden 
Glasballon geleitet, in welchem sich titrirtes Barytwasser befand. 
Der Ballon wurde durch Schwingen stets intensiv bewegt, so 
dass die ausgeathmete CO, sofort fast vollständig an das Baryt¬ 
wasser gebunden wurde. Der aufgebrauchte Sauerstoff wurde 
mit äusserst geringem Ueberdruck (ca. 1—3 cm Wassersäule) 
in den Ballon geleitet. Nach Beendigung des Versuches wurde 
der Titre des Barytwassers abermals ermittelt und mittels auf 
Kohlensäure gestellter Oxalsäure die ausgeschiedene C0 2 be¬ 
rechnet. 

Die Methode hat vor Allem den Vorzug leichter Ausführbar¬ 
keit, sie lässt sich mit ein paar Glasröhren und einem Säure¬ 
ballon improvisiren, ist sehr expeditiv und erfordert keine Ab¬ 
lesung der Lufttemperatur und des Barometerstandes, keine Um¬ 
rechnung von Volumen auf Gewicht, indem sie direct das Ge¬ 
wicht der ausgeschiedenen CO, angibt. 

Die erhaltenen Zahlen betrachten wir übrigens keineswegs 
als absolut genommen richtig; wir legen diesen nur einen Werth 
als Vergleichszahlen bei, einen Werth, den man ihnen zuerkennen 
kann, wenn man bedenkt, dass für eine Versuchsreihe nicht nur 
dieselben Versuchsbedingungen eingehalten, sondern auch das¬ 
selbe Versuchsthier verwendet wurde. 

Die Muskelthätigkeit auszuschliessen haben wir uns eben¬ 
falls nicht bemüht. Da der sich bewegende Muskel nicht nur 
C0 2 bildet, sondern auch Wärme entwickelt, stellt eben die Mus¬ 
kelaction ein wichtiges Regulationsmittel dar, welches ausge¬ 
schaltet vielleicht das Phänomen beeinträchtigt hätte. 

Bezüglich der Kohlcnsäureausscheidung war bei Hunden, 
welche das N a s a r o f f’sche Phänomen zeigten, gesetzmässig: 

1. Eine ausserordentliche Erhöhung der Kohlensäurepro- 
duetion während und nach den kalten Bädern, welche in manchen 
Fällen mehr als das Dreifache der im normalen Zustande (Zim¬ 
mertemperatur) ermittelten betrug. Sicherlich spielen durch 
den Reiz des kalten Wassers ausgelöste willkürliche und unwill¬ 
kürliche Muskelbewegungen hierbei eine wesentliche Rolle. 

2. Die Menge der ausgeschiedenen Kohlensäure änderte sich 
nicht w'esentlich bei der Wiederholung der kalten Bäder; ins¬ 
besondere war ein irgendwie gesetzmässiges Ansteigen der C0 2 - 
Ausscheidung im Sinne eines sich allmählich steigernden Stoff¬ 
wechsels nicht zu erkennen. Die Kohlensäureproduetion stieg 
an, wenn die Wassertemperatur erniedrigt, fiel ab, wenn letztere 
erhöht wurde. 

Wir können also sagen: ein allmählich sich steigernder 
Stoffwechsel oder, was wenigstens im Allgemeinen gleichbedeu¬ 
tend ist, eine progressiv sich steigernde Wärmebildung kann 
nicht die Ursache der merkwürdigen Anpassung sein. Nachdem 
also die Production nicht ansteigt, kann nur die Wärmeabgabe 
geringer werden . Die Aenderung der Wärmeabgabe ist als 
Function der Haut, resp. der in derselben sich befindlichen Blut¬ 
gefässe zu betrachten. Je rascher, intensiver und anhaltender 
die Hautgefüssc sich nach der Einwirkung des Kältereizes zu¬ 
sammenziehen, umso geringer muss die Abgabe von Wärme an 
die Umgebung werden und umso geringer die Entwärmung des 
Gesammtorganismus. 

Bei Beurtheilung der Vorgänge, durch welche es zu den 
genannten Veränderungen des Gefässlumens kommt, wird man 
nach zwei Richtungen auszublicken haben; einerseits kann man 
an eine Gewöhnung der Hautgefässmuskeln denken, welche in 
Folge der Uebung die Fähigkeit erlangen, durch energischere und 
raschere Contractionen dem Wärmeverlust entgegenzuarbeiten, 

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No. 4. 


andererseits ist aber bei den gewiss intensiven Kältereizen in 
Frage zu ziehen, ob diese nicht bei längerer Dauer der Einwir¬ 
kung als Schmerzreize aufgefasst werden müssen und ob es sich 
durch die Wiederholung der Schmerzreize im Verlauf mehrerer 
Tage nicht um eine Gewöhnung an diese — eine Abstumpfung 
gegen diese — handeln könne, so dass die Gefässe erst nach 
immer längerer Zeit aus ihrem dem Kältereiz entsprechenden 
contrahirten Zustand in den dem Schmerzreize entsprechenden 
Zustand der Erweiterung übergehen. 

Es handelt sich also bei dieser Anpassung, welche wir im 
Wesentlichen als ein Analogon jenes Erscheinungscomplexes zu 
betrachten geneigt sind, welcher als Abhärtung bezeichnet 
w T ird, um eine von der Haut, resp. von deren Gefässen erworbene 
Fähigkeit, die Wärmeabgabe herabzusetzen. Die Regulation be¬ 
steht, um einen üblichen Ausdruck beizubehalten, auf physi¬ 
kalischen und nicht auf chemischen Vorgängen innerhalb des 
Organismus. 


Aus dem hygienischen Institut Würzburg. 

Ueber locale Disposition, Erkältung und Abhärtung. 

Von Dr. Carl Kisskalt, Assistent des Instituts. 

Seitdem Bier [1] gezeigt hat, dass es durch Anwendung 
künstlicher Stauungshyperaemie gelingt, infectiöse Processe 
günstig zu beeinflussen, ist von verschiedenen Seiten versucht, 
worden, eine Erklärung für diesen Vorgang zu finden. Während 
die einen Autoren daran dachten, dass die Kohlensäure an sich 
die Entwicklung der Bacterien beeinträchtigt, die anderen dies 
einer vermehrten Auswanderung von Leukocyten zuschrieben, 
kommt Hamburger [2] zu dem Schlüsse, dass es hauptsäch¬ 
lich die vermehrte Alkalinität sei, die die bactericide Wirkung 
der Stauungslymphe erhöhe. Er schliesst dies besonders aus 
den Versuchen, die beweisen, dass nach der Einwirkung von 
Kohlensäure auf das Blut das Serum stärker alkalisch reagire 
und auch stärker bactericid wirke als das Serum normalen 
Blutes, und dass letzteres nur noch in geringem Grade der Fall 
war, wenn es mit so viel Normalsäure versetzt wurde, dass sein 
Alkaligehalt mit dem des normalen Serums übereinstimmte. 
Ferner kam er in anderen Arbeiten zu dem Resultate, dass die 
phagocytäre Wirkung der weissen Blutkörperchen an dem Zu¬ 
grundegehen von Milzbrandbacillen in einem in venöser Stauung 
befindlichen Glied«* nicht Theil habe. — Schon vorher hatte 
v. F o d o r entdeckt, dass man durch Injection von Alkali in die 
Blutbahn die Widerstandsfähigkeit von Thieren gegenüber 
Milzbrand steigern kann und dass beilnfectionen der Alkaligehalt 
des Blutes abnimmt, wenn das Thier zu Grunde geht, dagegen 
steigt, wenn es die Infection überlebt. 

Diese Arbeiten legten den Gedanken nahe, ob das Gegentheil 
der venösen Hyperaemie, die arterielle Ilyperaemie, die sich in 
Bezug auf Alkalinität gerade entgegengesetzt verhält, auch den 
entgegengesetzten Einfluss auf die Entwicklung der Bacterien im 
Gewebe ausübt, d. h. ob sie die Disposition der Gewebe für ihre 
Ansiodlung erhöht und den Verlauf der Krankheit verschlim¬ 
mert. 

Im Folgenden soll nur der erste Punkt untersucht werden, 
während ich mir Vorbehalte, auf den zweiten in einer späteren 
Arbeit zurückzukommen. 

Versuche über das Schicksal der Bacterien in künstlich 
arteriell hyperaemisch gemachten Gliedern liegen in der Litera¬ 
tur in grosser Anzahl vor. Sie wurden meist in der Weise ange¬ 
stellt, dass einem Kaninchen der Ischiadicus einer Extremität 
durchschnitten und nach vollendeter Heilung der Wunde in 
eine Vene pathogene Bacterien injicirt wurden. 

Die ersten Versuche dieser Art stammen von Her¬ 
mann [3], der mitStapliylococccen experimentirte; er fand, dass 
sich in den Gelenken der enervirten Extremität sehr bald reich¬ 
liche Coccen angesiedelt hatten, während die der normalen Ex¬ 
tremität in den ersten Tagen stets und auch nach längerer Zeit 
fast immer davon frei blieben. Das Knochenmark der enervirten 
Seite war gewöhnlich röther, als das der anderen und enthielt 
ebenfalls stets reichliche Coccen, das der nicht enervirten Seite 
wenige oder gar keine. 

Zu dem gleichen Resultate kam Kasparek [4], der die¬ 
selben Versuche mit Staphylococeen, Streptococcen und Pneumo- 
coccen anstellte, ferner Nekäm [5] der an der entnervten 
Niere mit demselben Erfolge experimentirte. 

Original frarn 

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23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


111 


Durch diese Versuche war aber noch nicht bewiesen, dass 
e s die Lähmung der vasomotorischen Nerven ist, die diese er¬ 
höhte Disposition der enervirten Extremität hervorruft. Dies 
wurde erst durch die sehr ausführlichen und consequent durch¬ 
geführten Arbeiten von Hofbauer und Czyhlarz [6] dar¬ 
gelegt. Ihre Versuche unterscheiden sich von den vorigen ein¬ 
mal dadurch, dass die Injection der Bacterien nicht erst nach 
der Heilung der bei der Durchtrennung des Nerven gesetzten 
Wunde gemacht wurde, da der Effect derselben wegen der Ana- 
stomosen mit der Gegenseite bald hätte verschwinden können; 
und ferner dadurch, dass die Ursprünge des Ischiadieus vor 
ihrem Zusammentritt einzeln durchschnitten wurden. So konn¬ 
ten die Verfasser zunächst bestätigen, dass sich bei einseitiger 
Resection des Ischiadieus und darauffolgender Einspritzung von 
Bacterien in die Blutbahn in den Gelenken und im Knochenmark 
der enervirten Extremität mehr Bacterien vortinden als in der 
gesunden; ferner eonstatiren sie, dass genau dasselbe eintrat, 
wenn statt der Durchschneidung d(>s Tschiadicus die einseitige 
Exstirpation des Grenzstranges des Bauehsympathious vor- 
genominen wurde; und drittens, dass bei Hemiseetion des 
Rückenmarks in der Höhe des 3. Lendenwirbels und darauf¬ 
folgender intravenöser Bacterieninjection sich im Knochenmark 
und in den Gelenken der unteren Extremitäten gleich wenig, 
in den Gelenken manchmal gar keine Bacterien nachweisen 
li essen. 

Hiedurch war also nachgewiesen, dass der reichliche Bac- 
U-rienbefund in der enervirten Extremität nicht durch eine 
Lähmung der motorischen, sensiblen oder trophisehen, sondern 
allein der vasomotorischen Nerven verursacht war und auf der 
dadurch hervorgerufenen Hyperaemie des betreffenden Organes 
beruhte. Es liesse sich aber noch der Einwand machen, dass die 
Vermehrung der Bacterien nicht an Ort und Stelle, durch be¬ 
sonders günstige Bedingungen veranlasst, stattgefunden hätte, 
sondern dass einfach mit der vermehrten Blutzufuhr zu der 
enervirten Extremität auch eine grössere Zahl von Bacterien 
oingeschwemmt worden wäre. Abgesehen davon aber, dass die 
Differenz der Zahlen der Vorgefundenen Bacterien viel zu gross 
ist um dies anzunehmen, spricht auch noch eine Reihe von in 
anderer Weise vorgenommenen Versuchen dagegen. Wenn man 
niimlich wie vorhin den Nerven eines Organes durehschneidet 
lind nun statt einer intravenösen Infection die subcutane 
Impfung an dem (dadurch stets hyperaemisch gewordenen) 
Organe vornimmt, so entsteht eine Eiterung schon bei viel 
kleineren Dosen, resp. tritt sie bei gleichen Dosen viel inten¬ 
siver auf als am normalen Organe. Solche Versuche wurden 
vorgenommen am Ohre von R o g e r [7] durch Durchschnei- 
dung des N. auriculo-temporalis, von Ochotinc [8] ebenfalls 
am Ohre durch Exstirpation des obersten Cervicalganglion, 
ferner von Charrin und Ruf f er [9], F renkel [10] und 
Dache und M a 1 v o z [11] an der hinteren Extremität durch 
Durchschneidung des Ischiadieus. Ueber den späteren Verlauf 
der Krankheit gehen allerdings die Meinungen der Autoren aus¬ 
einander, indem die einen (Charrin und Ruffer, Ochotine) 
darin einen ungünstigen, die anderen (Roger, Erenkel, 
Dache und M a 1 v o z) einen günstigen Effect sehen: darin aber 
stimmen sie sämmtlich überein, dass in einem solchen Organe 
sich die Bacterien Anfangs schneller vermehren, also günstigere 
Bedingungen zur Ansiedlung haben als in einem normalen 
Organe. 

Wahrscheinlich lässt sich ebenso, nämlich durch Wirkung 
der arteriellen Hyperaemie, auch ein Theil der Versuche erklären, 
die beweisen, dass gewisse Partien des Körpers, die mechanisch 
“der chemisch „gereizt“ wurden, erst dadurch für die Infection 
empfänglich werden; so gelingt es z. B. nur äusserst selten, 
durch Einbringen von Reineulturen in die Bauchhöhle eines 
Thiercs eitrige Peritonitis hervorzurufen, während man bessere 
Resultate erhält, wenn man neben den Bacterien noch mecha¬ 
nische oder chemische Reize wirken lässt, z. B. Krotonöl, con- 
eentrirte Salzlösungen, Carbolsäure [12]. Auch im Blute circu- 
hrende Pneumococccn und Staphyloeoccen setzen sich besonders 
na Hautstellen fest, die durch Chemikalien gereizt worden 
dnd [12]. Ferner kommen auch im Anschlüsse an Traumen, 
ohne Verletzungen der Haut, durch die Einschwemmung von 
Bacterien oft Erkrankungen vor; ich erinnere nur an die ex¬ 
perimentell erzeugte Osteomyelitis, sowie an die Entstehung der 
Kniegelenkst ubcrculose beim Menschen, An besonders gut mit 

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Blut versorgten Stellen pflegen sich im Blute eirculirende Bac¬ 
terien sogar ohne Trauma festzusetzen, z. B. bei den gewöhn¬ 
lichen Formen der Osteomyelitis. Ganz evident ist ferner der 
Einfluss des arteriellen Blutes bei den Erkrankungen der Herz¬ 
klappen, wobei fast ausschliesslich die des linken Herzens be¬ 
fallen werden. 

Umgekehrt ist cs eine schon von Rokitansky erwähnte 
1 Thatsaehe, dass sich in der in venöser Hyperaemie befindlichen 
Stauungslungc keine Tuberculose entwickelt. 

Nun mag allerdings der Gedanke Anfangs auffallend er¬ 
seheinen, dass, wenn der Körper anscheinend mit allen Kräften 
bemüht ist, einem betroffenen Theile mit arterieller Hyperaemie 
zu Hilfe zu kommen, dies sogar noch schädliche Wirkungen für 
ihn haben soll. Aber ist es nicht ebenso erstaunlich, dass in 
einem gestauten, also schlecht ernährten Gliede die Heilung in- 
fectiöser Processe schneller vor sich geht als in einem gut er¬ 
nährten f Oder dass Arterienunterbindung die Infection an 
dem zugehörigen Gebiete hemmt [12], obwohl dieses überhaupt 
nicht mehr ernährt wird? 

Fragen wir nun nach den Ursachen, warum der Körper 
trotzdem auf eine ihn betreffende Schädlichkeit mit Blutfülle 
rengirt, so kann man entweder annchmen, dass dies einfach ein 
reflektorischer Vorgang ist, dass es ganz gleichgiltig ist, auf 
welche Weise eine Nervenfaser erregt wird, ob durch Ver¬ 
wundungen, Zerrungen oder chemische Reize, und dass die Wir¬ 
kung auf das betreffende Endorgan sich ausschliesslich nach der 
Intensität der Erregung richtet [13]. Trifft aber den Körper 
ein Trauma ohne gleichzeitige Invasion von Bacterien, so ist es 
sicher das Beste, wenn sofort eine grosse Blutfülle entsteht, um 
die entstandenen Schädigungen auszugleiehen. Ausserdem kann 
aber der Zweck der arteriellen Hyperaemie gerade der sein, 
dass eine Eiterung zu Stande kommt, da hiedurch bekanntlich 
der Körper in den meisten Fällen vor einer Allgemeininfection 
geschützt wird*). 

Wir sahen also im Vorigen, dass ganz im Allgemeinen eine 
reichliche Versorgung der Gewebe mit arteriellem Blut die Dis¬ 
position zur baeteriellen Invasion erhöht. Eine solche eon- 
gestive Hyperaemie kommt aber auch zu Stande, wenn ein Theil 
des Gefässsystems für das Blut mehr oder weniger unpassirbar 
geworden ist; es muss dcsslialb, wenn sieh z. B. die Hautgefässe 
in grösserer Ausdehnung contrahirt haben, eine Hyperaemie 
der inneren Organe eintreten. Da nun hierbei eine Erweite¬ 
rung der Gefässe stattfindet, so muss nach dem Gesetze der 
Strömung in Capillarröhren der Blutstrom beschleunigt sein 
(wie auch dierecte Beobachtungen lehren) und das Blut in die 
Venen noch arterieller als gewöhnlich kommen [14]. 

Dass wirklich bei einer Einwirkung von Kälte auf die Haut 
die inneren Organe reichlich mit Blut gefüllt sind, zeigten 
Afanassiew, Liebermeister, Winternitz, Lassar 
u. A. Dass an dieser Hyperaemie der inneren Organe auch die 
Gefässe der Schleimhaut theilnehmen, zeigt der von Ross¬ 
bach [15] angegebene und von Anderen mit dem gleichen Er¬ 
folge wiederholte Versuch, dass sich an der Trachea des Kanin- 


l ) Anmerkung: Eine Thatsaehe scheint allerdings da 
gegen zu sprechen, dass die Invasion der Bacterien gerade durch 
arterielle Hj r peraemie begünstigt wird: es ist dies die von Bier [lj 
gemachte Beobachtung, dass man durch Hervorrufen einer Stau- 
ungshyperaemie, welche den Verlauf bestimmter Infections- 
kranklieiten günstig beeinflusst, die Entwicklung und das Fort¬ 
schreiten anderer Infectioneu bedeutend erleichtert. Ich 
möchte mir diese Thatsaehe auf folgende Weise erklären, ohne 
mir zu verhehlen, dass wohl auch noch andere Deutungen zulässig 
sind: 

Die erwähnten Erkrankungsproeesse, tlieils Erysipel, theils 
Wiederaufbreclien alter Abscesse. schliessen sich meist an ein 
Trauma an. Durch ein solches Trauma werden aber gleichzeitig 
Zellen abgetödtet, und das um so leichter, als sie schon vorher 
durch die schlechte Ernährung weniger widerstandsfähig ge¬ 
worden sind. In der absterbenden Zelle gehen aber gewisse Pro¬ 
cesse vor sich, wodurch den Mikroorganismen die Ansiedluug er¬ 
leichtert wird: es findet z .B. Säurebildung statt, die, wenn die 
Alkalinität das Wirksame an der gesteigerten bactericiden Wir¬ 
kung des Stauungsblutes ist [2], dieselbe neutralisiren würde. 
Es handelt sich dabei zwar nur um kleine Territorien, doch genügen 
dieselben bei der Kleinheit der Bacterien vollständig zur Ansiede¬ 
lung. Hat diese aber erst stattgefunden, so werden die nächst- 
liegenden Gewebe um so leichter den Toxinen der Bacterien unter¬ 
liegen, als sie ebenfalls bereits durch die schlechte Ernährung 
geschwächt siud. 

1 * 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



112 


MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


chens die Gefässe bei plötzlicher Abkühlung der Bauclihaut nach 
anfänglicher momentaner Contraction bedeutend erweitern. 

Dies ist nun der gewöhnliche Vorgang bei der Erkältung 
und zwar werden, wie der Versuch gleichzeitig beweist, nicht nur 
bei der am stärksten ausgesprochenen Form derselben, wie sie z. B. 
durch vollständige Durchnässung der Kleider hervorgerufen wird, 
die inneren Organe hyperaemisch, sondern sie werden es auch, 
wenn verhältnissmässig kleine Hautgebiete abgekühlt wurden. 

Unter diesen Umständen werden nun die pathogenen Bae- 
terien, die sich ja regelmässig im Pharynx befinden, in besonders 
günstige Bedingungen kommen, wodurch sie in Stand gesetzt 
werden, sich zu vermehren und nun dem Organismus durch Her- 
vorrufung einer Angina schädlich zu werden. Auf dieselbe Weise 
erklärt sich auch die Entstehung der Erkältungskrankheiten 
der Athemwege, z. B. Schnupfen und Bronchitis, denn 
auch auf der Schleimhaut der grösseren und mittleren 
Bronchen finden sich nach den Untersuchungen von Barthel 
[15] regelmässig pathogene Coccen. Von den Bronchen aus 
können diese auch noch weiter in die Alveolen der Lunge hinab¬ 
wandern und hier croupöse Pneumonie hervorrufcn, um so 
leichter als das Blut, wie erwähnt, arterieller als gewöhnlich in 
die Lunge kommt und hier noch weiter artcrialisirt wird, am 
stärksten da, wo es wegen seiner Schwere am längsten verweilt, 
nämlich im Unterlappen. Es mag dies mit ein Grund sein, 
warum die Pneumonie gerade hier beginnt. 

Die individuellen Verschiedenheiten bei der Erkältung, 
durch die es kommt, dass bei dem Einen regelmässig dieser, beim 
Anderen jener Theil betroffen wird, erklären sich nun einfach 
durch geringe Verschiedenheiten im Blutreichthum der betref¬ 
fenden Gebiete. 

Es beruht also die Erkältung auf einer durch die Contrac¬ 
tion der Hautgefässe hervorgerufenen Hyperacinie der inneren 
Organe, durch welche diese zur Ansiedelung resp. Vermehrung 
der Bacterien disponirt werden . 

Die Hautgefässe eontrahiren sich aber nicht an allen Stel¬ 
len des Körpers mit gleicher Promptheit: Stellen, die oft der 
kalten Luft ausgesetzt sind, wie die Hände, reagiren nicht so 
stark darauf, wie z. B. die Haut des Rückens. Dieselben Ver¬ 
schiedenheiten wie hier zwischen einzelnen Körpertheilen, be¬ 
stehen auch zwischen verschiedenen Personen. Solche, die sich 
z. B. durch tägliche kalte Waschungen am ganzen Körper gegen 
die Einflüsse der Kälte abgehärtet haben, d. h. die ihre Haut¬ 
gefässe gewöhnt haben, nicht mehr so slark auf Kältereize zu 
reagiren, erkälten sich erfahrungsgemäss viel seltener als ver¬ 
weichlichte Menschen. s ) 

Auch die Erfahrung, dass mässiger Alkobolgcnuss eine Zeit 
lang vor Erkältung schützen kann, lässt sich einfach auf die 
dadurch bewirkte Erweiterung der Hautgefässe zurückführen. 

Wenn nun einerseits arterielle Ilyperaemic zu Infections- 
krankheiten disponirt und andererseits Contraction der Haut¬ 
gefässe eine arterielle Hyperaemie der inneren Organe hervor¬ 
ruft, so muss es auch an Thieren, die für gewöhnlich durch ihren 
Pelz gegen Erkältungen geschützt sind, leichter gelingen, Er¬ 
krankungen hervorzurufen, wenn sie dieses Kälteschutzes be¬ 
raubt sind. Solche Versuche sind in grosser Ausdehnung von 
Lode [16] mit dem zu erwartenden Resultat gemacht worden. 
Die Thiere wurden durch Rasieren oder durch Eintauchen in 
kaltes Wasser abgekühlt und theils subcutan theils durch Ein- 
athmung inficirt. Die abgekühlten Thiere erlagen der Infection 
allein oder wenigstens schneller als die Control thiere, und in 
ihren inneren Organen fanden sich stets grosse Mengen der be¬ 
treffenden Bacillen. Wurden die rasierten Thiere dagegen be¬ 
kleidet, so verhielten sie sich wie normale Thiere. Lode kommt 
allerdings am Ende seiner Ausführung zu dem Schlüsse, dass 
die Herabsetzung der Eigenwärme es sei, die die Thiere gegen 


*) Anmerkung: Man findet allerdings vielfach die Mei¬ 
nung ausgesprochen, dass bei abgehärteten Personen die Haut¬ 
gefässe prompter reagiren; dass dies jedoch nicht richtig ist, geht 
aus Folgendem hervor: Wir frieren nur dann, wenn sich die 
Hautgefässe eontrahiren, w'obei sich die Haut kalt anfühlt; es 
müsste also abgehärtete Leute mehr frieren, als verweichlichte, 
was den Thatsachen widerspricht. Auch an sich selbst kann man 
leicht eine ähnliche Erfahrung machen, wenn man z. B. ein 
Bein, also einen nicht abgehärteten Körperthell, ohne Bedeckung 
der kalten Luft aussetzt: dasselbe fühlt sich nach kurzer Zeit 
kalt an. Ebenso lehrt die Erfahrung, dass wir uns erst dann er¬ 
kältet haben, wenn wir an irgend einem Körpertheile gefroren 
haben, was nicht der Fall ist, solange die Hautgefässe erweitert 
sind. 

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die Infection weniger widerstandsfähig gemacht habe. Wenn 
dies richtig wäre, dann müssten aber auch einzelne Körpertheile 
deren Eigenwärme herabgesetzt worden ist, sich weniger wider¬ 
standsfähig erweisen, dann müsste z. B. der Anfangs beschriebene 
Versuch mit der Modification, dass man statt der Durehsehnei- 
dung des Nerven die Abkühlung der Extremität vomimmt, das 
Ergehn iss haben, dass sich die intravenös injicirten Bacterien 
wieder in weit grösserer Zahl in der abgekühlten Extremität vor- 
finden, als in der normalen; dies ist aber nach Versuchen von 
IC a s p a r e k [4] und von L o d c selbst nicht der Eall, wie auch 
die gewöhnliche Erfahrung bei der Erkältung dagegen spricht. 

Wenn wir zmn Schlüsse die Ergebnisse dieser Arbeit zu- 
sammenfasson, so kommen w T ir zu folgenden Resultaten: 

1. Arterielle Hyperaemie steigert die Disposition zu Er¬ 
krankungen. 

2. Eine solche gi>steigerU» Disposition durch arterielle Hyper¬ 
aemie der inneren Organe, einschliesslich der Schleimhaut der 
Athemwege, ki.nnnt zu Stande hei der Erkältung durch Con¬ 
traction der Hautgefässe, ein Vorgang, der sich auch am ab¬ 
gekühlten Thiere nachahmen lässt. 

3. Die Abhärtung gegen Einwirkungen der Kälte hat zur 
Folge, dass die Gefässe der Haut nicht mehr so prompt auf jeden 
Kältereiz durch Contraction reagiren, so dass jene Disposition 
nicht mehr so leicht zu Stande kommt. 

Die Beantwortung der Fragen, wodurch die Disposition der 
Gewebe hei arterieller Hyperaemie bedingt ist, und welches der 
Einfluss arterieller Hyperaemie auf bestellende Krankheiten ist, 
sei einer späteren Arbeit Vorbehalten. 

Zum Schlüsse erübrigt mir nur noch die angenehme Pflicht, 
meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Dr. K. B. Lehmann, 
auch an dieser Stelle für seine beständige Unterstützung und Be¬ 
rn thung meinen besten Dank auszusprechen. 

Literatur. 

1. Bier: Heilwirkung der Hyperaemie. Münch, med. Wochen- 

sehr. 1897, No. 32. 

— Die Behandlung des chronischen Gelenkrheumatismus etc. 
Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 31. 

— Feber verschiedene Methoden, künstliche Hyperaemie zu 
Heilzwecken hervorzurufen. Münch, med. Wochenschr. 1899 
No. 48. 

2. II a m b u rger :IYber den Einfluss von Kohlensäure bezw. 

von Alkali auf das antibaeterielle Vermögen von Blut- und 
Gewebsflüssigkeit etc. Virchow’s Arek., Bd. 156, H. 2. 

Leber den Einfluss venöser Stauung auf die Zerstörung 
von Milzbrandvirus im Fnterhautzellgewebe. Centralbl. f. 
Baeteriol., XXIV, S. 345. 

3. Hermann: Variation» du terrain orgauique. Annales de 

l’Inst. Pasteur, 1891, S. 243. 

4. Kasparek: Feber den Einfluss des Nervensystems auf die 

Loeallsation ete. Wien. klin. Wochenschr. 1895, S. 570. 

5. N £k dm : Feber Innervation und Disposition. Ref. Centralbl. 

f. Baeteriol., XVI, S. 932. 

6. Hof baue r und Czyhlarz: Feber die Ursachen des 

Nerveneinflusses auf die Localisation vou pathogenen Mikro¬ 
organismen. Centralbl. f. allg. Patli. u. path. Anat. 1898, 
S. 657. 

7. Itoger: C. R. de la Sociötö de Biol. 1896. 

8. Ochotine: De rinfluence de la paralysie vaso-motrice etc. 

Ref. Centralbl. f. Baeteriol., XIII, S. 287. 

9. C li a r r i n und R u f f e r : C. R. de la Soci6t6 de Biol. 1889, 

S. 208. 

10. Frenkel: Arehives de möd. oxper. 1892. 

11. Dache und Mal voz: Annales de lTnst.Pasteur 1892, S.538. 

12. Flügge: Die Mikroorganismen, I. 

13. v. Rindfleisch: Elemente der Pathologie. 

14. Schmaus: Grundriss der path. Anatomie. 

15. Barthel: Ueber den Bacteriengehalt der Luftwege. 

Centralbl. f. Baeteriol., XXIV, S. 401. 

16. Lode: Beeinflussung der individuellen Disposition zu In- 

fectionskrankheiten durch Wärmeentziehung. Archiv für 
Hygiene, Bd. 28. 


Die oesophagoskopische Diagnose des Pulsions¬ 
divertikels der Speiseröhre. 

Von Prof. Dr. Gustav Killian in Freiburg i. B. 

Neulich hat Rosenheim einen Fall von typischem, wall¬ 
nussgrossem Pulsionsdivertikel der Speiseröhre beschrieben 
(Deutsch, med. Wochenschr. 1899, No. 54), welches erst bei der 
Section richtig erkannt worden war. 

Auch die oesophagoskopische Untersuchung hatte nicht zur 
diagnostischen Klarlegung des Falles geführt. Der Tubus stiess 
in einer Tiefe von 22 cm auf eine „blasse, wie gespannt 
aussehende Schleimhautfläche. Die Einstel- 

Original from 

UNIVERSITtf OF CALIFORNIA 



23. Januar 1900* 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


113 


lung eines Speise roh re nlumens durch vorsichtige 
Seitwärtsbewegungen des Tubus oder beim Herausziehen des¬ 
selben gelang nich t.“ 

Diese Mittheilung interessirte mich ganz besonders dess- 
wegen, weil ich zur Zeit 2 Fälle von typischem Pulsionsdivertikel 
in Behandlung habe, in welchen es mir gelungen ist, durch die 
Oesophagoskopie einen ganz klaren und Jedem 
demonstrablen Befund zu erheben. Von 2 weiteren 
Fällen, die ich während der letzten Jahre sah, wurde einer, ein 
Mann von 61 Jahren, nicht oesophagoskopisch untersucht, da er 
sich nur einmal in der Sprechstunde vorstellte; in dem anderen, 
der einen jungen Mann von 33 Jahren betraf, war es mir wie 
Rosenheim nur gelungen, mit dem Oesophagoskop bis in den 
Sack vorzudringen, so dass ich immer nur dessen glatte, ge¬ 
spannte Wand zu sehen bekam. Patient wurde später (1896) 
in der K r a s k e’schen Klinik operirt (vergl. B a r t e 11, Inaug.- 
Diss., Freiburg 1898). 


Die beiden Patienten, ■welche uns hier näher beschäftigen 
sollen, stehen im Alter von 73, bezüglich 53 Jahren. Bei dem 
ersten begannen die im allgemeinen leichten Beschwerden vor 
6, bei dem zweiten vor einem Jahre. Sie sind ganz typischer Art, 
ebenso die Untersuchungsergebnisse, so 
dass ich es mir erspare, darauf näher ein¬ 
zugehen. Die Pulsionsdivertikel sitzen bei 
beiden genau au der hinteren Speiseröhren¬ 
wand. dicht unter der liingknorpelplatte 
und haben nur eine massige Grösse. In 
dem einen älteren Falle ist der Sack 4, in 
«lern anderen 2 cm tief. Von der Zahnreihe 
bis zum Fundus des Divertikels misst man 
bei dem ersteren 21 cm, bei dem letzteren 
19 cm. Bei dem dritten Patienten lH'trug 
diese Entfernung 20 cm. Kose n h e i m 
mass in seinem Falle 22 cm. Die Ueber- 
einstimmung der Maasse in diesen 
4 Fällen wdire wahrscheinlich noch eine 
viel grössere, wenn man nicht bis zum 
Fundus der verschieden tiefen Säcke, son¬ 
dern bis zur Schwelle des Einganges 
in den Sack — ich meine damit die untere 
Umrandung des Einganges (vergl. Fig. s) 
— gemessen hätte. So erhält man in den 
beiden, jetzt noch in meiner Beobachtung 
befindlichen Fällen 17 cm. Ausserdem er¬ 
geben sich auch Differenzen aus den In¬ 
dividuellen Grössenunterschieden ’), der 
Form des Oberkiefers uhd der Zalin- 
f - Fundus, # --- Eingang, Stellung, bezüglich dem Mangel der 
Schwelle des Eingangs, Scluieidezähne. Diese fehlen bei meinen 
beiden Patienten. Trifft man also bei 
Sondirung der Speiseröhre in einer 
Tiefe von ungefähr 20 cm auf einen unüberwindlichen Wider¬ 
stand, so sollte man schon von vornherein die Möglichkeit des 
Vorhandenseins eines Pulsionsdivertikels in’s Auge fassen. 



Pafirittalselinitt durch ein 
I^ilMousdivertikel (schema¬ 
tisch) ; d — Divertikel, 


— Speiseröhre. 


Was nun die oesopliagoskopische Untersuchung angeht, 
welche ich stets am sitzenden Patienten vornehme, so ist es mir 
in beiden Fällen gelungen, mit d e m Rohre aus d e m 
Sack in die Speiseröhre und wiederum aus 
der letzteren in den Sack zu gelangen und da¬ 
bei die ganzen anatomischen Verhältnisse ge¬ 
nauzuübersehen. 


Bei der Einführung des Rohres kam ich zunächst in das 
Divertikel una sah beim Andrängen die leicht geröthete, glatte, 
anscheinend dünne Schleimhaut des Fundus. Bevor ich das 
Rohr zurückzog, las ich die Länge des von den Schneidezähnen 
an eingeführten Theiles ab. Dann wurden bei langsamem 
Jlerausziehen die Wände des Divertikels betrachtet. Plötzlich 
gelangte man so zur Schwelle des Einganges. Dieselbe hatte 
das Aussehen eines dicken Schleimhautumschlages. Die 
Schleimhaut war hier blass und gefaltet. Das Lumen der 
Speiseröhre wurde noch nicht eingestellt. Es erfolgte zu¬ 
erst eine erneute Ablesung, um die Tiefe des Sackes be¬ 
stimmen zu können, welche durch die Differenz der beiden ge¬ 
nannten Ablesungen gegeben ist. Darauf drängte ich das Ende 
des Rohres über die Schwelle weg nach vorn, um nach dem 
Oesophagus zu gelangen. Nach vorn von der Schwelle legte sich 
die Schleimhaut in dichte, dicke Falten; ein Speiseröhrenlumen 
klaffte nicht. Einmal passirte es mir allerdings, dass der Patient 
zufällig in diesem Augenblick schluckte, wobei das Lumen plötz¬ 
lich zum klaffen kam, so dass man noch eine Strecke weit in den 
Oesophagus hinein sehen konnte. Ich benutzte diesen günstigen 
Augenblick, um mit dem Rohre in die Speiseröhre einzugehen. 


l ) Meine beiden Patienten waren 161 und 178 


No 4. 

I ■ gitized by 


Gck igle 


cm 


gross. 


Es empfiehlt sich wohl, wenn man Schwierigkeiten hat, das 
Lumen zu finden, den Patienten zu Schluckbewegungen aufzu¬ 
fordern. 

Gewöhnlich gibt sich der Eingang in den Oesophagus in 
der gefalteten Schleimhaut nach vorn von der Schwelle aus 
wenig zu erkennen. Man erräth ihn mehr aus der Stellung und 
eventuellen Convergenz der Schleimhautfalten. Schliesslich 
kommt es nur auf den Versuch an, das Rohr mit möglichst nach 
vorn dirigirtem Ende an der muthmaasslichen Stelle des Lumens 
nach abwärts zu drängen. Ich hatte eigentlich keine Schwierig¬ 
keiten in meinen beiden Fällen, den gesuchten Weg in die 
Speiseröhre zu finden. 

Die Betrachtung derselben in dem oberen, dem Sack be¬ 
nachbarten Theile ergibt nichts Besonderes. Schon nachdem 
man einige Centimeter nach abwärts gegangen ist, fängt die 
Speiseröhre an zu klaffen. 

Um sich die ganze Situation noch einmal klar zu machen, 
geht man am besten auf demselben Wege wieder zurück in das 
Divertikel, was sehr leicht ist. Man kommt zunächst wieder zur 
Schwelle und nach hinten davon in den Sack. 

Ist es möglich, mit dem Oesophagoskop von Anfang an 
auf dem durch Bougirung genügend bekannten Weg direct 
in die Speiseröhre zu gelangen, so genügt es auch für die Dia¬ 
gnose, von dieser aus den Weg nach aufwärts zur Schwelle und 
von da in das Divertikel aufmerksam beobachtend zurückzulegen, 
um zu einer klaren Diagnose zu gelangen. 

Zur Reinigung des Sackes kann man, wenn Austupfen nicht 
genügt, eine einfache Säugpumpe benutzen, welche ich schon seit 
lange mit bestem Erfolge beim Oesophagoskopiren zur Rein¬ 
haltung des Gesichtsfeldes verwende. 

Dieselbe; besteht aus einem gewöhnlichen Gummiklysopomp 
(Patent Ingram) mit umgekehrt gestellten Ventilen, so dass 
dasselbe nur als Sauger wirkt. Damit saugt man die Luft aus 
einem Glase, an dessen Boden ein langer, dünner Heber endet. 
Der lange Schenkel des Hebers wird durch die oesophago- 
skopische Röhre eingeführt. So gelingt es leicht, sämmtlichen 
Speichel und Schleim vom oesophagoskopischen Gesichtsfeld ab¬ 
zusaugen. 


Zur Behandlung der chronischen Obstipation im 
Kindesalter. 

Von Dr. Heinrich Doerfler in Regensburg. 

Gelegentlich des diesjährigen oberpfälzischen Aerztetages 
in Amberg berichtete ich kurz über eine von mir versuchte und 
in zahlreichen Fällen erprobte Behandlung der chronischen 
Verstopfung im Kindes- resp. Säuglingsaltcr mit frischer 
Butter. 

Die Erfolge dieser einfachen Therapie waren derart günstig, 
dass ich die Methode zur eifrigen Nachprüfung angelegentlich 
empfehlen möchte, zumal da ja alle unsere bisherigen therapeuti¬ 
schen Hilfsmittel gegen dieses oft sehr hartnäckige und gesund¬ 
heitsstörende Uebel nur allzu häufig im Stiche lassen und somit 
die Frage der Behandlung dieser Erkrankungsform mit ihren 
Folgezuständen noch durchaus als nicht gelöst bezeichnet werden 
muss. Diese Lösung durch Erwähnung meines einfachen Ver¬ 
fahrens zu fördern, ist der Zweck dieser Zeilen. 

Es ist eine feststehende Thatsaehe, dass die „k ü n s 11 i c h“ 
ernährten Kinder sehr viel häufiger an habitueller Verstopfung 
leiden als die Brustkinder; besonders intensiv gestaltet sich die¬ 
selbe bei denjenigen Kindern, welche mit einem der üblichen Kuh- 
milclnvassergemengo ernährt werden. Es ist mir nun ferner auf¬ 
gefallen, dass bei den Kindern der ärmeren Volksclassen und der 
Landbewohner, so weit sie gesund bleiben und nicht an Darm¬ 
katarrhen zu Grunde gehen, trotz weniger sorgfältig gemischter 
und bereiteter Nahrung die Obstipation viel seltener ist als bei 
den nach den neuen Errungenschaften der Säuglingsemährung 
in der sorgfältigsten Weise ernährten Kindern der besser situ- 
irten und intelligenteren Volkselassen. Der Gebrauch der Ver¬ 
dünnung oder Vermischung der Kuhmilch mit reichlichen 
Wassermengen in den ersten Monaten der Säuglingsernährung 
ist schon sehr alt und tief in’s Volksbewusstsein eingewurzelt. 
Als S o x h 1 e t sein segensreiches Sterilisationsverfahren angab, 
da hatte man wohl ein mächtiges Mittel zur Verminderung der 
Kinderdarmkatarrhe gefunden, allein die Frage der chronischen 
Obstipation der Säuglinge war damit nicht aus der Welt gc- 

2 

Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



114 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


schafft, im Gegentheil schienen diese Störungen unter diesem 
Verfahren noch häufiger aufzutreten wie früher. Dieser bald 
allgemein gemachten Erfahrung suchte man durch Zusatz grosser 
Milchzuckermengen zur Wassermilchmiscliung entgegenzutreten, 
allein zumeist ohne den gewünschten Erfolg. Die Heubner- 
S o x h 1 e t’sclie Mischung von Kuhmilch mit milchzuckerhaltiger 
Mehlabkochung, Biedert’s Rahmgemenge, G ä r t n e Fs Fett¬ 
milch, Monti’a Wiener Milch, S t e f f e n’s Milchmischung 
und andere neuere Milehpräparate konnten die Calamität der 
chronischen Verstopfung der Säuglinge nicht beseitigen. Wo¬ 
rin liegen oder lagen nun die Gründe dieser Erscheinung? 

Der Grund dafür, dass alle diese Kuhmilcligemenge zwar 
sehr wohl geeigenschaftet sind, damikatarrhalische Störungen zu 
verhüten, aber andererseits sehr oft zur Verstopfung schlimmster 
Art führen oder sie wenigstens nicht verhüten können, liegt in 
der ausserordentlichen Verdünnung derselben mit 
Wasser oder Schleimwasser oder Molke oder Kalbsbrühe u. dergl. 
Jeder von uns hat wohl schon hundert Male die Beobachtung 
gemacht, dass die Harnabsonderung der mit Kuhmilchwasser¬ 
gemenge von Soxhlet, Bidert etc. ernährten Kinder eine 
unverhältnissmässig reichliche ist, dass diese Kinder in 24 Stun¬ 
den oft 30 und 40 Windeln vollständig durchnässen im Gegensatz 
zu den Brustkindern, die zwar auch sehr oft uriniren, aber nur 
immer kleine Mengen. Mütter, die ihre Kinder vorher gestillt 
hatten und dann aus irgend einem Grunde zur Soxhletnahrung 
oder Anderem übergehen mussten, haben mir zu Dutzenden ge¬ 
klagt, wie durchnässt und jeder Zeit „patschnass“ jetzt ihre 
Kinder seien, gegenüber der Zeit, wo sie Brustnahrung bekamen, 
Ebenso zeigte sich, dass diese Kinder nach kürzester Zeit schon 
wieder Hunger resp. Durst haben, viel mehr als Brustkinder, 
die doch viel weniger Milch jedesmal zu sich nehmen. Da 
auch die Harnabsonderung der Brustkinder um sicher zwei Drittel 
geringer ist, der Menge nach, als diejenige der künstlich er¬ 
nährten Kinder, so ging mir daraus mit Sicherheit hervor, dass 
diese ein viel zu grosses Flüssigkeitsvolumen 
in sich auf nehmen. 

Das Zustandekommen dieser übermässigen Harnsecrotion 
stelle ich mir nun folgendermaassen vor: Durch die zu grossen 
alsNahrung eingeführten keimfreien Flüssigkeitsmengen wird 
zunächst nur ein zu starker physiologischer Reiz auf Magen- und 
Darmschleimhaut ausgeübt, auf welchen dieselbe mit lebhafter 
Resorption der Flüssigkeit reagirt. Durch den continuirlichen 
Reiz der immer neu zugeführten, zu grossen Flüssigkeitsmengen 
entsteht nun eine Hyperaemie der Darmschleimhaut und ihrer 
Drüsenapparate, wodurch auch die Aufsaugung der Wasser¬ 
mengen vermehrt und dadurch naturgemäss auch die Vermehr¬ 
ung der Harnabsonderung hochgradig gesteigert wird. Ist der 
Darm widerstandsfähig genug, auf diese Ueberschwemmung 
nicht mit Darmkatarrh zu reagiren und dieselbe durch vermehrte 
Resorption auszugleichen, so wird sich nach und nach der Zu¬ 
stand chronischer Hyperaemie und schliesslich auch der Hyper¬ 
plasie der Darmschleimhaut und ihrer Bestandtheile einstellen. 
Den Beweis für diese beiden pathologischen Veränderungen gab 
mir die Section eines an Diphtherie gestorbenen Kindes, das seit 
Monaten an hartnäckigster Obstipation gelitten hatte. Die 
Schleimhaut bot makroskopisch das deutliche Bild ausge¬ 
sprochenster Hyperplasie und noch gut wahrnehmbarer Hyper¬ 
aemie. — Der ganze Darmtractus richtet sich also gewisser- 
maassen nur noch auf die Beseitigung der grossen Flüssigkeits¬ 
mengen ein und die festen Bestandtheile, die jene enthalten, 
bleiben zum Theile unverbraucht liegen, ballen sich zusammen, 
werden für die an sich verdünnten Verdauungssäfte un¬ 
durchgängig und führen schliesslich, ausgesogen wie sie sind, 
zum Zustand der chronischen Obstipation; es bilden sich die 
sattsam bekannten steinharten Scybala von meistens sehr heller, 
weissgrauer Farbe und zähester Consistenz. Diese Kothballen 
sind ausserordentlich fettarm und reich an halb- und ganz un¬ 
verdauten Caseinflocken. Heubner’s Untersuchungen haben 
den exacten Beweis geliefert, dass das Kuhmilchcasein ebenso 
leicht verdaulich ist wie das Frauenmilchcasein. Die reiche An¬ 
wesenheit des Caseins in den Scybalis ist desshalb nur ein Beweis 
dafür, dass seine Verdauung durch andere Momente behindert 
worden ist. Das fast, gänzliche Fehlen der Fettbestandtheile ist 
wiederum auf die starke Milch Verdünnung zurückzuführen. Wird 
nun diese Wassermilch in den Darm gebracht, so wird Magen- 
un<l Darmsaft so beträchtlich durch dieselbe verdünnt, dass das 

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Casein vom Kinderdarm nicht mehr überwältigt werden kann 
und sich im Verein mit den übrigen Trockensubstanzen zu einem 
trockenen, zähen Speisebrei und später Koth zusammenballt, 
der durch seine Wasscrarmuth dann auch träge lange Zeit liegen 
bleibt. 

Wir sehen also, dass in Form von Kuhmilch-Wassergemengen 
und ähnlichen Mischungen eingeführte Nahrung 1. zu wasser¬ 
reich und voluminös, 2. zu fettarm ist und dass 3. die Casein¬ 
verdauung im Kinderdarm durch die übermässige Verdünnung 
des Magen- und Darmsaftes und wohl auch der Galle in gesund¬ 
heitsschädlicher Weise gehemmt ist. Magen und Darm sind also 
dadurch in ihrer physiologischen Thätigkeit behindert und eine 
normale Ausnützung und Verwerthung der künstlichen Nahrung 
fast gänzlich unmöglich. Es ist somit in erster Linie die 
chronische Obstipation kein eigentlicher Krankheits¬ 
zustand, sondern ein Heminungsvorgang. Dass unter 
diesen Verhältnissen auch eine Herabsetzung, wenn nicht häufig 
völlige Lahmlegung der kindlichen Darmperistaltik stattfindet, 
die wiederum aus der ursprünglich rein mechanisch veranlassten 
Obstipation einen das kindliche Leben doch wohl sehr schwer be¬ 
einträchtigenden Krankheitszustand sich entwickeln lässt, sei der 
Vollständigkeit halber hier eingeschaltet. 

Von diesen Erwägungen ausgehend, suchte ich nun diesen 
Ueberschwemmungsreiz zu vermindern durch Verabreichung 
kleinere r und mehr Milch enthaltender Nahrungsmengen 
und erreichte dadurch hie und da Besserung der Obstipation. 
Da ich aber mit all’ den bisherigen Traditionen zu brechen nicht 
so kurzer Hand riskieren wollte, so strebte ich darnach, der bis¬ 
herigen Nahrung (meist Soxhletmilch) ein Medium zuzusetzen, 
dass die Nahrungsbestandtheile der Milchwassermischung reiz¬ 
los reichlich vermehrt und andererseits die gehemmte 
Darmthätigkeit anregt, ohne den Darm aus seiner physio¬ 
logischen Verfassung zu bringen, und welches schliesslich auch 
den Speisebrei rein mechanisch leichter beweglich macht und 
dessen eventueller Ueberschuss an Nährstoffen endlich auch reiz¬ 
los per vias naturales wieder abgeht. Ein solches Medium, das 
stets nützte, nie schadete, fand ich in der frischen, süssen 
Butter. 

Sie ist vom rein praktischen Standpunkte aus ein ebenso aus¬ 
gezeichnetes wie einfaches Mittel, leicht und angenehm unter er¬ 
freulicher Hebung des allgemeinen Ernährungszustandes der 
Kinder die Obstipation zu beseitigen und zu heilen. 

Auf empirischem Wege an einem reichen Kindermaterial, 
das ich in den letzten 6 Jahren wegen habitueller Verstopfung 
behandelte, gelangte ich zu folgenden Sätzen: 

1. Die Butter muss stets frisch und bester Qualität sein, 
am besten sogen. Gebirgsbutter (Centrifugenbutter). Auf dem 
Lande liess ich stets ganz frisch bereitete gewöhnliche Butter ver¬ 
abreichen. 

2. Die Einzelgabe muss streng individualisirt werden und 
Anfangs stets vom Arzte angegeben werden. Nach den Lebens¬ 
monaten geregelt wurde die Butter folgendermaassen verordnet: 

1. Lebensmonat: Da die Verstopfung in dieser Zeit gewöhn¬ 
lich noch nicht hartnäckig ist, so kann so lange Klysmabehand¬ 
lung durchgeführt werden, bis man sich überzeugt hat, dass sich 
der Darm der künstlichen Nahrung adaptirt hat. * 

2. und 3. Monat: Täglich Früh und Abends ein halber bis ein 
Kaffeelöffel voll und zwar so lange, bis normaler Stuhlgang er¬ 
folgt, dann nur alle 2 Tage diese Dosis. 

3. und 4. Monat: 2—3 Kaffeelöffel täglich; ist Stuhlgang ge¬ 
regelt, dann wird Butter nur im Bedarfsfälle in derselben Menge 
alle 2—3 Tage gegeben. 

Vom 5. Monate an bis zu einem Jahre alle 2—3 Tage I—3 
Esslöffel, längere Zeit hindurch. 

Von da ab nach Bedarf und Nothwendigkelt. 

Die Butter darf nur im Naturzustände gegeben 
werden, nie in Milch gelöst oder in andere Vehikel verrührt, da 
die absolut harmlose Wirkung der frischen Butter durch 
die beim Zerlassen oder Erwärmen eintretenden chemischen Ver¬ 
änderungen verloren geht und dem Kinderdarm dadurch die 
Möglichkeit entzogen wird, aus dem normalen unveränderten 
Milchfette, wie es auch in der Muttermilch vorhanden, seinen Be¬ 
darf sich selbst zu nehmen und den Ueberschuss einfach wieder 
abzugeben. Die Verdauungsthätigkeit des Darmes der Butter 
gegenüber wird stets der Milch Verdauung am ähnlichsten sein, 
daher auch die überaus gute Bekömmlichkeit des Milchfettes 
(Butter). Vollständig verändert sind jedoch die Verdauungs¬ 
verhältnisse, sobald die Butter durch Erwärmen in Milch oder 
Brei u. dgl. in Schmalzfett umgewandelt ist. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


115 


Butter, die schon mehrere Tage alt ist, muss vermieden 
werden. Uebrigens sind die kleinen Patienten in Bezug auf ge¬ 
naue Unterscheidung einer guten Butter von minderwerthiger, 
in ihrem Geschmack schon etwas veränderter, auffallend fein¬ 
fühlig. Sie weisen letztere mit geradezu frappirender Sicherheit 
zurück, während sie ausnahmslos — ich habe noch keinen 
Fall erlebt, wo es nicht so gewesen wäre — gute, frische Butter 
mit grossstem Wohlbehagen verzehren. Schädliche Folgen durch 
Verabreichung derselben habe ich noch nie gesehen, trotz des 
grossen Bacterienreichthums der Butter. Der Stuhl tritt meist 
nach 4—5 Stunden in breiiger Consistenz auf und wird mühelos 
entleert. Diarrhoischen Stuhl sah ich nur bei übertriebenster 
Gabe und selbst da nur sehr selten und vorübergehend. 

Die günstigen Erfolge, die mit dieser Buttertherapie erzielt 
werden, beruhen, kurz recapitulirt, nach meiner Ueberzeugung 
darauf, dass erstens der Gehalt der bisher verabreichten Wasser¬ 
milchgemenge an Nährwerthen leichtverdaulichster Art bedeu¬ 
tend erhöht wird und dieselben der normalen Milch durch Zu¬ 
satz reichlicher Mengen von Fett und etwas Eiweiss in best- 
emulgirter Form nähergebracht werden, dass zweitens ein ge¬ 
nügend grosser Theil der zugesetzten Nährstoffe zum Aufbau des 
ganzen Organismus günstig verwendet wird, dass drittens der 
Ueberschuss derselben reizlos und unbcnützt durch den Darm 
geht, die vorher träge Darmperistaltik durch seinen Gehalt an 
den verschiedenen, noch unschädlichen Fett- und Buttersäuren 
unschädlich anregend und schliesslich auch den Speisebrei rein 
mechanisch, ebenso wie später die Kothsäule beweglich machend. 
Dieselbe wird eben gut eingefettet und rutscht nun bei der an¬ 
geregten Peristaltik leichter vorwärts. Die Wasserresorption 
kann dabei ungehindert weitergehen, weil ja der Darm nun 
brauchbares Ernährungsmaterial genügend, ja im Ueberschuss 
zurückbehält: mit einem Worte, in jedem einzelnen Falle war der 
Erfolg ein geradezu glänzender — ich zähle aus eigener Praxis 
etwa 80 Fälle, aus der Praxis befreundeter Collegen gegen 25. 
Alle aus der Obstipation hervorgegangenen Beschwerden schwan¬ 
den überraschend schnell, das Allgemeinbefinden hob sich, die 
Entleerungen des jetzt weichen, „schönen“, gelbgefärbten Stuhles 
bildeten einen scharfen Contrast zur bisherigen Beschaffenheit 
desselben. 

Durch die Förderung des Allgemeinbefindens der Kinder er¬ 
höht sich noch der Werth der Butterbehandlung. Der Er¬ 
nährungszustand besserte sich rasch unter dem Einfluss der¬ 
selben, aus den blassen, aufgedunsenen, pasteusen Kindern 
werden meist schon nach Ablauf von 3—4 Wochen frische, 
rothwangige Wesen, die den Unbilden des ersten Lebensjahres 
gegenüber widerstandsfähig gewesen sind und — last not least 
für den praktischen Arzt wenigstens — die Dankbarkeit der 
Mütter ist gross. 

Nebenbei sei bemerkt, dass mich diese günstige Beeinflus¬ 
sung der kleinen Patienten durch Butterzusatz zu ihrer Nahrung 
veranlasst hat, auch anaemische Kinder mit Neigung zu Rachitis, 
Kinderatrophie etc., auch wenn sie nicht an Verstopfung litten, 
auf diese Weise nebenbei zu behandeln und ich habe in solchen 
Fällen recht ermunternde Resultate erzielt. 

Ein Punkt bleibt noch besonders zu betonen: Die Kinder 
dürfen selbstverständlich nur dann Butter bekommen, wenn 
sie eben nur an Verstopfung und deren Folgen leiden. Es darf 
kein Magenkatarrh, kein Dünn- oder Dickdarmkatarrh etc. be¬ 
stehen, die Ernährung musss einigermaassen rationell bisher 
durchgeführt worden sein und weiter durchgeführt werden, die 
Kinder müssen ihre bisherige Nahrung vertragen und dabei 
relativ gediehen, d. h. wenigstens langsam an Gewicht zu- 
genommen haben. Alle Erkrankungen dagegen, deren Ursache 
die Obstipation ist, sind keine Contraindication — im Gegen- 
theil! 

Soviel steht fest: Die hartnäckigste Obstipation mit allen 
Chikanen kann durch die frische Kuhbutter bei sonst nicht 
kranken Kindern spielend beseitigt und dauernd ge¬ 
heilt werden, das Allgemeinbefinden der Säuglinge und auch 
älterer Kinder bis zum 5. und 6. Lebensjahre herauf in günstiger 
Weise beeinflusst werden. 

Wie weit die strenge Wissenschaft mit meinen Ausführungen 
einverstanden ist, weiss ich nicht. Genauere unantastbare Unter¬ 
suchungen über die Faeces vor und nach der Butterbehandlung, 
wie sie mir wünschenswerth erschienen, anzustellen, erlaubte 
mir eine ausgedehnte ärztliche Praxis nicht. Aber so viel ist 

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sicher: All* die bisherigen Heilmethoden vom Klysma und dem 
Abführmittel bis zur Massage können ruhig ad acta gelegt 
werden, denn sie sind durch diese Buttertherapie 
unnöthig geworden. 

Als ich mich daran machte, diese in den letzten 6 Jahren ge¬ 
machte Erfahrung der Oeffentlichkeit zu übergeben, erschien im 
Decemberheft der Therap. Monatsh., XIII. Jahrgang, 1898, eine 
treffliche Arbeit Schlesinger^ „Ueber künstliche Säuglings¬ 
ernährung“ und im Märzhefte 1899, XIV. Jahrgang, ibidem eine 
weitere Abhandlung „Ueber Säuglingsernährung mit unver¬ 
dünnter Kuhmilch“. Zu meiner freudigen Ueberraschung er¬ 
sah ich aus den klaren Arbeiten, dass Schlesinger auf streng 
wissenschaftlichen Bahnen zu demselben Resultate gekommen 
war, zu welchem mich der praktische Weg, ein gesundheits¬ 
schädliches Uebel zu beseitigen, geführt hatte, mir ein Beweis, 
dass es richtig war, zu dem Resultat nämlich: 

1. dass die heute üblichen täglichen Nahrungsmengen und 
Einzel Portionen viel zu gross sind und dass sie 

2. zu sehr verdünnt sind. 

Schlesinger ging dann einen bedeutenden Schritt 
weiter und verlangt, dass reine Kuhmilch den Säuglingen 
von Anfang an gegeben wird, in kleinen Portionen und nicht zu 
oft. „Wenig, aber gut“ wie er schreibt. Ich blieb auf halbem 
Wege stehen, indem ich die Wassermilchgemengo auf die Hälfte 
der bisherigen Dosen reducirte, da ich nur den therapeutischen 
Zweck im Auge hatte und durch Nebenernährung mit Butter 
den Nährwerth der Wassermilchgemenge etc. demjenigen der 
normalen Milch möglichst nahe zu bringen suchte, um damit 
die Verstopfung zugleich zu beseitigen. Schlesinger hat 
nuu in sehr eingehender und klarer Weise seine Thesen auf- 
gestellt und an der Hand der Wissenschaft bewiesen — ich ver¬ 
weise dringend auf das Studium der beiden Arbeiten des 
Autors — und ich freue mich, dieselben durch meine eigenen 
Beobachtungen voll und ganz bekräftigen und dadurch beitragen 
zu können, dass seine eine volle Umwälzung in der Säuglings¬ 
ernährung bedeutenden Grundsätze zur Annahme und Anerken¬ 
nung gelangen möchten. Wird die von ihm vorgeschlagene, ein¬ 
fache natürliche Ernährung der Neugeborenen mit reiner Kuh¬ 
milch dereinst Allgemeingut werden, so ist mein bescheidener 
Vorschlag zur Behandlung der Verstopfung wenigstens theil- 
weise überflüssig geworden. Da sich aber alles Gute nur lang¬ 
sam Bahn bricht — ich meine SchlesingePs Vorschlag — 
so möge bis dahin mein einfaches Verfahren segensreich wirken. 

Verstopfung wird es aber aus anderen Gründen auch in 
Zukunft noch geben, und desswegen füge ich zum Schlüsse noch 
bei, dass auch alle anderen Formen gutartiger Obstipation 
acuter und chronischer Art, bei Brustkindern sowohl wie 
bei „künstlich ernährten“, sonst gesunden Kindern mit 
Butter erfolgreich und ohne störende Nebenwirkung behandelt 
und geheilt werden können. 


Zur Lymphknotentuberculose. 

Von Dr. von Noorden in München. 

In welchem Maasse die jugendliche Bevölkerung mancher Ge¬ 
genden zumal mit geschwollenen Lymphknoten behaftet ist, 
lehrten Massenuntersuchungen, ange3tellt, um den Gesundheits¬ 
zustand der Zähne kennen zu lernen. Odenthal fand bei 
70 Proc. der Kinder Anschwellungen. S t a r c k vermisste bei 
6 bis 9 jährigen Kindern seines Materials fast niemals vergrösserte 
Halslymphknoten. Die Untersuchungen von Vollandt an 
2506 Schulkindern fielen höchst ungünstig aus. Es krankten im 
7.—9. Lebensjahr 96 Proc. an Anschwellungen, im 10.—12. 
Lebensjahr 91,6 Proc., im 13.—15. Lebensjahr 84 Proc., im 16.—18. 
Lebensjahr 69,7 Proc., endlich im 19.—24. Lebensjahr 68,3 Proc. 
Lase Fs Nachforschungen an Schulkindern eröffnen, dass unter 
1216 Kindern 137 Kinder keine Verdickungen hatten. 

Schon diese wenigen Mittheilungen aus statistischen Er¬ 
hebungen kennzeichnen die Rolle, welche die Lymphknoten in 
der Kinderpathologie und in den ersten Decennien spielen; um 
so mehr fordern sie Aufmerksamkeit als rachgerade genügend 
Beweismaterial beigebracht ist, dass die Lymphknoten Aufstape¬ 
lungsplätze und Ausfallsthore für später vernichtende Krank¬ 
heiten sein können. 

Als chronisch-hyperplastische Lymphknotenanschwellung be¬ 
zeichnet die allgemeine Pathologie den Zustand, welchen der 

2 * 

Ürigiral frei 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



118 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 4. 


Lymphknoten annimmt, sobald vom Wurzelgebiete Dauerreize 
ausgingen, in Folge derer das Gewebe nicht mehr zur Norm zu¬ 
rückkehren kann. Ist Intensität und Qualität geeignet, so folgt 
der Zustand auch durch kürzer einwirkende (acute) Reize. Dass 
die Lymphknoten secundäre Entzündungsstellen werden, ist 
durch anatomische Anordnung gegeben; in ihr waltet ein teleo¬ 
logisches Princip. Durch staffelförmigen Aufbau seiner Hilfs¬ 
truppen erwehrt sich der Organismus eindringender Feinde. 

Man erkannte als Ursache der Schwellungen vor Allem 
Entzündungen vielfacher Art mit Sitz im zugehörigen Wurzel¬ 
gebiet der Lymphe. Unzählige Varietäten also; beispielsweise 
die vielen Gelegenheiten, die von der Mundhöhle mit ihren 
Organen vom Lippensaum bis zur Pharynxwand ausgehen, Ueber- 
gänge von Schrunden bis zu den schwersten Haut- und Schlei m- 
hautaffectionen, die sich allgemeiner Infection zuzugesellen 
pflegen. 

Das klinische Gesammtbild verleiht oft der Lymphknoten¬ 
anschwellung den Namen; Schwellung nach Scharlach, Masern, 
nach cariösen Zähnen, Mandelentzündungen und so fort. Damit 
ist, wenn auch in vielen Fällen nicht erschöpfend, die Schwel¬ 
lung charakterisirt. Häufig ging keine derartige oder wahr¬ 
nehmbare Krankheit voraus, aber das seit Alters bekannte Bild 
der skrophulösen Constitution bot sich dar; die Heilkunde 
spricht von skrophulösen Lymphknoten als eine Art für sich. 
Ein Theil dieser beharrt, oder bildet sich annähernd zurück, oder 
nimmt eine Gewebedegeneration für Tuberculose typisch an. 
Wieder andere Lymphknoten behalten den Charakter der chro¬ 
nischen Hyperplasie nur kurze Zeit, sie sind tuberculös, erscheinen 
primär tuberculös. 

Die Masse der Fälle im jugendlichen Alter lässt sich klinisch 
unter diese drei grossen Gruppen einreihen, so mannigfach auch 
die Bilder durch secundäre Beeinflussung (Mischinfectionen) und 
degenerative Processe sich gestalten. 

Ich schliease mich denen an, die durchaus Skrophulose und 
Tuberculose trennen und dieses auch für die Lymphknoten- 
erkrankung durchgeführt wissen wollen. Wir kennen eigent¬ 
lich, trotz aller klinischen und pathologischen Arbeit, die seit 
Mitte des 18. Jahrhunderts (soviel mir bekannt zuerst ernst auf 
Anregung der französischen Akademie 1749) verwandt wurde, 
über Skrophulose nur Symptomatisches; fest steht, dass die Skro¬ 
phulose ganzen Familien eigen ist und darin als ein Erbstück, 
schwer oder gar nicht ausrottbar, fortlebt. Neben der ange¬ 
borenen Anlage zählen noch Gelegenheitsursachen die Skrophu¬ 
lose zu erzeugen scheinen. Es mag einmal der physiologischen 
Chemie Vorbehalten sein zu ergründen, worin die Gewebe- und 
Saftversehiodenheit zwischen einem gesunden und skrophulösen 
Körper besteht und was die sich vererbende Minderwertigkeit ist. 
Die Erreger der Tuberculose suchen diese von der Norm ab¬ 
weichenden Gewebe und finden zuträgliche Ansiedelungsbeding- 
ungen in ihrem Nährboden, eine Erscheinung, auch von anderen 
pathologischen Geweben (Diabetes, unterernährte Gewebe) genug¬ 
sam bekannt. Sei es, dass die Erreger immer durch die Lymph- 
lmhnen von aussen und vom Respirations- und Darmtractus 
oder auch auf andere Wege eindringen, es bleibt eine Erschei¬ 
nung, dass die Lymphknoten der skrophulös Behafteten dazu nei¬ 
gen in Reizzuständen zu beharren, vornehmlich aber geeignet 
sind, eingedruTigene Tuberkelbacillen festzuhalten. Die ein¬ 
tretende Gcwebereaction birgt wenig Widerstand gegen deren 
Entwicklung in sich. So betrachte ich, nach alter Anschauung, 
Tuberculose in Beziehung zur Skrophulose als einen Parasit, als 
als etwas Ilinzugekommenes, nicht Identisches. 

Auf den Uebergang der Tuberculose auf skrophulöses Ge¬ 
webe ist das Hauptaugenmerk des prophylaktischen Arztes zu 
richten. Die Prognosen fallen zu gut, zu schlecht aus, weil in 
diesem Punkte gerade die ärztliche Erkenntniss Schwierigkeiten 
hat. Aber sehr viel hängt daran, in diagnostischer Beziehung 
den Einzelfall bald sicher zu übersehen. Belangloser wäre es, 
wenn die Allgemeinheit sich nicht gewöhnt und erzogen hätte, 
skrophulösen Lymphknoten gegenüber indifferentes Verhalten 
einzunehmen, diese Krankheit populärer Weise als Störung au- 
zusehen, die dem Pubertätsalter, den Soolbädern und dem Leber- 
thran weicht. Indifferentismus wird oft schwer bezahlt. Ernstere 
Auffassung sollte sich im Interesse des Volkswohles verallge¬ 
meinern, dahingehend, dass der Erreger der Tuberculose keinen 
vorbereiteteren Boden als dieskrophul. Gewebe eines Kindes findet. 
Erspriossliches therapeutisches Handeln ist nur dann möglich, 
wenn ärztliche Beobachtung durchschaut, wann die Lymphknoten 

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aufhören bloss entzündliche harmlose Reaction zu sein und auf¬ 
gedeckt wird, wann ein Kind mit dem vielen Weh-Weh den viru¬ 
lenten Keim der schwersten Plage des Menschengeschlechtes in 
seine Lymphknoten aufgenommen hat. Hohe Pflichten erwachsen 
dem Hausarzt, ein Feld für scharfe Beobachtung steht dem 
Schularzt offen; die prophylaktische Richtung der Medicin 
unserer Tage strebt an, die Krankheiten im allerersten Entstehen 
zu ahnen und zu sehen. Was frommt dem Einzelindividuum mit 
vorgeschrittener Lungenphthisis die Volksheilst ättc, was frommt 
es, das skrophulose Kind Wald-, See- Salinenluft erst danu 
athmen zu lassen, wenn Tuberculose sesshaft wurde. Schon dem 
Einschleichen und frühester Ansiedelung muss man nachspüren; 
unselige Bemäntelung der offenen und geschlossenen Lungen- 
tuberculose mit dem Worte Spitzenkatarrh, auch Heiserkeit, 
wurden oft Wermutstropfen. 

In der diagnostischen Kunst sind die Pathologen seit 
S c h ü p p e Fs Zeiten den Aerzten vorausgeeilt; wo Mikroskop 
und Farbe leicht oder recht mühsam Tuberkulose nachweist, 
lassen klinische Hilfsmittel noch im Stich. Die Gewebe ver¬ 
bergen den Anmarsch der Tuberkelbacillen; Bacillen und Sporen 
verursachen, wie andere Infectionserreger mit lebhaftem Tempo, 
keine wahrnehmbare Reaction in oder unter der Cutis oder an der 
Eingangsstelle; dazu ermangelt der Arzt um diese Zeit zumeist 
subjectiver Klagen. Rückschauend und rückfragend wird Spär¬ 
liches beigebracht. Die Angaben lauten: Dann und wann hätten 
Laesionen und irgend welche Krankheiten bestanden — die aller¬ 
dings unsere Aufmerksamkeit um so mehr in Anspruch nehmen, 
wenn die Kinder in solchen Zeiten herabgesetzten allgemeinen 
oder localen Widerstandes zur Umgebung eines tuberculösen 
Vaters, einer solchen Mutter, der Geschwister, des Dienstper¬ 
sonales gehörten. Auffallender Weise schätzen Ansichten, die 
der Laboratoriumsarbeit entspringen, directe Infection mit 
Bacillen oder deren Sporen durch trockene und feuchte Medien 
nicht sehr. Aber Umschau in Häusern mit einem bis zum Maxi¬ 
mum gesteigerten Zusammenleben drängt uns auf, die Harm¬ 
losigkeit des einmal abgesonderten oder ausgespuckten Krank- 
heitsproducte3 in derartigen hygienischen Verhältnissen nicht 
hoch anzuschlagen. Eine Nachforschung in New-York ergab 
beispielsweise, dass von 633 Häusern 248 mit Tuberculösen er¬ 
füllt waren, dass in 3 Jahren in diesen Wohnungen 541 Fälle 
von Tuberculose vorkamen. An der Ueberzeugung von mittel¬ 
barer und unmittelbarer Uebertragung müssen die Aerzte fest- 
halten, auch vom pädagogischen Gesichtspunkte, soll nicht 
grösste Lässigkeit die Gefahr fördern. Dem Einzelnen mag über¬ 
lassen bleiben, sich nur geschwächte, vulnerable, irritable, 
disponirte etc. Kinder und Erwachsene für die Krankheit zu¬ 
gänglich zu dünken und in der allgemeinen Widerstands¬ 
schwächung ein nothwendiges Erforderniss zu erblicken oder 
anzunehmen, dass die Infection des Gewebes, gesund oder krank, 
dann erfolgt, wenn eben der Ansturm der Tuberkelbacillen gross 
genug ist und die Frage damit zu einer quantitativen zu machen. 
Bemühungen aber, die die Tuberkulose zur Constitutionskrank¬ 
heit zurück drängen, die sie des infectiösen Charakters entkleiden 
möchten, können sich nur auf Unkenntniss der Geschichte der 
Tuberculose von Villemin bis Koch aufbauen. 

Muss man nun, falls klinische Mittel und Erfahrung im 
Schwanken lässt, verzichten, die frühe Diagnose zu fördern? Ich 
meine nein, und zwar dürfen und sollen wir wieder öfters neben 
der Probeexcision, die auch energisch zu vertreten ist, obwohl 
das Verlangen zum kleinen Eingriff gerne an gegebenen Verhält¬ 
nissen scheitert, zum Tuberculin greifen. Diagnostischen 
Werth hat dieses behalten, trotz aller Gegenkritik. Für Herab¬ 
setzung der grossen, bahnbrechenden Entdeckung ist genügend 
gesorgt; der Arzt, welcher die Injection zu diagnostischem Zweck 
in der Privatpraxis befürwortet, stösst auf Widerstand und 
kommt der Rath nicht von sehr autoritativer Seite, so sieht er 
ein wohlgemeintes Vorhaben scheitern. Der Chirurg kann das 
Tuberculin in diesem Sinne nicht entbehren, nicht bei Knochen- 
und Gelenkerkrankungen zweifelhafter Art, noch bei mancher 
Tuberculose in Weiebthcilen, und sei es wie es sei, selbst der 
innere Arzt kommt in geeigneten Fällen darauf zurück. An ein¬ 
zelnen Stellen ist ein therapeutisches Ziel mit dem Tuberculin 
auch jetzt nicht aus dem Auge gelassen, wie mir von geschlos¬ 
senen Anstalten und Behandlung der Lungentuberculose in Bade¬ 
orten bekannt ist. Ich stütze mich auf eine Anzahl älterer und 
neuerer Fälle von Lympliknotenanschwellungen, die mittels Tu¬ 
berculin zur Frühdiagnose auf Tuberculose kamen, bei welchen 

Original ffom 

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23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ich auf klinische Beobachtung hin nicht gewagt hätte, Tuber¬ 
eulose anzunehmen. Es sind Erfahrungen, die gewiss Anderen 
auch zustehen, doch wird nicht mit genug Nachdruck das dia¬ 
gnostische Hilfsmittel aufrecht gehalten. Nicht immer reagiren 
tuberculöse Lymphknoten der Anfang- und Spätform, das ist 
zuzugeben, aber in anderen Fällen treten wieder alle Nuancen 
von kaum merkbarer Spannung bis zur hochgradig schmerz¬ 
haften, mit Entzündung einhergehenden Begleiterscheinung auf 
und dies individuell, bei steigernder, vorsichtig gereichter Dosis 
von Milligramm bis Centigramm der wirksamen Substanz. Wohl- 
bedachte Dosirung schädigt nicht; mit Recht verblieb Tuber¬ 
kulin dem Arzneischatz und oft kann die Reaction wie ein 
offenes Buch erzählen. 

Mit Eintreten der localen — und vorsichtiger Weise auch 
der allgemeinen Reaction — benöthigt sicht- und tastbare 
Lymphknotenschwellung chirurgische Erwägung, ebenso wie es 
nach einer auf anderem Wege gesicherten Diagnose sein sollte. 
Damit ist ein überhastiges Eingreifen nicht zugestanden; aber 
der Arzt, dem chirurgische Verantwortung zufällr, muss bald 
Gelegenheit zum Einleben in den Fall finden. Dies würde, wie 
jeder, so auch dieser Operation nützen; es ist unthunlich, ohne 
möglichste Kenntniss der inneren Organe (Lungen, Herz, 
Nieren, Blutverhältnisse in Bezug auf Haemoglobin und Zellen, 
Bauch- und Brustlymphknoten) zu operiren. Bei Nichtbeachtung 
werden viel zu weit vorgeschrittene Fälle operirt Beschränkung 
gegen solche hat man sich aufzuerlegen, sie kommt den Patienten 
und der operativen Heilkunde für dieses Gebiet und im Allge¬ 
meinen zu Gute. 

Neben Probeexcision, in Verbindung mit ihr oder allein 
zur Injection eignen sich 'wohl: 

1. Fälle, welche chronisch-hyperplastische Lymphknoten¬ 
anschwellungen darbieten, ohne dass begleitende Symptome Tu- 
berculose vermuthen lassen, demnach leicht die Diagnose ver¬ 
zögert und die radicale Therapie beeinträchtigt wird. 

Jene Lymphknoten, die Schüppel als tuberculöse Granu¬ 
lome beschrieb — von E. Ziegler grosszellige Lymphome ge¬ 
nannt — finden sich auch bei robusten jugendlichen Menschen 
mit normalem Haemoglobingehalt. Man ist überrascht, selbst 
in winzigen Lymphknoten vorgeschrittene tuberculöse Degene- 
rationsproducte mit dem Messer nachzuweisen. Manche stabile 
hyperplastische Schwellung kann, obwohl Heredität und Ver¬ 
hältnisse, selbst an anderer Stelle localisirte Tuberculöse auf 
Tuberculöse hinweist, grosse diagnostische Schwierigkeit be¬ 
reiten. 

2. Fälle, in denen geschwellte Lymphknoten mit irgend einer 
anderen localen Bildung zur Differentialdiagnose auf Tuber- 
culose in Frage stehen. 

Hierher sind Raritäten zu rechnen. Schwellungen im 
Parotisgebiet, im Thränen- und Speicheldrüsengebiet (Miku¬ 
licz), dann kleine Netzbrüche, Sarkome, seltene subcutane Der¬ 
moide und gleicher Weise seltene Atherome am Halsring. So¬ 
dann H o d g k i li’sche Krankheit und die neuerer Zeit von 
Baumgarten beschriebene pseudoleukaemischeLymphknoten¬ 
tubereulose, die besonders unsicher erkannt wird. 

3. Fälle, in denen bei evident skrophulösen Kindern nach 
Abheilung von Entzündungen im Lymphknotenwurzelgebiet und 
nach Einwirkung allgemein roborirender, hygienisch-diätetischer 
Maassnahmen geschwollene Lymphknoten nicht zurückgehen oder 
gar Empfindlichkeit verrathen. 

4. Fälle, in denen der Arzt eines Nachdruckes bedarf, um 
die Umgebung oder den Kranken aus einer gewissen Gleichgiltig¬ 
keit heraus zu reissen. Injection oder Probeexcision überzeugen. 

Ich zweifle nicht, dass bei vielen in Tannenwäldern, im Sool- 
und Seebad sich tummelnden skrophulösen Kindern unsere Nach¬ 
forschungen auf Tuberculöse gegen Erwartung betrübend au3- 
fallen würden. Man wird Angesichts solcher Kinder recht ope¬ 
rativ gestimmt, und ist es nicht einem Zufall überlassen, ob 
das Gewebe der eingeschlichenen Tuberculöse Herr wird? Es 
deckt sich nicht mit unserer prophylaktischen Auffassung, leicht 
zugängliche schädliche Herde in den Geweben zu lassen, ihnen freie 
Maulwurfsarbeit zu erlauben. Für Krankheiten, deren Charakter 
in Metaplasie der Gewebe mit ungezügelter Wucherung beruht, 
wurde diese Ansicht längst bei Arzt und* Laien durchschlagend; 
für chi r. Tuberculse, besonders die der Lymphknoten, trotz der über¬ 
zeugenden Erfolge, welche viele Statistiken der letzten zwei De- 
cennien nachweisen, noch nicht; dies lehren wenigstens abscheu¬ 
liche Krankheitsfälle in Stadt und Land, für die wir nur den 


No. 4. 

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Gck igle 


Ausruf haben: Warum kamt ihr nicht früher. — Man könnte an 
eine Ueberwachung der skrophulösen Kinder mit Probeexcision 
und Probcinjection denken, sich die Erfahrungen der Veterinär¬ 
heilkunde für letztere zu Nutzen machend. 

Auf Grund erneuter Durchsicht der Literatur l ), die sich mit 
den Endresultaten der operativen Lymphknotenbehandlung be¬ 
schäftigt, ist dringend zu wünschen, dass die Erkrankten mög¬ 
lichst bald der Operation zugeführt werden und dieses nach dem 
Säuglingsalter in jedem Alter, falls der Kräftezustand und die 
äusseren Verhältnisse nicht dagegen sind. Der prophylaktische 
Charakter soll der Operation bewahrt bleiben, ein Standpunkt, 
den ich auf Grund des Tübinger Materiales (v. Noorden: 
Beiträge zur klinischen Chirurgie, Bd. VI) schon 1889 unter¬ 
stützen konnte und der seither oftmals statistisch, besonders an 
deutschem Klinikmaterial, bestätigt wurde. Uebrigens dürfte 
man schon auf Vorgänger neuerer Empfehlung auf bauen. Das 
Mittelalter lehrte den Satz: Strumae s. glandulae nunquam 
sanabuntur nisi exstirpantur und das eindringliche Mahnwort 
H ü t e Fs zu Beginn der modernen Chirurgie konnte nicht ver¬ 
hallen. Die chirurgische Thätigkeit muss heute jedenfalls für 
solche Fälle, die ihren muthmaasslichen Weg nicht durch die 
Lungenwurzeln und die dortigen Lymphknoten nehmen, auch von 
Zaghaften anerkannt werden. Wenn jüngst ein frischer Zug, 
durch Selbsterhaltungstrieb der Völker (Isolirungen), Humani¬ 
tät und therapeutische Ueberzeugung angefacht, in der Medicin 
weht, indem auch Prophylaxe gegen Tuberculöse bis in’s Minuti¬ 
öseste ausgedacht und scheinbar ausgeführt wird, .so vergesse man 
nicht dort den Hebel anzusetzen, wo ein Vorbeugen möglich, 
nämlich bei Kindern und Erwachsenen, die kleine, angreifbare 
tuberculöse Herde mit sich tragen. Unterlassung bedeutet oft 
späteres Siechthum für das Individuum und Schaden für die Mit¬ 
menschen, denn schliesslich sind Tuberculöse dem Schwachen ge¬ 
fährlich, dem Starken drohend. Der Zusammenhang zwischen 
Lymphknotentuberculose und Lungentuberculose zu hohem Pro¬ 
zentsatz steht fest, damit gebe ich Bios recht, wenn er über den 
Einzrlfall hinweggehend den tuberculösen Lymphknoten ein 
Interesse in grossem Stil, praktischer und theoretischer Natur, 
aufprägt. 


lieber einen Fall von Jodkaliumparotitis. 

Von Dr. G. Trautmann in München. 

Bei den Intoxicationen, die durch Jodpräparate hervor¬ 
gerufen werden, können die Erscheinungen, die durch locale 
Applieirung in Nase, Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf etc. ent¬ 
stehen, abgesehen von denen am Behandlungsort, die gleichen 
sein, wie diejenigen bei innerer Verabreichung des Medicaments. 

Die Vergiftungssymptome sind genugsam bekannt. Sie 
äussern sich in Salivation, Jodschnupfen, Kopfschmerzen, 
Larynxoedem, Asthma, Lungenblutungen, Albuminurie und 
Haemoglobinurie. Hautexantheme kommen häufig vor, unter 
anderem Urticaria, erysipelatöse Schwellung, Akne und maligner 
Pemphigus. Der Puls ist klein und frequent. Ferner beobachtet 
man Psychosen und bei schweren Formen einen Zustand, der 
unter dem Bilde einer Meningo-Encephalitis mit den Zeichen 
einer Gehirnparalyse verläuft und tödtlich endet. 

Todesfälle sind schon mehrfach im Anschluss an Jodbehand¬ 
lung vorgekommen. 

Das sind die Erscheinungen, die man bei der Beschreibung 
der Intoxicationen allgemein aufgezählt liest. 

Wenn nun auch an einzelnen Stellen des Ergriffenseins der 
Parotis Erwähnung gethan wird, so scheint ein solches doch nicht 
so häufig aufzutreten, dass es nothwendigerweise zum Vergif¬ 
tungsbilde gehöyt, und verschiedene Autoren haben es für wertb 
gehalten, Fälle dieser Art zu veröffentlichen. 

Nach der mir zugänglichen Literatur hat im Jahre 1887 
Francis V i 11 a r (Jodisme ä localisation parotidienne, La France 
mödicale No. 64) eine Parotitis dieser Art beschrieben. 

Ein Patient, def früher viel an Drüsenschwellungen und Eite¬ 
rungen gelitten, sucht wegen einer Brandwunde das Hospital auf. 
Die linken Achseldrüsen sind in der Grösse des Eies einer Trut¬ 
henne, die Subclaviculardrüsen beiderseits enorm geschwollen; 
in der Leistengegend sind ebenfalls kleinere Knoten. Im Verlauf 


*) Ein gutes Literaturverzeichniss finde ich bei O. K u r o n , 
Diss., Breslau 1898. Ausser Lehr- und Handbüchern nenne ich 
noch hinzu: B. Ruschenbusch, Diss., Erlangen 1891. — 
F. M a n i t z, Diss., Erlangen 1892. — H. M. Hymans, Diss., 
Leiden 1897. — Bios, Diss., Heidelberg 1899. 

3 

Origii frer 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



118 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


von 3 Stunden hatte Patient 3 g Jodkalluw erhalten, ein Medica- 
luent, das er früher noch nie zu sich genommen hatte. Nach 
weiteren 2 Stunden begann plötzlich neben starker Cephalalgie und 
Erbrechen unter grossen Schmerzen eine Anschwellung der Parotis 
beiderseits einzusetzen, welche unter entzündlichen Erscheinungen 
in der Zeit von zehn Minuten sich beträchtlich vergrösserte 
und schmerzhafter wurde. 

Diese foudroyante Parotitis nahm am nächsten Tage bei fre¬ 
quentem Pulse, allgemeiner Niedergeschlagenheit und einer Haut¬ 
eruption auf Stirne und Nase zu, und zeigte nach sofortigem Aus¬ 
setzen des Mittels erst am 3. Tage die Tendenz zur Abschwellung 
und zum Nachlassen der übrigen Symptome. Beim Austritt des 
Patienten aus dem Hospital nach mehreren Tagen hatte die beider¬ 
seitige Parotisgegend noch nicht ihr normales Aussehen erhalten. 

Von demselben Autor werden in seiner Abhandlung noch 3 
gleiche Fälle citirt, die Re y n i e r vor ihm beobachtet hatte. 

Sodann berichtet L. R e n o n und R. F o 11 e t in der Sociötß 
m£dicale des höpitaux, 3. I. 1898 (Therap. Mouatsh. 1898, S. 567) 
über eine doppelseitige Parotitis. 

Nach Einpinslung der Brust mit Jodtinctur bei einem 51 jähr. 
Mann entstand Tags darauf links und ca. 5 Tage später rechts 
eine schmerzhafte, entzündliche Anschwellung der Parotis. 

G u e 11 i o t theilt mit, dass er nach einer Injection mit .Tod- 
tinctur in eine Hydrocele eine kurzdauernde Parotitis gesehen 
habe und Le Gendre sagt, dass nach Anwendung von Jod¬ 
kalium in grosser Dosis recht häutig schmerzhafte Erscheinungen 
von Seite der Parotis zur Beobachtung gekommen seien. 

Ich habe ebenfalls Gelegenheit gehabt, eine Parotitis zu be¬ 
handeln, deren Entstehung zweifellos auf Rechnung der Wirkung 
von Jodkalium zu setzen ist. 

Der Fall ist folgender: 

G., 32 Jahre alt, kräftiger Mann, hat im September 1898 Ulcus 
durum acquirirt und bereits eine Schmiercur durchgemacht. Von 
October bis December keine Erscheinungen mehr. 

13. NIL 1898 grosser und kleinerer weisser Plaque auf der 
linken Tonsille und ein ebensolcher in der Grösse eines kleinen 
20 Pfennigstückes nahe der Mittellinie des Zungenrüekens an der 
Grenze des vorderen Drittels. 

Submaxillar- und Cervicaldrüsen mässig geschwellt. Patient 
wird local mit Sol. Arg. nitr. 4/100 behandelt, worauf in der 
nächsten Zeit diese Erscheinungen zurückgehen. 

27. XII. 1898 erhält Pat, Decoct. Sarsaparillae 30/150, Kal. 
j o d a t. 8, Hydr. b i j o d. 0,1, Sacch. lact. 30. Wegen direeter Ab¬ 
neigung des Patienten zu dieser Medieation am 

28. XII. 1898 Sol. Kal. jod. 4/200. 

30. XII. 1898 plötzlich Furunkel von der Grösse einer kleinen 
Pflaume in der Schildknorpelgegend. Aussetzen von Jodkall. Im 
Verlauf der folgenden Tage Fluctuation, wesslialb der Furunkel 
am 11. I. 1899 incidirt wird. 

Nach einigen Tagen nimmt Patient aus eigener Initia¬ 
tive Jodkali weiter bis zum 31. I., so dass er die erste Jodkali¬ 
lösung eingerechnet, auf ca. 35 Tage vertheilt 3 Flaschen — 12 g 
pro die 0,8 (3 Esslöffel), pro dosi 0,26 zu sich genommen hat. 

31. I. 1899 bietet Patient folgende Erscheinungen: 

Starke Schmerzen in der Stirne und in der rechten Gesichts¬ 
hälfte. Hitzegefühl im ganzen Körper. Puls 96, grosse allgemeine 
Niedergeschlagenheit. Keine Schwellung der Submaxillar- und 
Cervicaldrüsen mehr. Halsfurunkelincision vernarbt, kaum eine 
Infiltration ringsherum zu fühlen. 

Dagegen ist die rechte Parotisgegend kleinfausU 
gross geschwellt, die Haut blau bis violett verfärbt und stark 
gespannt, die Wangenschleimhaut derselben Seite hochroth. 

Die Palpation des Tumors ist sehr schmerzhaft, ergibt 
an einigen Stellen Nachgiebigkeit des geschwellten Parotis- 
gewebes, aber nirgends Fluctuation. 

Die Schwellung erstreckt sich nach oben bis zum Joch¬ 
bein, nach vorne bis zu einer Linie, die vom äusseren rechten 
Augenwinkel senkrecht nach abwärts geht, nach hinten bis 
zum Proc. mastokl. und verliert sich nach unten bis in die Gegend 
des unteren Randes des Unterkiefers. 

Die linke Gesichtshälfte zeigt nichts Anormales. 
Mundhöhle frei von luetischen Erscheinungen. 

Auf diesen Befund hin wurde der Weltergebrauch von Jod 
kali sofort verboten. Cataplasma sem. lini. Abführmittel. 

Nachts: w r enig Schlaf erhebliche Kopfschmerzen, Ziehen 
in der rechten Gesichtshälfte. 

1. II. 1899. Parotis etwas abgeschw r ollen, äussere Färbung 
blasser, Spannung geringer, Schmerzen nicht mehr so Intensiv. 

In den darauffolgenden Tagen geht die Schwellung immer 
mehr zurück und nach einer Woche sind die Erscheinungen völlig 
verschwunden. 

Das Zurückgehen der Erscheinungen nach Aussetzen des 
Medieaments darf mit Sicherheit die Aetiologic dieser Parotitis 
in der Jodkaliumeinnahme finden lassen. 

In der Symptomengruppe der Jodkaliintoxication ist das 
Auftreten einer solchen keinesfalls ein geradezu sel¬ 
tenes. Immerhin aber ist es ungewöhnlich, und es 
dürfte wohl ein neuer Fall eine Notiz verdienen. 


Aus der medicinischen Abtheilung des Prim. Doc. Dr. Pal im 
k. k. allgemeinen Krankenhause in Wien. 

Blutdruckmessungen mit Gärtner’s Tonometer. 

Von Dr. Hugo Weiss, Seeundärarzt. 

(Schluss.) 

Arteriosklerose. 

Eine grosse Rolle spielt die Erhöhung des Blutdruckes bei 
der Gefüssverkalkung. Ihre Diagnose ist in den Initialstadien 
schwierig oder eigentlich nur vermuthungsweise zu stellen, 
namentlich in den Fällen, in welchen die peripheren Arterien 
nicht ergriffen sind. Mit einem Blutdruckmessapparat aber sind 
wir im Stande, gerade den Vorboten der Arteriosklerose, die hohe 
Gefässspannung, zu erkennen. Nur auf diese Weise ist es 
v. B a s c h gelungen, die von Traube klinisch beobachtete, aber 
nicht erklärte Thatsaehe der erhöhten Spannung, für die 
Iluchard einen Gefässkrampf annahm, zu deuten. Thatsäch- 
lich handelt es sieh um Verlust der Elasticität in den kleinen 
und kleinsten Gefässen, in Folge dessen Steigerung des Innen¬ 
drucks, das oftmals langdauernde Stadium der erhöhten Span¬ 
nung. In der zweiten Phase erst erscheint, die Verdickung bis 
Verkalkung der grösseren Arterien. Der erstere Zustand lässt 
sich aber instrumentell naehweisen und er allein ist auch (nach 
v. Basch) der Zeitpunkt, wo der Arzt einiges zu leisten im Stande 
ist, indem er der Natur in der Abwehr des sich steigernden 
Druckes einigermnassen nachhilft durch Ausschaltung gewisser 
Schädigungen, angestrengter körperlicher Thätigkeit, oder gei¬ 
stiger Arbeit, Vermeidung von Alkohol- und Tabakgenuss, Diät¬ 
vorschriften, kurz durch Vermeidung aller den Blutdruck stei¬ 
gernder Momente. 

Ich will nun aus meiner Sammlung die wichtigsten ein¬ 
schlägigen Fälle anführen. 

Bei dem ca. 60 jährigen Herrn S c h., der niemals ernstlich 
krank gewesen w r ar und in den besten Verhältnissen gelebt hatte, 
stellten sich seit kurzer Zeit allerlei als nervös aufgefasste 
Störungen ein, namentlich von Seite der Verdauungsorgane. Herr 
Primarius P a 1 fand etw r as Eiw-eiss, geschlängelte und w r eite Ge- 
fässe, Hypertrophie des linken Ventrikels, Accentuation des 
zweiten Aortentoues und bei wiederholten Messungen auffallend 
hohe tonometrisehe Zahlen, zuletzt 240 mm Hg. Der Patient 
wurde mit Rücksicht auf, diese deutlichen Zeichen von Atheroma- 
tosis ermahnt, sich möglichst ruhig zu verhalten. Wenige Tage 
nachher trat unmittelbar im Anschluss an eine starke psychische 
Alteration ein apoplektischer Insult ein, der noch am selben Tage 
zum Tode führte. Ich selbst beobachtete den Kranken in den 
letzten Lcbensstundon und konnte an den peripheren Arterien 
keine hochgradige Sklerosirung finden. Bis zum Eintritt des 
Athmungsstillstandes war der Puls gespannt und voll. Die Ob- 
duction wurde nicht gemacht. 

Der Fall ist von besonderer Bedeutung. Die Incongruenz 
zwischen dem objectiven Befund, der nur auf eine leichte Ar¬ 
terienerkrankung hindeutete, und den enorm hohen tonometri- 
schen Zahlen war von vornherein auffällig und der Zwischenfall 
der psychischen Erregung und der Hirnblutung ein Beleg für 
die Wichtigkeit der instrumentellen Messung. 

Anna G., 83 Jahre alt, mit hochgradigem Atherom der peri¬ 
pheren Gefässe; kleine schwächliche Person, Stenosis et Insuff, 
valv. mitralls (musikalisches Geräusch), Hypertrophia cordis. 

3. Aug.: liegend 170 mm (r. Ringfinger), 

8. „ „ 200 „ (träger Stuhlgang), 

9. „ „ 130 „ (Herzschwäche). 

Franz B., 54 Jahre, grosser, starker, gut genährter. Mann. 
Diabetes mellitus. Gangraena pedis diabetica. Arteriosclerosis; 
Radialis eng, rigid, gespannt, Welle niedrig. Accentuirter 
II. Aortenton. 

T.Z. am rechten Ringfinger 200 mm. Bei mehreren Messungen 
gerifige Schwankungen. Im Harn auch Eiweiss. 

Anna G r. 67 Jahre alt, mittelgross, fett, kräftig. Arterio¬ 
sclerosis, Myodegen. cordis, Stauungshyperaemie der Organe. 
Grosse Mengen Albumin im Harn, keine Niereuelemente. Arterie 
eng, hoch gespannt. 

22. Sept.: T. Z. 120 mm am r. Ringfinger, 

6. Oct.: 190 „ „ „ 

(Nachts uraemiselier Anfall, Arythmle.) 

Moritz L., 67 Jahre, mittelgross, gut genährt, leicht rigide 
Arterien, Accentuation des II. Pulm.- und Aortentons. Alte II ein i- 
plegia sin. Obstipation. 

3. Aug.: 170 mm T. Z., 

25. „ 100 mm (nach dreitägiger Obstipation 

auf Rheum reichlicher Stuhl). 

Marie W., 68 Jahre, kräftig, mässiger Pannlculus adiposus. 
Hypertrophia ventric. sin. Accent. II. Pulm.- und Aortenton. 
Spitzen8toss ausserhalb der MammlUarllnie. Starkes Atherom 
der Gefässe. 

T. Z. 220 mm (liegend, 1. Mittelf.). 


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23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


119 


Marie IC., 51 Jahre, mittelgross, massiger Panniculus adi- 
Ik»8us, schlalTe Musculatur. Hypertrophie des linken Ventrikels. 
Accent. II. Pulm.- und Aortenton. Etwas rigide Arterie. Bron¬ 
chitis chronica. Cirrhosis hepatis. Ascites. 

30. Sept.: 170 mm (r. Ringfinger', 

2. Oct: 130 „ (., „ ). 

Diese wenigen ausgewählten Beispiele betreffen Fälle mit 
guter Herzkraft. Die Zahlen sind sämmtlich über der Norm 
und das Resultat der erhöhten Herzarboit wegen gesteigerter 
peripherer Widerstände und der rigideren (Jcfiisswand, zu deren 
Unterdrückung ein höherer Aussendruek nothwendig ist. # Hier¬ 
her gehören aueli die Fälle von Hirnblutung in Folge von 
Arteriosklerose, von denen einer ganz besonders hohe T. Z. auf¬ 
wies. 

Jacob H., 50 Jahre alt, mittelgross, kräftig, mit stark ent¬ 
wickeltem Panniculus adip., blass. Hemiplegia sinistra. Ilypcr- 
rrophia cortlis praecipua sin. Accent. II. Pulm.- und Aortenton. 
Arterie eng, massig gefüllt, hoch gespannt. prom. Eiweiss 
i E s b n c h). Oedeme. 

T. Z. 240 nun. 

Die Obduetiou des Falles bestätigte das hochgradige 
Atherom, in dessen Folge arteriosklerotische Schrumpfniere und 
frische, mehrfache Haemorrhagien in der rechten Hirnhemi- 
sphäre erschienen waren. 

Ein zweiter Casus von Ilirnhnemorrhngic auf arteriosklero¬ 
tischer Grundlage zeigte am Tage der Blutung und wenige Tage 
danach hohen Druck und dann erst allmähliche Wiederkehr zur 
Norm. 

Amalie W., 54 Jahre, mittelgrosse, ziemlich kräftige Patien¬ 
tin. mit leicht geschlängelten, nicht rigiden Gefässen, ohne Herz¬ 
hypertrophie und mit Spuren von Albumin im Harn. Hemiplegia 
dextra. 

Ich maass am 


1. Oct.: 

160 

und 200 mm 

(r. 

Mittelfinger', 

o 

210 

„ 190 .. 

u 

(., 

\ 

5. 

130 

160 .. 

% 

6. „ 

180 

„ no , 

(„ 

j. 

9. „ 

150 

» 150 „ 

u 

„ \ 

10. „ 

125 

„ 125 „ 


). 


In dieser Höhe erhielt sich unter den gewöhnlichen Schwan¬ 
kungen fortan die Zahl. Inzwischen ist die apliasische und sehr 
demente Patientin sehr heruntergekommen, es trat Incontinentia 
jdvi et urinae ein, der Blutdruck hat nicht mehr die anfängliche 
Höhe erreicht, ist im Gegentheil noch weiter abgesunken. 

Eine andere Gruppe von Fällen mit hochgradigem Atherom 
bot auffallend niedrige tonometrische Ergebnisse. 

Josef F., 77 Jahre, klein, mager, Arterien sehr rigid. Leise 
Herztöne, schwache Herzaction. 

T. Z. 00 mm Hg. 

Karl L., 53 Jahre, mittelgross, kräftig, gut genährt, Arterie 
rigid, ziemlich gut gefüllt, Spannung gering, lusuff. mitralis. 

T. Z. 80 mm. 

Adalbert M., 59 Jahre, schwächlich, mittelgross, rigide 
Arterien, Myodegen. cordis. Spannung unter der Norm. 

T. Z. 90 mm. 

Josef S c h., 64 Jahre, klein, gracil, schlecht genährt, 
Arterien verkalkt, geschlängelt. Spitzenstoss ausserhalb der 
Mammillarlinle. 

T. Z. 90 mm und 95 mm. 

Josef Sch 1., 74 Jahre, mittelgross, kräftig, schlecht genährt. 
Dumpfe Herztöne. Atherom. 

T. Z. 85 mm. 

Diese Resultate stehen in strengem Gegensatz zu denen der 
vorigen Gruppe. Die Erklärung dafür liegt wohl in der schwachen 
Ilerzaction, so dass gerade bei solchen Fällen die tonometrische 
Messung jeweilig einen guten Maassstab für die Herzarbeit ab¬ 
gab. Von der Richtigkeit dieser Annahme konnte ich mich 
durch die Beobachtung des Effectes nach Kampherinjectionen 
überzeugen. 

Jolianu K., 08 Jahre, gross, dumpfe Herztöne. Hochgradiges 
Atherom der Gefässe, Cyanose, Herzschwäche, Obstipation. 
Einphvsema pulmonum, haemorrhagischer Iufaret der Lunge, 
spärlicher Harn, marantische Oedeme. 

7. Aug.: T. Z. im Liegen 100 mm 

8. „ T. Z. „ „ 50 „ (Herzschwäche). 

Patient erhält 3 Kampherölinjectionen. 

Nach 10 Minuten 75 mm 96 Pulse, 

„ 15 „ 82 „ 96 „ 

„ 20 „ 90 „ 106 „ 

Walpurga K., 55 Jahre, mit sehr rigiden Arterien. Emphysema 
pulmonum. Myodegen. cordis. Dilatatlo ventr. dextri acuta. 

14. Aug. 100 mm T. Z. Später Collaps, T. Z. 80 mm. 
l'atient erhält auch 3 Kampherölinjectionen. 

Nach 8 Minuten 120 mm, 

„ 15 „ 125 „ 

Allmählich sinkt die T. Z. auf 310 mm ab. 

15. Aug. Neuerlicher Collaps. T. Z. 85 mm; 3 Kainpherinj. 


nach 3 Minuten 120 mm, nach 10 Minuten 140 mm, 

„ 5 „ 138 „ „ 12 „ 138 „ 

„ 7 „ 150 „ „ 14 „ 120 „ 

„ 8 „ 155 „ „ 16 „ 130 „ 

„ 9 „ 145 „ 

Diese Beispiele zeigen die Wirkung des Kamphers auf die 
Herzthätigkeit einerseits und die Abhängigkeit des gemessenen 
Drucks von der Arbeit des Herzmuskels, ferner wie rasch nach 
der Injcction das Medicainent zur Geltung kommt. 

Es ergibt sich somit, dass bei der Arteriosklerose mit dem 
Tonometer hohe Zahlen resultiren und dass überall, wo klinisch 
die Diagnose festst cht und die T. Z. niedrig ist, ein Erlahmen 
der Herzkraft, eonstatirt werden kann. Natürlich muss gerade 
hier auf die relative Körperbeschaffenheit und andere aceidentelle 
Momente Rücksicht genommen werden. 

Nephritis. 

Die zweite Krankheitsgruppe, welche hohen Blutdruck zeigt, 
ist bekanntlich die Nephritis. Bei ihr sind sehr hohe, ja die 
höchsten tonometrischcn Zahlen überhaupt zu finden. Hier 
leistet das Instrument sehr gute Dienste, weil es schon vor der 
Harnuntersuchung die Diagnose der Nierenentzündung anzeigen 
kann. 

Dass bei der arteriosklerotischen Schrumpfniere mit Hyper¬ 
trophie des 1. Ventrikels hohe T. Z. resultiren müssen, ist selbst¬ 
verständlich und für solche Fälle wäre das Instrument entbehr¬ 
lich. Aber bei chronischer Nephritis jugendlicher Individuen 
ist eine hohe T. Z. ein wichtiger Indieator; sie deutet auf die 
Folgezustände des erhöhten peripheren Widerstandes hin als: 
Hypertrophie des 1. Ventrikels, Verdickung der Arterienwände 
(Drahtarterie). Bei frischen, kurzdauernden Nephritiden hin¬ 
gegen fanden sich normale, selbst subnormale Zahlen, so dass 
man die tonometrische Messung zur Differentialdiagnose der 
Art der Nierenerkrankung benützen konnte. Kurzdauernde, 
parenchymatöse Nephritis hat noch keinen hohen Druck, während 
die chronische mit Secundärerscheinungen erheblich hohe Zahlen 
liefert. 

Marie H., 20 Jahre alt, gracil. gut genährt, erhöhte Arterien- 
Spannung, hat einen Scharlach mit Hydrops universalis während 
der Gravidität überstanden. Diagnose: Morbus Brightii. Hyper- 
tropliia ventr. sin. et dextr. Aecentuation des II. Aortentous. 
7, Prom. Albumin (Esbach) im Harn: Nierenelemente im Sedi¬ 
ment. Die T. Z. schwanken zwischen 150, 175, 195 und 200 mm. 

Agnes M. f 22 Jahre, klein, gracil, sehr blass, gedunsen, 
massiger lind schlaffer Panniculus adip. Im Harn reichlich Albu¬ 
min (6 Prom., Esbach), zahlreiche Nierenelemente, häufige 
Uebelkeiten, Erbrechen, uraemische Anfälle gehäuft. 

T. Z. 20. Sept.: 280 mm, 

1. Oct.: 245 „ 

9. „ 240 „ 

10. „ 255 „ 

Klinische Diagnose: Chronisch parenchymatöse Nephritis 
durch die Obduction bestätigt. Bei dieser Patientin habe ich die 
höchste tonometrische Zahl überhaupt gefunden, nämlich 
280 mm Hg. 

Leopold H., 45 Jahre, blasser, kräftiger Manu, gedunsen. 
Herzhypertrophie, Oedeme, Arterie nicht rigid, nicht geschlängelt, 
hoch gespannt. 

Im Harn reichlich Albumin (3 '/ x Prom. Esbach). Im 
Sediment rothe Blutkörperchen, zahlreiche Cylinder. Diagnose: 
Nephritis chronica. 

T. Z. 190 mm. 

Josef P.. 30 Jahre, mittelgross, kräftig. Hypertrophie des 1. 
Ventrikels. 3 7, Prom. Albumin. Diagnose: Nephritis chronica. 

T. Z. 140 mm und 90 mm je nach dem Herzzustand. 

Ludwig !>., 31 Jahre, gross, mager, anaemisch; Nephritis 
haemorrhagien. Arterie nicht hoch gespannt, keine Aecentuation 
des II. Aortentons. 

T. Z. 90 mm und 60 mm. 

In einem Falle von Nephritis mit umemisehen Anfällen 
konnten wir die Druekverhältnisse unter der Einwirkung von 
Kochsalzinfusionen studiren. Wesentliche Aenderungen fanden 
sich hier, wie in anderen mit Kochsalzinfusionen behandelten 
Fällen, nicht. 

Anna Z., 50 Jahre, gross, kräftig, sehr reicher Panniculus. 

Diagnose: Morb. Brightii, Uraemie, Arterie rigid., hart ge¬ 
spannt. 

22. Oct. T. Z. 230 mm (5 uraem. Anfälle). Venaesection 
(300 ccm Blut). Infusion von 600 ccm einer 0,6proc. Kochsalz¬ 
lösung. T. Z. 220 mm. Von 12 Uhr Mittags bis 8 Uhr Früh 
weitere 16 uraemische lusulte. 

23. Oct. T. Z. 220 mm; neuerliche Infusion von 600 ccm 
Na CI. 7* Stunde darnach ein Anfall, der sich bis Nachmittag 
stündlich wiederholt Auf 0,02 Morphin, mur. subcutan ruhiger 
Schlaf. 

24. Oct. T. Z. 200 mm. Ruhiges Verhalten. Puls schwach. 
Infusion von S50 ccm Na CI. T. Z. 170 mm. 


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3* 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4 


25. Oct. Exitus letalis. 

Wie ersichtlich, hatte die Zufuhr von Flüssigkeit keinen 
wesentlichen Effect auf die Höhe des Blutdrucks. 

In diese Kategorie gehören auch die Fälle von Saturnis¬ 
mus c h r o n i c u s, bei denen die Verdickung der Arterien, die 
Nieren Veränderung und die eonsecutive Vermehrung der Herz* 
arbeit zur Steigerung des Blutdrucks führt. 

Leopold H., 23 Jahre, Anstreicher, kräftig, stark gespannte 
Arterie. Aecentuation des II. Aortentons, Bleisaum. 

T. Z. 140 mm. 

Julius Pr., 43 Jahre, Anstreicher, gracil, mittelgross, schlecht 
genährt. 

T. Z. 140, 130 mm. 

Josef W., 22 Jahre, Anstreicher, schwächlich, blass, ge¬ 
spannte Radialis. Colica saturnina. 

T. Z. 140, 160 mm. 

Mathias B., 31 Jahre, Schlosser (Miniumarbeiter), mittelgross, 
gracil, Bleisaum, Herz normal, Puls hart. 

T. Z. 160 mm. 

Karl K., 29 Jahre, Anstreicher, klein, gut genährt, Herz nor¬ 
mal, II. Aortenton accentuirt, Arterie hart. Im Ham kein Eiweiss. 

T. Z. 215 mm. 

Ferdinand G., 63 Jahre, Anstreicher, mittelgross, kräftig, 
Herz normal, Aecentuation des II. Aortentons. Puls gespannt. 
Bleisaum. Eiweiss im Ham. 

T. Z. 180 mm. 

Diese Fälle können als rein gelten, insofern sie keine 
grösseren Complicationen auf weisen, die zur Blutdrucksteigerung 
hätten beitragen können. Sie betreffen grösstentheils junge 
Männer ohne Gefässverkalkung, aber mit den typischen Bleiver¬ 
änderungen am Gefässsystem. Bei ihnen unterstützt bloss die 
tonometrische Messung die klinische Diagnose. 

Herzerkrankungen. 

Das Gebiet, auf welchem man von den Leistungen eines 
Blutdruckmessaparates am meisten erwartet, sind die Herzkrank¬ 
heiten. Ich habe mich auch bemüht, an einer grossen Reihe von 
Herzkranken die Blutdruckverhältnisse mit dem Tonometer zu 
studiren, um zu sehen, welche praktischen Schlussfolgerungen 
man ziehen könnte und glaube, dass gerade hier alle Rückschlüsse 
nur mit grösster Reserve zu machen sind. Die den Blutdruck 
beeinflussenden Factoren sind hier eben zu mannigfach und 
nirgends ist es schwerer, die Ursachen der Blutdruckänderung 
zu finden. 

Wir haben in der Pathologie Beispiele genug, wo bei ganz 
gesundem Herzen im Gefässsystem niedriger Druck constatirt 
werden kann und umgekehrt, bei offenkundiger Herzinsufficienz, 
wenn auch nur vorübergehend hoher Druck. Es fehlen gar oft 
die Kriterien dafür, ob in einem gegebenen Augenblick das Herz 
oder die peripheren Widerstände ausschlaggebend sind. Mit 
einem Blutdruckapparate sind wir immer nur im Stande, die 
Spannung in einem bestimmten Momente zu messen. Von dem 
blossen tonometrischen Befund auf den Herzzustand zu schliessen, 
wäre ungerechtfertigt, wenn nicht zugleich die Beschaffenheit 
der Herztöne und die des II. Aortentons insbesondere Berück¬ 
sichtigung findet. 

Ich glaube mit voller Berechtigung sagen zu dürfen, dass 
Relationen von allgemeinem Werth in Bezug auf den Blutdruck 
bei den Ilerzaffectionen keine Berechtigung haben, dass jedoch 
im Einzelfalle Blutdruckmessungen manches zu leisten vermögen. 
Ich verweise dabei auf meine Beobachtungen bei Kampher- und 
Digitaliswirkung und anderen therapeutischen Effecten, bei 
denen eine gewisse Controle der Herzarbeit durch das Tonometer 
möglich war. Ich entnehme meiner Sammlung wieder die 
schönsten Fälle: 

Hermine H., 20 Jahre, mittelgross, kräftig, gut genährt. 
Arterien weich, nicht geschlängelt, dem Anscheine nach wenig 
gespannt. Keine Oedeme, kein Ehveiss im Harn. 

Diagnose: Insuff. Aortae et mitralis. Hypertrophia cordis. 

Die gefundenen Zahlen lauten bald höher, bald niedriger, je 
nach dem Zustand des Herzens: 

T. Z. 195, 190, 180, 200, 1G5, 190, 175 
wobei theils Digitalis, theils Strophanthus verabreicht wurde. 

Josef F., 44 Jahre, mittelgross, unterernährt, schwachknochig, 
Anfälle von Herzinsufficienz, Puls klein, Füllung und Spannung 
klein. 

Diagnose: Stenosis et Insuff, mitralis. 

T. Z. 110, 120, 150, 110. 

Leopoldine N., 45 Jahre, mittelgross, gracil, gut genährt, ge¬ 
dunsen, blass. Diagnose: Insuff. Aortae. Mässiges Atherom. 
Hypertrophia cordis. Allgemeine Stauung. Albumin im Ham. 
Atrophia renum ineipiens. II .Pulmonal- und Aortenton aceen- 
tr.irt. Zeitweise Oedeme, Uebelkeit, Erbrechen, dann Besserung in 


um 9 Uhr 45 Min. 

— 90 

„ 9 

, 50 „ 

— 100 

9 

, 55 „ 

— 105 

„ 10 

, 00 „ 

— 105 

„ 10 

, 10 

— 110 

„ 10 

„ 20 „ 

— 105 

weiter jede halbe 

Stunde 


Folge reichlicher Diurese nach Diuretin, wieder Verschlimmerung, 
endlich Exitus letalis. 

T. Z. 160, 165, 145, 150. 

Sub finem rasche Abnahme des Drucks. 

Besonderes Interesse bot ein Fall von Insuff, et Stenosis valv. 
mitralis, der unter Erscheinungen eines Delirium cordis zur Be¬ 
obachtung kam. 

Marie L., 23 Jahre, schwächliche, sehr anaemische Patientin, 
mit kaum fühlbarem, frequentem Puls. Hochgradige Dyspnoe, 
Cyanose, 72 Respir., 240 Pulse in der Minute. Spuren Eiweiss 
im Harn. Dilatatio cordis, anaemische Geräusche. Arterie weich, 
gerade, eng, schlecht gefüllt. Patientin hatte seit 3 Tagen Digi- 
talisinfqs. (1,0:200,0 Aq. d.). Delirium cordis. — Nach 3 Spritzen 
Kampheröl: 

T. Z. 17. Aug.: 


»1 

hält weiter jede halbe Stunde einen Esslöffel 

voll Digitalisinfus. 

um 12 Uhr 30 Min. — 85 mm (4 Essl. Digitalis), 

„ 5 „ 00 „ — 95 „ (9 „ „ ). 

18. Aug : 9 Uhr früh — 85 mm, Puls 198, Resp. 48, 

5 „ nachm. — 104 „ „ 104, „ 36, 

Wohlbefinden, Digitalis fortgesetzt. 

19. Aug.: 9 Uhr früh — 105 mm, Puls 66, Resp. 34, 

5 „ nachm. — 110 „ „ 72, „ 36, 

20. Aug.: 9 „ früh — 80 „ „ . 62, „ 32. 

Digitalis ausgesetzt. 

25. Aug., 9 Uhr Früh, 110 mm, Puls 57, Resp. 28. Vollkom¬ 
menes Wohlbefinden, langsamer, kräftiger Herzschlag, keine 
Dyspnoe. 

Die prompte Wirkung der Digitalis ist an den tonometrischen 
Zahlen nicht minder ersichtlich als an Puls und Respiration. 

Auch aus dieser Gruppe beobachtete ich einen Fall, der mit 
Kochsalzinfusionen behandelt wurde. 

Liborius W., 29 Jahre, kräftiger Mann, cyanotisch, hoch¬ 
gradige Dyspnoe. 

Diagnose: Rheumatismus articulorum acutus. Endocarditis. 
Pericarditis. Pneumonia lobularis beider Unterlappen. Tem¬ 
peratur 38,5. 

4. Nov. T. Z. 80 mm. Infusion von 250 ccm Na CI. Druck 
darnach 70 mm. Temp. 37,8. 

6. Nov. T. Z. 90 mm. Temp. 38,5. Kochsalzinfusion 300 g. 
Nach derselben 70 mm. 

9. Nov. Temp. 38,2. Abermals 400 ccm Na CI. T. Z. 80 mm. 

Magdalena P., 35 Jahre, mittelgross, schlecht genährt, Insuff, 
et stenos. mitralis im Stadium der Incompensation. Hochgradige 
Oedeme, Dyspnoe, Cyanose. 

8. Juli: T. Z. 105 im Liegen. 

108 am 1. Mittelfinger | 8tehcndj 

112 ” 1 .' ” 

115 „ r. ,, 

Die linke Oberextreraität oedematös . 

7. Sept. T. Z. 100. Pleuraler Erguss, Herzschwäche, Athem- 
noth. 

8. Sept. Punetio thoracis (Potain); ante punctionem 100 
sitzend, post punctionem 50 sitzend (starke Aufregung, Herz¬ 
schwäche). 30 gtt. Strophantliustinctur. Allmähliche Erholung 
T. Z. 90 mm. 

4. Oct. Hochgradige Oedeme der Unterextremitäten. Punc- 
tion mit S o u t h e y’schen Troikarts. Reichlicher Abfluss. Wohl¬ 
befinden. T. Z. 100 mm. 

9. Oct. Oedeme abgefallen. Cor debile. T. Z. 90 mm. Exit. 
letalis. 

Auch der Versuche mit Amylnitrit will ich Erwähnung thun, 
bei denen ich einen Anstieg der tonometr. Zahlen um 10—20 mm 
beobachten konnte. T. B. 


9. Aug.: T. Z. 


sitzend. 


Dr. Robert R., 26 Jahre, mittelgross, kräftig, gut genährt, 
Arterien weich, dickwandig, Füllung gut, Cor normal. 

T. Z. 140 mm. 

Nach Inhalation von 2 Tropfen Amylnitrit 150 mm (nach 
2 Min.), 140 nach 3 Min. 

Johann K., 33 Jahre, sehr musculöser, gut genährter Mann 
mit normalem Herzen und weichen Arterien 
T. Z. 140 mm. 

nach 2 Tropfen Amylnitrit 160 nacb 1 Min., 

» 2 „ „ 160 „ 3 ,, 

„ 2 „ „ 140 „ 5 „ 

Ich habe mich im Vorliegenden darauf beschränkt, die Ver¬ 
wendbarkeit des G ä r t n e rischen Tonometers zu beprechen und 
komme zu dem Schlüsse, dass wir mit demselben insofern einen 
wichtigen Behelf für die klinische Untersuchung gewonnen 
haben, als es zur Beobachtung des Einzelfalles und zum Studium 
von gewissen, das Herz und die Herzthätigkeit beeinflussenden 
Vorgängen, insbesondere medicamentösen Einwirkungen, Ge¬ 
legenheit bietet. Die Messungsresultate haben hier ebenso, wie 
bei den anderen Apparaten selbstverständlich als relative Grössen 


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23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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zu gelten. Das Tonometer zeichnet sich aber in erster Linie 
durch seine überaus leichte Handhabung und die Objectivität 
der Methode aus. Wer sich freilich gegen die sphygmomano- 
metrische Messung überhaupt ablehnend verhält oder dieselbe 
gar nur als klinische Spielerei betrachtet, wird von dem Apparat 
auch nicht befriedigt werden. 

Es gereicht mir zur angenehmen Pflicht, meinem sehr ver¬ 
ehrten Chef, Herrn Primarius Pal, für seine liebenswürdige 
Unterstützung und die Ueberlassung des Krankenmaterials auf’s 
Wärmst« zu danken. 

Aus der Untersuchungsstation am Garnisonslazareth Wiirzburg 

Zur Pathologie der Miliartuberculose. 

Von Assistenzarzt Dr. Georg Mayer. 

(Schluss.) 

Die Krankheitsgeschichte bringt einen plötzlichen Beginn 
der schwereren Erkrankung mit hoher Temperatursteigerung, ge¬ 
folgt nach 5 Tagen von dem Erscheinen von Tuberkelbacillen 
im Auswurf bei heftigem Hustenreiz, von Hautoedemen, von 
Verringerung der Menge des specifisch sehr schweren und sehr 
ei weisshaltigen Harnes, ferner von Verminderung der Zahl der 
weissen Blutkörperchen. Nach weiteren 3 Tagen folgt eine 
zweite, noch erhöhtere Steigerung der Symptome: hochgradige 
Beschleunigung der Athemzüge auf 48 bis zu 62 in der Minute, 
geringe Vermehrung der Herzt hätigkeit auf 108, zugleich aber 
beginnendes Erlahmen der letzteren; es treten plötzlich normale 
und später subnormale Temperaturen auf, das vorübergehend aus 
dem Harne verschwundene Eiweiss steigert sich bis zu 2 Proc. 
Der Kranke selbst befindet sich merkwürdig wohl. Am 4. Tage 
vor dem Tode erscheinen bei ausgesprochener schwerer Herz¬ 
schwäche, synchron mit den Herztönen, Anfangs leise, später 
immer lauter werdende Geräusche über der ganzen Herzgegend 
von unbestimmter Art, welche bis in die unvermittelt ein¬ 
setzende und kurze Agone hinein andauern. Die in 13 Tagen 
ad exitum führende Krankheit documentirte sich demnach als 
Miliartuberculose der Lungen, welche eine rasch einsetzende, 
schwere Schädigung des Herzmuskels, verbunden mit Stauungs¬ 
erscheinungen an Niere, Haut und Magendarmcanal, weniger 
an Leber und Milz erkennen liess. 

Dabei ist als nicht ganz gewöhnlich zu bezeichnen: Das 
plötzliche, marantische Absinken der Temperatur; das Erscheinen 
von Tuberkelbacillen, specifisch auf pulmonale Tuberkel (s. u.) 
deutend; der hohe Eiweissgehalt des Harnes, erklärbar mit einer 
Schädigung der Nierenepithelien durch Verlangsamung des 
Blutstromes (Heidenhain) und der durch die Kachexie be¬ 
dingten Beschaffenheit des Blutes (E i c h h o r s t). Das Auf¬ 
fallendste waren die Herzgeräusche: Dieselben konnten durch 
eine tuberculöse Endocarditis bewirkt sein, ferner durch Dila¬ 
tation der Ventrikel (F. Fischer [1]), begünstigt durch die bei 
Tuberculöse bekannte Dünnheit und Schlaffheit des Muskels 
(E. Leyden [2]), ferner durch Myocarditis, wie erst 
G. F r e u n d [3] wieder erwähnte. Weiter war die Anwesenheit 
von Herzthromben möglich, bei welchen die Erklärung von 
G e i g e 1 [4] über Entstehung der Herzgeräusche herangezogen 
werden konnte: dass nämlich das Blut sich an der Herzwand 
reibt und die Wand bei vorkommenden Unebenheiten durch die 
strömende Flüssigkeit in Schwingungen versetzt wird, die das 
Ohr als Geräusche wahrnimmt. Es konnten noch die Aus¬ 
einandersetzungen Gerhardte [5] in Betracht kommen, nach¬ 
dem schwirrende Geräusche an Aorta und Pulmonalis entstehen 
können durch Anlagerung und Druck der von Thromben er¬ 
füllten und dadurch harten Herzohren, wobei nebenbei Ver¬ 
worrenheit der Herzaction, Kleinheit des Pulses, starke Dys¬ 
pnoe, grosse Hinfälligkeit besteht. Geräusche dieser Art sind 
ausser von Gerhardt erwähnt von Bozzolo [6], von zum 
Busch [7], von Letzterem bei Miliartuberculose (erster und 
dritter Fall). Die durch v. Ziemssen [8] geschilderten 
Zeichen gestielter Herzthromben kamen für unseren Fall weniger 
in Betracht. 

Die Section ergab einen Befund, welcher ganz mit der 
klinischen Diagnose übereinstimmte und namentlich eine Er¬ 
klärung für die eigenthümlichen Herzsymptome bot: es fanden 
sich in den sämmtlichen Herzhöhlen Thromben von ungewöhn¬ 
licher Zahl, Ausdehnung und Haftstelle. Dieselben gehören 
ihrer Art nach zu den von W. Hertz [9] auf geführten ersten 


beiden Hauptformen: den wandständigen bezw. Herzabschnitte 
füllenden Thromben, welche als marantische im Gefolge von die 
Herzkraft schwer schädigenden Krankheiten nicht allzu selten 
auftreten. Während ferner gewöhnlich nur die Trabekelnischen 
der Herzspitzen, namentlich rechts, bezw. die Herzohren be¬ 
troffen sind, finden wir im vorliegenden Fallf einerseits die 
Herzspitzen und die beiden Herzohren erfüllt, andererseits haben 
sich auch in den Winkeln der Sehnenfäden und an der glatten 
Vorhof Scheidewand beiderseits in der Gegend fies Foramen ovale, 
ferner der Foramina Thebesii Thromben gebildet; die glatte 
Vorhof Scheidewand aber ist bekanntlich sonst nur der Sitz der 
gestielten, sogen, echten Herzpolypen, wie sie v. Reckling¬ 
hausen, Hertz [9], v. Ziemssen [8], Claus [10], 
Osler [11], Veillon [12], Schmorl [13], Krumb¬ 
holz [14], F r a e n k e 1 [15], Krumm [16], V o elk e r [17], 
Schilling [18], E w a r t and Rolleston [19] mitgetheilt, 
von denen Pawlowski [20] 25 Fälle zusammenstellte. Als 
begünstigende Momente für das Entstehen marantischer Throm¬ 
ben werden Endotheldefeete (Cohnheim, Gerhardt [5], 
Hertz [9], E i c h h o r s t, Schrötter [21]), Verminderung 
der Ilerzkraft (V irchow u. A.), fettige Degeneration 
(v. Recklinghausen), Myomalacie (Ziegler, Krumm [14]), 
interstitielle Infiltrationsherde (Krelil [22]) angeführt, nach 
Orth genügen Circulationsstörungen im Verein mit Fettherz 
allein, ohne Veränderungen der Intima; im Allgemeinen sollen 
jedoch Endocardveränderungen, Schwächung der Herzkraft und 
Herderkrankungen im Myocard Zusammenwirken, wobei die 
Thromben an den am schwersten betroffenen Stellen zuerst ent¬ 
stehen. In unserem Falle bestand 2 Tage schwere Herzschwäche, 
als die Geräusche erschienen; wie namentlich die histologische 
Untersuchung ergab (s. u.), waren schwere Laesionen des Endo- 
cards und des Herzmuskels entstanden, mit denen die Grösse 
der Thromben parallel ging; am schwersten bezw. grössten im 
rechten Vorhof, demnächst im rechten Ventrikel, linken Vorhof, 
linken Ventrikel. Es soll sich ferner nach der Zusammen¬ 
setzung der Thromben die Schnelligkeit ihres Entstehens be- 
urtheilen lassen (v. Recklinghausen), so dass die rothen 
am schnellsten sich bilden; es würde nach dem Aussehen die 
Thrombose des rechten Herzohrs zuerst und am schnellsten, dem¬ 
nächst die im rechten Vorhof, zuletzt die im linken Vorhof ge¬ 
bildet sein. Die Rippen- und Thrombenbildung auf der Ober¬ 
fläche, sowie die Vordickung in der Richtung des Blutstromes, 
traten deutlich hervor. Zu ihrer Erklärung hat Zahn [23] 
die wellenförmige Totalbewegung der Thromben, bedingt durch 
den in Folge des Pulsschlages intermittirenden Charakter der 
Blutbewegung angegeben, Bencke [24] die unter einem be¬ 
stimmten Winkel auf jede sich bildende Thrombusschicht wir¬ 
kende, gleichmässige Blutbewegung. 

Betreff des Herzgewichtes, bekanntlich eines der sichersten 
groben Zeichen von Atrophie, wäre zu bemerken, dass es mit 
255 g zurückbleibt hinter dem für das Alter von 21—40 Jahren 
für tuberculöse Männer von Kalmansohn [25] auf 294,7 g, 
für normale von Hamilton [26] auf 311—404,3, von Zun- 
ker [27] in 63 Proc. auf über 300 g (mindestens) berechneten 
Gewichte. 

Kommen wir nun nochmals auf die Entstehung der Herz¬ 
geräusche zurück, so ist aus dem Sectionsbefund im Verein mit 
dem histologischen (s. u.) ersichtlich, dass zur Genese ein Zu¬ 
sammenwirken der verschiedenen weiter oben angeführten 
Punkte (ausgenommen Endocarditis tub. und gestielte Thromben) 
als wahrscheinlich zu bezeichnen ist. 

Der histologische Befund am Herzen ergibt in den ver¬ 
schiedenen Herztheilen verschieden weit vorgeschrittene und 
zwar vorherrschend die als wachsartig bezeichnet« albuminöse 
Degeneration des Myocards. Dieselbe wird bekanntlich von 
v. Zenker, auch am Herzen, zuerst beschrieben, von v. Reck¬ 
linghausen (dem sich neuerdings N e s t i [28] anschloss) zu 
seinen hyalinen Degenerationen, von K1 e b s zu den reinen Ge¬ 
rinnungsvorgängen, ähnlich von den meisten übrigen Autoren 
zu den Cohnheim-Weigert’schen Coagulationsnekrosen 
gerechnet (nach der Lubarsch’schen Bezeichnung extra- 
eellulär entstehendes, conjunctivales Coagulationshyalin), gehört 
ferner zu den hyalinen U m Wandlungen der Gewebe (im Gegen¬ 
satz zu den Ein lagerungen von paraplastischem Hyalin, 
K1 e b s), geht oft aus einer körnigen Trübung hervor (K1 e b s, 
v. Recklinghausen, Orth), soll durch weitere Anhäufung 


No. 4. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ungelöster oder gefällter Eiweisskörper entstehen, als eine Art 
Exsudat (nach v .Recklinghausen durch Scheidung der 
flüssigen und festen Theile der contraetilen Muskelsubstanz). 
Allgemein wird zuerst Quellung der Muskelfaser, dann Verlust 
der Querst reif uug, weiter homogenes, glänzendes Aussehen, 
scholliger Zerfall, Verschmelzen der Schollen geschildert; schon 
frühe schwinden die Kerne durch langsames Absterben, der Pro- 
oess erscheint nach der Angabe der älteren wie der neueren 
Autoren (R oraberg [29], Schemm [30], Schamschin 
[31]) mit Vorliebe* bei acuten Infeetionskrankheiten durch Ein¬ 
wirkung toxischer Substanzen bei Ausschluss ausgedehnterer 
Leukocytenansammlung. Vergleichen wir nun die Aifeetion im 
vorliegenden Falle, so finden wir das Myocard in der auf steigen¬ 
den Reihe: „linker Ventrikel, linker Vorhof, Septum, rechter Ven¬ 
trikel, rechter Vorhof“ ergriffen; es erscheint zunächst eine weitver¬ 
breitete, albuminöse Trübung der Fibrillen, wobei sich die Fasern 
mit albuminöserTrübung deutlich gegenüber denen mit dem Rol- 
1 e t’scben körnigen Sarkoplasma unterscheiden, die Körnung 
geht kleinerentheils diffus streifenförmig, grösstentheils herd¬ 
weise über in Anfangs kleine, nach dem Centrum der Herde 
wachsende, glasige Schollen, welche deutlich zuerst der Fibrillen¬ 
substanz eingelagert sind, dieselbe später förmlich auseinander 
drängen und zum Schwinden bringen. An den Kernen erscheinen 
in den albuminös veränderten Fasern theilweise wohl auf Kern- 
theilung zu beziehende Vorgänge, in den schollig degenerirten 
zuerst eine Kernwandhyperchromatose (Schmaus und 
Albrecht [32]), weiter Chromatinumlagerungen, ähnlich der 
Pyknose (2. Form 1. c.), alsdann treten in der Kernmasse An¬ 
fangs kleinste, dann wieder wachsende glänzende Schollen auf, 
zwischen welchen das Chromatin allmählich verschwindet, zu¬ 
letzt auch die Kernmembran. Während so diese Vorgänge haupt¬ 
sächlich unter dem Bilde der Kleb s’schen Karyolyse (auch nach 
dem färberischen Verhalten zu Haemotoxylin) ablaufen, finden 
wir theilweise auch, speciell im rechten Vorhof, der Karyo- 
rhexis entsprechende (Vorgänge von vaeuolärer Kerndegenera¬ 
tion kamen nicht zur Beobachtung). Diese Veränderungen der 
1 vcnie sowie der Fibrillensubstanz erscheinen beide mit dem 
Auftreten der Schollen, die Gewebssubstanz hat dabei das Aus¬ 
sehen, als ginge sie durch Druck sich einlagernder und immer 
zunehmender Masse zu Grunde. Zu erwähnen ist noch, dass die 
Kernmembran im Innern der Herde verschwindet ohne Kem- 
wandsprossungen(l. c.); dass der lange blau gefärbt bleibende 
Fibrillensaum auf eine widerstandsfähigere Muskelprimitivbündel¬ 
hülle im Sinne G laser’s u. A. bezogen werden könnte, sei nur 
kurz angeführt. Die Schollen nehmen nur mit Säurefuchsin 
die nach v. Recklinghausen charakteristische Hyalin¬ 
färbung an, zeigen dagegen durch die W e ig e r t - Färbung die 
bekannten Beziehungen zum Fibrin, andererseits aber, allerdings 
nicht durch die Färbung, sondern die Art von Auftreten und 
Lagerung, Beziehungen zum Amyloid, indem die Bilder auf¬ 
fallend denjenigen gleichen, wie sie W i c h m a n n [33] für das 
Erscheinen der Amyloidschollen beschrieb. Für die Entstehung 
der Herde können nun speciell in der rechten Herzhälfte Ge- 
fässVeränderungen Ursache sein, indem in einzelnen Venen ge¬ 
mischte und hyaline Thrombose, in den zugehörigen erweiterten 
Oapillaren, sowie in einigen kleineren Arterien Stasis erscheint 
und die Wand der nämlichen Arterien hyalin degenerirt ist; 
cs handelte sich dann um herdeweise Degenerationen mit secun- 
därer Coagulationsnekrose als Folge einer durch Gefässerkran- 
kung bedingten ungenügenden Blutzufuhr, in Analogie mit der 
allerdings mit Vorliebe in der Spitze des linken Ventrikels er¬ 
scheinenden Myomalacia cordis Ziegler’s durch Coronar- 
sklerose (von Barth zuerst constatirt), bei welcher Veränderung 
schon K. Huber [34] hyaline Metamorphose und Kernschwund 
beschrieb. Wir hätten eine circulatorische Nekrobiose durch 
Venenthrombose mit secundärer Stasis in Capillaren und Ar¬ 
terien (nach Virchow ist der Verschluss der Arterien, nach 
lv 1 e b s der der Capillaren das Primäre); die Gefässverände- 
rungen sind jedoch, nach der Stasis zu schliessen, jüngsten 
Datums, theilweise vielleicht am rechten Vorhof zusammenzu¬ 
bringen mit der Verhinderung des Blutabflusses durch Thromben- 
verschluss der Foramina Thebesii, durch welche Löcher nach 
Unterbindung der Kranzvenen noch Blut in die Herzhöhlen ge¬ 
langt (M i cli ael i s [35]). Es wirkten wohl die Gefässverände- 
rungen sooundär ein auf den schon vorher durch die acute tuber- 
cuiöse Infcetion schwer geschädigten Herzmuskel. Es kam zu¬ 
erst zu diffuser, körniger Trübung, dem ersten Ausdruck gestei- 

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gerten Eiweisszerf alles (B i r c h - Hi r s c h f e 1 d), fortwährender 
Weiteranhäufung nicht assimilirter Eiweisskörper, hyaliner 
Degeneration derselben, Zusammensintern unter Auseinander- 
drängung der absterbenden Fibrillensubstanz, und Untergang 
der letzteren in Coagulatiofisnekrose. 

Betreffs der Beziehungen der Thromben zur Herzwand ist 
zu betonen, dass wir allgemein am Endocard Veränderungen 
finden, einerseits von geringfügiger Endothelzellenvermehrung 
fortschreitend zu Leukocyten- und Bindegewebszellenanhäufung 
bis zu directen Wucherungen, andererseits nekrotischen Zerfall 
bis völligen Untergang des Endocards. Es entsprechen ferner 
die ersteren Veränderungen den besser erhaltenen, die letzteren 
den hochgradig degenerirten Myocardtheilen. Es finden sich an 
allen Thromben Haftstellen, und zwar vornehmlich an den pro¬ 
gressive Erscheinungen zeigenden Endocardpartien. Der Throm¬ 
bus ist gewöhnlich durch fädiges Fibrin mit dem Endothel ver¬ 
bunden. Stellenweise dringen Leukocyten und jugendliche 
(H e n k i n g und Thoma [36]), sowie entwickelte Bindegewebs¬ 
zellen in die Thromben. Im rechten Ventrikel dringen die Endo¬ 
card Wucherungen in den Thrombus, und es gehen von ihnen 
typische Organisationserscheinungen in ausgedehnteren Rand- 
theilen der Thromben aus in Form bindegewebiger Umwandlung 
mit eben beginnender Capillarenbildung. Die Organisation 
marantischer Thromben in ausgedehnterer Art wird vielfach in 
Abrede gestellt. Hertz [9] erwähnt beginnende Organisation 
und Gefässbildung bei den grössere Abschnitte der Herzhöhlen 
erfüllenden Thromben. Im Allgemeinen wird höchstens verein¬ 
zeltes Auftreten spindelförmiger Fibroblasten angegeben 
(Busch [7], Freund [3]) bei geringer Endothelwucherung 
des deutlich sichtbaren Endocards tmd deutlichem schmalen 
Spalt zwischen Thrombus und Herzwand, wobei als Erklärung 
die in den letzten Stunden des Lebens oder erst in der Agone er¬ 
folgende Bildung der nicht lagenweise, sondern auf einmal ent¬ 
stehenden Thromben bezeichnet wird; im Gegensatz dazu ist von 
gestielten Thromben oft Organisation berichtet Hertz [9], 
Krumm [16], Krumbholz [14], Völker [17]): Gefäss¬ 
bildung, Endothel Überzug; allerdings handelt es sich nach 
Boström [37] theilweise vielleicht um thrombosirte Varicen. 
Für unseren Fall lässt sich nach den Herzgeräuschen wohl eine 
Entstehung der Thromben ungefähr am 4. oder 5. Tage vor dem 
Tode annehmen und damit die Möglichkeit der Organisirung, 
da nach v. Rindfleisch in 7 Tagen in Thromben überhaupt 
schon reichliche Gefässbildung erfolgt. Ein längerer Bestand 
geht aber auch daraus hervor, dass einerseits die erst spät in 
Thromben (N e u m a n n) erscheinenden Haematoidinkrystalle 
(und zwar gerade in den sich organisirenden) vorhanden sind, 
andererseits die Thromben eine hyaline Beschaffenheit annehmen 
an den hyalin degenerirten Trabekeln, mit deren hyalinen Zer¬ 
fallmassen zusammensinterten, demnach das Plasma schon 
längere Zeit zur Durchspülung (Weigert [38]) Gelegenheit 
hatte. 

Die vorhandene Fragmentation der Muskelfibrillen verhält 
sich in ihrer Ausbreitung analog der Wachsdegeneration. Es 
waren nicht die in den Herden liegenden, stärkst veränderten, 
sondern vor Allem die in der Herdeumgebung befindlichen al¬ 
buminös degenerirten Muskelfibrillen betroffen, entsprechend der 
Beschreibung v. Recklinghausens (10. internationaler 
Congress). Israel [39] und v. Karcher [40] haben die 
stärkst degenerirten Stellen am meisten betroffen gesehen; ferner 
waren Blutextravasate an den Rissstellen, hellglänzende Linien 
in unversehrten Fasern, ein herdweises Auftreten (gemäss den 
Schilderungen v. KarehePs [40]) vorhanden; höchstgradig 
ergriffen erschien der rechte Vorhof. Nach Oestreich’s und 
v. Karcher’s Angabe soll Segmentation in den Vorhöfen selten 
sein. Die Ausdehnung im Vorhof war übrigens derartig, dass 
die neuerdings durch v .Karcher wieder vertretene Anschau¬ 
ung französischer Autoren eines allmählichen, chronischen Auf¬ 
tretens als gewöhnliche Erscheinung regressiver Metamorphose 
(gegenüber dem in der Agone) wenigstens für die Vorhofsmuscu- 
iatur dieses Falles kaum annehmbar ist. 

Die Miliartuberkel in der Lunge geben schöne Bilder für 
die productiv käsige und exsudativ fibrinöse Form der durch 
Tuberkelbacillen bewirkten Gewebsschädigung, wobei erstere vor¬ 
nehmlich die interstitiellen, letztere die Pulmonaltuberkel be¬ 
trifft. Der Spitzenherd befindet sich in ausgesprochen abgekap¬ 
seltem, völlig reactionslosem Zustand, die geringfügigen Tuberkel¬ 
propagationen vor seinem Rande zeigen durch den nämlichen 

Original frn-m 

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23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


123 


Zustand, dass sie alten Datums sind. Für die Genese der mili¬ 
aren Eruption lieferte auch die histologische Untersuchung 
weder des Ductus thoracicus, noch der Lungenvenen, noch der 
sonstigen in Brust- und Bauchhöhle, Becken- und Ilalsgegend 
zugänglichen Venen zunächst eine Erklärung. Bekanntlich hat 
Laennec (1837) [42] die Zusammengehörigkeit der miliaren 
und diffus käsigen tuberculösen Processe erkannt, Buhl (1856) 
[43] die Entstehung der Miliartuberculose durch Resorption in 
den Käseherden enthaltener Gifte angenommen, Huguenin 
(1876) [44] die Arrosion kleiner Venen, das Fortschreiten der 
Tuberculose in Lymphbahnen zuerst gesehen, W eigert (1878) 
[45] die Genese durch Einbruch in die Venen festgestellt, Pon- 
f i e k (1877) [46] die Entstehung durch Erkrankung des Ductus 
thoracicus, welche wohl Astley C o o p e r (1798) [47] zuerst sah. 

Gehen wir zu der tuberculösen Erkrankung der Haut des 
Vorderarmes über, so stellt sich diese durch ihre ausgesprochene 
Tendenz zu Zerfall, die ungewöhnlich massenhafte Anwesen¬ 
heit von Tuberkelbacillen, die exquisite Bildung von Epithel- 
lioidtuberkeln mit Riesenzellen und centralem käsigen Zerfall 
dar als zu der Tuberculosis cutis propria K a p o s i’s [48] ge¬ 
hörig. Die Erkrankung ist zunächst eine ausgesprochene Tuber¬ 
culose der Elemente der Haarbälge: Einen ähnlichen Process 
hat v. Besser [49] für die Schweissdrüsenknäuel beschrieben, 
dagegen hat Hallopeau (1897) am Dermatologencongress 
zu London, sowie Schwimmer in der dermatologischen Sec- 
tion des Congresses zu Moskau (1898) eine von Ersterem mit dem 
Lichen skrophulos., von Letzterem mit der Akne cachecticorum im 
Aussehen verglichene Tuberculose der Haarfollikel geschildert, 
die sich nach der Beschreibung völlig mit unserem Falle deckt. 
Die Hauttuberculose, sowie der Lupus, den C h i a r i zuerst als 
tuberculose Erkrankung beschrieb, werden bekanntlich vielfach 
auf directe Inoculation bezogen und sind verschiedene hiefür 
mehr weniger beweisende Fälle berichtet (dies bezüglich Stein- 
thal [50], Deneke [51], Jadassohn [52], Doutrele- 
pont [53], Cramin [54], M. Wolters [55], Philipp¬ 
sohn [56], P. Neisser [57], Riehl und P a 11 a u f), 
w’ährend Baumgarten dies nur für Ausnahmefälle zugibt; 
obwohl in unserem Falle ein Beweis für die Entstehung durch 
Inoculation nicht erbracht ist, so scheint doch gerade diese Form 
(nach Analogie mit Milzbrand) sehr dafür zu sprechen; es käme 
allerdings auch die haematogene Entstehung von dem tuber¬ 
culösen Spitzenherd in Betracht, wobei jedoch wiederum auf den 
vollständigen Ruhezustand desselben hingewiesen sei. Direct 
von der Hauttuberculose sich fortsetzend, findet sich eine ganz 
frische, unzweifelhafte Fortleitung der Tuberculose, aufsteigend 
um die Lymphgefässe und die perivenösen Lymphspalten. Auch 
diese Affection ist schon mehrfach nachgewiesen und beschrieben 
(Merk len [58], Ka rg [59], Leloir [60], Kaposi [61], 
Deneke [51], Westberg [62]). Es fand sich aber ferner 
im Verlaufe einer Vena cephalica ein echter, frischer Einbruch 
eines perivenösen Tuberkels in das Gefässlumen: Derselbe 
reicht mit einem zellhaltigen, centralwärts gerichteten Köpfchen¬ 
thrombus in das Lumen einer mittleren Vene, das Endothel der 
Umgebung ist in Coagulationsnekrose, dabei von Fibrin bedeckt, 
das Gefäss selbst dem Blutstrom durchgängig, ferner sitzt der 
Herd nicht an einer etwa thrombotischen Gefässtheilung, hat 
in der Adventitia eine grössere Ausbreitung wie in der Intima, 
enthält Tuberkelbacillenhäufchen, die jedoch nicht mehr direct 
an der Blutbahn liegen: Die Stelle bietet demnach alle Zeichen 
eines verhältnissmässig älteren Einbruches im Sinne Wei- 
g e r Fs [63] (wobei ich bemerke, dass sie durch eine sehr grosse 
Anzahl von Serienschnitten gesucht wurde). Für die Art der 
Entstehung der Miliartuberculose von Venen und Ductus her 
hat neuerdings B e n d a [64] eine Modification der Weigert’- 
schen Erklärung der Entstehung durch Einbruch von aussen 
gebracht: Er wies nach, dass oft die Intima am meisten und 
an so zahlreichen Stellen ergriffen sei, dass eine Infection der¬ 
selben durch Tuberkelbacillenansiedelung vom Blut- bezw. 
Lymphstrom her grössere Wahrscheinlichkeit bietet, als oft¬ 
maliger Durchbruch von aussen, und bezeichnet diesen Vorgang 
als Endangitis tuberculosa; in unserem Falle trifft seine Schil¬ 
derung nicht zu, sondern die W e i g e r t’s. Die bei B e n d a [64], 
sowie namentlich bei S i gg und Hanau [65] ausführlich und 
eingehend besprochene casuistische Literatur über die Einbruch¬ 
stellen der Miliartuberculose führt keinen Fall auf von Einbruch 
in eine Vena cephalica oder überhaupt eine Armvene, verbunden 
mit einer im Anschluss an specifische Hauttuberculose entstan- 

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denen tuberculösen Lymphangitis; auch in den anderen (oben 
erwähnten) Fällen findet sich kein so prägnanter Befund angegeben 
wie in unserem: Nachdem in der Lunge ein ganz abgekapselter 
Process, in den übrigen, gewöhnlich betroffenen Gefässen kein 
Befund vorliegt, die Hauttuberculose als eine floride Affection 
mit reichlichen Tuberkelbacillen auf trat, ist es nicht ganz un¬ 
wahrscheinlich, dass die Miliartuberculose, welche bei der kurzen 
Krankheitsdauer, wie so oft, nur die Lungen als stets nächst 
betroffenes Organ befiel, durch Einschwemmung der Tuberkel¬ 
bacillen an der geschilderten Stelle einer Vena cephalica erfolgt 
und damit ein im Anschluss an Hauttuberculose entstandener 
Einbruch an einer bisher noch nicht beschriebenen Stelle ge¬ 
funden wäre. August 1899. 

P hotographien. 



1. Tubereulöser Haarbalg: Oben beiderseits tuberculös veränderte 
Talgdrüsen, mit L a u g li a n s’schen Riesenzellen, unten kranz¬ 
förmig um die Papille gelagerte, verkäsende Tuberkel. Vergr. 
L e i t z. Oc. III. Obj. 2 — 47. 



2. Tuberkel der Vena cephalica: In der Mitte in’s Lumen ragender 
Polyp, rechts sich fortsetzend in die tuberculose Venenwand; 
links verhältnissmässig wenig veränderte Venenwand. Vergr. 
Leitz. Oc. III. Obj. 4 = 110. 



3. Organisirung eines Thrombus des r. Ventrikels: In die Stiel- 
haftstelle einstrahlende und etwas einwärts vom Thrombus- 

Ürigiral from 4* 

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No. 4. 


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MÜNCHENER MEPICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


rand fortziehende Bindegewebszellenzüge, Endoeard verdickt, 
Musculatur ziemlich normal. Vergr. Leitz. Oc. III. Obj. 
2 = 47. 



4. Vorgeschrittenere Organtsirung eines Thrombus des r. Ven¬ 
trikels: In die die Längsseite des Thrombus betreffende Haft¬ 
stelle eindringende Eudocardwucherungen. durchsetzt von 
Bindegewebszellzügen, im Thrombus zahlreiche sich ver¬ 
ästelnde Bindegewebsfasern und Kerne, sowie Leukoeyten- 
züge. Vergr. Leitz. Oc. I. Obj. 7 370. 

Literatu r. 

Die auf Lehrbücher (Baumgarten, B i r c h - II i r Seh¬ 
feld, Eichhorst, Ivlebs, Orth, v. Recklinghause n. 
v. Strümpell, v. Ziemssen, Z i e g 1 e r), bezw. die „Ergeb¬ 
nisse etc.“ von Lubarsch und O s t e r t a g, bezüglichen Stellen 
sind nicht numerirt. 

1. Bristol, med. cliir. journ.. Juni 1805. 

2. Deutsch, med. Wochensehr. 1800, No. 1 u. 2. 

3. Berl. klin. Wochenschr. 1808, No. 40. 

4. a) Virchow’s Arch. Bd. 140, 2. b) dto. 141, 1. c) Münch, med. 
Wochenschr. 1800, No. 15. 

5. Würzburg. med. Zeitsclir. 1803, No. 4, 5. 

0. Itiforma med. 1800, No. 0, 10. 

7. Inaug.-Diss. Freiburg 1801. 

8. Verhandlungen des IX. med. (Kongresses 1800. 

0. Ziemssen’s Arch. Bd. 37. 

10. Verhandlungen des X. internationalen (Kongresses, Abth. III. 

11. Johns Hopkins Hosp. Rep. II, 1. 1890. 

12. Bull. d. 1. Soc. anat. 13., S. 301, Mai 1802. 

13. Bericht der med. Gesellseh. zu Leipzig, Sitzung vom 23. II. 1802. 

14. Arbeiten aus der med. Klinik zu Leipzig. 1893, S. 328. 

15. Sitzung des ärztlichen Vereins zu Hamburg, 1. Mai 1804. 

10. Deutsch. Arch. f. klin. Medicin Bd. 54. 

17. Verhandlungen der pathol. Gesellschaft zu London, Bd. 44. 

18. Münch, med. Wochenschr. 1805, No. 10. 

10. Clinical Transact., Bd. XIII. 

20. Zeitsclir. f. klin. Med., Bd. 20, 5, 0. 

21. Handbuch v. Ziemssen. 

22. Ziemssen’s Arch. Bd. 48. 

23. Festschrift für Virchow II.. p. 199, 1801. 

24. Schmidt’s Jahrbücher 1803, No. 239, S. 9 . 

25. Inaug.-Diss. Zürich 1897. 

20. Journ. of. Anat. a. Physiol. norm. a. Path. XXIII. N. S. III., 1. 
1888. 

27. Münch, med. Wochenschr. 1894, No. 41, 43, 44. 

28. Lo Sperimentale 1894, F. 4. 

29. Arch. f. klin. Med., Bd. 4S, Heft 3 u. 4. 

30. Virchow’s Arch. 121. 

31. Ziegler’s Beiträge, Bd. 18. 

32. a) Virchow’s Arch. 138. Suppl. b) dto. 144, Suppl. 

33. Ziegler’s Beiträge, Bd. 13. 

34. Virchow’s Arch., Bd. 89. 

35. Zeitsclir. f. klin. Medicin. Bd. 24, 3, 4. 

30. Virchow’s Arch., Bd. 109. 

37. Ziemssen’s Arch., Bd. 55. 

38. a) Virchow’s Arch., Bd. 79. b) Deutcli. med. Wochenschr. 1885, 
No. 44 ft\ 

39. Virchow’s Arch., Bd. 133. 

40. Deutsch. Arch. f. klin. Medicin, Bd. 00, Heft 1. 

41. Virchow’s Arch., Bd. 135. 

42. Traitö d’auscultation, 4. Aufl., 1837. 

43. Zeitsclir. f. rathende Medicin., Bd. 8; 1850. 

44. Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte 1870, S. 320. 

45. Bericht der deutsch. Naturforscherversammlung zu Cassel 1878. 
40. Bericht der deutsch. Naturforscherversamml. zu München 1877. 

47. Med. Itec. and Research. Vol. I, London 1798. 

48. Wiener med. Wochenschr. 1897. No. 40 u. 41. 

49. Deutsch, med. Wochenschr. 1888. No. 29. 

50. Deutsch, med. Wochenschr. 1888, No. 10. 

51. Deutsch, med. Wochenschr. 1890, No. 13. 

52. Virchow’s Arch., Bd. 121. 

53. Deutsch, med. Wochenschr. 1892, No. 40. 

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54. Brun’s Beiträge, Bd. 10, S. 500. 

55. Deutsch, med. Wochenschr. 1892, No. 30. 

50. Centralbl. f. allg. Pathologie 1893. 

57. Berl. klin. Wochenschr. 1805, No. 3. 

58. Gaz. hebdom. de m£d. et de chir. 1885, No. 27. 

59. Centralbl. f. Chirurg., 12. Jahrg., S. 505. 

00. Annal. de Deriuat. et de Sypliil., p. 328, 1880. 

01. Pathol. und Therap. der Hautkrankheiten 1887, S. 758. 
02. Inaug.-Diss. Freiburg 1892. 

03. Virchow’s Arch., Bd. 88, S. 377. 

04. Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 20, 27, 29. 

05. Annal. Suiss. d. Sciences. möd. S. IV, L. 4. 1800. 


Pater Bernhard, ein Vorgänger Kneipp’s. 

Ein Capitel aus der Geschichte der Wasserheilkunde. 

Von Dr. Julian Marcusc in Mannheim. 

ln der Geschichte der Medicin ist kaum ein Theilgebiet für 
die Culturgeschichte der Menschheit so interessant wie die Ent¬ 
wicklung der Lehre von der Hydrotherapie. Der unklare Drang, 
das Sehnen nach einem Allheilmittel durchzieht wie ein rother 
Faden alle Perioden der Weltgeschichte, gerade als ob mit dem 
Verluste des Paradieses, jener erträumten herrlichen Urzeit, auch 
die Panacee gegen Tod und Siechthum verloren gegangen wäre. 
In seelischer Verbindung mit dieser Ideenwelt tritt als das erste 
in der Geschichte der Medicin die tiefsinnige Fabel weit der orien¬ 
talischen Völker an uns heran, die Medicin als ein Gottes- oder 
Gottnaturdieust, der Arzt ein Priester, die Schule ein Tempel. 
Dieser kindlich-naive Glaube wurde zu einer Gedankenwelt, als 
durch das Wachsthum der gesellschaftlichen Verbindungen, die 
der Mensch eiuging, die Zahl der Uebel wuchs, und naturwidrige 
Gebräuche, ein Uebermaass sinnlicher Genüsse und entkräftender 
Luxus, die Volksgesundheit untergruben. In solchen Zeiten der 
Decadence hat man immer, vor Jahrtausenden wie noch heute, 
den unverdorbenen Naturzustand, in dem die Menschen über die 
Grenzen einer geistigen Kindheit nicht weit hinaus sind, herbei¬ 
gesehnt und hat versucht, trotz der geänderten Verhältnisse ihn 
künstlich zu erzeugen. So entstand die Fiction von der Allgewalt 
eines Mittels, das im Heilschatz der Natur allerdings eine hervor¬ 
ragende Rolle spielt, vom kalten Wasser. 

Es ist eine keineswegs neue Erscheinung, dass man dem 
kalten AVasser die Kraft eines Universalmittels zuschreibt und 
es in solcher Meinung den mannigfachsten Leiden gegenüberstellt. 
Diejenigen, welche in diesem Streben nur ein Product der Mode 
sehen und achselzuckend die „ephemere“ Doctriu anblicken. 
kennen ebensowenig die Geschichte der Medicin im Allgemeinen, 
wie die der Kaltwasseranwendung im Besonderen. Sie reicht 
vielmehr bis in die grauesten A r orzeiten zurück und ist immer 
wieder aus der A r ergessenheit oder A r ernachlässigung, in die sie 
zeitenweise versank, zu neuem Leben und neuer Kraft empor- 
getaucht. Es ist merkwürdig, dass immer das AVasser, das natür¬ 
lichste Product der organischen AVelt, es sein musste, das der 
Wissenschaft der Heilkunde feindlich gegenüber trat und in den 
Kanpf mit den Doctrinen, wie mit den Vertretern dieser trat. Ein 
solches Phänomen kann kein zufälliges sein, es müssen seine 
Fäden mit den innersten \ r erhältnissen der die Menschheit be¬ 
wegenden Fragen und Ideen Zusammenhängen. Man kann nicht 
in vornehmer A r erachtung an den Erscheinungen eines Antonius 
M u s a, eines Charmis, eines Paracelsus, Hahn, 
Priessnitz, Kneipp und wie sie Alle heissen mögen, vor¬ 
übergehen, sondern muss die ursächlichen Momente jenes immer 
wiederkehrenden Durchbruchs bestimmter Anschauungen und 
Lehren prüfen, will man in dieser für die Heilkunde wie für die 
Aerzte so bedeutungsvollen Frage Klarheit gewinnen. 

Laien waren es vor Allem, die informatorisch unter dem 
Zeichen der AVasserbehandlung gegen die Lehren der medi- 
cinischen AVissenschaft auftraten, ein sehr begreiflicher Umstand, 
wenn man einmal die uralte Neigung des A r olkes zum Selbstcuriren. 
wenn man ferner die Vorurtheile des Laien gegen den Arzt den 
der grosse Haufe nicht als Freund, sondern mehr als auf¬ 
gedrungenen Helfer betrachtet, und an dessen Kunst ihn das 
grosse Heer ungeheilter und unheilbarer Krankheiten zweifeln 
lehrt, berücksichtigt. Beide Momente werden, mag man auch 
noch so sehr Aufklärung und naturwissenschaftliche Kenntnisse 
fördern, nie verschwinden, denn sie liegen nur allzu sehr im 
innersten Wesen des Menschen begründet. Diese Schwächen 
des Menschen haben von jeher gewissenlose Volksbetrüger be¬ 
nutzt, um aus ihren Mitmenschen Nahrung zu saugen, und mit 
Hilfe des Wassers „Wundereuren“ zu vollbringen. 

Auf der einen Seite das freche A r ordringen halbgebildeter 
Laien, auf der anderen Seite die vornehme Zurückhaltung der 
Wissenschaft, die — und mit vollem Recht — eine allzu grosse 
Ausdehnung dieses Heilmittels für lächerlich fand und schwieg, 
dabei aber sehr zu ihrem Nachtheil vergass, eine streng wissen¬ 
schaftliche Begrenzung und Erörterung, eine Prüfung durch That- 
sachen vorzunehmen. Und so kam es, dass die Verachtung für 
Neid, das Stillschweigen für Zugeständniss. die AViderlegung für 
eine Unmöglichkeit angesehen wurden; und die Lehre, welche in 
ihrem Kern so vieles Gute enthält, blieb fast ausschliesslich in 
den Händen von Laien, zum Schaden der Wissenschaft wie nicht 
zum Mindesten der Kranken. Denn mag man das kalte Wasser 
als diätetisches Mittel weit und breit an wenden, immer ist es, 


Original fro-m 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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wie jedes andere, den Principien der Physiologie und Diätetik* 
unterworfen, mag man es als Heilmittel benutzen, immer fällt es 
unter die uralten Gesetze der Mediein. Als solches erfährt es die 
Erklärung seiner Wirkung durch die Gesetze der Physiologie, 
als solches seine Anwendung nach den Normen der Pathologie 
mid Therapie, als solches erhält es seine Stellung unter den 
{ihrigen Heilmitteln und somit seinen relativen Werth, als solches 
wird seine Dosis, seine Form, seine Anwendungsweise wissen¬ 
schaftlich festgestellt. Die Erfahrung aber handhabt die Wissen¬ 
schaft, die rationelle Praxis des individualisirenden Arztes steht 
obenan und dictirt ihre Befehle nach der Sachlage der Dinge. 

Dieser allein vernunftgemiissen Benutzung des Wassers zu 
therapeutisehen Zwecken steht die unterschiedslose, oft geradezu 
verbrecherische Anwendung desselben in Laienhänden gegenüber, 
von denen die Geschichte der Wasserheilkunde so überaus reich 
ist. Eines dieser interessantesten Experimente knüpft sich an 
ileii Namen eines Mannes, der in mannigfacher Beziehung mit 

jüngsten Apostel des kalten Wassers, mit Pfarrer Kneipp. 
Ähnlichkeit hat. wenn auch der Erneuerer der Blitzgüsse (denn 
•Ho Erfindung rührt nicht von Kneipp her, sondern war schon 
lange vor ihm bekannt) in seinem therapeutischen Verfahren als 
mild zu bezeichnen ist gegenüber seinem nicht minder berühmten 
Vorläufer. 

Der Kapuzinerpater Bernardo Maria de Castrogiaue, 
■/M seiner Zeit allgemein Medico dell’ acqua fresca genannt, dessen 
Berühmtheit die ganze Welt erfüllte, und der schon damals an 
•lern Orte seiner Wirksamkeit, der Insel Malta, einen Zulauf hatte 
wie Pfarrer Kneipp, war der Sohn eines Apothekers und hatte 
neben seinen geistlichen Studien Mediein und Chemie getrieben. 

, Kin Schüler eines Arztes R o v i d a, der 1699 in Neapel sich durch 
seine Eiswassercuren berühmt, machte, erlangte er den medi- 
cinischen Doctortitel und kam 1724 nach der Insel Malta. Dort 
hin strömten nun binnen kurzer Zeit die Leidenden von ganz 
Italien und weiterhin von fast allen Ländern Südeuropas zu¬ 
sammen. um Heilung und Genesung durch Pater Bernhard zu 
linden. Vor Allem war es die hohe Geistlichkeit, Cardinäle und 
Bischöfe, dann aber auch der gesainmte niedere Klerus, der die 
mit der priesterlichen Weihe verbundene Heilkunst des Kapuziners 
der profanen Wissenschaft vorzog und nach ihnen kamen Herzoge 
und Fürsten, Ritter und Grafen und unzähliges Volk aus aller 
Herren Länder. 

Schliesslich überliess ihm der Bischof von Malta ein grosses 
Spital, und wir finden Pater Bernhard, unterstützt von seinem 
Bruder, der regelrecht Mediein studirt und Arzt geworden, aber 
in die Fusstapfen des Kapuziners getreten war, als Krankenhaus- 
director wieder. In dieser Thätigkeit verblieb er Jahre lang und 
soll im Zenitli seines Ruhmes von einer tückischen Krankheit 
dahingerafft -worden sein. 

Als Heilmittel wandte er ausschliesslich Eiswasser, das er 
durch Mischung von Eis oder Schnee mit frischem Wasser lier- 
s'cllen liess, an und zwar in dreierlei Formen: Einmal äusser- 

1 i c h als Auf- oder Umschläge mit darin eingetauchten • Lein¬ 
tüchern oder als eine Art von Massage durch Reibung der leiden¬ 
der Theile mit ganzen Eisstücken, zweitens innerlich als Ge¬ 
tränk zu 6—8 Maass (Quart, Kannen) des Tages über und drittens 
iil>- Klysma, letzteres besonders bei der Behandlung der Ruhr. 

Während dieser Cur, die in ihrer Art fast immer die gleiche 
blieb, nur in der Quantität des angewandten Wassers variirte, 
wurde eine üusserst strenge Diät innegehalten. In den ersten 
lagen eine totale Hungercur, als Nahrung nur Eiswasser, in ein¬ 
zelnen Krankheiten, besonders geschlechtlicher Natur wurde diese 
Hungercur auf 25—30 Tage ausgedehnt, später 5—6 Eidotter täg- 
lä b. in einzelnen Fällen kleine Portionen Huhn oder Taube. Oft 
mich reichte er nach der ersten Hungercur in einer Zwischenpause 
\on 8—10 Tagen Nahrung, um die Cur wieder mit einer Zeit des 
Ilungerns zu schliessen. Andere Nahrung, als die oben erwähnte, 
untersagte er streng, vor Allem Suppen und Mehlspeisen. 

Ausserdem suchte er mit physikalischen Factoren ein- 
zmvirken: Die bettlägerigen Kranken mussten bei offenem 
IVnstor, nur leicht bekleidet, liegen, das Haar geschoren, die, 
welche ausser Bett waren, meistentheils barfuss gehen. Diese 
Maassnahmen werden geschildert in den unzähligen Kranken¬ 
geschichten, die im Mercure historique de l’an 1724 enthalten sind, 
und von denen ich eine im Folgenden wiedergebe: „Insel Malta, 
12. Juli 1724. Der Graf v. Beverens, ein Deutscher, war seit 

2 Jahren mit einem starken Herzklopfen und heftigen Krämpfen 
behaftet und litt an solchem Frost, dass er auch In den Hunds- 
Buren die wärmste Luft nicht vertragen konnte. Er trug be¬ 
ständig Pelzwerk auf der blossen Haut und war überdies noch 
mit Westen und Oberkleidern versehen. Ausserdem war er auch 
im Bett sehr warm zugedeckt und in der Nacht durfte er unter 
der Decke nicht einen Finger Vorbringen, so fing er schon an zu 
frieren und bekam den Krampf. Pater Bernhard, der seine 
Our mit ihm anfing, nahm ihm sogleich die überflüssigen Ober¬ 
kleider weg, brachte ihn an die freie Luft und bewirkte mit Eis¬ 
wasser binnen 24 Stunden so viel, dass der Graf von der Schwäche 
seiner Brust und von dem gewöhnlichen Frost, mit dem er ge¬ 
blagt wurde, nichts mehr empfand, von Krämpfen verschont 
blieb, gut schlief und bald völlig gesund wurde.“ Wer erinnert 
s mh dabei nicht an die beliebten schwäbischen Kernworte, mit 
<b non Kneipp die in alle möglichen Kleidungsstücke vergrabenen 
Kranken, die zu ihm kamen, bewillkommte? 

Der rohe Empirismus des Pater Bernhard bedurfte keiner 
theoretischen Grundlage; nichtsdestoweniger hat er sich, jeden¬ 
falls der Wirkung nach aussen wegen, auch ein kleines System 

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zusammengebraut. Das Wasser soll nach ihm dazu dienen, die 
Krankheitsstoffe aufzuregen und abzuführen und zwar vornehm¬ 
lich durch den Urin und durch die Faeces; Krisen durch die Haut, 
also Schweisserzeugung, liegt nicht In den Intentionen seiner Cur. 
Er verbietet sogar das Schwitzen und will in den heissen Tagen 
seine Eiswasserproeeduren nicht unternehmen, um den Schweiss 
zu vermeiden. 

Das Eiswasser wird in bestimmten Zwischenräumen und in 
grösseren Quantitäten auf einmal getrunken und zwar Tags und 
Nachts; die ganze Zeit über ist der Kapuzinerarzt in der unmittel¬ 
baren Umgebung des Kranken, untersucht den Puls, die Finger¬ 
nägel, Augen und Zunge. Puls und Nägel sind ihm maassgebend 
für die Wirkung des eingenommenen Wassers und je nach den An¬ 
zeichen verdoppelt oder verringert er die Gabe. 

Natürlich wendet er das Eiswasser als Panacee gegen alle 
Krankheiten, selbst gegen die zu seiner Zeit auf der Insel Malta 
auf tretenden Blattern an und immer mit Erfolg! ! ! Die Eisklys- 
mata verordnet er vornehmlich bei der Ruhr, Blutabgängen etc., 
Einreibungen mit Eisstücken bei grosser Fieberhitze, bei der 
auch Umschläge verabreicht werden, bei Hüftweh, Seiten¬ 
stechen etc. 

Diese Eisenbartcuren Hessen, wie allgemein berichtet wird, 
im frommen Glauben au die Heilkraft ihres Arztes Hoch und 
Niedrig, Gross und klein ergebungsvoll über sich ergehen und 
priesen laut in alle Winde die Wunder ihres Retters. 

Ist dies Weltgeschichte, Weltelend oder Weltironie?- 


Referate und Bücheranzeigen. 

Mt. Sinai hosnital renorts. Vol. I for 1898. Ed. by 

P. E. M u n d e., 1899. 

Uebcr das seit 1856 bestehende Hospital, das jetzt ca. 3000 
jährl. Aufnahmen zählt und das eine medicinische, chirurgische 
gynäkologische, pädiatrische, Augen- und Ohren-Abtheilung und 
unter seinen Aerzten auch einen consultirenden Neurologen und 
Dermatologen zählt, soll von nun ab ein Jahresbericht er¬ 
scheinen, wie Ja co bi in seiner Vorrede hervorhebt. Nach 
statistischen Darstellungen der medicinischen Abtheilung gibt 
R u d i s c li eine Studie der seit 1883 beobachteten Typhusfälle, 

A. Mayer eine nähere Statistik über 500 Fälle lobärer Pneu¬ 
monie und Notizen über die W i d a l’sche Probe bei Typhus und 
schildert einen Fall von pernieiöser Anaeraie mit Fettherz 
während der Schwangerschaft; E. B r i 11 berichtet über einen in 
die Lunge perforirten Lebcrabscess, einen auch die Pulmonar- 
arterienklappe betreffenden Fall von uleerativer Endocarditis; 
Morris M a n g e s bespricht einen durch Laparotomie geheilten 
Fall acuter Pankreatitis und disseminirter Fettnekrose des Peri¬ 
toneum, eine multiple Knochencarcinose nach Mammacareinom 
bei nur wenigen Metastasen in den Eingeweiden; Henry Berg 
bespricht einen Lebereehinococcus mit Absonderung von Tochter¬ 
blasen durch den gemeinsamen Gallengang. 

Barnim Scharlau erstattet den statistischen Bericht über 
die Kinderabtheilung und referirt über mehrere interessante Be¬ 
obachtungen (6 Fälle chronischen Empyems nach D e 1 o r m e 
operirt, aeute Anaemie etc.). B. Sachs gibt eine Arbeit über 
Erythromelalgie im Anschluss an einen betreffenden Fall, in 
dem wegen ausgedehntem ITleus cruris amputirt werden musste 
und dessen histologische Befunde näher besprochen werden. 

A. G. G e r s t e r gibt den Bericht der Abtheilung betr. all¬ 
gemeine Chirurgie (aus dem u. a. eine nähere Darlegung betr. der 
Vorschriften über die Führung der Krankengeschichten hervor¬ 
gehoben sein soll), sowie die statistische Darstellung der Nar¬ 
kosen (631 Chloroform, 94 Aether, 48 gemischte, 133 locale An- 
aesthesien). Nach der statistischen Registrirung der Fälle und 
Operationen (1052) geht G e r s t e r auf die letzteren näher ein 
(unter anderem 158 Appendicitisoperationen bei 149 Patienten 
mit 27 Todesfällen, 73 Herniotomien mit 3TodesfäUen, 22 Opera¬ 
tionen an der Niere mit 1 Todesfall) und schildert im Verlauf 
eine Reihe seltener Fälle (z. B. ein mit Ligatur der Iliaca int. be¬ 
handeltes vasculäres Sarkom des Darmbeins etc.). Die Hilfe¬ 
leistungen bei Unfällen werden besonders statistisch behandelt, 
ebenso die Todesursachen. H. Lilienthal bespricht ein stric- 
turirendes Adenom der Flexura hepat. mit Ausgang in Heilung 
nach ausgedehnter Reseetion des Kolon. W. F1 u h r e r erstattet 
die Statistik betr. der Abtheilung für Geschlechts- und Ham- 
krankheiten und schildert 3 Fälle von Prostatectomie. Munde 
gibt den Bericht über die gynäkologische Abtheilung (480 Fälle 
mit 572 Operationen, 13 Todesfälle) und zeigt die grosse Zu¬ 
nahme dieser Fälle gegenüber den früheren Jahren. G r ü n i n g 
berichtet statistisch über die Augen- und Ohrenabtheilung und 
bespricht, speciell die Operationen am Warzenfortsatz bei acutem 
Empyem und bei Caries (248 Fälle in 20 Jahren). Charl. May 

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120 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


berichtet über einen Fall von Herstellung des Conjunctivalsackes 
bei totalem Symblepharon durch Thierse h’sche Transplan¬ 
tationen; C. Koller über einen Fall von Thrombophlebitis des 
Sinus sigm. und der Jugularvene, während schliesslich Man- 
d e 1 b a u m und E. Libmann über eine Reihe ungewöhnlicher 
pathologischer Befunde — eine Art Auslese aus den Autopsie¬ 
berichten — referiren. Sehr. 

Samuel G a c h e : La tuberculose dan& la rtpublique 
Argentine. Buenos-Ayres 1899. A. Etchcpareborda. 
XIII, 356 p. 

Der Zweck des hoehverdienstliehen breit angelegten Werkes 
ist die Bekämpfung der Tuberculose in Argentinien. Dieselbe 
beginnt füglich mit der Belehrung über die Infectionswege 
(speciell Inhalation und Ingestion), über Heilbarkeit, über In- 
fectiosität von Milch und Fleisch, über Desinfectionsmethoden, 
über die Gefahren der Tuberculoseübertragung durch Eisenbahn¬ 
wagen, Wäsche etc., durch „Hausthiere und Insecten“; und 
damit eng verbunden ist überall der unermüdliche eindringliche 
Hinweis auf die Gefahren der Tuberculose, die Nothwendigkeit 
ihr entgegenzutreten und die hiebei einzuschlagenden Wege. 
Die Grundsätze entsprechen meist den bei uns anerkannten, 
doch erscheint manches etwas extrem z. B. (für Curorte) eontrole 
medical des hötels et pensions raeublees pour reconnaitre les 
tuberculeux et les soumettre ä des regles convenables. 

Bei allen Problemen werden reichliche Referate und Citate 
aus der Literatur, besonders der französischen, vorgebracht, 
während die Deutschen etwas zu kurz kommen; auch sanitäts¬ 
polizeiliche Vorschriften werden vielfach wiedergegeben. Die 
Stellungnahme des Verfassers in den verschiedenen Streitfragen 
ist öfters nicht ganz klar (Erblichkeit), oder sie zeigt sich nur in 
den Umrissen (Disposition, Höhenklima). Manchmal erscheint 
der einem Referat gewidmete Raum verhältnissmässig etwas 
gross (Fall von Dewevre: Ein Mann soll durch die 
Wanzen im geerbten Bett seines an Phthise verstorbenen 
Bruders tubereulös geworden sein), anderseits dürften 5 V, 
Zeilen für eine Würdigung Brehmer’s nicht genügen. 

Die allgemein-literarische Bedeutung des Werkes beruht auf 
den sehr zahlreichen und genauen statistischen Angaben über 
Klimatologie, Hygiene und besonders Morbidität und Mortalität 
von Argentinien, denen mehr als die Hälfte des ganzen Um¬ 
fanges gewidmet ist und woraus einige Einzeltheile wohl all¬ 
gemein interessiren dürften. 

Das gewaltige Land Argentinien bietet klimatisch maneh- 
fache Gegensätze, an der Küste theils sehr gesunde, milde, gleich- 
mässige, theils feuchte und heisse, oder sturmreiche, im Innern 
des Landes trockene und heisse, endlich im Gebirge sehr gesunde, 
aber meist rauhe Regionen. Buenos-Ayres ist eine gesunde 
Stadt mit enorm steigender Einwohnerzahl: Sterblichkeit 
19:1000, Geburtsziffer — 44:1000; dazu viele Einwanderer. 
25,6 Proe. der Gesammtsterblichkeit treffen auf Kinder unter 
1 Jahr; auf Tuberculose 8 Proc. (spec. in den dicht bewohnten, 
armen Stadttheilen), während früher 20 Proc.,was besonders auf die 
neuerliche Assanirung, die gute Bodendrainage zurückzuführen 
ist (seitdem ist auch die Typhussterblichkeit wesentlich geringer 
geworden). Von hygienischen Einrichtungen in Buenos-Ayres 
erwähne ich die obligatorische Tuberculinimpfung alles Schlacht- 
und Milchviehes in der Stadt, 2 gut eingerichtete Isolirkranken- 
häuser für infectiöse Kranke, das eine mit getrennter Abthei¬ 
lung für Tuberculose (Spucknäpfe aus emaillirtem Eisen mit 
Carbolwasser, der Auswurf kommt in Closetgruben und wird mit 
Vax» Sublimat behandelt; im Militärhospital Spucknäpfe aus 
Pappe zum Verbrennen), gute Schlachthauseinrichtung. 

Ausser Buenos-Ayres haben noch mehrere andere Städte 
gute hygienische Vorkehrungen, Tuberculinimpfung des Milch¬ 
viehs; die Tub.-Sterblichkeit ist überall eine geringe, im Mittel 
etwa 7—8 Proc. der Gesammtmortalität, nur in Corrientes 
12 Proc. Für die Morbidität und Mortalität kommen weiterhin 
besonders in Betracht in einzelnen Gegenden Typhus (schlechte 
Brunnen), in sumpfigen Regionen Pneumonie und Malaria. 1890 
starke Influenza im ganzen Lande. Die Blattern haben seit Ein¬ 
führung der Impfung wesentlich abgenommen. Alkohol spielt 
eine grosse Rolle. Die Indianer und Neger sind im Aussterben 
begriffen, Tuberculose, Blattern und Alkohol haben sie decimirt. 
Eine grosse Gefahr bildet die sehr zunehmende Tuberculose unter 

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dem gewaltigen Viehstand, hauptsächlich in Folge der Mischung 
mit eingeführten Rassen (Durhara). 

Ira Gebirge und an der Küste sind zahlreiche Orte, die 
als Curorte von Tuberculösen viel besucht werden, doch meist 
hygienisch schlecht eingerichtet sind ; in einem derselben, 
Mendoza, der früher fast tuberculosefrei war, soll seit dem Zu¬ 
gang von Curgästen die Tuberculose auch unter den Eingeborenen 
deutlich um sich gegriffen haben. 

In Mar del Plata besteht ein kleines Seehospiz für skrophu- 
lose Kinder, ein zweites ebendort und ein grosses Sanatorium 
für Tuberculose im Gebirge, in Capella del Monte (989 in ü. M.), 
sind in Aussicht genommen. Die für letzteres aufgcstellten 
Grundsätze stimmen mit den in deutschen Sanatorien üblichen 
fast durchweg; auf einen Schlafsaal sollen höchstens 10 Patienten 
treffen. Wunder hat mich der Satz genommen: on essaiera 
autant que possible, de composer le personnel subalterne de tuber¬ 
culeux (übrigens vom Comite schliesslich verworfen). 

Schliesslich werden auch die Sanatorien, Curorte und sta¬ 
tistischen Verhältnisse betreffs Tuberculose in den anderen 
amerikanischen Staaten und in Europa zusammengestellt. Eines 
ist mir noch aufgefallen: Paraguay hat sehr gute klimatische 
Verhältnisse und sehr wenig Tuberculose; Verfasser glaubt aber 
Vorhersagen zu können, dass in nicht ferner Zukunft die Tuber¬ 
culose sehr häufig sein wird, wegen zum Theil schlechter socialer 
Verhältnisse. 

Das ernst und warm geschriebene Werk wird hoffentlich in 
seinem Vaterland gebührenden Dank ernten und viel Segen 
stiften; aber auch jedem Phthisiotherapeuten und Statistiker 
wird es manclifache Anregung bieten. Die Ausstattung ist 
durchaus gediegen. Pischinger. 

Neueste Journalliteratur. 

Zeitschrift für klinische Medicin. XXXVIII. Bd., 1., 2. 
u. 3. Heft. 

1) E. P o n f i c k - Breslau: Myxoedem und Hypophysis. 

Ein Fall von Myxoedem zeigte starke, degenerativ-entzünd- 

liehe Atrophie der Thyreoidea, noch stärkere Atrophie der Hypo¬ 
physis mit vollständigem Schwund des drüsigen Tlieiles, bei Er¬ 
haltensein des bindegewebigen. Der Process in beiden Organen 
war offenbar ein paralleler und gestattet auch an eine Ueberein- 
stimmung der physiologischen Function zu denken. Der histo¬ 
logische Befund wird durch 6 Tafeln illustrirt 

2) M. Cohn- Berlin: Ueber Fixation und Gonaervirung 
von Harnsediment. 

Zur Darstellung der organisirten Sedimente empfiehlt sich 
Fixirung mit Formalin und Färbung mit Sudan und Haema- 
toxylin. 

3) C. S. E n g e 1 - Berlin: Können Malariaplasmodien mit 
Kernen kernhaltiger rother Blutkörperchen verwechselt 
werden P 

Bei den von Plehn beschriebenen und als Form von 
Malariakeimen aufgefassten „karyochromatophilen Körnchen“ 
kann es sich auch um Kemfragmente kernhaltiger, rother Blut¬ 
körperchen gehandelt haben, wie sie im embryonalen Blut und 
bei den verschiedenen Formen der pemieiösen Anaemie Vor¬ 
kommen. 

4) Schütze -Berlin: Ueber den Nachweis von Typhus¬ 
bacillen in den Faeces und in der Milz nach dem Verfahren 
von Fiorkowski. 

Bei 5 Typhusfällen leistete die Züchtung auf Harngelatine 
nach Piorkowski gute Dienste und erlaubte die Stellung 
einer sichern Diagnose nach 15 bis 24 Stunden. 

5) S t a d e 1 m a n n - Berlin: Sporadische und epidemische 
Meningitis cerebrospinalis. 

Beschreibung eines Falles von eitriger Meningitis, der in 
Heilung ausging und von einem eigenartigen plumpen, sehr be¬ 
weglichen Bacillus verursacht wurde. Im Anschluss daran Be¬ 
sprechung der Aetiologie der nicht tuberculösen Meningitis. Ein 
einheitlicher Erreger für die epidemische Form ist nicht anzu¬ 
nehmen, auch nicht der Meningococcus intracellularis, sondern es 
kann wahrscheinlich jeder Fall Idiopathischer Meningitis der 
Ausgangspunkt für eine Epidemie sein. 

6) S t e r n b e r g - Berlin: Chemisches und Experimentelles 
zur Lehre vom Coma diabeticum. 

Aus theoretischen Gründen ist als Ursache des Goma diabeti¬ 
cum und als Muttersubstanz der ^-Oxybuttersäure die /J-Amido- 
buttersäure anzusehen. Thierversuche ergaben in der That eine 
stark narkotisirende Wirkung dieser Säure bei gleichzeitiger Er¬ 
regung von Blutdruck und Athmung, während ihre Ueberführung 
in /tf-Oxybuttersäure im Thierkörper noch nicht gelungen ist. 

7) H. S a c h s - Berlin: Bedeutung der Leber für die Ver- 
werthung der verschiedenen Zuckerarten im Organismus. 

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23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


127 


Es wurde an einer grossen Anzahl von Fröschen das Auf¬ 
treten der verschiedenen Zuckerarten im Harn nach subcutaner 
Injeetion verschiedener Mengen vor und nach Exstirpation der 
Leber verglichen. Die Toleranz gegenüber Glykose, Galaktose 
und Arabinose wurde durch Eutleberung in keiner Weise herab¬ 
gesetzt, wohl aber gegenüber Laevulose. Auch an 8 leberkranken 
Menschen konnte bei Darreichung von 100 g Laevulose per os 
ein abnorm häufiges Auftreten alimentärer Laevulosurie constatirt 
werden. Es kann daraus geschlossen werden, dass die Toleranz 
des Organismus für Laevulose in höherem Grad von der intacten 
Function der Leber abhängig ist, als dies gegenüber den übrigen 
Zuckerarten der Fall ist. 

8) F e 1 - Amsterdam: Die Erblichkeit der chronischen 
Nephritis. 

Die Geschichte einer Familie, die in 3 Generationen 18 Fälle 
von Nephritis auf wies, stützt die Annahme, dass auch bei dieser 
Krankheit, wie bei so vielen andern, die Erblichkeit eine Rolle 
spielen kann. 

9) A. Simon- Wien-Berlin: Heber den Einfluss des künst¬ 
lichen Schwitzens auf die Magensaftsecretion. 

Starkes Schwitzen, gleichviel ob durch Schwitzbäder, durch 
Trinken heisser Getränke oder durch Pilocarpin erzeugt, setzte 
bei Gesunden und bei Kranken mit Hyperacidität — weniger 
regelmässig bei anderen Magenerkrankungen — die Menge, die 
Gesammtacidität und die freie Salzsäure des Magensaftes be¬ 
trächtlich herab. Es ist dies als Schutzeinrichtung des Organis¬ 
mus gegen Chlorverarmung aufzufassen. 

10) J. Donath- Ofen-Pest: Beiträge zur Pathologie und 
Therapie der Basedo w sehen Krankheit. 

1. Jod kann im Harn bei Basedo w’scher Krankheit ebenso¬ 
wenig nachgewiesen werden wie im normalen, was gegen die 
Theorie einer Ueberproduction normalen Schilddrüsensecretes 
spricht 2. Geschichte eines Falles von Basedo w’scher Krank¬ 
heit der durch partielle Resection des rechten und linken Hals- 
sympathicus wesentlich gebessert wurde. 

11) T r o 11 e r - Giessen: lieber Methoden zur Gewinnung 
reinen Magensecretes. 

Eine Nachprüfung des Talma’sehen Verfahrens, die bisher 
üblichen Probcmahlzeiten durch Trinkenlassen von Fleisch- 
extractlösung zu ersetzen uud damit reineren Magensaft zu er¬ 
halten, ergab, dass diese Methode durchaus keine Vorzüge vor 
den üblichen aufweist. Im zweiten Theil der Arbeit wird der Ein¬ 
fluss des Kauens auf die Magensaftsecretion erörtert Reine Ge¬ 
schmacksreize (Citronenschalen, Senf) waren sehr wirksam, noch 
weit mehr solche, die mit psychischen, appetiterregenden Vor¬ 
stellungen verbunden waren (gebratene Gans, Beefsteak). Neben 
den directen Reizen der Magenschleimhaut — die übrigens je 
nach den einzelnen Stoffen erregende sind (Eiweiss, Stärke) oder 
hemmende (Zucker, Fett) — spielen die indirecten, reflectorischen 
also eine sehr grosse Rolle. 

12) L a p i n s k y - Kiew: Zwei weitere Fälle von sogenannter 
trophischer Gefässerkrankung im Laufe der Neuritis. 

Zu kurzem Referate nicht geeignet. 

13) A1 b u - Berlin: Heber den Eiweissstoffwechsel bei 
chronischer Unterernährung. 

Belm gesunden Menschen ist Erhöhung des Eiweissbestandes 
durch Ueberernälimmr ii.-n, • aber gelingt es bei 

chronischer Unterernährung. Das bei 5 Versuchen verwendete 
Präparat — S i e b o 1 d’s Milcheiweiss — erwies sich zu diesem 
Zwecke sehr geeignet. 

14) Kotowtschlcoff - Kazan: Heber die Behandlung 
des Eiterungsstadiums der Variola vera. 

Mehrere Beobachtungen haben gezeigt, dass 2 mal täglich 
wiederholte Vaccinationen von sehr günstigem Einfluss auf die 
Schwere des Blatternverlaufes siud, nicht bloss wenn sie im Pro¬ 
dromalstadium begonnen werden, sondern auch wenn sie später 
bis zum 2. Tag nach der Eruption, zur Anwendung kommen. 

Kerschen steiner - München. 

Centralblatt iür innere Medicin. 1899. No. 1 u. 2. 

No. 1. 1) Edlefsen -Hamburg: Zum Nachweise des 

Phenetidins im Harn. 

Das Phenacetin geht nach Friedrich Müller als Phenetidin 
in den Harn über und ist als solches direct und im Aetherextract 
nachweisbar. Verfasser gibt eine Modiflcation der von Müller 
vorgeschlagenen Probe an. welche auch den Nachweis kleiner 
Mengen von Phenetidin ermöglicht. Kochen des Harns mit HCl, 
Erkaltenlassen, Zusatz von 2—3 Tropfen lproc. Natriumnitrit¬ 
lösung. Die eine Hälfte dieser Mischung versetzt man mit 1—2 
Tropfen alkoholischer (4—5proc.) a-Naphthollösung und macht 
mit NaOH alkalisch: Rothfärbung; nach HCl-Zusatz rothviolett 
werdend. — Die zweite Hälfte der Mischung versetzt man mit 
1—2 ccm 3proc. Carboiwassers und macht mit NaOH alkalisch: 
Gelbfärbung, die bei Ansäuern mit HCl blassroth wird. 

2) L. Ferrannini: Anomalien des Körperbaues bei 
Kardioptosis. (Aus der allgemeinen medicinischen Klinik der 
Universität Palermo, Prof. R u m m o.) 

Verfasser beschreibt 4 Fälle von Kardioptosis, einem Zustand, 
auf den R u m m o aufmerksam gemacht hat. Die Ptosis des 
Herzens ist hiebei eine primäre und oft auch lsolirte. Der Haupt¬ 
factor bei Entstehung der Herzsenkung, die eine besondere Art 
der allgemeinen Eingeweidesenkung darstellt, ist eine angeborene 
weitgehende Alteration der Stützsubstanz. Es handelt sich um 
eine Entwicklungshemmung. Als Beweis für die Richtigkeit dieser 
Hypothese betrachtet Verfasser die Anomalien Im Körperbau und 

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die Degenerationszeichen, die er bei seinen Fällen gefunden hat. 

No. 2. 1) Ferrante A p o r t i : Heber die Entstehung des 

Haemoglobins und der rothen Blutkörperchen. Experimentelle 
Untersuchungen. [4 Tafeln.] (Aus der medicinischen Poliklinik, 
Prof. A. Ri v a, der Universität Parma.) 

Verfasser liefert sehr interessante experimentelle Beiträge 
zu klinischen Beobachtungen, welche .über den Einfluss intra¬ 
venöser Eisen- und Arseninjectionen bei der Behandlung primärer 
Anaemien in der Klinik R i v a’s seit längerer Zeit gemacht werden. 

Er zieht folgende Schlüsse: 

1. Es existirt unzweifelhaft eine gewisse Unabhängigkeit 
zwischen der Bildung des Haemoglobins und der rothen Blut¬ 
körperchen. 2. Es gibt Stoffe, welche nur die Bildung der rothen 
Blutkörperchen anregen, einer der ersten ist das Arsen. 3. Es 
gibt Stoffe, welche hauptsächlich, ja fast ausschliesslich, auf die 
Haemoglobinbildung einen Einfluss ausüben, vor Allem das Eisen. 

2) II. Dömeter v. B 1 e i w e i s : Ueber alimentäre Glykosurie 
e saccharo bei acuten fieberhaften Infektionskrankheiten. (Aus 
der medicinischen Klinik, Prof. Kraus, in Graz.) 

Verfasser theilt eine Versuchsreihe mit, welche darthut, dass 
die Zuckerausscheidung bei Infectionskrankheiten schon nach Ver¬ 
bitterung recht geringer Mengen von Traubenzucker häutig zu 
erzielen ist, und dass dabei auffallend hohe Werthe der Zucker¬ 
ausscheidung Vorkommen. Die Resultate entsprechen im Allge¬ 
meinen denjenigen P o 1 l’s und Campagnoll e’s. 

W. Zinn- Berlin. 

Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 1 und 2. 

No. 1. H. Lucas - Köln: Beitrag zur Fenisamputation. 

In Anbetracht der nach Penisamputation meist eintretenden 
Strictur am vorderen Urethralende empfiehlt L. im Anschluss an 
3 betreffende Fälle ein besonderes Verfahren, bei dem mau die 
Urethra weiter isolirt und vorzieht, so dass die Schleimhaut im 
Laufe der Heilung sich um das Corp. cavernos. urethrae um¬ 
schlägt und ein ca. V, cm über das Hautniveau vorstehendes 
Ostium nach der Verwachsung mit der äusseren Haut erhält. Die 
Incision wird vom vorderen Scrotumwinkel beginnend, über die 
Unterseite der Corpora cavernosa urethrae geführt und letztere 
soweit unten und seitlich freipräparirt, dass man die folgende 
Quertrennung im Gesunden durchzuführen annehmen kann, dann 
wird die Urethra auch vorn isolirt und nach unten gelegt, der 
restirende Theil des Penis durch einen Querschnitt abgetrennt, 
so dass die isolirte Urethra 3—4 cm weit aus der Wunde hervor¬ 
ragt Eine Naht durch die Ränder der Tunica albuginea der Corp. 
cavernosa (die diese mit einander verbindet) senkt den Penisrest 
in die Tiefe und nun werden die Hautwundränder mit einander 
und mit den Seitenflächen der Urethra (ohne Mitfassen der 
Schleimhaut) vernäht. Für die ersten Tage wird ein Dauer¬ 
katheter eingelegt. 

H. Gross- Strassburg: Eine Führungssonde für die Gigli- 
säge zum Gebrauch bei Schädeltrepanationen. 

Beschreibung einer 15 cm langen, 4—5 mm breiten Hohlsonde 
mit massivem vorderen Knopf, die zum Einhängen der Endöse 
der Giglisäge in dre flachen Rinne hinter dem Kopf einen kleinen, 
nach vorn stark gekrümmten Haken trägt (s. Abbildnug). 

Th. Hausmann : Beitrag zu den Lageanomalien des 
Darmes. Mesenterium commune, Fostposition des Dickdarmes 
(Colon transv.) hinter dem Dünndarm (Duodenum), Achsen¬ 
drehung, Laparotomie, Tod. 

Genaue Beschreibung dieser seltenen Lageanomalie gelegent¬ 
lich des Sectionsbefundes. 

No. 2. Fr. Bode: Eine neue Methode der Peritoneal¬ 
behandlung und Drainage bei diffuser Peritonitis. 

Die im Frankfurter Krankenhaus bewährt gefundene 
Methode besteht darin, dass in Beckenhochlagerung (meist medial) 
ausgiebig laparotomirt und unter Ueberrieselung mit warmer 
physiologischer Kochsalzlösung der gesammte Peritonealinhalt 
eventrirt wird; ausserhalb der Bauchhöhle werden die einzelnen 
Darmschlingen in mit Kochsalz getränkte Compressen einge¬ 
schlagen und von Zeit zu Zeit durch erneutes Uebergiessen vor 
Abkühlung geschützt Die Perforationsöffnung des Darms — 
die häufigste Ursache der Peritonitis — wird so leicht gefunden 
und verschlossen, danach die Bauchhöhle mit 30—40 Liter Koch¬ 
salzlösung systematisch ausgeschwcmmt unter Berücksichtigung 
der Buchten und Nischen des Feritoneum, die an den tiefsten 
Punkten sich ansammelnde Flüssigkeit ausgetupft und nun unter 
Ueberrieselung zur Reposition geschritten. An einer etwa der 
Mitte des Bauches ungehörigen Dünndarmschlinge wird das zu¬ 
gehörige Mesenterium durch Emporheben gespannt und an einer 
von Gefässen freien Stelle nahe der Radix ein Schlitz angelegt 
und ein dickes, entsprechend langes Drainrohr durchgezogen, das 
durch je eine neue seitliche Incision der Bauchgegend unmittel¬ 
bar über dem Kolon nach aussen geleitet wird. Ausserdem wird 
je ein Drainrohr von den beiden Seitenöffnungen und ein viertes 
vom medialen Laparotomieschnitt in’s kleine Becken gelegt, event. 
(wenn nöthig) in Leber oder Milzgegend; hierauf die Bauchhöhle 
mit durchgreifenden Peritonealfasciennähten geschlossen, die 
Luft durch weiteres Kochsalzgiessen entfernt, so dass von letzterer 
Flüssigkeit eine nicht unbeträchtliche Menge im Leib bleibt. Pat. 
wird nach Anlegung des Verbandes mit erhöhtem Kopf gelagert, 
damit etwa neu entstehende Eiterungen der Schwere nach von oben 
nach unten in die Nähe des Spülrohrs herabfliessen, um von dort 
mittels 2—3 mal täglich vorgenommener Kochsalzspülung heraus¬ 
befördert zu werden. Häufig wurde Anregung der Peristaltik 
durch die Spülungen (Abgang von Blähungen) beobachtet Auch 

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128 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


gegen eine permanente Spülung wäre nichts einzuwenden. Nach 
3—4 Tagen konnte meist das Spülrohr entfernt werden. Die 
Pat. waren meist nach 3 Wochen geheilt. 

E. PI c c o 1 i-Lendiuara: Zur Radicalbehandlung der Nabel- 
heraien. 

Die von P. angewandte Operation der Nabelbrüche, eine Ver- 
schiebungs- und Uebereinanderlagerungsplastik der Itectusränder, 
besteht zunächst in Incision 10—12 cm lang (bis auf die Apo- 
neurose der liecti vertieft), der Bruchsack wird besonders in der 
Halsgegend isolirt, der Bruchiuhalt reducirt, der Sack an seiner 
Basis mit kleiner Klemme gefasst, der äussere Theil resecirt und 
die so entstandene Wand mit fortlaufender Seidennaht ge¬ 
schlossen. Nun wird die peritoneale Oberfläche mit dem Finger 
von der hinteren Abdominalwand isolirt, diese unter Leitung des 
Fingers nach oben, wie nach unten etwa je 3 cm lang mit Scheere 
durchschnitten und mit in der Regel 4 (seltener mehr als 5) 
Nähten in der Weise vernäht, dass zunächst starke Seidenfäden 
2—3 mm vom freien Rande entfernt auf einer Seite angelegt, ge¬ 
knüpft und lang gelassen werden, vom mittleren der so angelegten 
Knoten wird dann einer der Fäden mittels kräftiger, stark ge¬ 
bogener Nadel unter den entgegengesetzten Rand eingegangen und 
derselbe 3 cm vom freien Rand entfernt druchbohrt, ebenso wird 
dann mit dem zweiten Faden verfahren, wonach nun beide 
Fäden mit einander verbunden werden. Das Gleiche geschieht mit 
den übilgen Fäden, je näher nach oben und unten, um so näher 
dem Rande werden die Fäden durch die entgegengesetzte Wand 
hindurchgeführt, danach die oben liegende und frei gebliebene 
Wand mit mittelstarker Seide durch Knopfnähte an die ihr unter¬ 
liegende Abdominalwand angenäht, so dass beide Nahtlinien eine 
ellipsoide Doppellage aus Muskel und Aponeurose umschliessen 
und die Bruchpforte als musculoflbröses Schild schliessen. 

C. Bayer-Prag: Wahrnehmungen an einem brandigen 
Bruche. 

Fall mit anfänglich ischäm. Spasmus des abführenden Darm- 
stückes und heftiger Nachblutung aus dem vernähten Mesenterial¬ 
spalt, die 2 mal zum Wiederhervorziehen der Schlinge Anlass gab. 

Sehr. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1899, No. 2. 

1) H. Fritsch- Bonn: Prolapsoperation. 

Freund’s Methode der plastischen Verwerthung des Uterus 
zur Heilung grosser Fisteln ist von diesem auch zur Heilung 
grosser Prolapse in Vorschlag gebracht worden. Fritsch hat 
in einem Falle mit Erfolg eine solche Prolapsoperation mit einigen 
Modificationen ausgeführt. Er combinirte die sogen. Neu¬ 
gebauer- oder L e f o r t’sche Operation, welche die vordere 
und hintere Vaginalwand am herabgezogenen Uteruskörper flxirt, 
mit der F r e u n d’schen Methode. Hierbei bleibt auf jeder Seite 
ein Weg zur Portio vaginalis übrig, so dass Seerete abfliesseu 
können. Da der Coitus unmöglich gemacht wird, so eignet sich 
das Verfahren natürlich nur für Greisinnen nach Aufhöreu der 
Menstruation. In dem operirten Fall trat voller Erfolg ein. Der 
Uterus zog sich während der Heilung mehr und mehr nach oben 
zurück, Urin und Faeces wurden spontan ohne Schmerzen ent¬ 
leert. Auch nach dem Auf stehen hatte Patientin nicht die ge¬ 
ringsten Beschwerden. 

2) Heinrich -Bremerhaven: Ueber die Operation grosser 
Bauchnarbenbrüche. 

H. hat in einem Falle von enormem Bauchbruch, der 
12 Jahre nach einem conservativen Kaiserschnitt zur Beobachtung 
kam, eine erfolgreiche Operation ausgeftthrt, die er in mehrfacher 
Beziehung für vortheilhafter hält, als den jüngsten Vorschlag 
Bum m’s, eine Naht der Fascie in kauernder Stellung der Pat. 
vorzunehmen. H. schloss die Bruchpforte durch einen halbmond¬ 
förmigen Fascienlappen, den er durch Ablösen aus der oberen 
Aponeurose des rechten M. rectus erhielt, nach der anderen 
Seite umschlug und an das obere Blatt der eröffneteu linken 
Rectusscheide annähte. Die Nahtlinie verlief in möglichst verti- 
caler Richtung, um eine Muskelzerrung nach Kräften zu ver¬ 
ringern. Zur Naht der Fascie empfiehlt H., kein Catgut zu 
nehmen, sondern ein schwer resorbirbares Material, wie Seide 
oder Silkworm. Der Heilungsverlauf war in H.’s Fall ungestört. 
Ueber den Dauererfolg lässt sich wegen der Kürze der Zeit noch 
nichts Sicheres aussagen. J a f f 6 - Hamburg. 

Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 16. Band. 
1. und 2. Heft. 

1) F 1 c k 1 e r : Studien zur Pathologie und pathologischen 
Anatomie der Rückenmarkscompression bei Wirbelcaries. (Aus 
der medicinischen Klinik Erlangen.) 

Vorliegende Arbeit wird von anderer Seite ausführlich be¬ 
sprochen werden. 

2) Schultze-Bonn: Ueber Diagnose und erfolgreiche 

chirurgische Behandlung von Geschwülsten der Rückenmarks« 
häute. ****** K-**- 

Verfasser berichtet über 4 Fälle von RUckenmarkstumoren. 
In den ersten beiden Fällen war es möglich, aus dem Symptomen- 
complex den Sitz der Geschwülste genau zu bestimmen, so dass 
es bei dem operativen Eingriff sofort gelang, denselben richtig zu 
finden und die Geschwülste zu exstirpiren. Einmal handelte es 
sich um einen extraduralen Tumor in der Höhe des 4. und 5. 
Brustwirbels, das andere Mal um ein intradural gelegenes Fibro- 
sarkom in der Höhe des 7. Brustwirbels. In beiden Fällen war 
der Erfolg der Operation ein günstiger, indem sowohl die Stö- 

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rungen auf motorischem, wie sensiblem Gebiet fast völlig zurück¬ 
gingen. Bei den beiden weiteren Fällen liegen autoptische Be¬ 
funde vor, doch war auch bei diesen intra vitam die Diagnose 
auf Tumor wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit gestellt, 
jedoch nach dem ganzen Verlauf der Erkrankung von einem 
operativen Eingriff abgesehen worden. Im 1 .Fall fand sich ein 
extradurales Fibrom, welches das Foramen magnum in der einen 
Hälfte verschloss, im 2. ein intramedulUires Gliom, das vom 
Conus medullaris bis hoch in den dorsalen Theil des Rücken¬ 
markes reichte. Bei den ersten 3 Fällen, welche für einen opera¬ 
tiven Eingriff nur in Betracht kommen können, war eine Aehn- 
lichkeit der Symptomatologie nicht zu verkennen. Allen war ge¬ 
meinsam mehr oder minder langes neuralgisches Vorstadium, 
halbseitige Drucksymptome von Seiten des Rückenmarks in Form 
von Paraesthesien und Schwächezuständen, schliesslich Erschei¬ 
nungen einer transversalen Drucklähmung, Fehlen der Bauch¬ 
deckenreflexe. Einen operativen Eingriff hält Verfasser nur dann 
für gerechtfertigt, wenn die Diagnose auf einen langsam wachsen¬ 
den, circumscripten, extramedullären Tumor gestellt werden kann, 
während Neubildungen mit erheblicher Höhenausdehnung und 
raschem Wachsthum davon auszuschliessen sind. 

3) Friedmann - Mannheim: Zur Lehre von der spasti¬ 
schen und insbesondere von der syphilitischen Spinalparalyse. 
(Mit 2 Tafeln.) 

Verfasser bespricht zunächst die bisher in der Literatur ver- 
zeichneten Fälle von Spinalparalyse und theilt im Anschluss daran 
Krankengeschichte und Sectionsbefund eines Falles eigener Be¬ 
obachtung mit, der sich sowohl hinsichtlich der klinischen Er¬ 
scheinungen, als auch des anatomischen Befundes als ein nur 
durch eine Spätapoplexie complicirter Fall von regulärer Lateral¬ 
sklerose darstellt. Da die mikroskopische Untersuchung eine aus¬ 
gedehnte, das gesammte Gebiet der Basalarterien umfassende 
Endarteriltis obliteraus ergab, -wofür Verfasser keine andere 
Ursache als erworbene Lues verantwortlich machen kann, so 
zählt er den genannten Fall der syphilitischen Spinalparalyse 
E r b’s zu. Auf die Einzelheiten des klinischen Bildes, wie der 
mikroskopischen Befunde und deren Deutung näher einzugehen, 
ist an dieser Stelle nicht möglich. Heller- Erlangen. 

Virchow’s Archiv. Bd. 155. Heft II. 

1) R i b b e r t: Beiträge zur Kenntnis der Niereninfarcte. 

Die Gestalt der Rindeninfarcte der Niere ist für gewöhnlich, 

entsprechend den Gefässanordnungen, nicht keilförmig, sondern 
von vierseitiger Begrenzung (rechteckig, quadratisch, trapez¬ 
förmig). Auch die keilförmigen Infarcte, welche Mark und Rinde 
zugleich durchsetzen, entsprechen nicht den keilförmigen Infarcten 
anderer Organe, da die Verstopfung nicht an der Spitze des Keils, 
sondern an der Grenze von Rinde und Mark liegt. Künstlich er¬ 
zeugte Infarcte zeigten nach 10—24 Stunden die Kerne im Infarct 
selbst noch erhalten, während dieselben in der Peripherie (Durch¬ 
strömung) zu dieser Zeit schon fast geschwunden sind. In den 
ersten Tagen lassen sich ausser dem eigentlichen Infarct unter¬ 
scheiden eine Zone zelliger Infiltration, weiter eine hyperaemische 
und eine partiell nekrotische Zone. Die Infarctherde sind von 
vornelierein nicht völlig anaemisch, vielmehr stellt sich anfäng¬ 
lich stets ein, wenn auch völlig ungenügender collateraler Kreis¬ 
lauf ein. Von der 16. Stunde ab tritt, in Folge Auslaugung der 
Erythrocyten in dem nunmehr stagnirenden Blute die typische 
Abblassung der liyperaemischen Zone eiu. Die zellige Infiltration 
hat für die Resorption geringe Bedeutung: sie beschränkt und 
slstirt in Folge der Verstopfung der Capillaren den Collateral- 
kreislauf. Die fettige Degeneration ist stets geringfügig und 
findet sich nicht im Innern der typischen Infarcte. Ueber die von 
der äusseren Zone ausgehende Organisation, das Schicksal der 
nicht nekrotisirten Hnrueanälcheu und die Neubildungsprocesse 
am Epithel s. d. Orig. 

2) E. G. Orthmann: Ueber die Entstehung der S&cto. 
salpingen und Tuboovarialcysten. 

Bringt gegenüber Zahn (Vircli. Arch. Bd. 151) neue Belege 
für die Richtigkeit der B u r n i e r’schen Theorie, welche den Ver¬ 
schluss des Östium abdom. tubae aus eutztindlicher Verklebung 
der Peritonealflächen der Fimbrien mit Einstülpuug der Epithel- 
flächeu ableitet. Bei primärer Ovarialeyste kann, abgesehen von 
der Rupturtkeorie, eine fläckenkafte Verwachsung der Fimbrien¬ 
enden an der Cystenoberfläcke mit nachfolgender Druckatrophie 
der Cystenwandung zur Bildung einer Tuboovarialeyste führen. 

3) R. V o g e 1 : Zwei Fälle von abdominalem Lungengewebe. 

4) J. W o 1 f f : Die Lehre von der functioneilen Knochen- 
gestalt. 

Eine eingehende kritische und historische, mathematische 
lind anatomische Begründung der R o u x - W o 1 f f’schen Lehre 
von der „functioneilen Gestalt“ des Knochens. Der 5. Abschnitt 
bringt besondere interessante neue, mittels Röntgendurchstrahlung 
rachitischer Knochen und eines mit Etappenverband behandelten 
Genu valgimi gewonnene Bestätigungen des Transformations¬ 
gesetzes. Es kann heute als nachgewiesen betrachtet werden, 
dass „die Knoehengestalt sowohl unter normalen, wie unter ab¬ 
normen Verhältnissen gewissermassen als das mathematische 
Gcsammtbild aller Beanspruchungen aufzufassen ist, welche bei 
den verschiedenen Muskelwirkungen und bei den verschiedenen 
für das betreffende Körperglied erträglichen Belastungen mög¬ 
lich sind“. 

5) M. M i u r a : Pathologisch-anatomischer Befund an 
den Leichen von Säuglingen mit der sog. Kakkedyspepsie. 

Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



2‘1 Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


129 


An 4 Fällen wird bestätigt, dass die Kakke schon im Säug¬ 
lingsalter Vorkommen kann. 

6) G. Beyfuss: Tropenmalaria und Acclimatisation. 
Beobachtungen in Nieder ländisch-Indien. 

Nicht zu kurzem Auszuge geeignet. 

T) L. Manfred!: Heber die Bedeutung des Lymph- 
ganglionsystems für die moderne Lehre von der Infection 
und Immunität. Versuche und Schlussfolgerungen. 

Die vom Verfasser gemeinsam mit mehreren Schülern an- 
gestellten zahlreichen Versuche setzen die Bedeutung der Lymph- 
drüsen für den Kampf des Organismus mit den Infectionserregern 
in ein neues Licht. In einer Voruntersuchung wird der schon 
mehrfach untersuchte latente Mikrobismus in den Lympliganglien 
ln eingehender Weise dargethan: in 75 unter 85 Fällen zeigten die 
untersuchten Lymphdrüsen von normalen Thieren einen, wenn 
auch geringen Bacteriengehalt. Weitere Versuchsreihen zeigen, 
dass die Lymphdrüsen, entsprechend der geläufigen Vorstellung, 
als Filter für die eingedrungenen Bacterien wirken, dass aber 
deren Lebensfähigkeit kürzere oder längere Zeit erhalten bleibt. 
Dagegen wird die Virulenz der im adenoiden Gewebe retinirten 
Bacterien herabgesetzt oder vernichtet; ferner ist es demgemäss 
durch entsprechende Versuchsanordnung möglich, vom Lymph- 
wege her (vordere Augenkammer) m. w. vollständige Irnmuni- 
sirung zu erzielen. (Immunisiruug von Meerschweinchen gegen 
Milzbrand, von Meerschweinchen und Kaninchen gegen Typhus.) 
Versuche zur Ermittelung einer Lymphdrüsenimmunisirung und 
Lymphdrüsentherapie sind im Gange. 

8) Kleinere Mitthellungen. 

1) W. Rindfleisch: Ein Fall von Corpus liberum in der 
Bauchhöhle. 

Abgelöstes Fibromyoma subserosum uteri. 

2) C. Davidsohn: Zur Erkennnung zweier Stadien der 
Amyloiderkrankung. 

Vergleich der Organbefunde von 2 Mäusen mit experimentell 
erzeugtem wirklichem Amyloid (Jodschwefelsüure-Reaction positiv) 
und von einem Fall amyloider Degeneration des Menschen (Syphi¬ 
lis, chronisches Mastdarmgescliwtir), welcher in der Milz neben¬ 
einander Rothblau- (Follikel) bezw. Grünblaufärbung (Gefäss- 
wünde) zeigte. Verfasser leitet daraus die Nothwendigkeit der 
neuerdings mehr vernachlässigten Jodschwefelsäure-Reaction für 
alle Fälle ab, in denen man über das Studium der amyloiden 
Degeneration Aufschluss erhalten will. 

3) R. K o 1 s t e r : Seltene Sectionsbefunde. 

Fall I: Totale Querruptur der Aorta ascendens bei hoch¬ 
gradiger Arteriosklerose. Fall II: Hochgradige chron. Myocarditis 
und Arteriosklerose im frühen Alter (27 jähr. Diabetiker). Fall III: 
Congenitale Missbildung des Coecum, Mangel des Proc. vermif. 
Fall IV: Mediastinaltumor als Metastase eines Rundzellensarkoms 
der Epididymis. Fall V: Ausgedehnte Metastasen eines Sarkoms 
des r. Auges (in Hirn, Rückenmark und Nerven). Fall VI: Zwei 
Foeten verschiedener Schwangerschaften in demselben Tubensack 
(ein reifer Foet neben Skelettheilen eines vor 6 Jahren abgestor¬ 
benen Kindes). 

4) A. Lejeune: Ueber eine enorme varicöse Geschwulst 
der linken Bauchwand. 

Eugen Albrecht - München. 

11 Centralblatt für Baeteriologie, Parasitenkunde und In- 
fectionskrankheiten. Bd. XXVH., No. 1. 

1) Bruno Galli-Valerio - Lausanne: Les puces des rats 
et des souris jouent-elles un röle important dans la trans- 
mlssion de la peste bubonique ä l’homme. 

Verfasser wendet sich gegen die Auffassung Simon d’s, 
dass Flöhe von Ratten und Mäusen, unmittelbar nachdem sie auf 
den Menschen oder den Hund gelangt seien, diese Individuen 
sofort durch den Stich verletzten und so die Pest übertragen 
müssten. Dies kann aber nach den Untersuchungen des Verf. 
nicht ohne Weiteres als richtig angenommen werden, da die ein¬ 
zelnen Floharten sich ganz verschieden verhalten. S i m o n d 
stellte bei seinen Experimenten die Art der betreffenden Flöhe 
leider nicht fest und so bleibt der Vorwurf des Verfassers bestehen, 
dass man nicht wisse, ob er den gewöhnlichen „Menschenfloh“ 
Pulex irritans, oder den gewöhnlichen „Mäuse- oder Ratteufloh“, 
Typhlopsylln inusculi, oder event. den Schmarotzer auf der Feld¬ 
maus, Pulex fasciatus, vor sich gehabt habe. Wenn überhaupt 
die Uebertragung durch die Flöhe erfolgt, so glaubt V a 1 e r i o, 
dass dieselbe eher durch Pulex irritans von Mensch zu Mensch 
stattfindet, als durch Typhlopsylla musculi, weil diese Art den 
Menschen unbehelligt lässt. 

2) A. Aujeszky - Ofen-Pest: Ueber Immunisirung gegen 
Wuth mit normaler Nervensubstanz. 

Aehnlieh wie man versucht hat, Mäuse mittels normaler 
Nervensubstanz vom Meerschweinchen gegen Tetanusgift oder 
Hunde gegen Wuth mit normaler Nervensubstanz vom Schaf zu 
schützen, so versuchte Aujeszky durch hypodermische In- 
jectionen mit einer Markemulsion vom Rind Hunde und Kanin¬ 
chen gegen schwächeres Wuthvirus widerstandsfähig zu machen. 
Er fand zunächst, dass Kaninchen bei Weitem empfindlicher 
gegen die Injectionen sind als die Hunde und dass es nicht gelingt, 
die Thiere gegen ein stärkeres Wuthvirus zu schützen. Und wenn 
auch gegen ein schwächeres Virus ein gewisser Schutz erzielt 
werden kann, so ist er doch für eine nach Wochen wiederholte 
neue Infection ungeeignet. 


3) Oskar Bail- Prag: Vergleichende Untersuchungen über 
milzbrandfeindliche Eigenschaften im Organismus des Hundes 
und des Kaninchens. 

Die lesonswerthe und interessante Arbeit kann in kurzem 
Auszug nicht genügend wiedergegeben werden. 

4) A. M a u k o w s k 1 - Kiew: Ein Verfahren zum schnellen 
und leichten Unterscheiden von Culturen des Typhusbacillus 
vom Bacterium coli. 

Das Verfahren besteht darin, dass 2 Mischungen: a) 1 proc. 
Kalilauge mit Säurefuchsin gesättigt und b) eine wässrige ge¬ 
sättigte Lösung von Indigokarmin mit einander (von a: 2 ccm, von 
b: 1 ccm, Aq. dest. 22 ccm) gemischt werden und nun diese 
Flüssigkeit tropfenweise entweder direct auf die Agarculturen 
geträufelt, oder dem neutralen Agar vor der Beimpfung zuge¬ 
setzt, oder der durch Abwaschen der Culturen erhaltenen Spül¬ 
flüssigkeit beigefügt wird. Bei Typhus soll eine rothe, bei Coli 
eine griiulichblaue Färbung entstehen, welch’ letztere bald ver¬ 
schwindet. 

5) A. M a u k o w s k i - Kiew: Ein neues Nährsubstrat zur 
Isolirung von Typhusbacillen und des Bacterium coli com¬ 
munis. 

Verfasser empfiehlt ein Pilzdecoct, dem 1 */, Proc. Agar, 
1 Proc. Pepton und x / i Proc. Na CI zugesetzt wird. Im Verein 
mit der vorhorerwähnten Farblösung soll ein Unterscheiden von 
Coli und Typhus leicht möglich sein. Wie weit das verschiedene 
morphologische Verhalten beider Arten auf diesem Nährboden 
auch wirklich zur sicheren Diagnose herangezogen werden kann, 
müssen erst noch weitere Nachuntersuchungen lehren. 

6) M. B r a u n - Königsberg: Die Fasciolidengattung Clino- 
stomum Leidy. 

Arbeit systematischen Inhalts. 

7) L. A. J ä g e r s k i ö 1 d - Upsala: Diplostomum macro- 

stomum n. sp. R. O. Neumann - Berlin. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 3. 

1) J. H i r s c h b e r g - Berlin: Die Entwicklung der Augen¬ 
heilkunde im 19. Jahrhundert. (Schluss folgt.) 

2) J. Lazarus- Berlin: Die pneumatische Therapie von 
1875—1900. (Schluss folgt.) 

3. G. Graul- Würzburg: Casuistische Beiträge zur Sym¬ 
ptomatologie der Pityriasis rubra (H e b r a). 

Verfasser berichtet über (> Fälle dieser Erkrankung, deren 
erster 4 Jahre lang beobachtet werden konnte; bemerkenswerth 
an ihm war die Mitbetheiligung der Nägel, ferner Schwellung der 
oberflächlichen Lymphdrüsen, Auftreten von beträchtlichen Tem¬ 
peratursteigerungen. Die 4 anderen Fälle wurden nur kurz be¬ 
obachtet, auch hier fand sich 2 mal Miterkrankung der Nägel. 
In 1 Falle erzielte Behandlung mit indifferenten Salben und lauen 
Bädern Erfolg, möglicher Weise hat auch die Darreichung von 
Jodothyrin dazu beigetragen. 

4) H. W ol ff - Berlin: Ueber syphilitische Papel der Aug¬ 
apfelschleimhaut. 

Die Papel hatte sich nach aussen von der Hornhaut bei dem 
16 jährigen Kranken entwickelt und verschwand bei specifischer 
Behandlung. Verfasser stellt noch 6 ähnliche Fälle aus der 
Literatur zusammen. 

5) Fr. K ö n i g-Berlin: Ueber gleichzeitige Schussverletzung 
von Brust- und Bauchhöhle. (Fortsetzung folgt.) 

Dr. Grassmann -München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 2. 

1) E. Behring- Marburg: Die Werthbestimmung des 
Tetanusantitoxins und seine Verwendung in der menschenärzt¬ 
lichen und thierärztlichen Praxis. 

Die Serumbehandlung soll längstens 30 Stunden nach Erken¬ 
nung der ersten Tetanussymptome eingeleitet werden; die auf 
einmal subcutan gegebene Antitoxindosis darf nicht weniger als 
100 Antitoxineinheiten betragen. Nur wenn diese Bedingungen 
erfüllt sind, kann eine Heilwirkung des Serums erwartet und 
der Fall statistisch verwendet werden. Das B e h r i n g’sche 
Serum, dargestellt in den Höchster Farbwerken, hat gegenüber 
dem T i z z o n i’schen Trockenserum, welches von Merck- 
Darmstadt hergestellt wird, und anderen ausländischen Präpa¬ 
raten, den höchsten und constantesten Werth von Antitoxinein¬ 
heiten. 

Zur prophylaktischen Behandlung genügen bereits 10—20 
Antitoxineinheiten. 

2) H. C r a m e r : Ueber die Nahrungsaufnahme der Neu¬ 
geborenen. (Aus der Universitäts-Frauenklinik in Bonn.) 

Das Resultat dieser an Säuglingen angestellten interessanten 
Untersuchungen lässt sich dahin zusammenfassen, dass diejenige 
Ernührungsmethode die beste ist, welche bei möglichst geringer 
Najirungszufuhr den möglichst grössten Gewichtszuwachs sichert. 
Daraus ergibt sich, dass ein Haupterforderniss für künstliche 
Ernährung die Innehaltung der physiologischen Grenzen ist. Von 
Interesse ist ferner die Beobachtung, dass die Grösse der Arbeits¬ 
leistung bei der Nahrungsaufnahme, wie sie beim Stillen durch 
das Saugen bedingt wird, von grossem Einfluss auf die Nahrungs¬ 
aufnahme sowohl, wie auf das Allgemein verhalten der Kinder ist, 
indem durch dieselbe ein gewisses Ermüdungsgefühl mit dem Be¬ 
dürfnis nach Ruhe geschaffen wird, welches bei der künst¬ 
lichen Ernährung durch den Wegfall des nöthigen Widerstandes 
sehr oft fehlt, ein Umstand, welcher zur Erklärung der Unruhe 
und des Schreiens mancher künstlich genährten Kinder wohl in 
Betracht gezogen werden muss. 


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Original frorri 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


3) Martin T h i e in i c h : Heber die Diagnose der Imbecilli- 
tät im frühen Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik 
in Breslau.) 

Von hauptsächlich diagnostischem Werthe ist die Prüfung der 
Schinerzempfindung, der Geschmacksempfindung und der Auf¬ 
merksamkeit. Wesentlich wichtig ist hiebei natürlich der Aus¬ 
schluss aller anderen körperlichen Krankheiten, welche ebenfalls 
Störungen dieser Functionen bewirken können. 

4) II. Röhr: Zur physikalischen Feststellung einseitiger 
Taubheit, resp. Schwerhörigkeit. (Aus der Poliklinik für Hals-, 
Nasen-, Ohrenkrankheiten von Prof. Babinsky in Berlin.) 

Die von Lucae im Archiv f. Ohrenlieilk. lSfif) angegebene 
Methode erfährt hier auf Grund eingehender Nachprüfungen eine 
Widerlegung und wird derselben ein praktischer Werth zur Er¬ 
kennung einseitiger Taubheit, bezvv. Schwerhörigkeit ab¬ 
gesprochen. 

f>) Carl B e c k - New-York: Ueber einen verhängnisvollen 
radiographischen Irrthum. 

Dieser in der Deutschen medicinisclien Gesellschäft zu New- 
York demonstrirte Fall zeigt, dass bei der Deutung der Rönt¬ 
genbilder nur mit grosser Vorsicht verfahren werden darf. Von 
den 3 reprodueirten Radiogrammen einer Schrägfractur der Tibia 
zeigt das erste von vorn nach hinten aufgenommene Bild nicht 
die Spur einer Veränderung, während sich bei einer seitlichen 
Aufnahme das deutliche Bild der Fraetur ergab. 

6) George Meyer- Berlin: Die Anwendung des Sauerstoffs 
auf dem Gebiete des Bettungswesens. 

Nach einer Demonstration im Verein für innere Medicin am 
30. October 1890. Referat siehe diese Wochenschrift No. 45. p. 1515. 

F. L a c her- München. 

Laryngo-Rhinologie. 

1) O n o d 1 - Ofen-Pest: Das subcerebrale Phonationscentrum. 
(Areh. f. Laryngol. u. Rhinol., Bd. 9, Heft 3.) 

Das experimentell beim Hunde nachgewiesene subcerebrale 
Phonationscentrum „existirt auch beim Menschen und zwar in 
ähnlicher Weise zwischen den hinteren Corpora quadrigemiua 
und dem Vagusgebiete“. Untersuchung perforirter Neugeborener 
und Missgeburten, die kurze Zeit lebten und phouirten. 

2) B a u m g a r t e n - Ofen-Pest: Das S c h 1 e i c h’sche Ver¬ 
fahren bei den Operationen der Septumverbiegungen und 
Leisten. (Ibid.) 

Erfolgreicher Versuch der intra nasalen Verwendung 
dieser Methode; eingehende Besprechung der Technik. 

3) Leon L e w i n : Ueber Tuberculose der Bachenmandel. 
(Ibid.) 

Die Untersuchung von 200 exetdirten, hypertrophischen Ra¬ 
chenmandeln ergab — mit Berücksichtigung des klinischen All¬ 
gemeinbefundes — folgendes Resultat: In ca. 5 Proc. der Fälle 
hyperplastischer Rachenmandeln fanden sich tubereulöse Herde, 
und zwar ohne üusserlich erkennbare Merkmale — „latente“ Tu¬ 
berculose der Mandeln. Diese „latente“ Tuberculose — bisweilen 
wahrscheinlich primär und ausschliessliche Localisafion an der 
Tonsille — ist. gewöhnlich mit anderweitiger Tuberculose, insbe¬ 
sondere der Lungen, eombinirt. Die locale Tuberculose — für 
die Aetiologie der Hyperplasie ohne erheblichen Einfluss — kann 
„durch Elimination der Rachenmandel, auch bei gleichzeitiger 
Lungentuberculose, definitiv beseitigt werden“. 

4) II e 11 a t - St. Petersburg: Die Theorie der Abdominal - 
athmung beim Singen. (Ibid.) 

Bei der reinen Brustathmung (Clavicular- und Costaltypus) 
dienen hauptsächlich Rachen-, Nasen- und Mundhöhle als Reso¬ 
natoren; die Verengerung und Erweiterung des Brustkorbes werden 
vermittels der starren Thoraxwandung ausgeführt, und damit 
zwei wichtige» Resonatoren — Brustkasten und Lungen — als 
Resonanzhöhlen beeinträchtigt. „Bei der reinen Abdominalath- 
mung dagegen verharrt der Brustkorb in der einmal eingenom¬ 
menen (inspiratorischen) Stellung, während die urgirten Exeur- 
sionen durch die Bewegungen des Zwerchfelles allein zur Aus¬ 
führung gelangen“; dadurch bleibt die Form des Thorax constant. 
in grösst möglichster Ausdehnung und bietet für die Resonanz die 
günstigsten Verhältnisse. Während bei der Brustathmung die 
Muskelwirkling auf starre Wandungen stattfindet, wirkt die Ab- 
dominalathmung durch elastische Muskel wand (Zwerchfell) und 
compressible Baucheingeweide auf die Lungen, ein Umstand, der 
eine erhöhte Gradationsmöglichkeit der Bauchmuskeln in ihrer 
Anpassung an die einzelnen Willensimpulse ermöglicht. Auf diesen 
beiden Punkten beruht der Vorzug der abdominellen AtInnung 
gegenüber der eostalon beim Singen. Untersuchungen Hellat’s 
ergaben, „dass das Luftquantum bei beiden Athmuugsarten un¬ 
gefähr gleich gross ist, der Ton jedoch unter sonst gleichen Um¬ 
stünden vermittels der Abdominalathmung sich länger halten 
lässt“. 

5) B. F r a e n k e 1 - Berlin: Offener Mund und kurze Ober¬ 
lippe in Folge Straffheit des Frenulum labii superioris. (Ibid.) 

Mikrocliilie nennt Fraenkel die bisher noch nicht 
beschriebene Verkürzung der Oberlippe, die — Mundathmung als 
Folge behinderter Nasenathmung vortäuschend — nur auf einer 
zu tiefen Insertion des zu kurzen Frenulum beruht. Einfache 
Spaltung mit der C o w p e r*sehen Scheere nach Umklappung der 
Oberlippe beseitigt sofort sämmtliche Störungen. 

0) S e m o n - London: Einige Bemerkungen zu der neuen 


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S e n d z i a k’schen Statistik über die operative Behandlung 
des Larynxkrebses. (Monatsschr. f. Ohrenheilk. etc. No. 11, 1899.) 

Auf’s Neue befürwortet S e m o n 'warm die Thyreotomie bei 
malignen Neubildungen des Kehlkopfes und erwähnt — im Gegen¬ 
satz zu der allgemeinen Statistik Sendziak’s mit 22 Proc. — 
aus seiner Praxis im Laufe der letzten 7 Jahre 83.3 Proc. dauernder 
Heilungen, die er auf folgende 3 Umstände zurückführt: 1. früh¬ 
zeitige Diagnose, 2. richtige Auswahl der Fälle, 3. frühzeitige, 
energisMie Operation. ___ 

7) Mat t liaei- Danzig: Das Sportathmen, ein hygienisches 
Hilfsmittel bei Nasen-, Bachen- und Ohrenkrankheiten. (Ibid.) 

Unter Sportathmen versteht Mattliaei „eine besondere 
Art des Tiefathmens; es besteht in, wenn möglich, stundenlangem 
TiefatInnen bei geschlossenem Munde bis zur äussersten Grenze 
der Möglichkeit mit anschliessendem Anhalten des Athems auf 
etwa V* Minute oder 4—8 Schritte beim Gehen“. Vollständige 
Alkoholabstinenz ist Vorbedingung. Matthaei will hierdurch 
günstige Resultate — neben entsprechender Therapie — erzielt 
haben. 

8) Muck-Rostock: Ein einfaches Verfahren, um bei”der 
Nachbehandlung operirter Stirnhöhlenempyeme die Drainage 
der Wundhöhle nach der Nase'hin zu unterhalten. (Zeitschr. 
für Ohrenheilkunde etc., Bd. 35, Heft 4.) 

„Die Enden eines ca. 30—40 cm langen Stückes von gewöhn¬ 
lichem Blumendraht werden zusanimeugelöthet und der so ent¬ 
standene Drahtring zusammen ged rückt, bis die beiden Hälften des 
Drahtes dicht aneinander nnliogon.“ Bei isolirtem Stirnhöhlen- 
empyem mit engem Ductus uasofrontalis wird dann dieser Draht 
von der Operationswunde gewissermaassen als Sonde durch den 
Canal iu die Nase eingeführt. Zwischen den beiden Branchen des 
Drahtringes, die noch aus der Operationshöhle herausragen, wird 
dann ein Gazestreifen durchgezogen und derselbe durch den Canal 
in die Nase gehütet. Durch dieses Durchführen des Drainstreifens 
von aussen her kommt sicher keimfreie Gaze in die Operations¬ 
höhle, während bei der Drainage von unten nach oben, von der 
Nase her, die Möglichkeit einer neuen Infection der Stirnhöhle 
durch verschleppte Keime aus der Nase nicht auszuschliessen ist. 

9) Grazzi - Florenz: Neue Behandlungsart der chronischen 
katarrhalischen Pharyngitiden, insbesondere in ihren Be¬ 
ziehungen zu Ohrenerkrankungen. Mit 5 Abbildungen. (Annales 
des maladies de l’oreille etc. No. 10, 1899.) 

In ..unlieber Weise, wie die Rollenapparate zur Massage ein¬ 
zelner Körperregionen, liess sich Grazzi aus Metall im Winkel 
gebogene Rollen anfertigen, die, in verschiedener Weise den indi¬ 
viduellen Verhältnissen des Rachens und Nasenrachenraumes an¬ 
gepasst, zur Massage dieser Gebiete angewandt wurden. Autor 
erzielte mit. dieser mechanischen Therapie, die er der chemischen 
lind kaustischen Behandlung der Pharyngitiden vorzieht, günstige 
Erfolge. Auch consecutive Ohraffectionen katharrhalischer Natur 
wurden günstig beeinflusst. 

10) Lichtwitz: Missverhältniss zwischen der Häufigkeit 
der Nasen-Nebenhöhlen-Empyeme am Lebenden und bei 
Autopsien. (Ibid. No. 11.) 

Unter 915 Autopsien (Untersuchungen von Harke, E. 
Fraenkel, Lapalle und Klee r) fanden sich 240 Highmors¬ 
empyeme, 104 Keilbeinhöhlen-, 30 Stirnhöhlen- und 24 Siebbein- 
zellenempycme. Dies ergibt also einen Durchselmittsproccntsatz 
von ca. 30 Proc. Nebenhöhlenerkraukungen, die bei Sectionen 
nachgewiesen werden konnten, während nach den Untersuchungen 
von Chlari und Liohtwitz unter nahezu 15000 Kranken nur 
ca. 2 Proc. Nebenhöhleneiterungen gefunden wurden. Verfasser 
erklärt dieses Missverhältniss aus der Schwierigkeit einer exacten 
Diagnose einerseits und andererseits aus dem gewissermaassen 
latenten Verlauf vieler derartiger Affectionen. 

11) SJeifert- Würzburg: Zur Diagnose/und Behandlung der 
Nasen-Nebenhöhlen-AfFectionep. (Revue hebdomadaire de laryn- 
gologie etc., No. 50, 1899.) 

Als weiteres Hilfsmittel zur Diagnosenstellung bei zweifel¬ 
haften Nascimebonhöhlcnerkrankiingcn wendet Seifert das 
von ihm so benannte „negative P o 1 i t z e r’sche Verfahren“ an. 
Nach gründlicher Reinigung der Nase und des Nasenrachenraumes 
werden die unteren und mittleren Muscheln ausgiebig cocainisirt, 
um möglichste Absehwelluug der Schleimhaut und damit Frei¬ 
werden der Nebenhöhleiiausführungsgünge zu erzielen. Dann 
nimmt der Patient einen Schluck Wasser in den Mund, ein 
comprimirtor I* o 1 i t z e r’ scher Ballon wird in das Nasen¬ 
loch der vcnnuthlich erkrankten Seite luftdicht eingeführt, und 
das andere Nasenloch mit dem Finger eomprimirt. Während nun 
der Kranke das Wasser schluckt — der Mund muss natürlich stän¬ 
dig geschlossen bleiben — lässt man den comprimirten Ballon 
Luft aufsaugen. In Folge der hiedurch entstehenden Luft- 
verdünnung in der Nasenhöhle wird in einer Nebenhöhle etwa 
vorhandenes Keeret angesaugt, und zeigt sich bei der nun folgenden 
erneuten Untersuchung an den betreffenden Ausführungsgängen. 
Eine mehrmalige Wiederholung des Experimentes ist bisweilen 
nötliig; ist im Verlaufe mehrerer Sitzungen auf diesem Wege nie¬ 
mals eine anormale Seeretion nachweisbar, so darf man den 
Schluss ziehen, dass die Nebenhöhlen nicht erkrankt sind. 
Seifert konnte mit. dieser Methode in einer Reihe von Fällen 
eine exaeto Differentialdiagnose sowohl In positivem, wie nega¬ 
tivem Sinne stellen. Hecht- München, 


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23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDTCTNISCHE WOCHENSCHRIFT. 


131 


Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 2. 

1) H. S c h 1 e si n ge r- Wien: Zur Lehre vom angeborenen 
Pectoralisrippendefect und dem Hochstande der Scapula. 

Nach kurzer Darstellung des klinischen Befundes, welcher 
sich hei congenitalem Peetoralisdefect ergibt, beschreibt Verfasser 
einen Fall, der eine Combination dieses Defectes mit der sog. 
..Spre n g e l’sclien Difformität“, d. h. dem angeborenen Scapula- 
hoehstand repräsentirt. Der Patient war ein 22 jähriger Bernstein¬ 
drechsler, bei dem, wie das Radiogramm ergibt, tlie 1. und 2. Rippe 
1. knöchern verschmolzen sind, die 3. Rippe nur rudimentär vor¬ 
handen ist, die 4. Rippe blind in einiger Entfernung vom Sternal- 
rand endigt Ausser dem Peetoralisdefect besteht mediane Lage 
des Herzens und der grossen Gefässe, ferner steht die etwas 
hypoplastische l. Scapula höher, was sicher als congenital anzu¬ 
sehen ist. 

Bei einem 2. Fall, einem 48 jährigen Maschinisten, war der 
Peetoralisdefect ohne letztere Veränderung, aber mit eigenartigen 
Ilautveriinderungen coinbinirt (kolossale Naevi vaseulosii. 

In einem 3. Falle muss die Möglichkeit erwogen werden, 
das s der linksseitige Peetoralisdefect aeliologiscli mit einer 
schweren linksseitigen Pleuritis in Zusammenhang stand. In 
diesem Falle bestand eine abnorme Bildung auch des rechtsseitigen 
PectoraJis. Die Ursache dieser Defectbildungen sieht S. in einem 
..Fehlen des Wachsthumstriebes“, nicht in Entwicklungshem¬ 
mungen. 

2) E. R a i m a n n - Wien: Polioencephalitis superior acuta 
und Delirium alcoholicum als Einleitung einer Korsako w’- 
schen Psychose ohne Polyneuritis. 

Ganz acut trat am r. Auge eines 37 jährigen Mannes eine 
Ophthalmoplogia ext. und interna ein, rechts und links Abduceus- 
parese, ferner Miosis bei Lähmung des Sphincter irid., retiecto- 
rische Pupillenstarre, eingeleitet durch einen epileptiformen 
Anfall mit schwerer Trübung des Bewusstseins. Während nun 
kein Anzeichen für eine Betheiligung des peripheren Nerven¬ 
systems auftrat, entwickelte sich die sog. Korsak o w’sclie 
Psychose, der Hauptsache nach bestehend in Erinnerungstäusch- 
ungen und Gedäclitnissdefecteu, die sich auf die jüngste Ver¬ 
gangenheit beziehen. Bezüglich der detaillirten Besprechung der 
klinischen Symptome wird auf das Original verwiesen. 

3* J. D o n a t h - Ofen-Pest: Ein Fall von traumatischer 
periodischer Lähmung. 

Bei einem 25 jähr., anaeniischon Mädchen, das verschiedene 
Infectionskrankheiten durchgemacht hatte, trat nach einem Un¬ 
fälle mit heftigem psychischen Schock zum erstenmal eine all- 
gemeine motorische Lähmung ein, die sieh dann bei x j t ständiger 
bis 8 tägiger Dauer öfter wiederholte. Während der Dauer der 
schweren Lühmungszustände erfolgtem Hitzegefühl, Durst, 
Schweissausbruch, Delirien. Die elektrische Erregbarkeit der 
Muskeln war verschwunden. Von Hysterie kann hiebet nicht die 
Rede sein. Durch Versuche an Hunden fand Verfasser, dass es 
sich Ikü der aetiologiseli noch unaufgeklärten periodischen Läh¬ 
mung jedenfalls nicht um Curarewirkung handeln kann, da bei 
letzterer die elektrische Erregbarkeit nicht vermindert ist. 

4) M. Bernhardt- Berlin: Notiz zur Lehre von der in¬ 
fantilen Pseudobulbärparalyse. 

Der Artikel bringt nur literarische Hinweise auf frühere 
Arbeiten des Verfassers. Dr. Grassmann - München. 

Italienische Literatur. 

In einer durch klinische Beobachtungen und Thierexperimente 
gestützten Arbeit über die Function der Schilddrüse (il Morgagni 
1S99, No. 8 u. 9) kommt Bai di zu dem Schlüsse: 

Dass die verschiedenen, mehr weniger künstlichen Schild¬ 
drüsenpräparate, wie das Jodothyrin Bau man n’s, das 
II u t c h i u s o n’sclie Schilddrüsenextract, das T h y reo- 
i d i n von K n o 11 und von llowitz lind Vermehren 
nicht die Wirkung der Schilddrttsenproducte 
repräsentiren. 

B. hält es für möglich, dass auch die Erscheinungen des 
Thyreoidismus in den häufigsten Fällen von Unreinigkeiten des 
Präparates oder von beginnender Fäulniss der Drüse ablningen; 
j(Hlenfalls sei nicht nur gegen das Myxoedem, sondern auch gegen 
alle Erscheinungen der Schilddrüsemitrophie. auch wenn sie von 
noch so langer Dauer sind, der beständige Gebrauch des Schild¬ 
drüsensaftes ein promptes und sicheres Mittel. Der Schilddrüsen¬ 
saft befördere die Lymphausscheiduug in ähnlicher Weise wie der 
Harnstoff: unter seinem Einfluss wird der N. iu grösserer Quanti¬ 
tät ausgeschieden: wahrscheinlich auch das Chlor und der Phos¬ 
phor. Der Scliilddrüseusaft begünstigt die Diurese und sein 
Fehlen bewirkt eine Vermehrung des Wassergehalts Im ganzen 
Nervensystem und veränderte chemische Beschaffenheit und Func¬ 
tion desselben. 

Beim Hunde lasse sich experimentell nacliweisen, dass Ex¬ 
stirpation der Schilddrüse zu einem vollständigen Auf hören der 
gastrischen Secretion führe, so dass die Speisen lange nach der 
Mahlzeit ohne alle Vermischung mit Verdauungssäften gefunden 
werden. 

Das Fehlen des Schilddrüsensaftes Im Körper soll den Zell¬ 
stoff Wechsel hindern und bewirken, dass derselbe nicht bis zu 
den Endproducten des Stoffwechsels gelangt, sondern sich Inter¬ 
mediäre Producte anhäufen, welche zu Intoxlcationeu führen. 

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Eine Abhandlung über Akromegalie, den Morbus Marie der 
Italiener, bringt aus Pavia (11 Morgagni 1899, No. 9) Bonardi : 

Der ausführlichen, die ganze Literatur über diese Krankheit 
berücksichtigenden Arbeit sind 4 eigene, sorgfältige Beobach¬ 
tungen mit Abbildungen angefügt, die eine mit dem Resultat der 
Autopsie. 

Der erste Fall betrifft Akromegalie mit Paralyse des rechten 
Radialis, der zweite Akromegalie mit locomotoriseher Ataxie, der 
dritte Akromegalie mit Arteriosklerose und Atrophie der Schild¬ 
drüse, der vierte Akromegalie mit Riesenwuchs und schwerer 
Störung der Function des linken Halssymputhicus. 

Die Arbeit ist Jedem zur Beachtung zu empfehlen, der sich 
mit diesem noch der Aufklärung harrenden Krankheitsbilde be¬ 
schäftigt. 

In einer durch 0 Nummern der Riforma medica 1899 
241—240 hindurchgehenden Abhandlung über den gegenwärtigen 
Stand der Serumtherapie des Tetanus plaidirt Tizzoni für 
eine s i e h e r e B e s t i m in u n g des Potenzgrades des 
antitetanischen Heilserums. Bel der Art und Weise wie 
Behring diese Potenz bestimme, sei für Andere eine Nach¬ 
prüfung unmöglich. 

Eine sichere Bestimmung dieses Potenzgrades sei jetzt dess- 
lmlb möglich, weil man ein sicheres Toxin gewinnen könne von 
gleich bleibender Kraft, und zwar dadurch, dass man hei Culturen 
von höchstem Virulenzgrade das Toxin in festem Zustande dar¬ 
stelle. Dieser Virulenzgrad sei ein solcher, dass von ‘/iooq g 1 kg 
Kaninchen in 4 Tagen gotödtet werde. 

Am besten bestimme man in Zukunft den Werth eines 
Tetanusheilserum, indem man verfahre wie beim Diphtherieheil¬ 
serum und in einem Glase toxische Einheiten (UT) und immuui- 
sirende Einheiten (UJ) bis zur Neutralisation mische. 

Tizzoni beschreibt zum Schlüsse sein Verfahren folgender- 
maassen: 

Ich prüparire 2 Lösungen, eine vom Toxin und eine vom 
Serum: die erste in destillirtem Wasser, die zweite iu 0,75 proc. 
Salzwasser. Ich mische von beiden Lösungen dt*r Quantität, 
welche ich prüfen will. Diese Mischung bringe ich durch Wasser¬ 
zusatz auf 1 ccm und nachdem die Mischung eine halbe Stunde 
gestanden hat, spritze ich den ganzen Cubikcentimeter einem 
Kaninchen von 1 kg Gewicht ein. 

Wenn ich den Versuch bei einer Maus anstelle, so mische 
ich von jeder der Lösungen von Toxin und Serum eine Portion, 
welche dem zehnten Tiieil der Quantität entspricht, welche ich 
prüfen will, bringe die Mischung wieder auf 1 ccm durch Wasser¬ 
zusatz und spritze nach halbstündigem Stehen 4 Zehntel ein. 

Der Wertli des Serums wird immer berechnet auf die Probe 
der Mischung, welche bei deu Thlereu keinerlei Krankheits¬ 
ersehe iuu j igen macht. 

ln einer längeren Abhandlung über Helminthiasis (Rif. med. 
231—234, 2899) betont Demateis, dass, wenn auch ein Zu¬ 
sammenhang zwischen Kindereklampsie und Wurmkrankheit zu¬ 
zugeben sei. doch viele ältere Angaben über den Einfluss von Ein¬ 
geweidewürmern auf Erkrankung des Nervensystems auf Irrthum 
und Suggestion beruhen. 

Erhöhung de r lv ö r perteuiperatur, welche unter 
dem Einfluss der verschiedensten Infectionskrankheiten erfolge, 
sei als die dominireude Ursache für die Auswanderung 
der Spulwürmer iu die verschiedensten Körper¬ 
höhlen a n z u s e li e n. Unter diesem Einfluss 
könnten Lnmbricoideu auch die Darmwand ver¬ 
letzen u nd durchdringen. 

Eine Post mortem-Wanderung der Spulwürmer ist nicht an¬ 
zunehmen: auch in solchen Fällen ist die dem Tode vorhergehende 
Temperatursteigerung die Ursache der Auswanderung. 

Auch für die Bandwürmer ist erhöhte Bluttemperatur der 
Grund, wesshalb sie ihre gewohnte Stätte verlassen. Bei Taenia 
soliurn kommt iu Betracht, dass unter dem Einfluss der durch 
Fieber bewirkten Auswanderung eine A u t o i u f e c 11 on mit 
Cysticerken stattfinden kann. 

Iu No. 35, 30, 1897 dieser Wochenschrift hat Nauwerek 
eine Form von chronisch ulceröser Gastritis beschrieben. Eine 
gleiche Form beschrieb D i e u 1 a f o y unter dem Namen Exulce- 
ralio Simplex, La i n 6 als haemorrliagiselie Erosionen des Magens. 

Sansoui führt aus der Turiner Klinik drei 
gleiche in diese Rubrik gehörende Fälle an. 
Sie sind eliarakterisirt durch das constante Fehlen der Salzsäure 
im Magen, welches nicht auf irgend eine maligne Neubildung 
zu beziehen ist, ferner durch die relative Gutartigkeit der Fälle 
uud drittens durch den Befund oberflächlicher 
S c li 1 e i m h a u tp a r t i k e 1 c li e n mit leicht blutig In¬ 
fi 11 r i r t e n Rändern, welche die Ausspülung aus dem 
leeren Mageu zu Tage fördert. 

S. hält im Gegensatz zu D 1 e u 1 a f o y diese Kraukheitsform 
nicht für eine symptomatische, bei Tuberculösen, Uraemikern, 
Herzkranken zu beobachtende, sondern für eine essentielle Krank¬ 
heitsspeeles, die vom Magengeschwür und vom chronischen Magen¬ 
katarrh gut abzugreuzeu und auch sicher zu diaguosticiren Ist. 

(Riforma medica 1899, No. 219—222.) 

Ueber die Durchlässigkeit der Schale des Hühnereies 
für pathogene Mikroben, welche a priori zweifelhaft erscheinen 
möchte, existiren bereits eine ganze Reihe positiver Angaben, so 
In Deutschland von Schuberg (Coccidien im Ei, Jahresberichte 
von Baumgarten, 1895), ferner W 11 m (Ueber die Einwanderung 
von Choleravibrionen ln’s Hühnerei, dieselben Berichte, 1897). 

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132 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


Bucco prüfte diese Frage im pathologisch-anatomischen 
Institut des Hospitals zu Neapel und berichtet über das Resultat 
in 4 Nummern (120—130) der Riform. med. 1899. Für die 
gewöhnlichen hier in Betracht kommenden In- 
fectionstriiger fiel die Untersuchung positiv 
aus: so für Typhus-, Diphtheriebacillus, Staphylococcus und 
Bacterium coli. Der Typhusbacillus vermag aus virulenten Cul- 
turen innerhalb 12 Stunden in das Eiweiss und auch in den Ei¬ 
dotter einzudringen; ebenso umgekehrt wird Wasser mit Typhus¬ 
bacillen durchsetzt, in welches vorher künstlich inficirte Eier mit 
sorgfältig desinficirter Schale liiueingelegt werden und zwar 
ebenfalls in der gleichen Zeit. 

Praktische Wichtigkeit können die obigen Resultate dadurch 
erlangen, dass die Eier vielfach bei warmer Temperatur in sehr 
unreinen Medien aufgehoben werden. So birgt mau dieselben in 
der Umgegend von Neapel zur Zeit der grössten Production viel¬ 
fach in feuchter Erde, in den Ställen u. s. w. 

B. bemerkt noch, dass bei hoher Temperatur (134°) gekochte 
und durch hohen Druck hart gemachte Eier sich im Gegensatz zu 
gewöhnlich gekochten sehr lange fäuluissfrei halten, ferner, dass 
auch in frisch gelegten und reinlich behandelten Eiern Keime 
sich befinden können, welche vor der Bildung der Schale hinein¬ 
gelangt sein können. Hager- Magdeburg-N. 

Holländische Literatur. 

H. J. Danies: Venaesectio bei Uraemie. (Weekblad van 
liet Nederl. Tydschr. voor Geueeskunde, II, No. 15, 1899.) 

Beschreibung eines Falles von parenchymatöser Nephritis bei 
einem 43 jährigen Erdarbeiter, in welchem der Aderlass lebens¬ 
rettend wirkte. Bei dem bereits moribunden Patienten ver¬ 
schwanden die drohenden Erscheinungen wie mit einem Schlage. 
Heilung. 

Prof. M. E. M u 1 d e r : Blepharitis ciliaris und Acarus oder 
Demodez folliculorum. (Ibid. No. 17.) 

Die zuerst von Rählmann wieder betonte Thatsache, dass 
der bekannte Acarus die Ursache einer Reihe von Augenlid¬ 
erkrankungen ist, konnte M. nicht nur bestätigen, sondern er¬ 
weitern. Er fand ihn fast bei allen Patienten mit leichter Ble¬ 
pharitis ciliaris, sowohl bei Bl. SQuamosa; als auch bei der 
Form, bei welcher zwischen den Cilien ein gelber, wachsartiger 
Stoff sitzt, wahrscheinlich das Product der Glandulae sebaceae. 
Im Gegensatz zu Rählmann fand er ihn ferner auch bei 
Bl. furfuracea und der nicht diffusen Form der Bl. ulcerosa, sowie 
in 2 Fällen von recldivirender Hordeola, einmal auch in den 
M e i b o m’schen Drüsen und in einem Chalazion. Das von 
Rählmann empfohlene Baisamum Peruvianum fand Verfasser 
nicht genügend wirksam. 

A. K u i f a s : Zwei Fälle von Lupus faciei, geheilt durch 
Behandlung mit Röntgenstrahlen. (Ibid. No. 18.) 

Der erste Fall betraf ein Mädchen von 19 Jahren mit Lupus 
von Nase, Wange und Unterkinn und starker Drüsenschwellung. 
Nach 72 Sitzungen war der Lupus bis auf ein linsengrosses 
Fleckchen geheilt, die Drüsenschwellung verschwunden. Im 
zweiten Falle handelte es sich um einen 27 jährigen Studenten 
mit der gleichen Affection. Heilung nach 23 Sitzungen. 

P. H. Simon Thomas und G. van Hontura : Die Glyko- 
formaldesinfection. (Ibid. No. 19.) 

Verfasser machten ihre Versuche im Kraukenhause zu 
Rotterdam mit dem Apparate von Walter-Schlossmann. 
Ihre Schlussfolgerungen lauten: Eine genügende Oberflächen- 
desinfection ist nach 3 Stunden erreicht. Nur Milzbrandsporen, 
in „todten Ecken“ ,aufgestellt und in Blutserum suspendirt 
werden nicht constaut vernichtet, aber im Wachsthum bedeutend 
gehindert. Die reizende Wirkung der Formaldehyddämpfe auf 
Schleimhäute wird durch Verdampfung von Ammoniaklösung 
völlig beseitigt. Den sogen. Breslauer Apparat halten sie für 
den brauchbarsten. 

J. de Haan: Die Zunahme der Sterblichkeit an Krebs. 
(Ibid. No. 20.) 

Aus der Statistik erzielt sich auch für Holland eine wesent¬ 
liche Zunahme der Sterblichkeit an Krebs in den letzten 
25 Jahren. Sie stieg von 0,471 auf 0,859, berechnet auf 1000 Ein¬ 
wohner. 

E. C. van Leersum und J. Rotgans: Totale Magen¬ 
exstirpation. (Ibid. No. 21.) 

Es handelt sich um ein 22 jähriges Mädchen, das über jahre¬ 
lang bestehendes Brechen, sowie über zunehmende Schmerzen in 
der Magengegend klagte. Gewichtsabnahme bis zu 23 kg. Die 
chemische Untersuchung des Magensaftes ergab Fehlen von 
freier und gebundener Salzsäure bei positiver Milchsäurereaction. 
Mikroskopisch Bacterien, Hefezellen, viele grosse Plattenepithe- 

lien. Die Magensonde fand bei einem Abstande von 41_42 cm 

einen Widerstand. 

Erste Operation den 7. VII. 1898. Magen sehr klein (12 zu 
6 cm), die Wand hart und ungefähr einfingerdick, das Lumen für 
den kleinen Finger nicht durchgängig. Gastroplastik im Sinne 
der Pyloroplastik nach Heineke -Mikulicz, ohne Erfolg. 
Am 24. IX. 1898 zweite Operation: Ausschneidung des 
ganzen Magens und Anheftung des Duodenums 
andieCardia. Nachdem Patientin trotz dieser Eingriffe auch 
noch eine Pneumonie und Pleuritis überstanden hatte, erholte sie 
sich und konnte bald 200—300 ccm Milch bei sich behalten. Später 
bekam und vertrug sie welche Eier, Bisquit, Fleisch, Brod, Reis, 
Kartoffeln, Gemüse, sogar Erbsen und Bohnen, aber Alles nur ln 


□ ifitized by Gck sie 


kleinen Quantitäten, so dass sie 5 Mahlzeiten im Tage zu sich 
nahm. Das Brechen hörte auf, das Körpergewicht nahm zu, 
ebenso die Diurese, und so lebt Patientin in erträglichem Zustande 
noch jetzt. 

Die Wanddicke des ausgeschnittenen Magens beträgt 1,6 cm, 
das Lumen zeigt sich bis zu Bleistiftdicke verengt. Im Uebrigen 
sind die pathologischen Veränderungen durchweg gutartiger Na¬ 
tur und bezeichnen Verfasser den vorliegenden Zustand als 
Endogastritis obliterans. 

Vorgenommene Untersuchungen der Faeces zeigten keine be¬ 
sonderen Abweichungen von der Norm, auch nicht bei vorwiegen¬ 
der Fleischkost! Die Urinabsonderung nach der Operation 
schwankte zwischen 1000 und 2000 ccm per Tag; der Harn war 
dünn, hatte ein specitlsches Gewicht von etwa 1014, womit die 
gelinge Gefrierpunkterniedrigung, welche sich zwischen 0,80° und 
1,19° bewegte, sowie der niedrige Na Cl-Gelialt von 0,51—0,81 Proc. 
übereinstiramte. Eine Erhöhung des Aciditätsgrades des Harns, 
die man bei dem Wegfalle der Magensaftsecretion hätte erwarten 
sollen, trat nicht ein, derselbe schwankte zwischen 0,024 und 
0,035 in 24 Stunden. 

J. C. Th. Scheffer: Experimentelle Untersuchungen über 
den Einfluss des Alkohols auf die Muskelarbeit. (Aus dem 
physiol. Laboratorium der Universität Utrecht.) Ibid. No. 23. 

Verfasser, über dessen Versuche an sich selbst wir bereits 
im Vorjahre referirteu, benutzte dieses Mal als Versuchsobject 
das Frosclmiuskelprüparat und zwar den isolirten Muse, gastro- 
cnemius, welcher durch elektrische Reizung zu mechanischer Ar¬ 
beit gezwungen wurde, nachdem dem betreffenden Thiere eine 
bestimmte Zeit vorher eine Quantität Alkohol eingeführt worden 
war. Das Resultat seiner Experimente, deren Beschreibung im 
Rahmen eines kurzen Referates nicht möglich ist, fasst er in 
Folgendem zusammen: Massige Gaben von Alkohol haben zur 
Folge, dass während kürzerer oder längerer Zeit das Arbeitsver¬ 
mögen des motorischen Apparates zuerst vermehrt und später ver¬ 
mindert wird. Diese Vermehrung resp. Verminderung des Arbeits¬ 
vermögens kommt vornehmlich zu Stande durch eine anfängliche 
Zunahme, gefolgt durch eine Abnahme der Erregbarkeit der 
motorischen Nerven und kann nicht einem Einflüsse des Alkohols 
auf die Muskeln selber zugeschrieben werden. 

R. P. vanCalcar: Die Aetiologie der infectiösen Cystitis. 
(Ibid. No. 25.) 

C. fand zunächst in allen untersuchten Fällen von Cystitis 
(12) das Bact. coli; ferner den Bac. liquef. sept. (2), Staph. pyog. 
alb. (2) und Streptoc. pyog. sept. (1). Die Untersuchung der Urethra 
ergab bei zweien von vier untersuchten Fällen ein positives Re¬ 
sultat. 

In einer zweiten Serie wurde die Bacterienflora der Urethra 
untersucht und zwar in ihren einzelnen Abschnitten. Die Urethra 
fand sich mit Ausnahme eines Falles In allen übrigen bei einem 
Abstande von 2 7*—3 cm vom Orificium externum steril, ein 
Beweis für die grosse Seltenheit einer Cystitis ascendens. 

Weitere Untersuchungen an Kaninchen über die Fragen, wie 
sich der Blase gegenüber eingedrungene Bacterien verhalten, 
sowie über den W e g der Blasenlnfection, führten zu folgenden 
Conclusionen: 

Bei einer grossen Zahl von Fällen infectiöser Cystitis findet 
die Blaseninfection nicht von aussen oder auf urethralem Wege 
statt, sondern vom Darm aus und zwar nicht auf renaiem oder 
circulärem Wege, sondern direct. Sehr Wahrscheinlich nehmen 
die Mikroben den subperitonealen Weg. 

Die wichtigsten prädisponirenden Momente für das Zustande¬ 
kommen der infectiösen Cystitis sind: Retention und Blasen¬ 
dilatation. Gründe: 

1. Kommen bei Cystitis meistens ganz andere Organismen 
vor, als in der Urethra nachzuweisen sind; 

2. ist sowohl die gesunde wie die kranke Urethra beinahe 
steril für den Cystitiserreger par excellenee, das Bact. coli; 

3. zeigen die Mikroben der Urethra bei vorhandenen praedis- 
ponirenden Momenten für Cystitis keine Neigung zur Ascendenz; 

4. findet man die Mikroben der Cystitis, wenigstens die 
wichtigsten, praeexistent Im Darm; 

5. kann man die Mikroben, welche vom Darm aus unter patho¬ 
logischen Umständen die Blase inficiren, stets eher in diesem 
Organ nachweisen, wie im Blute oder im Urin des Ureteren. 

Dr. Schloth - Bad Brückenau. 

Inaugural-DisseTtationen. 

Universität Greifswald. December 1899. 

73. H e n z e Wilh.: Ueber Narben und Fistelcarcinom an den Glied¬ 
massen. 

Universität KieL November und December 1899. 

73. Oltmann Wilhelm: Ein Fall von hernienartiger Vorwölbung 
des Zwerchfells mit Achsendrehung und Zerreissung des Magens. 

74. Graeve Otto: Ueber interstitielles Emphysem der Lungen und 
des Mediastinums. 

75. Jach Emil: Ueber Duodenaldivertikel. 

76. Koch Konrad: Ueber die Urogenitaltuberculose des Mannes. 

77. Ramm Friedrich: Zur Casuistik der Transposition der grossen 
arteriellen Gefässe des Herzens. 

78. Kumm Robert: Ein Fall von vereiterndem Aneurysma der 
linken Arteria glutaea. 

79. J acobsen J acob: Ueber traumatische Kniegelenks Vereiterungen. 

Original frorn 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


183 


Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft und Verein, für innere 
Medicin in Berlin siehe Seite 000. 

Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 4. Januar 1900. 

Der Vorsitzende, Herr Schaper, nimmt die Neuwahl des 
Vorstandes vor. Der bisherige Vorstand, bestehend aus den 
1 lerreu Sehaper, Senator, Jolly, Spinola, wird 
durch Zuruf wiedergewählt. 

Herr v. Leyden gibt in der ersten heutigen Sitzung im 
la uen Jahrhundert einen Ucberbliek über die Geschichte der 
Charite. 

Herr v. Leyden. Kraukeuvorstellungen: 1. 34 jähriges 
Dienstmädchen, welches 1894 nach Influenza eine Ohreiterung 
In kommen hatte. 1895 Aufmeisselung des linken Antrum mastoi- 
ileum. 15. IN. 1898 Uadicaloperution. 25. X. 1899 Ptosis rechts. 
Rechter Arm paretisch. Lähmung beider Beine mit Streekeon- 
tracturen. Liimbalpuuction. Als Ursache wird angenommen eine 
Meningitis serosa mit Fortsetzung auf das Rückenmark, weniger 
wahrscheinlich ist ein enceplialitisolier Herd. Nach der Luinbal- 
punetion trat eine allmähliche Besserung der activen und passiven 
Beweglichkeit der Beine ein, nach 14 Tagen war die Beugung 
der Kniee möglich. Hebungen und Bäder haben die Besserung 
soweit gefördert, dass die Kranke jetzt im Gehstuhl gehen kann. 
Der Vortragende betont besonders die guten Erfolge methodischer 
Rewegungsübimgen in solchen Fällen. 

Discussion: Herr Müller, der seiner Zeit die Kranke 
operirt hat, bemerkt, dass es sich um einen der seltenen Fälle 
von Meningitis serosa gehandelt hat. Die Drainage des Schädel- 
imiern erwies sich hier als nothwendig lind erfolgreich, da die 
seröse Secretion eine ungewöhnlich reichliche war. 

2. Herr v. Leyden zeigt die Wirkung von Sauerstoff - 
einathmungen an einer 30 jährigen Arbeitersfrau mit diffuser 
eitriger Bronchitis und starker Cyanose. Das letztere Symptom 
schwindet während der Sauerstoffinhalation, die mehrmals am 
Tilge, jedesmal kurze Zeit hindurch, verordnet wird. 

Discussion : Die Herren Senator, v. Leyden. 
Zinn, Michaelis. 

Herr v. Leyden lind Herr Buttersack: Vorstellung 
eines TJnfallkranken. 

Der Elseuarbelter H. ist seit vielen Jahren an einer Eisen- 
schlelfmaschine beschäftigt, eine Thätigkeit, bei welcher sich die 
fortdauernden Erschütterungen auf den rechten Arm, der ver¬ 
mittels einer Kurbel die abznschleifenden Eisenblöcke zu diri- 
giren hat, unausgesetzt fortpflanzen. Am 28. II. 1899 erhielt er 
von einem zerrissenen Treibriemen einen Schlag auf den Hinter¬ 
kopf. Erst am 0. IV. 1899 stellten sich Kopfschmerzen, Schwindel¬ 
gefühl und zeitweiliges Zittern ein, wegen deren Verschlimmerung 
er am 18. IX. 1899 in die Cliaritö gebracht wurde. Hier bot er bei 
Bettruhe völlig normale Verhältnisse, dagegen im Stehen starkes 
Zittern des Kopfes und Coordinationsstörungen von Seiten der 
Beine: dabei Schmerzhaftigkeit des Hinterkopfes vorhanden. 
Sensibilität und motorische Kraft normal; Sprache fliessend. In 
den nächsten Wochen traten in rascher Folge allerlei Ver¬ 
schlimmerungen dazu: Schlaflosigkeit In Folge zunehmender 
Kopfschmerzen, Muskelrigidität; hauptsächlich aber hochgradiges 
Stottern, grossschlägiges. fast schleuderndes Zittern des rechten 
Armes und rechtsseitige Hemianaesthesle; das Zittern des rechten 
Armes liess sich durch Druck auf verschiedene Punkte, z. B. auf 
die lieiden Supraelaviculargruben oder Malleolen u. s. w. auf heben; 
Coiupressiou des Kehlkopfs machte die Sprache sofort fliessend. 
Mitte November wurde ziemlich gleichzeitig mit zeitweiligen, 24 
bis 3); Stunden dauernden Fixationsverbänden des rechten Arms 
und methodischen Respirationsübungen begonnen. Die schnell 
fortschreitende Besserung wurde 3 mal in unliebsamer Weise 
unterbrochen: durch eine intercurrente Angina, durch eine ihn 
beunruhigende Nachricht von Hause, durch einen Fall, den er 
sieh durch zu grosses Vertrauen in die Wiederkehr seiner Kräfte 
zugezogen. Durch Hypnose gelang es, die Amiestliesle zu be¬ 
seitigen. Der Erfolg der Behandlung erwies sich auch während 
eines 14 tägigen Weihnachtsurlaubs als dauerhaft: Das Zittern ist 
nur noch gering, die Sprache kaum merklich behindert — er kann 
in einem Athemzuge bis 30 zählen — die Sensibilität ist rechter- 
seits wieder normal. Dagegen bestehen nocli die Kopfschmerzen 
und der taumelnde Gang. 

Organische Läsionen des Kleinhirns oder der linken inneren 
Kapselgegend lassen sich weder durch den klinischen Verlauf, 
noch durch Röutgenbilder beweisen; auch Paralysis agitans, 
Tolanie, Athetose bieten ganz andere klinische Bilder dar, so dass 
kaum eine andere Deutung des Krankheitsbildes als die einer 
functioneilen Neurose von hysterischem Charakter zulässig er¬ 
scheint (traumatische Hysterie). 

In der Discussion zieht Herr Jolly noch die multiple 
Sklerose differentialdiagnostisch in besondere Erwägung, erklärt 
sich aber seinerseits gleichfalls für die Diagnose: traumatische 
Hysterie. 


Herr Israel: demonstrirt ein Herz mit offenem Beptum 
ventriculorum und angeborener Pulmonalstenose. Die Arteria 
pulmonalis entspringt aus dem rechten und linken Ventrikel. 

W. Zinn-Berlin. 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 16. Januar 1900. 

Vorsitzender: Herr Rumpf. 

I. Demonstrationen. 

1. Herr Ludwig und Herr S a e n g e r deinonstriren einen 
jetzt wieder völlig gesunden und arbeitsfähigen Cnpitiin der 
Woermannlinie, der im Anschluss au eine Ohrenentzündung 
ausser einer Sinusthrombose und einem perisinösen Abscess 
einen Himabscess acquirirt hatte, bei dem der Krankheitsverlauf 
höchst eigentlnimlich war. Die Otitis entstand im Sommer nach 
starker Erkältung an der afrikanischen Küste, war nur leicht, 
war aber mit den intensivsten Kopfschmerzen verbunden. Am 
22. September machte L. die Paracentese. die aber nur wenig Er¬ 
folg hatte. Schüttelfröste, die in den nächsten Tagen auftrateu, 
sowie der schwere Allgemeinzustand, gaben die Iudication für 
die Warzenfortsatzeröffmmg. Bald nachher stellten sich wieder 
sehr heftige Kopfschmerzen ein, die in Verbindung mit Puls- 
verlangsamung, unregelmässigem Fieber und einer doppelseitigen 
Stauungspapille au einen Himabscess denken Hessen. Saeuger 
fand selten hochgradige Stauungspapillen. Fehlen beider Fatellar- 
reflexe, vorübergehendes Doppeltsehen, schwankenden Gang. S. 
rieth zur sofortigen Operation — „auf mehr Zeichen warten 
heisst auf mehr Leichen warten“ — und erwog die Localdiagnose, 
ob der Abscess im Kleinhirn oder im Schläfenlappen sei. Für 
ersteren Ort sprachen der Fehlen der Patellarreflexe, die Früh¬ 
zeitigkeit und Hochgradigkeit der Stauungspapille und der 
schwankende Gang. Hingegen wiesen das vorübergehende Dop¬ 
pel tselien und die PupUlarerwelteriing auf den Schläfenlappeu, 
über dem zu trepaniren S. rieth. Die Trepanation (17. Oct.) er¬ 
gab nichts. Das Allgemeinbefinden des Kranken besserte sieh 
Anfangs. Am 25. Oct. traten wieder starke Stirn- und Nacken¬ 
schmerzen und eine rechtseitige Stauungspapille auf, die eine 

2. Trepanation an der gleichen Stelle veranlassten, ohne dass 
wiederum Eiter gefunden wurde. Nur der thrombosirte Sinus 
transversus lag wie beim ersten Male vor. Da der Kranke eiumal 
Lues acquirirt hatte, wurde an einen nebenher bestehenden gum¬ 
mösen Tumor gedacht und Traitement mixte eiugeleitet. aber ohne 
Erfolg. Einige Zeit nachher zeigten sich ephemere Oedeme des 
Gesichts und kurz nachher auf der Höhe des Scheitelbeins ein 
fluctuirender Tumor, der nach vorangehender Probepunctiou bei 
der operativen Freilegung als ein durch die Schädel- 
k a p s e 1 an eine m Emissär! u in durchgebro c heuer 
intr a d u r a 1er Abscess (Streptococceneiter) erkannt wurde. 
Nach der Operation wurde vorübergehend Arm- und Beiiilähunmg 
constatirt. 

2. Herr G r i s s o n stellt eine Kranke vor, bei der er die 
Beseitigung von Stauungsascites auf operativem Wege nach 
dem Vorschläge von T n 1 m a in Utrecht versucht hat. Die 49 jülir. 
Patientin hatte hochgradigen Ascites, ob in Folge von Lebercir- 
rliose oder Ffortaderverscliluss, ist zweifelhaft, der in einigen 
Monaten 7 malige Function erfordert hatte. Eine von anderer 
Seite vorgeuommeue Explorativlaparotomie hatte gezeigt, dass 
Tuberculose und Careinom nuszuscliliesseu seien . G. trennte das 
Peritoneum parietale von der miisculösen Bauch wand weit ab, 
erüffnete dasselbe in der Nabelgegend und zog durch die Oeffnung 
das grosse Netz hindurch und nähte es extraperitoneal zwischen 
Bauchwand lind dem von dieser losgelösten Bauchfell in seiner 
ganzen Ausbreitung fest. Alan sieht jetzt an dem neuen Sitz des 
Netzes, wie sich um dasselbe herum neue Blutgefässe entwickeln, 
als Ausdruck der physiologisch interessanten und wichtigen 
Thatsaclie. dass Oollateral bahnen zwischen Pfort¬ 
ader g e b i e t und Bauch decken auf künstlichem 
Wege hergestellt werden können. Die Operation fand 
Ende November statt. Seitdem geht der Ascites langsam aber 
stetig zurück; gleichzeitig hat sich die Diurese von 390 ccm auf 
1 \/.j —2 Liter geholten. Gleichwohl ist der Flüssigkeitserguss 
noch jetzt recht erheblich. 

3. Herr Henkel stellt einen 10 jährigen Knaben vor, der 
von einer baeterioskopisch sicher gestellten tuberculösen Menin¬ 
gitis geheilt ist.*) In der durch Lumbalpunction gewonnenen 
Spinalflüssigkeit wurden Tuberkelbacillen nachgewieseu und dem¬ 
gemäss die Prognose ungünstig gestellt. Gleichwohl erholte sich 
der Kranke und gesundete, zeigt allerdings intellectuelle Defeete, 
ist auffallend ruhig und theilnalnnslos und bietet einen auffal¬ 
lenden Haarausfall. — Als zweiten Fall stellt II. einen jungen 
Menschen vor, bei dem die exacte Sicherstellung der Diagnose: 
Tuberculosis pulmonum schwierig war, da der Kranke absolut 
kein Sputum entleerte. Es bestand eine durch Lungeninttltratiou 
bedingte Uuterlappendümpfung. Es wurde punetirt und in 
einigen Tropfen Aspirationsflüssigkeit Hessen sich Tuberkel nach- 
weisen. II. betont die Wichtigkeit des frühzeitigen exacten 
Bacillcnnacliweises und bespricht die im Eppendorfer Kranken- 
lmuse in dieser Richtung üblichen IJntersuchungsmethoden. 

II. Vortrag des Herrn Rumpf : Stoffwechseluntersuch- 
ungen bei vegetarianischer Diät. 

*) Ein analoger Fall ist von F r e y h a n beschrieben. 


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134 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


Redner bespricht einleitend die Zusammensetzung der streng 
vegetarischen Diät, sowie die Lebensweise der minder rigorosen 
Vegetarianer, die Milch, Käse und Eier gestatten. Er geht dann 
auf die von V o i t an einem Falle vorgenommenen Stoffwechsel¬ 
untersuchungen ein, deren Ilauptergebniss war, dass die Re¬ 
sorption der Vegetabilien im Darmcanal eine schlechte ist und 
demgemäss trotz genügender Calorienzufuhr das betreffende so 
ernährte Individuum an Kürpereiweiss zusetzt. Das V o i t’sclie 
Untersuchungsobjoot nahm pro die 54 g Eiweiss, 22 g Fett, 
551 g Kohlehydrat — entsprechend 2700 Calorion — zu sich. 
Vom Eiweiss wurden 41 Proc., vom Fett 30 Proe., von den Kohle¬ 
hydraten 6 Proc. im Kotli und Urin wieder ausgesehieden, so 
dass der Kranke 2,5 g pro die an seinem Körpergewicht während 
der Versuchsperiode verlor. 

Rumpf untersuchte während einer 7 tägigen Periode den 
Stoffumsatz bei einem strengen Vegetarianer, der 19 Jahre alt 
war und 62 kg wog und demonstrirt das Ergobniss an einer Reihe 
von Tabellen. Von den Zahlen seien nur die wichtigsten hervor¬ 
gehoben. Der Kranke genoss täglich im Mittel: 


Grahambrod 

Aepfel 

Datteln 

Oats 

Reis 

Zucker 

N tisse 


333 

1161 

258 

140 

100 

75 

27,r> K 

darin sind 

Stickstoff 5,25 

0,33 

0,96 

1 3,35 

1,10 

l 

0,83 

i 

Kohlehydr. 166,8 

149,19 

134,4 

9P41 

78,48 

74,25 

1 3,58 


Fette — 

— 

[■ ' ] 

1134 

0,88 


16,42 



Dieser mein* als 3000 Calorien betragenden Hinnahme steht 
gegenüber: Stickstoffausscheidung im Urin im Mittel 5,91 Proc., 
im Kotli 4,01 Proc. Es kommt also nahezu 40 Proc. des einge¬ 
führten Stickstoffs im Kotli wieder zur Ausscheidung, mit an¬ 
deren Worten: die Ausnützung des vegetabilischen Eiweisses ist 
sehr unvollkommen, wie V o i t das schon gefunden hat. Trotz¬ 
dem ergibt die Stickstoffbilanz ein Plus von 0,6 g N pro die: 
Das Versuchsobject hat also von seinem Körpereiweiss nicht nur 
nichts verloren, sondern sogar angesetzt. 

Einer Einnahme von 28 g Fett j>ro die steht eine 7,58 g be¬ 
tragende Ausgabe (im Koth) gegenüber. — Trotzdem also eine 
nur 73 g betragende Menge täglich verzehrten vegetabilischen 
Eiweisses genügte, das Gewicht- des Untersuchten zu heben — 
eine Thatsache, die im Gegensatz zu V o i Us Ergebnissen Be¬ 
achtung verdient — bezeichnet R. die streng vegetabilische Diät 
doch als eine Ilungerdiät und weist nachdrücklich auf die Ge¬ 
fahren, die dieselbe mit sich bringt, hin. Darin aber, dass die 
überreiche Eiweissernährung vermieden wird, die bei manchen 
gesunden Individuen Schädlichkeiten setzt, und bei Kranken 
nicht selten absolut contraindicirt ist, und in der ausgezeich¬ 
neten Anregung der Darmthätigkeit liegen die in therapeutischer 
Hinsicht nicht zu unterschätzenden Vortheile der vegetariani- 
schen Lebensweise. Die von den Vegetarianern mit Emphase 
aufgestellte Behauptung, die Aschenbestandtheile ihrer Nahr¬ 
ungsmittel seien gerade diejenigen, die der menschliche Organis¬ 
mus benöthige, widerlegt. Redner. Gegen die rein vegetabilische 
Ernährungsweise spricht schon allein die physiologische That¬ 
sache, dass unser Darmcanal vegetabilisches Eiweiss nur mässig 
resorbirt; ferner aber auch die lange Zeit, die auf die Nahrungs¬ 
aufnahme verwandt werden muss, das verhältnissmässig unge¬ 
heuere Quantum der Nahrungsmengen, das Kauwerkzeuge und 
Magen kaum überwinden können, endlich die nationalökouomisch- 
sociologische Thatsache, dass die Nationen, die animalische Er¬ 
nährungsweise haben, emporgeblüht und gross geworden sind, 
während Völker, die hauptsächlich von Gemüsen leben, im Cul- 
turkampf kaum eine Rolle spielen. 

In der Pathologie kann man vegetarianische Diät empfehlen, 
in Fällen, in denen eine Hungercur angezeigt ist, bei frühzeitiger 
Reife des Geistes (sexuelle Reizzustände), bei chronischer Obsti¬ 
pation, bei einzelnen Ilerzerkrankungen, wo eine Herabminde- 
rung der Pulszahl angestrebt wird, bei Morbus Bastxlowii u. s. w. 
Redner bespricht hierbei die Arbeiten von F. A. II o f f m a n n 
und v. Ziem ss eil. Bei Gicht ikern, bei denen der Eiweiss- 
bestand kein sehr guter zu sein pflegt, warnt er vor einer vege¬ 
tabilischen Diät. Bei Diabetes tritt diese Ernährungsweise 
gleichfalls in ihr Recht, da Fleisch zu den Zuckerbildnern gehört. 

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Man wird also die übertriebene Fleischkost einschränken und 
kohlehydratarme Gemüse in geeigneten Fällen empfehlen. Doch 
warnt R. vor Verallgemeinerung. Werner. 


Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg. 

(Ofticielles Protokoll.) 

Sitzung vom 23. November 1899. 

Vorsitzender: Herr Hirsch. 

Herr Kretschmann bespricht einen Fall von myko¬ 
tischer Otitis, hervorgerufen durch Aspergillus und demonstrirt 
das dabei gewonnene Präparat. 

Herr Brennecke berichtet über einen von ihm beobach¬ 
teten und operirten Fall von Uterus bicornis unicollis mit ver¬ 
kümmertem und verschlossenem linken Horn, wde folgt: 

Patientin, ein 23 jähriges Mädchen, war seit dem 16. Lebens¬ 
jahre regelmässig inenstruirt. Meist am 3. Tage der Periode 
pflegten sich heftige kolikartige Schmerzen links im Leibe ein- 
zustellen. Im Februar er. hatte sie normal geboren, das Wochen¬ 
bett verlief ohne Störung. Im September consultirte sie mich 
wegen der wiedergokehrten Menstruationskolikeil. Ich fand 
Scheide und Portio vagiuae normal. Uterus stark dextroponirt 
und vertirt. Dem linken Uterusrand breibasig anlagernd fühlte 
man einen prallgespannten Tumor von ovaler Form, mit seiner 
Längsachse nach der liuken Beckenwand gerichtet. Der Tumor 
war druckempfindlich, nach links und hinten nicht scharf abzu¬ 
grenzen und unbeweglich. Anamnese und Befund erweckten mir 
sofort den Verdacht, dass es sich wohl um einen Uterus duplex mit 
Ilnematoiuetra im verschlossenen linken Horn handeln möge. 
Erst 2 Monate später kam Patientin wieder. Der Tumor erschien 
wesentlich kleiner, minder gespannt mul weniger empfindlich. 
Die Menstruationsbeseliwerden waren inzwischen dieselben ge¬ 
blieben. Ich rieth zur Laparotomie. Bei der am 20. November 
vorgenommenen Operation fand sich ein kräftig entwickelter, 
rechts gelagerter Uterus mit gesunden Adnexen. Seinem Huken 
Rande sass in etwa 5 cm breiter Ausdehnung ein kleinapfelgrosser, 
harter, rundlicher Tumor auf, der sich ohne Weiteres als ein 
linkes Uterushorn dadurch kennzeiehnete, dass die linke entzünd 
lieh verdickte Tube und das linke Ing. rotundum in typischer 
Weise in ihn übergingen. Die linke Tube lind das linke Ovarium 
waren in massige, pelviperitonitisehe Schwielen und Schwarten 
eingepackt. Nachdem sie freigemacht und unterbunden, schnitt 
Ich auf den Fundus des linken Uterushorus ein. Es fand sich, 
wie erwartet, eine nussgrosse, mit Schleimhallt ausgekleidete 
und mit einer klaren strohgelben Flüssigkeit prall gefüllte Höhle. 
Eine Coniinunication derselben mit dem Cervicalcanal konnte 
nicht entdeckt werden. Darauf wurde der liuke Uterus aus der 
Wand des rechten Uterus, ohne Eröffnung desselben, keilförmig 
excidirt und die Wunde durch fortlaufende Catgutnaht sorgfältig 
geschlossen. Die Reconvalescenz verlief ohne jede Störung. 

Nach dem bei der Operation erhobenen Befunde ist es wohl 
zweifellos, dass der anfängliche, bei der ersten Untersuchung im 
September constatirte Tumor, welcher sich spontan binnen 
weniger Monate so erheblich verkleinerte, nicht als Haematometra 
zu deuten, sondern auf die begleitenden pelviperitonitischen Pro- 
cesse zu beziehen war. 

Herr R renn ecke schildert sodann die jetzt von ihm ge¬ 
übte Bauchdeckennaht und empfiehlt dazu den Celluloidzwim. 

Herr Schneider bespricht einige Methoden der Pterygium- 
operation. 

Herr Brueggemann berichtet über einen verhältniss¬ 
mässig schweren Fall von Lues bei einem 22 jährigen Manne, 
dessen Vater vor 30 Jahren schwere Syphilis durchgemacht und 
dessen Mutter stets gesund war. Es spricht dieser Fall gegen 
eine rein paterne Vererbung sowohl von absoluter, wie von rela¬ 
tiver Immunität. In Rücksicht darauf, dass bisher kein sicherer 
Fall von Vererbung der Immunität von Seiten des Vaters vorUegt 
fasst man das Profeta’sclie Gesetz am besten in seinem ur¬ 
sprünglichen Sinne auf. nämlich, dass nur die gesund geborenen 
Kinder syphilitischer Mütter gegen eine Infection in der Regel 
immun bleiben. (Mitgetheilt im Dermatolog. Centralbl.) 


Unterelsässischer Aerzteverein. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 16. Deeember 1899. 

1 \ I. Demonstrationen: 

Herr Zimmermann stellt einen Fall von Brust-B&uch- 
verletzung vor. Der Stich hatte den 8. Rippenknorpel links 
durchbohrt beim Ansatz an’s Sternum, das Zwerchfell und 
den Magen. Blutung im Pleurasack und Abdomen. Schnitt 
längs des linken Rippensaumes, Naht des Magens. Eröff¬ 
nung des linken Pleurasackes durch Erweiterung der Einstichöff¬ 
nung, Entfernung der Blutgerinnsel, Tamponade. Abgesehen von 
Erbrechen 2 Stunden nach der Operation normaler Verlauf. Vor¬ 
tragender betont die schwere Zugänglichkeit des obersten Abschnittes 
der Bauchhöhle bei operativen Eingriffen und die Gefahren in Folge 
gleichzeitiger Eröffnung des Pleurasackes. 

Herr Stolz demonstrirt 2 Fälle von Syringomyelie, type 
Morvan, bei denen besonders in einem Fall die trophischen Stör¬ 
ungen: schwere Panaritien, Phlegmone, Arthropathien, Spontan- 

Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


135 


fractur eines Humerus im Vordergrund des Krankheitsbildes stehen. 
Auffallend bei dem einen Fall ist es, dass die anaesthetisdien Be¬ 
zirke durchaus nicht mit denen zusammenfallen, die Störungen in 
dem Gefühle für kalt und warm zeigen. 

Herr Eichel stellt einen operirten und einen noch nicht 
operirten Fall von Hemia epigastrica vor. Die ausführliche Mit- 
iheilung erscheint in dieser Wochenschrift. 

H. Vorträge: 

Herr Ehret berichtet über die experimentelle Ermittelung 
des Keimgehaltes der normalen Galle. 

E. untersuchte mit Stolz gemeinschaftlich unter verschie¬ 
denen Umständen die normale Galle bei Meerschweinchen, 
Hunden, Kühen und Ochsen. Während die Galle bei dem bis¬ 
her allgemein beliebten Verarbeiten von kleinen Mengen auch 
K. und St. oft steril zu sein schien, ergab die Verarbeitung 
grosser Mengen, resp. des ganzen Gallenblaseninhaltes beim 
Meerschweinchen in 15 Fällen von 20 die Anwesenheit von 
Hacterien, auch wenn vor der Eröffnung der Ductus choledochus 
unterbunden war; bei 00 Ochsen und Kühen 47 mal, aber auf¬ 
fallender Weise in 2 Fällen von Gallensteinen keine Bacterienü 
Auch der Füllungszustand zeigt sich von grösstem Einfluss: 
hei leerer oder fast leerer Gallenblase finden sich Bacterien 
selten, bei voller oder gar gestauter fast ausnahmslos. Die 
Resultate des Vortragenden lassen sich etwa folgenderrnaassen 
zusammenfassen: 1. Die normale Thiergalle ist meist nicht 
steril, besonders bei stark gefüllter Gallenblase. Nur leere oder 
fast leere Gallenblasen sind am ehesten frei von Bacterien. 
2. Der Schluss: Galle ist keimfrei, wenn ihre intraperitoneale 
injection keine Infection bedingt, beweist nichts, da spärliche 
Keime nicht zur Infection führen. 3. Ueber den Bacteriengehalt 
normaler Galle erhält man sicheren Aufschluss nur, wenn 
grosse Mengen, am besten die ganze Galle, zur Untersuchung 
verwandt werden. 

Herr Nannyn bespricht „einige seltenere Vorkommnisse 
bei der CholelithiasiB“. Was die Aetiologie derselben anlangt, so 
sprechen zwei Thatsachen neben andern Beobachtungen für die 
aetiologische Bedeutung der Bacterien: die experimen¬ 
telle Erzeugung von Gallensteinen durch Gilbert beim Thierver- 
sueh nach Impfung mit Typhusbacillen und sodann die auffallende 
Häufigkeit acuter Cholecystitis mit oder ohne frische Steinbil- 
dting heim Typhus abdominalis. So demonstrirt N. 15 w inzige, 
offenbar ganz junge Steine als Sectionsbefund bei einem löjüh- 
rigen Knaben, der typhösen profusen Darmblutungen erlag. Als¬ 
dann bespricht N. die sogenannte Spontanheilung der Gho- 
lelithiasis. Eine völlige Latenz ist möglich bei riesiger Anzahl 
kleiner Steine oder bei dem Vorhandensein selbst eines grossen 
Solitäre. Der Vortragende warnt vor der Probepunction 
des Gallenblasentumors, um zu protestiren gegen die in 
der Literatur öfter wiederkehrende Angabe, dass er dieselbe 
empfehle. Von einer thatsächlichen Heilung kann man sprechen, 
wenn eine Fistula vesico-duodenalis oder vesico-coliea sich ge¬ 
bildet hat. Gelegentlich ferner kann Heilung eintreten d u r c h 
Zersplitterung eines grossen Steines und Abgang der Splitter, 
aber wohl selten. Im Gegentheil beweist ein demonstrirtes 
Präparat, dass die Splitter sofort den Kern zu zahlreichen neuen 
Steinen abgeben können. Zum Schluss seines Vortrages warnt 
N. vor dein vorzeitigen Urtheil: „Heilung“ nach erfolgreich 
ausgeführter Operation. Unbestreitbar leistet die Chirurgie 
gerade auf dem Gebiete der Cholelithiasis ganz Hervorragendes 
und die Lehre dieses Leidens hat durch Chirurgen eine grosse 
Förderung erfahren. Vortragender selbst hat mit Vorliebe der 
operativen Behandlung das Wort geredet. Die Häufigkeit der 
Recidive aber ist vielleicht etw'as unterschätzt worden, so dass 
es sich empfiehlt, auch nach erfolgreicher Operation die Pro¬ 
phylaxe der Cholelithiasis nicht zu vernachlässigen, den Dauer¬ 
erfolg nicht zu bestimmt zu versichern. 


Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 17. Januar 1900. 

Herr Kolle a. G.: Südafrika, seine vorherrschenden 
Krankheiten und gesundheitlichen Verhältnisse. 

Vortragender, der bekanntlich längere Zeit in Südafrika als 
Nachfolger seines Chefs Robert Koch zur Bekämpfung der 
Rinderpest thätig war, und soeben von dort zurückgekehrt ist, 
berichtet in dankenswerther Weise über die dortigen sanitären 
Verhältnisse. Dieselben haben für uns noch ein besonderes Inter- 
rs< e dadurch, dass nach der, wie Vortragender überzeugt ist, 
f ü r (1 i o Buren glücklichen Beendigung des Krieges, 

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dort ein sehr günstiges Feld für deutsche Aerzte eröffnet würde, 
des jetzigen Kriege«, der nach dos Vortragenden Aeusserung 
nicht, wie fälschlich vielfach geglaubt wird, ein von den Miuen- 
bositzorn herauf beschworener Krieg sei, sondern bloss die acute 
Krisis eines hundertjährigen Rassenkampfes. 

- Vortragender würdigt die Verdienste der Buren um die 
Colonisirung dieser Länder und Niederhaltung der Kaffern¬ 
st ämme. Die Zahl der Buren in Südafrika beträgt jetzt ca. 
800,000 Seelen, während die Engländer sich nur in den Kiisten- 
distrieten und einzelnen im Innern befindlichen Handels- 
emporien befinden. Das Verhiiltniss der W e i s s e n zu den 
Schwarzen betrage etwa 1 : 6. 

Das K1 i in a : Es finden sieh in Südafrika (bis zum Zambesi 
gerechnet) alle Uebergänge vom tropischen zum gemässigten 
Klima; es stellt mit das gesundeste Klima der Welt dar. 
Während in Europa die Mortalität vorwiegend durch die Tu- 
bcrculose bedingt wird, tritt diese in Südafrika in den 
Hintergrund und treten die Tropenkrankheiten, Malaria, 
gelegentlieh gelbes Fieber und Cholera als bestimmende Fac- 
toren auf. 

Das Sa nität-s wesen steht fast auf europäischer Stufe; 
es gibt ein Gesundheitsministerium, Districtärzte, Laboratorien 
mit allen Hilfsmitteln der Neuzeit u.- s. w. 

Eine Schwierigkeit erwächst der Hygiene aus den un¬ 
günstigen W a s s e r v e r h ä 11 n i s s e n, worauf auch ein 
grosser Theil der Krankheiten zurückzuführen ist. Man ist fast 
überall auf Oberflächenwasser angewiesen und die zu 
seiner Reinigung eingeführten Hausfilter haben sich als 
unzweckmässig erwiesen. 

Darum leidet auch die englische Armee, wie Vor¬ 
tragender aus zuverlässiger, amtlich-medicinischer Quelle weiss, 
schon sehr an Infeetionskrankheiten. Insbesondere kommt für 
diese Wasserverhältnisse der Typhus in Frage, der dort eine 
so hohe Mortalität hat, dass man auf die irrige Idee einer Misch- 
infection von Typhus und Malaria kam. Es sind für die eng¬ 
lische Expeditionsarmee schon 80 000 Typhusimmun i- 
sirungsdosen verwendet worden. Es wird sich bald zeigen, 
mit welchem Erfolge. Und da ein Bruchtheil der Armee, auf 
persönlichen Wunsch der zu Immunisirenden, nicht geimpft 
wurde (mit abgeschwächten Typhusculturen), so ist das ganze 
Verfahren einem Experiment im grössten Stiel gleichzusetzen. 

An Bedeutung die nächste Krankheit ist die Dysenterie, 
die in der englischen Armee schon bedeutend stärker auftreten 
soll, namentlich in der Methuen’s, als man öffentlich zugibt. 

Auch die Malaria wird den Engländern schwer zu schaffen 
machen. Sie tritt sowohl als Tertiana, wie als Tropica auf. Was 
die Mosquitotlieorie anlangt, so finden sich die Mosquitos 
zwar in ganz Südafrika, nicht aber die Malaria. Die Theorie kann 
falsch sein; braucht es aber trotz obiger Beobachtung nicht zu 
sein, da es ja möglich ist, dass nur bestimmte Arten von Mos¬ 
quitos als Zwischemvirthe dienen. 

Die Pest, das gelbe Fieber, die Cholera haben 
trotz wiederholter Einschleppung dort nie festen Fuss fassen 
können. Dass die Pest, obwohl sie im vergangenen Sommer an 
den Ufern eines kleinen, in die Delagoabai sich ergiessenden 
Flusses auf trat, keine weitere Verbreitung gefunden, ist dem 
Umstande zu verdanken, dass es in Südafrika keine 
Ratten gibt. Das Einschleppen dieser Thiere wird durch die 
Verordnung verhütet, dass pestverdächtige Schiffe ihre Ladung 
ausserhalb dt« Hafens löschen müssen und diese Thiere auf der 
hohen See den Uebergang vom Schiff auf die kleinen Boote ver¬ 
meiden. 

S e o r b u t tritt unter den Schwarzen in sehr schwerer 
Form auf; er trat namentlich im Betschuanaland auf, nachdem 
durch die Rinderpest die Fleischnahrung so sehr herabgesetzt 
worden war. Auch Europäer leiden daran, wenn sie Ent¬ 
behrungen ausgesetzt werden, namentlich wenn sie das in Süd¬ 
afrika so schwer zu beschaffende Gemüse nicht bekommen 
können. Auch in der Truppe M e t h u e n’s soll der Scorbut 
herrschen. 

Pellagra kommt fast nicht vor. 

Eine Geissei der Schwarzen ist die Syphilis, die unter 
acutesten Formen auf tritt und oft zu Verwechslungen Anlass 
gibt, bis die specifische Therapie klärend und helfend eingreift. 

Die Tuberculose ist unter den eingeborenen Holländern 
fast unbekannt und steht in einem gewissen Gegen¬ 
sätze zur Lepra. 

Original frn-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




136 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


Diese letztere ist erst im Anfang dieses Jahrhunderts dort 
eingeschleppt worden und ist jetzt schon fast epidemisch aus¬ 
gebreitet, so dass es ca. 8—10 000 Lepröse gibt; das wäre soviel, 
wie wenn es in Deutschland 60—80 000 gäbe, eine erkleckliche 
Zahl. Die Tubereulose hingegen ist zwar stets in grosser Menge 
eingeschleppt worden, aber nie zu einer grösseren Ausbreitung 
gelangt. 

Die Theorie, welche beide Erkrankungen als Affectionen 
der Athmungsorgane hinstellt und durch Einathmung entstehen 
lässt, erleide dadurch einen Zusammenbruch. K. ist der Meinung, 
dass zwar bei der Tuberculose die Infection durch Einath¬ 
mung stattfindet, was bei den den ganzen Tag im Freien, in 
einem Lande mit so mächtiger Insolation lebenden Menschen 
nicht allzu häufig stattfindet; die Lepra hingegen werde durch 
Einreiben in Haut und Schleimhäute durch beschmutzte 
Tücher und Hände erzeugt. Da dieses Land so günstig für die 
Heilung der Tuberculose ist, so wurde es schon lange von Tuber- 
culösen auf gesucht und der bekannte R h o d e s gründete in 
Kimberley ein solches für 2000 Betten zum Preise von 200 000 M. 
Wenn erst mehr Comfort dort zu haben, die Bewaldung eine 
bessere sein und dadurch die Extreme des Klimas mehr aus¬ 
geglichen sein werden, so wird Südafrika der beste Ort zur 
Heilung der Tuberculose sein. 

Die Pneumonie bei den Negern wurde früher für eine 
besondere Krankheit gehalten; sie ist aber durch dieselben Er¬ 
reger, wie bei uns bedingt, nämlich A. Fraenkel’s Diplo- 
coccus, Influenzabacilleu und Streptococcen. Sie verläuft bei 
den Negern nur desslialb so furchtbar schwer, weil fast jeder 
Neger Alkoholist ist. Der Alkohol ist überhaupt die 
wichtigste Ursache der hohen Negersterblichkeit. Und die Eng¬ 
länder sollten hier eine Aenderung ihrer Handelsprincipien ein¬ 
führen. 

Die Hauptursache des Zurückgehens der Negerbevölkerung 
ist aber die hohe Kindersterblichkeit, welche auf die 
künstliche Ernährung zurückzuführen ist; die Buren, deren 
Frauen durchweg selbst stillen, haben nicht bloss eine enorme 
Fruchtbarkeit, sondern auch eine sehr geringe Kindersterblich¬ 
keit. 12 Kinder sind nicht selten, 24 noch nicht das Maximum. 
Daher ihre enorme Vermehrung. 

Während Menschen seuchen in diesem Lande keine 
grosse Rolle spielen, sind die Thierseuchen um so er¬ 
schreckender. So wurden z. B. durch eine nicht näher 
charakterisirte Lungenseuche-in den siebenziger Jahren 
von 3 Millionen Schafen der Kapcolonie 2 Millionen hingerafft. 

Die Räude der Schafe ist neuerdings durch strenge 
Desinfection mit Kalkwasser zurückgedrängt worden und wird 
wahrscheinlich in einigen Jahren ganz aufhören. 

Die Haematurie der Kinder (red water), eine Art 
Malaria, wird bedingt durch einen kleinen in den Blut¬ 
körperchen lebenden Parasiten (Thomas Smith) 
und wird mit Sicherheit durch Zecken übertragen; 
eine Angabe, die R. Koch bestätigen konnte. 

Die berühmte horse s i c k n e s s ist so furchtbar, dass es 
Gegenden gibt, in welchen das Halten von Pferden fast unmög¬ 
lich ist. Die Ursache dieser merkwürdigen Krankheit ist un¬ 
bekannt. Die Absicht, etwas zu ihrer Erforschung zu thun, 
wurde durch den Krieg vereitelt. Ihre Ueberstehung immuni- 
sirt gegen weitere Infection. 

Eine für alle Thiere gefährliche Krankheit ist die Zeze- 
krankheit, welche in manchen Theilen so verbreitet ist, dass 
man keinen lebenden Vierhuf er zu sehen bekommt. Sie wird ver¬ 
ursacht durch ein Protozoon, das im Blut der Thiere lebt und 
mit Sicherheit durch die Zezefliege übertragen wird. Es 
ist sehr unwahrscheinlich, dass man hiegegen eine Schutz¬ 
impfung finden wird, da es keine natürliche Immunität dagegen 
gibt. 

Sehr verbreitet ist auch der Milzbrand, was mit Rück¬ 
sicht auf die enorme Insolation des Landes merkwürdig ist. Es 
werden vielfach P a s t e u r sehe Schutzimpfungen dagegen vor¬ 
genommen. Sehr gefährlich sind die im Sommer trockenen 
Flussbette, so dass zuweilen von einer solche Flussbette passiren- 
den Heerde fast jedes Thier an Milzbrand erkrankt. 

Eine sehr grosse Rolle spielte die Rinderpest, welche 
vor einigen Jahren vom Norden her in Südafrika einbrach und 
mit verheerender Wirkung bis zu den Grenzen Betschuanalands 
vorgedrungen war. Bedenkt man, dass in Südafrika ca. 9 Mil¬ 
lionen Rinder gehalten werden, so waren im Jahre 1895, als die 

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Rinderpest mit ihrer Mortalität von 90—100 Proc. (I) auf trat, 
ganz enorme Summen in Gefahr, nämlich 60—70 Millionen 
Pfund! Daraus erhellt auch, welch’ ungeheurer materieller 
Werth der Entdeckung innewohnt. 

R. Koch erzählt, dass er gehört habe, bei einer früheren 
Pestepidemie im Oranjefreistaat sei es gelungen, Rinder durch 
Fütterung mit Galle an Pest gefallener Thiere 
zu immunisiren. Dies ist zwar nicht richtig, da 
Galle vom Darm aus nicht immunisirt. Immerhin brachte es ihn 
auf die Idee, die Galle der an Pest gefallenen Rin¬ 
der anderen Thieren subcutan zu iüjiciren und sie 
dadurch thatsächlich gegen Rinderpest immun zu machen — 
eine ganz wunderbare Erscheinung. Die Immunisirung hält 
zwar nur einige Wochen an, immerhin war es dadurch gelungen, 
die Pest an den Grenzen von Betschuanaland und Natal auf¬ 
zuhalten. 

K o 11 e gelang es dann weiterhin dadurch, dass er den ge¬ 
sunden Thieren auf der einen Seite vollvirulentes Blut von 
kranken Thieren und auf der anderen Seite des Leibes 
gleichzeitig Serum von hochimmunisirten Thieren 
einspritzte, eine dauernde Immunität zu erzielen; die 
Thiere bekamen auf die Einspritzung eine leichte »Infection 
waren aber dann „gesalzen“, wie die Buren bei der Pferdekrank¬ 
heit sagen, und blieben dauernd immun. Für dieses grosse 
Werk, das den vereinigten Regierungen Süd¬ 
afrikas ca. 45 Millionen Pfund, also rund eine 
Milliarde Mark rettete, bekamen Koch und 
Kolle nicht einen Pfennig! 

Beide Herren hatten eben im Vertrauen auf die anständige 
Gesinnung der Regierungen vorher ein Honorar zu vereinbaren 
unterlassen. H. Kolm. 


Verein für innere Medicin in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 15. Januar 1900. 

Herr J. Schwalbe richtet namens der Redacfionsconi- 
mission der Vereinsberichte an die Mitglieder die Bitte, die 
Stenogramme pünktlicher zurückzusenden und ersucht dabei, 
die heutzutage einreissende Unsitte eigenmächtiger Abkür¬ 
zungen, wie z. B. der Basedow, der Addison, das Coli, der 
Kümmell, möglichst zu unterlassen. 

Demonstrationen. 

Herr v. Leyden: Ein Aneurysma aortae, welches intra 
vitam nur wenig Symptome gemacht hatte, Parese des linken 
Stimmbandes und Singultus, sodass man zuerst an eine hysterische 
Affeetion dachte. Dyspnoe. Das Röntgenbild sicherte nunmehr die 
Diagnose. Später Stridor, der nachweislich links entstand durch 
Druck auf den linken Bronchus; Verlangsamung der Athmung 
durch Verengung der Luftwege, zeitweises Absinken der Athmung 
auf 7 Respiratonen in der Minute. Die Dyspnoe eine exspiratorische. 
Zur Aetiologie bemerkt Vortragender, dass er die Syphilis nicht 
als Ursache der Aneurysmen anerkennen kann, der Tod erfolgte 
unter Respirationslähmung mit einige Zeit anhaltender Fortdauer 
der Herzthätigkeit. Dass die Herzthätigkeit noch einige Stunden 
nach Aufhören der Athmung anhält, soll beobachtet sein, nament¬ 
lich bei asphyktiseh geborenen Kindern, wo selbst bei der Autopsie 
noch zuckende Bewegungen am Herzen beobachtet worden sein 
sollen. Vortragender weist auf die Bedeutung solcher Beob¬ 
achtungen für die Erklärung von der Automatic des Herz¬ 
muskels hin. 

Discussion: Herr A. Fraenkel weist auf die Wichtigkeit 
des Olliver'schen Symptoms hin. Dasselbe kommt aber ausser 
bei Aneurysmen (Fortleitung der Pulsation auf den linken Bronchus) 
auch bei Mediastinaltumoren oder Lungentumoren vor. 

Für die exspiratorische Dyspnoe bei Aneurysmen komme die 
Schwellung der Bronchialschleimhaut und deren ventilartige Vor¬ 
wölbung bei der Exspiration in Betracht. 

Die Syphilis halte er mit allergrösster Wahrscheinlichkeit 
für eine wichtige Ursache der Aneurysmen; er theile darin 
durchaus Heller’s Ausführungen. 

Was die Gelatininjectionen anlangt, so habe er 6 Fälle so be¬ 
handelt. Zwei mit gutem Erfolg. Wie viel davon auf die Liege - 
cur kommt, lasse sich nicht entscheiden. Immerhin sei es eben 
leichter, unter Anwendung dieser Injectionen zu einer längeren 
Liegecur anzuhalten. 

Herr v. L e y d e n ist bezüglich der Gelatine ganz derselben 
Meinung und hält deren Wirkung für theils psychisch, theils durch 
die Liegecur bedingt; ebenso aber auch die einer Inunctionscur. 

Herr O. Benda weist darauf hin, dass Heller s Ansichten 
auf dem Aerztetag in München von keinem der anwesenden Patho¬ 
logen getlieilt wurden. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




23. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


137 


Herr C. Ben da und Herr A. Fraenkel: Sectionsbefund 
von linksseitiger Hemia diaphragmatica bei einem 7 jährigen 
Knaben. Die Diagnose war im Leben nicht gestellt worden. 

Tagesordnung. 

Herr Lippmann: Ueber Rückfälle. 

Vortragender setzt- in ausführlicher Weise auseinander, dass 
es sich bei den Rückfällen von Krankheiten für gewöhnlich 
nicht um Reinfectionen, sondern um ein Wiedorauffiackern 
latenter Herde handeln. Auch den unklaren Begriff der ver¬ 
mehrten Disposition nach Ueberstehung gewisser Krankheiten 
z. B. Rheumatismus, kann man durch den klaren der latenten 
Herde ersetzen. II. Kolm. 


Wiener Briefe. 

Wien, 20. Januar 1900. 

Die neue medicinische Rigorosenordnung. — Die erste 
Hilfe bei Eisenbahnunfällen. — Intermittirender Exophthal¬ 
mus und ausgebreitete Phlebektasien im Bereiche der Jugular- 
venen. — Die Pesterkrankungen auf dem Lloyddampfer 
„Berenice”. 

Die neue medicinische Prüfungsordnung, deren Grundzüge 
wir jüngst an dieser Stelle erörtert haben, steht noch immer im 
Mittelpunkte der ärztlichen Discussion. Die medicinischen 
Fachblätter Wiens bringen längere Betrachtungen über die neue 
Rigorosenordnung, der Referent der medicinischen Angelegen¬ 
heiten im Unterrichtsministerium, Ilofrath Prof. Sigmund 
E x n e r (Physiologe), hat letzten Freitag in unserer Gesell¬ 
schaft der Aerzte über dieses Thema einen Vortrag gehalten 
und das Unterrichtsministerium selbst hat seither eine Reihe 
erläuternder Instructionen kundgemacht, um eine entsprechende 
und gleichmässige Durchführung derselben zu sichern. 

Die Fachblätter kritisiren die neue Rigorosenordnung, der 
Medicinalreferent nimmt sie naturgemäss in Schutz und be¬ 
zeichnet sie als wesentlichen Fortschritt. Die Prüfung aus all¬ 
gemeiner Biologie bei erstem Rigorosum halten die Fachblätter 
für eine überflüssige Erschwerung und Verschlechterung des Zu¬ 
standes, ebenso die sogen. „Uobersichtsprüfung“ über Anatomie 
oder Physiologie beim zweiten Rigorosum. Die Vermehrung 
der Prüfungsgegenstände, sogar um specialist ische Fächer, ge¬ 
nügt dem einen Kritiker noch nicht, er hätte cs gerne gesehen, 
wenn die wichtigen physikalischen Heilmethoden, also Hydro-, 
Elektro- und Mechanotherapie (Massage) als weitere Lehr- und 
Prüfungsgegenstände auf genommen worden wären, ein anderer 
Kritiker dagegen bemängelt schon die Prüfung aus medi- 
cinischer Physik, deren Inhalt er der Physiologie überliefern 
möchte und hält den Curs über Impfkunde für einen schweren 
Anachronismus, da der Professor der Kinderheilkunde die Tech¬ 
nik dos Impfcns demonstriren könnte. Einen ernsten Einwand 
erheben mehrere Kritiker, indem sie darauf himveisen, dass von 
gewichtiger Seite die Einführung eines obligatem einjährigen 
Spitalsdienstes im Anschlüsse au die Promotion behufs Er¬ 
langung der Venia practieandi warm empfohlen wurde und dass 
man hierauf keine Rücksicht nahm. Diese .Nichtbeachtung des 
dringenden Wunsches der Aerzteschaft, zwischen Promotion 
und Eröffnung der Praxis ein Arbeitsjahr am Krankenbette ein- 
zusehalten, könne nur lebhaft bedauert werden. Endlich wird die 
fast vollständige Aufhebung der Lernfreiheit an den medi- 
cinisehen Facultäten Oesterreichs sehr beklagt. 

Diese Betrachtungen in den Fachblättern sollen fortgesetzt, 
desgleichen wird das Thema vor dem Forum der Gesellschaft der 
Aerzte in Discussion genommen werden. Wir halten dafür, 
dass sich schon der Herr Medicinalreferent Prof. Exner zu 
spät mit seinem Vortrage eingestellt hat, dass eine Discussion 
und eine noch so gerechte Kritik jetzt, nach der Publieation 
der bezüglichen Verordnungen ,ziemlich oder sogar völlig zweck¬ 
los sein wird. Post festum! Man hätte die Grundzüge dieser 
neuen Rigorosenordnung vor der offiziellen Verlautbarung der¬ 
selben zur Discussion stellen sollen, da man jetzt wohl nicht so 
bald an eine Ummodelung derselben gehen wird. Jetzt wird man 
Erfahrungen sammeln. 

Es sei uns gestattet, noch auf einen Punkt aufmerksam zu 
machen, der uns zeigt, wie intensiv das Studium der ein¬ 
zelnen Fächer sich gestalten soll. In der Instruction zu der 
Verordnung wird unter anderem darauf hingewiesen, dass es 
gewisse Grenzgebiete der Disciplinen gibt, um deren Prüfung 
2 oder gar 3 Professoren streiten könnten. Da müssen die be- 

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treffenden Lehrer ein Uebereinkommen treffen, wer dieses oder 
jenes Gebiet vorträgt resp. prüft. „So wird es dem Ueberein¬ 
kommen überlassen, oh Embryologie vom Anatomen, Histo- 
logen oder Physiologen geprüft wird, wo innerhalb der zu 
prüfenden physiologisch-chemischen Methoden die Grenze der 
Gebiete des Chemikers und des Physiologen ist, ob also z. B. 
die Bestimmung des spezifischen Gewichtes 
des Blutes, seines Haemoglobingehaltes, der 
Blutkörper c h c n zahl u. s. w. dem Ersten oder dem 
Zweiten zufällt, ob die Grundzüge der Bacteriologie zu der all¬ 
gemeinen und experimentellen Pathologie, der pathologischen 
Anatomie oder der Hygiene gerechnet werden“ etc. Diese In¬ 
struction zeigt, uns also, welche Ansprüche die Prüfer an die 
Rigorosanten in Zukunft stellen werden, resp. stellen werden 
müssen. Es genüge der blosse Hinweis, der geehrte Leser 
möge sich selbst den Commontar dazu machen. 

Trotz aller Vorschriften, trotz zahlreicher Bahnärzte, 
Rettungskästen etc. hat es sich hei grösseren Eisenbahnunfällen 
immer wieder gezeigt, dass die ärztliche Hilfe sehr spät in aus¬ 
reichender Weise intervemrte, dass das Verbandmaterial un¬ 
genügend war, dass der Weitertransport der Verletzten nicht be¬ 
friedigte — kurz, das Publicum stets reichlichen Anlass zu Be¬ 
schwerden hatte. Die Verwaltung unserer Staatsbahnen hat 
daher letzthin angeordnet, dass in allernächster Zeit in den 
Maschinenstationen der k. k. üsterr. Staatsbahnen, in welchen 
behufs erster Hilfeleistung hei Eisenbahnunfällen Hilfszüge mit 
den nöthigen Requisiten bereitstehen, eigene Rettungs¬ 
wagen aufgestellt werden. Diese Wagen, deren Gesammtheit 
sieh vorläufig auf 40 Stück belaufen wird, werden ausschliess¬ 
lich für die ärztliche Hilfeleistung und für die Ueberführung 
der Verletzten eingerichtet, zu welchem Zwecke die schon bis¬ 
her bei den ITilfszügen befindlichen grossen Rettungskästen 
und je 8 Trägheiten liehst anderen Utensilien in denselben unter¬ 
gebracht. werden. Gleichzeitig wird in allen Maschinenstationen 
ein Theil des daselbst stationirten Personals, welches über die 
erste Hilfeleistung bei Unfällen und plötzlichen Erkrankungen 
vor der Ankunft eines Arztes bereits den allgemein vor- 
goschriebencn praktischen Unterricht erhalten hat, noch ein¬ 
gehender belehrt und oingeiiht und sodann zu eigenen Sani¬ 
tätscorps organisirt werden, welche in der Lage sein werden, 
ohne Verzug am Unfallsorte zu erscheinen und unter ärztlicher 
Leitung den Verunglückten die sachgemässe erste Hilfe zu 
leisten. Die Vertheilung der Rettungsapparate in den einzelnen 
Stationen, sowie deren Einrichtung und Instandhaltung im 
Sinne der bestehenden Vorschriften wird auf sämmtlichen öster¬ 
reichischen Bahnen durch eine fortwährende Controle über¬ 
wacht. 

Einen seltenen Fall von intermittirendein Exophthalmus 
und ausgebreiteten Phlebektasien im Bereiche der Jugularvenen 
stellte Dr. R. II i t s c hm a n n der Gesellschaft der Aerzte vor. 
Der 23 jährige Mann besitzt eine grosse Struma, die zum Tlieile 
auch substernal gelegen ist. Unterhalb des rechten Ohrläpp¬ 
chen eine kleinapfelgross«*, flach höckerige Geschwulst, die sieh 
leicht, eomprimiron lässt und nicht, schmerzhaft ist; die Haut 
darüber normal. An der Stirne deutlich pulsirende Arterien 
und erweiterte Venen; die Geschwulst setzt sieh bis in die Stirn¬ 
gegend fort, pulsirt aber nicht. Comprimirt man die Jugular- 
vene unterhalb der Geschwulst, so tritt diese mächtig hervor 
und gleichzeitig tritt der rechte Bulbus langsam und stetig vor. 
Nach ca. 15 Secunden hat dieser Exophthalmus sein Maximum 
erreicht; hört die Oomprcssion am Halse auf, so sinkt der Bul¬ 
bus wieder zurück, ja sogar auf leichten Druck tiefer in die 
Orbita hinein als auf der anderen Seite. Am harten Gaumen 
und an der Zungenspitze befinden sich ebenfalls kleine blaurothe 
Knoten, offenbar durch erweiterte. Venen bedingt. 

Der Vortragende erörterte eingehend die Gefüssverhältnisse 
an diesem Auge, wies auf die, bisher bekannten Fälle ähnlicher 
Art hin und führte die Entstehung des intormittirenden Ex¬ 
ophthalmus auf Dilatation der Orbitalvenen zurück, wozu noch 
eine Erschlaffung derjenigen Fascien kommen müsse, welche den 
Augapfel an die Orbitalränder befestigen, resp. in Suspension 
halten. 

Die neueste Kummer des Oesterr. Sanitätswesen vom 
18. Januar 1. J. enthält eine interessante Abhandlung über die 
Pesterkrankungen auf dem Lloyddampfer „Berenice“ und die 
sanitäre Behandlung derselben im Seclazarcthe zu St. Barto- 
lomeo bei Triest. Die ausführlichen Krankengeschichten lieferte 

Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


1 38 


der Schiffsarzt Dr. D i t. tricli. 4 Erkrankungen, die siimmt- 
licli letal endeten. „Bei Allen haben die Prodromalerseheinung'en 
gefehlt, oder sie waren nur kurz angedeutet. Alle 4 erkrankten 
fast plötzlich und mit sieh sehr früh nianifestireiiden Locali- 
sationen (Bubo). Diese erschienen bei den ersten 2 in den 
Leisten, beim Kind unter der Achsel und beim 4. Falk* (32 jähri¬ 
ger Schiffskellner) seltsamer Weise am Halst«, was ich nur bei 
Kindern gesehen habe. Es waren also alle Bubonen formen mit 
Ausnahme der oubitalen vertreten. Von (Vmplieationen sind 
nur 2 zu erwähnen: 3 Oarhunkcl auf der Oberlippe und eine 
kurzdauernde Lähmung des Sphinetcr vesicae.“ Anhaltende 
Kaltwasserbehandlung, da jedes Antipyretieum Brechreiz oder 
Erbrechen hervorruft. Ein Kranker verweigert hartnäckig auch 
diese Behandlung. 

Ueber die sanitäre Behandlung des Schilfes im Seelazarethe 
haben wir bereits ausführlich berichtet. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Soci6t6 de Th6rap£utique. 

Sitzung vom C. Docember ]X99. 

Die Indicationen des Pepsins. 

Aus dem langen Berichte, welchen A. R o b i n über dieses 
Thema bringt, ist folgendes Hauptsächliche hervorzuheben: Das 
Pepsin ist angezeigt: 1. bei der Dyspepsie der Kinder, 2. bei den 
Erwachsenen mit Hyperaeidität, wenn a) die Menge der Salzsäure 
nicht im Verhältniss mit der Menge des sccernirteii Pepsins stellt 
und b) die Hyperaeidität mit Pepsinurie begleitet ist und diese zur 
Zeit der Verdauung nicht zuniinint. 3. bei <ier Ilyporacidität, wenn 
die Pepsinurie nicht vorhanden ist und 4. schliesslich beim chro¬ 
nischen Magenkatarrh, R. gibt im Allgemeinen sehr hohe Dosen, 
nämlich 1—2 g Pepsin am Schlüsse jeder Mahlzeit. Dem sehr be¬ 
schäftigten Praktiker, der eine genaue chemische Diagnose nicht 
machen kann, riitli er, in den meisten Fällen von Dyspepsie Pepsin 
zu gelien, jedoch damit aufzuhören, wenn der Kranke gar keinen 
Nutzen von diesem Mittel hat (sie!). 

F rcquy hebt hervor, wie verschiedenartig der Werth des 
im Handel verkommenden Pepsins sei, so dass bei einem Patien¬ 
ten das eine sehr wirksam war, während («in anderes Präparat 
völlig ohne Erfolg blieb. 

Pouehot. hält, es für unmöglich, auf einmal während der 
Mahlzeit eine genügende Menge Pepsin zu geben, da dasselbe im 
Magen fortwährend mit vorübergehenden Exacerbationen secer- 
nirt wird; Rohin erinnert daran, dass (1. See das Pepsin auf 
3 oder 4 mal während jeder Mahlzeit nehmen liess. 

Frömont hat an Thieren festgestellt, dass die Secretion 
von Salzsäure und Pepsin von einander unabhängig ist, ferner 
gezeigt, dass bei Hyperaeidität sehr intensive Magengährimg vor¬ 
handen ist. während dieselbe bei Hypoaeidität viel seltener ist. 
Pm die Magengährimg zu hindern, ist Salzsäure bei Hyperaeidität 
nicht angezeigt, jedoch sehr wirksam bei verminderter Säure¬ 
bildung, besonders bei hebernden Kranken. 

II u o h a r d liat sehr gute Erfolge mit Salzsäure in ganz 
kleiner Dosis (0.3 :000,0, ein Lhiueiirglas am Schlüsse jeder 
Mahlzeit), verschreibt nie Amara bei Dyspepsie und constatirt, 
dass man die Salzsäure durch Milchsäure u. s ,w. ersetzen kann. 

Robin bricht schliesslich völlig den Stab über die Salz- 
siiurcmedieation. welche nun völlig abgethan sei. sie könne un¬ 
möglich die Salzsäure im Magen ersetzen, könne bloss bei 
schwachen Dosen Erfolg geben und zwar ohne Zweifel durch 
Verhinderung der Salzsäurcabsonderung; ein Gemisch von 
Schwof cf- und Salpetersäure (2,4 : 0,8 auf 18,0 Alkohol) sei ihr 
jedenfalls vorzuziehen. 

Aus den englischen medicinischen Gesellschaften. 

Edinburgh Medico-Chirurgic&l Society. 

Sitzung vom 1. November 1899. 

Die Untersuchung des Blutes bei Krankheiten. 

E. L. Gull and machte zu diesem Thema folgende Bemerk¬ 
ungen: Aus der Zahl lind Beschalfenheil der rothen Blutkörperchen 
ist im Allgemeinen nicht viel zu entnehmen , da sie in den ver¬ 
schiedensten Affectionen, z .1». Haemorrhagien ans Ilaenmrrlmiden, 
Magenkrebs und Septikämie die gleichen Verhältnisse darbieten ; 
doch ist ihr \ erhalten zur Erkennung der Schwere des jeweiligen 
Falles nützlich, llaemoglohingchalt und Heichthum an rothen Blut¬ 
körperchen gehen gewöhnlich Hand in Hand, nur bei der perni¬ 
ziösen Anaemie findet, eine relative Steigerung 1 des Ilaemoglobin- 
gehaltes statt. 

Aus der Zahl der Blutplättchen ist weniger zu entnehmen, 
ebenso aus der Fibrinbildung, wenn auch diese zur Unterscheidung 
zwischen Eiterung und maligner Neubildung nützlich ist, indem bei 
erstcrer Affection eine Vermehrung slatttindet, während die Menge 
bei Neoplasmen unverändert i«t. Die wichtigsten Aufschlüsse erhält 
man aus dem Verhalten der weisson Blutkörperchen, Eeukncytose 
und Leukopenie. Als ein paradigmatisrhes Beispiel führt G. fol¬ 
genden Fall vor: Ein junger Mann, der eine rein kosmetische Ope- 

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ration durchgomaclit hatte, erkrankte am 5. Tage p. o. an Fieber, 
wofür, keine Erklärung gefunden werden konnte. G. constatirte 
am 7. Tage eine Verminderung der rothen Blutkörperchen auf 
2000000 mit ca. 30 Proe. des Ilnomoglobingchalts und 24200 weissen 
Blutkörperchen , welche fast sämmtlich polymorphe Kerne hatten. 
Diagnose: Septikiimie. Trotz Eröffnung der Wunde, an der eich 
nichts Abnormes fand, und Inject ion von Antistreptococcenserum 
erfolgte am 9. Tage der Tod. Zur Begründung der Diagnose führt 
G. an, dass Influenza keine Leukocyto.se hervorruft, dass Tonsillitis 
nicht eine so enorme Abnahme der rothen Blutkörperchen bewirken 
könnte, und Ilaomorrhugten andererseits nicht eingetreten waren. 

Ferner berichtet Redner über einen Patienten mit exsudativer 
Pleuritis und Pericarditis, bei dem die Entstehung auf rheumatischer 
Basis wegen Mangels an Lcukncytose ausgeschlossen wurde. In 
der That ergab sich bei der Autopsie miliare Tuberculose als Grund¬ 
lage der Krankheit.. Während bei Masern keine Vermehrung der 
Lcukoeyten eintritt, findet sich bei 99 von 100 Fällen von Pneu¬ 
monie eine deutliche Leukocytose; sie fehlt nur bei den aller¬ 
leichtosten, sowie bei den schwersten, hoffnungslosen Erkrankungen. 
Sehr wichtig ist das Auftreten derselben bei Perityphlitis (anglico 
Appemlieitis', indem man daraus mit Zuverlässigkeit, auf Eiterbil¬ 
dung sehliossen kann. Ferner deutet sie in Fällen von malignen 
Tumoren auf ein Fortschreiten rosp. Recidiviren des Leidens. 
Malaria bewirkt wie Influenza) keine Steigerung der Leukocytenzahl. 

Im Allgemeinen kann man an gefärbten Streichpräparaten für 
praktische Zwecke genügende Anhaltspunkte finden. Ausser Me¬ 
thylenblau und den Säuren kommt Eosin hauptsächlich zur An¬ 
wendung. Bekanntlich sind die eosinophilen Zellen bei Pemphigus 
und Dermatitis horpetiformis, namentlich aller bei Trichinosis ver¬ 
mehrt. Während dieselben normaler Weise etwa 5 Proc. betragen, 
hat man sie bei letzterer Affection bis auf 68 Proc. steigen sehen. 


XVIII. Congress für innere Medicin zu Wiesbaden. 

Der 18. Congress für innere Medicin findet vom 18.—21. April 
1900 statt. 

Präsident ist Herr v. Ja k s c li - Prag. 

Folgende Themata sollen zur Verhandlung kommen: 

Am ersten Sitzungstage, Mittwoch, den 18, April 1900: Die 
Behandlung der Pneumonie. Referenten: Herr v. K o r ii n y i - 
Ofen-Pest und Herr P e 1 - Amsterdam. 

Am dritten Sitzungstage. Freitag, den 20. April 1900: Die 
Endocarditis und ihre Beziehungen zu anderen Krankheiten. 
Referent: Herr L i 11 e n - Berlin. 

Folgende Vortragende haben sich bereits gemeldet: 

Herr N e u s s e r - Wien: Thema Vorbehalten. Herr W e n ke¬ 
il a e h - Utrecht: Feber die physiologische Erklärung verschiedener 
Herz-Puls-Arhythmien. Herr K. Grube- Neuenahr - London: 
Ueber gichtische Erkrankungen des Magens und Darmes. Herr 
M. B r e s g e n - Wiesbaden: Die Reizung und Entzündung der 
Nasensehleimhaut in ihrem Einliiisso auf die Athmung und das 
Ilcrz. Herr S e h o t1 - Nauheim: Influenza und chronische Herz¬ 
krankheiten. Herr Martin M e n d e 1 s o h n - Berlin: Ueber ein 
Herztonicum. Herr W eint r a u d - Wiesbaden: Ueber den Abbau 
des Nucleines im Stoffwechsel. Herr Herrn. Hildebrandt- 
Berlin: Feber eine Synthese im Thierkörper. 

Theilnehiner für einen einzelnen Congress kann jeder Arzt 
werden. Die Theilnehmerkarte kostet 15 Mark. Die Theilnehmer 
können sieh an Vorträgen, Demonstrationen und Discussionen be- 
theiligcn und erhalten ein im Buchhandel ca. 12 Mark kostendes 
Exemplar der Verhandlungen gratis. 

Mit dem Congress ist eine Ausstellung von neueren 
ärztlichen Apparaten, Instrumenten, Präpa¬ 
rate n u. s. w.. soweit sie für die innere Medicin Interesse haben, 
verbunden. Anmeldungen für dieselbe sind an Herrn Sanitätsrath 
Dr. Emil P f e i f f e r - Wiesbaden, Parkstrasse 13, zu richten. 


Verschiedenes. 

Ueber das Saugen künstlich ernährter Kinder. 

P f a u n d 1 e r wies vor Kurzem (pag. 1480 der Münch, med. 
Wochcnsehr.) darauf hin, dass man heim Saugen der Brustkinder 
die ..primitive Saugbewegung“, welche nur eine Füllung der 
äusseren Milchwege zu Stande bringe, und eine Kaubewegung 
zu unterscheiden habe, die sie auspresse, ..gewissennaassen aus¬ 
melke“. Er konnte mich weisen, dass kräftige Saugbewegungen 
auf die seerelorische wie die motorische Thätigkeit des Magens 
einen wesentlichen, fördernden Einfluss haben. Bei künstlicher 
Ernährung erfordert nur die Schlauchflnsehe nctives Saugen, der 
grosse Saugkorken gestattet dem Kinde eine fast passive 
Nahrungsaufnahme, der Magen füllt sieli schneller und stärker, 
als es sein sollte, das bekömmliche Nahningsmaximum wird leicht 
überschritten, mul gerade in diesen Fällen beobachtet man am 
häufigsten Fnruhe mul Erbrechen kurz nach dem Saugen, auf 
die Dauer auch Ernährungsstörungen* 

Der Vortheil, den der Saugschlauch vor dem Saugkorken 
bietet, wird bekanntlich dadurch wieder illusorisch gemacht, dass 
der erstere sich schlecht reinigen lässt. 

Nun kann man auch am Saugkorken sehr einfach einen Wider¬ 
stand einschalten, der vollkommen genügt. Da in der Discussion 
über den Vortrag P f a u n d 1 e Fs Niemand darauf hingewiesen 
hat, hielt ich für angebracht, es nachzuholen. 

Original frn-rri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



23. Januar 1900. 


MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 139 


Ganz allgemein wird die OelYmuig. so gemacht, dass mail eine 
glühende Haarnadel durch die Kuppe des Saugkorkens sticht. 
Diese Unterlässt ein kreisrundes Loch von etwa */ t mm Durch¬ 
messer, durch welches die Milch bei sehr geringem Druck in 
häufigen grossen Tropfen, bei stärkerem hingegen, wenn man die 
Flasche etwas nach abwärts geneigt hält, in vollem Strahl heraus- 
tliesst. Dass daun die Milch zu leicht und zu schnell kommt, ist 
keine Frage. 

Die Säugöffnung muss vielmehr ein Schlitz mit dicht an¬ 
einander liegenden Rändern seiu, so dass die Milch nur im Augen¬ 
blicke des Saugens herausfliesst und mit dom Nachlass der Be¬ 
wegung der Strahl wieder abgeschnitten ist. Ich lasse ein spitzes 
Messer oder die eine Klinge einer Scheore soweit durch die Kuppe 
stechen, dass die Oeffnung 3—4 mm lang ist. Sobald die Klinge 
zurückgezogen wird, verkürzt sieh natürlich der Schlitz. Man 
gibt dem Kinde die Flasche so in den Muml, dass der Schlitz der 
Mundspalte parallel ist, damit er nicht beim Druck der Lippen 
klaffe; das Milchquantum ist vorher genau bestimmt. Nach 
10 Minuteu siebt man nach, ob lind wie viel an demselben fehlt; 
sehr oft fehlt trotz kräftigen Saugens noch nichts. Dann wird 
der Schlitz ein wenig verlängert und das Experiment wiederholt, 
bis die passende Länge gefunden ist. 

Die Unruh e u n d das st a r k e E r b r e c li e n n a c h 
dem Saugen hören dann sofort auf. 

Sobald der Gummi an Klasticität oingobüsst hat, bricht er 
leicht. Der Schlitz verlängert sich dann und die Mileli kommt zu 
stark. Dann muss der Korken erneuert werden. 

Dr. K i s e h o f s w e r d e r. 

F r e <i u e n z der S c li w e i z e r m e d i e i n i s c h e n F a - 
c u 11 ä t e n. W.-S. 1899/1000. Basel 130 männliche, 3 weibliche 
Studirende; Bern ISO m., 144 w.; Genf 2<>2 m.. 125 w.; Lausanne 
00 m., 45 w.; Zürich 224 m., 124 w. In Summa 1255 iS44 m., 411 w.j 
Medicinstudirende, darunter 032 (008 in., 24 w.) Schweizer. 

Therapeutische Notizen. 

Haarschwund. Ein Haarwasser, dessen Anwendung bei 
vorzeitigem Ausfall der Haare ohne specitische Ursache nach einer 
Mittheilung von Gessner in der Revue de Therapie sehr gute 
Resultate gibt, ist nach folgender Formel zusammengesetzt: 

Rp.: Resorcin. 2,5, 

€hloral. hydrat. 

Acid. tannic. ää 5,0, 

Tinct. benzoes 1,5, 

Ol. Rieini 4,0, 

Spirit, vini ad 250,0. 

MDS. F. L. 

Alopecia syphilitica. Zur Behandlung Iler Alopecia syphi¬ 
litica gibt G a u eher in der R i f o r m a m e d i c u vom 23. August 1*99 
folgende Vorschriften: Das Haar ist kurz zu halten und der Ilaar- 
boden abwechselnd mit den unten erwähnten Präparaten, Ein- 
waschung und Salben, täglich zu bearbeiten. 

Rp.: Sublimat. 0,2, 

Chi oral, hydrat. 4,0, 

Resorcin. 2,0, 

01. Rieini 1,0, 

Spirit, vini 90 proe. ad 200,0. 

MDS.: Haarwasser. 

ferner Rp.: Kalomel. 2,5, 

Aeid. Salicyl. 0,5, 

Vaselin ad 50,0, 

M. f. ugt, 

oder bei gleichzeitiger Seborrhoe und Pityriasis des Haarbode ns. 
Rp.: Sulfur, praecip. 1,5, 

Vaselin ad 30,0. 

M. f. ugt. F. L. 

Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 23. Januar 1900. 

— Das k. b. Staatsininisteriuin des Innern wird im Einver¬ 
ständnisse mit dem k. Staatsministerium des Innern für Kirchen- 
und Sehulangelegenheiten im laufenden Jahre 23 Aerzten, welche 
die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst bestanden haben, in 
Bayern ihren Beruf ausüben, aber nicht in einer der drei Uni¬ 
versitätsstädte Bayerns wohnen, Aversalbetriige von je 250 M. be¬ 
willigen, um ihnen die Theilnahme an einem mindestens vierzelni- 
täglgen, au einer der drei Landesuniversitäten stattfindenden, 
bacteriologischen Curse zu erleichtern, wobei es jedem Einzelnen 
überlassen bleibt, an welcher der drei Landesuniversitäten und 
zu welcher Zeit des laufenden Jahres er einen solchen Curs mit- 
niachen will. 

Amtsärzte und praktische Aerzte, welche sich um solche Aver- 
salbeträge bewerben wollen, haben ihre (Jesuche spätestens bis 
15. Februar 1. Js. beim k. Staatsministerium des Innern eiuzu- 
reichen. 

— Im Kaiserlichen Gesundheitsamte trat dieser Tage unter 
dem Vorsitze des Herrn Oberbaudirectors Hinckeldeyn das 
von der Deutschen Gesellschaft für Volks¬ 
bäder berufene Preisgericht zusammen, welches über die ein¬ 
gegangenen Entwürfe zu Volksbädern entscheiden soll. Die preis- 

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gekrönten Eni würfe werden vom 21. d. M. an einige Tage zur 
öffentlichen Ausstellung gelangen. 

- — Die Besorgnisse, die in der vorigen Woche wegen des 
Schicksals der auf dem deutschen Postdampfer „Herzog“ befind¬ 
lich« n, für Transvaal bestimmten A mbulanzcorps gehegt wurden, 
haben sich erfreiilieher Weise nicht bestätigt. Das Schiff ist mittler¬ 
weile in Loureiieo Marques angekommen und die Expeditionen, 
nämlich die zweite vom deutschen rothen Kreuz ausgerüstete und 
die zweite belgische Expedition haben ihre Reise nach lVätoria 
fortgesetzt. —- Pie englischen Behörden waren also liberaler als der 
Wortführer der Centralstelle des Rothen Kreuzes in Berlin, der in 
einer den Zeitungen zmreM eil teil Uorrespondenz mit Bezug auf die 
Nachricht, dass einer russisch-holländischen Sanitätsabordnung für 
Transvaal Schwierigkeiten bereitet würden* gesagt hatte, „mail 
könne vom sachlichen Standpunkt eine derartige Maassregel nur 
mit Freuden begriissen“ und von dem oben erwähnten bel¬ 
gischen Corps als von einem „fragwürdig zusammengesetzten“ 
gesprochen batte, von dem es nicht Wunder nehmen könne, wenn 
es englischerseits ein 'wenig näher auf seinen Ursprung untersucht 
werden sollte. Solche von privaten Comitös getroffene Maass¬ 
nahmen dienten nur dazu, die von den „allein berechtigten 
und befähigten“ Faetoren organisirten Hilfeleistungen „in ihrer 
Thätigkeit zu hemmen und zu discreditiivn.“ Der Ton dieser 
Correspomlenz ist geradezu nnmnassend und hat auch allseitige 
Zurückweisung gefunden. Die belgische Expedition ist vortrefflich 
ausgerüstet; sie besteht aus zwei belgischen und drei deutschen 
Aerzten, aus einem belgischen Ookonomen, einem belgischen Apo¬ 
theker, sechs belgischen und sechs deutschen Kranken Wärterinnen 
und zwölf belgischen und neun deutschen Krankenwärtern, und 
führt für ist HM > Fr. chirurgische Instrumente und Medienmente und 
für 2tHtU Fr. Lebensmittel mit sich. Unter den Aerzten befindet 
sieh auch ein Münchener College, Privat docent Dr. Fessler, der 
schon im türkisch-griechischen Krieg als Arzt einer Ambulanz sich 
bewährte. Ho wäre die Feindseligkeit, mit der der Verfasser jener 
Correspondenz den Schwestereinrichtungen sich gegemiberstellt, fast 
nicht zu begreifen. Aber das Antwerpener Comite wurde auch aus 
Deutschland, hauptsächlich vom Alldeutschen Verband, mitGoldmitteln 
reichlich unterstützt und das scheint den Zorn jenes Herrn erregt zu 
haben. Das ist derselbe Geist., der auch die deutsche Heilstätte in 
Davos vom reinen Concurrenzstandpunkt aus bekämpft. Fs wäre wirk¬ 
lich an der Zeit, dass man sich bewusst würde, dass dieser gehässige 
Ton gleichgerichteten Bestrebungen gegenüber, den wir schon aus 
der ,,Heilstätteii-Correspondcnz“ zur Genüge kennen und jetzt in 
dem Vorgehen gegen die belgischen Ambulanzen in verschärftem 
Maasse wiederlinden, der Würde einer der Nächstenliebe dienenden 
Gesellschaft nicht entspricht. 

— Die „Lancet“ bringt in ihrer Nummer vom 20. ds. eingehende 
militärärztlichc Schilderungen aus der Feder Sir William Mac 
Cormac’s von der Schlacht bei C ölen so. Offenbar hat das 
englische Sanitätscorps sich der schweren Aufgabe, die diese Nie¬ 
derlage ihm stellte, vollkommen gewachsen gezeigt. Trotz heftigen 
Feuers wurden die Verwundeten auf dem Schlachtfeld aufgesucht, 
sofort verbunden, mit einer die Art der Verwundung angebenden 
Tafel versehen und dann nach dem Feldspital gebracht. Hier wur¬ 
den die leichteren von den schwereren Fällen gesondert, was durch 
die genannte Tafel sehr erleichtert war und Letztere neu verbun¬ 
den und operirt. Ueher 800 Verwundete passirten am 15. December 
das Feldspital; nachdem um 2 Uhr der Kampf eingestellt war, waren 
um 0 Uhr Abends sämmtliche Verwundete vom Schlachtfeld herein- 
geholt. Am 2. Tag nach der Sehlacht, am 17., war das Feldspital 
geräumt und sämmtliehe Verwundete nach den Lazarethen und 
Hospitalschiffen in Esteourt, Pietermaritzburg und Durban verbracht. 
Mac Cormac fügt seinem Bericht eine reiche Casuistik bei. 

— Pest. Britisch-Ostindien. In der Woche vom 9. bis 16. De¬ 
cember v. Js. hat die Zahl der Todesfälle an Pest wieder etwas 
zugenommen; sie betrug 1686 gegen 1579 in der Vorwoche. Das 
Ansteigen ist hauptsächlich durch die aus Hyderabad nachträglich 
gemeldeten Fälle bedingt. — Zanzibar. An Bord eines am 12. Dec. 
v. Js. in Zanzibar eingetroffenen deutschen Dampfers war laut 
Sterberegister unterwegs eine Indierin an der Pest verstorben. Dem 
Schiff, welches schon in Momhussa zum freien Verkehr nicht zu- 
gelassen war, wurde in Zanzibar eine zweitägige Quarantäne auf¬ 
erlegt. Verdächtige Erkrankungen waren an Bord sonst nicht 
beobachtet. — Brasilien. Zufolge einer Mittheilung vom 9. Januar 
sind in Sao Paulo innerhalb der letzten zwei Wochen 10 Fälle von 
Pest, davon 4 mit tödtlicheni Verlaufe festgestellt worden. — 
Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des Nationalgesundheits- 
raths zu Asuncion kamen vom 17. bis 24. November v. Js. 3 er¬ 
wiesene, 5 verdächtige Erkrankungen und 1 Todesfall an der Pest 
zur Anzeige, vom 25. November bis 1. December 5 erwiesene Er¬ 
krankungen, 1 verdächtiger Krankheitsfall und 4 Todesfälle, vom 
2. bis 9. December 1 Erkrankung und 2 Todesfälle. Nach derselben 
Quelle sind bis zum 24. November dort 100 erwiesene Fälle von 
Pest (von denen 46 mit dem Tode endeten) vorgekommen, und 
zwar wurden beobachtet im Militärspital bis zum 4. September 28 
(14), sonst im September 25 <7), im October 32 (19), im November 
15 (6). — Neu-Caledonien. In Numea sind am 26. December v. J. 
25 Pesterkrankungen mit 15 Todesfällen festgestellt worden, vom 
26. bis 31. December 12 Erkrankungen und 6 Todesfälle. 

V. d. K. G.-A. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




140 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


— Nicht allein London (s. vor. No.), sondern noch viele andere 
grössere englische Städte sind zur Zeit von der Influenza heim- 
gesucht und weisen daher, im Gegensatz zu gewöhnlichen Zeiten, 
sehr hohe Sterblichkeitsziffern auf; so betrug die Sterblichkeit aufs 
Jahr und 1000 Einwohner berechnet in Portsmouth 42,11, in Ply¬ 
mouth 49,7, in Croydon 40,5, in Brighton 44,9, in Nottingham 40,8, 
in Preston 42,5. 

— In der 1. Jahreswoche, vom 31. Dec. 1899 bis 6. Januar 1900, 
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste 
Sterblichkeit Danzig mit 33,9, die geringste Ulm mit 9,7 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen Btarb an Masern in Köln, Mühlheim a. Rh., Plauen; 
an Scharlach in Borbeck, Duisburg; an Diphtherie und Croup in 
Görlitz. 

— Aus Anlass der Eröffnung der Lungenheilstätte in Belzig 
hat Geheimrath v. Leyden den Itotlien Adler-Orden II. CI. mit 
Eichenlaub, Geheimrath B. F r ii n k e 1 denselben Orden UL CI. 
mit der Schleife erhalten. 

(Hochschulnachrichten.) 

M ii n c h e n. Am zahnärztlichen Institute der k. Universität 
München werden 3 Abtheilungen errichtet, eine Abtheilung für 
Zahn- und Mundkranklieiten, eine Abtheilung für conservirende 
Zahnheilkunde und eine Abtheilung für Zahntechnik. Die 
Leitung der Abtlieilung für Zahn- und Mundkranklieiten wurde 
dem Institutsvorstande, ausserordentlichen Professor Dr. Jacob 
Berten, dann die Function eines ersten Lehrers am zahn¬ 
ärztlichen Institute und Leiters der zalintechnisclien Abthei¬ 
lung desselben dem Privatdocenten für Zahnheilkunde ah 
der kgl. Universität München Dr. Gottlieb Fort lind die 
conservirende Zalmheilkunde an diesem Institute dem approbirten 
Zahnarzt und dermaligen prakt. Zahnarzt in Braunschweig, Hof¬ 
zahnarzt Dr. Otto Walk ho ff übertragen; zugleich wurde der 
erste Lehrer, Privatdoceut Dr. Port, mit der Stellvertretung des 
Institutsvorstandes betraut. 

Genua. Ilabilitirt: Dr. G. Lusena für allgemeine Patho¬ 
logie. 

Neapel. Habilitirt: Dr. A .Z i n n o für allgemeine Patho¬ 
logie, Dr. A. Virdia für chirurgische Anatomie und operative 
Medicin, Dr. E. Rossi für chirurgische Pathologie, Dr. G. Pic- 
c o 1 i für Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Ofen - Pest. Der a. o. Professor an der med. Facultüt 
zu Tübingen, Dr. M. v. Lenhossö k, wurde an Stelle des ver¬ 
storbenen Prof. Mihalkovicz zum o. Professor der Anatomie 
ernannt. Habilitirt: Dr. W. Friedrich für Gewerbekrank¬ 
heiten. 

St. Petersbu r g. Habilitirt an der militär-medicinischen 
Akademie: Dr. L. P o p e 1 s k y für Physiologie, Dr. D. Kurajeff 
für medicinische Chemie, Dr. C. Georgiewsky für innere 
Medicin. 

Prag. Habilitirt: Dr. A. He ve roch für Neurologie und 
Psychiatrie an der czecliisclien med. Facultüt. 

Tnri n. Habilitirt: Dr. J. A r s 1 a n und G. Strazz a für 
Oto-Rhino-Ln ryngologie. 


Amtliches. 

Der Berliner Polizeipräsident hat unterm 1. Januar 1900 
folgende Verordnung erlassen: 

Auf Grund der §§ 143 und 144 des Gesetzes über die allge¬ 
meine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Ges.-S. S. 195 ff.) und 
der §§ off. des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 
1850 (G.-S. S. 205) wird hierdurch nach Zustimmung des Gemeinde¬ 
vorstandes für den Stadtkreis Berlin Folgendes verordnet: 

§ 1. Gegenstände, Mittel, Einrichtungen und Methoden, welche 
dazu bestimmt sind, die Empfängniss zu verhüten oder geschlecht¬ 
liche Erregungen hervorzurufen, dürfen weder öffentlich angepriesen, 
angekündigt, noch in öffentlichen Anstalten (Badeanstalten, Cur- 
anstalten und ähnlichen) in Anwendung gebracht werden. 

§ 2. Gegenstände, Mittel, Einrichtungen und Methoden zur 
Verhütung oder Beseitigung von Geschlechtskrankheiten oder der 
Folgen geschlechtlicher Ausschweifungen dürfen weder öffentlich 
angepriesen noch angekündigt werden. 

§ 3. Gegenstände oder Mittel der in den §§ 1 und 2 bezeich- 
neten Art dürfen in Schaufenstern oder in dem Publicum zugäng¬ 
lichen Localen nicht öffentlich ausgelegt, auch nicht durch Auto¬ 
maten verkauft werden. 

§ 4. Verordnungen approbirter Aerzte, welche dazu bestimmt 
sind, Gefahren für Leben und Gesundheit zu verhüten oder zu 
beseitigen, werden von den Bestimmungen in den §§ 1—2 nicht 
betroffen. 

§ 5. Uebertretungen dieser Verordnung werden, soweit nicht 
nach den bestehenden Gesetzen eine höhere Strafe verwirkt ist, 
mit Geldbusse bis zu 30 Mark bestraft, an deren Stelle im Nicht¬ 
beitreibungsfalle verhältnissmässige Haft tritt 


Correspondenz. 

Nach längerer Abwesenheit zurückgekehrt, finde ich eine Er¬ 
klärung des Herrn Prof. v. Esmarch in der Münch, med. 
Wochenschr. vom 26. XII. 1899 gegen meinen Artikel über die un¬ 
heilvollen Verhältnisse der medicinischen Klinik in Kiel. Den 
Artikel hatte ich mit meinem Namen nicht unterzeichnet, um die 
Ansicht nicht auf kommen zu lassen, dass er durch meinen früheren 


verehrten Chef, Geheimrath Quiucke, veranlasst sei, der von 
meinem Vorgehen absolut keine Kenntuiss hatte. Es handelte 
sich auch nicht um persönliche, sondern um sachliche Fragen. 
Die Person des Herrn Prof. v. Esmarch musste hinein- 
gezogen werden, weil er die Ursache dieser unglücklichen Verhält¬ 
nisse ist. Statt auch nur eine der vielen angeblichen Unwahrheiten 
und entstellten Thatsachen richtig zu stellen, verwaist Herr Prof, 
v. E s m arcli nur auf seine künftig erscheinenden Erinnerungen, 
deren Leserkreis naturgemäss ein beschränkter ist, und beschliesst 
seine Ausführungen mit einem unqualifleirbaren Ausfall gegen den 
Verfasser. Demgegenüber halte ich meine Darstellung vollständig 
aufrecht; denn sie ist nach actenmässigen und feststehenden That¬ 
sachen gegeben. Sollte Herr Prof. v. Esmarch wirklich noch 
im Zweifel darüber sein, so möge er sich an seine sämmtlichen 
Facultätsgenossen wenden. 

Kiel, 14. Januar 1900. 

Dr. med. N ö 1 k e , 

früher Oberarzt an der med. Klinik zu Kiel. 


Briefkasten. 

Herrn Dr. Sc lim. in H. Ihre Anfrage, ob cs zulässig ist, dass 
ein appr. Bader Keeepte verschreibt und ob für den Fall der Nicht¬ 
zulässigkeit eine Anzeige an das zuständige Bezirksamt von Erfolg 
sein wird, bezw T . ob gegen den betr. Bader auf die diesbezügliche 
Anzeige vorgegangen werden muss, ist dahin zu beantworten, dass 
es unzulässig ist, wenn ein approb. Bacler Keeepte verschreibt. 
Nach der Königlichen Verordnung vom 31. März 1899, die Verhält¬ 
nisse der Bader betr., £ 5 Ziff. 3 gehört zu den Befugnissen der 
Bader „die erste Hilfeleistung bei sonstigen Erkrankungen, jedoch 
mit Ausschluss der Verordnung innerer Arzneien.“ 
Badern, welche ihre Befugnisse überschreiten, kann das Bezirksamt 
die Berechtigung zur Führung des Titels „Bader 4 entzogen werden; 
zu einem s tra f re c li 11 i ch e n Einschreiten gegen die Bader wegen 
Ueberscbreitung ihrer Befugnisse fehlen die nöthigeri gesetzlichen 
Handhaben. Dagegen macht sich der Apotheker strafbar nach § 367 
Ziff. 5 des Strafgesetzbuches, wenn er die Recepte von Badern an¬ 
fertigt, da er durch £ 20 Ziff. 3 der Verordnung vom 8. December 1890 
Recepte von Personen, welche notorisch nicht zu den berechtigten 
Medicinalpersonen gehören, unbedingt zurückzuweisen hat. 


Personalnachrichten. 

(B a y e r n.) 

Niederlassung: Dr. Hans Kirchner, appr. 1896, als Augen¬ 
arzt in Bamberg. Dr. Albert Reichel, appr. 1898, in Bayreuth. 
I)r. Jul. Gotthard t, appr. 1895, aus Weilburg a. L. in Zeil a.M. 

Verzogen: l)r. Georg Adam von Zeil a.M. nach Kolmar. 
Dr. Ernst Meixner von Michelau nach Liehtenfels (nicht 
Birkenfels, wie es in No. 2 hiess). 

Berufung: Zu der Function eines Mitgliedes des Kreismedi- 
cinalausschusses von Oberbayern w r urde der praktische Arzt Dr. 
Georg Ritter und Edler v. Dali’Armi in München berufen. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten fdr München 

in der 1. Jahreswoche vom 31. Dec. 1899 bis 6. Jan. 1900. 

Betheil. Aerzte 280. — Brechdurchfall 11 (6*), Diphtherie, 
Croup 20 (14), Erysipelas 13 (5), Intermittens, Neuralgia interm. 
3 ( - ), Kindbettfieber — (—), Meningitis eerebrospin — (—), Morbilli 
372 (414), Ophthalmo-Blennorrhoea neonat. 1 (1), Parotitis epidem. 
8 (3), Pneumonia crouposa 23 (17), Pyaemie, Septikaemie — (—), 
Rheumatismus art, ae. 45 (27), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
5 (7), Tussis convulsiva 14 (16), Typhus abdominalis 2 (3), 
Varicellen 19 (23), Variola, Variolois — (—). Summa 536 (531). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 

(Berichtigung.) In der 44. Jahreswoche 1899 wurden irr- 
thtimlicher Weise zwei Fälle von Variolois zur Anzeige gebracht 
und in No. 4(5 d. W. veröffentlicht; von hier aus wurden sie auch 
vom Kgl. Statistischen Bureau entnommen und in No. 2 des Jahres 
1900 der medic. Wochenschrift unter „Morbiditätsstatistik der In- 
fectionskrankheiten in Bayern: October und November 1899“ wieder 
auf geführt. Die zwei Fälle von Variolois sind aber lediglich — wie 
hiermit berichtigt wird — Varicellen. 


Uebersicht der Sterbefälle in München. 

während der 2. Jahreswoche vom 7. bis 13. Januar 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000. 

Todesursachen: Masern 11 (6*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Croup 2 (3), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 3 (—), Unterleibstyphus 
1 (—), Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündung — (—), 
Tuberculose a) der Lungen 28 (19), b) der übrigen Organe 6 (4), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 6 (4), Unglücksfälle 1 (4), Selbstmord — (2), Tod durch 
fremde Hand 6 (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 196 (201), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 22,0 (23,1), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,6 (15,8). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 
Verlag von J. F. Lehmann in München. — Druck von E. Mühlthaler’g Buch- and KunBtdruokerel A.G., München. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





Die Münch. Mc<l. Wochenschr. erscheint wöchentl. 
in Nummern von durchschnittlich 4—5 Bogen, 
l’rels In Deut«chl. n Oest.-Ungam vlerteljfthrl. 6 JC, 
ms Ausland 7.50 JL Einzelne No. 60 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind zu adressiren: Für die Rednetion 
Ottostrasse 1. — Für Abonnement nn J. F. T.eli- 
mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Belingen 
an Rudolf Mossc, rromcnndejdntz 10. 



äDKMISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 

Ck. Blamier, 0. Bollinger, H. Carschnann, C. Gerhardt, W. ?, Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F. ». Wlnckel, H.». Zlenssen, 

Freibarg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


M 5. 30. Januar 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

i\us der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Professor 
Dr. F. Riegel iu Giessen. 

lieber Resorption und Fettspaltung im Magen. 

Von Dr. Franz V o 1 h a r d , Assistenzarzt an der med. Klinik. 

Von den 3 Functionen des Magens, der secretorischen, der 
motorischen und der resorptiven Function sind uns die beiden 
erstoren in ihrem normalen und pathologischen Verhalten un¬ 
gleich besser bekannt, als die dritte. Zwar haben zahlreiche 
Forscher [1] die Resorption im Magen — meist des Hundes — 
untersucht, und v. M e r i n g [2] sowohl wie Moritz [3] 
sind dabei u. a. zu dem höchst überraschenden Ergebnis» gelangt, 
dass diese Function des Magens — der Wasser gar nicht, Zucker 
z. B. nur aus ungewöhnlich concentrirter Lösung, Alkohol sehr be¬ 
gierig resorbirt — von einer viel geringeren Bedeutung ist, als 
man bisher gemeinhin annahm. Allein gerade durch diese exacten 
Untersuchungen wurde die einzige Methode, welche man bisher 
zur klinischen Prüfung der in Rede'stehenden Function besass, 
als unbrauchbar erkannt. 

v. Mering [4] wies durch überzeugende Versuche nach, 
dass diese von P e n z o 1 d t [5] und F a b e r angegebene Methode 
der Resorptionsprüfung durch Eingabe von Jodkali und Be¬ 
stimmung des Zeitpunctes der ersten Jodreaction in Speichel oder 
Ilam auf einer falschen Voraussetzung beruhe. 

Im geschlossenen Magen wird Jodkali, wie schon Brandl [1] 
für verdünnte, wässrige Lösungen dieser Substanz gefunden hatte, 
gar nicht resorbirt, um so begieriger nach Verlassen des Magens 
im Duodenum.- 

Demnach ist diese Methode eher geeignet, die Bewegungs¬ 
energie des Magens zu prüfen, nicht aber die resorptive Thätig- 
keit. 

In der That hatten auch alle auf diese Methode basirten 
Untersuchungen [6] über das Verhalten der Resorption im 
kranken menschlichen Magen übereinstimmend nur das eine er¬ 
geben: Verlangsamung der Resorption bei Magendilatationen 
wegen Pylorusstenose. 

Ebenso ungeeignet erschienen v. M e r i n g [4] Versuche [7], 
nach Einverleibung concentrirter. Zucker- oder Salzlösungen in 
den Magen, aus Abnahme der Concentration auf Resorption zu 
sehliessen, nachdem er selbst eine starke Verdünnung concentrir- 
ter Lösungen durch Wasserabscheidung in den Magen bewiesen 
hatte. 

Um diese uncontrolirbare Fehlerquelle auszuschalten, kam 
v. Mering [8] auf die ingeniöse Idee, der Zuckerlösung eine 
Substanz als Begleitung mitzugeben, welche vollständig gleich- 
massig vertheilt, gleicnen Antheil nähme an der durch Wasser¬ 
abscheidung bewirkten Verdünnung und an der durch die moto¬ 
rische Thätigkeit des Magens bewirkten Verminderung der ein¬ 
geführten Gesamintfliissigkeit, dagegen im Magen nicht resorbirt 
und nicht verändert werde. 

Diese Bedingungen schien das Fett in Form einer feinen 
und beständigen Emulsion zu erfüllen und v. Mering schlug 
vor, zur Prüfung der Resorption eine Eigelbemulsion von hohem 
Ti aubenzuckergehalt zu verwenden, da diese sehr leicht herzu¬ 
stellen und ausgezeichnet haltbar ist. Es leuchtet ohne Weiteres 
ein, dass das Verhältniss von Zucker zu Fett in einer derartigen 
No. 5. 

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Emulsion weder durch Verdünnung geändert wird, noch durch 
Verminderung der Gesammtmenge, vorausgesetzt, dass: 

1. das Fett in der Emulsion ganz gleichmässig vertheilt ist, 

2. das Fett im Magen keine Veränderung, keine Resorption 
erleidet. 

In der That fand v. Mering in mehreren gleichen Por¬ 
tionen einer Eigelbzuckeremulsion die gleichen Gewichtsmengen 
Aotherextract, gleichgiltig, ob die Eigelbemulsion durch Pepsin¬ 
salzsäure der künstlichen Verdauung unterworfen war; er ge¬ 
wann aus dem doppelt unterbundenen Hundemagen in 2 Ver¬ 
suchen das als Eigelbzuckeremulsion eingeführte Fett nach 
4 Stunden so gut wie quantitativ zurück, und er fand die Emul¬ 
sion nach dem Aufenthalt im Magen noch fein vertheilt. 

v. Mering [4] untersuchte mit dieser Methode die Resorption 
an 5 Gesunden und 7 Magenkranken, fand eine Resorption von 
ca. 15 Proe. Traubenzucker in 2—2‘/ 2 Stunden und kommt zu dem 
Schlüsse, dass bezüglich der Resorption bei gesundem und kranken 
Magen kein nennenswerther Unterschied besteht, gemäss seiner 
Auffassung, dass lediglich osmotische Kräfte, keine Lebensthätig- 
keit der Schleimhaut, für die Resorption in Betracht kommen. 

Die erste Mittheilung über seine neue Methode machte 
v. Mering auf dem Congress für innere Medicin im Jahre 1897. 
Schon im Winter jenes Jahres hatte Herr Dr. Grote, früherer 
Assistent von Herrn Geheimrath Riegel, im Giessener medici- 
nischen Laboratorium diesbezügliche Versuche angestellt, ohne zu 
befriedigenden Ergebnissen zu gelangen. Bald darauf versuchte 
ich, unabhängig von ihm, das Gleiche, und im Winter 1898 be¬ 
gannen wir gemeinsam von Neuem. Die meisten Schwierigkeiten 
fanden wir darin, mit, der üblichen Methode, Trocknen auf Sand 
und Extraction im S o x h 1 e t’schen Apparat, übereinstimmende 
Fettanalysen zu erhalten. 

Unglücklicher Weise musste ich die 8 Versuche von einer 
grossen Reihe, bei denen es endlich gelungen war, einigermaassen 
stimmende Analysen zu erhalten, nachträglich ausschalten, weil 
uns die Eigenschaft frisch bereiteter Zuckerlösungen, ganz er¬ 
heblich stärker das polarisirte Licht zu drehen, als ihrem Gehalt 
an Dextrose entspricht, leider unbekannt war. 

Dieser höchst mühsamen und zeitraubenden Methode der 
Fettbestimmung — die Emulsion musste sehr lange und ganz 
sorgfältig mit Sand getrocknet und die steinharte Masse äusserst 
vorsichtig und fein pulverisirt werden, um leidlich brauchbare 
Zahlen zu erhalten — wurde ich durch die grosse Liebenswürdig¬ 
keit meines hochverehrten früheren Lehrers enthoben. 

Herr Prof. v. Mering theilte mir nämlich gelegentlich 
eines Besuches sein überraschend einfaches und schönes Verfahren 
der Fettbestimmung mit, wofür ich ihm nochmals meinen auf¬ 
richtigsten Dank ausspreche. 

Ich habe nun eine grössere Anzahl von Versuchen an Ge¬ 
sunden und Kranken angcstellt, deren Ergebniss ich im Folgenden 
mittheile. Leider verlor ich bei Beginn der neuen Serie die Mit¬ 
arbeiterschaft des Herrn Dr. Grote, der damals eine grössere 
Reise antrat. Ich möchte aber nicht verfehlen, ihm auch an 
dieser Stelle für seine liebenswürdige und werthvolle Hilfe bei 
zahllosen, leider vergeblichen Versuchen meinen allerherz¬ 
lichsten Dank zu sagen. 

Die Fettbestimmung in der Eigelbemulsion vor und nach 
ihrem Aufenthalt im Magen geschah nach der von v. M e - 
ring [4] jüngst veröffentlichten Methode: 

1 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







142 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


10 ccm der Flüssigkeit wurden mit 15 g Kaolin und einer 
Messerspitze Calciumcarbonat in einer Porzellanschale zu einer 
bröckeligen Masse verrieben, nach einigen Stunden 10 g Natrium 
sulfuricum purissimum siccum innig zugemischt und mindestens 
24 Stunden stehen gelassen. Während derselben liess sich die 
Masse ohne Mühe zu einem staubfeinen Pulver verreiben. Dieses 
wurde im S o x h 1 e t’schen Extractionsapparat 8 , später 24 Stun¬ 
den extrahirt. Der Rückstand im Trockenschrank mehrere 
Stunden getrocknet und gewogen. 

Die Zuckerbestimmung geschah auf Rath Grote’s nicht 
durch Titration, sondern durch Polarisation, nach Klärung der 
Eigelbzuckeremulsion mittels HOI und Phosphorwolframsäure. 

20 ccm der Flüssigkeit wurden in ein 100 ccm Messkölbchen 
mit Pipette abgemessen, 5 —10 ccm concentrirte HCl und etwa 
30—40 ccm 5proc. Phosphorwolframsäure zugefügt, und bis zur 
Marke mit Wasser aufgefüllt. Hierauf wurde durch ein trockenes 
Filter filtrirt, die erste kaum getrübte Portion wieder in der 


Messflasche auf gefangen und das ganz klare, wasserhelle Filtrat 
polarisirt, die abgelesene Zahl mit 5 multiplicirt. Da mehrfache 
Drppelbestimmungen stets genau gleiche Zahlen ergaben, wurde 
in der Versuchsreihe die Zuckerbestimmung nur einfach aus¬ 
geführt ! ). 

Im Folgenden habe ich die Versuchsprotocolle in Form einer 
Tabelle zusammengestellt. Ich habe absichtlich vermieden, 
Mittelzahlen anzuführen, sondern bringe die Werthe in Milli¬ 
gramm für je 2 Fettanalysen aus der Stammlösung und der aus¬ 
geheberten Flüssigkeit, und in Folge dessen 4 mögliche Werthe 
für resorbirten Zucker, von denen jedesmal der grösste und 
kleinste procentisch berechnet wurde. 


0 Die Fehlerquellen des Apparates waren klein und constant: 
sie wurden an genauest hergestellten Lösungen von chemisch 
reinem Traubenzucker geprüft und waren bei der Ablesung von 
0—4 Proc. — 0, bei höheren Werthen —0,15 bis 0,2 Proc. 


Haupttabelle. 


1 Nummer 


Fett 

Zucker 

auf 10 g Fett 

R e sorbirter 

Zucker 

in g | in Proc. 

Dauer des 
Aufent¬ 
halts im 
Magen 
Stdn. 

Menge des 
Aus- 

geheberten 

ccm 

name 

magnose 

mg in 

Stamm 

[0 ccm 

Versuch 

g in 100 ccm 
Stamm j Versuch 

kommen Zucker 
in g 

Stamm j Versuch 

9 

10 

M. K. 

Hysterie 530 

Hyperacidität j, 530 

Atonia levis 

282 

284 

32,5 

14,5 

_ | 

«1 39 ! 51 > 42 

61,32 | 51,06 

i 

9,9 

10,26 

16,i 

16,7 

l l /2 

300 

Fr. P. 

572 

Carcin. hepatis. 

Achylia gastr. 

315 

300 

35,75 

19,5 

6,24 

6,19 

6,50 

0,5 

0! 

0,8 

0! 

17. 

— 

11 

V. 

l ! 637 

Cystenniere 

Cholelithiasis (f) 

' 644 

317 

306 

35 

15,5 

54,9 

54,3 

48,8 

50,6 

6,1 

4,3 

5,5 

3.7 

11,1 

6,8 

i 

Vji 325 

1 

12 

E. L. 

Mitralstenose und ! 442 

Insuff. Organische ■ 
Tricuspidalinsuff. | 

108 

114 

31,5 

7,5 

71,2 

70,0 

69,4 

65,8 

1,8 

5,4 

0,6 

4,2 

7,6 

0,86 

17* 

sehr gering 

-f 100 H 2 O 

13 

M. K. 

I 1 429 

cf. No. 9 

|| 422 

li 

282 

317 

270 

272 

33 

19,5 

16 

76,9 

78,2 

69.1 

61.2 

7,8 

9,1 

15,7 

17,0 

10,15 

21,7 

72 

70 

59,2 

58,8 

17,7 

19,0 

18,0 

19,4 

23 

24,8 

17* 

180 

14 

V. 

I 

508 

cf. No. 11 

508 

294 

276 

179 

168 

31 

16,75 

8,25 

61,02 

60,69 

56,97 

0,33 

5,05 

0,54 

8,27 

7« 

80 

46,09 

49,11 

14,93 

11,91 

24.4 

19.5 

172 

280 

15 

W. H. 

■ 496 

Hysterie , 

Anaemie 1 

p 493 

254 

267 

200 

214 

33,25 

19,25 

14,5 

67,04 

67,44 

75,79 

72,13 

f 

4 

f 

♦ 

7* 

80 

72,5 

67,76 

f 

♦ 

» 

♦ 

172 

150 

16 

W. H. 

il 

; 478 

|! 

cf. No. 15 

ij 470 

298 

310 

174 

148 

34 

21,25 

13,75 

71,13 

72,34 

71,31 

72,13 

1,03 

0,21 

1,42 1 

0,29 

V 2 

110 

79,02 

93 

i 1 i 
♦ 

172 

155 

17 

H. W. 

fci \\ 530 

Alkoholismus 

1 538 

| 324 

290 

38,5 

24,25 

___J 

72,64 

71,56 

; 74,84 
! 83,62 

! 

♦ 

i 

♦ 

7* 

80 

18 

H. W. 

cf. No. 17 

500 

493 

274 

300 

30,25 

19,5 

60,5 

61,36 

71,16 

65,0 

! 

♦ 

t 

♦ 

72 

75 

19 

H. 

Nephrodynie „ 

359 

334 

- 

20,5 

60,5 

61,36 

57,10 

61,38 

3,4 

4,26 

5,6 

6,9 

72 

105 

20 

W. II. 

i 

1 514 

cf. No. 15 

530 

l ! 

152 

! 149 

144 

j 162 

34,5 

10,5 

13,0 

67,10 

65,09 

nS9,13~“ 
! 70,47 

i 90,2 

1 80,2 

j 

\ 

♦ 

f 

♦ 

i 

♦ 

7* 

172 

80 

215 


Digitized by 


Gck 'gle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


143 


tu 

a 



Fett 

Zucker 

a u f 10 

g Fett 

Resorbirter 

Dauer des 
Aufent- 

Menge des 
Aus- 

Name 

Diagnose 





i _ 




halts im 
Magen 

a 

3 

mg in 

10 cc 

g in 100 cc 

Kommen zmcaer 
in g 

Zucker 

geheberten 



Stamm 

Versuch 

Stamm 

Versuch 

Stamm 

Versuch 

in g 

in Proc. 

Stdn. 

ccm 

21 

M. G. 

Chlorosis gravis 


295 

285 


20 

67,10 

67,09 

67,79 

70,17 

i 

♦ 

f 

♦ 

7» 

90 


155 


9,25 


61,66 

5,44 

3,34 

7,42 

6,41 

5,27 

V/2 

175 








150 



59,68 

11,06 





560 

358 



56,69 


3,55 

6,26 



22 

Fr. D. 

Neuralgie 



31,75 

19,0 

53,14 

'h 

90 




576 

357 



55,12 


1,98 

3,72 







369 


18,75 

56,69 

50,95 

5,75 

7,3 

4,17 

5,72 

13 

7, 

90 





380 


55,12 

49,4 

7,5 



23 

E. K. 

Chlorose 









Mitral insuff. 


199 

176 


7,5 

37,69 

„ t" ■" *"’• ‘ h 

42,61 

19,00 

14,08 

17,43 

12,51 

33,5 

22,7 

1 '/* 

125 



24 

P. 

Hernia 

epigastriea 

621 

268 

36 

13,5 

58,03 

50,37 

7,66 

8,69 

8,16 

9,19 

13,27 

l l /2 

_ 




615 

274 



58,53 

49,34 

15,8 







260 



58,03 

48,08 

9,95 

8,63 

14,9 



25 

Fr. D. 

cf. No. 22 




12,5 




l»/2 

— 





253 



58,53 

49,40 

10,45 

9,13 

16,1 




Ren. mobilia 

626 

296 



55,51 


3,15 

5,7 



26 

Frl. H. 




34,75 

15,5 

52,36 

l'/i 

240 



Hysterie 

622 

296 

55,88 

3,52 

6,3 






248 




64,51 

f 

f 



27 

Frl. R. 

Hysterie 




16 

„ 

r/2 

260 





237 




67,38 





i 



545 

244 



62,96 

63,52 

— 

— 



28 j 

| 

C. W. 

3 

Hysterie 

i_ _ i 

540 

255 

34 

15,5 

62,29 

60,78 

2,18 

1,51 

3,46 

2,4 

V/2 

260 





249 




62,25 

0,71 

0,04 

0,064 



29 j 

K. 

cf. 19 

! 



15,5 




V/2 

180 

1 



, i 

252 

” j 



61,51 

1,45 

0,78 

2,3 


30 

Frl. R. 

cf. 27 | 

KB. In den folgenden i 
Versuchen wurde die < 

556 
! (0,5) 

220 

(5,8) 


13,0 

53,33 

59,09 

J 

J 


150 

Acidität der Extracte 1 
l>estimmt. Die eiuge- 
klammerten Zahlen be- ! 
deuten ecmy 10 NNaOH. 

596 
| (0,5) 

232 

(6,1) 

29,75 

49,88 

56,03 

2 


















155 

175 




87,1 

f 

♦ 

t 

♦ 



31 

1 

| 

Fr. K. 

Hysterie 

” 

174 

(5,8) 


13,5 


77,0 

2 

210 




1 



200 

(5,9) 




67,5 








658 
' (0,6) 

225 

(6,0) 

I 

j 



53,3 

f 

f 

17* 


32 

C. W. 

cf. 28 

31,5 

12,0 

47,72 


275 




658 

232 




51,7 








(0,6) j 

(6,0) 








33 

B. L. 

’i 

Gastroenteritis 
acuta j ” 

278 

(9,0) 

309 

(8,2) 

” 

15,0 

- 

53.2 

48.2 

? 

♦ 

! 

♦ 

l v» 

265 

34 , 



551 

(1,0) 

264 

(6,4) 



55,9 

58,71 

\ 

♦ 

♦ 

l'/a 


Fr. K. 

cf. 31 


30,75 

j 15,5 



— • 

i 



554 

(0,9) 

250 

(6,0) 


1 

1 

! 

55,5 

62,0 









197 

(5,3) 




58,37 

— 

— 



35 j 

H. R. 

Psoriasis 


208 

« 

11,5 

- 

55,29 

0,61 

1,1 

Vfa 

— 





(5,4) 




0,21 

0,38 




1 * 


Digitized by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 










144 


MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5 


(h 



Fett 

Zucker 

auf 10 

g Fett 

Resorbirter 

Dauer des 
Aufent- 

Menge des 
Aus- 

Name 

Diagnose 



_ 


kommen 

Zucker 



halts im 

a 

3 


10 cc 

g in 100 cc 


geheberten 


mg in 

in 

g 



Magen 



Stamm 

Versuch 

Stamm 

Versuch 

Stamm 

Versuch 

in g 

in Proe. 

Stdn. 

ccm 

36 

: 

E. G. 

Skrophulose 

Ekzem 

578 

( 0 , 6 ) 

575 

( 0 , 6 ) 

171 

(4,3) 

156 

(4,0) 

30,5 

8,0 

52,78 

53,04 

46,78 

51,28 

6,0 

6,26 

1,5 

1,76 

11,8 

2,8 

l */2 

125 

37 

M. A. 

Hysterie 


341 

(5,3) 


18,75 


54,99 

! 

t 

IV* 

185 





345 

( 6 , 1 ) 




54,34 








712 

( 0 , 6 ) 

296 

(7,2) 



33,93 

40,54 

! 

1 

l '/2 


38 

E. G. 

cf. 36 


28,75 

12,0 



— 




720 

(0,7) 

297 

(7,5) 

40,38 

40,40 








140 

(3,7) 




55,35 

t 

f 

17* 


39 

H. R. 

cf. 35 


126 

(3,3) 

” 

7,75 

” 

61,50 





40 

Fr. B. 

Carcinoma 

ventriculi 

589 

( 0 , 6 ) 

579 

( 1 , 0 ) 

315 

(8,5) 

244 

(6,9) 

27,75 

13,25 

47,11 

47,92 

42,06 

54,30 

5,05 

5,86 

10,7 

12,2 

17* 

150 





222 

(6,7) 




58,5 

— 

— 



41 

Fr. J. 

Tumor omenti? 

i 

„ 

276 

)) 

13,0 

» 

47,10 

0,01 

0,021 

i V* 

160 





(7,2) 




1 0,82 

1,1 






662 

( 0 , 6 ) 

224 

(5,7) 



41,16 

36,83 

4,33 

3,72 

9,17 

l */2 


42 

K. 

Achylia gastrica 

672 

1 (0,7) 

229 

(5,8) 

27 25 

8,25 

40,55 

36,03 

5,13 

4,52 

12,4 







263 

(7,4) 




34,60 

6,56 

5,95 

15,9 



43 

H. 

1 

Hypochylia gastr. j 

n 

261 

( 6 , 8 ) 

” 

9,1 

” 

34,86 

6,30 

5,69 

13,8 

17 * 




Ektasia ventr. Py¬ 

|| 562 

! ( 0 , 8 ) 

197 

(M) 



50,71 

45,68 

5,03 

3,97 

9,9 

8 



44 

Fr. W. 

lorusstenose 

28,5 

9 





17* 

350 



Motor. Insuff. H Gr. 

574 

( 0 , 8 ) 

170 

(4,2) 


49,65 

52,94 

— 

— 





680 

( 0 , 8 ) 

137 

(3,8) 



42,64 

76,71 

\ 

t 


200 

45 

K. 

1 

cf. 42 

j 

|\ 689 
i ( 0 , 8 ) 

148 

(3,9) 

29 

10,5 

42,09 

70,94 

17* 







1 

275 

(7,8) 




41,81 

0,83 

0,28 

0,67 

17 * 


46 

Fr. W. 

cf. 44 


„ 

11,5 





240 




; 

283 

(8,9) 



| 

40,63 

2,01 

1,46 

4,8 




Carcinoma ventr. 

| 460 

315 



58,15 

56,34 

1,81 

3 



47 

Fr. Sch. 

Ektasie. Stenosis j 

j 


26,75 

17,75 





17* 

300 



Pylori. 

477 

362 

( 10 , 0 ) 

56,07 

49,03 

9,12 

5,4 

15,6 

9,6 


47a 

Fr. Sch. 

i 

cf. 47 ; 

577 

1 ( 1 , 0 ) 

291 

(6,4) 

Eidottercmulsion ohne Zucker, das Ausgehebertc bildet eine 
tojdenartipe, kaum messende Masse. 

17 * 

280 




i 587 

I 1 (0,7) 

177 

(4,5) 



43,41 

56,49 

\ 

t 



47b 

M. H. 

Hysterie 

‘ 592 

: (0,7) 

174 

(4,5) 

25,7 

10 

43,81 

57,47 

17| 

260 



48 

Fr. Sch. 

cf. 47 

598 

(1,1) 

263 

(7,0) 

29 

13,75 

48,49 

52,28 

1 

♦ 

i 

♦ 

4 

450 

49 

_ 

J. M. 

Ektasia ventr. ! 

Stenosis pylori, 
(benigna). 

1 554 

| (i,o) 

381 

(6,24) 

31 

21,5 

55,95 

56,43 

i 

♦ 

1 

♦ 

17* 

285 

50 

1 

A. S. 

1 

Hypochylia 

, 809 

j (1,0) 

286 

(7,6) 

30 

11,3 

37,08 

39,51 

— 

— 

17 * 

235 

gastrica 

! 

, 802 
(1,0) 

326 

(8,5) 


37,40 

34,66 

2,42 

2,74 

6,5 

7,3 



Digitized by 


Goi igle 


Original ftom 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 















30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


14b 


v> 

<S> 



Fett 

Zucker 

auf 10 

g Fett 

Resorbirter 

Dauer des 
Aufent- 

Menge des 
Aus- 

B 

Name 

Diagnose 




_ 





halte im 
Magen 

B 

3 

mg in 

10 cc 

g in 100 cc 

Kommen ziucKer 
in g 

Zucker 

geheberten 




Stamm 

Versuch 

Stamm 

Versuch 

Stamm 

Versuch 

in g 

in Proc. 

Stdn. 

ccm 



Carcinom ventric. 

939 

! (1,2) 

301 

(8,88) 



35,67 

26,57 

9,10 

9,53 

26,7 



51 

J. W. 

ad pylor. et curv. 

33,5 

8,0 




2 

280 



minor. 

944 

1 (U2) 

306 

(8,88) 



35,48 

26,14 

8,91 

9,34 

25,1 



52 

M. B. 

Arthritis rheuma- 
tica 

986 

(0,95) 

966 

356 

(8,7) 

330 

(8,3) 

27,5 

10,65 

27,89 

28,46 

29,91 

32,27 

t 

♦ 

t 

♦ 

2*/2 

130 

53 

K. 

Tabes dors. Hypo- 
chylia gastrica 

" 

422 

(11,3) 

382 

(10,5) 


9,25 


21,91 

24,21 

5,98 

6,55 

3,68 

4,25 

23 

13,2 

2»/* 

180 


! C. Sch. 


967 

(1,0) 

354 

(10,6) 



27,92 

29,66 

f 

I 



54 


Phthisis incipiens 



27 

10,5 



2*/* 

125 


1 

998 

_(°^L.. 

288 

(8,5) 



27,05 

34,45 




55 

! J. B. 

Geheiltes Ulcus 
ventric. 

; „ 

177 

(5,2) 

256 

1 (7,5) 

- 

7,3 

n 

41,24 

28,51 

! 

♦ 

1 

♦ 

2 v* 

135 




; 1209 

1 (1.8) 

160 

(4,5) 



23,16 

37,5 

t 

1 



56 j 

M. B. 

cf. 52 i 

j 


28 

6 



21/2 

150 

1 



! 1194 

L_(1l 3 )_.„ 

180 

(5,0) 



23,45 

33,3 






Tabes mesaraica? 

465 

1 (2,0) 

207 

(4,7) 



49,68 

41,06 

7,3 

15 



57 

M. K. 

(Verdaute Eidotter-! 

23,1 

8,5 





IV* 

35 



| emulsion 1) 

l ! 

470 

, (2,2) 

153 

(4,6) 



49,01 

55,55 

— 

- 




Taenia 1 

222 

(0,4) 

; 112 
(3,7) 



11,26 

14,73 

— 

— 



58 

L. O. 

i (verdaute Milch j 
mit Lab gefällt) j 

230 
' (0,7) 

169 

(5,5) 

25 

17,5 

10,87 

10,35 

0,91 

0,42 

8,1 

3,8 

iv* 

125 


Für das uns zunächst interessirende Ziel, der Untersuchung 
der Resorptionsverhältnisse im Magen, ist das Resultat wenig be¬ 
friedigend. 

Zunächst fällt am meisten auf, dass in einem grossen Theil 
der Fälle von Gesunden wie Kranken gar kein Zucker resorbirt 
zu sein scheint. 


Resorptionstabelle I. 


Laufende 

Nummer 

Name 

Diagnose 

. 

Resorbirter 
Zucker 
in Proc. 

Dauer des 

5? Aufent- 
p- haltes im 
| Magen 

15 

W. H. 

Hysterie, Anaemie. 

— 

IV* 

16 

» n 

n w ...... 

— 

iv* 

20 


n » . 

— 

IV* 

27 

Frl. R. 

Hysterie . 

—■ 

2 

30 


fj .* * 

— 

2 

31 

Fr. L. K. 


— 

IV* 

32 

Ch. W. 



iv* 

33 

B. L. 

Gastroenteritis acuta . . 


l»/2 

34 

Fr. L. K. 

Hysterie . .... 


l‘/2 

37 

M. A. 

n . 


l*/2 

38 

E. G. 

SkrophuloBe. Ekzem .... 

_ 

11/2 

39 

H. R. 

Psoriasis . 

—- 

IV, 

45 

H. K. 

Achylia gastrica . 

— 

11/2 

47b 

M. H. 

Hysterie 

— 

l*/2 

48 

Fr. Sch. 

Carcin. ventr. Ektasie 





Stenosis pylori .... 

—■ 

4 

49 

J. M. 

Stenosis (benigna) pylori. 





Ektasie . 

— 

11/2 

52 

M. B. 

Acuter Gelenkrheumatismus . 

— 

, 2V* 

54 

Ch. Sch. 

Phthisis pulmon. incipiens . . 

— 

, 2 V* 

55 

J. B. 

Geheiltes Ulcus ventr. . 

—■ 

I 2‘/a 

56 

M. B. 

Acuter Gelenkrheumatismus . 

— 

I 2*/2 

[15] 

W. H. 

Hysterie, Anaemie . 

— 


[20] | 

*i 

. „ . 

—- 

1 V* 

[21] | 

| M. G. 

Chlorosis gravis. 

— 

i V* 


Digitized by Google 


Resorptionstabelle n. 


Laufende 1 
Nummer 

Name 

Diagnose 

Resorbirter 
Zucker 
in Proc. 
alle 4 Werthe 
berechnet 

Dauer d.Aulent-j 
haltes im Magen] | 

Bemerkungen 





St. 


10 

Fr. P. 

Carcinoma hepatis 






Achylia gastrica 

0.0. 0,8 

l«/2 


28 

Ch. W. 

Hysterie . 

0.0. 3,5 2,4 



35 

H. R. 

Psoriasis. 

0.0. 1,1 0,38 



40 

Fr. B. 

Carcinoma ventric. 

0. 0.10,7 12,2 



41 

Fr. J. 

Tumor omenti .... 

0.0. 1,1 0,02 



44 

Fr. W. 

Ektasie. Pylorus¬ 






stenose . 

0.0. 9,9 8 



50 

A. S. 

Hypochylia gastr. 

0.0. 6,5 7,3 



57 

! M. K. 

Tabes meseraica . . . 

0.0. 7,3 15 

IV* 

NB. verdaute Ei¬ 






gelbemulsion 

■ 58 

! L. Oe. 

Taenia. 

0.0. 8,1 3,8 

11/4 

NB. verdaute 






Milch 

[19] 

H. K. 

Nephrodynie. 

0.0. 5,6 6,9 

v* 


47 

Fr. Sch. 

Carcinoma ventr. 






Ektasie. Pylorus¬ 



! 


I 

stenose .... 

0.3. 9,615,6 



(Resorptionstabelle III siehe nächste Seite.) 


In einem anderen Theil sind von den 4 möglichen Werthen, 
retultirend aus den 2 Paar Fettzahlen für Stammlösung und für 
ausgeheberte Flüssigkeit, 2 Werthe positiv zwischen 0,8 und 
15 Proc. und 2 Werthe negativ = 0. 

Im 3. Theile ist von Gesunden wie Kranken Zucker resorbirt 
worden in sehr wechselnder Menge, von Spuren bis zu 33,5 Proc. 
Von einer auch nur annähernd fixirbaren Mittelzahl für den Ge¬ 
sunden kami keine Rede sein. Sogar die erhaltenen Zahlen für 
den einzelnen Versuch weichen meist soweit von einander ab, 
dass es unerlaubt scheint, eine Mittelzahl zu berechnen, man ver- 

Qriginal from 2 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


































140 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


Resorptionstabelle in. 


Laufende 1 
N u mrner 

Name 

| Diagnose 

1 

Zucker 
resorbirt 
in Proc. 
Grenzwerthe 

ii jii 

jli“il4 

Bemerk¬ 

ungen 



I 



Proc 1 St, 


9 

M. K. 

Hvpcracidität 



' 




1 A t o n i a levis. Hysterie 

10,1 

16,7 

3,0 1 '/■> 


11 

II. V. 

] Cvstenniere (-|-) Chole- 







j litliiasis. 

11,1 

0,8 

39 .1 1 / 2 


12 

E L 

j Herzfehler . 

7,0 

0,80 

88,7 !l-/a 


13 

M. K. 

j II y p e r a c i d i t ii t 







i A t o n i a 1 o v. 1-Ivsterie 

23 

24,8 

T.ätVl'/s 


14 

H V. 

Cvstenniere <-}-) Chole- 







! litliiasis. 

24,4 

19,5 

20 Vh 


15 

M. G. 

Chlorosis gravis . . . 

5,27 

11,00 

52,3 'l'/s 


23 

E. K. 

1 Chlorose, Mitralinsuff. 

33,5 

22,7 

33,2 ii /-.* 


24 

H. P. 

j Ilernia epigastrica . . 

13,2 

15,8 

16,4 l'/*l 


25 

Fr. D. 

: Neuralgie . 

14,9 

10,1 

7,4 'r/,' 


20 

Frl. H. 

' Ren. mnbilis. Hysterie 

5,7 

0,3 

9,5 ’l'/•.*! 


29 

H. K. 

i Nephrodvnie ... 

0,004 

2,3 

97,2 l'/2 

30 

E. G. 

j Skrophulose, Ekzem 

11,8 

2,8 

70,2 .l'/al 

42 

II Kl. 

j A c h y 1 i a g a s t r i e a . 

9,17 

12,4 

20 1 7-j 1 

40 1 

Fr. W. 

Ektasie. Stenosis 



! 

1 


1 Pylori. 

0,07 

4,8 ; 

so 1 17_>, 

51 ! 

.T. W. 

Care i n o ma v e n t r. 

20,7 

25,1 

5,9 i2‘ sl 

Gärung! 

53 II K. 

! H y p o e h v 1 i a g a s t r. 


i 


I 


Tabes dorsalis . . . 

23 

13,2 1 

12,0 2‘/2 

Gärung ! 

[13]; 

M. K. 

II y p e r a e i d i t ä t 



1 


i 


Atonia lev. Hysterie 

10,15 

21,7 1 

53,5 '/, 


[14] | 

II. V. 

cf. 11. 

0,54 

8,27 

93,4 '/, 


r22] 

Fr. D. 

cf. 25. 

0,26 

3,72 ! 

40,5 i */s 


i*s; 

1 

E. K. 

i 

cf. 23. 

33,5 

22,1 j; 

!4 >/, | 

• i 



Fehlertabelle. 


No. 

Differenzen in 
mg zwischendei 
2 Werthen der 
AetUerextrncte 
der j des 
Stamm- Ausge- 
lösung hebert. 

Differenzen in 
Proc zwisch den' 
2 Werthen der 
Aetherextracto 

der des 

Stamm- j Ausge- 
losung ! hebert 

No. 

Differenzen in 
mg zwischen den 
2 Werthen der 
Aetherextracto 
der des 

Stamm-, Ausge- 
lösung hebert. 

Differenzen in 
Proc. zwisch. den 
2 Werthen der 
Aotherextracte 
der j des 
Stamm- ■ Ausge- 
lösung I hebert. 

9 

0 1 2 

0 

1 

07 

! 32 

0 

i 

i 7 

0 

3,0 

10 

1 15 

0.17 

4,7 

| 33 

0 

31 

0 

1 10,0 

11 

7 ; n 

1.1 

3,4 

! 34 

3 

14 

0,54 

5,3 

12 

8 0 

1.8 

5„3 

1 35 

3 

■ 11 

0,54 

1 5,3 

[13] 

7 . 35 

1.6 

11,0 

36 

3 

15 

0,5 

! 8,8 

1.) 

[14] 

; 2 

1.6 

0,73 

, 37 

3 

4 

0,5 

i.i 

0 1 18 

0 

. 0,1 

j 38 

8 

1 

1,1 

! 0,3 

14 

11 

0 

1 0.1 

1 39 

8 

14 

1.1 

10,0 

[15] 

3 7 

0 0 

2,0 1 

40 

10 

71 

1,7 

i 22,5 

15 

14 

0.0 

6,5 

! 41 

10 

| 54 

1,7 

19,5 

f IG] 

8 12 

1.7 

3,9 , 

42 

10 

5 

1,5 

1 2,2 

10 

20 

1.7 

15,0 ! 

1 43 

10 

_2 

1,5 

0,76 

17 

8 , 34 

1.5 

10,5 ! 

1 44 

12 

27 

2.1 

13,7 

18 

7 26 

1.4 

8,7 | 

! 45 

9 

11 

1,3 

7,4 

.19 

7 25 

1.4 

7,0 

1 46 

9 

8 

1,3 

2,8 

[20] 

10 3 

3 

2 ; 

1 47 

17 

47 

3,4 

13,0 

20 

IS 

3 

11,1 i 

47 b 

5 

3 

0,84 

1,7 

[21] 

10 10 

3 

3,4 j 

50 

7 

40 

0,86 

12,2 

21 

5 

3 

3,2 1 

51 

5 

5 

0.53 

1 1,6 

[22] 

10 1 

2.8 1 

0,28 

51 a 

14 

6) 

1,5 

! 15,5 

[23] 

10 11 

2 8 

3 

52 

20 1 

20 

2,1 

7,3 

23 

23 

2 8 

1,1 

j 53 

20 

40 

2,1 

9,5 

[24 

0 0 

0 97 ! 

2 2 

54 

31 

60 

3,1 

18,6 

25 

0 7 

0.97 ; 

2j ; 

55 

31 

79 

3,i | 

30,8 

26 

4 0 

0.04 i 

0 

56 

15 

20 

i,2 

18,1 

27 

4 11 

0.04 

4,4 ! 

57 

5 

54 

1,06 | 

1 26 

28 

29 

5 11 

0.9 

4,5 

58 

8 

57 

3,4 | 

I 34 

5 3 

0.9 

1,2 [ 

Sa. »7 Doppelextraction. 

90 96 1 

448.87 

30 

31 

40 12 

40 20 

0.7 i 
0.7 ■ 

j 

5.1 

11,5 j 

mit einem durchs« hnitt- 
liehen Unterschied von 

1.59 

7.87 


Die eingeklammerten Zahlen bedeuten '/* ständige Versuche 

gleiche die Wert he 0,54 und 8,27, oder aus der vorhergehenden 
Reihe 0 und 7,3, 9,9, 12,2, 15. 

T in die Grösse des Fehlers in den positiven Versuchen zu 
illustrireu, habe ich ihn in Tabelle III proecntiseh aus der Diffe¬ 
renz zwischen größtmöglichem und kleinstmöglichem Werth be¬ 
rechnet und in den Columnen daneben aufgeführt. 

Digitized by Google 


Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass diese grossen Differenzen 
in den Werthen für resorbirten Zucker, gleichgiltig ob die 
absoluten Zahlen für den Zuckergehalt von Stammlösung 
und Ausgehebertem richtig sind, unter allen Umständen auf die 
Fettanalysen zurückzuführen sind. Wir müssen uns also die 
Zahlen der Aetherextracto genauer betrachten. Zu dem Zweck 
stelle ich in einer Fehlertabelle die Differenzen zwischen 
den beiden Werthen der beiden Lösungen zusammen und berechne 
aus den Differenzen den jedesmaligen procentischen Fehler. 

(Fehlertabelle siehe auf nebenstehender Spalte.) 

Es fällt sofort ein grosser Unterschied auf. Die Aether- 
extraete der Stammlösung halten sich innerhalb bescheidener 
Fehlergrenzen. Von 57 Extractionen beträgt in 21 der procen- 
tische Fehler weniger als 1 Proe., in weiteren 20 ist er kleiner als 
2 Proc. 

Hingegen finden wir bei den Aetherextracten des Ausge¬ 
heberten grosse Fehler. Nur in 6 von 57 ist der Fehler kleiner 
als 1 Proc., in 4 unter 2 Proc. und sogar in 18 von 57 beträgt der 
Fehler mehr als 10 Proc.! 

Dementsprechend beträgt der durchschnittliche Fehler aller 
Werthe der Stammlösung 1,59, des Ausgeheberten 7,87 Proc. 

Aus dieser auffallenden Erscheinung ergibt sich, glaube ich, 
ohne Weiteres, dass der Hauptgrund für derartige grosse Diffe¬ 
renzen nicht in der Extractionsmethode und nicht in der Technik 
der Methode liegen kann, in ungenügend sorgfältiger Aus¬ 
führung, da die zu extrahirenden Theile der Stammlösung wie 
der ausgeheberten Flüssigkeit stets gleichzeitig und gleichmässig 
angesetzt und behandelt wurden» 

(Schluss folgt) 


Aus der Universitäts-Augenklinik zu Würzburg, Professor 
v. Michel. 

Untersuchungen über die Einwirkung neuerer Anti- 
septica auf inficirte Hornhautwunden.*) 

Von Dr. Wilhelm Hauepschild, Oberarzt im 2. Feld-Art.- 
Reg., commandirt zur Augenklinik. 

Seitdem die glänzenden Erfolge der L i s t e r’schen Wund¬ 
behandlung im Fluge die Runde durch die ganze medicinische 
Welt gemacht haben, ist dieselbe allüberall mit einer Anhänglich¬ 
keit und Ueberzeugungstreue geübt worden und wird vielfach 
auch heute noch geübt, die insofern etwas Ueberraschendes hat, 
als man inzwischen mancherlei Lücken in dem exacten Aufbau 
der neuen Theorie aufdeckte. Es entstand zwar eine grosse 
Reihe von Untersuchungen über die desinficirende Wirkung der 
verschiedenen Antiseptica, denn jedes neue der uns von der 
Chemie in so übergrosser Zahl zur Verfügung gestellten Mittel 
wollte daraufhin geprüft sein, aber gewöhnlich wurde dieselbe 
im Reagcnsglas, in der Bouilloncultur, am Seidenfaden aus¬ 
geführt, nicht am lebenden Körper. Man nahm scheinbar als 
selbstverständlich an, dass, wenn pathogene Mikroorganismen 
binnen einer gewissen Zeit durch ein Antisepticum auf Nähr- 
matcrial abgetödtet würden, die gleiche desinficirende Wirkung 
auch auf der inficirten Wunde eintreten werde. 

Erst in den letzten Jahren ging man dazu über, die Wirkung 
der Antiseptica direct an inficirten Wunden zu versuchen, eine 
unzweifelhaft exactere Prüfungsmethode, deren Hauptvertreter 
S o h i m m e 1 b u s c h l ) wurde. In überraschender und fesseln¬ 
der Weise gab derselbe an der Hand seiner classischen Versuche 
bekannt, dass, wenn man bei Mäusen oder Kaninchen in ver- 
hältnissmässig glatte Schnittwunden infectiöses Material in 
Cultur oder Gewebssaft in nicht einmal übergrosser Menge ein¬ 
reibt, trotz sofort eingeleiteter Wunddesinfection unter Be¬ 
nutzung der kräftigsten Desinfectionsmittel (lprom. Sublimat, 
5 proc. Carbolsäure, concentrirter Carbolsäure, Salpetersäure, 
kochendem Wasser) auch nicht in einem einzigen Falle eine 
Maus oder ein Kaninchen vor dem Ausbruch der Allgemein- 
infection und damit vor dem Tode an Anthrax oder Strepto¬ 
coccensepsis bewahrt werden könne. Ja selbst wenn bei Mäusen, 
die am Schwanzende mit Milzbrand inficirt waren, später der 

*) Nach einem in der Abtheilung für Ophthalmologie der 
71. Naturforscherversammlung zu München gehaltenen Vortrag. 

9 Schimmelbusch; Die Deslnfection septisch infleirter 
Wunden. Verhandl. d. Deutsch. Ges. f. Chirurgie, XXII. Congress, 
1893, S. 111. 

Original fro*m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


147 


Schwanz in einer Entfernung von ca. 2 cm von der Wunde mit 
dem Thermokauter amputirt wurde, gingen alle Thiere an All- 
gemeininfection zu Grunde, bei denen die Absetzung 10 Minuten 
und länger nach der Infection erfolgt war. 

Als Erklärung für diese Misserfolge mit der antiseptischen 
Wundbehandlung, bedingt durch die überaus schnelle resorptive 
Verbreitung der Infectionserreger bei der Wundinfection, fand 
Nissen 2 ) zuerst Milzbrandbacillen von einer peripher an einer 
Extremität angelegten inficirten Wunde bereits nach V/ t Stun¬ 
den im nächstgelegenen Lymphdrüsenpackete und bald darauf 
konnte Schimmelbusch*) schon */, Stunde nach vollzogener 
Wundinfection Milzbrandkeime in den Lungen, Leber, Milz, 
Nieren der getödteten Versuchsthiere culturell nach weisen und 
nur 5 Minuten nach Infection der Schenkelwunde eines 
Kaninchens Pyocyaneuskeime ebenfalls in den inneren Organen. 

Es ist das Verdienst F r i e d r i c h’s 4 ) in jüngster Zeit dem 
allzuweit gehenden Pessimismus, welcher der antiseptischen 
Wundbehandlung gegenüber auf diese Versuche gestützt begann, 
entgegen getreten zu sein, indem er zunächst betonte, dass 
Schimmelbusch bei all’ seinen Versuchen eine Infection 
erreichen wollte, dass man also aus diesen Versuchen in Be¬ 
zug auf die Tnfectionsmöglichkeit nicht ohne weiteres 
Rückschlüsse auf die gewöhnlichen Verletzungswunden ziehen 
dürfe, und auf die Unterschiede in Bezug auf Zahl, Art, Vitali¬ 
tät zwischen den hierbei verwendeten, unter den günstigsten 
Lebensbedingungen gezüchteten Bacterien und den bei der ge¬ 
wöhnlichen, nicht operativen Verletzungswunde in Betracht 
kommenden hinwies. In der Machtlosigkeit der Antiseptica 
ggenüber der erfolgten Infection stimmte er allerdings mit 
Schimmelbusch überein, denn auf Grund eigener Versuche 
kommt Friedrichzu dem Schlüsse, dass bei sorgfältiger Aus¬ 
räumung des Infectionsmaterials aus dem Wundgebiet nach ver¬ 
schiedenen Zeiten kein chemisches Verfahren mehr, ja die 
meisten nicht das Gleiche leisten, als die Einleitung einer mehr 
weniger das Wundgebiet offen haltenden Wundbehandlung, 
worin überhaupt die Kunst in der Vorbeugung und Behandlung 
der Infection bestehe; und dass sich ferner eine grosse Menge 
experimenteller und klinischer Desinfectionserfolge erledige 
mit der Klarstellung des Umstandes, dass bei ihnen mit der 
Desinfection die partielle oder totale offene Wundbehandlung 
eingeleitet wurde. 

Auf der anderen Seite aber zeigte Friedrich“), dass bei 
der Wundinfection die physikalischen Verhältnisse des Wund¬ 
gebietes ausschlaggebend seien, dass die Resorption virulenter 
Bacterien von Seiten offener Wunden vom örtlichen Druck im 
Wundgebiet, vom „bacteriellen Widerlager“ abhängig sei und 
zwar für die Sporen die mechanischen Factoren hinsichtlich 
der Baeterienproliferation viel günstiger lägen als für die 
Bacillen. (Es mag hier auch auf Erfahrungen der experimen¬ 
tellen Pathologie am Auge hingewiesen werden, wonach es viel 
leichter gelingt, Infectionen an der straffen, unter höherem 
Drucke stehenden und gefässlosen Hornhaut, als an der lockeren, 
unter geringerem Drucke stehenden und gefässreichen Binde¬ 
haut hervorzurufen.) Bei Mäusen, deren Schwanz quer amputirt 
war, konnte, wenn jeglicher Druck ausgeschlossen war, das 
Schwanzende über 3 Stunden in hochvirulenter Milzbrand- 
bouilloncultur frei suspendirt sein, ohne dass Keimaufnahme 
erfolgt wäre, und bei Verwendung von Milzbrandsporenemulsion 
ergab sich, dass eine Infection bis zu 45 Minuten anhaltendem 
Eintauchen noch nicht erfolgen müsse. Ja wenn die ampu- 
tirten Schwanzenden 30—90 Minuten in Sporenemulsion ein¬ 
getaucht waren, danach eine zweite Amputation vorgenommen 

*) Nissen: Ueber den Nachweis von Toxin im Blute eines 
an Wundtetanus erkrankten Menschen. Deutsch, med. Wochen- 
schr. 1893, No. 24. 

*) SchimmelbuSch: Die Aufnahme bacterieller Keime 
von frischen, blutenden Wunden aus. Deutsch, med. Wochenschr. 
3894, S. 575. 

Schimmelbusch : Ueber Desinfection septisch inficirter 
Wunden. Fortschr. d. Med. 1895, No. 1. 

4 ) Friedrich: Die aseptische Versorgung frischer Wunden 
unter Mittheilung von Thierversuchen über die Auskeimungszeit 
von Infeetlonserregern in frischen Wunden. Verhandl. d. 
Deutsch. Ges. f. Chirurgie, XXVII. Congress 1898, S. 46. 

*) Friedrich: Experimentelle Beiträge zur Frage nach 
der Bedeutung 1. der Luftinfection für die Wundbehandlung, 

2. des innergeweblichen Druckes für das Zustandekommen der 
Wundinfection. Verhandl. d. Deutsch. Ges. f. Chirurgie, XXVIII. 
Congress 1899, S. 335. 


und die Thiere 30 Minuten bis zu 58 Stunden nach dieser 
zweiten Amputation getüdtet wurden, so Hessen sich in keinem 
einzigen Falle Milzbrandkeime in den inneren Organen naeh- 
weisen. 

Speciell für die Augenheilkunde hatte u. A. Evers- 
busch 0 ) die keimtüdtende Wirkung einiger Antiseptica durch 
sehr eingehende Versuche bncteriologisch festgestellt. Dann 
hatte Bach 7 ) verschiedene Antiseptica auf ihre desinficirende 
Wirkung geprüft, indem er auf der Hornhaut von Kaninchen 
mit inficirten Lanzen oberflächliche Verletzungen setzte und 
diese mit verschiedenen Antisepticis bespülte, wobei es ihm bei 
14 Versuchen mit Bespülen mittels Sublimt^lösung 1 :1000 nur 
1 mal gelungen war, sämmtliche Staphyloeoeeen zu vernichten, 
während meist noch eine grosse Anzahl von Colonien wuchsen. 
Als keimtödtend hatten sich nur lproc. und 2 proc*. Hydrargyrum 
oxycyanatum, 1 prom. Jodtricldorid und lproc. und 2proc. 
Pyoktanin erwiesen. 

Trotzdem herrschen, wie aus den therapeutischen Maass¬ 
nahmen immer und immer wieder hervorgeht, über die Wirkung 
der Antiseptica, speciell auch des Sublimats, bei den Ophthal¬ 
mologen vielfach ganz falsche, durchaus unbegründete Anschau¬ 
ungen. Es schien mir daher angezeigt, der hier in Betracht 
kommenden Frage näher zu treten und zwar habe ich mich, 
unter steter Beihilfe des Herrn Privatdocent Dr. Bach, damit 
beschäftigt, zu sehen, wie verschiedene Antiseptica auf die ober¬ 
flächlich inficirten Ilornhautwunden einwirken. 

Zur Zeit erfreut sich in der Augenheilkunde als desinfi- 
cirendes und keimtödtendes Mittel das Hydrargyrum oxycyana¬ 
tum grosser Beliebtheit, da es trotz dieser Eigenschaften die 
gesunde und erkrankte Schleimhaut möglichst wenig reizt und 
durch seine weniger eiweisscoagulirende Eigenschaft nicht so 
in seiner desinfieirenden Kraft beeinträchtigt wird wie das 
Sublimat. Ausserdem ist in den letzten Jahren manches Loblied 
auf das Protargol als Desinficienz und Adstringens gesungen 
worden, das bei grosser antiseptischer Tiefenwirkung trotzdem 
die Schleimhaut möglichst wenig schädigen soll. Ich prüfte 
dosshalb besonders diese beiden Mittel experimentell auf ihre 
antiseptischen Eigenschaften und daneben mehr als Control- 
mittel das Argentum nitricum und die reine Oarbolsäure. 

Die Versuchsanordnung war folgende: Eine krumme Lanze 
wurde mit Reinculturen von virulentem Mikrococcus pyogenes 
aureus infieirt und mit derselben oberflächlich gelegene Taschen 
in den centralen Partien der Hornhaut ätherisirter Kaninchen 
angelegt. Um eine wünschenswerthe annähernde Gleichheit in 
der Anzahl der übertragenen Keime zu erzielen, wurden nach 
den ersten Versuchen jedesmal 6 solcher Taschen angelegt, bei 
einzelnen Versuchen auch die Hornhaut einmal perforirt. So¬ 
dann wurde der Sperrlidhalter eingelegt und die inficirten Stel¬ 
len mit dem Antisepticum aus einer sog. Undine berieselt. Nun 
wurde mit einem sterilen Linearmesser die Hornhaut abgetragen, 
eine Minute lang mit physiologischer Kochsalzlösung abgespült, 
um die äusserlich noch haftenden Reste des Antisepticum ab¬ 
zuwaschen, und das Hornhautstück mit sterilen Instrumenten 
in 4—5 Stückchen geschnitten. Die Stückchen wurden gleich 
in mit 1 proc. Agar gefüllten Röhrchen aufgefangen, tüchtig 
durchgeschüttelt und dann in Petr i’schen Schalen ausgegossen, 
die 2—3 Tage im Brutschrank und darnach 3—4 Tage bei Zim¬ 
mertemperatur beobachtet wurden. Einige Male enucleirten 
wir auch nach Anlegung der Taschen den ganzen Bulbus, legten 
denselben in toto in das Antisepticum und dann erst wurde die 
Hornhaut abgetragen, mit Kochsalzlösung abgespült und eine 
Platte gegossen. 

Ich habe nun 10 Versuche mit lproc., 5proc. und 10proc. 
Protargol, 4 Versuche mit lproc. und 2proc. Argent. nitric. 
und 14 Versuche mit Hydrarg. oxycyan. in Lösungen von 1: 5000 
bis zu 1:100 angestellt und zwar sowohl die frisch inficirte Horn¬ 
haut bespült als Hornhäute, die bis zu 30 Stunden infieirt waren. 
Bei allen ergab sich das Resultat, dass die Mikroorganismen 
durch das Antisepticum in ihrer Vitalität in keiner Weise be¬ 
einträchtigt waren, denn alle Platten waren mit Colonien von 
Mikroc. pyog. aur. dicht besät, ausgenommen 2 Versuche mit 

e ) E versbusch : Ueber die Anwendung der Antimycotica 
in der Augenheilkunde. Centralbl. f. prakt. Augenheilk. 1890. 
XIV, S. 65. 

7 ) Bach: Experimentelle Untersuchungen über das Stapliylo- 
coccengeschwür der Hornhaut und dessen Therapie. Arch! f 
Ophthalm. 1895, XXXXI, 1, S. 56. 

2 * 


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148 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 5. 


Hydrarg. oxycyan. 1: 5000 und 1:3000, bei denen ich fast sterile 
Platten erhielt, deren Ergebnisse aber wegen der fraglichen 
Virulenz der verwendeten Reineultur nicht einwandsfrei sind. 
Als ich dagegen bei 3 Versuchen mit reiner Carbolsäure nur 

1 Minute lang bespülte, wobei die Hornhaut sofort dicht ge¬ 
trübt wurde und ein milchiges Aussehen annahm, erhielt ich 
vollständig sterile Platten. 

Die auffallende Thatsache, dass ich bei diesen ersten Ver¬ 
suchen selbst bei Verwendung von Hydrarg. oxycyan. 1:100 auf 
den angelegten Platten unzählige Colonien erhielt, stand aber 
in Widerspruch mit den oben erwähnten früheren Versuchen 
B a c h’s, der nach 8 Versuchen mit 1 proc. und 2 proc. Hydrarg. 
oxycyan. stets sterile Platten erhalten hatte und konnte der 
Unterschied nur in der Versuchsanordnung begründet sein. 
Bach hatte nämlich bei seinen Versuchen die Hornhaut mit 
einer grossen Menge des Antisepticum unter höherem Drucke 
vermittels eines Irrigators bespült, es war also fraglich, ob die 
Wirkung des Antisepticum theilweise abhängig ist von der ver¬ 
wendeten Quantität und von dem Druck, unter dem dasselbe 
auf die Wunde applicirt wird. 

Während ich bei den vorhergehendenVersuchen die Hornhaut 
nur mit 80—100 ccm Antisepticum aus höchstens 5 cm Höhe be¬ 
rieselt hatte, verwandte ich desshalb bei den folgenden Versuchen 
jedesmal 1 Undine voll Antisepticum — also 250—300 ccm — 
und liess dieselben aus einer Höhe von ca. 25 cm herabfallen. 
Jetzt erhielt ich nach 8 Versuchen mit Hydrarg. oxycyan. in 
Lösungen von 1: 3000 bis 1:100 sterile Platten oder doch Platten, 
die eine verhältnissmässig geringe Anzahl von Colonien bis zu 
300 aufwiesen. Bespülte ich dagegen in gleicher Weise kürzere 
oder längere Zeit zuvor infieirte Hornhäute mit 5 proc. oder 
10 proc. Protargol, so waren die Platten mit mehreren Tausend 
Colonien dicht besät. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass von den geprüften 
Antiseptici8 das beste praktisch verwendbare Mittel das Hydrarg. 
oxycyan. ist und dass durch dasselbe — zumal bei der Verwen¬ 
dung in stärkeren Lösungen — bei längerer Berieselung unter 
(Mitsprechend hohem Druck pathogene Keime mit ziemlicher 
Sicherheit abgetödtet werden können; es ergibt sich ferner, 
dass die von mancher Seite geübte Betupfung von Geschwüren 
mit reiner Carbolsäure vom bacteriologischen Standpunkt aus 
wohl empfohlen werden kann; es ergibt sich aber auch, dass das 
Protargol in seiner Wirkung durchaus nicht seinem hohen Preise 
und der grossen Reelame entspricht, die damit getrieben wird. 

Die Versuche belehren uns des Ferneren, welch’ eitlen Hoff¬ 
nungen wir uns vielfach hingeben, wenn wir durch die 1 oder 

2 malige Durchspülung des Bindehautsackes mit Antisepticis, 
die, entsprechend dem obersten Grundsatz aller Medicin: „Nil 
nooere“, mit Rücksicht auf die Schleimhäute des Auges doch 
immer nur in schwacher Concentration angewandt werden 
können, oder wenn wir durch 1 oder 2 maliges Einstreichen des- 
inficirender Salben einen beachtenswerthen Einfluss auf die Dcs- 
infootion des Bindehautsackes oder die Vitalität der in der 
Hornhaut befindlichen Mikroorganismen erwarten. Die auf 
diese Weise erzielten Erfolge dürften wohl sicher eine andere 
Ursache haben und nicht in der bactericiden Wirkung der Anti- 
soptica zu suchen sein. 

Ich verkenne keineswegs die Nothwendigkeit, noch durch 
weitere Versuche Aufschluss über die eine oder andere sich an¬ 
schliessende Frage anzustellen, doch glaube ich, dass ich den bis¬ 
her angestellten Versuchen schon eine gewisse praktische Be¬ 
deutung zumessen darf, sofern sie dazu beitragen, die vielfach 
noch herrschenden, zu weit gehenden Erwartungen in Bezug auf 
die Wirkung der Antiseptica, speciell in der Augenheilkunde, 
auf ihren wahren Werth zurückzuführen. 


Psychiatrisches zur Schularztfrage.*) 

Von Dr. phil. et med. W. Weygandt, Privatdocent in Würzburg. 

Wenn ich in dieser Versammlung ein Thema anschlage, 
das die Frage der geistigen Ueberbiirdung so nahe berührt, in 
der wir einen der wichtigsten Angriffspunkte für die psychiatri¬ 
sche Prophylaxe zu erblicken haben, so bedarf ich wohl keiner 
besonderen Entschuldigung. Um so mehr aber möchte ich an 

*) Nach einem auf der 30. Jahresversammlung des Vereins 
der siidwestdeutschen Irrenärzte am 18. November 1890 zu Frank¬ 
furt gehaltenen Vortrag. 


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die Nachsicht der Versammlung desshalb appelliren, weil mein 
Vortrag nicht beabsichtigt, neue Forschungsergebnisse mitzu- 
theilen, sondern nur eine Klarlegung der gegenwärtigen Lage 
dieses Gebiets und eine Stellungnahme zu diesen Fragen, nicht 
ohne einen praktischen, um nicht zu sagen agitatorischen Neben¬ 
gedanken, anstrebt. 

Eine gewisse Beruhigung und Klärung scheint betreffs der 
Schulhygiene nachgerade eintreten zu wollen. Darüber ist kein 
Zweifel, dass es im Wesentlichen 3 Einzelgebiete sind, auf denen 
sie sich zu bethätigen hat: 1. Die Hygiene der äusseren Schul- 
einrichtungen, also Bau, Heizung, Beleuchtung, Schul¬ 
bänke u. dgl.; das eigentliche Arbeitsgebiet des Hygienikers 
wird hier am nächsten berührt; 2. Schutz vor körperlichen 
Schäden und 3. Schutz vor geistigen Schäden. Weiterhin 
ist ersichtlich, dass auf jedem dieser Gebiete nach 2 Richtungen 
zu arbeiten ist: a) zunächst ist eine wissenschaftliche Grundlage 
vorzubereiten, von der aus der einzelne Fall behandelt werden 
kann; b) es ist dafür Sorge zu tragen, dass die wissenschaftliche 
Erkenntniss in jedem Einzelfall stets auch zur Anwendung ge¬ 
langt. Auf dem Gebiet der hygienischen Einrichtungen ist 
nun die Wissenschaft zu allseitig anerkannten Schlüssen gelangt, 
so dass es hier nur gilt, das als richtig Anerkannte im Einzelfall, 
insbesondere bei Schulneubauten, entsprechend anzuwenden. Kein 
Einsichtiger wird sich dagegen sträuben, dass hier den hygie¬ 
nischen Forderungen Rechnung getragen wird. Ihre mehr oder 
weniger ausgiebige Befolgung ist meist nur eine Finanzfrage. 
Eine dauernde Ueberwachung dieser Einrichtung ist relativ ein¬ 
fach. Die hygienischen Grundsätze an sich sind hier schon so 
gefestigt, dass der Pädagog und der Bautechniker zur Noth 
auch allein auskommen könnten, ohne in jedem Fall noch erst 
den Hygieniker zu fragen. Zweifellos wird das Wichtigste ge- 
than sein, wenn in der centralen Schulbehörde der Länder oder 
Provinzen die neuen Baupläne auch von hygienischer Seite be¬ 
gutachtet werden. 

Bei der zweiten Frage, nach dem Schutz der Schulkinder 
vor körperlichen Schädigungen, sind die wissenschaftlichen Vor¬ 
bereitungen selbstverständlich auch alle vorhanden. Sie be¬ 
ruhen eben auf dem Stand der Medicin, wie sie überhaupt in die 
Praxis tritt. Höchstens kommen neben dem, was jeder praktische 
Arzt, insbesondere jeder Kinderarzt, zu leisten hat, noch ein 
paar specialistisehe Fragen in Betracht, vor Allem die Unter¬ 
suchung der Augen, Ohren, Rachenorgane und allenfalls der 
Zähne. Nach welcher Richtung hin aber in der Praxis hier etwas 
geschehen soll, das ist noch eine strittige Frage. Dass es den 
Kindern der Volksschule heutzutage in den meisten Fällen an 
ärztlicher Ueberwachung völlig mangelt, bedarf keines besonderen 
Nachweises. Dass den Kindern eine Wohlthat geboten und der 
Schule eine Verantwortung abgenommen würde, wenn durch 
Vermittlung der Schule eine gesundheitliche Ueberwachung 
stattfände, sollte Jedermann einleuchten. Aber doch haben 
sich die Lehrer hiergegen immer und immer wieder ereifert 
und es für einen Eingriff in ihre Rechte erklärt. Ein paar medi- 
cinische Curse, hiess es, würden die Lehrer so weit bringen, das¬ 
selbe zu leisten wie Schulärzte, die doch mindestens 5—8 Jahre 
Vorbereitungszeit hinter sich haben. Was dabei herauskommt, 
erhellt aus dem Vorschlag des Berliner Lehrers Suck 1 ), 
welcher meint, der Gesangslehrer könnte z. B. die Lungencapaci- 
tät an der Zeit messen, während welcher der Schüler einen Ton 
auszuhalten fähig ist! Mit dem oft geäusserten, vornehm ab¬ 
lehnenden Wort: „Dazu ist die Schule nicht da“ ist absolut 
nichts geleistet. Die Armee ist gewiss auch nicht dazu da, der 
ärztlichen Wissenschaft zu dienen, aber doch hat die Militär- 
medicin schon vieles rein wissenschaftlich Werthvolle geliefert. 
Der Schularzt .soll nicht allein die Kinder gegen die Schädi¬ 
gungen durch die Schule, sondern vor Allem auch den Schul¬ 
betrieb gegen die Schädigung durch das Haus schützen. Auf 
Grund der ärztlichen Autorität wird es möglich sein, ganz 
anders als bisher durch die Ermahnungen des Lehrers den vieler¬ 
lei Missständen vorzubeugen, vor Allem den Schädigungen der 
Volksschüler durch Erwerbsthätigkeit und den Gefahren der 
Gymnasiasten u. s. w. durch verfrühte „gesellschaftliche“ In¬ 
anspruchnahme . Gerade in letzterem Punkt lässt sich die Autori¬ 
tät des beamteten Schularztes durchaus nicht ersetzen, wie Geh. 


3 ) Die gesundheitliche Ueberwachung der Schulen. Ham¬ 
burg, Leipzig, 1899. 


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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


149 


Oberschulrath Schiller 5 ) meint, durch die Wirksamkeit das 
Hausarztes in bemittelten Familien. Im Ganzen ist aber auch 
die Stimmung der Lehrer, die lange Zeit durch die exorbitanten 
Forderungen der Schulhygieniker abgeschreckt worden waren, 
immer geneigter geworden gegen die Einführung von Schul¬ 
ärzten mit der Aufgabe, die körperliche Gesundheit der Kinder 
dauernd zu überwachen. Auch Schiller verhält sich (a. a. O.) 
nicht schroff ablehnend, sondern empfiehlt ein versuchsweises 
Vorgehen, vor Allem auf Grund nichtamtlicher Initiative. In 
der combinirten Sitzung der Schulmänner und Aerzte, die auf 
dem letzten Naturforscher- und Aerztetag in München am 
21. September 1899 abgehalten wurde, Hess sich in der Debatte 
über Ihesen zur Schulreform und Unterrichtshygiene überhaupt 
kein Wort des Widerspruchs gegen die Anstellung von Schul¬ 
ärzten mehr hören, ja es fehlte nicht viel, so wäre die ursprüng¬ 
liche TI Lesenfassung angenommen worden, die den Schulärzten 
die Aufgabe zuweisen wollte, „in den oberen Classen elementaren 
Unterricht in der Hygiene, namentlich auch auf sexuellem Ge- 
biet ;< zu ertheilen! Es ist freilich nicht zu übersehen, dass die 
pädagogischen Theilnehmer dieser Sitzung vorzugsweise Real- 
gymnasial- und Realschulmänner waren, die durch ihren Kampf 
um die Gleichberechtigung sich von vornherein in einer anderen, 
oppositionelleren Stellung zu den bestehenden Einrichtungen 
befinden als die herrschenden Gymnasialpädagogen. 

Doch im grossen Ganzen ist es unleugbar, dass die über¬ 
wiegende Stimmung der einschlägigen Kreise immer freund¬ 
licher auf die schulärztliche Ueberwachung des leiblichen Wohls 
der Schüler zu sprechen ist und dass in der Praxis bereits er¬ 
freuliche Versuche nach dieser Richtung hin unternommen sind. 
Die Mittel und Wege dazu waren verschieden. Mancherorts ver¬ 
fuhr man sehr einfach, indem man kurzer Hand die Bezirksärzte 
mit der Ueberwachung der Schulen betraute. Soweit das die 
Schulenirichtungen angeht, wäre es wohl angängig; im übrigen 
aber steht nicht viel zu erhoffen, wenn man einem ohnehin viel¬ 
beschäftigten Physikus die zeitraubende Aufgabe der gesund¬ 
heitlichen Ueberwachung der Schulkinder auflädt. Zweck- 
mässigere Versuche sind meist von städtischer Seite aus gemacht 
worden. Ein bestimmt ausgearbeiteter und allgemeiner ver¬ 
breiteter Arbeitsplan existirt noch nicht. Doch wurde von seiten 
einer Commission des preussischen Cultusministeriums *) die 
Einrichtung, wie sie von der Stadt Wiesbaden getroffen 
worden ist, als mustergiltig hingestelllt. Hier hatte man zu¬ 
nächst 1895 die 4 Armenärzte mit der Untersuchung von 7000 
Volksschülem beauftragt. Etwa ein Viertel dieser Zahl gab zu 
Bemerkungen Anlass wegen Krankheit, krankhafter Constitution, 
Ungeziefer, UnreinHchkeit u. A., bei 8 Proc. fand sich Bruch¬ 
anlage, bei 7 Proc. Wirbelsäulenverkrümmung. Die 1897 auf- 
gestellte Dienstordnung 4 ) bestimmte als wesentlichste Aufgabe 
der Schulärzte die Untersuchung der Neuaufgenommenen und 
Anlegen eines Gesundheitsscheins, der mit Unterstützung durch 
die Lehrer das Kind dauernd begleiten soll, sodann alle 14 Tage 
eine Sprechstunde in der Schule mit eventueller Mittheilung an 
die Eltern, ferner Untersuchung von Kindern in deren Wohnung, 
besonders bei Schulversäumniss, jedoch nur auf Antrag des 
Schulleiters, und weiterhin halbjährliche Revision der Räumlich¬ 
keiten. Von den vorgesehenen Vorträgen in Lehrerversammlungen 
kam man bald zurück. Im Uebrigen bewährte sich die Einrich¬ 
tung recht gut. Besonders erfreulich war, dass die Abneigung 
der Eltern bald schwand, so dass nur 2 Proc. der neuaufgenom- 
menen Kinder durch hausärztliches Attest der schulärztlichen 
Untersuchung entzogen wurden; auffallend hartnäckig gestaltete 
sich der Kampf gegen das Ungeziefer. So anerkennend sich der 
nach den Bestimmungen des Cultusministers veröffentHchte Be¬ 
richt über die Wiesbadener Schularztverhältnisse äusserte, so 
zutreffend wurde doch dabei betont, dass die Sache nicht ohne 
Weiteres auf Landschulen oder auf höhere Schulen übertragen 
werden könne. 

Bei den Schülern höherer Lehranstalten wird in der Unter¬ 
suchung auf körperliche Leiden der Hausarzt das Nöthigste 
meist schon vorweggenommen haben; der Kampf gegen die Epi¬ 
zoen spielt jedenfalls keine Rolle mehr, während die Frage der 
Ermüdung und Ueberbürdung in den Vordergrund tritt. Hier 
haben wir den 3. Punkt der Schulhygiene erreicht, die Fürsorge 
gegen geistige Schädigung der Schuljugend. So nebenbei sollte 

*) Die Schularztfrage. Berlin 1899. 

No. 5. 

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man die ärztliche Seite dieser Frage nicht behandeln, wie es etwa 
Schiller thut, indem er als Schulspecialisten die Augen-, 
Ohren-, Nerven- und Zahnärzte in eine Reihe stellt. Von den 
meisten Autoren wird mit Recht gerade auf diesen Punkt der 
allergrösste Nachdruck gelegt, wenn freilich auch die Frage, in 
wie weit der Arzt hier mitzureden habe, meist geradezu auf Ab¬ 
lehnung stösst. In einem dem ärztlichen Bezirksverein München 
erstatteten Referat über die Schularztfrage glaubt W e i s s 6 ) auf 
die psychohygienisehe Thätigkeit des Schularztes einfach ver¬ 
zichten zu müssen, weil die Schule sich hier eben nicht drein¬ 
reden lasse; wenn das letztere Argument ausschlaggebend wäre, 
gäbe es überhaupt keine Schularztfrage, denn ganz aus eigenem 
Antrieb hätte die Schule wohl niemals den Aerzten ihre Pforte 
geöffnet. Aber mit einem Anschein von Recht hat sich die 
Schule in diesem Punkt am sprödesten verhalten, denn hier ge¬ 
rade haben sich die Aerzte bei ihrem Eifer für die Sache die 
stärksten Uebertreibungen zu Schulden kommen lassen, hier 
haben sie bei vereinzelten Versuchen in praxi noch ausserordent- 
Hch wenig geleistet, und hier sind vor Allem auch die wissen¬ 
schaftlichen Grundlagen noch zu unsicher, als dass ohne Weiteres 
im einzelnen Fall daraufhin losgearbeitet werden könnte. Be¬ 
treffs der Uebertreibungen und Entstellungen von ärztlicher 
Seite verweist Schiller auf den Vortrag des Hallenser Kinder¬ 
arztes Schmid-Monnard, der behauptet hatte, nach 
Schiller’s Vorschlag hätten die Tertianer 4 Gesangsstunden 
wöchentlich, während es sich in dem betreffenden Plan nur um 
4 Gruppenübungen für Sopran, Alt, Tenor oder Bass handelt 
und jeder Schüler doch nur eine der 4 Stimmen singt! Eine 
andere Uebertreibung bietet Griesbach°), der von einem 
Lehrercollegium spricht, das nicht weniger als 8 Neurastheniker 
auf zu weisen hatte, von denen einer durch Selbstmord endete; 
bei diesem suicidalen Lehrer, den ich persönlich kannte, handelte 
es sich nicht um eine Folge der Ueberbürdung, sondern um 
einen Fall von Epilepsie, die dem Betreffenden schon lang, ehe 
er in’s Lehramt eintrat, starke Beschwerden, besonders Verstim¬ 
mungen bis zum Taedium vitae verursacht hatte. 

Was in der Praxis bisher von Aerzten zur Feststellung des 
Status psychicus der Schulkinder geleistet wurde, rechtfertigt in 
der That das Wort des Berliner Rectors Hintz 7 ), dass dabei 
nichts Neues für die Lehrer herausgekommen sei. 

Es wurde vor zwei Jahren eine Commission von Aerzten, 
vorzugsweise Paediatem, durch die BerHner städtische Schul¬ 
deputation ermächtigt, Gemeindeschüler körperlich und geistig 
zu untersuchen. Dabei wurde nun die Intelligenzprüfung bei 
jedem Kind in 5 Minuten abgemacht durch Vorlegen einer Reihe 
von Fragen: Wie alt? Wo wohnst du? Was ist der Vater? Wie 
viel Geschwister hast du? Was hast du gestern zu Mittag ge¬ 
gessen? Gehst du gern zur Schule? Bist du schon krank gewesen? 
Was hast du am liebsten, Lesen oder Rechnen? Kennst du das 
schlesische Thor? Wie lange gehst du, bis du zur Schule kommst? 
Wie heisst der Kaiser? Wo wohnt der Kaiser? Kannst du gut 
rechnen? Hast du schon das Einmaleins gelernt? Ein paar 
Multipli cationsexempel schlossen die Prüfung. Dass auf 
eine solche, nahezu kindliche Weise über den Geisteszustand 
kein sicheres Urtheil zu gewinnen ist, sollte man sich von 
vornherein sagen. Mit Recht verlangt Hintz, die Aerzte 
müssten für solche Aufgaben psychologisch und psychiatrisch 
vorgebildet sein; zugleich sollten sie aber auch eine gewisse 
pädagogische Vorbildung haben, um auf die Individualität der 
Kinder Rücksicht nehmen zu können. 

In Leipzig ist es üblich, dass die Gemeindeschüler, die zu 
den dort bestehenden Schwachsinnigenclassen ausgehoben werden, 
vor einem Arzt Revue passiren, der dann in aller Eile ein Ur¬ 
theil über sie abgibt, wobei für die Betrachtung des psychischen 
Zustandes natürlich auch nicht viel herauskommt. 

*) Schmidtmann: Der Schularzt in Wiesbaden. Viertel¬ 
jahrsschrift für gerichtliche Medicin und öffentliches Sanitäts¬ 
wesen, XVI, 1898, p. 1227. 

4 ) K a 11 e : Zur Lösung der Schularztfrage ln Wiesbaden. 
Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege. 
XXX, p. 433, Braunschweig 1898. 

ft ) Münch, med. Wochensehr., Jahrgang 46, No. 28, p. 927, 
1899. 

®) Hygienische Schulreform, p. 32, Hamburg, Leipzig, 1899. 

*) Die ärztliche Untersuchung hiesiger Gemeindeschüler. 
Pädagogische Zeitung, Hauptorgan des Deutschen Lehrervereins, 
XXVI, p. 384, 1897. 

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Original fre• 

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150 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


Man darf sich über Misserfolge gar nicht wundern, wenn 
man erwägt, wie wenig vorgeschritten unsere wissenschaftliche 
Erkenntnis^ über die gesunde und kranke Psyche des Kindes 
ist, wie wenig entwickelt unsere Untersuchungsmethoden auf 
diesem Gebiet sind, und wenn man dazu berücksichtigt, dass es 
fast durchweg gar nicht einmal psychologisch und psychiatrisch 
durchgebildete Aerzte waren, die sich bisher auf diesem Gebiet 
bethätigten, sondern im günstigsten Fall Neurologen und 
Pädiater. 

Zwei verschiedene Aufgaben würden nach dieser Seite hin 
im Wesentlichen de« praktischen Schularztes harren. Einmal 
die Beurtheilung der neuaufgenommenen Kinder und dabei die 
Ausrangirung der wirklich psychopathisch Minderwerthigen, für 
die sich in grösseren Städten die Einricht ung besonderer Sehwach- 
sinnigenclassen recht gut bewährt hat. Diese? Aufgabe sollte 
jeder psychiatrisch vorgebildetc Arzt, wenn er sich nur einiger- 
maassen auch mit der Frage der Imbeeillität und Idiotie befasst 
hat, schliesslich durchführen können. 

Schwieriger ist die zweite Aufgabe: Eine Grundlage zu 
finden für die Untersuchung und Beurtheilung der psychischen 
Störungen, die bei vorher normalen Kindern während der Schul¬ 
zeit und vermuthungsweise durch die Schularbeit aufget.reten 
sind. Vor Allem kommen dabei die Fälle von plötzlichem Nach¬ 
lass der Leistungen, sowie von Nicht.erreichen des Olassenziels 
als besonderer Beachtung bedürftig mit in Betracht. Im ein¬ 
zelnen Fall zu entscheiden: Liegt hier eine geistige Ueberbür- 
dung vor, wodurch ist sie entstanden, wie können ihre Folgen 
beseitigt werden, ist ausserordentlich schwer, weil unsere psycho¬ 
logischen Kenntnisse vom Wesen der Ueberbürdung noch recht 
gering, die Untersuchungsmethoden noch unentwickelt und doch 
bereits ziemlich schwierig zu handhaben sind. So billig und 
plausibel die Behauptungen der enragirten UeberbürdungsVor¬ 
kämpfer sind, 6 bis 7 Stunden Schlaf ist zu wenig, 3 / 4 Stunden 
Schulweg ist zu viel, 5 Stunden Unterricht hintereinander lassen 
sich nicht ertragen, der Nachmittagsunterricht ist vom Uebel 
u. dergl., so schwierig ist der psychologische Nachweis im spe- 
ciellen Fall, dass und in welchem Grad hier eine Schädigung 
vorliegt. 

Ich kann mich an dieser Stelle nicht einlassen in eine detail- 
lirte Schilderung der mannigfachen methodologischen Versuche. 
Allgemein bekannt ist dasPrincip der psychologischen Methoden, 
die während der Unterrichtszeit von Stunde zu Stunde kleine 
Probearbeiten ei lisch i eben, aus deren Vergleichung wir einen 
Schluss auf dieWirkung des Unterrichts ziehen können. Während 
K r ä p o 1 i n "),"), ,0 ), “), O e h r n '*), A m b e r g 13 ), Rivers”) 
u. A. sieh um die Feststellung einer zuverlässigen Methodik und 
Theorie zunächst durch Experimente an Erwachsenen be¬ 
mühten, haben andere Forscher, vor Allem Schulmänner wie 
B u r g e r stein ’ 5 ), II ö p f n e r ,ü ), Richter ,T ), Fried- 
r i eh ls ), Schulze"), Kein si es'"), doch auch Aerzte wie 
S i k o r s k y "’) und L a s e r "') derartige Methoden direct an 
Schulkindern in Anwendung gebracht. Man nahm nun viel¬ 
fach daran Anstoss, dass diese Prüfungsmethoden mit einfachen 

”) lieber geistige Arbeit. Jena 1804, II, 1807. 

") Zur Hygiene der Arbeit. Jena 1890. 

10 ) Zur TJeberbürdungsfrage. Jena 1807. 

”) Der psychologische Versuch in der Psychiatrie. In den 
Psychologischen Arbeiten, I, p. 1, Leipzig 1800. 

”) Experimentelle Studien zur Individualpsychologie. Psycho¬ 
logische Arbeiten, I, p. 02. 

Kl ) lieber den Einfluss von Arbeitspausen auf die geistige 
Leistungsfähigkeit. Psychologische Arbeiten, I, p. 300. 

II i v e r s und Kräpelin: Ueber Ermüdung und Er 
liolung. Psychologische Arbeiten, I, p. 027. 

,a ) Die Arbeitscurve einer Schulstunde. Zeitschrift für 
Schulgesundheits])flege 1891. 

ly ) Ueber geistige Ermüdung von Schulkindern. Zeitschrift 
für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, VI, p. 101, 1803. 

,7 > Unterricht und geistige Ermüdung. Halle 1805. 

1S ) Untersuchungen über die Einflüsse der Arbeitsdauer und 
Arbeitspausen auf die geistige Leistungsfähigkeit der Kinder, 
/eitschr, f. Psyeliol. u. PhysioJ. d. Sinnesorgane, XIII, 1, 1890 

w ) 500 000 ltecheiiaufgabeu, eine experimentelle Unter¬ 
suchung. Per Schulmann, XL, IV, p. 340. 

Arbeitshygiene der Schule auf Grund von Ermüdung» 
messungen. Perlin 1808. 

*') > s '»r les effets de la lassitiide provoquäe par les travaux 
intellectuels chez les enfants de l’Age scolaire. Annales d’hygiöne 
publique, Paris 1879, p. 458. 

-) Ueber geistige Ermüdung beim Unterricht. Z. f. Schul¬ 
gesundheitspflege, VII, p. 2, 1804. 

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Additionen, Die taten, Auswendiglernaufgaben doch nur künst¬ 
lich die Verhältnisse des richtigen Unterrichts nachahmten, dabei 
aber durch ihre Einförmigkeit viel ermüdender wirken müssten, 
als die abwechslungsreiche Schulstunde. Ebbinghaus”) hat 
eine complicirtere Methode vorgeschlagen, die jenem Vorwurf 
minder ausgesetzt war. Indess, auf diesen Einwand kommt es 
gar nicht an. Ich habe auf Grund ausgedehnter Versuche”) 
nachweisen können, dass die Abwechslung als solche keinen 
wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat. Jene Me¬ 
thoden sollen überhaupt gar nicht den Unterricht nachahmen, 
sondern sie liefern nur ein bequem zu ermittelndes psycho¬ 
logisches Maass, das jedoch die Experimentatoren vor eine ganz 
andere Schwierigkeit stellt: Die Deutung der Ergebnisse ist 
nicht so einfach, wie Manche glaubten. Man fand mit diesen 
Methoden oft genug, dass die Leistungen eines jeden Prüfungs¬ 
abschnittes im Laufe des Schultages immer grösser wurden, statt 
deutlich durch Verminderung den erwarteten Ermüdungs¬ 
einfluss kundzugeben ,und schloss darauf hin vorschnell gegen 
die Methode oder gegen die Annahme einer Anstrengung durch 
den Unterricht. Aber in jener Mehrleistung steckte eben doch 
schon die Ermüdung drin, nur ist für gewöhnlich die daneben 
auftretende, ganz normale Uebung so stark, dass sie lange Zeit 
die Ermüdung verdeckt. Ohne die Ermüdung würden eben die 
Resultate bei jenen kleinen Prüfungsarbeiten, Additionen, 
Zahlenauswendiglemen u. dergl. im Laufe des ganzen Versuchs 
noch viel stärker anwachsen auf Grund der Uebungswirkung. 
Ferner unterliessen die Beurtheiler meist die Abgrenzung der 
ganz physiologischen Ermüdung, die an sich unvermeidlich ist 
und zweifellos gleich mit Beginn der geistigen Arbeit zu wirken 
beginnt, von der Erschöpfung, die erst wirklich als eine Schädi¬ 
gung, als ein pathologischer Factor angesprochen werden kann. 
Nicht näher erörtern kann ich hier manche andere Schwierigkeit 
in der Versuchsdeutung, so die Beurtheilung der individuellen 
Eigenheiten, vor Allem des Morgen- oder Abendarbeitstypus 
u. a. ra. Es ist auf’s lebhafteste zu bedauern, dass diese psycho¬ 
logischen Methoden, offenbar wegen der Deutungsschwierigkeiten, 
in den letzten Jahren nicht viel verständnisvolle Weiterbildung 
gefunden haben. 

Ebenso zu beklagen, wie diese Nichtanwendung der psycho¬ 
logischen Prüfungsmethoden, ist aber auch die immer ver¬ 
breitetere Anwendung einer anderen Methodik, die auf mehr 
physiologischem Wege die Ueberbürdung nachweisen will. 
Griesbach”) hat vor 5 Jahren geglaubt, die Erfahrung, dass 
sich mit dem Schwanken der Aufmerksamkeit auch die Unter¬ 
schiedsempfindlichkeit der Haut für Berührungsreize ändere, für 
die Schulhygiene verwerthen zu können. Seine Versuche gingen 
darauf hinaus, mit dem Tasterzirkel festzustellen, wie die be¬ 
kannten Webe raschen Tastkreise mit dem Anwachsen der durch 
den Unterricht hervorgerufenen Ermüdung immer grösser und 
grösser werden, wie also die Raumschwelle steigt. Er hat eine 
grosse Anzahl von Ermiidungscurven veröffentlicht; wenn er auch 
auf dem Deutschen Naturforscher- und Aerztetag zu Düsseldorf 
1898 in einer Discussion ”) zugab, „dass die aesthesiometrische 
Methode zu Massenuntersuchungen nicht geeignet ist“, hat 
Wagner“ 7 ) die Methode gerade durch Massenuntersuchungen 
noch populärer gemacht; es werden neben den Ermüdungscurven 
ganze Scalen der verschiedenen Unterrichtsfächer nach ihrem 
Ermüdungswerth auf gestellt, wobei in Versammlungen der Um¬ 
stand, dass die Religionsstunde am wenigsten anstrengend wirkt, 
regelmässig einen billigen Heiterkeitserfolg erzielt. Wie ich 
auf dem Münchener Naturforscher- und Aerztetag ersehen 
konnte, sind Schulmänner und Aerzte von den schönen Er¬ 
müdungscurven, die ihnen da gezeigt werden, in einer höchst 
kritiklosen Weise begeistert, ich möchte sagen fascinirt; eine 
Nachprüfung hat wohl Keiner, nicht einmal die Referenten, ver¬ 
sucht; alle fühlen sich beeinflusst von der Macht des anschau¬ 
lichen, handgreiflichen Befunds. Ich muss gestehen, dass es mir 


”) Ueber eine neue Methode zur Prüfung geistiger Fähig¬ 
keiten und ihre Anwendung bei Schulkindern. Z. f.Psychol. u. 
Physiol. d. Sinnesorgane 1897. 

24 ) Ueber den Einfluss des Arbeitsw r echsels auf fortlaufende 
geistige Arbeit. Krüpelin’s Psychol. Arb., II, S .118, Leipzig 1807. 

“j Energetik und Hygiene des Nervensystems in der Schule. 
München und Leipzig 1895. 

“) Bericht über die Versammlung, p. 222. 

”) Unterricht und Ermüdung. Berlin 1898. 

Original frnrn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



30. Januar 1900. 


ÜMNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


151 


anfänglich selbst nicht viel anders erging”), aber sobald ich ein¬ 
mal denTasterzirkel in die Hand genommen und die Berührungs¬ 
empfindlichkeit festzustellen begann, fingen auch meine Zweifel 
an, die durch ausgebreitete Versuche, welche seit 2'/ 2 Jahren 
von verschiedener Seite im psychologischen Laboratorium der 
Heidelberger Universitätsirrenklinik angestellt worden sind, 
immer weiter bestärkt wurden, so dass ich jetzt die Methode als 
eine fehlerhafte und für den Schulzweck unbrauchbare hinstellen 
muss. Die glatten Resultate von Griesbach und W a g n e r 
kann ich mir nur durch Mitwirkung lebhafter Autosuggestion 
cutstanden denken. 

Bei dem gewöhnlichen Tasterzirkel ist es schon schwer, die 
Spitzen gleichzeitig aufzusetzen und einen erheblichen Druck zu 
vermeiden. Mit dem Griesbaeh’schen Aesthesiometer, den ich 
nicht für einen verbesserten, sondern einen plumper und unhand¬ 
licher, weil viel schwerer gewordenen Tasterzirkel halte, ist die 
Messung noch unsicherer. Sein Gewicht ist beträchtlich, so dass er 
mit grösserer lebendiger Kraft aufgesetzt wird als der gewöhnliche 
Zirkel; auch das gleichzeitige Aufsetzen der Spitzen ist ent¬ 
schieden schwieriger. Die beigefügte Druckscala, die mit einer 
Genauigkeit von 0,1 g den Druck bis zu 50 g angeben soll, hat 
in dieser Ausführung wenig Zweck, da ein Gewicht von 5 g die 
Haut schon beträchtlich deformirt und in grösserem Umkreis 
niederdrückt. Vor Allem aber lassen alle diese Zirkelmessungen 
in durchaus fehlerhafter Weise die Anatomie der Haut unbe¬ 
rücksichtigt; wahllos werden empfindliche und unempfindliche 
Stellen getroffen. 

Die heutige Physiologie stellt andere Anforderungen an eine 
Untersuchung des Tastsinns, v. Frey 20 ) hat nachgewiesen, das? 
die Druckpunkte ganz bestimmte, verschieden dicht gesäte Haut¬ 
stellen sind; an den behaarten Körperstellcn sind die empfind¬ 
lichen Organe die Nervenkränze der Haare, an unbehaarten 
Stellen die M e i s s n e rächen Körperchen. Die Zahl der haar¬ 
losen Druckpunkte schwankt stark: am Handgelenk kommen 
16—20, am Handteller 50—100 auf den Quadratcentimeter. Weit 
zahlreicher sind die Schmerzpunkte, etwa 100 auf den Quadrat¬ 
centimeter. v. Frey bediente sich äusserst subtiler Methoden, 
vor Allem verwandte er zum Berührungsreiz straffe Haare, vor¬ 
zugsweise Chinesenhaare, die ganz genau auf ihren Durchmesser 
geprüft und in Bezug auf die Widerstandskraft, die sie einer 
Zusammendrückung in der Richtung der Längsachse entgegen¬ 
setzten, geaicht waren. Weiterhin hält er es für nothwendig, 
bei exacten Untersuchungen scharf zu unterscheiden zwischen 
Succesiv-, Richtungs- und Simultanschwelle. Eine solche 
feine Methodik ist für praktische Zwecke in der Schule 
noch nicht anwendbar. Auch die jüngsten Heidelberger 
Versuche 20 *) mit einem modificirten Tasterzirkel sind 
für die Praxis schon zu complicirt: Um eine Schwelle 
einigermaassen genau festzustellen, wurde da eine halbe bis eine 
Stunde lang experimentirt; im Lauf dieser Zeit ist eine etwaige 
Ermüdung natürlich schon zum Theil vergangen, während durch 
den Versuch selbst wieder eine vielleicht ganz andersartige Er¬ 
müdung hervorgerufen wird. Wenn Griesbach und Wagner 
nun in den paar Minuten einer Schulpause nahezu eine halbe 
Classe von Schülern (10) durchprüfen wollen, so darf ein solches 
Experiment keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit erheben. Eben¬ 
sowenig Brauchbares kann Kemsics “') mit seinem unvoll¬ 
kommenen Ergographen oder V a n n o d mit seinem Algosio- 
meter erreichen. Auch Schiller constatirt, dass die Befunde 
Griesbach’s und Kemsies’ nicht übereinstimmen. 

Viel Sicheres hat die Psychologie also noch nicht erbracht, 
während die alltägliche Beobachtung der Schüler doch die deut¬ 
lichsten Fingerzeige für psychohygienischc Eingriffe bietet und 
die öffentliche Meinung zweifellos auch immer geneigter wird, 
den Arzt in der Ueberbürdungsfrage ein Wort mitreden zu 
lassen. Hier, m. H., haben die Psychiater in erster Linie cin- 

-*) Experimentalpsyehologie und Ueberbürduutrsfrage. Deut¬ 
sche Schulpraxis, XVIII, 1—3, p. 3 ff. 

") Untersuchungen über die Sinnesfunctiouen der mensch¬ 
lichen Haut. I. Abhandlung: Druckempfindung und Schmerz. 
XXIII. Band der Abhandlungen der mathematisch-physikalischen 
Classe der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, No. III, 
p. 175 ff. Leipzig 1896. 

**) Ein Theil derselben ist veröffentlicht von L e u b a in 
„Psychological Review“, 1899, letztes Heft. 

") La fatigue intelleetuelle et son Influeuce sur la seusibilltö 
cutanöe. Diss. Genf 1896. 


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| zusetzen. Von unkritischer Seite aus ist bisher manches verfehlt 
worden, so dass die ganze Ueberbürdungsfrage schon in mancher 
Hinsicht disoreditirt ist. Psychologisch durchgebildete Psych¬ 
iater sind zunächst die einzigen Sachverständigen, wenn es gilt, 
unter den neu aufgenommenen Schulkindern die psychisch Min¬ 
derwertigen herauszulesen, um sie den Sehwachsinnigenclassen 
einzuverleiben. Aber s ie 1 >br-u auch ein lebhaftes Interesse 
daran, die Prophylaxe der Geisteskrankheiten zu treiben im 
Kampf gegen die geistige Erschöpfung und LTeberbürdung. Dass 
eine solche vorkommt, vorzugsweise an den höheren Lehranstalten 
mit ihrem weit gesteckten Sehulziel, bedarf wohl nicht der Er¬ 
örterung; die Frage ist nur, wie können wir ihr Vorhandensein 
und ihren Grad in jedem Einzelfall nachweisen, wie lässt sie 
sich wieder ausgleichcn und wie soll man ihr Vorbeugen. Psycho¬ 
logisch gebildete Psychiater sollten durch die ganze Denkrich¬ 
tung ihres Berufs befähigt sein, die psychischen Laesionen bei 
Schülern eher und treffender zu beurtheilen als die Kinderärzte 
und auch als die Lehrer. Das Wort Kant’s, Begriffe ohne An¬ 
schauung sind leer, und Anschauungen ohne Begriffe sind blind, 
könnte in seiner ersten Hälfte auf die vielfach übliche Denk¬ 
weise der Lehrer, in dem zweiten Theil auf die zahlreicher Aerztc 
gemünzt sein. Der Modieiner wird von früh an gewöhnt, 
anschaulich zu denken, seine geläufigsten Vorstellungen sind 
Bilder dos räumlich Ausgedehnten und somit fällt es ihm später 
schwer, sich in die psychologische Denkweise hineinzufinden, 
die auf der inneren Wahrnehmung beruht und deren psychische 
Gebilde auf die subjeetive Seite der Empfindung zurückgehen 
unter Abstraction von dem der Ausscnwolt entstammenden In¬ 
halt. Der klinisch und psychologisch durchgebildete Psychiater 
kann hier am ersten die richtige Betrachtungsweise treffen, 
während die Mehrzahl der Aerzte Gefahr laufen wird, über ihrer 
detaillirten Kenntnis? vom Bau des Nervensystems zu vergessen, 
dass es nur einen psychologischen Parallelismus, aber keine Ver¬ 
bindungsbrücke zwischen physiologischen Vorgängen und psycho¬ 
logischen Gebilden gibt. Alle Hypothesen von der Anhäufung 
von Ermüdungsstoffen in den Zellen oder von spät ausreifenden 
Markscheiden u. dgl. werden die Ueberbürdungsfrage nicht för¬ 
dern. Sie kann nur von der psychologischen und klinisch-psych¬ 
iatrischen Seite aus in Angriff genommen werden; desshalb 
sollten hier die Psychiater Die Vorhand vor den übrigen medi- 
einisehen Disciplinen haben und ihre sachlich begründeten 
Rechte auch geltend machen. 

Ich glaube, dass sich gerade für die jüngeren Psychiater in 
grösseren Städten, namentlich also an Kliniken und Stadtasylen, 
hier ein Arbeitsgebiet findet, das ernster Beachtung werth wäre. 
Es würde ein uneinbringlicher Verlust sein, wenn es hier gehen 
sollte wie mit der Hypnose, die sich die Psychiater fast völlig aus 
der Hand winden Hessen, so dass sie jetzt meist von den Ver¬ 
tretern anderer Disciplinen ausgeübt wird, oft genug zum Schaden 
der Kranken und sicher nicht zum Vortheil der Theorie. So 
willig die Psychiatrie Vorspanndienste für die normale Anatomie 
und Physiologie geleistet hat, so sollte sie darüber doch nicht 
völlig Fragen ausser Acht lassen, die so eng die Seelenheilkunde 
berühren wie die Ueberbürdungsfrage und die Probleme der 
geistigen Hygiene. Es gilt hier einmal den unwissenschaftlichen 
Methoden übereifriger Reformer Einhalt zu gebieten, dann neue 
Methoden zur Prüfung geistiger Leistungen, insbesondere auch 
der Erschöpfung, zu schaffen, sowie die anderen Methoden in 
ihrer Verwendbarkeit zu prüfen und auszubauen. 

Welche Ziele damit zu erreichen wären, dafür will ich mir 
nur noch einen kurzen Hinweis erlauben: Die heutigen Schul¬ 
zeugnisse, die aussagen, was der Schüler in Latein oder Grie¬ 
chisch, Geometrie oder Religionsunterricht sich für eine Dressur 
angeeignet hat, sind für die Berufswahl und für die ganze Zu¬ 
kunft des jungen Mannes ziemlich werthlos; daran ändern auch 
nichts die knappen und streng pädagogisch gehaltenen Notizen 
über Betragen, Fleiss und Aufmerksamkeit. Wenn es gelingen 
sollte, neben den Faehcensuren auch noch psychologische Eigen¬ 
schaften zu kennzeichnen: wie verhält es sich mit den Sinnes¬ 
organen, wie mit Wahrnehmung und Auffassung, wie ist das 
associative Denken beschaffen, wie das Gedächtnis?, welche Ein¬ 
drücke haften am besten, optische oder acustische oder moto¬ 
rische, wie äussert sich die Psychomotilität und der Wille u. s. w., 
so wäre mit dieser psychologischen Charakterisirung in den Cen- 
suren nicht nur für die normale Psychologie ein grosser Gewinn 
erzielt, sondern es würde den Eltern des Schülers ein namentlich 

3* 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



152 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


für die Berufswahl werthvolles Document humain in die Hand 
gegeben. Ausserdem könnte sieh die Psychiatrie nur freuen, 
wenn sie Öfters Anamnesen mit so zuverlässigen Daten über 
die Psyehogenese erhalten würde. 

Ich kann hier nicht näher darauf eingehen, wie im Einzelnen 
nun die Schulärzte eine solche Vorbildung erwerben sollten. Ich 
gestehe ruhig zu, dass die heutige Psychiatrie, auch wenn sie 
durch psychologische Studien wirklich unterstützt wird, viel¬ 
leicht noch nicht völlig hinreicht, um sofort grosse Erfolge auf 
unserem Gebiet erwarten zu lassen. Hier muss eben die künftige 
Aufgabe befruchtend auf die Vorbereitungsgelegenheit zurück¬ 
wirken. Dass schulhygienische Vorlesungen oder besser noch 
(’urse und Golloquia eingerichtet werden sollen, ist schon oft ge¬ 
fordert worden und steht, wohl der Verwirklichung nahe. Aber 
so gut wie neben dem Fach der forensischen Mediein die ver¬ 
wickelten Specialfragen der forensischen Psychiatrie gewöhn¬ 
lich noch ihre besondere Behandlung durch den Lehrer der 
Psychiatrie finden, so wird dereinst auch die Psychohygiene der 
Schule voraussichtlich eine besondere Berücksichtigung von 
psychiatrisch - psychologischer Seite erfahren. Freilich die 
nächsten Erwartungen dürfen wir noch nicht so weit 
richten. Es ist klar, dass eine psychiatrisch-psychologische Vor¬ 
bildung vorzugsweise in Betracht kommt bei den Schulärzten 
an höheren Lehranstalten, wo die ITeberbürdungsgefahr eine 
weitaus brennendere ist, als an Volksschulen. Auf jenen Stellen 
sollte für die Schulärzte eine psychologisch-psychiatrische Aus¬ 
bildung, etwa durch ein Anstaltsjahr, obligatorisch sein, während 
für die Volksschulen eine solche vorzugsweise nur dann von Be¬ 
lang ist, wenn die Auswahl für die etwaigen Schwachsinnigen- 
classen getroffen werden soll, im fiebrigen allenfalls noch gegen¬ 
über hartnäckigen Repetenten u. dergl. In Bezug auf die 
sonstige Ausbildung, die bei Schulärzten verlangt werden kann, 
sind alle von der Universität kommenden Mediciner gleich und, 
wenn einmal entsprechende Curse über Schulhygiene gehalten 
werden, auch mit hinreichender Grundlage versehen; eine etwaige 
Assistentenzeit des Arztes an inneren, chirurgischen oder Frauen¬ 
kliniken wird für seine Thätigkeit, die Schulkinder körperlich 
zu überwachen, nicht allzuviel ausmachen, von der allgemeinen 
Berufssicherheit natürlich abgesehen. Eine möglichst gediegene 
psychiatrisch-psychologische Vorbildung, die freilich nicht allein 
durch Curse oder Klinikanhören angeeignet werden kann, sollte 
den Bewerbern um Schularztstellcn, insbesondere wenn es sich um 
höhere Schulen handelt, unbedingt einen gewissen Vorrang ver¬ 
leihen. Da erfahrungsgemäss durchaus nicht alle psychiatri¬ 
schen Assistenten bei ihrem Specialfach bleiben, würde für einen 
Theil derselben sich nach jener Richtung hin ein ergiebiges Ar¬ 
beitsfeld eröffnen. Somit hätte die ganze Frage auch einen 
bemerkenswerthen praktischen Hintergrund für die Psychiater. 
Dass die Schularztfrage aber in erster Linie nach der theo¬ 
retischen Seite für uns von Wichtigkeit ist, glaube ich mit 
meinen Ausführungen hinlänglich angedeutet zu haben. 

In Kürze lassen sich meine Darlegungen etwa folgender- 
maassen zusammenfassen: 

1. Die Verwendung von Schulärzten für die psychische 
Ueberwachung der Schüler steht noch im Stadium des Versuchs. 

2. Zur Ausbildung der Theorie sind in erster Linie Psycho¬ 
logen und Psychiater berufen, schon um bisher begangenen 
methodischen Fehlern entgegenzutreten. 

3. Für die Schularztstelllen, insbesondere an höheren Lehr¬ 
anstalten, hat heute schon der psychologisch und psychiatrisch 
vorgebildete Arzt die geeignetste Grundlage. 

4. An den Volksschulen ist vorzugsweise die Aushebung der 
schwächer begabten Schüler für die (in grossen Städten ein¬ 
gerichteten) Sch wachsinn igenchissen, sowie die Ueberwachung 
der letzteren unter Beihilfe von psychiatrisch vorgebildeten 
Acrzten vorzunehmen. 


Aus dem Neuen Allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg- 
Eppendorf. 

Ein Beitrag zur Frage über die Ursachen des Todes 
bei Verbrennungen und Verbrühungen. 

Von Dr. E. Scholz. 

Durch zahlreiche Arbeiten von Kleb» [1], P o n f i c k [2], 
W c 1 t i [3], Silbermann [4], Frankel [5] und Lesser [6] 
ist der Nachweis geführt worden, dass bei Verbrennungen der 

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Haut hochgradige Blutveränderungen stattfinden. Diese be¬ 
stehen entweder in einer Herabsetzung der funetionellen, den 
Gasaustausch betreffenden Eigenschaften der rothen Blutkörper¬ 
chen oder in einer Verminderung ihrer Resistenzfähigkeit gegen 
verschiedene äussere Einflüsse, ferner aber in einer directen, 
sei es vollständigen, sei es unvollständigen morphologischen Zer¬ 
störung. Die Folge dieser verschiedenen Schädigungen ist ein¬ 
mal die Unmöglichkeit, den Gasaustausch in normaler Weise 
weiter zu bewerkstelligen, andererseits aber finden in Folge von 
Gerinnungen und Verklebungen der veränderten Blutkörperchen 
und der Blutkörperehentrümmer Verlegungen zahlreicher Ge- 
fässe statt, welche ganz bedeutende Störungen im Gefolge 
haben und wohl im Stande sind, einen ganzen Theil der klinischen 
Erscheinungen beim Verbrennungstod zu erklären. Hierher ge¬ 
hören z. B. die venöse Stase, die arterielle Anaemie, die Ath- 
mungsanomalien, die Krämpfe, die Albuminurie, die Geschwürs¬ 
bildung. Die intravitale Entstehung dieser Thrombosen hat 
Silber ma n n durch intraarterielle Infusion einer Eosinlösung 
nachgewiesen. Es blieben die verstopften Gefässgebiete unge¬ 
färbt, während die dem Blutstrom offenstehenden eine intensive 
Eosinfarbe annahmen. Die directe Zerstörung zahlreicher rother 
Blutkörperchen bei Einwirkung von Hitze über 52 Grad ist von 
vielen Forschern bestätigt. Ausser dieser Thatsache gibt Lesser 
der intensiven Schädigung der rothen Blutkörperchen im fune¬ 
tionellen Sinne die Hauptschuld an den schweren Folgen von 
Verbrennungen. Wenn nun auch von Hoppe-Seyler [7] 
nachgewiesen ist, dass die Aufnahmefähigkeit für Sauerstoff beim 
Blute Verbrannter durchaus nicht geringer als normal ist, so 
sind doch die ihrer Form nach erhaltenen Blutkörperchen nicht 
völlig unversehrt. Es untersuchte Silbermann das Blut 
von Hunden und Kaninchen vor und nach Hautverbrennungen 
und fand dabei, dass die noch erhaltenen Erythrocyten eine 
bedeutend verminderte Resistenz gegen schädliche Einflüsse be¬ 
sitzen. Während sich unter Paraffinabschluss bei 25° normales 
Blut innerhalb 5 Stunden nach der Entnahme nicht wesentlich 
verändert, zeigt das Blut Verbrannter schon nach 2 Stunden viele 
Schatten, sehr viele gequollene Blutkörperchen, Fragmente und 
Mikrocyten. Erwärmung auf einer Kupferplatte bis zu 44° 
während 20 Minuten hat auf normales Blut nur geringen Ein¬ 
fluss, während das Verbrannter schon nach 5 Minuten und bei 
einer Temperatur von 32 0 sich ganz wesentlich verändert. Auch 
Trocknung bei 36° bringt in dem Blut Verbrannter schon in 
wenigen Minuten deutliche pathologische Bilder hervor. Ge¬ 
sundes Blut bleibt innerhalb der nächsten Stunde unter den¬ 
selben Bedingungen fast normal. Ferner sind die an Form noch 
erhaltenen Erythrocyten Verbrannter empfindlicher gegen Com- 
pression; bei geringem Druck zerplatzen sie in grosser Zahl, 
wogegen beim gesunden Blut nur ganz wenige diesen Vorgang 
zeigen. Kochsalzlösung quillt und entfärbt gesunde Blutkörper¬ 
chen lange nicht so schnell wie verbrannte und Methylviolett¬ 
lösung färbt gesundes Blut langsamer als Verbrennungsblut. 

Dass also ausser den kurz nach der Entnahme mikroskopisch 
sichtbaren Veränderungen rother Blutkörperchen von Ver- 
brennungsthieren noch in ihrer Resistenz wesentlich geschwächte 
Blutkörperchen vorhanden sind, deren pathologisches Verhalten 
erst nach Vornahme bestimmter Manipulationen hervortritt, 
steht fest. Es fragt sich nur, ob diese Erscheinungen alle nur 
durch die Hitzewirkung entstanden sind, oder ob sie durch Re¬ 
sorption von irgend welchen Stoffen auftreten, die sich am Orte 
der Verbrennung im Gewebe oder im Blute während derselben 
bilden. Es kommt hier eine Theorie in Betracht, die Lust¬ 
garten [8] aufgestellt hat, und die darin gipfelt, dass sich unter 
Einwirkung von Fäulnissbaeterien in den Hautschörfen ein Pto¬ 
main bildet, welches resorbirt wird und dann die weiteren Er¬ 
scheinungen hervorruft. Diese Theorie trifft nicht für alle Fälle 
zu, da schon Verbrennungen ersten Grades, bei denen sich gar 
keine Hautsehörfe bilden, einen tödtlichen Ausgang nehmen 
können. Es zeigt sich hier aber der Gedanke, dass es sich bei 
Hautverbrennungen um eine acute Vergiftung mit Ptomaincn 
handeln könnte, welche resorbirt entweder gleich toxisch wirken 
oder aber ihrerseits wieder Gifte bilden, welche die schweren 
Krankheitserscheinungen resp. den Tod herbeiführen. Diese Er¬ 
wägungen sind der Ausgangspunkt für die neuen Arbeiten auf 
diesem Gebiete gewesen. 

Nach Kijanitzin [9] erleidet das Blut beim Durchfliessen 
des verbrannten Bezirks bedeutende Veränderungen. Dieses 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


163 


Blut kreist eine gewisse Zeit im Körper, bis es durch die Nieren, 
die Leber oder andere Organe aus dem Kreislauf ausgeschieden 
wird. Während dieser Zeit nun unterliegt es dem Einfluss der 
im Blute stets enthaltenen und unter normalen Verhältnissen 
nicht schädlichen Fäulnisskeime. K. verarbeitete dann Blut, 
Organe und Urin von verbrannten Thieren und fand, dass sich 
in denselben ein Ptomain bilde, welches grosse Aehnlichkeit mit 
B r i e g e Fs Peptotoxin habe, einem Körper, der bei Eiweiss¬ 
zersetzung entsteht und äusserst giftig ist. Auf die Wirkung 
dieses dem Peptotoxin verwandten Giftes bezieht er das Fallen 
der Temperatur, die Schwäche der Herzthätigkeit, langsames, 
oberflächliches Athmen, Durchfall, Brechen, Schlaffheit und 
Schläfrigkeit. Die Quelle der Bildung, dieses Ptomains lässt er 
offen und sagt, dass es sich entweder im Blut selbst bildet oder 
im Organismus als ein pathologisches Product der Lebensthätig- 
keit der durch die Verbrennung veränderten Zellelemcnte der 
Gewebe oder des Blutes. Während nun Kijanitzin das ent¬ 
stehende Gift nicht chemisch genau feststellte, fand R e i s s [10], 
dass sich bei ausgedehnten Verbrennungen der Haut Pyridin im 
Harn nachweisen lässst, und dass es sich bei der Aehnlichkeit 
der Symptome bei Pyridinvergiftungen und Hautverbrennungen 
um eine Intoxication mit diesem Körper handle. Als Beispiel 
für stickstofflose, organische Substanz erhitzte R e i s s Cellulose 
im Verbrennungsrohr und machte dann davon eine 0,6proc. 
Xa CI-Auflösung, die aber auf Thiere nur einen geringen Ein¬ 
fluss hatte. Dagegen zeigte erhitztes Serumalbumin, als Beispiel 
der stickstoffhaltigen organischen Substanzen gewählt, eine be¬ 
deutende Toxicität. Er glaubt daher, dass bei den Hautverbren¬ 
nungen brenzliche Produete entstehen, welche die klinischen Er¬ 
scheinungen hervorrufen, und dass unter diesen das Pyridin 
eine bedeutende Rolle spielt. Jedoch führt er nur die Fälle auf 
eine Pyridinvergiftung zurück, die weder durch Schock, noch 
durch Sepsis, noch durch irgend eine andere Complication er¬ 
klärt werden können. Eine Nachuntersuchung dieser beiden 
Arbeiten unternahm Spiegler, doch konnte er unter Benutz¬ 
ung derselben Methode wie Kijanitzin, als auch einer Con¬ 
trolmethode den Befund von K. nicht bestätigen. Auch der An¬ 
sicht von R. tritt Spiegler [11] entgegen. Wenn sich das Pyri¬ 
din in der verbrannten Haut bildet, und dann resorbirt als Toxin 
wirkt, so darf es nicht als solches im Urin erscheinen, sondern 
müsste in Folge der Einwirkung auf den Körper in irgend einer 
Weise verändert werden, oder es kann das Pyridin, welches im 
Harn auftritt, nicht toxikologisch wirksam gewesen sein. Auch 
sind bei Verbrühungen die Bedingungen für die Entstehung 
von Pyridin (trockene Destillation) nicht vorhanden. Er führt 
dann ein Beispiel an, bei welchem trotz der denkbar günstigen 
Bedingungen für das Zustandekommen von Pyridin kein solches 
im Harn gefunden ist. Es handelt sich hier um eine Verbrennung 
dritten Grades beider Hände und des linken Vorderarmes mit 
tiefer Gewebsnekrose bei einem epileptischen Individuum, das 
sich diese Verletzungen im bewusstlosen Zustande zuzog. Es 
kann sich also nach Spiegler wegen des mangelnden Befundes 
an Pyridinderivaten wegen seines inconstanten Vorkommens 
und wegen der nicht immer vorhandenen Entstehungsbeding¬ 
ungen der Befund von Pyridin nur dadurch erklären lassen, dass 
neben anderen toxisch wirkenden Substanzen das Pyridin als 
Nebenproduct abgeschieden wird. 

Um dann ferner nachzuweisen, dass in der Haut selbst 
nicht die Bildungsstätte der giftigen Substanzen sei, nahm 
Spiegler Haut vom Rücken einer Leiche, erhizte dieselbe 
und machte davon ein wässeriges Extract und ein Destillat. 
Dieselben erwiesen sich für Kaninchen als durchaus unschäd¬ 
lich. Sp. bestätigt dann ferner die anatomischen Veränderungen 
des Blutes und machte folgenden Versuch als Beweis, das die 
directe Erhitzung des Blutes bis 42° keinen schädlichen Ein¬ 
fluss auf den Organismus habe. Er entnahm einem Hunde in 
Narkose ca. den 5. Theil seiner Gesammtblutmenge, versetzte 
denselben mit 10 ccm einer lproe. Na Citric-Lösung zwecks Ver¬ 
hütung der Gerinnung und erhitzte auf 52° C., dann liess er 
wieder auf 40 0 abkühlen, und das Blut unter dem leichten Druck 
in die Vena jugularis fliessen. Die Veränderungen des Blutes 
entsprachen nur etwa der Verdünnung auf die Gesammtmenge 
und verschwanden nach einer halben Stunde. Hieraus schliesst 
Sp., dass durch directe Schädigung eines grossen Antheils des 
circulirenden Blutes ein letaler Ausgang sich nicht erklären 
lässt. Auf Grund dieser beiden Versuche kommt Sp. zu dem 

N °' 6 ' Dlgltlzed by GoOölC 


Schluss, dass es sich beim Verbrennungstod, da weder durch die 
Haut primär toxische Substanzen erzeugt werden, noch das 
durch Erwärmen geschädigte Blut toxisch wirkt, um eine im 
Organismus sich abspielende Giftbildung handelt, und zwar 
bildet sich höchst wahrscheinlich nicht ein einziges Gift, sondern 
es treten mehrere beim Eiweisszerfall entstehende Substanzen in 
Action. In dieser Richtung hat nun auch Sp. weitergeforscht 
und in einer kurzen Mittheilung dargelegt, dass bei der Ver¬ 
brennung ein pathologischer Eiweisszerfall im grossen Maass¬ 
stabe stattfindet, und dass ausser dem Pyridin noch zwei andere 
Körper gefunden werden, die auf denselben zurückzuführen sind. 

Wenn es nun überhaupt schon schwierig ist, nach einem Ex¬ 
periment mit Leiehentheilen auf ähnliche Vorgänge im lebenden 
Körper zu schliessen, so wird die Schwierigkeit noch erhöht, 
wenn es sich dabei um einen einzelnen Versuch handelt, wie 
dies bei Sp.’s Experiment mit der Rückenhaut einer Leiche der 
Fall ist. Gerade bei den feinen chemischen Vorgängen, welche 
sicher bei dem Verbrennungsprocess die grösste Rolle spielt, ist 
es meiner Ansicht nach unbedingt nöthig, dieselben am lebenden 
Körper anzustellen. Ferner aber hat Reiss auf Grund seiner 
chemischen Arbeiten mit verschiedenartigen Harnextracten Ver¬ 
brannter nachgewiesen, dass das wässerige Extract für Versuehs- 
thiere völlig unschädlich ist, und dass nur das alkoholische die 
toxischen Stoffe enthält (0,2—0,3 ccm tödtete schon eine Maus). 
Destillirt man dies alkoholische Extract, so verliert es seine 
toxische Wirkung. Man kann also aus diesen Gründen den 
Spiegle rächen Versuch, der auf einem wässerigen Extract 
und dessen Destillat basirt, nicht als stricten Beweis dafür an- 
sehen, dass sich in der Haut keine toxischen Substanzen bilden. 
Es haben sich in jüngerer Zeit weiterhin Markusfeld t [12] 
und Steinhaus mit Experimenten über Verbrennungserschei¬ 
nungen beschäftigt. In ihrer Arbeit bestätigen sie zunächst die 
anatomischen Blut- und Organbefunde, sodann constatiren sie 
Temperatursteigerungen bis 43 und sogar 45°, am Schluss der 
Verbrühung durch während einer Stunde bis auf 66 0 erwärmtes 
Wasser. Eine Abkühlung der Thiere mit Wasser während des 
Versuchs war ohne irgend einen Einfluss. Um nun die Hitze¬ 
wirkung auf das Blut auszuschalten, unterbanden sie die grossen 
Ohrgefässe bei Kaninchen und verbrühten dann in derselben 
Weise. Die Thiere blieben am Leben, es traten keineTemperatur- 
steigerungen, eher ein Sinken der Temperatur auf. Die quali¬ 
tativen Blut Veränderungen waren dieselben, blieben aber quanti¬ 
tativ weit hinter denen bei strömendem Blut zurück. Zuletzt 
führen sie den Tod auf die capillären Thrombosen zurück, die sie 
in allen Organen, besonders im Gehirn und verlängerten Mark, 
gefunden haben. Diese Versuche können kein klares Bild geben, 
da erstens die Ohren der Thiere vorher nicht blutleer gemacht 
worden waren und zweitens die Circulation nachher nicht wieder 
hergestellt worden ist. Etwa in der Haut gebildete Toxine hätten 
gar keine Möglichkeit gehabt, in den allgemeinen Kreislauf zu 
gelangen. 

Zwecks Ermittelung des Einflusses der Haut bei der Bil¬ 
dung von Toxinen im lebenden Körper habe ich zwei Reihen 
von Versuchen ausgeführt. In der ersten stellte ich die Er¬ 
scheinungen bei gleich grossen Brandwunden der Haut und des 
Peritoneums einander gegenüber, in der anderen wurden die¬ 
selben bei Hautverbrennungen unter strömendem Blut und bei 
Blutleere mit einander verglichen. 

Vorher möchte ich noch bemerken, dass Hunde nicht ver¬ 
wandt werden konnten, da sie eine ganz unglaubliche Wider¬ 
standsfähigkeit gegen Verbrennungen haben. Lesser und 
Silbermann heben dies ebenfalls hervor. Lesser schiebt 
diese Erscheinung auf die Dicke der Haut, während Silber- 
mann nebenher auch der grossen Widerstandsfähigkeit der 
Hundeblutkörperchen die Schuld gibt. Dies scheint auch der 
richtige Standpunkt zu sein, da ich z. B. einen ca. 4 kg schweren 
unechten Foxterrier fast das ganze erreichbare parietale Peri¬ 
toneum mit dem Paquelin verbrannt habe, ohne auch nur ein ge¬ 
ringes Sinken der Temperatur beobachten zu können. Nun zu 
meinen Versuchen. Es wurden zu jedem Experiment 2 mög¬ 
lichst gleichschwere gesunde Kaninchen gewählt, bei dem einen 
wurde nach Abrasiren der dicken Haardecke, um ein dem Ver¬ 
hältnissen beim Menschen möglichst ähnliches Operationsfeld 
zu haben, vermittels des Paquelin eine Brandwunde von be¬ 
stimmter Grösse angelegt, bei dem anderen wurde die Bauch- 

Ürigiral frci v 4 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



154 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. r>. 


höhle eröffnet und eine genau gleich grosse Brandwunde des 
Peritoneum ebenfalls mit dem Paquelin gesetzt. 

Versuch 1 a. Weisses, weibliches Kaninchen. 2000 g. 
Morph. 0,01, Chloroform 18 Tropfen. Auf der Bauchhaut eine 
Brandwunde von 14 X 4.5 — 03 qcm angelegt. Das Thier ist 
nach dem Erwachen aus der Narkose noch etwas apathisch 
frisst aber bald gut und erholt sich schnell. Ausgedehnte \ er- 
brenuung 2. und 3. Grades. 

Temperatur: 

Tag 1. 2. 3 4. 5. 6. 

Morgens — 38,6 39,2 33,9 39 38,0 

Abends 39,6 39,4 39 38,6 39,2 38,5 

Versuch lb. Graubraunes weibliches Kaninchen. 2000g. 
Morph. 0,01, 15 Tropfen Chloroform, Laparotomie in der Mittel¬ 
linie, 2 Brandwunden rechts und links vom Schnitt auf dem parie 
tu len Peritoneum angebracht. 0 X 6 -f- 7 X 4 04 qcm. Peritoneal¬ 

naht , Muskelhautnaht, Jodoformgaze-Collodiumverband. Das 
Thier hat sich bald nach der Narkose erholt und nimmt Futter 


Temperatur: 


Tag 

1 . 

2 . 

3. 

4 

5. 

Morgens 

— 

38,6 

38,8 

37,6 

35,9 

Mittngs 

— 

— 

— 

37 

35 

Abends 

39,4 

38,4 

38 

36,1 

— 


Am 5. Tage Abends Exitus. 

Section: Ilyperaemie sämmtltcher Bauchvenen, dessgleicheu 
der Lungenarterien; rechtes Herz voller Blut in Diastole. Nieren. 
Leber, Darm makroskopisch nicht verändert. Peritoneum auf dem 
verbrannten Bezirk gelbbraun verfärbt, Nähte p. p. verheilt, keine 
Adhaesionen. 

Versuch 2 a. Gelbes, weibliches Kaninchen. 2000 g. 
Morph. 0,01. Auf der Bauchhaut eine Brandwunde mit dem Pa 
quelin angelegt, von 14 X 9 = 126 qcm. Starke Verbrennung 2. 
und 3. Grades. Das Thier erholt sich bald. 


Temperatur: 


Tag 

1 . 

2 . 

3. 

4 

5. 

Morgens 

38,5 

40,2 

38,8 

39,4 

39,1 

Abends 

36,5 

39,6 

39,2 

39,2 

39,4 


Am 10. Tag ist die Temperatur wieder normal auf 38,5. 
Versuch 2 b. Gelbes, männliches Kaninchen. 2000 g. 
Morph. 0,01, 9 Tropfen Chloroform. Laparotomie. Medianschnitt 
zu beiden Seiten des Peritoneum parietale. Zu beiden Seiten das 
Peritoneum parietale versengt. 8.5 X 7 -f 10 X 7 “ 1-9,5 qcm. 
Peritonealnaht, Muskelhautnaht. Jodoformgaze-Collodiumverband. 
Gleich nach der Verbandanlegung klonische Krämpfe der vorderen 
und hinteren Extremitäten, Athmung sehr verlangsamt und ober¬ 
flächlich, das Thier erholt sich dann etwas wieder, um dann an 
dem der Operation folgenden Tage einen tiefen Collaps durch¬ 
zumachen. 


Temperatur: 


Tag 1. 

2 . 

3 

4. 

5. 

6 . 

Morgens — 

34,5 

38,2 

38 

39 

38,6 

Mittags — 

34,3 

— 

— 

— 

— 

„ — 

35 

— 

— 

— 

— 

Abends 38,6 

37,2 

39 

39,2 

38,9 

38,5 


Glatter Heilungsverlauf. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Haut jedenfalls 
nicht die ausschliessliche Bildungsstätte der Toxine ist, da sonst 
die Thiere mit den Hautwunden bedeutend schwerere Erschei¬ 
nungen hätten bieten müssen. Beide Male aber haben sich diese 
sehr schnell erholt, während das erste der Kaninchen mit der 
Peritonealwuude am 4. Tage zu Grunde ging und das zweite 
schwer erkrankte. 

Bei der zweiten Versuchsreihe musste es vor Allem darauf 
ankommen, die Hitze allein auf die Haut wirken zu lasssen, 
und nachher dafür zu sorgen, dass die eventuell in der Haut 
gebildeten Toxine in den allgemeinen Kreislauf gelangen 
konnten. Zu dem Zweck wurden die Ohren eines Kaninchens 
durch Streichen mit den Fingern blutleer gemacht und darauf 
dicht an der Wurzel des Ohres eine Schede’sche Darin- 
klemme so angelegt, dass jegliche Blutcireulation stockte. Es 
wurde dann die Verbrühung mit heissein Wasser vorgenommen 
und zwar so, dass das Thier in ein dickes, starkes Handtuch 
geschlagen wurde, aus dem nur die beiden blutleeren Ohren 
herausssahen, um es vor den Wasserdämpfen zu schützen. 
Hierauf wurden die Ohren in Gefässe mit Wascsr von verschie¬ 
denen Temperaturen getaucht. 40, 50, 60, 65, 70, 75°. Diese 
Procedur darf nicht zu lange dauern, da sonst die Blutgefässe 
so verändert werden, dass sich die Circulation nicht wieder her¬ 
stellt. Ich habe bei 4 Versuchen eine langsame Erwärmung der 
blutleeren Ohren versucht, doch machten die Ohren schon bei 
70° den Eindruck, als wenn sie gekocht wären, sie schrumpften 
während der Verbrühung, und das Blut trat nachher überhaupt 
nicht wieder in die Gefässe ein. Wenn die Erwärmung ca. 
3—4 Minuten dauert, so erhält man schon wenige Stunden nach 

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der Operation eine starke Blasenbildung. Da es bei diesem \ er¬ 
suche nur auf die Wirkung auf die Haut ankommt, welche der 
Erwärmung in ihrer ganzen Ausdehnung sofort ausgesetzt ist, 
so hat eine längere Anwendung der Hitze keinen Zweck. Anders 
ist es beim blutdurchströmten Ohr, wo nur ein kleiner Blut- 
theil in jedem Moment im Ohre enthalten ist, und zwecks Ein¬ 
wirkung auf das ganze strömende Blut eine längere Erhitzung 
nothwendig ist. Wenn die Ohren der höchsten Temperatur von 
70° ausgesetzt warenj wurden sie schnell in Wasser von 10 ab¬ 
gekühlt, und dann erst die Circulation des Blutes wieder frei 
gegeben. Auf diese Weise wird das Blut vor der Erhitzung be¬ 
wahrt, dient andererseits aber dazu, die durch die Verbrühung 
in der Haut etwa gebildeten Toxine fortzuschaffen und auf den 
Organismus wirken zu lassen. Es ist eine bekannte, zuerst von 
Klebs mitgetheilte und seitdem vielfach nachgeprüfte That- 
sache, dass Kaninchen, deren Ohren in heissem Wasser langsam 
erwärmt werden, unfehlbar unter Krämpfen zu Grunde gehen. 
Es wurden im Ganzen 3 Versuche und ein Control versuch an¬ 
gestellt. 

Controlthi^r 1. Verbrühung beider Ohren bei bestehen¬ 
der Circulation. Dauer 15 Minuten. Wassertemperaturen 4U, 5<>. 
55, 60, 65, 70, 75, 80, 85 °. Tod unter klonischen Krämpfen. 

V e r s u c li 2. Weisses. männliches Kaninchen. 2000 g. Vor 
brühung beider Ohren bei Blutleere, 4 Minuten, Wassertempeia- 
turen 40, 50, 55, 60, 65, 70°. Starke Verbrennung 2. Grades. 

Temperatur: 

Tag 1. 2. 3. 4. 5. 

Morgens — 39,3 40,2 40 39,3 

Abends 37,2 39,8 39,9 39,8 39,6 

Nach ca. 8 Tagen beginnt das Ohr von der Spitze ab all 
mählich zu vertrocknen, und fällt nach ca. 2 Wochen ab. 11 Tage 
post operationem ist die Temperatur normal. 

Versuch 3. Schwarzes, weibliches Kaninchen. 2500 g. 
Verbrühung beider Ohren unter Blutleere, 3 Minuten, Wasser¬ 
temperatur wie bei 2. Starke Verbrennung 2 .Grades. 

Temperatur: 

Tag 1. 2. 3. 4. 5. 6. 

Morgens 38,8 p. op. 39 39,1 39 38,8 39,1 

Abends 39 38,9 38,8 39,1 39 38,7 

Am 8. Tage ist die Temperatur normal, am 30. begiuut auf 
beiden Seiten die Ohrspitze zu vertrocknen, beide Ohren gehen zur 
Hälfte verloren. 

Versuch 4. Graugelbes, weibliches Kaninchen. 2200 g. 
Verbrühung beider Ohren bei Blutleere, Dauer 4 Minuten, Wasser- 
temperatur wie hei 2 und 3. Verbrennung 2. Grades. 

Temperatur: 


Tag 

1 . 

2 . 

3. 

4. 

Morgens 

38,5 

38,8 

39,1 

38,7 

Abends 

39 

39 

39,2 

39 


Am 3. Tage wirft das Thier Junge und ist vollständig munter. 
Circulation vollständig erhalten. 

Gleich nach Abnahme der Klemmen, die die Olirwurzcl 
comprimiren, stellt sich die Circulation wieder ganz her. Bei 
durchscheinendem Lichte kann man die strotzende Fülle der 
Gefässe sehr deutlich sehen, ca. 2—3 Stunden nachher ist das 
Oedem ausgebildet, auch beginnt meist schon die Blasenruption. 
Tritt in Folge zu langer Wirkung der Hitze die Blutcireulation 
nicht wieder ein, so entsteht nie Oedem des betreffenden Ohres. 
Die unter Blutleere verbrühten Thiere zeigten nie eine auch nur 
irgend wie bedeutende Störung ihres Allgemeinbefindens. Die 
Temperatur erreichte in den folgenden Tagen 39—39,9°, nur 
selten 40° und mehr, zeigte aber nie Collapsgradc. Krämpfe 
traten nie ein, und ausser einer Anfangs etwas oberflächlichen 
Athmung war an den Thieren nichts Abnormes zu constatiren. 
Es muss noch hervorgehoben werden, dass die Anlegung der 
Klemmen so geschehen ist, dass die Nervenleitung noch ununter¬ 
brochen war, da Kneifen und Stechen in dem blutleeren Bezirk 
vor dem Eingriff mit deutlichen Schmerzäusserungen erwidert 
wurde. Es hätte demnach eine eventuelle Shockwirkung auch 
bei diesen Thieren zu Stande kommen können. 

Aus dem prompten Tode des Controlthieres, sowie aus der 
geringen Beeinflussung der 3 anderen Thiere geht also hervor, 
dass bei Verbrühungen die Hautveränderungen chemisch keine 
Rolle spielen, sondern dass es sich dabei um Hitzewirkung auf 
das Blut handelt. Die Richtigkeit dieser Anschauung findet 
auch in der ersten Versuchsreihe ihre Stütze. Bei der Peritoneal¬ 
verbrennung sind sicher eine sehr grosse Anzahl von Blutkörper¬ 
chen verändert worden, da erstens nach Eröffnung der Bauchhöhle 
sich sehr bald Gefässhyperaemie einstellt, und zweitens keine 
dicke, schützende Epidermisdecke der Hitzewirkung entgegen- 

Qritjiraal fro-rn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


155 


nt an«]. So erklären sieh auch die wesentlich schwereren Erschei¬ 
nungen bei den Thieren mit der Peritonealwunde leicht und 
ungezwungen. Da nun einerseits die Verbrennung einer be¬ 
stimmten Hautoberfläche den Organismus nicht so intensiv schä¬ 
digt, wie z. B. eine gleich grosse Brandwunde am Peritoneum, 
andererseits aber die Verbrühung einer blutleeren Hautfläche, 
deren gleichartige Verletzung bei Blutcirculation den sicheren 
Tod herbeiführt, auch nach Wiedereintritt des Blutstroms, ohne 
irgend welche schwere Folgen für das Individuum abläuft, so 
kann man die Bildungsstätte der toxischen Substanzen jeden¬ 
falls nicht in die Haut verlegen, auch findet die Blut Veränderung 
nicht durch Resorption giftiger Stoffe aus derselben statt, son¬ 
dern es handelt sich beim Tode durch Verbrennung oder Ver¬ 
brühung um die combinirte Wirkung der durch die Hitze er¬ 
zeugten physikalischen und chemischen Zerfallproduete des 
BluttK? selbst. 

Die vorliegenden Untersuchungen wurden auf Veranlassung 
des Herrn Dr. Lomer in Hamburg gemacht, der eine Arbeit 
über die Therapie des Carcinoms, in welcher auch die Ursachen 
des Verbrennungstodes gestreift werden, unter der Feder hat 
und durch Beschäftigung mit der Literatur dieses Gegenstandes 
auf die.-e Fragestellung gekommen war. Ich will nicht versäumen, 
Herrn Dr. Lomer für das rege Interesse und die liathschläge, 
mit denen er meine Arbeit unterstützt hat, meinen besten Dank 
zu sagen. Das Thiermaterial stellte mir Herr Director Prof. 
R u m p f zur Verfügung, dem ich für sein Entgegenkommen an 
dieser Stelle ebenfalls meinen Dank ausspreche. 

Literatur. 

1. Klebs: Münchener Xaturforscherversammlung 1S77. 

Po n fick: Münchener Naturforscherveisammiung 1N77. 

’■ W e 11 i : Beiträge z. patliol. Anat. u. allg. Pathol. v. Z i e g 1 e r 

und X a u w e r k , Bd. 4, 1889. 

4. Silbermann: Vircliow's Archiv, Bd. 119. 

•"> Fraenkel: Deutsch, med. Wochensehr. 1889, Xo. 2. 

o. Besser: Vircliow’s Archiv, Bd. 79. 

7. H o p p e - S e y 1 e r : Zeitschr. f. pliys. Chemie. Bd. 5. 

s. Lustgarten: Wiener klin. Wochensehr 1891, Xo. 29. 

9. K 1 j a n i t z i n : Vircliow’s Archiv. Bd. 131. 

10. Re iss: Archiv f. Dermatol, u. Syph. 1893. Ergänzungsheft. 

11. 8 p i e g 1 e r: Wiener med. Blätter 189(5, Xo. 17—20, 1897. Xo. 

12. Mnrkusfeldt und Steinhaus: Centialbl. f. allg. Patli. 

u. patli. Anat. 

Ueber einen hall'von acuter Perichondritits und Peri¬ 
ostitis der Nasenscheidewand dentalen Ursprungs.*) 

Von Prof. Dr. Gustav Ivillian in Freiburg i. Br. 

Dass eine einfache, nicht t r a u m a t i s c li e Perichon- 
dritis der Xasenseheidewand vorkonimt, war schon den älteren 
AiTztcn genugsam bekannt. Immerhin sind solche Fälle ver- 
lüiltnissinässig selten. Ich habe im Verlaufe von 12 Jahren 
keinen einzigen zu Gesicht bekommen. In der kleinen darüber 
vorhandenen Literatur fand ich nur zweimal eine Zahncaries 
mit Wurzelhautentzündung, bezüglich Alveolarperiostitis als 
wahrscheinliche Ursache der Perichondritis septi narium an¬ 
gegeben. Es sind das der zweite Fall von Fischenich (Ver- 
handl. (1. Naturforscherversamml. Nürnberg 1893, 8. 263) und 
Beobachtung 10 von E. Fried heim (Diss. Berlin 1897) aus 
der B. F r a e n k e l’sehen Poliklinik. Ein Fall aber, in dem eine 
vereiternde Zahncyste die fragliche Affection veranlasste, ist 
bisher allein Anscheine nach noch nicht beobachtet worden. 

Ein junger Mann in den dreissiger Jahren, nicht erblich be¬ 
lastet. der aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie an Lues ge¬ 
litten hatte, erkrankte an Zahnweh und zwar am 2. linken oberen 
Schneidezahn. Nach 2 Tagen begann sich die Nase zu verstopfen, 
es traten heftige Schmerzen in der Stirne über der Nase und hohes 
Fieber (bis zu 40.0°) auf. In den folgenden Tagen wurde die 
Verstopfung der Nase bei massigeren Temperatiirstoigerungeii 
eine vollständige. Am siebenten Tage stellte sich plötzlich ein 
kolossaler Ausfluss höchst übelriechenden Eiters aus der linken 
Nase ein. Da die Eiterung und die Schmerzen fortdauerten, kam 
der Kranke nach einigen Tagen zu mir. 

Ich fand in der linken Nase gelben, übelriechenden Eiter. 

1 de Septumschleimhaut buchtete sich über dem ganzen Septum, 
tun meisten aber vorn vor und schien von ihrer Unterlage ab¬ 
gehoben zu sein. Auch rechts bestand eine solche weiche Ver¬ 
richtung, aber nur im Bereiche des knorpeligen Septums; weiter 
hinten war hier die Schleimhaut nur etwas geschwollen. Die An¬ 
wesenheit von Eiter links bewies zwar, dass eine Durchbruchs- 


*) Vortrag, gehalten in der VI. Versammlung des Vereins 
süddeutscher Laryugologen zu Heidelberg am 3. April 1899. 


Öffnung da sein müsse; dieselbe, im vorderen Theile der Scheide¬ 
wand gelegen, war aber so fein, dass ich sie erst nach einiger 
Mühe finden konnte. Patient hatte immer noch leichtes Fieber 
und heftige Kopfschmerzen, namentlich in der Gegend der Nasen¬ 
wurzel und der angrenzenden Stirnregion. 

Ich spaltete die Septumsehleimhaiit links breit vom Xasen- 
eingang bis zur Vomergrenze. wobei noch etwas Eiter abfloss. 
Die genauere Untersuchung bei auseinandergehaltenen Wund¬ 
rändern zeigte zu meinem Erstaunen, dass ein grosser Theil der 
knorpeligen Xasonschcidcwaiul durch den eitrigen Entzüudungs- 
process zur Auflösung gebracht worden war. Ausserdem konnte 
man mit der Somlc nach oben bis in die Nähe der Lamina cribrosa 
und nach hinten bis zum hinteren Rande des Vomer Vordringen. 
Es war fast die gesummte Septumsehleimhaiit von ihrer Unterlage 
abgehoben. Die Knoclienobertläche des Vomer und der vertiealen 
Siebbeinlamelle Ing frei. 

Die Wunde wurde mit Gaze ausgestopft, welche in eine 
Lösung von essigsaurer Thonerde (Liqu. ulum. acet. 5:100 Aqu.) 
getaucht war. 

Als nach 3 Tagen noch ziemlich viel Eiter unter dem nicht 
gespaltenen Theil der Septumschleimhaut hervorkam, verlängerte 
ich den Schnitt bis an das hintere Ende der Nasenscheidewand. 

Einen interessanten Anblick hatte man bei der Rhinoskopia 
posterior. Die gerötliete und geschwollene Schleimhaut gab dem 
hinteren Ende des Septum eine solche Breite, dass die Choanen 
dadurch stark verengt wurden. 

^ Im Verlaufe von 14 Tagen heilte der Process vollständig aus, 
ohne dass die Abstossung eines Sequesters nachfolgte, was ich 
sehr gefürchtet hatte. Offenbar war der Knochen von der rechten 
Seite aus noch genügend ernährt. 

Die Schmerzen an dein linken oberen Schneidezahne hatten 
im Anfänge nur 2 Tage gedauert und waren nicht wiedergekehrt. 
Der Zalm zeigte äusserlich keine Erkrankung und stand fest. 
Wiewohl ich ihn im Verdacht hatte, dass er zu der Nasensclieide- 
wanderkrankuug in einer gewissen aetiologischen Beziehung 
stände, so rieth ich doch dem Patienten, den Zahn einstweilen 
noch stehen zu lassen und abzuwarten. Am Kiefer war keinerlei 
Difformitiit nachweisbar, auch später nicht, was ich hier aus¬ 
drücklich betonen möchte. 

Etwa nach einem halben Jahre kam der Kranke wieder zu 
mir und erzählte mir, dass sich vor 2 Monaten wieder Schmerzen 
in dem bezüglichen Zahne eingestellt hätten, was ihn veranlasste. 
die Extraction vornehmen zu lassen. Dabei floss eine Portion 
Eiter ab und es eiterte von da ab aus dem Zahnloch immer fort. 

Ich sondirte und konnte einen 2 1 /, cm tiefen, bis zum Nasen¬ 
boden und Septum sich erstreckenden und ganz in dem keilförmi¬ 
gen vorderen Theil des Oberkiefers verborgenen Hohlraum nacli- 
weisen, der von einer Membran ausgekleidet war; es handelte 
sich um eine Zahn wurzoley ste. 

Unter localer Anaestliesie wurde am nächsten Tage das Zahn¬ 
fleisch vorn gespalten, zurückgeschol>en und mit der Knochen¬ 
zange die ganze vordere Cystenwand entfernt. Die eiternde 
Cystenmembran kratzte ich heraus. Unter Tamponade. Anfangs 
mit Jodoform-, später mit Thonerdegaze verkleinerte sich die 
Höhle allmählich und wurde von dem Epithel der Mundhöhle aus 
epithelialisirt. Jetzt nach 8 Wochen ist nur noch eine kleine 
Xisehe vorhanden. 

Ich glaube nicht, dass nach dem geschilderten Verlauf die 
Entstehung der Septumatfection von der eiternden Zahncyste 
aus in Zweifel gezogen .werden kann. Ob die Cyste unter die 
Septumschleimhaut durchgebrochen war, liess sich selbstver¬ 
ständlich nachträglich nicht mehr feststellen; ich halte das 
aber für das Wahrscheinlichste. 

Auflösungen des Knorpels der Nasenseheidewand in kleinerer 
oder grösserer Ausdehnung werden fast in allen Fällen von acuter 
Perehondritis non traumatica beobachtet. Das gehört also zur 
Regel. Fast immer scheint sich der Process auf die Cartilago 
quadrangularis beschränkt zu haben. Eine Ausdehnung auf den 
Vomer und die Lamina perpendicularis ossis ethmoidei wird Hin¬ 
ein einziges Aral (vergl. Schröder, Berlin. Klin. Wochensohr. 
1893, S. 1128) beschrieben. 

Der üble Geruch des Eiters weist auf die dentale Entstehung 
hin; auch in dem F r i e d h e i llöschen Falle wurde Derartiges 
beobachtet. 

Wiewohl die Zerstörung des Naseiiseheidewandknorpels eine 
sehr ausgedehnte war, so hat sich doch kein Einsinken des 
Nasenrückens eingestellt, wie es vielfach nach einfacher Peri¬ 
chondritis beobachtet worden ist. 

Mit dem Erfolge meines therapeutischen Vorgehens war 
ich sehr zufrieden; nur würde ich in einem analogen Falle von 
vorneherein schon die ganze Septumschleimhaut vom Nasenein¬ 
gang bis zum hinteren Vomerrand durchsclmeiden. Die feuchte 
Behandlung mit Lösungen von essigsaurer Thonerde ist der mit 
trockenen antiseptischen Pulvern bei weitem vorzuziehen. 


4* 


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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 


156 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


Aua dem Nürnberger städtischen Krankenhause. 

Ein Fall von Perityphlitis im Bruchsack; Resection 
des Coecum und Processus vermiformis.*) 

Von Hofrath Dr. C. Göschei, Oberarzt der chirurgischen 
Abtheilung. 

Wilhelm L., Bäckermeister, 35 Jahre alt, wurde uns von aus¬ 
wärts zugeschickt am 26. Juli 1898. 

Patient erzählte, dass er seit etwa 10 Jahren mit einem 
rechtsseitigen Leistenbruch behaftet sei. Er trug ein Bruchband, 
doch blieb der Bruch trotzdem stets im Hodensack. Er wurde 
am Tag vorher Früh 7 Uhr von Schmerzen befallen, der Bruch 
wurde grösser und konnte nicht zurückgebracht werden. Der 
in der Nacht darauf hinzugerufene Arzt versuchte die Reposition 
ohne Erfolg. Patient hat seit gestern Früh 3 mal erbrochen, 
das letzte Mal in vergangener Nacht. 

Status : Patient ist klein, schwächlich, trägt die Zeichen 
von früherer Rachitis, Skoliose der Brustwirbelsäule, blass. 
Temperatur 38.2. Puls 120, klein. Eine strausseneigrosse, 
die rechte Hälfte des Hodensackes völig ausfiillende 
äussere Leistenhernie, die prall gespannt und bei Druck sehr 
schmerzhaft ist. Die subcutanen Venen stark gefüllt, die Haut 
livid. Leicht crepitirendes Gefühl bei Betastung der Hernie, 
kein eigentliches Oedem. Bauch nicht besonders gespannt oder 
meteoristisch. Erbrechen und Aufstossen haben auf gehört. Die 
Diagnose wurde auf eingeklemmte Leistenhernie gestellt, die 
Hernlotomie ohne vorherige Repositionsversuche in Ghloroform- 
narkose sofort ausgeführt. Die Hüllen des Bruches zeigen sich 
stark verdickt, schwartig, nicht zu unterscheiden. Bei Eröffnung 
des Bruchsackes quillt eine mehrere Esslöffel betragende Menge 
Bruchwasser heraus. Dasselbe riecht fade, ist trüb, mit Fibrin¬ 
gerinnseln gemischt. Der im Bruchsack liegende Darm ist mit 
Fibrinauflagerungen bedeckt, die theils lose, theils fester in 
dichteren Schichten haften. Die Darmschlingen sind mit dem 
Bruchsack und unter einander fest verlöthet. Erst nach längeren 
Versuchen, dieselben aus einander zu legen, gelingt es zu unter¬ 
scheiden, welche Darmtheile man vor sich hat. Es befinden sich 
im Bruchsack das Coecum mit dem Processus vermiformis und 
mehrere Dünndarmschlingen. Der Processus ist stark verdickt, 
ebenso sein Mesenterium. Im Anfaugsdrlttel des Processus eine 
kleine Perforation, aus der Eiter ouillt. Die Bruchpforte ist 
weit, der Finger bequem durchzuführen, an den hervorgezogenen 
Darmtheilen kein Einschnürungsring zu sehen, auch sie sind 
mit Fibringerinnseln bedeckt, verklebt, es fliesst trübe 
Flüssigkeit reichlich aus der Bauchhöhle. Es wird nun 
die Resection des Processus. vermiformis ausgeführt dicht am 
Coecum, der Stumpf vernäht. Dann wird ein Streifen Jodoform¬ 
gaze in die Bauchhöhle geschoben, der Bruchsack mit Jodoform¬ 
gaze ausgefüllt, der aussen liegen gelassene Darm damit bedeckt 
und ein grosser Schutzverband angelegt. 

Der Processus hat enorm verdickte Wand, im Innern Eiter 
und 3 Kothsteino. In deren Umgebung sackartige Erweiterung, 
Schleimhaut theilweise zerstört. Perforation au der Stelle, wo 
der eiste Stein liegt, etwa einen Centimeter vom Coecum entfernt. 

Der Verlauf nach der Operation gestaltete sich sehr günstig. 
Die Temperaturen fielen allmählich und erreichten am Ende der 
ersten Woche normales Verhalten, ebenso der Puls. Schon am 
Tag nach der Operation spontaner Stuhl, kein Erbrechen mehr, 
Leib weich. Der Darm und die Wunden überziehen sich rasch 
mit Granulationen. Die Kräfte und der Appetit heben sich. 

Es war also selbstverständlich die Reposition unterlassen 
worden. Erstlich wäre sie nur mit dem Bruchsack möglich ge¬ 
wesen, weil das Coecum nahezu zur Hälfte seines Umfanges 
untrennbar auf der dicken schwartigen Unterlage aufsass und 
auch der aussenliegende Dünndarm mit dem Bruchsack verlöthet 
war. Dann aber war die Reposition verboten durch die im 
Bruchsack bestehende Perforationsperitonitis. Es würde ohne 
Zweifel die an sich schon drohende diffuse Peritonitis dem Leben 
ein rasches Ende bereitet haben. 

Nachdem nun aber die Peritonitis zurückgegangen war und 
Patient sich wohl befand, trat auf’s Neue die Frage heran, was 
soll mit dem aussenli egenden Darm werden. Eine Ueberhäutung 
der ilm überziehenden Granulationen wäre nach Ablauf von 
mehreren Wochen zu erwarten gewesen, damit aber doch ein für 
den Patienten noch nicht besonders erfreulicher Zustand: Eine 
irreponible, sich vergrössernde Hernie, deren Narbe jederzeit 
sammt dem dicht unter ihr liegenden Darm beschädigt werden 
konnte. Ablösung der Hernie und secundäre Reposition war 
wegen der fortdauernden Eiterung nicht zu wagen. So blieb nur 
ein Weg übrig, der freilich auch nicht ungefährlich war, aber 
doch günstige Heilungsverhältnisse versprach: Die Resection des 
Bruchinhaltes. 

Patient ging auf diesen Vorschlag ein. 

Am 3. August wurde diese zweite Operation ausgeführt. 
Der Gang derselben war folgender: Chloroformnarkose. Reini- 


*) Mitgetheilt In der Sitzung des Aerztlichen Vereins vom 
0. October 1898. 


gung der Umgebung, Bedeckung des Bruches mit steriler Gaze. 
Dann Avird der in den Bruchsack einmündende Dünndarm etwas 
aus dem Bruchsackhals liervorgezogen, abgeklemmt und ab 
geschnitten, das centrale Ende vernäht. Ebenso wird mit dem 
Kolon verfahren. Es sollten diese Darmtheile am Schluss der 
Operation durch seitliche Anastomose vereinigt werden. Es wird 
nun der Bruchinhalt im Ganzen von der Umgebung abgelöst. 
Da ein Auseinanderwirren der Darm schlingen nicht möglich war, 
konnte nicht anders verfahren werden. Es zeigte sich aber da¬ 
bei noch ein unversorgtes Darmlumen, das in eine zur Bauch¬ 
höhle führende Schlinge führte. Bei der Untersuchung des Prä¬ 
parates fand sich später auch ein corespondirendes Darmlumeu. 
das unterste Ende des Ileum. Damit war klar, dass bei der Ite 
section an der Bruchpforte eine höher gelegene Ileumschlinge 
durchschnitten war und bei der Ablösung der Dünndarm nocli 
eiu zweites Mal, nämlich ein unterer Abschnitt desselben, unter 
das Messer gekommen war. Es wurde desshalb das distale En<D 
der oben durchschnittenen Ileumschlinge nicht weggenommen, 
sondern von dem Bruchinhalt abgelöst und mit dem centralen 
Ende durch Enteroanastomose wieder vereinigt. Nun wollte ich 

das untere Darmlumen, 
welches bei der Resection 
des Bruchinhaltes gefunden 
worden war, mit dem Ko¬ 
lon in Zusammenhang 
bringen, es gab aber nicht 
nach. Es wurde desshalb 
auch dieses Darmlumen 
vernäht und eine seitliche 
Anastomose zwischen der 
untersten noch erreich¬ 
baren Schlinge des Ileum 
und dem Kolon ascendens 
mittels Murphyknopfs her¬ 
gestellt. Diese Darmtheile, 
deren Vereinigung voll 
ständig ausserhalb der 
Bauchhöhle geschah, wur¬ 
den dann reponirt und die 
Wunde ausgestopft. 

Patient war nach der lange dauernden Operation etwas er¬ 
schöpft, erholte sich aber auf Kochsalzinfusionen und Kampher 
bald vollständig. Schon am Nachmittag gehen Winde ab. Er¬ 
brechen hört schon am zweiten Tag auf, der erste Stuhl erfolgt 
am 5. Tag. Vollständig fieberfreier Verlauf. Täglich spontaner 
gutverdauter, geformter Stuhl. Patient bald bei gutem Appetit 
und erfreulichem Kräftezustand. 

Mit fast geheilter Wunde am 10. September entlassen. Stellt 
sich nach 6 Wochen wieder vor bei vollkommenem Wohlbefinden 
und mit fester Narbe. Ein Bruchband vorerst nicht nöthig. 

Der Murphyknopf wurde in den Stühlen nicht gefunden. 
Bei Röntgendurchleuchtung konnte er nicht gesehen werden. Es 
ist wahrscheinlich, dass er doch abgegangen ist, da gar keine 
Beschwerde zu klagen war. Möglicher Weise könnte er aber 
auch in den blind endigenden Darmtheil geratlien sein. 

Es ist kein so sehr seltenes Vorkommniss, dass bei Hernio- 
tomien das Coecum im Bruchsack gefunden wird, noch häufiger 
scheint der Process. vennif. allein den Bruchinhalt zu bilden. 
Unter anderen Veröffentlichungen über Process. vermif. im 
Bruchsack best ätigen eine Reihe von Radicaloperationen, dass der 
Process. vermif. allein ira Bruchsack Vorkommen kann. 

Ueber Perityphlitis im Bruchsack existirt eine Anzahl von 
Mittheilungen. Einige Dissertationen beschäftigen sich damit, 
so Fleisch, Zürich 1895, Bary, Greifswald. Auch bei 
Sonnenburg finden sich solche Fälle. Die Autoren stimmen 
darin überein, dass die Diagnose zwischen Incarceration und 
Perityphlitis im Bruchsack vor der Operation nicht zu machen 
ist. Nur darauf kann man sich stützen, dass die entzündlichen 
Erscheinungen überwiegen. Schmerzen, Anschwellung, Fieber 
werden nicht fehlen, die Incarcerationserscheinungen, wie Er¬ 
brechen, Meteorismus, Stuhlverstopfung sind weniger deutlich 
ausgeprägt. Diese Umstände genügen aber kaum zu einer Wahr- 
scheinlichkeitsdiagnose. Glücklicherweise ist diese von geringem 
Einflus auf unser therapeutisches Handeln. Die Erscheinungen 
werden immer zur Operation drängen und diese klärt den 
Sachverhalt auf. 

Die Operation wird sich meist complicirt gestalten. In den 
bisher veröffentlichten Fällen war der Ausgang in der Mehr¬ 
zahl ein ungünstiger. Wiederholt gelang es überhaupt nicht, 
sich zurechtzufinden. Der Tod trat meist durch Sepsis ein. Ein¬ 
zelne Fälle gingen günstig aus, erforderten aber auch Spaltungen 
weit über die Grenzen der Bruchpforten, um die Eiterherde bloss- 
zulegcn und zu drainiren. In unserem Fall gelang die Erkennt¬ 
nis der Sachlage erst nach Lösung der verklebten Darmschlingen. 
Es wurde dann der rächstliegenden Indication genügt durch Re¬ 
section des perforirten Process. vermif. Eine weitere Spaltung 



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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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der Bauchdecken wurde unterlassen und nur durch die offene 
Bruchpforte drainirt. 

Es wäre nur noch zu rechtfertigen, dass als zweite Operation 
die Resection des Bruchinhaltes vorgenommen wurde. Die 
Gründe, die dazu bewogen, sind bereits genannt. Ich gestehe, 
dasss der Operationsplan etwas heroisch war, aber ich konnte mir 
keinen anderen Ausweg denken, der dem Patienten hätte einen 
erträglichen Zustand schaffen können. Es lässt sich fragen, ob 
es nicht richtiger gewesen wäre, bei der Ausführung der Resec¬ 
tion zuerst den Darm überall abzulösen und erst dann zuführen¬ 
des und abführendes Ende zu durchschneiden. Es ist wohl denk¬ 
bar, dass dann die nicht beabsichtigte zweite Darmdurchschnei- 
dung vermieden worden wäre. Es war aber die Verknäuelung 
und die Verwachsung der Art, dass ich wohl annehmen durfte, 
die Operation rascher auszuführen, wenn zunächst vor der Bruch¬ 
pforte der Darm durchschnitten wurde. Es konnte dann das 
ganze Convolut nach Abbindung des Mesenteriums rasch im 
Ganzen exstirpirt werden. Die unbeabsichtigte doppelte Durch¬ 
schneidung des Darms schuf eine recht complicirte Lage, die 
dadurch noch schwieriger wurde, dass die untere Darmschlinge 
nicht so weit beweglich gemacht werden konnte, um sie mit dem 
Coeeum zu vereinigen. Es musste eine andere bewegliche 
Schlinge herbeigezogen werden, um durch Enteroanastomose 
die Continuität des Darms herzustellen. Dabei war freilich eine 
partielle Darmausschaltung unvermeidlich. 

In solchen Fällen muss der Operateur sich selber helfen, 
da es sich um ganz atypische Verhältnisse handelt, für die es 
Vorbilder oder besondere Schulregeln nicht gibt. Ich könnte den 
Erfolg zu meiner Rechtfertigung dienen lassen. Ich glaube aber, 
auch abgesehen davon, bei nachträglicher Ueberlegung mich über 
die Frage beruhigen zu können, ob nicht doch ein einfacherer 
Weg zum Ziel geführt hätte. 

Schwerste Opiumvergiftung eines atrophischen Kindes 
von 10 Wochen. Zehnstündige Faradisation des 
Phrenicus. Heilung. 

Mittheilung von Dr. August Model, kgl. Bezirksarzt a. D. 
in Weisscnburg a. S. 

Dieser merkwürdige Fall, welcher betreffs Constellation und 
Ungunst der Verhältnisse in der wenn auch überreichen Ge¬ 
schichte der Opiumvergiftungen fast isolirt dastehen dürfte, hat 
sich während meiner Thätigkeit als Amtsarzt zu Neu-Ulm am 
16. März 1884 in der Schlossbrauerei des benachbarten Dorfes 
Offenhausen ereignet. 

Ich glaube, denselben, wenn auch „unlieb verspätet“, noch 
mittheilen zu sollen, indem ich einer früheren Aufforderung 
eines hochverehrten Freundes (und zugleich eines unserer be¬ 
deutendsten Toxicologen) Folge leiste. Zweitens auch desshalb, 
weil dieses seltene Erlebniss insoferne grosse Aehnlichkeit hat 
mit einem später behandelten, nicht minder denkwürdigen Fall 
einer absolut hoffnungslos aussehenden Carbolintoxication eines 
Diphtheriekindes (cf. Therap. Monatsh., October 1889), als in 
beiden Fällen die Rettungsversuche längere Zeit anscheinend an 
einer Leiche ausgeführt werden mussten. 

Ich hatte damals zu Offenhausen ein schwach entwickeltes, 
am 8. Januar 1884 geborenes, an profusen Diarrhoen erkranktes 
weibliches Kind zu behandeln, welches künstlich ernährt worden 
war, und hatten sich die Erscheinungen bald zu dem bekannten 
Symptomencomplex des sog. Hydroceplialoids gesteigert. Fonta¬ 
nelle tief eingesunken, starke Atrophie des kleinen Körperchens, 
welke, schlaffe, fettlose Haut, greisenhaftes oder äffchenartiges 
Aussehen des Gesichts, fortgesetztes Wimmern bei oft hinauf¬ 
gezogenen Beinclien. hie und da ein lauter, kurzer Aufschrei. 

Die bisherige Kuhmilchmischung wurde sofort ausgesetzt, 
dafür Bieder t’sches Rahmgemenge, Priessnitz und Camillen- 
thee verordnet, sowie dazwischen etwas geschabtes, rohes Ochsen 
fleisch mit wenig Rothwein vorsichtig schlucken zu lassen ver¬ 
sucht. Dieses Verfahren hatte sich mir früher bei so vielen 
schweren Darmkatarrhen kleiner Kinder sehr gut bewährt. Da 
aber die häufigen, sclrwiiehenden Entleerungen nicht nachliessen. 
sollten einige Tropfen einer aromatisch-bitteren Tinctur einem 
Tässchen Camillenthee beigefügt und daraus — ausser reinem 
Camillenthee — event. einige Male täglich kaffeelöffelweise ge¬ 
geben werden. Diese tonische Tinctur enthielt auch ein wenig 
Tinctura Opii. 

Trotz meiner Abneigung, bei kleinen Kindern überhaupt 
opiumhaltige Medicamente zuzulassen, glaubte ich in diesem 
Falle in dem von mir beabsichtigten Grade und in Ansehung 
meiner wiederholten ganz genauen und eindringlichsten Wei¬ 
sungen an die Wartepersonen, eine vorsichtige Ausnahme machen 
zu dürfen. | 

No. 5. 

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Das fortwährende Wimmern des Kindes war, wie Ich sah, 
für die Umgebung, besonders für die zärtliehst besorgte, ohnedies 
schon durch den grossen Haushalt überanstrengte Mutter höchst 
angreifend und durch Sclilafberaubung erschöpfend, und das 
dringende Ansuchen wurde w iederholt, w enn irgend möglich, dem 
ohnehin von den Angehörigen bereits aufgegebenen, schlummer¬ 
losen Kinde doch wenigstens eine Linderung seiner Leibschmerzen 
und Beruhigung zu verschaffen. Dabei gestehe ich offen, dass 
mir selbst in diesem Falle — auch im Hinblick auf die geringe 
Entwicklung des Kindes — die Prognose entschieden schlecht zu 
sein schien. 

Nachts war dann eiue ganz alte Wartefrau da, w eil die Mutter 
die Schlaflosigkeit und fortwährende peinliche Aufregung nicht 
mein* aushalteu und nur mehr hie und da nachselien konnte. 

Wahrscheinlich hatte die alte Wärterin meine mit aller 
w'ünschensw’ortlien Deutlichkeit gegebenen Anweisungen und 
Warnungen doch nicht recht verstanden und gewürdigt und, 
wie mir später versichert wmrde. hatte die Tinctur bei der von 
mir befohlenen Beschränkung auf einige Tropfen in einer Tasse 
Camillenthee (nur selten ein Löffelchen zu geben) nichts geholfen, 
w r eil die ersehnte Beruhigung des Kindes nicht eintrat. 

Jedenfalls wurde aus letzterem Grunde in der Nacht auf den 
10. März — direct gegen meine Erlaubniss — viel zu viel von der 
Tinctur verbraucht, bis schliesslich das unaufhörliche Wimmern 
und zeitweise Schreien allerdings vollständig aufgehört hatte. 

Am 10. März — des Morgens dringend gerufen — fand ich 
jedoch um 7 l j 2 Uhr das Kind anscheinend als Leiche vor. 

Status praesens: Schwach entwickelter, atrophischer 
Kindskörper von bleicher, etwas livider Hautfarbe, sehr kühl, 
fast kalt anzuftthlen, kein Athemzug und Herzschlag mehr, nir¬ 
gends eine Spur von Puls zu entdecken. Alle Reflexe vollkommen 
erloschen. Halb offene, gebrochen aussehende Augen, Bulbi mit 
paralleleu Sehachsen nach oben starrend, beim Herumschieben 
in den Augenhöhlen ohne den mindesten Reflex. Lider schlaff, 
unbeweglich in jeder Stellung. Pupillen mässig weit, ohne 
Reaction auf Licht. 

Obw T ohl Myose nicht (oder nicht mehr) vorhanden war, so 
hatte ich im Hinblick auf das wenn auch wenig tröstliche Krank¬ 
heitsbild des verflossenen Abends doch den Eindruck, dass das 
Kind an Opiumintoxication gestorben sei, nicht ex Cholera in¬ 
fantum resp. Ilirnanaemie. Sofort manuelle, künstliche Ath- 
mung. Zuführung frischer Luft, Hautreize aller Art, Erwärmungs¬ 
versuche, Hervorziehen der bleich-lividen Zunge, Kitzeln der 
Fauces etc. Alles ohne jede Wirkung. Zugleich erhielt ein Bräu¬ 
knecht den Auftrag, so schnell als nur möglich nach Neu-Ulm 
(ca. 7- Stunde Weges) zu fahren und meinen Inductionsapparat 
(S t ö h r e r) zu holen, welcher glücklicher Weise actionsbereit 
stand. In unglaublich kurzer Zeit rasselte das Fuhrwerk mit den 
zwei schweren Rossen wieder in den Schlosshof herein und gleich 
darauf war auch der elektrische Apparat über die zwei hohen 
Treppen heraufgebracht, an welchen sich das letzte Hoffnungs¬ 
fünkchen bei mir knüpfte. 

Bald war ich so glücklich, sagen zu dürfen: Der rettende 
Apparat. Denn die mittlerweile beharrlich fortgesetzte manuelle 
künstliche Respiration, sowie alle anderen Belebungsversuche 
hatten nicht den mindesten Erfolg gehabt, nicht den flachsten 
Athemzug oder Reflex ausgelöst, oder Herzschlag und Puls hör- 
und fühlbar gemacht. Das Kind war geblieben, wie es war — 
anscheinend todt. 

Bald jedoch sollte sich die Scene ändern. Eine breite 
Plattenelektrode kam auf das Epigastrium und als die Knöpfeheu 
elektrode den linken Phrenicus traf, wo derselbe auf dem Scaleuus 
anterior reitet, da auf einmal erfolgte — für mich deutlich ver¬ 
nehmbar — ein kurzes, schwaches, schlürfendes Inspirium. 

Als damit der Nachweis der noch nicht ganz untergegangenen 
nervösen Erregbarkeit geliefert war, hielt ich bereits nach den 
ersten künstlichen Athemzügen die Sache für gewonnen — 
wenigstens quoad Opiumvergiftung. 

Die Faradisirung fand — abwechselnd an beiden Phrenicis 
— intermittirend und rhythmisch statt, im Allgemeinen etw r a 
14—16 mal in der Minute. Nach jedem Stromschluss trat wieder 
die schlürfende Inspiration ein, aber nur sehr langsam etw T as deut¬ 
licher und ausgiebiger werdend. Ab und zu w r urde die Faradi¬ 
sation auch etwas länger ausgesetzt, um zu sehen, ob nicht einmal 
wieder ein leichter spontaner Athemzug stattfinde. 

Als ich jedoch nach bereits stundenlanger intermittirender 
Einwirkung des Inductionsstromes sah, dass nach Unterbrechung 
desselben kein spontanes Inspirium einsetzte, wurde ich doch 
wieder vorsichtiger in meiner Prognose. 

Dieses Ausbleiben jeder Spontanathmung, welche in deut¬ 
licher Weise erst gegen Abend sich vollzog (und da noch beun¬ 
ruhigend flach und unregelmässig), war mir damals umso auf¬ 
fallender, als man gegen Mittag mit der Knopfelektrode jederzeit 
die mimischen Gesichtsmuskeln zu wunderlichen Grimassen 
spielen lassen konnte. Auch w r ar noch gegen Mittag kein Puls- 
fädclien an den oberflächlichen Arterien zu constatiren. Dabei 
war auch noch kein Lidschlag oder sonst ein Bewegungsversuch 
am Körper zu bemerken. 

Lange Zeit machte es den Eindruck, als hänge es von der 
Willkür ab, durch Weglassen der Faradisation das kleine Würm¬ 
chen immer wieder in jenen absolut leichenhaften Zustand zu¬ 
rückzuversetzen, welcher vor Beginn des Elektrisirens bestand — 
solange, bis die nie versagende Wirkung des letzteren wieder 
eintrat 

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158 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


In den Pausen wurde auch die methodische Compression der 
unteren Thoraxpartie bei tiefliegendem Kopfe wieder aufgenom¬ 
men, auch Hautreize u. s. w. fortgesetzt. Erst Nachmittags 
glaubte man hie und da ein schwaches Pulsfädchen an der 
Tibialis poster. oder Eadialis zu fühlen, welches aber nach Strom - 
Unterbrechung mit der Künstlich erzielten Inspiration immer 
wieder verschwand. 

Erst etwa in der Mitte des Nachmittags war auch einige 
Wirkung auf die Temperatur deutlich, wenn auch die Haut immer 
noch kühl und bleich-livide blieb. 

Zugleich waren auch die Pupillen weniger weit geworden, 
aber nicht myotisch. Iteactionsfähigkeit auf Licht war jedoch 
noch so wenig constatirbar als Bewegungen der Bulbi und Be¬ 
wegungen überhaupt. Das Alles trat allmählich erst gegen Abend 
ein und auch da noch schwach genug. 

Die Faradisation der Phrenici war des Morgens etwa um 
8 Uhr begonnen worden und musste mit erst gegen Abend all¬ 
mählich etwas länger gestatteten Unterbrechungen volle 
10 Stunden fortgesetzt werden. 

Wenn ich kleine Pausen eintreten lassen musste, d. li. durch 
langes Stehen und fortgesetztes Manipuliren öfters erschöpft war, 
übernahm meine Tochter, welche mir von Anfang an assistirte, 
getreulich meine Function. Erst Abends nach 6 Ühr konnte Ich 
das Kind beruhigt verlassen, als die Spontanrespiration regel¬ 
mässig vor sich gegangen war. Wiederholt war vorher versucht, 
dem Kinde etwas flüssige Nahrung und Rothwein einzuflössen, 
wobei man äusserste Vorsicht anwenden musste, um nichts in 
die Luftwege zu bringen. 

Ich hatte sehr bedauert, den elastischen Katheter nicht bei 
mir zu haben, besonders in Erinnerung an verschiedene Fälle, 
worin ich ganz kleine Kinder bei abundanten und weit hinab¬ 
steigenden Soorwucherungen verbaltnissunissig leicht mittels des 
Katheters ernähren konnte. Ich hätte dann den Mageninhalt, 
der allerdings gering genug gewesen sein mag. nach Verdünnung 
wiederholt entfernen und Analeptica einspritzen können, was die 
Faradisationszeit vielleicht immerhin abgekürzt hätte. 

Seit dieser möglichst gründlichen Opiumvergiftung blieben 
die diarrhoischen Stühle völlig aus, die Symptome der Blutleere 
des Gehirns schwanden, das kleine Wesen erholte sich bei vor¬ 
sichtiger passender Ernährung und thunliehster Roborirung all¬ 
mählich vollständig und gedieh zur grossen Freude seiner Eltern. 
Zu meinem grossen Bedauern erhielt ich von Letzteren später die 
Nachricht, dass das 1884 schon todt geglaubte und, wie man fast 
sagen darf, wiedergefundene Kind ihnen doch noch durch den 
Tod entrissen worden ist — 1891 in Folge von Diphtherie. 

Im Hinblick darauf, dass seit dem Morgen des 16. März gar 
keine diarrhoisohe Entleerung mehr erschienen, also damit der 
eigentliche Grund progressiver Schwächung und Hirnoligämie 
plötzlich fortgefallcn war, habe ich mich gefragt, ob dieses Kind 
ohne die mehr als derbe Opiumwirkung auch durchgekommen 
wäre, ob nicht vielmehr die schwächenden Momente bei Befol¬ 
gung meiner vorsichtig beschränkenden ärztlichen Verordnungen 
fortbestanden und das Leben vernichtet hätten, wie fast immer, 
wenn Kinder so zarten Alters durch gleiche Krankheit so weit 
herabgekommen sind. In diesem Falle wäre dann die Ueber- 
tretung meiner Vorschriften geradezu ein Glück für das Kind 
gewesen. Jedenfalls dürfte feststehen, dass Letzteres — wie man 
sagt — „eine gute Natur“ gehabt hat. 

Trotzdem, dass ich geneigt bin, diese Frage in suspenso zu 
lassen, möchte ich am allerwenigsten der Anwendung von, wenn 
auch noch so schwachen Opiatmischungen bei ganz kleinen Kin¬ 
dern noch dasWort reden. Und dies bei der Möglichkeit strengster 
ärztlicher Beaufsichtigung bei häufiger Controle, am Ende 
weniger aus physiologischen resp. pharmakodynamischen Grün¬ 
den, als vor Allem desshalb, weil der Arzt, auch wenn er noch so 
genau und oft seine Weisungen geben kann, doch so häufig mit 
Unachtsamkeit, Unverstand, falschem Mitleid, ja auch direetem 
Ungehorsam des Wartepersonals zu kämpfen hat, Eigenschaften, 
welche bekanntlich so oft den Erfolg vereiteln. 


Sir James Paget. 

Am 30. December 1899 starb der bekannte englische Chirurg 
Sir J am es Paget, der Nestor der englischen Chirurgen. Er 
hat nicht allein in England ein auserordentliches Ansehen ge¬ 
nossen, auch in anderen Ländern, nicht zum wenigsten bei uns 
Deutschen, war sein Name hochgeachtet. Worin lag das be¬ 
gründet ? Welches waren seine hervorragenden Leistungen? 

Der äussere Lebensgang des ausgezeichneten Mannes war 
ein relativ einfacher; er hob sieh durch eigene Tüchtigkeit aus 
den einfachsten Verhältnissen zur höchsten Stellung. Tm Jahre 
1814 zu Great Yarmouth geboren, hatte er während seiner Stu¬ 
dienzeit mit materiellen Sorgen zu kämpfen und war genöthigt, 
die Mittel zum Studium in der Hauptsache sieh selbst zu ver¬ 
dienen. Doch schon bei der ersten Prüfung fiel er seinen Exami¬ 


natoren auf, und durch glückliche Umstände kam er in die für 
ihn günstigste Laufbahn, indem er im Jahre 1839 als Demon¬ 
strator für pathologische Anatomie an dem St. Bartholomaeus- 
Hospital in London angestellt wurde. Nun gehörte Paget 
zu dem Staff dieses grossen, weltberühmten Hospitalen, in dessen 
Räumen vorwiegend die Ausbildung der englischen Mediciner 
in ihren theoretischen und praktischen Studien vor sich ging; er 
rückte Stufe für Stufe aufwärts als assistant surgeon, dann von 
1861 bis 1871 als full surgeon, später noch als Consulting surgeon. 

Offenbar war Page t’s Talent für sorgfältige und minutiöse 
Forschung am Krankenbett wie am anatomischen Präparate 
ebenso gross wie seine Begabung fär Demonstrationen und Vor¬ 
träge beim Unterricht der Studirenden. Es wird ihm von seinen 
Zeitgenossen nachgerühmt, dass er die anatomischen Unter¬ 
suchungsmethoden, namentlich aucli die Verwendung des Mikro- 
skopes, voll beherrschte und dass er sieh schon von früher Jugend 
an als ein vortrefflicher Lehrer und Redner bewährte. Die 
Sammlung pathologischer Präparate im Bartholomaeus-IIospital 
wurde von ihm neu regist rirt und aufgestellt, wobei seine Gabe, 
das Wesentliche der Präparate kenntlich zu machen, allseitige 
Anerkennung fand. Neben seiner Arbeit im Bartholomaeus- 
Hospital war Paget von 1842 bis 1849 damit beschäftigt, den 
neuen Catolog der pathologischen Abtheilung des Hunter’- 
schen Museums auszuarbeiten. 

Diese verdienstvolle Arbeit, welche in der 1870 verfassten 
zweiten Auflage noch heute für die Besucher des Museums von 
Wichtigkeit ist, ist nicht bloss ein Beweis seines Fleisses und 
seiner Sorgfalt, sondern auch seiner Sachkenntnis, war aber zu¬ 
gleich für ihn selbst und die Richtung seiner speciellen Studien 
von grösster Bedeutung. In diesen anatomischen Untersuch¬ 
ungen war vorwiegend die Grundlage zu den berühmten Vor- 
tiägcn gegeben, welche er in den Jahren 1847—1852 über zahl¬ 
reiche Capitel der allgemeinen Chirurgie hielt, und welche später 
(1875) von seinem langjährigen Assistenten, Mr. Howard Marsh 
als „Gesammelte Vorträge“ herausgegeben wurden. Von Page t’s 
Originalarbeiten sind namentlich 2 weiter bekannt geworden: die 
eine über das Carcinom des Warzenhofes der Mamma, sogen, 
disease of the nipple oder „Pa ge t’s disease“, die andere über 
Osteitis deformans. 

Page t’s Erscheinung bot eigentlich nichts Glänzendes 
oder Imponirendes: eine lange schmale Figur ohne stramme 
Haltung; aber ein überaus sympathischer Ausdruck in seinem 
freundlich ernsten Gesiebt; von vornehmer Gesinnung, mildem, 
wohlwollendem Urtheil, tact vollem Auftreten bei allen Gelegen¬ 
heiten. Dazu eine grosse Arbeitskraft und ein eiserner Fleiss, 
welche ihn selbst in den Tagen seiner grössten praktischen 
Tbätigkcit in den Stand setzten, theoretische Studien fortzu¬ 
setzen und alle Vorträge und Reden, die er zu halten hatte, vor¬ 
her gründlich auszuarbeiten. 

Diese Eigenschaften waren es, welche Paget die allge¬ 
meine Achtung und Verehrung brachten, deren er sich von den 
60 er Jahren bis zur Mitte der 90 er Jahre zu erfreuen hatte. 
Erstaunlich ist es, was auf ihn gebürdet und von ihm geleistet 
wurde. Von 1869 an war er Präsident der Clinieal Society in 
London, 1875 wurde er zum Präsidenten der Medical and chirurgi- 
cal Society gewählt, und noch in seinem 73. Lebensjahre wurde 
er Präsident der Pathological Society. Auf dem grossen inter¬ 
nationalen medicinischen Congresse,* welcher 1881 in London 
stattfand, war Paget als Präsident, MeCormac als erster 
Secretär thätig, und es ist noch in aller Erinnerung, in welch’ 
glänzender Weise diese Beiden den Congress leiteten und den 
Diuek der Verhandlungen fast zauberhaft schnell fertig stellten. 
Wenn Paget dann auf den späteren internationalen medi¬ 
cinischen Congressen erschien, so war er im Verein mit Spencer 
Wells und J. Li ster der hervorragendste Vertreter der eng¬ 
lischen Aerzte. 

So ragt Paget nicht durch unvergängliche Neuerungen, 
nicht durch wichtige Entdeckungen oder durch Erfindung neuer 
Operationen, auch nicht durch besondere literarische Leistungen 
hervor. Er verdankt seine hohe Stellung und die grosse Ver¬ 
ehrung, welche er genoss, in erster Linie seiner Persönlichkeit. 
Er war kein einseitiger Chirurg, sondern ein gebildeter Arzt und 
brachte der Stellung des praktischen Arztes volles Verständniss 
und Interesse entgegen; dazu ein biologisch wohl geschulter 
Naturforscher, dessen anatomische Studien für seine Erfahrungen 
am Krankenbett von hohem Werthe waren. In der Frage der 


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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Antivivisection vertrat er die Wichtigkeit des Thierexperimentes, 
und war überhaupt trotz streng kirchlicher Gesinnung ein Freund 
jedes wissenschaftlichen Fortschrittes. Die medicinische Literatur 
des Auslandes blieb ihm nicht fremd, zumal er mit manchen der 
bedeutendsten Vertreter der Medicin, besonders auch Deutsch¬ 
lands, persönlichen Verkehr pflegte. Sein Name wird noch lange 
in Ehren gehalten werden. H. 


Dr. August Dyes. 

Am 7. December 1899 starb zu Hannover im 87. Lebensjahre 
der Oberstabsarzt I. Classe a. D. Dr. August Dyes. 

Dyes trat nach vorzüglich bestandenen Examina zuerst als 
Assistenzarzt am hannoverschen städtischen Krankenhause ein, 
wandte sich aber bald darauf der militärärztlichen Laufbahn zu. 

Er diente 37 Jahre lang theils in alten königlich-hannoverschen, 
theils in liannoversch-preussischen Regimentern. Den französi¬ 
schen Krieg machte er als Feldlazarethdirector und Divisionsarzt 
mit. 1876 liess er sich jedoch pensioniren und prakticirte seitdem 
bis in sein höchstes Greisenalter mit grossem Erfolge als Privat¬ 
arzt in Hannover. Hauptsächlich erst in seinen letzten 10 Lebens¬ 
jahren ist Dyes auch schriftstellerisch sehr rührig gewesen, in¬ 
dem er die ärztlichen Erfahrungen seines langen reichen Lebens 
in Zeitschriftenartikeln und Broschüren niederlegte. Im Jahre 1896 
feierte er, körperlich und geistig noch völlig rüstig, sein 60 jähriges 
Doctorjubiläum. 

Die beiden Haupteigenschaften dieses seltenen Mannes waren 
Originalität und Consequenz. Ich will gleich voraussenden, dass 
trotz aller seiner Beharrlichkeit und seinem fast fanatisch zu 
nennenden Eifer der Erfolg bei der Ausbreitung seiner Lehren 
sehr gering war. Ausser in der als unwissenschaftlich geltenden 
Art seiner Darstellung wird man die Schuld seines mangelhaften 
Lehrerfolges aber besonders darin zu suchen haben, dass Dyes’ 
Theorien den modernen pathologischen Begriffen gar zu sehr wider¬ 
streiten. 

Dennoch kann nur Derjenige 60 jährige Erfahrungen und 
thatsächlich grosse Heilerfolge eines consequent denkenden und 
handelnden Arztes unbeachtet bei Seite schieben, welcher nach 
heutiger Art von der Vollkommenheit der modernen Heilkunst 
überzeugt ist. Wer aber die Dinge anders ansieht, wer die heutige 
Heilkunde nicht als ein fertiges Bauwerk betrachtet, sondern nur 
als ein grosses Arbeitsfeld, wo Jeder nach seiner Eigenart das 
Beste liefert, oder als ein üppig wachsendes Saatfeld, wo unend¬ 
lich viele Keime und Hülmehen um den Sieg beim Kampfe lim 
ihre Existenz ringen, der wird sich nicht der Einsicht verschliessen 
können, dass auch die Erfahrungen eines Mannes wie Dyes volle 
Beachtung verdienen. 

Ausserdem, dass Dyes ein hippokratisch-denkender Arzt 
reinsten Wassers war, der z. B. schon in den 40 er bis 60 er Jahren 
einen unerbittlichen Kampf für Ventilation in den Krankenhäusern 
und Lazarotlien führte, und der physiologische Reize über alle 
Mittel schätzte, Drogen aber nur sparsam verwandte, bestand das 
Rückgrat seiner ganzen Therapie im Aderlass und im Chlor¬ 
wasser. Diese beiden Mittel waren streng logisch aus seinen 
Grundanschauungen über das Wesen des Krankheitsprocesses her¬ 
vorgegangen. Dyes folgerte nämlich so: Der Organismus assimi- 
lirt stets neue Stoffe zu seinem Aufbau, folglich muss er auch stets 
verbrauchte Stoffe auswerfen. Beide Vorgänge geschehen durch 
das Blut und die Lymphe. Diese Flüssigkeiten müssen sich also 
gewisser Stoffe entledigen, was ohne Zweifel auf dem Wege der 
Drüsen stattfindet. Störungen dieser Ausscheidungen, Zurück¬ 
bleiben solcher Verbrauchsstoffe im Körper verursachen Krank¬ 
heiten. Aus der makroskopischen Betrachtung von Aderlassblut 
— schliesslich bei 12 000 von ihm gemachter Aderlässe — glaubt«? 
er die hauptsächlichsten Erreger von Krankheiten in den „Eiter¬ 
körperchen“ gefunden zu haben, als welche er die ungefärbten 
bezw. entfärbten „Blutkügelcheu” ansprach, die nach ihm End¬ 
produkte der rothen Blutzellen seien. Sein Hauptmittel zur Rei¬ 
nigung der Blutgefässe von diesen abgestorbenen Zellen, wie eines 
Flusslaufes von Schlamm, war nun der Aderlass. Ausserdem er¬ 
kannte er eine Anzahl Infectionskrankheiten als solche an, deren 
„animale“ Erreger durch Mund und Verdauungscanal eindrlngen; 
gegen letztere Schädigungen richtete er dann den innerlichen Ge¬ 
brauch des Chlorwassers. 

Beide Mittel, die ja bekanntlich lange vor Dyes in Gebrauch 
waren, hat Dyes nun aber in sehr erheblicher Weise modificirt. 
Der kleine Aderlass nach Dyes ist ein physio¬ 
logisches Reizmittel zur Blutbildung und zur 
Evacuation. Auch das Chlorwasser hat Dyes anders ge- 
handhabt, als Schönlein, Hufeland, Brand u. A. Er 
hat es in einer Concentration gebraucht, die Niemand vor ihm 
wagte, innerlich anzuwenden, und hat viele neue Indicationen für 
dasselbe aufgestellt, wie z. B. Cholera, Typhus, Ruhr, Diphtherie, 
Scharlach, Trichinose. 

Der kleine, periodisch wiederholte Aderlass, nach Dyes’ spe- 
cielleu Vorschriften ausgeführt und angewandt, gilt bei ihm ganz 
besonders als ein Mittel gegen chronische Krankheiten, das 
Chlorwasser gegen acute. 

Auch sonst verdienen Dyes’ reiche praktische Erfahrungen 
unser Interesse. Seine Schriften geben uns gar manches zu denken. 
Dyes’ Anhänger behaupten, dass er uns grosseWahrlieiteu aus den 
alten Zeiten der humoralpathologischen Lehren — vicariirende 
Ausscheidungen, Wesen der Erkältungskrankheiten u. s. w. — über 

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eine Zeitspanne eines halben Jahrhunderts hinüber durch eine allzu 
rationalistisch gestaltete Zeit hindurch gerettet habe. Wer sich 
näher über Dyes’ Lehren unterrichten will, der lese sein Büchlein 
mit dem allerdings Paracelsusartig klingenden Titel „Zwei Haupt¬ 
mittel zur Verlängerung des menschlichen Lebens, der Aderlass 
und das Chlorwasser“ (Heuser’s Verlag 1895). 

Fünfzig Jahre ganz allein gegen den grossen Strom zu 
schwimmen, dazu gehört an und für sich schon ein hohes Maass 
an Kraft, Muth und Treue. Wer aber das Glück hatte, mit diesem 
seltenen Manne persönlich bekannt zu sein, der wird sagen: ein 
Heros an Geist und Charakter ist mit ihm geschieden. 

Dr. Bachmann. 


Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Die Anzeigepflicht im künftigen deutschen Reichs- 
Seuchengesetz. 

Von Hofrath Dr. Brauser. 

Wie offieiös versichert wird, soll schon in der laufenden par¬ 
lamentarischen Campagne, sei es auf dem einen oder anderen 
Wege, der Versuch gemacht werden, wirksame Vorschriften zur 
Verhütung von Seuchengefahreu und zur Bekämpfung von Epi¬ 
demien zu erreichen. 

Diese Nachricht lässt uns hoffen, dass die schon viel¬ 
besprochene und beschriebene Frage eines Reichsseuchen¬ 
gesetzes wieder einmal auf der Oberfläche unseres deutschen 
Parlamentes erscheinen wird, von welcher sie im Jahre 1893 
nach nur einmaliger Berathung wieder verschwand. Die 
Choleraepidemie in Hamburg im Jahre 1892 hatte wohl da¬ 
mals die Reichsregierung bestimmt, dem deutschen Reichstag 
vom Jahre 1893 den Entwurf eines Reichsseuchengesetzes in Vor¬ 
lage zu bringen, nach welchem die allgemeine Volksstimme leb¬ 
haft verlangte. Jetzt mag die drohende Invasion der Pest beige¬ 
tragen haben, dem längst fühlbaren empfindlichen Mangel gleich- 
heitlieher Abwehrbestimmungen für das Deutsche Reich endlich 
abzuhelfen, und wir Aerzte nicht nur, alle Volksclassen sehen dem 
gestellten Gesetzentwurf mit höchster Spannung entgegen. 

Alle einzelnen deutschen Bundesstaaten besitzen bereits Ge¬ 
setze und Verordnungen über die Abwehr von Seuchen und über 
die Mittel zu ihrer Bekämpfung; doch sind dieselben so verschie¬ 
den und aus so verschiedenen Zeiten stammend, dass manche der¬ 
selben den Fortschritten der heutigen Wissenschaft absolut nicht 
mehr entsprechen. Abänderungen dieser Bestimmungen, neuer 
Erlass von zeitgemiissen Verordnungen, wurde bereits von vielen 
Seiten beantragt und dringend gefordert. Die Einzelregierungen 
zögerten damit, diesem, von ihnen selbst als berechtigt anerkannten 
Verlangen zu entsprechen, nur in der sicheren Erwartung eines 
baldigst zu erlassenden Reichsgesetzes, dessen endliche Fertig¬ 
stellung dem jetzigen deutschen Reichstag hoffentlich gelingen 
wird. 

Aus den vielen hochwichtigen Fragen, welche ein solches 
Gesetz zur definitiven Lösung bringen wird, möchte ich heute nur 
eine der wichtigsten herausgreifen: „Die Anzeigepflich t“. 
Für eine rechtzeitige und wirksame Bekämpfung beginnender 
Epidemien ist w r ohl das dringendste Moment die frühzeitige Kennt 
niss der einzelnen Fälle. Diese kann den zuständigen Behörden 
nur von Personen geliefert werden, welche sofort mit den Erkran¬ 
kungsfällen in Berührung kommen; das sind zunächst die Haus¬ 
haltungsvorstände und Familienväter, dann die behandelnden 
Aerzte. Im Interesse eines rechtzeitigen Eingreifens der Behörden 
liegt es, solche Persönlichkeiten gesetzlich zur Anzeige der ihnen 
bekannt werdenden Erkrankungsfälle zu verpflichten. Es ent¬ 
halten auch alle bisher in den deutschen Ländern erlassenen Vor¬ 
schriften Bestimmungen über die Anzeigepflicht bei Infections¬ 
krankheiten. Aber schon bei der Feststellung der Persönlichkeiten, 
welche zur Anzeige zu verpflichten sind, ergeben sich ganz wesent¬ 
liche Verschiedenheiten, welche hier etw'as näher hervorgehoben 
w r erden müssen, um die daraus gezogenen Schlussfolgerungen 
zu begründen. Ich entnehme diese Thatsaclien einer Zusammen¬ 
stellung der in Deutschland gütigen, gesetzlichen Bestimmungen 
über die Anzeigepflicht bei ansteckenden Krankheiten, w’elche der 
k. Regierungs- und Geheime Medicinalratli Dr. Rapmund- 
Minden als Referent der XXIII. Versammlung des deutschen 
Vereines für öffentliche Gesundheitspflege zu Köln Im Jahre 1898 
zu dem Thema: „reichsgesetzliehe Regelung der zur Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten erforderlichen Maassregeln“ in 
Vorlage gebracht hat. (Siehe Bericht des Ausschusses jenes Ver¬ 
eines über die genannte Versammlung 1898.) 

Aus dieser Zusammenstellung sehen wir, dass Schon in den 
36 Regierungsbezirken des Königreiches Preussen wesent¬ 
liche Verschiedenheiten in den Verordnungen über die der Anzeige¬ 
pflicht unterliegenden Persönlichkeiten obwalten. Während die 
Aerzte in allen 36 Regierungsbezirken zur Anzeige verpflichtet 
werden, verlangen 14 Regierungsbezirke daneben auch die Anzeige 
von allen die Heilkunde gewerbsmässig aus¬ 
übenden Personen, also von den Curpfuschern, je 3 
fordern dies nur bei Diphtheritis, Puerperalfieber und Cholera. 
Die Hebammen werden in 24 Verordnungen zur Anzeige des 
Puerperalfiebers, in 3 zur Anzeige der Ophthalmia neonatorum ver¬ 
pflichtet. Geistliche und Lehrer werden in 16 Regierungs¬ 
bezirken zur Anzeige von Lepra verpflichtet. Ausserdem finden 
wir Haus wirthe 35mal, Gastwirthe 25mal, Familien¬ 
häupter 24 mal als anzeigepflichtig speclell genannt. Schon 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


allein diese verschiedenen Auffassungen der Anzeigepflicht in 
einem einzigen Staate zeigen die dringende Nothwendigkeit des 
Erlasses einer diese Verhältnisse gleichheitlich regelnden Gesetzes 
Vorlage. 

Aehnliche Verschiedenheiten finden wir auch in den übrigen 
deutschen Staaten. Bayern verpflichtet in seiner Allerhöchsten 
Verordnung vom 22. Juli 1891 Aerzte, Wundärzte (Chi¬ 
rurgen) und Bader zur Anzeige von jedem Auftreten von 
Blattern, Cerebrospinalmeningitis, Cholera, Dysenterie, Puerperal¬ 
fieber, Typhus abdominalis, Typhus recurrens, Milzbrand, Rotz- 
krankheit, Trichinose und Wuth. Von allen übrigen Infeetions- 
krankheiten, Diphtherie, Scharlach, Masern, Keuchhusten, egyp- 
tlsche Augenentzündung, Influenza muss Anzeige erstattet werden, 
wenn dieselben in grösserer Verbreitung und besonderer Heftig¬ 
keit auftreten. 

Königreich Sachsen fordert Anzeige von den Aerzte n, 
bei Pocken auch von den Famllieuhiiuptern, bei Febris 
puerperalis von den Hebammen. 

Königreich Württemberg verpflichtet zur Anzeige die 
Angehörigen und Krankenpfleger, insbesondere die 
Aerzte und zwar bei Cholera, Pocken und Tollwuth. 

Grossherzogthum Baden die Aerzte, bei Febris puer¬ 
peralis die Hebammen, bei Cholera und Pocken auch die A n - 
gehörigen. 

Im Grossherzogthum He s s e n finden wir neben den Aerz- 
t e n zur Anzeige verpflichtet jede andere Persönlich¬ 
keit, welche die Behandlung übernimmt; diese letztere Bestim¬ 
mung, dass Curpf UBCher zur Anzeige ansteckender Krank¬ 
heiten verpflichtet werden, Anden wir auch in Oldenburg, 
Braunschweig, Coburg-Gotha, Schwarzburg- 
Sondershausen, Reuss jüngere Linie und Lippe- 
Detmold. 

In allen diesen Staaten werden neben den Acrzten auch 
die Personen zur Anzeige verpflichtet, welche sich gewerbs¬ 
mässig mit der Heilkunde beschäftigen. In allen 
übrigen deutschen Staaten werden neben den Aerzten genannt 
die Haushaltungsvorstände, Familienhäupter, 
Hebammen (bei Febris puerperalis), Haus- und Gast- 
w i r t h e , einmal auch die Todtenf rauen. 

Dass diese so verschiedenen Verordnungen im Deutschen 
Reiche eine gleichheitliehe Behandlung der beim Ausbruch von 
Epidemien nothwendig werdenden Maassregeln nicht ermöglichen, 
braucht kaum bewiesen zu werden. Bei unserem heutigen Ver¬ 
kehr sind die kleineren Landesgrenzen doch zu eng, um bei ver¬ 
schiedenen gesetzlichen Bestimmungen eine einheitliche lieber- 
wachung und Bekämpfung einer beginnenden Epidemie zu ge¬ 
statten. Ebenso zweifellos ist es, dass eine Volksseuche keine 
Landesgrenzen respeetirt, und desshalb erscheint es neben den, 
unter den civilisirten Nationen bereits vereinbarten inter¬ 
nationalen Vorkehrungen gegen ansteckende Krankheiten 
dringend nothwendig, dass ein grösserer Staatencomplex, wie das 
Deutsche Reich, sich einheitliche Bestimmungen darüber gibt, 
wie der Seuchengefahr am gründlichsten zu begegnen, wie sie von 
den Grenzen abzuhalten, und wie sie beim Ausbruch einer solchen 
Krankheit am raschesten und sichersten zu bekämpfen sein wird. 
Dazu erscheint vor Allem nothwendig. dass die Behörden mög¬ 
lichst rasch und sicher von jedem Ausbruch einer Epidemie, also 
gleich von den ersten Fällen aus authentischen Quellen 
Kenntniss erhalten, es erscheint nothwendig, dass die A n - 
zeigepflicht gesetzlich für das Reich geregelt wird, und 
möchte ich hier nur die eine Frage herausgreifen: „Wer soll 
zur Anzeige verpflichtet werden?“ 

Diese Frage ist, wie aus obiger übersichtlicher Zusammen¬ 
stellung zu sehen, nicht nur in der Gesetzgebung der einzelnen 
deutschen Staaten verschieden beantwortet, es haben sich mit 
derselben auch mehrfach grössere Versammlungen von Sachver¬ 
ständigen befasst, und möchte ich, ehe ich mein eigenes Urtheil 
darüber abgebe, jene Verhandlungen in Kürze recapituliren. 

Schon der IV. Deutsche Aerztetagzu Düsseldorf 
1876 beschäftigte sich mit der Anzeigepflicht der Aerzte. Derselbe 
erklärte mit grosser Mehrheit, dass die Aerzte die Verpflichtung 
zur Anzeige ansteckender Krankheiten bereitwillig auf sich 
nehmen würden, wenn dieselbe durch Reichsgesetz festgestellt 
werde, verwahrten sich jedoch dagegen, dass zugleich eine 
zwangsweise Morbiditätsstatistik auch anderer als ansteckender 
Krankheiten zur Einführung gelange; dagegen wurde die Noth¬ 
wendigkeit der Einführung der obligatorischen Leichenschau be¬ 
tont mit Verpflichtung der Aerzte zur Angabe der Todesursachen. 
Die Verhandlungen knüpften an einen bekannt gewordenen Ge¬ 
setzentwurf an, welchen der Bundesrath dem Reichstag schon 
damals vor?ulegen beabsichtigt hatte, betreffend die Anzeige 
Pflicht der Aerzte, in welchem zunächst für Cholera 
und Pocken die Aerzte und Familienhäupter zur 
Anzeige bei der nächsten Polizeibehörde verpflichtet werden 
sollten, während die Anzeige anderer gemeingefährlicher Krank 
heiten den Aerzten durch Bundesrathsbeschluss zur Pflicht ge¬ 
macht werden könnte. Bei den Verhandlungen im Aerztetag 
waren schon einzelne Stimmen laut geworden, welche die Anzeige 
Pflicht auch auf andere Personen ausgedehnt wissen wollten, die 
sich gewerbsmässig mit Ausübung der Heilkunde beschäftigen. 
Begründet wurde diese Anschauung damit, dass man befürchtete, 
das Publicum, welches die Anzeige und ihre Folgen fürchte, 
würde um so mehr den Curpfusehern Zuströmen, wenn diese nicht 
zur Anzeige verpflichtet würden. Von anderer Seite wurde ganz 
richtig entgegnet, vom ärztlichen Standpunkt müsse die Cur- 

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Pfuscherei ignorirt werden, und wenn der Staat die Hereinziehung 
der Curpfuschor in die Anzeigepflicht nicht für nöthig erachtet 
habe, sollte dies nicht seitens der Aerzte angeregt werden, was 
auch von der Mehrheit anerkannt wurde. 

Der XI. Deutsche Aerztetag zu Berlin 1883 be¬ 
schäftigte sich gleichfalls mit der Vorberathung über ein Reichs¬ 
seuchengesetz, und beschloss bezüglich der Anzeigepflicht die fol¬ 
gende These: „Die Anzeigepflicht über das Auftreten gemein¬ 
gefährlicher Krankheiten ist den Aerzten, dem niederärztlichen 
Personal, wo solches besteht, und den Leichenschauern, und zu¬ 
gleich bei Cholera und Pocken auch den Haushaltungsvorständen 
und deren Stellvertretern aufzulegen. Dies iuvolvirt die obliga¬ 
torische Einführung der Leichenschau in allen den Staaten, in 
welchen sie noch nicht besteht.“ Auch bei diesen Verhandlungen 
wurde von einzelnen Rednern die Nothwendigkeit betont, ausser 
den Aerzten auch alle anderen, die Behandlung von Kranken ge¬ 
werbsmässig betreibenden Individuen zur Anzeige von anstecken¬ 
den Krankheiten zu verpflichten, wie es im Grossherzogthum 
Hessen und anderwärts bereits gesetzlich l>cstimmt sei. Zugleich 
wurde aber auch die Nothwendigkeit der Wiederein¬ 
führung des Cur pfuscherei verbot es einerseits und 
der Erlass einer deutschen Aerzteordnung anderer¬ 
seits lebhaft betont. 

Nun kam das Jahr 1892 mit seiner Choleraepidemie, wodurch 
die Reichsregierung veranlasst wurde, dem Reichstage den Ent¬ 
wurf eines Reichsseuchengesetzes in Vorlage zu bringen, welcher 
jedoch nach der ersten Lesung wieder verschwand. In Folg«» 
dieser bekannt gewordenen Vorlage hat sich der XXI. Deutsche 
Aerztetag zu Breslau 1893 wieder mit der Frage be¬ 
schäftigt, und jenen Entwurf auf die Tagesordnung gesetzt. Aus 
den lehrreichen und ausführlichen Verhandlungen hebe ich nur 
wieder die Beschlüsse über die Anzeigepflicht hervor. Dieselben 
lauteten: 

1. „Die Anzeige soll eine einmalige sein, uud an die 
M e d I c i n a 1 b e li ö r d e erstattet werden.“ 

Der dem Reichstag vorgelegte Gesetzentwurf hatte die 
Polizeibehörde als diejenige Stelle bezeichnet, bei welcher 
die Anzeige zu machen sei. 

2. „Zur Anzeige verpflichtet sind nur die Aerzte und die 
Haushaltungsvorstände, sowie deren Stellvertreter.“ 

Hier hatte der Gesetzentwurf auch alle Gurpfuscher, d. li. all * 
Personen, welche sich gewerbsmässig mit der Ausübung der Heil 
künde beschäftigen, als anzeigepflichtig aufgeführt. 

Auch in dieser Versammlung waren verschiedene Ansichten 
darüber zum Ausdrucke gekommen, ob Curpfuscher zur Anzeige 
verpflichtet werden sollen oder nicht. Durch den allgemein und 
positiv gehaltenen Beschluss ist ausgesprochen, dass die Anzeige¬ 
pflicht nur auf Aerzte und H a u s h a 11 u n g s v o r s t ü n «l e 
zu beschränken sei. 

Der Deutsche Verein für öffentliche Ge¬ 
sundheitspflege hat iu verschiedenen seiner Jahresver¬ 
sammlungen die Frage der Infectionskrankheiten und der, zum 
Schutze gegen dieselben zu ergreifenden Maassregeln behandelt, 
so 1879 in Stuttgart die Bildung einer internationalen Sanitäts- 
commissiou, 1885 in Freiburg die Maassregeln bei ansteckenden 
Kinderkrankheiten, 1889 in Strassburg die Verhütung der Tuber- 
culose, 1894 in Magdeburg die Maassregeln gegen Cholera, 1896 
in Kiel die Bekämpfung der Diphtherie, endlich 1898 in Köln die 
reichsgesetzliche Regelung der zur Bekäm¬ 
pfung gemeingefährlicher Krankheiten er¬ 
forderlichen Maassnahmen. Letzterer Congress be¬ 
schloss hierüber auf Grund eines ausführlichen Referates 
Dr. Rapmund’s im Allgemeinen: 

„Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege ist eine 
einheitliche Regelung der zur Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten erforderlichen Maassnahmen auf dem Wege der 
Reichsgesetzgebung dringend erwünscht. Hiebei ist die 
Aufsicht über die Ausführung dieser Maassnahmen neben den 
ordentlichen Polizeibehörden den zuständigen Medicinalbeamten 
zu übertragen.“ 

Bezüglich der Anzeigepflicht hatte Referent In seiner Aus¬ 
führung sich dahin ausgesprochen, dass auch die Curpfuscher zur 
Anzeige verpflichtet werden müssen, und begründete diese An¬ 
sicht ausführlich. Ein Beschluss der Versammlung über die vom 
Referenten aufgestellten Leitsätze wurde, mit Ausnahme der oben 
angeführten Resolution, nicht gefasst. 

Gegenüber diesen Ansichten Dr. Rapmund’s über die Bei- 
ziehung der Curpfuscher zur Anzeigepflicht hat der Geheime 
Medicinalrath Dr. Oscar Schwartz in Köln im zweiten Hefte 
des XXXI. Bandes der Deutschen Vierteljahrs¬ 
schrift für öffentliche Gesundheitspflege einen 
Aufsatz veröffentlicht, worin er Dr. R a p m u n d’s Ansichten zu 
widerlegen und nachzuweisen sucht, dass die Verpflichtung nicht 
approbirter, aber die Heilkunde gewerbsmässig ausübender Per¬ 
sonen zur Anzeige ansteckender Krankheiten weder nothwendig 
noch nützlich sei, dass die Reichsgewerbeordnung von einer ge¬ 
werbsmässigen Beschäftigung mit Heilkunde durch nicht appro- 
birte Personen überhaupt gar nicht spreche, und dass desshalb die 
Behandlung ansteckender Krankheiten durch nichtapprobirte Per¬ 
sonen leclit gut verboten werden könne, ohne mit der Gewerbe¬ 
ordnung iu Widerspruch zu kommen. Ein solches Verbot sei der 
Anzeigepflicht der Curpfuscher vorzuziehen, weil durch die letztere 
die Berufstätigkeit der Curpfuscher erst recht reichsgesetzlich 
anerkannt werde, was die Reichsgewerbeordnung bisher nicht 
thue. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Auf Grund dieser Aufzählungen der bisher in der Frage der 
Anzeigepflielit laut gewordenen Ansichten möchte ich nun schliess- 
lfch ganz objectiv die Frage untersuchen: 

„Sollen in einem zu e r w arte n den Reichs- 
scuchengesetze neben den approbirten A e r z t e n 
auch solc h e Persönlichkeiten zur Anzeige an¬ 
steckender Krankheiten verpflichtet werden, 
welche die Heilkunde gewerbsmässig a u s ii b e n. 
ohne dazu vom Staate a p p r o b i r t zu sein ?“ 

Was will ein Reichsse u c h engesetz ? Es will für 
das ganze deutsche Reich gleiehheitliclie Bestimmungen erlassen, 
durch welche einerseits dem Auftreten von Infectionskrank- 
lieiten vorgebeugt werden kann, andererseits bei bereits er¬ 
folgtem Auftreten solcher Erkrankungen deren Weiter v e r - 
breit u ng von Person zu Person, von Ort zu Ort möglichst 
verhindert oder eingeschränkt wird. Wenn dieser 
Zweck erreicht werden soll, müssen die einschlägigen Behörden in 
erster Linie von jedem vorkommenden Falle einer gemeingefähr¬ 
lichen Erkrankung möglichst rasch und sicher in Kenntniss ge¬ 
setzt werden. Dies kann nur dadurch geschehen, dass Personen, 
welche von dem Auftreten solcher Erkrankungen Kenntniss er¬ 
halten, gesetzlich verpflichtet werden, sofortige Anzeige bei der 
zuständigen Behörde, sei es nun die Ortspolizeibehörde oder die 
Medicinalbehörde oder beide, zu machen. 

Eine Krankheit kann aber nur Derjenige zur Anzeige bringen, 
welcher dieselbe in ihrem Auftreten und ihren Erscheinungen 
kennt, also die Aerzte oder Derjenige, welcher Seitens eines 
Arztes über die Natur der Krankheit aufgeklärt worden ist; dahin 
gehören die Personen der nächsten Umgebung, die F a m i 1 i e u - 
li ä u p t e r und II aushaltungsvorst ä n d e. Diese Letz¬ 
teren können bei Krankheiten, deren Auftreten auch von Laien 
leicht erkannt werden kann, wie Pocken oder Cholera 
während einer Epidemie, zur Anzeige verdichtet werden, -weil sie 
noch früher als der gerufene Arzt Kenntniss von dem einzelnen 
Fall erlangen. Damit ist allerdings noch keine Garantie dafür 
gegeben, dass bei einer beginnenden Epidemie alle vorkommenden 
Fälle möglichst rasch zur wünschbaren Anzeige kommen; denn 
in Folge der Freigabe der Curpfuseherei werden viele Fälle auch 
von ansteckenden Krankheiten von Laien in Behandlung genom¬ 
men, welche die Heilkunde gewerbsmässig ausübeu. Es ent¬ 
stehen dadurch Lücken in der Anzeige; es gehen manche Fälle 
von ansteckenden Krankheiten der Cognition der Behörden ver¬ 
loren, und dieser Umstand ist es, welcher manchen Arzt und 
Hygieniker veranlasst, zu verlangen, dass die Anzeigepflicht auch 
auf diejenigen Personen ausgedehnt werde, welche, ohne dazu 
approbirt zu sein, die Heilkunde gewerbsmässig ausüben. Zugleich 
wird von dieser Seite als Grund angeführt, dass das Publicum die 
Anzeigen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten so 
fürchte, dass es sich lieber zum Curpfuscher als zum Arzt wende, 
wenn es bei Ersterem eine Anzeige nicht zu befürchten habe. 
Die Curpfuscher würden also gleichsam einen Freibrief für die 
Behandlung ansteckender Krankheiten o h n e Anzeigepflicht er¬ 
halten, welcher ihnen noch mehr Zulauf bringen würde. 

Allen diesen Ein wänden zu Gunsten der Anzeigepflicht der 
Curpfuscher möchte ich Folgendes entgegenhalten: Wenn wir auch 
nach der heutigen Lage der Gesetzgebung nicht verhindern können, 
dass sich Leute mit der Behandlung von Krankheiten befassen, 
welche nichts davon verstehen, so dürfen wir doch absolut nicht 
zugeben, dass sie durch irgend eine gesetzliche Bestimmung zu 
einer Function verpflichtet werden, welche die Erkenntuiss von 
Krankheiten voraussetzt; wir dürfen nicht zugeben, dass ihre 
gewerbsmässige Ausübung der Heilkuust dadurch gesetzlich legiti- 
mirt werde, dass ihnen das Gesetz Verpflichtungen auferlegt, 
welche nur uns Aerzten zukommen und nur von Aerzten erfüllt 
werden können. Wir dürfen nicht zugeben, dass sich überhaupt ein 
Gesetz mit den die Heilkunde gewerbsmässig ausübenden Cur- 
pfuschern beschäftige, und sie dadurch gleichsam in ihrer Thätig- 
keit legitimire, nachdem in dem bisher einzig zuständigen Gesetze, 
der R eichsgewerbeordnung, von einer gewerbs- 
iuässigenAusübungderHeilkunde gar nicht die Rede 
ist. Ich muss diese Behauptung noch etwas eingehender begründen. 

Die Reichsgewerbeordnung in der Fassung vom 
6. August 189(> sagt in § 0 ausdrücklich, dass dieses Gesetz 
„kein e“ Anwendung linde auf Fischerei u. s. w., auf die 
Ausübung der Heilkunde nur insoweit, als das¬ 
selbe ausdrückliche Bestimmungen darüber 
enthält. Diese „a usdriickllchen B e s t i m m u n g e n“ 
finden wir in den §§ 29, 30, 53, 80 und 144. $ 29 handelt von der 

Approbation, welcher diejenigen Personen bedürfen, welche sich 
als Aerzte oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen. § 30 
handelt von den Privatkranken-, Privatentbindungs- und Privat¬ 
irrenanstalten und der hiezu nothwendigeu Concesslon der höheren 
Verwaltungsbehörde, § 53 von der Entziehung der Approbation, 

§ 80 von den Taxen der Apotheker und Aerzte, und § 144 von den 
Zuwiderhandlungen gegen die Berufspflichten und der Aufhebung 
derjenigen Bestimmungen, welche bisher den Medicinalpersonen 
einen Zwang zur Hilfeleistung unter Strafandrohung auferlegten. 

In allen diesen Paragraphen ist von einer gewerbsmässigen Aus¬ 
übung der Heilkunde durch nicht staatlich approbirte Personen 
keine Rede, lind da die Gewerbeordnung nach ihrem eigenen § 0 
auf die Ausübung der Heilkunde nur insoweit Anwendung findet, 
als sie ausdrücklich Bestimmungen darüber enthält, so kann man 
mit Recht behaupten, dass die Reichsgewerbeordnung das gewerbs¬ 
mässige Curpfuseherthum vollkommen ignorirt, also gar nicht 
kennt. Sollen wir jetzt selbst dazu den Anstoss geben, dass in 

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einem neuen Gesetz, in dem künftigen Reichsseuchengesetz, die 
gewerbsmässige Ausübung der Heilkunde dadurch als zu Recht 
bestellend und berechtigt anerkannt wird, dass die sich mit ge¬ 
werbsmässiger Ausübung der Heilkunde Beschäftigenden zur An¬ 
zeige ansteckender Krankheiten verpflichtet werden ? Um Gottes- 
willen nicht! Das hiesse unseren ganzen bisherigen Bestrebungen 
auf Abänderung der Gewerbeordnung und Wiedereinführung des 
CurpfuschereiVerbotes den Boden unter den Füssen wegnehmen. 
Dazu wollen wenigstens wir, die Aerzte, nicht selbst beitragen. 

Soviel über die Gewerbeordnung. Nun ist aber auch noch fest¬ 
zustellen, dass die Curpfuscher gar kein Interesse an der recht¬ 
zeitigen Aufdeckung des Vorkommens ansteckender Krankheiten 
haben. Es fehlt ihnen vollkommen alles und jedes Verständniss 
für Hygiene und für die Verhütung der Krankheiten, sie wollen 
mit den Krankheiten nur Geschäfte machen, und hüten sich, dem 
Publicum durch Anzeigen lästig zu werden. Auch wenn ihnen die 
Anzeigepflicht gesetzlich auferlegt wird, sie würden nicht an- 
zeigen, und wenn sie dann vom Richter wegen nachgewiesener 
Unterlassung der Anzeige zur Rede gestellt würden, so würden sie 
behaupten, die Krankheit nicht gekannt zu haben, und der Richter 
müsste sie in Anbetracht dieser ihrer Unkenntniss und mangelnden 
Vorbildung freisprechen, wie es schon jetzt vielfach gegenüber 
Curpfuscliern geschehen muss, welche wegen körperlicher Beschä¬ 
digungen zur Verantwortung gezogen werden. 

Die Anzeigepflicht der Curpfuscher kaun also unmöglich in 
das neue deutsche Reichsseuchengesetz auf genommen werden. 

Wie aber dem UebelStande abhelfen, dass viele Fälle an¬ 
steckender Krankheiten desshalb nicht zur Kenntniss der Behörden 
gelangen, weil sie von Curpfuscliern behandelt werden? 

Schwartz (1. e.) glaubt, man könne mit Rücksicht auf die 
eben angeführten Bestimmungen der Gewerbeordnung in dem neuen 
Reichsseuchengesetze „die Behandlung genau zu bezeichnender, 
gemeingefährlicher, ansteckender Krankheiten durch nicht appro¬ 
birte Personen verbieten und unter Strafe stellen, ohne mit der 
Gewerbeordnung in Widerspruch zu kommen“. 

Weiters weist S c h w a r t z nach, dass in dem noch gütigen 
preussischeu Sanitätsregulativ vom 8. August 1835 die Polzei- 
beliörden ausdrücklich angewiesen werden, „gegen die Behandlung 
ansteckender Kranker durch nicht approbirte Personen mit gleicher 
Strenge vorzugehen, wie gegen die Abgabe heftig wirkender Arznei¬ 
mittel ohne ärztliche Vorschrift“. 

Das klingt Alles recht schön und gut, aber es sind doch nur 
halbe Maassregeln, die ich in einem neuen deutschen Reichsseuchen¬ 
gesetz nicht aufgenommen wissen möchte. 

Dieses neue Gesetz muss die Anzeige ansteckender Krank¬ 
heiten in erster Linie den Aerzten zur Pflicht machen und so¬ 
weit deren Kenntnisse reichen, den F a m i 1 i e n h ä u p t e r n und 
Haushalt u n g s v orst ä n de n. Um aber vor allen vor¬ 
kommenden Fällen irgend einer ansteckenden Krankheit möglichst 
sicher und rasch Kenntniss zu erhalten, muss v o r Erlass eines 
Reichsseuchengesetzes das Curpfuscher ei v er b o t, wie es 
früher bestanden hat, wieder eingeführt werden. Es muss die 
Reichste w e r b e o r d n u n g dahin abgeändert werden, dass 
zur Ausübung der Heilkunde nur diejenigen Personen berechtigt 
sind, welche vom Staate dazu approbirt werden, und es muss in 
das Strafgesetzbuc li die Bestimmung aufgenommen werden, 
dass einer empfindlichen Strafe Derjenige unterliegt, welcher, ohne 
approbirt zu sein, die Heilkunde gewerbsmässig ausübt. Solange 
diese beiden, von uns Aerzten nun seit 30 Jahren erhobenen For¬ 
derungen nicht eifidlt werden, wird auch jedes künftige Seuchen¬ 
gesetz lückenhaft und wirkungslos bleiben. 


Referate und Bücheranzeigen. 

Hermann D ü r c k : Atlas und Grundriss der speciellen 
pathologischen Histologie. I. Band: Circulations- 
organe, Respirationsorgane, Magendarm- 
c a n a 1. München 1900. V erlag J. F. Le li m a n n (L e h - 
mann’s medicinische Handatlanten Bd. XX). Breis 11 M. 

Der vorliegende Atlas ist in erster Linie dazu bestimmt, 
dem Anfänger als Leitfaden bei pathologisch-histologischen 
Uebungen zu dienen, indem er ihm durch den Vergleich mit 
naturgetreuen Abbildungen das Verständniss des mikro¬ 
skopischen Präparates erleichtern soll. Thatsächlich entsprechen 
die sorgfältig ausgeführten Tafeln diesem Zweck vollkommen; 
denn nicht allein sind für die Darstellung der verschiedenen 
Krankheitsprocesse möglichst typische und klare Präparate ge¬ 
wählt worden, sondern es muss auch die Ausführung der ein¬ 
zelnen Abbildungen im Allgemeinen als eine ganz vorzügliche be¬ 
zeichnet werden. Der erläuternde Text ist klar und präcis. Er 
gliedert sich in eine kurz gehaltene Erklärung der Abbildungen 
und in eine kurze allgemeine Schilderung des betreffenden 
Krankheitsprocesses. 

Der vorliegende I. Band des Atlas umfasst die Krankheiten 
der Circulationsorgane, lvespirations- und Digestionsorgane und 
enthält 60 Tafeln mit 125 Figuren. Sämmtliche Abbildungen 
sind nach Originalpräparaten des Verfassers von dein Universi¬ 
tätszeichner C. K r a p f in München mittels des Zeis s’schen 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



162 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


Prismas entworfen und meistens in den Original färben des Prä¬ 
parates ohne jede Schematisirung ausgeführt. 

Das Werk, welches insbesondere den Studirenden warm 
empfohlen sei, ist Herrn Obermedicinalrath Prof. Dr. B o 1 - 
1 i n g e r gewidmet. Hauser. 

J. Pantaloni : Chirurgie du foie et des voies 
biliaires* Paris. Institut de bibliographie scientifique. 1899. 

Ich bewundere den Fleiss des französischen Collegen, der 
in einem 625 Seiten und 348 Figuren enthaltenden Bande die 
Chirurgie der Leber und Gallenwege beschrieben hat. Jeder 
Chirurg, der sich mit der Gallensteinchirurgie eingehend be¬ 
schäftigt, sollte sich das ausgezeichnete Werk anschaff en und er 
wird erstaunt sein über die gewaltigen Fortschritte, die dieser 
Zweig der Chirurgie gemacht hat. Pantaloni hat allerdings 
wohl kaum eine Operationsmethode vergessen aufzuführen und 
schon das 30 Seiten lange Inhaltsverzeichniss beweist, dass der 
Inhalt ein sehr reichlicher sein muss. Besonders zu loben ist, 
dass P. die deutsche Chirurgie recht eingehend berücksichtigt 
hat: Die Namen Czerny, Langenbuch, Riedel sind 
sehr häufig genannt. Sehr instructiv sind die vorzüglichen Ab¬ 
bildungen, wie überhaupt der Druck und die Ausstattung muster- 
giltig ist. 

Das Buch zerfällt in 3 grosse Theile. An dem ersten wird 
die Punction der Leber, die Injectionstherapie beim Abscess und 
Echinococcus, die verehiedenen Methoden der Laparotomie 
bei Leberaffectionen (abdominaler, transpleuraler, lumbaler 
Weg) eingehend besprochen. Es folgt dann die Thermokauterisa- 
tion der Leber, wobei der Name Holländer, Sneguireff 
und Krause genannt werden, ein Beweis, dass auch P. die 
Vaporisation nicht unberücksichtigt gelassen hat. Der Tampo¬ 
nade bei chirurgischen Eingriffen an der Leber wird sogar ein 
eigenes Capitel gewidmet; ebenso ist der Entfernung von Fremd¬ 
körpern aus der Leber, der Curetage beim Leberabscess, der ver¬ 
schiedenen Nahtmethoden an der Leber — ein mustergiltiges 
Capitel! — sehr ausführlich Erwähnung gethan. Die Hepato- 
tomie, Hepatostomie, Hepatectomie und Hepatopexie werden so 
ausführlich behandelt, dass man nirgends eine Lücke entdecken 
kann. 

Im zweiten Theil wird die Chirurgie an den Gefässen der 
Leber und ihrer Bänder besprochen; auch die Exstirpation der 
Drüsen am Cysticus und Choledochus ist nicht unberücksichtigt 
geblieben. 

Im dritten Theil werden die Untersuchungsmethoden bei 
der Gallensteinkrankheit (mit der Radiographie) kurz besprochen 
und dann eine Uebersicht über sämmtliehe Operationsmethoden 
an den Gal len wegen gegeben. Katheterismus der Gallen wege, 
die Injection in dieselben, Lufteinblasungen, nichts ist vergessen. 
Und dann erst beginnt die eigentliche Chirurgie der Gallenwege 
— von der Cholelithotripsie bis zur Cysticoenterostomie. Es 
ist in der That unmöglich, im Rahmen eines Referats über den 
reichen Inhalt des Buches zu berichten, welches auch im letzten 
Theile zeigt, wie gut der Verfasser über die Chirurgie der Gallen¬ 
wege orientirt ist. 

Im vierten Theil ist die Chirurgie des Choledochus auf ca. 
100 Seiten abgehandelt und ich vermisse dabei nichts. Ebenso 
ist die Ilepaticuschirurgie mit grosser Gründlichkeit abge¬ 
handelt. 

Das Buch ist ja ganz anders geschrieben, wie z. B. die vor¬ 
treffliche Chirurgie der Leber- und Gallenwege von Langen¬ 
buch. Jedes Capitel ist nach einem Schema, welches das ganze 
Buch durchzieht, zu Papier gebracht. Es fehlt nicht die De¬ 
finition und Geschichte jeder Operation. Dann wird genau das 
Operationsverfahren, seine Indicationen und Resultate aus¬ 
einandergesetzt. So eignet sich das Buch besonders als Nach- 
schlagebuch, aber als solches ist es auch für den deutschen Chi¬ 
rurgen nicht zu entbehren. 

Ich freue mich, dass die erste Kritik, die ich überhaupt 
bisher in meinem Leben geschrieben habe, so gut ausfällt; ich 
kann mir einbilden, ohne unbescheiden zu sein, genau die chi¬ 
rurgische Literatur der Gallenwege zu kennen, und kann docli 
an dem Werke P a n t a 1 o n i’s nichts aussetzen. 

Hans K erh r. 

C. M o e 1 i: Die Geistesstörungen im Bürgerlichen Gesetz¬ 
buch und in der Civilprocessordnung. (20. V. 1899.) Berlin 
1899. Aug. Hirschwald. 47 S. 

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M o e 1 i beabsichtigt in vorliegender Arbeit, die einem im 
Berliner psychiatrischen Vereine gehaltenen Vortrage entspricht, 
unter Hintansetzung einer Kritik die gegebenen Bestimmungen 
in ihrer Bedeutung für den Arzt zu erörtern und zu versuchen, 
die Frage zu beantworten, wie sein Handeln sich zu gestalten 
habe, um dem Sinne und Willen des Gesetzes möglichst zu ent¬ 
sprechen. 

M. theilt den Stoff folgendermaassen ein: I. Entmündigung 
wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche. II. Strittige Ge¬ 
schäftsfähigkeit. III. Pflegschaft. IV. Entmündigung wegen 
Trunksucht. V. Delictsfähigkeit für unerlaubte Handlungen 
Dritter. VI. Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Scheidung der Ehe. 

Den bei Weitem grössten Raum der Arbeit beansprucht die 
Erörterung der Entmündigung wegen Geisteskrankheit und 
Geistesschwäche; unabhängig von der klinischen Terminologie 
ist das alleinige Kriterium für ihre Anwendbarkeit die recht¬ 
liche Folge. Geisteskrankheit und Geistesschwäche sind die 
juristischen Aequivalente zweier anderer im Gesetz vorgesehener 
Gruppen, der Kinder bis zum 7. Jahre und der Minderjährigen 
vom 7.—21. Jahre; die erstere Kategorie ist geschäftsunfähig, die 
letztere beschränkt geschäftsfähig und somit im gewissen Sinne 
erwerbsfähig. Die Beurtheilung des Einzelfalls ist maassgebend 
für die Entscheidung der Frage, ob Geisteskrankheit oder 
Geistesschwäche im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches vor¬ 
liegt; die klinische Form der Psychose ist belanglos. Natur¬ 
gemäss verweilt er des Längeren bei der Besprechung des Wort¬ 
lauts „seine Angelegenheiten nicht zu besorgen“. 

Sehr bemerkenswerth sind seine ausführlichen Auseinander¬ 
setzungen zum Capitel „Pflegschaft“; dass dieses Institut M. 
zu mancherlei Ausstellungen Veranlassung gibt, kann nicht 
Wunder nehmen. Vor Allem bedauert er, dass mit dieser Ein¬ 
richtung nicht die Möglichkeit garantirt wird, auf kurzem und 
einfachem Wege eine gesetzliche Vertretung der Kranken her¬ 
zustellen; eine solche ist aber oft genug erwünscht für die 
Geisteskranken, die nicht als freiwillige Pensionäre in Anstalten 
untergebracht sind, sowohl aus ärztlichen wie rechtlichen Rück¬ 
sichten. 

Die Schrift, deren Fülle an Gedanken und Anregungen 
sich nur bei der persönlichen und der genaueren Bekanntschaft 
erschliesst, wird Denen ein guter und zuverlässiger Führer sein, 
die sich zu unterrichten wünschen über die Stellung und Be¬ 
handlung der Geisteskranken, welche sie in unserm neuen Ge¬ 
setzbuche erfahren. Ernst S c h u 11 z c. 

Neueste Journalliteratur. 

Zeitschrift für klinische Medicin. XXXVIII. Bd. ? 4., 5. 
u. 6. Heft. 

(Festschrift, Herrn Geh. Med.-Rath Professor Dr. Ebstein 
gewidmet.) 

16) D a m s c h - Göttingen: Zur Lage frei beweglicher Er¬ 
güsse im Herzbeutel. 

Injectionen des Pericardialsackes an der Leiche mit Agar er¬ 
gaben folgende Resultate: Kleinere Flüssigkeitsmengen sammeln 
sich im abhängigsten Theil des Herzbeutels, d. i. in der Gegend der 
Herzspitze. Grössere Mengen füllen dann zunächst den „Herz- 
leberwinkel“ genannten rechten, unteren Theil, später den vor¬ 
deren Theil des Pericardialsackes. Bei prall ausfüllenden Fltissig- 
keitsmassen (es wurden bis zu 500 ccm injicirt) bleiben nur mehr 
die Hinterwand des linken Vorhofes und zum Theil des linken 
Ventrikels mit dem Pericard in Berührung. Hier ist also auch 
noch bei grossen Ergüssen Gelegenheit zur Entstehung von Reibe¬ 
geräuschen geboten. Der geeignetste Ort zur Herzbeutelpunction 
ist möglichst nahe der Herzspitze und zwar um Pleura und Vasa 
mammaria zu vermeiden im V. oder VI. Intercostalraum, hart am 
linken Sternalrand. 

17) Beck er- Hildesheim: Die Geschichte der Medicin in 
Hildesheim während des Mittelalters. 

Schilderung der sanitären und ärztlichen Verhältnisse einer 
deutschen mittelalterlichen Stadt, die ein treffliches Bild der 
ganzen Culturverliältnisse gibt und im Original nachzulesen ist. 

18) N i c o 1 a i e r - Göttingen: Experimentelles und Klinisches 
über Urotropin. 

Das Urotropin (Hexamethylentetramin) wird aus Formal¬ 
dehyd und Ammoniak dargestellt und ist im Harn nach inner¬ 
licher Darreichung leicht mit Bromwasser nachzuweisen. Seine 
Lösungen und auch die Urotropinharne besitzen starke antibae- 
terielle Wirkung, aber nur bei 37°, nicht bei Zimmertemperatur. 
Sie beruht wahrscheinlich auf der Abspaltung von Formaldehyd, 
die erst bei Bmttemperatur eintritt. Ebenso ist auch die beträcht¬ 
liche harnsäurelösende Wirkung, die Urotropin und Urotropin¬ 
harne besitzen, auf die Entstehung einer leichtlöslichen Harnsäure- 
Formaldehydverbindung Zurücks führen. Therapeutisch war die 
Urotropinbehandlung, welche in Dosen von 0,5 2—4 mal täglich 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


163 


auzustellen ist, in 8 von 10 Fällen aminoniakalischer Hamgährung 
von vorzüglichem Erfolg, ebenso in 7 von 10 Fällen acuter gonor¬ 
rhoischer Gystitis, bei chronischer gonorrhoischer Cystitis und 
Urethritis, bei Cystitis nach Katheterismus; weniger bei Strepto¬ 
coccen- und Colicystitis, ganz erfolglos nur bei Tuberculose. Auch 
bei harnsaurer Diathese und Phosphaturie leistet Urotropin gute 
Dienste. 

19) Schreiber - Göttingen: Ueber die Entstehung der 
Hamsaureinfarcte. 

Harnsäureinfarcte entstehen bei Ueberschuss von Harnsäure, 
wie er bei Neugeborenen vorhanden ist, und gleiciizeitiger Schä¬ 
digung der Nierenepithelien, die eine Folge der Reizung durch die 
Harnsäure ist. 

20) S c h r e i b e r - Göttingen: Zur Casuistik der Achsen¬ 
drehung des Darmes. 

Fall von Volvulus mit gegenseitiger Umschlingung von Je¬ 
junum und Kolon aseendeus in Folge freier Beweglichkeit des 
Blinddarms und des aufsteigenden Dickdarms. 

21) Müller- Aachen: Ueber Sehnen-Muskelumpflanzung 
zur functionellen Heilung veralteter peripherischer Nerven¬ 
lähmungen. 

Fall von erfolgreicher Ueberpflanzung der Sehne des Muse, 
tlexor cnrpi ulnaris auf die Dorsalseite der Hand bei traumatischer 
Radialislähmung. 

22) B u s s - Brenlen: Zur Dystopie der Nieren mit Missbil¬ 
dung der Geschlechtsorgane. 

Fall von hochgradiger Missbildung der weiblichen Genitalien. 
Es fehlte Yagina, Uterus, rechte Tube, rechtes Ovarium und rechte 
Niere. Die in’s kleine Becken verlagerte linke Niere wurde irr- 
thtimlicher Weise exstirpirt, worauf der Tod an Uraemie eintrat, 
merkwürdiger Weise erst nach sieben Tagen. 

23) Buss- Bremen: Zwei Fälle von Pachymeningitis in¬ 
terna haemorrhagica nach Trauma. Casuistischer Beitrag zur 
Aetiologie dieser Krankheit. 

24) Z a u d y - Göttingen : Peritonitisartiger Symptomen- 
complex im Endstadium der A d d i s o n’schen Krankheit. 

Schwere Unterleibssymptome bei einem Mann ohne auf¬ 
fällige Pigmentanomalien. Die Section ergab Verkäsung beider 
Nebennieren. 

25) Strauch- Braunschweig: Das M e c k e Psche Diver¬ 
tikel als Ursache des IleuB. 

Abschnürung einer Dünndarmschlinge durch einen Ring, der 
von dem an der Wurzel des Mesenterium ilei fixirten Meckel- 
schen Divertikel gebildet wurde. 

26) Darnach- Göttingen: Ueber die chronische anky 
losirende Entzündung der Wirbelsäule und der Hüftgelenke 
(Strümpell.) 

Von der Rechtere w’sehen „Steifigkeit der Wirbelsäule” 
ist die Strümpei l’sche „ankylosirende Entzündung der Wirbel¬ 
säule” zu trennen. Beschreibung eines zu dieser gehörigen Falles. 

27) F ra n k - Göttingen: Ueber Mucingerinnsel im Ham. 

Allfallsweises Auftreten von massigen Schleimgerinnseln im 

Urin eines Kindes, die manchmal den vollständigen Abguss eines 
Nierenbeckens darstellten und auf eine rechtsseitige Pyelitis mit 
tonischem Krampf der Nierenbecken- und Ureterenmusculatur 
zurückzuführen waren. 

28) Reichenbach: Ein Fall von Rhinitis fibrinosa mit 
Diphtheriebacillen. 

Baeteriologisch genau untersuchter Fall, welcher bestätigt, 
dass die anscheinend gutartige und wenig contagiöse Rhinitis- 
tibrinosa durch echte virulente Löffle rische Bacillen ver 
ursacht wird. 

29) W r aldvogel - Göttingen: Zur Lehre von der Acetonurie. 

Das Aceton entsteht nicht aus Eiweiss oder Kohlehydraten, 

sondern wahrscheinlich aus Fett, sowohl aus dem in Form von 
Fettsäuren in das Blut gelangenden Nahrungsfett, wie aus dem 
Zerfall von Körperfett. So erklärt sich die Acetonurie bei all¬ 
gemeiner Inanition, bei Diabetes, bei einseitiger Eiweisskost, bei 
starker Fettaufnahme, bei Verlust von Nährstoffen in Folge von 
Dyspepsie. Sie muss als ungünstiges Ereigniss aufgefasst werden. 
Kohlehydrate wirken als Fettsparer acetonvermindernd. Subcutan 
eingeführt wirkt aber merkwürdiger Weise Fett nicht acetonver¬ 
mehrend, -während Kohlehydrate die Acetonurie steigern. Diese 
Schlüsse werden aus einer Anzahl von Versuchen gezogen, welche 
auch den klinischen Werth der L e g a l’schen Nitroprussidreaetion 
als sehr zweifelhaft erscheinen lassen. 

Kerschensteiner - München. 

Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 3. 

1) Reineboth: Blutveränderungen in Folge von Ab¬ 
kühlung. 

Eine Entgegnung auf E. G r a w i t z’s Mittheilung: „Ueber 
die Beeinflussung der Blutmischung durch kurzdauernde Kälte¬ 
einwirkungen“. 

Verfasser hält entgegen den Ausführungen Grawitz’ (rief. 
Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 48) an seiner Ansicht fest, 
wonach starke Abkühlungen bei Kaninchen eine Haemoglobin- 
aemie hervorrufen. 

2) E. Grawitz: Erklärung zu den Bemerkungen von 
Beineboth über „Blutveränderungen in Folge von Ab¬ 
kühlung”. 

G. erhebt gegen die Methodik Reineboth’s Einwände, 
welche er bereits in der früheren Arbeit ausgesprochen hat. 

W. Zinn- Berlin. 

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Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 3. 

1) H. Bayer- Strassburg: Britisches zur Lehre von der 
Entfaltung und Nichtentfaltung des Mutterhalses in der 
Schwangerchaft. 

Die Arbeit ist wesentlich eine Polemik gegen die unlängst 
erschienenen Untersuchungen und Erörterungen zur Cervixfrage 
von v. Franquö und desshalb zum Referat nicht geeignet. B. 
kritisirt den oft citirten Medianschnitt einer Schwangeren von 
W a 1 d e y e r, der gegen die Entfaltungstheorie verwendet werde, 
aber, da das untere Uterinsegment fehlt, als abnormer Fall anzu¬ 
sehen sei. Ebenso widerlegt B. die Schlüsse, die v. F. aus 3‘Prii- 
päraten gegen die B.’sche Lehre ziehen zu können glaubte. Doch 
hofft B., dass sich eine Verständigung erreichen lasse, wenn nur 
anerkannt wird, dass der Uterus in den späteren Schwanger¬ 
schaftsstadien von unten her einen Zuwachs erfährt, und dass 
dieser Zuwachs aus einem functioneil anders beanlagten Material 
besteht. Die Entfaltung der Cervix kann dabei stattfinden oder 
nicht; im letzteren Falle fehlt dann nach B.’s Auffassung ein 
eigentliches unteres Segment. 

2) F 1 a t a u - Nürnberg: Zur Atmokausisfrage. Einige Worte 
zur Abwehr. 

Eine persönliche Polemik gegen P i n c u s, dem F. vor Allem 
vorw'irft, dass er in seiner jüngsten Arbeit das Discussionsergeb- 
niss der letzten Naturforscherversammlung in München einer 
„Umprägung“ unterzogen habe, da diese Discusslon eine Nieder¬ 
lage des intransigenten Standpunktes P i n c u s’ gewesen. Wir 
haben keine Veranlassung, auf diese persönliche Polemik näher 
einzugehen. 

3) G. Z e p 1 e r : Weiteres zum Schlitzspeculum. 

Z. gibt zu, die bereits früher erfolgte Empfehlung der Schlitz- 
specula durch Biermer, We b e r und P r e i s s nicht gekannt zu 
haben, und bedauert besonders, letztere Veröffentlichung übersehen 
zu haben. Eine Verbindung der Fixirung des Uterus mittels Kugel¬ 
zange und Application des Spectilums, wie We b e r und P r e i 8 s 
wollen, hält Z. nicht für angebracht. Zum Schluss betont Z. die 
Grenzen der Leistungsfähigkeit seines Instrumentes und erwähnt 
mehrere technische Verbesserungen. J a f f 6 - Hamburg. 

Virchow’s Archiv. Bd. 155. Heft III. 

1) N. It. M u u s : Ueber die embryonalen Mischgeschwülste 
der Niere. 

Beschreibung von G Tumoren, welche aus den Nieren- 
anlagen abgeleitet werden. 

2) B. G r o h 6 : Die Vita propria der Zellen des Periosts. 

Periostklappen von Kaninchen zeigten noch, wenn 100 Stun¬ 
den (5 Tage) nach dem Tode entnommen und transplantirt, Pro¬ 
liferationsvorgänge, Neubildung von elastischen Fasern, Knorpel 
und osteoidem Gewebe. 

3) M. v. O d e n i u s: Ueber einfache cystische Degeneration 
der Lymphdrüsen. Ein casuistischer Beitrag. 

Eingehende Beschreibung von 4 Fällen dieser Art der Cysten¬ 
bildung, welche als besondere Form neben die cystischen Lymph¬ 
angiome und die mehr weniger vollständig zu Cysten umge¬ 
wandelten Lymphadenocelen gestellt werden muss. 

4) Kalischer: Ueber den normalen und pathologischen 
Zehenreflex. 

Die eingehende Untersuchung bestätigt in der Hauptsache 
B a b i n s k y’s Angaben über die physiologische Plantar flexion 
der Zehen bei Reizung der Planta und gibt eine Analyse des Zehen¬ 
reflexes nach seinem physiologischen Zustandekommen, wie nach 
seinen pathologischen Veränderungen, namentlich Dorsalflexion, 
besonderes Verhalten der Grosszehe in Krankheitsfällen. Zumeist 
sind es Erkrankungen im Gebiete des I., seltener solche im Bereiche 
des II. motorischen Neurons, welche die Abweichungen erzeugen. 
.Insbesondere scheint die Dorsalflexion der Grosszehe (in Folge 
Hypertonie des Extensor halluc.) die Regel bei Störungen der 
Pyramidenbahnen und stellt vielleicht ein Frtihsymptom derselben 
dar. Ueber die einzelnen auf den Zehenreflex untersuchten Krank¬ 
heiten s. Original. 

5) E. Fraenkel : Zur Lehre von der acquirierten Magen- 
darmsyphilis. 

Ausführliche Beschreibung des pathologisch-anatomischen Be¬ 
fundes von einem erst post mortem mikroskopisch diagnosticir- 
baren Fall. Charakteristisch sind makroskopisch: 1. die Infiltra¬ 
tion der Gewebe auch da, wo die innerste Wandschicht zerstört 
ist, der speckige Grund der beetartigen Geschwüre liegt in an¬ 
nähernd demselben Niveau wie die meist etwas aufgeworfenen 
Ränder; 2. die in der ganzen Circumferenz gleichmässige Be¬ 
schaffenheit der Ränder; 3. auch die Multiplicität der Geschwüre. 
Mikroskopisch:Gummöse Neubildungen, obliterirende Endarteriitis, 
theilweise Panarteriiitis, productive Eudophlebitis mit oder ohne 
gummöse Infiltration der Wand. Als unzweifelhaft speciflschen 
Ursprungs können nur die mit gummösen Erkrankungen des 
Magens und Darms einhergehenden Geschwüre betrachtet werden. 
Nach den spärlichen bisherigen Angaben scheint die Erkrankung 
sehr selten und zu den besonders malignen Formen constitutio- 
neller Syphilis zu gehören. 

G) Th. Kocher: Ueber glykogenhaltige Strumen. 

7) M. B. Schmidt: Ueber ein ganglienzellenhaltiges 
wahres Neurom des Sympathicus. 

8) W. Ebstein: Beitrag zur Lehre von der Lipaemie, der 
Fettembolie und der Fettthrombose bei der Zuckerkrankheit. 

Beschreibung eines classischen Falles und Erörterungen über 
die Genese der Lypaemie — deren Quelle vielleicht im Blute selbst 

Original fro-rri 

UNIVERS1TY OF CALIFORNIA 



164 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


55 U suchen ist — mul iler Fetttlirombösen nicht eigentliche F ett- 
einbolien). 

IX. Kleinere MIttheilunRcn. 

1) W. Ebstein: Ueber die Localisation und einige Be. 
Sonderheiten der Hautwassersucht in einem Palle von diffuser 
Nierenentzündung. 

Nephritis glomerulosa et interstitialis. Besonders starkes 
Oedem am Bücken zwischen den unteren Rippen und dem oberen 
Beckenrande, welches bei Function nur einige Tropfen Flüssig¬ 
keit .entleerte und auf Fingerdruck — entgegen dem Verhalten 
der übrigen oedematösen Function des Körpers — keine Gruben¬ 
bildung zeigte (,,e lastisehes Oe de m“). 

2 ) Levy-I)orn: Beitrag zur Lehre vom Zittern. 

Die Zahl der in der Zeiteinheit möglichen Zitterbewegungen 
bei verschiedenen Arten von Tremor erwies sich als entsprechend 
der Anzahl der jeweils möglichen willkürlichen Bewegungen. 

Eugen A 1 b r e c h t - München. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In- 
fectionskrankheiten. Bd. XXVH.. No. 2. 1900. 

1) Bruno Schürmayer-Hannover: Ueber Aktinomykose 
des Menschen und der Thiere. (Schluss folgt.) 

2) G. Gabritschewsky - Moskau: Ueber einige Streitfragen 
in der Pathologie der Spirochäteninfectionen. 

3) Theodor Odhner-Upsala* Aporocotyle Simplex n. g. n. 
sp., ein neuer Typus von ektoparasitischen Trematoden. 

4) P. S. de Magalhäes- Rio de Janeiro: Eine sehr seltene 
Anomalie von Taenia solium. 

5) L. A. Jägerskiöld-Upsala: Ein neuer Typus von Copu- 
latlonsorganen bei Distomum megastomum. 

6) James H. Wright- Boston: A simple method for anaero- 
bic cultivation in fluid media. 

R. 0. Neumann-Berlin. 


Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 4. 

1) J. Hirs e h b e r g - Berlin: Die Entwicklung der Augen¬ 
heilkunde im 19. Jahrhundert. (Schluss.) 

Zu kurzem Referate an dieser Stelle nicht geeignet. 

2) C. Fosuer und M. V e r t u n - Berlin: Ueber die Gift¬ 
wirkung des normalen Harns. 

Cfr. Referat pag. 1698 der Münch, med. Wochensclir. 1899. 

3) J. L a z a r u s - Berlin: Die pneumatische Therapie von 
1875—1900. 

Im Anschlüsse an die Arbeiten, welche im obigen Zeiträume 
aus dem pneumatischen Institute des jüdischen Krankenhauses 
in Berlin hervorgegangen sind, wirft L. einen Rückblick auf die 
Entwicklung dieses, Anfangs mit sehr weiten Indicotionen arbei¬ 
tenden Zweiges der Therapie und die darauf bezüglichen Theorien 
und praktischen Ergebnisse. Unter den rationellen Indicationeu 
für active pneumatische Therapie nennt Verfasser den chronischen 
Bronchialkatarrh, die Folgezustiinde nach Pleuritis und Pneumonie, 
chronische Infiltrationen des Lungenparenchyms. Wie aus einer 
Uebersiclit der Publicationen hervorgeht, ist die Erklärung der 
mechanistdien und chemischen Wirkung des Aufenthaltes in eom- 
primirter Luft z. Z. noch nicht gelungen, trotzdem über manche 
Funkte Einigung erzielt ist. Iudieationen für das pneumatische 
Kabinet sind Pleuritis, Schrumpfungen und chronische Infil¬ 
trationen der Lungen, chronischer (asthmatischer) Bronchial¬ 
katarrh, consecutive Circulationsstörungen ohne organische Ilerz- 
erkrankung, Chlorose und Anaemle; zu den Contraindieationen 
gehören Verknöcherung des Thorax, Arteriosklerose, Neigung 
zu Blutungen. 

4) F. K ö n i g - Berlin: Ueber gleichzeitige Schussverletzung 
von Brust- und Bauchhöhle. (Schluss folgt.) 

5) B 1 o c h - Berlin: Ueber den Bacteriengehalt von Milch- 
producten und anderen Nährmitteln. 

Verfasser hat das Plasmon, Eulactol, Nutrose. Thein- 
hard t’s Hygiama auf ihren Keimgehalt untersucht, ferner auch 
Mehl- und Hafermehl. Der Keimgehalt des Plasmon ist zwar sehr 
hoch, aber nicht höher als bei anderen Milchproducten oder im 
Mehl und Hafermehl. Allein es handelt sich um nicht pathogene 
Keime. Der Gehalt an Keimen überhaupt ist für die Güte solcher 
Präparate nicht ausschlaggebend. So enthalten auch das täglich 
verwendete Mehl, sowie Butter eine kolossale Anzahl von Keimen. 

Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 3. 

1) Brieger : Weitere Untersuchungen über Pfeilgifte. 
(Aus dem Institut für Infectionskraukheiteu in Berlin.) 

Anschliessend an die in No. 39 der Deutsch, med. Wochensclir. 
1899 berichteten Untersuchungen über das Pfeilgift der in Deutsch- 
Ostafrika ansässigen Wakamba behandelt vorliegende Arbeit das 
von deu Wagogo. ebenfalls in Deutsch-Ostafrika, benutzte Pfeil¬ 
gift, welches aus dem Safte der Candelabor - Euphorbie bereitet 
wird. 

2) Paul Jacob: Klinische und experimentelle Erfahrungen 
über die Duralinfusion. (Aus der I. medicin. Universitätsklinik 
in Berlin.) 

Nach einem am 20. November im Verein für innere Medicin 
gehaltenen Vortrage. Referat siehe diese Wochenschrift No. 48. 
pag. 1626. 


3) M. Senator: Weitere Beiträge zur Lehre vom osmo¬ 
tischen Druck thierischer Flüssigkeiten. (Aus der inneren Ab¬ 
theilung des städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin.) 

Vorliegende Untersuchungen schliesseu sich an die Arbeiten 
von K o r a n y i, L i n d e m a u n u. s. w. an und beruhen, wie diese, 
auf der Bestimmung des Gefrierpunktes in Harn und Blut. Auf 
die Details kann hier nicht näher eingegangen werden. 

4) v. d. O r o n e - Hohenlimburg: Ein durch Serumbehand¬ 
lung geheilter Fall von Tetanus traumaticus. 

Casuistische Mittheilung. . , 

5 ) Friedrich Eschbaum - Berlin: Ueber eine neue klinische 
Methode zur quantitativen Bestimmung von Quecksilber im 
Harn und die Ausscheidung dieses Metalles bei mit löslichem 
metallischem Quecksilber behandelten Kranken. 

Die Methode besteht im Wesentlichen darin, dass das im Ham 
befindliche Quecksilber zunächst unter Beachtung gewisser Cau- 
teleu in der bisher üblichen Weise an Kupfer gebunden wird. Durch 
Erhitzen wird es von dem letzteren getrennt und mittels eines 
Stückchen metallischen Silbers von den Wandungen des Reagens¬ 
glases abgenommen. Durch Wägung des Silberplättchens vor und 
nach der Amalgamirung findet man die Menge des vorhandenen 
Quecksilbers. F. L a c h e r - München. 

Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg. 

a. Steiger- Zürich: Untersuchungen über Sehschärfe und 
Treffsicherheit. (Schluss folgt.) 

Oscar Beuttner-Genf: Ueber die therapeutische Ver- 
werthung des Salipyrins auf gynäkologischem Gebiete. 

Salipyrin hat einen günstigen Einfluss auf Gebärmutter¬ 
blutungen, wenn keine gröberen anatomischen Veränderungen vor¬ 
liegen, wirkt beruhigend auf Menstruationsbeschwerden, besonders 
bei concurrirenden psychischen Depressionszustäuden: Dosis 3mal 
tägl. 1 g. Tabelle, im' ganzen 24 Fälle. Pischinger. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 3. 

1) R. Kraus-Wien: Ueber Haemolysine und Antihaemo- 
lysine. 

Aus den zahlreichen im Original aufgeführten Versuchen 
geht als Hauptresultat hervor, dass verschiedene Mikroorganis¬ 
men (z. B. Tetanus. Bact. coli. Cholera) den Blutkörperchen ver¬ 
schiedener Thierarten gegenüber haemolytische Gifte entwickeln 
und dass normale Blutsera im Stande sind, diese haemoly tischen 
Wirkungen aufzuheben. Die Haemolysine sind schon in eintägigen 
Culturen vorhanden, sie schwanken in ihrem Werthe bei ein und 
derselben Cultur und können sogar verschwinden. Die Haemo¬ 
lysine bewirken ausser einer Auflösung der rotheu Blutkörperchen 
oft auch eine Umwandlung des Haemoglobins. 

2) F. M i c h e 1 i und G. Mattirolo-Turin: Beitrag zur 
Kenntniss der pseudochylösen Ascitesformen. 

Es sind mehrfach Fälle beschrieben, wo eine milchige Trü¬ 
bung der Ascitesflüssigkeit bestand, ohne dass die Untersuchung 
einen Fettgehalt der betreffenden Flüssigkeiten ergab, der jenes 
Aussehen hätte erklären können. Die Verfasser publiciren nun 
4 Fälle mit ähnlichem Befund und glauben zur richtigen Erklärung 
desselben gelangt zu sein. Die untersuchten Flüssigkeiten wiesen 
ebenfalls nur geringe Fettmengen auf, dagegen alle einen Procent¬ 
satz von Lecithin, der, wie weitere Versuche zeigten, weitaus 
hinreichend war, Opalesccnz resp. Trübung in der betreffenden 
Flüssigkeit zu bewirken. Der Beweis, dass gerade die Lecithine 
befähigt sind, derartige milchige Trübungen hervorzurufen, konnte 
auf chemischem Wege geführt werden. 

3) J. P o 11 a k - Alland: Einige neue Medicamente in der 
Phthiseotherapie. 

Das Duotal (Guajacol. carbon. puriss.) wurde von 32 Patienten 
Wochen hindurch in einer Tagesdosis von 0,5—3 g genommen: 
bei 5 dieser Fälle trat Appetitverschlechterung ein; bei den übrigen 
besserte sich derselbe, auch erfolgten nicht unbedeutende Gewichts¬ 
zunahmen; auf Husten, Auswurf etc. war kein Einfluss zu be¬ 
merken. Das Pyramidon. Abkömmling des Antipyrin, erwies sich 
in einer Tagesmenge von 0,5 g (binnen 4—6 Stunden genommen) 
bei Phthisikern als verlässiges Autipyreticum; es wirkt nicht 
schädlich auf das Herz; das Heroinum hydrochlor., vom Morphium 
abstammend, bewährte sich als ein den Husten gut linderndes 
Mittel; wenn nicht mehr als 0,005 g einmal Abends gegeben wurde, 
traten meist keine Intoxicationserscheinungen ein. 

Dr. Grassmann - München. 

Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 2, 3 u. 4. 

J. Horcicka - Pola: Beitrag zur Verbreitungsweise des 
Typhus abdominalis durch den Genuss von rohen Austern. 

In Pola ist der Typhus abdom. heimisch und nimmt öfters die 
Form grösserer Epidemien an. Ein besonders flagrantes Vor- 
kommuiss lenkte auch hier die Aufmerksamkeit auf die Austern 
als Infeclionsvermittler. H. hat Austern aus verschiedenen Tlieilen 
des dortigen Hafens baeteriologisch untersucht und in denselben 
zwar keine Typhusbacillen nachweisen können, fand dagegen 
unter 40 Stück 37 mit Faecalien hochgradig verunreinigt. Er hat 
ferner eine Anzahl Austern mit einer Reincultur von Typhus 
bacillen gefüttert. Noch 20 Tage nach der Fütterung liessen sich 
aus den zu Brei verriebenen Thieren die Bacillen fortzüchten. 


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80. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


165 


Schliesslich hat Verfasser verschiedene Istrier und Dalmatiner 
Weinproben mit Culturen versetzt. Diese erwiesen sich bereits 
nach 24 Stunden als abgestorben; es dürfte demnach diesen Weinen 
eine Bedeutung für die Uebertraguug des Typhus, wie sie auch 
vermuthet wurde, nicht zukommen. 

W. Gabel- Ofen-Pest: Eine acute Infections- und Accli- 
matisationskrankheit. 

An drei bestimmten Orten der südlichen Herzegovina, welche 
durch ihre eigentümliche Lage und übermässige Sommerhitze 
ausgezeichnet sind, kommt in der heissen Jahreszeit bei den Trup¬ 
pen eine von den Einheimischen als „Hundskrankheit“ bezeichnete 
Krankheitsform zur Beobachtung. Dieselbe beginnt plötzlich mit 
hohem Fieber, grosser Prostration, gastrischen Störungen und 
intensiven Muskelschmerzen, besonders der unteren Extremi¬ 
täten. Nach 2 Tagen gewöhnlich kritischer Temperaturabfall, nach 
ca. 5 Tagen volle Genesung. Bleibt der Kranke an dem Orte, so 
erfolgt nach 2—5 Wochen ein ganz ähnlicher, aber verstärkter 
Anfall mit 4—6 tägigem Fieber, der nach kritischem Temperatur¬ 
abfall in 10—14 Tagen zur Genesung kommt. Durch Klimawechsel 
wird dieser zweite Anfall sicher vermieden. Cornjilicationen 
ernsterer Art oder gar Todesfälle wurden nie beobachtet. Die 
grosse Mehrzahl der zugehenden Mannschaften ist der Krankheit 
unterworfen, welche eine gewisse Aehnlichkeit mit der Febris re¬ 
currens zeigt. Nach den Krankheitserregern wurde bisher ver¬ 
geblich gefahndet. 

Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 1 u. 2. 

J. S c h n i t z 1 e r - Wien: Ueber Epiploitis im Anschluss an 
Operationen. 

Ausführliche klinische Abhandlung, zu kurzem Referat nicht 
geeignet. 

Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 2. 

A. W ö 1 f 1 e r - Prag: Zur operativen Behandlung des Torti- 
collis spasmodicus. 

Bel einem Falle von ausgeprägtem, nach links gerichtetem 
Tortieollis hat W. durch ein in England augebildetes, in Deutsch¬ 
land noch wenig befolgtes Verfahren völlige Heilung erzielt. Die 
ausgiebige Resection des rechten Nervus aecessorius brachte zwar 
nach einem Jahr die entsprechende Museulatur zur Atrophie, doch 
nur sehr unvollkommene Besserung, der Kopf blieb nach links 
gedreht und nach hinten gezogen durch die stark gespannte links¬ 
seitige Nackenmusculatur. Daher wurde der II. und III. linke 
Cervicalnerv auch resecirt und — da die Freilegung des I. Cervical- 
nerven sehr complicirt wäre — der M. oliquus inferior völlig durch¬ 
trennt. Nach glatter Wundheilung war ein völlig befriedigender 
und dauernder Erfolg erreicht. B e r g e a t - München. 

Englische Literatur. 

Henry Morris: Steine im Ureter. (Lancet, 16. Dec. 1899.) 

Der bekannte Nierenchirurg des Middlesex Hospital gibt in 
dieser Arbeit eine auf fremde und eigene Beobachtungen gestützte 
Zusammenfassung unserer derzeitigen Kenntnisse auf dem Ge¬ 
biete der Uretersteine. Er hat 47 Fälle (darunter G eigene) zu¬ 
sammengestellt und tabellarisch geordnet. Fast alle Uretersteine 
entstehen ursprünglich in der Niere, primäre Uretersteine sind 
äusserst selten und bestehen aus Niederschlägen phosphorsaurer 
Salze auf ein Ulcus oder einen Fremdkörper (Katheter en de- 
meure) im Harnleiter. Ein Stein kann sehr lange im Ureter ver¬ 
weilen, doch ist es schwer, genaue Angaben darüber zu machen, 
weil wir zur Zeit noch nicht zwischen Nierenbecken und Ureter¬ 
steinen die Differentialdiagnose machen können. Verfasser hat 
während 19 Jahren 6 mal vergeblich die Niere nach Steinen ab¬ 
gesucht, In 5 dieser Fälle wurde später ein Stein per vias naturales 
entleert, der schon während der Operation im Ureter gesessen 
haben muss, im 6. Falle starb der Patient nach ungefähr Jahres¬ 
frist, auch in diesem Falle ergab die Section einen Harnleiterstein. 
Bei den 5 zuerst genannten Kranken blieben alle Symptome un¬ 
verändert nach der Operation bestehen, um nach Passiren des 
Steines sofort zu verschwinden, was beweist, dass der Stein 
sich schon zur Zeit der Operation im Harnleiter befand. Ist die 
durch den Stein gesetzte Obstruction nicht vollkommen, so kann 
die Niere weiter functioniren. Es empfiehlt sich in allen Fällen 
von Nephrolithotomie den Ureter zu sondiren; namentlich darf 
das nie unterlassen werden, wenn man in der Niere keinen Stein 
findet. Im normalen Harnleiter finden sich 3 engere Stellen, 
eine 5—10 cm unterhalb des Nierenhilus (2 cm unterhalb des An¬ 
fanges des Ureters), die zweite dort wo der Harnleiter den Becken¬ 
rand kreuzt und die dritte an der Einmündung des Harnleiters in 
die Blase. An diesen Stellen wurden nun sowohl bei Sectionen 
wie auch bei Operationen zumeist die Steine gefunden und zwar 
am häufigsten am Anfangs- und Endtheil des TTreters. Die Harn¬ 
leitersteine sind ihrer Zusammensetzung nach natürlich ebenso 
mannigfaltig wie die Nierensteine, zuweilen erhalten sie während 
ihres Verweilens im Ureter einen neuen Ueberzug von Harn¬ 
salzen. sind mehrere Steine vorhanden, so können sie facettirt sein. 

Die Diagnose auf Harnleiterstein kann nur dann mit Sicher¬ 
heit gestellt werden, wenn es gelingt, den Stein durch die Bauch¬ 
decken oder von Rectum, Vagina oder Blase aus zu fühlen; sonst 
wird die Diagnose meist erst während einer Nephrolithotomie 
gemacht, bei welcher stets der Ureter sondirt werden muss. Eine 
transperi tonen! e Freilegung des Ureters zu diagnostischen Zwecken 
(Ha, 11) ist durchaus zu verwerfen. Der Ureterenkatheterismus 


ist nur dazu zu gebrauchen, um ein Hinderniss festzustellen über 
die Art des Hindernisses (Strictur oder Stein) gibt er keine Auf¬ 
klärung. Was die Differentialdiagnose anlangt, so können wir 
einen Ureterstein (ausser wir fühlen ihn) durch die Symptome 
nicht von einem Nierenstein unterscheiden; ebensowenig von 
eiuem „eneysted bladderstoue“ (Blasenstein, der in einer Tasche 
liegt), solche Blasensteine sind wahrscheinlich häufig Uretersteine, 
die zwischen die Blasenwände vorgedrungen sind und hier einen 
Sack für sich gebildet haben. Der Zustand der Niere gibt ge¬ 
legentlich Aufschluss über die Herkunft solcher Steine (Atrophie 
der Niere nach UreterenVerschluss). 

Gar nicht selten werden in der Praxis Nieren- und Harn¬ 
leitersteine mit Blasenkatarrh verwechselt, stets untersuche man 
den Urin genau, bei NicrenalTection ist er meist sauer und ent¬ 
hält nur sehr wenig Schleim, bleibt auch nach langem Stehen 
trübe (weil der Eiter innig mit dem Harn gemischt ist). Der 
Harn bei Cystitis reagirt alkalisch, enthält viel zähen Schleim, 
der meiste Eiter tritt bei Beginn und Ende der Harnentleerung 
auf. Ein in die Blase vorragender Ureterstein, der Cystitis ver¬ 
ursacht, lässt sich stets nach weisen. Von entzündlicher, nament¬ 
lich tuberculöser Ureteritis kann man den Ureterenstein nicht 
unterscheiden. Täuschungen kommen nicht selten dadurch vor, 
dass die Tubereulose zu Verdickungen führt, welche als Steine im- 
poniren können. Unter Umständen gelingt es, Tuberkelbacilleu 
im Urin naclizuweisen. Es ist auch schon vorgekommen, dass ein 
prolabirtes Ovarium für einen Ureterenstein angesehen wurde 
(Cullingworth); Verfasser gibt desshalb differentialdiagnos¬ 
tische Zeichen. 

Wie schon mehrfach erwähnt, sind die Symptome des Harn¬ 
leitersteines meist die des Nierensteines; ebenso ist schon erwähnt, 
dass es manchmal gelingt, einen Stein im Ureter zu fühlen oder 
cystoskopisch nachzuweisen; manchmal führt der Harnleiterstein 
zu Prolaps des Ureters in die Blase, ja bei der Frau kann der 
Ureter durch die Urethra vorfallen und in der Vulva erscheinen. 

Die Prognose ist für die Niere des steinhaltigen Harnleiters 
bei längerem Bestehen der Krankheit meist schlecht, besteht voll¬ 
kommener Verschluss, so atrophirt die Niere sehr rasch, während 
es bei nicht vollkommenem oder intermittirendem Verschluss bald 
zur Hydro- oder auch Pyonephrose kommt: manchmal bildet sich 
nach mehrjährigem Bestehen eines Harnleitersteines Krebs in der 
gleichseitigen Niere. Kommt cs zu einfacher Atrophie der Niere 
und ist die andere Niere gesund und steinfrei, so ist die Prognose 
für das Leben gut, kommt es aber zu Pyonephrose oder erkrankt 
die zweite Niere an Stein, so kann nur eine baldige Operation 
zur Heilung führen. Nach genauer Schilderung der pathologischen 
Veränderungen in Harnleiter und Niere geht Verfasser auf die 
Behandlung über. Lässt sich das Vorhandensein eines Harnleiter¬ 
steines schon vor der Operation feststellen, so kommt die Uretero- 
lithotomie und zwar nur die extraperitoneale in Frage, dieselbe 
Operation wird gemacht, w r enn man bei einer Nephrolithotomie 
zur Ueberzeugung kommt, dass es sich um einen Harnleiterstein 
handelt, gelingt es nicht, den Stein in das Nierenbecken oder die 
Blase zu schieben und ihn von hier aus zu entfernen, so legt man 
den Ureter durch Verlängerung des Lumbarnierenschnittes frei. 
Bei zweifelhafter Diagnose ist es besser, jeden Ureter extraperi¬ 
toneal freizulegen und abzutasten, als eine probatorische Laparo¬ 
tomie vorzunehmen. Wird bei einer Laparotomie ein Ureterstein 
gefunden, so schliesst man die Bauchwunde und entfernt den 
Stein extraperitoneal. Stets versuche man den Stein etwas nach 
oben zu schieben, um ihn von einer Stelle zu extrahiren, die nicht 
der pathologisch veränderten Einklemmungsstelle entspricht. Die 
Wunde im Ureter oder im Nierenbecken wird genäht. Tief sitzende 
Steine (an der Blasenmündung des Ureters) entfernt man beim 
Weibe durch die Harnröhre, beim Manne durch den perinealen 
oder suprapubischen Blasenschnitt. 

H. D. R o 11 e s t o n und G. R. Turner: Die chirurgische 
Behandlung des Ascites bei Lebercirrhose durch Schaffung 
peritonealer Adhaesionen. (Ibid.) 

Vor Kurzem konnte ich über die dasselbe Thema behandelnde 
Arbeit von D r u in m o n d und M o r i s o n berichten (Brit. med. 
.Tourn., Vol. II, 1896; Transact. Medic. Society, London, 11. Dec. 
1899). Rolleston und Turner geben hier die Kranken¬ 
geschichte von 2 Fällen. 

Im ersten handelte es sich um einen 45 jährigen Mann, der 
wiegen Haematemesis zur Aufnahme kam. Es bestanden die 
Symptome einer Lebercirrhose, und da innere Behandlung erfolg¬ 
los blieb, so wurde er am 31. Juli operirt, nachdem kurz vorher 
16 Pinten Ascites abgelassen wmrden waren. Während der Opera¬ 
tion entleerte sich noch reichlich Ascites. Die Incision lief parallel 
dem Rippenrande rechts und war 13 cm lang. Die Oberfläche der 
eirrhotischen Leber und das Diaphragma wurden mit dem Finger¬ 
nagel wund gekratzt. Dann wrurde eine Ivüngarusehne durch Leber, 
Omentum und die Schnittfläche des Peritoneums gelegt, so dass 
das Omentum zwischen Leber und Zwerchfell zu liegen kam. 
Die Bauchwamde wurde durch Etagennähte geschlossen. Der be¬ 
deutend gebesserte Patient verliess das Hospital am 27. August. 
Am 11. Dezember befand er sich sehr wohl, die vorher stark ver- 
grösserte Milz w r ar stark geschrumpft, doch konnte eine geringe 
Menge von Ascites nachgewiesen werden. Der zweite Patient, 
ein 52 jähriger Mann, wurde durch die Operation, die etwas anders 
ausgeführt wurde, in keiner Weise gebessert. (Schnitt in der 
Mittellinie, Abkratzen der Leberoberfläche, Vernähen des Leber¬ 
randes mit der vorderen Bauchwand.) Die Verfasser rathen, die 
Operation möglichst frühzeitig vorzunehmen, ehe noch die Kranken 
zu sehr geschwächt sind; die Operation scheint sehr gefährlich 


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166 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


zu sein, da von 10 veröffentlichten Fällen 5 an Peritonitis resp. 
Schock (?) gestorben sind. Ist einmal das Lebergewebe völlig ent¬ 
artet, so kann auch die durch die Operation beabsichtigte ver¬ 
mehrte Oirculation nichts mehr helfen. Der bei der ersten Opera¬ 
tion verfolgte Plan scheint ihnen der beste, vor Allem legen sie 
grosses Gewicht darauf, das Omentum in engen Zusammenhang 
mit Leber und Rauchwand zu bringen. Ist viel Flüssigkeit im 
Rauche vorhanden, so empfiehlt es sich, die Rauchhöhle auf supra 
pubischem Wege zu drainiren. Eventuell kann man später noch 
eine ähnliche Operation an der Milz vornehmen . Die Verfasser 
halten den Ascites nicht für durch einfache Pfortaderstauung 
bedingt, sie glauben, dass er eine Folge von Toxaemie ist. Die 
cirrhotische Leber ist nicht im Stande, gewisse (iifte zu zerstören, 
welche vo'm Darincanal aus in die Leber und von hier aus in die 
allgemeine Rlutbalm gelangen. Diese (iifte haben einen lymph- 
t reibenden Einfluss und führen zu Oedemen der Reine und zu 
Ascites. Die durch die Operation bedingten Adliaesionen führen 
zu vermehrtem Rlutzufluss in die Leber und geben den Leberzellen 
< ielegenheit, sich zu erholen und zu hypertropliiren. Ist: diese 
Hypothese wahrscheinlich, so muss, wie die Verfasser fordern, 
die Operation möglichst frühzeitig unternommen werden. 

W. Watson C heyne: Die Behandlung der chirurgischen 
Tuberculose. (Brit. Med. Journ., 10. Dcc.. 23. I)ec., 30. Dee. 1800.) 

Es scheint mir nützlich, die ausführliche Arbeit des um das 
Studium der chirurgischen Tuberculose so verdienten Verfassers 
etwas genauer zu referiren; ausserdem aber möchte ich die Fach¬ 
genossen auf das Studium des Originales verweisen, das nebeu 
manchen bekannten doch auch eine Fülle neuer Anregungen ent¬ 
hält und vor Allem erkennen lässt, dass der Verfasser alle Rath- 
schläge erst nach reichlichen eigenen Beobachtungen und Erfah¬ 
rungen gibt. 

Verfasser betont im Anfang seiner Arbeit, dass jede tuber- 
culöse Erkrankung zuerst eine Localerkrankung ist, wenn es auch 
namentlich bei tiefer sitzenden Erkrankungen oft schwierig ist, 
den primären Herd nachzuweisen. Treten multiple Erkrankungen 
zusammen oder kurz nacheinander auf, so kann man ziemlich 
sicher sein, dass irgendwo im Körper noch ein bisher latent ge¬ 
bliebener primärer Herd sich befindet. Stets muss es das Bestreb n 
des Arztes sein, den primären Herd möglichst frühzeitig und 
gründlich zu entfernen, dasselbe gilt übrigen» auch für viele 
secundäre Herde. Verfasser betrachtet dann zuerst die tuber- 
culösc Drüsenerkrankung, wie sie sich besonders am Halse findet. 
Als Eingangspforte schuldigt er besonders cnrinne Zähne an. 
während er aus näher nuseinandergesetzten Gründen nicht glaubt, 
dass die Mandeln häufig den primären Herd enthalten. Zahn¬ 
en ries, Ohrenttnss und andere Krankheiten führen zu Entzün¬ 
dungen der Lymphdrüsen. die hierdurch geschwächte Drüse leistet 
dem Eindringen der Tuberkelbacillen, die meist aus dem Blute 
stammen, nur geringen Widerstand. Findet man eine Anzahl 
kleiner, harter, leicht verschieblicher und nicht wachsender 
Drüsen, so lasse man sie in Ruhe und behandle den Kranken mit 
Arsenik, guter Nahrung und ovent. mit Landluft, meist ver¬ 
schwinden dann die Drüsen. Wachsen dagegen die Drüsen und 
führen sie zu Entstellung, so schreite man bald zur Operation, 
die in der Entfernung aller erkrankten Drüsen zusammen mit dem 
umliegenden Fett zu bestehen hat. In einer anderen ("lasse von 
Fällen verläuft die Adenitis viel rascher, es treten bald Erwei¬ 
chungen und Verwachsungen auf und man operire desshalb mög¬ 
lichst bald, womöglich ehe es zur Abseessbildung gekommen ist. 
Verfasser verwirft ganz die Auskratzung und befürwortet die 
Toialausräumung, da bei der Auskratzung Recidive der operirten 
oder baldige Vergrösserungen der benachbarten, schon vor der 
Auskratzung erkrankten Drüsen nicht ausbleiben; auch folgt dem 
Kratzen manchmal allgemeine Tuberculose. Die radicale Opera¬ 
lion ist dagegen meist von dauerndem Erfolg: stets entferne man. 
wenn möglich, die primäre Quelle der Drüsenentzündung, wie 
einen cariösen Zahn, vergrösserte Mandeln, man öffne alte 
Mastoideiterungen etc. Hat sich schon ein Abseess gebildet, der 
aber noch klein ist. so nehme man ein ovales Stück der Halshaut, 
sowie den Abseess und die Drüsen in toto heraus und bemühe sich, 
den Abseess während der Operation nicht zu eröffnen. Oft muss 
die Vena jugularis zum Theil mitentfernt werden. Findet man 
einen grossen Abseess, der die Fascie durchbrochen und zu einer 
bedeutenden Ansammlung von Eiter unter der gerötheten und 
verdünnten Haut geführt hat. so operire man zweizeitig. Zuerst 
entleere man den Abseess und gebe der Haut Zeit, sich zu erholen, 
nach etwa 3 Wochen erfolgt die Radicaloperation. In alten, mit 
vielen Fisteln complicirten Fällen entferne mau ebenfalls womög¬ 
lich alles erkrankte Gewebe, verbietet die Ausdehnung der Krank¬ 
heit ein so radionlos Vorgehen, so werden die Fisteln ausgekratzt 
und mit reiner farbolsäure behandelt. Ist also überhaupt eine 
Operation angezeigt, so sei dieselbe gründlich, da eine Operation 
bei einem Recidiv stets schwieriger wird. Man beschränke sich 
nicht auf Entfernung der scheinbar erkrankten Drüsen, sondern 
verfahre wie bei der Ausräumung der Hals- und Achseldrüsen bei 
("arcinom, d. h. man entferne alle erreichbaren Drüsen summt 
Fett. Die Incision verläuft entweder entlang der Neekenfalte oder 
entlang dem Sternomastoideus; bei nusgodehnterDrtisenerkrankung 
gibt ein hufeisenförmiger Schnitt sehr gute Resultate. Gleich im 
Beginn der Operation eröffne man die tiefe Fascie unterhalb der 
Dnisensehwollung und lege die Vena jugularis durch Spaltung der 
Gofässsclieide frei. Meist kann dann ein flaches Instrument oder 
Much der Finger zwischen Vene und Drüsenpacket geschoben und 
letzteres von der Vene abgelöst werden. Bestehen feste Verwach 
sungen, so ist am besten, von vornelierein die froigelegte Vene zu 


unterbinden und zu durehschnehlen. Es gelingt dann stets ohne 
Mühe, die Vene zusammen mit den Drüsen von Carotis und Vagus 
abzuheben. Der Verlust der .Tugularvene wird gut vertragen. Daun 
sucht man den N. accessorius auf und verfolgt ihn in seinem Ver¬ 
laufe, bis er in die Drüsenmassen sich einsenkt; aus diesen muss 
er herauspräparlrt werden, was meist ohne Mühe möglich ist. 
Manchmal ('besonders dann, wenn die Drüsen fest mit der über die 
Wirbelquerfortsüt.ze ziehenden Fascie verbunden sind! muss der 
Stornocleidomastoideus durchschnitten werden. In jedem Falle 
wird das ganze Drüsenpacket sammt allem umgebenden Fett aus 
gelöst und nach abwärts gezogen und dann noch die Unterfläche 
des Sternomastoideus und theil weise des Trapeeius gesäubert. 
Häufig kommt es nach dieser Operation zu einer Lähmung des 
Mundwinkels, doch geht dieselbe stets nach einiger Zeit wieder 
vorüber. Verfasser führt sie auf Durchschneidung des Platysma 
zurück. Nach dieser gründlichen Operation tritt fast nie ein Re¬ 
cidiv auf. 

Verfasser bespricht dann die chirurgische Behandlung der 
Bauchfelltuberculose. In einer Reihe von Fällen ist das ganze 
Peritoneum mit kleineren und grösseren Tuberkeln besetzt, die 
Bauchhöhle enthält dann meist ziemlich viel freien Ascites. In 
anderen Fällen ist die Adhaesionsbildung zwischen den Eingewei- 
den und die Verhärtung des Omentum und Mesenterium die Haupt¬ 
sache. In diesen Fällen ist seltener Flüssigkeit vorhanden; findet 
mau Ascites, so ist er meist abgekapselt. In einer dritten Classe 
von Fällen kommt cs zu einer Verschmelzung und Erweichung der 
Tuberkel, so dass man grosse Käseherde in den Adliaesionen, dem 
Netze, auf dem Peritoneum und in den mesenterialen Drüsen 
findet. Daneben finden sich starke Schrumpfungsvorgänge im 
Netz und Mesenterium sowie meist Danngeschwüre und häufig 
eingekapselte, nicht selten eiterige Flüssigkeitsansammlungen. 
Oft findet man auch Kothfisteln. Bei allen 3 ("lassen von Fällen 
kann die Erkrankung auf einen Theil des Peritoneums beschränkt 
sein, besonders oft sah Verfasser tuberculose Erkrankungen um 
die Tubenostion und um den Wurmfortsatz. Als primäre Erkran¬ 
kung tritt die Bauchfelltuberculose nur sehr selten auf: abpr auch 
in diesen Fällen stammen die Bacillen wohl aus der Blutbahn und 
nicht aus dem Darminhalt. (Verfasser glaubt nicht, dass die 
Tuberkelbacillen die Darmwaud durchwandern.) Secundär kann 
die Krankheit im Gefolge von intra- und extranbdominalen tuber- 
culöseu Erkrankungen auftreten. Die Krankheit scheint häufiger 
bei Frauen vorzukommen, doch glaubt Verfasser, dass dies so zu 
erklären ist, dass mehr Frauen operirt werden, besonders in Folge 
von falscher gynäkologischer Diagnose. Andererseits scheinen, 
wenn man nach den Soctionsprotokollen geht, mehr Männer an der 
Krankheit zu leiden und zu sterben. Vielleicht kommt dies aus dem¬ 
selben Grunde. Frauen werden häufiger operirt und geheilt, einerlei 
ob in Folge falscher oder richtiger Diagnose, während Männer intern 
behandelt werden und sterben. Verfasser geht dann des Näheren 
auf die häufig schwierige Diagnose ein und bespricht die Prognose, 
die er bei innerer Behandlung für recht schlecht hält: dagegen 
glaubt er. dass etwa 75 Proc. der laparotomirten Kranken geheilt 
werden, gelingt die Heilung ‘nicht der ersten Operation, so darf 
man dieselbe wiederholen, da zuweilen erst nach mehreren Laparo¬ 
tomien Heilung auftritt. Am günstigsten für eine operative Hei¬ 
lung sind die Fälle, in denen es sich um die fibrinöse Form mit 
viel Ascites handelt, aber auch in anderen, selbst sehr ungünstig 
aussehenden Fällen, wird Heilung nicht selten beobachtet. Tod 
durch Peritonitis sollte nach der Laparotomie nicht Vorkommen, 
ebenso lässt sich Tod an Schock vermeiden, wenn man nicht zu 
spät operirt. Zuweilen gelangte der Operateur gar nicht in die 
freie Bauchhöhle und doch trat Heilung ein. Gelegentlich bildet 
sich nach der Operation eine Kothfistel aus, selbst wenn an¬ 
scheinend der Darm nicht verletzt wurde. 

Lungenphthise leichteren Grades oder Pleuritis bilden keim* 
Gegenanzeige, werden im Gegentheil durch die Operation oft 
günstig beeinflusst. Fälle mit Darmgeschwüren sind dagegen 
meist recht ungünstig für die Operation. Was die beste Zeit für 
die Operation anlangt, so operire man nicht zu früh, da man in 
diesen Fällen leicht Recidive sieht, und auch nicht zu spät, da 
dann der Kranke zu schwach ist. In acuten Fällen warte man 
etwa 4—0 Wochen, in chronischen ebenso viele Monate. Ist nach 
dieser Zeit trotz interner Behandlung keine Heilung eingetreten, 
so operire man: ist man im Zweifel, ob man operiren soll oder 
nicht, so ist es meist richtiger zu operiren. Im Allgemeinen sei 
die Operation eine ganz einfache. Eröffnung des Bauches in der 
Mittellinie unterhalb des Nabels, Ausfliessenlassen (Lagewechsel) 
resp. Austupfen des Ascites und Schluss der Wunde. Das Ein¬ 
bringen antiseptischer Stoffe oder das gründliche Auswaschen oder 
Austupfen des Bauches sind zwecklos und meist gefährlich. 
Eiteransammlungen dagegen werden ausgewaschen und die 
Höhlen mit .Todofonnglycerin behandelt. Adliaesionen lasse man 
so viel wie möglich in Ruhe, nur bei Knickungen und Verenge¬ 
rungen dos Darmes müssen sie getrennt werden, zuweilen muss 
man auch eine Anastomose anlegen. Drainage Ist überflüssig, 
selbst bei Eiterungen, nur solche Eiteransammlungen, die stark 
jauchig riechen, sollen drainirt werden. Tuberculös erkrankte 
Tuben. Wurmfortsätze u. dergl. entferne man nur, wenn die Peri¬ 
tonitis beschränkt ist und die Organe sich leicht entfernen lassen, 
sonst lasse man sie in Ruhe. Functionen der Bauchhöhle können 
die Laparotomie nicht ersetzen, ausserdem sind sie sehr gefähr¬ 
lich, da in Folge von Adhaesionen die Därme oft dicht der Rauch¬ 
wand anliegen und leicht von der Nadel durchbohrt werden, was 
häufig zu Peritonitis geführt hat. Verfasser spricht dann über die 
Art, in welcher die Laparotomie heilend wirkt. Er vergleicht die 


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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MED1CINISCIIE WOCHENSCHRIFT. 


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Operation mit der Eröffnung eines Abseesses. operirt man zu früh, 
so gelingt es häufig nicht, die Eiterung sofort zum Stillstände zu 
bringen (ebenso wie bei den Frühlaparotomien bei Peritonitis 
leicht Reeidive auftreten). Während des Stadiums der Eiterbil¬ 
dung bilden sich im Blute Antitoxine, wird nun der Abscess ent¬ 
leert. so ergiesst sich eine Menge Serum über die Abscess wände; 
die in dem Serum enthaltenen Antitoxine zerstören die Batterien 
in der Abscess wand und hindern so den Fortschritt der Eiterung. 
Wird zu früh operirt, so hat das Blut noch nicht den genügenden 
Grad von bacterientödtender Kraft und die Eiterung bleibt weiter 
bestehen. Aehnlich dürften die Verhältnisse bei der Peritonenl- 
tuberculose liegen, auch hier führt die plötzliche Entfernung von 
Flüssigkeit oder bei trockener Peritonitis das Lösen von Ad- 
haesionen und der Reiz der Operation zu einer Ueberschwemiuung 
des Peritoneums mit Serum, das, wenn man nicht zu frühe operirt, 
Antitoxine enthält Histologisch bilden sich in und um den 
Tuberkel Spindelzellen (aus den epitheloiden Zellen?), welche all¬ 
mählich den Tuberkel in Bindegewebe um wandeln und zum 
Schrumpfen bringen. .So kommt es auch, dass die Laparotomie 
am besten wirkt in den Fällen, in denen keine Adhaesionen und 
Abkapselungen bestehen, in denen also die ganze erkrankte Peri¬ 
tonealhöhle sowohl von der Operation, wie von der nachfolgenden 
augenommenen Serumausschwitzung betroffen wird. 

Den Schluss der Arbeit bietet die Besprechung der Uro- 
genitaltuberculose. Primäre Tubereulose dieser Theile beginnt 
häutig in der Epididymis, während seeumläre meist in den Nieren 
beginnt und von da nach abwärts sich verbreitet. Vorher¬ 
gegangener Gonorrhoe weist Verfasser keine aetiologische Bedeu¬ 
tung zu. In den Nebenhoden gelangen die Bacillen gewöhnlich 
durch die Blutbahn, bei kleinen Kindern geht übrigens die Tuber- 
culose nicht selten vom Peritoneum auf die Tuuica vaginalis und 
den Nebenhoden über, ln manchen Fällen ist der Gang der Er¬ 
krankung ein acuter, dann beginnt die Tubereulose fast immer im 
Hoden, in den meisten chronischen Fällen finden wir zuerst den 
Globus rnajor der Epididymis ergriffen. Geht die Erkrankung, 
wie gewöhnlich auf das Vas deferens über, so verbreitet sie sich 
selten innerhalb des Vas, meist kriecht sie in den Lympligefässen 
der Wandung weiter, um bald die Samenblasen und die Prostata 
zu ergreifen. Die Behandlung der Genitaltuberculose muss meist 
eine operative sein, nur in mit anderen schweren Leiden cotupli- 
eirten oder in ganz chronisch verlaufenden Fällen ist eine ab¬ 
wartende Behandlung am Platze. Verfasser empfiehlt Guajacol 
und Leberthran, vor Compressionsverbündeu des Hoden warnt er, 
ebenso wie vor Injectionen mit Chlorzink oder Jodoform. Die 
operative Behandlung kann radical sein, Castration, oder partiell, 
dann beschränkt man sich auf Entfernung der Epididymis oder 
auf Auskratzen; letzteres mache man nur in Ausnahmefällen 
(wenn der Patient keine grössere Operation zugibt), nach dem Aus- 
kratzen ätze man mit reiner Carbolsäure und tamponire mit Jodo¬ 
formgaze. Die Castration ist indicirt, wenn der Testikel primär 
oder sectmdär in grösserer Ausdehnung ergriffen ist. Die Opera¬ 
tion hat grosse Schattenseiten, da viele Kranke nach derselben 
Selbstmord begangen haben; besonders gefährlich ist, dass man 
nie weiss, ob nicht die andere Seite, wie so häufig, bald nachher 
ergriffen wird. Psychische Störungen treten meist bei älteren 
Männern auf, alle Versuche, Glaskugeln u. s. w. an Stelle des ent¬ 
fernten Hodens einzuheilen, sind zu verwerfen. Die eintretenden 
Störungen beruhen wahrscheinlich auf dem Ausfall der inneren 
Secretion der Hoden. Nach vom Verfasser au Hunden angestell- 
ten Versuchen scheint es auch, als ob castrirte Hunde leichter der 
Tubereulose erliegen, als solche, deren Hoden erhalten sind oder 
die mit Hodensecret gefüttert werden. Aus allen diesen Gründen 
soll womöglich die Entfernung der Epididymis allein vorgenommen 
werden; nach diesem Eingriff bleibt die innere Secretion der 
Hoden erhalten, ebenso wie die Libido sexualis. Findet man 
Herde im Hoden, so kann man dieselben gleichzeitig local be¬ 
handeln. Stets muss ein möglichst grosses Stück des Vas deferens 
mit entfernt werden. 

Die Tubereulose der Prostata führt oft zu Durchbruch von 
Abscessen in Urethra und Rectum oder es erscheint ein Abscess 
am Damme. Besteht schon ein Durchbruch in das Rectum, so 
erweitere man die Fistel und kratze von ihr aus den Abscess aus, 
ln allen anderen Fällen suche man die Prostata vom Damme aus 
zu erreichen, zur Nachbehandlung wird bei Bestehen einer 
Urethralfistel ein Dauerkatheter eingelegt. 

Sehr schwierig und undankbar ist die Behandlung der Blasen¬ 
tubereulose, die meist am Trigonum localisirt ist. Innerlich sind 
die Roborautien, Arsenik,Benzoesäure und Milchdiät zu versuchen. 
Blasenspülungen mit Bor oder .Todoformöl sind nutzlos und oft 
schädlich, besser wirken Sublimatinstillationen (1: 3000 bis 
1:5000) und auch der Versuch einer allmählichen Ausdehnung 
der Blase durch täglich steigende Injectionen ist zuweilen auge¬ 
zeigt. Immer wieder wird man zu einem radicaleren Eingriff sich 
gedrängt fühlen. Man macht den hohen Blasenschnitt und kann 
von der Wunde aus die tuberculösen Stellen brennen oder kratzen. 
Die Hauptsache aber ist die durch Drainage bewirkte Ruhig¬ 
stellung der Blase, man muss nur sehen, dass das Drain nicht 
an die hintere Blasenwaud anstösst, wo es oft reizt. Die Drainage 
soll mindestens 2 Monate lang fortgesetzt werden, Verfasser hat 
mit Nutzen bis zu (5 Monaten drainirt. Er hält die Operation für 
sehr nützlich, da etwa 20 Proc. geheilt, der Rest gebessert werden. 

Bei der Nierentubereulose liegt die Hauptschwierigkeit in der 
Diagnose der Gesundheit der anderen Niere. Am besten schneidet 
man auf beide Nieren ein und zwar extraperitoneal. Nephro¬ 
tomie führt meist zur Nephrectomie, die dann sehr schwierig sein 


kann. Ist man also sicher, dass die zweite Niere gesund ist, so 
entferne man die kranke sofort, allerdings wird man manchmal 
die Nephrotomie nicht umgehen können. Nierenresectionen 
können bei frühzeitigen- Operation von grossem Nutzen sein. 

J. P. zum Busch- London. 


Belgische Literatur. 

G 1 o r i e u x : Drei Fälle von Meralgia paraesthetica. (La 
Policliuique, 3. December 181)9.) 

Die Meralgie wurde selten bei Frauen beobachtet. Sie kenn¬ 
zeichnet sich durch Schmerzanfälle, Hautjucken, Stiche, Gefühl 
von Brennen in der Hautgegend, welche vom Nerv, cutaneus femo¬ 
ralis externus innervirt wird. Während der Ruhe des Gliedes ist 
kein Schmerz vorhanden; auf Druck ist der Nerv sehr empfindlich. 
Es werden 3 Fälle vollständig beschrieben; es handelte sich 2 mal 
um junge Frauen, wovon die eine allerdings auch hysterische Sym¬ 
ptome darbot. Chirurgisch soll nur in ganz seltenen und hart¬ 
näckigen Fällen eingegriffen werden. 

Braunstein- Charkow (Russland): Einfluss des Pyro- 
gallols auf die Ausscheidung der Kohlensäure bei den Thieren. 
(Arcli. internat. de pliarmacodynamle VII1, 3—4.) 

O-absorbirende Substanz; grössere Galten zerstören die rothen 
Blutkörperchen. Für den Hund sind 2 bis 3 g schon toxisch. Die 
Temperatur wird stark herabgesetzt, es entstellt Brechen, nachher 
Coma. Nach D a n i 1 o w s k y entsteht die Erniedrigung der Tem¬ 
peratur durch Erniedrigung der Oxydationen im Körper. Verf. 
hat die Ausscheidung von CO, unter dem Einfluss von Pyrogallol 
untersucht; er bediente sich des S e h u 1 z’schen Verfahrens. Er 
stellte folgende Thatsaclien fest: 1. das Pyrogallol erniedrigt die 
ausgeschiedene CO,-Menge; 2. bei den Warmblütern werden die 
Athnumgszüge während der ersten Stunden frequenter und tiefer, 
nachher findet das Gegentheil statt; 3. die Temperatur sinkt be¬ 
denklich; 4. die Reizbarkeit wird erniedrigt. 

Impens: Ueber Analeptica der Athmung. (Arch. intern, de 
pharmacodynamie et de thörapie. VIII, 1 u. 2.) 

Es bestehen keine zuverlässigen Methoden, die genaue Er¬ 
gebnisse liefern über den Luftwechsel in den Lungen. So war Ver¬ 
fasser dazu genötliigt, selber erst einen Apparat bauen zu lassen, 
welcher plethysmographisch das Athmungsvolum misst, ohne dass 
seine Anwendung per se nachtheilige Wirkungen auf die Athmung 
der Tliiere haben könnte. Auf die Beschreibung des Apparates 
müssen wir hier natürlich verzichten. Er wurde benutzt zur Prü¬ 
fung vieler Substanzen, Coffein, Kampher, Oxykamplier (dass das 
Athmungsvolum erhöht, die Frequenz dagegen etwas erniedrigt), 
Strychnin, Chlorammonium, ossigsaures Ammonium, Atropin, 
Thebain, Narcotiu, Aspidospermin u. s. w. Es besteht kein zuver¬ 
lässiges Analepticum. 

Impens hat die interessante Thatsache beobachtet, dass die 
Grösse der Athmungsbewegungen und das Athmungsvolum gar 
nicht parallel steigen . Er erklärt das durch eine gewisse Inco- 
ordination iu den Bewegungen, so dass sehr tiefen Zwerchfell- 
bewegungen andererseits durch die unzutreffende Contraction 
anderer Muskeln theilweise entgegengewirkt wird. Er konnte 
diese Thatsachen graphisch nacliwoisen. 

De Buck: Ein Fall von Tabes cervicalis ohne Reflex¬ 
starrheit der Pupille. (Medisch Weekblad voor Noord en Zuid 
Nederland, September 1899.) 

In dem vom Verfasser beobachteten Falle waren alle Reflexe 
verschwunden. Auch bestanden Störungen des Gehörs. Nach den 
beobachteten Symptomen konnte man die Krankheit zuerst auf 
der Hölie des 8. Hals- und des 1. Dorsalwirbcls localisiren. Später 
wurde auch die Lumbalgegend betroffen. Ganz auffallend war 
die völlig normale Reaction der Pupille. Leyden und Gold- 
scheider fassen die Pupillenphänomene als constant auf. Der 
Fall musste doch unbedingt als ein Fall von Tabes cervicalis an¬ 
gesehen werden. Nach W o 1 f f ’s Beobachtungen würde die 
Pupillenstarrheit von der Erkrankung der hinteren Stränge in 
dem Cervicalmark abhängig sein. Nach H o u b e n und Hu e t. 
Schüler von W i n k I e r aus Amsterdam, besteht in dieser Gegend 
ein besonderes Centrum für die Pupillenerweiterung. Anderer¬ 
seits ist im Kern des 3. Nerven (Oculomotorius) ein Centrum für 
die Verengerung nachgewiesen. Diese Thatsachen ermöglichen 
die Erklärung des oben beschriebenen Falles. 

Hoffmann - Rostock: Vergleichende Reactionen von 
Antipyrin, Pyramidon und Verwandten und Schicksal des 
Pyramidon im Thierkörper. (Archives intern, de pharmaco¬ 
dynamie et de thörapie. VI, 3, 4.) 

Aus dieser fast ausschliesslich pharmakologischen Arbeit sind 
nur wenige Punkte für die praktische Medicin wichtig. Verfasser 
rühmt tias Pyramidon sehr und untersuchte gründlich die chemi¬ 
schen Eigenschaften desselben. Der Harn der Patienten kann 
nach Pyramidoneingabe eine rüthliclie Farbe annehmen, doch 
brauche dies keineswegs immer der Fall zu sein. Bei Phthisikern 
ist die dunkle Farbe ausgeprägter, doch wird der Körper voll¬ 
ständig im Organismus zersetzt. Beim gesunden Menschen ist die 
Zersetzung nicht so vollständig. Es ist Verfasser nicht möglich, den 
Ort der Zersetzung festznstellen. 

D o c r o 1 y uml J. R o n s s e : Toxische und antitoxische 
Eigenschaften des Blutes nach intravenöser Einspritzung von 
Schlangengift, Toxinen oder Antitoxinen. (Arch. intern, de 
pharmacodynamie et de thörapie. VIII, 2, 3.) 

Folgendes Verfahren wurde von den Verfassern gebraucht: 
Einem kleinen Kaninchen wurde durch eine in die Jugularis ein¬ 
geführte Ganüle das Blut aus der Carotis eines grossen Kanin- 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


chons hergebracht. Zwischne beiden ist eine Bürette mit Kochsalz¬ 
lösung eingeschaltet, so dass man nach Belieben auch diese 
Lösung in die Jugularis des kleineren Thieres einfliessen lassen 
kann. Dem kleineren Kaninchen wird nun die einfache letale 
Gabe des Giftes eingespritzt; nach einer gewissen Zeit lässt man 
das Thier verbluten, bis Krämpfe eintreteu. Dann wird Kochsalz¬ 
lösung zugelassen, das Thier wieder verblutet, und endlich lässt 
man vom grossen Thier eine entsprechende Menge normalen Blutes 
einfliessen. 

Auf dieser Weise ist das Blut der injicirten Kaninchen fast 
ganz erneuert. 

Es ergibt sich nun Folgendes: 

Für das Schlangengift ist der Tod unvermeidlich, wenn man 
die Transfusion des normalen Blutes nach 10 Minuten voruimmt; 
für Tetanin (B r i o g e r) hilft überhaupt keine Transfusion, und 
für das Diphtherietoxin kann der Tod bloss verzögert werden. 

Andererseits, wenn das grosse Thier vergiftet wird, und man 
sein Blut dem kleinen Tliiere nach einer gewissen Zeit statt des 
normalen Blutes iufuudlrt, so merkt man auch hier, dass das Blut 
bald seine toxischen Eigenschaften einbtisst, sehr schnell für das 
Tetanin, langsamer für die beiden anderen Gifte. 

Diese Experimente stellen die Thatsache fest, dass die Gifte 
aus dem Blut in einem kurzen Zeitraum verschwinden. 

Selbst während die Thiere die deutlichsten Symptome der In- 
toxication zeigen, ist ihr Blut ganz wirkungslos. 

Das Antitoxin bleibt längere Zeit im Blute fortbestehen, aber 
verschwindet auch wieder. 

Diese Substanzen werden also bald in den Geweben fixirt. 
Widersprechende Resultate anderer Forscher müssen dem zuge¬ 
schrieben werden, dass die Verfasser immer die einfache letale 
Dosis gebraucht haben. Es muss also angenommen werden, dass die 
Immunisationsvorgänge nicht im Blute stattflnden, sondern in den 
Geweben selbst, in den Zellengruppen und von einem bestimmten 
< Je webe oder von einer bestimmten Zellart, wie die Leukocyten, 
im Wesentlichen nicht abhängen. It. W y b a u w - Brüssel. 


Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 24. Januar 1900. 

Tagesordnung: 

Herr ßrawitz : Die klinische Bedeutung und experi¬ 
mentelle Erzeugung degenerativer Veränderungen an den 
rothen Blutkörperchen (mit Demonstration). 

In Fortsetzung schon früher publicirtcr Versuche unter¬ 
suchte Vortr. an einer grossen Zahl von Kranken das Blut auf 
jene kleinen basophilen Körnchen, die vor Kurzem im Verein f. 
inn. Medic. eine ausführlichere Besprechung gefunden und in 
dieser Zeitschrift (1899, Dee.) besprochen wurden. 

Vortr. hält dieselben, wie schon berichtet, für Dogonerations- 
productc und zwar nicht des Kerns, sondern des Protoplasmas. 
Ihre Kcnntniss bietet eine Bereicherung unseres sonst ja noch 
so geringen Wissens von der Anaemie und ist gerade in jenen 
Fällen von besonderem Interesse, in welchen sich keine ander¬ 
weitigen histologischen Befunde zur Erklärung der Blutarmuth 
bieten, wie z. I>. bei der Bleivergiftung. Bei letzterer linden sie 
sich sehr oft und können in zweifelhaften Fällen zur Sicherung 
der Diagnose beitragen. Auch bei vielen anderen mit Blut¬ 
zerfall einhergehenden Krankheiten kommen sie vor, z .B. bei der 
Sepsis, bei Krebskachexie; sie werden jedoch nicht gefunden bei 
uncomplicirter Lungentubereulose. 

Von den sehr selten, z. B. bei äusserst schwerer Krebs¬ 
kachexie, zu beobachtenden Kernfragmenten sind diese Körnchen 
nach G r a w i t z wohl zu unterscheiden. Prognostisch sind sie 
nur insofernc von Bedeutung, als ihr Auftreten und Wiederver- 
sehwinden parallel der Verschlimmerung und Besserung der 
Krankheit geht. 

Sehr häufig findet man sie auch bei Malaria. Ob zwischen 
diesen Körperehen und den von A. P 1 e h n besprochenen und 
von diesem Forscher als Vorstufe der Malariaplasmodien ange¬ 
sehenen Körnchen ein Unterschied besteht, lässt Vortr. unent¬ 
schieden. Es könne sein, dass Herr Plehn mit seiner Auf¬ 
fassung Reelit habe und zwei ganz verschiedene Blutkörperchen- 
arlen nebeneinander bei Malaria Vorkommen. 

Bei Chlorose kommen sie auffallender Weise für ge¬ 
wöhnlich nicht vor. 

Vortragender hat auch in einigen Fällen diese Körnchen bei 
Mäusen, die längere Zeit im Brutschrank gehalten wurden, ex¬ 
perimentell erzeugt. Wie weit zwischen dieser schädlichen Wir¬ 
kung der Hitze und der Tropenanaemie der Europäer ein Paral¬ 
lelismus besteht, muss vorläufig dahingestellt bleiben. 


D i s e u s s i o n. Herr A. 1» lehn gibt zu, dass er früher 
zwischen seinen Körnchen und den in der Discussion stehenden 
nicht unterschieden habe. Er halte aber an der Bedeutung der von 
ihm beobachteten und für Entwieklmigsformen der Malariaplas- 
modien betrachteten fest. 

Fenier sprachen die Herren Senator, U 11 m a n n, B 1 o c h, 
Engel, G r a w i t z. H. Koh n. 


Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 18. Januar 1900. 

Herr Waldeyer stellt eine an Syphilis leidende Patientin 
vor, bei welcher sich der Phthirius pubis auch auf dem behaarten 
Kopfe angesiedelt hat. Eine ähnliche Beobachtung ist bisher 
nicht bekannt geworden. 

Herr Jacob stellt mehrere Kranke vor, bei welchen durch 
mechanische Methoden der Behandlung. gute Erfolge erzielt 
wurden. 

1. Patientin mit juveniler Atrophie der Füsse, Unter¬ 
sehe n k e 1, 11 ä n d e. Keine Contractu ren, keine Entartungs- 
reaction. Seit 13 Jahren sind die erkrankten Theile der Extremi¬ 
täten völlig funetioiisunfUkig. Patientin erhielt Schienen für die 
Beine, machte dann Gehversuche im Gehstuhl, später bekam sie 
besondere Gehstützen, die sie mit deu Händen zu gebrauchen 
lernte. Jetzt kann die Kranke allein (nur mit Gehschienen ver¬ 
sehen) etwa eine halbe Stunde lang gehen. 

2. Demonstration eines Zügels zuui Gebrauche bei Peroneus¬ 
lähmung. Der Zügel hebt Hie Fussspitze und vermeidet so das 
Gleiten derselben am Boden. 

3. 44 jährige Färbersfrau mit Paraplegie der Beine und 
Beugecontractur. Bei der Aufnahme Cystitis, Incontinentia urinae 
et aivi, Decubit us. I »iugnose: Myelitis luetlc a. Antisyphi¬ 
litische Cur ohne Erfolg. Es gelang allmählich, besonders durch 
Bäder und Hebungen im Bade die Contracturen zu beseitigen. 
Die Kranke hat sich so weit gebessert, dass sie jetzt im Gehstuhl 
gelieu kann. 

Discussion: Die Herren S t ö 1 z n e r , Jacob, Zinn, 
W i d e li m a n n, Jacob. 

Herr Widenmann : Weitere Mitteilungen über einen 
Fall von pulsirendem Exophthalmus. 

Der Vortragende berichtet über deu Obductionsbefund des 
Falles, den Herr Gerhardt in der Sitzung vom 29. Juni v. J. 
(Referat in N. 29, J899 dieser Wochenschrift) vorgestellt hat. Die 
Orbita stand — der Exophthalmus war rechtsseitig — rechts tiefer; 
zwei Drittel des knöchernen Daches der rechten Orbita fehlten. 
Der rechte Bulbus direct von der Dura bedeckt, darunter lym- 
plioides Gewebe ; rechter Sinus cavernosus nicht erweitert. 
Carotis int. d., im Sinus cavernosus, stark erweitert, 
Nervus abduceus mit ihr verklebt, keine Perforation. Arteria oph- 
thalmica, Venen der Orbita frei. Nach dem Befunde ist wahr¬ 
scheinlich, das die Pulsation des rechten Augapfels bedingt war 
durch die starke Erweiterung der rechten Carotis interna; der 
Puls derselben wurde auf deu Sinus cavernosus übertragen und 
auf die Orbita fortgeleitet. Auffällig ist bei dieser Sachlage die 
sehr starke Pulsation des Bulbus iutra vitam. Für den Knochen- 
defect der rechten Orbita ist eine sichere Erklärung nicht zu geben. 
Ein Trauma hat stattgefunden. — Patient litt an einer schweren 
Anaemie, die Sectiou ergab als Todesursache eine Tuberculose des 
Bauchfells. 

Discussion: die Herren Oestreich, Buttersack, 
Widenman n. 

Herr Brandenburg : Reaction des Eiters auf Guajak- 
tinctur. ( Der Vortrag erscheint unter den Originalartikeln dieser 
Wochenschrift.) W. Zinn- Berlin. 


Altonaer Aerztlicher Verein. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 13. Dccember 1899. 

Vorsitzender: Herr W a 11 i c h s. Schriftf.: Herr Henop. 

1. Herr Braun stellt 2 von ihm auf der chirurgischen Ab¬ 
theilung operativ behandelte Fälle von Verletzungen des männ¬ 
lichen Harnapparates vor. 

a) Einen Knaben mit Abreissung der Harnblase sammt Pro¬ 
stata von der Pars membranacea urethrae, welche zu extraperi¬ 
tonealer Urininfiltration geführt hatte. 

Der 11 jährige Knabe war überfahren worden; die Sym¬ 
ptome verhielten sich zunächst unbestimmt; die Urinentleerung 
war spontan unmöglich, mit Hilfe des Katheters gelang es, bis 
zu 150 ccm Urin auf einmal zu gewinnen; dieser war zuweilen fast 
ganz klar, zuweilen mit mehr oder weniger Blut vermischt. Die 
24 stündige Urinmenge betrug etwu 300 ccm. In Folge dessen 
wurde eine subcutane Nierenquetschung mit Contusion des 
Bauches für wahrscheinlicher als eine Blasenverletzung gehalten. 

Da sich das Allgemeinbefinden bei der exspectativen Behand¬ 
lung auffallend verschlechterte. Erbrechen und leichte Somnolenz 
eintraten, das Abdomen aufgetrieben, äusserst schmerzhaft und 
oberhalb der Symphyse bretthart wurde, zudem Sugillationen und 
Oedeme in Damm- und Oberschenkelgegend auftraten, wurde ein 
operativer Eingriff vorgenommen. Schnitt über der Symphyse; es 
entleerte sich nach Eröffnung der Rectusseheide etwas klare Flüs¬ 
sigkeit; bei weiterem extraperitonealem Vorgehen In’s kleine Becken 


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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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zeigte sieh dieses völlig mit blutig verfärbtem Urin gefüllt; die 
Blase sammt Prostata war aus dem kleinen Becken nach oben 
gedrängt. Die Schambeine waren nicht fraeturirt, das contra- 
hirte Rectum an normaler Stelle. Unter dem hinteren Ramie d r 
Symphyse liess sich das periphere Ende der Urethra palpireu. 
Ausgiebige Drainage des kleinen Beckens. 

Patient erholte sich schnell, der Urin floss gut ah; Weiter¬ 
behandlung theilweise im permanenten Bade. Jetzt, nach 5 1 ,\ 
Wochen, fliesst der Urin durch ein Drain in der Dammgegend ab. 
Es wird sich nunmehr nach Reinigung der Wunde um die voraus¬ 
sichtlich ziemlich schwierige Wiedervereinigung der beiden 
Urethraenden handeln. 

b) Einen 56 jährigen Kranken mit intraperitonealer Blasen¬ 
ruptur. 

Patient, der tabische Symptome zeigt, fiel in der Trunkenheit 
in eine Grube. Es traten bald nach der Einlieferung die Sym¬ 
ptome der intraperitonealen Blaseuzerreissung auf. Es war freie 
Flüssigkeit im Abdomen in grosser Menge nachweisbar: mit Hilfe 
des Silberkatheters, der sich abnorm weit (gegen die Bauchhöhle) 
vorschieben liess. wurden etwa 100 ccm fast reinen Blutes ent¬ 
leert; es bestanden starke Schmerzen im Epigastrium; Abdomen 
etwas aufgetrieben, aber weich. Temp. 04,0". Puls klein. Laparo¬ 
tomie: Nach Eröffnung des Peritoneums strömte blutiger Urin in 
Menge hervor. Mit dem Finger liess sieh nun ein etwa 0 cm langer 
Riss in der hinteren Blasenwand feststellen. Nach Schutz der 
Därme mit Bindentamponade wurde die Blasenwunde mit Klem¬ 
men gefasst und möglichst vorgezogen, damit zugleich die Blutung 
gestillt. Es wurden daraufhin grosse Mengen von Blutgerinnseln 
aus der Blase entfernt und die Risswunde mit dreietagiger Naht 
verschlossen. Wegen des schlechten Allgemeinbefindens wurde 
nach Möglichkeit die Bauchhöhle von der Flüssigkeit gesäubert; 
jedoch wurde auf eine völlige Entleerung verzichtet und durch 
Bindentamponade und Drainage die Bauchhöhle geschützt und 
die nachträgliche Entleerung der Flüssigkeit eingeleitet. Dauer¬ 
katheter durch die Urethra in die Blase. 

Das Befinden besserte sich schnell. Am 3. Tage war keine 
Spur eines Flüssigkeitsergusses in der Bauchhöhle nachweisbar, 
daher wurden nach 4 Tagen die Tampons entfernt. Nach 5 Tagen 
versuchte Patient in einem Zustande der Verwirrtheit aufzu¬ 
stehen und presste dabei ein Convolut Darmsehlingen nach aussen 
unter den Verband. Die Därme wurden abgewaschen und repo- 
nirt. die Bauchhöhle von neuem tamponirt. Die oberen Theile 
der Bauchwunde wurden dann einige Tage später nach Wegnahm? 
des Tampons vernäht, der unterste Theil locker tamponirt. 

Die Blasennaht hat völlig dicht gehalten. Die Capacität 
der Blase beträgt augenblicklich bei vorsichtigem Versuch 
200 ccm. Die Wunde ist in dem offen gebliebenen Theile 
mit guten Granulationen bedeckt und in schneller Heilung. 

2. Herr F. Krause: 3 Kehlkopfoperationen. 

a) Laryngofissur: Der 12jälirige Knabe litt seit zwei 
Jahren an allmählich zunehmender Heiserkeit und Athmungs- 
besehwerden. Laryngoskopisch ergab sich als Ursache liiefür 
ein grosses, von der Basis der Epiglottis ausgehendes und den 
Kehlkopfeingang fast ganz verscliliessendes Papillom; bei Ilusten- 
stössen wurden in der Tiefe des Kehlkopfes noch mehrere ähnlich 
aussehende Neubildungen sichtbar. Nach Ausführung der Laryngo¬ 
fissur unter Benutzung der M i c h a e Bachen Tamponcanüle und 
nach Abtragung mehrerer theils stecknadelkopfgrosser, theils breit¬ 
auf sitzender 7*—1 cm grosser und dicker papillomatöser Wuche¬ 
rungen, mit denen die ganze Kehlkopfschleimhaut und das linke 
Stimmband wie übersät war, wurden ihre Ansatzstellen durch 
den Paquelin verschorft. Die Operationswunde ist geheilt, die 
früher bestehende Aphonie und Dyspnoe geschwunden, nur noch 
geringe Heiserkeit vorhanden. 

b) Exstirpation der linken Kehlkopfhälfte 
und der vorderen Wand des Oesophagus mit 
plastischem Ersatz. Dem 58jährigen Patienten war vor 
einem Jahre ein von den Lymphdrüsen des Halses ausgehender, 
auf Kehlkopf und Oesophagus nicht übergreifender linksseitiger 
Tumor exstirpirt, wobei die durch den Tumor throrabosirte Vena 
jugularis bis zur Clavicula herab resecirt werden musste. Die 
mikroskopische Untersuchung ergab ein Endotheliom. Nach 
einem Jahre ist nun ein locales Recidiv aufgetreten und zwar war 
die linke Kehlkopfhälfte und die vordere Wand der Speiseröhre 
ergriffen. Der grösste Tbeil der Epiglottis, die ganze linke und 
ein geringer Theil der rechten Kehlkopf hälfte, sowie die vordere 
Wand des Oesophagus bis zur Höhe der Trachea mussten ent¬ 
fernt werden. Die Neubildung erwies sich wieder als Endotheliom. 
Der Defect des Oesophagus wurde durch einen der oberen Brust¬ 
gegend entnommenen gestielten Hautlappen ersetzt und auf diese 
Weise vollkommener Abschluss gegen die Trachea erreicht. Pa¬ 
tient ist, wie demonstrirt wird, im Stande, Getränke und Speisen 
zu schlucken, wenn die noch vorhandene Oeflfnung im hinteren 
Abschnitte des Mundbodens zugehalten wird. Die rechte Kehl¬ 
kopfhälfte liegt noch frei zu Tage, ihr gegenüber der eingepflanzte 
Hautlappen. Durch eine Nachoperation (Anfrischung und Naht) 
muss noch der Mundboden und das Kehlkopflumen verschlossen 
werden. 

c) Totalexstirpation des Kehlkopfes. Wegen 
eines branchiogenen Careinoms, das auf Larynx und Oesophagus 
tibergegriffen hatte, musste dem 60 jährigen Patienten der ganze 
Kehlkopf, ein Theil des Zungenbeins, der Oesophagus bis auf 
einen ganz schmalen Streifen der hinteren Wand, die rechte Vena 
Jugularis interna und Carotis communis exstirpirt werden. Die 
Trachea wurde nach vorn gezogen und an der Brusthaut durch 


Nähte flxirt, um der Gefahr, dass das Secret der Wundhöhle in 
die Luftröhre hinabliefe, vorzubeugen. Behufs Neubildung der 
Speiseröhre wurde zunächst die Haut des Halses vor dem grossen 
Defect zusammengezogen und durch Nähte vereinigt. Nachdem 
in der Medianlinie und auf der Unterlage Verwachsung erfolgt 
war, wurde die Haut beiderseits in der Längsrichtung einge¬ 
schnitten und abpräparirt, medianwärts umgeschlagen und in der 
Mittellinie vernäht, so dass ein allseitig von Epidermis ausge¬ 
kleideter Schlauch entstand. 

Der Zustand des Patienten ist ein guter, das Körpergewicht 
hat 15 Pfund zugenommen; zum Ersatz der Stimme soll der 
Glue k’sche Apparat benutzt werden. 

Idiopathische Gangraen. 

Die 23 jährige Patientin hat im 10. Lebensjahre Scharlach 
und Diphtherie gehabt. Die Herzdämpfung ist bis jetzt zur vor¬ 
deren Axillarlinie nach links verbreitert, der II. Pulmonalton 
klappend, ausserdem ist die Kranke in mässigem Grade chloro- 
tisch. Bei der ersten Vorstellung in der Poliklinik zeigte die 
Haut dicht über dem rechten Handgelenk und an der Streck¬ 
seite des rechten Oberarms zwei fast handtellergrosse, intensiv 
rothe, heisse und druckempfindliche, im Centrum dunkelblau aus¬ 
sehende Flecken. Anfänglich konnte der Verdacht aufkommeu, 
dass das Leiden artificiell erzeugt sei (Hysterie), indessen musste 
er schwinden, als nach Aufnahme in’s Krankenhaus und nach An¬ 
legung eines trockenen aseptischen Verbandes, die rechte Hand 
und das untere Drittel des Unterarms plötzlich blauroth an¬ 
schwollen, sich ganz kalt anfühlten und entsprechende Geftihls- 
störungen auftraten. Diese sehr bedrohlichen Symptome sind 
zurückgegangen, nur einzelne blaue Hautstellen werden brandig. 
Der Puls der Radialis und Ulnaris sind heute in normaler Stärke 
zu fühlen, so dass die Vermuthung, es könne sich um einen em- 
bolischen Process handeln, aufgegeben werden muss. Es können 
daher nur trophoneurotische Störungen vorliegen. 

Nasenplastik. 

Vor 8 Tagen ist dem 55 jährigen Kranken die linke Hälfte 
der Nase wegen Cancroids entfernt, der Defect durch einen ge¬ 
stielten Hautlappen aus der Stirn ersetzt worden. Die Stirnhaut 
wurde soweit als möglich durch Nähte zusammengezogen, der 
noch bleibende obere Winkel nach Thiersch überhäutet, 
während nach definitiver Anheilung des Nasenlappens dessen Stiel 
in einer zweiten Sitzung wieder nach oben in den jetzt noch be¬ 
stehenden Stirndefect zurückgepflanzt w r erden soll. 

Ungestielter Hautlappen. 

Es handelt sich bei dem 25 jährigen Arbeiter um eine schwere 
Maschinenverletzung der rechten Hand, die zu einer Abreissung 
des II.—V. Fingers in den Metacarpophalangealgelenken geführt 
hatte, während die Haut fast bis zur Handwurzel abgerissen war. 
Um die ganze Mittelhand dem vollkommen normalen Daumen 
gegenüber als brauchbares Gegenlager zu benützen, wurde die 
grosse Wundhöhle, nachdem sie aseptisch geworden, mit einem 
einzigen Hautlappen aus dem Oberschenkel gedeckt. Der Lappen 
ist im Niveau der normalen Haut vollkommen angeheilt und so 
dem Patienten ein sehr brauchbarer Handstumpf erhalten. 

Röntgenphotogramme. 

a) complicirte Unterschenkelfractur, Gussenbauer’sche 
Klammer, Gipsverband. 

b) medulläres Rundzellensarkom der Fibula, deren oberes 
Drittel zerstört ist. Amputatio femorls. 

c) 8 cm betragende Symphysendiastase bei angeborener 
Blasenektople. 

d) congenitale doppelseitige Htiftgelenkluxation; Trochanter- 
anstand 6 cm oberhalb der Roser-Nölato n’schen Linie. 

L e s s i n g - Altona. 


Greifswalder medicinischer Verein 

(Eigener Bericht.) 

f Si t*z u n g ain*2.*Decemberl899. 

Vorsitzender: Herr Landois. Schriftführer: Herr Busse. 

1. Herr Falleske-Loitz demonstrirt einen Thorako- 
pagus und schildert den Geburtsverlauf. 

2. Herr Rosemann : lieber die angebliche eiweiss- 
sparende Wirkung des Alkohols. 

R. hat als Ergebniss seiner Stoffwechselversuche über den 
Alkohol gefunden, dass der Alkohol wohl Fett, aber nicht Eiweiss 
zu sparen vermöge, dcsshalb als Nahrungsmittel nicht ge¬ 
eignet sei. Diese Ergebnisse sind neuerdings von Neumann 
(Areh. f. Hyg., Bd. 36) und Off er (Wien. klin. Wochenschr. 
XII, No. 41) angegriffen worden . R. weist nun die Angriffe zu¬ 
rück, indem er einmal die Einwände widerlegt und zum andern 
die Untersuchungsresultate von N e u m a n n als fehlerhaft, die 
von O f f e r als völlig unzutreffend nachweist. N e u m a n n 
hatte sich zunächst in Stickstoffgleichgewicht gesetzt, darauf 
von seiner Nahrung Fett fortgenommen und dabei 1,63 g Stick¬ 
stoff täglich abgegeben; nun wird dieser Nahrung Alkohol zu¬ 
gegeben und es tritt zunächst ein täglicher Stickstoffverlust von 
3,05 g ein, dann aber stellt sich ungefähr Stiekstoffgleichgewicht 
ein. Jetzt wird unter Beibehaltung des Alkohols die erste Menge 
Fett wieder zur Nahrung verwandt und ein Stickstoffansatz von 
1,35 g täglich erzielt. Neumann vergleicht die letzte Periode 


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170 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5* 


mit der ersten und führt den Stickstoffansatz von 1,35 g auf den 
Alkohol zurück, während Rosemann dagegen geltend macht, 
dass so weit auseinanderliegende Perioden nicht verglichen 
werden dürfen, sondern vielmehr die unmittelbar aufeinander¬ 
folgenden verglichen werden müssen, und die unterscheiden sich 
im vorliegenden Falle nicht durch die Menge des Alkohols, son¬ 
dern durch die Menge des Fettes in der Nahrung; mithin ist der 
Stickstoffansatz, alias die Ersparnis an Eiweiss, auf das Mehr 
von Fett zurückzuführen. 

Einer eingehenden Kritik unterzieht R. darauf die Arbeit 
von O f f e r, dessen Methodik und Versuchsresultate als in vielen 
Punkten unzuverlässig und zweifelhaft geschildert werden; als 
Widerlegung der R/schen Arbeiten dürfte diese Arbeit wohl 
kaum ernstlich in Betracht kommen. 

3. Herr Grawitz: a) demonstrirt Präparate von schwie¬ 
liger Verdickung des Bauchfells, welche der Leiche einer etwa 
50 jährigen Frau entstammen. Wegen eines 30 Pfund schweren 
Ovarialkystoms hatte Herr Martin die Ovariotomie gemacht 
und hierbei bereits grosse Stücke einer mächtigen Schwiele ent¬ 
fernt, welche nahezu die ganze Innenfläche der stark ausgedehnten 
Bauchdecken wie ein 3 cm dicker, knorpelharter Panzer überzogen 
hatte. Es war acute Peritonitis eingetreten, und bei der Section 
fanden sich die Darmschlingen von chronisch verdickter, grau- 
weisser Seröse überzogen, mit frischer, eitriger Peritonitis, 
während die Reste der grossen Bauchdeckenschwiele ein ge¬ 
runzeltes, sammetartiges, rauhes Aussehen hatten, welches mikro¬ 
skopisch am frischen wie am gehärteten Präparate viel klarer, 
als die normale Serosa, die fibrinoide Umwandlung des Binde¬ 
gewebes erkennen Hess. Unter Erwähnung der fibrösen Peri¬ 
splenitis und der Perihepatitis (Zuckergussleber) weist Grawitz 
auf die grosse Seltenheit derartiger peritonealer Bauchdeckeu- 
scliwieleu hin und erörtert die dadurch bedingten Hindernisse 
in der Resorption und die Gefahr für die Ansiedlung von Eiter¬ 
erregern. 

b) Demonstration eines Falles von Forenenphalie bei einer 
Frau, welche vor Jahren eine schwere Schädel Verletzung erlitten 
hatte. Die Spuren des Traumas waren in einem Knocheudefect 
am r. Tuber parietale und elfenbeinerner Hyperostose der Tabula 
int. an der Stelle des Stosses und des Gegenstosses deutlich zu 
erkennen. Das Gehirn zeigte hier einen grossen, von der Ober¬ 
fläche bis in den Seiten Ventrikel führenden Canal, an dessen 
Grunde man das Ammonshorn liegen sah. Die Ausheilung dieser 
Gehirncontusion war so vollständig, dass nur mit Hilfe des Mikro¬ 
skops Reste von Pigment in dem zarten Narbengewebe nachge¬ 
wiesen werden konnten. 

4. Herr S o 1 g e r demonstrirt a) die durch einen Median¬ 
schnitt halbirte Nasenhöhle eines 48 jährigen weiblichen Indivi¬ 
duums, deren Wandung die Muscheln ganz oder theilweise fehlen. 
Gegenbaur führt in einem ähnlichen Falle die Veränderung 
auf mangelhafte Ausbildung zurück. Herr Soiger sieht sie 
als Product „tertiärer Syphilis“ an, woran das Individuum nach¬ 
weislich gelitten hatte. 

b) Querschnitte von Rippen junger Kätzchen, in denen sich 
nach Fixirung in Zenke Fächer Lösung und Haematotoxylin- 
färbung an der Grenze zwischen alten und neuen Knochen eine 
Zone violett gefärbter Körnchen zeigt, die vielleicht in Beziehung 
zur normalen, fibrillären Structur des Knochens zu bringen sind. 


Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 21. November 1899. 

Vorsitzender: Herr Sick. Schriftführer: Herr Henkel. 

Demonstrationen: 

Herr Sick: Demonstration einiger Fälle von angeborenem 
Darmverschluss durch Atresie. 

1. Fall von Verschluss des Duodenum dicht ober" 
halb der Einmündungsstelle des Ductus choledochus- 

Das Kind erbrach alle Nahrung, die Magengegend war ausge" 
dehnt, vom Anus aus nichts zu fühlen. Es wurde ein künstlicher 
After angelegt, aus dem sich Meconium entleerte. Am folgenden 
Tag Tod. Die Autopsie ergab: Verlauf und Beschaffenheit des 
Darmcanals weicht nicht von der Norm ab; im Duodenum, etwas 
unterhalb des Pylorus findet sich ein Verschluss des Darmes; der 
Magen und Anfangstheil des Duodenom stark ausgedehnt, der übrige 
Darmcanal zeigt normalen Befund. Nach Herausnahme des Darmes 
findet sich ein vollkommener Verschluss des Duodenum, der Ductus 
choledoclius mündet jenseits des Verschlusses und konnte seinen 
Inhalt in den Darm entleeren. Eine eigentliche Unterbrechung des 
Darmes hat nicht stattgefunden, das oben erweiterte Duodenum 
endet als Blindsack, dem sich seitlich der Rest desselben anlegt. 
Der Oesophagus und Magen sind hypertrophisch, dilatirt. Nament¬ 
lich dev Oesophagus zeigt ein um etwa die Hälfte stärkeres Lumen 
und \Y an (klicke als bei einem normalen Neugeborenen. 

2. Fall von Verschluss des 11 e u m. 

Das neugeborene Kind erbrach reichlich grünliche Massen; 
der Leib war aufgetrieben. Vom Anus aus gelangte man mit der 
Sonde hoch hinauf in den Darm; aus dem Anus entleerte sich 


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schleimige farblose Flüssigkeit in geringer Menge. Anlegen eines 
künstlichen Afters im Verlaufe des stark ausgedehnten Dünn¬ 
darms, da der Dickdarm nicht gefunden wurde. Tod. Bei der 
Autopsie fanden sich in Bezug auf den Verlauf des Darmes keine 
Veränderungen, nirgends Stränge oder dergleichen. Das stark er¬ 
weiterte Ileum endete an einer Stelle blind, dem sich der weitere 
Darm als dünner, gänsekieldicker Strang unmittelbar anschloss. 
Der Dickdarm war gleichfalls dünn, nicht ausgedehnt, zeigte nor¬ 
male Wandung und war ebenso wie der Dünndarm überall durch¬ 
gängig für eine feine Sonde. Der Darm ist abwärts von der Atresie 
nur desshalb so eng und strangförmig geblieben, weil er ausser 
dem geringen eigenen Secret keinen Inhalt von oben her, nament¬ 
lich keinen Gallenzufluss bekam im Gegensatz zu Fall 1, wo der 
Dünndarm, in den nur Galle und kein Fruchtwasser gelangen 
konnte, ziemlich weit war. 

Ferner zeigt Vortragender zwei Präparate von angeborener Atresie, 
die bereits früher im ärztlichen Verein demonstrirt worden sind. 

1. Ein Fall von Atresie des Duodenum, bei dem die 
Atresie eben unterhalb der Einmündung desDuctus chole- 
dochus sich findet. In diesem Falle konnte keine Galle in den 
Darm gelangen. 

2. Einen Fall von Atresie des Ileum, der dem demon- 
strirten Fall 2 ähnlich ist, bei dem jedoch Bildungsanomalien des 
Mesenterium des Dünndarms und Strängebildung zu beobachten 
ist, so dass man eventuell an eine sogenannte foetale Peritonitis 
als Ursache der Atresie denken kann. 

Zum Schluss berichtet Vortragender noch über einen Fall 
von Atresie des Oesophagus und Anus. 

Es handelte sich uin ein Kind, das wegen Atresia anj auf¬ 
genommen wurde. Das Kind erbrach alle aufgenommene Nahrung. 
Da der Darm durch Incision vom After aus nicht gefunden wurde, 
so nähte man die Flexura sigmoidea ein und eröffnet« sie. Ent¬ 
leerung von reichlichem Meconium. Trotzdem fortdauerndes Er¬ 
brechen und Tod. Die Autopsie ergab, dass der erweiterte Oeso¬ 
phagus etwa in der Höhe der Bifurcation blind endigte, dann war 
der Verlauf des Rohres eine kurze Strecke unterbrochen, um etwa 
172 cm oberhalb der Cardia wieder blind zu beginnen. Der 
sonstige Befund war normal, der Mastdarm endete etwa 2 cm 
oberhalb des Anus gleichfalls blind. 

Discussion: Herr Simmonds berichtet über zwei von ihm 
beobachtete Fälle von angeborenem Darmverschluss. Im ersten 
Falle hatte das Kind die Erscheinungen von Melaena geboten und 
bei der Autopsie fand sich eine Atresie des Duodenums der Mün¬ 
dung des Choledochus mit enormer Ektasie des Magens und An* 
fnngstheiles des Zwölffingerdarms. Im zweiten Falle hatte das 
Kind von Geburt an die Erscheinungen von Darm Verschluss gezeigt. 
Bei der Laparotomie fand sich eine starke Ektasie des J ejunum 
eine Atresie am Uebergang zu dem sehr engen Ileum, während, 
der Dickdarm wieder fast fingerdick war. Es wurde eine Ana- 
stomose zwischen Ileum und Kolon angelegt, indess hielten die 
Verschlusssymptome an und bei der Autopsie zeigte sich ausser der 
ersten Atresie im Dünndarm eine zweite in der Flexura sigmoidea. 
In beiden Fällen fehlten Zeichen einer foetalen Peritonitis, die 
wohl nur in einem kleinen Theil der Fälle für die Genese des 
Darm Verschlusses anzuschuldigen ist. 

Herr Lochte: Congenitale Erweiterungen des Oesophagus 
seien selten; der Fall S. zeigt, dass congenitale Stenosen im Oeso¬ 
phagus auch auf andere Weise entstehen können als durch Ab¬ 
schnürung von der Trachea her. 

Herr SAenger: Ueber den oberen Facialis bei der 
cerebralen Hemiplegie. 

Nachdem der Vortragende die verschiedenen Ansichten 
(von Exner, F6r6, Carville, Hitzig, Mendel, Ober¬ 
st einer, Wernicke, Strümpell, Miralliö, v. Monakow 
und Roux) betreffs des Verschontseins des oberen Facialis 
bei der cerebralen Hemiplegie angeführt hatte, theilte er seine 
Erfahrungen hierüber mit und hob hervor, dass man zwischen 
einer leichten, ganz flüchtigen Affection und einer schwereren, 
yon längerer Dauer unterscheiden müsse. 

Die erstere findet man, wie Vortragender sich seit Jahren 
überzeugt hat, und worauf die Franzosen schon seit langer Zeit 
hingewiesen haben, fast bei jeder cerebralen Hemiplegie in der 
allerersten Zeit. Man muss aber speciell darauf achten und 
danach suchen. Man wird dann eine unzweifelhafte Schwäche 
im Orbicularis oculi constatiren können. Dieselbe ist meistens 
nicht so beträchtlich, dass es zu einem richtigen Lagophthalmus 
kommt. Beim Versuch jedoch, die geschlossenen Lider mit Gewalt 
zu öffnen, fühlt man einen geringeren Widerstand in den Lidern 
der gelähmten als in denjenigen der gesunden Seite. 

Die Innervationsschwäche im Orbicularis lässt sich auch 
dadurch demonstriren, dass man die Hemiplegischen auffordert, 
beide Augen längere Zeit fest geschlossen zu halten. Stets 
öffnet sich das Auge der gelähmten Seite sehr viel früher. 
Es scheint, als ob die Kraft im Orbicularis sich rasch erschöpfe, 
so dass der Tonus im Müller’schen Muskel genüge, um die 
Lider zu öffnen. 


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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


171 


Ferner fand Vortragender fast stets bei Hemiplegisehen 
das eigne de Forbiculaire de la paupiere (Revilliod u. A.), 
welches in der Unfähigkeit des Gelähmten besteht, das Auge 
der hemiplegisehen Seite willkürlich für sieh allein zu sehliessen. 
Indess bemerkt Vortragender, dass dieses Zeichen nur einen be¬ 
dingten Werth besitze, den er in Uebereinstimmung mit Bo i adi e w, 
Pugliese undMilla gefunden habe, dass mancher Gesunde nicht 
iin Stande sei, jedes Auge allein für sich zu sehliessen. 

Wie die beiden letztgenannten italienischen Autoren hat 
Vortragender des öfteren bei der Hemiplegie Abschwächung 
der Frontaliscontraetion auf der Seite der Lähmung constatirt. 

Es gibt nun einzelne Fälle mit starker Betheiligung des 
oberen Facialis bei der Hemiplegie, so dass es aussah, als ob 
eine periphere Facialislähmung die centrale Affection complicirte. 
Derartige Fälle sind von Chvostek, Hallopeau, Huguenin, 
Brissaud, Mill, Rossolmio, Tiling, Magnus und Grasset 
beschrieben worden, in w elchen indess der Grad der Parese ein 
verschiedener w r ar. 

Vortragender hat in letzter Zeit 3 derartige Fälle beob¬ 
achtet, die in der Neurologie des Auges von Wilbrand und 
Saenger eingehend beschrieben sind. In dem einen Falle, 
von welchem 3 Photographien herumgegeben wurden, handelt 
es sich um eine rechtsseitige Hemiplegie bei einem 21jährigen, 
an Syphilis erkrankten Commis. Bei demselben w ar neben der 
totalen Lähmung der rechten oberen und unteren Extremität 
der ganze Facialis gelähmt. Die Schwäche im Orbicularis war 
so hochgradig, dass es zu einem Lagophthalmus kam. Bei An¬ 
näherung eines Lichts oder der Hand schloss sich reflectorisch 
der Orbicularis. Die faradische und galvanische Untersuchung 
ergab in allen Facialiszweigen direct und indirect ganz prompte 
Zuckungen. Diese Kriterien Hessen eine peripherische Facialis¬ 
lähmung ausschliessen. 

Das Resultat seiner Beobachtungen fasst Vortragender dahin 
zusammen, dass der Facialis in der Hirnrinde mehrere Vertret¬ 
ungen habe, und dass dem oberen Facialis ein anderes Rinden¬ 
feld als dem unteren zukäme. Bis jetzt könne man das Rinden¬ 
feld des oberen Facialis im unteren Drittel der vorderen Central¬ 
windung, in der 2. Stirnwindung und im Lobus parietalis inf. 
localisiren. 

Würden nun bei einer Affection alle diese Foci zusammen 
oder die zu denselben verlaufenden Fasern zerstört, so entstehe 
eine complete centrale Facialislähmung. 

Die bei fagt jeder Hemiplegie anfänglich nachweisbare, 
kurz vorübergehende Lähmung des oberen Facialis sei durch 
Fernwirkung oder auch dadurch zu erklären, dass die Muscu- 
latur des oberen Facialis von jeder Gehirnhemisphäre aus ver¬ 
sorgt werde. 

Es ist Aufgabe der Zukunft, mehr als es bisher geschehen 
ist, auf die Lähmung des oberen Facialis bei der Hemiplegie 
zu achten und einschlägige Fälle klinisch und pathologisch 
genau zu verarbeiten, um die Anzahl und Lage der Foci des 
Facialis, sowie dessen supranucleären Faserverlauf genau fest¬ 
zustellen. 

Discussion: Herr Embden: Der obere Facialis sei nach 
seinen Erfahrungen bei allen cerebralen halbseitigen Lähmungen 
mitbetheiligt. Unbekannt sei bisher noch die Erklärung jj für den 
Ausfall der Thränensecretion auf der gelähmten Seite, sobald der 
Facialis in seinem Verlauf an der Basis cerebri zerstört sei. Weiter¬ 
hin gälte es noch die Frage zu beantworten, wie sich bei sehr 
hochgradigen Apoplexien mit Betheiliguug des oberen Facialis der 
Weinact verhielte. 

Herr Trömner: Die Beobachtungen von Marin esc o deckten 
sich mit denen S.’s. Der obere Facialis wird zunächst nicht von 
beiden Himhemisphären durch Associationsfasern, die quer durch 
den Balken ihren Weg nehmen müssten, innervirt, sondern es be¬ 
stände für den ganzen Facialis der einen Seite eine einzige, ge¬ 
meinsame Innervation auf derselben Seite. Die Function des 
Facialis in den einzelnen abhängigen Gebieten sei lediglich 
Uebnngssache und nicht die Folge einer anatomischen Thatsache. 
Um den Facialiskem beständen ebenfalls Streitigkeiten, und zwar 
darüber, ob der obere Facialis*ein anderes Kerngebiet habe als der 
untere. Marinesco habe nun sämmtliche Aeste der Faciales 
durchschnitten und habe dann in Folge der consecutiven Degene¬ 
ration der Zellen im Kern der Faciales den Nachweis bringen 
können, dass sowohl für den oberen, wie für den unteren Faciales 
ein gemeinsamer Kern existire. 

Herr Böttiger gibt zu, dass er früher Anhänger derMendel- 
schen Theorie bezüglich der Facialiskerne gewesen sei; jetzt sei 
er jedoch ebenfalls der Ansicht, dass nur ein Kern für den ganzen 
Facialis der einen Seite vorhanden sei. 

Herr v.Krause erwähnt einen Fall, in dem im Anschluss an eine 
Ganglienexstirpation sich eine halbseitige Lähmung der gegenüber 
liegenden Seite eingestellt hatte. Der Orbicularis palpebrarum war 

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hier sicher nicht betheiligt, sondern functionirte normal, während 
sich der untere Facialast als paralytisch erwies. Die Lähmungen 
des Beines und des Facialisastes gingen innerhalb weniger Tage 
vollständig zurück, die der Arme war nach 3 Wochen ebenfalls 
verschwunden. 

Herr Embden: Nach überstandenen oder bei älteren cere¬ 
brospinalen Hemiplegien könne inan stets noch an der Herab¬ 
setzung der groben Kraft des Orbicularis den Nachweis führen, 
dass thatsächlich früher der obore Ast des Facialis ebenfalls mit 
befallen war. 

Herr Saenger (Schlusswort): In einem seiner mitgetheilten 
Fälle hatte Vortragender beobachtet, dass beim Weinen die Thränen¬ 
secretion auf beiden Seiten eime gleiche war. 

Herrn Trömner erwidert Vortragender, dass Exner und 
Paneth auf experimentellem Wege die Frage der doppelseitigen 
Innervation des Orbicularis oeuli zu lösen suchten Sie kamen zu 
dem Resultat, dass es sieh nicht um Associationsfasern handeln 
konnte, die durch den Balken gingen, sondern lim eine quere 
Verbindung beider Facialiskerne im Pons. 

Vortragender ging dann auf die von Trömner und Böttiger 
angeregte Kernlocalisation des Facialis ein und besprach die 
Mendel’sche Theorie vom Ursprung des oberen Facialis im 
Oculomotoriuskern und die Go wer Seche Ansicht vom Ursprung 
des unteren Facialis im Hypoglossuskern. Auf Grund eigener Be¬ 
obachtungen und Untersuchungen sei Vortragender zu der Ansicht 
gelangt, dass der obere und untere Facialis einen gemein¬ 
schaftlichen Kern habe, was jetzt auch Böttiger zugebe und 
was endlich durch die neuesten Untersuchungen von Marinesco 
bestätigt würde. 

Herrn Krause gegenüber hebt Herr S. hervor, dass es gewiss 
auch Fälle von cerebraler Hemiplegie gäbe, bei denen der obere 
Facialis auch im Anfang nicht afficirt erscheint. Bei diesen Fällen 
handelt es sich wahrscheinlich um eine individuelle Verschieden¬ 
heit. Ist es doch auch eine constatirte Thatsache, dass es 
Menschen gibt, welche nicht im Stande sind, jedes Auge allein für 
sich willkürlich zu sehliessen. Bei solchen Leuten hat natürlich 
der Nachweis des signe de l’orbiculaire de la paupiöre keinen 
Werth. 


Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Offieielles Protokoll.) 

Nachtrag zum Bericht über die 
Sitzung vom 21. November 1899. 

(Vergl. d. Wochenschr. 1899, No. 51.) 

Ueber die Bemerkungen, welche Herr Prof. F. A. Hoff- 
mann in der Discussion über den Vortrag des Herrn Dr. 
v. Criegern „Ueber die Ergebnisse der Untersuchung 
menschlicher Herzen mittels des fluorescirenden Schirmes” 
machte, geht uns nachträglich folgendes Autoreferat zu: 

„Die Beobachtung des Menschen am Röntgenschirme ist für 
lins Kliniker jedenfalls zur Zeit wichtiger als das Photographiren, 
denn wir könneu Bewegungen beobachten und den Kranken in 
zahlreichen, verschiedenen Stellungen betrachten, die uns dann die 
Handhabe zu w'erthvollen Combinationen geben. Wohin sollen die 
Kosten einer Untersuchung steigen, wenn wir die entsprechende 
Zahl von Photographien wollen anfertigen lassen? Für die Unter¬ 
suchung des Mediastinums habe ich ganz besonders von Herrn 
v. Criegern gelernt, w T ie wichtig es ist, den Menschen in den ver¬ 
schiedensten Stellungen zu betrachten. Die von ihm gefundene 
und beschriebene Mediastinalspalte muss ich der Auf¬ 
merksamkeit aller inneren Mediciner empfehlen. Freisein der¬ 
selben, Trübungen und Veränderungen in derselben werden meines 
Erachtens für die Diagnose der Erkrankungen in dieser so schwie¬ 
rigen Gegend Anhaltspunkte geben, die gegen früher einen sehr 
grossen Fortschritt bedeuten.“ 


Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik. 

(Offieielles Protokoll.) 

Sitzung vom 10. November 1899. 

Herr Mansbach demonstrirt ein neugeborenes Kind mit 
Epispadie und Eversion der Blase. 

Herr Hi n t n e r : Ueber Pyelitis im Kindesalter. 

Der Vortragende gibt zunächst eine genauere Schilderung 
der Aetiologie, der pathologischen Anatomie und Symptomatologie 
der Pyelitis und hebt besonders hervor, dass die bei Kindern so 
häufigen Darmerkraukungen In zahlreichen Fällen für die Ent¬ 
stehung einer Pyelitis von Bedeutung sein können. Bezüglich der 
Infectionserreger spielen neben den bekannten Gonoeoeeen 
Tuberkelbacillen u. a. die Darmbacterien bei der Infection der 
Harnw r ege eine grosse Rolle; obenan steht hier das vielgenannte 
Bacterium coli commune. Was nun die Frage betrifft, auf 
welchem WT‘ge die Darmbacterien in die Harnwege gelangen, so 
glaubt Vortragender 3 Möglichkeiten annehmen zu können: 
1. Können die Mikroorganismen bei Mädchen direct vom Anus 
aus zur Vulva und Urethra und von hier aus ascendirend zur 
Blase und zur Pelvis gelangen. 2. Können die Bacterlen vom 
Darm aus in den Blutkreislauf gelangen und von hier aus in 
der Niere abgelagert werden und 3. könnten nach Roosing 
Anastomosen zwischen den Lymph- und Blutgefässen der be- 

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treffenden Darmpartien und des Nierenbeckens vorhanden sein, 
wodurch sich ein mehr directer Uebergang der Mikroben denken 
Hesse. 

Daran anschliessend beschreibt Vortragender einen von ihm 
in der Praxis beobachteten Fall von Pyelitis bei einem 4 jähri¬ 
gen Mädchen. Ans der Anamnese ist als wichtig hervorzuheben, 
dass die kleine Patientin mit 2 Jahren an schwerem Brechdurch¬ 
fall erkrankte, und dass seitdem fortwährend Unregelmässig¬ 
keiten und Störungen in der Verdauung (Durchfälle, Verstopfung, 
Appetitlosigkeit) bestanden haben. Bei der Untersuchung konnte 
ausser einer auffallend schlechten Ernährung und starken Ab¬ 
magerung des ganzen Körpers zunächst nur der bestehende 
chronische Darmkatarrh festgestellt werden. Erst nach einigen 
Wochen trat bei beständiger Verschlimmerung des Allgemein¬ 
befindens Fieber auf, das die Höhe von 40.0 und 40,5 erreichte 
und einen deutlich remittirenden Charakter hatte. Zugleich wurde 
auch ein häufiges, schmerzhaftes Uriniren beobachtet. 

Durch die mikroskopische Untersuchung des Urins wurde 
eine Erkrankung des Nierenbeckens, eine Pyelitis festgestellt. 
Der Harn leicht diffus getrübt, hatte saure Reaction und zeigte 
spärlichen Eiweissgehalt. Mikroskopisch fanden sich vereinzelte 
Epithelzellen, dagegen Eiterkörperchen in erheblicher Anzahl und 
häufig zu sogen. Eitercylindern zusammengeballt vor. Ausserdem 
waren zahlreiche Bacterien vorhanden. Es waren kurze, plumpe 
Stäbchen, die keine Eigenbewegung besassen. Aus dem Fehlen 
der letzteren Eigenschaft allein glaubt Vortragender annehmen 
zu können, dass es sich in diesem Falle nicht um das Bacterium 
coli commune gehandelt habe. 

Therapie: Zunächst Behandlung des Grundleidens. Gegen 
die Pyelitis Urotropin 2 mal täglich 0,25 g XX St. und nach einer 
Pause von 8 Tagen abermals XX St. ä 0,5 g. Der Erfolg war sehr 
gut. Das Fieber sank am 4. Tage nach der Behandlung und er¬ 
reichte am 7. Tage die Norm. Die Veränderung des Harnes wurde 
durch öftere Untersuchungen controlirt. Die Eiterkörperchen und 
Bacterien schwanden mehr und mehr und nach ca. 3—4 Wochen 
zeigte der Harn normales Verhalten. 

Herr Heinlein, a) Demonstration: Derselbe legt das 
skeletirte Leichenpräparat einer anderwärts durch Einschlagen 
von Elfenbeinstiften erzielten Heilung einer Pseudarthrose des 
Schienbeines eines 00 jährigen, an Lungentuberculose ver¬ 
storbenen Maurers vor, welcher vor 5 Jahren durch Sturz vom 
Baugerüste einen Schienbeinbruch erlitten hatte. Das Präparat 
illustrirt sehr anschaulich die durch das oben erwähnte Verfahren 
erzielte stattliche Knochenneubildung, dessgleichen auch die vor¬ 
handene beträchtliche seitliche Abweichung und Längsverschie¬ 
bung der Bruchstücke, welche offenbar die Pseudarthrose ver¬ 
anlasst hatten. H e i n 1 e i n glaubt nach mehrfacher eigener 
Erfahrung, dass in manchem ähnlichen Falle länger fortgesetzte 
Stauung durch Kautschukring oberhalb der Bruchstelle — nach 
H e 1 f e r i c h’s Vorgang — im Verein mit immer und immer 
wieder anzustrebender Verbesserung der wohl fast stets vor¬ 
handenen Stellungsabweichuug der Bruchstücke ebenso sicher 
zum Ziele führt und das im geschilderten Fall zur Anwendung 
gekommene eingreifende Verfahren überflüssig macht. 

b) Ueber Nierenexstirpation. Vortragender gibt nach vorauf¬ 
geschicktem historischen Excurs einen casuistiselieu Beitrag 
zur Exstirpation der Niere nach subcutaner 
schwerer Verletzung derselben mit angeschlossener 
Epikrise. Mittheilung desselben wird in extenso erfolgen. 

Rostocker Aerzteverein. 

(Bericht des Vereins.) 

Sitzung vom 11. November 1899. 

Herr Krukenberg stellt 2 Fälle von Keratoconus vor, 
von denen der eine mit Erfolg operativ beseitigt worden ist. 
während der andere sich noch in Behandlung befindet. Bei 
letzterem wurde vor der Operation eine eigenartige rhythmische 
Pulsation der Hornhautmitte beobachtet, die synchron mit der 
Pulswelle in der Radialarterie erfolgte. Der vermuthete Zusam¬ 
menhang des Phänomens mit der Herzaction liess sich dadurch 
mit Sicherheit erweisen, dass bei Compression der Carotis com¬ 
munis auf derselben Seite die Pulsation aussetzte, um bei Weg¬ 
nahme des coraprimirenden Fingers sofort wieder einzusetzen. 
Wie W a g e m a n n, der den ersten derartigen Fall beschrieb, 
annimmt, kommt die Pulsation durch directe Uebertragung der 
Pulswelle der kleinen intraoculären Arterien auf den Bulbusinhalt 
und von da auf die stark verdünnte Hornhautmitte zu Stande. 
Während bei Wagemann die Bewegungen der Hornhaut bei 
seitlicher Einstellung der Z e h e n d e r’schen Lupe beobachtet 
werden konnten,waren bei dem von Krukenberg vorgestellten 
Patienten die Ausschläge so gering, dass man sie nur mittels des 
Java l’schen Astigmometers an der regelrechten Verschiebung 
der Hornhautbildchen constatiren konnte. 

Interessant ist, dass die Pulsationen auch subjectiv wahr¬ 
genommen werden können. Liess man den Patienten im Dunkel¬ 
zimmer ein Licht fixiren, so sah er dasselbe in Folge seiner hoch¬ 
gradigen Kurzsichtigkeit als einen grossen Zerstreuungskreis. 
Die Peripherie desselben machte rythmische Bewegungen derart, 
dass der Kreis abwechselnd grösser und kleiner wurde. Die er- 
scheinung war dem Patienten so deutlich, dass er die Pulsation 
mit Sicherheit zählen konnte. Auch hierbei zeigte sich eine fast 
vollständige Uebereinstimmung der subjectiv empfundenen Pul¬ 
sationen mit den Herzschlägen. Nach W a g e m a n n ist die 


Erscheinung so aufzufassen, dass durch die Hin- und Herbewe¬ 
gung der Hornhautmitte eine Zu- und Abnahme der Myopie und 
damit eine regelmässige Aenderung der Grösse der Zerstreuungs¬ 
kreise auf der Netzhaut eintritt, die von dem Patienten subjectiv 
empfunden wird. 

Zum Schluss demonstrirt Herr Krukenberg das Lohn¬ 
st e i n’sche Hydrodiaskop, mit Hilfe dessen sich die Sehschärfe 
bei seinem Patienten vom FingerzHhlen in 2 Metern bis auf */ ie 
der normalen heben lässt. 

Herr Axenfeld stellt einen Fall von Transplantation 
von Panniculus adiposus zur Beseitigung einer adhärenten 
Knochennarbe vor. 

Im Anschluss an eine fistelnde Caries des unteren Orbital¬ 
randes hatte sich vor ca. 0 Jahren bei der jetzt 13 jährigen, sonst 
gesunden Patientin eine adhärente Narbe gebildet. Der Knochen 
war eingesunken, das Unterhautzellgew r ebe fast in der ganzen 
Breite des Lides geschwunden; durch den Narbenzug klaffte die 
Lidspalte abnorm, wenn auch kein eigentliches Ektropium be¬ 
stand. Da gleichzeitig das Auge in Divergenz stand, w r ar die Ent¬ 
stellung hochgradig. Vortragender hat desshalb nach dem Vor¬ 
schläge von Silex eine Fetttransplantation vorgenommen, aber 
nicht einzelne Klümpchen benutzt, sondern von der Bauchhaut 
ein ca. 7 cm langes, 2—3 cm breites Stück des Panniculus adiposus 
exstirpirt. Nach ca. 3 cm breiter Durchtrennung der Hautnarbe 
wurde das Lid und die Fascia tarsoorbitalis vom Knochen gelöst 
und völlig unterminirt, das Panniculusstiick eingeschoben, dann 
der Musculus orbicularis mit versenkten Nähten geschlossen und 
darüber die Haut vereinigt. Der Anfangs übergrosse Effect hat 
sieh allmählich ausgeglichen und jetzt, nach 4 Monaten, ist das 
Ergebniss vollkommen befriedigend, die Niveaudifferenz ganz aus¬ 
geglichen. Vortragender möchte aber trotzdem noch kein defini¬ 
tives Urtheil abgeben, da eine weitere allmähliche Rückbildung 
noch nicht ausgeschlossen ist. Man fühlt zur Zeit unter der Haut 
eine derbelastischo Masse. Auf der anderen Seite dürfen solche 
Transplantationen nicht ohne Weiteres unnütz genannt werden, 
w r eil das Fettgew r ebe naturgemäss nicht lebend einheile, sondern 
es ist. nicht unmöglich, dass dasselbe zu einer Einschaltung neu- 
gebildeten Bindegewebes führt. 

Im Anschluss hieran berichtet Herr Schultz einen anderen 
Fall von Fetttransplantation, wo v. Bergmann bei einer Schau¬ 
spielerin eine fehlende Mamma durch ein Lipom der G1 u - 
taealgegend ersetzt habe. Des Weiteren stellt in der Dis- 
cussion Herr A. Thierfelder bei der Frage, ob das trans- 
plantirte Fett schwinden oder dauernd den Defect ausgleichen 
werde, die Hypothese auf, dass ähnlich wie bei einem in die 
Bauchhöhle gebrachten Stückchen Schwamm ein Durchwachsen 
mit Bindegewebe statthaben könne. 

Herr Kobert : „Zusammenfassender Bericht über Phar¬ 
makotherapie und Toxikologie des Jods und seiner Präparate” 
mit Demonstration von 25 Jodpräparaten. (Der Vortrag er¬ 
scheint anderweitig.) « 

In der darauf folgenden Discussion empfiehlt unter anderem 
Herr Schultz die Methode der Jodva sogen verbände bei Ulcera 
cruris. 

Verein deutscher Aerzte in Prag. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 20. October 1899. 

Vorsitzender: Herr W ö 1 f 1 e r. 

Herr W ö 1 f 1 e r stellt eine Kranke vor, welche an einem 
schweren Torticollis spasmodicus litt und durch mehrere opera¬ 
tive Eingriffe geheilt w r urde. Die Patientin litt an continuirlichen 
Drehungen des Kopfes nach links und rückwärts. Die Resectiou 
des rechten Nervus accessorius hatte ein nur unvollkommenes 
Resultat zur Folge. Es wurde desshalb nach Noble S in i t h 
der linksseitige Nervus cervicalis II und III resecirt, während 
anstatt der liesection des tief gelegenen ersten Cervicalnerveu 
die quere Durchtrennung des mächtigen M. obliquus inferior aus¬ 
geführt wurde. Der Erfolg w r ar ein vollkommener und bleibender; 
die Heilung besteht seit 3 Jahren. 

W. bespricht hierauf an der Hand von Abbildungen die 
Technik dieser Operation und ihre Resultate, die er mit der Re- 
section des N. accessorius und der queren Durchschneidung der 
krampfenden Nackenmuskeln auf Grund der statistischen Er 
fahrungen vergleicht. (Vergl. das Referat auf S. 165.) 

Sitzung vom 3. November 1899. 

Herr Schwarz demonstrirt zwei Fälle aus der I. medi- 
clnischen Klinik, die beide durch hochgradige Veränderungen an 
den Gelenken ausgezeichnet sind. 

Im 1. Falle handelt es sich um eine Combination von ange¬ 
borenem partiellen symmetrischen Riesenwuchs, der die beiden 
Zeigefinger betrifft, mit Arthritis urica bei einer 60jährigen 
Patientin. Die erste Gelenkschwellung soll vor ungefähr 20 Jahren 
an einem der hypertrophischen und seit jeher ankylotischen Zeige¬ 
finger aufgetreten sein. Gegenwärtig bestehen an mehreren Fin¬ 
gern und Zehen typische Tophi, sowie mehrfache Uratablager- 
nngen in Sehnenscheiden und Schleimbeuteln. Die G a r r o d’sclic 
Blutfadenprobe ist positiv. Die Demonstration wird durch 
Röntgenbilder der beiden Hände unterstützt, deren Einzelheiten 
der Vortragende näher erläutert. 


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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Der 2. Fall betrifft einen 62 jährigen Tabiker mit beträcht¬ 
lichen Athropathien beider Kniegelenke, einer Pseudoarthrose nach 
Traumatischer Fractur des 1. Oberschenkels, Atrophie der Muscu- 
latur beider Unterschenkel mit Fehlen der elektrischen Erregbar¬ 
keit ohne E. It., beiderseitigem Pes equinovarus und Subluxation 
des 1. Schultergelenkes. 

In der anschliessenden Discussion hebt Herr C h i a r i die 
Bedeutung der interarticulären Sensibllitätsstörungeu für die 
Genese der Arthropathien hervor. Der Vortragende glaubt für den 
vorliegenden Fall auch trophisclie Störungen heranziehen zu 
müssen. In der Pseudoarthrose wenigstens ist die Sensibilität 
nicht erloschen, daselbst bestehen Schmerzen bei Bewegungen. 
In den athropathisch deformirten Kniegelenken siud auch passive 
Bewegungen in Folge von Ankylosen so gut wie unausführbar, so 
dass man über die intraarticuläre Sensibilität der Kniegelenke 
kein Urtheil gewinnen kann. 

Herr P i f f 1 demonstrirt hierauf die Präparate eines Falles 
von Otitis tuberculosa mit tumorartiger Frotuberanz in die 
Schädelhöle. Bei der Section eines in der Irrenanstalt gestorbenen 
öö jährigen Mannes (psych. Diagu.: Paralys. progr.i fand sich als 
Nebenbefund eine Erkrankung des linken Schläfenbeines, die zu 
ausgebreiteter Zerstörung des Knochens im äusseren Gehörgang, 
in der Paukenhöhle, an der Pyramide, am Warzenfortsatze und 
am angrenzenden Hinterhauptbeine gefühlt hatte. Die Dura 
mater war an der Innenseite der erkrankten 
Partien, besonders auf der oberen und hinteren 
P y r a in i d e n f 1 H c h e kolossal verdickt. Diese Ver¬ 
dickung war scharf umschrieben, höckerig, derb und sah aus wie 
Hu echtes Neoplasma, erwies sich aber histologisch als 
Tuberculose. Die mikroskopische Untersuchung des La¬ 
byrinths ergab pathologische Eröffnung desselben an 4 Stellen 
Vorhof, Ampullen, Bogengänge und die unteren Schneckenwin¬ 
dungen waren erfüllt von tubereulösem Granulationsgewebe, das 
häutige Labyrinth vollständig zerstört. Nur in der oberen 
Schneckenwindung war das Co r t i’sche Organ noch stellenweise 
erhalten. Acusticus und Facialis waren bis vor ihrem E in- 
t r i 11 in den inneren Gehörgang tubereulös erkrankt. Die inneren 
Meningen waren nirgends inficirt worden, der Tod war augen¬ 
scheinlich durch die ausgebreitete L u n g e n t u b e r c u 
lose eingetreten. 


Wiener Briefe. 

Wien, 27. Januar 1900. 

Hofrath Albert’s Bemerkungen zur neuen Rigorosen- 
ordnung. — Senile Epilepsie. — Neuere Behandlungsmethoden 
des Trachoms. — Zulässigkeit der Fluoride zur Conservirung 
von Lebensmitteln. — Das Desinfectionsverfahren mit Formal¬ 
dehyd im Epidemiedienste. 

Wenn auch der Vortrag des Hofrathes Professor Albert 
über die neue Rigorosen-Ordnung eigentlich post festum kam, 
so brachten ihm die Mitglieder der Gesellschaft der Aerzte gleich¬ 
wohl das regste Interesse entgegen, zumal Albert ein ebenso 
tiefsinniger als gewandter Redner ist, der jedes Thema anziehend 
und belehrend zu behandeln weiss. So auch diesmal, wo er nicht 
bloss die neue Studien- und Prüfungsordnung, sondern — weit 
ausholend und in die Tiefe gehend — den modernen Unterricht 
an den Schulen überhaupt und die Art seiner Reformbedürftig¬ 
keit, den complicirten Unterricht an der Universität, das Yer- 
hältniss zwischen Theorie und Praxis, die Nothwendigkeit des 
praktischen Unterrichtes der Aerzte, endlich den Einfluss der 
neuen Prüfungsordnung auf die psychische Oekonomie der Stu- 
direnden erörterte. Die Zuhörer wurden nicht müde, wiewohl 
Albert mehr als 1V 2 Stunden lang sprach. Der Vortrag ist in 
seiner Gänze in No. 4 der „Wiener klinischen Wochenschrift“ 
veröffentlicht und müssen wir auf diese Publication verweisen, 
da ein selbst ausführliches Excerpt die geistreichen Deductionen, 
die mit vielen hübschen Beispielen illustrirt wurden, nicht Wieder¬ 
gaben könnte. 

Schliesslich ist es ja bekannt, dass Erlässe auch abgeändert 
werden können; es wäre also immerhin noch möglich, dass 
A1 b e r t’s schwere Bedenken an maassgebender Stelle in letzter 
Stunde noch Beachtung fänden. 

Im Wiener medieinischen Club sprach Docent Dr. E. Red- 
^ \ c h «über senile Epilepsie”. Der Vortragende versteht darunter 
die Fälle von Epilepsie, die erst nach dem 60. Lebensjahre ein- 
s Hzon. Die Fälle sind nicht gar selten, R. hat etwa ein Dutzend 
derselben gesehen. Selbstverständlich darf man jene Fälle niclu 
uorherzählen, in welchen epileptische Anfälle als Symptom eines 
anderen schweren Leidens des Seniums auf treten, so der Nephri- 
tlN ^ Diabetes, vieler cerebraler Processe (Blutungen, Erweich¬ 
ungen) etc. Zuweilen wird die Differenzirung, ob die Epilepsie 
als solche oder epileptische Anfälle symptomatischer Natur vor 

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173 

liegen, z. B. bei Cysticercus cerebri, sich recht schwierig ge¬ 
stalten. 

Was nun die Ursachen der eigentlichen senilen Epilepsie an¬ 
belangt, so legt R. der Heredität keine besondere Bedeutung bei, 
sondern ist der Ansicht, dass diese Epilepsie durch Alkoholismus, 
Schädeltraumen, Syphilis, jedes für sich allein oder combinirt 
ein wirkend, verursacht werde. Fälle seniler Epilepsie bei chroni¬ 
schen Geisteskranken sind noch zweifelhaft. Eine wichtige 
Gruppe seniler Epilepsie ist die sogenannte arterioskle¬ 
rotische, als deren Prototyp der Vortr. die von Naunyn 
beschriebenen Fälle heranzieht. Hier gelang es durch Com- 
pression der Carotiden den spontanen ähnliche Anfälle zu er¬ 
zeugen. Das Bestehen der arteriosklerotischen Epilepsie kann 
als sichergestellt gelten, während die cardiale Epilepsie noch 
zweifelhaft sei. 

Behufs Erklärung der arteriosklerotischen Epilepsie wird 
man sieh vorzustellen haben, dass durch die Arteriosklerose der 
Hirnarterien die Ernährung des Gehirnes geschädigt wird und 
dadurch Veränderungen der Hirnelemente ausgelöst wer den, die 
im Vereine mit einer etwa vorhandenen Disposition das Auftreten 
epileptischer Anfälle auslösen können. Im Anschlüsse daran be¬ 
spricht R. kurz die pathologische Histologie der Epilepsie, vor 
Allem die von C h a s 1 i n beschriebene Gliose, sowie eigene, als 
miliare Sklerose bezeichnete Befunde bei zwei Fällen seniler Epi¬ 
lepsie. Die vorhandenen Befunde gestatten derzeit noch kein ab¬ 
schliessendes Urtheil. 

In symptomatischer Beziehung gleicht die senile Epilepsie 
vollständig der gewöhnlichen Epilepsie, mit ein Grund, sie dieser 
zu zu rechnen. Vortragender erwähnt kurz Fälle seniler Epilepsie 
mit postepileptischen Psychosen, Lähmungserscheinungen nach 
Anfällen, dauernder Sprachstörung u. s. w. Die häufige Demenz 
bei der senilen Epilepsie ist weniger auf Rechnung der Epilepsie 
als solcher zu setzen, als vielmehr Folge der stets vorhandenen 
senilen Hirnatrophie. In therapeutischer Beziehung gelten die 
gleichen Indicationen, wie sonst bei der Epilepsie; freilich sind 
die Chancen eines Erfolges im Allgemeinen geringe. 

An den Vortrag schloss sich eine Discussion, in welcher von 
Dr. Lauterbach und Docent Dr. II. Schlesinger die 
causalen Beziehungen zwischen Herzkrankheiten und Epilepsie 
eingehend erörtert wurden. 

Im Wiener medieinischen Doctorencollegium sprach jüngst 
Professor Hans Adler über neuere Behandlungsmethoden des 
Trachoms. In prophylaktischer Hinsicht empfahl der Vor¬ 
tragende den Gebrauch fliessenden Wassers in den Waschbecken 
der Ambulatorien und die stricte Separation der Trachom¬ 
kranken von anderen Menschen; im Spitale sollen sie sogar ihr 
eigenes Wartepersonal erhalten. Die Therapie kann eine drei¬ 
fache sein: 1. eine medicamcntöse, 2. eine mechanische und 
3. eine operative. In ersterer Beziehung wendet man in neuerer 
Zeit, abgesehen von den noch immer wirksamen älteren Mitteln 
(Silbernitrat, Kupfersulfat und Belladonnasalbe), die folgenden 
an: Sublimat in schwachen und concentrirten (bis 1:100) 
Lösungen, Ichthyol, Jodoform, Jod in verdünnten Lösungen, 

Jodkali, Borsäure, Antipyrin, Chinin, Opiumtinctur, Carbol- 
säure, Pyoktanin etc. Als wirksame mechanische Behandlungs¬ 
methode empfiehlt Adler die Massage mit verschiedenen Salben, 
namentlich als Abwechslung zwischen 2 Behandlungsmethoden, 
den Spray mit verschiedenen Medicamenten, endlich die Galvano¬ 
kaustik mit dem spitzen Brenner, auch ambulatorisch gut aus¬ 
führbar. Alle 8 Tage eine galvanokaustische Sitzung, zwischen¬ 
durch medicamcntöse Behandlung. Sehr empfehlenswerth für 
grosse, einzelstehende Knoten. Unter den chirurgischen Metho¬ 
den, deren Adler eine ganze Reihe aufzählt und bespricht, 
empfiehlt er das Anstechen und Excochleation der einzelnen 
Follikel nach Bardenheuer-Sattler, am besten mit der 
von Herrn heiser empfohlenen Pincette. Sehr gute Re¬ 
sultate gibt auch das Ausquetschen mit der Knapp’schen 
Rollpincette, bei welcher nicht bloss die Follikel getroffen wer¬ 
den, sondern auch das dazwischen liegende Gewebe günstig be¬ 
einflusst wird. Empfehlenswerth ist noch das Ausquetschen mit 
dem Kuh n’schen Expressor und für hartnäckige Fälle die sog. 
Knorpelausschälung nach K u h n t. All’ diese und noch andere 
Verfahren müssen zweckentsprechend combinirt werden, wobei 
oft recht befriedigende Resultate erzielt werden. 

Leber Anfrage eines Fabrikanten, ob ein Conservirungs- 
mittel für Lebensmittel, welches im Wesentlichen aus Flusssäure 

Original ffom 

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174 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


bestehe, für den allgemeinen Verkehr zulässig sei, hat der 
Oberste Sanitätsrath (Ref. Professor Dr. M. G r u b e r) ein Gut¬ 
achten erstattet, welches in seinen Schlusssätzen lautet: „Aus 
den vorliegenden Erfahrungen geht hervor, dass die Gefährlich¬ 
keit der Fluoride eine geringe ist und oft die Aufnahme kleiner 
Mengen von Fluoriden, wie sie z. B. zur Weinconservirung er¬ 
forderlich sind (2—3 g Fluor für 100 Liter Wein) keinen Schaden 
bringen würde. Trotzdem spricht sich der Oberste Sanitätsrath 
dafür aus, den Zusatz von Fluoriden als Conservirungsmittel zu 
Nahrungs- und Genussmitteln zu verbieten, da sie wie andere 
Conservirungsmittel deren reinliche und sorgfältige Behandlung, 
in welcher der wichtigste Gesundheitsschutz liegt, mehr oder 
weniger überflüssig und den unerwünschten Erfolg möglich 
machen würden, bereits in Zersetzung begriffene oder inficirte 
Lebensmittel in geniessbarem Zustande zu erhalten. Von diesem 
Gesichtspunkte aus muss insbesondere die Conservirung von 
frischen Fleischpräparaten, wie z. B. Hackfleisch und Würsten, 
von Milch, Butter, Fruchtsäften, Marmeladen, Obstmusen und 
Bier mit Hilfe von Fluoriden verworfen werden.. .. „Die Ver¬ 
wendung der Fluoride zur Conservirung von ganzen, unver¬ 
sehrten Eiern in der Schale, wobei die Conservensalze mit dem 
Inhalte nicht in Berührung kommen, kann unbedenklich zu¬ 
gelassen werden.“ 

Die Wochenschrift: Das österr. Sanitätswesen, No. 4 vom 
22. Januar 1900, enthält auch ein Gutachten des Obersten Sani- 
tiitsrathes betreffend die Anwendbarkeit des Desinfeetions- 
verfahrens mit Formaldehyd im Epidemiedienste. Auch hier 
fungirte Professor Dr. Max Gruber als Referent. Im All¬ 
gemeinen hat sich, nach Gruber,die Desinfection mit Formal- 
dchyd in der letzten Zeit in hohem Maasse verbessert, sie stellt 
in ihren neuesten Formen eine wichtige Erleichterung und be¬ 
deutende Erhöhung der Sicherheit der Wohnungsdesinfection 
dar, da es mit den neuen Apparaten in der That gelingt, binnen 
wenigen Stunden die ganzen, frei zugänglichen Oberflächen in 
einem Raume zu desinficiren, mit einem so geringen Aufwande 
von Mühe und Arbeitszeit, wie sie das Abdichten der Be¬ 
grenzungsflächen und das Füllen und Heizen der Apparate er¬ 
fordern. Trotzdem gibt es da noch vielerlei zu erwägen und 
müssen wir darum jene Aerzte, die sich für dieses Verfahren 
interessiren, auf die ausführliche wissenschaftliche Arbeit Prof. 
Grub e r’s, in welcher zum Schlüsse auch der Modus einer 
exacten Zimmerdesinfeetion genau beschrieben wird, verweisen. 
Hier in Wien liegt die Desinfection der Krankenzimmer, wie 
der Referent so nebenbei erwähnt, noch im Argen, wovon er 
sich bei einer Desinfection in seinem eigenen Haushalte nach 
einem Masernfalle zu überzeugen Gelegenheit hatte. Freilich 
tragen hieran, was hinzuzufügen wäre, nicht die ärztlichen 
Organe Schuld, sondern die Herren Magistratsräthe, denen jeder 
für prophylaktische Zwecke ausgegebene Heller in die Augen 
sticht, da sie ihn als hinausgeworfen betrachten. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Soci6t6 mädicale des höpitaux. 

Sitzung vom 8. December 1899. 

Appendicitls und Darmobstruction. 

Aviragnet und Bernard haben 2 Fälle von perforiren- 
der Appendicitls erlebt, welche mit Darmobstruction eoincidirte; 
im ersten Falle war die Obstruction die Folge eines Dickdarm¬ 
krebses und die Appendicitls wurde erst bei der Autopsie mit der 
Peritonitis, die heraus hervorging, constatirt; im zweiten Falle 
konnte die Ursache der Obstruction, welche mit einer wohl er¬ 
kannten perforirenden Appendicitls eoincidirte, nicht erkannt 
werden, eine Sectiou wurde nicht gemacht. Für den ersten Fall 
glauben die Berichterstatter an eine einfache Coincidenz, für 
den zweiten aber halten sie dafür, dass die Appendicitis das Pri¬ 
märe und die Occlusion das Secundäre war: Lähmung des Darmes 
in Folge der Veränderungen am Wurmfortsatz und Bauchfell. Die 
beiden Fälle zeigen auch, dass Appendicitis und Peritonitis ohne 
besonders heftige Symptome auf treten und dieselben sogar unter 
der Darmobstruction völlig verborgen sein können. 

Haye m erinnert daran, dass in solchen Fällen die Blut- 
iintersuchung die Peritonitis klar machen würde, denn bei eite¬ 
riger Entzündung des Bauchfells ist immer Vermehrung des 
Fibrins und Leukoeytose vorhanden. 

Parmentier hat sich mit Erfolg dieses diagnostischen 
Mittels bedient und Dank der Blutuutersuchung eine tiefliegende 
Eiterung bei Appendicitis diagnosticiren können, was ohne dieses 
Mittel nicht möglich gewesen wäre. 

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Der Alkoholismus in den Spitälern von Paris. 

J a c q u e t gibt einen ausführlichen Bericht über dieses 
Thema im Namen einer Commission des Vereins (der Spitalärzte). 
Er glaubt, dass die zunehmende Zahl der Krankheitstage in den 
Krankenhäusern von Paris pro einzelnen Fall, welche trotz der 
verbesserten Behandlung eine auffallende sei (von 2 8S7 094 
Tagen im Jahre 1878 auf 4 343 990 Tage im Jahre 1894 bei einer 
Bevölkerungszunahme von nur 23 Proc.), vor Allem dem Alkoholis¬ 
mus zuzuschreiben sei. Derselbe sei dreierlei Art, der all¬ 
gemeine, gewöhnliche Alkoholismus, der medicamen- 
t ö s e und der administrative. Die beiden letzteren ent¬ 
stehen in den Krankenhäusern durch die allmählich viel zu reich 
bemessene Darreichung von stärkenden Weinen, Champagner 
u. s. w. und die aus diesem Gebrauch entstandene Gewährung 
von Alkohol an die Krankenwärter, die Assistenten u, s. w. In 
dem Gutachten der Commission werden den Krankenhaus¬ 
verwaltungen daher folgende Vorschläge gemacht: 1. Jedermann, 
männlichen oder weiblichen Geschlechts, werden beim Verlassen 
des Krankenhauses, ein oder mehrere kurze Anweisungen über 
die Gefahren des Alkoholismus übergeben. 2. Um das Pflege- 
Personal vor der Phthise zu bewahren, welche ihm zu oft in 
Folge der doppelten Gefahr der Ansteckung und des Alkoholis¬ 
mus droht, soll man in jedem Krankenhaus eine Erholungsstätte 
mit Spielen, Zeitungen, Büchern gründen, wo da* Personal seine 
freien Stunden zubringen kann und wodurch es vom Wirthshaus- 
besucli abgehalten wird. 3. sollte eine gpecielle ständige 
„Alkoholcommission“ ernannt werden, welche im Laufe desJahres 
die bezüglichen Fragen studiren, die Einhaltung der zuerst ein¬ 
geführten Reformen überwachen, neu einzuführende erwägen und 
einen jährlichen Bericht über diese verschiedenen Punkte liefern, 
kurz das Fortschreiten der bezüglichen Erfolge versichern sollte. 
Diese 3 wichtigsten Punkte wurden einstimmig von den zahlreich 
erschienenen Spitalsärzten angenommen. 

A. Petit stellt einen Kranken vor, welcher mit doppelseitiger 
Parotitis in Folge Bleivergiftung behaftet ist; die 
Ursache der Speielieldrüsenaffection liegt nach seiner Ansicht in 
der Eliminirung des Pb durch den Speichel. 

Sitzung vom 22. December 1899. 

Alimentäre Vergiftung mit intermittirendem Fiebertypus. 

Bendu beschreibt genau den Fall eines 17 jährigen Mannes, 
welcher nach dem Genuss von Nahrungsmitteln sehr zweifelhafter 
Beschaffenheit unter typhusähnllcbn Erscheinungen (Kopfschmerz, 
Delirien, grosse Schwäche, jedoch keine Darmsymptome) er¬ 
krankte; gleichzeitig trat ein scharlachähnliches Erythem an den 
Extremitäten ein, welches nur einige Tage dauerte und ohne Ab¬ 
schuppung verschwand* Der Verlauf der Krankheit und diese 
Hauteruption liess Typhus ausschliesseu und eher an eine Ver¬ 
giftung mit Nahrungsmitteln denken. Der Fiebercyklus war rein 
intermittirend und erinnerte völlig an das Bild der Tertiana, 5—0 
solcher Fieberanfälle stellen sich so ein, bis das Fieber unter dem 
Einfluss von Chinin völlig fiel. Dieses periodische Auftreten von 
Fieber, sowie die günstige Wirkung des Chinin Hessen auch an 
Malaria denken, in den Antecedentien des Kranken fehlt jedoch 
jeder Anhaltspunkt dafür und so musste obige Diagnose allein ver¬ 
bleiben. Zu den Affectionen, welche in intermittirendem Typus 
auftreten und die man früher ausschliesslich der Malaria zu¬ 
schrieb, kämen nun nach R e n d u ausser der infectiösen Endo- 
carditis und Aortitis die auf Vergiftung mit Nahrungsmitteln be¬ 
ruhenden Erscheinungen. In dem vorliegenden Falle konnten 
weder kalte Bäder noch Abführmittel und Lavements die Fieber¬ 
anfälle modifleiren, sondern nur Chinin in subcutaner Anwendung 
brachte nach der fünften Dosis das Fieber complet zum Stillstand. 

V a r i o t und Chicotot berichten über radioskopische 
Beobachtungen zur Differentialdiagnose zwischen Broncho¬ 
pneumonie und lobärer (croupöser) Pneumonie bei Kindern. Bei 
letzterer sind die Zeichen der Radiographie deutlicher und bestehen 
in einer etwas verminderten Durchsichtigkeit der Lungen und zwar 
häufig auf der Seite, wo die Veränderungen mehr confluirend und 
deutlicher sind; ausserdem sind die Grenzen des radiographischen 
Herzschattens ungenau. Diese Zeichen scheinen V a r i o t nicht 
so sicher wie die der Auscultation und zwischen beiden besteht 
auch meist keine Wechselbeziehung; mit den Fortschritten der 
Radiographie könnte jedoch eine Modiflcation dieser nur provi¬ 
sorischen Beobachtungen eintreten. 

Soci6t6 de pädi&trie. 

Sitzung vom 12. December 1899. 

Der Typhus im Kindesalter. Discussion über die dringenden 
Operationen ohne Einwilligung der Eltern. 

Barbier und Her reu Schmidt bringen die Typhus¬ 
statistik am Spital Trousseau im Jahre 1899. Die Morbidität stieg 
von 4 im Monat März allmählich auf 27 im August und sank 
dann wieder; die Mortalität, Anfangs 8,6 Proc., ist in den letzten 
Monaten auf 4,3 Proc. lierabgegaugen, was für weniger schwere 
Fälle in dieser Zeit spricht. Complicationen (Angina, Stomatitis, 
1 Perforation) war selten, Recidive in einem Viertel der Fälle. 
Die Behandlung bestand in Milchdiät, kalten Lavements von 
1 Liter Wasser Morgens und Abends, kalten Waschungen alle 
2—3 Stunden, Excitantien. Die kalten Bäder, glaubt Barbier, 
können Collaps, wenn auch nicht tödtliclien, verursachen. In einer 
Anzahl von Fällen wurden warme Bäder gegeben, besonders bei 

Original ftom 

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30. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


175 


Delirium, Angstgefühl, Sinken des arteriellen Druckes und zwar 
3. 2, höchstens 3 Bäder pro Tag. 

Der Fall von Perforation, welcher nach der Ansicht von B. 
und H. bei sofortiger Operation sicher hätte gerettet werden 
können, wozu aber die nicht sofort zu erholende Einwilligung der 
Eltern nöthig war, ging tödtlich aus. In der lebhaften Debatte, 
welche dieser Umstand hervorrief, erklärten Lannelongue 
und Sevestre, dass sie in solchen Fällen ohne Scrupel sofort 
operiren würden, selbst auf die Gefahr der strafrechtlichen ^ er- 
folgung, die sich aus den Gesetzen ergibt, hin. Die Sociöte de 
pMiatrie beschloss daher einstimmig folgendes Votum: „Eine 
Anzahl Kinder sterben in den Krankenhäusern nur in Folge 
Hinausschieben einer wuchtigen Operation, welche Verzögerung 
der Nothwendigkeit entspringt, vor der Operation stets die Ein¬ 
willigung der Eltern zu erholen. In solch’ dringenden Fällen 
Bollte der Chirurg ermächtigt sein, ohne diese Einwilligung vor¬ 
zugehen. 

Franz G 16nard spricht sich energisch für die Behand¬ 
lung des Typhus bei Kindern mit kalten Bädern 
aus. Die Typhusmortalität sinkt dabei auf 2,5 Proc., während sie 
bei der gemischten Behandlung 9 Proc., bei der rein medicamen- 
tösen 15 Proc. beträgt. Weder beim kalten Bad mit zu niedriger 
Temperatur, noch bei zu langer Dauer besteht die Gefahr des 
Collapses, w T elche so oft hervorgehoben wird. Derselbe wird viel¬ 
mehr durch ein zu warmes Bad oder ein kaltes Bad, wenn es zu 
spät im Verlaufe der Krankheit, ohne die für das Herz nöthigen 
medicamentösen Mittel gegeben wird, verursacht. Die systema¬ 
tische Behandlung des Typhus bei Kindern mit kalten Bädern 
hält wie bei Erwachsenen Alles, was man sich davon versprechen 
kann und ist der Abdominaltyphus unter dieser Bedingung, aber 
nur unter dieser (systematischen Bäderbehandlung), eine sehr 
gutartige Aflfection. 

V a r i o t und D e v 6 bringen zw T ei Beispiele von bös¬ 
artigem Scharlach, der bei der Uebertragung von einem 
Kinde auf das andere seinen schlimmen Charakter behielt (in 
aüen 4 Fällen Tod nach 2—3 Tagen). Die Erklärung dieser Fälle 
ist noch eine dunkle. Stern. 

Aoadämie de Mädecine. 

Sitzung vom 26. December 1899. 

Die Resultate von 23 Fällen perinealer Urethrostomie. 

Poncet bespricht nochmals diese Operation, w r elche er im 
Jahre 1892 auf dem französischen Chirurgencongress zum ersten¬ 
mal vorgebracht hat und deren Zw eck die Neubildung einer künst¬ 
lichen Harnröhrenöffnuug am Perineum ist. Sie ist angezeigt bei 
Substanzverlusten (äusseren Verletzungen) und bei unheilbaren 
Stricturen der Harnröhre, die weder der inneren und äusseren 
Urethrotomie noch der Urethroplastik zugänglich sind oder bei 
welchen diese Operationen nicht den gewünschten Erfolg gebracht 
haben. Ein Punkt ist vor Allem bei der Urethrostomie hervor¬ 
zuheben, das sind die guten Erfolge der Operation, indem in allen 
Fällen Heilung ohne besondere Zufälle eintrat. Das ist zu erklären 
mit der Leichtigkeit, mit welcher die Miction wrieder möglich ist, 
mit der Wohlausführbarkeit der Blaseuausspülungen, wenn sie 
nothwendig sind, mit dem Ausschluss der Dauersonde und den 
Versuchen, zu katheterisiren. Die Operation, von absoluter Noth¬ 
wendigkeit, opfert ein mehr oder weniger grosses Stück der männ¬ 
lichen Harnröhre, trotzdem bleibt die Miction eine willkürliche, 
die Urinretention eine physiologische, da der Sphincter der Blase 
und Prostata nicht betroffen wird; die Art des Urinirens wird aber 
ähnlich der des Weibes, an w r elche kleine Unannehmlichkeit sich 
der Patient allmählich gewöhnt. Ernster ist die eine schwer¬ 
wiegende Folge der Operation, dass die Geschlechtsfunction nicht 
mehr in normaler Weise möglich ist, worauf man die Patienten 
stets vorher aufmerksam machen muss. 


Die Alkoholomanie und das Serum alkoholisirter Thiere. 

Bei der chronischen Alkoholvergiftung soll es ein sogen, 
latentes Stadium geben, bei welchem vor Eintritt der Verände¬ 
rungen des chronischen Alkoholismus der Alkohol nur als Nerven¬ 
gift wirke; dieser Zustand hat Aehnlichkeit mit der Morphinomanie 
und Broca, Sapelier und Thibault nannten ihn daher 
Alkoholomanie. Eine Anzahl Forscher haben nun früher ge¬ 
funden, dass, wie die Gifte bacterieilen Ursprungs, ebenso die ani¬ 
malischen, vegetabilischen oder mineralischen, besonders die¬ 
jenigen, an welche sich der Organismus leicht gewöhnt, im Blute 
antitoxische Substanzen oder Stimuline (Metschnikoff) ent¬ 
wickeln. Jedes dieser Stimuline, mit dem Serum in einen anderen 
Organismus injicirt, verleiht demselben eine grössere Resistenz in 
Bezug auf das correspoudirende Gift. Es wurde von obigen 
3 Forschern beim Pferd eine künstliche Alkoholgewöhnung her¬ 
vorgerufen, indem das Thier per os Alkohol gerne nahm. Dessen 
Blutserum w r urde nun Thieren injicirt, die vorher die Gewohnheit 
und selbst Vorliebe für den Alkohol hatten, und hat bei diesen 
einen solchen Abscheu vor dem Alkohol erzeugt, dass sie lieber 
kein Getränk oder gar keine Nahrung zu sich nahmen als weiter 
den Alkohol zu nehmen. Die in dem Serum enthaltene, noch un¬ 
bekannte Substanz wird Antiethylin genannt; bei den Thieren ver¬ 
ursachte die subcutane Injection selbst hoher Dosen von diesem 
Serum keine locale oder allgemeine toxische Erscheinung irgend 

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welcher Art. Die au Trinkern oder Alkoholikern gemachten Er¬ 
fahrungen bestätigen die Thierexperimente, dieselben verlieren 
durch das Antiethylin den Geschmack am Alkohol, stark alko¬ 
holischen Getränken, wfle Absinth, Rum u. s. w., bekommen wieder 
Lust an Wein (!) und gewinnen ihren Appetit und ihre Kräfte 
wieder. Die Wirkung des Antietliylins scheint sich auf die ge¬ 
nannte. sogen, latente Periode des Alkoholismus zu beschränken 
und hat sich bis jetzt noch nicht gegen die durch den Alkohol be¬ 
wirkten organischen Veränderungen bewährt. 

Hannecart und T e r r i e n berichten über einen Fall 
primärer Conjunctivitis diphtheritica, welcher mit Heilserum 
behandelt und g e h e i 11 wurde (durch eine einzige Injection von 
4 ccm subcutan und 3 gtt. unter die Cöujunctiva); sie scliliessen 
daraus, dass die Diphtherie der Augen ebenso zu behandeln sei, 
wie die übrigen Erscheinungen der Krankheit. 


Aus den englischen medicinischen Gesellschaften. 

Birmingham and Midland Counties Branch etc. 

Sitzung vom 12. October 1999. 

Das Herz bei Influenza. 

Saundby führte aus, dass bei dieser Krankheit das Herz 
sehr häufig mit afficirt sei, doch habe man in der Literatur dieser 
Thatsache bisher nur w'enig oder gar keine Beachtung geschenkt. 
Bei gelinderen Fällen beobachtet man nur Aenderungen in der 
Stärke, der Frequenz und dem Rhythmus des Pulses. Es könne 
nach einer Influenzaattaque Monate lang ein schwacher, inter- 
mittirender und unregelmässiger Puls gefunden werden, Hieraus 
erkläre sich wohl auch zu einem grossen Theile die so häufig zu 
beobachtende Hinfälligkeit und geistige Niedergeschlagenheit nach 
Influenza. Bei intensiveren Fällen ist das Herz erweitert und 
bietet die Zeichen von Erschöpfung dar. Zur Behandlung empfiehlt 
Saundby namentlich eine rationelle Schott’sehe Cur, sei es in 
Nauheim oder einem anderen mit den nöthigen Einrichtungen aus¬ 
gestatteten Orte. Philipp i. 


Verschiedenes. 

Gurlosa aus der Praxis. 

Heilung eines Gesichtserysipels durch Ich¬ 
thyolsalbe in 24 Stunden! 

In der Sprechstunde erscheint der polnische Fabrikarbeiter 
... ow T ski hochfiebernd, mit blaurothem, stark angeschw'ollenem 
Gesichte, auf dem sich in der Stirn- und Wangengegend einzelne 
Blasen zeigen, die Augen kaum sichtbar wegen Lidoedem. Dia¬ 
gnose: Erysipelas (bullös.) faciei. Therapie: Bettruhe, Diät, 10 proc. 
Ichthyolsalbe (50 g). 

Am nächsten Morgen kommt die Frau des Patienten sehr er¬ 
regt in mein Sprechzimmer und macht mir Vorwürfe, dass ich 
ihrem Manne eine so entsetzlich schmeckende und so heftig wir¬ 
kende Medicin verschrieben habe. In ihrem polnischen Dialecte 
schildert sie, dass ihr armer Josef die ganze Nacht „zu Hof“ ge- 
gegangen sei und grässliche Leibschmerzen gehabt habe; auch habe 
er immer jammernd den Esslöffel voll Medicin lange Zeit in der 
Hand gehabt, ehe er sich entschliessen konnte, den entsetzlich 
schmeckenden Teufelsdreck liinunterzuwürgen: er habe auch nicht 
Alles genommen, nur dreimal einen Esslöffel voll. — Ich konnte 
mir, trotz des Ernstes der Situation, kaum das Lachen verbeissen. 
Ich versprach zu kommen und besuchte kurz darauf den Mann, 
den ich wirklich nicht mehr erkannte. Zwei grosse blaue Augen 
schauten mich aus dem gerunzelten, mit grossen Schuppenlamellen 
bedeckten Gesichte dankbar an. „Hot ganz abscheilich geschmeckt, 
hot sich aber gut geholfen die Medicin von Panje Doetor!“ rief 
er mir entgegen. Er w r ar vollkommen fieberfrei, keine Spur von 
Erythem war zu sehen, die Kopfschmerzen waren verschwunden. 
Der Salbentopf war bis auf einige Gramm geleert. Der gute Polen- 
solm hatte die Salbe, statt sie nach Vorschrift aufzustreichen, 
auf ge—gesseu. Trotz dieses eclatanten Erfolges habe Ich bis jetzt 
Ichthyol bei Erysipel noch nicht innerlich verordnet. 

Dr. F. Mosbaeher - Bochum. 

Ein neuer Speitopf für Phthisiker. 

Die häufigen Beobachtungen von Uebertragung der Tubercu- 
lose durch das Sputum Tubereulöser, Beobachtungen, die durch 
die Untersuchungen von C o r n e t und Flügge eine experimen¬ 
telle Stütze gefunden haben, veranlassten mich, einen Speitopf zu 
construiren, der eine möglichste Isolirung und event. Desinfection 
des Sputums zuliess, dabei aber dem behandelnden Arzte jeder¬ 
zeit die Uebersicht über den Auswurf gestattete und nicht wfle bei 
den sonst treffliehen D e 11 w e i 1 e r’sclien Fläschchen, ausser¬ 
ordentlich schnell gefüllt ist. Das Gefäss, das die allgemein in 
Krankenhäusern übliche Form hat, trägt einen halbkugeligen Ver¬ 
schluss, der durch leichten Druck des Kranken geöffnet wird, 
nach Gebrauch sich wieder von selbst sch Hess t. Der Ver¬ 
schluss als solcher ist durch eine leichte Drehung vom Glasgefäss 
abzunehineu, letzteres daher leicht zu reinigen. 

Wie in der Privatpraxis, so glaube Ich noch vielmehr, dass 
in Krankenhäusern, Lungenheilanstalten, w r o viele schwer Tuber- 
culöse Zusammentreffen, eine Isolirung des Auswurfes — zumal 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



176 


MÜNCHENER MEDICINISCHE .WOCHEN SCHRIFT. 


wenn er etwa übelriechend ist — schon im Interesse der anderen 
Kranken und des Pflegepersonals angestrebt werden muss. Habe 
ich ja des Oefteren bemerkt, dass in Berliner Krankenhäusern die 



Speigefässe mit runden Holzdeckeln, die lose herumlagen, als 
Nothbehelf zugedeckt wurden. Endlich dürfte es wohl auch dem 
im Laboratorium beschäftigten Collegen angenehmer sein, ein ge¬ 
schlossenes Gefäss vor sich zu sehen, als das Sputum immer frei 
vor Augen zu haben. Den Vertrieb des Speigefässes hat die 
Firma Wiskemann & Co. in Cassel bereitwilligst über¬ 
nommen. Dr. Jungmann. 

Hofgeismar, den 8. December 1899. 


Zur 4. Ausgabe des Arzneibuches für das Deutsche Reich. 

Der Entwurf zur 4. Ausga.be des Arzneibuches für das 
Deutsche Reich (Pharmakopoea Germanica Editio IV), welcher zur 
Zeit dem Bundesrath zur Beratliung vorliegt, enthält u. a. folgende 
Aenderungen und Zusätze, welche für die medicinischen Kreise 
von besonderem Interesse sind. 

Neu aufgenommen sind die Artikel: 

Adeps Lanae anhydricus, Adeps Lanae cum Aqua, Aether pro 
narcosi, Alcohol absolutus, Arecolinum liydrobromicum, Baryum 
chloratum, Bismutum subgallicum, Bromoformium, Coffelno- 
Natrium sallcylicum (für Coffeino- Natrium benzoicum), Gelatina 
alba, Hydrargyrum salicylicum, Hydrastininum hydrochloricum. 
Mel, Methylsulfonalum, Oleum camphoratum forte, Oleum Chloro- 
formii, Oleum Santall, Pilulae Ferri carbonici Blaudli (für Pilulae 
Ferri carbonici), Pyrazolonum phenyldimethylicum salicylicum, 
Semen Erucae, Serum antidiphthericum, Tela depurata, Tubercu- 
linum Kocld, Unguentum Adipis Lanae, Vinum Cliinae. 

Gestrichen sind folgende Artikel: 

Auro-Natrium chloratum, Coffeinum natrobenzoicum, Kalium 
aceticum, Keratinum, Liquor Ferri subacetici, Moschus, Pilulae 
Ferri carbonici, Thallinum sulfuricum, Tinctura Ferri acetici 
aetherea, Tinctura Moschi; die bisherigen besonderen Artikel 
Tabulae und Trochisci sind durch eine erweiterte Fassung des 
Artikels Pastilli erledigt worden. 

Die Aufnahme von Mitteln, welche durch Patent geschützt 
sind, ist thunlichst vermieden worden. An Stelle der, einzelnen 
Personen geschützten Namen für Arzneimittel sind die wissen¬ 
schaftlichen Bezeichnungen der betreffenden Mittel gesetzt worden. 

Die Bezeichnungen der III. Auflage sind dahin abgeändert 
worden: 

Für Diuretin in Theobromin um natrio-sali- 
c y 11 c u m = Tlieobrominnatriosalicylat; 

für Salol in Phenyl um salicylicum = Phenyl- 
salicylat; 

für A n t i p y r i n in Pyrazolonum phenyldime¬ 
thylicum = Phenyldimethylpyrazolon. 

Unter den neu aufgenomnienen Mitteln haben folgende aus 
gleichen Gründen eine Aenderung der sonst üblichen Bezeichnung 
erfahren: 

Salipyrin in Pyrazolonum phenyldimethy¬ 
licum salicylicum = Salicylsaures Phenyldimethylpyra¬ 
zolon ; 

Dermatol in Bismutum subgallicum = Basisches 
Wismuthgallat; 

Lanolinum in Adeps Lanae cum Aqua = Wasser¬ 
haltiges Wollfett; 

T r i o n a 1 in Methylsulfonalum = Methylsulfonal. 

Da in der pharmaceutischen Presse gegen die Richtigkeit des 
Namens für Trional Bedenken geäussert worden sind, so sei auf 
Folgendes hingewiesen: 

Die empirische Formel des Sulfonal ist: C 7 H 16 S 2 0 4 , 
und seine Constitutionsformel: 


CH 3v S 0 2 C 2 Hft 

\C{ 

Ch/ X 802 C 2 H & 


d. h. es ist ein Diaethylsulfondimethylmetlian. 

Die empirische Formel des Triouals ist: C* H,„ S. 0 4 ; 
das Trional unterscheidet sich vom Sulfonal also durch ein Plus 
von CH 2 . Ersetzt man nämlich ein II-Atom einer CH, (Methyl-) 
Gruppe im Sulfonal durch eine Methyl gruppe, so wird die ur¬ 
sprüngliche Methylgruppe zur A e t li y 1 gruppe; die Constl- 


t u t i o n s formel des methylirten Sulfonals = Trional ist 
demnach: 


CHs—CH 2 
CHs 


\n/ 


SO2C2H5 

SO2C2H5 


C2H5 SO2C2H5 
\q/ 

ch / X SO a CiHb 


d. h. es ist ein Diaethylsulfonmethylaethylmethan. 

Die Tabelle A (Maximaldosen) hat eine wesentliche Uinge- 
gestaltung erfahren: 


Von den neu aufgenommenen Mitteln haben Max imaldo.se 11 
erhalten: • • 

Bromoformium.0,5 

Coffeiuo-Natrium salicylicum .1,0 

Hydrargyrum salicylicum.0,02 

Hydrastininum hydrochloricum .0,03 

Methylsulfonalum .2,0 

Von den bereits im Arzneibuche 3. Ausgabe enthaltenen Mit¬ 
teln, die noch keine Maximaldosen besassen, erhalten: 


1,5 

3,0 


0,1 

4,0 


Herba Lobeliae .0,1 0,3 

Podopliyllinum .0,1 0,3 

Pulvis Ipecacuaahae opiatus.1,5 5,0 

Bei folgenden aus der 3. Ausgabe in die 4. Ausgabe über- 
gegangeneu Mitteln wurde die Einzelgabe wie folgt abgeändert: 

Extractum Hyoseyami .0,2 in 0,1 

Fructus Colocynthidis.0,5 in 0,3 

Gutti .0,5 in 0,3 

Herba Conii.0,5 in 0,2 

Herba Hyoseyami .0,5 in 0,4 

Kreosotum .0,2 in 0.5 

Scopolaminum hydrobromieum. 0,0005 in 0,001 

Für die Tages gäbe ist im Allgemeinen die drei fache E i n - 
z e 1 gäbe festgesetzt worden mit folgenden Ausnahmen: 

Amylenum hydratum.4,0 8,0 

Chloratum formamidatum.4,0 8,0 

Chloratum hydratum.3,0 6,0 

Extractum Strychni.. 0,05 0,1 

Folia Digitalis.0,2 1.0 

Methylsulfonalum .2,0 4,0 

Paraldehydum .5,0 10,0 

Pilocarpinum hydrochloricum . 0,02 0,04 

Semen Strychni .0,1 0,2 

Strychninum nitricum.0,01 0,02 

Sulfonalum.2,0 4,0 

Theobromiuum natrio-salicylicum.1,0 6,0 

Tinctura Strychni.1,0 2,0 

Abrundungen nach oben finden sich bei allen Mitteln, 
die in der Eiuzeldosis die Ziffern 15 oder 3 auf weisen: 

Argentum nitricum. 0,03 0,1 

Extractum Opii.0,15 0,5 

Fructus Colocynthidis.0,3 1,0 

Gutti .0,3 1,0 

Hydrastininum hydrochloricum. 0,03 0,1 

Morphinum hydrochloricum. 0,03 0,1 

Opium.0,15 0,5 

Pulvis Ipecacuanhae opiatus.1,5 5,0 

Tinctura Digitalis.1,5 5,0 

Tinctura Opii crocata und Simplex.1,5 5,0 


Preussischer Cultusetat. 

Ueber die im preussischen Cultusetat enthaltenen Forde¬ 
rungen für Medicin und die medicinischen Facultäten entnehmen 
wir der Berl. klin. Wochensehr, folgende Angaben: 

Unter allen, die Medicin betreffenden Positionen des Cultus- 
etats ist die grösste und wohl auch überraschendste eine Forde¬ 
rung von 1100 000 M., welche zur Deckung eines Fehl¬ 
betrages bei der Kgl. Charitö bestimmt ist. Dieser 
Fehlbetrag ist dadurch entstanden, dass die Bettenzahl (wie be¬ 
kannt) in den letzten Jahren wesentlich eingeschränkt ist: sie be¬ 
trug früher 195G, jetzt nur noch 1454. Dieser Ausfall bedeutet 
eine Mindereinnahme von ca. 300 000 M. jährlich, und soll durch 
die vielfach besprochene Erhöhung der Verpflegungssätze wett 
gemacht — das inzwischen angewachsene Deficit aber durch ein¬ 
malige Zahlung beseitigt werden, damit dann ein wirthschaft- 
liches Gleichgewicht eintritt. Eine Erhöhung des Freibettenfonds 
der Cliaritö um 13 687.50 M. wird hier übrigens einen, wenn auch 
nur geringfügigen Ausgleich bilden. 

Im Uebrigen werden für Fortführung des Charitö- 
Umbaues im diesjährigen Etat nur 550 960 M. flüssig gemacht 
Dieselbe vertheilen sich wie folgt: Neubau der Kinderklinik, 
I. Rate 150 000 M.; Neubau der psychiatrischen und Nervenklinik, 
III. Rate 13 060 M., Aussenanlagen hierfür 100 000 M.; Neubau der 
Hals-, Nasen-, Ohrenklinik, II. Rate 58 300 M.; innere Einrichtung 
hierfür 19 800 M., Verwaltungsgebäude, innere Einrichtung, 
27 500 M.; Kapelle, innere Einrichtung, 10 500 M.; endlich Ankauf 
des Grundstücks Luisenstr. 3 für das Institut für Röntgenunter¬ 
untersuchungen und Einrichtung des Hauses Luisenstrasse 13 zur 
provisorischen Unterbringung der Augenklinik 117 300 M. 

Die eben erwähnte Einrichtung eines besonderen Baues für 
das Institut zur Untersuchung mit Röntgenstrahlen stellt 
auch eine der wesentlichsten Neuerungen im Etat für die Uni¬ 
versität Berlin dar. Sie erscheint im Ordinariat als Forderung des 
Gehalts für einen ausserordentlichen Professor mit 
4150 M.; für einen Assistenten 1350 M.; für photographische Hilf- 
leistungen 1900 M., endlich für Ausgaben 8250 M.; im Extraordi- 


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Original frorri 

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30. Januar 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


177 


narium werden für Einrichtung des Hauses zum gedachten Zweck 
12 850 M. ausgeworfen. Es wird jedenfalls allgemein befriedigen, 
dass diese Disciplin als Lehrgegenstand anerkannt, die Einrich¬ 
tungen hierfür auf die Höhe der Zeit gehoben werden und der 
bisherige Director eine seinen Verdiensten und seiner Mühewal¬ 
tung entsprechende Stellung erhält. 

Endlich erhöht sich der Cliaritöetat um 48 000 M. in 
Folge der Uebernahme der Krankenabtheilung des Instituts 
für Infeetionskranke. Für die Hundswuthabt hei- 
lung sind mehr 3000 M.. für Aufnahme von Kranken, welche ein 
besonderes wissenschaftliches Interesse bieten, 4000 M. ausge¬ 
worfen. 

Im Uebrigen werden für Berlin mehr verlangt: im Ordi¬ 
när i« m ein (künftig wegfallendes) Ersatzordinariat, bedingt 
durch Geh. Rath Schweigger’s Pensionirung mit 5400 M.; 
Physiol. Institut, Assistentenstelle 1350 M.; Erhöhung des Fonds 
2500 M.; Med. Poliklinik, Zuschuss 2000 M.; I. und II. Med. Klinik 
für wissenschaftliche Zwecke 3500 M.; chir. Poliklinik der Charite 
3800 M.; Hals-, Nasen- und Ohrenklinik, für wissenschaftl. Zwecke 
2700 M.; psychiatr. Klinik dessgl. 1000 M.; Poliklinik für Ilaut- 
und Geschlechtskranke, Fonderhöhung 2000 M. Für die Ber¬ 
liner Universität iusgesammt beträgt die Erhöhung im Ordi- 
uarium nicht weniger als 208483 M. Im Extraordinariura 
erscheint besonders beachtenswerth eine Forderung von 29 500 M. 
für den Unterricht in der Hydrotherapie, wovon 9500 M. 
auf bauliche Einrichtungen hierzu im Maschinenbaus der Charitö, 
20 000 M. auf Anschaffung von Apparaten entfallen; ob diese For¬ 
derung mit der neuen B r i e g e r’schen Professur in Zusammen¬ 
hang steht, ist nicht ersichtlich. Sonst sind zu notireu: Anatom. 
Institut. Anschaffung von Mikroskopen 5000 M., Deckung von Fehl¬ 
beträgen beim physiol. Institut 7500 M„ bei der meicin. Poliklinik 
4500 M„ bauliche Veränderungen am pliarmakol. Institut 9400 M., 
am anatom. Institut 5870 M., am Klinikum 12 300 M., Instrumente 
und Apparaten für die psychiatr. Klinik 18 000 M. 

Von den übrigen Universitäten erwähnen wir nur die wesent¬ 
lichsten Mehrforderungen: 

Königsberg. Ord. Umwandlung eines Ersatzordinariats 
für Hygiene in ein Ordinariat 2750 M. Assistenzarzt an der 
Frauenklinik 1200 M. Extraord. Hygien. Institut, Neubau, 
II. und letzte Rate 27 500 M., Beschaffung von Instrumenten 
6000 M.. Errichtung einer Baracke für Trachomkranke an der 
Augenklinik 25 000 M. 

Greifswald. Ord. Ersatzordinariat (innere Medicin) 
0240 M., Prosectur am anatom. Institut 2000 M. Frauenklinik, 
Assistent 1200 M., Fondverstärkung 8000 M. Augenklinik, Assi¬ 
stent 1200 M., Fond Verstärkung 1000 M. Extra ord. Anatom* 
Institut. Instrumente 7000 M., bauliche Aenderuugen 5000 M., 
dessgl. im Krankenhaus 23 500 M., Chirurg. Klinik, Instrumente 
9000 M., Neubau der Chirurg. Klinik (auf 553 (HK) M. veranschlagt) 
I. Rate 120 000 M., Frauenklinik, Um- und Erweiterungsbau 
I. Rate 120 000 M., Hygien. Institut, Instrumente 6000 M. 

Breslau. Ord. Anatom. Institut Fondverstärkung 
3000 M., Physiol. Institut Assistent 800 M. Klinische Anstalten 
Fondverstärkung 6000 M., Medicin. Klinik Assistent 1200 M„ 
Kinderkrankenhaus Assistent 1200 M., do. Fond Verstärkung 
2000 M. E x t r a o r d. Anatom. Institut Neubau, Ergänzungs¬ 
rate 10 000 M., Klin. Anstalt Fehlbeträge 20 000 M., Kinderklinik 
Neubau, I. Rate 100 000 M. (Anschlag 118 500 M.), Hygien. Institut, 
Instrumente 5000 M. 

Halle. Ord. Chirurg. Klinik, Oberarzt 800 M. Extra- 
o r d. Erweiterung der medic. Klinik 97 400 M. (bezieht sich auf 
bessere Unterbringung syphilitisch Kranker, von deren bisherigem 
Aufenthalt In Kellerräumen der Etat eine sehr erbauliche Schil¬ 
derung gibt!) Pharmakologisches Institut, Instrumente 6000 M.. 
Hygienisches Institut, Brutzimmer 7500 M. 

Kiel. O r d. Ordentliche Professur für Psychiatrie 6160 M. 
Patholog. Institut, Prosectur 800, Kliniken Freistellen 7665, Chir. 
Klinik. Fonderhöhung 17 000 M., Hals-, Nasen-. Ohrenklinik Sub¬ 
vention 1800 M. E x t r a o r d. Erweiterungsbau der Frauen¬ 
klinik, Ergänzungsrate 12 000 M„ Medic. Klinik, Neubau, III. Rate 
120 000 M„ Irrenklinik, Neubau, III. Rate 250 000 M., Hygien. 
Institut, Einrichtung von Arbeitsplätzen 5000 M., Chir. Klinik, 
bauliche Veränderungen 9500 M. 

G ö 111 n g e n. Ord. Anatom. Institut. Fondverstärkung 
4227 M. Extraord. Anat. Institut, Neubau 5750 M., Hygien. 
Institut, Apparate 5000 M. Klin. Anstalten, Fehlbetrag 18 800 M„ 
Poliklinik für Ohrenkrankheiten, Erweiterungsbau, 8000 M. 

Marburg. Ord. Chirurg. Klinik, Fondverstärkung 
11000 M. Augenklinik desgl. 800 M. Extraord. Anatom. 
Institut, Neubau, II. Rate 150 000 M. Hygien. Institut, zur Fort¬ 
setzung der Versuche mit Tuberkelgiften bei Rindertuberculose 
9000 M., Chirurg. Klinik, Fehlbetrag 12 500 M. 

Bonn. Ord. Ohrenklinik, Subvention 600 M. Extraonl. 
Med. Klinik, Instandsetzungsarbeiten 40 000 M., Hautklinik desgl. 
und Anschaffung von Apparaten 8000 M., Augenklinik, Neubau, 

I. R. 120 000 M., Hygien. Institut, Instandsetzung 4800 M. 

Das Institut für experimentelle Therapie in 
Frankfurt a. M. erscheint mit einer Forderung von 65 000 M., 
davon Gehalt für den Director 6900 M., sonstige persönliche Aus¬ 
gaben 12 500 M., sachliche Ausgaben 45 600 M. Dem gegenüber 
stehen an Einnahmen 38 000 M. Gebühren für Serumprüfung und 
dergleichen, 10 000 M. Zuschuss der Stadt Frankfurt. 

Das Leprahelm im Kreise Memel macht 5000 M. Mehr¬ 
ausgabe nöthig (im Ganzen jetzt 15 000 M.), das Hygienische In¬ 
stitut in Posen 4500 M. Für Bekämpfung der Granulöse sind 

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wie im Vorjahr 35000 M., für Studium der Maul- uud Klau e n - 
scuche 30 000 M. ausgeworfen, die Curse in Psychiatrie für 
die Regierungsmedicinalriithe erfordern wiederum 40 000 M. 

Mittel zur Ausführung der sogen. Medicinalreform 
sind im diesjährigen Etat noch nicht vorgesehen. 

Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher. 
Unserer heutigen Nummer liegt, im Anschluss an den auf S. 158 
enthaltenen Nekrolog, das Porträt Sir J a m e s I* a ge t’s bei. Da¬ 
mit ist das erste» Hundert unserer Blätter vollendet. Wir hoffen, 
dass die Sammlung dauernd den Beifall unserer Leser hat und 
werden ihr in dieser Annahme auch in Zukunft die grösste Auf- 
nierksa mkei t zu wenden. 

Therapeutische Notizen. 

C a r b o 1 s li u l* e als Specific u m g e g c ii T o t a n u s. 
D. F. Woods- Philadelphia berichtet, dass er bei den vielen 
Fällen von Tetanus, die er nach verschiedenen Methoden behan¬ 
delt hatte, nur eine Heilung erzielte und zwar durch Anwendung 
der Carbolsäure in heroischen Dosen. Er wendet dieselbe zunächst 
in Form hypodenuatischer Injeetion einer 10 proc. Carbollösung au. 
zuerst 10 Tropfen, nach einer Viertelstunde 20, nach einer weiteren 
Viertelstunde 30 Tropfen, mit dieser Dosis wird in V*—2 stünd¬ 
lichen Pausen fortgefahren bis Patient wieder schlucken kann, 
was in dem beschriebenen Falle im Verlaufe des zweiten Tages 
eiutrat. Von da ab wurde die Lösung in der Dosis von 3—5 g 
mit Glycerin zunächst dreistündlich, dann in allmählich abneh¬ 
mender Menge und Frequenz weitergegeben. Diese Heilwirkung 
der Carbolsäure wird durch eine weitere Beobachtung von H. B. 

C o x an einem mit Tetanus erkrankten Pferde bestätigt. (New- 
York medical Journal, 9. Sept. 1899.) F. L. 

Behandlung der tertiären L u e s durch intra- 
musculäre Injeetion unlöslicher Quecksilber - 
salze. 

J. Coplin Stinson - San Francisco empfiehlt auf Grund 
seiner Erfahrungen die Injeetion der unlöslichen Quecksilbersalze, 
insbesondere des salicylsauren Hydrarg.vrums zur Behandlung der 
tertiären Formen. Dasselbe wird von der Mehrzahl der Patienten 
gut vertragen, Abscessbildung wurde von ihm nie beobachtet, die 
Resorption ist eine sehr rasche. Er verwendet eine sterilisirte 
Lösung von 0,1 g Hydrarg. salicyl. auf 2,0 g Ol. amygdal. dulc. 
pro Injeetion. Dieselbe wird in der Gegend der Nates intramus- 
eulär unter Beobachtung der Regeln der Antiseptik npplicirt. 
und ist beinahe schmerzlos. Er empfiehlt bei den Tertiürformen 
3 Jahre hintereinander . jährlich 4 mal eine Serie von 9—10 In- 
jectiouen (2 mal wöchentlich), daneben den Gebrauch von Jodkall. 
Ein Fall derart behandelter Gehirnsyphilis wird beschrieben. 
(New-York Med. Journ., 2. September 1899.) F. L. 

Vergiftung mit C o 1 o q u i n t h e n. W. E. Jen- 
n i n g s - Brooklyn berichtet, über einen Fall von Coloquintlieu- 
vergiftung, welcher trotz der enormen Dosis In Heilung ausging. 
Eine 29 jährige Frau nahm, um künstlichen Abortus herbeizu- 
fiihren, eine ganze Coloquintlienfrucht (10—15 g) in ca. 120 g 
Gin (Wachholderschnaps) aufgelöst innerhalb 24 Stunden. Die 
ersten Intoxicationssymptome traten eine Stunde nach Einnahme 
der ersten Dosis auf. Heftige Gastroenteritis folgte. Die Maximal¬ 
dosis des Mittels betrügt 1 g pro die, tödtliche Vergiftungen sind 
schon bei 3 g beobachtet worden. Eine Abortivwirkung trat trotz 
der hohen Dosis und der starken Rection nicht ein. (New-York 
med. Journ., 2. September 1899.) F. L. 

n.- - 

Naclitscbwoisse. In der Therapeutic Gazette vom 
15. März 1899 empfiehlt Coston die Kamphersäure als bestes 
Mittel gegen die schwächenden Naehtschweisse, wie sie besonders 
nach acuten Infectionskrankheiten, Typhus u. s. w., auftreten. 
Eine einmalige Dosis von 1—2 g genügt meist für mehrere Tage 
Das Pulver wird am besteu eine Stunde vor dem zu erwartenden 
Schweissausbruch trocken auf die Zunge genommen uud mit 
Wasser oder Milch hinuntergespült. F. L. 

Heisse Bäder bei Chlorose. B rosin erzielte mit 
der Anwendung heisser Bäder bei ca. 50 Fällen von Chlorose sehr 
gute Resultate. Die Behandlung besteht in der dreimal wöchent¬ 
lich erfolgenden Darreichung eines Bades von 32 0 R., 15—30 Minut. 
lang, während desselben kalte Compresseu auf den Kopf, nach dem 
Bade eine kurze kalte Douclie und tüchtige Abreibung. Die 
Proeedur wird 4—6 Wochen lang fortgesetzt. Das subjective Be¬ 
finden bei dieser Behandlung ist ein vorzügliches, die lästigen Sym¬ 
ptome kommen sehr rasch zum Schwinden. (Progressive Medicine. 
Juni 1899.) F. L. 

Flatulenz. In der Union Mödicale du Canada wird 
zur Verhütung dyspeptischer Fermentation der Gebrauch eines 
Pulvers von 0,1 g Beta-Naphthol und 0,4 g Carbo ligni pulv. un¬ 
mittelbar nach der Mahlzeit empfohlen. F. L 

H y p o (1 e r in a t i s c h o A n w e n d u n g d e s P i p e r n - 
zins. G i o f r e <1 i berichtet in der Gazetta degli Ospedali vom 
20. August 1S99 über einen Fall von (licht, in welchem es ihm ge¬ 
lang. eine bisher alleu Mitteln trotzende Uratablagerung in der 
Sehnenscheide des Peroneus longus durch 10 direct in den Tophus 
applicirte Einspritzungen von je 0,5 g Piperazin, welche in 0,5 g 

Original fro-rri 

UNIVERSUM 0F CALIFORNIA 



178 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5* 


AVasser gelöst waivn, zu definitivem Schwinden zu bringen. Die 
Schmerzhaftigkeit der Injection lässt sich durch vorhergehende 
Anwendung eines Aetliersprays und folgende Application eines 
Eisbeutels vermeiden. F. L. 

Influenza. B a c e 11 i empfiehlt bei Influenza die An¬ 
wendung folgender von ihm erprobter Combination: 

Rp. Chinin, salicyl. 0,2 

Phenacetin 0,15 

Camphor. 0,0*25 

M. f. p. Dt. tal. dos. No. VI. 

S. Innerhalb 24 Stunden zu nehmen. 

(Duzettu degli ospedali e delle cliniche.) F. L. 

Z u r T h e r a p i e de s E r y s i p e 1 s. Auf Grund einer 
5 jährigen Beobachtung über den Werth der verschiedenen Be¬ 
handlungsmethoden des Hauterysipels kommt Fischer zu dem 
Schlüsse, dass die Alkoholbeliandliing die besten Resultate gibt. 
Das von ihm angewandte Verfahren ist ein sehr einfaches. Die 
befallene Hautpartie wird ein paar Mal lose mit Mullbinden um¬ 
wickelt und der Verband mit 85—05 proc. Alkohol durchtränkt, 
durch Nachgiessen ist derselbe stets feucht zu erhalten. In der 
Regel genügen 1—3 Liter Alkohol die Affeetion zur Heilung zu 
bringen. Abseessbildung wird, wenn auch nicht ganz vermieden, 
doch sehr selten und in geringem Maasse beobachtet. 25 derart 
behandelte und geheilte Fälle werden mitgetheilt. Die Methode ist 
nach Ansicht des Autors auch bei Phlegmonen und anderen ent¬ 
zündlichen Processen angezeigt. (St. Petersburg, med. Wochenschr. 
No. 38. 1808.) F. L. 

Behandlung der Rhinopharyngitis bei klei¬ 
nen Kindern. Gastou empfiehlt als einfachste locale Be¬ 
handlung obiger Affectiouen die 3—4 mal täglich zu wiederholende 
Einführung eines Wattetampons, der mit Borvaseliu, eventuell 
mit Zusatz ciues Adstringens nach folgender Formel getränkt ist: 

Rp. Antipyrin 0,5—1,0 

Acid. boric. 0,3 

Vaselin ad. 20,0 

M. f. ugt. 

Begegnet die Einführung der Tampons grossem Widerstande, 
so können statt dessen Morgens und Abends eiu paar Tropfen 
einer 10 proc*. Lösung von Menthol in Mandelöl in jedes Nasenloch 
eingeträufelt werden. Ist directe locale Behandlung des Pharynx 
angezeigt, so erfolgt dieselbe am Besten durch Schluckenlassen 
einer Jodglycerinlösung zu gleichen Theileti. i.Tourn. of the 
Amor. Med. Ass.. 2. Sept. 185«).) F. L. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 30. Januar 1900. 

— Nach offieiöser Mittheilung wird der Entwurf eines Ge 
s e t z e s über die Bekämpfung gemeingefähr¬ 
licher Krankheiten Anfangs Februar im Reichstag ein¬ 
gebracht werden. 

— Auf Antrag des Cultusmiuistors hat der Prinzregent einigen 
hervorragenden auswärtigen Theilnehmern der Münchener Natur¬ 
forscherversammlung Auszeichnungen verliehen, nämlich dein 
Geheimen Admiralitätsrath N e u m a y e r - Hamburg das Kom- 
tliurkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone, F r i t h j o f 
Nansen die* erste Classc des Verdienstordens vom Heiligen 
Michael und die zweite ('lasse desselben Ordens dom Professor 
C h u n - Leipzig. 

— Einen schweren Verlust erleidet das bayerische Militär¬ 
sanitätswesen durch den aus Gesundheitsrücksichten erfolgten 
Rücktritt des Generalstabsarztes der Armee, Dr. v. V o g 1. V. 
hat sich während seiner langen militärärztlichen Laufbahn um 
das Militärsanitätswesen die grössten Verdienste erworben. Selbst 
durch eigene klinische Arbeiten ein hervorragender Förderer der 
Wissenschaft, hat er vor Allem die wissenschaftliche Weiterbildung 
der Militärärzte sich zur Aufgabe gemacht: sowohl als Vorstand 
des Operationscnrses für Militärärzte, wie als Generalstabsarzt 
hat er hierin Grosses geleistet. Die jüngere militärärztliche 
Generation wird ihm dafür immer zu Dank verpflichtet sein. Von 
allerhöchster Stelle wurden V o g l’s Verdienste anlässlich seines 
Rücktrittes durch die Verleihung des Ranges als Generalleutnant 
mit dem Prädicate Excellenz anerkannt. 

— Der Senat von Hamburg hat der Bürgerschaft eine Vor¬ 
lage zugehen lassen, durch welche mit dem Seemannskrankenhaus 
(*in Institut für Schiffs - und Tropenkrankheiten 
verbunden werden soll. Die Errichtung des Instituts geschieht auf 
Grund eines Uebereinkommens mit der Colonialabtheiluug des aus¬ 
wärtigen Amtes Hamburg übernimmt die Errichtung des In¬ 
stituts. an dessen Spitze ein Chefarzt gestellt wird, der von Ham¬ 
burg im Einvernehmen mit der Colonialabtheilung ernannt wird. 
Das Colonialamt betheiligt sich financiell an den Kosten der Er¬ 
richtung des Instituts. Der Senat beantragt jetzt zunächst bei 
der Bürgersschaft die Bewilligung einer Summe von 110000 M. 
zum Zweck des Umbaus des Seemannskrankenhauses. 

— Von der Direotion der Berl. Charite werden mit Genehmigung 
des Cultusministeriums Ende Februar und im Monat März für 
Aerzte. namentlich Cassenärzte, regelmässig jeden Donnerstag, 
Abends 7 ‘/ a Uhr, im Charitekrankenhause unentgeltlich V o r - 

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träge über den Werth und die Methoden der 
Frühdiagnose der Tuberculose, über die Behandlung 
der Anfangsformen dieser Krankheit, sowie über einige damit 
zusammenhängende, besonders für die Krankencassen wichtige 
Fragen, veranstaltet werden. Im Anschluss daran werden zu der¬ 
selben Zeit in noch zu bestimmenden Stunden in der Poliklinik, 
Louisenstrasse 18, und in der kgl. Anstalt für Röntgenphotographie 
Demonstrationen statfinden. Zur Uebernahme der Vorträge haben 
sich bereit erklärt die Herren: Gerhardt, v. Leyden, 
Schaper, Senator, B. Fraenkel, Brieger, Dönitz, 
Brandenburg, Burghart, Grunmach, Mugdau, 
Michaelis, Pannwitz, M. W o 1 f f u. A. Der Zutritt zu 
den Vorträgen und Demonstrationen ist den Aerzten freigestellt; 
da aber die Zahl der Plätze in den zur Verfügung stehenden Hör¬ 
sälen eine beschränkte ist, so werden Eintrittskarten ausgegeben 
werden, welche bei der Direction der Charitö und in dem Bureau 
des Vereins der freigewählteu Cassenärzte, Potsdamerstr. 136/137. 
vom 15. Februar in Empfang genommen werden können. 

— Einem Beschluss des internationalen Gesundheitsrathes in 
Alexandrien zu Folge hat die dortige Quarantäneverwal¬ 
tung fünf Stellen für Aerzte ausgeschrieben. Dieselben sollen im 
Quarantänelager in Tor während der Zeit der diesjährigen Pilger¬ 
fahrt, also etwa von April bis September, thätig sein. Die Ent¬ 
schädigung beträgt 20 egyptische Pfunde monatlich. Die Be¬ 
werber haben bei ihrer Meldung, welche bis Ende Januar an die 
Quarantäneverwaltung (Administration quarantenaire ä Alexau- 
drie) zu richten ist, eine Abschrift des von einer Facultät ausge¬ 
stellten Zeugnisses als Doctor der Medicin und Chirurgie oder eines 
staatlichen Zeugnisses, sowie andere zur Darlegung ihrer Be¬ 
fähigung geeignete Zeugnisse einzureichen. 

— Eine intensive Influenzawelle geht zur Zeit über 
Europa. Aus den verschiedensten Ländern kommen Nachrichten 
über heftige Epidemien, so ausser aus England, wo die Epidemie 
bereits im Nachlassen ist, aus Spanien, Italien, Deutschland. Auch 
in München dürfte seit dem ersten Erscheinen der Influenza im 
Jahre 1889/90 ein so massenhaftes Auftreten nicht mehr be¬ 
obachtet sein. 

— Pest. Britisch-Ostindien. In der Woche vom 16. bis 
23. December v. J. hat die Zahl der Todesfälle an Pest in ganz 
Indien wiederum abgenommen, sie betrug 1384 gegen 1686 in der 
Vorwoche. In der Stadt Bombay dagegen ist sowohl die Gesammt- 
zahl der Todesfälle, wie auch die Zahl der Pesttodesfälle weiter 
gestiegen, erstere von 1305 auf 1552, letztere von 209 auf 278. In 
der Präsidentschaft Bombay sank die Zahl der gemeldeten Pest¬ 
todesfülle von 1008 auf 808. in Kalkutta von 81 auf 50, in dem 
Puujab von 5 auf 3. Etwas zugenommen hat die Seuche in der 
Präsidentschaft Madras, ebenso in den Centralprovinzen, aus denen 
13 Pesttodesfälle gegen 8 in der Vorwoche gemeldet wurden. Im 
Staate Mysore blieb die Lage unverändert. — Japan. Bis zum 
8. December lagen aus ganz Japan Meldungen von 20 Erkran¬ 
kungen an Pest vor. welche 18 mal tödtlich geendet hatten. — 
Mauritius. Die seit Anfang August v. J. in Port Louis aufgetretene 
Pest hat sich daselbst während der Monate August, September, 
Oetober so heftig ausgebreitet, dass allein in der Stadt bis zu 
72 Todesfälle in einer Woche festgestellt wurden. Während des 
Monats Oetober griff die Seuche auch in den ländlichen Bezirken 
der Insel um sich, doch nahmen dann mit Eintritt der heissen 
Witterung gegen Ende Oetober die Todesfälle in Port Louis an Zahl 
merklich ab, Avas auch bis Mitte December anhielt. 

V. d. K. G.-A. 

In der 2. Jahreswoche, vom 7. bis 13. Januar 1900, hatten von 
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit 
Königshütte mit 29,9. die geringste Schöneberg mit 10,4 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb an Masern in Köln, Plauen; an Scharlach in 
Duisburg, Elberfeld, Oleiwitz, Halberstadt; an Diphtherie und 
Croup in Flensburg. 

— Von der ausserordentlichen, jetzt tausendfach bestätigten 
Gutartigkeit der Mauserkugel sind die englischen Aertze. die über 
ihre Erfahrungen auf dem südafrikanischen Kriegs¬ 
schau p 1 a t z in den Fachblättern berichten, geradezu überrascht. 
Wir entnehmen darüber einem sehr lebendigen Berichte von F re¬ 
de r i c k Treves über die Thätigkeit des Sanitätscorps während 
und nach der Schlacht bei Colenso Folgendes: Die Mauserkugel 
ist sehr gutartig und nie habe ich einen Fall gesehen, in dem, wie 
behauptet worden war, die Spitze des Geschosses entfernt war. Der 
Effect der Mauserkugel hängt wesentlich \*on der Entfernung ab. 
Auf 1500 bis 2000 Yards schlägt sie durch wie eine Nadel; auf 500 
Yards oder weniger zersplittert sie einen Femur oder Humerus in 
Fragmente. Die Eingangsöffnung ist sehr klein und leicht zu über¬ 
sehen; die Ausgangsöffnung oft auch sehr klein, oft aber auch 
spaltförmig. Mehrere Patienten wurden durch den Bauch ge¬ 
schossen, ohne üble Folgen. Bei einigen von diesen Avar der Darm 
durchbohrt, Avie der blutige Stuhl bewies. Das A r on der Kugel ge¬ 
setzte Loch im Darm ist sehr klein und kann mit 3—5 Lembert- 
näliten geschlossen Averden. Mehrere Fälle von Schüssen durch Leber 
und Niere verliefen symptomlos. In mehreren Fällen durchbohrte 
die Kugel das Gehirn, ohne dass merkliche Symptome auftraten, 
und die Fälle heilten A'ollständig; so drang in einem Falle die 
Kugel durch das Scheitelbein ein, ging durch das Gehirn, den 
harten Gaumen, die Mundhöhle und trat am Hals aus; ausser Kopf- 
Aveh und etwas Strabismus zeigten sich keine Erscheinungen. 
Auch die Folgen von Schüssen durch die Brust bestehen oft nur 
in vorübergehender Haemoptoe. Absolut tödtlich sind, wie 

Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



HO. Januar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


179 


,F. Hutchinson sagt, nur Wunden des Herzens. 2 Drittel aller 
Verwundeten sollen nach etwa 14 Tagen fähig sein wieder Dienst 
zu machen. 

— Auch vom schweizerischen Rothen Kreuze ist jetzt eine 
ärztliche Hilfsexpedition für Transvaal ausge¬ 
nistet worden, die am 1. Februar ihre Reise nach Prütoria an- 
troten soll. Die Aerzte der Expedition sind Dr. J. de Mont¬ 
mol 1 i n - Neuenburg, Dr. Ren6 K ö n i g - Bern und Dr. Fritz 
S u t e r - Basel. 

— Die Bewegung in Deutschland zu Gunsten der facnl- 
iat.lrou Leichen Verbrennung ist in stetem Zunehmen 
liegriffen. Auch scheint sich der Gegensatz zur Kirche, der An¬ 
fangs durch Zufälligkeiten in die Bewegung gerathen war, mehr 
und mehr auszugleichen. Vom Standpunkt, der Hygiene erscheint 
die Leichen Verbrennung zwar zunächst nicht unbedingt notlnvendig, 
nachdem die Assanirung des Bodens mit grossen Aufwendungen 
im Allgemeinen auch unter dem alten Regime als erreichbar er¬ 
kannt ist. Indess stellt uns die rapide zunehmende Bevölkerung 
hi«-r vor immer neue und grössere Schwierigkeiten, und es ist vom 
medicinischcii Standpunkte aus mit Freuden zu begrüssen, dass 
mit der Feuerbestattung die Aussichten auf zukünftige dauernde 
Assanirung des Bodens verbessert werden. Leichen Verbrennungen 
hallen in Deutschland im Jahre 1899 stattgefunden: 
in Gotha.190 gegen 179 im J. 1898, Zunahme 20, 


„ Heidelberg.152 „ 125 „ „ „ ,, 26, 

„ Hamburg.111 „ 98 „ „ „ „ 13, 

Jena (2. Betriebsjahr) . . 40 „ 21 „ „ „ 25, 

„ Offenbach (neueingerichtet) 1 „ — „ „ „ 1- 

508 „ 423 „ „ „ „ 85, 

gegen eine Zunahme von 51 im Jahre 1898. I). med. W. 


— Die Jahressitzung des „Vereins der deutscheu Irrenärzte'* 
findet: zu Frankfurt a. M. am 20. und 21. April 1900 statt. 
Auf der Tagesordnung steht: 1. Die Prognostik der Geistesstörungen 
in Bezug auf § 1569 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Ehescheidung). 
Ref.: Director Dr. K r e u s e r - Schussenried. — Corref.: Prof. Dr. 
v. C a 1 k e r - Strassburg. 2. Heber den heutigen Stand der Lehre 
von der Betheiligung des Rückenmarks bei der allgemeinen Para¬ 
lyse. Ref.: Prof. Dr. F ü r s t n e r - Strassburg. Vorträge sind bei 
dem Vorstand bis 1. März 1900 anzumelden. Das Localcomite 
haben die Herren S i o 11 und Alzheimer, Städtische Irren¬ 
anstalt in Frankfurt a. M., übernommen. 

— Das Wiener m e d i c i n is c h e Doctoreneolle- 
gium hat im vorigen Jahre das seltene Jubiläum seines 500 jähri¬ 
gen Bestehens begangen und liat dieses Ereiguiss durch Heraus¬ 
gabe einer Festschrift gefeiert, die den Titel führt: „Ein 
halbes Jahrtausend. Festschrift, anlässlich des 500 jährigen Be¬ 
standes der Acta facultatis medicae Vindobonensis herausgegeben 
vom Wiener med. Doetoreneollegium, redigirt von Dr. Heinrich 
Adler.“ ln der Festschrift gibt zuerst einen Ueberblick über 
die Geschichte der Wiener mediciulsehen Facultät der unterdessen 
verstorbene Prof. Th. Puschmann. Eine Reihe von folgen¬ 
den Artikeln schildern Episoden aus dieser Geschichte, so „Das 
medic. Doetoreneollegium im 15. Jahrhundert“ von Schmarda, 
„Die Pest in Wien im 17. Jahrhundert“ vou v. Töply, „Wiener 
Aerztefamilien der theresianischen Zeit“ von Demselben. Eine 
ausführliche Schilderung erfährt „Der gegenwärtige Stand der 
Wohlfahrtseinrichtungen des Wiener med. Doctorencollegiums“ 
von R e i 11 e r. Dr. Adler bespricht die medicinisclie Publi- 
eistik in Wien“. Besonderes Interesse bietet der Abschnitt 
„Wiener Aerzte und die schönen Künste im 19. Jahrhundert“ von 
Kronf eld. Man staunt, wie viele dichterisch veranlagte 
Geister die Wiener Schule hervorgebracht hat. So waren Feuch¬ 
tersieben, Lenau, Adolf Pichler, Eduard Mautner 
Schüler der Wiener med. Facultät; einer der talentvollsten unserer 
modernen deutschen Dramatiker, der Dichter des „Grünen 
Kakadu“, Arthur Schnitzler, ist ein junger Wiener Arzt. 
Von Brücke, Billroth, Meynert, Albert, Heitler, 
Alois Pick und vielen Anderen werden Proben ihrer künst¬ 
lerischen Begabung mitgetheilt. Das Wiener med. Doetoren- 
eoliegium hat sich mit dieser Festschrift ein würdiges Denkmal 
gesetzt 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin. Geheimrath v. Pettenkofer wurde zum stimm¬ 
berechtigten Ritter des Ordens pour le niGrite für Wissenschaften 
und Künste ernannt 

Freiburg i. B. Als Nachfolger Claus’ wurde Professor 
Ludw. Knorr auf den Lehrstuhl der Chemie berufen. 

Greifswald. An Stelle des Professors M o s 1 e r ist der 
ausserordentliche Professor Dr. A. Gold scheider in Berlin als 
ordentlicher Professor der inneren Medicin an die hiesige Uuiversi- 
versität berufen worden. 

H a 11 e a. S. Geheimrath K a s t in Breslau hat den Ruf als 
Nachfolger Webefs abgelehnt. Ausser Käst sind, vor¬ 
geschlagen: v. M e l* i n g - Halle, L i c h t li e 1 m - Königsberg und 
81 i n t z i n g - Jena. 

He i d e 1 b e r g. Hofrath Prof. Dr. W. Fleiner erhielt das 
Badische Ritterkreuz des Ordens Berthold des Ersten. 

W ü r z b u r g. Als Nachfolger R ö n t g e n’s wurde Professor 
Wien- Giessen berufen. 

(Todesfälle.) Dr. L. B r u n e 11 i, früher Professor der 
pathologischen Anatomie zu Padua. 

Dr. A. V a 1 e n t i, ausserordentlicher Professor der allge¬ 
meinen Pathologie zu Rom. 


Dr. S. R. M a s o n, Professor der Geburtshilfe und Gynäko¬ 
logie zu Dublin. 

I)r. St. O’Sullivan. Professor der Chirurgie zu Cork. 

Dr. W. A. H a m in o n d. früher Professor der Neurologie und 
Psychiatrie zu New-York. 

Amtliches. 

Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetze, betr. die ärztlichen 
Ehrengerichte, das Umlagerecht und die Cassen der Aerzte- 
kammern. 

Berlin, den 21. December 1899. 

Zur Ausführung des Gesetzes, betreffend die ärztlichen Ehren¬ 
gerichte, das Umlage recht und die Cassen der Aerztekammeru, 
vom 25. November 1899 (Ges. S. S. 565), bestimme ich auf Grund 
des § 58 des Gesetzes Folgendes: 

1) Die am 1. April 1900 in Wirksamkeit tretenden ärztlichen 
Ehrengerichte haben ihren Sitz an dem Amtssitze des Ober- 
Präsidenten der betreffenden Provinz. Das ärztliche Ehrengericht 
für die Provinz Brandenburg und den Stadtkreis Berlin, sowie 
der ärztliche Ehrengerichtshof haben ihren Sitz in Berlin. Die 
Sitzungen des ärztlichen Ehreugerichtshofes tinden in den Ge¬ 
schäftsräumen des Ministeriums der Medieinal-Angelegenheiten 
statt. 

2) Das ärztliche Ehrengericht führt die Amtsbezeichnung 

„Aerztliches Ehrengericht für die Provinz.” (Ost- 

preussen, Westpreussen, Pommern, Posen, Brandenburg und den 
Stadtkreis Berlin, Rheinprovinz und die Hoheiizollern’schen Lande 
u. s. w.); 

Die Vorladungen und Beschlüsse in dem Verfahren behufs 
Beilegung von Streitigkeiten (§§ 4, 10 des Gesetzes) ergehen jedoch 
unter der Bezeichnung 

„Der ärztliche Ehrenrath der Provinz.“. 

Der ärztliche Ehrengerichtshof führt die Amtsbezeichnung: 

„Aerztlicher Ehrengerichtshof“ ohne weiteren Zusatz. 

Das ärztliche Ehrengericht lind der Ehrengerichtshof führen 
ein den heraldischen Preussisclien Adler enthaltendes Siegel mit 

der Umschrift: „Aerztliches Ehrengericht für die Provinz. 

„Aerztlicher Ehrengerichtshof“. 

3) Von dem Vorstande jeder Aerztekammer ist unverzüglich 
ein Verzeichnis der zu der Aerztekammer wahlberechtigten appro- 
birten Aerzte des Kammerbezirkes aufzustelleu. Bei jedem der 
in das Verzeichniss auf genommenen — nach Vor- und Zunamen, 
Stand und Wohnort genau zu bezeichnenden — Aerzte ist zu 
vermerken, ob derselbe nach § 2 des Gesetzes der Zuständigkeit 
des ärztlichen Ehrengerichts unterworfen ist oder ob er zu den 
von der Zuständigkeit des letzteren dauernd ausgenommenen Aerz- 
(§ 2, No. 1 u. 2 des Gesetzes) gehört, ln Zweifelsfällen ist der Ver¬ 
merk näher zu begründen und die Entscheidung des Ober-Präsi¬ 
denten einzuholen. 

ln der Liste ist ausserdem anzugebeu, ob ein Arzt als Militär¬ 
oder Marinearzt dem Beurlaubtenstande angeliört. 

Der Vorstand der Aerztekammer hat die Aerzte dieser Kate¬ 
gorie aufzufordern, von ihrer Einziehung zur Dienstleistung 
spätestens nach Empfang des Gestellungsbefehls Anzeige zu er¬ 
statten. 

Die Liste ist dauernd richtig zu erhalten und alljährlich gegen 
Ende December neu aufzustellen. 

Eine beglaubigte Abschrift der Liste und ihrer nachträg¬ 
lichen Abänderungen ist dem Ober-Präsidenten einzureichen, ein 
zweites Exemplar ist zu den Acten des Ehrengerichts zu nehmen. 

4) Die zur Constituirung der ärztlichen Ehrengerichte und 
des Ehrengerichtshofes erforderlichen Wahlen sind mit besonderer 
Beschleunigung, die erstmaligen Wahlen im Jahre 1900 spätestens 
bis zum 15. Februar vorzunehmen. 

5) Die Wahl der ärztlichen Mitglieder des Ehrengerichts und 
ihrer Stellvertreter (§ 7 Abs. 1 des Gesetzes) erfolgt unter sinu- 
gemässer Anwendung der für die Wahl des Vorstandes der Aerzte¬ 
kammer gegebenen Vorschriften in der in dem § 8 Abs. 1 der 
Verordnung, betreffend die Einrichtung einer ärztlichen Standes¬ 
vertretung, vom 25. Mai 1887 (Ges. S. S. 169) bezeiehneten Wahl¬ 
versammlung der Aerztekammer. Voraussetzung ist hierbei jedoch, 
dass in dieser Wahlversammlung mindestens zwei Drittel der nacli 
§ 2 des Gesetzes wahlberechtigten Mitglieder der Aerztekammer 
oder deren Stellvertreter anwesend sind. Bei geringerer Tkeil- 
nehmerzahl ist eine neue Wahlversammlung nicht über zw r ei 
Wochen hinaus anzuberaumeu. In der neuen Wahlversammlung 
sind die Wahlen nach den vorstehenden Bestimmungen ohne 
Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder vorzunehmen. 
In dem Einladungsschreiben ist hierauf ausdrücklich hinzuweisen. 

In dem Wahlprotokoll ist die Wahlberechtigung der Walil- 
theilnehmer und die Wählbarkeit der Gewählten im Sinne des 
§ 2 des Gesetzes besonders festzustelleu. 

In den Fällen der nachträglichen Ablehnung oder des späteren 
Ausscheidens eines ärztlichen Mitgliedes des Ehrengerichts oder 
eines Stellvertreters durch Tod, Verzicht, Verlust der Wählbarkeit 
oder Ausscheiden aus dem Kammerbezirk ist für die unverzügliche 
Vornahme der erforderlichen Nachwahl auf die restliche Dauer der 
Amtszeit des Ablehnendeu oder Ausgeschiedenen Sorge zu tragen. 

6» In der zu 5 bezeiehneten Wahlversammlung ist von den 
wahlberechtigten Theilnehmern 

a. über die Reihenfolge, in der die Stellvertreter der ärztlichen 
Mitglieder des Ehrengerichts zu berufen sind (§ 7 Abs. 1 No. 1 des 
Gesetzes), 


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180 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


b. über die Sätze der Tagegelder und lteisekosten, welche den 
ärztlichen Mitgliedern des Ehrengerichts gewährt werden sollen 
<§ 7 Abs. 3 des Gesetzes). Beschluss zu fassen. 

7) Die vorstehend zu 5 und (5 getroffenen Bestimmungen finden 
auf die Wahlen der von dem Aerztekammerausschus.se zu wählen¬ 
den vier Mitglieder des ärztlichen Ehrengerichtshofes und ihrer 
Stellvertreter (§ 43) sowie auf die dabei zu fassenden Beschlüsse 
des Aerztekammerausschusses mit der Maassgabe sinngemässe An¬ 
wendung. dass die Wahlen und Beschlüsse für jede Amtsperiode 
in der ersten beschlussfähigen Sitzung des Aerztekammeraus¬ 
schusses nach t’onstituirung desselben stattzufinden haben und 
dass von dem Ergebnisse unter Beifügung des Sitzungsprotokolls 
bis zum 20. Februar des betreffenden Jahres, bezüglich der erst¬ 
maligen Wahlen und Beschlüsse bis zum 20. Februar 1900 mir 
Anzeige zu erstatten ist. 

8) Die Wahl des richterlichen Mitgliedes des ärztlichen Ehren¬ 
gerichts und seines Stellvertreters (§ 7 Abs. 1 No. 2 des Gesetzes) 
erfolgt in der ersten beschlussfähigen Sitzung des Vorstandes der 
Aerztekammer nach Beginn der Amtsperiode. Die Wahl erfolgt in 
gesonderten Wahlgängen nach absoluter Stimmenmehrheit; bei 
Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. 

In derselben Sitzung ist auch über die Höhe der dem richter¬ 
lichen Mitgliede des Ehrengerichts und seinem Stellvertreter zu 
gewährenden Vergütung <§ 7 Abs. 2 des Gesetzes) Beschluss zu 
fassen. 

Ueber die Beschlussfassung und über die Wahlhandlung ist 
ein Protokoll aufzunehmen, welches von dem Vorsitzenden binnen 
einer Woche dem Oberpräsldenteu einzureichen ist. 

Findet der Oberpräsident nichts zu erinnern, so hat er sich 
wegen Herbeiführung der Genehmigung zur Annahme der Wahl 
und zur Führung des Nebenamtes mit dem zuständigen Oberlandes- 
gerichts-Präsidenten in Verbindung zu setzen. 

Wird die Genehmigung versagt, so ist die Wahlhandlung zu 
wiederholen: der betreffende Richter scheidet dabei aus der Zahl 
der Wahleaudidaten aus. 

Die Wahlhandlung ist auch zu erneuern, falls der Gewählte die 
Wahl ablehnt oder nachträglich verzichtet oder an einen anderen 
Ort versetzt wird oder die Richtereigenschaft verliert. 

9) Gehört der Vorsitzende der Aerztekammer zu den in dem 
§ 2 des Gesetzes bezeichueten, der Zuständigkeit des Ehrengerichts 
nicht unterworfenen Aerzten, oder lehnt er den Vorsitz des Ehreu- 
grichts ab oder ist er sonst dauernd behindert, so haben die Mit¬ 
glieder des Ehrengerichts nach § 9 des Gesetzes einen Vorsitzenden 
aus ihrer Mitte für die Dauer ihrer Amtszeit zu wählen. Die 
Wahl erfolgt nach absoluter Stimmenmehrheit; bei Stimmengleich¬ 
heit entscheidet das von dem ältesten Mitgliede zu ziehende Loos. 

Der Zusammentritt des Ehrengerichts behufs Vornahme der 
nach Absatz 1 erforderlichen Wahl ist von dem-Oberpräsidenten 
herbeizuführeu, sobald die Wahlen der Mitglieder beendet sind. 

Die Wahlhandlung wird von dem seinen Jahren nach ältesten 
Mitgliede geleitet. Das Wahlprotokoll ist «lern Oberpräsldenteu 
einzureichen. 

10) Dem Ermessen des Oberpräsideuteu wird anheimgestellt, 
ob er sich iu dem ehrengerichtlichen Strafverfahren durch einen 
dauernd oder für den einzelnen Fall bestellten Beauftragten ver¬ 
treten lassen will ($ 12 des Gesetzes). 

11) In der ersten beschlussfähigen Sitzung jeden Jahres hat 
die Aerztekammer den nach § 49 des Gesetzes erforderliclien Be¬ 
schluss über die Festsetzung des jährlichen Beitrages, welcher von 
den zur Aerztekammer wahlberechtigten Ärzten des Bezirks zu er¬ 
heben ist, zu fassen. Der erstmalige Beitrag ist für die Zeit vom 
1. April bis 31. December 1900 festzusetzen. 

12) In der ersten beschlussfähigen Sitzung des Vorstandes 
der Aerztekammer, welche in der neuen Amtsperiode stattflndet, 
ist die Wahl des Cassenführers nach § 51 Abs. 2 des Gesetzes vor- 
zfinehmen. 

Von der Wahl ist dem Oberpräsideuteu Anzeige zu erstatten. 

13) Seitens des Oberpräsidenten ist mir über die Erledigung 
der vorstehenden Anordnungen bis zum 20. Februar 1900 Bericht 
zu erstatten. 

14) Der Erlass von Geschäftsordnungen für die ärztlichen 
Ehrengerichte, sowie für den Ehrengerichtshof bleibt Vorbehalten. 

15) Die Gasse der Aerztekammer führt die Amtsbezeichnung: 

„Gasse der Aerztekammer für die Provinz.“ 

Diese Amtsbezeichnung ist auch auf dem von der Gasse zu 
führenden, den Preussischen heraldischen Adler enthaltenden Siegel 
zu verwenden. 

10) Für die Gasse der Aerztekammer ist Seitens des Vor¬ 
standes der Aerztekammer eine Gassenordnung auszuarbeiten und 
dem Oberpräsidenten einzureichen. 

Findet dieser nichts zu erinnern, so ist sie der Aerztekammer 
zur 'Genehmigung vorzulegen. 

Die Gassenordnuug hat Bestimmungen über den inneren und 
äusseren Geschäftsbetrieb der Gasse, insbesondere über das Ge¬ 
schäftsjahr. über die zu führenden Bücher (§ 52 Abs. 3 des Ge¬ 
setzes), über die Oasseupriifungen (§ 54 Abs. 1 des Gesetzes), über 
die Dauer der Aufbewahrung der Bücher und Belege, über die Bei¬ 
träge und sonstigen Aussenstände (§§ 46, 47, 53 des Gesetzes) sowie 
über die Rechnungslegung und Entlastung (§ 54 Abs. 2 und 3 des 
Gesetzes» zu enthalten. 

17) In dem letzten Monat des ersten und jedes folgenden 
Geschäftsjahres ist von dem Vorstände der Aerztekammer ein Vor¬ 
anschlag über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der 
Gasse der Aerztekammer für das nachfolgende Geschäftsjahr auf¬ 


zustellen und der Aerztekammer spätestens in der zu 11 bezeich 
neten Sitzung zur Beschlussfassung vorzulegen. 

Beglaubigte Abschrift des Voranschlages ist dem Oberpräsi- 
deuten einzureichen. Stud t. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Dr. Samuel Gilde, appr. 1898, in München. 
I )r. Hans Kirchner, appr. 1896, als Augenarzt in Bamberg. 
Dr. Albert Reichel, appr. 1898, in Bayreuth. 

Befördert: im activen Heere: Die Unterärzte Dr. Hans Heim 
des 5. Inf.-Iteg. und Dr. August Beck des 4. Feld.-Art-Reg. zu 
Assistenzärzten in ihren Truppentheilen; im Beurlaubtenstande: 
zu Stabsärzten in der Reserve die Oberärzte Dr. Karl M a y (Augs¬ 
burg), Dr. Friedrich Bauer (Nürnberg) und Dr. Eugen Popp 
(Wiirzburg); in der Landwehr 1. Aufgebots der Oberarzt Dr. Karl 
S c h ö p p n e r (Roseuheim); zu Oberärzten in der Reserve die Assi¬ 
stenzärzte Dr. August Feuchtwang e r, Theodor Seliauber, 
Dr. Claus Schilling, Friedrich Kreituer und Dr. Rudolf 
Rönsberg (I. München), Dr. Alfred Mayerhofer (Passau), 
Dr. Richard Höher (Augsburg), Dr. Wilhelm B Utters (Er¬ 
langen), Dr. Eugen Welte, Dr. Adolf Kalm, Dr. Nikolaus 
Maassen und Dr. Wilhelm Winterstein (Kissingen), Dr. 
Haus Mantel und Dr. Karl S e i t z (Wtirzburg), Dr. Karl 
Jellinghaus, Dr. Adolf Schulze und Emst Claus 
(Aschaffenburg), Dr. Hugo W ö r n 1 e i n, Dr. Karl Brendel. 
Richard K a n d t, Dr. Wilhelm Richstein, Dr. Samuel 
Swarsensky und Dr. Georg Kanzow (Hof), Ludwig W e i s s 
(Bayreuth), Wilhelm Dietzler (Kaiserslautem), Dr. Theodor 
Hirsch (Ludwigshafen) und Oskar Wächter (Landau); in der 
Landwehr 1. Aufgebots die Assistenzärzte Dr. Arthur Dreyer 
(I. München), Dr. Bernhard D i e t m a i r (Kempten), Dr. Karl 
M o r i a n (Augsburg), Gregor Weber (Kitzingen), Dr. Johann 
M e r x (Bamberg), Franz Wohlsecker (Kissingen), Dr. Fried¬ 
rich S e h m i d und Dr. Friedrich Klein (Aschaffenburg), Dr. 
Heinrich Jost (Kaiserslautem); in der Landwehr 2. Aufgebots 
der Assistenzarzt Dr. Ernst W i 1 h e 1 m y (Aschaffenburg); zu 
Assistenzärzten in der Reserve die Unterärzte Dr. Maximilian 
Rothschild (Aschaffenburg), Dr. Karl Grosch und Alfons 
Lehr (Wiirzburg), Dr. Hans v. Gosen, Dr. Richard Sauter. 
Richard Piltzmaun und Maximilian Adam (I. München). 
Dr. Adolf V a n d e n h o f f (Würzburg). Dr. Ludwig Schrei b e r 
(I. München) und Emil Becker (Aschaffenburg). 

Abschied bewilligt: Der Generalstabsarzt der Armee, Chef 
des Sauitütseorps und der Medicinalabtheilung im Kriegs- 
mlnisterhim, Dr. Ritter v. Vogl, wurde iu Genehmigung seines 
Abschiedsgesuches und unter Verleihung des Ranges als General¬ 
lieutenant mit dem Prädicate Excellenz mit der gesetzlichen Pen¬ 
sion zur Disposition gestellt. Dem Stabsarzt Dr. Julius M a y r der 
Landwehr 1. Aufgebots (Straubing) mit der Erlaubniss zum Tragen 
der Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Ab¬ 
zeichen. 

Ernannt: Der Generalol>erarzt Dr. Bestei meyer im 
Kriegsministerium unter Beförderung zum Generalarzt ohne 
Patent zum Chef der Medicinalabtheilung im Kriegsministerium. 

Uebertragung: Dem Generalarzt Dr. Bestelmeyer, Chef 
der Medicinal-Abtheilung im Kriegsministerium, wird die Stell¬ 
vertretung des Generalstabsarztes der Armee übertragen. 

Gestorben: Dr. Eugen Schech in Dorfen. Dr. Franz 

Bergmair in München. Dr. F1 e i s c h m a n n in Freinsheim. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten fdr München 

in der 3. Jahreswoche vom 14. bis 20. Janua 1900. 

Betheil. Aerzte 272. — Brechdurchfall 13 (11*), Diphtherie, 
Croup 13 (20), Erysipelas 10 (13), Intermittens, Neuralgia interm. 
— (3), Kindbettfieber 1 ( - ), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 
52J (372), Ophthalmo Blennorrhoea neonat. —(1), Parotitis epidem. 
6 (8), Pneumonia crouposa 23 (23), Pyaemie, Septikaemie — (—), 
Rheumatismus art. ac. 28 (45), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
10 (5), Tussis convulsiva 17 (14), Typhus abdominalis 1 (2), 
Varicellen 9 (19), Variola, Vario’ois — (—). Summa 654 (536). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München. 

während der 3. Jahreswoche vom 14. bis 20. Januar 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000 

Todesursachen: Masern 11 (11*), Scharlach — ( —), Diphtherie 
und Croup 2 (3), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 3 (—), Unterleibstyphus 
1 (—), ' Keuchhusten 2 (2), Croupöse Lungenentzündung — (—), 
Ttiberculose a) der Lungen 28 (19), b) der übrigen Organe 5 (4), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 6 (4), Unglttcksfälle 1 (4), Selbstmord — (2), Tod durch 
fremde Hand 6 (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 196 (201), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwolxner im Allgemeinen 22,0 (23,1), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,6 (15,8). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


Verlag von J. F. Lehmann iß München. — Druck ron S. Mühlthaler’a Buch- und Kunatdruokerel A.Q., München. 


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Original ftom 

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ß le Müiich. Med. Wochenschr. erscheint wöchentl. 

> Nummern von durchschnittlich 4—5 Bogen. 
Preis ln Deutschi, n Oest.-Ungarn vierteljfthrl. 6 JL, 
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MÜNCHENER 


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mann, Heustrasse 20. - Für Inserate und P.ciln-cu 
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(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 

Ch. Bäumler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. ßerhardt, W. i. Heineke, 6. Merkel, J.». Michel, H.». Ranke, F. i Wfnckel, H. i Zierassen, 

Freiburg i. B. Miinchc-u Leipz.g. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg. München. München. München. 


J2 6. 6. Februar 1900. - Redaction: Dr - B - s P atz - ottoetrasse i. 

Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Die Verwendung der Gelatine zur Stillung cholaemi- 
scher Blutungen nach Operationen am Gallensystem 
nebst Bemerkungen über Poppert’s wasserdichte 
Drainage der Gallenblase. 

Von Prof. Dr. Hans K e h r in Halberstadt. 

Die cholaemische Blutung nach chirurgischen Eingriffen an 
ikterischen Menschen ist ein von uns Aerzten sehr gefürchtetes 
Ereigniss. 

Ich habe solche Nachblutungen bei nunmehr 470 Gallenstein- 
laparotomien, die ich in meiner Privatklinik ausgeführt habe, 
verhältnissmässig selten beobachtet, obgleich ich bei Ikterischen 
74 Choledoehotomien resp. Hepaticusdrainagen vorgenommon 
habe. Im letzten halben Jglire haben sieh aber diese Blutungen 
merkwürdig gehäuft: Bei 3 Kranken traten dieselben so heftig 
auf, dass man recht wohl an einen fatalen Ausgang denken 
konnte. Ich benutzte, wie ich gleich voraus bemerken will, zu 
ihrer Stillung die von Lanceraux 1 ) empfohlene subcutane 
Injection einer 2proc. Gelatinelösung und hatte die Freude, dass 
sofort die Blutung selrwäeher wurde und bald aufhörte. 

Es ist gewiss sehr schwer, bei einer Blutung mit Bestimmt¬ 
heit zu sagen, dass das angewandte Mittel, besonders wenn es ent¬ 
fernt vom Orte der Blutung applicirt wird, auch in der That eine 
blutstillende Wirkung gehabt hat. Denn wie viele Blutungen 
stehen ohne unser Zuthun, wenn der Organismus schliesslich 
durch den Blutverlust auf das Aeussersto geschwächt ist! Ich 
glaube aber, dass das sonst in der Heilkunde so berüchtigte Wort: 
„Post hoe, ergo propter hoc!“ doch auf meine Fälle angewandt 
werden darf, weil allgemein bekannt ist, dass gerade cholaemische 
Blutungen eine sehr geringe Tendenz zum spontanen Aufhören 
haben, und weil ich von der Wirkung der Gelatinelösung bei 
meinen 3 Beobachtungen einen so regelmässigen Erfolg 
sah, wie ich ihn beim Gebrauch anderer Mittel niemals be¬ 
obachten konnte. 

Ich habe nach Operationen am Gallensystem die verschieden¬ 
artigsten Nachblutungen kennen gelernt. 

Entweder blutete es, wie bei der ersten Küste r’sehen 2 ) 
Choledochotomie aus dem Wundtrichter, der sich nach der Tam¬ 
ponade, die zum Schutz des Peritoneum bis auf die Choledochus- 
naht geführt war, gebildet hatte oder es blutete in den Darm, 
Magen oder in die Gallengänge hinein. Im ersteren Fall wird 
man in erster Linie nach Irrigation mit möglichst heisser 
0,6 proc. Kochsalzlösung eine feste Tamponade mit steriler Gaze 
vornehmen oder auch zum Paquelin greifen. 

Von inneren Mitteln empfiehlt Majo Robson 3mal täg¬ 
lich 1,8 Calciumchlorid per os oder 3,6 dieses Mittels per klysma. 
Ich habe auf p. 272 meiner „A nleitung zur Erlernung 
der Diagnostik der einzelnen Formen der 
Gallensteinkrankheit“ einen Fall erwähnt, bei dem 
ich dieses Mittel angewandt habe. 


9 Sorgo: Behandlung der Aneurysmen mit subcutanea 
Gelatineinjectionen. Centralbl. f. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 
II. Bd., No. 1, 1809, p. 10. 

a ) Küster: Ein Fall von Choledochotomie. Aroh. f. klin. 
Chir. 43. Bd., p. 216. 

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Ob scliwef eisaures Natron') (in 1 st findigen Dosen von 0,1) 
bei eholaemisehen Blutungen etwas nützt, weiss ich nicht: mir 
fehlt darüber die Erfahrung. 

Jedenfalls dürfte bei der Reiclmng blutstillender Mittel 
(Secale eoniut., Liquor, ferr. sesquiehlor.) die directe Be¬ 
kämpfung der Blutung au Ort und Stelle nicht zu verabsäumen 
sein. 

Ich habe in den unten zu erwähnenden Fällen die Tampo¬ 
nade des blutenden Wundtrichters immer erst vorgenommen, ehe 
ich, gezwungen dureli das Weiterbluten, bei der Gelatine meine 
Zuflucht suchte. 

Es würde zu weit führen, all’ die Arbeiten und die dort 
niedergelegten Ansichten aufzuführon, die sieh mit der Gela¬ 
tine als Blutstillungsmittel beschäftigen. Ich will nur darauf 
hinweisen, dass schon C a r n o t *) bei Blutungen aus Wund- 
canälen eine stärkere Lösung von Gelatine (5—10 proc.) direct 
in die Wunde eingegossen hat. Diese Methode habe ich nicht 
versucht, ich habe die subcutane Injection einer 2 proc. Gelatine¬ 
lösung in Anwendung gezogen. 

Die Technik ist sehr einfach. Ich liess vom Apotheker 
10 g weisse Gelatine in 500 ccm 0,7 proc. NaCl-Lösung sterili- 
siren und spritzte davon 200 ccm, auf 38,0° C. erwärmt, unter allen 
Regeln der Asepsis subcutan ein. Die Injection erfolgte mit 
einer ausgekochten Spritze (D i e u 1 a f o y) und zwar benützte 
ich sowohl die äussere Fläche des Oberschenkels, als auch die 
Brusthaut. Irgend welche Nebenerscheinungen (heftige Schmer¬ 
zen, Fieber etc.) habe ich nicht beobachtet. 

In allen 3 Fällen habe ich den Eindruck gewonnen, dass 
das Mittel geholfen hat. Aber wer will das auf Grund von 8 Be¬ 
obachtungen beweisen! Jedenfalls ist bei der gefürchteten 
eholaemisehen Blutung eine Prüfung des Mittels angezeigt und 
ich werde bei Ikterischen, die operirt werden müssen und schon 
vorher an Blutungen litten, das Mittel schon ante Operationen 
injiciren. 

Viele Chirurgen stehen allerdings auf dem Standpunkte, 
dass man bei Cholaemischen, die an Blutungen leiden, eine Opera¬ 
tion unterlassen soll. Habe ich die Ueberzeugung aber, dass dem 
Kranken nur durch das Messer zu helfen ist, so operire ich auch 
dann, wenn die Neigung zur Blutung besteht. 

Ich habe schon so manchen Choledochusstein an das Licht 
des Tages befördert, der seinem Träger sicheren Untergang ge¬ 
bracht hätte. Will man nur die Kranken operiren, die noch 
kräftig genug sind, dass sie den Eingriff mit grösster Wahr¬ 
scheinlichkeit überstchen, so können wir uns keiner besonderen 
Leistung rühmen. Aber ein Menschenkind, das durch Blutver¬ 
luste so geschwächt ist, dass es am Rande des Grabes herum¬ 
taumelt, durch die Operation vor sicherem Tode zu retten, das 
ist eine dankbare und würdige Aufgabe. 

Auszuschliessen von unseren chirurgischen Eingriffen sind 
möglichst all’ die Ikterischen, deren Gelbsucht durch Leber¬ 
ei rrhose, Krebse* am Pankreaskopf, Duodenum etc. hervorgerufen 
wird, und es ist unsere Aufgabe, durch eine Verfeinerung der 
Diagnostik die einzelnen Formen des Ikterus in aetiologischer 

9 It e v e r d i n : Le sulfate (le soude it faibles doses comrne 
hümostatique. Revue müd. de la Suissc romande. 1897, No. 1. 

9 Paul C a r not: Emploi de la gülatine comme hemostatique. 
Journ. de müd. et Chirurg, pratique 1897, p. 862. 

Original from 1 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 









182 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


Hinsicht von einander zu trennen. Leider ist eine differentielle 
Diagnostik nicht in allen Fällen möglich. 

Ich gebe nun in möglichster Kürze die 3 Fälle wieder, an 
denen ich die Wirkung der Injection von Gelatine zu beobachten 
Gelegenheit hatte. 

1. Frau D., 43 jühr. Kaufmannsfrau aus Stockholm. Aufnahme 
31. V. 1899. Operation 2. VI. 1899. Choledochotomie. Hepaticus- 
drainage. Entlassung 13. VII. 1899. Geheilt. 

Anamnese: Familienanamnese und Vorleben ohne Be¬ 
sonderheiten. Winter 1894 erkrankte Patientin mit Schmerzen in 
der Gallenblasengegcnd, letztere war druckempfindlich und der 
behandelnde Arzt stellte die Diagnose: Gallensteinleiden und ver- 
anlasste Patientin im Sommer 1895 Karlsbad aufzusuchen. Auf 
der Reise nach dort - - in Berlin — mehrtägige, iiusserst heftige 
Kolik. Eine Autorität auf dem Gebiete der inneren Mediein wurde 
eonsultirt und fühlte auch die Gallensteine in der Gallenblase, 
ln Karlsbad wochenlangesKrankenlager in Folge häufiger schwerer 
Koliken mit Ikterus, Fieber. Schüttelfrost, nie Steinabgang, Un- 
gebessert und in sehr desolatem Zustande kehrte Patientin nach 
Stockholm zurück, liier November 1895 Operation durch H. Prof. 
B., die nach einem nach hier mitgetheilt.cn ausführlichen Schrei 
beri desselben folgendes Resultat hatte: zahlreiche, starke Adhae- 
sionen, Gallenblase geschrumpft und pathologisch verändert; weder 
Steine in der Blase noch im Choledochus zu fühlen; Cystectomie. 
9 Tage post operat. platzt die fast verheilte Narbe auf und es ent¬ 
leert sich reichlich Galle, ein Vorgang, der sich in den nächsten 
Wochen noch mehrere Male unter gleichzeitigem Auftreten von 
Fieber, Ikterus und Schmerzen wiederholt. Allmählich seltenere 
Anfälle von geringerer Intensität. Sommer 1890 lind 1897 nach 
Brunuencur fast völliges Wohlbefinden. Seit ca. (5 Wochen hat 
sich wieder eine progressive Verschlechterung eingestellt: nachdem 
schon Monate vorher leise Mahnungen sich geltend gemacht hatten, 
setzte langsam ein in seiner Intensität wechselnder, aber doch 
stetig zunehmender Ikterus ein mit Hautjucken, dabei fast jeden 

2. Tag Koliken verschiedenster Intensität, die auf Morphium 
zuriiekgingeu; der Urin war gallenstoffhaltig. Seit 10 Tagen soll 
sich auch Eiweiss im Urin finden, seit derselben Zeit sind leichte 
schmerzhafte Oedeme an beiden Ftisseu aufgetreten. Der Stuhl¬ 
gang soll seit 4 Jahren fast stets grau gewesen sein, nur selten 
braune Farbe gehabt haben. Patientin begibt sieb auf den Rath 
des Herrn Prof. Dr. B. in meine Klinik. 

Status praesens: Graeile Frau mit intensivem Ikterus, 
spärlichem Fettpolster und leichtem Oedem um die Knöchel beider 
Füsse. Urin stark gallenfarbstotfhaltig, kein Eiweiss, kein 
Zucker. Stuhlgang tlionfärben. Puls 70, Temperatur (Abd.) 38 
Herz und Lungen gesund. Am Abdomen: Gallenblasengegend 
nicht druckempfindlich, kein Tumor dort, Leber und Milz leicht 
nachweisbar vergrössert, kein Ascites, entsprechend dem Aussen- 
rande des rechten Reet, abdomin. eine ca. 15 cm lange Laparo- 
tomienarbe. 

Diagnose: Stein im Choledochus. 

Operation: 2. VI. 1899. Hakenschnitt nach Czerny. 
Nach Lösung vieler Verwachsungen zwischen Leber und Intestinis 
wird der Choledochus frei gelegt, in seinem supraduodenalen Theil 
ein walzenförmiger Stein gefühlt. Excision. Im Hepaticus trübe 
eingedickte Galle. Hepaticusdrainage. Tamponade. Naht. Dauer 
der Operation 1 / i Stunde. Gute Chloroformnarkose. 

V erla u f : Fieberfrei. Galle fliesst gut ab. Am 10. Tage 
Verbandwechsel, viel Blut im Verband. Cholaendsche Blutung. 
Tamponade ohne Nutzen. Desshalb Injection von 200 g 2proc. 
Gelatinelösung. Blutung lässt nach. Am nächsten Tage wieder¬ 
holt sich die Blutung. Nochmalige Injection von 150 g 2 proc. 
Gelatinelösung. Die Blutung tritt nicht wieder auf. Gallenfluss 
bis Anfang Juli. Daun Nachlassen desselben. In ausgezeichnetem 
Wohlbefinden Mitte Juli entlassen. Der Patientin geht es, wie aus 
einem erst kürzlich erhaltenen Briefe hervorgeht, ganz ausge¬ 
zeichnet, die Gewichtszuualime beträgt ca. 30 Pfund. 

Die Blutung, besonders die erste, war immerhin recht besorg- 
nisserregend. Die Tamponade, die fest in die Wundhöhle ein¬ 
gedrückt wurde, war bald wieder von Blut durchtränkt, so dass 
ich dem besorgten Gatten den Ernst der Situation auseinander- 
selzen musste. Patientin, die durch den erheblichen Blutverlust 
recht geschwächt war, erholte sich aber bald wieder, so dass schon 
am nächsten Tage die Gefahr vollständig beseitigt schien. 

Nebenbei habe ich der Kranken viel Weingelbe essen lassen; 
ob diese diätetische Vorschrift zur Stillung der Blutung etwas 
beigetragen hat. lasse ich dahingestellt. 

2. Frl. Oh. St. aus Harpstedt (Prov. Hannover). 62 jähr. Auf¬ 
nahme 9 . VIII. 1899. Operation 11. VIII. 1899. Choledochotomie. 
Cystectomie. Gallenblasenkolonfistel. Entlassung 18. X. 1899, 
fast geheilt. 

A n a m n e s e : Familienanamnese ohne Besonderheiten; Pa¬ 
tientin war gesund und kräftig, bis vor ca. 10 Jahren ein Stechen 
in der r. Oberbauchgegend sich einstellte, welches bisweilen auf¬ 
trat, nach dem Magen hinübergriff und Uebelkeit nebst Erbrechen 
im Gefolge hatte. Die ersten Anfälle in 7 . jährigen Zwischen¬ 
räumen. Vor 6 Jahren wirkliche Koliken, im Jahre etwa 4 mal; 
dieselben mit Erbrechen endend. Der Zustand hielt mehrere 
Jahre an und die Zwischen räume wurden kürzer. Seit einigen 
Jahren Gelbsucht nach den Anfällen von mehrtägiger Dauer (nicht 
über 4 Tage). Seit reichlich einem Jahre sind die Zwischenräume 
sehr viel häufiger geworden, die Pausen währen nicht länger als 
0 Wochen; dazu bestand starke Gelbsucht, die ludesseu in ihrer 

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Intensität wechselte, dabei war der Stuhl heller, der Urin dunkel. 
Völlig verschwand die Gelbsucht niemals (seit 1 Jahre). Vor 
2 Monaten äusserst starke Kolik, seitdem immerwährende Schmer¬ 
zen stechender Art. Der Appetit ist zur Zeit ziemlich gut, indessen 
ist Abmagerung erfolgt, im Ganzen (letztes Jahr) um 40 kg. Bei 
den Koliken Schüttelfröste. Steinabgang nie beobachtet. 3 Curen 
in Carlsbad (1894, 1896, 1897) ohne Erfolg. 

Status praesens: Mittelgrosses, kräftig gebautes, sicht¬ 
bar abgemagertes, stark ikterisehes Fräulein. Organbefund nor¬ 
mal, rechter Leberlappen stark vergrössert, ebenso die Milz, welche 
handbreit unter dem rechten Rippenbogen zu palpiren ist. Gallen- 
blasengegond druckempfindlich. Urin stark gallenfarbstoffhaltig, 
ohne Eiweiss und Zucker. 

Diagnose: Geschrumpfte steinhaltige Gallenblase, Ver¬ 
wachsungen, mehrere Steine Im erweiterten Choledochus, einer 
retroduodonal (ev. auch Empyema vesicae felleae). • 

Operation 10. VIII. 1899. Längsschnitt im rechten Muse, 
rect. abdom. Verwachsungen zwischen Leber und Perit. pariet 
Trennung. Leber gross, hintere Fläche mit Netz und Kolon ver¬ 
wachsen. Mühsame Lösung. Sorgfältige Unterbindung (Cholaemle). 
Gallenblase geschrumpft mit verdickter Wandung, enthält einen 
wallnussgrossen Stein. Gallenblasen-Kolonflstel.. Abtrennung. 
Versorgung des Lochs im Kolon mit 5 Seidennähten. Im Chole¬ 
dochus ein grosser und zwei kleine Steine. Im retroduodenalen 
Theil viele Steintrümmer. Im Hepaticus ein Stein. Ausräumung. 
Papille dann frei. Drainage mit zwei Gnmmiröhren, eins im 
Hepaticus, das andere im duodenalen Theil des Choledochus. Ver¬ 
kleinerung der Ckoledochusincision durch Catgutnfthte. Chole¬ 
dochus sehr weit mit verdünnter Wand. Excision der morschen 
Gallenblase. Umstechung des blutenden Leberbettes. Ausgiebige 
Tamponade. Naht der Bauchw r and. Ein ziemlich grosser Nabel¬ 
bruch, dessen Radicaloperation geplant war, wird nicht operirt, 
da sonst der Eingriff zu complicirt wurde. Dauer der Operation 
5 Viertelstunden. Sehr gute Chloroformnarkose. Verlauf voll¬ 
kommen fieberfrei. Das Rohr aus Choledochus und Hepaticus 
wird 10 Tage post operationem entfernt. Wunde sehr gut geheilt. 
Tägliche Ausspülung des Choledochus mit steriler Kochsalzlösung. 
Allmählich lässt das Gallenlaufen nach. Pat. steht Anfang Sep¬ 
tember auf. Stuhlgang ist braun gefärbt. Der Ikterus schwindet 
sehr langsam. Beim Verbandwechsel ist die Blutung aus dem 
Wundcaual immer sehr bedeutend, die Tamponade genügt nicht 
sie zu stillen. Erst nach Injection von 100 g 2 proc. Gelatine- 
lösung hört die Blutung sofort auf. Die Injection wird bei der 
sehr ängstlichen Patientin, die mit Schrecken die hervorquellenden 
Blutmassen sah, unter Schleie h’scher Anaesthesie in die 
Bauchhaut vorgenommen, ohne dass die Kranke etwas davon 
merkte. Sie erhielt im Verlauf von 1 7 * Wochen im Ganzen 4 In- 
jectionen ü 100 g 2 proc. Gelatinelösung. Man konnte schon 
10 Minuten nach der Injection eine deutliche Abnahme der Blu¬ 
tung beobachten. Bei der Entlassung am 18. X. 1899 bestanden 
noch geringe Spuren von Ikterus, bei jedem Verbandwechsel tritt 
eine lebhafte Blutung aus dem Wundcanal ein, aber es gelingt, 
durch Einlegen von steriler Gaze, die Blutung zu stillen. Pat. reiste 
nach Nordhausen zu Verwandten und begab sich dort in die Be¬ 
handlung des Herrn Dr. E i 1 e r s, meines früheren Assistenten. 
Weitere Nachrichten über das Befinden der Pat. sind mir bisher 
nicht zugegangen. 

3. K. H., 28 jähriger Arbeiter aus Stiege. Aufnahme 28. IV. 
1899. Operation 29. V. 1899. Clioleej r st-Duodenostomie. Ent¬ 
lassung 29. VII. 1899. Geheilt. 

Anamnese: Vater und Mutter todt, an Typhus und Pneu¬ 
monie gestorben. 4 Geschwister leben und sind gesund. Pat. 
mit 17 Jahren Typhus. Mit 23 Jahren Driiseuvereiterung in der 
rechten Axilla. Ein Jahr später begann das Leberleiden. H. wurde 
häufig ohnmächtig, verlor den Appetit, bekam Erbrechen und 
Drücken in der rechten Seite und wurde ikteriseh (März 1895). 
Im Herbst desselben Jahres Koliken nach eingenommener Mahl¬ 
zeit Viel Erbrechen (dabei Blut). Die Krampfanfälle wieder¬ 
holen sich alle 3 Wochen, die Schmerzen strahlen nach dem 
Rücken zu aus. Der Stuhlgang war Immer grau oder gelb, nie 
braun (von 1895—99), die Gelbsucht wechselte aber. Das Jucken 
hat in der letzten Zeit nachgelassen. Seit 2 Jahren haben die 
Koliken sich gebessert. Appetit wechselnd, in der letzten Zeit auch 
nach leichten Speisen Drücken. Stuhlgang im Allgemeinen regel¬ 
mässig. Urin war meist braun. Am 24. Juni 1896 Aufnahme des 
Pat. in die chirurgische Klinik zu Halle a. S. Am 9. Juli Operation. 
Entlassung am 21. August. Pat. kann nicht angeben, welche Dia¬ 
gnose dort gestellt wurde und welcher Eingriff zur Ausführung 
kam. Der Ikterus ist nicht geschwunden, das Gesammtbefinden 
blieb sich gleich. Manchmal hat Pat. bei der Defaecation etwas 
Blut verloren. Lues wird in Abrede gestellt. 

Status praesens: Kleiner, schmächtiger Mann mit in¬ 
tensivem Ikterus. Im rechten Hypochondrium eine Quernarbe 
(Leberrandschnitt nach C o 11 r v o i s i e r), 3 Silberdrähte sehen aus 
Granulationen hervor. Dieselben werden entfernt. Pat. gibt an, 
dass dieselben schon ein Jahr laug aus der Narbe hervorsehen. 
Milz vergrössert. Unterer Leberrand reicht bis zur Nabelhöhe. 
Kein Ascites. Lungen und Herz gesund. Im Urin Gallenfarbstoff. 

Die Diagnose wird auf Verschluss des Choledochus durch 
Narbe oder Tumor (Duodeualulcus) gestellt Kein Steia 

Operation: Nach Eröffnung der Bauchhöhle durch den 
C z e r n y’sclien Hakenschnitt Freilegung der Gallenblase. Diese 
in Adhaesionen eingehüllt. Pankreaskopf sehr hart. Leber ver¬ 
grössert, aber nirgends Knoten. Kein Stein im Choledochus. Chole- 

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6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


183 


eyst-Duodenostomie schwierig, weil die Gallenblase sehr morsch 
ist und leicht einreisst. 

Verlauf fieberfrei. Am 5. Tage Erbrechen grosser Mengen 
blutig gefärbten Inhalts. Dasselbe wiederholt sich am 6. und 7. 
Tage. 3 malige Injection einer 2 proc. Gelatinelösung unter die 
Brusthaut. Die Blutung hört auf, Patient erholt sich. Der Quer¬ 
schnitt weicht auseinander (schlechte Ernährung wegen der ersten 
Narbe). Ikterus schwindet, Blutung nicht wieder. Guter Appetit. 

Am 29. VII. mit nur noch geringen Spuren von Ikterus, gutem 
Appetit, erheblicher Gewichtszunahme entlassen. Dem Patienteu 
geht es nach neueren Nachrichten vorzüglich. 

Das Bluterbrechen machte in diesem Fall bei uns Allen 
einen recht beängstigenden Eindruck. Besonders am 6. Tage 
war der Kranke so schwach und anaemisch,, dass Niemand an 
seine Erhaltung glaubte. Das Erbrechen erfolgte alle halbe 
Stunden und stand auch bei vollständiger Abstinenz nicht. So¬ 
bald eine halbe Stunde nach der Injection verflossen war, sistirtc 
das Erbrechen, und Patient erholte sich langsam. Hier haben 
v.ir natürlich durch Nährklystiere und Einläufe von Kochsalz¬ 
lösung den Kräftezustand zu bessern gesucht. 

Weitere Versuche mit der Injection von Gelatinelösung wer¬ 
den zeigen, ob nicht doch dem Mittel Nachtheile anhängen, die 
gerade bei meinen 3 Fällen sich nicht geltend machten und ob 
es immer gelingt eine blutstillende Wirkung zu erzielen. Be¬ 
weisen, wie gesagt, 3 Beobachtungen nicht viel, so möchte ich 
doch die Facheollegen auf fordern, in geeigneten Fällen sich 
dieser Mittheilung zu erinnern. 

In diesen 3 beschriebenen Fällen handelte es sich um eho- 
laemische Nachblutungen. Ich habe noch in einem vierten 
Fall einen erfreulichen Erfolg von der Anwendung der Gela¬ 
tinelösung gesehen und obwohl es sich nicht um eine cholaemische 
Blutung handelte, möchte ich doch ganz kurz über diesen Fall be¬ 
richten. 

Es handelte sich um einen 42 jährigen Herrn, der in seiner 
Bauchhöhle recht complicirte pathologische Processe verbarg: 
1. einen in der Mitte abgeknickten und stenosirten Processus 
vermiformis, der resecirt wurde (Pat. hatte öfters Attacken von re- 
cidivirenden Appendicitis durchgemacht). 2. Eine mit dem Kolon 
durch eine enge Fistel verbundene Gallenblase, welche einen 
grossen Stein enthielt. Wegen dieser Gailensteinbesch werden 
wurde er operirt, der Stein wurde enfernt, die Fistel zerstört, das 
Loch im Kolon zugenäht. 3. Einen harten Tumor, der hinter dem 
Duodenum lag und entweder der hinteren Darmwand oder dem 
Pankreas angehörte. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, 
dass vom Lig. hepato-duodenale resp. Choledoehus Verwachsungen 
zum Duodenum zogen und die Anamnese (Bluterbrechen und 
blutiger Stuhl) sprachen dafür, dass es sich um ein Ulcus duodeni 
handelt mit entzündlichen Verdickungen in der Nachbarschaft. Um 
einer möglichen Verlegung des Choledoehus vorzubeugen, wurde eine 
Cholecyst-Duodenostomie ausgeführt und weil die Gefahr einer 
Duodenalstenose nach dem aufgenommenen Befund sehr nahe lag, 
eine Gastroenterostomie nach v. Hacker und zur sicheren Ver¬ 
meidung eines Circulus vitiosus eine Entero-Enterostomie nach 
Braun. Die Operation dauerte etwas über 2 Stunden. Nach 
einem vollständig fieberfreien Verlauf stellte sich am 6. Tage post 
operationem eine sehr schwere Magendarmblutung ein. Der Puls, 
der immer gegen 90 betrug, erreichte eine Frequenz von 150. Es 
trat eine sehr bedrohliche Anaemie ein. Nach einer Injection von 
200 g einer 2 proc. sterilisirten Gelatinelösung hörte die Blutung 
auf und Patient erholte sich in 24 Stunden derartig, dass die Ge¬ 
fahr beseitigt war. Nach der Operation stieg die Temperatur, die 
immer normal war, auf 38,8 0 C. (4 Stunden nach der Injection), um 
dann auf 38,0 0 C. zu sinken und 2 Stunden später wieder 39,4 0 C. 
zu betragen. Dabei zeigte sich von Seiten des Peritoneum nicht 
die geringste Reaction (spontane Blähungen, Leib weich und un¬ 
empfindlich). Nebenbei bekam Patient 2 stündlich 0,05 Opium als 
Suppositorium und durfte nun dann und wann einmal ein Stück¬ 
chen Eis schlucken. Am letzten Tag betrug die Temperatur am 
Morgen 38,1 0 C., am Abend 37,8 0 C., Puls 110 und kräftig. 

Ich glaube nicht, dass die Blutung aus den Magen-, Gallen¬ 
blasen- oder Darmschnitten erfolgt war, denn ich habe überall 
Schleirahautnaht gemacht, sondern ich bin überzeugt, dass die 
Blutung allein aus dem Duodenum stammte. Die Steigerung 
der Temperatur führe ich zurück auf die Gelatineinjection. 
Auch anderwärts ist trotz Befolgung der strengsten Asepsis eine 
Erhöhung der Körperwärme nach der Injection von Gelatine be¬ 
obachtet worden. 

Ich erwähne diesen in pathologisch-anatomischer und auch 
chirurgisch-technischer Hinsicht sehr interessanten Fall nur kurz 
lind werde über denselben in dem jährlich erscheinenden Be¬ 
richte meiner Klinik ausführlicher berichten. 

(Schluss folgt) 


Aus der 2. medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Ger¬ 
hardt zu Berlin. 

Ueber die Reaction der Leukocyten auf die Guajak- 
tinctur. 

Von Dr. Kurt Brandenburg, Assistenten der Klinik. 

In der bekannten, v< n Van Deen angegebenen, Blutprobe 
wird das Blut im Urin dadurch naebgowio.-en, dass es aus 
Guajaktinetur bei Gegenwart von Terpentinöl einen blauen 
Farbstoff bildet. 

Es ist von Bedeutung, dass das Blutroth zur Bildung des 
blauen Farbstoffs des Zusatzes eines Mittels benöthigt, welches, 
wie das Terpentinöl, activen Sauerstoff abgibt. Man hat daher 
bekanntlich das alte harzige Otd empfohlen, das seine bleiehcnde 
Wirkung schon am Korkstopfen documentirt. 

Eiter im Urin lässt sieh im Gegensatz zum Blute da¬ 
durch erkennen, dass die zum Harn zugesetzte Guajaktinetur 
ohne weiteren Zusatz eines leicht Sauerstoff abgehenden Mittels 
blau gefärbt wird; bei reichlicherem Filergehalt wird der Urin 
sofort tief blau, bei geringeren Eitermcngcii tritt erst nach 
einigen Minuten eine blaugraue Tönung allmählich ein. 

Diese Eiterprobe ist in neuerer Zeit wohl zum Theil ohne 
Berechtigung in Misscredit gekommen und vielfach der Ver¬ 
gessenheit anheimgefallcn. So wird sie nicht erwähnt in den ge¬ 
bräuchlicheren Lehrbüchern und Handbüchern der physio¬ 
logischen Chemie, bei II o p p e - S e y 1 e r , Neumeister, 
Salkowski-Lpube und in den Taschenbüchern und Grund¬ 
rissen der klinischen Diagnostik von M ü 11 e r - S c i f e r t und 
Klein per er. Bei der Aufzählung der Blutproben findet sieh 
vielfach die Bemerkung, dass die V a n I) e e lösche Blutprobe 
auch bei Harnen, die nicht Blut, sondern Eiter enthalten, posi¬ 
tiv ausfällt, und dass sie daher als nicht zuverlässig anzusehen 
ist. Die wichtige Thatsaehe. dass Eiter die Guajaktinetur auch 
oline Zusatz eines Ozonträgem blau färbt, wird nicht in dieser 
Form liervorgehoben. Dennoch verdient diese Reaction dos 
Eiters vom theoretischen Standpunkt«* aus besonder«** Interesse, 
und es lässt sieh ihre praktische Verwendung sehr wohl be¬ 
gründen und erweitern. 

Bei weiterem Umschauon in der Literatur findet man, dass 
diese Reaction mehrfach« 1 ! Bearheilung gefunden hat. 

Von E. Brücke' 1 ) ist LSS8 töne Arbeit über Van De. chi/3 
Blutprobe und Vital i's Fiterprobg <Tsehi<>neii, in welcher die 
älteren Untersuchungen über den Gegenstand zusamniengefasst 
und durch neue Beobachtungen ergänzt wurden. 

D. V i t a 1 i J ) hatte 1887 angegeben, dass Eiter die Eigen¬ 
schaft hat, zugesetzte Guajaktinetur blau zu färben, und darauf 
hingewiesen, dass ein Gehalt an Eiter die Probe Vau Deen’s 
für die Aufsuchung von Blut im Urin nicht unbrauchbar macht. 
Brücke schlug vor, um eine mögliche Täuschung bei der Blut¬ 
probe auszusehliessen, V i t a 1 i's Regel zu befolgen und zunächst 
die Tinetur allein zuzusetzen und zu beobachten, ob Blämmg 
eintritt oder nicht. Tritt durch die blos.se Tinetur schon Bläu- 
ung ein, so solle man abfiltriren und den Filterrüekstand mit der 
Tinetur auf Blaufärbung prüfen; oder man könne den Urin auf- 
kochen. Eiter verliert durch Kochen die Eigenschaft der Bläu- 
ung, während das Blutroth durch Kochen in seiner Wirksam¬ 
keit auf (luajakterpentinöl nicht erheblich gestört wird. 

Es sei hier hervorgeholx n, dass in der Brück (Vscheu 
Arbeit ein älterer Vorschlag oitirt wird 1 *), bei der Van Deo n’- 
schen Blutprobe an Stell«» des Terpentinöls das Wasser¬ 
stoffsuperoxyd zu nehmen, eine Combination, die neuer¬ 
dings wieder empfohlen worden ist *). 

Nach unseren Untersuchungen empfahl es sieh bei An¬ 
stellung dieser Probe so zu verfahren, dass inan etwa einem 

') E. Brücke: Van Deen's Blutprobe und V i t a 1 i’s 
Eiterprobe. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissen¬ 
schaften. Math, nnturw. C. XCV1II. Bd., 1. Abth. III. 

2 ) D. Vitali: Chemisch. Centralbl. 1887, S. 1528. 

3 ) ln einem Bericht von V i 11 s t e i n (Archiv d. Pharmaeie 
Bd. CCV, S. 128) nach dem Repertoire de Pharmaeie, Juli 1873, 
heisst es. dass eine Commission hei Prüfung von Van Deen’s 
Probe Nasenschleim aetlv gefunden habe gegen Guajak und 
Wasserstoffsuperoxyd, dessen ätherische Lösung die Commission 
statt des Terpentinöls empfahl (eit. nach B r ii c k e). 

*) E. Siefert: lieber die Verwendbarkeit der Guajak- 
Wasserstoff Superoxyd reaction ' zum Nachweis von Blutspuren in 
forensischen Fällen. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med., 3. F., XVI, 
1, p. 1, 1898. 

1 * 


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184 


MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


CubikcentimeterOuajaktinctur soviel von der gewöhnlichen kauf- 
liehen, etwa 3proe. Wasserstoffsuperoxydlösung zugiesst, dass 
die Mischung beider eben noch klar bleibt, und die dreifache 
Menge an Urin hinzufügt. Unter lebhaftem Schäumen in Folge 
der Spaltung des ILO, tritt bei einigermaassen reichlicherem 
Gehalt an Blutroth schnell eine tiefblaue Färbung ein. Bei ge¬ 
ringeren Blutmengen (unter 0,2—0,3 Proc.) wurde die Farbe 
nicht so blau, wie bei der Verwendung von Terpentinöl, sondern 
schmutzig-grün. 

Im Gegensatz nun zum Blutroth haben eine Reihe von an¬ 
organischen und gewisse organische Stoffe, unter anderem der 
Eiter, die Eigenschaft, Guajaktinctur blau zu färben, ohne Zu¬ 
satz eines Trägers von activem Sauerstoff, wie Terpentinöl oder 
Wasserstoffsuperoxyd. 

So bläuen gewisse Pflanzenstoffe die Guajaktinctur, 
wie kalt bereiteter Malzauszug oder kalt bereitete Mimosen¬ 
gummilösung, welche beide Brücke empfahl, um das Reagens 
Guajaktinctur auf seine Wirksamkeit zu prüfen. Auch 
durch anorganische oxydirende Agentien, wie 
Eisenchlorid, salpetrige Säure, Kaliumpermanganat, Ozon, 
Chlor, Chromsäure, färbt sich das Guajakharzpulver und seine 
alkoholische Lösung tiefblau. 

Die Erklärung für die Eiterreaction beschäf¬ 
tigte V i t a 1 i und Brücke. Diese Autoren kommen zu dem 
Ergebniss, dass auch wässerige Auszüge aus Eiter im Stande 
waren, Guajak zu bläuen, und dass die wirksame Substanz durch 
Alkohol gefällt wurde und unter Alkohol einige Zeit aufbewahrt, 
das Vermögen Guajak zu bläuen, nicht verloren hatte, ebenso 
wenig wie der bei gewöhnlicher Temperatur eingetrocknete Eiter. 
Sie schlossen, dass in den Eiterkörperchen eine vom Leben unab¬ 
hängige Verbindung existirte, welche die Oxydation vermittelte, 
und dass diese Substanz eine colloidale sei. 

Um zu einer weiteren Einsicht in die Natur dieser eigen- 
thümlichen Wirkung des Eiters zu kommen, wurde versucht, den 
wirksamen Körper aus demselben darzustellen. 

Zu den Untersuchungen über die guajakbläuende Substanz 
in den Eiterkörperchen wurden 2 Liter Eiter verarbeitet, welche 
einem kalten Abscess der Wirbelsäule entstammten. Derselbe 
war geruchlos, frei von den gewöhnlichen Eiterbacterien, und 
mikroskopisch fanden sich in demselben nur wohlerhaltene 
1 .eukocyten. 

Ein Theil des Eiters wurde mit der dreifachen Menge 
chloroformhaltigen Wassers 12 Stunden bei 37" digerirt und das 
ungelöste durch Coliren entfernt. Die trübe, zellenfreie 
Flüssigkeit bläute stark Guajak. Sie wurde mit Essigsäure an- 
gesäuert. Es setzte sich danach ein dichter Niederschlag ab, der 
durch wiederholtes Decantiren gewaschen und abfiltrirt wurde 
und die bläuende Substanz des Extractes darstellte, denn das Fil¬ 
trat von demselben hatte nicht mehr diese Fähigkeit. 

Der Niederschlag wurde in dünner Sodalösung gelöst, filtrirt 
und wiederum mit Essigsäure gefällt. Durch Wiederholen dieser 
Prooed ur wurde schliesslich ein Ei weisskör per ziemlich 
rein erhalten, welcher Wasserstoffhyperoxyd unter 
lebhaftem Auf schäumen zerlegte und in klein¬ 
ster Menge die Fähigkeit h esass, Guajak zu 
b 1 ä u e n. — Die Bliiuung trat auch dann noch ein, wenn von dem 
mit Essigsäure ausgefälltem Eiweisskörper soviel in Wasser suspen- 
dirt wurde, dass die Flüssigkeit nur mehr schwach opalcscirte und 
nach dem Stehenlassen einen sichtbaren Niederschlag nicht mehr 
zeigte. 

Der Eiweisskörper wurde mit verdünnter Schwefelsäure 
4 Stunden auf dem Wasserbadc gekocht; nach dem Abfiltriren 
wurde mit Magnesiamischung gefällt. Das Filtrat gab mit 
ammoniakalischer Silberlösung eine reichliche Fällung von 
Purinbasen. 

Etwa ein halbes Gramm der gereinigten unter Alkoholäther 
aufbewahrten Substanz wurde mit salzsaurem Wasser und mit 
salzsaurem Alkohol wiederholt gewaschen und nach der von 
Albert, Neumann 5 ) angegebenen Methode mit einem Gemisch 
von Schwefelsäure und Salpetersäure zu gleichen Theilen im 
Kjcldahlkolben verascht. Die durch dies Verfahren erhaltene 
wasserklare Lösung der Aschenbestandtheilo gab mit Ammon- 
nitrat erhitzt und mit Ammonmolybdat versetzt einen reichlichen 

f ) A. Neu mann : Verhaudl. d. pliysiol. Gesellscli. zu Berlin, 
Sitzung vom 10. November 1899, in His-Engelmann’s Archiv f. 
Anat. u. Physik, 1899. 


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gelben Niederschlag. Die Lösung gab mit Sulfoammonium- 
cyanat eine dunkelrothe, mit Ferroeyankali eine grünliche Fär¬ 
bung. 

Der Ei weisskörper enthielt also Phosphor 
und Eisen in organischer Bindung im M o 1 e c ü i. 

Auch durch Extrahiren des Eiterzellenbreies mit dünner 
Soda- und Ammoniaklösung Hessen sich Filtrate gewinnen, 
welche Guajaktinctur bläuton, und aus welchen ein wirksamer 
Eiweisskörper mit Essigsäure ausgefällt wurde. Der Rückstand 
selbst, der vielfach extrahirte Zellenbrei, hatte trotz wiederholter 
Auszüge nicht seine Wirksamkeit verloren 

Nach dem oben angeführten chemischen 
Ve r halten musste der aus den Leukocyten des 
Eiters dargestellte Eiweisskörper, welcher 
Guajaktinctur noch in sehr starker Verdün¬ 
nung blau färbte, in die Classe der Nucleo- 
proteide eingereiht werden. Die eigentüm¬ 
liche oxydirende Wirkung des Eiters dürfte 
durch dieses in den Eiterzellen enthaltene 
Nucleoprotei d b e ding t we r d e n. 

Der Nachweis einer eigentümlich oxydirende Wirkungen 
zeigenden Substanz in den Eiterkörperchen wies auf die Be¬ 
obachtungen, welche über die Oxydationen durch tierische Ge¬ 
webe in grösserer Zahl vorliegen. 

Seit den ersten Untersuchungen von Schmiedeberg fl ) 
und Ehrlich 7 ) wurde dieses Thema besonders durch die Ar¬ 
beiten von Jaquet"), Salkowski 0 ) und Röhmann und 
Spitzer 10 ) gefördert. 

Es wurde beobachtet, dass t hierische Gewebe im 
Allgemeinen die Eigenschaft haben, auf ge¬ 
wisse leicht oxydirbare Substanzen in der Art 
einzuwirken, dass diese Sauerstoff auf¬ 
nehmen, sich oxydiren. Diese Eigenschaft lässt sich 
unter anderem dadurch demonstriren, dass man fein zerteilten 
Organbrei mit gewissen Chromogenen mischt. So wird durch 
Lebergewebe in kürzester Frist aus cr-Naphthol, Soda und Para- 
phenylcndiamin blaues Indophenol gebildet und ähnliche Farb¬ 
stoffe in gleicher Weise durch die Einwirkung von Organbrei 
sofort erzeugt, welche beim blossen Stehen an der Luft aus den 
Mischungen ohne Hinzufügen von Körperzellen erst allmählich 
sich bilden. u ). 

Leberbrei und Milzbrei haben ferner die Fähigkeit, gewisse 
Aldehyde zu oxydiren und aus Salicylaldehyd Salicylsäure zu 
bilden. Eine Lösung von Wasserstoffsuperoxyd wird durch 
Organzellenbrei unter lebhafter Gasentwicklung energisch zer¬ 
legt. Die einzelnen Organe verhalten sich in ihrer oxydirenden 
Kraft verschieden stark, so dass man nach dem Umfange der 
Salicylsäurebildung oder der Gasentwicklung aus H 2 0* eine In¬ 
tensitätsscala für die einzelnen Organe aufgestellt hat, in welcher 
an erster Stelle das Leber- und das Thymusgewebe rangiren. 

Es war allen Autoren, die sieh mit der Frage der Oxy¬ 
dationen durch todte Substrate animalischer und pflanzlicher 
Natur beschäftigt haben, bekannt, dass das wirksame, von den 
Meisten als ein „Oxydationsferment“ bezeichnet© Princip aus 
den Geweben durch Wasser oder Kochsalzlösung gewonnen wer¬ 
den kann. 

Aus dem Zellenbrei der verschiedenen Organe lässt sich mit 
Wasser ein Eiweisskörper ausziehen, welcher dieselbe oxydirendt? 
Eigenschaft hat wie der Zellenbrei. Diese Substanz wurde von 
Spitzer 12 ) aus dem Extract mit Essigsäure ausgefällt, ge¬ 
reinigt und für ein Nucleoproteid erklärt. 

In ähnlicher Weise, wie S p i t z e r es beschrieben hat, wurden 
bei unseren Untersuchungen aus Leber, Milz und Thymus Nucleo- 


«) Sch m iedeberg : lieber Oxydationen und Synthesen 
im Tliierkörper. Arch. f. exp. Patliol. u. Pharm., Bd. 14, 1881. 

•) Ehrlich : Das Sauerstoffbedürfniss des Organismus. 
Berlin 1SS5. 

K j j a q u e t : Ueber die Bedingungen der OxydationsVorgänge 
in den Geweben. Arch. f. exp. Patliol. u. Pharm., Bd. 29, 1892. 

°> Salkowski und J a m a g i v a : lieber das Oxydations- 
fernient der Gewebe. Centralbl. f .die med. Wissenseh. 1S1U. 
S a 1 k o w ski: Arcli. f. patli. Anat. 1897, Bd. 147. 

"') Külinin n n und Spitzer: Ueber Oxydations Wirkungen 
tliierisclier Gewebe. Ber. d. Deutsch, chem. Gesellsch., Bd. 28, 
1895. 

3l ) W. Spitzer: Die Bedeutung gewisser Nucleoproteide für 
die oxydative Leistung der Zelle. Pflüger’s Arch. Bd. 67, 1897. 

’ 2 ) Spitzer:!, c. 


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ß. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


186 


proteide dargestellt. Dieselben wurden mit dom Nuclooproteid 
aus Eitor vorglichen. 

Es wurde der fein zerhackte Organbrei mit der dreifachen 
Menge Chloroformwassers 24 Stunden stehen gelassen, das Un¬ 
gelöste durch Coliren abgetrennt und filtrirt. Die trübe Flüssig¬ 
keit wurde durch vorsichtigen Zusatz von Essigsäure ausgefällt, 
durch Decantiren gewaschen, mit Aimnoniakwasser gelöst, filtrirt, 
und die Procedur des Fällens und Lösens 2mal wiederholt. Durch 
Waschen mit Alkohol und Aetlier wurden die Nucleoproteide 
ziemlich rein erhalten. Mit salzsaurem Wasser und salzsaurem 
Alkohol gewaschen und nach Neumann 13 ) verascht fand sich 
in ihnen Phosphor und Eisen. 

Die Nucleoproteide aus Leber, Milz und 
Thymus hatten sämmtlich die Eigenschaft, 
Wasserstoffsuperoxyd unter starkem Auf¬ 
schäumen energisch zu zerlegen, keines der¬ 
selben färbte jedoch Guajaktinctur blau. 

Unter den daraufhin untersuchten Organen vermochte nur 
ein einziges in demselben Grade wie der Eiter die Guajak¬ 
tinctur zu bläuen, nämlich das Knochenmark. Besonders 
stark war die färbende Eigenschaft bei dem rothen Mark, 
während bei dem gelben Mark wegen des überwiegenden Fett¬ 
gehaltes nur in einzelnen Flecken und Streifen die Bläuung 
sich zeigte. 

Aus den obigen Untersuchungen wurde das bemerkenswerthe 
Resultat gewonnen, dass die »Nucleoproteide aus den Organen 
Leber, Milz und Thymus und aus dem Eiter, welche in gleicher 
Weise dargestellt waren, und ähnliche chemische Eigenschaften 
aufwiesen, sich zur Guajaktinctur verschieden verhielten; 
während das Eiterproteid die Guajaktinctur 
noch in sehr starker Verdünnung blau färbte. 
Hessen die übrigen Organproteide dieselbe 
auch in starker Concentration unverändert. 

Die Eiterreaction wurde, soweit unsere Untersuchungen sich 
erstreckten, nur von Leukocyten oder leukocytenreichem Gewebe, 
wie dem Knochenmark, hervorgerufen. Die Leukocyten 
dürften sich durch die Fähigkeit, die Guajak¬ 
tinctur blau zu färben, nicht nur von den 
Organzellen der Milz, der Leber und der Nieren 
unterscheiden, sondern auch von den Lympho¬ 
zyten, wie sie in der Thymus und in den Lymph- 
d r ü s e n an gehäuft sind. 

Es wäre für einige Fragen der Haematologie von Interesse, 
wenn es sich durch weitere Beobachtungen bestätigen sollte, dass 
die Guajakreaction es gestattet, die Zellen der Leukocytengruppe 
von denen der Lymphocyten zu trennen, doch möchten wir her¬ 
vorheben, dass die bisherigen Untersuchungen zu einer sicheren 
Entscheidung noch nicht genügten. Auch sei hier ein Einwand 
hervorgehoben, der für die Erklärung der sämmtlichen oxyda¬ 
tiven Wirkungen durch thierisehe Gewebe oder durch die aus 
deren Extracten dargestellten Nucleoproteide gilt, für die Zer¬ 
legung von H 2 0 2 ebenso wie für die Bläuung der Guajaktinctur 
durch den Eiter. Es Hess sich nämlich denken, dass die oxydirende 
Fähigkeit nicht eine Wirkung der Nucleoproteide war, sondern 
dass sie einem fermentartigen Körper anhaftete, welcher durch 
das Reinigungsverfahren von dem Nuclooproteid nicht getrennt 
werden konnte. Wenn diese Auffassung auch mancherlei Gründe 
gegen sich hatte, so müsste doch dieser Punkt noch durch weitere 
Untersuchungen geklärt werden. 

Durch ihre Eigenschaft, die Guajaktinctur blau zu färben, 
Hess sich die Anwesenheit von Leukocyten in einigen Fällen 
erkennen. So dürfte hierauf die Thatsaclie beruhen, dass der 
Speichel mancher Menschen die Eigenschaft hat, Guajak zu 
bläuen. Nach dem Spülen des Mundes und sofort nach dem 
Essen pflegte die Reaction zu fehlen, und es lässt sich wahr¬ 
scheinlich machen, dass sie an den Speichelkörperchen haftete, 
und nicht an Fäulnissproducten oder Bacterien. Dem leukocyten- 
roichen Rachen- und Bronchialsecret eignete sie besonders stark, 
dem Mucin und Fibrin fehlte sie. Durch Fäulnis« wurde mit 
den Leukocyten auch die bläuende Substanz zerstört, so wurde 
sie bei einem jauchigen Empyem vermisst. 

Eine gewisse praktische Bedeutung hatte vielleicht die That- 
sr.che, dass das B 1 u t b e i der Leukaemie, und zwar 
schon in den kleinsten Mengen in den a u s - 

13 > N e u ni n n n : 1. c. 

No G 


sprochenen Fällen, die Guajaktinctur blau 
färbte. 

Die Probe wird wohl am zweekmässigsten in der Form an¬ 
gestellt, dass 2—3 Tropfen Blut in etwas Wasser verdünnt und 
durch ein kleines Filter filtrirt werden. Dasselbe wird einmal 
mit Wasser gewaschen und darauf mit einigen Tropfen Guajak¬ 
tinctur betropft. Es färben sich darauf die mit Blut benetzten 
Partien des Filters intensiv blau. In einem Falle von myelogener 
Leukaemie färbten noch 0,04 ccm Blut das Guajakfilter tief blau. 

Bei einem Falle von myelogener Leukaemie, der in V/ 2 
Jahren tödtlich endete, wurden Stückchen aus den einzelnen 
Organen in Schalen mit Guajaktinctur geworfen. Nach einigen 
Minuten färbten sich die Blutgefässe bis in die feinsten Stämm- 
chen tief blau, so dass sie wie mit einer blauen Masse injicirt 
aussahen. Das übrige Organgewebe färbte sich nicht, nur das 
rothe Knochenmark aus dem Oberschenkel bläute sich, während 
Leber, Milz, die geschwollenen Lymphdrüsen, die Muskeln, der 
Knorpel sich nicht veränderten. 

Während das rein dargestellte Nucleoproteid aus Eiter noch 
in sehr starker Verdünnung die Eigenschaft hatte, Guajaktinctur 
blau zu färben, trat bei eiterhaltigem Urin erst bei einem be¬ 
trächtlicheren Eitergehalt, der etwa ’/, Prorn. Eiweiss entsprach, 
Blaufärbung ein. Dieser Umstand erklärte sich daraus, dass der 
Urin reducirende Substanzen enthält, welche 
das Eintreten der Reaction verhindern. Wurde 
das Nucleoproteid der Leukocyten in Wasser suspendirt und mit 
Urin versetzt, so liess sich imschwer zeigen, dass dadurch einer¬ 
seits das Auftreten der Blaufärbung in schwächeren Lösungen 
verhindert wurde; andererseits wurde der schon gebildete blaue 
Farbstoff durch Hinzufügen von normalem Urin allmählich 
zum Verschwinden gebracht. 

Es empfahl sich daher für den Urin zum Nachweis geringer 
Eiterbeimengungen das Verfahren, welches bei dem leukae- 
misehen Blute angewendet wurde. Eine geringe Menge Urin, 
je nach dem Eitergehalt 1 Tropfen bis 1 ccm wurde auf ein 
kleines glattes Filter gegossen. Dasselbe wurde mit Wasser ge¬ 
waschen und mit einigen Tropfen Guajaktinctur betropft. 

Es möge noch erwähnt werden, dass das bei verschiedenen 
Krankheitszuständen reichHcher im Urin auftretende Nucleo- 
albumin auf seine Fähigkeit die Guajaktinctur zu bläuen ge¬ 
prüft wurde. 

Bekanntlich tritt bei manchen fieberhaften Krankheiten u ), 
bei Hvterus und bei der Leukaemie ,s ) häufig im Urin ein Eiweiss¬ 
körper auf, der bei Zusatz von Essigsäure schon in der Kälte 
ausfällt, und welcher neuerdings als Nucleoalbumin an- 
gesprochen wird I0 ). Dieser Eiweisskörper hat eine gewisse prak¬ 
tische Bedeutung, weil er unter Umständen für Serumalbumin 
oder -globulin gehalten werden kann und dann zu der irrthüm- 
lichen Annahme einer Nierenentzündung verleitet. Es wurde 
das aus dem Urin mit Essigsäure fällbare Eiweiss dargestellt bei 
fieberhafter Phthise, bei Penumonie, bei Typhus, bei Masern, bei 
Ikterus nach Cholelithiasis, und bei einem Falle von myelo¬ 
gener Leukaemie. 

Das Nucleoalbumin verschiedener Herkunft, welches 
durch wiederholtes Lösen in Ammoniakwasser und Fällen mit 
Essigsäure gereinigt war, hatte in keinem Falle die 
Eigenschaft, die Guajaktinctur blau zu fär- 
b e n. Durch dieses Verhalten wurde es wahrscheinlich gemacht, 
dass das Nucleoalbumin nicht einProduct vonLeuko- 
c y t e n war, sondern von Organzellen, vielleicht, wie von man¬ 
cher Seite angenommen wird, von der Marksubstanz der Nieren 
stammte. 

Zum Schlüsse seien die wesentlichen Ergebnisse der Unter¬ 
suchungen in Kürze zusammengefasst: 

1. Die Eiterreaction mit Guajaktinctur 
verdient als bequemes Reagens auf Eiter im 
Urin und verschiedenen Excreten eine wei¬ 
tere Ve rbreitung. Da der Urin reducirende S u b- 
s t a n z e n e n t h ä 11, welche das Ei n t r c t e n der Blau» 


u ) K. R e i s s n e r : Virehow's Arch. Bil. 24, 18(52 
u ) Friedr. M ü 11 e r : Leber einen durch Essigsäure fällbaren 
Eiweisskörper. Mittlieil. aus d. med. Klinik zu Wiirzburg, I, 1884. 

lfi ) Vergl. bes. E. Obermayer: Ueber Nucleoalbuminaus- 
scheidung im Harn. Centralbl. f. klin. Med. Bd. 13, 1892. Pich¬ 
ler und Vogt: Zur Lehre von der Nticleoalbuininurie. Centralbl. 
f. Innere Med. 1894. 


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18(5 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6, 


färbung erschweren bezw. verhindern, em¬ 
pfiehlt es sieh in manchen Fällen, eine Urin- 
probe abzufiltriren und die Eeaction auf dem 
Filter anzustellen. 

2. ln dergleichen Weise durch Abfiltriren 
einiger Tropfen in Wasser gelösten Blutes, 
lässt sich bei der Leukaemieauf demFiltei 
eine blaue Färbung mitGuajaktincturlier- 
v o r r u f e n. 

3. Die Eigenschaft des Eiters, die Gua j ak¬ 
tin c t u r blau zu färben, beruht mit Wahr¬ 
scheinlichkeit auf der Wirkung von Nucleo- 
p rot ei de n, welche noch in sehr starker Ver¬ 
dünnung wirksam sind. Die aus Leber, Milz 
und Thy musin dergleichen Weise dargestell¬ 
ten Nucleoproteide bläuten Guajak nicht. 
Aller Wahrscheinlichkeit nach kommt die 
Ilcaction im Wesentlichen den Zellen der 
Leukocytengruppe zu (Knochenmark), so dass 
sie unter Umständen benutzt werden kann 
zur Erkennung dieser, gegenüber gewissen 
Organ zellen und den Zellen des adenoiden 
Gewebes, den Lymphocy ten. 


Aus dem Laboratorium der III. Kgl. medicinischen Klinik zu 
Berlin. 

Einige Bemerkungen über die basophilen Körnchen 
in den rothen Blutscheiben. 

Von Dr. Martin Cohn, Vol.-Assistenten der Klinik. 

Im Jahre 1893 machte Askanazy’) von dem Vorkommen 
eigenthümlicher Körnchen in den rothen Blutkörperchen bei rapid 
verlaufenden Anaemien Mittheilung, welche bei Färbungen im 
Gegensätze zu dem acidophilen Plasma der Blutscheiben eine 
ausgesprochene Affinität zu basischen Farbstoffen aufwiesen! 
Askanazy ist geneigt, in ihnen Producte des Kernzerfalls zu 
sehen. 3 Jahre später berichtete Lazarus 2 ) über eine grössere 
Zahl von Fällen perniciöser Anaemie, bei denen er diese Gebilde 
gleichfalls nachweisen konnte. 

ln neuerer Zeit ist die allgemeine Aufmerksamkeit durch 
eine Veröffentlichung von A. Plehn 3 ) auf diese körnigen Ele¬ 
mente von Neuem gelenkt worden; genanntem Autor gelang es, 
die basophilen Körnchen vielfach bei Malariaanaemien aufzu¬ 
finden, wesshalb er sie als Keime der Malariaplasmodien gedeutet 
wissen wollte. Indess ist durch mehrfache Untersuchungen 
(G r a w i t z ‘). Litten 6 )) der Nachweis geliefert worden, dass 
diese „polychromatophilen Körnchen“ Plehn’s keineswegs etwas 
der Malariaanaemie Eigenthümliehes darstellen, sondern dass sie 
sich bei Anaemien verschiedenster Art und Aetiologie darstellen 
lassen. So traf sie Litten bei 9 Fällen, von denen 4 zum 
Krankheitsbilde der B i e r m e r’schen Anaemie gehörten, während 
3 derselben posthaemorrhagisehe Anaemien und je eine eine 
solche bei einem Carcinoin olme Blutungen und eine Chlorose 
betrafen. Litten spricht sich übrigens dahin aus, dass nach 
seinen Erfahrungen diesen Körnungen keinerlei diagnostische 
noch prognostische Bedeutung beizumessen sei. Auch G r a w i t z 
fand die in Frage stehenden Körnungen bei Fällen von perni¬ 
ciöser Anaemie, bei 2 Fällen von Leukaemie, sowie ferner bei 
Anaemien, die carcinomatöse und septische Processe begleiteten. 
Wenn ich meine eigenen Erfahrungen hier anschliessen darf, so 
möchte ich bemerken, dass mir in 3 Fällen von progressiver per¬ 
niciöser Anaemie der Nachweis solcher gekörnter Erythrocyten 
gelang, während ich sie in je einem Falle von myelogener Leu¬ 
kaemie und Anaemia splenica vergeblich suchte. j 

Steht somit das mannigfache und sicherlich einer wesent¬ 
lichen diagnostischen Bedeutung ermangelnde Vorkommen der 
basophilen Körnchen ausser Frage, so gehen doch bezüglich ihrer 
Provenienz und Natur die Meinungen auseinander. G r a w i t z 
deutet sie als Degenerationserscheinungen des Blutkörperchen¬ 
plasmas, wofür die Thatsache zu sprechen scheint, dass sie sich 
vielfach in polychromatophil degenerirten Blutscheiben finden 
sowie ferner, dass sie gerade bei solchen Erkrankungen vor- 

*) Askanazy: Zeitsehr. f. klin. Med., Bd. 23. 
u ) Lazarus: Deutsche med. Wochensehr. 1890, No. 23. 

*) I* 1 e h n : Deutsche med. Woehensehr. 1899, No. 28. 

*i G r a \v i t z : Deutsche med. Woeliensehr. 1899. Xu. 30. 
b ) Litten: Deutsche med. Woeliensehr. 1899, No. 44. | 

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kommen, die erfahrungsgemäss einen schädigenden Einfluss auf 
die rothen Blutkörperchen ausüben. Litten und Lazarus") 
hingegen sehen in den Körnchen Kernreste; gestützt wird ihre 
Ansicht wesentlich durch Untersuchungen Engel’s 7 ), welcher 
darthun konnte, dass im Blute von Mäuseembryonen in einem 
bestimmten Entwicklungsstadium die Kerne mancher Erythro- 
blasten nicht im Ganzen ausgestossen werden, sondern durch 
Karyorrhcxis zu Grunde gehen, wodurch ähnliche Bilder im 
mikroskopischen Bilde zu Stande kommen, wie man sie bei 
Anaemien sehen kann, d. h. eine Erfüllung des Blutkörperchens 
mit feinen, basophilen Körnchen. 

Bei posthaemorrhagischen oder chronischen Anaemien, bei 
denen „punctirte Erythrocyten“ (Lazarus) nachweisbar sind, 
gelingt es nicht, nebenher kernhaltige, rothe Blutkörperchen oder 
gar Uebergangsbilder, welche die Kernauflösung zeigen könnten, 
aufzufinden; Litten glückte es dagegen, bei einem Falle von 
perniciöser Anaemie, kurz ante exitum, kernhaltige, basophil 
gekörnte rothe Blutkörper und neben diesen solche, deren Kern 
deutliche Auffaserung und Zerfall in einzelne Kernbröckel 
zeigte, naclizuweisen; auch im Knochenmark des betreffenden 
Patienten fanden sich die gleichen Bildungen. 

Die bislang erwähnten basophilen Granula sind wesentlich 
verschieden von etwas grösseren derartigen Gebilden, welche 
Schmauch') in den rothen Blutzellen der Katze fand. Die 
letzteren („endoglobulären Körperchen”) kommen meist solitär vor 
und ähneln in ihrem chemischen und tinctoriellen Verhalten den 
Kerusubstauzeu, sie sind nach des gen. Autors Untersuchungen 
mit grösster Wahrscheinlichkeit als Kernreste anzusprecheu. 
Ausserdem aber beschreibt auch Schm auch punatirte 
B 1 u t z e 11 e n , d. li. solche, die mit multiplen, basisch färbbaren 
feinen Körnchen erfüllt sind. Dieselben fanden sich bei allen 
stärker anaemisclieu Thiereu und konnten durch künstliche Auaerni- 
siruug vermittels Pyrodininjection oder nach Behandlung mit Band- 
wurmextract nachgewiesen werden. Bezüglich der letzteren Gebilde 
ist Schmauch der Ansicht, dass es sich um degenerative Plasma- 
processe im Sinne der E h r 1 i e h’schen „unaemischen Granula” 
handele. 

Es erschien naheliegend, der Frage nach dem Auftreten 
dieser gekörnten Erythrocyten bei experimentell hervorgerufenen 
Anaemien näher nachzuforschen. Ein gehäuftes Auftreten so 
veränderter Blutscheiben in unmittelbarem Anschluss an 
eine grössere Blutentziehung sprächen für die Anschauung Derer, 
welche diese Granula vom Kern ableiten, insofern als das Kno¬ 
chenmark zu einer excessiven Thätigkeit angespornt werde und 
alsdann auch unfertige Elemente, d. li. solche, deren Kern noch 
nicht völlig eliminirt sei, in die Blutbahn eingeschwemmt 
würden, wenngleich zu berücksichtigen wäre, dass gerade mit Be¬ 
zug auf liaematologische Untersuchungen die Ergebnisse des 
Thierexperimentes sich nur mit gewissem Vorbehalt auf mensch¬ 
liche Verhältnisse übertragen lassen. 

Zu vorgenanntem Zwecke habe ich an einer Anzahl von 
Thieren (Kaninchen) grössere Blutentziehungen vorgenommen 
und im Anschluss an dieselben alsdann die Veränderungen des 
Blutbildes studirt. Es handelte sich um die Entziehung von ca. 
einem Drittel des Gesammtblutes der betreffenden Thiere aus 
einer freigelegten Carotis. 

Sonach konnte ich bei Thieren mit vorher histologisch nor¬ 
mal befundenem Blutbild das Auftreten dieser Körnchen in auf¬ 
fallend vielen Blutscheiben beobachten (cfr. tigur , Z e i s s 
Immers. 1 / 1V Oeular II). Indessen traten diese Körnchen n i c h t 
unmittelbar nach der Blut¬ 
entnahme auf, sondern waren 
erst am folgenden oder über¬ 
nächsten Tage zu constatiren; 
weiterhin ergab sich die That¬ 
sache, dass diese punktirten 
Erythrocyten durch Blutent¬ 
ziehungen nicht bei allen Thie¬ 
ren zu erzielen waren. Die 
Körnchen lagen zum grösseren 
Theile in polychromatophil ent¬ 
arteten Blutscheiben, zum klei¬ 
neren in solchen mit normal 
färbbarem Protoplasma. Ausser¬ 
dem fanden sich oft polychromatophil degenerirte Blutkörperchen 
ohne Einlagerung von Granulis. Die Körnchen waren bei Thieren, 


•) Ehrlich und Lazarus: Die Anaemie. II. Bd., p. 114. 
7 > Engel: Zeilsclir. f. klin. Med.. Bd. 38. 

•) iS c b ui a u e h : VIrchow’s Archiv, Bd. 150. 

Original fro-m 

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6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


187 


welche die Blutentnahme so lange überlebten, noch bis zum 
7. Tage nach dem Eingriff aufzufinden. 

Bezüglich der Frage nach der Natur der in Frage stehenden 
Körnchen glaube ich nun, mich der Ansicht von G r a w i t z an- 
schliessen zu dürfen, d. h. in ihnen partielle Plasmadegenera¬ 
tionen zu erblicken; dazu führte mich besonders die Erwägung, 
dass die Körnchen erst einige Zeit nach der Blutentziehung in 
die Erscheinung traten. Es ist bekannt und durch mehrfache 
Untersuchungen erwiesen, dass ein grösserer Blutverlust eine 
Hydra emie zu Wege bringt., die erst ein bis mehrere Tage nach 
demselben ihren höchsten Grad erreicht.*) Ich nehme an, dass 
das Auftreten der punctirten Blutscheiben in Beziehung zu dem 
sich ausbildenden Grade der Hydraemie zu setzen ist; hiefiir 
spricht auch der Umstand, dass die Körnchen auffällig häufig 
in polychromatophil entarteten Blutscheiben liegen. In einigen 
Fällen traten gekörnte Erythrocyten nicht auf; bei diesen 
konnten dagegen Blutkörperchen angetroffen werden, welche die 
höchsten Grade von Polychromatophilie aufwiesen, am Rande 
aufgefasert erschienen und überdies die übrigen Blutscheiben 
an Grösse übertrafen, was offenbar als Quellungserscheinung auf- 
zufassen war; für diese Fälle bin ich geneigt anzunehmen, dass 
in ihnen die chemische Veränderung des Blutserums eine beson¬ 
ders hochgradige war. 

Auf die Verhältnisse beim menschlichen Blut lassen sich 
diese Anschauungen insofern übertragen, als man bei allen An- 
aemien, primärer oder secundärer Art (mit Ausnahme der Chlo¬ 
rose), eine hydraemische Veränderung des Blutserums nachweisen 
kann 10 ), wenngleich dieselbe nie besonders hohe Grade erreicht. 

Es erscheint mir dem zu Folge wahrscheinlich, dass die be¬ 
schriebenen punktförmigen basophilen Körnchen in den Blut¬ 
soheiben als Protoplasmadegenerationen aufzufassen sind, welche 
in einer gewissen Abhängigkeit von der chemischen Alteration 
dos Blutserums stehen, wie sie sich bei Anaemien stets nach¬ 
weisen lässt. 


Vorläufige Mittheilung über eine neue 'Färbungs¬ 
methode zur Darstellung des feineren Baues der 
Bacterien.*) 

Von Dr. K. N a k a n i s h i, a. o. Professor der inneren Medicin 
an der Universität Kyoto in Japan. 


Im Archiv für Dermatologie und Syphilis, L. Band, 2. Heft 
(misgegeben November 1899) beschreibt U h m a eine Methode, 
welche N e i s s e r’sche Gonococcen im Eiter schnell und different 
von anderen Bacterien färbt. Seine Methode ist folgende: 
Die Objectträger werden mit einer */,—lproc. alkoholischen oder 
ossigsauren Lösung von Neutralroth (Grübler) benetzt und ge¬ 
trocknet. Nach Bedarf nimmt man auf ein Deckgläschen ein 
kleines Tröpfchen Eiter, legt es auf den so vorbereiteten Object- 
träger, drückt an und untersucht sofort das Präparat. Es sollen 
alsdann die Gonococcen fast die ersten Dinge sein, die in dem 
mikroskopischen Bilde rot.h gefärbt erscheinen, so dass eine ge¬ 
wisse Differentialfärbung gegenüber ähnlichen Coccen, welche 
>ich mit Methylenblau gut färben, vorhanden wäre. Ferner 
färben sich die in manchen Zellen vorkommenden kugeligen 
Elemente roth, die mit Neutralroth färbbaren Granulationen 
der Leukocyten gelb. 

Da ich mich seit längerer Zeit mit einem Färbeverfahren 
beschäftige, welches mit dem oben beschriebenen insofern eine 
Aehnlichkeit aufweist, als es sich dabei im Wesentlichen auch um 
die Färbung auf dem Objectträger, der mit einer dünnen einge¬ 
trockneten Farbstoffschicht bedeckt ist, handelt, so sehe ich mich 
durch die oben genannte Publication veranlasst, schon jetzt die 
von mir befolgte Methode und deren Resultate kurz zu veröffent¬ 
lichen. 

Mein Färbeverfahren, welches sowohl auf rein wissenschaft¬ 
lichem, als auch auf mehr praktischem Gebiete ausgedehnte An¬ 
wendung finden kann, ist folgendes: Die gut gereinigten Object- 
träger werden mit einer in der Wärme gesättigten, wässerigen 


*) F. A. Hoffmann: Lehrb. der Constltutionskrankh. 189? 
10 ) Askanazy: Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 59, p. 38.“ 
*) Die erste Hälfte dieser Untersuchungen wurde schon iu 
. lire 1S ®7 In der med. Klinik der Universität Tokio, die Übrigei 
in den letzten 10 Monaten im hiesigen hygienischen Institut an 
jestellt. Die ausführliche Mittheilung hierüber wird In nächste 
Kurze erfolgen. 


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Lösung von Methylenblau angestrichen. Man träufele dabei zu¬ 
nächst frisch abfiltrirte Farblösung auf einen Objectträger, und 
streiche mit Leinwandläppehen oder Filtrirpapier einigemale hin 
und her, wische dann von der Farblösung, bevor dieselbe einge¬ 
trocknet ist, geschwind so viel ab, bis das Glas die gewünschte 
himmelblatte Farbe bekommt. 

Oder man kann auch so verfahren, dass man Objectträger mit 
fast siedend heisser Methylenblaulösung bestreicht, und nach dem 
Trocknen, welches momentan eintritt, mit einem trockenen Läpp¬ 
chen abwischt, bis die geeignete Farbnuance erzielt ist. Nun 
werden die Präparate in der Weise hergestellt, dass kleine Tröpf¬ 
chen der zu untersuchenden Flüssigkeit auf Deckgläser gebracht 
und die letzteren auf den gefärbten Objectträger gelegt werden. 
In den Fällen aber, wo die Untersuchungsobjecte nicht flüssig, 
sondern fest sind, wie z. B. Bacterienculturen auf festen Nähr¬ 
böden, müssen dieselben zuerst in irgend welchen flüssigen Medien 
aufgeschwemmt werden. Selbstverständlich muss die Flüssigkeit, 
w'elche zur Aufschwemmung dient, den Farbstoff rasch und gut 
zu lösen vermögen. 

Ich habe viele Anilinfarben durchprobirt und das Methylen¬ 
blau für diese Zwecke am meisten geeignet gefunden. Es löst 
sich sehr leicht in Wasser, Blutplasma resp. -Serum, in thieri- 
schen Gewebssäften, Exsudaten, Transsudaten, Secreten, Ex- 
creten, Bouillon, in dem Condenswasser gebräuchlicher Nähr¬ 
böden etc. etc. 

Unter verschiedenen Sorten von Methylenblau haben sich 
einige als besonders geeignet für diese Zwecke erwiesen; ich 
brauche gegenwärtig Methylenblau BB mit gutem Erfolg. 

Die Hauptpunkte der Resultate meiner bisherigen Unter¬ 
suchungen sind folgende: 

A) Blut und Blutparasiten der Frotozoenclasse. 

1. Leukocyten. Die verschiedenen Formen von Leuko¬ 
cyten im frisch entnommenen Blute reagiren auf diese Färbung 
sehr verschieden. 

Solche polynucleären Leukocyten, bei welchen sich die Kerne 
unmittelbar nach der Anfertigung des Präparates bereits intensiv 
gefärbt zeigen, sind wohl als todte oder wenigstens im Absterben 
begriffene Individuen aufzufassen. Die amoeboid beweglichen 
Leukocyten nehmen nie Farbstoff auf, so lange ihre Bewegung 
sichtbar ist. Bei den grösseren und kleineren mononucleären 
runden Zellen ist die Färbung im Allgemeinen schwach; das 
granulirte Protoplasma zeigt schwach blaue Farbe, während der 
Kern blass, mehr homogen aussieht und kleine, runde, tiefer tin- 
girte Kernkörperchen sichtbar werden. Beim Eiter, in welchem 
die Mehrzahl der Leukocyten offenbar ihrer Lebensthätigkeit be¬ 
raubt ist, ist die Farbenreaction ganz anders. 

Durch verschiedene Intensität und wechselnde Nuance der 
Farbe, welche das Protoplasma und die Kerne zeigen, lassen sich 
die Leukocyten in ihren verschiedenen Degenerationsstadien 
eingehend studiren. 

2. Erythrocyten. Erythrocyten, welche im ganz 
frischen Präparate entweder diffusblaue Färbung oder blaue 
Risse, Blitzfiguren, Pünktchen etc. zeigen, sind als pathologisch, 
d. h. todte oder in irgend welcher Weise geschädigte, zu deuten. 

3. Sämmtliche Varietäten von Malariaparasiten im 
menschlichen Blute lassen sich in allen Entwickelungsstadien 
immer gut färben. Dabei treten alle bis jetzt uns bekannten 
feinen Details der Structur. in aussergewohnlicher Klarheit zu 
Tage; nur gelang es mir nicht, Chromatinkörner im Laveran’- 
schen Halbmonde deutlich zu färben, was Z i em a n n und Gau ¬ 
tier erreicht haben. Bei den intraglobulären, lebhaft beweg¬ 
lichen Parasiten tritt die Färbung erst dann ein, wenn die amoe- 
boide Bewegung vollkommen aufgehört hat. 

B) Bacterien. 

4. Sämmtliche Bacterien nehmen den Farbstoff sehr rasch 
und gut auf. So färben sich z. B. Tuberkelbacillen und 
Leprabacillen, welche im fixirten Präparate schwer Farb¬ 
stoff auf nehmen, nach dieser Methode schon in einigen Secunden. 

5. Die Färbung nach diesem Verfahren ist keine diffuse, wie 
die bei den bisherigen Methoden, sondern eine fein differenzirte, 
d. h. die einzelnen Bestandtheile der winzigen Organismen, sowie 
die Ausscheidungsproducte derselben nehmen den Farbstoff in 
verschiedenem Maasse auf, mit anderen Worten, sie reagiren ver¬ 
schieden stark. Die feinste Structur der Bacterien kann durch 
diese Färbung deutlich sichtbar gemacht werden. 

2 * 

Ürigiral frem 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 6. 


6. Die Aufnahme des Farbstoffes ist auch der Art und dem 
Alter der Bacterien, der Beschaffenheit der Nährböden etc. nach 
von verschiedenem Grade. 

7. Die lebenden Bacterien verhalten sich dabei anders als die 
todten. Wenn es bei gewissen Bacterien auch gelingt, ohne vor¬ 
herige Behandlung, Chromatinkörnchen (Kerne) deutlich hervor¬ 
treten zu lassen, so muss man doch bei der Mehrzahl der Bacterien 
dieselben vorher abtödten. Dies geschieht am besten 
durch Formalindämpfe. 

Das Abtödten bietet hierbei noch einen Vortheil, nämlich 
den, dass dadurch bei gewissen Bacterien die durch die Farb¬ 
lösung möglicher Weise hervorgerufene Plasmolyse ausgeschaltet 
wird. 

8. Alle Bacterien sind in ihrem jugendlichen Stadium, wenn 
sie. imter günstigen Bedingungen gewachsen sind, e i n k e r n i g e, 
kurze Z eilen. 

9. Das Protoplasma der Bacterienzelle stellt die Haupt¬ 
masse der letzteren dar. Es sieht homogen aus, und hat geringe 
Affinität zum Methylenblau (höchst wahrscheinlich auch zu an¬ 
deren Kernfarben) namentlich, wenn die Zolle jung ist. Wenn 
die Zelle aber alt geworden ist, d. h. wenn sie aufgehört hat, sich 
in normaler Weise zu theilen, so tritt eine Veränderung des Proto¬ 
plasmas in seiner Beschaffenheit auf, und zwar derart, dass mehr 
chromophile Substanz erscheint, und dementsprechend das Proto¬ 
plasma intensiver gefärbt erscheint. 

10. Der Kern der Bacterienzelle ist rund oder oval gestaltet 
und verhältnissmässig klein. Er sitzt gewöhnlich in der Mitte 
der Zelle. Durch meine Methode lässt er sich sehr gut färben. 
Dabei zeigt er in der Regel nicht dieselbe blaue Nuance, wie das 
Protoplasma, sondern ein mehr röthliches Blau, was bei Leuko- 
eyten auch der Fall ist. Ferner besitzt der Kern gewisser Bac¬ 
terien, z. B. des Milzbrandbacillus, die Eigenschaft, bei der Ein¬ 
wirkung von gewissen Protoplasmagiften die Zelle zu verlassen. 
Das kommt auch bei Leukoeyten vor. Unter von mir unter¬ 
suchten 16 Arten von Bacterien (Staphylococcus, Milzbrand¬ 
bacillus, Bacillus megatherium, Typhusbacillus, Colibacillus, 
Prodigiosus, Rhinosklerombacillus, Pneumobacillus, Cholera¬ 
vibrio, Diphtheriebacillus, Leprabacillus, Tuberkelbacillus, Spir. 
serpens, Spir. volutans und zwei von mir gefundene Bacterien- 
arten) war diese röthliche Farbe bei Bac. variabilis lymphae vac- 
cinalis') am meisten ausgesprochen. 

11. Die Membran bildet bei der Bacterienzelle, wie mir 
scheint, keinen absolut nothwendigen Bestandteil. Während 
sie bei einigen Bacterienarten, wie z. B. Staphylococcus, Milz¬ 
brandbacillus, Bacillus megatherium mächtig entwickelt ist, 
scheint sie bei den anderen, wie z. B. bei Bacillus variabilis 
lymphae vaccinalis, nur ganz rudimentär entwickelt oder sogar 
total zu fehlen, wenigstens bei jugendlichen Individuen. 

12. Bis jetzt ist es mir noch nicht gelungen, Geissein zu 
färben, selbst bei dem grossen Spir. serpens. Demnach schliesse 
ich, dass die Geissein aus einer ganz besonderen Substanz zu¬ 
sammengesetzt sein müssen. 

13. Beim künstlich gezüchteten Rhinosklerombacillus und 
Pneumobacillus sieht man noch röthlichblau färbbare Schleim- 
kapseln, die sich nach einiger Zeit auflösen und unsichtbar 
werden. Bei Tuberkelbacillus und Streptothrix actinomyces aus 
Culturen färbt sich der Schleim in feinsten Fäden. 

14. Die Zelltheilung folgt bei den Bacterien genau wie 
bei den höheren Thieren und Pflanzen immer der vorangehenden 
Kerntheilung. Zuerst nimmt der Kern die Form einer Sanduhr 
an, theilt sich dann in zwei Hälften, welche beide neue Kerne 
darstellen und sich weiter theilen. Kurz darauf tritt die Thei- 
lung des Protoplasmas ein, welche mit dem Erscheinen einer 
Scheidewand beginnt und durch darauffolgende Abschnürung an 
dieser Stelle oder durch einfache Abtrennung der Glieder vol¬ 
lendet wird. Solche Bilder sieht man genug bei allen Bacterien, 
am schönsten aber bei Staphylococcus, Milzbrandbacillus, Bac. 
megatherium und Rhinosklerombacillus. Es gibt Fälle, in denen 
das Protoplasma wächst, ohne sich weiter zu theilen, während die 
Kerntheilung normal vor sich geht; oder das Protoplasma ist 
durch Scheidewände in mehrere Abschnitte getheilt, welche nicht 
auseinandergehen, sondern eine Zeit lang fest Zusammenhängen. 
Im ersten Falle bekommen wir mehrkernige Stäbchen, 
im zweiten Falle Bacterienverbände. Die Mehrzahl von 


*) üeber diese, von mir gefundene Bacterienart wird dem¬ 
nächst eine Publlcation lm Centralbl. f. Bact. erfolgen. 

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Staphyloeoccen ganz junger Culturen, ca. 90 Proc. derselben, zei¬ 
gen das Bild eines Diplococeus, als Ausdruck der raschen Zell¬ 
theilung. 

15. Lebhaft bewegliche Choleravibrionen (auch andere beweg¬ 
liche Bacterien) können viel Farbstoff aufnehmen. Hier handelt 
es sich aber wahrscheinlich nicht um Färbung im gewöhnlichen 
Sinne, sondern die stärkere Farbstoff auf nähme ist bedingt durch 
active Thätigkeit des lebenden Protoplasmas. 

16. Die Spore ist nichts anderes als ein veränderter Bae- 
tcrionkern; sie bleibt durch Färbung nach meiner Methode voll¬ 
kommen farblos. Der Kern wird grösser, verliert allmählich die 
Eigenschaft, Farbstoff aufzunehmen, und wird Spore. Solche 
Uebergänge habe ich beim Milzbrandbacillus beobachtet. Beim 
Leprabacillus sieht man im Innern des gewachsenen Kerns oft 
kleine, stark lichtbrechende Körnchen, welche dem Aussehen nach 
den Sporen anderer Bacterienarten sehr ähnlich sind. 

17. Das hier beschriebene Färbeverfahren eignet sich auch 
zur Untersuchung von Transsudaten, Exsudaten, Secreten und 
Excreten auf morphotische Elemente. Es ist z. B. auch anwend¬ 
bar für die Untersuchung des Harnsediments auf Cylinder, der 
Faeces auf Ainoeben, des Trippereiters auf Gonococcen. 

München, den 31. Januar 1900. 


Ueber Skoliosis ischiadica. 

Von Dr. K r e c k e in München. 

Wenn sich zu einer Ischias eine seitliche Ausbiegung der 
Wirbelsäule hinzugesellt, so sprechen wir von einer Skoliosis 
ischiadica oder einer Ischias skoliotica. Der Name hat mehr¬ 
fach gewechselt. Gussenbauer, der das Verdienst hat, auf 
das Symptomenbild im Jahre 1878 als Erster aufmerksam ge¬ 
macht zu haben *), bezeichnete dasselbe als Skoliosis neuropathica. 
Später hat man, wohl vor allen Dingen auf K o c h e Ps Vorgang 
hin, der auch schon im Jahre 1878 derartige Fälle gesehen hat, 
den Namen Ischias skoliotica angenommen bis zum Jahre 1895, 
wo Vulpius wieder auf die alte Gussenbauer’sche Be¬ 
zeichnung zurückgriff. Auch B ä h r sprach sich vor Kurzem im 
Sinne V u 1 p i u s* aus, und es scheint in der That, dass der Name 
Skoliosis ischiadica s. neuropathica das Wesen der Erkrankung 
am besten bezeichnet. Denn es soll doch ausgedrückt werden, 
dass es sich um eine Skoliosis auf Grund einer Ischias handelt, 
und das besagt der Name Skoliosis ischiadica, während die andere 
Bezeichnung doch leicht die gegenteilige Auffassung hervor- 
rufen könnte. 

Das Bild, das die ischiadische Skoliose bietet, kann ein 
wechselndes sein. In den zuerst bekannt gewedenen Fällen 
handelte es sich regelmässig um die sogenannte heterologe 
Form: Verschiebung des Oberkörpers nach der gesunden Seite, 
Convexität der Lenden- nud unteren Brustwirbelsäule nach der 
kranken Seite. 

Erst im Jahre 1890 machte Brissaud auf einen anderen 
Typus, den homologen, aufmerksam: Neigung des Ober¬ 
körpers nach der kranken Seite, Convexität der Lenden- und 
Brustwirbelsäule nach der gesunden. Remak schliesslich be¬ 
schrieb im Jahre 1891 einen Kranken, der im Stande war, durch 
Auf stützen der Arme auf einen festen Gegenstand die eine Form 
der Skoliose in die andere überzuführen: Skoliosis ischiadica 
alternans. Und bei einem Kranken H i g i e Ps trat, dieser 
Wechsel der Skoliose unwillkürlich ein: unwillkürlich 
alternirende Form der Skoliosis ischiadica. 

Für alle diese 4 Formen, die heterologe, die homologe, die 
willkürlich und die unwillkürlich alternirende, sind im Laufe 
der Jahre eine grosse Reihe von Beispielen beschrieben worden, 
und die darüber vorliegende Literatur hat sich zu einer sehr 
beträchtlichen angehäuft. Selbstverständlich war es von vorn¬ 
herein das Bestreben eines jeden Autors, eine zutreffende Er¬ 
klärung für das Zustandekommen der Skoliose zu geben. 
So lange nur die heterologe Form bekannt war, erschien dies 
Unternehmen verhältnissmässig einfach, und doch wurden auch 
schon damals die widersprechendsten Meinungen geäussert. Als 
nun aber der homologe und schliesslich auch noch der alter¬ 
nirende Typus bekannt wurde, gingen die Meinungen ganz aus- 

9 Wie Fopp auf Grund seiner Literaturstudien mittlieilt, 
hat V a n z e 11 i schon im Jahre 1860 auf das Vorkommen von 
Rumpfverbiogung bei Isehiaskranken aufmerksam gemacht, und 
im Jahre 1878 hat V a n z e 111 dem ihn besuchenden B i 11 r o t h 
eine Kranke mit der In Rede stehenden Affection vorgestellt 

Original frn-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




6 . Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


189 


einander, und man kann wohl sagen, dass jeder Autor seine be¬ 
sondere Erklärung des Krankheitsbildes gegeben hat, die sich 
völlig mit keiner anderen deckt. 

Es würde hier zu weit führen, auf alle diese verschiedenen 
Erklärungen genauer einzugehen, denn eine einigermaassen ge¬ 
naue Wiedergabe der einzelnen Ansichten von etwa 20 Autoren 
würde sicherlich mehrere Seiten füllen. Man kann aber ver¬ 
suchen, die verschiedenen Theorien unter gewissen Gruppen zu¬ 
sammenzufassen und die Hauptdinge derselben in kurzen Zügen 
zu skizziren. 

Wenn wir uns rein theoretisch das Zustandekommen einer 
Skoliose bei Ischias zu erklären versuchen, so können wir das in 
vierfacher Weise thun. Die erste und einfachste Möglichkeit 
wäre die, dass der Patient in rein mechanischer Art diejenige 
Stellung einnimmt, die ihm die durch die Ischias verursachten 
Schmerzen so gut als möglich erträglich macht—E ntlastung. 
Zweitens kann man sich vorstellen, dass es in dem Sacro lumbalis 
der einen Seite in Folge der neuritischen Processe zu einer 
Functionsuntüchtigkeit gekommen ist, dass in Folge 
dessen der Sacrolumbalis der anderen Seite das Uebergewicht be¬ 
kommt und die Wirbelsäule in entsprechender Weise verbiegt. 
Diese Functionsuntüchtigkeit kann sich drittens zu einer 
richtigen Parese steigern, welche ein Umfallen des Rumpfes 
nach der Seite bewirkt. Viertens kann sich, wiederum in Folge 
der Neuritis, eine Contractur in dem einen Saero-lumbalis 
ausbilden, die zu der Rumpfneigung Anlass gibt. 

Auf einen dieser vier Gesichtspunkte — Entlastung, Func¬ 
tionsuntüchtigkeit, Contractur, Lähmung — kommt schliesslich 
jede der einzelnen Theorien hinaus, wenn auch in den Einzel¬ 
heiten jeder Autor sich wieder von den anderen unterscheidet. 
Da manche Autoren mit einer Erklärung für alle Arten der 
Skoliose nicht auskommen, so haben sie nicht selten auf zwei 
Theorien zurückgegriffen. 

Die Annahme einer Entlastung und Entspannung 
der schmerzhaften Stellen stammt von den ersten Autoren 
(Albert, Charcot, Babinski, Brissaud) und ist bis 
in die neueste Zeit hinein lebhaft vertheidigt worden (V alen- 
tini, Schmitt, Bähr, Remak, Guse, Erben). Den all¬ 
gemeinsten Ausdruck gibt dieser Theorie Remak, der die Form 
der Skoliose einfach von den mechanischen Bedingungen ab¬ 
hängig macht, unter welchen das kranke Glied von dem Körper¬ 
gewicht einigermaassen entlastet wird. Guse und Bähr 
nehmen an, dass zur Entlastung zunächst eine Schiefstellung des 
Beckens eintritt, und dass auf Grund der letzteren erst secundär 
sich eine Skoliose ausbildet; die Skoliose ist somit als eine 
statische aufzufassen. Die sorgfältigste Ausbildung hat der 
Entlastungstheorie in einer vorzüglichen Arbeit Erben gegeben. 
Er hat 63 selbst beobachtete Fälle genau analysirt und nachge¬ 
wiesen, dass die Vorgefundenen Variationen der Rückgratsver¬ 
krümmung im Zusammenhang stehen mit der verschiedenen 
Localisation der Nervenerkrankung (der Schmerzhaftigkeit), 
welche mit sich bedingt, dass in dem einen Falle dieser, in dem 
anderen jener Körpertheil vor Druck geschützt wird. Als eben¬ 
falls für die Entlastungstheorie sprechend muss man wohl die 
aus der Heidelberger medicinischen Klinik hervorgegangene 
Arbeit E c k a r d t’s ansehen. E c k a r d t legt allerdings den 
Hauptwerth auf den Nachweis, dass der Ischias und Skoliose 
ein neuritiseher Process zu Grunde liegt, er hebt aber zugleich 
hervor, dass die verschiedene Localisation des Processes die ver¬ 
schiedenen Arten der Skoliose dadurch bedingt, dass der Kranke 
in der entsprechenden Stellung die grösste Erleichterung sucht. 

Der Erste, der der mechanischen Auffassung der Skoliose 
entgegentrat und dieselbe auf einen in den entsprechenden Mus¬ 
keln sich abspielenden neuritischen Process und dadurch bedingte 
Functionsuntüchtigkeit derselben zurückführt, war 
S c h ü d e 1. Ihm haben sich eine ganze Reihe der nachfolgenden 
Autoren angeschlossen, so Gussenbauer, Sachs, Fisch er 
und Schönwald, Masurke, Hiltbrunner. Auch die 
von Nicoladoni angenommene intravertebrale Erkrankung 
der Nervenstämme dürfte hier genannt werden können. Das 
Gemeinsame der verschiedenen Autoren ist das, dass durch das 
Weitergehen des neuritischen Processes Contracturen des Sacro¬ 
lumbalis der kranken Seite vermieden werden, und so der Muskel 
der gesunden Seite das Uebergewicht bekommt. 

Eine directe Lähmung des einen Sacro-lumbalis nehmen 
Mann und Bregmann an. Mann war zu seiner Auffas¬ 
sung dadurch gelangt, dass er bei vielen Ischiadikern Paresen 
No. 6. 

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zumal in den Unterschenkelbeugen gefunden hatte. Eine solche 
Parese glaubt er dann auch in dem Sacro-lumbalis voraussetzen 
zu dürfen. 

Die Contractur des einen Sacro-lumbalis wurde zuerst 
von Brissaud als Ursache der von ihm zuerst beschriebenen 
homologen Skoliose geltend gemacht, nachdem ihm das für die 
heterologe Form angenommene Princip der Entlastung für die 
homologe nicht angewandt werden zu können schien. Halbseitige 
reflectorische Contractionen des Rückenmuskels nennt Vulpius 
als wesentliche Ursache aller Formen der Skoliose. Fischer 
und Schönwald, die die heterologe Skoliose im Wesentlichen 
im Sinne der Muskelinsufficienz erklären, nehmen für die homo¬ 
loge Form ebenfalls eine Muskelcontractur an, allerdings nicht 
nach dem Vorgänge B r i s s a u d’s, sondern eine Contractur, be¬ 
dingt durch eine Erkrankung der vorderen Aeste der Lumbal¬ 
nerven, des N. ileo-hypogastrious, ileo-inguinalis, genito-femo- 
ralis und cutancusfemoris. Sie sagen, dass im Falle einer Erkran¬ 
kung dieser Nerven der Kranke das Bestreben hat, ihre distalen 
Enden den proximalen zu nähern, dass er eine homologe Skoliose 
annimmt. 

Wie aus dieser kurzen Zusammenstellung hervorgeht, haben 
einige Autoren, um die verschiedenen Formen der Skoliose zu 
erklären, zu verschiedenen Erklärungsversuchen gegriffen, wie 
Brissaud, Fischer und S c h ö n w a 1 d. So ist es natürlich, 
dass manche Beobachter sich von keiner der angeführten Theo¬ 
rien recht befriedigt fühlen, so H i g i e r, Fopp, der allerdings 
der Ann ahme von Contracturen zuneigt, und dass Andere einen 
vermittelnden Standpunkt einnehmen, so G o r h a n. 

Die grössten Schwierigkeiten hat der Deutung immer die 
alternirende Skoliose bereitet. Von dieser Form sind bis¬ 
her nur verhältnissmässig wenig Fälle beschrieben worden; 
selbst Erben, der über ein so grosses Material verfügt, hat sic 
nur einmal gesehen. Ausser der Erbe n’sehen Beobachtung 
sind mir die Fälle von Remak, Higier, Fischer und 
Schönwald, Vulpius, Mayer, Eckardt, Fopp be¬ 
kannt geworden, zwei Fälle von F o r n a c a (Arch. ital. di clin. 
XXXV, ref. V irchow-Hirsch) konnte ich leider im Original 
nicht einsehen. 

Im vergangenen Winter hatte ich selbst Gelegenheit, einen 
Fall von alternirender Skoliose zu beobachten, dessen Kranken¬ 
geschichte ich im Folgenden mittheile. 

L. G., 33 Jahre, Taglöhner von München. 

Patient wurde im Mai 1898 bei der Arbeit stark durchnässt 
und spürte schon am nächsten Tage ziemlich heftiges linksseitiges 
Kreuzweh. Die Schmerzen wurden nach einigen Tagen so stark, 
dass er die Arbeit auf geben musste. Ende Juli traten auch 
Schmerzen im linken Bein auf, vornehmlich in der linken Wade. 
Trotz mehrfacher Behandlung, auch im Krankenhause, keine 
Besserung. Die Schmerzen sind zumal beim Gehen sehr stark, 
so dass Patient sich ganz krumm halten muss. Bel Rückenlage 
im Bett fühlt sich der Patient am behaglichsten. 

Auf genaueres Befragen gibt Patient an, dass er bis Ende 
1898 beim Gehen immer den Körper nach rechts gekrümmt hielt. 
Seit dieser Zeit war es ihm möglich, auch eine nach links geneigte 
Haltung einzunehmen. Er musste sich zu diesem Zwecke mit 
den Händen an irgend einem Gegenstände anhalten und konnte 
dann unter massigen Schmerzen den Oberkörper nach links 
hinüber schieben. Durch den Stellungswechsel empfand er immer 
wesentliche Erleichterung, und er vollführte denselben bis zu 
20 mal im Tage. Mit der Zeit lernte er auch den Stellungswechsel 
vorzunehmeu, ohne dass er sich mit den Händen an einem Gegen¬ 
stände anhielt. 

In der rechten Hüfte und im rechten Bein hatte Patient nie 
über Schmerzen zu klagen. 

Status praesens vom 15. IV. 1899. Patient ist ein mittel¬ 
grosser, ziemlich gut genährter Mann von kräftiger Museulatm 
und normaler Hautfarbe. 

Bei aufrechter Stellung (s. Fig. 1) erscheint die rechte Schulter 
stark nach rechts hinüber geneigt, und etwas höher stehend wie 
die linke. Die Leudemvirbelsüule und der untere Theil der Brust¬ 
wirbelsäule zeigt eine ziemlich starke Krümmung mit der Con- 
cavität nach der rechten Seite. Der obere Theil der Brustwirbel¬ 
säule verläuft ziemlich senkrecht. Fällt man von der Vertebra 
prominens ein Lotli nach abwärts, so erreicht dasselbe den Boden 
1 cm nach aussen vom rechten Malleolus externus. Von der 
Analspalte ist dieses Lotli 7 cm entfernt. Die Entfernung vom 
rechten Rippenbogen zura Darmbeinkamm beträgt rechts 6, links 
8 cm. Die rechte Spina anterior superior steht um 2 cm höher 
wie die linke. Der rechte Sacrolumbalis erscheint etwas dick¬ 
bauchiger wie der linke, in seiner Consistenz aber nicht verändert, 
während der linke fest contrahirt ist und sich hart anfühlt. Der 
linke M. obliquus externus fühlt sich fester an als der rechte. 
Das linke Hüftgelenk erscheint ganz leicht gebeugt, ebenso das 
linke Kniegelenk; die Körperlast ruht auf dem rechten Bein, 
die linke Ferse ist etwas erhoben. 

3 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. e 


Die linke untere Extremität erweist sieb um 1 cm dünner als 
die rechte. Die rohe Kraft der Muskeln ist beiderseits ziemlich 
gleich. 

Die Sensibilität am ganzen Körper, besonders am linken 
Bein völlig unversehrt, Patellarsehnenreflex beiderseits gleich 
stark, von gewöhnlicher Intensität. Bauchdecken-, Cremaster- 
reflex normal. Kein Fussphänomen. 

Der Druck auf die Austritttsstelle des linken Ischiadieus ist 
ziemlich empfindlich; sonstige Druckpunkte fehlen. 

Bewegungen im Hüftgelenk sind völlig frei. Bei stärkerer 
Abduction klagt Patient über Schmerzen an der Austrittsstelle 
des linken Ischiadieus. 



Fig. 1. Fig 2 

Legt man den Patienten auf den Bauch, so ist von der Ver¬ 
biegung der Wirbelsäule nichts mehr zu sehen. Auch beim Sitzen 
gleicht sich die Skoliose völlig aus. 

Bei der länger dauernden Beobachtung fällt nun auf, dass 
Patient mit der schiefen Körperhaltung wechselt. Dabei ver¬ 
fährt er folgendermaassen: Er schiebt den oberen Tlieil der 
Wirbelsäule nach links hinüber, wobei, nachdem eine Mittel¬ 
stellung überschritten ist, die Lenden- und untere Brustwirbel¬ 
säule mit einem Ruck eine liuksconcave Biegung annehmen. Ist 
der Oberkörper zur Ruhe gekommen, so stützt sich Patient auf 
das linke Bein, beugt ein wenig das rechte Hüft- und Kniegelenk 
und hebt die rechte Ferse. 

Die jetzt eingenommene Stellung (s. Fig. 2) ist im Grossen 
und Ganzen das Spiegelbild der oben beschriebenen. 

Die linke Schulter tritt stark nach links heraus, erscheint 
allerdings etwas niedriger wie die rechte. Die Lenden- und untere 
Brustwirbelsäule beschreibt eine liuksconcave Krümmung; das 
von der Vertebra prominens gefällte Lotli geht durch den linken 
Malleolus externus und bleibt 4 cm nach links von der Aualfurche. 
Der linke Arm hängt senkrecht herunter, während der rechte 
etwas abducirt erscheint. Das linke Bein ist in allen Gelenken ge¬ 
streckt; Patient stützt sich nur auf dieses, das rechte ist im 
Hüft- und Kniegelenk leicht gebeugt. Die rechte Spina stellt um 
1 cm tiefer wie die linke. Der rechte M. sacrolumbalis und 
obliquus externus fühlen sich fester contrahirt an, im Gegensatz 
zu den entsprechenden Muskeln der linken Seite, welche ganz 
schlaff sind. 

Patient vermag sowohl aus der links- wie aus der rechts- 
concaven Stellung den Rumpf nach vorwärts zu beugen. Er klagt 
bei dieser Bewegung über Schmerzen au der mehrfach genannten 
Stelle. Linksseitwärtsbeugung des Rumpfes kann nur bei links- 
eoncaver Stellung ausgeführt werden unter lebhafter Contraction 
des rechten Sacrolumbalis; Schmerzen treten bei dieser Bewegung 
nicht auf. Andererseits kann Rechtsseitwärtsbeugung des 
Rumpfes nur bei rechtsconcaver Stellung unter Contraction des 
linken Sacrolumbalis ausgeführt werden. Dabei klagt Patient 
über heftige Schmerzen an der genannten Stelle. Rückwärts¬ 
biegung des Rumpfes ist aus beiden Stellungen nahezu un¬ 
möglich. 

Beim Stützen auf ein Bein und Erheben des anderen vermag 
Patient sowohl rechts wie links das Becken recht gut zu halten: 
beim Stützen auf den linken Fuss und Emporheben des rechten 
Beines klagt er über sehr schmerzhafte Empfindungen am 
Fora men ischiadicum sinistrum. 

Während der Untersuchung wechselt Patient wiederholt die 
beiden beschriebenen Stellungen. Sobald ihm die eine unbequem 


ist, geht er in die andere über, weil es ihm daun für eine Zeit be¬ 
haglicher ist. Im Verlaufe von 3 Minuten wechselt die Stellung 
6 mal. Der Grad der Skoliose ist ein sehr wechselnder, beim 
Gehen nimmt er immer zu. Manchmal zeigt es sich, dass die 
Wirbelsäule fast ganz gerade steht, und nur der linke Erector 
trunei stark contrahirt ist. Linkes Hüft- und Kniegelenk sind 
dabei leicht gebeugt, linke Beckenhälfte gesenkt: leichtester Grad 
der heterologen Skoliose. Fordert mau jetzt den Kranken auf, 
die Stellung zu ändern, so tritt unter den oben beschriebenen Er¬ 
scheinungen homologe Skoliose auf. 

Es ist natürlich nicht angängig, auf Grund einer einzelnen 
Beobachtung weitgehende Schlüsse zu machen, immerhin dürfte 
der mitgetheilte Fall doch zu einzelnen Bemerkungen Ver¬ 
anlassung geben und als weiteres Beispiel der seltenen Skoliosis 
isehiadica alternans von einiger Bedeutung sein. 

Wenn wir uns noch einmal die Hauptpunkte des Krankheits¬ 
bildes vergegenwärtigen, so handelt es sich um Folgendes: Ein 
34jähr. Arbeiter erkrankt in Folge einer starken Durchnüssung 
an einer typischen linksseitigen Ischias. Im Verlaufe der¬ 
selben stellt sich allmählich eine Verbiegung des Oberkörpers 
nach der rechten Seite ein, mit der Zeit lernt Patient seinen 
Körper auch nach der linken Seite verbiegen. Die Untersuchung 
ergibt einen schmerzhaften Druckpunkt am Foramen ischiadi¬ 
cum sinistrum und eine stets wechselnde Verbiegung der Lenden- 
und Brustwirbelsäule. Entweder Concavität nach rechts, Con- 
tractur des linken Sacro-lumbalis, Beckensenkung links — 
heterologe Skoliose. Oder Concavität nach links, Contractur des 
rechten Sacro-lumbalis, Beckensenkung rechts — homologe Sko¬ 
liose. Beim Sitzen und Liegen gleicht sich die Skoliose aus. 

Wie haben wir uns die Verbiegung zu erklären? 

Dass es sich weder um Functionsuntüchtigkeit, 
noch um L ä h m ung dos einen Sacro-lumbalis handeln konnte, 
ergibt sich aus dem Angeführten ohne Weiteres. Die Seitwärts¬ 
biegung konnte nach rechts sowohl, wie nach links in durchaus 
kräftiger Weise vorgenommen werden, und es erfolgte daher eine 
kräftige Contraction des entsprechenden Sacro-lumbalis. Aller¬ 
dings war dabei auffallend, dass Patient aus der Neigung nach 
links nicht ohne Weiteres eine Seitwärtsbeugung nach rechts 
vornehmen konnte, und ebenso wenig umgekehrt. Er musste 
dazu erst diesen eigenthümliclien Schiebeprocess durchmachen, 
durch den die Skoliose in ihr Gegentheil verkehrt wurde, und 
zu dem wahrscheinlich complicirtere Muskelcontractionen noth- 
wendig waren (Fixation des Beckens durch die Beckenfemur¬ 
muskeln). Dass die Verbiegung der Wirbelsäule hierbei das Pri¬ 
märe war, und dass erst dann die Senkung des Beckens auf die 
andere Seite erfolgte, war vollkommen deutlich sichtbar. Es ist 
also auch nicht angängig, die Skoliose durch eine Beckensenkung 
zu erklären, indem man sie als eine statische auffasst. 

Der Schreiber dieser Zeilen möchte die Gelegenheit nicht 
vorüber gehen lassen, ohne mit ein paar Worten auf die höchst 
bemerkenswerthen Studien einzugehen, welche Erben bezüglich 
der Function des M. sacro-lumbalis angestellt hat. 
Erben wies nämlich nach, wovon sich Jeder leicht überzeugen 
kann, dass die Seitwärtsneigung des Stammes nach rechts von 
von den linken Rumpfmuskeln und die nach links von den rechts¬ 
seitigen erhalten wird, also von dem Antagonisten zu der ent¬ 
sprechenden Bewegung. Darum war in unserem Falle bei der 
Neigung nach links der rechte Sacro-lumbalis, und bei derjenigen 
nach rechts der linke Sacro-lumbalis contrahirt zu fühlen. Dies 
von Erben gefundene Gesetz, das, so einfach es ist und so offen¬ 
kundig es zu Tage liegt, doch vollkommen neu erscheint, wirft in 
der Tliat, wie Erben sehr richtig ausführt, alle die Theorien, 
welche bei der heterologen Skoliose in einer Insufficienz des 
Sacro-lumbalis der kranken Seite die Ursache der Skoliose sehen, 
über den Haufen. 

Auch eine Contractur des einen Sacro-lumbalis lässt 
sich bei unserem Patienten, der ja mit Leichtigkeit eine der ver¬ 
meintlichen Contracturstellung entgegengesetzte einnehmen 
konnte, mit Sicherheit ausschliesen. Dass die Contractur über¬ 
haupt nicht als die Ursache der Skoliose angesehen werden darf, 
hat Erben für seine sämmtliclien Fälle dadurch nachgewiesen, 
dass er bei jedem Kranken durch Lage- oder Stellungsänderung 
des Rumpfes den harten Muskel schlaff machen konnte. 

Wenn so Muskelinsufficienz, Lähmung, Contractur nicht im 
Stande sind, die Skoliose in unserem Falle zu erklären, so bleibt 
nur noch die vierte Möglichkeit, die Entlastung der schmerz¬ 
haften Theile zu ihrem Verständniss heranzuziehen. Erben 
hat uns hier den Weg gezeigt, wie man in jedem Falle von Skoli¬ 
osis isehiadica durch eine sorgfältige Abwägung der Symptome 


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Original frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



(>. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


191 


das Zustandekommen der Rückgratsverkrümmung sich klar 
machen kann. Bei unserem Kranken liegt ja die Sache verhält- 
nissmassig einfach, da er nur einen Druck- und Schmerzpunkt 
aii der Austrittsstelle des linken Ischiadicus hat. Um diesen 
vom Druck möglichst zu entlasten, neigt er den Rumpf nach 
rechts und senkt das Becken auf der kranken Seite. Ganz 
schmerzfrei bleibt er aber dadurch nicht. Um den Stamm nach 
rechts geneigt zu halten, muss er eine andauernde kräftige Con- 
traction des linken Sacro-lumbalis ausführen. Durch diese 
starke Muskelcontraction werden die hinten an der Lende aus¬ 
tretenden Hautnerven dauernd gedrückt, nach einiger Zeit wird 
dem Kranken der Druck zu stark, und durch Verkrümmung der 
Wirbelsäule in die homologe Form wird der linke Sacro-lumbalis 
schlaff und der Druck auf die Nerven hört auf. Dafür stellt sich 
dann wieder der Schmerz am Fora men ischiadieum ein, und so 
wiederholt sich dasselbe Spiel immer von Neuem. 

Wie das Bild der homologen bezw. lieterologen Skoliose ein 
sehr wechselndes ist, und jeder Fall für sich auf seine Pathologie 
geprüft werden muss, so ergeben sich auch bei Betrachtung der 
9 bekannt gewordenen Fälle von alternirendcr Skoliose eine ganze 
Reihe von Verschiedenheiten. 

Während in den meisten Fällen, wie auch in dem unserigen, 
»'ine. einseitige Ischias bestand, handelte es sich bei den 
Kranken von Fischer-Schönwald, V ulpius und Fopp 
um eine doppelseitige Affeetion der Ilüftnerven. Es ist klar, 
dass diese Fälle bei der Analyse ganz anders beurtheilt werden 
müssen. 

Der Vorgang der Umkrümmung selbst zeigt auch ein 
wechselndes Bild. Bei dem Kranken von 11 i g i e r trat der Stel¬ 
lungswechsel unwillkürlich ein, in derselben Weise scheint auch 
d(*r Hergang bei Eckardt’s Patienten stattgefunden zu haben. 
Die Patienten von Remak, Mayer, Fopp, ebenso auch, wie 
es scheint, der von V ulpius, konnten die andere Form der 
Skoliose nur dann einnehmen, wenn sie die Hände irgendwo auf¬ 
stützen ; der Kranke von Erben konnte sein Kunststück nur im 
Sitzen machen; unser Patient schliesslich konnte jederzeit im 
Stehen willkürlich den Stellungswechsel vornehmen, nachdem 
er allerdings in einer früheren Periode seiner Ischias sich auch 
mit den Händen hatte auf stützen müssen. Bei E c k a r d t er¬ 
folgte die Umkehrung langsam und ohne Schmerzen, bei V u 1 - 
pius, Mayer, Fopp und unserem Patienten war ein deut¬ 
licher Ruck bemerkbar. 

Die Beckenstellung wechselte bei unserem Kranken 
mit der Skoliose, ebenso war das Verhältniss bei dem von Fopp 
beschriebenen Falle. Bei V ulpius standen beide Spinae gleich 
hoch und bei Erben blieb die linksseitige Beckenneigung auch 
bei der anderen Skoliose bestehen. 

Fopp konnte bei seinem Kranken ausser der lieterologen 
und homologen Stellung noch eine dritte Haltung beobachten, 
wobei eine V erkrüm in u n g in a utero- p o s t e riorer 
Richtung in der Weise auftrat, dass an Stellt' der physio¬ 
logischen Lendenlordose eine Kyphose und an Stelle der normalen 
Dorsalkyphose eine Lordose trat. F. glaubt annehmen zu müssen, 
dass dieses Verhalten das primäre gewesen sei. 

Man sieht schon aus diesen kurzen Andeutungen, wie schwer 
cs ist,, selbst in die wenigen Fälle von alternirendcr Skoliose ein 
System zu bringen. Wir können dabei nur wiederholt darauf hin- 
weisen, jede einzelne Beobachtung auf dem von Erben ange¬ 
gebenen Wege nach allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten 
zu analysiren. Nur so kann es gelingen, für jeden einzelnen Fall 
von Skoliosis ischiadica eine befriedigende Erklärung zu geben. 
Hei solchem Verfahren ist es aber kein Zweifel, dass man jeden 
Skoliosenfall auf eine grosse gemeinsame Ursache, auf die Ent¬ 
lastung bestimmter Theile von Druck, zurück¬ 
führen kann. 

Literatur. 

(riiR8enbauer: Rapport de la elinique Chirurg, de runivorsitc 

de Liöge. 

E. Albert: Wiener med. Presse 1880, 1 u. 2. 

Xicoladoni : Wiener med. Presse 18X0, 20. 27 u. ISST. 39. 
Babinski: Arch. de neurol. de Charcot. XV, 1. 

Schüdel: Arch. f. klin. Ciiir. 1888 . Bd. 38, 1. 

Brissaud: Arch. de neurolog. 1890, Bd. 19, 55. 

Rorhan: Wiener klin. Woehenschr. 1890, 24. 
Oussenbauer: Prager med. Woehenschr. 1890. 17 u. 18. 
Valentin!: Deutsch, med. Woehenschr. 1891, 10. 

Bemak: Deutsch, med. Woehenschr. 1891, 7. 

Remak : Deutsch, med. Woehenschr. 1892, 27. 

Masurke: Iuaug.-lMss., Königsberg 1891. 

H l e l e r; Deutsch, med. Woehenschr, 1892, 27 u. 28. 

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Mann : Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1893, Bd. 51, S. 583. 
Sachs: Arch. f. klin. Chirurg. 1893, Bd. 40, S. 704. 

Fischer und Schönwald : Wiener med. Woehenschr. 1893, 
10 — 21 . 

(t u s e : Wiener med. Presse 1894, S. 1149. 

Mayer: Inaug.-Diss. Freiburg 1895. 

V u 1 p i u s : Deutsch, med. Woehenschr. 1895, 30. 
Bregmnnn: Wiener med. Woehenschr. 1895, S. 1185. 
Bfthr: Ceutralbl. f. Chir. 1890, 11. 

V u 1 p i u s : Oentralbl. f. Chir. 1890, 14. 

H. Schmitt: Deutsch, med. Woehenschr. 1890, 52. 

Erben : Beitr. z. klin. Med. u. Chir. 1897, 16. 

Biihr: Arch. f. klin. Chir. 1898, Bd. 50, Heft 2. 
Ililtbrunner: Inaug.-Diss. Bern 1898. 

Eckardt: Inaug.-Diss. Heidelberg 1898. 

Fopp: Zeitsclir. f. orthopäd. Chir. 1899, Bd. 6, Heft 3 u. 4. 


Zwei Fälle von Beri-Beri (Panneuritis endemica Balz) 
an Bord eines deutschen Dampfers.*) 

Von Dr. P. Schmidt. 

Fälle von Beri-Beri (japanisch Kakke) auf Schiffen der ost- 
asiatisehen Dampferlinien gehören nicht zu den Seltenheiten. 
Bisher ist die Krankheit mit einzelnen Ausnahmen immer nur 
unter der chinesischen Besatzung, den Heizern aufgetreten. Wenn 
man weiss, wie schwer i*s den arbeitsamen und fleissigen Chinesen 
ankommt, die Arbeit einzustellen und sich krank zu melden, und 
wie viele Fälle rudimentär mit nur geringfügigen Symptomen 
verlaufen, so ist man geneigt, eine viel grössere Häufigkeit der 
Beri-Beri anzunehmen, als sie bisher statistisch festgestellt ist. 
Zudem ist das Krankheitsbild so mannigfaltig und im Allge¬ 
meinen so wenig bekannt, dass viele Fälle unter anderer Diagnose 
in das statistische Material eingereiht sein mögen. Niemals 
ist die Krankheit bisher in einem einzigen Falle, sondern immer 
nur in kleinen Epidemien auf den Schiffen beobachtet worden, 
oft bei besonderen Gelegenheiten, z. B. stürmischen, kalten 
Winterreisen. Wie dieses zeitweilige epidemische Auftreten auf¬ 
zufassen sein dürfte, wird später erörtert werden. Hier sollen 
vorerst einmal die Krankengeschichten unserer beiden Fälle 
folgen. Wenn dieselben wichtige, zur Vollständigkeit des Krank¬ 
heitsbildes nothwendige Angaben vermissen lassen, so liegt das 
einerseits an der Schwierigkeit der Unterredung mit den nur 
ein klägliches pigeon-Englisch sprechenden Chinesen und anderer¬ 
seits an der mangelhaften Ausrüstung der Schiffe mit Unter¬ 
suchungsmaterialien. Die Schiffe unserer Handelsflotte dienen 
naturgemäss nur materiellen Interessen und sind selbstverständ¬ 
lich nicht über das Maass der polizeilichen Vorschriften medi- 
cinisch ausgerüstet. Eine Stätte für wissenschaftliche Unter¬ 
suchungen werden sie nie sein sollen und nie sein können. 

I. Fall. lml. Fall handelt es sich um einen 22 jährig, schlecht 
genährten Mann von gracilern Knochenbau und schmalem, flachem 
Thorax. 

Aus Kowloun, einem niedrig nahe dem Wasser gelegenen Ort 
gegenüber Hongkong gebürtig, wurde er in Hongkong als Heizer 
für das Schiff angeumstert und bot damals keinerlei Krankheits- 
orschoinnngcn dar. Wie ich nachträglich ermitteln konnte, hat er 
etwa 2 Wochen vorher an Geschwulst der Fiisse gelitten, wessh&lb 
er von seinem letzten Dampfer als arbeitsunfähig entlassen worden 
war. Bis etwa nach Pcnang hatte er während unserer Reise seine 
Arbeit wie jeder Andere verrichtet, als er mir bei Eintritt des 
kühleren Südwestmonsums Anfang October im Golf von Ben 
galen vorgeführt wurde, da er nicht mehr wie sonst arbeiten 
könne. Die äussere Betrachtung des Mannes ergab nichts 
weiter als ein geringfügiges Oedem des Fussrückens und der 
Malleolargegend. Der Gang war, ohne noch besonders charak¬ 
teristisch zu sein, langsam schleichend und machte den Eindruck 
grosser Mattigkeit. Die inneren Organe erwiesen sieh als normal 
bis auf das Herz, dessen Act Ion vermehrt und dessen zweiter Ton 
in ein leises blasendes Geräusch timgewandelt war. Aceentuation 
des 2. Pulmonaltons und Verbreiterung der Herzdämpfung Hessen 
sich nicht nachweisen. Milz und Leber zeigten normale Grenzen. 
Die Reflexe waren bis auf den vollständig fehlenden Patellarreflex 
intact. Das Tastgefühl war beiderseits an der Innenfläche der 
Füsse herabgesetzt. Temperatursinn, Ortssinn, Schmerzgefühl 
boten nichts Besonderes. Die rohe Kraft der unteren Extremitäten 
war vermindert. 

Es soll noch ausdrücklich hervorgehoben werden, das weder 
Ataxie, noch R o m b e r g’solies Pliäuomen, noch Erscheinungen 
von Seiten der Pupillen constatirt werden konnten. Der Urin ent¬ 
hielt weder Eiweiss noch Zucker. Im Uebrigen klagte der Patient 
über Müdigkeit und Schwere in den Beinen und über eine starke 


*) Auf demselben Schiffe herrschte bereits im vorigen Winter 
eine Beri-Beri-Epidemie. die von Dr. W. S p 1 i e d t Im Arch. f. 
Schiffs- u. Tropenhygienc Bd. III, Heft 4, Aug. 1899 beschrieben 
worden ist. 

3* 

Original ftom 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



192 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


Schmerzhaftgkeit der Waden auf Druck. Seit einigen Tagen litt 
er an Appetitlosigkeit und hartnäckiger Verstopfung. 

Bei diesen Erscheinungen konnte die Diagnose Beri-Beri 
keinem Zweifel mehr unterliegen. Die Krankheitssymptome ver¬ 
schlimmerten sich rasch, und eine Woche später war der typische 
Beri-Bcri-Gang ausgebildet: breitspurig, die Fussspitzen nach 
aussen gerichtet, bewegt sich der Kranke mühsam vorwärts, an 
den Füssen wie an einer schweren Last ziehend und von einer 
Seite auf die andere fallend. 

Man hat den Eindruck, als ob dem Kranken bei der grössten 
Mattigkeit die Fiisse an dem Boden haften blieben. Atactisch 
war der Gang nicht. Gleichzeitig vervollständigten schmerzhafte 
I’alpitationen das Krankheitsbild. Diese schwanden jedoch mit- 
sammt dem Oedem der Fiisse vollständig. Leider bildete sich 
kurz darauf eine Parese der Beine und Arme mit Paraesthesien 
in den Fingerspitzen aus. Dieser Zustand dauerte unverändert an, 
bis wir in den nördlichen Theil des rotheu Meeres kamen, wo uns 
nach vorausgegangener immenser Hitze ein kalter Nordwind über¬ 
raschte. Da trat plötzlich, vielleicht unter dem Einflüsse des 
schroffen Temperaturwechsels, am 23. X. unter Athemnoth, hoch¬ 
gradigen’ Cyanose und rapidem Kräfteverfall eine Herzinsuffizienz 
ein, der objectiv eine Dilatatio cordis entsprach. Tags darauf er¬ 
folgte der Exitus letalis, nachdem einige Stunden vorher die 
Sprache bereits aphonisch und die Athmung irregulär geworden 
war. Mit der Vagusliihmuug mochte eine gleichzeitige Lähmung 
dos Phrenious und der Zweige für den Kehlkopf eingetreten sein. 
Eine Section wurde leider durch die Umstände vereitelt. 

II. Fall. Der 2. Fall betrifft einen 20jährigen kräftig ge¬ 
bauten und gut genährten Mann, der bisher immer gesund gewesen 
sein will. Derselbe hat, bevor er in Hamburg für dieses Schiff an- 
gcmustert wurde, im Mai eine Reise nach Amerika gemacht auf 
einem Dampfer, auf welchem Beri-Beri herrschte. Diese Reise 
war. wie ich höre, vom Wetter begünstigt gewesen. Kurz vor An¬ 
kunft in Singapore den 20. Juli kam er zum ersten Male in meine 
Behandlung wegen ziemlich beträchtlichen Oedems der Füsse. 
Ausser dieser Geschwulst war objectiv und subjectiv nichts Auf¬ 
fälliges zu constatiren. Er wurde 2 Tage der Arbeit enthoben, 
während welcher das Oedem durch Hochlagerung der Füsse und 
Gompressionsverband vollständig zurückging. Auf der ferneren 
Reise nach Japan und zurück erfreute er sich der besten Gesund¬ 
heit, bis er auf der Heimreise bei Penang Anfangs October etwa 
zu gleicher Zeit wie der Andere auf’s Neue an Oedem der Füsse 
erkrankte. Diesmal aber war dasselbe complieirt mit subjeetiven 
Beschwerden, mit Schmerzen in den Waden und dem Gefühl von 
Schwere und Mattigkeit in den Beinen. I ch konnte leichte 
Sensibilitätsstörungen an der Innenfläche der Füsse und eine Ver¬ 
minderung der rohen Kraft der Beine feststellen. Nach wenigen 
Tagen gesellten sich Erscheinungen von Seiten des Herzens hinzu; 
percutorisch war eine ausgesprochene Verbreiterung der Herz¬ 
dämpfung nach rechts, links und oben, und auscultatorisch ein 
lautes blasendes Geräusch über dem ganzen Herzen, besonders 
deutlich oberhalb der Spitze, an Stelle des II. Tons, zu constatiren. 
Dasselbe setzte sich bis in die Carotiden mit gleicher Deutlichkeit 
fort. Das Befinden war dabei verhältnissmässig gut. der Appetit 
andauernd vorzüglich. Gleichzeitig konnte eine deutliche Schwel¬ 
lung der Leber und eine Vergrösserung der Milz percutorisch 
festgestellt werden. Was hier noch besonders hervorgehoben 
werden soll. ist. dass die ersten Krankheitserscheinungen, die 
Schwellung der Füsse mit einem Luftröhrenkatarrh einhergingen, 
der im Laufe einer Woche wieder verschwand. Der Gang war im 
Beginn der Krankheit vollkommen ungestört und gestaltete sich 
erst ganz allmählich zu einem typischen, der sich bis zur Stunde 
unverändert erhalten hat. Auch breitspurig und schwerfällig, wie 
bei dem Anderen, ist er hier kraftvoller und durch ausgiebigere 
Bewegungen ausgezeichnet. Während die Fussspitzen weit nach 
aussen gesetzt werden, knickt der Körper auf dieser Seite in den 
Hüften (»in. so dass er beim Gehen wie ein umgekehrtes Perpen¬ 
dikel von einer Seite auf die andere schwankt. Auch hier hat man 
den Eindruck, als ob die Füsse gewaltsam vom Boden abgezogen 
werden müssten. Beim Stehen mit geschlossenen Augen geräth 
der Kör]»er. auch wenn das Schilt vollständig still liegt, Anfangs 
leicht in’s Wanken. Filter dem Einflüsse der Hitze des rothen 
Meeres wurden auch die Unterschenkel und das Gesicht in der 
Umgebung der Augen oedematös. Kurz vor Gibraltar, nach einer 
herrlichen Fahrt bei lauem Siidwest durch das Mittelmeer, war 
davon bis auf eine ganz unbedeutende Schwellung des Fussnickens 
nichts mehr zu sehen: das Herzgeräusch war vollkommen ge¬ 
schwunden. die 'Verbreiterung der Dämpfung aber noch vorhanden. 
Der offenbar mittlerweile eingetreteneiiHerzhypertrophie entsprach 
jetzt ein besser gespannter und gefüllter, allerdings immer noch 
frequenter Puls. An den Sensibilitätsstörungen der Füsse hatte 
sich nichts geändert, nur die Wadensehmerzeu waren gebessert. 
Die medicamentöse Behandlung bestand hier ebenso wie im vorigen 
Falle in Tct. Strophantin und Kalomol. 

Diese beiden Fälle sind in mehr als einer Hinsicht von be¬ 
sonderem Tut ('resse. Die Ansicht, dass sich die Prognose des ein¬ 
zelnen Falles nach dem Befund am Herzen stellen Hesse, und 
dass die kräftigeren Individuen immer von der gefährlicheren 
Form der Beri-Beri befallen würden, hat sich hier nicht bestätigt. 
Die atrophisch«' Form, die im ersten Falle vorlag, pflegt immer 
als eine gutartige angesehen zu werden. Für den zweiten Pa¬ 


tienten mit der hydropischen Form habe ich von Anfang an 
wegen der erheblichen Mitbetheiligung des Herzens mehr ge¬ 
fürchtet. Der Kranke ist, wie sich aus dem Schiffsjournal ersehen 
Hess, mindestens 5 Monate in keiner Beri-Beri-Gegend gewesen bis 
zum Ausbruch der ersten Symptome in Singapore. Wenn die Beri- 
Beri eine rein miasmatische, endemische Krankheit wäre, ähnlich 
der Malaria, die man nur an Ort und Stelle acquiriren konnte, 
so ergäbe das eine Incubationsdauer von mindestens 5 Monaten, 
eine kaum annehmbare lange Zeitdauer. Viel verständlicher 
würde der vorliegende zweite Fall sein, wenn das Virus ent¬ 
weder contagiös-miasmatischer oder rein contagiöser Natur wäre. 
Das häufige epidemische Auftreten der Beri-Beri auf Schiffen 
stünde damit in vollem Einklänge. Wie schon erwähnt, hat nun 
auf dem letzten Schiffe, dem der Patient angehörte, bevor er für 
diesen Dampfer angemustert wurde, eine Beri-Beri-Epidemie 
geherrscht, bei der Einer gestorben ist. Zwischen der mittleren 
Zeit dieser Epidemie und den ersten Krankheitssymptomen in 
Singapore Hegt ein Zeitraum von etwa 10 Wochen, oder von An¬ 
fang der Epidemie an gerechnet von rund 12 Wochen. 10—12 
Wochen wäre also die Incubationsdauer der Beri-Beri, voraus¬ 
gesetzt, dass die Infection thatsäehlich unterwegs bei der letzten 
Epidemie erfolgt ist. Dass oft lange Zeiträume auf den Schiffen 
vollständig frei von Krankheiten sind, könnte daran liegen, dass 
das Virus einerseits bald abstirbt, andererseits erst wieder bei 
vollkommen ausgebildeter Krankheit, nicht aber während der 
Incubation frei wird. Dass in den beiden vorliegenden Fällen 
der ausgebildeten Krankheit lange Zeit vorher, bei dem einen 
10 Wochen, bei dem anderen etwa 4 Wochen, passagere 
Prodrome vorausgingen, ist vielleicht nicht zufällig gewesen. 
Sollten sich vielleicht ähnlich wie bei Malaria, nur langsamer, 
verschiedene Entwicklungsstadien des angenommenen Virus ab¬ 
spielen, denen geringfügige, oft gar nicht beachtete Symptome 
entsprechen? Man wird bei Beurtheilung der Aetiologie neben 
umfänglichem statistischen Material vor Allem mikroskopische 
Untersuchungen von berufener Seite abzuwarten haben. Die bis¬ 
her in Japan, theils von europäischen, theils von - japanischen 
Aerztcn angcstclltcn Untersuchungen haben noch zu keinem 
Resultat«' geführt. 


Casuistische Mittheilungen über Schädel- und Gehirn¬ 
verletzungen. 

Von Dr. Carl Fröhlich, Bahn- und Krankeuhausarzt 
in Aschaffenburg. 

I. Schwere Schädel- und Gehirnverletzung. Ansgang in 
Genesung. 

J. L., 14 Jahre alt. Meehauikerlekrling dahier, fiel am 8. Oc¬ 
tober vor. Js. in einen etwa 10 m tiefen Schacht, wobei der schwere 
Deckel des Schachtes nachstürzte, und dem Genannten eine sehr 
erhebliche Schädel- und Gehirnverletzung beibrachte. Die ärzt¬ 
liche Untersuchung des sofort in das hiesige städtische Kranken¬ 
haus transferirten Patienten ergab folgenden Befund: 

Vollständige Bewusstlosigkeit, complete Lähmung der linken 
Körperhälfte. Am Schädel fand sich ein 6 cm langer, 2 cm breiter 
Knochendefect, uud zwar von der unteren Hälfte des Vorder¬ 
randes des rechten Seheitelbeiues und des Hinterrandes des Stirn¬ 
beines gegen die Vereinigungsstelle des Scheitel-, Stirn-, Joch- 
und Schläfenbeines, etwas schräg von oben und hinten nach vorn 
und unten verlaufend. Aus dieser Schädelöffnung hing zerfetzte 
Gehirnmasse und Blutgerinnsel in ziemlicher Menge heraus, und 
war ein grösserer Theil hervorgedrungener Gehirnmasse von dem 
Patienten mittels seines rechten, ungelilhmten Armes über das 
Kopfhaar gerieben und fest mit demselben verklebt. (Reflex¬ 
bewegung!) 

Nach Entfernung der Haare, Reinigung der Kopfschwarte 
und Wegnahme der zerfetzten Gehirnmasse stiess die eingeführte 
Sonde auf das eingetriebene Knochenstück, welches mit der Längs¬ 
seite in senkrechter Stellung, wie ein Messer, in die Gehirnmasse 
innerhalb des Schädels eingetrieben, und von derselben vollständig 
verdeckt war. Nachdem dieses Stück mit der Kornzange erfasst 
und behutsam extrahirt war, ergoss sich ein dicker, schwach pul- 
sirender Blutstrom aus der Tiefe des Gehirns, und zwar mit solcher 
Mächtigkeit, dass der Puls zunehmend schwächer wurde, und das 
Ableben des Patienten jedeu Augenblick zu erwarten war. Es 
wurde nun sofort ein aseptischer Gazetampon eingeführt, ein 
leichter Verband, welcher die Einwirkung der Eisblase nicht be¬ 
einträchtigen konnte, darüber angelegt, und Patient zu Bette ge¬ 
bracht. 

Die Blutung liess rasch nach, sistirte nach etwa 30 Minuten 
vollständig, und bereits am nächsten Tage zeigten sich die ersten 
Spuren des wiederkehrenden Bewusstseins. 


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6: Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT.' 


193 


Fieber war nicht vorhanden, die Beweglichkeit der rechten 
Körperhälfte völlig intact, linkerseits dagegen complete Lähmung. 

Schluckbewegungen konnten, wenn auch mit Mühe, ausge¬ 
führt werden. 

Am dritten Tage war das Sensorium ziemlich frei. Patient 
konnte bereits Auskunft über den Hergang des Unfalles geben. 
Die Sprache war in Folge der linksseitigen Gesichtslähmung aller¬ 
dings noch sehr schwerfällig, jedoch verständlich. 

Nach Ablauf von 3 Tagen wurde der Verband geöffnet, und 
der Tampon vorsichtig entfernt. Die Blutung war gestillt, die Ge- 
himmasse hielt das Niveau der äusseren Kopf schwarte. Schmerzen 
waren keine vorhanden, wie auch während des ganzen übrigen 
Krankheitsverlaufes niemals ernstlich über solche geklagt wurde. 

Von da ab wurde der Verband täglich erneuert. Die Gehirn- 
inasse drängte sich noch weiter über den Rand der Schädelöffnung, 
und bildete schliesslich einen pilzförmigen Prolaps mit engerem, 
der Knochenöffnung entsprechendem Stiele. Dieses Hervordräugen 
konnte nicht verhindert werden, da ein nur massiger Gegendruck 
auf die Gehimmasse heftigen Schmerz verursachte. 

Am 3. November wurde, da ein weiteres Vorschieben des 
Prolapses nicht mehr eingetreten war und auch nicht mehr zu be¬ 
fürchten stand, zur Abtrennung desselben geschritten, und zwar 
mittels continuirlicher Unterbindung, da solche die beste Garantie 
gegen etwaige Nachblutung zu bieten schien. 

1 / 9 cm hinter dem einen Ende des, im Querschnitte eine lang¬ 
gezogene Ellipse darstellenden Stieles -wurde ein doppelter steriler 

Seidenfaden durchgezogen 
und an der Nadel N durch¬ 
trennt. Die eine kürzere 
Hälfte diente zur Unter¬ 
bindung des äusseren 
Theiles a, die andere lange 
wurde nochmals in die 
Nadel gefasst, */* cm wei- 
ter nach innen durch den 
Stiel geführt und wieder¬ 
um am Nadelöhr durch- j 
trennt. Der zweite Faden | 
der ersten Nadel und der ; 
eine der letzteren dienten j 
nun zur Unterbindung des 
Sector b, und so wurde ; 
weiter gefahren, bis der i 
ganze Stiel unterbunden j 
war. Am nächsten Tage lag der Prolaps abgestossen, und ohne \ 
die geringste Blutung oder sonst irgend welche Reaction verursacht 
zu haben, im Verbände. 

Die Lähmung nahm vom Beginne der dritten Woche an meAt- 
lich ab. Zunächst wurde der linke Fuss beweglich, später, jedoch 
bedeutend langsamer, der Arm. 2 weitere kleine Knochenfrag¬ 
mente, welche bei der ersten Untersuchung der Beobachtung ent- i 
gangen waren, traten zu dieser Zeit an die Oberfläche und wurden j 
entfernt. j 

Nach Ablauf eines Vierteljahres war L. bereits im Stande, } 
mit Hilfe eines Stockes im Zimmer herumzugehen. 

Von einer beabsichtigten osteoplastischen Operation behufs i 
Schliessung des Knochendefectes wurde auf Verlangen der Ange- j 
hörigen, denen der bis jetzt erreichte ferfolg genügte, abgesehen, ] 
und so schloss sich die Kopfschwarte durch Narbenbildung über | 
dem Knochendefecte, und bildet eine letzterem entsprechende 
leichte, pulslrende Einsenkung, über welcher zum Schutze ein j 
Metalldeckel getragen wird. t 

Die psychischen Functionen, die Intellectuelle Sphäre hatten I 
durch die Verletzung in keiner Weise gelitten, im Februar war das ! 
Gehen auch ohne Stock ermöglicht, der anfangs ausgesprochene j 
Hahnentritt schwand mehr und mehr, die Ernährung und der j 
Kräftezustand waren vorzüglich, nur der rechte Arm, insbesondere j 
die Hand, Hessen in ihrer Gebrauchsfähigkeit noch viel zu wün- j 
sehen übrig. Faradische Behandlung hatten auch hier wesentliche | 
Besserung zur Folge ,so dass L. am 14. Mai, als keiner weiteren ; 
ärztlichen Behandlung mehr bedürftig, jsu seinen Angehörigen ent- j 
lassen wurde. j 

Auch jetzt, nach Ablauf eines Jahres von der Verletzung ab j 
gerechnet, haben sich keinerlei beängstigende Symptome einge- ' 
stellt, Patient ist frisch und munter, waghalsig wie zuvor, klettert . 
auf Leitern und Bäume, nur der immer noch halb gelähmte rechte 
Arm erinnert an die erlittene schwere Verletzung. 

Im Anschlüsse an vorstehende Krankengeschichte möchte ich i 
noch über einen weiteren Fall berichten, der im letzten Stadium 
vor nunmehr 10 Jahren im hiesigen Krankenhause in meine Be¬ 
handlung kam, und letal endete. 

II. Schussverletzung des Schädels. Nach einem Jahre trau¬ 
matische Encephalitis. — Tod. 

K. R., lediger Bursche von Neuschönfeld bei Leipzig, 21 Jahre , 
alt, schoss sich am 19. December 1888 aus Lebensüberdruss eine ; 
Revolverkugel (9 mm) in die rechte Schläfengegend. In bewusst¬ 
losem Zustande wurde derselbe in eine Klinik nach Leipzig ver¬ 
bracht, woselbst nach seiner Angabe erfolglos nach der Kugel ge- , 
sucht wurde. Er verblieb daselbst 3 Wochen. Bei seiner Ent¬ 
lassung war die Schusswunde bereits vollständig vernarbt, jedoch j 
das Sehvermögen auf dem rechten Auge gänz¬ 
lich erloschen. Schmerzen verspürte er keine mehr, begab 1 
No. 6. 

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sich auf die Wanderschaft, und gelangte Mitte November 18,89 
hierher nach Aschaffenburg. Am 23. November traten plötzlich 
heftige Kopf- und Genickschmerzen auf, und wurde R. noch am 
selben Tage in das hiesige Krankenhaus aufgenommen. 

Die äussere Untersuchung ergab eine strnhlige. trichterförmig 
tief eihgezogene Narbe an der rechten Schlüfengogend direct hinter 
dem aufsteigenden Aste des Jochbogens. Die Stelle war schmerzlos 
beim Betasten, und liess in der Tiefe nichts Abnormes erkennen. 
Eine Ausschussöffnuug war nirgends wahrnehmbar, und nach An¬ 
gabe des Patienten sollte die Kugel sich noch in der Schädelhöhle 
befinden. Rechtes Auge vollständig erblindet, massiger Enopln 
thalmus. Fieber massig, Puls verlangsamt, unregelmässig. 

Am folgenden Tage steigerten sich die Schmerzen um ein Be¬ 
deutendes, und erreichten im Laufe der nächsten Tage eine un¬ 
erträgliche Höhe. 

Es traten Störungen auf im Bewusstsein, Delirien, Convul- 
sionen, Opisthotonus, und nur Eis, sowie reichliche Mengen Cliloral 
und Narcotiea vermochten einigermaassen Linderung zu schaffen. 
Gesicht stark geröthet, Conjunetiva hochgradig injicirt. 

Vom G. December an Lähmung der linken Oberextremität, 
von da ab Fortschreiten der Lähmung, Bewusstlosigkeit, Coma, 
am 12. December Exitus letalis. 

Sectionsergebniss: An der, dem Einschüsse ent¬ 
sprechenden Stelle des blossgelegten Schädels, und zwar an der 
Verbindungsnaht des grossen Keilbein Hügels mit dem Stirnbeine, 
zeigte sich ein herzförmiger, mit der Spitze nach vorn gerichteter, 
zur Hälfte auf den Iveilbeintliigel. zur Hälfte auf das Stirnbein 
übergreifender, und sich noch auf den kleinen Keilbeinflügel und 
die Fissura orbitalis superior erstreckender, im Ganzen etwa fiiuf- 
pfenniggrosser Knochendefect. Durch diese Oeffnung hatte man 
glauben müssen, sei die Kugel unbedingt in die Gehirnhöhle ein¬ 
gedrungen, doch dem war nicht so, wie der weitere Verlauf der 
Obduction lehrte. 

Direct vor der Spitze dieser genau herzförmigen, 12 mm weiten 
Oeffnung, und zwar au der Stelle, wo Joch-, Stirn- und Keilbein zu- 
sammenstossen, fand sich eine zweite, bereits wieder verheilte 
Knochennarbe von strahligem Baue. Dieser entsprechend an der 
Pars orbitalis des Stirnbeines in der Augenhöhle zeigte sich 
die Knochenmasse radiär zersprungen, und einen gegen den Bulbus 
gerichteten stumpfen Hügel bildend. Direct unterhalb dieser, 
durch Callusmasse wieder verlötheten Stelle lag das Projectil, 
eine Spitzkugel, stark doformirt, und an ihrer breit geschlagenen 
Spitze mit eingetriebenen Knochenfragmcnfen besetzt. 

Die Kugel war demnach unter sehr spitzem Winkel an die 
Superficies teniporalis des Keilbeines angeschlagen, hatte die dünne 
Knochenwandung an der Keil-Stirnbeinnaht eingetrieben, ohne in- 
dess in die Gehirnhöhle zu gelangen, drang an der oben beschrie¬ 
benen Stelle in die Augenhöhle ein, wo sie nach Zerstörung des 
Opticus keinerlei weitere Schmerzen verursachte, und fast ein 
Jahr lang gelegen hatte. 

Die Dura mater war au der, dem Knochendefecte entsprechen¬ 
den Stelle etwas verdickt, und am Vorderlappen des Gehirnes zeigte 
sich eine nussgrosse, erweichte Stelle von gelber Farbe. Sömmt- 
liche Blutgefässe im höchsten Grade hyperaemisch. 

Auf der ganzen Gehirnbasis beiderseits dicker eitriger Belag. 
Gehirnhöhlen mit trüb-eitrigem Exsudate gefüllt, auf der Basis 
derselben eitrig-fibrinös. Ebensolches an der Basis des Klein¬ 
hirnes, der Medulla oblongata und dem oberen Theile der Medulla 
spinalis. 

Bericht der kgl. Universitäts-Poliklinik für Kinder¬ 
krankheiten im Reisingerianum pro 1899. 

Von Professor I)r. C. Seftz. 

Im abgelaufeneu Jahre hatte die Kinderpoliklinik im Reisin¬ 
gerianum eine Frequenz von 11 894 kranken Kindern — von diesen 
wurden 8957 ambulant, 2937 in ihren Wohnungen behandelt. Von 
11894 Patienten waren 5987 Knaben, — 3207 Mädchen. Dem 
Alter nach standen 3729 Kinder im 1. Lebensjahr, 4097 im 
2.—5. Lebensjahr, 2250 im (>.—10. Lebensjahr, 1818 im 11. 
bis 16. Lebensjahr. Der Zugang an Patienten nach den 
einzelnen Monaten gestaltete sich wie folgt: Januar 1057 (1090) % 
Februar 828 (807), März 650 (1084), April 822 (1016), Mai 1146 (1024), 
Juni 1161 (1041), Juli 1178 (913), August 1307 (1069), September 
1088 (1021), October 817 (804), November 1028 (863), December 812 
(776). Durchschnittlich gingen per Tag 32—33 neue Patienten zu. 

Bei der erwähnten Gesammtfrequenz von 11 894 (11 508) waren 
414 (443) Todesfälle zu verzeichnen. Von den gestorbenen Kindern 
standen 251 im 1. Lebensjahr, 149 im 2.—5. Lebensjahr, 10 im 
6.—10. Lebensjahr, 4 im 11.—16. Lebensjahr. Es trafen auf 
Bronchopneumonie 124 (120), Todesfälle [davon 23 bei Pertussis, 
21 bei Enteritis, 5 bei Morbilleu], auf Gastroenteritis 112 (108), 
auf Tubereulose 56 (63) Todesfälle [davon 22 Meningitis. 5 Miliar- 
tuberculose, 7 Peritonealtuberculose, 12 Plithisis pulm.], auf Atro¬ 
phie 35 (36), Cholera infantum 20 (21), Eklampsie und Laryngo- 
spasmus 16 (18), Lues congenita 15 (12), Debilitas vitae 8 (10). 
Enteritis follicularis 9(7), Meningitis simplex 0(7), Diphtherie 1 (7). 
Scarlatina lind Folgekrankheiten 0 (6). Pneumonia crouposa 6 (6), 
Broneiiitis capillaris — (6), Sepsis 4 (3), Nephritis chronica 2 (3) 
Todesfälle, auf Vitium cordis, Neubildung, Pericarditis, Epilepsie, 
Fremdkörper, Skleroedem je 1 Todesfall. 

*) Die in runden Klammern beigesetzten Ziffern bedeuten im 
Folgenden stets die entsprechenden Ziffern des Vorjahres. 

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Original From 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



194 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


Die an <leu 11 894 Kindern zur Beobachtung bezw. Behand¬ 
lung gekommenen Krankheitsfälle waren — nach dem Reiebs- 
schenia geordnet — folgende: 

I. Entwicklungskrankheiten: Angeborene LebenssclnvHche 
10 (17). angeborene Missbildungen 99 (70), Atrophie der Kinder 71 
(93), Menstruationsanomalien 1 (8). 

II. Infections- und allgemeine Krankheiten: Varicellen 130 
(142). Scarlatina 51 (108), Morbilli 197 (180), Parotitis epidemica 
44 (21), Erysipelas 24 (15), Diplitherie 90 (131), Pertussis 348 (307), 
Cholera infantum 52 (130), Polyarthritis 33 (19), Blutanomalien 
108 (92), Sepsis 5 (2), Entozoen 140 (130), latente Tuberculose 315 
(285), Skrophulose 117 (08). Rachitis 598 (778), Neubildungen 1 (7). 
gonorrhoische Vulvovaginitis 44 (45), Lues congenita 109 (78). 

III. Localisirte Krankheiten: A. Krankheiten des 
Nervensystems: Geisteskrankheiten 23 (22), Hirn- und 
Hirnhautentzündung 32 (35), andere Krankheiten des Gehirns 30 
(20), Epilepsie 19 (22), Eklampsie und Laryngospasmus 114 (78), 
Tetanus 1 (—). Tetanie 2 (2), Chorea 13 (7), Rückenmarkskrank¬ 
heiten 27 (10), andere Krankheiten des Nervensystems 104 (80). 

B. Krankheiten der Ohren: Des äusseren Ohres 88 
(54), des inneren Ohres 77 (84). 

C. Krankheiten des Auges: Contagiöse Augeukrauk- 
heiten 01 (72), andere Augenkrankhelten 177 (192). 

D. Krankheiten der A t: li m u n g s o r g a n e : Krank¬ 
heiten der Nase und Adnexe 115 (95), Laryngitis und Pseudocroup 
81 (33), acuter Bronchialkatarrh 2272 (2458). chronischer Bronchial¬ 
katarrh 90 (38). Lungenentzündung 780 (401), Brustfellentzündung 
00 (42), Lungenblutung 1 (4), Lungenschwindsucht 101 (115), andere 
Krankheiten der Athmuugsorgane 27 (10), Kropf 43 (33). 

E. Krankheiten derCirculationsorgane: Herz- 
und Herzbeutelentzündung 23 (23). Klappenfehler und andere Herz¬ 
krankheiten 02 (52), Lympligefäss- und Lymphdrüsenentzündung 
1(53 (133). 

F. Krankheiten des Verdauungsapparates: 
Der Zähne und Adnexe 1042 (1330). Stomatitis uud Soor 185 (251), 
Mandel- und Rachenentzündungeu 029 (515), Dyspepsie 448 (390), 
acuter Magendarmkatarrh 1384 (1313), chronischer Mageudarm- 
katarrh 53 (302). habituelle Verstopfung 317 (251), Peritonitis und 
Perityphlitis 20 (18), Invagination 1 (2), Prolapsus ani 6 (0), Her¬ 
nien 158 (253), Krankheiten der Leber und ihrer AusfUhrungsgänge 
58 (49), Milzhyperplasien 5 (25). 

G. Krankheiten des Urogenitalapparates: 
Nierenentzündungen 33 (42), Krankheiten der Blase 10 (32). Phi¬ 
mose 70 (82), Wasserbruch 34 (30). 

H. Krankheiten der äusseren Bedeckungen: 
Scabies 115 (112), acute Hautkrankheiten 743 (421), Panaritium und 
Phlegmone 88 (34), andere Krankheiten der äusseren Bedeckungen 
159 (242). 

I. Krankheiten der Bewegungsorgane: Der 
Knochen- und Knochenhaut 70 (50), der Gelenke 48 (18), der Mus¬ 
keln und Sehnen 12 (15). 

K. Mechanische Verletzungen: Quetschungen und 
Zerreissungen 20 (30), Knochenbrüche 12 (27), Verstauchungen 0 (0), 
Wunden 85 (102), Verbrennung 21 (28), Erfrierung 10 (2). 

Ein Rückblick auf die allgemeinen Morbiditäts- und Mortali- 
Iätsverhältnis8e ergibt auch für dieses Berichtsjahr eine inässige 
Frequenz an Infectionskrankheiten, von welchen, wie Im Vorjahre, 
nur Pertussis hervorragt; gegen Ende 1899 begann die z. Z. herr¬ 
schende Morbillenepidemle. Wenn auch Maseru und Keuchhusten 
im Allgemeinen relativ leichten Verlauf nahmen, so ist doch die 
wesentlich angestiegene Frequenz an Pneumonien und wohl auch 
die Zunahme an Tuberculose mit dem häutigeren Vorkommen der 
ersterwähnten prädisponirenden Infectionskrankheiten ln Zu¬ 
sammenhang zu bringen. Scharlach und auch Diphtherie treten 
mehr zurück, doch kamen von letzterer wiederholt schwere Fälle 
vor, an welchen die segensreiche Wirkung der Serumtherapie 
sehr wohl zum Ausdruck kam; von 90 Diphtherien starb eine; 
von bislang etwa 800 i n j i c i r t e n Diphtherie n mit 5 bis 
8 Proc. Mortalität waren über 000 Fälle bei Anwendung der 
Serumtherapie frei von Larynxstenose, keiner derselben steigerte 
sich im weiteren Verlauf zu schweren Stenosesymptomen; auch 
wo solche beim Eiusetzen der Serumtherapie vorhanden waren, 
trat meist noch unverkennbar eine günstige Wirkung der Injection 
hervor. — Die acuteu Magendarmstörungen hatten gegenüber dem 
Vorjahre eine erhöhte Frequenz; bei der Behandlung bewährten 
sich am besten die diätetisch-mechanischen Methoden. In der Diä- 
retik der chronischen Verdauungsstörungen des Säuglingsalters 
wurden zahlreiche Versuche mit Kelle Fs M a 1 z s u p p e ge¬ 
macht: mit dieser praktischen Modiflcatiou der altbewährten 
Liebigsuppe konnten wohl mehrfach gute Erfolge erzielt werden, 
jedoch nicht in der überwiegenden Zahl der Fälle. Ausführliche 
Mittheilungen über dieselben und andere therapeutische Er¬ 
fahrungen werden in dieser Wochenschrift erfolgen. 

Als Assistenten fungirten neben Herrn Dr. R o m m e 1. die 
Herren Volontärärzte DDr. Meier, v. Schönebeck, Hönigs- 
b e r g e r , Gilde, Sichert, ferner in semestralem Turnus 
die Herren DDr. Horn, Theilheimer. Oppler, Rush, 
H i r t, Scholz, finderlein. Den genannten Herren sei auch 
an dieser Stelle der beste Dank zum Ausdruck gebracht für ihre 
pflichttreue Thätigkeit. Allen, welche auch die humanen Zwecke 
der Kinderpoliklinik im Reisingeriauum irgendwie gefördert haben, 
sei auch hier der wärmste Dank ausgesprochen. 


Aus der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Professor 
Dr. F. Riegel in Giessen. 

lieber Resorption und tettspaltung im Magen. 

Von Dr. Franz Volhard, Assistenzarzt an der med. Klinik. 

(Schluss.) 

Wie erklärt sich ein so unterschiedliches Verhalten von 
2 Eigelbzuckeremulsionen, von denen die eine im Magen war, die 
andere nicht ? Gerade ein entgegengesetztes Resultat hätte man 
vielleicht vermuthen können, nach den schönen Untersuchungen 
von Pflüger und Dormeyer [9], welche für genaue quan- 
titative Fettbestimmungen die vorherige künstliche Verdauung 
der zu extrahirenden Organe empfehlen. 

Die einzige Möglichkeit bleibt nach unseren bisherigen Vor¬ 
stellungen die, dass das Fett, das thatsächlich in der Stamm¬ 
lösung gleichmässig verthcilt ist, in der Eigelbemulsion, 
die den Magen passirt hat, nicht mehr so gleichmässig suspendirt 
erscheint. 

In der That habe ich stets an der ausgeheberten Flüssigkeit 
einige merkwürdige Eigenschaften beobachtet. Die Flüssigkeit 
ist heller gelb als die Stammlösung, die einen mehr röthlich- 
gelben Farbenton hat. Sie ist meist stark verdünnt, nicht selten 
aber auch im Gegentheil erheblich dickflüssiger als die Stamm¬ 
lösung, tropfenweise aus der Pipette flieesend. Sie ist nicht wie 
die Stammlösung gleichmässig gebunden, sondern durch zahl¬ 
lose feine gelbe Flöckchen getrübt. Endlich ist die ausgeheberte 
Flüssigkeit keine, wahre, ideale Emulsion mehr, wie die Stamm¬ 
lösung, sondern sie scheidet sich in kurzer oder längerer Zeit in 
2 Schichten, eine fast durchsichtige klare, wässrige untere, und 
eine rahmartige, dickliche, geltye obere. Sie ist keine wahre 
Emulsion mehr, denn sie lässt sidh glatt filtriren, und man erhält 
ein klares Filtrat, während das Filtrat der Stammlösung sich von 
dieser selbst in nichts unterscheidet. 

Einen weiteren Unterschied können wir an den Aether- 
extracten beobachten. Das der Stammlösung ist klar, durchsich¬ 
tig, hellgelb, fast farblos, vorausgesetzt, dass es nicht zu stark er¬ 
hitzt wurde, vor Allem flüssig, das Aetherextract der aus¬ 
geheberten Flüssigkeit ist fest, gelblich, undurchsichtig, 
krystallinisch, von einzelnen Sternchen durchsetzt. 

D'ese Beobachtungen, dass die Emulsion von Eigelb im 
Magen zerstört wird, und dass das Aetherextract vor dem Auf¬ 
enthalte im Magen flüssig, nach demselben fest ist, verursachten 
mir viel Kopfzerbrechen. Ich versuchte zunächst durch Zusatz 
von Pepsin Salzsäure oder Magensaft zur Stammlösung das 
Gleiche zu erreichen. Aber vergeblich. Weder die Emulsion 
wurde zerstört, noch das Aetherextract fest. Endlich brachte 
mich der Anblick der festen Aetherextracte auf den Gedanken, 
dieselben mit alkoholischer Natronlauge zu titriren. 

Das Resultat war in höchstem Maasse überraschend. Da3 
Aetherextract der Stammlösung zeigte eine verschwindend kleine, 
das der ausgeheberten Flüssigkeit eine auffallend hohe Acidität 
und zwar ganz constant in 28 Versuchen. 

Es konnte keinem Zweifel unterliegen, dass diese Acidität 
auf einem hohen Gehalt an freien Fettsäuren beruhte. 

Salzsäure war aus mehreren Gründen ausgeschlossen: 

1. Gab die ausgeheberte Flüssigkeit fast nie eine positive 
Congoreaction — übrigens ein Beweis für die starke Herab¬ 
setzung der HCl-Secretion durch Fett und Traubenzucker. 

2. Waren die zu extrahirenden Portionen mit CaCo, ge¬ 
trocknet. 

3. Gab die Stammlösung mit HCl bis zur starken Congo¬ 
reaction oder mit Pepsinsalzsäure oder mit reinem Magensaft 
vom Hunde versetzt kein saures Extract. 

4. Das saure Extract gibt an H 2 0 keine Säure ab. 

Kohlensäure war durch die Trocknung der Extracte bei 80 

bis 100° ausgeschlossen. 

Die Milchsäureprobe fiel negativ aus. 

Die hochgradige Fettspaltung trat auch in Eigelbemulsion 
ohne Traubenzucker auf (cf. 47 a). 

Um mir eine Vorstellung von der Grösse der Fettspaltung 
im Magen zu machen, versuchte ich dieselbe procentuarisch zu 
berechnen. Dazu musste ich zunächst ermitteln, wie viel freie 
Fettsäure aus Eigelb durch 1 ccm l / I0 Normalkalilauge gebuudeH 
wird. Zu dem Zwecke dienten folgende Versuche. 

1. Die Extracte des Ausgeheberten von Fall 52 wurden nach 
Titration (mit 1 / l0 Normalalkali und Phenolphtallein) mit H 2 0 ver¬ 
dünnt und das Neutralfett mit Aether ausgeschüttelt 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


196 


Der SeifenrUckstand wird ahgesäuert und wieder mit Aether 
mehrfach aufgeschüttelt 

Ich fand aus a) 356 mg Aetherextract von der Acidität 8,7 
= 229 mg Fettsäure Acid. 7,3 
und 112 mgfNeutralfett Acid. 0,76. 

1 ccm , /io Normalalkali entspräche -yy = 31.8 mg Fettsäure 
erhalten als Fettsäure 67 Proc.; 

b) 330 mg Extract von Acidit. 8,3 = 167 mg Fettsäure Acid. 5,2, 

127 mg Neutralf. Acid. 1,8, 
1 ccm */io Normalalkali = = 80 mg Fettsäure 

erhalten als Fettsäure 65,3 Proc. 

2. Die Extraete der Stammlösung wie des Ausgeheberten von 
Fall 56 wurden in aetherischer Lösung durch Natrium metallicum 
[10] verseift-Der voluminöse Seifenniederschlag wird mehrfach 
aurch Aether ausgewaschen, aus den Seifen nach Ansäuern die 
Fettsäuren extrahirt. 


Stammlösung: 1194 mg Ac. 1,3 ergeben 1000 mg Fetts. Ac. 32,5 

und 111 mg Neutralf. Ac. 0, 

1 ccm */ 10 Normalalkali entspäche 7 ^ = 30,8 mg Fettsäure 
erhalten als Fettsäure 90 Proc. 

Versuch: 180 mg Ac. 5 ergeben 151 mg Fettsäure Ac. 5, 
* 19 mg Neutralfett Ac. 0, 

1 ccm 7*0 Normalalkali — — 80,8 mg Fettsäure 

erhalten als Fettsäure 88,8 Proc. 

3. Von derselben Stammlösung (56) werden 10 ccm mit einer 
kleinen Messerspitze Pankreatin und etwas Na, CO, versetzt 
48 Stunden im Brutschrank gelassen. 

Extract: 1246 mg Acid 14,2 ergibt 314 mg Fettsäure Ac. 11,2 
' 926 mg Neutralf. Ac. 1,3, 

1 ccm Normalalkali ~ zz 28 mg Fettsäure, 
erhalten als Fettsäure 25,3 Proc. 

4. Berechnung aus dem Moleculargewicht der 3 in Betracht 
kommenden Fettsäuren. 


Palmitinsäure . . . 256 
Stearinsäure . . . 284 
Oelsäure.282 


Alle 8 ln gleicher Menge »822 

vorausgesetzt, durch- — rr 274 
schnlttlich .... 3 


1 ccm */io Normalalk. =z 25,6 mg 
1 „ > * =28,4 , 

1 „ Vio „ = 28,2 „ 

1 „ 7io n = 27,4 . 


Ich habe, da es sich doch nur um ungefähre Zahlen handelt, 
der Einfachheit der Rechnung wegen die Zahl 30 gewählt, und 
mit dieser in der nachfolgenden Aciditätstabelle die Anzahl der 
beim Titriren verbrauchten Cubikcentimeter 1 / i0 NaOH multipli- 
cirt imd so das procentische Verhältniss der Fettspaltung be¬ 
rechnet. 


(Aciditätstabeile siehe nebenstehend.) 


Es ergibt sich somit nach einer ungefähren Berechnung eine 
Fettspaltung von ca. 78,8 Proc. des eingeführten Fettes im 
Durchschnitt aus 52 Extractionen. Sicher ist die Zahl um einige 
(ca. 5) Procente zu hoch, auch sind ca. 3 Proc. für präformirte 
Fettsäuren, wie sich aus den geringen Aciditätszahlen der 
Stammlösungsextracte ergibt, abzuziehen. Jedenfalls erscheint 
eine ganz bedeutende Fettspaltung des fein emulgirten Eierfettes 
damit bewiesen, zumal selbst bei Verseifung mit Na met. nur 
90 Proc. Fettsäuren erhalten werden. Diese Beobachtung ist 
desshalb so überraschend, weil man bisher ganz allgemein an¬ 
nahm, dass Fett vom Magen so gut wie nicht verändert würde. 
Es existiren mehrere Arbeiten über die Frage der Fettverdaüung 
im Magen von Marcet [11], Cash [12], Ogata [13], 
Klemperer und Scheurlen [14], Marpmann [15]. 
Alle constatiren nur eine minimale Fettspaltung, allerdings 
wurde niemals Fett in emulgirter Form in den Magen gebracht. 
Ich bin noch nicht in der Lage zu behaupten, dass die Form der 
Emulsion allein wesentlich und die Art des Fettes gleichgiltig 
sei. Es wäre natürlich von hohem Interesse, auch einfacher zu¬ 
sammengesetzte Fette als das Eierfett auf ihr Verhalten im 
Magen zu prüfen. Ein Versuoh mit einer Olivenölgummi- 
emulsion fiel negativ aus, doch hielt die 30 Proc. Traubenzucker 
enthaltende Emulsion sehr schlecht und rahmte zusehends ab. 
Dagegen habe ich einen Versuch mit Milchfett angestellt (vergL 
No. 58), der ein positives Ergebniss hatte. 

Natürlich musste die Milch erst in eine säurebeständige 
Form gebracht werden. Dies geschah durch Fällen mit Lab und 
künstliche Verdauung mit Pepsinsalzsäure (cf. Neumeister, 
Lehrbuch der physiol. Chemie)* Nach 48stündiger Verdauung 
wurde die saure Milchfettemulsion gekocht und mit 25 Proc. 
Traubenzucker in den Magen gebracht. Auch hier finden wir 
eine grosse Acidität des Aetherextractes nach 1V 4 ständigem 


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Gck igle 


A c i d i t ä t’s t a b e 11 e. 


No. 

Aetherextract der 1 
ausgeheb. Flüssig- II 
fceit ln mg || 

s= 

o O 

O 01 

a* 

:*j t 

~ O 
■O?. 

’S o 

berechnete Fett- 1 
säure in mg 1 ccmil 
*' l0 NaOH -~ M)_mg|| 

Fettsäuregebalt 1 
in Proc. 1 

~B 1 

5g 

I 533 

s 

< j 
Stdn. J 

No. 

'Aetherextract der 1 
ansgeheb. Flüssig- II 
keit in mg 1 

Acidität in ccm 1 
V l0 Norm. NaOH 1 

W 

O Et 1 

ZB^ 
a ä ts 

Fettsäuregehalt 1 
in Proc. 1 

~ Aufenthalt im 1 
p Magen || 

30 

220 

232 

174 

200 

5,8 

6,1 

5.8 

5.9 

174 

183 

174 

177 

79 

79 

2 

45 

148 

187 

275 

283 

3,9 

3,8 

117 

114 

79 

83 

17-2 

31 

100 

88 

2 

46 

7,8 

8,0 

234 , 86 
240 1 85 

17 * 

32 

225 

232 

6,0 

6,0 

180 

180 

80 

77,6 

l 1 /» 

47 

315 

362 

10,0 

300 

83 

l‘/a 

33 

309 

278 

9,0 

8,2 

270 

246 

87 

89 

73 

72 

17 * 

47a 291 

6,4 

192 

66 

Vji 

34 

264 

250 

6,4 

6,0 

192 

180 

1 7 * 

47b 

175 

4,5 

135 

77 

17 » 

35 

197 

208 

5.3 

5.4 

159 

162 

81 

78 

17* 

48 

263 

7,0 

210 

80 | 4 

1 

36 

171 

156 

4,3 

4,0 

129 

120 

75 

77 

LH 

v/, [ 

49 

381 

6,24 

187,2 

49 

VI, 

37 

341 

345 

5,3 

6,1 

159 

183 

47 

53 

50 

326 

8,51 

255 

78 

r/2 

38 

297 
| 296 

7,5 

7,2 

225 

216 

76 

<3 

E 

51 

301 

806 

8,88 

8,88 

266,4 

266,4 

88 

87 

2 

39 

140 

1 126 

3,7 

3,3 

111 

99 

79 

1 78 

1-/2 1 

52 

356 

330 

8,7 

8,3 

261 

249 

73 

75 

2 «/ 2 

40 

315 

244 

8,5 

6,9 

255 

207 

80 

85 

! 7 . 

53 

422 

382 

11,3 

10,5 

839 

318 

80 

75 

27a 

41 

276 

222 

7,2 

6,7 

216 

201 

78 1 ii 

90 1 1 2 

54 

354 

288 

10,6 

8,5 

318 

255 

89 

88 

272 

42 

224 

1 229 

5.7 

5.8 

171 

174 

76 

76 

VI, 

55 

177 

256 

5,2 

7,5 

156 

225 

88 

88 

2 ‘a 

43 

263 

261 

7,4 

6,8 

222 

204 

84 

78 

VI, \ 

56 

160 

180 

4,5 

5 

135 

150 

84 

89 

272 

44 

197 

170 

4,4 

4,2 

132 

126 

67 

74 

1 

Sa. 52 Extractionen 

Im Durchschnitt 

| 4098 

-= 78.8 

62 



Aufenthalt der Milchfettemulsion im Magen; der Aether riecht 
intensiv nach Buttersäure. 

Stammlösung: 222 mg Fett, Acid. 0,4 
230 „ „ „ 0,7 

Ausgehebert: 112 mg „ Acid. 3,71 
169 „ „ 5,61 

Dieser Versuch beweist schon, dass die Pepsinsalzsäure nicht 
im Stande ist, in nennenswerthem Maasse das angewandte Fett 
zu spalten, auch nicht in der 20 mal längeren Zeit. Das gleiche 
beweist der vorliegende Versuch (57) mit einer verdauten Eigelb¬ 
emulsion. 

Dieselbe war 60 Stunden bei Bruttemperatur einer sehr 
wirksamen Pepsinsalzsäure unterworfen worden, nach Abnahme 
einer gallertartigen oberen Schicht gekocht und neutralisirt 
worden, und wurde mit 23 Proc. Traubenzucker getrunken. 

In diesem Versuch lässt sich zwar eine deutliche Fettspal¬ 
tung bereits in der Stammlösung constatiren. Nach 60 ständiger 
künstlicher Verdauung ergibt die Extraction derselben 465 und 
470 mg mit 2 bezw. 2,2 ccm Acidität, welche ungefähr 13 Proc. 
Fettsäuren entsprächen, also doch 10 Proc. mehr, als die ge¬ 
wöhnliche Eigelbemulsion durchschnittlich enthält. Gleichwohl 
ist die Acidität des Ausgeheberten unvergleichlich höher, beträgt 
in der einen Analyse 4,7 ccm auf 207 mg = ca. 68 Proc., in 
der anderen 4,6 ccm auf 153 mg = ca. 90 Proc. 

Dieser letzterwähnte Versuch war angestellt worden, um 
zugleich den Beweis zu liefern, dass nicht etwa irgend welche 
Gerinselbildung bei der Eiweissverdauung die Zerstörung der 
Eigelbemulsion bedinge, sondern einzig und allein die Fettsäure¬ 
bildung. Die künstlich verdaute Stammlösung zeigte denn auch 
gar keine Neigung, sich in 2 Schichten zu trennen, sondern 
blieb ideal emulgirt und filtrirte unverändert, im ausgesprochenen 
Gegensatz zur ausgeheberten Flüssigkeit. 

Die saure Milchfettemulsion war von Anfang an keine wahre, 
filtrirbare Emulsion, sie theilte sich, wenn auch sehr langsam, in 
2 Schichten. Nach 5 Viertelstunden war in dem Reste der 
Stammlösung noch kaum eine schmale Zone Molke sichtbar, 

4* 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






196 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. Ö. 


während in dem Ausgeheberten unregelmässige, durchsichtige 
Molkenpartien mit weisen Üockigen Partien abwechselten. 

Uebrigens lässt sieh der Beweis dafür, dass die Fettsäure¬ 
bildung Schuld ist an der Zerstörung der Emulsion, auch posi¬ 
tiv erbringen. Wenn man in einer Eigelbemulsion durch Zusatz 
von Pankreatin Fettsäurebildung künstlich hervorruft, so zeigt 
dieselbe die gleichen Eigenschaften, wie eine Eigelbemulsion, 
die im Magen gewesen ist, sie bildet 2 Schichten und lässt 
sich durch Filtriren vom Fett befreien. 

Man könnte einwerfen, diese Fettspaltung rühre her von zu- 
riickfliessendeni Pankreassaft. Wenn dem so wäre, so bliebe die 
Thatsache nicht minder merkwürdig. Doch beweisen schon 
die Versuche 44, 46, 47. 48, 49 das Gegentheil, bei denen 
trotz ausgesprochener Pylorusstenose und motorischer Insuffi- 
cienz II. Grades, trotz hochgradiger Ektasie und Peristaltik 
diese auffallend starke. Fettspaltung, welche die des Pankreas 
übrigens anscheinend noch übertrifft, zu Stande kam. Abgesehen 
davon würde zurückfliessender Pankreassaft auch nicht emul- 
girtes Fett verseifen. Dias geschieht aber im Magen, wie 
K 1 e m p e r e r und Scheurlcn [14] gezeigt haben, so gut wie 
nicht. 

Gleichzeitig zeigen die Fälle von Careinom, sowie eine An¬ 
zahl von gutartigen Achylien (42, 43, 45, 50, 53) das interessante 
Verhalten, dass der Magen, der keine oder nur sehr wenig freie 
Salzsäure mehr absondert, bezüglich der hochgradigen Fettspal- 
tung sich wie ein gesunder verhält. 

Um nun auf den Ausgangspunkt der Untersuchung wieder : 
zurückzukommen, so bin ich zu meinem grossen Leidwesen ge¬ 
zwungen, die Methode meines hochverehrten früheren Lehrers, 
Professor v. M e r i n g, zur Prüfung der Resorption im 
Magen, aus dem gleichen Grunde für nicht einwandsfrei erklären 
zu müssen, aus welchem er die Penzold t’sclie Jodmethode | 
verwarf. Sie beruht gleichfalls auf einer Voraussetzung, welche I 
sich nunmehr als falsch erwiesen hat, dass die Fette im Magen • 
nicht verändert werden. Der Umstand, dass mit der thatsäch- i 
lieh statt findenden Veränderung des angewandten Fettes im i 
Magen — Spaltung in freie Fettsäuren — gleichzeitig eine Zer- ji 
Störung der ursprünglich idealen Emulsion einhergeht, ist am i; 
schwerwiegendsten. Denn von dem Moment ab, wo eine Zwei- * 
Schichtung möglich ist — ob sic im Magen bei der, nach Art der 
eingeführten Substanzen sicher verminderten Peristaltik wirk¬ 
lich stattfindet, kann ich vorläufig nicht beantworten —, ist der 
ursprünglich so einleuchtende und schöne Gedanke, das Fett als , 
Standardzahl zu benutzen, unzuverlässig. Die Möglichkeit lässt 
sich dann auch nicht ausschlicssen, dass analog dem normalen 
Mageunieclianismus mit einer einzigen Oeffnung des Pförtners • 
ein Theil des oben schwimmenden Fettes in den Dünndarm ge¬ 
spritzt und damit das Verhältniss von Fett zu Zucker in un- 
controlirbarer Weise geändert wird. 

Der andere Nachtheil der Methode, die auffallend grossen 
Fehlerquellen bei der Bestimmung des Fettgehaltes der ausge- 
heberten Lösung, hängt wahrscheinlich gleichfalls mit der .. 
Kettsäurebildung und einer dadurch bedingten ungleichen ! 
Vertheilung des Fettes in der zerstörten Emulsion zusammen. 
Ob der jedesmalige Zusatz von Ua Co, zu dem Caolin, das die 
zu extrahireude Flüssigkeit aufnimmt, etwa, trotzdem das Ganze ! 
sofort eine bröcklige, nicht einmal breiige Masse bildet, eine ge- 
ringe Seifenbildung zulässt und dadurch die ungenügende Ueber- : 
i iiistimmung der Resultat«- verursacht, erscheint sehr fraglich, ; 
kann aber leicht erwiesen werden. I 

Nachdem ich eingesehen hatte, dass die Zerstörung der Ei- j 
gelbemulsion im Magen eine Folge der Fettspaltung ist, lag es * 
nahe, zur Prüfung der Resorption im Magen den glücklichen ; 
Gedanken v. M e r i n g’s beizubehalten und nur das Fett zu, 
wechseln. Ich suchte ein leicht emulgirbares und schwer spalt- i 
bares Fett und war fest überzeugt, es gefunden zu haben, als ich j 
in einer Arbeit von (■ ci n n s t e i n [16] las, Lanolin sei ein’ 
äusserst schwer spaltbares und sehr leicht zu emulgirendes Fett. ! 
In dieser Arbeit folgert er aus diesen Eigenschaften und dem | 
Umstund, dass Lanolin vom Hunde nicht resorbirt, sondern { 
quantitativ wieder mit dem Koth entleert wird, dass für die Fett- . 
resorption lediglich die Spaltbarkeit des Fettes in Betracht j 
kommt. i 

Eigene Versuche belehrten mich bald, dass dieser Schluss j 
ein Trugschluss war, denn die Voraussetzung, dass Lanolin ein * 

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sehr leicht emulgirbares Fett sei, ist falsch, leider. Die Herren 
Apotheker der Klinik sowohl, als ich, versuchten mit viel Opfern 
an Zeit und Geduld, mit und ohne Zusatz von Seife, Soda etc. 
eine Lanolinemulsion zu Stande zu bringen. Das Lanolinum 
purissimum nahm kein, das Lanol. anhydricum 30 Proc. Wasser 
auf, und blieb ebenso wie ersteres eine Salbe und keine Emulsion. 
Auf meine Frage theilte mir der Autor denn auch mit, dass er 
in dem Lanolinum purissimum eine 30 Proc. Wasser enthaltende 
Wollfettemulsion erblicke. Dies ist aber eine Emulsion von 
Wasser in Fett, die mit Fett in jedem Verhältniss mischbar 
ist und nicht eine Emulsion von Fett in Wasser, die mit 
W a s s e r in jedem Verhältniss mischbar, und dadurch den Ver¬ 
dauungssäften zugänglich ist. Desshalb ist es auch nicht auf¬ 
fällig, dass der Hund diese zähe unangreifbare Salbe wieder aus¬ 
scheidet, nicht weil ihr Fett schwer spaltbar, sondern weil es 
gänzlich unemulgirbar ist. 

Fasse ich die Ergebnisse meiner Arbeit kurz zusammen: 

1. Im Magen findet eine sehr weitgehende Spaltung von fein 
emulgirtem Eier- und Milchfett statt. 

2. Hierdurch wird die Emulsion in soweit zerstört, als eine 
Zweischichtung eintritt und die Fette durch Filtration von der 
Lösung getrennt werden können. 

3. Desshalb erscheint die Methode von v. M e r i n g, be¬ 
ruhend auf der Bestimmung des Verhältnisses von Fett zu 
Zucker in einer Eigelbzuckeremulsion vor und nach dem Auf¬ 
enthalt im Magen, als nicht ein wandsfrei. 

4. Die Methode v. M e r i n g’s, fetthaltende Flüssigkeiten 
behufs Extraction im S o x h 1 e t’schen Apparat, auf Caolin mit 
Natrium sulfuricum siccum zu trocknen, ist die denkbar ein¬ 
fachste und bequemste. 

5. Die Behauptung Connstei n’s, für die Resorption des 
Fettes käme weniger seine Emulgirbarkeit als vielmehr seine 
Spaltbarkeit in Betracht, ist unbewiesen. Ihr Beweis ist falsch, 
da auf falscher Voraussetzung beruhend. 

Lanolin ist kein leicht emulgirbares, sondern ein äusserst 
schwer oder gar nicht emulgirbares Fett. 

Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem 
hochverehrten Chef, Herrn Geheimrath Riegel, für sein an¬ 
regendes Interesse und die grosse Liberalität, mit der er mir sein 
reiches Material an Magenkranken zur Verfügung stellte, meinen 
aufrichtigsten und herzlichsten Dank zu sagen. 

Literatur. 

1. Tappeiner: Zeitschr. f. Biol. Bd. 16, S. 497. 

v. A u r e p : Aich, f .Anat. u. Physlol. Physiolog. Abtheilung 
1881, S. 504. 

Brandl: Zeitschr. f. Biol. N. F. XI. Bd., S. 286. 

Ausführliche Literaturangaben bei: 

Röte und Strauss: Zeitschr. f. klin. Medicin 1899, Bd. 37, 
S. 145. 

2. v. M e r i n g : Verhandl. des XII. Congresses für innere Medi¬ 

cin 1893. Therap, Monatsh. 1893, S. 201. 

3. Moritz: Belichte der 65. Versammlung der Naturforscher 

und Aerzte 1893. 

4. v. Mering: Klinisches Jahrbuch Bd. 7, S. 341. 

5. .P e n z o 1 d t: Berliner klin. Wochenschr. 1882. 

Faber: Inaug.-Diss. Erlangen 1882. 

6. Wolff: Zeitschr. f. klin. Medicin 1883, Bd. VI. 

Quetsch: Berl. klin. Wochenschr. 1884. 

Zweifel: Deutsch. Arch. f. klin. Medicin Bd. 39. 

H ä b e r 1 i n : Ebenda Bd. 45. 

7. Miller: Arch. f. Verdauungskrankheiten. 

8. v. Mering: Congress f. innere Medicin 1897. 

9. Dormeyer: Pflüger’s Arch. für die gesammte Physiologie 

Bd. 61, 8. 341, Bd. 65, S. 90. 

10. K o s s e 1 und Obermüller: Zeitschr. f. physiol. Chemie 

Bd. 14, S. 599. 

11. Marcet: The medical Times and Gazette. New Series 

Vol. XVII., S. 210. 

12. Cash: Dubois Archiv 1880, S. 323. 

13. O g a t a : Ebenda 1881, S. 115. 

14. Klemperer und Scheurlen : Zeitschr. f. klin. Med. 

XV, 8. 370. 

15. Marpmann: Münch, med. Wochenschr. 1888, p. 485. 

16. Connstein: Arch. f. Anat. u. Physiolog. Physiol. Abth. 

1899, p. 30. 


Original fro-m 

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6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


197 


Referate und Bücheranzeigen. 

Die Deutsche Orthopädie in Jahre 1899. 

Von Oscar Vulpius in Heidelberg. 

Das zur Neige gehende „grosse“ Jahrhundert hat auch für 
die Orthopädie grosse Aenderungen und Fortschritte gebracht. 
So liegt die Versuchung nahe, den Rahmen der von einer ver- 
ehrlichen Redaction gestellten Aufgabe zu überschreiten und 
einen Säcularbericht statt der gewünschten Jahresübersicht zu 
liefern. Indess, unsere Zeit drängt nach praktischem Vorwärts¬ 
arbeiten, nicht nach behaglich zurückschauendem Reflectiren. 
Und darum beschränkt sich der folgende Bericht auf die ortho¬ 
pädischen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten im ver¬ 
flossenen Jahre, insoweit dieselben in deutscher Sprache nieder¬ 
gelegt worden sind. 

Um mit der allgemeinen Orthopädie zu beginnen, 
so bezwecken zwei Abhandlungen des Referenten über „Um¬ 
fang, Bedeutung und Leistungen der Orthopädie” [1] und über 
„blutige und imblutige Orthopädie” [2], möglichst weite Kreise 
für die moderne Orthopädie zu interessiren. 

Von grosser Bedeutung war die ausgiebigere Erschliessung 
der Neurologie als eines reichen und dankbaren Grenzgebietes. 
Nachdem schon Referent die neuen Beziehungen zwischen 
„Orthopädie und Neurologie“ [3] kurz besprochen hatte, wählte 
Hoffa das gleiche Thema zu einem ausführlichen Vortrag auf 
der Naturforscher- und Aerzteversammlung in München [4]. 

Unter den hier in Betracht kommenden Affectionen ist für 
die Orthopädie die wichtigste die spinale Kinderlähmung, deren 
moderne orthopädisch-chirurgische Therapie vom Referenten 
in einer Skizze dargestellt wurde [5]. 

In der Behandlung der Lähmungen hat die Sehnenüber¬ 
pflanzung vermehrte Bedeutung und vielseitige Beachtung er¬ 
langt. Es konnte vom Referenten ein vorläufiges Indi- 
cationsgebiet abgegrenzt und zusammenfassend beschrieben 
werden [6]. Es kommen namentlich in Betracht: traumatische 
Defecte von Sehnen, periphere, spinale, cerebrale Laesionen, 
schlaffe und spastische, partielle und totale Lähmungen. Lud- 
w i g [6a] empfiehlt die Ueberpflanzung für partielle Lähmung, 
die Arthrodese für völlige Paralyse. 

Aus der Hoff a’schen Anstalt berichten dieser selbst und 
G o c h t [7, 8] über eine Reihe günstiger Resultate, W aller- 
stein hat einen Fall von Little’scher Krankheit durch die 
Operation wesentlich gebessert [9]. Ueber zum Theil mehr¬ 
jährige Dauerresultate aus seiner Serie von 80 Ueberpflanzungen 
machte Referent auf dem Chirurgencongress Mittheilungen 
[10], Etwas modificirt wurde die Technik von Lange, der 
den abgetrennten Sehnen durch Vernähung mit dem Periost 
günstigere Insertionspunkte schaffen will [11]. 

Dass die cerebrale Kinderlähmung einer activeren, chirur¬ 
gischen Therapie häufig zugänglich ist, zeigt eine Arbeit von 
Bock er [12]. Das orthopädische Mittel der Suspension zur 
Behandlung von Nervenkranken erprobte Hoffmann [13] 
und sah Erfolge bei Myelitis und Tabes, keine schädlichen Wir¬ 
kungen. 

Auf ein weiteres Arbeitsgebiet wies Rosenfeld hin, der 
die höchst dürftige Krüppelfürsorge in Deutschland 
schildert [14]. Es existiren höchstens 550 Betten für ein Heer 
von mindestens 7000 pflegebedürftigen Krüppeln! 

Von grossem wissenschaftlichen Interesse sind mehrfache 
Untersuchungen über die „Pathogenese der Knochendeformi¬ 
täten“ von G h i 11 i n i [15, 16], Experimente über „mechanische 
Störung des Knochenwachsthums“ von Maas [17], und Beide 
wenden sich gegen W o 1 f f, der ausserdem noch mit seinem alten 
Gegner Bähr polemisiren musste [18]. 

In einer Klarheit schaffenden Arbeit von Joachimsthal 
[19] über „Zwergwuchs und verwandte Wachsthumsstörungen“ 
spielen die Röntgenaufnahmen eine wichtige Rolle, die v. B e r g - 
mann zum Theil auf der Naturforscherversammlung als riesige 
Project ionsbilder demonstrirte. 

Ueber eigenartige Knochenverkrümmungen, durch entzünd¬ 
liche oder verwandte Erweichung entstanden, aus der Praxis der 
Referenten berichtete S c h a r f f [20]. 

Eine kleine Monographie über das Blutergelenk rührt von 
Gocht her [21]. In älteren Fällen mit Contracturen kommt 
orthopädische Behandlung in Betracht. 

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Zur Keimtniss und Erklärung des fettembolischen Todes 
nach orthopädischen Eingriffen, trägt eine Arbeit von Payr 
[22] bei, welcher mehrere solcher Fälle erlebte und den regel¬ 
mässigen Sectionsbefund des Status lymphaticus resp. thymicus 
mit dem Exitus in Beziehung bringt. Auf die erneute Empfeh¬ 
lung seines Apparatsystems durch Bum [23] antwortete 
Krukenberg mit einem geharnischten Artikel [24]. 

Aber auch Zand e r erfuhr einen schweren Angriff durch 
seinen früheren Anhänger Jagerink [25], dem sich mit 
frischer Kampfesfreude Bähr anschloss [26]. Nicht nur Zan- 
d c r\s Skoliosenmessbilder, sondern auch seine Indicationen für 
Zandergymnastik wurden vernichtend kritisirt.. 

Einen verbesserten Fingcrpendelapparat gab Bähr an 
[26a]. 

Von neueren Materialien für die Herstellung portativer 
Apparate wird die Cellulose empfohlen von Port [27], die Horn¬ 
haut sehr gelobt von Hildebrandt [28], die Draht-Celluloid¬ 
mulltechnik beschrieben von S e i t z [29], endlich als geheimniss- 
volles Novum aus Amerika von Wiener [30] Fiber ange¬ 
priesen. Bügle [31] verwendet statt der Hülsen ein System 
von Stahlbändern, welche den Gelenken Rotationsbewegung ge¬ 
statten sollen. Umgekehrt bezwecken theilweise Fixirung der 
Gelenke kleine llülsenapparate, welche Ilasobroek [32] zur 
Nachbehandlung von Verstauchungen tragen lässt. Thilo [33] 
wieder eonstruirt einfache Apparate resp. Verbände für Beugung 
und Streckung, mn Gelenkversteifungen an der oberen Extremi¬ 
tät entgegenzuarbeiten. Müller [33a] hebt hervor, dass die 
modernen Schienenhülsenapparate, da sie kein Monopol H e s - 
si ng\s mehr sind, auch in der Unfallpraxis zu verwerthen sind. 
Er empfiehlt sie namentlich zur Entlastung des Kniegelenks bei 
chronischem Hydrops. 

Wir wenden uns nun zur speciellen Orthopädie und 
beginnen mit den Erkrankungen der Wirbelsäule. 

Hier liegen mehrere bedeutsame anatomische Arbeiten vor. 
Schulthess [34] hat eine leichte rechtsconvexe Total¬ 
skoliose gründlichst studirt, hat erstmalig concavseitige Torsion 
am Präparat nachgewiesen und namentlich die asymmetrischen 
Bewegungsbeschränkungen der Wirbelgelenke untersucht. 

Albert [35] beschäftigte sich mit dem „Mechanismus der 
skoliotischen Wirbelsäule“ und stellte fest, dass die Windung 
durch Rotation der Wirbel gegeneinander zu Stande kommt, 
während die Torsion innerhalb der einzelnen Wirbel eine secun- 
däre Erscheinung ist. 

Bach mann [36] erlebte das Erscheinen seines breit an¬ 
gelegten Buches über „Die Veränderungen an den inneren Or¬ 
ganen bei hochgradigen Skoliosen und Kyphosen” nicht mehr, es 
wurde der klinische Theil von Schubert-Schweidnitz 
hinzugefügt. 

Zwei Präparate endlich von angeborener Skoliose veran- 
lassten Hirschberger, alle derartigen Fälle zusammen zu 
zu tragen [37]. 

Die Aetiologie der habituellen Skoliose sucht P i u t - 
schovius [38] wieder einmal in den erschlafften convex¬ 
seitigen Rückenmuskeln, die weniger gut elektrisch erregbar 
sind. 

Auf der Grundlage Schulthess’scher Messbilder bearbei¬ 
tete Hess [39] die Totalskoliose, S t a h e 1 [40] die Lenden¬ 
skoliose. 

Ersterer erklärt die totale Skoliose für eine Dauerform, 
nicht für den Uebergangszustand zu einer zusammengesetzten 
Verkrümmung. Letzterer stellt die Prognose der Lendenskoliose 
gut, da schwere Torsion nicht einzutreten pflegt. 

Der Skoliosentherapie im Allgemeinen gilt eine zusammen¬ 
fassende Darstellung von O. v. L e y [40], während H a n d e c k 
[41] besonders die Gymnastik hervorhebt. Schanz [42] 
empfiehlt das modellirende Redressement schwerer Skoliosen 
und Festhaltung der Correction im Gipsverband während 2 bis 
3 Monaten. 

Einen neuen Redressionsapparat beschreibt R a d i k e [43]. 

Bezüglich des Stützcorsetts traten verschiedenartige Mei¬ 
nungen zu Tage. Während Schanz [44] sogar dem normalen 
Frauencorsett das Wort redet, behauptete Schulthess [45] 
bei Skoliosen einen geradezu schädigenden Einfluss des Corsettes 
constatirt zu haben. Seinen extremen Anschauungen wider¬ 
sprachen allerdings Hoffa, Lange, Joachimsthal, 
Kölliker [46] und Referent. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. ß. 


Letzterer demonstrirte bei dieser Gelegenheit seine starren 
Mieder und seine modificirten Bügelcorsette und gab Indieationen 
für beide. 

Bleneke [47] vertritt dieselben Ansichten und schildert 
die Technik der wichtigsten modernen Stützcorsetto eingehend. 

Die Verwendung der Nachtstunden zur Extension und 
Lagerung in einem gleitenden Redressions-Gipsbett. wurde vom 
Referenten [49] empfohlen. 

Der Streit um die Aetiologie der Skoliose nach Ischias dauert 
weiter: Ehret [50] und Sachs [51] erblicken in ihr eine Ent- 
spannungshaltung. Fopp [52] und IIerdtmann [53] einen 
Muskelspasmus. Vielleicht haben beide Parteien gelegentlich 
recht! 

Auf dem Gebiet der Spondylitis ist es viel ruhiger ge¬ 
worden. Das bisher in der Literatur vorliegende Spondylitis- 
material suchte Referent [54] nach verschiedenen Richtungen 
statistisch zu bearbeiten. 

Die gegenwärtig geübte Therapie wurde dargestellt von 
H o f f a [55], Lange [56], P e r 1 [57] und vom Referen¬ 
ten [58]. 

Das Redressement nach C a 1 o t wird nur bei Lähmung noch 
gemacht. 

Dagegen empfiehlt Lange die vorsichtige erneute para- 
gibbäre Lordosirung, auf die wohl auch Hoffa's Etappen- 
redressement hinausliiuft. Die Arbeit des Referent e n stellt 
die therapeutischen Ergebnisse aus der neueren Spondylitislitera- 
zusammen. 

An anderer Stelle berichtet Referent [59] über die Be¬ 
handlung im Gipsbette und seine Resultate bei 100 Fällen. 

Einen praktischen Baderahmen zeigte Katzen stein [60] 
auf dem Chirurgencongress. 

Mit dem Retropharyngealabscess speeiell befasste sich 
Haas [61], der ihn vom hinteren Rand des Kopfnickers aus 
zu incidiren räth. 

Die pathologische Anatomie der zweiten wichtigen Compli- 
eation, der Lähmung, ist Gegenstand einer Arbeit von Fickler 
[62], welcher in 20 Fällen das Rückenmark inikoskopisch unter¬ 
suchen konnte. Fast stets ist, so folgert er, Störung der Lymph- 
circulation die Ursache der Degeneration, jene bedingt durch 
epidurale tuberculöse Granulationen. Eventuelle Heilung tritt 
ein durch Neubildung von Nervenfasern. Die operative Be¬ 
handlung der Lähmung mittels Laminektomie hat bei vorsich¬ 
tiger Auswahl Trendelen bürg [63] gute Erfolge gegeben, 
Tillmann [64] verspricht sich ein Resultat nur bei wirklicher 
Can al Verengerung. 

Dagegen ist die Indieation zu dieser Operation gegeben bei 
der Caries der Wirbelbogen wie bei den Fällen von Martin [65]. 

Die sog. Kümmel Fache Krankheit, die Spondylitis trau¬ 
matica wurde auf der Naturforscherversammlung nach einem ein¬ 
leitenden Vortrag von Schulz [66] ganz plötzlich zu Grabe 
getragen. 

Es dürfte sich hier meist um eine nicht erkannte Wirbel- 
fraetur mit Callusverbiegung handeln, eine* Annahme, die auch 
B ii h r [67] ausspricht. 

Dafür ist das neue Krankheitsbild der Spondylitis typhosu 
von Quincke [68] aufg^tellt worden, K ö nitzer [69] hat 
bereits einen casuistischen Beitrag hierzu geliefert. 

Merkwürdig zahlreich sind die Mittheilungen über die 
ohronisch-ankylosirende Entzündung der Wirbelsäule. Müller 
[70] und v. Bechterew [71] verfügen über hierher gehörige 
anatomische Präparate. Letzterer nimmt eine primäre Wurzel- 
affeetion als Ursache an, die Fälle von Hoffman n [72] und 
Kirchgässer [73] machen rheumatischen Ursprung wahr¬ 
scheinlich, Schwalbe äusserte sich bei einer Demonstration 
M a y e r\s [74] dahin, dass es sich um eine seltene Localisation 
der Arthritis deformans handle. Senator [75] glaubt ver¬ 
schiedene Formen unterscheiden zu können, und lloffa [76] 
ist in seiner Monographie bemüht, das echte Krankheitsbild, das 
auch durch einen Fall von Mutterer [77] gegeben ist, von 
Pseudoformell abzugrenzen. 

Eine höchst, seltene Ursache für die Kyphose endlich wird 
von Hals [78] als Abdomen obstipum beschrieben, die ange¬ 
borene Verkürzung der Bauchmuskeln. 

An der o b e reu E x t r e m i t ä t ist der Hochstand der 
Schulter als angeborene Deformität von Port [79] und II o n - 
seil [80], von Letzterem sogar doppelseitig beobachtet worden. 

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Gross [81] und Kölliker [82] berichten über die 
gleiche Anomalie als erworbenen Zustand. 

Noch seltener ist wohl die Varitas des Schultergelenks, die 
R i e d i n g e r [83] in Parallele zur Coxa vara stellte. 

Bei schwerer Deltoideslähmung hat Krön [84] das Heben 
des Armes ermöglicht durch Hebung des Pectoralis, Buch¬ 
binder [85] durch Arthrodese des Gelenkes. 

In einer sorgfältig vorbereiteten Arbeit beschäftigt sich 
Hübscher [86] mit dem Cubitus valgus, der beim weiblichen 
Geschlecht einen normalen Befund darstellt. 

Sehnenüberpflanzungen wegen Lähmung am. Vorderarm 
wurden von Müller [87], Merkel [88] und Keiler [89] 
ausgeführt mit z. Th. erstaunlichem Erfolg. 

Dio Klumphand operirte v. Bardeleben [90] nach 
Bardonheuer mit gutem Erfolg, Merkel [91] eine ange¬ 
borene Handgelenksluxation mittels Resection. Ein Beitrag zu 
den Defectbildungen der oberen Extremität lieferte Pagen- 
Stecher [92]. 

Die Dupuytren’sche Fingercontractur bringt Gom- 
m e 1 [93] in ursächlichen Zusammenhang mit der Gicht. 

Von den Krankheiten der unteren Extremität 
haben diejenigen des Hüftgelenkes auch in diesem Jahr das 
grösste Interesse für sich beansprucht, und unter ihnen wieder vor 
allen Dingen die angeborene Hüftluxation. Mit 
ihrer Aetiologie beschäftigt sich Drehmann [94], der ausser 
der intrauterinen Zwangsstellung für manche Fälle das Trauma 
intra partum heranzieht. Letztere geben naturgemäss günstigere 
Chancen für den Repositionsversuch. Einen Fall von Hüftluxa¬ 
tion bei einem 8 monatlichen Foetus beschreibt F r o n i n g [95]. 
Bezüglich der Therapie haben sich die Erfahrungen mit der 
blutigen wie insbesondere mit den verschiedenen Methoden der 
unblutigen Reposition so gemehrt, dass Serienberichte von 
mehreren Operateuren erscheinen konnten. 

Soviel steht also fest, dass eine gewisse Zahl von Gelenken 
auch im Sinn des Anatomen reponirt wird, wie Röntgenbilder 
zeigen. Ueber solche Bilder in ziemlicher Zahl verfügen u. A. 
Hoffa [96], Lorenz [97], Wolff [98], Waitz [99]. 

Die Röntgenaufnahmen erklären aber auch das häufig be¬ 
obachtete günstige funetionelle Resultat trotz misslungener Re¬ 
position dadurch, dass der Kopf höher oben am Becken ein knö¬ 
chernes Lager findet. Was nun den Procentsatz, die Güte und die 
Dauerhaftigkeit der Erfolge und Heilungen anlangt, so befinden 
wir uns geradezu einer Scala von Urtheilen gegenüber, deren 
tiefsten Punkt die recht trüben Mittheilungen von Petersen 
[100] einnehmen, während Lorenz dem hohen Ziel nahe zu sein 
glaubt. 

Mit Lorenz suchen auch Andere durch Verbesserung der 
Technik die Resultate der unblutigen Reposition noch zu bessern, 
so namentlich Lange [101], der in Folge seiner Vorschläge mit 
Schanz [102] in eine Fehde gerieth. 

Trotz des grossen Materiales ist eine Entscheidung noch 
nicht zu fällen. Es werden wohl, wie Hoffa dies betont, manche 
schwere und ältere Fälle nur einer blutigen Behandlung zugäng¬ 
lich sein, sei es der künstlichen Pfannenbohrung, der subtrochan- 
teren Osteotomie (Rondring [103]), der Resection event. mit 
einem von Seliger [104] vorgeschlagenen, die Bildung einer 
Nearthrose bezweckenden Modification. 

Es wird andererseits, wenn ein Gelingen denkbar ist, stets 
zuerst die unblutige Methode versucht werden müssen als die 
ungefährlichere. Dass auch sie nicht gefahrlos ist, beweisen die 
Mittheilungen über Fracturen, Lähmungen, Zerreissungen, von 
denen namentlich Lorenz berichtet. 

Eine typische Form von Hemia cruralis im Anschluss au die 
unblutige Reposition beschreibt Narath [105]. Dass starker 
Sehraubenzug Ilerzcollaps herbeiführen kann, hat Senger [106] 
an einem Fall selbst erlebt, in dem er allerdings die blutige Ein¬ 
renkung ausführen wollte. Für letztere beinahe vernichtend wäre 
es vielleicht, wenn Reine r’s Beobachtung [107] allgemein be¬ 
stätigt würde, dass die operative Beckenseite im Wachsthum zu¬ 
rückbleibt durch Störung der Epiphysenfuge, und dass diese De- 
formirung ein Geburtshinderniss darstellt. 

Eine eingehende Bearbeitung hat die Coxa vara nebst 
ihrem Gegenstück, der Coxa valga, durch Albert [108] ge¬ 
funden, der ausgezeichnete Präparate abbildet. Alsberg [109] 
beschreibt einen Fall, der einerseits congenitale Hüftluxation, 
andererseits eine auch wohl angeborene Coxa vara besass. 

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Auf den gewiss oft traumatischen Ursprung (Fractur) 
der Schenkelhalsdeformität machen J oachimsthal [110], 
Sprengel [111], Busse [112], S u d e c k [113] aufmerksam. 
Eine weitere Arbeit der Letzteren enthält Untersuchungen über 
die Ivnochenstructur des Schenkelhalses, welche die Verbiegung 
durch übergrosse Belastung verständlich machen [114]. 

Den hohen Werth der conservativen C o x i t i s behandlung 
weist Binder [115] nach. Während er Schienenhülsenapparate 
empfiehlt, zeigt Fort [116], der ebenfalls warm für die ortho¬ 
pädische Therapie eintriit, wie ein einfacher Stützapparat ge¬ 
nügt und herzustellen ist. 

Bei alten Coxitiden empfiehlt Sprengel [117] zur Besei¬ 
tigung nicht zu schliessender Fisteln seinen Darmbeinrandschnitt, 
Hof f a [118] zur Correctur fehlerhafter Ankylosen die Osteo¬ 
tomie, die in ihren verschiedenen Formen auch bei anderen 
Affectionen des Hüftgelenkes Vorzügliches leisten kann. 

Auch mit dem Kniegelenk beschäftigt sich eine ausführ¬ 
liche Arbeit A1 b e r t’s [119], der entgegen Mikulicz nicht 
eine Spätrachitis, sondern mechanische Einflüsse für die Ent¬ 
stehung des Genu valgum und varuni verantwortlich macht. Bis 
in den Fuss hinunter machen sich diese Einflüsse geltend. 

Ein angeborenes Genu varum hat W a i t z [120] beobachtet. 

Die Patellarluxation, deren angeborene Form S t einle r 
[121], deren pathologische Mechanik Spitzy [122] bespricht, 
hat Hoffa [123] mittels Kapselfaltung erfolgreich in Angriff 
genommen. 

Dass die rachitischen UnterschenkelVerkrümmungen meist 
bis zum 6. Lebensjahr ausheilen, davon hat sich II e u t e r [124] 
durch Nachuntersuchungen überzeugt. 

Die Entstehung des congenitalen Klumpfusses verlegt 
Heusner [125] bereits in die 6. Woche und bringt sie in 
Zusammenhang mit dem zu dieser Zeit physiologischen Nabel¬ 
schnurbruch. 

Bezüglich der Therapie empfiehlt er seine Specialschiene, 
um die lästige Innenrotation zu beseitigen. 

Auch Hoffa [126] kehrt merkwürdiger Weise, wenigstens 
zum Theil, zur Maschinenbehandlung zurück, welche auch in 
Xeuber [127] einen Fürsprecher gefunden hat. 

K r a u 8 e [128] hält die F h e 1 p s’sche Operation für das 
beste Verfahren bei schweren Fällen, Merkel [129] hat mit 
der Talusexstirpation Erfolg gehabt. 

Beim angeborenen Klumpfuss ist Referent [130] stets 
mit dem modellirenden Redressement ausgekommen, auch bei 
hochgradigen und veralteten Deformitäten, beim paralytischen 
Pcs varus ist ihm die Sehnenüberpflanzung die Operation de»* 
Wahl. Die Aehillotenotomic räth Schanz [131] erst einige 
Wochen nach dem Redressement zu machen, welch’ letzteres auch 
von S c h u 11 z e [132] empfohlen wird. Dass man mit demselben 
unter Umständen Unglück haben kann, zeigen 2 Beobachtungen 
von Kaposi [133], eine Osteomyelitis und eine schwere Neu¬ 
ritis des Nerv, plant, nach denn Redressement. 

Das Auftreten des Flattfusses nach Verletzungen des 
Beines ist nach B ä h r [134] bedingt durch die abnorme Gangart 
und fehlerhafte Belastung. 

Auf die mannigfaltige Art der Plattfussbeschwerden macht 
Schanz aufmerksam [135]. Therapeutisch bringt weder er 
noch Walter [136] wesentlich Neues vor. 

Der mit congenitalem Fibuladefect. verbundene Fes valgus 
wird nach Tausch [137] am besten durch Spaltung der Tibia 
(»der durch Equinus-Arthrodese beseitigt, falls man sich nicht 
mit der Fixirung im Hülsenapparat begnügt. 

Den paralytischen Pes calcaneus endlich hat J o a c h i m s - 
t h a 1 [138] erfolgreich mit Sehnenüberpflanzung behandelt. 

Wir sind am Schlüsse. 

Das Erbe, das die Orthopädie des neuen Jahrhunderts an- 
tritt, ist ein erhebliches. Immerhin sind grosse und wichtige 
Aufgaben noch zu lösen, von denen nur die Heilung der Skoliose 
hier angeführt sei. Hoffentlich können künftige Jahresberichte 
von fortschreitenden Erfolgen der deutschen Orthopädie auch 
*»uf diesen bisher weniger dankbaren Gebieten berichten. 

L i t e r a t u r. 

1. Wiener klin. Rundschau No. 33. — 2. Deutsche Aerzteztg. 
No. 3. — 3. Deutsche Praxis No. 3. — 4. Münch, med. Woclieuschr. 
N'o. 41. — 5. Der Kinderarzt Heft 7. — 6. Klin. therapeut. Woelien- 
schr. No. 11. — 6n. Zur modernen Behandlung von Lähmungen etc. 
Diss. med., Breslau. — 7. Berl. klin. Wochenschr. No. 30. — 

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8. Zeitschr. f. orthop. Cliir. Kd. 7, II. 1. — 9. Münch, med. Wochen¬ 
schr. No. 39. — 10. Münch, med. Wochenschr. No. 17. — 11. Central¬ 
blatt f. Chir. No. 48. — 12. Zeitschr. f. orthop. Cliir. Bd. 7, Heft 1. — 

13. Zeitsehr. f. diät. u. phvsik. Therapie Bd. 3, Heft 5. — 14. Zeit¬ 
sehr. f. orthop. Chir. Bd. (5. Heft 3 n. 4. — 15. Ibidem. — 16. Arcli. 
f. klin. Cliir. .“18. Bd., 2. Heft. — 17. Münch, med. Wochenschr. — 

18. Virchow’s Arcli. Bd. 1.16, 157, 158. — 19. Deutsch, med. Wochen¬ 
schr. No. 17 u. 18. - 20. Zeitsehr. f. orthop. Cliir. Bd. 7, Heft 1. — 

21. Verhandl. d. Chirurgeiioongresses. -- 22. Zeitsehr. f. orthop. 
Chir. Bd. 7, lieft 2 u. 3. — 23. Monatssehr. f. Unfallheilk. No. 2. — 

21. Zeitsehr. f. orthop. Chir. Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 25. Ibid. Bd. 7, 
lieft 1. — 26. Ibid. Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 26a. Centralbl. f. Chir. 
No. 52. p. 1384. - 27. Miiueh. med. Wochenschr. No. 1. — 28. Ibid. 

No. 23. — 29. Zeitsehr. f. orthop. Cliir. Bd. 7, Heft 1. — 30. Ceutral- 
blntt f. Cliir. No. 1. — 31. Müneli. med. Woclieuschr. No. 23. — 

32. Ibid. No. 30. — 33. Monatssebr. f. Unfallheilkunde No. 7. — 
33a. Centralbl. f. Cliir. No. 52. — 34. Zeitschr. f. orthop. Chir. 

Bd. 6. lieft 3 u. 4. — 35. Monographie, Wien, Verlag A. Holde r. 

— 3<». Bibliotheea lncdica. Abtli. D 1, Heft 4. — 37. Diss. med., 
Würzburg. — Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 7, Heft 1. — 38. Diss. 
med., Greifswald. — 39. Zeitsehr. f. orthop. Chir. Bd. 6, Heft 3 u. 4. 

— 40. Müneli. med. Wochenschr. No. 17. — 41. Zeitschr. f. orthop. 
Chir. Bd. 7, lieft 1. — 42. Deutsch, med. Woclieuschr. No. 22. — 

43. Zeitschr. f. orthop. Cliir. Bd. 7. Heft 2 u. 3. — 44. Deutsch, med. 
Wochenschr. No. 29. — 45. Xaturforscher-Vcrsainml.. Münch, med. 
Wochenschr. No. 50.: — 46. Centralbl. f. Cliir. No. 50. — 47. Zeitsehr. 
f. orthop. Chir. Heft 2 it. 3. — 48. Müneli. med. Woclieuschr. No. 4. 

— 49. Deutsche med. Woclieuschr. No. 49. — 50. Grenzgebiete der 
Med. u. Cliir.. Bd. IV. Heft 5. — 51. Aerztl. Saehverständ.-Zeitung 
Xo. 18. — 52. Skoliosis neuromuscularis etc., Diss. med. Würzburg. 

— 53. Monatssehr. f. Fnfallheilk. No. 6. — 54. Arch. f. klin. Chir., 
Bd. 58. 2. Heft. — 55. Prager med. Wochen sehr. No. 31—34. — 

56. Wiener Klinik 1899, 1. Heft. — 57. Arch. f. Kinderheilk. Bd. 16. 

— 58. Centralbl. f. d. Grenzgebiete, II. Bd., Heft 17 u. 18. — 

59. Therapeut. Monatshefte. Februar. — (50. Centralbl. f. Cliir. 

No. 27. — 61. Diss. med. Tübingen 1899. — 62. Deutsche Zeitschr. 
f. Nervenlieilk., 16. Kd., Heft 1 u. 2. — 63. Langenbeek’s Archiv, 
Bd. 59, Heft 3. — 64. Münch, med. Woehensehr. No. 40. — 65. Ibid. 
No. 43. — 06. Centralbl. f. Chir. No. 50. — 67. Monatsschr. f. Un¬ 
fallheilk. No. lo. — (»8. Mittli. aus d. Grenzgebieten, 4. Bd., 2. Heft. 

69. Müneli. med. Wochenschr. No. 35. — 70. Ibidem No. 41. — 

71. Deutsche Zeitschr. f. Nervenlieilk., 15. Bd., 1. u. 2. Heft. — 

72. Ibidem. — 73. Müneli. med. Wochenschr. No. 41. — 74. Ibidem 
No. 46. — 75. Ibidem No. 45. — 76. Samml. klin. Vorträge No. 247. 

— 77. Deutsche Zeitschr. f. Nervenlieilk., 14. Kd., Heft 1 u, 2. — 

78. Zeitschr. f .orthop. Cliir.. Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 79. Münch, med. 
Wochenschr. No. 24. — 80. Beitr. z. klin. Chir., Bd. 24, He^3. — 

81. Centralbl. f. Cliir. No. 40. — 82. Münch, med. Wochenschr. No. 34. 

— 83. Ibid. No. 49. — 84. Deutsche Zeitschr. f. Nervenlieilk.. Bd. 15, 
Heft 1 u. 2. — 85. Münch, med. Wochenschr. No. 28. — 86. Deutsche 
Zeitschr. f. Cliir., Kd. 53, Heft 5 u. 6. — 87. Zeitschr. f. klin. Med. 

38. Bd.. 4.—6. Heft. — 88. Müneli. med. Wochenschr. No. 34. — 

89. Centralbl. f. Cliir. No. 42. — 90. Deutsche med. Wochenschr. 
No. 14. — 91. Münch, med. Wochenschr. No. 5. — 92. Deutsche Zeit¬ 
schrift f. Cliir., 50. Bd.. Heft 5 u. 6. — 93. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift No. 18. — 94. Ceiitralblatt f. Chirurgie No. 13. — 95. Diss. 
Bd. 59, Heft 2. — 97. Berl. klin. Wochenschr. No. 3—6. — Chirurg. - 
Congress. Therapeut. Monatshefte No. 8 u. 9. — 98. Berl. klin. 
Wochenschr. No. 18, 19, 21. — 99. Münch, med. Woclieuschr. No. 5. 

— 100. Cliir.-Congr. — Deutsche Zeitschr. f. Cliir., 50. Bd.. 5. und 
6. Heft. — 101. Samml. klin. Vortr. No. 140. — Berl. klin. Wochen¬ 
schrift No. 16. — 102. Zeitschr. f. orthop. Chir., Bd. 7. Heft 1. — 
103. Diss .med. Würzburg 1899. — 104. Virehow’s Archiv, Bd. 154, 
Heft 2. — 105. Chinirgeii-Congress. — Arch. f. klin. Chir., Bd. 59, 
Heft 2. — 106. Cliiriirgen-Congress. — 107. Naturforscherversamm- 
lung München. — 108. Zur Lehre von der sog. Coxa vara und valga. 
Wien 1899. Verl, von A. Holder. — 109. Zeitschr. f. orthop. Cliir., 
Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 110. Arch. f. klin. Cliir., Bd. 60, Heft 1. — 
111. Ibidem, B<1. 59. Heft 4. — 112. Diss. med. Erlangen 1899. — 
113. Centralbl. f. Cliir. No. 13. — 114. Chirurg.-Congress. — Arcli. 
f. klin. Cliir.. Bd .59. Heft 2. — 115. Zeitschr. f. orthop. Chir., Bd. 7, 
Heft 2 u. 3. — 116. Münch med. Wochenschr. No. 29. — 117. Zeit¬ 
schrift f. orthop. Cliir., Bd. 7, Heft 2 u. 3. — 118. Die Osteotomie 
bei der Behandlung der Hüftgelenksdeformitäten. Würzburg 1899, 
Stuber's Verlag. — 119. Seitliche Kniegelenksverkrtlmmungen 
lind compensatorische Fussforinen. Wien 1899, Verl. A. Holde r. 

— 120. Münch, med. Wochenschr. No. 20. — 121. Zeitschr. f. Heilk., 
Bd. 19, Heft 4. — 122. Zeitsehr f. orthop. Chir.. Bd. 6, Heft 3 u. 4. 

— 123. Arch. f. klin. Cliir., Bd. 59, Heft 2. — 124. Diss. med. Kiel 
1899. — 125. Chirurgeu-Congress. — 126. Deutsche Praxis No. 11 ff. 

— 127. Arcli. f. klin. Chir., Bd. 59, Heft 2. — 128. Münch, med. 
Wochenschr. No. 27. — 129. Ibidem No. 52. — 130. Aerztliche Praxis 
No. 2. — 131. Centralbl. f .Chir. No. 25. — 132. Naturf.-Versamml. 
München. — 133. Müneli. med. Wochenschr. No. 23. — 134. Monats¬ 
schrift f. Unfallheilk. No. 7. — 135. Zeitschr. f. orthop. Chir., Bd. 6, 
Heft 3 u. 4. — 136. Münch, med. Wochenschr. No. 14. — 137. Natur¬ 
forscher-'Versamml. München. — 138. Centralbl. f. Chir. No. 4. 

Dr. Adolf B a g i n S k y, a. o. Professor der Kinderheilkunde 
an der Universität Berlin, Director des Kaiser- und Kaiserin- 
Friedrich - Kinderkrankenhauses : Lehrbuch der Kinderheil¬ 
kunde für Aerzte und Studirende. Sechste, vielfach vermehrte 
und verbesserte Auf läge. Braunschweig, Verlag von Fr. Wreden, 

Original ftom 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



200 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Im Jahre 1882 hat das Lehrbuch von Baginsky zum 

1. Male seine Ausreise in die medicinische Welt angetreten, 
heuer liegt die 6. Auflage vor uns, so dass das ja allenthalben be¬ 
kannte Werk eine ca. 3 jährige Verjüngungsperiode sein eigen 
nennen darf, wohl ein sprechender Beweis für das gute Funda¬ 
ment, auf dem seine Anlage ruht, und für die ihm hieraus flies¬ 
sende Beliebtheit bei Aerzten und Studirenden. Seit der 5. Auf¬ 
lage, welche Ref. eingehend an dieser Stelle besprochen hat unter 
ausführlicher Darlegung der Stellungnahme B a g i n s k y’s zu 
verschiedenen klinischen Fragen, ist eine irgend principielle 
Aenderung dieser Anschauungen nirgends in den Vordergrund 
getreten, namentlich ist B a g i n s k y nach wie vor der treueste 
Anhänger der Serumtherapie der Diphtherie geblieben, allein 
an fast allen Capiteln des Buches ist den seit der letzten Auflage 
erzielten wissenschaftlichen Fortschritten Rechnung getragen 
und das Buch damit von seinem Autor wieder auf den aller¬ 
modernsten Standpunkt erhoben worden. So können auch Jene 
damit zufrieden sein, welche sogar bei einem Lehrbuch — aus 
einer gewissen Ueberscliätzung des „Neuesten“ heraus — die An¬ 
forderung stellen, dass ein 2 Monate vorher erschienener Journal¬ 
artikel darin berücksichtigt sei, um wie viel mehr noch der andere 
Theil der Leser, die in einem Lehrbuch eine Sammlung fest¬ 
stehender Thatsachen und Anschauungen erblicken. Die reiche 
klinische Erfahrung B a g i n s k y*s, die in dem Buche nieder¬ 
gelegt ist und allen theoretischen Frontveränderungen gegenüber 
jederzeit dessen eisernen Bestand darstellen wird, macht das 
Werk gerade für die praktischen Aerzte zu einer Fundstelle ver¬ 
lässigen Rathes, während sein ganz modernes Gewand ihm auch 
nach wie vor unter den Studirenden viele Freunde sichern wird. 
Bei seiner Verjüngung ist das Buch wieder um ein halbes Hun¬ 
dert Seiten gewachsen. Die Ausstattung ist die bekannt vor¬ 
treffliche. Dr. Grassmann - München. 

Dr. Rose- München: Untersuchungen über die Mund¬ 
wässer. (Oesterr.-ungar. Vierteljahrsschrift für Zalmheilkunde. 
Wien 1899.) 

Wenn auch die mechanische Reinigung der Mundhöhle mit¬ 
tels Zahnbürste und Zahnstocher die Grundlage jeder Mund¬ 
pflege bilden muss, so reicht diese allein doch meist nicht aus, 
sondern muss durch Anwendung antiseptischer Mundwässer 
unterstützt werden. Ein gutes Mundwasser muss drei Eigen¬ 
schaften haben: 

1. vollkommene Unschädlichkeit, 

2. hinreichende antiseptische Wirkung, 

3. guten Geschmack und Geruch. 

Vor Allem sind allgemein giftige Mittel zu verwerfen, dann 
solche, welche die Mundschleimhaut verätzen, wie * Sublimat, 
Formaldehyd und alle wasserlöslichen Alkalien. Zu letzteren 
zählen auch die Zahnseifen, da alle Seifen alkalische Reaction 
zeigen. Nicht minder schädlich wirken die sauren Mundwässer, 
weil diese die Zähne entkalken. Daher soll ein gutes Mundwasser 
völlig neutral reagiren. 

R ö s e untersuchte eine Reihe der gebräuchlichsten Mund¬ 
wässer und prüfte nicht nur ihre momentane Wirkung, sondern 
auch ihre Dauerwirkung, indem er feststellte, wie sich der 
Keimgehalt nach V 4 , l /„ 2 */, und 4 Stunden verhielt. 

Diese Versuche brachten höchst beachtenswerthe Resultate 
zum Vorschein. Es ist eine allen Praktikern bekannte Thatsache, 
dass Kal. chloric. und besonders Kal. hypermanganic. bei Krank¬ 
heitsvorgängen in der Mundhöhle sich ganz vortrefflich bewähren. 
Gleichwohl sprach ihnen Miller, welcher nur die momentan 
bactericide Wirkung der verschiedenen Mittel prüfte, fast jeden 
Werth ab. Rose wies nach, dass sie allerdings momentan eine 
recht schwache Wirkung zeigten, dass aber ihre Dauer¬ 
wirkung eine beträchtliche sei. 

Odol ist nach Rose ein gutes Mundcosmeticum. Zu den 
einzelnen Mundwässern übergehend, wird zuerst das Subli¬ 
mat besprochen. Es ist das stärkste Mundantisepticum, aber 
wegen seiner saueren Reaction und seiner Aetzwirkung auf die 
Mundschleimhaut als täglich zu gebrauchendes Mundwasser völlig 
ungeeignet. 

Alkohol hat beträchtliche antiseptische Eigenschaften, 
er erleichtert, da er das Mucin löst, wesentlich die mechanische 
Reinigung und ruft endlich eine arterielle Fluxion hervor, unter 
deren Einflüsse die venöse Stase des kranken Zahnfleisches all¬ 
mählich schwindet. Von den verschiedenen probirten Concen- 

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ffo. 6. 

centrationsgraden, erwies sich der 60 proc. Alkohol als am wirk¬ 
samsten. Alkohol ist sicher ein vorzügliches Heilmittel für die 
erkrankte Mundschleimhaut, ob es sich aber als täglich zu ge¬ 
brauchendes Mundcosmeticum eignet, muss erst noch die Er¬ 
fahrung ergeben. 

Physiologische Kochsalzlösung, blutwarm, hat 
beachtenswerthe bactericide Eigenschaften. Sie empfiehlt sieh 
be sonders als Volksmittel und bei Schwerkranken. 

Aetherische Oele sind in der Concentration, wie sie 
gewöhnlich als Mundwässer verwandt werden, vollkommen wir¬ 
kungslos. 

Wasserstoffsuperoxyd enthält stets Säure, der 
nascirende Sauerstoff verätzt die Schleimhaut und endlich ist der 
Geschmack des Mittels unangenehm. 

Kal. permanganic. hat eine intensive Dauerwirkung, 
ist aber zum täglichen Gebrauche nicht verwendbar, da es 
sich in Sauerstoff, Kalilauge und Braunstein zersetzt, erstere 
Stoffe ätzen die Schleimhaut, der Braunstein verfärbt die Zähne. 
Dagegen ist es vorzüglich als Heilmittel zur Nachbehandlung von 
Kieferbrüchen etc. 

Kali chloricum theilt mit dem Kali hypermang. die 
ätzenden Eigenschaften und ist schon wegen seiner allgemein 
giftigen Wirkung als Mundcosmeticum auszuschliessen. 

Port- München. 

Neueste Journalliteratur. 

Zeitschrift für klinische Medicin. XXXIX. Bd., 1. u. 2. Heft. 

1) Roth-Berlin: Zur Frage der Pepsinabsonderung bei 
Erkrankung des Magens. (Aus dem Augustahospital. Professor 
Ewald.) 

Die Bestimmung des Pepsingehaltes geschieht für praktische 
Zwecke am Besten nach dem Met t’schen Verfahren (Glascapil- 
laren mit geronnenem Htthnereiweiss werden 24 Stunden bei Brut¬ 
temperatur in dem zu untersuchenden Safte gelassen; Messung der 
verdauten Strecke). Die Schwankungen sind beträchtlich: die 
höchsten Wertlie finden sich bei Reizzuständen: Ulcus, nervöser 
Hypersecretion; die niedersten bei chronisch atrophischem Ka¬ 
tarrh und nervösen Störungen. Die Pepsinbestimmung ist prak¬ 
tisch von viel geringerem Werthe als die der HCl. 

2) Umber: Zur Lehre von der Glykolyse. (Aus dem phy- 
siol.-chem. Institut Strassburg.) 

Nachprüfung der Blumentha Psclien Versuche, wonach 
Pankreassaft, den er nach E. Buchner’s Methode als Presssaft 
gewann, eine stark zuckerzersetzeude Wirkung besitzt, ergab, 
dass dieses Resultat nicht eintritt, sobald aseptisch gearbeitet 
wird, also auf Rechnung bacterieller Verunreinigung zu setzen ist. 
Dagegen besteht eine glykolytische Wirkung des Blutes, auch des 
sterilen, aber nur in geringem Maasse. Ein Unterschied zwischen 
arteriellem und venösem Blut, speciell auch dem der Vena pan- 
ereatico-duodenalis, ist in dieser Hinsicht nicht vorhanden. Die 
Störungen beim Pankreasdiabetes lassen sich also nicht durch den 
Wegfall eines glykoly tischen Fermentes erklären. 

3) P i e r a 11 i n i - Berlin: Kommen dem menschlichen Pan¬ 
kreas (post mortem) und dem Ham zuckerzerstörende Eigen¬ 
schaften zuP (Aus dem Laboratorium der I. med. Klinik, Geh.- 
Ratli v. L e y d e n.) 

Menschliches Pankreas zeigte im Gegensatz zu den von 
Blumenthal am Thiere gewonnenen Erfahrungen sehr geringe 
und inconstante zuckerspaltende Wirkung, ohne Beziehung zur 
den Tod verursachenden Krankheit. Eine Entscheidung über den 
etwaigen Wegfall einer glykolytisehen Function beim Pankreas¬ 
diabetes zu gewinnen, ist auf diesem Wege nicht möglich. — 
Steriler Harn besitzt keine glykolytische Wirkung. 

4) Bloch und Hirschfeld - Berlin: Zur Kenntnis der 
Veränderungen am Centralnervensystem bei Leukaemie. (Aus 
dem städt. Krankenhaus Moabit.) 

Beobachtung acuter myelitischer Herde in der grauen Sub¬ 
stanz des Rückenmarkes eines an Leukaemie verstorbenen Kindes. 

5) v. M o r a c z e w s k i - Lemberg: Stoffwechsel bei Lungen¬ 
entzündung und Einfluss der Salze auf denselben. (Aus der med. 
Klinik des Prof. G 1 u z i n s k i.) 

Eingehende Stoffwechselversuche, die im Originale nachzu¬ 
lesen sind. Verfasser geht von dem Gedanken aus, dass beiin 
Fieber eine Verminderung der Concentration der Säfte besteht. 
In Folge dessen kommt es zur Salzretention. Versuche, das Salz¬ 
bedürf niss des fiebernden Organismus durch erhöhte Salzzufuhr 
zu unterstützen, "waren von keiner constanten Wirkung auf die 
N-Ausscheidung, doch -wurde Steigerung der Diurese und Verkür¬ 
zung der Reconvalescenz beobachtet. 

6 ) Krewer-St. Petersburg: Ueber transitorische Spinal¬ 
lähmungen. (Aus dem Obuchow’-Frauenhospitale.) 

Es existiren Fälle von acuten, in Heilung übergehenden 
Lähmungen, die nicht neuritischer oder hysterischer Natur sind, 
sondern zweifellos vom Rückenmark ausgehen. Sie erinnern an 
die acute Myelitis, sind aber von ihr pathologisch-anatomisch zu 
trennen und als „transitorische Spinalparalysen“ zu bezeichnen. 
Der zu Grunde liegende Process besteht vielleicht in einer Hae- 
morrhagie oder Embolie eines kleinen Gefässes. Zwei derartige 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


201 


Fälle werden mitgethellt, ebenso ein dritter ähnlicher, der aber 
nicht in Heilung, sondern in chronische Myelitis ausging. 

7) Ros in und J e 11 i n e k - Berlin: Ueber Färbekraft und 
Eisengehalt des menschlichen Blutes. (Aus der k. Universitäts- 
Poliklinik, Geh.-Rath Senato r.) 

Vergleichende Untersuchungen des Blutes au einer grossen 
Anzahl von Patienten mit dem verbesserten Fleischlichen 
Haemoglobinometer und dem Jolle s* scheu Ferrometer ergaben, 
dass Eisengehalt und Färbekraft durchaus nicht immer Hand in 
Hand gehen — nur in 32 von 104 Fällen — sondern viel öfter — 
53 mal — die Färbekraft den Eisengehalt überwog, manchmal — 
19 mal — aber auch geringer war. Es ist daraus zu schliessen, 
dass Eisengehalt, Färbekraft und Haemoglobin von einander ganz 
unabhängige Dinge sind. Die Färbekraft wird ausser durch das 
Haemoglobin noch sehr beträchtlich durch die Farbstoffe des 
Serums beeinflusst, ebenso ist der Eisengehalt des Blutes nicht 
allein im Haemoglobin zu suchen, welches selbst nicht einmal 
einen constanten Eisengehalt hat. Für die einzelnen Krankheiten 
ergab sich: hohe Färbekraft, geringer Eisengehalt bei Herzfehlern, 
Ikterus, Diabetes, Morbus Basedowii; verminderte Färbekraft mit 
verhältnissmässig geringerer Verminderung des Eisens bei Chlo¬ 
rose und Anaemie. 

8 ) Rosenstein: Ueber chronische Myocarditis mit Herz¬ 
aneurysma im Kindesalter, zugleich ein Beitrag zur Aetiologie 
derselben. (Aus dem pathol. Institut zu Königsberg, Prof. Neu- 
m a n n.) 

Ein wegen Coxitis operirter Knabe starb nach zwei Tagen, 
bei der Section ergab sich Tuberculose der Lungen, tuberculöser 
Niereninfarct, chronische Peri- und Myocarditis mit beginnendem 
Aneurysma des linken Ventrikels. Die Herzmuskelerkrankung 
ist wahrscheinlich auf tuberculöser Basis entstanden. 

9) C. v. S t e j s k a 1 und F. Erben: Klinisch-chemische 
Studien. Stoffwechselversuch bei einem Fall von lymphatischer 
und einem von lienal-myelogener Leukaemie. (Aus der II. med. 
Klinik Wien, Hofrath Prof. Neusse r.) 

Die Resorption war in diesem normal, in jenem vermindert. 
Die Harnsäureausscheidung war bei der lienalen Leukaemie hoch- 
normal, bei der lymphatischen geringer. Bei dieser trat nach 
Unterernährung Eiweissausatz auf, es ist bei ihr nicht wie bei der 
lienalen Leukaemie eine eiweisszerstörende Kraft thätig. Auf¬ 
fällig war die hohe Kalkausscheidung bei der lymphatischen Leu- 
kaemie (Knocheneiuschmelzung). 

K ersehe n Steiner - München. 

Archiv für klinische Chirurgie. GO. Band, 3. Heft. Berlin, 
Hirschwald, 1899. 

18) Bunge: Zur operativen Behandlung der veralteten 
irreponiblen Luxationen im Ellbogengelenk. (Chirurg. Klinik 
Königsberg.) 

Bericht über 17 Fälle. Von den am Gelenk Vorgefundenen 
Veränderungen interessirten besonders die Absprenguugen von 
Knochenpartien, die nur in 3 Fällen vermisst wurden. In der 
Regel stammten sie von der Gegend der Epicondylen. 

Als Grundpriueip der zur Anwendung gekommenen Opera¬ 
tionstechnik bezeichnet B. die ausgiebige Skeletirung der Gelenk¬ 
theile, die, mit Ausnahme zweier Fälle, von zwei, einige Male auch 
von einem Längsschnitt aus vorgenommen wurde. Diese Ske¬ 
letirung gestattet eine ausgiebige Besichtigung der ganzen Um¬ 
gebung des Gelenkes bei vollständiger Schonung des Streck¬ 
apparates. Die sich vorflndenden Narbenstränge, geschrumpfte 
Band- und Ivapseltheile werden ebenso wie die Vorgefundenen 
Knochenstücke exstirpirt. Mit dem Skeletireu darf man nicht 
eher aufhören, als bis man sümmtliehe Bewegungen im Ellbogen¬ 
gelenk frei ausführen kann. Nach exactester Blutstillung wird die 
Wunde in der Regel vollständig vernäht. Der Verband wird in 
leicht stumpfwinkliger Stellung bei voller Pronation angelegt. 
Sehr grosses Gewicht ist auf eine baldige sorgfältige Nachbehand¬ 
lung zu legen; besonders gute Erfolge wurden mit der Heus- 
n e r’schen Spiralschiene erzielt. 

Grundbedingung für den Erfolg ist eiu aseptischer Wundver¬ 
lauf. Nur 3 mal wurde eine Störung desselben beobachtet, einer 
derselben ging septisch zu Grunde. 

Von den übrigen 16 Fällen können 2 als zu kurz beobachtet, 
für den Enderfolg noch nicht herangezogen werden. 2 der 14 
Fälle zeigten zum Schluss ein schlechtes Resultat. 1 wurde mit 
rechtwinkliger Ankylose entlassen. 1 wurde secundär resecirt, die 
übrigen 11 Fälle wiesen gute, zum Tlieil vorzügliche Resultate aut'. 

19) Rosenstein: Zur Casuistik der Geschwulstthrom. 
böse. (Patholog. Institut Königsberg.) 

Bei einem Falle von Myxosarkom der linken Niere fand sich 
ein aus wirklichem Geschwulstgewebe aufgebauter Thrombus, der 
von der linken Nierenvene sich durch die Cava inferior bis in den 
rechten Vorhof erstreckte und in letzterem einen wallnussgrossen 
platten Tumor bildete. 

Nur in 3 von den aus der Literatur zusammengestellten Fällen 
reichte der Tumor bis zum Herzen, und nur in einem erfüllte er 
die Herzhöhlen noch mit. 

20) v. K u e s t e r : Versuche über die Farbstoffproduction 
des Bacillus pyocyaneus. (B e r g m a n n'sehc Klinik Berlin.) 

Die Farbstoffbildung des Bacillus pyocyaneus wird bekannt¬ 
lich durch verschiedene Dinge beeinflusst, v. K. hat den Einfluss 
verschiedener Autiseptiea, des Phenols, der Borsäure und der 
essigsauren Thonerde auf die Farbstoffbildung geprüft. Aus den 
Versuchen ergab sich, dass die 3 Mittel, in geringen Mengen dem 
Nährboden zugesetzt, die Farbstoffproduction des Pyocyaneus 


steigern, bei einem höheren Procentsatz sie aufheben und bei 
einem noch höheren die Entwicklung des Bacillus selbst ver¬ 
hindern. 

Des Weiteren berichtet v. K. über Versuche von Kimara, 
die ergeben, dass der Bacillus pyocyaneus im Harn bezw. in der 
Blase wohl vorkommt, dass aber seine Farbstoffproduction doch 
ausbleibt, v. K. scliliesst sich dieser Anschauung an, und führt 
aus. dass die Farbstoffproduction in der Blase gehindert wird 
durch die Temperatur von 39 °, durch den Luftabschluss und 
durch die Einwirkung des kohleusauren Ammoniaks in grosser 
Menge. 

21) Hagen-Thor n : Ein operativ behandelter Fall von 
angeborener Sacralgeschwulst beim Erwachsenen. (W e 1 - 
j a m i n o f f’sche Klinik St. Peterburg.) 

Der Tumor bestand aus einer Kapsel und in derselben als 
Inhalt ein Convolut von Darm schlingen. Bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung fanden sich: glatte Muskelfasern, Binde¬ 
gewebe, Fettzelleu, Nervenstämme, hyaline Knorpel; in dem 
Darm fanden sich alle mikroskopischen Bestaudtheile eines 
solchen vor. 

Verfasser betrachtet die Geschwulst mit Recht als einen sub- 
cutanen Parasiten. 

22) Golischewsky : Zur Frage über die Naht der 
Harnblase. (Chirurg. Klinik Kasan.) 

G. berichte»! über die Resultate der von R a s u m o w s k y 
seinerzeit angegebenen Methode der primären Blasennaht, bei 
der siimmtliche Nähte nachträglich entfernt werden können, und 
bei der die Blase an die vordere Bauchwand befestigt wird 
(Cystopexie). In den praevesicalen Raum kommt ein Gazestreifen, 
der 5—6 Tage liegen bleibt. Ein Verweilkatheter wird in der 
Regel nicht eingelegt; ist .‘1—4 Stunden nach der Operation eine 
Urineutleerung nicht erfolgt, so wird der Urin mit dem Katheter 
entfernt. Contraindieirt ist die primäre Binsennaht bei starker 
Cystitis, bei bedeutender Hypertrophie der Blasenwand, bei Hae- 
mopliilie, bei sehr tief unten liegendem Schnitt und bei Nieren- 
affection. 

Auf 45 primäre Blasennähte kommen 2 Todesfälle, bei beiden 
fanden sich tiefgreifende chronische Veränderungen fast aller 
inneren Organe. Von den übrigen 43 Operationen sind 40 ge¬ 
lungen; 3 mal musste man zur offenen Methode übergehen. 

23) A s s e n d e 1 f t : Bericht über 030 stationär behandelte 
Steinkranke. 

Die erstaunliche Zahl vou 630 Steinkranken xvurde vom Ver¬ 
fasser während 20 Jahren in dem Privatspital des Herrn Pasch- 
k o f f im Dorfe Wetoschkino Gouvernement Nischni-Nowgorod 
behandelt. 600 von diesen Kranken wurden operirt., 460 mittels 
des hohen Steinschnittes. Die Verhältnisse des Spitals — Ver¬ 
fasser hat nur einen Collegen zur Assistenz — bringen es mit sich, 
dass A. auf die primäre Blasennaht grundsätzlich verzichten muss. 
Die Blase wird drainirt, die Bauclideckenwunde etagenförmig ver¬ 
näht. Wenn man von der Zahl der Operirten 5 Todesfälle, die 
unabhängig von der Operation eintraten, ausscheidet, so kommt 
auf 455 Operationen 10 mal ein letaler Ausgang. 

24) M i n e r v i n i : Ueber die bactericide Wirkung der 
Carbolsäure und ihren Werth als Desinfectionsmittel in der 
chirurgischen Praxis. (Chirurg. Klinik Genua.) 

Verfasser hat von Neuem Versuche über die antiseptische 
Wirkung der Carbolsäure angestellt und gefunden, dass die Car¬ 
bolsäure in milden Lösungen, wie es naturgemäss die wässerigen 
sind, nur eine begrenzte bactericide Wirkung hat, und dass sie in 
der Praxis der chirurgischen Desiufeetion kaum Vertrauen ver¬ 
dient. Zunächst hat M. die Methode der mit verschiedenen Bac- 
terien inficirten Seidenfäden benutzt. Hier ergab sich z. B. für den 
Staphylocoecus aureus, dass er bei Einwirkung einer 3 proc. Car- 
bollösung nach 30 Minuten abstarb. Des Weiteren hat M. In¬ 
strumente, Gummisachen. Nähmaterial in verschiedener Weise in- 
ficirt und hier im Allgemeinen noch schlechtere Resultate erzielt. 
Catgut- und Seidenfäden konnten nicht einmal in einer 5 proc. 
Carbollösung innerhalb 6 Stunden sterilisirt werden. 

25) S u d 1 o f f : Weitere Beiträge zur Pathogenese und zur 
Therapie des Rectumprolapses. (Chirurg. Klinik Königsberg.) 

S. d. Woehenschr. 1899, S. 611. 

26) R o v s i n g - Kopenhagen: Ueber Gastroptose und ihre 
chirurgische Behandlung. 

R. hat in den letzten 2 Jahren 3 Fälle der von ihm sogen. 
Gastroptosekachexie zu behandeln Gelegenheit gehabt. Es han¬ 
delte sich bei diesen Kranken um ein Tiefersiuken des Magens, 
wodurch es mit der Zeit zu ganz unerträglichen Schmerzen nach 
jeder Nahrungsaufnahme und hochgradiger Abmagerung gekom¬ 
men war. R. hat bei allen 3 Kranken einen überraschenden Er¬ 
folg durch die G a s t r o p e x i e erzielt: der Magen wird gehoben 
und durch einige Seideufiiden an die vordere Bauchwand ange¬ 
heftet. 

Bei einer 4. Patientin, bei welcher der höchste Grad von 
Kachexie vorlag. wurde nur die Gastroenterostomie — auch mit 
Erfolg — ausgeführt: die Kranke ging aber nach einiger Zeit 
an Miliartuberculose zu Grunde. Krecke. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 4. 

1) A. S i p p e 1-Frankfurt a. M.: Totalexstirpation von Scheide 
mit Uterus wegen Carcinom. 

8. beschreibt einen Fall von primärem Scheidencarclnom bei 
einer 64 jährigen Frau, wo er die genannte Totalexstirpation in 
der Weise ausführte, dass er durch einen seitlichen, zwischen 
Anus und Tuber Ischii gelegenen Schnitt das Cavuiu ischio-rectale 


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202 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


eröffnete und Uterus mit Vagina iu Ihrem natürlichen Zusammen 
hang uneröffnet abtrug. Der Heilungsverlauf war günstig. Als 
\ ortheile seiner Methode nennt S.: 1 . die Übersichtlichkeit und 
Zugänglichkeit aller iu Betracht kommenden Theile und 2 . die Mög¬ 
lichkeit, die Operation zu Ende zu führen, ohne dass irgend etwas 
mit dem Carcinom und Scheideninhalt. in Berührung kommt S be¬ 
fürwortet den Uterus in allen solchen Fällen mit zu entfernen. 
Ol» man die Scheide total oder nur partiell fortnehmeu soll, hängt 
VOn J >p f ünderen r »Ständen des Falles ab. Zum Schluss 

empfiehlt S. die von ihm gewählte Schnittführung auch zur Opera¬ 
tion der angeborenen oder erworbenen Atresie der Scheide. 

2) Page n Stecher - Osnabrück: Ein Fall von multiplem 
Myom des graviden Uterus. 

oj n 01 P \ > o7" 1 > :l - >ht0t ° iH der Feberschrift genannten Fall bei 
einei 29 jährigen Nullipara, die wegen heftigen Urindrangs 
Kreuzsehmerzen, eitrigen Fluor und Obstipation laparotomirt 
\uirde. Es handelte sich um einen Uterus, der 4 verschiedene 
Myome trug und in Innern eine ca. 6 Wochen alte Frucht barg. 
Heilung in der o. Woche beendet. 

Hl igo Fleisch mann- Ofen-Test: Forceps in mortua. 
hebendes Kind. 

n 30 ^ hri *o L Pnra mit Herzfehler (Insuff. der Mitralis) 

eollabirte, während die Zange eingeführt wurde. Trotz 10 Minuten 
langen Wiederbelebungsversuchen blieb die Mutter todt. Das 
Kind wurde mit der Zange asphyktisch extrahirt, konnte aber 
leicht wiederbelebt werden und blieb am Leben. 

. 4) Merttens-Düsseldorf: Ein Fall von Einwanderung 

einer bei Laparotomie zurückgelassenen Compresse in den 
Dünndarm. 

Der Fall betraf eine 28 jährige Frau, die im März 1899 wegen 
Beckeneiterung eine schwere Adnexoperatiou durchgemacht hatte 
o Monate lang war Patientin gesund: dann stellten sich krampf¬ 
artige Schmerzen im Leibe ein. M. fand neben dem Nabel einen 
faustgrossen Tumor, den er für einen Fremdkörper hielt. Bei der 
Laparotomie erwies sich der Tumor als spindelförmige Anschwel¬ 
lung einer Diinndarmschlinge. die während der Operation einriss 
und als Inhalt eine Ci a z e c o m presse aufwies. Roseetion 
des veränderten Darms und circuläre Darmnaht. Heilung 

Aelinliehe Fälle haben R e h n (28. Uhirurgencongress' 1899) 
und M i c h a u x veröffentlicht. P i 1 a t e beobachtete sogar 6 1 /, 
Monate nach einer Operation den Abgang einer im Bauche zurück- 
gelassenen Compresse mit dem Stuhle. .T a f f e - Hamburg. 


Archiv für Kinderheilkunde. 27. Band, 5. u. 6. Heft, 

, Pro *-- L - C o n c e 11 i - Rom: Ueber einige, bei Kindern die 
Kolon 1 * VerSt ° pfung hervorrufenden Missbildungen des 


Die angeborenen Erweiterungen des Kolon nehmen erst in 
neuerer Zeit, namentlich seit den Arbeiten Hirschsprung ’s, 
das Interesse der Pädiater iu Anspruch. C. beschreibt 2 eigene 
Fälle: der erste betraf ein 2 >/, Jahre altes Mädchen, welches schon 
vom 2 . Lebenstage an einen stark aufgeschwollenen Bauch bekam- 
dieser Meteorismus, bei dem es sich nie um Ascites handelte, 
steigerte sich in kolossaler Weise und blieb bestehen, das Kind 
entwickelte sich ziemlich normal, obwohl die Defaecation oft nur 
alle 5—6, manchmal sogar nur alle 15—16 Tage erfolgte. Bei 
der Peristaltik traten Darmschlingen an der äusseren Bauchwand 
so stark hervor, dass man sie mit Händen umgreifen konnte. 
Später nahm das Kind ab, verfiel immer mehr, bis unter unwill¬ 
kürlichen Ausleerungen der Exitus eintrat. Bei der Section zeigte 
sich der Dickdarm enorm, tlieilweise taschenartig, erweitert, ohne 
Stenose und an einer verdünnten Stelle fand sich ein perforirtes 
Geschwür, welches auch die Todesursache war. Mikroskopisch 
fand sich am Darm eine jedenfalls angeborene Aplasie der Mus- 
cularis, ferner Arteriitis und Periarteriitis. Der 2. Fall betrifft 
einen 8 jährigen Knaben, der eine ähnliche Anamnese hatte, wie 
der vorhergehende Fall, chronische Obstipation und Meteorismus 
seit der Geburt; in den letzten Monaten verschlimmerte sich der 
Zustand und zur Zeit der Spitalsaufnahme hatte das Kind seit 
genau einem Monat keine Ausleerung gehabt. Die Therapie 
war zunächst machtlos, das Kind verfiel, operatives Vorgehen 
erschien dringend nöthig, bis doch zuletzt auf Eingiessuug von 
200 g Glycerin mit ebensoviel Wasser Stuhl erfolgte und nun ent¬ 
leerte der Patient in etwas mehr als 3 Tagen über 10 7 . kg 
Fäcalien; Patient wurde gebessert entlassen. Verfasser erörtert 
ausführlich die einschlägige Literatur (30 Fälle) und die patho¬ 
logisch-anatomischen Verhältnisse, bezüglich derer auf das Ori¬ 
ginal verwiesen werden muss. Hervorgehoben sei, dass die Pro¬ 
gnose der angeborenen Vcrgrüssorung und Ektasie des Dickdarms 

deren Oonsequenzen enormste Konrostasen. Meteorismus, 
Darmfäulniss, Toxinresorptionen. eveut. Perforation sind — eine 
sehr schlechte ist und die meisten Fälle daran zu Grunde gehen. 

H. Spiegelberg - München: Zur Frage der Entstehungs¬ 
weise der im Gefolge infectiöser Erkrankungen, insonderheit 
der Magendarmkrankheiten, des frühesten Kindesalters auf¬ 
tretenden Lungenentzündungen. Histologische und bacterio- 
logische Untersuchungen. 

Die Frage des Zusammenhanges von lobulären Lungenent¬ 
zündungen mit gleichzeitigen Gastro-Enleritiden ist eine strittige 
und war eine Erklärung in verschiedenem Sinne versucht worden. 
Zu ihrer Lösung unternahm S. eine grosse Reihe pathologischer 
und bacteriologischer Untersuchungen, deren Details im Original 
nachzusehen sind. Nach ihren Ergebnissen kommt Verfasser zu 
dem Schluss, dass die in Frage stehenden Pneumonien hauptsäch¬ 
lich bronchogene Infeetionen sind, dass sie im ungünstigsten Falle 


selbst zur Quelle einer Sepsis werden können, aber sonst keine 
Theilerscheinung einer gastro-enteritisehen Allgemeininfection 
bilden und mit Sepsis nichts zu thun haben. 

J.. b r i e d j u n g : Beiträge zur Casuistik angeborener 
Missbildungen. (Aus dm- Kinderspitalsabtheilung der Allg Poll- 
klinik in Wien [Prof. Monti].) 

1. B a uch-Beck e n - B 1 a s e 11 s p a 11 e , S p i 11 a bi¬ 
fida. 

2. H e r n i a f u n i e u 1 i umbilicalis. E v e u t r a t i o. 

3. Eine annähernd symmetrische Missbil¬ 
dung der beiden Küsse und ein analoger Befund 
an einer Hand. 

A. Krjukoff - Moskau: Ein Fall von gangraenöser Vari¬ 
cella. 

Beschreibung eines Falles von Varicellen, bei dem sich an 
den Pusteln tiefgehende Ulcerationen entwickelt hatten; Exitus. 
Auf den von den Geschwüren angelegten Culturen wuchsen echte 
Klebs- L ö f f 1 e r’sclie Stäbchen, die auch durch den Thier- 
versueh verificirt wurden. Dieselben Stäbchen fanden sich auch 
in den durch die Pusteln angelegten Schnitten. In einem anderen 
Fall von gangraenösen Varicellen, zu dem sich dann ein letales 
Erysipel gesellte, fanden sich Strepto- und Staphylococcen. Ver¬ 
fasser glaubt, dass es sich bei solchen Fällen um eine Allgemein- 
infection des Organismus mit dem Diphtherie- resp. Erysipelvirus 
handle, welches in den Varicellen einen Locus minoris resistentiae 
finde. 

II ö f 1 e r - Bad Tölz: Ueber Milchdiät. 

Verfasser rätli bei Kindern, namentlich bei einer Jod- oder 
Quecksilbercur, zur Milchdiät, die sich angeblich am besten be¬ 
währen und, auch bei grösseren Kindern, immer durchführen 
lassen soll. 

Referate. I, ichtenstoiu - München. 

Jahrbuch 5 für Kinderheilkunde. Band 51, Heft 1 vom 
12. Januar 19C0. 

Iu der Einleitung theilt die Redaetion — Heubner — 
mit. dass iu Folge des erfreulichen Aufschwunges der Paediatrie 
in den letzten Jahren, der von wenigen Kinderspitälem zu einer 
Reihe klinischer, an Zahl und Umfang zunehmender Universitäts- 
Institute geführt hat, auch die literarische Production so zuge¬ 
nommen hat, dass Verlagsbuchhandlung und Redaction sich ent¬ 
schlossen haben, dem Jahrbuch das neue, den neuen Anforderungen 
entsprechende Gewand zu geben. Allmonatlich wird von jetzt ab 
ein Heft erscheinen, welches neben den nun rascher zum Abdruck 
gelangenden Originalartikeln Referate über die neuesten Arbeiten 
auf dem Gebiete der Paediatrie bringen wird, welche dem Jahr¬ 
buch zugleich die Vorzüge eines Ceutralblattes der Kinderheilkunde 
verleihen. Dem Wunsch der Redaetion, dass das Jahrbuch auch 
„den kommenden Generationen von Kinderärzten der treue Be¬ 
gleiter und Informator werde, der es den älteren gewesen ist,“ 
möchte Referent den weiteren hinzufügen, dass gerade die Aerzte 
im Allgemeinen, welche als Hausärzte vor Allem iu der Lage sind, 
praktische Kinderheilkunde auszuüben, in rasch wachsender Zahl 
zu regelmässigen Lesern des Jahrbuches werden; den kleinen 
Patienten zum Segen, ihnen zur willkommenen Anregung. 

1) Esc h e r i c h : Studien über die Morbidität der Kinder 
in verschiedenen Altersclassen. (Aus der Universitäts-Kinder¬ 
klinik zu Graz.) 

Vortrag, gehalten in der Section für Kinderheilkunde der 
Naturforscherversammlung in München 1899; referirt in No. 45 , 
Seite 1512, Jahrgang 1899 dieser Wochenschrift. 

2) A. C z e r n y : Kräftige Kost. (Aus der Universitäts-Kinder¬ 
klinik zu Breslau). 

Mit der „kräftigen Kost.“ wird viel Unfug getrieben in den 
ersten Jahren nach dem Säuglingsalter. Sehr zeitgemäss weist 
Verfasser darauf hin, dass in durchaus verwerflicher Weise von 
Aerzten wie Laien, sei es prophylaktisch, sei es in der Reconvales- 
cenz, die Kinder dieser Periode durch ein Uebermaass von Milch, 
Eiern und Fleisch geschädigt werden und macht auf mehrere 
häufige, aber wenig beachtete und bearbeitete Krankheitsbilder 
aufmerksam, iu deren Actiologie das Uebermaass von Eiweiss bei 
ungenügenden Alknlisalzen und Kohlehydraten die Hauptrolle 
spielt. So ist die einseitige Ueberfütterung mit Kuhmilch häufig 
die Ursache habitueller, keiner Medication weichender, jahrelanger 
Obstipation bei Kindern, welche durch Eisenpriiparate von ihrer 
schweren Anaemie nicht zu befreien sind. Gemischte, vorwiegend 
vegetabilische Kost bringt rasche Heilung. Eine zweite Kategorie, 
ebenfalls mit „kräftiger Kost“ in grössten Quantitäten über¬ 
fütterter Kinder leidet im Gegeutheil an hartnäckigen, leicht 
wiederkehrenden Diarrhöen mit profusen, schleimigen Ent¬ 
leerungen, besonders häufig bei zu reichlicher Zufuhr von Eiern. 
Eine andere Gruppe von (»her blühend ausseheudeu, bald sehr 
mageren, bald fetten Kindern zeigt bei fast ausschliesslicher 
Fleischkost übergrosse Ausscheidung von Uraten im Harn, die 
Mädchen oft eine hartnäckig reeidivirende Vulvitis. Auch hier 
bringt gemischte Kost schnellen Erfolg. Bei starker Ueber- 
ernahrung mit Eiweiss haben die sonst kniffigen Kinder einen 
fahlen, gelben Teint bei schlechtem Aussehen, oder es treten 
häufig wiederkehrende Ekzeme, vorwiegend pruriginöser Natur 
auf, welche der localen Behandlung nicht weichen wollen. In 
anderen Fällen wird als Hauptsymptom unruhiger, oft unter¬ 
brochener Schlaf beobachtet, selbst Neurasthenie und ausge¬ 
sprochene Hysterie. Aber auch der prophylaktische Nutzen der 
„kräftigen Kost“ ist keineswegs erwiesen: sehr fette, so ernährte 
Kinder leisten im Gegeutheil z. B. bei Skrophulo-Tuberculose 


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6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


203 


keinen grossen Widerstand und noch weniger gewissen Iufeetions- 
krankheiten, z. B. der Searlatiua (und Diphtherie. Anmerkung dos 
ltefer.). Gerade die Quantität, in geringerem Maasse auch die 
Qualität der an Alkalisalzen und Kohlehydraten zu armen Kost 
dürfte für den Schaden der „kräftigen Kost“ verantwortlich zu 
machen sein. Dem Verlangen des Verfassers nach kritischen Be¬ 
obachtungen und eingehender Bearbeitung des noch wenig ge- 
kaunten Gebietes der rationellen Ernährung gesunder und kranker 
Kinder in der Zeit nach der Entwöhnung wird jeder Kinderarzt 
gern zustimmen. 

3j W. Camerer- IJraeli: Die Verdauungsarbeit, ihre Grösse 
und ihr Einfluss auf den Stoffwechsel, insbesondere den Stoff¬ 
wechsel des Säuglings. 

Sehr lesenswertlie, allgemein interessante Erörterungen. Zu 
kurzem Referat ungeeignet. 

4) II e u b n e r - Berliu: Ueber die Verhütung der Tubercu- 
lose im Kindesalter in ihren Beziehungen zu Heil- und Heim¬ 
stätten. 

Vortrag, gehalten in der Section für Kinderheilkunde auf der 
Naturforscherversammlung in München, September 1800.. lte- 
ferirt in No. 40, Seite 1Ö47, Jahrgang 1800 dieser Wochenschrift. 

o) Soltmann : Ueber Landr y’sche Paralyse. (Aus der 
leipziger Universitäts-Kinderklinik.) 

Referirt ibidem. 

0) Stoeltzner: Ueber Behandlung der Bachitis mit 
Nebennierensubstanz. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu 
Berlin.) (Fortsetzung folgt.) 

7) T li i e m i e h : Ueber Tetanie und tetanoide Zustände im 
ersten Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu 
Breslau.) (Fortsetzung folgt.) 

Literaturbericht. — Kleinere Mittheilung. — Besprechungen. 

Siege rt - Strassburg. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 5. 

1) H. L 1 n d n e r - Berlin: Zur Chirurgie des Magen- 
carcinoms. 

Im Allgemeinen steht L. auf dem Standpunkte, dass zur Zeit 
kein ausreichender Grund gegeben ist, die für die Magenopera¬ 
tionen jetzt anerkannten IndicatIonen zu durchbrechen, da die 
Versuche hiezu alle zu gewissen Nachtheilen geführt haben. Ver¬ 
fasser ist kein Freund des von Mikulicz geübten Verfahrens, 
bei Operationen von Magencarcinomen die benachbarten Lyrnph- 
drüsen aufzusuchen und mitzuentfernen, einmal weil die Lympli- 
gefässe unmöglich alle entfernt werden können und weil zweitens 
die nach kommenden Recidive am Magen selbst auftreten. L. plä- 
dirt bei Fällen, wo keine Radiealoperation mehr gemacht werden 
kann, mehr für die Gastroenterostomie, als für die partielle Resee- 
tion; denn die Erfolge der ersteren sind für das Befinden der 
Kranken besser; es empfiehlt sich, principiell jeder Gastroentero¬ 
stomie eine Enteroanastomose zwischen den Schenkeln des 
Jejunums anzuschliessen. Für manche Fälle ist die Jejunostomie 
am Platze. 

2) M. S c h ü 11 e r - Berliu: Polyarthritis chronica villosa 
und Arthritis deformans. (Fortsetzung folgt.) 

3) H. D a v i d s o h n - Berliu: Zur therapeutischen Ver¬ 
wendung der feuchten Wärme. Temperirbare Kataplasmen. 

Für die heissen Kataplasmen, welche die intensivste Form 
der localen Anwendung feuchter Wärme auf den Körper dar¬ 
stellen, ist Fango das beste Material. Die Q u i n c k e'selien 
Thermophoren eignen sich sehr gut dazu, die Wärmezufuhr an 
die Haut ganz allmählich zu steigern, ebenso der vom Verfasser 
angegebene und beschriebene Apparat, welcher den Vorzug hat, 
billig und in jedem Haushalt anwendbar zu sein. Er besteht im 
Wesentlichen aus Gummiröhren, die auf ein Stück Gummistoff 
auf genäht werden, und durch welche Wasser von beliebig hoher 
Temperatur geleitet werden kann. Letzteres dient dann zur Er¬ 
wärmung der zu applicirenden Fangokataplasmen. Cfr. Abbil¬ 
dung des „Schlauchkissens“ im Original. Das Ivataplasma kanu 
so nach Belieben temperirt und die anzuwendende Wärme dosirt 
werden. 

4) Fr. König- Berlin: Ueber gleichzeitige Schussver- 
letzung von Brust- und Bauchhöhle. 

Aus den sehr ausführlichen Darlegungen des Verfassers 
mögen folgende Gesichtspunkte hervorgehoben sein: Verletzungen 
im 5. Intercostalraum links einwärts von der Mam.-Linie können 
den Herzbeutel allein treffen. Bei spontaner Heilung derselben 
tritt Synechie der Pericardialblätter ein. Bei bedrohlichen Er¬ 
scheinungen ist der Versuch einer Punction erlaubt; erst beim 
Versagen letzterer kommen operative Eingriffe in Betracht. 
Deutet die Schusslinie auf gleichzeitige Verletzung der Bauch¬ 
höhle, so ist nur die Laparotomie indicirt, um die Blutung zu be¬ 
seitigen und gleichzeitige Verletzungen anderer Organe aufzu¬ 
finden. Fern vom Schusscanal können durch die explosive Kraft 
der Kugel schwere Organlaesionen erzeugt werden, z. B. ein Ulcus 
ventriculi, Nekrose der Leber, traumatische Hepatitis, secundäre 
parenchymatöse Degeneration und Leberabscess. Jede, auch 
kleine, sicher diagnosticirte Leberwunde erfordert wegen Gefahr 
der Sepsis und Pyaemie die Laparotomie. Die Wunde ist durch 
eingelegte Jodoformgaze breit offen zu halten. 

Dr. Grassmann - München. 

l L Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 4. 

1) M o x t e r : Ueber ein specifisches Immunserum gegen 
Spermatozoen. (Aus dem Institut für Infectionskrankheiten ln 
Berlin.) 

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Die Immunsera besitzen nicht nur eine baeteriol 3 T tische, son¬ 
dern auch eine haematolytisclie Eigenschaft. Zum Studium der 
letzteren stellte M. Versuche über das Verhalten des Thierkörpers 
gegen andere thierisclie Zellen an, und wählte zu diesem Zwecke 
die leicht isolirbaren Spermatozoen des Hammels. Seine Resultate 
sind der Hauptsache nach folgende: Durch Vorbehandlung von 
Kaninchen mit Ilammelspermatozoen lässt sich ein Zustand von 
Immunität erzeugen. Der Immunkörper tüdtet die Spermatozoen 
innerhalb des thierisclien Organismus ab, ausserhalb desselben ist 
er wirkungslos. Eine Auflösung der Spermatozoen findet nicht 
statt, dagegen besitzt das Serum eine speciliseli auflösende Wir¬ 
kung gegenüber den rothen Blutkörperchen des Hammels, vor¬ 
übergehend auch eine speeitisch agglutinirende Wirkung auf die 
Hammelspermatozoen, unter gewissen Bedingungen auch auf die 
Erythrocyten. 

2) Paul Jacob: Klinische und experimentelle Er¬ 
fahrungen über Duralinfusion. (Aus der I. mediciuischen Uni¬ 
versitätsklinik in Berlin.) Schluss aus No. 3. Referat siehe diese 
Wochenschrift 1899, No. 48, pag. l(»2(j. 

3) Martin C o li n : Untersuchungen über den Speichel und 
seinen Einfluss auf die Magenverdauung. (Aus der III. rnedi- 
cinischen Universitätsklinik in Berlin.) (Schluss folgt.) 

4) A b e e - Nauheim: Ueber Anwendung eines Herzstütz¬ 
apparates bei Herzaff ectionen, insbesondere bei cardialer 
Dyspnoe. 

Unter Hinweis auf den in No. 37 v. J. dieser Wochensehr, ver¬ 
öffentlichten Aufsatz berichtet Autor über die günstigen Resul¬ 
tate, welche er bei 29 Fällen von Herzleiden verschiedener Natur 
mit der von ihm empfohlenen „Herzstütze“, einer Pelotte, durch 
welche das erkrankte Organ gehoben und gestützt und seine 
Function in Folge dessen erleichtert wird, erzielt hatte. Durch 
die Anlegung des Apparates wird das Herz nach oben geschoben, 
der Spitzenstoss in Folge einer Achseudrehung des Herzens 
medianwärts verlagert, der Radialpuls wird langsamer und voller, 
die Lungeugrenzen treten entsprechend tiefer. Der Effect tritt in 
einzelnen Fällen beinahe momentan ein. Die subjectiven Be¬ 
schwerden, namentlich die Dyspnoe und das erschwerte Gehen, 
wurden in sümmtlichen Fällen sehr bald gehoben oder mindestens 
wesentlich gebessert. F. Lacher- München. 

Oesterreichische Literatnr. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 4. 

1) A. Narath-Utrecht: Zur Badicaloperation der Varicocele. 

N. bespricht die von verschiedenen Autoren geübten Opera¬ 
tionsmethoden bei Varicocele mit Würdigung der Vor- und Nach¬ 
theile derselben und macht darauf aufmerksam, dass bei Varicocele 
gleichzeitig häufig ein weiter Leisteueanal gefunden wird. Durch 
diese Coiucidenz kam N. auf die Idee, die Hauptstämme der 
N. spermat. intern, im Leistencanal selbst zu reseeiren und dann 
diesen nach dem Typus der Bassin i’schen Radiealoperation 
bei Leistenhernien zu verschliessen. Die einzelnen Acte der Opera¬ 
tion sind im Original genau beschrieben. Verfasser ist in der 
Lage, über 21 derartig operirte Fälle zu berichten. 17 dieser 
Fälle heilten per primarn mit sehr gutem Resultat, die übrigen 
per seeundam, bei einem der letzteren trat Atrophie des Hodens 
ein. Die Methode ist also zu empfehlen. 

2) S. E r d h e i m - W’ien: Ueber multiple Dünndarmstenosen 
tuberculösen Ursprunges. 

Verfasser konnte in relativ kurzer Zeit 5 derartige Fälle be¬ 
obachten und zumTheil selbst operiren, deren eingehende Kranken¬ 
geschichten er hiemit veröffentlicht. Alle 5 beruhten auf secun- 
dären Infectionen, bei den 2 obducirten Fällen fand sich eine 
chronische schrumpfende Spitzentuberculose. Die vorhandenen 
Strietureu gingen 3 mal aus tuberculösen Geschwüren hervor, bei 
2 Fällen handelte es sich um sogen, hypertrophische Tuberculose. 
Eine sichere Diagnose der Multiplicität der Strietureu ist nur in 
sehr wenig Fällen möglich. Die Therapie bestand in Anlegung 
von Enteroanastomosen, resp. Darmresection. 

3) R. Lucke- Altenburg: Zur Technik der Gastrostomie. 

Verfasser empfiehlt eine auf dem Princip der Canalfistel¬ 
bildung beruhende Methode, die sich durch Einfachheit und 
Schnelligkeit der Ausführung empfiehlt. Wegen der technischen 
Details der Operation muss auf das Original verwiesen werden. 

Dr. Grassmann - München. 


Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere 
Medicin in Berlin siehe Seite 208. 

Berliner Briefe. 

Erhöhung der Verpflegungssätze in den Krankenhäusern. 
— Vorträge für Cassenärzte über Tuberculose. — Rettungs¬ 
gesellschaft. — Gesuch um Berücksichtigung der Aerztinnen 
bei Besetzung der Schularztstellen. 

Die Verwaltung des Charitekrankenhauses hatte sich veran¬ 
lasst gesehen, die Verpflegungssätze von 2 M. auf 2,50 M. für 
Erwachsene und von 1,50 M. auf 2 H. für Kinder pro Tag zu 
erhöhen. Das gab den städtischen Krankenhäusern Veranlassung, 

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204 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


das Gleiche zu thuu, weil sonst eine Ueberfüllung derselben zu 
gewärtigen wäre; und bald darauf folgten die Besitzer der Pri- 
vatklinikcn ebenfalls dem Beispiel der öffentlichen Kranken¬ 
häuser. Es war das eine fiskalische Maassregel, die uns Aerzte 
im Grunde genommen gar nichts anginge, wenn nicht die Vor¬ 
stände der Krankeneassen, und zwar unter Führung der ihnen 
politisch nahestehenden Aerzte, sie auf’s heftigste bekämpften 
und geradezu als eine schwere Schädigung, nicht etwa nur der 
materiellen Verhältnisse der Krankencasse, sondern der Volks¬ 
gesundheit überhaupt zu brandmarken versuchen. Die Mehr¬ 
kosten, so hiess es, welche den Krankeneassen durch die erhöhten 
Verpflegungssätze auferlegt werden, verhindern sie, eine Ver- 
bessscrung der Krankenbehandlung zu bewirken, und raube ihnen 
die Mittel, die sonst zum Kampf gegen die Tubcrculose verfüg¬ 
bar gewesen wären; somit stände die Maassregel auch in schrei¬ 
endem Gegensatz zu den schönen Reden, die von den Regierungs- 
Vertretern auf dem Tuberculosecongress gehalten wurden. Wir 
können es getrost den Krankeneassen Vorständen überlassen, wie ! 
sie sich mit ihrem Budget einzurichten haben; es kann uns auch 
ziemlich gleiehgiltig sein, dass sie nun einen Grund mehr haben, 
die Erhöhung der ärztlichen Honorare ad calendas graecas zu 
verschieben, denn freiwillig hätten sie das ohnehin nie gethan; 
bedauern müssen wir es aber, dass sie in ihrem blinden Eifer sich 
soweit hinreissen Hessen, eine Boykottirung der Charite, als der 
Hauptsünderin, bezüglich des Lehrmaterials zu empfehlen. Den 
Mitgliedern der Krankeneassen, die in der Charite behandelt 
werden, soll aufgegeben werden, dass sic sich nicht zum medi- 
cinischen Unterricht verwenden lassen sollen. Wie sehr dieses 
Kampfmittel nach kleinlicher Rache schmeckt, und wie sehr es 
ferner den eigenen socialen Grundsätzen der politischen Partei, 
der die Mitglieder und Vorstände der Krankeneassen zum grossen 
Theil angehören, widerspricht, braucht nicht näher angeführt zu 
werden. Im Uebrigen aber wird diese Drohung von der Unter¬ 
richtsverwaltung sehr ruhig und kühl aufgenommen, wenigstens 
hat sie sich bis jetzt überhaupt noch nicht dazu geäussert. Wer 
das ungeheuere Krankenmaterial, das in den Berliner Kranken¬ 
häusern angehäuft ist, kennt, weiss auch, dass, selbst wenn jene 
Drohung wahr gemacht werden sollte, damit der Unterricht noch 
lange nicht brach gelegt wird. 

Zu derselben Zeit, wo gegen die Chariteverwaltung von 
socialistischer Seite der Vorwurf erhoben wird, dass sie den 
Kampf der Krankeneassen gegen die Tubcrculose erschwere, er¬ 
lässt sie eine Veröffentlichung, welche das Gegentheil zu beweisen 
geeignet ist. Mit Genehmigung des Cultusministeriums sollen im 
Februar und März in der Charite für Aerzte, besonders für Cassen- 
ärzte, Vorträge über den Werth und die Methode der Frühdiagnose 
der Tuberculose, ferner über die Behandlung der Initialformen und 
über einige andere mit diesem Thema in Verbindung stehende, 
speciell für die Krankeneassen wichtige Fragen veranstaltet 
werden. Eine Reihe namhafter Universitätslehrer hat sich zur 
Uebernahme dieser Vorträge bereit erklärt, an die sich noch 
Demonstrationen in der Universitäts-Poliklinik und im Institut 
für Röntgenphotographie anschliessen sollen. Der Zutritt steht 
allen Aerzten unentgeltlich frei. 

Mit diesen Vorträgen findet eine Einrichtung dankenswerthe 
Nachahmung, welche bereits auf die Initiative v. Bergmann’s 
hin für die Aerzte der Rettungsgesellschaft getroffen ist. 
v. Bergmann, dessen unermüdlicher Thatkraft bekaimtlich 
die Rettungsgesellschaft ihre Entstehung und zum grossen Theil 
auch ihre gedeihliche Entwicklung verdankt, hatte bisher neben 
dem Amt des Vorsitzenden auch die Geschäfte eines ärztlichen 
Direetors der Gesellschaft besorgt. Wie er in einem Anschreiben 
an die Aerzte mittheilt, ist ihm dies durch das beständige Wachsen 
des Geschäftskreises der Gesellschaft unmöglich geworden. Der 
Vorstand hat daher einstimmig beschlossen, Herrn Dr. George 
Meyer zum ärztlichen Director zu ernennen. Bei der bewährten 
Sachkenntniss des um die Entwicklung des Rettungswesens hoch¬ 
verdienten Collegen ist diese Theilung der Arbeit als eine sehr 
glücklicher Gedanke zu betrachten, der sicherlich eine weitere 
Förderung der Ziele der Gesellschaft zur Folge haben wird. 

Durch die aufopfernde Weise, in der Herr v. Bergmann 
seine Zeit und seine Kraft dem Wohle der Bürgerschaft und zu¬ 
gleich den Interessen der Aerzte gewidmet hat, hat er sich in 
hohem Grade die Sympathie der Letzteren erworben; so dass sie 
das Bedürfniss empfanden, ihren Dank in irgend einer Form zum 
Ausdruck zu bringen. Das soll durch Veranstaltung eines grossen 

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v.Bergmann - Commerses geschehen, zu dem ein grosser Theil 
der Berliner Aerzte bereits seine Theilnahme zugesagt hat. 

Der Versuch, unseren weiblichen Collegen die Mitgliedschaft 
der „Medicinischen Gesellschaft“ zu ermöglichen, ist nicht ge¬ 
lungen, weil die Majorität der Ansicht des Vorstandes war, 
dass wir kein Recht haben, weibliche Aerzte als solche anzuer¬ 
kennen, ehe der Staat es gethan hat. Nun ist zwar von Seiten der 
Regierung eine Regelung dieser Frage in nahe Aussicht gestellt, 
so dass wir voraussichtlich sehr bald in Deutschland approbirte 
Aerztinnen haben werden. Die Damen sind aber ungeduldig 
und halten sich, schon ehe dieser Zeitpunkt erreicht ist, für be¬ 
rechtigt, amtliche Functionen für sich in Anspruch zu nehmen. 
Kaum war die probeweise Anstellung von 20—25 Schulärzten 
beschlossen, so gelangte schon eine Eingabe an den Magistrat, 
in der der Wunsch ausgesprochen wurde, dass unter den 20—25 
Aerzten auch eine Aerztin sich befinden möge. Also ganz abge¬ 
sehen davon, dass der Erfüllung dieses Wunsches gesetzHche 
Schwierigkeiten im Wege stehen, wird von einer kleinen, etwa 
6—7 Personen umfassenden Gruppe da eine Stelle praetendirt, 
wo unter 200 Candidaten 20—25 ausgewählt werden sollen, ein 
nicht gerade sehr bescheidenes Verlangen. Das Gesuch wurde 
vom Magistrat abgelehnt mit der Begründung, dass er gegen¬ 
standslos sei, da es Deutschland zur Zeit keine Aerztinnen gebe. 

K. 


Verein Freiburger Aerzte. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 24. November 1899. 

Herr G. Krüger: Die Receptur für die Ortskranken- 
casse. 

Redner bespricht zuerst die allgemeinen Regeln einer Re¬ 
ceptur für die Ortskrankencasse und verweist dabei auf die be¬ 
stimmten Verordnungen, welche in dem zwischen dem Verein 
Freiburger Aerzte und der hiesigen Ortskrankencasse bestehenden 
Vertrag enthalten sind. Darauf zur Form der Recepte übergehend 
empfiehlt derselbe vor Allem die Verordnungen nach 
der Handverkaufstaxe. Letztere muss aber dem Bedürf- 
niss entsprechen, d.h. sie muss alle Medicamente umfassen, welche 
jeder Mensch in jeder Apotheke ohne Recept erhalten kann und 
welche gesetzli ch dem freien V erkehr überlassen sind. 
Praktisch bewährt hat sich die bayerische Handverkaufstaxe und 
diese wird desshalb sowohl für die Berechnung seitens der Apo¬ 
theker als auch für die Verordnung seitens des Arztes als maass¬ 
gebend empfohlen. Als Wegweiser resp. Anleitung sollte die 
ökonomische ärztliche Verordnungsweise von 
Dr. Dresdner und Rieder dienen. 

Nach Regelung der Verhältnisse zwischen Cassenvorstand, 
Apothekern und Aerzten sollte eine regelmässige vierteljährliche 
Controle der Recepte stattfinden, um die berechneten Preise 
seitens der Apotheker und die Verordnungen seitens der Aerzte 
einer Kritik zu unterziehen. Diese Aufgabe, eine vierteljährUche 
Receptrevision nebst Bericht an den Ortskrankencassenvor- 
stand und an die für die Casse prakticirenden Aerzte, sollte von 
einem Arzte der Casse übernommen werden. Der Vortragende 
empfiehlt diese Methode als das beste, gründlichste und scho- 
nendste Mittel, etwaigen Uebelständen abzuhelfen. In Rücksicht 
auf die erwähnten Punkte revidirte der Vortragende die Recepte 
eines Quartals des laufenden Jahres und begründet mit Zahlen 
und Belegen seine Ausführungen. 

Herr L. Schneider: lieber eine merkwürdige Schall- 
erscheinnng bei Pneumothorax. 

M. IL.! Im August dieses Jahres hatte ich Gelegenheit, bei 
einem Fall von Pneumothorax eine merkwürdige Schallerschei¬ 
nung zu beobachten, über welche ich Ihnen in kurzen Worten be¬ 
richten möchte. Den Patienten selbst kann ich Ihnen leider 
nicht demonstriren, da derselbe bald an seinem Leiden zu Grunde 
gegangen ist. Ich habe desshalb bei einem anderen Patienten, 
dessen Ueberlassung ich der Güte der medicinischen Klinik ver¬ 
danke, die damals gefundenen Schallbezirke aufgezeichnet, da 
ich glaube, dass wir uns auf diese Weise leichter über dieselben 
orientiren werden. 

Wie ich schon gesagt habe, handelte es sich um einen Fall 
von Pneumothorax, und zwar um einen linksseitigen Pneumo¬ 
thorax. Der Kranke war stark dyspnoisch, blau im Gesicht, hatte 
eine Pulsfrequenz von 140 Schlägen. Ueber der ganzen rechten 
Lunge war sehr verschärftes Vesiculäratbmen und diefPes. m’ttcl- 

Qriginal from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


205 


grossblasiges Rasseln zu hören; der Percussionsschall über der 
Spitze war gedämpft tympanitisch, weiter unten hinten und vorne 
voll. 

Die linke Thoraxhälfte blieb beim Athmen zurück 
und zeigte im Uebrigen einen eomplicirteren Befund. 

Ueber der Spitze war gleichfalls gedämpft tympanitischer 
Percussionsschall vorhanden, derselbe reichte vorn bis in den 
II. Intercostalraum, hinten bis in die Höhe der IV. Rippe. In der 
gleichen Ausdehnung war leises Bronchialathmen zu hören, fast 
verdeckt von kleinblasigen, feuchten, klingenden Rasselgeräuschen. 
Unterhalb von diesen Grenzen schloss sich ein grosser Be¬ 
zirk vollen dumpfen Percussionsschalles an, 
sogenannter Schachtelton. Dieser Bezirk überschritt die normalen 
Lungengrenzen, reichte vom in der Mammillarlinie über die VII. 
Rippe hinaus; die Herzdämpfung war stark nach rechts gedrängt 
um drei Fingerbreiten über den rechten Stemalrand hinaus. Der 
Percussionsschall war vorne und hinten von der gleichen Be¬ 
schaffenheit, Athemgeräusch war in dem ganzen Bezirk über¬ 
haupt nicht zu hören, man hörte lediglich ein ganz schwaches, wie 
von fernher klingendes Rasseln, und auch dieses nur nahe den 
oberen Grenzen des Bezirkes. 

Schon aus diesem Befunde, zusammen mit den schweren all¬ 
gemeinen Erscheinungen, der starken Dyspnoe u. s. w. war 
die Diagnose eines linksseitigen geschlossenen 
Pneumothorax zu stellen. 

Nun sehen Sie hier, m. H., in der hinteren Scapularlinie, 
etwa handbreit von der Wirbelsäule entfernt, am oberen Rand der 
XII. Rippe, einen kleinen, etwas über fünfmark- 
stückgrossenBezirk eingezeichnet, und dieser Bezirk ist 
es, auf den ich ihre Aufmerksamkeit lenken möchte. Hier war 
nämlich in sitzender Stellung des Patienten bei starker Per¬ 
cussion ein ganz eigenartiger, hoch tympani¬ 
tischer, leicht metallähnlicher Percussions¬ 
schall zu hören. Diesen eigenthümlichen Schall kann ich un¬ 
gefähr nachahmen, wenn ich in dieser Weise über einem leeren, 
nach oben offenen Cylinderglase percutire. Der so producirte 
Ton ist nicht so laut als der, welchen ich bei meinem Kranken 
erhielt, aber er gibt ziemlich gut den Klangcharakter desselben 
wieder: es ist ein ausgesprochen musikalischer 
Klang, von sofort in’s Ohr fallender Tonhöhe; wie Sie sich 
überzeugen, ist es ein sehr hoher Ton, ein Ton von grosser 
Schwingungszahl; ich habe dieses Glas durch Füllen mit Wasser 
ungefähr auf die richtige Tonhöhe gestimmt. 

Wie kam dieser Klang zu Stande, was sollte man sich unter 
demselben vorstellen? 

Ein solcher exquisit tympanitischer Klang kann entstehen 
nur in einem glattwandigen, lufthaltigen Hohl- 
raum, dessen Wandung einer nicht zu starken Span¬ 
nung unterworfen ist. Einen solchen Hohlraum musste man 
also auch hier annehmen, und der nächstliegende Gedanke war 
naturgemäss der, dass derselbe unter der percutirtcn Stelle der 
Brustwand, in der Brusthöhle selbst gelegen sei. Aber wie sollte 
hier ein solcher Hohlraum zu Stande gekommen sein? An der 
untersten, tiefst gelegenen Stelle des Brustraumes, abgegrenzt 
von einer fast den ganzen linken Thorax einnehmenden Luft¬ 
ansammlung, die doch ihrerseits unter Verhältnissen stand, 
welche tympanitischen Schall nicht entstehen Hessen? Das war 
kaum zu denken. 

Ich ging also an eine genauere Untersuchung des inter¬ 
essanten Schallbezirkes heran und stellte zunächst fest, dass 
Metallklang bei Stäbchenplessimeterpercus¬ 
sion in demselben nicht vorhanden war. Hätten wir einen 
unter der Brustwand gelegenen Hohlraum von der Beschaffen¬ 
heit, dass er den geschilderten tympanitischen Klang geben 
konnte, vor uns gehabt, so hätten wir mit Stäbchenplessimeter¬ 
percussion Metallklang erwarten müssen. Ferner liess ich den 
Kranken den Mund öffnen und schliessen : der Klang 
veränderte sich nicht; ebenso wenig trat eine Verschiedenheit der 
Klanghöhe bei den verschiedenen Respirations¬ 
phasen auf. Nun versuchte ich es mit dem Lagewechsel, 
ich Hess den Kranken sich auf die rechte Seite legen, etwas 
weiter nach vorn als bei der bekannten Lage zur Milzpercussion: 
und nun zeigte sich eine Erscheinung, über die ich 
im ersten Augenblick auf’s Höchste überrascht 
war, das eben noch so deutliche Schallphänomen war vollständig 
verschwunden, an seiner Stelle hatten wir jetzt vollen Schachtel¬ 
ten, wie über der ganzen linken Thoraxhälfte. Und als ich den 
verschwundenen SchaUbezirk suchte, da fand ich ihn auch wieder, 
und zwar vorne am Thorax, neben der Herzdämpfung, an der 
Stelle dee Pleuraraums, die dem zungenförmigen Lungenlappen 

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entspricht: wie Sic sich überzeugen, wiederum an der tief st- 
gelegenen Stelle des ganzen Brustraumes. Nun, 
m. H., jetzt war es klar: Ein abgekapselter Hohlraum unter der 
Brust wand, in der Brusthöhle, konnte das nicht sein, ebenso 
wenig eine Luftansammlung überhaupt; denn es wäre nicht zu 
verstehen gewesen, wie dieselbe jedem Gesetz der Schwere ent¬ 
gegen sich immer den tiefstgelegenen Platz aussuehen sollte. Im 
Gegentheil: das was sich da so frei in der Pleurahöhle bewegte 
und bald hier bald da, immer an der tiefsten Stelle unter dem 
pereutirenden Hammer sich darbot, das musste Flüssig¬ 
keit sein, ein an Menge offenbar ganz geringfügiges Ex¬ 
sudat. 

Nun, wenn dies zutraf, so musste an der Grenze dieses Ex¬ 
sudates Succussio ITippokratis zu erhalten sein. Ich Hess den 
Kranken sich schütteln, thatsächlich war Succussio zu hören; 
und den strictestcn Beweis verschaffte ich mir durch eine sofort 
vorgenommene Probepunction, welche ja auch aus thera¬ 
peutischen Gründen angezeigt war, denn wenn ich Eiter gefun¬ 
den hätte, so hätte man an eine Operation denken müssen. Ich 
stach also bei sitzender Stellung des Kranken hart an der Grenze 
des tympanitischen Bezirkes ein, hob zuerst die Spitze der Nadel 
ein wenig und erhielt Luft, dann senkte ich die Spitze der Nadel 
und erhielt reines, helles Serum. Damit war also bewiesen, dass 
in dem tympanitischen Schallbezirk ein Ex¬ 
sudat der Brustwand anlag, dessen Grenzen, nach oben 
hin wenigstens, genau mit denen des tympanitischen Klanges 
zusammenfielen. 

Der tympanitische Klang selbst war damit freilich noch 
nicht erklärt. Wo war der Hohlraum mit nicht zu stark ge¬ 
spannter Wandung, dem der Klang seine Entstehung verdanken 
musste? Augenscheinlich war er so gelegen, dass er durch 
die Exsudatflüssigkeit hindurch percutirt 
wurde. Jetzt war auch erklärt, warum der tympanitische Schall 
nur bei starker Percussion zu hören war, während bei schwacher 
Percussion an seiner Stelle absolute Dämpfung zu finden war. 
Das Eine konnte von vomelierein gesagt werden, dass der Hohl¬ 
raum in unmittelbarem Contact mit der 
Flüssigkeit stehen musste. Und da blieben zur Erklärung 
nur 2 Möglichkeiten. Entweder lag der Hohlraum in der 
Brusthöhle, dann konnte er nur der Lunge angehören, und 
es musste dann angenommen werden, dass ein noch luft¬ 
haltiger Theil der am Hilus, sowie durch Pleuraverwach¬ 
sungen an der Spitze festgehaltenen Lunge in das Exsudat 
eintauchte und so von aussen her percutirt werden konnte. Oder 
aber der Hohlraum lag überhaupt nicht in der Brusthöhle, son¬ 
dern wurde durch irgend ein lufthaltiges Organ der 
Bauchhöhle dargestellt, am wahrscheinlichsten durch den 
Magen, welcher ja nur durch das ZwerchfeH von dem Exsudat 
getrennt war. Diese letztere Annahme schien die wahrschein¬ 
lichere zu sein, denn ich konnte mir nicht denken, dass die oben 
festgehaltene Lunge bei der ausserordentlich geringen Ausdeh¬ 
nung des Exsudates bis in dieses hineinreichen könne. Die 
Lunge ist ja beim geschlossenen Pneumothorax nicht einfach 
collabirt, sondern sie ist, soweit Verwachsungen, wie bei unserm 
Fall an der Spitze, dies nicht hindern, auf ein ganz geringes 
Volumen comprimirt durch den positiven Druck in der Pleura¬ 
höhle. Diesen positiven Druck kann man bekünntHch mano¬ 
metrisch bestimmen, er beträgt im Durchschnitt 4—6 cm Queck¬ 
silber. 

Bei der 2 Tage später vorgenommenen Autopsie zeigte 
sich denn auch, dass die Lunge hoch an der Wirbelsäule und am 
Mediastinum hinaufgezogen war und nicht bis in das Exsudat 
hinabreichte. Die Menge des Exsudates betrug etwa 300 bis 
400 ccm. Von der stark verdickten Pleura parietalis zog ein 
ganzes System schwacher, frischer, fibrinöser Verwachsungs¬ 
stränge und Membranen zur comprimirten Lunge. Diese Fäden 
waren alle sehr locker, Hessen sich leicht lösen. Der zwischen 
den alten festen Pleuraverwachsungen an der Spitze ausge¬ 
spannte Theil der Lunge war noch lufthaltig, mit Cavemen 
durchsetzt. Dieser Theil hatte noch geathmet, der übrige Theil 
der Lunge war vollständig atelectatisch. 

Ich glaube also zu dem Schluss kommen zu müssen, dass der 
besprochene eigentümliche hochtympanitische Klang 
im Magen oder in Darmtheilen entstanden und 
durch die geringe Flüssigkeitsansammlung 
hindurch nach aussen fortgeleitet worden ist. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



206 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


Wie kommt es nun aber, dass dieses Phänomen nicht bei 
jedem einfachen pleuritischen Exsudat beobachtet 
wird? (Man hört allerdings bei hochgradigem Exsudat zuweilen 
über den tiefsten Exsudatschichten Tympanie, jedoch hat diese 
durchaus keine Aehnlichkeit mit dem scharf charakterisirten 
Klang, von dem wir hier gesprochen haben.) 

Der Grund ist folgender: Ein tympanitischer, so rein musi¬ 
kalischer Klang, wie in unserem Falle, entsteht nur durch regel¬ 
mässige Schallwellen, er kann fortgeleitet werden nur durch ein 
Organ, welches in regelmässige Schwingungen versetzt werden 
kann. Das einfache pleuritische Exsudat aber ist mit der ela¬ 
stischen Lunge luftdicht eingeschlossen, es ist also ganz natürlich, 
dass die Spannungsverhältnisse des Exsudates durch den ela¬ 
stischen Zug des Lungengewebes modificirt werden, so lange die 
Exsudatmenge nicht so gross ist, dass die Lunge ihr Elasticitats- 
gleichgewicht erreicht hat. 

Ebenso, wie nun das elastische Lungengewebe selbst das Zu¬ 
standekommen regelmässiger Schwingungen der in ihm vorhan¬ 
denen Luftmassen verhindert, so verhindert das einfache pleuri¬ 
tische Exsudat die Fortlei tung regelmässiger Schallwellen, 
während die entspannte Flüssigkeit unterhalb der Luftmassen 
des Pneumothorax zu dieser Fortleitung sehr wohl geeignet ist. 
Auch wenn das Lungengewebe durch den Druck eines mäch¬ 
tigeren Exsudats seine Elasticität verloren hat, oder gar compri- 
mirt ist, sind beim einfachen pleuritischen Erguss Verhältnisse 
gegeben, welche regelmässigen Schwingungen in dem Exsudat 
hinderlich sind. Ich nenne hier nur die elastische, und durch den 
Druck des Exsudats in Spannung gehaltene Thoraxwand. Diese 
Verhältnisse werden unwirksam sein, so bald über der Flüssigkeit 
freies, comprimirbares und dehnungsfähiges Gas auf tritt. Die 
freie Luftansammlung über der Flüssigkeit ist also 
Bedingung für das Auftreten des Schall¬ 
phänomens, mit anderen Worten: Der Nachweis des 
Schallphänomens kann als Beweis angesehen 
werden für das Vorhandensein eines Pneumo¬ 
thorax. Zum Nachweis des Phänomens gehört selbstverständ¬ 
lich einmal das Auf finden des eigen thümlichen Klanges, sodann 
aber die Feststellung, dass an der Stelle desselben Flüssigkeit der 
Thoraxwand anliegt. 

Was die Häufigkeit der geschilderten Schallerscheinung be¬ 
trifft, so muss ich bemerken, dass ich dieselbe weder in dem be¬ 
kannten W e i Fachen Handbuch der topographischen Percussion, 
noch in dem Gerhard t’sehen Lehrbuch der Percussion 
und Auscultation (Ausgabe von 1890) erwähnt finde. Ich habe 
leider nicht die nöthige Zeit zur Verfügung gehabt, um die 
Literatur genauer durchzusehen, es ist mir überhaupt eine Publi- 
cation über dieselbe nicht bekannt. Demnach sollte man an¬ 
nehmen, dass die Erscheinung eine ausserordentlich seltene sei. 
Ich kann dieser Ansicht jedoch nicht beipflichten, denn der Ihnen 
vorgetragene Fall ist in den letzten drei Jahren bereits der dritte, 
von dem ich Kenntniss erhalte. Auf der medicinischen Klinik 
hier wurde das Phänomen in dieser Zeit an zwei Fällen von 
Pneumothorax beobachtet, den einen Fall habe ich als Assistent 
der Klinik gesehen, von dem anderen ist mir die Kranken¬ 
geschichte in gütigster Weise zur Verfügung gestellt worden. 
In dem einen Falle ist auch durch Probepunction festgestellt 
worden, dass in dem hoehtympanitischen Schallbezirke Flüssig¬ 
keit der Brustwand anlag. 

In diesen beiden Fällen war der Pneumothorax rechtsseitig. 
Nun liegt auf der rechten Seite zwischen Pleurahöhle und luft¬ 
haltigen Organen des Abdomens die Leber. Ich will es dahinge¬ 
stellt sein lassen, ob es möglich ist, durch Exsudat und Leber hin¬ 
durch auch mit sehr starker Percussion Darmtheile zu percutiren. 
Nehmen wir an, dies sei nicht möglich, so müsste zur Erklärung 
des Phänomens auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass 
die Lunge in Folge von festen Verwachsungen mit der Pleura 
parietalis reap. diaphragmatica nicht vollständig luftleer com- 
primirt ist und in die Flüssigkeit cintaucht. Thatsächlich han¬ 
delt es sich in beiden Fällen um ein sehr reichliches Exsudat, in 
das die Lunge möglicherweise hinabreichen konnte. Das Vor¬ 
handensein der grösseren Flüssigkeitsmonge machte im übrigen 
in beiden Fällen den Befund wesentlich complicirter als in 
meinem Falle. Erwähnen will ich nur, dass nicht über der 
ganzen Flüssigkeitsansammlung der tympanitisehe Klang zu er¬ 
halten war, sondern nur in einem bezw. in 2 getrennt liegenden, 
kleinen Bezirken innerhalb der von der Flüssigkeit bedingten 

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absoluten Dämpfung. Man müsste also, wenn man die Er¬ 
klärung von der Entstehung des Klanges innerhalb der vielleicht 
noch lufthaltigen Lunge gelten lassen will, annehmen, dass diese 
Bezirke dem Schall gebenden Lungentheil besonders nahe lagen; 
Hiermit lässt sich sehr gut die interessante Beobachtung in Ein¬ 
klang bringen, dass in den tympanitischen Bezirken der Brust¬ 
wand auch auscultatorische Erscheinungen (Athemgeräusch) 
jedenfalls doch fortgeleitet zur Wahrnehmung gelangten, die 
ausserhalb derselben nicht gehört wurden. 

Dass derbe, leitungsfähige Verwachsungen von der Lunge 
her die Schwingungen durch die Flüssigkeit zur Thoraxwand 
leiteten, glaube ich desshalb nicht annehmen zu dürfen, weil die 
geschilderten Schallbezirke in beiden Fällen bei Lagewechsel ver¬ 
schieblich waren. 

Wenn es wirklich die Lunge, bezw. die in ihr befindlichen 
grossen Bronchien sind, welche den Schall geben, so sollte man er¬ 
warten, dass beim Oeffnen und Schliessen des Mundes Schall- 
höheiiwechsel auftritt, vorausgesetzt, dass der zuführende Bron¬ 
chus nicht an einer Stelle verlegt ist. Dieser Schallhöhenwechsel 
wäre dann als W T i 11 a m s’scher Trachealton zu bezeichnen. 

Ich möchte zum Schlüsse wiederholen, dass ich das 
Phänomen, von dessen Beobachtung ich Ihnen berichten durfte, 
für weit häufiger halte, als man bei dem gänzlichen Unerwähnt¬ 
bleiben desselben in Abhandlungen über Pneumothorax ver- 
muthen sollte. Die Bedingungen für das Zustandekommen des 
Phänomens sind, wie meines Erachtens schon die Vergleichung 
der genannten 3 Fälle zeigt, in den verschiedenen Fällen ver¬ 
schieden. Eine allseitig befriedigende Erklärung wird in vielen 
Fällen sehr schwierig sein. In dem von mir beobachteten Falle 
waren so glücklich einfache Verhältnisse vorhanden, dass ich ge¬ 
glaubt habe, den Fall und die Erklärung, die sich bei Beobach¬ 
tung desselben mir auf drängte. Ihnen vortragen zu sollen. 

Discussion: Herr Geh.-Rath Bäumler kann die Häufig¬ 
keit des Vorkommens eines umschriebenen Bezirkes tympani¬ 
tischen Schalles im unteren hinteren oder seitlichen 
T h e i 1 der Brust, auch bei Vorhandensein reichlichen Ergusses 
inmitten der Dämpfung, bei Pneumothorax bestätigen. Den 
ersten derartigen Fall habe er als Hausarzt am deutschen Hospital 
in London im Jahre 1864 längere Zeit zu beobachten Gelegenheit 
gehabt, für die Entstehung dieser höchst auffallenden Erschei¬ 
nung aber keine befriedigende Erklärung zu finden vermocht. 
In jenem Fall hätte, da sich die Erscheinung auf der rech¬ 
ten Seite oberhalb der Leberdämpfung fand, von 
Entstehen regelmässiger Schwingungen in einem lufthaltigen 
Organ des Abdomens (Magen oder Flexura coli dextra) und von 
Fortgeleitetwerden derselben durch Leber und Erguss hindurch 
nach der hinteren Seite des Thorax keine Rede sein können. Zu¬ 
dem sei der Erguss ein sehr reichlicher gewesen. Die Annahme 
von in spinnw'ebenartigen Fibrinnetzen innerhalb des Exsudates 
o<ler unter Fibrinmembranen sich verfangenden Luftblasen, 
welche bei Lageveränderungen des Kranken aus dem Luftraum 
des Pneumothorax zwischen dieselben hinein gelangen könnten, 
würde die grosse Coustanz der Lage und Beschaffenheit des tym¬ 
panitischen Schalles von Tag zu Tag nicht haben erklären können. 
Auch die Autopsie habe in jenem Fall keine sichere Aufklärung 
gegeben. Ebenso sei es ihm in ziemlich zahlreichen anderen 
Fällen nicht gelungen, eine sichere Erklärung für das Phänomen 
zu finden. Wintrich 'scher Schallhöhen Wechsel sei in keinem 
einzigen Fall nachweisbar gewesen. Die namentlich in Fällen 
mit reichlichem Exsudat sehr frappante Erscheinung sei von ihm 
auch mehrfach in der Klinik demonstrirt worden. 

Die von Herrn Schneider versuchte Erklärung möge für 
den speciellen Fall, in welchem nur eine geringe Flüssigkeits¬ 
menge im Pleuraraum vorhanden war, zutreffend sein, doch könne 
man dieselbe nicht verallgemeinern, da jeder Fall neben der 
Haupterscheinung doch wieder Besonderheiten biete. Es sei 
sehr dankenswert!!, dass Herr Schneider die Aufmerksamkeit 
auf den Gegenstand gelenkt und damit zu eingehenderen Studien 
der Erscheinung angeregt habe. 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 30. Januar 1900. 

Vorsitzender: Herr R u m p f. 

Demonstrationen. 

1. Herr Waitz zeigt einen durch Laparotomie geheilten 
Fall von Perforationsperitonitis. Es handelte sich um ein per- 
foiirtes Magenulcus, das an der kleinen Curvatur, nahe der Cardin 
sass. Die peritonitischen Erscheinungen setzten stürmisch ein. 
21 Stunden danach laparotomirte W., eröffuete die Bauchhöhle 
durch eine vom Processus xiphoideus bis zur Symphyse reichenden 
Schnitt, wusch In ausgiebigster Weise mit physiologischer Koch¬ 
salzlösung aus, suchte die Perforationsöffnung auf, excidirte das 
Ulcus und nähte den Magen; nach nochmaliger Auswaschung 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


207 


wurde die Bauchhöhle völlig geschlossen. W. empfiehlt die Er¬ 
öffnung der Bauchhöhle durch grosse Schnitte und die Wasch¬ 
ungen mit Kochsalzlösung (als Anregung für die gelähmten 
Därme). 

2. Herr A r n i n g demonstrirt einen Syphilitischen mit dicht 
stehendem, lenticulären papulösen Exanthem. Sodann stellt A. 
den am 21. Februar 1899 demonstrirten Kranken mit einer dia¬ 
gnostisch schwierigen und eigentliümlicheu Hautaffection — nun¬ 
mehr geheilt — vor. (Diese Wochenschrift 1889, No. 9, pag. 30). 
Der Fall passt zu dem im Journal of cutaneous and genito-urinai 
diseases, December 1899 von C. B o e c k als multiple benign sar- 
coid of the skin beschriebenen Krankheitsbilde. Die Heilung er¬ 
folgte nach ca. 50 Injectionen von cacodylsaurem Natron. 

3. Herr Luce bespricht unter Demonstration der zugehörigen 
Organe über einen Fall von Lungengangraen. Die Kranke ent¬ 
leerte 30—50 ccm foetides Sputum pro die, fieberte unregelmässig 
remittirend und bot eine geringe Oberlappendämpfung. Die 
Untersuchung mit Röntgenstrahlen liess einen der 
Basis des Oberlappens entsprechenden, scharf prouoncirten, delta¬ 
förmigen Schatten neben einer geringen Zahl von kleineren 
Herden in der Umgebung erkennen. Auf diesen Befund hin eröff- 
nete L. nach vorheriger Pleuropulmonalnaht den 
Gangraenherd. Danach hörten die Gangraenerscheinungen auf 
und die Höhle heilte aus, wie das Präparat beweist. Trotzdem 
verfiel die Kranke, und ging unter den Zeichen einer Hemiparalyse 
zu Grunde. Die Gehirnsection ergab hierfür keinen Befund. Inter¬ 
essant ist, dass die mit dem stinkenden Inhalt der Gangraenhöhle 
beschickten anaeroben und aeroben Culturen steril blieben. 

4. Herr S u d e c k demonstrirt mit dem Apparat von Lar- 
v e y eine Anzahl von Röntgenplatten, betreffend die Inactivitäts- 
atrophie der Knochen. 

Auf Röntgenbildern erkennt man Knochenschwund, besonders 
der spongiösen Substanz der Extremitätenknochen sehr deutlich. 
Der Knochen wird durchscheinender und heller an den atrophi¬ 
schen Stellen. Die Structur entspricht oft noch genau der nor¬ 
malen, doch sind die einzelnen Bälkchen weniger massig und 
haben grössere Zwischenräume. Bisweilen ist die Structur bis 
zum völligen Verschwinden verwischt. Als Beispiele w r erden Fuss- 
bilder gezeigt, die in Folge von Pseudarthrosenbildung nach Unter¬ 
schenkelbruch der Inactivitätsatrophie verfallen waren. — Be¬ 
sonders hochgradige Atrophie zeigt das Fussskelet eines Mannes, 
der mehrere Jahre an einer schlaffen Lähmung der Beine iu 
Folge von Myelitis transversa leidet. Dagegen konnte irgend 
welche Atrophie in einem Falle von spastischer Lähmung 
der Beine nicht nachgewiesen werden. Dies ist verständlich, weil 
bei der spastischen Lähmung nur die statische Inanspruchnahme 
der Knochen wegfällt, während der Muskelzug ununterbrochen 
auf das Skelet einwirkt und eine Inactivitätsatrophie nicht zu 
Stande kommen lässt. 

Bei entzündlichen Processen des Handgelenks (tuberculös, 
phlegmonös, gonorrhoisch) tritt in erstaunlich kurzer Zeit eine auf¬ 
fallende Atrophie in den seitdem ruhig gestellten, nicht entzün¬ 
deten Köpfchen und Basaltheilen der Metacarpalknochen und der 
Phalangen ein. In einzelnen Fällen ist die Atrophie innerhalb 
weniger Wochen so hochgradig, dass man kaum annehmen kann, 
dass die secundäre Ruhigstellung die alleinige Ursache ist. Wahr¬ 
scheinlich kommt noch ein anderes Moment hinzu, analog der 
„reflectorischen“ Atrophie der Muskeln, die ein entzündetes Ge¬ 
lenk umgeben. 

Herr Krause bespricht die neueren bacteriologischen 
Methoden der Typhusdiagnose. 

Nach kurzer Einleitung, mit specieller Kritik der W i d a lo¬ 
schen Reaction, berichtet K. über die Methode der Züchtung 
der Typhusbaeillen aus Roseolenblut, welche von 
Neufe 1 d wieder eingeführt und von Cursehmann an 
20 Fällen nachgeprüft ist. K. gelang es in 6 Fällen 6 mal, meist 
untersuchte er 3 Roseolen, in einem Falle 5, ehe er positive Re¬ 
sultate erhielt. Wesentlich ist, dass man möglichst frische Rose¬ 
olen untersucht, vor Austritt des Bluts einen Tropfen steriler 
Bouillon darauf bringt und sowohl auf Glycerinagar, wie in 
Bouillon züchtet. 

Sodann bespricht K. die Piorkowsk i’sche Methode. Der 
Nährboden wird aus einem in zwei Tagen alkalisch gewordenen 
Ham vom spec. Gewichte 1020 hergestellt, zu dem 3,3 Proc. 
Gelatine und 0,5 Proc. Pepton gebracht wird. Innerhalb 17—24 
Stunden kann man dann die Typhusbacillen vom Baeterium coli 
durch unterschiedliches Wachsthum unterscheiden. Das Ver¬ 
fahren wurde nachgeprüft a) an 8 Typhusfällen, einmal mit durch¬ 
aus negativem Resultat, wahrscheinlich weil der Fall schon zu 
alt war, b) an 5 alten, künstlich weitergezüchteten Typhusstäm- 
men und au 6 alten Baeterium coli-Stämmen. Der Pior¬ 
kowsk Fache Nährboden ist eine Bereicherung der bacterio- 
logischen Untersuchungsmethoden, es ist aber durchaus noth- 
wendig, das Recept für denselben noch besser zu lixiren. Ein 
Ham, der allen P i o r k o w s k Pschen Postulaten entspricht, 
konnte unter etwa 80 Hamen nur 2 mal aufgefunden werden. 
Ausserdem sind in vielen Harnen soviel zufällige Bestandtlicile, 


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die ein Wachsthum der Bacterien häufig doch sehr beeinflussen 
werden, wie z. B. Medicamente (Jod etc.). 

Discussion über den Vortrag des Herrn Kumpf: 
Ueber den Stoffumsatz bei vegetabilischer Diät. 

Herren Edlefsen, Thost, Cohen, Bonne, Sclimi 
1 i n s k y und der Vortragende. W erue r. 


Wiener Briefe. 

f Hofrath Professor Dr. Philipp Kn oll. — Neue medi- 
cinische Kliniken in Prag. — Vorkehrungen gegen Influenza. 

— Bedingungen für die Errichtung und den Betrieb von In¬ 
stituten für B.adiographie und Radiotherapie. 

Am 31. Januar 1. J. verschied hier Hofrath Dr. Philipp 
K n o 11, ordentlicher Professor der allgemeinen und experimen¬ 
tellen Pathologie, 59 Jahre alt. Er litt an einem Aneurysma 
aortae und in den letzten Tagen an Pneumonie. Ende 1898 war 
Knoll an Stelle Stricker’s von Prag nach Wien berufen 
worden und es ist ein sonderbares Verhängniss, dass nunmehr 
schon drei hervorragende Kräfte hintereinander, welche von Prag 
nach Wien gingen — Kahler, Breisky und Knoll — nach 
kurzer Thätigkeit in Wien rasch dahinschieden. 

Knoll war in Carlsbad geboren, besuchte als Mediciner die 
Prager Universität und wurde hier 1864 zum Doctor promovirt. 
Als Assistent der I. medicinischen Klinik in Prag oblag er phy¬ 
siologischen Studien bei Eckhardt in Giessen, so dass er 1868 
dahin berufen und zum Assistenten der physiologischen Lehr¬ 
kanzel ernannt wurde. In Giessen liabilitirte er sich auch als 
Docent, ging aber bald darnach nach Prag zurück, woselbst er 
1872 zum ausserordentlichen und 1879 zum ordentlichen Professor 
der allgemeinen und experimentellen Pathologie ernannt wurde. 

Knoll’s zahlreiche Publicationen bewegten sich auf dem 
Gebiete der pathologischen Physiologie am Krankenbette. „Kno 11 

— so schrieb Docent Dr. Herrnheiser im Jahre 1898 — der 
die Bedeutung des Thierexperimentes im vollkommenen Umfange 
zu würdigen weiss, verkannte nie die NothWendigkeit, den an¬ 
gehenden Medicinern die pathologischen Phänomene auch am 
Menschen zu demonstriren, und verlangte hiezu klinischen Unter¬ 
richt, den er selbst in seiner propädeutischen Klinik ertheilte.“ 
Speciell befasste sich Knoll mit dem Studium der Kreislauf lehre 
und der Athmungsinnervation; er studirte die Entstehung und 
Beschaffenheit der Harncylinder und suchte die krankhaften 
Veränderungen an der quergestreiften Musculatur zu eruiren. 
Aus K n o 1 Fs Laboratorium und aus seiner Prager propädeu¬ 
tischen Klinik gingen zahlreiche Arbeiten hervor und zählte er 
M. Löwit, O. Kahler, Ewald Hering jun., Alois Pick, 
R. F i s c h e 1, E. K a u f m a n n, R. F u n k e u. v. A. zu seinen 
Schülern und Mitarbeitern. Auch in Wien sollte Knoll, wie 
erst jüngst in den medicinischen Zeitungen verlautete, schon 
demnächst in den Besitz einer propädeutischen Klinik gelangen. 

Philipp Knoll erfüllte aber zeitlebens noch eine zweite 
wichtige Aufgabe, er war nämlich Politiker, eine Zierde der 
deutsch-fortschrittlichen Partei in Böhmen, eine führende Per¬ 
sönlichkeit. Wiederholt Vertreter seines bedrängten Volkes im 
böhmischen Landtage, hatte er das grösste Verdienst, dass zum 
Schutze der alten deutschen Prager Universität eine Zweitheilung 
derselben in eine deutsche und tschechische durchgeführt wurde. 
Dass trotzdem die Prager deutsche Universität sich seither im 
Niedergange befindet, war wohl nicht seine Schuld, er selbst war 
jederzeit bemüht., ihr ihre historische Stellung zu bewahren. Als 
man vor wenigen Tagen daran dachte, dem Ministerium einen 
„deutschen Landsmannminister“ einzuverleiben, da wurde auch 
Hofrath Dr. K n o 11 als Candidat genannt; so hoch stand er auch 
als Politiker im Ansehen. 

Nun er hingeschieden, ist die Trauer um ihn eine tiefe und 
weitverbreitete; die Wiener medicinisehe Facultät hat abermals 
einen gewissenhaften und ausgezeichneten Lehrer, eine wissen¬ 
schaftliche Capacität ersten Ranges, verloren. Friede seiner 
Asche! 

Wenn es auch in erster Linie der leidige Nationalitätenhader 
war, der den in Prag befindlichen deutschen Gelehrten und Leh¬ 
rern das Leben verleidete, so litt speciell die deutsche medici- 
nische Facultät daselbst überdies an unzureichenden und schlecht 
bestellten Localitäten. Wir freuen uns nun, mittheilen zu können, 
dass am 1. Februar 1. J. die feierliche Eröffnung des im Prager 
allgemeinen Krankenhause errichteten Kaiser Franz Josephs- 
Pavillons stattfand, in welchem die interne Klinik des Professor 

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208 


München kr mkdicinisohk Wochenschrift. 


No. 0 . 


v. J a k s c h, die Augenklinik des Professor C z e r m a k und die 
geburtshilflich-gynäkologische Klinik des Professor S a e n g e r 
untergebracht sind. Der Deean der Facultät, Professor Czer- 
m a k, begrüsste die Gäste, worunter sich auch mehrere Wiener 
Universitäts-Professoren befanden, wonach Professor v. J a k s c h 
die Festrede hielt. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass auch 
die anderen, gegenwärtig noch in dem alten Gebäude unterge¬ 
brachten Kliniken und Abtheilungen in absehbarer Zeit in neue, 
zweckdienliche Räume übertragen werden würden. Sections- 
ehef K u s y, unser Referent im Ministerium des Innern, der 
ebenfalls anwesend war, sagte dies im Namen der Regierung zu; 
für die Fortentwicklung der Prager Universität solle geschehen, 
was nur möglich sei. — Das wäre sehr zu wünschen, da bisher 
leider viele Jahre lang Vieles versäumt wurde. 

Dem Ministerium des Innern sind Nachrichten zugekommen, 
dass die Influenza in mehreren Städten Süd- und Süd Westeuropas 
in heftiger Form epidemisch aufgetreten ist. Es steht daher 
möglicher Weise eine Verbreitung dieser Infectionskrankheit 
über ausgedehnte Gebiete des Continents wieder zu besorgen. 
Das Ministerium setzt daher die politischen Landesbehörden hie¬ 
von in Kenntniss und ladet sie zugleich ein, die Unterbeliörden 
anzuweisen, dass sie dem Auftreten von Influenza die entspre¬ 
chende Aufmerksamkeit zuwenden und mit Rücksicht auf die 
im Falle eines häufigeren Vorkommens der Krankheit voraus¬ 
sichtliche grössere Inanspruchnahme der öffentlichen Spitals¬ 
pflege die rechtzeitige Bereithaltung der noth- 
wendigen Spitalsunterkünfte zu bewirken trachten. 
Im Falle eines epidemischen Auftretens der Influenza ist in 
gleicher Weise wie über die anderen Infectionskrankheiten, hin¬ 
sichtlich welcher die Anzeigepflicht besteht, zu berichten. 

Ein eben publicirter Erlass der niederösterreichischen Statt¬ 
halterei betrifft die Bedingungen für die Errichtung und den 
Betrieb von Instituten für Radiographie und Radiotherapie. In 
dem Erlasse heisst es unterer Anderem: „Die Verwendung von 
Röntgenstrahlen zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken 
ist nur den zur Praxis berechtigten Aerzten gestattet. Der prak¬ 
tische Arzt, der in seiner Ordination Röntgenstrahlen zu thera¬ 
peutischen Zwecken verwendet, trägt, die volle Verantwortung 
für alle etwaigen schädlichen Consequenzen “ (Dieser Satz ist 
gesperrt gedruckt, erscheint uns aber als selbstverständlich. Der 
Rcf.) „Die Verwendung von Röntgenstrahlen zu therapeutischen 
Zwecken in speziellen, als Institut oder Anstalt bezeichneten 
Localen ist an eine behördliche Coneession gebunden.“ 
Der Concessionsbewerber muss sich mit speciellen Studien und 
praktischen Erfahrungen ausweisen können, muss den Nachweis 
erbringen, dass sein Apparat von einem Fachmanne aufgestellt 
und eingerichtet sei; die Localitäten müssen den allgemeinen 
hygienischen Anforderungen entsprechen; die therapeutischen 
Maassnahmen dürfen nur unter steter ärztlicher Controle vorge¬ 
nommen werden; über die behandelten Fälle sollen Kranken¬ 
geschichten geführt, endlich an die Vorgesetzten Behörden peri¬ 
odische Berichte erstattet werden. 

Im Weiteren wird der Wiener Magistrat aufgefordert, in 
dieser Richtung eingehende Erhebungen zu pflegen, die Aerzte, 
welche keine Coneession zur Führung des Titels „Institut“ be¬ 
sitzen entweder zur Ablegung dieser Titelführung oder zur Er¬ 
langung einer Coneession zu verhalten. Einzelne dieser reclamen- 
hai teil, unberechtigten Ankündigungen werden dem Magistrat zur 
weiteren Veranlassung zugemittelt. 


Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 31 . Januar 1900. 

Demonstrationen. 

Herr Veilchenfeld: 6 jähriger geistig und körperlich 
sehr zurückgebliebener Knabe mit starker Cyanose und Trommel- 
schlügel-Fingern, bei dem er auf Grund des Befundes am Herzen 
auf ein offenes Foramen ovale und einen Mitralklappenfehler U) 
schliesst. 

An demselben Knaben demonstrirt Herr Joachimsthal 
einen Sehenkelhalsdefect am rechten Oberschenkel, das Fehlen 
der rechten Patella und eine starke Einwärtsbiegung des linken 
Oberschenkelhalses. (Röntgenbild.) 

Herr S t r a u s s : Mehrere Präparate von basophilen Körn¬ 
chen in Erythrocyten und schliesst aus deren Lage, dass sie, 
tiotzdem sie ziemlich zahlreich sind, durch Kcrnzerfall entstanden 
sind. 

Herr Bloch stellt fest, dass diese Körnchen mit den von 


ihm und Grawitz in der letzten Sitzung besprochenen proto- 
plasmatischeu Körnchen nicht identisch seien. 

Herr Strauss erklärt, dass er dieses auch gar nicht be¬ 
hauptet habe. 

Herr Freudenberg : Zwei Präparate von Prostata 
hypertrophica ; die Patienten, an denen die B o 11 i n i’sche 
Operation vorgenommen war, sind an intercurrenten Krankheiten 
gestorben. Beide Präparate zeigen, dass die Operation wohl ge¬ 
lungen war. Trotzdem hält F. es für sehr wünschenswerth die 
Operation nicht ohne Controle des Auges auszuführen. Das von 
\\ ossidlo in der letzten Sitzung demonstrirte Instrumente 
halt er aber nicht für zweckmässig, da durch die Blutung nach 
dem 1 . Schnitte das Gesichtsfeld durch Blut verdunkelt werde 
und ausserdem der Knopf zum Einhakeu in die Prostata fehle. 

Herr W o s s i d I o hält diese Einwände auf Grund einer 
bereits ausgeführten Operation für rein theoretisch und hinfällig. 

Tagesordnung. 

Herr F. Hirschfeld: Zur Prognose der Glykosurie 
und des Diabetes. 

II. unterscheidet zwischen einer einfachen Glykosurie von 
kurzer Dauer und Diabetes. Letzteren hält er für unheilbar. Im 
Gegensatz zu 0 a n t a n i, der Besserung des Diabetes durch Ent¬ 
ziehung von Kohlehydraten nur bei leichteren Fällen gesehen 
haben will, schwere Fälle für unzugänglich hält, hat II. häutig 
auch bei schweren Fällen bedeutende Besserung gesehen; eine 
strenge längere Entziehung hält Vortragender für unthunlich, er 
gibt daher 50—100 g Kohlehydrate täglich. Vortragender be¬ 
tont in U eberein Stimmung mit Külz und Rumpf die grosse 
Labilität der Glykosurie. Bei frischen Fällen, in denen etwa 
1 Sechstel des einverleibten Zuckers durch den Urin wieder aus- 
geschioden wurde, sali II., wenn er Anfangs 50—60 g, später 
ca. 200 g Kohlehydrate gab, nach einiger Zeit Besserung; bei 
längerem Bestehen der Krankheit war die Besserung viel seltener, 
er sah stets Verschlimmerung durch Ueberlastung mit Kohle¬ 
hydraten. Fand Vortragender ausser Glykosurie die Acetonaus¬ 
scheidung vermehrt, so zeigte sieh viel grössere Neigung zur spou- 
tanen Verschlimmerung; bei verschlechterter Resorption der 
Nahrung, die er in verhültnissmässig wenigen Fällen antraf, 
lässt II. eine Verschlimmerung der Glykosurie dahingestellt sein. 


Als äussere Momente für die Verschlimmerung sind inter¬ 
currente Krankheiten zu nennen, besonders Influenza (oft Koma, 
Zunahme der .Glykosurie), dann schmerzhafte Koliken, die häufig 
mit Gallensteinkoliken verwechselt werden (Durchfälle, wechselnd 
mit \ erstopfung). Man muss hier an Pankreaserkrankung den¬ 
ken. Einfache Durchfälle wirken in der Regel günstig auf die 
Glykosurie. Furunkel, Karbunkel, Gangraen verschlimmern die 
Glykosurie, nach Operation tritt Besserung ein. Pneumonie, 
Pleuritis, Typhus abdominalis, Perityphlitis sind meist ohne Ein¬ 
fluss (auf die Glykosurie), hei einzelnen Fällen tritt sogar Besse¬ 
rung ein, wahrscheinlich durch die Inanition. 

Psychische Afl'eete und schmerzhafte Affectionen wirken un¬ 
günstig. Herzschwäche soll man nicht als so wichtig behandeln 
wie die Glykosurie, da die Herzbeschwerden bei antidiabetischen 
Maassregeln zurückzugehen scheinen. Bezüglich des Ernährungs¬ 
zustandes bemerkt Vortragender, dass gutes Aussehen nicht 
immer Zeichen von Besserung wäre, in 3 seiner Fälle sei trotz 
Zunahme des Körpergewichts die Zuckerausscheidung ge¬ 
wachsen; in leichten Fällen soll man nicht zu viel überernähren! 
Bei Alkoholikern sei Diabetes selten. Auf Grund seiner Er¬ 
fahrung hält Vortragender die leichten Fälle prognostisch für 
viel günstiger, als man bisher glaubte. Für relativ geheilt hält er 
die lalle, in denen die Patienten fortdauernd 200 g Kohlehydrate 
ohne Schaden vert ragen. Doch soll man solche Leute vom Zueker- 
genuss fernhalten. Frauen soll man vor dem Heirathen warnen, 
wegen Öfters (‘intretender Verschlimmerung während der 
Schwangerschaft. 


„ , . , . , . ; - — . v j,i 1 11ivv'iiui Keinen unter¬ 

schied zwischen einfacher Glykosurie und Diabetes au. Er hält 
den Diabetes junger Leute für gefährlich, den älterer Leute für 
günstiger. Doch kommen auch Ausnahmen vor. Fälle mit stark 
positiver Acetessigsäurereaetion hält er für sehr schwer, und den 
betreffenden Diabetes pankreatischen Ursprungs; ist die Reaction 
schwacher, hält er die Fälle für nicht ganz so ungünstig. 

K. hält im Gegensätze zu Hirschfel d die Herzschwäche 
bei Diabetes für sehr gefährlich, und warnt vor Entziehungscuren 
In diesen Fallen. Nervösen Diabetes hält K. für viel günstiger 
als pankreatischen. Er vermisste in II.’s Vortrag die Erwähimn- 
der Albuminurie bei Diabetes; Patienten mit Albuminurie bei Dia 


*) Combinntion von Messer und Cystoskop. 


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6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


209 


bctes soll man nicht mit ängstlicher Diät behandeln, besonders 
ältere, auf diese machen Kohlehydrate oft keinen Eindruck. 

Herr Veilchenfeld will im Gegensatz zu Hirsch 
feld völlige Heilungen von Diabetes gesehen haben, viele Fälle 
seien unabhängig von der Diät. 

Herr Senator will junge Mädchen, die heiratlien wollen, 
besonders desshalb gewarnt wissen, weil Uebertraguug des Dia¬ 
betes auf die Nachkommen sehr oft vorkomme. 

Herr Silex erzählt von alten 70—80jährigen Leuten, die 
seit 25 Jahren ihren Diabetes hätten und keine Diät hielten. Bei 
Leuten mit Netzhautblutungen sah er nach Besuch von Karlsbad 
oder diätetischer Heilanstalten wohl Besserung des Diabetes, aber 
Zunahme der Netzhautblutungeu. 

Herr Hirschfeld: Schlusswort. 

Max Secklmau n. 


Verein für innere Medicin in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 29. Januar 1900. 

Demonstration: 

Herr Paul Cohnheim: einen 54 jährigen Mann mit 
..intermittirender Form“ von Magenectasie, d. h. es wechselten 
Zeiten gutenWohlbeflndens mit schlechten ab. Die letzten beiden 
Attacken durch Oelcur, nämlich Eingiessung von 100—150 g in den 
ausgewaschenen Magen, schnell zur „Heilung“ gebracht. Als 
Ursache der Beschwerden nimmt Vortragender ein recidivireudes 
Ulcus am Pylorus an, das durch das Oel günstig beeinflusst wird. 
Gleicher Erfolg in zwei ähnlichen Fällen. 

Tagesordnung. 

Herr Geh.-Rath Koenig a. G.: Die chirurgische Be- 
handlung der Nierentuberoulose. 

Die Nierentuberculose war noch zu einer Zeit, die er selbst 
miterlebt, eine so gut wie unbekannte Krankheit. Vor Allem hat. 
sich die Chirurgie nicht darum gekümmert. Zuerst wurden die 
*ogen. „chronischen Blasenkatarrhe“ als Tubercu- 
1o*en erkannt und zwar der Nieren. 

Eine unbefangene Betrachtung beginnt erst mit der Zeit, als 
der Beweis erbracht war, dass Menschen auch mit einer Niere 
leben können. Nicht sofort wandte man sich mit Bewusstsein 
dazu, tuberculöse Nieren zu entfernen; man entfernte sie im An¬ 
fang unter anderem Titel, doch schon 1883 und 84 gibt es eine 
Statistik der Operation der Nierentuberculose. Man muss 2 Zu¬ 
stände auseinander halten, die Erkrankung der Niereusubstanz 
olme Betheiligung des Nierenbeckens und die sogen, pyelitische 
Form. Letztere kann entweder aus der orsteren durch Durch¬ 
bruch eines Nierenherdes entstehen, oder umgekehrt durch Ueber- 
g reifen einer Nierentuberculose auf die Nierensubstanz. Die 
erstere Eorcn, d. h. die Erkrankung der Niere ohne Betheiligung 
des Nierenbeckens bietet der Diagnose solche Schwierigkeiten, 
dass sie meist erst auf dem Sectionstisch erkannt wird; doch 
konnte Vortr. zweimal diesen Uebergang beobachten und zwar 
einmal nach einer Gonococceninfcction und einmal nach Terp- 
pentininhalationen. 

Die pyelitische Form bietet auch bei fehlendem Bacillen- 
bofund ein typisches Bild: Chronischer Blasenkatarrh, der all¬ 
mählich mit trübem Harn beginnt und Lost immer mit häufigem 
Harndrang und Schmerzen in der Harnröhre, namentlich der 
Frau, einhergeht. Kommen dazu die typischen Nierenschmerzen, 
bald leicht und ziehend, bald kolikartig, so wird die Diagnose 
um so sicherer, wenn nur eine Seite befallen erscheint. Der Boden¬ 
satz des Harns enthält Epithelien, namentlich sogen. Uebergangs- 
epithelien, Eiterkörperchen, eigenthümliche Faserstoffklümpchen, 
welchen Blut in allen Formen anklebt, Blutungen sind nicht 
selten der Anfang des ganzen Leidens; es kommt dabei zuweilen 
zu einem förmlichen Blutsturz. 

Die Niere ist sehr häufig gesenkt und ein Tumor an der¬ 
selben zu fühlen. Endlich kommt dazu das oft in Schüben exa- 
cerbirende hectische Fieber und die auffallende Blässe der 
Patienten. 

Diese Symptome berechtigen heutzutage zur Diagnose einer 
Nierentubercodose, auch dann, wenn die Bacillen im Harn fehlen. 
Die Bacillen sind trügerisch, Verwechslungen mit Smegmabacillen 
nicht selten. — Cystoskopisch sieht man in der Blase an der 
T T rctermündung ganz bestimmte Formen von Schwellung und 
Erosionen. 

Sind diese Symptome vereinigt, dann sind, wie er sich 
selbst überzeugte, alle internen Mittel vergeblich; es hilft nur 
eine Operation. 

Es gab eine Zeit, in der er hoffte, bei Gelenktuberculosen 
durch Ausschälung der kranken Herde viel erreichen zu können. 


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Tn derselben Befangenheit befinden sich heutzutage noch Viele 
gegenüber der Nierentuberculose. Doch bleibe Resection 
von Nierenstücken nur für seltene und besondere Fälle. Auch 
die von ihm mit Spaltung der Niere Behandelten sind 
kläglich zu Grunde gegangen, wenn er nicht noch rechtzeitig 
die einzig angebrachte Operation ausführt, die Exstir¬ 
pation der ganzen kranken Niere. 

Vor deren Vornahme muss man sich natürlich zu überzeugen 
suchen, dass der Kranke noch eine zweite Niere hat. Die Huf ■ 
eisen li iere kann man zumeist fühlen, schlimmsten Falls ge¬ 
lingt es von dieser, aus der Verschmelzung zweier Nieren ent¬ 
standenen, die kranke Niere abzutragen. 

Gefährlich könnte aber die Operation bei Solitärniere 
werden; doch ist diese häufig zu diagnosticiren, da meist der 
gleichseitige Hoden fehlt. 

Die Frage, welche Niere erkrankt ist, lässt sich zumeist cysto¬ 
skopisch an dem abnormen Abfluss des Harns erkennen, und zwar 
ohne den gefährlichen Katheterismus des gesunden 
Ureters. 

Tn einer Reihe von Fällen ist es aber nicht möglich, die 
Nierentubcreulose zu diagnosticiren und in einer anderen Reihe 
nicht zu entscheiden, welche Niere die erkrankte ist. Unter 20 
vom Vortr. operirten Fällen war zweimal eine falsche Diagnose 
gestellt und keine Tuberculöse gefunden worden. Ein oder zwei¬ 
mal war er „auf die Smegmabacillen reingefallen“. 

Drei von den übrig bleibenden 18 sind an Uraemie gestorben, 
davon war in dem einen die zurückgelassene Niere ebenfalls käsig 
entartet, während in den beiden anderen eine acute Anurie auf¬ 
trat, für deren Zustandekommen die Section eine starke Degene¬ 
ration des Nierenepithels aufdeckte. Sie stammen aus einer Zeit, 
in der noch starke Desinficientien im Unmaass angewendet 
wurden. 

Die Frage, ob man überhaupt operiren kann, wenn die andere 
Niere auch erkrankt ist, muss entschieden bejaht werden, da sich 
das Befinden nach der Operation bedeutend bessert. Mit Bewusst¬ 
sein hat er die Operation ruhig ausgeführt, wenn er wusste, dass 
die Blase oder der Hoden oder die Prostata tuberculös erkrankt 
sind. 

Von den 18 Operirten mit Tuberculöse der Nieren waren 
12 Frauen, 6 Männer. 6 starben mehr oder weniger im Anschluss 
an die Operation; 3 von diesen starben an anderweitiger Tuber¬ 
eulose, 3—9 Wochen p. op. 

12 blieben erhalten, wovon einer zwar erst in der 5. Woche, 
aber auf dem Wege völliger Reeonvalescenz ist. 3 sind ideal ge¬ 
heilt, darunter solche, die schon dem Tode nahe waren und Tuber¬ 
eulosen anderer Organe, wie des Hodens oder der Prostata hatten. 
Die Heilung hält schon viele Jahre an. 3 weitere sind 2—2 l / f 
Jahre geheilt. 

Von den nicht völlig Geheilten sind einige Daten interessant. 

Im einen Falle bestand eine Nierenblutung, die aber aus 
der gesunden Niere gestammt haben muss, da sich nach der Ope¬ 
ration der kranke Ureter völlig obliterirt zeigte. Nachdem dies 
erkannt und damit die Diagnose auf Erkrankung beider Nieren 
umgeändert worden war, war das Erstaunen um so grösser, als 
sieh die Patientin erholte. 7 Jahre vergnügt lebte und dem Sport 
huldigte; gegen den Rath des Vortr. heirathete sie und starb im 
Puerperium. 

In einem anderen Fall wurde einer fast in extermis befind¬ 
lichen Frau ein sehr grosser Abscess eröffnet, die damit communi- 
cirende tuberculöse Niere entfernt und die Frau erholte sich auf’s 
Beste. Jetzt schreibt der Gatte, Arzt, dass es seiner Frau alF die 
Jahre ausgezeichnet gegangen sei, abgesehen von häufigem Harn¬ 
drang; erst in der letzten Zeit hätten sich Beschwerden auf der 
anderen Seite eingestellt. 

Also auch in solch’ verzweifeltem Falle lässt sich noch was 
Gutes durch die Operation erreichen. 

Discussion: Die Herren Litten, Landau, Cas- 
per, M. Wolff, Fürbringer. H. Kohn. 

Verschiedenes. 

Curiosa aus der Praxis. 

Befreiung von einer blutenden Ohrwarze durch 
— ein V o 1 k s m 111 e 1 (Urin!). 

Eine 58 jährige Frau hatte in der Fossa intercruralls des 
rechten Ohres eine Warze, die ihr seit einiger Zeit dadurch Be¬ 
schwerden machte, dass sie schon bei geringer Berührung, beim 
Waschen, Kämmen der Haare etc. zu bluten anflng und dann 


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210 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


durch die oberflächlich sitzenden Blutgerinnsel sehr auffiel. Ich 
machte, da bekanntermaassen aus derartigen epidermoidalen Ge¬ 
bilden sich leicht Carcinome entwickeln, der Dame den Vorschlag, 
ich wolle die Warze vollständig herausschneiden, es gelinge voll¬ 
kommen schmerzlos (nach Schleie h) und hinterlasse eine 
kaum sichtbare Narbenlinie. Allein die messerscheue Patientin 
ging nicht darauf ein. Ich hörte nichts mehr von ihr, bis ich 
nach etwa 3—4 Wochen zu ihr gerufen wurde. I)a fand ich die 
Frau hochfiebernd im Bette, mit einem auf die rechte Gesichts¬ 
hälfte beschränkten Erysipel: es reichte genau bis zur Mittel¬ 
linie, die Stirne und der Nasenrücken waren bis dahin geschwollen 
und setzten sich scharf gegen die andere Hälfte ab. Praeauricu- 
lar-, Maxillar- und Sublingualdrüsen der rechten Seite waren stark 
infiltrirt und druckempfindlich. Nach einigen Tagen heilte das 
Erysipel ab — und damit schwand die Warze. Diese Erscheinung 
ist ja nicht neu, dass durch Erysipel Neubildungen, ja selbst 
Sarkome und Carcinome schwinden können (siehe No. 7. 1890 d. 
Münch, med. Wochensclir.), hat doch Prof. R. E m meri c li sogar 
sein Heilserum gegen Milzbrand, Tuberculose. Carcinom etc. auf 
Grund solcher Beobachtungen aus abgetödtoten Erysipelcoccen- 
culturen hergestellt (Jahrg. 1.894. No. 28 dieser Wochensehr.). Aber 
diese meine Auffassung, die ich allerdings nicht vorbrachte, 
fand keine Gnade vor den Augen der Patientin. Lächelnd zeigte 
sie mir ihr von der Warze befreites Ohr. .Ta, oft meinen die 
Doctoren, es ginge nur mit Schneiden, aber im Volke seien doch 
gar manche Mittel bekannt, von denen die gelehrten Herren nichts 
wüssten. So habe ihr eine „alte“ Frau gcrathen. die Warze 
jeden Morgen mit dem Naehtharu einer Jungfrau zu benetzen, 
und das habe geholfen. Allerdings: der Effect war da, und der 
Urin war auch die Causa efficiens. indem er sicherlich die Ver¬ 
anlassung zu dem heilenden Erysipel bot. 

Dr. F. Mosbachcr - Bochum. 

Therapeutische Notizen. 

Ein Zusammenhang zwischen Traum a u n «1 
acutem Gelenkrheumatismus wird bekanntlich von 
den einschlägigen Lehrbüchern nicht anerkannt. Schulze- 
herge glaubt aus 2 eigenen Beobachtungen, bei denen sich die 
Gelenkerscheinungen fast unmittelbar an das Trauma ausehlossen, 
schliessen zu müssen, dass ein solcher Zusammenhang doch be¬ 
steht. (Monatsehr. f. Unfallheilkunde. 12, 1899). Seitz berichtet 
über 38 Fälle, die er aus 771 Krankengeschichten des La za rot hs 
Neu-Ulm zusammengestellt hat, und die ihm alle für den ge¬ 
nannten Zusammenhang zu sprechen scheinen. (Dieselbe Zeitschi*.. 
11, 1899.) In einem von C. Müller berichteten Fall waren schon 
fast 4 Monate seit der eisehlügigeu Verletzung verstrichen. (Die 
selbe Zeitschr. 8, 1899.) K r. 

r • • 

Zur Frage der traumatischen Nephritis 
iiussert sich in der Monatsschrift für Unfallheilkunde 11, 1899 
Stern- Breslau. Er erwähnt zunächst, diejenige Nierenverletz¬ 
ung, bei welcher der Harn während der ersten Tage demjenigen 
bei acuter Nephritis gleicht, wo sich aber bei der Autopsie nur 
ausgedehnte Nekrosen finden. Bei den nicht letal verlaufenden 
Fällen gehen die Erscheinungen in der Regel wieder vollkommen 
zurück. In den selteneren Fällen, wo die Albuminurie bestehen 
blieb, sind bisher sonstige Erscheinungen von Nephritis nicht 
beobachtet worden. In denjenigen Fällen, bei denen nach einem 
Nierentrauma eine wirkliche Nephritis zurückblieb, hat diese 
wahrscheinlich schon vor dem Trauma bestanden. K r. 


Gastralgie. Stare empfiehlt bei Gastralgien ohne posi¬ 
tiven Befund im Anfall je einen Theelöffel folgender Mischung 
zu nehmen: 


Rp. Chloral. hydrat. 1.0, 

Natr subsulf. 2.5, 

Aq. menth. pip. 30.0. 
M. D. S. 

(Medical News, 5. August 1899.) 


F. L. 


Seekrankheit. Dem Boston med. and surg. Journal vom 
27. Juli 1899 entnehmen wir folgende Vorschrift, welche zwar 
ebensowenig eine Panacee gegen Seekrankheit ist, wie alle übrigen 
bisher empfohlenen Mittel, nach den eigenen Erfahrungen des 
Referenten aber immerhin in manchen Fällen ein werthvolles 
Mittel gegen das Erbrechen und die Nausea bildet, und auch pro¬ 
phylaktisch zu empfehlen ist. Die Vorschrift lautet: 


Rp. Menthol. 0.1, 

Cocain, muriat. 0.2, 
Syr. simpl. 30 0, 

Spir. dil. 00.0. 


M. D, S. stündlich ein Theelöffel. F. L. 


Beseitigung des Jodoformgeruchs. Nach 
R i c k e 11 s lässt sich der unangenehme, nach Jodoformanwen¬ 
dung an den Händen haftende Geruch am einfachsten und 
sichersten durch eine nach gründlicher Waschung mit Seife 
erfolgende Einreibung mit etwa ein Kaffeelöffel voll Weinessig 
entfernen. (Medical News, 1. Juli 1899.) F. L. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 6. Februar 1900. 

— Die Hamburger Bürgerschaft hat den Antrag, betreffend 
die Umgestaltung des Seemannskrankenhauses 
und Verbindung desselben mit einem Institut für Schiffs¬ 
und Tropenkrankheiten, am 24. v. Mts. angenommen. 
Die Frage eines deutschen tropenhygienischen Instituts ist damit 
in glücklicher Weise gelöst. Der Wortlaut des Antrages, der 
genauere Angaben über die geplanten Einrichtungen enthält, 
findet sich auf S. 211 d. Nummer. 

— Der Bundesrath hat den (in No. 3, S. 108 mltgetheilteid 
Entwurf von Vorschriften über den Verkehr mit 
Geheimmitteln in seiner Plenarsitzung vom 25. v. Mts. ge¬ 
nehmigt. Das von den Centralbehörden zu erlassende Verzeichniss 
der als Geheimmittel anzusehenden Arzneimittel wird In allen 
Bundesstaaten gleichlau(end sein. Man wird dasselbe so her- 
steilen, dass alle Bundesregierungen zur Einreichung von Listen 
aufgefordert werden, die dann im kaiserlichen Gesundheitsamte 
gesichtet werden sollen und aus denen ein von dem Bundesrathe 
zu genehmigendes, für alle Bundesstaaten maassgebendes Ver¬ 
zeichniss aufgestellt werden soll. 

— Der bei der Berliner Ausstellung für Krankenpflege er¬ 
zielte Uebersehuss von 14 000 M. wurde als erstes Kapital für die 
Begründung eines Museums für Krankenpflege be¬ 
stimmt. 

— Anlässlich des in Frankfurt im Mürz tagenden Balneo- 
logen-Congresses veranstaltet die Baineologische Gesellschaft eine 
Ausstellung für Krankenpflege, welche vom 8. bis 
18. März in der Landwirthsehaftlichen Halle stattfinden wird. Es 
hat sieh zu diesem Zwecke ein grosses Comitö gebildet, dem die 
Spitzen der Behörden in Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Mainz 
etc. sowie die hervorragendsten Aerzte dieser Städte und Kliniker 
der Universitäten Giessen, Heidelberg, Marburg und Wtirzburg 
angehören. 

— Pest. Türkei. Laut Bericht aus Assyr vom 25. November 
v. J. ist in Beni Scliehir die Pest aufgetreten und hatte bereits 15 
Todesfälle verursacht. — Britiscli-Ostindien. In der Woche vom 
23. bis 30. December v. J. hat die Zahl der Todesfälle an Pest in 
ganz Indien nur unbedeutend weiter abgenommen, sie betrug 1370 
gegen 1384 In der Vorwoche; dagegen sank in der Präsidentschaft 
Bombay die Zahl der gemeldeten Todesfälle erheblich, von 808 auf 
700. und in Kalkutta von 50 auf 33. Weiter gestiegen ist die Zahl 
der Pesttodesfälle in der Stadt Bombay, und zwar von 278 auf 295, 
auch stieg die Gesammtzalil der Todesfälle daselbst von 1552 iu 
der Vorwoche auf 1077. — Japan. Bis zum 19. December v. J. 
waren 20 Fälle von Pest in Japan amtlich festgestellt, 22 derselben 
hatten bis dahin einen tödtlichen Ausgang genommen. — Mada¬ 
gaskar. Seit dem 31. December v. J. werden den aus Tamatave 
abgehenden Schiffen wieder reine Gesundheitspässe ertheilt. da 
die Pest in diesem Hafen erloschen ist. —Neu-Oaledonien. Vom 
1. bis einschl. 4. Januar sind in Numea noch 5 Erkrankungen und 
5 Todesfälle an der Pest festgestellt. 

— In der 3. Jahreswoche, vom 14. bis 20. Januar 1900, hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterb¬ 
lichkeit Danzig mit 30,7, die geringste Schöueberg mit 8.1 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb an Masern in Danzig. Plauen, Wtirzburg; an 
Diphtherie und Croup in Aachen. Plauen. 

— Die Aeadömie de mödecine zu Paris hat die Herren K a - 
p o s i - Wien, Erb- Heidelberg und Hansen- Bergen zu corre- 
spondirenden Mitgliedern ernannt. 

— Die Cur anstatt Neu witteis b ach hat eint? 
Sammlung für Gründung von halben und ganzen Freiplätzen für 
minderbemittelte Kranke der gebildeten Stände eröffnet. Wie wir 
hören, betheiligt sich Dr. v. H o e s s 1 i n durch Gründung eines 
Freiplatzes aus eigenen Mitteln, während die aus dem Ergebniss 
der Sammlung auf genommenen Kranken zu einem unter dem 
Durchschnitts-Selbstkostenpreis der Anstalt stehenden Satze auf 
Rechnung des Freiplatzfonds verpflegt und unentgeltlich ärztlich 
behandelt werden. Die Aufnahmebedingungen werden später 
bekannt gegeben. Ueber die Aufnahme der Patienten wird eine 
Commission von Aerzten entscheiden. 

— Kurz vor dem XIII. Internationalen medicinischen Congress 
findet zu Paris (vom 23.—28. Juli) der 1. „Congrds inter¬ 
national de mödecine professionelle et de döon- 
tologie inödicalo” statt. Als Verkehrsbureau für diesen 
Congress functionirt das Reisebureau „Voyages pratiques“ zu 
Paris, 9, rue de Rome, durch w*elches jede nähere Auskunft ertheilt 
wird. 

— Die von M. B r e s g e n im Verlage von C. M a r h o 1 d in 
Halle herausgegebene „Sammlung zwangloser Abhandlungen aus 
dem Gebiete der Nasen-, Ohren-, Mund- und Halskrankheiten“ er¬ 
scheint in Zukunft als Monatsschrift. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin. Prof. Goldscheider hat den Ruf nach Greifs- 
w*ald abgelehnt. 

Greifswald. Der ordentl. Professor und Director der 
medicinischen Poliklinik in Marburg, Prof. Dr. K r e h 1. hat einen 
Ruf als Director der hiesigen medicinischen Klinik erhalten und 
angenommen. 

Halle a. S. An Stelle von Herrn Geheimrath Prof. Dr. 
Weber, der am 1. April 1900 seine Stelle als Director der 
k. medicinischen Klinik niederlegt, ist der ordentliche Professor 


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6. Februar 1900. 


MÜNCHENER MFÜICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


211 


und Director der mediciniselien Poliklinik, Dr. Frlir. v. Meriug, 
ernannt worden. 

Heidelberg. Geb. Rath Prof. Pr. Erb wurde von der 
Pariser Akademie der Medicin zum auswärtigen convxp.unlirenden 
Mitglied gewählt. 

Florenz. Habilitirt: Dr. A. Mugnai für Chirurgie. 

Rom. Habilitirt: Pr. G. Mazzoni für Gynäkologie. 

(Todesfälle.) 

Dr. Tourdes, früher Professor der gerielitliehen Mediein 
zu Nancy. 

In Brüssel der Ohrenarzt Pr. Charles Del stau che. 
39 Jahre alt. 

In Wien Hofrath Dr. Philipp Knol 1. Professor der allge¬ 
meinen Pathologie (s. den Nekrolog auf S. 207.) 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Der prakt. Arzt und bezirksärztliche Stellvertreter Pr. Joseph 
Bernpointner In Iminonstadt wurde zum Bezirksarzt I. CI. 
in Wolf stein ernannt. 


Amtliches. 

(Hamburg.) 

Mittheilung des Senats an die Bürgerschaft. 

Hamburg, den 13. Januar 1900. 

Antrag, betreffend Umgestaltung des Seemannskrankenhauses 
und Verbindung desselben mit einem Institut für Schiffs- und 
Tropenkrankheiten. 

Nach dem Gesetz, betreffend Anstellung eines Hafenarztes, 
vom 24. März 1893 ist der Hafenarzt verpflichtet, auf Anordnung 
des Senats die Leitung einer Krankenabtheilung in einem Hospi¬ 
tal zu übernehmen. Zur Begründung dieser Verpflichtung war in 
dem Senatsantrage vom 17. März 1893 ausgeführt. es erscheine 
wünsehenswerth, dass derHafenarzt der praktischenMediciu nicht 
ganz entfremdet werde. Schon bald nach Beginn der amtlichen 
Thätigkeit des Hafenarztes stellte sich indess heraus, dass diese 
Thätigkeit nicht nur die Erhaltung einer allgemeinen Verbindung 
mit der praktischen Medicin erfordert, sondern dass die neuen und 
eigenartigen Aufgaben des hafeuärztlichen Dienstes es nothwendig 
machen, dass der Hafenarzt möglichst viele der im Hafen inner¬ 
lich erkrankten Seeleute selbst beobachtet und behandelt. 

Die Krankheitsverhältnisse der Seeleute bieten nicht nur hin¬ 
sichtlich ihrer Entstehung, sondern auch bezüglich ihres Verlaufes 
eine Reihe wichtiger Besonderheiten, die mit dem moderneu 
Schiffsleben im engsten Zusammenhänge stehen und zur Zeit nach 
manchen Richtungen hin noch nicht genügend erforscht sind. Die 
raschen lind zu immer grossartigeren und complicirteren Verhält¬ 
nissen drängenden Fortschritte im Bau und Betriebe der modernen 
Schiffe haben auch die alten Anschauungen über die Sehiffs- 
hygiene vollständig über den Haufen geworfen. Die Fortbildung 
der Schiffshygiene bildet daher eine Hauptaufgabe des Hafen¬ 
arztes, der nach der bei Schaffung seines Amtes verfolgten Absicht 
seine Thätigkeit nicht auf die routinemässige Controle der Schiffe 
behufs Abwehr der Einschleppung fremder Volksseuchen be¬ 
schränken soll, sondern, wie in dem Senatsantrage vom 17. März 
1893 hervorgehoben, als „der Vertreter eines hochwichtigen 
wissenschaftlichen Specialfaches“, nämlich der Schiffshygiene an¬ 
zusehen ist. Die moderne Schiffshygiene aber muss erst auf 
einer genauen Kenntniss und dauernden Beobachtung der Krank¬ 
heitsverhältnisse der Seeleute aufgebaut werden. 

Um nun dem Hafenarzt die erforderlichen Kraukenbeobach- 
tungen möglich zu machen, wurde ihm, nachdem er schon vorher 
vorübergehend Im Seemauuskrankeuhaus thätig gewesen war, im 
Mal 1895 eine Abtheilung von 25 Betten für innerlich erkrankte 
Seeleute Im Alten Allgemeinen Krankenhause zur oberärztlichen 
Leitung überwiesen. Für später war schon damals in Aussicht 
genommen, ihn mit der Leitung des Seemannskrankenhauses zu 
betrauen. Inzwischen ist daun im § 17 der neuen Medicinal- 
ordnung ausdrücklich bestimmt, dass die Leitung des Seemanns- 
krankenhauses fortan mit dem hafeuärztlichen Dienst verbunden 
sein soll. Damit wird das Seemannskrankenhaus seiner ursprüng¬ 
lichen Bestimmung zurückgegeben werden, nachdem es seit Jahren 
immer mehr ein chirurgisches Krankenhaus für Unfallverletzte im 
Hafen, einerlei ob Seeleute oder andere Personen, geworden war, 
sodass sich die Mehrzahl der Aufgenommenen aus Schauerleuteu 
und Werftarbeitern zusainmeusetzte. Diese Unfallverletzten 
sollen fortan dem Hafenkrankenhaus überwiesen werden. 

Wenn nun das Seemanuskrankenbaus zu einer Stätte ausge¬ 
bildet werden soll, in der die Besonderheiten der Krankheiten der 
Seeleute nicht nur beobachtet und behandelt, sondern auch mit ein¬ 
ander verglichen, gesammelt und zur Weiterbildung der Schiffs¬ 
hygiene benutzt werdeu, so ergeben sich daraus in unmittelbarer 
Folge noch zwei weitere wichtige Aufgaben. Zunächst die Vor¬ 
bildung von Schiffsärzten der Handelsmarine für ihren Beruf. 
Die Nothwendigkeit einer besonderen Vorbildung dafür ist all¬ 
seitig anerkannt, und sie nach Kräften zu fördern, dürfte in erster 
Linie der Beruf Hamburgs sein. Sodann die Förderung der 
Kenntniss und der Erforschung der Tropenkranklieiten. Hamburg 
hat einen sehr grossen Verkehr mit den Tropen und unter den 
krank hier ankommenden Seeleuten bilden die mit tropischen 
Krankheiten behafteten eine Anzahl und Auswahl, wie sie kaum 

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in einem anderen Hafen des europäischen Festlandes und sicher 
nirgends in Deutschland reichhaltiger zu Anden ist. Zum Studium 
dieser Krankheiten und zur Vorbildung von Aerzten für unser«* 
tropischen Colonien und Handelsniederlassungen gibt es daher in 
Deutschland keinen geeigneteren Platz als Hamburg. 

Dieser Ansicht ist auch die, einer Erforschung der Tropen¬ 
krankheiten erklärlicher Weise (las lebhafteste Interesse entgegen¬ 
bringende Colonialabtlieilung des Auswärtigen Amtes in Berlin. 
Zuerst hatte dieselbe au die Errichtung eines Tropen hygienischen 
Instituts in Berlin gedacht. Bei den hierüber gepflogenen Ver¬ 
handlungen aber, an denen auch als »Sachverständiger der hiesige 
Hafenarzt Pr. Nooht theilgenonnuen. ergab sich, dass für das 
gewünschte Institut Berlin wegen des dort fehlenden Kranken- 
material« nicht der richtige Ort ist. Nachdem die Colonialabthei¬ 
lung dann von der in Hamburg geplanten Umgestaltung des 
Seemannskrankenhauses zu einem dem Hafenarzt unterstellten 
Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiton Kenntniss erhalten, 
hat sie dem Senate gegenüber den Wunsch ausgesprochen, für die 
Vorbildung ihrer Tropenärzte und die gutachtliche Beurtheilung 
hygienischer Fragen in unseren Colonicn sich an dem hier in Aus¬ 
sicht; genommenen Institut in geeignet erscheinender Weise be¬ 
theiligen zu können. In Folge dessen haben Verhandlungen 
zwischen Vertretern der Colonialabtheilung und des Senats unter 
Zuziehung von Sachverständigen stattgefunden und ist auf Grund 
derselben das Folgende vereinbart worden. 

1. Hamburg übernimmt die Errichtung eines Instituts für 
Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

2. Dem Institut steht, ein Chefarzt vor, der von Hamburg im 
Einvernehmen mit der Colonialabt heilung ernannt wird. Pie 
Stelle des Chefarztes soll thunliehst mit dem Amt des Hafeuarztes 
verbunden sein. 

3. xVn dem Institut werden ferner beschäftigt: 

a) ein klinischer Assistent und ein Volontärarzt. 

b) ein medieinischer Assistent zur Unterstützung des Hafen¬ 
arztes bei den nicht klinischen wissenschaftlichen Untersuchungen 
und bei Ausübung der Lelirthätigkeit. 

c) ein chemischer Assistent zur Vornahme von pharma 
een tischen lind chemisch-hygienischen Untersuchungen. 

4. Pie zu 3a und 3c genannten Persönlichkeiten werden von 
Hamburg im Einvernehmen mit der Colonialabtlieilung eruannv. 
Pie letztere behält sich vor, für die Stelle des Chemikers erst¬ 
malig einen in den Tropen besonders bewährten Pharmaeeuten 
in Vorschlag zu bringen, dessen Gehalt näherer Festsetzung Vor¬ 
behalten bleibt, jedenfalls aber nicht unter 5000 M. betragen soll. 

In die zu 3b genannte Stelle wird die Colonialabtlieilung im 
Einvernehmen mit Hamburg einen geeigneten Arzt entsenden, der 
von Hamburg freie Station und, wenn es sich eiurichten lässt, auch 
freie Wohnung erhält 

5 Hamburg wird einstweilen 10—12 Arbeitstische einrichten 
und davon 5 gegen eine jährliche Zahlung von je 1000 M. zur Ver¬ 
fügung des Reiches halten. 

(i. Hamburg stellt die erforderlichen Krankenbetten jederzeit 
in der von der Colonial Verwaltung gewünschten Anzahl zur Ver¬ 
fügung. Für die Behandlung und Verpflegung der Kranken sind 
die für die Hamburgisclien staatlichen Krankenhäuser allgemein 
üblichen Sätze seitens dos Reiches zu vergüten. 

7. Als Pflegepersonal sollen Schwestern Verwendung finden. 

8. Das Institut soll am 1. October 1900 in’s Leben treten. 

Per Senat erachtet diese Vereinbarung l'tir den Umständen 

angemessen. Die wissenschaftliche Behandlung der Schiffs- und 
Tropenhygiene in dem vom llafenarzt geleiteten Seemanns 
krankeuhaus auf Grund des hier in reichem Maasse vorhandenen 
Krankenmaterials bildet eine wesentliche Ergänzung unseres 
hafenärztlichen Dienstes und eine nur in enger Verbindung mit 
diesem zu lösende Aufgabe, die demnach naturgemäss Hamburg 
zufällt. Anderseits entspricht der geplanten Benutzung des von 
Hamburg zu errichtenden und zu leitenden Instituts für die 
Colonialinteressen des Reichs die in Aussicht genommene finan- 
cielle Betheiligung der Colonialabtlieilung des Auswärtigen Amts 
und ein Einfluss derselben auf die Besetzung der wissenschaft¬ 
lichen Beamtenstellen, llinznzufügen ist noch, dass die Zahl der 
der Colonialabtlieilung zur Verfügung zu stellenden Betten nach 
den bisherigen Erfahrungen 20 nicht übersteigen wird und dass 
gefährliche ansteckende Krankheiten, wie Pocken, Cholera, Pest, 
im Seemanuskrunkenlmuse nicht Aufnahme finden sollen. 

Bezüglich der vorzunehmenden baulichen Aenderungen ist das 
Folgende zu bemerken. Das Seemannskrankenhaus besteht, 
gegenwärtig aus dem an das Seemannskrankenhaus angebauten 
Hauptgebäude und einem daneben im Hofe des Seeiuannshauses 
befindlichen einstöckigen Pavillon. Das Hauptgebäude, in dem 
zur Zeit noch eine Anzahl Kranker untergebracht ist, erscheint 
nach modernen ärztlichen Anschauungen zur Aufnahme von 
Fieberkranken und anderen innerlich schwer erkrankten Personen 
nicht geeignet Es sollen desshalb hierher die bisher an anderer 
Stelle befindlichen Bureauräume des Hafenarztes verlegt und es 
sollen ferner hier die erforderlichen Laboratorien mit der vor¬ 
gesehenen grösseren Zahl von Arbeitsplätzen und die Wohnungen 
für einzelne Angestellte hergerichtet werden. Der Pavillon, in dem 
sich jetzt 30 Kranke befinden, muss, um 00 Betten auf nehmen zu 
können und ferner Wohnräume für die mit der Krankenpflege zu 
betrauenden »Schwestern zu bieten, seiner ganzen Länge nach um 
ein zweites und im Mittelbau noch um ein drittes Stockwerk er¬ 
höht werden. Das Nähere über die hiernach in Aussicht ge¬ 
nommenen Umbauten ergibt sich aus deu von der Baudeputation 
ausgearbeiteten Bauplänen, die mit dem Kostenanschläge auf der 


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212 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. ß. 


Kanzlei der Bürgerschaft niedergelegt sind. Die Baukosten sind 
auf 96 000 M. geschätzt. Zu denselben kommen noch 20 000 M. 
für die Herstellung einer massiven Umfriedigung des Anstalts¬ 
terrains, die im Interesse der Aufrechterhaltung der Krunkeuhaus- 
ordnung und insbesondere zur Verhinderung eines Verkehrs der 
Patienten mit dem draussen befindlichen Publicum dringend er¬ 
forderlich Ist, sowie eine Vergütung von 13 (HX) M. au die See- 
mannscasse, die einen Theil des ihr gehörigen, für ihre Zwecke 
sehr werthvollen Terrains bei dem Seemannshause hergibt, um 
das Anstaltsterrain zu vergrössern, und im Hinblick auf die au 
sie gestellten erheblichen Ansprüche sowohl wie auf ihre Leis 
tungen Anspruch auf eine billige Entschädigung für das von ihr 
gebrachte Opfer hat. Bezüglich der Grösse und Gestalt des An¬ 
staltsterrains, das zum Theil als Garten für Reconvalescenteu 
dienen soll, wird auf den auf der Kanzlei der Bürgerschaft nieder¬ 
gelegten Lageplan verwiesen. 

Die Kosten des Inventars und der inneren Einrichtung der 
Laboratorien mit Instrumenten etc. sind zur Zeit noch nicht ge¬ 
nügend zu übersehen, doch werden dieselben nach der Schätzung 
der Baudeputation und des Hafenarztes voraussichtlich 92 000 M. 
nicht übersteigen. Die jährlichen Kosten des Seemannskranken¬ 
hauses und des damit zu verbindenden Instituts für Schiffs- und 
Tropenkrankheiten werden sich gegenüber den bisherigen Kosten 
des Seemannskrankenhauses (73 000 M.) um etwa 23 000 M. er¬ 
höhen; denselben stehen übrigens, w r ie bisher, die Einnahmen au 
Krankengeldern, sowie ferner die oben erwähnten Beiträge des 
Reiches gegenüber Auch wird die bisherige Miethe für die 
Bureauräume des Hafenarztes Wegfällen. 

Was endlich die Frage betrifft, welcher Verwaltungsbehörde 
das Seemannskrankenhaus und das demselben angegliederte 
wissenschaftliche Institut zu unterstellen seien, so hat das Medi- 
cinalcollegium in Uebereinstimmung mit dem Krankenhaus 
collegium das Folgende vorgetragen: Der Betrieb des Kranken¬ 
hauses und des Instituts müsse in engster Verbindung mit dem 
hafenärztlichen Dienst stehen. Insbesondere sei es wünschen»- 
werth, die Hilfsärzte ohne Weiteres sowohl im Aussendienst wie 
im inneren Krankendienst verwenden zu können, damit einerseits 
den hafenärztlicheu Assistenten Aussichten auf eine spätere kli¬ 
nische Thätigkeit eröffnet und so bessere Kräfte für den hafeu- 
ärztlichen Dienst gewonnen werden können, andererseits aber eine 
vorübergehende Vertretung des Hafenarztes auch im Aussendienst 
durch den älteren klinischen Assistenten ermöglicht werde. 
Dazu komme, dass es nicht ratlisam erscheine, den Hafenarzt be¬ 
züglich verschiedener Theile seiner doch ein einheitliches Ganzes 
bildenden Thätigkeit von 2 verschiedenen Behörden abhängig zu 
machen. Der Senat erachtet diese Ausführungen der betheiligten 
Behörden für sachgemiiss und hat sich daher in Uebereinstimmung 
mit denselben dahin entschieden, das umgestaltete Seemanns¬ 
krankenhaus und das mit demselben zu verbindende Wissenschaft 
liehe Institut dem Medicinalcollegium zu unterstellen. 

Auf Grund des Vorstehenden beantragt der Senat, die Bürger 
Schaft wolle es mitgenehmigen, 

* 1. dass das Seemannskrankenhaus zu einer Heilanstalt für 
innerlich erkrankte Seeleute und Tropenkranke umgestaltet und 
mit einem wissenschaftlichen Institut für Schiffs- und Tropen¬ 
krankheiten verbunden w^erde; 

2. dass das Seemannskrankenhaus und Institut für Schiffs¬ 
und Tropenkrankheiten dem Medicinalcollegium unterstellt werde: 

3. dass zum Umbau des Seemannskraukenhauses 116 000 M. 
und als Vergütung an die Seemannscasse für dieUeberlassung eines 
Theiles ihres Terrains bei dem Seemannshause 15 000 M. bewilligt 
werden, und dass die Finanzdeputation ermächtigt werde, diese 
Summen bestmöglich anzuleihen. 

Angenommen von der Bürgerschaft am 24. Januar 1900. 


Correspondenz. 

An die Redaction der Münchener medicinischen 
Wochenschrift. 

Die unheilvollen Verhältnisse der Kieler medicinischen Klinik. 

In No. 4 Ihrer Wochenschrift ist wiederholt mein Name ge¬ 
nannt als Urheber der „unheilvollen** Verhältnisse der Kieler 
medicinischen Klinik. 

Ich will hier die in Betracht kommenden Thatsachen 
kurz mittheilen, damit die zahlreichen Collegen, welche Ihre so 
weltverbreitete Zeitung lesen, sich ein Urtheil über die Sach¬ 
lage bilden können. 

1. Ich habe vom Jahre 1873 bis zum Jahre 1892 nicht ein¬ 
mal, sondern sechsmal bei der Königlichen Regierung den 
Antrag gestellt, mir, wegen unerträglich gewordener Zustände, 
eine neue chirurgische Klinik zu bauen und das alte 
Krankenhaus der medicinischen Klinik zu überlassen. Ich habe 
dazu ausführliche Baupläne eingereicht und als besten Bau¬ 
platz diejenige Stelle vorgeschlagen, wo jetzt noch das alte 
Pockenhaus und die alten Holzbaracken stehen und wo jetzt die 
hohen Stangen aufgerichtet sind. Im dritten Stockwerk des 
Hauptgebäudes sollten die Assistenten wohnen. 

Erst im Jahre 1892 habe ich erfahren, dass, ohne mein 
Wissen, der Plan gemacht war, eine neue medicinische 
Klinik, und zwar im Garten meiner Dienstwohnung, zu bauen 
und der chirurgischen Klinik das alte Krankenhaus zu lassen. 

Gegen diesen Plan habe Ich Einspruch erhoben, denn ich 
bleibe bei meiner Ansicht, dass, wenn überhaupt eine neue Klinik 


gebaut werden soll, dies im Interesse der Universität nur die 
chirurgische sein darf. 

2. Mir sind nicht einmal, sondern viermal Berufungen 
au andere Universitäten zu Theil geworden. Bei der Ablehnung; 
der drei letzten Ist mir Seitens der Regierung jedesmal zugesagt 
w r orden, dass meine Dienstwohnung mir bis an mein Lebensende 
gelassen w T erden solle und dass die Aussicht von derselben und 
von meinem Garten aus niemals verbaut w r erden würde. 

3. Die Vergrösserung meiner Dienstwohnung 
wurde mir im Jahre 1884 von der Regierung bewilligt als eine Ent¬ 
schädigung dafür, dass dennoch der grösste Theil der Aussicht 
verbaut w r orden war, weil die im Schlossküchengarten errichteten 
Gebäude (das physiologische Institut und das zoologische Museum) 
viel höher geworden w^aren, als ich es den Baumeistern zuge¬ 
standen hatte. 

Dies ist mein letztes Wort in dieser Sache! 

Dr. Friedrich v. E s m a r c h. 


Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee 

für den Monat December 1899. 


Iststärke des Heeres: 

63836 Mann, 16 Invaliden, 210 Kadetten, 147 Unteroff.-Vorschüler. 







Unter- 



Maun 

Invali¬ 

den 

Kadetten 

Offlaier- 

ror- 

schüler 

1. Bestand waren am 

30. November 1899: 

1786 

2 

5 

2 


[ im Lazareth: 

1204 

— 

1 

14 

2. Zugang: < 

im Revier: 

3274 

— 

14 

— 

[ in Summa: 

4478 

— 

15 

14 

Im Ganzen sind behandelt: 

6264 

2 

20 

16 

°/oo der Iststärke : 

98,1 

125,0 

95,2 

108,8 


dienstfähig: 

4542 

— 

18 

15 


°/oo der Erkrankten : 

725,1 

— 

900,0 

937,5 


gestorben: 

8 

— 

— 

— 

3. Abgang: • 

°/oo der Erkrankten : 
invalide : 

1,3 

23 

z 

I 

— 


dienstunbrauchbar : 

110*) 

— 

— 

— 


anderweitig : 

242 

— 

2 

— 


in Summa: 

4925 

— 

20 

15 

4. Bestand 
bleiben am j 
30. Nov. 1899. 

[ in Summa: 

1339 

2 

— 

1 

°/oo der Iststärke : 

1 davon im Lazareth : 

1 davon im Revier: 

21,0 

926 

413 

125,0 

2 

— 

6,8 

1 


Von den in Ziffer 3 aufgeführten Gestorbenen haben gelitten 
an: Bauchfell Taberculose 1, Geschw’ulstbildung im Gehirn 1, Lungen¬ 
entzündung 5 ^darunter zweimal Complication mit Brustfellent¬ 
zündung, je einmal mit Herzbeutel- und eiteriger Hirnhautent¬ 
zündung), an allgemeiner Bauchfellentzündung (in Folge Durch¬ 
bruchs des Wurmfortsatzes) 1. 

Ausser militärärztlicher Behandlung starb noch 1 Mann in 
Folge von Hufschlag auf die Vorderseite der Brust (Herzlähmung). 

Der Gesammtverlust der Armee durch Tod betrug demnach im 
Monat December 9 Mann. 

*) Darunter 49 gleich bei der Einstellung. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 4. Jahreswoche vom 2h bis 27. Januar 1900. 

Betheil. Aerzte 287. — Brechdurchfall 7 (13*), Diphtherie, 
Croup 15 (13), Erysipelas 8 (10), Intermittens, Neuralgia interm. 

3 (-), Kindbettfieber 2 (1), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 
451 (623), Ophthalmo Blennorrhoea neonat. 5(—), Parotitis epidem. 
5 (6), Pneumonia crouposa 42 (23), Pyaemie, 8eptikaemie — (—), 
Rheumatismus art. ac. 36 (28), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 

4 (10), Tussis convulsiva 22 (17), Typhus abdominalis 4 (l), 
Varicellen 12 (9), Variola, Variolois — (—). Summa 616 (654). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 4. Jahreswoche vom 21. bis 27. Januar 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000. 

Todesursachen: Masern 19 (21*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Croup 1 (2), Rothlauf 1 (3), Kindbettfieber — (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (1), Brechdurchfall 2 (5), Unterleibstyphus 
1 (—), Keuchhusten — (1), Croupöse Lungenentzündung 2 (1), 
Tuberculose a) der Lungen 31 (82), b) der übrigen Organe 4 (8), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 8 (5), Unglücksfftlle 5 (4), Selbstmord — (1), Tod durch 
fremde Hand 1 (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 270 (196), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 30,3 (27,6), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 21,1 (17,5). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


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Verlag von J. F. Lehrnjann in München. — Druck von X. Mühlthaler’a Buch- und Kunatdrackerel A.Q., München. 

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(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 

Herausgegeben von 

Ck. Blamier, 0. Bollinger, H. Cirsefeiatw, C. Gerhardt, W. i. Helaeki, 6. Merkel, i. i. Michel, H.». Ranke, F. v. Wlnckel, H. r. Zlensaen, 

Fretburg 1. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


M 7. 13. Februar 1900. 


Redaction: Dr. B. Spats, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 

sssssseasaa 


Originalien. 

Studien über Entzündung seröser Häute. 

Von Dr. med. R. Heinz in Erlangen. 


Untersuchungen über die Wirkung entzündlicher Agentien 
hat inan an den verschiedensten Geweben und Organen ange¬ 
stellt. Insbesondere sind, der günstigen localen Verhältnisse 
wegen, die Haut bezw. das subeutane Bindegewebe, und die sicht¬ 
baren Schleimhäute vielfach zu Entzündungsstudien benützt 
wurden. Man hat Stoffe auf oder in die Conjunctiva, oder die 
Cornea , oder auch in den vorderen Kammerraum gebracht 
(lieber u. A.), man hat Substanzen der äusseren Haut aufge¬ 
tragen, oder in dieselbe eingerieben, oder unter die Haut injicirt 
(J anowski u. v. A.); als günstiges Beobachtungsobject ist 
namentlich das Kaninehenohr viel benützt worden (Samuel etc.). 
Als ganz besonders geeignet für das Studium experimentell her¬ 
vorgerufener Entzündung haben sich ferner die serösen Membranen, 
insbesondere Pleura und Peritoneum, erwiesen. Ihre ausgedehnten 
Flächen gewähren ein übersichtliches Bild der Veränderungen, 
so dass man sofort die Art der Entzündung erkennen kann; der 
Füllungszustand der Gefässe, die Beschaffenheit und Menge des 
Exsudates kann leicht berurtheilt werden; Blutungen, Eibrin- 
auflagerungen, Verwachsungen fallen sofort in’s Auge. Auch 
für die mikroskopische Untersuchung bieten Pleura und Perito¬ 
neum mannigfache Vortheile. An den grossen Serosazellen sind 
nekrotische wie regenerative Processe leicht zu erkennen; an den 
unter der Serosa gelegenen Organen lässt sieh feststellen, in 
welcher Weise das entzündliche Agens auf die Gewebe eingewirkt 
hat, und wie tief die Einwirkung sich erstreckt. Namentlich das 
Mesenterium ist für das Studium der Entzündung ein sehr ge¬ 
eignetes Object, da man bei der Durchsichtigkeit der Gewebe die 
ablaufenden Processe an allen Gewebsbestandtheilen: Blutge¬ 
fässen, weissen und rothen Blutkörperchen, Gewebszellen, direct 
übersehen kann. 

Ich habe zunächst die entzündungserregenden Eigenschaften 
von Terpentin und Jod an Pleura und Peritoneum studirt. Man 
erhält dabei Bilder, die typische Beispiele für zwei generell ver¬ 
schiedene Arten von Entzündung bieten. Terpentin bewirkt 
herdförmige eiterige Entzündung mit Nekrose der unmittelbar 
getroffenen Gewebselemente und, auf eine schmale Zone sich er¬ 
streckender, reactiver Entzündung. Die Wirkung des Jods er¬ 
streckt sich weiter in die Tiefe; sie besteht in diffus-entzündlicher 
Heizung der Gewebe — ohne Gewebsnekrose — mit Bildung eines 
reichlichen serösen Exsudates, und Auswanderung zahlreicher 
weisser und namentlich rother Blutkörperchen; auf die freie 
Oberfläche von Pleura bezw. Peritoneum wird typisches Fibrin 
abgeschieden; einander anliegende seröse Membranen verwachsen 
miteinander. Eine Schilderung dieser beiden Entzündungstypen 
habe ich in meiner Arbeit: lieber Jod und Jod Verbindungen 
(Virehow’s Archiv, Bd 155) gegeben. Hier sollen die feineren 
histologischen Vorgänge, die sich bei dem Zustandekommen von 
Eiterung, Fibrinbildung und Verwachsung seröser Häute ab¬ 
spielen, näher untersucht werden. 

Bei den Versuchen mit Terpentin hatte ich den kleinen 
Kunstgriff gebraucht, das Terpentinöl nicht rein, sondern in mög¬ 
lichst feiner Emulsion (mit der 10 fachen Menge physiologischer 
Kochsalzlösung) zu injiciren. Dadurch erreichte, ich, dass das 


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Terpentinöl in Form kleinster Tröpfchen zur Einwirkung kam, 
und jedes solche Tröpfchen einen kleinen Entzündungsherd mit ten 
in gesundem Gewebe erzeugte. Dies war namentlich deutlich in 
der Peritonealhöhle. Hier fanden sich auf den Därmen, auf dem 
Netz, auf dem Mesenterium, zahlreiche isolirte kleine Eiterherde. 
Dieselben sind rund, scharf umgrenzt, und ragen bläschenartig 
über das Niveau der Darmoberfläche etc. hervor. Ein Querschnitt 
durch die Darm wand mit einer solchen Eiterkappe (s. Eig. 3) zeigt 
die letztere wie einen Pilz, mit ausspringenden Rändern, der 
ersteren auf sitzen. In der unmittelbaren Nähe der Eiterkappe 
ist die Serosa gelockert und verbreitert, die Grundsubstanz ver¬ 
waschen, die Korne schlecht oder gar nicht gefärbt: kurz die Se¬ 
rosa zeigt nekrotische Erscheinungen; auch die äussere Muskel¬ 
schicht erscheint zum Theil degenerirt. Die innere Muskelschicht 
wie die Schleimhaut mit ihren Drüsen und Zotten zeigen keine 
V eränderungen. 

Wie entstehen nun diese Eiterkappen und welches ist ihr 
feinerer Bau? Auf den ersten Blick scheinen die Verhältnisse 
’f ^hr einfach zu liegen: Die Terpentintröpfchen wirken, wo sic* 
haften bleiben, offenbar chemotactisch und verursachen Aus¬ 
wanderung massenhafter Leukocyten in ihrer unmittelbaren 
Nähe. Indem immer mehr Leukocyten auf die freie Oberfläche 
wandern, erheben sie sieh zu einem bläschenförmigen Gebilde, 
das der relativ wenig veränderten Serosa oberflächlich aufsitzt. 
Durch die schädigende Einwirkung des Terpentins gehen zahl¬ 
reiche Leukocyten unter, und das Innere der Eiterbläschen ist 
daher zum grossen Theil von nekrotischen Massen erfüllt. — 
Die« ist aber nicht die wirkliche Entstehung der Eiterbläschen. 
Eine durch Terpentin an gelockte Auswanderung 
der weissen Blutkörperchen auf diefreie Oberfläche der 
Serosa findet nicht statt. Der Vorgang ist vielmehr ein ganz 
anderer. Bei genauer Durchforschung des Eiterbläschens ent¬ 
deckt man nämlich in demselben hier und da — ausser Leuko¬ 
cyten und deren Zerfallsproducten — andere Gewebselemente: 
Bindegewebsfasern und Bindegewebskernc, die zuweilen ganze 
Nester bilden. Solche Bindegewebsinseln finden sich, freilich oft 
stark verändert, bis unmittelbar unter den freien Rand des Eiter- 


Gewebsreste im Eiterherd 


Entstehender Eiterherd 



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Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. 

Terpcnt infnjeetion. 

bläschens (s. Fig. 3). Das letztere ist also nicht allein aus Leuko¬ 
cyten gebildet; an seiner Zusammensetzung betheiligen sich auch 
bindegewebige, offenbar von der Serosa abstammende Elemente. 
'Betrachtet man nun die kleinsten, bezw. jüngsten Herde, so er¬ 
kennt man, dass in der äussersten Serosaschicht ein spindel¬ 
förmiger Eiterherd eingelagert ist (s. Fig. 1). In der Mitte ver¬ 
decken die Eiterkörperchen das Grundgewebe fast ganz; am 
Rande aber sieht man, wie die Leukocyten den Bindegewebsfasern 
zwischengelagert sind. Auch sieht man die äussere Fläche des 
spindelförmigen Eiterherdes, wenigstens stellenweise, mit Endo¬ 
thel überzogen; es ist alo kein Zweifel, dass die Einlagerung von 

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Eiterkörperchen innerhalb der oberflächlichen Gewebsschichten 
erfolgt. Diese Einlagerung wird immer stärker; die Serosa wird 
halbkugelig aufgetrieben; dieLeukocyten verdrängen immer mehr 
Gewebe, das bis auf geringe Reste verschwindet (s. Fig. 2); 
schliesslich ist eine pilzförmige Kappe entstanden, die auf den 
ersten Blick ganz aus Eiterkörperchen zusammengesetzt erscheint 
(Fig. 3). 

Es fragt sich, ob eine locale stärkere Auswanderung von 
Leukocyten auf die freie Oberfläche der Serosa überhaupt vor¬ 
kommt. Um dies zu entscheiden, müsste man den Entzündungs¬ 
reiz bedeutend abschwächen, so dass die nekrotisirende Wirkung 
auf die Gewebe wegfiele. Noch besser würden sich rein chemo- 
tactisch wirkende Substanzen eignen, die neben der leukocyten- 
anlockenden keine gewebsreizende Wirkung besitzen. Auch hier 
w'ürde sich das Einbringen kleinster fester Partikelchen 
besser als die Injection diffus sich verteilender Lösung eignen, 
weil man wiederum localisirte kleine Herde erhielte, deren Zu¬ 
sammensetzung und Genese leicht zu eruiren wäre. Es würde 
hierbei auch das Verhältniss zwischen chemotactischer Wirkung 
und Entzündungsvorgang, bezw. zwischen Leukocytenanlockung 
durch chemischen Reiz und Leukocytenauswanderung durch ent¬ 
zündliche Irritation klargelegt werden können. Ich hoffe, später 
über die Resultate derartiger Versuche berichten zu können. 

Bei dem Studium der entzündungerregenden Eigenschaften 
des Jods hatte sich ergeben, dass Injection von L u g o Pseher Lö¬ 
sung reichliche Ablagerungen von typischem Fibrin auf Pleura 
und Peritoneum hervorruft. Nun ist gerade in der letzten Zeit 
über die Herkunft des Fibrins auf serösen Häuten lebhaft dis- 
cutirt worden. Ich habe desshalb die Jodinjection als Mittel be¬ 
nützt, solche Fibrinmembranen zu erzeugen, und an ihnen die 
Entstehung des Fibrins zu studiren. 

In der Frage nach der Herkunft des Fibrins stehen sich zweier¬ 
lei Anschauungen st riet gegenüber: Nach der einen — der älteren 
und auch heute noch allgemeiner angenommenen — entsteht das 
Fibrin durch Exsudation plasmatischer Flüssigkeit aus den Ge¬ 
lassen und nachträgliche Gerinnung des Exsudates — nach der 
anderen wird es durch Umwandlung — sog. „fibrinoide Degene¬ 
ration“ — aus den oberflächlichsten Gewebsschichten gebildet. 
Welches sind die Gründe, die für letztere Anschauung angeführt 
werden ? 

1. Das Verhalten des Endothels. Wenn die Fibrinschicht 
durch Exsudation sich bildete, so müsste das Serosaendothel 
unterhalb derselben verlaufen. Nun findet sich aber — wenn 
auch nur selten und stellenweise — die Fibrinschicht nach 
aussen von Endothel überkleidet. Folglich sei sie aus den 
obersten Serosaschichten hervorgegangen. Nun muss aber zuge¬ 
geben w f erden, dass dennoch nicht selten eine fortlaufende Endo- 
thelschicht unter der Fibrinmembran sich finde. 
Dies wird dann so gedeutet, dass jenes Endothel nicht Serosa¬ 
endothel darstelle, sondern irgend einer Lymphspalte der Serosa- 
angehÖre, längs welcher die Abtrennung der äusseren, fibrinoid- 
degenerirten, Schicht erfolgt sei. 

2. Directer Uebergang von Fibrin in Bindegewebe. Mittels 
seiner sogenannten Pikroearminmethode, mittels deren Fibrin 
gelb, Bindegewebe roth gefärbt wird, zeigte N e u m a n n , dass 
häufig gelbe Schollen direct in roth gefärbtes Bindegewebe über¬ 
gingen, wodurch die Entstehung von Fibrin aus degenerirendem 
Bindewebe bewiesen sei. 

3. Vorkommen von Bindegewebselementen in der Fibrin¬ 
schicht. Grawitz gibt an, dass man bei frischer Untersuchung 
von Fibrinmembranen, auf Zusatz von Essigsäure stets Reihen 
von schmalen Kernen: deutlichen Bindegewebskemen, consta- 
tiren könne, dies beweise zwingend die Abstammung aus Binde¬ 
gewebe. 

Meine Beobachtungen an Schnitten durch die oberfläch¬ 
lichen Lungenpartien sammt der aufsitzenden Fibrinschicht, er¬ 
gaben Folgendes: Die Fibrinschicht erscheint als durchscheinende 
der Lungenoberfläche mehr minder fest anhaftende Membran., 
Dieselbe zeigt sich unter dem Mikroskop zusammengesetzt aus 
einem Netzwerk feinster Fasern. Um körperliche Elemente, 
z. B. um Leukocyten herum, sind diese Fasern strahlig ange¬ 
ordnet; sie gehen von dem Zellleib selbst aus, verzweigen sich 
mannigfach und bilden ein dichtes Netzwerk feiner Fäden. In 
den Knotenpunkten dieses Netzwerkes sind Körnchen eingelagert, 
so dass dasselbe wie bestäubt erscheint. Es ist genau dasselbe 


Bild, das entsteht, wenn man einen Tropfen Plasma unter dem 
Mikroskop zur Gerinnung bringt. In der That bietet die Fibrin¬ 
schicht völlig den Eindruck eines geronnenen Exsudates; von, in 
Umwandlung begriffenem, Bindegewebe ist nichts zu sehen; von 
Gewebs- bezw. körperlichen Elementen sind nur Leukocyten, 
bezw. einzelne Erythrocyten in der Fibrinschicht zu constatiren. 
Es kann kein Zweifel sein, dass wir es hier mit Exsudatfibrin, 
nicht mit fibrinoid degenerirtem Gewebe zu thun haben. 

Wie verhalten sich nun die Pleuraepithelien ? Von diesen 
sieht man auf weite Strecken nichts; sie sind in Folge des Ent¬ 
zündungsreizes abgestossen worden. An anderen Stellen sieht 
man jedoch das Endothel in fortlaufender Schicht unter der 
Fibrinmembran: es.hat also die Exsudation durch die Pleura¬ 
elemente hindurch stattgefunden. An manchen Stellen dagegen 
hat der Exsudatstrom das Endothel abgehoben und vor sich her¬ 
geschoben; es kann uns daher nicht wundern, dass die Fibrin¬ 
membran streckenweise nach aussen von Endothel über¬ 
kleidet ist. 

Das Exsudatfibrin stammt aus den oberflächlichen Gefässon 
der Pleura und der Lunge. Der Exsudatstrom hat, um auf die 
freie Oberfläche zu gelangen, die peripheren Gewebsschichten zu 
durchdringen. Hierbei wird aber, noch innerhalb des Gewebes, 
ein Theil des Exsudates in Form von Fasern und Netzen ausge- 
fällt, und erfüllt das Gewebe manchmal so dicht, dass die Structur 
desselben stellenweise ganz verdeckt ist. Mit Fibrinfärbemitteln 
färbt sich auch dieses dem Gewebe eingelagerte Fibrin specifisch, 
und es kann so die Täuschung entstehen, dass das Gewebe selbst 
zu Fibrin umgewandelt sei, während es in Wirklichkeit in seiner 
Structur erhalten und nur von Exsudatfibrin stellenweise dicht 
imprägnirt ist. 



Nach dem Gesagten scheint die Entstehung des Fibrins bei, 
durch Jodinjection hervorgerufener, acuter adhaesiver Entzündung 
vollständig aufgeklärt zu sein. Die einfachen, hier vorliegenden 
Verhältnisse werden aber complicirt durch eigenthümliche Vor¬ 
kommnisse. ln der hellen, durchscheinenden Fibrinschicht finden 
sich nämlich hier und da dunkle, opake Stellen (s. Fig. 4), theils 
mit blossem Auge, theils mit der Lupe erkennbar. Dieselben 
zeigen unter dem Mikroskop einen von dem Exsudatfibrin ganz 
abweichenden Bau:' man findet sie zusammengesetzt aus Gewebs- 
fasern und Zellen, bezw. Zellkernen. Von den Fasern sind ein¬ 
zelne stark lichtbrechend und spiralig gewunden; die Kerne sind 
theils oval und gross, theils spindelförmig, klein. Fasern wie 
Zellen sehen verändert, gequollen und verwaschen aus. — Was 
haben diese Gewebsinseln zu bedeuten? Haben wir es mit 
„fibrinoid degenerirtem“ Gewebe zu thun, und wie kommt das¬ 
selbe mitten in das Exsudatfibrin hinein? — Um diese Fragen zu 
entscheiden, habe ich den Fibrinbildungsprocess in seinen ein¬ 
zelnen Stadien verfolgt, und vor Allem die Exsudat- bezw. Fibrin¬ 
massen frisch (in physiologischer Kochsalzlösung — mit Essig¬ 
säure — unter Anwendung von Versilberung, Macerirung etc.) 
untersucht. Es wurde einer Anzahl Kaninchen je V, ccm 1 proc. 
Jod-Jodnatriumlösung in den Pleuraraum injicirt und nach 6, 
12, 18, 24 etc. Stunden untersucht. 12 Stunden nach der Jod¬ 
injection fand sich in der Pleurahöhle reichlich hellgelbe oder 
schwachröthlich gefärbte, zähe Flüssigkeit, die, in einem Schäl¬ 
chen aufgefangen, sofort gerann. In dieser durchsichtigen Gal¬ 
lerte beobachtet man kleine opake, weissliche Flocken und Fetzen: 
theils membranartige, theils spiralig gewundene Gebilde. Bringt 
man dieselben unter das Mikroskop und zerzupft oder macerirt 
sie, so findet man sie aus folgenden Bestandteilen zusammen- 


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MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 7. 


Gründen ist das Jod wie kein anderes Mittel geeignet, rasche Ver¬ 
einigung von serösen Wänden (z. B. bei einer Hydrocele) herbei¬ 
zuführen. Nach meinen Versuchen erscheint hierzu eine 1 bis 
2proc. Lösung von Jod (in 2—4proc. Jodnatriumlösung) voll¬ 
ständig ausreichend. Die Jod-Jodnatriumlösung, die sogen. 
„LugoPsehc Lösung“, ist entschieden der alkoholischen Jod¬ 
lösung, der „Jodtinctur“ vorzuziehen, weil diese durch den hohen 
Alkoholgehalt den — ja durchaus unnötliigen — FTntergang zahl¬ 
reicher Gewebselementc herbeiführt. 

Unsere Versuche haben zu Resultaten geführt, die mit den 
von Graser gewonnenen vollständig übereinstimmen; auch eine 
neuere, unter Ziegler ausgeführte Arbeit kommt zu demselben 
Ergebnis«: Die E n d o t h e 1 i e n seröser Häute schützen vor 
Verwachsung ; dieselbe kommt erst zu Stande, wenn die 
Endothelien aus irgend einem Grunde verloren gegangen sind. 
Diese Thatsache ist durchaus nicht überraschend. Sie fügt sich 
der allgemeinen Beobachtung ein, dass alle im Körper vor¬ 
kommenden engen Spalträume mit Endothel bezw. Epithel aus- 
geklcidet sind. Wir wissen, dass wenn unbedeckte Bindegewebs- 
schichten au einander stossen, dieselben in kürzester Zeit mit 
einander verwachsen. Damit dies nicht geschehe, sind die serösen 
Höhlen, die Lymphspalten, die Hirn- und Rückenmarkshöhlen mit 
Endothel ausgckleidct. Erst wenn durch irgend ein schädliches 
Agens das Endothel entfernt ist, verwachsen die bindegewebigen 
Unterlagen mit einander. 


Aus dem Anscharkrankenhause in Kiel. 

Ueber totale Pylorusstenose nach Laugenätzung. 

Von Dr. A. Hadenfeldt, Assistenzarzt. 

Eine der minder häutigen Ursachen der Magendilatation, 
die sonst im Kindesalter 1 ) als Folge eines chronischen Magen- 
katnrrrhes eine nicht gerade seltene Erscheinung ist und ihren 
Grund zumeist in der relativen Muskelschwäche der Magen¬ 
wandung hat, ist die der Pylorusstenose. letztere kann veran¬ 
lasst sein durch die Vernarbung eines — häufig tuberculösen — 
Geschwüres. Von den Nachbarorganen hinziehende Bänder und 
Stränge können von aussen her einen mehr oder weniger grossen 
Verschluss herbeiführen. Manche Autoren (Lebert*), Rosen¬ 
heim 3 ) berichten ferner von Fällen von congenitaler stenosirender 
Pylorushypertrophie. Fälle von Pylorusstenose, welche das End- 
ergebniss von localer Einwirkung ätzender Substanzen sind, 
kommen relativ wenig zur Beobachtung, da im Ganzen nach Ver¬ 
giftung durch Säuren und Alkalien die Verengerung der Speise¬ 
röhre (cf. Lebert, pag. 557) die gewöhnliche Stenose ist und 
die des Pylorus mehr die Ausnahme bildet. 

Für die Seltenheit derartiger Fälle spricht auch der Umstand, 
dass ich beim Durchsohen der diesbezüglichen Literatur nur auf 
einen dem zu besprechenden ähnlichen Fall gestossen bin; cf. Re¬ 
ferat im Centralblatt f. Chirurgie (1897) über den französischen 
Chirurgeneongress 1896, gemäss welchem II a r t m a n n-Paris 
über einen durch Gastroenterostomie geheilten Fall von Narben¬ 
enge des Pylorus nach Verbrennung (Salzsäure) berichtet. 

Was die pathologisch-anatomischen Verhältnisse bei Magen¬ 
verätzung anlangt, so will ich mich hier kurz fassen. Ist eine 
gewisse Menge von Säure oder Lauge in den Magen gelangt, 
so ent faltet, sie hier, je nach dem Füllungszustand und Inhalt 
desselben und je nach ihrer Intensität, ihre destruetive Wirkung 
von einfacher katarrhalischer Schwellung bis zur sofortigen Per¬ 
foration mit consocutivor allgemeiner Peritonitis. In den Fällen 
von mittlerer Schwere kommt nach Abstosscn des entstandenen 
Schorfes die relative Heilung durch die aus dem Granulations¬ 
gewebe hervorgehende Narbe zu Stande. — In Betreff der Einzel¬ 
heiten muss ich auf die bekannten Handbücher der Pathologie, 
Toxicologie und gerichtlichen Medicin verweisen. Eine recht 
empfehlenswerthe Abhandlung ist auch die von A. Lessor 
„Die anatomischen Veränderungen des Verdauungscanales durch 
Aetzgiftc“ (Virehow’s Arch. 83. Bd., 2. Heft.). 

Ein kürzlich im hiesigen Anscharkranken hause beobachteter 
und durch operativen Eingriff geheilter Fall von totaler Pylorus¬ 
stenose' durch Laugenätzung, der in seiner Eigenartigkeit als 
Unicum bezeichnet werden dürfte, gibt mir Gelegenheit, näher 

9 Baginsky: Lehrbuch der Kinderkrankheiten. 

2 ) Lebert: Die Krankheiten des Magens. Tübingen 1878. 

3 ) R o s e n h e i m : Ueber stenosirende Pylorushypertrophie. 
Perl. klin. Wochensohr. 1899, No. 32. 

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auf denselben einzugehen. Meinem verehrten Chef, Herrn Prof. 
Peterscn, gestatte ich mir für die gütige Ueberlassung des 
Falles und für seine liebenswürdige Unterstützung meinen er¬ 
gebenen Dank auszusprechen. 

Der Arbeiterssolm Theodor J., G 3 / 4 Jahre alt, aus Kiel, trank 
am 10. März v. J. Morgens 8 Uhr auf nüchternen Magen, nachdem 
er am Abend vorher um 7Uhr seine letzte Mahlzeit genossen, eiueu 
guten Schluck von einer in einer Bierflasche aufbewahrten, zum 
Fussliodenrelnigen benutzten Lange, an deren Stelle er Kaffee 
verimithete. Laut schreiend stürzte er zur Mutter, „er habe sich 
mit dem heisseu Kaffee den Mund verbrannt“. Diese forschte nach 
und gab. als sie die eigentliche Ursache erkannte, dem Jungen 
alsbald Milch zu trinken, die auch der gerufene Arzt, Herr Dr. 
Mose, der uns die anamuestischen Daten freuudliehst überliess, 
für's Erste verordnete, da er noch nicht sogleich kommen konnte: 
bald darauf beim Besuch verordnete derselbe noch Mixt, oleos. 
Patient erbrach sofort blutig schwärzliche Massen. Der Junge 
befand sieh darauf gauz wohl. 

Nach 8 Tagen stellten sich die Erscheinungen einer Oeso- 
phagusstiictur — 25 cm von der Zulmreihe — ein, welche jedoch 
durch eine systematisch durchgeführte Bougirmig innerhalb aclu 
Tagen ziemlich schwanden; das Bett hatte Pat. schon früher ver¬ 
lassen. Dieser Zustand der Euphorie dauerte ungefähr 1 Woche. 
Plötzlich wurde dann am Cliarfroitag (31. 111.) der Arzt wieder 
gerufen, weil der Leib des Kranken sehr aufgetriebeu sei. Der¬ 
selbe fand deu meteoristisch aufgetriel>enen Leib von geringer 
Schmerzhaftigkeit; Stuhlgang normal. Auf Klystiere erfolgte keine 
Besserung, eben so wenig auf längeren Gebrauch von Ricinusöl. 
Der Herr College hatte neben der Möglichkeit, dass es sich uni 
eine von der unlängst erlittenen Laugeiivergiftung abhängigen, 
allerdings erst sehr spät einsetzeude Peritonitis handelte, auch 
noch Verdacht auf eine unabhängig davon entstandene tuberculüse 
Peritonitis. [Temperaturerhöhung (38,2“) hatte nur an 1 Tage 
bestanden.] 

Anamuestisch ist nämlich uoch uachzutragen, dass mehren* 
Familienangehörige, eine Tante und eiu Bruder, an Tubereulosi* 
gestorben. Die Eltern leben und sind gesund. Der Patient soll, 
abgesehen von einem im Winter durchgemaeilten Keuchhusten, 
nie ernstlich krank gewesen sein; in Sonderheit sind von Seiten 
des Intestinalcanales vorher deu Eltern bemerkbare Regelwidrig¬ 
keiten nie in die Erscheinung getreten. 

Da in dem Zustand des kleinen Patienten keiue Besserung 
eintrat, letzterer im Gegeilt heil sehr stark abmagerte, so vernii- 
lnsste der Herr College M. am 8. IV. Nachmittags die Ueber 
fiiliruug iu’s Anscharkraukenhaus. 

Status praesens: Seinem Alter entsprechend grosser 
Knabe; Haut blass, trocken, lässt sich in Falteu abheben; Schleim¬ 
häute ebenfalls sehr blass. Musculatur gering. Fettpolster mini¬ 
mal. Temp. 37,0. Herz und Lungen ohne krankhaften Befund. 
Das ganze Abdomen ist gleichmässig tonneuförmig aufgetrieben; 
überall tympanitisclier Schall; nur der Blase und dem Kolon asceu 
dens entsprechend dumpferer Schall. Der tympanit Ische Schall 
breitet sich auch an deu Seiten tief aus. Flüssigkeitsansammlung 
nicht nachweisbar. 

10. IV. Pat. hat Milch getrunken und etwas gegessen. Kein 
Fieber; er liegt immer theilnahmslos da. Wenig Schmerzen. 
Während der gauzen Nacht fester Schlaf. Urin und Stuhl spontan. 
Versuch, durch tiefe Einführung eines Gummirohres in Mastdarm 
Meteorismus zu beheben, vergeblich. 

11. IV. Seit gestern Abend hat sich der Bezirk, der dumpfen 
Schall zeigt, sehr ausgebreitet, so dass solcher namentlich iu den 
seitlichen Partien und nach unten zu herrscht, elamso von rechts 
über Mittellinie hinaus. Leib erscheint etwas welcher. Befinden 
nicht gut, jedoch afebril. Pat. hat wenig Milch genossen und die¬ 
selbe grossentbeils sofort erbrochen: sonst auch Brechneigung, 
befördert aber nur Schleim heraus. Auf Seifonklystier ziemlich 
reichlicher, fester Stuhlgang. Abends etwas Erbrechen. 

12. IV. Befinden etw r as besser. Stuhlgang nach Klystier. 
Kein Erbrechen. Nimmt wenig Nahrung (Milch) zu sich. 

13. IV. Schmerzen gering. Leib weicher. Stuhlgang nach 
Klystier. Kein Erbrechen. Urin spontan. 

14. IV. Wietier etw'as Erbrechen von Schleim. Befinden ver- 
liältnissmüssig gut. Dämpfung geht von beiden Selten weit nach 
vorn, veränderlich bei Lagewechsel. Tympanltischer 
Schall nur auf Wöllningskuppe. Zwerchfellhochstand. Es wird 
Operation für nächsten Tag beschlossen. 

Zusammenfassung. Das Resumö des Krankheits- 
Verlaufes war also folgendes: Bei einem früher gesunden, jedoch 
familiär tuberculös belasteten Kinde tritt 3 Wochen nach einer 
Verätzung, die eine nachweisbare Oesophagusstrictur verursacht 
hat, ein allmählich zunehmender abdominaler Meteorismus auf, 
8 Tage später langsam ansteigender Erguss innerhalb der Bauch¬ 
höhle unter gleichzeitigem Schwunde des Meteorismus. Erbrechen 
ist zeitweise vorhanden, aber nicht eigentlich von Mageninhalt, 
und zumeist sogleich nach der massigen, hauptsächlich flüssigen 
(Milch) Speisenaufnahme. Anfangs sogar reichlicher Stuhlab¬ 
gang (nach Klystieren). Keine Peristaltikvermehrung constatir- 
bar. Wenig Sehmerz und Druckempfindlichkeit. Kein Eiehcr. 
Puls etwas beschleunigt. Bedeutende Abmagerung des etwas 
apathischen Patienten. 

Original frn-m 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Es fragte sich nun, wie weit sich aus diesen Merkmalen eine 
präeise Diagnose stellen liess, und welche. Es kam in Betracht: 

a) Perforationsperitonitis. Tympanie und Däm¬ 
pfung Hessen sich wohl damit in Einklang bringen. Erbrechen 
war vorhanden, aber nicht eigentlich von Magendarminhalt, auch 
fehlte das besonders von v. N u s s b a u m betonte „Hinaufgiessen“ 
des intestinalen Inhaltes. Dagegen sprach ferner den* afebrile 
Zustand, das Fehlen besonderer Schmerzhaftigkeit. Die Erschei¬ 
nungen hätten dann auch wohl etwas acuter auf treten müssen. 

Auch die im Sprenge Ischen Aufsatz „Oeelusion, Peri¬ 
tonitis, peritoneale Blutung“ 4 ) u. a. O. hervorgehobene „Kanten¬ 
stellung“ der Leber durch peritonitischen Meteorismus fehlte. 
Ferner ward obige Annahme sehr zweifelhaft gemacht durch die 
Grösse des zuletzt vorhandenen und durch die bei Lageverände¬ 
rung wechselnde Dämpfung documentirten Ergusses im Yer- 
hültniss zum geringen tympanitischen Bezirk. 


b) Gleichsam als Unterart von der soeben besprochenen Mög¬ 
lichkeit wurde auch folgende Annahme erwogen: In einem durch 
die derzeitige Laugenaufnahme gesetzten Substanzverlust der 
Magenschleimhaut sei es durch eine Art von Selbstverdauung 
durch den Magensaft zu einer allmählichen localen Corrosion der 
ganzen Magenwand gekommen. In der Umgebung sei vorher all¬ 
mählich durch Adhaesivprocessc eine Abkapselung erfolgt. Durch 
die geschaffene Communieationsöffnung hindurch sei durch 
weiterhin hineingelangenden Mageninhalt eine zunehmende Er¬ 
weiterung des Hohlraumes entstanden. Doch hiergegen sprach 
nur allzu klar der anfängliche allgemeine Meteorismus und die 
Art der Flüssigkeitezunahme von der Peripherie zum Centrum 
hin, statt umgekehrt, wie es dann hätte sein müssen. 

c) Es war auch die Frage einer inneren Einklem- 
m u n g, einer mechanischen Oeelusion, in Betracht zu ziehen, 
unabhängig von der stattgefundenen Laugen Vergiftung. Es ist 
dabei ja möglich 5 ), dass sich immense Mengen von Flüssigkeit, 
Bruchwasser, ansammeln, theils als Folge vermehrter Absonde¬ 
rung der gereizten Schleimhaut, theils als ein Transsudat in 
Folge venöser Stauung. Yon den Symptomen Hessen sich jedoch 
mit dieser Annahme nicht vereinigen: das Fehlen vermehrter Peri¬ 
staltik, von ruptusartigem — gewöhnlich f a e c u 1 e n t e m — Er¬ 
brechen und das Vorhandensein von normalem Stuhl. Auch hätte 
der Erguss sich dann rapider entwickeln müssen. 

d) Die Eventualität einer inneren, womöglich von Zeit zu 
Zeit sich wiederholenden Blutung in die Peritonealhöhle 
kam auch nicht in Betracht, weil Collapssymptome in dieser Hin¬ 
sicht fehlten. 

e) Manche Aehnlichkeit hingegen zeigte der vorliegende Sym- 
ptomenconiplex mit dem bei chronischer, tuberculÖser 
P e r i t. o n i t i s, indem ich hierbei auf Babinsky (pag. 580) 
hinweise: nur dass wir die zusammengebackenen Darmeonvolute 
vermissten, die bei dem dann nothwendigen Fortgeschrittensein 
der Erkrankung zu constatiren hätten sein müssen. Tuberculöse 
Belastung war ja vorhanden. 


Indem wir die Brechneigung und das dann und wann erfol¬ 
gende Erbrechen meist gleich nach der Nahrungsaufnahme 
hauptsächlich auf die Oesophagusstrictur und eine sich event. 
oberhalb derselben heranbildende Erweiterung bezogen und dazu 
auch eine gute Berechtigung hatten, weil das selten Erbrochene 
durchaus nicht faeculenten Charakter, ja nicht einmal den der 
Magengährung hatte, gingen wir an die Operation als eine 
Explorativlaparotomie heran, eine genaue Diagnose in suspenso 
lassend, und die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf tuberculöse 
Peritonitis stellend, für die sich auch der hinzugezogene Herr 
Professor v. S t a r c k ausgesprochen hatte. 


15. IY. ^Peration. Aethernarkose. Urin mit Katheter 
abgelassen. Medianschnitt. 3 Finger breit unterhalb des Nabels 
anfangend, 6 / 2 cm nach abwärts. Durchtrennung der Schichten 
leicht. Vorliegen eines prallen, seidenpapier- 
dunnen, d u n k e 1 b 1 ä u 1 i c h durchschiramemden 
e y s t e n a r t i g e n T u m o r s. Eingehen mit der Hand lässt 
erkennen, dass der Tumor bis zur Symphyse reicht. Nir¬ 
gends Verwachsungen, nirgends Därme vorliegend. _ Vergrös- 

seruug des Schnittes 5 x / 2 cm nach oben links um den Nabel 
herum. Die Kuppe der Cyste lässt Grenze zwischen 
I 1 ü SS I g k e it u nd Luft scharf erkennen. Nach oben 
gelangt man bis zum Zwerchfell, ohne etwaigen 
Cv st en insertionspunkt zu erreichen. Seitwärts 
Weichengegenden durch den Tumor ausgedehnt. 


4 ) Deutsche .Aerztezeitung 1899. lieft 3 u. 4 
*) cf. *) pag. 51. 

No.' 7. 


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auch hier keine Grenze zu errrtüchen; die ein¬ 
gehende Hand wird zwischen Bauchwand und 
dem prallen Tumor förmlich eingeklemmt. Ver- 
muthung: Enorme Magendilatation. 

Punction mit Troicar; es fliesst sofort dunkelgrünliche, mit 
helleren Bröckelchen und Flöckchen durchmischte, säuerlich#» 
Flüssigkeit unter starkem Druck ab. noch stärker neben Punc- 
tionsöffnung. Möglichster Schutz der Peritonealhöhle durch Ser¬ 
vietten. Seitlich von der Oeffnung werden 2 Seidenfäden hin¬ 
durchgezogen und Oeffnung durch Schnitt erweitert. Flüssigkeit 
strömt im Strahl ab. auch durch die Stichcanäle. Dann Aushebe¬ 
rung des Mageninhaltes (mittels steriler physiologischer Kochsalz¬ 
lösung). Der letzte Rest wird mit sterilen Tupfern ausgewischt. 
Die ganze Flüssigkeitsmenge ist anf mindestens 5 Liter 
zu taxiren. Die Gedärme liegen hyperaemisch, stark contrahirt. 
ohne peristaltische Bewegung hinter dem dilatirten Magen, — 
Magen contrahirt sich allmählich fast zur 
Norm und legt sich stark in Falten. Abtastung 
der Mageninnenwand: Cardia nicht erreicht, man fühlt jedoch 
das Herz deutlich über dem Finger pulsiron. In der P.vlorus- 
gegend glaubt man von innen lier einen Wulst zu palpiren; jedoch 
unsicher wegen der starken Faltung des Magens. Desshalb wird 
von aussen, vom Duodenum her, der Pylorus durch die gesetzte 
Magenöffnung hervorgestülpt und so zu Gesichte gebracht : 
Dicker Wulst mit kleiner kraterförmiger 
Delle in der Mitte. Die nach hinten liegende 
Partie des Pylorus zeigt wie Granulationen 
aussehendos Gewebe. die vordere ist mehr 
gelblich gefärbt. Auch die feinste Sonde pas 
sirt nicht Pylorusluraen; also Totalstenose 
desselben. 

Starker Collaps des Patienten nöthigt zu schleunigster Be¬ 
endigung der Operation. Zweireihige Vernähung der Punctions- 
öffnung und der Schnittstelle, die nach der Contraction wie zackig 
eingerissen aussieht. Dann Gastroenterostomia an¬ 
terior in der Magenmittellinie. Dreietagige Bauchnaht (Seide). 

Der noch immer bestehende starke Collaps des kleinen Pat. 
wird mit Excitantien etc. weiter bekämpft. 

10. IV. Befinden verhältnissmässig gut. Pat. unterhält sicli 
mit seinen Nachbaren. Kein Fieber, leichte Pulsbeschleunigung. 
NH hrkly stiere. 

Ich will mit den ausführlichen Berichten der weiteren 
Krankengeschichte die Aufmerksamkeit der Leser nicht ermüden, 
sondern nur Folgendes anführen. Abgesehen von einer einmaligen 
Temperaturerhöhung (38 3°) am 21. IV. verlief der Process völlig 
fieberlos. Schmerzen bestanden nur in den ersten Tagen p. op. 
in geringem Grade. Am 21. IV. wurde an Stelle der Nährklystiere 
Milch. Ei. Tropon per os verabreicht. 22. IV. Entfernung der 
Bauchnähte: Heilung p. p. Am 6. V. Auf stehen. Allmählich 
Febergang zu consistenterer Fleischnahrung: dann nnd wann 
Erbrechen, aber nur von Fleischspeisen, die Pat. nicht liebte. Die 
Oesophagusstrictur wurde mit Bougirnng systematisch weiter- 
bohandelt. so dass Anfang Juni Bougie No. 30 leicht passirt, später 
noch viel stärkere Nummern. Eine vorgenommene Magenauf¬ 
blähung (0O 2 ) ergibt untere Magengrenze bis zum Nabel (vorher 
2 Finger breit oberhalb des Nabels). 

Mitte Juni kam es dann plötzlich zu Temperaturerhöhungen, 
als deren Ursache sich ein kleiner Ahscess in der Bauchdecken- 
narbe fand (in der geringen Eitermenge zahlreiche Strepto-, wenig 
Stapliylocoecen pyog. alb.). Es treten in der Folgezeit noch einige 
kleine Abscesschen an selbiger Stelle auf. Dann sehr gutes 
Allgemeinbefinden. Pat. wird am 20. VII. im besten Wohlsein 
entlassen. 

Ueberblicken wir den durch die Operation klargestellten Fall, 
so interessirt uns in erster Linie die totale Pylorusstenose mit 
ihren Folgezuständen. Sie ist. durchaus als Folge einer localen 
Verätzung aufzufassen, wofür der während der Operation an Ort 
und Stelle gemachte Befund, der einen noch in der Abheilung be¬ 
griffenen Process kennzeichnete, mit voller Sicherheit spricht. 
Ftwa eine congenitale stenosirende Pylornshypertrophie im Sinne 
Rosenhei m’s, die durch die Aetzeinwirkung in einen Reiz¬ 
zustand getreten, anzunehmen, liegt kein Grund vor. 

Zu gleicher Zeit liefert der Fall einen Beitrag zur Topo¬ 
graphie des leeren Magens. Ein tüchtiger Schluck 
Lauge ruft zwei von einander getrennte Verätzungen und deren 
Folgen bei einem 6V.,jährigen Kinde hervor: 1. am untersten 
Theil des Oesophagus, 25 cm von der Zahnreihe entfernt, also 
gleich oberhalb der Cardia, 2. am Pylorustheil des Magens. Diese 
beiden Punkte lassen sieh durchaus nicht in Einklang bringen, 
wenn man die landläufige, noch überall in den meisten Lehr¬ 
büchern vertretene Luschka’sche Ansicht von einer Art von 
Horizontal läge annimmt, dass heim leeren Magen die grosse 
Ourvatur nach abwärts, die kleine aufwärts gewandt ist. Es 
müsste dann ein durch den Oesophagus herunterspritzender 
Flüssigkeit «strahl immer die Fläche der grossen Ourvatur treffen. 
Dies ist aber absolut nicht der Fall, sondern nach den Sections- 
befunden ist die Praedileetionsstelle für Aetzungen gerade die 
kleine Ourvatur und die Pars pvloriea. Ebenso kommt bekannt¬ 
lich das Ulcus rotundum fast ausschliesslich an der Hinterwand 

2 

Original frem 

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18 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


(clor klomm Curvatur) und besonders an der Pars pylorica vor*) 7 ), 
was man für eine mechanisch-thermische EntstehnngsurSache der¬ 
selben verwerthet hat, „indem alle Ingesta zuerst an diesen Ort 
kommen und hier liegen bleiben, so dass sie je nach ihrer Natur 
ehernisoh oder mechanisch wirken können“. 

In einer neueren Abhandlung „Beiträge zur Magendiagnostik“ 
ist nun Rosen f cid -Breslau 8 ) auf Grund seiner Untersu¬ 
chungen an Leichen zu dem Resultat gekommen, dass die klinisch 
für eine Ausnahmestellung angesehene Yertiealstellung in der 
linken Körperhälfte die Normallage sei, indem die kleine Cur¬ 
vatur nicht einmal senkrecht von oben nach unten, sondern von 
der Cardia aus nach links und unten gehen soll. Auf diese Weise 
„treffen die Speisen mit ihren ganzen thermischen und mecha¬ 
nischen Reizen die kleine Curvatur“, auf die die Speiseröhre aus- 
hidet. Indem nun nach R. der Pylorus im leeren Magen ziemlich 
der tiefste Theil sein soll, „ist gerade er der am meisten und 
dauerndsten von den Einwirkungen der Speisen betroffene Ab¬ 
schnitt“. 

Diese Ausführungen haben sehr viel Verlockendes für sich 
und würden sich ja auch für den vorliegenden Fall ganz gut ver¬ 
wenden lassen. 

Es steht aber dieser Ansicht die von Herrn Prof. Heller 
entgegen, wie er sie auf Grund zahlreicher gerade hierauf bei 
Scetionen gerichteter Untersuchungen bei Besprechung des 
runden Magengeschwürs vertrügt (cfr. auch Anmerkung 6 u. 7): 
Tn dem sogenannten leeren Zustande des Magens, der jedenfalls 
sehr selten ist, indem sich immerhin mindestens etwas Schleim 
in demselben befindet, nimmt zwar derselbe normalerweise höch¬ 
stens eine m ii s s i g e S c h r ä g 1 a g e von links oben nach rechts 
unten- ein, dergestalt, dass die grosse Curvatur nach unten sieht. 
Wenn sieh aber —- wie wohl gewöhnlich der Fall — 
eine geringe Gasaufblähung des sogenannten leeren Magens vor¬ 
findet, hebt sich die grosse Curvatur etwas nach 
vorn und oben, wodurch dann die Hinterfläche zur 
unteren wird und in der Gegend der kleinen Curvatur 
gleichsam als schiefe Ebene in der Fortsetzung des 
Oesophagus liegt. Daher können auch geringe Flüssigkeits¬ 
mengen hier schnell hinuntergleiten und am Pylorus liegen 
bleiben. Dieser eontrahirt. sich stark auf die einen Reiz aus¬ 
übende Substanzeinwirkung, und die Aetzung kann noch stärker 
vor sich gehen. 

Herr Professor Heller hatte die Güte, mich zur Prüfung 
seiner Ansicht an etlichen Kinderleichen — denn bei ihnen 
kommen pathologische Lageveränderungen natürlicherweise re¬ 
lativ noch ain seltensten vor — den Magensitus beobachten zu 
lassen, wobei Alles, was auf eine künstliche Veränderung der 
Lage von Einfluss sein konnte, nach Möglichkeit vermieden 
wurde. In diesen Fällen habe ich stets die Helle Fsche Ansicht 
bestätigt gefunden, während mir ein Fall von Verticalstellung 
nicht vorgekommen ist. 

Tch will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass auf der 
kürzlich stattgefundenen 71. Versammlung deutscher Natur¬ 
forscher und Aerzte M e i n e r t - Dresden *) sich ebenfalls ent¬ 
schieden gegen die Publication von Rosenfeld ausgespro¬ 
chen hat. 

Da ein weiteras genaues Eingehen auf die Magenlage den 
Rahmen meiner Arbeit überschreiten würde, und andererseits 
erst eine grössere Anzahl von Beobachtungen, wozu eine geraume 
Zeit, nöthig sein wird, m i r das Recht zu einer Kritik der Ansicht 
von Rosen f cid geben würde, so muss ich mich hier mit diesen 
Ausführungen begnügen. Hoffentlich werde ich Gelegenheit 
haben, diese interessante Frage noch weiter verfolgen zu können. 

Kehren wir nach dieser kleinen Abschweifung zur Bespre¬ 
chung unseres Falles zurück, so ist des Bemerkenswerthen noch 
Manches zu erwähnen. 

Die totale Unpassirbarkeit des Pylorus wird sich, wie wohl 
anzunehmen ist, erst allmählich herangebildet haben; bis dahin 
konnte eine immer kleiner werdende Menge des Mageninhalts 

•> flreiss: Zur Statistik des runden Magengeschwürs. 
Tnang. Hiss. Kiel 1879. 

b .Tohannsen: Beitrag zur path. Anatomie und Histologie 
des Magengeschwürs. Tnaug.-Diss. 1886. 

b Zeitschr. f. klin. Mediein 1899. Bd. 37, Heft 1 u. 2. 

°'t Laut Referat in der Münch, med. Wochensohr. 1809. H 40 
nag. 1311. 


wohl noch den Pförtner passiren. Sie bildete dann mit den Grund 
der späteren, noch erfolgenden Stuhlgänge. 

Ausserordentlich auffallend ist sodann die ganz enorme, 
relativ schnell entstandene Ausdehnung des Magens von Sym¬ 
physe bis zum hochstehenden Zwerchfell, die dazu seitlich die 
Weichengegend vorwölbte, so dass die Magenwandung von praller, 
seidenpapierdünner Beschaffenheit war. Irgend welche Schichten 
der Wandung waren daran nicht zu unterscheiden, sondern Alles 
gleich massig durchschimmernd. Die Gefahr einer Ruptur durch 
einen etwas heftigen mechanischen Insult wäre also leicht mög¬ 
lich gewesen, so lange die Magenwandung noch nicht so fest der 
Bauch wand anlag. Um so wunderbarer fast ist — als Zeichen 
einer immensen Elasticität — die nach der Entleerung des Ma¬ 
gens innerhalb einer kleinen halben Stunde spontan geschehende 
Oontrnetion des Magens, der sich so stark dazu in Falten legte, 
dass die Naht der geschaffenen Abflussöffnung wie auch die der 
Gastroenterostomie ohne Schwierigkeit in gewöhnlicher Weise 
vor sich gehen konnte (ersterer konnte nämlich ihrer bei der 
Zusammenziehung sich als ungünstig erweisenden Lage wegen 
nicht hei der Schaffung der neuen Magendarmpassage verwendet 
werden). 

Um den Umstand zu erklären, dass immer, wenn auch ge¬ 
ringe Flüssigkeitsquanta noch aufgenommen werden konnten, 
ohne dass der Magen dagegen durch einen gehörigen Vomitus 
rebellirte, muss man wohl eine, mit der Oesophagusstrictur viel¬ 
leicht in gewissem Zusammenhang stehende Art von Klappen- 
VeTitilmecbauismus an der Cardia annehmen, indem beim An¬ 
drängen von oben nach unten Eröffnung und umgekehrt Ver¬ 
legung erfolgte. Nachdem dann die Magenmusculatur einmal 
übermässig ausgedehnt war, war sie zu antiperistaltischen Be¬ 
wegungen zu schwach. Auf diese Wbüse konnte sieb wohl die un¬ 
gewöhnlich grosse Magendilatation entwickeln. 

Der Inhalt der Därme ist bis auf minimale Reste auf natür¬ 
lichem Wege entleert worden; und so hat das eigenthümliche, 
ruhige Durcheinanderliegen der hyperaemischen Darmschlingen 
— vielleicht als Folge der Aufhebung des starken Druckes durch 
den ausgedehnten Magen — zu Stande kommen können. 

Beaebtenswert.il, als ein Beispiel dessen, was der Organismus 
unter Umständen alles vertragen kann, ist die Heilung der Bauch- 
wunde per primam und das Ausbleiben von peritonealer Reizung. 
Denn sicherlich sind die Bauehdeekenränder mit dem ausfliessen- 
den Mageninhalt beschmutzt worden; und ich glaube ebenso 
sicher, dass trotz aller angewandten Vorsicht manch pathogener 
Keim bei obiger Manipulation sich in die Bauchhöhle verirrt, hat, 
falls sich welche im saueren Mageninhalt 10 ) befunden haben. 
Ebenso bemerkenswerth ist dann das Auftreten von Abseessen 
durch Fadeneiterung erst 7 Wochen nach der Operation bald hier, 
bald da in der Bauchnarbe, für die wohl eine derzeit stattgehabte 
bacterielle Verunreinigung der Bauchränder mit verantwortlich zu 
machen ist. 

Was die operative Wiederherstellung einer Magendarm- 
passage anlangt, so wäre neben der angewandten Methode der 
Gastroenterostomia anterior noch die Pyloroplastik und die 
Pylorusresection in Frage gekommen. Erstere wurde bei Seite 
gelassen, weil die ganze Pylorusgegend infiltrirt und lumenlos 
war, letztere, weil sie sicherlich zeitraubender als der von uns 
eingeschlagene Weg gewesen wäre; und bei dem tiefen Collaps 
des Patienten lag uns vor Allem daran, die Operation möglichst 
schnell zu beenden. 

Zu verschiedenen Malen habe ich späterhin versucht, durch 
ein verabreichtes Probefrühstück über die chemische Function dos 
Magens mir Klarheit zu verschaffen. Doch immer vergebens, 
indem nach V, Stunde schon Mageninhalt sich nicht mehr ge¬ 
nügend aushebem liess. Vielleicht, dass durch die künstlich 
geschaffene Magendarmverbindung hindurch der Speisebrei sehr 
schnell aus dem Magen herausbefördert wird? 

Dieser Fall gibt uns die Lehre, worauf ich zum Schlüsse noch 
einmal besonders hinweisen möchte, in jedem Fall von Ver¬ 
schlucken auch geringer Mengen von Aetzgiften von vomeheroin 
neben der Laesion der Speiseröhre auch an eine solche des Magens 
zu denken, und bei intestinalen Störungen, die sich durch eine 
entstandene Oesophagusstrictur allein nicht erklären lassen, auf 
zugleich entstandene Pylorusstenose zu fahnden, damit man 

10 ! Eine baeteriologisohe und chemische Untersuchung des 
Mageninhaltes hat nicht stattfinden können. 


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13.* Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


219 


durch möglichst frühzeitigen Eingriff hiergegen Vorgehen und 
so den betreffenden Patienten vor allzu grosser Entkräftung be¬ 
wahren kann. 


Aus der Universitäts-Augenklinik zu Rostock. 

Ein Beitrag zur Aetiologie und Therapie jder Epi- 
scleritis periodica fugax. 

Von Dr. med. W. Stöltzing, prakt. Arzt in Hersfeld. 

Die Bezeichnung „Episeleritis periodica fugax“ wurde von 
E uchs im Jahre 1895 eingeführt für eine eigenartige 
Erkrankung, die im Wesentlichen in einer Entzündung des ge- 
fass reichen, episkleralen Gewebes besteht, und sich „durch ihre 
Flüchtigkeit, sowie durch ihre Neigung zu Recidiven aus- 
zeielinet“. 1 ) Zuerst beschrieben findet sich diese Affection bei 
A. v. Gräfe') als Subconjunctivitis oder Xenonitis partialis 
anterior. Fuchs*) stellte 22 selbstbeobachtete Fälle der immer¬ 
hin seltenen Krankheit zusammen, und deutete in seiner Arbeit 
weiterhin Hutchinson’s 4 ) „hot eye“, ferner 4 Fälle Nett- 

1 e s h i p s s ) von „recidivirender Iritis ohne Exsudation“, eine von 
Swan M. Burnett“) beschriebene „vasomotorische Störung“, 

2 Fälle Largeau’s 7 ) von Selerito rheumatismale, sowie 
G a 1 e z o w s k Fs *) Episeleritis periodica als hierhergehörig. 

Anscheinend gelangten weitere einschlägige Beobachtungen 
nicht zur Veröffentlichung, theils weil offenbar die in der Zwi¬ 
schenzeit beobachteten Fälle nicht aus dem Rahmen des von 
Fuchs eingehend entworfenen Bildes heraustraten, theils wohl 
auch wegen der grossen Seltenheit typischer Fälle. Und doch sind 
trotz der ausgezeichneten Arbeit von F uchs eine ganze Reihe 
von Fragen, besonders die Pathogenese und Therapie betreffend, 
noch unentschieden. Desshalb scheint mir die folgende, lange 
Zeit hindurch fortgesetzte Beobachtung mittheileuswerth, die 
gerade in dieser Hinsicht neue Gesichtspunkte bietet. Die ge¬ 
nauen Notizen über den Verlauf verdankt Verfasser der Liebens¬ 
würdigkeit des Herrn Professor Dr. Axenf eld, zu dessen 
Privatklientel Patientin gehörte. Herrn Axenf eld sei für 
Ueberlasöung dos Falles auch an dieser Stelle der verbindlichste 
Dank ausgesprochen. 

Frau X., Agentengattin, 64 Jahre alt, machte im Alter von 
Ui Jahren angeblich ein „Wechselfieber“ durch, an welchem da¬ 
mals die ganze Familie (in Gürlitz, Mecklenburg) erkrankte J ); 
später blieb sie von Krankheit verschont bis zum 59. Lebensjahr. 
Damals, im Jahre 1894, zeigte sich zum ersten Male im rechten 
Auge ein „kleiner rother Fleck“, der nach 3 Tagen schmerz- und 
spurlos wieder verschwand. Ca. 14 Tage später trat die gleiche 
Erscheinung auf dem anderen Auge ein, und nun folgten in un¬ 
regelmässigen Zwischenräumen von ca. 4 Wochen derartige 
Attacken abwechselnd auf dem rechten und linken Auge; im 
Frühjahr 1894 wurden vorübergehend beide Augen gleichzeitig 
befallen, und seitdem stellte sich deren Verhältniss zu einander 
meist so, dass der Abheilung des rechten Auges In 
wenigen Tagen die Entzündung auf dem linken 
uachfolgte, worauf alsdann ein mehrwöchentlicher Waffen¬ 
stillstand eintrat, um dann neuen Recidiven Platz zu machen. 

Eine zweite Etappe des Leidens setzte im November 1894 ein, 
insofern die Entzündung nicht nur einen höheren Grad erreichte, 
sondern auch zu wandern anfing. Die Richtung dieser Wande¬ 
rungen war eine verschiedene. Sie begannen auch ihrerseits 
mit dem Auftreten eines kleinen rothen Punktes auf 
der Lederhaut, der in 3—4 Tagen die Hornhaut 
umkreiste. Gleichzeitig traten in steigender Heftigkeit 
Schmerzen am, über deren Charakter noch weiter unten ge¬ 
nauere Mittheilung folgt. Für diese Zeit sind wir noch lediglich 
auf die anamnestischen Angaben der körperlich und geistig noch 
rüstigen Dame angewiesen, da ärztliche Hilfe bei der vorüber¬ 
gehenden Natur der Einzelaffectionen nicht augerufeu wurde. 
(Patientin hat sich jedoch in ihrer langen und qualvollen Leidens¬ 
zeit genau beobachtet und sich besonders die Vorboten und den 
Verlauf Ihrer Anfälle gemerkt, deren Aufeinanderfolge sie viel¬ 
fach ganz richtig voraussagte.) 


*) Lehrbuch der Augenheilkunde. VII. Aufl. 1S98, S. 253. 

*) A. v. G r ä f e’s klin. Vorträge, gesammelt von Hirsch- 
berg. Berlin 1871. pag. 161. 

*) Arch. f. Ophthalm. Bd. IV, Abth. IV, S. 229 ff., 1895. 

4 ) Transact. of the Ophtha iociety of the unit. Kingdom. 
Vol. IV, pag. 3, 1884. 

5 ) Ibidem Vol. VIII, pa*. 94. 

«) Archlves of ophth. XXI. Bd., 1892. 

7 ) Thfcse de Paris. 18. Mal 1895. 

•) Ibidem citirt. 

*) Dass diese Krankheit etwa eine eigentliche Malaria ge¬ 
wesen, Ist unwahrscheinlich; die nur einmalige Erkrankung, 
welche später nicht wiederkehrte, spricht dagegen Die Milz ist 
z. Z. nicht vergrÖ88ert (Prof. Martius). 


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Erst im Uctober 1895 sah sich Palicutin durch immer heftiger 
werdende, auch die Nachtruhe beeinträchtigende Schmerzen hier¬ 
zu geuötliigt. Diese einseitigen, also „migräneartigen" Kopf¬ 
schmerzen begannen bereits vor Sichtbarwerden der Augenent¬ 
zündung, und zwar leiteten ziemlich regelmässig 
Schmerzen in Stirn und Margo supraorbitalis 
einen process in der oberen Augenhälfte der 
betroffenen Seite ein, indess solche in der 
Scheitelgegend, bezw. Empfindungen, welche 
Zahnschmerzen ähnelten, einen Beginn in den 
unteren Abschnitten signalisir tenZu ihrer 
Bekämpfung wurden von Prof. Berlin (j\) Coeaininstillationen 
verordnet, ohne jedoch wesentliche Erleichterung zu verschaffeu. 

Im folgenden Sommer (1896) waren die Anfälle, wie über¬ 
haupt in der warmen Jahreszeit, besonders heftig. 
März bis Juni 1896 liess sieb Patientin wegen Obstipation mit 
Magendruck uud Aufstossen in die M a r t i u s’sche Privatklinik 
auf nehmen; der Mangel an Peristaltik mit seinen Folgezuständen 
wurde auch behoben, ohne dass diese Besserung eine günstige 
Rückwirkung auf das Augenleiden geäussert hätte. Erst im 
Winter 1896/97 trat wieder ein ziemlich erträglicher Zustaud ein, 
und in gleicher Weise, id est mit sommerlicher Exacerbation, 
verlief 1897. 

Ostern 1898 bemerkte Patientin zum ersten Male eiue eigen 
artige ltotli bruu nf ü rbung der Handrücken. Dies«* 
seitdem öfters wiederkehrende Erscheinung wurde zumeist Mor¬ 
gens, „wegen des (Kontrastes mit der weissen Bettdecke” zuerst 
bemerkt, hielt einige Zeit au, um dann allmählich ahzublassen 
und bis zum anderen Morgen spurlos zu verschwiudeu. Solche 
„Röthungen“ gingen in dieser Zeit mit Vorliebe einem Augeu- 
recidiv voraus; Patientin hatte sich daran gewöhnt, aus der Er¬ 
scheinung auf eine nahende Augenentzündung zu schliessen. Es 
sei vorgreifend bemerkt, dass dieses eigenartige Symptom seiner 
Flüchtigkeit wegen von Prof. A x e n f e 1 d , in dessen Sprech¬ 
stunde Nachm. 3 Uhr Patientin kam, nur einmal (am 6. VIII. 1898; 
persönlich mit Sicherheit beobachtet werden konnte. An diesem 
Tage waren die Handrücken „in der That dunkel geröthet, ohne 
Oedeme und andere Eruptionen, ohne subjective Beschwerden.” 
Die Röthung ging ohne scharfe Grenze in die umgebende Haut 
über. Seit dem October 1898 ist diese Erscheinung nicht mehr 
aufgetreten. Um diese Zeit (Ostern 1898; stellten sich weiterhin 
ziehende Schmerzen in den Gliedern ein, auch schwollen bisweilen 
die Fiisse Abends in unbedeutendem Maasse an. Als Patientin am 
26. IV. 1898 wegen der inzwischen (mit Beginn des Sommerhalb¬ 
jahres!) wieder zu fast ununterbrochenen Schmerz- uud Entziin- 
dungsanfällen gesteigerten Beschwerden in die Behandlung trat, 
wurde folgender Befund erhoben: 

Beiderseits recidivirende, schmerzhafte Episkleritis mit 


frischer Irishyperaemie. 



L. Eminct.ropie S 

= jt knapp. 

Presbyopie -f- 3,0 I>. 

R. Myopie 2,0 D. S 

_ 4 
“ 12 

Presbyopie -j- 1,5 1). 


Therapie: Natron salicyl. 1,5 g pro die in 2 Hälften. Atropin 
0.1, Cocain 0,2, Aq. 10,0, zweimal täglich. Kalomel jeden zweiten 
Tag. Umschläge mit warmem Kamilleiitliee. 

Das Salicyl musste bereits am 4. V. wegen Erbrechen wieder 
ausgesetzt werden; auch die Einträufelungen brachten wiederum 
nur ganz vorübergehend Linderung; beifolgende, aus dem Kranken¬ 
journal zusammongestellte Beobacbtimgsreihe charakterisirt am 
anschaulichsten die Eigeuart uud Schwere des ganzen Proeesses 
und sei desshalb etw’as ausführlicher mitgetheilt. (Die Angaben 
beziehen sich auf Sitz und Intensität episkleraler Injectlouen.) 


R. 

1898 

L. 

Oben Innen linsengross (seit 
dem 14. V.). 

16. V. 

Oben. Allsgebreitete Jnjection 
von geringer Intensität. 

Ganz blass. 

18. V 

Aussen. 

Innen. 

20. V. 

Etwas stärker. 

HVeiter nach unten. 

21. V. 

Erheblich blasser. 

’ Unten stärker, besonders 

23. V. 

Unten, stärker. 

gegen den Aequator. 

Blasser. 

24. V. 

Weiter nach unten-innon. 

Ganz blas s. 

26. V. 

Nach innen zum horizontahm 
Meridian. 

Ganz oben kleiner Her«], 

27. V. 

Innen-oben. 

sehr bald geschwunden. 

Recidi v. 

31. V. 

— 

Fast allgemeine Röthung. 
Punct. raaximum aussen. 

1. VI. 

Ganz blass 

• Nur aussen. 

2. VI. 

Oben-aussen vereinzelte Ge- 
fässe. 

Besser. 

4. VI. 

Aussen. 

Noch besser. 

6. VI. 

Status idem. 

Blass. 

7. VI. 

Blasser. 

— 

8. VI. 

Etwas weiter nach unten- 


aussen. 

10 ) Fuchs: loc. eitat. 

”) Letztere Angabe fand z. B. durch Beobachtung vom 27. VI. 
1898 ihre objective Bestätigung. Vergl. daselbst. 

2 * 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



220 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No* 7. 


R. 181)8 L. 

Innen (seit 9. VI. bemerkt). 10. VI. Unten Injection geringer. 
Ausserdem a. u. einige Ge¬ 
wisse nahe Uebergangsfalte. 

Item. Mehr Gefässe. II. VI. Etwas nach innen. 

Unten geringe Injection. 13. VI. Mehr nach Innen-unten (sub¬ 

horizontal). 

Blass. (Abends unten eine 16. VI. Oben-innen. 

Stunde lang roth.) 

Unten einzelne Gefasse. 17. VI. üben am stärksten, auch; 

innen, ferner vereinzelt auch 
unten. 

Unten nahe Uebergangsfalte 18. VI. Total. Oben Maximum, sehr 
einzelne Gefasse. druckempfindlich. 

Aussen relativ frei. Rothe 
Handrücken (vgl. o.). 

Blass. 20. VI. Maximum aussen, sonst 

blasser. (Also in 18 Tagen 
biszum Ausgangspunkt 
zurückgewandert und 
zwar in der Richtung 
der Uhrzeiger.) Aussen 
4 nun vom Limbus entfernt 
kleines episkleritisches 
Infiltrat. 

— 23. VI. Etwas tiefer nach aussen- 

unten. Infiltrat nicht mehr 
deutlich. 

— 20. VI. Tief aussen-unten. 

— 27. VI. t Unten bis unten-innen. 

Unten. 29. VI. — 

— 30. VI. üben. Etwas geringer. 

Unten, intensiv druckein- 1. VII. üben-aussen. Blasser. 

pfindlieh. 

Im Abblassen. 6. VII. Innen-unten. 

Innen neue beginnende 9. VII Weiter nach unten. 

Röthung. 

Es war somit innerhalb von noch nicht 2 Monaten der rechte 
Oculus nicht weniger als 7 mal ergriffen und wieder abgeheilt, der 
linke während dieser Zeit, bei häufigem Wechsel der injicirten 
Stellen, überhaupt nur einmal entzündungsfrei gewesen, also nun¬ 
mehr beide Augen gleichzeitig ergriffen. Da beschwerdefreie 
Pausen überhaupt nicht mehr eintraten, entschloss sich Patientin 
am 16. VII. 98 zur Aufnahme in die Privatklinik. Hier wieder¬ 
holten sich, in den ersten 14 Tagen, fortgesetzte Recidive in der 
Weise, dass die episklerale Röthung an einer Stelle einsetzte, sie 
jedoch sehr bald wieder frei gab, indem die Injection weiter¬ 
wanderte. Gerade in dieser Zeit wurde mehrfach eine Umkreisung 
der Hornhaut in wenigen Tagen beobachtet Es behielt also be¬ 
züglich der einzelnen befallenen Stelle auch jetzt noch die Krank¬ 
heit ihren Charakter als „fugax“, doch wurden die Augen nie 
allenthalben entzündungsfrei. Die Behandlung bestand in Atropin 
cocain, hydropathisehem Verband, Galvanisirung, kleinen Dosen 
Natron salicyl. Am 31. VII. trat rechtsseitig eine heftige Iri¬ 
tis c h e Reizung hinzu, zu deren Bekämpfung am 2. August 
J o d k a 1 i gegeben wurde. Schon in der ersten Nacht 
spürte Patientin auffallende Linderung, und 
am 9. VIII. zeigte die seit wenigstens 3 Monaten 
ununterbrochen schwer erkrankte Dame sub- 
jectiv und objectiv absolut reizlose Augen. 
An diesem Tage fand sich bei der Entlassung aus der Klinik, dass 
die Zahl der hinteren Synechien sich um einige vermehrt hatte. 

Entlassen mit Atropin-Cocain. Wegen Neigung zu Magen- 
störungen wurde das Jodkali ausgesetzt. 

Am 16. VIII. bekam Patientin beiderseits einRecidiv, kam aber 
erst am 17. VIII. damit in Behandlung; es bestand starke epi¬ 
sklerale Injection; unter erneutem Jod kaligebrauch wurden die 
Augen am 19. bereits fast reizlos. Das gleiche Spiel wiederholte 
sich am 1. IX. 98 (am 5. IX. coupirt). Von da ab wurden Recidive 
überhaupt seltener und waren unter Jodkali in 2 Tagen beendet. 

Innerhalb der letzten 3 Monate (Juni—August 1899), in denen 
Patientin von einer 50 proc. Lösung Jodkalium 17 Tropfen täglich 
einnahm, erkrankten beide Augen nur je einmal, zuletzt am 
10. August 1899, (Schmerzhaftigkeit, Röthung — sofortiger Rück¬ 
gang auf JK.), und als sich Patientin Ende August 1899 (NB. ledig¬ 
lich im Interesse der vorliegenden Arbeit) vorstellte, zeigten sich 
beide Augen absolut reizlos. 

Nachtrag. 

Am 25. October 99 hörte Patientin auf, einzunehmen, w-eil 
sie bei der Dauer der entzündungsfreien Zeit glaubte, jetzt ohne 
Medieln auskommen zu können. Bereits nach 2 Tagen begann sich 
beiderseits innen, symmetrisch, eine episklerale Injection zu bilden, 
doch ohne besonders heftige Schmerzen. Auf Jodkali sofortige 
Rückbildung. 

Bemerkt sei noch, dass der Urin in der ganzen Beobach¬ 
tungszeit normal war. 

In den mitgetheilten Krankengeschichten findet sich von 
den von Euch s , ") discutirten aetiologischen Mo- 

'■) Fuchs fand bei seinen 22 Fällen: Echte Gicht 0; rheuma¬ 
tische Beschwerden 2 mal; enorme Kälteempfindlichkeit 2 mal; 


ni eilte n für die (bei echter Skleritis in erster Reihe rangirende) 
uratisehe Riathese keinerlei Andeutung. Die „rheumatischen 14 
Schmerzen etc. der Sechzigerin dürfen jedenfalls in diesem Sinne 
nicht verwerthet werden. Auch die Deutung des in der Anamnese 
vertretenen, weit zurückdatirenden „Wechselfiebers 44 als Malaria 
haben wir bereits oben zurückweisen müssen. Die Milz fand sich 
nicht vergrößert. Wie zumeist 13 ), waren auch hier beide 
Augen ergriffen, und zwar im späteren Verlaufe gleichzeitig, 
was im Ganzen seltener beobachtet wurde. 14 ) Die Dauer des 
Leidens betrug bis jetzt 5 Jahre 15 ), und es ist wohl nicht zu viel 
gesagt, wenn wir annnelmien, dass die Zahl der einzelnen An¬ 
fälle, beide Augen zusammengenommen, in dieser Zeit weit über 
100 betragen hat. Stets handelte es sich hierbei lediglich um 
Gefässinjectionen: Kur einmal wurde ein kleines epi- 

s k 1 e r i t i s c h e s K n ö t c h e n 10 ) gefunden (vergl. sub 20. VI. 
1898), das schon nach 24 Stunden nicht mehr deutlich war. In 
der Zeit, wo der Bulbus wochenlang (bis zu 4 Wochen) überhaupt 
nicht entzündungsfrei wurde, näherte sich das ganze Bild der 
gewöhnlichen Episkleritis, die bekanntlich auch wandert. Doch 
waren Ortsveränderung und Röthung immer noch auffallend 
schnell und vielfach sprunghaft. 

Von Co in plicationen 1T ) zeigte sich der seltene Be¬ 
fund einer gleichzeitigen Iritis (vergl. April 1898 und 31. VII. 
1898). ln der grossen Mehrzahl der Anfälle aber waren ent¬ 
zündliche Erscheinungen an der Iris nicht nachweisbar. Die 
Pupille erweiterte sich auf Atropin ohne Mühe, soweit die ein¬ 
zelnen alten Synechien das zulicssen (d. h. R. über Mittelweite, 
nach oben ganz frei, L. etwas weniger). Die Pupillenerweitenmg 
hatte auf den Verlauf, das Wandern und die Beschwerden in 
diesem Falle keinen Einfluss. Nur einige Male bestand deut¬ 
liche Irishyperaemie resp. Iritis. Es sei dies ausdrücklich her¬ 
vorgehoben, da sonst der Eindruck entstehen könnte, es habe sich 
überhaupt um eine Iritis gehandelt. Dass dies nicht der Fall, 
zeigt schon Ablauf und Zahl der Anfälle. 

Das in der Krankengeschichte berichtete Hauterythem 
auf dem Handrücken würde man am besten in Congruenz mit 
der Skleralerkrankung als Erythema fugax bezeichnen können, 
wenn nicht dieser Name bereits jenes ausserordentlich flüchtige 
„Verlegenheits 44 -rothwerden bezcichnete, wie es bei leicht erreg¬ 
baren Personell, namentlich weiblichen Geschlechtes, nicht gerade 
selten beobachtet wird, und von welchem sich die vorliegende 
Affection durch die mindestens nach einer grösseren Anzahl von 
Stunden zu berechnende, längere Dauer, sowie die braun- 
rothe Färbung unterscheidet. 

Die Annahme einer abortiven Urticaria scheitert an der 
langen Dauer und dem subjeetiv reizlosen Auftreten des Ery¬ 
thems. Zudem kommen solche angioncurotischen Erytheme (Urti¬ 
caria, Riesenurticaria, Urt. massive, acutes angioneurotisehes 
Oodem), wie Fuchs betont, in Gesellschaft einer Lidschwellung 
vor, die er als „acutes recidivirendes Lidoedem 44 bezeichnet und 
von der Episcl. p. f. streng geschieden wissen will. Die Augen- 
affection ist in diesen Fällen nur das Symptom eines auf Haut 
und Schleimhäute (besonders der Nase: sog. nervöser Schnupfen) 
auftretenden, ausgebreiteten Processes, der neuerdings von 
Schlesinger 16 ) unter dem Gesannntbilde des Hydrops hypo- 
strophos zusammengefasst wurde. 

deutliche Milzvergrösserung, auf Chinin rengirend. 1 mal; milssige 
Milzvergrösserung 1 mal; Malariaverdaeht 1 mal; Chinin wirksam 
2 mal. 

18 ) Fuchs im Verhältniss 20 :2. 

* 4 ) Ibidem: 3 mal. 

iS ) Beobachtet wurde 1 mal eine Krankheitsdauer von 
20 Jahren (ibidem). 

“) Ibidem: 1 mal. 

,T ) An Complicationen ad oculuru wurden gefunden (unter deu 
22 F u c h s’schen Fällen): Keine 6 mal; Uebergang zu randstün- 
digeu. recidivirendcn Hornhautinflltraten 1 mal; punktförmige 
Hornhauttrübung 1 mal; Iris und Ciliarkörper hyperaemisch 3 mal: 
Aoeomniodntionsschmerzen und-krampf lmal; Llnsenastigmatismns 
1 mal; Bewegungen schmerzhaft 3 mal; Bewegungen beschränkt. 
Protrusio bulbi, Lidsuffusion in einem Falle. 

,8 ) Hydrops hypotrophos. Ein Beitrag zur Lehre der acuten 
angioneurotischen Oedeme. Münch, med. Wochensehr. 1899, 
No. 35. 

Neuere Veröffentlichungen über acutes Lidoedem: 

T e r s o n : Oedöme aigue de la conjonctive. Clin, ophth. 
1899, No. 1. 

Duane: Angio-neurotie oedema of the conjunct. The Ophth. 
Record. 1899, No. 4. 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


221 


Für die noch nicht besprochenen Erythemformen, Erythema' 
exsudativum multiforme und Erythema nodosum 1# ) fehlt jeder 
Anhaltspunkt. 

Es spricht unsere Beobachtung jedenfalls dafür (wie dies 
auch zu dem ganzen, flüchtigen Charakter der Krankheit am 
besten passen würde), dass es sich vorwiegend um vaso¬ 
motorische Reize handelt, auf deren Localisation die 
Nerven von Einfluss zu sein scheinen, einerseits wegen der 
merkwürdigen, oft so präcis localisirten und der Augenstörung 
vorausgehenden Trigeminusneuralgien, dann auch wegen der 
hochgradigen localen Schmerzen, welche zu dem Grade und der 
Ausdehnung der Injection öfters in einem auffallenden Missver¬ 
hältnisse zu stehen schienen. 

Die Therapie bezeichnet Fuchs als „zumeist erfolglos: 
Am meisten Erfolg haben noch Chinin und salicylsaures Na¬ 
tron.“ In dieser Zusammenstellung fehlt somit dasjenige Mittel, 
welches bei der gewöhnlichen Epi- und Scleritis neben dem Salicyl 
eine Hauptrolle zu spielen pflegt, und unter dessen Gebrauche 
in unserem Falle nach mehrmonatlichem, intensivstem Bestehen 
der Aflection eine überraschend günstige, sofortige Wendung 
zum Besseren eintrat, das J o d k a 1 i. Die ausserordentlich 
prompte Wirkung des Mittels, nach vergeblicher, monatelanger 
Behandlung auf andere Weise, berechtigt wohl zu dem Schlüsse, 
dass es sich hier um ein „propter hoc“ handelt. Das geht ferner 
ans der wiederholten, mit der Sicherheit eines Experimentes er¬ 
folgenden Beobachtung hervor, dass die Anfälle beim Fortlassen 
des Mittels sofort wiederkommen, um nach seiner Darreichung , 
wieder zu verschwinden. 

Jedenfalls berechtigt die hier gemachte Erfahrung bei der 
Ohnmacht sonstiger Therapie zu dem Rathe, bei Behandlung der 
Episeleritis periodica fugax das altbewährte Universalmittel 
Jodkali in erster Linie heranzuziehen. 

Eine syphilitische Aetiologie der Krankheit aus dem Erfolge : 
der Jodtherapie zu schliessen, scheint mir nicht statthaft, da 
alle anderen Anhaltspunkte fehlen und da beim Fortlassen des 
Jodes sofort immer ein Recidiv hervortritt. Syphilitische Er- ; 
seheinungen, wenn sie durch Jodkali so vollständig und schnell 
beseitigt werden, pflegen sich nicht in dieser Weise zu verhalten. 


Epileptiforme Anfälle in der Reconvalescenz eines 
r -r?7rT„ ft ?? (Unterleibstyphus. 

Von Prof. Dr. F. Mühlig, Arzt am deutschen Krankenhause 
in Constantinopel. 

Patient ist der 23 jährige Kroate M. Er ist früher niemals 
krank gewesen, war Soldat und ist ein kräftiger, gut gebauter 
Mensch. In seinerFamilie sind keine Spuren irgend einer nervösen 
oder Geisteskrankheit Am 7. November 1898 sah ich den Kranken 
zum ersten Male. Er klagte über Mattigkeit, Kopfschmerzen und 
Appetitlosigkeit. Die objective Untersuchung ergab Folgendes: 
Meteorismus, geringer Milztumor; Temperatur 39,5°. Puls 120. 
Patient gab an, dass er sich seit etwa einer Woche nicht wohl 
gefühlt habe. Abends war die Temperatur 39,4°, am nächsten 
Tage 39,6°, 39,4° und 39,8*. Die Temperatur hielt sich in den 
nächsten Tagen in den Grenzen zwischen 39.9° und 38,5°. Es 
traten Roseolen und Diarrhoen auf. Auch stellte sich ein ziemlich 
heftiger Husten ein, ohne dass sich über den Lungen etwas nach- 


**) Bel Erythema e. multiforme beobachtete man (nach Ter* 
s o n : Troubles oculaires dans l’örythöme polymorphe, citirt nach 
Schmidt-Rimpler: Die Erkrankungen des Auges im Zu¬ 
sammenhänge mit anderen Krankheiten. Nothnagel’s 
Specielle Pathologie und Therapie, XXI. Band, 1898, S. 550.) das 
Vorkommen von Knötchen auf der Conjunctiva bulbi. Ausserdem 
findet man gelegentlich eine Mitbetheiligung der Lidhaut. Ein 
einschlägiger Fall kam in der Augenpoliklinik Rostock zur Be¬ 
obachtung: Der 55 Jahre alte Drehorgelspieler N. erkrankte am 
fl. V. 1899 mit Frost und Fieber, ohne Gelenkschmerzen; am 9. V. 
stellte sich ein stark juckender Ausschlag auf Händen, Füssen und 
Nacken ein, der am 10. V. auch die Augenlider ergriff. Die Unter¬ 
suchung ergab am 11. V. beiderseits röthliche Färbung der Lider, 
die sich oben und unten ln Form einer Bogenlinie mit leichten 
Einkerbungen abgrenzte (E. gyratum). Diese Theile waren ge¬ 
schwollen, fühlten sich heiss an und zeigten weiche Consistenz. 
Dazu diffuse starke Conjunctivitis, doch ohne umschriebene Erup¬ 
tionen. Auf der Wange schlossen sich runde, röthliche Quaddeln 
von Fünfpfennigsttickgrösse an, die im Centrum bläulich verfärbt 
erschienen. Am übrigen Körper der typische Befund des sym¬ 
metrischen E. multiforme. 

Ein Erythema nodosum mit charakteristischen Knoten auf 
der Conjunctiva bulbi stellte Kaposi am 10. Februar 1897 in 
der. Dermatologischen Gesellschaft zu Wien vor. (Sitzungsbericht, 
Wien. kün. Wochenschr. 1897, No. 8, pag. 198.) 

No. 7. 

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weisen Hesse, mit Ausnahme vereinzelter bronchitischer Ge¬ 
räusche. Kurz Patient zeigte das Bild eines Typhus abdominalis. 
Während der Dauer der Krankheit schlief Patient auffallend viel 
und delirirte des Nachts häufig. Am 12. XI. fiel die Temperatur 
plötzlich auf 36,4°, um am nächsten Tage wieder auf 39,3° zu 
steigen Eine Ursache hierfür Hess sich nicht nachweisen. Die 
Behandlung bestand in einer leichten Salzsäurelösung und in 
kalten Abwaschungen (4 mal täglich) mit Eau de Cologne. Als 
Nahrung diente ausschliesslich Milch, Bouillon und Wein (Marsala). 
Gegen den heftigen, manchmal krampfartig auftretenden Husten 
wurde während dreier Tage ein Senegalnfus mit Liquor ammonil 
anisati verordnet Am 23. XL war der Kranke fieberfrei. Am 14. 
fieberfreien Tage bekam Patient zuerst ein Ei und von da ab täg¬ 
lich leichte Speisen, Reis, Ei und Hühnerfleisch.- Am 20. fieber¬ 
freien Tage trat plötzlich um 3 1 /, Uhr Morgens, nachdem der 
Kranke sich Abends noch sehr wohl befunden hatte, aber noch 
immer das Bett hütete, ein epileptiformer Anfall auf. Patient 
wird bewusstlos; es treten klonische Krämpfe zuerst an den beiden 
letzten Fingern der linken Hand auf. Alsdann gehen diese Krämpfe 
auf das linke Augenlid und schliesslich auf den ganzen Körper über. 
Dauer dieses Anfalles l / a Stunde. Die Pupillen sind erweitert und 
reactionslos. Drei Stunden darauf wiederholt sich dieser Anfall 
unter denselben Erscheinungen und in derselben Reihenfolge. 
Dauer 20 Minuten. Um 12 Uhr Mittags dritter Anfall in derselben 
Weise von 10 Minuten Dauer. Abends 6 Uhr tritt der letzte, wel¬ 
cher mit Unterbrechungen von 1—5 Minuten 1 Stunde dauerte, auf. 
Von da ab kein weiterer Anfall. Zwischen den einzelnen Anfällen 
fühlte sich Patient verhältnissmässig wohl. Er klagte diese ganze 
Zeit über und noch zehn Tage später nur über das Gefühl von 
Kriebeln und Ameisenkriechen an den zwei letzten Fingern der 
linken Hand. Im Urin war weder Eiweiss noch Zucker, am 
Herzen nichts Abnormes bemerkbar. 

Vom Beginn des ersten Anfalles an bekam der Kranke 
Bromkali, 4 g steigend bis 8 g pro die. Acht Tage nach dem letzten 
Anfalle wurde mit diesem Medicamente ausgesetzt. 

Die Reconvalescenz ging ohne weitere Störung von statten. 
Patient hat seitdem, also nach einer Beobachtung von einem 
Jahre, keinen Anfall mehr bekommen und ist ganz gesund. 

Meines Wissens nach sind derartige epileptiforme Anfälle 
in der Reconvalescenz eines Unterleibstyphus bisher noch nicht 
beschrieben worden. Eine Erklärung für das Zustandekommen 
dieser Erscheinung ist schwer zu finden. Handelte es sich um 
eine Gehirnembolie oder um eine acut aufgetretene Gehirn- 
anaemie — wir wollen es an dieser Stelle nicht entscheiden. 

Bemerkenswerth ist jedenfalls einmal die schnelle Aufein¬ 
anderfolge und lange Dauer der einzelnen Anfälle, dann aber 
die Thatsache, dass die Krämpfe sich nur an einem Tage zeigten, 
um dann nicht mehr aufzutreten. 


Hydrorrhoea ovarialis jntermittens. 

(Hydrops ovarii profluens.) 

Zur Lehre von den Tubo - Ovarialcysten.*» 

Von Dr. Max Nassauer, Frauenarzt in München. 

Die Erklärung des Zustandekommens der Tubo- 
Ovarialcysten ist noch eine sehr strittige. Die relative 
Seltenheit derselben hat das Gebiet zu wenig erforschen lassen. 
So fand Olshausen im Jahre 1886 nach 300 Laparotomien 
nur 3 Fälle und sagt: „Man sollte nach den nur vereinzelten 
Beobachtungen der neuesten ovariotomienreichen Zeit denken, 
dass die Tuboovarialcysten grosse Seltenheiten seien. Doch fehlt 
wohl im Allgemeinen noch die Bekanntschaft mit diesen inter¬ 
essanten Gebilden und wird die Zahl der Fälle gewiss bald sich 
vermehren.“ Das ist nun nicht eingetroffen. Sie sind seltene 
Gebilde geblieben. 

Anatomische Präparate, beweiskräftig für die Ent¬ 
stehung derselben, liegen bis jetzt recht wenig vor. 

Klinische Erscheinungen, welche die Diagnose 
einer Tubo-Ovarialcyste bei Lebzeiten, vor einer Operation, 
Sicher machen, sind noch spärlicher zur Beobachtung gekommen; 
geschweige solche, die an sich etwa für die Theorie der Genese 
dieser Tumoren verwerthbar wären. Soweit ich die Literatur 
verfolgen konnte, sind die klinischen Erscheinungen 
eines solchen Falles, wie ich ihn beobachtet habe, überhaupt noch 
nicht beschrieben. Das dann durch die Laparotomie gewonnene 
anatomische Präparat entspricht so sehr der seltenen klinischen 
Beobachtung, dass ich glaube, mit der ausführlichen Beschrei¬ 
bung 

a) der klinischen Erscheinungen einer Tubo- 
Ovarialcyste mit temporär durch Uterus und Scheide profluiren- 
dem Ovarialeysteninhalt, 


*) Im Auszug vorgetragen in der Münchener gynäk. Gesell 
Schaft am 24. I. 1900. 


3 


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222 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


b) der vorliegenden anatomischen Verhält¬ 
nisse hei der Laparotomie und des Befundes der exstirpirten 
Geschwulst 

einen lehrreichen Beitrag zur Lehre von den Tubo-Ovarial- 
cysten, sowie des „Ausflusses“ in klinischer, wie ana¬ 
tomischer Beziehung liefern zu können und zu sollen. 

Fall: 25. Februar 1898. 

Frau E. Sch., 34 Jahre alt, verheirathet. Mutter lebt, ge¬ 
sund, lm hohen Alter. 2 lebende gesunde Schwestern, mehrere ge¬ 
sunde Brüder; Vater an Lungenentzündung gestorben. Als Kind 
ausser Kinderkrankheiten gesund. Vor Jahren Gelenkrheumatis¬ 
mus. Vor 3 Jahren einen Bandwurm, den sie selbst abgerissen 
hat. so dass voraussichtlich damals der Kopf desselben nicht mit 
»1 »gegangen war. 

Periode bot nichts Besonderes; regelmässig. 3—4 Tage dau¬ 
ernd, schmerzlos, Blut ohne Besonderheiten. 5 mal geboren. 
4 Geburten ohne Bemerkenswerthes. 

Im September 1897 5. Geburt. 3 Wochen vor der Geburt soll 
das Kind abgestorben sein; dasselbe kam ausgetragen, aber in 
todtfaulem Zustande zur Welt. Weiss keine Ursache dafür anzugeben. 
Lebt seit 4 Jahren getrennt von ihrem Manne; verkehrte mit 
anderen Männern geschlechtlich. 

Seit der Geburt, also seit 5 Monaten, fühlt sie sich nicht mehr 
wohl. Kreuzschmerzen, Herzklopfen, Magenbeschwerden, Kopf¬ 
schmerzen, Verstopfung, ..Ausfluss“, Druck auf den Mastdarm. 
.Appetit ziemlich gut. Letzte Periode vor 8 Tagen. 

Status: Grosse, sehr anaemische, hinfällige Person, mit 
starkem Fettpolster. Macht einen sehr nervösen Eindruck. 
Schleimhäute sehr blass. Puls weich, frequent. Am Herzen 
anaemische Geräusche; kein Klappenfehler; Lunge nichts Be¬ 
sonderes. Urin frei von abnormen Bestandtheilen. Unterleib 
sehr schlaff. Percussion ergibt nichts Besonderes; rechte Inguinal¬ 
hernie. 

Blmanuelle Untersuchung: Alter Dammriss, Scheideneingang 
klafft etwas; Schelde weit. Portio weich, äusserer Muttermund 
klafft. Uterusfundus steht sehr hoch, ist nicht 
abzutasten ; ebenso sind die Anhänge nicht zu fühlen. Pa¬ 
tientin ist sehr empfindlich gegenüber der Untersuchung. Ein 
Tumor auf keinen Fall nachzuweisen. Portio im Speculum bläu¬ 
lich verfärbt; bei der Sondirung Uterushöhle normale Länge, 
Uterus anteflectirt, sehr leicht durchgängig: blutet bei der Son¬ 
dirung. 

Allgemeineindruck der einer hysterischen Person. 

Der ziemlich negative Befund lässt als positive vorläufig»* 
Diagnose nur zu: Hysterie, Anaemie mit Verdacht auf einen Band 
wurm, Endometritis (?). Patientin wird mit der Anweisung, auf 
Bandwurmgliederabgang zu achten, mit Verordnung von Ferrum 
Präparaten entlassen und wieder bestellt. 

4 Tage später kommt Patientin wieder, vor Schmerzen im 
Unterleib sich krümmend und bricht unter hysterischen Anfällen 
zusammen. Jammert über fürchterliche Leibschmerzen, so dass 
die geringste Berührung des Unterleibes die stärksten Schmerzens- 
äusserungen hervorruft. Eine Untersuchung ist ganz unmöglich. 
Puls etwas beschleunigt, aber voll und regelmässig; grosse Blässe 
des Gesichtes. Morphin 0,01 subcutan, Cognac. Nach einiger Er¬ 
holung per Droschke nach Hause transportirt. mit dem Rathe, so¬ 
fort zu Bett zu gehen, heisse Umschläge auf den Leib zu machen: 
Opium innerlich. 

Verdacht auf Stieldrehung eines undiagnosticirt gebliebenen 
Adnextumors. Die Schmerzen waren Im Unterleib so vertheilt, 
dass nicht einmal eine Seite als besonders schmerzhaft ange¬ 
sprochen werden konnte. Der anfängliche Verdacht auf eine 
ovent. Innere Blutung wird durch die ca. 1 ständige Beobachtung 
des Pulses in der Sprechstunde von der Hand gewiesen. 

2. III. Nächster Tag, Patientin im Bett; Leib weniger em¬ 
pfindlich; aber immer noch so schmerzhaft, dass die geringste Be¬ 
rührung nicht ertragen wird. Der untere Leberrand ist ebenso 
empfindlich, wie die Milzgegend, dessgleichen der ganze Unter¬ 
leib. Eine digitale Untersuchung dos Rectum ergibt im Darm 
nichts Besonderes; von Ihm aus kein Tumor zu fühlen. Kein 
Fieber. Oleum Rlcini; dann Opium; heisse Kataplasmen; Bett¬ 
ruhe; Diät 

3. III. Nach Darmentleerung etwas besser. Untersuchung 
noch unmöglich. 

4. III. Etwas Ausfluss aus der Scheide: darauf¬ 
hin der Leib nicht mehr so druckempfindlich, so dass man ihn vor 
sichtig palpiren kann; allerdings nur sehr unvollkommen. Dabei 
scheint sich links im Unterleib ein beweglicher, 
cystisoher, dünnwandiger Tumor herauszu¬ 
stellen, der für die erweiterte Tube sammt 
einer Ovarialcyste anzusprechen sein dürfte. 
Aeusserer Muttermund für einen Finger durch- 
g ä n g 1 g. 

5. III. Fühlt sich etwas besser. Statt Opium. Morphium¬ 
tropfen. Lässt sich trotz Verwarnung in eine andere Wohnung 
transportiren. 

6. III. Hat auf dem Transport ungeheure Schmerzen ge- 
liabti darnach hat sich im Bett ein ausserordent¬ 
lich stinkender, reichlicher Ausfluss aus der 
Scheide eingestellt: derselbe hat das ganze 
Hemd gesteift; sah geronnener Milch ähnlich. 
Hierauf viel besseres Befinden. Um nicht neue Schmerzen hervor¬ 
zurufen keine Untersuchung. 


7. III. Stuhlgang; Leib nicht mehr so schmerzhaft; grosse, 
theilweise hysterische Angst vor Berührung. Schwindel; Ohn¬ 
machtsanfall 

9. III. Periode; schmerzlos. 11. III. Sehr gutes subjective* 
Befinden. In Folge dessen ist Patientin aufgestanden; musste sieh 
wegen rasender Schmerzen wieder legen. 

11._14. III. Nachlass der Schmerzen; Bettruhe; Zahn¬ 


geschwür. 
14_ 99 


ttt \ ii«sor Bett* diätetische, roborirende Behand¬ 


lung. 

23. III. Sehr vorsichtige und In Folge der Angst und-Schmer¬ 
zen der Kranken nur unvollkommene Untersuchung. Uterus steht 
sehr hoch; kein Tumor zu differenziren. Die Anhänge nicht ab¬ 
zutasten. von Därmen überdeckt. Der Hochstand des Uterus 
wird auf einen von einem Tumor herrührenden Zug zurück¬ 
geführt: wegen des noch bestehenden übelriechenden Ausflusses 
eine Lysolausspttlung des Uterus. 

26. III. Recht gutes Befinden. Seit der Uterusspülung kein 
Stuhlgang. Der „Bandwurm steigt ihr in die Höhe bis zum Hals“. 
Bis jetzt kein Abgang von Gliedern. Leib noch Immer sehr druck¬ 
empfindlich; daher keine gründliche Exploration möglich. 
Patientin fühlt, wie sich bisweilen von links 
nach rechts beim Lagewechsel ein „K1 o s s“ be¬ 
wegt. Man fühlt über den linken Adnexen eine gewisse Span¬ 
nung und Resistenz. Aber keine Wandung, keine Geschwulst. Es 
scheint, dass sich die theoretisch anzunehmende Geschwulst ent¬ 
leert hat und die schlaffwandige Cyste nun keinen Inhalt mehr 
gibt für eine Palpation und Diagnose. 

2. IV., also 27 Tage nach dem ersten Ausfluss, wieder viel 
wässeriger Ausfluss. Obstipation. Lysolausspülung des Uterus. 

Im Laufe des Sommers öfters starke Attaquen von Leib¬ 
schmerzen, so dass Patientin während derselben oft kaum sitzen 
oder stehen kann. Unterzieht sich jedoch nur einer Behandlung 
gegen die Schmerzen, so dass ausser Narkotlcls, Leibbinde, Aus¬ 
spülungen und diätetischen Vorschriften nichts gethan werden 
kann, eine Untersuchung in Narkose und Operationsvorschlag an¬ 
gewiesen wird. 

7. XI. Vor 14 Tagen wieder starke Leib¬ 
schmerzen, die von Tag zu Tag stärker werden, schliesslich 
so stark, dass die Kranke Selbstmordgedanken hegt \ Dann 
bekam sie 8 Tage später plötzlich auf der Strasse 
ungemein starken Ausfluss aus der Scheide, so 
dass sie glaubte, es sei die Blase gesprungen 
wie bei einer Schwangerschaft. Die Flüssig¬ 
keit durchtränkte das Hemd, die Unterkleider, 
füllte beide Stiefel an und sickerte auf den 
Boden der Strasse. Sie gibt die Menge auf ca. 
■/* Liter Wasser an; sehr übelriechend, schlei 
mig, mit Flocken vermischt. Daraufhin wieder 
vorzügliches Befinden. Heute. 8 Tage nach dem Wasser¬ 
sturz, fühlt man vor dem Uterus, etwas nach links, 
eine cystische, gut faustgrosse Geschwulst un¬ 
deutlich durch. Es scheint, dass sie von Därmen 
überlagert Ist. mit welchen sie sich hin- und 
herschieben lässt, was starke Schmerzen verursacht. 
Wiederholter Rath zur Operation. 


2. XII. Keine deutliche Geschwulst mehr nachweisbar; nur 
undeutliche Resistenzen links; nach der Untersuchung hysterische 
Anfälle mit Erbrechen in der Sprechstunde. Dabei kommt — 
gegen 5 Uhr — das um 12 Uhr genossene Fleisch und Gemüse 
völlig unverdaut zum Vorschein. 

3. XII. Wieder wohl. 3. XII.—16. XII. Starker Ausfluss 
und Ansteigen der Schmerzen. 

16. XII. Endlich Aufnahme in die Klinik behufs Operation. 

16. XII. Nach stärkerem Ausfluss und entsprechendem 
Nachlassen der Schmerzen Untersuchung in Narkose in der 
chirurgischen Klinik des Herrn Dr. Krecke. 

Status: Uterus eher klein als gross; die linken Anhänge 
heute etwa kleinfaustgross, in Verwachsungen eingehüllt. mit den 
Därmen etwas verschieblich; deutlich vom Uterus abgrenzbar. 

21. XII. (5 Tage später) Laparotomie: Herr Dr. Krecke und 
Verf. Aethemarkose; 200 ccm Verbrauch; Narkose sehr gut; Dauer 
der Operation 1 Stunde. Beckenhochlagerung. 

Nach Durchtrennung der Bauchdecken zeigten sich der Uterus 
und die beiderseitigen Anhänge so sehr mit den Därmen ver¬ 
wachsen, dass eine Orient!rang sehr schwierig ist. Nach Zurück - 
schlagung der Kolonschlingen ist der Uterusfundus in der Mittel¬ 
linie gerade mit der Kuppe zu sehen; alles Uebrige ist In Därme 
eingepackt; links schaut zwischen solchen etwa pflaumengross 
und auch pflaumenfarbig die Kuppe der linksseitigen Anhänge 
hervor. Es wird, von links her, der mit dem Uterus flächenhaft 
verwachsene Darm mit den Fingern stumpf loszuschälen be¬ 
gonnen, nach Anhackung des Uterusfundus und Emporziehen mit 
Museux’. Dabei reisst dieser aus und schlitzt den ganzen Uterus¬ 
fundus auf, der sofort mit 3 Seidenknopfnähten genäht wird. Man 
gelangt allmählich beim Abschälen der Därme auf die vordere 
Uteruswand, dann auf die hintere Blasenwand, die vollständig 
mit Därmen und den linken Anhängen verwachsen war. Die 
Blase wird ebenfalls sehr mühsam stumpf losgelöst; sie fällt 
dann nach vorne: Ihre ganze hintere Wand, die verwachsen war. 
ist nunmehr eine einzige grosse Wundflächt* geworden. Nun erst 
Ist es möglich, die Därme von den linken Anhängen loszuschälen. 
Dabei reisst plötzlich eine dünne Wand ein und es entleeren sieb 
etwa 2—3 Tassen seröser etwas blutiger Flüssigkeit aus der von 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MED1C1NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


223 


dieser zarten Wand theihveise gebildeten Höhle, deren Angehörig¬ 
keit noch nicht zu erkennen ist. .Nack weiterer Losschülung er¬ 
weist sie sich als eine dem Eierstock ungehörige Cystenwand. In 
dieser Flüssigkeit keine Spur von Eiter. Beim Ausschälen der 
ganzen Geschwulst quillt nun, nachdem man hinten auf dicke 
Schwarten gekommen ist, nach Zerreissuug dieser, grünlich-gelber, 
flüssiger Eiter hervor, der nach Möglichkeit sofort auf getupft und 
entfernt wird. Nun gelingt es allmählich, die ganzen Anhänge 
herauszuschälen. Sie werden am uterinen Ende mit Dechamps 
umstochen, und so schrittweise abgebundeu; dann weiter aus dem 
Lig. lat. ausgeschält, wobei mehrere spritzende Gefässe unter¬ 
bunden werden. So gelingt es schliesslich, das Geschwulst- 
convolut zu entfernen, das nach der Herausnahme noch etwa 
apfelgross ist. 

Es werden die zerfetzten Ränder des Lig. lat. so gut als mög¬ 
lich zur Deckung der von der Serosa entblössten linken Wand des 
Uterus benutzt, das Ligament vernäht. Keine Blutung; auch die 
hintere Blasenwand blutet nicht mehr. 

Rechts sitzen an der hinteren Uterusfläche ebenfalls Darm¬ 
schlingen angelöthet, darunter auch der Processus vermiformis. 
Die rechte Tube normal geschlängelt; rechter Eierstock normal 
gross. Es werden hier die Därme nicht gelöst, da sie event. doch 
wieder anwachsen würden und ausserdem linkerseits schon über¬ 
reich Darmschlingen ihrer Serosa entblösst wurden. Während 
der Bauchnaht (2 Etagen) presst Patientin so stark, dass der 
Magen zur Hälfte aus der Bauchwunde hervorquillt. Entfernung 
der vor der Operation zum Empordrängen des Uterus in die 
Scheide applicirten Tampons. — lteconvalescenz durch ein eitriges 
linksseitiges Exsudat etwas gestört, das 16 Tage nach der Opera¬ 
tion durch die Scheide incidirt und entleert w r ird (6. 1. 99). 

19. I. 1899. 4 Wochen post oper. bei vorzüglichem Befinden 

entlassen. 

28. I. 99. Periode; 3 Tage dauernd; beschwerdelos. 

ln den folgenden Monaten vorzügliches Befinden. Kein Aus¬ 
fluss; keine Verstopfung; keine Beschwerden beim Wasserlassen. 
Bisweilen geringe Schmerzen rechts im Unterleib (an der Stell«? 
der nicht gelösten Adhaesioneu des Blinddarmes mit dem Uterus). 
Etwas Magenbesclnverden. 

1. IV. Bauchwmnde völlig vernarbt; Uterus normal gross; 
links im Unterleib Narbengewebe; nicht empfindlich. 

1. VIII. Vorzügliches Befinden; hat um sehr vieles im Ge¬ 
wicht zugenommen; sieht blühend aus. Trägt aus Eitelkeit keine 
Leibbinde. 

1. IX. Vorzügliches Befinden; Neigung zum Bauchbruch. — 

Das gewonnene Präparat im frischen Zu¬ 
stand zeigt die um sich selbst und in sich selbst in auf- und 
absteigenden Linien verwachsene, mehrfach verschlungene Tube». 
Sie ist etwa kleinfingerdick, allseitig von Adhaesionsmembranen 
straff eingehüllt, nach dem Uterus zu spitzer und dünner werdend; 
hier ein kaum steckuadelkopfgrosses Lumen. Die Tube läuft 
laieralwärts in eine Geschwulst hinein, ähnlich wie etwa ein viel¬ 
fach gewundener, verkrüppelter Stengel eines Pilzes in den Kopf 
desselben. Dieses breite unregelmässige runde Ende zeigt auf der 
Vordertiüche einen ca. 2 cm langen Riss, der in eine Höhle führt. 
Sieht man in diese hinein, die vorne und aussen ganz dünne Wan¬ 
dung hat, so sieht man das Fimbrienende der Tube hineinragen, 
allseitig von der Cysten wand umwachsen. Aus dem Fimbrien¬ 
ende quillt ungemein deutlich die Schleimhaut der Tube blauroth 
heraus und in die Cystenhöhle hinein, so dass im unversehrten 
Präparate unzweifelhaft die Fimbrien im Cysteninhalt ttottiren 
mussten. Die Cyste zeigte medianwärts und nach unten zu mit 
blossem Auge normales Eierstocksgewebe; dieses hinwiederum 
trägt am unteren freien Pol einen haselnussgrossen, sprungreifen 
Follikel. An der hinteren Fläche der Geschwulst sind zahlreiche 
frische Verwachsungen zu sehen, die bei der Operation stumpf ge¬ 
löst waren und zwischen welchen einerseits, und den Därmen 
andererseits die erwähnte bei der Operation hervorquellende Eiter- 
ansammlung bestand. 

Es wird aus der Tube, aus dem Fimbrienende je ein Stück 
zur mikroskopischen Untersuchung genommen, dessgleichen vom 
Tubensecret. 

Nach Einlegung in Formalin, dann in 90 proc. Alkohol reprä- 
sentirt sich das Präparat folgendermaasseu: 

Das Präparat ist etwas geschrumpft. Insbesondere sind die 
Cysten Wandungen zusammengefallen und die Höhle ist auf ein 
kleines redueirt, immerhin noch etw'a pflaumengross. Die Höhle 
des am unteren Ende befindlichen sprungreifen Follikels etwa 
erbsengross. 

Die Tube in der Vorderansicht stark auf Fingerstärke 
verdickt, gewunden; an den Windungsstellen sind die äusseren 
Flächen fest, untrennbar mit einander verwachsen, so dass 
sehr scharfe Knickungen bestehen. Die Tube steigt zuerst 
gerade in die Höhe, knickt sich dann an der Oberfläche etwas ein. 
um sich wieder nach aussen weiter zu strecken, biegt dann fast im 
rechten Winkel nach unten ab, um sich wie ein geknickter 
Schlauch gleich darauf wieder senkrecht in die Höhe zu strecken 
und sofort wieder ganz kerzengerade senkrecht in die Tiefe zu ver¬ 
sinken und so mit dem abdominalen Ende in der unter ihr liegen¬ 
den Geschwulstmasse zu verschwinden. Hier beim Einsinken 
min in diese ist die Tube allseitig von derbem, sehr festem Gewebe 
umschlossen, so dass es z. B. ein vergebliches Bemühen wäre, di«* 
Tul»e wie einen Stiel «aus dem übrigen Gewebe herauszureissen. 
Insbesondere ist dies von hinten her vorzüglich zu sehen, wo, wie 


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wir sehen werden, sich sehr derbe Membranen gebildet haben. Di«* 
ganze Tube würde, wenn man sie in die Länge ziehen könnte, was 
in Folge der starken peritonitischen Verwachsungen der äusseren 
Wandungen natürlich unmöglich ist, um ein gut Stück über die 
Norm verlängert erscheinen, genau wie sie au Dicke und 
Breite zugenommen hat. Eine schmale, flache Furche grenzt 
lür das Auge deutlich auf der Vorderfläche das dem Eierstocke 
zugehörige Gewebe von der unteren Fläche der Tube ab, w r enn 
sie auch untrennbar verbunden siud. Die ganze Vorderfläche des 
Präparates, also Tube und Ovarium, ist mit kleinen Fetzclien ver¬ 
sehen, Spuren von der Ausschälung. Nur die Cystenkuppe ist 
glatt, ebenso die unterste Spitze, auf der der Follikel sass. 

Von hinten gesehen ist die Geschwulst viel instructiver. 


Tube 



Ov. »-'-S 


Wir sehen die starken Wandungen der Tube, dieselben Knick¬ 
ungen, w’ie von vorn, dieselben Adhaesioneu an den Tubenw’an- 
dungen. Was aber ganz besonders schön zu Tage tritt, das ist die 
senkrechte Einsenkuug des abdominalen Tubenendes in die Eier¬ 
stocksmasse. Das abdominale Drittel ist das breiteste der Tube, 
«lie überhaupt vom uterinen Ende her an Umf.ang allmählich zu- 
nimmt. Hier ist es über 1 cm breit und verschwindet so in dem 
Ovarialgewebe, dass es von diesem vollständig mit einem derben 
starken Ring umschlossen ist. Es erinnert das Bild auch etwas 
an einen sich in die Glans verlierenden Penisschaft; oder, wie beim 
frischen Präparat bemerkt, einen im Stengel verkrüppelten Pilz. 
Die Kuppe des Pilzes entspricht der Kuppe der Cyste. Noch 
deutlicher wie von vorne markirt sich in einer gewundenen Linie 
die Abgrenzung der dem Eierstock ursprünglichen Substanz vor 
der der Tube. 

Die ganze Wand ist hier hinten mit derben Membranen be 
deckt. 

Hier au dieser hinteren äusseren Fläche der Geschwulst in 
der Tiefe w r ar der bei der Operation nach Entleerung der Cyste 
hervorquellende Abscess. Diese hintere Geschwulstwand bildete 
zugleich die vordere Abscesswand. Die so gebildete Abscesshölile 
war unzweifelhaft unabhängig von «1er Cystenhöhle. Sie lag ganz 
ausserhalb der Geschwmlstmasse. Auf die Bed«*utung dieser Eiter¬ 
ansammlung für das Zustandekommen des ganzen Processes 
w erde ich später zurückkommen. 

Um nun den Zusammenhang des Tubeulumens und der Tube 
überhaupt mit der Eierstocksgesctnvulst zu erkennen, wird das 
letzte senkrechte, etwa 3—4 cm lange Tubeneude an der oberen 
Kuppe senkrecht eingeschnitten und von dieser Oeffnung aus 
eine feine Sonde in den Tubencanal nach unten gegen die 
Geschwulstmasse zu fortgeführt. Wenn mau nun in die Cyste durch 
den Riss hineinsieht, sieht man die Sonde aus der Tube frei in die 
Höhle ragen, inmitten der Fimbrienenden. 

Nun wird die ganze Geschwulst der Länge nach auf ge¬ 
schnitten, so dass der Tubencanal in die Schnittfläche fällt. 

(Fifj. 2 siehe nächste Seite.) 

Vor Allem sehen- wir sofort frei in der Cystenhöhle die ge¬ 
quollene Tubenschleimhaut flottiren. Dies war schon im frischen 
Präparat sehr schön zu sehen. Und obw r ohl, wde erwähnt, im 
frischen Präparat von diesen Tubenfransen ein gut Theil zur 
mikroskopischen Untersuchung mit der Scheere entfernt word«»n 
w'ar, ragten noch im geschrumpften Präparate wunderschön frei 
In die Cystenhöhle die verdickten und an Zahl stark vermehrten, 
untereinander nicht verklebten Fimbrienfrnnsen. Zum Ueberfluss 
ragte aus ihrer Mitte die von oben eingeführte Sonde frei in di«» 
Höhle, so dass es ganz unzweifelhaft ist, dass sich das Fimbrien- 
emle frei in der Eierstockcyste befindet und, solange diese noch 
mit Flüssigkeit angefüllt war, darin flottiren musste. Das Fransen 
convolnt ist nun natürlich zusamm«»ngelegt und etwa 0,9 cm lang. 

3* 

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224 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7 . 



nt.Ende 
d Tube 

Ov. 


Tuben-Lumen 


Tube 


Offenes 

Um¬ 

brien- 

ende 


Follikel 


Mit der flachen Fingerkuppe lassen sich die Fransen zwanglos 
uuseinanderdrängen und mau sieht trichterförmig in das gerade 
für die dünne Sonde durchgängige Tubenlumen hinein. Trichter¬ 
förmig strahlt die Basis der vielen Fransen zur Tubenöffnung hin. 
.Nun sieht mau auch sehr deutlich, wie allseitig der Eierstock die 
Tube umklammert: Die grössere Masse des Eierstockes liegt unten, 
die kleinere oben. Die untere etwa 1,5 cm, die obere 1 cm im 
Durchmesser haltend. Die Cystenwuud nach hinten, wo sich die 
starken Membranen auflageru, 0,7 cm dick, die vordere bis auf 
'i mm reducirt, am dünnsten nach aussen zu, wo die Kuppe der 
Cyste lag. 

Die Cyste ist innen von glattem, etwas blutig tingirtem Aus¬ 
sehen. Im geschrumpften Präparat ist die dünne Wand zusammeu- 
gefaltet. Das untere grössere Segment des Eierstocks enthält ein 
Corpus luteum von Mandelgrösse auf dem Durchschnitt. Die 
erbsengrosse Follikelhöhle im unteren Pol liegt nicht in der Schnitt¬ 
fläche. Sonst zeigt sich das Eierstocksgewebe makroskopisch 
glatt, bisweilen winzige Löchelchen aufw’eisend, besonders im 
unteren Theil; sehr spärlich, aber unzweifelhaft, im oberen; beide 
als Ovarialgewebe eharakterisirend. Zwischen dem uterinen 
Ende des Ovariums und der unteren Fläche der Tube spannen 
sich auf dem Schnitt dicke Adhaesionen und Ligamentfasern. 
Die Tube ist so glücklich durchschnitten, dass fast zwei Drittel 
des Canals in der Schnittlinie liegen. Ungemein deutlich zeigen 
sich die Krümmungen und Schlängelungen des Canals, analog den 
äusseren Windungen. Wie ein Keil schiebt sich die von aussen als 
Einschnürung sich markirende Tuben wand am Beginn des äusseren 
Drittels in den Canal und bringt auch diesen zu ziemlich starker 
Knickung. Die Tubenwand ist stark verdickt. Deutlich zeigt sich 
makroskopisch die Muscularis allseitig auf 4 mm verdickt; die 
Mucosa ist noch verdickter, etwa 0,5 cm, stark gewuchert, 
und den Canal als etwa 2 mm breite Furche zwischen sich fassend. 
Jetzt wird es erst doppelt klar, dass diese Tube ganz unmöglich 
eine grössere Ausdehnung ihres Volumens und ihres Canals je 
hätte haben können; dass es ganz ausgeschlossen ist, dass zu 
Zeiten eine Hydrosalpinx hätte bestehen können. Wie die 
Adhaesionen von aussen, so wirkte die mächtig verdickte Wand 
von innen dem entgegen. Das innere, dünnste Drittel der Tube 
üel nicht in die Schnittfläche. 

Der mikroskopische Befund, den Herr Dr. Lange, 
Assistenzarzt der chirurgischen Klinik des Herrn Dr. Krecke, 
aufzunehmen die Liebenswürdigkeit hatte, ergab in einem der 
wenigen frisch genommenen Seeretproben aus der Tube ein Diplo- 
coccenpaar, das jedoch mit Bestimmtheit als Gonococcen nicht an¬ 
zusprechen war; von der Cystenflüssigkeit konnte leider kein 
Präparat gewonnen werden. 

Schnitte durch die Tube zeigen die Schleimhaut gewuchert, 
mit einschichtigem Epithel; die Tuben wand hypertrophisch. 

Der untere Pol der Cysten wand zeigte unzweifelhaftes Eier¬ 
stocksgewebe, kleinere und grössere Follikel in nicht geringer 
Anzahl. Sehr viel Bindegewebe mit kleinzelliger entzündlicher 
Infiltration. Auf dem oberen Pol konnte in dem kleinen zur mikro¬ 
skopischen Untersuchung entnommenen Stückchen kein Eier- 
stocksgewebe mehr nachgewiesen werden, wenigstens 
waren keine Follikel mehr zu sehen. Nur dichte, derbe Züge mit 
Bindegew ebe, Gefässen und kleinzellig infiltrirt. Durch allseitigen 
Druck ist das Eierstocksgewebe hier wohl als solches zu Grunde 
gegangen. Denn gerade hier waren die Schwarten besonders dick 
und hier sass auch noch hinten die Eiteransammlung. Aber auch 
wenn kein Eierstocksgewebe mehr zu differenciren ist, so wäre 
cö eben die von der Cystenmembran und dicken Schwarten ge¬ 


bildete hintere obere Cystenwand; was nichts an der Deutung der 
Genese des Befundes ändert. 

Eine Untersuchung der freien Cystenwandung, um eventuell 
an ihrer Innenfläche Fimbrien nachzuweisen, konnte unterbleiben, 
da diese makroskopisch zu sehen waren. 

Der Schnitt durch diese in die Cyste ragenden Fimbrien ergab 
herrliche Bilder der vielfach baumartig verzweigten, stets ein¬ 
schichtigen Tubenschleimhaut mit unversehrtem Oberflächen¬ 
epithel. 

Eine besondere aetiologische Ausbeute bietet der mikro¬ 
skopische Befund nicht, was auch gar nicht zu erwarten war. 

(Fortsetzung folgt.) 

Eine Verbessung der „Sonde intra-uterine dilatatrice“ 
von Doleris^ 

Von Dr. E. Toff, Frauenarzt in Braila (Rumänien). 

Das Vornehmen einer intrauterinen Ausspülung ist ein 
häutiges Ereigniss der ärztlichen Praxis, es ist also von Wichtig 
Ueit, hierzu ein verlässliches und zweckentsprechendes Instrument 
zu besitzen. Die an manchen Kliniken benützten, verschieden 
artig geformten Glascanüleu. dürften sich in praxi kaum eiu- 
biirgern, da dieselben schw r er transportirbar sind und gewöhnlich 
gerade dann brechen, wenn mau sie am dringendsten benöthlgt; 
Kautschuksonden sind nicht sterilisirbar, es kommen daher nir 
metallische in Betracht. Upter den zahlreichen doppelläufigen 
hat sich in Deutschland namentlich diejenige von Bozemann- 
Fritsch eingebürgert, obgleich dieselbe noch lange nicht tadel¬ 
los ist 

Von den französischen Sonden ist diejenige von D o 1 6 r i s 
sehr praktisch, insoferne sie zu gleicher Zeit auch Dilatations¬ 
instrument ist. was namentlich bei Placentaretentionen nach 
Abortus und nach Cürettirungen von besonderem Vortheile ist. 
Nichtsdestoweniger hat dieselbe zw r ei grosse Fehler: sie bildet ein 
starres nicht zerlegbares Ganze und die beiden Sonden¬ 
arme haben eine rechtwinkelige Abknickung. Es ist daher 
an eine innere Reinigung gar nicht zu denken, in Folge dessen 
sich durch Ablagerung von Schmutz und Rost, namentlich in den 
erwähnten Winkeln, das Lumen baldigst verstopft und so das In¬ 
st rument ganz unbrauchbar wird. 

Um diesen Uebelstünden abzuhelfen, habe ich diese Sonde, 
wie Fig. 1 u. 2 zeigen, modificirt. Darnach ist dieselbe zerleg¬ 
reinigt werden. In Ermangelung eines solchen Wischers kann 
man auch ein langes Stück Draht, dessen Ende mit etwas Watte 
unnvickelt wird, benützen. Selbstverständlich ist «auch ausser¬ 
dem, vor jedesmaligem Gebrauche, die Sterilisirung durch Kochen 
oder Spiritusflamme nicht zu unterlassen. 



Fig. 1. Vorderansicht (geschlossen). */ 2 der natürl. Grösse. 

o~—-- - w— —. 


Fig. 2. Seitenansicht (geöffnet und zerlegt). 

b a r und die beiden symmetrischen Theile h.aben nur eine sanfte, 
wellenförmige Biegung; nirgends ist ein todter Winkel und 
das Innere kann mittels eines dünnen metallischen Biirstchens 
(öcouvillon, Fig. 3) in seiner ganzen Ausdehung gründlich ge- 



Fig. 3. Metallwischer. 

Das Instrument wird in drei Grössen hergestellt: von 7, 9 
und 12 mm Querdurchmesser in geschlossenem Zustande, len 
habe die mittlere Grösse (9 mm) als die verwendbarste und für 
alle Zwecke tauglichste gefunden .*) 


Ueber das „intermittirende Hinken“. 

Literarische Notiz von Prof. Dr. E r b in Heidelberg. 

In dem vor Kurzem erschienenen reichhaltigen Bande 66 
des Deutsch. Arch. f. klin. Mcdic., der Herrn Geheim - Rath 
v. Ziemssen als Festschrift zur Vollendung seines 70. Lebens¬ 
jahres überreicht w T urde, findet sich auch (auf S. 500 u. ff.) eine 
Arbeit von Dr. Grassmann in München: Beitrag zur Kennt- 
niss der „Claudication intermittente“, in welcher der Verf. 
einen von ihm beobachteten ganz interessanten und typischen 

♦^Derartige Sonden habe ich von C o 11 i n in Paris (6, Rue de 
l'l^colc-de-Mödecine) construiren lassen. 


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Original fro-rri 

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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


225 


Fall dieser Erkrankung mit allerlei literarischen Nachweisen 
und eigenen epikritischen Bemerkungen begleitet. 

Es dürfte für den Autor nicht ganz uninteressant sein zu er¬ 
fahren, dass ich bereits vor fast 1 l / s Jahren in der Deutsch. Zeit¬ 
schrift f. Nervenheilk., Band XIII (erschienen am 11. Aug. 1898) 
eine ziemlich umfassende Arbeit: „lieber das intermittirende 
Hinken etc.“ publieirt habe, die von verschiedenen Seiten Beach¬ 
tung gefunden hat und in allen möglichen Centralblättern und 
anderen Zeitschriften referirt worden ist. Eine Art Supplement 
zu dieser Arbeit erschien dann noch im April 1899 in den „Mit¬ 
theil. aus den Grenzgebieten der Medici n und Chirurgie“, Bd. IV, 
unter dem Titel: „lieber Bedeutung und praktischen Werth der 
Prüfung der Fussarterien bei gewissen anscheinend nervösen Er¬ 
krankungen.“ 

Ich gestatte mir diesen Hinweis, damit nicht die Arbeit des 
Herrn Dr. Gr., wie es nach seinen einleitenden Bemerkungen 
unvermeidlich wäre, den Anschein erwecke, als ob man in 
Deutschland dem Syndrom des „intermittirenden Hinkens“ so 
gut wie gar keine Beachtung geschenkt habe. 

Heidelberg, 29. Jan. 1900. 


Kritische Bemerkungen über die Rosin’sche Me¬ 
thode zur Bestimmung der reducirenden Kraft des 
Harns u. s. w. 

Von Dr. L. Spiegel und Dr. G. P e r i t z. 

In No. 44 der Münch, med. Wochensehr, hat Herr Dr. Itosin 
eine Methode zur Bestimmung der reducirenden Kraft des Harns, 
Blutes und anderer Körperflüssigkeiten veröffentlicht. Er bedient 
sich dazu des Kaliumpermanganates unter Zuhilfenahme des 
Methylenblau bezw. seines Leukokörpers als Indicators. Die Vor¬ 
schriften, die Rosin für seine Methode angibt, sind folgende: 
.,In ein E r 1 e n m e y e r - Kölbchen von 100 ccm Inhalt werden 
ftö ccm des um das 5 fache verdünnten, nur noch schwach gelb- 
gefärbten Harns gegossen und 1 ccm ofificinellen Liq. Kal. caust. 
hinzugefügt. Sodann wird Paraff. liquid, in 3facher Höhe über die 
Mischung geschichtet und das Ganze vorsichtig bis nahezu zum 
Sieden erhitzt. Man muss dafür sorgen, dass die Luft völlig ab¬ 
geschlossen bleibt, und so muss man auch das Sieden verhindern, 
durch welches Luft und Flüssigkeitsblasen an die Oberfläche ge¬ 
schleudert werden und eine Communication mit der äusseren Luft 
hergestellt werden kann. 

In die erhitzte Flüssigkeit fügt man aus einer Bürette, deren 
Abflussrohr so lang ist, dass es unter die Paraffinschicht tauchen 
kann. 1 ccm einer Methylenblaulösung (Chlorhydr.) 1:3000 und 
erhält die Flüssigkeit auf dem Drahtnetz weiter erhitzt. Nach 
wenigen Secunden ist die blaue Farbe stets verschwunden. Jetzt 
fügt man aus einer anderen Bürette in die stets weiter erwärmte, 
aber vor dem Sieden behütete Flüssigkeit so viel von einer 
7 ;w . - Normalpermanganatlösung, bis die blaue Farbe wiederkehrt, 
d. h. bis die Flüssigkeit eben beginnt einen blaugrünen Schimmer 
zu bekommen.“ 

Die Benutzung eines Indicators bei der Titration mit Per¬ 
manganat erregte unsere nicht geringe Verwunderung, da be- 
kanuterraaassen das stark färbende Mangansalz bei Beendigung 
der Titration den Umschlag in seine Eigenfarbe sehr deutlich 
und scharf zeigt. Allerdings pflegt man in saurer Lösung zu 
titriren, weil in alkalischer das Permanganat nicht die ihm eigene 
Kothfärbung, sondern die Grünfärbung des Manganates hervor¬ 
ruft. Aber gerade auf Eintritt einer blaugrünen Färbung titrirt 
It o s i n. Einige Vorproben, die wir anstellten, belehrten uns aber, 
dass es sich um eine Bestimmung des ReductionsVermögens gegen¬ 
über Permanganat nicht handeln konnte, denn Harn wie andere 
mlueirende Flüssigkeiten, allein mit Permanganat titrirt. ergaben 
einen grossen Mehrverbrauch an Flüssigkeit gegenüber dem ge¬ 
ringen bei Anwendung des vorgeschriebenen Indicators. 

Wir müssen daher den Titel, den R o s i n seiner Methode ver¬ 
liehen hat als falsch zurückweisen. Es wird nicht die absolute 
redueirende Kraft des Harns etc. bestimmt, sondern nur die rela¬ 
tive, das Verhältniss von Substanzen, welche leichter oxydirt 
werden als Leukomethylenblau, d. h. als ein durchaus willkürlich 
gewähltes Vergleichsobject. In solcher Einschränkung könnte 
man der Methode vielleicht einigen Werth zusprechen, wenn ihr 
Autor sich die Mühe gegeben hätte, festzustellen, dass die Eiu- 
h.'iltung seiner Angaben gleichmässige Resultate gewährleistet, 
dass diese durch wechselnde Mengen normaler Hambestandtheile 
nicht beeinflusst werden; welche anormalen Bestandteile einen 
Einfluss ausüben und schliesslich, ob die Aenderungen der Werthe 
dem wechselnden Gehalte an diesen proportional verlaufen. Von 
allen diesen notwendigen Grundlagen einer quantitativen Me¬ 
thode, die nicht lediglich der Titrirsucht Vorschub leisten soll, ist 
in der Publication R o s i n’s nichts zu Anden. Wir haben daher, 
nachdem einmal unsere Aufmerksamkeit wachgerufen war, eine 
Prüfung der Methode in dieser Beziehung für nützlich gehalten. 

Zu unserer Ueberraschuug fanden wir, dass die Methode schon 
dem ersten Erforderniss nicht genügt. Trotz möglichst genauer 
Einhaltung der Rosin’schen Vorschrift erhielten wir bei dem- 
No. 7. 

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selben Harn durchaus wechselnde Werte. So gab beispielsweise 
eine Serie von 4 Versuchen einen Verbrauch von 2,4—7,3—8,8— 
9.2 ccm der Permanganatlösung. Wir konnten als Ursache dieser 
grossen Verschiedenheit nur Temperaturungleichheiten annehmen 
und versuchten daher, durch genaue Regulirung der Temperatur 
zum Ziele zu gelangen, indem wir als Rührer ein Thermometer 
benutzten und die Höhe der Heizflamme, sowie den Einfluss der 
Titrirflüssigkeit so regelten, dass die Temperatur nur um 2—3 ,; 
schwankte. So wurden bei 9Ö—92° in 3 Versuchen 2,8—1,6—2,3 ccm 
Permanganatlösung verbraucht, für einen anderen Harn (b) iu 
2 Versuchen 0,7 und 0,75 ccm. Weitere Erhöhung der Temperatur 
unterhalb 100 0 änderte an dem Resultate nichts. Dagegen ergab 
sich bei 79—82° ein wesentlich höheres Resultat, nämlich für 
Harn b in 2 Versuchen 1,9 und 1,7 ccm Permanganatlösung. Bei 
Einhaltung der R o s i n’schen Angaben sind Schwankungen zwi¬ 
schen 80 und 92°, wohl auch in noch weiteren Grenzen, recht mög¬ 
lich und die thatsäclilich von uns beobachteten Resultate mögen 
hierin ihre Erklärung finden. 

Es ergibt sich also 2., dass R o s i n’s Methode nur den rela¬ 
tiven Gehalt an Substanzen nachweist, welche unter ganz be¬ 
stimmten Temperatur Verhältnissen leichter als Leukomethylenblau 
von Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung oxydirt werden. 
Da das Reductionsvermögen des Leukomethylenblaus umsomehr 
gegenüber den normalen Harnbestandtheileu zurücktritt, je tiefer 
die Temperatur ist, so zeigt uns die Titration nach R o s i n ein 
Verhältniss an, das von dem unter physiologischen Bedingungen 
allem Anschein nach durchaus verschieden ist. 

Die weiteren Titrationen wurden sämmtlich bei 90—92 0 an- 
gestellt. 

Dass normale Hambestandtheile auch unter den für das 
Leukomethylenblau günstigsten Bedingungen noch an der Oxy¬ 
dation durch Permanganat sich vor jenem betheiligeu, zeigten uns 
Versuche mit Harnsäure. Die Titration desselben Harnes (bi 
unter Zusatz von 1 ccm einer 1 proc. Harnsäurelösung ergab einen 
Permanganatverbrauch von 1,30, übereinstimmend bei 2 Ver¬ 
suchen, also einen Mehrverbrauch von 0,5—0,0 gegenüber dem 
reinen Harn. Die Harnsäure wird demnach wenigstens theilweise 
vor dem Wiedereintritt der Blaufärbung oxydirt. 

Wir wendeten uns alsdaun den pathologischen Harnbestand- 
theilen zu, indem wir einige Versuche über deu Einfluss des 
Traubenzuckers auf den Ausfall der Methode anstellteu. Wie zt: 
erwarten war, erhöhte dieser den Permanganatverbrauch. Wir 
fanden für 1 ccm einer 1 proc. Dextroseiösung, zu 25 ccm verdünnt, 
unter Zusatz von Methylenblau 2,5—2,7 ccm Permanganatver¬ 
brauch. Ein Control versuch zeigte, dass auch im Harn durch ent¬ 
sprechenden Zusatz eine gleiche Erhöhung des Permanganat¬ 
verbrauches eintritt. für Harn b mit 1 ccm Zuckerlösuug 3,2 ccm. 
Andererseits aber ergab sich, dass eine vollständige Oxydation 
des Traubenzuckers vor der Inangriffnahme des Leukomethylen- 
blaus nicht eintritt. Eine Probe der austitrirten Lösung, mittels 
Pipette entnommen und mit F e h 1 i n g’scher Lösung versetzt, 
reducirte dieselbe noch deutlich, enthielt also noch unoxydirten 
Zucker. Als Gegenprobe nahmen wir durch Zink redueirtes Leu- 
komethylenblau. Diese reducirte Fehlin g’sche Lösung in 
keiner Weise. Wir können also daraus schliessen, dass alle oxy- 
dablen Substanzen des Harns zu gleicher Zeit angegriffen werden, 
nicht eine Körperclasse, wie etwa die Zucker, bevorzugt wird, 
und dass der Wiedereintritt der Blaufärbung durchaus nichts mit: 
der Beendigung der Oxydation, selbst eines einzelnen reinen Kör¬ 
pers, zu thun hat. 

Unter solchen Umständen ist zu erwarten, dass hier die 
Regeln des Massenwirkungsgesetzes zur Geltung kommen, d. li. 
dass der Mehrverbrauch von Permanganat bei steigenden Mengen 
Dextrose nicht im gleichen, sondern in einem stärkeren Verhältniss 
steigt, entsprechend dem Verhältniss der chemischen Massen (das 
Product aus Verwandtschaftskraft und Masse) von Dextrose und 
Methylenblau. Der Versuch bestätigt dies. 

Titration von 1 ccm Zuckerlösung ergab 2,5 —2,7 ccm Permanganat, 
für 2 ccm wurden verbraucht 4,95—5,15 „ „ 

für 3 ccm aber 12,6 u. 12,7, also nicht wieder 

2,5 ccm mehr, sondern circa 7,5 ccm. 

Für die verhältnissmässig einfachen Gemische von Dextrose 
uud Leukomethylenblau liesse sich wohl auf Grund exacter Ver¬ 
suche eine Correctionsformel berechnen. Doch würde dieselbe für 
die complicirteren Verhältnisse von Körperflüssigkeiten, Harn 
u. s. w., bei denen noch eine ganze Anzahl chemisch uud nume¬ 
risch unbekannter Componenten in Betracht kommt, nicht zu- 
treffen, und es würde sieh hierfür auch keine entsprechende Cor 
rectionsformel berechnen lassen. 

Eine weitere Unrichtigkeit enthält die Angabe zur Berechnung 
der reducirenden Kraft des Harns. R o s i n sagt: „Aus den ver¬ 
brauchten Cubikceutimetern der Permanganatlösung wird der Ver¬ 
brauch an Sauerstoff berechnet. Diese verbrauchte Menge gibt die 
redueirende Kraft des Harns an.“ Den Verbrauch au Sauerstoff 
zu berechnen, ist aber bei dieser Methode nicht möglich. Während 
Permanganat, in schwefelsaurer Lösung titrirt, durchweg zu 
Manganoxydul reducirt wird, die Sauerstoffabgabe also einheitlich 
ist, stellen die in alkalischer Lösung entstellenden Niederschlägt' 
ein Gemisch von Mangandloxyd und niederen Oxydationsstufen 
dar, ohne dass sich hierfür Regeln feststellen lassen. 1 ) 

Wir glauben durch unsere Versuche Folgendes bewiesen zu 
haben: 1. Die Methode von Rosin, nach seiner Vorschrift aus- 


’) Vergl. Groeger: Chem. Zeitg. 18, 743. 

4 

Original frem 

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226 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


geführt, gibt keine gleichmässigen Resultate; es ist vielmehr Ein¬ 
haltung einer ganz bestimmten Temperatur nothwendig. Je 
niedriger die Temperatur ist, umsomehr kommen andere Sub¬ 
stanzen dem Leukomethylenblau gegenüber zur Oxydation. Die 
nach dieser Methode erhaltenen Resultate lassen sich demnach 
zur Beurtheilung des Oxydationsbestrebens unter physiologischen 
Verhältnissen nicht verwertlien. 

2. Zu den Substanzen, welche die Resultate beeinflussen, ge¬ 
hören normale Harnbestandtheile, sicherlich die Harnsäure. 

3. Die Oxydation der „reducirenden Körper“ ist keine quanti¬ 
tative. 

4. Die Beeinflussung der Resultate durch pathologische redu- 
cirende Substanzen verläuft nicht proportional dem Gehalt an 
solchen. 

5. Die Methode gibt keinen zlffernmässigen Maassstab für den 
Sauerstoff verbrauch. 


Die Verwendung der Gelatine zur Stellung cholaemi- 
scher Blutungen nach Operationen am Gallensystem 
nebst Bemerkungen Uber Poppert's wasserdichte 
Drainage der Gallenblase. 

Von Prof. I)r. Hans Kehr in Halberstadt. 

(Schluss.) 

Da ich nun einmal bei meinem Lieblingscapitel, der Gallen¬ 
steinchirurgie verweile, möchte ich die Gelegenheit benützen, 
um auf eine in No. 50, 1899 der Deutsch, med. Wochenschr. 
kürzlich erschienene Arbeit von P o p p c r t. : „D i e Chole- 
cystotomie mit wasserdichter Drainage der 
G all enb läse“ mit einigen Worten einzugehen. 

Der Arzt, der nicht genau in der Geschichte der Gallenstein¬ 
chirurgie bewandert ist, muss aus den Darlegungen Poppert’s 
den Schluss ziehen, dass die Methode, die er zur Entfernung von 
Steinen sowohl aus grossen, als auch aus geschrumpften Gallen¬ 
blasen empfiehlt, nämlich die wasserdichte Drainage, 
etwas ganz Neues vorstellt. Wer aber in der Gallenblasen¬ 
chirurgie einigermaassen Bescheid weiss, wird sich erinnern, dass 
ich schon im Jahre 1894 auf dem Chirurgencongress über ein 
Verfahren berichtet habe, welches bei geschrumpften Gallen¬ 
blasen zur Anwendung kam und von mir den Namen 
„Schlauchverfahren“ erhielt. Beide Verfahren, 
das von Poppert und das meinige, decken sich 
nun vollständig. Auf dem Chirurgencongress 1898 hat 
das Poppert auch schon theilweise zugegeben, wenn er sagt: 
„Das beschriebene Verfahren ist, wie Sie sehen, also nur eine 
Vervollkommnung der sogen. „Schlauchdrainage“ von K e h r“, 
aber in seiner neuesten Arbeit, in welcher er nach Besprechung 
der verschiedenen Operationsmethoden bei geschrumpfter Gallen¬ 
blase auch mein Verfahren nennt, stellt er — ich bin überzeugt, 
dass dies absichtslos geschieht — den Sachverhalt so dar, dass 
der Leser unwillkärlieh auf den Gedanken kommen muss, als ob 
die von ihm geübte Methode von der meinigen in der Idee und 
Technik weit abweicht, resp. mit derselben gar nichts zu thun 
habe. Dieses Gefühl hatten auch andere Collegen, welche der 
Angelegenheit natürlich objectiver gegenüberstehen, als ich 
selbst. Liest man die Worte Poppert’s: „All’ die genannten 
Schwierigkeiten, die sich dem Operateur bei kleiner Gallenblase 
entgegenstellen, lassen sich nun leicht durch eine einfache Modi- 
fieation der C-ystostomie überwinden, die man am zweck- 
massigsten mit dem Namen wasserdichte Drainage bezeichnet. 
Veranlasst zu dieser Modification wurde ich etc.“ — so muss ein 
Jeder sich sagen, dass die vorher genannten Methoden, darunter 
auch mein Schlauchverfahren, von der Popper t’schen Methode 
sämmtlich in den Schatten gestellt werden. Ob Poppert das 
Hecht hat, von einer eigenen Modification der Cystostomie zu 
reden, darüber mag der geehrte Leser entscheiden, doch mochte 
ich zur Klarlegung der Angelegenheit einige historische Daten 
über mein Schlauch verfahren anzuführen nicht unterlassen. 

Zuerst habe ich, wie schon oben erwähnt, auf das Schlauch¬ 
verfahren aufmerksam gemacht in einem Vortrag, den ich 1894 
auf dem Chirurgencongress „Ueber die Entfernung des einge¬ 
klemmten Gallensteins aus dem Ductus cysticus durch In- 
cision dieses Ganges“ gehalten habe. Der betreffende Passus 
lautete: „Man kann in solchen Fällen auch” — nämlich bei ge¬ 
schrumpfter Gallenblase — „wie ich das 3 mal ohne Schaden für 
das Peritoneum that., die sofort eröffnete Gallenblase mit einem 
langen Rohr versehen, dasselbe mit recht viel Gaze umwickeln 
und so die Bauchhöhle vor einer Infection durch die nach aussen 

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abgeleitete Galle schützen”. 6 ) Dann habe ich in meiner im Jahre 
1896 erschienenen Monographie: „Die chirurgische Behandlung 
der (irtllensteiukrankheit” auf p. 25 und 116 schon von 6 Fällen 
berichtet, welche nach dem Schlauchverfahren operirt, glatt ver¬ 
liefen. Aus der auf p. 116 niedergeschriebenen Krankengeschicht e 
geht hervor, dass die Drainage wasserdicht angelegt sein müsst**. 
Allerdings habe ich dabei nicht besonders bemerkt, dass der 
Schnitt in der Gallenblase so weit zugenäht wurde, dass ein 
wasserdichter Abschluss entstand. Aber ich hielt die abschlies 
sende Naht für eine so selbstverständliche Beigabe 
des Schlauch Verfahrens^ dass ich es nicht der Mühe werth hielt, 
die Faclicollegen auf dieselbe hinzuweisen. Es versteht sich wohl 
ganz von selbst, dass wenn man ein mit Flüssigkeit sich füllendes, 
in der Tiefe der Bauchhöhle gelegenes Hohlorgan drainiren will, 
man das Kohr so befestigt, dass sämmtliche Flüssigkeit durch 
dasselbe nach aussen abfliesst. Ist also der Schnitt in der Gallen¬ 
blase von vornherein zu gross gewesen, so muss man ihn verklei¬ 
nern. war er zu klein, so muss man ihn vergrössern. 

Das ist aber alles doch so selbstverständlich, dass meiner An¬ 
sicht nach der Chirurg darüber einer besonderen Belehrung nicht 
bedarf. 

P o p p e r t gibt nun an, dass ich von meinem Schlauch¬ 
verfahren „wieder zurückgekommen“ sei. Ich habe aber 
nur gesagt, dass es in der letzten Zeit von mir nicht mehr so 
häufig angewandt wurde. Dass ich nicht von dem Verfahren 
zurückgekommen bin, werden unsere Fälle ihm beweisen, die in 
meinem nächsten Jahresbericht über die Thätigkeit in meiner 
chirurgischen Privatklinik veröffentlicht werden sollen. 

Die Gründe, die mich bewogen haben, das Schlauchverfahren 
einzuseliränken, bitte ich in dem Vortrag, in der Sammlung 
klinischer Vorträge von v. V olkmann No. 225: „Die Resultate 
von 360 Gallensteinlaparotomien unter besonderer Berücksich¬ 
tigung der in den letzten zwei Jahren ausgeführten 151 Opera¬ 
tionen“, nachzulesen; es würde zu weit führen, dieselben siimint- 
lieh zu wiederholen. 

Ich lege übrigens auf sogenannte Prioritätsrechte gar kein 
Gewicht und desshalb ist es mir vollständig gleichgiltig, ob da - 
Verfahren Schlauchdrainage, oder wasserdichte Drainage genannr, 
oder ob es auf den Namen Poppert oder Kehr getauft wird: 
auch will ich nicht in das Klagelied eines verdienten Chirurgen 
einstimmen, „dass dem Erfinder gegenüber ein schweres Unrecht 
geschieht, wenn nach geringfügigen Modificationen eine Ope¬ 
ration mit einem neuen Namen in Verbindung gebracht wird“. 
Für mich bleibt immer die Hauptsache, dass die Erfindung, gleich¬ 
viel ob sie von diesem oder von jenem Chirurgen stammt, gut 
ist und einen Fortschritt bedeutet. Ob das bei der wasser¬ 
dichten Drainage der Fall ist, darüber werde ich mir weiter unten 
einige Bemerkungen gestatten. Jedenfalls steht fest, dass die 
Idee zum Schlauchverfahren nicht von Poppert, sondern von 
mir stammt. Der Unterschied ist nur der, dass P o p p e r t es für 
nöthig hielt, auf die Anlegung einiger Nähte hinzuweisen, wäh¬ 
rend ich es unterliess, dieselbe als etwas Selbstverständliches be¬ 
sonders zu betonen. 

Neu ist — das gebe ich gern zu — an der Mittheilung 
Poppert’s, dass er das Schlauchverfahren nicht nur bei ge¬ 
schrumpften, sondern auch bei grossen Gallenblasen anwendet; 
ob das immer gut ist, ist eine andere Frage. 

Am Schluss seines Vortrages bespricht Poppert die wasser 
dichte Drainage am Choledochus. Auch hierbei muss der in die 
Geschichte der Gallensteinchirurgie nicht gehörig eilige weihte 
Leser nach der ganzen Art der Popper t’schen Darstellung auf 
den Gedanken kommen, dass die wasserdichte Drainage beim 
Choledochus erst die Conscquenz des von ihm an der Gallen¬ 
blase geübten Verfahrens sei. Wenn man aber die Beschreibung 
Poppert’s mit der meinigen, schon vor 2 4 / 4 Jahren erfolgten, 
vergleicht, so wird man ersehen, dass unsere beiden Opera¬ 
tionsmethoden auch nicht um ein Haar von ein¬ 
ander abweichen. Poppert sagt: „Der Katheter wird 
auch hier zuerst durch eine Naht in der oben beschriebenen 
Weise in einem Wundwinkel angeheftet, die übrige Incisions- 
wunde im Choledochus schliesst man durch eine einreihige, meist 
durch die ganze Dicke der Wandung dringende Naht und leitet 
die Fadenenden nach aussen. Die Aussstossung dieser Fäden 
erfolgt stets sehr leicht.“ Ich habe in einem Vortrag, den ich am 


6 ) Arcli. f. klin. Chirurg. Bd. 48, Heft 3. 

Original fro-m 

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1 3. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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23. September 1897 in Braunschweig bei Gelegenheit der Natur- 
forscherversaminlung gehalten habe, über einen Fall berichtet, 
an welchem ich am 26. April 1897, also vor nunmehr 2 s / 4 Jahren, 
nudnc erste Hepatieusdrainage ausführte. In No. 41 dieser 
Woclienschr. 1897 heisst es auf pag. 1129 folgendermaassen: 
„Nach Entfernung der Steine legte ich mir die Frage vor, ob ich 
den Oysticus- und Choledoehusschnitt wieder vernähen sollte. 
Heide Hessen sich bequem zugänglich machen und die Naht- 
anlegung wäre voraussichtlich auf keine besonderen Schwierig¬ 
keiten gestossen. Aber, da mir wegen der cholangitischen Erschei¬ 
nungen eine möglichst ausgiebige Drainage des Gallensystems als 
die Hauptsache erschien, verzichtete ich auf die Naht und führte 
die directe Drainage des Ductus hepatieus auf folgende Weise aus. 

Es wurde ein langes, recht weiches, zeigefingerdickes Gummi¬ 
rohr gewählt, welches ca. l / 4 Stunde lang in Sodalösung aus¬ 
gekocht war und genau dem Lumen des Hepatieus entsprach, so 
dass es seinen Wandungen fest anlag. Dasselbe wurde ca. 5 cm 
weit im Hepatieus vorgeschoben und seine Austrittsstelle durch 
ganz oberflächliches Abschneiden eines Gummi Stückchens kennt¬ 
lich gemacht. Die Marke dient zur Oricntirung, ob das Rohr 
noch tief genug im Hepatieus steckt, denn während der weiteren 
Operation, besonders bei Vornahme der Tamponade, kann es sich 
bücht verschieben. Um das ganz sicher zu vermeiden, wurde 
ausserdem der Gummisehlaueh durch eine feine Seidensutur am 
Stumpf des Cysticus befestigt. Die Choledoehusincision wurde bis 
zur Austrittsstelle des Rohres aus dem Hepatieus durch eine ein¬ 
reihige Naht geschlossen. Dann folgte eine gründliche Reinigung 
dos Operationsterrains und eine ausgiebige Tamponade um das 
Rohr herum. Alle Nähte um Cysticus und Choledochus herum 
wurden mit langen Streifen steriler Gaze belegt und diese dann 
summt dem Rohr zur Bauchwunde herausgeleitet.“ 

Man sieht aus dieser Beschreibung, dass ich schon vor 2 3 / 4 
Jahren genau nach der allerneuesten Vorschrift Poppert’s 
operirt habe, und dass meine Drainage ebenso wasserdicht war, 
wie die seinige, geht daraus hervor, „dass sämmtliche Galle, welche 
die Leber der Patientin producirte, von dem Rohr auf gefangen 
worden ist. An dem Verband wurde 10 Tage lang nichts vorge¬ 
nommen, dann wurde er entfernt, die tamponirende Gaze durch 
reichliches Spülen mit physiologischer Kochsalzlösung erweicht, 
das Rohr aus dem Hepatieus nach Beseitigung der Gaze und 
siimmtlicher Fäden am Cysticus und Choledochus herausgezogen.“ 

Ich kann nicht annehmen, dass P o p p e r t mein Operations¬ 
verfahren nicht genau gekannt hätte, vielmehr beweist er durch 
häufige Nennung meines Namens, dass er meine Arbeiten gelesen 
hat, aller sicherlich wäre es richtiger gewesen, wenn er, wie er 
das auf dem Chirurgencongress 1898 that, seine Methode wenig¬ 
stens als eine Vervollkommnung der meinigen hingestellt hätte. 
Wiewohl zwar ein principieller Unterschied keineswegs besteht, 
so konnte er doch darauf hinweisen, dass ich bei dem an der 
Gallenblase angewendeten Schlauchverfahren keine abschliessende 
Naht besonders betont habe, wenn ihm auch aus der ausführ¬ 
lich beschriebenen Technik der Hepatieusdrainage her¬ 
vorgehen musste, dass ich für eine wasserdichte Drainage in 
a 11 e n Fällen gesorgt hatte. 

Das Wohl der Gallensteinchirurgie wird indes* nicht geför¬ 
dert, wenn zwei Vertreter derselben sich um die Vaterschaft einer 
Methode streiten: „Eintracht macht stark, Zwietracht zerstört“. 
Und desshalb will ich mich nicht dagegen auflehnen, wenn mein 
Schlauch verfahren in Vergessenheit geräth und durch den besser 
klingenden Namen „wasserdichte Drainage“ ersetzt wird. Auch 
habe ich mich keineswegs zurückgesetzt gefühlt, dass P o p p e r t 
meine Methode nicht genügend gewürdigt hat; ich freue mich 
vielmehr, dass die Mittheilung P o p p e r t’s mir Gelegenheit gibt, 
mich in Sachen meiner Lieblingsbeschäftigung einmal wieder 
zu äussern. 

In erster Linie möchte ich die Frage behandeln, ob in der 
That die wasserdichte Drainage all’ die Vorzüge besitzt, welche 
Poppert ihr nachrühmt? Ich muss auf Grund von nunmehr 
470ausgeführtenGallensteinlaparotomien mich dahin aussprechen, 

• lass die Cyrtotomie, gleichgiltig, ob wir nach Tait, Riedel, 
Lauenstein oder Poppert operiren, zwar gute augenblick-^ 
liehe Resultate aufweist, im Hinblick auf die Dauererfolge 
aber manches zu wünschen übrig lässt. Zwar habe ich noch nie¬ 
mals ein richtiges Reeidiv erlebt, aber wie ich schon öfters in 
meinen Arbeiten darauf hinweisen konnte, habe ich nach aus¬ 
geführter Cystostomie Beschwerden auftreten sehen, welche auf 

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entzündliche Processe in der erhaltenen Gallenblase hindeuten. 
Das bei der Fistelbildung geschonte Hohlorgan tritt in mehr oder 
weniger ausgiebiger Verwachsung mit der Bauchwand und den 
Intestinis; die Herausschaffung der sich dort stauenden Galle 
wird gehemmt und desshalb kommt es immer wieder zu entzünd¬ 
lichen Processen der Gallenblasenschleimhaut. Daran ändert 
auch nichts Popper t’s wasserdichte Drainage bei grossen 
Gallenblasen. Ich bin desshalb auf Grund der Erfahrungen in 
den letzten Jahren zu der Ueberzeugung gekommen, dass es 
das Beste ist, wenn man die Gallenblase ent¬ 
fern t. 

Demnach muss die ausgedehnte Anwendung der wasser¬ 
dichten Drainage, deren Technik so leicht ist, dass sie gern an 
Stelle der Cystectomie geübt werden wird, für einen Rück¬ 
schritt in der Gallensteinchirurgie betrachten, jedenfalls kann 
ich mich nicht für diese Operation begeistern. 

Poppert stellt als einen Vortheil der Methode besonders 
die Einfachheit der Technik hin und seine Beschreibung klingt 
so verlockend, dass ich bei der Lectüre der Popper t’schen Dar¬ 
stellung unwillkürlich an das melodische Glockenliedehcn in Mo- 
zart’s Zauberflöte: „Das klingt ja so herrlich, das klingt ja so schön!“ 
erinnert wurde. Es gibt allerdings nichts Einfacheres, als einen 
Bauch aufzuschneiden, die Gallenblase zu punctiren und zu in- 
cidiren, ihren Inhalt zu entleeren und nach Einlegung eines 
Gummikatheters wasserdicht zu verschliessen: Was wird die 
Folge der Popper t’sehen Empfehlung in der Praxis sein? Die 
wasserdichte Drainage wird jetzt geübt werden auch von solchen 
Chirurgen, die bisher an eine Gallensteinoperation sich nicht 
herangewagt haben, weil sie vor der schwierigen Technik zurück¬ 
schreckten. Jetzt aber werden sie, bezaubert von der Einfachheit 
der wasserdichten Drainage, muthig darauf los schneiden, sicher 
nicht zum Besten der Gallensteinchirurgie. Wer meine „Dia¬ 
gnostik“ besitzt, wird auf p. 119 folgende Worte finden: „Die 
Chirurgie der Cholelithiasis soll — das ist mein Streben! — 
nicht das Monopol einzelner Weniger bleiben, sondern soll 
Allgemeingut der Chirurgen werden. Aber Allgemeingut der 
praktischen Aerzte wird die Gallensteinchirurgie nicht werden, 
dazu ist die Sache doch zu schwierig!“ Ich fürchte aber fast, dass 
mancher praktische Arzt, in dem chirurgisches Blut fliesst, aus 
dem Popper t’schen Vortrag den Eindruck gewinnt, dass das 
Gallensteinschneiden jetzt eine Kleinigkeit sei und dass man 
dazu Krankenhäuser und Kliniken nicht mehr bedürfe. Und 
doch halte ich es für im höchsten Grade bedauerlich, wenn Gallen- 
steinoperationen in Privathäusern vorgenommen werden, weil 
hier aus Gründen, die ich eingehend in meiner „Diagnostik“ auf 
p. 116—120 geschildert habe, eine erfolgreiche Behandlung fast 
unmöglich ist. Wer sich wegen Cholelithiasis operiren lassen 
will, gehört in ein Krankenhaus oder eine Klinik, der ein in Ab¬ 
dominaloperationen erfahrener Chirurg vorsteht!. Von diesem 
Standpunkte lasse ich mich nicht abbringen. Man wird mir 
Egoismus vorwerfen — ich bin darauf gefasst ! — aber das kann 
mich nicht abhalten, meine Meinung offen auszusprechen. Ich 
habe nun einmal die Gallensteinchirurgie liebgewonnen und 
würde es schwer beklagen, wenn sie im kommenden Jahrhundert 
statt Fortschritte Rückschritte machte. Auch Poppert wird 
in dieser Beziehung meiner Meinung sein, doch fürchte ich, dass 
seine wasserdichte Drainage mehr schaden als nützen wird. Denn 
wer wie ich 470 mal in eine Bauchhöhle geblickt hat, in welcher 
Gallensteine ihr Unwesen getrieben haben, der weiss, dass mit 
der Ineision und Drainage der Gallenblase den Patienten wenig 
genützt ist. Der Hinweis Poppert’s, dass auch die Gallen¬ 
gänge abgetastet werden müssen, ist so beiläufig und ohne grosse 
Betonung gemacht, dass ich es auf Grund meiner Erfahrungen 
für meine Pflicht halte, den Satz auszusprechen: Wollen wir 
unseren Kranken eine dauernde Heilung ver¬ 
schaffen, so dürfen wir in der Mehrzahl der 
Fälle uns nicht nur mit der Drainage oder Ex- 
cision der Gallenblase begnügen, sondern 
müssen auf eine genaue Abtastung und Son- 
d i r u n g der G a 11 e n g ä n g e das Hauptgewicht 
legen. Die Abtastung, welche auch Poppert empfiehlt, 
bietet nicht genügend Sicherheit im Nachweis der Steine im 
Oyrtieus und Choledochus. 

Desshalb entferne ich, bis auf bestimmte Ausnahmen, die 
Gallenblase, um vom Cysticusquerschnitt aus den Choledochus zu 
sondiren und scheue mich nicht, auch dann den Choledochus auf- 

Qrigiroal from 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7 


zuschneiden, wenn keine klinischen Symptome auf seine Verlegung 
hindeuteteii, und wenn wir bestimmt glaubten, es lediglich mit 
einer einfachen Entzündung der Gallenblase, event. mit einem 
Stein im Cysticus zu tliun zu haben. Oft genug fand ich Steine 
im Choledochus, obwohl weder Ikterus noch Leberschwellung je¬ 
mals vorhanden waren. Es kann gar nicht genug dar¬ 
auf hiiigewioscn werden, dass auch im Chole- 
dochus die Steine sich ebenso latent verhalten 
k ü n n e n wie in der Gallenblase, nicht nur Monate, 
sondern Jahre lang. Für diese Behauptung könnte ich mehrere 
Fälle als Beweise anführen. 

Ich kann hier unmöglich meine Ansichten über die Auswahl 
der Operationsmethoden bei der Gallensteinkrankheit ausführlich 
erörtern, möchte aber doch ganz kurz meinen Standpunkt in 
dieser Frage in einige Sätze zusammenfassen. 

1) Bei acuten, serös-eitrigen E n t z ündungen 
in der vergrösserten Gallenblase lege ich fast ausnahms¬ 
los eine Fistel an, und zwar scheint mir die altbewährte Methode 
der Einnähung hier richtiger als die wasserdichte Drainage, um¬ 
somehr, als ich in solchen Fällen niemals, auch bei tagelangem 
Erbrechen ein Durchschneiden der F ä d e n beobachtet 
habe. Wo Serosa der Gallenblase ohne Spannung an das Peri¬ 
toneum parietale sich heranbringen lässt, finde ich keinen Grund, 
die dichte Vereinigung durch Einlegen von Gaze zu stören. Nur 
einmal habe ich, ohne dass es zu allgemeiner Peritonitis oder gar 
zum Exitus kam, bei straff fixirter kleiner Gallenblase ein Nach¬ 
lassen der Fäden beobachtet, indess wurde damals Catgut ver¬ 
wandt. während ich seitdem bei Benutzung von Seide ein derartig 
fatales Ereigniss niemals wieder gesehen habe. Für mich war 
die Mittheilung Popp er Pi von dem häufigen Durchschneiden 
der Seidenfäden völlig neu, und ich kann mich nicht erinnern, 
ausser bei diesem Catgutfall etwas derartiges erlebt zu haben. 
Bauehbrüehe sind mir bei der von mir geübten Technik ebenso 
wenig begegnet, wie Poppert bei seiner wasserdichten Drainage, 
übrigens sind unsere beiderseitigen Beobachtungen noch zu 
frisch, als dass man in dieser Hinsicht ein abschliessendes Urtheil 
fällen kann. Wenn ich auch bei dem Schlauchverfahren selbst 
keine Peritonitis auf treten sah, so ist die Möglichkeit der Ent¬ 
stellung einer solchen sicherlich grösser, als wenn es uns gelingt, 
die Gallenblase fest und ohne Spannung an der Bauchwand zu 
befestigen. Ich freue mich, dass P o p p e r t meine theoretischen 
Bedenken in Bezug auf Entstehung der Peritonitis durch zahl¬ 
reiche praktische Erfahrungen vollständig zerstreut hat, ich habe 
aber persönlich bei der von mir angewandten Technik gar keinen 
Grund, bei grossen Gallenblasen das Sehlauchverfaliren einzu¬ 
führen. Wenn das Peritoneum leicht zerreisslich und die Nar¬ 
kose schlecht ist, so dass hei dem fortwährenden Würgen die 
Xalitanlegung auf Schwierigkeiten stösst, nehme ich gern den 
Vorschlag von P o p p e r t , auch bei grossen Gallen- 
b 1 a s e n die w a s s e r d i e h t c 1) r a i n a g o zu benutzen, an. 
A m liebsten w ii r d e i c li i m m e r , auch bei der acuten 
sorös-.eitlägen Entzündung in einer vergrösserten Gallenblase, 
dies e e n t fern e n , aber bei dem schwer entzündeten, mächtig 
ausgedehnten Organ ist eine Cystectomie ein schwieriger und 
blutigen Eingriff und dann gelingt es uns fast niemals, die tiefen 
geschwollenen Gallengänge so abzutasten und freizulegen, dass 
eine genaue Orientirung über den Sitz der Steine ermöglicht 
wird. Es wird uns desshalb bei der Operation der acut-serösen, 
eitrigen Cholecystitis in grossen Gallenblasen gelegentlich immer 
einmal passiron, dass wir einen Stein zurücklassen, weil wir uns 
mit der Cystostomie begnügen müssen. 

2) Bei aeut serös-eitrigen Entzündungen in der geschrumpf¬ 
ten Gallenblase verwende ich in erster Linie die Excision 
der Galle n blase, erst in z w eitcrLinie das Schl a u c h- 
verf a h r c n. 

3) Bei der sogenannten recidivirenden Form, bei welcher wir 
gewöhnlich im Zeitpunkt der Ruhe, resp. bei geringfügiger Ent¬ 
zündung zur Operation kommen, entferne ich fast immer die 
(iallonblase. Dann wird vom C.vsticiisquerschnitt aus eine Sonde 
bis in den Choledochus vorgeschoben, und auf dieser der im Liga¬ 
mentum hepatoduodenale verlaufende Thoil des Cysticus bis in 
den Choledochus hinein gespalten. Darauf wird der Ilepaticus 
und Choledochus sondirt und zwar nicht nur mit dünnen, sondern 
mit recht dicken Sonden. Findet man keine Steine, so folgt eine 
Serosanaht, welche beide Gänge versehliesst. Die Seidenfäden 
werden lang gelassen und bei Entfernung der immer notli- 


wendigen Tamponade herausgezogen (2—3 Wochen nach der 
Operation). Finden sieh Steine im Choledochus, so füge ich fast 
immer die Hepatieusdrainage an, wie ich sie schon vor 2 3 / 4 Jahren 
beschrieben habe. 

Ich bin in der letzten Zeit genau wie Poppert mit der 
Hepatieusdrainage viel freigiebiger gewesen, wie früher und bin 
mit meinen Erfolgen selbst bei inficirter Galle, die nach Riedel s 
Ansicht, eine Heilung fast niemals aufkommen lässt, sehr zu¬ 
frieden. 

Bei Männern, die erfahrungsgemäss eine Narkose, resp. 
eine Operation an den Organen der Bauchhöhle und ein Abtasten 
der Gallengänge nicht- so gut vertragen wie Frauen, möchte ich 
mehr für die Cystostomie stimmen und bei schwachen Frauen, 
für welche die blutige Excision einen immerhin nicht zu unter¬ 
schätzenden Eingriff darstellt, ziehe ich die Cystostomie der 
Cystectomie vor. 

Schon aus diesen kurzen Bemerkungen — auf die Opera¬ 
tionen am Cysticus und Choledochus gehe ich gar nicht weiter 
ein — geht hervor, dass genaue Regeln über die Auswahl der 
Operationsmethoden sieh überhaupt nicht aufstellen lassen. 
M an muss von Fall zu F a 11 e n t s c h e i d e n und nur 
bei grosser Hebung und Erfahrung wird man 
das R i e h t i g e t r e f f e n. Der Anfänger, der sich mit der 
Gallcnsteinchirurgie beschäftigen will und jeder Chirurg muss 
erst allmählich aus sich selbst heraus oder belehrt durch Andere 
die Kunst des guten Operirens bei der Cholelithiasis erlernen. — 
Er muss desshalb wissen, dass es weniger darauf ankommt, ob 
man wasserdicht cystostomirt oder radical ectomirt, sondern, dass 
die Hauptsache bei allen Gallenstein Operationen, 
wenn irgend möglich, die Freilegung, Palpation und 
S o n d i r u n g der Gallengänge ist. 

Diesem Punkt hätte ich an Stelle Popper t’s ebenso scharf 
betont, wie er die Nützlichkeit, der Anwendung der Tamponade 
bei der wasserdichten Drainage in das richtige Lieht gesetzt hat, 
wenn ich auch zugeben will, dass Poppert dadurch von seinem 
eigentlichen Thema, der Beschreibung der wasserdichten Drainage, 
etwas abgekommen wäre. Aber will man den praktischen Arzt, für 
die G a 1 le i i s t ei lieh i r urgi i: werben, so darf man ihm nicht nur von 
der Einfachheit der Technik erzählen, sondern soll ihn auch an 
die ungeahnten Schwierigkeiten der Freilegung der Gallengänge 
und ihrer Säuberung von Steinen erinnern. Dadurch hält man den 
Unkundigen von unüberlegten Eingriffen ab und damit erwirbt 
man sieh in der Gallensteinchirurgie, wenn auch nur indirect, 
ein grosses Verdienst. 

Poppert sagt am Schluss seines Vortrages: „Seitdem wir 
die Modificalion der wasserdichten Drainage regelmässig an¬ 
wenden, haben wir das Gefühl der unbedingten Sicherheit des 
Gelingens der Operation, sowohl in den einfachen wie in den eom- 
plicirten Fällen etc.” Ich wollte, ich wäre auch in der Lage, eine 
so stolze Aeusserung tliun zu können. 

Man kann wohl verlangen, dass an einer wasserdichten Drai¬ 
nage, wenn nicht: gerade die Narkose uns einen Streich spielt, 
kein Kranker sterben wird. Auch ich habe bei den uncomplicirten 
Oystotomien an den directen Folgen der Operation keinen 
Kranken verloren, daher mein Rath, dass der Kranke sich f r ii h- 
zeitig operiren lassem solle, ehe die Steine in die tiefen Gänge 
geratheil. 

Aber wenn wir uns bei den complicirten Fällen bestreben, 
die Gallengänge vollständig von den ungebetenen Gästen zu 
säubern, d. h. völlige Heilungen herbeizuführen suchen, so werden 
wir das nur erreichen durch langdauernde Operationen, durch 
mühsamen Cystieotomien und schwierige Choledochotomien und 
da werden wir nach Schluss der Operation nie in a 1 s das Gefühl 
der unbedingten Sicherheit, des Gelingens der Operation 
haben. Unsere Technik hat es herrlich weit gebracht, unsere Er¬ 
folge sind glänzende, aber in den complicirten Fällen, wie 
Riedel t reifend sagt, am Ende der Tragödie fehlen nicht die 
Todesfälle, ohne die eine Tragödie selten verläuft. Auch dir 
„wasserdichte Drainage“ wird den Würgengel Tod aus den best- 
geloiteten chirurgischen Kliniken nicht gänzlich vertreiben und 
immer werden wir an die Grenzen chirurgischen Könnens und 
Wissens gemalmt werden. Ich bin sehr neugierig auf die von 
Poppert versprochene Zusammenstellung der von ihm erzielten 
Resultate» 

Wir stehen jetzt an der Wende des Jahrhunderte und darum 
haben wir Aerzte einen besonderen Grund, Rückblick zu halten 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


229 


auf die bisher geleistete Arbeit. Nirgends sind auf einem so 
relativ kleinen Gebiete, wie die Gallensteinehirurgie darstellt, so 
grosse Wandlungen zu verzeichnen, wie grade hier. Ich brauche 
dabei nur daran zu denken, wie oft ich meine Ansichten über die 
Auswahl der Operationsmethoden bei der Gallensteinkrankheit 
im Laufe des letzten Deccnnium geändert habe. Vor 10 Jahren 
schwärmte ich für die Cystcnyse, dann operirte ich zweizeitig, 
schliesslich nur noch einzeitig. Zur Cystostomie fügte ich die 
Cystieotomie, ich bediente mich bei geschrumpften Gallenblasen 
des Selilauchverfahrens und je mehr ich Choledochotomien aus- 
fülirte, um so weniger verwandte ich dabei die Naht. Jetzt ist 
die gebräuchlichste Methode an meiner Klinik die E c t o m i e, 
wenn möglich in Verbindung mit der Cystieotomie und Chole- 
dochotomie. Unter 470 Gallensteinlaparotomien kommen auf 
159 Oystostomien 41 Cysticotomien, 195 Ectomien und 74 Chole- 
doehotomien resp. Hepatieusdrainagen, abgesehen von den häufig 
ausgeführten Anastomosen an den Gallenwegen und den zahl¬ 
reichen, begleitenden Eingriffen am Magen und Darm. 

Aber nicht die Zahl der augenblicklichen Erfolge — die Mor¬ 
talität der Cystotomie betrug nur 1 1 / 2 Proc., die der Cystectomie 
nur 4 Proc. und die der Choledochotomie ca. 8 Proc. — ist rnaass- 
jjrebend für unser Handeln, sondern die Zahl der Dauererfolge, 
d. h. die definitive Befreiung des Kranken von Steinen und 
Schmerzen. Diese Dauerheilungen werden sich erst im neuen 
Jahrhundert fest stellen lassen. Aber jetzt schon weiss ich, dass 
in dieser Beziehung die Eetomie mit Cystieotomie 
und Hepaticusdrainagc c o m b i n i r t, der C y s t o - 
s t o m i e mit ihren zahlreichen Modificationen, somit auch der 
„wasserdichten Drainage“, weit überlegen sein wird. 

Ich bin zur Zeit damit beschäftigt, eine Umfrage bei meinen 
siimmtliehen Gallensteilloperirten zu halten und werde auf dem 
diesjährigen C h i r u r g e n c o n g r e s s einen Vortrag 
halten, der sich mit den sog. „Recidiven“ nach unseren 
Gallensteinoperationen beschäftigen wird. Ich kann schon jetzt 
verrathen. dass die E c t o m i e viel bessere Dauerresul- 
t a te gibt, als die Oy s t o s t o in i e, wenn ich auch nicht in Ab¬ 
rede stellen will, dass die Eetomie manche Nachtheile aufweist, 
welche die Cystostomie nicht mit sich bringt. AIP diese Punkte 
habe ich in früheren Arbeiten schon eingehend besprochen, so 
dass ich auf diese verweisen kann. 

Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Aus den preussischen Aerztekammern. 

Von Hofrath Dr. Brauser. 

Seit der königlichen Verordnung vom 25. Mai 1887, welche 
die ärztliche Standesvertretung in Preussen staatlich organisirte, 
sind nunmehr 12 Jahre verflossen. Die vierte 3 jährige Wahl¬ 
periode hat mit dem Jahre 1899 ihr Ende erreicht, und bereits im 
November 1899 wurden die Neuwahlen zu den Aerztekammern 
in den 12 Kammerbezirken vollzogen. 

Es hat mir von Anfang an grosses Interesse gewährt, die 
Arbeiten unserer preussischen Collegen auf dem weiten Gebiete 
des ärztlichen Standeslebens aufmerksam zu verfolgen. Meine 
jährlichen, kurz zusammenfassenden Berichte darüber wurden 
ermöglicht- durch die liebenswürdige Uebersendung der Protokolle 
der meisten Aerztekammervorstände, wofür ich nicht ermangele, 
gleich hier meinem verbindlichsten Dank Ausdruck zu verleihen. 
Das letzte Jahr der 4. Wahlperiode, das Jahr 1899, über welches 
ich heute berichten will, hat den Abschluss jahrelanger Verhand¬ 
lungen innerhalb der ärztlichen Kreise und zwischen der ärzt¬ 
lichen Standesvertretung und der königlichen Staatsregierung 
gebracht, indem unterm 25. November 1899 das Gesetz betreffend 
die ärztlichen Ehrengerichte, das Umlagerecht und 
die Fassen der Aerztekammern erlassen wurde, welches am 
1. April 1900 in Kraft treten wird. Wer die Verhandlungen der 
Aerztekammern über den Entwurf dieses Gesetzes, die ministeri¬ 
ellen Antworten auf die Wünsche und Anträge des Kammeraus- 
M'husses, endlich die Berathung des Gegenstandes im preussischen 
Abgoordnetenhause aufmerksam verfolgt hat, wird zugeben 
müssen, dass das Gesetz nach vielen Richtungen den Wünschen 
des ärztlichen Standes entspricht, dass aber manche von den 
ärztlichen Vertretungen dringend gewünschte Abänderungen 
des Entwurfes ein Entgegenkommen Seitens der k. Staats¬ 
regierung nicht gefunden haben, so namentlich die exemte Stel- 

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lung der amtlichen und Militärärzte gegenüber diesem Gesetze, 
wodurch dieselben, auch wenn sie ärztliche Praxis ausüben, der 
Disciplinargewalt der Vereine und Aerztekammern gänzlich ent¬ 
zogen sind. Den Militär- und Marineärzten ist durch Verordnung 
vom 23. Januar 1899 in Abänderung der früheren Bestimmungen 
sogar das active und passive Wahlrecht entzogen worden, ebenso 
den im Beurlaubtenstande befindlichen Militär- und Marine¬ 
ärzten für die Dauer ihrer Dienstleistung. Es ist hiemit für 
eine grosse Zahl preussi scher Aerzte eine Ausnahmestellung ge¬ 
schaffen, welche die Einheit des ärztlichen Standes wesentlich 
beeinträchtigt. Auch das von Seiten der Aerzte beanstandete 
Berufungsrecht des Vertreters der Staatsgewalt im Ehrengerichte, 
die Stimmberechtigung des richterlichen Mitgliedes, die Herein¬ 
ziehung des ausserberufliehen Verhaltens der Aerzte unter die 
Disciplinargewalt des Ehrengerichtes wurden im Gesetze bei¬ 
behalten. Es würde mich zu weit führen, hier eine Besprechung 
des Gesetzes einzufügen; dies wird am besten in einer eigenen 
Abhandlung erfolgen, wenn die gegenwärtig dem bayerischen 
Landtage vorliegende Ehrengerichtsordnung für die bayerischen 
Aerzte Gesetzeskraft erlangt hat, und einen Vergleich mit der 
preussischen Verordnung möglich macht. 

An diese Betrachtung über die Ehrengerichtsordnung reiht 
sich logisch ein Wort über die Staudesordnung, w T elche 
nach unseren Begriffen ein integrirender Bestandtheil dieser 
neuen Standesorganisation sein muss, wie auch unsere bayerische 
Staatsregierung den Erlass einer Standesordnung auf dem Ver¬ 
ordnungswege in Aussicht gestellt hat, deren Entwurf aus ärzt¬ 
lichen Kreisen stammt und vom verstärkten Obermedieinal- 
aussehuss aeeeptirt worden ist. 

Die k. preussisehe Staatsregierung hat auffallenderweise den 
Erlass einer Standesordnung im Anschluss an die Ehrengerichts¬ 
ordnung für unthunlich erklärt. Nun ist aber die Durchführung 
einer Ehrengerichtsordnung gar nicht denkbar ohne eine Standes¬ 
ordnung, welche doch als Grundlage der richterlichen Entschei¬ 
dung dienen muss, wie für jeden anderen Richter das Strafgesetz. 
Um beurtheilen zu können, ob ein Arzt sich gegen seine Standes- 
p flicht eil verfehlt hat, müssen doch diese Standespflichten in 
einem Codex festest eilt sein. Ebenso nothwendig erscheint eine 
Standesordnung als erziehliches Moment für jeden jungen Arzt, 
der in die Praxis eintritt, vollkommen unbekannt mit den Ver¬ 
pflichtungen, welche er damit auf sich nimmt, gegenüber dem 
ganzen ärztlichen Stande, gegenüber den Collegen und gegenüber 
dem Publicum. Unsere preussischen Collegen haben die Noth- 
wendigkeit einer Standesordnung recht wohl erkannt und suchen 
die Lücke in dem Regierungserlass dadurch auszufüllen, dass 
alle Kammern beschlossen haben, sich selbst eine Standesordnung 
zu geben. Theils ist der Entwurf einer solchen in der Ausarbei¬ 
tung begriffen, theils schon fertiggestellt und den Vereinen zur 
Begutachtung übergeben, theils schon definitiv angenommen, und 
liegt der Wortlaut der Entwürfe den meisten Protokollen bei. 
Hoffentlich gelingt es später dem Kammerausschuss, aus den 
12 verschiedenen Entwürfen eine für alle preussischen Aerzte 
gemeinsame Standesordnung zu schaffen, denn die Verhältnisse des 
ärztlichen Standes sind in ganz Preussen, ich möchte behaupten 
in ganz Deutschland, so wenig verschieden, dass es nicht schwer 
fallen dürfte, gleiche Grundsätze für das ärztliche Standesleben 
auch im Einzelnen festzustellen. 

Ein weiterer, alle Kammern lebhaft beschäftigender Gegen¬ 
stand war die in Aussicht gestellte Medicinalreform, auf 
welche viele Erwartungen gesetzt worden w r aren. Man hatte eine, 
den jetzigen Ansprüchen der Gesundheitspflege entsprechende 
Reorganisation der Medicinalbehörden in allen Instanzen gehofft, 
wie sie schon längst allseitig für dringend nothwendig erklärt 
worden war. Der dem Landtage vorgelegte Gesetzentwurf 
schrumpfte zusammen auf einige Verbesserungen der Kreismedi- 
cinalbeamtenstellen, unter dem Titel: „Gesetz, betreffend die 
Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundheits¬ 
commissionen vom 16. September 1899“. Schon in seiner Sitzung 
vom 23. November 1898 hatte der Kammerausschuss den vor¬ 
liegenden Gesetzentwurf einer eingehenden Prüfung unterzogen, 
und unter Bedauern über die Verkümmerung der früheren Fas¬ 
sung durch die jetzige eine Reihe von Forderungen aufgestellt, 
der Ausschuss forderte eine 5 jährige Frist von der Approbation 
bis zur Anstellung als Kreisarzt, um die Möglichkeit der Ueber- 
tragung des Amtes auf dem Wege der Protection auszuschliessen. 
Der Ausschuss forderte eine 5 jährige Frist von der Approbation 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


230 


mittelbarer Staatsbeamter sei, als solcher Gehalt und Wohnungs- 
geldzuschuss beziehe, und auf Pension, Wittwen- und Waisen¬ 
versorgung Anspruch habe. Ebenso soll derselbe eine entspre¬ 
chende Dienstaufwandsentschädig'ung erhalten. Im Kreisaus¬ 
schuss soll der Kreisarzt nicht nur eine berathende, sondern auch 
eine beschliessende Stimme haben. Er soll die Gesundheitsver¬ 
hältnisse seines Kreises aus eigener Anschauung beobachten, und 
zu diesem Zwecke seinen Amtsbezirk ohne besonderen Auftrag 
periodisch bereisen können. Dabei wurde die Trennung der ge¬ 
richtsärztlichen von der kreisärztlichen Thätigkeit verlangt. 
Dem Kreisarzt, welcher Privatpraxis nicht ausüben soll, sollen 
Assistenten beigegeben werden, auf welche jedoch das Verbot der 
Praxisausübung nicht ausgedehnt werden solle. Schliesslich be¬ 
schloss der Kammerausschuss, den Aerztekammern seine eben 
skizzirten Anschauungen über den Entwurf mitzutheilen, welcher 
in seiner vorgelegten Fassung werthlos und unannehmbar sei, 
und die nothwondige Umgestaltung des preussischen Medicinal- 
wosens nur vereiteln oder auf unbestimmte Zeit hinausschieben 
werde. 

Diesen Ansichten ihres Kammerausschusses schlossen sich die 
Aerztekammern des Jahres 1899, soweit sie darüber berathen 
haben, übereinstimmend an, auch hier die specielle Forderung 
stellend, dass der Kreisarzt ein vollbesoldeter, unmittelbarer 
Staatsbeamter ohne Praxis sein müsse, und dass die Aufzählung 
seiner Dienstesobliegenheiten in’s Gesetz aufgenommen werde. 
Das Gesetz nun, wie es aus den Landtagsverhandlungen hervorge¬ 
gangen, und unterm 16. Sept. 1899 erlassen worden ist, hat zwar 
einige, aber bei Weitem nicht alle Wünsche der ärztlichen 
Standes Vertretung berücksichtigt. Es nennt den Kreisarzt den 
staatlichen Gesundheitsbeamten, der als technischer Beratlier des 
Landrathes, in Stadtkreisen der Polizeibehörde, fungirt, und un¬ 
mittelbar unter dem Regierungspräsidenten steht. Ueber seine 
Rang- und Gehaltsverhältnisse ist nichts Näheres bestimmt, 
doch ist er pensionsberechtigt. Nur für die, im höheren Aufträge 
vollführten Reisen werden die Kosten ersetzt, also nicht auch 
für selbständige Beobachtungsreisen im Amtsbezirk. Unter den 
Bedingungen für die Anstellung ist auffallend, dass die medi- 
cinisclie Doctorwürde an einer preussischen Universität erworben 
sein muss, eine Bestimmung, die mit der für das ganze Deutsche 
Reich gütigen Prüfungsordnung nicht zu harmoniren scheint. 
Die Ausübung der ärztlichen Praxis ist dem Kreisarzt untersagt. 
Die Theilnahme an den Verhandlungen des Kreisausschusses und 
Kreistages ist nur eine berathende. Der zweite Abschnitt des 
Gesetzes handelt von den Gesundheitscommissionen, deren Ein¬ 
führung in Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern obliga¬ 
torisch, in den übrigen faeultativ ist. 

Die lange und sehnlichst erwartete Reform des gesammten 
Medieinalwesens in Preussen, deren Nothwendigkeit aus den 
jahrelangen Bemühungen der Aerzte für dieselbe mit Bestimmt¬ 
heit hervorgeht, reducirte sich demnach wieder auf eine Um¬ 
gestaltung des Kreisarztes und Bestimmungen über die Bildung 
von Gesundheitscommissionen. Gelegentlich dieser Verhand¬ 
lungen ist ärztlicherseits mehrfach der Wunsch aufgetaucht, das 
Medicinalwcsen aus dem Ressort des Cultusministeriums, dem 
es merkwürdiger Weiso zugetheilt ist, zu entfernen, und dem 
Ministerium des Innern unterzuordnen, dem es, wie unsere Er¬ 
fahrung in Bayern bestätigt, doch mit viel mehr Berechtigung 
und auch mit Erfolg angeboren sollte. 

Ich habe mich hei diesem Thema etwas länger aufgehalten, 
als der Raum dieser Zeilen vielleicht gestattet, ich halte aber ge¬ 
rade die Reform des Medieinalwesens in Preussen für eine, für 
den ärztlichen Stand so einschneidend wichtige Frage, dass einige 
ausführlichere Bemerkungen darüber wohl am Platze waren. 

Von hoher Bedeutung, auch für den ganzen ärztlichen Stand 
in Deutschland, sind die Verhandlungen der preussischen Aerzte- 
kainmnra über die Frage des C ur pfuschereiverbotes. 
Der Kampf gegen die Curpfuscherei und ihre schweren Nach¬ 
theile für die Gesundheit und das Vermögen des deutschen Volkes 
beschäftigt, schon seit Jahren die deutsche Aerztewelt und immer 
lauter, immer dringender ertönt der Ruf nach Wiedereinführung 
des Curpfuscherei Verbotes als einzigen Mittels gegen diese, immer 
drohender werdende Gefahr für das nationale Wohl. Und nicht 
etwa die allerdings empfindliche Schädigung ist es, welche der 
ärztliche Stand selbst durch das Ueberwuchern der Curpfuscherei 
zu erleiden hat, die ihm diesen Kampf aufnöthigt. Die wahre, 
echte Wissenschaft wird doch endlich den Sieg erringen über ge¬ 


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winnsüchtigen Betrug und absichtliche Täuschung des leider 
noch bis in die höchsten Bildungsstufen so leichtgläubigen Volkes. 
Die Schädigung der Volksgesundheit ist es in erster Linie, welche 
dem Arzte, dem natürlichen Wächter derselben, den Kampf gegen 
Dummheit und Aberglaube, gegen Betrug und Schlechtigkeit mit 
elementarer Gewalt aufzwingt. Unsere preussischen Collegen 
führen seit Jahren diesen Kampf so energisch, dass sich das 
k. preussische Staatsministeriura veranlasst sah, mittels Erlass 
vom 13. Januar 1899 an den Ausschuss der preussischen Aerzte¬ 
kammern die Aufforderung zu richten, sich nach Anhörung der 
Aerztekammern darüber zu äussern: 

„Ob und welche Missstände auf dem Gebiete der Gesund¬ 
heitspflege in Folge der Freigabe der Heilkunde hervorgetreten 
sind, sowie eventuell das Vorhandensein solcher Missstände durch 
Beibringung schlüssigen, thatsächliehen Materials aus den ein¬ 
zelnen Bezirken zu erläutern, und zugleich zu erörtern, welche 
Maassnahmen zur Beseitigung der beklagten Missstände und in 
welchem Umfange sie in Aussicht zu nehmen seien.“ 

Dieser Ministerialerlass wurde seitens des Ausschusses den 
Kammern mitgethcilt, und haben die meisten derselben sich im 
Laufe des Jahres mit der Beantwortung dieser Fragen be¬ 
schäftigt. ln der Kammer von Brandenburg und Berlin wurde 
die Verbreitung populärer Schriften beschlossen, und sind seit¬ 
dem als gekrönte Preisschriften erschienen: „Es werde Licht!“ 
und „Wahre und falsche Heilkunde“ von Dr. Alexander- 
Breslau. Ein Antrag gegen die Zulassung von Gurpfuschern zur 
cassenärztlichen Behandlung wurde eingebracht. In dieser, wie 
in den übrigen Kammern wurden eigene Commissionen zur Er¬ 
ledigung des ministeriellen Auftrages niedergesetzt, und Frage¬ 
bogen an die Vereine hinausgegeben, über welche auch grössten- 
tlieils bereits Bericht erstattet worden ist. Das allgemeine Resul¬ 
tat dieser Erhebungen war, dass die Curpfuscherei sich ent¬ 
schieden ausgebreitet und vermehrt habe, aber auch in ihrem 
Auftreten viel frecher geworden sei, dass dadurch nicht nur die 
Kranken selbst geschädigt werden, sondern auch das Volkswohl 
im Allgemeinen, speciell auch die Moral durch die ungestrafte 
Verübung facti scher Betrügereien, ferner die Krankencassen und 
die Unfallversicherung durch falche Behandlung oder Verschlep¬ 
pung heilbarer Fälle, welche dann den Cassen zur Last fallen. 
Endlich und zwar von wesentlicher Bedeutung erscheine die Ver¬ 
hinderung einer richtigen Prophylaxe bei Infectionskranklieiten, 
deren möglichst frühzeitiges Bekanntwerden für eine rationelle 
Bekämpfung derselben von grösster Wichtigkeit sei. Das Schluss¬ 
resultat aller dieser Verhandlungen war die unbedingte Forde¬ 
rung der Wiedereinführung des Curpfuscherei Verbotes. Die von 
einer Kammer gestellte Forderung, dass Pfuscherannoncen in der 
Presse zu verbieten seien, würde sich dann von selbst erledigen. 

Als hierher gehörig muss noch eines Ministerialerlasses vom 
8. März 1899 an den Kammerausschuss erwähnt werden, in 
welchem .eine Zusammenstellung über die vom 1. Januar 1890 bis 
31. December 1897, also in 8 Jahren bei den Landgerichten der 
Monarchie gegen nicht approbirte Heilkünstler wegen fahrlässiger 
Tödtungen und Körperverletzungen, welche anlässlich der Be¬ 
handlung von Krankheitsfällen begangen sind, rechtskräftig ergan¬ 
genen Verurthcilungen enthalten ist. Diese sehr dankenswerthe 
officielle Zusammenstellung zeigt im Ganzen 177 Verurtheilungen 
zu 63 Jahren Gefängniss und 8233 Mark Geldstrafen. Letztere 
stehen im minimalsten Verliältniss zu den Summen, welche die 
Curpfuseher dem leichtgläubigen Publicum abnehmen. Wir 
dürfen unseren preussischen Collegen für ihre Arbeiten auf 
diesem Gebiete sehr dankbar sein, wollen deren Bestrebungen 
durch gleiche Arbeiten möglichst unterstützen, und uns der 
sicheren Hoffnung hingeben, dass doch einmal Wahrheit und 
Licht über Trug und Finsterniss siegen werden. 

Ein Erlass des k. Staatsministeriums an den Kammeraus- 
sehuss, welcher von diesem zunächst allen Kammern mitgetheilt 
wurde, hatte den Wunsch ausgedrückt, es möchte die Benützung 
von F r e m d w ö r t e rn in ärztlichen Attesten, Gutachten 
u. dergl. seitens der Aerzte möglichst vermieden werden. Der 
Kammerausschuss beschloss, die Kammern aufzufordern, den 
Aerzten die Vermeidung von Fremdwörtern nahezulegen. Diesem 
Ausschussbeschlus wurde seitens der Kammern grösstentheils zu- 
gestimmt. Die ostpreussische Kammer bemerkte dazu ganz rich¬ 
tig, es sollte schon auf den Hochschulen darauf Rücksicht ge¬ 
nommen werden. Nur eine Kammer glaubte, keinen Einfluss 
auf die Aerzte ausüben zu können. 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHE NSCHRIFT. 


231 


Eine Reform (1er geburtshilflichen Ordnung im 
preußischen Staate war von der Aerztekammer der Provinz 
Sachsen beantragt worden, und hatte diese Kammer durch eine 
dazu niedergesetzte Commission eigene Grundzüge dazu ausge¬ 
arbeitet. Dieselben wurden dem Ausschuss und den übrigen 
Kammern mitgctkeilt. Nachdem bis zur jüngsten Sitzung des 
Kammerausschusses, am 9. December 1899, erst 4 Kammern dem 
sächsischen Anträge zugestimmt, beschloss der Ausschuss die 
Vertagung des Gegenstandes. 

Sehr interessant und eingehend waren die Verhandlungen 
fast aller Kammern über eine für nothwendig erachtete Revision 
des Reiehsgesetzes über die Krankenversiche¬ 
rung der Arbeiter. Es wurden seitens des Ausschusses eine 
Reihe von Forderungen aufgestellt, in erster Linie die allgemeine, 
sehr berechtigte Forderung, dass künftighin vor Einbringung 
resp. xVbänderung socialpolitischer Gesetze die Aerzte in ihren 
staatlich anerkannten Vertretungen zu hören seien. Die vom 
Ausschuss für nothwendig erklärte freie Arztwahl wurde all¬ 
gemein angenommen. Einstimmig wurde die Forderung ge¬ 
stellt, dass zur ärztlichen Behandlung von Mitgliedern der staat¬ 
lich organisirten Krankencassen nur approbirte Aerzte zuzulassen 
seien, und dass dies bei einer künftigen Revision des Gesetzes 
ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden müsse. Es ist diese 
Auslegung des Reichsgesetzes schon in seinem jetzigen Wortlaute 
des § 6 „freie ärztliche Behandlung“ so zweifellos, dass eine 
bereits früher schon erfolgte Weigerung des deutschen Reichs¬ 
tages, diese Auslegung direct auszusprechen, geradezu unbegreif¬ 
lich gewesen ist. Die Ausübung cassenärztlicher Thätigkeit ist 
durch einen schriftlichen Vertrag zwischen Arzt und Cassen- 
vorstand festzusetzen, welcher der Genehmigung seitens der 
staatlich anerkannten Standesvertretung unterliegt. Diese und 
einige andere Forderungen wurden seitens des Kammeraus¬ 
schusses in einer Denkschrift an den Minister überreicht, ohne 
bisher eine Rückäusserung erfahren zu haben. Diese Grundsätze 
des Kammerausschusses wurden von fast allen Kammern ange¬ 
nommen. Hiebei wurde eine Reducirung der ärztlichen Ge¬ 
bühren nur dann für vorübergehend möglich erklärt, wenn es 
der Gassen best and unbedingt erfordert. 

Eine Prüfung der Statuten der Krankencassen 
durch eine Commission wurde für nothwendig erklärt. Die Kam¬ 
mer für Schlesien hat eine sehr werthvolle Arbeit herausgegeben: 
„Ergebnisse der auf das Berichtsjahr 1896 sich erstreckenden 
Enquete über die Krankencassen der Provinz Schlesien“, welche 
im Druck vervielfältigt wurde. Es ist sehr wünschbar, dass bei 
einer in Aussicht stehenden Revision des Reichsgesetzes über die 
Krankenversicherung der Arbeiter den wohlberechtigten und 
wohlbegriindetcn Ansprüchen der deutschen Aerzte seitens des 
Reichstages mehr wohlwollende Beachtung zu Theil werden wird 
als bisher. 

Auch das Verhältniss der Aerzte zu den Be¬ 
rufsgenossenschaften kam in 2 Kammern zur Sprache; 
die eine forderte eine Erhöhung der Honorare für Atteste, die 
andere beantragte, dass die Fundberichte der Bezirksärzte durch 
die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft honorirt werden. 

Die Kammer von Hannover beantragte eine Revision der 
Verordnungen über die Anzeigepflicht der Aerzte bei 
ansteckenden Krankheiten, ein gewiss berechtigter Antrag, wenn 
man weiss, welch’ verschiedene Bestimmungen über die Anzeige¬ 
pflicht in den einzelnen Regierungsbezirken Preussens Geltung 
haben. Wenn die neuerdings wieder in Aussicht gestellte Schaf¬ 
fung eines Reichsseuchengesetzes zur Thatsache wird, dürften 
fliese Bestimmungen endlich für das ganze Deutsche Reich ein¬ 
heitlich werden, was im Interesse der richtigen Bekämpfung der 
rufectionskrankheiten dringend zu wünschen ist. 

Ich erwähne noch den Antrag der Kammer von Schleswig- 
Holstein, über die Lebensversicherung der Aerzte 
eine Enquete zu veranstalten, dann den Antrag der west- 
phälisehen Kammer auf bessere Honorirung der Im¬ 
pfung, endlich den Antrag derselben Kammer, den Taub¬ 
stummenunterricht nach dem Muster Bayerns zu ver¬ 
bessern, und habe hiemit die Arbeiten der Aerztekammem vom 
Jahre 1899 kurz auf gezählt. 

Aus den Verhandlungen des Kammerausschusses habe ich 
noch nachzutragen, dass derselbe an das k. Staatsministerium die 
Bitte stellte, dass die sich niederlassenden jungen Aerzte bei Zu¬ 
stellung der Approbation angewiesen werden, sich ebenso wie 

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beim Kreisphysikus auch bei dem Vorstand der Kammer anzu- 
meklen. Es erscheint dieses Ersuchen im Interesse der Evident¬ 
haltung der Wählerlisten und der Zahlungspflichtigen Aerzte für 
die Kammervorstünde sehr berechtigt, wurde aber trotzdem ab- 
gewiesen, dagegen bestimmt, dass die Kammervorsitzenden 
monatliche Mittheilungen der Behörden über den Zugang an 
neuen Aerzten erhalten. Für geeignete Listenfüllrung hätten 
demnach die Aerztekammem selbst zu sorgen. 

Der Vollständigkeit wegen erwähne ich noch, dass am 25. Oc- 
tober die höchste preussische Medicinalstelle, die wissen¬ 
schaftliche Deputation für das M e d i c i n a 1 - 
wese n in Berlin zu einer Sitzung zusammentrat, deren Tages¬ 
ordnung lautete: 1. In welcher Richtung ist die schon bestehende 
Bewegung für die Gründung von Heilstätten für Genesende zu 
fördern? 2. Die Aufgaben der ärztlichen Sachverständigen in 
den Fällen des § 6 No. 1 und des § 140 No. 2 des Bürgerlichen 
Gesetzbuches, lieber die Verhandlungen selbst ist kein Bericht 
veröffentlicht worden. 

Ein reiches Material von Berathungsgegenständen liegt hier 
vor uns, welches unsere preussisehen Collegen im abgelaufenen 
Jahre beschäftigt hat. Der Grundzug der durch alle Verhand¬ 
lungen geht, ist der auch bei uns schon längst zur Ueberzeugung 
gewordene Satz, dass die deutschen Aerzte, wenn sie etwas er¬ 
reichen wollen, dies nur durch engsten Zusammenschluss aller 
Collegen, durch Einigkeit und energisches Auftreten erreichen 
können. Unsere neue Organisation, welche der Standesvertre¬ 
tung eine, wenn auch beschränkte Disciplinargewalt über alle 
Aerzte verleiht, auch über die dem Vereinsleben ferne stehenden 
Collegen, kann einer derartigen einheitlichen Arbeit nur förder¬ 
lich sein, und desshalb begrüssen wir dieselbe mit Freuden. 
Möchte es in absehbarer Zeit gelingen, nicht nur die Aerzte der 
einzelnen deutschen Staaten, sondern alle deutschen Aerzte in 
einer gleichheitlichen Organisation zu vereinigen durch eine 
deutsche Aerzteordnung, dem idealen Ziele unserer Bestrebungen ! 


Referate und Bücheranzeigen. 

Oscar Hertwig: Die Elemente der Entwicklungslehre 
des Menschen und der Wirbelthiere. Anleitung und Repeti¬ 
torium für Studirende und Aerzte. Jena. Gustav Fischer. 
1900. Preis brosch. M. 7.50. 

Als im Jahre 1886 das Hertwig’sche Lehrbuch der Ent¬ 
wicklungsgeschichte erschien, da füllte es thatsächlich eine klaf¬ 
fende Lücke in unserer wissenschaftlichen Literatur aus. Der 
frische, anregende Ton, die lebendige Darstellung versetzten es 
alsbald in die Reihe unserer am meisten gelesenen Compendien, 
machten es zu einem Lieblingsbuch des deutschen Studenten. 
Dass es diesen Rang beibehalten hat, beweisen wohl am besten die 
in 12 Jahren erschienenen 6 Auflagen. Aber mit jeder Auflage 
hat auch der Umfang des Werkes zugenommen, wie es in einer 
so mächtig fortschreitenden Wissenschaft nicht anders möglich 
ist. Der Verfasser hat sich desshalb in gewiss dankenswerther 
Weise entschlossen, dem Anfänger in der Entwicklungsgeschichte 
unter möglichster Vermeidung alles Nebensächlichen und weniger 
Wissenswerthen gleichsam einen Auszug aus dem Lehrbuch zu 
geben, ohne dass dadurch die Einheitlichkeit der Darstellung 
beeinträchtigt worden wäre. Auch das neue Werkchen präsentirt 
sich uns wie aus einem Guss geformt, dieselbe leichte, flüssige 
Darstellung, die den Leser anzuregen und zu fesseln versteht. 

Die Einthcilung und Anordnung des Stoffes ist genau die¬ 
selbe, wie in dem Lehrbuch, nur Alles knapper und enger zu¬ 
sammengerückt. Dass die Literaturangaben weggeblieben sind, 
versteht sich von selbst. Jedem Capitel sind die wichtigsten Er¬ 
gebnisse in Form kurzer Leitsätze als Repetitorien angegliedert, 
eine Einrichtung, die auch das Lehrbuch enthielt und wohl in Zu¬ 
kunft dort in Wegfall kommen dürfte, deren Bedeutung für den 
Siudirenden hier aber gar nicht zu verkennen ist. 

Wenn der Verfasser den Text so kurz wie möglich gefasst 
hat, so hat er dagegen mit den Abbildungen einen gewissen 
Luxus getrieben. Enthält doch das nur 25 Bogen starke Werk¬ 
chen weit über 300 Abbildungen, fast ebensoviel als das Lehr¬ 
buch. Das wird dem Lernenden natürlich sehr angenehm sein, 
da sie in hervorragender Weise das Verständniss des Textes 
fördern. 

Die technische Ausführung der theilweise mehrfarbigen 
Figuren ist eine ganz vorzügliche, die übrige Ausstattung die be- 

Qriginal fro-m 

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282 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


kannte gediegene des Fische r’sehen Verlags. Es muss desshalb 
der Preis des Ganzen als ein ausserordentlich niedriger bezeichnet 
werden. 

Ohne Zweifel werden die „Elemente“ denselben Erfolg haben, 
wie das „Lehrbuch“, sie werden das letztere bei dem Anfänger 
ersetzen und so die gedeihliche Weiterentwicklung des Lehrbuchs 
nicht mehr hindern. R. Krause- Berlin. 

Prof. Dr. E. Leser: Operations-Vademecum für den 
praktischen Arzt. Mit 144 Abbildungen. Verlag von S. Kar¬ 
ger, Berlin, 1900. Preis o M. 

Das kleine Buch verdankt seine Entstehung einer Aufforde¬ 
rung der Verlagshandlung, wie der Herr Verfasser in der Vorrede 
sagt, also buchhändlerischem Unternehmungstriebe. Wenn der 
Verleger aber ein solches kleines Buch über Operationslehre für 
praktische Aerzte wünschte neben den bekannten mehr oder 
weniger umfangreichen Büchern von Bayer, von Bergmann 
und R o c h s , von E s m a r c h und Kowalzig, L <"> b k e r , 
Kocher, Rottor, Zuckerkand 1 und Anderen, so hätte 
er einem als Professor der Chirurgie thätigen Autor bezüglich 
der Abbildungen Besseres zur Verfügung stellen sollen, als es hier 
geschehen ist. Der Autor musste leider mit der Wiedergabe 
einiger, zum Theil wenig gelungener, flüchtiger Skizzen vorlieb 
nehmen und im übrigen zur Darstellung anatomischer und opera¬ 
tiv-technischer Details fremde Bilder entlehnen. So sind unter 
den 144 vom Verleger auf dem Titel erwähnten Abbildungen 32 
dem bekannten vortrefflichen Buche von Kocher, 17 dem 
schönen Atlas von Zuckerkandl, 5 dem Lehrbuche von 
lvoenig, 20 dem grossen Sammelwerke von Pitha-Bill- 
roth, 6 Roser’» Vademecum, 4 dem II e n 1 e’schen Lehr¬ 
buche etc. entnommen. Abgesehen davon, dass eine so massen¬ 
hafte Benutzung fremder Bilder für ein solches Buch zum Minde¬ 
sten nicht angemessen ist und auch den bona fide handelnden 
Verfasser in eine schiefe Lage bringt, bedingt sie eine solche Ver¬ 
schiedenheit der einzelnen Bilder schon in technischer Hinsicht, 
dass jede Einheitlichkeit verloren geht. Auch kann der Text 
mit den fremden Abbildungen natürlich nicht überall in voller 
IJcbereinstimmung stehen. In Folge dieser Versehen des Ver¬ 
legers kann dem kleinen Buche ein ehrenvoller Platz neben den 
oben genannten Büchern nicht zuerkannt werden. 

Helferich - Kiel. 

Georg Müller -Berlin: Kurzgefasstes Lehrbuch der 
Nachbehandlung von Verletzungen, nebst einer Anleitung zur 
Begutachtung von Unfallfolgen. Berlin. Enslin. 1898. 

M.’s Buch bietet dem Arzte, der sich viel mit der Nach¬ 
behandlung und Begutachtungen von Verletzungsfolgen zu be¬ 
schäftigen hat, nicht gerade viel absolut Neues, aber doch eine 
Menge von werthvollen Anhaltspunkten und Winken. Es gibt 
eigentlich mehr, als der Titel verspricht. Im allgemeinen Theil 
werden zunächst eine Reihe von Folgezuständen nach ver¬ 
schiedenen Verletzungen (Narbe, Callus, Oedem, Exsudate in Ge¬ 
lenken, Gelenksversteifungen u. s. w.) abgehandelt; dabei sind die 
Abschnitte über „nervöse Erkrankungen“ und „Uebertreibung 
und Simulation“ kurz, aber recht gut besprochen. Der speeielle 
Theil befasst sich kurz mit den einzelnen Verletzungen des 
Stammes und der Extremitäten und ihrer möglichen Folgen, 
während der Nachbehandlung ein etwas breiterer Raum gewährt 
ist; natürlich werden ausser den üblichen allgemeinen Maass- 
nahmen besonders die manuelle und maschinelle Nachbehandlung 
eingehender besprochen, wobei in zweckmässiger Weise auch auf 
die physiologische Wirkungsweise der einzelnen Bewegungen 
und Handgriffe an den Apparaten bezw. bei der Massage Rück¬ 
sicht genommen wird. Doch gehören, wie ich glaube, in ein Buch, 
das sich vorwiegend mit den Folgezuständen nach Verletzungen 
befasst, auch wenigstens Hinweise auf die Folgen nach Verletz¬ 
ungen des Schädels und Gehirns, sowie des Unterleibes, welche 
M. kurzweg den Neurologen und Psychiatern bezw. den Inter¬ 
nisten zuweist; gerade in solchen Fällen, die nicht ganz alltäglich 
sind, sucht der praktische Arzt oft Rath in einem „Specialbuche“. 
Auch das Oapitel „Unterleibsbrüche“ dürfte ausführlicher sein.— 
Im dritten Theile werden die wichtigsten Bestimmungen dc*r Un- 
fallgesetzgebung, eine kurze Anleitung bei der Abgabe der ärzt¬ 
lichen Gutachten und eine Uebersicht über die procentuale Ab¬ 
schätzung der Erwerbsbeschränkung gegeben. Zu begriissen ist, 
dass M. darauf aufmerksam macht, dass seine Apparate, die 

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wesentlich auf dem Princip des Pendels und Hebels beruhen, 
und die den Vortheil grosser Einfachheit, Billigkeit und aus¬ 
giebiger Verwendbarkeit haben, weder patentirt, noch vor Nach¬ 
ahmung geschützt sind. Ihre Anwendung und Construction ist 
durch eine Reihe von Abbildungen erläutert. Dagegen kann ich 
nicht damit einverstanden sein, dass M. „aus rein äusserlichen 
Gründen“ es unterlässt, die Namen der Autoren, deren Arbeiten 
er benützt hat, an entsprechender Stelle anzuführen. Wer in red¬ 
licher Arbeit das Anderen zugänglich macht, was er selbst aL 
neu gefunden oder als richtig und wisseuswerth erkannt hat, 
der hat auch Anspruch darauf, dort genannt zu werden, wo von 
seiner Arbeit Geh rauch gemacht wird. 

Adolf Schmitt- München. 

Otto Binswanger:Die Epilepsie. Speeielle Pathologie 
und Therapie von Nothnagel. Bd. XII. I. Theil. I. Abth. 
Wien. Alfred Holder, 1899. 502 Seiten, 1 Abbild. Preis für 
Abonnenten M. 9.60. Einzelpreis M. 11.—. 

Während die französische Literatur aus der letzten Zeit 
2 Monographien über Epilepsie, die von F e r e und von V o i s i u , 
aufzuweisen hat, fehlt es in der neueren deutschen Literatur 
an einer solchen. Diese von Vielen schmerzlich empfundene 
Lücke füllt, die soeben erschienene Bearbeitung der Epilepsie 
von B i n s w a n g e r aus. 

Dass 1» i n s w a n g e r die Aufgabe, eine erschöpfende Ueber¬ 
sicht und Darstellung des heutigen Standes von der Lehre der 
Epilepsie zu geben, durchaus gelungen ist, das sei vorweg be¬ 
tont. B. ist. in der That durch seine zahlreichen experimentellen 
Arbeiten, durch seine mannigfachen Beobachtungen hierzu wie 
geschaffen, und dass er auch in der ungeheuren Literatur über 
Epilepsie Bescheid weiss, das zeigt seine Bearbeitung des Artikels 
Epilepsie in der 3. Auflage der Kulenburgsehen Realency- 
elopädie. 

An diesen Aufsatz, der der Mehrzahl der Leser nicht un¬ 
bekannt sein dürfte, lehnt sich die vorliegende Monographie, die 
nur ungleich ausführlicher ist, mehr oder weniger an. 

Tn den ersten Capiteln bespricht Bi ns wange r die Be¬ 
griffsbestimmung und Eingrenzung des zu schildernden Krank- 
lie.itshild(‘s, die allgemeine Pathologie und Pathogenese, die Er¬ 
gebnisse der einschlägigen experimentellen Forschungen, sowie 
die Aetiologic. Dass er die Lehre von den Ursachen, gleichgiltig 
oh sie vorbereitende oder auslösende sind, so eingehend behandelt, 
dafür wird man dem Autor nur danken, da uns so Winke ge¬ 
geben werden für eine Prophylaxe, die schliesslich immer noch 
die wirksamste Therapie darstellt. Dass auch das Trauma als 
aetiologisches Moment der Epilepsie besonders gewürdigt wird, 
das braucht bei der weitgehenden Bedeutung, die heute die Un¬ 
fälle mit ihren Folgen für sich in Anspruch nehmen, kaum be¬ 
sonders hervorgehoben zu werden. 

Bei der Symptomatologie unterscheidet Binswanger die 
Epilepsia gravior, den gewöhnlichen, voll entwickelten epilep¬ 
tischen Anfall, den unvollständigen, rudimentären Anfall, der 
neben der Bewusstlosigkeit tonische oder klonische Zuckungen 
aufweist, und abortive Anfälle, die entweder durch eine schnell 
vorübergehende Bewusstseinsstörung oder kurz dauernde, moto¬ 
rische Entladungen gekennzeichnet sind. Dieser letzteren 
Gruppe sohliesst er die Besprechung der sogen, psychisch-epilep¬ 
tischen Aequivalente an, der acut einsetzenden und schnell ah- 
klingeudeu psychischen Störungen, für welche die ganz eigen¬ 
artige Bewusstseinsstörung charakteristisch ist. 

Die weiteren Abschnitte sind der Schilderung der inter- 
paroxysmalen Zustände, der pathologischen Anatomie, der Dia¬ 
gnose, Prognose und Therapie gewidmet. Die Behandlung der 
Epilepsie hat ebenfalls eine sehr eingehende Besprechung er- 
faliren, und B i n s w a n g c r folgt dem Zuge der Zeit, wenn er 
bei dieser Gelegenheit des Ausführlicheren die operative Behand¬ 
lung erörtert. Die für die Aufstellung der operativen Indieation 
maassgebenden Gesichtspunkte stellt er zusammen und verhehlt 
nicht, dass die bisher erzielten Ergebnisse, schon bei der trau¬ 
matischen Epilepsie, wenig ermuthigend seien. 

Bei der hohen Bedeutung, die die Epilepsie dank ihrer 
grossen Verbreitung, ihrer vielgestaltigen Erscheinungsweise, der 
Möglichkeit ihrer Heilung oder doch Besserung, dank ihrer be¬ 
denklichen Folgen für das Individuum selbst, für seine Umgebung 
und seine Familie insbosonders auch bei dem praktischen Arzt, 
dem Berathcr der Familie, haben muss, kann das Buch diesem 

Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


233 


sehr empfohlen werden, und das gilt um so mehr, als gerade die 
Capitel, welche die für den Praktiker wichtigsten Gesichtspunkte 
umfassen, eine eingehende Bearbeitung erfahren haben. 

Referent bedauert nur, dass Binswanger seine um¬ 
fassende und brauchbare Literaturübersicht aus der Eulen- 
burgesehen Realencyclopädie nicht vorliegender Monographie 
einverleibt hat. Ernst Schultze - Andernach. 

Neueste Joumailiteratux. 

Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 5. 

H. Bett mann - Heidelberg: Ueber hypeosinophile Gra¬ 
nula. 

Die von Grünwald (Centralbl. f. innere Med. 1899, No. 30, 
Virch. Arch. Bd. 158) beschriebenen bypeosinophilen Körnchen in 
weissen Blutzellen erkennt B. als eine neue Art von Granula¬ 
tionen nicht an. Die Bezeichnung hypeosinophil sollte ausdrücken, 
dass diese Körnchen zwar durch Eosin färbbar sind, aber durch 
Säuren und grösstentheils auch durch Alkalien wieder entfärbt 
werden können. B. hält die bypeosinophilen Granula für iden¬ 
tisch mit der neutrophilen Körnelung;- die färberischen Ver¬ 
schiedenheiten treten nur durch eine nachträgliche äussere Ein¬ 
wirkung hervor: Eintrocknung der Präparate allein macht die 
Granula hypeosinophil, Eintrocknung und Hitzewirkung neutro¬ 
phil. Die Befunde Grünwald’s sind nur an den Zellformeu 
festzusteilen, deren neutrophile Körnelung sicher ist. Die Schluss¬ 
folgerungen G r ü n w a 1 d’s sind daher nach B. nicht aufrecht zu 
erhalten. W. Zinn- Berlin. 

Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 18Ü9. 54. Bd., 1. u. 2. 
Heft, December. Leipzig, Vogel. 

1) Kitter: l>ie Epuiis und ihre Riesenzeilen. (Chirurg. 
Klinik Kiel und Greifswald.) 

Die Untersuchungen des Verfassers wurden au 7 Fällen von 
Epulis angesteiit und bezogen sich in erster Linie auf das Wesen 
der Riesenzeilen. K. hält die Riesenzeilen für keine selbständigen 
Zellen, sondern für Ausläufer von Gelassen, deren Endothel direct 
in das Protoplasma der Riesenzeilen übergeht. Das Spindelzeileu- 
sarkomgewene hangt sehr oft direct mit den Riesenzeilen zu¬ 
sammen und geht andererseits unmittelbar in Capillaren über. 
Das Spindelzeiieugewebe stammt also ohne Zweifel vom Gefäss- 
gewebe ab. 

Des Weiteren beschäftigten sich lt.’s Untersuchungen mit dem 
den Epuliden eigenthümiiehen Blutgehalt. Er glaubt denselben 
nicht auf in das Gewebe erfolgte Blutungen beziehen zu müssen, 
sondern weist nach, dass die Blutraume als venös,- Sinus aurzu- 
tässen sind, in die das arterielle Getässsystem Capiliarsprossen 
hineinsendet. 

Die einschlägige Literatur findet sich in sehr übersichtlicher 
Weise erörtert. 

2) Becker: Ueber eine neue Methode der temporaren Re- 
section des Jochbeins. (Städt. Kranaenhaus Hildesheim.) 

Bezüglich der Einzelheiten der Methode muss auf die Arbeit 
verwiesen werden. Sie schallt ausgezeichnet Platz, verletzt weder 
Kaumuskel uoch Facialis und gibt ein günstiges kosmetisches 
Resultat. 

3) Gessner: Ueber Pankreasnekrose. (.Friedrichshain 
Berlin.) 

Bericht über 3 Fälle dieser seltenen Erkrankung. 2 im acuten 
Anfall operirte Kranke starben, 1 nach schon vollendeter Nekrose 
operirter wurde geheilt. Bei der letzteren Patientin wurde der 
ganze Tumor unter sehr starker Eiterung ausgestossen. 

Auf Grund seiner eigenen und der in der Literatur uieder- 
gelegten Beobachtungen zeichnet Verfasser das Bild des Beginnes 
der Erkrankung folgendermaassen: Blitzartiges Einsetzen unter 
schweren Schockerscheinungen, reichliches galliges Erbrechen, nur 
geringe auf das Epigastrium beschränkte Auftreibung. Der Beginn 
ähnelt am meisten einem acuten Duodenalverschluss oder einer 
Gallensteinkolik. Im weiteren Verlaut wird das Bild beherrscht 
durch die parapankreatische Eiterung, durch deren Nachweis auch 
zuweilen die Diagnose gelingt. 

Die Operation im acuten Anfall hat nur einmal zur Genesung 
geführt; im Allgemeinen ist in solchen Fällen ein Eingriff verboten. 
Von 20 im Stadium der vollendeten Nekrose operirten Fällen 
wurden 6 geheilt. 

4) R o 1 o f f : Ueber chronische Mastitis und das sogen. Cyst- 
adenom. (Bergmannstrost Halle a. S.) 

R. beschreibt genau einige Falle von Cystadenoma mammae 
und schüesst sich der Auffassung K ö n i g’s an, die in diesen Ge¬ 
bilden das Product rein entzündlicher Processe sieht. Den Ver¬ 
such von Schimmelbusch, das Cystadenom als eine den Ge¬ 
schwülsten zuzuzählende Erkrankung hinzustellen, weist er zurück. 

Chronisch entzündliche Veränderungen Ündet man auch sehr 
häufig in carclnomatösen Brustdrüsen, sowohl parenchymatöse wie 
interstitielle, von manchmal progressivem, manchmal regressivem 
Charakter. 

Das Entstehen von Carcinoinen auf dem Boden von chronisch- 
entzündlichen Processen der Mamma scheint ihm in zwei beob¬ 
achteten Fällen sicher bewiesen zu sein; einmal handelte es sich 
um eine seit 24 Jahren vorhandene Fistel, einmal um eine Narbe 
nach eitriger Mastitis. 


5) Ehrhardt: Ueber Paget’s Disease. (Chirurg. Klinik 
Königsberg.) 

Genaue mikroskopische Untersuchung eiues charakteristischen 
Falles der genannten Erkrankung. In der Epidermis fanden sieh 
die hellen protoplasmareichen, oft ln Nestern vereinigt liegenden 
Zellen. In der Cutis zeigte sich zwischen elastischem Faseruetz 
und Epidermis eine oft mächtig entwickelte Schicht von Granu¬ 
lationsgewebe. Au den ältesten Stellen der Erkrankung fand sich 
in die Mamma hinein vorgeschoben ein hühuereigrosses Carcinom, 
dessen Zellen oft an die veränderten Epidermiszellen erinnerten. 
Eine Metastase in den axillaren Lymphdrüsen Hess in ihren Zellen 
eine Aehnlichkeit mit den hellen Zellen in der Epidermis nicht 
mehr erkennen. 

In den hellen Zellen möchte Verf. den Anfang einer Ent- 
differenzirung der Zellen sehen. Jedenfalls haben sie mit Coccidien 
nichts zu thuu. Eine Kapselbildung liess sich nirgends beobachten. 
Den ganzen Krankheitsprocess von Paget’s Disease erklärt Verf. 
wie die meisten neueren Autoren als ein primäres Hautcarciuom. 

0) M. Schmidt- Cuxhaven: M e c k e i’sches Divertikel 
und Ileus. 

Zu den bisher bekannt gewordenen Formen von acutem Dann 
Verschluss durch ein M e e u e l’sehes Divertikel fügt Verf. eine 
chronische Form. Bei einem 15 jährigen Mädchen mit einer Fistel 
in der Mageugegeud bildete sieh im Verlauf von 4 Wochen unter 
den Erscheinungen des Ileus eine ganz hochgradige Abmagerung 
aus. Bei der Operation fand sieh neben einer Verwachsung des 
dem Divertikel anliegenden zu- und abführenden Darmschenkels 
eine Verwachsung einer Ileusselilinge an’s L'oecum, Achsendrehuug 
dieser Ileumsclilinge und Abkniekung. Die Operation vermochte 
eine Heilung nicht mehr herbeizuführeu. 

Aus der Literatur hat Verf. zw ei ähnliche Fälle von C h i a r i 
und G o o d zusammengestellt. Die Operation wird bei derartigen 
Verwachsungen zunächst nur in der Anlegung eiues Kunstafters 
zu besteheu haben. 

7) K r e d e 1 : Ueber den Zusammenhang von Trauma, Epi¬ 
physenlösung und Coxa vara. (Kinderheilanstalt Hannover.) 

Bei einem 4 '/Jährigen Mädchen, das nie eine Verletzung er¬ 
litten hatte, fanüen sich die typischen Zeichen der Coxa vara. 
lloehstand des linken Trochauters um 1—2 em, völlig freie Be¬ 
weglichkeit im Hüftgelenk mit Ausnahme der Abduction. Die 
Röntgenuntersuchung zeigte eine deutliche Continuitätstrennuug 
am Schenkelhälse, die grösstentheils der Epiphysenlinie folgte. 

Verf. möchte annehmen, dass in den ähnlichen in der Literatur 
als Coxa vara traumatica beschriebenen Fällen es sich um Epi¬ 
physenlösungen in einem schon kranken Schenkelhälse handelt. 

8) Payr: Ueber Laesion des Nervus ulnaris bei Verletz¬ 
ungen am Eilenbogengelenk. (Chirurg. Klinik Graz.) 

a) Unvollständige Lateralluxation beider Vorderarmknochen, 
Compression des luxirten N. ulnaris zwischen Trochlea und abge¬ 
rissener Epitrochlea. Arthrotomie. Reposition des Nerven. Völ¬ 
lige Heilung. 

b) Schrägbruch der unteren Humerusepiphyse. Einheiluug 
des Nerv, ulnaris in einen bindegewebigen Callus an der Fractur- 
stelle der Epitrochlea. Wiederherstellung einer Rinne für deu 
Nerven. Völlige Wiederherstellung der UInarisfunction. 

c) Weichtheil Verletzung. Ulnarislähmung. Operation. Der 
Nerv durch Narbengewebe aus seiner Rinne herausgehoben und 
abgekniekt. Exstirpation der Narbenmassen und Rücklagerung 
des Nerven. Völlige Heilung. 

9) Gerulanos: Ueber Cystocele lineae albae. (H el¬ 
fe r i e h’sche Klinik.) 

Der beschriebene Fall ist einzig in seiner Art In der Lite¬ 
ratur findet sich nur noch ein von Richter erwähnter, der aber 
hicht ganz aufgeklärt ist. 

Die Durchtrittsstelle des Blasenbruches befand sich dicht 
oberhalb der Symphyse zwischen den Ansätzen beider Mm. recti. 
Als Ursache scheint eine angeborene schwächere Stelle der Linea 
alba in Verbindung mit mehreren Schwangerschaften anzuschul¬ 
digen zu sein. Der ausgestülpte Theil der Blase hatte mit der Zeit 
die Form eines Divertikels angenommen. Vor dem Divertikel be¬ 
fand sich eine Cyste, die aber keine Abstammung von der Blasen¬ 
wand erkenen liess. Der Bruch hatte die Symptome der Blasen¬ 
einklemmung hervorgerufen. Die Exstirpation des Divertikels 
brachte völlige Heilung. 

10) Roestel - Görlitz: Zur Casuistik der Unterleibsverletz- 
ungen durch stumpfe Gewalt. (Seemannskrankenhaus Hamburg.) 

Ein unter den schwersten Schockerscheinungen im Kranken¬ 
haus auf genommener Fall von Bauchcontusion mit Perforations¬ 
peritonitis ging unter exspectativer Behandlung in Genesung aus. 
Verf. glaubt, dass bei primärer Laparotomie bestimmt der letale 
Ausgang eingetreten wäre. 

ID Mysch - Kaluga (Russland): Ossificatio M. brachialis 
intemi als eine Complication der hinteren Luxation im Ellbogen¬ 
gelenk. 

Durch Exstirpation der Knochenmasse wurde völlige Heilung 
erzielt. , 

Ueber die Aetiologie der Verknöcherung kann man nur Muth- 
maasungen haben (Verletzung des Periostes? Abreissuug eines 
KnochensttickesV). 

12) Saul: Polemisches zur Catgutfrage. M i n e r v i n i : 
Ebenso. 

13) Helferich : Die Greifswalder chirurgische Klinik 
in den Jahren 1885—1899. 


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MÜNCHENER MED1CINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


H. gibt einen kurzen, aber sehr interessanten Ueberblick über 
die Verhältnisse der Greifswuliler Klinik während der 14 Jahre 
seiner Leitung. 

lief. Avusste aus den vielen werthvolleu literarischen Mit- 
theilungen, wie reich das Greifswalder Material ist, er war aber 
doch von der Grösse der Zahlen überrascht. II. hat den Kranken¬ 
stand von 907 im Jahre 85/86 auf 2021 im Jahre 98/99 gebracht, 
die Zahl der Operationen stieg von 626 auf 1311. K r e c k e. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In- 
fectionskrankheiten. Bd. XXV1L, No. 3. 1900. 

1) W. Podw r yssotzki-Iview: Myxomyceten, resp. Plasmo- 
diophora Brassicae Woron. als Erzeuger der Geschwülste bei 
Thieren. 

Verf. erweiterte seine Uebertragungsversuelie bösartiger Ge¬ 
schwülste, wozu er bisher das Material von Menschen und Thier 
genommen hatte, insofern, als er sich zur Infection Stückchen von 
parasitären Geschwülsten mancher Kohlarten (Kohlkropf, lvohl- 
liernie) bediente und • dieselben Kaninchen, Meerschweinchen, 
Fröschen und Axolotlen unter die Haut brachte. In diesem Zell¬ 
gewebe der erkrankten Pflanze beüudet sich ein, von Woroniu 
entdeckter Myxomycet Plasmodiophora Brassicae, welcher in 
seinen Entwickelungsstadien viele Aeknliehkeit mit manchen Zell¬ 
einschlüssen in Krebsen und Sarkomen hat. 

Das Resultat seiner Versuche war ein ganz unerwartetes, da 
schon nach 15—18 Tagen beim Kaninchen und beim Meerschwein¬ 
chen über der inficirten Stelle eine wallnussgrosse bösartige Ge¬ 
schwulst auf trat. Mikroskopische Präparate zeigten im Gew'ebe 
solcher Geschwülste Sporen von Plasmodiophora Brassicae Woron. 
Im Innern von Riesenzellen, die sich an manchen Stellen um 
mehrere Sporen gebildet hatten, verschwinden letztere. An ein¬ 
zeln mit Sporen beladenen Zellen sind schöne Mitosen nachweis¬ 
bar, was wohl beweist, dass der Parasit eine Kernproliferation 
erregt. — Die Untersuchungen werden fortgesetzt. 

2) Bruno S c h ü r m a y e r - Hannover: Ueber Aktinomykose 
des Menschen und der Thiere. 

Zu kurzem Referat nicht geeignet. 

3) A. Celli-Rom: Ueber Immunität gegen Malaria- 
infection. 

Aus seinen ausgedehnten experimentellen Untersuchungen 
über Malariainfection zieht Verf. folgende Schlüsse: 1. Einige 
Personen besitzen eine angeborene Immunität gegen Malaria- 
iufection, auch in den verseuchtesten Gegenden und selbst gegen 
experimentelle Malaria. Andere erlangen eine Immunität durch 
überstandene Krankheit. 2. Die Ursache der Immunität lässt 
sich bis jetzt noch nicht auf Grund der Serumtherapie erklären, 
da wieder Toxin noch Antitoxin bei diesen lnfectionon gefunden ist. 
3. Weder durch krankhafte Producte der Malaria anderer Thiere, 
noch durch Blutserum oder organische Säfte der gegen Malaria 
immunen Thiere, noch durch Säfte der nicht oder Malaria tragen¬ 
den Stechmücken kann man eine künstliche Immunität bewirken, 
sondern nur durch kräftige Dosen von Euchinin und Methylenblau. 

4) M. Prettner - Prag: Beitrag zur Rassenimmunität. 

(Vorläufige Mittheilung.) 

Verf. beobachtete bei der thierärztlichen Untersuchung von 
3912 Büffeln auch nicht ein einziges Mal Tuberculose, während 
einige Autoren die Empfänglichkeit des Büffels für Tuberculose 
behaupten. Zur Entscheidung dieser Frage injicirte er 2 Büffel¬ 
kälbern und 2 zur Controle dienenden gewöhnlichen Kälbern 
intraperitoneal und in die Vene eine grössere Menge Tuberculose- 
bouillonculturen. Circa 5 Wochen nach der ersten Injection wurden 
die Büffel getödtet, wobei keine Tuberculose constatirt werden 
konnte. Von den beiden Controlkälbern war eins bereits an 
Tuberculose eingegangen, das andere zeigte sich beim Tödten 
perlsüchtig. R. O. Neu mann - Berlin. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 6. 

1) A. C e 11 i - Rom : Epidemiologie und Prophylaxis der 
Malaria vom neuesten aetiologischen Standpunkte aus. (Schluss 
folgt.) 

2) H. S a 1 o m o n - Frankfurt a. M.: Ueber Hirndruck- 
symptome beim Typhus. 

Mehrfach fiel es dem Verfasser auf, dass bei Typhus die 
Sehnervenpapille leichte Veränderungen zeigte, wie sie bei Zu¬ 
ständen mit erhöhtem Hirndruck Vorkommen. Er untersuchte 
desshalb mittels der Quinck e’sehen Lumbalpunction den 
Druck, unter welchem der Liquor cerebro-spin. bei Typhuskranken 
steht. Zunächst fand sich letzterer steril, ferner fehlte ihm das 
Vermögen der Agglutination, besonders aber war der Druck in 
allen Fällen erhöht, vielleicht in Folge einer serösen Traussudation 
aus den Meningen, deren Entzündung oft im Bilde des Typhus 
hervortritt. Aus der Drucksteigerung würde sich auch die relativ 
geringe Pulsfrequenz bei Typhösen erklären lassen. Die Lumbal¬ 
punction wirkte in allen Fällen erleichternd auf die subjectiven 
Symptome. 

3) H. M a a s s - Berlin: Ueber mechanische Störungen des 
Knochenwachsthums. 

Cf. Referat pag. 1698 der Münch, med. Wochenschr. 1899. 

4) E. Wormann - Dresden: Ueber luetische Struma. 

Bei einem 24 jährigen Mann, der bereits gummöse Erschei¬ 
nungen (Gumma an der hinteren Wand des Velum palatiu.) auf¬ 
wies. trat während einer Jodcur und nach verschiedenen Schmier- 


curen eine rapid zunehmende, gleichmässige Schwellung der Schild¬ 
drüse auf, die sofort zurückging, als eine Hg-Behandlung ein¬ 
geleitet wurde. Aus diesen Umständen scliliesst W. auf eine 
luetische Strumitis, die als secundäre, einfach hyperplastische Er¬ 
krankung anzusehen ist. Interessant ist besonders das Versagen 
der Jodwdrkung, andererseits der prompte Effect der Hg-Tberapie. 

5) M. Schüller- Berlin: Polyarthritis chronic, villosa 
und Arthritis deformans. (Schluss folgt.) 

Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 5. 

1) Sonnenburg: Die Behandlung der umschriebenen 
Abscesse der Peritonealhöhle. (Aus dem städtischen Kranken- 
lmuse Moabit in Berlin.) 

S. knüpft seine Ausführungen an die in No. 33 und 34 der 
Berliner klinischen Wochenschr. erschienene Veröffentlichung von 
Riedel. Der von diesem betonten Nothwendigkeit der sofortigen 
operativen Behandlung eines Anfalls von Appendieitis stehen 
nach seiner Ansicht zwei Bedenken entgegen, erstens die Schwierig¬ 
keit der Differentialdiagnose einer eitrigen und nicht eitrigen 
Appendieitis im Anfangsstadium, und weiterhin die Erfahrung, 
dass bei kleinen Abscessen in einer grossen Anzahl der Fälle 
Spontanheilung innerhalb weniger Tage eintritt. Dazu kommt 
feiner, dass die von Riedel angegebene Operationsmethode 
weder den einfachsten, noch den ungefährlichsten Weg einschlägt. 
Der Weg durch das Peritoneum zum Abscess soll, insbesondere 
bei einem acuten Anfall von Appendieitis, nicht als Regel, sondern 
nur als Ausnahme gewählt w r erden. 

2) Lewerenz: Casuistischer Beitrag zur Invaginatio 
ileocolica. (Aus dem Lazaruskrankenhause in Berlin.) 

Casuistische Mittheilung, vorgetragen in der Sitzung der 
freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am 13. November 1899. 

3) Martin Cohn: Untersuchungen über den Speichel und 
seinen Einfluss auf die Magen Verdauung. (Aus der III. medic. 
Universitätsklinik in Berlin.) (Schluss aus No. 4.) 

Studie über die Beeinflussung des Verdauungsprocesses 
durch die chemische Veränderung oder totale Ausschaltung der 
Speichelflüssigkeit ohne wesentlich neue Resultate. 

4) Paul Bernhardt: Ein Fall von Pneumathaemie und 
Schaumorganen. (Aus der Bezirksirrenanstalt Stephansfeld 
[Eisass].) 

Interessante Mittheilung des Krankheits- und Sections- 
bericlites, sowie der histologischen und bacteriologischen Unter¬ 
suchungsresultate eines Falles von „Pneumathaemie“ bei einem 
51jährigen Idioten. Nachweis des Bacillus aerogenes capsulatus, 
Einbruch der Infection in den Körper vom Darm her durch die 
Ausführungsgänge der grossen Unterleibsdrüsen. 

5) Tropenhygiene und Tropenkrankheiten. 

R. Koch: Zweiter Bericht über die Thätigkeit der Malaria¬ 
expedition. (Von der Colonialabtheilung des Auswärtigen Amtes 
zur Veröffentlichung übergeben.) 

Aus diesem Bericht, welcher die Thätigkeit der Expedition 
wührend ihres Aufenthaltes in Niederländisch-Indien (Batavia 
u. s. w\) vom 21. September bis 12. December 1899 schildert, geh: 
zunächst hervor, dass die Malaria daselbst in Folge der von de 
Regierung getroffenen hygienischen Maassnahmen lange nicl» 
mehr die Rolle spielt wie früher. Als nachahmenswerthes Bei¬ 
spiel w r ird u. a. die unentgeltliche Abgabe von Chinin an die Be¬ 
völkerung (durchschnittlich ca. 2000 kg Chinin pro Jahr) an¬ 
geführt. Die Untersuchungsresultate selbst bestätigen die Richtig¬ 
keit der sogen. Mosquitotheorie. F. Lacher- München. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 5. 

1) F. S c h a u t a - Wien: Ueber die Einschränkung der La¬ 
parotomie zu Gunsten der vaginalen Coeliotomie. 

Die Vortheile der letzteren liegen begründet in der um etwa 
die Hälfte geringeren Mortalität, in dem schmerzlosen, uncompli- 
cirten Heilungsverlauf, in dem Wegfall der Bauchwunde mit den 
conseeutiven Narben, Eiterungen, Hernien. Die weitere Ausbil¬ 
dung der vaginalen Operationen ist daher anzustreben. Nachdem 
Verfasser die Resultate der in Betracht kommenden vaginalen 
und abdominellen Operationen auf Grund seiner eigenen langen 
Erfahrungen (cfr. Uebersichtstabelle im Original) eingehend be¬ 
sprochen, kommt er im Allgemeinen zu folgenden Grundsätzen: 
Für radical vorzünehmende Eingriffe eignet sich mehr die vagi¬ 
nale Coeliotomie. Als Ausnahme sind zu betrachten gewisse Fälle 
von Ovarialcysten, w r o conservativ vorgegangen w r erilen muss, 
und die Fälle von vaginaler Fixation des Uterus. Für conser- 
vative Operationen eignet sich mehr der abdominelle Weg, also 
für die festen Eierstockstumoren, die adhaerenteu oder multi- 
loculären cystischen Tumoren, alle malignen Eierstocksgeschwülste, 
bei denen die durch die Enge des vaginalen Weges notlnvendige 
Verkleinerung verboten ist, endlich die Fälle von Myomen ucloa 
tionen und der conservative Kaiserschnitt. 

2) H. Peters: Ovariotomie per anum. 

In der Literatur lagen bisher 3 derartige Fälle vor, über die 
Verfasser referirt. In seinem Falle bestand ein grosser Rectum- 
prolaps, der in Folge des schlechten Ernährungszustandes der 
37 jährigen Patientin mit der gleichfalls vorhandenen Ovarialcyste 
in einer Operation entfernt werden sollte. Der Douglas wurde 
breit eröffnet, das Rectum provisorisch abgehunden, durch einen 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEP1CTNTSCHE WOCHENSCHRIFT. 


235 


2. Operateur die Cyste’hembgeliolt'und exstirpirt, dann die Prolaps¬ 
operation beendigt. Der Verlauf war fast fieberfrei, der Erfolg 
der Prolapsoperation allerdings nicht sehr befriedigend. Die auf 
diesem seltenen Wege exstirpirte Cyste war ein einkammeriges, 
seröses Cystadenom. 

3) H. Hübl-Wien: Ueber Luftembolie bei Placenta 
praevia. 

Die 2 mitgetheilten Fülle stammen aus der Braun’schen 
Klinik. Der 1. Fall (40jähr. Rachitiea), bei dem in der Narkose 
die Wendung ausgeftihrt wurde, verlief acut tödtlich: die Section 
ergab die Ausfüllung der rechten Herzkammer mit Luft, an der 
oberen Grenze der abgelösten Placenta ein klaffendes, rabenfeder¬ 
kieldickes Gefässlumen. 

Im 2. Falle (36jähr. IV. Para) erfolgte der Tod erst 8 l / 2 Stun¬ 
den nach der in Narkose vollführten Wendung, nachdem mehrere 
Collapsanfälle voran gegangen waren. Eine Section fand in diesem 
Falle nicht statt. Verfasser bespricht noch die Diagnose dieser 
Luftembolien, die häufig schwer vom Chloroformtod zu trennen 
sind, ferner die Bedingungen, unter denen der Lufteintritt in die 
Venen ermöglicht werden kann. Wichtig ist besonders auch das 
rasche Abfliessen grosser Frucht wassermengen; die bei der 
Wendling nöthigen Manipulationen befördern natürlich das Ein¬ 
dringen von Luft in das Cavum uteri. 

4) E. Moro-Graz: Ueber die nach Oram färbbaren Ba¬ 
cillen des Säuglingsstuhles. 

Escherich hat schon 1898 aus diarrhoischen SiUiglings- 
siüblen eine Spaltpilzart in Form von Stäbchen isolirt. M. theilt 
nun ein Verfahren mit, aus dem Stuhl normaler Brustkinder einen 
nach Gram färbbaren Bacillus zu züchten, der das Charakte 
ristische hat, dass stark saure Bierwürzebouillou, auch Molke oder 
ungesäuerte Bouillon einen electiven Nährboden für ihn darstellt, 
wcsshalb Verfasser ihm den Namen Bacillus acidophilus beizu¬ 
legen vorschlägt. Ueber das Culturverfahren ist das Original zu 
vergleichen. Dr. Grassmann -München. 


Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 3 u. 4. 

F © 1 n ft r - Prag: Zwei Fälle von Tuberculose der serösen 
Haate beün Menschen unter dem makroskopischen sowie 
mikroskopischen Bilde der Perlsucht. (Strahlpilzähnliche 
Formen der Tuberkelbaeillen.) 

In 2 Leichen mit multipler Tuberculose hat P. einmal am Peri¬ 
card, das andere Mal auf der Darmserosa und dem Mesenterium 
derbe, kleine, meist gestielte Geschwülstchen gefunden welche 
makroskopisch wie mikroskopisch grosse Uebereinstimmung mit 
den bei Thieren vorkommendeu kleinen Perlknoten aufwiesen. 
Dieselben enthielten die — im Ganzen spärlichen — Tuberkel 
An C Ji!f n in häufchenförmiger, aktinomycesähnlicher 

Anordnung mit fadenförmigen Verzweigungen. 


Universität SträsSbUrg. Januar 1900. 

1. Held mann Adolf: Beschreibung eines im höchsten Grade 
osteomalaciseli veränderten Beckens. 

2. Leipprand Gustav: Kritische Beleuchtung der Behandlung 
der Nachgeburtsperiode. 

3. Bernhard Carl: Ueber die Immunisirung durch die Milch 
typhöser Ammen. 

4. Deidesheimer Gustav: Ueber Resultate der Behandlung 
der chronischen Ischias durch blutige Dehnung des Nervus 
iseliiadicus. 

5. Müller Fritz: Ueber Gangraen von Extremitäten bei Neu¬ 
geborenen. 

Universität Tübingen. Januar 1900. 

1. Bode Heinrich: lieber primäre Conjunctivaltuberculose. 

2. Gelbrich Paul: Ueber Streptococcen in faulendem Thier¬ 
blute. 

3. Holzapfel Gotthold: Ungewöhnlicher Ursprung und Ver¬ 
lauf der Arteria subclavia dextra. 

4. K I s s 1 i n g Karl: Kopftrauma und Psychosen. 

5. Meyer Ernst, Dr.: Beitrag zur Kenntnis» der acut ent¬ 
standenen Psychosen und der katatonischen Zustände. Hab. 
Schrift. 

Universität Würzburg. Januar 1900. 

1. Diez W.: Beiträge zur Aetiologie der Keratitis parenchyma- 
tosa. 

2. Fuss Engelbert: Die Betheiligung der Nerven an den Schwan¬ 
kungen in der Pupillenweite. 

3. H e i 1 m a i e r Georg: Beitrag zur Frage des Zusammen¬ 
hanges von Augen- und Nasenerkrankungen. 

4. Kasztan Georg: Beitrag zur Frage der Augendiphtlierie. 

5. Krause Erich: Beitrag zur cystischen Degeneration der 
Niere bei Erwachsenen. 

G. Müller Ottmar: Ein Fall von primärem Tubencarcinom. 

7. Schade Georg: Vier seltene Fälle von Magenkrebs. 

8. Schwenk Arthur: Die Behandlung der Psoriasis mit Naf- 
talan. 

9. Xylander O.: Ueber die Ausscheidung von Jod im Harn 
nach Application von .Todsalbcn. 


Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere 
Medicin in Berlin siehe Seite 242. 

Verein Freiburger Aerzte. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung v o m 22. D c c e ni b e r 1899. 


Ibidem No. 5. 

geschwüre° nl Pfag: XTeber Bacteri otherapie der Schenkel 

npÄ2 ei r tra fiH US Pyocyaneusculturen — nach Buch 
n e r s Methode hergestellt — haben H o n 1 und B u k o v s k v zui 
5^3“ Behandlung von Unterschenkelgeschwüren angewende 
5Srf? aml | t aus “ el l m ? nd Erfolge bei 100 Kranken erhielt. E« 
dürfte eine bactericlde Wirkung auf die zahlreichen Mikro 
Organismen stattfinden, welche auf dem günstigen Nährboden dei 
SSSTrSSfw gedeiheu und den Heil^oceJ bis ™ einem ge 
*tonzuhalten scheinen. Vor Kurzem haben übri 
E m m e r i c h und X, u w die bactericlde Wirkung der Pvo 
aueusenzyme auf experimentellem Wege festgestellt. 7 

B e r g e a t - München. 

Inaugnral-Dissertationen. 

Universität Giessen. Januar 1900. 

1 ‘l899 e " er Heinrlch: Ueber dlc behaarten Raehenpolypen. 

3 n?™' : ® erlch I. flber 52 Myopieoperatiouen. 

1899 ff E t ' DI s P° ntane Darmruptur bei Neugeborenen. 

4 ' m nelder Hermann: Ueber den bilateralen Nlerendefect. 

5 ' ungeD. 6 Ge<>rg: Z " r Casul8tlk der s'.bcutanen Nierenverletz- 

Universität Heidelberg. Januar 1900. 

1- Kehrer Erwin: Das Nebenhorn des doppelten Uterus. 

Universität München. Januar 1900. 

V r i A v d ? 1 5:t Die Beeinfla ssuug der Resorption im Dünn- 
0 dar m durch Adstringentien. 

“• ^-j 8 ™p: Beitrag zur traumatischen Erkrankung der 
J fracUir gami -^ ane8uke: Ueber die coinplicirte Schädel- 

L Yamasa ki Toyosaburo: Casuistischer Beitrag zur Lehre 
von den Harnblasens&rkomen. 

T Ofto: Zwei Fälle von Meningitis tubereulosa mit Herd- 
erscheinungen von Seite der Gehirnrinde. 


1. Herr Privatdocent Dr. S c h ü 1 e demonstrirt a) das Gehirn 
eines an Hydrocephalus internus verstorbenen Kindes. 

b) ein Präparat von Tumor cerebelli (hemispli. dextra). 
Klinisch hatte die Geschwulst ausser den allgemeinen Symptomen 
des Hirntumors auch noch einige Hirnnervenlähmungen ver¬ 
ursacht. Es fand sich X und VIII rechts, XII links affieirt. Diese 
Paresen wurden i. v. nicht als Herdsymptome gedeutet, sondern 
durch Druck des Tumors auf die Medulla oblongata und die aus¬ 
tretenden Nerven. Die Autopsie bestätigte diese Annahme. 

c) Präparat einer cystischen Degeneration fast des ganzen 
Oberwurms im Kleinhirn. Ein Tumor fand sich uicht. Der 
Patient war in Folge eines Sturzes an cerebralen Symptomen er¬ 
krankt, welche auf eine Geschwulst hindeuteten. 

(Die nähere Beschreibung des Falles erfolgt a. a. O.) 

Sodann bespricht Vortragender an der Hand eines ausser- 
gewöhnlicli verlaufenen Falles von Magencarcinom die Diagnostik 
der Magenkrebse und die Bedeutung der diätetischen Therapie 
bei consutnptiv verlaufenden Affectionen. 

(Der Vortrag wird in extenso in der Zeitschrift für prakt. 
Aerzte veröffentlicht werden.) 

Discussion : Herr Geheimrath B ä u m 1 e r hebt bei dem 
von Dr. Sehüle zuletzt erwähnten Fall namentlich die lange 
Dauer der Erkrankuug hervor. Die ersten Beschwerden traten 
vor nahezu 6 Jahren auf: Schmerzen In der Magengegend; zu¬ 
weilen nach dem Essen geringere Beschwerden als vorher. 
In den folgenden Jahren langsame Zunahme der Beschwerden 
und Abnahme des Körpergewichts von 72,1 bis 65,8 kg. Zeit¬ 
weise Uebelkeit, aber kein Erbrechen. Magendilatation, Tumor 
oder Lebervergrösserung waren nie nachzuwelsen. Ein Auf¬ 
enthalt an der See im Herbst 1896 bekam dem Patienten sehr gut; 
ebenso ein Aufenthalt in Tarasp, Sommer 1897. Erst in der 
letzten Zeit waren die Erscheinungen so, dass eine Krankenhaus¬ 
behandlung indicirt erschien. 

Herr R o o s, der den Kranken ebenfalls kurze Zeit ambulant 
beobachtet hat, bemerkt, dass sich im März 1899 starke Reste 
im nüchternen Magen bei den morgendlichen Aus¬ 
spülungen fanden, und dass einmal bei der Ausspülung kaffee¬ 
satzartiges Blut entleert wurde. „Freie Salzsäure“ fand 
sich allerdings ständig, wenn auch ln verringerter Menge. 

2. Herr M e i s e 1 theilt im Anschluss an die Ausführungen 
des Herrn Dr. Sehüle über die Diagnose des Magencarcinoms 
aus der chirurgischen Klinik von Herrn Hofrath Eraske einen 


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236 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


diagnostisch interessanten und jedenfalls bisher noch selten be¬ 
obachteten Fall von Stenosirung des Pylorus mit. Des allge¬ 
meinen Interesses wegen soll der Fall hier kurz besprochen 
werden. 

Bei einer 43 jährigen Frau Br. bestanden seit etwa 3 Monaten 
die ausgesprochenen Zeichen einer Magenerweiterung. 
Es wurden nur noch dünnflüssige Speisen befördert, während 
festere und sogar breiige Speisen nach kürzerer und längerer Zeit, 
wieder erbrochen wurden. Bei der ersten Magenspülung in der 
Klinik wurden noch Reste von Speisen entleert, die vor 8 Tagen 
srenossen worden waren. Während der letzten Monate war die 
Kranke rasch abgemagert, eine allmähliche Abnahme des Körper¬ 
gewichts aber "war schon in den letzten beiden Jahren beobachtet 
worden. In dieser Zeit hatte die Kranke wiederholt Anfälle von 
Magenschmerzen, welche in den Rücken zogen. Einmal 
waren dieselben so heftig und anhaltend, bei gleichzeitigem Er¬ 
brechen. dass sie etwa 2 Wochen zu Bett liegen musste. Fieber 
wurde dabei nicht beobachtet. Für Blutungen ergab die Anam¬ 
nese keine Anhaltspunkte. 

Jetzt fühlte die Patientin nun selbst durch die schlaffen, 
mageren Bauchdecken eine Geschwulst und hielt diese für eine 
Krebsgeschwulst. Ihr Arzt, der ihr beistimmte, schickte sie zum 
Zweck einer Operation in die chirurgische Klinik. 

Die Geschwulst lag etwas nach rechts von der Mittellinie 
zwischen Nabel und Schwertfortsatz. war leicht nach links und 
rechts zu verschieben und änderte etwas ihre Lage bei ver¬ 
schiedener Füllung des Magens. Der kinderfaustgross geschätzte 
Tumor war regelmässig gestaltet, von glatter Oberfläche und auf 
Druck empfindlich. Der Mageninhalt nach einem Probefrühstück 
ergab eine sehr deutliche Salzsä urereaetion. Blut 
war nicht vorhanden. Trotzdem wurde ein Carcinom des Pylorus. 
vielleicht auf einem Ficus entstanden, für das Wahrscheinlichste 
gehalten und eine Gastroenterostomie, wenn möglich eine Re- 
section des Pylorus in Aussicht genommen. Die Prognose wurde \ 
nicht ungünstig gestellt. Die Kranke hatte trotz ihres kachek- 
iischen Aussehens einen guten Puls. Die den Rippenbogen etwas 
überragende Leber fühlte sich weich an und auch sonst wurden 
gesunde Organe gefunden. 

Nach Eröffnung der Bauchhöhle bot sich nun ein überraschen- 
der Befund. Von einem Tumor war Nichts zu sehen. 

Erst durch Palpation konnte ein harter Körper im Anfangs- 
theil des Duodenum, dicht unterhalb des Pylorus festgestellt 
worden. Der Körper sass im Duodenum fest eingekeilt. Er liess 
sich zwischen Pylorus und einem vorerst nicht zu erkennenden 
Hinderniss nur sehr wenig hin- und herschieben. Der Körper 
hatte walzenförmige Gestalt und an seinen beiden Enden Coneavi- 
täten. so dass er sich anfühlte wie ein grosser Murphyknopf. 
Das Duodenum wurde durch einen Längsschnitt eröffnet und nach 
mehreren Einkerbungen des Pvlorusringes ein grossser wal¬ 
zenförmiger Gallenstein mit 2 Facetten heraus¬ 
gezogen. Das Duodenum, welches nach der Gallenblase zu etwas 
verzogen war. war für den eingeführten Zeigefinger bequem durch¬ 
gängig. zeigte aber an der Stelle der Verziehung einen das Lumen 
verengernden Ring. Die Gallenblase war leer. 

Es folge eine sorgfältige Darmnaht. Die Bauchwunde wurde 
bis auf eine kleine Oeffnung. durch welche ein Gazestreifen auf die 
Nahtlinie geführt wurde, durch Naht geschlossen. Die Heilung 
erfolgte ohne Störung. Die Patientin ist seit der am 3. August 
1899 von Herrn Hofrath Kraske ausgeführten Operation voll¬ 
ständig frei von Schmerzen, sie verträgt wieder alle Speisen und 
hat an Körpergewicht so zugenommen, dass sie kaum wieder 
zu erkennen ist. 

Nach dem autoptisehen Befund handelte es sich also nicht 
um eine eigentliche Pylorusstenose. Diese wurde viel¬ 
mehr vorgetäuscht durch eine fast vollständige Obstructio 
duodeni durch einen Gallenstein. Der Mechanis¬ 
mus war wie bei der bestgekannten Gruppe von Fällen des 
Gallensteinileus so, dass durch das Missverhältniss der Grösse 
des Steines eine relative Stenose des Darms zu einer vollständigen 
gemacht wurde. Dass aber in diesem Fall der Stein nach dem 
Magen zu gedrückt wurde und zu einem Pylorus Verschluss führte, 
macht diesen Fall, wie es scheint, zu einem TTnieum. Das Zu¬ 
standekommen dieser eigentümlichen Verhältnisse ist wohl so 
zu erklären: Es waren 3 Steine in der Gallenblase, von denen 
der operativ entfernte Stein der mittlere und grösste war. Der 
vor ihm liegende trat durch eine Gallenblasenduodenalfistel in den 
Darm und ging ah. Jetzt trat der mittlere ein und wurde von 
dem naehrüekenden Stein, mit dem er durch eine tiefe Facette 
wie zu einem Stücke verbunden war, nach dem Anfangstheil des 
Pylorus zu geschoben. Nachdem beide in’s Duodenum gelangt 
waren, ging durch die inzwischen entstandene Verengerung des 
Duodenum der letzte kleinere Stein ab, während der mittlere in 
Folge seiner Grosse diese nicht passiren konnte. Durch nach¬ 
trägliche Narbenschrumpfung wurde die Obstruction mehr und 
mehr eine vollständige und führte schliesslich zu einem Pylorus- 
verschluss. 


Greifswalder medicinischer Verein. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 6. Januar 1900. 

Vorsitzender: Herr Landois. Schriftführer: Herr Busse. 

1. Herr Uhlenhut : Ueber die Verbreitung’ der Lepra¬ 
bacillen im menschlichen Körper; mit Demonstrationen. 

IT. hat einen im Institut für Infectionskrankheiten behan¬ 
delten und obducirten Fall von Lepra mixta klinisch und ana¬ 
tomisch genau studirt. Fast in allen Organen fanden sich Lepra¬ 
bacillen; besonders reichlich, ja fast in unglaublichen Mengen 
fand er sie in der Haut, den Schleimhäuten der oberen Luftwege, 
zumal der linken oberen Muschel, der Zunge, Tonsille, Schleim¬ 
haut des Mundes und des Rachens, in der Epiglottis und den 
Stimmbändern. Unterhalb des II. Trachealringes war die 
Schleimhaut frei von Leprabacillen. Sehr zahlreich lagen sie 
ferner in der Milz, im Knochenmarke, den subcutanen Lymph- 
driisen im Hoden, der Leber, vereinzelt in der Lunge, den .Bron¬ 
chialdrüsen und der Musculatur des Herzens und Körpers. Der 
Danntractus enthielt keine Leprabacillen, ebenso die Wandung 
der Harnblase, die Speichel-, Talg-, Schleim- und Schweissdrüsen 
und das Epithel der Haut. Die Bacillen liegen meistens in 
Zellen eingeschlossen, gewöhnlich zu grossen Massen als sogen. 
Lepraschollen in den von V i r c h o w als Leprazellen bezeieb¬ 
neten eigenartigen, durch Vaeuolenbildung ausgezei ebneten 
Zellen. Dort, wo die Bacillen in geringer Menge liegen, machen 
sie gar keine Gewebsveränderungen, bei massenhafter Anhäufung 
entsteht eine entzündliche Wucherung, besonders in der Um¬ 
gebung der Gefässe. In den peripheren Nerven (N. peroneus, N. 
ulnaris, N. saphenus) zeigt sich eine weitgehende Degeneration 
und Schwund der Nervenfasern, in dem dazwischen liegenden 
verdickten interstitiellen Gewebe massenhafte Leprabacillen. 
Der N. vagus zeigt bei absolutem Mangel von Bacillen völligen 
Schwund der nervösen Theile, ähnlich, nur nicht so stark, waren 
die Veränderungen im N. sympathicus. In den Spinalganglien 
lagen die Bacillen innerhalb der Ganglienzellen, ebenso in dem 
Vorderhorn des Rückenmarkes. Das Gehirn war frei von Lepra¬ 
bacillen, ausgenommen die P u r k i n j e’schen Zellen des Klein¬ 
hirns. Die Se- und Excrete waren mit Ausnahme des Nasen - 
secretes und Auswurfs frei von Leprabacillen, hier aber waren 
sie in ungeheuren Mengen vorhanden, was für, die von Koch 
und Sticker vertretene Ansicht spricht, dass die Lepra durch 
das Nascnsecret übertragen werde und die Nasenschleimhaut 
zuerst befiele. Die Verbreitung erfolgt nach U. nicht nur durch 
die Lymphbahnen, sondern auch durch die Blutgefässe. 

Demonstration zahlreicher mikroskopischer Präparate und 
Zeichnungen. 

2. Herr Grawitz demonstrirt eine Anzahl von mikro¬ 
skopischen Schnitten aus den Organen Pestkranker, die Herr Dr. 
Henkel- Eppendorf übersandt hat. In den Bubonen, Lungen, 
in der Milz und dem Herzen finden sich die Bacillen in wirklich 
enormer Menge. Grawitz erläutert die Präparate durch Mit¬ 
theilung der pathologisch-anatomischen Veränderungen, die sich 
bei Pestkranken finden. 

3. Herr Martin demonstrirt: 

a) einen weiblichen Eplgn&thus, der von Herrn Dr. Bor- 
c h e r t - Stolp übersandt worden ist. Die Frucht wurde mit der 
Zange entwickelt. Aus dem weitgeöffneten Munde ragt ein grosser 
Tumor heraus, an dem nnten ein rudimentärer Steiss, im Innem 
grössere Knochen zu constatiren sind. Das Kind hat noch */« Std. 
geathmet. Nach dieser Missbildung wurde noch ein gut ausgebil¬ 
deter Knabe geboren. 

b) eine Sacto-Salpinx purulenta tuberculosa, deren- Entfer¬ 
nung äusserst schwierig gewesen ist. Nach M.’s Angabe liegt hier 
ein Fall von primärer Tubereulose der Tube vor. Der Eiter erwies 
sich steril. In der Wandung der Eitersäcke fanden sich verkäste 
Stellen, Riesenzellen und Tuberkelbacillen. 

e) Ein 27 Pfund schweres Ovarialkystom, welches zusammeü 
mit dem stark myomatös erkrankten Uterus bei einer 53 jährigen 
Patientin entfernt worden ist. Einige derbe Knoten an dem 
grossen Tumor erwiesen sich als gutartige Kystadenome im Gegen¬ 
satz zu einem zum Vergleich vorgelegten cystischen Ovarialtumor 
bei einem 16 jährigen Mädchen, an dem krebsige Entartung näeh- 
zuweiseu war. 

4. Herr Jung demonstrirt ein makroskopisches und mehrere 
mikroskopische Präparate von Kraurosis vulvae. An dem vor¬ 
liegenden Falle findet sich eine Complication mit Oancrold. Alle 
mikroskopischen Präparate zeigen das Stadium der Atrophie; man 
sieht darin Sklerosirung des Corium, Verstreichen der Papillen. 
Verschmälerung der Horn- und Epitheldecke, sowie völligen 
Schwund der elastischen Fasern. Aetiologie dieses Falles, wie der 
Kraurosis überhaupt, dunkel. Therapie so weit vorgeschrittener 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


237 


Fälle kann nur in völliger Exstirpation der gesammten erkrankten 
Hautpartie bestehen. 

5. Herr L e i c k berichtet über einen auf der inneren Klinik 
zur Beobachtung gekommenen Fall von primärer Diphtherie der 
Vulva, verursacht durch Löffle r’sche Diphtheriebacillen. 


Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 5. December 1899. 

Vorsitzender: Herr Sick; Schriftführer: Herr H enkel. 

1. Herr Wiesinger: Demonstration eiues Prostata- 
carcinoms. 

Es ist eine schon öfter hervorgehobene Tliatsaclie, dass die 
localen Erscheinungen des Prostatacareinoms so gering sein 
können, dass erst die Section dieselben nachzuweisen vermag, 
und wir haben Fälle beobachtet, die auch da makroskopisch nicht 
sicher erkannt werden, sondern erst mikroskopisch diagnosticirt 
werden konnten. Umgekehrt gibt es auch Falle, die von vorn 
herein örtlich deutliche Erscheinungen machen. 

Zu den letzteren gehört das Präparat, welches ich Ihnen zeigen 
möchte, welches von einem Ö0 jährigen Manne stammt, bei welchem 
die starke Vergrösserung und die höckerige, harte Form die Dia¬ 
gnose ohne Weiteres stellen liess. 

Das Präparat ist dadurch ausgezeichnet, dass nicht nur die 
Prostata in einen apfelgrossen Tumor verwandelt ist, sondern die 
krebsige Infiltration die Blasenwandung diffus durchsetzt und die 
Blasenschleimhaut durch haselnuss- bis wallnussgrosse Ge¬ 
schwülste in das Blaseninuere vorbuckelt. Ausser Metastasen 
der Lunge, lieber und Knochen, waren auch hier zahlreiche Me¬ 
tastasen der Wirbelsäule vorhanden, die bei Lebzeiten keine Er¬ 
scheinungen gemacht hatten und die im Gegensatz zu der meist 
osteoplastischen Form bei Prostatacarcinom, die Knochensubstauz 
erweiche und zerstört hatten. 

2. Demonstration eines Blasencarcinoms, welches aus einer 
Sectio alta-Wunde hervorwuchernd einen mehr als kiudskopf- 
gros8en Tumor auf den äusseren Bedeckungen gebildet hatte. 

Vortrag des Herrn Simmonds: Ueber Tuberculose des 
Magens. 

(Erscheint in extenso in dieser Wochenschrift.) 

Discussion: Herr Schmilinsky. Die Diagnostik 
der tuberculösen Magengeschwüre am Lebenden sei sehr schwierig, 
du dieselben meist keine Beschwerden verursachten. Die höhere 
Acidität des Magensaftes, die fast stets eine Begleiterscheinung 
des gewöhnlichen runden Magengeschwürs sei, fehle bei dem 
tuberculösen Magengeschwür. Und dieses Fehlen des stark sauren 
Magensaftes könne einerseits die Ansiedlung von Tuberkelbacillen 
begünstigen, andererseits eine Anätzuug der Gesellwürsfläche und 
das Auslösen von Pyloruskrämpfen verhindern. 

Herr Fraenkel verfüge nur über ein relativ geringes Ma¬ 
terial an tuberculösen Magengeschwüren. Bezüglich der P e- 
uuschk i'sclien Veröffentlichung sei er durchaus nicht von der 
Richtigkeit der Diagnose überzeugt. Tuberculose Magengeschwüre 
habe er nur bei ganz hochgradigen Phthisikern gefunden. 

Tuberculose Erkrankungen kommen einmal in der Form von 
Ulcerationen, dann als miliare Tuberkel und schliesslich noch als 
tuberculose Geschwülste vor. Bei einer derartigen Geschwulst, 
die am Pylorus sass und klinisch als Careinom angesprochen und 
mit gleichzeitiger Resection des ganzen Pylorus entfernt worden 
war, wurde der tuberculose Charakter erst durch die histologische 
Untersuchung erkannt. 

Herr Simmonds: Bei den von ihm untersuchten Fällen von 
tuberculösen Magengeschwüren sei Intra vitam eine Untersuchung 
des Magensaftes nicht vorgenommen worden. Ihm scheinen die 
von Sch. angeführten aetiologischen Momente der tuberculösen 
Magengeschwüre und die Gründe ihres symptomlosen Verlaufes 
sehr acceptabel. 


Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln. 

(Bericht des Vereins.) 

Sitzung vom 10. Juli 1899. 

Vorsitzender: Herr Leichten stern. 

Schriftführer: Herr Dreesmann. 

Vor der Tagesordnung stellt Herr Kuznitzky einen 
Patienten mit Molluscum contagiosum vor. Die Effloreseenzen 
sitzen an der Wüirzel des Penis, auf der Dorsalseite. Einige von 
ihnen sind durch Kratzen entzündlich verändert, so dass die Dia¬ 
gnose eventuell auf Schwierigkeiten stossen könnte. Vortragender 
bespricht eingehend die klinische Differentialdiagnose der Mollus- 
cum-Efflorescenzen, ohne jedoch auf ihre Histologie einzugehen, 
da er diese bereits bei früherer Demonstration auseinanderzusetzen 
Gelegenheit hatte. 

1. Herr Huismans : Meningitis basilaris tranm. (Der 
Vortrag ist anderweitig veröffentlicht.) 

2. Herr v. Bremen: Das in Köln 1514 gedruckte Pest- 
Michloin „Klop Duvel Klop”. 

Der Verfasser ist nicht genannt, doch geht aus der Art der 
Beprechung der Pestfrage hervor, dass derselbe wohl dem ärzt- 

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liehen Stande angehört. Das Büchlein ist für Laien bestimmt. 
Es ist in Frage und Antwort gehalten. 

Zuerst wird die Prophylaxe besprochen und empfohlen, 
zu Pestzeiten nicht in verseuchte Häuser zu gehen, noch mit 
Personen zu verkehren, die mit Pestkranken in Berührung ge¬ 
kommen sind. An die inficirteu Häuser sollen Strohbunde aus¬ 
gehängt werden und alle Bewohner derselben einen weissen 
Stecken tragen. Dann wird Vermeidung aller Ausschreitungen 
und ruhiges, gleiehfiiässiges Leben anempfolileii. Im 2. Capitel 
wird erst die Taugniss der Wachholderbeeren besprochen, denen 
Heilkraft gegen sehr zahlreiche Krankheiten beigelegt wird, und 
die, spcciell mit Essig zubereitet, als Prophylactieum gegen die 
Pest empfohlen werden. In den folgenden Capiteln werden die 
ersten Anzeichen der Krankheit und das Aderlässen behandelt. 
Ueber letzteres werden minutiöse Auseinandersetzungen gegeben, 
da der Ort der Blutentziehung sich genau richtet nach dem Ort 
der Pestbeule, und dabei auch die Monats- und Tageszeit berück¬ 
sichtigt werden muss. Das 5. Capitel bringt dann die Pflege und 
Wartung des Kranken, was er essen, was er trinken soll, wie er 
zum Schwitzen zu bringen ist, wie Oeffnung zu erzielen ist etc. 
Der folgende Abschnitt enthält dann Recepte für Reiche und 
Arme, lnfuse, Latwergen, Thees und Aquae vitae. Einige der¬ 
selben werden besprochen, so enthält eines nicht weniger als 
24 Bestandtheile der verschiedensten Art. Die letzten Capitel 
bringen dann noch Recepte als Sicherung gegen die Ansteckung 
und zur Bereitung von Salben und Pflastern, die die Pestbeule 
heilen sollen. 


Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 19. December 1899. 

Vorsitzender: Herr Curschmann, dann Herr B a li r d t. 

Schriftführer: Herr Braun. 

1. Vorstandswahl. Der bisherige Vorstand wurde wieder¬ 
gewählt. 

2. Herr Perthes demonstrirt die r. Niere einer 40jähr. Pat.. 

welche er wegen Pyelonephritis exstirpirt hat. Die Symptome der 
von einer Cystitis ausgehenden, seit lö Jahren bestehenden Er¬ 
krankung hatten in JSchmerzanfällen von dem Charakte de Niere 
steinkolikeu, Eitern hgaug mit dem Urin und Ausbildung einer druck¬ 
empfindlichen Resistenz, in der rechten Lumbalgegend bestanden, 
eine exacte Diagnose war jedoch erst durch das Cystoskop ermög¬ 
licht. Bei Druck auf die rechte Nierengegend sah man cysto- 
kopisch aus der rechten Ureterüffnung einen Strom dickflüssigen 
Eiters ausfiiessen. Der Katheterismus des linken Ureters ergab 
klaren aber ei weisshaltigen Urin. Trotzdem wurde mittels 
Koni g’scher Schnittführung die rechte Niere exstirpirt. Die 
Patientin hat sich gut erholt und der Eiweissgehalt des von der 
zurückbleibenden linken Niere gelieferten Urins ist jetzt — drei 
Monate nach der Operation — verschwunden. Die exstirpirte Niere 
weist ausser den typischen Veränderungen der Pyelonephritis 
(Kleinheit des Organs, welches von einem System von Abscess- 
höhlen durchsetzt und in derbe fibröse Schwarten eingebettet ist) 
als besonderer Befund eine fast völlige Obliteration der rechten 
Nierenarterie auf. (Autoreferat.) 

3. Discussion über den Vortrag des Herrn Littauer: 
Ueber Osteomalacie («. 5. December). 

Herr Lohse berichtet über einen selten beobachteten Fall 
von Osteomalacie auf nervöser Basis und demonstrirt Photogramme 
desselben. Herr B a h r d t fragt nach der Höhe der verabfolgten 
Phosphordose. Herr M e i n e 1 weist auf die Seltenheit der kind¬ 
lichen Osteomalacie hin und berichtet über einige derartige, selbst 
beobachtete Fälle. 

Herr His jun.: Die Osteomalacie interessirt den Internisten 
einmal als Stoffwechselkrankheit, andererseits in differential¬ 
diagnostischer Hinsicht. Nachdem die älteren, rein chemischen 
Hypothesen über das Wesen der Krankheit (Milchsäuregehalt, ver¬ 
minderte Alkalescenz des Blutes) gefallen sind, hat zur Zeit die 
Ansicht F e h 1 i n g’s die meiste Berechtigung, wonach die Osteo¬ 
malacie eine Trophoneurose sei, hervorgerufen durch abnorme 
Thätigkeit der Ovarien. Nur darf man sich nicht verhehlen, dass 
unter den Krankheiten, die auf Veränderungen der „Inneren Se- 
cretion“ von Organen zurückgeführt werden, die Osteomalacie 
diejenige ist, für welche die Beweisreihe die klaffendsten Lücken 
aufweist. Weder zeigt sie unzweideutige Spuren von Erkrankung 
oder fehlerhafte Entwicklung der betreffenden Organe, wie etwa 
Myxoedem, Cretinismus, Basedo w’sche und Addiso n’sche 
Krankheit und Akromegalie, noch spricht ein so frappanter Thier¬ 
versuch für den Zusammenhang mit dem Organ, wie etwa die Ex¬ 
stirpation des Pankreas beim Diabetes. Wäre die übermässige 
Thätigkeit des Ovarium wirklich Ursache der mangelnden Kalk¬ 
ablagerung, so müsste man bei Castration das Gegentheil, eine 
Osteosklerose, erwarten; statt dessen findet man bei castrirten 
Menschen und Thleren lediglich eine längere Persistenz knorpe- 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



238 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


ligerDIaphysen und ein zwar deutlich, aber geringfügig vermehrtes 
Langenwachsthum der Knochen. Wenn also die F e h 1 i n g'sche 
Hypothese zunächst die wahrscheinlichste ist, so braucht sie dess- 
lialb nicht für bewiesen angesehen zu werden, was übrigens ihr 
Autor selbst am klarsten ausgesprochen hat. 

Diagnostisch bereiten vor Allem die nervösen Symptome 
Schwierigkeiten, welche die Osteomalacie so häufig begleiten, und 
welche Koppen zuerst ausführlich besprochen hat. Für die 
Frühdiagnose sind vor Allem wichtig: die Druckempfindlichkeit 
der Knochen, die Schwäche der lleopsoas und der Adductoren 
(Watschelgang). Sicher würde Osteomalacie• häufiger rechtzeitig 
diagnosticirt, wenn man in Zweifelsfällen an sie denken wollte. 
Schliesslich kann die Diagnose ex juvantibus gestellt werden, wenn 
mau einen Versuch mit Phosphorleberthran macht, dessen Wir¬ 
kung ja in vielen Fällen zweifellos festgestellt ist. Jedenfalls kann 
dieses relativ unschädliche Mittel (oder nach Trousseau’s Vor¬ 
schrift: Phosphor mit frischer Butter auf Brodschnitten) in allen 
Fällen versucht werden, ehe man zur Castration schreitet. 

(Autoreferat.) 

4. Herr Sachse : lieber moderne Behandlung von Kiefer¬ 
cysten und Antrumempyemen. 

Die moderne Behandlung der Cysten bezweckt, dieselben 
ohne Zerstörung des Cystensackes zum Ausheilen zu bringen, 
bezw. zu veranlassen, dass der Cystensack gewissermassen als 
Fremdkörper von dem Organismus ausgestossen werde. Um die 
Grundlagen dieser Therapie zu erläutern, ist es nothwendig, kurz 
auf die Pathogenese der Cysten einzugehen. 

Man unterscheidet an den Kiefern folliculäre und peri- 
odontale Cysten. Die ersteren entstehen durch cystöse Degenera¬ 
tion eines Zahnkeimes und im jugendlichen Alter; der gebildete 
( ystensack hängt in der Mehrzahl der Fälle an einer unvollkom¬ 
men ausgebildeten Zahnkrone. Das Vorkommen dieser follicu- 
laren Cysten ist so ausserordentlich selten, dass wir hier nur von 
den periodontalen Cysten sprechen wollen. Diese sind relativ 
häufig und kommen auffallend häufig beim weiblichen Geschlecht 
vor, ein Umstand, der wohl durch den zarteren Knochenbau der 
Frauen zu erklären ist. 

Die erste Veranlassung zur Bildung einer periodontalen 
Cyste bietet ein chronischer, chemisch-entzündlicher, auf das 
Periodoutium wirkender Reiz. Dieser wird in den meisten Fällen 
(91 Proc.) geliefert von den zersetzten Massen einer gangraenös 
gewordenen Pulpa des Zahnes; doch nur die Eitererreger be¬ 
wirken bei ihrer Durch Wanderung durch das Foramen apicale 
eine acute, mit allgemeiner oder circumscripter eiteriger Schmel¬ 
zung des Periodontiums einhergehende Entzündung desselben. 
Die grosse Zahl der anderen Mikroorganismen dagegen — welche, 
ist noch nicht festgestellt — rufen zunächst eine Irritationshyper- 
aemie am Periodontium hervor, welche wieder die Proliferation 
der an der Wurzelspitze liegenden epithelialen Reste der sog. 
II ortwi g’schen Scheide begünstigt. Hierdurch entstehen an 
der Spitze der Wurzel kleine, hanf- bis kirschkerngrosse, ent¬ 
zündliche Neubildungen, welche stets einen bestimmten ana¬ 
tomischen Bau zeigen: Nach aussen ist die Neubildung auf gebaut 
aus einem derben, straiffaserigen Bindegewebe, welches nach dem 
Zahne zu in ein meist unregelmässig entwickeltes Granulations- 
gewebo übergeht und sich in eigenartigen Vorsprüngen und Wül¬ 
sten erhebt, wodurch das granulirte Aussehen der Innenwand der 
Fungosität hervorgerufen wird. Die Furche zwischen den kleinen 
Erhabenheiten, sowie die freie Fläche deckt eine theils einschich¬ 
tige, theils mehrschichtige, nicht selten sogar die papilläre Form 
der Rete Malpighi nachahmende Lage epithelialer Zellen 
(P a r t s c h). 

Eingehende Untersuchungen von Partsch, Jul. Witzei 
u. A. haben gezeigt, dass diese im Innern dieser kleinen Cysto - 
granulome vorkommende Epithelbekleidung direct von der 
Schmelzkappe der Zahnleiste abstammt — dass somit das Cysten¬ 
epithel phylogenetisch gleiehwerthig dem Mundhöhlenepithel ist. 
Ueber die erste Entstehung des Hohlraumes in der Neubildung ist 
völlige Klarheit noch nicht erzielt, doch hat zur Zeit die An¬ 
sicht von Römer, dass die innersten Epithellagen der trüben 
Schwellung anheimfallen und dann zerfallen, die meiste Wahr¬ 
scheinlichkeit für sich. 

Die Weiterentwicklung solcher Cystogranulome zur grösseren 
Kiefercyste wird jetzt besonders von dem Widerstand des um¬ 
gebenden Knochen abhängig sein; wo der Knochen den geringsten 
Widerstand bietet, dorthin wird das weitere Wachsthum statt¬ 
finden: die Härte des Unterkieferknochens mag es bedingen, dass, 
trotzdem Fungositäten an den unteren Zähnen gleichfalls Vor¬ 
kommen, diese doch so selten der Ausgangspunkt von Cysten 
werden. w ^ 


Am Oberkiefer entwickelt sich die Cyste am häufigsten nach 
aussen, der facialen Wand zu; dann aber wächst sie auch be¬ 
sonders gern nach der Kieferhöhle zu, weil sie dort freie Bahn 
findet. „Widerstandslos kann sie, wenn einmal die dünne 
knöcherne Scheidewand zwischen Zahnwurzel und Boden des An¬ 
trums aufgelöst ist, die zarte Kieferhöhlenschleimhaut vor sich 
hertreiben und die Höhle mehr und mehr verengen, ohne dass 

nach aussen hin dieses Wachsthum bemerkbar ist.“ Bei 

weiterem Wachsthum kommt es dann noch zu einer Ausbuchtung 
der viel zarter gebauten, dünnen nasalen Wand des Oberkiefers 
und hierbei ist eine Spontanperforation des Cystensackes nach der 
Nase zu nichts Seltenes, während nur wenige Fälle bekannt sind, 
in denen eine Cyste in’s Antrum hinein geborsten ist und danach 
secundär die Schleimhaut der Höhle inficirte. 

Die Diagnose der periodontischen Cysten, welche sich nach 
der facialen Seite entwickelt haben, ist meistens sehr leicht: das 
langsame Wachsthum, die Schmerzlosigkeit, die Fluctuation, das 
Pergamentknittern des Knochens oder der vollständige Schwund 
desselben, im Verein mit der scheinbaren Weichtheilscliwel- 
lung, während dieselben in Wirklichkeit völlig normal frei ver¬ 
schieblich sind, sowie das leichte Eindringen der Punetionsnadel 
in eine mehr weniger grosse Höhle, sichern bald die Diagnose. 

Schwierig ist dagegen die Differentialdiagnose zwischen einer 
ins Antrum gewachsenen Cyste, deren Inhalt sich eitrig zersetzt 
hat und einem Antrumempyem, da sich hier oft die gleichen Sym¬ 
ptome finden. Es empfiehlt sich in zweifelhaften Fällen die 
Probeausspülung durch die Nase zu machen; schon die Art des 
Eiters — Cyste dünnflüssig, Cholestearinempyem, zähe, glasig¬ 
gelbliche Eiterzöpfe, oft nach Heringslacke riechend — sichen 
die Diagnose. 

Die Therapie geht nun von dem Grundsatz aus, dass einmal 
die Cyste nur weiter wächst durch den von der Flüssigkeit aus¬ 
geübten Innendruck, andererseits die Cystenmembran ähnlich der 
Mundschleimhaut gebaut ist. Hebt man desshalb den Innen¬ 
druck in der Cyste durch Excision eines grösseren Stückes 
Cysten wand auf und lässt die Wundränder sich nicht vereinigen, 
sondern sich überepithelisiren, so wird allmählich die ganze 
Cyste von dem Organismus als Fremdkörper ausgestossen; sic 
verkleinert sich immer mehr und verschwindet schliesslich voll¬ 
ständig; der die Cyste heraustreibende Knochen hat die Höhle 
vollständig ausgefüllt. Die Methode der Operation ist folgende: 
In Nirvaninanaesthesie wird ein grösseres Stück Zahnfleisch 
und Cystensack zugleich mit der C o o p e Fachen Scheere exeidirt 
und die Cyste ausgespült. Die Blutung steht auf Jodoformgaze¬ 
tamponade sofort, der Tampon bleibt 3—5 Tage liegen; nach 
dieser Zeit hat die Epithelisation der Wundränder begonnen 
und hat man jetzt nur noch dafür zu sorgen, dass die Oeffnung 
sich nicht durch den Wangendruck verkleinert. Zu diesem 
Zwecke setzt man — bei grösseren Cysten — einen Glasstab ein, 
welcher an dem einen Ende einen, das Hineinrutschen ver¬ 
hindernden lappenförmigen Ansatz trägt (P a r t s c hscher Glas¬ 
conus). Der Patient kann den Glasstab leicht herausnehmen und 
die Cyste ausspiilen; man benutzt dazu am besten nur abgekochtes 
Wasser und nimmt nur bei Cysten, deren Inhalt vereitert war, 
im Anfang ein leichtes Antiseptieum. Hat sich die Cyste soweit 
verkleinert, dass die Wand an den Glasstab anstösst, so muss 
man, um die Heilung nicht zu verzögern, denselben verkürzen 
lassen oder kann ihn ganz weglassen und den Patienten nur an¬ 
weisen, täglich nach dem Essen die Höhle auszuspritzen. Unter 
dieser Behandlung heilt eine etwa hühnereigrosse Cyste in etwa 
6—8 Monaten aus, während eine wallnussgrosse Cyste schon in 
6—8 Wochen ganz verschwunden ist. 

Sehr wichtig ist bei dieser Therapie die Frage der Erhaltung 
der die Cyste verursachenden Zähne. Es ist in allen 
Fällen möglich, die Cyste ohne Extraction 
des betreffenden Zahnes zur Heilung zu 
bringen, wenn der betreffende Zahn sich über¬ 
haupt noch für eine antiseptische Wurzelfül¬ 
lung eignet. Es ist dann der Wurzelcanal von allen gan- 
graenösen Massen zu reinigen, zu sterilisiren und massiv zu 
füllen; ferner wird man oft von der geöffneten Cyste aus die 
nekrotische Wurzelspitze reseciren müssen — welche Operation 
sich besonders bei Frontzähnen empfiehlt —; aber die Verbin¬ 
dung des Zahnes durch gesundes Periodontium mit der Alveole 
Ist in fast allen Fällen noch so stark, dass die Extraction solcher 
an sich noch zu erhaltender Zähne direct als Kunstfehler be- 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


239 


zeichnet werden muss, die Schrumpfung- des Cystensackes ganz 
ohne Rücksicht auf den Zahn vor sich geht. 

Die P a r t s c h’schen Glaseonusse eignen sich gleich treff¬ 
lich zum Verschluss des von der Fossa canina aus breit er- 
öffneten Antrum Highmori. Diese Eröffnungsstelle ist bei 
Weitem vorzuziehen der Eröffnung von der Nase oder der Alveole 
aus, da es durchaus nöthig ist, die erkrankte Schleimhaut aetio- 
logisch zu behandeln — man also vorher, sei es durch Abtasten 
mit dem Finger oder besser durch Hineinleuchten, sich über den 
Zustand derselben vergewissern muss. l)a ferner das Antram 
durch eine Crista sehr oft in 2 Theile gespalten wird, so liegt die 
Gefahr nahe, dass man, bei der Eröffnung von der Alveole oder 
der Nase aus, nur die eine Höhle ausspülen kann, während in 
»ler anderen der Eiter liegen bleibt. Von weiterer Bedeutung 
ist, dass man nicht nöthig hat, einen Zahn zu opfern und dass 
die Operation viel weniger unangenehm für den Patienten ist, 
wie die Eröffnung von der Nase aus. 

Die von Dcsault-Küster angegebene Operations¬ 
methode hat Part sch wesentlich verbessert. Er schreibt dar¬ 
über: „Partsch operirt jetzt so, dass er bogenförmig etwa vom 
zweiten Bicuspidaten bis hinter den zweiten Molar incidirt, dann 
mit der Coope Eschen Schcere den Sehleimhautperiostlappen 
abpriiparirt, denselben während der Operation durch kleine 
Häkchen nach oben weghalten lässt und ihn dann nach Durch¬ 
bohrung des Knochens mit der Jodoformgaze in die Höhle 
hiuoinschlägt, gewissermassen mithineintamponirt.. Dadurch 
wird erreicht, dass der obere Wundrand sofort nach aussen zu 
von Epithel bekleidet ist und nun mit der gegenüberliegenden 
Wundfläche nicht mehr verwachsen kann. Da dieser Lappen 
schon in sehr kurzer Zeit verheilt, ist man in der Lage, schon 

nach 5—6 Tagen die Tamponade fortzulassen- Das Bohrloch 

wird oberhalb des ersten Mahlzahnes in der Crista angelegt, die 
vom ersten Molar aufsteigend nach dem Process. zygomatic. 
des Oberkiefers zieht, wodurch erreicht wird, dass die Verkleine¬ 
rung des Einganges durch den Wangendruck nur sehr langsam 
vor sich geht... 

Das durch einen Partsch’sohen Glaseonus offen ge¬ 
haltene Antrum kann man nun theils mit Ausspülungen (Koch¬ 
salz-, Argent. nitr.-, Alum. acetic-Lösungen), theils durch Ein¬ 
blasungen von Airol oder Itrolpulver behandeln; grosser Werth 
ist darauf zu legen, dass die Communication mit der Nasenhöhle 
frei ist, so dass Patient bei verschlossener Nase den Luft.ström 
durch das Antrum pressen und so am schonendsten das Antrum 
reinigen kann. 

Tritt eine erhebliche Besserung ein, so nimmt man all¬ 
mählich immer dünnere Glasstäbe, bis man sie endlich ganz weg¬ 
lässt, worauf sich die Oeffnung rasch vollends schliesst. 

Auch hier ist es von Wichtigkeit, zu entscheiden, ob ein 
oder mehrere Zähne zu extrahiren sind oder nicht. Bei dem 
meist dentalen Ursprung des Empyems empfiehlt es sich, 
alle wurzelkranken Zähne zu extrahiren. Da¬ 
gegen geht Grünwald sicher zu weit, welcher auch Zähne mit 
nur geringen, die Pulpa noch nicht inficirt habenden Defecten. 
extrahirt wissen will. (Autoreferat.) 


Verein deutscher Aerzte in Prag. 

(Eigener Bericht.) 

In der Sitzung vom 10. November 1899 spricht Herr Chiari 
iil>ei einen Fall von Obliteration der Hauptstämme der Venae 
hepaticae bei einem 20jähr. Manne, welcher Fall am 2. XI. 1899 
von der ersten med. Klinik (Vorstand Hofr. Prof. Pribram) zur 
Sectlon gelangte. 

Das Individuum hatte seit der Kindheit oft an Bauch¬ 
schmerzen und Durchfällen gelitten. Von einer syphilitischen Er¬ 
krankung war nichts bekannt geworden. Mitte September 1899 
waren angeblich nach dem Genüsse von verdorbenem Obste wieder 
Bauchschmerzen und Durchfälle aufgetreten. Die Bauchschmerzen 
steigerten sich, es stellte sich stärkere Ausdehnung des Unterleibes 
ein und suchte desshalb der Patient Mitte Oetober die Spitalshilfe 
auf. Unter Zunahme der Ausdehnung des Unterleibes kam es 
schliesslich durch Hochstand des Zwerchfells zu Lungenoedem, 
welches den Exitus letalis bedingte. 

Bel der Sectlon fand sich leichter Ikterus, Ausdehnung des 
Unterleibes (Nabelhöhenumfang = 95 cm). Oedem der unteren 
Extremitäten und der Rückseite des Rumpfes, mässiger bilateraler 
Hydrothorax, stärkerer Hydrops ascites. Hochstand des Zwerch¬ 
fells, Oedem der Lungen und vielfache Blutaustritte. Die Leber 
gewöhnlich gross. Ihr Peritoneum erschien zart. Mit Ausnahme 
des Lohns Spiegeln und einer mannsfaustgrossen Partie der Leber 
in der Nähe des Hllus, welche Theile hellgelb erschienen und deut- 

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liehe Läppchenzeichnung auf wiesen, war das Leberparenchym 
lief dunkelroth gefärbt und ohne Läppeheuzeichnung. In diesen 
rothen Abschnitten der Leber waren die Venae hepaticae throin- 
bosirt und in ihrer Wand stellenweise verdickt. Die Ostien der 
»rossen Hauptstämme der V. hepaticae iu dem obersten Antheile 
des intrahepatischen Stückes der V. eava inferior waren vollstan 
dig zugewachsen, während sich nach unten davon noch einigt* 
offene Lumina von kleineren V. hepaticae fanden. 

C li. fasst den Fall dahin auf, dass schon in der ersten Kind¬ 
heit des Patienten die Obliteration der Hauptstämme der V. hepa¬ 
ticae durch eine selbständige Eudoplilebitis obliteraus stattgohabt 
hatte und dass erst durch eine im September 1899 eiusetzeude 
Thrombose der Wurzeln der Venae hepaticae die Circulalions 
Störung in der Leber so hochgradig geworden war, dass es in Folge 
dessen endlich zum Exitus letalis kam. 

Bezüglich des aetiologischeu Momeutes kann hier eventuell 
au Syphilis hereditaria gedacht werden. Dieser Fall ist ganz 
gleichartig mit den Fällen, welche Oh. in dem XXVI. Bd. der 
Ziegler’sehen Beiträge zur path. Anat. u. allg. Path. publicirt hat. 

Herr Pribram glaubt bei der Seltenheit des vorliegenden 
Falles mit einigen Worteu auf das Bild, welches der Kranke in 
den letzten Lebenstagen geboten hat, eingelien zu müssn. 

Quincke hat in seiner letzten Arbeit über die Leberveuen- 
verstopfung hervorgehoben, dass für sie das Vorhandensein eines 
hepathogenen Ascites mit gleichzeitiger gleichmüssiger Vergrösse 
rung der Leber und Milz und Fehlen des Ikterus charakteristisch 
sei. Iu einem Falle gleichzeitiger schwerer Herzerkrankung schloss 
er im Leben auf die Anwesenheit des Lebervenen Verschlusses aus 
dem Missverhältnis zwischen den schweren Stauungen an der 
Leber und den relativ geringen Stauuugssymptomen seitens der 
oberen Körperhälfte. Der vorliegende Fall zeigt, dass bei Leber- 
venenversclduss die Milz nicht gross zu sein braucht und Ikterus 
vorhanden sein kann. Bei Erscheinungen hochgradiger Stauung 
im Pfortaderkreislauf und Verkleinerung der Leber muss man 
an Cirrhose, bei nicht wesentlicher Volumszunahme derselben au 
ein Kreislaufhinderniss in der Pfortader und bei erheblicher Ver- 
grösseruug an einen Verschluss der Leberveuen denken. 

Eine stricte Diagnose lässt sich jedoch nicht stellen. Wichtig 
für dieselbe ist die Anamnese; im vorliegenden Falle war sie sehr 
verlockend für die Vermutbung einer Tuberculose des Bauchfells 
und des Darmes, denn der Kranke hatte schon seit Jahren an 
Bauchschmerzen und Diarrhoen gelitten, sein Vater war an Tuber¬ 
culose gestorben, er selbst hatte Husten und Heiserkeit und ausser 
Darmblutungen, ohne sonstige Zeichen einer haemorrhagisclieu 
Diathese auch starke renale Haematurie. Die Untersuchung von 
Ilarn, Stuhl und Sputum auf Tuberkelbacillen war negativ. 

Als das am meisten charakteristische Moment hebt P. hervor, 
dass nach Vorausgegangensein früherer ähnlicher Erscheinungeu 
nach längerem Intervall eine schubweise, plötzliche, schmerz¬ 
hafte Volumszunahme des Abdomens mit den Erscheinungen des 
hepatischen Ascites eingetreten ist, während bei Cirrhose die Ent¬ 
wickelung des Zustandes eine allmählige, lentescirende ist und 
bei Pfortäderthrombose die Lebervergrösserung fehlt. Auffallend 
ist, dass die Mehrzahl der berichteten Fälle Frauen betrifft, die 
eine Zeit zuvor normale Entbindungen durcbgemacht haben. 

Herr Chiari hält hierauf seinen angekündigten Vortrag 
über Nierenpapillennekrose bei Hydronephrose. 

Bereits im Jahre 1877 hat Friedreich auf das Vorkommen 
von Nekrose der Nierenpapillen bei Hydronephrose hingewiesen 
und die Meinung ausgesprochen, dass diese als mechanischer 
Effect allzusprechende Nekrose häufiger Vorkommen dürfte, die¬ 
selbe aber desswegen selten zu sehen sei, weil die nekrotisch ge¬ 
wordenen Papillen sich leicht ablösen. 

Ch. hat im Jahre 1882 über dieselbe Nekrosenform an den 
Nierenpapillen berichtet und die gleichen Anschauungen wie 
friedrelch geäussert Nun berichtet derselbe über eine ein¬ 
schlägige Arbeit, welche in seinem Institute von Herrn Dr. S t o u 
densky aus St. Petersburg ausgeführt wurde. Es wurden 
von dem genannten Herrn einerseits eine Reihe neuer solcher 
Fälle von Menschen untersucht und dabei die Sequestration der 
nekrotischen Papillen studirt, andererseits Thierexperimente 
am Kaninchen ausgeftihrt. Bei den Experimenten, die so ange¬ 
stellt wurden, dass der eine Ureter per laparotomlam ligirt wurde 
und die Thiere nach einem bis 17* Monaten getödtet wurden, 
zeigte sich, dass bereits ln dieser Zeit in der deutlich hydro- 
nephrotischen Niere Nekrose der Papillen eingetreten war, ja 
auch bereits Sequestration stattgefunden hatte. Es liess sich aber 
dabei auch erweisen, dass nur das mechanische Moment der Harn¬ 
stauung die Papillennekrose bedingte, indem die bacteriologische 
Untersuchung des in dem Nierenbecken gestauten Harnes ein voll 
kommen negatives Resultat ergab. 

Ch. weist schliesslich noch darauf hin, dass diese Nieren¬ 
papillennekrose bei Hydronephrose klinisch nicht ohne Bedeutung 
sei, insoferne es denkbar wäre, dass sequestrirte Nierenpapillen 
im Harn gefunden werden könnten. 


Wiener Briefe. 

Wien, 10. Febrüar 1900. 

Die Wiener Krankenhausfrage. — Die Unterbringung 
heilbarer Trinker. — Zunahme der Aerztezahl, Abnahme der 
Zahl der Mediciner in Oesterreich. 

Seit Decennien gibt es in Wien eine Krankenbausfrage, bei 
welcher es sich aber nicht so sehr um die Unterbringung von 

Original fro-m 

UNIVERSUM OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


Kranken handelt, als um die vielleicht wichtigere Frage der 
Schaffung von Einrichtungen für den modernen klinischen 
Unterricht, Im ..Allgemeinen Krankenhause“ in der Alserstrasse, 
inmitten eines stark bevölkerten Stadtviertels, befindet sich seit 
mehr als 100 Jahren ein Riesenbau mit vielen Höfen, Zu- und 
Anbauten, das „sog.“ Universitätsspital, in welchem stetig mehr 
als 2000 Kranke liegen und tausende ambulante Kranke täglich 
Hilfe suchen. Alle Kliniken sind seit Jahrzehnten nothleidend, 
sie haben entweder keine oder sehr schlecht bestellte, enge Arbeits- 
ränme, manche Kliniken haben keine eigenen Hörsäle, andere 
wieder ganz unzulängliche; die Professoren, Docenten und Assi¬ 
stenten klagen jahraus-jahrein, nicht minder das hilfesuchende 
Publicum, das sich stundenlang in engen Gängen zusammen¬ 
drängen muss, ehe es abgefertigt wird. Zu gewissen Zeiten, 
so bei der Neubesetzung einer Klinik oder wenn ein Pestfall die 
Oeffentlichkeit allarmirt, spielt die Krankenhausfrage eine grosse 
Rolle; bald glätten sich aber wieder die erregten Wogen und die 
ganze Sache bleibt unverändert. 

Nun soll es wirklich anders — d. h. besser werden. In dieser 
Woche tagte hier, unter dem Vorsitz des Unterriehtsministers 
Ritter v. Härtel, eine aus Vertretern der Ministerien, der Univer¬ 
sität, des Landes und der Stadt zusammengesetzte Commission, 
welche auf Grund einer kaiserlichen Ermächtigung einberufen 
wurde, um diese wichtige Frage der Lösung zuzuführen. Dem 
officiellen Communique über diese Sitzung entnehmen wir, dass 
der Unterrichtsminister an die. auserwählte Versammlung eine 
längere Ansprache hielt, in welcher er die NotliWendigkeit der 
Abhilfe und die bisher vorliegenden Projeete, welche diese Ab¬ 
hilfe für längere Zeit in Aussicht stellen, eingehend erörterte. 
„Die Unzulänglichkeit des Allgemeinen Krankenhauses und seiner 
Einrichtungen für den modernen klinischen Unterricht hatte — 
wie der Unterrichtsministcr sagte — zur Folge, dass zahlreiche, 
und gerade die hervorragendsten wissenschaft¬ 
lichen Kr ä f t e, die einst an der einst so berühmten Wiener 
Schule herangebildet wurden, in’s Ausland wandorten, wo ihnen 
die Mittel zur Entfaltung einer wirkungsvollen Thätigkeit ge¬ 
boten wurden, und wir haben es in den letzten Jahren erlebt, 
dass begehrenswert he Kräfte, die geneigt schienen, 
einen durch die Vorgänger berühmt gewordenen Lehrstuhl an- 
zunehmen, den an sie ergangenen Ruf ablehnten, nachdem 
sie die betreffenden Kliniken besichtigt hatten. Hier also handelt 
es sich um eine Lebensfrage unserer Facultät und 
mit ihr unserer Universität. Wollen wir den Ruf der ersteren 
erhalten, so muss Wandel geschaffen werden.“ 

Man sieht, der Unterrichtsminister beschönigt nichts, er 
sehnt die gründliche Sanirung des Uebels herbei. Behufs radi- 
caler Abhilfe wurden nun im Laufe der Jahre mehrere Vorschläge 
gemacht, welche der Minister nunmehr einzeln in ihren Details 
besprach. Es würde uns zu weit führen, wollten wir ihm hier 
folgen und es genüge an dieser Stelle, dass der Minister drei 
Projeete in ernste Erwägung zog: 1. den Umbau des Spitales 
nach Erwerbung eines anstossenden Complexes (derzeit Kaserne), 
2. einen Neubau auf dem Grunde der (unweit gelegenen) Landes¬ 
irrenanstalt und 3. die Verlegung des ganzen Krankenhauses in 
eine entferntere, derzeit wenig bebaute Vorstadt (Ottakring). 

Jedes Projeet hat seine Vor- und Nachtheile, die ersten 
2 Projeete den Vortheil der günstigeren Lage in der Nähe der 
anderen, zum Theile neueren Institute, das dritte Projeet besitzt 
dafür den Vortheil der unbedingten räumlichen Ausdehnung, 
wogegen es den Nachtheil der Trennung und grossen Entfernung 
hat; letztere würde die Hörer und auch die bisher so reiche 
Ambulanz stark schädigen. 

An die Darlegungen des Ministers schloss sich, dem Berichte 
zu Folge, sofort eine lebhafte Debatte, an welcher sich die Ver¬ 
treter der einzelnen Curien betheiligten. Selbstverständlich 
werden die Sitzungen fortgesetzt und wir wollen über das Er¬ 
gehniss derselben später berichten. 

Der niederö.sterreiohische Landesausschuss gibt bekannt, 
dass bis auf Weiteres li e i 1 b a r e T r i n k e r , d. h. solche Trunk¬ 
süchtige, welche durch den gewöhn hei tsmässi gen Missbrauch alko¬ 
holischer Getränke zwar in ihrer psychischen und physischen 
Constitution Schaden erlitten haben, aber noch Aussicht auf 
Rettung bieten, auf Grund einer freiwilligen Eintrittserklärung 
im Abstinenzsanatorium Prachthof bei Mühldorf, nächst Spitz 
a. d. Donau, und zwar Unbemittelte vollständig auf Kosten des 
niedorösterreichischen Landesfonds, theilweise Bemittelte gegen 


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eine angemessene Beitragsleistung zu den Verpflegskosten von 
3 Kronen per Kopf und Tag untergebracht werden. Leiter dieses 
(bisher privaten) Trinkerasyls ist Dr. E. Hacker. Die Alko¬ 
holiker müssen, wie erwähnt, freiwillig eintreten und sich ver¬ 
pflichten, beim Eintritte in die Anstalt Geld und Geldeswerth 
zu deponiren, die Hausordnung genau zu befolgen und mindestens 
6 Monate lang in der Anstalt zu verbleiben. Trinker im Alter von 
ü b e r 40 Jahren, ferner solche, welche durch physische und mora¬ 
lische Entartung keine Aussicht auf Heilung bieten und endlich 
solelie, welche mit dem Strafgesetze in Conflict gerathen sind, 
erscheinen von der Aufnahme ausgeschlossen. 

Die Behandlung im Sanatorium besteht in der Anwendung 
einer hydrotherapeutischen Cur unter Einhaltung vollkommener 
Abstinenz von Alkohol und Tabak. Die Erfahrungen, welche bei 
dieser versuchsweisen Unterbringung von heilbaren Trinkern in 
einer Privat- Trinkeranstalt auf Kosten öffentlicher Fonds ge¬ 
wonnen werden, sollen für das weitere Vorgehen des niederöster¬ 
reichischen Landesausschusses in der Frage der Errichtung von 
öffentlichen Trinkerheilanstalten bestimmend sein. 

Nach dem alljährlich von der geschäftsführenden Aerzte 
kammer ausgegebenen Verzeichnisse der österreichischen Aerzte 
ist die Zahl der kammerangehörigen Aerzte von 7594 im Jahre 
1895 auf 9325 im «Jahre 1899, also in 5 Jahren um 1731 ge¬ 
stiegen. Hiebei sind die Aerzte der der ungarischen Krone 
ungehörigen Länder n i c h t mit eingerechnet. Hingegen ist die 
Abnahme der Frequenz an den medici ui sehen Facultäten eine 
allgemeine. Die Zahl s ä m m 1.1 i c h e r , im laufenden Winter¬ 
semester in den cisleititanischen Universitäten inscribirten Hörer 
der Mcdicin des I. Jahrganges erreicht nicht einmal die Ziffer, 
die in früheren Jahren die medieinische Facultät in Wien 
allein aufzuweisen hatte. Es sind inscribirt: In Wien 218, 
Prag, deutsche Facultät 35, ezeehische 37, Graz 39, Innsbruck 24, 
Lemberg 13, Krakau 11, in Summa 377 Hörer. Maassgebend 
für die Zahl der neu eintretenden Hörer ist der von uns schon er¬ 
wähnte Unstand, dass mit dem laufenden Schuljahre die bisher 
bestandene Reeiproeität in Oesterreich und Ungarn hinsichtlich 
der Freizügigkeit nach Erlangung des Doctordiplomes auf gehört 
hat. Die Ungarn, welche in ihrer Heimath practiciren wollen, 
müssen von nun ab an einer ungarischen Universität ihre Pro¬ 
motion erlangen, oder um Nostrifieation des österreichischen Di¬ 
plomes ansuchen und vice versa. Daher die von uns auch voraus¬ 
gesagte rasche Abnahme der Zahl der neu eintretenden Medioiner 
an unseren Facultäten. 


Berliner medieinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 7. Februar 1900. 

Herr J. Cassel: Ein Beitrag znr Nephritis bei jungen 
Kindern. 

Vortragender fand in 9 Fällen bei Kindern im Alter von 
6 Wochen bis 2V 2 Jahren allgemeine Oedeme, bei dreien mit 
Ascites, ohne dass eine vorausgegangene Erkrankung von Schar¬ 
lach erwiesen werden konnte; in allen Fällen war das Herz voll¬ 
ständig intact, im Urin fanden sich, trotzdem derselbe des 
Oeftcren und zu allen Tageszeiten genau untersucht wurde, weder 
Eiweiss noch irgend welche Formelemente. 

2 der Kinder hatten (14 Tage vor Auftreten der Oedeme) 
ein Exanthem, wahrscheinlich Varicellen, eines hatte Morbilli, 
5 Verdauungsstörungen, in einem Falle war keine Aetiologie fest¬ 
zustellen. Die Diurese war in einigen Fällen gering, in anderen 
reichlich. 

Von den 9 Patienten blieben 2 aus der Behandlung fort, 
4 wurden geheilt, 3 starben. 

Die Autopsie ergab in 2 Fällen bei intaetem Herzen eine 
weiche Consistenz der Nieren, scharfe Abgrenzung der stark ge- 
rötheten Rinden- und Marksubstanz. Mikroskopisch fand sich 
an frischen Präparaten in beiden Fällen trübe Schwellung der 
Epithelien, an gefärbten Präparaten in dem einen Falle eine 
sehlauchartige Erweiterung der Hameanälchen, die mit Detritus¬ 
massen, Epithelzellen und anderen Zellen angefüllt waren, die 
Vortragender für polynucleäre Zellen hält; ausserdem Nekrose 
der Nierenepithelien, in dem anderen Falle waren die Glomeruli 
kernreich, der Kapselraum erweitert, es fanden sich zahlreiche 
Zellherdo in der ganzen Rinde, die Gefässe waren stark mit Blut 
gefüllt. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCRHIFT. 


241 


Nach der Meinung des Vortragenden kommen derartige 
Oedeme besonders bei acuten Verdauungskrankheiten der kleinen 
Kinder öfter vor, als angenommen wird. Sie wurden von vielen 
Beobachtern ausser bei Scharlach, noch bei verschiedenen Krank¬ 
heiten, wie Masern, Varicellen. Typhus etc. gefunden. 

Die Deutung der Oedeme und des Hydrops besonders ohne 
Albuminurie ist höchst unsicher. Jedenfalls muss man bei Ana- 
sarka ohne Albuminurie stets an Nephritis denken. 

Discusslon: Herr Senator sucht das Fehlen der Al¬ 
buminurie durch Verstopfung der HarncanHlehen (mit Detritus) 
zu erklären. 

Herr Israel hat auch bei Erwachsenen Fälle von acuter 
Nephritis beobachtet, bei denen sich weder Eiweiss noch Form¬ 
elemente fanden. 

Herr Baginsky findet Hydrops bei Kindern unter 
schlechten Emährungsverhültnissen nicht selten. Ohne die Rich¬ 
tigkeit der Deutung der mikroskopischen Befunde des Herrn 
Cassel anzuzweifeln, mahnt er zur grössten Vorsicht bei der¬ 
artigen Nierenpräparaten kleiner Kinder auf Grund seiner Be¬ 
obachtungen an gesunden Nieren. 

Herr H e u b n e r hält die mikroskopischen Präparate Herrn 
C a s s e 1 ’s für nephritische. Er hält die Fälle Cassel** 
nicht für absolut ein wandsfrei, da der Tagesurin 
nicht aufgefangen und untersucht werden konnte. 

Im Schlusswort weist Herr Cassel die Einwände des Herrn 
Baginsky als gegenstandslos zurück. 

Herr Hirschberg: Zur Bekämpfung der endemischen 
Körnerkrankheit. 

Vortragender berichtet an der Hand einer statistischen 
Tabelle über die im Zeitraum von 3 Jahren in verschiedenen ost- 
und westpreussischon Landschulen, Stadtschulen und Mittelschulen 
in Folge der Regierungsmaassregeln erzielten Resultate in der 
Behandlung der Kömerkrankheit. 

Er sah in allen Fällen, in denen die vorgeschlagenen Maass¬ 
regeln, wie Vergrösserung der Schulräume und örtliche Behand¬ 
lung der inficirten Kinder, besonders Ausquetsehung der Körner 
befolgt wurden, entschiedene Verringerung der Erkrankungs¬ 
durchschnittsziffern vom Jahre 1896, andernfalls aber eine Zu¬ 
nahme derselben. 

Er zieht aus seinen Beobachtungen den Schluss, dass weniger 
Statistik und mehr Behandlung noth thue. Er schlägt vor Ver¬ 
wendung tüchtiger Augenärzte, Anstellung von Schwestern, die 
nach Anordnung der Aerzte Vorgehen sollten, und Errichtung 
fliegender Baracken an verseuchten Orten; dann könnte man 
nach Ablauf etwa eines Menschenalters auf Eindämmung der 
Seuelie rechnen. 

Discusslon: Herr Kirchner: Vortragender eon- 
statirt eine Zunahme der Tracliomgefalir bei dem wachsenden 
Verkehr. Schon sei die Affectlon ausser in Ost- und Westpreussen 
auch in Pommern, Poseu, Hannover, Schlesien endemisch auf ge¬ 
treten. Da nicht nur die Arbeitsfähigkeit breiterer Volks¬ 
schichten herabgesetzt -werde, sondern auch die Erziehung beein¬ 
trächtigt und die Wehrfähigkeit vermindert werde, habe sich der 
Staat dieser Angelegenheit angenommen. Eiue vollständige und 
schnelle Abhilfe sei indessen schon desshalb nicht zu erwarten, 
da es sowohl au dem nöthigen Aerzte- und Pflegepersonal, als auch 
an ausreichenden Geldmitteln, sowie oft auch au dem guten Willen 
der Erkrankten fehle. Immerhin seien mit den vorhandenen 
Hilfsmitteln schon nicht zu unterschätzende Resultate erzieh 
worden, besonders seit der Staat sieh mit den betroffenen Ge¬ 
meinden in Verbindung gesetzt habe behufs Tragung der Kosten 
und Anstellung von geeignetem Personal. Aerzte besuchen eine 
bestimmte Anzahl von Ortschaften und untersuchen Kinder und 
Erwachsene unentgeltlich; sie erhalten hiefür ein Fixum: Ope- 
rationsfälle werden bestimmten Krankenhäusern zugeführt, der 
Staat trügt hiefür die halben Kosten: Leute, die ihre Arbeit 
zwecks Augenbehandlung versäumen, erhalten Entschädigung- 
Lehrer werden mit gutem Erfolge zur Behandlung herangezogen. 
Schwestern zu gleichem Behufe angestellt. Eine grössere Anzahl 
von Aerzten -wird in Cursen mit Diagnose und operativer Be¬ 
handlung des Trachoms vertraut gemacht. M. Secklmauu. 


Verein für innere Medicin in Berlin. 

(Eigener Bericht) 

Sitzung vom 5. Februar 1900. 

Herr B i a 1 demonstrirt eineu Pentose-haltigen Urin. Er 
Konnte diesen von Salkowski zuerst beobachteten Stoff iu 
- fallen constatireu. Die Pentose ist dadurch charakterisirt, 
!n n~ le Zwar dIe T r o m m e r’sche Reductionsprobe. nicht aber 
T. fl hruug8 ' und Polari8 ationsprobe liefert. Es sind also hei 
oDerflächiicher Untersuchung Verwechslungen von Peutosurie 
mit Glykosurie bezw. Diabetes möglich. Docli unterscheidet sich 
zuweüen die Tromm e r’sehe Probe bei der Peutosurie schon 
( , n Ö «T hei Glykosurie, indem die Reduction bei ersterer erst nach 
lera Kochen und manchmal dann ganz plötzlich eintritt. 


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Discusslon: Herr Jastrowitz macht darauf auf¬ 
merksam, dass manchmal gleichzeitig Diabetes besteht 
Herr Eulenburg: Heber Anwendung hochgespannter 
Ströme von starker Wechselzahl (D’Arsonval-Tesla-Ströme) mit 
Demonstrationen. 

Yortr. gibt zunächst einen kurzen Ueberblick über die Ent¬ 
wickelung der Theorie und Praxis der hochgespannten Wechsel¬ 
ströme und erwähnt daun die eingehenden schon seit Jahren an- 
gestellten Versuche des französischen Physiologen ITArson- 
v a 1, die physiologische Wirkung dieser Ströme und die Möglich¬ 
keit ihrer therapeutischen Verwendung aufzuklären. Es war näm¬ 
lich sowohl Tesla als unabhängig davon D\A rsonval aufge- 
fallen, dass diese Ströme von enormer Spannung (50—100,000 
Volt) durch den menschlichen Körper ohne jede Schädigung hin¬ 
durchgeleitet werden können. Von anderer Seite wurden die thera¬ 
peutischen Versuche weiter fortgesetzt und auch Vortr. hat die 
Untersuchungen aufgenommen. Mit Hilfe eines von Hirsch- 
m a n n eonstruirten Apparates hat er in den letzten Monaten 
Versuche angestellt, die jedoch nicht über eine Reihe physio¬ 
logischer Untersuchungen hinausgelangt sind. 

Mit Rücksicht, auf die Vielseitigkeit der (angeblichen) thera¬ 
peutischen Verwendbarkeit, welche eine ganze Anzahl von Speeia- 
listen erfordert und mit Rücksicht auf die Kostspieligkeit des 
Apparates, schlägt Vortr. vor, dass der Verein für innere 
Medicin eine Commission liiedersetze, welche die phy¬ 
siologische und therapeutische Verwendbarkeit der hochgespann¬ 
ten Wechselströme zu studiren habe. 

Discusslon: wird vertagt, es. bemerkt nur kurz Herr 
Goldscheider, dass er seit mehreren Monaten eingehende 
Untersuchungen über die therapeutische Verwendbarkeit der hoch¬ 
gespannten Wechselströme mache, 

Herr Becher, dass er schon vor Jahresfrist auf die Mög¬ 
lichkeit einer therapeutischen Verwendung hingewiesen habe 
(D’A r 8 o n v a 1’8 Versuche greifen aber fast ein Jahrzehnt zu¬ 
rück. Ref.). 

Herr Toby Cohn, dass in der Mende l’schen Klinik schon 
seit geraumer Zeit die obenerwähnten Untersuchungen vorge¬ 
nommen werden. H. Cohn. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Ac&dtmie de Mldecine. 

Sitzung vom 9. Januar 1900. 

Ueber Wachsthumshemmung. 

Springer studirte die Ursachen dieser Anomalie und 
glaubt, dass Zurückbleiben des Grössenwachsthüms auf erworbene 
oder von den Eltern übertragene Intoxicationen zuriiekzuführen 
sei; solcher Art sei die Wirkung von Alkohol, Blei, Morphium, den 
ersten Rang unter allen verursachenden Krankheiten aber nehme 
die ererbte Syphilis ein. Alle toxi-infeetiösen Erscheinungen 
können zu allgemeiner Schwäche führen und Veränderungen des 
Gefässsystems verursachen, die die Entwicklung hemmen. Die 
Magen-Darmstörungen chronischer Art verändern den Chemismus 
der Verdauung uud hindern so die Assimilation von Nahrungs¬ 
stoffen, welche die zum Wachsthum nothwendigen Bestandteile 
liefern sollen; eine häufige Folge dieser abnormen Stoffweebsel- 
vorgänge ist die Lebereongestion. Wiederholte Autointoxieationen 
führen zu chronischer Hepatitis, überhaupt spielen die Störungen 
in der Leberfuuction eine wichtige Rolle bei der Wachst ums- 
heminung, wodurch zum Theil die so schädliche Rolle des Alko¬ 
hols erklärt wird. Die mangelhafte Function der Schilddrüse 
kann gleicherweise mitspielen und die Einnahme frischer Schild¬ 
drüse günstig wirken, die adenoiden Vegetationen können ferner 
ungenügende Athmnng, dadurch mangelhaften Stoffwechsel und 
Waehsthumsanomalien verursachen: ihre Entfernung wird auch 
letztere zum Verschwinden bringen. Schwedische Heilgymnastik 
bildet ein wichtiges Unterstützungsmittel bei der Behandlung. 
Als letztere empfiehlt S p r. ausser dem Hg bei der Heredosyphills 
die Verabreichung von Salina und Hydrotherapie bei der lympha¬ 
tischen Diathese. die Cerealien (gut abgekoeht) und besonders 
locale Reizmittel auf die Epiphysenkuorpel. Dazu gibt es ver 
sehiedene Mittel: Nachts Application von Compressen, welche mit 
einer Salzlösung (von Meerwasser und Kochsalz) durchtränkt sind. 
Abreibungen uud Massage, besonders aber Elektrieität. Mit letz¬ 
terer erhält man rasch vorzügliche Resultate, wenn man den 
statischen und faradisehen Strom combinirt auf die Muskeln ein- 
wirken lässt, welche den unteren Epiphysenknorpel des Femur 
umgeben. Jedoch ist. zumal bei Verabreichung der sonst vor¬ 
züglich wirkenden, aber stark fermentirenden Cerealien, wichtig, 
dass die Verdauungsorgane gut functionireu; im gegenteiligen 
Falle könnte diese Medieatiou eher schaden und man muss vor 
jeder weiteren Behandlung vorhandene Magendarmstörungeu be¬ 
seitigen. 

Die aus den vegetabilischen Nucleoalbuminen gewonnene 
Nucleose als therapeutisches Mittel. 

B o v e t bringt eine sehr beweiskräftige Arbeit über die 
physiologische, klinische und therapeutische Rolle der Nueleoseu 

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UNIVERSIT7 OF CALIFORNIA 



242 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


(gemischten Eiweisskörpern), welche von den vegetabilischen 
Nucleoalbumineu stammen. Als Nahrungsmittel wirkt die 
Nueleose kriiftig anregend auf die Gesainmteriiührung, woher Zu¬ 
nahme des Körpergewichts; es erklärt sieh das durch die natür¬ 
liche Zusammensetzung des Mittels, welches aus Eiweiss. P, Dia- 
stase, mineralischen Salzen besteht und sich auch im thierischen 
Gewebe und in den Organsäften (Blut. u. s. w.) vorfindet. Als 
Medicament wirkt die Nueleose durch ihre Spaltung in Nuclein- 
säure und Albumin. Im Körperhaushalt wird sie ein anti¬ 
septisches, bactericides und pliagoeytäres Mittel, wie es die Ex¬ 
perimente von Kossel, Salkowski und die klinischen Be¬ 
obachtungen von Bovet bewiesen haben. Die Nueleose besitzt 
eine unzweifelhafte diuretisclie Wirkung, wodurch sie die Elimi¬ 
nation der organischen Abfallstoffe und der verschiedenen von 
lnfectionskrankheiten herstammenden Toxine begünstigt. Thera¬ 
peutisch kommt das Mittel daher in Betracht bei langsam wirken¬ 
den Vergiftungen, bei Krankheiten mit zurückgebliebener Ernäh¬ 
rung. verschiedenen Arten von Uraemie u. s. w. Als Nährmittel 
empfiehlt es Bovet bei chronischer Tubereulose, Diabetes, 
manchen neurasthenischen Zuständen, bei den meisten Formen 
von Dyspepsie, gewissen Herzaffectionen, besonders bei jenen 
arteriellen Ursprungs, wo ungenügende Function der Nieren und 
alimentäre Toxaemie eine vorwiegende Rolle spielen, wie die Ex¬ 
perimente und Beobachtungen II u c li a r d’s lehren. 

Laborde zeigt sehr interessante Radiographien, welche 
das Wiedereintreten der Zwerchfellsbewegungen unter dem Ein¬ 
fluss der rhythmischen Tractionen der Zunge beweisen. 


Batneologische Gesellschaft. 

XXI. öffentliche Versammlung in Frankfurt a. M. 

Freitag, den 9. März, Abends 7 Uhr. 1. Herr L i e b - 
r e ich- Berlin: Eröffnungsrede. 2. Ansprachen. 3. Herr Brock- 
Berlin: Bericht über das verflossene Vereinsjahr. 4. Wahl des 
Vorstandes. 5. Herr K i s c h - Marieubad: Feber uterine Herz¬ 
beschwerden und ihre Balneotherapie. 6. Herr v. N o o r den- 
Frankfurt: Die Indieationen der Wasserbeschränkung bei Eut- 
1‘ettungscuren. 7. Herr v. R e i n a c h - Frankfurt: Geologisches 
aus dem Tauuusgebirge. 8. Herr G r o e d e 1 - Nauheim: Zur Bal¬ 
neotherapie der chronischen Nierenaffectionen. 9. Herr Straus s- 
Frankfurt: Ueber die Behanglung der harnsaureu Nierenconcre- 
tIonen mit kohlensaurem Kalk und mit kalkhaltigen Mineral¬ 
wässern. 

Sonnabend, den 10. März. Vormittags 9 Uhr und Nach¬ 
mittags 3 Ulir. 10. Herr P a r i s e r - Homburg: Chronische ner- 
vöse Diarrhoe und ihre Behandlung. 11. Herr Frey -Baden: Die 
therapeutische Bedeutung der heissen und kalten Luftdouehe. 
12. Herr S c h o 11 - Nauheim: Ueber Herzleiden auf diabetischer 
Basis und deren Behandlung, 13. Herr L e n u e - Neuenahr: Zur 
Therapie des Dial>etes mellitus. 14. Herr S t i f 1 e r - Stehen: Bnl- 
neologische Mittheilungen. 15. Herr W i n t e r n i t z - Wien : 
Unsere bisherigen Erfahrungen mit elektrischen Lichtbädern. 
H>. Herr Hughes- Soden: Ueber den Einfluss der Miueralbäder 
auf den osmotischen Druck des Blutes. 17. Herr A b ö e - Nauheim: 
Arteriosklerose und Myocarditis in ihren Beziehungen zu Angina 
pectoris. 18. Herr B 1 u m - Frankfurt: Ueber die Aufnahmefähig¬ 
keit der Haut für bestimmte Metallverbindungen und über das 
Schicksal derselben im Organismus. 18. Herr S c h u s t e r - Nau¬ 
heim: Verdauungsorgane und Herz. 

Sonntag, den 11. März, Vormittags 9 Uhr. 20. Herr 
K ö n i g - Frankfurt: Neuere Forschungen über die Beziehungen 
zwischen Elektricität und Materie. 21. Herr L i e b r e i e li - Ber¬ 
lin: Ueber die Zweckmässigkeit der Anwendung pharmakodynami- 
sclier Hilfsmittel bei der Behandlung der Lungenschwindsucht. 
22. Herr Kühler- Kreuznach : Kinderheilstätten und Tuber 
culoseprophylaxe. 28. Herr S t e i n e r - Prag: Ueber die Quell- 
verliältnisse von Homburg und Sollen. 24. Herr Scherk - Hom¬ 
burg: Enzymwirkuug und Trinkcur. 25. Herr Franken hä user- 
Berliu: Die praktische Bedeutung der elektrochemischen Erschei¬ 
nungen für die Balneotherapie. 20. Berichte der Gruppenvor¬ 
steher und Neuwahl derselben. 27. Anträge aus der Versammlung. 

Montag, den 12. März, Vormittags 9 Uhr. 28. Herr Beissel- 
Aachen: Bericht über die Commission internationale d*Hydrologie 
mödicale. 29. Herr F o s s - Driburg: Die Blutgase in der Balneo¬ 
therapie. 80. Herr L o e bei- Dorna: Die Behandlung der Arterio¬ 
sklerose mit Moorbädern. 81. Herr L a n g e b a r t e 1 s - Nau¬ 
heim: Ueber Einrichtung zur Verbesserung stark kohlensäure- 
haltiger IJiermalbäder. 32. Herr W e i s z - Pystian: Zur Ab¬ 
grenzung des chronischen Gelenkrheumatismus. 33. Herr Schütze- 
Kösen: Die Hydrotherapie des Myxoedems 34. Herr Müller 
de la F u e n t e - Schiangenbnd : Bäderbehandlung bei Men- 
slruationsanomalien. 35. Herr lt o t h s c li i 1 d - Soden : Con 
stitutiou und Curort mit specieller Berücksichtigung von Soden. 
30. Herr L e b e r - Homburg: Ueber die Behandlung der Nieren- 
krankheiten mit kohlensauren Soolbiidern. 

Die Sitzungen finden statt i m grossen S a a 1 e d e s 
S e n c koubergi a n u m i n F r a n k f u r t, Eschenheimer 
Thor. 


Verschiedenes 

Die Oesundheitsverhältnisse in Kiautschou. 

Aus dem Bericht über das Gesundheitswesen in Kiautschou. 
welcher in der Denkschrift „betreffend die Entwick¬ 
lung des Kiautschougebietes in der Zeit vom 
October 1898 bis October 1899“ niedergelegt ist. lässt sich 
ersehen, dass der Gesundheitszustand und die hygienischen Ver¬ 
hältnisse in der Colouio wohl noch Manches zu wünschen übrig 
lassen, dass aber auch in Folge der energischen sanitären Maass 
nahmen, welche zur Bekämpfung der Krankheiten getroffen sind, 
bereits eine wesentliche Besserung oonstatirt werden kann. 

Die Erfahrung scheint zu lehren, dass die Gesundheitsver¬ 
hältnisse der Civilbevölkeruug und der Besatzungstruppeil nicht 
wesentlich von klimatischen Einflüssen abhängig sind. Es 
häuften sich zwar in den Sommermonaten die acuten Darm- 
katarrlie, doch trat die gefürchtete Malaria nie in den \ order¬ 
gründ. Eine während des Sommers ausgebrochene Flecktyphus 
und Rückfallfieberepidemie, die ln der Provinz Sehantung ihren 
Ursprung hatte, konnte im September durch geeignete Desinfec- 
tions- und Absperrungsmaassregeln zum Schwinden gebracht 
werden. Die Sterblichkeit belief sich bei den Besatzungstruppen 
in dem Berichtsjahr 1898—99 auf 13 Fälle (9,1 Prom.). 7 Leute 
starben an Darmtyphus. 3 an Ruhr und je 1 Mann au Malaria. 
Bauchfellentzündung und Lungenentzündung. 10 starben in den 
Sommermonaten, 3 in den Wiutermonaten. 

Relativ weit verbreitet waren Darmtypbus und Ruhr, Krank¬ 
heiten. welche zweifellos auf die, durch die chinesische Schmutzig¬ 
keit bedingte Bodeuverunreinigung. auf schlechte Wohnungsver¬ 
hältnisse und mangelhafte Wasserversorgung zurückgeführt wer¬ 
den müssen. 

Es ist desshalb in allererster Linie darauf Bedacht genommen 
worden, die Abfuhr zu regeln, eine centrale Wasserleitung zu 
schaffen, die Canalisation in Angriff zu nehmen und die Woh 
nungsverhältuisse zu verbessern. So wurde z. B. das schmutzige 
Oberdorf von Tsingtau und ein grosser Tlieil des Unterdorfes be¬ 
seitigt. den Chinesen bei Strafe verboten, Strassen und Plätze zu 
verunreinigen und ihnen überhaupt verweigert, sich in der Euro- 
püerstadt. niederzulassen. 

Zur Förderung der hygienischen Verhältnisse wurde eine 
hygienisch-chemische Untersuchungsstation mit bacteriologiscliem 
Laboratorium eingerichtet, die Fleischschau eingeführt und di** 
Milchwirtschaften der sauitütspolizeilichen Controle unterstellt. 

Noch dringlicher gestaltete sich die Forderung nach dem Bau 
eines Lazarethes, da bisher die Kranken nur in I) ö c k e r*sehen 
Baracken provisorisch untergebracht waren. Dasselbe ist für 
15u Betten berechnet und soll aus 3 eingeschossigen Pavillons 
und einem Isolirpavillon bestehen. Letzterer, nebst einem ein¬ 
geschossigen Pavillon sind bereits der Benutzung übergeben. 
Ebenso sind von den zum Lazaretli gehörenden Nebengebäuden 
das Oekonomie-, das Wärter- und das Apothekengebäude fertig 
gestellt, während das Waschhaus mit Desinfectionsraum und das 
Leichenhaus später vollendet werden. 

Erwähnt mag werden, dass auch die Anlage eines, den ge¬ 
sundheitlichen Anforderungen entsprechenden Friedhofs ins 
Auge gefasst ist. 

Die Wasserversorgung der Colonie erfolgte bis jetzt 
nur durch Brunnen, die jedoch den liygieuisehen Anforderungen, 
besomles nach Regengüssen, wegen der schlecht filtrirendeu und 
durchlässigen Bodenschicht, nicht genügen können. Ausserdem 
trat in dem ausserordentlich trockenen Sommer 1899 durch einen 
immensen Wasserverbrauch der bei den Wohnungen belogenen 
Ziegeleien theilweise Wassermangel ein. Dieser wurde zwar in 
Folge Herstellung von neuen Brunnen behoben und dadurch dieser 
Calami tat allgeholfen, doch trägt man sich mit dem Project einer 
Centralwasserleitung, welches entweder in der Anlage einer Thal¬ 
sperre in dem vom Dorfe Hsiau pau tau nach Südosten sich er¬ 
streckenden Thale seine Realisirung finden würde oder mau wird 
versuchen, das von den Höhen in der Nähe des Dorfes Hai po 
herabströmende Grundwasser zu sammeln und falls es den hygie¬ 
nischen Anforderungen entspricht, zur Trinkwasserversorgung 
verwenden. 

Auch ein drittes Project ist in’s Auge gefasst, und zwar 
eine Hochquellleitung aus dem Lauschaugebirge, die jedoch wegen 
der erheblichen Kosten erst in letzter Linie in Betracht kommen 
könnte. 

Die Schlussbetrachtungen in dem eben besprochenen Capitol 
der Denkschrift laufen darauf hinaus, dass man sich bewusst ist. 
nur durch energische Fortführung der Verbesserungen etwas 
Gutes schaffen zu können, dass man aber auch vor übertriebenen 
Besorgnissen über die Entwickelung der gesundheitlichen Ver¬ 
hältnisse nachdrückliohst warnen müsse. Man darf im Gogen- 
tlieil der vollen Uoberzeugtmg sein, dass „die ungünstigen Gesuud- 
lieitsVerhältnisse durch die erörterten Maassnahmen dauernd ge¬ 
bessert werden und zwar voraussichtlich so erheblich, dass Kiau¬ 
tschou daun zu den gesundesten Plätzen in Ostasien gehören 
wird“. 

Man darf hierbei eben nicht iiboVsehen, dass die in der Colonie 
auf tretenden Krankheiten zu denen gehören, die in einer jeden 
jungen Colonie im entsprechenden Eutwickluugsstadium be 
obachtet werden. 

Therapeutische Notizen. 

Ueber die Anwendung des Thlol bei Frauen¬ 
krankheiten berichtet Zander aus der Poliklinik von 


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13. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


243 


Kossmann in Berlin. Das Mittel kam in ca. 100 Fällen bei 
den verschiedensten entzündlichen Reizzuständen des Genital- 
tractes, insbesondere bei hyperaemischen Zuständen und bei peri¬ 
tonealer Reizung zur Anwendung, und zwar entweder als Thiolum 
liquidum oder als Thiolglycerin (Thiol. sicc. 12,0, Glycerin ad 100). 
Während beim reinen Thiol die schmerzlindernde Wirkung in den 
Vordergrund tritt, erhöht der Zusatz von Glycerin die wasser- 
entziehende, Abschwellung der Gewebe bedingende Wirkung. 
Die Anwendung geschah mittels Tampons, welche in der Regel 
Tage liegen blieben. In allen Fällen erwies sich das Thiol als 
.schmerzlinderndes und die entzündliche Reizung beseitigendes 
Mittel. Gegenüber dem Ichthyol hat es den Vorzug der fast voll¬ 
ständigen Geruchlosigkeit, der grösseren Reinlichkeit, da Thiol- 
flecken sich sehr leicht aus der Wäsche entfernen lassen, und des 
billigeren Preises. (Der Frauenarzt, 1899, No. 10.) R. 8. 

In der Krankenabtheilung des Zuchthauses • München wurde 
von Bezirksarzt Dr. S c h ä f e r bei Unterernährung und Inanition 
der Gefangenen, „Abgegessensein“, sowie bei Anaemie mit gutem 
Erfolge der Fleischsaft „Puro“ zur Anwendung gebracht. Der¬ 
selbe wurde, ohne Zusatz oder auf Sehwarzbrod, dreimal täglich 
theelöffelweise gegeben. Ueberraschend war die anregende, toni- 
sirende Wirkung. In allen Fällen trat erhebliche Besserung der 
Krankheitserscheinungen und Gewichtszunahme ein. Um eine 
nachhaltige Wirkung zu erzielen, müssen mindesens 0—8 Fläsch¬ 
chen des Präparates verbraucht werden. (Wiener med. Blätter, 
1899, No. 38.) B. S. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 13. Februar 1900. 

— Der allgemeine ärztliche Verein von Thüringen hat in 
seiner ausserordentlichen Generalversammlung vom 11. Januar 
I. .1. den ihm vorgelegten „Entwurf einer Aerztekammer für die 
siimmtlichen thüringischen Staaten“ (vergl. S. 1759 v. J.) mit ge¬ 
ringen Aenderungen angenommen. 

— Zwischen der Königlichen Poliklinik für Lungenleidende 
in Berlin und dem Vorstande des Vereins der freigewählten 
(’assenärzte ebenda ist folgendes Abkommen getroffen worden: 
1. Jeder dem Verein der freigewählten Cassenärzte angehörende 
Arzt ist berechtigt, seine lungenleidenden Casseundtglieder zur 
Sputum- und sonstigen Untersuchung der Poliklinik zu über¬ 
weisen. 2. Die Poliklinik wird das Resultat der Untersuchung bei 
den überwiesenen Kranken nicht diesen, sondern dem behandeln¬ 
den Arzte und zwar schriftlich mittheilen. 3. Andere Cassen- 
mitglieder der von dem Verein der freigewählten Cassenärzte ärzt¬ 
lich versorgten Krankencassen, als die von den Vereinsärzten 
überwiesenen, wird die Poliklinik nicht zulassen. 

— Pest Britisch-Ostindieu. Die Zahl der Pesterkran¬ 
kungen in Bombay stellte sich in den 2 letzten Wochen des Jahres 
1899 auf 415 und 397. — Argentinien. Am 27. Januar ist der Aus¬ 
bruch der Pest in Rosario amtlich verkündet und der Hafen ge 
.schlossen worden. Von 7 der Pest verdächtigen Krankheitsfällen 
waren bis zum 28. Januar 2 tödtlich verlaufen. — Brasilien. Von 
den 10 Pestfällen, welche letzhin in Sao Paulo festgestellt worden 
sind, entfallen 5 noch auf den December, je 2 Kranke sind am 
1. und 5. Januar, ein Kranker am 4. Januar in das Isolirspital ein¬ 
geliefert. Die Häfen von Rio de Janeiro und Santos sind Mit¬ 
theilungen vom 29. bezw. 30. Januar zu Folge für pestfrei erklärt 
worden. — Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des National¬ 
gesundheitsraths zu Asuncion sind dort vom 9. bis 21. December 
noch 4 Todesfälle durch die Pest verursacht worden, sonstige Er¬ 
krankungen an der Pest kamen nicht mehr zur Anzeige. — Neu- 
Siid-Wales. Zu Folge einer Mittheilung vom 29. Januar ist in 
Sydney ein Fall von Pest amtlich festgestellt worden. — Neu- 
Caledonien. Vom 5. bis einschl. 16. Januar sind in Numea 11 Er¬ 
krankungen und 7 Todesfälle an Pest angezeigt. 

— Auf Anregung von Geheimrath N e i s s e r hat sich in 
Breslau eine Dermatologische Vereinigung gebildet, 
welche sich die Förderung des Specialfaches und gemeinsame 
wissenschaftliche Arbeit zur Aufgabe stellt. In den beiden ersten 
Sitzungen, die am 6. Januar und 5. Februar stattfanden, wurde eiu 
reiches Demonst'rationsmaterial vorgeführt. Die Sitzungsberichte 
werden im Archiv f. Derm. u. Syph. veröffentlicht werden. 

— Einem Berichte des Sir W. MacCormac. der am 
S. Januar aus Natal wieder in Kapstadt eingetroffen ist, vermuth- 
weil die nächsten schweren Kämpfe in der Kapcolonie erwartet 
werden, entnehmen wir die Mittheilung, dass 2 deutsche Militär 
iirzte — Stabsarzt Dr. Schmidt und Stabsarzt Dr. Kru- 
macher — nach Kapstadt vom Modderflusse zurückgekehrt 
sind, wo sie bei dem Sanitätscorps der Gardebrigade Hilfe ge¬ 
leistet hatten. Dieselben w T aren in der Schlacht bei Magersfontein 
zugegen und hätten ihre volle Befriedigung und Bewunderung 
über die Leistungen des Sanitätscorps ausgesprochen. Mac 
tormac hebt hervor, dass diese beiden deutschen Aerzte die 
einzigen militärärztlichen Vertreter fremder Mächte seien, was 
um so mehr auffalle, als alle Mächte militärische Vertreter für 
luetische Zwecke gesandt hätten. Er empfiehlt für künftige 
Feldzüge die Entsendung militärärztlicher Attaches, da diese alles 
ärztlich Interessante zu sehen bekämen, was bei den Mitgliedern 
fremder Ambulanzen nicht der Fall sei. 

Nach einer Zusammenstellung des Brit. med. Journ. betragen 
die britischen Gesammtverluste in den Kämpfen am Tugela vom 

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18.—27. Januar ausser 317 Gefangenen 251 Todte und 1170 Ver¬ 
wundete. Nach den bisherigen Erfahrungen wird angenommen, 
dass von den Verwundeten 8 Proc. sterben, während von dem 
Rest 2 Drittel innerhalb 3 Wochen wieder kampffähig sein werden. 
Dass unter diesen Umstünden die Buren den englischen Ambu¬ 
lanzen die Abholung ihrer Verwundeten gestatten, statt dieselben 
als Kriegsgefangene zu erklären (eine Grossmutli, die bekanntlich 
nicht auf Gegenseitigkeit beruht), ist ein weiterer Beweis für die 
humane Art der burischen Kriegsführung. 

Wer englische Zeitungen v o r dem südafrikanischen Krieg 
gelesen hat, der weiss, dass dieselben von der körperlichen und 
geistigen Verfassung der Buren die ungünstigsten Schilderungen 
zu geben pflegten; die Darstellungen der Buren auch in ernsten 
englischen illustrirteu Zeitungen waren oft geradezu Carrieaturen 
der menschlichen Gestalt. Die Lehren des Krieges lassen nun 
aber allmählich eine gerechtere und richtigere Beurtheilung der 
Buren seitens ihrer Gegner aufkommen. Charakteristisch für 
diesen Wechsel der Anschauungen ist ein Artikel in Lancet vom 
10. Februar über die K ö r p e r b e s c h a f f e n li e i t der 
Buren (the Ph.vsique of the Boers). Hier wird der Bur gerade¬ 
zu als eine menschliche Idealgestalt geschildert. Er ist au Grösse, 
Stärke und kräftiger Constitution dem Engländer überlegen. 
Buren von 6 Fuss 6 Zoll sind häufig, ja mau hat ihre mittlere 
Grösse auf 6 Fuss 2 Zoll angegeben; alle Reisenden bezeugen den 
prächtigen Bau (the magnifieent pliysique) dieser Leute. Und ln 
dem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. Alkoholismus 
und Laster und damit verbundene Krankheiten, so häufig unter 
der britischen Armee, sind dem Buren unbekannt. Nicht nur ist 
fast jeder Bure fähig die Waffen zu tragen und für sein Vater¬ 
land zu kämpfen, sondern er gibt einen stärkeren, gesünderen und 
grösseren Soldaten ab, als die besonders ausgewülilten Mann¬ 
schaften der englischen Armee. Wenn die gesummte männliche 
Bevölkerung Englands im Alter von 14—00 Jahren ohne Auswahl 
unter die Waffen zu treten hätte, welch trauriges Schauspiel 
würde diese Truppe bieten, verglichen mit dem ebenso zusammen¬ 
gesetzten Heer der Buren! Unter den Ursachen für die physische 
Ueberlegenheit des Buren über den Briten führt der Verfasser 
ausser den Einflüssen der Lebensweise und des Klimas auch den 
Mangel an verfeinerten sanitären Einrichtungen an. Schwächliche 
Individuen, die bei uns durch Sorgfalt und Pflege erhalten bleiben, 
gehen dort zu Grunde, wodurch eine bessere natürliche Auswahl 
zu Stande kommt. Andererseits macht er für die „Decadenz der 
Kriegstüchtigkeit der britischen Rasse“ den Rückgang der acker¬ 
bautreibenden Bevölkerung und den Uebergang zum Industrie¬ 
staat verantwortlich. Die anerkennende Würdigung, welche die 
burisclie Rasse hier von englischer Seite findet, muss jeden 
Burenfreund mit Genugtliuung erfüllen; leider unterlässt es der 
Verfasser, den so naheliegenden Schluss zu ziehen, dass ein so vor¬ 
treffliches, tüchtiges Volk auch ein Recht auf Unabhängigkeit hat. 

— In der 4. Jahreswoche vom 21. bis 27. Januar 1900, hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einvohner die grösste Sterb¬ 
lichkeit Danzig mit 37,9, die geringste Remscheid mit 7,8 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb an Masern in Danzig, an Scharlach in Alten 
dorf, Regensburg, an Diphtherie und Croup in Bamberg. 

— Die im April 1897 begründete Lichtheil-, Cur- und Bade¬ 
anstalt „Karlsbad“, Potsdamerstrasse 27a in Berlin, ist in den Be¬ 
sitz einer neu gebildeten Gesellschaft übergegaugen, welche den 
Namen „Lichtheil, Physikalisch - diätetische Heilanstalt G. m. 
b. H.“ führt. Mitglieder des Aufsichtsrathes sind die Herren 
Professor Dr. Budde, Director der A.-G. Siemens & Halske, Frhr. 

J. v. Hünefeld und W. A. Hirschmann. Die ärztliche 
Leitung hat Dr. Deus übernommen. Die Anstalt stellt sich 
die Aufgabe, in engster Fühlung mit der medicinischen Wissen¬ 
schaft, das für die physikalischen Heilmethoden erforderliche 
Instrumentarium in technisch vollkommener Weise auszugestalten 
und an der Weiterbildung derselben unter besonderer Berücksich¬ 
tigung der Lichttherapie mitzuarbeiten. Deutsch, med. W. 

(Hochschulnachrichten.) 

München. Die medicinische Facultät hat Seiner Exeellenz 
Frliru. v. Feilitzsch, Staatsminister des Innern, die Würde 
eines Doctor medicinae honoris causa verliehen. 

Amsterdam. Habilitirt: Dr. J. H. Eberson für Dia¬ 
gnostik. 

Kopenhagen. Conferenzrath Prof. Dr. med. R e i s s ist. 
70 Jahre alt, mit dem 1. Februar in den Ruhestand getreten. Mit 
ihm scheidet aus dem Lehrkörper der Universität einer der hervor¬ 
ragendsten Mediciner aus, der seit mehr als 36 Jahren als Hoch¬ 
schullehrer und Kliniker gewirkt hat. In den Jahren 1801—1803 war 
er unter den jüngeren Aerzten, die sich in Berlin um Virchow 
schaarten; heimgekehrt, wurde er alsbald Privatdoeent der patho¬ 
logischen Anatomie, daun Oberarzt am Friedrichshospital und 
ordentlicher Professor an der Universität. Kränklichkeit veran¬ 
lasst den verdienten Gelehrten jetzt zum Rücktritt. 

Lund. Dr. J. Borelius wurde zum Professor der Chi¬ 
rurgie an der medicinischen Facultät ernannt. 

Padua. Der Professor an der medicinischen Facultät zu 
Messina, Dr. E. T r u z z i, wurde zum ordentlichen Professor der 
geburtshilflichen Klinik ernannt. 

P a v i a. Der Professor an der medic. Facultät zu Palermo. 
Dr. C. M o n d i n o. wurde zum ordentlichen Professor der psychi¬ 
atrischen Klinik ernannt. 

Wien. Vom medicinischen Professorencollegium, der 
deutschen Universität in Prag wurde an Stelle des seiner Zeit 
nach Wien berufenen und kürzlich verstorbenen Professors 

Original ftom 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



244 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


Kuoll dessen ehemaliger langjähriger Assistent Docent l>r. 
Hermann Ewald Hering als ordentlicher Professor für all¬ 
gemeine und experimentelle Pathologie beim Unterrichtsmini¬ 
sterium vorgesehlagen. Dr. Hering ist ein Sohn des Physio¬ 
logen Heri n g. 

(T o d e s f ii 11 e.) 

Geheimrath Professor Dr. L. M e y e r in Göttingen ist am 
8. ds. nach langem Leiden gestorben. Eine Biographie, sowie das 
Bild dieses hervorragenden Psychiaters brachten wir anlässlich 
seines 70. Geburtstages in No. 51, 1807 dieser Wochenschrift. 

ln Berlin starb Oberarzt Dr. Moxt e r, commandirt zum In¬ 
stitut für Infectionskrankheiten, 20 Jahre alt. 

Sir Thomas Grainger S t e w a r t. Professor der klinischen 
Medicin an der Universität Edinburg, 02 Jahre alt, einer der her¬ 
vorragendsten klinischen Lehrer Grossbrittaniens. Er war auch 
in Deutschland wohl bekannt und geschätzt: er hatte in Berlin, 
Prag und Wien studirt und war Schüler von V i r c li o w, Schön- 
1 e 1 u. T raube, Bokitansk v u. A. In vor. Jahre vertrat 
er die Universität Edinburg auf dein Tuberculosecongress in 
Berlin. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Befördert: Der Unterarzt Dr. Joseph Huber des 2. Chev.- 
Iteg. zum Assistenzarzt in diesem Regiment. 

Ernannt: Seitens des stellvertretenden Generalstabsarztes der 
Armee wurden die einjährig-freiwilligen Aerzte Dr. Wilhelm M a y 
vom 3. Feld-Art.-Reg. im 1. Inf.-lieg, und Karl M a y e r vom 
1. Schweren Reiter-Iteg. zu Unterärzten ernannt und mit Wahr¬ 
nehmung offener Assistenzarztstellen beauftragt. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 5. Jahreswoche vom 28. Januar bis 3. Februar 1900. 
Betheil. Aerzte 304. — Brechdurchfall 14 (7*), Diphtherie, 
Croup 21 (15), Erysipelas 7 (8), Intermittens, Neuralgia interni. 
3 (3), Kindbettfieber —(2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 
427 (451), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 5 (5), Parotitis epidem. 
13 (5), Pneumonia crouposa 40 (42), Pyaemie, Septikaemie 1 (—), 
Rheumatismus art. ac. 35 (36), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
7 (4), Tussis convulsiva 15 (22), Typhus abdominalis 2 (4), 
Varicellen 12 (12), Variola, Varioiois — (—). Summa 602 (616). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 5. Jahreswoche vom 28. Januar bis 3. Februar 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000 

Todesursachen: Masern 24 (19*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Croup 1 (1), Rothlauf 1 (1), Kindbettfieber — (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) 1 (—), Brechdurchfall 3 (2), Unterleibstyphus 
1 (1), Keuchhusten 3 (—), Croupöse Lungenentzündung 8 (2), 
Tuberculose a) der Lungen 28 (31), b) der übrigen Organe 7 (4), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 37 (8), Unglücksfälle 5 (5), Selbstmord 3 (—), Tod durch 
fremde Hand — (1). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 312 (270), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 35,0 (30,3), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 26,3 (21,1). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: November' und December 1899. 


Regierungs¬ 
bezirke 
bezw. 
Städte mit 
über 30,000 
Einwohnern 

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Bevölkenmgsziffem: Oberbayem 1,186,950, Niederbayern 673,628, Walz 765,991, 
Oberpfulz 546,8:14, Oberfranken 586,061, Mittelfranken 737,181, Unterfranken 632,588, 
Sehwaben 689,416. — Augsburg 81,896, Bamberg 38,940, Fürth 46,726, Kaiserslautern 
40,828, Ludwigshafen 39,799, München 411,001, Nürnberg 193,890, Regensburg 41,471, 
Würzburg 68,747. 

Einsendungen fehlen aus der Studt Fürth und den Aemtern Bruck, Bogen, 
Dingolfing, Straubing, Neumarkt, Neunburg v/W., Neustadt a/WN., Sulzbach, Hof, 
Dinkelsbühl, Fürth, Üffenheim, Brückenau, Königshofen, Obernburg und Augsburg 

Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet 
aus folgenden Aemtern bczw. Orten: 

Diphtherie, Croup: Fortsetzung der Epidemie in Pirmusens — 42 be¬ 
handelte Fälle. Stadt- und Landbezirke Bayreuth 46 (2 gestorben), Forchheim 
49, Städte Freising und Schweiufurt je 19, Aemter Wertingen 54 und Höchstadt 
a/A. 28, München II 36 Fälle (hievon 26 im ärztlichen Bezirke Wolfratshausen). 

Erysipelas: Epidemisches Auftreten in Heinersreuth (Stadtsteinach). 

Morbilli: Fortsetzung der Epidemien im Bezirke Passau (42 behandelte 
Fälle), im Stadt- und Landbezirke Forchheim (76), Ansbach 112/, Gunzenhausen 
(29), Hersbruck (eine Gemeinde nach der anderen befallen, häutig Schulschluss, 
58 Fälle), Schwabach (Epidemie in ltoth, Georgsgemünd und Umgebung, 259 F.), 
Weissenburg (gehäufte Fälle in Kettenhochstadt, keine ärztliche Behandlung), 
Karlstadt (Fortsetzung in Zellingen, 4 Sterbefälle; bösartige Epidemie mit 
schweren Nachkrankheiten in Mödesheim, Keulburg, Retzstadt und Grainschatz, 
Schulschluss; Im Ganzen 127 behandelte Fälle), Schweinfurt (ab November in 

7 Orten erloschen, in 4 weiteren neu aufgetreten; Stadt 15, Land 78 behandelte 
Fälle), Neustadt a/S. (Schulschluss in Bischofsheim v/Rh., in 8 Orten erloschen), 
Donauwörth (Anfangs December in Gansheim die Hälfte der Schüler erkrankt, 
Ende December wieder erloschen, gutartig!, Neuburg a/D. (in der Stadt und 

8 weiteren Orten, 45 behandelte Fälle. Epidemie ferner in den Aemtern Tölz 
(130 Fälle, hievon 90 im ärztlichen Bezirk Lenggries), Pegnitz (in Pottendorf von 
65 Schulkindern 58 erkrankt, keine ärztliche Behandlung), Stadt Erlangen (77), 
Gerolzhofen (in Rimbach), Marktheidenfeld (starke Epidemie in einigen Orten, 
ärztliche Behandlung selten), Würzburg Land (174/. Gehäufte Fälle ferner in 
Zaisering (Rosenheim/ und Iphofen (Kcbeinfeld); im Amte Stadtsteinach Epidemie 
Im Erlöschen. Aemter Bamberg I 57, Erding und Hilpoltstein je 33, Burglengen¬ 
feld 36, Neustadt a/A. 37 behandelte Fälle. 

Parotitis epidemica: Fortsetzung der Epidemie im Amte Teuschnitz 
(unter den Schulkindern in Nurn). Epidemisches Auftreten ferner in der Stadt 
Günzburg und den Aemtern München II (36 behandelte Fälle im ärztlichen Bezirk 
Seefeld), Landau i/Pf. (in Offenbacb), Ludwigshafen (In Mundenheim in der 


3. Decemberwoche die Hälfte der 62 Schüler der 6. Glosse erkrankt), Stadt- 
steiuach (in Pressack), Wertingen (in Buttenwiesen, 65 behandelte Fälle). 

Pneumonia crouposa: Bezirksamt Hersbruck 65 behandelte Fälle. 

Scarlatina: Iin Stadt- und Landbezirk Bayreuth (neben Diphtherie! 
25 behandelte Fälle, 3 Sterbfälle, im Amte Neustadt a/S. In Wargelshausen und 
Junkershausen Schulschluss. 

Tussis convulsiva: Fortsetzung der Epidemie im Amte Tirschenreuth 
(in Bärnau und Umgebung) und in Pegnitz (29 behandelte Fälle); Epidemie ferner 
in den Aemtern Mellrichstadt (ln Oberstreu) und Günzburg (in Jettingen und 
Burtenbach). 

Typhus abdominalis: Fortsetzung der Epidemien in den Aemtern 
Ludwigshafen (Hausepidemie in Iggelsheim, nunmehr auch das 5. und 6. vonjden 
12 Kindern erkrankt) und Karlstadt (in Laudenbach weitere 9 Fälle mit 2 Sterb¬ 
fällen, in Thüngen ein weiterer Fall gleichfalls mit tödtlichem Verlaufe). Stadt- 
und Landbezirk Eichstätt 8 Fälle, in Rinnthal (Bergzabern) 4 Fälle, von einem 
verunreinigten Brunnen stammend. 

Varicellen: Ziemliche Verbreitung im ärztl. Bezirk Muruau (Weilheim 
und in Steingaden (Schongau). 

Variola, Varioiois: Die im Vormonate gemeldeten 2 Fälle von 
München beruhten auf irrthümlichem Einträge (statt Varieellen). 

Influenza: Zahlreiche Erkrankungen im Amte Friedberg, dessgleiehen 
bei Kindern und Erwachsenen) im Amte Garmisch, sowie im Stadt- und Land¬ 
bezirke Nördlingen (von der 2. Decemberhälfte an, meist massig schwer) ; Epidemie 
in Pottenstein (Pegnitz) und Umgebung, mehrere schwere Formen (theils katar¬ 
rhalische Pneumonie, Gehimhyperaemie, auch gastrische Formen) im ärztlichen 
Bezirk Starnberg (München II). Städte Augsburg 107, Nürnberg 18, Aemter 
Zweibrücken 19, Cham 16, Berchtesgaden und Landsberg je 10, Donauwörth 9 etc. 
behandelte Fälle. 

Im Interesse grösserer Vollständigkeit und Ermöglichung rechtzeitiger 
Veröffentlichung des Gesammtorgebnisses vorliegender Statistik für dos Jahr 1899 
wird um Mi ttheilung allenfalls noch nicht zurAnzeige gelangter 
Fälle aus früheren Monaten als Nachträge (ausgeschieden nach Monaten) 
an dasK.Statistische Bureau bis längste ns 15. Februar dringend ersucht 
Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind 
durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welche sich im 
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl dersich betheiligenden Aerzte 
an das K. Statistische Bureau wenden wollen. 


*) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 2 47. Jahrgang) eingelaufener Nachträge. — *) Im Monat November einschliesslich der 
Nachträge 1376 — •) 44. mit 48. bczw. 49. mit 62. Jahreswoche. 


Verlag von J. F. Lehm an n ln München. — Druck von E. Mühlthaler’s Buch- und Kunstdruckerei A.G., München. 


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Die Münch. Med. Woohenschr. cr^rhelnt wrtchenll. 
Id Nummern von durchschnittlich 1-5 Bogen. 
Preis In Deutsch!. 11 Oest.-Ungarn vlerteljährl. H JL, 
Ine Ansland 7.50 Ji. Einzelne No. 60 4 . 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind rn «drewlren: Für die R«*da/ ,, lon 
Otiostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬ 
mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen 
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16. 


MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 


CI. Blamier, 0 . Bollinger, H. Curscbmann, C. ßerlardt, W. 1, Heineke, 6 . Merkel, J. 1 Michel, H. 1. Ranke, F, 1 . Wlnckel, H. ». Zlemssen, 

Frei bürg i. B. München Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München. 


M 8. 20. Februar 1900. 


Redaction: Dr. B. Spats, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Aus der medicinischen Klinik in Jena (Prof. Dr. Stintzing). 

lieber die Wirksamkeit der Spinalpunction und das 
Verhalten der SpinalflUssigkeit bei chronischem Hydro- 
cephalus. 

Von Dr. Jul. A. Grober, II. Assistenten der Klinik. 


Feber den Werth der Spinalpunction haben seit der Inaugu- 
rirung der Methode (Quincke 1891) bei verschiedenen Gelegen¬ 
heiten Debatten stattgefunden (Gongress für innere Medicin 1893 
und Berliner medic. Gesellschaft. 1895) und zwar weniger in Be¬ 
zug auf die diagnostische als auf die therapeutische Bedeutung. 
Für die tuberculüse Meningitis, für durch Hirntumoren gestei¬ 
gerte Drucksymptome und für den acuten Hydrocephalus wird 
fast von allen Seiten eineWirkung und zeitliche Besserung notirt; 
dagegen geben die meisten Kliniker an, dass ihnen bei chronischer 
Vermehrung der Spinalflüssigkeit ein dauernder Erfolg nicht ge¬ 
glückt sei und überhaupt wohl nicht zu erwarten stünde. Wohl 
berichtet man von Fällen *), wo eine augenblickliche Erleich¬ 
terung der schweren Himdrucksymptome eingetreten ist. 
Doublier") meint, dass es sich wohl immer um einen Glücks¬ 
fall handele, wenn zufällig die Entleerung der Flüssigkeit mit 
dem Versiegen jenes unbekannten Reizes oder Agens zusammen* 
trifft, das in den meisten Fällen die baldige Rückkehr des hydro- 
cephalisehen Ergusses bewirkt. 

Nun hat es sich bei den bis jetzt bekannten Fällen von 
Hydrocephalus chronic, meist nur um einige Punctionen ge¬ 
handelt, die an ein und demselben Patienten ausgeführt worden 
sind, theils weil die Personen bald starben, theils aus äusseren 
Verhältnissen. Kieken n ) theilt einen Fall mit, in dem er vier¬ 
mal punctirt hat, Heubner 4 ) einen, wo er dreimal Flüssigkeit 
abgelassen hat. Beide geben an, dass kein dauernder Erfolg er¬ 
reicht worden sei. 

Von dem Gedanken ausgehend, dass der Ilirnsehädel eines 
hydrocephalischen Kindes weich genug sei, sich dauernd verän¬ 
derten Iiihaltsverhältnissen anzupassen, hat Verfasser bei zwei 
Kindern, die an der genannten Krankheit litten, eine Reihe von 
regelmässig aufeinander folgenden Punctionen ausgeführt (25 
und 12 mal) und in dem einen Fall eine Heilung, in dem anderen 
eine, wenn auch geringe, anhaltende Besserung erreicht. 
Die Krankengeschichten der beiden Patienten seien hier kurz mit- 
gc-t heilt: 

1. Hans H., 3 Jahre alt. von unehelicher Herkunft, von Here¬ 
dität nichts zu eruiren. Wurde am 5. V. 99 in die Klinik aufge- 
nonien. — Rachitischer Körperbau, starke Verkrümmung des Fe¬ 
mur beiderseits, Rosenkranz deutlich zu fühlen. Epiphysenenden 
verdickt. Drüsen am Rande des M. sterno - eleido - mastoid. in 
Strängen zu fühlen. 

Der Umfang des Kopfes über das Os frontale und das Tuber 
occipitale gemessen, betrug 49.5 cm. die Entfernung der Nasen¬ 
wurzel vom Tuber occipitale über den Scheitel gemessen 29.5 cm 5 ), 

b Fürbringer: Berl. klin. Wochonsclir. 1895. S. 272 ff. 

Heubner: Ebenda, Discussion. 

Frankel: Ebenda, Discussion. 

■) Heubner: Gesellschaft der Chariten rzte 1894. 1. Xov. 

*) Archiv f. klin. Medicin 1896. Bd. 56. 

‘) Heubner: 1. c. 

*) Nach Liharzlk, Gesetz des Wachsthums (eitirt nach 
'ierordt, Tabellen) entsprechen diese Wert he den Zahlen, 
die inan bei 12 l / a jährigen Kindern findet. 


No. 8. 

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Gck igle 


die Fontanelle hatte die Grösse eines Rechtecks von 19:16 mm 
Seiten. Musciilatur atrophisch, willkürliche Bewegungen der Ex¬ 
tremitäten fehlen; wenigstens kann Fat. nicht greifen, nicht stellen 
und gehen, auch den Kopf nicht bewegen. Geistige Fähigkeit ganz 
unentwickelt, Fatient spricht kein Wort. Kein Nystagmus, keine 
Stauungspapille. 

Bei besonders guter Hautpflege, reichlicher Ernährung, mas¬ 
sigen Gaben von Fliosphorleberthrau und unter wöchentlich 
wiederholten Spinalpunctionen allmähliche Besserung. Die Mus- 
culatur wurde zuerst kräftiger, fast gleichzeitig fing Fatient an, 
einige Worte naehzusprechen; am 1. VIII. war die Fontanelle 
18:13 mm gross: im September begann das Kind zu laufen. Am 
6. XII. war die Fontanelle eben zu fühlen, etwa linseugross. Fat. 
läuft frei umher, spricht wie ein Kind von 3 '/■. Jahren. Die Drüsen 
am Hals sind verschwunden. 

2. Oskar M., 2 Jahre alt, Eltern beide gesund, weder Lues noch 
Tuborculose nachweisbar, 1 Bruder leidet an englischer Krank¬ 
heit, 1 Bruder an Krämpfen gestorben. Bei der Geburt normaler 
Kopfumfang: nach l / 2 Jahr wurde der Kopf grösser. Es wurden 
vor der Aufnahme 2 Punctionen des Kopfes vorgeuommen, die 
keinen dauernden Erfolg hatten. Aufnahme am 30. IX. 1899. 
Stark rachitischer Körperbau, Verkrümmungen und Epiphysen¬ 
auftreibungen au den Extremitäten, Rosenkranz an den Iiippen- 
kilorpelenden. Abdomen stark aufgetrieben, am Ilals und am 
Rande des Deltoideus vergrösserte Drüsen. Beiderseits Krypt¬ 
orchismus. Schädel enorm vergrössert, die Venen verlaufen sicht¬ 
bar in rinnenförmigen Vertiefungen in den Knochen; die hintere 
Seite des Schädels ist völlig platt. Der Umfang des Kopfes (wie 
oben gemessen) betrug 60,5 cm; die Entfernung der Nasenwurzel 
vom Tuber ossis occipit. über den Scheitel gemessen 40.5 cm. Die 
grosse Fontanelle hat einen Längsdurchmesser von 12. einen Q-uer- 
durehmesser von 18 cm. die kleine ist nicht zu fühlen. 0 ) Das Kind 
ist geistig völlig unentwickelt geblieben, spricht und greift nicht, 
kann nicht sitzen, geschweige denn stehen und gehen. 

Unter der oben erwähnten Behandlung verkleinerte sich die 
Fontanelle auf 11 und 13,5 cm. Die Kräfte des Kindes nahmen 
entsprechend einer Besserung der Muskelatrophie zu. Der im An¬ 
fang vorhandene Nystagmus rotatorius zeigte sich nur noch bei 
Gelegenheit psychischer Erregungen, z. B. bei der Vornahme der 
Spinalpunction. Das Kind hat nicht sprechen und sitzen gelernt, 
greift jedoch nach vorgehaltenem Spielzeug. 

Die Technik der Spinalpunction habe ich so benutzt, wie 
seiner Zeit von Quincke 7 ) angegeben worden ist. Es stund 
mir zu diesem Zweck ein A s s m a n n’sches Besteck der hiesigen 
Klinik zur Verfügung. Nur wurde es später notliwendig, weil bei 
dem ersten Patienten durch die Öftere Punction sieb an der Stolle 
des 3. und 4. Zwischenwirbelraumes reichliches Narbengewebe 
gebildet batte, eine etwas stärkere Nadel zu Hilfe nehmen. 

F ii r b r i 11 g e r 5 ) empfahl, entgegen dem ursprünglichen 
Quincke 'sehen Verfahren, die Bestimmung des Druckes als 
unnöthig zu unterlassen und zwar, weil er gefunden hatte, dass 
auch bei normalen Menschen ein cinigermaassen hoher Druck 
herrschen könne, auch ohne dass derselbe Reizsymptome verur¬ 
sachte. Nichtsdestoweniger haben viele Kliniker an der Bestim¬ 
mung des Druckes festgehalten und zwar weniger desshalb, um 
aus der Höhe des Druckes diagnostische Schlüsse zu ziehen, als 
vielmehr um nicht den Normalwerth des Spinaldruckes nach 
unten zu überschreiten. Quincke 8 ) hat denselben zu 150 mm 


•) Die angegebenen Zahlen überschreiten die Maasse des ge¬ 
sunden Erwachsenen um ein Bedeutendes. Vergl. Vlerordt, 
Tabellen. S. 30—37. 

7 ) Ueber Hydrocephalus. Verhandl. des X. Congr. f. inn. Med. 
1891. 

") Münch, med. Wochenschr. 1895, p. 296. 

•) Congress f. innere Medicin 1895. Handbuch der Therapie 
inn. Krankheiten. 2. Aufl. Bd. V, S. 328. 

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Wasserhöhe angegeben, S t i n t z i n g ,0 ) geht nicht unter 120 mm 
Miniinalclruek bei der Punction herunter. Bei den ausgeführten 
Pu net innen war mehrfach Gelegenheit zu beobachten, welche un¬ 
angenehme Folgen es hat, wenn der Druck unter 100 mm sinkt. 
Der ältere kleine Patient, der seinen Empfindungen Ausdruck 
zu geben gelernt hatte, klagte über starke Kopfschmerzen in der 
Stirngegend. Bei dem kleinen stellten sich einmal klonische 
Krämpfe in den Extremitäten ein, des Oeftercn warf er den 
Kopf gewaltsam hin und her und schlug mit den Händen danach. 
Eine Aspiration der Spinalflüssigkeit wie sie im Anfang der 
Methode geübt worden ist. “), möchte daher kaum zu empfehlen 
sein. 

Der Druck wurde sofort nach dem Aufsetzen des Conus auf 
die Caniile und während der Dauer der Punction wiederholt 
mittels Centimetermaass gemessen. Die beigefügte Curve gibt 
über die Aenderungen im Druck Auskunft, ebenso über die ent¬ 
leerten Mengen von Flüssigkeit. 



?. 3 4 5 6 7 0 9 10 *■ * <3 «. a 


Sie bezieht sich auf die Pimctionen bis gegen Ende Sep¬ 
tember; von da ab entwickelte sich eine gewisse Stabilität der 
Verhältnisse, indem nämlich regelmässig ein Anfangsdruck von 
300—200 mm notirt wurde und ca. 15 ccm entleert werden 
konnten. Die höchsten Druekwerthe, die sich bei dem Patienten 
— No. T, Hans H. — ergaben, waren 700 und 600 mm, ganz wie 
Ri e k e 11 1 ~) und Q u i 11 c ke ’ 3 ) angegeben haben. Die hohen 
Zahlen dieser Autoren haben sich allerdings nur bei entzünd¬ 
lichen Erscheinungen seitens der Meningen ergeben. Die Curve 
zeigt am 10. August eine vierwöchige Unterbrechung, die veran¬ 
lasst wurde durch die Absicht, fcstzustellen, ob der Druck sich 
in der einmal erreichten Mittellage halten würde. Das war nicht 
der Fall, denn bei der folgenden Punction am 11. September 
zeigte sich unser Steigrohr von 70 cm Länge als zu kurz. Dess- 
halb sind die Punctionen auch jetzt noch nicht ausgesetzt worden, 
trotzdem das Kind jetzt die körperliche und geistige Reife seines 
Alters erreicht und so eine Entwicklung nachgeholt hat, die 
andere Kinder vielleicht in 2 l / a Jahren durehmaehen. 

Beobachtet man den Meniscus der Flüssigkeitssäule in dem 
gläsernen Ansatz des Steigrohres genauer, so bemerkt man ohne 
Mühe, dass bei Schreien des Kindes ein Steigen des Druckes statt¬ 
findet, ebenso, wenn man auf die Fontanelle drückt. Man beob¬ 
achtet auch, dass bei starken Exspirationen sowohl die Fontanelle 
vorgebucht ei wird, und zu gleicher Zeit die Flüssigkeit empor¬ 
steigt, und zwar um Wert he, die sich 100 mm nähern. Genauere 
und längere Beobachtung ergibt, dass jede Athembewegung sich 
auf den Inhalt des Spinalcanales in der Weise überträgt, dass bei 
der Exstirpation ein Ansteigen, bei dem Inspirium ein Abfallen 
des Druckes stattfindet. 

Im Anschluss an die Bewegungen des Gehirnes hat bereits 
Ecker 14 ) in der Mitte des Jahrhunderts darüber berichtet und 
sie zu erklären versucht, indem er sagte, dass die starrwandigen 
Sinus der Schädelkapsel während der Inspiration nicht so tief 
einsänken, sie schwellen während der Exspiration aber nicht 
so stark an, wie die Venenplexus des Wirbeleanales. Auch 
Q u i n e k e ' R i e k e 11 ' S t i 11 1 z i n g Ji ) u. A.. sprechen 

K ‘) Gum p recht, Technik d. spec. Therapie, gibt als Mini¬ 
mum 40 mm an. 

") F reyhan : Berl. klin. Wochenschr. 1805. S. 280. 

Fürbringer: Deutsche med. Wochensclir. 1805. S. 7:10, 
bos. die Anmerkung. 

r -) Archiv f. klin. Medicin 1800. S. 22. Tabelle III. 

53 ) f'ongr. f. Inn. Med. 1803. 8. 202. 

u ) R. Ecker: Physiolog. Untersuchungen über die Beweg¬ 
ungen des Gehirns und Rückenmarks. Stuttgart 1843. 

“) L. c. 


von Schwankungen des Druckes, sowohl gleichzeitig mit den 
Athembcwegungen als auch — nebenhergehend mit der Herz¬ 
action. ohne jedoch auf ihre Entstehung näher einzugehen. 
Zweifellos kommen dieselben durch die Stauung des Blutes im 
Venenkreislauf während der Ausathnmug und den erleichterten 
Abfluss zum Herzen während des Einathmens zu Stande. 
R i e k e 11 berichtet auch über 3 Fälle, bei denen sieh ein umge¬ 
kehrtes Verhalten gezeigt habe, ohne indessen eine Erklärung für 
dies merkwürdige Phänomen geben zu können. 

Was nun die entleerte Flüssigkeit selbst angeht, so floss bei 
den allermeisten Punctionen der beiden hydrocephalischen Kinder 
der bekannte wasserklare Liquor cerebrospinalis aus. Des Öf¬ 
teren zeigten sieh während des langsamen Ablaufens schwach 
röthlich gefärbte Stellen, die wohl auf eine Untermengung von 
Blut in Folge der Stichverletzung zu beziehen waren. In ein¬ 
zelnen seltenen Fällen entleerte sieh, wie die Untersuchung ergab, 
fast reines Blut mit unveränderten rothen und weissen Blut¬ 
körperchen. Das Vorkommen von Blut in dem subarachnoidalen 
Raume und seine diagnostische Bedeutung hat sehr verschiedene 
Beurtheilung erfahren. Quincke 1 *) gab einen Fall an, bei dem 
aus blutig tingirter Spinalflüssigkeit die Diagnose eines Blut¬ 
ergusses mit Durchbruch in den Ventrikel gestellt und durch die 
Section bestätigt wurde, er meint, dass ein solcher Punctions- 
befund sehr wohl einen Anhaltspunkt zur operativen Entfernung 
des Blutergusses aus der Schädelhöhle geben könne. Ebenso legt 
E reyhan 17 ) besonderen Werth darauf wegen einer Indication 
zu chirurgischem Eingreifen, z. B., wenn es sich darum handelt, 
festzustellen, ob eine schwere Gehirnerschütterung oder eine sub¬ 
durale Blutung stattgefunden hat. F ürbr inger“) spricht 
von Verletzungen der die Nervenwurzeln umspinnenden Gefässe 
und daher blutiger Spinalflüssigkeit, während Lichtheim 14 ) 
sich dafür entscheidet, dass eine Verletzung des Wirbelkörpers 
stattgefunden haben müsse. Heubner'’ 0 ) endlich, und mit dem¬ 
selben stimmen auch die Beobachtungen an den Punctionen 
unserer Patienten überein, nimmt an, dass die Blutung aus den 
subduralen resp. pialen Venen stammen. Dieselben umspinnen, 
wie man sieh am anatomischen Präparat leicht überzeugen kann, 
auskleidend fast die gesummte Wand des Wirbeleanales und ohne 
Zweifel müssen bei der Punction desselben manchmal diese 
Venenploxus verletzt werden. Allerdings möchte eine rein blutige 
Flüssigkeit, falls die Nadel den subarachnoidalen Raum sicher er¬ 
reicht hat, eine ernstere Bedeutung haben, während Verletzung 
einer Vene mit nachfolgender Durchstossung derselben sich in 
der nur kurz dauernden Rothfärbung des entleerten Fluidums 
erkennen lassen wird. 

Mehr noch als Blut als Bestandtheil der Spinalflüssigkeit 
hat das Eiweiss und die Menge desselben Anlass zu Erörterungen 
gegeben, insbesondere, ob aus der Quantität des Eiweisses ein 
Schluss auf die entzündliche resp. auf die rein transsudative 
Natur der Meningealerkrankung zu ziehen sei. F ürbringer 51 ) 
sowohl wie F reyhan sprechen sich dahin aus, dass ein hoher 
Eiweissgehalt auf eine Steigerung der Exsudation, resp. auf Ent¬ 
zündung hin weise, der Letztere gibt an, dass er bei tuberculöser 
Meningitis stets über 1 Prom. gefunden habe; Quincke gibt an 
als Normalwerth bei Gesunden 0,5—1 Prom. R i e k e n “) gibt 
aus seinen 34 verschiedenen Fällen eine Zusammenstellung, wo¬ 
nach bei Hirntumoren und bei tuberculösen Fällen von Menin¬ 
gitis über 2 Prom., bei acutem Hydrocephalus 1,84 Prom., wäh¬ 
rend der chronische Hydrocephalus und die sog. seröse Meningitis 
0,95 Prom. an Eiweissgehalt ergaben. Zweifellos besteht also wohl 
eine Beziehung zwischen demselben und der Art der Erkrankung; 
Senator“) meint zwar, dass sich das Eiweiss einer Flüssigkeit 
sowohl bei Stauung, wie bei Entzündung mehre; indessen wäre 
dann hier der Einwand zu machen, dass die aetiologische Be¬ 
gründung des chronischen Hydrocephalus bei unserer mangel¬ 
haften Kenntniss davon nicht ohne Weiteres allein in der Stau¬ 
ung zu suchen ist. 

Um den Eiweissgehalt der von den beiden Kranken zur Ver¬ 
fügung stehenden Flüssigkeit genauer zu bestimmen als mit dem 

1 ‘) Quincke: Verhandl. des Congr. f. inn. Medio. 1891. 

1T ) Freyhan : Münch, med. Wochenschr. 1895, S. 2iM». 

1S ) Berl. klin. Wochenschr. 1895, S. 274. 

1# ) eodem loco S. 272. 

Gesellschaft der Charitßärzte. 1. November 1894. 

Berl. klin. Wochenschr. 1895. S. 272 ff. 

Hinken: Arch. f. klin. Med. 1896, S. 22. 

"*) Berl. klin. Wochenschr. 1895, S. 288. 


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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


247 


K s l) a c li’schen Albuminimeter möglich, wurde derselbe theils 
durch Fällung und Wägung, theils durch Bestimmung der 
Trockensubstanz, der organischen und anorganischen Bestand¬ 
teile festgestellt: cs ergab für Fall I aus 17 Untersuchungen als 
Mittel: 0,94 Proc. Trockensubstanz, 0,84 Proc. Asche, 0,12 Proc. 
Eiweiss; für Fall II aus 11 Untersuchungen als Mittel: 1,09 Proc. 
Trockensubstanz, 0,78 Proc. Asche, 0,31 Proc. Eiweiss, wobei zu 
l>erüeksichtigen ist, dass bei der fast gänzlichen Abwesenheit 
anderer organischer Bestandteile die Differenz zwischen Trocken¬ 
rückstand und Asche ohne Weiteres als Eiweiss berechnet werden 
konnte, vor Allem, da die direeteWägung das gleiche Resultat gab. 

Zu den Werten des Falles I passen die Zahlen Neu- 
meiste r’s 24 ), wie er sie an der durch Punction eines Hirn¬ 
ventrikels entleerten Flüssigkeit bestimmte: er fand 0,97 Proc. 
Tiockenrückstand, 0,78 Proc. Asche und 0,18 Proc. organische 
Verbind ungen. 

Der Fall II mit einein Eiweissgehalt von 3 Prom. würde sich 
seliou mehr einer exsudativen Form nähern. Das specifische Ge¬ 
wicht (bestimmt mit der Wage von Westphal) hielt sich in 
Grenzen, wie man sie bei Exsudaten sonst nicht gewohnt ist, 
es betrug als Mittel von vielen Untersuchungen bei dem älteren 
so sehr gebesserten Kinde 1006,5, bei dem excessiven Hydro¬ 
zephalus 1006,9. Das weist schon darauf hin, dass sich in der 
Spinalflüssigkeit keine Substanzen finden, die das specifische Ge¬ 
wicht, wie z. B. im Pleuraexsudat, so erhöhen, also vor Allem 
kein „Fibrin“, was man auch immer darunter verstehen will; 
Spiualfliissigkeit gerinnt nie. Weitere Best andtheile sind vor 
Allem Kochsalz, kohlensau res und phosphorsaures Natron, die 
lihosphorsauren Erden. Das Eiweiss lässt sich leicht durch 
Fällung mit Ammonsulfat und Coagulirung bei 75° als Serum¬ 
globulin erkennen. Reducirende Substanz, Traubenzucker ”) 
konnte ich bei den beiden Patienten nicht nach weisen. Dahin¬ 
gegen gelang es mir, wie schon Cavazzani 1896 2fl ) durch einen 
( infachen Verdauungsversuch, in der Spinalflüssigkeit des Falles I 
ein diastatisches Ferment nachzuweisen. Wenn man eben so viel 
Stiirkekleister unter die Flüssigkeit mischte, dass Jod deutliche 
Illaufärbung eines Tropfens bewirkte, alsdann dieselbe im Wärme¬ 
schrank 24 Stunden stehen liess, so fand sieh am nächsten Tage 
keine Stärkereaetion mehr, dagegen fiel die Trommer’sche 
Frohe positiv aus und cs liess sich durch Yergährung Zucker 
nach weisen. 

Die klinische Bedeutung der beiden mitgetheilten Fülle liegt 
ohne Zweifel darin, dass es gelungen ist, einen chronischen Hydro¬ 
zephalus — ob dauernd, ob nur auf Zeit, muss die weitere Be¬ 
obachtung lehren — zu heilen. Dass die häufige Wiederholung 
der Spinalpunction dabei eine ausschlaggebende, wenn nicht die 
hauptsächlichste Rolle gespielt hat, scheint nach den Beobach¬ 
tungen über andere hvdroeephalische Kinder höchst wahr¬ 
scheinlich. 


lieber das Vorkommen von Reitweh an der Patella.*) 

Von J. A. Rosenberger in Wiirzburg. 

Das Reitweh an der Patella, das nach meiner Anschauung 
unter bestimmten Bedingungen nicht selten vorkommt, scheint 
mir desshalb wichtig genug, einmal zur Sprache gebracht zu 
werden, weil dasselbe, wie ich mich überzeugt habe, verhältniss- 
miissig wenig bekannt ist. Am diesjährigen Chirurgencongress 
habe ich erfahren, dass von einer grösseren Anzahl von Fach¬ 
chirurgen, die ich gesprächsweise darüber befragte, mehrere gar 
keine Kenntnis« davon hatten, während andere das Bild wieder 
ganz genau kannten. Den ersten Fall, der mir vorkam, sahen 
nacheinander zwei namhafte Chirurgen, von denen der eine An¬ 
fangs an gonorrhoische Schmerzen dachte, während der andere 
Gicht nicht für ausgeschlossen hielt. 

Die meiste Erfahrung darüber werden wohl diejenigen Mili- 
tärcollegen haben, die bei einer berittenen Abtheilung waren. 

Im Ganzen habe ich 3 Fälle beobachtet, deren Kranken¬ 
geschichten ich kurz mittheile. 

1. Herr Artillerieleutnant D. verspürte am Morgen des 
*7. März 1890, nachdem er schon 2 Jahre Officier war, einen 


I4 ) R. N e u m e i s t e r : Physiol. Chemie, S. 478. 

**) Vergl. hierüber Neumeister, 1. e„ S. 479. 

Fürbringer: Berl. klin. Wochenschr. 1895, S. 273. 

*) Cavazzani: Centralbl. f. Physiologie Bd. X, S. 145. 

*) Nach einem Vortrage in der militärärztlichen Section-der 
Naturforscherversammlung zu München. 


„schauderhaften Schmerz“ im rechten Kniegelenk, der 
ihm das Beugen und das Strecken unmöglich machte. Der Schmerz 
befand sieh, wie ich dann constatirte. nur an der Kniescheibe und 
war besonders stark am inneren Rande derselben, wo der geringste 
Druck aber so empfindlich war. dass der Patient nicht einmal eine 
leichte Decke darüber ertragen konnte. 

Eine Ursache konnte nicht angegeben werden. 

Die Untersuchung ergab gar keine V eriiude r u n g. 
Das Knie war weder geschwollen, noch zeigte es eine Röthung 
oder Blutunterlaufung. Im Gelenke selbst war keine Flüssigkeits¬ 
ansammlung, auch hatte es denselben Umfang wie das der linken 
Seite. 

Ich dachte in erster Linie an einen Druck von der Reithose 
und sprach diese Vermuthung auch sofort aus. Dieselbe wurde 
vom Patienten weder beifällig auf genommen, noch wurde ihr 
wider«]) rochen. 

Bei ruhiger Lage Hessen die heftigen Schmerzen schon nach 
einigen Tagen nach, dafür blieben aber noch längere Zeit Schmer¬ 
zen zurück, die besonders beim Beugen des Kniegelenkes und bei 
Druck auf den inneren Rand der Kniescheibe sich deutlich 
machten, so dass D. längere Zeit keinen Dienst machen konnte. 
Vom 27. März bis 2. Juli war er in meiner Behandlung. Ich em¬ 
pfahl weiter den Gebrauch des Bades Aibling. 

Nach melirwöehentlicher Cur kam I). l>edeutend gebessert 
zurück, um dann noch einmal auf 0 Wochen zur Gur nach Wildbad 
zu gehen. Von dort kehrte er geheilt zurück und nahm bald da¬ 
rauf seinen Dienst wieder auf. 

Im Jahre 1891 musste D. bei starkem Regen weiter 3 Stunden 
lang exerciren und dann am Schlüsse noch einen Galopprltt an das 
Ziel machen, worauf die Schmerzen wieder auftraten. D. schildert 
den Vorgang mit eigenen Worten folgendermaassen: „Ganz plötz¬ 
lich traten die Schmerzen im höchsten Maasse wieder auf; die enge 
ganz durchnässte Reithose hatte sich am Oberschenkel und am 
Gesäss festgezogen, so dass sie am Knie nicht mehr nachgeben 
konnte. Dadurch wmrde ein heftiger Druck auf die Kniescheibe 
ausgeübt.“ 

Bei Ruhe schwanden die Schmerzen allmählich wieder, immer¬ 
hin blieb aber D. vom 25. September bis 19. October in meiner 
Behandlung. Er kam dann in die Artillerieschule, wo sich der 
Schmerz allmählich vollständig verlor. 

Auf die gemachte Erfahrung hin liess D. die Reithose ändern 
und hat seither keine derartigen Schmerzen mehr empfunden, 
obgleich er öfter im Regenwetter mit nasser Reithose zu reiten 
gezwungen war. 

Wie mir D. erst vor Kurzem mittheilte, hätten die jetzigen 
Reithosen, nach der sogenannten englischen Mode augefertigt, 
am Knie verhältnissmässig viel mehr Spielraum als die früheren. 

2. Herr Artillerieleutnant K. wachte am Morgen des 5. Mai 
1890 mit heftigen Schmerzen an der rechten Kniescheibe auf, so 
dass er nicht Im Stande war. aufzustehen. Da dieselben an der 
rechten Kniescheibe vorhanden w r aren. so vermuthete K„ dass 
er sich beim Reiten gegen einen T-Hacken gestossen habe. K. 
war schon ein Jahr Leutnant und hatte vorher niemals ähnliche 
Schmerzen verspürt. 

Der örtliche Befund war vollständig negativ, nur 
klagte Patient beim leisesten Druck auf die Kniescheibe, beson¬ 
ders am inneren Rande derselben über äusserst heftige Schmerzen. 

Auf Grund meiner bei Herrn Leutnant D. gemachten Er¬ 
fahrungen stellte ich sofort die Diagnose auf Reitweh an der 
Kniescheibe, hervorgerufeu durch Druck einer engen Reithose. 

Die heftigen Schmerzen verschwanden nach einigen Tagen, 
dagegen verblieb K. vom 5. bis 29. Mai In meiner Behandlung 
und war fast 2 Monate zum Dienste unfähig. 

Die Reithose liess K. vor Wiederaufnahme des Dienstes weiter 
machen und hat seitdem ähnliche Schmerzen trotz dos angestreng¬ 
testen Reitens nicht mehr bekommen, nur will er durch den Druck 
einer nassen Reithose, selbst durch den Druck einer straff an¬ 
gezogenen Streifonhose sofort eine Andeutung von Schmerz an 
der rechten Kniescheibe auch jetzt noch verspüren. 

3. Der Einjährig-Freiwillige. Arohiteet E.. der früher schon 
viel geritten hatte und am 1. October 1897 beim 2. Artillerie- 
Regimente eingetreten war. empfand im Februar 1898. als mit der 
Packtasche ohne Bügel im Freien geritten wurde, einen heftigen 
„brennenden“ Schmerz an beiden Kniescheiben, besonders 
an der linken Seite. Der Sehmerz wurde am heftigsten am 
inneren Rande empfunden. Einige Wochen versuchte er noch 
Dienst zu thun. als die Schmerzen aber heftiger wurden und 
einen ..stechenden“ Charakter annahmen. so dass das Reiten 
unmöglich wuirde. meldete er sich zum Arzte. Ende März kam 
er in meine Behandlung. Der Befund an beiden Kniegelenken 
war vollständig negativ. Die Reithose, welche ich mir sofort zeigen 
liess. w\‘ir enge und übte nach den Angaben E/s einen starken 
Druck auf die Kniescheibe aus. Ich verordnete ruhige Lage und 
Prlessn it z’sche Umschläge. 

Ende April wurde mit einer weiteren Reithose* der Dienst 
wieder nufgenommen. Anfangs soll nach längerem Reiten immer 
noch ein gewisses Schmerzgefühl vorhanden gewiesen sein, das 
aber allmählich immer weniger wurde, so dass es während des 
Manövers vollständig verschwunden war. 

Bei einer 8 wöchentlichen Uebung. die E. in diesem Jahre 
mitmachen musste, hat er an den Knieen gar nichts mehr ver¬ 
spürt. 

E. ist der Ueberzeugung, dass die Schmerzen nur von der 
engen Reithose kamen. 

1 * 

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248 


MÜNCHEHER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 8. 


Die gebrachten Krankengeschichten zeigen, dass in Folge 
des Reitens an den Kniescheiben so intensive Schmerzen auf- 
t re teil können, dass das Reiten und Gehen unmöglich wird. Wenn 
ich diese Schmerzen mit dem Namen „Reit w e h an der 
P a teil a“ bezeichnet habe, so lässt sich über die Richtigkeit 
dieser Bezeichnung streiten. Düms') nennt den Zustand Knie* 
schmerz der Reiter. 

Dass beim Erlernen des Reitens Reitweh vorkommt, dass 
überhaupt beim Beginne aller körperlichen Hebungen, die mit 
einer gewissen Ausdauer und Anstrengung betrieben werden, 
ein schmerzhaftes Gefühl an denjenigen Stellen der Extremi¬ 
täten, sowie des ganzen Körpers, die durch die Hebungen in 
ausscrgewühnlieher Weise in Anspruch genommen werden, auf- 
tritt, ist allgemein bekannt. Diese Schmerzen schwinden bei 
fortgesetzten Hebungen aber vollständig, um auch trotz der 
grössten Anstrengungen bei der betreffenden Uebung, voraus¬ 
gesetzt, dass letztere nicht längere Zeit unterbrochen wird, nicht 
wieder aufzutreten. Beim Reitweh an der Patella, wenn ich 
diesen Namen vorerst einmal bei behalten will, ist das Verhalten 
ein ganz anderes. Dasselbe tritt nicht etwa beim Beginne des 
Reitens auf, sondern ganz unregelmässig und kann bei Leuten 
Vorkommen, die das Reiten vollständig beherrschen und über die 
Schmerzen am Körper, die mit dem Erlernen desselben auf treten, 
weit hinaus sind. 

Das Reitweh an der Kniescheibe, um das es sieh in meinen 
3 Krankengeschichten gehandelt hat, hat mit dem eigentlichen 
Reiten nichts zu thun, es ist vielmehr die Folge eines fortgesetzten 
Druckes auf den Knochen und muss desshalb als ein Druck¬ 
schmerz aufgefasst werden, der auch durch ändert* Ursachen und 
an anderen Knochen hervorgerufen werden kann. In meinen 
Fällen war immer eine enge Reithose die Ursache. Es ist sehr 
wahrscheinlich, dass eine durchnässte Reithose öfter den Anlass 
gibt und vielleicht gerade in den Fällen, in denen der Schmerz 
ganz acut, sozusagen über Nacht auftritt. In den beiden ersten 
Fällen liess es sich nicht mehr feststellen, dagegen spricht aber 
die präcise Beschreibung des Herrn Leutnant D. bezüglich des 
Recidivs umso deutlicher dafür, ebenso die Angabe des Herrn 
Leutnant K., nach der durch den Druck einer nassen Reithose 
immer eine Andeutung von Schmerz an der früher befallenen 
Kniescheibe sich bemerkbar macht. Im 3. Falle hatte der Zu¬ 
stand allmählich sich ausgebildet, so dass mit Bestimmtheit dieser 
Grund nicht angegeben werden konnte, obgleich ich darnach mich 
erkundigt habe. 

Dass in den 3 Fällen der innere Rand der Patella als beson¬ 
ders schmerzhaft bezeichnet wurde, ist sofort einleuchtend, wenn 
man bedenkt, dass gerade diese Stelle von der Reithose am 
stärksten gedrückt werden muss, wenn der Reiter vorschrifts¬ 
mäßig zu Pferde sitzt und mit den angedrückten Schenkeln den 
Schluss anstrebt. 

Die Kniescheibe erträgt für längere Zeit keinen starken 
Druck, weil das Fettpolster zwischen Haut und Knochen sehr 
gering ist oder ganz fehlt. Beim Knieen kommt die Kniescheibe 
auch nicht auf den Boden, höchstens berührt denselben nur der 
untere Rand der Patella am Abgänge des Ligamentum patellare. 
Versucht man beim Knieen auf fester Unterlage sich mit dem 
Körper nach vorne zu neigen, so dass die vordere Fläche der 
Kniescheibe auf die Unterlage kommt und gedrückt wird, so 
steigert sich die schmerzhafte Empfindung an derselben sofort 
zur Unerträglichkeit. Dieselbe Erscheinung beobachtet man an 
allen Knochen, die unmittelbar unter der Haut liegen und eine 
breite Angriffsfläche bieten. Ganz besonders empfindlich sind 
in dieser Beziehung die innere Fläche des Schienbeins, das mitt¬ 
lere Drittel des Schlüsselbeins und die Stirne. Schon ein ge¬ 
ringer Druck wirkt am Knochen desshalb so energisch, weil dieser 
der einwirkenden Kraft gegenüber einen fortgesetzten Gegen¬ 
druck unterhält. Derselbe Druck, der an den vorgenannten 
Knochen, sowie auch noch an vielen anderen geeigneten Stellen 
in ganz kurzer Zeit die heftigsten Schmerzen auslösen kann, 
würde in derselben Zeit an den Hinterbacken, am Oberschenkel, 
an der Wade, am OIkt- und Vorderarm noch nicht einmal die 
geringste schmerzhafte Empfindung hervorzurufen im Stande 
sein. Aus meiner As-dstentcnzeit erinnere ich mich eines Stu- 


‘) Diinis: Handbuch der Militärkrankheiten. Aeussen* 
(chirurgische) Krankheiten. Leipzig. Verlag von Eduard Besold 
iArthur Georgi). 189d. pag. 7ö. 

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deuten, der nichts weniger als empfindlich war und dem ich wegen 
einen geplatzten Aneurysmas in einer Narbe an der Stirne ein 
Schnallentourniquot abgelegt hatte und der sich nach einer 
halben Stunde in Folge des durch den Druck der gepolsterten 
Pelotte hervorgerufenen Druckschmerzes wie rasend geberdete. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass gewisse Knochen auch 
druckempfindlicher sind, denn nach der Untersuchung von 
Carazzani") und Anderen exisliren nicht nur an gewissen 
Hautstellen verschiedene Leitungsfasern für Drucksinn und 
Temperatursinn, sondern es ist auch in grösseren Nerven das \ er- 
hältniss der Temperatursinnfasern den Drucksinnfasern gegen¬ 
über ein verschiedenes. 

Die örtlichen Veränderungen, die das Reitweh in meinen 
Fällen begleiteten, waren mit Ausnahme des Schmerzes und der 
dadurch bedingten absoluten oder relativen Unbrauchbarkeit der 
Extremität gleich Null, denn nach den Krankengeschichten war 
keine Schwellung vorhanden, auch fehlten alle Erscheinungen 
von Entzündung oder Blutextravasaten. Die Möglichkeit, dass 
sich einmal Blutextravasate nachweisen lassen, muss man zu¬ 
geben, wenn man bedenkt, dass der Reiter unter L mständen 
gezwungen sein kann, den Druck längere Zeit ertragen zu müssen. 

Nach I) ii in s ist die Schmerzhaftigkeit meist durch eine ent¬ 
zündliche Schwellung der Sehne des Musculus quadrieeps femoris 
veranlasst. Manchmal soll auch ein deutliches Crepitiren zu 
fühlen sein. Ich kann den Schmerz nicht anders, als die Folge 
eines Druckes auf die Nerven der Knochenhaut und des Knochens 
auffassen. Nach K. v. Barde leben gehören die Untersuch¬ 
ungen über die Periost- und Knochennerven zu den Finessen der 
Anatomie und sind auf diesem Gebiete noch weitere Unter¬ 
suchungen erwünscht und nothwendig, aber so viel steht fest, dass 
die Knochenhaut und der Knochen von zwei histologisch und 
physiologisch verschiedenen Arten von Nerven versorgt werden. 
Die Nervenfasern, welche vom Gehirn und Rückenmark kommen, 
hält man für sensibel, die anderen Fasern stammen vom S.vm- 
pathicus und sind vasomotorisch. Der fortgesetzte Druck auf 
diese Nervenbahnen ist als ein Reiz aufzufassen, durch den die 
Erregbarkeit der Nervenbahnen, spceiell der sensiblen Ganglien¬ 
zellen, in übermässiger Weise gesteigert wird. Hat der Druck 
einige Zeit eingewirkt, dann werden auch ganz unterwerthige 
Erregungen als äusserst schmerzhaft empfunden und es entstellt 
ein Zustand, den man als Hyperacsthesie bezeichnen kann. 

Derartige Ilyperaesthesien durch fortgesetzten Druck kom¬ 
men auch an der Haut, deren Nerven vom Gehirn und Rückenmark 
stammen und nur sensibler Natur sind, vor. Dieselben werden 
als besonders empfindlich an den Füssen und zwar meist an den 
Zehen wahrgenommen, wenn es dort zu den lästigen Verdickungen 
an der Epidermis, zu den sogen. Hühneraugen gekommen ist. 
Thatsächlich werden diese Schmerzempfindungen schon durch 
Witterungseinflüsse gesteigert, selbst wenn der örtliche Druck 
durch die Fussbekleidung beseitigt ist, so dass bekanntlich die 
betreffenden Schmerzen allgemein als Wetterzeichen betrachtet 
werden. Die Nerven der Haut scheinen bei dem Reitweh der 
Patella auch öfter aff|eirt zu sein, denn in den beiden ersten 
Fällen, besonders aber im Falle D. war die Haut so empfindlich, 
dass man sic gar nicht berühren durfte. 

Je nach der Intensität des Druckes und der Dauer der Ein¬ 
wirkung desselben auf die Kniescheibe ist beständiger Schmerz 

— subjective Empfindungsstörung — vorhanden, so dass das Knie 
gar nicht gebeugt und gar kein Druck über der Haut ertragen 
werden kann oder der Schmerz stellt sieh nur bei Bewegungen 

— objective Empfindungsstörung — ein, während die Haut 
einen Druck erträgt, so dass auch das Geben noch möglich ist. 
wie der Fall E. zeigt, in welchem noch einige Wochen der Diens: 
eines Artillerieeinjährigen trotz der Schmerzen verrichtet 
wurde. Individuelle Veranlagung dürfte, wie bei allen Sehnicrz- 
cmpfinduiigen, so auch hier in Betracht kommen. 

Die Prognose des Reitwehs an der Patella ist eine absolut 
günstige. Wenn die Ursache, d. h. der Druck beseitigt wird, so 
schwindet auch der Schmerz, wenn mitunter auch erst nach 
mehreren Monaten. Der heftige Schmerz verschwindet schon in 
den ersten Tagen. Dass eine gewisse Disposition zu ähnlichen 
Schmerzen zurückbleibt, dürfte der Fall K. beweisen, in welchem 


2 ) Sur la diffgrenclntlon des orgaues de In sensibilitö ther- 
mique de coux du sens de la pression: pnr Carazznni. Arch. 
ital. de Riol. XVII. 3, p. d13, 1892. 

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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


249 


schon eine straff angezogene Tuchhose eine Andeutung des 
früheren Schmerzes jetzt noch hervorruft. Die Disposition ist 
möglicher Weise auch nur psychisch begründet. 

Therapeutisch sind in erster Linie Beseitigung des Druckes 
und absolute Ruhe, die sich in schweren Fällen übrigens von 
selbst gebietet, angezeigt. Bei dieser Behandlung wird wohl 
immer Heilung eintreten, wenn es aber die übrigen Verhältnisse 
erfordern, dass noch ein grösserer Heilapparat aufgeboten wird, 
so wären dann die bekannten Mittel, wie Wasserumschläge, Ein¬ 
reibungen und der Gebrauch eines Bades empfehlenswerth. 
Massage kann in der ersten Zeit sicher nicht in Betracht kommen, 
da dadurch die Schmerzen wesentlich verstärkt würden. 

5 Fälle von Hygrombildung über dem Condylus femoris in¬ 
ternus, welche von Le F o r t und Albert') beschrieben wurden, 
sowie auch ein Fall von V e 1 p e a u, welcher nach diesen Autoren 
früher schon beschrieben wurde, haben mit dem Reitweh an der 
Patella nichts gemein, wenn dieselben auch als die Folgen eines 
andauernden Reizes beim Reiten aufgefasst werden und wenn 
es auch gar nicht unwahrscheinlich ist, dass auch bei dieser Er¬ 
krankung dieselben Ursachen in Betracht kommen, wie beim 
Reitweh an der Kniescheibe, nachdem es sich in diesen Fällen 
um die Bildung eines accidentellen Schleimbeutels an der Stelle 
des stärksten Druckes handelt. 

Zum Schlüsse möchte ich noch auf den Umstand aufmerk¬ 
sam machen, dass beim Reitweh an der Patella wegen des absolut 
negativen Befundes der Arzt auf den Gedanken kommen kann, 
dass Simulation oder wenigstens Uebertreibung vorliegt. 

Erkundigungen nach vörausgegangenen Schädigungen hin¬ 
sichtlich eines stattgehabten Druckes und der Verlauf dürften 
in solchen Fällen leicht Klarheit bringen. 


Aus der psychiatrischen Klinik zu Tübingen 
(Prof. Siemerling). 

Ein Fall von Friedreich’scher Krankheit. 

Von Dr. C. Wickel, Assistenzarzt der Klinik. 

Nachdem Friedreich im Jahre 1863 und 1876 in seinen 
Arbeiten: „Ueber degenerative Atrophie der spinalen Hinter¬ 
stränge“ 1 ) und „Ueber Ataxie mit besonderer Berücksichtigung 
hereditärer Formen“ *) ein neues Krankheitsbild beschrieben und 
durch eine Reihe von Fällen belegt hatte, folgte später eine nicht 
unerhebliche Anzahl von Mittheilungen gleicher und ähnlicher 
Fälle. 

Im Jahre 1889 konnte Griffith*) in einer Monographie 
über das inzwischen auf Vorschlag des Franzosen Brousse 
nach Friedreich benannte Leiden „die Friedreich’sche 
Krankheit“ 145 Fälle dieser Art zusammenstellen. 

Nach Fr. Schultze 4 ) gehören allerdings einige der 
von Griffith in seine Statistik aufgenommenen 145 Fälle 
nicht zu der Friedreich’schen Krankheit. Im Jahre 1898 
gab Fr. Schultze') die Zahl der beobachteten Fälle auf unge¬ 
fähr 180 an. 

Immerhin dürften jedoch auch jetzt noch reine Fälle allge¬ 
meineres Interesse beanspruchen. 

Ich erlaube mir daher im Folgenden über einen Kranken zu 
berichten, welchen ich im Laufe dieses Jahres in der Klinik zu 
beobachten und zu untersuchen Gelegenheit hatte. 

Es handelt sich um einen jetzt 12 Jahre 4 Monate alten 
Bäckerssohn, Wilhelm Sp. aus Wachendorf. 

Nach den Angaben der Mutter sind weder in der Familie des 
Vaters noch ln ihrer eigenen Geistes- oder Nervenkrankheiten, 
Trunksucht, Fallsucht, Selbstmord etc. vorgekommen. Einmal 
wurde Lues des Vaters angegeben, später bestimmt in Abrede ge¬ 
stellt. Jedenfalls hatte er Jahre hindurch an Husten gelitten und 
war 1893 an Phthisis pulmonum gestorben. Die Mutter selbst 
will gesund sein. Patient ist das 4. von 5 Geschwistern. Die 
beiden ältesten sind gesund. Das 3. starb an Gichtern, das 6. starb 


*) Hygroma des cavaliers; par R. Le Fort et E. Albert. 
Revue de Chir. XIII, 7, p. 568, 1893. 

*) Virchow’s Archiv 1863, Bd. 26, p. 391 ff. und Bd. 27, p. 1 ff 

*) Virchow’s Archiv 1876, Bd. 68, p. 145 ff. 

8 ) Transactions of College of Physicians of Philadelphia 1889. 

4 ) Schultze Fr.: Ueber die Friedreic h’sche Krankheit 
und ähnliche Krankheitsformen, nebst Bemerkungen über nystag¬ 
musartige Zuckungen bei Gesunden. Deutsche Zeitschr. f. Nerven 
beilkunde 1894, 5. Bd., 1., 2. u. 3. Heft. 

“) Schultze Fr.: Lehrbuch der Nervenkrankheiten, 1. Bd 
p. 352. 


No. a 

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7* Jahr alt an Schwäche. Frühgeburten, Aborte batten nicht 
statt 

Die Geburt des Patienten war eine normale. Von Anfang 
an war er ein schwächliches Kind, war nie ganz gesund, ohne 
dass man recht wusste, was ihm eigentlich fehlte. 

Im 2. Lebensjahre lernte er gehen; trotz aller Mühe konnte 
er jedoch nie so gehen, wie andere Kinder, der Gang war immer 
etwas schwankend. 

Die Sprache entwickelte sich rechtzeitig und gut Im 
3. Lebensjahre überstand er eine Lungenentzündung, sonst hatte er 
keine besonderen Krankheiten durchzumachen. 

Es bestand stets eine Neigung zu Durchfall. Gichter, Krämpfe, 
Lähmungsersclieinungen wurden nicht beobachtet 

1894 kam er in die Schule. 

Er zeigte sich daselbst nach einer Mittheilung seines Lehrers 
durchaus geistig normal, gehörte nach Talent und Fleiss zu den 
besseren Schülern. Seit Winter 1898/99 machte ihm jedoch die 
gespannte Aufmerksamkeit immer mehr Mühe. 

Zu einer körperlichen Arbeit war er nicht zu gebrauchen 
wegen des anhaltenden Schwankens, welches nicht nur beim 
Gehen, sondern auch beim Stehen zu Tage trat 

ln seinem Wesen war er heiter und munter und unterhielt 
sich mit Lesen und Spielen mit anderen Kindern. 

Seit 3 Jahren ist der Gang schwankender geworden, aucn 
soll seitdem Schwanken in sitzender Stellung auf getreten sein. 

Mitte des Jahres 1898 wurde einmal nächtlicherweile Urin 
in*s Bett gelassen. 

Klagen über Kopfschmerz bestanden nur vorübergehend. 

Patient selbst konnte nur berichten, dass er, so lange er 
denken könne, einen schwankenden Gang habe und dass auch das 
Schreiben ihm nicht so wie anderen Schülern gelingen wollte „es 
war nicht schön“. 

Seit wann die eigenthümlichen Bewegungen an den Augen 
bei Fixiren, an Armen und Beinen bei ihm bestanden, vermochte 
er ebenso wenig anzugeben wie die Mutter. 

Subjectiv fühlte er sich stets ganz wohl. An Kopfschmerz 
oder Schwindel litt er nicht. 

Sp. ist ein 131 cm grosser, 27,2 kg schwerer Junge, von 
gracilem Knochenbau, mässig entwickelter Musculatur und ge¬ 
ringem Panniculus adiposus. 

Gesicht und sichtbare Schleimhäute sind normal gefärbt. 

Die Temperatur ist normal. 

Keine Oedeme, keine Exantheme. 

Die Inguinaldrüsen und die Axillardrüsen sind beiderseits 
mässig vergrössert 

Keine Nuchal-, keine Cubitaldrüsen fühlbar. 

Für gewöhnlich steht' Patient breitbeinig da, den Rumpf 
etwas nach vorne und links geneigt, den Kopf in mässigem Grade 
gesenkt. Sofort fällt eine beständige, bald mehr, bald weniger 
starke Unruhe des ganzen Körpers auf, welche auch durch die 
Aufforderung, still zu stehen, in keiner Weise beeinflusst wird. Es 
besteht ein fortwährendes, in seiner Intensität wechselndes 
Schwanken und Balanciren des Körpers, bald neigt er mehr nach 
der Seite, bald mehr nach vorne oder nach rückwärts. 

Bringt Patient nun die Füsse aneinander, so wird das 
Schwanken noch stärker, schliesst er dann die Augen, so fällt er, 
wenn man ihn nicht hält. 

Der Kopf macht fast andauernd leichte wackelnde Be¬ 
wegungen, er wird bald etwas nach rechts, bald nach links, bald 
nach vorne geneigt. 

Neben diesen schwankenden Bewegungen mehr des ganzen 
Körpers beobachtet man an einzelnen Körpertheilen noch andere 
an Athetose und Chorea erinnernde Bewegungen. 

So sieht man ab und an bald in dem einen, bald in dem 
anderen Mundwinkel, bald in beiden zusammen Zuckungen auf- 
treten, zeitweise auch in der Stirn- und Kinnmusculatur. 

Manchmal scheint es, als würde ein Augenlid beim Lidschlag 
stärker geschlossen. 

An der gerade hervorgestreckten Zunge sieht man ebenfalls 
Vor- und Rückwärtsbewegungen, sowie Bewegungen nach oben 
und unten, nach rechts und links. 

Zeitweise wird eine Schulter etwas gehoben, ein Arm vom 
Körper etwas entfernt, dann wieder angelegt; die Unterarme 
machen manchmal Flexions-, Extensions-, Pro- und Supinations¬ 
bewegungen leichten Grades. Am häufigsten sind leichte Flexions¬ 
und Extensions-, Ab- und Adductionsbewegungen an den Fingern 
zu beobachten, bald langsamer, bald schneller erfolgend. 

Weniger häufig erfolgen Bewegungen der geschilderten Art 
an den Unterextremitäten. Man sieht hier zuweilen Rotations¬ 
bewegungen, ab und an Flexions- und Extensionsbewegungen am 
Fusse und an den Zehen. 

Manchmal geht eine mehr ruckweise Zuckung durch eine 
ganze Extremität 

Ein Unterschied dieser an Athetose und Chorea erinnernden 
Bewegungen zwischen rechts und links besteht nicht 

Lässt man Patienten sich setzen, so nimmt er eine nach vorne 
gebeugte Haltung ein, Oberkörper und Kopf machen schwankende 
Bewegungen, wenn auch geringeren Grades, fort. Er rutscht je¬ 
doch nicht auf dem Stuhle hin und her. 

Liegt Patient so hören die schwankenden Bewegungen 
ganz auf. * ® 

Im Sitzen und Liegen dauern jedoch die athetose- und chorea¬ 
ähnlichen Bewegungen fort; nach Bewegung nehmen sie etwas 

Origiral ftcr 2 

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250 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


zu. Im Schlaf sind gar keine besonderen Bewegungen zu con- 
statiren. 

Die Athmung ist für gewöhnlich ruhig und gleiclimässig; 
ganz vereinzelt erfolgt einmal ein plötzlicher, tieferer, hörbarerer 
Athemzug; vorübergehend hört man auch einmal ein schmatzen¬ 
des Geräusch aus dem Munde. 

Wird Patient nun aufgefordert zu gehen, so überrascht er 
durch die dabei sich geltend machende Unsicherheit: er schwankt 
nach allen Richtungen, stürzt zwischendurch nach vorne. Der 
Gang ist breitbeinig, die Füsse werden zuweilen abnorm hoch ge¬ 
hoben und stampfend aufgesetzt Es wechseln längere Schritte 
mit Übertriebener Vorwärtsbewegung eines Beines mit kürzeren. 

Zwischendurch sieht man auch unzweckmässige SeitwärtB- 
bewegungen der Beine. 

Kehrtmachen geht nur in verschiedenen Absätzen. 

Beim Gehen wird fortwährend der Boden flxirt. 

Fordert man Patienten auf, mit geschlossenen Augen zu 
gehen, so steigert sich das Schwanken alsbald so, dass er zu 
stürzen droht, ebenso, wenn man beim Gehen das Zimmer ver¬ 
dunkelt 

Bei complicirteren Bewegungen, beim Aus -und Ankleiden, 
tritt ebenfalls eine ausserordentliche Unsicherheit der Bewegungen 
zu Tage. Diese Verrichtung geht nur sehr langsam und mit Mühe 
vor sich; Arme und Beine machen allerhand Umwege, um das 
beabsichtigte Ziel zu erreichen, häufig fährt er an demselben vor¬ 
bei und unsicher in der Luft herum. 

Bei dem Versuch Finger-Nase und Finger-Finger zeigt sich 
das Gleiche sehr deutlich. 

In noch stärkerem Maasse ist dies der Fall bei dem Ver¬ 
such Hacke-Kniescheibe. 

Bei dem Versuche, mit einem Beine einen Kreis in der Luft 
zu beschreiben, kommt nur eine Zick-Zacklinie zu Stande, schon 
bei dem Erheben eines Beines tritt starkes Schwanken desselben 
und Abweichen von der Linie auf. 

Das Führen eines Löffels, eines Glases zum Munde geht nur 
auf Umwegen. 

Schreiben geht langsam, rechter Unterarm und Hand werden 
fest aufgelegt, vielfach wird abgesetzt, es ist mehr ein langsames 
Malen. Der Endeffect ist aber doch ein ziemlich guter, s. Schrift 
probe. 







Active und passive Bewegungen sind völlig frei. Die grobe 
Kraft Ist gering. 

Dynamometer rechts: 5, 5, 4; links: 4, 4, 4. 

Es genügt schon ein geringer Gegendruck, um das Erheben 
eines Beines bei Rückenlage des Patienten zu verhindern. 

Bei Rückenlage befinden sich die Füsse andauernd in Spitz- 
fussstellung. 

Eine dauernde Dorsalflexion der Zehen, speciell der grossen 
Zehe, hat nicht statt; auch ist die Wölbung der FtisSe wie ge¬ 
wöhnlich. 

Ueber Lage, Stellung seiner Glieder, über deren Entfernung 
von einander etc. gibt er ein vollkommen richtiges Urtheil ab. 

Schwere und leichte Körper werden überall hinsichtlich ihres 
Gewichtes richtig abgeschätzt, auch bei geschlossenen Augen. 

In die Hand gelegte Gegenstände, auch Münzen u. dergl. er¬ 
kennt er bei geschlossenen Augen gut 

Die mechanische Muskelerregbarkelt ist nicht erhöht 

Das vasomotorische Nachröthen ist nicht besonders stark. 

Berührungen mit dem Pinsel werden an allen Körperpartien 
prompt empfunden und richtig localisirt. 

Kopf und Spitze einer Nadel wird gut unterschieden, ebenso 
warm und kalt 

Die Prüfung des Ortssinns (Ortswahrnehmung) mittels 
Tasterzirkels ergibt nichts von dem gewöhnlichen Verhalten Ab¬ 
weichendes. 

Die Reaction auf tiefere Nadelstiche ist vielleicht etwas ge¬ 
ringer, wie in der Norm. 

Es bestehen keinerlei Paraesthesien. 

Die elektrische Untersuchung ergibt für Musculatur und 
Nerven durchaus normalen Befund. 

Der BIceps- und Tricepsreflex, das Kniephänomen, der 
Achillessehnenreflex fehlen vollkommen. 

Der Abdominal-, Fusssohlen- und der Cremasterreflex sind 
mittelstark vorhanden. 

Der Schädel ist in toto länglich. Er hat einen Horizontal 
umfang von 51,3 cm, einen grössten Längsdurchmesser von 18 cm 
und einen grössten Querdurchmesser von 15 cm. 

Die Lippen sind etwas gewulstet. 

Die Gesichtsinnervation ist symmetrisch. 

Die Augenbewegungen sind frei. 

Sobald Patient flxirt, treten nystagmusartige Bewegungen 
der Bulbi auf. Diese nehmen an Intensität zu, wenn man die 
flxirten Gegenstände vor dem Kopfe hin- und herbewegt 

Die Reaction der Pupillen bei Lichteinfnll und bei Convergen« 
ist sehr gut 


Der Augenspiegelbefund, die Sehschärfe, Farbenerkennungs¬ 
vermögen, Gesichtsfeld sind normal. 

Das Gebiss ist sehr mangelhaft entwickelt: Kleine, zum Theil 
abgebrochene Zähne, ziemlich unregelmässig und auseinander- 
stcliend. 

Die Uvula steht gerade. 

Das Gaumensegel steht gleich und hebt sich gut. 

Die Untersuchung mit dem Kehlkopfspiegel ergibt normales 
Aussehen der Stimmbänder, dieselben schliessen prompt und gut 
bei Phonation. 

Die Sprache ist langsam, lallend, schwer verständlich. Keine 
articulatorisehe Störung. 

Das Schlucken erfolgt gut. 

Geschmack, Geruch und Gehör zeigen keinerlei Störung. 

Es besteht eine mässige Kyphose der Brust und eine geringe 
Lordose der Lendenwirbelsäule. 

Die Processus spinosi sind bei Beklopfen nicht schmerzhaft. 

Lungen und Herz bieten nichts Besonderes. 

Der Puls ist von mittlerer Qualität, regelmässig, 72—84. 

Die Organe der Bauchhöhle sind ohne nachweisbare Verände¬ 
rung. 

Stuhl- und Urinentleerung ist in Ordnung. 

Der Urin ist frei von pathologischen Bestandtheilen. 

In psychischer Hinsicht bestand anhaltend ein im Vergleich 
zu der schlimmen Lage des Patienten gleichmüthiges, eher heiteres 
Wesen; besondere Reizbarkeit war nicht vorhanden. 

Rechnen ging gut; auch die allgemeinen Kenntnisse ent¬ 
sprechen dem Bildungsgrade. 

Das Gedächtniss jedoch zeigte in manchen Fragen nicht un¬ 
wesentliche Lücken, auch war sonst ein gewisser Grad mässigen 
Schwachsinns nicht zu verkennen. 

In diesem somatischen und physischen Befunde trat bei 
unserem Patienten in der Zeit von April bis October 1899 eine 
wesentliche Aenderung nicht ein. Das Körpergewicht blieb das 
gleiche. 

.Todkali, Elektricität hatten auf den Zustand keinerlei sicht¬ 
baren Einfluss. 

Klagen über Kopfschmerz oder Schwindel bestanden nicht 

Nach den heutigen Anschauungen 6 ) über die für die 
F r i e d r e i c h’sche Krankheit charakteristischen Merkmale und 
Symptome sind diese in Kürze folgende: 

Beginn der Erkrankung im Kindesalter, manchmal erst in 
der Pubertätszeit, selbst in späteren Jahren, manchmal im An¬ 
schluss an acute Krankheiten. 

Gewöhnlich werden die Kinder derselben Eltern befallen, 
nicht selten überträgt sich die Krankheit von Geschlecht zu 
Geschlecht, sie kann aber auch bei einem einzigen Mitgliede 
einer sonst gesunden Familie allein auftreten, um dann erst 
hereditär zu werden. 

Der Verlauf der Krankheit ist ein unaufhaltsamer progres¬ 
siver. 

Bestimmend für das Krankheitsbild sind die motorischen 
Störungen: die „locomotorische“ (zunächst der Unterextremi¬ 
täten, später auch der Oberextremitäten) und die „statische“ 
Ataxie. (Schwanken nicht nur beim Gehen und bei Bewegungen 
überhaupt, sondern auch bei aufrechter Haltung des ganzen Kör¬ 
pers und bei der Haltung einer einzelnen Extremität.) In einer 
Reihe von Fällen Zunahme des Schwankens bei Augenschluss. 

In manchen Fällen ßomberg’sches Zeichen. Controle der 
Bewegungen der Beine mit den Augen, vornübergeneigter Kopf, 
leichte Kyphose der Brustwirbelsäule. 

Unwillkürliche, choreaartige, zuckende Bewegungen, auch 
bei vollkommener Ruhelage des Kranken auf tretend, Wackeln des 
Kopfes, Steigerung dieser Bewegungen beim Gehen und Stehen. 
Allmähliche Abnahme der Muskelkraft, besonders an den Beinen. 

Nystagmusartige Bewegungen bei Eixirung eines vorge¬ 
haltenen Gegenstandes, besonders bei extremen Blickrichtungen 
und bei Bewegungen des flxirten Gegenstandes. 

Die Sprache wird langsam, schwerfällig, lallend, zugleich 
Ungleichmässigkeit des Sprechens. 

Hautsensibilität, wie Muskelsinn bleiben intact. In vorge¬ 
rückten Fällen kann Abstumpfung der Hautsensibilität eintreten. 

Die höheren Sinnesnerven zeigen keine Störung. Lanci- 
nirende Schmerzen sind, wenn sie überhaupt auftreten, vorüber¬ 
gehend und leichten Grades. 

Zuweilen Klagen über Schwindelgefühl. 

Die Hautreflexe zeigen keine Veränderung. Die Sehnen¬ 
phänomene schwinden frühzeitig. Pupillenreflex, wie accomo- 


*) Ofr. hierüber: Leiden und Goldscheider: Die Er¬ 
krankungen des Rückenmarks und dar Medulla oblongata, 
I». 598ff.; Schnitze Fr.: Lehrbuch der Nervenkrankheiten, 
1. Bd., p. 351 ff.: Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrank¬ 
heiten, p. 146 ff. 


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20. Februar. 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


251 


dative Verengerung der Pupille sind stets erhalten. Blasen- und 
Mastdarmthätigkeit zeigen fast nie eine Störung. 

Vasomotorische Störungen (Cyanose, Oedeme) sind selten. 

Tachykardie, Diabetes insipidus, profuse Schweisse, Sali- 
vation sind beobachtet. 

An den Füssen kann sich Spitzfuss- und Hohlfussstellung 
ausbilden. Nicht selten schon frühzeitig dauernde Dorsalflexion 
der grossen Zehe. 

Die psychischen Functionen können im späteren Verlaufe 
leiden. 

Vergleichen wir die Symptomenreihe, welche unser Kranker 
bietet, mit diesen hier kurz zusammengefassten Erscheinungen 
der F riedreic h’schen Krankheit, so sehen wir, dass sich die¬ 
selben fast Punkt für Punkt decken. 

Das Leiden hat sich auch hier in der Kindheit entwickelt, 
ja es machte sich schon im 2. Lebensjahre bei den ersten Gehver¬ 
suchen geltend. Die Gehstörungen waren auch hier das erste 
krankhafte Zeichen, welches von der Mutter und dem Patienten 
selbst beobachtet wurde. 

Wie häufig bei Leuten vom Lande, wurde der Kranke sowohl 
von seiner Umgebung, wie von sich selbst nur mangelhaft 
beobachtet und so können leider bezüglich des ersten Auftretens 
der Unsicherheit in den Händen und des Nystagmus genauere 
Zeitangaben nicht gemacht werden. 

Mit Sicherheit wird angegeben, dass seit 3 Jahren eine Ver¬ 
schlechterung des Zustandes eingetreten ist, das Schwanken nahm 
zu und wurde, auch wenn Patient sass, beobachtet, der Lehrer be¬ 
merkte seit einem Jahre eine Abnahme der geistigen Leistungs¬ 
fähigkeit. 

Es ist also auch die geforderte Progressivität des Leidens vor¬ 
handen. 

Bis jetzt ist Patient allerdings, soweit bekannt, das einzige 
Glied der Familie, welches von der Krankheit betroffen wurde. 

Trotzdem glaube ich nach dem Vorherangeführten, dass man 
mit Recht den geschiderten Fall zur Friedreic h’schen Krank¬ 
heit rechnen darf. 

In differentialdiagnostischer Beziehung ist bei möglicher 
Weise doch vorhandener Lues des Vaters in erster Reihe an here¬ 
ditäre Lues, an eine eventuelle Lues spinalis, zu denken. Es 
pflegt sieh aber die spinale Lues acut oder in Schüben zu ent¬ 
wickeln, die Erscheinungen zeigen Neigung zu Remissionen, es 
kommt zu Paraparese, auch zu völligen Paraplegien der Beine, 
spastisch paretischem Gang, Sensibilitätsstörungon, Schmerzen 
und sehr häufig ist die spinale Lues mit der cerebralen ver¬ 
bunden ; in dem Krankheitsbilde treten dann noch Störungen von 
Seiten des N. opticus, der Augenmuskeln auf, sonstige Hirn¬ 
nervenlähmungen, sowie apoplectiforme Insulte. 

Oppenheim 1 ) sah auf dem Boden hereditärer Lues 
Krankheitsbilder sich entwickeln, welche der Friedreic h’¬ 
schen Krankheit nahe verwandt waren. Bei dem Mangel von 
deutlicheren Erscheinungen von hereditärer Lues bei unserem 
Patienten — es Hessen sich nur die vergrösserten Inguinal- und 
Axillardrüsen in diesem Sinne denken — erscheint mir auch 
eine eventuelle Annahme, dass es sich hier um einen solchen Fall 
handelte, unwahrscheinlich. 

Ferner haben wir differentialdiagnostisch zu berücksichtigen: 
die multiple Sklerose, Tabes, Tumor cerebelli, Chorea chronica 
progressiva und Heredo-ataxie cer6belleuse. 

Gegen erstere spricht das Fehlen spastischer Paresen, ge¬ 
steigerter Sehnenreflexe, das Fehlen von Seh- und Blasen¬ 
störungen. 

Eine Tabes in jugendlichem Alter ist einwandsfrei noch nicht 
bewiesen. Die lancinirenden Schmerzen, Paraesthesien, An - 
aesthesien, Störungen von Seiten der Augen, der Blase, des Mast¬ 
darms etc. bestehen nicht. 

Bei einem Tumor cerebelli müssten wir Stauungspapille, 
Kopfschmerz und Schwindel in ausgesprochenem Maasse an¬ 
treffen; der chronischen progressiven Chorea fehlt der schwan¬ 
kende Gang, der Nystagmus und der Mangel der Sehnenreflexe. 

Die Heredo-ataxie ceröbelleuse (P. Marie und L o n d e), 
welche sonst der Friedreic h’schen Krankheit ähnlich ist, 
soll sich durch Erhaltensein der Patellarsehnenreflexe aus¬ 
zeichnen, sie soll erst zwischen 20. und 30. Lebensjahr auftreten 
und häufig sollen Opticusatrophie, Augenmuskellähmungen und 
Herabsetzung der Pupillenreaction sich einstellen. 

*) Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrankheiten, p. 148. 


Was die Aetiologie in unserem Falle anlangt, so wäre höch¬ 
stens die Phthise des Vaters in Betracht zu ziehen, indem Patient 
von Hause aus ein schwächliches Kind war und nie einen recht 
gesunden Eindruck machte. Möglicher Weise ist in dieser von 
Hause aus bestehenden schwächHchen Veranlagung auch eine 
Disposition zu Erkrankungen des Centralnervensystems gegeben 
gewesen. Lues des Vaters müssen wir, da sie mit Sicherheit 
nicht feststeht, hier unberücksichtigt lassen. 

Meinem hochverehrten Chef, Herrn Professor Dr. S i e m er¬ 
lin g, spreche ich für die gütige Erlaubniss zur Veröffentlichung 
dieses Falles meinen ergebensten Dank aus. 


Aus der chirurg. Abtheilung der Ev. Diaconissenanstalt Stuttgart. 

Ueber die Nachbehandlung schwerer Unterleibs¬ 
operationen.*) 

Von Dr. Steinthal. 

Der Satz, dass mit dem Schluss der Bauchhöhle das Schick¬ 
sal unserer Laparotomirten meistens entschieden sei, darf nur 
dann Geltung beanspruchen, wenn man dabei an die MögUchkeit 
einer während der Operation stattgefundenen Infection denkt. 
Den anderen Gefahren jedoch, welche unseren Operirten drohen, 
ist man nicht so machtlos entgegen gestellt, und wird man öfters 
in der Lage sein, ihnen durch eine methodische Nachbehandlung 
erfolgreich zu begegnen. Diese Gefahren beruhen der Mehrzahl 
nach auf einer mangelhaften Thätigkeit des Herzens, sei es dass 
schwere Blutverluste vor oder während der Operation eine Leere 
des Gefässsystems erzeugten, bei welcher das Herz seine Arbeit 
nur mühselig leisten kann, sei es dass der ganze Körper unter 
einer schweren Ernährungsstörung leidet, wie bei jenen Kranken, 
denen wir die Gastroenterostomie machen sollen. 

Es ist fast immer die Scheu der Kranken vor der Operation, 
dass sie sich zu dem Eingriff erst dann entschliessen, wenn der 
stetig sich verschlechternde Kräftezustand gar keinen anderen 
Ausweg zur Genesung möglich erscheinen lässt. Nun soll man 
noch an diesen heruntergekommenen Kranken operiren! Der 
rascheste Eingriff bedeutet für ihren Kräftezustand einen ziem¬ 
lichen Stoss, den man nach Schaffung des neuen Weges durch 
reichliche Nahrungszufuhr nicht einmal gleich paralysiren darf, 
weil wir fast immer in Narkose operiren und selbst wenn wir mit 
localer Anaesthesie vorgelien sollten, eine stärkere Inanspruch¬ 
nahme des Magens für die ersten Tage gefährlich ist. Die Ver¬ 
klebungsbrücke um den Murphyknopf, den wir nebenbei gesagt 
an unserer Anstalt als einziges Verbindungsmittel zwischen 
Magen und Darm anwenden, ist zunächst ein schwaches Seil, das 
durch Brechbewegungen oder stärkere Peristaltik leicht reissen 
mag. Ich brauche diesbezüglich nur an die jüngsten Experimente 
von Chlumsky aus der Breslauer chirurgischen Klinik zu 
erinnern, denen zu Folge alle Anastomosen zwischen dem 3. und 
5. Tag sehr brüchig sind und man wird den Chirurgen Recht 
geben, welche ihren Magenoperirten statt Beefsteak und Sauer¬ 
kraut möglichst wenig per os verabreichen wollen. Was man 
solchen Operirten darreichen kann, bedeutet nur einen Tropfen 
auf einen heissen Stein. So paradox es klingt, die Kranken sind 
durch die Operation zunächst noch schlechter daran, weil, wenn 
sie schon vorher gehungert haben, sie jetzt erst recht hungern 
müssen. Aber sie hungern nicht bloss, sie dürsten gewaltig — 
und Durst ist bekanntlich gefährlicher als Hunger. Der starke 
Eiweisszerfall des Hungernden gibt zwar Wasser frei, aber dieses 
kommt nicht dem wasserarmen Körper zu gut, sondern wird 
unter dem Zeichen der gesteigerten tägHchen Harnmenge aus¬ 
geschieden. 

Für solche Operirte ist also in erster Linie 
reichliche Flüssigkeitszufuhr geboten. Wir 
reichen ihnen dieselbe in Gestalt der täglich 2 mal ausgeführten 
intravenösen Kochsalzinfusion. Entweder schon vor der Opera¬ 
tion, jedenfalls aber unmittelbar nach der Operation wird eine 
Vene am Vorderarm (meistens die Vena mediana in der Ellbogen¬ 
beuge) auf gesucht. Nach Anlegung einer peripheren Seiden¬ 
ligatur wird die Vene eröffnet und mit Hilfe einer zweiten Liga¬ 
tur die Infusionscanüle eingebunden, dann lässt man 1—l 1 /, Liter 
der physiologischen Kochsalzlösung einlaufen. Wenn man nun 
die Canüle wieder aus der Vene herauszieht, so wird die centrale 
Ligatur nicht geknotet, sondern nur in Schleifenform geschlossen 


*) Vortrag in der chirurgischen Section der 71. Naturforscher¬ 
versammlung zu München. 


2 * 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 8. 


und ein leichter Druckverband angelegt. Sowie man wieder 
Flüssigkeit zuführen will, braucht man nur die Schleife zu losen 
und die Infusionscanüle wieder einzuführen. Diese Infusionen 
von 1—l 1 /, Liter werden, wie gesagt, 2 mal täglich in den ersten 
4—6 Tagen nach der Operation ausgeführt. Die Operirten 
kommen mit ihrer Hilfe über die Nach wehen des Eingriffes sehr 
rasch weg, der quälende Durst ist äusserst gering und was vor 
Allem in die Wagschale fällt, wir haben seit Anwendung dieser 
methodischen Infusionen nie mehr Störungen von Seiten des 
Herzens erlebt. 

Nun wird man vielleicht einwenden, wenn schon Infusionen 
gemacht werden, warum nicht die technisch einfacheren sub- 
cutanen oder Rectalinfusionen? Darauf möchte ich erwidern, 
dass die Einführung der Canüle für die. intravenöse Infusion 
nur dann Schwierigkeit bereitet, wenn die Vene sehr dünn ist; 
dann nimmt man eine entsprechend dünnere Canüle und die In¬ 
fusion dauert etwas länger. Im Uebrigen ist die Technik höchst 
einfach und es gibt für die folgenden Infusionen nichts Be¬ 
quemeres als das Lösen der Schleife und die Wiedereinführung 
der Canüle. Es kann allerdings am 3. oder 4. Tag Vorkommen, 
dass die blossgelegte Vene etwas geschrumpft ist und entweder 
schon dem Einführen der Canüle oder, wenn dies noch gelingt, 
dem rinnenden Wasser einen Widerstand entgegensetzt, so dass 
man gezwungen ist eine neue Vene aufzusuchen oder zu sub- 
utanen resp. Rectalinfusionen überzugehen. 

Diese Wege sind für die ersten Tage ausgeschlossen, weil 
wir die Haut und das Rectum anderweitig benöthigen. 

Es wird nämlich unter die Haut, gleichfalls in den ersten 
3—5 Tagen, nach dem Vorgänge Leube’s sterilisirtes 
Oel eingeführt. Mittels einer nicht zu dicken Hohlnadel gibt 
man Morgens und Abends je 40 g, also im Ganzen 80 g, was etwa 
744 Calorien entspricht, die der hungernde Organismus nicht von 
den Bestandteilen seines Leibes nehmen muss. Wenn nun auch 
ein hungernder Mensch das 2 1 /,—3 fache an Fett in 24 Stunden 
verbraucht, so ist mit diesen 80 g Fett immerhin ein ansehnlicher 
Gewinn erzielt. Die Oeleinspritzungen sind allerdings nicht 
schmerzlos und die Kranken nehmen sie nur an unter Hinweis 
des davon erwarteten Nutzens. 

Endlich werden öfters kleine Nährklystiere in das 
Rectum gegeben, so dass wir mit Hilfe der intra¬ 
venösen Infusion, der subcutanen Oelein¬ 
spritzungen und der Nährklystiere unmittel¬ 
bar nach der Operation, ohne mit dem Magen in 
Conflict zu kommen, mit einer kräftigen Er¬ 
nährung des Organismus einsetzen können. 

Ich darf vielleicht als Paradigma die Tagesarbeit an einem 
41 jährigen Kranken schildern, welcher wegen gutartiger Pylorus¬ 
stenose gastroenterostomirt wurde und der bei seiner Aufnahme 
nicht mehr wie 90 Pfund wog, also in sehr reducirtem Zu¬ 
stand war. 

2. Tag nach der Operation. 

8 Uhr Morgens: 1 Nährklystier mit V, Liter Milch und 30 g 
Pepton. 

8 1 /, Uhr: Venöse Infusion von 1 Liter physiologischer Koch¬ 
salzlösung, subcutan 40 g sterilisirtes Olivenöl. 

11 Uhr, 2 Uhr, 5 Uhr: Je 1 Nährklystier mit */ 8 Liter Milch 
und 30 g Pepton. 

5V, Uhr: Venöse Infusion, subcutan Olivenöl. 

8 Uhr Abends: 1 Glycerinklystier zur Entleerung des Mast¬ 
darms. 

10 Uhr: 1 Nährklystier mit Liter Milch und 30 g Mehl. 

Per os wurden im Ganzen nur 30 g kalter Thee erlaubt, im 
Uebrigen der Mund Öfters mit Citronenwasser ausgespült. 

Am 3. Tag war die Therapie eine ähnliche, vom 4. Tag an 
wurde schon etwas mehr Flüssigkeit von oben erlaubt unter Weg¬ 
lassung der Oeleinspritzung, am 5. Tag wurden die Infusionen, 
am 6. Tag auch die Nährklystiere ausgesetzt. 

Der Kranke hat dann eine ausgezeichnete Reconvalescenz 
durchgemacht, was wir von allen unseren Gastroenterostomirten 
sagen können, die in dieser Weise nachbehandelt wurden und 
wo nicht eine andere Complication den letalen Ausgang bedingte. 
Bei den Nährklystieren muss man übrigens individualisiren, 
wird durch das Pepton das Rectum gereizt, so muss vorwiegend 
Amylum gereicht werden, bei stärkerer Darmperistaltik setzt man 
dem Klystier 10 Tropfen Opiumtinctur zu. 


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Zu den schweren Unterleibsoperationen in dem Sinne, dass 
wir es mit sehr geschwächten Kranken zu thun haben, gehören 
ferner die Fälle mit acuten oder chronischen Blutverlusten. Für 
die acuten Anaemien gilt mit Recht die Kochsalzinfusion als 
ein wohlerprobtes Mittel unserer allgemeinen chirurgischen 
Therapie. Auch wir waren so glücklich, 3 Fälle von geplatzter 
Tubengravidität, die unter den schwersten Zeichen der inneren 
Blutung zur Aufnahme kamen und wo die Operation den ganzen 
Bauch voll Blut erwies, wohl nur mit Hilfe der Kochsalzinfusion 
zu retten. Ihr verdanken wir wohl auch einige günstige Erfolge 
bei ausgebluteten Frauen in Folge von Krebs oder Myom der Gebär¬ 
muter, also bei chronischen Anaemien. Man weiss, wie gefähr¬ 
lich bei solchen Kranken ein operativer Eingriff werden kann. 
Das scheinen mir jene Fälle zu sein, welche nach der Anschau¬ 
ung von Fritsch schliesslich septisch werden, weil sie in 
grosser Schwäche darniederliegen und dadurch die allgemeine 
und locale Widerstandskraft herabgesetzt ist. Für diese Fälle 
werden alle möglichen Excitantien empfohlen. Sie mögen auch 
für kurze Zeit das ermattete Herz wieder antreiben, aber bei dem 
leeren Gefässsystem bleibt die Circulation eine mangelhafte 
und wie die übrigen Gewebe und Organe leidet das Herz selbst 
darunter. So ist das beste Excitans für das Herz die Füllung des 
leeren Gefässsystems, welche unmittelbar nach der Operation, 
bevor bedrohliche Erscheinungen einsetzen, zu geschehen hat. 
Jede derartig ausgeblutete Kranke erhält bei uns noch auf dem 
Operationstisch ihre prophylaktische Kochsalzinfusion, die 
wiederholt wird, sobald die Herzthätigkeit ira Geringsten nach¬ 
lässt. Dem Operationsschock ist damit am besten begegnet. 

Seit dem 1. Januar 1898, wo wir angefangen haben, in dieser 
Weise die Nachbehandlung zu leiten, bis Ende Juli d. J., also in 
lVjJahren, sind 130 peritoneale Operationen mit Ausschluss der 
Hernien ausgeführt worden. Davon entfallen 54 peritoneale Ope¬ 
rationen (43 Laparotomien und 11 vaginale Uterusexstirpationen) 
auf das abgelaufene halbe Jahr. Unter den 43 Laparotomien 
waren 7 Gastroenterostomien (ein 8. derartiger Fall ist in den 
letzten Tagen dazugekommen), von denen nur 2 gestorben sind, 
der eine Fall, ein 53 jähriger, sehr decrepider Mann mit Arterio¬ 
sklerose 9 Tage nach der Operation an doppelseitiger Pneumonie, 
der andere Fall an perforirenden Ulcera des Jejunum. Des 
Weiteren wurden mit methodischer Infusion behandelt: 1 Fall 
von vaginaler Uterusexstirpation, 2 Fälle von abdominaler 
Uterusexstirpation, 1 Fall von langdauemder, auch chemisch 
schwieriger Cysticotomie zur Entfernung eingeklemmter Gallen¬ 
steine, Fälle, die sämmtlich unter dem Zeichen der Herzschwäche 
standen, theils in Folge vorausgegangener schwerer Blutungen, 
theils in Folge einer langdauernden Narkose. 

Wir haben bei jedem weiteren Fall einen günstigeren Ein¬ 
druck von der eben geschilderten Nachbehandlung bekommen 
und namentlich für die Nachbehandlung von Magenoperirten 
möchte ich die regelmässig wiederholte intravenöse Infusion in 
Verbindung mit subcutanen Oeleinspritzungen und Nähr- 
klyBtieren auf’s Wärmste empfehlen. 


Aus der inneren Abtheilung des Marienhospitals in Stuttgart. 

Angina mit Endocarditis. 

Von Dr. Boeger. 

Seit einer Reihe von Jahren werden im Marienhospital Fälle 
von Angina beobachtet, bei welchen im Verlauf der Erkrankung 
ein Geräusch am Herzen wahrzunehmen ist. Einer freundlichen 
Anregung meines verehrten Chefs, Herrn Obermedicinalrath 
Dr. R e m b o 1 d, folgend und veranlasst durch einige Veröffent¬ 
lichungen in dieser Zeitschrift (cf. Münch, med. Wochenschr. 
No. 10 u. 27), habe ich die seit dem Jahre 1896 bei uns beob¬ 
achteten hierher gehörigen Fälle zusammengestellt. Aus der 
Literatur, soweit sie mir zugänglich war, vermochte ich keinen 
weiteren Fall beizufügen. 

Die beobachteten 120 Fälle vertheilten sich unter die ver¬ 
schiedenen bekannten Formen der Angina, ohne dass sich bei den 
mit einem Herzgeräusch complicirten ein Vorwiegen der einen 
oder anderen Form constatiren liess. (Ausgeschlossen sind sämmt- 
liche mit einem Exanthem verbundene oder auf Diphtherie ver¬ 
dächtige Fälle.) 

Der einzige bemerkenswerthe Befund an den Tonsillen dürfte 
vielleicht das Auftreten herpesartiger Efflores- 
cenzen auf der Schleimhaut der Mandeln und der bensch¬ 


en rigi na I fro-m 

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*20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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harten Partien der Wangen und Gauinenbogen sein. Es zeigten | 
sieh gleich zu Beginn der Erkrankung Bläschen von der Grösse 
< ines kleinen Stecknadelkopfs, graugelblich, durchscheinend, 
mit gelblichem klaren Inhalt gefüllt, welche einzeln oder in 
(! ruppcn angeordnet, am 2.—3. Tage platzten und einen seichten 
Srhleimhautdefect hinterliessen, der entweder mit einer kleinen 
Kruste bedeckt war, meist jedoch gerötheten Grund zeigte. Diese 
K fllorescenzen wurden in 13 von 24 mit Herzgeräuschen compli- 
cirten Fällen beobachtet, wobei in 5 Fällen gleichzeitig ein Herpes 
facialis resp. labialis vorhanden war. (Das häufige Auftreten von 
Herpes labialis erwähnt u. A. auch W. Kiesselbach in 
Benzoldt u. Stintzing, Handb. d. spec. Ther., III. Bd., Abth. IV, 
p. 145). 

Was nun das Auftreten eines Geräusches am Herzen betrifft, 
so lassen sich Fälle unterscheiden, welche bei der Untersuchung 
sofort nach der Aufnahme noch reine Herztöne hatten und 
solche, welche schon mit mehr oder minder ausgesprochenem 
Ilorzgeräusch in*s Spital kamen. Von ersterer Gruppe — welche 
ursprünglich reine Herztöne hatten — sind 10 Fälle notirt, 
davon zeigten 4 Fälle am 2. Tage, 4 am 3. und 2 am 4. Tage nach 
der Aufnahme ein deutliches Geräusch am Herzen. Anamnestisch 
(xler durch directe Beobachtung wurde ermittelt, dass das Herz¬ 
geräusch 1—5 Tage, durchschnittlich am 3. Tage, nach Auftreten 
der ersten Symptome von Angina gehört wurde. In 9 Fällen der 
zweiten Gruppe — welche schon bei der Aufnahme unreine Herz¬ 
töne darboten — wurde ein Deutlicherwerden des Geräusches be¬ 
obachtet. 

Von den 10 Fällen der ersten Gruppe war bei 5 das Geräusch 
hei der Entlassung verschwunden, während bei den 5 anderen ein 
Porsistiren des Geräusches auch nach vollständigem Ablauf der 
übrigen Symptome constatirt wurde. (Das Geräusch dauerte in 
den Fällen, wo es wieder verschwand, 7—30 Tage, durchschnitt¬ 
lich 17 Tage lang. Die ganze Erkrankung resp. der Spitalsauf¬ 
onthalt nahm 7—65 Tage, durchschnittlich 24 Tage in Anspruch.) 

Rechnet man noch 14 weitere Fälle, bei welchen nur aus der 
Anamnese das Auftreten von Herzklopfen zu Anfang der Er¬ 
krankung erhoben wurde und sich schon ein ausgesprochenes Ge¬ 
räusch fand, so stellt sich die Zahl der Fälle, bei welchen das 
Geräusch wieder verschwand, auf 14, ein persistirendes Geräusch 
zeigten 10. 

Am deutlichsten war das Geräusch in der Mehrzahl der Fälle 
als systolisches an der Herzspitze zu hören, in einigen Fällen am 
1. Sternalrand im IV. Intercostalraum. 

Die Erkrankten waren durchweg Personen im jugendlichen 
Alter (16—30 Jahre), meist weiblichen Geschlechts, die wenigen 
männlichen Patienten (6) im Alter von 16—20 Jahren waren 
blutarme, gracil gebaute Individuen. 

Bei 120 Fällen von Angina wurde in 24, also in 20 Proc. ein 
Geräusch am Herzen beobachtet. 

Gerhardt fand in 21 Proc. der Fälle bei Angina Gelenk¬ 
rheumatismus. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass Fälle 
von Angina mit Gelenkrheumatismus und -Schwellungen, welche 
auch bei uns mehrfach beobachtet wurden, hier nicht mitgerechnet 
sind. 

Der nicht geringe Procentsatz (8 Proc.) der Fälle, bei welchen 
im Verlauf der Angina ein fortdauerndes Herzgeräusch, also ein 
„Herzfehler“ acquirirt wurde, spricht dafür, dass wir es hier mit 
einer echten Entzündung des Endocards resp. des Klappen¬ 
apparates zu thun haben. 

Dass diese Endocarditis auch unter Umständen bedenkliche 
Erscheinungen im Gefolge haben kann, dafür möge als Beispiel 
folgende Krankengeschichte dienen: 

J. Sch.. Dienstmädchen, 20 Jahre alt, wurde am 20. III. 99 
wegen Pedes plan! aufgenommen. Am 23. III. klagt Pat. über 
Schwindel und starke Halsschmerzen. Obj.: Röthung und miissige 
Schwellung der Tonsillen, herpesartige Effloreseeuzeu beiderseits. 
An der Herzspitze lautes systolisches Geräusch. Nach 4 Tagen 
ist das Geräusch wieder schwächer. Angina heilt ohne weiteren 
Zwischenfall. Bei der Entlassung am 1. IV. ist das Herzgeräusch 
noch leise zu hören. Am 8. V. kommt Pat. wieder mit Klagen 
ül^er Herzklopfen, Schmerzen und Schwellung der Beine. Obj.: 
Frequente Herzaction, lautes systolisches Geräusch an der Hera- 
spitze. Oedeinatöse Schwellung und Röthung des rechten Unter¬ 
schenkels. An der Innenseite ist von der Kniekehle bis zur Mitte 
<lcs Unterschenkels eine strangförmige Verhärtung zu fühlen, 
welche an Ihrem oberen Ende eine ca. wallnussgrosse, fluctuirendo 
Anschwellung zeigt. Am 0. VI., nachdem sämmtliclie locale Ent- 
ziindnngserscheinungen zurtiekgegangen — Pat. hatte bisher 
immer leichtes Fieber und In den letzten zwei Tagen abendliche 

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Temperaturen von 38—38,5 gehabt — wurde durch Probepunetion 
dunkelfarbiges Blut, mit etwas Eiter entleert. Am folgenden Tage 
wird der fluctuirende Tumor incidirt und ca. 1 Esslöffel voll dunkel¬ 
farbiger Cruor, welcher im Centrum gelbliche Massen zeigt, ent¬ 
fernt (central erweichter Thrombus). Von da ab verschwindet das 
Fieber und die weitere Heilung erfolgt ohne Zwischenfall. Bei der 
Entlassung des Pat. aiu 22. IV. persistirt noch ein leises systo¬ 
lisches Geräusch an der Herzspitze. 

Die Behandlung der complicirenden Endocarditis bestand 
in Auflegen von Eisbeutel auf die Herzgegend bei strenger Bett¬ 
ruhe und Vermeidung aufregender Getränke. 

Für die gütige ITeberlnssung des Materials spreche ich 
Herrn Oberinedieinalrath Dr. Re mb old meinen verbind¬ 
lichsten Dank aus. 


Zur Behandlung der Augeneiterung der Neugeborenen. 

Von I)r. A. LamKofer, Augenarzt in Leipzig. 

Wenn ein durch die Autorität A. v. G r ä f e’s und seiner 
Schüler sanctionirtes, Jahrzehnte lang empfohlenes und ge¬ 
brauchtes Mittel wie das Argentum nitricum gegen die Augen¬ 
eiterung Neugeborener plötzlich aufgegeben und sogar als schäd¬ 
lich hingestellt, ein anderes, besser wirkendes Mittel aber nicht 
zugleich an seine Stelle gesetzt wird, so darf nicht erwartet 
werden, dass diese neue Ansicht schnell Verbreitung und Aner¬ 
kennung finde. 

Dr. v. Ammo n hat (cf. Münchener med. Wochenschrift 
XXXXVIL, 1., p. 12, 2. Januar 1900) eine grössere Zahl von 
Neugeborenen mit Augeneiterung in der Münchener Universitäts- 
Augenklinik ohne Argent. nitr., überhaupt ohne Arzneimittel, 
einfach mit Ausspülung des Bindehautsackes und mit Eisum¬ 
schlägen behandelt, und bei 48 Kindern, die mit unversehrter 
Hornhaut in seine Behandlung kamen, glatte Heilung erzielt. 

Meine etwas längere Erfahrung stimmt mit der von v. A. 
vollkommen überein. 

Ich habe die letzten 2 Jahre als Assistent an der Universitäts- 
Augenklinik zu Leipzig (1881 und 1882) und vom Jahre 1884 an 
in selbständiger Praxis niemals bei der Augeneiterung Höllen¬ 
stein angewendet. Die Zahl der von mir und meinem lieben 
Freund und Collegen Herrn Dr. Le beit seitdem ohne Argent. 
nitr. behandelten Kinder beträgt mehrere Hunderte. Niemals 
trat Hornhauteiterung auf. Die Krankheit verlief rascher (ca. 

2 Wochen), als ich es früher zu sehen gewohnt war. Die papillären 
Wucherungen der Bindehaut im dritten Stadium, derentwegen 
die Kinder oft wochenlang in die Poliklinik gebracht wurden, 
blieben aus. 

Mein Grundsatz bei der Behandlung der Augeneiterung ist: 
Möglichst sorgfältige PHege und Ernährung des Kindes bei 
strenger ärztlicher Ueberwachung, möglichste Abhaltung aller 
Schädlichkeiten vom erkrankten Auge, möglichst milde Reini¬ 
gung der Augen mit lauwarmer Flüssigkeit. Die Ausspülung 
des Bindehautsackes lasse ich aPe 1—2 Stunden, je nach der Eiter- 
absonderung, machen mittels einer Undine (das Glaskölbchen 
kostet 30 Pfg.); wo ich der Reinlichkeit nicht traue oder wo 
durchaus eine Arznei verschrieben werden muss, verordne ich ganz 
schwache Bor- oder Alaunlösungen statt des gewöhnlichen ab- 
gckochten Wassers. Jedes Kind erhält wenigstens für die erste 
Woche eine eigene Wärterin oder Pflegeperson. 

Darin weiehe ich von der Behandlung von v. A. ab, dass ich 
schon lange keine Eisumschläge mehr machen lasse. Ueber ihren 
tonisirenden und schmerzstillenden Werth liesse sich streiten. Für 
das Allgemeinbefinden des Kindes und auch der Wöchnerin, 
wenn diese sie machen muss, sind sie nicht immer gleichgiltig. 
Jedenfalls steht fest, dass unausgesetzte, gleichmässige Kühlung 
mit Eis selbst in einer Klinik nicht ganz leicht durchzuführen 
ist. In der Privatpraxis, gar bei ärmeren Leuten, auf dem Lande, 
im Sommer ist die Eisbehandlung meist unmöglich. Was aber 
nur in der Klinik, ausserhalb von ihr nur bei Wenigen, was sich 
nicht überall und jederzeit anwenden lässt, verliert bei der Be¬ 
handlung einer so verbreiteten Krankheit an Werth. Darum habe 
ich auch vom Anfänge an darauf hingewiesen, dass die strengen 
Vorschriften über Aetzung mit Argent. nitr., wie sie A. v. Gräfe 
in seiner classischen Abhandlung im ersten Bande des Arch. f. 
Ophthalm. gegeben hat, stricte sic dicta ausserhalb der Klinik von 
einem einzelnen Arzte fast nie durchzuführen sind. 

War die Krankheit bisher so gefährlich, so traurig in ihrem 
Ausgange, so war sie dies, weil in Stadt und Land durch die un¬ 
sinnigsten Mittel die Augen geschädigt, weil durch Finger, Nägel, 

Original frcrS 

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MÜNCHENER MEÜICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


Stifte, Pinsel, Lidhalter, Spritzen u. s. w. das Hornhautepithel 
verletzt und so den Bactericn das Eindringen erleichtert, und 
weil im Vertrauen auf die locale Behandlung die Ueberwachung 
der Pflege und Ernährung des Kindes nicht genug berücksichtigt 
wurde. Was unabsichtlich, was aus Unverstand, was auf den 
Rath der „weisen Frau“, der „erfahrenen“ Grossmutter, der hilfs¬ 
bereiten Tanten solch’ kleinem Kinde alles zugefügt wird, dar¬ 
über muss man immer von Neuem erstaunen und sich ärgern. 
Darum stelle ich auch jetzt trotz meiner so überaus glücklichen 
Erfolge in jedem neuen Falle den Angehörigen die Prognose als 
ernst vor, spreche die Hoffnung, die Wahrscheinlichkeit, nicht 
aber die Gewissheit einer vollständigen Heilung aus. 

Zu dem klinischen Bilde der durch den Gonococcus bewirkten 
Augeneiterung gehört nicht jene Form der Augenentzündung, 
wo bei meist geringer Eiterung die Hornhaut sich rasch trübt, 
infiltrirt, wo sie erweicht, einschmilzt und die Linse austritt. 
Dieses Leiden (Keratomalacia) trifft fast ausschliesslich zu früh 
geborene, schlecht und künstlich ernährte, an Brechdurchfall 
leidende Kinder mit richtiger Facies Hippokratica. Hier hilft 
weder Argent. nitr., noch ein anderes Mittel. Zum Glück sterben 
fast alle diese Kinder. Auch v. A. erwähnt 2 solche Kinder unter 
seinen Kranken. 

Von Erwachsenen habe ich selbst bisher nur 17 an Blennor¬ 
rhoe behandelt. Alle litten gleichzeitig an Tripper. Die Behand¬ 
lung war die gleiche, wie die der Neugeborenen, in früheren 
Jahren mit, später ohne Eis. Alle Augen heilten ohne Erkran¬ 
kung der Hornhaut, auch wieder auffallend rasch und ohne 
Bindehautwucherung. 

Noch ein Wort über die Prophylaxis nach Crede. Ich stehe 
zur Zeit noch auf dem Standpunkt, dass unmittelbar nach der Ge¬ 
burt bei Neugeborenen, und unmittelbar nach der Ansteckung bei 
Erwachsenen (hier mit gleichzeitiger gründlicher Ausspülung) 
ein Tropfen einer 2proc. Lösung von Argent. nitr. einmal, aber 
nur einmal, ja nicht wiederholt eingeträufelt werden soll. 

Anmerkung. Ausführlichere Beschreibung der Behand¬ 
lung Neugeborener, die an Augeneiterung leiden, ist zu finden: 
in einem Vortrag, gehalten in der Medic. Gesellschaft in Leipzig 
1888, in Schmidt’s Jahrbücher, Bd. CCXXI. p. 201, 1889 lind 
Bd. CCXLII, p. 172, 1894. Siehe ferner: Behandlung der gonor¬ 
rhoischen Erkrankungen des Auges von Prof. Eversbuscli im 
Handbuch der speciellen Therapie innerer Krankheiten, VI. Bd. 
und im Centralblatt f. Kinderheilkunde, 1897, Heft 1. 

Casuistischer Beitrag zur Symptomatologie der 
Pankreatitis acuta. 

Von Dr. Hans Doerfler in Weissenburg a. S. 

Die Pathologie des Pankreas hat in dem letzten Jahrzehnt 
besonderes Interesse hervorgerufen. Trotzdem in dieses bis vor 
Kurzem noch dunkle Gebiet sowohl von Seiten der pathologi¬ 
schen Anatomen, als auch von der der Chirurgen und Inter¬ 
nisten einigermassefl Licht gebracht worden ist, erscheint jeder 
kleine Beitrag zur Frage der Pankreaserkrankungen wünschens- 
werth. Ein Symptom, das ich in letzter Zeit bei einem Fall 
von acuter eitriger Pankreatitis zu beobachten Gelegenheit hatte 
und mir als Zeichen von Pankreas erkrankung noch nicht 
geläufig war, lässt es mir gerechtfertigt erscheinen, den Fall 
kurz mitzutheilen. 

M. St., Werkmeistersfrau, 50 Jahre alt, sehr corpulent, in 
kinderloser Ehe seit 15 Jahren verheirathet, bisher stets gesund, 
abgesehen von Menstruationsbeschwerden, die bei einer vor Jahren 
vorgenommenen Untersuchung per vaginam auf eine Retroflexio 
uteri fixata (Tumor im Douglas) zurückgeführt worden waren. 

Am 30. Juli war Patientin noch vollständig gesund, und soll 
Abends auf einem Bierkeller einige Bratwürste und Bier in mässi- 
ger Menge genossen haben. Am nächsten Morgen Erwachen unter 
den heftigsten Kreuzschmerzen, die ln beide 
Beine bis in die Unterschenkel ausstr ab 1 e n 
und jede Bewegung und jedes Auf richten im 
Bett fast zur Unmöglichkeit machen. Keinerlei 
Erscheinungen von Seiten des Magens. In meiner Abwesenheit 
diagnosticirt mein Assistent doppelseitige Ischias. Auch in den 
beiden nächsten Tagen hielt er an der Diagnose fest, obwohl jede 
Therapie gegen die geradezu unerträglichen Kreuzschmerzen er¬ 
folglos geblieben war. Am 3. August sah ich die Patientin zum 
erstenmal. Sie klagt über unerträgliche Schmerzen 
im Kreuz — kann nur mit Hilfe mehrerer Personen im Bett 
aufgesetzt werden —, Engigkeit beim Athmen, sowie etwas Druck 
in der Magengegend. Appetitlosigkeit und Stuhlverstopfung seit 
einigen Tagen. Die Temperatur hatte am Abend vorher 38,8 im 
Rectum betragen, jetzt am 3. Morgens war 38,0 gemessen worden. 
Es fiel mir sofort eine starke Blässe des Gesichtes mit leichtem 
Anflug von Cyanose sowie deutlich beschleunigte Athmung auf. 

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„ Ebenso bestand Pulsbeschleunigung zwischen 96 und 100. Eine 
genaueste Untersuchung ergab ausser der deutlichen Unbeweglich¬ 
keit der Patientin in den unteren Brustwirbel- und oberen Lenden¬ 
wirbelgelenken und dem mir schon bekannten Tumor im Douglas 
nichts Besonderes. Insbesondere war auch bei tiefem Eindrücken 
des Abdomens keinerlei Druckemptindliehkeit nachzuweisen. Es 
war au diesem Morgen einmal Erbrechen erfolgt, seit 3 Tagen be¬ 
stand Obstipation; Flatus sollen ebenfalls seit der Zeit sistirt 
haben. Patientin macht ganz den Eindruck, als ob sie eine innen* 
Blutung erlitten hätte, doch fehlte, wie gesagt, bei der Untersuch¬ 
ung jeder Anhaltspunkt hiefür. 

Ordination: Wassereingiessung in’s Rectum, 01. Rleini uud 
Morphium subcutan. Darauf rasches Nachlassen der heftigen 
Kreuzschmerzen. Eingiessungen und Ricinus blieben Wirkung« 
los. Langsame, aber stete Zunahme der Athemnoth und Puls¬ 
beschleunigung, sowie Verfall des Gesichtsausdruckes. Abends 
Temperatur 38,5. Urin wird reichlich gelassen, zeigt massigen 
Eiweissgehalt, nimmt beim Stehen rasch üblen Geruch an uud 
ist stark zuckerhaltig. Sensorium ganz intact. 

Am 4. August Puls 120, noch kräftig, Respiration stark be¬ 
schleunigt ohne subjectiven Lufthunger, Unbeweglichkeit der 
Wirbelsäule. Patientin liegt ganz steif im Bett. Noch 2 mal Er¬ 
brechen im Laufe des Tages, keine Erscheinungen von Seite des 
Peritoneums. 

Am 5. Abends wird der Puls klein, unzählbar, Extremitäten 
kühl; kalter Schweiss tritt auf; riesige Athemnoth. In kurz 
dauerndem Coma erfolgt unter den Zeichen der Herzschwäche 
der Exitus letalis. 

Es wurde von mir die Diagnose mit Rücksicht auf den 
rapiden Verlauf und den Zuckergehalt des Urins auf Pankreas 
erkrankung gestellt, da Anhaltspunkte für jede andere Erklärung 
des rasch tödtlichen Verlaufes vollständig mangelten. 

Section ergab: Vollständig normale weibliche Leiche uii! 
mächtigem Paniculus adiposus; nach Eröffnung der Bauchhöhle 
zeigt sich das Peritoneum allenthalben normal, überall blass und 
glänzend. Im kleinen Becken etwa ein halber Esslöffel liaemor 
rhagischer Flüssigkeit. 

Es fällt auf, dass das Kolon ascendens und Quer 
kolon stark gebläht, das Kolon descendens da¬ 
gegen stark contrahirt und leer sich p rasen 
tiren. Das geblähte Kolon transversum geht ganz unvermittelt 
in das fest contrahirte Kolon descendens über, genau so, wie man 
es bei Abschnürungen durch einen Strang zu finden pflegt. Doch 
kann keinerlei Schnürfurehe, keinerlei Strangbildung, keinerlei 
Abknickung auf gefunden werden, und es gelingt leicht, die Darm 
gase aus der geblähten in die leere Darmschlinge hinüber zu 
drücken. 

Einen höchst interessanten Befund ergab die Section des 
Pankreas. Das vor dem Pankreas gelegene Zellgewebe ziegel- 
farben, liaemorrhagisch infiltrirt Das herausgenommene Pankreas 
in allen seinen Dimensionen mächtig vergrössert. Besonders auf¬ 
fällig die Verbreiterung des Pankreaskopfes. Die Länge des 
Pankreas betrug etwa 25 cm, die Breite des Kopfes mindestens 
; 8 cm. An 3—4 Stellen kirschgrosse Härten durchzufühlen. Das 
parallel zu seiner ganzen Länge durchtrennte Pankreas zeigt 
■ zahlreiche diffuse llaemorrhagien. 

An vielen Stellen erbsen- bis kirschkerngrosse eitrige Eiu- 
sclimelzungen. Die sich hart anfühlenden Knoten erweisen sich 
auf dem Durchschnitt als frisch entzündliche Infiltrate um kleine 
Eiterherde herum. Grössere Haemorrrhagien fehlen sowohl im 
Peritoneum als im Pankreas selbst. Ebenso fehlt jede Spur von 
Fettnekrose im Bauchraum. Beide Nieren dunkelblauroth, etwa» 
vergrössert,, Rindensubstanz verbreitert. Es besteht deutliche 
Fettleber. Die Intima der Aorta abdominalis zeigt beginnende 
Atheromatose. Im Douglas eine kinderfaustgrosse Ovarialcyste 
olme jegliche entzündliche Erscheinung. 

Die mikraskopische Untersuchung des nach 
Erlangen gesandten Präparates ergab: Nekrose des Pan 
kreasgewebes mit beträchtlicher inter¬ 
stitieller Fettwucherung, daneben stellenweise 
eitrige interstitielle Infiltration, makroskopisch 
als Knoten zu erkennen. Die Niere gab wegen schlechter Con- 
servirung keine Kernfärbung mehr, die Leber liess noch in 
Form von erweiterten Centralvenen Pigmenteinlagerungen, Fett- 
inflltration in der Peripherie der Läppchen, die Zeichen der 
Stauung erkennen. 

E p i k r i s e : Wir hatten es also mit einer acuten, eite¬ 
rigen Pankreatitis und Nekrose des Pankreas¬ 
gewebes zu thun. Der Fall war in mehrfacher Hinsicht be- 
merkenswerth. Vor Allem war auffällig, dass das Krankheitsbild 
vom Anfang bis beinahe zum Ende durch heftigsteKre uz¬ 
schmerzen beherrscht wurde. Bei genauester Durch¬ 
sicht der ganzen mir zur Verfügung stehenden Literatur, über 
Pankreaserkrankung konnte ich nirgends dieses Symptom 
als für Pankreasaffection sprechend angegeben finden. Von 
einigen Autoren sind wohl dumpfe, in die Schulterblätter aus¬ 
strahlende Rückenschmerzen als nicht selten vorkommend an¬ 
geführt. In unserem Falle dagegen waren die Schmerzen im 
Rücken so exorbitant und alle anderen Erscheinungen in den 
Hintergrund drängend, dass sie sicher Angeführt worden wären, 
wenn sie in solcher Intensität jemals -beobachtet worden wären. 
Die Kranke bot in den ersten Tagen g^nz das Bild dar, wie wir 

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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


255 


os so häufig bei heftigstem Lumbago oder Rheumatismus in den 
Wirbelgelenken resp. im Sacroileocalgelenk oder doppelseitiger 
Ischias zu beobachten Gelegenheit haben. Das Ausstrahlen der 
Schmerzen in die beiden Beine liess die letztere Diagnose noch 
wahrscheinlicher erscheinen. Dabei fehlte jeglicher epigastri- 
sc-her Schmerz, jeglicher Schmerz im Abdomen überhaupt. Als 
am 3. Tag Fieber auf trat, die Athmung beschleunigt, der Puls 
ölender wurde, einmal Erbrechen auftrat, erst da drängte sich 
der Verdacht einer anderweitigen Störung auf. Der Zucker¬ 
nachweis im Urin und der unerklärlich zunehmende Collaps 
Hessen erst Verdacht auf Pankreasaffection entstehen. Da die 
Section keinerlei anderweitige Erklärung der Kreuz- 
schmerzen ergab, so müssen wir nach dem Sectionsbefund die¬ 
selben entschieden auf die hochgradige entzündliche Affection 
des Pankreas und des dasselbe umgebenden Gewebes zurück¬ 
führen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die heftigen 
Kreuzsehmerzen entweder durch Druck des entzündlich ver- 
grösserten Pankreas auf den Plexus solaris und das Ganglion 
semilunare oder durch Uebergreifen der pankreatischen Ent¬ 
zündung auf diese Gebilde bedingt war. Diese Erklärung ist 
um so plausibler, als ja Osler und Hughes eben bei acuter 
Pankreatitis Rundzelleninfiltration im Ganglion und entzünd¬ 
liche Veränderung der Nervenzellen festgestellt haben. 

Ferner schien bemerkenswert h die mächtige Auftrei¬ 
bung des Kolon ascendens und Querkolons und 
deren scharfe Abgrenzung von dem total leeren 
K o 1 o n descen dens. Wie erwähnt, hätte man im ersten 
Moment an eine Darmabschnürung denken können, so frappant 
war der Volumenunterschied beider Darmabschnitte. Da die Sec- 
tiou bei sorgfältigster Nachforschung keinerlei makroskopische 
Erklärung dieser Erscheinung gegeben hat, sind wir auf Ver- 
muthungen angewiesen. Ich erkläre mir diese Erschei¬ 
nung in folgender Weise: Hinter dem Pankreas liegt, von 
demselben vollständig bedeckt, die Arteria und Vena mesen- 
tcrica superior mit den sie begleitenden sympathischen Nerven. 
Die Arteria mesenterica inferior liegt weiter nach abwärts und 
wird von Pankreasaffectioncn nicht unmittelbar berührt. Das 
Kolon ascendens und transversum werden nun von der Arteria 
mesenterica superior, das Kolon descendens dagegen von der 
Arteria mesenterica inferior versorgt. Da im Krankheitsbild 
der Pankreatitis die Symptome von Reizung der prävertebralen 
sympathischen Geflechte im Vordergrund stehen, offenbar also 
die hinter dem Pankreas gelegenen Gebilde eben bei diesen Er¬ 
krankungen besonders in Mitleidenschaft gezogen werden, so ist 
es plausibel, dass die mit den Blutgefässen der Arteria mesen- 
tcrica superior in die Darmwand eintretenden und die Darm- 
musculatur versehenden Nerven, sei es durch Druckwirkung, sei 
es durch Entzündung, gelähmt werden können, und dass hie¬ 
durch eine complete Darmlähmung in dem von demselben ver¬ 
sorgten Darmgebiet hervorgerufen werden kann. In umgekehrter 
Weise wird eine als Fernwirkung gedachte Reizung oder gar ein 
Nichbefaliensein der mit der Arteria mesenterica inferior in das ! 
Kolon descendens eintretenden Darmnerven wirken müssen. Es 
ist sehr wahrscheinlich, dass manche Beobachtungen von Obsti- i 
pation und Heuserscheinungen bei Pankreaserkrankungen auf 
solche Weise erklärt werden müssen. Wir ziehen daraus die 
Lehre, bei Heuslaparotomien, die eine greifbare Ursache der 
Darmstenose vermissen lassen, an die Möglichkeit einer Pankreas¬ 
affection zu denken und unsere Prognose nach einem diesbezüg¬ 
lichen Befunde entsprechend zu modificiren. 

Aus der Augenheilanstalt für Oberschlesien in Gleiwitz. 

Chefarzt: Sanitätsrath Struwe, Stabsarzt a. D. j 

Ueber den Zusammenhang zwischen Skrophulose 
und Trachom. 1 ) 

Von Dr. S. B ä c k in Gleiwitz. i 

i 

M. II.I Wohl einem jeden Augenärzte, dem ein grösseres j 
Kuibnchtungsmaterial an Trachomfällen zur Verfügung steht, 
wird es auf gef allen sein, wie häufig das Trachom zusammen 1 
mit solchen Erkrankungsformen des Auges auftritt, welche wir 
:»ls skrophulose, ekzematöse zu bezeichnen gewöhnt 
>ind. Ich verstehe unter den letzteren, wie allgemein in der 

l ) Nach einem im Aerzteverein des oberschlesischen Industrie- 
l*‘zirkes gehaltenen Vortrage. 


ophthalmologisehen Nomenclatur üblich: die Lidrandent¬ 
zündung, die Entstehung von Phly ktaenen, rand¬ 
ständigen Hornhautgeschwüren etc. und schliess¬ 
lich noch die Bildung des Pannus skrophulosus, Erkran¬ 
kungsformen, welche ich aus Bequemlichkeitsgründen als Skro¬ 
phulose des Auges bezeichnen möchte. 

Da aber ausser diesem Nebeneinandervorkommen auch das 
Trachom und die Skrophulose des Auges im klinischen Bilde ge¬ 
wisse Aehnlichkeit bieten, so dürfte die Vermuthung nicht 
von der Iland zu weisen sein, dass zwischen beiden ein 
1 gewisser Nexus eausalis besteht, dass beide 
vielleicht auf ein gleiches aetiologisches Mo¬ 
ment zurückzuführen sind. 

Ich sagte eben, dass das Trachom und die Skrophulose des 
Auges im klinischen Bilde einander ähneln und möchte desshalb 
an dieser Stelle darauf hin weisen, dass, obwohl doch die Körnchen- 
und Papillenbildung in den Lidbindehäuten ein für Trachom 
typisches Diagnosticum sein soll, sehr häufig die Diagnose Tra¬ 
chom mit Sicherheit nicht zu stellen ist — selbst wenn ich an 
dieser Stelle die Frage des Follicularkatarrhes ganz aus dem 
Spiele lassen will. 

Wie häufig kommt es z. B. vor, dass ein Individuum mit einer 
Phlyktaene zu uns kommt; wir wenden das Oberlid um und sehen, 
dass dasselbe mit zahlreichen kleinsten Körnchen besetzt ist — 
ganz ähnlich dem Bilde, wie es das sog. „kleinkörnige 
Tracho m“ bietet, die Lidbindehäute des anderen Auges sind 
! blass; es ist keine Spur von Kömchenbildung zu finden. Ist 
das nun Trachom oder nicht? Das erkrankte Auge wird anti- 
phlyktaenulär mit Kaloinel, Cocain und Lidsalbe behandelt und 
! nach Abheilen des Krankheitsprocesses bietet die Oberlidbinde- 
! haut das gleiche Bild wie das des anderen, nicht erkrankten 5 ) 
i Auges. War es nun Trachom oder nicht? — Nein, es war keines; 
das wissen wir hinterher. Zu Beginn der Erkrankung konnte 
die Diagnose nicht mit Sicherheit gestellt werden. J eden- 
falls haben wir gesehen, dass häufig eine 
typisch skrophulose Augenerkrankung im kli¬ 
nischen Bilde dem Trachom ähnelt. 

Was nun die P a nnusbildun g in der Hornhaut be¬ 
trifft, so soll dieselbe bei Trachom eine Pradilection für die obere 
Hälfte der Hornhaut zeigen, während der Pannus skro¬ 
phulosus sich an beliebigen Stellen der Hornhaut entwickelt; 
der letztere ist gewöhnlich dünn, wenig gefässreich und einer voll¬ 
ständigen Rückbildung sehr zugänglich. Ein so krasser 
Unterschied besteht nun meiner Ansicht nach 
in dem klinisch en Bilde des Pannus nicht. Auch 
der skrophulose kann sich auf der oberen Horn¬ 
hauthälfte localisiren und unseren therapeu¬ 
tischen Eingriffen und Maassnahmen trotzen, 
ganz wie auch der Pannus trachomatosus sich 
von beliebigen Stellen der Augapfelbinde¬ 
haut her entwickeln und auffallend rasch a b - 
hoilen kann. Jedenfalls wird es oft sehr schwer fallen, im 
Anfänge der Erkrankung die Differentialdiagnose mit Sicherheit 
zu stellen. 

Die Bildung von Körnchen im Oberlide 
ist nicht die Entstehungsursache des Pan¬ 
nus trachomatosus; ich hatte sehr häufig Gelegenheit, 
Trachomfälle ohne Körnchen mit narbigen Veränderungen im 
Oberlide zu sehen, wo die Hornhaut erst im Narbenstadium des 
Trachom pannös erkrankte. 

Es ist aber ferner auch bekannt, dass die 
Körnchen- oder Follikelbildung in den Binde¬ 
häuten nichts absolut trachomotypisches ist, 
«lass diese vielmehr den verschiedensten Einflüssen ihre Ent¬ 
stehung verdanken kann. Ich erinnere nur an das klinische Bild 
der Atropin Conjunctivitis'), einer Bindehauterkran¬ 
kung, welche durch chemische, nicht baeterielle Einflüsse be¬ 
dingt ist. 

Aber auch die verschiedensten bacteriellen Infec- 
tionen können das Bild der Körnchenbildung hervorrufen; 
so sind von verschiedenen Autoren Fälle beschrieben worden 
— und ich selbst hatte Gelegenheit, einen solchen durch 

*) cf. Vossius: Lehrbuch der Augenheilk. 1898, p. 331 ff. 

*) cf. Axenfeld: Pathologie deR Auges; Bericht über das 
Jahr 1895 und 1896, p. 576. 

3 * 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


längere Zeit zu beobachten — wo eine gonorrhoische 4 ) 
Blennorrhoe unter dem Bilde der Körnchenbildung ver¬ 
lief, wie denn auch als Folgezustände der Blennorrhoe Körnchen 
und Follikelbildungen in den Bindehäuten beobachtet wurden — 
eir. Krankheit szustand, den man als „chronischeBlennor- 
rhoe“ 1 * ) zu bezeichnen pflegt. Auch das Bild der Tuberculose 
<1 e r Conjunctiva kann dem des Trachom sehr 
ähnlich sein; so hatte ich Gelegenheit, einen solchen Fall 
zu beobachten *), wo die Oberlidbindehaut mit zahlreichen, stark 
gekliiftoten papillären Efflorescenzen bedeckt war, in deren Mitte 
sich allerdings ausgedehnter geschwiiriger Zerfall fand, welch’ 
letzterer beim Trachom zu fehlen pflegt; die Aehnliclikeit mit 
dem Trachom wurde in diesem Falle auch noch durch das Vor¬ 
handensein eines Pannus vervollständigt. Follikelbildungen 
in den Lidbindehäuten bei Tuberculose der Conjunctiva sind 
zuerst von Michel 7 * * ) beschrieben worden. Auch bei Infectionen 
der Bindehaut mit dem Diplocoecus pneumoniae 
sollen sich Follikel entwickeln können/) 

Haben wir also bis jetzt gesehen, d a s s T r a c h o m und 
Skrophulose des Auges ersten# sehr häufig 
li e b e n eina n d e r v o r k o m m e n, z w eite n s, dass sic 
auch im klinischen B i 1 d einander ähneln, so 
werden wir sehr häufig — und ich darf und kan n 
nach meinen e i g e n e n Untersuchungen wohl 
sagen — fast immer das Trachom gerade bei 
solchen Patienten finden, welche einen Ha¬ 
bitus skrophulosus besitzen. Dass das Tra¬ 
chom gerade bei solchen Individuen schwer 
verläuft, welche skrophulös veranlagt sind, 
ist ja schon längst bekann t. B ) Ich möchte an dieser 
Stelle jedoch ausdrücklich hervorheben, dass ich bei allen 
meinen Patienten, welche wegen eines Tra¬ 
choms in die Anstalt zur Behandlung kamen, 
einen Habitus skrophulosus feststellen konnte 
— allerdings nur bei Individuen in relativ 
jugendlichem Alter. Ich bemerke ausdrücklich 
in jugendlichem Alter; denn bekommen wir 
Personen zu Gesicht, welche das 20. Lebensjahr 
bereits weit überschritten haben, so werden 
w i r s e 1 b s t v e r s t ii n d 1 i c h einen Habitus skrophu- 
1 o s u s nicht mehr feststellen können, weil die 
Typen desselben zu dieser Zeit bereits ver¬ 
wischt sind. Die skrophulose Anlage besteht freilich noch, 
denn Infectionen mit Trachom sind auch in diesem Lebensalter 
noch sehr wohl möglich. 

Axenfeld 10 ) ist bei seinen Untersuchungen über die Ent¬ 
stehung der skrophulösen Augenerkrankungen zu dem Resultate 
gekommen, dass nicht eine einheitliche Bac- 
terienart dieselben hervorrufe. Ich stehe 
nicht an, diesen Schluss auch zur Erklärung 
der Entstehung des Trachoms zu verwerthen. 
Das Trachom wird nicht durch eine einheit¬ 
liche Bacterienart hervorgerufen, sondern 
alle möglichen, eine Bindehautentzündung 
erzeugenden B a c t e rie n a r t e n können bei einem 
dazu disponirten Individuum ein Trachom 
hervorrufen. Die dazu Disponirten sind die 
s k r o p h u lö s Veranlagt e n. Ich glaube, dass dies auch 
der Grund gewesen ist, warum bis jetzt der richtige Trachom- 
bacillus noch immer nicht entdeckt ist, warum alle ent¬ 
deckten das Schicksal des „nicht richtig sein“ theilen mussten 11 ). 
Es gibt eben keinen Trachombacill u s, sonde rn nur Traehom- 


4 ) Der baeteriologische Befund (Deckglaspräparate) ergab 
X <• i s s e r’sehe Gonococeen, welche als solche durch den Ausfall 
der G rn m’schen Färbung gekennzeichnet wurden. 

8 ) cf. Axenfeld: 1. c., p. 576. 

') cf. Schlesische Aerztecorrespondenz. III. No. 3. 20. X. 1800. 

7 ) Oitirt nach Axenfeld 1. c., p. 624. 

") Axenfeld 1. c., p. 560. 

B ) Schmidt, Ri m p ler: Die Erkrankungen dos Auges im 
Zusammenhänge mit anderen Krankheiten. Wien 1808. p. 404. 

10 ) cf. Axenfeld: Bericht über den Heidelberger ophthal- 
luolog. Congress 1897, p. 197. 

”) Müller hat auch in seiner neuesten Arbeit (of. Archiv 
für Augenheilkunde Bd. XL, p. 13 ff.) den Beweis nicht erbracht, 
dass der von ihm beschriebene Bacillus der wirkliche Erreger des 
Trachom ist. 

r > cf. A x e n f e 1 d : 1. c. 581—580. 


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bacill e n. Ich stelle mich mit dieser Ansicht auf einen Stand¬ 
punkt, welcher bereits von französischen Autoren, C a z a 1 i s 
und Tr u c “), vertreten worden ist, welche ebenfalls als Erforder- 
uiss für die Entstehung des Trachom ein „t e r r a i n pre¬ 
dig p o s e“ verlangen, mit welchem sie die Skrophulose 
meinen. Auch der Einwand, dass bei Trachomepidemien alle In¬ 
dividuen ohne Ausnahme von der Krankheit befallen werden, 
spricht nicht gegen meine Ansicht; ich habe immer gefunden, 
dass man bei Beobachtungen von Trachomepidemien Vieles al- 
Trachom bezeichnet, was in Wirklichkeit ein blosser Katarrh 
ist, dass man dabei Alles sozusagen mit dem „Trachomauge, sub 
spccie trachomatis“ ansieht. Dass das Trachom nicht absolut . 
unbedingt contagiüs ist, dürfte wohl auch bekannt sein: 
Axenfeld'*) zählt die Granulöse zu den bedingt enn- 
tagiösen Erkrankungen. Aus Erfahrung wissen wir das Alle: Wie 
häufig ist nicht wohl vorgekommen, dass wir beim klinischen 
Unterrichte durch ein Versehen unsere Bindehäute mit dem Con- 
junctivalsecrete von Trachomkranken inficirten und dennoch 
haben wir kein Trachom bekommen. Ich selbst habt* zu 
w i e d e r h o 11 e n Malen S e 1 b s t i n f e e t i o n cn a n m i r 
v o r g e n o in m e n . i m m c r j e d och mit negat i v e m 
Resultat. Wer nicht dazu d i s p o n i r t ist, l> e - 
k o m m t k e i n T r a c h o m trotz lufection, u n d w e r 
dazu d i s p o n i r t ist, bekommt es, wenn er sich 
auch noch so sehr davor zu schützen sucht. Die 
Letzteren gibt es in allen Ständen der Bevölkerung, sowie in 
allen Himmelsgegenden, weil eben die Skrophulose sieh überall 
findet — auch in Mensclienclasseu, welche man „kerngesund“ zu 
bezeichnen pflegt, z. B. bei den Bauern. Ich glaube, dass diese 
von hier vertretene Anschauung uns auch für die Therapie ge¬ 
wisse Winke gibt: Die mediea men tose Therapie, 
ebenso wenig wie die operative, kann das Tra¬ 
chom nicht heilen, vor Allem aber es nicht aus¬ 
rotten. Auch die Isolirung kann es nicht ; man 
darf Trachomkranke nicht in Baracken einsperren und sic auf 
schmale Kost setzen. Sic brauchen im Gegentheil Licht, Luft 
und roborirende Diät. Mit dem C u p r u m s t i f t werden 
wir das Traclio m niemals heilen und mit der 
Isolirung niemals aus der Welt schaffen — 
dazu bedarf es, wie zur Heilung v o r s c h i c d e n e i 
a n d crc r V o 1 k s k r a n k h eit en ein erB e s se ru n g der 
socialen Verhältnisse. 


Hydrorrhoea ovarialis intermittens. 

(Hydrops ovarii profluens.) 

Zur Lehre von den Tubo-Ovarialcysten. 

Von Dr. Max Nassauer. Frauenarzt in München. 

(Fortsetzung.) 

Fassen wir nun das klinische Bild und den a n a 
to mischen Befund zusammen: 

Eine Frau ist, wenn auch nicht mehr nachweisbar, gonor¬ 
rhoisch inficirt. Sic lebt seit 5 Jahren von ihrem Manne ge¬ 
trennt und gebärt von einem anderen Manne ein Kind; hat zu- 
gestandenermaassen mit verschiedenen Männern verkehrt. Da- 
sind — in einer Grosstadt — moralische Stützen für die An¬ 
nahme einer Gonorrhoe, die nur noch abgelaufen nachweis¬ 
bar ist. Im Anschluss an die Geburt eines faultodten Kindc¬ 
erkrankt sic. Andere Krankheitsattaquen während der 
Schwangerschaft schob sie auf diese als solche. Nun leidet sic 
an Schmerzen im Unterleib, Kreuzschmerzen, Ausfluss. Dir 
Schmerzen im Leib sind ansteigend, bis sie sich zu einer maxi¬ 
malen Höhe erheben. Sie sind dann so stark, dass Patientin sich 
das Leben nehmen will. Wem fiele nicht das Bild einer Gallen 
steinkolik, Nierensteinkolik ein ? Es stellt sich dann plötzlich ein 
sehr reichlicher Ausfluss aus der Scheide ein und damit lassen 
sofort die Schmerzen nach; der Ausfluss ist so stark, dass die er¬ 
fahrene Mutter (5 Geburten) ihn mit dem Blasensprung ver¬ 
gleicht. Nach einer solchen Attaque fühlt sich Patientin wieder 
allmählich wohl, bis die im Gefolge der Erkrankung sich stet- 
neu einstellenden peritonitischen Reizungen abgeklungen sind. 
Das Resultat dieser peritonitischen Reizungen sehen wir in dm 
allseitigen Adhaesionen. Patientin fühlt sich wohl, bis all¬ 
mählich die Beschwerden wieder zunehmen, um von Neuem nach 
einer starken Flüssigkeitsentleerung wieder aufzuhören. Die-m 

°) cf. I. e., p. 563. 


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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Vorgang wiederholt sieh im Verlaufe eines Jahres 6—7 mal. 
Patientin bemerkt dabei selbst, dass sich vor dieser Entleerung 
und vor dem Aufhören der Schmerzen ein „Kloss“ in der linken 
Seite des Unterleibes bewegt und nach rechts fällt. Dieser 
„Kloss“ ist nach den Attaquen, wo allein eine Untersuchung 
möglich ist, nicht nachweisbar, aber undeutlich 2 mal während 
eine Anfalles zu fühlen. Die Flüssigkeit wird geschildert als die 
Wäsche steifend, weiss, milchig und äusserst übelriechend. Die 
Schmerzen sind so stark, dass sich die hochgradig ängstliche, 
heruntergekommene, anaemisehe Person zur Laparotomie ent- 
schliesst. 

Es liegt auf der Hand, dass diese Entleerung von Flüssig¬ 
keit durch die Scheide ein Nachlassen der Schmerzen bewirkt, 
gerade wie etwa der Abgang von Gallensteinen die Schmerzen 
aufhören macht. Es ist ferner klar, dass diese Flüssigkeits- 
ansarnmlung von den Genitalien kommt; dass sie irgendwo stag- 
nirt haben musste, um plötzlich entleert zu werden. Im Uterus 
konnte sie nicht stagniren, denn äusserer, wie innerer Mutter¬ 
mund waren bei vielmaliger Untersuchung durchgängig; ja der 
äussere Muttermund für den Finger. Der Uterus war niemals 
vergrössert. Aus der Tube konnte die Flüssigkeit auch nicht 
kommen. Dagegen spricht der anatomische Befund von 
vorneherein: ln dieser, wenn auch vergrösserten und verdickten 
Tube konnte soviel Flüssigkeit niemals Platz haben. Die er¬ 
wähnten festen, strangulirenden Adhaesionsmembranen von 
aussen um die Tube herum, hinderten dieselbe an jeder Aus¬ 
dehnung dem Umfang nach; die dicke Muscularis, wie sie der 
makroskopische und mikroskopische Befund zeigt, stellen es 
ausser Zweifel, dass eine Hydrosalpinx, die ja stets dünne 
Wände auf weist, nicht Ursache der Hydrorrhoe sein konnte. 
Sicherlich hat die überaus gewucherte katarrhalische Tuben¬ 
schleimhaut besonders stark secernirt, aber wohl kaum stärker, 
als gerade ausreichend, um den Canal offen zu halten, ihn in 
etwas vergrössertem Maassstabe durchgängig zu halten. Schildern 
doch alle Beobachter einer Sactosalpinx serosa die 
Tubenwand als dünn ausgedehnt und nach der Entleerung ein¬ 
fach zusammcngefaltet, nicht aber, wie bei uns, die Wände als 
solche auf das Vielfache verdickt und keinerlei Falten auf- 
weisend. Anderseits haben die ungemein stark ausgeprägten 
Knickungen der Tube die Passage erschwert. 

Gehen wir weiter, so finden wir im Ovarium die bei der 
Operation noch mandarinengrosse Ovarialcyste. Aus ihr entleert 
sich bei der Operation nach Einreissen der kleinen adhaesions- 
freien Cystenwand seröse Flüssigkeit, die sofort aufgetupft, 
leider zur mikroskopischen Untersuchung nicht mehr verwendet 
werden konnte. Es waren am Operationstage gerade 10 Tage seit 
der letzten Hydrorrhoe verflossen. Der bis dahin entsprechenden 
klinischen Beobachtung nach konnte die Cyste auch noch nicht 
wieder völlig gefüllt sein. Aber sie enthielt doch schon reichliche 
Flüssigkeit. Nehmen wir nun an, die Cyste hätte sich in den nächsten 
Tagen oderWochen allmählich wieder gefüllt. Wir sehen sie überall 
von straffen Wänden eingeschlossen bis auf die Kuppe. Die Cyste 
wird unter immer höheren Druck von innen kommen, die Wan¬ 
dung wird sich ad maximum ausdehnen, bis die Adhaesionen 
energisch Halt gebieten. Nun sind die riesigen Spannungs¬ 
schmerzen da. An der Kuppe wird der Widerstand geringer sein. 
Aber mehr noch nach einer anderen Richtung hin: Zur offenen 
Tube! Das Tubenlumen ragt direct und unzweifelhaft in die 
Cyste hinein. Die Tube ist nach dem Uterus hin auch offen. 
Aber die Passage nach dem Uterus hin ist durch 3—4 sehr starke 
Knickungen der Tube erschwert. Die Cyste ist straff gefüllt. 
Die Tube secernirt noch gleichfalls... nun endlich entsteht ein 
Communieationsweg zwischen Tube und Cyste; nun ist eine 
Tubo-Ovarialcyste in vollster Bedeutung des Wortes hergestellt. 
Der Druck wird noch stärker, die Tube bemüht sich ad maximum 
ihre physiologische peristaltische Bewegung uterinwärts aus¬ 
zuführen und nun wird der ungemeine Druck die angesammelte 
Flüssigkeit durch den natürlichen Weg nach aussen pressen, 
nach dem Uterus zu: Hydrorrhoea. Der starke Druck hört auf, 
die Spannung, und klinisch die Schmerzen. 

Eine wahrscheinlichere, lückenlosere Deutung dürfte es nicht 
geben; möglich wäre noch ein Platzen der Cystenkuppe nach innen, 
was in unserem Falle nie beobachtet werden konnte. Wir haben also 
das klinische Bild der intermittirenden Entleerung einer Ovarial¬ 
cyste durch die Tube und den Uterus nach aussen. Wir haben 
den anatomischen Beweis im vorliegenden Präparat, gewonnen 
No.Dftgitized by VjOÖQlG 


an der Lebenden. Es ist der erste in der Literatur verzeichnete 
Fall eines „Hydrops ovarii profluens“ anatomisch 

nachgewiesen. 

Die alte Bezeichnung „Hydrops ovarii profluens“ 
ist für unsere heutigen Kenntnisse nicht mehr richtig. Wir 
denken uns heute unter „Hydrops ovarii“ etwas ganz 
Anderes. Die klinische Erscheinung ist nicht der „Hydrops“, 
der ja kaum nachweisbar ist, sondern die intermittirende 
„Hydrorrlioc“. Sie nimmt in diesem Falle ihren Ursprung 
aus dem Ovarium, also eine ovarielle Hydrorrhoe; man 
könnte nur noch im Zweifel sein, ob man dieselbe nicht eine 
„tubo-ovariale“ nennen sollte, da immerhin die Tube auch ein 
wenig zum Secret beiträgt. Da diese Bezeichnung die Tube zu 
sehr in den Vordergrund stellen würde, dürfte die klinische Be¬ 
nennung als „Hydrorrhoea ovarialis intermit- 
t e n s“ keinem Widerspruch begegnen. 

Der Vorgang der Hydrorrhoea ovarialis (Hy* 
drops ovarii profluens) ist nicht oft beobachtet. 
Sachse (i. J. 1839) im medicinischen Beobachter ist der Erste. 
Alle 4 Wochen, kurz vor der Periode, eine Hydrorrhoe. Später 
blieb die Geschwulst dauernd gross und wurde stets durch die 
Vagina punctirt. Nach 20 jährigem Bestehen schrumpfte sie ein. 

Bei Spencer Wells (1874) wird folgender Fall citirt: 
B o i n e t beobachtete eine Frau mit sehr heftigen Schmerzen 
im Ovarium; Erbrechen; mehrere Monate nach einer Geburt. 
Das Ovarium faustgross; bei der geringsten Berührung sehr 
schmerzhaft. Er befürchtete eine Ruptur; wollte einen ange¬ 
nommenen Abscess öffnen; da entleerte sich spontan durch die 
Scheide mehr wie ein Liter einer Materie: „wässerig, schleimig, 
die auf der Wäsche Spuren hinterliess ähnlich denen des Spermas“. 
Alle Symptome verschwanden sofort. Aber seitdem entleerte sich 
(seit 3 Jahren) beständig durch die Scheide ein Ausfluss, der sich 
bald vermehrt, bald vermindert. Spencer Wells sah selbst 
eine Dame mit einer grossen Cyste. Als er punctiren wollte, er¬ 
fuhr er, dass einige Stunden vorher plötzlich ein seröser Ausfluss 
aus der Scheide eintrat, welcher noch anhielt, während der Um¬ 
fang des Leibes sichtlich abnahm. Die Flüssigkeit war dem Li¬ 
quor amnii sehr ähnlich und nach Einführung des Speculums 
sah er deutlich dieselbe aus dem Muttermunde hervorquellen. 
Die Cyste, „welche offenbar aus einer Vereinigung der Tube mit 
einer Eierstockscyste bestanden hatte, bildete sich nicht wieder.“ 
Anderson erwähnt ebenfalls einen Fall, bei dem die Punction 
gemacht werden sollte, die Kranke „liess Tage vorher eine grosse 
Menge „Urin“, wie sie meinte, so dass all’ ihre Beschwerden ver¬ 
schwanden. Dies hielt eine Zeit lang an; es war diese Flüssigkeit 
ein „eiweisshaltiges Serum mit Cholestearinplatten“. Bei der 
Section war eine grosse Cyste vorhanden; ein starkes Bougie glitt 
von ihr aus mit Leichtigkeit in die Tube und den Uterus und die 
Scheide. An diesen Fall anschliessend, sagt Burnier (1880): 
„Wir wissen aber gar nicht, ob und wie der Eierstock an der Wan¬ 
dung dieser Cyste betheiligt war. Es ist das um so mehr zu be¬ 
dauern, als hier vielleicht der einzige Fall vorliegt, wo eine 
anatomisch beobachtete Tubo-Ovarialcyste zu den Er¬ 
scheinungen eines Hydrops ovarii profluens geführt 
hat. Von allen anderen, die als Hydrops ovarii profl. 
beschrieben werden, liegt kein einziger Sectionsbefund vor. Bla¬ 
sius hatte 1834 2 Fälle beschrieben; in einem ist Ausfluss da¬ 
gewesen, die Kranke aber genesen; es fehlt ein Sectionsbefund. 
Im 2. Fall ist der Sectionsbefund da, es wird aber gesagt, dass die 
klinischen Erscheinungen, die im ersten Falle da waren, fehlten. 
Man muss desshalb immer an die Möglichkeit einer Hydro¬ 
salpinx, also eines Hydrops tubae profluens denken; 
es ist noch nicht festgestellt, ob es im Leben vorkommt und der 
Fall von H e n n i g (1876) genügt nicht, um die spontane 
Entleerung durch die natürlichen Wege als beweisend anzu¬ 
nehmen. Es ist also die Frage noch nicht entschieden, ob die 
Tubo-Ovarialcysten jemals eine solche Grösse erreichen, dass 
ihr Druck im Stande sei, den normalen Tonus des uterinen Endes 
der Tube zu überwinden. Möglich ist es, aber ich wollte hier nur 
hervorheben, dass es noch nicht sicher constatirt ist.“ Nun, unser 
Fall füllt diese Lücke aus und wenn Burnier, der die ganze 
Frage am eingehendsten studirt hat, diese Lücke empfindet, wird 
unsere Beobachtung ihre ausführliche Beschreibung rechtfertigen. 
Im Uebrigen ist eine „solche Grösse der Cyste, um den normalen 
Tonus des uterinen Endes zu überwinden“ gar nicht nöthig. Im 
Gegentheil dürfte eine recht grosse Qyste eipe um so dünnere 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


Wandung haben und eher eine innere Ruptur erleiden. Die f 
durch Adhaesionsmembranen verstärkte Wandung wird viel 
grösserem Druck widerstehen und grösseren Druck ausüben 
können. Aber auf alle diese vorhergegangenen Entzündungs¬ 
erscheinungen nimmt Burnier keine Rücksicht, ein ungemein 
wichtiges Moment, auf das ich bei der Besprechung der Aetio- 
logie der Tubo-0 varialcysten zurückkommen werde. 

West (1870) hatte eine Kranke, die seit 6 Jahren eine er¬ 
hebliche Anschwellung des Abdomens bemerkt hatte. Dieselbe 
verschwindet dann plötzlich während eines profusen wässerigen 
Ausflusses aus der Vagina. Dasselbe trat spater noch 8—10 mal 
ein. Die Flüssigkeit war stets farblos und öfters waren es 
mehrere Quart, die herausstürzten. Die Entleerung erfolgte 
einigemale bei der Defaecation oder bei einer Anstrengung. Sie 
hatte wiederholt Ohnmächten zur Folge. West überzeugte sich 
selbst von dem Bestehen eines Tumors, der hoch über der 
Vagina lag und beweglich war, sowie von seinem Verschwinden. 
Er kehrte dann langsam in Wochen wieder. Der Uterus war be¬ 
weglich, die Vagina zeigte keinerlei Oeffnung. Er knüpft daran 
die Bemerkung, dass sicherlich manchmal ähnliche Fälle als Bei¬ 
spiel von Durchbruch nach der Vagina angesehen und beschrieben 
sein können. Diesen Fall citirt Olshausen 1886, der bis dahin 
noch keinen solchen Fall beobachtet hatte. F rankenhäuser 
und Hausmann beschrieben 1876 den ersten, wie sie sagen, 
Fall, der klinisch und anatomisch in seiner Entwicklung genau 
beobachtet wurde. Ihnen gelang es auch, durch einen auf die 
Cyste ausgeübten Druck Flüssigkeit durch die Eileiter nach 
aussen zu pressen und damit experimentell den Nachweis dieser 
Möglichkeit zu bringen. Der Hydrops hatte sich alle 4 Wochen 
regelmässig entleert; kurz vor der Periode. 

Schramm und Ne eisen beschreiben 1890 einen Fall 
sehr ausführlich. Es wurde eine linksseitige, mannsfaustgrosse 
Geschwulst diagnosticirt, die nach 4 Wochen wieder verschwand; 
während der vorausgegangenen Periode war sehr reichlich blutig¬ 
wässerige Flüssigkeit abgegangen und damit hatten die Schmer¬ 
zen nachgelassen. Noch mehrere Jahre lang fand ein periodischer 
sehr übelriechender Ausfluss statt, bis bei einer Operation eine 
Tubo-0varialcyste vorgefunden wurde, die nach allen Seiten 
durch starke peritonitische Verwachsungen angeheftet war. Die 
über darmdicke Tube ist darmähnlich gewunden und geht in die 
vom Ovarium gebildete Cyste über. Die Entfernung der Ge¬ 
schwulst war sehr schwierig: Erst nachdem sie an ihrem untersten 
Umfang gelöst und der Bauchwand genähert werden konnte, 
platzte sie und konnte nun entfernt werden. Aus zwei gerissenen 
Stellen der Geschwulst kamen etwa 200 g wässerige, mit Eiter¬ 
flocken durchsetzte, blutig gefärbte Flüssigkeit in die Bauch¬ 
höhle. Wahrscheinlich war eine Gonorrhoe vorhergegangen. 

Das ist Alles, was ich von Casuistik der klinischen Erschei¬ 
nungen der Hydrorrhoea ovarialis beschrieben finden konnte. 
Die periodische Entleerung des Tubeninhalts nach aussen 
wurde bisweilen beobachtet. Immerhin wird sie noch für selten 
gehalten. Scanzoni glaubte 1867, „dass das im Ganzen 
seltene Ereigniss der Communication des erweiterten Tuben- 
eanales mit einer Ovarialcyste zum Hydrops tubae pro- 
f 1 u e n s führe. Flat sieh hier eine gewisse Menge von Flüssig¬ 
keit angesammelt, so dehnt sie allmählich auch die dem Uterus 
zugekehrte Hälfte der Tube aus und bedingt schliesslich die 
Möglichkeit des Ausflusses in die Uterushöhle und Vagina. Dieser 
erfolgt dann gewöhnlich plötzlich, so dass eine grosse Menge von 
Flüssigkeit aus den Gesehlechtstheilen hervorströmt und oft 
ein sehr auffallendes Zusammen sinken der Cyste zur Folge hat. 
Letztere füllt sich aber in der Regel wieder ziemlich rasch, dehnt 
allmählich die Tube wieder aus und so kann sich dieser Vorgang 
in verhältnissmässig kurzer Zeit oft wiederholen.“ Merkwürdiger 
Weise erwähnt Scanzoni nichts von Schmerzen; wie er denn 
auch Tubenhydrops und Ovarialcyste ein wenig 
durcheinander wirft. 

A. Ma r t i n hat unter 500 Fällen von Salpingitis nur 
4mal tubare Hydrorrhoe gesehen; diese 4 Fälle seien 
ohne Operation geheilt: „Die Ansammlung des Secretes vor dem 
Abfluss erfolgte unter spannenden Schmerzen in der betreffenden 
Seite des Leibes. Die Entleerung erfolgt ohne nachweisbare 
Ursache und führt, nachdem der Schreck über den plötzlichen 
Abfluss der grossen Menge übelriechenden Flüssigkeit (den er 

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übrigens in keinem Falle zur Untersuchung bekommen konnte) 
überwunden war, zu einer relativen Euphorie.“ Es ist schade, 
dass diese 4 Fälle nicht zur Operation kamen; dadurch ist es 
zweifelhaft, ob es nicht auch Tubo-0 varialcysten waren. 
Bis in jüngster Zeit referirto Martin über 1700 Falle von 
Tubenerkrankungen mit nur 8 hierhergehörigen! 

Von einer Entleerung nach innen, nach der Bauchhöhle zu, 
berichtet Sommer 1890: Patientin gleich nach der Hochzeit 
schwere Untcrleibsentzündung (Gonorrhoe?). Links seit einiger 
Zeit furchtbare Schmerzen. Neben dem Uterus eine apfelgrosse 
Geschwulst, die von Zeit zu Zeit unter ganz besonders starken 
Schmerzen rupturirte und nach ihrer Entleerung in die 
Bauchhöhle tagelang nicht zu finden war. Später Operation: 
„Eine mit der Tube, sowie mit dem adhaerenten Ovarium com- 
municirende Cyste im Lig. latum von zahlreichen peritonitischen 
Strängen überbrückt. Auf der rechten Seite eine ähnliche Cyste 
in Bildung begriffen.“ Dass das Tubensecret aus der Tube in 
den Uterus sehr leicht gelangen kann, zeigte Ziegen speck, 
der 33 Beobachtungen auf zählt, bei denen der Tubeninhalt durch 
Massage in den Uterus gestrichen wurde. 

Unser Fall nun zeigt die Tube und das Ovarium sammt 
seiner Cyste zu einer einzigen Geschwulstmasse verbacken. Da 
ein Theii der Wand der Cyste von der (offenen) Tube gebildet ist 
und eine ständige Communication zwischen Tube und Ovarial¬ 
cyste besteht, ist deranatomische Befund unzweifelhaft der 
einer Tubo-Ovarialcyste. Und als solcher ist er sehr ge¬ 
eignet, ein Licht zu werfen aut das vielumstrittene, interessante 
Gebiet des Zustandekommens der erworbenen Tubo-Ovarial- 
cysten. Nur von diesen sei hier im Folgenden die Rede. 

Bei den Tubo-0 varialcysten (Richard hat 1853 
diesen Namen gegeben) findet man stets eine der Tube und dem 
Ovarium gemeinsame Höhle; sehr oft findet man die Fimbrien 
der Tube mit ihrer äusseren serösen Fläche innig verwachsen mit 
der Innenwand der Ovarialcyste; die Ampulle, oder das äussere 
Drittel der Tube ebenfalls erweitert und die gemeinsame Höhle 
bildend, indem gewöhnlich von Aussen ein merklicher Ring diese 
Vereinigungsstelle anzeigt. Dieser merkwürdige Befund hat 
vielfache Controverson gezeitigt in Bezug auf die Aetiologie dieser 
Gebihle. Als vorläufige Resultate ergaben sich die Schlagworte: 

Ovulationstheorie (Richard). 

Katarrhtheorie (Veit, Burnie r). 

Combination beider (R o s t h o r n). 

Richard nimmt an, dass die gelegentliche Ursache eine 
regelmässige Umklammerung des Ovarium von Seiten der Tube 
sei, zur Zeit des Bestehens eines Follikels. Dieser Follikel sei 
derartig erkrankt (?), dass er nach erfolgter Berstung nicht zu¬ 
sammenfällt, sondern weiter secernirt. Die Tube ihrerseits zieht 
sich nicht zurück (warum? Verf.), sondern fängt auch an zu 
secemiren. Sie verlöthet mit dem Ovarium oder es verwachsen 
die Ränder der Fimbrien mit den zerrissenen Rändern des Fol¬ 
likels zusammen. Er nimmt auch an, dass die Fimbrien mit¬ 
einander verwachsen können, ohne dass sie sich umstülpen und 
ohne die Tube zu sehliessen. Er bringt im Ganzen 6 Fälle. Er 
hielt die Tube bei der Operation für eine gewundene Dami¬ 
schlinge. Die Tube und Cyste communicirten breit, und ein auf 
die Cyste ausgeübter Druck führte den Inhalt bis zum Uterus 
fort. Am abdominalen Ende war ein „gewisser Ring, eine 
Klappe“. Sein eigener Fall scheint übrigens unserem zu ähneln, 
wenn ich recht verstehe: on voit la poche tubaire s’ouvrir par un 
orifice retreci et reguliermeiit circulaire dans l’interieur d‘un 
kyste ovarien creuse au centre meine de cette glande. 

Diese Theorie hat gewiss viel für sich. Rokitansky 
schloss sich ihm auch an, nur dass er die Ovarialcyste aus einer 
cystischcn Degeneration des Corpus luteum hervorgehen lässt. 

Aber warum zieht sich die Tube nicht zurück? Warum 
fängt diese nachher an zu sccerniren? Nein, meiner Ansicht 
nach, und ich werde sie später begründen, secernirt die Tube 
zuerst und zwar Eiter! Zuerst kommt es zu Verwachsungen, 
zu umschriebenen Entzündungen. Dadurch wird die Tube er¬ 
weitert und dann festgehalten. Der ausfliessende Eiter entzündet 
auch das Ovarium und packt es in die Adhaesionen ein. Platzt 
nun ein Follikel mit schon in Mitleidenschaft gezogener Wan¬ 
dung, dann flieSst wohl auch Eiter in die Höhle und das eiterige 
Secret lässt mm, wie jede andere Wunde auch, den Follikel nicht 
zusammenfallen. 

Original fro-m 

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Dies als Vorbedingung, ist R i c h a r d’s Theorie im Grund¬ 
prinzip richtig. Aber damals (1853, 1856) hatte man noch keine 
richtige Vorstellung über das Wesen der „Entzündung“, und 
xlarum wurde das Primäre und Secundäre naturgemiiss nicht aus¬ 
einander gehalten. So konnte auch Spencer Wells sich dahin 
iiussern: Die Fimbrien der Tube haben während einer 'Menstrua¬ 
tion einen Theil des Eierstoeksgewebes umfasst, als die Rerstung 
eines reifen Follikels bevorstand. Anstatt sich zuriiekzuziehen, 
blieben die Fimbrien am Kierstoek hängen, reichliche Secreiion 
von Flüssigkeit folgte, cs bildete sieh eine Cyste. „Es ist merk¬ 
würdig“, meint er, „dass in solchen Fällen der ovariale Theil der 
Cyste sehr schnell ausgedehnt wird, obwohl man erwarten könnte, 
dass die Wand der Tube dem Drucke der Flüssigkeit leichter 
nachgebe“. Auch er hat die vorausgegangenen Entzündungs- 
Vorgänge ausser Acht gelassen. Die Bedenken dieser Autoren 
führen von selbst zur Katarrhtheorie, wie sie V e i t 1867 
aufstellte: Ein „Katarrh“ der Tube und der Graafsehen Follikel 
bilden den Ausgangspunkt. Der „Katarrh“ gibt zur gleich¬ 
zeitigen Verlöthung beider Organe Veranlassung und hinterher 
treten erst die entstandenen Säcke in Communication. Auch 
K 1 o b wollte diese Theorie später gelten lassen. Wenn diese An¬ 
sicht schon einen Fortschritt bedeutet, so sagt der „Katarrh“ 
doch zu wenig. Uebcr „Katarrhtheorien“ sind wir im Allge¬ 
meinen in der Mediein hinausgekommen. Wenn wir eine i n - 
fectiöse Entzündung in ihrer Folge einen „eitrigen 
Katarrh“ nennen dürfen, und wenn schliesslich der Gonoeoccus 
als hauptsächlichster Träger der Infeetion in dieser Körperregion 
bekannt ist — so wird nach der Katarrhtheorie eine Gonorrhoe 
als allererster Anstoss zur Tubo-Ovarialcystenbildung anzu¬ 
sprechen sein dürfen. 

Halten wir nun daran fest, dass eine bacterielle (gonor¬ 
rhoische) Infeetion das allererste ist, und die nothwendige Voraus¬ 
setzung ist. Wie nun kommt es zur Cystenbildung t 

Burnier hat 1880 zuerst wahrgenommen, dass die Tuben¬ 
schleimhaut sich in strahlenförmigen Ausläufern in die kugelige 
Endcyste an deren Innenwand fortsetzt. Er hat im Ganzen 12 
anatomische Beschreibungen sammeln können; 8 klinische Be¬ 
obachtungen. Er gibt die Theorie seines Chefs Schröder, 
..welche dieser die Güte hatte anzugeben und die in der That eine 
ganz genügende Erklärung des eigenthümlichen anatomischen 
Befundes gibt“. Wir werden sehen, dass diese nicht richtig ist, 
und er sich selbst später verbessert. Er meint, in Folge einer 
Entzündung des Bauchfells in der Nähe des abdominellen Tuben- 
ostiums kommt ein Verschluss desselben zu Stande. Die Fimbrien 
werden nach innen umgestülpt und verwachsen dann aussen auf 
ihrer peritonealen Fläche. Darnach entsteht ein Ilydrosalpinx. 
Diese Cyste nimmt stetig zu. Wenn nun ein reifender Follikel 
erscheint, wird sein Platzen unmöglich gemacht durch die darauf¬ 
liegende Tube, ln Folge dessen wird der Follikel hydropisch, 
«kirnt das umgebende Ovarialgewebe aus, beide Cystengeschwülste 
kommen in immer grösserer Ausdehnung in Berührung und ver¬ 
büken miteinander. Sie dehnen sich immer mehr aus, die Fim¬ 
brien werden mechanisch wieder auseinander gedehnt und die 
Verwachsungen so wieder getrennt. Nun stülpen sich die Fim¬ 
brien aus und schwimmen in der Flüssigkeit. Diese Erklärung 
kennte sich lange behaupten, so gezwungen und unwahrschein¬ 
lich sie ist. Wie sollen starke seröse Verwachsungen der Fim- 
brienenden durch den Zug des wachsenden Follikels sich wieder 
b»sen? Hat man das je erlebt? Die angegebene vorausgegangene 
Entzündung des Bauchfells in der Nähe des abdominalen Tuben- 
cinies ist sicher richtig; nur ist es absolut unnüthig, dass ein Ver¬ 
schluss der Tube zu Stande kommen muss. Er kommt wohl 
sehr oft vor; dann aber wird niemals eine Tubo-Ovarialeyste 
daraus entstehen. Zahn erwidert, und mit Recht, darauf, dass 
noch niemals ein Tubenhydrops beobachtet worden sei, bei dem 
die Fimbrien in’s Tubenlumen hineingestülpt gewesen seien. 
Auch Burnier selbst hat dieses sein Uebergangsstadium nie 
gesehen. 

B u r n i e Fs Patientin litt auch an einer „Perimetritis“. 
\\« iin er behauptet, dass durch den eitrigen Katarrh der Tube 
die Fimbrien nach innen umgestülpt werden und sich mit ihrer 
peritonealen Fläche verkleben und verwachsen, so ist das sicher¬ 
lich nicht richtig! Im Gegentheil: Ueberall im ganzen Körper 
wird der Eiter stets eine Oeffnung erhalten, selbst dort, wo wir 
keine wünschen; er wird im Gegentheil jede Verklebung eines 

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Canals verhindern. Nach der Verklebung soll erst ein Hydrops 
entstehen, der so stark im Drucke ist, dass er die Verwachsungen 
wieder löst! Wird da nicht vielmehr der starke Druck das Secret 
nach dem Uterus auspressen? Schliesslich weiss Burnier von 
allen bis dahin beschriebenen Fällen nur auf drei seine Theorie 
anzuwenden (je einen von Rokitansky, Hildebrand, 
H e n n i g , die ich hier nicht ausführen will, die aber sämmtlicli 
eine andere Deutung zulassen), ich möchte sagen ihnen aufzu- 
diHilgen und gibt als Ursache die „Unvollkommenheit der meisten 
Beschreibungen“ an. R u n g c und T h o m a haben 1885 an der 
Hand eines Falles sehr eingehend bis dahin den Stand der Frage 
zusammengestellt, ohne sich selbst für irgend eine Theorie be¬ 
stimmt auszulassen. Der Fall, der klinisch zu wenig ausgeführt 
ist, zeigte 1 keine Adhaesionen! Dagegen „liess sich der Nachweis 
einer Perimetritis sowohl anamnestisch als auch anatomisch 
sicherstollen. Da indessen, dieselbe begrenzt verlief, so führte sie 
nur zu einer Verwachsung von Tube und Ovarium. Das Lumen 
der dünnwandigen Cyste geht durch eine halsförmige Verenge¬ 
rung über in das Lumen der mässig erweiterten Tube. Die 
Tubenschleiinhaut geht faltenförmig über in die innere Cysten¬ 
wand. Die Tube ist in ihrer ganzen Länge durchgängig, wenn 
auch in der Nähe des uterinen Endes ihre Lichtung sehr eng er¬ 
scheint. An der äusseren Fläche des tubaren Abschnittes der 
Cyste bemerkt man einige eircumscripte bindegewebige Ver¬ 
dickungen des Peritonealüberzuges. Die Annäherung von 
Ovarium und Tube mag durch Narbenzug entstanden sein.“ 
Tis« h e li d o r f fand bis 1820 24 Fälle von diesen Tumoren be¬ 
schrieben und spricht sich für die V e i t’sche Theorie aus. Im 
Februar 1801 zeigte G o t t sclialk in der Gynäkologischen Ge¬ 
sellschaft zu Berlin eine linksseitige Tubo-Ovurialcyste und am 
13. März desselben Jahres ein ähnliches Präparat. Er vergleicht 
dasselbe mit einer Tulpe, in deren Kelch die Tube als Stengel, 
die Fimbrien als Staubfäden ragen. Das uterine Ende der 
Tube war nicht erweitert. Er nimmt primär einen G r a a f’schen 
Follikel an, dem schliesslich das ganze Ovarium zu Opfer fiel. 
Unter dem steigenden Druck des Cysteninhalts erfolgte an einer 
verdünnten Stelle die Ruptur der Cystenwand. Und in die 
Risswunde schlüpfte das Fimbrienende der 
aussen a d h a e reuten Tube hinein. Die Ränder der 
Risswunde legen sich von aussen an die Tubenwand und ver¬ 
wachsen mit derselben entzündlich. So konnte sich dann die 
Flüssigkeit in der Cyste wieder ansammeln und auch in das 
Tubenlumen treten, die Tube wurde dadurch seeundär erweitert. 
Aus der Tube entleert sich bei der Menstruation Blut in die 
Cystenfiüssigkoit.“ Dass wirklich die Eierstockerkrankung das 
Primäre sei, dürfte zweifelhaft sein; wieso ist dann die Tube 
adhaerent? Voraussichtlich war die Tube auch vorher erkrankt; 
zum erstenmal wird von Gottschalk die Ansicht ausge¬ 
sprochen, dass die Tube in die Ovarialcystc 
hineingeschlüpft sei. Nach Gottschalk fasste 
Rosthorn 1892 seine Anschauungen also zusammen: Als Vor¬ 
bedingung für die Entstehung der Tubo-Ovarialcysten ist die 
entzündliche Veränderung der Gebärmutteranhänge und deren 
Bauchfellüberziige festzuhalten. Die Versuche einzelner Forscher, 
dieselben auf congenitale Ovarialtuben zurückzuführen, muss 
zurückgewiesen worden. Letzteres dürfte unrichtig sein. Es gibt 
eine solche Art von Cysten, die ich aber von vornherein bei dieser 
Betrachtung ausschliessen will, die beschrieben sind. „Echte 
Ovarialoystome und sogen. Follikelcysten können mit einer schon 
vorher angelötheten erkrankten Tube durch Eiterung oder Druck¬ 
atrophie der gedehnten Zwischenwände in Communication treten. 
In jenen Fällen, in welchen die Fimbrien oder deren Reste in 
die Innenfläche der Cystenwand zu liegen kommen, muss ange¬ 
nommen werden, dass die vorher schon abnorm gelagerte Tube 
mit ihrem Pavillon während des Ovulutionsprocesses in den ge¬ 
platzten Follikel hineinfällt oder hineinschlüpft, in dieser Stel¬ 
lung mit der Cystemvand verwächst und so zur Bildung eines ge¬ 
meinsamen Raumes führt.“ Zahn (1898) hinwiederum glaubte 
zum Schlüsse zu gelangen, dass es eigentlich keine Tubo-Ovarial¬ 
cysten gebe; es seien dies reine Tubencysten, bei denen das 
Ovarium einfach in die Cystenwand eingeschlossen ist, wie ein 
in einen Ring eingesetzter und nach innen vorspringender Stein. 

(Schluss folgt) 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


Entgegnung auf den Artikel des Herrn Professor Dr. 
Hofmeier: Zur Behandlung der Nachgeburtszeit 

In No. 48 des letzten Jahrganges der Müueh. med. Woehenschr. 
bringt Herr Hof meier unter obiger Uebersehrift einen Artikel, 
der damit schliesst, dass der Herr Verfasser, welcher einheitliche 
Principien in der Desinfection für das ganze deutsche Reich für 
durchaus nöthig erachtet, empfiehlt, die Desinfection der äusseren 
Genitalien und der Scheide vor geburtshilflichen Operationen 
obligatorisch zu machen und ihre Nichtausführung als einen nach 
dem Strafgesetzbuche zu ahndenden Kunstfehler zu bezeichnen. 

Die Unterzeichneten wurden von der Versammlung in der 
Sitzung der Hamburgischen Geburtshilflichen Gesellschaft vom 
6. Februar 1900 beauftragt, zu erklären, dass, ganz abgesehen 
von der wissenschaftlichen Frage, die schon in dieser Woehenschr. 
beleuchtet wurde, es inopportun erscheine, wissenschaftliche Me¬ 
thoden unter den Schutz und Zwang des geschriebenen Rechtes 
zu stellen. Es wurde hervorgehoben, dass das Bestreben, mög¬ 
lichst einheitliche Verfahren zu schaffen, nur zu billigen und zu 
fördern sei. Es sei aber eine ethische Forderung des Standes, 
dass dieses nur durch autoritative Belehrung geschehe. Die Au- 
rufung des Strafrichters, zumal bei noch flüssigen Anschauungen, 
erscheine als eine Gefährdung des ärztlichen Praktikers, eine Ge¬ 
fahr, die bei dem Ansehen des Herrn Verfassers eine besonders 
urgente sei. 

I. A.: 

Der Vorsitzende: Der Schriftführer: 

Dr. Staude. Dr. Rösing. 


Referate und Bücheranzeigen. 

Prof. Dr. A. Gramer - Göttingen: Gerichtliche Psych¬ 
iatrie. Ein Leitfaden für Mediciner und Juristen. Zweite, mit 
besonderer Berücksichtigung des bürgerlichen Gesetzbuches für 
das Deutsche Reich vermehrte und verbesserte Auflage. Jena, 
Fischer 1900. 301 Seiten. Preis 6 M. 

Das in No. 37, 1897 der Münch, med. Woehenschr. in erster 
Auflage angezeigte Werk hat eine bedeutende Erweiterung er¬ 
fahren. Namentlich ist in ganz vorzüglicher Weise die Tragweite 
der einschlägigen Bestimmungen des deutschen bürgerlichen Ge¬ 
setzbuches discutirt. Bei seinem klaren, knappen Stil, der Prä¬ 
gnanz der überall eingestreuten Beispiele und bei seiner Voll¬ 
ständigkeit gibt das Buch eine in Form und Inhalt gleich vor¬ 
treffliche Anleitung für den Arzt wie auch für den Juristen, der 
sich in dieser Materie orientiren will. 

Bleuler - Burghölzli. 

A n d r e a e : Die Verletzungen des Sehorganes mit Kalk 
und ähnlichen Substanzen. Leipzig 1899. W. Engelmann. 
Preis 5 M. 

Manchem dürfte eine Abhandlung über Kalkverbrennung 
des Auges, welche 178 Seiten einnimmt, etwas zu gross angelegt 
erscheinen; bei Durehlesen des schön und klar geschriebenen 
Buches wird man aber finden, dass kein Wort zu viel gesagt ist. 

Nachdem Verf. in der Einleitung, in welcher er die mannig¬ 
fachen Arten der Augenverletzungen durch thermische und 
chemische Einwirkung kurz skizzirt, die so vielfach zusammen¬ 
geworfenen Begriffe: „Verbrennung und Verätzung“ trennt und 
darauf die verschiedenen einfachen und zusammengesetzten 
Calcium Verbindungen und Gemenge, ihre Löslichkeit und che¬ 
mische (ätzende) Wirkung beschrieben hat, weist er nach, dass 
die Calciumpräparate, als deren Prototyp das Kalkhydrat anzu¬ 
sehen ist, auf die Bindehaut im Wesentlichen durch die Gewebs¬ 
zerstörung auf chemischem Wege, auf die Hornhaut durch diese 
und besonders durch die Beeinträchtigung der Transparenz ihre 
schädigende Wirkung ausüben. Die Beeinträchtigung der Durch¬ 
sichtigkeit der Hornhaut ist in erster Linie durch Bildung von 
Calciumalbuminat, dann durch die Narbenbildung bedingt. 

Die Annahme einer thermischen Wirkung des ungelöschten 
Kalkes bei Wasserzutritt weist Verf. als falsch nach und nimmt 
hiebei schon Anlass, auf Ausspülen der Hornhaut und des Binde¬ 
hautsackes mit frischem Wasser in mässigem Strahle als bestes 
und möglichst frühzeitig, daher schon von den zunächst anwesen¬ 
den Laien anzuwendendes Mittel hinzuweisen. Dieses Thema wird 
nun weiter in anregender Weise fortgeführt, indem die Nutz¬ 
losigkeit bezw. Schädlichkeit aller anderen Mittel, insbesondere 
der chemisch wirkenden, nachgewiesen und nur die schonende 
mechanische Entfernung von Kalkstückchen in zweiter Linie 
als anwendbar empfohlen wird. 

Nachdem so einem lange bestehenden Vorurtheile mit Ent¬ 
schiedenheit entgegengetreten ist, wird ausser der Therapie der 


Folgezustände auch die Prognose besprochen, bei der grosse Vor¬ 
sicht empfohlen wird, und werden treffende Bemerkungen über 
Unfallversicherung und Prophylaxe angeschlossen. 

Eine Zusammenstellung der wichtigeren Ergebnisse der vor¬ 
stehenden Capitel und ein vollständiges Literaturverzeichn iss 
bilden den Schluss der ganz vorzüglichen Schrift. S e g g e 1. 

Winternitz: Leitfaden für die Schwangerenunter- 
suchung. Leipzig, A. G e o r g i, 1900. Preis M. 3.—. 

Der Leitfaden ist für Anfänger geschrieben. W. verfolgt 
den Zweck, das Erlernen der Untersuchung Schwangerer und 
Kreissender zu erleichtern. Durch Beigabe zahlreicher Abbil¬ 
dungen sucht er dieses zu erreichen, die unmittelbar nach der 
Natur gezeichnet oder nach photographischen Aufnahmen wieder- 
gegeben sind. 

Ich bin der Ansicht, dass man dem Lernenden das schwere 
Gebiet der geburtshilflichen Untersuchungskunst dadurch am 
besten erleichtert, dass man ihn zwingt, sich an der Lebenden zu 
üben. 

Die Geburt und die Schwangerschaft, ein natürlicher Vor¬ 
gang, lässt sich nur an der Lebenden erlernen. Dem Lernenden 
aber wird durch Atlanten nur Gelegenheit gegeben, sich auf be¬ 
queme Weise ein gewisses Wissen anzueignen, auf Grund 
dessen er die Untersuchung an der Lebenden vernachlässigt, eine 
Erfahrung, die man an jeder Klinik machen kann. 

Daher halte ich den Zweck, den derartige Atlanten auf 
diesem Gebiete verfolgen, von vorneherein für verfehlt. 

Der den Atlanten bei gegebene Text kann aus äusseren 
Gründen nur knapp sein und genügt für den Lernenden nicht. 

Es wäre an der Zeit, dass Lehrer der Geburtshilfe mehr auf 
ernstes Studium eingehender guter Lehrbücher und fleissigere 
Hebungen an der Lebenden öffentlich hinwiesen, als durch Ver¬ 
mehrung der Zahl der „Compendien“ den Zwang zu ernster Arbeit 
zu untergraben. 

Der Leitfaden von W. stellt zwischen einem Lehrbuch und 
einem Atlas. 

Die Anforderungen, die man an Abbildungen eines Atlas 
stellen kann, sind erfüllt, besonders dieArten der Beckenmessung 
sind durch Bilder gut klargelegt. Viele Abbildungen (Mammae, 
Vulvae) sind überflüssig. Der Inhalt lässt Vieles zu wünschen 
übrig, wie in allen „Compendien“. 

Es finden sich Unrichtigkeiten, Nothwendiges fehlt. Anderes 
wird zu ausgedehnt beschrieben. Sollte das Büchlein noch eine 
Auflage erleben, so wäre auf Folgendes zu achten, Alles lässt sich 
hier nicht anführen. 

Es ist unrichtig, die Durchschnittszahl der Herztöne der 
Frucht auf 140—160 anzugeben. Das Uteringeräusch ist kein 
sicheres Schwangerschaftszeichen, dagegen das Hören kindlicher 
Bewegungen, eine Angabe, die fehlt. In der Besprechung der 
Anamnese ist nicht berücksichtigt: Gonorrhoe, Syphilis, Tuber- 
culose, Tod und Leben der früheren Kinder, Zeitraum zwischen 
letzter Entbindung und vorliegender Schwangerschaft, Aborte. 

In der Besprechung der Anfertigung des Status fehlt das 
Chloasma uterinum. Die Brüste erfahren eine eingehende Be¬ 
sprechung und bildliche Vorführung, doch fehlt der Hinweis auf 
das Verhältniss von Fettgewebe und Drüsenkörper. 

Die Form Veränderungen des Bauches bei verschiedenen 
Kindeslagen und abweichenden Formen der Gebärmutter fehlen 
gänzlich. 

Das Ligamentum rotundum in seiner Bedeutung für die 
Diagnose ist in keinem Abschnitt erwähnt. 

Die Besprechung der Auscultation geht über das Hören der 
Kindsbewegungen zu flüchtig hinweg. Viele Begriffe (Becken¬ 
weite, Beckenenge u. s. w.) werden nicht erklärt. 

Als Anhang gibt W. ein „Schern a“ zur Untersuchung 
Schwangerer, Kreissender und Wöchnerinnen. 
Da das Neugeborene auch berücksichtigt wurde, durfte der 
Fruchtkuchen nicht fehlen. A i c h e 1 - Erlangen. 

Neueste Jouraalliteratur. 

Archiv für klinische Chirurgie. 60. Band, 4. Heft. Berlin, 
Hirschwald, 1900. 

28) Coste : Zur Therapie der Patellarfracturen. (Berg- 
man n’selie Klinik Berlin.) 

Seit dem Jahre 1893 wird in der B e r g m a n n’sehen Klinik 
sowohl bei frischen, als bei alten Fracturen der Patella grund- 


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20 . Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


201 


sätzlich von der Naht der Bruchenden Gebrauch gemacht. Auf 
25 Fälle von Verletzung des Streckapparatos in der genannten 
Zelt kamen 21 Fracturen, die durch die einfache Knochennaht 
behandelt wurden. Das Verfahren ist im Wesentlichen folgendes: 
Längsschnitt etwa 12 cm lang. Eröffnung des Gelenks uiul Aus¬ 
tupfen der Blutgerinnsel. Gegeuincisioueu an der Innen- und 
Aussenseite, in welche später .Todoformgazestreifen eingelegt 
werden. Naht der Bruchenden mit Alurain i um bronzedraht. 
Gipsverband, der das Becken einschliesst. Am 7. Tage Entfernung 
der Nähte und der Gazestreifen von einem Fenster aus. Der erste 
Verband wird nach 21 bis 28 Tagen entfernt, von da ab nur noch 
hintere Schiene bis zum 35. Tage, und jetzt Bewegungen und 
Knieschutzkappe. Von den 21 Patienten trat bei zweien trotz 
aller Vorsichtsmaassregeln nach der Entlassung ein abermaliger 
Riss der Bruchenden ein, bei einem konnte zum zweiten Mal mit 
Erfolg die Naht ausgefiihrt werden. Ein Patient ging am 40. Tage 
an einer Lungenembolie zu Grunde. Von den übrigen 18 Kranken 
sind 14 soweit hergestellt, dass sie ihren Beruf wieder aufnehmen 
konnten, bei 4 blieb eine grosse Schwäche und Unsicherheit zurück. 

Schwerere Störungen des Wund Verlaufes kamen nicht vor. 

In 2 von den 25 Fällen musste die Tuberositas tibiae abge- 
mefsselt werden, um eine Vereinigung der weit klaffenden Bruch¬ 
enden zu ermöglichen. In einem Falle war die Rectussehne ober¬ 
halb ihres Ansatzes an die Patella, in 2 Fällen die Tuberositas 
tibiae abgerissen. 

29) Ehrhardt: lieber einige seltenere Schleimbeutel¬ 
erkrankungen. (Chirurg. Klinik Königsberg.) 

1. Haematom der Bursa subserrata. Das eigentümliche des 
Falles bestand darin, dass die Pat. durch eine Armbewegung die 
Geschwulst von der Vorderseite der Scapula auf deren Rückseite 
lnxiren konnte. Die Bursa ist von T e r i 11 o n entdeckt und bis¬ 
her nicht wieder beschrieben worden. 

2. 3 Fälle von Hygrom der Bursa subdeltoidea. In 2 Fällen 
wurde Tubereulose sicher nachgewiesen, in dem 3. Falle war sie 
wahrscheinlich, ln einem Fall enthielt die Geschwulst einen 
eiterigen Inhalt — Miscliinfection. Klinisch stellt sich die Er¬ 
krankung immer als eine unter dem M. deltoideus gelegene, fhic- 
tuirende Geschwulst dar. welche nirgends über das Bereich des 
genannten Muskels hinausragte. 

3. Tuberculöse Erkrankung der Bursa mueosa sacralis. 

4. Tubcrculöses Hygrom der Bursa M. semimembranosi. 

5. Secundäre Erkrankung der communicirenden Gelenkschleim¬ 
beutel bei Kniegelenkstubereulose. 

Instructive Abbildungen erläutern die Lage der Schleimbeutel. 

30) Kukula: Ueber ausgedehnte Darmresectionen. (MaydT- 
sche Klinik Prag.) 

K. veröffentlicht 5 Fälle von ausgedehnter Darmresection, 
unter welchen 2 mehr als 2 m Dünndarm betrafen. Besonders 
bemerkenswerth Ist der 5. Fall, in welchem behufs Exstirpation 
eines retroperitonealen tuberculösen Lymphoms 237 cm Dünndarm 
entfernt werden mussten, und wo bei der später gemachten Sec- 
tion sich der zurückbleibende Dünndarm als 110 cm lang heraus¬ 
stellte; es waren also mehr als zwei Drittel des Dünndarms exstir- 
plrt, mit dem Rest hatte Patientin sich 2 7-, Jahre hindurch völlig 
wohl befunden. Als eine unbedingte Nothwendigkeit für das Ge¬ 
lingen und den Dauererfolg bei über 2 in betragenden Kürzungen 
des Dünndarms sieht IC. die primäre Darmvereinigung an. Was 
die Dickdannresectionen betrifft, so sind dieselben, falls der allge¬ 
meine Zustand günstig ist und keine grossen technischen Schwierig¬ 
keiten vorliegen, in jeder Länge zulässig. 

Die einschlägige Literatur findet sich in sehr übersichtlicher 
Weise berücksichtigt. 

31) Lewerenz : Heber die chirurgische Behandlung sub- 
cutaner Milzrupturen. 

Eine 4 Stunden nach der Milzruptur (durch Ueberfahren) unter¬ 
nommene Milzexstirpation hatte ein günstiges Resultat. Die Blut¬ 
veränderungen kehrten 2 Monate nach der Operation wieder zur 
Norm zurück. Veränderungen in der Beschaffenheit anderer 
Organe wurden nicht beobachtet. 

Aus der Literatur hat L. 135 Fälle von subcutaner Milzruptur 
zusammengestellt. 82 dieser Milzen ■werden als pathologisch be¬ 
zeichnet. Ein schweres Trauma war in 80 Fällen nachweisbar. 
Der Ausgang war 104 mal tödtlich, darunter 90 mal ohne Versuch 
einer Operation. Von den 31 Geheilten waren operirt 10, 15 ex- 
spectativ behandelt. Von den Operationen waren 25 Splenectomieu 
mit 13 Heilungen, 2 Tamponaden mit 1 Erfolg, 1 Naht der Milz¬ 
wunde mit tödtlichem Ausgang. 

32) Alberts - Halle: Osteoplastik, den mongolischen Chi¬ 
rurgen schon vor 500 Jahren bekanntP Krecke. 

Beiträge zur klinischen Chirurgie. Red. von P. v. Bruns. 
Tübingen, Laupp. XXV. Bd. 2. Heft, 1899. 

Das 2. Heft des 25. Bandes der Beiträge zur klinischen 
Chirurgie eröffnet eine Arbeit aus der Breslauer Klinik von 
G. Reinbach: Erfahrungen über die chirurgische Behand¬ 
lung der gutartigen Kröpfe in der Uikulic z’ sehen Klinik. 
Nachdem die Gewebssafttherapie nur bei diffuser Hyperplasie bei 
jugendlichen Individuen Erfolg verspricht, wird in der M.’schen 
Klinik operativ vorgegangen, wenn bei solchen nicht nach 10—14 
Tagen deutlicher Erfolg zu sehen, in manchen Fällen wird die 
Gewebssafttherapie palliativ zur Erleichterung der Operation ein¬ 
geleitet. In nicht ganz 9 Jahren wurden in der Breslauer Klinik 
162 gutartige Kröpfe operirt (158 geheilt, 4 starben = 2,5 Proc. 
Mortalität), von 18 Basedo w’schen Fällen starb einer. Relativ 


häufig kamen an der M.’schen Klinik relativ schwere Fälle (31 sub- 
sternale) zur Beobachtung, 3 mal retroviscerale . Die Indication 
zur Operation erscheint überall da gegeben, wo der Kropf Be¬ 
schwerden und erhebliche Unbequemlichkeiten macht und andere 
Therapie nicht anwendbar oder erfolglos sich erwies, princlpiell 
verwirft M. auch nicht die Indication aus kosmetischen Rück¬ 
sichten, sofern keine allgemeinen Contraindicationen bestehen. In 
allen Fällen, in denen Dyspnoe oder Ilerzerscheinuugen bestunden, 
unterlässt M. seit 1 1 / 2 Jahren die Narkose und wendet das 
Schleie h’sehe Verfahren an, in den anderen Fällen lässt er den 
Wunsch des Patienten entscheiden; die Ansicht, dass durch Chloro¬ 
form oder Aether die Zahl der postoperativen Pneumonien sich 
vermehrt habe, hält er für irrig. Die Antisepsis bei der Operation 
betreffend, werden Gesicht des Patienten und Hände des uarkoti- 
sirenden Arztes durch einen antiseptischen Schutzschirm vom 
Operationsfeld isolirt. Während M. früher den Winkelschnitt be¬ 
vorzugte, wendet er seit 2 Jahren fast ausschliesslich den 
Koche r’schen Kragenschnitt wegen seiner kosmetischen Vorzüge 
an, bei Cysten und einzelnen Kropfknoten ist der Längsschnitt in 
der Mittellinie oder entlang des Ivopfnickerrandes augezeigt. Drai¬ 
nage wendet M. jetzt nicht mehr an, zumal bei Enucleationen 
hat er die Wunde regelmässig verschlossen, selbst wenn Cysteu- 
inbalt mit derselben in Berührung kam; bei Resectionen legt er 
eventuell noch für 24—48 Stunden einen Drain ein. Bei der 
S o c i n’schen Enucleation vernäht M. die Hülle des enueleirten 
Kropfes, d. li. die innere Kropfkapsel durch Nähte, die auch 
den Grund der Wunde umfassen (Umstechungsnaht) und erreicht 
so exacte Blutstillung und prima Heilung. 

In allen Fällen, in denen die Enucleation nicht in Betracht 
kommt, sieht M. in der Resectio strumae das Normal- 
verfahren. Bei derselben wird nach M. zunächst durch Ivrageri- 
sclmitt die Blosslegung der Struma vorgenommen, Haut und Pla¬ 
tysma gespalten, nach Ligatur der Venen die Fascie, besonders 
entsprechend den Endstellen des Hautschnittes, in fast verticaler 
Richtung durchtrennt, die Briistbeinkehlkopfmuskeln werden unter 
Fixation mit Klemmen durehtronnt, bei starker Struma auch der 
Kopfnicker durchschnitten, die äussere Kropfkapsel wird nun im 
ganzen Bereich der Drüsenhälfte gespalten und stumpf abgehoben 
und danach die Struma luxirt. Bei periadoiiitiselien Verwach¬ 
sungen wird auf die Luxirung verzichtet, die Resection in situ vor¬ 
genommen, jedenfalls soll die Kropfkapsel von der Vorderfläche 
der Drüse vollständig losgelöst werden. Der eigentlichen Resec¬ 
tion geht die Unterbindung der Art. und Vena thyroid. sup. voraus, 
die bei sehr weit hinaufreichendem oberen Horn auch innerhalb 
der Drüsensubstanz unter Durehtrennung dieser vorgenommen 
werden kann, ebenso die Ligatur der oberflächlich iu die Drüse 
eintretenden Venen. Die Loslösung des Kropfes aus seiner 
medialen Verbindung mit dem Mittellappen und Isthmus und 
seinem Zusammenhang mit der Trachea geschieht in der Weise, 
dass der Isthmus mit je einer starken Klemme gefasst (gequetscht) 
wird und *in der so gebildeten tiefen Furche je eine Massenligatur 
angelegt, resp. zwischen diesen durchtrennt wird; bei grösseren 
Mittellappen müssen solche Durchtrennungen in mehreren Partien 
. vorgenommen werden. Isolirung der Drüse von der Trachea ln 
ganzer Ausdehnung ist zu vermeiden, da an der Hinterfläche der 
Trachea der Recurrens verletzt werden könnte. M. trennt dess- 
halb die Drüse mit kurzen Scheereuschlägen nur au der Vorder- 
und zum Theil au der Seitenfläche der Luftröhre ab und vollendet 
event. die Isolirung mit stumpfem Druck des Fingers. Der Seiten- 
lappen enthält danach nur noch einen Stiel, iu dem die Art. thyroid. 
inf. mit dem ihr anliegenden Nerv, recurrens verläuft. Nun wird 
keilförmig durch 2 verticale, der Achse des Lappens entsprechende 
Schnitte der zur Entfernung bestimmte Theil der Drüse aus der 
Continuität excidirt, die Blutung dadurch gestillt, dass die zurtick¬ 
bleibenden seitlichen Flächen durch tiefgreifende Catgutnähte ver¬ 
einigt werden. Naht und Resection erfolgen schrittweise. Nach 
Vollendung der Resection wird der Drüsenrest durch eine verticale 
Reihe von 4—8 Parenchymnähten geschlossen; ein Theil des früher 
in die Wundhöhle gelangenden Drüsenproduetes bleibt so innerhalb 
der Drüse, die Heilung der Drüsenwunde erfolgt schneller. 
M. befürwortet diese, wie eine typische Operation auszuführende 
Operation als eine physiologische Methode, da jede Kropfhälfte so 
auf das .annähernd der Norm entsprechende Maass verkleinert 
werden, abundante Blutung und Schädigung des Recurrens ver¬ 
mieden werden könne. Zumal bei beiderseitiger diffuser Hyper¬ 
plasie der Drüse wird au der M.’schen Klinik primär die Resection 
beider Kqopflappen und nicht die einseitige Exstirpation aus¬ 
geführt; oft zeigte sich bei einer Operation, dass der zweite, ver¬ 
meintlich nur unwesentlich vergrösserte Lappen doch bedeutende 
Ausdehnung besass und dessbalb auch die Resection des zweiten 
Lappens angesehlossen werden musste. Nur 3 mal sah sich M. zur 
Ligatur der Schilddrüsenarterien veranlasst, von denen es ln einem 
Fall bei sehr brüchigen Gefässen zu beträchtlicher Nachblutung 
kam, die Tamponade nöthig machte. Der betreffende Patient ging 
an Infection der Wunde zu Grunde. 

R. referirt dann noch näher speciell über die 95 drainirten, 
19 tamponirten und 46 geschlossenen Wunden; von den letzteren, 
primär verschlossenen heilten 40 Proc. aseptisch; bespricht die re¬ 
lativ häufig während des Wundverlaufs (als eine Art aseptisches 
Fieber) beobachteten Temperatursteigerungen, die meist am 2. Tag 
oft 38,5—39,0 0 erreichten, sowie die accideutellen Störungen in der 
Reconvalescenz, wobei besonders die Erkrankungen der Lunge 
(stets Bronchopneumonien) von Bedeutung sind - - 11 Fälle, von 
denen 3 (doppelseitige) letal verliefen. Bezüglich der Euderfolge 


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hebt R. speclell den fast völligen Mangel von Reeldiven hervor 
was besonders gegenüber den B e r g e a t'scben Angaben nff;; n , 
und was R. auf die verschiedene Art dei- Kröpfe ^s„ " 

schieden«! Bedingungen ilirer Entstehung bezieht und gibt sehlllss' 

~ «Ä 

Danninvagination und theilt zwei operativ behandelte Invagina- 
^ U ‘ I [ des S * romanum (Careinom, Lipom) mit, sowie zwei Fälle 
1 ^nuresoetjon bei acuter Invag. ileocoecalis _ einer durch g - 

iirsaclit. ° r (lNebeUpankrcas am E,ule ol «°» Divertikels/ ver- 

9 h 1 u m , s k y iberichtet aus der Breslauer Klinik zur Kugel¬ 
extraction aus dem Gehirn mit Hilfe des Röntgenverfahrens id)er 

oberflüchU 1, h in d r m 5 ast r? ,Tahre lmoh 01110111 Connmen suicidii die 

Krämpfe ^mit U Bn,i.i d „ e J ^ 'iV*? 1 ** Kueel WOwn °P 11( Ttiformcr 
Klampfe mit Bildung eines kleinen viereckigen osteoplastischen 

Lappens entfernt wurde. Chi. schildert im Anschluss einen eb" 

Mack en z ieD «wf J? 114 < le,n M ikuU c z «»mlieh wie 

ackenzie, Davids o n) die Kreuzungsstelle der Schatten von 
z\\el in gewisser Distanz von einander entfernten Lampen be- 
stimmte, indem er die Schatten der Photographien 1 u. 2 und die 
Ctntia der Lampenspiegel durch Fäden und Drähte verbindet. 

9,,° * * 8 * e 1 u : Beobachtungen und Experimente über 
die Grundlagen der Antisepsis berichtet eingehend «us derselben 
Klinik zur Frage der Sterllistrbarkeit der Hönde und kommt zu 
i Ch / U i S ’ daSS 1)isliei 'i^ 011 Desinfeetionsmetboden nicht im 
s tände sind imsere Hände sicher keimfrei zu machen; im Weiteren 

komi^t’ nach ^n/; U v e V tUllg dpr Operationshandschuhe und 
kommt nach seinen/Versuchen zu dem Resultat, dass durch die 
Tricothandschuhe die Keime, die von den Händen stammen, zu 
f ro88en The *i, von (ler Wunde ferngehaltcn werden und 
luieh ein häufiges Wechseln der Handschuhe die von aussen und 

werden ° ram0Ud0n Koime aus <1<Mn Wundbereich fortgesclmfft 

tt + AL 1 ’ ietze .? ll)t aus d01 * gleichen Klinik experimentelle 
vi 1 r t ^f S i UChU ^ g ® n U « ber Netzplastik 1111(1 theilt. darin eingehende 
^ ersuche mit, in wie weit durch Netzüberpflanzung eine drohende 
^ anduekrose verhindert werden könne, ob durch Netz eine Sielie- 
^ f e aer ciro ulären Darmnalit zu erzielen und ob ein Magen- 
defect durch Netz zu verschliessen sei (Wiederholung der von 
B i a u n und B e n n e t am Menschen ausgeführten Operation)- 
wJ^ rÜ l Ck8,Ch V fft d i e hl8tolo " ische11 Ergebnisse mul sprechen die 
Ergebnisse seiner Experimente sehr zu Gunsten des Verfahrens. 

pw C 4t 1 V ' Eisberg berichtet ebenfalls aus der Breslauer Klinik 
Herz y^ndeii und Herznaht und suchte durch Thierexperi¬ 
mente die Grosse der Verletzung und die Menge der Nähte fest- 
z»stellen, die ein Säugethierherz ohne dauernden Schaden ver¬ 
tragen kann. E. studirte die histologischen Verhältnisse hei der 
Heilung von Herzwunden und glaubt daraus für das menschliche 
Herz schlossen zu dürfen, dass der Chirurg zur Herzuaht greifen 
darf, wenn trotz passender Allgemeinhehandlung der Zustand eines 
lat. mit Herzwunde sich verschlimmert: sicher erzeugt die Naht 
keinen Herzstillstand. Die Zahl der Nähte sollte so klein als mög¬ 
lich sein, da alle durch dieselben zusammengedrückten Muskel- 
fasern atrophiren und durch Bindegewebe ersetzt werden. Die 
Nahte (Seidenknopfnähte) sollen nur durch das Pericard und die 
oberflächlichen Muskelschichten geführt und womöglich nur 
wahrend der Diastole des hetr. Herztheils geknotet werden Wie 
die Falle von Brugnoli, Podres, Hamilton etc. zeigen 
braucht aber nicht jede Herzwunde genäht zu werden, mall muss 
auch hier streug individualisiren. 

, A ,1S gleichen Klinik berichtet Moser zur Casuistik 
der Stirnhohlengeschwülste über die Operation eines Stirnhöhlen¬ 
osteoms bei 22 jährigem Mädchen und schildert im Anschluss 
daian die verschiedenen Formen der Stirnhöhleuosteome und die 
dadurch bedingten Gefahren. M. berichtet ferner über ein langsam 
lierangewaehsenes Sarkom der Stirnhöhle bei IG jährig. Mädchen 
das zwei ausgedehnte Operationen nötliig machte. 

Aus dem Dlaconissenlmiis in Stuttgart berichtet schliesslich 
Koebel über Combination von Otitis media mit rhinogenem 
Gehimabscess; im Anschluss an eine näher mitgetheilte Kranken¬ 
geschichte geht K. auf die Symptome der Frontalubsecsse näher 
ein und empfiehlt die subperiostale Reseetion der Vorderwand des 
Sinus frontalis als die beste Methode zur Freilegung der Stirnhöhle 
und zum Ueberblicken der Hinterwand und zum evont. weiteren 
' ordriugen in die Schädelhöhle zur Aufsuchung des Abseesses. 

Sehr. 

Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 3 und 4. 

No. 3. M. S c b ü 11 e r : Zur Controle von Dampfsterilisir- 
apparaten. 

Ar Schüller bedient sich zu genanntem Zweck kleiner 
Maximalthermometer von 10 cm Länge aus starkem Glas mit 
Scala von 70—110°, resp. 75—130°, die genau geprüft sind, die Tem¬ 
pel aturen im Innern der Apparate ganz exact auzeigeu und sich 
durch Einfachheit ihrer Anwendung empfehlen. 

S. A uerbacli: Ueber einen Fall von recidivirender Osteo¬ 
myelitis centralis des Radius nach Furunkeln im Nacken. 

Oasuistische Mittheilung. 

Ko. 4. L Fei 1 eile 11 feld : Zur Prophylaxis bei der 
Chloroformnarkose. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


- ... E -. emp Öehlt nach seinen Beobachtungen über die leichten 
Jui Z Z t[g ^ Eo , nnen vou Erschlaffung des Herzens und die 
vm» L u W S lll V R VOU 1 kIoiueu Strophauthustlosen zur Beseiti- 
7”‘ 9 V Heizklopfen und Aufregiingszuständen etc. bei solchen 
; ti - ten an (leu 1)01(1011 letzten Allenden vor der Operation, sowie 
am Morgen derselben direct nach der letzten Mahlzeit je 5-0 
Iropfeu der linct. strophanthi zu geben. 

F. Iv uliu: Beitrag zur Darmnaht. 
t, , Empfehlung einer kleinen selbstsehliessenden Klammer zur 
Lileiclitening bei der Darmnalit, die im geringsten Fall die Hand 
eines Assistenten ersetzt mul mit der eine genaue Dosinmg des 
Zuges dei Naht und eine beliebige Anuüheruug der beiden Serosa- 
flachen zu erreichen ist. Bezugsquelle Evens&Pistor. Cassel 

Sehr. 

Zeitschrift für Geburtshilfe und" Gynäkologie. 42. Bd 

1. Heft. Stuttgart, F. Enke, 1900. 

o . E ' ° P 1 }^ - Berlin: Das Erkennen abgelaufener früherer 
Schwangerschaft an ausgeschabten Schleimhautbröckeln. 

Die vorliegende Arbeit ist eine Erweiterung einer früheren 
1? d £ se £ / rof - 111 dor Münch, med. Wochenschr. 1800. 

Pso. ->, K 83G) über denselben Gegenstand. O. gelangt auf Grund 
seiner Untersuchungen zur Aufstellung eines Schemas für mikro¬ 
skopische Schwangerschaftszeicheu, die er, nach Analogie der 
klinischen Eintheilung, in sichere und unsichere trennt. Als 
sichere Schwangerschaftszeichen bezeichnet O. 

a) vom F o e t u s ausgehende: 

r, „ y ol ' kommon foetaler Elemente. Eihüllen und Chorionzotten 
Zellsaulen mit syncytialer Bedeckung, Syncytiumknospen (Placen- 
tarriosenzellen). 

b) von der Mutter ausgehende: 

1. Deciduazellen von 20—50 p Durchmesser 

2. Schwangerschaftsdrüsen. 

Diese von O. entdeckten Befunde fand er unter 140 Aus¬ 
schabungen von Fällen, wo ein Abort feststand, 75 mal. darunter 
40 mal so ausgesprochen, dass sie allein die Diagnose ermöglicht 
hatten. Deciduazellen waren nur 02 mal vorhanden und nur 
31 mal zusammen mit den typischen Schwangerschaftsdrüsen. 

Auf die wahrscheinlichen oder unsicheren Zeichen versagen 
wir uns, hier näher ciuzugehen., und verweisen für alle Einzel¬ 
heiten auf das Original. 

2) Otto v. Franquß- Würzburg: Salpingitis nodosa isth- 
mica und Adenomyoma tubae: 

Nach einem Vortrag, gehalten auf der 71. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Aerzte in München 1899. Vergl das 
Referat in diesem Bl. 1899, No. 43, S. 1439. 

3) A. E b e r 1 i n - Moskau: Castration bei Vaginaldefect und 
Uterus rudimentarius. 

E.’s Fall betraf eine 23 jährige Frau, seit 5 Jahren verhei- 
ratliet. me menstruirt, aber seit dem 18. Lebensjahre an yicari- 
irendem Nasenbluten leidend, mit heftigen Molimina menstrualia 
und Unfähigkeit zur Cohabitation behaftet. Die Untersuchung 
ergab Fehlen der Scheide und des Uterus. Die Operation bestand 
in Entfernung eines wallnussgrossen Uterusrudiments und der 
Adnexe. Ungestörter Heilungsverlauf. Die nähere Untersuchung 
der Genitalien stellte Folgendes fest: völliger Scheidendefeet, 
Uterus rudiinen tarius solidus unieornis, Defect der linken Adnexe, 
normale Entwickelung der rechten Adnexe. In der Literatur fand 
E. noch 20 ähnliche operirte Fälle, von denen 16 noch functio- 
nirende Ovarien bei Uterus- und Vaginaldefect hatten. 20 wurden 
laparotomirt, 1 mit Koeliotomie vaginalis behandelt. Mit Aus¬ 
nahme von 2 Fällen wurden alle geheilt. 

4) A. Jentzer und O. Beuttner-Genf: Experimentelle 
Untersuchungen zur Frage der Castrationsatrophie. 

Die vorliegenden Untersuchungen wurden angestellt an 10 
castrirten Kühen, 13 Kaninchen und 4 Hunden. Alle Uteri 
wurden makroskopisch und mikroskopisch genau untersucht und 
ergaben übereinstimmend Atrophie. Ferner wurde an 0 castrirten 
Kaninchen der Einfluss von subcutanen Ovarialinjectionen geprüft, 
um zu entscheiden, ob durch künstlichen Ersatz von Ovariensub¬ 
stanz die Uterusatrophie liintangehalten werden kann. Das Re¬ 
sultat war durchweg negativ. Nähere Einzelheiten müssen im 
Original nachgesehen werden. 

5) C. H. Stratz : Zur Behandlung der Beckenperitonitis. 

S t. ist Anhänger der conservativen Behandlung von entzünd¬ 
lichen Adnexaffectionen. In über 800 Fällen hat er nur 20 mit 
Laparotomie zu behandeln für nötliig erachtet. Als wirksamste 
Behandlung empfiehlt er heisse Vaginalirrigationeil 
mit einem eigens von ihm constmirteu Speculum zur Schonung 
der Vulva. Das Wasser soll 48—50° C. heiss sein und in grosser 
Menge, mindestens 4 Liter täglich, angewendet werden. 18 hier¬ 
mit behandelte Fälle verliefen sehr günstig. Vor Allem die puer¬ 
peralen und gonorrhoischen Fälle ergaben befriedigende Resultate, 
während bei den tuberculösen Infectiouen die Heilung ausblieb. 

S t. stellt zum Schluss den Satz auf, dass fast alle Adnexaffec- 
tionen infectiöser Art, mit sehr wenigen Ausnahmen, heilbar oder 
doc-li wenigstens symptomatisch heilbar auf conservativem, nicht 
blutigem Wege sind. 

6) G. Schmauch - Königsberg: Ein Rankenneurom der 
weiblichen Genitalien. 

Kurze Beschreibung dieses Tumors, der von einer 26 jährigen 
I. Para stammte. Derselben war ein Tumor der Scheide, weil 
Geburtshinderniss, entfernt worden und Patientin an Sepsis ge¬ 
storben. Der Tumor hatte sich vom linken Labium majus aus 


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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2G3 


an der Vagina entlang bis in das Lig. latum entwickelt, bot makro¬ 
skopisch deutlich rankenförmigen Bau und bestand histologisch 
aus fibrösem Gewebe und fibrös degenerirteu Nervenbündeln in der 
Umgebung der Ranken. In der Literatur ist nach S c li. eine der¬ 
artige Nervengeschwulst an den weiblichen Genitalien bisher 
nicht beschrieben. 

7) .T. Veit- Leiden: Ueber Vorderhauptslagen. 

Nach einem Vortrag, gehalten auf der 71. Naturforscherver- 
sammlung in München 1899; cf. das Referat in diesem Bl. 1899 
No. 43, S. 1436. 

8) Hans Kauffmann - Berlin : Ueber Dauerresultate 
nach Vaginofixationen. 

Die Arbeit basirt auf 103 Fällen aus O li 1 s li a u s e n’s 
Klinik, von denen 51 liachuutersuckt werden konnten. 34 davon 
waren extraperitoneal, 17 intraperitoneal operirt worden. In 
48 Fällen war die Vaginoflxation mit anderen Operationen, wie 
Daminplastik, Kolporrhaphie etc. combiuirt. In 11 von den 
51 Fällen, also in 21,5 Proc., fanden sich bei der Nachunter¬ 
suchung Recidive der RetroVersion oder ltetroflexion des Uterus; 
hiervon war nur 1 intraperitoneal, die übrigen 10 extraperitoneal 
operirt worden. Schwanger geworden waren 6 von den operirten 
Frauen; 4 davon hatten ausgetragen, 1 abortirt, 1 noch gravida. 

Iv. kommt auf Grund seiner Resultate zu dem Schluss, dass 
die \aginofixation noch weitere Einschränkung als bisher erfahren 
muss. Vor Allem darf sie nicht an Frauen im gehurt «fähigen 
Alter ausgeführt werden, und ferner ist sie für grosse Prolapse 
und Totalprolapse mit Retrodeviation nicht genügend leistungs¬ 
fähig. Jaff e - Hamburg. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 5 u. 0. 

No. 5. 1) Menge und Iv r ö n i g - Leipzig: Die Wahl des 

Nährbodens bei dem culturellen Nachweise geringer Strepto- 
coccenmen gen. 

Eine Widerlegung der Angabe Bumin's, dass das Vorkommen 
saprophytiseli wachsender Streptococcen im Yaginalsecret der Frau 
auch von den Gegnern dieser Lehre (zu denen Verff. gehören) an¬ 
erkannt werde. Der Streptococcus, welcher beim Puerperalfieber 
gefunden wird, kommt im Vaginaisecret der Schwangeren nach 
M. u. K.’s Ansicht nicht vor. Verff. haben ferner durch Experi¬ 
mente festgestellt, dass für den culturellen Nachweis des Strepto¬ 
coccus pyogenes die Wahl des Nährbodens (Agar oder Bouillon) 
gleichwertliig ist. 

2) A. D ü h r s s e n - Berlin: Ueber die Technik der Vapori¬ 
sation. 

D. empfiehlt ein dickes Vaporisationsrohr zu gebrauchen, weil 
der Uterus vor Anwendung der Vaporisation zur Stellung der Dia¬ 
gnose über die Quelle der Blutung stets erst dilatirt werden müsse. 
Mancher Fall von retinirten Eiliautresten, Polypen u. dergl. werde 
dadurch vor falscher Behandlung bewahrt. Die Erfolge der Va¬ 
porisation bei rein klimakterischen Blutungen haben I). andauernd 
sehr befriedigt. 

3) Czempin - Berlin: Zur Narkose. 

Mit Bezug auf die jüngsten Bemerkungen Koblanc k’s 
• ref. in diesem Bl. 1900, No. 3, S. 90) betont (\, dass er die von 
Ersterem als Zeichen drohender Asphyxie erwähnten athetotisclieu 
Fingerbewegungen nicht für ein gefährliches Symptom hält. Den 
von Iv. empfohlenen v. Bergman n’schen Handgriff (Hervor¬ 
ziehen der Epiglottis direct mit dem Finger) rätli C. durch andere 
bekannte und wirksamere Handgriffe zu ersetzen. Endlich macht 
C. noch auf unregelmässige Athemzüge im Beginn der Narkose 
hei schwächlichen und ängstlichen Frauen aufmerksam, die, falsch 
gedeutet, durch Nachglessen von Chloroform gefährlich werden 
können. 

4) S. B e 1 i t z - H e i m a n n - Moskau: Zur Casuistik der 
Kolpaporrhexis sub partu. 

Kurze Beschreibung eines Falles von spontaner Uterus- 
Scheiden ruptur bei einer 23jälirigen II-para. Das Kind wurde 
durch Wendung und Extraction aus der freien Bauchhöhle ent¬ 
wickelt, ebenso die Placenta. Exspeetative Behandlung iu Form 
von Ausspülung der Vagina mit physiologischer Kochsalzlösung 
und Jodoformtamponade. Heilung nach 31 Tagen. — Der Fall 
soll beweisen, dass eine derartige Verletzung auch ohne Laparo¬ 
tomie zur Heilung gelangen kann. 

No. 6. 1) Ferd. Schenk- Prag: Hochgradige frische Aetz- 
8tenose der Cervix und des Fornix in der Schwangerschaft. 
Geburt per vias naturales. 

Es handelte sich um eine 17 jährige Gravida, der zur Ein¬ 
leitung eines Abortus von ihrem Liebhaber eine ätzende Flüssig¬ 
keit ln die Scheide eingespritzt worden war. Der Abort blieb aus; 
dagegen entstand ausgedehnte Nekrose der Vagina, die nebst der 
Fortio als Abguss ausgestossen wurde. Die Folge war hoch¬ 
gradige Stenose der Cervix und des Scheidengewölbes. Die Ge¬ 
hurt erfolgte im 8. Monat; durch Incisioneu und Dilatation des 
Üervicalcuiiales gelang es, einen Fuss heruntcrzuholen und bis 
zum Kopf zu extraliiren. Letzterer musste daun perforirt werden. 
Heilung nach 30 Tagen. 

Sch. bespricht noch die verschiedenen Operationen bei der¬ 
artigen Stenosen. Dass in seinem Falle das Kind noch per vias 
naturales entwickelt werden konnte, ist dem Umstande zu ver¬ 
danken, dass es vorzeitig und unentwickelt war. In den meisten 
derartigen Fällen wird der conservative Kaiserschnitt vorge¬ 
nommen werden müssen. 

2) N. Barde sc u-Bukarest: Ein neues Verfahren für die 
Operation der tiefen Blasen-Uterus-Scheidenflsteln. 

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B.’s Operationsverfahren, das er „e o in b i n i l* t e Cysto- 
Ivolpokoeliorrliapliie“ nennt und in 3 Fällen erfolgreich 
verwendet hat, besteht aus 4 Zeiten: 

a) Befreiung und Mobilisinmg des Uterus, darauf Naht des 
angefrischten Uterusrisses; 

b) Spaltung der Blason-Scheiden wand und Verschluss des 
Blasenrisses durch eine doppelte Etageuuaht, eine submucöse und 
eine museulüse; 

e) Eröffnung des Peritoneums und Ivolpokoeliorrhaphie; 

d) Vaginotixation des Uterus und Wiederherstellung der 
Scheide. 

Einzelheiten müssen im Original nachgesehen werden. Der 
Erfolg der Operation hängt hauptsächlich von der Blasennaht ab. 

3) Otto v. F r a n q u 6 : Zur Cervixfrage. 

Eine Erwiderung auf den Artikel Baye r’s in No. 3 des 
Centralblattes (ref. in diesem Bl. 1900, No. 5, S. Bö); zum Re¬ 
ferat nicht geeignet. J a f f 6 - Hamburg. 

Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. 
Bd. XXXII., Heft 1. 

R. Ivocli: Ueber die Entwickelung der Malariaparasiten. 

Die Arbeit bestätigt die Untersuchung von M a t* C a 11 u m 
über Halteridium «len lnalariaartigen Parasiten der Taube) und 
von Ross über Proteosoma (bei Sperlingen). Die mit Hilfe der 
R o m a u o w s k y’sclieii Färbung angestellten Untersuchungen 
eigabeu aueli einige Erweiterungen unseres Wissens in Einzel¬ 
heiten. Die letzten Seiten der Abhandlung beschäftigen sich mit 
den Organismen der Tropenmalaria, ohne auch auf diesem Gebiete 
viel Neues zu bringen. Der Arbeit sind zahlreiche Phologramme 
bei gegeben. 

II. Kossel: Ueber einen malariaartigen Blutparasiten 
bei Affen. 

Nachweis des Vorkommens von Organismen im Blute von 
Affen aus Ostafrika und aus dem Berliner Affenhaus, welche mit 
den Erregern der menschlichen Malaria grosse Aehnliehkeit haben. 
Krankheitserscheinungen schienen die Parasiten nicht hervor- 
zurufen, iu den Berliner Tliicren waren dieselben stets wenig zahl¬ 
reich, länger in Gefangenschaft lebende waren ganz frei davon. 
Die Frage verdient weitere Verfolgung in den Tropen, namentlich 
auch mit Rücksicht darauf, ob die Affection mit menschlicher 
Malaria etwas zu thun bat. 

E. Babucke: Ueber die Kohlensäureverunreinigung der 
Luft in Zimmern durch Fetroleumöfen. 

Wenn Petroleumöfeu gut brennen, verunreinigen sie zwar die 
Luft rasch mit erheblichen Kohlensüuremeugeu, ca. 12 Prom.. 
machen aber weuig Geruchsbelästigung und erwärmen um 4—5 ' 
in einigen Stunden kleine Zimmercheii. Pro Stunde verbrauchte 
der besprochene Ofeu mir 120 g Petroleum, kostete also in 8 Stun¬ 
den nur 20 Pfennig. 

Paul Friedrich Krause: Sechsjährige Erfahrungen bei der 
Behandlung der Tuberculose nach Erobert Koch. 

Der Verfasser verfügt über 6 jährige Erfahrungen über die 
Wirkung des Koc li’sclien Tubercullu (vorwiegend des alten Prä¬ 
parates), die er ausführlich mittheilt. Hier kann nur angegeben 
werden, dass der Verfasser das Mittel günstig beurtheilt. sehr 
grossen Werth darauf legt, nur minimale Temperatursteigerungen 
zu erzeugen und den Krüftezustand sorgfältigst zu überwachen. 
Er hofft, dass nicht nur iu Sanatorien, sondern auch in der Privat¬ 
praxis das Mittel in der Hand erfahrener Aerzte oft Gutes stifte. 

Eug. F r a e n k e 1 und P. Krause: Bacteriologisches und 
Experimentelles über die Galle. 

Die Galle ist in der Regel in der Leiche steril, nur bei Chole- 
litbiasis. Peritonitis, Bauchoperatiouen und selten bei internen 
Infectionskrankheiten finden sich Keime. Beimpft ist die Galle für 
sehr zahlreiche pathogene Baeterien ein guter Nährboden ausser¬ 
halb des Körpers, auch die Virulenz nimmt auf den Galleniihr- 
böden nicht ab. Verletzungen der Gallenblase ohne Infection, 
Eiuspritzen von grossen Mengen Galle in den Peritonealraum ist 
für die Thiere ohne Schaden. 

B 1 i e s e n e r : Ueber Gelatineculturen im Brutschrank. 

Durch Verwendung von 12 proc. Gelatine, möglichst kurzes Er¬ 
hitzen und Steriüsiren lässt sich eine erst bei 27 0 schmelzende 
Gelatine hersteilen, welche nach zweimonatlichem Stehen 27 bis 
29° C. tadellos erträgt und auch durch Beimischung von 1 ccm 
Wasser nicht nachtheilig verändert wird. Die Arbeit kommt zu 
ähnlichen Resultaten wie früher J. Forste r. 

E. Pfuhl: Untersuchungen über den Keimgehalt des 
Grundwassers in der mittelrheinischen Ebene. 

Im Kiesbodeu der mittelrheinischen Ebene ist das Wasser 
nicht keimfrei, wenn nicht eine etwa 1 m starke Schicht sandiger 
Lehm darüber liegt. 

Robert B e h 1 a : Die geographisch-statistische Methode 
als Hilfsfactor der Krebsforschung. 

Die Arbeit bringt einen Auszug aus einer früheren Unter¬ 
suchung des gleichen Verfassers über auffallend localisirtes Auf¬ 
treten von Krebs in einer Vorstadt der kleinen schlesischen Stadt 
Lenkau. An diese Mittheilung reiht sich die Anführung zahl¬ 
reicher in der Literatur zerstreuter Angaben, wonach der Krebs 
manchmal in ausserordentlicher Anhäufung auftritt, so dass die 
Krebserkrankungen statt 1:40 (Preussen) 1:15, ja 1:10 aller 
Todesfälle betragen. Die Betrachtungen des Verfassers über das 
den Krebslocalitäteu Gemeinsame führten ihn zur Annahme, dass 
Graben- und Teichwasser es sei, was per os den Menschen inficire. 
Wenn dies richtig wäre, wäre (Ref.) eigentlich eine starke Abnahme 

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264 


MÜNCHENER MEDICINISCHE »WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


der gesummten Krebsfrequenz zu erwarten, da ja die Fortschritte 
in der Wasserversorgung sehr bedeutende sind. Es nimmt aber die 
Krebsmortalität nach allgemeiner Feststellung zu. Es müsste also 
(Ref.) weiter angenommen werden, dass die heutige Erreichung 
eines höheren Lebensalters einen für die Krebszunahme so 
günstigen Factor darstellt, dass die Abnahme der Infection ge¬ 
legentlich dagegen zurücktritt. — Recht hat B e h 1 a sicher, Avenu 
er zum eingehendsten Studium der Frage durch Sammelforsehung, 
ein Krebsiustitut u. s. f. auffordert. K. B. L e li m a n n. 

Archiv für Verdauungskrankheiten. Herausgegeben von 
l)r. J. Boas-Berlin. V. Band. 

1) Nicolai S c li i ö d t e : Ueber den Gebrauch des Thyreoidin 
bei Entfettungscuren. (Universitätsklinik in Kopenhagen.) 

Das Thyreoidin ist im Stande, bei Adipositas eine raschere 
Gewichtsabnahme zu erzielen als reine Unterernährung und zwar 
auf Grund seiner fettverbrennenden Eigenschaft. Ein gelegent¬ 
liches Stickstoffdeficit wird ausgeglichen durch reichlichere Ei- 
AA'elsszufuhr und Moderirung der Thyreoidindosis. Das Allgemein¬ 
befinden wird im Ganzen nicht beeinflusst, vorausgesetzt, dass am 
Herzen keine grösseren Störungen vorhanden, nothwendig ist. 
natürlich entsprechende Kost und ständige ärztliche Controle 
wegen des Urins, der Stickstoffbalance und dem eventuellen Ab¬ 
brechen des Mittels. Die mittlere Tagesdosis beträgt bis ca. 20 cg 
Thyreoidin. 

2) Seymour Basch M. D.: Beitrag zur Kenntniss der 
gastrischen Drüsen. (Aus D. J. Boa's Poliklinik in Berlin.) 

Unter diesem Titel gibt. Verfasser ein klar umrisseues Bild 
der seit Charcot in der ratliologie volles Bürgerrecht geniessen¬ 
den Crises gastriques. Nach einem historischen Rückblick kommt 
Basch auf die Symptomatologie dieses Leidens zu sprechen, um 
nach einer erschöpfenden diesbezüglichen Darstellung sein Avei- 
teres Hauptaugenmerk auf die so unendlich wichtige Differential- 
diaguose zu richten. Da die Crises gastriques oft das einzige An¬ 
zeichen einer bestehenden Tabes und in Folge dessen die recht¬ 
zeitige Erkenntniss so unendlich Avielitig, möchte ich aus der vor¬ 
liegenden Arbeit kurz folgende diagnostischen Momente hervor¬ 
heben. Beginn plötzlich ohne jede Veranlassung. Lues scheint in 
der Aetiologie keine Rolle zu spielen, Dauer der Anfälle von 
10 Stunden bis 6 Wochen Tag und Nacht ununterbrochen, Krank¬ 
heitsdauer selbst bis zu 18 Jahren, befallen Averden hauptsächlich 
die 30 er Jahre, kein Fieber, kein Schüttelfrost, Sensorium frei; 
Quantität des Erbrochenen enorm, mit dem Erbrechen jedesmal 
Erleichterung, weder Palpation noch Percussion des Abdomens 
besonders empfindlich, Urinmenge vermindert; bei protrahirteu 
Anfällen Patienten sehr elend, um sich jedoch auffallend rasch 
Avieder zu erholen; das souveränste Mittel bleibt stets Morphium, 
Verwendung finden auch Cerium oxalicum, Antipyrin und 
Strychnin. 

3) Emil S t e i n - Feudenheim; Darmblutungen bei Leber- 
cirrhose. 

Während für gewöhnlich Blutungen nur in den letzten und 
schAversten Stadien von LeberaffectIonen beobachtet Averden, als 
Folge der mehr und mehr zunehmenden Stase, die Anfangs nur 
Ascites und Milztumor bedingend, schliesslich zur Beratung von 
Gefässen und so zur Blutung führt, müssen in einer Reihe von 
Fällen, in denen die Blutung gewissermassen primär, andere als 
mechanische Ursachen gegeben sein. Bei der wohl häufigsten Ur¬ 
sache der Cirrhose, dem Alkoholmissbrauch, ist es selbstverständ¬ 
lich, dass der Sitz der Blutungen hauptsächlich im Magen- und 
Darmcanal, doch auch Lues und Malaria sind Avegeu ihrer gefäss- 
destruirenden Wirkung berüchtigt und so ergibt sich von selbst, 
dass die Blutungen allenthalben erfolgen können. 

4a) Westphalen: Ein weiterer Fall von diffuser idio¬ 
pathischer Oesophagusdilatation. 

Während Netter im Band 4, No. X über ErAveiteruug der 
Speiseröhre im unteren Abschnitt berichtet, haben wir hier einen 
Fall mit ausgedehnter Dilatation der ganzen Speiseröhre vor uns. 
Vollste Beachtung verdient unter den angeführten Symptomen 
Nachstehendes — der Reizhusten und das Erbrechen in Rücken¬ 
lage, bedingt durch das Herabtiiessen von Speisen in den Kehl¬ 
kopf — als Merkmal einer diffusen Erweiterung der Speiseröhre. 

4b) E h r 1 i c h - Stettin: Casuistischer Beitrag zum Asthma 
dyspepticum. 

In vorliegender Arbeit beansprucht das Hauptinteresse das 
zeitliche Aufeinanderfolgen von Asthmaanfällen, die naclnveis- 
lich von zwei verschiedenen Organen ausgelöst wurden, zuerst von 
der Nase und dann vom Magen. 

6) l'roller ; Zur Pepsinfrage bei Achylia gastrica. (Medi¬ 
cinische Klinik ln Giessen.) 

Während eine Anzahl von Forschern bei Achylia gastrica 
auch die Anwesenheit von Pepsin und Labferment ausschliessen, 
fasst Troller das Resultat seiner Untersuchungen dahin zu¬ 
sammen, dass es gleichAvohl Fälle gibt, bei denen trotz völligen 
Versiegens der Salzsäuresecretion Pepsin- und Labausscheidung, 
wenn auch beschränkt, fortbesteht, ein neuer Beweis für RiegeTs 
Theorie von der grösseren Permanenz der pepsinbildenden Func¬ 
tion der Magendrüsen. Im Anschluss bringt der Verfasser ein 
neues Verfahren zur Pepsinbestimmung im Harn, das um so 
werthvoller, als nach den angestellten Versuchen zAvischen der 
Pepsinsecretionsfähigkeit der Magendrtisen und dem Ferment¬ 
gehalt des Harns ein ausgesprochener Parallelismus angenommen 
werden muss. 

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7) S c h ü 1 e : Studien über die Functionen des menschlichen 
Mundspeichels. (Medicinische Klinik Freiburg i. Br.) 

Zuerst bespricht 8 c h ii 1 e die diastatisehe Energie des ge¬ 
mischten menschlichen Mundspeichels und zeigt uns, dass die dia- 
statische Kraft in einer gegen Mittag ZAvischen 11—3 Uhr ihr 
Maximum erreichenden Curve ansteigt, um von da an wieder lang¬ 
sam abzunehmen. Der zweite Theil der Arbeit beschäftigt sich 
mit der Bedeutung des Mundspeichels für die Magenverdauung: 
es bedingt nämlich entsprechende Speicheldurchmischung reich¬ 
lichere Salzsäure- und Pepsiuabsonderuug im Magen, d. h. durch 
das Kauen und Einspeicheln w T ird reflectoriscli die Mageuthätig- 
keit angeregt. 

8) Göppert; Ueber einen Fall von angeborener Ab¬ 
knickung des Dickdarms in Rücksicht auf die sog. angeborene 
Dilatation und Hypertrophie des Kolons. (.Universitäts-Kinder¬ 
klinik in Breslau.) 

Nach eingehender Referirung seines Falles, soAvie zweier 
ähnlicher von 11 e n o c li und Osler beobachteter, kommt Göp- 
p e r t auf das von 11 i r s e li Sprung geschaffene Krankheits¬ 
bild der angeborenen Hypertrophie und Dilatation des Dick¬ 
darmes zu sprechen und führt die einzelnen Fälle an, die sieh 
nur durch grössere Dilatation und Hypertrophie von den ersten 
unterscheiden. Auch noch später als im ersten Lebensjahre 
Avurde aber dieses Krankheitsbild beobachtet, Avie die angeführten 
Krankengeschichten beweisen. Mag man nun zur Erklärung 
II i r s e li spru n g's Theorie heranziehen oder M a r f a n’s Be¬ 
hauptung der angeborenen Form der Flexura sigmoides oder die 
jedenfalls am ungezwungeudsteii erscheinende Erklärung Rose r*s 
s e rs, einer Art von Klappenmeehanismus, das allen diesen Fällen 
Gemeinsame ist immer eine Abkniekung mit cousecutiver Auf¬ 
blähung des Diekdarms. 

9) lv ö v e s i : Untersuchungen aus dem Gebiete der Magen¬ 
pathologie. (Alis der 1. med. Klinik des Prof. v. K o r ä n y i in 
Ofen-Pest.) 

. Drei Fragen hat sieh Verfasser zur BeautAVortuug vorgelegt: 
1. Das numerische Verhalten der Hyperclilorhydrie, darauf lautet 
die AntAVort: Für Ofeu-Pest beträgt der Mittelwerth der Acidität 
50, der freien 1IC1 2G. Hyperclilorhydrie kommt nur selten in ex- 
cessiver Form zur Beobachtung, häutig jedoch in geringem Grade. 
Nicht immer ist die freie HCl allein ausschlaggebend, es gibt auch 
klinische Bilder mit normaler freier 11C1 und lediglich gesteigerter 
Gesammtaeidität. Die Hyperclilorhydrie ist eine Krankheit der 
jüngeren Jahre. 2. Das Verhalten der Gasgährung zur Salz¬ 
säuresecretion: Die Anwesenheit von HCl allein genügt zur Ver¬ 
hinderung der Gasgährung und da von einer desinficirendeu Wir¬ 
kung des Magensaftes den Gährmigserregern gegenüber nicht ge¬ 
sprochen Averden kann, muss eine scharfe Grenze zwischen dem 
Verhalten der HCl gegenüber der durch Spalt- und der durch 
Sprosspilze bedingten Gälirimg gezogen Averden. Die geeignetste 
Substanz zur Gasbildung liefern die Kohlehydrate. 3. Die quanti¬ 
tative Veränderung der Pepsinsecretion unter pathologischen Zu¬ 
ständen. Zwischen Salzsäure- und Pepsinabseheidnng besteht 
kein strenger Parallelismus. SoAvohl in sub- lind anacideu Magen¬ 
säften, als auch bei Processen gewebsdestruetiver Art, ist die 
Pepsinsecretion Aveuiger beeinflusst als die HCl-Abselieidung; bei 
ektatischen und atouischen, nicht careiuomatösen Zuständen Aveist 
die Pepsinsecretion sogar normale Verhältnisse auf. 

10) Marischier und Ozarkiewicz : Stoffwechsel bei 
abnehmendem und zunehmendem Ascites. (Med. Klinik des Prof. 
G 1 u z i n s k i in Lemberg.) 

Zur allgemeinen Uebersicht der nur schAver in einigen Sätzen 
zu skizzlrenden Arbeit möge dienen, dass beide Autoren im Sta¬ 
dium des Ansammelns in der Regel N-, CI-, P-, Ca-Retention be¬ 
obachteten, Avobei jedoch die mangelhafte Desassimilationsfähig¬ 
keit des Organismus zu berücksichtigen ist; im Stadium der Re¬ 
sorption findet vennehrte Ausscheidung statt; selbst mit P- und 
Cl-Verlust. Körpereiweiss wird erst angegriffen, Avenn das 
Nahrungs-N dem Bedürfnis nicht entspricht. 

14) Päl-Wien:. Ueber den motorischen Einfluss des 
Splanchnicus auf den Dünndarm. 

Die verwirrenden Widersprüche über den Erfolg der 
Splanclmicusreizung zu lösen und die geradezu diametralen Er¬ 
gebnisse der verschiedenen Autoren einheitlich zusammen zu 
fassen, gelingt dem Verfasser ganz einfach dadurch, dass er die 
im Dünndarm hervorgerufene Hemmung bei Splanclmicusreizung 
als einen motorischen Act erklärt, d. h. den Splanchnicus als 
motorischen Nerven des Dünndarms bezeichnet, mit Innervations¬ 
fasern für die Ring- sowohl, wie für die Längsmuskeln. 

15. M. E i n h o r n - New- York: Ein weiterer Beitrag zur 
Kenntniss der Magenerosionen. 

Nachdem Einhorn schon 1894 einen krankhaften Zustand 
beschrieben, in welchem ausser der Gegenwart verschiedener sub- 
jectiver Beschwerden gastrischen Ursprungs constant mehrere 
Stückchen Magenschleimhaut im Spülwasser zu finden Avaren, ver- 
öffentlicht er hier weitere 16 Fälle von Erosionen des Magens, die 
er im Gegensatz zu H e m m e t e r als specielle Erkrankung dar 
stellt. Ausser der Anwendung eines 1—2prom. Arg. nitr.-Spray 
empfiehlt der Verfasser hauptsächlich roborirende Behandlung. 

16. B ä c k 1 i n - Gothenburg: Einige Bemerkungen über das 
Regurgitiren. 

B. sucht ln seiner Arbel das Vorkommen des Regurgitirens 
bei den verschiedenen Magenerkrankungen diagnostisch zu ver- 
werthen und zwar bezüglich der Sufficienz oder Insufficlenz des 
Pylorus, ausgehend von der Beobachtung, dass das Regurgitiren 
entschieden der Atonie des Magens anzugehören scheint. 

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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


265 


17. Bacbmann: Experimentelle Studien über die di&e- 
tetische Behandlung bei Superacidität. (Aus der med. Klinik zu 
Ilelsingfors, Prof. R u n e b e r g.) 

Zweck dieser Studien ist, experimentell zu ergründen, welche 
Diät, prineipiell genommen, als die rationellste bei den sogen, 
irritativen Functionsstörungen in der Schleimhaut des Magens an¬ 
zusehen ist, um endlich einmal Klarheit zu bringen in den ständi¬ 
gen Streit, ob Eiweissstoffe oder Kohlehydrate die zweckmässigere 
Kost. Als Resunh? der hochinteressanten und lesenswerthen 
Arbeit führe ich nur aus den Schlusssätzen betreffs der Prineipien 
l'ür die diätetische Behandlung nachfolgende Sätze an: „Eine 
überwiegend animalische Mahlzeit ruft eine stärkere HCl-Secre- 
tion hervor als eine mehr vegetabilische, so dass also die vegeta¬ 
bilischen Nahrungsstoffe (Brot, Brei, Milch) in höherem Grade die 
Forderungen erfüllen, die man au ein derartiges diätetisches 
Regime zu stellen hat, als die animalischen (Fleisch, Eier). Butter 
und Sahne sind direct zu empfehlen, zu Folge ihres herabsetzenden 
Einflusses auf die Saftsecretion.“ 

18. R i c h t e l* - Münster iu Westphaleu: lieber Salzsäure¬ 
absonderung bei Magencarcinom. 

Die bekannte Thatsaelie, dass ln mehr als 10 Proc. aller 
Magencarcinome eine mehr oder weniger reichliche HOl-Seeretion 
längere Zeit, Ja bis in die letzten Lebenstage fortdauert, tiudel 
nach R.’s Ansicht ihre Erklärung in einer erhöhten Irritation der 
Secretionsnerven als Folgezustand einer vorausgegangenen Hyper- 
ehlorhydrie, entweder im Anschluss an ein chronisches Geschwür 
entstanden oder auf nervöser Basis beruhend. 

20. P. Cohnheim: Ueber Gastrektasie nach Traumen, 
die Aetiologie der Magenerweiterung im Allgemeinen und ihr 
Verhältni8s zur Atonie und zum Magensaftfluss. (Aus 
l»r. J. Boas Poliklinik in Berlin.) 

Die wenigen bekannten Fälle von chronischer Gastrektasie 
nach Traumen der Magengegend sind die Folge von Perigastritis 
oder Ulcus; acut entstandene Gastrektasien beruhen auf Schock¬ 
wirkung oiler Knickung des Duodenums, da Wunden der Magen¬ 
schleimhaut grosse lleilungstendenz zeigen. Auch chronische 
Traumen (Druck) führen häufig zu Ulcus und so zur Ektasie. 
Die Diagnose Gastrektasie stützt sich unabhängig von der Grösse 
des Magens ausschliesslich auf die Anwesenheit stagnirender 
Speisereste im nüchternen Magen. Atonie und Ektasie 
sind prineipiell ganz verschiedene Erkrankungen, jene eine all¬ 
gemeine Constitutionskraukheit, diese ein rein localer Process: 
d. li. Atonie führt nie zur Ektasie, wenn nicht Oomplicationen hin¬ 
zukommen, die ein Passagehinderniss bedingen, wie häufiger 
Pylorospasmus nach Ulcus pylori mit Hypoclilorliydrie oder in 
noch mehr Fällen das Vorhandensein eines organischen Hinder¬ 
nisses. Echter Magensaftfluss ist die Folge einer Stenose am 
Pyloms oder Duodenum, nicht aber die Ursache einer Gastrek¬ 
tasie. Erwähnenswerth scheint mir noch die von C o h nhoi m 
nicht nur bei Carcinom der Speiseröhre, sondern auch bei Pylorus¬ 
stenose erfolgreich angewandte Oelliehandlung. 

21. S i e v e r s - Ilelsingfors: Heber Balantidium coli im 
menschlichen Darmcanal und dessen Vorkommen in Schweden 
und Finland. 

Ueber das im Ganzen (bis jetzt sind 74 Fälle bekannt, aus 
Deutschland 3) doch seltene Krankheitsbild von Balantidium im 
Kolon ist bezüglich der Aetiologie so viel wie gar nichts bekannt, 
man weiss nur, dass dieser Parasit im Darm des Schweines con- 
stant zu finden, auch über die Pathogenität herrscht noch keim» 
Einstimmigkeit. Immerhin aber gibt die Erfahrung uns schon 
eine Reihe von Mitteln an die Hand zur erfolgreichen Bekämpfung 
des Uebels. Runeberg verwendet hauptsächlich Chinin¬ 
klysmen (1—2 g Chinin auf 200—1000). combinirt mit Chinin 
(1—3 g) per os oder Kalomel (0,5—1,0). Naphthalin war wirkungs 
los. Behandlungsdauer 1—5 Wochen. 

22. E1 s n e r : Der Einfluss der Menstruation auf die 
Thätigkeit des Magens. (Aus der Poliklinik von Dr. J. Boas in 
Berlin.) 

Während Riegel in seinem Lehrbuch überhaupt nur ganz 
allgemein von einer häufigen Veränderung der Magensaftsecretion 
zur Zeit der Menstruation spricht, hat K u 11 n e r bei seinen 
Patienten herabgesetzte HCl-Secretion. ja selbst Anacidität ge¬ 
funden. E 1 s n e r hat nun 14 Fälle daraufhin nachgeprüft und 
fand bei 5 keinerlei Aenderung des Aciditätswerthes. 6 mal fand 
sich Hyperacidität und nur in 3 Fällen zeigte sich Subacidität. 
Au der Hand der Krankengeschichten kommt E. nun zu folgenden 
Schlüssen: Geringe Blutungen sind ohne Einfluss, bei stärkeren 
Blutungen kann Hyperacidität auftreten je nach dem Erregungs¬ 
zustand des Centralnervensystems, steigert sich der Blutverlust 
bis zur Mennorrhagie, so kann Subacidität die Folge sein. Die 
motorische Magenfunction soll durch die Menstruation keine 
Aenderung erfahren. 

23. R e w i d z o f f : Moskau: Noch einige Worte über mein 
Gummi-Gastroskop. 

R. bespricht kurz einige Verbesserungen, die er au seinem 
auf dem XII. medicinischen Congress zu Moskau demonstrirten 
und dann in der Berl. klin. Wocbenschr. 1807, No. 41 besprochenen 
Gummi-Gnstroskop getroffen. 

24. R a t h m a n n : Einige Bemerkungen über die Haltbar 
keit der Magensäfte. (Aus dem stiidt. Krankenh. Mülheim a. Rh.. 
Chefarzt Dr. Moers.) 

Erst nach Wochen sinkt der HCl-Gelialt des Magensaftes, 
aber stets noch kann HCl nachgewiesen werden, anders verhalten 
sich anacide und milchsäurehaltige Magensäfte, denen die ent¬ 
schieden desinfleirende Kraft der HCl fehlt; sie verlieren ihre klare 


Farbe, der Säuregrad steigt rapid, so dass Anfangs unsichere lte- 
actionen deutlich werden. Eine Ausnahme macht der chronische 
Magenkatarrh, hier kann die Anfangs eventuell vorhandene HCl 
durch allmählich auf tretende Milchsäure verdrängt werden. 

Dr. A. Jordan. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In- 
lectionskrankheiten. Bd. XXVII., No. 4. 1900. 

1) Nils S j ö b r i u g - Lund: Heber die Mikroorganismen in 
den Geschwülsten. 

Im Anschluss an eine im Jahre 1800 gegebene Mittlieilung 
berichtet Verf. über die seit jener Zeit gemachten Beobachtungen 
und Erfolge bei der Untersuchung und Züchtung von Organismen 
n aligner Geschwülste. Nach seiner Meinung und Ueberzeugung 
gehören die Geschwulstparasiten überhaupt keiner der bisher als 
Schmarotzer beschriebenen Thier- oder Pilzart au, sondern sind 
ohne Zweifel zu den Rliizopoden zu rechnen. — Uebertragungs 
versuche mit Geschwulstgewebe gelangen ihm beim Kaninchen, 
Hund und Meerschweinchen zum Tlieil, bei weissen Mäusen da¬ 
gegen in 5o Proc. der Fälle mit absoluter Sicherheit. 

Um die betreffenden Organismen zu züchten, verwandte er 
einen Nährboden aus 8 proc. Poptongelatine mit 1,5 Proc. Kaliseife 
aus Menschenfett dargestellt, und 1 Proc. Zucker. Die Mikro¬ 
organismen wachsen in Zimmertemperatur fast eben so gut wi*» 
im Thermostaten, zeigen jedoch kein Oberflächenwachsthum. Ihre 
Formen sind so ausserordentlich mannigfaltig und variabel, dass 
mau keinen Typus als vorherrschend mischen kann. Verf. unter¬ 
scheidet 3 Formen und zwar: 1. amoeboide Gebilde, 2. typische 
Rhizopodeugebilde und 3. Involutionsformen. Erstere sind die 
häufigsten, sowohl iu den Geschwülsten, wie auch in den Cultureu: 
während dieRhizopodenfonneu in dünneren Nährmedien am meisten 
anzutreffen sind. Eine Eigenthümliclikeit der betreffenden Gebilde 
ist ihre Neigung, in anscheinend plasmodiale Verbände zusammen¬ 
zutreten, die noch nicht unter den Rhizopoden beobachtet sind. 

Sollten sich diese interessanten Thatsaehen, von denen noch 
zahlreiche in der vorstehenden Arbeit aufgeführt sind, als sicher 
erweisen, so würden wir in dem Erkennen lies Wesens der malignen 
Geschwülste ein wesentliches Stück weiter sein. 

2) William B u 11 o e h - London: A simple apparatus for ob- 
taining plate cultures or surface growths of obligate anaerobes. 

3) G. S a n a r e 111 - Bologna: Zur Lehre vom gelben Fieber. 

Artikel polemischer Natur. 

4) A. Loos-Kairo: Notizen zur Helminthologie Egyptens. 
III. Die Skierostomen der Pferde und Esel in Egypten. 

Schluss folgt. R. O. N e u m a n n - Berlin. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 7. 

1) C. A. E w a 1 d - Berlin: Die Autointoxication. (Schluss 
folgt.) 

2) I*. B a u m g a r t e n - Tübingen: Zur Lehre von den 
natürlichen Schutzmitteln des Organismus gegenüber Infec- 
tionen. (Fortsetzung folgt.) 

3) P. F. Richter- Berlin: Experimentelles über den Ader¬ 
lass bei Hraemie. 

Die günstige Wirkung des Aderlass bei Uraemie. namentlich 
mit nachfolgender Kochsalzinfusion, ist mehrfach erprobt, ohne das-? 
sie erklärt wäre. Da bei Uraemie eine Zunahme der moleculareu 
Coneentrntion des Blutes vorhanden ist. so hat Verfasser unter¬ 
sucht. ob sich dieser Factor durch den Aderlass verändert. Ex¬ 
perimentell wurde bei Kaninchen Nephritis hervorgerufen; es 
ergab sich hierbei, dass die langsam sich entwickelnde Nieren- 
insuffieienz in ihrem Ausdruck, der gesteigerten moleculareu Con- 
centration des Blutes durch den Aderlass nicht geändert wird. 
A’-:»h wenn letztere ganz rasch in die Höhe geht, tritt durch den 
Aderlass mit oder ohne Kochsalzinfusion keine wesentliche Ver¬ 
minderung des osmotischen Druckes ein. Die Wirkung des Ader¬ 
lass ist also vorläufig noch nicht experimentell erklärbar. 

4) J. B r o n s t e i n - Moskau: Zur bacterioskopischen Diph¬ 
theriediagnose. 

N e i s s e r hat ein Verfahren angegel>en, durch Doppelfärbung 
der Culturen den echten Diphthcricbacillus von den „Pseiulo- 
bncillen“ zu unterscheiden und Verfasser untersuchte nun. ob diese 
Methode nicht direct auf Ausstrichpräparate augewendet werden 
könne. Das Resultat war ein günstiges, indem die Färbung der 
Polkörner an den Membranen gelang. B. gibt noch eine Variante 
dieser Doppelfärbung an, indem er Dahlia statt Methylenblau ein¬ 
führt und länger färbt. 

5) A. Celli -Rom: Epidemiologie und Prophylaxis der 
Malaria vom neuesten aetiologischen Standpunkte aus. 

In seinem Vortrage gibt C. ein Referat über die neuesten 
Resultate der Malariaforschung, die besonders nachwies, dass der 
Mensch nur Zwischenwirth, die Stechmücke der eigentliche Wirtli 
der Malariaparasiten ist. Die Malaria ist keine eigentliche Boden- 
krankheit. C. schildert Leben und Gebräuche der malariatragen¬ 
den Stechmücke. Die Infection geschieht durch die Haut mittels 
Stich. Disposition und Immunität unter dem Einflüsse localer 
Faetoreu. der Jahreszeiten, der socialen Verhältnisse und Gewohn¬ 
heiten der Bevölkerung werden erörtert, doch kann auf die inter¬ 
essanten Ausführungen hier nicht eingegangen werden. Für die 
Diagnose ist die Blutuntersuchung das sicherste Mittel, das sehr 
genaue Aufschlüsse liefert. Bezüglich der eingehenden Vor¬ 
schläge über die Prophylaxe (Isplirung, Desiufection, Assanirung 


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266 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


der Malarialandstriche durch Caniile etc., ferner Erziehung und 
bessere Ernährung der inflcirten Bevölkerung) wird auf das Ori¬ 
ginal hingewiesen. 

6) M. S c h ü 11 e r - Berlin: Polyarthritis chron. villosa und 
Arthritis deformans. 

In seinem ausführlichen, mit vielen Abbildungen pathologisch¬ 
anatomischer Befunde ausgestatteten Artikel sucht Verfasser unter 
ausführlicher Darlegung der pathologischen Anatomie beider 
Krankheiten nachzuweisen, dass dieselben nicht zusammen¬ 
geworfen werden dürfen, sondern aetiologisch und nach deu 
therapeuthischen Indicationen von einander zu trennen sind. Für 
Arthritis deform, empfiehlt S. leichtverdauliche, nicht leicht zu Zer¬ 
setzung führende Kost, Karlsbader Curen, Massage, Thermal- 
douchen; für Polyarthritis vill. Injectionen von Guajacol-Jodo¬ 
form-Glycerin, eventuell Operation, Massage, Elektricität, inner¬ 
lich Thiocol. 

7) S. W. B a n d 1 e r - Berlin: Zur Entstehung der Dermoid¬ 
cysten. 

B. bespricht die verschiedenen Theorien darüber und üussert 
unter Bezugnahme auf die Entwicklungsvorgänge bei dem 
Wolf f‘schen und Mülle r’schen Gang die Anschauung, dass 
gewisse embryonale Zellen und Organe in ganz directer Weise 
Zellen, welche zur Bildung anderer Gewebstheile bestimmt sind, 
mit sich schleppen und diese heterotopischen Zellen dann die 
Gewebe in den Dermoidcysten produciren. Verfasser besitzt ein 
von der linken Seite stammendes Dermoid, das 8 Zähne enthielt, 
die für 1. Ober- und Unterkiefer bestimmt waren. 

Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 6. 

1) Tj. B r i e g e r und F. N e u f e 1 d : Zur Diagnose be¬ 
ginnender Tuberculose aus dem Sputum. (Aus dem Institut für 
Infectionskrankheiten in Berlin.) 

Die Frühdiagnose der Tuberculose hat durch die Einrichtung 
der Lungenheilstätten eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Die zur 
Feststellung einer exaeten Diagnose unbedingt nöthige bacterlo- 
logisehe Untersuchung des Auswurfs ist in der Regel von dem 
praktischen Arzte nicht ausführbar, zum mindesten nicht in dem 
Maasse, dass sie den Forderungen einer genauen Differential¬ 
diagnose zwischen reiner Tuberculose und Miscliinfectionen ent¬ 
spricht. Hier sollen staatliche Institute eintroten, für einzelne 
zweifelhafte Fälle kommen die Tuberculininjectionen in Betracht, 
welche trotz ihres hohen diagnostischen Wertlies und ihrer bei Be¬ 
obachtung der K o c h’schen Vorschriften gänzlichen Ungefährlich¬ 
keit leider bei der Mehrzahl der Aerzto noch wenig Vertrauen 
finden. Eine Anzahl ausgewählter charakteristischer Fälle wird 
beschrieben. 

2) Julius W o 1 f f : Zur Behandlung der stricturirenden 
Mastdarmverschwärung. Zugleich ein Beitrag zur Mastdarm¬ 
plastik. 

Schluss folgt. 

3) E. S e h r w a 1 d - Freiburg i. B.: Klimmzuglähmungen. 

Mittheilung zweier weiterer Fälle von Klimmzuglälimung. 

Dieselben sind meist als Hyperextensionslähmung des Plexus 
brachialis zu betrachten unter Miterkrankung des Musculus ser- 
ratus anticus major und seines Nerven, des Thoracious longus. 
Vergleiche übrigens die erste Mittheilung hierüber in No. 30 der 
Deutsch, med. Wochenschr. 1898. 

4) M. L. M e n k o - Amsterdam: Spondylosis rhizomelica. 

Beschreibung eines Falles der von Strümpell als „chro¬ 
nisch aukylosirende Entzündung der Wirbelsäule und der Hüft 
gelenke“ bezeiehneten Krankheitsform, mit zwei Abbildungen. 

F. Lacher- München. 

Correspondenzblatt für Schweizer 'Aerzte. XXX. Jahrg. 

No. 3. 

D u b o i s : lieber Suggestion und Psychotherapie. 

Nicht Suggestion im engeren Sinne und Hypnose sollen 
das Grundprineip der Psychotherapie sein, sondern aufrichtige 
logische Ueberzeugung und Erziehung des Patienten. NB. nach 
genauer Untersuchung und Diagnose. 

A. S t e i g e r - Zürich: Untersuchungen über Sehschärfe 
und Treffsicherheit. (Schluss.) 

Die Treffsicherheit beim Schiessen hängt vor Allem ab von 
der Sehschärfe (1 ist nicht = normale Sehschärfe! — am besten 
Prüfung mit verschieden gestelltem E). vom Bildungsgrad und 
von der Uebung. Diese 3 Momente können sich gegenseitig com- 
pensiren, ja übercompensiren, jedoch erscheinen die für die Militär- 
tauglichkeit auf gestellten Grenzen der Sehschärfe zu niedrig. Jeder 
sollte auf seine maximale Sehschärfe untersucht und danach einer 
Waffengattung zugetheilt werden. Zahlreiche übersichtliche Ta¬ 
bellen (nach Schiesstibungen eines Bataillons). Pischinger. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 6. 

1) Böla v. Fenyvessy-Wien: Ueber die Wirkung des 
SchilddrÜBensaftes auf die Circulation und Athmung nebst 
einem Anhang über Beziehungen zwischen Jodothyrin und Jod- 
natrium, bezw. Atropin. 

Verfasser experimentirte an Kaninchen, denen er Extra etc 
verschiedener Schilddrüsenprftparate intravenös beibrachte. Quali¬ 
tativ wirkten alle 5 Präparate, welche untersucht wurden, in ana¬ 
loger Weise. Eine regelmässige Wirkung auf die Athmung fand 


sich nicht; nicht selten aber wurde nach der Injection eine durch 
die Lungenvagusäste vermittelte reflectorisclie Beschleunigung und 
Abflachung der Athmung in Inspirationsstellung beobachtet, 
seeundär eine länger anhaltende geringere Beschleunigung der 
Athmung mit leichter Verflachung. Bezüglich des Kreislaufs be¬ 
wirkt der Schilddriiseusaft beim Kaninchen nach der Injection 
eine Blutdrucksenkung, die durch Erweiterung der Gefässe be¬ 
dingt ist, wobei aber die Gefässcentren unbetheiligt sein können. 
Auf Grund weiterer, im Original mitgetlieilter Thierversuche kann 
v. F. die Angaben bezüglich der antagonistischen Wirkung des 
.Todothyrins gegen das Jodnatrium, resp. Atropin in keiner Weise 
bestätigen. 

2) C. Bi eh 1-Wien: Störungen der Vasomotorenthätigkeit 
und der Sensibilität nach peripherer traumatischer Facialis- 
lähmung. 

B. hält durch den von ihm beobachteten Fall den Nachweis 
für erbracht, dass der N. facial. auch beim Menschen sensible und 
vasomotorische Fasern enthält. Der betreffende 22 jährige Kranke 
batte einen Messerstich gegen das 1. Ohr bekommen, worauf eine 
complete Lähmung des Stirnastes des VII. eintrat, Parese 
im Gebiete der anderen Aeste. In der 1. Gesichtshälfte zeigte sich 
Gedunsenheit der Haut, Röthung derselben, Sehweissabsondemng 
und abnorme Empfindlichkeit. Hysterie ist ausgeschlossen. Ver¬ 
fasser meisselte den Warzenfortsatz auf. um etwa Eiter zu finden, 
doch war der Befund negativ. Die von Küster vorgeschlagene 
Modification der Eröffnung des Proc. mast, bewährte sich nicht. 

3) v. Wagner- Wien: Gutachten der medicinischen Facul- 
tät in Wien. 

Zu kurzem Referate nicht geeignet. 

Dr. Grass mann - München. 


Französische Literatur. 

Paul R a y m o n d, auserordentlicher Professor zu Montpellier: 
Die Morbidität in Frankreich und deren Beeinflussung durch 
Basse und Bodenverhältnisse. (Revue de mödecine, Sept. 1899.) 

R. führt die jetzigen Bewohner von Frankreich im Allgemeinen 
auf 3 Bevölkerungsarten zurück, die ursprünglich die Nordost- 
theile bewohnenden Kelten, welche später gegen die Mitte vor¬ 
drangen (Brachycephalen), die völlig autochtlione sogen. Art der 
Cromagnonen (Dolichocephalen) im Nordwesten und die von der 
Donau und Germanien hereinströmenden (dolichocephalen ) 
Galater oder Belgier, welche den Norden von Frankreich besetzten. 
Im Allgemeinen sollen sich, wenn auch Vermischungen vorge¬ 
kommen sind, diese Stämme bis heute in ihren speciellen Eigen¬ 
arten erhalten haben, was sich besonders durch specielle Krank- 
heltseigenthümlichkeiten documentire. So ergaben die statistischen 
Untersuchungen, dass die Krankheiten, welche Befreiung vom 
Militärdienst bewirken, in den Grenzbezirken Frankreichs, bei der 
Bevölkerung an der See und in den gebirgigen Theilen. viel häufiger 
sind, wie im Centrum des Landes. Der Einfluss der Bodenverhält¬ 
nisse kommt noch zu dem der Rasse hinzu und ist z. B. bei der 
l epra. welche in Frankreich, gleich wie überall (?), nur an 
den Gestaden des Meeres vorkommt, ein zweifelloser. Während 
die Kelten bessere Zähne haben, als die Kymrer, lässt die Seh¬ 
kraft der letzteren zu wünschen übrig. In den Departements, wo 
die brünetten Dolichocephalen des südlichen Frankreich vor¬ 
herrschen, beträgt der Ooefflcient der Befreiung vom Militärdienst 
2.49 Prom.. während er in den übrigen Departements 1,77 resp. 
1,54 Prom. ist. Eine Krankheit, für welche der Einfluss der Rasse 
unbestreitbar ist, ist der Scharlach und schon seit Langem hat 
man Prädisposition der anglosächsischen Rasse für diesen fest¬ 
gestellt, ebenso wie die schwere Form, welche sie bei den Englän¬ 
dern begleitet. Das kymrische Element in Frankreich muss daher 
viel mehr vom Scharlach betroffen werden und eine viel höhere 
Sterblichkeit geben, als die übrigen Bewohner, was in der That die 
Statistik lehrt: in den 10 Hauptstädten der 10 kymrischen Departe¬ 
ments. verglichen mit den 10 keltischen Departements von ungefähr 
gleicher Bevölkerungsstärke, verhält sich die Mortalität an Schar¬ 
lach wie 232 gegen 160 (in 3 Jahren). Eine andere Krankheit, für 
welche der Einfluss der Rasse unbestreitbar Ist, ist die Miliaria 
(Sehweissfrieseln): zu allen Zeiten waren die Anglosaxonen und 
Germanen dazu disponirt und In Frankreich hat die Krankheit in 
den Norddepartements besonders geherrscht, wo man eben das 
kymrische, blonde Element findet, zu welchem auch die Angel¬ 
sachsen und Germanen gehören. Ueberall in Frankreich, wo diese 
Rasse der Dolichocephalen vorherrscht, hat sich die Miliaria ein¬ 
genistet. tritt in lange dauernden Epidemien auf und kehrt immer 
leicht wieder, während im Gegentheil überall, wo man die Brachy¬ 
cephalen antrifft, diese Krankheit nur selten vorkommt, bald er¬ 
lischt und sogar meist nicht wieder erscheint. Es Ist hier nicht 
möglich, auf weitere Einzelheiten der interessanten Arbeit ein¬ 
zugehen: R a y m o n d ist aber überzeugt . dass eingehende anthro¬ 
pologische Untersuchungen ebenfalls den Beweis bringen können, 
dass die Rassen, welche ursprünglich die französiche Bevölkerung 
zusammensetzten, heute noch trotz zahlreicher Mischformen er¬ 
kennbar seien. 

Audion und Bourgeois: 7 Fälle von Empyema neces- 
sitatis bei Kindern. (Revue mensuelle des maladies de renfancc. 
September 1899.) 

Die beiden Autoren beschreiben eingehend die obigen Fälle 
und setzen ihr Erstaunen voraus, dass heutzutage noch in der 
kurzen Zeit von 4 Jahren eine relativ so grosse Anzahl von Fällen 
zur Behandlung komme; es sei schwer begreiflich, dass man Monate 
hindurch eine purulente Pleuritis verlaufen lasse, ohne die Punc- 


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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHR WOCHENSCHRIFT. 


2(>7 


tion oder die FleUrotomie zu machen. Die Ursache dafür liegt iu 
der Krankheit selbst, die sieh oft, besonders beim Kind, nicht in 
ihren classisclien Symptomen zeigt. Das jüngste der Kinder war 

das älteste !), die anderen 7, 8 Jahre alt. Einer der Fälle 
purulenter Pleuritis folgte nach Masern, ein zweiter nach Lungen¬ 
entzündung, einer nach Keuchhusten und die vier anderen nach 
nicht näher zu bestimmenden Lungenatlectioneu. Iu 5 der Fälle 
»also nicht in sänmitlielien 7 % Rof.) war die Pleuritis nicht er¬ 
kannt worden und erst spät zur Operation gekommen (nach (>, 8 
und mehr Monaten). Dieselbe hatte bei dreien zur Folge, dass sich 
die Pleurahöhle nach der Pleurotomie von selbst füllte. Die 
Prognose des Empyema necessitatis richtet sich nach der Dauer 
der nicht erkannten Pleuritis, sie ist eine schwere, da die Heilung 
Monate und Jahre dauern, schw ierige und wiederholte Eingriffe 
notlnvemlig machen kann und nicht ohne bleibende Störungen auf 
Seite der Lungen, der Pleura, des knöchernen Brustkorbs erfolgen 
kann. Einer der Fälle endigte trotz Operation tödtlich, wahrschein¬ 
lich in Folge der durch das Empyem bedingten Kachexie; die 
Autopsie ergab intime Verwachsung der beiden Pleurablätter bei 
dem 3 y 3 jährigen Knaben. Die Schwierigkeit der Eiupyem- 
diaguose ist zwar seit Langem bekannt, doch vermindert sie sich 
nu(*h Ansicht der beiden Autoren, wenn man die hauptsächlichen 
Merkmale bedenkt, wie Verlagerung des Herzens, bei der Per¬ 
cussion matten Schall und Resistenz des Fingers; wenn ferner in 
Folge einer Lungenentzündung, einer acuten Krankheit ein Kind 
fortführt, Fieber zu haben, mager und blass wird, sollte man immer 
an die Möglichkeit einer eitrigen Pleuritis denken, besonders den 
percutorischen Ergebnissen, welche oft unklar sind, misstrauen 
und die Probepunction vornehmen. Da die acute Perforation mit 
Ifötlie, Hitze und Schmerz selten ist, so bemerkt man nur durch 
Zufall den insidiösen Beginn des Empyema necessitatis: vor und 
ausserhalb der ersten lntercostalräume, besonders des fünften, er¬ 
scheint ein w'enig Schwellung und Oedem; erstere ist einige Tage 
laug nur wenig schmerzhaft, wird dann grösser, Üuctuireud und 
zeigt schliesslich alle Eigenschaften des Empyema necessitatis. 
Was die Dififerentialdiagnose betrifft, so kommt neben den seltenen 
Fällen, wo Wauderabscesse, vom Halse kommend, hinten und 
unten durchbrechen und neben Lipomen der Brustwand vor Allem 
der kalte Abscess der Brustwand iu Betracht, w-elcher, häuüg bei 
Kindern, denselben Sitz wie das Durchbruchsempyem hat und 
wie dieses bei schwachen Kindern besonders häutig ist; beim 
Empyem ist jedoch das Allgemeinbefinden schwer beeinträchtigt, 
beim Abscess nicht und die ganze locale Untersuchung muss die 
Diagnose sichern. Auch an eine in Bildung begriffene Fistel 
zwischen Haut und Bronchien lässt der Durchbruch eines Em¬ 
pyems denken, erstere ist jedoch sehr selten, die Luft entweicht 
dabei zischend aus der Wunde und immer muss damit ein vor¬ 
geschrittenes Stadium der Luugeutuberculose verbunden sein. Im 
Allgemeinen ist aber zu coustatiren, dass bei Pleuritis auf tubercu- 
löser Grundlage (Koc li’schen Bacillus) die Perforation selten, bei 
jener mit dem Pneumococcus relativ häutig ist. In zweifelhaften 
Fällen muss stets Punction zur Anwendung kommen und soll man 
künstliche Entfernung des Eiters anstrebeu und dieselbe nicht der 
Natur überlassen. 

Marfan: Die Rolle der Mikroorganismen bei der Gastro¬ 
enteritis der Säuglinge. (Ibidem und Revue mens., October und 
November 1899.) 

Die ausführliche, mit einer Reihe instructiver Fälle illustrirte 
Arbeit kommt zu dem Ergebnisse, dass die bacteriologischen Unter¬ 
suchungen über die Gastroenteritis der Säuglinge, w r enn sie auch 
noch unvollständig sind, wenigstens gezeigt haben, 1. wie wichtig 
die Rolle der Infection bei dieser Krankheit ist, 2. dass aber noch 
andere Momente in Betracht zu ziehen sind und die Infection oft 
nur secundür hinzutritt. Die localen und allgemeinen Erschei¬ 
nungen der Gastroenteritis sind im Allgemeinen auf 4 Ursachen 
zurückzuführen: 1. die fehlerhafte Verarbeitung der Nahrungs¬ 
stoffe (Dyspepsie), 2. die Infectiosität des Darminhaltes, welche 
entstehen kann entweder durch die erhöhte Virulenz der normalen 
Darmmikroorganismen (endogene Infection) oder durch zufälliges 
Eindringen pathogener Mikroben (ektogene Infection). 3. Die 
Toxicität (im weitesten Sinne), welche der Magendarminhalt be¬ 
sitzen kann und herrührt entweder von Giften, die von aussen 
durch die Mundhöhle hineingelangt sind (ektogene Intoxication) 
oder von Toxinen, die von pathogenen, mehr oder weniger speci- 
lischen Mikroorganismen producirt werden, oder endlich von ge¬ 
wöhnlichen Fermentationen, die besonders darin bestehen, Laktose 
in saure Stoffe, seltener stickstoffhaltige Substanzen in Indol, 
Skatol, Ammoniak, wahrscheinlich mit Production von Toxinen, 
zu verwandeln. 4. Die Veränderungen der Magendarmwand, 
welche sich durch Störungen der Secretion, der Peristaltik, des 
Tonus und der Sensibilität (Erbrechen, Diarrhoe. Meteorismus, 
Gastralgie) verrathen. Es ist wohl zu begreifen, dass, wenn eine 
einzige dieser Störungen vorhanden ist, allmählich die anderen 
daraus entstehen werden; nach mehr oder weniger langer Zeit 
w r erden die 4 genannten Ursachen in verschiedener Proportion ver¬ 
einigt sein und das wird mit dem einfachen Ausdruck Gastro¬ 
enteritis bezeichnet. Man kann hier wieder primäre und sccundäre 
unterscheiden, welch’ letztere im Verlaufe verschiedener Krank¬ 
heiten, wie Masern. Bronchopneumonie u. s. w. auf treten. Nach 
dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft ist es wahrscheinlich, 
dass ein und dieselbe Ursache, der Streptococcus z. B., Magendarm- 
affectionen verschiedener Formen, katarrhalische oder follikuläre, 
leichte oder schwere, acute oder chronische verursachen kann; 
der' vorherige Zustand des Darmtractus, die Eigenschaften der 
vorhaiidenen MikrobeuSchaar, die allgemeine Resistenz des In- 

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dividuums werden ein und dieselbe primäre Wirkung iu ganz ver¬ 
schiedene Wege leiten. Die zu der vorliegenden Arbeit benützte 
sehr reichliche Literatur ist im Anhänge alphabetisch geordnet 
wiedergegebeu. 

Charles Ni c o 11c: Experimentelle Erzeugung des weichen 
Schankers beim Affen. (Presse inedicale No. 88, 1899.) 

Die so oft vergebens versuchte Uebertragung des weichen 
Schankers auf Thiere gelang N. in einem Falle, indem er ihn vom 
Menschen auf den Affen einer bestimmten Art überimpfte; es ent¬ 
stand auf der Stirne des letzteren ein typisches Geschwür, welches 
excidirt wunde und sich vom histologischen wie bacteriologischen 
Standpunkt aus völlig identisch mit dem weichen Schanker des 
Menschen zeigte (3 Abbildungen). Von diesem ersten Geschwür 
aus bildeten sich eine Reihe weiterer durch eine Art Auto- 
inoculatiou; die Lymphdriisen waren nicht, entzündet. Von den 
Schankergeschw’üren dieses eiuen Thieres wurden auf 2 weitere 
Affen anderer Art Ueberimpfungeu gemacht und es büdeten sich 
bei diesen ebenfalls typische Geschwüre. Sie w f areu insofern ver¬ 
schieden, als bei dem einen Thiere rasche Spontanheilung im 
Gegensatz zu den beiden anderen erfolgte und eine weitere Ueber- 
impfung nicht mehr möglich war. Unabhängig von diesen Ex¬ 
perimenten wurden auch au Meerschweinchen, Kaninchen. 
Mäusen Impfversuche gemacht, aber mit stets negativem Resultate. 
Als auffallend (trotz der speeiell gewählten Impfstelle V Refer.) 
hebt N. hervor, dass der welche Schanker an der Stirne sich ent- 
wickelt hat, einer Stelle, wo das Vorkommen von Ulcus mollo 
beim Menschen bis jetzt geleugnet wurden ist. N. macht schliess¬ 
lich darauf aufmerksam, dass es bei den Affen eine grosse Reihe 
verschiedener, bisher kaum bekannter Arten gibt, die eben ver¬ 
schieden sensibel für die bacterielleu Gifte sind, und dieser Ver¬ 
schiedenheit der Arten muss man bei den Impfversuchen in hohem 
Grade Rechnung tragen. 

Ladislaus Deutsch, von der med. Facultüt zu Ofen-Pest: 
Beitrag zum Studium des Ursprungs der Antikörper beim 
Typhus. (Auuales de l’institut Pasteur, September 1899.) 

Die umfangreiche, aus dem Laboratorium von Metschui- 
k o f f stammende Arbeit ist in 2 Hauptabschnitte getheilt. Der 
erste beschäftigt sich mit dem Ursprung der präventiv 
gegen den Typhus wirkenden Substanzen, der 
zwuite mit dem Ursprung der Agglutlnine und deren Beziehungen 
zu den Antikörpern. Die einzelnen Phasen der Versuche können 
hier nicht wiedergegebeu werden, sondern Referent muss sich auf 
die Schlussfolgerungen beschränken. Dieselben bestehen für die 
erste Frage in Folgendem: 1. Eine einzige intraperitoueale In¬ 
ject ion einer Typhuscultur bewirkt die Entstehung der Antikörper 
beim Meerschweinchen. 2. Die den Typhus bekämpfende Wirkung 
erscheint im Serum gegen den 4.-5. Tag, nimmt dann zu, um gegen 
den 11.—12. Tag ihr Maximum zu erreichen. Sie nimmt nun ab 
kann aber noch 1 Monat nach der Iujection evident gemachi 
werden. 3. Die antityphöse Kraft ist wenig beträchtlich in der 
Leber, Niere, in den Nebennierenkapseln, im Epiploon. Die Stärke 
der antityphösen Wirkung des Bauchfellexsudats kommt zuweilen 
derjenigen des Serums gleich, ohne sie jemals zu übertreffen. 
4. In einem Viertel bis einem Fünftel der Fälle sind das Knochen¬ 
mark und in der Hälfte der Fälle die Milz wirksamer als das 
Serum. 5. Die lymphoiden Organe stehen in Beziehung zur Bil¬ 
dung der Antikörper; aber ziemlich oft (ein Drittel der Fälle) 
nehmen sie daran nicht Theil und es ist zu vermuthen, dass sich 
dann diese Körper anderswo, vielleicht im Blute selbst, bilden. 
Die wichtige Rolle der erwähnten Organe (Knochenmark, Milz) 
ist durch folgende Thatsachen bewiesen: Die Splenektomie der 
Thiere während der ersten Tage ihrer Immunisation ist von einer 
beträchtlichen Verminderung der antityphösen Kraft gefolgert, 
die Injection von so exstirpirten Milzen in das Bauchfell anderer 
Meerschweinchen bewirkt das Auftreten specifischer Agglutinine 
in dem Blut derselben, was beweist (aber nur, wenn Immunisiruug 
und Agglutinirung nahe verwandt sind; Refer.), dass gegen den 
Typhus wirkende Substanzen in der Milz fixirt Vorkommen. Die 
vorliegenden Experimente zeigen nicht, w r elches die Zellen sind, 
die die Bildung der Antikörper bewirken, sondern nur die Stellen, 
w o dies geschieht. Wenn man einerseits den lymphatischen 
Charakter dieser Stellen (Blut, Milz, Knochenmark), andererseits 
die grosse Veränderlichkeit der beobachteten Thatsachen bedenkt, 
so hält D. die Annahme für wohl berechtigt, dass dies Wanderzellen 
leukocytären Ursprungs sind, die. mit Bacterienproducten beladen, 
dort die Antikörper bilden. Bezüglich der Agglutinine 
(II. Theil der Arbeit) ergab sich Folgendes: 1. Die Intraperitoneale 
Injection einer Typhuscultur bewirkt beim Kaninchen das Auf¬ 
treten einer agglutinirenden Wirkung im Serum. 2. Das Auftreten 
und die Entwicklung derselben ist oft denselben Regeln unter¬ 
worfen wie das Zustandekommen der Antikörper, sie entsteht 
gegen den 3.—4. Tag, nimmt bis zum 10.—13. Tag zu und nimmt 
dann allmählich wieder ab. Die correspondirenden Werthe wech¬ 
seln ziemlich beträchtlich bei den verschiedenen Thieren. 3. Was 
die Organe der immunisirten Thiere, Leber, Nieren, Nebennieren- 
kapseln betrifft, so enthalten sie nur Spuren von Agglutininen. 
die lymphoiden Organe (Milz, Knochenmark, Drüsen) enthalten 
wechselnde Mengen, ohue den Werth des Serums zu erreichen. 
4. Geht die Milzexstirpation der immunisirenden Injection voraus, 
so verhindert sie nicht die Bildung der Agglutinine; wird sie 3—5 
Tage nach der Injection gemacht, so erscheinen dieselben nur in 
geringerer Menge, als der Norm entspricht. Die Milz muss also 
Substanzen einschliessen, welche von den Bacterien herrühren 
und die Bildung der Agglutinine hervorrufen. Die Lungen können 
als die einzigen Organe des Meerschweinchens angesehen werden, 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


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welche iu der Mehrzahl der Fälle eine grössere Agglutinatious- 
fäliigkcit besitzen als das Serum. Diese Wirkung des Lungen- 
extracts ist keine specifiselie, sondern muss als absolut unabhängig 
von der Wirkung der spocifischon Agglutinine des immunisirten 
Serums ungesehen werden. Trotzdem soll es gewisse Analogien 
geben, wonach die normalen Agglutinine von jenen der Lunge 
herrühren. Der Lungensatt ist die erste bekannte thierische 
Flüssigkeit, welche, obwohl stark agglutinirend. keine Antikörper 
imit Präventivwirkung) enthält. 

.1. C o 1 a r d : Darstellung des Caseins als pyogene Substanz. 
(Ibidem.) 

Büchner hat zuerst im Jahre 1890 das vegetabilische 
Casein als eine Substanz angewandt, die leicht die Eiterung ge¬ 
wisser (Jewebe und speciell der Pleura her vorm ft und damit (las 
Studium der Alexine. der präventiven und bacterieiden Sub¬ 
stanzen ermöglicht. Da nun Colard die gewöhnlich im Handel 
vorkommenden Gnseine als unreine Präparate fand, so ersann er 
eine Methode, wonach es gelang, ein sehr reines Caseinpräparat 
darzustellen, welches beträchtliche pyogene Wirkung besitzt, wie 
(Jengou bereits in seinen Versuchen coustatirt hat. Die Dar¬ 
stellung geschieht aus Weizenmehl, aus welchem zuerst (Jluten 
gewonnen wird und aus diesem dann durch Maceration mit ver¬ 
dünnter Kalilauge, Essigsäure und Alkohol (der Reihe nach) das 
vegetabilische Casein. 1 Kilo Mehl gibt ungefähr 20 g des letzteren. 
Man kann das Casein auch aus Legumiuosen-Kömern ausziehen. 
Es ist in schwach alkalischer Lösung sehr Leukocyten anziehend: 
um Eiterung hervorzurufen, genügt es, in die Pleura 8—10 ccm 
dieser 5—10 proc. alkalischen Lösung zu injiclren: den folgenden 
Tag kann man eine beinahe gleiche Menget Eiters entnehmen. 

Stern- München. 


Englische Literatur. 

James C. R e e v e : Welches ist der beste Draht zur Ein¬ 
führung in einen aneurysmatischen Sack? (Annales of Surgery, 
Pecember 1899.) 

Verfasser operirte einen 49jälir. Mann, der an einem grossen 
Aneurysma der Bauchaorta litt. Unter localer Anaesthesie 
öffnete er die Bauchhöhle, stach eine Hohlnadel in den Sack ein 
und führte 7 Fuss versilberten Kupferdrahtes ein; daun verband 
er den Draht mit dem positiven Pole einer galvanischen Batterie 
und Hess einen Strom von 80 MA. durchgehen. Da dies keine 
Schmerzen verursachte (heftige Schmerzen bei einem Versuche, 
den Strom auf 110 MA. zu bringen), liess er den Strom 50 Minuten 
lang einwirken, nach welcher Zeit eine deutliche Gerinnung auf¬ 
getreten war. Die Blutung aus der Eiusticliöffnung stand bald. 
Patient starb 24 Stunden nach der Operation. Bei der Seetion zeigte 
es sich, dass eine Drahtschlinge etwa 10 Zoll weit in die Aorta vor- 
gedrungen war, das freie Ende des Drahtes reichte aber sogar bis 
zur Aortaklappe, die es ekchymosirt hatte. Verfasser machte im 
Anschluss an diese Operation eine Reihe von Experimenten und 
fand, dass dünner, vorher aufgespulter Silberdraht sich am 
meisten zur Einführung in ein Aneurysma eignet. 

A. H. Miller: Narkose mit Lachgas und Aether. (Ibid.) 

Verfasser empfiehlt das Chloroform ganz aufzugeben und zum 
Aether überzugehen. Die dem Beginn der Aethernarkose anhaf¬ 
tenden Unannehmlichkeiten umgeht er, indem er zuerst Lachgas 
gibt. Die Zeit bis zum Eintritt völliger Betäubung beträgt im 
Mittel etwa 3 Minuten; man braucht, wenn man erst gelernt hat, 
gerade im richtigen Momente vom Gas zum Aether überzugehen, 
nur sehr wenig Aether zum Unterhalten einer tiefen Narkose. 
24 Proc. aller Narkotisirten brachen nicht nach der Narkose, nur 
5 Proc. hatten wirklich starkes Erbrechen, wie es nach Chloro¬ 
formnarkose so häufig ist. 

Saundby: Das Influenzaherz. (Birmingh. med. Review. 
November 1899.) 

Herzerkrankungen nach Influenza sind sehr häufig, meist sind 
sie functioneller Art und bestehen in Veränderungen der Frequenz 
und des Rhythmus (am häufigsten besteht Verlangsamung des 
Pulses); sie gleichen nicht selten den Störungen, die durch Tabak¬ 
oder Alkoholmissbrauch hervorgerufen werdeu. Die organischen 
Erkrankungen bestehen meist in Erweiterung der Ventrikel, die 
namentlich bei schwächlichen Kranken oft durch eine schleichende 
Myocarditis und Verfettung hervorgerufen wird. Frauen leiden 
nach Influenza nicht selten an monatelang anhaltender Unregel¬ 
mässigkeit und Aussetzen des Pulses, verbunden mit Schwäche- 
gefiihl, Depression und Mageubeschwerdon, dabei lassen sich 
physikalisch keinerlei Aenderungen am Herzen nachweiseu. 
Männer leiden mehr an Herzerweiterung, die oft zu einem systo¬ 
lischen Mitralgeräusch führt. Fuiictionelle Störungen sind mit 
Ruhe, Diät, Eisen und Arsenik, bei rapidem Puls auch mit Digitalis 
zu behandeln. Organische Störungen werden am günstigsten durch 
die S c h o t t’sche Methode beeinflusst. 

Conolly Normann : Die klinischen Zeichen der Beri- 
Beri-Krankheit. (Dublin Journal of med. Sciences, 1. Januar 1900.) 

Verfasser beobachtete* eine grosse Epidemie dieser seltenen 
Krankheit im Irrenhause in Dublin. Es wurden hauptsächlich 
die Geisteskranken (erst später auch vorher gesunde Menschen) 
ergriffen. Bei den nicht Geistesgestörten gingen leichte Ermüdung, 
gelegentlich Wadenkrämpfe und Kurzathmigkeit bei geringer An¬ 
strengung oft längere Zeit den schwereren Symptomen voraus. 
Manchmal begannen die letzteren mit einer heftigen Temperatur¬ 
steigerung. Die einmal ausgebrochene Krankheit war äusserst 
verschieden in ihrem Verlaufe. Manche Fälle kamen nie über 

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das mildeste Stadium der Abortivform heraus (S c h e u b e). Es 
bestanden dann nur die schon erwähnten Prodrome mit vorüber¬ 
gehendem, praetibialem Oedera und Herabsetzung der Hautsensi¬ 
bilität iu den Beinen; gewöhnlich bestand nur leichte Tacliycardle 
bei diesen Fällen, manchmal aber war das Herz bei sonst ganz 
leicht scheinenden Fällen schwer erkrankt, so dass es zu plötz¬ 
lichem, unerwartetem Herztod kam. Ueberliaupt war die Prognose 
stets sehr schwierig zu stellen, da ganz leicht verlaufende Fälle 
unvermittelt die schwersten Symptome entwickelten. So war auch 
die Dauer der Erkrankung sehr unbestimmt, da Rückfälle häufig 
vorkamen. 

Die von Anfang an schwer erscheinenden Krankheitsfälle 
schienen schneller zu enden, als die leichteren, sei es nun iu 
Heilung oder in Tod. Mit der Verschlimmerung der Fälle nahmen 
die Oedeme und die Unempfindlichkeit zu; verschwanden diese 
wieder, so blieben Lähmungen und grosse Abmagerung zurück; 
in günstig verlaufenden Fällen wurden auch diese Symptome 
völlig beseitigt. Verschlimmerte sich der Zustand des Herzens, 
so trat oft kurz vor dem Tode Erbrechen auf, das vom Verfasser 
desslialb als prognostisch ungünstiges Zeichen angesehen wird; 
Lungenoedem war eine sehr häufige Todeursaclie, dabei fand mau 
oft Hydropericard und Hydropleura. Zuweilen erfolgte der Tod 
auch durch Lähmung der Athemmuskeln. Unter den Irren er¬ 
krankten auffallend häufig die Epileptiker und diese starben nicht 
selten während eines Anfalles oder kurz nach demselben. 

F. H. C h a m p n e y s : Einige Punkte aus der Natur¬ 
geschichte der Uterusfibrome. (Lancet, 20. Januar.) 

Der sehr sachlich und klar geschriebene Artikel w'endet sich, 
ohne Namen zu nennen, gegen die Operationswuth gewisser Gynä¬ 
kologen, die für die Myomoperation dieselben Indicationen auf- 
stelleu wollen, wie für die Entfernung der Eierstockscysten und 
die, um ihre zahlreichen Operationen zu rechtfertigen, die Ge¬ 
fahren, die ein Fibrom der Trägerin bringt, bedeutend übertrieben 
haben. Die so häufig betonte Neigung der Fibrome, sarkomatös 
zu entarten, ist nach Verfassers Ansicht eine sehr grosse Selten¬ 
heit, ebenso selten führen durch Uterustibrome bedingte Blutungen 
zum Tode; am häufigsten tritt noch der Tod in Folge dieser Tu¬ 
moren ein durch Compression oder Abknickung der Harnleiter 
und dadurch bewirkte Nierenveränderung. Um sich nun ein ge¬ 
naues Bild davon zu machen, wie häutig ein unbehandeltes Uterus¬ 
fibrom zum Tode führe, hat Verfasser das gewaltige Kranken- 
material des Bartholomäus-Hospitales daraufhin untersucht. Das 
Krankenhaus zieht sein Material aus einem bestimmten Stadt¬ 
viertel und es ist anzunehmen, dass die meisten Kranken dieses 
Stadttheiles dies Hospital wieder und wieder aufsuchen. Ver¬ 
fasser sucht nun erst festzustellen, wie häufig die Erkrankung 
überhaupt sei, findet aber, dass eine derartige, selbst nur an¬ 
nähernd richtige Schätzung unmöglich sei, da sow r ohl in der Hos¬ 
pital- wie in der Privatpraxis zahlreiche Fälle von kleineren, intra¬ 
mural oder subserös liegenden Tumoren übersehen werden. Von 
2100112 Frauen, die iu 32 Jahren in seinem Hospitale poliklinisch 
behandelt wurden, litten 40 015 an einer gynäkologischen Krank¬ 
heit, unter diesen wiederum w urde 1043 mal ein Fibromyom dia- 
gnosticirt. Auf seiner Abtheilung behandelte Verfasser in den 
letzten 18 Jahren 5785 gynäkologische Fälle, unter denen 
er 547 mal ein Uterusfibrom diagnosticirte. Betrachten wir 
nun die Statistik des Leichenhauses, so finden wir, dass 
in 32 Jahren 1398 Frauen über 30 Jahre secirt w’urden, welche 
auf der mediciniselien Abtheilung behandelt werden waren. Unter 
diesen 1398 Fällen wurde 74 mal das Vorhandensein von Fibromen 
notirt (gewdss sind manche Fälle übersehen worden), doch nur 
3 mal konnte das Fibrom in Zusammenhang mit dem Tode ge¬ 
bracht werden. 

In 14 Jahren wrnrdeu von der chirurgischen Abtheilung 462 
weibliche Leichen von über 30 Jahren geliefert, bei denen 07 mal 
ein Fibrom gefunden wurde. Unter diesen waren 15 in Folge 
einer Operation an dem Fibrome gestorben. (Diese Zahl er¬ 
schöpft nicht alle Todesfälle, da bei einer Reihe in Folge von 
Myomoperationen gestorbener Frauen die Seetion verweigert 
wuirde.) 

Um zu einer genaueren Statistik zu kommen, hat nun Ver¬ 
fasser die Operationsresultate 5 Londoner Hospitäler zusammen¬ 
gestellt. In 9 Jahren wurden 433 Fälle operirt mit einer Mortalität 
von 74, gleich 17 Proc. Die verhültnissmüssig sehr geringe Zahl 
von Operationen zeigt, dass meist schwere Fälle operirt wurden. 
Operirt Jemand sehr viele Myome, so muss ja die Mortalität 
sinken, da die manuelle Geschicklichkeit des Operateurs wachst 
und zahlreiche leichte Fälle mit unterlaufen. Verfasser kommt 
dann zu dem Schlüsse, dass heutzutage viel zu häufig bei diesen 
Fällen operirt wird. Eine Indientio vitalis, wie sie bei jedem 
Ovariencystom besteht, besteht bei dem Uterusfibrom fast nie; 
desslialb muss jeder Fall individuell betrachtet werden und stets 
soll man vor der Operation andere Behandlungsmethoden ver¬ 
suchen. Am häufigsten werden Blutungen, Schmerzen und Druck¬ 
erscheinungen den Anlass zur Entfernung dieser Tumoren geben, 
stets aber sei man sich bew'usst dass Jedes Symptome so gut wie 
nie zum Tode führt. (Wenn wir auch dem Verfasser unbedingt 
Recht geben müssen in seiner Verdammung der jetzt herrschenden 
Operationswuth, die jedes auch nur zufällig gefundene Myom ent¬ 
fernen will, so Ist doch ein allzu conservativer Standpunkt bei 
dem Zustande der heutigen Technik nicht mehr gerechtfertigt, 
nach Verfassers Statistik haben allerdings die 5 Londoner Spitäler 
heute noch dieselbe Mortalität wie vor 10 Jahren, doch liegt dies 
zum Theil sicherlich an der Missachtung, die manche hiesige 
Gynäkologen den Forderungen der modernen Wundbehandlung 

Original frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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entgegenbringen; unsere eigenen, ebenfalls in London erzielten 
Resultate der Myomoperationen sind jedenfalls bedeutend bessere. 
Der Refer.) 

A. E. W r! g h t: Die Resultate der Impfungen gegen 
Abdominaltyphus. (Ibid.) 

Verfasser machte die Impfungen an Soldaten, während er mit 
der englischen Pesteömmission in Indien war (Ende 1898 und 
Anfang 1899). Nur ein Theil der Vaccine konnte aus England mit¬ 
genommen werden und bestand aus Culturen virulenter Typlius- 
bacillen, denen 1 proc. Lysol zugesetzt war und die man bei 
flO * C. sterillsirt hatte. Von dieser Vaccine wurden 0,5 bis 0,75 ccm 
eingeimpft (dies war die Dosis, welche für 100,0 Meerschweinchen 
tödtlich war). Leider konnte meist nur eine Impfung vorge 
nommen werden (da die Commission nur kurze Zeit an einem Orte 
blieb) und nicht, wie Verfasser sonst verlangt, zwei. Ein anderer 
üebelstand war der, dass die Flasche, welche die Vaccine enthielt, 
häufig geöffnet werden musste; um etwaige Verunreinigungen 
unschädlich zu machen, wurde vor jeder neuen Serie von Im 
pfungen die Flasche neuerdings einer Temperatur von 60° C. aus¬ 
gesetzt und glaubt Verfasser, dass dieses wiederholte Sterilisiren 
die Wirksamkeit der Vaccine abgeschwächt hat. Ein weiterer 
Theil der Vaccine wurde in Indien selbst hergestellt, doch zeigte 
sich die Virulenz dieser Culturen an Meerschweinchen als viel ge¬ 
ringer. Was nun die Impflinge anlangt, so handelte es sich zu¬ 
meist um ganz junge, frisch aus England herübergekommene Sol¬ 
daten, die erfahrungsgemäss dem Typhus viel häufiger zum 
Opfer fallen, als ältere, mehr acclimatisirte Leute. Dies muss man 
bei der Beurtheilung der nachfolgenden Zahlen berücksichtigen. 
Ungünstig war auch der Umstand, dass viele Impfungen während 
des Bestehens von Typhusepidemien vorgenommen wurden, so dass 
ohne Zweifel zahlreiche Leute geimpft wurden, welche den Keim 
der Krankheit schon in sich trugen und auch nach wenigen Tagen 
erkrankten, dies verschlechterte natürlich auch die Statistik. Die 
weiteren Beobachtungen an den Mannschaften wurden von den 
betreffenden Militärärzten und von den Officieren vorgenommen. 
Die Beobaehtungsdauer erstreckte sich auf etwa 9 Monate. Ge¬ 
impft wurden 2835 Mann, nicht geimpft in denselben Truppen- 
theilen 2460 Mann. Von den Geimpften erkrankten 27 (0,95 Proc.) 
und starben 5 (0,2 Proc.). von den Nichtgeimpften erkrankten 213 
(2.5 Proc.) und starben 23 (0,34 Proc.). (Berücksichtigen wir die 
Thatsache, dass die Geimpften, wie oben erwähnt, durchweg die 
jnngen. mehr empfänglichen Leute waren, so scheint der erzielte 
Erfolg zur Nachprüfung und zum Weiterarbeiten aufzufordern. 
Es sind denn auch ein grosser Theil der jetzt in Afrika kämpfen¬ 
den Soldaten vor ihrer Abreise gegen Typhus geimpft worden. 
Refer.) Interessant ist noch, dass mehrere Aerzte an Wright 
geschrieben haben, um ihm mitzutheilen, dass die gegen Typhus 
geimpften Soldaten auch einen gewissen Schutz gegen Malaria 
erworben zu haben schienen. 

S. D a v e y und Fr. Eve; Magenperforation durch Opera¬ 
tion geheilt. (Ibid.) 

Dieser Fall Ist besonders aus folgendem Grunde wertli re- 
ferirt zu werden. Die 38 jährige Frau, die seit längerer Zeit an 
Symptomen eines Magengeschwüres gelitten hatte, bot am Morgen 
des 6. November plötzlich die Zeichen einer stattgehabten Per¬ 
foration dar. Sehr heftige Schmerzen, die durch die leiseste Be¬ 
rührung der rigiden Bauchdecken bedeutend vermehrt wurden, 
absolnte Ruhelage mit angezogene Beinen, kleiner, schneller Puls. 
Kälte der Extremitäten und Nase, Erbrechen. Der Hausarzt dia- 
gnosticirte die Perforation und telegraphirte nach einem Chirur¬ 
gen, gab aber zugleich y 4 Gran Morphium subcutan. Als der Chirurg 
kam. waren alle schweren Symptome verschwunden und die 
Kranke erklärte sich für ganz wohl, der Bauch war weich und 
nicht besonders schmerzhaft bei Berührung. Da aber der Haus¬ 
arzt auf seiner Diagnose bestand und die Temperatur 102° F. 
betrag, so entschloss man sich zur Probelaparotomie, die ein per- 
forirtes Ulcus der hinteren Magenwand aufdeckte. Die Kranke 
genas. (Der Fall beweist, wie so viele andere, wie unrichtig es 
ist. bei dunklen Abdominalerkrankungen Narkotica zu geben, hätte 
der Chirurg dem scheinbar berechtigten Drängen der Verwandten 
nachgegeben und bis zum nächsten Morgen mit der Operation ge¬ 
wartet, so wäre die Kranke kaum noch zu retten gewesen. Refer.) 

R. W. Murray und C o a t e s : Zehn Fälle von Anthrax. 
(Ibid.) 

Die Verfasser beobachteten Innerhalb weniger Monate 
10 Fälle von Anthrax in Liverpool, die alle aus Gerbereien stamm¬ 
ten. In welchen chinesische Häute verarbeitet wurden. In jedem 
Falle wurde die locale Schwellung in toto excidirt, die Wunde mit 
reiner Carbolsäure behandelt und dann mit gepulverter Ipeca- 
euanha bestreut. Ipecacuanha wurde auch Innerlich gegeben. 
9 Fälle genasen unter dieser Behandlung, bei dem gestorbenen 
konnte die Operation nicht mehr die schon aufgetretenen schweren 
Dnngenerscheinungen aufhalten. 

H. W. Page: Die Behandlung der Volkman n’schen 
ischaemischen Muskellähmung durch Verlängerung der 
Sehnen. (Lancet, 13. .Tanuar.) 

H. LIttlewood: Einige Complicationen, die den Ver¬ 
letzungen des Ellbogengelenkes folgen können und die Be¬ 
handlung derselben. (Lancet, 3. Februar.) 

Obwohl Littlewood seinen Fällen eine andere Ent¬ 
stehungsursache zuschreibt, handelt es sich doch sicherlich um 
das von v. Volkmann als ischaemische Muskelcontractur be¬ 
schriebene Krankheitsbild, dessen Entstehung Page ausführlich 
auseinandersetzt, ohne jedoch dem deutschen Leser etwas Neues 


zu bieten. Neu und interessant Ist aber die Behandlungsmethode, 
die beide Autoren, wie es scheint, unabhängig von einander er¬ 
sonnen und in mehreren Fällen mit sehr gutem Erfolge ausgeführt 
haben. Durch einen Hautschnitt in Form eines Rechtecks legt 
man oberhalb des Handgelenkes die Beugesehnen frei; dann wird 
jede Sehne in der Mitte längsgespalten. Am Ende des Längs¬ 
spaltes durchschneidet man quer den Aussentheil der Sehne, am 
Anfang des Längsspaltes den Innentheil, die Sehne ist nun ganz 
getrennt und lässt sich nach Belieben verlängern. Sowohl die 
oberflächlichen wie die tiefen Beuger werden so behandelt und 
nach gehöriger Längsverschiebung mit Seide genäht. Sobald die 
äussere Wunde geheilt ist, beginnt man vorsichtig mit passiven 
Bewegungen und Massage und sorgt durch geeignete Schienen 
für Erhaltung des Gewonnenen. Die Erfolge dieser allerdings 
mühsamen Behandlung scheinen vortrefflich zu sein. 

J. W. Stenhouse: Septische Lymphangitis im Verlaufe 
der Ureteren, Pyelonephritisbehandlung mit Antistreptococcen¬ 
serum. Heilung. (Ibid.) 

Ich habe dem Titel nichts hinzuzufügen, als dass zugleich mit 
der Serumbehandlung grosse Dosen von Chinin gegeben wurden. 
Collier, der den Fall in Consultation sah, erwähnt in einem 
Nachwort, dass er 2 sehr schwere Fälle von acuter allgemeiner 
Pyaemie durch diese Behandlung von sicher in Aussicht scheinen¬ 
dem Tode gerettet habe. 

S. A. Smith: Laryngo - Tracheo - Bronchiale Diphtherie. 
Tracheotomie nöthig trotz Intubation. Intravenöse Injection 
von Antitoxin. (Intereol. Med. Joum. of Australasia. October 

1899. ) 

9 jähriger Knabe kommt mit Athemnoth aus der Schule, am 
nächsten Morgen starke Cyanose; Belag am Gaumen, Intubation 
und Injection von 3000 Einheiten Behrin g’sclien Serums. Am 
folgenden Tage Verschlimmerung, desshalb 3000 Einheiten subcutan 
und 4500 Einheiten intravenös in die Vena basilica mediana. Da die 
Athmung am folgenden Tage noch behinderter wurde, wird zur 
Tracheotomie geschritten, die aber auch nichts hilft, nun künst¬ 
liche Athmung, diese befördert einen Abguss des Bronchialbaum** 
und der Trachea heraus, der mit einer gebogenen Zange entwickelt 
wird. (Der mächtige Abguss ist abgebildet.) Unter weiterer Anti¬ 
toxinbehandlung (im Ganzen 15 000 Einheiten halb subcutan, hall» 
intravenös) kommt es zur Heilung. 

C. W. Mansell-Moullln : Die Indicationen zum opera¬ 
tiven Eingreifen bei der Appendicitis. (Lond. Hosp. Gaz. Clinic. 
Supplem., p. 22.) 

Verfasser sucht statistisch nachzuweisen, dass von Appendi- 
citisfällen, die in den 3 ersten Krankheitstagen zur Operation 
kommen, 83 Proc. geheilt werden, von am 4. und 5. Tage operirten 
nur 60 Proc., von am 6. Tage 58, operirt man erst am 10. Tage 
so werden nur noch 30 Proc. geheilt. (Eine derartige Statistik ist 
natürlich absolut werthlos. Refer.) Verfasser folgert daraus, 
dass man mit ganz wenigen Ausnahmen, die in den ersten Krank¬ 
heitsstunden durch Innere Mittel wieder besser werden, alle Fälle 
sofort operiren soll. Als Indicationen zur sofortigen Operation 
sieht er an: Schmerzen, namentlich wenn sie von Collaps begleitet 
sind, diese zeigen erfolgte Perforation an; heftige Schmerzen, die 
länger wie 36 Stunden anhalten, erfordern die Operation. Opium 
darf nie gegeben werden, da es die Schmerzen verdecken kann. 
Steigt die Pulsfrequenz über 100 oder beim Kinde über 120, so 
operire man. Entwickelt sich während des Anfalls eine Resistenz, 
so operire man auch in anscheinend leichten Fällen. Die Tempera¬ 
tur bietet kein sicheres Kennzeichen, höchstens fordert ein plötz¬ 
licher Abfall unter die Norm zur Operation auf. Meteorismus ver¬ 
langt sofortige Operation. Zum Schlüsse gibt Verfasser folgende 
Regeln: Bei sehr acutem Einsetzen der Krankheit operire man 
sofort, bei milderen Fällen warte man 36 Stunden, ist bis dahin 
nicht bedeutende Besserung eingetreten, so operire man. Alle 
Fälle sollten von Anfang an unter chirurgischer Behandlung 
stehen. , 

R. C. B u i s t und A. M’G i 111 v r a y: Ophthalmoblennorrhoea 
der Neugeborenen. (Scottish Med. and Surgic. Journ. Februar 

1900. ) 

Die beiden Verfasser, von denen der erstere Geburtshelfer, 
der zweite Augenarzt ist, haben zusammen, jeder vom Standpunkte 
seiner Speeialität aus, eine Bearbeitung dieser so häufigen und zu¬ 
meist vermeidbaren Augenaffeetionen gegeben. B u I s t betont 
in seinem Abschnitt vorwiegend die Prophylaxe. In England, wo 
jede Frau schon lange vor der Entbindung den Arzt engagirt, ist 
dieselbe doppelt leicht durchzuführen. Man sehe also schon vor 
der Geburt, ob ein pathologischer Ausfluss vorhanden ist; im Be¬ 
jahungsfälle untersuche man sorgfältig auf Gonococcen und be¬ 
handle etwaige Gonorrhoe. Findet man erst während der Geburt 
einen eitrigen Ausfluss, so kann man die Scheide ausspülen, aber 
nur mit Wasser, Antiseptica sind zwecklos. Sehr wichtig ist in 
jedem Falle die gründliche Reinigung der Vulva mit Seife und 
Bürste. Sobald der Kopf geboren Ist, reinige man sorgfältig mit 
trockener Watte die Augen von aussen; will man eine Lösung ge¬ 
brauchen, so benutze man physiologische Kochsalzlösung. Nur bei 
sicherer oder verdächtiger Gonorrhoe der Mutter sind kräftigere 
Mittel am Platz. Allen voran steht liier die Behandlung nach 
C r e d 6. Während der Wochenbettsbesuche untersuche man 
jedesmal die Augen des Kindes und bei dem geringsten Secret 
träufle man Höllensteinlösung ein, wird der Fall nicht schnell 
besser, so rufe man einen Augenarzt. M’G i 11 i v r a y, der die 
eigentliche Behandlung bespricht, lässt das Auge zweistündlich 
mit Formol (1:2000) auswaschen, daneben werden lmal täglich 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


die evcrtirten Lider mit Höllensteinlösnng (2 proc.) gepinselt. Am 
sorgsamsten achte mail darauf, dass die Cornea nicht gekratzt 
wird. Das gesunde Auge schützt man dadurch, dass man das 
Kind auf die kranke Seite legt. Wer sich für die genaueren Be- 
haudlungsmaassregeln interessirt, möge das gut geschriebene Ori¬ 
ginal lesen. 

Sir Samuel W i 1 k s : Zur Behandlung der Pneumonie, 
i Practitioner. Februar 1900.) 

Verf.. der auf eine lange Hospitalthütigkeit, sowie auf eine 
selten ausgedehnte consultative Praxis zurücksieht, wendet sich 
in diesem Aufsatz gegen den praktischen Arzt von heute. Keine 
Krankheit wird so häufig übersehen wie die so leicht zu erken¬ 
nende Pneumonie und zwar meist, weil der Arzt nicht genau unter¬ 
sucht. Findet aber der Arzt eine Pneumonie, so sucht er sie 
..wissenschaftlich" zu behandeln, indem er mit Antipyrin beginnt, 
um das Fieber herabzusetzen. dann wird Digitalis gegeben, um 
den Puls herabzusetzen, ein Expectoraus beseitigt den Schleim, 
Bromkali den Hustenreiz und Strychnin kommt am Schluss als 
Tonicum für die Lunge. W i 1 k s selbst hält qichts von all’ diesen 
Droguen, glaubt aber, dass im Beginn ein Mittelsalz und dann 
Antimon wirksam sein könne. Als Hauptmittel betrachtet er aber 
wie auch Sir William Gull, sein verstorbener College, das Opium, 
während er die Alkaloide desselben für direct schädlich hält. 
Ebenso hält er für schädlich kalte Einpackungen und die so viel¬ 
fach geübte „stimulirende“ Ernährung. Der Aufsatz ist sehr 
interessant geschrieben, mehr allerdings wegen seines allgemeinen 
Inhaltes als wegen der specifisehen Pneumoniebehandlung mit 
Opium. 

Sir Hermann W eher: Die Behandlung der Pneumonie. 
(Ibid.) 

Auch W eher kann auf eine lange Hospital- und Privat- 
thätigkeit zurückblicken und er gibt uns hier eine üebersicht 
seiner mehr als 50 jährigen Erfahrungen. Zuerst behandelte er 
unter Nasse die Pneumonie mit Blutentziehungen und kleinen 
Dosen von Tartar, stibiat. Kindern wurden 4—5 Blutegel ange 
setzt., ältere Kinder wurden geschröpft und Erwachsenen w r urde 
zur Ader gelassen. Es starben unter dieser Behandlung etwa 
12 Proc.. Dann verlies« man den Aderlass und gab grosse Dosen 
von Tart. stibiat. (Erwachsene bis zu 3,0, Kinder 0,8 täglich). Hier 
bei starben 17 Proc. Ebenso hoch war die Sterblichkeit, als man 
sich der von W i 1 k s so gepriesenen Opiumbehandlung zuwandte. 
Dann behandelte Weber einen Theil seiner Pneumonien mit 
kleinen Aderlässen, einen anderen Theil mit kleinen Dosen von 
Tart. stibiat. Beide Behaudlungsweisen ergaben die gleiche Sterb¬ 
lichkeit, nämlich 14 Proc. Alle diese Methoden versuchte er in 
Bonn und Umgebung. In London am German Hospital begann er 
zuerst mit grossen Dosen Chinin 1.25 am Tage und erreichte eine 
Sterblichkeit von 13 Proc. Dabei schränkte er den Alkoholgebrauch 
nach Möglichkeit ein. Später Hess er Jahre lang alle Medicamente 
fort und beschränkte sich auf sorgfältige Pflege, auch bei dieser 
Behandlung (ohne Alkohol) hatte er eine Mortalität von 13 Proc 
dieselbe, die er erzielte, als er ausser sorgfältiger Pflege kleine 
Dosen von Stib. tartar. und feuchte Wickel anwandte. Auch die 
Salicylbehandhing wies weder bessere noch schlechtere Resultate 
auf. Das ganze Hauptgewicht Ist demnach auf sorgfältige Pflege 
zu legeni. dabei können kleine Aderlässe und kleine Dosen von 
Tart. stibiat. oft gute Dienste thun. 

In England soll nach W e b e r die Pneumonie im Allgemeinen 
eine bessere Prognose darbieten wie in Deutschland. 

t St : Moses: Exstirpation einer verletzten Milz 

(Lancet. 27. Jan.) 

Der Fall ist interessant, weil ein offenbar nicht sehr chirur- 
g.sch vorgobildeter Arzt In Indien die Excision der verletzten 
und zum Theil vorgefallenen Milz vomahm. Der Stumpf wurde 
extraperitoneal behandelt. Die Heilung ging glatt von statten 

""h wollen*n'loht an Ansfn,,ser8ehpfnnn ^n; die LymphdrUsen 

J. P. zum B u s c h - London. 


Vereins- und Congressberichte. 

’ Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 14. Februar 1900. 

Demonstrationen. 

Herr M. W o 1 f f: Einen neuen elektrischen Augenspiegel, 
welcher das Augenspiegeln sehr erleichtert. 

Herr R. Virchow: Magencarcinom mit multiplen 
Knochenmetastasen, die zu c y s 11 s c h e n Bildungen führteu 

Herr Ledermann: Frau mit Lichen ruber verrucosus.’ 

nerr Pick: Präparate von multiplen Flimmerepithelcysten 
des Peritoneums bei gleichzeitigen Ovarialeystomen. Die ersteren 
sind keine Metastasen, sondern entstehen autoelithon durch Epithel- 
ciiisJülpungen. 

Discnssion: Herr L. Landau weist auf die praktische 
Bedeutung dieser Untersuchungen hin, da dadurch gegebenen 
Falles die Prognose viel günstiger würde. 

Herr Hansemann: Eine Fischgräte, welche zufällig 
neben einem Processus vermiformis gefunden wurde und von IL 
als Beispiel insensibler Durchwanderung von Fremdkörpern durch 
den Darm betrachtet wird. Ebenso auffassen zu dürfen glaubt 
er das zweite Präparat; ln diesem findet sich auf dem Perlcard 


ein 6 cm langes, schmales, zartes, spitzes Stück Gras oder Rohr 
von gut erhaltener grüner Farbe; Spitze nach oben gerichtet. 
Einige feine Fädchen fixiren das untere Ende auf dem Pericard. 
II. glaubt nuu, dass dieser Fremdkörper aus dem unteren Oeso 
phagus durch dessen Wand hindurchgewandert sei. 
Tagesordnung. 

Herr Arnheim: Beitrag zur Bacteriologie des Stick¬ 
hustens. 

An ca. 40, zum Theil obducirtcn Fällen konnte Vortr. den 
Czaplewsk i\sc*hen Keuch hustenbacilus bestätigen. 

Discnssion: Herr Ritter glaubt, dass sein von ilnu 
im Jahre 1892 beschriebenes Bacterium identisch mit den Czap¬ 
lewsk loschen sei. 

Herr A r o n s o n : Der Ritte Fache Coecus sei zwar von 
Ritter nach und nach zum Bacillus umgewandelt worden, lial»»* 
aber mit dem Czaplewsk i’schen, den er selbst auch bestätigen 
könne, gar nichts zu thun. H. Kobn. 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht) 

Sitzung vom 13. Februar 1900. 

Vorsitzender: Herr K ii m m e 11. 

I. Vor der Tagesordnung verliest Herr Staude im Auf¬ 
träge der geburtshilflichen Gesellschaft den an anderem Orte dieser 
Nummer (S. 260) abgedruckten offenen Brief an Prof. Hofmeier 
und bittet die Versammlung, in eine Discnssion der Angelegenheit 
einzutreteu. An derselben betlieiligen sich ausser dem Antrag¬ 
steller die Herren Oehrens, Reineke, K ü m m e 11, Wal 

11 c h s und R o e s i n g. Die Redner erklären sich mit dem Tenor 
des Schreibens einverstanden. Es wurde betont, dass in der Dis- 
cussion zum Ausdruck gebracht sei, dass von Einzelnen aufge 
stellte Axiome in wissenschaftlichen, noch nicht spruchreifen 
Fragen keineswegs als Richtschnur für den Praktiker angesehen 
werden dürften. Die von autoritativer Seite in noch discuUrbaren, 
strittigen Fragen iu’s Treffen geführten Drohungen, das Befolgen 
oder Nichtbefolgen irgend einer zugehörigen Maassuahme sei al« 
Vergehen im Sinne des § 222 des Str.-Ges.-B. anzusehen, lähmten 
die freie •wissenschaftliche Entwickelung der Medicin. Es sei (la 
gegen Front zu machen, dass durch derartige Aeusserungen ein 
Zustand geschaffen wird, dass immer ein Büttel hinter dem Arzt 
stände. 

II. Demonstrationen: 

1. Herr Nonne bespricht unter Vorstellung von drei ge¬ 
heilten Patienten die Encephalitis. Es handelte sich um jung- 
Leute, die im Anschluss an Erkältung oder Infectionskrankheiten 
(Influenza) plötzlich mit Fieber, Erbrechen, Kopfschmerz, Nacken¬ 
steifigkeit erkrankt waren. Mehrfach bestand choreatische Un¬ 
ruhe, .Tactationen, Stupor, in einem Falle Neuritis optica, in einem 
anderen eine mehrmonatliche, langsam zurückgehende motorisch** 
und sensorische Aphasie neben rechtsseitiger Facialisparese. Ein 
weiterer Fall bot neben allgemeinen cerebralen Symptomen ein*» 
Parese der Rumpfmuseulatur, Abducensparese, gesteigerte 
Sehnenreflexe der einen Seite. Die Differentialdiagnose gegen 
Meningitis cerebrospinalis, serosa, tuberculosa, Apoplexia cerebri. 
Tumor cerebri war iu jedem Falle schwierig. Der Ausfall der 
Spinalpunction, die Art des Verlaufes sicherten die Diagnose. Von 
einem mit einem Hirntuberkel complicirten Falle, der zur Section 
gelangte, demonstrirt N. Präparate. 

2. Herr Lauenstein bespricht den Nierensteinnachweis 
im Röntgenbild. In einem von ihm durch Nephrektomie geheilten 
Falle handelte es sich um eine mobile Niere, deren Steine aus 
kohlen saurem Kalk und Tripelphosphat bestanden. Trotz dieser 
chemischen Zusammensetzung, die für Röntgenstrahlen ziemlich 
durchlässig ist, erschien nach 1% Minute langer Bestrahlung ein 
deutlicher Schatten der Nierensteine oberhalb der rechten Darm¬ 
beinschaufel. 

ITT. Herr Fraenkel: Demonstration von Influenza¬ 
präparaten am Projectionsapparat. 

Redner bespricht zunächst die Biologie des von Pfeiffer 
entdeckten Erregers der seit 1889 bei uns endemischen Influenza. 
Die zur Zeit in einem grossen Theil von Europa grassirendc 
Epidemie betrachtet er nicht als neu eingeschleppt, sondern als 
ein Wiederaufflackern der Krankheit. Die derzeitige Epidemie 
ist in Hamburg durchaus gutartig. Die demonstrirten Präparate 
stammen aus Obductionen im Jahre 1895. Redner demonstrirt 
Reinculturen und Sputum mit Influenzabacillen, ferner Schnitte 
aus der Lunge und dem Centralnervensystem. Er bespricht aus¬ 
führlich zwei von ihm secirte Fälle von Influenzameningitis, in 
denen sieh ein massenhaftes, eitriges Exsudat zwischen den 
weichen Häuten vorfand, das sogar zu einer Zerreissung der 
weichen Häute geführt hatte. Die Darstellung der Krankheits¬ 
erreger im Schnitt gelang am besten nach Unna’s Methode der 
Färbung mit polychromem Methylenblau und Differenzirung mit 
Tanninsäurefuehsin. 

IV. Herr Rumpel: Ueber Variola und Streptococcen- 
infection. 


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Original fro-m 

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20. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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R. beschreibt eine von ihm vor Kurzem beobachtete, sich auf 
4 Fälle beschränkende Aufeinanderfolge interessanter Krank¬ 
heitsformen, die er nachträglich als Variolainfectioiien anspricht. 

Der Ausgangspunkt ist ein Patient N., der am 8. December 
in Alexandrien ein nach Marseille fahrendes Schiff besteigt. Dort 
trifft er am 13. December ein. Unter leichtem Fieber und gestörtem 
Allgemeinbefinden zeigt sich auf Stirn und im <Jesicht ein röth- 
lieher, fleckiger Ausschlag. Am 14. December verbreitet sich unter 
allgemeinem Schweis» der Ausschlag auf den ganzen Körper. Ein 
hinzugezogener Arzt vermag keine bestimmte Diagnose zu stellen. 
Auf der Rückreise grosse Prostration, die nach der am 38. Dec. 
erfolgten Rückkunft nach Hamburg bald verschwindet. Am 
10. Dec. wird noch ein papulöses Exanthem am ganzen Körper mit 
Schuppenbildung und zwischen den Papeln stellenweise Petechien 
eonstatirt: keine Drüsenschwellung. Am gleichen Tage Zusammen¬ 
kommen mit dem späteren Fall M. — 10 Tage nach der Ankunft 
des N. erkrankt am 29. Dec. seine Gattin mit Erbrechen und Uebel- 
keit. Am 30. Dec. Gesicht geröthet, Rücken- und Wadenschmerzen 
Am 1. Januar scharlachälinliche Röthung über Stirn, Rumpf und 
Hals. Am 2. Jan. Athemnoth, Petechien über Brust, Rücken und 
Extremitäten, die unter dem Auge rasch au Grösse zunehmen, so 
dass schliesslich die ganze Haut und Schleimhaut blauschwarz ver¬ 
färbt ist, 200 ccm rein blutiger Urin. In agone die einzige Tem- 
peratursteigeruug bis 38 °. Exitus letalis. Bei der Section finden 
sich sümmtliche seröse Häute mit Blutungen bedeckt und in 
siimmtlichen Organen Streptococcen in Reincultur; kein Milztumor, 
keine Parenchymdegeneration der Intestina. Mittels Projections 
apparates demoustrirt R. die von diesem Falle gewonnenen Mikro- 
photogramme. 

Am 4. Jan. treten bei der Tochter dieser beiden Patienten 
Durchfälle auf, am 7. Jan. beginnt mit allgemeinem Krankheits¬ 
gefühl eine Temperatursteigeruug auf 40°, am folgenden Tag fällt 
die Temperatur auf 39 °. Kreuzschmerzen. Am 9. Jan. erscheint 
unter Absinken der Temperatur zur Norm ein scharlachähnlicher 
Ausschlag, der sich am folgenden Tage in einen .Variola-Ausschlag 
mit serösem Pustelinhalt verwandelt. Am 11. Jan. Hautjucken, 
Pockenangina; Urinverhaltung, Pusteln. — Der 4. Fall betrifft deu 
Patienten M., welcher nach viertägigen Prodromi, die in Unwohl¬ 
sein, Frost, Kopf- und Kreuzschmerzen, Ohnmachtsanfällen be¬ 
standen, am 6. Januar mit einer Pockeneruption im Gesicht und an 
den Extremitäten erkrankte. Der in’s Krankenhaus aufgenom- 
mene Patient fieberte bis 38,5°; die Temperatur fiel in den nächsten 
Tagen mit der beginnenden Dellenbildung zur Norm. Am 0. Jan. 
konnte somit erst der Zusammenhang der Fälle untereinander, wie 
er lm Vorstehenden skizzirt. ist, erkannt und die richtige Diagnose 
gestellt werden. Mit Rücksicht auf den Streptococcenbefuud in 
dem letal verlaufenen Falle wurden in den letzten beiden Fälleu 
täglich Blutuntersuchungen angestellt. Im Fall M. wurden nur 
am 2. Tage nach dem Ausbruch des Variolaexanthems 2 Strepto¬ 
coccenkeime gefunden, die aber wohl auf eine Secundärinfection 
aus den bereits eitrig gewordenen Pusteln zu beziehen sind. — Im 
3. Fall constatirte während des Exanthems die culturelle Prüfung 
eine Reincultur von Streptococcen im Stuhl, 
während Blut und Pustelinhalt steril waren. 

Der bemerkenawertlieste Fall dieser Epidemie ist der mit 
Hautblutungen verlaufende Fall von Purpura variolosa, der vor 
Ausbruch des Exanthems im Prodromalstadium letal endigt, 
merkwürdig wegen des afebrilen Verlaufes, da hohes Fieber sonst 
das Cardinalsymptom der Prodromi ist. Rumpel fasst die Er¬ 
krankung so auf, dass die Symbiose der Pocken¬ 
erreger mit den Streptococcen die Schwere 
des Krankheitsbildes verursacht. Die Strepto- 
coeceninfection ist in diesen Fällen nicht secundär, sondern es 
handelt sich primär um eine Mischinfection. R. meint, dass der 
Begriff „Schwere der Infection“ vielleicht auch in anderen In- 
fectionskrankheiten: Pestis siderans, Cholera sicca, schwere 
Masern- und Seharlachfälle u. s. w. durch eine ähnliche verhäng- 
nissvolle und gefährliche Symbiose erklärt werden könne. 

Weitere Versuche, die aus dem Stuhl gezüchteten Strepto¬ 
coccen als besondere Art zu differenziren und die mit demselben 
vorgenommenen Impfversuehe an Kälbern haben bisher zu keinem 
Ergebniss geführt. Werner. 


Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg. 

(Offlclelles Protokoll.) 

Sitzung vom 19. December 1899. 

Vorsitzender: Herr Sick. Schriftführer: Herr Henkel. 

Demonstrationen. 

Herr Eueter demonstrlrt das Herz eines halbjährigen 
Kindes, das sich zuerst nach der Geburt in regelmässiger Weise 
entwickelt hatte und vor einigen Wochen erkrankt war. Die physi¬ 
kalische Untersuchung des Thorax stellte fest, dass das Herz nach 
beiden Seiten stark vergrössert war, der Spitzenstoss befand sich 
ungefähr in der Medianlinine, atiscultatorisch konnten keinerlei 
Abnormitäten bemerkt werden. Auf der Röntgenplatte sah man 
einen Schatten im Thoraxraum, der denselben nahezu ganz anfüllte 
und besonders so weit nach rechts herüberragte, dass er von der 

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seitlichen Thoraxwand nur etwa fingerbreit entfernt war. Der 
Schatten entsprach in seinen Contouren ungefähr dem eines ver- 
grösserten Herzens. Wegen des Hinüberragens nach der rechten 
Seite wurde an eine Verlagerung des Herzens, eine Dextrocardie 
gedacht. Bemerkenswerth ist, dass die Herzdämpfung des Kindes 
ganz verschwand oder erheblich kleiner wurde, w'enn es bei auf¬ 
rechter Körperhaltung untersucht wurde. Der Tod trat unter Er¬ 
scheinungen von Herzinsufficienz ein. 

Bei der Section fanden sich Oedeme, Hydrotliorax, der Thorax 
stark vorgewölbt, das Sternum verbogen, mit der Couvexität nach 
aussen, rachitischer Rosenkranz, Stauungsleber, in den Düngen 
(Jollapspartien. Die Spitze des Herzens nach links gerichtet, wird 
ausschliesslich vom rechten Ventrikel gebildet. Dieser von 
kolossalen Dimensionen, übertrifft den linken so sehr an Volumen, 
dass dieser nur als eiu kleiner Appendix des rechten erscheint. 
Der rechte Ventrikel ist mächtig hypertrophisch, die Höhle er¬ 
weitert, am Con. art. pulm. schwielige Verdickungen des Endo- 
cards. Der linke Ventrikel entspricht in seinen Dimensionen un¬ 
gefähr dem Alter des Kindes; die Musculatur nicht verdickt, die 
Höhle nicht erweitert. Die Klappen zart und frei von Verwach¬ 
sungen. Entsprechend der Hypertrophie des rechten Ventrikels ist 
die Art. pulm. mächtig entwickelt, so dass die Aorta ihr gegen¬ 
über klein erscheint. Das Forameu ovale ist offen, der Duct. 
Botalli für eine feine Sonde durchgängig. 

Demnach handelt es sich um eine congenitale Hyper¬ 
trophie des rechten Herzens, für die es nicht gelingt, 
eine genügende Erklärung zu geben, und welche wahrscheinlich 
intra vitam erheblich zugcuommeu hat. Dafür w'ürde die während 
des Lebens beobachtete Vorwülbung des ganzen Thorax und des 
Sternums sprechen. 

Herr S i m m o n d s glaubt, dass das Wesentliche des vorge¬ 
stellten Falles in einer angeborenen Verengerung des Zugangs zur 
Aorta durch eine Wulstbildung am Septum liege. Die Aorta sei 
auffallend eng, die Pulmonalis dagegen sehr weit und nur der 
rechte Ventrikel, der offenbar einen Theil der Arbeit des linken 
übernommen hatte (durch deu offenen Ductus Botalli), enorm 
hypertrophisch. 

Herr H u e t e r legt ein durch die Sectiou gew onnenes Prä- 
paiat eines Kehlkopfs vor. Derselbe stammt von einem 49 jährigen 
Mann, der im Altonaer Krankenhaus an einer Mitralendocarditis 
und ihren Folgeerscheinungen gestorben ist. Anamnestisch ist 
hervorzuheben, dass er angab, Zeit seines Lebens heiser gewiesen 
zu sein. Bei der laryugoskopischen Untersuchung fand sich an 
Stelle des Kehlkopfbildes ein rundes Loch, von der Glottis selbst 
war nicht das Geringste zu sehen. 

Betrachtet man den Kehlkopf von oben, so sieht man, dass 
die Epiglottis wohlgebildet ist. Denkt man sich den hinten auf- 
geschnittenen Kehlkopf zusammengelegt und sieht von oben hinein, 
so siebt mau nichts wie ein rundes Loeli, von der Glottis, den 
wahren und falschen Stimmbändern ist nichts zu sehen. Es zeigt 
sich dabei, dass der Einblick in das Kehlkopfinnere durch einen 
au der Basis der Epiglottis vorspringendeu Wulst verhüllt wird. 

Er ist von Schleimhaut überzogen und bildet mit der Basis der 
Epiglottis einen tief eingezogeueu, sich trichterförmig verengern¬ 
den Blindsack, es gelingt nicht, von hier aus in das Kehlkopfinnere 
zu gelangen. Betrachtet man den Kehlkopf von unten, so sieht 
man zunächst der Trachea, etwa in der Höhe des oberen Randes 
der Gart, ericoidea, die wahren Stimmbänder als 2 dicke Wülste 
hervortreten, sie sind auffällig dicker und kürzer, als wie in der 
Norm. Unmittelbar darüber, von ihnen nur durch eine seichte 
Furche beiderseits getrennt, bemerkt man 2 dünne, mit scharfen 
Rändern versehene Membranen ausgespauut, welche offenbar die 
rudimentär entwickelten Taschenbänder darstellen. Die hintere 
und untere Begrenzung des oben erwähnten, den Kehlkopf durch¬ 
ziehenden Wulstes wird von einer scharfrandigen Schleimhautfalte 
gebildet, welche dicht über dem rechten Taschenband sieb mit 
diesem kreuzt und mit dem linken einen schmalen Spalt begrenzt, 
welcher in schiefer Richtung von rechts vorn nach links hinten 
verläuft. Durch diesen Spalt sieht man in einen tiefen, buch- 
tigen Hohlraum, der nach oben von dem den Kehlkopf durch¬ 
ziehenden Diaphragma begrenzt wird, in ihm erscheint die Schleim¬ 
haut eigentümlich gewulstet. Die Kehlknopfknorpel und das 
Zungenbein sind normal gebildet. 

Es findet sich somit ein Diaphragma im Kehlkopf, und zwar 
an der Basis der Epiglottis, welches den vorderen Theil des Larynx- 
einganges verschliesst und nur den hinteren freilässt. Die Anam¬ 
nese, der anatomische Befund, insbesondere das Fehlen jeder Nar¬ 
benbildung deutet darauf hin, dass es sich um eine congenitale 
Anomalie handelt. Diese ist vielleicht so zu erklären, dass im 
frühen Foetalleben zu der epithelialen Verklebung der primären 
Glottisanlage, w r elche von den Arytaenoidwülsten dargestellt wird, 
eine Entzündung hinzugetreten ist, w r elche eine abnorme Verwach¬ 
sung im vorderen Abschnitt der Arytaenoidwülste bedingt hat. 

Herr F r i e b e n demonstrirte an einigen Präparaten 2 ver¬ 
schiedene Arten des Xehlkopfcarcinoms, w1e sie am häufigsten zur 
Beobachtung gelangen: Die primäre und die aus der Nachbarschaft 
des Kehlkopfs auf diesen übergreifende Krebsgeschwulst. In 
den beiden Präparaten der ersten Art waren beide Stimmbänder 
Sitz des Careinoms, im einen Falle zunächst das rechte, im anderen 
das linke erkrankt und die Geschwulst erst per contiuuitatem 
auf das Stimmband der anderen Seite übergegangen. Die Schleim¬ 
haut des Kehlkopfes zeigte ln einem der Präparate Röthung und 
Auflockerung, Symptome des Katarrhs, welche sich nach längerem 
Bestehen der Geschwulst hinzugesellen. 

Original from 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8 


Ausser durch Metastasen in den regionären Lymphknoten, 
welche relativ häufig augetroffen werden, zeichnete sich dieser 
Fall durch ganz ausserordentlich zahlreiche und voluminöse Meta¬ 
stasen in Milz und Leber aus; letztere, von oberflächlich und t.ef 
gelegeuen Krebsknoten bis zu Apfelgrösse durchsetzt, besass nur 
noch schmale, auf der Schnittfläche netzförmig verbundene Streifen 
normalen, functionsfähigen Parenchyms. Eine so gewaltige meta¬ 
statische Ausbreitung eines Kehlkopfcarcinoms, das im vorliegen¬ 
den Falle von auffälliger Kleinheit war, gehört zu den selteneren 
Ereignissen. Von welcher Bedeutung jedoch in prognostischer 
Hinsicht der Nachweis von Metastasenbildung ist, leuchtet ein, 
sobald eine operative Entfernung der Geschwulst resp. des Kehl¬ 
kopfes in Frage kommt. Im vorliegenden Falle wurde die Total¬ 
exstirpation des Larynx versucht, der Patient starb aber auf dem 
Operationstische durch Blutaspiration ln die Lungen, man kann 
wohl sagen zu seinem Glücke, da bei der durch die Section er¬ 
wiesenen Ausbreitung des Carcinoms keine Möglichkeit der Hei¬ 
lung bestellen konnte. 

Das 3. Präparat demonstrirte das Uebergreifen eines Carci¬ 
noms im Sinus pyriform. dextr. auf Epiglottis und rechtes wahres 
und falsches Stimmband. Starker Katarrh der Schleimhaut; 
Oedein der linken Plica arytaenoidea. Metastasen fanden sich 
trotz der Grösse des primären Herdes in keinem Organe. Bei 
Lebzeiten des Trägers hatte dieses Carcinom für ein primäres 
Stimmbaudcarcinom mit Uebergang auf die Kachenwand gegolten; 
und es ist bemerkens werth, dass manche Carcinome in der 
Nachbarschaft des Kehlkopfes erst durch Uebergreifen auf diesen 
sich störend bemerkbar machen und dann leicht als primäre Kehl¬ 
kopfgeschwülste angesprochen werden können. 

Vortrag des Herrn lochte: Die Erkrankungen der 
oberen Luftwege im secundären Stadium der Syphilis. 

Im Wesentlichen statistische Arbeit, die sich zum Referat 
nicht eignet. (Der Vortrag erscheint demnächst in extenso au 
anderem Orte.) 


Medicinisch-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena. 

Section für Heilkunde. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 7. December 1899. 

1. Herr Wagenmann : Ueber einen Eall von Glas¬ 
splitterverletzung des Auges. 

Herr Wagenmann stellte einen Patienten vor, dem er einen 
Glassplitter aus der vorderen Augenkammer mit gutem Erfolg ex- 
trahirt hatte. 

Am 11. November 1899 war dem 28 Jahre alten Glasbläser W. 
durch Zerspringen einer Thermometerkugel ein Glassplitter in’s 
linke Auge geflogen. Wegen Abnahme des Sehens und Schmerzen 
suchte der Patient sofort einen Arzt auf, der ihn mit kühlen Um¬ 
schlägen und Tropfen behandelte, dann aber wegen fortbestehenden 
Iteizzustandes der Klinik überwies. 

Bei der Aufnahme fand sich am linken Auge neben Lidoedem 
starkes Thränenträufeln, Lichtscheu und mässige Ciliarinjection. 
Gegenüber dem unteren äusseren Pupillarrand fand sich eine 4 mm 
lange, etwas schräg von innen unten nach oben aussen verlaufende 
lineare Horuhautnarbe, mit der in der ganzen Ausdehnung der 
Pupillarrand der Iris adhaerirte. Die Pupille war offenbar durch 
unvollkommene Atropinwirkung mittelweit, durch die Adhaerenz 
unregelmässig gestaltet und bei Tageslicht schwarz. Der untere 
Theil der vorderen Kammer erschien seicht, der obere ziemlich 
normal tief. 

Bei focaler Beleuchtung sah man in der vorderen Kammer 
ein die Pupille fast verdeckendes viereckiges, nahezu quadratisches 
Glasstück von 4 mm Seitenlange, das mit seinem unteren Rand 
fest an der Hinterfiäche der Hornhautnarbe und der vorderen 
Synechie haftete und mit seinen Seitenrändern den Pupillarrand 
soeben deckte, während der obere Rand den oberen Pupillarrand 
nicht ganz erreichte. Der Glassplitter lag der unverletzten Linsen- 
capsel direct auf. Man erkennt die vollkommen durchsichtigen 
Splitter nur bei seitlicher Beleuchtung durch unregelmässige 
Lichtrefiexe. 

Bei der Untersuchung mit dem Augenspiegel erschien der 
obere Rand des Glassplitters in der roth leuchtenden Pupille als 
ein schwarzer feiner Strich durch totale Reflexion des aus dem 
Auge zurückgeworfenen Lichts. Oberhalb des Splitters erschien 
die Pupille normal roth, durch den Splitter erhielt man ebenfalls 
rothen Reflex, der aber etwas abgeschwächt war. Man konnte 
die Pupille und den Augenhintergrund ganz gut sehen, sowohl 
durch den oberen freien Theil der Pupille als auch durch den Glas¬ 
splitter hindurch, der das Bild nur etwas verschwommen und ver¬ 
zerrt erscheinen liess. Die Papille war geröthet und die Netzhaut¬ 
venen waren stark ausgedehnt 

Die Hornhaut erschien bis auf die feine Narbe vollkommen 
klar, von Exsudation von Seiten der Iris war nichts zu sehen, das 
Kammerwasser vollkommen ungetrübt Das Sehvermögen betrug 
nur — 1 D */„. Das andere Auge war normal. 

Durch Atropin erweiterte sich die Pupille, soweit sie folgen 
konnte, fast maximal; der Splitter lag nun vollständig im Bereich 
der Pupille. Die Mydriasis ging wegen Irishyperaemie spontan 
schon nach 1 Tag vollkommen zurück. Durch Eserineinträufelung 
Hess sich die Pupille beträchtlich verengern. Dabei wurde der 
Glassplitter aufgerlchtet, der obere Rand berührte nicht mehr die 
Linse, sondern war deutlich cornealwärts gedrängt und berührte 


fast die Hinterfläche der Hornhaut Die untere Kante war wie 
früher fest an die Narbe gelehnt. 

Die Operation wurde am 27. November in Gocainanaesthesie 
und unter Eseriuwirkuug so ausgeführt dass zunächst ein grosser 
Luppenschnitt ganz innerhalb des Hornhautgewebes nach oben 
und unten mit dem keilförmigen B e e r’sehen Messer angelegt 
wurde, der in den beiden «chnittwinkeln durch je einen Scheereu¬ 
schlag noch etwas verlängert wurde, so dass der gesammte Schnitt 
die halbe Hornhaut c i r c u m f e r e n z einnahm. Die spitze, des 
Lappens wurde mit einer in der linken Hand geführten feinen 
Hakenpincette gefasst, und der Lappen liess sich ohne Weiteres 
soweit aufheben, dass der obere Theil des Splitters frei zu Tage 
lag; nun wurde mit einer in der rechten Hand geführten fein- 
gerieften Pincette der freiliegende Splitter gefasst und ohne 
jede Mühe entfernt. Der Lappen wurde zurückgeklappt und legte 
sich vollkommen gut an. Damit war die Operation ohne Jede Ooui 
plication beendet 

Schon am nächsten Tage war die Kammer leidlich gut her 
gestellt nur zeigte sich die Irisperipherie an einer circumscripten 
Stelle mit der Hinterfiäche der Wunde verklebt, aber nicht vor¬ 
gefallen. 

Am 30. November konnte der Patient zuerst wieder auf stehen. 
Die Heilung verlief weiterhin vollkommen befriedigend. Das 
Auge ist zur Zeit blass, nur bei längerer Berührung und Prüfung 
noch etwas empfindlich. Die Operationsnarbe tritt als eine ausser¬ 
ordentlich feine graue Linie hervor, die kleine Adhaerenz mit der 
Irisperipherie ist unbedeutend. Das Auge hat bereits heute bei 
einer vorläufigen Sehprüfung mit concav 2 D eine Sehschärfe von 
Y„; es steht zu erwarten, dass bei einer späteren genaueren Prü¬ 
fung auch mit Cylindergläsern noch bessere Sehschärfe gefunden 
wird. 

Der fast quadratische Glassplitter von 4 mm Seitenlange 
und ca. 1 mm Dicke war vollkommen aseptisch in das Auge ein- 
gedrungen und ohne jede Mitverletzung der Linse in der vor¬ 
deren Kammer stecken geblieben. Bei seiner Grösse und Lage 
im Bereich der Pupille ist es als ein besonderes Glück zu be¬ 
zeichnen, dass die Linsenkapsel imverletzt blieb. Der vor¬ 
handene Reizzustand ist als ein mechanischer Effect der Ver¬ 
letzung anzusehen. 

Zur Entstehung von chronischer Entzündung, die bei monate¬ 
langem Verweilen von Glassplittern in der vorderen Augenkammer 
nicht ausbleibt, wie die Versuche Leber’s am Kaninchenauge 
und ein vom Vortragenden im 40. Band des v. Gräfe’schen 
Archivs beschriebener Eall zeigten, war die Zeit viel zu kurz. 

2. Herr Ziehen : Ein Eall von chronischer circum- 
scripter Pachymeningitis interna des Brustmarkes. 

Herr Z i e n e n stellt einen 28 jährigen, weder hereditär noch 
durch Syphilis oder chronische lntoxication belasteten Mann vor. 
welcher im August 1894 eine epidemische Meningitis 
durchgemacht hat und jetzt seit December 1898 über zunehmende 
Paraesthesien im rechten Bein und zunehmende rasche Ermüdung 
des letzteren klagt. Die Untersuchung ergibt Fussklonus rechts, 
B a b i n s k i’sches Phänomen rechts, leichte allgemeine Parese des 
rechten Beines, leichte Atrophie (1 */, cm im Vergleich zu links.), 
intacte elektrische Erregbarkeit, unbestimmt abgegrenzt, an der 
Grosszehenseite stärker ausgesprochene Hypaesthesie (namentlich 
für Berührung), erhebliche Störung des Muskelgefühls (in sehr 
geringem Grade auch links), Romberg'sches Schwanken; Venen 
des Augenhintergrundes ausgedehnt und geschlängelt, Papillarrand 
scharf, Sehschärfe, Gesichtsfeld normal. Das rechte Bein fühlt 
sich kühler an als das linke. Seit der Meningitis öfters Schwindel¬ 
anfälle und Kopfschmerz. Bei Zukneifen des linken Auges starkes 
Sausen im Hinterkopf. Sonst keinerlei Symptome. Vor¬ 
tragender nimmt eine chronische, circumscripte 
Pachymeningitis interna im Brustmark rechts an, wie 
sie mehrere Jahre nach einer epidemischen Meningitis z. B. auch 
von Hobhouse beschrieben worden ist. Jodnatrium scheint 
günstig zu wirken. 

Herr Grober : Zur Chemie der Spinalflüssigkeit. 

(Erscheint in extenso in dieser Wochenschrift.) 


Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 7. December 1899. 

Vorsitzender: Herr S e n d 1 e r. 

Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Schreiber einen 
Patienten mit Exophthalmus pulsans. ■ 

Sodann spricht Herr P. Schneider: Zur Aetiologie 
und Therapie der Ablatio retinae. 

Die Frage nach der Aetiologie einer Ablatio retinae ist nicht 
nur theoretisch-wissenschaftlich, sondern auch praktisch-thera¬ 
peutisch wichtig. Zwei Meinungen stehen sich hierbei schroff 
gegenüber, die Secretions- und die Retractions- 
t h e o r i e. Erstere nimmt als Ursache eine primäre Exsudation 
aus den Chorioidealgefässen an, beruhend auf einer Chorioiditis; 
die letztere sieht in einer Erkrankung des Glaskörpers die Ur- 

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20. Februar 1Ü00. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCRHIFT. 


273 


sm-he der Ablatio. Zuerst vertrat II. M ii 11 e r diese Idee, später 
wurde sie von Leber unter Ilinzufügung neuer Details verall¬ 
gemeinert. Nach Letzterem erkrankt der Glaskörper und in 
diesem zusammongeballten Glaskörper bilden sieh feinwellige 
Fibrillen, die mit der Netzhaut in Zusammenhang stehen; dann 
schrumpft das Corpus vitreum, und diese Bindege websstränge 
ziehen die Retina von ihrer Unterlage, der Choroidea ab; die 
Retina reisst ein und ein vom Glaskörper abgesonderte« Trans¬ 
sudat dringt durch den Riss in den subretinalen Raum. 

Schneider polemisirt sodann gegen die Lebe r’sehe 
Ketractionstheorie und hält die Secretionstheorie für diejenige 
Anschauung, welche die Mehrzahl der Fälle von Ablatio retinae 
ätiologisch zu erklären fähig ist. — Die gegen die Retractions- 
theorie sprechenden Momente sind ausser anderen folgende: 
Das Vorhandensein von Fibrillen im Glaskörper Dt nicht, immer 
zu constatiren, wozu kommt, dass auch normale Augen, die in 
Mülle r'scher Flüssigkeit gehärtet sind, derartige Fasern zeigen. 
Dann erfordert die Leber’sche Theorie unbedingt einen Riss in 
der Retina, der häufig vermisst wird; andererseits spricht auch 
ein vorhandener Riss nicht gegen die Secretionstheorie, da er ja 
auch durch den Druck des Chorioidealexsudats herbeigeführt 
st ill könnte. Drittens müsste die prne- und die suhretinale 
Flüssigkeit gleichartig sein, wogegen S c h n e i d e r mehrere 
Beispiele anführt; so einen von S e h m i d t - R i m p 1 e r be¬ 
schriebenen Fall, den Schn, selbst zu beobachten Gelegenheit 
hatte, wo sich in der subretinalen Flüssigkeit ophthalmoskopisch 
sichtbare Cholestearinkrystalle nachweisen Hessen, während der 
Glaskörper frei davon war. Dann sind häufig genug Fälle zu be¬ 
obachten, wo sich Eiter unter der abgelösten Netzhaut zeigt, 
während der Glaskörper klar bleibt. Speciell sprechen gegen die 
l'ctractionsthcorie diejenigen Fälle von Ablatio, die nach Contu<io 
bulbi, bei Anaeinie und bei Retinitis albuminurica auf treten. 
Den Einwurf, dass doch stets bei eintretender Ablatio eine Ver¬ 
mehrung der Spannung im Auge eintreten müsse. — die häufig 
genug vermisst wird — erklärt Schneider dadurch, dass er 
auf die vorzüglichen regulatorischen Einrichtungen im Auge hin¬ 
weist, die dasselbe befähigen, sich prompt derartigen Flüssigkeits- 
;m>annnlungen in seinem Innern anzupassen. — Der Vortragende 
geht sodann zur Besprechung der Therapie über und schildert zu¬ 
erst die von Schober erdachte Einspritzung von Jodtinctur in 
den Glaskörper, welche Methode später von ihrem Erfinder selbst 
auf gegeben wurde. Sodann unterzieht Schneider die Deutsch- 
niann’schen Versuche einer längeren Kritik. Der erste Versuch 
I).\s durch Zerschneiden der hypothetischen Glaskörperstränge 
die Ablatio zu heilen, blieb erfolglos, so dass Dcutsehmanii 
dazu überging, durch Einspritzen von Kaninchenglaskörper — 
entweder mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt oder un¬ 
verdünnt — in den menschlichen Glaskörper die Ablatio thera¬ 
peutisch au zugreifen. Trotz der von Deutschmann publi- 
cirten Resultate sind die meisten Ophthalmologen wieder von 
diesem Verfahren abgekommen, da es zu gefährlich für das 
Auge ist. — Dann bespricht der Vortragende die Methoden, 
welche auf Grund der Secretionstheorie erdacht sind. Zuerst die 
de W ecke r’sehe Drainage des subretinalen Raumes vermittels 
eines Golddrahtes. Dann die zumeist angewandten Methoden 
des Druckverbandes, der Horizontallage, die Schwitzcuren und 
die Mereurialisation. Von operativen Methoden redet Schneider 
wiederholt ausgefiihrten Skleralpunctionen das Wort. Schliess¬ 
lich bespricht er die D o Fscho Methode H e u r t e 1 o u p’scher 
Blut egel, Application von Cauterien auf die Conjunctiva an der 
Stelle der Ablatio und subeonjunctivale Ohlornatriumeinspritz- 
ungen; auch diese Methode leistet, soweit eben die Ablatio noch 
Gegenstand der Therapie sein kann, Zufriedenstellendes. 

Zum Schluss zeigt Schneide r einige zum Vorträge ge¬ 
hörige pathologisch-anatomische Präparate: 1. ein Melanosarkoma 
chorioideae das zu einer Ablatio retinae geführt hat; 2. einen llori- 
zoutalschuitt durch ein Auge, das eine totale Ablatio zeigt, so dass 
die Retina nur noch an der Ora serrata uml an der Sehnerven- 
Papille mit ihrer Unterlage in Zusammenhang stellt. 3. eine par¬ 
tielle Ablatio, au der die Faltenbildung der abgelösten Retina de- 
nionstrirt wird. 

Sitzung vom 21. December 1899. 

Vorsitzender: Herr Hirsch. 

Herr Brandt berichtet über seine Resultate der Therapie 
der Syphilis mit Qnecksilberinjectionen. 

Vortragender hat bei 1902 Iujectionen und 184 Patienten nur 
vüie Lungenembolie und ein grösseres Infiltrat au der Inject ions- 


slelle erlebt. Von anderen geringeren Störungen hat er nur kurz¬ 
dauernde Enteritiden, erheblichere Stomatitiden aber gar nicht 
erlebt Unter den 30 bekannten Quecksilberpriiparaten hat Br. nur 
5 angewendet. Hg salicyl. 1047 Iujectionen. Hg thyniolo-aceti- 
cum 21. Ivalomel 17. Ol. einer. 88. Sublimat (die Müller-Ster n’- 
sche Lösung) 229 Injectionen. Vortragender ist mit dem Salicyl* 
Quecksilber sehr zufrieden. Gleiche Erfolge uud zufrieden¬ 
stellende Leistungen mit Hg salicyl. sind aus der Bonner dermatol. 
Klinik berichtet von G r o u v e r. 

Im Anschlus an den Vortrag stellt Br. einen Patienten vor. 
der eine Lues maligna durchgeniaclit hat. Die linksseitig von 
einem Gumma fast zerstörte Nase ist von Habs plastisch ge 
deckt und zur Heilung gebracht. 


Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 7. D e c e m her 1899. 

Herr Mock berichtet unter Vorlage einer Reihe voll Röntgcu- 
hildern über die Diagnose eines Eisensplitters im Augeninnern 
mittels Röntgenstralilen und die Entfernung mit dem Hirsch- 
b e r g’schen Elektromagneten. Der Vortrag wird in extenso in 
dieser Wochenschrift erscheinen. 

Herr Heinlein: 1. Demonstrationen. 

Derselbe legt ein etwa gäuseeigrosses cavernöses Angiom 
vor, welches vor einigen Wochen aus dem 1. Oberarm eines 40 jähr. 
Büttners entfernt worden war. Dasselbe hatte sich innerhalb 
1 Jahren zu der jetzigen Grösse entwickelt, hatte iu den letzten 
Monaten — durch Druck auf den benachbarten N. radialis — 
heftige Schmerzen verursacht und den Träger zur Einwilligung 
in den Vorschlag operativer Beseitigung bestimmt. Die Neubil¬ 
dung erweckt durch ihre seltene Localisation besonderes Interesse: 
es bandelt sich um eine weichelastische Geschwulst mit subfas- 
cialeni Sitz oberhalb der Aussenseite des linken Ellbogengelenkes, 
nach vorn von dem M. braeliio-radialis und aufwärts davon dem 
Lig. internuisculare ext.. nach hinten von dem radialen Rand des 
M. triceps, nach abwärts von dem Epicondylus ext. begrenzt. Nach 
Anlegung der E s m a r c loschen Binde war die Geschwulst etwa 
um die Hälfte der Fläche noch verkleinert, so dass die Annahme, 
es handle sich um eine Gefässneubildung. an Sicherheit gewinnen 
musste. Die Exstirpation war durch den innigen Zusammenhang 
der Geschwulst mit ihrer Umgebung und durch zahlreiche, schmale, 
zwischen die Muskeilüindel. namentlich des Triceps, mehr weniger 
weithin sich erstreikende Fortsätze technisch sein* erschwert: nir¬ 
gends gelang stumpfe Ausschälung, durchweg musste die Isolinmg 
mit dem Messer erfolgen, so dass das Präparat fast allerwärts 
mit dünnsten Muskellamellen bedeckt erscheint. Die Wumlheilung 
erfolgte nach 14 Tagen p. prim, reim., die Armfimction ist tadel¬ 
los. Es ist nicht ausgeschlossen, dass für die ursächliche Ent¬ 
stehung der Geschwulst die mit starker Erschütterung des Armes 
verbundene Berufsarbeit des Trägers verantwortlich gemacht wer¬ 
den darf. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich sehr 
reichliche Gefässneubildung. dazwischen reichlich Bindegewebe 
und verkümmerte Muskelelemente. Schliesslich mag noch auf die 
grosse Seltenheit subfascialer intermuscuIhrer Caveruome hinge- 
wiesen werden: speciell für die im geschilderten Fall betroffene 
Körpergegend konnte in der Literatur ein gleiches Beispiel uielit 
auf gefunden werden. 

Ferner tlieilt II. die Krankengeschichte eines 10 jährigen 
Knaben mit, welchem wegen tuberculöser C a r i e s ein 3 cm langes 
Stück aus der Continuität der linken 9. Rippe in der hinteren 
Axillarlinie resecirt worden war. Im weiteren Wundheilungs¬ 
verlauf blieb eine Anfangs wenig, später stärker absondernde 
Fistel zurück, welcher Umstand nach 5 Monaten zu wiederholtem 
Eingriff Veranlassung gal). Bei dem letzteren unn stellte es sich 
heraus, dass das resecirte Rippenstück einer völligen knöchernen 
Regeneration Iheilhaftig geworden war, mit absoluter Wiederher¬ 
stellung der Goutinuität. dass aber in der Gegend der vorderen Re- 
seetionsfiüche sich ein Recidiv entwickelt hatte, welches auf 
die erwähnte Kiiochenneubildung Übergriff und dort eine wahr«' 
rareficirende Ostitis in dem nach Resection neu gebildeten Knochen 
hervorgerufen hatte. Der Eingriff war von völliger Heilung ge¬ 
folgt. Das sehr interessante Rippenpräparat wird vorgelegt. 

2. Operation wegen Pylorusstenose. Herr H. berichtet die 
Krankheits- und Operatiousgeseliichte eines 23 jährigen Schreiners, 
welcher schon früher wiederholt an gastrischen Beschwerden ge¬ 
litten. seit 0 Wochen wegen heftiger Magenschinerzen und häufigen 
Erbrechens arbeitsunfähig, seit 3 Wochen anhaltend bettlägerig 
und nunmehr in Folge der Persistenz dieser Erscheinungen sehr 
heruntergekommen war, zudem eine iu der letzten Zeit hinzu 
getretene wahre Tetanie der oberen Gliedmassen den Schlaf 
wesentlich beeinträchtigte. Beträchtliche Druckempfindlichkeit der 
Pylorusgegeud machte im Zusammenhang mit den erwähnten Sym¬ 
ptomen die Annahme eines Ulcus sehr wahrscheinlich; das erst 
nach 2 'Stunden bei der Prüfung eingetretene positive Ergelmiss 
der F 1 e i s e li e r’schon Jodoformprobe legte den Gedanken au eine 
Pylorusstenose nahe. Da eine 3 Tage hindurch mit Nährklysmen 
angestrebte völlige Ruhe des Magens iu Verbindung mit andauern¬ 
der Cataplasmirung der Magengegend keinen anhaltenden Erfolg 
zeitigte, albald nach den ersten Versuchen der Darreichung von 
Milch diese abermals wieder erbrochen wurde uud die bedeutende 
Abmagerung des Patienten ernste Besorgnisse ■wachrief, wurde 
Bauchsclinitt beschlossen. Bei der Operation fand sieh der Magen 
nicht stark ausgedehnt, der Pylorus derb, wenig nach aufwärts 
verzogen, über denselben zielten vom Lig. hepato-duodenale nach 


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274 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


(lom Big. gastro-eolie. zahlreiche sehnige Fäden (Perigastritis). 
rn < r ll iTi 11SI,0 ?.i koni i 1 i e bei der Betastung dos übrigen Magens nichts 
harakteristisohos dnrchgefiihlt werden, auch zeigte die 
‘ ° rosa keille Verfärbung. Nach Einschnitt nahe dem 
iiHnilo, ln i S der Kleinfin ^or nur mit der Spitze einzu- 

#ioBi n n faSt «- Ü | I 3 l? >fei,nIffStöckgrosMr Abs( ' hnItt der vorderen 
wand desselben fühlte sich wesentlich derber an, als die übrige 

n? Z ’ bel . d * r “ lm fol sonden Prüfung der Resistenz stellte 
s h dieselbe nachgiebiger heraus, so dass nach wiederholten in 
wSJÜTVf rsenoi 2 n i eiien Vorsuch ™ zunächst der Kleinflnger, in der 
( ef ü h ifkmuifÄ n< i Ä i it » t f 1 * ? n f er deu Hylorusring bequem passirten. 
’SJ konnte ein Schleiiuhautdefect an der kritischen Stelle nicht 

Mn jLn^"iS e aut ? ü deu fol ^ e,lden Minuten, während welcher die 
. h °, ffen £° haIten wurde, mau jegliche Blutung ver¬ 

misste es dürfte sich also wohl um narbige Vorgänge, besonders 
M„^ ,nUOO f a ^ lld . Mu scularis. gehandelt haben. Schluss der 
Ä, nnd , Banchschnittwunde. Fieberloser, glatter Verlauf 
durch"w?Ä te DHU i dai V* BiätVorschriften. 4 Wochen hin- 
•nfLvH il b( uV ‘ llS; nft( ‘ h ' v ** itoron 4 Wochen Aufnahme der Be 
r5 b \ Setdf,,n ungetrübte Gesundheit mit bedeutender Ge- 
M ich szmmhme, nun 6 Monate anhaltend. Alsbald nach dem Ein 
7, 0 j B rl)re( ‘ lu ‘ 1 . 1 . l,nd Schmerzen niemals mehr in Erscheinung 

„etieten, das complicirende Nervenleiden verlor sich in seinen 
schweren ^ vn '^ olne u stetig abnehmend, innerhalb 4—ö Wochen 
v,,^ klit SCh be “ erkt H * zu dem hier mit bestem Erfolg geübten 
A erfahien Loretas, welches von seinem Urheber 1883 empfohlen 

" s e ( .'in P 0 r 8 nr»w V T in v 11 mitErfo| K «*»* wurde, mehrfach Jedoch 
P raktlscben Verwerthbarkeit abfällige Beurtheilung er 
w „ d “f a er "«» «lern In der geschilderten Beobachtung 
lzielt»n günstigen Befolg durchaus nicht die Verpflichtung al> 
VT' ,n,,cllte - <«er erwähnten Methode sich bei Vder uärbigen 
^ h ‘ er hl »^er Anwendung 

.' 1 alIf 1,1,1 besonderen anatomischen, dem relativ 

kurzen Bestand des schweren Leidens entsprechenden vS 

Er ÄST. s 


Verein deutscher Aerzte in Praq. 

(Eigener Bericht.) 51 

WUhelm^Pl ■ ITöf „!? J. 7 ‘, Novem b p r 1«01) besprach Herr 
wonueiuui^Priiparate XiÄ TubärgravUttät' "de? Tt 

^ he, der 

sr tz «S 

äWCä'ÄÄ 

N l.wangc,•schaft entsprach. Nach kritischer Besprechung* d'h'ser 
<bei ungewöhnlichen Befunde kommt Vortrag, au dem Seid ,«? 
dass die Sactosalpiux purulenta und die Metritis ganz frische Pro¬ 
zesse gewesen die wahrscheinlich auf Infeetion des’Utenisbei 

I”niclital)treibung 

hIh nfbger^Genesung?* 1 d ‘° Coellotonli ^arbe stattgefunden, in voll- 

Her ^ i5- iSchel bes P rj cbt weiters die Schwierigkeit dev 
Differentialdiagnose zwischen solchen Fällen und etwaigen Fällen 
von acut septischer Perforationsperitonitis, z. B. bei Aifpendicitis 
MOf UBrr ä^ nfa,ls . e,n Beispiel aus seiner Erfahrung beibringt. 
Herr H Irsch spricht hierauf über den nicht pigmentirten 

ÄXÄr ndehaBt (mi * r, ~“ ^ 

dureS'chett Ä-^u'r^c^m'steS ÄÄ 

SrSn einer 17 jährigen Patientin, das 

sut 8 -fahren sicher bestand (möglicher Weise seit der Geburt) und 
sehr allmählich wuchs. Klinisch imponirte es als Sarkom, erwies 
■ ich aber mikroskopisch (die Schnitte werden demonstrirt) in 
seinem Aufbau und in den Elementen — epitheloide Zellen mit 
grossen Kernen, dicht aneinander gereiht, in kugeligen Zellbalken 
angeordnet - vollkommen übereinstimmend mit dem bekannten 
Bilde des weichen Naevus der Haut und auch mit der von 
\\ Intersteine r gegebenen Beschreibung des pigmentirten 
Naevus der Bindehaut bis auf das Pigment, das hier vollständig 
I dd * H - sehliesst: „Der Naevus ist ein wohl eharakterisirtes 
Gebilde sui generis, der. wo immer er sich im Körper vorfludet 
als solcher unter dem Mikroskope immer erkannt werden und 
dessen eplthelogener Ursprung mit ziemlicher Sicherheit er¬ 
schlossen werden kann aus 

1. der Beschaffenheit der Geschwulstgewebselemente* 

2. aus ihrer Anordnung; 

3. aus dem Standorte des Gebildes, d. h. jene die Geschwulst 

ausinuclienden, charakteristischen kugeligen Zellhaufen liegen 

stets auf, resp. in demjenigen Bindegewebe, dem 
das Oberflächenepithel unmittelbar aufs itzt. 

Noch nie ist ein Naevus beschrieben worden (ob der Ilaut oder 
einer anderen Stelle), der in tieferem oder anderem als dem sub- 
epitlielialen Bindegewebe seinen Sitz hätte.“ ^ 


Die SpeciÜcität., welche dem Wachsthumstypus des Naevus als 
solchem innewohnt, erhellt übrigens auch schon daraus, dass die 
aus ihm hervorgegangenen bösartigen Geschwülste auch wieder, 
wie Unna und W ä 1 s c h gezeigt haben, alle diese für den 
Naevus geltenden Charaktere des histologischen Aufbaues zeigen. 


Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht) 

Wien, 17. Februar 1900. 

Zur Lehre von der Enteroptose. — Die sogen, „peri- 
carditische Pseudolebercirrhose”. — Diabetes und Akro¬ 
megalie. 

In der Gesellschaft der Aerzte sprach jüngst Docent Dr. Karl 
A. II e r z f e 1 d über Enteroptose. Die Verlagerung der Ein¬ 
geweide betrifft hauptsächlich das weibliche Geschlecht, ver¬ 
ursacht grosse Beschwerden und wurde merkwürdiger Weise bis¬ 
her von ärztlicher Seite nur in geringem Maasse gewürdigt. Das 
Symptomonbild der Enteroptose besteht vornehmlich in Ver¬ 
dauungsstörungen, die sowohl den Magen (Appetitlosigkeit, aber 
auch lästiges Hungergefühl, verbunden mit Schmerzen nach jeder 
Nahrungsaufnahme, Aufstossen, Drücken etc.), als auch den 
Darm betreffen (Obstipation, plötzliche Diarrhoen, Gasbildung, 
Anwachsen des Abdomens, Gefühl des Vollseins) und mit heftigen 
Schmerzen, Arbeits- und Bewegungsverlust, Athembeschwerden, 
Herzklopfen, bei längerer Dauer mit Störungen in der Blutcireu- 
lation, Schwindel, Kopfschmerzen, zahlreichen nervösen Sym¬ 
ptomen verbunden sind und rapide Abmagerung lierbeiführen 
können. 

Im W eiteren erörtert der Vortragende die Erklärung, welche 
G 1 e n a r d für diesen Symptomencomplex gegeben und bemüht 
sich, diesen in anderer Weise zu begründen. Der Hauptgrund 
für die Erhaltung der Organe der Bauchhöhle in ihrem gegen¬ 
seitigen Situs ist der stets vorhandene intraabdominale Druck 
resp. der von oben ausgehende und nach abwärts gerichtete* 
Druck (Thorax, Schwere der Leber) und dessen Paralysirung 
durch den nach aufwärts gerichteten Gegendruck von Seite des 
Darms, der wieder abhängig ist vom Füllungszustand und Gas¬ 
gehalt, sowie von den durch die begrenzte Entfaltungslänge der 
Mesenterien und dem Widerstand der Bauchhöhlenwandungeii 
largestellten Factoren. Eine Vermehrung des Druckes von 
oben (Oorset, Mieder) oder eine Verminderung des aufwärts ge¬ 
richteten Gegendruckes, ein Nachlassen der Spannung der Bauch- 
decken oder des musculösen Beckenbodens können die Disposition 
zu Lage Veränderungen schaffen. Insbesondere geschieht dies 
durch die Schwangerschaft und das Wochenbett, wenn die im 
Puerperium vor sich gehende Involution der durch sie gesetzten 
Veränderungen (Erweiterung des Bauchhöhlenraums, Ver¬ 
rückung seiner Grenzen, Lageveränderungen der Bauchliöhleii- 
organe) durch übermässige Inanspruchnahme der noch zu weiten 
und zu schlaffen Bauchdecken oder unzweckmässige Vermehrung 
des Druckes von oben etc. gestört wird. 

Aber auch alle anderen Ursachen, die einer starken An- 
füllung des Abdomens und Ausdehnung der Bauchdecken eine 
rasche Entleerung der Bauchhöhle folgen lassen, ebenso wie alle 
jene Krankheitsprocesse, welche den Tonus der Bauchdecken- und 
der Beckenbodenmusculatur verringern (Hydrops, Cysten etc.), 
können die Enteroptose veranlassen. Die normale Resistenz des 
Beckenbodens wieder, die ja Blase und Uterus in ihrer normalen 
Lage erhält und daher von bedeutendem Einflüsse auf den Intra- 
abdominaldruck ist, wird ebenfalls vornehmlich durch Schwanger¬ 
schaft, Geburt und Wochenbett verringert (Zerreissungen am 
Damm, Störung der Involution des Perineums durch übermässige 
Anstrengung und Belastung, Druck des kindlichen Schädels). 

V ird durch diese oder noch andere Ursachen der Becken- 
boden schlaff, so sinkt der intraabdominale Druck, der Raum der 
Bauchhöhle vergrössert sich, es erfolgt ein Herabsinken der 
Organe des Hypoehondriums, die wieder ihre Naehbarorgane 
nach sich ziehen endlich folgt, in Folge Ausdehnung der 
Därme, eint* Atonie und trägere Peristaltik derselben mit den 
naturgemässen Folgeerscheinungen. Häufig tritt nun auch die 
von G 1 e n a r d für die primäre Veranlassung der Enteroptose 
gehaltene Lockerung der Fixation an der Flexura eoli-hepatica 
ein, wozu abnormale Peritonealverhältnisse, welche Redner ein¬ 
gehend bespricht, beitragen können. 

Tlervorheben möchte Vortragender noch die bisher ganz un¬ 
berücksichtigt gebliebene Erweiterung des Blutgefässsystems iiu 


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MÜNCHENER MEDICtNISCHE WOCHENSCHRIFT. 


275 


20. Februar 1900. 


Bereiche der Bauchliöhlenorgane und die damit verbundene 
Hyperaemie und Störung der Blutcirculation: scheinbare Zu¬ 
nahme der Anaemie, stärkere Menstrualblutungen etc. 

In therapeutischer Hinsicht sind indicirt die Stützapparate, 
i]ic aber nur den mangelnden Tonus der Bauchwandung ersetzen 
und nicht etwa die forcirte Lageveränderung einzelner Organe 
bezwecken sollen. II. lässt zu diesem Zwecke Bruchbinden an¬ 
fertigen, die behufs besserer Fixation rechts und links mit kleinen 
Hosen versehen und stets in horizontaler Lage anzulegen sind. 
Die Binden müssen genau passend angefertigt werden. Bei be¬ 
gehender Erschlaffung des Beckenbodens ist bei Defecten die 
Perineoplastik, bei einfacher Erschlaffung eine Stützung durch 
Pessare und Kräftigung durch Gymnastik (Widerstands- 
L'wegungen, Brand t’sche Lüftung des Uterus) am Platze. Zur 
Wiederherstellung des normalen Tonus ist aber ausserdem eine 
genaue diätetische Therapie (Mastcuren) nothwendig. Von 
Nutzen sind auch Bäder, sowie die Anwendung der Elektricität. 

Viel wichtiger aber ist die Prophylaxe, speciell in der 
Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett (gut adaptirte 
Bauchbinden in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft, so¬ 
wie durch 4 Monate nach dem Verlassen des Bettes, möglichste 
Schonung sowie eine rationelle Ernährung). 

Im Medicinischen Club sprach Dr. Eisenmenger über 
die sogen, „pericarditische Pseudolebercirrhose“, welchen Namen 
Friedr. Pick für einen Symptomeneoraplex vorgesehlagen hat, 
dem eine klinisch-latente, chronische oder adhaesive Pericarditis 
zu Grunde liegt. Es besteht hiebei ein Ascites, welchen Pick 
damit erklärt, dass als Folge der Stauungen in der Leber Binde¬ 
gewebswucherungen und -Schrumpfungen entstehen, die ihrer¬ 
seits Stauungen im Pfortadergebiete zur Folge haben. Diesem 
Syinptomencomplcx eine besondere systematische Stellung zu 
geben, geht nicht an, was der Vortragende ausführlich erörtert. 
Die Ursache, wesshalb es bei chronischer Pericarditis relativ 
häufig zu praevalirendem Ascites kommt, ist in verschiedenen, 
mehr minder häufigen Complicati onen derselben zu 
suchen. In 2 von den 3 Fällen P i c k’s lag ihr eine Säufer- 
cirrhose zu Grunde. Oder es handelt sich um chronische peri- 
tonitische Veränderungen, zumal um solche, welche in der Nähe 
der Porta hopatis localisirt sind. Oder um eine Fortsetzung des 
Ergänzungsprocesses längs der Vena cava in die Leber hinein, 
oder um eine Knickung der Vena cava durch ein gleichzeitig be¬ 
stehendes pleuritisches Exsudat, oder um Compression, Knickung 
oder Verziehung der Vena cava ascend. durch die schrumpfen¬ 
den pericardialen und extrapericardialen Entzündungsproducte, 
innerhalb welcher das Gefäss einen relativ langen Weg zurück¬ 
zulegen hat. Endlich ist noch hervorzuheben, dass das Sym- 
ptoiuenbild bei jüngeren Individuen vorkommt, die überhaupt 
weniger zu Transsudationsprocessen im Gebiete der paarigen 
Venensysteme disponirt sind. 

Dr. Willi. Schlesinger stellte 2 Fälle vor, welche einen 
Zusammenhang zwischen Diabetes und Akromegalie documen- 
tiren sollen. Ein dritter Fall wird besprochen. Diabetes und 
Akromegalie wurden häufig zusammen angetroffen. In allen 
Fällen ist die Akromegalie früher eingetreten, was darauf zu 
deuten scheint, dass der Diabetes eine Folgeerscheinung der¬ 
selben ist. 

In der Discussion bestätigte Dr. M. Sternberg diese An¬ 
schauung und wies darauf hin, dass der bei Akromegalie vor¬ 
kommende Diabetes die verschiedensten Grade von der alimen¬ 
tären Glykosurie bis zu den schwersten Formen und verschiedene 
Abweichungen von dem gewöhnlichen Bilde (sprunghaften Ver¬ 
lauf, spontanes Verschwinden) zeige, ferner kommen dabei auch 
Polyurie und Polydipsie ohne Glykosurie vor. Viele Fälle 
scheinen dabei von Pankreaserkrankungen abzuhängen. 


Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 

XXIX. Gongress in Berlin. 

Der XXIX. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chi¬ 
rurgie findet vom 18. bis 21. April in Berlin statt. 

Die Begrüssung der zum Congress sich versammelnden Mit¬ 
glieder geschieht am Dienstag, den 17. April, Abends von 8 Uhr ab 
im Hötel de Rome (Charlottenstrasse No. 44/45). 

Die Eröffnung des Congresses findet Mittwoch, den 18. April, 
Vormittags 10 Uhr im Langenbockhause statt. Während der 
Dauer des Congresses werden daselbst Morgensitzungen von 10 bis 
1 Uhr und Nachmittagssitzungen von 2 bis 4 TJhr gehalten. 

Am ersten Sitzungstage (Mittwoch, den 18. April) findet, um 


10 Uhr Abends eine einstmalige Demonstration von Projections- 
biklern aus Diapositiven statt. Meldungen dazu sind an Herrn 
Toachimsthal, Berlin W., Markgrafenstr. 81, und I m m e 1 - 
m a n n, Berlin W., Ltitzowstr. 72, zu richten. 

Von auswärts kommende Kranke können im Kgl. Klinikum 
(Berlin N., Ziegelstr. 5—9) Aufnahme finden. Präparate, Ban¬ 
dagen, Instrumente etc. sind an Herrn Anders iu’s Laugen- 
beckhaus (Ziegelstrasse 10/11) mit Angabe ihrer Bestimmung zu 
senden. 

Eine Ausstellung von Röntgenpliotographieu findet nicht statt. 

Ankündigungen von Vorträgen und Demonstrationen bitte ich 
zeitig und wenn irgend möglich spätestens bis zum 17. März an 
meine Adresse, (v. Bergmann, Berlin NW., Alexanderufer 1 > 
gelangen zu lassen. 

Eine Ausstellung von chirurgischen Instrumenten und Ap¬ 
paraten, sowie Gegenständen der Krankenpflege, ist in Aussicht 


genommen. 

Die Sitzungen werden mit nachstehenden Vortragen eröffnet 
werden: „ ., „ 

Mittwoch, den 18. April.. Herr C z e rn y - Heidelberg: 
Die Behandlung inoperabler Krebse. Herr K r ö n 1 e i n - Zürich: 
Darm- und Mastdarmenrcinom und die Resultate ihrer operativen 
Behandlung. Herr R e h n - Frankfurt a. M.: Die Verbesserungen 
in der Technik der Mastdarm-Amputation und -Itesection. 

D o n n e r s t a g, den 19. April. Herr Israel- Berlin: Ueber 
Operationen bei Nieren- und Uretersteinen. 

Freitag, den 20. April: Herr v. A n g e r e r - München: 
Ueber Operationen wegen Unterlei bscontusionen. Herr v. Berg- 
m a n n - Riga: Ueber Darmausschaltungeu beim Volvulus und 
dessen Diagnose. Herr C r e d 6 - Dresden: Die Vereinfachung der 
Gastro- und Enterostomie. 

Sonnabend, den 21. April. Herr Lexer-Berlin: TToboi 
fornirmm fJpsrUiwülste in der Bauchhöhle und deren Operation. 


Verschiedenes. 


Sitzgelegenheit für das Ladenpersonal. 

Mit dem 1. Januar 1900 trat in England durch Parlaments- 
beschluss folgendes Gesetz in Kraft: .... . 

In allen Läden und Verkaufsräumen, in welchen weibliche 
Personen augestellt sind, hat der Geschäftsinhaber füi ent¬ 
sprechende Sitzgelegenheit seiner Angestellten zu sorgen, und zwar 
soll in jedem Raum für je 3 Personen mindestens ein Sitz vor¬ 
handen sein. -- , 

Zuwiderhandlungen werden mit einer Strafe von 20—60 Maik, 
im Wiederholungsfälle bis zu 100 Mark belegt.“ 

Diese Verordnung ist das Resultat der seit Jahren unermüd¬ 
lich wirkenden Thütigkeit der „Association for cruelty to women“ 
und als ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Lage des 
weiblichen Ladenpersonales zu betrachten. 

Aehnliehe Bestrebungen sind auch hier längst im Gauge, die 
Ortskrankencasse für das kaufmännische Personal hat schon 
wiederholt die Principale auf die gesundheitsschädlichen Folgen 
des langen Stehens insbesondere für das weibliche Personal, auf¬ 
merksam und dieselben sogar für event daraus resultlrende 
Krankheiten verantwortlich gemacht. Aber eine stricte Durch¬ 
führung dieser hygienisch vollauf begründeten Maassregel 
scheitel t noch immer an dem sich meist in passiver Weise kund¬ 
gebenden Widerstande einzelner Firmen. Eine Fassung dieser 
vom gesundheitlichen, wie vom allgemein menschlichen Stand¬ 
punkt gleich berechtigten Forderung in Form eines Gesetzpara¬ 
graphen oder einer polizeilichen Vorschrift wäre daher dringend 


Zum Capitel der Gefälligkeitsatteste theilt Görtz- 
Mainz mehrere sehr bezeichnende Beispiele mit (Monatsschr. f. 
Unfallheilk. 11, 99). Das wunderbarste derselben ist ein Zeugniss, 
in dem ein Arzt bescheinigt, dass der 9 Jahre nacli einer Bein¬ 
amputation eingetretene Tod durch eine von dem Amputations¬ 
stumpf ausgegangene Fettembolie (!) des Gehirns verursacht 
worden sei. Kr * 


Therapeutische Notizen. 

Das von E d i n g e r zuerst dargestellte Chinolin- 
Wismuth-Rhodanat ist in der J o s e p h’sclieu Poliklinik 
mit Erfolg bei Unterschenkelgeschwüren verwendet worden. Das 
Mittel stellt ein rothgelbes Pulver dar, in Wasser, Alkohol und 
Aether unlöslich. 

Steiner (Therap. Monatsh. 1, 1900) empfiehlt dasselbe zwei¬ 
mal täglich in geringer Menge aufzustreuen und die Wunde mit 
einem leichten Deckverbaude zu schliessen. Bei tiefgehenden Ge¬ 
schwüren wird es zweckmässig mit gleichen Tlieilen Amylum 
verdünnt. 

Das Mittel führt Im Handel den Namen Cruri n. Der Name 
ist sehr schön. Geht es so weiter, so haben wir bald ein Pedin. 
ein Struinin, vielleicht auch ein Appendicin. Kr. 

Alkohol als Gegengift der Carbolsäure. An¬ 
lässlich mehrerer Mittheilungen von Carbolsäure Vergiftungen macht 
das Journal of the Am. med. Ass., 12. August 1899 neuerdings auf 
die von P h e 1 p s beobachtete und untersuchte Wirkung des 
Alkohols als Gegengift der Carbolsäure aufmerksam. Nach dessen 
Angaben wirkt die unmittelbar folgende Anwendung des Alkohols 


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270 


MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 8. 


nicht nur 1 u»i Actzungen der 11;int und nflVner Wundhülden in der 
Weise, dass Eiterherde »hm* jede schädliche Folgewirkung mit 
eoncentrirter Carboisäure ausgespritzt und die Iläude mit 95 proc. 
Lösung gewaschen werden konnteu. Sendern es wird auch das 
Verschlucken von Carbolsnure durch sofortitr*»s Trinken von Alko¬ 
hol paralysirt. F. L. 

H a 1> i t u e 11 e O b s t i p a t i o n. Im Journ. of the Am. 
Assoe. vom i:{. Juli wird eine alte, früher viel gebrauchte Latwerge 
zum Gebrauch bei habitueller Stuhlverstopfung der unverdienten 
Vergessenheit entrissen mit der treffenden Romerkling, dass nicht 
alles was gut. ist, neu zu sein braucht. Die Formel lautet folgender- 
maassen: 

Rp. Sulfur, praeeip. 


Tartar, depurat. aa 

10,0 

Folia sennae 

5,0 

Pulv. Cardamom. 

0,15 

Syr. rhamn. cathart. 

9,5 

M. f. Electuarium. 


Morgens und Abends ein 

Kaffee 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 20. Februar 1900. 

— In Dresden besteht z. Z. ein Conflikt zwischen 
<1 .* m ä r z t 1 i c h e n R e z irks v e r e i n u n d d e r E i s e u - 
I» i. h n - B e t r i e b s k r a n k e n casse. der <lesshalb ein weit i- 
gehendes Interesse besitzt. weil er von Neuem zeigt, dass die staat¬ 
liche Organisation des ärztlichen Standes völlig versagt, wenn sie 
als Mittel zur Verbesserung der materiellen Stellung der Aorzte den 
Kiankeneassen gegenüber dienen soll. Der genannte Rezirksverein 
hatte, kurz gesagt, gewisse Veränderungen in der Organisation d.r 
liuanciell sehr gut situirten Fasse und der mit den Aerzten ab¬ 
geschlossenen Vertrüge zum Anlass genommen, eine Erhöhung dt s 
ärztlichen Honorars zu verlangen und er hatte daher den Mit¬ 
gliedern <les Vereins auf Grund des $ 15 der Standesordnung den 
Abschluss des von der Gasse vorgelegten Vertrages untersagt. 
Hiergegen erhob die Gasse Einspruch bei der Kreishauptmann¬ 
schaft. Diese hat nun gegen den ärztlichen Rezirksverein ent¬ 
schieden, indem sie ausführt, § lö der Standesordnung bezwecke 
nur, zu verhindern, dass einzelne Acrzte Vereinbarungen eingehen. 
welche der Stellung eines Arztes unwürdig seien. Davon sei aber 
in dem gegenwärtigen Falle keine Rede. Ob die in den Vertrügen 
ausgeworfenen Honorarsiitze im Verhältnis« zu den ärztlichen Ro- 
mühungeu zu niedrig seien, könne dahingestellt bleiben, es genüg *, 
dass sie nicht so niedrig seien, dass es für die betreffenden Aerzte 
standesunwürdig sei, auf sie einzugehen. Die Auslegung, welche 
der Rezirksverein dem § 15 seiner Standesordnung gelte, führe zu 
Vorstösson gegen die Gewerbeordnung, nach welcher die Rezahluug 
der approblrten Aerzte der freien Vereinbarung der Rotheiligten 
überlassen sei. Gegen diesen Entscheid hat der Rezirksverein Be¬ 
rufung beim k. Ministerium des Innern eingelegt. Inzwischen 
aber haben die Dresdener Gasseuärzte sich auch unabhängig von 
dem Beschluss des ärztlichen Bezirksvereins geweigert, die Ver¬ 
träge der Bahncasse zu unterzeichnen und die übrigen Dresdener 
Aerzte haben sich in freier, nicht vom Rezirksverein ausgehender 
Vereinigung mit ihnen solidarisch erklärt. Es wird also trotz statt t- 
lidier Organisation vom freiwilligen Zusammenhalten der Aerzte 
abhüngen, ob in der Angelegenheit ein dauernder Erfolg erzielt 
wird. Vorerst können die Aerzte mit dem Erreichten zufrieden 
sein. Denn die Casse hat bis auf Weiteres ihren Mitgliedern die 
Wahl unter sämmtliehen Dresdener Aerzten freigestellt; die Mit¬ 
glieder haben die ärztlichen Leistungen, sofern dies verlangt wird, 
zunächst selbst zu bezahlen und die quittirte Rechnung der Dienst¬ 
stelle vorzulegen, worauf die Erstattung des Betrages von der 
Gasse veranlasst wird. 

— Wie schon in vor. Nummer mitgetheilt, hat die medieinische 
Facultät der Universität München den Staatsminister Freiherrn 
v. F e i 1 i t z s e li, unter dessen verdienstvoller Förderung in der 
langen Zeit seiner Amtsführung das bayerische Medieinahvesen 
zu so hoher Bliithe sich entwickelte, dass die bayerischen Einrich¬ 
tungen vielfach als mustergiltig im Deutschen Reiche gelten 
können, ztim Doctor mcdicinac honoris causa ernannt. Das dem 
Minister feierlich ülierreichte Diplom fasst die Verdienste desselben 
um das Medieinahvesen und um den ärztlichen Stand in folgenden 
Worten zusammen; ..Qu* institutionibus legibusque ut ad artis 
medicae rationes aceommodatissimis ita ad publicam sanitatem 
salubeiTimis medicorum maximeque publicorum ordinis utilitatibus 
insignem operam industriam curam impertivit." 

— Pest. Japan. Vom 11).—26. Deeember v. .1. sind 20 weitere 
Fälle von Pest in Japan festgestellt worden, von welchen 17 bis 
zum 2<S. Deeember tüdtlich verlaufen waren. Von den Krankheits¬ 
fällen kamen 7 auf Kobe. 12 auf Osaka und 1 auf Hamauiatsu, 
eine an der Rahn von Osaka nach Yokohama gelegene Proviucial- 
stndt. Seit Ausbruch der Pest in Japan sind damit bis jetzt 
40 Fälle amtlich festgestellt worden, von denen öl) einen tödtliclien 
Ansgang genommen haben. Die japanischen Behörden treffen um¬ 
fangreiche Vorbeugungsmaassregeln gegen die Pest. — Brasilien 
In Sao Paulo ist in der Woche vom 0.-15. Januar nur noch 
1 Fall von Pest festgestellt worden. — Sandwichinsel. Vom 
20. Deeember v. J. bis zum 4. Januar d. .T. sind in Honolulu 10 neue 
Pest fälle bei 0 Chinesen und 1 Japaner beobachtet; vom 4. bis zum 


8. Januar waren keine Fälle weiter vorgekommen. Die Gesund 
heitsbehörde hat angefangen, die verseuchten Stadttlieile theilweise 
iiiederzubrennen. V. d. K. G.-A. 

— In der 5. Jahreswoche, vom 28. Januar bis 3. Februar 1900. 
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste 
Sterblichkeit Danzig mit 45,4, die geringste Remscheid mit <5.8 
Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehnte! 
aller Gestorbenen starb au Masern in Darmstadt; au Scharlach in 
Elberfeld: an Diphtherie und Group in Plauen. 

Nachdem der von Billings begründete „Index in e d i - 
c u s“ zu erscheinen aufgehört hat, worden von verschiedenen 
Seiten Versuche gemacht, das für genauere Literaturstudien unent¬ 
behrliche Unternehmen fortzusetzen. So erscheint seit vorigem 
Jahr in Wien ein „I n d e x m e d i c u s n o v u s*\ der jedoch nicht 
annähernd die Vollständigkeit aufweist, wie sein Vorbild, was bei 
einem Jahrespreis von 10 M. nicht Wunder nehmen kann. l T nd 
jetzt erhalten wir die Mittheilung, dass von diesem Monat au in 
Paris ein ähnliches Unternehmen in’s Leben treten soll unter dem 
Titel „R i b 11 o g r a p h 1 a m e d i e a“. Dasselbe wird von Marcel 
Rau d o nln herausgegeben werden und verspricht vollständiger 
zu werden, denn es soll in Monatsheften von je 80 Seiten er¬ 
scheinen und jährlich mindestens 50 000 Literaturnachweise 
bringen. Der Preis wird 50 Frcs.. für das Ausland <50 Frcs. be¬ 
tragen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir eines von Dr. F 1 a m m 
in Paris gemachten Vorschlages Erwähnung thun, der die Schaf¬ 
fung von n a t i o n a 1 e n B i b I i o g r a p li i e n anregt. I )iesc 
müssten auf Kosten der medicinischeu Gesellschaften, der Fatali¬ 
täten und des ganzen ärztlichen Standes der verschiedenen Länder 
herausgegeben werden. F 1 a m m glaubt, dass nur auf diesem 
Wege wirkliche Vollständigkeit, die auch dem B i 11 i n g s’seheti 
I l» d e x abgegangen sei. erzielt werden könne; er wünscht, dass 
auf dein internationalen medicinischeu Congress ln Paris ein ge¬ 
meinsames Vorgehen zum Zwecke der Schaffung solcher Biblio¬ 
graphien angebahnt werden möge. 

iHochsch uluachrichten.) 

Wiirzburg. Professor v. Michel hat einen Ruf als 
Nachfolger Schweigger’s nach Berlin erhalten. Derselbe ist 
dorthin abgereist, um mit dem Cultusmiuister Verhandlungen zu 
pflegen und das lustilut zu besichtigen. - Der von dem verstor¬ 
benen kgl. Universitätsprofessor Geheimrath Dr. F. R i n e e k e r 
gestiftete Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen 
wurde dem Physiologen Johannes v. K r i e s in Freiburg i. B. zu¬ 
erkannt. Der Preis besteht aus 1000 M. und einer silbernen Medaille. 

(T o d e s f ä 1 1 e.| 

Dr. Oscar Widmann, a. o. Professor der medicinischeu 
Pathologie zu Lemberg. 

Dr. A. E. Hoadley, Professor der orthopädischen Chirurgie 
am College of Physicians and Surgeons zu Chicago. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Abschied bewilligt: Dem Stabsarzt Dr. Joseph Ent res von 
der Reserve (Weiden!. 

Befördert: Zu Assistenzärzten in der Reserve die Unterärzte 1 
Dr. Alois End res (Ingolstadt!. Leonhard Ilauck (Erlangen». 
Philipp St oll (I. Münchein. Karl Knüll (Günzenhausen!. IVter 
R e i s s (Würzburg). Dr. Maximilian Maier dl. München!. 
Baptist N o de r. Dr. Arnold V i d a 1, Felix M i o d o w s k i. Dr. 
Salomon N e u b e r g, Julius V o g e I. William W o 1 f s o u mul 
Dr. Adolf F 1 e i s c h m a n n (1. München!. Julius II e r b s t. (Nürn¬ 
berg!; in der Landwehr I. Aufgebots der Unterarzt Emil S c li i - 
c k e n (1 a n t z (Kaiserslautern!. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 5. Jahreswoehe vom 4. bis 11. Februar 1900. 

Betheil. Aerzte 287. — Brechdurchfall 8 (14*), Diphtherie, 
Croup 14 (21), Erysipelas 14 (7). Intermittens, Neuralgia interm. 
1 (3), Kindbettfieber — ( —Meningitis cerebrospin.— (—), Morbilli 
578 (4^7), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 2 (5), Parotitis epidem. 

4 (13), Pneumonia croupona 24 (40), Pyaemie, Septikaemie — (1), 
Rheumatismus art. ac. 29 (35), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 

5 (7), Tussis convulsiva 15 (15), Typhus abdominalis 3 (2), 
Varicellen 9 (12), Variola, Vario’ois — (—). Summa 706 (602). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

wahrend der 5. Jahreswoche vom 4. bis 11. Februar 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000. 

Todesursachen : Masern 30 (24*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Group 1 (1), Rothlauf — (1), Kindbettlieber — (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (1), Brechdurchfall 2 (3|, Unterleibstyphus 
— (1), Keuchhusten 1 (3), Croupöse Lungenentzündung 3 (8), 
Tuberculose a) der Lungen 24 (28), b) der übrigen Organe 7 (7), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 24 (37), Unglücksfälle 1 (5), Selbstmord — (3), Tod durch 
fremde Hand — (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 285 (312), VerhältniBezahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 32,0 (35,0), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 22,3 (26,3). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 
Verla* von J. F. f^hnmnn in München. — Druck von K. Miihlthaler’a Buch- und Kunatdruckerel A.G., München. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 




DI« Münch. Med. Wochenschr. erscheint wöchenll. 
in Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen. 
Preis in Deutschi, u Oe6t.-Ungarn vlerteljahrl. 6 jK, 
ins Ausland 7.60 JL Einzelne No. 60 -*J. 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redartion 
Otlosirasse 1. - Für Abonnement an J. F. Leh¬ 
mann, Heustrasse 20. - Für Inserate und Beilagen 
an Rudolf Mosse, Promenadeplatz IG 


MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 


Ch. Biumler, 0. Bolllnger, H. Curscbmann, C. Gerhardt, W. ?. Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. v. Ranke, F. i. Wlnckel, H. i. Zienssen, 

Freiburg 1. fi. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


di 9. 27. Februar 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Aus dem hygienischen Institut der Universität München. 

Zur Kenntniss der Alexine, 
sowie der specifisch - bactericiden und specifisch- 
haemolytischen 1 ) Wirkungen.*) 

Von H. Büchner. 

Als kürzlich die Anschauung von mir zum Ausdruck gebracht 
wurde*), dass die sog. Alexine oder Schutzstoffe im Blute wesent¬ 
lich den Charakter von proteolytischen Enzymen 
besitzen, da waren mir einige wichtige Angaben anderer Forscher 
entgangen, welche ganz entschieden geeignet sind, diese Auf¬ 
fassung zu bestätigen und näher zu erläutern. Da nämlich nach 
den vorhandenen Untersuchungen die Alexine der Sera grossen- 
theils von Leukocyten herstaminen, so sind Beweise für pro¬ 
teolytische Enzymbildung durch Leukocyten hier iu erster Linie 
von entscheidender Bedeutung. Zu solchen gehören aber vor Allem 
die wichtigen Untersuchungen von Th. Leber in seinem Werk 
über die Entstehung der Entzündung 3 ), worin zu¬ 
erst diese Verhältnisse mit Erfolg experimentell geprüft worden 
sind. 

Leber bat auf Grund seiner Beobachtungen bei der Asper¬ 
gilluskeratitis schon vor 10 Jahren die Ansicht aufgesteilt, dass die 
eiterige Erweichung und Schmelzung der Gewebe, für die er den 
Ausdruck Histolyse gebraucht, durch eiueu von den 
Leukocyten ausgehenden chemischen Vorgang 
bewirkt wird, der einer Verdauungswürkung gleichzusetzen ist. 
Er sagt ausdrücklich, es scheine ihm keinem Zweifel zu unterliegen, 
dass die dabei stattfindende Veränderung der Gewebe im Wesent¬ 
lichen als eine chemische, auf Enzymwirkung beruhende auf¬ 
gefasst werden muss; deun nur chemische Kräfte seien im Stande, 
die organischen Substanzen aus dem festen in den flüssigen Ag¬ 
gregatzustand überzuführen, und die mikroskopische Unter¬ 
suchung lasse auch an deren Elementen die Zeichen einer che¬ 
mischen Einwirkung auf das Deutlichste erkennen. 

Leber erwähnt daher auch, wie Billroth und nament¬ 
lich Binz schon früher darauf hiugewiesen haben, dass Leuko¬ 
cyten, wo sie in grösserer Menge auftreten, Einschmelzung der um¬ 
liegenden Gewebe bewirken 4 ). 

Leber bespricht dann die von mehreren Forschern ange¬ 
nommene Möglichkeit, dass die Erzeugung der kistolytischen 
Enzyme nicht den Leukocyten, sondern den die Entzün¬ 
dung erregenden Mikroorganismen zugeschrieben werden 
müsste, und widerlegt diese Annahme durch zahlreiche und sorg¬ 
fältig angestellte Experimente, zunächst durch solche, bei denen 
eine in die vordere Augenkammer gebrachte entzündungserregende 
Substanz bei sicher nachgewieseuer Abwesenheit von Mikrobien 
eine von innen her beginnende eiterige Erweichung der Hornhaut 
und Sklera hervorruft 5 ). Es gehören hierher Versuche mit Ein¬ 
führung von Röhrchen mit sterilen Coccenextracten oder mit 


*) Nach einem Vortrag Im Aerztlichen Verein München, ge¬ 
halten am 13. December 1809. 

1 ) Im Anschluss an die Bezeichnungsweise E h r 1 i c h’s werde 
Ich hinfort anstatt des in Frankreich zuerst gebrauchten „globuli- 
cid“ den Ausdruck „haemolytisch“ verwenden, und zwar desshalb, 
weil es sich, wie ich oft betonte, nur um Lösung des Haemoglobins 
— nicht der Stromata — handelt; und ferner weil den Erythro- 
cyten der Warmblüter der Charakter eigentlicher Zellen mangelt, 
folglich auch von „Leben 44 und „Tod 44 bei ihnen kaum gesprochen 
werden kann. 

*) Diese Wochenschrift 1899, No. 39, 40. 

•) Leipzig, W. Engelmann, 1891. 

*) a. a. O. S. 508. 

6 ) a. a. O. S. 513. 

No. 9. 


Crotonül, ferner mit Einspritzung von Quecksilber oder Einführung 
von Kupferdraht in die vordere Kammer. Bei diesen Versuchen 
wurde die völlige Abwesenheit von Mikroorganismen durch Cul- 
turen und mikroskopische Untersuchung sichergestellt. Um aber 
jedes dem Organismus fremde Agens auszuscliliessen, hat Leber 
dann noch durch direete Versuche festgestellt, dass den sterilen 
Coccendecocten ebenso wenig als den Eiterung erregenden che¬ 
mischen Substanzen an und für sich eine ge webslösende Wirkung 
zukommt. 

Ferner hat Leber die sichersten Beweise für seine 
Auscliauung dadurch erbracht, dass er todte Gewebsstücke, die iu 
deu lebenden Organismus eingeführt wurden, dort durch reichliche 
Einwanderung von Leukocyten zur Vereiterung brachte. Das 
Gewebsstück wurde bei diesen Versuchen vor der Eiuführuug in 
den Körper unter aseptischen Cautelen mit einer sterilen entztin- 
dungserregenden Substanz iwpriignirt, um stark anlockend auf 
Leukocyten zu wirken. Nach Einführung in die vordere Augen¬ 
kammer wurden solche Gewebsstücke nun von einer dichten 
Leukocyteninfiltration eingenommen,vollkommen erweicht 
und in eine Eiter masse um ge wandelt, iu welcher 
noch nach 17 Tagen durch Culturversuche das Fehlen vou Mikro¬ 
organismen dargethan werden konnte. 

Endlich bewies Leber deu Gebalt des keimfreieu Eiters an 
proteolytischem Enzym auch dadurch, dass er denselben — 
namentlich Hypopyoneiter — auf erstarrte, wasserhaltige Gelatine 
eiuwirkeu liess, wobei Verflüssigung erfolgte, wälireud ein auf 
300° erhitzter Eiter keiue Verflüssigung hervorrief. 

Es unterliegt also keinem Zweifel, dass Leber die wichtige 
Thatsache der Ilistolyse und Proteolyse durch 
Leukocyten — die übrigens mit deren allgemeiner Function 
als Resorptionszellen völlig übereinstimmt — experimentell voll¬ 
kommen sicher bewiesen hat. 

Es gibt aber auch noch ganz andere Erfahrungen, welche das 
Gleiche darthun. Noch jetzt führt eine Gruppe von Stoffen in 
der Materia medica die Bezeichnung „D i g e s t i v a“. Es ge¬ 
hören dahin beispielsweise Terpentin und Perubalsam, von denen 
namentlich der letztere zu Folge seines Gehalts an Zimmtsäure 
eine ausgesprochen chemotactische Wirkung auf Leukocyten be¬ 
sitzt. Er lockt dieselben an, und es kommt in Folge der An¬ 
sammlung von Leukocyten dann zu Erweichung und 
Ei n Schmelzung des Gewebes resp. der etwa vorhandenen 
pathologischen Gewebsneubildungen, und das ist natürlich der 
Zweck des Verf ahrens. Dass dieses Verfahren ein rationelles ist, und 
dass mit demselben in der That unter Umständen Heilerfolge er¬ 
zielt werden können, hat in neuerer Zeit Kreiswundarzt Dr. Moritz 
Mayer in Simmern durch interessante Mittheilungen bewiesen 8 ). 

Ich verdanke demselben eine Reihe von Photographien be¬ 
handelter und geheilter Fälle von Gelenks- und Knochentuber- 
culose, bei denen solche Dlgestiva, namentlich Perubalsam, zur 
Anwendung gelangt waren, wozu mir Dr. M a y er brieflich mit¬ 
theilt, die praktischen Schlussfolgerungen, zu denen er gelangt 
sei, stünden seiner Ansicht nach in Harmonie mit meinen Arbeiten 
und jenen meiner Schüler. Mayer spricht 7 ) geradezu von einer 
„histolytischen, gewebsverdauenden Wirkung 
des Perubalsam s 44 , wodurch er beispielsweise in einem Falle 
von chronischer Periostitis des Unterschenkels, mit mächtiger, 
elephantiasisähnlicher Auftreibung iu Folge Massenzunahme aller 
Gewebe, auf dem Wege künstlicher Eiterung wesentliche Besse¬ 
rung erzielen konnte. Dabei versteht sich aber, dass bei dieser 
gewebsverdauenden Wirkung nur die „peptische Wirkung 


*) Zur Anwendung eltererregender chemischer Mittel in der 
Chirurgie. Volkmann’s Sammlung klin. Vorträge, N. F„ No. 216, 
1898. Ferner: Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. u. öffentl. Sanitäts¬ 
wesen, 3. Folge, XVII, 2. Dann: Eiterung durch chemische Sub¬ 
stanzen zur Bekämpfung infectiöser Eiterung und local-tubercu- 
löser Processe. Zeitschr. f. klin. Med., 34. Bd., H. 5 u. 0. 

*) Verhandlungen des VI. Congresses für innere Medcin S. 487. 

Driginal frorri 1 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 








278 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 9. 


dou Leukocy ten" in Frage kommen kann, nnd zwar ist dies 
um so sicherer, als „die Eitercoccen in chemisch erzeugtem Eiter 
absterben“, ihrerseits also zur HIstolyse hier nicht das mindeste 
beitragen können. 

Auch diese Erfahrungen sprechen daher, ebenso wie die 
direct beweisenden Versuche L e b e Es und ferner die schon 
früher von mir angeführten Argumente ganz entschieden für 
das Vorkommen proteolytischer Enzyme in den Leukocy ten, 
wobei noch hinzugefügt werden muss, dass neuere wiederholte 
Versuche mit Einführung steriler Würfel von coagulirtem 
Hühneralbumin in die Subcutis von Kaninchen, welche Herr 
Oberarzt Dr. M e g e 1 e auf meine Veranlassung ausführte, die 
Thatsache der bacterienfreien Erweichung und allmählichen Re¬ 
sorption des coagulirten Albumins noch weiter bestätigten 8 ). 
Auch hier kann die Erweichung und Verflüssigung nur auf 
Leukocyten bezogen werden, da die blosse alkalische Reaction der 
Gewebssäfte keine solchen Wirkungen zu Stande bringt. Und 
ebenso ist dies der Fall bei Versuchen, welche Herr Dr. Megele 
mit aseptischer Einbringung von sterilem Catgut in die Subcutis 
von Kaninchen ausführte. Stücke von Catgut von 8—10 cm 
Länge waren im Verlauf von 3 Monaten bis auf unbedeutende 
Reste einer gelblichen, zähen, offenbar aus Elastin bestehenden 
Masse geschwunden ; ebenso lange Zeit in verdünnter 
Lauge auf bewahrte Stücke von Catgut li essen zwar Quellung, 
aber keine LösungsVorgänge erkennen. 

Nach alledem steht fest, dass von den Leukocyten proteo¬ 
lytische Enzyme nicht nur gebildet, sondern auch abgeson¬ 
dert werden; denn sonst wären alle die geschilderten Lösungs¬ 
vorgänge, bei denen es sich primär nicht etwa um Phagocytose 
handeln kann, überhaupt nicht denkbar. Dann aber muss von 
diesen proteolytischen Enzymen auch normaler Weise etwas in’s 
Blut gelangen können, und dann liegt es sehr nahe, hierin eine 
der Quellen, und zwar vielleicht die wichtigste, für die baeteri- 
ciden Alexine zu erblicken. 

Allerdings hatte Kühne 9 ) seinerzeit angegeben, dass im 
frischen Blut vom Rinde und Hund kein tryptisches Enzym nach- 
zuweisen sei, nur Pepsin. Die Annahme proteolytischer Enzyme 
Im Blut steht hiemit in Widerspruch. Die Methode, deren sich 
Kühne damals bediente, dürfte jedoch kaum scharf genug ge¬ 
wesen sein, um die kleinen Mengen eines Enzyms, welches sozu¬ 
sagen nur mikroskopische Wirkungen ausübt, nachzuweisen. 

In der That handelt es sich hier nicht um ein Verdauungs- 
enzym, nach Analogie aller bisher bekannten, sondern es handelt 
sich um ein Zellenzym, ein Enzym neuer Kategorie. Ein 
Analogon hiezu haben wir, ausser etwa in den Studien, Vorgängen 
und Wirkungen, welche Salkowski bei der Autodigestion 
der Organe nachgewiesen hat, vorläufig nur in demjenigen proteo¬ 
lytischen Enzym, welches durch M. Hah n im plasmatischen 
Saft der Hefezellen in unserem Laboratorium aufgefunden 
worden ist. 

Die Anwesenheit dieses Enzyms im Fresssaft der Hefezellen 
äussert sich vor Allem dadurch, dass der sich selbst überlassene, 
durch Chloroformzusatz gegen Ansiedlung von Ällkroorganismen 
geschützte Presssaft eine höchst energische Selbstverdau- 
u n g eingeht, welche bei Körpertemperatur schon innerhalb 
weniger Tage alles Albumin in gewisse Endproducte, hauptsächlich 
in Leucin und Tyrosin umwandelt. Von der Energie dieser Wir¬ 
kung können Sie sich durch den Anblick dieser Flasche mit selbst¬ 
verdautem, stark gedunkeltem Presssaft, in dessen Bodensatz reich¬ 
liche Leucindrusen zu sehen sind, und der beim Erhitzen keine 
Spur von Coagulum mehr liefert, selbst überzeugen (Demon¬ 
stration). 

Dazu muss ich allerdings bemerken, dass der Ausdruck 
Verdauung für die sich abspielenden Vorgänge kaum richtig 
gewählt ist. Ich verwende denselben nur, weil bis jetzt kein 
anderer bekannt ist, der das gleiche in einer allgemein verständ¬ 
lichen Weise bezeichnen würde. Aber streng genommen ist der 
Vorgang mit demjenigen, den wir von der Pepsin- oder Trypsin¬ 
verdauung her kennen, nicht identisch. Es fehlen die Zwischen¬ 
stufen, die bei jenen, zum Zweck der Ernährung des Organismus 
stattfindenden enzymatischen Vorgängen gerade die wichtigsten 
sind. Es fehlen die löslichen lind diffusibel gewordenen Modifica- 
tionen der Peptone, Tryptone, Albumosen, die bei einer Eruährungs- 
verdauung die Hauptrolle spielen. Denn iu der That, was würde 
uns eine Magen-, eine Darmverdauung nützen, bei der die nähreu- 


B ) Es empfiehlt sich, dem Hühnereiweiss vor dem Coaguliren 
etwas steriles Aleuronat zuzumischen, um eine stärkere chemo- 
tactische Wirkung, d. h. reichere Leukocytenansammlnng zu er¬ 
zielen, da sonst die Erweichung mitunter ganz ausserordentlich 
langsam erfolgt. 

9 ) Ueber die Verbreitung einiger Enzyme im Thierkörper. Ver¬ 
handlungen des Naturhistorisch-mediciuischen Vereins zu Heidel¬ 
berg. Neue Folge, II. Bd„ S. 1,. 1877. 

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den Eiweissstoffe sofort in Leucin und Tyrosin und andere ein¬ 
fachere Coinponenten gespalten werden? 

Das beweist, dass wir es hier mit einer neuen Kategorie von 
Lösungsenzymen zu thun haben. Bisher kannten wir bei den 
Enzymen der Pflanzensamen, den Diastasen sowohl, als bei den 
Enzymen der niederen Pilze, wie bei denen des thierisehen Orga¬ 
nismus, nur solche Enzymwirkungen, welche vom Organismus und 
von der Zelle gebildet und ausgeschieden werden, zum Z w e c k, 
um Nahrungsstoffe löslicher und dadurch ffir die Resorption und 
Assimilation geeigneter zu machen. Auch wenn die Drosera, 
der bekannte zierliche Sonnentau, und andere insectenfresseude 
Pflanzen ihre verdauenden Enzyme absonderu, handelt es sich 
um den nämlichen Vorgang. 

Jetzt zum erstenmal finden wir ein Enzym, das von der Zelle 
nicht abgesondert wird, sondern in dieser verbleibt, bis es ihr 
künstlich entrissen wird, und das nicht die Aufgabe haben kann, 
Nahrungsstoffe löslicher zu machen; denn letztere müssen offenbar 
die Zellwand bereits passirt haben, um überhaupt in den Wirkungs¬ 
bereich dieses Enzyms zu gelangen. 

Es ist zweckmässig, solche Enzyme mit einem neuen Namen 
zu bezeichnen, um sie damit von den Verdauungsenzymen grund¬ 
sätzlich zu unterscheiden, und es wird sich empfehlen, dieselben 
als E n d o e n z y m e zu benennen. 

Die Entdeckung eines solchen abbauenden Endo-Enzym’s 
in der Hefezelle, und daran anschliessend analoger Endo-Enzyme 
beim Tuberkel- und Typhusbacillus, ebenfalls durch M. Hahn, 
erscheint um so wichtiger, als wir bei der Einfachheit dieser 
Organismen und der niedrigen Stufe der Organisation, auf 
welcher dieselben sich befinden, Grund zu der Annahme haben, 
dass solche abbauende Endo-Enzyme eine entscheidende Bedeu¬ 
tung für das Zellenleben haben müssen. 

Freilich werden die Endo-Enzyme in anderen Fällen auch 
anderen Zwecken dienen können, und speeiell bei den Leukocyten, 
deren proteolytische Enzyme wir wohl ebenfalls denEndo-Enzymen 
zurechnen dürfen, kann es sich, wie es scheint, nur um Aufgaben 
handeln, welche mit Resorption, mit Auflösung und Beseitigung 
des Krankhaften, Abnormalen, Fremdartigen, unhaltbar Gewor¬ 
denen im Innern der Gewebe Zusammenhängen. 

Eben dies sind die Aufgaben, welche ich auch für die 
A 1 e x i n e des Blutes in Anspruch nehme, und dies sind die 
Gründe, wcsshalb ich mir von der stärkeren Blutzufuhr und 
Durchblutung bestimmter Körpertheile eine entschiedene Heil¬ 
wirkung gegenüber Infectionsprocessen erwarte, wie dies bei einer 
früheren Gelegenheit bereits auseinandergesetzt wurde. 

Eine wichtige experimentelle Bestätigung der Heilkraft ver¬ 
stärkter Blutzufuhr zu inficirten Theilen liefern Untersuchungen 
von W. Noetzel 10 ), auf die ich erst in neuerer Zeit aufmerksam 
geworden biu. N o e t z e 1 impfte Kaninchen mit virulentem An¬ 
thrax oder Streptococcen an einem Ohr oder am Hinterbein und 
erzeugte dann in vorsichtiger Weise durch Umschnürung ein Stau- 
imgsoedem der geimpften Theile. Während sämmtliche, ohne 
Stauung belassenen Controlthiere den Impfungen erlagen, so gelang 
es, von 07 mit Stauung behandelten Versuchstieren öl, also 
70 Proc., am Leben zu erhalten. N o e t z e 1 erklärt dieses günstige 
Resultat durch die in Folge der lege artis durchgeführteu Stauungs- 
hyperaemie erzeugte kräftige autibactericlle Wir¬ 
kung. 

Wieder einen anderen Beweis für die antiinfectiösen Wir¬ 
kungen vermehrter Blutzufuhr liefern die Untersuchungen Hilde- 
brandt’s über die „Ursachen der Heilwirkung der Laparotomie 
bei Bauehfelltuberculose“ ")• II i 1 d e b r a n d t kommt auf Grund 
seiner Versuche zu der Anschauung, dass es die durch Reizung 
erzeugte Hyperaemie sei, weiche auf den tuberculösen Pro- 
cess heilend einwirkt. Laparotomie unter physiologischer Koch¬ 
salzlösung, wodurch jeder Reiz in Wegfall kam, wirkte nicht 
günstig auf die Tuberculose der Versuchstiere 12 ). 

Der Lehre von den bactericiden Alexinen droht irt neuerer 
Zeit Gefahr durch die Unklarheiten, von denen die Auf¬ 
fassung der sog. specifisch - bactericiden Wirkungen 
noch umgeben ist. So wird beispielsweise von mehreren Autoren 
neuerdings irrtliümlich behauptet, die Alexine seien nicht 
einfache Körper, sondern sie entstünden erst durch das Zu¬ 
sammenwirken zweier Substanzen. Es ist nicht ganz leicht, 
die Grundlage dieser, aus einer Reihe von Missverständnissen 
allmählich hervorgewachsenen Anschauung vollkommen klar zu 

,0 ) Feber die bactericide Wirkung der Stauungshypeniemie 
nach Bier. (Aus der Chirurg. Universitätsklinik zu Königs¬ 
berg i. Pr.) Arch. f. klin. Chir., 00. Bd., H. 1. 

") Diese Wochenschrift 1898, No. 51, 52. 

la ) Zur Literatur über Alkoholverbände ist naelizutragen: 
Salzwedel: Weitere Mitteilungen (iebr dauernde Spiiltusver- 
bände. Berl. klin. Wocheuschr. 1890, No. 40 und Arch. f. klin. Chir., 
57 Bd., H. 3. Ferner: Carössa : Eine neue Methode der Behand¬ 
lung des Kindbettfiebers mit durchschlagendster Wirkung. Mün¬ 
chen 1896. Sei.tz & Schauer. 

Original fro-m 

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27. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


stellen, aber das eine scheint wohl unbestreitbar, dass sie nur aus 
den Vorstellungen über das Zustandekommen der spccifisch- 
baetericiden Wirkungen ursprünglich hervorgegangen sein kann, 
und diese bedürfen eben der Corrcctur. 

Die Thatsachen, die R. Pfeiffer in dieser Hinsicht seiner¬ 
zeit ermittelte, sind ja in der Hauptsache unzweifelhaft richtig, 
und es war auch zutreffend, hier von specifisch-bactericiden 
W i r k u n g e n zu reden. Hypothetisch war dagegen von vorne- 
herein die Annahme einer specifisch-bactericiden 
Substanz, für deren Existenz als einheitlicher Körper kein 
Beweis geliefert werden konnte; ebenso hypothetisch ferner, nach 
Entdeckung des bei 60—65 0 haltbaren specifischen Antikörpers 
im Immunserum, die Annahme von dessen „R egonerirung“ 
oder „R eacti virung“ bei Wiedereinführung in die Bauch¬ 
höhle eines intacten Thieres (P f e i f f e Faches Phänomen), wo¬ 
mit el>en die Hypothese der Einheitlichkeit der Substanz 
aufrecht erhalten werden sollte, nachdem sich herausgestellt hatte, 
dass in Wirklichkeit zweierlei verschiedene Einflüsse zu- 
sa mmeiiwi rken. 

Indess mochten diese Hypothesen immerhin Geltung haben, 
solange das P f e i f f e Esche Phänomen nur im lebenden 
Thierkörper gelungen war. Als nun aber Mctsehni- 
k o f f und Bordet in Paris, und Max G ruber und Dur- 
h a m in Wien darthaten, dass die Einführung des Antikörpers 
in den lebenden Thierorganismus gar nicht erforderlich ist, um 
spceifiseh-bactericide Wirkungen zu Stande 1 zu bringen, sondern, 
dass auch im Reagensglas die sog. „Regeneri rung“ oder 
„Reactivirung“ dos Antikörpers gelingt, indem mau dem Anti¬ 
körper einfach etwas frisches, nicht spezifisches Peritonealexsudat 
oder einfach frisches baefericides Blutserum zufügt, seitdem 
waren diese hypothetischen Vorstellungen geradezu unhaltbar ge¬ 
worden. Denn es widerspricht ersichtlich jeder Oekonomie des 
Denkens, wenn zwei Stoffe zu einer bestimmten Wirkung auf 
eine dritte Substanz (hier die specifischen Bacterien) erforderlich 
sind, anzunehmen, dass dann diese zwei Stoffe nicht direct auf 
das „Objeetum reactionis“ einwirken könnten, sondern zuerst 
und vor der Einwirkung sich selbst gegenseitig in einer dunkeln 
und geheimnissvollen Weise beeinflussen und verändern müssten. 

Damals haben denn auch experimentelle Untersuchungen 
von Trumpp”) im hiesigen hygienischen Institut in klarster 
Weise dafür entschieden, dass der Antikörper direct auf die 
specifischen Bacterien einwirkt und dieselben für die zerstörende 
Action des normalen Alcxins zugänglich macht. Und M e t s c h- 
n i k o f f und Bordet, Gruber und Durh a m halnm sich 
meines Wissens jenen Hypothesen über eine stattfindende Re¬ 
activirung auch niemals angeschlossen. Im Gegentheil haben 
gerade die letzterwähnten Autoren darauf aufmerksam gemacht, 
dass in den allermeisten Fällen die di recte Einwirkung des 
Antikörpers auf die Bacterieuzellen auch sichtbar in die Er¬ 
scheinung tritt durch das zuerst von Gruber in seiner 
wahren Bedeutung und Tragweite erkannte Phänomen der 
Agglutination, dem W i d a 1 dann die für klinische 
Zwecke so wichtig gewordene praktische Anwendung verlieh. 

Gegen diesen sozusagen handgreiflichen Beweis der directen 
Einwirkung des Antikörpers auf die specifischen Bacterien pflegt 
von gegnerischer Seite allerdings der Einwand erhoben zu werden, 
dass man die Agglutinine mit den specifischen Antikörpern nicht 
ohne Weiteres identificiren dürfe; denn manchmal sei keine 
Agglutination und doch eine specifisehe Antiwirkung zu con- 
statiren und umgekehrt. 

Dass so etwas in gewissen Fällen Vorkommen kann, scheint 
kaum zu bestreiten. Aber ich möchte daraus zunächst doch keinen 
weitergehenden Schluss ziehen, als dass eben die sichtbare Ag¬ 
glutination, die gegenseitige Verklebung der Bacterien, 
deren Eintritt wohl immer auf einer besonderen Moditieation 
gerade der äussersten, oberflächlichsten Schichte 
der Bacterienmembran beruht, noch nicht allein und an und für 
sieh das eigentliche Wesen des ganzen Vorganges darstellen 
kann. 

Worin dieses eigentliche Wesen der specifischen Antikörper¬ 
wirkung auf die Bacterien besteht, darüber sieh klar zu werden, 
scheint ziemlich schwierig. In gewissen Fällen lässt sich ja 
mikroskopisch sehr deutlich constatiren, dass eine beträchtliche 
Veränderung stattgefunden hat. Ich erwähne hier die inter¬ 
essanten Beobachtungen, die von dem französischen Forscher 

»*) Arch. f. Hygiene, Bd. NXXIII, S. 70. 

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279 


Roger 14 ) schon vor mehr als 3 Jahren an etwas grösseren Pilzen, 
an denen die mikroskopischen Einzelheiten deutlicher hervortreten, 
gemacht worden sind. Roger hat Kaninchen mit dem Soor¬ 
pilz vorbehandelt und zeigt, dass in dem Serum solcher speciflscli 
vorbehandelter Thiere die ausgesäten Soorpilze ganz anders, 
namentlich zunächst auch spärlicher wachsen, als in normalem 
Serum gleicher Thiere. Mikroskopisch finden sich die Membranen 
aufgequollen, beträchtlich, 5 bis 10 mal gegenüber dem normalen 
Zustand verdickt und zugleich offenbar so erweicht, dass die 
einzelnen Filzelemente theilwelse wie durch eine zusammen- 
fliessende Masse nach Art einer Zoogloea unter einander verkittet 
erscheinen. 

Nach dieser Beobachtung müsste als das Wesentliche des Vor¬ 
gangs die bedeutende Aufquellung der Membran angesehen 
werden, die nothwendig mit einer Lockerung ihres Gefüges 
verknüpft ist. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, 
dass keineswegs in allen Fällen eine derartig sichtbare und nach¬ 
weisbare Aufquellung der Membranen als Folge der Antikörper- 
einw'irkung hervortritt, wie denn auch Gruber neuestens be¬ 
streitet, dass Agglutination mit Verquellung der Membranen ver¬ 
knüpft sei. Wir können also bis jetzt nicht genau angeben, worin 
das Wesen der Agglutinin-, noch worin jenes der Antikörper¬ 
wirkung eigentlich besteht: wir können nur vermuthen, dass beide 
mit einer Veränderung der Membran verbunden sind, welche bei 
der Antikörper Wirkung vielleicht die letztere durchgängiger und so¬ 
mit zum Durchtritt der Alexine geeigneter macht. 

Damit sind nach meiner Auffassung auch die Einwände, 
die man hinsichtlich Nichtübereinstimmung von Agglutination 
und spezifischer Antikörperwirkung erhoben hat, ganz genügend 
gewürdigt und in ihrer geringen Bedeutung gekennzeichnet. 
Dieselben haben aber in neuerer Zeit vollständig an Gewicht ver¬ 
loren, und zwar durch die Entdeckung der sog. specifisch- 
haemoly tischen W i r k u n g e n. u ) 

Durch diese höchst merkwürdigen und für das Verständnis« 
des ganzen Immunitätsproblems ungemein werthvollen Feststel¬ 
lungen ist für die Beurtheilung der specifisch-bactericiden Wir¬ 
kungen eine ganz neue Grundlage geschaffen. Der volle Paral¬ 
lelismus beider Erscheinungsreihen zwingt zu Analogieschlüssen; 
deren Resultat kann aber nur dahin gehen, dass die Vorstellungen 
von einer „Regenerirung“ oder „Reactivirung“ des specifischen 
Antikörpers endgiltig beseitigt werden müssen. Die Gründe 
hiefiir werde ich sogleich näher erörtern. 

Von den zuerst durch Bordet, zuletzt durch Ehrlich 
und Morgenroth näher studirten specif isch-haemo- 
lytischen Wirkungen kann man sich leicht eine selbständige 
Anschauung verschaffen. Wir haben kürzlich begonnen, einige 
Kaninchen durch wiederholte Injectionen einerseits von R i n - 
d e r-, andererseits von Ziegenblut in die Bauchhöhle spe- 
eifiscli vorzubehandeln. Nach 5 Tagen schon, nachdem jedes der 
Thiere im Ganzen nur etwa 5 Proc. seines Körpergewichtes an 
fremdem Blut einverleibt erhalten hatte, zeigte deren Blut¬ 
serum die ausgesprochensten speeifisch-haemolytischen Wir¬ 
kungen. Wenn wir das Serum auf 60° erhitzen, so enthält es noch 
den specifischen Antikörper. Wir können denselben leicht da¬ 
durch nachweisen, dass wir Rinder- resp. Ziegenblut mit etwas 
normalem, frischem Kaninchenblutserum vermischen. Die 
Alexine des letzteren vermögen die Rinderblutkörperchen nur sehr 
schwer und nur in geraumer Zeit aufzulösen, während sie aller¬ 
dings die Ziegenblutkörperchen leichter zu lösen im Stande sind. 
Wenn wir aber zum Rinderblut ein wenig vom erhitzten Anti- 
Serum des mit Rinderblut vorbehandelten Kaninchens zufügen, 
oder zum Ziegenblut ein wenig vom entsprechenden Antiserura, 
dann erfolgt die Zerstörung der rothen Körperchen in beiden 
Fällen in überraschender Schnelligkeit (Demonstration). 

Ich bemerke hiezu noch ausdrücklich, dass die beiden auf 
60 0 erhitzten Antisera für sich allein und ohne Zufügung 
des frischen bactericiden Kaninchenserums auf die betreffenden 
Blutkörperchen nicht die mindeste Einwirkung erkennen lassen 
(Demonstration). 

Ehrlich 10 ) hat nun vor nicht langer Zeit ähnliche Ver¬ 
suche ausgeführt,, indem er Ziegenböcke mit Hammelblut vor- 
behandelte, hat sich aber mit der Constatirung der speeifisch- 
haemolytischen Erscheinungen in seinem Falle nicht begnügt, 
sondern Neues hinzugefügt. Er zeigte nämlich, dass der im 
Antiserum gelöste specifisehe Antikörper 
von denrothenBlutkörperchen dergleichen 
Art, mit welcher die Vorbehandlung erfolgte, 

14 ) Soci6t6 de Biologie, 4. Juli 1896. 

") Bisher auch als „speciflsch-globulleide“ Wirkungen be¬ 
zeichnet. S. o. 

18 ) Berl. klin. Wochenschr. 1889, No. 1 uml 22. 

Original from ** 

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280 


MÜNCHENER MEDICINISCIIH WOCHENSCHRIFT. 


No. 9. 


gebunden und festgehalten wird. Er bewies mit anderen 
Worten gerade das, was nach meinem Dafürhalten jener Hypo¬ 
these einer stattfindenden Reactivirung entschieden widerspricht. 
Denn die Thatsache, dass der Antikörper schon di r e c t von 
den specifischen Zellen aufgenommen und gebunden wird, lässt 
die Annahme einer erst erforderlichen Regenerirung desselben 
zum Zweck seiner Wirksamkeit als eine durchaus überflüssige 
und desshalb willkürliche erscheinen. 

Mir ist diese Entdeckung E h r 1 i c h’s so wichtig erschienen, 
dass ich beschloss, dieselbe nachzuprüfen. Das Resultat der Nach¬ 
prüfung ist eine volle Bestätigung seiner Angaben. 
Anti-Rinderblutserum, durch Vorbehandlung beim Kaninchen 
gewonnen, auf 60 0 erhitzt, dann mit frischen Rinderblutkörper¬ 
chen bei 37 0 1 Stunde lang digerirt, hierauf durch Centrifugiren 
wieder von letzteren befreit, enthielt keine Spurmehrvom 
wirksamen Antikörper 17 ); während gleiche Proben des 
nämlichen Antiserums nach jeweiliger Digestion mit Kaninchen-, 
mit Pferde- und mit Meerschweinchenblutkörperchen genau so 
starke Antikörperwirkung ergaben, wie eine weitere überhaupt 
nicht mit Erythrocyten behandelte Controlprobe des Antiserums. 
Nach meiner Auffassung spricht die Thatsache einer so ener¬ 
gischen directen Adsorption des Antikörpers durch die spe¬ 
cifischen Blutkörperchen entschieden gegen die Regenerirungs- 
hypothese. 

Ich glaube aber, durch folgenden Versuch die Frage voll¬ 
kommen entschieden zu haben. Sollte es nämlich gelingen, spe- 
cifische Haemolyse, also anscheinende Regenerirung, auch da¬ 
durch zu Stande zu bringen, dass man nicht das active Serum 
derjenigen Thierspecies, in welcher der Antikörper gebildet 
worden war, sondern actives Serum von einer ganz 
neuen, von einer dritten Thierspecies mit dem spe¬ 
cifischen Antikörper zum Zweck der Lösung Zusammenwirken 
lässt, dann verliert die Annahme einer Reactivirung des Anti¬ 
körpers jede haltbare Grundlage. In der That ist der Versuch 
leicht auszuführen und spricht in seinem Ergebniss durchaus 
gegen die Regenerirung. Ich habe denselben wiederholt mit 
übereinstimmenden Resultaten ausgeführt. 


Versuch 11 ). 

Zur Anwendung kommen: 

a) Frisches Rinderblut mit dem doppelten Volum 0,75 proc. 
NaCl-Lösung verdünnt. 

b) Anti-Rinderserum vom Kaninchen, durch Vor¬ 
behandlung mit Rinderblut gewonnen, y 2 Stunde auf 60° erhitzt. 

c) Normales Hundeserum, 15 Tage im Laboratorium auf¬ 
bewahrt. 

Es werden folgende Proben gemischt und bei 40° C. beobachtet: 


1. 1 ccm Rinderblut 

-f- 1 ccm Anti-Rinder-Serum 
(bei 60° erhitzt) 

+ 2 ccm actives Hunde-Serum 

2. 1 ccm Rinderblut 

-|- 1 ccm normales Kaninchen-Serum 
(bei 60° erhitzt) 

4- 2 ccm actives Hunde-Serum 

3. 1 ccm Rinderblut 

4- 1 ccm 0,75% NaCl-Lösung 

-j- 2 ccm actives Hunde-Serum 

4. 1 ccm Rinderblut 

4~ 1 ccm Anti-Rinder-Serum 
(bei 60° erhitzt) 

2 ccm inactives Hunde-Serum 
(bei 60° erhitzt) 


nach 15 Min. beginnende 
Lösung 

nach 25 Min. Lösung 
vollendet 

nach 3 Stunden keine 
Andeutung von Lösung 
nach 24 Stunden spuren¬ 
weise Lösung 


bleibt dauernd voll¬ 
kommen ungelöst 


17 ) Die Prüfung auf Haemolyse geschah durch Zufügung von 
activem Kaninchenserum. 

“) Dieser Versuch, bei dem absichtlich ein sehr wirkungs¬ 
schwaches, weil altes Hundeserum zur Anwendung kam, und bei 
dem trotzdem unter dem Einfluss eines genügend kräftigen spe- 
ciflschen Antikörpers Haemolyse erfolgt, zeigt zugleich, dass ge¬ 
wisse Resultate in der letzten Arbeit von Ehrlich und 
Morgenroth (Berl. klin. Woehenschr. 1899, No. 22) einer ab¬ 
geänderten Deutung bedürfen. Die genannten Forscher fanden, 
dass das Serum zweier mit Hammelblut vorbehandelten Böcke 
durch Erhitzen auf 56° zwar das Lösungsvermögen auf Meer¬ 
schweinchen- und Kaninchenblut verlor, aber nicht jenes auf 
Hammelblut. Hieraus wird auf das Vorhandensein eines „h i t z e - 
beständigen Addiment s“, d. h. also eines hitzebeständi¬ 
gen Alexius geschlossen, was allen bisherigen Erfahrungen wider¬ 
spricht. Indess beweist gerade die Thatsache, dass Meerschwein¬ 
chen- und Kaninchenblut nicht gelöst wurden, das Nicbtvor- 
h andensein eines hitzebeständigen Alexius, während die 
Lösung des Hammelbluts unter dem Einfluss des specifischen Anti¬ 
körpers eventuell durch das eigene Serum, d. h. das mit den Blut- 


In diesem Versuch wirken also drei verschiedene Organi¬ 
sationen, repräsentirt durch drei verschiedene Substanzen, von 
denen zwei, der im Kaninchen gebildete specifische Antikörper 
und das normale Hundealexin, sich gegenseitig im Sinne einer 
Reactivirung beeinflussen müssten, wenn die Regenerirungs¬ 
hypothese auf Wahrheit sollte Anspruch erheben dürfen. 

M. H.! Ich glaube, wir können diesen Ge¬ 
danken, dass active Stoffe aus dem Kanin¬ 
chen- und Hundeserum sich gegenseitig r e - 
activi ren,d. h. förderlich beeinflussen, ruhig 
als eine Unmöglichkeit bezeichnen — nachdem 
ich doch seiner Zeit nachgewiesen habe, dass die Alexine des 
Hunde- und Kaninchenserums bei gegenseitigem Contact sich 
zerstören, woraus die Gegensätzlichkeit der beiden Organi¬ 
sationen bis in die wirksamen Theile des Serums hinein wohl zur 
Genüge hervorgeht. Ich kann nicht annehmen, dass irgend ein 
Anhänger der Reactivirungshypothese sich diese Möglichkeit, 
dass die Reactivirung durch ein specifisch ander- 
artiges Serum bewirkt werden könnte, überhaupt je ernstlich 
vor Augen gehalten hat. Denn in dem Augenblick, wo man das 
thut, sieht man sofort ein, dass die erwähnte Hypothese an 
grosser innerer Unwahrscheinlichkeit leidet. Nur so lange konnte 
dieselbe allenfalls zulässig scheinen, so lange es sich um Stoffe 
des gleichen Organismus handelte, und für diesen Fall allein 
war die Hypothese ursprünglich ja auch ersonnen worden. 

Jetzt müssen wir dieselbe als endgiltig widerlegt erachten. 
Vielmehr handelt es sich hier und ebenso sinngemäss bei der 
durchaus analogen specifisch-bactericiden Action um die Wir¬ 
kung zweier Substanzen 10 ), von denen die eine, der specifische 
Antikörper, die Blutkörperchen für die haemolytische resp. bac- 
tericide Wirkung des normalen Alexins lediglich praedisponirt. 
Das Zusammenwirken der beiden Substanzen vollzieht sich aus¬ 
schliesslich an den specifischen Blutkörperchen resp. Bacterien, 
auf welche von Seite jeder der beiden Substanzen direct 
eingewirkt wird, während für eine gegenseitige Beeinflussung 
zwischen Antikörper und Alexin irgend ein experimenteller An¬ 
halt nicht gefunden werden kann. 

Ich muss gestehen, dass mir in theoretischer Beziehung 
ausserordentlich viel daran liegt, die Idee von der Existenz „Spe- 
cifisch-bactcrieider Stoffe“, die mir von vorneherein als eine un¬ 
haltbare erschien, nunmehr definitiv beseitigt zu wissen. Von 
vorneherein war ich gegen diesen Gedanken desshalb, weil nach 
meinen Erfahrungen die bactericiden Stoffe der Körpersäfte, die 
Alexine, die ich seit Jahren speciell studirte, durchaus nichts 
von derjenigen strengen Specifität in ihrem Verhalten erkennen 
lassen, welche wir bei den specifisch immunisirenden Wirkungen 
antreffen. Daraus folgerte ich, dass Bactericidie und 
Specifität Gegensätze sein müssen, die nur durch 
principiell verschiedenartige Substanzen 
(Alexine — Antitoxine) «um Ausdruck gebracht werden können, 
wie ich djis gelegentlich hier in Ihrem Kreise seiner Zeit scharf 
genug betont habe *°). 

-— • • 

körperchen zugleich cingefiilirte Hamiuelserum bewirkt sein 
konnte, nachdem Bordet und ferner Ehrlich und Morgen¬ 
roth an anderer Stelle selbst gezeigt haben, dass bei genügender 
Prädisposition durch Antikörperwirkung die Lösung von Blut¬ 
körperchen auch durch das gleichnamige Serum herbei- 
geführt werden kann. 

19 ) In neuerer Zeit wurde die Sache von einigen Autoren so 
dar gestellt, als ob R. Pfeiffer von vorneherein die specifisch- 
bactericide Wirkung auf das Vorhandensein zweier Substanzen 
bezogen hätte. Das ist aber nicht richtig, wenn man sich an 

R. PfeiffeFs authentische Darstellung (z. B. In „Ein neues 
Grundgesetz der Immunität“, Deutsch, med. Woehenschr. 1896, 

S. 119) hält Pfeiffer vertritt hier die Anschauung, „dass die 
im Choleraserum enthaltenen immunisirenden Substanzen genetisch 
Zusammenhängen mit den erst im Meerschweiuchenperitoneum 
sich bildenden specifisch vibrionenauflösenden Stoffen und ge- 
wissernmassen eine Vorstufe derselben darstellen“. Er sagt: 
„Im Bedarfsfälle wurden durch ein actives Eingreifen der Körper¬ 
zellen, wobei ich an Fermentwirkungen denke, die inactiven Sub¬ 
stanzen des Serums In die specifisch wirksame Form tibergeführt“. 
F.s ist nicht bekannt geworden, dass Pfeiffer diesen seinen 
Standpunkt seitdem geändert habe, und auch Ehrlich hält in 
seinen neuesten Publicationen noch an der Reactivirung fest 
Die Annahme von der combinirten Wirkung zweier verschie¬ 
dener Substanzen dagegen ist zuerst von Bordet und vou Gruber 
vertreten worden. 

”) Diese Woehenschr. 1894. No. 24. 


□ igitized by 


Gougle 


Original from 

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27. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


281 


Diese meines Erachtens absolut nöthige reinliche Scheidung 
ist nun auch bei den specifisch-bactericiden und specifisch-haemo- 
ly tischen Wirkungen durchgeführt, so dass wir mit noch grösserer 
Berechtigung als früher sagen können: Diebactericiden 
und haemolytischen Wirkungen der labilen 
Alexine besitzen nichts vom Charakter der 
Speeifität; alles Specifische liegt vielmehr 
ausschliesslich und überall in den hitze¬ 
beständigen Antikörpern. 

Leider kann ich nicht annehmen, dass alle Immunitäts¬ 
forscher dieser so einfachen und übersichtlichen Formulirung 
schon heute zustimmen werden. Dafür sind die Meinungen noch 
viel zu wenig geklärt, worauf die Vielgestaltigkeit der Nomen- 
clatur ohne Weiteres schliessen lässt. Fast jeder Experimen¬ 
tator wählt seine eigenen, zunächst nur ihm verständlichen Be¬ 
zeichnungen; man spricht von Lysinen, von Haemolysinen, von 
Immunkörpern, Antikörpern, bactericiden Immunkörpern u. s. w., 
ja Ehrlich hat neuerdings noch die Begriffe „Addiment“ und 
„Complement“ der bisherigen Terminologie hinzugefügt, offenbar 
desshalb, weil ihm die bisherigen Namen noch nicht das in 
seinem Specialfalle Passende zu bezeichnen schienen. Die 
meisten Autoren scheinen von der Ansicht durchdrungen, dass 
absolute Objectivität erfordert, für jeden Einzelfall von vorne- 
herein eine neue und besondere Kategorie von Wirkungsstoffen 
anzunehmen. Dass wäre ungefähr so, als wenn man das Pepsin 
im Hundemagen mit anderem Namen bezeichnen wollte, als jenes 
im Schweinemagen und dieses wieder anders als das Pepsin beim 
Menschen; oder als wenn man das Pepsin verschieden benennen 
wollte, je nachdem dasselbe bei Verdauung von Fibrin oder bei 
jener von coagulirtem Hühneralbumin zur Wirkung gelangt. Es 
ist ja zweifellos, dass namentlich im ersteren Fall thatsächlich 
etwas verschiedene Pepsine existiren mögen. Aber es hiesse die 
Wissenschaft unnöthig compliciren, wenn man desshalb von 
vorneherein ganz verschiedenartige Bezeichnungen einführen 
wollte. Der Gang der wissenschaftlichen Forschung scheint mir 
vielmehr der, dass man zunächst die Substanzen von über¬ 
einstimmender Wirkungsweise zusammenfasst und mit 
dem gleichen Namen bezeichnet, mag auch ihre Wirkung an 
noch so verschiedenen Objecten (Bacterien, Erythrocyten, Epithel¬ 
zellen, Spermatozoen, Leukocyten u. s. w.) zur Geltung kommen. 
Diese Verschiedenheit der Reaetionsobjecte, die sich vielleicht 
später noch in’s Ungeahnte steigern mag, ist doch zunächst wahr¬ 
lich kein Grund, um anzunehmen, dass der Organismus für jedes 
dieser Objecte einen ganz besonders gearteten Wirkungsstoff im 
Vorrath habe, oder dass die Bildung des specifischen Antikörpers 
jedesmal wieder nach einem anderen Grundprincip verlaufe. 

Die einfachste Annahme ist also zunächst jedenfalls die¬ 
jenige gleichartiger Wirkungsstoffe und übereinstimmender Bil¬ 
dungsweise für die Antikörper. Erst wenn durch weitere For¬ 
schungen sich herausstellt, dass in den einzelnen Fällen thatsäch¬ 
lich Unterschiede in beiden Richtungen bestehen, dann ist es Zeit, 
dies durch verschiedene Bezeichnungsarten zum Ausdruck zu 
bringen. Bisher aber genügt nach meiner Ansicht zur Darstel¬ 
lung sämmtlicher bis jetzt bekannten Erscheinungen im Gebiet 
der specifischen Immunisirung, der antitoxischen sowohl als der 
specifisch-bactericiden und -haemolytischen, wie der spermo- 
toxi sehen u. s. w. die Aufstellung zweier scharf getrennter Kate¬ 
gorien von wirkenden Stoffen, nämlich, wie eben erwähnt: 

1. Der specifischen, hitzebeständigen 
Antikörper und 

2. der nicht-specifisohen, nicht -hitze¬ 
beständigen Alexine. 

Für die eigentlich antitoxischen Wirkungen (Diph¬ 
therie, Tetanus) kommt naturgemäss die zweite Kategorie völlig 
in Wegfall. Hier handelt es sich nur um den Antikörper, das 
specifische Antitoxin; ein Alexin ist hier ganz überflüssig, weil 
nur specifische Toxine, nicht aber lebende Zellen als Object der 
Reaction in Betracht kommen 31 ). Es erübrigt schliesslich, die 
Natur und die Wirkungsweise jener beiden Kategorien von 

n ) Es versteht sich, dass auch dieser Formulirung, welche wohl 
im Wesentlichen dem Standpunkt von Metschnikoff und 
Bordet und von G r u b e r entsprechen dürfte, kein absoluter, 
sondern zunächst nur ein relativer, hypothetischer, heuristischer 
Werth zugemessen werden kann. Aber das Gleiche gilt mehr oder 
weniger für alle theoretischen Aufstellungen. Bleibendes Gut der 
Wissenschaft können immer nur die richtig festgestellten T h a t - 

Wlgltzedby VjjOUQlC 


Stoffen möglichst scharf zu charakterisiren. Was die A1 e x i n e 
betrifft, so habe ich mich am Eingang dieses Vortrags bemüht, 
hierüber neues Material beizubringen. Nach meiner Auffassung 
müssen die Alexine im Wesentlichen als proteolytische Enzyme 
betrachtet werden, denen eine auflösende, verflüssigende Ein¬ 
wirkung auf gewisse, aus ei weissartigen Substanzen gebaute 
Structurelemente und dadurch eine schädigende Wirkung auf 
fremdartige Zellen — und ausserdem auf nicht haltbare, ab¬ 
normale Neubildungen des Organismus selbst — zuzuschreiben 
ist. Die Alexine sind Producte des thierischen Körpers und 
dürften grossentheils aus den Leukocyten herstammen. 

Ganz anderes ist zu sagen über die specifischenAnti- 
k ö r p e r. Hier imponirt vor Allem das Räthsel der Speci- 
f i t ä t, über welches Ehrlich durch seine, von fast allen 
Seiten beifällig begrüsste „Seitenkettentheorie“ neues Licht 
zu verbreiten gesucht hat. Die eine Wahrheit steckt wohl sicher¬ 
lich in dieser geistreich erdachten Theorie, dass in der Regel die 
specifischen Gifte zu gewissen Theilen im Organismus eine be¬ 
stimmte Anziehung besitzen und dort festgehalten werden 
können, wie das W assermann für das Tetanusgift ja auch 
experimentell gezeigt hat. Soweit wird man der Seitenketten¬ 
theorie zustimmen müssen; aber im Uebrigen und sobald man 
daran geht, Natur und Wirkungsweise der specifischen Anti¬ 
körper näher in Betracht zu ziehen, können gegen jene Theorie 
schwere kritische Bedenken nicht unterdrückt werden. 

Was zunächst die Wirkungsweise betrifft, so haben wir 
als Grundwirkung aller specifischen Antitoxine und Antikörper 
überhaupt: die Anziehung und in Folge dessen die An¬ 
lagerung des Antikörpers an den specifischen Reactions- 
körper, sei dieser letztere nun ein Toxin (Diphtherie, Tetanus, 
Ricin, Abrin u. s. w.) oder sei es eine specifische Bacterienzelle 
oder ein specifisches Blutkörperchen, eine Epithelzelle u. s. w. 
Das Fundament aller specifischen Anti¬ 
körperwirkung und damit aller specifischen 
Immunität überhaupt beruht auf der speci¬ 
fischen Anziehung und der daraus resulti- 
renden Bindung zwischen Reactionsträger 
und specifischem Antikörper. 

Die Beweise für diese Behauptung sind zwar bis jetzt noch 
nicht überall vollständig erbracht, aber für die Hauptpunkte 
wenigstens sind sie zur Genüge vorhanden. So vor Allem für die 
zwischen Toxin und Antitoxin eintretende 
Bindung. Zwar wurde die Thatsache einer Bindung noch 1893 
von mir selbst bestritten, auf Grund von vergleichenden Versuchs¬ 
reihen mit annähernd neutralen Toxin-Antitoxingemischen bei 
Mäusen und Meerschweinchen. Ein bei 23 Mäusen als fast völlig 
neutral erwiesenes Gemisch zeigte bei 23 Meerschweinchen, trotz 
des im Mittel 18 mal grösseren Körpergewichts der letzteren, 
wiederum kräftige toxische Wirkungen. Behring und Knorr 
erklärten diese Erscheinung durch das Vorhandensein eines 
„unausgeglichenen Giftrest e’s“ in dem nicht 
völlig neutralisirten Gemisch von Toxin und Antitoxin, der bei 
einer empfindlichen Thierspecies ganz anders wirke, als bei einer 
weniger giftempfindlichen.* 3 ) Diese Erklärung von Behring 
und Knorr war vielleicht ganz richtig, aber die Thatsache, dass 
ein solcher „unausgeglichener Giftrest“ in einem fast neutralen 
Gemisch anders wirkt, als eine rechnerisch gleich grosse 
Menge von freiem Gift, ist höchst auffallend. Ich schloss 
damals aus diesem und aus anderen am gleichen Ort mitge- 
theilten Versuchen, dass 

1) eine Giftzerstörung im eigentlichen Sinne durch 
das Antitoxin nicht stattfinden kann 3 *) und 

2) dass eine einfache chemische Bindung zwischen 
Toxin und Antitoxin d. h. eine Bindung, streng nach bestimmten 
Aequivalenzverhältnissen, sowie uns diese Vorgänge aus der 
Chemie geläufig sind, nicht anzunehmen sei. Beide Schlüsse halte 
ich auch jetzt noch für ganz zutreffend. Unrichtig und eine zu 

Sachen sein; die Theorie aber, welche dieselben verknüpft und 
unserer Vernunft erst zugänglich macht, wodurch allein 
überhaupt „WIssenschaft“ zu Stande kommt, kann Ihrer 
Natur nach, bei der stets wachsenden Einsicht, auf unbedingte 
Wahrheit niemals Anspruch erheben. 

”) Ehrlich erklärt diese Erscheinung jetzt in anderer 
Weise. S. u. 

*•) Diese Wochenschr. 1893, No. 24. — Ferner: Beruht die 
Wirkung des B e h r 1 n g’schen Heilserums auf Giftzerstörung? 
Berl. klin. Wochenschr. 1884, No. 4,. jra| fr(Jm ^ 

UMIVERSITY OF CALIFORNIA 



MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 9. 


Bö 3 


weit gehende Folgerung war nur, wenn ich ferner annehmen zu 
müssen glaubte, dass 

з) überhaupt keine Bindung zwischen Toxin und 
Antitoxin zu Stande komme. 

Von dem thatsächlichen Eintreten einer solchen Bindung 
waren damals B e h r i n g lind auch E h r 1 ic- h bereits überzeugt, 
Letzterer — wie ich einer dankenswerthen brieflichen Mittheilung 
entnehme — auf Grund von Versuchen über die Einwirkung von 
Schwefelkohlenstoff auf Tetanus - Toxin - Antitoxingemische, in 
denen sich das Toxin resistent erwies, während freies Toxin 
unter gleichen Bedingungen zerstört worden war. Mich über¬ 
zeugten später, 1S95, die von unserem unvergesslichen A. Knorr 
publicirten Experimente mit ähnlichen neutralen Gemischen, 
in denen eine analoge Steigerung der Widerstandsfähigkeit des 
Toxins gegen die sonst zerstörende Einwirkung von Temperatur¬ 
erhöhungen hervortrat. w ) Man musste hieraus, im Zusammenhalt 
mit den übrigen bekannten Thatsachen auf eine schützende An¬ 
ziehung und Bindung zwischen dem haltbaren Antitoxin und 
dem an sich labilen Toxin schliessen. Noch später kamen dann 
die direct beweisenden Versuche von Ehrlich mit 
Ricin und Antiricin, denen sich analoge von Kossel, von 
Camus und G 1 e y und von Kant hack anrerhten. 

Besonders auf Grund dieser letzteren Thatsachen kann nun 
an der eintretenden Bindung zwischen Toxin und Antitoxin 
längst nicht mehr gezweifelt werden. Es erübrigt demnach nur 
noch die Frage nach der Art dieser Bindung, die Ehr¬ 
lich als eine einfach chemische, wie etwa zwischen Säuren und 
Basen, betrachtet wissen will, während ich, wie erwähnt, an meiner 
früheren abweichenden Auffassung festlialten möchte. Der Unter¬ 
schied scheint vielleicht nicht von grosser Bedeutung, ist aber 
in seinen Consequenzen von Wichtigkeit für das Problem der Im¬ 
munität, wesshalb ein kurzes Eingehen sich rechtfertigt. 

Mein Zweifel an der einfachen chemischen Bindung be¬ 
gründet sich nicht nur auf meine eigenen oben erwähnten Ver¬ 
suche, sondern hauptsächlich auf die Erfahrungen K n o r r’s, 
der bekanntlich viel über die Beziehungen zwischen Toxin und 
Antitoxin beim Tetanus experimentirt und werthvollste Angaben 
hierüber gemacht hat. Nach diesen Resultaten ist natürlich nicht 
zu bestreiten, dass die Vereinigung von Gift und Antitoxin im 
Allgemeinen nach dem Gesetz der Multipla vor sich geht, so dass, 
wenn eine Einheit Gift durch eine gewisse Menge Antitoxin neu- 
tralisirt wird, 100 mal mehr Antitoxin auch 100 Gifteinheiten zu 
binden im Stande ist. Allein es zeigen sich dennoch gewisse 
Eigentümlichkeiten des Bindungsvorganges und namentlich bei 
genauen Messungen gewisse quantitative Abweichungen, die, wie 
Knorr sagt, „weniger praktisch als theoretisch wichtig er¬ 
scheinen, da sie ein Licht auf die Vereinigung zwischen Gift und 
Antitoxin werfen“ ”). 

Auffallend ist namentlich, dass concentrirte Toxin- 
Antitoxingemische bezüglich Neutralisation sich anders ver¬ 
halten als verdünnte. Beispielsweise führt Knorr an ”): 
250 000 Ms Toxin 250 000 Ms Antitoxin = 0 

2 500 Ms „ 4 * 2 500 Ms „ zr 1 leichte tetan. 

25 Ms » + 25 Ms „ zz J Erkrankung. 

Ferner spielt die Zeit, während deren das Toxin-Anti toxin- 
gemiseh in Contact gewesen war, bezüglich der eintretenden 
Bindung eine wichtige Rolle. Z. B. tödtete eine Mischung von 
2500 Ms Toxin 4* 2500 Ms Antitoxin 
bei sofortiger Tnjection, unmittelbar nach Herstellung des Ge¬ 
misches, ein Thier nach SYz Tagen an Tetanus. Dieselbe Mischung 
2 Stunden aufbewahrt, verursachte nur noch leichte Erkrankung 
und nach 24 stündigem Stehen war dieselbe sogar wirkungs¬ 
los geworden. Aus diesen Thatsachen schiiesst Knorr, „dass 
die, Vereinigung von Toxin und Antitoxin 
eine langsame ist und zwar um so langsamer, 
je weniger concentrirt die beiden Lösungen 
aufeinander wirken“. 

Uebrigens bemerkt Knorr, dass derlei Resultate, besondere 
je nach Art des Giftes, äusserst variabel seien, und dies ist 
vollkommen begreiflich, seitdem wir durch Ehrlich jetzt wissen, 
wie gross die Verschiedenheiten in der Zusammensetzung ver¬ 
schiedener Sorten des nämlichen Giftes, je nach dem wechselnden 

и ) A. Knorr: Habilitationsschrift, 1805, S. 24. 

“) Diese Wochenschrift 1898, No. 12, S. 303. 

") Fortschr. d Medicln 1807, 8. 666. 


Gehalt an Toxonen, Toxoiden u. s. w. schliesslich sein können. 
Jedenfalls dürfen diese letzteren Vorstellungen, denen ich im 
Princip vollständig zustimme, bei der Beurtheilung der hier in 
Rede stehenden Frage nicht ausser Acht gelassen werden. Aber, 
so sehr ich geneigt bin zuzugeben, dass durch diese Vorstellungen 
die Verschiedenheiten im Verhalten verschiedener Gift¬ 
lösungen sich befriedigend erklären lassen, so wenig vermag ich 
einzusehen, dass durch dieselben auch das verschiedene Verhalten 
e i n und der nämlichen Giftlösung gegen ein und die 
nämliche Antitoxinlösung, je nach Concentrations- und 
Mengenverhältnissen erklärt werden könne. 

Knorr führt hierüber als Beispiel folgende Verhältnisse 
an, die er für sein Testgift und Testantitoxin festgestellt hatte: 

Gift: Antitoxin: 

250 000 Ms + 250 000 Ms = 0 

250 000 Ms + 225 000 Ms = leichte Erkrankung, 

250 000 Ms -f 200 000 Ms = Tod in 4—9 Tagen, 

250 000 Ms 4- 150 000 Ms = Tod in 2 1 /*—4 Tagen, 

250 000 Ms 4- 125 000 Ms = Tod in VA—2Yz Tagen, 

250 000 Ms -f 100 000 Ms = Tod ohne Verzögerung. 

Hiezu 1 >cmerkt Knorr: „100 000 Ms Gift im Ueber- 
schuss einer Mischung haben die physio¬ 
logische Wirkung von etwa 15 Ms freien 
Gifte s“. JT ) Um diese Giftwirkung auszugleichen und wieder 
neutrale Mischung herzustellen, sind aber wohl bemerkt nicht 
etwa 15 Ms, sondern 100 000 Ms Antitoxin erforder¬ 
lich. . 

Aus diesen Thatsachen vermag ich nur den Schluss zu ziehen, 
dass bei Tetanus die Bindung zwischen Toxin und Antitoxin eine 
eigenthümliche, lockere sein muss, die zum Theil in eine Doppel¬ 
bindung übergehen kann, welche ihrerseits je nach den Con- 
centrationsverhältnissen wieder rückgängig zu werden im Stande 
ist. Wenn dies aber bei Tetanus Geltung hat, dann wird es sich 
wohl auch bei Diphtherie im Grunde um eine analoge Art der 
Bindung handeln müssen, mag es auch hier nicht gelungen sein, 
etwas derartiges experimentell bisher zu constatiren. 

Das Resultat unserer bisherigen Betrachtung lässt sich also 
dahin zusammen fassen, dass bei den Antitoxinen die Gegen¬ 
wirkung gegen die Toxine zweifellos auf gegenseitiger specifischer 
Anziehung und hierdurch verursachter Bindung be¬ 
ruhen muss; und ferner, dass diese Bindung keine einfache che¬ 
mische sein dürfte, sondern eine ganz eigenartige zu sein scheint, 
deren nähere Natur erst erforscht werden muss. 

Aehnliehes lässt sich nun — und das scheint mir von ausser¬ 
ordentlicher Bedeutung — nach den neueren Untersuchungen von 
Ehrlich und Morgenroth”) auch sagen über die Anti¬ 
körper bei der specifisch-haemolytischen Action. 
Die genannten Forscher fanden, wie ich erwähnte, die funda¬ 
mentale Thatsache, dass der Antikörper, den das Serum einer mit 
Hammelblut vorbehandelten Ziege enthält, von den Ery¬ 
thro c y t. e n des Hammelbluts angezogen und 
gebunden wird. Die speciüsche Relation äussert sich also 
auch hier durch AnziehungundBindung zwischen dem 
Antikörper und dem Reactionsträger. Ich habe vorhin ausdrück¬ 
lich angeführt, dass diese wichtige Entdeckung von mir für die 
Erythrocyten des Rindcrbluts und den entsprechenden Anti¬ 
körper vollkommen bestätigt und durch Controlversuche mit 
nichtspecifi sehen Erythrocyten sicher gestellt werden konnte. 

Es fehlt uns also schliesslich nur noch der analoge Nachweis 
für die speeifiscli - bactericide Action. Aber auch hier haben 
wir bereits einige Anhaltspunkte, indem einerseits nach Gru- 
b e Ps Beobachtungen die Agglutinine, die ja in den meisten 
Fällen mit den specifischen Antikörpern übereinstimmen werden, 
„bei der Reaetion aufgebraucht werden“; während andererseits 
Untersuchungen, welche von M. Hahn und Trommsdorff 
in unserem Institut über diese Frage begonnen, aber noch nicht 
abgeschlossen sind, vorläufig ebenfalls die Thatsache einer Weg¬ 
nahme des Antikörpers aus der Lösung durch die specifischen 

*9 Allerdings sagt Knorr In der Anmerkung: „Das Testgift 
würde also nach Ehrlich eine ungeheure Menge Toxoide ent¬ 
halten“. Allein, auch wenn man dies zugibt, so bleiben doch die 
obigen Erscheinungen unerklärlich, man müsste denn einen so¬ 
fortigen und wechselnden Uebergang von Toxinen in Toxoide und 
umgekehrt in der Lösung annehmen. Dann aber wäre es nie mög¬ 
lich gewesen, das Gesetz der Multipla überhaupt zu constatiren. 
*) a. a. O. 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. Februar. 1900. 


MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT. 


283 


Bacterien ergeben. Verrauthlieh dürfte cs sich also auch hier 
um eine Anziehung zwischen Antikörper und Reactionsträger 
und um eine hieraus resultirende Bindung handeln. 

Ueberall treffen wir also, so scheint es, das fundamentale 
Gesetz verwirklicht, dass specifische Antikörper¬ 
wirkung auf specifische Anziehung und Bin¬ 
dung zurückzuführen ist, ein Gesetz, durch dessen 
definitiven Beweis unser Verständniss für das Wesen der spe- 
cifischen Immunität mächtig gefördert werden müsste. Frei¬ 
lich haben wir vorläufig gar keine Vorstellung über die eigen- 
thümliche Art dieser Anziehung und Bindung, die von dem Be¬ 
kannten und Geläufigen weit abzuliegeu scheint, wesshalb es 
müssig wäre, Speculationen über diesen noch völlig dunklen 
Blinkt anzustellen. 20 ) Wenn Ehrlich in seinen letzten Publi¬ 
ca tionen dies dennoch tliut, und dabei ganz präcise, der Chemie 
entlehnte Bezeichnungen und Vorstellungen verwendet, so mag 
er dazu durch seine „Seitenkettentheorie“ veranlasst worden 
sein. Nach meiner Auffassung muss ich indess gestehen, dass 
mir diese Mühe verfrüht scheint und zwar desshalb, weil vorerst 
wohl die Vorfrage erledigt sein müsste, mit welcher Art von Bin¬ 
dung wir es überhaupt zu thun haben, ob mit einer chemischen 
oder vielleicht mit einer solchen, die mehr der Krystallisations- 
anziehung verwandt ist? 

Mit der „Seitenkettentheorie“ könnte ich mich übrigens wohl 
befreunden, wenn dieselbe nur auf die stattfindende Anziehung 
und Bindung allein sich bezöge, denn das ist ja, wie sich gezeigt 
hat, auch meine Auffassung. Allein die „Seitenkettentheorie“ 
geht viel weiter und stellt auch eine bestimmte Behauptung auf 
über die Natur und Herkunft der Antikörper, zunächst der 
Antitoxine, indem sie dieselben als reine Producte der thierischen 
Organisation kennzeichnet. Die Antitoxine sollen ja nach dieser 
Theorie nichts anderes sein, als bestimmte Seitenketten be¬ 
stimmter Körperprotoplasmen, welche eben zum speeifischen Gift 
Verwandtschaft zeigen, so dass sich dieses an ihnen verankert, 
dadurch die Seitenkette in ihrer Function in Wegfall bringt 
und folglich deren Neuersatz und schliesslich sogar Ueber- 
production daran hervorruft. Abgesehen davon, dass die Ana¬ 
logie der W e i g e r t’schen Ideen über Regeneration, auf welche 
sich diese Theorie beruft, kaum zutrifft, da es sich bei Weigert 
um Wegfall ganzer Zellen und Zellcomplexe und um deren 
Wiederersatz handelt, nicht aber um blosse Seitenketten von 
Zellprotoplasinen, so sind hauptsächlich experimentelle Gründe 
entgegenstehend. 

Ich will mich dabei nicht auf die Erfahrungen bei der 
Tetanusimmunisirung von Kaninchen und Hühnern berufen, aus 
denen Knorr seinerzeit folgerte 80 ): „dass es nicht die mit Krank¬ 
heit ssymptomen reagirenden Theile des Körpers sind, welche zum 
Auftreten des Antitoxins Veranlassung geben, sondern die Theile, 
welche keine eingreifenden Veränderungen erleiden“. Ebenso 
wenig will ich die Erfahrungen Metschnikoff’s anführen 
bei dem durch Unempfindlichkeit gegen Tetanusgift, wie durch 
rasche Antitoxinproduction gleichmässig ausgezeichneten Alli¬ 
gator. Alles dies lässt sich mit der Seitenkettentheorie vereinigen, 
wenn man annimmt, dass die betreffenden Zellen, an deren 
protoplasmatischen Seitenketten die fremden speeifischen Toxine 
verankert werden, trotzdem in ihren Functionen keine krank¬ 
haften Störungen erleiden. Aber der Kern der Seitenketten¬ 
theorie liegt doch immer in der Annahme, dass die vom Körper 
zu produeirenden speeifischen Antikörper bereits vorgebil¬ 
dete Substanzen seien, nämlich eben jene Seitenketten, 
an denen die Verankerung stattgefunden hat und die in Folge 
dessen ausgeschaltet und durch reactive Thätigkeit neu, ja im 
Ueberschuss gebildet werden, so dass ein Theil davon in den 
Säftestrom gelangt. 

Je mehr nun unsere Erfahrungen über specifische Iinmuni- 
sirung sich erweitern, umso schwieriger finde ich die Annahme, 
dass die zahllosen speeifischen Antikörper, die wir mit der Zeit 
kennen lernen, immer wieder auf besondere Seitenketten im 
Organismus zurückzuführen sein sollen. Insbesondere gilt dies 
für die specifisch-haemolytischen Antikörper. Wenn wir be¬ 


**) Agglomeration der Blutkörperchen und Antikörperwirkung 
scheinen mir nicht identisch, da beispielsweise inactives Pferde- 
sirum sehr stark agglomerirend auf Meerschweinchenblut wirkt, 
ohne dasselbe desshalb für Haemolyse merklich zu prädisponiren. 

*0 Diese Wochenschrift 1898, No. 12. 

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denken, dass voraussichtlich — nach den bisher überall gewon¬ 
nenen positiven Erfahrungen — alle oder wenigstens die meisten 
Species von Warmblütern specifisch-haemolytisch zu immuni- 
siren sein dürften gegen alle anderen Species, so ergibt dies eine 
solche fast unendlich scheinende Fülle von wechselseitigen Be¬ 
ziehungen, dass mit der Annahme im Körper p r a e - 
f ormirter, für jeden Einzelfall chemisch verschieden¬ 
artiger Seitenketten, welche als Grundlage für den je¬ 
weiligen speeifischen Antikörper dienen könnten, nicht mehr 
auszukommen ist. Eine solche Vorstellung mochte nahe¬ 
liegend sein, so lange es sich nur um einige wenige bekannte Bei¬ 
spiele, hauptsächlich um Immunisirungen mit speeifischen Bac- 
teriengiften handelte, für welchen Fall sie auch ursprünglich 
erdacht ist. Wenn wir aber ein Kaninchen mit Rinder- oder 
Ziegenblut vorbehandeln oder einen Ziegenbock mit Hammelblut 
u. s. w. und überall das alsbaldige Auftreten eines speeifischen 
Antikörpers constatiren, dann hat in diesem Falle die Vorstel¬ 
lungsweise der Seitenkettentheorie nach meiner Meinung keine 
Wahrscheinlichkeit für sich. 

Allerdings wird die definitive Entscheidung hier wie ander¬ 
wärts e x p e r i m e n t e 11 zu erbringen sein, und Metschni- 
k o f f ist in einer sehr interessanten neuen Arbeit hiezu bereits 
auf dem Wege, indem er beweist, dass „Antispermotoxin“ in 
einem Thierkörper gebildet werden kann, der aller inneren Sexual¬ 
organe, also sämmtliclier Spermazelleu beraubt ist* 1 ). Der 
Schluss, der sich hieraus ergibt, dass nicht die speei¬ 
fischen Zelle n, die durch Spermotoxin etwa gereizt werden, 
es sind, welche den Antikörper produciren, lautet nicht zu 
Gunsten der Seitenkettentheorie. 

Offenbar geht die Autikörj>erbildung nach dem, was wir 
jetzt bei den speeifischen Immunisirungen gegen Erythrocyten, 
gegen Flimmerepithelien, gegen Spermatozoen, gegen Leuko- 
cyten u. s. w. wissen und sehen, viel leichter vor sich, als man 
bis dahin angenommen hatte. Ferner auch ist nach diesen 
neueren Erfahrungen kaum zu bezweifeln, dass das Räthsel der 
Specifität der Antikörper sich in einfacher Weise lösen muss. 
Nach meiner Ansicht wird diese Lösung in dem Sinne zu suchen 
sein, wie ich das seit Jahren vermuthet habe, nämlich nicht darin, 
dass im Körper präexistente Molecülgruppen („Seitenketten“) 
in Folge des speeifischen Reizes im Ueberschuss gebildet und 
abgestossen werden, um dann als Antikörper zu functioniren, 
sondern darin, dass eigene specifische Bestand¬ 
teile der in den Körper eingeführten fremden Erythrocyten, 
Bacterienzellen, Toxine u. s. w. im Organismus festgehalten und 
in eine entgiftete, dem Körper nicht mehr fremd¬ 
artige Substanz übergeführt werden. Letztere könnte viel¬ 
leicht durch Anlagerung gewisser, vom Organismus gelieferter 
Moleculargruppen geschehen, welche den aus der eingeführten 
speeifischen Substanz herstammenden Kern in ähnlicher Weise 
einhüllen, wie nach der E h r 1 i c loschen Vorstellung etwa der 
sog. „Leistungskern“ des Protoplasmas von den Seitenketten 
umgeben, gleichsam eingehüllt sein soll. Natürlich will damit 
durchaus keine nähere Analogie zwischen einem speeifischen 
Antikörper und einem speeifischen Protoplasma angedeutet 
werden, wogegen ja schon die Resistenz der Antikörper bei Tem¬ 
peraturen von 60° in ganz entscheidender Weise spricht. Die 
Anziehung des Antikörpers zur speeifischen Substanz, worauf alle 
Specifität und Immunität beruht, würde dann aus der chemischen 
Gleichartigkeit zwischen Antikörperkern und speci- 
fischer Substanz sich erklären; es würde sich nicht um einen 
chemischen Gegensatz handeln, wie zwischen Säure und Base, 
sondern um eine Anziehung von Gleichartigem 
zu Gleichartigem, wie wir sie etwa in der Polymerisa¬ 
tion, in der Krystallisationsanziehung, im Bau der Stärke¬ 
körner und wahrscheinlich auch in vielen oder den meisten 
Fällen organischen Wachsthums verwirklicht finden. 


3l ) Aunales de l’institut Pasteur 1900, No. 1. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



284 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCH ENSCH RIFT. 


Aus dem Röntgeninstitut von Dr. Albers-Schönberg und 
Dr. R. Hahn in Hamburg. 

Die Therapie des Lupus und der Hautkrankheiten 
mittels Röntgenstrahlen. 

Von Dr. R. Hahn und Dr. Albers-Schönberg. 

Nachdem der eine von uns [Albers-Schönberg 1 )] auf 
der 70. Versammlung der Naturforscher und Aerzte 1898 in 
Düsseldorf über die Erfolge der Lupusbehandlung und der Be¬ 
handlung von Hautkrankheiten mit Röntgenstrahlen, die wir in 
unserem Institut erreicht, eingehend berichtet hat, haben wir 
unsere Versuche auch weiterhin fortgesetzt und sie auf einige 
andere Hautkrankheiten ausgedehnt. Wir halten es für an¬ 
gezeigt, über die Resultate, die wir erzielt haben, abermals zu 
berichten, zumal v. Bergmann in München den Stab über die 
Therapie mit Röntgenstrahlen gebrochen hat und seine Autorität 
vielleicht im Stande wäre, die angestrengte Arbeit einer Reihe 
von Forschern zu inhibiren oder gar zu nichte zu machen. Wir 
übergeben im Nachstehenden unser Material zu möglichst ein¬ 
gehender und scharfer Kritik und hoffen beweisen zu können, 
dass die Röntgenstrahlen in Bezug auf ihre Wirkung auf die 
Haut denn doch noch etwas anderes sind, als ein Senfpapier, wie 
v. Bergmann sarkastisch meinte, und damit zu erreichen, 
dass diese Methode als Behandlungsart für gewisse Hautkrank¬ 
heiten noch weitere Freunde sich erwerbe. Freilich müssen wir 
aber auch dem Vorbeugen, dass durch kritiklose Schilderungen 
scheinbarer Erfolge Hoffnungen erweckt werden, die sich nicht 
erfüllen können. 

Wir verzichten darauf, eine eingehende Literatur über die 
Röntgenstrahlentherapie zu geben, das von anderen Autoren Er¬ 
reichte stimmt im Wesentlichen mit unseren Erfahrungen 
überein. 

Auch das vergangene Jahr hat uns bestätigt, was sich bald 
nach ^Einführung der X-Strahlen in die Therapie herausstellte, 
dass es ganz vorwiegend die äussere Haut ist, auf welche eine 
mehr oder minder grosse Einwirkung derselben statt hat. Für 
die Therapie der inneren Krankheiten, mit Ausnahme vielleicht 
der Gicht, wo die X-Strahlen in einigen Fällen heilend gewirkt 
haben sollen, kommt ihre Anwendung nicht in Betracht. Die 
Einwirkung auf die Haut dagegen ist zweifellos, äussem sich 
doch eine Reihe von Publicationen über schädliche Einwirkungen 
auf dieselbe. (Dermatitiden, Exfoliationen, Vesikel, Phlyctänen- 
bildung, Ulcerationen, Gangraen.) So konnte Unna bei einem 
Fall von Röntgendermatitis eine Quellung des Collagens und 
Degeneration, d. h. veränderte Farbreaction des Elastins nach- 
weisen. 

Oudin, Barthölemy und Darier fanden an durch 
Röntgenstrahlen enthaarter Meerschweinchenhaut eineVerdickung 
der Epidermis und Vermehrung des Keratohyalins, Atrophie und 
Schwund der Haare, der Follikel und der Drüsen. Darier 
konnte in einem anderen Fall, in dem sich ein gangraenöser 
Lappen spontan abgestossen hatte, vollkommene Gangraen con- 
statiren. 

Gassmann untersuchte zwei durch Röntgenstrahlen ent¬ 
standene Hautulcera und stellt die Ergebnisse seiner Unter¬ 
suchungen folgendermaassen zusammen: 

1) Die Reparation des durch Röntgenstrahlen hervorgerufenen 
Geschwürs geschieht durch Vermittelung eines Granulations- 
gewebes, das in seinem Bau von demjenigen anderer Ulcera nicht 
wesentlich abweicht. 

2) Die Gefässe der Cutis und Subcutis weisen eigenthümliche 
Veränderungen auf, dieselben bestehen in Wucherung und vacuo- 
lisirender Degeneration der Intima, Auffaserung der Elasticae, 
Vacuolisirung und Schwund der Muscularis. Ausserdem findet 
sich stellenweise eine in Zerfaserung und abnormer Farbreaction 
bestehende Degeneration des subcutanen Bindegewebes. 

3) Diese Gefässveränderungen sind vielleicht die Folge der 
Einwirkung der Röntgenstrahlen und wohl die directe Ursache 
der Ulceration. 

Durch diese Untersuchungen ist nun wohl zur Genüge eine 
schädliche Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Haut nach¬ 
gewiesen, sie in Abrede zu stellen hat auch v. Bergmann in 
seinem Vortrage in München gar nicht versucht. Wenn nun der¬ 
artige schädliche Einwirkungen auf die Haut sicher als Folge von 

') cf. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. 
ßd. II, 8. 20. 

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Röntgenbestrahlungen Vorkommen, so muss genau so wie bei 
unseren sonstigen differenten Heilmitteln es durch eine richtige 
Dosirung erreicht werden können, dass nicht nur Schaden ver¬ 
mieden wird, sondern dass sogar Heilerfolge zu verzeichneu sein 
werden. 

Dass dem in der That so ist, dass bei richtiger Dosirung der 
Strahlen Heilwirkungen auf die Haut ausgeübt werden, wird sich 
aus unseren weiteren Ausführungen ergeben. 

Zunächst sei es gestattet, über die Wirkungsweise der fort¬ 
gesetzten Bestrahlung auf die menschliche Haut im Allgemeinen 
etwas näher einzugehen. 

Die Erfahrung lehrt, dass das Verhalten Einzelner der Be¬ 
strahlung gegenüber ein äusserst verschiedenes ist. Während 
Manche schon nach einer einzigen Bestrahlung unangenehme 
Nebenwirkungen, wie Wärmegefühl, Brennen, ja Röthung der be¬ 
strahlten Partie aufweisen, sogar Exeoriationen und Gangraen 
sind beobachtet worden, zeigen Andere auch trotz monatelanger 
täglicher Bestrahlung keine Spur von Nebenwirkungen, ihre Haut 
ist dauernd zart., nicht geröthet, nicht schmerzhaft. Die Einwir¬ 
kung der Röntgenstrahlen auf das einzelne Individuum ist eben 
verschieden, wie ja auch sonst, die Menschen verschieden auf die¬ 
selben Medicamente reagiren. Der Teint scheint keine wesent¬ 
liche Rolle dabei zu spielen, konnten wir doch bei blonden Indi¬ 
viduen mit zarter Haut, bei denen man doch zu allererst eine 
Reaction hätte erwarten sollen, trotz häufiger Bestrahlungen 
keine Nebenwirkungen beobachten, während bei dunklen Personen 
andererseits schon nach wenigen Sitzungen Röthung der be¬ 
strahlten Partien, Wärmegefühl, Brennen, ja Excoriation auftrat. 
Auch das Alter scheint keine wesentliche Rolle zu spielen, eher 
scheinen die Kinder widerstandsfähiger zu sein, denn bei keinem 
einzigen der bestrahlten Kinder traten unangenehme Nebenwirk¬ 
ungen auf, obwohl gerade einzelne Kinder sehr intensiv bestrahlt 
worden sind. Nur in drei Fällen, eben doch ein Zeichen der son¬ 
stigen Wirkung, trat Haarauslauf auf dem behaarten Kopfe auf; 
das Haar wuchs jedoch bald wieder. 

Ob das Geschlecht einen Einfluss hat, wage ich nicht zu ent¬ 
scheiden, da unser Material zu einseitig war, nämlich in der Mehr¬ 
zahl aus Angehörigen des weiblichen Geschlechts bestand. Un¬ 
möglich wäre es mit Bezug auf das Gesicht nicht, da die mit 
Lupus des Gesichts behafteten Frauen durch das Tragen eines 
Schleiers ihr Gesicht sicher weniger abgehärtet haben, als die 
schleierlosen Männer. 

Wenn die Haut (wir sprechen zunächst von der gesunden) 
nach mehr oder weniger langer Zeit auf die Bestrahlung reagirt, 
so äussert sich dies zunächst in einer geringen Gelbfärbung der¬ 
selben, die allmählich einer allgemeinen, diffusen, auf Hyperaemie 
beruhenden Röthung der bestrahlten Partie Platz macht. Dieses 
Anfangs helle Roth geht später in tieferes, düsteres Roth über. 
Gleichzeitig stellt sich bei vielen Personen ein leichtes Jucken und 
Prickeln in der Haut ein. Letzteres weicht bald einem allgemeinen 
Wärmegefühl, welches sich, namentlich bei empfindlichen Per¬ 
sonen, zum brennenden Schmerz steigern kann. Dieses subjective 
Wärmegefühl ist auch objectiv durch die Betastung deutlich zu 
constatiren, doch konnten Gassmann und Schenkel mit 
dem Hautthermometer keine erhöhten Temperaturen nachweisen. 
Mit zunehmender Röthe beginnt in manchen, doch nicht in allen 
Fällen, eine leichte oedematöse Schwellung der Haut. Die Pa¬ 
tienten haben ein Gefühl von Straffheit und Spannung in der be¬ 
strahlten Partie. Auch äusserlich macht sich diese oedema¬ 
töse Durchtränkung durch ihre Erhabenheit dem Auge 
deutlich bemerkbar, dem untersuchenden Finger bietet sie 
das Gefühl einer derben, flächenhaften Induration. Bei 
fortgesetzter Bestrahlung nimmt die Haut ein immer dunk¬ 
leres Colorit an, es heben sich kleine Bläschen ab, die bald 
kleinen exeoriirten Partien Platz machen, welche sich in ganz 
kurzer Zeit, ja von einem Tag zum andern, über die ganze be¬ 
strahlte Partie gleichmässig ausbreiten. Diese Exeoriationen er¬ 
strecken sich genau bis an den schützenden Maskenrand, selten 
noch etwas unter denselben. Die Affection gleicht äusserlich voll¬ 
kommen einer Verbrennung. Man hat vor sich eine circumscripte 
geröthete, nässende Stelle. 

Dieser Erfolg der Behandlung kann nun direct im Anschluss 
an eine Reihe von Bestrahlungen auftreten oder aber es vergehen 
nach Aussetzung der Behandlung eine Anzahl von Tagen, ja 
bis 14 Tage, in denen sich Patient durchaus wohl befunden hat. 
ehe sich die beschriebenen Schädigungen zeigen. 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. Februar 1900. MÜNCHEN BR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 285 


Die Strahlen entfalten dann erst ihre cumulative Wirkung. 
Worauf dieser Effect beruht, ist zunächst noch völlig dunkel, wohl 
möglich, dass Gassmann’s Ansicht, dass die Vacuolisirungen 
der Gefässintima, die er in zwei Fällen von Röntgenuleerationen 
nachweisen konnte und die ja zur Entwickelung eine gewisse Zeit 
gebrauchen, daran Schuld seien, sich durch weitere Unter¬ 
suchungen bestätigt. 

Zu erwähnen würde noch sein, dass statt der flachen secer- 
nirenden Stellen auch tiefe gangraenöse Ulcera entstehen können, 
die absolut keine Tendenz zur Heilung haben. Selbst Transplan¬ 
tationen wollten nicht anheilen, so dass in einem Fall zur Ampu¬ 
tation geschritten werden musste. Wir haben solche Fälle nicht 
erlebt. 

Tn einer Anzahl der Fälle tritt nun, vorausgesetzt, dass die 
Bestrahlung sistirt wird, langsam die Heilung ein, indem sie vom 
Rande der exeoriirten Partie zum Centrum fortschreitet. Die 
Heilungstendenz ist eine sehr verschiedene; war es zur Exco- 
riation auf der bereits oedematös durchtränkten Haut gekommen, 
so schritt die Heilung ausserordentlich langsam vor. 

Mit der sich allmählich überziehenden Üeberhäutung geht 
Hand in Hand die Abnahm? der serösen Durchtränkung. Schliess¬ 
lich haben wir nach mehr oder weniger langer Zeit eine rosa ge¬ 
färbte neue Haut ohne Narbenbildung vor uns. Diese neue Haut 
ist ausserordentlich zart und sehr dünn, sie lässt sich nur in vielen 
feinen Fältchen von der Unterlage abheben, erst nach Monaten 
nimmt sie den Charakter der normalen Haut an. 

Einzelne Autoren haben auch Narbenbildung beschrieben, 
doch müssen die Veränderungen wohl tiefere gewesen sein, wir 
haben richtige Narben nicht gesehen. 

Bisweilen sieht man Fälle, in denen es ohne vorhergehende 
oedematöse Durchtränkung zur Exeoriation der bestrahlten Partie 
kommt. Wir haben die Beobachtung gemacht, dass diese Fälle 
im Allgemeinen Tendenz zu wesentlich schnellerer Heilung als 
die mit Oedem haben. 

Wird im Stadium der beginnenden Hyperaemie die Bestrah¬ 
lung ausgesetzt, so ist der Verlauf ein anderer. Während der 
nächsten Tage nach ausgesetzter Behandlung steigt die Hyper¬ 
aemie noch an, um dann einige Zeit stationär zu bleiben und 
schliesslich langsam zurückzugehen. Die Haut zeigt beim Ab¬ 
blassen der Röthung eine gelbliche Verfärbung, unterbrochen von 
rothen, hyperaomisehen Flecken. Die Elasticität ist wesentlich 
verringert; Hautfalten gleichen sich schwer aus, die Haut fühlt 
sich derb, lederartig, trocken an und neigt sehr zur Rhagaden- 
bildung, die Oberfläche ist bedeckt mit trockenen, festhaftenden 
Epidermisschuppen, die erst bei weiterem Rückgang der Ent¬ 
zündung in reichlicherem Maasse abgestossen werden, sich jedoch 
noch lange Zeit hindurch wieder bilden. Haare und Lanugohaare 
fallen aus, die Sensibilität ist wesentlich herabgesetzt. 

Sowohl in den Fällen, in denen die Hyperaemie auftrat, als 
auch gelegentlich in den anderen Fällen tritt auf der bestrahlten 
Stelle eine eigenthümliehe Pigment Verschiebung auf. Das Cen¬ 
trum und die überwiegend grössere Partie wird völlig weiss und 
pigmentlos, höchstens mit einzelnen bis linsengrossen Epheliden 
ähnlichen Pigmentflecken bestreut, während der Rand ent¬ 
sprechend dem Ausschnitt der Maske sehr stark gelblich braun 
pigmentirt erscheint. Diese Pigmentverschiebung hält sich sehr 
lange, oft monatelang, um dann allmählich in die normale Haut¬ 
farbe überzugehen. Es ist wichtig, diese Verfärbungen zu kennen, 
da die zerstreuten Pigmentflecken unter dem Glasdruck nicht ver¬ 
schwinden und z. B. beim Lupus leicht für frische Knötchen oder 
für Residuen gehalten werden können. Dass die Haare auf den 
bestrahlten Partien ausfallen, haben wir schon oben kurz erwähnt. 
Dieselben fallen nicht nur auf den hyperaemischen Stellen aus, 
sondern auch in den Fällen, in denen keine Hyperaemie vor¬ 
handen war. Der Ausfall der Haare wird von einigen Autoren 
auf die gefundene Atrophie der Follikel und der Papille gescho¬ 
ben. Es mag das zugegeben werden für diejenigen Fälle, in denen 
die Alopecie eine dauernde ist. Wir konnten in denjenigen 
Fällen, in denen wir einen Haarausfall erlebten, das Wieder¬ 
wachsen der Kopfhaare in voller Stärke constatiren und möchten 
daher die zeitweilige Alopecie auf eine Ernährungsstörung 
schieben, wie sie sich aus den Gassman n’schen Präparaten 
erklärt. Die Haare wachsen wieder, wenn sich die Ernährungs¬ 
störung ausgeglichen hat. 

Es erübrigt noch, eine Veränderung zu besprechen, nämlich 
diejenige, welche die bestrahlten Fingernägel durchmachen. 

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Dieselben werden nämlich an ihrem freien Rande ausserordent¬ 
lich dünn und brüchig, zeigen eine reichliche Längsfurchung, so 
dass sie wie gerillt ausschcn und sind äusserst wenig resistent. 
Die freien Enden biegen sich krallenartig um. Am Falz tritt 
eine derbe Verhornung auf, die sich sehr fest auf den Nagel auf¬ 
legt, als sei sie mit dem Nagel verwachsen. Schiebt sich der 
wachsende Nagel vor, so erscheint quer über denselben fortziehend 
eine tiefe Furche, gewissermaassen den alten abgestorbenen Nagel 
von dem neuen nachwachsenden schärf trennend. Auch hieraus 
scheint uns hervorzugehen, dass es sich um eine Ernährungs¬ 
störung handelt. Das bis dahin gewachsene Stück des Nagels 
ist in seiner Ernährung beeinträchtigt worden, es ist nicht mehr 
so kräftig, ja es stirbt ab, wird brüchig und markirt sich schliess¬ 
lich gewissermaassen als vertrocknetes Stück von dem gesunden 
nachwachsenden Nagel durch die die Continuität quer, tren¬ 
nende Furche. 

Was nun die Zeitdauer anbetrifft, in der die genannten Ver¬ 
änderungen auf treten können, so sind Fälle von schweren Der- 
matitiden schon nach einmaliger Bestrahlung beschrieben worden, 
während in anderen Fällen auch trotz lange Zeit hindurch fort¬ 
gesetzter Bestrahlung, ja wir verfügen über Fälle, in denen bei 
therapeutischer Verwendung trotz monatelanger täglicher Be¬ 
strahlung keinerlei Reaction sich zeigte, Nebenwirkungen über¬ 
haupt nicht auftraten. Bei unseren zahlreichen diagnostischen 
Röntgenuntersuchungen gar erst haben wir weder bei einmaligen, 
noch mehrmaligen Aufnahmen derselben Person schädliche Ein¬ 
wirkungen irgend welcher Art beobachten können. Es will uns 
scheinen, als seien diese ungewollten und äusserst unerwünschten 
Erfolge weniger oder gar einzelner Bestrahlungen zurück¬ 
zuführen auf eine zu lange ausgedehnte Sitzung. Wenn Pa¬ 
tienten zum Zwecke diagnostischer Untersuchungen eine halbe 
Stunde oder noch länger den Strahlen, vielleicht noch eines be¬ 
sonders grossen Inductors ausgesetzt werden, so darf man sich 
nur wundern, dass die Zahl der bekannt gewordenen Schädlich¬ 
keiten nicht eine noch viel grössere ist. Es ist zu erwarten, dass 
in Zukunft derartige Vorkommnisse ganz verschwinden werden, 
kommen doch die Aerzte immer mehr zur Einsicht, dass eine 
wirklich praktische Verwerthung der Röntgenstrahlen nur geübt 
werden kann von Aerzten, die sich viel und eingehend mit dem 
Studium der X-Strahlen und ihrer Anwendung beschäftigen und 
dass mit dem Besitz eines Röntgenapparates durchaus noch nicht 
seine Handhabung gelernt ist. In Folge dessen wird die Er¬ 
fahrung der wenigen sich mit der Verwendung der Röntgen¬ 
strahlen beschäftigenden Aerzte eine immer grössere, den ver¬ 
schiedenen Eventualitäten mehr gewachsene. Ganz wesentlich, 
ja unentbehrlich ist dabei die Unterstützung der Technik, der 
es jetzt schon gelungen ist, Apparate zu construiren, mit denen 
man schwierige Aufnahmen, z. B. vom Thorax oder Abdomen, 
in so viel Secunden machen kann, wie man früher Minuten 
brauchte. So kommen eine Reihe Momente zusammen, die so 
überaus segensreiche Entdeckung der X-Strahlen auch für das 
ängstlichste Genitith ungefährlich und wirklich unschädlich zu 
machen. 

Betrachten wir nunmehr die Einwirkungen der Röntgen¬ 
strahlen auf die erkrankte Haut und wenden wir uns zunächst 
dem Lupus zu. Auch die erkrankte Haut reagirt in zweierlei 
Weise. Einmal kann es bei empfindlichen Personen auch hier 
zu Röthungen verschiedenen Grades, zu Derma titiden, ja zur 
Exeoriation kommen, woran sich dann nicht nur die dazwischen 
liegende normale Haut, sondern auch die erkrankten Partien 
betheiligen, derart, dass die ganze Fläche eine einzige des Ober¬ 
flächenepithels beraubte, lackartige, feuchte Stelle vorstellt, in der 
nirgends die Lupusknötchen zu entdecken sind. Heilt nun diese 
Exeoriation ab, so sind zunächst die Lupusknötchen verseshwunden 
und in der glatten, normal aussehenden Haut nicht nachzuweisen. 
Der Lupus scheint vollkommen geheilt. Die Heilung der exeori¬ 
irten Stelle dauert je nach der Intensität der Zerstörung ver¬ 
schieden lange, kleine oberflächliche Excoriationen heilen, 
namentlich wenn keine oedematöse Schwellung aufgetreten war, 
sehr schnell. Diese kleinen oberflächlichen Excoriationen treten 
besonders dann auf, wenn es sich um ausgedehnten, flächenhaften 
Lupus des Gesichts handelt, wo die Gesichtshaut an und für sich 
schon durch die Dauer der Erkrankung, durch vorangegangene 
Operationen etc. sehr vulnerabel ist, wo in Folge des den Lupus 
begleitenden Ekzems die Haut mehr oder minder krank und 
elephantiastisch verdickt ist. Trotz der Bestrahlung grösserer 

Original fröi 8 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. n. 


Partien, event. des ganzen Gesichts, tritt doch nur eine geringe 
partielle Excoriation auf, nach deren baldiger Heilung die Be¬ 
strahlung ohne Weiteres wieder aufgenommen werden kann. 

Bleibt die Reaction auf der die Lupusknötchen umgebenden 
Haut aus, so kann man eine zweifache Art des Verschwindens 
der Lupusknötchen beobachten. Zunächst wirkt die Bestrahlung 
auf diejenigen Hautpartien, in die die Knötchen eingestreut sind, 
derart, dass die rothe, derbe, mit Schüppchen bedeckte, sozu¬ 
sagen ekzematöse Haut ein völlig anderes Aussehen bekommt. 
Sie verliert die Schuppen, wird glatter und blasser und bekommt 
eine der normalen Haut ähnlichere Färbung, aus der deutlich die 
einzelnen Lupusknötchen, durch ihre dunklere Farbe und ihre 
Erhabenheit kenntlich, auffallen. Die Knötchen selbst, die so¬ 
mit deutlicher zum Vorschein gekommen sind, bedecken sich 
mit einem Schüppchen, allmählich flachen sie jedoch immer mehr 
ab und trocknen gewissermaassen ein. Gleichzeitig wird die noch 
braunrothe Umgebung heller und heller und nimmt schliesslich 
das normale Hautcolorit an. Mit dem Abfallen des Schüppchens 
ist dann das Lupusknötchen geheilt; seine dunklere Pigmen- 
tirung ist vollkommen verschwunden und auch durch Glasdruck 
ist nichts mehr nachzuweisen. 


In wenigen anderen Fällen beginnen die Knötchen zunächst 
noch stärker zu prominiren und es zeigt sich in ihrer nächsten 
Umgebung eine reactive Röthung. Sie bedecken sich mit einer 
Borke, unter der sie dann eintrocknen und abheilen. 

Waren ulcerative Processe vorhanden, so heilten dieselben 
auffallend schnell. Die Secretion hört nach wenigen Bestrah¬ 
lungen auf, die ganze ulcerirte Fläche bedeckt sich mit einem ! 
Schorf und vom Rande her schiebt sich die Vernarbung nach dem , 
Centrum der Ulceration vor. Die Narben selbst sind fest und ] 
gut, zuerst etwas derb, werden sie allmählich weicher. Sie sind 
sehr dauerhaft. Wir konnten in keinem einzigen der von uns ; 
beobachteten Fälle einen Wiederzerfall der Narbe beobachten, -j 
auch zeigten sich in keinem Falle in ihrem Bereiche frische ;j 
Knötchen. i 

Nun muss natürlich zugestanden werden, dass sich nicht in ; 
allen Fällen der Verlauf der Behandlung und der Fortschritt j 
der Heilung so glatt abwickelte. Wenn auch im Allgemeinen j 
selbst in den später wieder recidivirenden Fällen der Vorgang sich • 
so abspielte, wie eben geschildert, so waren doch auch Ausnahmen j 
vorhanden. In diesen reagirten die Patienten gewissermaassen . 
besonders schwer auf die Behandlung mit Röntge n’schen ' 
Strahlen, denn bei ihnen traten auch trotz wochenlanger täglicher 
Bestrahlung keine reäctiven Veränderungen in Bezug auf den j 
Lupus auf. Das Ekzem der zwischen den einzelnen Knötchen ■ 
liegenden Haut verschwindet zwar, auch eventuelle elephan- 
tiastische Verdickungen der Oberlippe, der Nase gehen langsam 
zurück, die Knötchen selbst aber ragen dauernd hervor und wollen ! 
nicht einsinken und abtrocknen. Besondere ist dies der Fall, ■ 
wenn die betreffenden Stellen ungünstig liegen, so dass die • 
Strahlen den betreffenden Patienten nicht senkrecht treffen. ; 
Auch auf besondere Formen des Lupus vermögen die Strahlen | 
gelegentlich nicht so ohne Weiteres ihre Kraft zu äussern. So 
behandelten wir einen Fall von Lupus der Nase, wo neben zahl¬ 
reichen Knötchen an beiden Nasenflügeln über bohnengrosse, 
unregelmässig gestaltete, warzige Knoten vorhanden waren, die, 
wie wir mit eingeführten Nadeln constatiren konnten, aus 
schwammigen Granulationen bestanden, die den ganzen Innen- 1 
raum derart ausfüllten, dass man die Nadel ohne grossen Wider¬ 
stand in dem Innern nach allen Richtungen umher bewegen 
konnte. Während nun die übrigen Knötchen in der von uns ge¬ 
schilderten Weise verschwanden, reagirten die warzenartigen Ge¬ 
bilde nicht einmal auf eine stärkere Dermatitis, bis zu der wir 
die Behandlung absichtlich steigerten. In diesen und ähnlichen 
Fällen muss man zu unterstützenden Mitteln greifen, die die 
hartnäckigen Knötchen erweichen oder gar zum Zerfall bringen. 
So haben wir, falls die Strahlen einzeln gelegenen Knötchen 
nicht beikommen konnten, dieselben Anfangs nach Unna’s Vor¬ 
gang gespickt. Doch war die Methode, so viele Vortheile sie in 
einzelnen Fällen haben mag, besonders wenn man nicht im Be¬ 
sitz der betreffenden Apparate ist, oft unbequem, allein schon 
durch die verschiedenen Pflaster, die man dem Patienten auf die 
eingetriebenen Holzpflöckchen legen muss, um sie festzuhalten. 
Wir haben daher in der Hauptsache bei einzeln stehenden Knöt- : 
eben das elektrolytische Verfahren angewandt, daB enorm einfach ' 


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und sauber, wenig zeitraubend und durchaus zum Ziel führend 
ist. Wir sirid nicht über 2 MA. gestiegen. Mitunter wurde die 
Procedur sehr schmerzhaft empfunden. Auch in dem eben mit- 
getheilten Fall von Lupus verrucosus zerstörten wir die beiden 
grossen Knoten auf elektrolytischem Wege und brachten sie zum 
Zusammenfallen. Von da ab verschwanden auch diese Knoten 
unter der weiter fortgeführten Bestrahlung. 

War die Anzahl der nicht genügend reagirenden Lupus¬ 
knötchen eine grössere, so namentlich bei Randpartien, so zer¬ 
störten wir diese Partien durch Unn a’s grüne Salbe (Acid. 
salieyl., Liquor stibii chlor, aa 2,0, Kreosoti fagi, Extr. Cannab. 
ind. aa 4,0, Adip. lanae 8,0) • und bestrahlen dann die ulcerir- 
ten Stellen. Gerade in den so behandelten Fällen konnten wir 
besonders günstige Resultate erzielen. Die Wundflächen heilten 
schnell und gut In einem Falle bildete sich eine keloide Narbe, 
die aber nach 2 Monaten wieder vollkommen weich geworden war. 

Oefter bleiben nach abgeschlossener Behandlung an Stelle 
der Lupusknötchen eine Anzahl einzeln stehender dunkler Punkte 
zurück, die unter dem Glasdruck nicht verschwinden. Dieselben 
sind überaus deutlich, weil die Haut, die sie umgibt, normale 
Färbung in Folge der Behandlung angenommen hat, im Gegen¬ 
satz zu ihrer früheren entzündeten, ekzematösen Beschaffenheit. 
Ob dieselben als unveränderte Lupusknötchen oder als beginnende 
Recidive zu betrachten sind, möchten wir zunächst noch dahin 
gestellt sein lassen, wenigstens sind die Punkte in einem Fall 
bereits seit % Jahren, so lange wir ihn nach Aussetzung der Be¬ 
handlung beobachten, vollkommen unverändert geblieben, 
während sich auf der Nasenscheidewand vor einigen Wochen 
ein frisches Ulcus gebildet hat. Vielleicht sind es nur die Rest- 
producte der lupösen Veränderung, die eben nicht mehr resorp¬ 
tionsfähig sind. Für diese Ansicht spricht, dass wir in einem 
Falle, der wegen eines exulcerirten Lupus beider Nasenflügel mit 
Erfolg behandelt wurde, auf der Nase, auf der bis dahin keinerlei 
Knötchen zu sehen gewesen waren, nach Aussetzen der Behand¬ 
lung, nachdem die Haut die normale Rosafärbung angenommen 
hatte, einzeln stehende dunkelbräunliche, nicht fortdrückbare 
Punkte von reichlich Steeknadelkopfgrosse auftreten sahen, die 
sich seit einem Jahr nicht verändert haben und bis jetzt durch¬ 
aus nicht zum Zerfall neigen. 

Es fragt sich nun, was erreicht man mit dieser Behandlung? 
Ist sie im Stande, bessere Dauerresultate zu geben, als andere 
Methoden, oder gibt sie überhaupt Resultate irgend welcher Art, 
oder ist sie schliesslich nichts anderes, als eines der ephemeren 
Mittel, wie sie gelegentlich auftauchen, uni bald wieder von ande¬ 
ren abgelöst zu werden in der Behandlung des Lupus, wie schon 
so viele vor ihr? Die beste Auskunft ergeben unsere Kranken¬ 
geschichten. Aus ihnen möge man ersehen, dass wir etwa 30 Proc. 
Heilerfolge erzielen konnten. In den übrigen Fällen konnten 
ganz erhebliche Fortschritte erreicht werden, und zwar in 
schonenderer Weise als sonst durch irgend eine andere Methode. 
Freilich müssen wir schon an dieser Stelle zugeben, dass wir auch 
Recidive zu verzeichnen haben. Doch was schadet das, gibt es 
überhaupt eine Methode der Lupusbehandlung, selbst die tief¬ 
greifendste chirurgische Operation, die vor Recidiven sicher und 
immer schützt? Directe Misserfolge hatten wir in keinem ein¬ 
zigen Falle zu verzeichnen, eine günstige Beeinflussung konnte 
in jedem Falle festgestellt werden. Doch gehen wir zur Betrach¬ 
tung der Fälle selbst über, an ihnen können wir alles genauer be¬ 
sprechen. 

1. Fräulein E. B., 37 Jahre. Lupus der Nase. Perforation 
des Septums, am stehengebliebenen Stück des Septums ein Ulcus. 
Die ganze Nase Ist inflltrirt. An den beiden Nasenflügeln Ge¬ 
schwüre. An der rechten Seite eine Anzahl Knötchen. Auf der 
inflltrirten Oberlippe ein Ulcus. Alte Narben auf beiden Wangen. 

Seit 12 Jahren stets in ärztlicher Behandlung. Theils mit 
Tuberculincuren, theils operativ behandelt. 

Wurde innerhalb 3 Monaten 46 mal bestrahlt. Reaction nach 
7 Sitzungen. Erst am Schluss der Behandlung eine schnell heilende 
Excoriation. Patientin hellte vollkommen ab, so zwar, dass sie 
einer plastischen Operation an der Nase unterzogen werden konnte, 
die per primam heilte. Patientin ist seit mehr als einem Jahre 
recidivfrei. 

2. Fräulein W., 27 Jahre. Zehnpfennigstückgrosse, leicht in- 
flltrirte lupöse Partie auf beiden Wangen und auf der Stirn. Wurde 
seit 4 Jahren mit Tuberculincuren behandelt. 11 Bestrahlungen 
innerhalb eines Monats. Nach 4 Sitzungen trat reactive Röthung 
ein. Bis zum 16. Tag nach ausgesetzter Behandlung haben die 
reäctiven Erscheinungen, verbunden mit leichter seröser Durch¬ 
tränkung des Gewebes, zugenommen. Am 16. Tag trat Excoriation 
ein. Nach weiteren 23 Tagen waren sämmtlicbe excorilrten Partien 

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27. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ohne Hinterlassung irgend welcher Narben vollkommen abgehellt, 
die lupösen Stellen waren verschwunden. Chloasmaähnliche Flecke, 
welche Patientin im Gesicht hatte, waren im Bezirk der bestrahlten 
Partien verschwunden, dagegen am Rande derselben Plgment- 
arhäufung. Diaskopisch nichts nachzuweisen. Seit IV, Jahren 
recidivfrei. 

3. Fräulein N., 18 Jahre. Lupus faciei. Auf der linken Wange 
und rechtsseitlich an der Nase zwei zehnpfennigstückgrosse, 
leichte Infiltrationen. Der Rand wallartig, das Ceutrum schup¬ 
pend. Vereinzelte Knötchen auf der rechten Wange. Die letzteren 
erscheinen erst während der Behandlung. Ob dieselben lupös sind 
ist zweifelhaft. 

Die Affection bestellt seit einem Vierteljahr, noch nicht be¬ 
handelt. 15 malige Bestrahlung der linken Wange und Nase, 
10 malige der rechten Wange innerhalb 2 Monaten, nacli 15 maliger 
Bestrahlung deutliche Reaction und geringe Excoriation, welche 
sehr schnell heilt. Die sämmtliclien Infiltrationen schwinden voll¬ 
ständig, an ihrer Stelle eine glatte, zarte Haut. Auch die Knötchen 
auf der rechten Wange verschwinden unter der Bestrahlung. Dia¬ 
skopisch keine verdächtigen Stellen mehr nachzuweisen. 0 Monate 
nach Aufhören der Behandlung auf der linken Wange unterhalb 
der bestrahlten Stelle ein linsengrosses Lupusknötchen, dasselbe 
wird elektrolytisch zerstört. Auf beiden Wangen, entsprechend 
den ursprünglichen Affectionen, ist die Haut vollkommen weiss 
und pigmentlos, während der Rand fast in voller Circumferenz 
gelblich braun pigmentirt ist. Die Pigmentatiou hat die Farbe 
der Epheliden. 

Nach weiteren 3 Monaten hat sich an der linken Seite der 
Nase, nahe dem inneren Augenwinkel eine erhabene, linsengrosse, 
gelbbraune Stelle gebildet, die als frischer Lupusherd anzusehen 
ist. Die bestrahlten Partien zeigen auch diaskopisch keine ver¬ 
dächtigen Stellen. Die Pigmentverschiebung hat sich zum grössten 
Theil wieder ausgeglichen. Der Rand ist abgeblasst, das Centrum 
immer noch weiss. 

In diesem Falle bewährte sich die Behandlung für die ur¬ 
sprünglich erkrankten Stellen. Dieselben heilten und blieben bis 
jetzt recidivfrei. Dass an nicht behandelten Stellen frische 
Lupusknötchen auf traten, spricht eher für als gegen die Be¬ 
handlung. 

4. Frl. K., 36 Jahre. Beide Wangen in dicke wulstige Narben- 
n.assen verwandelt. Auf der rechten Wange 3 exeoriirte Partien, 
die derb infiltrirt sind. Die grösste derselben ist fünfpfennigstück¬ 
gross. Auf der linken Wange eine circa markstückgrosse, ulcerirte, 
iufiltrirte, speckig belegte Partie. Der häutige und knorpelige Theil 
der Nase fehlt vollständig. Das Innere der Nasenhöhle ist in ein 
mit Eiter bedecktes Ulcus verwandelt, welches rechts noch y s cm 
weit auf die äussere Haut übergreift. 

Seit 11 Jahren immer in ärztlicher Behandlung, auch mit 
Tuberculin behandelt. 

Wurde 58 malbestrahlt. 

Da Patientin auswärts lebt, so konnte die Behandlung nur mit 
laugen Pausen durchgeführt werden. Zunächst wurde die rechte 
Wange bestrahlt und zwar bis zum Eintritt der Excoriation nach 
27 Bestrahlungen. Die Dermatitis heilt schnell ab. Einige lupöse 
Herde von Linsengrösse zeigen sich bald darauf wieder auf der¬ 
selben Wange. Eine zweite Bestrahlungsserie beseitigt dieselben 
in 6 Sitzungen. Die linke Wange zeigt nach 12 maliger Bestrahlung 
Excoriation. Letztere heilt bald ab. Die sämmtlichen lupösen 
Partien waren durch gesunde Haut ersetzt. Die Nasenschleim- 
hautaffection war wesentlich verkleinert, aber nicht vollständig 
geheilt Nach 3 Monaten Recidiv, in Gestalt von 7 Knötchen auf 
jeder Wange, die zum Theil ulcerirt und mit Borken bedeckt sind. 
Auf den früher bestrahlten Partien haben sich die Knötchen lang¬ 
samer und schwächer entwickelt. Unter 13 maliger Behanduing 
trocknen die Knötchen weg. Geringe, vorübergehende Reactionen. 
Versuchsweise werden einzelne Knötchen mit der Spickmethode 
nach Unna behandelt. Seit 6 Monaten kein Recidiv. 

Die 2 aufgetretenen Recidive boten das Eigenthümliehe, dass 
sie unter wenigen Bestrahlungen (6—13) schnell verschwanden. 
Auf den ursprünglich bestrahlten Stellen war die Entwicklung 
der Lupusknötchen entschieden eine weniger intensive als auf 
den unbestrahlten Stellen. Der Dauererfolg von 6 Monaten ist 
wohl als solcher noch etwas kurz zu nennen, doch war bei der 
letzten Revision absolut nichts Verdächtiges nachzuweisen. 

5. Herr R., 20 Jahre. Knötchenförmiger Lupus des rechten 
Handrückens von gut Fünfmarkstückgrösse. Nirgends ulcerirt, 
von einzelnen Rhagaden durchzogen. Ränder der Affection hyper¬ 
trophisch. 

Das Leiden besteht seit Kindheit, stets behandelt. 

35 mal innerhalb 2% Monaten bestrahlt. Im Lauf der Be¬ 
strahlung musste wegen Störung der elektrischen Leitung vorüber¬ 
gehend ausgesetzt werden. Während dieser Zeit Behandlung mit 
Kreosot-Salicylpflaster Es kommt In Folge dessen zu einer Ulcera- 
tion der ganzen lupösen Partie. Unter der wieder eingeleiteten 
Bestrahlung heilt dieses Ulcus in ca. 5 Wochen völlig ab mit 
Hinterlassung einer keloiden Narbe. Nach weiteren 2 y 2 Monaten 
ist das Keloid unter leichter Massage wieder weich geworden. Dia¬ 
skopisch nach 7 Monaten nichts Verdächtiges nachzuweisen. 

Der gut« Erfolg der ungewollten Aetzung hat uns veranlässt, 
auch in einigen änderen Fällen eine combinirte Behandlung zu 

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versuchen, sei es eine Pflaster-, sei es eine Salbenbehandlung, 
überall bewährte sich die Methode gut. 

6. Knabe R., 14 Jahre. Lupöse Erkrankung des linken Hand¬ 
rückens und der Haut der ersten Fingerphalangen. Die Haut ist 
theils leicht ulcerirt und mit Krusten bedeckt, thells von Rhagaden 
durchzogen. Der Rand der erkrankten Partien ist gewulstet und 
mit Knötchen durchsetzt. 

Das Leiden besteht seit dem ersten Lebensjahr. 

22 malige Bestrahlung innerhalb 3 Monaten. Heilung unter 
dem Bilde des allmählichen Eintrocknens unter vorübergehendem 
Auftreten einer kleinen Excoriation, welche schnell wieder heilt. 
Die längste Zeit nahm naturgemäss der wallartige Rand in An¬ 
spruch. Seit 9 Monaten dauernd gesund. 

7. Knabe Pr., 12 Jahre. Wegen Lupus der Nasenspitze operirt. 
Seit 1 % Jahr Recidiv auf dem Nasenrücken, dasselbe geht bis auf 
die Nasenflügel herab und besteht aus einer Anzahl typischer 
Lupusknötcheu. An der rechten Seite der Nase ein fast erbsen¬ 
grosser Knoten. 19 mal innerhalb 2 Monaten bestrahlt. 

Heilt unter dem Bild des allmählichen Wegtrocknens der Knöt¬ 
chen mit vorübergehender, leichter, sehr schnell heilender Excoria¬ 
tion. Nach Abschluss der Behandlung diaskopisch nichts Ver¬ 
dächtiges nachzuweisen. Seit 10 Monaten Heilung. 

8. Frau W., Lupusrecidiv vor dem Ohr, genau gegenüber dem 
Tragus ein derber erbsengrosser Knoten. Verschiedene Operations¬ 
narben im Gesicht Seit 7 Jahren wurde fast jährlich ein operativer 
Eingriff vorgenommne. Lupus besteht seit dem 3. Lebensjahr. 

15 mal innerhalb eines Monats bestrahlt. Während der Be¬ 
handlung wurde der Knoten sehr schnell welcher und verschwand 
schliesslich vollständig. Die Stelle, wo der Lupusknoten gewesen, 
wurde zur Sicherheit mittels Spicken ausgeätzt. Gesund seit 
7 Monaten. 

9. Mädchen H., 13% Jahre alt. Lupus des Unterarms ober¬ 
halb des Handgelenks besteht seit 10 Jahren. Excision vor 
7 Jahren. Recidiv In der Narbe. Bei Beginn der Behandlung ftinf- 
pfennigstückgrosser, mit Schuppen bedeckter, theilweise ulcerlrter, 
leicht erhabener, röthlicher Fleck. 

23 mal in 3 Monaten bestrahlt. 

Nach wenigen Sitzungen bereits Röthung und Excoriation. 
Nach Abheilung der letzteren Wiederaufnahme der Bestrahlung 
unter gleichzeitiger Application von Salicylkreosot-Pflastermull. 
Nach ungefähr 3 Monaten völlige Abheilung. Einige Wochen später 
' zeigt sich eine stecknadelkopfgrosse, bräunliche Stelle am Rande der 
Narbe. Dieselbe wird elektrolytisch behandelt. Am Rande der 
Narbe einige Epheliden ähnliche bräunliche Pigmentflecken. Seit 
6 Monaten nichts Verdächtiges. 

10. Herr Sch. Lupus der Nase, der Nasolabialfalten und der 
Oberlippe, vorwiegend aus einzelnen Knötchen bestehend. Defect 
eines Theiles der Nasenspitze. Perforation des Septums, lupöse 
Erkrankung der Nasenschleimhaut. Narben der Nasenspitze und 
der Wangen. 

32 mal innerhalb 2 Monaten behandelt. 

Die Knötchen verschwinden ziemlich schnell unter dem Bilde 
des Wegtrocknens. Nach 3 Monaten die Knötchen vollkommen ver- 
I schwunden. 

Nach 6 Monaten noch alles heil. 

Auch der Schleimhautlupus hat sich gebessert. Besonders 
empfindet Patient subjectiv eine erhebliche Besserung. 

11. Herr R., 20 Jahre. Knötchenförmiger, z. Th. exulcerirter 
Lupus der Nase, des Nasenrückens, der Nasolabialf alten, des 
Septum narium und der Oberlippe. 

Seit 4 Jahren stets in ärztlicher Behandlung. 

151 mal in 8 Monaten bestrahlt. 

Innerhalb dieser 8 Monate wurden mehrwöchentliche Pausen 
gemacht. Die lange Dauer der Behandlung erklärt sich daraus, 
dass Patient einer der Ersten war, der mit Röntgenstrahlen be¬ 
handelt wurde. Es kamen zu alte und schwache Röhren zur An¬ 
wendung. Nach 19 maliger Bestrahlung trat eine geringe Ex¬ 
coriation ein, die schnell heilte. Die lupösen Knötchen, Ulcera- 
tionen etc. trockneten nach und nach weg und machten einer sehr 
zarten, glänzenden, rosafarbenen Haut Platz. 

Auch diaskopisch nichts nachzuweisen. 

Seit 1% Jahren recidivfrei. 

S. Fortschr. auf d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. Bd. I, S. 72. 

12. Frau R.. 48 Jahre. Knötchenförmiger, theilweise exulce¬ 
rirter Lupus auf der rechten Wange, am Mundwinkel, am Sept. 
narium nahe dem Filtrum. Lupus der Nasenschleimhaut 

Seit 2 Jahren stets in Krankenhaus- oder poliklinischer Be¬ 
handlung. 

Ca. 6 Monate lang mit grösseren Pausen behandelt. 

Reaction nach 5 Sitzungen. Keine Excoriation: allmähliche 
Ausheilung unter dem Bilde des Wegtrocknens. Seit 1% Jahren 
recidivfrei. 

Die Nasenschleimhaut wurde nur unwesentlich beeinflusst. 

S. Fortschr. auf d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. Bd. I, S. 72. 

Von diesen 12 Fällen halten wir sicher und dauernd geheilt 
die Fälle 1 ,2, 5, 6, 7,11,12. Dafür scheint uns einmal die Dauer 
der recidivfreien Zeit zu sprechen, für Skeptiker freilich ist eine 
Zeit von 9 Monaten bis 1% Jahre wohl noch nicht überzeugend 
genug, doch liegen unsere ältesten Fälle leider noch nicht weiter 
zurück, da die Methode selbst ja noch nicht viel älter ist, dann 
aber ist das Aussehen der betreffenden Patienten, der Anblick 
der geheilten Stellen ein derart vertrauenerweckender, hat sich 

Original ffer 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



288 


MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 9. 


doch trotz wiederholter peinlichster Nachuntersuchung auch dia- 
skopiseh absolut nichts Verdächtiges gezeigt, dass wir wohl in 
diesen 7 Fällen die Heilung als sicher annehmen möchten. 

Fall 3 zeigt zwar keine Recidive auf den bestrahlten Partien, 
dort scheint die Krankheit unterdrückt zu sein, doch schützt die 
local angewandte Behandlung, was ja auch wohl Niemand von ihr 
verlangen wird, leider nicht vor Ausbruch an anderen nicht be¬ 
strahlten Stellen. Wie oben schon angedeutet, könnte Inan diesen 
Fall erst recht zu Gunsten der Röntgentherapie verwerthen, 
blieben doch, wie gesagt, die behandelnden Stellen ohne Recidiv, 
waren also geheilt. 

Die Fälle 8 und 9 sind in Bezug auf ihren Dauererfolg wohl 
noch als unsicher zu bezeichnen, zwar ist in No. 8 der zunächst 
verschwundene Knoten noch gründlich geätzt und ist auch bis 
jetzt kein Recidiv aufgetreten, doch sind erst ca. 7 Monate seit 
Abschluss der Behandlung verflossen. 

Fall 9 zeigte nach 3 Monaten eine Stecknadelkopf grosse, 
bräunliche Stelle am Rande der Narbe, die zwar nicht sicher als 
Lupusknötchen angesprochen werden konnte, in dubio aber doch 
als solches anzusehen wäre. Da seit 6 Monaten nichts Ver¬ 
dächtiges mehr zu entdecken, ist eine Heilung wohl als möglich 
zu erwarten. 

Fall 4 und 10, die zwar 9eit 6 Monaten ohne irgendwelche 
nachweisbaren Erscheinungen sind, sind in Bezug auf den Dauer¬ 
erfolg doch wohl etwas skeptisch aufzufassen. Fall 4 zeigte an 
und für sich schon zwei Recidive. Es war ein sehr schwerer Fall, 
der wohl noch weitere Nachschübe trotz der sechsmonatlichen 
recidivfreien Periode erwarten lässt, zumal bei Patientin die Be¬ 
handlung aus äusseren Gründen nur in langen Pausen durch¬ 
geführt werden konnte. 

Immerhin ist doch der Erfolg ein durchaus ermuthigender, 
wenn von 12 im Uebrigen günstig verlaufenen Fällen 7 sicher 
ein gutes Dauerresultat gegeben haben. 

(Fortsetzung folgt) 

Aus der chirurgischen Abtheilung des allgemeinen Kranken¬ 
hauses zu Nürnberg (Oberarzt Hofrath Dr. G ö s c h e 1). 

Zur Casuistik der Darailipome. 

Von Dr. Florian Hahn, früherem Assistenzarzt. 

Dass viele Fälle von Ileus grosse Schwierigkeiten ver¬ 
ursachen hinsichtlich einer genauen Diagnose, ist bekannt. Bei 
den vielerlei Ursachen eines Darm Verschlusses und dem Mangel 
prägnanter Anhaltspunkte, häufig auch dem Fehlen einer ver- 
werthbaren Anamnese, kann dies nicht Wunder nehmen. Es ist 
oft nur möglich, aus den vorhandenen Symptomen eine Wahr- 
seheinlichkeitsdiagnose zu stellen und auf Grund derselben eine 
Probelaparotomie zur Aufklärung der Ursache des Darm Ver¬ 
schlusses und eventueller Beseitigung des Hindernisses zu 
machen. Zu den selteneren, bisher noch nie vor der Operation 
diagnosticirt gewesenen Ursachen des Darmverschlusses gehören 
die Invaginationen des Darms auf Grund von Lipomen. Im 
Folgenden sei ein solcher Fall mitgetheilt. der diagnostisch 
Schwierigkeiten bot, dafür aber nach mancher Hinsicht Interesse 
beanspruchen kann. Herr Ilofrath Dr. G ö s c h e 1 hat hierüber 
bereits in der Sitzung des ärztlichen Vereins vom 6. X. 1898 Be¬ 
richt erstattet. 

Der Patient, ein 43 jähriger Mann, war uns von den Herren 
Dr. O e f e 1 e I n und Dr. Reizenstein zur Operation geschickt. 
Annmnestisch ist zu entnehmen, dass Pat.. der sonst stets gesund 
war, insbesondere nie über Magen- oder Darinbeschwerden zu 
klagen hatte, nie Bauchfell- oder Blinddarmentzündung durch¬ 
wachte, seit y 2 —% Jahr kränkelte, er fühlte sieh nicht recht fest, 
der Appetit liess nach, langdauernde Verstopfung, abwechselnd 
mit Durchfällen machte ihm vielfache Beschwerden. 3 Wochen 
>or Eintritt in’s Spital erkrankte er plötzlich an einem schweren 
acuten Magendarmkatarrh; musste 14 Tage das Bett hüten, ver¬ 
suchte wieder zu arbeiten. Wegen heftiger Leibschmerzen musste 
er am Nachmittag die Arbeit wieder niederlegen und sich legen, 
Blähungen gingen nicht mehr ab, Erbrechen und Uebelkeit stellte 
sich ein. — Das Erbrochene soll die letzten Tage gerochen haben 
wie Kotli. — Seit 0 Tagen kein Stuhlgang mehr. Wiederholte 
Magenausspüluugen und hohe Darmeinläufe schafften wohl 
momentane Erleichterung, brachten aber keinen dauernden Er¬ 
folg. Pat. kam in seinen Kräften die letzten Tage angeblich ziem¬ 
lich herunter. Abgang von Blut wurde nie bemerkt. 

Status bei der Aufnahme am 11. IX. 1898: Pat. leidlich gut 
genährt, von fahler Gesichtsfarbe, macht den Eindruck grosser 
Erschöpfung. Die inneren Organe sind gesund, Urin ohne Eiweiss, 
Zucker und pathologische Formelemente. Psychische Alteration 
nicht zu constatiren. Temp. 30,8°. Puls 84, ziemlich klein und 

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weich, regelmässig. Bauch ziemlich stark meteoristisch auf- 
geiriebeu, nirgends druckempfindlich, ohne Härten. Ueberall 
tympanitischer Schall, nur in der rechten Unterbauchgegend dicht 
über der Mitte des Poupartbaiules kleinhandtellergrosse Dämpfung. 
In der Ileocoecalgegend bei Palpation lautes Gurren; Rectalunter¬ 
suchung negativ. Peritonitische Erscheinungen fehlen, kein Er¬ 
guss in den seitlichen Partien u. dergl. Bruchpforten frei. Uebel 
keit und Brechreiz besteht fort. 

Da im Augenblick eine absolute Indication zur Operation 
fehlt, entscliliesst man sich, um vielleicht doch einen bestimmteren 
Anhaltspunkt für die Diagnose zu gewinnen, den Pat noch weiter 
zu beobachten. Absolute Diät. Bei der Magenausspülung ent¬ 
leert sich eine grosse Menge stinkender, krümliger, dunkler Flüssig¬ 
keit (Dünndarminhalt); nach einem hohen Darmeinlauf mit 400,0 
Olivenöl folgen nur einige kleine Kotlikltimpchen. Befinden dar¬ 
nach wesentlich besser, die Nacht verlief gut Pat. hat geschlafen 
und nicht mehr erbrochen. 

12. IX. Früh Oelklysma ohne Erfolg. Nachmittag y a 5 Uhr 
Erbrechen gelblicher, faeculenter Massen und wiederholt Auf- 
stossen. Die Dämpfung R.U. nicht vorhanden; Leib etwas 
kleiner; 3 mal w r enig dünner Stuhl. Magenausspülung. Puls hat 
sich gehoben, ist kräftiger, das Aussehen des Pat. etwas frischer 
als gestern. Temp. 36,5®. 

13. IX. Seit gestern kein Erbrechen mehr, Dämpfung wieder 
an gleicher Stelle wie am 11. IX.. doch etwas kleiner. Morgens 
3 mal sehr reichliche Stuhlentleerung ausserordentlich stinkender 
Massen. Faeces bandförmig. Wassereinlauf mit Rothwein. Abends 
fühlte Patient eine lästige Völle im Magen, so dass er sich selbst 
zum Brechen reizt und 2 mal erbricht. In der Nacht etwas Uebel- 
keit, sonst Befinden zufriedenstellend. Blähungen gehen angeblich 
ab und zu ab. Temp. 36,4 ü . Tuls 90. 

14. IX. In der rechten Unterbauchseite fühlt man in der Tiefe 
eine auf Druck sehr schmerzhafte Resistenz einer beweglichen 
Darmschlinge — sie verschwindet unter den Fingern —; bei der 
Rectaluntersuchung stösst der Finger auf der rechten Seite auf 
eine ziemlich hart sich anfühlende, schmerzhafte, geschwulst- 
artige Vorwölbung. Das ganze Kolon Ist bei der Lufteinblasung 
stark aufgetrieben, in der Ileocoecalgegend dabei eine leichte Ein¬ 
ziehung, bezw. Abflachung wahrzunehmen. Nachmittags 2 mal 
wenig Erbrechen, Temp. 36.4°, Puls 93, ziemlich klein. Abends 
fühlt man die schmerzhafte Stelle auf der linken Seite dicht neben 
der Linea alba, bei der Betastung fährt Patient heftig zusammen. 

15. IX. Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Invagination? Vor¬ 
bereitung zur Laparotomie durch Magenausspülung, Morphium 
subc. 0,01. Aethernarkose (120,0). Schnitt in der Mittellinie. Die 
eingeführte Hand fühlt in der rechten Seite im Dünndarmcon- 
volut einen Tumor, der sich nach Vorziehen der betreffenden 
Schlinge bedingt zeigt durch Invagination eines offenbar langen 
Stücks Dünndarm ln Dünndarm und zwar einer hochgelegenen 
Schlinge. Der Darm sieht gut aus, keine wesentlichen Verände¬ 
rungen sichtbar, Serosa glatt und glänzend, keine Verwachsungen 
an der Invaginationsstelle. Durch leichten Zug lässt sich das 
Invaginatum ohne Schwierigkeit entwickeln; am Schlussstück des 
Invaginatum fällt äusserlich eine dellenförmige, etwa 2 pfennig¬ 
stückgrosse Einziehung auf, nahe dem Mesenterialansatz — im 
Bereiche des Mesenteriums — findet sich eine w'allnussgrosse Ge¬ 
schwulst. Beim Durchtasten des Darms fühlt man im Innern des 
Darms eiuige Protuberanzen, die mit der Darmwand verwachsen 
sind und sich nicht von ihr abstreifeu lassen. In der Annahme, 
dass es sich um Geschwülste handelt, welche die Invagination 
l>edingten, wird ein 15 cm langes Darmstück resecirt und durch 
eirculäre Naht die Vereinigung der Enden hergestellt. Das In¬ 
vaginatum hatte eine Länge von y a m. Reposition der vorgezogenen 
Darmschlinge, Schluss der Bauchdecken. Dauer der Operation 
•/* Stunden, Operateur: Herr Hofratli Dr. G ö s c h e 1. 

Der Eingriff wurde leicht überstanden, am 16. IX. Mittags 
gingen die ersten Blähungen ab. am 19. IX. folgte spontaner Stuhl¬ 
gang. Nach 8 Tagen Entfernung der Fäden, prima reunio. Pat. 
erholte sich rasch, nahm an Körpergewicht bedeutend zu. Mit 
Leibbinde Entlassung am 15. X. 1898. 

Die Beschreibung des Präparates gebe ich nach Herrn Pro- 
sector Dr. Thorei wieder, wie sie sich in Lubarsch-Oster- 
t a g, die Ergebnisse der allgemeinen Pathologie etc., findet . . . 
„das betreffende Danustück lässt auf einer 8 cm langen Strecke 
an der Innenfläche 4 grosse geschwulstartige Protuberanzen er¬ 
kennen, welche die duukelviolett gerötliete und stellenweise leicht 
verdickte Schleimhaut im Ganzen glatt überzieht. Die grösste 
dieser polypösen Erhebungen, die durch geschwulstartige Wuche¬ 
rung des 8ubmucösen Fettgewebes entstanden sind, hat eine Länge 
von fast 5 cm und sitzt als daumendicker, etwas schräg zu den 
Darmfalten gestellter Wulst der Innenfläche des Darmrohres auf; 
in unmittelbarer Nähe davon finden sich noch drei weitere hasel¬ 
nussgrosse Fettgeschwülstc, derer eine ein wenig zu einem breiten 
Stiel angezogen ist: dazwischen liegt ein völlig nekrotisch zer¬ 
fallenes Lipom, dessen beetartig prominirende Oberfläche ein mark¬ 
stückgrosser, nach aussen zu etw r as zackig ausgenagter croupöser 
Belag bedeckt; endlich ist noch an der Aussenseite des Darmstücks 
eine über 'wallnussgrosse, unregelmässig knollige Fettgeschwrulst 
vorhanden.“ 

Auch die mikroskopische Untersuchung ergab den reinen lipo- 
n.atösen Charakter sämmtlieher Geschwülste. Zur obigen Be¬ 
schreibung möchte ich nur noch hinzufügeu. dass sämmtliche 
Tumoren gegen die Umgebung ziemlich scharf abgegrenzt waren. 

Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. Februar 1900. 


289 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Anamnese, Befund und Krankheit »verlauf deuteten darauf 
hin, dass es sich um einen theil weisen Darm Verschluss, bezw. 
um eine Darmstenose handelte und zwar in einer Dünndarm- 
srhlinge; aus den Symptomen einen sicheren Schluss auf die 
Ursache des Darm Verschlusses zu ziehen, war nicht möglich, am 
nächsten noch lag der Gedanke einer Invagination, obwohl auch 
hiefiir die charakteristischen Zeichen theilweise fehlten, kein 
Blutabgang, keine deutlichen Tcnesmen, auch der geforderte 
„wurstförmige“ Tumor war nicht deutlich. Nahe lag auch die 
Vermuthung eines malignen Tumors, wie aus dem allmählichen 
Beginn der Erkrankung, der Abnahme des Körpergewichts in den 
letzten Monaten, der fahlen Gesichtsfarbe zu entnehmen war, 
das vorgerücktere Alter des Patienten konnte diese Annahme nur 
bestätigen. Auch die Invagination konnte ja auf Grund einer 
solchen Neubildung entstanden sein. Strangulation als Ursache 
des Darmverschlusses konnten wir wohl mit Recht von vorherein 
ausschlicssen. 

Die Invaginationsdauer ist mit grosser Wahrscheinlichkeit 
auf 6 Tage vor Eintritt in’s Krankenhaus zurückzurechnen, seit 
dieser Zeit datiren die stürmischeren Erscheinungen. Ob nicht 
schon bei der ersten Attacke — 3 Wochen vor Eintritt -— eine 
Invagination bestanden hatte, die spontan oder in Folge der 
internen Behandlung rückgängig wurde, lässt sich nicht ohne 
Weiteres von der Hand weisen, oder aber „der acute Magen¬ 
darmkatarrh“ war schon hervorgerufen durch eine theilweise 
Verlegung des Darmlumens durch die Geschwülste, es kam vor¬ 
läufig zu relativ geringeren Erscheinungen, zu einer Stagnirung 
des Darminhalts oberhalb des Bereichs der Geschwülste und deren 
Folgen unter dem Bilde eines Katarrhs. Es muss nur auffallen, 
dass bei der Zahl und Grösse der Geschwülste nicht schon 
häufiger schwerere Attacken auftraten, ein Umstand, der jeden¬ 
falls verhindert wurde durch das Bestreben des Darms, dem 
Hindernisse sich anzupassen und die Eigenthümlichkeit in 
solchen Fällen durch Hypertrophie seiner Wandung und Erweite¬ 
rung des Lumens das Hinderniss zu überwinden. Seit Vz —% 
Jahr bestand das Krankheitsgefühl des Patienten; jedenfalls 
waren damals schon die Geschwülste im Wachsthum begriffen. 

Das Zustandekommen der Invagination ist. leicht begreif¬ 
lich, das Darmlumen war hochgradig obstruirt, die Passage für 
Koth und Gase behindert; dann ist bekannt, dass die Darmwand 
l>estrebt ist, auf ihr sitzende Fremdkörper auszustossen, sie sucht 
sich ihrer durch kräftige Oontractinnen zu erledigen. Sind nun 
gar stellenweise Verhärtungen der Darmwand vorhanden, so wird 
die starre, unnachgiebige Wandpartie vom Strome der Peristaltik 
ergriffen, in das Darmlumen eingedrängt und eine verschieden 
grosse Darmpartie folgte der schon vorhandenen Invagination. 
Nach dem gleichen Modus hätte auch das äussere am Mesenterial¬ 
ansatz haftende Lipom für sieh eine Invagination bedingen oder 
in der Weise gefährlich werden können, dass es durch einen 
etwa vorhandenen Mesenterialschlitz einer benachbarten Schlinge 
hindurchgeschlüpft wäre, die Schlinge der Haftungsstelle nach 
sich gezogen und in den Schlitz eingeklemmt hätte. Wir sahen 
einen solchen Fall von innerer Einklemmung bei einer alten 
Frau mit einer grossen Nabelhernie, die sofort nach der Ein¬ 
lieferung in’s Krankenhaus starb, auf dem Secirtische; in dem 
Bruchsack lagen Querkolon, Diinndarmsehlingen und Netz, zum 
Theil unter sich und mit der Bruchsackwand verwachsen. In 
einem Schlitz des Mesokolons war eine Dünndarmschlinge ein¬ 
geklemmt, die Ursache bildete ein etwa wallnussgrosses Lipoma 
pendulum (subserosum), das gleichfalls in den Schlitz fest ein¬ 
gekeilt und zuerst für eine Appendix epipl. gehalten worden war. 
Ein analoger Fall existirte bisher in der einschlägigen Literatur 
nicht. 

Obwohl erst in der jüngsten Zeit durch Th. II i 11 e r ’) und 
Koszielski 1 ) eingehender Bericht über die Darmlipome er¬ 
stattet wurde, will ich doch im Anschluss an unsere Beobachtung 
noch einige Bemerkungen über diese Gesehwulstform anknüpfen. 

Lipome des Digestionstractus sind seltene Geschwülste; doch 
wurden sie schon in sämmtlichen Abschnitten von der Speiseröhre 
bis zum Anus beobachtet, in vivo oder als Gelegenlieitsbefunde 
hei Sectionen. Man unterscheidet im Wesentlichen zwei 


9 H 111 e r : Uober Darmlipome. Beitrag zur klln. Chirurg. 
Rd. 24, H. 2. 

-) Koszielski: lieber die Lipome des Darms. Inaug.-Diss. 
Giessen 1890 . 

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Gruppen von Darmlipomen, je nachdem die Geschwulstentwick¬ 
lung ihren Ausgang nimmt vom submueösen oder subserösen 
Gewebt? und hat sie auch als innere und äussere Darmlipome 
bezeichnet. Es sind Geschwülste von Erbsen- bis Apfelgrösse, 
gegen das umgebende Gewebe scharf abgegrenzt und zeigen einen 
gelappten Bau, die Substanz besteht fast lediglich aus Fett¬ 
gewebe. Sie — die inneren Lipome — sitzen der Darmwand ent¬ 
weder breitbasig auf oder hängen an kürzerem oder längerem 
Stiel, oft polypcnfürmig in das Dannlumen hineinragend. Meist, 
kommen sie als solitäre Tumoren vor, nur in einem einzigen 
Falle (S a n g a 11 i) sind 2 Lipome im Kolon desc. erwähnt. 
Eine wesentliche Vorliebe für bestimmte Darmabschnitte, wie 
sie gewöhnlich betont wird, anzunehmen, halte ich nicht für be¬ 
rechtigt; nach der bisher vorhandenen Literatur treffen auf 
Duodenum 4, Jejunum 6, Kolon 6, Rectum 3. 

Die äusseren Lipome entstellen subserös, sie bieten chi¬ 
rurgisch relativ geringes Interesse, doch geben sie zu sog. freien 
Körpern in der Bauchhöhle durch Ablösung ihres Stieles zuweilen 
Veranlassung (Virchow); die Möglichkeit eines durcli sie 
bedingten Darm Verschlusses ist bereits oben erörtert. 

Maligne Degeneration der beiden Lipomarten wurde bisher 
noch nie beobachtet. Oberflächliche Nekrosen, Exuleerationen der 
Mucosa scheinen nicht selten vorzukommen, es ist wohl mög¬ 
lich, dass durch Infeetion von diesen Stellen aus eiterige Peri¬ 
tonitis oder Perforation des Darms erfolgen kann. Degenerations- 
procosse in den Lipomen, die zu Sklerosirung der Darmwand 
schliesslich führen, sind selten. 

Die Erscheinungen, welche die submueösen Lipome bieten, 
sind verschieden und davon abhängig, ob überhaupt Stenose des 
Darms durch sie bedingt ist und welchen Grad dieselbe erreicht. 
Besondere Charakteristica haben die Darmlipome nicht, es sind 
die Stenosonerschei nimgen bezw. die Symptome der Invagination 
überhaupt, welche bei der Diagnose in Betracht kommen. So 
kam es, dass bisher bei Ileus durch Darmlipome noch niemals 
vor der Operation die specielle Diagnose gestellt wurde. In 
mehreren Fällen wurde eine spontane Ausstossung grosser Lipome 
durch den After beobachtet, selbst des Tnvaginatums sainmt Ge¬ 
schwulst. 

Die in der Literatur niedorgelcglen Fälle von Darmlipomen 
betreffen meist Leute in den mittleren Jahren, in den 40—50 ern, 
nach Hille r’s Statistik zwischen dem 23. und 83. Lebensjahr. 
In den beiden ersten Deeennien wurden sie noch nie beobachtet. 

Die Aetiologie der Darmlipome ist noch nicht ganz aufge¬ 
klärt; es kommen dabei im Wesentlichen 2 Theorien in Betracht. 
Die Einen erklären ihr Zustandekommen durch einfache Hyper¬ 
plasie des auch normaler Weise vorhandenen submueösen Fett¬ 
gewebes, Andere lassen sie aus verlagerten Fettgewebskeimen ent¬ 
stehen. So will auch Koszielski in seinen beiden Fällen 
von Duodenallipomen wegen der nahen Beziehung zur Papilla 
duodenalis diese Kiitstehungsweise als sehr wahrscheinlich an¬ 
nehmen, dass bei der primitiven Leberanlage Fettgewebskeime 
vom suhperitonealen Fettgewebe oder von dem des ventralen 
Mesenteriums verlagert worden sind. Auch für die Lipome im 
Rectum treffe diese Auffassung zu, da hier häufig Gewebsverlage¬ 
rungen Vorkommen, wie aus den häufig zu constatirenden an¬ 
geborenen Mastdarmpolypen und dem Befund von subperitoneal 
gelegenen Lipomen, Dermoiden u. s. w. hervorgehe. Für den 
Ursprung der Darmlipome aus verlagerten Fettgewebskeimen 
wird auch geltend gemacht das Vorkommen von Lipomen in den 
Nieren, auf der Pia, den Plexus chorioidei, den Bronchien etc., 
für welche bereits die embryonale Natur nachgewiesen ist. 
Unser Fall ist aetiologisch nach dieser Hinsicht kaum verwerth- 
bar; wir nehmen an, dass es sich um eine einfache Hyperplasie 
des submueösen, bezw. subserösen Fettgewebes handelt aus unbe¬ 
kannter Ursache. 

Da die Lipome hei ihrem, wenn auch meist nur langsamen 
Waehsthum und trotz ihrer an sich gutartigen Natur für den 
Träger eine grösst' Gefahr zu bilden im Stande sind, ist ihre 
Entfernung im geeigneten Fall angezeigt, sei es durch Exeision 
aus der Darmwand oder durch Rcseetion der befallenen Darm¬ 
partie. Besteht bereits eine Invagination, dann kommt natür¬ 
lich die Behandlung dieser in Betracht, d. h. Desinvagination 
und Ausschaltung der Geschwülste etc. 

Ich füge noch die Fälle von Darmlipomen aus der Literatur 
kurz an, die näheren Angaben finden sich schon in den Arbeiten 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



200 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 


von II i 11er und Koszielski. Es sind beobachtet sub- 
rnueüse Lipome von Meckel, Natan L a r r i e r und R o u x , 
Koszielski im Duodenum; im übrigen Dünndarm von V i r - 
<* h o w , Fischer (nach Clos), Studsgaar d, N i n a u s , 
Ililler, Hahn, im Kolon von S a n g a 11 i , Albrecht, 
Tuffier, Link, M e c k c 1, im Rectum von T c d e n a t, 
A f e z o u , V o i s , retrorectalc Lipome von T e d e nat, 
V a e r n e w y c k , subserös im Ooccum von Marc h a n d , un¬ 
genannter Sitz von Castelain und M o r c 1. Der von 
Ililler unter No. 8 angeführte Fall Clos ist identisch mit 
No. 7, wie ich aus der Originalarbeit C 1 o s’ entnehmen kann. 

Die verschiedenen Besonderheiten unseres Falles bestehen 
einmal darin, dass er erst der zweite Fall ist, in dem submucöse 
Lipome multipel vorkamen (bei Sangall i 2 Tumoren) und 
dann in der bisher noch nie* wahrgenommenen Combination von 
innerem mit äusserem Lipom; auch die Sklerosirung der Darm¬ 
wand an der Stelle eines degenerirten Lipoms ist eine Eigenart 
unserer Beobachtung. Nebenbei sei schliesslich noch bemerkt, 
dass er der erste durch Resection geheilte Fall von Invagination 
auf Grund von Lipomen ist. 

Diese besonderen Umstände lassen bei der überhaupt spär¬ 
lichen Casuistik über Darmlipome die Veröffentlichung unseres 
Falles als casuistischen Beitrag berechtigt erscheinen. 

Meinem hochverehrten früheren Chef, Herrn Hofrath Dr. 
Goscliel sage ich für die gütige Ueberlassung des Falles zur 
Bearbeitung und für die mir hiebei zu Theil gewordene Unter¬ 
stützung meinen herzlichsten Dank. 


Aus der inneren Abt hei lung (Prof. D i n k 1 e r) des Louisen- 
hospitales zu Aachen. 

Ein Fall von Selbstbeschädigung auf hysterischer 
Grundlage. 

Von Dr. J. Eversmann, Assistent. 

Selbstbeschädigungen kommen, wie Krecke 1895 (diese 
Wochenschrift) berichtet hat, bei Hysterischen relativ häufig 
zur Beobachtung; ihre Beurtheilung bietet bei ausgesprochenen 
hysterischen Symptomen in der Regel keine Schwierigkeit; wohl 
aber gehört es zu den schwierigen Aufgaben, eine solche Selbst¬ 
beschädigung anzunehmen und nachzuweisen, wenn keine mani¬ 
festen Erscheinungen für eine allgemeine Neurose bestehen. Ge¬ 
rade diese Fälle sind für den Praktiker von Wichtigkeit und 
verdienen wohl eine kurze Mittheilung. Folgender Fall ist vor 
einiger Zeit in der inneren Abtheilung beobachtet worden. 

Am 18. Mai 1899 wurde die Fadnerin N. N. unserer Abthei¬ 
lung mit der Wahrscheinlichkeitsdiagnose Pemphigus überwiesen. 

Anamnese: Der Vater der Kranken ist au Zuckerkrank¬ 
heit gestorben, die Mutter und 3 Geschwister sind gesund. Pat. 
will selbst bis zum Januar dieses Jahres nie krank gewesen sein, 
niemals Krämpfe oder sonstige Zeichen von Hysterie gehabt haben. 

Am 10. Januar bemerkte sie angeblich Morgens beim Erwachen 
eine grosse Wasserblase, welche die ganze rechte Gesichtshälfte 
einnahm und so gross Avar, dass das Auge dadurch beinahe ganz 
verdeckt war. In den folgenden Nächten entstanden nun, angeb¬ 
lich ohne dass Patientin dabei irgend welche Empfindung oder gar 
Schmerzen hatte, nacheinander grosse Blasen an der linken Ge¬ 
sichtshälfte, linken Hand, Oberarm, Unterarm, rechten Hand, Ober¬ 
arm, linken Unterschenkel und rechten Oberschenkel. Die beiden 
Oberschenkel und der Rumpf blieben frei. Die Blasen sollen nur 
bei Berührung schmerzhaft gewesen sein. 

Patientin suchte angeblich gleich nach Entstehen der zweiten 
Blase ein hiesiges Hospital auf und Avurde bis zum 10. Mai daselbst 
behandelt. Am 15. Mai nahm sie die Arbeit wieder auf und gleich 
in der folgenden Nacht entstanden mehrere grosse und kleine 
Blasen am linken Handrücken und dem Oberarm, in der Nacht 
vom 10.—17. au beiden Unterschenkeln und in der folgenden Nacht 
na der rechten Hand; sie wurde desshalb am 38. Mai dem Louisen- 
Hospital zur Aufnahme überAviesen. 

Status praesens: Das untersetzte, kräftig gebaute, in 
gutem Ernährungszustände befindliche Mädchen von durchaus ge¬ 
sundem Aussehen, machte den Eindruck eines geistig nicht sehr 
hochstehenden Wesens, Avenn auch nicht direct eine Imbecillität 
ausgesprochenen Grades oder gar psychische Störungen bemerkt 
werden konnten. Angaben waren von ihr nur schwer zu erlangen, 
oft lachte sie ganz unmotivirt, jedenfalls aber schien ihr das 
Leiden, mit dem sie behaftet war, wenig Beschwerden zu machen 
und ihr sehr gleichgiltig zu sein. Au beiden Wangen, sowie au ver¬ 
schiedenen Stellen der Extremitäten (an letzteren nur an den 
Streckseiten) zeigten sich mehr oder weniger ausgedehnte Haut- 
pignientirungen, keine eigentlichen Narbenbildungen. 

Ausser diesen von älteren Processen herrührenden Residuen 
sind am linken Ober- und Unterarm, sowie am linken Unter¬ 
schenkel. immer wieder nur an der Streckseile und für die Pa- 

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tientin bequem erreichbar, kinderhandtellergrosse und noch ausge¬ 
dehntere Flächen, avo die abgehobene Oberhaut faltig dem blutig 
nässenden Papillarkörper aufliegt und am rechten Oberschenkel 
ein bereits nicht mehr blutiger, schon von frischem Epithel über¬ 
zogener Hautbezirk, dem 
stellenweise kleine 
Schorfe aufliegen. Am 
rechten Handrücken, so- 
Avie dem anliegenden Ge¬ 
biet des Unterarmes fin¬ 
den sich aus der stark ge- 
rötheteu normalen Haut 
sich vorw'ölbend eine 
etwa taubeneigrosse, eine 
beträchtlich grössere und 
zwischen beiden zahl¬ 
reiche linsen- bis bohnen¬ 
grosse, prallgespauute, 
gelblich durchscheinende 
Blasen, Avelelie bei Be¬ 
rührung als schmerzhaft 
bezeichnet werden (siehe 
Photographie!) Die Bla 
sen Avurden eröffnet und 
der theils flüssige, tlieils 
mehr gallertige Inhalt 
ent leert, ein feuchter Ver¬ 
band angelegt und Pa¬ 
tientin im Bett gehalten. 

Der weitere Verlauf 
Avar folgender: 

21. Mai Blasenbil¬ 
dung in annähernd eben 
so grossem Bezirk 
und von derselben äusseren Configuration AA*ie oben beschrieben, 
am rechten Oberschenkel. 

22. Mai am linken Knie. 

23. Mai am rechten Unterschenkel. 

Das Ungestörtsein des Allgemeinbefindens, die merkAVÜrdige 
Erscheinung, dass die Blasenbildung stets über Nacht erfolgte, stets 
t*inen gleichgrossen Bezirk befiel, immer nur an den Streckseiteu 
der Extremitäten und an Stellen, die für die Patientin leicht er¬ 
reichbar Avaren, ferner die auf Nachfrage von den Mitpatienten 
erhaltene Angabe, dass die Patientin Nachts sehr unruhig sei und 
sich viel im Bette zu schaffen mache, brachte den Verdacht immer 
näher, dass die Blasen artificiell entstanden seien. Selbst die sorg¬ 
fältigste Untersuchung der der Patientin gehörigen Kleider und 
Utensilien hatte zunächst nichts Verdächtiges zu Tage gefördert, 
da Avurde endlich in dem Portemonaie der Pat. ein A’iereckiges, mit 
schusterpechiilinlicher, geruchfreier Salbe bestrichenes Leinenstück 
gefunden und der Patientin heimlich abgenommen. Von dem Tage 
an trat bei der Patientin keine Blasenbildung mehr auf. Um sicher 
zu gehen, legte ich ein kleines Stück des der Patientin fort genom¬ 
menen Salbenlappens auf meinen Unterarm, tixirte es durch einen 
Verband und Hess es eine Nacht hindurch liegen; am nächsten 
Morgen Avar die betreffende Hautstelle stark geröthet und einige 
Zeit nach Entfernung des Pflasters entstanden mehr oder w-eniger 
grosse ziemlich schmerzhafte Blasen von genau demselben Aus¬ 
sehen, Avie bei der Patientin. Nach alledem konnte es keinem 
ZAveifel unterliegen, dass sich die Patientin regelmässig Nachts 
das Pflaster aufgelegt und auf diese Weise die Blasen hervor¬ 
gerufen hatte. Inzwischen hat sich das Pflaster als Emplastrum 
Cantharidarum herausgestellt. Patientin Avurde dann zur Rede ge¬ 
stellt und gab nach kurzem Sträuben den Avaliren Sachverhalt 
zu, ein Grund aber, Avarum sie sich die Selbstbeschädigung zu¬ 
gefügt hatte, war von ihr nicht zu erlangen. Sie wmrde dann noch 
2—3 Wochen Aveiterbehandelt, bis alle Eruptionen abgeheilt waren. 
Irgend Avelche Versuche, sich AA r eitere ^ erletzungen zuzufügen 
Avurden nicht beobachtet. 

Man geht wohl nicht fehl, Avenn man diesen Fall der Kate¬ 
gorie der hysterischen Selbstbeschädigungen zuzählt, da es ja 
durchaus nicht selten beobachtet ist, dass die Selbstbeschädigung 
oder die Vortäuschung eines Krankheitssymptomes als einziges 
manifestes Zeichen einer hysterischen Neurose besteht. Vom 
praktischen Standpunkt verdient der Fall einige Beachtung, w T eil 
die Diagnose mit gewissen Sclrwierigkeiten A'erkniipft war und 
ausserhalb eines Hospitales vielleicht überhaupt nicht oder erst 
spät gestellt worden wäre. 


Ueber einen seltenen Fall von Radialislähmung, geheilt 
durch Freilegung und Dehnung des Nerven.*) 

Von Dr. H ans Brä u n i n g e r , Specialarzt für Chirurgie, 
ärztl. Leiter der Heilanstalt für Unfallverletzte in Mannheim. 

Vom wissenschaftlichen soAvohl, wie vom praktischen Stand¬ 
punkt ist der durch Operation geheilte I* all \ r on Radialislähmung, 
die sich im Laufe der Ausheilung einer schweren Quetschung des 

*) Gekürzt nach einem Vortrag im ärztlichen Verein. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




27. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


291 


rechten Oberarmes ausgebildet hat, so interessant, dass mir der¬ 
selbe mittheilenswerth erscheint. 

Es handelt sich um einen 16 jährigen Jungen, der sieh Mitte 
August 1898 eine schwere Transmissionsriemenverletzung des 
rechten Oberarmes zugezogen hat. Nach MittheilUng des behan¬ 
delnden Arztes hatte er anscheinend eine Fractur des chirurgischen 
Halses des Humerus. Das untere Fragment stand unter der Cla- 
vieula an der Grenze des äusseren und mittleren Drittels. Die 
Weichtheile des ganzen Oberarmes waren stark gequetscht und 
blutunterlaufen und fühlten sich zum Theil breiig an. Die Ein¬ 
richtung war mühsam, gelang aber beim 3. Versuch unter klappen¬ 
dem Geräusch, ähnlich wie bei Einrichtung einer Luxation. Un¬ 
mittelbar darauf waren alle Bewegungen passiv frei; kurze Zeit 
Schienenbehandlung. Die ersten Symptome der Itadialislähmung 
tiateu etwa in der 4. Woche auf, sicher nicht früher, da schon etwa 
11 Tage nach der Einrichtung mit Massage und passiven Be¬ 
wegungen begonnen wurde. Als die Lälimungserscheiuungen nicht 
bald zurückgingen, beantragte der Arzt Aufnahme in eine Heil¬ 
anstalt. die jedoch bei dem etwas langsamen Geschäftsgang in 
solchen Fällen erst am 1. November erfolgte. Der objective Be¬ 
fund war folgender: 

Schulterwölbung durch Atrophie des Deltoides etwas abge¬ 
flacht; Schultergelenk in geringem Grade in seiner Beweglichkeit 
eingeschränkt. In der Achselhöhle leichte Verdickung am Humerus¬ 
ende fühlbar, aber keine Bruchstelle oder Callus. Auch in der 
Röntgenaufnahme keine Veränderungen am Humerus. 

Ellenbogengelenk passiv frei beweglich, activ Beugung gut, 
Streckung völlig, aber mit geringer Kraft möglich; hauptsächlich 
ist der lange Kopf des Trieeps functionsfähig. 

Am Vorderarm und an der Hand die typischen Folgen einer 
G'Ulgen Radialislülimung. 

Handrücken geschwollen, die Haut fühlt sich welk und kälter 
an als links. Keine Sensibilitätsstörung. 

Die faradische Erregbarkeit aufgehoben, ausgesprochene Ent- 
;n tungsreaction: vom Nerven aus keine Reaction. 

Als hauptsächlichste Unfallfolgen war somit neben der 
leichten Bewegungsbehinderung des rechten Schultergelenkes eine 
ausgesprochene Lähmung des Radialis zurückgeblieben, deren 
Entstehungsursache nicht ganz klar war. 

Nach der genauen Beobachtung des behandelnden Arztes 
war eine directe Verletzung beim Unfall, sei es durch Druck des 
gebrochenen oder nur luxirten Humerusendes, sei es durch directe 
Quetschung durch den Treibriemen, oder eine Drucklähmung 
durch die Armschiene völlig auszuscliliessen. 

Nach dem ohjectiven Befund konnte es sich nicht um eine 
Einbettung und Druck von Callusmassen handeln, besonders da 
es sich doch wohl um eine Luxation und nicht um eine Fractur 
gehandelt hat. 

Es blieb also nur übrig, eine allerdings etwas spät auf¬ 
getretene Neuritis anzunehmen, oder aber, und das war mir das 
Wahrscheinlichste, es handelte sich um eine Lähmung, die da¬ 
durch entstanden war, dass im Laufe der Ausheilung der 
schweren Quetschungen sich an der Umschlagstelle des Nerven 
derbes Narbengewebe bildete und den Nerven so fest umschloss, 
dass seine Function aufgehoben wurde. 

Ueber die Höhe der Laesionsstelle konnte ich keine An¬ 
haltspunkte finden. 

Ich liess nun unter täglicher elektrischer und mechanischer 
Behandlung 4 Monate, als äussersteu Termin, an dem noch spon¬ 
tane Heilung beobachtet wurde, vergehen seit Auftreten der ersten 
Lähmuugserscheinungen. bis ich mich, als keine Besserung ein¬ 
trat, zur Operation entschloss. War es eine Neuritis oder eine Ein¬ 
bettung in Narbengewebe, in beiden Fällen konnte ich hoffen, durch 
Freilegung und Dehnung des Nerven, als das einzige noch übrige 
Mittel, Heilung zu erzielen. 

Operation am 13. I. 1891: Freilegung an der Beugeseite 
zwischen dem Caput internum und longum vor der Sehne des 
Latissimus dorsi. Nach oben gegen die Achselhöhle zu ist der 
Nerv frei verschieblich, nach unten bis zur Umschlagstelle ist er 
in festes Narbengewebe eingebettet, aus dem er mühsam frei prä- 
parirt wird, ohne von hier nach unten die Grenze zu erreichen: 
dosshalb Freilegung auf der Streckseite oberhalb der Mitte und 
völlige Auslösung, wodurch unter dem Trieeps eine Verbindung 
der beiden Wundhöhlen hergestellt wird: mässige Dehnung des 
Nerven. Naht, Gazestreifen für 48 Stunden: Heilung p. p. 

Das Resultat der Operation war ein sehr günstiges. Schon 
vom 6. Tage an begann sich die Function der gelähmten Muskeln 
wieder einzustelleu. Zuerst stellte sich in den Extens. carpi rad. 
et uln. die Leitung wieder her. Am 8. Tag konnte er den Daumen 
etwas abduciren, und zuletzt, am 10. Tag, konnte man an den 
Strecksehnen leichte Bewegungen beobachten. Nach und nach 
gingen alle Lähmungserscheinungen zurück und die Kraft der 
Hand nahm langsam zu. Bei der Entlassung Mitte März betrug 
sie 11 kg. bei einer Nachuntersuchung im August war sie auf 
25 kg gestiegen, rechts beträgt sie 30 kg. Es ist aller Wahrschein¬ 
lichkeit nach in absehbarer Zeit völlige Heilung zu erwarten. 

Die praktischen Nutzanwendungen aus diesem Fall ergeben 
sich von selbst. Man jööHte in ähnlichen Fällen von Nerven- 
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lähmung, wenn andere Mittel fehlschlagen, die ungefährliche 
Operation vornehmen. Für den jungen Menschen bedeutet das 
Resultat die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit, für die 
Berufsgenossenschaft eine Erspamiss von 70 Proc. Dauerrente, 
wogegen sie jetzt nur noch auf absehbare Zeit 20 Proc. Ueber- 
gangsrente zu zahlen hat. 

Meine Behandlungsmethode der Lungentuberculose 
mit subcutanen Injectionen von 01 camphor. officin. 
Pharm, germ.*) 

Von Dr. Br. Alexander in Reichenhall und Nervi. 

M. H.! Im Anfang des Jahres 1889 habe ich als Cassenarzt 
in Zwickau i. S. bei einem armen Steinmetzarbeiter im vor¬ 
gerückten Stadium der Lungentuberculose meine Methode ent¬ 
deckt. Monate lang hatte ich alle Mittel vergeblich angewandt 
— der Kräfteverfall nahm überhand, es stellten sich starke nächt¬ 
liche Sehweisse, in Folge des quälenden Hustens Schlaflosigkeit, 
Bluthusten, Appetitlosigkeit, Durchfälle ein — das typische, 
grauenhafte Bild des letzten Stadiums! Der Kranke wurde bett¬ 
lägerig! Im April 1889 die erste Kampherinjection und fortan 
die wunderbarste Wendung zum Bessern — 8 Wochen später ist 
dieser Mann wieder bei seiner Arbeit als Steinmetz! Im März 
1891 schrieb er mir, dass er ununterbrochen noch ein und ein¬ 
halb Jahr als Steinmetz gearbeitet hat! Dieser Erfolg hat mich 
zu weiteren ausgedehnten Versuchen veranlasst. Ich habe im 
Jahre 1890 in Berlin eine Poliklinik für Lungenkranke und 
später auch für Kehlkopfkranke errichtet — bis 1895 habe ich 
in Berlin in Privat- und Cassenpraxis und poliklinischer 
Thätigkeit meine Methode prüfen und ausbilden können. Seit 
1895 habe ich in Reichenhall und seit 1897 in Nervi beobachten 
können, was die hygienisch-diätetische Methode ohne Medica- 
mente leisten kann. Auf dem Pariser Tubereulosecongress 
(1891) haben Prof. Iluehard und Dr. Faure Miller über 
ihre Erfolge bei Lungentuberculose mit Kampherinjectionen be¬ 
richtet. Meine Priorität haben sie anerkannt — sie wären aber 
unabhängig von mir auf ihre Methode gekommen. Eine Stelle 
aus ihrem Berichte bitte ich verlesen zu dürfen. 

Le rötablissement de Fötat gönöral s’est fait rapidement 
seutir chez six de nos malades, et surtout ehez Fun d’eux que son 
ötat de faiblesse extrßme falsa.it gnrder depuis plusieurs mois 
dans le Service; il ne sortait guero plus de son lit: cavernes aux 
deux sommets, amaigrissement considßrable, sueurs trös abou- 
dantos, perte absolue de Fappötit, affaiblissement extreme, in- 
somnie persistante. — Ce malade mauge aetuellement de bon 
appötit, n’a plus du tout de trauspirations, se löve; les forces lui 
reviennent, 11 dort bien. II en a ötö de niOme, mais ä un degrö 
moins accusö, pour les autres malades.“ 

Prof. K o b e r t hat auf dem Tubereulosecongress in Berlin 
erklärt, dass er sich mit meiner Methode befreundet hat. 

Der Kampher wird ja vor Allem wegen seiner tonisirenden 
Wirkung auf das Herz geschätzt. Dass bei acuten Erkrank¬ 
ungen der Lungen in Stärkung der Herzkraft eine Hauptauf¬ 
gabe der Behandlung zu bestehen hat, wird längst allgemein an¬ 
erkannt. Dass auch bei der Lungentuberculose den Aerzten die¬ 
selbe Aufgabe zufällt, hat Hermann Brehmer gelehrt. Er 
empfahl Ueberführung der Schwindsüchtigen in eine ent¬ 
sprechende Höhenregion — als Medicament den Alkohol. 

Während aber der Alkohol nur das Kraftgefühl steigert, 
bewirkt der Kampher durch Erregung der motorischen Nerven¬ 
endigungen eine wirkliche Stärkung der Musculatur im All¬ 
gemeinen, des Herzmuskels im Besonderen. 

Innerlich genommen ruinirt der Kampher in kurzer Zeit 
den Appetit, reizt überdies zum Husten, wirkt nach Adam- 
k i e w i c z schweisstreibend. 

Subcutan injicirt fällt jede schädliche Nebenwirkung weg, 
dagegen tritt seine eminente Wirkung auf den Appetit zu Tage, 
jetzt erweist er sich als ein mächtiges Antihydroticum; schon 
in geringen Dosen, die man früher für vollkommen unwirksam 
gehalten hätte, als starkes Antipyreticum; vermindert das 
Sputum durch seine eiterhemmende Wirkung, macht durch seine 
sehlafmaehende Wirkung Morphium und alle Hypnotica un- 
nöthig. 

Durch seine belebende Wirkung auf die nervösen Central- 
organe werden die Reflexhemmungswiderstände vermehrt, so 
dass nicht mehr der schwächste Reiz quälenden Husten auslösen 
kann. 

*) Vortrag, gehalten auf der Naturforscberversammlimg zu 
München. Original from + 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



No. 9. 


292 


MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Das Loos der unbemittelten Phthisiker im Endstadium ist 
fürchterlich (auf Gerhard t,’s Abtheilung in der Charite 
starben 1885—1896 43 Proc. der Aufgenommenen im gleichen 
Jahre der Aufnahme), ausserhalb des Spitals noch schlimmer. 
In dem entsetzlichen Zustand, in den sie durch Morphium be¬ 
schleunigter Kräfteverfall und die demoralisirende Wirkung der 
Narkotica und des Alkohols bringt, sind sie bei frühzeitiger 
Bettlägerigkeit und zunehmender Unsauberkeit die Verzweif¬ 
lung und schliesslich eine grosse Gefahr für die Umgebung. 
Durch eigene Anschauung bin ich zu der Ansicht von Pfeif¬ 
fer Weimar u. A. gekommen, dass im vorgerückten Stadium 
der Phthise selbst die reichsten Leute auch an den Plätzen, 
welche von der Natur förmlich für Kranke geschaffen zu sein 
scheinen, auch bei der raffinirtestcn Pflege traurig wenig er¬ 
reichen. 

Williams hat 210 Phthisiker an die Riviera geschickt, 
davon sind 24,8 Proz. verschlechtert zurückgekommen rcsp. ge¬ 
storben, trotzdem 59Proc. im ersten Stadium hingegangen waren 
und die durchschnittliche Dauer des Aufenthaltes 9 Monate be¬ 
trug (F. Egger). 

Gleichwohl sieht, man doch, dass einer Anzahl von diesen 
reichen Phthisikern trotz weit vorgeschrittenen Leidens ein er¬ 
trägliches Leben an diesen Gurplätzen geschaffen wird. 

Was diesen Leuten nun durch Geldopfer, welche nur 
Einigen von Tausenden aufzubringen möglich ist, im fremden 
Lande ausnahmsweise gelingt, das erzielt bei Proletariern im 
letzten Stadium die Kampherbehandlung in der Regel überall! 
So wird dadurch der Aermste dem Reichsten gleichgestellt! 
Und nicht nur Das! Er kann sogar dem thätigen Leben, der 
Arbeit wiedergewonnen werden! 

Die bisher gebrauchten Medieamente müssen dadurch in 
den Schatten gedrängt werden, denn sie sind nur empfohlen für 
das Anfangsstadium, wo oft Spontanheilungen Vorkommen, das 
lehren uns die Seetionen an anderen Leiden gestorbener Prole¬ 
tarier, oder sie sind empfohlen für gleichzeitige Anwendung 
bei der hygienisch-diätetischen Behandlung der Reichen, durch 
diese können aber auch ohne jedes Medicament selbst voll¬ 
kommene Heilungen erzielt werden. 

Bei der beschränkten Zeit will ich nur ein paar Fälle skiz- 
ziren, auch um meine Methode zu erklären: In der letzten Saison 
in Reichenhall hatte ich russische und galizische Juden zu behan¬ 
deln, die trotz der Schwere ihrer Erkrankung kein Spital aufge¬ 
sucht, sondern sich von Badeort zu Badeort durchgebet telt hatten. 
Dass die Gunst der klimatischen Verhältnisse zu meinen Erfolgen 
wesentlich beigetragen hätte, kann ausgeschlossen werden, da 
sie sich schon in Reichenhall oder gleichwerthigen Ourorten ohne 
Erfolg aufgehalten hatten — jedenfalls wurde dieser Vortheil 
eompensirt durch ihre grosse Arrnuth, schlechte Wohnung und 
Ernährung — vor Allem ihre grenzenlose Unsauberkeit — zer¬ 
lumpte Kleidung etc. 

L. T., Friseur aus Russland, 28 Jahre alt, mittellos; vor zwei 
Jahren erkrankt, Blutsturz, von Februar 1899 in Meran. Durch 
fälle bis 7 mal am Tage. Appetitlosigkeit, häutiges Erbrechen, 
Fieber, sehr starke Schweisse. heiser. Schmerzen beim Schlingen. 
Scnlaflosigkeit wegen beständigen Hustens, zunehmender Ver¬ 
fall der Kräfte, keim» Linderung, keine Beinflussung der Krank¬ 
heitssymptome trotz ärztlicher Behandlung in Meran. 

Am 31. Mai 1899 kommt Patient zu mir nach Reichenhall 
Hochgradigste Schwäche, heiser, verzweifelte Stimmung! Nach 
3 Tagen — nach 3 Injectioiien beginnt sich das ganze Krank¬ 
heitsbild zu ändern, von Tag zu Tag zunehmende Besserung, 
guter Schlaf, keine nächtlichen Schweisse, Appetit. Verminderung 
des Hustens und des Auswurfs. Zunahme der Körperkräfte, 
gänzliche Beseitigung der Durchfälle, lebensfrohe Stimmung! 

Therapie bestand einzig und allein in Kamplierinjectioneii 
einmal täglich. Narkotica und Alkohol, Antipyretiea gänzlich aus 
geschlossen. Liege- und Schweigecur nicht durchführbar, ambu¬ 
lante Behandlung! 

Befund war: Dämpfung R.Il.O. IV. Wirbel, R.V'.O. II. Rippe, 
L.H.O. III. Wirbel, L.V.O. II. Rippe, L.ILU. in der Höhe des VII. 
bis IX. Wirbels— Rasselgeräusche L.H. über der ganzen Lunge, 
rechts im Bereiche der Dämpfung. 

Fieber. Sputum massenhaft, grünlich, rein-eitrig mit vielen 
Tuberkelbacillcn. 

Kehlkopf: 1. Stimmband im hinteren Drittel ulcerirt, ge 
idthet; Oedem des 1. Arykuorpels. I leus vom 1. Aryknorpel auf 
die 1. aryepiglottisehe Falte sich erstreckend: nach dem 1. Ohr 
ausstrahlende Schmerzen. 

Therapie: Pinselung mit Pyoclnuin. caerul. nach Schein- 
m a n n. 

Nach 5 Wochen ist der Kehlkopf geheilt. Stimmband und 
Aryknorpel zeigen ganz seharfe Contouren. Patient kann klar 
sprechen, singen, versucht Cigaretten zu rauchen. Schmerzen 


Am 6. September Patient entlassen, sieht blühend aus, hat 
8 Pfund zugenommen. Kein Fieber (2 stündige Messung), feiu- 
blasige Rasselgeräusche nur L.V.O. und L.H.O., sonst sind die 
Lungen frei! L.H.U. verkürzter Schall im alten Erkrankungs¬ 
bezirk. Dämpfung auf den ursprünglichen Bezirk beschränkt. 
Patient will versuchen, in einem Lungencurorte als Friseur zu 
arbeiten. 

Ein anderer Fall: B. S., Hausirer aus Galizien, 34 Jahre alt, 
starrt vor Schmutz, bietet einen fürchterlichen Anblick grausigen 
Verfalls. Zum Skelett abgemagert, beständiger krächzender 
Husten, der nichts als grünliche, bröcklige Massen heraus- 
befördert; furchtbarer Foetor. 

Hektische Röthe auf den ausgehöhlten Wangen, tiefliegende 
Augen, leise, heisere Sprache. Schmerzen im Kehlkopf, hält sich 
für unrettbar verloren, bettelt nur um bischen Linderung seiner 
Qualen. Er ist schon 30 Jahre krank, in vielen Spitälern, Cur- 
orten, bei „100“ Aerzten gewesen, zuletzt im Wiener Krankenhaus 
an Blutsturz gelegen. Dieser Mensch, der die Zeit nicht mehr 
wusste, wo er mit Morphium noch Schlaf gefunden, der aus den 
Herbergen, wo er Unterschlupf gesucht, hinausgewiesen wurde 
des beständigen lauten Hustens wegen, der die Betten durch¬ 
geschwitzt hat, schläft schon nach der ersten Injeetlon von 0,03 
Kamplier ohne Schweiss. Nach 14 Tagen, nach 14 Injectionen 
von 0,03 Kamplier. fühlt der Menseh sieh ganz gesund — Heiss¬ 
hunger (er hat vorher Erbrechen und Durchfülle gehabt), muss 
sich jetzt für die Nacht mit Essen versehen, lim seinen Hunger zu 
befriedigen! Er entsinnt sich nicht mehr der Zeit, wo er sich 
so wohl gefühlt hat! Eine Woche später versucht er Handlanger¬ 
dienste zu verrichten. Athemnotli förmlich verschwunden; Ich 
sah den Menschen, der zuerst auf meiner Treppe zusammen 
gebrochen war, auf der Strasse laufen. 

Nach einer DurchnUssung im Regen Verschlimmerung, 
diffuser Katarrh, nach einigen weiteren Injectionen wieder glän¬ 
zendes Befinden, Gewichtszunahme. Patient reist ab, um seine 
Arbeit wieder aufzunehmen. 10 Jahre arbeite ich nun schon mit 
meiner Methode und dennoch musste ich jeden Tag staunen vor 
der auch in Anbetracht der Dosis ungeheueren Wirkung dieses 
wunderthätigen Mittels. 

Der Status am 20. Juli 1899 war folgender gewesen: Supra- 
claviculargniben tief eingesunken, Clavicula nach unten ge¬ 
sunken, die Haut über der ersten Rippe straff gespannt. 

Schenkelschall L.H. bis zum 7. Wirbel. L.V. bis zur III. Rippe, 
IUI. bis zum 8. Wirbel. L.V.O. bis zur II. Rippe. 

Normaler Lungenschall an den Seitenflächen des Thorax: 
stark abgeschwächtes Athmen und Rasselgeräusche überall im 
Bereiche der Dämpfung. Sputum enthält wenige Tuberkel- 
bacillen. 

Es giebt keine Coutraindication für meine Methode! 

Am 30. Juni 1899 bekam ich einen Bluter in Behandlung: 
schon nach leiser Percussion Blut im Auswurf. 

A. M: aus Galizien. 32 Jahre alt, mittellos, schon 5 Jahre 
krank, hat schon viele Blutstürze, auch eine linksseitige Lähm¬ 
ung gehabt; letzter Blutsturz in Gleichenberg. Nächtliche 
Schweisse, Fieber, Durchfälle, viel Husten, viel Auswurf mit 
zahlreichen Tuberkelbacillen, Schlaflosigkeit. Schon nach we¬ 
nigen Tagen Besserung aller Symptome. Guter Schlaf, keine 
Schweisse, Appetit, Wohlbefinden. 

Er hustet öfter auch grössere Mengen Blut aus, aber die 
Blutung verschwand, ohne dass er sich zu Bett legen brauchte; 
immer ambulante Behandlung. Nach 6 Wochen Cur beendet. 
Aus Galizien schreibt er mir, dass das Wohlbefinden anhält. 

Status war gewesen; Selienkelschall L.H.O. IV. Wirbel. 
L.V.O. II. Rippe, R.H.O. V. Wirbel, R.V.O. II. Rippe. Rassel¬ 
geräusche im Bereiche der Dämpfung. 

Meine Methode war Anfangs so gewesen, dass ich täglich 
einmal 0,1 Kampher injicirte. 

H u c h a r d und F aure -Miller haben von ei nem 
25 proc. KamphcrÖl alle 2 Tage ein- oder zweimal, oder seihst 
jeden Tag zweimal, eine ganze Pravazspritze injicirt. 

Nachdem ich die eumulative Wirkling des Kamphers und 
sein differentes Verhalten bei fiebernden und fieberfreien Phthisi¬ 
kern entdeckt habe, hat sich meine Methode schliesslich folgender- 
rnaassen gestaltet: 

Fiebernden wird täglich einmal 0,01—0,02, hei grosser 
Schwäche 0,03 Kampher lange Zeit, wochen- und monatelang, 
injicirt — ohne Unterbrechung. Fieberfreie werden entweder 
ebenso behandelt oder es wird täglich einmal 0,1 Kampher vier 
Tage lang injicirt, nach Intervallen von mindestens 8 Tagen 
werden diese Injectionen immer wieder fortgesetzt. 

Kober t ist der Ansicht, dass der Kampher durch Horvor- 
bringung einer heilkräftigen Loukocytose, nicht als Specificum 
wirkt. 

Tch habe bisher angenommen, dass die minimalen I)o>en 
durch die eumulative Wirkung des Kamphers solche wunder¬ 
bare Erfolge erzielen lassen — der Werth dieses Mittels muss 
nun noch ungemein viel grösser erscheinen, wenn es sich heraus¬ 
stellt, dass schon die ersten Injectionen minimaler Dosis die volle 
Wirkung hervorbringen können. 

-e m^ -i- ra l Jrs -m 

UN [VERS 117 OF CALIFORNIA 



293 


27. Februar 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hydrorrhoea ovarialis intermittens. 

(Hydrops ovarii profluens.) 

Zur Lehre von den Tubo-Ovarialcysten. 

Von Dr. Max Nassauer, Frauenarzt in München. 

(Schluss.) 

Stets waren in seinen untersuchten Fällen (15) Verwach¬ 
sungen da! 

Zweifel nun spricht als erster von einer Infections- 
möglichkeit als Ursache. „Es handelt sich wohl um eine Miscli- 
infection. Anfangs besteht, eine Ovarialcyste, in welche dann 
ein Entzündungserreger hineingelangte. Die Cyste vereitert. 
Die Wand verwächst mit der entzündeten Tube und nach Durch¬ 
bruch entsteht eine Verbindung beider Höhlen.“ Es möchte 
jedoch hier viel eher eine Pyosalpinx, communicirend mit 
einem Pyo-Ovarium, entstehen, wie man es öfters sieht. Ols- 
hausen wieder sucht die V e i t’sche Theorie mit der Bur- 
n i e Fs (welche Zweifel für unrichtig hält) zu vereinen. Er 
geht aber einen bedeutsamen Schritt weiter: „Dass die Peri¬ 
tonitis, welche die Fimbrien zur Verklebung bringt, wohl häufig 
mit einem Tubenkatarrh zusammenhängt, also in letzter Linie 
auf eine Gonorrhoe zurückzuführen ist, ist mit grosser Wahr¬ 
scheinlichkeit anzunehmen, wenn auch die bisher be¬ 
kannt gewordenen Fälle hiefür nicht be¬ 
weisend geworden sin d.“ Hier wird zum ersten Mal 
von der Gonorrhoe gesprochen! Und wir werden sehen, dass alle 
beschriebenen Fälle mit Wahrscheinlichkeit darauf zurückzu¬ 
führen sind und unseren eigenen können wir als Beweis dazu- 
nchmen. O 1 s h a u s e n ist es auch, der auf die Hydrorrhoe hin¬ 
weist : „Die Tube bleibt, wie es scheint, fast immer nach dem 
Uterus zu durchgängig und dies gibt dann Veranlassung, dass 
gelegentlich bei starkem intracystösen Druck ein Theil der 
Flüssigkeit nach dem Uterus abfliesst. In diesem zeitweiligen 
Abfluss ist wohl auch der Grund zu suchen, dass die Cyste in 
der Regel nur einen kleinen Umfang erlangt und keine Be¬ 
schwerden zu machen pflegt (?).“ Olshausen verfügt über 
insgesammt 3 Fälle. Ein Fall vor 6 Monaten heftige Peritonitis. 
Der ganze Tumor kaum faustgross. Nach Oeffnung desselben 
zeigt sich die Cyste aus 2 Theilen bestehend, welche durch einen, 
für einen Finger kaum durchgängigen Hals mit einander ver¬ 
bunden waren. Dieser Ilalstheil entspricht dem letzten Ende 
des Tubenlumens. Von ihm aus erstrecken sich die 
Fimbrien unverklebt, nicht auseinander ge¬ 
zogen oder verlängert, frei liegend in den 
ovariellen Theil der Cyste hinein. Mitten 
durch die Fimbrien kam man in das Lumen 
«ler Tube. Dies ist der einzige, unserem analoge Fall. 
Ein zweiter Fall von ihm zeigt eine einfache Cyste, in deren 
Lumen dasjenige der adhaerenten Tube einraündete; die Tube 
war hydrophisch und geschlängelt. Bei allen 3 Fällen war „Peri¬ 
tonitis“ vorausgegangen! Orth mann (1899) lässt auf der 
(Vstenoberfläche eine Verklebung der Fimbrienenden sich bilden. 
Die Fimbrien werden durch Adhaesionen fixirt und allmählich 
vollkommen verschlossen. Durch Druckatrophie kommt es dann 
zu einer Verbindung zwischen Tubenlumen und Cyste; als denk¬ 
bar lässt er Gottschalk’s Theorie vom Hineinschlüpfen 
gelten. 

Wenn ich noch kurz einen von W a c h s m u t h beschriebenen 
Fall einer unversehrten Tube, die nach Berstung einer Ovarial¬ 
cyste mit dem Fimbrienende in die Höhlung der Cyste hinein¬ 
geglitten war und hier angelöthet wurde, erwähne; einen Fall 
von Bland L u 11 o n , vorgestellt von Trceborniu New-York, 
von „Ovarialhydroeele“, „eine Form von Tubo-Ovarialcyste, wo¬ 
bei sich die ausgedehnte Tube in einen Sack des breiten Mutter¬ 
bandes öffnete“ (?) und eine Beobachtung von Zeddel, wobei 
das Fimbrienende in eine anscheinend durch peritonitische Ver¬ 
wachsungen entstandene Cyste mündete — — so glaube 
ich ziemlich vollständig die allmähliche 
Entwicklung der Anschauungen über das Zu- 
s t h ndekomm e n der, wie wir sahen, seltenen Gebilde der 
Tubo-Ovarialcysten geschildert und besprochen zu 
haben. Und ich glaube, auf dieser Kenntnis» fussend, meinen 
Fall nun als jüngste Beobachtung in Bezug auf seine eigene 
Genese, wie die der Tubo-Ovarialcysten über¬ 
haupt kritisch beleucht en zu dürfen und zu sollen. 

□ igltlzed by GQOQIC 


Wie ist unser Fall entstanden? Wie lässt unser Befund sich 
in Uebereinstimmung bringen mit den früheren Theorien; welche 
Deutung gibt er der Genese der besprochenen Verhältnisse? 

Es fand eine Infection von aussen statt. Aller Wahrscheinlich¬ 
keit nach eine gonorrhoische. 1. Stadium: Salpingitis purulenta 
(gonorrhoica). Aus dem abdominalen Ende der Tube quillt eitriges 
Secret in die Umgebung derselben. Damit auch auf den Eier¬ 
stock. Die Tubenschleimhaut schwillt und quillt nach aussen. 
Der Eiter und seine Erreger regen eine circumscripte Entzündung 
an, ausserhalb der Tube: Peritonitische Attaque (bei 
allen Fällen nachgewiesen). Es bildet sich eine Eiteransamm¬ 
lung, ein Abscess. Abscessmembranen, die die Aussenfläclie des 
Ovariums, wo der Eiter hingelangte, und die Aussenfläclie der 
Tube umkleiden. Die Tubenöffnung taucht in den Abscess. Ad¬ 
haesionen und Verwachsungen um die geschwellte Tube herum. 
Verwachsung der Tube mit dem Ovarium; auch den anliegenden 
Därmen, event. dem Netz, dem Bauchfell. Die Beschränkung der 
physiologischen Tubenbewegung — Peristaltik — veranlasst sie, 
ähnlich dem kranken Herzen, zur weiteren Hypertrophie, neben 
der durch den entzündlichen Reiz bewirkten. Die Tube wird 
stärker und dicker. Durch die Verwachsungen an der Aus¬ 
dehnung verhindert, muss sie sich durch vielfache Schlänge¬ 
lungen Platz suchen. Die Verwachsungen um das Ovarium 
herum hindern auch dieses an zu starkem Wachsen nach aussen. 
Dort, wo Follikel nach aussen platzen wollen, kann es verhindert 
sein, wenn derselbe innerhalb der Adhaesionen zu liegen kommt. 
Bei unserem Falle haben wir an der hinteren Wand des Ovariums 
und des abdominalen Tubenendes den Eiter thatsächlich vor¬ 
gefunden. 

Es reifen Follikel. Die Entleerung nach aussen ist 
behindert. Die Wand ist zu straff und zu dick geworden. In 
Folge dessen wird das Ovarialgewebe, wo es dem stärksten Druck 
ausgesetzt, veröden, die Follikel schwinden. Siehe den, dem 
Abscess nahegelegenen oberen Theil des Ovariums! Wo aber 
noch ein Follikel Platz zur Ausdehnung hat, wächst er und da 
seine Wand die physiologische Dünne in Folge der Entzündung 
verloren hat, wird der normale Follikeldruck zum Sprengen 
nicht genügen. Er wächst immer weiter. Es entsteht eine 
Ovarialcyste, Follikelcyste, wenn man will. Nun also haben wir 
eine Ovarialcyste, eingehüllt theilweise von straffen Verwach¬ 
sungen, theilweise mit einem Segment noch frei, mit dem sie sich 
weiter ausdehnen kann. 

An einer Stelle bildet die Cystenwand die innere Wand des 
Abscesses. In diesen Abscess taucht von der anderen Seite die 
Tubenöffnung, aus der noch immer Secret quillt und eine Ver¬ 
klebung verhindert. Diese starke Spannung von allen Seiten er¬ 
regt intensive, dauernde Schmerzen der Patientin. Die übrige 
Wand der Abscesshöhle wird von Darm, Membranen etc. gebildet. 
Die Darmadhaesionen hindern diesen an seiner Peristaltik: Be¬ 
schwerden beim Stuhlgang, Obstipationen in unserem wie in 
allen Fällen, worauf schon Spencer Wells aufmerksam macht. 

Der Follikel wächst, kommt unter immer stärkeren Druck 
von innen, wie von aussen. Die Cyste strebt nach Entleerung. 
Natürlich dorthin, wo sich der geringste Widerstand findet. 
Andererseits wird der angesammelte Eiter einen Durchbruch 
suchen; so kommen sich hier Abscessdruck und Cystendruck ent¬ 
gegen; die Cystenwand wird usurirt und wenn man nun die 
Druckatrophie hinzunehmen will, ist das voraussichtliche 
Ergehn iss ein Durchbruch der Cyste in die Ab¬ 
scesshöhle und u m g e k e h r t. Eiter und Cystensecret 
mischen sich. In die nun gemeinsame Höhle taucht die offene 
Tube. Der Eiter, sowie die erneute Secretion hindern die ge¬ 
platzte Cyste am Zusammenwachsen. Die Tubenöffnung flottirt 
frei in der Flüssigkeit, offen gehalten durch ihre eigene Secre¬ 
tion; das offene Ovarium, offen gehalten durch dieselbe Ursache. 
Was ist natürlicher, als dass sich die Ränder von Tube und Cyste 
berühren, dass schliesslich bei wachsender Cystenhöhle die Fim¬ 
brien von der Cystenwand umfasst werden, in welche die Tube 
hineingeschlüpft ist. Nun aber kommt die äussere serös«' 
Tubenfläche mit den wunden Cystenrändern in Berührung und 
beide verwachsen mit einander: die Tube ist umklammert von 
der Cvstenöffnung, indem diese einen die Tube einfassenden 
Ring bildet. Die Cystenhöhle wird nun wieder ausgedehnt, 
deren eine Wand nun von der Tube gebildet wird: wir haben 
eine T u b o - O v a r i a 1 c y s t e. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




294 


No. 9‘ 


MÜNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Diese .strebt nach Entleerung. Die eitrige Secretion aus der 
Tube hört mit der Zeit auf und macht einer serösen Platz, ähn- 
lieli der Gonorrhoe beim Manne. Der Abseess hinter der Cyste 
kann nun bestehen bleiben, oder der Eiter sieh mit der Zeit ein- 
dieken. 

Allmählich wird nun die entstandene Tubo-Övarialeyste ad 
maximum gefüllt sein; natürlich unter sehr starken Schmerzen. 
Da nunmehr eine Cominunieatiou der Cyste durch die offene 
Tube hindurch nach aussen besteht, wird das der natürliche Weg 
der Entleerung sein. Die starken Knickungen der Tube geben 
einen starken Widerstand, der aber schliesslich doch überwunden 
wird, zumal die physiologische, wenn auch beschränkte Bewegung 
der Tube, peristaltisch zum Uterus, ihr zu statten kommt. So 
war es bei uns. Die Möglichkeit dos Platzens in die Bauchhöhle 
wäre auch gegeben, wenn wir diesen Vorgang auch klinisch nicht 
beobachten konnten. 

Diese Deutung ist völlig zwanglos und natürlich: Und das 
Natürlichste ist stets das Wahrscheinlichste. 

Wenn man s ä m in 11 i c h e Beobachtungen in der Literatur 
im Original nachliest, so ist bei s ii m m t 1 i c h e n e i n e 
v o r a u s g e g a n g e n e G o n o r r h o e m i t aller W a h r - 
s c h e i n 1 i e h k e i t a n z u n e h m e n ; man hat sie als da¬ 
mals belanglos ausser Acht gelassen. Es wäre verlockend, die Fälle 
hier in dieser Hinsicht einzeln durchzugehen, doch würde 1 es zu 
viel Kaum beanspruchen. Wie sehr man die vorausgegangenen 
E n t z ii n du n g e n aetiologiseh unterschätzt, zeigt ein Bericht 
von L e g u e n - Paris, der 2 Tubo-Ovarialcysten operirte, „die 
peritonitische Attacken, ähnlich wie bei Stieldrehungen der 
Ovariencysten, hervorgerufen hatten“, was er eine Compli- 
c a t i o n nennt. (Ileferirt Centralbl. f. Gyu. 1900, 1.) 

Ziehen wir aus unserer Beobachtung die nothwendige Con- 
sequeuz, so haben wir wieder die Gonorrhoe, wie bei so vielen 
(h nitalerkrankungen des Weibes für das Zustandekommen des 
Krankheitsbildes der Tubo-Ovarialcyste anzusprechen. 

Zuerst erkrankt die Tube; gonorrhoisch. Diese gonor¬ 
rhoische Tubenerkrankung verursacht eine entzündliche Erkran¬ 
kung ausserhalb in dc*r Umgebung der Tube: des Ovarium, des 
Beckenbauchfclls der bctreffoiulen Seite. Also p r i m ä r e E n t - 
z ii n d u n g. 

Die Entzündung des O v a r i u m und seiner Umgebung ver¬ 
anlasst u. a. eine c y s t ö s e E r k r a n k u n g desselben. 

In eine solche Cyste schlüpft beim Platzen derselben die ad- 
haerente Tube mit dem freien Fimbrienende hinein. Das Fim¬ 
brienende verklebt mit der serösen äusseren Fläche mit den ge¬ 
platzten (Vstenrändern ringförmig, so dass die Fimbrien inner¬ 
halb der Höhle noch flottiren. Späterhin können diese Fimbrien 
bis zu ihrem freien End« 1 an der Innenwand der Cyste anwachsen. 

Dann ist der Druck in der Cyste im Stande, auch den ab¬ 
dominalen Tlieil der Tube in grösserer oder kleinerer Länge aus- 
zu<lehnen und ihn zur T u b o - O v a r i a 1 eysteubildung mit zu 
verwert heil. 

Es ist unzweifelhaft — durch unseren Fall nachgewiesen — 
dass eine Entleerung dieses Ovarialeysteninhaltes nach aussen 
durch die Tube und den Uterus stattfinden kann. Da das sieh 
periodisch entleerende Seerot wohl in der Hauptsache nur mehr 
O v a r i a 1 seerot ist, dürfte diese Secretion als ovariell e 
richtig bezeichnet sein, wenn auch eine „tubo-ovarielle ilydror- 
rhoe“ nicht ganz von der Hand zu weisen wäre. 

Sicherlich findet diese o 'vari e 1 1 e H y d r o r r h o e öfter 
statt, als inan bisher annahm und annehmen konnte. Es wäre 
erfreulich, wenn mit den hier mitgetheiltcn Beobachtungen und 
Erwägungen ein Anfang gemacht würde, das ganze wenig be¬ 
kannte Gebiet vom „A u s f 1 u s # der Frau wissenschaftlich zu 
gliedern. Und es wäre eine dankbare Aufgabe, nach strengerer 
wissenschaftlicher Differencirung der Herkunft des Ausflusses, 
eine differentiellere und strengere Therapie 1 desselben herbeizu- 
lührcn. Denn sicherlich ist die gewöhnlichste Klage der unter- 
leibskrankon Frau der „Ausfluss“; dieser aber ist nur ein Sym¬ 
ptom der mannigfaltigsten Genitalerkrankungen. Es ist ferner 
sicher, dass unsere Therapie gegen den „Ausfluss“ bis heute eben¬ 
so summarisch und so oft erfolglos ist, wie die Erkenntniss der 
(len esc desselben. Und es ist sicher, dass mit der Erkenntniss 
der Provenienz des Ausflusses und mit wissenschaftlicher Zer¬ 
gliederung desselben auch unser therapeutisches Handeln und 
Können wachsen wird. Und das soll doch der Endzweck bei all’ 
unseren tlieorethjid^en Kaisonnemcnts sein: Aus der, wenn auch 

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mühsamen, Erkenntniss des Ursprunges der Leiden ein helfender 
Arzt gegen dieselben zu sein! 

Literatur. 

Blasius: Cominentatio de hydrope ovar. proti. Halle 
1834. — Sachse: Medic. Beobachter Bd. II, S. 207. 1839. — 

Iv 1 o b : Patkol. Aimt. der weibl. Sexualorgane. S. 348. — Roki¬ 
tansky : Handbuch der path. Anat. und Zeitsehr. der Gesellsch. 
der Aerzte. Wien 1855. — Kleba: üandbuch d. path. Anat. — 
II e n n i g : Moiiatssclir. f. Geburtskunde. 18152. — Hilde b r a n d: 
Die neue gyn. Univ.-Klinik zu Königsberg. 1875. — Franken - 
li ä u s e r und II a u s m nnn: Ueber Retentiousgesohwülstc in 
den weiblichen Genitalien. Zürich 187(5. — Scanzoni: Lehrbuch 
IV. Aufl. 18(57. — Veit: Krauklieiten der weiblichen Geselilechts- 
organe. Erlangen 18(57. — West: Lehrbuch der Frauenkrank¬ 
heiten. Güttingen 187b. — Spencer Wells: Lehrlmch der Krank¬ 
heiten der Eierstöekc. S. 28. 1874. — Anderson: Ibidem. — 
Burnier: Zeitsehr. f. Geburtsh. u. Gyn. V, S. 357 mul VI. 
S. 87. 1880. — Wachsinuth: Diss. Halle 1885. — Runge und 
Thoma: Areh. f. Gyn. 1885. — Olsliauseu: Die 

Krankheiten der Ovarien aus Billroth’s Handbuch. 2. Aufl. 
u. ff. 188(5. — Sch r a m m und Neelseu : Areh. f. Gyn. Bd. 39. 
I. 1890. — Zweifel: Verhandl. der Gesellseh. f. Geburtshilfe 
Leipzig. 1890. — Tisch endorf: Ibidem. — Gottschalk: 
Gesellsch. f. Geburtsh. u. Gyn. Berliu. Februar und März 1891. — 
L andnu: Areh. f. Gyn. 1891. — Rosthorn : Beitr. zur Cliir. 
Festschrift für B i 11 r ot li 1892. — Blaml L u 11. o u : Verliandl. 
d. Gesellsch. f. Gyn. New-York 1895. — Ziegen speck: An¬ 
leitung zur Massage. 1895. — Z a h n : Vircli. Areh. 151. 1898. - 
Orth mann: Zeitschr. f. Geburtsh., Februar 1899. 


Entgegnung auf die „kritischen Bemerkungen“ der 
Herren Dr. Spiegel und Peritz in No. 7 dieser 
Wochenschrift. 

Von Privatdocont Dr. R o s i n in Berlin. 

ln No. 7 der Münch, med. Wochenschr. d. J. bemühen sich 
Herr Dr. Spiegel und Herr Dr. Peritz, die von mir kürzlich 
empfohlene quantitative Methode zur Bestimmung der Reductions- 
krnfl des Harns und anderer Gewebsflüssigkeiten mittels Methylen¬ 
blau, welches für das Blutserum zu ähnlichem Zwecke bereits von 
W i 1 1 i a m s o n erfolgreich eingeführt worden ist, zu disereditiren. 
und zwar vorzeitig, denn ich habe die eigentliche Ausführung d«*r 
Methode, die Feststellung der Grenzen ihrer Anwendung, der Sub¬ 
stanzen, welche die Reaetiou hervorrufen. der Abweichungen von 
der Norm in pathologischen Fällen in meiner ersten Mittheilung 
noch gar nicht angegeben, sondern erst angekündigt. Mit der 
Untersuchung dieser Verhältnisse soeben beschäftigt, würde ich 
daher die übrigens in einem durch nichts berechtigten hoehfahren- 
den Tone gehaltenen Bemerkungen der Herren gänzlich unberück¬ 
sichtigt lassen, da sie sachlich in meinen weiteren, angekiindigton 
Untersuchungen eine genügende Widerlegung finden werden, wenn 
ich nicht fürchten müsste, dass ein völliges Schweigen meinerseits 
besonders von Denen falsch gedeutet werden könnte, die in den 
Gegenstand nicht eingeweiht sind. Ich begnüge mich aller vor¬ 
läufig mit der Erklärung, dass die Angriffe der Herren Sp. und P. 
tiieils auf Missverständnissen, tiieils auf unberechtigten Anfor¬ 
derungen an die Methode gegründet sind, und bin im Uebrigen weit 
entfernt, in Form einer Polemik diejenigen weiteren Thatsaehen 
i'lederzulegen, durch welche ich den physiologischen Werth, die 
Grenzen und die klinische Bedeutung der Methode erst be¬ 
gründen will. 


Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Schulärzte. 

Durch eine Berathimg im Bezirkslehrerverein München, die 
vorerst resultatlos blieb, aber immerhin eine günstige Stimmung 
der Lehrerkreise erkennen Hess, sowie durch einen Beschluss des 
hiesigen Aerztliehen Bezirksvereins vom 20. Juni 1899, der mit 
allen gegen (5 Stimmen sieh für Einführung der Schulärzte aus¬ 
sprach, ist die Sehularztfrage für München angeregt worden. Von 
verschiedenen Seiten sind in der politischen Presse Aeusserungen 
hiezu erfolgt, vor wenigen Tagen (M. N. N. No. 78) auch seitens 
des prakt. Arztes Herrn Dr. Hugo Sternfeld, der in der da¬ 
maligen Sitzung des Aerztliehen Bezirk svereins sieh gegen die Ein¬ 
führung ausgesprochen hatte. Als Referent der damaligen Ver¬ 
sammlung. und weil ich in der Pressäusserung des Herrn Dr. 
S t e r n f e 1 d namentlich genannt bin, bin ich veranlasst, zu 
derselben Stellung zu nehmen. Was Herrn Dr. S t e r n f e 1 d 
nöth'igte. sich mit seinen Anschauungen an die politische Press«* 
zu wenden, habe ich nicht zu untersuchen: es ist indess schwer zu 
verstehen, wie das objeetive Interesse eines Arztes an der Ver¬ 
hinderung einer von den Standes Vertretungen der deutschen Aerzti* 
wie der Aerzte Münchens nilgestrebten Institution so stark sein 
kann, dass es deu ungewöhnlichen Schritt rechtfertigen könnte, 
den Herr Dr. St e r n f e 1 d gethan hat, indem er einen Beschluss 
seines Standesvereins, bei dessen Beratliung er zufällig in der 
Minorität geblieben ist, nunmehr nachträglich in der öffentlichen 
Press« 1 bekämpft. 

Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. Februar 1900. 


MÜNCHENER MKniUINISUHK WOUHENSOHRII-T. 


295 


Was den Inhalt der Ausführungen des Herrn Dr. Sternfeld 
betrifft, so erheischt derselbe in verschiedenen Punkten eine Er¬ 
widerung. 

Es ist vor Allem eine unenviesene Behauptung, dass in ärzt¬ 
lichen Kreisen die Ansicht über die Nothwendigkeit der Schul¬ 
ärzte ebensosehr wie in denen der Lehrer getheilt sind. 

Was Deutschland betrifft, so hat der Deutsche Aerztetag ein¬ 
stimmig erklärt, dass die bisherigen Erfahrungen die Ein¬ 
setzung von Schulärzten allgemein als dringend erforderlich er¬ 
scheinen lassen, und der ärztliche Bezirksverein München, der 
über die Münchener Verhältnisse ein coinpelentes 1’rtlieil haben 
dürfte, hat mit allen gegen <i Stimmen die Einführung derselben 
auch für München als uothwendig erklärt. Im Pebrigen hat in den 
letzten Jahren wohl die gesammte medicinische Fachpresse Bei¬ 
träge und Meinungsäusserungen aus ärztlichen Kreisen gebracht, 
aus denen nicht zu entnehmen ist, dass irgendwie nennenswerthe 
Meinungsverschiedenheiten über die Xothwendigkeit der Schul¬ 
ärzte innerhalb der ärztlichen Welt bestehen. 

Warum nun, wie Herr Dr. Stern feld meint, gerade München 
einer gesonderten Beurtheilung bedürfen soll, ist nicht erfindlich. 
Auch andere Städte besitzen gute und gesunde Sehulhäuser, hüben 
aber die Schulärzte doch eingeführt; mit der Einführung derselben 
aber — wie Herr Dr. Sternfeld will — zu warten, bis sich un¬ 
günstige Gesundheitsverhältnisse an unseren Volksschulen heraus¬ 
gestellt haben, scheint doch ein etwas uuzweckmiissiger Vorschlag. 
Wollte man so handeln, so würde mau zweifelsohne gegen die 
Grundregeln der Hygiene verstosseu, die ihre vornehmste Aufgabe 
darin erkennt, Uesuudheitsschüdiguugen zu v e r li ii t e n. Wenn 
wir in München das Glück haben, eine grosse Anzahl muster- 
giltiger Schulhäuser zu besitzen, so bietet diese Thatsaehe be¬ 
kanntlich noch keine absolute Gewähr dafür, dass durch den 
Schulbetrieb selbst, durch mangelhafte Reinlichkeit, unrichtige Be¬ 
handlung der Ventilations-, Heizungsvorrichtungen u. s. w. den 
Kindern nicht doch Schaden erwachsen kann. Fml Klagen aus 
Lehrerkreisen selbst bestätigen uns, dass auch hier solche Febel- 
stände da und dort bestehen. Unsere heutigen Schulhäuser sind 
zu riesenhaften Verhältnissen herangewachsen; sie enthalten eine 
Menge hygienisch-technischer Vorrichtungen ,die, wenn sie Be¬ 
deutung haben sollen, auch ordentlich functioniren müssen; sie be¬ 
herbergen viele Stunden des Tages Tausende von Kindern; gar 
oft treten, wie uns aus Lehrerkreisen versichert wird und wie 
auswärtige Berichte über bestehende Schularzteiuriclituugen dur- 
tliun, an den Lehrer Fragen heran, die er durch den Arzt sich be¬ 
antworten zu lassen das Bedürfnis» hat — ist es zu viel, wenn mau 
fordert, dass der Riesenorgauismus des modernen städtischen 
Schulhausos — wie jeder andere Betrieb ähnlicher Art — auch 
nach der liyieuischen Seite hin unter ständige fachmännische Auf¬ 
sicht gestellt, wird? Und gegen eine solch* natürliche Forderung 
ruft ein Münchener Arzt die Lehrer, die Eltern auf? 

Nun sagt Herr Dr. Sternfeld freilich, dass der Forderung 
«ler hygienischen Ueberwachung der Schulen in Bayern bereits 
dadurch Rechnung getragen sei, dass dem k. Bezirksarzte die Be¬ 
aufsichtigung der Schule und der Schulkinder in hygienischer Be¬ 
ziehung obliegt. Aber er unterlässt, hinzuzufügen, was jedem Arzt 
bekannt, dass es den Bezirksärzten bei den in’s Uebergrosse ge¬ 
wachsenen Verhältnissen der städtischen Schulen gänzlich un¬ 
möglich geworden ist, diese Ueberwachung in genügender Weise 
zu bethatigen. Die einschlägigen Verordnungen datiren aus den 
Jahren 1S<‘>7 und 1875; was damals möglich war, ist es heute nicht 
mehr; die erforderliche intime Fühlung des Arztes mit der Schule, 
die dabei zu leistende regelmässige Detailarbeit, erfordert be¬ 
sondere ärztliche Kräfte, welche nicht ganz unabhängig, sondern 
im Ein vernehmen mit dem k. Bezirksarzte ihres Amtes walten 
sollen. 

Dass die Schulärzte als solche nichts mit der ärztlichen Be¬ 
handlung erkrankter Schulkinder zu thun haben sollen, versteht 
sich von selbst. Jeder Kenner der Verhältnisse weiss, dass eine 
derart ige Tliätigkeit dem Wesen der Schularztinstitution vollkommen 
fnund ist und dieselbe nur schädigen könnte; überdies hatte ich 
in meinem Referate au dem Beispiel von Wiesbaden, Leipzig, 
Frankfurt, Königsberg u. a. gezeigt, dass in dieser Beziehung die 
(’oinpetenzen der Schulärzte überall auf’s Bestimmteste abgegrenzt 
sind. Wenn trotzdem — wie auch iu den Thesen des Herrn Dr. 
S t e r n f e 1 d — immer wieder dieses Bedenken auftaucht, so 
scheint mau annelimen zu müssen, dass die ganz unbegründete 
Furcht vor Schädigung der Privatpraxis durch die Schulärzte 
noch immer nicht ganz beseitigt ist. 

Noch einen Punkt in den Ausführungen des Herrn Dr. 
Sternfeld, kann ich nicht unterlassen zu berühren. 
Dr. Thicrsch- Leipzig hatte sich als Referent auf dem Aerzte- 
tage zu Eisenach 1897 gegen gewisse von anderer Seite geäusserte, 
nach seiner Meinung zu weit gehende Wünsche hinsichtlich der 
für die Schulärzte zu fordernden Competenzen ausgesprochen 
und gesagt: „Die Einsetzung derartiger Schulärzte hat zur 
Voraussetzung, dass die Schule ein durch und durch kranker 
Organismus ist, krank nicht nur äusserlich, sondern auch bezüg¬ 
lich der Unterrichtsmethode. Man würde sonst eine derartige 
Ueberwacliuug nicht fordern.“ 

Diesen Satz von Thier sch nimmt Herr Dr. Sternfeld 
aus seinem Zusammenhang und setzt ihn, offenbar um seine 
eigenen Ausführungen zu bekräftigen, an das Ende derselben. 
Jeder mit der Sachlage nicht Vertraute muss dadurch zu der ganz 
irrigen Anschauung gelangen, dass Thlersch als Referent auf 
dem Aerztetag sich gegen die Schulärzte ausgesprochen habe. 
Den Lesern der Münch, med. Woehenschr. gegenüber ist es indes» 

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kaum nöthig, auf das — Unrichtige in der Sternfeld- 
schen Darstellung aufmerksam zu machen, denn sie kennen 
T li i e r s e li als einen warmen und überzeugten Verfechter der 
Schulärzte. 

Es besteht kein Zweifel, «lass die grosse Bedeutung der Schul¬ 
ärzte für das allgemeine Wohl heilte noch von Manchen untm- 
»«•hätzt. und «lie Aufgabe, «lie den Sehulärzten zufallen soll, nicht 
richtig verstumhn wird. Nur so siml manche gegnerische Aeusse- 
rungen «oklärlicli. Weit «uv Erörterungen in Wort lind Schrift, 
insbesondere in di n zur Lösung «ler Frage berufenen Körperschaften, 
werden nicht verfehlen können. Aufklärung zu schaffen. Die That- 
sache. dass in den Reihen der Gegner auch Aerzte zu finden siml. 
ist ja nicht erfmdieh, aber auch sie wird nicht vermögen, di« 4 
Sebularztinsiitution. «lie so viel innere Berechtigung besitzt und 
in so hohem Grad« 4 «lie physische Hchiuig des Volkes zu fönho’n 
berufen ist. in unserer guten Stadt München auf die Dauer iii«‘«ler- 
zuhnlr<»ii. Dr. August W e i s s. 


Ein kleiner Beitrag zur „Bekämpfung der Cur- 
pfuscherei“. 

Von Dr. Bl e n e k o in Magdeburg. 

In Xo. 7 «lii'ser geschützten Zeitschrift timlet sich in dem Auf¬ 
satz des Herrn llofruth Dr. Brauser „Aus den preussischen 
Aerztekainmern" uni er anderem auch die kurze Notiz, «lass von 
einer Kammer «li«* Forderung gestellt sei, dass PfiiKclicraunonccn 
in «ler Press«» zu verbieten seien, ln der Thal eine gerechte For¬ 
derung. die aber wohl noch lang« 4 nicht erfüllt werden wird. Wir 
sind eben in diesem Punkt« 4 leider uoch nicht so w’eit, wie 
unsere österreichischen Bundesgenossen. Heisst es doch in «l«*m 
Wiener Brief vom 29. De«*eniber 1899 in dieser Zeitschrift, «lass mit 
allen gesetzlichen Mitteln alle Uurpfuscheriiiserate in den poli¬ 
tischen Zeitungen Wiens unterdrückt würden. Ja, < 4 s wuirden s«»- 
gar einige Tagcshliltter contiscirt uml die (’ontiseation seitens des 
k. k. Laudg«‘riehts bestätigt mit der Motivirung, dass die bewussten 
Inserate der (’urpfuselierei Vorschub leisteten. Wenn wir nun auch 
noch lange darauf warten können, bis wir derartige Annoncen uml 
Reelameartikel aus der Tag« 4 spresse verschwinden sehen, so sollten 
wir dennoch nicht die Hämle ruhig iu den Schoos» legen, sondern 
wir sollten wenigstens einstweilen an der Stelle zu arbeiten Un¬ 
fällen, wo es uns Aerzten möglich ist, zu arbeiten; ich meine näm¬ 
lich, dass wir mit allen Mitteln darauf hinwirken, dass derartig« 4 
Inserate, in «lenen Xichtiirzte «lie schönsten Dinge betreffs der Hei¬ 
lung von Krankheiten und Gebrechen versprechen, zum mindesten 
aus der medicinischeu Fachliteratur verschwänden. Wie komisch 
muss es doch wirken, wenn in medicinischeu Zeitungen, die doch 
die Interessen der Aerzte vertreten, oder in Mediciualkalemlern 
oder anderswo lange Inserate vou Nichtärzten, also voll Pfuschern 
zu linden sind, von denen es dem einen beispielsweise gelingt, 
„ohne Operation“, „ohne Bettruhe“ „die Heilung auch der schwer¬ 
sten und eingreifendsten körperlichen Missbildung herbeizuführen“ 
oder „in allzu arg vernachlässigten Fällen wenigstens ganz be¬ 
deutende Besserung zu erzielen“. Das ist einfach nicht wahr uml 
nicht möglich, «leim wir alle wissen ja, ein wie grosser Theil der 
Deformitäten ohne Operation und nur mit Apparaten nicht geheilt 
werden kann, mögen die Gummizüge oder die federnden Stahl: 
Stangen auch noch so gut und noch so lauge wirken. Ich erinnere 
uur an die wahren Ankylosen, die wir nur beseitigen können, wenn 
wir «len Knochen direct angreifen, i«-li erinnere ferner au «len Wider¬ 
stand der Adduetoren bei alten Hüftgelenkscontracturen, an den 
Widerstand der Achillessehne bei einem alt« 4 ii Spitzfuss. an den 
Widerstund des Sternocleidomastohleus beim Schief hals; alle diese 
Widerstände können wir nur durch «las Messer überwinden. 

Ein Zweiter empfiehlt sein Sanatorium, in dem „Schwüche- 
zustünde und alle Folgen der Quecksilberbehandlung“ und vieles 
andere noch mehr beseitigt wird. Am Schlüsse dieses Inserates 
sieht allerdings noch die kurze Bemerkung „Arzt und Aerztin in der 
Anstalt“. Aber was haben wir denn von solchen „Collegen“ zu 
halten, die von der Universität geprüft und vom Staate autorislrt 
sind und sieh dennoch nicht scheuen, sich einem „Naturheil¬ 
kundigen“ zu unterstellen! Sie sind ja nur Strohmänner uml 
müssen das, was ihnen vou einem Nichtarzt vorgeschrieben wird, 
einfach ausführen. 

Demnach dürfte es wohl dringend zu wünschen sein, dass die 
Herausgeber derartiger Zeitungen bezw. Bücher auch dem Inse¬ 
in tentheil eine grössere Beachtung schenken und mehr als bisher 
darauf hinwirken möchten, dass hinfort derartige Inserat« 4 aus don 
Spalten der Fachliteratur verschwänden. 


Referate und Bücheranzeigen. 

H. lenhartz: Erysipelas (Kose, Bothlauf) and Ery- 
sipeloid. III. Band, 3. Theil der specieilen Pathologie und 
Therapie. Ilerausgegeben von Nothnagel. Wien 1899. 
Verlag von Alfred H ö 1 d e r. Einzelpreis 3 M., für Abonnenten 
2.50 M. 104 S. 

Verfasser bestimmt den Krankheitsbegriff des Erysipels 
folgendermaassen: „Als Erysipel betrachten wir eine acut ein- 
setzendo, fieberhafte Infectionskrankheit, die durch eine eigen¬ 
artige, stets scharf umschriebene, aber zu rascher flächenhafter 
Ausbreitung neigende, entzündliche Köt.hung und Schwellung 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



No. 9. 


206 


MÜNCHENER MEDICTXISCHE WOCHE N SCH RITT. 


der äusseren Haut oder der den natürlichen Körperöffnungen 
nahegolegenen Schleimhäute eharakterisirt ist, durch das Ein¬ 
dringen eines wohlbekannten 'Mikroorganismus in die verletzte 
Haut erregt wird und in der Hegel nach einer bestimmten Dauer 
von selbst aufhört, ohne irgend welche Veränderungen der Häute 4 
zu hintrrlassen, während in selteneren Fällen ernsten» Erkrank¬ 
ungen dt 4 r Haut oder innerer Organe folgen können.“ 

Es folgen 1Bemerkungen zur Geschichte des Erysipels, wobei 
besonders der Forschungen Fehlei sen’s gedacht wird, welche 
die Aetiologie aufgedeckt haben, ferner über das epidemische Auf¬ 
treten des Erysipels in Krankenhäusern,Wohnungen, Ortschaften 
und Ländern, über den Einfluss von Klima, Jahreszeit und Boden. 
In der „Aetiologic“ heisst es: „Der Satz, dass das Erysipel unter 
allen Umständen und Erscheinungsformen stets nur durch den 
Streptococcus hervorgebracht wird, ist unanfechtbar.“ Der 
Streptococcus des Erysipels ist identisch mit dem Streptococcus 
pyogenes. Der Beweis für die Identität ist von Petrus c h k y 
erbracht worden: Streptococcen, die von nichterysipelatüsen 
Krankheitsherden des Menschen stammten, erzeugten bei der 
Uebertragung auf einen anderen Menschen Erysipel. Der Strepto¬ 
coccus kann nicht nur das Erysipel und die von ihm abhängigen 
inneren Eiterungen, sondern auch die primären Eiterungen er¬ 
regen, mögen sie ein echtes Erysipel im Gefolge haben oder nicht; 
ein gleiches Verhältnis» besteht zwischen dem Puerperalfieber 
und dem bei ihm auftretenden Ery sipolas; endlich wird auch die 
allgemeine Sepsis, die glücklicherweise nur sehr selten dem Ery- 
sipelas folgt oder von einem sekundären, aber (»eilten Rothlauf 
begleitet ist, durch den gleichartigen Streptococcus erregt. Die 
Bedingungen, die im Einzelfall das Bild beherrschen, sind für 
uns nicht durchsichtig. Der Streptococcus ist der alleinige 
Erreger des Erysipels. 

Die „Pathologie“ wird eingeleitet mit dem Abschnitt: 
Incubationsdauer bei experimenteller Uebertragung und spon¬ 
tanem Auftreten; es folgt „Krankheitsbeginn und Verlauf“. Die 
Symptome an den einzelnen Organen werden eingehend geschil¬ 
dert. Besonders betont der Verf., dass die Lymphadenitis zu den 
regelmässigsten klinischen Erscheinungen des Erysipels gehört, 
eine Thatsache, die nicht genügend beachtet wird. Den Fieber¬ 
verlauf veranschaulichen mehrere Curven. Jede Rose ist von 
Fieber begleitet, das gelegentlich gering und rasch vorüber¬ 
gehend ist. Diese im Gegensatz zu anderen Autoren stehende 
Ansicht erklärt Verf. dadurch, dass nur bei 2—3 stündlicher 
Aftennessung ein genaues ürtheil über den Gang der Temperatur 
möglich ist und dass solche Messungen meist nicht gemacht 
jverden. 

„Ueber Rückfälle und Recidive des Erysipels und habi¬ 
tuelles Erysipel“, „Das Erysipel der Säuglinge und Kinder“, 
„Das Erysipel als Complication bei anderen Krankheiten oder 
nach Ablauf derselben“ lauten die nächsten Capitel. 

Sehr interessant sind die Beziehungen zwischen Scharlach 
und Erysipel. Verf. theilt vier F'älle mit, in denen er das Zu¬ 
sammentreffen beider Krankheiten beobachtet hat. Manche Be¬ 
obachtungen sprechen zu Gunsten der Hypothese, dass Erysipel, 
Puerperalfieber und Scharlach durch gleichartige Mikrobien er¬ 
zeugt werden. Die Erfahrung, dass bisher nur selteu bei un- 
complicirtem Scharlach Streptococcen nachgewiesen wurden, 
spricht dagegen. Die Beziehungen zwischen den drei Krankheiten 
erfordern noch ein fortgesetztes eingehendes Studium. Einst¬ 
weilen scheint dem Verf. die Auffassung noch mehr gestützt, die 
den Streptococcen beim Scharlach eine seeundäre Rolle als Er¬ 
reger derComplieationen bezw.derDeuteroinfectionen zuschreibt. 
Jedenfalls kann cs keinem Zweifel unterliegen, dass wir in allen 
Fällen von septischem Scharlach Streptococcen begegnen. 

Es schliessen sich an die Abschnitte: Diagnose, pathologisch- 
anatomischer Befund (mit 2 Abbildungen), Prognose und Mor¬ 
talität (zwischen 0,85 und 11 Proc.), Prophylaxis, Behandlung. 
Hier wird bei dem Mangel zuverlässiger Mittel empfohlen, die 
entzündeten Stellen öfter am Tage mit reiner Vaseline oder Bor¬ 
vaseline zu bedecken oder gekühlte Umschläge von Bor-, dünnem 
Salicyl- oder Bleiwasser anzuwenden. Bei hohem Fieber kommen 
laue Bäder (24—26 0 R.) in Betracht, bei Herzschwäche Digi¬ 
talis oder Digitoxin (M e r c k), 14 mg drei- bis viermal täglich, 
zwei Tage nach einander, dann einen Tag Pause. Das Präparat 
verdient nach der ausgedehnten Erfahrung von L. weitere An¬ 
wendung. Von dem Autist reptoooccenserum (M armorek) 

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rätli L. unter Anführung von zwei Krankengeschichten durch¬ 
aus ab. 

Ein Anhang enthält Ausführungen über die Heilwirkungen 
des spontanen oder willkürlich hervorgerufenen Rothlaufs (Ery¬ 
sipele salutaire). Manche Geschwülste (Sarkome, Caroinome) 
sind durch den Rothlauf zum Verschwinden gebracht worden. 
Die Erfolgt» sind jedoch spärlich und unsicher; immerhin ist 
gegen diese Heilbestrebungen nichts einzuweuden, da es sieh ja 
stets um sonst \crlorene Fälle handelt. 

Das Literaturverzeichnis» umfasst 113 Arbeiten. Den Schluss 
bildet der Abschnitt Erysipeloid (zoonotisches [Finger-] Erysi- 
peloid, R o s e n b a c h). Es handelt sich um eine rothhmf- 
äbnlielie, unschuldige Erkrankung der Finger bei Leuten, die 
mit Fleisch, Wild, Geflügel und Austern, mit Käse, Häringen 
u. dergl. zu tiiuii haben. Kein Fieber. Allgemeinbefinden gut. 
Prognose sehr günstig. Recidive sind nicht beobachtet. Ver¬ 
wechslungen mit Erysipel sind kaum möglich bei Kenntniss der 
angeführten Zeichen. Manche im Gesicht localisirte für Ery¬ 
sipel gehaltene fieherlose Fälle gehören sicher in die Gruppe des 
Er.vsipeloids. 

Im Vorstehenden war es nur möglich, die Grundsätze der 
I. (» n h a r t /'sehen Arbeit in Kürze auzuführen. Die Einzel¬ 
heiten sind eingehendem Studium des Originals Vorbehalten. 
Das Buch ist geschrieben aus einer sehr reichen, kritischen Er¬ 
fahrung, welche uns überall begegnet und den Ansichten des Verf. 
zur sicheren Stütze dient. Wir finden den jetzigen Stand unserer 
Kenntnisse über das Erysipel in einer hervorragenden Weise be¬ 
arbeitet. Das Werk nimmt, eine würdige Stelle in der N o t li - 
n a g e 1 Vehen Pathologie und Therapie ein. 

W. Zinn- Berlin. 

E. Kirmisson: Lehrbuch der chirurgischen Krank¬ 
heiten angeborenen Ursprungs. Autorisirte Uebersetzung von 
C. Dentschländer. Mit 312 Abbildungen. Stuttgart 
(F. E n k e) 1899. Preis 15 M. 

Das Buch des bekannten Pariser Orthopäden, welches nicht 
nur die eigentlichen orthopädischen, sondern alle chirurgischen 
Leiden angeborenen Ursprungs behandelt, wie z. B. die Spina 
bifida, die Hasenscharte, die Halsfisteln, die angeborene Hüft¬ 
verrenkung u. a. wird sich in der vorliegenden Uebersetzung 
zahlreiche Freunde in Deutschland erwerben. 

Es ermöglicht eine leichte und schnelle Orientirung in den 
meist sehr verwickelten Fragen der angeborenen Fehler, da jedem 
Abschnitte eine klare Darstellung der embryologischen Verhält¬ 
nisse vorausgesehiekt und die Literatur aller Länder eingehend 
berücksichtigt ist, und es bringt eine grosse Anzahl von werth- 
vollen casuistischen Mittheilungen aus der Kirmisso n’schen 
Klinik. Eine ganz hervorragende Bedeutung erhält da 9 Werk 
durch die klare und entschiedene Weise, in welcher der Verfasser 
Stellung zu den einzelnen Streitfragen nimmt und es ist sicher 
für jeden Fachmann von grösstem Interesse, in Fragen, welche 
die Gegenwart so lebhaft beschäftigen — wie z. B. die Behandlung 
der angeborenen Hüftverrenkung u. a. — die Ansichten des viel- 
erfahrenen Chirurgen kennen zu lernen. 

F. Lange- München. 

Festschrift zur Feier des 50 jährigen Bestehens der 
physikalisch - medicinischen Gesellschaft zu Würzburg. Ver¬ 
lag von A. Stüber (C. K a b i t z s c h) in Würzburg. Preis 
15 Mark. 

Von dieser Gesellschaft ist eine Festschrift herausgegeben 
worden, die als reich und vornehm ausgestatteter, starker Band 
äusserlich sich präsentirt. Ihr Inhalt ist, entsprechend der Zu¬ 
sammensetzung der Gesellschaft, welche ja Mediciner und Natur¬ 
forscher zu gemeinsamer Arbeit im weiten Felde der Wissenschaft 
in sich vereinigt, ungemein reichhaltig und vielseitig, wie die 
nachfolgende Inhaltsangabe erkennen lässt, dabei wissenschaft¬ 
lich bedeutungsvoll und ein hervorragendes Zeugniss für die 
Intensität des geistigen Lebens in der Würzburger Gesellschaft. 
Die Medicin hat den Löwenantheil beigesteuert und da uns diese 
Arbeiten in erster Linie interessiren, so seien sie zuerst erwähnt: 
1. L. B a c h beschreibt einen Fall gutartiger Iritis nach Angina 
phlegmonosa. 2. M. B o r s t bringt eine ausführliche Studie über 
die congenitalen cystösen Neubildungen der Nieren und Leber. 
3. A. Dehler: Beitrag zur operativen Behandlung des Hydro- 
cephalus chron. ventriculorum. 4. A. Dieudonne: Ueber 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




27. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


297 


«lie Vererbung der Agglutinine bei cliolera-immiinisirteii Meer¬ 
schweinchen. Eine solche Vererbung besteht lind zwar in um so 
höherem Maasse, je hochgradiger die Eltern immunisirt sind. 

5. Untersuchungen und Erörterungen zur Cervixfrage von 
(). v. Franque (mit einem instructiven Utorussagittalschnitt). 

6. A. Gürber bespricht die Frage: Wie beeinflusst die Ver¬ 
dauung' das Drehungsvermögen eim*r Eiweisslösung? wobei er 
be»sonders die oft unterschätzte Bedeutung der Pepsinverdauung 
hervorhebt. 7. A. H o f f a bringt einen durch 5 Tafeln illu- 
strirten Beitrag über die Osteotomie bei der Behandlung der 
Ilüftgelenksdeformitäten mit ausführlicher Casuistik. 8. M. llof- 
meier bespricht Befunde von Placenta praevia in der Tube (wie 
der Artikel von Borst mit technisch wohlgelungenen Präparat¬ 
abbildungen ausgestattet). 9. A. K ö 11 i k e r publicirt neue 
Beobachtungen zur Anatomie des Chiasma opticum, die er aus 
der Anwendung der W eiger t’schen und G o 1 g i’schen Methode 
bei Embryonen gewann. Nach diesen neuen Untersuchungen 
(sehr schöne Abbildungen) kann K. auch für den Menschen un¬ 
möglich eine grössere Zahl von sich kreuzenden Fasern im 
Chiasma opt. annehmen. 10. W. v. L e u b e berichtet über seine 
Versuche, durch Anregung einer stärkeren Salivation zu medi- 
cinisch-therapeutischen Zwecken (Ptvalise), welche er durch 
energisches Kauen von Gummikautabletten erzielte, die Auf¬ 
saugung von Transsudaten und Exsudaten zu ermöglichen. Die 
mitgetheilten Erfolge sind zum Theil überraschend günstige. 
11. v. Michel veröffentlicht Beiträge zur Onkologie des Auges 
(mit 2 Tafeln). 12. E. Kindfleisch schildert einen Fall 
von Dysplasia foetalis universalis (mit Zeichnungen). 13. O. Ro¬ 
st o s k i : Zur Pathologie deft Muskelrheumatismus. 14. J.So- 
b o 11 a : Ueber die Bedeutung der mitotischen Figuren in den 
Eierstockseiern der Säugethiere (mit 1 Tafel). 15. Ph. S t ö h r : 
Ueber Rückbildung von Duodenaldrüsen (mit einer Tafel). 
16. L. W. Weber berichtet über Einrichtung und Arbeitsergeb¬ 
nisse des anatomischen Laboratoriums der Landes-Hql- und 
Pflegeanstalt Uchtspringe. 

An anderweitigen Arbeiten bringt die Festschrift noch: 
Von G. Kraus : Nord und Süd im Jahrring; II. Stadel- 
mann: Beitrag zur Theorie der geometrisch-optischen Täusch¬ 
ungen, mit interessanten psycho-physiologischen Versuchen. 

Möge der Geist ernster wissenschaftlicher Forschung der 
physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzburg jederzeit 
treu bleiben! Dr. Grassmann - München. 


Aerztliche Berichte ans Heilstätten für Lungenkranke: 

Jahresbericht des Vereines Heilanstalt Alland für 
das Jahr 1898. Wien, Verlag des Vereins, 1899. Mit Bildern und 
Pliinen. 95 p. 

Einleitender Bericht über die wediselvollen Schicksale des 
Projeetes einer Volksheilstiitte bei Wien, das v. Schrotte r 
1.883 zuerst anregte, über die Geschichte des Vereins und Baues 
der Anstalt, die Anfangs 1898 bezogen wurde. 

Aerztlieher Bericht des Directors A. K. v. W e i s m a y r : Auf- 
genommeu 108 Kranke, entlassen 49, davon 30 anscheinend geheilt 
(»der wesentlich gebessert. Die Patienten arbeiten zum Theil. Vor¬ 
träge iil>or Hygiene werden von den AustaUsiirzten gehalten. 

Nun folgt die genaue Beschreibung und Illustrirung der 
inustergiltigen Anstalt. Hieraus nur einige Details. Grund 
70.405 iia. 108 Betten: 3 Stockwerke 1 mit je 4 y 8 -f- 2 X - Betten, 
Luftknlnis 40 bezw. 45 cbm. 3 Tagesräume. Liegestühle mit ver¬ 
stellbarem Kopftlieil. Histologisches, chemisches und hacterio- 
logisches Iaiboratorium mit eigener Gasaplage. Die Baukosten 
erscheinen verliUltuissmässig niedrig: 581000 ti. (allerdings zum 
Theil ohne Inventar). Die Mittel des Vereins sind ausserordentlich 
reich. Der Verpflegungssatz betrügt 1 bezw. 2.50 fl. p. d. 

Von Interesse sind noch die Broschüre und das Plakat von 
v. Weisma y r, die in 300 000 bezw. 80 000 Exemplaren verbreitet 
wurden. 


Die Volksheilstätte des Kreises Altena bei Lüden¬ 
scheid. Mitt hei hingen des Vorsitzenden des Kreisausschusses. 
Coinm.-Verl. P. Dalichow, Lüdenscheid. 1899. Mit Bildern 
und Plilnen. VIII. 90 p. 

Die Volksheilstätte, für männliche Brustkranke, ist die erste, 
welche von einem preussisehen Coimminalverbände erbaut wurde. 
Sie wurde am 1. VIII. 1898 eröffnet., kann 100 Krankt* auf nehmen 
<:> Zimmer mit 8 Betten, 2 mit 7 etc.) und umfasst ein Areal von 
30 lia. Meissen lind O h 1 m filier haben zur Platzwahl Gut¬ 
achten abgegeben. Die Baukosten betrugen im Ganzen 
ea. 450 000 M. Der Pflegesatz betrügt 3.50 M. p. d., die Verpflegung 
kommt (mit Abzug der Personal Verpflegung» auf 1,52 M. 

Im ärztlichen Bericht macht der leitende Arzt Stauffer 
zunächst auf einige Mängel der Anlage auf merksam und gibt 
weiterhin ein anschauliches Bild vom Betrieb der Anstalt (7 Sld. 
Liegezeit, 0 Mahlzeiten, die Patienten arbeiten zum Theil). In 


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den ersten 8 Monaten wurden aufgenommen 259 Kranke, entlassen 
105. als erwerbsfähig 122, als geheilt 31. Durchschnittliche Ver¬ 
pfleg» ngszcit 81.7 Tage. 

Die zahlreich abgedruckten Verträge, Acten, Formulare, Kost- 
berechnungen. Angaben von Firmen, Speisezettel (wenig Bier, 
häutig Kartoffel, Abends meist Tliee) etc. sind üusserst instructiv 
für Einrichtung, Verwaltung und Betrieb der Anstalt. 

Schliesslich ein Vortrag von I)r. H e y d w e i 11 e r , Landrath 
in Altena, vor der deutschen Naturforscher- und AerzteVersamm¬ 
lung in Düsseldorf 1898: Wer soll Heilstätten bauenV (Antwort: 
Eine staatlich geordnete Gemeinschaft.) 

Die Handhabung des Heilverfahrens bei Versicherten 
durch die Hanseatische Versicherungsanstalt für Invaliditäts- 
una Altersversicherung im Jahre 1898 und Ergebnisse dss 
Heilverfahrens bei lungenkranken Versicherten bis Ende 1898. 

Der Pircctor der Hanseatischen Versicherungsanstalt, Geb¬ 
hard, hat zuerst (1895) die Versicherungsanstalten darauf liin- 
gewiesen, dass ihnen nach § 12 des Alters- und Invaliditätsgesetzes 
die Fürsorge für versicherte Lungenkranke zukomint, und so sind 
auch die von ihm herausgegebenen Ergebnisse vorbildlich für der¬ 
artige Statistiken. Schon die Einrichtung einer AufnaUmaunter- 
suchung durch Vertrauensärzte, einer Controluntersuchiing nach 
der Cur und einer Xaehbesichtigiing nach wenigstens einem Jahr 
durch dieselben erscheint beaehtenswertli, sowie die hierbei ge¬ 
bräuchlichen einfachen Schemata zur Beurtheihmg des örtlichen 
Leidens, des Allgemeinbefindens lind der Erwerbsfähigkeit 
(cf. P r e d ö li l’x — eines Hamburger Vertrauensarztes — Vortrag 
. auf dem Berliner Tuberculosecongress). 

Aus der grossen Zahl sorgfältigster Tabellen und Berech¬ 
nungen können vir nur Einiges anführen. 

Im Jahre 1898 wurden 721 Lmigenschwindsüelitige verpflegt, 
(in Oderberg. St. Andreasberg. Altenbrak, Salzuflen. Rehburg. 
Oeynhausen, Büsnm, Görbersdorf). Die Kosten für das Heilver¬ 
fahren betrugen 190 (199 M. (wovon ein nicht geringer Bruehtheil 
für die Reise). 

Im Ganzen wurden bis Ende 1898 2109 Lungenschwiinl- 
süchtige verpflegt, für einen Curerfolg (länger als 4 Wochen in 
Behandlung) kommen 2132 in Betracht. Hievon wurden als voll 
erwerbsfähig entlassen 70.3 Prot*. 

Ein Einfluss auf den momentanen und weiteren Curerfolg 
ist nicht deutlich zu Anden für erbliche Belastung und Lebens¬ 
alter, deutlich für Ausdehnung des Lungenleidens, körperliche 
Veranlagung und Zustand des Allgemeinbefindens. 

Von den länger als 4 Wochen in den Jahren 

1894, i895, 1896, 1897 Behandelten 

sind nach der Entlassung ge¬ 
storben 38,8 29,9 14,8 5,1; 

Invalidenrentner 13,9 9,0 7,2 7,4; 

in guter Erwerbsfähigkeit 35,7 45,6 60,7 66,5. 

Jahresberichte für das Jahr 1898 der Basler Heil¬ 

stätte für Brustkranke in Davos und des Basler Hilfsvereins 
für Brustkranke. Basel Kreis 1,899 (mit Bild) 35 p. 

Zuerst 2. Jahresbericht des B. Hilfsvereins (au 29 Patienten, 
bezw. ihre Angehörigen, wurden insgesammt 2372 Fr. für Fu- 
niillemiiiterstützuug, Kleider, Unterstützung nach der Entlassung. 
Arbeitsvermittelimg ausgegeben): Bericht der Commission zur 
B. Heilstätte (VerpflegungskTisten kommen im Ganzen auf 3.385 Er. 
p d.); der Aufnalimecommission (F. Egger: 108 Kranke neu auf- 
genommen, 22 zurückgewieseii, einige aus moralischen Rück¬ 
sichten — hierüber werden nun stets vor der Aufnahme Nach¬ 
forschungen angestellt: 92 Nachuntersuchungen von über einem 
Jahre Entlassenen ergaben: 13 gestorben. 59 voll erwerbsfähig, 
50 hatten noch ein höheres Körpergewicht als vor Beginn der Cur). 

Bericht des Directors Aug. K ii n d i g: 202 Patienten, 14 mit 
Kehlkopfeomplieationeii. 11 mit Blutungen: mittlere Frequenz 59. 
Gegen Ende des Jahres wurde der 3. und 4. Stock vollendet, so dass 
90 aufgenommen werden können. Mittlere Verpfleguugszeit 
108.2 Tage, durchschnittliche Zunahme 3.9 kg: 59 Prot*, leichte 
Fälle: 02.8 Proo. wurden als geheilt oder wesentlich gebessert ent¬ 
lassen. Die Patienten arbeiten zum Tlieil im Garten. 

P I s c 1» i n g e r. 


Neueste Journalliteratur. 

Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1900. 54. Bd., 3. u. 4. 
Heft, Januar. Leipzig, Vogel. 

15) 1 n g i a n i : Ueber die Regeneration der männlichen 
Harnröhre. (Chirurg. Klinik Genua.) 

I. hat durch eine Reihe von Versuchen am Hunde nacli- 
gt wiesen. dass man die Regeneration eines mehr oder weniger 
grossen Abschnittes der Harnröhre erzielen kann. Pie Regenera¬ 
tion betrifft die Schleimhaut und die cavernöse Gewebsschicht: 
eine Regeneration der Museuhl ris lässt sich nicht in gleicher Weise 
beobachten. Die Regeneration des cavernösen Gewebes beginnt 
mit der Proliferation der Endotlielicn in den hei der Ent¬ 
fernung des Harnröhronabschnittos erüffneten Hohlriimnen. 
Die Endotlielicn überziehen die im Grauulatlonsgewebe 
sieh sinusartig bildenden neuen llohlrüume. Die neugebildete 
cavernöse Schicht, wird überkleidet von einem einschichtigen 
Plattenepithel, welches sich von dem Epithel der Rosections- 
stiimpfe fortpflnnzt. Je geringer di«* nach «ler Operation auf- 
tr«*t«*n<le Entzündung» um so ms ln / wird die R generalion 
beendet. 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



298 


No. 9. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Pflanzt man einen kleinen Harnrölirenstumpf in einen künst¬ 
lich nnter der Haut geschaffenen Canal, so vergrössort sich der¬ 
selbe und kleidet die Wand des Ganzen aus; man kann so künst¬ 
lich eine neue Harnröhre schaffen, welche nach Structur und Func¬ 
tion an die normale erinnert und sie ersetzen kann. Auch regene¬ 
rireu sich Schleimhaut und cavernöse Schicht, die Museularis be- 
tlieiligt sich nicht. 

IG) O. W o 1 f f : TJeber traumatische Epiphysenlösungen. 
(Kölner Bürgerspital.) 

W. hat im Verlauf von 2 y a Jahren unter 525 Knochenbrüchen 
34 Epiphysenlösungen beobachtet. Von denselben betrafen die 
meisten — 13 —die untere Humerusepiphyse, 7 die untere Tibia- 
epipbyse, je 5 die obere Humerus- und untere Radiusepiphyse, die 
übrigen Epiphysen waren nur 1—2 mal betheiligt. 

Auf die einzelnen, durch gute Skiagramme illustrirten Ver¬ 
letzungen kann hier leider nicht eingegangeu werden. Im All¬ 
gemeinen sei bemerkt dass die Ursache in der Hegel eine directe 
Gewalteinwirkung war. Die Diagnose gründet sich vor allen 
Dingen auf das Alter, auf den Sitz der Verletzung, auf die häufige 
Mitbetheiligung des nächsten Gelenkes, auf die weiche Form der 
Crepitation. Die Beseitigung der Verschiebung ist manchmal eine 
ziemlich schwierige Sache. 

17) B a k e s : Operative Therapie des Mastdarmvorfalles. 
(Alber t’sche Klinik Wien.) 

B. bespricht die verschiedenen Operationsmethoden unter Mit¬ 
heilung von einschlägigen Fällen aus der Albe r t’schen Klinik. 
Von 2 mit Kauterisation behandelten Patienten bekam einer ein 
Recidlv. Bei 2 Kranken wurde ein dreieckiger Keil zur Ver¬ 
engerung des Afters excidirt. 5 Fälle wurden mit Ligatur be¬ 
handelt, einer derselben bekam eine eitrige Peritonitis und starb. 
Die Resection des Prolapses nach Mikulicz wurde 3mal mit Er¬ 
folg vorgenommen, in einem Falle überraschte die starke Blutung. 
Die neuerdings von Iv ö n i g wieder empfohlene Rectopexie wurde 
1 mal versucht, die Colopexie gelangte 3 mal zur Ausführung. 

18) Schuchardt - Stettin: Osteom der oberen Orbital wand 
mit Erhaltung des Bulbus entfernt. 

Verfasser benutzte das K r ö n 1 e i n’sclie osteoplastische Ver¬ 
fahren (temporäre Resection der knöchernen äusseren Orbitalwand) 
und erzielte nicht nur eine vollkommene Erhaltung des Bulbus, 
sondern auch ein Verschwinden der durch den Tumor bedingten 
Doppelbilder. Das Osteom war etwa wallnussgross. 

19) M e r k e n s : Heber die Anwendung des Murphyknopfes 
bei der Gastroenterostomie. (Moabit Berlin.) 

25 Operationen. In 2 Fällen hielt der Knopf nicht; einmal 
Peritonitis, Tod, das andere Mal starke Blutung, Tod. 3 mal wurde 
bei der Section der Knopf im Magen gefunden; irgend welche 
üble Erscheinungen wurden dadurch intra vitam nicht hervor¬ 
gerufen. 

Ein Versuch mit dem resorbirbaren Frank’schen Knopf 
erdete In Folge Verschiebung des Knopfes mit nachfolgender Peri¬ 
tonitis letal. 

20) M. Schmidt- Cuxhaven und Delbanco - Hamburg: 
Axillares Neurom des Plexus brachialis. 

Der von Schmidt exstirpirte Tumor hatte die Grösse eines 
Kindskopfes. Der N. medianus breitete sich fächerförmig über die 
Geschwulst aus und musste resecirt w'erden. Der N. radialis war 
ebenfalls mit der Geschwulst verwachsen und wurde unter Zu¬ 
rücklassung des betreffenden Gcschwplststückes geschont. Die 
nervösen Ausfallerscheinungen bewiesen, dass auch der Ulnaris 
und Museulo-cutaneus bei der Operation verletzt sein mussten. 

Die von Delbanco ausgeführto mikroskopische Unter¬ 
suchung ergab, dass es sich Im Wesentlichen um ein Spindelzellen- 
Rfiikom handelte. Nervenfasern wurden in dem Präparat nicht ge¬ 
funden. Der Ausgangspunkt des Tumors ist wahrscheinlich in 
dem Endoneurinm peripher gelegener Nervenfasern zu suchen. 

21) Francke: Beiträge zur acuten Pankreaserkrankung. 
(Charite Berlin.) 

2 Fälle von acuter Pankreasnekrose boten das bekannte kli¬ 
nische Bild: plötzliches Auftreten von heftigen kolikartigen 
Schmerzen, hauptsächlich in der Magongegeud. anhaltendes Er¬ 
brechen, starker Kräfteverfall, später Auftreibung des Leibes und 
Stuhlverstopfung. Die beide Male wetren vermeintlichen Ileus 
vorgenommene Laparotomie war ohne Erfolg, die Section klärte 
die Erkrankung auf. 

In einem dritten Falle handelte es sich mit Wahrscheinlichkeit 
um eine peripankreatische Pseudocyste: Durchbruch einer acuten 
Pankreasnekrose in die Bursa omentalis. Ein Exstirpations¬ 
versuch endete In Folge septischer Peritonitis tüdtlich. 

Krecke. 

Archiv für Gynäkologie. 1899. 59. Bd., 3. Heft. 

1) Leopold: Beiträge zur Graviditas extrauterina. 
4. Die Graviditas tubo-ovarialis. 

L. theilt ausführlich G Fälle mit, welche lehren, dass Tube und 
Ovarium schon vor Eintritt der Schwangerschaft mehr weniger 
mit einander verschmolzen waren, und dass sich das Eichen an 
der Verlötliungsstelle von Tube und Ovarium einpflanzte. Die 
6 Fälle vertheilen sich vom 1.—2. Schwaugerschaftsmonat bis zur 
ausgetragenen, abgestorbenen Frucht: sie wurden alle operativ 
behandelt mit einem Todesfall an Peritonitis und Ileus bei Nach¬ 
blutung aus der Placentarstelle. 

2) Leo v.Lingon: Ein Fall von Perivaginitis phlegmonosa 
dissecans. (Aus dem Peter-Paul-Krankenhause zu St. Peters¬ 
burg.) 

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Die Krankheit ist cliarakterisirt durch Abstossung eines 
Thelles oder der ganzen Vaginalwand mit Portio vaginalis, v. L. 
theilt 17 Fälle aus der Literatur mit und einen selbst beobachteten, 
der in Genesung endete. Er ist geneigt, die Krankheit auf Ver¬ 
stopfung bestimmter Gefässgebiete zurückzuführen. 

3) .T. V o i g t : Beiträge zur Tuberculose der weiblichen 
Geschlechtsorgane. 

Den wenigen tu der Literatur bekannten Fällen fügt V. die 
klinische und anatomische Beschreibung von 5 weiteren hinzu. In 
2 Fällen w'urden Tuberkelbacillen nachgewiesen und in dem einen 
war das Gewebe der Vagina, der Cervix und des Corpus uteri von 
massenhaften Tuberkelbacillen durchsetzt, bacillenhaltige, em- 
bolisehe Pfropfe fanden sich au vielen Stellen. 

4) M. Meyer: Zur Casuistik der Erkrankungen an der 
weiblichen Harnröhre. (Aus Dr. A b e l’s Privat-Frauenklinik in 
Berlin.) 

2 Fälle von Prolaps der Harnröhrenschleimhaut wurden ein¬ 
mal durch Eisblase, das zweitemal durch Excision geheilt. Ein 
etwa walluussgrosser. papillärer, gestielter Tumor, der vom proxi¬ 
malen Abschnitt der Harnröhrenschleirahaut ausging, wurde al>- 
getragen. 

5) L. F r n e n k e 1 : Kreissender Uterus mit Placenta praevia 
totalis. (Aus der Klinik und Poliklinik von Prof. E. Fraenkel 
In Breslau.) 

Die jetzige Schwangerschaft war die 10. und glatt verlaufen. 
Seit 12 Stunden bestanden sehr starke Blutung und Wehen. Die 
äussere Untersuchung ergab einen sehr grossen, normal geformten 
Ulerus. Kopf links im Fundus, Steiss auf der rechten Darmbein¬ 
schaufel, kindliche Herztöne nirgends hörbar. Der äussere Mutter¬ 
mund w r ar zweimarkstückgross, der Cervicalcanal erhalten, da¬ 
rüber allseitig Placentargew'ebe. In leichter Narkose wurde die 
Placenta mit 2 Fingern durchbohrt und der linke Fuss nach aussen 
geleitet, Blutung steht. Nach ca. 1 Stunde trat Exitus der Frau 
ein. 

Die Placenta überlagerte trichterförmig den Mülle Fachen 
Ring und wur genau über demselben durchlocht. Sie erstreckte 
sich allseitig von hier aus nach oben und zwar nach hinten, rechts 
, und links am höchsten, nämlich 17, 14 und 10 cm. 

F. glaubt, das Präparat spricht zu Gunsten der Durchbohrung 
der Placenta praevia totalis im Gegensatz zur Ablösung derselben. 

G) F. Westphalen - Flensburg: Beitrag zur Anatomie 
des Pseudomyxoma peritonei nach Ruptur von gallertigen 
Pseudomuzinkystomen. 

W. glaubt, dass nicht unbedingt in den meisten Fällen von 
‘ Pseudomyxom das Wesentliche in einer Implantationsmetastase 
bestehe. So constatirte er in 2 operativ behandelten und mikro¬ 
skopisch untersuchten Fällen bedeutende Veränderungen am 
Peritoneum, die theils durch die Aufnahme des Schleims In die 
. Ljmphwege, theils durch die organisirende Peritonitis bedingt 
waren. Nur in dem einen Fall fanden sich wirkliche Metastasen. 

7) Benarolef f : Die Lage des Ovariums. 

Die Arbeit umfasst ausschliesslich Mittheilungen aus der 
, Literatur ohne eigene Beobachtungen und gibt hauptsächlich die 
Anschauung Waldeyer’s wieder. 

8) Richard v. Braun-Fernwald: Weitere Erfahrungen 
über das spondylolisthetische Becken. (Aus der Klinik des Hof¬ 
raths Gustav Braun in Wien.) 

Zum zw r eitenmale beobachtete v. B. eine Spondylolisthesis. 
Die Frau hat 5 mal spontan geboren, die Krankheit ist noch nicht 
ausgeheilt. Bei Besprechung der Differentialdiagnose weicht v. B. 
i*i zw^ei Punkten von der gewöhnlichen Anschauung ab: 1. Im 
i ersten Stadium der Spondylolisthesis ist keine vermehrte Becken¬ 
neigung zu erwarten. 2. Der „Seiltänzergaug“ mit kurzer Schritt¬ 
länge und negativer Spreizbreite ist von der Form und Neigung 
des Beckens unabhängig, hängt vielmehr davon ab, ob der Er- 
ki ankungsprocess abgelaufen ist oder nicht, ob die Frau beim 
stärkeren Ausschreiten Schmerzen hat. 

9) Sigmund G o 11 s e h n 1 k - Berlin: Ein neuer Typus einer 
kleincystischen bösartigen Eierstockgeschwulst. 

G. beschreibt unter dem Namen „Folliculoma malignum ovarli“ 
einen neuen malignen Ovarialtumor, den er folgendermaassen 
cliarakterisirt: 

1. Bildung unzähliger, kugeliger, plasmodialer, kernführender 
Körper, welche im Innern zunächst Kern an Kern schichten; hat 
diese Schichtung eine gewisse Dichte erlangt, so beginnt 

2. Im Mittelpunkt eine flüssige Umwandlung, bis zuletzt ein 
Bläschen mit einschichtiger, cubischer, plasmodialer Wandung 
rosultirt. 

In dem beobachteten Falle wurden bei einer 48 jähr. Frau ca. 
8 Liter Ascites entleert und der etwa faustgrosse Tumor durch 
Laparotomie entfernt; die Operation w r ar im März 1898, Patientin 
ist. bis jetzt gesund. 

j 10) Ludwig B 1 u m r e I c h : Der Einfluss der Gravidität auf 
; die Blutalkalescenz. (Thierphysiol. Institut der Kgl. landwirth- 
schaftlichen Hochschule.) 

Auf Grund sorgfältiger Untersuchungen bei Kaninchen und 
Frauen kommt B. zu dem Resultat: Die Gravidität bringt eine 
sehr beträchtliche Erhöhung der Blutalkalescenz beim Menschen 
und Thier mit sich, die deutlich zu Tage tritt, wenn nicht irgend 
welche Abnormitäten in der Körperbescliaffenheit die Befunde ver¬ 
schieben. Dr. A. H e n g g e - München. 

A 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 7. 

1) O. Falk- Hamburg: Beitrag zur Bedeutung der Appendi¬ 
zitis für den Geburtshelfer und Gynäkologen. 

Original ftom 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. Februar 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 2011 


F. berichtet zunächst über eine 34 jährige VII. Para, bei der . 
sich im 6. Monat der Gravidität ein epityphiitisclier Abseess ent¬ 
wickelte. Derselbe wurde incidirt, der nekrotische Wurmfortsatz 
exstirpirt und die Wundhöhle drainirt. Heilung und normale Ge¬ 
burt zur rechten Zeit. Im Anschluss hieran betont F. die Schwierig¬ 
keit der Diagnose der Epityphlitis w’ährend der Gravidität und er¬ 
wähnt hierfür noch 2 selbstbeobachtete Fälle. Einmal wurde bei 
einer im 5. Monate Schwangeren ein epityphlitischer Abseess an¬ 
genommen, der sich bei der Operation als ein um seinen Stici 
gedrehtes, cystisch entartetes Ovarium herausstellte. Im 2. Falle 
fand sich statt der erwarteten Extrauteringravidität eine Pyo- 
salpinx neben einem entzündeten Wurmfortsatz. 

2) F. Schwertassek - Tannwald: Ein Beitrag zur 
mechanischen Behandlung atonischer Uterusblutungen. 

In einem Falle unstillbarer atonischer Nachblutung nach Aus- ; 
rüumung eines Aborts (Zwillinge) wendete S. mit Erfolg das von 
Arendt vorgeschlagene Verfahren an. Er zog mittels zweier 
Muzoux’scher Zangen den Uterus herab und tixirte denselben, 
da beim Nachlassen des Zuges die Blutung wieder auftrat, mit 
Faden und Gewicht die Nacht hindurch bis zum nächsten Tage. Die 
Frau wurde geheilt. 

S. hält das Verfahren auch geeignet bei Blutungen nach Ge¬ 
burtsverletzungen des Uterus, wo Naht oder Tamponade nicht aus¬ 
reichen oder nicht gemacht werden können. 

3) L. P i n c u s - Danzig: Nochmals die Atmokausisfrage und 
die Münchener Discussion. 

Eine Erwiderung auf die Bemerkungen Flatau’s in No. 3 
des Centralblattes (cf. unsere Bemerkung am Schlüsse des Referats 
über F1 a t a u , diese Wochenschrift 1900, No. 5, S. 103.) 

J a f f 6 - Hamburg. 

Jahrbuch für Kinderheilkunde. Band 51, Heft 2. 

8) Johannessen: Ueber Laugevergiftungen bei Kindern. 
(Aus der Universitäts-Kinderklinik in Christiania.) 

Im Anschluss an die einschlägige Literatur berichtet Verf. ! 
über 140! Laugevergiftungen, die innerhalb von nur 0 Jahren 
zur Behandlung bekam. Die verschiedenen aetiologischen Momente, 
die Symptomatologie, der Verlauf finden eingehende Besprechung. 
Vorschläge zur Beseitigung der Verhältnisse, welche local die ! 
Laugevergiftung begünstigen, auf Grund der experimentellen Fest¬ 
stellung, dass schon 1 proc. Lauge stark ätzend wirkt, während die 
überall käufliche 10—14 Proc. hat, bilden den Schluss der Arbeit, 
der im Anhang eine tabellarische Uebersicht des Materials bei¬ 
gegeben ist 

d) Stoeltzner: Ueber Behandlung der Rachitis mit 
.Nebennierensubstanz. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in 
Berlin.) Fortsetzung und Schluss. 

Verf. glaubt, auf Grund empirischer Versuche an zahlreichen 
Rachitisfällen günstige Wirkung bei Behandlung mit Nebennieren¬ 
substanz festgestellt zu haben. Er empfiehlt diese Therapie auf 
Grund seiner Versuche. (Ref. kann ein ein wandsfreies Vergleichs¬ 
material nur dann anerkennen, wenn ebenfalls die Tabloids 
B. W. & Cie. angewendet werden, nicht aber das vom Verf. em¬ 
pfohlene „Rachitol“.) 

10) T h i e m i c h : Ueber Tetanie und tetanoide Zustände 
im ersten Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in 
Breslau.) 

Th. betont auf Grund sehr eingehender eigener Untersuch¬ 
ungen den Werth und die Nothwendigkeit elektrischer Untersuch¬ 
ungen bei der Tetanie, die in zweifelhaften Fällen allein die Dia¬ 
gnose zu sichern vermögen. Und zwar ergibt sich als charakteris¬ 
tischer Befund: An ÖZ > An SZ, KÖZ unterhalb 5.0 MA., 
bei normalen Kindern immer über 5.0 M A. Nächst der elektri¬ 
schen Untersuchung ist die mechanische Prüfung der Erregbarkeit 
der peripheren Nerven wichtig, die aber nur unsichere Resultate 
liefert. Das Troussea u’sche Phänomen ist noch am zuver¬ 
lässigsten in dieser Beziehung. Im Gegensatz zu Eschericli 
und Loos bestreitet Th. das Auftreten von Oontractiouen auf der 
dem Reizgebiet entgegengesetzten Seite. Der Laryngospasmus 
ist ein häufiges Zeichen der Tetanie, vielleicht aber werden neue 
Untersuchungen beweisen, dass eine von ihr unabhängige Form 
desselben existirt Was die bei Tetanie so häufigen eklamptischen 
Krämpfe betrifft, so sind von den tetanoiden streng zu scheiden 
die z. B. vom Magendarm her bei Verdauungsstörungen ausge¬ 
lüsten reflectorischen Krämpfe. Jene sind aufzufassen als asphyk-, 
tische nach Laryngospasmen; Narkotiea und eventuell Phosphor 
kommen zu ihrer Bekämpfung in Anwendung, diese aber erfor¬ 
dern der Aetiologie entsprechend gründliche Entleerung und Rei¬ 
nigung des Magens und Darmes. 

Am Schluss folgen die Krankengeschichten, welche der Arbeit 
zu Grunde liegen. 

11) Finkeistein: Ueber Sepsis im frühen Kindesalter. 

Refer. in No. 44, Jahrgang 1899 dieser Woclienschr. 

Literaturbericht, Besprechungen. 

S i e g e r t - Strassburg. 

Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. 
Bd. XXXII., Heft 2. 

Karfunkel: Schwankungen des Blutalkalescenzgehaltes 
nach Einverleibung von Toxinen und Antitoxinen bei normaler 
und bei künstlich gesteigerter Temperatur. 

In wenig Sätzen lässt sich die inhaltsreiche Arbeit etwa dahin 

zusammenfasson: 

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1. Eine allmähliche Erhitzung lässt die Blutalkulescenz un¬ 
verändert. 

2. Diphtherietoxin in grösseren Dosen bei Zimmertemperatur 
intravenös beigebracht tödtet unter rapider Abnahme der Blut- 
alkalescenz die Thiere. 

3. Aber es wird durch Erwärmen des Thieres dabei sowohl das 
Sinken der Blutalkalescenz verlangsamt, als der Tod verzögert oder 
verhindert. 

4. Antitoxininjection vermehrt bei Zimmertemperatur im 
normalen Thier die Blutalkalinität. 

5. Dagegen ist sie ohne Einfluss beim erhitzten Thier. 

6. Injicirt man gleichzeitig Toxin und Antitoxin, so bleibt eine 
Alkalescenzabnahme aus, sowie die Antitoxinmenge im Verhält- 
niss zur Toxinmenge gross ist. 

7. Bei gleichzeitigem künstlichen Erwärmen braucht es eine 
weit geringere Antitoxinzufuhr für die gleiche Toxindose, um die 
Alkalinität normal zu halten oder gar zu steigern und dement¬ 
sprechend die Thiere am Leben zu halten. 

Neutubcrculin bringt eine erhebliche Alkalesceuzsteigerung 
vorübergehend hervor. 

Das hier nachgewiesene Steigen der Alkalescenz entspricht 
genau einer unter diesen Umständen beobachteten Hyperleuko- 
cytose der Autoren, das Sinken einer Hypoleükocytose, ohne dass 
der Verfasser weitgehende theoretische Schlüsse zu ziehen wagt, 
ob und wie dies zusammenhängt. 

Georg Frank: Das Wasser der Spree innerhalb der Stadt 
Berlin im Jahre 1886 und im Jahre 1896 in bacteriologischer 
und chemischer Beziehung. 

Kritische Beleuchtung der Arbeit von S p i 11 a und D i c k s e n 
über das gleiche Thema — zu kurzem Referat ungeeignet. 

Moeller: Zur Verbreitungsweise der Tuberkelpilze. 

Die Arbeit enthält zahlreiche kleinere Beiträge zum Studium der 
Frage, wie die Tuberkelerreger den Erkrankten verlassen, wie weit 
und wie leicht sie sich in der Luft vertheilen, wie lange sie leben 
bleiben u. s. f. Indem ich Interessenten auf diese kurz nicht 
wiederzugebenden Notizen verweise, hebe ich nur Eines heraus. 
Während beim Husten bis auf 1 m Entfernung leicht bei manchen 
Kranken Tuberkelbacillen ausgehustet werden, an vorgelegten 
Glasplatten hängen bleiben, zuweilen consequent augehustete Meer¬ 
schweinchen inficiren, gelang es Moeller bisher nie, ln der Luft 
von Räumen, die dicht mit Tuberculöseu besetzt waren, Tuberkel¬ 
bacillen zu finden, w r enn er nicht in nächster Nähe der Hustenden 
seine Proben entnahm. Nur sehr selten gab eine Untersuchung 
von Staub an Stellen, au die nicht direct Sputum gelangt war, ein 
positives Resultat. 

Als wichtiges Verbreitungsmittel für Tuberkelbacillen be¬ 
zeichnet schliesslich Moeller die Fliegen, welche verstreutes 
frisches Sputum besuchen und Nahrungsmittel Inficiren. 

Thorvald M a d s e n : Ueber Tetanolysin. 

Derselbe : Ueber Heilversuche im Reagensglas. 

Aus der sehr interessanten und originellen Arbeit sei Folgen¬ 
des herausgehoben. In den Culturen des Tetanusbacillus findet 
sich neben dem krampfmachenden Tetanospasmin ein blutkörper¬ 
chenlösendes Tetanolysin, gegen das im Serum des iinmunisirten 
Thieres ebenfalls ein Antikörper vorhanden ist. Das Tetano¬ 
lysin wird in vitro erst von den Blutkörperchen gebunden und 
löst sie nach einer gewissen Latenzzeit auf, w'elehe von der 
Temperatur und der Giftmenge abhängt. Sehr Interessant lässt 
sich beobachten, dass die Giftigkeit des Toxins nicht, wie zu er¬ 
warten, proportional der Zumischung von Antitoxin abnahm, son¬ 
dern dass V« der im Ganzen nothwendigen Antitoxinmeuge schon 
die erste Hälfte der Giftwirkung beseitigt, hierauf beseitigt V» der 
Autitoxinmenge weitere 2 /s der Giftigkeit, 7* der Antitoxinmenge 
Vio der Giftigkeit, und um letzte, noch verbleibende Giftspuren zu 
vernichten, braucht man nochmals die gleiche Antitoxinmenge wie 
für die 3 ersten Hauptportionen zusammen. M a d s e n drückt dies 
nach E h r 1 i c h’schem Schema so aus, dass das Gift aus einem 
sehr w irksamen, aber schon durch kleine Antitoxinmengen zu ent¬ 
giftenden Prototoxin, einem Deuterotoxin, einem Tritotoxin und 
endlich aus einem Toxon zusammengesetzt sei. Das Toxon ist 
sehr wenig giftig, bindet aber sehr grosse Antitoxinmengen. Die 
toxoplioren und haptophoren (antitoxinbindenden) Gruppen sind 
also verschieden von einander. 

In Welterftihrung seiner Versuche beweist der Verfasser, dass 
es möglich ist, rothen Blutkörperchen, die schon Tetanolysin auf¬ 
genommen haben, das Gift durch Antitoxin wieder zu entnehmen 
und es unschädlich zu machen. Die Beweisführung konnte am 
Reagensglas an Blutkörperchen mit dem Tetanolysin sehr viel 
schärfer sein, als dies beim Tetanospasmin und Diphtherietoxin 
möglich w r ar, für die D ö n i z Aehnliches kürzlich durch Thier¬ 
versuche zu zeigen suchte. 

Egon Tomasczewski: Ueber das Wachsthum der 
Tuberkelbacillen auf kartoffelhaltigen Nährböden. 

Das Hauptergebnis der Arbeit ist, dass die Kartoffel und ihre 
Präparate keine Bedeutung als Tuberkelnährboden beanspruchen 
dürfen. Während Glycerinzusatz die verschiedensten Nährböden 
für die Tuberkelbacillen brauchbar macht, ist selbst der mit Gly¬ 
cerin versetzte Kartoffelnährboden nur in Ausnahmefällen geeignet, 
ein besonders üppiges Wachsthum hervorzubringen und bringt 
Zusatz von Kartoffelpräparaten in den Glycerinnährböden keine 
Verbesserung hervor. 

Z u p i t z a : Die Ergebnisse der Pestexpedition nach Kisiba 
am WeBtufer des Victoriasees 1897/98. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



300 


No. n. 


MÜNCH ISN ER MEDKTNISC’HK WOCHENSCHRIFT. 


Z m» i t za belichtet ausführlich über seine Erforschung eines 
Pestherds in Deutschostafrika, Entdeckungen. die durch Koeb's 
Mittheilungen in den Giundzügcn bereits bekannt sind. 

P. lt ö m e r : Experimentelle Untersuchungen über Infec- 
tionen vom Conjunctivalsack aus. 

R ö m e r’s ausführliche Arbeit bestätigt und erweitert ältere 
Angaben über die Leichtigkeit der Iufectiou vom unverletzten 
Conjunctivalsack aus. Die Erkrankungen verlaufen oft rapider als 
bei subcutauer Injection. Als Eingangspforte dient nicht die un¬ 
durchlässige, tliränenbespülte Conjuuctiva, sondern die Thränen- 
wege. die Nasenschleimhaut und die submucösen Lymphspalten 
der Nase. 

ln einleitenden Abschnitten findet sich eine eingehende kri¬ 
tische Darstellung unseres Wissens vom Keimgehalte der Con- 
junctiva unter normalen Bedingungen und eigene Untersuchungen 
über die Bedeutung des Staubes für den Keimgehalt der Con- 
junetiva: Einbringen von Fabrikstaub steigert nach 24 Stunden 
den Keimgehalt der Conjuneliva bedeutend. 

H. Bei n liardt: Ueber Metakresol synth. „Kalle”. 

K. B. L e li m a u n -Würzburg. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In- 
fectionakrankheiten. Bd. XXV11., No. 5. 1900. 

D (i. Sanarelli - Bologna: Zur Lehre vom gelben Fieber. 
(Schluss.) 

Artikel polemischer Natur. 

2» A. Loos-Cairo: Notizen gur Helminthologie Egyptens. 
III. Die Skierostomen der Pferde und Esel in Egypten. 

R. O. N e u m nun- Berlin. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 8. 

1) A. Martin: Die Versorgung des Nabels der Neu¬ 
geborenen. 

M. schlägt folgendes Verfahren vor: Das Kind wird in der 
gewöhnlichen Weise abgenabelt, dann dem gebadeten und getrock¬ 
neten Kinde um den Nabel eine feuchte Gazecompresse gelegt, 
ein steriler Seidenfaden an den Grenzen des Hautrandes um die 
Nabelschnur gelegt und fest angezogen, hierauf der Nabelstrang 
1—D/o cm oberhalb davon mit der glühend gemachten gewöhn¬ 
lichen Brennscheere dnrcligebrauut. Die Blutung steht voll¬ 
kommen, der Brandschorf wird mit sterilem Gazelüppchen bedeckt 
und der Nabel verbunden. Der Abfall des Restes erfolgt am 4. bis 
(5. Tage. 

2) H. F r e u u d - Strassburg: Ueber Kaiserschnitte aus ge¬ 
häuften Indicationen. 

Fr. steht auf dem Standpunkte, dass überall da, wo keine 
direete Lebensgefahr für die Gebärende und günstige Bedingungen 
für die Vornahme eines chirurgischen Eingriffes vorliegen, die Per¬ 
foration lebender Kinder ungerechtfertigt ist und durch den Kaiser¬ 
schnitt ersetzt werden muss; denn die Gefahr des letzteren ist 
heutzutage keine grössere als die einer complicirten Entbindung. 
Verf. berichtet eingehender über 3 Fälle, wo mehrere Momente 
die Indicatiou zum Kaiserschnitt bildeten. Alle endeten glück¬ 
lich. Im 1. Falle (44 jähr. I. Para) bildete nicht so splir das ver¬ 
engte Becken, als die starren Weichtlieile die Indication, dazu kam 
noch Eklampsie: im 2. Falle (43 jähr. IV. Para) war die Indication 
gelegen in der Beckenenge, im Alter der Gebärenden, sowie einem 
Tumor, der zu einem mächtigen Oedem der Darin wand geführt 
hatte; im 3. Fall (28 jähr. V. Para mir engem Becken) verlangte 
die Frau dringend ein lebendes Kind, wesshall» die Sect. caes. aus¬ 
geführt wurde. Der quere Fundusschnitt erwies sich als vortlieil- 
liaft. F. bespricht noch den Kaiserschnitt betreffende rechtliche 
Fragen. 

3) P. Baum garten - Tübingen: Zur Lehre von den natür¬ 
lichen Schutzmitteln des Organismus gegenüber Infectionen. 

(Schluss folgt.) 

4) C. A. E w a 1 d - Berlin: Die Autointoxication. 

In diesem zusammenfassenden, als ..Säkular-Artikel“ erschei¬ 
nenden Referate kommt E. unter Würdigung der sehr umfang¬ 
reichen Literatur zu dem Ergcbniss, dass die tliatsächlichen Unter¬ 
lagen für die Lehre der Autointoxieation heute noch sehr dürftige 
sind, wenn die Thatsache an sich auch nicht anzuzweifeln ist, 
wofür Uraemie, (’oina bei Diabetes und Careinom. die Erschei¬ 
nungen bei pemieiösen Anaemie, Morl). Addisonii, Myxoedem be¬ 
sonders Stützpunkte sind. 

5) E. 8 t a d e 1 m a u n - Berlin: Bemerkungen zu dem Auf¬ 
sätze von Dr. H. Salomon: Ueber Hirndrucksymptome beim 
Typhus (ofr. letzte Nummer). 

St. weist darauf hin, dass er Hlrndruckersclieinungen nicht 
nur bei Typhus, sondern auch bei Pneumonie, Scarlatiua schon 
früher beobachtet und darüber publicirt hat. Er räth entschieden 
ab. die Lumbalpuuction bei diesen Zuständen aus therapeutischen 
Rücksichten vorzunehmen, da sie nutzlos ist. 

Dr. G rnssmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 7. 

1) F. König: Die chirurgische Behandlung der Nieren- 
tuberculose. 

Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin zu Berlin 
am 2b. Januar 1909. Referat siehe diese Wochenschr. No. 0. p. 209. 

2) Julius Wolff: Zur Behandlung der stricturirenden 
Mastdarmverschwärung. Zugleich ein Beitrag zur Mastdarm¬ 
plastik. (Schluss aus No. (J der Deutsch, med. Wochenschr.) 

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Interessante Mittheilung eines wiederholt operirten .Falle», 
in welchem es zum Schlüsse gelang, einen grossen Theil der Mast¬ 
darmwand durch einen gedoppelten Hautlappeu zu ersetzen. Da 
seit der Iieseetio recti sieben, und seit der Mastdarmplastik drei 
Jahre verflossen sind, darf der Erfolg als ein dauernder ange¬ 
sprochen werden. 

3) J. Boas: Erfahrungen über das Dickdarmcarcinom. 

(Schluss folgt.) 

A ortrag, gehalten im Verein für innere Medieiu zu Berlin 
am 27. November 18911 . Referat siehe diese Wochenschr. 1899, 
No. 49, p. 1082. 

4) II e r li old- Altona: Zur Casuistik des scharf begrenzten 
Magencarcinoms. 

Beschreibung eines mit Erfolg operirten Falles von breit¬ 
basig auf der Magen wand nufsitzendeu und gut mannskopf gross 
in das Mageninnere prominirenden, alveolären Carcinoms der 
Magenschleimhaut. 

ö) F 1 a c h s - Dresden: Zur Impftechnik. 

Aus kosmetischen und praktischen Griiuden verwirft F. die 
in Deutschland allgemein übliche Anbriugung der luipfsclmitte 
am Arme. Er empfiehlt als passendste Stelle die Gegend zwischen 
der Brustwarze und Rippenbogen. Geringe Beweglichkeit der¬ 
selben, leichte Anlegung eines Schutzverbandes, seltenes Auftreten 
von Entzündungserscheiiuuigeii und Anschwellungen der Lyinpli- 
driisen werden als Vortheile dieser Methode bezeichnet. 

0) F. R e 1 c li e - Hamburg: Beiträge zur Statistik des 
Carcinoms. 

(Schluss folgt.) F. Lacher- München. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 7. 

V) A. Brunner-Triest: Ueber Maltafieber. 

Br. publicirt hiemit den erstell Fall von Maltafieber, das in 
Oesterreich acquirirt wurde. Die Krankheit, an den Küsten des 
Mittelländischen Meeres vorkommend, wird erzeugt durch den 
Mirkrococcus melitensis. Der Kranke, ein 27 jähriger, in Dal¬ 
matien beschäftigt gewesener Maurer, fieberte stark, zeigte pro¬ 
fuse Sclnveisse. Obstipation, kein Kopfweh. Im Harn fehlte die 
Diazoreaetiou. Typhus, Malaria, Tnbereulose, Recurrens, In¬ 
fluenza waren auszuschliessen. Die Serumreactiou war positiv 
(Agglutination). Das Fieber dauert bei dieser Erkrankung Monate, 
sogar Jahre, die Prognose quoad vitam ist eine günstige. Ueber 
die Literatur des Maltaflehers vergl. das Original. Die Therapie 
ist eine rein symptomatische. 

2 ) J. Kapper-Wien: Beitrag zur Klinik der Landry’- 
schen Paralyse mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bacterio¬ 
logie und Histologie. 

Verfasser geht ziemlich ausführlich auf die Literatur über 
Landry’sche Paralyse ein. namentlich hinsichtlich der Umgren¬ 
zung des Krankheitsbegriffes, sowie der bisherigen bacterio- 
logischeu Befunde. Bei dem von ihm beobachteten Falle handelte 
es sich um einen 33 jährigen Wäscher, bei dem zuerst Paraestliesien 
an den Fingern, heftiger Schläfenkopfschmerz, Schwindel, Waden¬ 
schmerzen, daun Parese der Beine auftrateu. Dann zeigte sich 
couccntrisclie Gesichtsfeldeinschränkung, träge Pupillarreaction, 
Erlöschen der Reflexe, iiu Kehlkopf Internus- und Transversps- 
läInnung. Sensibilität, Blase und Mastdarm frei. Schliesslich 
Dyspuoe, Schlingkrämpfe, Cyanose. Oollaps, Exitus letalis. Die 
Differeutialdiagnose wird sehr eiugehend erörtert und aus dem 
klinischen Bilde besonders die Kehlkopflähmung und die coneeu- 
trische Gesichtsfeldeinschränkung besprochen. Harn und Blut ent¬ 
hielten keine Bacterien. Die histologische Untersuchung 4 Stun¬ 
den post mortem ergab ein völlig negatives Resultat. Aetiologiscli 
kommt nach Verfasser eine Autoiutoxication vom Darm aus in 
Frage. 

3) Fr. II a n s z e 1 - Wien: Ueber Speichelsteinbildung. 

Verfasser beschreibt 3 derartige Fälle, in deren erstem wahr¬ 
scheinlich eine chronische Entzündung der Glaud. subniax. mit 
consecutiver Eindiekung des Secretes zur Steinbilduug führte, 
während letztere im 2. Fall im Duct. Wharton. selbst stattfaud. 
Im 3. Fall handelte es sich um einen lange dauernden Insult der 
liukeu Sublingualgegend durch den Druck einer Tabakspfeife. 

Dr. Gr&Bsmnnn - München. 

Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 4—7. 

R. v. J a k s c h - Prag: Ein Fall von polyarthritischer Er¬ 
krankung der Halswirbelsäule. 

Die Publicatiou betrifft einen 16 jährigen Kranken, welcher 
2 Jahre in klinischer Beobachtung stand. Bei gleichzeitigem Be¬ 
stand einer rheumatischen Klappenaffection spielte sich unter 
Wechsel vollen Symptomen — in erster Linie Lähmung der beiden 
oberen Extremitäten, ferner Reflexkrämpfe — ein Entziindungs- 
process im Bereich der Halswirbelsäule ab. Intercurrent trateu 
schmerzhafte Gelenkschwellüngen an den Extremitäten auf. Es er¬ 
folgte eine relativ gute Heilung. Eine Ankylose der oberen Hals¬ 
wirbel blieb jedoch bestehen. Später erlag Patient seinem Herz¬ 
leiden. Nach J.’s Urtheil bildet vorliegender Fall das erste Bei¬ 
spiel dafür, dass der polyartbritische Process auch die Wirbel¬ 
gelenke ergreifen kann. I)er Obductiousbefund liess Tuberculoso 
und Gicht ausscliliessen. 

Ibidem No. 5 und G. 

F. P i c k - Prag beobachtete 6 Jahre eine Patientin, bei welcher 
die Diagnose Aneurysma der Aorta über jeden Zweifel erhaben 

Original ffom 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


301 


2T. Februar 1900. 


<=< hien, bei welcher die Seetion jedoch eine sehr bedeutende Stenose 
<lor Aorta (7 mm) feststellte. P. glaubt, dass eine solche Fehl¬ 
diagnose Mutiger vorkommt, als man, besonders nach der vor¬ 
liegenden Literatur, annehmen sollte. Die Erklärung liegt etwa 
in folgendenThatsachen. In jüngeren Lebensjahren ist beiAorten- 
slenose der linke Ventrikel zu einer componsatorisehen Hyper¬ 
trophie im Stande, welche enorme Grade erreichen kann: durch die 
ungemein energische Arbeit desselben kann sich eine ebenso leb- 
liafte. fühlbare Pulsation, wie sie bei Aneurysma auftritt, zeigen; 
zugleich wird der dem Typus der Stenose zukommende Charakter 
(V’s Pulsus tardus verwischt. Wichtig in diagnostischer Hinsicht 
und gegen Aneurysma sprechend ist ein langes Constantbleiben 
der Erscheinungen und des Befindens. 

Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 0. 

E. Guttmann - Breslau: Zur Behandlung der Keratitis 
profun da. 

Die Grundsätze einer allgemein roborirenden Therapie werden 
anerkannt. Dagegen hat sich die Quecksilberbehandlmig. ausser 
bei kleinen Kindern, eher schädlich gezeigt. Das Atropin ist ohne 
Einfluss auf den localen Krankheitsverlauf, es wird nur im Beginn 
der Behandlung behufs maximaler Erweiterung der Pupille, später 
nur alle 1—2 Wochen, um diesen Zustand zu erhalten — ein 
Tropfen — eingeträufelt. Dagegen wird grosser Werth auf eine 
Cooaincur gelegt. Es werden täglich innerhalb einer Stunde 4 bis 
C mal 10 Tropfen einer 2—3 proe. Lösung eingoträufelt. Die sub- 
Wdiven Beschwerden werden sehr herabgesetzt: aber auch eine 
directe günstige Einwirkung soll unverkennbar sein. Der Ablauf 
dci Erkrankung pflegt milder, uncoinplicirt und in kürzerer Zeit zu 
erfolgen, es soll im Anfang sogar mitunter gelingen, den Process 
förmlich zu coupiren. 

Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 0, 

J. S i 1 b e r 8 t e i n - Wien: Das Resorbinquecksilber, ein Er¬ 
satzmittel der grauen Salbe. 

Das genannte Präparat, eine Mischung von Quecksilber und 
dem neu eingeführten Constitueus „Resorbin“ Im Verhältniss von 
1:3. hat sieh auf der Neuman n’schen Klinik gilt bewährt. Ver¬ 
fasser rühmt die bisher nicht erreichte subtile Vertlieilung des 
Quecksilbers, die raschere, angenehmere Application und die 
prompte Wirkung, wodurch die Behandlungsdaner eine Abkürzung 
erfährt. B e r g e a t - München. 


Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere 
Medioin in Berlin siehe Seite 305. 

Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 8. Februar 1900. 

Der Vorsitzende, Herr Rchaper, gedenkt des verstorbenen 
Oberarztes Dr. Moxter. 

Herr S e i f f e r : Vorstellung und Besprechung eines Falles 
von Beri-Beri. Der 20 jährige Kranke hat als Schiffsjunge eine 
Reise nach Hinterindien mitgemaeht und war auf dieser nebst 
einem Theil der Schiffsmannschaft mit Schwellung des Unterhaut¬ 
zellgewebes am ganzen Körper. Hinfälligkeit, schlaffer Lähmung 
der Beine und geringen Gefühlsstörungen erkrankt. 

Herr Martens stellt 3 Kinder vor, welche vor 1—3 .Tahren 
weeen Bauchfelltuberculose laparotomirt worden waren und ge¬ 
heilt geblieben sind. Er bespricht an der Hand des Materials der 
K ö n i g’schen Klinik die Aussichten der chirurgischen Behand¬ 
lung der Erkrankung. 

Dlscussion: Herr König betont die heilende Wirkung 
der Laparotomie auf die tuberculöse Darmstenose. 

Herr Strass mann hebt die Seltenheit der Affectlon bei 
den Kindern In Berlin hervor. 

Herr F r a n c k e : Vorstellung einer 22 jährigen Frau, 
welcher wegen Hydronephrose eine Niere exstirplrt worden war. 
Es fand sich eine Papillomatose des Nierenbeckens und des 
Ureters (mikroskopisches Präparat). 

Dlscussion: Herr König erklärt die Entstehung der 
Papillome durch eine alte gonorrhoische Infection. 

Herr Braun : Vorstellung eines Falles von geheilter Schuss- 
verletznng der Leber. Der Vortragende weist auf die leichte 
Infectiosttät der Leberwunden hin, welche eine offene Behand¬ 
lung erfordern. 

Herr Wegen er: Vorstellung eines Falles von abgelaufener 
Pyaemie, bei welchem im Laufe der 2 Monate dauernden Erkran¬ 
kung eine grosse Zahl von Abseessen an Armen und Beinen er¬ 
öffnet werden mnssten. 

Herr Pels-Leusden: lieber Tracheotomie hei Com- 
pression der Trachea 1. durch Aortenaneurysma, 2. durch 
Kropf. 

Vorstellung beider Fälle. Bei den tiefsitzenden Stenosen 
kam die Koni gasche Spiralcanüle in Anwendung. 

W. Zinn- Berlin. 


Medicinisch-naturwissenschafH. Gesellschaft zu Jena. 

(Seetion für Heilkunde.) 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 11. Januar 1900. 

1. Herr Wagenmann: Pnlsirender Exophthalmus 
nach SchnssVerletzung. 

Herr W. stellte einen 22 jährigen Mann mit hochgradigem 
pulsirenden Exophthalmus des rechten und beginnenden pulsi- 
renden Exophthalmus des linken Auges nach Revolversehussver- 
letzung der rechten Sehläfenseite vor. 

Der Mann, dessen Vater durch Selbstmord geendet hat. hatte 
am 2t. Nov. 189Ü in einem. % Stunde von seiner Wohnung ent¬ 
fernten Walde mit einem 7 mm-Revolver gegen seine rechte Schläfe 
einen Schuss abgefeuert, um sieh das Leben zu nehmen. Er war 
nach dem Schuss ca. 1 */. Stunden bewusstlos, kam wieder zu sich 
und ging, ohne besondere Beschwerden zu fühlen, nach Hause. 

Die Schläfenwunde hellte unter einem einfachen Verband 
rasch zu. so dass er nach ca. 14 Tagen seine Arbeit wieder auf- 
nahtn. Er bemerkte von dieser Zeit an. dass das rechte Auge 
Immer stärker hprvortrat. Am 24. Deeember kam er in die hiesige 
Klinik. 

Es fand sieli an der rechten Schläfe eine glatte, noch etwas 
gerölhele, mit dem Knochen verwachsene Narbe der rechten 
Schläfe, ca. 3 ’/, em nach hinten vom äusseren Orbitalrnnd. ferner 
ein hochgradiger Exophthalmus mit starker Wulstung. Röthung 
und Vortreibung der unteren Hälfte der Conjunctiva. Die Venen 
am oberen Lid und die Gefässe in der oberen Hälfte des Conjime- 
tivalsackes waren stark ausgedehnt und geschlängelt. Daneben 
bestand Ptosis. vollkommene Lähmung der vom Abducens und 
Oeulomotorius innervlrten äusseren Augenmuskeln, während der 
Obliquus superior ganz intact war. Die Pupille erschien mittel¬ 
weit. reactionslos, die Sehschärfe am rechten Auge betrug mit 
coneav. 1 D */, der Norm. Die Aecommodatlon war so gut wie 
vollständig erhalten. Der Nahpunkt lag in 14 em. 

Ophthalmoskopisch erschienen die Venen stark ausgedehnt, 
die Papille wohl geröthet. aber scharf begrenzt. An den Venen 
fand sieb deutlicher Venenpuls. An dem stark vorgetriebenen 
rechten Auge sah und fühlte man deutliche pulsatorisclie Beweg¬ 
ungen. Der Mann hörte ein blasendes, rhythmisches Geräusch, 
das der Untorsucher durch Auseultatlon überall am Schädel auf 
das Deutlichste wahraohmen konnte. Die Oompression der Carotis 
communis am Hals Hess die subjectiven und oblectiven pulsatori- 
schen Phänomene sofort verschwinden. Das linke, im Uebrigen 
normale Auge zeigte ebenfalls leichte Ausdehnung der conjunc- 
tivalen und episcleralen Gefässe und einen ganz leichten Exoph¬ 
thalmus. An dem Auge waren ebenfalls geringe Pulsationen zu 
sehen und heim Eindrücken des Auges in die Orbita zu fühlen. 
Ophthalmoskopisch erschienen die Venen mässig ausgedehnt. 

Das Allgemeinbefinden war bis auf zeitweisen Kopfschmerz 
vollkommen gut. 

Um den Sitz der Kugel zu bestimmen, wurden Röntgen¬ 
aufnahmen des Schädels von vorn, von der Seite und in schräger 
Richtung gemacht, theils mit Markirung bekannter Punkte durch 
Bleimnrken. Die Kugel zeichnete sich deutlich ab. Sie sitzt wahr¬ 
scheinlich im Knochen der Orbitalwand etwas nach unten aussen 
von der Horizontallinie ea. 3 em nach hinten vom temporalen 
Orbitalrand, entweder im Keilbeinflfigel. oder auf der Grenze 
zwischen Keilbeinflügel und Jochbein. Aus Vergleich der Ein¬ 
schussöffnung und dem jetzt nachweisbaren Sitz kann man 
schliessen. dass die Kugel die Sehädelliöhle selbst nicht eröffnet 
haben kann, sondern in der Richtung nach vom und etwas nach 
unten durch die Fossa sphenomaxillaris in den Temporalflügel des 
Keilbeins eingedrungen war. 

Als Ursache des pulsirenden Exophthalmus wird man auch 
in diesem Fall ein Aneurysma arterio-venosum der Carotis in¬ 
terna im Sinus cavernosus aunehmen müssen, veranlasst durch 
Knochensplitterung des Keilbeins und nicht durch die Kugel 
selbst. Der beginnende Exophthalmus des linken Auges findet 
darin seine Erklärung, dass sich die Stauung und abnorme Circu- 
lation vom rechten Sinus cavernosus zum linken durch die Sinus 
intercavemosi fortgepflanzt hat. 

Bei dem Patienten wurden sofort Digitalcompressionen der 
rechten Carotis communis am Hals ausgeführt. Trotz täglicher, 
stundenlanger Compressionen haben sämmtliche Erscheinungen 
rechts, wie links stetig noch zugenommen. 

Sollte durch fortgesetzte Digitaleompression keine Besserung 
erzielt werden, so soll die Unterbindung der Carotis communis 
ansgeführt werden. 

2. Herr Dötsch: Verhornung des Bindehantepithels 
bei infantiler Conjnnctivalxerose. 

Ein Kind von 21 Wochen, das an den Folgen einer Broncho¬ 
pneumonie zu Grunde ging, zeigte klinisch das Bild der Kerato- 
malacie mit ausgesprochener Conjnnctivalxerose. Im Dtekglas- 
priiparat von Xeroseschüppchen, sowie durch Cultur Hessen sieh 
massenhaft Xerosebaclllen neben einigen anderen Mikroorganismen 
nach weisen. 

Die Seetion ergab ausgedehnte pneumonische Herde und Fett¬ 
leber. Der linke Bulbus wurde im Zusammenhang mit einem grossen 


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302 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 9. 


Theil der Bindehaut ausgelöst, in Formol gehärtet. In Celloidin ein¬ 
gebettet und in Serienschnitte zerlegt. Das Bindehautepithel zeigte 
eine beträchtlic he Verdickung. Auffallende Befunde bot die Schicht 
der platten Epithelzellen. Die Kerne zeigten hochgradigen Schwund 
des Ohromatins. das entweder an der Oberfläche des Kernes in 
Sichel- oder bandförmigen Figuren, oder im Centrum zu kleinen 
Kugeln angeordnet war. während der grösste Theil des Kernes 
vollkommen blass erschien. Das Protoplasma war von zahlreichen 
unregelmässig gestalteten Körnchen durchsetzt, die den Farben 
gegenüber sich wie das Chromatin des Kerns verhielten, sie 
wurden durch Haematoxylin blau, durch Carmin roth. Die Ver- 
muthung, dass diese Körnchen mit den Wa 1 d e y e r’schen Iveratö- 
liyalinkörnchen identisch seien, wurde durch den positiven Ausfall 
einer von U n n a angegebenen Färbemethode bewiesen, die durch 
Ueberfärbung mit Haematoxylin und Differenzirung in Kalium 
hypermangauicum eine isolirte Darstellung der Iveratohyalin- 
granula ermöglicht. 

Die Schicht der platten Epithelzellen der xerotischen Binde¬ 
haut glich also vollkommen der entsprechenden Lage des Epithels 
der nussseren Haut, dem nach I’ n n a sogenannten Stratum granu- 
losum. das aus platten Epithelzellen besteht, die Keratohyalin- 
körnelien enthalten und den Febergang von den polygonalen 
Stachelzellen zum Stratum corneum bilden. 

Schon durch diesen Befund war es ziemlich wahrscheinlich 
gemacht, dass cs sich in dem vorliegenden Fall um eine beginnende 
Verhornung des Bindehautepithels handelte. 

Ernst hat durch zahlreiche Untersuchungen an normalen 
und pathologischen Objecten nachgewiesen, dass die O ramsche 
Bacterienfärbemetliode in vorzüglicher Weise auch geeignet ist. 
beginnende Verhornung nachzuweisen, indem sie einerseits Kerato- 
liyalin. andererseits die jungen Hornlamellen distinct gefärbt her¬ 
vortreten lässt. 

Versuche mittels dieser Methode zeigten im vorliegenden Fall 
an der Oberfläche der xerotischen Bindehaut mit grösster Schärfe 
vereinzelte oder zu kleiuen Schüppchen angeordnete Hornlamellen 
und innerhalb der platten Epithelzellen massenhafte Keratohyalin- 
grauula. 

Nachträgliche Untersuchungen älterer Präparate von xero- 
tiselier Bindehaut, die in der Jenaer Augenklinik aufbewahrt 
wurden. Hessen ebenfalls mittels der O r a m’sehen Methode aus¬ 
gesprochene Verhornungen erkennen. 

Es ist desshalb anzunehmen, dass die eigenthümliche Verän¬ 
derung der Bindehaut bei Xerosis im Wesentlichen in einer Ver¬ 
hornung des Epithels besteht, ein Proeess. für den die Xerose- 
baeillen wohl ohne Bedeutung sind. (Ausführlichere Mittheilnngen 
finden sich in v. Graefe’s Archiv f. Ophthalmologie, Bd. XLIX, 2.) 

3. Herr Grober : Eine neue Methode der quantitativen 
Zuckerbestimmung. 

Vortragender demonstrirt einen neuen Apparat der Firma 
Z e i s s In Jena, der zur Bestimmung des Brechungseoefficienten 
von Flüssigkeiten dient. Die Ablesungen erfolgen sehr bequem 
an einer Scala und genau an einer Mikrometersehraube. Nach zahl¬ 
reichen Bestimmungen an zuckerhaltigen Urinen entspricht 1 Proc. 
Zucker einem Wertiie von 2,0 Scalentheilen. Es werden die Brech- 
ungseoeffleienten des unveränderten und des vergührten Urins 
neben einander bestimmt, die Differenz auf einer beigegebenen 
Tabelle aufgesucht und daraus der Procent- und Promille-Gehalt 
an Zucker abgelesen. 

Der Apparat — Elntauehrefractometer — dient ferner zur 
raschen Herstellung und Gontrole von Normallösungen und zur an¬ 
nähernden Bestimmung des Eiwelssgehaltes thierischer Flüssig¬ 
keiten. 


Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln. 

(Bericht des Vereins.) 

Sitzung vom 24. Juli 1899. 

Vorsitzender: Herr Leichtcnstern. 

Schriftführer: Herr Drees mann. 

Herr Bardenheuer: 1. Transplantation eines .Meta- 
tarsns resp. eines Metacarpus. 

Bardenheuer bespricht an der Hand von Skia¬ 
grammen und Patienten die Transplantation des Metatarsus II 
zum Ersätze des benachbarten resecirten Metatarsus I. Die Er¬ 
haltung dos Ballens der dicken Zehe ist von Wichtigkeit zur Er¬ 
haltung des Fussgcwölbes und des elastischen Ganges. Wenn die 
dicke Zehe sammt dem entsprechenden Metatarsus entfernt 
werden muss wegen Zerstörung dos I. Metatarsus, so leidet der 
Gang ganz ausserordentlich, so dass vielfach dieserhalb der 
queren Articulation im Tarsometatarsalgelenke der Vorzug ge¬ 
geben wird. 

Tn solchen Fällen löst B. von einem dorsalen Längsschnitte 
aus nach der Reseetion des I. Metatarsus das vordere Ende des 
TT. M. aus dem Metatarsophalangenlgelenke aus und löst ferner 
rings um den Knochen bis zur Basis dos Metatarsus die Museu- 
latur ab und lockert die Verbindung zwischen den Bases des IT. 
und m. Metatarsus durch senkrechte in die Gelenkverbindung 
zwischen denselben ausgeführte Schnitte so weit, bis der Kopf 

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des II. M. sieh leicht nach aussen schieben lässt, so dass man 
die Basis der I. Phalanx der dicken Zehe auf den Kopf des 
IT. M. aufnageln kann. 

Der entstandene Zwischenraum zwischen den vorderen 
Enden der Metatarsi wird mit Jodoformgaze ausgestopft; im 
ITebrigen wird die ganze Wunde primär vernäht. 

Der Verlauf war in 4 Fällen, deren Skiagramme vorgezeigt 
wurden, ein sehr guter; der M. II war schiefgerichtet und artieu- 
lirte durch sein hinteres Ende mit dem Os cuneoforme II und 
durch sein vorderes Ende mit der Basis der I. Phalanx der 
dicken Zehe; die Function war eine vorzügliche, gerade so als 
ob der M. 1 noch an Ort und Stelle sich befände. Das Fuss- 
gewölbe blieb erhalten. 

Fast das gleiche Verfahren hat B. in einem Falle einge¬ 
schlagen. in welchem durch mehrmalige Auslöffelung des ITT. 
Metaeaipus der Goldfinger weit in die entstandene Lücke 
zwischen den III. und IV. Metacarpus zurückgewichen war, so 
dass der Ringfinger kleiner als der 5. Finger war. 

Es wurde in diesem Falle der zerstörte 4. Metacarpus von 
einem dorsalen Längsschnitt aus resecirt. dann wurde der 3. Metn- 
earpus subperiostal ausgehülst bis auf sein vorderes und hinteres 
Ende oxel. Der Knochen ward alsdann ganz nahe der 
Gelenkflüche des Kopfes quer durchnieisselt und nun wurde der 
ganze vom Perioste entblösste Metacarpus 3 mit dem vorderen 
Resectionsende kleinfingerwärts verschoben, bis er der Basis der 
L Phalanx des Ringfingers gegenüber stand. Alsdann wurde die 
Phalanx auf das vordere Ende des transloeirten 3. Metacarpus 
aufgenagelt. 

Die Periosthülse des letzteren blich in situ. Die Wuude ward 
primär vernäht. 

Das Resultat war ein vorzügliches. Der Goldfinger hat fast 
seine normale Länge, der Mittelfinger ist etwas, sehr wenig, kleiner 
geworden: man merkt an der Hand kaum eine Entstellung mehr. 

Der Knochen des 3. Fingers hat sich, wie das Skiagramm 
zeigt, in der ganzen Dicke und Länge neugebildet. 

Herr Gaben: Kommen nach diesen Knochenspaltuugen bei 
Kindern keine Wachsthumsstörungen vor? 

Herr Bardenheuer: Einige Fälle sind verfolgt worden, 
bei denen Waehsthumsstörungeu nicht eintraten: doch ist ein be¬ 
stimmtes Urtheil zur Zeit noch nicht möglich, ob in allen Fällen 
keine Wachsthumsstörung eintritt. 

2. Resectio Synchondrosis sscroiliacae. 

B. bespricht an der Hand von 5 Fällen die Resultate dieser 
Operation. 

Die Operation ward ausgeführt wegen Tuberculosis des Ge¬ 
lenkes zwischen dem os sacrum und os ilei. 

Die Tuberculosis nimmt fast ausnahmslos ihren Ausgang 
von dem Os sacrum und verbreitet sich mit Vorliebe in dem cen¬ 
tralen Abschnitte des Gelenkes, im os sacrum, dieselbe nähert 
sich immer mehr dem Wirbelcanale und greift zuletzt auf das 
Gelenk der anderen Seite über. Zwei Fälle dieser Art hat mein 
Assistenzarzt, Herr Dr. Wo 1 f f, veröffentlicht auf der Natur- 
forscherversnmmlung in Düsseldorf, welche natürlicher Weise 
einen ungünstigen Verlauf nahmen und die erste Statistik ver¬ 
schlechterten; von 12 starben 5. 

Die Gefahren der Operation liegen; a) in dem Weiter¬ 
schreiten des Processes resp. in der Unmöglichkeit, den ganzen 
tuberculösen Herd zu entfernen; h) in dem Operationsschocke, 
bedingt durch die Blutung, die langdauernde Operation und 
durch die Fettembolie. 

Gerade der oben erwähnte Verbreitungsweg und die relativ 
frühzeitige Betheiligung des Os sacrum bis zum Wirbelcanal 
sind für B. bestimmend, in den Fällen, wo eine Eiterung nachzu¬ 
weisen ist, der Reseetion des Gelenkes das Wort zu sprechen, weil 
bei zu langem Zuwarten eine reine Exstirpation nicht mehr zu 
erzielen ist und leicht durch Verletzung der Sacralnerven Läh¬ 
mung der Sphincter vesicae et alvi entsteht. B. glaubt um so 
mehr zur Ausführung der Operation berechtigt zu sein als von 
den letzten 5 Fällen, welehe von einem anderen Schnitte aus aus¬ 
geführt worden sind, keiner gestorben ist, resp. alle definitiv ge¬ 
heilt worden sind. 

B. bespricht die Symptome, den Verlauf, den Verbreitungs¬ 
weg dos Eiters, die Indication der Operation und schliesst dann 
die Besprechung der Operationsmethode an. 

Er hält die Operation für indicirt, wenn eine Eiterung des 
Gelenkes besteht. Früher legte B. einen Längsschnitt übeFs Ge¬ 
lenk und fügte zwei Querschnitte am oberen resp. unteren Ende 
des ersteren zu. Heute führt er einen Schnitt entlang der Crista 
ilei, Oristallschnitt; er beginnt denselben an dem Punkte, wo etwa 
das vordere Drittel derselben in’s mittlere übergeht. Der Schnitt 
wird nach hinten verlängert, bis zu den Proeess. spinosus; derselbe 

Original fro-m 

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57. Februar i9t)Ö. 


MÜNCHENER MEDlClNISCIIE WOCHENSCHRIFT. 


m 


verläuft alsdann entlang denselben senkrecht nach unten bis zur 
Verbindung des os coccygis mit dem os sacrum und wendet sich 
von hier aus wieder nach vorn gegen den grossen Trochanter, 
ohne indess denselben zu erreichen. Der cristale Schnitt trennt 
das Labium extern, der Crista ab, so dass der Schnitt direct bis 
auf die äussere Fläche des os ilei gelangt, alsdann wird das 
lVriost mit einem Hebel bis zur Incisura isehiadica maj. abgelöst. 
Die Musculatur der Nates liegt also zwischen Haut und Periost. 
Es wird alsdann an der inneren Seite der Crista das Labium 
int. derart abgetragen, dass es mit der von derselben entspringen¬ 
den Musculatur der Lendengegend und der Fossa iliaca in Zu¬ 
sammenhang bleibt. Das Periost der letzteren wird ebenfalls bis 
zur Incisura isch. maj. abgelöst. 

Alsdann wird ein Keil aus dem oberen Rande des Os ilei 
mit einer scharfen Knochenscheere herausgeschlagen. Nun wird 
von der entstandenen Lücke aus eine CI i g 1 i’selie Säge um den 
unteren Rand des Os ilei heruingeführt, um denselben quer zu 
durchsägen. 

B. vermeidet .sehr, den Meissei zu gebrauchen, weil er stets 
constatirte, dass nach längerem (Jebrauche desselben sich Collaps- 
symptome einstellten und dass einmal ein Patient im Oollaps 
blieb. Es bestand Fettembolie. 

B. gebraucht den Meissei evciit, nur, um denselben auf die 
Fuge des Gelenkes aufzusetzen und die Verbindung zwischen den 
beiden Knochen zu lockern, im fiebrigen gelingt es meist, durch 
Zug am os ilei ohne Meissei das Os ilei zu luxiren. 

Zum Schlüsse wird noch der Process. cubitalis des Os sacrum 
mit der G i g 1 Eschen Säge abgetragen. Dringt der tuber- 
culöse Process weiter in’s Os sacrum hinein, so muss man eine 
Sonde zur Orient-innig entlang den 3 Wurzeln das Plexus bis in 
den Canalis spinalis einführen und event. nochmals zum Meissei 
greifen, um zwischen den Wurzeln des Nerven mit einem 
schmalen Meissei den erkrankten Knochen zu entfernen. Die 
Wunde wird ganz zugenäht und ein Jodoformtampon wird an der 
Sacralwundfläehe angedrückt und nach hinten oben heraus¬ 
geführt. Die Blutung ist meist eine iiusserst geringe; seit der 
Zeit, dass ich in dieser Weise operirc, habe ich keinen Fall mehr 
an Collaps verloren. 5 Falle, welche* in letzter Zeit operirt 
wurden, sind günstig verlaufen, sowohl bezüglich des Wundver¬ 
laufes, des functionellen Resultates, als auch bezüglich der com- 
plcten dauernden Ausheilung. 

Auf Anfrage des Herrn Klein rätli Herr Bardenheue r 
bei nicht vorhandener Eiterung von der Operation ab, zumal leicht 
Verwechselung mit Osteomalacie des Beckens Vorkommen könne. 


Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Officlelles Protokoll.) 

Sitzung vom 9. Januar 1900. 
Vorsitzender: Herr Curschmann. 
Schriftführer: Herr Brau n. 


Herr Curschmann spricht zur Frage der Localisation 
der Appendicitis im Anschluss an folgenden kürzlich in seiner 
Klinik beobachteten Fall: 

25 jähriger Arbeiter, abgesehen von vorübergehenden neur- 
a athenischen Beschwerden früher immer gesund, erkrankte 
14 Tage vor der Aufnahme in’s Krankenhaus unter plötzlichem 
Schüttelfrost und musste sich zu Bett legen. Die Schüttelfröste 
kehrten in der nächsten Zeit fast täglich wieder, eine bestimmte 
Diagnose wurde von dem behandelnden Arzte nicht gestellt. Bei 
seiner Aufnahme in’s Krankenhaus liessen der elende Zustand, hoch¬ 
gradige Llnbesinnlichkeit, Milztumor, sowie der remittirende und 
intermittirende Charakter des Fiebers, die immer sich wieder¬ 
holenden Fröste die Diagnose Septicopyaemie als zunächst¬ 
liegend erscheinen. Weiterhin bemerkenswerth erschien jedoch 
der schwere Ikterus, der wenige Tage nach der Aufnahme so 
intensiv war, dass er als Melasikterus bezeichnet werden konnte. 
Man musste mm an einen Zusammenhang zwischen dem sep¬ 
tischen Process und der Leberaffection um so mehr denken, als 
auch in der That ein bedeutender Lebertumor mit ziemlicher 


Schmerzhaftigkeit palpatorisch nachweisbar war. Es musste sich 
also um einen acuten entzündlichen Zustand dieses Organes 
handeln. Am einfachsten erschien die Annahme, dass es in der 
Leber zur Bildung multipler Abscesse gekommen sei, deren aetio- 
logisch naher Zusammenhang mit der schweren septischen Er¬ 


krankung auf der Hand lag. 
woher die Pyaemie und dain 


^Es blieb nun die weitere Frage, 
; auch die* Abscesse in der Leber 


lag. ^Es blieb nun d 
omit auch !jej-lbsc< 


stammten. Das nächstliegendc war, an eine Perityphlitis zu 
denken. Die eingehende Untersuchung der typischen Stellen, ■ 
der Gegend des Coecum und der Appendix, ergab jedoch nicht den 
mindesten Anhaltspunkt für eine vorausgegangene entzündliche 
Erkrankung des Wurmfortsatzes; namentlich war weder ein Ex¬ 
sudat, noeii Reste eines solchen nachzuweisen, so dass man über 
die Quelle der Pyaemie irn Dunkeln bleiben musste. Eine Peri¬ 
typhlitis glaubte man als Ursache der Erkrankung ausschliessen 
zu dürfen. 

Eine vorgenommene Blutuntersuchung ergab nun das massen¬ 
hafte und ausschliessliche Vorkommen von Baeterium coli im 
Blute des Patienten. Der Nachweis gerade dieses Eitererregers 
in Verbindung mit der schweren abscedirenden Leberentzündung 
führte zur Vermuthung, ob es sich nicht um die gerade in 
neuester Zeit viel diseutirte Erkrankung der Leber, um eine sog. 
lickrotisirende Hepatitis, handele. Nach den bis jetzt vorliegen¬ 
den Krankengeschichten führt ja gerade dieser Krankheitsprocess 
zur Bildung multipler Eiterherde in der Leber, deren Ursache auf 
eine durch Baeterium coli hervorgerufene infectiöse Entzündung 
der grossen Gallenwege zurückgeführt werden muss. 

Die Diagnose der nekrotisirenden Hepatitis, die im vor¬ 
liegenden Falle lediglich per exclusionem gestellt war, erwies sich 
jedoch hei der Section als falsch. Es ergab sich trotzdem das 
Vorhandensein einer Appendicitis, dabei aber das eigenthüm- 
Jiehe Verhalten, dass der an seiner Spitze nekrotische Wurm¬ 
fortsatz, ohne dass Exsudat- oder Eiterbildung bis dahin ent¬ 
standen war, tief im Becken zwischen Blase und Mastdarm ge¬ 
legen und mit diesen Organen innig verklebt war. Von der 
nekrotischen Spitze des Wurmfortsatzes aus hatte sich eine 
Phlebitis entwickelt, die von da bis zum Stamm der Pfortader 
und von dieser bis tief in die Leber hinein in aRe Gallenäste 
sich erstreckt und hier die Ursache einer in der That nachweis¬ 
baren multiplen Abseessbildung geworden war. 

Dieser Fall, bei dem nach Lage der Verhältnisse eine unrichtige 
Diagnose kaum zu vermeiden gewesen war, gibt dem Vortragenden 
Veranlassung, einiges aus seinen Erfahrungen über die Topographie 
perityphlitischerExsudatemittzutheilcn. Er betont vor Allem, dass 
büchern liest, pcrityphlitische Exsudate an physiologischer Stelle 
des Coecum gefunden würden, sondern, dass man bei der Varia¬ 
bilität der Grösse und Lage des Kolon ascendens und des Wurm¬ 
fortsatzes stets darauf gefasst sein müsse, auch an anderen oft 
ganz unerwarteten Stellen von ihnen ausgehenden entzündlichen 
Exsudaten zu begegnen. Die Lage des abnorm langen Wurm¬ 
fortsatzes im kleinen Becken hat Herr Curschmann, 
namentlich dann, wenn auch das Coecum etwas mehr als normal 
beweglich war, an der Leiche gar nicht so selten, und einige Male 
durch diesen Zustand verursachte entzündliche Processe und 
Abscesse tief im Becken beobachtet. Man findet dann in solchen 
Fällen in vivo die rechte Fossa iliaca frei und kann auch über 
der Symphyse selbst bei tiefstem Eindringen keine Geschwulst 
nachweiscn, weil die Dünndärme meist über und in dem Becken¬ 
eingang verklebt sind. Die Untersuchung per rectum resp. per 
vaginam bei Frauen bringt gelegentlich den entzündlichen Herd 
zur Kenntniss. Aber selbst bei genauester Untersuchung ist auch 
dieser Befund nicht ohne Weiteres zu deuten (Beckenabscesse aus 
anderen Ursachen, Parametritis, Oophoritis etc.). 

Die abnorme Länge der Appendix kann weiterhin zu den ver¬ 
schiedenartigsten Localisationen des entzündlichen Processes 
führen: 

a) Der Processus ist über dem Beckeneingang mit dem 
Blasenscheitel verleihet, Ischurie, Perforation in die Blase; 

b) er findet sich dicht an der Linea alba oder der Nabelgegend 

oder 

c) im Verlauf des Kolon ascendens. 

Wenn neben der Länge des Wurmfortsatzes, was allerdings 
selten ist, eine bedeutende Verlängerung des Mesokolon ascend. 
und damit des Coecum besteht, so kann 

d) der perityphlitische Process in der linken Fossa iliaca sich 
entwickeln und dort ein Exsudat nachweisbar sein, was in vivo 
kaum anders als auf eine Sigmoidititis sich beziehen lässt. Einen 
solchen Fall hat Herr Curschmann einmal durch Section 
nachweiscn können. 

In diagnostischer und damit auch in therapeutischer Hin¬ 
sicht besondere Schwierigkeiten scheinen gewisse Entwicklungs¬ 
anomalien des Kolon ascend. zu bedingen, die dann zu Lagever¬ 
änderungen des Coecum führen. So kann ein durch Entwicklungs- 

UINIVERSITY OF CALIFORNIA 



304 


MÜNCHENER MED1C1NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 9 


hemmung abnorm kurz gebliebenes Kolon ascend. zu einem Herauf - 
gelagertsein des Coecum resp. der Appendix in die obere Bauch- 
gegend führen. Man sieht dann Abscesse im Epigastrium und 
unterhalb des Leberrandes entstehen. Ja selbst hinter der Leber 
können so Abscesse entstehen, die dann klinisch geradezu als sub¬ 
phrenische imponiren. Herr Curschmann theilt einen hier¬ 
hergehörigen Fall seiner Beobachtung mit. 

Bei einem älteren Herrn hatten sich scheinbar mehrfache An¬ 
fälle von Gallensteinkolik mit Schmerzen in der .Lebergegend unter 
1< röstein und leichtem Ikterus eingestellt. Verschiedene Gallen- 
steincuren brachten vorübergehende Besserung. Nach einem an¬ 
strengenden Gang trat plötzlich ein besonders heftiger „Anfall* 1 
auf, an den sich eine allgemeine Peritonitis anschloss, die zum Tode 
führte. Die Section ergab, dass es sich nicht um Gallensteine ge¬ 
handelt hatte, sondern dass das Goecum mit der Appendix hinter 
die Leber dislocirt war. Die Entzündung des Xyplilon hatte zur 
Abscessblldung in der Umgebung geführt, die in verschiedenen 
Attaquen die Leberschmerzen vorgetäuscht und den Ikterus durch 
den Druck auf die Gallenwege hervorgerufen hatte. Der letzte 
„Anfall* 4 verlief tödtlich, da der grosse abgekapselte retrohepatischc 
Abscess nach der freien Bauchhöhle hin perforirt war. 

Herr Curschmann weist noch darauf hin, dass Appen- 
dicitis auch zu retroperitonealen Processen führen kann, wenn 
die Appendix theilweise oder total extraperitoneal gelagert ist, 
was übrigens zu den seltensten Vorkommnissen gehört. 

Zum Schluss erwähnt er, dass auch in Bruchsäcken das 
Coecum und Wurmfortsatz gelegentlich gefunden und selbst in 
ihnen sich abspielende Appendicitis beschrieben worden sei. 

Discussion: Herr B u c h h e i m hat einen ähnlichen 
Fall wie den von Herrn Curschmann geschilderten gesehen. 
Es war aber da ein Infiltrat im kleinen Becken fühlbar. Herr 
B a h r d t f rügt nach der diagnostischen Bedeutung des McBur- 
ney'schen Punktes. Herr Tillmanns sah einen perityphli- 
tlschen Abscess in der linken Fossa iliaca, Herr Braun fand deu 
Wurmfortsatz in einer linksseitigen Leistenhernie bei einem 3 jähr. 
Knaben. Herr Curschmann: Ein Infiltrat im Becken war in 
dem von ihm geschilderten Fall nicht vorhanden, der McBur- 
n e y’sche Punkt hat nur für die an normaler Stelle sich abspielende 
Appendicitis diagnostische Bedeutung. 

Discussion über den Vortrag des Herrn Sachse: 
Ueber neuere Methoden zur Behandlung von Antrumempyemen 
und Kiefercysten. (19. December 1899.) 

Herr Barth versucht zunächst durch Ausspülungen von der 
Nase aus, event nach vorheriger Beseitigung von Polypen, 
Schleimhautwülsten, durch Entfernung erkrankter Zähne, die ja 
meist die Ursache des Empyems der Highmorshöhle sind, durch 
Eröffnung derselben durch die Alveole, der Krankheit beizukom- 
xuen, und eröffnet erst dann in der Fossa canina, wenn die ein¬ 
facheren Mittel nicht zum Ziele führen. Zum Offenhalten oder 
zeitweiligen Verschluss der Oeffnung bedient er sich dann der 
seit langer Zeit für diesen Zweck empfohlenen Bleistäbe oder 
Bleiröhren. Herr Sachse führt einige Punkte aus seinem Vor¬ 
trag in der letzten Sitzung genauer aus (siehe deu Bericht über 
diese Sitzung). 

Herr Stimmei: Unzweckmässiges unter Zudrücken der 
Nase bewirktes Schneuzen ist bisweilen die Ursache eines Antrum¬ 
empyems. Herr Schmied beobachtete wiederholte Antrumem¬ 
pyeme bei einem Kranken, jedesmal im Anschluss au Schnupfen; 
Befreiung der Oeffnung von der Nase aus brachte jedesmal 
Heilung. 

Herr W. Müller : Zur Entstellung der Lungenentzün¬ 
dungen. 

Es wurden über 100 croupöse Pneumonien bacteriologisch 
untersucht, es fanden sich dabei meist Bacteriengemische. 
Bac. Friedländer fand sich häufiger als in anderen Zusammen¬ 
stellungen. 

Die Frage, auf welchem Wege sich die Bacterien in der Lunge 
ausbreiten, wurde experimentell an Vaguspneumonien, sowie an 
menschlichen Präparaten untersucht. Für die ersteren konnte 
eine interstitielle Verbreitung der Mikroorganismen auf dem 
Wege der Septumsaftspalten und der Lymphgefässe nachge¬ 
wiesen werden. Der gleiche Weg wurde durch anatomische 
Untersuchungen für menschliche Aspirations- und croupöse 
Pneumonie bestätigt. (Autoreferat.) 


den von F o u r n i e r getauften parasyphüitischen Erkrankungen 
Tabes und progressiver Paralyse. Nach der Einleitung bericütel 
der Vortragende über 17 Fälle, deren Krankengeschichten er mit 
theilt. Es waren K> genital und 2 extragenital enistan 
dene Luesfälle. Letztere beide betrafen Aerzte, welche sich be 
einem an Lues tarda leidenden Kranken inficirt hatten durch Hiss 
wunden der Finger bei einer rinnenförmig angelegten Oeffnunj 
des 1. Humerus betreffs Entfernung von Eiter und kleinen Se 
questern aus einem Knochenabscess. Beide Verletzungen der Col 
legen gelangten durch Jodkali zur Heilung, nachdem der eine scüou 
die Exarticulation des Fingers, welcher Ostitis ulcerosa darbot, 
verlangt hatte. Diese lnfection durch Eiter eines Knochen- 
abscesses, aus Syphilis tarda verursacht, ist natürlich keine dei 
lnfection durch den Primärattect, durch syphilitische Gifte analoge 
sondern hat vielmehr Aehnlielikeit mit der lnfection durcl 
Leichengift. Dass aber syphilitische Toxine bei den beider 
Aerzten in die Lymphbahneu geriethen, beweist die rasche Hei 
lung durch Jodkali. Bei dem anderen Collegen, der auf dieselbe 
Weise Heilung erlangte, bestand Lymphangltis mit Axillarbubo, 
ähnlich wie bei Leicliengiftinfeetion. 

Von den übrigen h allen traten 2 unter dem Bilde einer Phieg 
mone auf, 1 Fall nach 3 Monate bestandener gummöser Hoden- 
Infiltration, der andere nach einem tumorartigen Gumma de& 
Unterhautzellgewebes. Mehrere Gummata grossen Calibers dei 
Haut und des subcutauen Zellgewebes schienen Carcinome odei 
Sarkome zu sein, z. B. in der Leber, in der Thoraxgegend, beidt 
geheilt durch specifische Behandlung; Lymphdrüsen waren dabei 
nie geschwollen; die mikroskopische Untersuchung entschied mehr¬ 
fach die Diagnose. Eine gummöse Erkrankung der Dura matei 
wurde, obwohl Pat. von anderer Seite einer Irrenanstalt zugewieseu 
worden, durch Inunction geheilt und lebte noch 28 Jahre gesund, 
bis er einem Lebercareinom, vielleicht auf einer luetischen Leber 
narbe entwickelt, erlag. Interessant war auch folgender Fall 
Plötzliches Glottisoedem aus unbekannter Ursache, Tracheotomie 
später wurde aus serpiginösen Geschwüren am Thorax ersichtlich, 
dass Lues die Ursache war. Specifische Behandlung. Nach zwei 
Jahren Tod an Schrumpfniere. Die Section wies zahlreicht 
Narben und Substanzveriust des Kehldeckels nach. Ein Fall vou 
totaler Alopecia acquisita heilte durch Jodkali, ein Ulcus durunj 
des Zahnfleisches des Oberkiefers mit Ausfallen der Zähne nach 
energischer specilischer Behandlung. Ein Ulcus durum der Portiu 
vaginalis, das einfache Leukorrhoe vortäuschte, wurde gründlich 
geheilt, so dass die Frau nach 2 Jahren ein gesundes Kind gebar. 
Von 2 Füllen von Gelenksyphilis wurde der eine, obwohl Anfangs 
tuberculüse Affection des Xibiotarsalgelenkes angenommen wurde, 
mit Kalomelinjectionen dauernd geheilt, während im anderen Fall 
doppelseitige luetische Erkrankung der Kniegelenke, welche Ge¬ 
lenkrheumatismus zu sein schien, Jodkali erheischte und heilte. 
Ein faustgrosses Gumma als Parotistumor wurde schon früher be¬ 
richtet. (Siehe diese Wochenschrift 1890, No. 50.) Diese Kranke 
bekam auf der linken Seite einen gleichen Tumor mit Vereiterung. 
Knochenerkrankungen w r urden beobachtet mit und ohne Knochen 
abscess. Gerade dabei ist an die „Lues tarda* 4 zu denken. 

Herr Flatau bespricht kurz 4 in den letzten Tagen aus 
geführte vaginale Hysterektomien unter theilweiser Demonstra 
tion der Präparate: 1. ein Ulcus mit Portiocarcinom; der am 4. Tage 
p. o. manifeste Ileus durch Laparotomie gehoben; es wraren Ver 
wachsungen einer Dünndarmschlinge im Beckenwundtrichter. 

2 . Uterus mit doppelseitiger Sactosalpinx auf gonorrhoischer 
Basis. 

3. Complicirter Beckenabscess, nach unten eröffnet und drainin 
nach morcellirender Entfernung des festeingemauerten Uteru>. 
(Patientin ist je in München und Augsburg schon laparotomirt 
worden: wesswegen, war nicht zu eruiren.) 

4. Uterus mit kindkopfgrossem Myom und vielen einzelnen 
kleineren Knoten, ebenfalls mit Hömisection anterieur und 
Enucleation der Myomknollen vaginal entfernt 

Herr F la t a u erwähnt, dass er nach Doyen-Landau’ 
scheu Priucipien operirt und seit */« Jahren auch mit der Hebel¬ 
klemme von Thumlm arbeitet. Eine schwere Blutung, glück¬ 
licher Weise noch auf dem Operationstisch, lässt ihn jetzt vor¬ 
sichtig Vorgehen und die Sehnürfurche von nun an noch mit 
Catgut sichern. 

Herr Flatau demonstrirt ferner eine zweihammerige 
Ovarialcyste von einer im 6. Monat schwangeren Vl.-Para. G«. 
wicht der Cyste betrug 18 Pfund. Der Stiel war 4ma) 
gedreht; der innere Tumor hatte nekrotische Wandungen; in 
ihn batte eine starke Blutung stattgefunden. Die Gefässe des 
Stieles haben Lumina vou der Stärke einer menschlichen Carotis 
und zeigen schon in grob anatomischem Sinne die Merkmale ex- 
cessiver Verkalkung. Schwangerschaft ungestört; Verlauf gut. 


Nürnberger medicinische Gesellschaft und Poliklinik 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 21. December 1899. 

Herr Joh. Merkel: Ueber Syphilis in larvirter Gestalt. 
Der Vortragende bewegt sich mit dem Berichte seiner Er¬ 
fahrungen über Syphilis in larvirter Gestalt, d. h. Syphilis mit 
Symptomen, welche eine andere Affection vortäuschten, nicht in 
der Betrachtung ungelöster Probleme in der Sypbilislehre, sondern 


betritt den .-Standpunkt di 
D samen pra! .tischet Fi 


praktischen Arztes in dieser bedeut- 
Lbensowenig soll die Rede sein von 


Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht) 

W i e n, 24. Februar 1900. 

Die Krankencassen und die Aerzte. — Heber Steifigkeit 
der Wirbelsäule. — Frühzeitiges Carcinom. — Eine Nadel im 
Kniegelenke. 

In den grossen Städten Oesterreichs, welche leider nur allzu¬ 
viel Aerzte zählen, die einander Concurrenz machen, haben die 
verschiedentlicheil Krankencassen die Aerzte geradezu untar- 

' UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. Februar 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


305 


jocht. Das wurde auch an dieser Stelle so oft mit ziffernmässigen 
Belegen dargethan, dass es dieses Mal nicht ausgeführt werden 
soll. Viel Plage, wenig Verdienst; grosse Verdriessliehkeiten, 
ewiger Streit mit den Kranken oder den Gewaltigen der Gasse, 
dagegen geringe moralische oder materielle Anerkennung. AnJers 
scheint es auf dem flachen Lande zu sein. Da muss es wohl noch 
einzelne Aerzte geben, die an exponirten Orten prakticiren, mit 
geringer oder keiner Concurrenz, Aerzte, welche sich von den 
Krankencassen nicht „unterkriegen“ lassen, welche es noch heut¬ 
zutage wagen, eine standesgemässe Entlohnung ihrer 
Leistungen zu verlangen. Das sind die „Schlimmen“, „während 
die Majorität der Aerzte den Krankencassen in wirklich humaner 
Weise entgegenkommt“. Gegen diese „schlimmen“ Aerzte muss 
angekämpft werden und der Verband der niederösterreichischen 
Genossenschafts-Krankencassen ist es, welcher eine Fehde gegen 
diese Aerzte inscenirt. 

Besagter Verband, resp. die „Verwaltung des niederöster¬ 
reichischen Bezirks-Krankencassenverbandes“ richtete jüngst an 
den niederösterreichischen Landesausschuss eine Eingabe, in 
welcher gebeten wird, bei Anstellung von Gemeindeärzten 
daiauf Rücksicht zu nehmen, dass diese sich auch verpflichten, 
gegen eine „entsprechende Entlohnung“ die Cassenmitglieder des 
Rayons in Behandlung zu nehmen. Man kann sich leicht vor¬ 
stellen, wie beschaffen resp. wie hoch diese „billigerweiso fest¬ 
zustellende Entschädigung“ der Aerzte sein werde, wenn man den 
nachfolgenden Satz liest, in welchem die Verwaltung des Cassen- 
verbandes ihre geheime Absicht verräth: „Der Appell an solche 
Aerzte, den Krankencassen doch mit Rücksicht auf ihren eminent 
humanitären Charakter entgegenzukommen, bleibe nach Mitthei- 
lrng einzelner Verbandscassen vergeblich und ebenso scheitern 
alle auf die Ermässigung der Aerztekosten gerichteten Bestre¬ 
bungen an der in jüngster Zeit durch gewisse Verfügungen der 
Aerztekammer zur Thatsache gewordenen Solidarität der Aerzte.“ 
Wenn auch dieser Satz in seiner obigen Fassung ein Unsinn ist, 
denn unseres Wissens hat die niederösterreiehische Aerztekammer 
„in jüngster Zeit“ keinerlei Verfügungen besonderer Art ge- 
ti offen, so geht dennoch aus demselben hervor, dass es der Gassen - 
Verwaltung lediglich um die Unterjochung der Landärzte zu thun 
ist, die in ihrer Habsucht so weit gingen, für die Behandlung der 
Cassenmitglieder jene M i n i m a 11 ö h n e zu fordern, welche 
Staat oder Land für die unentgeltliche Behandlung ihrer 
Armen zahlen. Auch diese gewiss niedrigen Honoraransätze 
sind den Herren von den Bezirkskrankencassen noch viel zu hoch, 
die vom Lande subventionirten Gemeindeärzte sollen also künftig¬ 
hin auch die Gassenkranken um dieselben Schundlöhne behandeln, 
als der Majorität der Aerzte in den grösseren Städten von der 
selben Gasse gewährt werden. 

Die „Oesterr. ärztl. Vereinsztg.“ sagt mit Recht, dass mit 
dieser Eingabe gegen den ärztlichen Stand ein neues Attentat 
geplant werde, ein Attentat, dessen Raffinirtheit ihres Gleichen 
nicht findet. Der Landesausschuss hat diese Eingabe der zu¬ 
ständigen Aerztekammer zur Aeusserung überwiesen. Die nieder- 
österreichische Aerztekammer hat in entschiedener und mannhafter 
Weise gegen die ungerechtfertigten Anwürfe des Verbandes gegen 
die Aerzte Stellung genommen und die unwahren Behauptungen 
desselben richtiggestellt. Wollte Gott, die Solidarität der Aerzte 
wäre zur Thatsache geworden — leider hat der Kranken - 
cassenverband auch darin nicht recht — dann hätte es die Ver¬ 
waltung der besagten Gassen nicht gewagt, eine so protzige, dem 
ärztlichen Stande so feindliche Eingabe der Landesvertretung 
zu unterbreiten. 

Das Thema von der Steifigkeit der Wirbelsäule wird jetzt 
vielfach in der medicinischen Publicistik und in gelehrten Gesell¬ 
schaften ventilirt. Letzthin stand es auch auf dem Programme 
des Wiener medicinischen Clubs. Dr. F1 e s c h stellte einen 
solchen Fall vor, der einen 28 jährigen Schuhmacher betraf. Die 
Steifigkeit hat sich innerhalb dreier Jahre vom Lendensegment 
bis zu den obersten Halswirbeln hinauf erstreckt. Vorerst waren 
Hals- und Brustwirbelsäule hochgradig kyphotiseh deformirt, 
Kopf und Hals waren stark vornüber geneigt und fixirt (Bech- 
terew’s pathognomonische Kyphose). Durch langsame kleine 
Bewegungen konnte F. eine Stellungsverbesserung erzielen und 
er gewann die Ueberzeugung, dass es sich hier um eine spastische 
musculäre Fixation handle. Die linke Unterextremität war hoch¬ 
gradig adynamisch und es bestanden darin Schmerzen ziehenden 

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Charakters; auch Kreuzschmerzen waren stets vorhanden. Die 
Therapie bestand in Points de feu, modificirt nach der Me¬ 
thode von Benedikt. Die zu beiden Seiten der Wirbelsäule 
gesetzten Wunden wurden durch 8 Tage mit Unguentum Mezerei 
zweimal täglich verbunden und die Eiterung wurde so unter¬ 
halten. Hierauf wurde durch Auflagen von Unguentum zinci 
die Uebemarbung herbeigeführt. Der Erfolg war vorzüglich. 
Es verschwanden die Kreuzschmerzen, die 1. Unterextremität 
wurde kräftiger, der 'Gang sicher, das subjective Gefühl von 
Spannung in der Wirbelsäule besserte sich und die Halswirbel¬ 
säule nahm eine annähernd normale Stellung ein. Die Gelenks¬ 
steifigkeit ist allerdings auch jetzt noch deutlich ausgeprägt, allein 
die Stellung der Wirbelsäule in tot'o ist geradlinig. Die ursprüng¬ 
liche Erkrankung scheint in den weichen Rückenmarkshäuten 
zu liegen und erst secundär erkranken Gelenke und Muskeln. 
Solche Fälle wären daher richtiger „meningitische Steifigkeit“ 
za benennen. Ausser Gonorrhoe vor 4 Jahren konnte kein aetio- 
logisches Moment eruirt werden. 

In der Discussion wies Herr Docent Dr. H. Schlesinger 
auf die Aehnlichkeit' der sog. B e c h t e r e w’schen Versteifung 
mit der von Marie beschriebenen Spondylose rhizomelique hin 
und berichtete über 2 interessante Fälle letzterer Art. Die 
Wirbelsäule war von oben bis unten steif wie ein Stück Holz. 
Schulter-, Ellbogen- und Kniegelenke vollkommen steif. Einmal 
handelte es sich um zweifellose Hysterie und die Steifigkeit war 
nur durch Muskelcontraetion bedingt. Auch im zweiten Falle 
scheinen nur Muskeleontracturen die Fixation der Wirbelsäule 
und der grossen Gelenke herbeigeführt zu haben. Diese Imitation 
des- Symptomencomplexes der Spondylose rhizomelique durch 
Hysterie ist bisher nicht bekannt; es ist aber die Kenntniss 
solcher Formen von Wichtigkeit, weil sie selbstverständlich einer 
Therapie weitaus besser zugänglich sind, als die durch Verände¬ 
rungen der Wirbelsäule hervorgerufenen Formen. 

In der Gesellschaft der Aerzte demonstrirte Professor 
P a 11 a u f ein Carcinom der Flexura sigmoidea, das von einem 
12 jährigen Mädchen herrührte. Dieses befand sich bis auf den 
Tag vor seinem Tode eigentlich wohl und starb rasch unter den 
Erscheinungen einer inneren Einklemmung, als man es operiren 
wellte. Das stenosirende Garcinom hatte schon zu Metastasen 
in der Leber und im Peritoneum geführt. Die histologische 
Untersuchung ergab Gylinderzellenkrebs. 

Der eminente diagnostische Werth der Röntgendurch- 
strahlung wurde durch einen Fall des Primarius und Docenten 
Dr. Julius Schnitzler dargethan. Ein 10jähriger Knabe 
fiel vor 2Vz Jahren auf das linke Knie, das bald darauf anschwoll 
und schmerzhaft wurde. Da eine Gelenksschwellung zurückblieb, 
diagnosticirten die Aerzte, worunter sich hervorragende Chirur¬ 
gen und Kinderärzte befanden, immer wieder Fungus des Knie¬ 
gelenkes. Ende 1897 sah Schnitzler den Kranken, konnte 
sich aber dieser Diagnose nicht anschliessen. Immer wieder wur¬ 
den fixe Verbände angelegt, worauf sich der Zustand besserte: 
wenn der Junge dann herumging, schwoll das Gelenk wieder an, 
wurde schmerzhaft etc. Als Schnitzler den Knaben nach 
2 Vz Jahren wiedersah, wollte er abermals die Diagnose auf 
Knochentuberculose nicht anerkennen, liess jetzt das Gelenk 
durchleuchten und da sah man, dass im Knorpelüberzug des 
äusseren linken Femurcondyls eine ca. 2 cm lange Nadel stecke. 
D;ese Nadel hatte sich der Junge offenbar schon bei seinem Falle 
(auf einen mit Teppichen belegten Boden) eingezogen, sie war 
nicht weiter gewandert, was den zahllosen seither angelegten 
fixirenden Verbänden zuzuschreiben ist. Die Nadel wird jetzt 
selbstverständlich operativ entfernt werden. 


Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 21. Februar 1900. 

Herr Heller: Fall von idiopathischer Hautatrophie, mit 
Demonstration. 

Demonstration des Kranken und zahlreicher instructiver mikro¬ 
skopischer Präparate von einem excidirten Hautstück. 

Herr Pariser: Ueber die haemorrhagische Erosion der 
Magenschleimhaut. 

Dieses von Einhorn aufgestellte Krankheitsbild, das auch 
von P. schon mehrfach besprochen wurde, unterscheidet sich 
vom Magengeschwür dadurch, dass unmittelbar oder bis Va Stunde 

Original from 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 0. 


306 


nach Aufnahme jeglicher Nahrung ohne Unterschied der 
Beschaffenheit heisse brennende Schmerzen auf treten und zwar 
nicht an einer umschriebenen Stelle, sondern iin ganzen Bereiche 
des Magens. Es findet sich auch kein Druckpunkt; Körperlage 
ist eben so wenig von Einfluss. 

Magenausspülung beseitigt sofort die Schmerzen. Die Mo¬ 
tilität ist nicht gestört. Die Acidität kann subnormal oder nor¬ 
mal sein. Die Krankheit dauert lange, mit Unterbrechung selbst 
12—18 Jahre (Einhorn). 

Im Spülwasser des Magens findet man fast immer kleine 
Sehleimhautfetzehen. Das Waschwasser ist oft röthlich gefärbt. 

Aetiologisch kommt der chronische Magenkatarrh 
in Eolge von Circulationsstörungen und anderen Momenten in 
Betracht, wesshalb P. den Namen Gastritis chronica 
exfoliativa für diese mit zahlreichen kleinen 
Erosionen einhergehende Form des Magenkatarrhs vor¬ 
schlug. 

Uebergänge von Erosionen in richtige Ulcera sind von 
Nauwerck beschrieben. Er selbst verfügt über eine Beobach¬ 
tung, in der er aus dem klinischen Bilde einen solchen Uebergang 
schliessen zu dürfen glaubt. 

Die Behandlung ist eine Uleuseur und besonders empfehlens- 
wertli Höllensteinspülungen (1:1000; zweimal je 
V-i Liter nach vorangegangener Auswaschung, Nachspülung mit 
Kochsalzlösung. Jeden zweiten Tag vorzunehmen). 

Einhorn empfiehlt endogastrale Faradisation und Galvani¬ 
sation (!), deren Berechtigung Pariser aber nicht zugeben 
kann. 

DlscuRsion : Herr Vlrchow weist auf die unsichere 
anatomische Basis des gezeichneten klinischen Bildes hin. Jedes 
Geschwür im Magen beginne gewissermaassen mit einer Erosion. 

Herr Th, W e y 1 : Hygienische Erfahrungen in Constan- 
tinopel. 

Aus dem mit Projectionsbildern illustrirten Vortrage ist 
zu erwähnen, dass-die alten Byzantiner und ebenso die Türken 
Wasserleitungen (Aquaeducte) gebaut haben, die auch von der 
modernen Technik nicht übertroffen werden können. 

(Fortsetzung vertagt.) II. Kohn. 


Verein Tür innere Medicin in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 19. Februar 1900. 

Demonstrationen. 

Herr J o 11 y demonstrirt einen Mann, der vor Jahren bei 
der Arbeit von einem Schwungrad erfasst und mit dem Kopfe in 
einen Kohlenhaufen geschleudert worden war. Folge dieses 
Traumas jetzt noch doppelseitige complete Facialislähmung, 
Störung der Sensibilität im Gebiete des 2. linken Trigeminusastes, 
Keratitis links mit Verlust des Auges. Gehör etwas herabgesetzt. 
Deutung des Befundes: Basisf ractur, die durch beide 
Felsenbeine hindurch ging und die N. facialis zerriss, dess- 
gleichen der eine Trigeminusast. 

Intersesnnt ist nun und von grosser praktischer Bedeutung, 
dass dieser Unfall vor der Einführung des Unfallgesetzes statt¬ 
fand: zum Heile des Patienten! Denn er war gezwungen, sich 
sein Brod zu verdienen und hat dies auch bis zum heutigen Tage 
theils als Maschinist tlieils in anderen Stellungen gethan. Würde 
er hingegen damals einen Anspruch auf eine Rente gehabt haben, 
so würden einerseits der Mangel des heilsamen Zwanges zur Arbeit 
und andererseits die psychischen Momente, welche bei dem Be¬ 
streben nach Erwerb einer Unfallrente mitspielen, wahrscheinlich 
den Verfall der Arbeitskraft dieses Mannes herbeigeführt haben. 

Herr Gans: ein Instrument zur Bestimmung des Harn¬ 
stoffes. 

Herr Jakobsohn : ein Gehirn eines an Tumor cerebri 
verstorbenen Knaben, der im Leben Symptome der multiplen 
Sklerose dargeboten. 

Discussion zum Vortrage des Herrn Eulenburg: 
Heber die Anwendung hochgespannter Wechselströme. 

Herr Toby Cohn: Derselbe hat seit Monaten in der M e n - 
d e r sehen Klinik Versuche mit diesen Strömen an zahlreichen 
Kranken gemacht. Ein objectiver Erfolg war nicht nachzuweisen, 
z. B. nicht bei Diabetes oder Fettleibigkeit, auch nicht auf den 
Blutdruck. 

Das subjective Befinden wurde hingegen in vielen Fällen 
günstig beeinflusst. Ganz besonders schien sich in mehreren 
Fällen vorhandene Schlaflosigkeit zu bessern. 

Local liess sich manchmal auf der Haut längere Zeit Röthung 
und Brennen constatireu. 

Herr Goldscheider verfügt über ähnliche Erfahrungen. 

Herr Bernhardt: Derselbe hat zwar keine eigenen Er¬ 
fahrungen, doch fiel ihm beim Studium der Literatur immer auf, 

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dass die diesbezüglichen Angaben der Franzosen theils sehr un¬ 
bestimmt gehalten sind, theils sich vielfach widersprechen. 

Der von Herrn E u leub u r g gestellte Antrag, dass eine 
Commission vom Verein für innere Medicin zum Studium des phy¬ 
siologischen und pathologischen Einflusses der hochgespannten 
Wechselströme niedergesetzt werde, wird mit grosser Majorität 
abgelehnt. 

Herr Rubinstein: Heber Arthritis chronica und 
verwandte Krankheiten. 

(Fortsetzung dieses Vortrages wird vertagt.) II. K. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Sociötö de Thörapeutique. 

Sitzung vom 10. Januar 1900. 

Epilepsie in Zusammenhang mit gastrischen Störungen. 

Maurice de Fleury setzt in längerer Rede auseinander, 
dass nach seinen persönlichen Erfahrungen in einer grossen An¬ 
zahl von Fällen zwischen Indigestion im weitesten Sinne des 
Wortes und epileptischem Anfall bei einem priidisponlrten Indi¬ 
viduum ein Zusammenhang wie zwischen Ursache und Wirkung 
bestehe. Es werden eine Reihe vou Fällen angeführt, woraus 
der günstige Einfluss hervorgeht, welchen D Unterdrückung des 
Alkohols, 2) massig strenge diätetische Vorschriften (Unter¬ 
drückung reizender oder leicht gühremler Nahrungsmittel, leichte 
grüne Gemüse, Fiselie, Eier, Abends fast ausschliesslich vege¬ 
tabilische Diät), 3) Milch- oder Milch- mit vegetarischer Diät und 
4) gleichzeitige Magenspülungen mit wiederholten Laxantien auf 
die Epilepsie ausübeu. Es ist die Möglichkeit vorhanden, dass 
eine grosse Anzahl der epileptischen Anfälle unter dem Einfluss 
einer Autointoxication nlhnentüreu Ursprungs steht, und für diese 
Fälle schlägt M. de F 1 e n r y den Ausdruck toxialimeiitäre Epi¬ 
lepsie vor. Ein Beweis für diese Theorie liegt darin, dass bei 
vielen Epileptikern MagenerWeiterung und Darmatouie bestellt 
und bei diesen überraschende Resultate durch Alles erzielt werden, 
was zur Sterilisinmg dos Verdauungsanparates beiträgt. 

Albert R o b i n sehliesst sich bezüglich des Zusammenhangs 
zwischen Epilepsie und Magenleiden völlig der Ansicht 
de Fleufy’s an. erlebte selbst einige beweiskräftige Fälle 
dieser Art und führt zwei derselben näher an. Darüber, wie 
dieser Zusammenhang zu erklären ist. hat jedoch R. nicht die 
gleiche Ansicht: wahrscheinlich sind die gastrischen Störungen 
nicht das primnin movens für die Anfälle, sondern spielen die 
nrovocirende Rolle bei Individuen, welchen die unmittelbare Ge¬ 
fahr des Anfalles droht. Andererseits kann jedoch, wie in dem 
zweiten Falle von R., eine Dyspepsie der Ausgangspunkt von 
Reflexwirkungen sein, welche schliesslich zu einer epileptischen 
Krisis führen. 

Huchard führt einen Fall an, der völlig der Theorie der 
toxi-alimentären Enilepsie entspricht, und fügt hinzu, dass es 
sicher auch eine Neurasthenie auf ähnlicher Grundlage (toxl- 
alimentürer) gibt. 

Bovet und Pouchet glauben, dass die Brom Wirkung bei 
Epilensie hauptsächlich auf gleichzeitigen diätetischen Vor¬ 
schriften beruhe und mit diesen auch die Bromvergiftungen ein¬ 
geschränkt werden. 

M.deFlenr y kommt in seinem Schlussworte auf die jüngst 
veröffentlichten Versuche von Toulouse und R i c h e t zu 
sprechen, welche durch Entziehung des Kochsalzes in der Nah¬ 
rung die Wirkung des Br bedeutend erhöhen konnten. M. de FI. 
erzielte nun dieselben Erfolge, indem er seine Kranken gleichsam 
mit Kochsalz übersättigte, die Speisen sehr gesalzen essen liess 
und ihnen noch Iniectionen künstlichen Serums machte. Dieser 
Widerspruch ist für de Fl. nur ein scheinbarer, denn in beider 
Art Versuchen war die Diät eine ähnliche (Milch, weisses Fleisch 
u. s. w.) und die erzielten Erfolge erklären sich durch diese Rege¬ 
lung der Kost und keineswegs durch die Entziehung der Chloride. 

Stern. 


Internationaler Congress für ärztliche Standes¬ 
angelegenheiten 

ln Paris vom 23. bis 28. Juli 1900. 

Ueber diesen Congress macht das Aerztl. Vereinsblatt fol¬ 
gende Mittheilung: 

Von der Leitung des Congresses, dem Vorsitzenden Dr. 
Lereboullet und dem Secretär Dr. G1 o v e r, ergeht eine 
dringende Aufforderung an die Collegen, welche sich an dem Con¬ 
gress zu betheiligen beabsichtigen, sich nunmehr zu melden, und 
den Beitrag von 15 Frcs. an Herrn P. M a s s o n, Boulevard Saiut- 
Gennain No. 120, Paris, einzuschicken. Es wird ihnen dann die 
Mitgliedskarte und zugleich der zur Erlangung der um 50 Proc. 
im Preis ermüssigten Fahrkarte nothwendige Ausweis zugestellt 
werden. 

Wegen einer Wohnung wird bei dem zu erwartenden starken 
Zustrom nach Paris gerathen, sich an eine der folgenden vier 
Agenturen zu wenden: 

1. Agence Desroches, rue du Faubourg Montmartre 21; 
2. La Sociötß francaise des voyages D u c h e m 1 n, rue de .Gram¬ 
men t 20; 3. Voyages p r a t i q u e s, 9 rpe de Rome; 4. L’Agence 

Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




27. Februar' 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


tles voyagcs modernes, rue de rEchelle 1. Die drei letzt¬ 
genannten geben Preise an von 0 Frcs., 0.50 Frcs. täglich für das 
Zimmer, mit ganzer Pension 12 bis 15 Frcs. 

Es scheint uns erwünscht, dass die deutschen Aerzte, welche 
für die Fragen der Standesorganisation ein so grosses Interesse 
gezeigt und in derselben so erhebliche Erfolge erreicht haben, 
sich an diesem ersten internationalen Congress, der den Berufs¬ 
angelegenheiten gewidmet ist, zahlreich betlieiligen. 


Verschiedenes. 

Schule für tropische Medicin in London. 

Am 1. Mai 1900 beginnt die 3. Session (das 3. Trimester) der 
London School of Tropical Medicine. Ich hatte Gelegenheit, an 
dem ersten acht wöchentlichen Curaus dieser Schule theiizunehmen 
und möchte den Collegen, die in die Tropen zu gehen gedenken, sei 
es im Dienste der Mission, der Regierung oder privater Gesell¬ 
schaften, einen Besuch dieser Schule warm zu empfehlen. In 
Deutschland besitzen wir bis jetzt noch kein derartiges Institut, 
wenn auch ein solches in Vorbereitung ist, so das wir vorläufig 
nur das Krankenmaterial der Hamburger Krankenhäuser (specien 
des Seemannshospitales), das Krankeuniaterial und die Curse des 
Instituts für lnfectionskrankheiten in Berlin, sowie die von dem 
Oberstabsarz t Professor Dr. Kohlstock am orientalischen 
Seminar zu Berlin abgehaltenen, vornehmlich für angehende 
Colonialbeamte bestimmten Vorlesungen über Tropenhygiene zur 
Verfügung haben. 

Die Kondolier Schule wurde am 2. Oetober 1899 eröffnet. 
Sie zeichnet sich vor der um 1 Jahr älteren Liverpooler Schule 
für tropische Medicin aus durch ihren systematischeren Unter¬ 
richt. Das reichhaltige Material des Seemanushospitales in Green¬ 
wich und seines Zweighospttales steht ihr zur Verfügung. Das 
Schulgebäude ist auf demselben Grundstück, auf dem das Zweig- 
hospltal steht, aufgeführt, und liegt unmittelbar an den Royal 
Victoria und Albert Docks. Das ist in der Tliat der geeignetste 
Platz, nirgends in Grossbritannien gehen so viele Schiffe vor Anker 
wie liier und die Krankheitsfälle kommen unmittelbar von den 
Schiffen zur Beobachtung und Behandlung. Die Schule ist eigens 
für ihre Zwecke gebaut und die Einrichtung, speciell des Labora¬ 
toriums, entspricht allen modernen Anforderungen. 

Der Unterricht beschränkt sich nicht nur auf die tropischen 
Krankheiten und deren Behandlung, sondern trägt auch dem Um¬ 
stande Rechnung, dass der Arzt in den Tropen viel mehr auf sich 
selbst angewiesen ist, als daheim. 9 Lehrer unterrichten mög¬ 
lichst in ihren Specialfächern, unter ihnen als Senior Patrick 
M a li s o n, dessen Name durch seine Arbeiten auf dem Gebiete 
der Malaria- und Filariakrauklieiten bekannt geworden ist. 

Jährlich linden 3 dreimonatliche „Sessions" statt, und zwar 
vom 1. Oetober bis zum 31. December, vom 15. Januar bis 14. April 
und vom 1. Mai bis 31. Juli. Am Anfang jeder Session wird ein 
achtwöchentlicher Cursus abgehoben, beginnend am ersten Mon¬ 
tag der Session, mit praktischen Demonstrationen, systematischer, 
mikroskopischer und bacteriologisclier Arbeit und Vorlesungen 
über tropische Medicin und Chirurgie, Haut- und Augenkrank¬ 
heiten in den Tropen etc. Der Besuch der Schule ist nur appro- 
birten Aerzten, bezw. Studenten im 5. Jahre ihres Studiums ge¬ 
stattet. 

Während meines Aufenthaltes studlrten dort 22 Aerzte, von 
denen die meisten bereits eine Reihe von Jahren in den Tropen 
prakticirt hatten, und zwar 12 als Aerzte im Colonialdienst der 
englischen Regierung, einer im Indian Medical Service, 1 Schiffs¬ 
arzt, 3 Missionsärzte, 5 Private, bestimmt für Afrika, Südamerika, 
Indien, NieflerHindiscli Indien, also für alle Theile der Welt. 

Die Kosten für den Unterricht betragen: 

Für eine Woche 30.50 M., für den acht wöchentlichen Cursus 
232 M., für die Session von 3 Monaten 307 M. 

Es empfiehlt sich sehr, in der Schule selber Wohnung zu 
nehmen. Daselbst sind 0 Zimmer zu vermietlien. Die volle 
Pension beträgt rund 390.— M. 

Um genauere Auskunft, Zusendung des Prospects etc. kann 
man sich wenden an den Secretär der Seamen’s Hospital Society: 
P. M i c li e 11 i Esq. Office-Greenwich S. E. Dr. W i n k l e r. 

Therapeutische Notizen. 

Zur Therapie der S k ro p hu 1 o s I s u n d P h t h i s i s 
i n c i p i e n s. 

Durch Verabreichung eines Tabakinfuses von 0,25 auf 100,0, 
alle 2 Tage ein Kaffeelöffel, Mittags gegeben, ist es mir gelungen, 
ausnahmslos bei jeder Skrophulose, bei der die „Drüsen“ noch nicht 
vereitert waren, in 3 Wochen völlige Heilung zu erzielen. Irgend 
welch«* unangenehme Erscheinungen konnte ich nie beobachten. 
Schwinden die Lymphome sehr rasch, so tritt ein geringes Fieber 
mit Erbrechen ein, das jedoch ohne Kunsthilfe schwindet und 
höchstens einige Stunden anhält. Die Medicin muss täglich unter¬ 
sucht werden, da sie sich schnell zersetzt, was sich durch Trübung 
und Flockenbildung anzeigt. Die Wirksamkeit zeigt sich 
spätestens am 5. Tag durch Weicher- und Kleinerwerden der 
Lymphome an. Höhere Dosen gab ich nie, ich halte auch eine 
öftere Darreichung als alle 2 Tage für nutzlos. 

Bei Plithisis incipiens (worunter ich solche Fälle verstehe, 
die keine Cavernen constatiren lassen) sah ich — bei gleicher 
Ordination — Schwinden der Nachtscliweisse, des Hustens und 
Hebung fies Appetits. Dr. L e v y - Neuhofen (Pfalz). 

Digitized by Google 


Die Operation der Leistenbrüche bei kleinen 
Kindern ist nach Francke - Braunschweig immer dann er¬ 
laubt, w enn nicht w r egeu zu grosser Schwüclie jeder operative Ein¬ 
griff überhaupt zu unterbleiben hat (Therap. Monatshefte 2, 1900). 
Sie muss vorgenommen werden, wenn trotz mehrmonatlichen 
Tragens eines passenden Bruchbandes keine Verkleinerung des 
Bruches eingetreten ist, wenn das betr. Kind sehr viel schreit 
und hustet und dadurch der Bruch immer stärker hervorgetrieben 
wird. Eine Störung der Wundheilung ist nicht zu fürchten, bei 
gut schliessender Naht ist eine Verunreinigung der Wunde im All¬ 
gemeinen ausgeschlossen. F. bringt auf die Wunde etw’as Airol, 
darüber einen Streifen Jodoformgaze und befestigt den kleinen 
Verband mit dem B e i e r s d o r fsehen Zinkparaplast, das bei 
völliger Reizlosigkeit ungewöhnliche Klebekraft besitzt. Das in 
allen Fällen angewandte Verfahren war das von B & s s i n i. 

Kr. 

Das von Bayer & Co. in den Handel gebrachte Tannopin 
ist ein Condensationsproduct des Tanuin und Urotropin. Seine 
Wirkung ist nach T i 11 e 1 -Wien im Allgemeinen jener des Taun- 
albin, Tannigen, Tannocol ähnlich (Therap. Monatshefte 2, 19U0). 
Man gibt es bei Kindern in Dosen von 0,3—0,5 bis zu 2 g pro die. 
Bei chronischen Darmkatarrhen soll es nach Beseitigung der 
flüssigen Entleerungen noch einige Zeit fortgegeben werden. 

Kr. 

L a n d o 11 - Strassburg berichtet (Centralbl. f. Augenheilk. 
1899, November) über seine Erfahrungen mit Nebennieren- 
Extract. Er verwendete zu seinen Versuchen ein von den 
Höchster Farbwerken hergestelltes Präparat, welches den physio¬ 
logisch wirksamen Körper der Nebennieren nach einem von 
v. F ü r t h angegebenem V erfahren isolirt enthält und welches sich 
vollkommen aseptisch lierstellen und auf bewahren, sowie genau 
dosireu lässt. JJer Extraet wirkt stark anaemisirend auf die 
oberflächlichen Gefässe der Coujunctiva und ist daher iudieirt bei 
Operationen zur Verhinderung der Blutungen, als Unterstützungs¬ 
mittel für die Wirkung des Cocains, Atropins, Eserins und ähnlicher 
Mittel beim entzündeten Auge, sow T ie zur Erleichterung der Be¬ 
schwerden bei acuten Conjunctivalkatarrhen. R. S. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 27. Februar 1900. 

— I »er Finanzausschuss der bayerischen A b - 
geordn o t e n k a m m e r erörterte in seiner Sitzung vom 
19. Februar ds. ,Js. beim Etat der Landesuniversitüten auch einige 
medicinisclie Fragen. Das Vorgehen Preussens, das für die An¬ 
stellung als Amtsarzt den Doctortitel seitens einer preussi- 
schen Universität verlangte, fand einhellige Missbilligung; nach der 
Erklärung des Uiiltusministers v. L andntan n stehe ein Dispens¬ 
verfahren in Aussicht und sind überhaupt einheitliche Promotions¬ 
vorschriften für den medicinisclien Doctor an allen deutschen Uni¬ 
versitäten zu erwarten. Ein Abgeordneter (v. Voll m a r) regte 
die Errichtung von Professuren für G e w e r b e h y g i e n e 
und sociales Versieh e r ungs w e s e n au; der Minister 
erklärte dem liachgehen zu wollen, wenn auch gegenwärtig schon 
ausreichende Vorlesungen über Hygiene gehalten werden. Das 
F r a u e n s t u d i u m fand getheilte Beurtheilung. Während Ab¬ 
geordneter Dr. Orte rer in der Zulassung zum Frauenstudium 
ein Unglück sieht und Dr. D a 11 e r die schwere Concurrenz der 
studirteu Frauen fürchtet, stellten sich die Referenten auf den 
Standpunkt, dass die Frauen nicht principiell von einem wissen¬ 
schaftlichen Studium ausgeschlossen, dann aber nicht auf das medi- 
cinisclie Studium allein beschränkt, sondern auch zur Juristerei 
zugelassen werden sollten; nach der Meinung eines Abgeordneten 
(Jurist!) eignen sich die Frauen zur Jurisprudenz zwar nicht, wohl 
aber für Medicin (!) und auch für Unterricht an weiblichen Gym¬ 
nasien. Bezüglich der Zulassung der Abiturienten der 
R e a 1 g y m n a s i e n zum modiciuisehen und juristischen Studium 
war die Stimmung getheilt, selbst bei den Juristen; während auf 
der einen Seite erklärt wurde, dass die classische Bildung für 
den Juristen und Verwaltungsbeamten unbedingt nothw T endig sei, 
war es die Meinung anderer Fachgenossen, dass für einen Ver- 
w'altungsbeamten die Vorbildung auf einem Realgymnasium sehr 
vortlieilhaft sei und ein Manco au realistischer Bildung oft schwer 
empfunden werde. Der Cultusminister v. Landmann sprach 
sich dahin aus, dass die bayerische Regierung (Ministerium des 
Innern) gegen die Zulassung der Absolventen der Realgymnasien 
zum medicinisclien Studium sei und auch die Aerztekammem 
sich dagegen ausgesprochen hätten; er halte es übrigens für kein 
Unglück, wenn der Uoncurrenzkampf zwischen dem humanistischen 
und dem Realgymnasium bei den Hochschulstudien zugelassen 
werden würde, das humanistische Studium käme dabei nicht zu 
kurz: die Leistungen des Realgymnasiums würden von dessen Ver¬ 
tretern denjenigen der humanistischen Gymnasien gegenüber für 
gleichw’ertliig erachtet; bei richtiger Reorganisation der Realgym¬ 
nasien könne auch die classische Bildung zu ihrem Rechte kommen. 

— Zur freien Arztwahl in Hamburg wird uns ge¬ 
schrieben: Dass von Seiten der Krankencassen-Vorstände auf ein 
Entgegenkommen in dieser Frage nicht zu rechnen ist, hat der Ver¬ 
lauf einer Versammlung wiederum gelehrt, die am 19. d. M. hierorts 
stattgefunden hat. Diese Versammlung hat eine kleine Vorge¬ 
schichte, die wir zum besseren Verständniss kurz berühren 
müssen. 


Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



308 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No.. 9. 


In Hamburg besteht seit ungefähr Jahresfrist eine ärztliche 
Centralstelle für Kraukeucassen-Angelegenheiten, die als Com¬ 
mission zur Vorbereitung einer gemeinsamen Centralstelle von 
Aerzten und Cassenvorständen gedacht war, und als deren erste 
zukünftige Aufgabe die allmähliche Anbahnung der freien Arzt¬ 
wahl unter den bekannten Oautelen bezeichnet wurde. Im Ja¬ 
nuar d. J. hatten die Aerzte der Centralstelle, von denen 5 aus 
der Aerztekammer und 10 aus der Urigen Aerzteschaft gewählt 
sind, Einladungen an sämmtliclie hiesige CassenVorstände 
zu einer Versammlung ergehen lassen, um ihnen unser Pro¬ 
gramm zu entwickeln und sie zu gemeinsamer Arbeit auf- 
zuforderu. In der Versammlung, welche von über 100 Dele- 
girten der Krankencassen besucht war, nahmen letztere im Ganzen 
eine entgegenkommende Haltung ein. Da mitgetheilt wurde, dass 
demnächst eine von allen Cassenvorständen besuchte Versammlung 
statttinden werde, so beschloss mau, die eudgiltige Entscheidung 
der Angelegenheit der letzteren vorzubehalten, erklärte sich je¬ 
doch im Princip mit der Bildung einer gemeinsamen Centralstelle 
einverstanden. 

In der Versammlung der KrankeucasseuVorstände von Ham¬ 
burg-Altona am 10. d. AI., zu der auch etwa 24 Aerzte, darunter die 
Mitglieder der ärztlichen Centralstelle, eingeladen waren, wurde 
die „Stellungnahme zur Aerztefrage“ als zweiter Gegenstand der 
Tagesordnung behandelt. Heber das Schicksal unseres Anerbietens 
konnte man nicht mehr zweifelhaft sein, nachdem als erster Re¬ 
ferent ein Redner auftrat, der eine fulminante Rede gegen die freie 
Arztwahl hielt. Er beleuchtete dieselbe vorwiegend vom finan¬ 
ziellen Standpunkte der Krankeucasseu, rechnete heraus, dass eine 
Verdreifachung der Ausgabe für Arzthonorar eintreten würde, 
wenn die Cassen nach den Beschlüssen dt s Dresdener Aerztetages 
die Einzelleistung nach den Minimalsätzen der Eandestaxeu be¬ 
zahlen würden und kam zu dem Schluss, die Versammlung solle 
die freie Arztwahl und die Bildung einer gemeinsamen Central¬ 
stelle ablehnen, da von letzterer für die Cassen doch nichts heraus¬ 
kommen würde. Die folgenden Redner bewegten sich mit einer 
einzigen Ausnahme in denselben Bahnen, wobei es au Seiteuhiebeu 
auf die Aerzte, die wohl ihre eigene Lage verbessern wollten, aber 
zur Verbesserung der Lage der armen Arbeiter nichts übrig hätten, 
nicht mangelte. 

Zum Schluss wurde eine Resolution angenommen, „die Frage 
der freien Arztwahl in den Krankencassen zur Zeit zurückzu¬ 
stellen“. Die Wahl einer Commission zu gemeinsamer Verhand¬ 
lung mit der ärztlichen Centralstelle wurde schliesslich mit ca. 70 
gegen 30 Stimmen abgelehnt. 

Damit sind für uns die friedlichen Verhandlungen mit den 
Cassenvorständen abgeschlossen. Der Verlauf der Versammlung 
hat wieder einmal gezeigt, dass ein Zusammenarbeiten mit jener 
Seite unmöglich ist und die Aerzte selbst sich zusammensehliesseu 
müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Dadurch gewinnt der 
geschilderte Vorgang auch ein allgemeineres Interesse und möge 
allen Coliegen im Reiche zur Warnung dienen. 

— Der Abtheiluug für freie Arztwahl des 
ärztlichen Bezirks Vereins München gehören gegen¬ 
wärtig 271 Aerzte und 7 klinische Anstalten an. Im Laufe des 
Jahres 1899 waren 4 Mitglieder gestorben und 12 ausgetreten; neu 
beigetreten waren 30 Aerzte, so dass der Mitgliederstand im 
Ganzen sich um 14 vermehrte. 

— Am Sonntag den 18. d. M. constituirte sich im Sitzungssaale 
des Cultusministeriums das Comitö für Krebsfor¬ 
schung. Die Einladungen hiezu waren von Geheimrath 
v. Leyden und Dr. George Meyer ergangen. An den Be¬ 
rathungen nahmen ausser den Genannten die Herren Geheimräthe 
Kirchner und Guttstadt, Itegierungsräthe Wutzdorff 
und Wehmer, Stadtrath Strassmann, Dr. Freund 
(Landesversicherungsanstalt Berlin), Dr. Hirschberg (Sta¬ 
tistisches Amt der Stadt Berlin) und Dr. Juliusburger Theil. 
In den vorläufigen Vorstand wurden die Herren v. Leyden 
(Vorsitzender), Kirchner (stellvertretender Vorsitzender) und 
George Al e y e r (Schriftführer) gewählt. Nach weiterer Bestim¬ 
mung der zunächst erforderlichen Zuwahlen wurde der Plan des 
ferneren Vorgehens erörtert und die Betheiligung aller Aerzte, 
aller wissenschaftlichen und ärztlichen Vereinigungen, Versiche¬ 
rungsanstalten und Heilanstalten an der Sammelforschung in Aus¬ 
sicht genommen. Für die Ausarbeitung von Fragekarten und 
-bogen wurde eine besondere Commission ernannt. 

— Pest. Britisch-Ostindien. An Pesterkrankungen wurden 
vom 4. bis 16. Januar 1006 gemeldet. — Brasilien. Zufolge 
einer Alittheilung vom 22. Januar ist in Sao Paulo und Umgegend 

seit dem 15. Januar kein Pestfall mehr festgestellt worden _ 

Paraguay. Nach den Veröffentlichungen des Nationalgesundheits¬ 
raths zu Asuucion sind dort vom 22. December bis 7. Januar noch 
3 Erkrankungen an der Pest zur Anzeige gekommen und zwar eine 
am 28. December, zw r ei am 5. Januar. Während des gleichen 
Zeitraumes ist nur noch ein Todesfall, und zw r ar am 28. December, 
durch die Pest verursacht worden. Die Pest ist durchaus auf das 
weitere Stadtgebiet von Asuncion beschränkt geblieben, in der 
Campaua, d. h. dem übrigen Paraguay, ist abgesehen von einzelnen 
Fällen in benachbarten Ortschaften, die erweislich aus Asuncion 
geflüchtete und bereits mit der Krankheit behaftete Personen be¬ 
trafen, kein Krankheitsfall an Pest bekannt geworden. In Asun¬ 
cion selbst haben sich, nachdem die ursprünglichen Krankheits¬ 
herde im Hafenviertel, in Kaserne und Hospital erstickt worden 
w'aren, angeblich keine eigentlichen Krankheitsherde mehr ge¬ 
bildet, vielmehr traten die später beobachteten Krankheits- und 


Todesfäle Immer vereinzelt in den verschiedensten Stadtgegen¬ 
den auf. V. d. K. G.-A. 

— Regierungsrath Dr. Ohlmüller, Vorstand der Hygie¬ 
nischen Abtheilung im kaiserl. Gesundheitsamt ist zum Geh. 
Regieruugsrath ernannt worden. 

— ln der 6. Jahreswoche, vom 4. bis 10. Februar 1900, hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Eimvoliner die grösste Sterb¬ 
lichkeit Danzig mit 40,7, die geringste Potsdam mit 9,4 Todesfällen 
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestor¬ 
benen starb an Maseru in Darmstadt, Gera, München; an Schar¬ 
lach in Elberfeld; an Diphtherie und Croup in Borbeck, Branden¬ 
burg, Bromberg. 

(Hochschulnachrichten.) 

Edinburg. Um den durch Grainger Stewart’s Tod 
erledigten Lehrstuhl der praktischen Medicin hat sich Byrom 
B r a m well beworben. 

W i e u. Dr. Jul. N e u m a n n hat sich für Geburtshilfe und 
Gynäkologie habilitirt. 

(Todesfälle.) 

Am 22. ds. starb in Regensburg der k. Regierungs- und Kreis- 
medicinalrath Dr. Ottmar Hofmann, 65 Jahre alt Mit diesem 
tüchtigen, auch wissenschaftlich hochstehenden Manne verliert 
Bayern einen seiner hervorragendsten Alediciualbeamten. Einen 
Nachruf aus berufener Feder hoffen wir in Bälde bringen zu 
können. 

Eine andere schmerzliche Trauernachricht meldet den Tod 
de« Geheimen Sanitiitsrathes Professors Dr. Otto Leichten- 
ster lt in Köln, der am 23. ds. einer Pneumonie des 1. Unter¬ 
lappens erlag. Auch seine vielseitigen Verdienste sollen in einem 
besonderen Nachrufe gewürdigt werden. 

Einen schweren Verlust erleidet die ärztliche Sache durch den 
ebenfalls in der vorigen Woche erfolgten Tod des Reichstags¬ 
abgeordneten Sanitätsrath Dr. Kruse. Er starb, 63 Jahre alt, 
auf seiuem Posten im Reichstag, wo ihn während einer Com¬ 
missionsberat hung ein Schlaganfall getroffen hatte. Er war Mit¬ 
glied des Reichstags in den Jahren 1885—1889 und dann wieder 
von 1893 an und vertrat dort den 2. hannoverischen Wahlkreis 
Aurich-Wittmund. Nach Graf*« Tod blickte man auf ihn, wenn 
es sich um die Wahrung ärztlicher Interessen im Reichstage han¬ 
delte und er hat sich ihrer stets mit Wärme und Geschick an¬ 
genommen. Da das ärztliche Element sonst im Reichstage sehr 
wenig zahlreich vertreten ist, wird sein Tod doppelt schwer em¬ 
pfunden. Kruse war Badearzt in Norderney und hat sich grosse 
Verdienste um diesen Curort erworben. 

Dr. G. P a c e 11 i, Privatdocent für Neurologie zu Rom. 

Dr. Jolm Cargill 8 ha w t , Professor der Neurologie am Loug 
Island College Hospital zu Brooklyn. 

(Berichtigung.) ln der Arbeit des Herrn Dr. Tof f in 
No. 7, 8. 224 sind durch ein Druckversehen einige Zeilen verstellt 
worden. Z. 48—51 müssen sich an Z. 40 anschliesseu. Ferner sind 
die Erklärungen zu Fig. 2 und 3 miteinander verwechselt Unsere 
Leser werden beide Versehen schon selbst berichtigt haben. Die 
Zeichnungen sind % der natürlichen Grösse. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Dr. Karl Jourdan, appr. 1892 und Dr. 
Friedrich C o u r i u s , appr. 1896, beide in München. 

Verzogen: Dr. Friedrich lt i e s s, appr. 1898, bisher Assistenz¬ 
arzt der Heilanstalt Neufriedenheim bei München, nach Durango 
(Mexico). 

Gestorben: Dr. Robert Ai ü 11 e r in München. Dr. Otto 
H a r t i g in Hochspeyer. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 7. Jahreswoche vom 11. bis 17. Februar 1900. 

Betheil. Aerzte 280. — Brechdurchfall 12 (8*), Diphtherie, 
Croup 12 (14), Erysipelas 15 (14), Intermittens, Neuralgia interm. 
3 (1), Kindbettfieber — (—), Meningitis cerebrospin. 2 (—), Morbilli 
437 (578), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 4 (2), Parotitis epidem. 
5 (4), Pneumonia crouposa 22 (24), Pyaemie, Septikaemie — (—), 
Rheumatismus art. ac. 33 (29), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
2 (5), Tussis convulsiva 19 (15), Typhus abdominalis 4 (3), 
Varicellen 7 (9), Variola, Variolois — (—). Summa 577 (706). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 7. Jahreswoche vom 11. bis 17. Februar 1900. 

Bevölkeningszahl: 463000. 

Todesursachen: Masern 20 (30*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Croup 2 (1), Rothlauf 2 (—), Kindbettfieber — (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 3 (2), Unterleibstyphus 
2 (—), Keuchhusten 2 (3), Croupöse Lungenentzündung — (3), 
Tuberculose a) der Lungen 33 (24), b) der übrigen Organe 10 (7)» 
Acuter Gelenkrheumatismus 2 (—\ andere übertragbare Krank¬ 
heiten 17 (24), Unglücksfälle 1 (1), Selbstmord 3 (—), Tod durch 
fremde Hand — (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 266 (285), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 30,0 (32,0), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 21,0 (22,3). 


Digitized fr, 




*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche 


Lehmann in MQnchen. — Druck ron B. Mfihlthaler’i Buch and Kanatdrnckerel A.G., ItiÜnchen. 

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MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Horausgegeben von 

Ch. Bänmler, 0. Bollinger, H. Curschmann, C. 6erkanlt, W. i. Helneke, 6. Merkel, J.». Michel, H. i. Ranke, F. i. Wlnckel, H. ». Ziemssen, 

Vreiburg i. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


M 10. 6. März 1900. 


Redaction: Dp. B. Spatz, Ottostraase 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Aus der Kgl. Universitäts-Frauenklinik Greifswald. 

Beitrag zur Totalexstirpation des completen Scheiden- 
und Uterusvorfalles nach A. Martin. 

Von Dr. L. Froriep, Assistenzarzt der Klinik. 

In der geburtshilflichen Section der Naturforseherversamin- 
lung zu Düsseldorf 1898 (Berl. klin. Wochenschr. 1898, No. 40) 
hat A. Martin über eine Operationsmethode bei totalem Pro¬ 
laps des Uterus und der Vagina berichtet, die bei alten Frauen die 
extremsten Fälle durch totale Entfernung beider Thcilc zur radi- 
calen Heilung zu bringen bezweckt. Fritsch lässt, wie Asch 
berichtet (Arch. f. Gynäk., XXXV, 1889) bei seiner Totalexstir¬ 
pation noch einen Rest der Scheide bestehen; „aber bei aller An¬ 
erkennung des Werthes der Erhaltung selbst eines bescheidenen 
Sehei denrest es“, sagt A. Martin, „ist doch kaum zu bestreiten, 
dass tiefgreifende Veränderungen, welche die zu Tage liegenden, 
evertirten Vaginalwände in Form von tiefen Ulcerationen und 
Narben, insbesondere von erfolglosen Kolporrhaphien in vielen 
Fällen zeigen, dem Bestreben, daraus eine annähernd brauch¬ 
bare Scheide zu reconstruiren, ein absolutes liinderniss in den 
Weg stellen können. Kommen dazu ausgedehnte Verwachsungen 
des Uterus in dem aus der Vulva heraushängenden Trichter, Neu¬ 
bildungen im Corpus, chronische eitrige Entzündungsherde in 
den Adnexorganen, dann scheitern nicht nur alle Versuche, die 
Frauen durch die bekannten Kolporrhaphien von ihren Be¬ 
schwerden zu befreien und arbeitsfähig zu machen, dann genügt 
auch nicht die Exstirpatio uteri und daran anschliessende Ex- 
cision eines Theiles der Scheide und eine etwaige Dammplastik, 
dann erübrigt in solchen extremsten Fällen nur eine Exstirpation 
der Scheide mit dem Uterus und, wenn möglich, mit seinen Ad¬ 
nexen, zunächst ohne specielle Rücksicht auf spätere Copulations- 
fähigkeit.“ Dies sei kurz zur Erläuterung der Indieations- 
stellung erwähnt. 

Das eine Radicalheilung involvirende Princip der Martin’- 
sehen Methode besteht darin, nach der Totalexstirpation durch 
Vemähung der beiderseitigen Ligamentstümpfe mit den Schei¬ 
denresten eine Retraction letzterer nach oben zu bewirken und 
durch die dadurch erreichte Spannung einem neuen Vorfall ent¬ 
gegenzuarbeiten. Zugleich soll die Sicherstellung eines even¬ 
tuellen Rectumdivertikels bezw. einer Cystocele erreicht werden. 

Die Technik, dieser Forderung gerecht zu werden, ist fol¬ 
gende: Zunächst wird mit dem Messer die Grenze zwischen 
Scheide und Vulva ringsum Umschnitten. Vorn läuft die Schnitt¬ 
linie etwa 2 cm hinter dem Orific. urethrae externum. Nun wird 
der Prolaps soweit als möglich nach oben gezogen. Die hintere 
Scheidenwand wird in der Mitte durch Längsschnitt durchtrennt. 
Der Schnitt trifft die hintere Wand des Collum und wird bis zur 
Eröffnung des Cavum Douglasii durchgeführt. Hiebei muss auf 
eventuelle Rectum di vertikel geachtet werden: findet sich ein 
solches, so wird es zurückgeschoben und dann der D o u g 1 a s’sche 
Raum eröffnet. Sofort wird der Peritonealwundrand an die ent¬ 
sprechende Peripherie des Scheidenwundrandes angenäht. Die 
hierzu zu untergreifende Gewebsmasse ist nicht sehr massig. Die 
Nadeln werden von aussen, jenseits des Umschneidungsschnittee 
eingestochen. Der Boden des Douglas wird nach Analogie des 

No. 10. 

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von A. Martin für die Totalexstirpation des Uterus in der 
Pathologie und Therapie der Frauenkrankheiten, 1885, an¬ 
gegebenen Verfahrens vernäht, indem grosse Nadeln nach der¬ 
jenigen Stelle an den Seiten des I) o u g 1 a s’schen Raumes vor¬ 
geschoben werden, welche der daselbst eingeführte Zeigefinger ent¬ 
gegendrängt. 

Das unterstochene Gewebe wird etwa 1 cm über dem Faden 
mit der Scheere abgeschnitten. In der Regel genügen 3 solcher 
Ligaturen zu jeder Seite, also 6, um die hintere Peripherie der 
Umschneidungslinie zu versorgen. 

Wenn möglich, wird jetzt schon auf beiden Seiten die Ab¬ 
lösung der hinteren Hälfte der Pars cardinalis lig. lati in Angriff 
genommen. Hier kann zunächst die Scheide von der Um¬ 
schneidungslinie aufwärts abgelöst werden. Dann drängt der ein- 
geführto Zeigefinger einen Abschnitt des Ligamentum latum 
herunter, eine grosse Nadel wird von aussen bis in das Peritoneum 
geführt, hier herausgestochen, dicht daneben wieder eiugestochen 
und nach aussen, jenseits der Umschneidungslinie herausgeführt. 
Mit je drei solcher Nadeln wird auf beiden Seiten die Ablösung 
der Scheide von ihrer Unterlage und des Lig. latum vom Collum 
bis etwa in die Mitte der Vulva durchgeführt. 

Nun wird der ganze Vorfall nach abwärts gezogen, vorne 
unterhalb der Urethralöffnung, vom Cireumeisionssehnitt nach 
der Portio, ein Längsschnitt geführt, die Scheidenwand von hier 
aus beiderseits etwa 5 em breit von der Blase abgelöst. Zur Er¬ 
öffnung der Plica vesico-uterina wird die Blase vom Collum uteri 
abgeschoben. Sofort nach Eröffnung des Peritoneum werden die 
Peritonealwundränder mit denjenigen des Scheidenrestes unter 
der Urethra vernäht. Jetzt gelingt es leicht, die Scheide rechts 
und links von ihrer Unterlage weiter abzulösen und den R:st des 
Ansatzes der Pars cardinalis lig. lat. mit Nadeln von dem peri¬ 
pheren Cirkelschnitt aus zu umfassen. Auch hier wird das zu 
durchschneidende Gewebe so unterbunden, dass jede unbequeme 
Blutung aus der Art. uterina vermieden wird. Ist die Pars car- 
dinalis abgelöst, so spannt sich der obere Theil des Lig. lat. 
leicht bei seitlicher Hervorleitung der Uteruskante. Tube und 
Ovarium, das Lig. ovarieo-pelvicum werden sichtbar. Hier kann 
die Unterbindung in situ erfolgen oder eben in der Weise, dass die 
Fäden wieder vom nächstgelegenen Theil des Cirkelschnitts an 
bis zum Peritoneum und von da zurückgeführt werden. Ist dann 
die eine Seite des Uterus, eventuell mit Ovarium und Tube, ab¬ 
gelöst, fällt die ganze Masse heraus, so lässt sich die andere 
Seite meist leicht in ähnlicher Weise versorgen. 

Der nach Entfernung des Uterus und der Scheide entstandene 
Trichter ist vom Peritoneum überkleidet. Man sieht keine Wund¬ 
fläche: es blutet nicht. Durch die Retraction der Ligament¬ 
stümpfe aber wird der Vulvarand tief eingezogen. Die ganze 
Oeffnung erscheint so verjüngt, dass in der Regel Darmschlingen 
nicht herunterfallen, oder jedenfalls leicht mit einem Tupfer zu¬ 
rückgehalten werden können. Der Abschluss wird durch Ver- 
nähung nach Art der queren Obliteration der Vulva erreicht, 
durch Fäden, welche den ersten circulären Incisionsschnitt breit 
untergreifen, und zu 4 oder 5 zwischen der Commissura post, 
bis an die Urethra angelegt werden, dass breite Peritonealflächen 
von beiden Seiten breit aufeinander gepresst werden. 

Ueber die nach diesem Principe operirten Fälle wurde von 
A. Martin auf der Naturforscherversammlung in Düsseldorf 

1 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 








310 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


1898 (1. e.) berichtet. Ausserdem wurden danach noch 6 andere 
Fälle von ihm von Herbst 1898 bis Ostern 1899 opcrirt. 

Es fanden sich seitdem an der hiesigen Klinik 6 Fälle, bei 
welchen ebenso verfahren werden konnte. Sie sollen zunächst 
folgen: 

I. 4. V. 99. Arbeitersfrau M. Sehw., 49 Jahre alt, hat 11 mal 
geboren, zuletzt vor 4 Jahren. Bei den letzten Geburten war 
Kunsthilfe nothwendig. Wochenbette normal. Ausserdem drei 
Aborte, der letzte vor mehreren Jahren. Menopause seit V/ 2 Jahren. 
Es bestehen Kückenschmerzen und Schmerzen in der Vaginal¬ 
gegend. Seit 2 Jahren soll der Unterleib immer stärker geworden 
sein. Appetit gut. Stuhlgang angehalten. Urinlassen ohne 
Schwierigkeit, ln letzter Zeit will Patientin immer magerer ge¬ 
worden sein. 

Es besteht ausgedehnter Windbauch, dagegen findet sich ein 
Totalprolaps der Vagina und des Uterus. Die Vaginalschleimhaut 
ist vollständig epidermisirt, auf der Hlnterseite derselben ein 
langes Ulcus decubitale. Das Collum ist elongirt und ist atro¬ 
phisch. Die Adnexe ohne Besonderheiten. In dem vorderen Theile 
des Prolapses liegt der grössere Theil der Blase, in dem hinteren 
ein grosses Reetmndivertikel. 

12. V. 99. Operation. Die Vagina ist vollkommen evertirt. 
Der Uterus wird stark nach vorne in die Höhe gezogen und die 
Vagina etwa 2—3 ein von ihrer üussersten Grenze Umschnitten. 
Nach Eröffnung des 1) o u g 1 a s'schen Raumes entleert sich etwas 
klare peritoneale Flüssigkeit. Bis zur Tbnschneidtmgslinie wird 
das Reetumdivertikel zurüekgesehoben und hier die Serosa mit 
der Schleimhaut vernäht. Die hintere Peripherie des Peritoneums 
wird gesichert. Die Eröffnung der Excavatio vesieo-uterina er¬ 
folgt ohne Schwierigkeiten. Nachdem das Peritoneum über die 
Blase mit dem Schnittrand an die vordere Scheidenwand innig ver¬ 
bunden ‘ ist, wird die Ablösung vollendet. Tuben und Ovarien 
werden mit 3 Ligaturen versorgt. Die Adnexe werden abge¬ 
tragen, die Stümpfe der Ligamente in die Seiten der Scheidenreste 
eingenäht und damit complete Blutstillung erreicht. Nachdem 
durch Nähte die Versorgung des Peritoneums auch hinten voll¬ 
ständig durchgeführt ist, wird der Verschluss des Spaltes durch 
innige Vernühung der Ränder von vorn nach hinten vollendet. 
Periueauxesis nach H e g a r. 

3. VI. 99. Geheilt entlassen. Es hat sich durch Retraction 
der Ligamentstümpfe eine für etwas mehr als ein Fingerglied ein¬ 
gängige Tasche gebildet. Die Verheilung resp. Vernarbung ist 
als eine gute zu l>et rächten. 

II. X. 99. Nachuntersuchung. 

Die Vulva ist geschlossen und öffnet sich nur leicht bei Druck 
mit der Bauchpresse. Die Vaginaltasche ist etwa ein Fingerglicd 
lief. An ihrer Vorderwand zeigt sich eine leichte Ilervorwölbung, 
Kystocele, welche an den oberen Partien von einem querverlaufen¬ 
den schmalen, etwa 1 cm breiten Peritonealstreifen überzogen ist. 
Die Taschenecken sind trichterförmig nach oben gezogen und 
werden durch derbe Stränge fixirt. Kein Reetumdivertikel. Die 
Frau befindet sich ausserordentlich wohl und verricht.**! ohne die 
geringsten Beschwerden ihre Feldarbeiten. Uriulassen, sowie 
Stuhlgang sind in Ordnung. Die sexuellen Beziehungen sind an¬ 
geblich befriedigend. 

II. 31. V. 99. Arbeiterswittwe Iv. T., 07 Jahre alt. Klagt 
über Vorfall seit vielen Jahren. Früher hat sie ein Pessar ge¬ 
tragen, nicht mehr seit 6 Jahren. Jetzt besteht angeblich Harn¬ 
träufeln. Menopause seit 13 Jahren. Eine Geburt vor 31 Jahren. 

Weit klaffender Scheideneingang mit Dammriss. Die Scheide 
ist in toto vorgefallen und zeigt seitlich zwei grosse Decubital- 
geschwüre. Die Portio ist penisartig hypertrophirt, das Collum 
elongirt. Der Uterus selbst liegt retrofiectorisch im Vorfall. 

0. VI. 99. Operation. Nachdem die decubitalen Partien mit 
aufgenähten sterilen Wattetampons bedeckt sind, wird auf das 
hintere Scheidengewölbe eingeschnitten und wir kommen zu dem 
ganz atrophirten Uterus. Nachdem die Scheide ungefähr 1 cm 
hinter der Grenze von Schleimhaut und Epidermis durchschnitten, 
wird an der tiefsten »Stelle das Peritoneum mit der durchschnit¬ 
tenen Stelle zusammengebracht. Dann wird die hintere Peripherie 
des Introitus umnäht unter Vereinigung von Peritoneum und 
äusserer Haut. Es wird zur Kolpotomie geschritten. Nachdem 
die Excavatio vesieo-uterina eröffnet ist, wird der Rand des Peri¬ 
toneums mit 3 Suturen festgelegt. Nun wird die Kolpotomie voll¬ 
endet und unter voller Entwickelung des Uterus nach aussen die 
Ablösung nach links begonnen. Zur Ablösung nach rechts bedarf 
es einer grossen Anzahl von Vernähungen. Dann aber gelingt die 
Vernühung derartig, dass bei sehr geringem Blutverlust die Ab¬ 
lösung durchgeführt wird. Es wird nunmehr, nachdem der Uterus 
entfernt, der Rand des Peritoneums unter der Blase dicht unter 
dem Orificium urethrae ganz an den Rand der Scheide festgenäht 
unter ausgedehnter Umstechung der grossen Wundfiäche. Es wird 
die Vernühung der Blase über den »Stumpf der Ligatur hin an den 
äusseren Wundrand durchgeführt, links ohne Schwierigkeiten, 
rechts stülpt sich der Stumpf immer wieder von Neuem vor. Der 
Schlitz im Beckenboden wird quer durch fünf Suturen fest ver¬ 
schlossen. Es bildet sich aus dem Reste der Scheide eine für das 
Nagelglied geräumige Vertiefung. Auf eine Kolporrhaphie wird 
verzichtet. Der Katheter dringt ohne Schwierigkeit bis auf die 
in der Bauchhöhle nunmehr gelegene Blase vor. Eine massige 
Menge klaren Urins wird entleert. 

27. VI. Patientin geheilt mit guter Narbenbildung entlassen. 

23. VIT. Nachuntersuchung. Blasenbasis vorgewölbt in fünf¬ 


markst ürkgrossor Ausdehnung von Peritoneum überzogen. Di** 
Ta.scheneeken werden trichterförmig durch derbe Stränge nach 
oben gezogen. J >ie Narbenbildung ist eine gute zu nennen. 

III. 14. VI. 1899. Frau St., 54 Jahre alte Bauersfrau, klagt 
über Vorfall der Gebärmutter und Schmerzen im Unterleib. Meno¬ 
pause seit 1*4 Jahren. Seit 2 Monaten besteht ein eiteriger Aus¬ 
fluss und daneben spärliche Blutungen. 5 Geburten ohne Kunst¬ 
hilfe. 1 Abort. Appetit mangelhaft. Stuhlgang und Urinlassen 
in Ordnung. Aus dem weitklallenden Sclieideueingang drängt, sich 
die ganze vordere Scheidenwund, sowie der grösste Theil der 
hinteren hervor. Die vordere Muttenuundslippo bedeckt eine 
markstückgrosse Erosion. Zugleich besteht ein alter Dammriss. 
Der Uterus liegt retrovertirt im Vorfall, ist druckempfindlich, aber 
nicht pathologisch verändert. Das rechte Ovar ist mit seiner Um¬ 
gebung verwachsen und sehr druckempfindlich. Die linken Adnexe 
scheinbar normal. 

20. VII. 99. Operation. Der Uterus wird in ganzer Ausdeh¬ 
nung mich unicn gezogen, so dass der ganze Prolaps zu Tage tritt. 
D/o cm vom Ansatz der Scheide wird ein Markirungsschnitt ge¬ 
macht uml durch Vcrticalsclinitt der Boden des D o u g 1 a s’schen 
Raumes eröffnet. Dann wird nach beiden Seiten bis zur Median¬ 
linie eine Abtrennung von der Pars cardiualis durchgeführt und 
Peritoneum und Rudimente der Scheid*? vernäht. Blutung sehr 
gering. Dmselmeidung der vorderen Schcidenwaud ohne Schwierig¬ 
keit. Ablösung derselben. Es gelingt, die Excavatio vesieo-uterina 
zu eröffnen, die Pliea soweit abzulöseu. dass mit 3 Suturen vom 
Peritonealrand über der Blase die ganze Wundfiäche umgriffen 
und vernäht werden kann. Ablösung nach links. Linkes Ovar 
senil atrophisch. Die Tube und die Ovarien werden z.uückgelassen. 
Die Ligg. lata werden ohne Schwierigkeit versorgt. Die Versor¬ 
gung nach links ist schwieriger. Rechtes Ovar und Tuben kommen 
herum*'!’, werden abgehuudcu, der Stumpf versorgt und mit der 
linken Hand durch Seidemiähte festgelegt. Ablösung des Uterus 
und der Scheide. Verniihung der Rudimente der vorderen und 
hinteren Sclieideuwaiid. Hiermit. Abschluss. Blase enthält reich¬ 
lich klaren Urin. Periueauxesis nach II e g a r. 

14. VII. 99. Geheilt entlassen. 

15. X. 99. Nachuntersuchung. Allgemeinbefinden gut.. Keine 
Beschwerden, auch nicht bei der Arbeit. Die Vulva klafft nicht. 
Die Tasche für ein Fingerglied eingängig. Die beiden seitlichen 
Ecken zeigen sich durch einen derben, strangartigeu Narbenzug 
trichterförmig nach oben gezogen. Di** Blasenbasis ist ganz gering 
vorgewölbt uml unterhalb der Taschenfalte von einem schmalen, 
quer verlaufenden Peritonealstreifen überzogen. 

IV. 21. VI. 99. Ledig** Arbeiterin J. Sehr., 45 Jahre alt. 
klagt über Schmelz* n im Kreuz und in den Seilen. Seit dem letzten 
Wochenbett vor 18 Jahren, von 4 wöchentlicher Dauer, bemerkt 
Patientin, dass ihr etwas aus der Scheide vorfiel. Vom Arzt wurde 
ein Pessar eingelegt, welches längere Zeit getragen wurde. Per 
Vorfall wurde allmählich immer grösser. Erste Regel im U5. Jahre, 
letzte Regel vor S Tag* n. 2 Geburten ohne Kunsthilfe. Kein Ab o\. 

Di** Scheide ist total vorgefallen. die Portio faustdick ver- 
grössert. Per ganz«' Prolaps oedematös geschwollen, überall fast 
1 cm tiefe Flccra deciibitalia. Pie Cervix ist enorm uiisgezogcn. 
Der Uteruskörper liegt retrovertirt. «lern Beckenboden auf. 

27. VI. 99. Operation. Per ganze Vorfall wird stark ange¬ 
zogen und nach oben gehoben. An der Grenze der Vulva uml 
Vagina wird Umschnitten. Pas hintere Scheidengewölbe wird 
sagittal gespulten. Durch oedematös*? Gewebemassen wird das 
stark oedematöse Peritoneum erreicht und eröffnet. Umsäumung 
der hinteren Peripherie mit 3 Fäden, welche den Stumpf der 
Scheidenwniul mit «lern peritonealen Schlitz vereinigen. Ablösung 
der rechten Scheidenwaml durch starre Verwachsungen in hohem 
Maasse erschwert. Es gelingt, den ziemlich grossen Uterus¬ 
körper nach hinten torzuleiten, dann von oben her die Plica zu ent¬ 
falten und zu eröffnen. Das Peritoneum wird in die Scheide ein- 
geniiht. 3 Fäden worden zugleich oberflächlich gekuotet. Dann 
Ablösung der Blase. Nach links wird der Stumpf der Pars car- 
dinalis lig. lati unterbunden, eine Ligatur um das Lig. ovarico- 
pelvieum gelegt. Dann Ablösung der Scheide rechts. Es stellt 
sich heraus, «lass ein 1 cm breiter Zipfel der hinteren Scheiden¬ 
waml erhalten ist. Die Blast* enthält klaren Urin. Periueauxesis 
nach Ii e g a r. 

28. VII. 99. Geheilt entlassen. Gute Narben- und Tasehen- 
j Bildung. 

18. X. 99. Nachuntersuchung. Nicht klaffende Vulva. In 
die Vaginaltasche kann man mit einem Fingergliede eiugehen. 
Es bestellt weder Kystocele noch Reetocele. Die Narbenblldung 
ist eine glatte, die beiden seitlichen Taseheneckeu gehen trichter¬ 
förmig nach oben uml werden durch strangförmige Gebilde fixirt. 
Das Allgemeinbefinden ist im Ganzen gut, doch werden über Kreuz- 
und Leibschmerzen Klagen geführt, die wohl mit dem ungeregelten 
►Stuhlgang in Zusammenhang zu bringen sind. 

V. 3. VII. 99. Arbeitersfrau II. K., 45 Jahre alt. Patientin 
klagt über Vorfall, über Kreuzschmerzen und dicken Unterleib. 
Vor 5 Jahren die erste Geburt normal in ihrem Verlauf. Vor 3 
bis 4 Jahren habe sie beim Heben einer schweren Last plötzlich 
heftige Schmerzen im Kreuze und etwa 8 Tage später einen Vor¬ 
fall bekommen, der allmählich bedeutender wurde. Vor y 4 Jahr 
2. Geburt. Im 2. Monat der Schwangerschaft blieb der Vorfall 
zurück. Die Geburt erfolgte ohne Kuusthilfe, 8 tägiges Wochen¬ 
bett. Nach 14 Tagen erschien der Vorfall bereits wieder. Seit 
4 Wochen ist er nicht mehr reponibel. Erste Regel mit 19 Jahren. 
Seit dem Wochenbett ausgeblieben. Urinlassen in Ordnung 
ebenso Stuhlgang. Appetit seit 4 Wochen schlecht. 


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311 


G. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Die Scheide ist vollständig evertirt und an der Vorder- lind 
den beiden Seitenflächen stark oedematüs. Die Portio ist stark 
verdickt, von einem fünfmarkstückgrossen Ulcus decubital bedeckt. 
Das Collum stark elongirt, der Uteruskörper retrovertirt in der 
Höhe des Beckenbodens. Aus der Urethra hängt ein haselnuss¬ 
grosser Polyp heraus. 

14. VII. 99. Operation. Der Uterus ist 14 cm lang. Derselbe 
wird nach vorne gezogen . Das hintere Sclioidengewülbe spannt 
sich. Der Douglas wird eröffnet. Die Umsäumung lässt sich bis 
vor die Mitte durchführen. Dann wird die Excavatio vesico- 
uterina eröffnet, das Peritoneum an die Grenze der Scheid«) ge¬ 
näht und der Uterus vorgestülpt, überall das Peritoneum im Beivich 
der Excavatio vesico uterina an die Scheidenwaml genäht bis dicht 
an die Ala vespertilionis. Unterbindung «los Ovars links. Ver¬ 
sorgung des Lig. ovarico-pelvicum und der Tube und Ablösung 
«ler linken Kante des Uterus von der Pars cardinalis sin. Um- 
nähung des Stumpfes. Sodann wird auf der rechten Seite ebenso 
das Peritoneum umsäumt und das Ovar und die Pars cardinalis 
abgelöst, der Stumpf sorgfältig eingeniiht. Es gelingt, mit einem 
Faden die lteste der Scheide und die Stümpfe di r Lig. lata zu¬ 
sammenzubringen. Damit Abschluss der Operation. Die Blase 
enthält eine geringe Menge klaren Urins, 

(>. VIII. Geheilt entlassen mit guter Narben- und Tasclien- 
bildung. 

9. XI. Nachuntersuchung. Die Vulva ist geschlossen. Man 
gelangt in «‘ine etwa 4 cm tiefe Tasche, deren seitliche Ecken 
trichterförmig nach oben gezogen sind und durch derbe Stränge 
in ihrer Lage fixirt werdeu. Es besteht eine geringe Vorwölbung 
«ler Blasenbasis. Die Narben sind glatt bis auf eine geringgradige 
Vertiefung in der Mitte der Tnschenfaltt\ für die Kleinfingerkuppe 
eingängig. Allgemeinbefimlen gut. Es werd<‘n alle Arbeiten ohne 
Beschwerden verrichtet. Urinlassen. Stuhlgang in Ordnung. 

VI. 0. VII. 99. Wittwe W. T., ÖS Jahre alt. klagt über seit 
2 Jahren bestehendem Vorfall, der jedoch erst seit S Wochen in 
seiuer jetzigen Grösse herausgetrobm ist. Zuweilen bestanden 
Kreuzsclunerzen. sowie Schmerzen im Unterlcibo. Menopause seit 
<‘twa 15 Jahren. Periode früher regelmässig seit dem 19. Jahre. 
Eine Geburt vor 30 Jahren. Damals soll di«» Nachgeburt ango- 
wnchsen gewesen sein. Wochenbett normal. Kein Abort. Appetit 
s<-blecht. Stuhlgang angehalten. Uriniron häufig mit Drang, dabei 
keine Schinerzen. Früher bestand weisser Fluss und starkes 
Jucken der Vulva. Patientin hat viel und schwer in der Land¬ 
wirtschaft gearbeitet, namentlich viel gehoben. 

20 cm lang hängt der ganze Vaginalsack nach aussen. Starkes 
Oedem an «ler vorderen und den beiden seitlichen Wänden. Auf 
der stark hypertrophsten Portio ein fünf markstückgrosses Decu- 
bitalgeschwür. Das Collum ist ehmgirt. Der rteruskörper findet 
sich im Vaginalsack. 

13. VII. 99. Operation. Der ganze Uterus liegt ausserhalb der 
Genitalien. Der Vorfall bildet ein pferdepenisartig«*s Gebilde von 
20 cm Länge. Das Ulcus wird mit dem Ferrum eandens über 
strichen. Nachdem die Scheide Umschnitten ist. das hintere 
Scheidengewölbe eröffnet, lässt sich der kleine Uteruskörper leicht 
hervorholen. Die Umsäumung dos hinteren Peritoneums bis zur 
Mitte vollzieht sich ohne Schwierigkeit. Dann wird die vordere 
Koeliotomie g«»macht, welche unter Führung des um den Fundus 
uteri herumgeführten Fingers leicht gelingt. Alsdann erfolgt die 
Eröffnung der Excavatio vesico-uterina. Die weitere Eröffnung 
wird damit begonnen, dass 4 Suturen. je 2 neben der Urethra, 
durch die Scheide unter der Basis der Blase bis in den Band des 
Peritoneums angelegt werden. Alsdann wird zur Ablösung des 
Uterus etc. geschritten. Die Pars cardinalis wird abgeschnitten, 
tief unterbunden, dann das Lig. ovarico-pelvicum versorgt, der 
Stumpf des Ligaments in seiner ganzen Ausdehnung durch mehrere 
Fäden gesichert, reponirt und das Peritoneum darüber hinweg¬ 
gezogen. Auch auf der rechten Seite wird die Schleimhaut der 
Scheide gelöst. Es wird schliesslich auch hier das Lig. polvicum 
unterbunden, der ganze Stumpf vernäht und das Peritoneum da¬ 
rübergezogen. Alsdann worden die Stümpfe reponirt. Die Ver- 
nähung erfolgt in der Weise, dass in der hinteren Peripherie die 
Stümpfe mit der Scheide quer geschlossen werden, in der vorderen 
durch 2 Nähte. Es folgt die Perineauxesis nach TI e g a r. 

6. VIII. Patientin geheilt entlassen. Gute Narbenbildung. 
Man kann fast mit 2 Fingergliedern in die Tasche eingelien. In 
«ler Mitte der Narbe ein erbsengrosses Granulationspfröpfchen, 
die seitlichen Ecken trichterförmig durch derbe Stränge nach 
oben gezogen. 

Wir sehen also, in den 6 Fällen wurde nach dem oben an¬ 
gegebenen Verfahren operirt: Vcmiihung der Pars cardinalis mit 
den Scheidenresten und Verschmelzung der Peritonealwäiide. 

Unmittelbar nach der Operation zeigte sich das Kesultat 
dieses Vorgehens als ein vollkommen einwandsfrcics. Der Vulva¬ 
rand bezw. die Seheidenreste wurden straff nach oben gezogen 
und bilden eine Tasche, in die man mit 2 Fiiigcrgliedorn ein- 
gehen kann. Die beiden Enden oben bilateralwärts der quer ver¬ 
laufenden vernähten Wundlinio zeigen deutlich die Betractions- 
wirkung der innen ziehenden Bänder, indem hier ganz besonders 
hoch die Seheidenreste hinauf reichen. Dies war «ler Befund un¬ 
mittelbar nach der Ligaturversorgung. Die Heilung erfolgte in 
allen 6 Fällen p. p. i. Eine nennenswerthe Temperatursteigerung 
wurde nicht beobachtet, für die platte Narbenbildung und Ver- 

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klebung der Peritonealflächen von grösstem Worthe, nicht minder 
für die dauernde Eixation der einzelnen Theile gegen einander. 
So zeigten sieh denn auch die Verhältnisse bei der Entlassung 
aus der Klinik, 3—4 Wochen nach der Operation, als dieselben 
wie unmittelbar nach ihr. 

Die Nachuntersuchung erstreckt sieh über 5 von den 6 ope- 
rirten Frauen. Das Allgemeinbefinden derselben war ein sehr 
gutes, ohne Beschwerden versahen sie ihre gewöhnlichen Arbeiten. 
Die \ ulva- bezw. Vagmaltasehen waren gut nach oben retrahirt 
und verschloßt*; bilateralwärts waren die trichterförmigen Ein¬ 
ziehungen, wie bereelmet, vorhanden, durch derbe Stränge nach 
dein Beckeninnern fixirt. Allerdings mag der Erfolg «ler Opera¬ 
tion dadurch beeinträchtigt sein, dass sieh in 4 Fällen, I, II, ITI 
und V, Hervorwölbungen der Blasenbasis herausgebildet hatten, 
geringer bei I, I1E und stärker bei II, etwa in Wallnussgrösse. 
\ ielleicht war die Verklebung von Blasen- und Darniwaud nicht 
breit genug, b«*zw. nicht, fest genug, als die Frauen ihre täglichen 
Arbeiten wieder aufnehmen mussten, so dass vorne die schmale 
Narbe sieh öffnete und durch den so entstandenen Spalt die 
Blasenbasis von Peritoneum überzogen ganz allmählich durch - 
rut selite. 

Dann bildete sich wieder eine derbere Verwachsung höher 
oben. In der Thal Anden sieh denn auch an den entsprechenden 
Stellen unterhalb der narbigen Taschenfalten vorne quer ver¬ 
laufende ovaläro Peritonealstreifen bei Fall I, II und III, bei 
letzterem bis zu Fünfmarkstückgrösse. Eine Beetocele wurde 
nicht beobachtet. 

Gerade, wegen dieser Enteroeelen wurden Bedenken gegen 
die Operation geltend gemacht. Sänger (Centralbl. f. Gyniik. 
1898, pag. 1387) sagt „die Vcmähung des Peritoneums mit dem 
Seheidenreste ist auch für die Möglichkeit der Entstehung einer 
Enterocele nicht ohne Bedang“. Aber bei dieser Vernähung 
bleibt es ja nicht allein. Die Ligaturen der vorderen Wand 
werden mit denjenigen der hinteren verknüpft, um dadurch im 
Wundtrichter eine Verschmelzung der Blasen- und Mastdarm¬ 
wand herbeizuführen; bilateral der Taschennarben dienen die 
derben Stränge der Stümpfe als Aufhängebänder. Dieselben 
werden erst dann in Wirksamkeit treten, wenn eine vollständige 
Consolidation des Narbengewebes stattgefunden hat; hiermit 
wird der weiteren Ausbildung der Kystoccle eine Schranke 
gesetzt. 

Admlich wie A. Martin hat O z e m p i n (Gesellsch. f. 
Geburtsh. u. Gynäk. Berlin, 9. Juni 1899) operirt. Er vernähte 
nach der Totalexstirpation die seitlichen Wundränder der Scheide 
an die Stümpfe der Ligg. infundibulo-pelvica. Bei seinen Fällen 
hat er niemals eine Enterocele beobachtet. Gottschalk 
(Gesellsch. f. Geburtsh. u. Gynäk. Berlin, 11. Nov. 1898) geht 
mit keiner Methode noch weiter wie A. Martin. 

Sie besteht darin, dass er das Peritoneum der Blase hoch 
oben an die hintere Beckenwand fixirt, dass die Ligg. lata, Ligg. 
cardinalia etc., kurz alles, was die normale Befestigung des 
Uterus und der Scheide bedingt, in möglichst straffer Ver¬ 
bindung zur Stütze der verkleinerten Harnblase und zur Be¬ 
festigung der neuen Scheide verwerthet werden. Macken¬ 
rodt (Centralbl. f. Gynäk. u. Geburtsh. 1899, No. 18) empfiehlt 
zur Behandlung der Totalprolapse neben der Vaginifixur eine 
Verkürzung der Ligg. cardinalia. 

Wenngleich die oben beschrielxme Operation den verstüm¬ 
melnden zuzurechnen ist, so ist doch durch dieselbe den von der 
seheusslielien Procidenz gequälten Frauen ein Zustand geschaffen, 
der ihnen ihre Lage wieder erträglich macht. 

Ausserdem handelt es sieh um ältere Frauen, welche, der 
arbeitenden ('lasse angehörend, entweder die Grenze der 
Zt ugungsfüliigkeit überschritten haben oder wenigstens nicht 
weit davon (»ntfernt sind. Warum sollte man hier nicht ein 
radieales Verfahren einem conservativen vorziehen, dessen 
Dauer«‘rfolg in solchen extremen Fällen immer zweifelhaft ist. 

Im Anschluss hieran sei die von F reund und Wertheim 
angegebene Methode erwähnt (Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gynäk., 
Bd. X, Heft 4). Sie implantirten den aus dem hinteren Laquear 
vaginne umgestürzten Uterus nach vorne in die Scheide. Auf 
diese Weise soll er zur Stütze für die Blase dienen. 

In unserem Falle war der Uterus so hochgradig atrophisch, 
dass an ihm in dem Sinne der F r e u n d’schen Operation eine 
solche Stütze nicht gegeben erschien, 

1 * 

Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



312 


No. 10. 


MÜNCHENEt? ME DTCIN 1SCHE WOCHENSCHRIFT. 


Immerhin ist wohl anzuerkennen, wie das A. Martin bei 
Gelegenheit der Discussion über die betr. Mitteilungen von 
A. W. Freund und Wertheim auf der Naturforscher¬ 
versammlung in München hervorhob, dass die beiden Operationen 
neben einander bestehen. Da, wo der Uterus noch verwendbar ist, 
empfiehlt sich die Freund’sche Operation , da, wo der Uterus 
hochgradig atrophisch oder erkrankt ist oder sich in einem 
chronischen, besonders formativcn Reizzustand befindet, soll er 
entfernt werden. 


Heilung und Verhütung der Retrodeviationen des 
Uterus im Wochenbette/) 

Von Dr. Rissmann, Director der Provinzial-llebammen- 
lehranstalt in Osnabrück. 

Unsere erfahrensten Gynäkologen, die sieh über die Be¬ 
ziehungen der Lagenbwciehungeii der Gebärmutter zum Puer¬ 
perium geäussert haben, haben den Wochenbetten keinen beson¬ 
ders günstigen Einfluss auf die Restitution der abnormen .Lage 
zugesehrieben. L ö h 1 e i n hat die früher gehegten Erwartungen 
nach Aufstellung einer Statistik herabge>timmt und ist in Be¬ 
zug auf die Prognosestellung reservirter als früher geworden. 
Etwas günstiger urtheilt F r i t sch, der es nicht für unmöglich 
hält, dass durch zeitiges Richtiglagern des Uterus im Wochen¬ 
bette auch in den Fällen das Organ antoHeetirt bleibt, wo schon 
früher eine Retroflexion war. Einen beweisenden Fall hat F. 
allerdings nicht, gesell« n. So viel ich aus der Literatur entnehmen 
kann, besteht auch meist eine gewisse Scheu, ein Pessar vor der 
dritten Woche oinzulegen. Nur bei A h 1 f e 1 d fand ich die An¬ 
gabe, dass der Arzt am Ende der ersten Woche sich entscheiden 
muss, ob ein Pessar nothwendig ist. Da mir die Möglichkeit vor¬ 
zuliegen scheint, dass sich wesentlich günstigere Ilcilungs- 
resultate im Wochenbette erreichen lassen, wenn man möglichst 
früh— am besten 5 oder 6 Tage nach der Geburt — ein grosses 
Pessar einlegt und mir niemals ein Nachtheil von diesem Vor¬ 
gehen zu Gesicht gekommen ist., so möchte ich in Folgendem 
über meine eigenen Beobachtungen berichten. 

Im Mai 1897 wurde meine Aufmerksamkeit zuerst auf die 
vorliegende Frage durch eine Patientin gelenkt, deren Kranken¬ 
geschichte, wie ich glaube, sehr charakteristisch den grossen 
Segen belegt, der durch eine consequente Ringbehandlung im 
Wochenbette erzielt werden kann. Da die Therapie, welche ich 
in diesem Falle anwandte, seitdem im Grossen und Ganzen die¬ 
selbe geblieben ist bei allen anderen Wöchnerinnen, so lasse ich 
diese Krankengeschicht«' genauer folgen. 

Frau R. hatte seit ihrer ersten Geburt durch eine Retroflexio 
uteri, die durch eine l’arametritis posterior complicirt war, sehr zu 
leiden. Ein Gynäkologe vom Fach hatte mit verschiedenen Ringen 
wenig Erfolg und schlug die Vaginofixation vor. Da sich Frau B. 
zu einer Operation nicht cntschliessen konnte, suchte dieselbe 
Herrn Geheimrath R u n g e (Güttingen) auf, dem es gelang, einen 
passenden Ring zu finden. Ich sah die Patientin im 8. Monate 
ihrer zweiten Gravidität und erfuhr, dass der Ring im 4. Monate 
entfernt wurde. Nachdem die Frau eine spontane Geburt durcli- 
gemneht hatte, liess ich nach dem ersten Schlafe so viel wie mög¬ 
lich Seitenlage einnehmon. gab Seeale und h^gte am 5. Wochen¬ 
bettstage ein grosses, wohldesinficirtes Hebelpessar ein. Einige 
Male am Tage musste die Wöchnerin aus der Seitenlage in die 
Bauchlage sich umweiiden und darin einige Minuten verharren. 
Bis zum 14. Tage, wo die Wöchnerin auf steht, wurde täglich eine 
heisse Scheidenausspülung gemacht Da der grosse Ring ohne Be¬ 
schwerden ertragen wurde und bei mehrfachen Untersuchungen 
der Uterus in guter Anteflexion lag, so findet kein Wechsel des 
Ringes statt sondern derselbe bleibt bis zur 7. Woche post partum 
liegen. Auf meine Veranlassung reiste Frau B. dann zu Herrn 
Geheimrath Rung e. der mich freundlichst ermächtigt hat, in 
seinem Namen zu erklären, dass auch er den Uterus gut antofiectirt 
fand. Frau B. hatte auch in «1er Zukunft gar keine Beschwerden, 
wunie bald zum 3. Male gravid und es gelang mir unter ähnlicher 
Behandlung, wie oben geschildert wurde, wiederum eine durchaus 
normale Lage des Uterus bei völligem Wohlbefinden zu erzielen. 

1 m Laufe der folgenden Jahre habe ich dann noch 6 mal 
Gelegenheit gehabt, innerhalb der ersten beiden Wochen des 
Puerperium eine Ringbeliandlung und zwar mit vollem Erfolge 
einziilciten. 3 Frauen waren vor der Gravidität oder in derselben 
schon von mir an Retroflexio uteri behandelt worden. Bei den 
übrigen Patientinnen ist mir über den Beginn «Fs Leidens nichts 
Genaueres bekannt und es ist möglich, dass die Lageabweichung 
erst im Wochenbett entstanden ist. Einmal wurde der Ring 

*) Nach einem im ärztlichen Vereine zu Osnabrück gehaltenen 
Vortrage. 

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nach einer Fehlgeburt eingelegt, während alle anderen Frauen 
ausgetrageue Kinder geboren lmtten. Nicht so günstige Er¬ 
fahrungen machte ich bei solchen Patientinnen, die erst in der 
3. Woche des Puerperium zur Behandlung kamen. Bei 5 Ver¬ 
suchen an 4 Frauen (1 mal nach Abort) gelang es nur 3 mal 
Heilungen zu erzielen. Es verdient zwar erwähnt zu werden, 
dass die beiden nicht Geheilten sieh nach Einlegen des Pessars, 
was am 19. Wuehenbettstage geschah, der Controle wochenlang 
entzogen, so dass zu hoffen ist, dass im Allgemeinen etwas bessere 
Erfolg«' zu erreichen sein werden. Gelang es doch bei Einer 
Patientin jedesmal eine Anteflexion zu bewirken, obwohl die Dia¬ 
gnose auf Retroflexio nach der ersten Geburt erst Ende der 
dritten Woche, nach der zweiten Geburt Anfangs der dritten 
Woche gestellt wurde. Immerhin kann ich nicht 
dringend genug anrathen, so früh wie in ö g - 
lieh mit der Ringbeliandlung zu beginnen. Als¬ 
dann wird man sieh prognostisch wohl günstiger als bisher äussern 
dürfen und die Heilung einer Retroversio-Flexio im Wochenbtäte 
wenigstens mit Wahrscheinlichkeit erwarten können. Dafür 
spricht in gewisser Weise schon L ö h 1 e i n’s Statistik: Es 
wurden.weim ich recht verstehe, von 3 Wöchnerinnen, die in den 
ersten 3 Wochen zur Behandlung kamen, 2 dauernd geheilt, da¬ 
gegen von 41 alten Retroflexionen auch nicht mehr als 2. Nimmt 
man mit V e d e 1 e r an, dass die Retrodeviationen der Nulliparen 
zu denen der Frauen, welche geboren haben, in ihrer Häufigkeit 
sieh verhalten wie 4:1, so wird man aus diesen Zahlen den Segen 
ermessen können, der etwa durch ein frühzeitiges Behandeln 
dieser Lageahweiehungen im Wochenbette gestiftet werden 
könnte. Alle subjeetiven Symptome, wie Blutungen, Kreuz- 
schmerzon, Drängen nach unten u. dergl., können uns aber nicdit 
allein irre leittui, sondern treten meist viel zu spät in die Er¬ 
scheinung. Es wird also bei jeder gesunden 
Wöchnerin eine innerliche Untersuchung 
(k u r z nach dem Auf stehen) gefordert werden 
müssen. Nach Aborten, wo «ler Uterus durch seine Grösse 
nicht gehindert wird, hinter das Promontorium schon frühzeitig 
herabzusinken, sollte sogar in der ersten Woche eine bi- 
manuelle Untersuchung in jedem Falle stattfinden. Wie häufig 
gerade nach Aborten fehlerhafte Lagen nachzuweisen sind, ist 
bekannt und erhellt neuerdings wieder aus einem Berichte aus 
der O 1 s h a u s e löschen Klinik, wo Stock (Refer. im Centralbl. 
f. Gyniik. 1899) unter 60 septischen Aljorten 13 Retrodeviationen 
nachwies. 

Wissen wir aber, dass Frauen schon vor der Geburt an Retro- 
devi'ationen gelitten haben, so sollen wir — ganz gleichgiltig 
welchen Befund wir haben — die schwere und descendirte Ge- 
bärmutter durch ein grosses Hebelpessar im Wochenbette stützen. 
Da erfahrungsgemäß am 5. oder 6. Woehenbettstage Darm¬ 
sehlingen sieh zwischen die vor«lere Waml der Gebärmutter und 
die Bauchdecken cinzuschicbeu pflegen, so wählen wir diesen Ter¬ 
min am passendsten zum Einführen des Pessars. Da die Genital¬ 
wunden in stadio granulationis sind, so ist damit keine Gefahr 
verbunden. Besonders wichtig ist natürlich das frühzeitige Ein¬ 
legen des Ringes bei Erauen, die schon einmal wegen einer Retro¬ 
flexio uteri operirt worden. Zählt doch Gräfe unter 20 Ventro- 
fixationen (cf. Refer. im Centralbl. f. Gynäk. 1899) 2 Recidive im 
Wochenbette und es ist zweifellos, dass nach Vaginofixation 
noch häufiger Recidive durch die Schwangerschaft entstehen. 
Teh selbst habe 1 mal nach einer Vaginofixation die Ringbeliaml- 
lung im Wochenbette durchgeführt und den Uterus in Ante¬ 
flexion dauernd bewahrt. Was ist denn durch ein Pessar im 
Wochenbette in Verbindung mit allen Mitteln (Seeale, heisse 
Scheidenspülungen etc.), die die physiologische Involution sämmt- 
licher Genitalorgane mit ihren Bändern anregen, zu erreichen? 
Wir können hoffen, die bei jeder Geburt stark in die Breite ge¬ 
dehnte und in Folge dessen in der Länge verkürzte Scheide vor- 
theilhaft zu strecken und die Ligg. lata vom Druck der schweren 
Gebärmutter zu entlasten. Zu ausgiebige Bewegungen der sehr 
beweglichen Gebärmutter werden durch den Ring eingeschränkt. 
Wenn die Wöchnerin ab und an die Gesichts-Bauchlage inne hält, 
da wir diese Lage auch jeder gesunden Wöchnerin an¬ 
rathen, so treten wir schon nvs Gebiet der prophylak¬ 
tischen Maassnahmen gegen die Retrodeviationen, so kann 
man dadurch eine stärkere Anteflexion hervorrufen. Es entsteht 
durch die Gesichts-Bauchlage eine ähnliche Lageveränderung 
des Uterus, wie sie K li s t n e r für die aufrechte Stellung der 
Frau beschreibt. Ausserdem müssen die Ligg. rot. von jedem 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


813 


Zuge entlastet sein. Als Normallage jeder Wöch¬ 
nerinmuss die Seite n lagegelten und nur zu Zeiten 
die Rückenlage in bestimmter Absicht gestattet werden. Wenn 
K ü s t n e r bei andauernder Rückenlage „den Uterus in toto zu¬ 
sammengesunken und die Portio etwas tiefer stehend als normal 
fand“, so ist sicher die Gefahr vorhanden, dass das weiche Organ 
durch eine volle Blase in die gefährliche Retroposition gedrängt 
wird. 

Mit vollem Rechte betont K ii s t n e r, dass eine septische 
Erkrankung besonders nachtheilig sei, doch ist diese gewiss 
nicht immer nöthig. In der Annahme, dass es nicht förderlich 
sein kann, wenn der Uterus häutiger durch eine volle Blase an 
das Kreuzbein herangedrängt wird, habe ich für 3 stündliche Ent¬ 
leerung der Blase bei allen Wöchnerinnen sorgen lassen. Obwohl 
die Anfüllung des Mastdarms mir weniger Bedenken als die der 
Blase macht, so soll doch jeden zweiten Tag ein Klystier ge¬ 
geben werden. Nach Einführung dieser Grundsätze bei Leitung 
des Wochenbettes wurden unter den letzten 200 Geburten 2 mal 
Retrovcrsio-flexio vor der Entlassung gefunden. Ich muss aller¬ 
dings hinzufügen, dass wenig Aborte darunter waren. Zum Ver¬ 
gleich führe ich an, dass A h 1 f e 1 d 4 Proc., K ü s t n e r 11 Proc. 
Retroversio-flexionen bei frischen Puerperen berechnet. 

Mit den eben vorgctragenen Forderungen wird zweifelsohne 
eine gründliche Aenderung in der Leitung des Wochenbettes, wie 
sie drauäsen in der Praxis nach meiner Erfahrung heutzutage 
noch grübt wird, befürwortet und diese Aenderung scheint uns 
auch durchaus nöthig. Es darf, glaube ich, behauptet werden, 
dass der praktische Arzt ohne klinische Anzeichen keine einzige 
Frau im Wochenbette untersucht. Die Hebammen, die reich¬ 
lich 80 Proc. aller Geburten allein behandeln, werden nach der 
Richtung hin weder instruirt noch vorgebildet. Ich würde es 
für viel segensreicher halten, den Hebammen, die doch den retro- 
ffectirten graviden Uterus diagnostieiren sollen, im Untersuchen 
von Wöchnerinnen Unterricht zu ertheilen, als ihnen Placentar- 
lösungen und Wendungen frei zu geben. Hoffentlich bringt uns 
in Preussen die Einrichtung des erstrebten 9 monatlichen Lehr- 
cursus für Hebammen auch derartige Vorschriften. 

Was die Ausführung der Untersuchung im Puerperium an- 
betrifft, so wird man, wie ich mich überzeugt habe, gewissen Vor¬ 
theil, namentlich für die Hebammen, davon haben, wenn man nach 
Fri tsch die Wöchnerinnen im Stehen untersucht. In letzter Zeit 
füge ich diese Untersuchungsmethode stets der bimanuellen Be¬ 
tastung auf dem Stuhle hinzu. Bei leichtem Empordrängen des 
hinteren Scheidengewölbes fühlt man bei gesunden Wöchnerinnen 
nur einen Theil der Cervix, dagegen nichts vom Corpus Uteri, sollte 
dies im Stehen der Fall sein, so wäre stets ein Ring einzulegen,denn 
im Laufe der nächsten Woche ist eine ausgebildete Retroflexions- 
stellung des sich verkleinernden Uterus mit Sicherheit zu er¬ 
warten. Mit dem Pessare soll die Frau aber alsdann auf stehen, 
eine weitere Bettruhe würde keine Vortheile, sondern eher Nach¬ 
theile (Rückenlage) mit sich bringen. Dass die Rückenlage 
nicht die günstigste Lage für das Wochenbett ist, muss den 
Frauen des Volkes mitgetheilt werden und desshalb sind die Heb¬ 
ammen nachdrücklichst darauf hinzuweisen, jeder Entbundenen 
solche Belehrung zu ertheilen, denn es besteht fast allgemein 
die Anschauung, dass keine andere Lage als die Rückenlage ein¬ 
genommen werden darf. Mir passirt es wenigstens nicht selten, 
dass ich auf meine Empfehlungen die Antwort erhalte: „Ich liege 
viel lieber auf der Seite, glaubte aber, es sei verboten.“ 

Kurz zusammengefasst würden also meiner Ansicht nach für 
die Verhütung und Heilung der Retrodeviationen des Uterus im 
Wochenbette folgende Punkte grösserer Beachtung, als sie ge¬ 
wöhnlich erhalten, werth sein: 

1. Empfehlung der Seitenlagerung (zu Zeiten Gesichts- 
Bauchlage) für jede Wöchnerin; 

2. Untersuchung jeder Puerpera kurz nach dem Aufstehen 
(nach Aborten früher); 

3. Frauen, die an Retrodeviationen vor der Geburt litten, 
sollen am 5. Wochenbettstage ein Pessar erhalten. 

In Anbetracht der sich häufenden Statistiken über operative 
Eingriffe bei den Retrodeviationen des Uterus — Vaginofixation, 
Alexander-Adam s’sche Operation, Ventrofixation—könnte 
man die vorstehenden Thesen als „unzeitgemässe Betrachtungen“ 
bezeichnen. Ich glaube aber manchem in der Praxis stehenden 
Collegen durch die Mittheilung meiner conservativen Therapie 
einen Dienst zu erweisen und namentlich zu weiteren Beob- 

N o. 10 

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achtungen, zu denen der Hausarzt häutiger als der Gynäkologe 
Gelegenheit haben dürfte, anzuregen. 

Anmerkung: Nach Abschluss dieser Zellen fand ich zu¬ 
fällig, dass Gottschalk (Zeitschr. f. Geburth. Bd. XVIII) in 
einer Discussionsbemerkung über 3 Heilungen durch die Pessar¬ 
behandlung im Wochenbett berichtet hat. Amerikanische Autoren 
(s. mein Referat im Centralbl. f. Gyn. über die Transactions of the 
Chicago Gyn. Society 1899) reden dieser Behandlung ebenfalls be¬ 
geistert das Wort, ohne jedoch eigene Resultate anzuführen. 

Literatur: 

A h 1 f e 1 d : Lehrb. d. Geburtsh. 

Fritsch: in Billrot h’s Handbuch. 

Küstner: Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gyn. XI. Bd. 

L ö h 1 e i n : Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gyn. VIII. Bd. 

V e d e 1 e r : Arch. f. Gyn. XXVIII. Bd. 


Casuistische Miscellaneen aus dem Gebiete der Ge¬ 
burtshilfe und Gynäkologie. 

Von R. Kossmann in Berlin. 

I. Schwangerschaft und Entbindung nach beiderseitiger 
Castration. 

Bei Frau J. hatte ich wegen doppelseitiger starker Oophoritis 
am 12. November 1895 die vordere Klytrotomie ausgeführt und 
beide Ovarien unter Zurücklassung der Tuben exstirpirt. Eine 
Vaginifixur bildete den Abschluss der Operation. Zu meiner eigenen 
Ueberraschung meldete mir der Ehemann der Operirten nach 
ly 2 Jahren, dass seine Frau schwanger sei. Die Untersuchung 
bestätigte diese Angabe. Ich wurde in der Nacht vom 1. auf 
den 2. December 1897 zur Entbindung gerufen, fand aber bei der 
Kreissenden 2y 2 Stunden nach Eintritt der Wehen das Kind bereits 
geboren. 

Die Operation war in der Weise ausgeführt worden, dass die 
Ovarien unter Catgutligaturen abgebunden worden waren, und 
es musste dabei allerdings, wie in jedem derartigen Falle, etwas 
Ovarialgewebe über der Ligatur zurückgelassen werden, um deren 
Abgleiten zu verhindern. Erklären lässt sich die Conception nur 
dadurch, dass die Ligaturen zwar genügten, um die Blutung zu 
stillen, aber nicht, um die Ernährung der über ihnen verbliebenen 
kleinen Ovarialreste vollständig zu unterbrechen. An die Mög¬ 
lichkeit, dass ich ein überzähliges Ovarium übersehen hätte, 
ist desshalb nicht zu denken, weil ich zu jener Zeit, als die 
Operation ausgeführt wurde, gerade den Mehrfachbildungen im 
Bereich der Adnexe, deren Bearbeitung für das Marti n’sche 
Handbuch ich übernommen hatte, eine ganz besondere Aufmerk¬ 
samkeit widmete. 

Die Proflexionsstellung des Uterus ist auch nach dem 
Wochenbett erhalten geblieben. Der Fall beweist also auch, 
dass eine correct ausgeführte Vaginifixur nicht den geringsten 
störenden Einfluss auf Schwangerschaft und Geburt ausübt und 
in ihrem Effect beide überdauert. Zur Zeit ist die Operirte, wie 
ich höre, wieder schwanger und erwartet ihre Entbindung für 
die letzten Tage des Jahres. 

II. Zur Bedeutung des Mekonium-Abganges. 

Es ist eine in den meisten geburtshilflichen Lehrbüchern 
ohne Einschränkung ausgesprochene Lehre, dass bei Kopflagen 
der Abgang von Mekonium als ein für das Kind prognostisch 
ungünstiges Symptom zu betrachten sei und eine Indication zur 
thunlichst schleunigen Entbindung darstelle, sofern eine solche 
ohne Perforation überhaupt möglich erscheint. So sagt Runge 1 ) 
ganz kurz und bündig: „Entleerung von Mekonium in’s Frucht¬ 
wasser findet unter normalen Verhältnissen nicht statt“; und 
Zweifel 2 ) schreibt: „es ist eine alte Thatsache, dass Kinder, 
welche ihren Darminhalt abgehen lassen, sich in Lebensgefahr 
befinden“. Auch Martin*) nennt diese Erscheinung: „ein 
Symptom von hoher diagnostischer Bedeutung“. Bei Spiegel¬ 
berg-Wiener 4 ) heisst es, dass „bisweilen trotz reichlichen 
Mekoniumabganges die Kinder ganz lebensfrisch und ohne 
Zeichen von Asphyxie geboren werden; jedenfalls betrifft das 
solche Fälle, in denen die respiratorische Störung spontan wieder 

M Runge: Lehrbuch der Geburtshilfe, Berlin, 1891, S. 33. 

2 ) Zweifel: Lehrbuch der Geburtshilfe, 4. Aufl., Stuttgart, 
1895, S. 436. 

*) Martin: Lehrbuch der Geburtshilfe, Wien und Leipzig, 
1891, S. 373. 

*) Spiegelberg -Wiener: Lehrbuch der Geburtshilfe, 
3. Auflage, Lahr, 1891, S. 668. 

2 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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No. 10. 


MÜNCHENER MEDICTNISOHE WOCHENSCHRIFT. 


ausgeglichen wurde“. Nur Olshausen 6 ) meint: „in seltenen 
Fällen beliebt es dem Foetus, während der Geburt das Frucht¬ 
wasser zu verunreinigen, ohne je in Lebensgefahr gekommen 
zu sein“. Dieser Ansicht tritt aber Ahlfeld“) ausdrücklich 
entgegen, indem er sich auf den Standpunkt Spiegelberg’s 
stellt und erklärt: „dass die Kinder intrauterin ihren Koth ent¬ 
leeren, ohne sich je in Gefahr befunden zu haben, wie Ols- 
hausen -Veit annehmen, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn 
man annimmt, die vermehrte Peristaltik sei ein zeitiges, viel¬ 
leicht das erste Symptom der Giftwirkung einer C0 2 -Vergiftung, 
so ist es verständlich, dass Mekoniumabgang ohne sonst nach¬ 
weisbare Erscheinungen von intrauterinem Scheintod sehr wohl 
Vorkommen kann.“ Aehnlich spricht sich J e s s e 7 ) in seiner 
Marburger Dissertation aus. 

Ich wurde am 8. Juli 1899, Morgens y 2 5 Uhr zu Frau N. hier- 
selbst, G.-Strasse 20 gerufen, weil die Hebamme eine Becken- 
e n d 1 a g e diagnosticirt hatte. Ich fand einen grossen Theil im 
Einschneiden begriffen. Die Hebamme gab an, dieser Stand der 
Geburt sei bereits seit geraumer Zeit unverändert. Sobald der 
untersuchende Finger an dem vorliegenden Theile emporglitt, 
quoll reichlich Mekonium hervor. Ich nahm daher zunächst an, 
dass die Diagnose der Hebamme richtig sei und überzeugte mich, 
da das weit vorgerückte Geburtsstadium eine genaue Nachunter¬ 
suchung zunächst nicht zu erfordern schien, und die geringe Hellig¬ 
keit eine Wahrnehmung der spärlichen Behaarung des vorliegen¬ 
den Theiles nicht zuliess, erst ziemlich lange nachher, dass in 
Wirklichkeit eine erste Schädellage mit einer starken Kopf¬ 
geschwulst gegeben war. Die Herztöne der Frucht waren während 
der ganzen Geburt vollständig normal, und da auch bei der Ge¬ 
bärenden, einer 35 jährigen Primipara, keine zur Beendigung der 
Operation nöthigende Indication vorlag, so wartete ich auch nach 
Feststellung der Kopflage unter häufiger Controle der foetalen 
Herztöne den Fortgang der Geburt ab. Gegen mein Erwarten ver¬ 
zögerte sich diese noch bis zum Abend, wo ich sie dann schliess¬ 
lich, weil eine leichte Temperatursteigerung bei der Kreissenden 
eintrat, durch Anlegung der Zange beendigte. Während des 
ganzen Tages war Mekonium neben der Kopfgeschwulst her¬ 
vorgequollen, sobald man den Finger auch nur halb einführte. 
Niemals hatte die sehr häufig vorgenommene Controle der Herz¬ 
töne des Foetus eine Störung der Frequenz ergeben. Dabei war 
das jedesmal hervorquellende Mekonium so dickflüssig und dunkel, 
dass es für frisch aus dem Mastdarm entleert gelten und sicher¬ 
lich nicht bei noch stehender Blase dem Fruchtwasser beigemengt 
worden sein konnte. 

Einen Beweis dafür beizubringen, dass der Foetus nicht etwa 
vor meinem Eintreffen zeitweilig von Asphyxie bedroht gewesen 
sein könne, ist natürlich nicht möglich. Aber irgend einen An¬ 
halt für die Annahme einer solchen vorausgegangenen Gefahr 
haben wir durchaus nicht. Andererseits entleert ja das nicht 
asphyktisch geborene Kind meist bald nach der Geburt den Darm 
und fährt damit in angemessenen Fristen bis in sein Greisen- 
alter fort, ohne jemals einer C0 2 -Vergiftung zu bedürfen. Daher 
ist zunächst gar nicht einzusehen, warum Olshausen’s An¬ 
nahme so imwahrscheinlich sein soll. Sie ist vielmehr die nächst- 
liegende und muss sogar so lange Geltung beanspruchen, bis 
irgend ein Beweis dafür erbracht wird, dass dem mit Sauerstoff 
genügend versorgten Foetus eine Darmentleerung intra partum 
bei Schädellage unmöglich sei. Dass sich dieser Beweis je¬ 
mals wird erbringen lassen, ist aber sogar sehr unwahrscheinlich. 
Selbst wenn es sich sollte feststellen lassen, dass eine Darmperi¬ 
staltik ante partum bei ausgiebiger Sauerstoffzufuhr stets völlig 
ausbleibt, besteht doch die Thatsache einer mechanischen Ex¬ 
pression von Mekonium bei Beckenendlagen; und die Möglichkeit, 
dass gelegentlich auch einmal bei Schädellagen eine solche Ex¬ 
pression, z. B. durch die auf den Bauch gedrückten Ellbogen 
der Frucht, nach Abfluss des Fruchtwassers, während der Wehe, 
stattfinden könne, dürfte schwerlich auszusehliessen sein. 

Wie dem auch sei, der vorliegende Fall zeigt, dass der Abgang 
von Mekonium vielleicht den unaufmerksamen Arzt, der die Herz¬ 
töne nicht genügend controlirt hat, mahnt, das Versäumte nach¬ 
zuholen, aber niemals eine Indication für irgend einen thera¬ 
peutischen Eingriff darstellt. 

(Fortsetzung folgt) 


B ) Schröder: Lehrbuch der Geburtshilfe. 12. Auflage, 
S. 800. 

•) A h 1 f e 1 d : Lehrbuch der Geburtshilfe, 2. Auflage, 1898, 
S. 468. 

T ) J e s s e : Die Bedeutung des Abganges von Kindspech 
während der Geburt. Dissertation, Marburg, 1889. 


Aus der medicinischen Universitätsklinik zu Bonn. Director 
Prof. Fr. Schultze. 

Ein Fall von neurasthenischem Schütteltremor nach 
Trauma. 

Von Dr. Ph. F. Becker. 

Tremor ist bei Neurasthenischen keine seltene Erscheinung. 
L a m a c q [1] hat seine Häufigkeit auf 85 Proc. der von ihm 
beobachteten Neurasthenien berechnet, während er z. B. bei Hy¬ 
sterie nur 34,6 „Zitterer“ unter hundert, bei Epilepsie nur 
20 Proc. fand. 

Eine Erklärung fär diese Häufigkeit sucht L a m a c q da¬ 
durch zu geben, dass er den emotiven Tremor bei Neurasthenie 
(ebenso auch bei Morbus Basedowii) als eine stärkere Ausprägung 
des schon bei Gesunden in etwa 40 Proc. wahrzunehmenden Tre¬ 
mors auffasst. Bezüglich dieser Auffassung fand er einen Gegner 
in Crocq [2], der das Vorkommen von Zittern bei Gesunden 
überhaupt bestritt und auf die Verbreitung des Alkoholismus und 
der Neurasthenie als die eigentlichen Ursachen des Zitterns 
hin wies. 

Wenn auch essentieller und hereditärer Tremor nicht allzu 
selten beobachtet werden, so scheint doch die Häufigkeit des Tre¬ 
mors bei Gesunden mit 40 Proc. etwas hochgegriffen zu sein; eine 
geringere Seltenheit des emotiven Tremors auch bei Gesunden 
mag indess zugestanden sein. 

Der Tremor Neurasthenischer hat nichts Pathognomonisches, 
Er gehört zu den klein welligen, meist schnellschlägigen For¬ 
men [3]. Er ist meist ein „Ruhetremor“ oft neben fibrillären 
und fasciculären Muskelzuekungen. 

Einen wesentlichen Einfluss übt die Psyche aus. Bekannt ist 
wie auch bei den functionellen Psychosen [4] (Manie, Melan¬ 
cholie, Paranoia) im Zustande der Erregung vibrirendes, schnell- 
schlägiges, oft arhythmisches, ungleichmässiges Zittern, im de¬ 
pressiven Zustande dagegen undulirendes, langsames, rhyth¬ 
misches beobachtet wird. 

Ob ein Unterschied in der Art des Tremors bei Neurastheni¬ 
schen besteht, wenn derselbe durch Ermüdung entstanden oder 
auf psychische Affecte zurückzuführen ist, darüber vermochte 
ich in der Literatur nichts zu finden. 

In den folgenden Zeilen will ich die Krankengeschichte eines 
Neurasthenikers mittheilen, der als sehr auffallendes Krankheits- 
Symptom ein andauerndes, ungemein heftiges 
Zittern zeigte, das im Anschluss an ein ganz geringfügiges 
Trauma plötzlich aufgetreten war. 

Es sei gleich hier erwähnt, dass eine Simulation sicher aus¬ 
geschlossen werden kann. Es ist bekannt, wie schwer es ist und 
welchen Aufwandes von Energie und Kraft es bedarf, eine Simu¬ 
lation dieser Art consequent durchzuführen. Der Tremor be¬ 
stand in gleicher Weise, auch wenn Pat. unbemerkt beobachtet 
wurde, weiter. Ferner litt Patient sehr unter dem Bewusstsein, 
durch dieses Schütteln arbeitsunfähig zu sein, und endlich 
spielten auch die „Begehrlichkeiten“ keine Rolle, da Pat. wohl 
wusste, er sei nicht zur Beobachtung, sondern zur Behandlung 
in der Klinik, da er weiterhin mit den ihm bewilligten 66% Proc. 
zufrieden war, obwohl „es nicht auskömmlich für ihn sei“. 

Die Krankengeschichte ist kurz folgende: 

F. V., 24 jähriger Ackerknecht. Journ.-No. 379, 1899. 

Anamnese: Eltern an Tuberculose gestorben, eine 
Schwester lebt und ist gesund. Keine nervösen Erkrankungen in 
der Familie. 

Patient selbst erlitt im Alter von 10 Jahren durch einen Fall 
auf den Rücken einen „Bruch des rechten Schulterblattes“, ein 
Unfall, der ohne bleibende Folgen überstanden wurde. Im 20. 
Jahre wurde ein mehrere Wochen dauernder Gelenkrheumatismus 
durchgemacht, der sich in den letzten 4 Jahren des Oefteren In 
Form schwächerer Attaquen wiederholte. 

Sonstige Krankheiten will Patient nie gehabt haben; keine 
Lues. 

Schon als Kind soll Patient „etwas nervös“ gewesen sein: er 
regte sich leicht auf, bekam Angstanfälle, auch Zittern in Armen 
und Beinen. Oft litt er an „Kopfschmerzen“ und neigte nach 
eigener Aussage zeitweise zu trüben Stimmungen; im Allgemeinen 
sei er aber stets heiter und lebenslustig gewesen. 

Excesse in baccho et venere, insbesondere Masturbation, 
werden negirt. 

Am 2. XII. 1898 erhielt V. einen Pferdehufschlag vor den Leib 
und zwar in die rechte Inguinalgegend; er fiel sofort um und blieb 
etwa 4 Stunden bewusstlos. Als er wieder zu sich kam, klagte er 
über äusserst heftige Schmerzen im Leib und man bemerkte ein 
Zittern des Kopfes und beider Arme. Starke Schmerzen beim 


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6. März 19()0. MÜNCHEN HR MKD1CINISCHE WOCHENSCHRIFT. •'115 


Wasserlassen, der Urin war blutig gefärbt. Aufnahme In’8 Spital 
zu K. Langsame Besserung aller Erscheinungen, bis auf das stets 
gleichmässig persistirende Zittern. Ferner klagt V. über geringe 
Schmerzen im rechten Hüftgelenk, besonders in der Inguinalbeuge, 
am Orte der Verletzung. 

Dem Anträge seines Begutachters entsprechend, erhielt er eine 
Unfallrente von 6G% Proc. 

Zu einem Curversuche wird er in die hiesige medicinische 
Klinik auf genommen. 

Ausser dem Zittern und den oben erwähnten Schmerzen klagt 
Patient über unruhigen, schlechten Schlaf, mangelnden Appetit, 
häufige und langdauernde Verstopfung. Auch w r ill V. in letzter 
Zelt abgemagert sein. 

Status am 14. VII. 1899. 

Der allgemeine Zustand bietet nichts Besonderes. Hautfarbe 
ziemlich blass, Gesicht lebhafter geröthet. 

Die Untersuchung der Brustorgane ergibt keinen patho¬ 
logischen Befund; Abdomen ohne Besonderheit. 

* Wirbelsäule nicht durckeinpfindlich. In der rechten Inguinal¬ 
gegend unter der Mitte des Poupart’schen Bandes besteht 
dauernde Schmerzempfindung, die nach Angabe des Patienten 
bei Druck zunimmt Bei passiver Rotation des Beines nach aussen 
ist diese Stelle, die gerade vom Stollen des Hufeisens getroffen 
worden sein soll, besonders schmerzhaft; keine Störungen in der 
Motilität der Beine. 

Der Gang ist etwas hinkend, da Patient das im Hüftgelenk 
leicht schmerzhafte rechte Bein zu schonen bestrebt ist. 

Urin reagirt stark sauer, von niederem specifischem Gewicht, 
1003; zeitweise lassen sich Spuren von Albumen nach weisen. 
Mikroskopisch findet man reichlich Blasenepithelien und harnsaure 
Salze. 

Puls qualitativ ohne Eigenthiimlichkeiten, durchschnittlich 92 
an Zahl. Anfangs war nicht selten eine Frequenz von 104—120 
Schlägen in der Minute zu beobachten. Das M a n n k o p f’sche 
Zeichen konnte wiederholt constatirt werden. Die von Erben [5] 
beschriebene Frequenzverlangsamung bei hintenüberhängendem 
Kopfe war ebenfalls deutlich, dagegen konnte ich keine Pulsver¬ 
änderung in hockender Stellung finden. 

Was den Status nervosus betrifft, so sei zunächst der leichte 
Tremor des Kopfes erwähnt. Es erscheinen im Wesentlichen die 
Mm. splenii und sternocleidomast. l»etheiligt. Beim Auflegen des 
Kopfes verschwinden die Zitterbewegungen, während sie bei Auf¬ 
regungen. bei der Unterhaltung, bei der Untersuchung, besonders 
bei Anstrengungen der Augenmuskeln (Functionsprüfung, Ge¬ 
sichtsfeldaufnahme etc.) bedeutend zunehmen. 

Bemerkenswerth erscheint, dass das Schütteln vorwiegend in 
einer horizontalen Ebene um eine verticale Achse erfolgt; be¬ 
sonders bei längerer Unterhaltung fällt auf, dass die Amplitüden 
der einzelnen Schwingungen periodisch grösser werden, dass also 
die den Tremor zusammensetzenden Bewegungen des Kopfes an 
Excursion regelmässig langsam bis zu einem Maximum zunehmen, 
um dann ebenso gleichmässig wieder zum Minimum zurück- 
zukeliren. Es wollte mir scheinen, als ob nach dem Excursions- 
maxinnim hin die Schwingungsdauer zunähme, mithin die Zitter¬ 
bewegungen langsamer würden. Doch hätte es, um diese Be¬ 
obachtung sicher zu stellen, eines complicirten Apparates bedurft. 

Pupillen ziemlich eng, gleichmässig rund, rechts etwas weiter 
wie links. Reaction auf Lichteinfall und bei Accommodation vor¬ 
handen. Augenbewegungen frei, kein Nystagmus. Myopie von 
3*4 Dioptrien L, 4 y s R. Keine Veränderung des Augenhinter¬ 
grundes, keine Einschränkung des Gesichtsfeldes. 

Häufig wird der M. orbic. oculi und (’orrugator supereil. 
zuckend contraliirt. so dass seichte senkrechte Stirnfalten ent¬ 
stehen. Links ist dies häufiger wie rechts zu beobachten. 

Ebenso lassen sich zeitweise Muskelzuckungen im M. orbic. 
oris und im M. zygomaticus bemerken. Beim Aufblasen der Backen 
tritt lebhaftes Zittern der ganzen Gesichtsmusculatur, besonders 
der Mm. quadrat labii infer. auf, so dass nach kurzer Zeit die 
Luft aus dem Munde entweicht. 

In der vorgestreckten Zunge bestehen starke Zuckungen in 
der Richtung von vorn nach hinten. Keine fibrillären Zuckungen. 
Auf dem Boden der Mundhöhle liegt die Zunge meist ruhig. 

Gaumen- und Rachenreflex mittelstark. Masseterreflex sehr 
deutlich. 

Das Auffallendste ist ein starker, fast ständig existirender 
Tremor in beiden Armen. Auch bei völliger Ruhe der 
Arme und wenn sich Patient ganz unbeobachtet glaubt, sistirt 
das Zittern nur selten und dann nur für wenige Augenblicke. 

Der Tremor betrifft die Vorderarme und die Hände, ohne 
dass sich specielle Muskelgruppen hervorragend befallen erkennen 
liessen. Wir können bald eine Beugung und Streckung oder 
Rotation im Ellbogengelenk, bald eine Flexion-Extension, bald 
eine Ab- und Adduction im Handgelenke, endlich Combinationen 
aller dieser Bewegungen ausgeführt sehen. Einige Male sah ich 
bei ziemlicher Ruhe des aufliegenden Armes und abgelenkter Auf¬ 
merksamkeit die als „pillendrehend oder als geldzählend“ bezeieh- 
neten Bewegungen zwischen Daumen und 2. und 3. Finger, wie 
sie bei Schüttellähmung bekannt sind, zu Stande kommen. 

Der Tremor ist massig schnellschlägig (etwa 5 in der Secunde) 
mul nicht ganz gleichmässig. Zuweilen treten grössere Pausen 
zwischen den einzelnen Schlägen auf. Die Frequenz und auch die 
Excursion wechseln. 

Mehrere Male sah ich an den beiden horizontal vorgestreckten 
Händen einen ganz ausgesprochenen Wechsel von Flexion-Ex¬ 
tension strem or und Abduction-Adduetionsf remor bei völligem 

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Cessiren anderer Bewegungen. Der Wechsel geschah in der 
Weise, dass während der Flexlon-Extensionsperiode eine Ab- und 
Adduction ganz unterblieb. Nach dem scheinbar regelmässigen 
Abklingen der Extension-Flexionsbewegungen begann eine regel¬ 
mässige Periode von Ab- und Adductiousbewegungen im Hand¬ 
gelenke in der Horizoutalebene. Wie beim Tremor des Kopfes, so 
glaube ich auch bei dieser Gelegenheit ein regelmässiges An- und 
Abschwellen der Amplitüde in jeder einzelnen Flexion-Extension 
bezw. Abduction-Adductionsperiode bemerkt zu haben. 

Wenn Patient den Arm fest gegen eine Unterlage drückt oder 
sich z. B. an der Bettstelle in die Höhe zog, also eine dauernde 
starke Muskelcontraction vornahm, so wurde der Tremor be¬ 
deutend vermindert, zuweilen kam er dann ganz zum Stillstände. 
Ebenso wirkt Ablenkung der Aufmerksamkeit 

Im entgegengesetzten Sinne wirken active Bewegungen der 
Arme (so vermag Patient kein Glas Wasser zu tragen, ohne zu ver¬ 
schütten) und psychische Erregungen. Sehr eigenthümlich ist der 
Einfluss willkürlicher Impulse. Wir sehen das Zittern bei intendir- 
ten Bewegungen völlig den Charakter des Inten¬ 
tionszitterns annehmen: Der gestreckte Zeigefinger geht 
gerade auf das Ziel los, ohne ataktisches Ausfahren, doch unter 
heftigem, gleichmässigem Wackeln, das in einer Ebene stattfindet 
und gegen das Ende der Bewegung zunimmt. 

Zur Unterdrückung des Tremors hält Patient gerne die Arm- 
iuusculatur contrahirt, wesshalb es manchmal schwer wird, den 
Tri- und Bicepsrefiex auszulösen. Spastische Zustände bestehen 
jedoch nicht. 

Patellar- und Achillessehnenreflex beiderseits lebhaft, zuweilen 
Andeutung von Fussklonus, besondere links. 

Bauchdeckenreflex, von der rechten unteren Partie der Bauch¬ 
decken aus, mittelstark, nicht zu erhalten. 

Kremasterretiex vorhanden. 

Plantarreflex links deutlich stärker wie rechts. 

Die Sensibilität zeigt keine Störungen, nur der Temperatur¬ 
sinn ist an der Stelle der Verletzung in der Weise verändert, dass 
hier „warm“ und „kalt“ ungenau, nicht selten widersprechend 
angegeben werden. 

Von vasomotorischen Störungen der Haut sei der sehr schön 
ausgesprochene Dermographismus erwähnt. 

Die Muskelkraft ist nach Angabe des Pat. nicht schwächer 
wie früher, im Allgemeinen gering; insbesondere die beider Hände. 
Auch gibt später Pat. zu. dass die Kraft der Hände abgenommen 
habe. 

Stehen mit geschlossenen Augen ist bei geschlossenen Füssen 
für kürzere Zeit möglich; nach etwa y a —1 Minute Schwanken. 
Auf dem rechten Fusse kann Pat. bei geschlossenen Augen gar 
nicht ohne zu Schwanken stehen, links ist dies gut ausführbar. 

Die elektrische Untersuchung bot keinen besonders zu erwäh¬ 
nenden Befund. Es zeigte sich nur, dass Pat. schon bei ziemlich 
schwachen Strömen Schmerzempfindung äusserte. 

Es erübrigt, noch Einiges über die Sprache zu sagen. Die¬ 
selbe ist leise, monoton. Durch die wenig von einander entfernten 
Zahnreihen werden die Worte nur undeutlich und stockend hervor- 
gestossen. Die läppen Averden nur wenig bewegt, so dass die 
Labiaiconsonanten durchweg undeutlich sind. Auch das Gaumen¬ 
segel. das sonst gut beweglich ist, tritt beim Sprechen unvoll¬ 
kommen in Action. Die Stimme zittert zuweilen, besonders bei 
schon leichter psychischer Erregung. Ohne zu scandiren stösst 
Patient doch gewissermaassen jedes Wort heraus: „Kann — ich 
— nicht — entlassen — werden“, wobei fast jede Silbe eine Be¬ 
tonung enthält. 

Die Apperceptions- und Reproduetionsfühlgkeit des Gehirns 
haben nicht gelitten, wohl aber vollzogen sich Verrichtungen der 
Association und Combination (Kopfrechnen, Concentrirung der 
Gedanken) abnorm langsam und unvollkommen. 

Psychisch zeigt Patient wenig Auffallendes. Im Ganzen zeigt 
er ein scheues Wesen, zu traurigen Betrachtungen beztigl. seiner 
Zukunft geneigt. 

Zur Begründung der Diagnose traumatische Neur¬ 
asthenie bedarf es der Zusammenstellung nur weniger posi¬ 
tiver und negativer Anhaltspunkte. 

Wir wissen, dass die nervösen Störungen nach Traumen 
selten ohne psychische Störungen verlaufen und dass diese Stör¬ 
ungen meist depressiven Charakter haben [6]. 

Auch in unserem Falle sehen wir geringe geinüthliche De¬ 
pression: zweifelnde Fragen, bez. der Besserungsfähigkeit des 
Zustandes, häufig geüusserter Wunsch entlassen zu werden, wir 
finden ferner mangelhafte Aufmerksamkeit, leise, stockende, 
monotone Spracht', Zittern der Stimme. Hierzu kommen un¬ 
ruhiger Schlaf, schlechter Appetit, Trägheit der Dannfunction, 
Kopfschmerz, allgemeines Schwächegefühl. Schmerzen an der 
verletzten Stelle, besonders beim Druck und beim Gehen; mittel- 
schneller Tremor im Kopf und beiden Armen, der durch psy- 
.chisohe Erregung gesteigert wird; Zuckungen in der Gesichts- 
museubitur; lebhafte Sehnenreflexe, Andeutung von Fussklonus, 
geringe Störungen der IIautempfindlichke.it gegen Temperatur- 
und elektrische Reize. M annkop f’sches Phänomen, Erben- 
sche Pulsverlangsainung. Dies Alles finden wir bei einem here¬ 
ditär nicht belasteten, aber von Jugend auf „nervösen“ Indi¬ 
viduum direct im Anschluss an ein Trauma auftreten. 

2 * 

Origii :il fr:r 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


Von organischen Veränderungen, auf die sieh aus den oben 
geschilderten Krankheitssymptomen schliessen Hesse, kommt 
differentialdiagnostisch nur die Sclerosis multiplex in Betracht. 
Wir haben Andeutung von Intentionstremor, Steigerung des Zit¬ 
terns in Kopf und Armen bei Erregungen, lebhafte Reflexe, zeit¬ 
weise Andeutung von Fussklonus, Sprachstörung, Kopfschmerz. 

Zum typischen Bilde der Herdsklerose fehlen zunächst die 
Ataxien, der Gang ist sicher, kein Schwanken oder Stolpern. 
Ein Glas Wasser kann ein Sklerotiker bei Abwesenheit stärkerer 
Ataxie ziemlich gut in der Hand halten, während erst das Führen 
zum Munde zum stärkeren Schütteln Veranlassung bietet. Unser 
Pat. verschüttet aber schon beim Halten trotz Anspannung aller 
Armmuskeln bei senkrecht herabhängendem Arme. Beim Führen 
zum Munde wird der Tremor nicht allzu sehr verstärkt, vor Allem 
nicht atac tisch. Es ist also nicht die Bewegung, sondern der 
dauernde zum Halten erforderliche Coutractionszustand, der den 
Ruhetremor verstärkt. Hie psychische Erregung der nun folgen¬ 
den Zielübung kommt in letzter Linie hinzu. 

Muskelsteifigkeiten bestehen nicht, soweit solche nicht zur 
Unterdrückung des Zitterns activ zu Stande gebracht sind. 

Die Reflexe sprechen zwar leicht an, sind aber nicht hoch¬ 
gradig gesteigert. Geringer Fussklonus ist auch bei Neurasthenie 
beobachtet. 

Nystagmus fehlt, die Sehschärfe ist nicht herabgesetzt, es 
liess sich keine Einschränkung des Gesichtsfeldes nach weisen. 

Die Sprachstörung können wir nur als monoton und stockend 
bezeichnen, jedenfalls nicht als scandirend. 

Wir haben ferner noch der Parkinso n‘sehen Krank¬ 
heit zu gedenken, für deren traumatische Genese neuerdings 
L i n o w [7] wiederum ein Beispiel geliefert hat. Charakteri¬ 
stisch für diese Erkrankung sind Muskelsteifigkeiten und typisches 
Zittern. Dasselbe ist ein klein- und sehnellschlägiges, gleich- 
miissiges Oseilliren der ruhenden Extremitäten; bekannt sind 
die pillendrehenden Bewegungen der 2—-3 ersten Finger, ferner 
Schütteln des Kopfes. 

Der von uns beschriebene Tremor unterscheidet sich von dem 
Oseilliren bei Paralysis agitans besonders dadurch, dass er nicht 
nur ein Ruhe-, sondern auch ein Bewegungstremor ist. 

Differentialdiagnostisch besonders hervorzuheben ist das 
Fehlen von Muskelrigidität, das Fehlen der eigenthümlichen 
Art von Zwangsbewegungen, die man als Pro-, Retro- bez. Latero- 
pulsion bezeichnet, ferner die zwar schlaffe aber doch gerade Hal¬ 
tung des Patienten, der plumpe, nicht schlürfende, grossschrittige 
Gang. 

Von funetionellen Leiden müssen wir weiterhin noch der 
Hysterie Erwähnung thun. Die bei Hysterie so häufigen 
Krämpfe fehlen hier vollständig. Wir vermissen Muskelspasmen; 
die Haut über der verletzten Stelle ist nicht hyperalgetisch noch 
analgetisch; es bestehen keine Anaesthesien. Gesichtsfeld ohne 
jegliche Einschränkung. Gaumen- und Rachenreflex sind in 
unserem Falle vorhanden. Das Auftreten des Tremors geschah 
angeblich unmittelbar im Anschluss an das Trauma, ohne ein 
längeres zitterfreies Intervall zwischen dem Unfall und dem Ein¬ 
setzen des Tremors (cf. Heyse [9]). Continuirlicher Tremor 
ist bei Hysterie sehr selten; zumeist wird bei Hysterischen das 
Zittern anfallsweise mehrmals am Tage allein beobachtet oder 
es schliesst sich an einen hysterischen Anfall an. Endlich bedarf 
es der Betonung, dass der Tremor durchaus nicht die Nachbar¬ 
schaft der Laesionsstelle zum Angriffspunkt gewählt hat, wie 
dies bei traumatischer Hysterie häufig zu beobachten ist. 

Was unseren Fall besonders interessant und mittheilenswerth 
macht, ist zunächst die anhaltende Dauer und zweitens die Stärke 
des Zitterns. Diese wird durch die Bezeichnung Schütteln am 
besten charakterisirt. 

Wir wollen uns nun noch etwas eingehender mit diesem 
Schütteln beschäftigen. Dasselbe ist mässig schnellschlägig, 
von etwa 5 Schwingungen in der Secunde. Aber es ist unregel¬ 
mässig sowohl was die Frequenz als auch was die Excursion 
betrifft. Auch Pausen zwischen den einzelnen Schlägen wurden 
oben erwähnt. Die Bewegungsrichtung ist nicht immer die 
gleiche. Zumeist scheint das Schütteln in der Unterarm- und 
Handmusculatur combinirt. Beim Versuch, dieses Schütteln 
zu unterdrücken, werden die Muse, triceps, biceps, brachialis int. 
und brachio-radicalis long. contrahirt. 

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Auffallend ist ferner das Abwechseln der zitternden Muskel¬ 
gruppen bei horizontal vorgestreckten Händen (cf. oben). Einen 
ähnlichen periodischen Wechsel zwischen Bewegungen der 
Flexion-Extensionsgruppe und der Abduction-Adductionsgruppe 
beschreibt W e r t h e i m [10] bei einem 52 jährigen Manne mit 
Paralysis agitans. Es traten in diesem FaHe ausserdem noch zeit¬ 
weilig Combinationszuckungen beider Muskelgruppen auf. Auch 
Combination von Flexion-Extension und von Rotation (= Supi¬ 
nation-Pronation) zeigte derselbe Patient. 

Zur Erklärung dieses Alternirens wäre es denkbar, dass ein 
gewisser Ermüdungsgrad in den thätigen Muskelgruppen ein- 
tritt, wodurch die anderen ebenfalls unter dem Einfluss eines 
erhöhten Tonus stehenden Muskelgruppen das Uebergewicht er¬ 
halten. Sie treten nunmehr in Action, bis das umgekehrte Ver- 
liältniss stattfindet. 

Eine weitere auffallende Erscheinung an dem Tremor vor¬ 
liegenden Falles ist ein rhythmisches Schwanken der Arnplitüde; 
sowohl der zitternde Kopf als auch die horizontal vorgestreckten 
Arme zeigen dieses periodische, anscheinend regelmässige An- und 
Abschwellen ziemlich deutlich schon bei aufmerksamer Betrach¬ 
tung. Genauere Details wären nur von einer graphischen Dar¬ 
stellung zu erwarten. Leider stand mir jedoch kein derartiger 
Apparat zur Verfügung. 

Wertheim-Salomonson hat eine grössere Reihe von 
Tremoren graphisch dargestellt. In 10 Fällen unter 55 fand er 
solche periodische Schwankungen der Arnplitüde: ein regel¬ 
mässiges, allmähliches Ansteigen bis zu einem gewissen Maximum 
und dann ein gleiches Abschwellen. Da hierdurch ein neuer 
Rhythmus zu Stande kommt, gab er dem Tremor das Attribut 
f.llorhythmisch. Die einzelnen Perioden des zweiten gewisser- 
maassen superponirten Rhythmus sind nicht ganz regelmässig, 
wie aus den beigegebenen Curven ersichtHch. 

Das Zustandekommen dieser Allorhythmie, dieses Auftretens 
von secundären, grossen Wellenbewegungen der Curven erklärt 
W ertheim aus einer Interferenz der Schwingungen in Folge 
ungleich schneller, rhythmischer Contraction der Muskeln. Ex¬ 
perimentell erzeugte er allorhythmisches Zittern des Kopfes durch 
Reizung der Muse, sternoeleidomast. mit je zwei sehr langsam 
schwingenden Inductionsapparaten von verschiedener, aber nur 
wenig differirender Unterbrechungszahl. 

Endlich verdient noch das andeutungsweise vorhandene 
Inrentionszittem Erwähnung. Der zielende Finger geht langsam 
oder auch schnell nach dem Commando, ohne irgendwie aus¬ 
zufahren, gerade auf sein Ziel los, dabei aber in ein immer stärker 
werdendes, gleichmässiges Wackeln gerathend. Besondere Beach¬ 
tung verdient die Thatsache, dass dieses Wackeln in einer 
Ebene stattfindet. Bei dem richtigen Intensionstremor der mul¬ 
tiplen Sklerose z. B. sehen wir nicht nur heftige ausfahrende Ab¬ 
weichungen von der Zielstrecke, sondern auch kurz vor dem Be¬ 
rühren des Zieles Excursionen nach allen Seiten, gewissermaassen 
ein Tasten nach dem Zielpunkt. 

Um das Vorhandensein einer Ataxie sicher ausschliessen 
zu können, liess ich mir eine Schriftprobe anfertigen. Patient 
fasste das Papier fest mit der Linken; nachdem diese zur Ruhe 
gekommen, setzte er die Feder dicht zwischen den 2. und 
3. Finger der linken Hand und wartete eine zitterfreie Zeit ab, 
dann brachte er mit einem Schwünge den Buchstaben zu Papier, 
um hierauf das nun verstärkt auftretende Zittern wieder vorüber¬ 
gehen zu lassen. Die Unsicherheit der Bewegung wird durch 
kräftigeren Federdruck zu überwinden gesucht. So kommt eine 
ziemlich deutliche Schrift zu Stande, die sich von ataktischer 
Schrift sehr wohl unterscheidet. Jeder Buchstabe ist fn seiner 
Form deutlich, die einzelnen Striche zeigen nur zuweilen leichte 
Wellenlinien, kein ungewolltes Ausfahren, keine Kleckse. Auf¬ 
fallend an der Schrift erscheint besonders, dass jeder Buchstabe 
allein steht, was durch die Art des Schreibens erklärt ist. Auch 
bei hochgradiger Ataxie können zusammenhängende Worte ge¬ 
schrieben werden. Unwillkürliche Schnörkel sind stets dabei zu 
finden. 



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MUNCH EN RR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


317 


B. März 1900. 


Nach Allem dürfte somit unser Fall immerhin einiger die 
die Veröffentlichung rechtfertigender Beachtung werth erscheinen 
und zwar 1. wegen der ungemeinen Stärke des Tremors und 
2. wegen der unveränderten, hartnäckigen Persistenz derselben. 

Zum Schlüsse sei es mir gestattet, Herrn Prof. Schultze 
für die Ueberlassung des Falles und die Durchsicht der Arbeit 
meinen aufrichtigsten Dank zu sagen. 

Literatur. 

1. La in ac q : Arch. de Neurologie 1896, p. 226. — 2. Crocq : 
I bid., p. 229. — 3. Kraff t-Ebiug: Neurasthenie (Nothnagel’s 
Handbuch). — 4. Andrea C r i s t i a n i : Rivista speriment. di fre- 
niatr. Yol. XX. Referirt von Ziertmann : Neurolog. Centralbl. 
1895, p. 32. — 5. Erben: Wiener klin. Wochenschr. 1898. — 

6. Schultze: Deutsche. Zeitschr. f. Nervenheilkunde 1891. — 

7. C. Linow: Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 44. — 8. Schulz: 
Beitr. z. wiss. Medicin. Festschrift zur 69. Versamml. Deutscher 
Naturf. u. Aerzte. Braunschweig 1897. — 9. H e y s e: Berl. klin. 
Wochenschr. 1896, No. 52. — 10. Wertheim-Salomo usohn: 
Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897, Bd. X. 


Aus dem Allgemeinen Krankenhause Hamburg - St. Georg. 

Ueber Tuberculose des Magens.*) 

Von Dr. M. Simmonds, Prosector. 

M. H.! Auf dem letzten Congress für innere Medicin in 
Karlsbad hielt der bekannte Bacteriologe Petruschky einen 
Vortrag über Diagnose und Therapie des primären Ulcus ven- 
triculi tuberculosum. 1 ) Er theilte zwei Fälle mit, wo mit Hilfe 
einer positiven Tuberculinreaetion länger bestehende hartnäckige 
Magenbeschwerden bei sonst gesunden Individuen als tuber- 
eulö. en Ursprungs erkannt und mit Hilfe der Tuberculinbehand- 
lung zur Heilung resp. Besserung gebracht wurden. Er bemerkte 
weiterhin, dass er im Institut für Infectionskrankheiten mehrere 
Fälle gesehen habe mit Erscheinungen des Magens, die „mit 
grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit auf das Vorhanden¬ 
sein eines Ulcus tuberculosum zurückgeführt werden konnten“. 
„Ich zweifle nicht“, schloss der Autor, „dass sich bei näherem Zu¬ 
sehen bald noch weitere Fälle hartnäckiger Magengeschwüre 
finden werden, bei denen auf diesem Wege die Diagnose geklärt 
und eine baldige Besserung erzielt werden kann.“ 

Nun, m. II., ich will mich nicht auf eine weitere Kritik der 
keineswegs einwandsfreien Petruschk y’schen Mittheilung 
(‘inlassen, nur das möchte ich betonen, dass das von ihm voraus¬ 
gesetzte häufigere Vorkommen tuberculöser Affectionen des Magens 
nicht in Einklang zu bringen ist mit der pathologisch-ana¬ 
tomischen Erfahrung. Man kann viele hundert Sectionen aus¬ 
führen, ohne auch nur ein einziges Mal dem tuberculösen Magen¬ 
geschwür zu begegnen und eine isolirte oder primäre Magen- 
tuberculose hat wohl selten ein Pathologe zu Gesicht bekommen. 
Wie selten selbst das secundäre tuberculose Ulcus ventriculi ist, 
mögen Sie daraus entnehmen, dass ich dasselbe in den letzten 
10 Jahren unter nahezu 2000 Sectionen tubercu¬ 
löser Individuen nur 8 m a 1 angetroffen habe und da¬ 
mit stimmen auch die aus anderen Anstalten mitgetheilten Er¬ 
fahrungen überein. 

Diese auffallende Widerstandsfähigkeit 
der Magenschleimhaut gegen den Tuberkel¬ 
bacillus muss um so mehr auffallen, als der Darmcanal so 
besonders leicht zu tuberculösen Erkrankungen neigt und es hat 
dosshalb nicht an verschiedenen Erklärungsversuchen für diese 
merkwürdige Thatsaehe gefehlt. Eine Zeit lang schien die An¬ 
nahme arn geläufigsten, dass die chemischen Eigenschaften des 
Magensaftes daran Schuld seien. Dann aber, als mehrere experi¬ 
mentelle Arbeiten den Nachweis führten, dass ein mehrstündiges 
Verweilen tuberculöser Massen im Magensaft oder in magensaft¬ 
ähnlicher Flüssigkeit die Lebensfähigkeit der Bacillen nicht zer¬ 
störte, kam jene Hypothese wieder in Misscredit und heutzu¬ 
tage scheint sie nicht mehr viel Anhänger zu haben. 

Und doch war durch jene Experimente im Grunde nichts 
weiter bewiesen, als dass der Magensaft in einer bestimmten 
Zeit die Tuberkelbacillen zu tödten nicht im Stande wäre. Ob 
aber bei Gegenwart eines normalen Magensaftes Tuberkel¬ 
bacillen sich in der Magenschleimhaut einnisten und fortwuchern 
könnten, dafür fehlte der Nachweis. Die Frage Hesse sich am 

*) Vorgetragen In der biolog. Abtheilung des ärztlichen Vereins 
am 5. December 1899. 

*) Deutsche med. Wochenschr. 1889, No. 24. 

e 


besten lösen, wenn es gelänge, in einer grossem Zahl von Fällen 
von tuberculöscm Magenuleus die Reaction des Mageninhalts 
zu prüfen. 

Einstweilen kann ich Ihnen aber über eine Beobachtung be¬ 
richten, welche geeignet ist zur Stützung der Anschauung, dass 
die Entstehung tuberculöser Magengeschwüre durch Störung der 
Magensecretion erleichtert wird. Sie sehen hier den Magen 
eines 40 jährigen an Lungen- und Darm tuberculose verstorbenen 
Mannes. In der Nähe des Pylorus findet 9ich ein haselnussgrosses, 
wulstiges, das Lumen des Magens stark stenosirendes, derbes 
Oarcinom. Weiterhin sehen Sie aber noch mehrere kleine bis 
erbsengrosse tuberculose Geschwüre in dem stark ektasirten 
Magen. Da liegt gewiss die Vermuthung nahe, dass diedurch 
die Gegenwart des Carcinoma verursachte 
Secretionsstörung und Herabsetzung der 
Salzsäurcproduction die A n s i e d 1 u n g der Tu¬ 
berkelbacillen in der Magenschleimhaut be¬ 
günstigte u n d dieses überraschende Zusam¬ 
mentreffen von Krebs und Tuberculose im 
Magen herboiführt e. Ich brauche wohl nicht hinzu¬ 
zufügen, dass der Tumor, wie ein Geschwür mikroskopisch unter¬ 
sucht wurden. 

Die übrigen tuberculösen Magengeschwüre, 
welche ich Ihnen vorlege, stammen sämmt- 
lich von Individuen, die an Phthisis und 
Darm tuberculose gelitten hatten. Fast immer 
handelte es sieh um kleine bis groschengrosse, solitär oder mul¬ 
tipel auftretende, mit Vorliebe in der Pars pylorica, gelegentlich 
auch an anderen Magenabschnitten sitzende runde Uleerationen 
mit den vom tuberculösen Darmgeschwür her bekannten charakte¬ 
ristischen überhängenden Rändern, welche die Unterscheidung 
vom Ulcus simplex leicht ermöglichen. An den mikroskopischen 
Präparaten werden Sie erkennen, dass die tuberculose Infiltration 
im Wesentlichen der Submucosa angehört, dass an den Rändern 
des Geschwürs eine stärkere Anhäufung von Rundzellen mit 
einigen riesenzellhaltigen Tuberkeln und nekrotischen Herden 
vorhanden ist, dass durch diese Infiltration die Muscularis 
mucosae snmmt den Drüsen emporgehoben ist und dass nach 
Zerstörung der Submucosa die ihrer Stütze beraubte Schleimhaut 
in das Geschwür herabhängt. 

Dass die tuberculösen Geschwüre hei ihrem Tiefergreifen 
Gefässe arrodirten und zu Blutungen Veranlassung gaben, dass 
gar die Magenwand perforirt wurde, wie das beides gelegentlich 
beschrieben worden ist, habe ich nicht gesehen. Hingegen kann 
ich Ihnen ein tuberculöses Magenuleus vorlegen, welches sich 
durch einen ganz besonders grossen Umfang auszeichnet. Ich 
fand dieses Geschwür bei der Autopsie eines 39 jährigen Phthi¬ 
sikers. Der Magen war sehr weit. Vom Pylorus an erstreckte 
sich, im Wesentlichen an der kleinen Curvatur ein etwa 20 cm 
langes, 10 cm breites, ganz unregelmässig gestaltetes Geschwür 
über einen grossen Theil der Schleimhaut. Die Ränder waren 
theils flach, theils wallartig verdickt, theils mit Schleimhaut¬ 
fetzen besetzt. Der Grund war im Centrum glatt, derb, mit land¬ 
kartenähnlich begrenzten narbigen Wülsten besetzt, an den 
Rändern granulirt. Kurzum, das Bild war ein so mannigfaltiges, 
dass es nicht möglich war, sofort die Diagnose sicher zu stellen. 

Auch die mikroskopische Untersuchung bot grosse 
Schwierigkeit, so lange nur Stücke aus der Mitte des Ulcus unter¬ 
sucht wurden. Ich fand kernarmes Bindegewebe ohne charak¬ 
teristische Structur, nichts von Bacillen. Erst an den Randpartien 
waren dann mit Leichtigkeit typische Tuberkeln zu finden, die 
nicht allein an der Submucosa, sondern auch in der angrenzen¬ 
den Muscularis ihren Sitz hatten und in spärlicher Zahl auch 
Tuberkelbacillen beherbergten. Recht auffallend war mir an 
manchen Stellen eine auffallende Wucherung der Intima kleiner 
Arterien und circumscripte Rundzellenanhäufungen in der Ad- 
ventitia, die eine Aehnlichkeit mit den bei syphilitischen Pro¬ 
cessen angetroffenen Veränderungen boten. Hingegen fehlten 
völlig die von Eugen F raenkel beim syphilitischen Magen- 
ulcus angetroffenen Venen Veränderungen. Die Serosa endlich 
war frei. 

Hier hatten wir es also mit einem ganz ungewöhnlich grossen 
tuberculösen Magengeschwür zu thun und trotzdem waren auch 
hier ebensowenig wie in all’ den übrigen von mir beobachteten 
Fällen irgend welche auf eine Betheiligung des Magens deutende 
! Symptome vorhanden gewesen. Der Mann war wegen einer Mast- 

* 

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No. 10. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


»larmfistel in’s Krankenhaus gekommen. Nach der Operation 
machten die Lungen Veränderungen rapide Fortschritte, es 
stellten sich Durchfälle ein und er starb schliesslich an einem 
Pneumothorax. Magenerscheinungen, spcciell Erbrechen oder 
Schmerzhaftigkeit, waren nie verzeichnet worden. 

Dieser Mangel klinischer Erscheinungen, 
der auch sonst beim tubereulüsen Magengeschwür meist ange¬ 
geben wird, erklärt die II n ra ü g 1 i c h k e i t einer 
Diagnosen Stellung intra vitam. Die Schwierigkeit 
wächst aber noch weiter dadurch, dass ja a u c h b e i m 
P h t h i s i k e r g e 1 e g e n 11 i e h das Ulcus rot u n d u m 
zur Beobachtung komm t und dass dieses in der 
Kegel sich mehr geltend macht als das tuberculüse Geschwür. 
Die beiden einzigen Fälle, welche ich in den letzten Jahren 
sceirt habt* und wo Phthisiker an ernsten Magenerseheinungen 
gelitten hatten, erwiesen sich als bedingt durch ein einfaches, 
nicht tuberculöses Magengeschwür. Im ersten Falle hatte ein 
74 jähriger Mann öfter an Blutbrechen und Cardialgien gelitten 
und die Autopsie zeigte neben der ausgebreiteten Lungenphthisis 
am Pylorus ein thalergrosses Haches Ulcus, das sich mikroskopisch 
als einfaches Geschwür erwies. Der zweite Fall betraf einen 
58 jährigen Phthisiker, der an hartnäckigem Erbrechen kaffee- 
satzähnlicher Massen und starker Schmerzhaftigkeit an der 
Magengegend gelitten hatte und schliesslich Symptome einer 
sekundären pernieiösen Anaemie bot, so dass man zur Annahme 
eines Magencarcinoms neigte. Hier fand sich am Pylorus ein 
thalergrosses tief eingezogenes mit Pankreas und Leber verwach¬ 
senes rundes Geschwür — von tubereulüsen Veränderungen war 
im Magen nichts wahrzunehmen. 

Solche Beobachtungen, welche durchaus nicht vereinzelt 
dastehen, legen den Schluss nahe, dass man beim Auf¬ 
treten ernster Magenerscheinungen bei tuber- 
c u 1 ö s e n Individuen eher an ein Ulcus rotun- 
dum zu denken hat als an ein tuberculöses 
Geschwür. Die Anwendung des Tuberculins zu diagnos¬ 
tischen Zwecken, w T ie das Petruschky für zweifelhafte 
Magenerkrankungen vorgeschlagen hat, dürfte bei der extremen 
Seltenheit einer völlig isolirten Magentubereulose praktisch 
wohl nicht in Frage kommen. 3 ) 

Im Gegensatz zu der bisher besprochenen Form der Magen- 
tuberculose — dem Ulcus tuberculosum — ist die zweite Form, 
die Bildung haematogener Miliartuberkeln 
in der Magenwandung ein häufiges Vor¬ 
komm n i s s. 

Bei der Unmöglichkeit, diese Gebilde mit unbewaffnetem 
Auge zu erkennen, ist es begreiflieh, dass man bis vor Kurzem 
nichts von ihrem Vorkommen wusste. Erst im vorletzten 
Jahre hat Wilms 1 ). ein Schüler B o s t r ö ra ’s , die 
Aufmerksamkeit darauf hingelenkt, nachdem freilich schon 
früher Kaufmann in seinem Lehrbuch der pathologi¬ 
schen Anatomie (S. 306) die kurze Notiz mitgetheilt hatte, 
dass er bei Kindern mit hochgradigster allgemeiner chro¬ 
nischer Miliartuberculose haematogen entstandene Tuberkeln 
in der Magenschleimhaut gesehen hätte. Wilms fand in der 
Magenschleimhaut eines an subacuter Miliartuberculose verstor¬ 
benen 9 monatlichen Kindes zahllose miliare nekrotisirende, von 
Bacillen durchsetzte, Leukocytenherde ohne charakteristischen 
Tuberkelbau und sprach gleich die Vermuthung aus, dass eine 
regelmässige mikroskopische Untersuchung des Magens in ähn¬ 
lichen Fällen wohl ein häufigeres Vorkommen seines Befundes 
darthun würde. 

Tn den wenigen Fällen, wo ich eine Nachprüfung ausführen 
konnte, hat sich das vollkommen bestätigt. Innerhalb Jahres¬ 
frist habe ich viermal haematogene Miliartuberkeln der Magen¬ 
schleimhaut anget.roffen; die Miliartuberculose der 
M a g e n w a n d u n g darf daher als ein häufigeres 
V o r k o m in n i s s angesehen werden. 

Was Bau und Sitz der Knötchen betrifft, so vermag ich nach 
zwei Richtungen die Angaben von W i 1 m s zu erweitern. Erst- 

9 Es sei mir vergönnt, wenigstens unter dem Strich, noch 
einer Veröffentlichung in der Deutschen Medicinalzeitung vom 
11. Sept. 1899 Erwähnung zu tliun. Der Verfasser stellte in zwei 
Fällen die Diagnose tuberculöses Magengeschwür, erzielte in zwei 
Wochen mit Hilfe von Perucognac Heilung und fand durch diese 
specifische Wirkung des Perucognac seine Diagnose „wesentlich 
gestützt“! 

•) Centralbl. f. allgem. Pathologie 1897, Bd. VIII. S. 783. 

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lieh habe ich, abgesehen von den bacillenhaltigen Leukocyten- 
herden, auch typisch gebaute Knötchen mit Reticulum, epithe- 
lioiden und Riesenzellen in der Schleimhaut angetroffen. Weiter¬ 
hin kann ich Ihnen dann aber noch als neuen Befund auch das 
Vorkommen haematogener Miliartuberkeln 
in der Muskelhaut des Magens demonstriren. Sie 
sehen sie an den vorgelegten Präparaten und Photogrammen, 
welche von ei mail an ausgebreiteter Miliartuberculose verstor¬ 
benen Kinde stammen; neben zahlreichen Knötchen der Schleim¬ 
haut finden sich solche vereinzelt auch mitten in der Muscularis. 
Alle d rri S c h i e h t e n der Mage n w a n d — von der 
Serosa war das längst bekannt — k ö nnen demnach Sit z 
h a c ma t o g e n e r Miliartuberculose sein. Eine 
klinische Bedeutung beanspruchen diese Gebilde nicht, da die 
Individuen wohl stets zu Grunde gehen, bevor der Zerfall der 
Knötchen gröbere Zerstörungen verursacht. 

Aus dem Neuen Allgemeinen Krankenhause Hamburg-Eppendorf 
(Abtheilung von Prof. Dr. Rumpf). 

Mittheilung von zwei Fällen von Tetanus traumaticus. 

Von Dr. R. Müller, Assistenzarzt. 

Die seit Einführung des B e h r i n g’schen Tetanusantitoxins 
zur Kenutniss gekommenen Fälle von Tetanus traumaticus, die 
nach B e h r i n g , bezw. T i z z o n i behandelt wurden, sind bei 
der relativen Seltenheit der Erkrankung noch so wenig zahlreich, 
dass von einer Beurtheilung des Werthes der Antitoxinbehand¬ 
lung nicht die Rede sein kann; um zu einem abschliessenden Ur- 
tlieil zu gelangen, dürfte für eine spätere Sammelforschung die 
Veröffentlichung auch von Einzelfällen geboten sein, selbst wenn 
sie, allein betrachtet, nur ein verhältnissmässig geringes Inter¬ 
esse bieten. 

Zwei im Laufe des Winters 98/99 zur Aufnahme in das 
N. A. K. gelangte Tetanusfälle mögen daher im Folgenden ihre 
Darstellung finden. 

Der 54 jiiliilge Cassirer N. R. aus H., dessen Anamnese weder 
Potatorium noch Lues oder sonst irgend eine wesentliche Erkran¬ 
kung ergab, verletzte sieh am 20.1. den Daumen der rechten Hand 
dadurch, dass er heim Zerkleinern von Holz sich einen Splitter 
unter den Nagel stiess; obwohl er Anfangs einen sehr intensiven 
Schmerz verspürte, wurde die Wunde nicht weiter beachtet. Nach 
anfänglichem vollständigen Wohlbefinden traten am 30. I. Abends 
leichte Schlingbeschwerden. Ziehen im Kreuz und in den Gliedern 
und leichtes allgemeines Unwohlsein auf — Beschwerden, die 
Patient für Zeichen von Influenza hielt. Am 2. II. 5 Uhr Morgens 
erwachte R. mit schmerzhaften Krämpfen lm Rücken, im Laufe 
des Vormittags traten Krämpfe auch in den Extremitäten auf, die 
ihn veranlassten, um 12 Uhr Mittags das Krankenhaus aufzu¬ 
suchen. 

Die sofortige Untersuchung ergab folgenden Status: 

Kräftig gebauter Mann in gutem Ernährungszustand; Sen- 
sorJum frei. Puls 140, regulär, aequal, klein. Temperatur 37,0". 
Haut sehr feucht. Gesicht cyanotiseh. 

Lungen ohne Befund. Respiration mühsam, 40. 

Herz: Grenzen nicht nachweisbar pathologisch verändert. 
Ietus nicht fühlbar, Töne leise, rein. 

Abdomen: Bauchdecken massig gespannt; Milz percussoriseh 
nicht vergrössert, nicht palpabel, ebensowenig die Leber. 

Nieren: Urin spontan, etwa 100 ccm, sauer, Spuren Albumen. 
kein Zucker, spec. Gewicht 1024. Mikroskopisch 0. 

Stuhl angehalten. 

An der Innenseite des Nagelbetts des r. Daumens eine durch 
einen über den Nagelrand wenig hervorragenden Holzsplitter aus- 
gefiillte Wunde, die wenig secernirt und total verschmutzt ist. 

Die Musculatur der Oberextremitäten ist etwas gespannt, doch 
können die Arme frei bewegt werden; eine etwas höhere Span¬ 
nung besteht in den Unterschenkeln, eine geringe in den Ober¬ 
schenkeln; die Beine können adducirt, abducirt, gebeugt, gestreckt 
und rotirt werden, sind aber in der Bewegungsfäbigkeit leicht be¬ 
hindert. Hals- und Rückenmusculatur mässig gespannt; Trismus, 
der Mimd kann kaum 2 cm geöffnet werden. Schlucken von 
Flüssigkeiten gut. 

In Pausen von wenigen (1—3) Minuten convulsivlsche, hoch¬ 
gradige Muskelspannung der gesamraten Rumpf- und Nacken-, 
Gesichts- und Extrem itätemmisculatur von 6—10 Secunden Dauer, 
die mit lebhaften Schmerzäusserungen seitens des Patienten ver¬ 
bunden ist; die Bauehdecken sind bretthart gespannt, die Muskel- 
contouren der Extremitäten treten reliefartig hervor, hochgradiger 
Opisthotonus, Zunahme der Dyspnoe. Häufig werden diese Anfälle 
ausgelöst durch Berührung oder Anreden des Patienten, helle Be¬ 
leuchtung, Lärm. 

Sensibilität intact. 

Reflexe: Bicepssehuenreflex, Tricepssehneureflex, Periostreflex 
der o. E. lebhaft Patellar-, Achilles-, Bauchdecken-, Fusssohlen- 
kitzelreflexe nicht auszulösen. 

Pupillenreaction prompt, r. — 1. 


Original from 

UNIVERSITV OF CALIFORNIA 



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6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Diagnose: Tetanus truuwaticus. 

12 l / s Uhr Naclim. Injectiou von B e h r i n g'schem Tetauus¬ 
autitoxin 31 ccm — 250 I.-E. (Höchst), 3,0 Chloralamkl, 1 Spritze 
25proc. Kampherlösung. 

3 Uhr Nachm. Die Attaqueu treten fast in jetler Minute auf. 
Puls 146, klein. Ord. Morphin. Kampher. feuchte Eiuvvicklung. 

5 Uhr Nachm. Besserung des Allgemeinbefindens, Krämpfe 
in Pausen vou 5 Minuten. Ord. Chloralamid 3,0. 

G Uhr Nachm. Unter Obers t’selier Localanaesthesie wird 
das 1. Glied des r. Daumens abgetragen, antiseptischer Verband. 
Pat. empfindet nichts von der Operation, keine Anfälle während 
ihrer Vornahme; sonst in Pausen von 7—10 Minuten. 

8 Uhr Abends. Warme Einpackung. Kampher. 

12 Uhr Nachts. Nach der Operation relatives Wohlbefinden, 
die Anfälle treten in Pausen von l />—1 Stunde auf. mehrfach halb¬ 
stündiger Schlaf. Puls 120, leidlich kräftig. Ord. Chloralamid 2. 

3. II. 99. Gegen Morgen und Vormittags wieder zahlreiche An¬ 
fälle in Pausen vou 5—10 Minuten. Starker Schweiss. Schluckt 
gut. Etwa 200 ccm Urin mit Spuren Albuinen, ohne Cylindpr. 

10 Uhr Vorm. Injection von 31 ccm Tetauusautitoxin ™ 250 
I.-E. Einspritzung, 3 mal 2 g Chloralhydrat p. d. Kampher. 

Puls 124, leidlich kräftig, aequul, regulär. Temp. 36,7. 

Nachmittags: Krämpfe in Pausen von 10—20 Min.; subjeetives 
Befinden wesentlich besser als am Morgen, objeetiv unverändert. 
Herztöne rein, leise, Action regelmässig, nicht sehr kräftig. Nachts 
ca. 3 Anfälle pro Stunde. Afebril, Puls 140. 

4. II. 5 Uhr Früh. Nachdem Pat. mehrfach Stunde ge¬ 

schlafen, Erbrechen unter heftiger Dyspnoe. Anfall, Exitus letalis. 

Bezüglich des bacteriologisehen Befundes verweise ich auf die 
A usftihrungen der Herren F rünkel und Iv r a u s e in dem Pro¬ 
tokoll der „Biologischen Abtheilung des ärztlichen Vereins Ham¬ 
burg“, Sitzung vom 14. II. 99 in No. 12 der Müncb. metl. Wochen¬ 
schrift: Es gelaug Herrn Krause nicht nur, durch Impfung von 
dem operativ entfernten Splitter bei Meerschweinchen und Mäusen 
Tetanus hervorzurufen, au dem die Tliiere nach 2—3 Tagen zu 
Grunde gingen, sondern auch Reiucultureu zu züchteu uud mit 
vollem Erfolge zu verimpfen. 

Die Section ergab ein geringes Oedem der weichen Hirnhäute 
an der Convexitiit und der Hinterfläche des unteren Dorsalmarks 
und geringe Sklerose der Basalarterien: auf beiden Flächen des 
Epicards grössere und kleinere Sohnenfiecken, am 1. Herzrand 
frische, wie gespritzt aussehende Haeiuorrhagien, deutliche fettige 
Degeneration des vorderen Papillaruniskels. ausgesprochene Skle¬ 
rose beider Coronararterien bei gut erhaltenem Lumen, intacten 
Klappenapparat, Sklerose der Aorta; feine Granulirung und 
Cystclienbildung an den Niereuoberfläehen. Trübung der Rinde; 
einige auffallend weiche Lymphdriisen der r. Achselhöhle, bei deren 
Durchschneidung sich etwas trübe Flüssigkeit entleert. 

Den 2. Fall verdanke ich Herrn Seenndärarzt Dr. de ln Camp. 
Es handelte sich um einen 35 jährigen Ueberarbeiter, der von der 
Westküste Afrikas kommend, am 9. XII. 98 aufgenommen wurde. 
Früher stets gesund gewesen, im August 98 Malaria; Beginn der 
jetzigen Erkrankung am 6. XI. mit Steifheit der Kopf- und Nacken- 
nmsculatur; seit dem 22. XI. am ganzen Körper steif, zwischen¬ 
durch Krampfanfälle von 2—3 Minuten Dauer. Zustund in den 
letzten Wochen unverändert, andauernd Schlaflosigkeit. Pat. ist 
stets barfuss auf dem Schiff gegangen, will sich nicht verletzt 
haben, ausser ihm Niemand von der Mannschaft erkrankt. Kommt 
schräg In eine Droschke gelehnt, total steif zur Aufnahme. 

Status: Mittelgut genährter, sehr grosser, lmisculöser Mann. 
Sensoriuin frei. Temp. 39,2. Puls 120. Innerer Organbefund, so 
weit zu untersuchen, insbes. Herz und Lungen ohne pathologischen 
Befund. 

Urin eiweiss- und zuckerfrei, ohne Formbestandtheile. 

Offene Wunde am Praeputium, an den Füssen viele Rhagaden, 
die aber sämmtlich keinen Anhaltspunkt für die Iufeetion geben. 

Der Kranke liegt steif wie ein Stock im Bett: die Musculatur 
der Beine, des Bauches, Rückens und Nackens in einem enormen 
tonischen Krampfzustand: der Leib fühlt sieh bretthart an, ein 
Eindrücken ist völlig unmöglich, die Beininiiskeln sind einzelu 
scharf contourirt, der Mund kann in Folge von Kieferkrampf nur 
‘za cm weit geöffnet werden. Armbewegungen beschränkt durch die 
Nackenmusculaturkrümpfe. DU* Sensibilität ist erhöht an den 
Unterextremitäten und am Baucli, jede Berührung uud Bewegung 
schmerzhaft. Der an sich schon schmerzhafte Krampfzustand 
■wird etwa alle 10 Minuten von acut einsetzenden Krämpfen com- 
plicirt, die den Pat. zu lautem Stöhnen und Schreien veranlassen. 

Patellarreflexe nicht, auslösbar, Biceps- und Tricepsreflexe nor¬ 
mal. Tlier. B e h r i n g’sches Tetiim;santitoxin 500 I.-E. Morphin. 

10. XII. Der Krampfzustand dauert an. nur die iutermit- 
tireudeu Anfälle seltener, etwa alle 20 Min. Herzaction schwächer. 
Puls 100—120. Temp. 38,0—38,4. 

Ord. 250 I.-E. Tetanusantitoxin. 4.0 (’ldorallmlrat. Spir. aeth. 
stiindl. 5 Tropfen. 

11. XII. Zustand etwas leidlicher, jede g* Stunde noch enorme 
Schmerzattaquen; Rigidität hält an. 

Sen8orium dauernd frei. Temp. 37,4 38,5, Puls 100 120. 

Urin ohne Eiweiss und Zucker. Menge 3500; spontan gelassen. 

12. XII. Gegen Abend wieder Verschlechterung des Allgemein¬ 
befindens. Pat. fühlt sich sehr matt. 

Herzschwäche nicht mehr vorhanden. Temp. Morgens 37,2, 
Abends 38,2. Puls 96—120. 

Ord. 250 I.-E. Tetauusautitoxin, 8,0 Chloralhydrat wie gestern. 

13. XII. Gauz wesentliche Besserung, Pat. kann bereits die 

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Beine anzlehen und den Mund 2 cm weit öffnen; Patellarrefloxe 
vorhanden. 

Temp. Morgens 36,9, Abends 38,2. Puls 96—116. 

14. XII. Gegen Abend Temperatursteigerung auf 38,5, Puls 108. 

Ord. 250 I.-E. Antitoxin. Dauernd 8.0 Chloralhydrat. 

19. XII. Schnelle Besserung; die Muskelrigidität nimmt ab. 
schon allerlei Bewegungen möglich. Keine Sensibilitätsstörungen. 

Diurese andauernd über 3000 ccm. Tempertur subfebril. Puls 
st< ts 96—108. 6,0 Chloralamid. 

22. XII. Massage, kohlensaure Bäder. Fieberfrei. 

23. XII. Steht auf. 

31. XII. Der Gang und alle Bewegungen haben noch etwas 
gezwungen Steifes, der r. Arm bezüglich der Deltoidesmusculatur 
noch schwach. 

Appetit sehr gut, 5 l / s Pfd. Gewichtszunahme. 

16. I. Geheilt entlassen. 

Erörtern wir die Frage der Wirksamkeit des Antitoxins, 
so lässt sich im Fall I ein günstiger Einfluss des Serums auf den 
Krankheitsverlauf nicht bestreiten, wir sehen, dass etwa 5Stunden 
nach der Injection die Anfangs in Pausen von wenigen Minuten 
auf tretenden Anfälle seltener wurden und an Intensität verloren, 
bis sie sich Nachts nur 1—2 mal in der Stunde wiederholten; 
erst unter der Einwirkung des Tagesgetriebes trat wieder eine 
Zunahme der Attaquen ein. Dasselbe wurde nach der 2. Injection 
beobachtet, auch jetzt seltenere uud weniger intensive Anfälle 
und Heining des subjektiven Befindens. 

Wenn trotz der mit Rücksicht auf den späten Eintritt der 
Primärerscheinungen und ihre frühe, nicht erfolglose Behandlung 
günstigen Prognose, die allerdings von vornherein durch die Be¬ 
schaffenheit des Pulses getrübt war, der Exitus erfolgte, so dürfte 
er seine Erklärung in der Papillarmuskeldegeneration und der 
Coronararteriensklerose finden. 

Der 2. Patient würde vermutblich auch ohne Seruminjec- 
tionen genesen sein, man darf aber wohl annehmen, dass durch 
die ScM’inndarrcichungen, die keinerlei schädliche Nebenwirkung 
hervorriefen, ein*» Abkürzung des Krankheitsverlaufes bedingt 
wurde; während nach den ersten Injectionen nur eine geringe, 
in seltenerem Auftreten der Krampfanfälle bestehende Besserung 
eintrat, und am 4. Tage Abends sogar eine Verschlechterung sich 
zeigte, Hessen die tetanischen Erscheinungen nach der 3. In¬ 
ject imi in ganz augenfälliger Weise nach: Pat. vermochte den 
Mund zu öffnen und die Beine an den Leib zu ziehen, Fort¬ 
schritte, die nicht ohne Weiteres der Chloraldarreichung zuzu- 
schreibcu sind. 


Casuistische Beiträge zur Schwierigkeit der Diagnose 
endocranieller otogener Erkrankungen.*) 

Von l)r. Röpke in Sulingen. 

M. XL! Treten hei einer acuten oder chronischen Mittel- 
ohreiterung Symptome auf, die den Verdacht auf eine Mitbethei¬ 
ligung des Hirns, der Hirnhäute oder der Blutleiter recht fertigen, 
so ist es geboten, die Mittelohrräum*' und die Warzeiifortsatzzelleu 
freizulegen und die Wandungen dieser Knochenhöhle abzusuchen 
nach etwaigen cariösen Stellen, Fisteln oder Defeeteii, die uns 
den Weg zeigen könnten, den event. die Eiterung in die Schädel¬ 
höhle genommen hat. Ist die Knochemvand irgendwo erkrankt, 
so ist uns die Stelle gegeben, au der w r ir die Sohädelhöhle zu er¬ 
öffnen haben, wi»* werden in Zusammenhang mit dieser Stelle den 
intracraniellcn Herd mit Wahrscheinlichkeit finden. 

(’omplicirtcr wird die Sache, wenn die Kiiochciiwandungen 
des Mittelohrs und der Warzeiifortsatzzelleu vollständig intaut 
sind und trotz Freilegung dieser Hohlräume die Hirnreizuiigs- 
oöer Hirndruckerscheinungen nicht nachlassen. In einer grossen 
Anzahl von Fällen ward es dann wenigstens möglich sein, auf 
Grund der Symptome zu bestimmen, ob der Krankheitsherd in der 
mittleren oder in der hinteren Schädelgrube liegt, in einer ganzen 
Reihe von Fällen wird aber auch das nicht einmal möglich sein. 
Jn anderen Fällen wüeder wird man glauben, seiner Sache ganz 
sicher zu sein, mau wird auf Grund einer sorgfältig aufgebauten 
Diagnose zielbewusst an einer bestimmten Stelle trepaniren, 
ohne einen Krankheitsherd zu finden. Kurzum, wer sich mit der 
Chirurgie endocranieller, otogener Erkrankungen befassen will, 
darf sich durch Irrthiimer in der Diagnose oder auch durch 
operative Misserfolge nicht eiitinuthigen lassen. 

Gestatten Sie mir nun, dass ich Ihnen zwei Kranken¬ 
geschichten mittheile, die das oben Gesagte beleuchten sollen: 

*) Vortrug, gelullten in der Vereinigung westdeutscher Ilals- 
und Ohrenärzte. Sitzung vom 3. Deeember 1899. 

3 * 

Origii al frer 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


I. Fall. Ein 25 jähriges Dienstmädchen hat seit Kindheit 
Olirenlaufen rechts, seit Anfang Juni Erbrechen, Fieber mit 
Schüttelfrost einsetzend, stärker werdende Schmerzen im Hinter¬ 
kopf rechterseits, Zuckungen im rechten Arm und Bein. Vor 
5 Tagen ist sie auf dem Wege von ihrer Herrschaft zu ihren 
Eltern zusammengebrochen und bewusstlos auf der Strasse auf¬ 
gefunden worden. Seit 3 Tagen ist Steifigkeit des Nackens auf¬ 
getreten, sie hat so rasende Schmerzen gehabt, dass sie sich wie 
eine Wahnsinnige geberdet hat. 

Objectiver Befund: 25. VI. Abgemagertes, junges 
Mädchen mit verfallenen Zügen, die Zunge ist trocken und belegt, 
starker Foetor ex ore, keine Lähmungen, keine Pupilleudifferenz. 
Der Gang ist schwankend, der Nacken ist steif, der Kopf ist nach 
hinten gezogen. Druckempfindlichkeit des Hinterkopfes rechts 
genau der Stelle der in die Tiefe bohrenden Schmerzen ent¬ 
sprechend. Beiderseits Stauungspapille (Dr. Quint). Die Patel- 
larreflexe sind gesteigert. Puls 120, Temperatur 38.5°. 

Im rechten Gehörgange liegen schmutzig«*, stark riechende 
Eitermassen. Aus einer Fistel an der hinteren, oberen Geliörgangs- 
wand kommen Granulationen hervor. Von Hörprüfungen und 
Stimmgabelversuchen muss Abstand genommen werden, da Pat. 
nicht ganz klar ist. 

An demselben Nachmittage R a d i c a 1 o p e r a t i o n. Chole¬ 
steatom des Antrum und des Kuppelraums. Nirgends cariöse 
Stellen oder Fisteln der Knochenwandungen. Von einem weiteren 
Eingriff wird vorläufig Abstand genommen. 

Abends: Temperatur 39.2°, Puls <>0, starke Delirien. Pat. 
springt wiederholt aus dem Bette, presst sich den Kopf zwischen 
die Hände. 

Am folgenden Tage nehmen die Beschwerden zu, der Nacken 
wird vollkommen steif, Pat. hat starke Schmerzen. Der Puls 
schwankt zwischen 56 und 60, Temperatur steigt Abends bis 37.5". 

27. VI. Stauungspapille ist in Zunahme begriffen, sehr uu- 
ruhige Nacht, Zuckungen der rechten Köperseite. 

Nachmittags Operation: Zunächst Freilegung dos 
Sinus transversus in grosser Ausdehnung, der normale Wände hat 
und bei jeder Inspiration zusammenklappt: er ist nicht thrombosirt. 

Dann wird die hintere Schädelgrub«* weiter frei gelegt durch 
Abbrechen der Schädeldecke von der bisherigen Operationswunde 
aus nach hinten. Die Dura über dem Kleinhirn pulsirt leicht. 
Breite Incision der Dura, es fliesst normale Cerebrospiualflüssig- 
keit ab, die aber nicht unter besonders hohem Drucke steht. Ein¬ 
stechen in das Kleinhirn mit einem Skalpell nach all«*n Richtungen, 
ohne dass Eiter gefunden wird. Hierauf Freilegung der mittleren 
Schädelgrube vom Teginen an tri aus, auch hier ist die Punction 
negativ. 

Am Tage nach dieser eingreifenden Operation sind die Kopf¬ 
schmerzen geringer; Patientin ist auch den ganzen Tag klar, der 
Puls hat sich noch mehr verlangsamt, ist bis 40 in der Minute 
heruntergegangen. Stuhlverhaltung, Appetit liegt darnieder. 
Abends Blasenlähmung. Temperatur 37,2°. 

Von da ab bessert sich das Befinden der Pat. zusehends, nach 
14 Tagen ist sie fast ohne Beschwerden, der Puls ist ganz allmäh¬ 
lich in die Höhe gegangen, die Temperatur ist ganz normal ge¬ 
wiesen, die Stauungspapille ist in Abnahme begriffen, der Nacken 
wieder beweglich, der Appetit wird von Tag zu Tag besser. 

Der weitere Krankheitsverlauf bietet nichts Interessantes. 
Acht Wochen nach der Operation wird Patientin aus «ler Klinik 
entlassen. Noch geringe Secretion ans dem Mittelohr. Jetzt ist sie 
ohne jegliche Beschwerden und geht ihrer Beschäftigung als 
Dienstmädchen wieder nach. 

Es ist auch jetzt noch geringe Absonderung von Schleim aus 
dem Mittelohr (Gegend der Tubenöffnung). Hörfähigkeit auf dem 
r«*ehten Ohr gleich 2 Meter für Flüstersprache. 

Nach eingehender Untersuchung des Falles kam ich zu der 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Kleinhirnabscess, event. complieirt 
mit Sinusthrombose. Auf jeden Fall war zunächst die Radical- 
operation sofort geboten. Als ich nun bei der Radiealoperation 
keinen directen Zusammenhang zwischen dem primären Krank¬ 
heitsherd und der Schädelhöhle fand, nahm icli von einem weiteren 
Eingriff trotz der bedrohlichen Symptome Abstand, um den Er¬ 
folg der Operation erst abzuwarten. 

Die einzige Aenderung, die nun nach der Radiealoperation 
eintrat, war die, dass das Fieber abfiel, ganz oder nahezu normale 
Temperatur eintrat, gleichzeitig der Puls sich aber verlangsamte. 
Die anderen Hirnerscheinungen (Schmerzen im Hinterkopf, 
Nackensteifigkeit, Zuckungen der Extremitäten auf der er¬ 
krankten Seite, Stauungspapille) nahmen zu. 

Ich glaubte nunmehr die Diagnose „Kleinhirnabscess“ ge¬ 
sichert und führte die oben beschriebene Operation aus, die eine 
Bestätigung meiner Diagnose nicht ergab. 

II. Fall. Ein 14jähriger Arbeiterssohn hat seit 2 Jahren 
Ohrenlaufen rechts, damals Elterdurchbruch auf dem Warzeufort- 
satze, seitdem Fistel daselbst. Ende August dieses Jahres, als er 
ln der Feriencolonie war, traten starke Ohrensclnnerzen mit 
Schwindel und Erbrechen auf, er fiel verschiedentlich bewusstlos 
um, hatte öfters Krämpfe. Der dortige Arzt hat ihn dann nach 
Hause transportiren lassen, wo er seitdem krank geweseu ist Die 
Eltern beklagten sich, dass der Junge ganz verändert ist; er 
ist sehr jähzornig, hat ein verschlossenes und mürrisches Weseu, 

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was früher nie an ihm bemerkt wurde. Er hat fortwährend starke 
Schmerzen im Hinterkopf. Seit 8 Tagen hat sich der Zustand sehr 
verschlimmert, er hat Nachts nicht mehr geschlafen und durch 
seiu Schreien alle Hausgenossen wach gehalten. In den letzten 
beiden Tagen hat die Mutter öfters Zuckungen in den Arrneu und 
Beinen, aber nur auf der rechten Seite, beobachtet. 

Erste Cousultation: 29. IX. Anaemischer, schlecht 
genährter Knabe. Rechte Pupille erweitert, reagirt nicht, Augen- 
hintergrund normal (Dr. Quint), Facialisparese rechts, weder 
Augenmuskelliilimungcii. uoeh Lähmungen der Extremitäten. 
Der Kopf kann normal gedreht werden, dabei aber Schmerzen auf 
der erkrankten Seite des Hinterkopfes, der auf Druck stark em¬ 
pfindlich ist. Die Patellarreflexe sind gesteigert. 

Aus der Fistel auf dem Warzen fort satze kommt stinkender 
Eiter; der Gehörgang rechts liegt voll von Granulationen. Flüster¬ 
sprache wird auf der erkrankten Seite nicht verstanden. Die 
Stimmgabelvei’suehe sind unsicher, sind nicht zu verwertben. 
Puls 58, Temperatur 36,3 °. 

30. IX. R a d i e a 1 o p oratiou: Im Autniin schmierig«* 
Eitermassen und Granulationen. Nach Auskratzung und si>rg- 
fültiger Blutstillung wird die Höhle abgeleuchtet und werden nach 
allen Seiten die Wände somlirt. Nirgends Fisteln oder Defecte. 
Der Knochen ist in der (iegeml «les Sinus transversus «*twas ver¬ 
färbt. Die Freilegung «les Sinus ergibt aber, dass derselbe pulsirt 
und normal aussiebt. 

Abends: Sonmolenter Zustand, Respiration hat deutlich 
<' li e y n e - S t o k e s’s«*lien Typus. Zuckungen d«*s rechten Armes 
und Beines, zuweilen des ganzen Körpers. Puls 54, Teinp. 36,6". 
Facialisparese ist 'stärker geworden. Patient wirft sieh unruhig 
hin und her. Nachts 1 Flir hat er zu trinken verlangt, hat von da 
ab ruhig geschlafen. 

Am anderen Morgen li«*gt lätleni ruhig da. ist aber nur mit 
grosser Mühe aus tiefem Schlaf<* zu erwecken, gibt auf di<* an ihn 
gerichteten Fragen zwar zögernde. «loch vollkommen richtige Ant¬ 
wortern Am Mittag wie«l«*r starke Zuckungen der re«*hteu Ex¬ 
tremitäten, zugleich völlige Bewusstlosigkeit, «»beuso Ver¬ 
langsamung «l«*r Respiration, zuweilcu wieder deutlich Clieyu«*- 
S t o k e s*scher Typus. Der Anfall dauerte einige Stunden, er ist 
dann wieder ganz klar, klagt viel über Schmerzen im Hinterkopf. 
Abends Temperatur 37.4 °. Puls 56. 

3. X. Freilegung «les Kleinhirns von <lt*r bestehenden Op«»ra- 
tiouswimde aus: Dura pulsirt. wir«l gespalten. Kein Eiter im Sub- 
duralraum, auch keine vermehrte Zerebrospinalflüssigkeit. Ein- 
steeben in das Kleinhirn vor und hinter dem Sinus, kein Eiter ge¬ 
funden. 

In den Tag«*n nach dieser Op«*ration bleibt der Zustand genau 
derselbe, keiue Temperatursteigerung. Erst vom 7. X. ab Tem- 
peratur«»rhölnmg. zuerst bis 37.8". «lanu 38,5°. am 14. X. 39,5 von 
da ab fällt die Temperatur langsam, vom 22. X. ab vollständig 
normale Temperatur und Pulsfrequenz. 

Am 4. XI. wird Patient aus der Klinik entlassen. Die Opera¬ 
tionswunde auf dem Warzenfortsatz ist jetzt vernarbt. Noch 
Secretion aus dem Mittelohrinnern, Patient hat aber keinerlei Be- 
I sch werden mehr. Die Facialisparese hat sich gebessert, Kopf- 
! schmerzen bat er nicht wieder gehabt. Der Appetit ist gut, er 
hat an Körpergewicht zugenumuicn. 

Dieser Fall ist dem ersten in seinem Verlauf sehr ähnlich, 
wenn auch die Symptome natürlich nicht alle dieselben sind: Wir 
haben auch hier wieder starke und auf den Hinterkopf beschränkte 
Schmerzen der erkrankten Seite und Druckempfindlichkeit da¬ 
selbst, ferner Schwindel und Erbrechen. Die Patellarrcflexe sind 
gesteigert, es bestehen in beiden Fällen Zuckungen der Extremi¬ 
täten der erkrankten Seite, zeitweilige Bewusstlosigkeiten, Puls- 
verlangsamung. 

Dazu kommt nun in dein zweiten Falle noch die Facialis¬ 
parese auf der erkrankten Seite, ferner die Verlangsamung der 
Respiration mit Cheyne-Stoke s’sehem Typus. Es fehlen in 
«lern zweiten Falle Veränderungen des Augenhintergrundes. 

Wie Sie sich denken können, entschloss ich mich in dem 
Gedanken an die Erfahrungen, die ich in dem ersten Falle ge¬ 
macht hatte, nur ungern zur Punction des Kleinhirns. Die Sym¬ 
ptome waren nach meiner Ansicht aber so klar, dass ich eine Eite¬ 
rung im Kleinhirn annehmen musste. Auch dieses Mal wurde 
meine Diagnose, durch die Operation wenigstens, nicht bestätigt. 

M. H.I Ich will Ihnen nun noch über einen anderen Fall 
berichten, der die Beurtheilung der beiden ersten Fälle nach 
meiner Meinung erleichtert. 

Eine 14 jährige Bäckorstocliter hat nach dem Berichte «les 
behandelnden Arztes seit mehreren Jahren an Ohrenlaufen auf d«*r 
linken Seite gelitten. Anfangs December vorigen Jahres bekam sie 
starke Ohrenschmerzen, ferner Schmerzen im Hinterkopf, die sich 
aber nur auf die linke Seite beschränkten. Gleichzeitig trat Er¬ 
brechen und Schwindel auf. Patientin wurde bettlägerig, bekam 
hohes Fieber (bis 40.0°), Nackensteifigkeit. Namentlich Abends 
waren starke Delirien, so dass sie festgelialten werden musste. 
Nach 14 tägigem Krankenlager besserte sich der Zustand allmählich 
und am 18. I., also 6 Wochen nach beginnender Erkrankung war 
sie im Stande, den Weg von 1 y 2 Stunden in meine Sprechstunde 
zu Fuss zurückzulegeu. Irgend welche Beschwerden ausser der 
stark riechenden Ohreiterung hatte sie nicht mehr. 

Original from 

UNIVERSUM OF CALIFORNIA 



6. März 1900. 


321 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Objectiver Befund: Facialislähmung auf der linken 
Seite, Gehörsfunction links vollständig aufgehoben. Der linke 
Gehörgang liegt voll von Granulationen, die Eiterung ist stark 
foetid. Nach Wegnahme der Granulationen sieht man, dass die¬ 
selbe theils von hinten oben aus einem Defect der Gehörgangswand, 
theils vom Promontorium ihren Ausgang genommen haben. Von 
weiteren Sondirungen wird Abstand genommen, da die Radical¬ 
operation gemacht werden soll. 

20. I. Radicaloperation. Das Antrum ist vergrössert 
durch Einschmelzung verschiedener Warzenfortsatzzellen. es liegt 
voll von Granulationen und stinkendem Elter. Die Wand des 
Promontorium ist zerstört, durch diesen Defect kommen Granu¬ 
lationen hervor, bei Druck auf dieselben entleert sich Eiter aus dem 
Labyrinth. Die Granulationen werden mit einem scharfen Löffel 
vorsichtig ausgekratzt, wobei die halbe nekrotische Schnecke mit 
herausbefördert wdrd. In das Labyrinth wird ein Jodoformgaze¬ 
streifen locker hineingelegt. 

Das Wohlbefinden wird durch diesen Eingriff in keiner Weise 
gestört. Die Eiterung durch das Labyrinth lässt jedoch nicht 
nach; bald schiessen weitere Granulationen hervor, die mit ätzen¬ 
den Mitteln schwer zurückgelialteu werden können. Es stellen 
sich allmählich wieder Kopfschmerzen ein; die Eiterung, die haupt¬ 
sächlich aus der Tiefe des Labyrinths kommt, ist so reichlich, dass 
der Verband täglich durchnässt ist. 

Ein Monat nach der Radicaloperation nochmalige Aus¬ 
kratzung des Labyrinths in Narkose: Es werden wieder nekro¬ 
tische Theile der Schnecke mit dem Löffel herausbefördert. Am 
anderen Tage Schüttelfrost, Erbrechen. Ansteigen der Temperatur 
bis 39,9°, starke Schmerzen im Hinterkopf. Einige Tage später 
Zuckungen des Körpers, hauptsächlich in den Extremitäten der 
erkrankten Seite, Nackensteifigkeit, Druckempfiudlichkeit über der 
ganzen Wirbelsäule, Blasenlähmung. Nach 8 qualvollen Tagen 
Exitus in tiefem Coma. Section wurde nicht gestattet. 

In diesem Falle ist es klar, dass der Eiter vom Labyrinth 
aus durch den Meatus auditorius internus an die Hirnbasis ge¬ 
langt ist. Interessant ist es, dass nach der ersten, heftigen 
Attacke, die mit Fieber, Schüttelfrost, Nackensteifigkeit ein¬ 
setzte, der Process an der Hirnbasis anscheinend ausgeheilt war. 
Der reichliche Eiterausfluss aus der Tiefe des Labyrinths, der 
aber sicher nicht allein aus dem Labyrinth entstammen konnte, 
spricht aber dafür, dass auch zu der Zeit, als Pat. frei von allen 
Beschwerden in meine Behandlung kam, noch Eiterung an der 
Himbasis bestand. Die acute Meningitis war in ein chronisches 
Stadium getreten und hatte sich wahrseheinlicl v.m den Meatus 
auditorius herum abgekapselt. Erst durch die zweite Aus¬ 
kratzung des Labyrinths, die zum freien Abfluss der starken 
Eiterung nothwendig war, sind dann die Infectionserreger wieder 
mobil gemacht und verschleppt worden. Aus der circumscripten 
Meningitis wurde eine diffuse, die den Exitus herbeiführte. 

Nun komme ich zu unseren beiden ersten Fällen zurück: 
Durch den Befund bei der Operation und durch den weiteren 
Krankheitsverlauf ist es als ziemlich sicher anzunehmen, dass in 
beiden Fällen ein Abscess im Kleinhirn nicht bestand. Ich neige 
vielmehr zu der Ansicht, dass es sich auch in diesen beiden 
Fällen um eine circumscripte purulente Meningitis der hinteren 
Schädelgrube mit Hydrocephalus internus gehandelt hat. 
Die Meningitis ist in ein chronisches Stadium getreten und nach 
Ausrottung des primären Herdes wahrscheinlich spontan aus¬ 
geheilt. Auf welchem Wege die Infection der Hirnhäute erfolgt 
ist, wage ich nicht zu entscheiden; eine Labyrintheiterung habe 
ich in beiden Fällen nicht nachweisen können. Nicht vollständig 
auszuschliessen ist eine nicht eiterige, acute Encephalitis von 
Theilen des Kleinhirns. Dass zwischen chronischer Ohreiterung 
und der acuten Encephalitis ein gewisser Zusammenhang besteht, 
ist durch mehrere Beobachtungen erwiesen. 

Schleimhautpemphigus als Ursache der Verwachsung 
des weichen Gaumens und Heilung derselben mittels 
besonderer Hartgummibougies. 

Von Dr. med. Georg Avellis in Frankfurt a. M. 

In seiner sehr sorgfältigen und die Literatur ganz besonders 
berücksichtigenden Arbeit über die Verwachsungen des 
weichen Gaumens führt P. Heymann [1] folgende 
Aetiologie an: 

In allererster Linie kommt die Syphilis. Wenn auch im 
s v c u n d ä r e n Stadium kleinere Verwachsungen entstehen 
können (H eymann und S e h e eh [2]), so sind es doch eigent¬ 
lich die verschiedenen tertiären Formen der Syphilis, die zu 
Verwachsungen und Verlöthungen im Nasenrücken führen. Re¬ 
lativ häufig sind solche Verwachsungen auch bei hereditärer 
Syphilis gesehen worden. Nächst der Syphilis ist die häufigste 

No. 10. 

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Ursache von Pharynxstenosen das Sklerom. Wir in Deutschland 
sehen ja keine Fälle von Sklerom, aber Baurovicz [3] erklärt, 
dass in Krakau „dem Sklerom als Ursache der Rachen Verengerung 
in Bezug auf Häufigkeit die erste Stelle gebühre“. Mit der 
Syphilis und dem Sklerom als aetiologisches Moment für die 
Rachen Verwachsungen ist die Lehre von den Ursachen derselben 
beinahe schon erschöpft. Viele dunkle Fälle halten einer 
scharfen Kritik nicht mehr Stand und können die Meinung, 
dass es sich doch um Syphilis gehandelt habe, nicht widerlegen. 

Immerhin liegen noch einige Beobachtungen vor, wo eine 
andere Ursache als Syphilis und Sklerom für die Verwachsung 
kenntlich ist. Dahin gehören die Fälle, wo nach lupösen 
Ulcerationen mehr oder minder hochgradige Verlöthungen der 
weichen Baehentheile aufgetreten sind (M. S c h m i d t, P. Hey¬ 
mann [4]. 

Die Tuberculose der Rachenschleimhaut macht dagegen nie¬ 
mals solche Verwachsungen wie event. der Lupus. Wenn ähnliche 
Narben bei ihr entstehen, so sind sie wohl immer Folge von 
chirurgischen Eingriffen (Auskratzungen, galvanokaustischen 
Aetzungen etc.). P1 u d e r [5], der solche Fälle publicirte, neigt 
selbst zu dieser Ansicht. 

Endlich gilt auch in seltenen Fällen die Diphtherie als 
Ursache für Narbenstenosen im Pharynx. H e y m a n n aner¬ 
kennt in dieser Richtung die Berichte von Poorten, Mac 
M a h o n, Gerber, Fleischmann und Borcliard und 
sah selbst einige Fälle, wo nach diphtheritischen Ulcerationen 
am Gaumen sowohl Defecte als auch unbedeutende Verwachs¬ 
ungen zurückgeblieben waren. 

Dass Schnupfen und einfache Katarrhe zu Ver¬ 
wachsungen des Gaumens führen (Hoppe [6]), glaubt wohl 
Niemand im Ernst. Auch ein Fall von Verwachsung nach 
Scarlatina (Creswell Baber [7]) ist sehr zweifelhafter 
Natur, da congenitale Syphilis nicht auszuschliessen war. 

Von den Verwachsungen nach Verätzungen, Verbrennungen, 
Verletzungen sehen wir hier ab, denn bei ihnen liegt die Aetio¬ 
logie auf der Hand und hat nichts Charakteristisches. 

Die Aetiologie der nicht traumatischen Gaumensegel Ver¬ 
wachsungen beschränkt sich also auf Syphilis, Diphtherie und 
Lupus, wozu in Oesterreich-Polen noch das Sklerom kommt. 

Ich möchte diese spärliche Aetiologie noch dahin erweitern, 
dass man auch den Schleimhantpemphigus als Ursache für die 
Verwachsungen im Rachen in Anspruch nehmen darf. 

Es gibt in der Literatur bisher nur drei Beobachtungen, 
wo beim Rachenpemphigus Verwachsungen des weichen Gau¬ 
mens beschrieben sind. 

Die erste stammt von Schrötter [8], die zweite von 
Landgraf [9], die dritte angeblich von St eff an [10]. 
Wenigstens citirt diesen M. Menzel [11], der in allerletzter 
Zeit aus Schrotte Fs Klinik eine Arbeit über Schleimhaut¬ 
pemphigus publicirte. Wie ich aber bei der Durchsicht von 
S t e f f a n’s Originalarbeit constatiren musste, steht in dieser 
über den Rachenhefund nur eine Anmerkung, die nach einem 
Briefe von Moritz Schmidt weissgraue Flecke und eine Blase 
auf der laryngealen Seite der Epiglottis schildert, aber keine An¬ 
deutung über Verwachsungen. Das Ci tat klärt sich indess auf, 
wenn wir die Schilderung desselben Falles bei M. Schmidt 
(auf S. 534, n. Aufl.) lesen. Da steht: „Durch vorhergehende 
Eruptionen waren schon Verwachsungen der hinteren Gaumen¬ 
bogen mit der Schlundwand eingetreten, welche nach und nach 
zu einem vollständigen Verschlüsse nach der Nase zu führten.“ 

Während Schrötter Narben am Gaumen und an der 
hinteren Rachenwand sah, schildert Landgraf „strangartige 
Verwachsungen der Gaumenbögen mit der hinteren Rachen wand“ 
und Schmidt einen vollständigen Verschluss nach der Nase zu. 

Ich schliesse diesen drei Krankengeschichten eine eigene Be¬ 
obachtung hier an: 

Am 12. März 1898 kam ein 39 jähriger Arbeiter der k. Pulver¬ 
fabrik zu Hanau, Gotthard W. von Grossenhain zu mir, der sich 
über zeitweise Schmerzen im Munde und über die Unmöglichkeit 
sich zu schneuzen, beklagte. Die Affection besteht schon länger 
als 5 Jahre. An den Lippen, besonders an den Winkeln der 
Unterlippe, sieht man feine weissblaue, syphilitischen Plaques oder 
oberflächlichen Höllensteinätzungen nicht ähnelnde, an einzelnen 
Stellen flach eingesunkene Narben, die bei Berührung 
nicht bluten. Daneben aber an der Muudseite der Unterlippe 
hellgraue, auf geröthetem Untergrund sich deutlich abhebende, 
nicht erhabene Flecke, die beim Abwischen mit dem Wattebausch 
leicht bluten. An 2 Stellen lässt sich an der grauen Stelle ein 

4 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



322 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


feines Häutchen wegwischen resp. aufheben. Darunter zeigt 
sich eine hochrothe, feuchte, der oberflächlichen Decke ent¬ 
behrende Schleimhautstelle. Dieselben fetzigen Epithelablösungen 
finden sich an der Backenschleimhaut und zeitweise an den 
Zungenrändern. Der weiche Gaumen und die Bögen 
sind (bis auf eine, nur für eine feine Sonde 
durchgängige Stelle direct hinter der Uvula) 
mit der Rachenwand vollständig verwachsen. 
Die Verwachsung ist derart, dass ich sie für vollständig hielt und 
erst die Abtastung mit der Sonde zeigte, dass eine kleine Verbin¬ 
dung zwischen oberem und unterem Pharynx noch besteht. Diese 
Oeffnung ist aber so winzig, dass beim Schneuzen keine Luft 
durchgeht und der Patient nicht im Stande ist, die Nase zu 
reinigen. Er hilft sich derart, dass er bei herabhängendem Kopfe 
die Nase austropfen lässt oder mit einer Spritze leise ausspült. 
Vollkommene Mundathmung, daher Nachts öfteres Aufwachen 
und Anfeuchten des Mundes nothwendlg. 

Der Mann leugnet jede syphilitische Ansteckung. Er ist ver- 
beirathet, kräftig, hat 4 gesunde Kinder, die er mir auf Verlangen 
vorstellt, war niemals sonst krank. Er wird von mir und später 
von dem hiesigen Hautspecialisten Dr. Julius Cohn am ganzen 
Körper auf Drüsen oder andere syphilitische Residuen untersucht, 
ohne dass sich irgend ein Anhalt für Syphilis constatiren lässt. 
Auch erklärt Dr. Cohn, dass die Affectlonen an den Lippen mit 
ihrer zum Theil narbigen Einsenkuug nicht als Syphilis anzu¬ 
sprechen seien. 

Die Natur des Processes lässt sich zur Zeit dieser Consultation 
nicht genau feststellen. 

Betreffs der Gaumenverwachsung ergibt nur noch die Ana¬ 
mnese, dass sie ohne vorhergehende Erkrankung, speeiell ohne 
Diphtherie und ohne Verletzung, aufgetreten ist. 

Der Fall interessirte mich sehr und ich stellte ihn den 
Hanauer Aerzten im dortigen Verein vor als noch unaufgeklärte, 
nichtsyphilitische Verwachsung des weichen Gaumens. 

Nach einer Reihe von Wochen, während der Kranke, nachdem 
Hg-Behandlung und Jodkali nutzlos angewendet war, nach meiner 
Anweisung Arsen nahm, weil ich die grauen Epithelablösungen, 
die sich oft wiederholten, möglicher Weise für Pem¬ 
phigus hielt, erzählte er mir, dass sich wieder neue „Blasen“ 
an der Wange gezeigt hätten! Und richtig, ich fand eine platte, 
graugelb schimmernde Blase in der Gegend des linken Ductus 
Stenonian. Bei der Eröffnung derselben entleerte sich trüber In¬ 
halt. Nach dieser Entleerung fand ich genau dasselbe Bild: hell¬ 
graue, durch Sonde bewegliche Epithelmembran auf hochrothem 
Schleimhautgrunde, der leicht bei Berührung blutet. 

Jetzt war die Diagnose Pemphigus der Mund¬ 
schleimhaut gesichert. Die Erfolglosigkeit der Therapie, 
die Dauer von mehr als 5 Jahren und das stete Erscheinen neuer, 
rasch sich ablösender Blasen bestätigt die Diagnose Pemphigus 
und spricht gegen Syphilis. Auf der äusseren Haut zeigten sich 
bis zur Entlassung des Patienten keinerlei Veränderungen. Einen 
gleichen Fall von Pemphigus der Mundschleimhaut sah ich 
als Assistent von Moritz Schmidt, der Jahre lang auf die 
Schleimhaut beschränkt blieb und erst ad finem starke Blasen¬ 
bildung der äusseren Haut zeigte. 

Es handelt sich also bei unserem Falle sicher um einen sehr 
chronischen und milde verlaufenden Schleimhautpemphigus. 

Aber nicht diese, immerhin seltene Affection, ist der Grund 
der casuistischen Mittheilung, sondern die bei dem Falle beob¬ 
achtete beinahe complete Gaumenverwachsung. 
Wenn wir uns erinnern, dass nach S t e f f a n’s aufklärendem 
Falle der grösste Theil der früher unerklärbaren, daher „essen¬ 
tiellen“ Atrophie der Conjunctiva bulbi, d. i. einer 
mehr oder minder vollständigen Verödung und Verwachsung 
der Conjunctivasäcke jetzt auf Pemphigus von den 
Augenärzten zurückgeführt wird, so werden wir uns nicht wun¬ 
dern. dass der Pemphigus auch Verwachsungen des weichen 
Gaumens machen kann, wie er ja auch in Landgraf’s Fall 
eine Vermehrung der vorderen Commissur der 
Stimmbänder gemacht hat. 1 ) 

Die Aetiologie der Verwachsungen im Nasenrachenraum 
(und im Kehlkopf) wäre also um ein neues Capitel zu bereichern. 
Zugleich werden sich dadurch einige bisher unerklärte oder trotz 
mangelnden Anhaltes für Syphilisfolgen gehaltene Rachen¬ 
stenosen auf Pemphigus zurückführen lassen. 

Beglaubigt wird die Pemphigusverwachsung des Gaumens 
freilich bisher nur durch 4 Fälle: Schrott er, Steffan- 
Moritz Schmidt, Landgraf und meinen eigenen; die 

0 Moritz Schmidt vermuthet (S. 534). dass nach Analogie 
am Gaumenbogen auch Verwachsungen im Kehlkopf Vorkommen 
müssen, doch findet er sie nirgends erwähnt. Landgraf’s Fall 
war früher der einzige Beweis für eine Kehlkopf Stenose in Folge 
von Pemphigus. Inzwischen haben Menzel-Schrötter [11] 
und T h o s t [12] zwei Fälle von Pemphigus publieirt, wo der 
von Pemphigus. Inzwischen haben Thost [11] und Menzel- 
Schrötter [12] zwei Fälle von Pemphigus publieirt, wo der 
Aditus ad laryngem in einen engen Narbenring 
verwandelt war. 


Verwachsung im Kehlkopf durch 3 Fälle: Landgraf, Thost 
und Menzel-Schrötter. 

Betreffs der Behandlung der weichen Gaumenverwachsungen 
will ich mich kurz fassen. Die dauernde Heilung einer com- 
pleten oder beinahe completen Stenose ist so schwierig, dass 
manche Autoren von vornherein auf das Operiren solcher Ver¬ 
wachsungen verzichten. Ich habe in der letzten Zeit Hajek’s [14] 
Sperrer angewendet, bin aber dabei auch nicht gut gefahren. 
Erstens kann man ihn mit seinen plumpen breiten Schaufeln 
nur anwenden, wenn schon eine ziemlich bedeutende Communi- 
cation zwischen Cavum und Rachen hergestellt ist, zweitens ist 
seine Einführung so schwierig, dass meine Patienten die Hand¬ 
habung für richtige Selbstbehandlung nicht gelernt haben. Die 
eigene Nachbehandlung ist aber dringend nothwendig, da eine 
gelegentliche, wenn auch zunächst täglich einmal wiederholte 
Aufreissung der zur Verklebung neigenden Stellen, vom Arzte 
ausgeführt, zur Dauerheilung oft nicht ausreicht. 
Ich war aus diesem Grunde wieder zu dem Obturator nach Hey ■ 
mann [15] zurückgekehrt und der hiesige mir befreundete Zahn¬ 
arzt F rank hat mir bei einer Frau aus Sossenheim, die an com- 
pleter postsyphilitischer Gaumenverwachsung litt, nach 
der Operation derselben mit dem D z o n d i’schen [13] Messer, 
einen guten Obturator gemacht. Schliesslich aber war ich aus 
zwei Gründen mit der Obturatornachbehandlung doch nicht zu¬ 
frieden : Erstens war die Anfertigung und wiederholte Revidirung 
desselben zu theuer und zweitens passte derselbe wegen der 
Neigung zur Schrumpfung des Gewebes nur kurze Zeit. Bald 
machte die Einführung desselben der Patientin so grosse Schwie¬ 
rigkeiten, dass sie die weitere Selbstbehandlung aufgab. 

Ich kam desshalb zu dem Entschluss, die Nachbehandlung 
auf andere Art zu bewerkstelligen. Dazu diente mir ein halbes 
Dutzend II e g a r’scher Hartgummibougies, wie sie für die 
Cervixerweiterung gebraucht werden. Dieselben wurden über 
dem Bunsenbrenner oder in heissem Wasser vorsichtig erwärmt, 
bis sie an der gewünschten Stelle biegsam waren und dann in die 
Form eines liegenden S gebracht, wie die beigegebene Skizze 
zeigt. Von diesen Bougies benützte ich stets gerade die Nummer, 



welche nur mit einiger Schwierigkeit durch die Stenose durch¬ 
ging. Das wagerechte Stück wurde so lang gelassen, dass die 
zweite Biegung gerade über die unteren Sehneidezähne zu liegen 
kommt. 

Es ist kaum nöthig, den Verlauf des operativen Vorgehens 
zu schildern. Ich ging mit einer rechtwinkelig abgebogenen 
Sonde bei dem Falle W. durch die kleine Oeffnung hinter 
der Uvula, zog die Sonde kräftig nach vorne und verschaffte mir 
dadurch so viel Platz, dass ich das senkrecht abgebogene spitze 
zweischneidige Messer zwischen Velum und hinterer Rachen¬ 
wand durchstossen konnte. Die Oeffnung wurde in mehreren 
Sitzungen nach rechts und links so weit erweitert, dass schliess¬ 
lich ein daumendickes Bougie durchging. Lag dasselbe an der 
richtigen Stelle, so wurde an dem Handgriff mit kräftigem Zug 
nach vorn und unten gezogen und damit der spontanen Retrac- 
tionsneigung durch energische Dehnung entgegengewirkt. Der 
Patient führte sich stets zuerst ein bequem durchgehendes Bougie 
ein und ging dann zu der nächsten Nummer über. So dilatatirte 
er sich seine Stenose ohne Schmerzen. Kleine Blutungen waren 
nicht zu vermeiden. Nachdem der Kranke die Selbstbougierung 
4 Monate (täglich etwa 6—10mal!) fortgesetzt hatte, konnte er 
sich frei die Nase schneuzen und durch dieselbe athmen. 

Glücklicher Weise zeigten sich am Gaumen keine weiteren 
Pemphigusblasen; aber an den Lippen und dem Zungenrand kamen 
in Zwischenräumen neue Eruptionen zum Vorschein, die jedoch 
den nicht wehleidigen Patienten nicht weiter genirten. 

Dieselbe Art der Selbstbougierung wurde von mir nach einer 
postsyphili tischen Velum Verwachsung mit gutem Erfolg- ange- 
wendet. Der Patient war vor einem Jahre schon anderwärts ver¬ 
geblich mit Haje k’s Sperrer behandelt worden. Die letztere Be¬ 
handlung wurde aber rasch auf gegeben, weil beim Oeffnen des 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


323 


Sperrers sehr starke Ohrenschmerzen auftraten. Die spätere 
Rhinoskopia posterior ergab auch, nachdem die Oeffnung zur 
Ausführung derselben gross genug geworden war, dass die Tuben¬ 
wülste sehr weit in’s Cavum vorsprangen und ihre vorderen 
Lippen mit dem Hammer bandartig verwachsen waren. 

Literaturverzeichniss. 

1. P. Heymann: Handb. d. Lar., Bd. II, S. 468 etc. 

2. Schech : Ueber Steuosirungen des Pharynx in Folge von 
Syphilis. Deutsch. Arch. f. klm. Med. 1876. S. 259. 

3. A. B a u r o v 1 c z : Zur Aetiologie der Pliarynxstricturen. Arch. 
f. Laryng. III, 1895, S. 354. 

4. M. Schmidt: Krankheiten der oberen Luftwege. 1897, 

S. 565. 

5. Pluder : Arch. f. Laryng. IV, S. 127. 

6. Hoppe: Deutsche Kliuik. 1852. No. 21. 

7. Creswell Baber: Lond. lar. Gesellsch. 1893, S. 68. 

8. Schrötter: Jahresbericht 1871—73. 

0. Landgraf: Berl. klin. Wochenschr. 1891. 

10. S t e f f a n : Zehender’s Monatsbl. 1884. 

11. M. Menzel: Mouatsschr. f. Ohrenheilk. April 1899. 

12. Thost: Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1896, No. 4. 

13. D z o n d i : Kurze Geschichte d. klin. Inst. f. Chir. etc. 
Halle 1818, S. 119. Abbild, im Handbuch. 

14. Hajek : Allgem. Wien. med. Zeitung. 1897, No. 2. 

15. H e y m a n n : 1. c. S. 476—77. 


Zur Schiefhals-Behandlung. 

Von Dr. von Noorden in München. 

Ursache und Behandlung des Schiefhalses ist ein Gebiet, 
dem reiche Literatur gewidmet wurde. Kader 1 ) konnte drei¬ 
hundert hieher gehörige Arbeiten sammeln, gewiss ein Ausdruck 
für das Interesse. Viele Fälle lassen sich genügend deuten und 
was wichtiger, glücklich angreifen. Andere machen in beider Hin¬ 
sicht Schwierigkeiten, so dass das letzte Wort in der Aetiologie 
noch nicht gesprochen ist, wie Jordan 2 ) neuerdings ausführt; 
dies gilt auch für die Therapie, jedenfalls darf sie nicht am 
Schema hängen, sie muss sich dem einzelnen Falle anschmiegen. 
Die Mittheilung untersuchter Fälle erscheint noch erwünscht 
und von mikroskopisch untersuchten Fällen frühesten Stadiums 
ist die Förderung.des Gebietes zunächst zu erwarten. (J o r d a n). 

Die intrauterine Aetiologie ist so gut wie abgesetzt, nach¬ 
dem der Kritik kein Fall Stand gehalten hat. Wir verdanken 
K a d e r diese erläuternde Arbeit. 

Auch die Lehre, dass schiefe und gebeugte Kopfhaltung im 
Uterus in seltenen Fällen zum Schiefhals führe, ist wankend ge¬ 
worden. 

Im vorliegenden Falle ist von Schädlichkeiten intrauteriner 
Natur nichts bekannt, es sei denn, eine schwierige Alpentour im 6. 
Monat der Schwangerschaft hatte verborgene Folgen. Wie in vielen 

anderen Fällen hatte eine 
Unregelmässigkeit in der 
Geburt statt gef linden. 
Das Kind wurde 7 Wo¬ 
chen zu früh in Steiss- 
lage geboren. (Dr. R. 
M a y r). Weitere Ent¬ 
wicklung war normal 
und Linkshändigkeit ist 
als physiologische Eigen¬ 
art zu bemerken, ver¬ 
ständlich. wenn in spä¬ 
terer Kindheit der Blick 
die linke Hand besser 
beherrschte als die 
rechte. Anfangs des 5. 

Lebensjahres folgten 
nach ärztlichem Bericht 
innerhalb fünf Monaten 
Varicellen, Keuchhusten, 
Masern. — Nach den 
Varicellen entstand eine 
Mittelohra ff ection , die 
Special berathung (Dr. 
It ö 11) erfuhr. — Bis 
in diese Zeit verneinen 
die intelligente Eltern 
und der Hausarzt ein 
Bestehen des Schiefhalses. Nach den Varicellen scheint bei der 
Ohrbehandlung zum ersten Male etwas Neigung bemerkt zu sein 
(Dr. v. Röder) und nun beginnt in der Folgezeit solche auch der 


*) Kader: Das Caput obstipum musculare. 1896. Beiträge 
zur klinischen Chirurgie, Bd. 17, pag. 207. Bd. 18, pag. 173. 

*) Jordan: Handbuch der praktischen Chirurgie 1899, 
Bd. II, Lief. 3, pag. 16. 



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Gougle 


Mutter beim Anpassen der Kopfbedeckung aufzufallen. Sie nimmt 
schnell zu. Neuerliche specialistische Behandlung im 10. Lebens¬ 
jahre (Dr. G r ü n w a 1 d) führt das Kind zur Operation. Die Kopf¬ 
haltung und den Status vor meinem Eingriff veranschaulicht 
Bild 1. 

Markante Punkte der Anamnese, welche nach dem jetzigen 
Stande der Lehre vom Schiefhals interessiren, sind: eine Steiss- 
geburt und mehrere Infectionskrankheiten im fünften Lebens¬ 
jahr mit Anschluss schneller Entwickelung der fehlerhaften 
Haltung. 

Abnorme Geburten wurden seit jeher herangezogen. Bis 
jüngst gipfelte die Auffassung darin, dass Quetschung und Zer¬ 
rung hauptsächlich bei Geburten mit nachfolgendem Kopfe, 
weniger durch Zangengeburten, veranlassend wurden. Ueber den 
Mechanismus discutirte man. Der Insult trifft Haut, Platysma, 
Fascien, Muskel. Mikulicz a ) machte es sehr wahrscheinlich, 
dass vorzeitige Athmung unter Herbeiziehung des Kopfnickers 
als Hilfsmuskel das Eintreten der Muskelverletzung während 
der Geburt erleichtert. Ich wurde gelegentlich darauf geführt, 
anzunehmen, dass eine übergrosse Thymusdrüse mechanisch 
während der Geburt auch eine Bedeutung gewinnen kann. 

Wichtig ist der Nachweis von Küstner 4 ), dass auch bei 
leichten und freien Geburten aus der Beckenendlage der Kopf¬ 
nicker Verletzungen erleiden kann. Experimentelle Prüfungen 
der Geburt ergaben ihm als Ursache der Laesion eine Torsion, 
nicht Längsdehnung und Streckung des Halses. 

Dem K ü s t n e r’schen Falle entsprechend verlief in meinem 
die Steissgeburt der nur 40 cm langen Frucht leicht. Jenem 
Falle folgend, nehme ich an, dass trotz leichter Entwickelung 
schon bei der Geburt eine primäre Schädigung der Gegend er¬ 
folgte, wenn auch jede Nachricht darüber fehlt; doch ist der 
Infectionsepoche von fünf Monaten Dauer grosse Bedeutung bei¬ 
zumessen. Der Fall könnte K a d e r’s dritten Satz über die 
Aetiologie der Contractur stützen, dass nämlich in den meisten 
Fällen ein Hand-in-IIandgehen von Verletzung und Infection 
des Muskels statt hat. Es drängt sich zwanglos auf, dass die erste 
Schädigung der Qualität des Gewebes auf immer herabsetzte und 
dass gelegentlich einer Infectionserkrankung auf haematogenem 
Wege im Sinne K a d e Fs ein minderw r erthiges Gewebe in chro¬ 
nischen Entzündungszustand mit nachfolgender Schrumpfung ge- 
rieth. Ebenso ist wohl ein Fall aus der Breslauer Poliklinik 
(pag. 206 bei Kader) zu erklären. Steissgeburt, Gesundheit 
bis zum 7. Jahre, dann acute rheumatische Erkrankung mit 
10 tägigem Fieber; hieran schloss sich Caput obstipum. Mög¬ 
licher Weise hat der Muskel auch hier schon in der Geburt ge¬ 
litten; der kleine Schaden blieb latent, bis ein neuer Anlass ihn 
vergrösserte und offenbar machte. 

Solche Annahme von späterer haematogener Infection in ge¬ 
schädigtem Gewebe ist allerdings solange hypothetischer Natur, 
bis die übereinstimmenden Entzündungserreger gefunden sind; 
bei veralteten Fällen wohl ganz ausgeschlossen, in vielen anderen 
um so schwerer, weil das vorausgesetzte Krankheitsvirus über¬ 
haupt noch nicht bekannt ist. Dem Rechnung tragend, dass 
Muskelentzündungen acuten Infectionen gerne folgen, hat obige 
Annahme weniger befremdendes. Die Muskelschäden nach 
Typhus, Diphtherie sind gefürchtet, auch nach Influenza wurden 
sie beobachtet. Kader führt als vorausgehende Erkrankungen 
localisirter Muskelentzündungen aus der Literatur noch an: 
Scharlach, Masern, Meningitis, Malaria, Gelenk- und Muskel¬ 
rheumatismus. 

Bezüglich der Varicellen, auf welche unsere Beobachtung als 
Vorkrankheit einigermaassen hinführt, erwähnt v. Jürgensen 5 ) 
bei der Sichtung aller als Complicationen oder Folgeerkrankungen 
bekannt gewordenen Erscheinungen die Muskelentzündungen 
nicht. Ueber Keuchhusten finde ich nichts einschlägiges, so nahe 
der Gedanke liegt. 

Das anatomische Bild der Region bot durchaus die Verände¬ 
rungen, welche einer Entzündung folgen können. Es fanden sich: 
gehinderte Verschiebung der Weichtheile untereinander, faserige 
Stränge in Quere und Länge, auch durch die Haut fühlbar, dich¬ 
teres Bindegewebe als sonst, erschwerte Lösbarkeit der Schichten 

*) Mikulicz: Centralbl. f. Chir. 1895, pag. 1 (Original). 
Ueber die Exstirpation des Kopfnickers beim musculären Schief¬ 
hals, nebst Bemerkungen zur Pathologie dieses Leidens. 

4 ) Küstner: bei Kader pag. 175. 

B ) Th. v. Jürgensen: Nothnagel, spec. Pathol. u. Therap. 
IV. Bd., III. Th., II. Ab., 1896. 

4 * 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



324 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


von einander mit Knirschen des Messers im Gewebe. Ein hyper- 
plastisehen Lymphknoten im Entzündungsgebiet. 

Der sehnige Sternnitheil ist etwas verkürzt gegen die andere 
Seite, es besteht überhaupt eine Läugendiflferenz zwischen rechts 
und links von einigen Centimeteru. Genaues Maass ist schwer zu 
gewinnen. Die Sehne ist drehrund nahe dem Knochen, verbreitet 
sich aufwärts kaum, ist schwer vom Bindegewebe befreibar, ent¬ 
behrt richtigen Glanz. Der Uebergang in den Muskel ist wenig 
scharf, da der Muskel wie ein Fascienstrang aussieht. Etwas 
aufwärts ist der Muskel schwer rein präparirbar, eine weissliche 
Bindegewebssehicht umgibt ihn vorn und hinten. Der Muskel ist 
bleistiftdick, mehr rund als flach. Sein Querschnitt in ganz weicher 
Stelle an der Grenze des mittleren und oberen Drittels ergibt viel 
Bindegewebe mit eingesprengten Muskelsäulen. Diese sind blass. 
Wenig Gefässe. Unter dem Muskel ist ein sich straff spannendes 
Faserlager. 

Das Dreieck zwischen den Muskelansätzen ist eingezogen, 
die Ilaut verräth Querfältchen, das Gewebe ist wenig locker. Von 
hier wird eine hyperplastische Drüse mitentfernt. Es ziehen sub- 
cutan fühlbare Stränge jenseits der hinteren Partie zum Cucullaris 
in fächerförmiger Ausbreitung. Der hintere Muskelstrang fühlt 
sich derber als der links an, ist jedoch ein wohlgebildeter Muskel, 
der aber die Haut stark vordrängt. Er kommt bei der Operation 
so wenig zu Gesicht, wie der Omohyoideus und die Halsgefässe. 
Längsschnitte aus der Mitte der sternalen Portion unter der Lupe 
bestätigen das schon mit dem Auge leicht wahrnehmbare Zurück¬ 
treten der Muskelsubstanz. Die Muskelbündel oder Säulen sind 
immer wieder unterbrochen, fast inselförmig im Bindegewebe und 
liefern und in der Mitte eine zusammenhängende lange Säule. 
In Alaun-Pikrinsäure-Sehnitten verdichtet ein zellarmes Gewebe 
das Perimysium. Hie und da umlagern kleine Kerne die 
Gefässe, welche parallel den Muskelfasern, aber sehr spär¬ 
lich verlaufen. Verdickung der Wandungen ist nicht sichtbar. 
Die Muskelfasern sind sehr ungleich. Man sieht auch einzelne 
leere Sarcolemmschläuche mit Kernen den Fasern anhängen (ein 
gleiches Bild im Zupfpräparat mit Wasser, wo die Sarcolemm¬ 
schläuche verdickt erscheinen). Die Muskelsubstanz trägt überall 
Querstreifung, Längsstreifung ist schwer erkennbar. Die Kerne 
sind auffallend kümmerig, färben sich jedoch gut. An den Fi¬ 
brillen zeichnen sich hellere und dunklere Zonen ab (nach verdünnter 
Salzsäureeinwirkung). Mitosen. Kiesenzellen, schollige Elemente 
fehlen durchweg. Das Bindegewebe macht sich auch in den best¬ 
erhaltenen Theilen sehr breit und ist durch Spärlichkeit von Kernen 
ausgezeichnet. Es drängt förmlich überall die Muskelfasern 
spaltend auseinander. Fetteinlagerung ist sehr gering. Der ex- 
stirpirte Lymphknoten lässt histologisch keine Alterationen er¬ 
kennen, als geringe Zunahme der bindegewebigen Stützsubstanz. 

Diese Befunde lassen sich auf eine früher abgelaufene Ent¬ 
zündung des Muskels und der anliegenden Gewebe zurückführen. 
Beweisende Reste sind: regionäre Verwachsungen, partieller 
Untergang von Muskel und Substituirung von Bindegewebe. 
Theile, welche nicht betroffen wurden, haben selbst die feinere 
Structur nicht eingebüsst oder sich zur geringen physiologischen 
Aufgabe erholt. Weehselvolle Uebergangsbilder von Degeneration 
und Regeneration, wie sie ein Muskelgewebe mit jüngerer Schä¬ 
digung darbietet, fehlen, nachdem der Narbenprocess seit lange 
abgeschlossen ist. 

Es resultirt die Umwandlung eines beträchtlichen Theiles 
der Portio sternalis in Bindegewebe und benachbartes Binde¬ 
gewebe hat im Ganzen einen Verdichtungsprocess durchgemacht, 
der ein Verwandtes in der Contractur der Fascia palmaris findet. 

Um die Schrägstellung des Kopfes zu beseitigen, neigen die 
Vorschläge noch zu orthopädischen Maassnahmen in engerem 
Sinne. Die vollständige Hoffnungslosigkeit in veralteten Fällen 
bei stärkerer Neigung, Spannung und secundärer Wirbelsäule¬ 
verbiegung ist evident. Die Resultate pflegen in Fällen von vor¬ 
liegendem und noch geringerem Typus in diesem Alter auf eine Er¬ 
müdung des Patienten und des Arztes herauszukommen. Es lässt 
sich kein erfreulicher Ausgang erreichen und Zeit wird verloren. 
Wenn wir bei chirurgisch-orthopädischen Ouren von Heilung 
sprechen, müssen die gewonnenen Umbildungen sich den nor¬ 
malen Verhältnissen wenigstens nähern und von Dauer sein. 
Diese Bedingung sieht Kader beim musculären Schiefhals 
erst dann erfüllt, „wenn der Kopf nicht nur aufrecht, sondern 
auch in der Mittellinie des Körpers steht und nach beiden Seiten 
gleich frei bewegt werden kann und die Wirbelsäule normal ge¬ 
streckt ist“. Ich füge hinzu, es erfordert auch, dass dies alles 
gehen muss, ohne dass sich der Kranke fortwährend Zwang 
aufzulegen hat; die natürliche Haltung darf nicht durch über¬ 
triebene Kraftanstrengung erobert werden müssen, um bei Ab¬ 
spannung Rückfälle zu erlauben. 

Bei solcher Strenge schmelzen viele Fälle von Heilung auf 
dem orthopädischen Gebiete zusammen. 

Die mannigfachen Correctionsapparate für Caput obstipum 
museulare sind ein Ausdruck, dass dem einzelnen Apparat keine 

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universelle Bedeutung zukommt. Die alten Methoden der sub- 
cutanen Sehnendurchschneidung und der offenen Muskel¬ 
durchschneidung befriedigten durchaus nicht immer, erklärlich, 
wenn die neueren anatomischen Betrachtungen zu Grunde gc- 
legt werden, welche dargethan haben, dass die entzündlichen 
Veränderungen nicht den Muskel allein, sondern auch die be¬ 
nachbarten Gewebe angehen. 

Der Zug in die falsche Haltung geschieht weniger durch 
einen Strang als durch eine verkürzte Fläche. Die Fälle zeigen 
freilich graduelle Unterschiede. Um den schweren Typen zu 
begegnen, hat Mikulicz die Ausschaltung des Kopfnickers 
und der übrigen in Frage kommenden nachbarlichen Gebilde 
bindegewebiger Natur auf der kranken Seite zum Normalver¬ 
fahren erhoben. Dasselbe darf um so mehr auf ein bemerkens- 
werthes Verfahren Anspruch machen, als nach diesem Eingriff 
eine quälende orthopädische Nachbehandlung ausfallen kann, 
es sei denn, dass sehr schwere Fälle mit Wirbelsäulenveränder- 
ungen zu bekämpfen sind — Fälle, die bei Verallgemeinerung 
der glücklichen chirurgischen Angreifbarkeit des Leidens in Zu¬ 
kunft gar nicht mehr Vorkommen sollten. 

Der abgebildete Fall ist im Sinne von Mikulicz operirt, 
jedoch nicht so ausgedehnt, denn es zeigte sich nach Resection 
der Portio sternalis bis in das Verschmelzungsgebiet beider 
Muskeltheile und nach Durchtrennung der seitlichen und 
tieferen Fasern und Fascienlager, dass der Kopf ganz zwanglos 
und weit in die entgegengesetzte Haltung geführt werden konnte. 

Desshalb beschränkte ich den Eingriff, einer Nachoperation 
allenfalls die Tenotomie oder Exstirpation des anderen Theiles 
überlassend. Nach zweijähriger Beobachtungszeit, in welche auch 
eine beträchtliche Entwicklung des Kindes fällt, erweist sich 
dieser weitere Eingriff-nun als unnöthig und die operative Zu¬ 
rückhaltung scheint mir das kosmetische Resultat — wichtig für 
ein heran wachsendes Mädchen — gefördert zu haben, da die dem 
linken Kopfnicker entsprechende schräge Halslinie nicht gänz¬ 
lich zerstört ist. 

Die Operation (6. XII. 1897) ging von einem 10 cm langen 
Schnitt aus. Heilung der Wunde ohne Zwischenfall, keine spätere 
Keloidbildung. Ein Versuch, die erlaubte Neigung zur gesunden 
Seite in Uebercorrection durch eine Orgautingipskappe zu lixlren, 
scheitert. Es wird principiell von jedem Fixationsverband abge¬ 
sehen und für die Folgezeit wird häufiges Liegen auf einer schiefen 
Ebene in G 1 i s s o n’scher Schwinge oder Einhängen des Kopfes 
beim Sitzen am Nähtisch etc. in eine in der Nähe angebrachte 
G 1 i s s o n’sche Schwinge mit leichtem Gegengewicht angeordnet, 
dcssgleichen lange Zeit tägliche Massage der seitlichen Wirbel¬ 
säulenmuskel. 

Unter dieser fast kostenlosen und sicher nicht schwer über¬ 
wachbaren oder beschwerlichen Nachbehandlung bildete sich v o n 
selbst ein zufriedenstellendes Resultat im obigem Sinne heraus. 
Die secundären Erscheinungen des gestörten Gleichgewichtes, wie 
schlechte Haltung des Rumpfes, schiebender Gang mit Tendenz 
der Vorneigung der rechten Körperseite und Krümmung der Wir¬ 
belsäule (concav zur kranken Seite) schliffen sich ab. Die ana¬ 
tomische Ungleichheit der Gesichtshälften, eine fast immer recht 
entstellende Zugabe, hat sich bis auf Weniges ausgeglichen. 

Wenn Mikulicz in den meisten Fällen ohne jede ortho¬ 
pädische Nachbehandlung nach seiner Operation auskam, so 
möchte ich die hier 
noch nothwendigen 
kaum orthopädisch zu 
nennenden Correc- 
tionsmaassnahmeu 
nicht auf die Unter¬ 
lassung der Resection 
der Portio elavicularis 
schieben. Nachdem 
passive Uebercorrec¬ 
tion möglich war, 
konnte jenem Muskel- 
theil nicht mehr die 
Bedeutung eines 
wesentlichen Hemm¬ 
nisses zufallen. Es ist 
übrigens auch anato¬ 
misch und klinisch 
zur Genüge gestützt, 
dass einzelne Partien 
des Muskels den nar¬ 
benbildenden Entzündungsprocess durchmachen können, während 
der Rest gesund bleibt. Wenn die Selbstcorrection in Fällen 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




325 


6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


dieser Typus gewöhnlich nicht nushleibt, so ist diese milde Nach¬ 
behandlung der Wirbelsäule gewiss förderlich und im Interesse 
eines guten Endresultates doch noch zu empfehlen. 

Der Hauptantheil ist jedenfalls der Operation»* 
m etho d e zuzuschreiben. 


Aus dem Röntgeninstitut von Dr. Albers-Sch ö n b e r g und 
l)r. It. Hahn in Hamburg. 

Die Therapie des Lupus und der Hautkrankheiten 
mittels Röntgenstrahlen. 

\ on Dr. R. II a h n und Dr. Albers-Sch ö n b e r g. 

(Fortsetzung.) 

Noch günstiger gestaltet sich, so paradox es klingen mag, 
der Erfolg der Behandlung, wenn wir die ungeheilten Fälle be¬ 
trachten. Es mag gleich vorausgeschickt werden, dass es, wie 
ja die mitzutheilenden Krankengeschichten zeigen werden, 
äusserst schwere und verzweifelte Fälle waren, so dass das immer¬ 
hin erreichte Resultat als ein überaus günstiges zu betrachten ist. 

13. Frl. A. M., 53 Jalire. Fläclienhafter, nicht uleorirter 
knötchenförmiger Lupus der 1. Wange, ca. 7 cm lang, 5 cm breit. 

Seit 1870 stets In ärztlicher Behandlung: ca. <> Monate lang 
mit grösseren Pausen behandelt. Nach 18 Sitzungen kam es zur 
Reaetion, einmal vorübergehend zur Excoriation. Eine cireum- 
scripte Dermatitis entstand in Folge mangelhafter Schutzvorrich¬ 
tung auf der 1. Schulter. Die Behandlung fand in zwei Abschnitten 
mit dazwischen liegender mehrmonatlicher Pause statt. Die 
Knötchen trockneten langsam ab. die excoriirten Partien tiber- 
hüuteteil sich mit zarter, gesunder Haut. Am Schluss der Behand¬ 
lung auch diaskopisch nirgends mehr Knötchen nachzuweisen. 

Nach einem Jahr stellt sich Patientin wieder vor. Die ex- 
coriirt gewesene Partie ist heute noch zart und schön, in ihr keine 
Knötchen zu entdecken. Der ganze Hand in einer Breite von 3 mm 
eingenommen von einer bräunlichen, etwas schuppenden, über der 
Haut nicht erhabenen Affection, die seit einigen Monaten besteht. 
Keine Knötchen. Das Lupusrecidiv, denn als solches ist es an- 
zuselien, macht der Patientin so wenig Beschwerden und scheint 
ihr im Gegensatz zu der früheren Affection derartig minimal, dass 
sie eine Wiederaufnahme der Behandlung ablelmt. 

14. Knabe A. K., 13 Jahre alt. Knötchenförmiger Lupus der 
Nasenspitze, der linke Nasenflügel an seinem freien ltande in seiner 
ganzen Ausdehnung ulcerirt und abgefressen, lupöse Uleorationen 
aussen auf der Oberlippe, am harten Gaumen und auf der Alveolar- 
schleimhaut des rechten Oberkiefers. 

Lupus besteht seit 4 Jahren. 

-8 mal innerhalb 3 Monaten bestrahlt. Reaetion nach der 
Sitzung. Keine Excoriation. Die Heilung verlief unter dem 
Bilde der allmählichen Eintrocknung. Nach 2 % Monaten Recidiv 
au der Nasenspitze. Wiederaufnahme der Behandlung. Vollkom¬ 
mene Heilung des äusseren Lupus. Nach ca. 12 Monaten kein 
Recidiv des äusseren bestrahlten Lupus. 

Lupus der Schleimhaut, der nicht behandelt wurde, unver¬ 
ändert. Auf der Nasenscheidewand links, nahe der Spitze, ein seit 
3—4 Wochen bestehendes erbsengrosses Geschwür. Der linke 
Nasenflügel zeigt einen halbmondförmigen Defect. Die Narbe des 
Geschwürs, das dort bei Beginn der Behandlung gesessen, ist fest, 
nirgends ulcerirt, nirgends in ihr oder an ihrem Rande Knötchen. 
Auf der Nasenspitze eine Anzahl steeknadelkopfgrosser, dunkler 
Punkte ln der Haut, die schon während der Behandlung auf traten, 
sieh aber im Laufe des Jahres gar nicht verändert haben. Es ist wohl 
möglich, dass es sieh um Residuen von Lupusknötchen handelt, 
die nicht resorbirt worden sind, die aber auch wohl unschädlich 
sind, da sie während der ganzen Dauer ihrer Beobachtung keine 
Veränderung, keine Tendenz zum Zerfall gezeigt haben. Die 
Oberlippe ist glatt und gesund. Das Resultat ist also trotz des 
Recidives an dem Septum narium ein gutes. Die ursprüngliche 
Affection, vor Allem das serpiginirende Geschwür am linken Nasen* 
flügel, vollkommen gehellt. Die begonnene Zerstörung ist also 
definitiv aufgehalten und zwar ohne Verlust eines weiteren Stückes 
des Nasenflügels, das einer event. Operation doch gewiss zum Opfer 
gefallen wäre. 

Auf den Lupus der Schleimhaut hatte die Bestrahlung keinen 
Einfluss, da sie ja nicht direct auf dieselbe einwirken konnte. 

15. Frau Kl., 21 Jahre. Nasenspitze durch alte lupöse Processe 
und Narben etwas verändert, es fehlt beiderseits der Rand der 
äussersten Spitze. Die häutige Nase etwas geröthet. Die Haut 
selbst ist äusserst zart und zeigt beim Zusammendrücken zahl¬ 
reiche feine und feinste Fältchen. Auf dem Nasenrücken am 
Rande der ursprünglich erkrankt gewesenen Partien 3 frische 
Lupusknötchen. Auch auf dem rechten Nasenflügel, am Rande der 
ursprünglichen Affection, sowie auf der Umschlagsfalte, 3 Knöt¬ 
chen. Schliesslich noch 2 Knötchen auf dem linken Nasenflügel, 
nahe der Mittellinie. Auf der rechten Wange markstückgrosse 
alte Operationsnarbe. 

Seit 7 Jahren Lupus der Nase, 4 mal operativ behandelt, von 
Oetober bis Weihnachten 1897 mit Röntgenstrahlen im Eppendorfer 
Krankenhaus behandelt. Das Recidiv ist nach 8 Monaten auf¬ 
getreten (15. X. 1898 trat sie in Behandlung). 

9 mal in einem Monat bestrahlt. 

Die Knötchen verschwinden schnell, ohne Reaetion. Geheilt 
entlassen nach 5 Wochen. 


No. 10. 

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Gck igle 


Gelegentlich einer Revision Anfang Oetober 1899, also ca. 11 
Monat nach der Entlassung wurden auf der Nase, sowie auf der 
rechten Wange, in bis dahin noch nicht befallen gewesenem Be¬ 
zirk, 3 Stecknadelkopf- bis linseugrosse Knötchen constatirt. Die¬ 
selben wurden elektrolytisch behandelt. Patientin selbst waren, 
obwohl sie sehr auf sich achtete, die Knötchen entgangen. 

In diesem Falle hatte die Bestrahlung das Auftreten der 
wiederholten Iiecidive nicht verhindern können. Die entstandenen 
Knötchen waren aber schwach entwickelt lind schwanden bald 
unter der Bestrahlung. 

No. 10. Frau H. Auf der rechten Wauge zahlreiche ge- 
löthete Narben, desgleichen links. Auf der linken Wange ca. zehn- 
pfennigstückgrosse ulcerirte, mit einer Borke bedeckte Fläche, 
ausserdem noch eine Anzahl mit Borken bedeckte Knötchen auf 
der rechten Wange. Die Nase und die Oberlippe sind blauroth, 
unförmlich verdickt, derb infiltrirt, beide mit borkenbesetzten 
Knötchen bedeckt. Thränensackahseoss. Lupus der innereu 
Nasenschleimhaut. Lupus besteht seit mehreren Jahren, vielfach 
behandelt. 

77 mal iunerhalb eines Jahres, mit vielen und langen da¬ 
zwischen liegenden Pausen, behandelt. 

Schon nach wenigen Bestrahlungen trat eine geringe Reaetion, 
bestellend in Röthung und Hitzegefülil der Haut, auf, welche auch 
zu einer leicht heilenden oberflächlichen Excoriation führte. Die 
Heilung ging sehr langsam aber deutlich von statten. Die Nase 
und die Oberlippe schwollen allmählich ab, die Lupusknötchen ver¬ 
schwanden unter dem Bilde des allmählichen Eintrocknens. Auf 
der linken Wange persistirte am äusseren Rande der Narbe ein fast 
erbsengrosser Knoten, desgleichen einige kleinere am Nasenflügel 
rechts und an der Lippe. Dieselben wurden nach Beendigung der 
Bestrahlung ohne wesentlichen Erfolg nach der U n n a’sclien Spick¬ 
methode behandelt. 

15 Monate nach Aussetzung der Behandlung bietet Patientin 
folgendes Bild: Nase und Oberlippe vollkommen abgeschwollen 
und auf das normale Maass redueirt. beide haben fast normale 
Hautfarbe, sie luit jedoch einen ganz leichten Stich in’s Blaue. 
Würde der linke Nasenflügel nicht einen kleinen halbmondförmigen 
Defect zeigen, so würde man der Nase nicht ansehen können, dass 
sie überhaupt krank gewesen sei, denn die 3 kaum Stecknadel köpf- 
grossen Lupusknötchen der Nasenspitze und des rechten Nasen¬ 
flügels fallen wenig auf. Auch die Oberlippe, die wie gesagt von 
normaler Contiguralion ist. weist 2 kleine Knötchen auf. 

Die Narben beider Wangen sind vollkommen blass, am Rande 
der linken Wangennarbe 4 Lupusknötchen vou Linsen- bis Bohnen¬ 
grösse. Dieselben werden elektrolytisch behandelt. Hätte die 
Patientin nicht die Narben im Gesicht, so wäre ihr von ihrer 
schweren Krankheit kaum etw r as anzumerken. Während Patientin 
sich früher wegen ihrer entstellenden elephantiastischen Ver¬ 
dickungen von Nase und Oberlippe nirgends sehen lassen mochte, 
so ist sie jetzt über den erreichten kosmetischen Erfolg, der sie 
nicht mehr aus der Gesellschaft ausschlicsst, sehr froh. 

In diesem Falle ist also ein Recidiv aufgetreten, resp. ein¬ 
zelne besonders tiefo Knoten konnten nicht von den Röntgen¬ 
strahlen beseitigt werden. Doch rechnen wir wegen des eminentem 
kosmetischen Resultates diesen sonst nicht geheilten Fall uns 
als einen besonders guten Erfolg an. Ebenso wie in anderen, noch 
nicht abgeschlossenen Fällen, konnten wir auch besonders schön 
an diesem Falle das absolut sichere Zurückgehen der elephan¬ 
tiastischen Verdickungen beobachten und dass trotz etwaiger 
sonstiger Rccidive die elephantiastische Verdickung dauernd ge¬ 
heilt blieb. 

No. 17. Frl. M. K. Ausgedehnter, knötchenförmiger Lupus 
der beiden Wangen, der Stirn und Nase. Am linken Nasenflügel 
ein Substanzverlust. Der Lupus der Wangen zum Theil ulcerirt. 
Erhebliche Entstellung des Gesichtes und der Nase. Der Lupus be¬ 
steht seit 20 Jahren. Vielfach behandelt. Wurde weit über 100 mal 
innerhalb von 8 Monaten behandelt. 

Sehr langsamer Verlauf der Heilung. Es kommt vorüber¬ 
gehend zu reactiven Excoriatlonen. Allmählich schwillt die dicke, 
infiltrirte Nase ab und die Ulcerationen heilen ab. Das anfänglich 
sehr entstellte Gesicht zeigt gegen Ende der Behandlung einen 
wesentlich zum Bessern veränderten Habitus: das Geduusensein 
ist vollkommen zurückgegangen, die blaurothe Farbe geschwunden, 
die Ulcerationen geheilt. 

Patient starb vor beendeter Behandlung. 

Auch in diesem Falle das prompte Zurückgehen der Schwel¬ 
lungen der Nase und des Gesichts. 

No. 18. Frl. K. Alter Lupus des Gesichts, der sich auf Nase, 
Nasenrücken, Oberlippe und Wangen ausdehnt. Keine eigentliche 
Knötchenbildung, sondern mehr flache, geröthete, schuppende, 
mehr oder weniger infiltrirte Flecken. 

Seit 23 Jahren in ärztlicher oder Krankenhausbehandlung. 
1890 mit Tuberculln behandelt 

Es wurde zuerst nur die linke Wange IG mal in 2 Monaten 
behandelt; erst später die rechte. 

Bereits nach 2 Sitzungen kam es zu reactiver Röthe, die sich 
erst nach 16 Sitzungen zu einer zum Aussetzen nöthigenden Re- 
actlon steigerte. Bald darauf trat oedematöse Durchtränkung der 
Wange und eine bis auf das Rete Malpighi in die Tiefe sich 
erstreckende Excoriation ein, welche den ganzen bestrahlten Bezirk 
ergriff und Handtellergrösse hatte. Diese Dermatitis zeigte ausser¬ 
ordentlich geringe Heilungstendenz, so dass dieselbe nach 130 

Original from 6 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



526 


No. 10. 


MÜNCHENER MEPICINISOHE WOCHENSCHRIFT. 


Tagen noch nicht vollständig abgeheilt war. Die abgeheilten Par- | 
tien zeigen eine feine, rosafarbene Haut, auf welcher keine lupösen 
Partien, auch diaskopisch nachzuweisen sind. 

Auch die rechte Wange zeigte bereits nach 4 maliger Bestrah¬ 
lung geringe Röthung, Jucken und subjectives Wärmegefühl, eine 
Excoriation der rechten Wange trat jedoch erst nach 8 wöchent¬ 
licher, allerdings hin und wieder unterbrochener Behandlung auf, 
die in derselben Weise wie links abheilte. 

Nach 3 monatlicher Pause zeigten sich in den Randpartien 
einzelne Knötchen, die nach Unna gespickt wurden. 

Etwa 1 Jahr nach ausgesetzter Behandlung über die Wangen 
zerstreut vereinzelte, an den Randpartien dichter stehende Lupus- 
knötchen. Gesicht und Nase sind abgeschwollen, die Haut schuppt 
nicht. 

Obwohl im Grossen und Ganzen gebessert, besonders in kos¬ 
metischer Hinsicht, ist dies doch ein wenig gutes Resultat. Wir 
schieben den geringen Erfolg darauf, dass Pat. frühe eine Re- 
action bekam, die zur Excoriation führte und zum Aussetzen der 
Behandlung zwang. Die Haut war durch die vorhergegangenen 
Operationen etc. sehr vulnerabel geworden, andererseits setzte 
das derbe Narbengewebe den Strahlen sicher einen erheblichen 
Widerstand entgegen, so dass ihr Einfluss auf die in das Narben¬ 
gewebe eingestreuten Knötchen ein geringer war und sie so bald 
recidiviren konnten. 

Schliesslich möchten wir von den 8 zur Zeit noch in Behand¬ 
lung befindlichen Lupusfällen 2 anführen, die manches Inter¬ 
essante bieten, vor Allem zeigen, dass man durch geeignete Hilfs¬ 
behandlungen auch in Fällen, in denen die Strahlen nur wenig 
Wirkung zu haben scheinen, die Affection für eine intensivere 
Einwirkung vorbereiten kann. 

No. 19. Frau R. An beiden Nasenflügeln, nahe der Nasolabial- 
falte je ein reichlich bohnengrosser, warzenartiger Lupusknoteu. 
Die ganze Nasenspitze bedeckt mit einem üusserst derben Gewebe, 
in dem zahlreiche hypertrophische Lupusknötchen sitzen, die die 
Nasenspitze ganz höckerig erscheinen lassen. Am rechten Mund¬ 
winkel pfennigstückgrosse, von starkprominirenden derben Lupus¬ 
knötchen gebildete halbmondförmige Stelle. 

Der Lupus besteht seit 5 Jahren, ist mit Salben, Tuberculiu, 
heisser Luft und elektrolytisch behandelt, im Laufe von % Jahren 
einige 80 mal mit grösseren Pausen behandelt. 

Nach 6 maliger Behandlung leichte Röthung und subjectives 
Wärmegefühl, dabei Abschilferung der Haut. Nach 9 maliger 
Bestrahlung Röthung etwas stärker, starke Desquamation, nach 
12 maliger Bestrahlung ausgesetzt, 8 Tage nach Aussetzen kleine 
Excoriation. Im Laufe der Behandlung wiederholte sich dieser 
Turnus, die Excoriationen heilten immer bald wieder, die Knötchen 
der Nasenspitze flachten sich ab und verschwanden allmählich. Die 
beiden warzenartigen Stellen an den Nasenflügeln wurden auf¬ 
fallend wenig beeinflusst, trotzdem die Behandlung bis zu stärkerer 
Dermatitis getrieben war. Dieselben werden desshalb zunächst 
elektrolytisch behandelt, dabei gelangt man mit den Nadeln in 
anscheinend schwammige Granulationen, denn die Nadeln lassen 
sich ohne vielen Widerstand im Innern der Knoten hin und her 
bew r egen. Eine darauf folgende Behandlung mit U n n a*s grüner 
Salbe verwandelte dann die Knoten in Gesellw'ürsfläclien und die 
nunmehr wieder eingeleitete Bestrahlung brachte dieselben in 
kurzer Zeit zur Abflachung und Heilung. Die zur Controle un¬ 
behandelt gebliebene Stelle am Mundwinkel wird alsdann bestrahlt 
und ist der Abflachungsprocess nunmehr im besten Gange, so dass 
in absehbarer Zeit die vollkommene Heilung zu erwarten ist. 

No. 20. Knabe B., 11 Jahre. Am rechten Unterarm etwa 
6 cm breite, das untere Drittel desselben in einem Oval von 
ca. 30 cm Durchmesser fast rings umgreifende lupöse Erkrankung. 
An einer 5 cm langen Stelle ist dieser ovale Streifen durch eine 
zarte Narbe unterbrochen, im übrigen serpigiuirenden Charakters, 
der äussere Rand selbst ist stark wallartig erhaben, zeigt keine 
Tendenz zum Zerfall. Geringe Schuppung des ganzen ergriffenen 
Bezirks. Beginn der Erkrankung in frühester Kindheit, wiederholt 
ärztlich behandelt. 

Ca. GO mal ln 5 Monaten bestrahlt. 

Die Besserung war eine ausserordentlich schnelle, die wul¬ 
stigen Ränder flachten zusehends ab und zeigten sich dabei deutlich 
in den Randpartien Lupusknötchen, die vorher weniger sichtbar 
waren. Diese trockneten mit der Zeit ein, so dass nunmehr der 
Rand bis auf eine 5 cm lange Stelle zwar noch geröthet erscheint, 
im Uebrigen aber vollkommen glatt im Niveau der Haut liegt. 
Einzelne dunklere Knötchen sind deutlich, besonders in den Iiand- 
partien zu erkennen. Die erwähnte, am wenigsten beeinflusste 
Stelle ist auch ganz wesentlich gebessert, jedoch nicht so weit vor¬ 
geschritten wie die übrigen Partien, dies kommt wohl daher, dass 
sie etwas ungünstig liegt, so dass sie sich schw er unter die Rönt¬ 
genröhre einstellen lässt, die Bestrahlung also dort keine so in¬ 
tensive ist. Dieselbe wird mit der U n n a’sehen grünen Salbe be¬ 
handelt, wodurch die dort noch vorhandenen Knötchen gründlich 
zum Zerfall gebracht werden, so dass an ihrer Stelle bis 2 mm 
tiefe, wie mit dem Locheisen ausgeschlagene Löcher entstehen. 
Hierauf Hessen wir nun die Röntgenstrahlen einwirken und von 
dem Moment heilten nicht nur die Knötchen sehr schnell aus, son¬ 
dern auch der Rand wurde sofort flacher und ist nunmehr fast im 
Niveau der Haut. Aus den Randpartien wurden 2 Stücke Haut 
zur mikroskopischen Untersuchung, die von unserm Mitarbeiter, 

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Herrn Dr. Hu et er, ausgeführt wurde, exeidirt, eines im Beginn der 
Behandlung, eines nach 5 monatlicher Behandlung. 

Obwohl der Knabe 5 Monate hindurch mit nur geringen 
1 bis mehrtägigen Unterbrechungen behandelt wurde, so hat er 
doch keine Dermatitis bekommen, nicht einmal eine vorüber¬ 
gehende Röthung oder irgend eine Schmerzempfindung konnte 
constatirt werden. Wir schieben diesen guten Erfolg mit darauf, 
dass der Knabe vom ersten Tage an einen Vaselinverband er¬ 
hielt. Wir erreichten dadurch, dass die sonst auftretende starke 
Schuppung vollkommen vermieden wurde, sowie auch, dass die 
Haut dauernd eingefettet den schädlichen Wirkungen der 
X-Strahlen vollkommen Widerstand leistete. Freilich könnten 
wir dem Einwurf, dass der betreffende Patient überhaupt 
weniger auf die schädlichen Nebenwirkungen reagire, dass es in¬ 
dividuelle Indisposition gegen dieselben sei, nichts erwidern, als 
dass wir, seitdem wir alle unsere Patienten die bestrahlten Par¬ 
tien tüchtig einfetten lassen, entschieden weniger Neigung zu 
Hyperaemien und Reaetionen beobachten. 

Es wurde in dem vorstehenden Falle ein Stück der i n 
Heilung begriffenen Hautpartie exeidirt und von Herrn 
Dr. Iluetcr untersucht. Der histologische Befund war der 
folgende: 

Das excidirte Hautstück wurde in absolutem Alkohol gehärtet 
und in Celloidin geschnitten. Die Epithelschicht im Ganzen 
ziemlich dick, offenbar hypertrophisch, hie und da ein Leukocyt 
im Durchwandern begriffen. Die Papillen fast durchgehende 
stark abgeplattet, sehr niedrig, stellenweise nur angedeutet. Die 
eigentliche Cutis weist sehr starke Veränderungen auf. Dicht 
unter dem Epithel, auch in den Papillen, hat das Gewebe stellen¬ 
weise noch die normale, lockere Structur des Collagens, hier 
finden sich kleine Infiltrationsherde von mononueleären Leukn- 
cyten und stark erweiterte, mit einer einfachen Endothelschiebt 
ausgeklcidete Lymphgefässe. Das ganze übrige Cutisgewebe, in 
den obersten Schichten, da, wo die Papillen nur angedeutet sind 
oder ganz fehlen, zeigt eine eigenthümliclie dichte Structur, die 
Bindegewebsfasern ziemlich schmal, dicht aneinander gepresst, 
laufen in regelmässigen Zügen theils der Oberfläche parallel, 
theils kreuzen sie sich mit anderen, ebenso beschaffenen Faser- 
bündelu, welche unter spitzem Winkel von unten her aufsteigen. 
Zwischen den Bündeln und diese auseinander drängend,finden sieh 
zahlreiche Leukocytenherde vor. Das s:> beschaffene Gewebe reicht 
häufig tief hinab bis zu den Knäueldrüson und zwischen dieselben 
hinein, nur in den tiefsten Schichten findet sich wohlerhaltenos 
Collagengewebe mit lockerer, welliger Structur. 

Das dicht gefügte Gewebe ist sehr arm an Blutgefässen, 
die Lymphgefässe durchsetzen die Fasern in schiefer Richtung, 
sie verlaufen besonders da, wo 2 benachbarte Faserbündel sich 
in ihrem Verlauf kreuzen. Ferner fällt der grosse Zellreichthum 
dieses Gewebes auf, die Zellen klein, schmal, spindelig oder ge¬ 
wellt, eng zusammenliegend, auffällig parallel zu einander ver¬ 
laufend und in regelmässiger Anordnung übereinander ge¬ 
schichtet. lieber die ganze Cutis zerstreut finden sich Mast¬ 
zellen in nicht sehr erheblicher Zahl. Von glatter Musculatur 
ist sehr wenig zu sehen, nur an einer Stelle fand sieh ein Bündel 
glatter Muskelfasern, und dies war am Rande des Schnittes, wo 
das Gewebe mehr das normale lockere Gefüge zeigte. Was die 
Haare anbetrifft, so habe ich in einer grossen Reihe von Schnitten 
nur einen einzigen quer durchschnittenen Haarbalg mit einem 
dünnen Haar gesehen. Von Talgdrüsen fand sich keine Spur 
vor, die Knäueldrüscn waren wohlerhalten. 

Das elastische Gewebe ist in grosser Ausdehnung zu Grunde 
gegangen. Vollkommen erhalten fand ich es am Rande des 
Schnittes, wo die Haut cinigermaasseii normale Verhältnisse dar¬ 
bot, und hier die feinsten Fasern bis in die Papillen hinein. 
Grösstcnthcils erhalten war es in den tiefsten, an das subeiitanc 
Fettgewebe nnstossenden Schichten. In den oberen Schichten, 
und zwar besonders im Bereich des dicht gefügten Gewebes, fehlte 
es auf weite Strecken ganz, und nur ausnahmsweise zeigten sich 
hier feine, kurze, nach der W e i g c r t’schcn und U nna- 
T ä n z e r'schcn Methode gut färbbare Fasern. Besonders auf¬ 
fällig erscheint mir die Thatsache, dass das Elastin in den 
tiefem Schichten im Bereich wohlerhaltenen Collagengewebes 
stellenweise rareficirt war. Die Lupusherde, auf die ich gleich 
zu sprechen komme, wurden meist von elastinfreiem Bindegewebe 
umgrenzt, doch fanden sich auch Bilder, in denen diese Grenze 
von elastische Fasern tragenden Bündeln gebildet wurde, ja an 

Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



F>. März 1<)(X). 



MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


327 


einigen Stellen erstrecken sich elastische Fasern direct in das 
tubereulöse Gewebe hinein. 

Beim Durchmustern der Präparate fielen sofort Granulations¬ 
herde auf, welche in bestimmten Abständen ungeordnet waren, 
und deren sich in jedem Präparat etwa 3—4 fanden. Sie liegen 
in den oberen Cutisschichten, von dom Epithel durch (‘ine schmale 
Zone lockeren oder straffen, dichten Bindegewebes! getrennt. 
Einmal fand sich ein Granulatiunsherd der Epithelsehieht so 
nahe liegend, dass letztere über die Eingebung vorgewölbt er¬ 
schien. Die Herde lassen nun deutlich eine Zusammensetzung 
aus multiplen, im Centrum helleren Knötchen erkennen, jeder 
Ilerd wird aus etwa 3, 5 bis 8 Knötchen gebildet, welche ihrerseits 
wieder aus zahlreichen Riesenzellen mit wandständigen Kernen 
und epitheloiden Zellen sich zusammensetzen und in der Peri¬ 
pherie Leukocyten enthalten. Es handelt sich somit um typische 
Tuberkel. Auffällig ist die grosse Zahl der Riesenzolleu. Diese 
lagen häufig excentrisch oder ganz an der Peripherie, manche 
Knötchen schienen fast nur aus RiesonzeHon zu bestehen. Die 
Leukocytenzone am Rand der tiiberculösen Horde war äusserst 
schmal oder fehlte ganz. Letztere werden nur von den Zügen 
dichten kernreichen Bindegewebes eng umschlossen, die Grenze 
der Tuberkel gegen dieses ist äusserst scharf. Von einer produc¬ 
tiven Wucherung des Bindegewebes am Rande der Tuberkel war 
nichts zu sehen. Eine, grosse Anzahl Schnitte wurde auf Tuberkel- 
lmcillen gefärbt und durehgesehen, mit negativem Erfolge. 

Wir haben cs nach Vorstehendem zu thun mit einem rück¬ 
gängigen, in Abheilung begriffenen Lupus, hei welchem das ur¬ 
sprüngliche tubereulöse Gewebe bis auf kleine Reste noch erhal¬ 
tener Tuberkelgruppen eine fibröse Umwandlung erfahren hat. 
U n n a hat dieses Stadium der Lupushcilung als tubcrculöses 
Fibrom bezeichnet. Das Vorhandensein der Tuberkelherde, der 
Lupuscent reu deutet schon darauf hin, dass eine definitive 
Heilung noch nicht eingetreten ist. Aber auch das tubereulöse 
Fibrom stellt nach En n a nur eine Vorstufe der definitiven Ver¬ 
narbung dar, er gibt an, dass es, wenn auch alles speeifische Ge¬ 
webe geschwunden ist, noch auf Tubereulin reagirt. In Anbe¬ 
tracht der vorhandenen Tuberkel wurde diese Roaetion in unserem 
Falle nicht vorgenommen. 

l)a ausser der Röntgenbestrahlung keine anderen therapeu¬ 
tischen Maassnahmen in Anwendung gezogen wurden, so wird 
man den erreichten Erfolg der Behandlung auf Kosten der Be¬ 
strahlung setzen können. Jedenfalls beweist der histologische 
Befund, dass eine Rückbildung des lupöson Processes unter der 
Röntgenbehandlung sich ebenso gut vollziehen kann, wie bei 
anderen therapeutischen Methoden. 

Herr Dr. n n a war so liebenswürdig, meine Präparate 
durchzusehen, für seine freundliche Unterstützung sage ich ihm 
an dieser Stelle meinen besten Dank. 

Wir wollen nunmehr zur Betrachtung unserer Erfolge bei 
anderen Hautkrankheiten übergehen und lassen zu dem Zwecke 
• ine Anzahl von Krankengeschichten folgen. Zunächst theilen 
wir einige Ekzemfälle mit: 

No. 1. Frau B. 20 cm breites, den Unterschenkel direct 
oberhalb des Malleolus ringförmig umgebendes Ekzem. Oedem 
des Unterschenkels und Fussen 31 ein im Umfang, handbreit über 
dem Fussgelenk. Röthung der Haut, dieselbe schuppt auf der Ober¬ 
fläche. An einzelnen Stellen Rhagaden. 2 Finger breit über den 
beiden Malleolen je eine markstückgrosse nässende Stelle. 

Seit 3 Jahren Oedem des Unterschenkels. Seit 4 Monaten 
Ekzem. 

12 mal bestrahlt innerhalb 2 Monaten. 

Schon nach der ersten Bestrahlung ist die behandelte Partie 
vollkommen trocken. Nach der dritten Bestrahlung sind die 
Schmerzen wesentlich geringer. Patientin kann besser gehen, die 
Bewegungen im Fussgelenk sind freier. Nach 0 maliger Bestrah¬ 
lung ist das Oedem geringer, die bestrahlten Partien andauernd 
trocken. Nach 12 maliger suecessiv vorgenommener Bestrahlung 
der gesummten ekzematösen Partien völlige Heilung. Nach 
ca. 2y 2 Monaten geringes Recidiv, das unter abermaliger Be¬ 
strahlung rasch heilt. Patientin völlig gesund, kann Mascliinen- 
nälien. Dauer der Heilung jetzt ca. 10 Monate. 

No. 2. Knabe W. Ekzema capitis faciei et nuchae. 

Der ganze Kopf, das Gesicht mit Ausnahme von Kinn und 
Nasenspitze von einem stark nässenden, vielfach reichlich Borken 
bildenden Ekzem eingenommen. 

Das Ekzem besteht seit 4 Jahren und wurde vielfach special¬ 
ärztlich und im Krankenhaus behandelt. 

Es wird zunächst ein kleines Stück, 8 : 10 cm, der rechten 
Wange der Röntgenbehandlung unterzogen. Schon nach der 
ersten Sitzung ist die betreffende Stelle trocken und bleibt es 
auch lange Zelt. Allmählich werden dann andere Partien des 
Ekzems der Behandlung unterzogen und trocknen wie die erstere 

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eine nach der anderen ab. Die Haut beginnt sich zu glätten, ver¬ 
liert ihr rotlies Aussehen und wird vollkommen trocken. Das bis 
dabin gedunsene Gesicht zeigt kaum noch Schwellung. Nach 
1 Vs Monate dauernder Behandlung Ist mit Ausnahme einiger Knöt¬ 
chen auf dem behaarten Kopf und einiger schuppender Stellen am 
Nacken und Hals Alles gesund. Nach einem Monat Recidiv 
schlimmster Art am Hals und Nacken. Kopf und Gesicht sind fast 
ganz heil geblieben. Die Haare sind am Hinterkopf fast vollständig 
ausgegangen. Wiederbeginn der Behandlung. 

Nach einer Bestrahlungscur von einigen 20 Malen wird wieder 
emo vorübergehende Besserung erzielt, die indessen nicht von Be¬ 
stand ist und bald neuen Nachschüben Platz macht. In Folge 
dessen wird der Knabe einstweilen ungeheilt in poliklinische Be¬ 
handlung gegeben. Als auch hier keine Besserung erzielt wird, 
bleibt Patient aus der Behandlung gänzlich fort. Nach ungefähr 
ö Monaten erscheint er wieder und zwar völlig geheilt. Die in 
Folge der Bestrahlung entstandene Kahlköpfigkeit hat einem vollen 
Haarwuchs Platz gemacht. Die Behandlung in der Zwischenzeit 
hatte lediglich aus Schwefelbädern und Vaseliusallien bestanden. 

Nach weiteren 5 Monaten abermals Recidiv. welches an beiden 
Ohren, Hals und Wangen begann, dasselbe befindet sieh zur Zeit 
in Behandlung und auf dem Wege der Besserung. 

No. 3. Kind Eh. Ausgedehntes impetiginöses Ekzem des Ge¬ 
sichtes und des belmarten Kopfes. 

Das Ekzem bestellt seit l> Wochen. Vielfach behandelt. 

10—12 mal bestrahlt. 

Zu einer Roaetion kam es nicht. Das Gesicht heilte schneller 
ab als der behaarte Kopf. Letzterer unter Defluvtum capillitii. 
Nach ungefähr einem Monat waren die Haare wieder gewachsen. 
Nach einem Jahr noch vollständig gesund. 

No. 4. Frau II., 55 Jahre. Ekzema cruris. Von der Fuss- 
solile anfangeud 2 Handteller breite, die ganze Innenseite der 
Unterschenkel einnehmende Ekzemfläche. Die Haut Ist geröthet, 
an einzelnen Stellen leicht exeorlirt, im Ganzen trocken. Varicen. 

24 Jahre vielfach in ärztlicher Behandlung, die oft Jahre 
langen Erfolg hatte. Seit nunmehr 5—0 Wochen erneutes Auf¬ 
treten der Affection. 

Ca. 20 mal bestrahlt. 

Nach 0 maliger Bestrahlung leichte Röthung der Haut, iu Folge 
deren die Behandlung ausgesetzt wird. Nach weiteren 10 Tagen 
ist die Reaction zurückgegangen, keine Excoriationen, die Haut 
glatt. Ca. ly» Monate nach Beginn der Behandlung völlige 
Heilung. (Demonstration im Aerztliclien Verein.) 

Nach ungefähr einem Jahr Ekzem nicht recidivirt. Patientin 
kann dauernd gut gehen und schwere Arbeit verrichten, während 
sie früher oft durch Schmerzen zur Bettruhe gezwungen war. 

No. 5. Frau Sch., 38 Jahre. lieber Ilandflächengrosse ge- 
rötliete, leicht hypertrophe Ekzemstellen um den rechten Malleol. 
internus, links Alles abgeheilt, zur Zeit trocken, hin und wieder 
nässend. Nur ganz vereinzelte oberflächliche Excoriationen, ge¬ 
ringes Oedem. 

Seit t% Jahr. Schon vor 10 Jahren hatte sie vorübergehend 
ein Ekzem. 

Nach 5 maliger Bestrahlung ist Alles trocken, die Haut etwas 
derb. Nach weiteren 10 Tagen ist auch die geringe oedematöse 
Schwellung zurückgegangen. Nach 6 Monaten kleines, zehupfeunig- 
stückgrosses ekzematöses Recidiv, das indessen unter 2—3 maliger 
Bestrahlung prompt abheilt. Nach Jahresfrist noch vollständig 
gesund. 

No. 0. Frau F., 59 Jahre. Nässendes mit Borken bedecktes 
Ekzem, welches sich von den Zehen über den ganzen Fuss und 
Unterschenkel bis hinauf zum Knie erstreckt. 

Erosionen, geringes Oedem. 

Das Ekzem besteht seit iy 2 Jahr; verschiedentlich behandelt. 

12 mal bestrahlt. 

Zunächst wird der Fussrückeu, sowie Oberseitenflächen des 
Unterschenkels in Angriff genommen. Nach 8 tägiger Behandlung 
zeigt sich eine wesentliche Besserung, das Nässen Ist völlig be¬ 
seitigt, unter enormer Desquamation heilten die ergriffenen 
Partien. Nach 12 Tagen wurde wegen geringer reaetiver Röthung 
die Behandlung ausgesetzt. Nach Erlöschen der Reaction Wieder¬ 
beginn der Behandlung. Successive wird der ganze Unterschenkel 
der Bestrahlung unterzogen und in der gleichen Weise zur Heilung 
gebracht. 

Dauer der Heilung y 2 Jahr, alsdann im Anschluss an die 
in Folge Influenza erforderlich gewordene Bettruhe Recidiv in 
ganzer Ausdehnung, während vorher alles in bester Ordnung w f ar. 

No. 7. Herr A. Stark juckendes psoriasisartiges Ekzem des 
Scrotum mit vereinzelten schmerzenden Rhagaden. Das Ekzem 
erstreckt sich auch entlang des Penisschaftes und an der Glans 
in der Nähe des Frenuluiu. Die Haut am Sehleimhautübergang 
zum Anus ist geröthet, juckt und zeigt Rhagadenbildung. 

Besteht seit 10 Jahren. Stets in speeiafiirztliclier Behand¬ 
lung ohne nennenswerthell Erfolg. 

Nach einer erstmaligen 15 Minuten dauernden Bestrahlung 
constatirt Patient ein wesentliches Nachlassen des Juckens, 
während dasselbe sonst beim Entkleiden heftig aufzutreten pflegte, 
ist es diescsmal fortgeblieben. Nach 3 maliger Bestrahlung ist das 
Jucken fast vollständig fort. Während Patient früher nie trockene 
Behandlung hat vertragen können, w'ird jetzt ein einfacher Streu- 
pnlververband vorzüglich ertragen. Das Jucken am Anus hat 
aufgehört. Nach 4 maliger Bestrahlung völlige Beseitigung jeden 
Juckreizes, leichte Abschuppung. Nach 7 maliger Bestrahlung 
Aussetzen der Behandlung. Die Abheilung des Ekzems schreitet 

6 * 

Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



328 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10 


rapide fort, wird aber durch einen plötzlich auftretenden, schnell 
wieder heilenden Herpes unterbrochen (2 malige Bestrahlung). 

Nach ca. Sy 2 —4 Monaten Recidiv am Scrotum, Rhagade am 
Dors. pen. Eine 3 malige Bestrahlung, verbunden mit einer 
Aetzung der Rhagade mit Lapis, beseitigt das Recidiv. 

Nach weiteren 4 Monaten psoriatiformes Recidiv des Scrotum, 
des Penis und der Crena ani. Schuppt und juckt stark. Auch 
diesesmal nach einmaliger Bestrahlung Auf hören des Juckreizes; 
bei weiterer Behandlung allmähliches Verschwinden der psoriati- 
formen Plaques und Heilung nach 9 Sitzungen. 

No. 8. Frl. G., 18 Jahre. Ekzem der Finger und Hand er¬ 
streckt sich über die ganze Länge der Finger und über den Hand¬ 
rücken bis in die Gegend der Metacarpalköpfehen, dessgleiclieu 
ist der Unterarm an Beuge- und Streckseite ergriffen. 

Rhagadenbildung. Starkes Jucken. Besteht seit 12 Jahren. 
7 mal bestrahlt. 

Heilt unter ca. 7 maliger Bestrahlung und indifferenten 
Schutzverbänden völlig ab. 

No. 9. Frl. M. Juckendes, rhagadenbildendes Ekzem beider 
Hände. 

Besteht seit einem Jahr, dauernd in Behandlung. 

Das erstemal 3 mal behandelt, das Recidiv 10 mal behandelt. 

Nach einer 20 Minuten dauernden einmaligen Bestrahlung 
ist das Jucken absolut fort. Nach 3 maliger Behandlung und 
indifferenten Schutzverbänden ist alles abgeheilt. 0 Monate darauf 
geringes Recidiv. Kommt wieder in Behandlung. Auch bei der 
Behandlung des Recidivs wird das Jucken nach einmaliger Be¬ 
strahlung beseitigt; nach 10 maliger Bestrahlung wesentlich ge¬ 
bessert. Aus äusseren Gründen wird die Bestrahlung sistirt und 
Salbenbehandlung eingeleitet, die nunmehr Erfolg hat, während 
früher Salben ganz erfolglos gebraucht wurden. 

No. 10. Frau W. leidet seit Jahren an einem chronischen 
Ekzem beider Unterschenkel. Am rechten Unterschenkel aussen, 
direct über dem Mall. ext. eine reichlich handtellergrosse ekzema¬ 
töse Stelle. Dieselbe war geröthet, theils trocken, theils etwas 
feucht, mit zahlreichen Rhagaden durchsetzt, an einzelnen Stellen 
mit flachen, dünnen, gelblich-weissen Borken besetzt. Vielfach 
behandelt. Eine 12 malige, durch verschiedene eintägige Unter¬ 
brechungen stattgehabte Röntgenbestrahlung heilte das Ekzem 
vollständig. Die Haut des behandelten rechten Unterschenkels 
vrar leicht geröthet, vollkommen glatt, während der nicht behandelte 
linke Unterschenkel das Ekzem noch unverändert aufwies. Nach 
9 Monaten geringes Recidiv an einem Unterschenkel, während der 
andere gesund geblieben war. 

No. 11. Frau Ws. leidet seit zwei Jahren an einem Ekzem 
beider Unterschenkel, dasselbe besteht aus mehreren handteller¬ 
grossen Stellen, die lebhaft geröthet sind, zum grossen Tlieil sind 
sie trocken und mit Schuppen bedeckt, an einzelnen Stellen feucht. 
Ferner Rhagaden. Vielfach behandelt. Zunächst eine Stelle am 
r. Unterschenkel behandelt. Nach der 4. Sitzung Reaction in Ge¬ 
stalt von Röthung sowohl der Stelle selbst, wie der nächsten Um¬ 
gebung. Trotzdem nun einige Tage ausgesetzt wurde, hatte sich 
doch eine geringe derbe Infiltration im ganzen Gebiet der be¬ 
strahlten Partien gebildet. Unter Blei Wasserumschlägen Rückgang 
der Röthung in drei Tagen. Unter weiteren Bestrahlungen Ab¬ 
heilung des Ekzems. Jedoch ist die betr. Stelle entsprechend der 
Dermatitis etwas erhaben, derb und schuppend und fühlt sich 
wie .Pergamentinduration an. Am 1. Unterschenkel ist die aussen 
befindliche Stelle gleichfalls nur 4 mal bestrahlt worden und be¬ 
reits in flottester Abheilung. Eine Controlstelle nicht behandelt, 
in Folge dessen unverändert. 

Nach einem halben Jahre leichtes Recidiv am linken Unter¬ 
schenkel, das nunmehr unter Salbenbehandlung zurück ging. 

No. 12. Olga H., 18 Jahre. 1896 Scabies. Anfang 1897 traten 
Bläschen zwischen den Fingern auf, zuerst am Zeigefinger, dann 
am Mittelfinger, bis schliesslich der ganze Rücken der Hand er¬ 
griffen wurde. Die afficirte Partie ist röthlich-braun, geröthet, 
stellenweise excoriirt und nässend, stellenweise mit trockener, ver¬ 
dickter rissiger Epidermis bedeckt. Durchweg finden sich in den 
erkrankten Partien kleine Knötchen von Hirsekorngrösse. An der 
Ulnarseite der linken Hand die gleichen, aber kleineren Knötchen, 
daselbst keine Excoriation, auch keine Schuppenbildung. 

Beginn der Behandlung 9. II. 98. 

Innerhalb 4 Wochen sind die einzelnen nässenden Partien fast 
ganz verschwunden. Leichte bräunliche Pigmentirung der ge¬ 
summten, früher erkrankt gewesenen Hautpartie. 

Nach 6 Wochen vollkommen heil. Die Haut glatt und normal. 

Nach iy 2 Jahren trat eine gleiche Erkrankung des anderen 
Handrückens auf, die nach wenigen Bestrahlungen abheilte. Die 
zuerst erkrankt gewesene linke Hand vollkommen glatt und zart, 
durchaus normal, keinerlei Narben oder Pigmentirungen auf¬ 
weisend. 

Die Fälle 10, 11 und 12 sind seiner Zeit bereits in den Fort¬ 
schritten auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, Bd. II, S. 16, ver¬ 
öffentlicht. 

No. 13. Martha E., 21 y 2 Jahre. Seit 8 Monaten bestehendes, 
vielfach behandeltes Ekzem der Finger, beider Handrücken und 
Unterarme. Das Ekzem ist Im Allgemeinen trocken, neigt zu 
Rhagaden auf den Handrücken und Unterarmen, während auf den 
Fingerrücken hauptsächlich kleine Bläschen sitzen, die leicht 
platzen und sich mit einer Borke bedecken. Das Ekzem juckt 
stark. Vielfach behandelt. 

Nach 3 maliger Bestrahlung war das Jucken verschwunden, 
nach 6 maliger Bestrahlung ist alles trocken, nach 9 maliger Be¬ 
strahlung wurde 3 Tage ausgesetzt. Trotzdem trat 3 Tage später, 


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also 12 Tage nach Beginn der Behandlung, eine geringe Reaction 
bestehend in Röthung und Brennen ein, die in 8 Tagen noch etwas 
stärker wurde. Zu einer Excoriation kam es indess nicht. Zwei 
Monate nach Beginn der Bestrahlung Haut vollkommen glatt und 
normal. 

Nach weiteren 2 Monaten geringes Recidiv an den Finger¬ 
spitzen, das nach 6 Bestrahlungen heilte. Doch hielt die Heilung 
diesmal nicht so lange an, denn bereits nach 6 Wochen trat ein, 
wenn auch leichtes Recidiv ein. Im Laufe eines Jahres war dann 
etwa alle 2 Monate ein Recidiv aufgetreten, das zwar immer von 
der Bestrahlung günstig beeinflusst wurde, es machte aber doch 
den Eindruck, als hätte die X-Strahlenbehandlung lange nicht mehr 
denselben günstigen Einfluss wie bei der ersten Behandlungsserie. 
Doch wurden jetzt Salben und andere Behandlungsmethoden ent¬ 
schieden besser vertragen und mit besserem Erfolg verwendet. 

No. 14. Frau Fr., 29 Jahre. Seit mehreren Jahren Ulc. varicos. 
das abheilte und wieder recidivirte. Seit Mitte Januar 1898 offenes 
Geschwür am linken Unterschenkel. Die Umgebung in Handteller- 
breite ekzematös und derb infiltrirt. Der Uuterschenkel selbst 
oedematös. 

Nach 10 Bestrahlungen das Ekzem in der Umgebung des 
Ulcus zurückgegangen, das Ulcus selbst nicht wesentlich ver¬ 
ändert. Auch während der midisten Monate hielt der günstige 
Zustand des Ekzems und des Oedems an. 

(Schluss folgt.) 


Entgegnung auf die Bemerkungen Kehr’s zur 
Methode der Cholecystötomie mit wasserdichter 
Drainage 

in No. 7 dieser Wochenschrift. 

Von Prof. Dr. Poppert in Giessen. 

Die Bemerkungen Keh r’s zu meinem ln der Deutsch, med. 
Wochensehr. 1899, No. 50 erschienenen Aufsatz über „Die Cliole- 
cystotomie mit wasserdichter Drainage der Gallenblase“ ver¬ 
anlassen mich zu folgender Erwiderung: 

K e h r übersieht bei seinen Ausführungen vollständig, dass ich 
zur Veröffentlichung der genannten Methode nicht veranlasst 
wurde, weil ich der Ansicht war, eine gänzlich neue Operation ent¬ 
deckt zu haben, sondern weil es mir darauf aukam, zu zeigen, wie 
man mit Hilfe dieser Modification die Eingriffe am Gallen- 
gangsystem ausserordentlich vereinfachen 
und gleichzeitig ihre Gefahren herabsetze n 
k ö n n e. Es geht dies klar aus meinem im Jahre 1898 auf dem 
Chirurgeueongress gehaltenen Vortrag l ) hervor, wo ich wörtlich 
sagte: „Das beschriebene Verfahren ist also, wie Sie sehen, nur 
eine Vervollkommnung der sog. Schlauchdrainage von K ehr, und 
ich bin überzeugt., dass auch schon von anderer Seite ähnlich ver¬ 
fahren worden ist“. Mit grösserer Reserve kann man sich wohl 
kaum ausdrücken. In meinem letzten Aufsatz habe ich Iv e li r’s 
Schlauchverfahren ausführlich genug beschrieben, so dass sich 
jeder Leser ein eigenes Urtheil über die Aehnlichkeit der beiden 
Methoden bilden konnte. Auf diesen Punkt in diesem Aufsatz 
noch einmal ausdrücklich hinzuweisen, wie Kehr es verlangt, 
erschien mit desshalb durchaus überflüssig. 

Hierbei möchte ich übrigens nochmals betonen, dass i c V 
bei der Ausbildung der „wasserdichten Drai¬ 
nage“ gar nicht von K e h r’s Sclilaucliverf ähren 
ausgegangen bin, abgesehen davon, dass mir dasselbe auch 
zu jener Zeit unbekannt w r ar. Durch welche Umstände ich zu der 
Abänderung der gewöhnlichen Cystotomie veranlasst worden bin, 
habe ich in dem in der Deutsch, med. Wochensclir. erschienenen 
Aufsatz ausführlich genug geschildert. Ohne die zufällig von mir 
gemachte Beobachtung, dass der angestrebte Abschluss der Bauch¬ 
höhle durch Einreissen der zwischen Gallenblase und Bauch wand 
angelegten Nähte thatsächlich verloren gehen kann, würde ich wohl 
nie einen anderen Ausweg gesucht haben und uie auf den Ge¬ 
danken gekommen sein, einen wasserdichten Abschluss um das 
Drain herbeizuführen. 

Wie ich von vorneherein vermuthet hatte, haben auch andere 
Chirurgen, allerdings in einer anderen Absicht, ganz ähnliche Wege 
wie ich eingeschlagen. So erwähnte Petersen in derselben 
Sitzung des Chirurgencongresses, wo ich über meine Methode re- 
ferirte. eine Verbesserung der Cystostomie, die Czerny in 
25 Fällen angewandt hat, um der Entwicklung einer dauernden 
Gallenblasenfistel vorzubeugen. Diese Aenderung besteht darin, 
„dass zum Schlüsse der Operation ein mittelstarkes Drainrohr 
einige Centimeter weit in die Gallenblase eingeschoben und die In- 
cision der Gallenblase soweit verkleinert wurde, dass 
das Drain überall fest von der Gallenblasen- 
wand umschlossen war-; das Drain selbst wurde noch von 
2 Catgutfäden mitgefasst. Darauf wurde die Nahtlinie der Gallen¬ 
blase mit einigen Nähten am Peritoneum parietale suspendirt“. 
In derselben Sitzung hat Gersuny, in der gleichen Absicht, den 
späteren Verschluss der Fistel zu sichern, empfohlen, „eine Schräg¬ 
fistel anzulegen, wie sie WItzel ursprünglich für die Harnblase 
empfohlen hat. Wenn man das Drain so befestigt, dass es auf 
1—2 cm Länge in einer Falte der Blasenwand über ihrer Ver¬ 
einigungslinie liegt, so findet ein dichter Verschluss statt. 
Wenn man das Drain später aus der Fistel entfernt, so schliesst 


*) s. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 
1898, I, 125. 

Original frnrri 

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C>. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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sich die Wunde sofort u. s. w.“ Hätten diese Autoren den von mir 
unternommenen weiteren Schritt getlian und auf die Anheftung 
der Gallenblase verzichtet, so würde auch sofort eine grosse Aehn- 
liehkeit mit dem „Schlauchverfahren“ vorhanden gewesen sein, 
und Kehr hätte mit demselben Recht, mit dem er es mir gegen¬ 
über thut, auch den übrigen Operateuren gegenüber seine Priorität 
geltend machen können. 

Nach alledem erscheint es recht müssig. in dieser Frage über 
Priorität streiten zu wollen. Ich persönlich halte diesen Punkt 
für sehr nebensächlich, wohl aber beanspruche ich gegenüber 
Kehr das Verdienst, in, wie ich glaube, überzeug e nder 
Welse den Nachweis erbracht zu haben, dass 
die Gallenblasendrainage in der von mir ge¬ 
übten Weise uns ein ausserordentlich be¬ 
quemes und zuverlässiges Mittel an die Hand gibt, 
die Operationen an den Gallenwegen zu v e r e i n f a c h c n u n d 
gleichzeitig ungefährlicher zu gestalten. 

Kehr wird nicht behaupten wollen, dass er diese Vorzüge 
erkannt hat. Er würde sonst doch viel häufiger von dem Verfahren 
Gebrauch gemacht haben, als er es in Wirklichkeit getlian hat. 
Für ihn war das „Schlauchverfahren“ nur das ultimum refugium: 
ich wenigstens finde In seiner Publication nur t> Fälle, in denen 
er es angewandt hat, jedenfalls nur ein verschwindend kleiner 
Bruchtheil bei seinen hunderten von Gallenblasenoperationen! 
Allerdings stellt Kehr in seinem nächsten Jahresbericht neue 
einschlägige Mittheilungen in Aussicht; sollte er etwa durch meine 
erzielten Erfolge zu einer ausgiebigeren Benützung des Schlauch¬ 
verfahrens ermuthigt worden sein? 

Zur Zeit der im October 1808 erschienenen Arbeit Keil r’s 
(Sammlung klinischer Vorträge. N. F. 225». wo er schon einmal 
meine Methode kritisch erwähnt, war sein Vertrauen zum 
Scblauchverfahren jedenfalls kein unerschütterliches. Kr erwähnt 
ausdrücklich, „dass es keine Sicherheit gegen peri¬ 
toneale In f e c tio n bietet und d e s sh a 1 b in den 
1 e t z t e n J a h r e n nicht mehr so häufig von ihm 
angewandt wurd e.“ Aus diesem Grund hält Kehr auch 
mein Verfahren für unsicher und fürchtet, dass „d och einmal 
neben dem wasserdicht in die Gallenblase an¬ 
gebrachten Rohre die häufig i u f e c t i ö s e Galle 
vorbei in die Bauchhöhle laufen k ö n u e.“ Ich meine, 
hieraus geht klar hervor, dass Kelir die Leistungsfähig¬ 
keit einer wirklich wasserdichten Drainage 
nicht erkannt hatte und demgemäss auch nicht in der 
Lage war, Ihre Vortheile auszunützen. 

Der Beweis von der Zuverlässigkeit der wasserdichten Drai¬ 
nage Ist von mir erbracht worden, und zwar habe ich diese That- 
sache zuerst an eingenähten Gallenblasen festgestellt, wo ich jeder 
Zeit diese Verhältnisse mit dem Auge beobachten konnte. Erst 
nachdem ich mich bei diesen Fällen von der Sicherheit des Ab¬ 
schlusses hinlänglich überzeugt hatte, konnte ich Schritt für 
Schritt weiter gehen und schliesslich auf die Anheftung der 
Gallenblase an die Baucliwand ganz verzichten. O li n e mir 
jene Gewissheit verschafft zu haben, würde ich, 
so lange mir irgend ein anderes, wenn auch noch so eomplicirtes 
Auskunftsmittel zur Verfügung stand, es nie m als ge w a g t 
haben, eine derart versorgte Gallenblase in die Bauchhöhle 
zu versenken. Als ich die Ungcfährlichkeit der Methode erprobt 
batte, übersah ich erst recht die grossen Vortlieile derselben. Vor 
Allem trat als Hauptvorzug des Verfahrens mir die Möglich¬ 
keit entgegen, es auch auf die c o in p 1 i c i r t e n Fälle, auf 
die morschen und auf die verkleinerten Gallen¬ 
blasen anzuwenden. 

Meine wichtigste Aufgabe musste jetzt sein, an der Hand 
einer grösseren Reihe von Fällen dem Beweis für die Leistungs¬ 
fähigkeit der Methode zu erbringen. Dass ich in diesef Hinsicht 
erhebliche Bedenken zu überwinden haben würde, musste ich 
auf dem Chirurgencongress aus gelegentlichen Bemerkungen von 
Collegen entnehmen, die der praktischen Ausführbarkeit meiner 
Vorschläge mehr oder weniger skeptisch gegenüber standen. Dess- 
halb habe ich auch mit der ausführlichen Beschreibung der 
Operationsmethode so lange gezögert, bis ich mich hierbei auf 
eine möglichst ansehnliche Zahl von operativen Fällen stützen 
konnte. 

In Bezug auf die übrigen Einwendungen K e h r's will ich 
mich aus nahe liegenden Gründen kurz fassen. 

Zunächst dürfte es überflüssig sein, festzustellen, dass ich 
nicht, wie es K e h r darstellt, den Eindruck zu erwecken versucht 
habe, meine Methode sei eine Panacee gegen jede den Operirten 
bedrohenden Gefahr, also auch gegen die, denen gegenüber der 
Chirurg machtlos ist (Pneumonie, cholaemische Blutungen u. s. w.). 
Dies sollte sich eigentlich doch von selbst verstehen. Ich habe 
nur behauptet, dass mir kein Kranker an den Folgen 
eines Fehlers der Technik der Operations- 
methode oder an einer Wuudcomplieation ge¬ 
storben ist. In dieser Hinsicht entspricht die Methode auf 
Grund meiner Erfahrung den höchsten Anforderungen, die man 
an eine Operation stellen kann. 

Ebenso unbegründet und ungerechtfertigt ist der Vorwurf, 
dass „der in die Geschichte der Gallensteinchirurgie nicht gehörig 
cingeweihte Leser nach der ganzen Art meiner Darstellung auf 
den Gedanken kommen müsse, dass die wasserdichte Drainage 
beim Choledochus erst die Consequeuz des von mir an der Gallen¬ 
blase geübten Verfahrens sei“. Alis der ganzen Art meiner Dar¬ 
stellung hätte Kelir im Gegeutheil ersehen müssen, dass sich 
mein Aufsatz ln erster Linie an solche Leser wendet, welche die 
Drainage der grossen Gallengänge als heutigen Tages häufig ge- 

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übten Eingriff kennen. Aus diesem Grunde erscheint auch die 
Mehrzahl der übrigen Bemerkungen IC e h r’s. z. B. über den Vor¬ 
zug der Cystektomie gegenüber der Cystostomie, über die Wichtig¬ 
keit der Untersuchung der grossen Gallengänge u. s. w., ganz 
d e p 1 a c i r t. Ebenso hätte er sich auch verschiedene andere, 
gewiss wohlgemeinte Ratlisehläge. wie man etwa „den praktischen 
Arzt für die Gallensteinchirurgle werben soll“, ersparen können. 

Geradezu erheiternd wirkte aber auf mich — und so ist es 
wohl auch anderen Lesern gegangen — die Befürchtung IC e h r’s, 
dass die Mittheilung meines Aufsatzes über die wasserdichte Drai¬ 
nage „m ehr schaden als nützen würd e“, weil sich 
hierdurch der Unkundige etwa zu unüberlegten Eingriffen ver¬ 
führen lassen würde. Er sieht schon im Geiste voraus, dass „die 
as asserdichte Drainage jetzt geübt werden wird aticli 
von solchen Chirurgen, die bisher an eine 
Gallen Steinoperation sich nicht herangewagt 
haben, weil sie vor der schwierigen Technik 
zurückschrockte n.“ Vielleicht hätte es Kehr lieber ge¬ 
sehen. wenn Ich dem Anfänger recht bange gemacht hätte vor 
den Operationen, die er selbst sieh zu seiner Lieblingsbeschäf¬ 
tigung erkoren hat. Bei meiner Veröffentlichung liess ich mich 
allein von dem Bestreben leiten, die Aufmerksamkeit auf eine 
Methode zu lenken, von der ich überzeugt bin, dass sie die Resultate 
der Gallensteinoperatlon. besonders in den complicirten Fällen, 
zu verbessern im Stande ist. Sollte aber gleichzeitig durch meine 
Mittheilung auch dev Anfänger auf dem Gebiete der Chirurgie 
der Gallenblase — und schliesslich sind wir doch alle einmal An- 
tünger gewesen — veranlasst werden, mit grösserem Vertrauen 
und häufiger wie bisher derartige Operationen auszuftihren, so 
könnte ich hierin kein Unglück erblicken. Dass der Chirurg, der 
sein Interesse den Gallensteinerkrankungen zuwendet. die gleiche 
Geschicklichkeit und Gewissenhaftigkeit besitzen muss, welche 
auch zur Ausführung anderer schwieriger Operationen unerläss¬ 
lich sind, das ist natürlich eine selbstverständliche Bedingung. 

Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Der kgl. bayer. Operationscurs für Militärärzte. 

In diesen Tagen sieht der Operationscurs auf eine 40 jährige 
Thätigkeit zurück, indem er durch Allerhöchste Entschliessung 
vom 7. März 1800 in das Lehen gerufen worden war. Diese Ent- 
schlicssung entsprang Allerhöchst eigener Initiative Seiner Maje¬ 
stät Körnig Maximilian II. in der Fürsorge für sein Heer, um dem¬ 
selben eine grössere Anzahl tüchtiger, in der chirurgischen Technik 
bewanderter Aerzte zu verschaffen. 

Anfänglich und zwar bis zum Jahre 1870 war ein General¬ 
major und Brigadeeommandeur der Garnison München, welchem 
der jeweilige Oberstabsarzt des Generaloommando München bei¬ 
gegeben war, Vorstand des Operatiouseurses. Erster Docent war 
der damalige Bataillonsarzt nachmalige Excellenz Generalstabs¬ 
arzt a 1. s. des Sanitätscorps, Dr. Ritter v. L o t z b e c k , welcher 
im Jahre 1881 als Generalarzt 2. Ci. Vorstand des Operationscurses 
wurde. Als zweiter Assistent fungirte der demselben beigegebene 
Assistent. 

Die Unterrichtsfächer waren: 

a) Operationsichre, 

b) chirurgische Klinik (im Militärkraiikcnliausc), 

c) Operationsübungen. 

Der Unterricht wurde anfänglich im alten Militärkrankenliauso 
in der Müllerstrasse gegeben, bis im Jahre 1802 ein eigenes kleines 
Gebäude im Areal des Krankenhauses errichtet wurde. Nach Auf¬ 
lassung des alten Militärkrankenhauses wurde 1873 ein ähnliches 
ebenerdiges Gebäude im Garten des neuen Garnisonslazarethes er¬ 
richtet, welches jedoch mit der Zeit nicht mehr entsprach. Das 
Lehrprogramm hatte nämlich, insbesondere durch den zweiten 
Docenten und späteren Vorstand des Curses, jetzigen Generalarzt 
z. D., Dr. Port, eine Erweiterung erfahren, indem mit prak¬ 
tischen Hebungen verbundene Vorträge über Transportwesen, Im¬ 
provisationen, Epidemiologie und Hygiene gehalten wurden, wozu 
1875 noch ein von dem damaligen Stabsarzt Dr. S e g g e 1 ge¬ 
gebener Augenmitersuclimigscurs, von 1877 an mit Augenklinik ver¬ 
bunden, hinzugetreten war. Ausserdem wurde noch von Port 
eine bis jetzt fortgeführte umfassende Salubritätsstatistik für 
säramtliclie bayerische Garnisonen und Kasernen in’s Leben ge¬ 
rufen. Die Vermehrung der Räume, welche überdies auch durch 
das Anwachsen der Sammlungen und des Unterrichtsinventars er¬ 
forderlich wurde, wurde durch das Auf setzen eines Obergeschosses 
erreicht. 

Mit der weiteren Ausdehnung des Wirkungskreises — Stabs¬ 
arzt Büchner lehrte nun Bacteriologie lind Hygiene, die Pro¬ 
fessoren H e 1 f e r i c h und v. Anderer, an deren Stelle^ dann 
Oberstabsarzt S e y d e 1 trat, wirkten als Lehrer der Kriegs- 
Chirurgie und als Operationsleiter — waren aber auch diese Räume 
zu eng geworden und es wurde nun auf Antrag des damaligen 
Vorstandes, Generalarztes Dr. Anton Vogl, ein im grösseren Stil 
angelegter Ergänzungsbau im Jahre 1894 durchgeführt, so dass das 
nun auch im Aeussern stattliche Gebäude ausser mehreren Arbeits¬ 
zimmern für den Vorstand und 2 Docenten. einem Bureauzimmer 
und einer Werkstätte (für Spängler- und Scbreinorarbeiteni einen 
grossen Bibliothek- lind Lohrsaal, je 2 Säle mit Nebengelassen für 
das chemische und hygienische Laboratorium, ferner je einen 
Operations-, Sections-, Mikroskopir- und Domonstrationssanl mit 
werthvollen Sammlungen, sowie endlich einen Dunkelraum für 

Original from 

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No. 10. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Radloskopie und Radiographie enthält. Für Vcrsuehstliiero ist ein 
eigenes Stallgebäude errichtet worden. 

In dem chemisch-hygienischen Laboratorium, welches zugleich 
als hygienisch-chemische ITitersuchungsstation dient, wurden im 
Laufe der letzten Jahre unter anderen grösseren Untersuchungen 
über Wasserversorgung von Garnisonen und Lag‘»rn. Verwendbar¬ 
keit neuer Eiweisspräparate, (’onserviruug von frischem Fleisch 
und Brod, Zinngelialt der Fleischconserveu, welche überhaupt einer 
periodischen Controle unterworfen werden, und über die Wirksam¬ 
keit der biologischen Abwasserreinigungsanlagen gemacht. 

So wurde denn der ursprüngliche Operationscurs mit seinem 
hauptsächlich auf Ausbildung der chirurgischen Tlmtigkeit ge¬ 
richteten Ziele, den Anforderungen und Bedürfnissen der neuen 
Zeit entsprechend, unter Heranziehung sännntlicher Stationen des 
k. Garnisonslazaretlies ein Fortbildungscurs für die bayerischen 
Militärärzte, in welchem die wichtigsten Disciplineu der Gesammt- 
medicin und des Militarsanitätswesens insbesondere gelehrt und 
geübt werden. 

Es werden jetzt von dem Vorstande und den 3 etatmässigeu 
Docenten des Ourses: Generalarzt Seggel und den Oberstabs¬ 
ärzten Schuster, Seydel, Hummel, sowie von dem Stabs¬ 
ärzte Deichstetter und noch von eiuer Reihe anderer sehr 
sclnitzenswerther Lehrkräfte an jüngere Sanitätsofficiere des 
Friedensstandes in jährlich 2 Gursen mit von 2 auf 3 Monate ver¬ 
längerter Dauer und in einem dreiwöchigen Curse für Militärärzte 
des Beurlaubtenstandes, an Letztere mit der durch die kürzere 
Dauer gebotenen Einschränkung, in folgenden Fächern, vorzugs¬ 
weise in praktischer und militärischer Richtung, Unterricht er- 
theilt: Hygiene mit Nahrungsmitteluntersuchungen — Bacteriologie 
und lmmunisirung — die wichtigsten inneren Erkrankungen, inel. 
Syphilis und Geisteskrankheiten — Chirurgie mit Operations¬ 
übungen — Augen-, Ohren- und Zahnheilkunde — Massage — 
Organisation, Ausrüstung und Aufgaben der Sanitätsformationen 
bei der Feldarmee, dem Etappen- und Eisenbahnwesen incl. der 
Wirksamkeit der freiwilligen Krankenpflege. Hieran schliesst sich 
die Etablirung eines Feldlazarethes und die feldmässige Uebung 
eines Saultiitsdetachements. Ausser dem Operiren üben sich die 
Theilnehmer des Curses auch in der Vornahme von Sectionen und 
lernen die Vaccinegewinnung und die sanitären Einrichtungen der 
Stadt München kennen. 

Endlich wird noch seit einem Jahre ein sanitäts-tactischer 
Curs von einem Stabsofticiere des k. Generalstabes gehalten, in 
welchem zunächst Kartenlesen und Ivrokiren, dann die Organi¬ 
sation des Feldsanitätsdienstes in seinen Beziehungen zur Truppen- 
fiihrung gelehrt werden und schliesslich im Vereine mit dem Vor¬ 
stande des Curses die Maussnahmen vorzugsweise der leitenden 
Sanitätsofficiere bei der Vorbereitung zum Kriege, beim Auf¬ 
märsche und im Gange des Gefechtes, sowie bei dem Kranken- 
und Verwundetentransport bis in die Heimath in einem durch 
mehrere Tage fortgeführten Kriegsspiele, tlieilweise auch beim Be¬ 
gehen im Gelände, eine eingehende und sehr instructive Be¬ 
sprechung erfahren. Au diesem Curse nehmen auch je G obere 
Militärärzte der Garnison München theil. 

Während der Curspauseu finden bacteriologisch-mikro- 
skopisclie Wiederholuugscurse und Operationsübungen statt und 
fungiren die betreffenden Docenten als Ordinireiule ihrer Stationen 
weiter. Ordnungsmässige Curse haben bis jetzt 142 stattgefunden 
mit 672 Militärärzten, darunter 140 des Beurlaubtenstandes, als 
Theilnehmern. 

Diese mehr In ihrer äusseren Gestaltung geschilderte Fort¬ 
entwicklung des Operationscurses — die innere Thätigkeit w’urde 
durch Exeellenz Generalstabsarzt Dr. v. Vogl im Jahrgang 1897 
dieser Zeitschrift treffend dargestellt — hat derselbe zuvörderst der 
Förderung von Seiten Höchster Stelle und der hohen Chefs der 
Medieinalabtheilung des k. Kriegsministeriums zu verdanken, 
welche als frühere Vorstände des Curses demselben wärmstes 
Interesse entgegentrugen. 

Die Thätigkeit und Leistungen des Operationscurses können 
wohl nicht besser charakterisirt Averden als durch den einmfithigen 
Ausspruch hoher und höchster Militärärzte der deutschen und öster¬ 
reichisch-ungarischen Armee und Marine, sowie fremdländischer 
Armeen, welche gelegentlich der hiesigen Aerzte- und Natur- 
forscherversnmmlung im vorigen Jahre den Operationscurs be¬ 
sichtigten: „Dass derselbe als Institut für Fortbildung der Militär¬ 
ärzte und als Untersuchungsstation soavoIiI der Vollkommenheit 
seiner Einrichtungen als auch der segensreichen Wirkung für die 
Armee nach einzig in seiner Art und als Musteranstalt dastehe“. 

S. 


Referate und Bücheranzeigen. 

L. Edinger: Vorlesungen über den Bau der nervösen 
Centralorgane des Menschen und der Thiere. Für Aerzte und 
Studirende. VI., umgearbeitete und A r ermehrte Auflage. Leip¬ 
zig, Verlag von F. C. W. V o g e 1, 1900. 12 M. 

Seit dem Erscheinen des E d i n g e r'schen Buches in seiner 
V. Auflage sind nur wenige Jahre vergangen, allein auch in diesem 
kurzen Zeitraum hat sieh das Wissen auf dem Gebiete der ner¬ 
vösen Centralorgane beträchtlich vermehrt, eine Thatsache, 
welcher der Autor bei Bearbeitung der neuen Auflage in dankens- 
Averthester Weise Rechnung getragen hat. Dass dies geschehen 
ist, ohne dass das Werk in seinem Volumen eine bedeutende 
Acnderung (es handelt sich nur um eine Vermehrung von 

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44 Seiten) erfahren hat. verdient alle Anerkennung, denn es 
spricht für eine kluge und zielbewusste Sichtung des grossen Ma¬ 
teriales, für eine zweckentsprechende Anpassung der Kernpunkte 
an das ßediirfiiiss derjenigen Kreise, für welche Edinger ge¬ 
schrieben hat: für „Aerzte und Studirende“. In den Eiuzel¬ 
theilen scheu Avir vielfach die verbessernde Hand angelegt, so 
namentlich im histologischen Theil, wo die neueren Unter- 
suchungsresultate von A p ä t h y und B e t h e Berücksichtigung 
finden. Dasselbe gilt auch für den vergleichend-anatomischen 
Abschnitt, wo nicht unwesentliche Zusätze und Abbildungen, Avic 
z. B. beim Haifisch- und Vogelgehirn, gemacht wurden, Verbesse¬ 
rungen, die durchweg auf eigenen, gründlichen Untersuchungen 
beruhen. So sind auch die Abbildungen des I. und II. Theiles 
von 123 Nummern der V. Auflage auf 147 vermehrt und am 
Schlüsse des Buches noch 2 ehromo-lithographische Tafeln bei¬ 
gegeben worden, welche die Leitungsbahnen zwischen Medulla, 
Medulla oblongata und Kleinhirn, sowie die Verbreitungsgebiete 
der sensiblen Nerven in der äusseren Haut (nach Kocher) 
darstellen. Sehr lehrreich sind u. a. auch die neu eingefügten 
v. Kupf f e r’schen Kopfnervenbilder von Ammocoetes, sowie 
die H e r r i k’schen von Menidia, kurz allerorts macht sich seitens 
des Herrn Verfassers das Bestreben geltend, selbst Hand an- 
zulegen, oder wo dies nicht immer möglich ist, den Fortschritten 
der Neurologie durch kritische Sichtung und souveräne Beherr¬ 
schung des von aussen zufliessenden, gewaltigen Materiales ge¬ 
recht zu Averden. 

So dürfen w r ir die VI. Auflage des E d i n g e r’schen Buches 
mit lebhafter Freude begrüssen und dieselbe als eine Zierde 
deutschen Fleisses und deutscher Gründlichkeit bezeichnen. 

Freiburg i. B., Februar 1900. Wiedersheim. 

Balf Wichmann: Die Bückenmarksnerven und ihre 
Segmentbezüge. Ein Lehrbuch der Segmentaldiagnostik der 
Rückenmarkskrankheiten. Mit 76 Abbildungen und 7 farbigen 
Tafeln. 279 S. Berlin W. 30, Otto Salle, 1900. M. 12.—. 

Theodor A r . Renz, bei dem W. mehrere Jahre Assistent 
Avar, hatte sieh schon vor Jahren die Aufgabe gestellt, für jeden 
Kürperinuskel und für jeden Hautnerven den Wurzelbezug, das 
Rückenmarkssegment, zu bestimmen, um geeignetenfalls mit Aus¬ 
sicht auf Erfolg operativ Vorgehen zu können. Wie sehr ein 
solches Lmtcrnehmcn berechtigt war, hat die Rückenmarks¬ 
chirurgie mit ihren Erfolgen inzwischen sattsam erwiesen. Renz 
konnte seine Absicht nicht ausführen, Krankheit und Tod hin¬ 
derten ihn daran. Renz hatte nur aus den ihm zur Verfügung 
stehenden anatomischen Atlanten und Lehrbüchern und unter 
Verwerthung eigener Untersuchungen zusammengestellt, wie 
sich die einzelnen Rückenmarksnerven zusammensetzen, wie sie 
weiterhin verlaufen und welche (quergestreiften) Muskeln, welche 
Llautpartien sic innerviren. Diese Notizen, von W. zeitgemäss 
umgearbeitet, bilden den ersten Theil der vorliegenden Arbeit, 
den anatomischen Theil. 

Die klinische Seite der gestellten Aufgabe, welche Renz noch 
nicht in Angriff genommen hatte und deren Bearbeitung somit 
W. allein zufiel, bilden den zweiten Theil. Auf Grund eigener 
Erfahrungen, sowie unter ausgiebigen Verwerthung der kli¬ 
nischen Beobachtungen Anderer, zeigt W., welche Lnnervations- 
stürungen der Musculatur oder der Haut die Erkrankung eines 
jeden einzelnen Rückenmarkssegments vom I. Cervicalsegment 
herab bis zum V. Sacralsegment, nach sich ziehen kann. Dabei 
bestätigt sich natürlich immer der bekannte Grundsatz, dass 
jeder Muskel, abgesehen \ r on den kleinsten Wirbelsäulenmuskeln, 
jedes llautgebiet am Rumpf und an den Extremitäten aus min¬ 
destens 2, oftmals 3 oder noch mehr Wurzeln des Rückenmarks 
versorgt wird. Die Resultate, die sieh hierbei ergeben, stimmen 
recht gut überein mit den auf dem rein anatomischen Wege ge¬ 
wonnenen Anschauungen. 

Der dritte Theil gibt kurz, übersichtlich eine Zusammen¬ 
stellung der motorischen und sensiblen Ausfallssymptome bei den 
Querschnittserkrankungen der einzelnen Rückenmarkssegmente; 
er wird in Verbindung mit den anschaulichen Farbentafeln ein 
brauchbarer und sehätzensAverther Führer bei der Segmental- 
diagnose werden. E. Schultze - Bonn. 

0t lax: Lehrbuch der Balneotherapie. 2 Bände, F. Enke, 
1900. Preis geh. 24 Mark. 

Ein A r ortref Hiebes, mit ganz ausserordentlichem Fleiss be¬ 
arbeitetes Werk, welches eine Lücke in der medicinisclien Lite- 

Original fro-m 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ß. März 1900. 


ratur auszufüllen bestimmt ist; in zwei starken Bänden gibt der 
Verfasser eine wirklich meisterhaft zu nennende Darstellung 
nicht nur der Balneotherapie im Allgemeinen, sondern auch spe- 
ciell der Hydrotherapie, der Klimatotherapie und der Baineo¬ 
diätetik. Alle hierauf bezüglichen Fragen werden mit solcher 
Gründlichkeit und wissenschaftlicher Kritik behandelt, dass dem 
Arzte, der sich über die fraglichen Gebiete orientiren will, weitere 
literarische Hilfsmittel entbehrlich werden; derjenige aber, der 
sich eingehender mit den einzelnen Zweigen der Balneotherapie 
beschäftigen muss, findet in den, jedem Capitol angefügten aus¬ 
führlichen Literaturverzeichnissen alle wünschenswertheil Auf¬ 
schlüsse. 

Den ersten Band seiner Balneotherapie beginnt G1 a x 
mit der Hydrotherapie; die meisten Wirkungen der Badecuren 
gipfeln in der physiologischen Wirkung des Wassers auf die Haut, 
in seinen thermischen, mechanischen und chemischen Reizwir¬ 
kungen. Die möglichst genaue Erkenntniss der physiologischen 
und therapeutischen Wirkung des gewöhnlichen Wassers bei 
innerer und äusserer Anwendung bildet nach G 1 a x die wissen¬ 
schaftliche Grundlage für die gesammte Heilquellenlehre. Schon 
durch diese Anschauung allein documentirt das Lehrbuch von 
G 1 a x seine Ueberlegenheit über andere balneologische Lehr¬ 
bücher. Der erschöpfenden Darstellung der Hydrotherapie folgt 
die Balneotherapie im engeren Sinne, die Behandlung mit den 
Heilquellen. Auch hier ist die physiologische Wirkung der Bäder 
und Trinkeuren für den Verfasser der Ausgangspunkt seiner 
Darstellung. Zahlreiche vergleichende Tabellen erleichtern die 
Uebersieht über die chemischen und physikalischen Eigenschaften 
der einzelnen Quellen. In dem Capitel Klimatotherapie finden 
wir eine Schilderung aller derjenigen Factoren, welche beim 
Klima von Einfluss auf den menschlichen Organismus sein 
können, die Wirkung des Feuchtigkeitsgehalts der Luft, des Luft¬ 
drucks, der Wärme, der Besonnung, der Luftbewegung genau 
berücksichtigend. Ein grosser Vorzug dieser und anderer Ca¬ 
pitel ist es, dass das Material in so übersichtlicher Weise geordnet 
ist, dass es trotz der grossen Fülle an verarbeitetem Stoff sehr 
leicht ist, sich über bestimmte Fragen zu orientiren. 

Ganz besonderes Interesse, weil in der Art seiner Bearbei¬ 
tung originell und anregend, bietet der II. Band des G 1 a x’schen 
Lehrbuches. Wenn der praktische Arzt die Hydrotherapie, die 
Balneotherapie und Klimatotherapie etwas stiefmütterlich zu 
behandeln pflegt, so hat dies vielleicht vielfach seinen Grund 
darin, dass ihm ein Lehrbuch fehlte, in welchem er analog der 
internen und chirurgischen Therapie für jede Krankheit genau 
fixirte hydropathisehe und baineotherapeutische Indicationen 
aufgestellt findet. Gerade diese Lücke füllt G 1 a x in wirklich 
dankenswerther Form durch den I. Theil seines II. Bandes, die 
baineotherapeutische Klinik aus. 

Sämmtliche der Balneotherapie und ihren Abtheilungen zu¬ 
gänglichen Krankheiten werden namentlich aufgeführt; die 
Indicationen für die verschiedenen baineotherapeutischen Maass¬ 
nahmen werden festgestellt, die physiologische Wirkung der em¬ 
pfohlenen Therapie kritisch erörtert und genaue Vorschläge ge¬ 
macht, welche hydropathisehe Proceduren, welche Badeorte, 
welches Klima, welche Trinkcuren unter bestimmten Verhält¬ 
nissen bei der betreffenden Krankheit zu empfehlen oder zu wider- 
rathen sind; dieser Abschnitt des Buches allein würde genügen, 
um dasselbe jedem Praktiker warm zu empfehlen. Sehr werth- 
voll ist auch der 2. Theil des II. Bandes, die Balneographie.. In 
diesem Theil gibt der Verfasser in prägnanter Kürze alles wissens- 
werthe über sämmtliche einigermaassen bekannte Curorte, Bäder, 
Anstalten; dieser Theil ersetzt die vielen Bäderalmanache und 
Führer durch die Curorte, deren Bestehen meist auf eine Com¬ 
bi nation buchhändlerischer Speculanteii und annoncenzahlender 
Interessenten zurückzuführen ist und somit keine grosse Garantie 
für Vollständigkeit und Richtigkeit gewährt. Es wäre nur 
empfehlenswerth gewesen, wenn G 1 a x diesen Theil als selbst¬ 
ständigen Anhang angefügt hätte, der jedes Jahr in neu revidirter 
Ausgabe zu erscheinen hätte, da gerade bei diesem Theil eine 
sehr rasche Entwerthung zu befürchten ist. Vielleicht kann Ver¬ 
fasser bei einer 2. Auflage, die bei den grossen Vorzügen des 
Buches nicht lange auf sich warten lassen wird, eine derartige 
Trennung des wissenschaftlichen Theiles vom baineographischen 
veranlassen. Die Ausstattung des Buches ist eine vortreffliche. 

R. v. Hoesslin - Neuwittelsbach. 

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Stereoskopischer medicinischer Atlas, lierausgegeben von 
N e i s s e r. 32. Lieferung. Gerichtliche Medicin, 4. Folge, 
redigirt von L e S S e r. Leipzig. J. A. Bart h. Preis 5 M. 

Die Empfehlung der 1. bis 3. Folge (siehe diese Wochen¬ 
schrift 1899, S. 866) gilt in jeder Beziehung auch für die vor¬ 
liegende 4. Folge, welche auf 12 Tafeln mit begleitendem Text 
Erkrankungen, sowie prae- und postmortale 
Verletzungen des Halses behandelt. Die erste Tafel 
enthält Abbildungen von angeborenem, nach der Ansicht 
Lesse r\s vor Beginn der Geburt acquirirtem Larynxoedem, die 
nächste illustrirt das postmortal entstandene Larynxoedem eines 
Ertrunkenen und die dritte eine primäre Phlegmone des Kehl¬ 
deckels, welche nach kurzer Erkrankung plötzlich zum Tode 
führte. Dem Texte zu den beiden nächsten Tafeln, welche 
Blutungen im Rachen und Kehlkopfe in Folge Würgens abbilden, 
schickt L. Bemerkungen über die Verletzung von Halsorganen 
bei ärztlichen Hilfeleistungen voran. 5 weitere Tafeln bilden 
experimentell nach dem Tode mit einem runden hölzernen 
Hammer erzeugte Verletzungen der Halsorgane ab; auffallend 
und wichtig ist das postmortale Entstehen von Blutungen in den 
verschiedenen Schichten des Halses. Die beiden letzten Bilde* 1 
stellen eine Pharyngitis crouposa nach Einwirkung von Kali¬ 
lauge und eine katarrhalische Pharyngitis, croupöse Laryngitis 
und Tracheitis nach Trinken einer 50 proc. Chlorzinklösung dar. 

Dr. Carl Becker. 


Neueste Journalliteratur. 

Zeitschrift für klinische Medicin. XXXIX. Bd., 3. u. 4. Heft. 

10) Pappenheim - Königsberg: lieber Lymphaemie ohne 
Lymphdrüsenschwellung. (Ans (1er med. Klinik von Professor 
L i c h t h e i m.) 

An der Hand zweier Krankengeschichten wird die Pathogenese 
der lymphatischen Leukaemie erörtert und die N e u m a n n'sclie 
Ansicht vertreten, dass jede Art von Leukaemie, auch die lym¬ 
phatische, Folge einer hyperplastischen Knochenmarks Wucherung 
ist. Befällt der krankhafte Wachsthumsreiz zuerst oder allein die 
Milz oder Lymphdrüsen, so resultirt bloss Pseudoleukaemie. 

Die Biermer’sche (essentielle pernieiöse) Auaemie beruht 
nicht auf primärer plastischer Markveräuderung, sondern auf pri¬ 
märer Bluterkrankung, die man Im Gegensatz zu anderen schweren 
Anaemien als „kryptogenetische“ Anaemie bezeichnen könnte, mit 
secundärer ungenügender Blutneubildung im Knochenmark. 

11) Hladik-Wieu: Zur Kenntniss der Alkaleszenzbestim- 
mung in kleinen Blutmengen. (Aus dem k. k. Garnisonsspital, 
Abtheilung des k. k. Stabsarztes P i c k.) 

Zu kurzem Referate nicht geeignet. 

12) Stniuss: Untersuchungen über alimentäre, „spon¬ 
tane” und diabetische Qlykosurien unter besonderer Berück¬ 
sichtigung des Kohlehydratstoffwechels der Fiebernden und 
der Potatoren. (Aus dem städt. Krankenhaus Frankfurt, Prof. 
a . N o o r d e n.) 

Gründliche Untersuchungen der Zuckerausscheidung nach Dar¬ 
reichung von 100 g Zucker oder einer entsprechenden Menge von 
Stärke (107 g Weissbrod oder 120 g Reis) ergaben Folgendes: 

Bei 12 zu alimentärer Glykosurie disponirten Fällen Hess sich 
neben Glykosurie nach Zuckerdarreichung 8 mal auch solche nach 
Stärkedarreichung erzielen. Die in diesem Falle ausgeschiedene 
Zuckermenge blieb aber -weit hinter der nach Zuckerdarreichung 
zurück, und dauerte auch kürzere Zeit an. Längere Zeit an¬ 
haltende Kohlehydratdarreichung setzte die Toleranz für Kohle¬ 
hydrate relativ häufig herab, ein Verhalten, das die alimentäre 
Glykosurie dieser Versuchspersonen als verschieden von der 
„physiologischen Glykosurie“ erscheinen lässt. 

Die Glykosurie dreier Diabetiker wurde im Gegensatz zu den 
Beobachtungen anderer Autoren durch Stärkedarreichung mehr 
gesteigert als durch Zuckerdarreichung. 

Bei 5 Fieberkranken konnte das Auftreten alimentärer Gly¬ 
kosurie nicht bloss „e saccharo“ sondern auch „ex amylo“ con- 
statirt w r erden. 

Bei einer grossen Zahl von Potatoren fand sich Disposition 
zu alimentärer Glykosurie, so lange sie unter dem directen 
Einfluss des Alkohols standen, ln der Abstinenzzeit verschwand 
sie. In 5 (von 20) Fällen bestand bei Alkoliolexcessen „spontane 
Glykosurie“ (Zuckeraussclieidung nach gemischter Nahrung). In 
wie Aveit hiebei reine Alkoholwirkung in Frage kommt, in Avie weit 
eine bestehende Polyurie, die Schädigung des Nervensystems oder 
specifische Stoffwechselvorgänge bei Deliranten ist noch nicht zu 
entscheiden. 

Bei einem zu alimentärer Glykosurie disponirtem Alkohol¬ 
epileptiker wurde die Toleranz für Kohlehydrate direct nach einem 
epileptischen Anfall als erhöht gefunden. 

Verfasser ist geneigt, die alimentäre Glykosurie ex amylo von 
der e saccharo nicht principiell, sondern nur graduell Abschieden 
anzunehmen und beide als mildeste Erscheinungsformen einer echt 
diabetischen Glykosurie aufzufassen. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



332 


No. 10- 


MÜNCHENKE MEIUCIN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


13) W e li e k e b a c h - Utrecht: Zur Analyse des unregel¬ 
mässigen Pulses. (Fortsetzung von Bd. 37, p. 475.) III. Ueber 
einige Formen von Allorhythmie und Bradycardie. (Mit 1 Tafel.) 

Unter Allorhythmie versteht man die regelmässige Wieder¬ 
kehr von Unregelmässigkeiten in einer rhythmischen Bewegungs¬ 
form. Echte Ilerzallorliythmien — der Pulsus paradoxus rührt von 
einem Einfluss der Athmung her und gehört nicht hielier - sind 
der Pulsus alternans und higeminus. Die lntermissionen, welche 
in diesem Falle nach jedesmal 2 Pulsscldiigen Auftreten, können 
sich auch häufen, es können 2, 3 und noch mehr Intermissiouen 
auf einander folgen. Tritt endlich nach jeder Pulswelle eine Inter¬ 
mission auf, so entsteht eine reine Bradycardie. Eine noch stärkere 
Abnahme des Leitung«Vermögens für motorische Reize, Ausfallen 
von 2 oder 3 Systolen, liegt in der Stokes-Ada m s* scheu 
Krankheit vor (anfallweises Auftreten excessiver Bradycardie). 
Einige Fälle von intormittirendem Puls und Bradycardie werden 
spliygmogrnpliiseh analysirt. 

14) Suleiman B e y - Constantiuopel: Zur physiologischen 
Chemie der Pentosen und Methylpentosen. (Aus der I. med. 
Klinik Berlin, Geh. Rath v. Leyden.) 

Besprechung einiger neuer Verbindungen der Pentosen, ihrer 
Reindarstellung als Baryiimdipeutosate und ihrer Trennung von 
Rhamnose (einer Methylpentose). 

15) Axel Johannesse n : Ueber chronischen Gelenk¬ 
rheumatismus und Arthritis deformans im Kindesalter. (Mit 
1 Tafel.) (Aus der paediatr. Klinik Christianin.) 

Nach einer Einleitung, in der die historische Entwicklung der 
Diagnostik der chronischen Gelenkkrankheiten dargestellt wird, 
bringt Verfasser 3 ausführliche Krankengeschichten, die durch 
Curven, Photographien und Röntgenogramme illnst rirt sind und auch 
zum Theil Stoffwechselversuche und Bestimmungen der Phosphor¬ 
säureausscheidung enthalten. Die Fälle sind ein werthvoller Bei¬ 
trag zur Differentialdiagnostik der Arthritis deformans und des 
chronischen Gelenkrheumatismus. 

10) B u r m i n - Moskau: Die Alkaleszenz des Blutes bei 
einigen pathologischen Zuständen des Organismus. 

Verminderung der Blutalkalesceuz findet sich vor Allem bei 
Chlorose, dann bei den verschiedensten anderen Krankheiten, meist 
— aber durchaus nicht immer — solchen, die mit Anaemie einher¬ 
gehen. Nach Trinken von Vichywasser wurde Steigerung der Blut- 
alkalescenz beobachtet. 

17) Kritiken und Referate. 

K e r s c h e n s t e i n e r - München. 

Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie. 

Band III, Heft 8. 1900. 

1) Heinrich K i s c h - Prag-Marieubad: Die diätetische Be¬ 
handlung der Frauen im Alter der Menopause. 

Bei den Beschwerden des Klimakteriums, deren Ursache theils 
in Circulationsstörungen mit dem Charakter der Blutstockung 
und Blutwallung, theils in Affectionen des Nervensystems mit den 
Symptomen leichter Sensibilitätsstörungen, Neuralgien und selbst 
psychischer Erkrankungen zu suchen ist, fällt der Ernährungs- 
therapie eine dankbare Aufgabe zu. 

Iv. verbietet Im Allgemeinen jede Ueberernährung. Die Diät 
muss reizlos sein, am besten bestehend in einer gemischten Kost. 
Alkohol, starker Kaffee und Tliee Ist zu vermeiden, viel Wasser¬ 
genuss empfehlenswerth. Die Mahlzeiten sollen nicht zu reichlich, 
aber öfters genommen werden. 

Bei Neigung zur Fettleibigkeit ist eine gelinde, entfettende 
Verordnung angezeigt. 

Auf die Regulirung der Darmthätigkeit ist grosses Gewicht 
zu legen. 

Bei sehr gesteigerten klimakterischen Beschwerden ist eine 
nicht zu streuge Milchdiät indicirt. 

Nervösen Erregungszuständen gegenüber erweisen sich warum 
Bäder als zweckmässig. 

2) F. Butter sack: Der Werth der Beschäftigung in der 
Krankenbehandlung. (Beschäftigungstherapie.) (Aus der I. medi- 
einischen Klinik zu Berlin.) 

Mit bewunderungswürdigen medicinisch-historisclien Kennt¬ 
nissen sucht B. sowohl von physiologischen wie psycho¬ 
logischen Gesichtspunkten aus in einer sehr lesenswerthen Ab¬ 
handlung den Beweis zu erbringen, dass eine stärkere Betonuug der 
psychischen Behandlung, namentlich aber eine rationelle Be¬ 
schäftigung und psychische Ablenkung der Kranken eine nicht zu 
unterschätzende Aufgabe der Therapie ist, während wir bisher uns 
bei der die gesummten Functionen des Organismus lierabstim- 
menden Langweile eines grossen Vortheils iu der Behandlung von 
Kranken und Reconvalescentcn begaben.' 

Verfasser schildert dauu den auf seiner Station mit Erfolg 
eingeführten Modus der Krankenbesehäftiguug. 

3) Basler- Tübingen: Die blutreinigende Diät bei Galen 
(n cgi Xertrw o »* arje dtaltijf.) 

„Erst durch die Erforschung der Vergangenheit lernen wir das 
Neue verstehen.“ 

Von diesem aus dem Chinesischen stammenden Spruche ge¬ 
leitet entrollt uns B. auf Grund eingehenden Quellenstudiums ein 
Bild von den physiologischen, pathologischen und pharmako- 
dynamischen Anschauungen der Alten. 

4) A. F r e y - Baden-Baden: Die Heissluftdouche und ihre 
Bedeutung in der Aerotherapie. 

Verfasser beschreibt einen von ihm construirten elektro¬ 
motorisch functionirenden Apparat, mit dem man jeden beliebigen 

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Körpertheil einem genau regulirbarem Strome heisser und auch 
kalter Luft aussetzen kanu. 

Diese Vorrichtung hat abgesehen von der bequemen Art der 
Anwendung vor den übrigen Heissluftapparaten den Vorzug, dass 
unter dem Einflüsse der stark zuströmenden und dadurch fort¬ 
während erneuerten heissen Luft die Wärmezufuhr auf der be¬ 
handelten Stelle ungleich grösser ist, als bei der Einwirkung nicht 
so bewegter Luft. 

Unter der Hitzeeinwirkung tritt zuerst Blässe, dann starke 
Hyperaemie, Succulenz, Schlaffheit und Volumenszunahme des 
betreffenden Körpertheiles ein. Mit der Hauttemperatur steigt da¬ 
selbst die Schweisssecretiou. In Folge der Erschlaffung der Haut¬ 
decken tritt eine Erweiterung der tiefergelegenen Blut- und Lyrnph- 
bahnen ein. 

Eine gerade unter diesen Bedingungen gleichzeitig mit der 
Luftdouche geübte Massage hat sich dem Verfasser bei alten rheu¬ 
matischen und gichtischen Veränderungen, Neuralgien vorzüglich 
bewährt. 

5) August lt i c li t e r - Münster: Beiträge zur Behandlung 
des chronischen Magengeschwürs. 

Im Anschlüsse an die Mittheilung eines casuistisehen Falles 
schwerer Magenblutung bei einer Bluterin bespricht Verfasser die 
von ihm in Fällen von Magengeschwüren (Ungeschlagene Therapie: 
speciell in dem erwähnten Falle hat Verfasser eine längere Zeit 
fortgesetzte, aber immer wieder periodenweise durch Milchzufuhr 
per os unterbrochene, rectale Ernährung mit bestem Erfolge 
angewendet. 

0) A. Brasch-Bad Kissingen: Ueber die chemische Con¬ 
stitution und Wirkung der anorganischen Salzlösungen nach 
den Theorien der modernen Chemie. 

Verfasser vertritt die Ansicht, dass die Wirkung anorganischer 
Salzlösung, wie der Mineralwässer, nicht lediglich wie bisher vom 
elementaranalytisehen Standpunkt aus betrachtet werden darf, 
sondern dass bei der Erforschung ihres Einflusses auf den mensch¬ 
lichen Organismus vor Allem «las physikalisch-chemische Verhalten 
derselben einer eingehenden Würdigung bedarf. 

Nach neueren Untersuchungen nämlich beruhen sämmtliche 
Reactionen anorganischer Salzlösungen auf der elektrolytischen 
Dissociat ionskraft ihrer Molecule, welche im umgekehrten Verhält¬ 
nis» zur Uoncentration der Lösungen steht. Die Concentrations- 
einheit zu vergleichender Flüssigkeiten ist aber keine willkürliche, 
sondern muss dem Aequivalentgewichte des betreffenden Salzes 
entsprochen. 

B. sucht nun zu beweisen, dass die Resorption dieser Lösungen 
im Magendarmciinal und die Wirkung auf die Körperfuuctiouen 
von der Anzahl und Beschaffenheit der durch elektrolytische 
Dissocial Ion entstehenden freien Moleciilo — Jonen — ab¬ 
hängig ist. 

Auf Grund dieser Voraussetzungen glaubte er sich in theore¬ 
tischer Deduction zu einem Vergleiche der therapeutischen Wirkung 
des Kissingor Rakoczy mit der des Karlsbader Sprudels berechtigt. 

M. W a s s e r m ann - Berlin. 

Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 6, 7 u. 8. 

No. (». L. Hofbauer: Ueber das Vorkommen jodophiler 
Leukocyten bei Blutkrankheiten. (Aus der II. med. Klinik in 
Wien.) 

Nur in den schweren, prognostisch ungünstigeren Fällen 
(Anaemia gravis und perniciosa) Anden sieh jodopliile Leukocyten. 
während iu den leichteren Fällen (Chlorose, Anaemie etc.) dieselben 
fehlen. Bis zu einem gewissen Grade scheint die Intensität der 
Jodreactiou der Schwere der Erkrankungen parallel zu gehen, in¬ 
dem einerseits bei der pernieiösen Anaemie und den ad exitum 
führenden Fällen von Anaemia gravis gegen das Lebensende zu 
die jodempfiudliehen Leukocyten erst auftreten, resp. an Zahl zu¬ 
nehmen und auch ausgesprochenere Färbung aufweisen, anderer¬ 
seits bei Uebergang einer Anaemia gravis iu Heilung die Jod- 
reaetion zeigenden Leukocyten aus dem Blute verschwinden. Es 
kommt mithin der Jodreactiou im Blute Anaemiseher nicht bloss 
eine differentialdiagnostische, sondern auch bis zu einem gewissen 
Grade eine prognostische Bedeutung zu. 

Bei der Leukaemie ist die Jodreaction der Leukocyten positiv, 
bei der Tseudoleukaemie und Anaemia pseudoleukaemiea in¬ 
fantum negativ. 

No. 7. G. R o s e n f e 1 d - Breslau: Untersuchungen über 
Kohlehydrate. (I. Mittheilung.) 

Verfasser berichtet über Versuche, welche Veränderungen 
einige bisher wenig studirte Alkohole, Säuren und Derivate im 
Organismus erfahren. (Hexosen, Hexite. Pentacetylderivate.) 
Die Ergebnisse sind Im Original nachzusehen. 

No. 8. Jul. A. Grober: Quantitative Zuckerbestimmungen 
mit dem Eintauchrefractometer. (Aus der medicinischen Klinik 
in Jena.) 

Vergl. das Referat iu No. 8, S. 302. W. Zinn- Berliu. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 8. 

1) A. F li n k e - Strassburg 1. E.: Belastungstherapie bei 
Retroflezio uteri gravidi. 

F. empfiehlt die schon früher von ihm gegen chronisch-ent¬ 
zündliche Beekenorganaffectionen und Lageveränderungen ver¬ 
wendete Belastungstherapie mittels Schrotbeutel oder Queeksilber- 
kolpeurynter auf Grund von 5 Fällen auch zur Beseitigung des 
retroflectirten schwangeren Uterus. Im letzten Falle war schon 
nach einer halben Stunde der Uterus vollkommen aufgerichtet. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


333 


Als Vortheile der Methode nennt F. Sicherheit, Unschädlich¬ 
keit und Entbehrlichkeit der Narkose. 

2) O. Schaef fer - Heidelberg: lieber Zerreissung des 
Scheidengewölbes sub coitu und andere seltenere Cohabitations- 
verletzungen. 

Die zuerst erwähnte Verletzung beobachtete Sch. bei einer 
40 jährigen hysterischen I. Para, die an Vaginismus und Pruritus 
litt Der Riss, 2y 3 cm tief und 4 cm lang, sass rechts in der 
Scheide und befand sich unter der Basis des rechten Lig. latum. 
Umstechung und Naht der Wunde. Während der Operation trat 
plötzlich eine allgemeine Urticaria auf. Heilung. 

Von sonstigen CohabitationsVerletzungen erwähnt Sch. die oft 
zufällig gefundenen Narbeusträuge im oberen Tlieil der Scheide, 
die besonders bei auaemischen und decrepiden Frauen Vorkommen 
und von denen Sch. 5 Fälle citirt. Ferner berichtet Scli. über die 
I.osreissung der hinteren Basis des Hymens und Verletzungen des 
rectovaginaleu Septums, endlich über Verletzungen vorderer Com- 
missurentheile, vor Allem der Nymphen, die in Verbindung mit 
einem abnorm resistenten Hymen stehen. 

Alle diese Verletzungen haben speeiell auch ein forensisches 
Interesse; es soll bei derartigen Untersuchungen ausser der In-, 
spection noch auf Krampferscheinungen der Beckeiibodenmuscu- 
latur au der nicht narkotisirten Patientin geachtet werden. 

3) M. Sperling - Königsberg: Wöchnerinnenasyl und Re¬ 
form der Geburts- und Wochenbettshygiene. 

Sp. schlägt als Bindeglied zwischen den Wöchueriunenasylen 
und den Hebammen die Einführung geburtshilflich antiseptisch ge¬ 
schulter Helferinnen vor, die sich aus den gebildeten Ständen re- 
crutiren und als Hauspflegerinneu fungiren sollen. Nähere Ein¬ 
zelheiten mögen im Original nachgelesen werden. 

J a f f 6 - Hamburg. 

Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. 

Bd. XXXII, Heft 3. 

Ascher: Untersuchungen von Butter und Milch auf 
Tuberkelbacillen. 

27 Proben Butter von 22 Entnahmestellen in Königsberg 
liessen 2 mal Tuberkelbacilleu bei Thierimpfung auffinden, nie 
die tuberkelbacillenähnlichen Stäbchen. Von 17 Milchuntersuch¬ 
ungen war eine positiv. Bei den Untersuchungen wurde stets 
Milch verwendet, die bei den ersten Melkstrichen erhalten war. 

W. Hesse: Die Typhusepidemie in Löbtau im Jahre 1899. 

Die Epidemie wurde anf die Infection der einen städtischen 
Wasserversorgung zurückgeführt. Die Krankheit beschränkte 
sich fast durchaus auf dieses Gebiet der Stadt. Im Wasser 
wurden keine Typhusbacterien aufgesucht, aber die Gruber- 
W i d a l’sche Probe sehr brauchbar zur Diagnose zweifelhafter 
Typhusfälle gefunden. 

Gerda Troeli-Peterson: Studien über saure Milch 
und Zähmilch. 

Die Verfasserin referirt ihre Arbeit wie folgt: Der in Schweden 
gewöhnlich vorkommende Erreger der spontanen Milchgerinnung 
zeigt mit den von S t a r c k in Dänemark, Günther und Thie r- 
felder, Leichmann und W e i g m a n n in verschiedenen 
Theilen von Deutschland studirten Sauermilchbacterien so grosse 
Uebereinstimmung der Eigenschaften, dass ich es für berechtigt 
halte, die betreffenden Bacterien als eine Collectivart zu be¬ 
trachten, die ich nach Leichmann Bacterium lactis acidi 
nenne. Das Bacterium der schwedischen Zähmilch, Langmilch 
(„langmjölk“ oder „tätmjölk“), Bacterium lactis longi, ist mit dem 
Bacterium lactis acidi nahe verwandt. Es unterscheidet sich von 
diesem, so viel durch meine Untersuchungen ermittelt worden 
ist, nur biologisch und zwar besonders durch die eigenthümliche 
Art von Gährung, welche in Milch und in gewissen anderen 
zuckerhaltigen Nährböden hervorgerufen wird. 

Reinculturen vom Bacterium lactis acidi wie vom Bacterium 
lactis longi erzeugen in steriler Milch eine Milchsäuregährung, 
wobei die rechtsdrehende Form der Milchsäure gebildet wird. 

Die Intensität dieser Gährung wird in beiden Fällen von der 
Gegenwart de^ Sauerstoffes nicht beeinflusst. 

Heinrich Winterberg: Untersuchungen über das 
• Typhusagglutinin und die agglutinirbare Substanz der 
Tuberkelbacillen. 

1. Das Typhusagglutinin wird durch absoluten Alkohol zu¬ 
sammen mit den Eiweisskörpern vollkommen gefällt und bei 
längerer Einwirkung des Alkohols theilweise oder vollständig 
vernichtet. 

2. Durch Neutralsalze kann das Typhusagglutinin aus seinen 
Ixisungen mehr oder weniger vollständig ausgesalzen werden, wo¬ 
bei im Allgemeinen ein den Globulinen ähnliches Verhalten zu 
constatiren ist. Doch bestehen hinreichende Unterschiede, weiche 
gegenüber der Gesammtheit der al£ Globuline bezeichneten Körper 
eine Differenzirung gestatten. Einzelne dieser Salze sind im 
Stande, das Typhusagglutinin beträchtlich zu schädigen oder zu 
zerstören. 

3. Aehnlich wirken die Salze der Schwermetalle, welche das 
Typhusagglutinin fällen, wobei aber letzteres im Ueberschusse 
des Fällungsmittels wieder in Lösung geht 

4. Gegenüber der Einwirkung von Säuren oder Alkalien ist 
das Typhusagglutinin ausserordentlich empfindlich. 

5. Eine Verdauung desselben durch thierische oder pflanzliche 
Verdauungsfermente ist nicht nachweisbar. 

6. Auch eine Reihe von zum Theil kräftige proteolytische 
Enzyme producirender Bacterien vermögen das Typhusagglutinin 
nicht zu zerstören. 

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7. Bei der Dialyse verhält sich das Typhusagglutinin wie 
andere colloide Stoffe. 

8. Die agglutinirbare Substanz ist in absolutem Alkohol nicht 
löslich. 

9. Die Entstehung des Typhusagglutinius im Thierkörpet* ist 
abhängig von der Einverleibung der in Alkohol unlöslichen Theile 
der Typhusculturen, auch wenn letztere keimfrei gemacht worden 
sind. 

Emil Gotschlich: Ueber wochenlange Fortexistenz 
lebender virulenter Pestbacillen im Sputum geheilter Fälle von 
Pestpneumonie. 

Die 3 vom Verfasser genau untersuchten Fälle beweisen voll¬ 
kommen, wie gefährlich lange Zeit hindurch geheilte Fälle von 
Pestpneumonie für die Umgebung sein können unter der Voraus¬ 
setzung , dass die Virulenz für Menschen die gleiche ist wie für 
Meerschweinchen. 

Alfons Fischer: Welchen praktischen Werth hat die 
W i d a l’sche ReactionP 

Die Arbeit gipfelt in dem Satz: Nach den in der Literatur vor¬ 
liegenden ein wandsf reieu Mittheilungen, sowie nach meinen eige¬ 
nen Erfahrungen, ist dieWidal’sche Reaction zwar ein beim Typhus 
abdominalis häufig verkommendes Phänomen, es ist ihr aber nur 
der Werth eiues Symptomes, nicht einer differentialdiagnostisch 
entscheidenden Probe beizumesseu. 

M e w i u s : Die W i d a l’sche Reaction und der Abdominal¬ 
typhus. 

Der Verfasser wünscht möglichste Ausdehnung der Prüfling 
der Typhusfülle, vor Allem auch der typhusverdächtigen Fälle 
nach der W i d a l’schen Reaction. Er verlangt Uutersuchungs- 
äinter, die den Kreismedicinalräthen unterstellt sein sollen. 
Warum keine Vermehrung der Hilfskräfte der hygienischen In¬ 
stitute? 

Fritz Schanz : Der sogenannte Xerosebacillus und die un¬ 
giftigen Löffle r’schen Bacillen. 

Der Autor sucht zu beweisen, dass die Xerosebaciilen nichts 
anderes als ungiftige Löffle r’sche Bacillen seien. 

S 1 a w y k : Ein Fall von Allgemeininfection mit Influenza¬ 
bacillen. 

„Der ganze Körper war von Bacillen durchsetzt, am stärksten 
war Gehirn und Rückenmark befallen.“ Bei der Section fanden 
sich keine anderen Infectionserreger als Influenzabacillen. 

Rudolf Abel und Paul Buttenberg: Ueber die Ein¬ 
wirkung von Schimmelpilzen auf Arsen und seine Ver¬ 
bindungen. Der Nachweis von Arsen auf biologischem Wege. 

Die ausführliche und eingehende Arbeit, welche auch die ge¬ 
summte Literatur berücksichtigt, bestätigt die in neuerer Zeit 
mehrfach studirte hohe Empfindlichkeit des biologischen Arsen¬ 
nachweises durch den Geruch nach Arsen Wasserstoff resp. orga¬ 
nischen flüchtigen Arsenverbindungen. Llan mischt die zu unter¬ 
suchende Substanz mit sterilisirtem Brotpulver, befeuchtet das 
letztere, und säht Schinimelsporen — am besten von Penicillium 
brevicaule aus. Minimale und sehr grosse Arsenmengen sind 
durch den Geruch einwandfrei zu erkennen, alle üblichen Arsen- 
verbindungen noch, wenn nur l / 100 mg Arsen anwesend ist, nur 
metallisches Arsen erst bei y 10 . Die Methode erwies sich in 
manchen Fällen sogar feiner als die empfindlichen chemischen 
Prüfungsmethoden. Kein anderes Element lieferte ähnlichen Ge¬ 
ruch, die Methode erlaubt sehr viele Bestimmungen gleichzeitig 
anzusehen und gibt nach 24 Stunden im Brutschrank ein sicheres 
Resultat. Sie ist also für die Praxis sehr empfehlenswerth. Eine 
deutliche Giftigkeit der offenbar nur in Spuren entwickelten arsen¬ 
haltigen Gase liess sich nicht darthun, sie eignet sich auch nicht 
zu Quantitativen Untersuchungen. 

K. B. Lehmann -Würzburg. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 9. 

1) E. G r a w i t z - Berlin: Die klinische Bedeutung und ex¬ 
perimentelle Erzeugung körniger Degenerationen in den rothen 
Blutkörperchen. 

Cfr. Referat hierüber pag. 168 der Münch, med. Wochenschr. 
1900. 

2) A. Winternitz - Tübingen: Bacteriologische Unter¬ 
suchungen über den Keimgehalt und die Sterilisirbarkeit der 
Bürsten. 

Besonders Schleich sprach sich in letzter Zeit gegen die 
Verwendung von Bürsten aus, wesshalb W. neue Untersuchungen 
über dieses Thema anstellte. Nicht sterilisirte Bürsten erwiesen 
sich immer als keiinhaltig; Verfasser hat nun Bürsten künstlich 
mit Bacterien beladen, dieselben dann 10 Minuten lang in 1 proc. 
Sodalösung ausgekocht, w*obel sich ergab, dass sie in allen ihren 
Theilen keimfrei geworden waren. Ausgekochte Bürsten bleiben 
in 1 proc. Sublimatlösung aufbewahrt steril. 

3) J. H e 11 e r - Charlottenburg: Beiträge zur Syphilis der 
Zungentonsille. 

H. hat 205 Fälle secundärer Syphilis auf das Vorhandensein 
syphilitischer Veränderungen der Zungeutonsille untersucht und 
constatirte solche sicher in 9,7 Proc., häufiger bei Frauen als bei 
Männern. Die Plaques der Mundschleimhaut sind 5 mal so häufig 
wie die der Zungentousille. Am häufigsten fanden sich zahlreiche 
Papeln auf letzterer, die aber nie subjective Beschwerden ver¬ 
ursachten. Der specifisclien und localen Therapie widerstanden 
diese Papeln lange Zeit; wirkungslos waren Jodpräparate. Die 
glatte Atrophie der Zungentonsille stellt Verfasser in eine gewisse 
Parallele zum Ausfall der Kopfhaare bei secundärer Lues. Die Er¬ 
krankung kommt übrigens auch bei tertiärer und hereditärer 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Ko. 10. 


384 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Syphilis vor. Die Diagnose ist zu stellen durch Spiegeluntersuchung 
und hauptsächlich mittels Palpation mit dem Finger. Die glatte 
Atrophie der Zungentonsille ist durchaus kein pathognomonisches 
Zeichen für Syphilis, doch steht letztere nach den anatomischen 
Befunden sicher in Beziehung zu der Affection. 

4) P. B a u m g a r t e n - Tübingen: Zur Lehre von den natür¬ 
lichen Schutzmitteln des Organismus gegenüber Infectionen. 

Der umfängliche, „zugleich als Antwort an Herrn Professor 
II. Büchner“ dienende Artikel eignet sich nicht zu kurzem Aus¬ 
zuge. Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 8. 

1) Max A uerbach: Das Olive r-C ardarell i’sche 
Symptom bei zwei Fällen von Mediastinaltumor. (Aus der ersten 
innen.!. Abtheilung des städtischen Krankenhauses am Urban 
in Berlin.) 

Systolisches Abwärtspulsiren des Kehlkopfs wurde bekannt¬ 
lich von Oliver und Canlarelli als charakteristisches Sym¬ 
ptom eines Aneurysmas des Aortenbogens bezeichnet. Unter ge¬ 
wissen Verhältnissen kann dieses Symptom aber auch bei anderen 
Mediastinaltumoren zu Stande kommen, wie Fraenkel schon 
früher nachgewiesen hatte und wie auch die beiden hier beschrie¬ 
benen Fälle: primäres Magencarcinom mit Metastasen in den 
mediastinalen Lymphdrüsen und Bronchialen rcinom ebenfalls 
mit Metastasen, bestätigen. 

2) Hans H e r z - Breslau: Heber die active Dilatation 
des Herzens. (Schluss folgt.) 

3) J. Boas-Berlin: Erfahrungen über das Dickdarm- 
caicinom. 

(Schluss aus No. 7 der Deutsch, med. Wochensclir.) 

Referat siehe diese Wochenschr. 1899, No. 49, pag. 1662. 

4) W. Nathan- Elberfeld: lieber die Aufnahme und Aus¬ 
scheidung des Eisens der Eisensomatose im thierischen Or¬ 
ganismus. 

Aus den Untersuchungen, welche durch eine Tafel mit mikro¬ 
skopischen Abbildungen sehr schön illustrirt sind, geht hervor, 
dass bei Darreichung von Eisensomatose eine sehr starke Re- 
soiption durch die Zotten und Lymphstrünge im Dünndarm statt¬ 
findet. Eine Aufnahme von Eisen durch die Gefässbahnen ist 
ist zwar nicht direct nachweisbar, doch sehr wahrscheinlich. Im 
Dickdarm konnte ebenfalls eine deutliche Ausscheidung von Eisen 
durch die Leukoeyten constatirt werden. 

5) II a b e r m a n n - Wismar: Mittheilungen aus der Praxis 
über Aspirin. 

6) F. Reiche: Beiträge zur Statistik des Carcinoms. 

(Schluss aus No. 7 der Deutsch, med. Wochenschr.) 

F. Lacher- München. 

Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg. 

No. 4. 

Johannes S e i t z - Zürich: Darmbacterien und Darmbacterien- I 
gifte im Gehirn. (Schluss folgt.) 

Tavei-Bern: 2 Fälle von Tetanus, mit Antitoxin be¬ 
handelt. (Mittheil, aus dem Institut zur Erforschung der Infec- 
tionskrankheiten in Bern.) 

Ein sehr acuter Fall blieb, wie erwartet, unbeeinflusst, ein 
etwas chronisch verlaufender wurde geheilt (Koche r’s Klinik). 

R i n g i e r - Zürich: Der heutige Standpunkt der Hypnoti¬ 
seure. Einige Worte zur Erwiderung an Dr. D u b o i s. (Cf. 
letzte Nummer des Corr.-Bl.) 

Verwahrung gegen D u b o i s’ Urtheil über die „modernen 
Hypnotiseure“. 

Von Interesse ist („cautonale Correspondenzen“) die Eingabe 
des Graubündnerischen Aerztevereins an die Regierung gegen die 
Praxisbewilligung an Ausländer. Pise hinge r. 

Dermatologie und Syphilis. 

Hallopeau spricht sich in einer zweiten Mittheilung über 
Pyodermite v6g6tante (suppurative Form der Neuraau u’sehen 
Krankheit) [Arch. f. Dermat. u. Syph. 45, 3] unter anderem sich 
stützend auf den weiteren Verlauf des von ihm beobachteten Falles, 
hinsichtlich der Stellung dieser Fälle im System dahin aus, 
«lass der Pemphigus vegetans N euma n n’s eine Krankheit sui 
g«»neris sei, die mit wirklichem Pemphigus nichts zu thuu hat; er 
schlägt daher auch vor, insolange Ursache und Wesen dieser Er¬ 
krankung noch nicht genügend aufgeklärt sind, den Namen Pem¬ 
phigus vegetans fallen zu lassen und statt dessen von einer ,,N e u - 
man n'schen Krankheit“ zu sprechen. (Ref. kann dem nicht bei¬ 
pflichten. Es ist gewiss nicht zu bestreiten, dass über die Auf¬ 
stellung eines einheitlichen Krankheitsbegriffes „Pemphigus“ be¬ 
rechtigte Zweifel vorhanden sein mögen, anderseits aber ist der 
Krankheitstypus „Pemphigus vegetans“ ein jedem Fachmann ge¬ 
nügend geläufiger geworden, dass es kaum angängig erscheint, 
unsere überreiche Nomenclatur mit einem neuen Namen zu be¬ 
reichern.) 

W i s n i e w s k i (Arch. f. Derm.45, 3) kommt auf Grund 
klinischer Beobachtungen und histologischer Untersuchungen zu 
dem Schlüsse, dass das Angiokeratoma M i b e 11 i’s nur auf dem 
Boden einer Gefässparese erscheint (meist nach PernUrnen). Die 
Erweiterung der Gefässe nimmt im Cent rum den Charakter von 
Capillaraneurysmen an. Die Folge dieser Gefüsserweiterung und 
Stase sind Ernährungsstörungen, welche die constant vorkommende 
Hyperplasie des Stratum corneum bewirken. 

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Brock (Arch. f. Denn. 45, 3) gelangt auf Grund kritischer 
Prüfung früherer Untersuchungen, wie auch auf der Basis eigener 
Experimente zu folgender Stellungnahme ln der Frage des Re- 
sorptionsvermögens der Haut: 1. Lösliche, nicht flüchtige Sub¬ 
stanzen können von der Haut aus durch die kataphoretische Wir¬ 
kung des galvanischen Stromes zur Resorption gebracht werden. 
2. Von flüchtigen Substanzen vermögen sicher einzelne die normale 
Haut zu durchdringen. 3. Für alle anderen chemischen Körper 
kann die Haut nur nach Veränderung ihrer Structur als Eingangs¬ 
pforte In den Organismus dienen. 

Aus den Untersuchungen Kopy towski's Ueber Gono- 
coccenbefunde in dem Genitalsecret Frostituirter (Arch. f. Denn. 
45, 2) ergibt sich als praktischer Schluss, dass der Sitz der gonor¬ 
rhoischen Infection bei Frauen der Urethralcanal, resp. die 
Bartholini’sclien Drüsen sind und ferner, dass seitens der 
Polizeiärzte bei Absendung der Prostituirten an das Hospital dem 
Urethralsecret und dem Secret aus den Bartholin i’schen 
Drüsen mehr Beachtung zu schenken ist, als dem Vaginalsecret. 

Ebner (ebenda) bringt einen casuistisch-statistlschen Bei¬ 
trag über das Vorkommen des luetischen Primäraffectes an den 
oberen Luftwegen. 

Merk (ibid.) bespricht einen Fall von Sarkomatosis cutis 
(Rundzellensarkom mit Metastaeirung), den er wesentlich nach der 
histologischen Seite hin zu bearbeiten in der Lage war und gibt 
aus diesem Anlass einen kurzen historischen Rückblick über die 
in neuerer Zeit lebhaft besprochene Systematisirung der cutanen 
Sarkomatose, um sich dann über die Pigmentbildung (Blutstauung) 
und die Metastasirung (durch rückläuligen Transport auf dem 
Wege der Lymphbahnen) zu verbreiten. 

Histopathologische Untersuchungen über die Jodakne, über 
welche G i o v a n n 1 n i (Arch. f. Derm. 45, 1) berichtet, lassen diese 
Affection in ihren kleineren Formen als eine acute eitrige, ober¬ 
flächliche Folliculitis und Perifolliculitis erscheinen, welche den 
Haarbalg betrifft. Die Talgdrüsen erkranken, wie dies bereits 
C. P e 111 z a r i beobachtet hatte, nur secundär. 

B e n z 1 e r kommt in einer Arbeit über Sterilität und Tripper 
(ibid.) zu dem Schlüsse, dass die absolute Sterilität beim einfachen 
Tripper durch die Complication mit einseitiger Hodenentzündung 
auf 23,4 Proc. und bei doppelseitiger Hodenentzündung auf 
41,7 Proc. steigt, und die Gesammtsterilitüt auf 36,9 Proc. bei ein¬ 
seitiger und auf 62,5 Proc. bei doppelseitiger Hodenentzüudung sich 
stellt. Ob diese Unfruchtbarkeit aber durch Sterilisirung des 
Mannes, oder, was für B. das Wahrscheinlichere ist, durch Sterili¬ 
sirung der Frau auf Grund der Tripperinfection bedingt ist, bleibt 
zweifelhaft. Jedenfalls sieht sich B. veranlasst, seine frühere Be¬ 
hauptung, dass von 100 Männern, welche eine doppelseitige Hoden- 
entzündung Überstunden haben, noch fast 77 Chancen haben, 
Kinder zu bekommen, wenn sie eine conceptionsfäbige Frau hei- 
rathen, wesentlich zu modifleiren.. 

H j e 1 m m a n (ibid.) bringt einen neuen Beitrag zur Kennt- 
niss der Persistenz der histologischen Gewebsveränderungen bei 
Syphilis in Untersuchungen, welche durchaus geeignet sind, die 
Ansicht N e u m a n n’s, dass die tertiären Affeetionen durch die 
Entwicklung von Entzündungsproducten, die sich von der Secundär- 
periode her datiren, verursacht werden, zu unterstützen. H. hält 
diese Befunde auch für solche von grosser praktischer Bedeutung, 
da sie gestatten, Schlussfolgerungen in Bezug auf die Behandlung 
der Syphilis zu ziehen, ln dieser Richtung betont Verfasser die 
NothWendigkeit, die speciflsehe Behandlung besonders in der 
ersten Cur sehr energisch zu gestalten und plaidirt des Weiteren 
energisch für die von Fournier, Neisser u. A. empfohlene 
chronlsch-intermittirende Behandlung. 

Ueber die Resultate mit dem Eoc h’schen Tuberculin R 
bei Lupus und Skrophuloderma kann Adrian aus der Wolf f- 
sclien Klinik in Strassburg i. E. nur wenig befriedigende Daten 
geben. Wohl glaubt er, dass der chirurgische Eingriff neben der 
Anwendung des neuen Tuberculins einer der Wege sei, die bislang 
schleppende und unzulängliche Therapie tubereulöser Haut- 
affeetionen wesentlich zu bereichern und die Heilerfolge zu unter¬ 
stützen. A. macht selbst die Einschränkung, dass die sehr spär¬ 
lichen Resultate möglicher Weise ebenso, wie oft bedeutende Ge¬ 
wichtszunahme, den in der Hospitalpflege veränderten Lebens-' 
bedingungen der Patienten zuzuschreiben sind. Gegenüber tuber- 
eulösen Knochen- und Drüsenleideu erwies sich das neue Tuber¬ 
culin ziemlich wirkungslos, in einem Falle von Lupus mit com- 
plicirender chronischer Nephritis geradezu als gefährlich. Audi 
sonst birgt die Ungleichmässigkeit in der Herstellung und Ver¬ 
abreichung des neuen Mittels vorläufig nicht zu unterschätzende 
Gefahren und Nachtheile für das Leben der Patienten in sich. Zu 
diesem wenig erfreulichen Gesammtresultat kommt noch der Um¬ 
stand, dass die Kostspieligkeit des Verfahrens lind die verhältniss- 
mässig lange Dauer des Experimentes der neuen Methode ungemein 
hinderlich im Wege stehen. — In ähnlicher Weise äussern sich 
Bukovsky (ibid. 46, 2) über das neue Tuberculin auf Grund von 
Versuchen, welche an der Klinik J a n o v s k y’s in Prag angestellt 
wurden. Auch er beklagt die Labilität des Präparates und die 
mangelhafte therapeutische Wirkung. Die bis zu einem gewissen 
Grade erzielte Besserung lässt sich in unverhältnissmässig kürzerer 
Zeit mit anderen Metho<3en erzielen. Doch hält er das Tuberculin 
R für ein gutes Mittel zur Differentialdiagnose zweifelhaft-tuber- 
eulöser Proeesse. 

Ueber die gleiche Behandlungsmethode und deren Resultate 
an der Bonner Hautklinik liegt ein Bericht von N a p p und 
Grouven vor (ibid. 46, 3), welche sich wohl auch reservirt, aber 

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6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


335 


doch in etwas günstigerer Weise über das neue Tuberculinpräparat 
äussern. Auch sie konnten eine dauernde Heilung tuberculöser 
Processe mit dem Tuberculin R nicht erzielen, doch ist dasselbe im 
Stande, einen entschieden günstigen Einfluss auf Vernichtung des 
tuberculösen Processes auszuüben und hat dasselbe bei vorsichtiger 
Anwendung wesentliche Schädigungen des Gesammtorganismus 
nicht im Gefolge. Ueber die Immunisirungsfrage lässt sich ein end- 
giltiges Urtheil wohl erst in mehreren Jahren abgeben. Nach N. 
und G. ist das Tuberculin R wohl berechtigt, bei gleichzeitiger 
rationeller Localbehandlung als unterstützendes Moment in An¬ 
wendung gebracht zu werden. 

Die von Winkler (lbid. 40, 1) in syphilitischen Producten 
gefundenen „tingiblen Kugeln” hält er selbst um so weniger für 
das lauge gesuchte Syphilisvirus, als er auch in einem Falle von 
Lupus vulgaris ähnliche Kugeln gefunden hat. Er denkt vielmehr 
an eine Kernerkrankung, welche unter dem Einfluss des syphili¬ 
tischen Virus zu Stande kommt, die aber, wenn auch in geringerem 
Grade, auch durch andere Virusarten (Lupus) bewirkt werden 
kann. 

Drobny (ibid. 40, 1) glaubt aus der Localisation der Qono- 
coccen im Eiter einen gewissen Rückschluss auf den Verlauf der 
Urethritis ziehen zu dürfen. Eine sofort vorgenommene mikro¬ 
skopische Untersuchung des Secretes erlaube fast unbedingt eine 
entsprechende Prognose des Verlaufes der Urethritis zu machen. 
So seien die Fälle, in deuen die Gonococcen hauptsächlich im freien 
Zustande vorhanden sind, als „noli me tangere“ für eine active 
Therapie aufzufassen. Dagegen könne man dann, wenn die Gono¬ 
coccen intracellulär liegen, mit reinem Gewissen die Einspritz¬ 
ungen anfangen, ohne das Stadium decremonti der acuten Erschein¬ 
ungen abzuwarten. Es ist dann auch möglich, dass früh unter¬ 
nommene Einspritzungen und Instillationen einen abortiven Ein¬ 
fluss auf die Gonorrhoe haben. 

Die Arbeit Joseph’s über Hautsarkomatose (ibid. 40, 2) 
ist beachtenswerth durch den motivirten Versuch einer Abtrennung 
„sarkoider Geschwülste“ gegenüber den typischen Sarkomen einer¬ 
seits, gegenüber den Typen der Mykosis fungoides, der Leukaemie 
und Pseudoleukaemia cutis andererseits. Dass die bisherigen 
Systematisirungsversuche trotzdem leider noch grosse Lücken 
aufweisen, wird vom Verfasser unumwunden eingestanden. 

v. Watraszewsky (ibid. 40, 2) behandelt einige Fragen 
der Syphilistherapie, deren definitive Lösung zweifellos von 
hohem praktischen Werthe sein würde, über welche aber bis jetzt 
unter hervorragenden Fachmännern diametral entgegengesetzte 
Meinungen bestehen. Wann soll die Behandlung der Syphilis mit 
Hg beginnen, und wie lange soll diese Behandlung der Syphilis 
fortgesetzt werden? W. spricht sich zunächst dahin aus. dass die 
mercurielle Behandlung der Syphilis erst nach dem Erscheinen 
allgemeiner Symptome rationell sei. Die weitere Behandlung soll 
immer nur dann, wenn neuerdings Symptome Auftreten (Kecidive), 
wieder aufgenommen werden (symptomatische Behandlung). End¬ 
lich ist für W. eine Hg-Behaudlung indicirt, so oft manifeste 
Symptome der Krankheit, welche ihren Lauf monate- ja jahrelang 
verfolgt, vor uns liegen. In jenen Ausnahmefällen, in denen also 
nur ein einziger allgemeiner Ausbruch erfolgt, wäre also auch nur 
eine einzige Cur nöthig. 

(Ref. kann sich diesen Ausführungen nicht anschliessen und 
glaubt auf Grund seiner reichen persönlichen Erfahrung auf dem 
Gebiete der chronlsch-intermittirendeu Methode der Ueberzeugung 
Ausdruck geben zu dürfen, dass die Furcht vor den aus dieser 
Methode entstammenden üblen Nebenwirkungen auf das Nerven¬ 
system und die allgemeine Constitution in keiner Weise genügend 
fundirt ist.) 

E. Welander (ibid. 40, 2) empfiehlt als Ersatz einer 
Schmiercur ein innen mit Quecksilbersalbe bestrichenes Leinen¬ 
säckchen (auch Flanell oder Baumwollstoff kann gewählt werden) 
Tag und Nacht am Körper tragen zu lassen. Auch bei der Inunc- 
tionscur spielt ja zweifellos die Einathmung des verdunstenden 
Quecksilbers eine grosse Rolle. Die von W. empfohlene Methode 
würde im Wesentlichen als eine Inhalatiouseur mit Quecksilber¬ 
dämpfen zu bezeichnen sein. Ueber den Werth der Methode kann 
ja selbstverständlich erst nach längeren Versuchsreihen definitiv 
geurtheilt werden. Nach W. wirkt sie tuto, cito et jueunde. Der 
Wegfall der vielen Unannehmlichkeiten bei der Inunctionscur wäre 
ja zweifellos ein nicht zu unterschätzender Vortheil. 

(Bei dieser Gelegenheit erlaubt sich Ref. darauf hinzuweiseu, 
dass die von Blaschko empfohlenen, von Beyersdorf in 
Hamburg-Eimsbüttel hergestellten Mercolintschürzen, besser Mer- 
colintlatze, eine wesentliche praktische Verbesserung der Welan- 
d e r’schen Säckchenbehandlung darzustellen scheinet!. Speoiell mit 
dem Mercolint 3, welches ich oft erprobt habe, habe ich in einer 
Reihe von Fällen einer milden Schmiercur durchaus gleichwerthige 
Erfolge erzielt. Wenn ich es auch keineswegs für wahrscheinlich 
halte, dass dadurch die Frictionscur für alle Fälle entbehrlich wird, 
und die letztere vermuthlich für schwere Formen als unentbehrlich 
auch in Zukunft festgehalten zu werden verdient, wird doch die 
Anwendung der stärker imprägnirten Mercolintschürzen sich vor¬ 
aussichtlich in Bälde aus Gründen der Reinlichkeit, Bequemlich¬ 
keit und Billigkeit, nicht zuletzt aber auch wiegen des guten thera¬ 
peutischen Resultates ein ausgedehntes Terrain gewinnen. Zu 
weiteren Versuchen glaubt Ref. mit gutem Gewissen auffordern zu 
dürfen.) 

D o c t o r (ibid. 46, 3) theilt zwei neue Fälle Darier 'scher 
Erkrankung (sogen. Psorospermosis follicularis vegetans) mit. 
Nach Maassgabe seiner histologischen Untersuchungen hält er 
diese seltene Dermatose für eine meist an die Haarfollikel oder 


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Schw r eissdrüsenausftihrungsgänge gebundene Hyperkeratose, w T elche 
meist, aber doch nicht immer mit Parakeratose verbunden ist. Die 
vielbesprochenen sog. D a r i e r’schen Körperchen sind eine Theil- 
erscheinung der Parakeratose, gehören aber nicht unbedingt zum 
Krankheitsbild. D. hält die Erkrankung für eine Abart der 
Ichthyosis vulgaris. 

II. A p o 1 a n t (ibid. 46, 3) verdanken wir eine sehr inter¬ 
essante Arbeit über Antipyrinexantheme. Mau kann unterschei¬ 
den das locallsirte Exanthem und die universell disseminirten 
Exantheme (das morbillöso Exanthem, Urticaria und congestives 
Oedem). Mit einer umfangreichen Casuistik und persönlich vor¬ 
genommenen Experimenten begründet A. die von ihm vertretenen 
Anschauungen über die Pathogenese dieser Exantheme, deren 
Details im Original einzusehen sind. Eine einheitliche Auffassung 
des Zustandekommens der Antipyrinausschläge ist nicht möglich. 
Der Umstand, dass keine Gruppe ein in sich abgeschlossenes Ganze 
bildet, und selbst Uebergünge von den locnlisirten zu den dissemi¬ 
nirten Formen Vorkommen, stellt andererseits einer scharfen theo¬ 
retischen Trennung grosse Schwierigkeiten entgegen. 

Welander (ibid. 40, 3) sah in einem Falle gonorrhoischer 
ConjunctivitiB ein vorzügliches Resultat von der Anwendung des 
Largins, welches er in 1 proc. Gelatinetabletten unter das Augen¬ 
lid einschob, wo es in etw'a 15 Minuten schmilzt. 

Schütz (ibid. 46, 3) theilt 3 merkwürdige Fälle von Leuko- 
plakia oris (Schwimmer) mit, welche das Gemeinsame haben, 
dass die gewöhnliche Aetiologie für diese Krankheit fehlt, dass es 
sich um Individuen handelt, bei welchen nur äusserst selten Leuko¬ 
plakie vorkommt (Kinder. w r eibliche Personen) und dass endlich 
bei allen dreien ein und dieselbe Hautkrankheit die Schleimhaut¬ 
erkrankung begleitet (Psoriasis). Da Verfasser Leukoplakie auch 
zuweilen mit anderen Hauterkrankungeu. welche mit vermehrter 
Hornbildung eiuhergehen (Tyloma palmarum, Ekzema ehron. 
squamosum) eombinirt sah, hält er dieses Zusammentreffen für 
kein rein zufälliges. 

Rasch (ibid. 47, 1) konnte unter einem Leichenmaterial von 
3165 Obductionen 28 Fälle von Aortenaneurysma untersuchen. 
In 82 Proc. von allen Fällen war Syphilis sicher oder doch mit 
grösster Wahrscheinlichkeit nachzmveisen. Pathologisch-ana¬ 
tomische Erwägungen haben den Verfasser überzeugt, dass alle 
Aneurysmen, bei denen eine productive fibröse Mesarteriitis nach¬ 
gewiesen werden kann, d. h. alle oder so gut wie alle sackförmigen 
Aneurysmen und mindestens 4 Fünftel der spiudel- nud cylinder- 
förmlgen Aneurysmen auf der Aorta syphilitischen Ursprungs sind. 

B u s c h k e (ibid. 47, 1) berichtet über eine grössere Anzahl 
von Fällen, bei welchen er die Radicalexstirpation des Lupus 
vulgaris nach dem Vorgänge L a n g’s vorzunehmen in der Lage 
war. An die interessanten Krankengeschichten, deren Details aus 
dem Original zu erseheu sind, reiht Buschke eine kurze Be¬ 
sprechung seiner Methode, der Technik der Plastik, der Anaesthe- 
slrung, um zum Schlüsse die Iudieatioueu der Radicalexcision und 
ihre Stellung zu den übrigen Methoden der Lupusbehandlung zu 
erörtern. „Es liegt in der Natur der Sache, dass für die Radical- 
behandlung sich immer nur ein gewisser Bruchtheil von Fällen 
eignen wird; allein es erscheint doch zweifellos, dass, wenn man 
sich möglichst früh zur Behandlung entschliesst, dieser Bruchtheil 
sich vergrössern wird. Dann ist es aber nothwendig, dass man bei 
jedem Falle von Lupus In erster Linie in Erwägung zieht, in wie 
weit er sich zur Exstirpatiou eignet, und nicht erst gewdsser- 
maassen als letztes Refugium nach vielfacher andersartiger Be¬ 
handlung auf diese Methode recurrirt.“ Man w r ird B. nur ganz 
beipflichten können, w r enn er sagt, dass die Prognose des Lupus 
vulgaris sich doch allmählich bessern dürfte, wenn erst dieser 
Gedankengang gemäss der verdienstvollen Anregung L a n g’s sich 
allgemein Geltung verschafft haben wird. 

Jordan (ibid. 47, 1) hat an einem grossen Material Studien 
gemacht über die Häufigkeit von Rachen- und Kehlkopfaffec- 
tionen bei Syphilis und kam dabei zu folgendem Ergebniss: In 
allen Stadien der Syphilis sieht man sowohl im Rachen als im Kehl¬ 
kopf mehr weniger häufig die Erscheinungen eines Erythems, welches 
zw r ar einzig und allein auf Syphilis beruhen kann, aber sich von 
Röthungen aus anderen Gründen nicht unterscheiden lässt. Pa¬ 
peln des Rachens sieht man in ungefähr *4 aller Fälle von secun- 
därer Syphilis. Papeln des Kehlkopfs sind dagegen viel seltener 
und wurden nur in 3,3 Proc. constatirt. Hier wie dort sind sie 
während der Recidive häufiger als zur Zeit des reeonten Stadiums. 
Tertiärsyphilitische Erscheinungen des Rachens fand er in 23 Proc., 
des Kehlkopfs in 10 Proc. seiner Fälle, eine für unsere Verhältnisse 
auffallend hohe Procentzahl, welche sich wohl dadurch erklären 
lässt, dass bei der bäuerischen russischen Bevölkerung, welche in 
der Statistik J.’s stark vertreten ist, die ersten Stadien der meist 
hereditären Syphilis einer ärztlichen Behandlung sich fast niemals 
• erfreuen. 

Adrian (ibid. 47, 2) konnte durch Ueberimpfen von 

Sklerosensecret auf Schweine das Auftreten syphilisähnlicher 
Hauterscheinungen in Gestalt schubweise auftretender papulöser 
Efflorescenzen an 2 Impfthieren beobachten. Die histologischen 
Details dieser Efflorescenzen besitzen eine gewisse Aelinlichkeit 
mit den beim Menschen beobachteten papulösen Syphiliden. Soll 
durch diesen Befund die bisher allgemein acceptirte Meinung, dass 
di*. Syphilis ausschliesslich ein sehr zweifelhaftes Vorrecht des 
Genus Homo ist. eine Einschränkung erfahren? Verfasser äussert 
sich dieser Frage gegenüber mit Recht nicht, sondern will durch 
seine Arbeit lediglich eine Anregung zur Wiederholung ähnlicher 
Experimente am Schwein als dem hierzu geeignetsten Versuchs* 
thier gegeben haben. 

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No. 10- 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


K r e i b i c h (ibid. 47, 2) gibt die sehr Interessante Mittheilung 
eines ungewöhnlichen Falles von leukaemischen Tumoren der 
Haut. 

Neuberger (ibid. 47, 2) empfiehlt zur Behandlung des 
chronischen Ekzems des Säuglings- und Hindesalters die Arsen- 
medication in sehr kleinen Gaben (Solut. arsen. Fowleri 3 mal tägl. 
y., —1—2 Tropfen allmählich steigernd). Die Behandlung muss 
sehr lange fortgesetzt werden, und ist vor der 3. Woche eine 
Besserung des Leidens kaum zu erwarten. Bei consequenter 
Durchführung liess sich der Erfolg auch ohne Dazwischentreten 
einer Localtherapie fast niemals vermissen. 

Török (ibid. 47, 1 u. 2) behandelt in einer längeren Arbeit 
deren Inhalt zum grossen Theil eine Polemik gegen die bekannten 
Anschauungen U n n a’s über das seborrhoische Ekzem und die 
Zugehörigkeit der Psoriasis vulgaris zu diesem Krankheitsbilde 
darstellt, die Seborrhoea corporis (Duhring) und ihr Ver- 
hältniss zur Psoriasis vulgaris und zum Ekzem, und kommt auf 
Grund klinischer Beobachtung und histologischer Untersuchungen 
zu dem Schlüsse, dass die Seborrhoea corporis Duhrin g’s als eine 
weniger intensive und atypisch localisirte Form der Psoriasis vul¬ 
garis zu betrachten ist, dass im Uebrigen aber die Sonderstellung 
der Psoriasis vulgaris als einer Erkrankung sui generis durchaus 
v u wahren, ein irgendwie engerer Zusammenhang derselben mit 
dem Ekzem in keiner Weise aufzudecken Ist. 

M i b e 11 i (ibid. 47, 1 u. 2) bringt einen weiteren Beitrag zur 
Lohre von der sogenannten von ihm zuerst beschriebenen Poro- 
keratosis durch Mittheilung eines Falles mit Localisation im Munde 
und an der Glans penis. 

Nach den Untersuchungen von F. Luithlen (ibid. 47, 3) 
stellt sich die Dermatitis exfoliativa infantum (Ritter v. Ritters- 
bain) dar als eine mit zölliger Infiltration, Oedem und Gefässver- 
eilerung einhergehende Entzündung, besonders des papillären und 
subpapilläreu Gewebes bei abnorm starker Proliferation im Rete 
mit mangelnder Verhornung desselben. In Bezug auf die Aetiologie 
dürften toxische Momente zu berücksichtigen sein, wofür das Aus¬ 
sehen des primär auftretenden Erythems spricht; die Eigenthüm- 
lichkeit der Erkrankung dürfte z. Th. ln den zur Zeit der physio¬ 
logischen Exfoliation berschenden Verhältnisse der kindlichen 
Haut ihre Erklärung finden. Therapeutisch empfiehlt sich kräftige 
Ernährung und Vermeidung engen Wickelzeugs, Anfangs Eichen- 
riudenbäder und Salben verbände, später die Anwendung kerato- 
plastischer Mittel (Ichthyol, Resorcin, Thiol, Tumenol u. Aelinl.). 

Glück (ibid. 47, 3) theilt einen interessanten, sehr seltenen 
Fall von Favus mit Localisation am Penis mit. 

Burmeister (ibid. 47. 3) bringt in extenso die Kranken¬ 
geschichte eines neuen Falles von Akanthosis nigricans (der 
seinerzeit vom Ref. im Aerztlichen Verein München vorgestellt 
worden war). Für die Aetiologie sucht er einen Functionsausfall 
oder eine alterirte Function des Bauclisympathicus in hypo¬ 
thetischer Weise heranzuziehen. Bei der Section wurde von einer 
Carcinose der Baucheingew'eide nichts gefunden. 

Arvid B 1 o m q u i s t und G. A h m a n (ibid. 48, 1) berichten 
über Mercuriol und über therapeutische Versuche mit demselben 
bei Syphilis. Mercuriol ist eine Mischung von Magnesium- und 
Aluminium-Amalgam, verrieben und mechanisch fein vertheilt mit 
Kreide. Das Mercuriol kam speciell an der W e 1 a n d e Pschen 
Säckchenbehandlung (Inhalationstheorie) zur Verwendung. Bei 
dieser Behandlung wird Quecksilber in erforderlicher Menge ab- 
sorbirt und durch die Nieren eliminirt; das in dieser Weise in den 
Organismus eingeführte Quecksilber übt dieselbe therapeutische 
Wirkung aus, wie bei anderen bekannten Formen mercurieller Be¬ 
handlung. Die Behandlung ist therapeutisch zuverlässig, reinlich 
und für den Patienten angenehm. 

K r e i b i c h (ibid. 48. 2) bringt ln einer Arbeit über Urticaria 
chronica Krankengeschichten über einen Fall von Urticaria per¬ 
stans papulosa, 2 Fälle von Urticaria perstans verrucosa und 
2 Fälle von Urticaria pigmentosa. Bezüglich der Herkunft des 
Pigments bei den letzteren Fällen, also bei Urticaria pigmentosa, 
theilt K r e i b i c h die Ansicht Kapos i’s, dass es bei den wieder¬ 
holten urticariellen Schwellungen der Effloreseenzen nicht bloss 
zum Austritt von Serum, sondern auch von Blutfarbstoff kommt, 
und dass somit das Pigment als ein aus dem Blute stammendes 
aufzufassen sei. 

Der von N e u m a n n (ibid. 48, 3) mitgetheilte Fall von Derma¬ 
titis tuberosa ex jodo ist nicht nur durch die ungewöhnliche Form 
und Intensität der Hautaflfection, sondern auch wegen einer gleich¬ 
zeitigen analogen Affection der Magenschleimhaut von hervor¬ 
ragendem Interesse, zumal da ein durch die Section constatirtes 
Exanthem im Magen nach internem Jodkaliumgebrauch in der 
Literatur nicht verzeichnet ist. (Ref. war in der Lage, einen quoad 
Hautaflfection der von Neumann gegebenen Abbildung durch¬ 
aus gleichartigen Fall zu beobachten, der zur stationären Behand¬ 
lung der P o s s e 1 t’sclien Klinik überwiesen -wurde, und von dort 
aus demnächst publicirt werden soll.) 

B a n d 1 e r (ibid. 48. 3) bringt einen Instructiven Beitrag zur 
Kenntniss der elephantiastiscben und ulcerativen Veränderungen 
des äusseren Genitales und Rectums bei Prostituirten; B. spricht 
sich auf Grund der klinischen Beobachtung und der therapeu¬ 
tischen Ergebnisse für die syphilitische Natur dieser prima vista 
häufig recht unklaren Veränderungen aus. Ausdrücklich wird aber 
betont, dass, wenn auch die Lues die primäre Ursache dieser Ver¬ 
änderungen ist, zu deren Ausgestaltung die schlechten Circulations- 
verhältnisse der Lymphbahnen, Traumen und Reize In bedeutendem 
Maasse beitragen, insbesondere spielt die Reetumstrietur. wie schon 
Ehrmann hervorhob, eine grosse Rolle bei der Ausbildung der 


Elephantiasis vulvae. Dass die Erkenntniss der syphilitischen 
Natur dieser Processe praktisch von grösster Wichtigkeit ist, liegt 
auf der Hand. 

R. Bloch (ibid. 48, 3) bringt einen casuistischen Beitrag zur 
Kenntniss der gonorrhoischen Gelenks- und Nervenerkrank¬ 
ungen. Die Nervenlaesion im vorliegenden Falle wird aufgefasst 
als eine Polyneuritis gonorrhoica beider Unterextremitfiten. Autor 
denkt an eine vorwiegende Erkrankung des Perineuriums: ob es 
sich dabei genetisch um eine directe bacterielle oder eine durch 
Toxine verursachte Entzündung gehandelt hat, ist nicht zu ent¬ 
scheiden. Mit Recht bestreitet der Verf. die seitens französischer 
Autoren beliebte Auffassung solcher Fälle als „Manifestations 
spinales“ und „Meningomyelite“. Therapeutisch bietet die Mit¬ 
theilung nichts Neues. 

Alex. H a s 1 n n d (ibid. 48. 2 u. 3) bespricht unter Beibringung 
einschlägiger Beobachtungen die Pathogenese der Vacclna genera¬ 
lisata und gibt der Anschauung Ausdruck, dass das Virus der 
Vaccine und der Variola dasselbe ist, und dass die Vaccine nur 
eine gemilderte Form des Variolagiftes resp. der Variolamikrobe 
ist. Ohne vom theoretischen Gesichtspunkte aus die Möglichkeit 
einer Vaceina generalisata durch Autoinoculation oder durch secun- 
däre Infection bestreiten zu wollen, sieht es Haslund doch als 
Regel an, dass die generalisirte Vaceina der Ausdruck einer all¬ 
gemeinen Infection Ist. und dass es sich dabei immer um eine von 
„innen“ kommende Spontaneruption handelt. 

B u s c h k e (ibid. 48, 2 u. 3) hat die seltenen Exantheme bei 
Gonorrhoe zum Gegenstände einer literarischen Studie gemacht. 
Veranlassung dazu boten ihm drei Fälle eigener Beobachtung, 
welche in extenso mitgetheilt werden. Die äussere Form der 
Exantheme ist ausserordentlich mannigfach. Wir sehen einfache 
Erytheme, Papeln, tiefere dem Erythema nodosum ähnliche In¬ 
filtrate. Blasenbildung, Blutungen und Hyperkeratosen unter den 
als gonorrhoisch beschriebenen Exanthemen auftreten. Die Ex¬ 
antheme sind nicht an bestimmte Körperregionen gebunden, bei 
den ganz acuten Exanthemen bleiben auch die Schleimhäute nicht 
verschont. Die Entstehung ist eine rasche, der weitere Verlauf 
aber sehr verschieden. In einem Falle eigener Beobachtung war 
der den Malariatypen ähnliche Fieber verlauf merkwürdig. Im 
Uebrigen steht aber die äussere Form des Exanthems in keinen 
directen Beziehungen zur Gestaltung der Teraperaturcurve. Nach 
Ausscheidung jener Fälle, bei denen man eventuell an ein septi¬ 
sches oder Arznei-Exanthem denken kann, bleibt immer noch eine 
genügende Anzahl von Beobachtungen übrig, welche sich kaum 
anders als durch eine directe Abhängigkeit des Exanthems von 
der gonorrhoischen Infection erklären lassen. Pathogenetisch 
denkt der Verfasser das Auftreten der Exantheme durch eine Ein¬ 
schleppung des gonorrhoischen Virus In die Blutbahn bedingt. 
Ob dabei der Gonococcus selbst oder seine Toxine das wirksame 
Agens sind, bleibt dahingestellt. Die L e w i n’sche Reflextheorie 
(durch Reizung der Hamröhrenschleimhaut). welche auch Finger 
zur Erklärung dieser seltenen Exantheme heranzieht, dürfte zum 
mindestens für die chronischen, sich über Monate hinziehenden 
Exanthemformen nicht als ausreichend zu bezeichnen sein. 

Kopp. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 8. 

1) E. R a 1 m a n n - Wien: Ueber alimentäre Glykosurie. 

R. erörtert die Lehre von der alimentären Glykosurie zunächst 
von der nun sichergestellten Thatsache aus, dass in jedem 
normalen Harn Traubenzucker vorhanden ist. Er schlägt vor. 
dann von Glykosurie zu sprechen, wenn die einfachste, in der 
Klinik gebräuchliche Reaction für Traubenzucker unzweifelhaft 
positiv ausfällt. Der Nullpunkt, von dem aus hinsichtlich alimen¬ 
tärer Glykosurie und Diabetes zu rechnen ist, entspricht einem 
Zuckergehalte des Harnes von 0.2 Proc. Bei der Prüfung auf ali¬ 
mentäre Glykosurie muss aber für jeden einzelnen Fall die „Assimi- 
lationssrrenze“ für Traubenzucker festgestellt werden, die für den 
zahlenmässigen Ansdruck mit dem Körpergewicht verglichen 
werden muss. Die Glykosurie ist als Ausdruck einer Allgemein¬ 
störung aufzufassen, als Degenerationszeichen im chemischen 
Sinne. Verfasser hat bei einer Reihe von Geistes- und Nerven¬ 
kranken bestimmt, welche Menge Traubenzucker eingeftihrt werden 
muss, um eine Ausscheidung von 0,2 Proc. Zucker oder darüber 
zu bewirken; doch ist die Untersuchungsreihe noch zu klein, um 
allgemeine Folgerungen daraus abzuleiten. 

2) M. Weinberg er und A. Weiss-Wien: Eine seltene 
Form von Aneurysma der Aorta thoracica descendens. 

Das betreffende Aneurysma wurde an einem 54 jährigen 
Kesselschmied beobachtet und auch mittels Röntgenstrahlen näher 
bezüglich seines Sitzes diagnosticirt. Die rechte Rückenwand war 
in der oberen Hälfte vorgewölbt, der Patient entleerte mehrmals 
ohne Husten grössere Mengen Blut, so dass an eine Communication 
mit dem Oesophagus gedacht wurde. Die Section ergab ein sack¬ 
förmiges Aneurysma der Aorta desc. mit Usur der oberen Brust¬ 
wirbelkörper und der 4. und 5. Rippe, Verwachsung mit dem 
rechten oberen Lungenlappeu und Durchbruch in einen Bronchial¬ 
ast der rechten Lunge. 

3) K. S i n n r e i c h - Wien: Traumatisches Aneurysma der 
Art. brach, und Durchtrennung des N. medianus. Totalexstir¬ 
pation des Aneurysmas. Nervennaht. 

Der 51jährige Patient hatte das Aneurysma durch einen 
Messerstich acquirirt. Der exstirpirte Aneurysmasack war manns¬ 
faustgross. 4 Wochen nach der Nervennaht begannen die rnoto- 


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6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISOHE WOCHENSCHRIFT. 


rischen Functionen im Medianusgebiet sich wieder herzustellen. 
Die Verfasser besprechen eingehend die verschiedenen Operations¬ 
methoden für Aneurysma am Arm. Absolut indieirt ist die Ex 
stirpation bei Gangraen der Haut über dem Aneurysma, ferner bei 
Verletzung oder Compression wichtiger Nervenstämme. 

Dr. Grassmann - München. 

Amerikanische Literatur. 

1) George H. N u 11 a 11 - Baltimore: Die Bolle der Insecten, 
Arachniden und Myriapoden als Infectionsträger der bacteriellen 
und parasitären Erkrankungen bei Mensch und Thier. (The 
Johns Ilopkins Hospital Reports, Vol. VIII. 1899.) 

Diese Arbeit, welche einen ganzen Band der rühmliehst be¬ 
kannten Berichte des Johns Hopkins Hospitals in Baitimon* ein¬ 
nimmt. repräsentirt sicli als eine umfassende kritische und histo¬ 
rische Studie des ganzen einschlägigen Materials. Das Literatur- 
verzeichniss enthält 3(Hi Nummern, von denen 350 in der Arbeit 
selbst verwerthet wurden. Durch die letzten Berichte von Koch, 
welche neue Beweise für die lt o s s'sche Mospuitotheorie der 
Malaria erbringen, hat dieses Thema erneutes actuelles Interesse 
gewonnen und ist diese Arbeit zur Einführung in das Studium 
und zur Orientirung in dieser Frage sehr zu empfehlen. 

2» Charles L. I) a n a - New-York: Zur Aetiologie der Para¬ 
lysis agitans. (The American Journal of tlie medical Sciences, 
November 1899.) 

Anschliessend an die Beschreibung eines Falles von Paralysis 
agitans, in welchem sich neben einem multiplen Hautsarkom. 
Atrophie. Bindegewebswucherung und an verschiedenen Stellen 
Degeneration des Rückenmarks nach weisen Messen, mul unter 
Hinweis auf drei weitere, bereits früher von ihm beschriebene 
Fälle, gibt 1). der Ansicht Ausdruck, dass es sieh bei dieser Er¬ 
krankung nicht um eine praemature Scuilitüt. sondern um eine 
die Nervenzellen des Rückenmarks speciell schädigende Toxin¬ 
wirkung handelt. Die grosse Rolle, welche der Rheumatismus in 
der Vorgeschichte dieser Affection spielt, spricht, für die Annahme 
eines auf diesem Boden entstandenen autochthonen Giftstoffes. 

3) J. M. Bald y und II. L. W i 11 i a m s - Philadelphia: 
Kraurosis vulvae. (Ibidem.) 

Die Aetiologie dieses seltenen Leidens ist noch keineswegs 
klar. Die Annahme einer trophischen Störung entbehrt der Be¬ 
gründung: nach Ansicht der Autoren ist die Ersuche entweder 
coustitutioneller oder noch wahrscheinlicher rein localer Natur, 
wofür namentlich der im Beginn so coustante Pruritus spricht. 
In dem beschriebenen Falle wurde durch Operation doliuitivo 
Heilung erzielt. 

4) Maurice H. lt i c li a r d s o n - Boston: Appendicitis. (The 
American Journal of the medical Sciences, Deeember 1899.) 

An der Hand eines Materials von 904 von ihm operirten Fällen 
bespricht Richard son die beiden Fragen der Frühoperation 
der Appendicitis und der Resection des Wurmfortsatzes in solchen 
Fällen. Während die erste Frage fast ausnahmslos bejaht werden 
muss, gelten für die zweite folgende Ausnahmen: Iteseetio» der 
Appendix ist contraindicirt bei local beschränkter Vereiterung mit 
starren Abscesswänden, sowie bei grosser Schwäche des Patienten, 
welche rasche Beendigung der Operation erfordert, dagegen em¬ 
pfiehlt sich für die meisten dieser Fälle, die Resection ein paar 
Monate später nachzuholen. 

5) H. 0. G o r d i n i e r : Zur Pathologie der Paralysis 
agitans. (Ibidem.) 

G. bezeichnet folgende drei pathologische Veränderungen als 
charakteristisch für die Paralysis agitans: Perivasculäre Sklero- 
sirung, besonders ausgesprochen im Dorsaltlieil der Seiten- und 
Hinterstränge, Degeneration der multipolaren Nervenzellen und 
allgemeine Hyperaemie mit Zellinfiltration. Der Hauptsitz dieser 
Veränderungen betrifft den spinalen Tlieil des Rückenmarks. 
Gegen den Ilalstheil zu nehmen dieselben ab. Beschreibung eines 
Falles und Uebersieht der einschlägigen Literatur. 

6) Charles P. Noble u. W. Wayno Babeock - Philadelphia: 
Eine neue Untersuchungsmethode bei Nierentuberculose. (The 
American Gynaecological and Obstetrical Journal, Deeember 1899.) 

Die Methode besteht in steriler Katheterisation der Uretercu und 
Impfversuchen an Meerschweinchen mittels des auf diese Weise 
enthaltenen Harnes. Mittheilung eines auf diese Weise dingnosti- 
cirten Falles. 

7) F. Simpson- Pittsburg: Ueber acute toxische Hyper¬ 
aemie und Nephritis nach operativen Eingriffen. (The American 
Journal of Obstetrics, November 1899.) 

Die Beobachtungen, welche S. auf der gynäkologischen Ab¬ 
theilung des Mercy-Hospitals in Pittsburg an einem Material von 
über 100 operirten Fällen anstellte, ergaben, dass sehr häufig 
nach grösseren Operationen acute Hyperaemie und Entzündung 
der Nieren auftritt ohne jedoch in der Mehrzahl der Fälle ernst¬ 
liche Complicationen oder bleibende Folgen zu verursachen. Die 
Ursachen dieser Erscheinung sind tlieils in prädisponirenden Mo¬ 
menten und in der im Verlaufe der Operation eintretenden Ilaut- 
abkühlung, sowie hauptsächlich in der Einwirkung toxischer 
Stoffe zu suchen, welch’ letztere aus dem angewendeteii Anaesthe- 
siruiigsmittel, oder Ptomainen und bacteriellen Giften entstammen, 
welche durch die Operation in die Oireulation gelangen. Aus dieser 
Deductiou ergehen sich auch von seihst die zur Verhütung dieser 
Complicatiou empfehlenswerten Vorschriften: sorgfältige Ucber- 
wachung der Se- und Excretion vor und nach der Operation, Ver¬ 
meidung allzulanger Exposition des zu Operironden, Verbrauch 
eines möglichst geringen Quantums des Annesthcticums. rasche 
und vollkommene aseptische Operation. 

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8) Joseph W i e n e r - New-York: Zur Frühdiagnose des 
ITteruscarcinoms. (The American Journal of Obstetrics, Deeember 
1899.1 

ln dieser mit zalilreiehen Ahhildungen und ausführlichem 
Literaturverzeichnis« versehenen Abhandlung kommt W. zu dem 
Schlüsse, dass die Diagnose nur mit Hilfe des Mikroskops gestellt 
worden kann. T'teruscareiuom kann in jedem Alter, bei Virgines 
und Nuiliparen sowohl, wie bei Mehrgebarendeii Vorkommen. Jede 
atypische rterusblutung. nicht zum mindesten in der Menopause, 
ist verdächtig und erfordert genaue Untersuchung. 

9) Edward P. D » v i s - Philadelphia : Prophylaxe und 
Therapie der Eklampsie, und 

KM J. (’. E d g a r, A. King- Washington, Edward lt e y - 
nolds und Richard (’. N o r r i s - Philadelphia: Zur Behandlung 
der puerperalen Eklampsie. (Therapeutic Gazette, Deeember 
1899.» 

Die Tlu»rapeutic GazetlC gibt hier eine Serie von Origiual- 
artikcln ans der Feder hervorragender Gynäkologen, auf deren 
Details liier nicht naher eingegangen worden kann. Hervorgehoben 
wird besonders, dass das Auftreten der Eklampsie in der Mehrzahl 
der Fälle durch prophylaktische Maassuahmeu verhindert werden 
kann. Die von den einzelnen Autoren empfohlenen Behandlungs¬ 
methoden variiren nach verschiedenen Richtungen. 

11» Howard A. Kelly: Die Giftschlangen Nordamerikas, 

und 

Thomas R. B r o w n - Baltimore: Heber Chemie, Toxikologie 
und Behandlung der Schlangengifte. (Bulletin of the Johns Hop¬ 
kins Hospital. Deeember 1899.» 

Während K. eine ausführliche Beschreibung der Giftschlangen 
von Nordamerika gibt, mit drei vorzüglich nusgeführten Tafeln, 
weist B. in einem ResumO der bisherigen Untersuchungen und Be¬ 
obachtungen auf den Werth des (• a 1 m e 11 e*schon Giftserums 
hin. 

12) Guy L. H u n n e r und Irving P. Lyon: Ueber die 
Capacität der weiblichen Blase. (Ibid.) 

Interessante Versuche über die Ausdehnungsfähigkeit der 
Binse, sowie filier die Lngeverhnltnisse der Organe des kleinen 
Beckens bei verschiedenen Fiillungszuständen der einzelnen Organe, 
ungestellt an 25 weiblichen Personen. Während die Durchschnitts 
capaeitüt der Blase für Luft 303 ccm ist. beträgt sie für Flüssig¬ 
keiten 430 ccm. Bei Nuiliparen ist die Capaeitüt grösser als hei 
Multiparen. 319 bezw. 4C4 ccm gegenüber 291 bezw. 395 ccm. In 
22 von den 25 Fällen zeigte sieh eine asymmetrische Ausdehnbarkeit 
der Blase und zwar in 10 Fällen nach links. Die durchschnittliche 
Länge der Urethra wird auf 3.3 cm angegeben. 

(Fortsetzung folgt.) 

L a e li e r - München. 


Vereins* und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung v o m 2S. F ebru a r 1900. 

Herr B e n a s demonstrirt eine Frau, die ausser den normal 
entwiekelten Brüsten noeli zwei Paar Mammae besitzt, <»<e 
schon in der Müdeheuzeit bei der Menstruation anzuschwellen 
pflegten und später bei der Laetatiou Milch seeernirten. Die¬ 
selben sitzen oberhalb und aehselwärts von den normalen Mammae. 
Daneben finden sicli noch rudimentäre Warzen. 

Tagesordnung: 

Herr Th. W e y 1: Die Assanirung von Konstantinopel auf 
Grund eines der türkischen Regierung vorgelegten Berichtes. 

(Schluss.) Hans Kolli». 


Verein für innere Medicin in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 26. F e b r u a r 1900. 

Demonstration: 

Herr A. Fraenkel demonstrirt das anatomische Präparat 
eines Aortenaneurysma, das mir Gelatineinjectionen beim adelt 
worden war. Der 53 jährige, an sicherer tertiärer Lues leidende 
Mann war im März 1898 zum ersten Male im Krankenhaus am 
Urban mit Gelatineiujeetionen behandelt worden und zwar 
G Wochen lang, 2 mal wöchentlich mit 50 ccm einer */ 3 proc. Lösung 
subeutau. Es trat eine sein- erhebliche Besserung ein. doch legt 
Vortragender Gewicht darauf, dass der Kranke während der ganzen 
Zeit der Behandlung strenge Bettruhe einhielt. Der Kranke 
verlies« gegen den ärztlichen Rath die Anstalt, um nach einigen 
Monaten in viel schlechterem Zustand zuriiekzukehren (Getoben. 
Hierauf zweite Injectionseur; 2 proe. Lösung, zweimal wöchentlich; 
20 Injectionen. Wiederum audauernde Bettruhe. Bedeutender 
Rückgang aller Symptome und Entlassung. Bald darauf kam 
Patient, zurück und starb kurze Zeit nach der Aufnahme. 

Die Seetion ergab ein kindskopfgrosses Aneurysma, dessen 
Wand belegt war von einem ca. l|i em dicken, alten Fibringerinnsel. 
Vortragender „zeigt dasselbe <> h u e j e d e n w eite r e li C o m - 
in e l» t ar und Hält sicli reservirt in Bezug auf die Frage, ob die 
Injectionen die Gerinnung bewirkt haben oder nicht“. Er betont 
aber, wie schon früher die grosse Bedeutung der strengen Bett - 
v u h e während der ganzen Behaudlungszeif. 


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MÜNCHENER M EDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 10 


]) i s c u » s i o n : Herr Litt e u lmt 4 Falle behandelt, ohne 
jrdeu Einfluss. Sowohl bei dieser, wie bei allen in den letzten 
Jahrzehnten vorgesrlila geilen Behandlungsmethoden für das Aneu- 
i.\smn hält er die Bettruhe für das Wichtigste. 

Tagesordnung. 

Herr Rubinstein: Ueber verschiedene Formen chro¬ 
nischer Gelenkentzündung und ihre Unterscheidung. 

Vortragender, ein Schüler Schälle r’s, vertritt im Wesent¬ 
lichen dessen kürzlich in der Berl. klin. Wochensehr, publieirten 
Anschauungen. Er unterscheidet zwischen dem chronischen Ge- 
lenkrheumatismus, der tlieils aus dem acuten hervorgeht, tlieils 
suhacut cinsetzt und eine grosse Neigung zur Ankylosirung 
(Wirbclsäuleiisteiiigkcit gehört auch hiezu) zeigt, ferner dii? 
Arthritis chronica villosa hypcrpkMica und die Arthritis de- 
formans. Mit Schüller bestreitet er, dass die Arthritis de- 
formuns aus der nur den Kapsclapparat befallenden und den 
Knochen stets verschonenden Arthritis villosa hervorgehen könne. 
Die Bedeutung der von Schüller für letztere AfTection ver¬ 
antwortlieh gemachten Bacillen lässt er unentschieden. 

Bei Arthritis villosa helfen liarh S e h ii 1 1 e r’s und seiner 
Erfahrung Jodoforminjeetinnen, im späteren Stadium operative 
Entfernung der Zotten, hei der Arthritis defonnans, die eine 
Stoffwechselanomalie darstelle, helfe hingegen zuweilen eine diii- 
tisehe und Mincralwassercur. 

Der Name Arthritis nodosa sei am besten ganz fallen zu 
lassen und das Mal uni senile eoxae nicht eine einfache Arthritis 
defonnans, sondern eine eigene Krankheitsform. 

Herr Determanna. (!.: Die Beweglichkeit des Herzens 
bei Lageveränderungen des Körpers. 

Mit Hilfe der Percussion und von Röntgenstruhlendurch- 
leuchtung an vielen Hunderten von Patienten und zahlreichen 
( ontrolversuchen an der Leiche hat Vortragender die Grenzen der 
V e r s e h i e b 1 i e h k e it des Iler z e n s unter p hvsio- 
logische n und p a t h o 1 o g i s e li e u Verhältnissen studirt. 
Dieselben sind grossen i n d i v i d u e 1 1 e n Schwankungen 
unt<*rworfen, betragen für gewöhnlich einige (Zentimeter (nach 
links 2'/j, nach rechts l 1 .), bisweilen, namentlich bei ehloro- 
t i s <• li e n und n e u r a s t h e n i s e h c n Individuen mehr, bei 
letzteren namentlich, wenn sie abgemagert sind. 

Bei Emphysem ist sie im Allgemeinen vermindert; besonders 
gross hingegen hei brüsk E n t f e t t e t e n. Dass bei Arterio¬ 
sklerose eine geringere Beweglichkeit bestehe, wie 
mehrere Autoren annehmen, konnte er nicht bestätigen. 

Die Folgen der grösseren Beweglichkeit sind im Allgemeinen 
geringe. Bei Neurasthenikern mögen jedoch manche Beschwer¬ 
den davon kommen, so z. B., dass manche nicht auf der linken 
Seite schlafen können. Die Pulsfrequenz scheint links zuzu¬ 
nehmen. Der Blutdruck bleibt unverändert. Therapeutisch 
kommen neben den anderen allgemeinen Maassnahmen nament¬ 
lich die bessere Ernährung in Betracht und prophylaktisch die 
Vermeidung brüsker Entfettungscuren. 

Discussion: Herr Fraenkel: Traube hat. die abnorme Be¬ 
weglichkeit des Herzens für ein Fr Uh Symptom der A rterio- 
s klerose gehalten; er selbst halte dieses Symptom doch für 
sehr unsicher und individuell. Dass manche Menschen links 
liegend nicht schlafen können, habe er immer für eine Folge des 
Drucke» der Leber gehalten, namentlich bei gefülltem Magen, der 
seinerseits den Druck auf das Herz foitpflanze. 

Herr Gerhardt: Für die Fixation des Herzens und seine 
gegebenen Falls abnorme Beweglichkeit kommen die F ett- 
leisten des Perieards auch sehr in Betracht. Beschwerden 
mache die abnorme Beweglichkeit für gewöhnlich nur dünn, wenn 
die Leute etwas davon wissen, ähnlich wie es bei der W.-.i.oerniere 
der Fall sei. Hans K o h n. 

Gesellschaft der Charite-Aerzte in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

S i t z u n g v o m 15. F e b r u a r 1900. 

Herr Geissler stellt einen Knaben mit einem atypischen 
Blutbefunde vor. Pat. ist sehr anaemiseh. Leber, Milz ver- 
grössert. ebenso einzelne Lymphdrüseii, zuweilen Nasenbluten, 
lVlecliie». Rothe Blutkörperchen V> -1 Million; weisse Blutzellen 
vermehrt bis zu 33 000. Verhältniss der weisseil zu den rothen 
Blutkörperelien 1:17, 1:32. 1:00. L y in p h o e y t e n 95 Froe., 

polyiniclcüre Leukoeyteu 5 Froe. Normo- und Megaloblasteil. 
Diagnose unsielier. Mail kann denken an Fseiuloleuknemia in¬ 
fantum. an pemieiöse Anaemie, an ein aleukaeinlsches Vorstadium 
tl«*r Leukaemie. 

Herr .1 a p li a macht zu diesem Fall nähere Mittheilungen 
über die Morphologie des Blutes. Auffällig ist der reichliche Be¬ 
fund an Megaloeyten und Mogaloblnsten, die bedeutende Ver¬ 
minderung der polynuelei'rrn Leukoeyteu, die Vermehrung der 


Lyiuphocyten. Wahrseheinlieli handelt es sieh um eim* pernioiöse 
Anaemie mit Uebergang in Leukaemie tLymphaemiei. 

Herr Stenger stellt vor: 

1. Sinusthrombose hei einem 23 jähr. DienstmUdelieu. welches 
wegen Ohrensehmerzen, Ohrenlaufen, Kopf- und Nuckeusch merzen 
iiufgenommen wurde. Otitis ehren. Der Warzen fort salz drtnk- 
empfindlieh. 20. I. Radiealoperation. Cholesteatom. Freilegung 
des Sinus bis zum Foramen jugulare. Spaltung desselben, Ent¬ 
fernung des nicht eitrigen Thrombus. Später r. Pleuraexsudat 
und Lebersehwelluug mit Ikterus. Freilegung der rechten Jugular- 
vene. welche bis zur Cartilago erieoidea tlirombosirt war, Unter- 
bindung unterhalb der Vena thyreoidea, Entfernung des eitrigen 
Thrombus. — Das Pleuraexsudat erwies eine Probepunetion als 
trüb-serös, jetzt ist dasselbe resorbirt. Fat. befindet sieh ln voller 
Genesung. 

2. Feber einen Fall von Stimlappenabscess nach Stirn¬ 
höhleneiterung. Demonstration des Gehirns. 20 jährige Carton- 
orbeiterin hatte früher eine Eiterung der r. Augenhöhle du reh- 
gemacht. Danach litt sie au epileptischen Anfällen, die für einige 
Zeit wieder aussetzteu. Entbindung. Neue Anfälle. Nun kam 
Pat. zur Ohrenklinik. Olireiterung rechts. Stlrnhöhleiieiterung. 
Operation, Besserung. Dann neuerdings Verschlimmerung iiutrr 
heftigen Kopfschmerzen. Tod. Ohduetlon: Abscess im Frontal¬ 
lappen ausgehend von der Stirnhöhleneiterung. Die Operation 
war wegen der Besserung nach dem ersten Eingriff aufgeschoben 
worden. 

Herr Burghart zeigt eine Ascitesflüssigkeit mit dem 
auffallend niedrigen speeiflsehen Gewicht von 1004, herrührend 
von einem etwa 40 jährigen Kranken mit chronischer Nephritis. 
Das Fliictuatiousgefühl war ein sehr grossschlägiges, ein Symptom, 
das durch das niedrige speciflsche Gewicht erklärt wird. 

]Torr Burghart: Weiteres über Beeinflussung der 
Diazoreaction durch Substanzen starker Affinität zu dem 
E h r 1 i c h’schen Reagens. 

Jod, auch innerlich, und Tannin heben die Diazoreaction 
auf, oft auch Kreosot und Krcosotal. Ferner bringen viele Farb¬ 
stoffe die Diazoreaction zum Verschwinden, so besonders die 
Phenole. Durch Entfernung der Phenole des Harns mit Amyl¬ 
alkohol udrd die Diazoreaction im Rückstände oft sehr deutlich 
positiv, nachdem sie im Harn direct negativ gewesen wnar. Die 
Phenole stören die Diazoreaction nicht in jedem Falle. Bei 
Fehlen und auffälligem Schwanken der Diazoreaction bei Krank¬ 
heiten, in denen sie gewöhnlich vorhanden ist, muss man an eine 
reichliche Phenolausschcidung als Ursache denken und die Phe¬ 
nole durch Amylalkohol entfernen. B. ist nach neuen Versuchen 
der Meinung, dass die Diazoverbindungen verschiedene Körper 
sind, welche zum Theil in Amylalkohol löslich, zum Theil unlös¬ 
lich sind. 

Discussion : Herr M I e h a e 11 s. Herr Bnrghart. 

Herr Brandenburg stellt einen 25jährigen Kranken 
mit Scarlatina bullosa vor; er betont die Seltenheit, und die 
schlechte Prognose dieser Fälle. W. Zinn- Berlin. 


Greifswalder medicinischer Verein. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 3. Februar 1900. 
Vorsitzender: Herr L a n d o i s. Schriftführer: Herr Buss e. 

1. Herr Bosenthal demonstrirt einen Fall von hoch¬ 
gradigem Meteorismus, wahrscheinlich in Folge von angeborener 
Darmstenose. Das jetzt 3jährige Kind soll von Geburt an einen 
aufgetriebenen Leib gehabt haben, dessen Umfang stets, besonders 
aber in den letzten 8 Wochen zugenommeu hat. Am 13. I. 1900 wdnl 
es In die Universitäts-Kinderklinik auf genommen, nachdem die 
schon vorher dürftigen und unregelmässigen Stuhlentleeriingeii 
angeblich seit 5 Wochen überhaupt ausgeblieben waren. Er¬ 
nährungszustand äusserst dürftig, das Abdomen hatte einen 
grössten Umfang von 84 cm. Das Kind verdrängt 14 Liter Wasser 
exclusive Kopf und Hals, während es im Ganzen nur 10,0 kg wiegt. 
Durch Darriiausspülungen, Batiehmassage etc. wurden reichliche 
übelriechende Faeces und Darmgase entleert und der Umfang um 
20 cm vermindert. Der Umstand, dass dieser Zustand schon von 
Geburt an besteht, spricht gegen chronische Dyspepsie lind für eine 
angeborene Darmstenose, die nach Besserung des Allgemein 
befindeus chirurgisch zu beseitigen sein wird. 

2. Herr G r a w i t z: Ueber Adenocarcinome mit Projection 
von Mikrophotogrammen. 

Die Bildung der drüseiiähnliclien Geschwülste kann auf sehr 
verschiedene Weise vor sich gehen. Einmal sieht man, dass von 
Drüsen aus bei der Wucherung derselben eine Ausstülpung d«** 
Drüsculuuicus nach der verschiedensten Richtung hin erfolgen 
kann (Typ. 1), es bestehen also von vornherein Lumina, die von 
annähernd eylindrischen Zellen ausgekleidet sind. Zweitens kann 
die Wucherung zunächst kleine solide Zellhaufen schaffen, die 
erst später bei der Ausreifung der Zellen hohl werden und um das 
Lumen Cylinderzellen formiren (Typ. ü). Bei dieser Art der Bil- 


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6. März 1900. 


339 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


<Iun& kann inan noch zwei Unterabtheilungen unterscheiden, ent¬ 
weder die Zellnester stehen in dircctem, unmittelbarem Zusam¬ 
menhang mit Drüsenbläschen, das Wachsthum der Epithelien 
erfolgt in continuirlichem Zuge oder aber, entfernt von den 
fertigen Drüsenbläschen entstehen im Bindegewebe Zellhaufen, 
bei denen also ein Zusammenhang mit den vollendeten Epithel- 
>chläuchcn nicht zu erkennen ist, discontinuirliches Wachsthum. 
Drittens kommen nun auch Tumoren zur Beobachtung, in denen 
Epithelien in die Lymphbahnen des Bindegewebes wuchern, und 
dabei dickere und dünnere Bindegewcbsbiindel um so hl i essen, 
durch deren Schmelzung und Verflüssigung dann ein Lumen zu 
Stande kommt (Typ. III). Nur bei Typus I handelt es sich von 
vornherein um Cylinderzellen und ausschliesslich um ein Iler- 
vorgehen aus einer bereits mit drüsigen Ilohlräumen versehenen 
Matrix. Bei Typ. II und III gibt es zunächst kleine, solide Zell¬ 
haufen einfacher, runder Zellformen, die sich erst nachher zu 
Cylinderzellen differenziren. In diesem Falle ist es gar nicht ein¬ 
mal erforderlich, dass die Matrix der Geschwülste schon an sich 
drüsige Struct.ur besitzt, sondern z. B. auch das Epithel der Ober¬ 
baut und der Nebenniere und das Zahnkeiinepithel kann nach 
Anfangs soliden Zellwucherungen schliesslich Drüsenschläuche 
oder kleine Cysten bilden. Typ. I wird in einem Adenom der 
Thränendrüse, Typ. II in einigen Photogrammen von Gallert¬ 
kropf gezeigt. Einen extremen Grad des disoontinuirlichen 
Wachsthums stellen die nicht selten in Knochen beobachteten 
Metastasen von Struma maligna dar. Der Typ. III tritt am deut¬ 
lichsten in einem Tumor der Hypophysis hervor. Tn Adenocarei- 
nomen des Rectum und der Ovarien finden sich gewöhnlich alle 
3 Typen. Einige Photogramme zeigen das Ilervorgehcn von 
Drüsenschläuchen aus den tieferen Schichten des Rete Malpighi 
an einem Tumor der Achselhöhle bei einem Soldaten und einer 
Geschwulst der Nackenhaut bei einer älteren Frau. In einem 
Tumor der Nebenniere wird ein anderes Beispiel demonstrirt, 
wie durch Verflüssigung von Epithelien und Bindegewebe aus 
soliden Massen durchaus glanduläre Bildungen werden können. 
Auch die cystischen Geschwülste des Unterkiefers, die von den 
„Debris epitheliaux“, den nicht verbrauchten Zahnkeimresten 
hervorgehen, liefern nach Typ. II und III vielfach cystisehe und 
drüsige Geschwüre. Zum Schluss werden zahlreiche Bilder aus 
den Parotisgeschwülsten demonstrirt, die den Beweis liefern, dass 
die Driisenepithelien selbst in Wucherung gerathen und die Ab¬ 
kömmlinge derselben den Haupttheil der so oft als Endotheliome 
aufgefassten Geschwülste liefern, vielfach auch nach dem Typ. 
III. Der histologische Bau gibt nur annäherungsweise einen 
Maassstab für den Grad der Bösartigkeit; im Allgemeinen ist der 
Tumor um so bösartiger, je weniger rasch und je weniger voll¬ 
ständig die krebsigen Anfangsstadien zu dem vollendeten Drüsen- 
und Cystenbau übergehen. 

3. Herr Triepel: lieber Stossfestigkeit der Knochen. 

Es empfiehlt sich in der Anatomie und Chirurgie, nicht nur 
Angaben über die statische Festigkeit der Gewebe und Organe 
in Gewichtseinheiten zu machen, sondern auch solche über ihre 
Stossfestigkeit in Kilogramm-Metern. Versuche über die Stoss¬ 
festigkeit sind mit ziemlich beträchtlichen Schwierigkeiten ver¬ 
knüpft, weil von der lebendigen Kraft, die man im Experiment 
auf einen Körper einwirken lässt, immer mehr oder weniger ver¬ 
loren geht, und nur wenige derartige Versuche liegen bisher vor. 
Man kann nun aber die Stossfestigkeit aus der statischen Festig¬ 
keit berechnen mit Hilfe von Gleichungen über die bei der sta¬ 
tischen Beanspruchung geleistete Arbeit. Die Gewalten, die im 
Körper zu Continuitätstrennungen führen, müssen immer grösser 
sein, als die für die Stossfestigkeiteu berechneten Werthe, weil 
eben auch hier lebendige Kraft in Verlust geräth, d. h. zu anderen 
Aufgaben als den Continuitätstrennungen verwandt wird, vor 
Allem durch die Unterlage und durch die Gewebe, die sich 
zwischen dem stossenden und dem zerbrechenden oder zerreissen¬ 
den Körper befinden. Es werden einige Zahlenangaben gemacht 
über die (durch Rechnung ermittelten) Stossfestigkeiteu einiger 
Knochen. Eine ausführliche Darstellung wird an anderer Stelle 
gegeben werden. 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 27. Februar 1900. 

Vorsitzender: Herr Kümmell. 

1. Demonstrationen. 

1. Herr Krause- Altona demonstrirt einen Patienten, hei 
dem er die Exstirpation der linken Kehlkopf hälfte und der vor¬ 
deren Wand des Oesophagus mit plastischem Ersatz vorgenomineu 
hat. Cf. diese Wochensehr. No. 5, pag. 109. 

2. Herr Schmilinsky stellt eiu 9 jähriges Mädchen vor, 
bei dem er ein Offenbleiben des Ductus Botaili neben einer Dextro- 
cardie diagnosticirt hat: Cyanose, Trommelschlcgeltinger, schorn- 
steinförmige Herzdiimpfung, Erweiterung des venösen Ventrikels, 
lautes Geräusch an der Pulmouulis, 2. Ton stark klappend. Rönt¬ 
genaufnahme. 

Derselbe bespricht ferner einen Fall von Sanduhrmagen. 
Der 37 jühr. Kranke hatte nach ganz geringer Nahrungsaufnahme 
äusserst schwere Sehinerzparoxysmeii. Die Mageusomle kam bei 
50 cm auf einen Widerstand, bei dessen Berührung die gleichen 
Schmerzen geiiussert wurden; an Stelle der normalen 2 oehluck 
gerUusclie hörte man beim Schluekacte zahlreiche Ste- 
nosengeriiusche; die Schwammsondemmtersiichung ergibt 
Blut. Eine mit Schrotli gefüllte Magensonde zeigt sieh auf dem 
Röntgenbild am cardialen Abschnitt des Magens unter dem Rippen¬ 
bogen in Schnecke n gewiuden a u f g e rollt. Probe¬ 
laparotomie Ist ludicirt 

3. Herr Albers-Schönberg : Fortschritte in der 
Röntgentechnik. 

Während man früher zur Herstellung eines relativ guten 
Thoraxbildes einer mehrere Ali nuten dauernden Expositionszeit 
bedurfte, hat die Einführung des W e h n e 1 t'sclien elektro¬ 
lytischen Unterbrechers eine Abkürzung der Belichtungszeit 
auf Secunden, ja sogar auf Bruchtheile von Secunden ermög¬ 
licht. Den grössten Vortheil von dieser Schnelligkeit des Ver¬ 
fahrens haben die Thoraxuntersuchungen gehabt. Während es 
früher nicht gelang, ein klares und scharfes Bild vom Herzen 
und Zwerchfell zu gewinnen, da die Athmung die Contouren 
verwischte, ist es jetzt möglich, das Zwerchfell als eine scharfe 
Linie, das Herz als einen scharf conturirten Körper zu fixiren. 
Bei richtiger Anwendung des Verfahrens kann man unschwer 
die baumförmige Verästelung der Bronchien in den Lungen 
zur Darstellung bringen. Vortragender zeigt diesbezügliche 
Platten, sowie ein von Prof. Rieder in der Z i e m s s e n’sehen 
Klinik in München in Secunde gemachtes Thoraxbild. In Folge 
der Möglichkeit, Brustaufnahmen in ausserordentlich kurzer Zeit 
zu machen, kann man sowohl Inspirations- wie Exspirations¬ 
stellungen fixiren, ohne befürchten zu müssen, dass die Athem- 
bewegungen das Bild verwischen. Die Bedeutung des Ver¬ 
fahrens für die Diagnose liegt auf der Hand, da eine Reihe von 
Erkrankungen der Organe der Brusthöhle sichtbar gemacht 
werden können, die früher darzustellen unmöglich war. 

II. Discussion über den Vortrag des Herrn Rumpel: 

Heber Variola und Streptococceninfection. 

Herr Reineke gibt einige Daten über Pockenfälle in Ham¬ 
burg. Seit der Epidemie der Jahre 1870/71 mit ca. 4000 Todesfällen 
unter 40—50 000 Erkrankungen sind in Hamburg nur 63 Individuen 
an Pocken gestorben. Sämmtliche hier beobachtete Pocken- 
erkrankungen sind auf Einschleppung von auswärts zuriiekzu 
führen. Die Einschleppung geschieht meist durch russische Aus¬ 
wanderer, deren sanitätspolizeiliclie Ueberwachung daher auf das 
Strengste durchgeführt wird, zum kleineren Theil durch erkrankte 
Seeleute. R. führt einzelne kleinere Epidemien an und vergleich! 
insbesondere die von Rumpel beschriebene, sich auf 4 Fälle be¬ 
schränkende Epidemie mit einer ähnlichen des Jahres 1887, die 
sich auf einen zugereisten Pockenkranken zurückftihren Hess, ln 
diesem Kalle gelangte der Infectionskeim in niedere, ärmliche 
Kreise der Bevölkerung und verursachte 77 Erkrankungen mit 
17 Todesfällen. Die Gefahr der Ausbreitung der Infeetionskrank- 
lieiten nimmt zu, je ungünstiger die socialen und hygienischen Ver¬ 
hältnisse der Bevölkeruugsclasse sind, die jeweils betroffen werden. 
R. bespricht die Bekämpfungsmassregeln, die in Isolirung der 
Kranken und in ausgedehnter Impfung der Umgebung zu bestehen 
haben. 

Herr A r n i u g erwähnt, dass Ende Deeember ln Marseille 
eine Blatternepidemie ausgebroehen ist und dass einzelne Er¬ 
krankungen in Genf vorgekommen sind. Mit Wahrscheinlichkeit 
besteht ein Zusammenhang dieser Infectionen mit dem ersten Full* 
des Herrn R nnipe l. 

Herr Voigt bemerkt, dass die an Purpura variolois ver¬ 
storbene Frau nur als Kind geimpft sei, während die übrigen 
Fälle geimpft und revaccinirt waren. 

Herr Pa a s c h e n constatirt das negative Ergebniss der Thier¬ 
versuche. 

Herr Rumpel betont, dass in pockenfreleu Zeiten aus den 
Krühformen des Exanthems die Diagnose unmöglich sei. Der 
„initiale Rash“ ist nicht immer in typischer Weise vorhanden. 


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340 


MÜNCHENER MED1CIMSCHK WOCHENSCHRIFT. 


No. 10* 


U. hüll es lii. möglich, dass eventuelle Mikroorganismen in der 
Haut (Streptococcen) hei der Bildung der serösen Blasen durch das 
sich bildende, bacterieid wirkende Serum zerstört werden. Damit 
ist es erklärt, dass die in der Entwickelung begriffene Pocken¬ 
blase, ehe sie durch secundäre Eitercocceninvasion zur Pustel wird, 
stets steril gefunden wird. Die Frage der Lebert ragbarkeit der 
Streptococcen von Mensch auf Mensch, sowie von Mensch auf Thier 
und umgekehrt ist noch nicht genügend erklärt. W e r n e r. 


Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg. 

tüfücielles Protokoll.) 

Sitz u n g v o m 9. J a n u a r 1900. 

Vorsitzender: Herr A. W i e s i n g o r. 

Schriftführer: Herr II ä r t i n g. 

Herr C. Lauenstein demonstrirt einen 41 jährigt u Mann, 
dei seit 4 Jahren au einer intermittirenden Anschwellung der 
Genitalien leidet. Antangs trat die Anschwellung \un Peius, 
Scrotum und rechter Häilte des Dammes alle Vierteljahr ein, daun 
alle zwei Monate, seit einem Jahre etwa regelmässig alle 8 Tage. 
Während das Allgemeinbefinden im Wesentlichen ungestört bleibt, 
tritt neben der Schwellung eine intensive Kot Innig auf, dann berstet 
die Haut an vielen Steilen und die geschwollenen Tlieile nässen sein- 
stark, indem sie eine ganz klare Flüssigkeit absolutem. Eine gänz¬ 
liche A lisch wel hing der Tlieile tritt nicht ein, vielmehr bleibt eine 
bestimmte Verdickung zurück in Gestalt von warzigen llervor- 
ragungen der Scrotalhaut, einer gleichmässigeii Schwellung des 
Praeputlums und des Penis, sowie einer über halbhasemussgrossen, 
warzigen Anschwellung am hinteren Ende des Perineums rechts 
vom After. Was nun die Aetiologie anlangt, so ist Par. niemals iui 
Auslande gewesen, sondern hat nur in Leipzig und Hamburg gelebt. 
1875 hat er Gonorrhoe aequirirt, 1877 Ficus molie, 1871) beiderseitige 
Leistcndrüseuentzündung, die geschnitten w urde und eine 3 monat¬ 
liche Hospitalbehandlung erforderte. 1887 wiederum beiderseitige 
Leistendrüsenentzündung und 2^monatliche Hospitalbehandlung. 

Im Jahre 1895 war Pat. bei einem Umzuge beschäftigt und 
hob ein sehr schweres Stück Möbel. Dabei verspürte er plötzlich 
einen heftigen Schmerz im „Gemächte“ und eine sehr starke An¬ 
schwellung desselben. Diese ging unter Umschlägen in ca. 3 Tagen 
wieder vorüber. Venenausdehnungeii bestehen nicht. 

l*at ist schon wiederholt operirt, d. h. es sind ihm von den 
Warzen lind Protuberanzen wiederholt welche weggeschnit teil und 
w-eggebrannt, aber immer sind sie wiedergekehrt. 

E. vermuthet nun, dass in Folge der zweimaligen Leisten- 
drüseiieiitzündungen die Wegsamkeit der Lyiuphgefässe, die von 
Penis, Scrotum und rechter Dammhälfte entspringen, beeinträchtigt 
resp. aufgehoben worden ist, so dass die Lymphe nicht im Stande 
ist, abzuttiessen, und dass dadurch das Krankheitsbild bedingt ist. 

Er will versuchen, dem Pat. dadurch zu helfen, dass er ihm 
innere oder äussere Abzugscauäle oder Oeffiiungen anlegt. 

i) i s c u s s i o u : Herr Unna betont die klinische Aehu- 
liehkcit des Falles mit M a n s o n’s Lymp liscrotu m. Auch 
dieses ist mit einer elephautiastisehen Beschaffenheit der Serotal¬ 
haut oft verbunden, regelmässig mit Drüsensi-hvveliungeu, perio¬ 
dischen Anschwellungen des Scrotuius bei allgemeinem Unwohlsein 
und Absonderung von Lymphe aus den zahlreichen oberflächlichen 
Lymphangiektasieu. Da der Pat. nicht von Hamburg fortge¬ 
kommen ist, kann es sich nicht um eine Filariadermatose handeln, 
aber der klinischen Aehullchkeit mit Lymphscrotum wegen viel- 
leiclit um eine ähnliche Aetiologie. Auf alle Fälle sei bei Stellung 
der Diagnose zu beachten, dass kein einfacher Fall von Oedeina 
scroti vorliege, sondern eine Neubildung, nämlich eine elephau- 
tiastische Verdickung der Scrotalhaut und eine reichliche Bildung 
von oberflächlichen Lymphangiomen auf derselben. 

Herr Sänger fragt an, ob bei dem Patienten nervöse Stör¬ 
ungen vorhanden seien, da mit Störungen des Nervensystems öfters 
inlermittirende Oedeme, besonders mit llautcrkrankungen com- 
binirt vorkämeu. 

Herr C. Lauenstein gibt an, einen genauen Nervenstatus 
nicht aufgenommen zu haben, doch solle dieser nocli vorgenoinmen 
werden. 

Herr C. L.auensfein demonstrirt Präparate und Röntgen- 
bilder eines Falles von Spontanfractur des linken Oberschenkels. 
Die Patientin, eine verlieirathete Frau, 54 Jahre alt. Mutter von 
zwei lebenden Kindern, bekam vor etwa 5 Jahren „rheumatische“ 
Schmerzen im ganzen Körper, in den Knien beginnend und auf die 
Schultern übergehend. Vor einem Jahre wurde sie in einem gymna¬ 
stischen Institute, namentlich auch w-egeu Beschwerden in der 
rechten Hand mit der „Klopfmassage“ behandelt. Es trat jedoch 
keine Besserung ein. Vom 7. II. bis 28. 111. a. c. wurde sie im 
Alten Allgem. Krankenhause wegen „Rheumatismus chron.“ be¬ 
handelt mit Bädern, Douchen, Faradisatiou und Massage, jedoch 
ging sie, wie sie gekommen war, an zwei Stöcken gehend, wieder 
ab. Am 25. VII. schwoll das linke Bein an, zuerst über und 
unter dem Knie. Am Abend des 8. VIII. lag sie zu Bett, nach¬ 
dem sie noch den Tag über leidlich hatte gehen können; sie wollte 
noch einmal aus dem Bette steigen und drehte sich zu diesem 
Zwecke auf die linke Seite. In diesem Augenblicke spürte sie einen 
blitzartigen Schmerz im linken Beine. Das Bein legte sich „nach 
aussen“ um, und seitdem konnte Pat. weder gehen noch stehen. 
Als sie am 22. VIII. auf die chirurgische Abtheiluug Be- 
l h e s d a’s aufgenommen wurde, war der ganze linke Oberschenkel 
Mark gesellw'ollen und zeigte eine Fractur au der Grenze zwischen 


olierem und mittlerem Drittel mit starker Disloc. ad axin (Con- 
Atxit. nach aussen). Keine Spur von Callusbildung. Ausserdem 
ergab die Röntgen-Durchleuchtung eine sehr zarte Spongiosa und 
eine sehr dünne Oortiealis. Es erfolgte keine Spur von Consoli- 
dation. Daher ging Pat., die sehr viele Schmerzen in dem ge 
scliwollenen linken Bein hatte, am 3. XI. a. c. auf den Vorschlag 
dir Amputation des Oberschenkels an der Fraeturstelle ein und 
tülilt sich seitdem auch sehr erleichtert. Die Amputatiouswumle 
bat bisher gleichmässige Fortschritte in der Heilung gemacht und 
ist jetzt, nahezu geschlossen. Die genaue Untersuchung des aui- 
putirten Beines ergab nun eine ganz ausserordentliche Weichheit 
und Brüchigkeit des Knochens, eine hochgradige Armuth an Kalk¬ 
salzen und multiple, tliells im Mark liegende, theils die Cortiealb* 
lochfürmlg durchsetzende Tumoren, die sich mikroskopisch als 
sehr g e f ii s s r e i c li e Riesenzellensarkome erwiesen. 
Die nachträgliche weitere Untersuchung der Pat. mit Röntgt* n- 
stralilon hat nun die Anwesenheit zahlreicher Tumoren in den» 
übrigen Skelett ergeben, namentlich auch in den Mittelhand- und 
]-ingerknochen beider Hände. Der damals mit der Klopfmassage 
behandelte Metacarpus ist zum Theil resorbirt, der Finger durch 
Linsiuken gegen die Mittelhand verkürzt. Die genaue fernere Be¬ 
obachtung des Falles hat nun ergeben, dass ausser einem ganz ge¬ 
ringen Eiweissgchalt des Urins und der Anwesenheit von spär¬ 
lichen hyalinen Uylindern, die in letzter Zeit aufgetreteu sind, keine 
Orgaiierkrankimgeii bestehen. Der Beuce - J o h n’sclie Körper 
oder Al bum ose sind nicht nachgewleseu im Urin. Das Blut 
zeigt keine Veränderung. Dilforrnitäten des Skelettes fehlen. Au 
de) Bruchstelle des Oberschenkels liess sich keine Tumorsubstanz 
iiüchweisen. So ist der Sitz der Fractur wohl auf die Oertlieli- 
keit der einwirkeuden Gewult zurückzuführen. Nach dem bis¬ 
herigen Verlaufe des Falles zu urtlieilen, hat das Riesenzellen 
sarkom hier einen mehr gutartigen Charakter, wie wir ihn auch von 
dei Epulis her kennen. Leider ist aber die Gutartigkeit nicht die 
gewöhnliche Eigenschaft der Riesenzellensarkome. Es gibt Fälle 
mit sehr malignem Charakter. 

I) i s c u s s i o n : Herr Slmruonds fragt an, ob die Fractur 
an einer Stelle des Femur entstanden sei. wo Tumormassen vor¬ 
handen gewesen seien. 

Herr C. Lauenstein gibt an, an der Fraeturstelle selbsi 
sei keine Tumormasse vorhanden gewesen; man müsse also an- 
liehme», dass andere Momente den Femur gerade an einer von 
Tumor freien Stelle haben brechen lassen und dass vielleicht Ein 
Wirkung einer grösseren Muskel Wirkung au der betr. Stelle oder 
osteoporotische Processe die Ursache des Bruches an dieser Stelle 
seien. 

Herr Henkel demonstrirt einen Fall von Vitium cordis 
congenitum (sehr grosser Septumdefect, Pulmonalstenose und 
IiJHiifflcienz). 

Das Präparat stammt von einem 15 jährigen Jungen, der, here¬ 
ditär nach keiner Richtung belastet, ohne jede Kunsthilfe zur Welt 
gekommen war. In den ersten Lebensjahren Blausucht und all¬ 
gemeine Krämpfe alle paar Tage. — Während der Schulzeit keine 
Krämpfe mehr, wohl aber vielfach Schwindelgefühl und Olm 
limchtsanfälle. Geistige Entwicklung vollständig normal. Am 
22. I. 99 plötzlicli Ilaemoptoe. Nach 8 Wochen Wiederholung. 
Am 12. VI. Krankenhaus:!ufnähme — Eppendorf, Abtheilung Dr. 
R u in p e 1. 

Anamnestisch bomerkonswerth ist. dass Pat. niemals Gelenk¬ 
rheumatismus, nie Masern, Scharlach, Diphtherie oder Typhus ge¬ 
habt hat. 

Der Aufnahmebefund ergab: gradier, intelligenter Junge. 
Ganz leichte Cyauose im Gesicht. Keine Venonpulsation am Hals. 
Keine Oedeme. Eiulphalangen der Finger etwas verdickt. Finger¬ 
nägel blau. Keine Drüsenselnvellung. 

Nervensystem ohne jede Veränderung. 

Herzdämpfung nach rechts und nach oben verbreitert. Spitzeii- 
stoss an normaler Stelle sichtbar. lieber allen Ostien lautes sysi. 
Geräusch, am lautesten über der Pulmoualis, hier auch leises 
diast. Geräusch. Puls 04, regelmässig gespannt. Pulscurve bietet 
nichts Besonderes. Bei fehlendem Auswurf w'iirde ein doppel¬ 
seitiger Lungenspitzenkatarrh fcstgostollt. Keine Temperaturen. 
— Am 9. Tage des Krankenhausaufeiithaltes Haemoptoe — posi 
ti\er Tuberkelbacillenbefund, llaemoglobingehalt nach Go weis 
95 Proe. Die mikroskopische Untersuchung frischen und gefärbten 
Blutes, ebenso die Betrachtung desselben im Spoctralapparat ergab 
durchaus normale Verhältnisse. Krankheitsverlauf wird im Wesent¬ 
lichen von der progredienten Luugentuberculose beherrscht, dir 
fieberfrei verlief; — höchste Temperatur 37,8 zweimal. 
Am 8. I. 1900 Exitus letalis. 

Die Section ergab ziemlich starke Cyauose im Gesicht, Blau¬ 
färbung der Fingernägel. Pralle Füllung der tiefen Halsvemu. 
keinen Ascites, keine Oedeme. Doppelseitige sehr progresse Lungern 
tuberculose. Im Herzbeutel* ca. 10 ccm klare, bernsteinfarbene 
Flüssigkeit, Herz erheblich grösser als die Faust der Leiche unter 
gleiclimässiger Betheiligung beider Ventrikel. Aorta auf Wasser 
einguss schlussfest, Pulmoualis nicht.. Pulmoualis für Sonde von 
Bleistift dicke eben durchgängig. Von den Pulmonalklappen sind 
nur zwei nachw eisbar, die in grosser Ausdehnung mit einander vor- 
wachsen sind. Die beiden Sinus Valsalvae stark erweitert. 

Aortenklappen sind zart., vollkommen intact, ebenso Mitralis 
und Tricuspidalis, Fora men ovale geschlossen, dessgleiehen Dun . 
Botalli. Der Defect im Septum ist bequem für den Mittelfinger 
durchgängig. Er sitzt im hinteren Schenkel des vorderen Septums, 
des Theiles, der die Aorta rechts umfasst und ihr zum Theil als 


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6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


341 


Insertion dient (Rokitansky). Es handelt sich also um eine 
Communication beider Ventrikel unter dem Aortenursprung. Der 
Rand der Oeffnung wird von Muskelgewebe gebildet, dessen 
endocardialer üeberzug erheblich verdickt ist. — Section der Bauch- 
organe ergibt nichts Bemerkenswerthes. 

Herr Saenger: Ueber Hirnsymptome bei Carcinoma- 
tose. 

Anschliessend an die Arbeiten Oppen hei m’s und 
Bettel hei m’s im Jahre 1888, in welchen diese Autoren Fälle 
von Carcinomatose mittheilten, deren scharf umschriebene Hirn¬ 
symptome keine Erklärung durch die Section fanden, berichtet der 
Vortragende über eine Frau, die 1 Jahr nach einer wegen Carci- 
nom vorgenommenen Mammaoperation mit Kopfschmerz, 
Doppeltsehen, Taubheit, häufigem Erbrechen und allgemeiner 
Unruhe erkrankt war. Ausser einer rechtsseitigen Facialis-, Ab- 
ducenslähmung, doppelseitiger Taubheit, schwankendem Gang be¬ 
standen keine besonderen Störungen. Bei der Section fand sich 
makroskopisch kein Befund im Gehirn, der in Zusammenhang 
mit der Carcinomatose gebracht werden könnte. Bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung der Pia der Convexität, sowohl wie der 
Basis um den Austrittsstellen des Abducens, Facialis, Acusticus 
und Glossopharyngeus fanden sich dichte Anhäufungen von 
Krebszellen. 

Vortragender ist der Ansicht, dass gewiss einer Reihe von 
Krebsfällen mit circumscripten Hirnsymptomen eine derartige 
mikroskopische Metastasenbildung zu Grunde liegt, bei denen 
makroskopisch im Hirn keine Veränderung zu constatiren ist. 
Der Annahme O p p e n h e i m’s, dass die Hirnherderscheinungen 
bei Carcinomatose auf eine toxische Herderkrankung des Gehirns 
zu beziehen seien, vermag sich Vortragender absolut nicht anzu- 
schliessen. Er neigt sich vielmehr den Anschauungen Sena- 
t o r’s zu, dass das Gehirn auf die abnorme Blutmischung bei 
Carcinomatose nicht in Herdsymptomen, sondern in 
diffuser Art reagire: in Form von Schmerzen, Benommen¬ 
heit des Kopfes, Apathie. Schläfrigkeit, Coma. 

Vortragender hat 112 Krankengeschichten von Magencarci- 
nomen, die meist letal endigten, auf das Vorkommen von Tfirn- 
symptomen durchgesehen, ln keinem einzigen Fall fand sich ein 
cerebrales II e r d s y m p t o m. In 9 Fällen fanden sich nervöse 
Symptome allgemeiner Natur: wie Apathie, Coma, unsicherer 
Gang, Herabsetzung der Sehnen- (resp. Patellar-) -reflexe und 
unerträgliches Zucken. 

Weiterhin theilt Vortragender 2 eigene Beobachtungen mit. 

In dem einen Fall handelte es sich um einen 35 jälir. Arbeiter, 
der mit einer rechtsseitigen Abducenslühmung erkrankt war. Da¬ 
rauf trat Abnahme des rechtsseitigen Sehvermögens bis zur Er¬ 
blindung ein. Die Cervical- und Inguinallymphdrüsen waren ver- 
grössert. Es traten durch Metastasen bedingte Anschwellungen 
ln der Musculatur des Rückens und der oberen Extremitäten auf. 
Am 23. Krankheitstage starb der Patient in heftigem Delirium 
und Fieber. 

Die Section ergab einen kinderfaustgrossen, carcinoinatösen 
Tumor im vorderen Mediastinum, welcher mit der Vena anonyraa 
sin. so verwachsen war, dass die Krebsmasseu frei in das Lumen 
derselben hineinragten. Im Hirn fanden sich zahlreiche flache 
Carcinommetastasen auf der Dura. 

In dem anderen Fall handelte es sich um eine 59jähr. Frau, 
die nach vorhergehender linksseitiger Hemianopsie eine linksseitige 
Hemiparese acquirirt hatte. Die Section ergab ein linksseitges 
Lungencareinom mit Metastasen auf der Pleura, in der Milz und 
im Gehirn, und zwar fanden sich: im rechten Hinterhauptslappen 
ein grauweisser, erweichter, grösserer Knoten, im linken Hinter¬ 
hauptslappen eine kleine, haselnussgrosse Metastase und im 
Parietallappen ein 3. Tumor. 

Der Vortragende zeigt das anatomische Präparat dieses 
Falles*; ausserdem noch 3 weitere Präparate: eine Krebsmetastase 
irr Hinterhauptslappen bei einem Oesophaguskrebs; eine Meta¬ 
stase in beiden Centralwindungen incl. dem Lobus paracentralis 
ebenfalls bei einem Oesophaguskrebs und endlich einen Krebsknoten 
im Kleinhirn bei derselben Localisation des Grundieidens. 

Vortragender fasst seine Beobachtungen dahin zusammen, 
dass die Hirnsymptome bei Carcinomatose sich folgendermaassen 
gruppiren lassen: 

1. Hirnsymptome allgemeiner Natur, wie Apathie, 
Coma etc. 

a) Ohne anatomische Veränderungen, wahrscheinlich be¬ 
dingt durch Selbstinfection in Folge von abnormen Zersetzungs¬ 
vorgängen. 

b) mit anatomischen Veränderungen, z. B. Metastasen ohne 
Herdsymptome. 

2. Hirnsymptome specieller Natur (Herdsymptome). 

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a) Ohne jeglichen Befund. Oppenheim 
nimmt an, dass cs sich in solchen Fällen um toxische Herd¬ 
symptome handelt; welche Hypothese Vortragender für durchaus 
unbewiesen und schwer verständlich hält, da die Herdsyraptome 
nie doppelseitig, sondern stets halbseitig auftreten. 

b) Mit m i k«r oskopischem, ohne makroskopischen 
Befund. Siche den ersten mitgetheilten Fall. 

c) Mit makroskopischem Befund: 

aa) Geschwulstmetastasen, 

bb) Erweichungen oder Blutungen bei einem Krebskranken. 

Natürlich können sich Symptome allgemeiner Natur mit 
solchen specieller Natur combiniren. 

Vortragender geht noch auf die pathologisch-anatomische 
Seite des Themas ein und hebt hervor, dass im Gehirn keine 
Praedilectionsstelle für die metastatischen Carcinome sich fest¬ 
stellen lasse. Ebensowenig ist die Metastasenbildung von der 
histologischen Beschaffenheit des Krebses abhängig. Dagegen 
scheine die Oertliehkeit in gewisser Beziehung zur Häufigkeit 
des Auftretens von Metastasen zu stehen. Die Oesophagus-, 
L ungen - und Mediastinalkrebse machen am meisten 
Hirnmetastasen und zwar auf dem Wege der Blutbahn. 

Zum Schluss hebt Vortragender hervor, dass es noch vieler 
I eingehender pathologisch-anatomischer Untersuchungen (viel¬ 
leicht mit neuen Methoden) bedarf, um über das dunkle 
Capitel der Herdsymptome des Gehirns bei Carcinomatose „ohne 
Befund“ Klarheit zu verschaffen. 

Discussion: Herr N onne sieht ab von den Fällen, in 
denen er auf Grund von Metastasen zu klinischen cere¬ 
bralen Symptomen kommt. Die Symptome sind in diesen ganz ver¬ 
schieden, je nach der Localisation der Metastase. N. will nur 
über diejenigen Fälle berichteu, ln denen bei einem w o h 1 - 
a u sge bildeten klinischen Symptombild kein ent¬ 
sprechender Section sbef und consta tirt wurde. 

Den ersten derartigen Fall sah N. 1888 im Eppendorfer Kran¬ 
kenhaus: Ein 44 jähriger Mann mit grossem Magencarcinom bekam 
apoplectiform eine rechtsseitige Hemiplegie mit motorischer 
Aphasie. Diese Lähmung blieb bis zu dem nach 1 Woche er¬ 
folgenden Tod best« hen. Die makroskopische und, in diesem Falle 
unter E i s e n 1 o h r*s — damaliger Chef von N. — Controie 
aiisgefülirte. m i k r o s k o p i s c li e Untersuchung fiel negativ aus. 

Seitdem sah N. eine acut aufgetretene rechtsseitige Hemi¬ 
plegie bei einem Fall von Gallenblaseucarciuom. eine Facialisparese 
mit Aphasie und Monoplegie dos rechten Arms bei einem Fall von 
Coe«*umearemom, eine linksseitige apoplektiform aufgetretene 
Hemiparese in einem Fall von Magenpaukreascarcinom. In einem 
weiteren Fall von Carcinoma mammne mit ausgebreiteten Meta¬ 
stasen sah N. subacut — ohne Insulterselieiinnigen — das Bild einer 
Pensa ffection. also weehselständige Lähmung im rechten Facialis 
von supranucleärem Charakter und in den linksseitigen Extremi¬ 
täten zur Ausbilduug kommen, ohne dass hei makroskopischer und 
iu diesem Fall auch durchgeführter mikroskopischer Untersuchung 
ein positiver Befund erhoben werden konnte. Endlich sah N. vor 
9 Monaten noch einen Fall von apoplektisch aufgetretener rechts¬ 
seitiger Hemiplegie — ohne Aphasie — bei einem Fall von Carci¬ 
noma ovarii mit multiplen anderweitigen Metastasen. 

N. sah 2 ganz analoge Fälle von typischer Jackson’- 
scher Epilepsie bei Carcinomatosis. Iu dem einen 
Fall lag ein Magencarcinom bei einem 40 jährigen Manne vor; die 
rechtsseitigen J a c k s o n’schen Couvulsionen, die von einer vor¬ 
übergehenden rechtsseitigen Parese gefolgt waren, traten im 
Ganzen 4 mal auf. Bei der Section fanden sich linksseitig meta¬ 
statische Carcinomknoten im Marklager und in der Rinde der linken 
Centralwindungen. Im anderen Fall handelte es sich um ein 
Mammacarciuom mit Metastasen in den Pleuren, der Leber und den 
Lymphdrüseu am Halse. In diesem Falle traten über 2 Wochen 
hindurch fast täglich Anfälle rechtsseitiger J a c k s o n’scher Epi¬ 
lepsie auf. Die Section ergab in diesem Fall makroskopisch gar 
keine Anomalie. In beiden Fällen war der ophthalmoskopische 
Befund normal gewesen. N. glaubt, dass wir jetzt noch nicht 
in der Lage sind, in derartigen Fällen die Differential- 
diagnosezwischenor ganischer und dynamischer 
Grundlage der klinischen Erscheinungen zu stellen. 

Den Fall des Herrn Sänger betreffend, in dein S. mikro¬ 
skopisch CarcinomInfiltration längs der Gefässe und der Piasepten 
nachweisen und diese als anatomische Grundlage der klinischen 
Cerebralsymptome auft'assen konnte, verweist N. auf die Erfahr¬ 
ungen von F. Schultze und von Kranhals, die bei makro¬ 
skopisch normalem Befund in Fällen von „klinischer Meningitis“ 
mikroskopisch die Anzeichen entzündlicher Veränderungen fanden. 

Es ist immerhin auffallend, dass die Carcinome des Magen- 
darmtractus in den Fällen von Hemiplegie 
ohneBefundbesonders häufig vertreten sind, und dess- 
halb legt N„ entgegen Herrn Sänger, der Theorie der 
Intoxication, die auf bestimmte Territorien des Hirns ein¬ 
wirkt, mehr Werth bei. Dazu bestimmen N. noch zwei That- 
sachen: erstens, dass dasklinischeBlld — und das beweisen 
auch die Fälle von Sänger — überwiegend häufig das 
Bild der Hemiplegie resp. Hemiparese oder einer mit 

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342 


No. 10. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


oder ohne Aphasie auf tretenden Monoparese resp. Monoplegie ist, 
und zweitens, dass auch die bisherigen positiven Rücken- 
ma rksbef unde vorwiegend an Fällen mit Carci- 
n o m des Int. estinaltractus erhoben wurden (Lu- 
1) ursch u. A.). 

Zu diesem Capitol der Rückenmarksaffection bei 
Carcinosis kann N. einen nicht unwichtigen Beitrag liefern: 
Bei einer an inoperablem Uteruscarcinom leidenden 
Flau, bei der alle sonst für ein Rückenmarksleiden aetiologisch 
in Betracht kommenden Momente ausgeschlossen werden konnten, 
entwickelten sich ca. 2 Monate vor dem Tode spasti¬ 
sche Symptome an den unteren Extremitäten: 
Parese, leichte Spannungen bei passiven Bewegungen, Erhöhung 
des Patellar- und Achillessehnenreflexes, ohne subjective und ob- 
joetive Sensibilitätsstörungen. Bei der mikroskopischen Unter¬ 
suchung des Rückenmarks fand sich eine ausschliesslich 
auf das Gebiet der Seiten st ränge beschränkte 
(Py S.-Str., ein Theil des kl. S.-Str. und G o w e r s’ Str.) doppel¬ 
seitige Faserdcgcucratio n, ohne dass irgendwo im 
Rückenmark, in der Medulla obiongata, im Mittel- oder Grosshirn 
ein I-Ierd angetroffen wurde (Demonstration von Photographien). 
Also auch in diesem Falle war ein bestimmtes Ge¬ 
biet des Rückenmarks e 1 e e t i v bei einem an 
ausgedehntem Careinom leidenden Individuum 
erkrankt. 

Dass übrigens nicht nur Carciuome mit Vorliebe eine Hemi¬ 
plegie oder einen ihr nahestehenden Symptoineneomplex hervor- 
rufen, beweisen die von Jacobson- Copenhagen schon 1893 zu- 
saminengestelltcn Fälle, auf die Sänger nicht eingegangen ist. 

Auffallender Weise lag in .1 acobs o n’s Fällen niemals ein 
Carcinom vor. das kann nach unseren heutigen — Oppenheim 
u. A. - Erfahrungen und speeioll nach Säug e r’s und Nonn e‘s 
an dem Hamburger Material gesammelten Erfahrungen nicht als 
Regel aufgestellt werden. Zu dem J a c o b s o n’schen Material, 
dae noch kürzlich durch eine Publica tion von Werner *), die dem 
Eppendorfer Material (Abtheilung von Dr. Gläser) entstammt, 
bereichert worden ist, gibt N. folgenden Beitrag: 

1889 sah er eine adipöse Frau von 50 Jahren, ohne sonstige 
nachweisbare Organerkrankung 1 Woche ante mortem an rechts¬ 
seitiger Hemiplegie apoplektiform erkranken. Die anatomische 
Untersuchung— die mikroskopische Untersuchung wurde auch vor¬ 
genommen — ergab keine Erklärung für eleu klinischen Befund. 

In einem zweiten Fall (1889) handelte es sich um eine rechts¬ 
seitige Hemiplegie bei einem Fall von chronischer interstitieller 
Nephritis (III. Gruppe von Jacobson); 1890 sah N. eine rechts¬ 
seitige Hemiplegie 4 mit Aphasie bei einem Potator, der makro¬ 
skopisch eine Arteriosklerose der peripheren Arterien, aber keine 
makroskopische Arteriosklerose des Hirns hatte; 1899 eine Hemi- 
plegia sinistra 4 Tage ante mortem bei einer Frau mit chronisch 
interstitieller Nephritis, Ilerzhypertrophie und Arteriosklerose der 
Basalarterien des Hirns; ferner eine Heiniplegia sinistra 3 Tage vor 
dem Tode apoplektisch auftretend bei einem Fall von uncompli- 
cirtor Anaemia perniciosa. 

Herr Luce berichtet im Anschluss daran über einen Fall 
von Lungengangraen bei einer Frau, die während ihrer Krankheit 
ebenfalls Hirnsymptome darbot. Sie war apathisch, somnolent, 
liess unter sich; es fand sich ferner eine Facialisparese rechts und 
eine einseitige Ilypoglossuslülimung: die Extremitäten waren 
hypertrophisch. Man vermuthete auf Grund dieses klinischen 
Bildes einen metastatischen Hirnabscess. Die Frau kam zum 
Exitus und bei der Section faud man im Gehirn absolut nichts, 
was die klinischen Hirnsymptome erklären konnte. 

Herr Luce glaubt, dass diese Hirnsymptome, die sich am 
Sectionstisclie durch anatomische Hirnbefunde nicht erklären 
lassen, sich linden bei schweren Krankheiten, wenn die allgemeine 
Vitalität stark sinkt, besonders bei schweren Circulatiousstörungen 
und starken Athmungsbeliindernissen. 


Physiologischer Verein in Kiel. 

(Offldellea Protokoll.) 

Sitzung vom 6. "November 1899. 

Herr Rodewald : Ueber Benetzungserscheinungen der 
organischen und anorganischen Körper. 

(Wird in der Zeitschrift für physikalische Chemie ver¬ 
öffentlicht.) 

S i t z u n g v «> m 20. N o v e m b e r 1899. 

Herr H. Hensen demouslrirt eine Patientin, welche an 
spontaner Hautnekrose, wahrscheinlich tropho-neurotischen Ur¬ 
sprungs, leidet. 

Herr Hoppe-Seyler spricht über vorübergehende 
Glykosurie, führt die cerebrale Form derselben: Veränderungen 
am Boden des TV. Ventrikels unter Schilderung eines Falles 
von Glykosurie in Folge von Bluterguss in die Ventrikel und da¬ 
durch bewirkte Coinpression der Medulla obiongata kurz an und 
schildert dann 4 Fälle von Glykosurie, welche Leute betrafen, 
die längere Zeit vor Aufnahme in das Krankenhaus auf der 
Wanderschaft ein unregelmässiges Leben geführt, sich niangel- 

■ t Münch, med. Wochcnschr. No. 3f>, 1899. 


haft ernährt und dabei meist starken Strapazen sich ausgeeetzt 
hatten. (Vergl. ausführliche Publication in dieser Wochenschr.) 

Herr Friedrich ; Beitrag zur diabetischen Ohr- 
erkrankung. 

An der Hand von 3 eigenen Beobachtungen bespricht Vortr. 
eine bei Diabetes mellitus auf tretende Ohrerkrankung, die 
als primäre Ostitis des Warzenfortsatzes aufzufassen ist. Die 
bisher veröffentlichte Casuistik ist noch sehr gering, so dass die 
Fälle als Bestätigung und Ergänzung der Fälle von Kuhn und 
Körner dienen. Die Erkrankung setzt gewöhnlich plötzlich 
im mittleren Lebensalter bei vorher Ohrgesundeu, seltener bei 
solchen ein, die schon früher an chronischer Mittelohreiterung 
gelitten hatten, als scheinbarer Erkältungskatarrh. 

Während das Trommelfellbild das der acuten Entzündung ist 
und, wie bei dieser, gewöhnlich am 2.—3. Tage der Erkrankung 
ein Durchbruch des Trommelfells eintritt, steht von Anfang an 
eine heftige Botheiligung des Warzenfortsatzes im Vordergrund, 
welche jene Mittelohrsymptome als bloss secundäre deuten lässt. 
In auffallend kurzer Zeit schreitet sie fort und führt schon in 
1—2 Wochen zu Erscheinungen, die auf eine weite Ausdehnung des 
Krankheitsprocesses im Warzenfortsatz schliessen lassen. Zu den 
Schmerzen im Knochen, zu allgemeiner Abgeschlagenlieit, Einge¬ 
nommensein der erkrankten Kopfseite gesellen sich bald Senkung 
der oberen Gehörgangswand, ein Infiltrat über dem Warzenfort- 
satz stellt sieh nicht regelmässig ein, häufiger findet sich ein 
Infiltrat an der Spitze dos Warzenfortsatzes mit Entwickelung 
eines Senkungsabseessos. 

Nach Betonung der stets durch Operations- und Sections- 
befunde sichergestellten ausgedehnten cariösen Zerstörung des 
Knochens und ihrer charakteristischen Kennzeichen bespricht 
Vortr. die therapeutische Seite der Erkrankung. Die Erkrankung 
bedingt wegen ihrer Tendenz zu schneller Ausbreitung so bald als 
möglich eine operative Behandlung. Ihr stellen sich Schwierig¬ 
keiten in den Weg, die im Wesen des Diabetes beruhen, denn 
chirurgische Eingriffe hei Diabetikern involviren die Gefahr der 
Sepsis und des Coma. Beides ist abhängig von der Höhe des 
Zuckergehalts und der Acidität der Gewebe. Ist beides in hohem 
Maasse vorhanden, besteht eine Contraindication zur Operation, 
die bis nach ihrer Herabsetzung durch geeignete Diät zu ver¬ 
schieben ist. Die Gefahr der Sepsis ist gering bei entsprechender 
Wundbehandlung, jedoch sah Vortr. einen Exitus an Coma, wo 
sie in ausgedehnter Weise aufgetreten war. Das Auftreten des 
Coma ist abhängig von der Narkose, gleichviel ob Chloroform 
oder Aether. Eine Contraindication zur Operation stellen natür¬ 
lich den Diabetes complieirende Erkrankungen wie Herz-, 
Nieren-, Lungenerkrankungen, sowie allgemeine Kachexie dar. 

Trotz jener Bedenken ist die Operation so bald als möglich 
auszuführen, ihre Gefahr ist durch Diät und prophylaktische 
Verabreichung von Natronbicarbonat einzuschränken, wenn an¬ 
gängig, ist Localanaesthesie anzuwenden, um die Narkose zu eli- 
miniren. Von der Ausführung des W i 1 d e’sclien Schnittes ist 
in fortgeschrittenen Fällen, wo eine längere Operation contra- 
indicirt ist, kein Auf halten der Erkrankung zu erwarten. Wenn 
überhaupt operirt wird, hat nur die radicale Entfernung des 
kranken Knochens Aussicht auf Erfolg. 


Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 23. Januar 1900. 

Vorsitzender: Herr Cursehmann. 

Schriftführer: Herr Braun. 

Herr H. Tillmanns demonstrirt zunächst zwei durch 
Resection der Wirbelbogen geheilte spondylitische Lähmungen. 

1. Fall: 9(4 jähriges Mädchen, dessen Spondylitis vor etwa 
4 Jahren begonnen; Sitz des Gibbus im Bereich der oberen Brust¬ 
wirbel. Seit Docomber 1898 spastische Lähmung der beiden 
unteren Extremitäten, Reflexe beträchtlich gesteigert, Sensibilität 
in allen Qualitäten stark vermindert, Lähmung der Blase und des 
Mastdarms (Incontinentia alvi et urinae) . Am 21. I. 1899 un¬ 
blutiges Redressement nach C a 1 o t. wodurch die Lähmung der 
Blase und des Mastdarmes beseitigt wurde. Die spastische Para¬ 
plegie bestand unverändert fort, daher 4. V. 1899 Resection 
des 2., 3. und 4. Brustwirbelbogens. Als Ursache der Lähmung 
ergab sich hochgradige Enge des Wirbelcanals, tuberculöse Pro- 
eesse nicht mehr nachweisbar. Reaetionslose Heilung der Opera¬ 
tionswunde. Allmähliches Verschwinden der Lähmung. Patientin 
wird am 17. XL 1899 vollkommen geheilt entlassen, Pa¬ 
tientin gellt ohne Stütze und hat keinerlei Beschwerden. 


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6. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHK WOCHENSCHRIFT. 


343 


2. Fall: Ein 11 Jahre alter Knabe, der in seinem 2.—3. Lebens¬ 
jahre an Spondylitis erkrankte. Sitz des Gibbus im Bereich des 
6. und 7. Halswirbels und der oberen Brustwirbel. Beginn der 
Lähmung etwa November 1898. Spastische Lähmung der beiden 
unteren Extremitäten, Sensibilität erhalten, hochgradige Steige¬ 
rung der Reflexe, Blase und Mastdarm intact. Am 16. III. 1899 
Resection der Bogen des 6. und 7. Hals- und des 1. und 2. Brust¬ 
wirbels. Ursache der Lähmung bestand in hochgradiger Enge des 
Wirbelcanales ohne nachweisbare tuberculöse Processe. Reac- 
tlonslose Heilung der Operationswunde. Die spastische Faraplegie 
verschwindet ganz allmählich, vollkommene Heilung, Patient geht 
ohne Stütze und hat keinerlei Beschwerden. 

Herr Tillmanns empfiehlt die operative Behandlung der 
spa s tischen Lähmung durch Laminektomie besouders in jenen 
Fällen, wo der tuberculöse Process zum Stillstand gekommen und 
die Lähmung im Wesentlichen durch abnorme Enge des Wirbel¬ 
canales bedingt ist. Eine Anfangs December 1899 von T. operirte 
apondylitische Lähmung bei einem 8% Jahre alten Mädchen ver¬ 
läuft bis jetzt ebenfalls günstig. 

HeiT Tillmanns berichtet sodann weiter über einen Fall 
von Pneumotomie bei einem 3jähr. Mädchen wegen Fremd¬ 
körpersinderrechten Lunge. Das Kind war seit Mitte 
Januar 1899 wegen rechtsseitiger katarrhalischer Pneumonie in der 
medicinischen Poliklinik des Kinderkrankenhauses behandelt 
worden, am 16. März 1899 wurde es dann wegen rechtsseitigen 
jauchigen Empyems von T. unter Resection der 8. und 9. Rippe 
thoracotomirt. Ende April 1899 Pneumotomie wegen rechter 
Lungengangraen nach vorheriger Resection der 7.—10. Rippe. 
Tod am 1. Mai unter fortschreitender Lungengangraen an Sepsis. 
Bei der Section fand sich in der rechten, durch Gangraen fast voll¬ 
ständig zerstörten Lunge im rechten Bronchus 2. Ordnung eine 
5 y cm lange K o r n ä h r e. mit ihrem Stiel nach abwärts gerichtet. 
In der nächsten Nähe der Kornähre fanden sich im Eiter und im 
Gewebe Aktinomyceswucherungen. Während des Lebens waren 
im Sputum nur Staphylo- und Streptococcen nachweisbar. Wie 
und wann die Kornähre in die rechte Lunge des Kindes gelangt 
war, wussten die Eltern nicht anzugeben. 

Endlich berichtet Herr Tillmanns noch über einen seltenen 
Fall von innerer Einklemmung bei einem 4 Tage alten Mädchen, 
bedingt durch foetale adhaesive. nicht eiterige 
Peritonitis. Bei der Laparotomie ergaben sich mehrfache 
Abschnürungen des Dünn- und Dickdarms durch verschiedene 
Gewebsstränge und durch mehrfache Knotenbildungen resp. 'Ver¬ 
schlingungen des Darms. (Autoreferat.) 

Herr Ko ekel demonstrirt eine Anzahl pathologisch-ana¬ 
tomischer Präparate. . 

Herr Braun hält einen Vortrag über das chirurgische 
Haht- und Unterbindungsmaterial. (Derselbe wird in dieser 
Wochenschrift publicirt.) 


Unterelsässischer Aerzteverein. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 3. Februar 1900. 

Demonstrationen. 

Herr Madelung stellt vor: 1. eine Frau, welche seit 

2 Jahren einen 3 cm langen Dom im Fuss herumtrug, der, durch 
Röntgenstrahlen nicht nachweisbar, erfolgreich durch Operation 
entfernt wurde. 2. Einen Knaben, dem beim Fallen ein Griffel 
inderBrust neben der Marailla eingedrungen und in der Wunde 
abgebrochen war. Das abgebrochene Ende erwies sich bei der 
operativen Entfernung als 5 cm langer spitzer Griffel, der bis auf 
ein kleines Stückchen im Pleuraraum lag. Reactionslose Heilung. 

3 und 4. 2 Fälle traumatischer Radiusdurchtrennung, in welchen 
nach Nervennaht die Funetionstüchtigkeit der zugehörigen Mus¬ 
keln fast völlig wieder eingetreten ist. 

Herr Buchbinder - Mülhausen demonstrirt ein Kind mit 
congenitalem Defect der Tibia bei starker Deformität der Fibula, 
sowie Defect der Finger und Schwimmhautbildung der Hand. 

Herr M. B. Schmidt: Ueber das Verhältniss der Fett¬ 
nekrosen zu Pankreaserkrankungen. (Wird ausführlich ver¬ 
öffentlicht werden.) 

M. B. S c h m i d t: lieber den Zusammenhang von Lippen- 
und Kieferspalten mit Missbildungen des Schädels. 

Sch. bespricht diejenigen Combinationen von seitlichen 
Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten mit Missbildungen am 
Schädel, für welche auf Grund der Entwickelung des mittleren 
Stimfortsatzes von dem vorderen Schädelende ein Causalzusam- 
menhang anzunehmen ist. Es gehören dazu zwei Unterabthei- 
langen der Arhinencephalie, 1. diejenige mit sog. mittlerer Ober¬ 
lippenspalte, welche aber thatsächlich einen völligen Defect des 
mittleren Stirnfortsatzes bedeutet und 2. diejenige mit doppel¬ 
seitiger Hasenscharte, Kiefer- und Gaumenspalte. Einen Fall 
letzterer Art legt Vortragender vor. Er betont den Einfluss, den 
die Entwicklung der horizontalen Siebbeinplatte auf die Aus¬ 
bildung des Zwischenkiefers und mittleren Theils der Oberlippe 
hat: Bei der ersten Form mit völligem Defect desselben und sog. 
Medianspalte fehlt die Lamina cribrosa ganz, bei der zweiten 


mit doppelseitiger Spalte ist sie verkümmert. Der Stirntheil 
des vorderen Schädelendes ist ohne Einfluss darauf; das zeigt sich 
in dem Ausbleiben jeder Lippen- etc. -Spalte bei den an der Nasen¬ 
wurzel hervortretenden Encephalocelen, deren Bruchpforte nur 
der Stirnbeinschuppe angehört. Als weiteren Beleg für den ge¬ 
nannten Zusammenhang berichtet Vortragender über einen Fall 
von angeborener Cyste der Nasenwurzelgcgend, hervorgegangen 
aus einer Vorstülpung der Nasenschleimhaut durch einen links¬ 
seitigen Spalt des knorpeligen Siebbeins am Uebergang der 
Lamina cribrosa in’s äussere Nasendach; das Kind besass eine 
linksseitige Hasenscharte mit Spalt des Alveolarbogens. 

Herr Stolz : Ueber den Keimgehalt der Galle unter 
pathologischen Verhältnissen und über Residualgalle. 

Nach einer kurzen Uebersicht über die bisher experimentell 
erworbenen Kenntnisse des Verhaltens der Gallenblase nach künst¬ 
licher Infection ihres Inhaltes, schildert S t. die Versuche, die er 
in Gemeinschaft mit Ehret angestellt. Sie gingen darauf 
hinaus, den Keimgehalt der Galle bei Hunden nach mecha¬ 
nischen Laesionen der Gallenblase unter peinlichster Vermeidung 
jeder künstlichen Infection culturell festzustellen. St. und E. 
fanden, dass nach verschiedenen operativen Eingriffen, wie nach 
Unterbindung des Cysticus, in den allerersten Tagen ziemlich 
zahlreiche Keime—in der Regel B. coli—sicli in der Galle fanden, 
dass aber nach einer bis mehreren Wochen die Galle wieder ganz 
oder nahezu ganz steril wird. Sie glauben, dass die anfängliche 
Keimvermehrung von dem von ihnen in einer hohen Procentzahl 
für die normale Galle nachgewiesenen vereinzelten Keimen aus¬ 
geht (vergl. den letzten Sitzungsbericht in No. 4, S. 13 d. Wochen- 
schr.). Die spätere Rückkehr des Keimgehaltes zur Norm fand 
indessen nicht statt, auch nicht nach Wochen und Monaten, in 
allen den Fällen, in welchen ein Fremdkörper, meist Quarz¬ 
steinehen, in die Blase eingebracht worden war. Diese Thatsache 
erklären S t. und E. dahin, dass die Gegenwart von Steinen eine 
völlige Entleerung und gründliche Durchspülung der Gallen¬ 
blase verhindert. Sie bezeichnen den bei jeder Entleerung der 
Gallenblase zwischen den Steinen unvermeidlich zurückbieibenden 
Gallen res t analog den Verhältnissen der Harnblase als „Residual¬ 
galle“ und möchten dieser für die Entstehung von Entzündungen 
der Gallenblase eine ähnliche Rolle zuweisen, wie sie für die 
Cystitis dem Residualharn allgemein zuerkannt wird. Eine 
weitere Stützung für ihre Anschauung sieht Vortragender in 
einer Reihe von klinischen Thatsaehen. So wurden bei Made¬ 
lung durch die bacteriologische Untersuchung von bei Gallen- 
steinoperationen gewonnener Galle fast stets zahlreiche Keime, 
gewöhnlich Bact. coli, gefunden, auch bei einfacher Cholelithiasis 
ohne complicirende Cholecystitis. In gleicher Weise sahen 
E. Fraenkel und Krause unter 16 Fällen von Chole¬ 
lithiasis 11 mal Keime in der Gallenblase. In einer Zusammen¬ 
stellung von 20 Fällen der Cholecystitis typhosa fanden St. und E. 
ferner 13 mal die Gegenwart von Steinen verzeichnet und end¬ 
lich glauben sie auch den überraschenden Nachweis von Typhus- 
baeillen noch Jahre nach überstandener Typhusinfeetion in der 
Gallenblase durch Cushing, Chiari, Miller u. s. w., auf 
den Einfluss der Residualgalle zurückführen zu dürfen, da in 
allen diesen Fällen alte Steine in der Gallenblase vorhanden 


waren. 

Herr Asch stellt einen 21 jährigen Patienten mit Blasen¬ 
geschwür vor, der seit einem Jahr über heftige Schmerzen beim 
Uriniren und Harndrang klagt. Der Urin enthält Blut; Tuberkel¬ 
bacillen sind nicht nachgewiesen. Cystoskopisch lässt sich ein un¬ 
regelmässig rundes Geschwür mit weissem Belag und dunkel- 
rothen Rändern links vom Ureter nach weisen bei sonst normaler 
Blasenschleimhaut. Dieser locale Befund veranlasst den Vor¬ 
tragenden zur Diagnose: Tuberculöses Geschwür; die Therapie be¬ 
steht neben allgemein roborirender Behandlung in der Einspritzung 
von ca. 15 ccm einer 5 proc. Jodoformvaselinölemulsion in 2 tägigen 
Intervallen. 


Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den 
Stadtkreis Berlin. 

(Eigener Bericht.) 


Ordentliche Sitzung vom 10. Februar 1900. 

Als Vertreter der Regierung sind anwesend der Oberpräsident 
err v. Bethmann-Hollweg und Herr Refcfierungsrath 
Gneist. 

In der Eröffnungsrede weist der Vorsitzende, Herr Becher, 
if die Aufgaben hin, welche der neugewählten Kammer harren, 
or Allem komme hier in Frage eine Regelung des ärztlichen 
□tersttitzungswesens; die Aerztekamniern seien, wie vor 12 Jahren 


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344 


MÜNUlKNtfH MR DIC IM SC HK WOCHENSCHRIFT. 


So. IU. 


der damalige Kultusminister sagte*, hauptsächlich geschaffen 
worden, um die Fürsorge für die Hinterbliebe neu der Aerzte in 
die Woge zu hüten. Redner betont auch die Nothweudigkeit eines 
Curpfuschereiverbots und bemerkt, dass vom Kultusministerium 
für <len Monat April d. .1. bei siimmtlichen preussischen Aerzten 
eine Fmfrage über die Verbreitung der venerischen 
Krankheiten (Lues, l'lcus molle. Gonorrhoe» in Aussicht ge¬ 
nommen sei. 

Die bisherige G e s o h ;i f t s o r d n u n g wird für die jetzige 
Wahlperiode beibehalten. Die Veröffentlichung der Verhand¬ 
lungen der Kammer wird wie bisher im stenographischen Wort¬ 
laut erfolgen. 

Den C a ssen b e r i e h t erstattet Herr Saat z. Ange¬ 
sichts der günstigen Finanzlage schlägt er vor. ÖUOO M. für die 
ärztlichen l'nterstützuugseassen des Kammerbczirkes »•Jim» M. 
für die Berliner und 1000 M. für die Fasse der Provinz» zu be¬ 
willigen. Die Kammer besehliesst, diese Frage des Zuschusses 
zur Unterstützungseasse mit der Erörterung über die Festsetzung 
des Jahresbeitrages zu verbinden. 

Im Namen des Vorstandes schlägt Herr 8a a t z vor. für die 
Zeit vom 1. April bis zum öl. Deeember liHtd einen Beitrag von 
6 M. pro Kopf zu erheben. Dieser Antrag wird angenommen, 
ebenso der Antrag. 3000 M. für die Filterstiitzungsoassen des 
Kammerbezirkes zu bewilligen. Abgelehnt wird dagegen ein An¬ 
trag H e n i u s , wie bisher 3 aM. pro Kopf zu erheben und eine 
Commission zu wühlen, welche die Frage der zvveckmässigsteu 
Steuerform prüfen soll. (II e n 1 u s hatte sich für eine procentuale 
Steuer ausgesprochen.i 

Die vom Cassenführer Saatz aussenrbeitete fassen- 
o r d n u n g wird ohne Discussinn genehmigt. 

Tagegelder und Reisekosten besehliesst die 
Kammer den Mitglieder n d e s K li r <* n g ( * r i c h t s in der 
nämlichen Hohe zu gewühreu, wie sie die höheren Medicinal- 
beamten erhalten. 

Zur Ausarbeitung einer S t a n d e s o r d n u n g war eine 
Commission eingesetzt worden. Principielle Differenzen innerhalb 
der Kommission verhinderten eine gedeihliche Arbeit und Lösung 
der Frage. Die Erörterung über die Standesordnung wird auf 
ein Jahr vertagt; dann könnten die Erfahrungen mit den Ehren¬ 
gerichten für die Standesordnung benützt werden. 

Seitens des Kammerausschusses sind der Kammer zur Be¬ 
gutachtung überwiesen worden eine Reihe von Beschlüssen, welche 
die Aerztekainmem für die Provinz Sachsen in Betreff einer 
R e f o r m der g e b u r t s li i 1 f 1 i e li e n O r d n u n g i m 
preussischen Staate gefasst hat. Diese Beschlüsse 
betreffen 1. Vorschläge zu einer Reform des Hebammciiw . sens, 
die darauf hinauslaufen, dem Hebamnienstande reifere, moralisch 
und intellectuell höher stehende Mitglieder zuzuführen, und 
li. Vorschläge zu einer Organisation der Wöchnerinneupfloge. 
derart, dass unbemittelten Schwangeren Wäsche und andere G«*- 
brauclisgegcustäude für ein hygienisches Wochenlager gewährt 
und bei Bedarf Wochen- resp. Hauspflegcrinnen gestellt werden 
sollen. Das Referat erstattet Herr K o s s m a u n. der folgende 
Resolutionen einbringt: 

..Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den 
Stadtkreis Berlin erwartet von einer Durchführung der Vorschläge, 
die die Aerztekammer für die Provinz Sachsen zur Reform des 
Ilebamtnonwesens gemacht hat. nicht die Beseitigung der un¬ 
zweifelhaft. vorhandenen Febelstände: sic glaubt vielmehr, dass 
dieser Zweck nur durch eiue weitere Einschränkung der Befug¬ 
nisse der Hebammen zu selbständigem Eingreifen zu erreichen ist. 

Eine Aufbesserung der materiellen Lage der Hebammen em¬ 
pfiehlt die Kammer, sow’eit das Freizügigkeitsrecht dadurch nicht 
angetastet wird. 

Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den Stadt ¬ 
kreis Berlin erachtet die Ausdehnung der socialen Fürsorge auf 
die Entbindung und das Wochenbett unbemittelter Frauen für 
wGnsclienswerth.“ 

Herr Davidsohn* Berlin beantragt, die Angelegenheit der 
geburtshilflichen Gesellschaft zu überweisen, in der Kammer aber 
über den Gegenstand zur Tagesordnung überzugehen. Dieser An¬ 
trag wird verworfen. Ohne Discussiou tritt die Kammer den 
Resolutionen des Referenten bei. 

Der Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Stnndosvereine 
hat folgenden Antrag gestellt: 

..Der Geschäftsausschuss ersucht die Aerztekammer. im Hin¬ 
blick auf den Entwurf eines Vertrages des Vereins der Bank¬ 
beamten in Berlin zu erklären, dass es der Würde des ärztlichen 
Standes nicht entspricht, privaten Vereinigungen, welche aus nicht 
nachweisbar unbemittelten Mitgliedern bestehen, andere Houorar- 
sätze als die der Gebührenordnung vom 15. Mai 1806 zu gewähren.“ 

Hierzu liegt folgender Zusatzantrag von Joachim-Ber¬ 
lin vor: 

„Die Aerztekammer wühlt eine Commission von 7 Mitgliedern 
mit der Aufgabe, die Verträge privater Vereinigungen in Bezug auf 
die Höhe dos Honorars und sonstige Verpflichtungen der Aerzte 
zu prüfen und über die Ergebnisse der Prüfung dem Aerztekammer- 
vorstnnde behufs weiterer Veranlassung Bericht zu erstatten.“ 

Beide Anträge vertritt Joachim- Berlin. Aus der Kammer 
heraus werden den Anträgen zustimmende Aeusseruugen laut; 
diese - Prenzlau beantragt sogar, aus dem Anträge des Geschäfts¬ 
ausschusses die Worte zu streichen: „welche aus nicht nachweis¬ 
bar unbemittelten Mitgliedern bestehen“. Der Herr Oberpräsident 
hat aber, wenn er auch die Bestrebungen der Kammer zur Ver¬ 
hinderung von Unterbietungen billigt. Bedenken namentlich gegen 


den Zusatzantrag des Referenten. Auf eine directe Anfrage er¬ 
klärt. er, dass nach seiner Anschauung der Vorstand der Kammer 
nicht das Recht habe, von irgend einem Arzte die Vorlegung eines 
Vertrages mit einer privaten Vereinigung zu verlangen. Erst wenn 
das Factum vorliegt, dass ein Arzt einen Vertrag mit Standes? 
unwürdigen Bedingungen eingegangen ist, könne er zur Verant¬ 
wortung gezogen w erden. Herr M u g d a n - Berlin wärt* schon 
zufrieden, wenn den Aerzten, welche privaten Vereinigungen zu 
niedrige Sätze bewilligen, die Fähigkeit aberkannt würde, in ärzt- 
licln n Vereinen Ehrensrellen zu bekleiden. Schliesslich werden 
beide Anträge, der dos Geschäftsausschusses sowohl, als auch der 
Zusatzantrag J oa c h i m mit grosser Majorität angenommen. Die 
Kammer wählt auch sogleich die Commission. Ferner wird auf 
Antrag des Herrn T h i e m - Cottbus beschlossen, dass der Com¬ 
mission weder Mitglieder des Vorstandes, noch Mitglieder des 
Ehrengerichts angehören dürfen. Dessglcichen w T ird ein Antrag 
Ster li b e r g - Berlin angenommen, welcher die Commission er¬ 
mächtigt. bei den Aerzten des Kammerbezirkes eine Umfrage da¬ 
rüber zu veranstalten, unter welchen Houorar- und sonstigen Be¬ 
dingungen die Cassenürzte hei den staatlichen Krankencassen des 
Bezirkes praktieiren. u. 


Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht.) 

Wien, 3. März 1900. 

Verdauungsstörungen bei chronischer Harnverhaltung. — 
Intraabdominale Netztorsion. — Hygiene in Apotheken. 

Im medieinischen Doetorcollegium sprach jüngst Docent 
Dr. Otto Zuckerkandl über Verdauungsstörungen bei chro¬ 
nischer Harnverhaltung. Es ist noch nicht lange her, dass man 
den causalen Zusammenhang von Verdauungsstörungen um! 
Harnverhaltung kennt und würdigt; noch vor 10—15 Jahren lio> 
man Prostatiker unter dem plötzlich auftretenden schweren 
Bilde einer Cholera oder einer inneren Inoareeration rasch zu 
Grunde gehen, ohne zu ahnen, dass man es hier mit einem Bilde 
der Uracmio zu thun habe und dass man den Beginn der Verdau¬ 
ungsstörungen mit der Beseitigung der Harnverhaltung völlig be¬ 
heben könne. Wichtig ist. zu wissen, dass diese Harnverhaltung 
eine incomplcto sein müsse, mit consecutiver Hyperextension der 
Blase gepaart und dass der Druck im gcsaminten Harnsvstem 
durch längere Zeit eine gewisse abnorme Höhe innehabe; erst 
unter diesen Bedingungen wird man die vorhandenen Verdau¬ 
ungsstörungen auf die Harnverhaltung zuriiekführen dürfen. Die 
Individuen, welche davon befallen werden, stellen zumeist schon 
jenseits der fünfziger Jahre; sie leiden an Prostatahypertrophie 
oder an Harnröhrenstrieturen, mit gleichzeitiger Vergrösserung 
der Prostata, oder sind mit seniler Blase behaftet, welche den 
Widerstand nicht überwinden kann; oder sie sind mit motorischer 
rnsufficienz der Blase behaftet, was Rosenbach für solche 
Fälle annimmt, in welchen eben locale Veränderungen nicht zu 
eonstatiren sind. 

Die Erfahrung lehrt, dass hei chronischer Drucksteigerung 
im Harnsvstem sich allmählich unter Aufhebung des ganzen Ver- 
schlussa]»parates ein Schlauch von der Blase bis zum Nieren¬ 
becken hinauf bildet, dass aber auch die Harneanälchen der Niere 
allmählich in den Proeess einbezogen worden. Diese Kranken 
leiden sodann an Polyurie und gleichwohl werden manche Gift¬ 
stoffe hierbei nicht durch die Nieren, sondern auf dem Wege des 
Verdauung!*tractus ausgesehieden, was f ben zu heftigen Störungen 
desselben führt. Erst stellt sich bei diesen ‘Leuten ein Gefühl der 
Trockenheit im Mumie und Hachen ein, sie klagen über Durst, 
faden, unangenehmen Geschmack, dann verlieren sie allmählich 
den Appetit, es kommt zu Fehligkeitcn, Aufstossen und Er¬ 
brechen, es wechseln heftige Diarrhoen mit hartnäckiger Obsti¬ 
pation ah, die Kranken magern zusehends ab, die Kachexie wird 
so arg, dass sie den Anblick von Krebskranken darbioton. Die 
Entleerung des Harnes geht tag>iibcr noch gut von Statten, in 
der Nacht jedoch stellt sich vermehrter Harndrang ein mit Un¬ 
vermögen der Entleerung der Blase. Oder es besteht bloss Nachts 
starkes Harn träufeln, was derlei Kranke zu Specialisten führt. 
Werden die Kranken sich selbst überlassen, so gehen sie an zu¬ 
nehmender Kachexie zu Grunde. 

Schon die Art der Untersuchung sei hier eine vorsichtige. 
Mail untersuche niemals sofort instrumentell, sondern bloss 
äusserlich, durch Palpation und bimanuelle Abtastung der Blase 
vom Rectum und von den Bauchdecken aus und überzeuge sich 
auf diese Weise von der Blasenerweiterung. Hat man so den 
Bestand einer chronischen Harnverhaltung constatirt, dabei an¬ 
dere ähnliche Krankheitsformen ausgeschlossen, so handelt es sich 
darum, den Druck im Harnsystem in vorsichtiger Weise herab- 


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6. März 1900. 


345 


MÜNCH KN KR MKDICIX1SCHE WOCN ENSCH RTFT. 


zusetzen, dabei aber die Binse nicht zu inficiren. Man wird also 
katheterisiren, sich aber vor Augen halten, dass dieser Eingriff, 
selbst mit aseptischen Instrumenten ansgeführt, zu Exacerbation, 
Collaps, Blutungen, rapidem Exitus führen kann. Die peinlichste 
Asepsis bei der Vornahme dos Katheten’smus, die ganz allmäh¬ 
liche Entleerung der Blase, etwa so, dass man am ersten Tage nur 
100—150 ccm Harn abfliessen lässt und erst nach Ablauf einer 
vollen Woche, langsam steigend, die Blase ganz entleert, sind hier 
stricte angezeigt. Dabei wird es unter Umständen nothwendig 
sein, die Blase mehrmals im Tage zu entleeren, um nicht TTebcr- 
füllung der Blase bestehen zu lassen. Lässt die Polyurie nach, 
so wird man alle 24—48 Stunden katheterisiren, aber niemals darf 
man mit dem Katheterisiren ganz aufhören, da sich sonst die Ver¬ 
dauungsstörungen, welche mit dem Beginne der* Behandlung 
schwanden, sofort wieder einstellen. Freilich wird man auch auf 
soche Fälle stossen, bei welchen jede Behandlung effectlos bleibt, 
da die anatomischen Veränderungen schon zu weit vorgeschritten 
sind. 

Aus der Reihe der Complicationen erwähnt Zucker- 
kandl die Cystitis, welche er in frischen Fällen mit Urotropin 
erfolgreich behandelte, während die schon chronischen Cystitiden 
mit vorsichtigen Spülungen der stets bloss unvollkommen ent¬ 
leerten Blase zu behandeln wären. Bei Lithiasis wird man vor¬ 
erst die Blasendehnung behandeln, dann etwa den hohen Schnitt 
ausführen und eine Blasenbauchfistel etabliren, um in dieser 
Weise das neuerliche Eintreten der llarnstauung zu verhüten. 

In der Gesellschaft der Aerzte zeigte Professor II ochen- 
egg ein seltenes Präparat. Es handelte sieh um einen 40 jährigen 
Mann, der unter heftigen Bauchschmerzen, Erbrechen, Auftrei¬ 
bung des Bauches etc. erkrankt war. Er besass eine freie Skrotal- 
hemie, die er oft, so auch kurz zuvor, reponirt hatte. Eine Bruch¬ 
einklemmung konnte nicht eonstatirt werden, man fand aber ober¬ 
halb des Poupart’schen Bandes eine schmerzhafte Resistenz, 
welche bald die ganze rechte Bauchhälfte einnahm. Da sich fre¬ 
quenter Puls, Singultus etc. einstellten, so wurde die Laparotomie 
vorgenommen. Bei dieser floss vorerst viel blutig gefärbtes Trans¬ 
sudat ab, sodann erst sah man ein kindskopfgrosses Convolut 
dunkler ausgedehnter Venennetze, welches nach oben hin in einen 
dreimal um seine Achse gedrehten Strang auslief, wornach nor¬ 
males Netz folgte. Es lag also eine Drehung des Mesenteriums 
vor mit kolossaler venöser Stase in demselben. Das kranke Netz 
wurde abgetragen, sodann die Hernie radical operirt; rasche Hei¬ 
lung. Der Mann gab hinterher an, dass er das letzte Mal seine 
Hernie sehr mühsam reponirt habe; damals mag es, da das Netz 
schon straugförmig ausgezogen war, zu einer Torsion desselben 
und deren Folgen gekommen sein. Tn der Literatur sind nach 
Hochenegg wohl 2 Fälle von Achsendrehung des Mesen¬ 
teriums in einem Bruchsacke verzeichnet; hier aber handelte es 
sich um eine intraabdominelle Netztorsion und ist darum dieser 
Fall der erstbeschriebene seiner Art. 

In der Bukowina ist es amtlich eonstatirt worden, dass in 
einigen Apotheken die Laboratorien auch zu Schlafstellen be¬ 
nutzt wurden. Da nun die Verwendung von Apothekenlabora¬ 
torien und anderen Räumen in Apotheken, in welchen Medica- 
mente entweder aufbewalirt oder zubereitet werden, zu Schlaf¬ 
stellen aus leicht einleuchtenden, sanitären Gründen nicht zu¬ 
lässig erscheint, so ordnete die dortige Landesregierung an, 
dass dies strengstens zu verbieten sei. Die Amtsärzte haben die 
genaue Befolgung dieses Verbotes zu überwachen und gegen die 
Zuwiderhandelnden Apotheker mit aller Strenge vorzugehen. Es 
ist bezeichnend genug, dass derlei Erlässe an Apotheker über¬ 
haupt nothwendig sind. 

Londoner Briefe. 

Grainger Stewart f. — Vom südafrikanischen 
Krieg. 

Am 3. Februar starb Sir ThomasGrainger Stewart, 
Professor der klinischen Medicin und Senior Pliysician am 
königlichen Krankenhause zu Edinburg im 62. Lebensjahre. Mit 
ihm verliert die Edinburger Universität einen ihrer berühmtesten 
Vertreter, der weit über die Grenzen seiner Vaterstadt, nament¬ 
lich auch in Deutschland bekannt und geschätzt war. Sein 
äusserer Lebensgang war ein verhältnissmässig einfacher. Ge¬ 
boren und erzogen in Edinburg erhielt er dort auch seine erste 
medicinische Ausbildung bis zu seiner Promotion im Jahre 1858. 
Dann ging er für längere Zeit in\s Ausland, studirte in Berlin, 

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Wien und Prag, wo er sich eine eingehende Kenntniss der deut¬ 
schen Sprache und deutschen Wissenschaft erwarb und unter 
V i r c h o w und Rokitansky sich namentlich mit patho¬ 
logisch-anatomischen Studien beschäftigte. Nach Edinburg zu¬ 
rückgekehrt, wurde er zum pathologischen Anatom am Kranken¬ 
haus ernannt und bekleidete gleichzeitig die Stelle eines Physi¬ 
cians am Kinderspital, ln diese Zeit fallen eine Reihe klinischer 
und pathologisch-anatomischer Arbeiten, von denen sein Werk 
über die B r i g h t’sche Nierenkrankheit am bekanntesten ge¬ 
worden ist. Im Jahre 1869 gab Grainger Stewart die 
Stelle als pathologischer Anatom auf und wandte sich ganz der 
klinischen Medicin zu. Er erhielt eine Anstellung als Pliysician 
am Krankenhaus und seine Vorlesungen über specielle Pathologie 
und Therapie an der sog. „cxtranuiral school“ gehörten bald zu 
deii besuchtesten Edinburgh. Seinem grossen Erfolge als Lehrer 
verdankte er denn auch seine bald darauf erfolgende Berufung 
zum ordentlichen Professor der Medicin an die Universität und 
in dieser Eigenschaft hat er volle 23 Jahre gewirkt und Genera¬ 
tionen von Aerzten herangebildet. Schreiber dieses war es ver¬ 
gönnt, vor einigen Jahren anlässlich eines mehrwöchentlichen 
Aufenthalts in Edinburg den Verstorbenen auf seinen Rund- 
gängen im Krankenhaus zu begleiten und als Zuhörer seiner 
Klinik und Vorlesung die meisterhafte Art seines Unterrichts zu 
bewundern. Er besass in hohem Maasse die Gabe der Rede und 
die Kunst des Vortrags, und wirksamst unterstützt durch seine 
imponirende Persönlichkeit, war er sicher, auf seine Hörer einen 
grossen Einfluss auszuübon. Gegen den fremden Arzt war er von 
bezaubernder Liebenswürdigkeit und gerne unterhielt er sich mit 
Deutschen in ihrer Muttersprache. In der hervorragenden Be¬ 
gabung als klinischer Lehrer und als Arzt liegt wohl auch 
Grainger S t e w a r t’s Hauptbedeutung und die Ursache 
seines grossen Erfolges, doch fand er neben seiner anstrengenden 
praktischen Thätigkeit noch Zeit zu wissenschaftlichen Veröffent¬ 
lichungen, und eine Reihe von klinischen Arbeiten, namentlich 
aus dem Gebiete des Nervensystems und der Nierenpathologie, 
sind noch in späteren Jahren von ihm erschienen. Auch als dra¬ 
matischer Dichter hat er sich nicht ohne Erfolg versucht, wie das 
vor Kurzem veröffentlichte Drama „The Good Regent“ beweist. 
Dass es einem Manne von Grainger Stewar t’s Bedeutung 
auch an äusseren Ehren nicht fehlte, ist selbstverständlich. Er 
war u. a. Ehrendoetor verschiedener Universitäten, Präsident des 
Royal College of Physicians of Edinburgh, Leibarzt der Königin, 
die ihn im Jahre 1894 in den Ritterstand erhob. Der glänzende 
Verlauf des Congresses der British rnedic. Association zu Edin¬ 
burg im Jahre 1898, dem Grainger Stewart als Präsident 
Vorstand, war nicht zum wenigsten sein Verdienst, und noch im 
vorigen Jahre entsandte ihn die Edinburger Universität als ihren 
Vertreter zum Tuberculosecongress nach Berlin. Kurz nach 
seiner Rückkehr entwickelte sich die schwere Krankheit, die seiner 
rastlosen Thätigkeit ein vorschnelles Ende setzte. Die zahllosen 
Kundgebungen bei seinem Tode beweisen, wie schwer sein Ver¬ 
lust allseitig empfunden worden ist. 

Vom südafrikanischen Kriegsschauplatz sind in den letzten 
Wochen eine Reihe Transporte mit Kranken und Verwundeten 
nach England zurückgekommen. Sie werden zunächst in dem 
grossen Militärhospital zu Nctley untergebracht, das aber 
trotz seiner 1100 Betten bereits an die Grenze seiner Aufnahms- 
fähigkeit gelangt ist. Ihn weiteren Platz zu gewinnen, hat mail 
desshalb in der Nähe des Hauptgebäudes zunächst für die Recon- 
valescenten 30 D o e c k e r’sche Zeltbaracken mit ca. 300 Betten 
aufgeschlagen, ausserdem aber haben sich eine so grosse Anzahl 
von Civilspitälern und Genesungsheimen zur Aufnahme der von 
Afrika kommenden Kranken und Verwundeten bereit erklärt, 
dass die Platzfrage den Behörden weiter keine Schwierigkeiten 
machen wird. 

Die Krankheiten, unter denen die Truppen am meisten zu 
leiden haben, sind Abdominaltyphus und Dysenterie und schon 
jetzt sind an diesen beiden allein über 500 Todesfälle zu beklagen. 
Namentlich in Ladysmith hat in letzter Zeit der Typhus viele 
Opfer gefordert und man glaubt, dass nach der jetzt täglich er¬ 
warteten Entsetzung dieses Platzes, die Zahl der in Natal verfüg¬ 
baren Betten, welche etwa 3000 beträgt, kaum für den sicher ein¬ 
tretenden Massenandrang von Kranken ausreichen wird. 

Die ärztliche Untersuchung der nach Afrika ausgesandten 
Mannschaften scheint nicht immer allzu sorgfältig gewesen zu 
sein. So klagt ein ärztlicher Berichterstatter sehr darüber, dass 


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34 ß 


MÜNCH KN KR MKDICINISCHK \V0( 11ENSCHRIFT. 


No. 10. 


mit den Truppentransporten so vjele Kranke, vor Allem Ge- 
sehleehtskranke, in Kapstadt ankoinmen. Ein Tlieil dieser Leute 
hat sich natürlich erst kurz vor der Abreise inficirt, aber „Ich 
habe“, so schreibt er, „eine ganze Anzahl von Fällen mit seeundür 
syphilitischen Symptomen gesellen, die beweisen, dass man die 
wahrscheinlichen Folgen des Primäraffectes nicht genügend be¬ 
rücksichtigt hat.“ Auch eine Reihe von Leuten aus der Reserve 
und Miliz waren in Folge von chronischer Gonorrhoe mit reich¬ 
lichem eiterigen Ausfluss durchaus dienstuntauglich und mussten 
wieder nach England zurückgesandt werden. 

Die zur Zeit sich wieder recht unangenehm fühlbar machende 
Influenza hat natürlich auch auf den Truppentransportschiffen 
viele Erkrankungen verursacht, und die davon Befallenen brau¬ 
chen lange Zeit zu ihrer Erholung. Auch scheint mir, dass die 
grosse Anzahl der beobachteten Pneumonien wahrscheinlich auf 
Influenza zurückzuführen ist. So hat ein Schiff allein auf der 
Ausreise 7 Todesfälle an Pneumonie gehabt. Von sonstigen 
Infektionskrankheiten wie Scharlach und Diphtherie sind glück¬ 
licher Weise nur vereinzelte Fälle beobachtet worden. K. F. 


Aus den italienischen medicinischen Gesellschaften. 

Medicinische Akademie zu Turin. 

Aus der Sitzung vom 11. November 1899 erwähnen wir die 
Mittheilungen von M i c h e 1 i und Mattirols über chylöse 
Exsudate, welche nur sehr wenig Fett enthalten. Wenn sieh die 
milchartige Färbung eines Exsudates nicht durch Eette und Al- 
bumenbeimischung erklären lässt, so soll man seine Aufmerksam¬ 
keit auf das Lecithin richten, welches sehr leicht emulsions- 
fähig ist. 

Die Autoren fanden in chylöser Ascitestiüssigkeit 0,25 und 
0.15 g Lecithin. Sie stellten darauf fest, in welchem Verhült- 
niss Beimengung von Lecithin Opalescenz einer serösen Flüssigkeit 
bewirken kann und fanden, dass 0,15 reines Lecithin nach der Me¬ 
thode von Z 1 e b r o n präparirt, genügte, um 1000 cein klares 
Serum milchig zu färben. 

Sie halten das Lecithin in fettarmen chylösen Exsudaten für 
die wahrscheinliche Ursache der Opalescenz. 

Medicinisch-chirurgische Gesellschaft zu Parma. 

In der Sitzung vom 10. December 1899 veröffentlicht 
G u i z z e 11 i seine Untersuchungen über den Typhusbacillus, 
w T elche er an 48 Leichen und Typhuskrauken anstellte. Bei 43 
derselben wurde der Typhusbacillus gefunden. Am häufigsten fand 
er sich in den Glandulae mesaraicae. In den kleinen Drüsen des 
Mesocolons und auf der Aussen wand des Dünndarms waren die 
Culturen vollständig negativ; im Blute fand sieh der Typhus¬ 
bacillus nie. In summa folgt aus den Untersuchungen G.’s, dass 
der Typhusbacillus durch die Lymphw r ege des verletzten Darmes 
zur LymphcySterne wandert und zum Ductus thoraeicus und auf 
diesem Wege in den Körper gelangt. Dieser Schluss ist desshalb 
gestattet, w r eil sich der Typhusbacillus nie in den Blutgefässen 
findet. Hager- Magdeburg-N. 


Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege. 

Am 24. und 25. vor. Mts. fanden Ausscliusssitzungen des 
Vereins zu Frankfurt a. M. unter dem Vorsitz des Geb. Bauratlies 
S t ti b b e n - Köln statt. Amvesend waren Geheimrath Prof. Dr. 
ßaf f ky - Giessen , Oberbürgermeister Schneider - Magde¬ 
burg, Baurath Mayer- Stuttgart, Bürgermeister v. Börse ht- 
Müuclien, Geheim. Sanitätsrath Dr. S p i e s s - Frankfurt, Hofrath 
Dr. Stich- Nürnberg. 

Als Ort für die heurige Versammlung wurde Trier gewählt; 
als Termin wurde der 12.—15. September festgesetzt, sodass die 
Besucher direct zur Naturforscher-Versammlung nach Aachen sieh 
begeben können. 

Ferner wurde beschlossen, ein Preisausschreiben zu erlassen 
für die besten populär gehaltenen Aufsätze über die Reinlichkeit 
der Verkaufsstellen von Nahrungsmitteln. Die Höhe der Preise 
schwankt zwischen 50—200 Mark; im Ganzen sollen 2000 Mark 
für dieseu Zw’eek aufgew'endet werden. Die Arbeiten sollen sieh 
für Sonntagsbeilagen von Tageszeitungen mul zur Aufnahme in 
Schullesebücher eignen. 

Preisrichter sind ernannt. 

Als Themata hat der Ausschuss für die nächste Versammlung 
folgende angenommen: 

1) Maassregeln zur Bekämpfung der Pest: 

2) Wasserversorgung mittels Thalsperren in gesundheitlicher 
Beziehung; 

3) Ursachen und Bekämpfung der hohen Säuglingssterb¬ 
lichkeit; 

4) Hygiene des Fahrrades; 

5) die kleinen Wohnungen in den Städten, ihre Beschaffung 
und Verbessening; 

0) die Wasserversorgung kleiner Städte. 


Verschiedenes. 

Therapeutische Notizen. 

In einer Arbeit: „E inige Versuche über d i e Wirk¬ 
samkeit des Broiuipins bei Epilepsie“ (Inaug.-Diss.. 
Güttingen 1899) veröffentlicht F. Schulze die Resultate einer 
Versuchsreihe, welche er an Epileptikern der Göttinger Irren¬ 
anstalt mit dem Bromipin vorgenommen hat. Das Mittel hat in 
allen Fällen die Epilepsie zweifellos günstig beeinflusst, ohne die 
Erscheinungen des Broraismus hervorzurufen. Es hat sich g<*- 
zeigt, dass das Bromipin. in entsprechender Menge gegeben, als 
Sedativum dem Bromkalium nicht nur gleichwertig ist, sondern 
dass es noch in Fällen wirksam war, wo die Bromsalze versagten. 
Es wurde iu allen Fällen ohne Widerwillen auch auf die Dauer 
eingenommen und gut vertragen. Bromipin ist eine organische 
Verbindung von Brom und Sesamöl; es wird (von M e r c k in Darm- 
stadt) mit 10 Proe. sowie mit 33V& Proc. Bromgehalt hergestellt 
(Bromkalium enthält G7 Proc. Br). Das letztere Präparat kommt 
in elastischen Kapseln von 2,0 Inhalt, entsprechend einem Brom- 
gelialt von 0,06 und gleiclwerthig 0,99 Kal. bromat., in den Handel. 

R. S. 

Ammouiu mdilorld gegen Trigeminusneur¬ 
algie. Iu vielen Füllen von Neuralgie, speeiell des Trigeminus, 
sali Campbell gute Erfolge von der Anwendung des Ammonium- 
chlorids in grossen und rasch aufeinander folgenden Dosen. Seine 


Vorschrift ist folgende: 

Rp. Ammoniumchlorid. 10,0 

Tinct. gelsemin. 1,5 

Tinct. aconit. 0,2 

Suce. liquirit. 20,0 

Aq. dest. 150,0 


MI)S. Alle Stunden 2 Esslöffel zu nehmen. 

Bei besonders heftigen Fällen ist eventuell der Zusatz von 
etwas Morphium angezeigt. (Treatment, August 1899.) F. L. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 6. März 1900. 

— Der Streit der Aerzte in Remscheid m i 1 
der Allgemeinen Ortskrankencasse daselbst, der 
im September 1898 ausbrach, hat bekanntlich s. Z. damit geendet, 
dass, nachdem die Remscheider Aerzte ihre Thätigkeit bei der 
Gasse niedergelegt hatten, diese sechs fremde Aerzte lieranzog. 
welche nach Landman n’seliem System, als sogen, „beamtete 
Aerzte“ angestellt wurden, d. h. sie traten mit Ausschluss privat- 
ärztlicher Thätigkeit völlig in den Dienst der Gasse und erhielten 
für ihre Leistungen ein festes Jahresgehalt. Wie vorauszusehen 
w^ar, hat sieh das System in der V/ 2 Jährigen Frist nicht bewährt. 
Wie wir einer von dem Vorstand der Ortsgruppe Remscheid dos 
Bergischen Aerzte Vereins uus zugeheuden Zuschrift entnehmen, 
haben sich die Schwierigkeiten und Missstände immer mehr go 
häuft und es ist jetzt beim CassenVorstand im Princip beschlossene 
Sache, das Landman n’sclie System nach Ablauf der Verträge 
wieder aufzuheben und zum Vertragsschluss mit frei prakticirenden 
Aerzten zurückzukehren. Unter diesen Umständen thun die Rem¬ 
scheider Aerzte, die in dem Streit mit der Casse einen so erfreu¬ 
lichen Bew r eis ihrer Geschlossenheit gegeben haben, gut daran, 
schon jetzt die Bedingung auszusprechen, unter denen allein sie 
bereit sein w r erden bei der allgemeinen Ortskrankencasse wieder 
thätig zu sein. Es ist die Bedingung der bei anderen Cassen iu 
Remscheid sehr gut bewährten freien Arztwahl, die der 
Verein in dem Satze formulirt: „Alle unsere Vereinsmitglieder 
und nur unsere Vereinsmitglieder sind zur cassenürztliehen 
Thätigkeit berechtigt. Will die Casse diese Bedingung nicht an¬ 
erkennen, so wird sie aufs Neue gezwungen sein, fremde Aerzie 
herbeizuziehen. Einem solchen Rufe Folge zu leisten, davor warm 
der Aerzteverein schon jetzt alle Collegen. Das beabsichtigte 
Casseulionorar — 3—4000 Mark — ist bei den bestehenden 
TheuerungsverhUltmssen eine absolut ungenügende Jahresein- 
nahme und auf Einnahme aus der Privatpraxis ist nicht zu 
rechnen. Verbleiben doch von den 54 000 Einwohnern Remscheids, 
nach Abzug der Verheiratheten und ihrer Angehörigen, sowie der 
Armen, für die privatärztliche Thätigkeit höchstens 15 OOO Men¬ 
schen, für welche z. Z. 20 Privatpraxis treibende Aerzte vorhanden 
sind. Dazu kommt, dass jeder von der Ortskrankencasse herbei 
gezogene Arzt eine ganz bestimmt gekennzeichnete Stellung haben 
wird und bei der gegen die Casse bestehenden Stimmung auf 
Praxis im Publicum nicht wird rechnen können. Ausserdem würde 
ein solcher Arzt ohne Rückhalt an seinen Collegen dem Schalten 
des Casseuvorstandes völlig freigegeben sein, so dass für ihn weder 
von einer lohnenden Wirksamkeit noch von einer befriedigenden 
Stellung wird die Rede sein können. Der Mahnruf des Remscheider 
Aerztevereins wird hoffentlich seitens der deutschen Collegen die 
gebührende Beachtung finden. Wir lassen den Schluss des er 
wähnten Schreibens im Wortlaut folgen: 

„Möge desshalb Niemand unter deu deutschen Collegen sich 
durch gegeiltheilige Schilderungen blenden lassen! Und wie wir 
uns hier auf dem vorgeschobenen Posten als Kämpfer betrachten, 
durchaus nicht für unsere localen Interessen allein, sondern für 
das Wohl des gesammten Aerztestandes, dessen Zukunft durch die 
Landman n’sche Ausnutzung des unglückseligen Kranken- 


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B. März 1900. 


MÜNCHEN KR MEHR IN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


347 


cassongesetzcs auch dort schwer bedroht ist, wo jetzt noch Ruhe 
und Frieden herrschen, so rechnen wir auch fest auf das Soli- 
ilaritütsgefühl unter den Collegen und bitten jeden Einzelnen an 
seinem Theile um Beistand und Mitwirkung.* 4 

— Im preussisclien Abgeordnetenhaus ist am 0. Februar bei 
Berathung des Etats der Berg-, Hütten- und Salinen'Verwaltung der 
Abgeordnete Dr. Max II i r s c li - Berlin mit grosser Wärme für 
die freie Arztwahl eingetreteu, deren Einführung bei den 
Knappschaftscassen er befürwortete, ln seiner Erwiderung er¬ 
klärte der Handelsmiuister, dass nach Abschluss der Revision des 
Alters- und Invalidenversicherungsgesetzes die Revision des Kran¬ 
kenversicherungsgesetzes an die Reihe kommen werde; bei dieser 
Gelegenheit werde die Frage der freien Arztwahl zweifellos Gegen¬ 
stand einer eingehenden Erörterung sein. Für die Knappschatts- 
casseu, deren wirtschaftliche Lage nicht günstig sei, sei die freie 
Arztwahl zu kostspielig. Eine vermehrte Kostspieligkeit bestritt 
Hirsch in seiner Replik. 

— Der bayerische Landtag beschloss in seiner Sitzung 
vom 3. März, es sei die k. Staatsregierung zu ersuchen, im Bundes- 
rathe darauf hin wirken zu wollen, dass sobald als möglich ein 
Fleischbeschaugesetz zu Stande kommt, welches aus¬ 
spricht: 1. dass bei allen Thieren, deren Fleisch ausschliesslich im 
eigenen Haushalt des Besitzers verwendet wird, auch ferner die 
Beschau unterbleiben darf; 2. dass die für den öffentlichen Ver¬ 
kehr mit inländischen Fleiseliwaaren aus sanitären Gründen zu 
erlassenden strengen Controlvorschriften in gleicher Weise, ins¬ 
besondere bezüglich einer nothwendigen 2 maligen Beschau, auch 
gegenüber den vom Auslande eingeführten Fleiseliwaaren wirksam 
gemacht werden müssen. 

Auch das Irr e nwesen wird noch die gegenwärtige Laud- 
tagssession beschäftigen. Nach einer Anregung der kgl. Staats¬ 
regierung sollen die Kosten für Fnterbringung von Geisteskranken 
und Blöden in Irren- und Blödenanstalten den mit Armenlasten 
überbürdeten Gemeinden, bezw. den unterstützenden Districts- 
gemeinden zu einer zu bestimmenden Summe aus Kreismittelu er¬ 
setzt werden. Die Annahme dieses Antrages würde, allerdings nur 
in geringem Grade, dazu beitragen, dass die Armenpflegschaften 
die Geisteskranken früher in eine Anstalt einweiseu. und würde da¬ 
mit eine grössere Möglichkeit der Heilung gewährleisten, sowie der 
Verwahrlosung dieser bodauornswerthen Kranken entgegenwirkeu. 
Noch weit zweckmässiger und für die Kranken wohlthätiger aber 
wäre es, wenn die Kreisarmenpliege, der ohnedies die Begründung 
und Erhaltung der Irrenhäuser gesetzlich obliegt, auch die Ver¬ 
pfleg ungskosten für Kämmtliche arme Geisteskranken zu Über¬ 
nehmen hätte. — Die Aufhebung der bisherigen, auch als psych¬ 
iatrische Universitätsklinik dienenden Oberbayerischen Kreisirren¬ 
anstalt in München und ihre Verlegung in 'grössere Entfernung 
von der Stadt machen die Trennung der Professur für Psychiatrie 
von der Direction der Irrenanstalt, sowie die Errichtung einer 
neuen Irrenklinik nothwendig. Zwischen der Staatsregierung und 
der Münchener Stadtverwaltung bestehen Differenzen bezüglich 
der pecuniären Heranziehung der Stadt und der Feberlassung des 
Krankeninaterials zu klinischen Zwecken. Wir gehen hierauf nicht 
weiter ein uud müssen nur bei der immer grösseren Wichtigkeit 
einer praktischen psychiatrischen Ausbildung der Aerzte uud Amts¬ 
ärzte die Errichtung einer Universitiits-Irrenkiinik in Verbindung 
mit den übrigen klinischen Instituten als unbedingt und dringend 
nothwendig bezeichnen. 

Geheimrath Ivoeh ist, der Deutsch, med. Woclieuschr. zu 
Folge, auf seiner grossen wissenschaftlichen Reise am 21). December 
v. J. in Stephansort auf Deutsch-Neuguinea eingetroffen. 

— Pest. Portugal. In Porto war seit dem November v. ,T. 
eine stetige Abnahme der Erkrankungen an der Pest festgestellt; 
im Monat Januar wurden 4 Fälle beobachtet, von denen der letzte 
am 23. Januar tödtlich endete. — Aden, ln Aden sind zu Folge 
einer Mittheilung vom 23. Februar 0 Pestfälle festgestellt. — 
Japan. Zu Folge einer Mittlieilung vom 8. Januar sind in Kobe 
seit dem 25. December v. J. Pestfälle nicht mehr festgestellt 
worden, nachdem vom 21. November bis zum 25. December dort- 
sclbst 14 Erkrankungeu, darunter 10 mit töütlichem Ausgang be¬ 
obachtet worden waren, ln Osaka sind im Ganzen 30 Pestfälle, 
darunter 30 mit tödtlichem Ausgang festgestellt, 3 Pestkranke 
tK'fanden sich am 8. Januar noch in ärztlicher Behandlung. Unter 
den Erkrankten befanden sich drei mit der Ausführung der Sani- 
tätsmaassregeln und mit der Behandlung von Pestkranken befasste 
Aerzte. von denen zwei der Krankheit erlegen sind. — Madagaskar. 
Ir; Tamatave ist seit dem Todesfall am 18. December v. J. kein 
Fall von Pest mehr vorgekommen, so dass die Stadt seit dem 
31. December, wie bereits mitgelheilt, als pestfrei gilt. Um einem 
Wiederauftreten der Seuche nach Kräften vorzubeugen. wird un¬ 
unterbrochen au der Säuberung und Sanirung der Stadl gearbeitet. 
- Reunion. Zu Folge Mittheilung vom 13. Februar ist die Pest 
in St. Denis erloschen lind werden den Schiffen, welche die Häfen 
der Insel Lu IiSunion verlassen, seit dem 25. Januar reine Gesund¬ 
heitspässe ausgestellt. — Mozambique. Zu Folge amtlicher Nach¬ 
richt vom 17. Februar ist in Magude seit dem 23. Januar kein Fall 
von Fest mehr beobachtet worden. — Brasilien. Seit dem 22. Jan. 
ist in der Stadt Sao Paulo zu Folge einer Mittheilung vom 20. Jan. 
wieder ein Pestfall, aber mit gutartigem Verlauf festgestellt 
worden. — Paraguay. Vom 9. bis 10. Januar sind in Asuncion 
2 Erkrankungen und 2 Todesfälle an der Pest festgestellt. — Neu- 
Caledonien. Vom 2. bis 8. Februar sind in Numea 3 Erkrankungen 
und 1 Todesfall an der Pest festgestellt. (V. d. K. G.-A.) 

— In der 7. Jahreswoche, vom 11. bis 17. Februar 1900, hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterb¬ 


lichkeit Danzig mit 54.0, die geringste Bamberg mit 12,5 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb au Masern in Darmstadt; an Scharlach in Bor¬ 
beck; an Diphtherie und Croup in Elbing, Glehvitz. 

— Frederick Treves gibt, iu seineu Kriegsberichten im Brit. 
med. Journal fortfahrend, in der Nummer vom 3. März eine inter¬ 
essante Schilderung der Kämpfe am S p i o n s k o p. Der schwerste 
Tag war der Mittwoch, 24. Januar. Da die meisten Verwundungen 
auf der Höhe des sehr steilen Berges erfolgten, war die Bergung 
der Verwundeten sehr schwierig, wurde aber verhältnissmüssig gut. 
bewältigt. Am Donnerstag wurden (HK) Verwundete in*s Lazareth 
gebracht, im Ganzen, einschliesslich der vorhergehenden Tage, 900, 
also mehr als bei der Schlacht bei Colcnso. Auch der Charakter 
der Verletzungen war schwerer als dort, da die meisten durch 
Granatsplitter lind Slirapnels herbelgefiilirt waren. Auch die sehr 
schwere Verwundung des General W o o d g a t e rührte von einem 
Granatsplitter her; derselbe drang in die rechte Orbita ein, zer¬ 
störte das Auge und eröffnete die Schädelhöhle. — Ein anderer 
Correspondent des Brit. med. Jouni. in Kapstadt äussert sich über 
die physische Qualität der in letzter Zeit in Kapstadt gelandeten 
Reserven und Milizen und kommt dabei zu einem sehr abfälligen 
Urtheil. Es befanden sich unter ihnen eine sehr grosse Anzahl Un¬ 
tauglicher („lame duck»**), die sofort wieder nach Ilause geschickt 
werden mussten. Der Correspondent macht dafür die ungenügende 
ärztliche Untersuchung in England verantwortlich. Sonst wäre es 
nicht möglich gewesen, dass Leute mit ausgesprochener Phthise, 
mit Nierenkrankheiten, tertiärer Syphilis, Beingeschwüren, aus- 
gebreiteien Varicen, Variocelen, Hernien, chronischen Gonorrhöen, 
deutlichen Herzklappenfehlern ti. s. w. abgeschickt worden wären. 
Und das nicht nur in einigen Fällen, sondern iu einem sehr erheb¬ 
lichen Procentsatz. Auch über Mangel an ärztlichem und Pfleger¬ 
personal führt derselbe Berichterstatter bittere Klage. — Die Zahl 
der im Kriege gefallenen britischen Offleiere und Mannschaften 
beläuft sich nach dem Brit. med. Journ. bis 24. Februar auf 
1052; dazu kommen 2iH. die ihren Wunden erlagen, so dass die 
Gesammtzahl der Getödteten bis zu dem genannten Tage 194(i be¬ 
trug. Au Krankheiten starben bis zu demselben Termin 723 Offl- 
ciere und Mannschaften, ein im Vergleich zu der Zahl der Ge¬ 
fallenen sehr günstiges Verhältnis«. Von den Verwundeten, bis 
17. Februar 5303, werden 95 Proc. als geheilt angegeben. Dieses 
gegenüber früheren Kriegen ausserordentlich günstige Verhültniss 
ist in erster Linie der Gutartigkeit der Mauserkugel zu verdanken, 
dann aber wohl auch dem Umstand, dass dies der erste grosse 
Krieg ist. in dem die Wundbehandlung ganz nach antiseptischen 
Grundsätzen geschieht. 

— Die Kölnische Unfallversicherung«-Actiengesellsehaft in 
Köln a. Rh. theilt uns mit, dass sie in ihren Vertrag eine nein*, 
günstigere Klausel, die Infectionskrankheiten betreffend aufge¬ 
nommen hat. Hiernach sind in den Versicherungsvertrag einge- 
schlossen ,,alle localen oder allgemeinen Infectionskrankheiten, 
z. B. Blutvergiftung, Syphilis, Tuberculosc. Rotz, Hundswuth 
u s. w. und deren Folgen, hei denen der Ansteekungsstoff durch 
äussere Verletzungen (gleichviel ln welcher Weise und wann die- 
sellien entstanden sind), also nicht durch die natürlichen Eingangs¬ 
pforten in den Körper gelangt ist. Vorausgesetzt ist. dass die An¬ 
steckung ohne Willen des Versicherten uud auch ohne nachweis¬ 
bare gröbliche Ausseraelitlassmig der gebotenen Vorsichtsmaass¬ 
regeln seitens des Versicherten erfolgt ist. Jede Infection, die 
durch geschlechtlichen Verkehr hervorgerufen wird, ist ausge¬ 
schlossen, gleichviel an welchem Ivörpertheil sie auf tritt. Die An¬ 
zeige hat unmittelbar zu erfolgen, nachdem der Charakter der 
Krankheit erkannt worden ist, unter Angabe der eingeschlagenen 
Behandlung.“ -- Die genannte Gesellschaft stellt in Vertragsver- 
hältniss mit dem ärztlichen Bezirksverein München. 

— Ein „W ürtto in bei* gische* A e r z t e b u c h“ gibt 
der Ausschuss des Württembergisehen ärztlichen Landes Vereins 
heraus, von dem soeben die zweite Ausgabe (Stuttgart 1900) er¬ 
schienen ist. Das Aerztebucli stellt das offlcielle Verzeichnis.« 
der württembergisehen Aerzte dar, unterscheidet sich aber von 
ähnlichen Verzeichnissen, z. B. dem Schematismus der bayerischen 
Aerzte. vortheilhaft dadurch, dass dasselbe auch kurze bio¬ 
graphische Angaben über jeden einzelnen Arzt enthält. Für die 
württembergisehen Collegen ist die Herausgabe des Aerztebuchs 
jedenfalls von grossem Werth. Durch die sorgfältige Bearbeitung 
hat sich Herr Dr. D e a li n a - Stuttgart ciu grosses Verdienst er¬ 
worben. 

(H o c b s c h u 1 n a c h r i c h t e n.) 

W ü r z b u r g. Prof. v. Michel hat den Ruf nach Berlin 
angenommen. 

B o 1 o g ti a. De r Professor an der med. Facultüt zu Padua 
Dr. I>. C e r v e s a t o wurde zum ordentlichen Professor der Klinik 
der Kinderkrankheiten ernannt. 

G e li u a. Au Stelle des zurückgetretenen Prof. J. M a r t i n i 
wurde Dr. Rudolf W eher zum o. Professor der Psychiatrie er¬ 
nannt. 

Jassy. Dr. C. Juvara wurde zum Professor der chirur¬ 
gischen Anatomie ernannt. 

Kraka u. Der Privatdoeent*i)r. St. Clechanowski 
wurde zum a. o. Professor der pathologischen Anatomie ernannt. 

Messina. Dr. A. Laraari, bisher Privatdoeent zu Neapel, 
habilitirte sich für medicinische Pathologie. 

New-York. Dr. R. O. Born wurde zum Professor der 
Augenheilkunde an New York Poliklinik and Hospital ernannt. 

Turin. Der u. o. Professor der chirurgischen Fatologie 
Dr. A. Carle wurde zum o. Professor ernannt. 


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Original frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 





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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



N* Mflnoh. Med. Wochen«chr. erscheint wÄchentl. 
In Numwuru von durchschnittlich 4-5 Bogen. 
Preis in Deutschi, u Ocst.-Ungarn viertel] Thrl. fi Ji, 
ins Ausland 7.50 Jt. Einzelne No. •*> 4 . 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind ztt adreralren: Für die ftedactlort 
Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬ 
mann, Heustrasse 20. - Für Inserate und Beilagen 
an Rudolf Blosse, Promenadeplatz 16. 


MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 

Ch. Billig, 0. Bolliager, H. Curschiann, C. Gerhardt, W.», Heincke, 6. Merkel, J. 1 . Michel, H. 1 . Ranke, F.». Winckel, H. r. Zleissen, 

Frdburg i. B. München Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


.1/ 11. 13. März 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Alis der medicinischen Universitätspoliklinik in München. 

Ueber Oxykampher. 

Von Dr. Hans X e u m a y e r, Privatdocent und I. Assistent 
der Poliklinik. 

Im Verlaufe ausgedehnterer Arbeiten über Kampherderivate 
fand O. Ma nasse 1 ) vor einigen Jahren eine wasserlösliche 
Verbindung, welche sieli als Ortho-Oxykampher herausstellte, 
d. h. als ein Kampher, in welchem ein Wasserstoffatom neben 
der Kctongruppe durch den Ilvdroxylrest ersetzt ist: 

CHa 

/ 

Camplier Cd Hu 
\ 

CO 

CH(OH) 

/ 

Oxycampher Cs Hu 

\ 

CO 

Diese nahen chemischen Beziehungen zum Kampher in Ver¬ 
bindung mit der pharmakologisch wichtigen Eigenschaft der 
Wasserlöslichkeit gaben dem Oxykampher in Hinblick auf die 
Therapeutisch so werthvollen Eigenschaften des Kamphers ein 
besonde res Interesse. 

Bei der geringen Veränderung, die das Kamphermolecul 
durch die Tlydroxylirung erfährt, war zu erwarten, dass auch 
die Wirkung dieses Körpers nicht wesentlich von der des Kam- 
phers verschieden sein würde. Allein die Thierversuche, welche 
von R. Heinz 2 ) mit dem neuen Präparate angestellt wurden, 
haben zu ganz anderen, auffallenden Resultaten geführt. 

Dem Oxykampher kommen nämlich die exeitirenden Eigen¬ 
schaften. die der Kampher überhaupt und vor Allem auf das 
ITerz ausübt, nicht mehr zu. 

Vielmehr weist er einen merkwürdigen beruhigenden, herab- 
stirnmenden Einfluss auf einen bestimmten Punkt dos Central¬ 
nervensystems, nämlich auf das Respirationscent rum, auf. 

II e i n z konnte feststellen, dass bei Thieren durch kleine 
Dosen von Oxykampher eine Verlangsamung des Athmungs- 
r.vthmus und ein Oberflächlicherwerden der einzelnen Athemzüge 
(»intritt: durch grosse Dosen wurde die Athmung vollkommen 
zum Stillstand gebracht. 

Die Ilerzthätigkeit und der Blutdruck blieben dabei voll¬ 
kommen unbeeinflusst, selbst bei jenen Fällen, wo sogar Still¬ 
stand der Athmung eintrat. Bei letzteren Fällen erhielt II e i 11 z 
die Versuolisthiere dadurch am Leben, dass er bis zur Wieder¬ 
kehr der Reflexerregbarkeit des Athemcentrums künstliche Re¬ 
spiration unterhielt. 

Auch nach wiederholter Verabreichung von grossen Dosen 
konnte II e i n z keinerlei Schädigung irgend welcher Organe 
nach weisen. 

Unter diesen Umständen empfahlen M a n a s s e und 
Heinz das Präparat zu therapeutischen Versuchen bei dys- 
pnoisehen Zuständen. Es war zu hoffen, dass man in ihm einen 
werthvollen Ersatz für die in solchen Fällen bisher allein mit 
ausgesprochenem Erfolg angewendete Xarkotica finden würde. 

’) Bericht der Deutsch, chem. Gesellsch., XXX (1897), S. G59. 

*) Deutsch, med. Wochen sehr. 1897, t No. 27. 

Xo. liDigjtized by (^ T QQö|0 


M a n a s s e und Heinz 2 ) fügten ihrer Veröffentlichung 
zum Schlüsse zwei Krankheitsfälle an, bei welchen der Oxy¬ 
kampher in der That vorzügliche Dienste gegen Anfälle von 
cardialer Dyspnoe leistete. 

Das Mittel wurde mit günstigem Resultat nachgeprüft von 
Ehrlich 3 ) und J akobson 4 ) und zwar bei Patienten, die 
an Dyspnoe, bedingt durch die verschiedensten Ursachen, litten. 

Alsbald nach der Veröffentlichung von Ma nasse und 
Heinz wurde auch an der medicinischen Poliklinik der Oxy¬ 
kampher in Anwendung gebracht und es standen uns durch die 
Güte M a nass e’s immer reichliche Mengen eines tadellosen 
Präparates zur Verfügung. 

Das Präparat kam in der verschiedensten Form zur An¬ 
wendung, als Pulver, in Form von Trochisci mit Milchzucker 
zusammen und als Mixtur, wie sie Ehrlich und J akobson 
gegeben hatten. 


Oxycampher 

1,0 

Spirit, vin. 

5,0 

Aq. dest. 

180,0 

Syrup. Rub. Jd. 

20.0 


MD. Esslöffelweise zu nehmen. 

Auch subcutan injicirten wir Oxykampher und zwar in 
Olivenöl gelöst, ähnlich dem Ol. camphoratum. Als später 
M a n a s s e dem Oxykampher durch Auflösen desselben in Al¬ 
kohol eine absolut haltbare Form gegeben hatte, in welcher der 
Oxykampher von den Höchster Werken unter dem Namen Oxa- 
phor ausschliesslich in den Handel gebracht wurde, verabreichten 
wir nur mehr dieses Präparat und zwar entweder mit etwas Wasser 
gemischt oder in Form der angeführten Mixtur. 

Wir haben gefunden, dass das Präparat in jeder Form ohne 
jede besondere Beschwerde vertragen wird und auch zur Wirkung 
gelangt. 

Bevor ich auf die von uns an dyspnoischen Kranken ge¬ 
machten Erfahrungen eingehe, möchte ich in Kürze einiges 
Wenige über die Wirkungsweise des Oxykamphers auf den ge¬ 
sunden Organismus anführen. 

Wir verfolgten an gesunden Männern die Puls- und Athem- 
frequenz unter dem Einflüsse von verschieden grossen Oxy- 
kampherdosen. Ferner suchten wir annähernd den Grad der Er¬ 
regbarkeit des Athemcentrums zu bestimmen. Wir verfuhren 
dabei in der Weise, dass die betreffende Versuchsperson entweder 
während ruhiger Athmung oder nach tiefster In- und Exspiration 
auf gef ordert wurde, die Athmung so lange als möglich zu unter¬ 
brechen. Die Zeitdauer, wie lange der Athem angehalten werden 
konnte, wurde zu wiederholten Malen vor der Oxykampher- 
darreichung und nach derselben bestimmt. 

Wenn nämlich dem Oxykampher in der That das Respira¬ 
tionscentrum lähmende Eigenschaften zukommen, so war zu er¬ 
warten, dass nach Oxykampherdarreichung die Athmung länger 
angehalten werden konnte, dass die Kohlensäure im Blute sieh 
in grösserer Menge anhäufen musste, bis der Reiz, den eben die 
Kohlensäure auf dieses Centrum ausiibt, stark genug wurde, das¬ 
selbe in Thätigkeit zu setzen. 

*) A. Ehrlich: Oxykampher (Oxaphor) als Antldyspnoicum 
und Sedativum. Centralbl. f. d. ges. Therapie, 17. Jahrg., 1899. 

*) R. Jacobson: Klin. Beobachtungen über die antidys- 
pnoische Wirkung des Oxykamphers (Oxaphor). Berl. klin. 
Wochcnschr. 1899, No. 16. 

Original from j 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 








MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


Tn der folgenden Tabelle sind die erhaltenen Resultate zu¬ 
sammengestellt. Wir verwandten zu diesen Versuchen aus¬ 
schliesslich Oxaphor und gaben das Präparat fast durchweg in 
den nüchternen Magen, um eine sichere und rasche Resorption 
zu erzielen 6 ). 


J. K., 43 Jahre, Schreiner, nüchtern. 





j\ them- 

Athem wurde angehalten 

Zeit 

Oxaphor Pi 

ilsfrequenz 

zöge in der 

hei oberflächlicher 
Athmuug 

bei tiefer 




Minute 

Secunden 

Secunden 

7.15 

— 

5ß—00 

22—24 

20—20 

25—21 






23 

7.30 

4,0 

— 

_ . 

_ 

_ 

7.38 

— 

00 

16 

23—28 

26.31 

7.55 

—- 

56—60 

16 

26 

31 

8.30 

— 

60 

16 

20.20 

24 

9.18 

— 

60 

16 

20 

24—30 

K. 

S., Spiingler 

, hat um 

6 Uhr einen Teller »Suppe gegessen. 

8.30 

— 

66 

17—18 

18 


8.50 

— 

72 

16 

19 

27.22 






28 

9.10 

— 

68 

16—18 

. _ 

___ 

9.12 

5 g Oxv- 
campher 

— 

— 

— 

-- 

9.17 

•— 

68 

14—16 


_ 

9.24 

— 

72 

17 

20.20 

30 

9.30 

— 

72 

17 

24.24 

27.33 






36 

9.45 

— 

72 

16 

_ 

_ . 

9.53 

— 

72—76 

15 

20.24 

28 

10.40 

— 

72 

17 

15.20 

34 

11.15 

— 

68 

20 

18.20.25 

29.33 

M. 

Z., 37 Jahre 

, Posamentier, nüchtern. 


7.35 

— 

64 

18 

31—32.31 

34 

41.43 

8.00 

10 g 

— 

_ 

___ 

___ 

8.08 

— 

64 

14 

30.30 

44 43 

8.35 

— 

64 

16 

30 

45.46 

8.40 

— 

— 

— 

_ 


9.30 

— 

56.60 

16.17 

26 

38.43 


Derselbe, nüchtern. 


7.20 

— 

68 

16 

25.26 26 

7.33 

20 g 

— 

_ 


7.45 

— 

66 

16 

27.30.28.27 

8 40 

— 

68 

16 

33.33.29 

9.15 

— 

60 

15-16 

31.30 


33.37 37 

42.43 

43.44 
43 


Derselbe, nüchtern. 


7.00 

— 

76—80 

16—18 

20—15 

25— 

-25 

7.10 

— 

76 

18 

_ 



7.12 

2,0 

w 

— 

_ 



7 17 

— 

76 

18 

20—22 

22- 

-30 

7.28 

— 

72—76 

18 

18—23 

_ 


7.45 

— 

72 

18 

17—21 

30— 

-30 

8.00 

— 

67 

16 

25—26 



8.15 

— 

66 

18 

25—26 

35 

8.30 

--- 

64 

18 

23—26 

31- 

-30 

8.48 

— 

64 

18 

25—25 

32- 

-34 

T. 

R., 28 Jahre, Schreiner 

, nüchtern. 




7.30 

— 

80—84 

17—20 

12 12 

18 

32 

7.42 

1 g Oxy- 



'•*#*&*' - 

27— 

-29 


eampher 





7.48 

— 

84 

20 

_ _ 



8.06 

— 

80 

20 

14—16 

33- 

27 

8.23 

— 

80 

18 

20—22 

30— 

35 

8.38 

— 

80 

17 

15—18 

27- 

-30 

9.00 

—- 

72 

20 

15 25—25 

40- 

33 

M 

Z., nüchtern, 36 Jahre, 

Schreiner. 




— 

— 

60—72 

16—18 

17—23 

27— 

32 

7.19 

2,0 

66—68 

18 

25 

35 

7,30 

— 

66 

17 

27 

37 

7 38 

— 

66 

16 

19—27 

38— 

35 

7.50 

— 

64—68 

16 

27 

37 


8.25 

— 

60 

17 

24—22—27 

48- 

50 

<8.47 

— 

60 

16—18 

22—32 


9.15 

— 

60 

16 

25—27 

42 


B ) Siehe Moritz: IJeber die Beziehungen zwischen Arzneien 
mal Magen. Münch, med. Wochenschr. 185)8, No. 48. 


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■v Google 


Derselbe, nüchtern. 





Athem- 

Athem wurde angehrt]ten 

Zeit 

Oxaphor 

Pulsfrequenz 

züge in der 

hei oberflächlicher bei tiefer 
Athmumr 




Minute 

Secunden 

Secunden 

7.15 

— 

64—68 

18—20 

23 

32—34 

7.28 

4,0 

_ 

_ 


__ 

7.35 

— 

68 

15-16 

25—25—27 -27 

38 

7.53 

— 

64—68 

16 

27 

45 

8.30 

— 

60—64 

16 

24—25 

36—38 

9.15 

— 

60 

16 

24—26 

35 

F. 

H, 29 Jahre, Schlosser, 

, nüchtern. 



7.40 

— 

67—80 

14 

24.21 

33.40 





24 

42 

8.02 

10 g 

— 

_ 


_ 

8.12 


80—84 

14 

28.34 

34.45 

8.37 

— 

80 

13 

33 

45 

9.30 

— 

68—72 

15 

34 

33.40 

Von sümmtlii 

:-1 1 on Versuehspersonc 

ii wurde das 

Präparat 


(Oxaphor), obschon es aus dem angeführten Grunde fast immer 
in den nüchternen Magen mit ganz wenig Wasser zusammen 
gegeben wurde, gut vertragen. 

Selbst bei den grössten Dosen 10 bezw. 20 g Oxaphor traten, 
abgesehen von etwas Brennen in der Magengegend, keine Be¬ 
schwerden auf; ebensowenig wurden Störungen von Seiten des 
Darmes bemerkt. Die Pulsfrequenz zeigte keine deutliche Beein¬ 
flussung durch den Oxvkamphcr: bald blieb die Pulsfrequenz 
auf der Höhe bestehen, wie vor der Oxykampherdarreiehung, bald 
sehen wir eine Vermehrung, bald eine Verminderung der Puls¬ 
schläge in der Zeiteinheit eintreten. Die ITerzaction blieb durch¬ 
weg vollkommen regelmässig; der Blutdruck zeigte keine Ab¬ 
nahme. Die Untersuchung des Harnes gab niemals Beimengung 
von Eiweiss oder Zucker. 

Was die Frequenz der Athemzüge anlangt, so fanden wir 
selbst bei den grössten Dosen keine wesentliche Aenderung. Wir 
sahen zwar bei fast allen Fällen eine Abnahme der Zahl der 
Athemzüge in der Minute, allein die Differenz zwischen den 
Zahlen, welche vor und nach der Oxykampherdarreiehung ge¬ 
wonnen wurden, sind so gering, dass sie an dem einzelnen Falle 
kaum in die Erscheinung tritt. Aehnlieh wie die Körpertempe¬ 
ratur des gesunden Menschen nur sehr wenig durch Antipyretiea 
beeinflusst wird, so scheint auch die Athemfrequenz nur sehr 
schwer aus ihrem normalen Rhythmus gebracht werden zu können. 

Eine deutliche Einwirkung ist nach vorstehender Tabelle an 
der Erregbarkeit dos Athemcentrums zu bemerken. Wir finden 
nämlich hei sämmtlichcn Versuchspersonen, dass sie nach Dar¬ 
reichung von Oxykampher den Athem länger anzuhalten ver¬ 
mögen, wie vorher. Es scheint demnach unter dem Einflüsse 
des Oxyknraphers die Kohlensäuremenge des Blutes viel höher 
anwuchsen zu können, bis das Athemcentrum der willkürlichen 
Beeinflussung entzogen wird und die Athmuug nicht mehr länger 
unterdrückt werden kann. 

Gehen wir nun zu den Krankheitsfällen über. 

Der Oxykampher wurde in den anzuführenden Fällen meist 
in Mengen von 40 Tropfen Oxaphor, entsprechend 1 g Oxy¬ 
kampher, auf einen Löffel voll Wasser gegeben, worauf etwas 
W asser noch nachgetrunken wurde, um den für manchen Patienten 
etwas unangenehmen Geschmack zu beheben. Aus letzterem 
Grunde wandten wir auch ab und zu das Präparat in der bereits 
erwähnten Mixturform oder auf etwas Zucker geträufelt und in 
Oblate eingesclilagon an. 

M ir brachten das Mittel bei verschiedenen Formen von Dys¬ 
pnoe zur Verwendung, vor Allem aber bei gesteigerter Athem¬ 
frequenz im Anschluss an Oirculationsstörungen und im An¬ 
schluss an Erkrankungen der Lunge. 

Zu bemerken ist, dass sich unsere Beobachtungen und Er¬ 
fahrungen, abgesehen von den nachfolgenden hier aufgeführten 
Krankheitsfällen, auf noch weitere 30—40 Fälle erstrecken, bei 
denen ähnliche Resultate erhalten wurden, wie bei den geschil¬ 
derten; sie konnten jedoch in der Arbeit nicht Aufnahme finden, 
da die darüber gemachten Aufzeichnungen zu Verlust gegangen 
sind. 

J. G., 58 Jahre alt, Taglöhner, leidet an einem ausgesprochenen 
Lungenemphysem mit zeitweise auf tretenden heftigen Katarrhen 
gestörter Herzthütigkeit, Oedemen und lebhafter Dyspnoe. 

Auxiliäre Athemmuskeln in reger Thätigkeit, Athemfrequenz 
32—3G ln der Minute, auf der Lunge allenthalben katarrhalische 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




351 


13. Mürz 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


< h* rausche von verschiedener Grosse. Puls 88—92, regelmässig, 
keine Oedeme. 1 g Oxykampher als 2 g Oxaphor per os mit etwas 
Wasser gegeben liess nach Ablauf von 3 Minuten ein wesentlich 
anderes Bild erkennen. 

Die Zahl der Athemzüge war auf 20 in der Minute zurück* 
gegangen. Die Auxiliarmuseulatur war bei Weitem nicht mehr 
angestrengt tliätig wie vordem und der Patient selbst empfand 
eine Erleichterung und ein Wohlbefinden, wie er sie seit Jahren 
nicht mehr empfunden haben will. 

Diese günstige Wirkung dauerte ungefähr 5 Stunden an und 
der Patient, dem für die Folge wiederholt von dem Präparat ver¬ 
abreicht wurde, war des Lobes voll über die Erleichterung, die er 
davon empfand. Wichtig ist, dass diese Euphorie und unbehinderte 
At Innung nicht nur in der Ruhe subjectiv und objectiv zum 
Ausdruck kam, sondern auch bei s t ä r kere r K örpe r b e w e - 
g u n g, wie z. B. beim Stiegensteigen. 

Eine Veränderung des physikalischen Lungenbefundes war 
durch Anwendung von Oxykampher nicht zu erkennen. 

M. S., 58 Jahre, Beamter. Patient leidet seit Jahren an 
heftigen asthmatischen Anfällen, ‘die besonders im Frühjahr und 
Herbst sich bemerkbar machen. Die Untersuchung ergibt 
ausserhalb des Anfalles Protrusio bulborum, eine massige Struma, 
stark geschwellte Halsvenen, Lungenemphyseui und eine Mitral- 
insufficienz. 

Der Asthmaanfall hat eine Dauer von y 2 —i Stunde und ver¬ 
läuft unter sehr stürmischen Erscheinungen. Enormer Lufthunger, 
Respiration 40—50 in der Minute und profuse Schleimsecretion. 
Patienten wurde wiederholt zu Beginn und während des Anfalles 
Oxykampher verabreicht. Es konnte damit zwar niemals der An¬ 
fall verhindert oder wesentlich abgekürzt werden, der Ablauf des 
Anfalles war aber regelmässig ein milderer, wie wenn das Mittel 
nicht gegeben wurde. 

J. K., 48 Jahre, Taglöhner. Ausgesprochenes Emphysem der 
Lungen, begleitende diffuse Bronchitis und starke Dyspnoe: Re¬ 
spiration 20 Athemzüge in der Minute, lebhafte Betheiligung der 
Auxiliarmuseulatur an der Athmung. Puls 88. Patienten wird 
1.0 Oxykampher verabreicht. Nach Alllauf von 5 Minuten em- 
piiudet Patient eine bedeutende Erleichterung. Die Athemfrequenz 
ist unverändert geblieben, die Arbeit der auxiliären Athemmuscu- 
latur hingegen viel geringer. Im Verlauf der nächsten 4 Stunden 
das gleiche Wohlbefinden. 

Bei Patienten wird der gleiche Einfluss bei wiederholter 
späterer Darreichung constatirt und Patient bittet dringend um 
Ueberlassung von Oxykampher. 

A. St., 30 Jahre. Phthis. pulmon. Patientin hat in Folge von 
ausgedehnten Veränderungen in beiden Lungen und in Folge eines 
nlässigen pleuritischen Exsudates auf der rechten Brustseite be¬ 
deutende Alhcmnoth. 

Patientin sitzt im Bett und kann kaum sprechen, noch Nahrung 
zu sich nehmen. Die Zahl der Athemzüge beträgt 48—52 in der 
Minute. Puls 120—130. 

Patientin wird 1 g Oxykampher (2 g Oxaphor) mit etwas 
Wasser verabreicht. 

Nach Ablauf von 4 Minuten ist die Zahl der Athemzüge auf 
28 in der Minute gesunken und Patientin fühlt sich in hohem Grade 
erleichtert — so gut hätte sie seit Wochen nicht mehr atlnnen 
können. Tuls ist durch Oxaphor unverändert — 124 Schläge in der 
Minute. , 

H. M. Insuflf. mitralis et aortae. Leberschwellung. Dys- 
pnoische Athmung, 34 Athemzüge in der Minute, Lippen bläulich 
verfärbt. Puls 92—100 in der Minute. 

1 g Oxykampher als Oxaphor in Wasser verabreicht. 

Nach Ablauf von 5 Minuten beträgt die Respiration 3G—40 
Athemzüge in der Minute; Puls 104. Nach weiteren 5 Minuten 
Respiration 36, Puls 102. Nach weiteren 5 Minuten Respiration 
30, Puls 104. 

Es wird noch 1 g Oxykampher gegeben; Respiration und Puls 
l»leiben innerhalb der nächsten halben Stunde auf 30—40 Athem- 
ziige und 100—104 Pulsschlügen stehen. Auch im subjectiven Be¬ 
finden der Patientin ist keine Besserung eingetreten. 

A. K., 05 Jahre, Taglöliuerin. Emphysema pulmonum und 
Bronchitis diffusa. P. leidet seit einigen Wochen an Sehwer- 
Mthmigkeit die auch objectiv zum Ausdruck kommt in Steigerung 
der Athemfrequenz: 28—30 Athemzüge in der Minute, Puls 92. 

1 g Oxykampher: Nach 8 Minuten Resp. 28—36 — Puls 96, nach 
15 Minuten Resp. 32 — Puls 92, nach 30 Minuten Resp. 32—36 — 
Puls 92. 

Weder objectiv noch subjectiv konnte in diesem Falle eine 
Besserung der dyspnoischen Beschwerden festgestellt werden. 

M. K., 32 Jahre, Bearatensfrau. Fortgeschrittene Tuberculose 
beider Lungen, lebhafte Dyspnoe, die sich zeitweise zu Erstickungs- 
nnfällen steigert. Respiration 40—44 Athemzüge in der Minute. 
Puls kaum fühlbar, 120—130 in der Minute. 

Auf 1 g Oxykampher tritt nach Ablauf von 5 Minuten eine 
wesentliche Besserung ein. Die Athemfrequenz sinkt auf 
28 Athemzüge in der Minute und die Patientin fühlt sich wesent¬ 
lich erleichtert. Die Euphorie hält ungefähr 2 Stunden an und 
stellt sich nach wiederholter Darreichung von Oxykampher regel¬ 
mässig ein. 

M. O., 40 Jahre alt, Taglöhnerin. Bronchitis diffusa, Nephritis. 
Zeitweise Anfälle von Athemnotli, namentlich Nachts. Die Re¬ 
spiration zeigt 66 Athemzüge in der Minute; auf der Lunge zahl¬ 
reiche katarrhalische Geräusche hörbar. Puls 96 in der Minute. 
Nach Darreichung von 2 g Oxaphor ist nach Ablauf von 2 Minuten 
die Athemfrequenz bereits auf 30 zurückgegangen und nach 


weiteren 5 Minuten bis auf 22 Athemzüge in der Minute. Gleich¬ 
zeitig fühlt sich Patientin auch subjectiv bedeutend erleichtert, 
indem das Gefühl des Lufthungers vollkommen verschwunden Ist. 
Pulsfrequenz beträgt 108 Schläge in der Minute. Das Mittel, 
welches ungefähr Mittags 12 Uhr gegeben worden war, hielt in 
seiner Wirkung den ganzen Nachmittag und auch noch die folgende 
Nacht bis Morgens 3 Uhr an. 

Patientin nahm um diese Zeit 2 g Oxaphor; die Athemhoth ver¬ 
schwand nach Angabe der Patientin innerhalb kürzester Zeit 
wieder und beim Besuche des Ambulatoriums der Poliklinik — 
10 Stunden nach Einnahme der letzten Oxykampherdosis — be¬ 
trägt die Athemfrequenz 24—28 Athemzüge in der Minute bei sehr 
gutem Allgemeinbetinden. Die Pulsfrequenz beträgt 108 Schläge 
in der Minute. 

Auch in der Folge hatte Patientin bei ähnlichen Anfällen regel¬ 
mässig eine vollkommene Erleichterung. 

L. Sch., 50 Jahre alt, Lehrerswittwe, leidet seit 7 Jahren au 
asthmatischen Anfällen, welche von mehrstündiger Dauer sind. 
Im Anfall ist Patientin ausser Stand, Irgend welche Bewegung zu 
machen. Auf 1 g Oxykampher hat Patientin regelmässig eine 
wesentliche Erleichterung, welche 3—8 Stunden anhält. 

M. O., 30 Jahre alt, Schlossersfrau. Aneurysma aortae mit 
Insuflicientia valvulae mitralis et aortae. Patientin klagt be¬ 
sonders über Schwerathmigkeit, welche sich auch in beschleunigter 
Athmung äussert, besonders Nachts. Nachdem Patientin über eine 
Stunde ruhig gesessen hat, beträgt die Respiration immer noch 
40 Athemzüge in der Minute. Puls = 92—96. Nach Darreichung 
von 1 g Oxykampher sinkt die Zahl der Athemzüge und zwar nach 
7 Minuten auf 32, nach weiteren 4 Minuten auf 30, nach weiteren 
12 Minuten auf 26—28. nach weiteren 7 Minuten auf 22 Athemzüge 
in der Minute. Das Gefühl von Schwerathmigkeit ist vollkommen 
verschwunden. Patientin, welche täglich 3 mal je 1 g Oxykampher 
nimmt, bleibt frei von Schwerathmigkeit, schläft gut und der 
Appetit bessert sich. 

Als Patientin einen Tag lang keinen Oxykampher erhielt, trat 
sofort Verschlechterung des Befindens und Schwerathmigkeit auf. 

Die Respiration ist auf 32 Athemzüge in der Minute gestiegen, 
der Puls hat eine Frequenz von 96—100 Schlägen in der Minute. 

Auf 1 g Oxykampher geht die Athemfrequenz innerhalb 
30 Minuten auf 20—22 Athemzüge in der Minute zurück und bei 
weiterer Darreichung von Oxykampher bleibt die Dyspnoe voll¬ 
kommen weg und subjectiv ist die Patientin sehr zufrieden. 

J. G., 51 Jahre alt, Maurer. Insuflicientia valvulae mitralis 
et aortae. Stauungsorgane und Bronchitis. 

Tatient klagt über Kurzathmigkeit. 

Resp. 24. Puls 88. 

Nach Darreichung von 1 g Oxykampher geht die Frequenz der 
Athemzüge auf 16 in der Minute herunter, und Patient fühlt sich 
sehr erleichtert durch mehrere Stunden hindurch. 

G. M., 67 Jahre alt, Wirth. Insufflcientia valvulae mitralis. 
Stauungserscheiuungen: Leberschwellung, Ascites, Oedeme, Albu¬ 
minurie. 

Dyspnoe: 40—44 Athemzüge in der Minute, nachdem Patient 
ungefähr 30 Minuten vollkommen ruhig sich verhalten hatte. 

Patient erhält 1 g Oxykampher. 

Nach 12 Minuten beträgt die Athemfrequenz 36 in der Minute. 

Nach 10 Athemzügen stellt sich regelmässig eine Athem- 
pause ein. 

Subjectiv fühlt sich Patient sehr erleichtert. 

Nach Ablauf einer Stunde beträgt die Frequenz der Athem- 
ziige in der Minute 36; der Puls ist wechselnd zwischen 88 und 
96 Schlägen in der Minute. 

Die subjeetive Erleichterung dauerte im Ganzen 3 Stunden. 

M. M., 39 Jahre alt, Schneider. Insufflcientia valvulae mitralis 
et aortae, Stauungsorgane. 

Dyspnoe: Respiration beträgt 40 Athemzüge in der Minute. 
Puls 120. Nach Darreichung von 1 g Oxykampher ging die Zahl 
der Athemzüge nach Ablauf von 5 Minuten auf 28—32 zurück. Die 
Pulsfrequenz betrug 108—112. 

Nach weiteren 8 Minuten war die Athemfrequenz 26 und die 
Pulsfrquenz 108. 

Nach weiteren 7 Minuten war die Athemfrequenz 20 und die 
Pulsfrequenz 108. 

Patient fühlte sich auch subjectiv bedeutend erleichtert. Die 
Euphorie hielt im Verlaufe der nächsten 7 Stunden an und als 
sich dann allmählich Dyspnoe einstellte, nahm Fatient wieder 1 g 
Oxykampher. Patient schlief die ganze Nacht hindurch sehr gut 
mit einigen kurzen Unterbrechungen. 

14 Stunden nach der letzten Oxykampherdosis betrug die Re¬ 
spiration 24 Athemzüge in der Minute und die Pulsfrequenz 
war 104. 

E. R., 16 Jahre, Maurerlehrling. Pleuritis exsudativa. Perl- 
carditis sicca. Insufflcientia valvulae mitralis. 

Patient, welcher zu Bette liegt, zeigt eine Athmung von 
40 Athemzügen in der Minute und eine Pulsfreqenz von 104—108. 

5 Minuten nach Darreichung von 1 g Oxykampher betrug die 
Athemfrequenz 40, die Pulsfrequenz 104. 

Nach weiteren 11 Minuten war die Athemfrequenz 36—40; 
die Pulsfrequenz 104. Eine subjeetive Besserung wurde von dem 
Patienten nicht empfunden. 

M. Sch., 60 Jahre. Vitium cordis, Insufflcientia valvulae mitra¬ 
lis mit grossem Anasarca an Beinen, Abdomen und auch an den 
Armen. 

Patientin sitzt im Bette, da sie vor Schwerathmigkeit nicht 
liegen kann. 

1 * 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



352 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. lt 


Die Respiration zeigt 32—3G Athemzüge in der Minute, Puls 
100 — 102 . 

Nach Darreichung von 1 g Oxykampher beträgt die Athem- 
frequenz nach 8 Minuten 30 Athemzüge, nach 15 Minuten 36—40 
Athemzüge, nach 30 Minuten 36 Athemzüge in der Minute. 

In dem vorliegenden Falle konnte weder objectiv noch sub- 
jeetiv eine Besserung der Atliemnoth constatirt werden. 

B. K.. 49 Jahre, Heizerswittwe. Insufflcientia valvulae 
mitralis. Leberschwellung, Oedeme, Cyanose. 

Die Respiration betrug vor der Darreichung von Oxykampher 
2t$—30 Athemzüge in der Minute, Puls 108—112. 7 Minuten nach 

Darreichung von 2 g Oxykampher war die Athmung 24 Athemzüge 
in der Minute. Die Athmung ist immer noch sehr angestrengt; es 
treten die auxiliären Athemmuskeln in Thättgkeit. 

45 Minuten später ist Respiration unverändert 24 Athemzüge 
in der Minute; die Pulsfrequenz ist 104. 

Eine Erleichterung empfindet Patientin nicht, die Athmung ist 
auch noch dyspnoiscli. 

Wenn wir die angeführten Krankheitsfälle überblicken, so 
finden wir, dass bei einem grossen Theile derselben in der That 
ein ausgesprochener Einfluss auf die Athmung zu verzeichnen ist. 

Wir sehen bei den Patienten, die theils in Folge von Circu- 
lationsstörungcn, theils in Folge von Lungenerkrankungen an 
Dyspnoe litten und welche sämintliche vor der Darreichung von 
Oxykampher mitunter eine beträchtliche Beschleunigung der 
Athmung zeigten, innerhalb weniger Minuten nach Aufnahme 
des Mittels in den Magen eine vollkommene Beruhigung der Ath- 
mung eintreten. Wir sehen die vorher gesteigerte Zahl der 
Athemzüge auf eine Frequenz heruntersinken, welche als voll¬ 
kommen normal zu bezeichnen ist. Die Athemzüge, welche vor¬ 
her oberflächlich waren, werden tief und reihen sich in regel¬ 
mässiger Folge aneinander. Weder in der Phase der Inspiration, 
noch auch der Exspiration ist irgend eine Abweichung vom nor¬ 
malen Athmungstypus zu erkennen. Da die Athmung zugleich 
mit der Verlangsamung eine Vertiefung erfährt, so ist eine 
mangelhafte Luftzufuhr, wie sie bei verlangsamter, aber ober¬ 
flächlicher Athmung sicher eintreten würde, als ausgeschlossen 
zu erachten. Auch objectiv fehlen alle Zeichen für eine un¬ 
genügende Ventilation, wie z. B. Cyanose. 

Die objective Beeinflussung der Athmung durch den Oxy¬ 
kampher ist aber eine günstige, die Athmung wird ver¬ 
tieft und verlangsamt, und ebenso ist im subjectiven Befinden 
bei den meisten Patienten eine wesentliche Besserung, bei vielen 
ein vollkommenes Verschwinden der Beschwerden zu verzeichnen. 

Was die Einwirkung des Oxykamphers auf das Herz anlaugt, 
so konnten wir analog den Ergebnissen in den von Heinz 
a «gestellten Thierversuchen auch am menschlichen Organismus 
keine oder wenigstens keine deutlich nachweisbaren Verände¬ 
rungen feststellen. Wir sahen wohl ab und zu eine geringgradige 
Beschleunigung der Herzaction, in anderen Fällen hingegen eine 
ähnliche Verlangsamung; etwas für sämmtliche oder viele Fälle 
Einheitliches konnte nicht beobachtet werden. Auch am übrigen 
Körper konnte niemals, selbst durch grosse Dosen Oxykampher 
his zu 0,5 g, eine Störung gefunden werden. 

Der Magendarmcanal vertrug das Präparat in den Formen, 
wie sie eingangs geschildert wurden, vollkommen gut und auch 
von Seiten des uropoetischen Apparates sahen wir keine schäd¬ 
lichen Nebenwirkungen. Der Harn war stets frei von Eiweiss 
und Zucker. 

Wir bekamen desshalb auch niemals Klagen von Seiten der 
Patienten zu hören, im Gegenthoil, in den Fällen, wo eine Beein¬ 
flussung der Athmung statthatte, waren die Patienten höchst be¬ 
friedigt über die bedeutende Erleichterung, welche ihnen' das 
Mittel auf mehrere Stunden verschaffte. 

Wenn wir die ausgesprochen gute Wirkung des vorliegenden 
Präparates in der Mehrzahl der Fälle anerkennen müssen, so 
frägt es sich doch beim Oxykampher, wie bei jedem neuen Prä¬ 
parate, ob denn auch ein Bedürfnis nach einem solchen Mittel 
vorhanden ist, ob nicht durch bereits bekannte Präparate Aehn- 
liches oder vielleicht sogar noch Besseres geleistet wird. 

Um dyspnoische Zustände, gleichviel welcher Provenienz, 
rasch zu beseitigen, bedienen wir uns ausschliesslich (kn* Nar- 
kotica und da in erster Linie des Morphins, welches uns nur 
höchst selten im Stiche lässt. 

Dem Morphin und auch den übrigen Narkoticis haftet aber 
der grosse Nachtheil an, dass sie nicht nur beruhigend, d. h. 
lähmend auf das Athemcentrura allein, sondern in gleicher Weise 
auf das ganze übrige Nervensystem und insbesondere auch auf 
das Herz ein wirken. Hierin liegen Gefahren, die nur durch 


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gleichzeitige Anwendung von Excitantien einigermaassen ein¬ 
geschränkt werden können. 

Da nun der Oxykampher die den Narkoticis eigene be¬ 
ruhigende Wirkung auf das Athemcentrum besitzt, ohne jedoch 
gleichzeitig irgendwie auf Herz oder Nervensystem schädigend 
einzuwirken, so liegt darin ein erheblicher Vorzug, der uns ver¬ 
anlassen muss, dieses Präparat in geeigneten Fällen den nar¬ 
kotischen Mitteln voranzustellen. 

Wir dürfen dies um so eher thun, als bei der vollkommenen 
Ungiftigkeit des Präparates dem Patienten so ziemlich freie 
Hand in der Anwendung gewährt werden kann und irgendwie 
schädliche Folgen bei längerem Gebrauche nicht zu fürchten 
sind. 

Eine gewisse indireete Gefahr liegt allenfalls darin, dass ein 
durch Oxykampher euphorisch gemachter Patient event. seinem 
schwachen Herzen zu grosse’ Anstrengungen zumuthet. L)er 
Dyspnoe kommt ja in dieser Hinsicht eine gewisse regulatorische 
Bedeutung zu. 

Was die Intensität der Wirkung des Oxykamphers anlangt, 
so haben wir im Ganzen den Eindruck, dass sie bei sehr schweren 
Dyspnoeen hinter der der Narkotiea, besonders des Morphiums, 
allerdings etwas zurückbleibt. Auch kann Gewöhnung au das 
Mittel auf treten, so dass sich seine Wirkung abstumpft. Das 
liindert aber, wie gesagt, nicht, im Oxykampher für viele Fälle 
ein sehr werthvolles Mittel zu sehen. 

Als Einzeldosis möchten wir in der Regel die von uns oben 
angegebene Menge von 40 Tropfen Oxaphor = 1 g Oxykampher 
empfehlen. Die günstigsten Bedingungen für eine rasche uiul 
energische Wirkung dürften Aufnahme des Mittels mit einer 
nicht zu kleinen Menge Wasser bei nüchternem Magen sein. 


Aus dem pathologischen Institut in Giessen. 

Sklerema neonatorum oedematosum im Zusammen¬ 
hang mit ausgedehnter Lungenblutung. 

Von I)r. Jos. Esser, 1. Assistent am pathologischen Institut. 

Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, einen immerhin seltenen 
Fall von Sklerema neonatorum oedematosum aus der Provineial- 
Ilebammenlehraiistalt in Köln a. Rh. ) zu seciren, dessen patho¬ 
logisch-anatomischer Befund in verschiedener Hinsicht Interesse 
verdient. 

Es handelt sich um ein Zwillingskiml weiblichen Geschlechts, 
das i/i Stunde nach seiner Zwilliugssclnvester in I. Schild.ding«* 
spontan ohne irgend w r elche Störung geboren wurde. Es wog 
2100 g und war 43 em gross. Die Mutter, eine 21 jährige I. Para, 
war und ist völlig gesund; ebenso zeigte das andere Zwilliugskind 
keinerlei Abnormitäten. 

Waren Athmung und Herzaction des uns interessirendei» 
Kindes Anfangs scheinbar ungestört, so wurde erstere bald ober¬ 
flächlich, beide schwächer und frequenter. Schon einige Stunden 
nach der Geburt bemerkte man zuerst an beiden Fussrüokon eint» 
oedemntöse Anschwellung, die allmählich in geringerem Grade 
die Waden, dann Rumpf, Gesicht und obere Extremitäten befiel. 
Die Haut wurde dabei hart, glänzend und fühlte sieh iiusserst kalt 
an. Der Gesichtsausdruck wurde starr, die Nahrungsaufnahme 
durch Saugen unmöglich. Dabei war das Kind somnolent und 
wimmerte viel. Bei fortschreitendem Oedern nahmen auch die 
anderen angegebenen Symptome zu; am 8. Tage trat der Exitus ein. 

Bei der Seetion bleiben in der im Allgemeinen wenig ge¬ 
spannten, bläulich - weissen Haut Fingereimlrücke bestehen, 
namentlich an den unteren Extremitäten und iui Gesicht. Ueber 
den Füssen ist die Haut stärker geschwollen und geröthet, und die 
Epidermis schilfert sich ab. An der Grenze zu den Unterschenkeln 
finden sieh deutliche Einschnürungen. Beim Einschneiden entlee.i 
sich aus dem IJnterhautzellgewebe eine klare, seröse Flüssigkeit, 
am meisten an den unteren Extremitäten. Das spärliche Unterbaut - 
fettgewebe ist von dunkelgolber Farbe und krümeliger Beschaffen¬ 
heit, die Musculatur feucht, von braunrother Farbe. 

In der Bauchhöhle findet sieh keine abnorme Flüssigkeir. I>n 
venösen Unterleibsgefässe sind auffallend stark gefüllt, die Nabel 
gefässe ohne pathologischen Befund. Zwerchfellstand beiderseits 
unterer Rand der V. Rippe. 

Nach Eröffnung der Brusthöhlen retrahiren sich die Lungen 
nicht. In ersteren findet sieh ebenso wie im Herzbeutel, dessen 
Blätter blank, spiegelnd sind, keine abnorme Flüssigkeit. 

Herz von entsprechender Grösse. Aas dein dilatirten rechten 
Vorhof entleert sich unter stärkerem Druck geronnenes und 
flüssiges Blut; der rechte Ventrikel ist wie die linksseitigen Herz¬ 
höhlen nicht erweitert, alle enthalten nur wenig Cruor. Die Klappen 
sind intact; die Musculatur, von etwas matt rothbrauner Farin». 


J ) Herrn Director Dr. Frank gebührt für die gütige IVber- 
lassung des Falles mein Dank. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



13. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


353 


ist weder rechts noch links hypertrophisch mul ohne Ilerderkrau- 
knng. Ductus Botalli wie Foramen ovale sind, das letztere weit, 
offen. Die grossen Gefiisse sind auch in ihren Verzweigungen 
ohne Abnormitäten. Die Thymus überragt nur wenig die Um¬ 
schlagstelle des Pericards auf die grossen Gefässe. Die Halsvenen 
sind prall gefüllt, der Ductus tlioracicus ist offen und nicht er¬ 
weitert. 

Die Lungen sind in ihrem Volumen bedeutend vergrössert, 
von ziemlich fester Consistenz und im Allgemeinen von dunkel blau- 
rother Farbe; nur vereinzelt, namentlich am linken überlappen, 
finden sich an der Lungenoberfläche rosarot he, weichere Partien, 
die unter dem Niveau der dunkel blaurotk gefärbten liegen. Ueber 
letzteren sind beide Pleuren fleckweise getrübt und mit einem 
feinen, leicht anhaftenden, fibrinösen Belag versehen. Von der 
Schnittfläche beider Lungen fliesst dunkles Blut ab, dem sich auf 
seitlichen Druck hier und da Luftbläschen heimischen. Der linke 
Überlappen ist ungefähr zur Hälfte lufthaltig, wenn auch nicht 
vollständig, denn auch diese im Allgemeinen lufthaltige Stelle ist 
von vereinzelten, unregelmässig gestalteten, festeren, blutig ge¬ 
färbten Herdehen durchsetzt, wie sie das übrige Lungengewebe 
dichter zusammenliegend einuehmen. 

Aus den kleineren und mittelgrossen Bronchien entleert sich 
blutige, hin und wieder wenig schaumige Flüssigkeit; die Lungen 
sind prall gefüllt. 

Die Stimmbänder stehen in CadaVerstellung; am Kehlkopf wie 
an der Trachea ist nichts Abnormes nachweisbar. Die Venen des 
Oesophagus treten durch stärkere Füllung deutlich unter der un¬ 
veränderten Schleimhaut hervor. 

Die Milz ist klein und blutreich, die Follikel sind nicht, die 
Trabekel kaum sichtbar. 

In den Pyramiden der sonst unveränderten Nieren finden sich 
Harnsäureinfarcte. 

Die lieber bietet ebenso wie der Darmtractus ausser einer 
stärkeren venösen Hyperaemie nichts Pathologisches. Dasselbe 
gilt von Gehirn, Pons und Medulla oblongata. An den Epiphysen¬ 
grenzen ist die Verkalkungszone regelmässig und nicht verbreitert. 

Dem genaueren mikroskopischen TJntersuchungsresultat ein¬ 
zelner Organe will ich vorausschicken, dass specielle Färbungen auf 
Bacterieu negativ ausflelen, dass sich ferner mit Berücksichtigung 
uer in neuerer Zeit von Hecker 1 ) veröffentlichten Untersuchungen 
keine Anhaltspunkte für Lues ergaben. Von den mikroskopisch 
untersuchten Organen beanspruchen nur Interesse Lungen, Herz 
und Haut. 

Was zunächst die Lungen angeht, so ergeben von den dunklen, 
festeren Stellen angefertigte Praeparate. dass die gedehnten 
Alveolen und Bronchien dem makroskopischen Aussehen ent¬ 
sprechend mehr oder weniger vollständig von Blut ausgefüllt sind. 

In vielen Alveolen sind die rothen Blutkörperchen gequollen j 
und agglutinirt. 

Die Venen, weniger die Arterien, sind strotzend gefüllt, und, 
was das Interessanteste ist, die Wand der kleineren Venen, sonst 
wie die der Arterien ohne Abnormität, ist an vielen Stellen ein¬ 
gerissen. Besonders deutlich lassen sich die Rissstellen vermittels 
der elastischen Faserfärbung von Weigert darstelleu, die ferner 
ergibt, dass das elastische Gewebe der Alveolarwand für ein neu¬ 
geborenes Kind relativ gut ausgebildet ist. In kleinen Schnitt¬ 
serien sieht man nun vielfach, wie an einer Stelle die Elastica 
eingerissen ist, von hier aus Blut zwischen Lamellen der Media 
und Adventitia eindringt und das Gefäss gleich einem Mantel wie 
bei einem Aneurysma dissecans umgibt, um an einer tieferen 
oder höheren Stelle vollständig in das Lungenparenchym durch¬ 
zubrechen. 

In Präparaten von den mehr lufthaltigen Partien, z. B. vom 
linken Oberlappen, buchten sich die stark gefüllten Capillaren in 
die Alveolarlumina vor, und die Alveolarwände sind vielfach von 
extravasirten Blutkörperchen durchsetzt. Vereinzelt findet sich 
auch hier in Alveolen und Bronchien Blut oder homogen ge¬ 
ronnenes Exsudat. In Betreff der Herzmusculatur ist zu er¬ 
wähnen, dass in gleicher Weise am linken wie am rechten Ven¬ 
trikel die Querstreifung der Muskelfasern durch albuminöse Trü¬ 
bung etwas verwischt ist. Abgesehen von einer stärkeren Capillar- 
füllung ist der sonstige mikroskopische Befund durchaus normal. 

Das Ergebuiss der mikroskopischen Hautuntersuchung ist 
kurz folgendes: 

Als erstes Ist die auffallend starke Füllung der Capillaren 
zu verzeichnen. 

Nirgends hat man Anzeichen von Entzündung. 

Die Bindegewebsfasern sind vielleicht etwas gequollen und 
namentlich in den das Fettgewebe durchziehenden Zügen gelockert, 
fiier und da finden sich um die injlcirten Capillaren extravasirte 
iothe Blutkörperchen. 

Sehen wir nun einstweilen von der Erklärung der Lungen- 
l-lutung, auf die ich gleich ausführlicher zu sprechen komme, ab, 
so dürfte wohl nach unserem pathologisch-anatomischen Befund 
das Sklerema oedematosum folgendermaasspn zu Stande gekommen 
sein: 

Dem rechten Ventrikel wurde in den Lungen durch den aus¬ 
gedehnten Bluterguss, der, dem flbrinöseu Pleurabelag nach, 8 Tage 
alt sein kann, ein beträchtlicher Widerstand entgegengesetzt, der 
rückwirkend auf rechten Vorhof und Körpervenen bei dem Ueber- 
Oiuck des ersteren gegenüber dem linken Vorhof durch das offene 


*) Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 27. — Deutsch. Archiv 
f. klin. Med. 1898, Bd. 61, H. 1 u. 2. — 71. Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte 1899. 

Xo. 11. 

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Foramen ovale — der Ductus Botalli kommt wegen des Ueber- 
c’ruckes in der Aorta nicht in Betracht — umgangen werden musste. 
Die starke venöse Stauung im grossen Kreislauf spricht aber 
dafür, dass diese Compensation nicht genügen konnte. 

Natürliche Folge bei der durch die Blutung äusserst reducirten 
Athmungsfläche war ferner mangelhafte \rterialisation des Blutes 
und somit schlechte Ernährung der Capillarwände und des sie um¬ 
gebenden Gewebes. Auf beiden lastete ausserdem in Folge der 
Stauung ein andauernder Druck, der za einer Herabsetzung der 
Gewebespannung (Länderer)®) führen musste. Dies Beides im 
Verein bewirkte das Oedem; und zwar einerseits durch eine Be¬ 
günstigung der Transsudation von Flüssig?*eit, andererseits durch 
ein erschwertes Fortschaffen derselben, da die hierzu erforder¬ 
liche Spannungsdifferenz zwischen Ly mph wurzeln und grossen 
Lymphgofässen, welch’ letztere zudem noch in die unter gesteiger¬ 
tem Druck stehenden Venen münden, vermindert wurde. Die 
leichte Veränderung der Herzmusculatur ist natürlich als secundär 
entstanden aufzufassen. 

Wie ist nun aber das Zerreissen der Lungenvenen mit dem 
kolossalen Bluterguss in beide Lungen zu erklären? Diese Frage 
ist schwierig zu beantworten, und ich muss mich daher nur auf 
einen Erklärungsversuch beschränken. 

Zunächst könnte in der Lunge selbst die Ursache für die 
Blutung liegen, in einer z. B. luetischen Erkrankung ihrer Ge¬ 
fässe, oder in thrombotischen Gefässverstopfungen; doch haben 
wir hierfür ebenso wenig einen Anhaltpunkt wie für eine sogen, 
haemorrhagische Diathese, die event. in Frage käme. Weiterhin 
könnte man daran denken, dass in unserem Falle schon in¬ 
trauterin, z. B. durch Sauerstoffmangel, Athembewegungen aus¬ 
gelöst wurden, während sich in den oberen Luftwegen irgend 
ein Hinderniss für genügenden Lufteintritt befiand. Der Effect 
wäre vorzeitige Aenderung des Lungenkreislaufs gewesen und die 
gedehnten, aber luftarmen Alveolen hätten schröpfkopfartig 
auf die gefüllten Gefässe eingewirkt und ausser Capillaren auch 
Venen zum Zerreissen gebracht. 

Gegen diese Erklärung spricht meiner Ansicht nach allein 
der Umstand, dass das Kind ohne Athemstörung geboren wurde. 

Eine weitere Frage wäre, ob Druckveränderungen im grossen 
Kreislauf in Betracht kommen könnten. Nach den experimen¬ 
tellen Untersuchungen von L i c h t h e i m 4 ), Welch 8 ) und 
K n o 11", gemäss deren eine geradezu erstaunliche Unabhängig¬ 
keit des Lungenkreislaufs von Druckveränderungen im Körper¬ 
kreislauf besteht, dürfte auch diese zu verneinen sein. 

Schliesslich könnte man nervöse Störungen als Ursache 
heranziehen. Bekannt sind ja die Experimente von Brown- 
Sequard, Nothnagel, Ebstein, Vulpian u. A. T ), 
bei denen durch selbst geringgradige Verletzungen, z. B. mit einer 
Nadel, von Pons, Medulla, Hirnrinde und des Vagus wenigstens 
bei jungen Thieren sehr häufig selbst grössere Haemorrhagien in 
die Lungen hervorgerufen werden konnten; und Orth*) führt 
als besonders beweisend für die Beziehung von Lungenblutungen 
zu den nervösen Veränderungen die Fälle an, wo einer einseitigen 
Gehirnstörung auch eine einseitige Lungenveränderung, und 
zwar der entgegengesetzten Seite entspricht. 

Nur ist die Erklärung dieser Forscher, dergemäss vaso¬ 
motorische Störungen in den Lungengefässen für das Zustande¬ 
kommen der Blutungen beschuldigt werden, insofern anfechtbar, 
als nach den Untersuchungsergebnissen von Lichtheim 
(1. c.), Openchowski’), K n o 11 (1. c.) u. A. ein Tonus der 
Lungenarterien, ja überhaupt ein Einfluss des Nervensystems auf 
dieselben, entweder gar nicht vorhanden ist, oder doch jedenfalls 
nur sehr gering sein kann 10 ). 

Ich sehe daher in diesen Fällen eine durch die genannten 
Verletzungen — und es steht nichts im Wege, wie speciell auch 

®) Länderer: Die Gewebespannung etc. Leipzig 1884. 

4 ) Lichtheim: Die Störungen des Lungenkreislaufs und 
ihr Einfluss auf den Blutdruck. Breslau 1879. 

®) Welch (Cohnhelm): Zur Pathologie des Lungenoedems. 
Virchow’s Archiv, Bd. 72. 

*) K n o 11: lieber Wechselbeziehungen zwischen dem grossen 
und kleinen Kreislauf. Sitzungsber. d. mathemat-naturwissensch. 
Kl. d. Kaiserl. Akad. d. Wissenseh. 1890, 1. H. 

7 ) Citirt bei v. Recklinghausen: Allgemeine Patho¬ 
logie, S. 93. 

*) Orth: Lehrbuch d. spec. pathol. Anatomie, S. 382. 

ia ) Die ln letzter Zeit von Frangois Frank (Bulletin de l’Aca- 

®) Openchowski: PflügeFs Archiv, Bd. 27. 
dömie de Mödicine 1896, No. 6) gemachten Mittheilungen, dass sen¬ 
sible Reize von den verschiedensten Organen Drucksteigeirung in 
der Pulmonalis und Drucksenkung im linken Vorhof, also Verenge¬ 
rung der Lungengefässe herbeiführe, bedürfen nach obigen An¬ 
gaben besonderer Bestätigung. 

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354 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. II 


für unseren Fall, andere, materiell nicht nachweisbare nervöse 
Reizungen oder Lähmungen hinzuzureehnen — bedingte Störung 
im Athmungsmeehanismus, eine Lungenblähung als directe Ver¬ 
anlassung der Blutungen an. Experimentell ist eine solche leicht, 
z. B. durch Vagusreizung zu erzeugen, und man findet hierbei 
bekanntlich die Lungen hyperaemisch und häufig mit kleinen 
Blutungen durchsetzt, die meist aus den durch plötzliche 
Streckung zerrissenen, prall gefüllten Alveolarcapillaren her¬ 
stammen. Die Hyperaemie aber erklärt sieh dadurch, dass ein¬ 
mal der Zug der geblähten Lungen die Entleerung der Atrien 
und event. auch der Ventrikel (L a n d o i s) ") behindert, dann — 
und das wäre ein neues, meines Wissens bisher noch nicht be¬ 
rücksichtigtes Moment — durch die mikroskopisch leicht nach¬ 
weisbare Verbindung des elastischen Gewebes in der Alveolar¬ 
wandung mit dem der Lungengefässe 12 ), speciell der kleineren 
Venen, diese erheblich gedehnt werden ,s ). Demnach möchte ich 
in unserem Falle annehmen, dass durch eine Lungenblähung, die 
klinisch leicht übersehen werden konnte, der auf die Dauer be¬ 
hindert« Abfluss aus den Lungenvenen und ihre starke Dehnung 
durch Zug von aussen im Verein mit der bei der Geburt statt¬ 
findenden Kreislaufsänderung ausser zu Capillarrupturen selbst 
zu Zerreissungen der immerhin dünnwandigen Venen geführt 
hatte, wobei wir noch die leichte Zerreisslichkeit der kindlichen 
Gefässe berücksichtigen wollen. 

Wenden wir uns nach dieser Abschweifung zum Schlüsse zu 
einer kurzen Durchsicht der Literatur über das Sklerem der Neu¬ 
geborenen “), so finden wir zunächst, dass von Manchen das früher 
vollständig mit der von uns beobachteten Erkrankung zusammen¬ 
geworfene sogen. Fettsklerem als Sklerema neonatorum ge¬ 
schildert ist. Merkwürdiger Weise ist das z. B. auch in den 
neueren Lehrbüchern der Pathologie von Ziegler und von 
Kaufmann der Fall, während in dem Lehrbuch der Patho¬ 
logie von Birch-Hirschfeld und in dem Lehrbuch der 
Geburtshilfe von A h 1 f e 1 d nur von dem Sklerema oedematosum 
die Rede ist. Absolut keine scharfe Trennung ist in der zu¬ 
sammenfassenden Arbeit von Ehrmann in Lu barsch- 
Osterta g’s „Ergebnisse etc.“ vorhanden. 

Das Sklerema oedematosum (von Soltmann Skleroedem 
genannt) und das Sklerema adiposum sind zwei streng von 
einander zu scheidende Zustände, denen klinisch nur eine mit 
dem Sinken der Eigenwärme einhergehende hochgradige 
Schwäche, ferner die Spannung und teigige Härte der Haut ge¬ 
meinsam sind, die aber gelegentlich gleichzeitig bei demselben 

u ) Landois: Lehrbuch der Physiologie, 9. Aufl., 1896, S. 114. 

”) Hierauf wurde ich zuerst vor einigen Jahren als Volontär 
des pathologischen Instituts in Bonn von meinem damaligen sehr 
verehrten Chef, Herrn Geheimr. Prof. Ivoester, aufmerksam ge¬ 
macht. Neuerdings ist von Melnikow-Itaswedenkow in Ziegler's 
Beitr., Bd. 26, H. 3, 1899, In einer Arbeit über das elastische Gewebe 
in normalen und in pathologisch veränderten Organen, ferner von 
Linser ln Virchow’s Archiv, Bd. 157. H. 2. 1899, S. 294. als 
Resultat durch andere Untersuchungen veranlasster. entwicklungs¬ 
geschichtlicher Studien über das elastische Lungengewebe dieser 
Zusammenhang erwähnt. 

**) Dieser Einfluss einer Lungenblähung speciell auf die Weite 
der Lungen venen lässt sich experimentell an den mit dem Herzen 
im Zusammenhang herausgesclinitteuen Lungen vor Augen führen, 
indem ein mit dem linken Vorhof in Verbindung gebrachtes Mano¬ 
meter deutlich sinkt, sobald die Lungen aufgeblasen werden. 
Speciell die Beeinflussung der Lungen venen muss ich bei dieser An¬ 
ordnung des Experimentes betonen, weil bei dem Aufblasen der 
Lungen ausserhalb des Thorax der positive Druck von innen die 
Capillaren in der Alveolarwand comprimirt. Das Aufblaseu der 
ausgeschnittenen Lungen entspricht aber nicht der Art ihrer Ent¬ 
faltung im Brustraum, wo der äussere negative intrathoracische 
Druck die Dehnung durch Aspiration besorgt und kein stärkerer 
Druck innen eine Compression der Capillaren bewirkt, so dass die 
Cnpacität der Lungengefässe im Ganzen vermehrt ist. (Näheres 
siehe bei R o 11 e 11 in Hermaun’s Handbuch der Physiologie, 
Bd. 4. 1. Theil, S. 276 u. f.) 

Eine Erweiterung der Lunge durch stärkere Blutfüllung, also 
quasi die Umkehrung der von uns angegebenen Tlmtsache. hat 
v.Base h („Ueber Luugenschwellung und Lungeustarrheit“, Wien, 
med. Presse 1888.) auf die Dehnung der Alveolarwandungen durch 
die sich bei der Blutfüllung streckenden Capillaren zurückgeführt. 
Hierauf, wie auf die oben nur angedeutete Beeinflussung der 
Lungenclrculation durch Lungenblähung hoffe ich in einer spe- 
ciellen Arbeit zurückkommen zu können. 

M ) Zusammenstellungen derselben finden sich bei Soltmann 
in Eulenburg’s Realencyklopiidie, bei Runge in „Die Krank¬ 
heiten der ersten Lebenstage“, bei Gerhardt Im Lehrbuch der 
Kinderkrankheiten, bei v. Xottliafft im Centralbl. f. allg. 
Pathologie, Bd. IX, 1898. S. 870. 


Individuum auftreten können, wofür uns von P a r r o t lj ) ein 
Beispiel angeführt wird. 

Nach den Ausführungen von v. W i d e r h o f e r ”) und 
Soltmann (1. c.) handelt es sich bei dem Sklerema adiposum 
nur um ein Symptom der Bluteindickung bei plötzlichen, starken 
Wasserausscheidungen, z. B. bei den Sommerdiarrhoen der 
Säuglinge. 

In neuerer Zeit hat Knöpfelmacher' 7 ) schon früher 
von Langer’*) gemachte Mittheilungen berichtigend fest- 
gestcllt, dass der procentische Oelsäuregehalt des Hautfettes bei 
Neugeborenen 43,3 Proc. beträgt und erst am Ende des 1. Jahres 
den für Erwachsene geltenden "Werth von 65 Proc. erreicht, mit 
6 Monaten aber schon so hoch ist, dass ein Fettsklerem nicht 
mehr entstehen kann. Knöpf elmacher beschuldigt hier¬ 
nach den durch den Reichthum an hochschmelzenden Fetten be¬ 
dingten hochliegenden Erstarrungspunkt des kindlichen Fettes, 
Flüssigkeitsverlust und Temperaturerniedrigung für die Ent¬ 
stehung von Sklerema adiposum. 

Eine andere Pathogenese kommt dem Sklerema oedematosum 
zu, über das. wie R u n g e (1. c.) sagt, bei seiner Seltenheit unsere 
Kenntnisse noch auf sehr schwankender Grundlage stehen. Letz¬ 
teres geht denn auch aus der Literatur deutlich hervor. 

Es würde mich zu weit führen, hier eingehender alle die An¬ 
sichten mitzutheilcn, die im Laufe der Jahre von verschiedenen 
Beobachtern auf Grund dieses oder jenes pathologischen Be¬ 
fundes über das Wesen der Krankheit geäussert wurden. Zur 
genaueren Orientirung, auch u T as geschichtliche Daten angeht, 
verweise ich daher auf den erwähnten Artikel von Soltmann 
in Euleriburg’s Realencyklopiidie. 

Da werden von diesen Störungen in der Gcsammternäkrung 
mit Herz- und Respirationsschwäche, von jenen mangelhafte 
Herzinnervation, dann Herzmuskelerkrankungen, Paralyse der 
Hautgefässe, Nephritis angeführt. Nach wieder Anderen soll 
das Oedem entzündlichen Ursprungs sein, und von Einigen 
wuirden dann auch Baeterien gefunden, allerdings meist zur 
Gruppe des berüchtigten Baet. coli commune gehörige. 

Von den meisten werden jedenfalls Circulationsstörungeu 
als Ursache für das Skleroedem angesehen, aber keineswegs 
immer durch genügenden pathologisch-anatomischen Befund be¬ 
gründet; kann doch eine Lungenatelektase oder ein offenes Foranien 
ovale, wie Manche wollen, niemals als Ursache beschuldigt 
worden. 

Solche Unzulänglichkeiten der Erklärung veranlassten 
Soltmann im Anschluss an Clementowsky 3J ) noch 
„eine krankhafte Disposition des Blutlebens, resp. eine abnorme 
Durchlässigkeit der Gefässwände“ anzunehmen; und ein von 
ihm beobachteter Fall, in dem sich 3 Jahre nach Ausheilung 
des Skleroedems eine Purpura haemorrhagica einstellte, soll diese 
Annahme stützen. 

Es liegt mir natürlich fern, den einen von mir secirten Fall 
zu verallgemeinern; in diesem ist aber, wie ich oben gezeigt zu 
haben glaube, das Skleroedem hinreichend als durch Stauung 
entstanden erklärt, und wohl kaum ein Anhaltspunkt für eine 
andere Auffassung vorhanden. 

Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem 
hochverehrten Chef, Herrn Geheimrath Prof. Dr. B o s t r ö m , 
für das der Arbeit entgegengebrachte Interesse meinen herz¬ 
lichsten Dank auszusprechen. 

Aus der Kgl. chirurgischen Universitäts-Klinik des Herrn Prof, 
v. Brama n n zu Halle a. S. 

lieber eine eigenthiimliche Pfählungsverletzung.*) 

Von Dr. Conrad Rammstedt, Assistenzarzt der Klinik. 

In Folgendem möchte ich über eine Pfählungsverletzung des 
Gesichts berichten, welche wegen ihrer Eigenartigkeit wertli ist. 
der (Kasuistik ähnlicher Fälle eingereiht zu werden. 

13 ) Par rot: Clinique des nouveau-nCs. I/athrepsie. 1877. 
Paris. 

M ) v. W i (1 e r li o f e r : Gerhard t’s Handbuch der Kinder- 
Kinderkrankheiten, bei v. Notthafft im Centralbl. f. allgem. 
Pathol. Bd. IX. 1898, S. 870. 

”) Knöpfelmacher: Jalirb. f. Kinderheilk. 1897, XLY, 
2 u. 3 und Wien. klin. Woehensclir. 1897, X, 10. 

18 Langer: Wiener akadem. Sitzungsberichte 1881. 

Jtt i Clementowsky : Oesterr. Jalirb. f. Pädiatrik 1873. 1. 

*) Nach einer Demonstration, gehalten im Verein der Aerste 
zu Halle a. S. am 24. Januar 1900. 


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355 


13. März 1000. 


MÜNCHEN KR MED IC LN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 



Am 6. November 3.899 kam der 2S jährige Arbeiter H. A. aus 
Schkeuditz in die Klinik zur Aufnahme und gab an. dass er in 
der Nacht vorher, als er etwas angetrunken seine Wohnung auf¬ 
suchen wollte, von einigen anderen Arbeitern aus Rache über¬ 
fallen und in’s (Jesicht und auf den Kopf geschlagen sei. Dabei 
verspürte er plötzlich einen heftigen Schmerz, welcher sein Gesicht 
durchzuckte, tiel zu Roden und konnte sofort den Mund nicht mehr 
öffnen, so dass er nicht mehr um Hilfe rufen konnte, obwohl die 
Arbeiter noch auf ihn los schlugen. Er wurde dann besinnungslos, 
und in diesen» Zustande nach Hause getragen. Als er wieder zu 
siel» kam. blutete er aus einer Wunde am linken Auge und konnte 
den Mund immer noch nicht öffnen. Ein hinzugezogener Arzt legte 
ihm einen Notliverband an und schickte ilm am anderen Morgen in 
die Klinik. 

Der kräftig gebaute Mann vermochte die Zahnreihen nur um 
wenige Millimeter von einander zu bringen. Auf der linken S >ite der 
Stirn befanden sich mehrere streifenförmige Hautabschürfungen. 

Die Eingebung und die Lider des linken 
Auges waren gesell wollen und blutig suf- 
fundirt, in der Höhe des unteren Orbital¬ 
randes und parallel zu demselben verlaufend 
befand sich eine ca. 4 cm lange Wunde, mit 
sein’ gequetschten und schmierig belegten 
Rändern. Sobald man dieselben mit Haken 
auseinander zog. entleerte sich etwas dünn¬ 
flüssiges und trübes Secret und man be¬ 
merkte einen graugelheu. kantigen, harten 
Gegenstand, der zuerst als der gebrochene 
und beschmutzte untere Orbitalrand impo- 
liirte. bei genauerer Betrachtung sich aber 
als ein Fremdkörper und zwar aus Holz 
erwies. Derselbe ragte etwa y s cm über das 
Niveau des eingebrochenen Orbitalrandrs 
hervor und steckte in der Tiefe der Orbita 
und des Gesichtes fest. Dabei war der 


linke Bulbus vollkommen unverletzt. Auf der rechten Wange 
bemerkte man dicht vor dem Ohr eine halbkugelförmige Ge¬ 
schwulst. über welcher die Haut prall gespannt war. Unter der¬ 
selben fühlte man einen harten, ziemlich spitzen Körper, welcher 
die Haut zu perforiren drohte. Bei stärkerem Druck auf denselben 
federte der zuerst in der Wunde am linken Auge beschriebene 
Fremdkörper etwas aus der Orbita heraus. 

Es musste sich demnach um einen langen Holzsplitter 
handeln, welcher bei der Schlägerei unterhalb des linken Bulbus 
in die Orbita eiugedrungen war und mit Durchbohrung 
des linken Siebbeins, schräg von oben und vorne nach 
unten und hinten, durch die linke Oberkiefer- 
höhle, die Nasenhöhle mit dem Pflugschar- 
b e i n, ferner die rechte Oberkieferhöhle, in 
den engen Raum zwischen rechtem Kiefer- 
gelenk und dem Process. coronoideus mandi- 
b u 1 a e ein gedrungen und s t e ck e n geblieben 
w a r. 

In der That konnte Herr Professor v. Bramann nach 
Erweiterung der Wunde am linken Auge den Splitter verhält - 
nissmässig leicht mit der Kornzange extrahiren. Die Wunde 
wurde ausserdem angefrischt und gründlich gesäubert, vor dem 
rechten Ohre eine Contraincision angelegt und in beide Wunden 
lange Drains eingeführt, so dass der ganze Stichcanal gut drai- 
nirt war. Sofort nach der Operation vermochte Patient schon 
den Mund etwas zu öffnen und zu sprechen, ein Beweis, dass der 
Fremdkörper ein directes Hinderniss für das Oeffnen der Zahn¬ 
reihen abgegeben hatte, indem sich der Holzsplitter gegen den 
Processus coronoideus anstemmte beim Versuche, den Mund zu 
öffnen. Wenige Tage später war die Kieferklemme gänzlich ver¬ 
schwunden. Der Heilungsverlauf war ein vollkommen fieber- 
loser und ohne Zwischenfälle, obwohl man eine Verletzung 


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grösserer Gefässc oder eine Infection durch den Holzsplitter hätte 
erwarten sollen. Nachträglich gab der Patient an, er sei mit einer 
von einem Zaun abgebrochenen Latte geschlagen worden. Der 
Mechanismus der Verletzung ist dann wohl folgender: Der 
Splitter war an der Latte bereits halb abgebrochen, stand von ihr 
ab und drang bei der Schlägerei in das Gesicht ein, wo er vol¬ 
lends abbrach und stecken blieb. 

Bild 1 zeigt denselben in zwei Drittel natürlicher Grösse, 
14 cm lang, oben 1 Vs, unten ca. Vs cm breit. 

Bild 2 zeigt an einem Schädel gut die Lage und Richtung, 
welche der Splitter im Gesichte genommen hatte. 


Aus dem Reconvalescentenhaus für Unfallverletzte zu Strass¬ 
burg i. E. (Professor Dr. L e d d e r h o s e). 

Die Distorsion des unteren Fussgelenks. 

Von Dr. Heinrich K r a p f , vormal. Assistenten des Instituts. 

In seinem „Lehrbuch der Sachverständigenthätigkeit“ 
(1895, pag. 291) bezeichnet Becker alle ausser dem Bereich 
des Streckens und Beugens liegenden Bewegungen des Fusses, 
also insbesondere die Pro- und Supination, als „Luxusfunctionen“, 
deren Beschränkung wohl bei Leuten, die auf Leitern und schwan¬ 
kenden Gerüsten arbeiten, hinderlich sein könne, bei gewöhn¬ 
licher Arbeit hingegen die Erwerbsfähigkeit in der Regel nicht 
ungünstig beeinflusse. 

Diese Ansicht Beck e r’s stiess bereits bei Golebiewski 
auf ernsthaften Widerspruch und wurde bald darauf auch von 
B ähr, der vorher selbst der Meinung Becke r’s gewesen war, 
als nicht zutreffend bezeichnet. 

Es kann in der That keinem Zweifel unterliegen, dass die 
„seitlichen Bewegungen des Fusses“ — so wollen wir sie der 
Kürze halber benennen — eine sehr wichtige Aufgabe zu er¬ 
füllen haben: 

Sie bewirken ein genaues A n p a s s e n des Fusses an 
alle Unebenheiten des Bodens und ermöglichen so nicht 
nur das Gehen auf steinigem, unebenem Terrain, sondern unter¬ 
stützen auch, wie B ä h r richtig hervorhebt, durch möglichst 
genaue Adaption der Fusssohle an den Boden, wie sie beim Heben 
schwerer Lasten nöthig ist, die Tragfähigkeit eines 
Mannes recht erheblich. 

Dass diese „seitliche Beweglichkeit“ — für sich allein sowohl 
wie im Verein mit anderen Fussbcwegungen — gestört oder auf¬ 
gehoben sein kann, ist bekannt, und zwar kommen verschiedene 
Ursachen hierbei in Betracht: Vor Allem sind es Fracturen des 
Talus oder Calcaneus, sodann auch langes Tragen von Ver¬ 
bänden etc., welche zu genannter Functionshemmung führen 
können. 

Zweck dieser Arbeit ist es nun, auf eine 
besondere Art von Verletzung hin zu weisen, 
welche ebenfalls eine empfindliche Störung 
in der seitlichen Beweglichkeit des Fusses 
zur Folge haben kann. 

Bevor wir mit der Besprechung unseres eigentlichen Themas 
beginnen, ist es unerlässlich, kurz auf die mechanischen 
Verhältnisse desjenigen Gelenks einzugehen, das die seitlichen 
Bewegungen des Fusses vermittelt, also den Sitz der erwähnten 
Functionsstörung darstellt. 

Das untere Fussgelenk oder das Talotarsalgelenk 
(FI uete r) ist aus drei verschiedenen Knochenverbindungen zu¬ 
sammengesetzt, nämlich den Verbindungen zwischen Sprung- 
und Fersenbein, Sprung- und Kahnbein, Fersen- und Würfelbein. 
Diese 3 Knochenverbindungen besitzen drei für sich völlig abge¬ 
schlossene Gelenkhöhlen, derart, dass sich die Art. talonavicularis 
mit der Art.talocalcanea anterior (bekanntlich ist dieVerbindung 
zwischen Sprung- und Fersenbein durch die Bandmassen des Sinus 
tarsi in eine vordere und hinterellälfte geschieden) in eine gemein¬ 
same Höhle theilt, während die Art. calcaneocuboidea wie die 
Art. talocalcanea posterior je eine eigene Gelenkhöhle für 
sich in Anspruch nehmen. Auf genauere anatomische Ver¬ 
hältnisse des gesammten Gelenkapparates, gegenseitiges Ver¬ 
halten der Gelenkflächen etc. einzugehen, dürfte überflüssig sein. 

Die drei oben genannten Gelenke führen nun zusammen 
eine Bewegung aus, derart, dass das Talonaviculargelenk die 
Ilauptbewegung vermittelt, während die beiden anderen Gelenke 
sich lediglich aecessorisch, die Bewegungen des Talonavicular- 
gelenkes modificirend, mit bewegen. Die Bewegung erfolgt um 

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350 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


eine schiefe Achse, welche man sich von oben und vorn (Caput 
tali) nach hinten und unten (Tuberositascalcanei) gerichtet denkt, 
tfm diese Achse kann sich der Fuss dann drehen, wenn der Talus 
in seiner Verbindung mit dem Unterschenkel, also im oberen 
Fussgelenk, völlig stillsteht. Die Drehung selbst erfolgt in 
zweierlei Weise: Einmal wird der innere Fussrand gehoben, und 
zugleich die Fussspitze einwärts gerichtet (der Medianebene ge¬ 
nähert) — diese Bewegung nennen wir Adduction oder, nach 
Analogie der Hand, Supination des Fusses. Die in um¬ 
gekehrtem Sinne ausgeführte Bewegung — Auswärtsrichten der 
Fussspitze unter gleichzeitigem Erheben des äusseren Fuss- 
randes — heisst Abduction oder Pronation. 

Die Bewegungen des unteren Fussgelenks, Pronation und 
Supination, sind sonach combinirte Bewegungen, d. h. ein Er¬ 
heben des inneren Fussrandes ohne gleichzeitiges Einwärtsrichten 
der Fussspitze sowie andererseits ein Erheben des äusseren Fuss¬ 
randes ohne gleichzeitiges Auswärtsrichten der Fussspitze ist 
activ gar nicht, passiv nur in geringem Grade ausführbar. Da 
sich nun an dem Zustandekommen dieser Bewegungen alle drei 
Gelenke — die Art. talocalcanea, talonavicularis und calcaneo- 
cuboidea — betheiligen, so ist es klar, dass jede Veränderung 
in irgend einem dieser Gelenke eine Störung der Function des 
gesammten Gelenkapparates zur Folge haben muss. 

Eine „Ankylose de3 Talocalcanealgelenk s“, von 
welcher B ä h r (Aerztl. Sachverständigen-Zeitung 1895) spricht, 
ist daher nur in anatomischem Sinne denkbar, mit Be¬ 
ziehung auf die Function des Gelenks hingegen wäre dieser 
Ausdruck nicht zu rechtfertigen, — weil es eben eine i s o 1 i r t e 
Function des Gelenkes zwischen Talus und Calcaneus nicht 
gibt. Wohl wird eine Ankylose dieses Gelenks — und zwar aus 
oben angeführtem Grunde — stets in hohem Grade die Pro- und 
Supination des Fusses beeinträchtigen, durchaus verfehlt wäre 
es aber, wollte man „Ankylose des Talocalcanealgelenks“ und 
„Aufhebung der seitlichen Beweglichkeit des Fusses“ als gleich¬ 
bedeutend erachten; denn diese Beweglichkeitsstörung kann 
ebenso gut durch eine Ankylose des Gelenks zwischen Talus und 
Os naviculare als zwischen Talus und Calcaneus oder zwischen 
Calcaneus und Os cuboides veranlasst sein. 

Kehren wir zu unserem Thema zurück! 

Wie schon erwähnt, sind es von den Verletzungen, die den 
Fuss betreffen, vor Allem die Fracturen des Talus und Calcaneus, 
welche eine Hemmung in der Function des Talotarsalgelenks 
hervorrufen müssen — durch Verschiebung von Gelenkflächen, 
Bildung von Callusmassen etc. 

Es gibt nun aber auch Fälle von Beschränkung oder totaler 
Aufhebung der seitlichen Beweglichkeit des Fusses nach Trauma, 
bei denen Sprung- und Fersenbeinbrüche mit Sicherheit auszu- 
schliessen sind, die wir vielmehr auf eine bestimmte, weiter unten 
des Näheren zu beschreibende Verletzung, die „Distorsion 
des unteren Fussgelenks“, zurückführen müssen. Als 
typisches Beispiel mag folgender Fall aus der Privatpraxis des 
Herrn Professor Ledderhose gelten: 

Ein Offizier stürzt vom Pferde und kippt dabei mit dem 
rechten Fusse gewaltsam in Supinationsstelluug um. derart, dass 
er nur mühsam und unter heftigen Schmerzen sich einige Schritte 
fortzubewegen vermag. Starke Schwellung und blutige Verfärbung 
der Gegend beiderseits unterhalb der Maileoien. Der zugezogene 
Militärarzt diagnosticlrt „FussgelenksVerstauchung“ und behandelt 
den Fall dementsprechend. Die Schwellung geht nach einiger Zeit 
vollständig zurück, der Patient glaubt sich geheilt und will seinen 
Dienst wieder antreten. Schon bei den eisten Gehversuchen fühlt 
er sich jedoch merkwürdig unsicher und empfindet bei der ge¬ 
ringsten Unebenheit, z. B. beim Auftreten auf einen auf dem 
Trottoir liegenden Kieselstein, so heftige Schmerzen, dass er glaubt, 
umfallen zu müssen. Als nun dieser Zustand auch nach Ver¬ 
lauf von einigen Wochen sich nicht ändert, und nun sogar dem 
Patienten von Seiten seiner Vorgesetzten bereits der Vorwurf zu 
geringer Energie gemacht wird, consultirt er Herrn Professor 
Ledderhose, welcher als Ursache der Beschwerden eine 
vollständige Aufhebung von Pro- und Supi¬ 
nation des verletzten Fusses feststellt und beim Versuch, diese 
Bewegungen passiv auszuführen, eine lebhafte Schmerz¬ 
haftigkeit auslöst. Dorsal- und Planta rflexion 
8 1 n d frei; in der Gegend des Talus, mehr nach aussen liegend, 
befindet sich eine rundliche harte Prominenz; sonst keinerlei 
Knochenveränderungen nachweisbar. 

Die von dem Patienten geäusserten Beschwerden sind ausser¬ 
ordentlich charakteristisch; auch bezüglich des Befundes und der 
Anamnese besteht eine auffallende Uebereinstirnmung mit einer 
grossen Reihe von Fällen, welche, entweder zwecks Behandlung 

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oder nur zu vorübergehender Begutachtung im Strassburger 
Reconvalescentenhause aufgenommen, von uns beobachtet werden 
konnten. In allen diesen Fällen erzählt der Patient, er habe 3ich 
vor längerer Zeit den einen Fuss „übertreten“, „gewaltsam for- 
eirt“ etc., habe sodann — freilich unter starken Schmerzen — 
noch eine kurze Wegstrecke zurücklegen können, aber gar bald 
wegen steigender Schmerzhaftigkeit Und Anschwellung der Fuss- 
gelenksgegend sich Ruhe und Schonung auferlegen müssen. 
Jetzt könne er zwar auf ebener Landstrasse wieder ganz gut 
gehen, leide aber, sobald er auf ein unebenes Terrain komme, 
unter einem beständigen Gefühl der Unsicherheit, 
verbunden mit Schmerzen entweder mehr an der Innen¬ 
oder an der Aussenseite des Fusses. Uebereinstimmend wird als 
besonders schmerzhaft das un versehentliche Auftreten 
mit dem Fusse, namentlich mit dem Absatz, auf einen kleinen, 
auf harter Unterlage (z.B. Trottoir) liegenden Stein geschildert ; 
das hierbei auftretende Schmerzgefühl soll oft ein bis zum 
Niederfallen unerträgliches sein. 

O b j e c t i v findet man bei den schon älteren Fällen ent¬ 
weder eineVerbreiterung der Gegend des vorderen Talocalcaneal- 
gelenks (die Verbreiterung entspricht etwa einer durch dieses 
Gelenk gedachten Querlinie) oder auch nur eine unbedeutende, 
nicht charakteristische Prominenz vor und unter dem 
äusseren oder inneren Knöchel, in der Talusgegend, oder eine 
Verlagerung der vorderen äusseren Talusecke, dabei aber 
stets eine vollständige oder wenigstens fast 
Aufhebung der Pro- und Supination des 
F u s s e s , während Dorsal- und Volarflexion in normaler 
Weise auszuführen sind; der Gang des Patienten bietet im 
Zimmer nichts Auffälliges. 

Wie kommen nun die geschilderten Veränderungen, ver¬ 
bunden mit der mehr oder minder erheblichen Störung der Be¬ 
weglichkeit des Fusses, zu Stande? 

Zweifellos müssen als Ursache hiefür Verletzungen 
im unteren Fussgelenk angesehen werden, welche 
naturgemäss verschiedener Art sein können: Es handelt sich 
wohl meist um ein Einreissen; von Gelenkkapseltheilen, um 
Dehnung bezw. Zerreissung der gespannten Ligamente, sodann 
auch um eine Infraction oder Fissur eines angrenzenden 
Knochens, eine Absprengung irgend eines Knochenvorsprunges, 
— kurz, um Verletzungen, welche man nach Analogie an anderen 
Gelenken am geeignetsten unter der Bezeichnung „D i s- 
torsion des unteren Fussgelenks“ zusammen¬ 
fassen kann. 

Voraussetzung für das Zustandekommen einer „Distorsion 
des unteren Fussgelenks“ ist meist eine indirecte Gewalt- 
einwirkung, und zwar erfolgt letztere durch ein plötzliches Um- 
kippen, eine forcirte Pro- oder Supination des Fusses. 1 ) Aller¬ 
dings muss sich bei dieser forcirten Bewegung die Gewalt a n 
den Knöcheln erschöpfen; denn würde dies nicht 
der Fall sein, so müsste nothwendiger Weise die Verletzung 
weiter oben zu Stande kommen, und in der That sehen wir 
ja auch bei gleicher Gewalteinwirkung wie hier viel häufiger 
Knöchelfracturen als Verletzungen im Talotarsalgelenk ent¬ 
stehen. Nach H o f f a sind übrigens, obgleich doch die forcirten 
seitlichen Bewegungen im u n t e r e n Fussgelenk vor sich gehen, 
Verletzungen dieses Gelenks gegenüber den weiter oben zu Stande 
kommenden Verletzungen desshalb verhältnissmässig selten, 
„weil im Augenblick der Verletzung der Fuss durch seine 
Muskeln gewissermaassen in einen starren Hebel verwandelt 
wird, der die Gewalten auf das Talocruralgelenk fortpflanzt.“ 

Kommt uns nun eine „Distorsion de3 unteren Fussgelenkes“ 
in frischem Zustande zu Gesicht, so dürften stets folgende drei 
Symptome vorhanden sein: 

1. Ein mehr oder minder ausgebreitetes Blutextra¬ 
vasat, welches beide Seiten des Taloealcaneusgelenks ein¬ 
nehmen kann oder auch nur an der Innen- oder nur an der 
Aussenseite des Fusses in der Gegend dieses Gelenks erscheint. 

2. Starke Druckempfindlichkeit dieser Gegend, 
besonders vor und unter dem äusseren oder inneren Knöchel. 

3. Fast vollständige Aufhebung von Pro- und Supina- 
t i o n des Fusses in Folge intensiver Schmerzhaftigkeit schon 
beim leisesten Versuch, diese Bewegungen auszuführen, während 


’) Auch bei alten durch indirecte Gewalt entstandenen 
Schenkelfracturen konnten wdr die oben geschilderten Veränder¬ 
ungen am Talotarsalgelenk des Oefteren feststelleu. 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



13. März 1900. 


357 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Beugung und Streckung des Fusses, soweit nicht etwa eine be¬ 
reits eingetretene Weichtlieilschwellung ein Ilinderniss für diese 
Bewegungen bildet, keinerlei Einschränkung zeigen. 

Differential diagnostisch kommen wohl nur 
Fraeturen des Talus oder Caleaneus in Betracht; aber auch 
diese Verletzungen werden sich in allen Fällen unschwer aus- 
schliessen lassen, denn bei Sprungbeinbrüchen sind die Beweg¬ 
ungen des Taloeruralgelenks — Dorsal- und Plantarflexion — 
stets aufgehoben, während dieselben bei einer Verletzung am 
unteren Fussgelenk allein, wie oben erwähnt, immer frei sind; 
typische Fersenbeinbrüche machen sich durch so charakteris¬ 
tische Veränderungen — Verbreiterung der Ferse, Ausfüllung 
der Gruben zu beiden Seiten der Achillessehne, Abplattung des 
Fussgewölbes — kenntlich, dass auch mit dieser Verletzung 
eine Verwechslung nicht wohl Vorkommen dürfte. 

Der V erlauf pflegt meist ein recht hartnäckiger zu sein, 
besonders wenn der Patient gleich Anfangs der erlittenen Ver¬ 
letzung zu wenig Beachtung schenkt, sich in Folge dessen nicht 
genügend Schonung, Bettruhe etc. auferlegt und eventuell un¬ 
geachtet der beim Auftreten mit dem verletzten Fuss entstehen¬ 
den Schmerzen frei umhergeht. Da die Verletzung in den Bereich 
der Tragkraft des Fusses fällt, die Last des Körpers zum grossen 
Theil auf dem betroffenen Talotarsalgelenk ruht, so ist die 
Schwere und Hartnäckigkeit der Störungen ohne Weiteres ver¬ 
ständlich. In der Folgezeit kommt es sehr bald zu einer meist 
Totalen Ankylose im unteren Fussgelenk, welche sich bei ge¬ 
eigneter Behandlung wohl wieder etwas lösen kann, auf jeden 
Fall aber eine dauernde, mehr oder minder erhebliche Stö¬ 
rung in der seitlichen Beweglichkeit des Fusses zurücklässt. 

Die Therapie ergibt sich nach dem Gesagten von selbst. 
Sie besteht vor Allem in unbedingter Schonung des verletzten 
Fusses durch verhältnissmässig lang andauernde Bettruhe; da¬ 
neben dürfte eine geeignete Massage in den meisten Fällen von 
gutem Erfolge sein. Wenn nach einiger Zeit eine vollständige 
Ausheilung erfolgt ist — meist wird es ja alsdann zu totaler An¬ 
kylose des Gelenks gekommen sein —, so ist es nothwendig, dem 
Fuss eine sichere Stütze zu geben, was am besten durch einen 
gut sitzenden, eventuell mit einer Plattfusseinlage versehenen 
Schnürschuh geschieht. 

Auch Hasebroek*) bedient sich bei Behandlung der 
„Verstauchungen des Fussgelenks“ entweder einer guten Platt¬ 
fusseinlage oder des von Marcinovski für schwere Platt- 
fiisse angegebenen Schienenstiefels, den er mit besonderer 
Wärme empfiehlt. Jedenfalls erweist in den Fällen, bei denen 
nicht vollständige Ankylosirung erfolgt, die seitliche Beweglich¬ 
keit also nicht völlig aufgehoben, sondern nur eingeschränkt is>t, 
eine gute Plattfusseinlage ausgezeichnete Dienste, während es 
bei den in totaler Ankylose ausgeheilten Fällen — - nach unseren 
Erfahrungen — hauptsächlich auf einen bequemen, gut sitzenden 
einfachen Schnürschuh ankommt. 

Bei dieser Behandlungsweise werden die Beschwerden des 
Patienten wesentlich verringert, er gewöhnt sich verhältniss¬ 
mässig rasch an seinen nunmehrigen Zustand und lernt den ver¬ 
letzten Fuss schliesslich auch auf unebenem Terrain wieder ge¬ 
brauchen. 

Die Prognose ist denn auch für späterhin — auch bei 
unverändert bleibender Functionsstörung im Gelenk — keines¬ 
wegs eine ungünstige zu nennen. So konnten wir eine Reihe von 
Fällen totaler Versteifung des unteren Fussgelenks, und zwar 
im Anschluss an eine „Distorsion“ sowohl wie nach anderen 
Verletzungen, beobachten, bei denen sich die subjeetiven Be¬ 
schwerden mit der Zeit erheblich gemildert hatten. Des Oef- 
tcren konnten wir gelegentlich der Begutachtung Unfall¬ 
verletzter sehen, wie z. B. landwirtschaftliche Arbeiter, welche 
mehrere Jahre hindurch unter den bekannten, oben geschilderten 
Beschwerden zu leiden und hauptsächlich über das Unvermögen, 
auf unebenem Boden, beispielsweise auf dem Felde, zu schaffen, 
geklagt hatten, nunmehr wieder ohne nennenswerthe Beschwerden 
Feldarbeit verrichten konnten, trotzdem sich an dem objectiven 
Befund gegenüber den Vorjahren nichts geändert hatte, und das 
untere Fussgelenk — genau wie vorher — vollständige Ankylose 
zeigte. 

b Hasebroeb: Zur Nachbehandlung der Verstauchungen 
von Hand-, Knie- und Fussgelenk. Münch, med. Wochenschr. 
No. 30, 1899. 

No. 11. 

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Als Ursach e dieser Besserung ist zweifellos die Ge¬ 
wöhnung, die allmählich gewonnene Anpassung an die neuen 
A erhältnisse anzusehen, eine Beobachtung, welche wir mutatis 
mutandis gelegentlich auch bei anderen ankylosirten Gelenken 
machen können. Und in diesem Sinne möchte ich auch einen 
scheinbaren Widerspruch erklären und damit dem eventuellen 
Einwand vorgreifen, dass der Platt fuss (wir reden natür¬ 
lich hier nur vom nichtentzündlichen), bei dem doch auch Pro- 
und Supination aufgehoben oder erheblich eingeschränkt sind, 
im Allgemeinen durchaus nicht so hochgradige Beschwerden ver¬ 
ursacht, wie es nach diesen Ausführungen sonst bei Versteifung 
des Talotarsalgelenk« der Fall ist. Es ist klar, dass auch hier 
die Gewöhnung eine grosse Rolle spielen muss, um so mehr, als 
die Veränderungen kl Plattfuss nicht mit einem Schlag auf- 
treten, sondern ganz allmählich sich entwickeln, indem sie meist 
schon im jugendlichen Alter beginnen, alsdann in rein mecha¬ 
nischer Weise — permanente Belastung des Fusses durch das 
eigene Körpergewicht — im Laufe der Zeit sich weiterbilden 
und so schliesslich die bekannten anatomischen Verhältnisse be¬ 
dingen. 

Fassen wir unsere obigen Ausführungen nochmals kurz zu¬ 
sammen, so ergibt sieh: 

1- die Versteifung des unteren Fussgelenks beeinträchtigt 
die Geh- und Tragfähigkeit in hohem Maasse und bedingt somit 
eine erhebliche Beschränkung der Erwerbsfähigkeit, ganz be¬ 
sonders bei Leuten, die auf unebenem Boden (z. B. auf dem Felde) 
zu arbeiten oder schwere Lasten zu tragen haben, also vorzugs¬ 
weise bei Arbeitern im landwirthsehaftlichen oder Müllereibetrieb. 

2. Eine solche Versteifung kann die Folge verschiedener Ver¬ 
letzungen sein, meist ist sie durch eine Fractur des Sprung¬ 
oder Fersenbeins bewirkt, ferner aber auch häufig durch eine 
Verletzung, die wir als ,.T) istorsion des unteren Fuss¬ 
gelenks“ bezeichnen können. Diese Distorsion ist in frischem 
Zustand von den oben angegebenen Symptomen begleitet und 
führt in der Regel zu ganzer oder theilweiser Ankylose des Ge¬ 
lenks mit den typischen Beschwerden. Eine erhebliche Milde¬ 
rung der subjeetiven Beschwerden ist bei geeigneter Behandlung 
mit der Zeit zu erwarten. 

Zum Schlüsse möchte ich unter Beziehung auf diese Zeilen 
nicht verfehlen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, wie wichtig bei 
der Untersuchung und Begutachtung von Unfallverletzten die 
Prüfung der seitlichen Beweglichkeit des Fusses ist. Sehr schwer 
kann man sieh in der Beurtheilung eines Falles täuschen, wenn 
man — flüchtig untersuchend — sich mit der Feststellung nor¬ 
mal ausführbarer Dorsal- und Plantarflexion des Fusses und dem 
Ausschlüssen einer Fractur in der Umgebung des Fussgelenkes 
begnügt, während man bei nur etwas genauerem Zusehen sehr 
häufig eine Beschränkung oder Aufhebung der Pro- und Supi¬ 
nation des Fusses feststellen und so für die Angaben des zu Unter¬ 
suchenden eine objective Grundlage finden kann. Gar 
manchem Unfallverletzten kann auf diese Weise zu seinem 
Rechte verholfen werden! 


Beitrag zur Behandlung frühgeborener Kinder.') 

Von Dr. O. Rommel, Assistent der Kinder-Poliklinik in 
München. 

M. II.! Die Mortalitätsstatistik des Säuglingsalters wird, 
wie bekannt, besonders im ersten Lebenshalbjahr durch die Todes¬ 
fälle an Magendarmerkrankungen beherrscht. Daneben tritt in 
den ersten Lebenswoehen als Todesursache in recht beträcht¬ 
licher Procentzahl die angeborene Lebensschwäche, meist als 
Ausdruck für Frühgeburt gebraucht, oder doch durch dieselbe 
hervorgerufen. Mehr als der dritte Theil aller im ersten Lebens¬ 
monat in München verstorbenen Kinder starb, wie ich aus den 
Todtenscheinen zweier Jahrgänge ersehen konnte, an Lebens¬ 
schwäche resp. Frühgeburt. Wenn diese hohe Sterblichkeitsziffer 
an Frühgeburten den Kinderärzten noch nicht genügend auf¬ 
gefallen ist, so liegt das einerseits daran, dass diese Kinder meist 
innerhalb der ersten 14 Tage zu Grunde gehen und zu dieser Zeit 
oft noch dem Forum der Geburtshelfer unterstehen, andererseits 
aber daran, dass über 50 Proc. dieser Kinder überhaupt ohne jede 
ärztliche Behandlung sterben (wenigstens in München) und so 

*) Vortrag, gehalten In der Abtheilung für Kinderheilkunde 
der 71. Naturforscherversammlung zu München 1899. 

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Original from 

UNIVERSUM OF CALIFORNIA 



358 


No. 11. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


dem Kinderarzt gar nicht die Möglichkeit eines therapeutischen 
Eingreifens geboten ist. 

Tn Ansehung dieser als Thatsache bestehenden Mittheilung 
sind die Fortschritte, welche uns die Technik zur Erhaltung und 
Ausreifung frühgeborener Kinder an die Hand gibt, freudigst zu 
begrüssen, und ist für die weitere Verbreitung und Anwendung 
derartiger Apparate, womöglich in selbständigen Anstalten, unter 
behördlicher Aufsicht oder im Anschluss an Kinderspitäler ein¬ 
zutreten. l)ass sich dabei eine reiche Quelle zur Beobachtung 
diätetischer Verhältnisse des allerfrühesten Säuglingsalters er¬ 
schlossen würde, sei hier nur nebenher erwähnt. 

Einen historischen Ueberbliek über die Anfänge dieser Be¬ 
handlungsweise, die Entstehungsgeschichte der Couveusen und 
ihre verschiedenen Modificationen zu geben, kann ich an dieser 
Stelle unterlassen. 

Ich hatte im vorigen und in diesem Jahre die ärztliche Lei¬ 
tung der Kinderbrutanstalt, welche gelegentlich der vorjährigen 
und diesjährigen Ausstellung hier in München zur Ansicht ge¬ 
bracht wurde, und will hier in aller Kürze die gewonnenen Re¬ 
sultate mittheilen. 

In Anwendung standen die von Lion angegebenen Cou¬ 
veusen, welche sich mir als zweckmässig erwiesen und nach ihrer 
Einrichtung wohl genügend bekannt sein dürften. Da dieselben 
jedoch im Preise recht hoch sind (450 M. pro Stück) ist Verfasser 
mit der Firma Dr. Bender und Dr. II o b e i n in Verbindung 
getreten, um einen vereinfachten und billigeren Brutkasten her¬ 
steilen zu lassen. Als Wärmequelle dient Gas, während ich bei 
einem Fall in der Privatpraxis mit Petroleum gleich gut auskam, 
und ein Bedürfniss nach neuen Wärmequellen, wie sie von anderer 
Seite vorgeschlagen werden, nicht empfand. 

Eine künstliche Zufuhr von Sauerstoff wurde nicht vorge¬ 
nommen, lässt auch nach den erkannten physiologischen Gesetzen 
kaum einen Nutzen erhoffen. Dagegen wurde für ausgiebige 
Ventilation und übernormalen Feuchtigkeitsgehalt der Luft aus 
leicht erkennbaren Gründen Sorge getragen. Die Kinder lagen 
meist nur mit einer Windel bekleidet in den Couveusen, um die 
beginnende active Muskelthätigkeit, besonders am Thorax, nicht 
z u bee i nträch t igen. 

Die Ernährung fand statt durch Ammen, doch wurde bald¬ 
möglichst Beinahrung gereicht, da die Kinder vorwiegend aus 
Familien stammten, die sich den Luxus einer Amme späterhin 
doch nicht hätten gestatten können. Leider fand aus verschie¬ 
denen Gründen häufiger Ammenwechsel statt, was dem Gedeihen 
der Kinder natürlich nicht förderlich war. Die Fütterung fand 
2 stündlich, meist mittels geschnäbeltem Löffel statt — bei einigen 
Kindern erwies sich die Eingiessung in die Nase als zweck¬ 
mässiger, weil sparsamer. Es wurden von den Kindern unter 
1800 g, wie sich durch fortlaufende Wägungen resp. Messungen be¬ 
rechnen liess, nur sehr geringe Mengen, d. h. 30—20, ja oft nur 
10 g als Einzelmahlzeit genommen. Es waren dies Mengen, welche 
hinter den von Feer angegebenen Zahlen — betreffend die 
Nahrungsmengen gesunder Brustkinder — beträchtlich Zurück¬ 
bleiben. Versuche, mehr Nahrung einzuführen, führten regel¬ 
mässig zu Regurgitation oder gar zu Dyspepsien. Wenn die be¬ 
obachteten Säuglinge bei diesen geringen Nahrungsmengen — 
wie Sie sehen werden — doch recht gute Zunahmen hatten, so 
findet diese Thatsache wohl darin ihre Erklärung, dass die Aus¬ 
gaben dieser Kinder im Stoffwechselhaushalt quoad Wärmeabgabe 
gleich Null war, andererseits scheint es mir ein Beweis, dass die 
zugeführte Nahrung sehr gut ausgenützt wurde. 

Aus den eben angegebenen Gründen müsste es sich vielleicht 
auch empfehlen, die Atrophie der Säuglinge in der angegebenen 
Weise zu behandeln. Diese Erkrankung ist doch bis jetzt eine 
recht undankbare Aufgabe für die Therapie. Mit Wärme, d. li. 
dem Schutze vor constanten Wärmeverlusten, qualitativ geregelter 
Minimalkost, eventuell auch subcutaner Ernährung, Hesse sich 
wohl noch manche schwere Atrophie heilen. Dies nur nebenher. 

Es wurden im Ganzen 20 frühgeborene Kinder behandelt, im 
vorigen Jahre 9, in diesem Jahre 11 Kinder. 13 davon hatten 
ein Anfangsgewicht unter 2000 g — das kleinste wog 1300 g —, 
7 waren über 2000 g und wurden theils aus Mangel an Material 
am Anfang, theils auf besonderen Wunsch der Eltern aufge- 
nommen. 

Die Kinder zeigten bei ihrer Aufnahme sämmtlich subnor¬ 
male Temperaturen, einige davon ausgeprägte Symptome von 
Sklerem und Skleroedem. Diese verloren sich bei Allen in 


kürzester Zeit, was ich besonders hervorheben möchte. Gewichts¬ 
zunahmen traten oft erst nach einigen Tagen auf und zwar 
immer erst nachdem die Aftertemperatur annähernd die Norm 
erreicht hatte, indem der Körper zuerst auf Wärmeerhaltung. 
in zweiter Linie erst auf Stoffansatz hinarbeitet. Die Behand¬ 
lungsdauer betrug durchschnittlich 43 Tage und zeigten die 
Kinder nach diesem Termin, wenn sich die Behandlungsdauer 
aus irgend einem Grunde verlängerte, ein nicht zu verkeimendes 
Verlangen, aus den Brutkästen herauszukommen. Gestorben sind 
von den 20 Kindern 4, und zwar 3 an Eklampsie, 1 an Miliar- 
tuberculose, keines, wie ich bemerken möchte, an Magendarm- 
affection. üeble Zufälle, durch Verschlucken erbrochener Massen, 
kamen nicht vor, wie sie von anderer Seite ‘) beobachtet wurden, 
und dürften bei genügendem Wartepersonal auch auszusehliessen 
sein; jedenfalls sind sie k e i n „dem Brutofen direct zur Last 
zu legendes Vorkommniss“. Von den 16 verbleibenden und ge¬ 
diehenen Kindern betrug die durchschnittliche tägliche Zunahme 
15,59 g. Von den im vorigen Jahre ausgereiften Kindern verlor 
ich 4 aus dem Gesicht, 3 habe ich noch in Beobachtung und sind 
dies jetzt nach einem Jahre vollwerthige, normale Kinder, wie 
ich besonders betonen möchte. Die Prognose des Einzelfalles 
richtet sich ausser nach dem Anfangsgewicht besonders nach dem 
absoluten Lebensalter des Kindes. Wichtig ist ferner, dass keine 
zu lange Zeit verstreicht, bis die Conveuse in Anwendung ge¬ 
bracht wird und dass die Körpertemperatur des Kindes bald 
die Norm erreicht. 

Ich glaubte, Ihnen diese doch immerhin als günstig zu be¬ 
zeichnenden Erfolge in der Behandlung von Frühgeburten mit¬ 
theilen zu dürfen, zumal die Stimmen auch aus Aerztekreisen 
nicht aufhören, welche die beschriebene Behandlungsweise aus 
diesen oder jenen Gründen zu perhorresciren zu müssen glauben. 

Kurzer Auszug aus den Journalen. 

(Von den Gewielitsdiagrammen konnten nur 6: Fall 1,2,3 des ersten 
Jahrganges und 7, 8, 9 des zweiten Jahrganges abgedruckt werden.) 

I. Jahrgang 1898: 

1. Fanny E. In den ersten Tagen nach der Aufnahme bei 
Ammenbmst leichte Fettdiarrhoe, durch Nahrungsbeschränkung 
und Zugabe von Kalbsbrühe bald gehoben; erhielt bis kurz vor der 
Entlassung nur Brust na lirung. Normaler Verlauf (cf. Gewiclits- 
curve l). 


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Curve I. 


2. Joseph J. Anfänglich stark ikterisch, wiederholt leichte 
Dyspepsien, erhielt abwechselnd Brust und Haferschleim. Später¬ 
hin bei gemischter Ernährung ungestörte Entwicklung mit guter 
Gewichtszunahme (cf. Curve II). 


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Curve II. 


b Wormser: Centralbl. f. Gyn. 1S99, No. 38. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 































13. März 1000. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 359 


3. Karoliiu» F. Anfänglich Enterokatarrh, mit Kalomel, 7. Johanna L. Anfänglich leichte Darmkatarrhe, später un- 

Tannalhin nnd Tannineinläufen behandelt, später normale Ent- gestörter Verlauf. Zuerst Ammenbrust, von der 6. Woche ab ge- 



Curve III. 


Curve IV. 


Wicklung, 10 Tage vor der Entlassung künstliche Beinahrung (Kuh¬ 
milch 1 : 2) (cf. Curve III). 

4. Felix W. Zeigte stets subnormale Temperaturen — ging an 
Eklampsie zu Grunde. Verdauung ln*i ausschliesslicher Brust- 
nahrung normal. 

5. Erwin F. Hochgradig anaemisches Kind, leichtes Sklerem, 
wurde erst am 8. Tage nach der Geburt aufgenommeu. Wurde 
mit abgedrückter Brustuahrung 2 stündlich (10—20 g Einzelmahl 
zeit) ernährt. Nie Störungen von Seiten des Darmcauales. Wieder¬ 
holt eklamptische Anfälle — mit Brom und Chloral gehoben. Ein 
schwerer Collaps wurde mit heissen Bädern und Kampher über¬ 
wunden. Eine Woche vor der Entlassung mit Gärtnermilch er¬ 
nährt mit guten Zunahmen. 

G. Michael R. Geburt: Stelsslage — Extraction. Linke Thorax¬ 
wand stark comprimirt — Lungenatelektase (?). Athmung sehr 
unregelmässig, schluckt schlecht. Gefüttert mit abgedrückter 
Ammenmilch. Körpertemperatur erreicht trotz hoher Tempera¬ 
turen der Couveuse (34—35°) nie die Norm. Exitus an Eklampsie. 

7. Johanna Schw. (Negermiscliliug). Blennorrhoe beider Augen 
und des Nabels, wiederholt leichte Darmkatarrhe, wurde aus¬ 
schliesslich künstlich ernährt (Gärtnermilch); entwickelte sich zu 
einem kräftigen normalen Kinde. 

8. Joseph B. Zweite Frühgeburt der Mutter, nichts von Lues 
nachweisbar. Bei der Aufnahme leichter Decubitus am Steiss 
(durch Druck bei frühzeitigem Fruchtwasserabfluss ?). Geringes 
Skleroedcm der Unterextremitäten. Anfänglich dyspeptische, reich¬ 
lich Fett enthaltende Stühle, häufiger als normal. (Therapie wie 
bei Fall I.) Wurde ausschliesslich mit Ammenbrust ernährt, ist 
jetzt ein wohl gediehenes Kind von ca. 20 Pfund. 

S. Max F. Sehr zartes anaemisches Kind, muss anfänglich mit 
abgedrückter Ammenmilch gefüttert werden, schluckt schlecht, 
tiinkt höchstens 10 g als Einzelmahlzeit, erbricht häufig und ist 
obstipirt. Nach Ammenwechsel hört Erbrechen und Verstopfung 
auf. Vor der Entlassung eine Woche lang künstliche Beinahrung. 
Blieb noch ca. 2 Monate nach der Entlassung Im elterlichen Hause 
in der Couveuse, wurde ausschliesslich künstlich ernährt. Wog 
mit y 2 Jahr 4200 g, mit 1 Jahr 9000 g, jetzt normales, keineswegs 
anaemisches Kind. 

II. Jahrgang 1899: 

1. Elise R. Ammenbrust 2 stündlich (20—30 g als Einzel¬ 
mahlzeit). Anfang der 4. Woche Dyspepsie durch Diätfehler der 
Amme. Durch Kalomel und Regelung der Diät gehoben. Unge¬ 
störte Entwicklung bis zur 8. Woche, dann Temperaturerhöhung 
auf 39 °, Erbrechen, auf der Lunge verbreitete kleinblasige Rassel¬ 
geräusche, Abdomen stark auf getrieben. (Couveusentemperatur 
herabgesetzt, Fomente, Kalomel), am 12. Tage der Erkrankung 
Exitus. Die Section ergibt verbreitete Miliartuberculose, wahr¬ 
scheinlich von verkästen und eingeschmolzenen Bronchialdrüsen 
ausgehend. Die Mutter, von welcher das Kind sofort nach der 
Entbindung separirt worden war, liegt mit schwerer Phthisis 
pulmon. lm Krankenhause. 

2. Anna W. wurde aus Mangel an Material am Anfang ge¬ 
nommen, wiederholte Magendarmkatarrhe späterer Verlauf ohne 
Besonderheiten. 

3. Anna Schw. Aeusserst dürftiges Kind. Lues hereditaria (?). 
Nahrungsaufnahme sehr schwierig; Nabelstrangrest trocknet nicht 
ein. Blutung aus demselben, sowie aus Darm und verschiedenen 
Hautgefässen. Melaena (?) — dazu Dermatitis exfoliativa; keine 
Gewichtszunahme. Exitus an Debilitas vitae und Eklampsie. 

4. Anton B. (Zwilling von No. 5). Anfänglich heftiger Magen¬ 
darmkatarrh mit starker Gewichtsabnahme — später gute Zu¬ 
nahmen bei vorwiegend gemischter Ernährung (Soxhlet 1:2). 

5. Franziska B. (Zwilling). Zu Beginn der Behandlung fieber¬ 
hafter Ikterus (200 g Gewichtsabnahme), später clirou. Obstipatio, 
durch Anreicherung der Nahrung (gemischt) mit Fett gehoben, 
gleichzeitig bessere Zunahmen. 

6. Elisabeth E. Normaler Verlauf, die ersten 4 Wochen nur 
Ammenbrust, später gemischte Nahrung (zweifach verdünnte Kuh¬ 
milch). In der 6. Woche Gastroenteritis, nach Ablauf derselben 
gute Zunahmen bei ausschliesslich künstlicher Ernährung. 


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mischte Nahrung (1 Milch : 2 Schleim) gut vertragen (cf. Curve IV). 

8. Marie F. (Zwilling von No. 9). Erst am 17. Lebenstage auf¬ 
genommen, hochgradige Atrophie und Cyanose der Extremitäten, 
multiple Abscesse am Kopf und Nacken. Nach geringer Besserung 
der bei der Aufnahme bestehenden Gastroenteritis, wieder ver¬ 
mehrte Stühle und Erbrechen. Kelle r’sche Malzsuppe Milch) 
wird erbrochen und bringt keine Besserung. Bei Minimalbrust- 
nahruug und wiederholten Darmirrigationen mit 1 proc. Karlsbader¬ 
salzlösung allmähliche Besserung, die letzten 3 Wochen ungestörter 
Verlauf mit guter Zunahme (cf. Curve V), letzte Woche gemischte 
Nahrung. 



Curve V. 

9. Joseph F. (Zwilling). Sehr schwächliches Kind, ebenfalls 
erst am 17. Lebeustage aufgenommen. Ausgesprochene Atrophie 
und Skleroedcm, Stühle dünnflüssig, zahlreich (8—10), Renction 
sauer. Nach kurzer Besserung bei Ammenbrust von Neuem Diar- 
rhoeu. Auch hier Malzsuppe ohne Erfolg. Weitere Behandlung 
und Verlauf wie bei No. 8 (cf. Curve VI). 



10. Ludwig W., das dritte früh geborene Kind der Mutter, 
zwei vorher gestorben. Keine Lues. Skleroedem des Scrotum und 
der unteren Extremitäten. Ausschliesslich Ammenbrust, anfäng¬ 
lich leicht dyspeptische Stühle mit übernormalem Fettgehalt. 
Später gute Verdauung, normale Entwicklung. 

11. Anna J. Anfänglich Ikterus mit Temperatursteigerung, 
Verstopfung — später Anreicherung der fast ausschliesslich künst¬ 
lichen Ernährung mit Fett, damit Obstipation gehoben. Verlauf 
normal. 


(Tabelle siehe nächste Seite.) 


3* 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
































360 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


I. Jahrgang 1898. 



Geboren 

am 

Auf- 

genommen 

am 

Entlassen 

am 

■ 

Behand¬ 

lungsdauer 

Anfangs¬ 

gewicht 

End¬ 

gewicht 

Tägliche 
durch¬ 
schnitt¬ 
liche Zu¬ 
nahme 

Todes¬ 

ursache 

Körper¬ 
tempera¬ 
tur bei 
der Auf¬ 
nahme 







g 

g 

g 



1 

Fanny E. 

18. VH. 

24. VH. 

4. IX. 

43 Tage 

1800 

2750 

22 


34° 

2 

Joseph J. 

24. VH. 

25. VHI. 

20. IX. 

58 Tage 

1700 

2870 

20,2 


36° 

3 

Karoline F. 

29. VH. 

30. ATI. 

18. IX. 

51 Tage 

1900 

3000 

21,6 


34’ > 

4 

Felix W. 

30. VH. 

| 1. VHI. 

23. IX. 

23 Tage 

1800 

1810 

— J 

Eklampsie 

! 34° 

l 

5 

Erwin F. 

16 . vm. 

24. VHI. 

| 6.X. 

1 

44 Tage 

1300 

1960 

15 


| 35» 

6 

Michael R. 

27. VIH. 

29. VIH. 

5.X. 

| 38 Tage 

1700 

1930 

— 

Eklampsie 

| 34° 

7 1 

Johanna Sch. 

i __ _ _____ _| 

1 IX. 

2. IX. 

6.X. 

35 Tage 

2000 

2320 

9,1 


35° 

8 

| Joseph B. 

16. IX. 

16. IX. 

1 7. X. 

22 Tage 

i 2100 

2410 

14 


35° 

9 

Max F. 

9. IX. 

11. IX. 

11. X. 

30 Tage 

1400 

| 1610 

7 1 

1 

35° 


II. Jahrgang 1899. 



Geboren 

am 

Auf¬ 

genommen 

am 

Entlassen 

am 

Behand¬ 

lungsdauer 

! 

Anfangs- j 
gewicht 

End¬ 

gewicht 

Tägliche 
durch¬ 
schnitt¬ 
liche Zu¬ 
nahme 

Todes¬ 

ursache 

Körper¬ 
tempera¬ 
tur bei 
der Auf¬ 
nahme 

U 

Elise R. 

11. VI. 

15. VI. 

i 

19. vm. 

1 

66 Tage j 

g 

1600 

g 

2430 

j * 

Miliar- 

tuberculose 

35° 

2 | 

Anna W. 

13. VI. 

15. VI. 

I 30. VI. 

1 

16 Tage 

2600 

2940 

21,25 


36° 

»1 

Anna Sch. 

26. VII. 

26. VII. 

24. ATII. 

30 Tage 

1500 

1420 

— 

Eklampsie 

340 

4 1 

! 

Anton B. 

I 

16. VI. 

17. VI. 

26. vn. 

j 40 Tage 

| 2100 

2800 

17,5 


35° * 

5 

Franziska B. 

16. VI. 

17. VI. 

26 . vn. 

| 40 Tage 

2000 

; 2770 

19,25 

35°* 

6 

Elisabeth E. 

29. VI. 

30. AT. 

6. IX. 

j 68 Tage 

1500 

2750 

18,5 j 

35° 

7 

! Johanna L. 

14. VH. 

17. ATI. 

14. IX. 

60 Tage 

1400 

2220 

j 13,66 


1 35» 

8 

Marie F. 

7. Am. 

23. vm. 

16. X. 

55 Tage 

j 1500 

2250 

13,63 


! 36°* 

9 

Joseph F. 

7. VIH. 

23. VIU. 

16. X. 

55 Tage 

1500 

2360 

j 15,63 

37°* 

10 

| Ludwig W. 

17. IX. 

j 19. IX. 

16. X. 

28 Tage 

2100 

j 2450 

12,5 

37° 

11 

i * 

Anna J. 

13. VHI. 

20. VIII. 

i 16. X. 

1 

58 Tage 

. 2100 

2600 

8,6 

l 

1 36» 


*) Zwillinge. 


Aus der Unfallpraxis. 

Von Dr. Peters. 

Die 8 jährige E. H. aus Hfrsbch. fiel am 2G. April 1898 Nach- 
mitlags, als sie auf dem Heimweg einen Rain herabsprang, mit 
dem Gesicht von oben herab auf einen Baumstamm, an dem noch 
kleinere Zweige sassen. Unmittelbar nach dein Fall verspürte 
das Kind keinen nennenswertlien Schmerz, hatte auch keine ihm 
oder seiner Umgebung bemerkbare Verletzung oder Blutung. 
Unterwegs jedoch wurde ihm schwindelig, es fiel 3 mal zu Boden 
und kam nur mit Mühe nach Haus. Hier musste es mehrmals er¬ 
brechen, klagte über grosse Müdigkeit, Schmerzen im Kopf und 
im linken Auge und verlangte nur darnach, in’s Bett zu kommen. 
Ein Nachbar visitirte das schmerzende linke Auge und sah „in 
demselben ein etwa bleistiftdickes Stückchen Holz liegen, das 
zwei frische Bruchenden hatte“, er entfernte es mit dem Finger. 
Von da ab hielt das Kind das Auge krampfhaft geschlossen. Am 
nächsten Tage wurde der Arzt geholt, derselbe untersuchte und 
legte einen trockenen Verband mit der Weisung, ihn liegen zu 
lassen. Nach einer Stunde bekam das Kind unerträgliche Schmer¬ 
zen, so dass die Mutter den Verband entfernte und dafür kalte Um¬ 
schläge machte. Das Auge war und blieb krampfhaft geschlossen 
und war nach Abnahme des Verbandes „geschwollen“. Am anderen 
Tag wurde der Arzt nochmals gebeten, er liess die Umschläge 

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weiter machen, sonst keine Ordination. Die Schmerzen nahmen mit 
der Schwellung ab und es bildete sich nach und nach ein chronisch 
entzündlicher Zustand mit stark eiteriger Secretion heraus. Das 
Kind sah auf dem linken Auge nichts mehr. Nach einiger Zeit con- 
sultirten die Eltern einen anderen Arzt, der „Tropfen“ verordnete. 
Die Entzündung blieb bestehen, allmorgendlich war das Auge 
eiterig verklebt. 

Im Mai 1899, also 1 Jahr nach dem Unfall, bekam ich das Kind 
in der Sprechstunde zuerst zu sehen. Das Auge machte einen 
schrecklich verwahrlosten Eindruck. Die Lider waren durch 
eiterige Borken fast verklebt. Die Tension beider Augen gleich. 
Nach Aufweichen der Borken fand sich folgender Befund: Keine 
Spur von Verletzung, keine Narbe. Am Unterlid, dicht neben dem 
inneren Augenwinkel, sieht man die Haut etwas buckelig vorge¬ 
wölbt. Durch Palpation hat man das Gefühl, als siisse in dieser 
Schwellung ein Fremdkörper von harter, unebener Oberfläche. 
Die Conjunetiva palpebr. inf. ist stark, die des Oberlids massig ent¬ 
zündet. In der Uebergangsfalte findet sich vom inneren Augwinkel 
nach aussen zu eine ca. 0 mm lange, 3—4 mm hohe, wie ein Wall 
aufgeworfene Falte, die stark entzündet ist. Zieht man das Unter¬ 
lid und diese Falte möglichst weit nach unten aussen ab und 
lässt das Kind dabei nach oben aussen sehen, so sieht man in der 
Ecke dicht am inneren Augwinkel tief unten am Bulbus eiue 
kleine trichterförmige Vertiefung, als ob ein Gegenstand da liineiu- 
gebohrt wäre. Dabei bemerkt man auch, dass Conjunetiva und 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
















361 


13 Marz 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Bei Blick geradeaus 
Blick nach oben geradeaus 

„ „ „ links 

„ ,, rechts 

„ unten geradeaus 

„ „ links 

„ ,, rechts 


Bulbus fast ganz unempfindlich sind. Die Pupille ist links kleiner 
wie rechts, reagirt jedoch träge auf Lichteinfall. Sehvermögen 
links auch für „Hell oder Dunkel“ erloschen. Spiegeluntersuchung 
ergibt Atrophie des Opticus. Lässt man das Kind mit dem ge¬ 
sunden Auge bei gerader Kopfhaltung dem vorgehaltenen Finger 
folgen, so ergibt sich: 

Linkes Auge ganz wenig gesenkt 
,, „ genau Mittelstellg. 

„ | Mittelstellg. etwas 

nach links 

„ „ geht wenig nach 

rechts oben mit 
„ „ geht etwas nach 

unten mit 

, r „ folgt, doch ' nicht 

vollständig 
folgt, doch 'nicht 

vollständig 

Die Behandlung bestand zunächst in desinficirenden Aus¬ 
spülungen und Umschlägen, um später nach Ablauf der eitrigen 
Entzündung eiue Incision auf den ..Fremdkörper“ im Unterlid 
machen zu können, und falls sich diese Diagnose bestätigte, ihn 
zu entfernen. 

Trotz wiederholter Ermahnungen und Nachfragen blieb je 
doch die Mutter mit dem Kinde aus, als der Zustand sich soweit 
gebessert hatte, dass die Incision vorgeschlagen werden konnte. 

Ende October 1899. also 1 '/, Jahr nach dem Unfall, wurde 
mir das Kind wieder gebracht. Der erste Blick auf das Auge be¬ 
stätigte die Diagnose: am Unterlid, dicht unter dem Lidrand, da 
wo die Schwellung zu fühlen war, bestand jetzt eine eiternde 
Fistel, aus deren Oeffnung ein Stückchen Holz von etwa 2 nun 
Breite heraussah. Nach Säuberung der Umgebung und Schleich*- 
scher Infiltration wurde die Wunde vorsichtig erweitert und es 
gelang nun leicht, den Fremdkörper zu entfernen. Derselbe prä- 
sentirte sich als ein Stückchen Hartholz von 3 cm 3 mm Länge: 
vorn 5 mm, hinten 4 mm Breite; vorn 3 mm, hinten 2 mm Dicke. 
Die in die klaffende Oeffnung eingeführte Sonde drang geraden 
Wegs fast 4 cm tief in die Orbita ein, dicht unter dem Bulbus, 
den man bei leichtester Senkung der Hand vorn auf der Somit 
fühlte! Die Wunde, aus welcher einige Tropfen Eiter kamen, 
wurde peinlichst versorgt, die wallartige, jetzt gegen früher noch 
vergrösserte Conjunctivalschwellung der Uebergangsfalte mit dei 
Scheere abgetragen. Beides heilte glatt aus. Für den Laien be¬ 
steht jetzt zwischen beiden Augen des Kindes wohl kaum ein 
Unterschied, dem Arzt fällt freilich mehrere« auf: Das Zurück¬ 
bleiben des linken Bulbus im Verhältnis.« zum rechten bei Be 
wegungeu, ein gewisses Kleinersein desselben und die über di* 
Norm vergrösserte rechte Pupille, die um so auffälliger ist, als dit 
linke meist ziemlich contrahirt erscheint, z. B. bei Tageslicht dem 
hellen Fenster gegenüber Durchmesser der rechten Pupille 7 bb 
8 mm, der linken r» mm. Irgend eine Erscheinung von etwa sym¬ 
pathischer Erkrankung des*rechten Auges ist bis jetzt noch nicht 
weiter hervorgetreten, auch der Spiegelbefund desselben ergibt 
nichts Pathologisches. 


Wir haben hier gewiss einen in mancher Beziehung absonder¬ 
lichen Fall vor uns: Das 8 jährige Kind stürzt auf einen Stamm 
es bekommt Sclnvindelanfälle, Augen- und Kopfschmerzen, Er¬ 
brechen, man findet nichts an ihm, als den Splitter Holz in 
linken Auge, dessen Sehvermögen erloschen ist. Auch ärztliche 
Untersuchung fördert nichts zu Tage und es vergehen reichliel 
1 f| Jahre, bis der eingedmngenc Fremdkörper von diesen Dirnen 
sionen entfernt werden kann. Da der Fall an sich nicht so lieftij 
war, dass er eine Üominotio cerebri hervorrufen konnte — da: 


Kind wäre sonst wohl auch sofort bewusstlos gewesen — so is, 
wohl anzunehmen, dass der so tief in das Orbitalgewebe einge 
drungene Splitter durch Reizung des Bulbus und Opticus die 
Cerebralerseheinungen hervorrief. Ob ein möglichst schnellet 
Entfernen des Splitters die Functionsfähigkeit des betroffener 
Auges erhalten, resp. wieder erweckt, hätte, möchte ich jetzt nicht 
mehr entscheiden, ganz ausgeschlossen erscheint mir diese Mög 
liehkeit aber nicht. Immerhin muss am ersten und in den ersten 


Tagen der Fall doch sehr zur Deutung aufgefordert haben bei den 
Ernste und der Schwere der Erscheinungen: cerebrale Symptome 
und Amaurose. Ob sieh nicht mit der Zeit doch noch schädliche 
Folgen fiir das rechte Auge einstellen, bleibt abzuwarten, eir 
Glückzufall ist es ja schon, dass sieh keine Pannphthalinie oder 
noch Schlimmeres ausgebildet hat. Die Functionsbehinderung 
der Muskeln ist wohl mit Ausnahme des durch den Splitter viel¬ 
leicht direct verletzten und nun in Narbeneontractur stehenden 


Rectus inferior als Folge von reactiven Entzündungsvorgängen 
aufzufassen. 

Zum Schluss noch die Frage: Was würde das Ergehniss sein, 
wenn die Eltern des Kindes gegen den zuerst zugezogenen Arzt 
einen Entschädigungsanspruch stellen würden mit der Begrün¬ 
dung, dass ein derart grosser Splitter hätte gefunden werden 
müssen ? 


N o. II. 

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Gck igle 


Casuistische Miscellaneen aus dem Gebiete der Ge¬ 
burtshilfe und Gynäkologie. 

Von R. K o s s in a n n in Berlin. 

(Fortsetzung.) 

III. Elytroclisis bei TJreter-Scheidenfistel. 

lieber die Operation, von der ich in nachstehenden Zeilen 
berichten will, lässt sich Fritsch“) folgendermaassen ver¬ 
nehmen : 

„Ich möchte ... vor einer Operation warnen, die so nahe 
liegt, dass sic doch noch Mancher versuchen könnte: das Ein- 
schneiden einer Blasenscheidenfistel und die quere Obliteration 
der Scheide unmittelbar darunter ... Ich habe diese Operation 
wiederholt ausgeführt. Definitive Heilung ist u n - 
m ö g 1 i c h.“ (Das Gesperrte ist auch im Original gesperrt.) 

Mein Bericht wird zeigen, dass dieses Urtheii des aus¬ 
gezeichneten Gynäkologen allzu pessimistisch war. 

Bei Frau St. hatte ich am 11. März 1897 eine Totalexstirpation 
des carciuomatösen Uterus unter sehr erschwerenden Bedingungen 
vorgeuommen. Die Portio war früher liereits amputirt worden; 
das Corpus Uteri und eine linksseitige Ovarialeyste waren durch 
überaus feste, ausgedehnte Adhaesiouen mit den Nachlmrorgancii 
verbunden. Die Operation liess sich auf vaginalem Wege nicht 
beendigen; erst vom Abdomen aus konnte auf der linken Seite 
die Ligatur und Abtragung durchgeführt werden. Am vierten 
Tage nach der Operation ging der Irin per vagiuam 
ab, während gleichzeitig die Entleerung durch die Urethra etwas 
vermindert, aber sonst normal war. Es liess sieh schon hieraus 
mit annähernder Sicherheit die Existenz einer Urethereuscheideu- 
fistel schliessen; Herr College N i t z e hatte daun am 3. April, nach 
gutem Verlauf der Recouvalescenz, die Güte, festzustellen, dass 
der linke Ureter nur 2—3 cm weit für die Sonde zugäugig war. 
Nachdem die Operationswunde verheilt war, zeigte sich die 
Ureterfistel ganz hochgezogen in völlig starrem Narbengewebe, 
so dass in absehbarer Zeit keine der üblichen vaginalen Operations¬ 
methoden ausführbar gewesen wäre. Es erschien mir desshalb an 
gezeigt, bevor ich mich zu der schwierigen und immerhin nicht un¬ 
gefährlichen Aufsuchung, Freilegung und Implantation des ver¬ 
letzten Ureters vom Abdomen aus oder gar zur Exstirpation der 
linken Niere entschlösse, einen Versuch mit der von Fritsch 
verurtlieilten Operation zu machen. Wider die Elytroclisis an 
sieh lag insofern keine Indieation vor, als der Uterus ja fehlte und 
die Patientin als ältere Wittwe gegen eine Beeinträchtigung der 
sexuellen Fähigkeiten durch Verkürzung der Scheide kein Be¬ 
denken erhob. 

Ich führte die Operation am 5. April in der Weise aus, dass ich 
eine Blaseuscheidenfistel anlegte, die den Finger reichlich passireu 
liess, den Fistel nt ud mit dem Thermokauter verschorfte, dann 
eineu ringförmigen Schnitt nahe unter dieser Blaseuscheidenfistel 
in die Vagina anlegte, von da aus die Scheidenschleimhaut nach 
oben etwa 1 cm weit abscliülte uud die nach innen eingestülpte 
Manschette sagittal vernähte. Diese Naht hielt nicht, und zwar, 
wie sieli bei der Untersuchung herausstellte, weil sich die Blasen- 
selieidenfistel spontan vollständig nieder geschlossen hatte. Es 
wurde nun (am 11. April) die Blasenscheideufistel wieder eröffnet 
und diesmal so vergrössert, dass sie bequem 2 Finger durchlieft*. 
Dann wurde die erste Scheidennaht wieder geschlossen und zur 
Sicherheit noch eine Mauschette von Scheideusclileimliaut nach 
abwärts von der Unterlage lospräparirt und der Quere nach durch 
Naht geschlossen. Der Erfolg war noch kein vollständig befriedi¬ 
gender, da immer etwas X T rin durch die Scheide abging: doch zeigte 
sich, dass immerhin eiue erhebliche diaphragmatische Verengerung 
der Scheide entstanden war. Die kleine uoch verbliebene Oeffnung 
in diesem Diaphragma wurde am 27. April durch Anfrischung und 
Naht vollends geschlossen. Am 7. Mai war die Wunde völlig ge¬ 
heilt. 

Die Patientin hat sich mir in den 2 y 3 Jahren, die seit der 
Operation verflossen sind, öfters und noch vor Kurzem vorgestellt: 
sie hat niemals Urin durch die Scheide verloren, die Blase stets 
in normaler Weise durch die Harnröhre entleeren können, auch ist 
von irgend einer Schädigung der linken Niere uicht das Mindeste 
wahrzunehmen, überhaupt äussert sie keinerlei Klagen über ihren 
Gesundheitszustand. Bei der Untersuchung bemerkt man, dass 
von den beiden Diaphragmen, die durch die Operation hergestellt 
worden sind, das obere allein vollständig dicht geblieben ist. 
während sieli in den unteren eine etwa für einen gewöhnlichen 
Bleistift durchgängige Oeffnung befindet. Man würde also, wenn 
irgend welche Veranlassung dazu vorläge, durch Vergrösseruug 
dieser Oeffnung auch uoch eine für die Ausübung des Coitus aus¬ 
reichende Länge der Vagina ohne Nachtheil für die Operirte her- 
steilen können. Offenbar ist der vollständige Schluss des am 
ö. April gebildeten Diaphragmas erst erfolgt, nachdem es durch 
Herstellung des darunterliegenden zweiten Diaphragmas eine Zeit 
lang von dem in der Blase bestehenden Druck theilweise entlastet 
war. Dieser Druck bestand natürlich nur iu dem Gewicht des in 
der Kückenlage sich ansaimnelnden Harns; einer grösseren Span- 


H \ Fritsch: Die Krankheiten der weiblichen Blase, in: 
Handbuch der Gynäkologie, herausgegeben von J. Veit, Bd. II, 
1897, S. 144. 

Origiral frer 4 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



862 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


nung wurde durch einen Verweilkatheter nach Möglichkeit vor¬ 
gebeugt. 

Die Begründung, mit welcher Fritsch (1. e.) uns von der 
Unmöglichkeit des hier festgestellten Erfolges zu überzeugen 
sucht, ist folgende. Er schreibt: „.. . jedesmal platzt die Ob¬ 
litera tion, oft unter starken Schmerzen später wieder auf. So¬ 
bald nämlich der Sphincter der Urethra wieder fungirt, presst 
natürlich sowohl die Blase, als die Bauchpresse den Urin zur 
stets offenen Pforte heraus aus der Blase in die Scheide. Der 
Sphincter vesicae wird erst bei Ueberdruck eröffnet, wenn Blase 
und Scheide enorm gefüllt sind. Dann aber entsteht starker 
Harndrang, Beckenschmerzen, acute Hydronephrose.“ 

Es ist gewiss nicht unbedenklich, einer so hervorragenden 
Autorität, wie F ritsch, selbst nur in einer minder wichtigen 
Frage entgegenzutreten. Ich vermag aber nicht einzusehen, 
warum der Sphincter — ich nehme an, Fr i t s c h hat nicht den 
sehr zweifelhaften S. vesicae, sondern den quergestreiften S. 
urethrae gemeint, der allein den Verschluss der Blase be¬ 
dingen dürfte — erst bei Ueberdruck eröffnet werden sollte. 
Der S. urethrae kann zweifellos (darüber sind die Physiologen 
wohl einig) willkürlich zur völligen Erschlaffung gebracht 
werden, indem seine durch den Druck auf die Blasenwand be¬ 
wirkte reflectorische Erregung von einem besonderen im Gehirn 
liegenden Centrum aus gehemmt wird. 

Wie dieses physiologische Verhalten — die Fähigkeit der 
Operirten, den Sphincter urethrae willkürlich zu öffnen — durch 
die in Rede stehende Operation, also die Einschaltung eines 
ampullenartigen Raumes zwischen Ureter und Blase, sollte be¬ 
einträchtigt werden können, ist aus F r i t s c h’s Worten nicht 
zu entnehmen. Die von ihm geschilderten Symptome der Stran- 
gurie erklären sich aber sofort, wenn man annimmt, dass bei der 
Anlegung der Blasenscheidenfistel oder durch den Verweilkatheter 
eine starke Cystitis hervorgerufen worden ist. Die Schmerz¬ 
haftigkeit der entzündeten Blasenschleimhaut kann reflectorisch 
abnorme Contraction des Sphincter urethrae mit deren Folgen, 
Ueberfiillung der Blase, Rückstauung des Urins und doppelseitige 
Hydronephrose hervorrufen. Andererseits kann aber Ueberfül- 
lung des verschlossenen Scheidenfundus mit Rückstauung in den 
verletzten Ureter und eonsecutiver Hydronephrose sich auch so 
erklären, dass die künstliche Blasenscheidenfistel sich spontan 
wieder schliesst oder wenigstens ihre Ränder sich ventilklappen¬ 
artig übereinanderlegen, so dass der Urin aus dem Scheiden¬ 
fundus nicht in die Blase übertreten kann. In diesem Falle 
wird die Ueberfüllung der Blase fehlen und die Hydronephrose 
eine einseitige, aller uraemischen Erscheinungen entbehrende 
sein. 

Wenn man dieser letzteren Eventualität durch Anlegung 
einer Blasenscheidenfistel von genügender Grösse, der ersterwähn¬ 
ten aber durch häufigen, rechtzeitigen Katheterismus bis zum 
Verschwinden der Reizbarkeit der Blasenschleimhaut vorbeugt, 
wird man, wie ich denke, mit der Elytroclisis eben so gute Re¬ 
sultate, wie ich, erzielen und Manchen viel schwereren Eingriff 
vermeiden können. 

IV. Rasches Wachsthum eines Cystoma ovarii glanduläre. 

Es gilt als allgemeine Erfahrung, dass die Ovarialeystome 
ziemlich langsam wachsen. Bekannt ist allerdings, dass bei 
maligner Entartung sich dieses Wachsthum sehr beschleunigen 
kann. Mir wurde jedoch am 12. Juni 1899 eine Patientin zu¬ 
geführt, bei welcher das Wachsthum eines, im histologischen 
Sinne nicht malignen Tumors eine ganze Anzahl mehr oder 
weniger sachverständiger Personen zu einer falschen Diagnose 
verleitet hatte, weil es durchaus der Grössenzunahme der schwan¬ 
geren Gebärmutter entsprach. 

Es handelte sich um ein Mädchen im 15. Lebensjahre, bei 
welchem die Eltern eine beträchtliche Zunahme des Leibesum 
langes wahrgenommen hatten. Das hatte sie veranlasst, den 
I'hyslkus Ihres Kreises zu consultiren, und dieser hatte mit Be¬ 
stimmtheit eine Schwangerschaft im 6. Monat diagnosticirt. Die 
Eltern hatten ln Folge dessen das Mädchen eindringlich befragt, 
und dieses hatte schliesslich gestanden, dass es in der That vor 
0 Monaten ungefähr in unlauteren Verkehr mit einem über 64 Jahre 
alten Manne getreten war. 

Auch Letzterer gestand die Thatsache zu und bewilligte ein 
sehr ansehnliches Schweigegeld. Es wurden nun noch zu verschie¬ 
denen Zeiten innerhalb der nächsten Monate zwei Frauenärzte 
befragt, und da auch diese jedesmal den Tumor entsprechend dem 
Zeitpunkte des zugestandenen Coitus vergrössert fanden, bestä¬ 
tigten sie die Diagnose^des Kreisphvsikus, und das Mädchen wurde 

Digitized by Go sie 


schliesslich nach Berlin geschafft, um hier ihrer Entbindung ent¬ 
gegenzusehen. Es wurde eine Hebamme zugezogen, welche erste 
Schädellage feststellte. Da schliesslich die vermeintlich Schwan¬ 
gere von Tag zu Tag sichtlich elender wurde, zogen die Eltern noch 
einen praktischen Arzt in Berlin zu ltathe, und dieser stellte eine 
allgemeine Verengerung des Beckens um 3 cm fest und rieth in 
Anbetracht der daraus erwachsenden voraussichtlichen Schwierig 
keit der Entbindung, noch einen Specialarzt zuzuziehen. 

So gelangte die Patientin in meine Behandlung. 

Obwohl ich Angesichts der ganzen Anamnese keinen Grund 
hatte, an der so vielseitig bestätigten Diagnose der Scliw r anger 
schaft zu zweifeln, üel mir doch sofort der durchaus vlrginelle 
Zustand der Brüste der Patientin auf. Der bis zum Schwertfort 
satz reichende Tumor liess allerdings einen grossen Theil auf der 
linken und kleine Tlieile auf der rechten Seite erkennen, dagegen 
war es unmöglich, Uteringeräusch oder Herztöne zu hören und 
den von der Hebamme im Beckeneingang gefundenen Kopf dort 
wiederzuündeu. Die Portio war verstrichen. — Im Uebrigen be¬ 
stand starkes Oedern, hochgradig kachektisches Aussehen, Puls 
120—140. 

Nachdem nuumehr der Verdacht, dass es sich gar nicht um 
eine Schwangerschaft handele, in hohem Grade verstärkt war, 
nahm ich keinen Anstand, im Eiuverständniss mit dem behan¬ 
delnden Arzte die Sondirung vorzuuehmeu, in der Erwägung, 
dass eine etwa dadurch herbeigeführte Entbindung, wenn es sich 
w ider Erwarten doch um eine Schwangerschaft handeln sollte, bei 
der Enge des Beckens keineswegs verfrüht sein würde. Die Son 
dirung, verbunden mit der Exploration per rectum, ergab, dass 
das Cavum Uteri nur 0 cm maass und der Uterus retrovertirt 
hinter dem Tumor lag. 

Bei der nun vorgenoinmenen Operation zeigt sich nach Er¬ 
öffnung der Bauchhöhle etwas Ascitesflüssigkeit. Die Tumorwand 
ist vielfach durch zarte Adhaesionen mit dem Peritoneum ver¬ 
bunden. Beim Durchreisseu bluten diese nicht unerheblich und 
die dabei erüffueten Taschen entleeren jeweils ein kleines Quantum 
Ascitesflüssigkeit. Der Tumor ist viel zu gross, um durch eine 
nicht allzu grosse Bauchw uude in toto vorgewälzt zu werden. Er 
wird daher angestochen, doch entleert er sich nicht, da sein Inhalt 
vou geleeartiger Consistenz ist. Er muss daher ausgiebig ange- 
schuitten und mit der Hand zum Theil ausgeräumt werden, ehe 
er, unter Lösung der übrigen Adhaesionen, vor die Bauchw r unde 
gebracht werden kann. Uebrigeus bleiben, wegen allzu fester Ver¬ 
wachsung zwischen Tumorwand und Peritoneum, einige Stückchen 
der ersteren an Diinudarmschlingen zurück, w r ähreud umgekehrt 
ein Fetzen Peritoneum von der vor dem rechten Ligamentum latum 
liegenden Bauchfelltasche mit dem Tumor abgelöst wird, so dass 
der Defect durch Naht geschlossen werden muss. Nachdem der 
Tumor vor die Wunde gewälzt ist, zeigt es sich, dass es sich um 
eine Entartung des linken Eierstocks handelt. Die linke Tube, 
kolossal verlängert, läuft über einen beträchtlichen Theil des 
Tumors hin: der aus ihr und dem Ligamentum latum bestehende 
Stiel des Tumors hat eine halbe Achseudrehung erfahren. Er wird 
unterbunden und durchtrennt, die Bauchwrnnde sodann durch 
Naht geschlossen. 

Die Iteconvalescenz wurde durch Complicatiou mit einem 
Scharlachfleber etwas verzögert, doch heilte die Operationswunde 
p. p. i. und die Kranke verliess am 24. Juli geheilt meine Klinik. 

Der Tumor, ein richtiges Gallert- (oder Gelee-) Cystorn (Cystoma 
glanduläre, Cystadenoma pseudomuciuosum), zeigte nirgends eine 
Spur von carcinomatöser Entartung. 

Er enthielt zahlreiche, sehr dünnwandige, mit weichgallert¬ 
igem Secret gefüllte sog. Tochtercysten. Wenn sich auch selbst¬ 
verständlich der Beginn der Erkrankung nicht feststellen lässt, 
so ist es doch nicht zweifelhaft, dass der Tumor innerhalb etwa 
drei oder vier Monaten von einer den Eltern überhaupt nicht auf¬ 
fälligen Grösse bis zu einem solchen Volumen herangewachsen ist, 
dass er das Sternum erreichte und das Herz um etwa drei Finger 
breit aus der normalen Lage nach oben verdrängte, auch eine nicht 
unbeträchtliche Verdichtung der Lungen durch Compression ver¬ 
ursachte. 

Am 23. September bereits musste an der Kranken eine zweite 
Laparotomie ausgeführt werden, weil ein neuer Tumor fast die 
Grösse des ersten erreicht hatte. Es war jetzt viel mehr Ascites 
vorhanden als das erstemal; ausserdem aber auch wieder eine viel¬ 
fältig dem parietalen und visceralen Peritoneum adhaerente Ge¬ 
schwulst mit sehr brüchiger, scheinbar eine einfache 
Blase bildender Wandung, gefüllt mit dünngallertigem Inhalt 
Der rechte Eierstock war auch jetzt noch fast normal, nur wenig 
mikrocystisch entartet. Dessgleichen zeigte sich au dem links¬ 
seitigen Operationsstumpf keine Spur eiuer Neubildung. Es 
handelte sich also hiernach um eine jener Krankheitsformen, die 
von W e r t h ! ) den Namen „Pseudomyxoma peritonei“ erhalten 
haben. In unserem Falle war jede Möglichkeit, die überaus 
brüchige Geschwmlst in toto herauszuschälen, wegen der z. Th. 
sehr festen Adhaesionen ausgeschlossen. Mehrfach blieben Stücke 
des parietalen, wie des visceralen, Peritoneums an dem Tumor 
haften, so dass die Bauchfelldefecte durch die Naht geschlossen, 
andererseits auch kleine Stückchen der Tumorwand zurückgelasseii 
werden mussten. Immerhin aber liess sich doch zum bei Weitem 
grössten Theile die durch Ascitesflüssigkeit von dem Bauchfell 
getrennte, nur durch ganz zarte, spinngew r ebeartige, gofäss- 

*) Werth: Pseudomyxoma peritonei. Zeltschr. f. Geb. u. 
Gynäk., Bd. 24, S. 100. 

Original frorn 

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13. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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führende Bindegewebsztige locker damit zusammenhängende 
Cystenwand noch ganz leicht freilegen. 

Pie ln der ersten Woche reichlich durch die Bauclinaht sich 
durcliilrüngende Ascitesflüssigkeit störte diesmal etwas die prima 
Intentio; doch erholte sich Pat. rasch. Als sie am 25. October 
entlassen wurde, fühlte sie sich sehr kräftig; eine Resistenz war 
nirgends im Abdomen nachweisbar, der Percussionsschall überall 
tympanitisch. Am 30., also 5 Tage darauf, traten Symptome von 
Parmocclusion ein. Am 4. November, also weitere 5 Tage darauf, 
machten diese Symptome bereits eine neue Laparotomie als letzten 
Versuch zur Rettung der Patientin erforderlich. Schon äusserlich 
war wieder ein Tumor zu sehen. Nach Eröffnung der Bauchhöhle 
stellte er sich ebenfalls als ein vielfach, jetzt überaus fest adhae- 
rentes, bereits — schätzungsweise — 6—8 Liter haltendes Pseudo- 
myxoma peritonei heraus. Sechs Stunden nach der Operation starb 
die Patientin unter den Symptomen der Herzschwäche. 

Carcinom konnte auch in dem Pseudomyxom nicht nachge¬ 
wiesen werden. 

Das jugendliche Alter der Patientin (nach N e t z e 1 *) be¬ 
trafen 75 Proc. der Fälle von Pseudomyxoma Frauen von mehr 
als 40 Jahren), das ungewöhnlich rasche Wachsthum des Primär¬ 
tumors und das in seiner Schnelligkeit einzig dastehende Wieder- 
erscheinen und Wachsen des Pseudomyxoms machen diesen hall 
schon klinisch interessant. Noch wichtiger aber erscheint er 
mir für die Pathogenese des Pseudomyxoms. Auf die histo¬ 
logischen Details einzugehen behalte ich einem meiner Schüler 
vor. Der makroskopische Befund jedoch lehrt bereits, dass die 
von Vi r c h o w*), M e n n i g 4 ), Westermark und Anne l 5 ) 
vertretene Ansicht, nach der die gallertigen Massen durch eine 
rnyxomatöse Degeneration des Peritoneums entstehen, hier sicher 
unzulässig ist. Die völlige Gleichartigkeit mit dem Inhalt des 
Primärtumors und die in weitester Ausdehnung selbständige 
Wandung des secundären Tumors machen eine solche Erklärung 
unmöglich. 

Ebensowenig kann in unserem Falle von einer Entstehung 
des Pseudomyxoms durch Metastase, d. h. durch „Implantation“ 
von Geschwulstzellen, wie Ols hausen 6 ) zuerst gemeint hat, 
die Rede sein. Es ist wohl nach der oben gegebenen Beschreibung 
mit grosser Sicherheit zu erkennen, dass eine entzündliche (viel¬ 
leicht nur durch die Stieltorsion entstandene) Verklebung und 
Verwachsung der Tumorwand mit dem Peritoneum einzelne 
Stücke der ersteren in den zum weiteren, Wachsthum erforder¬ 
lichen Ernährungszustand versetzt hat. Eine Wanderung von 
Geschwulstpartikeln, die zu dem Begriff „Metastase“ wohl ge¬ 
hört, ist also nicht die Ursache des Recidivs gewesen. Ob eine 
solche in anderen Fällen nachweislich zur Implantation und Ent¬ 
stehung des Pseudomyxoms geführt hat, muss ich dahingestellt 
sein lassen. 

Wenn nun in meinem Falle der secundäre Tumor eine, wie¬ 
wohl sehr brüchige, doch einheitliche, vielfach vom Peritoneum 
ganz unabhängige Eigenwandung hatte, so erklärt sich das wohl 
so, dass die kleinen Cysten in dem Maasse, wie sie sich ver¬ 
mehren, heranwachsen und pseudomucinös degeneriren, auch zum 
Theil durch Zerstörung der Zwischenwände zusammenfliessen, 
und so schliesslich eine grosse, zum Theil mit kleineren gefüllte 
Cyste entsteht, ganz wie im primärem Tumor. 

Betrachte ich min den weiteren Verlauf und den Befund bei 
der dritten Operation, so scheint es mir ganz klar, dass der ge¬ 
wöhnliche Fortschritt der Krankheit zu immer ausgedehnteren 
Verklebungen und Verwachsungen zwischen Tumorwand und 
Bauchfell führt, da dies, wie der Ascites zeigt, sich im Zustand 
starker katarrhalischer Reizung befindet. Dabei geht dann einer¬ 
seits das seröse Epithel des Bauchfells verloren, andererseits 
wird die Tumorwand vom Bauchfell aus vollständig vasculari- 
sirt und lässt sich von ilun auch im mikroskopischen Bilde nicht 
mehr abgrenzen. Endlich tritt dazu die pseudomucinöse Degene¬ 
ration, die, so gut sie die inneren Scheidewände zerstört, auch 
die histologisch gleichwerthige Aussenwand des Tumors angreifen 
kann. Solche späte Stadien der Erkrankung sind es wohl meist 


*) N e t z e 1 : Om Ovarialmyxom. Nord. med. Archiv, Bd. 17. 
1880. 

») Beinüch: Zur Casuistik der Ovarialtumoren. Charite- 
Annalen I, 1874 und Mayer : Ueber Cystoma ovarii mit Ruptur, 
ebenda V, 1880. 

<) Mennig: Ueber rnyxomatöse Entartung des Bauchfells. 
Dissert. Kiel, 1880. 

5 ) Westermark und A n n e 1 : Ett fall af glandulär- 
myxomatös Ovarialkystom. Hygiea; Festband 1890. 

# ) Olshausen: Ueber Motastaseubildung bei gutartigen 
Ovarialtumoren. Zeitschr. f. Geb. u. Gynäk., Bd. 9. 


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gewesen, die einige Forscher ganz begreiflicher Weise veranlasst 
haben, sie als eine vom Peritoneum ausgehende anzusehen. 
(Schluss folgt) 


Aus dem Röntgeninstitut von Dr. Albers-Schönberg und 
Dr. R. Hahn in Hamburg. 

Die Therapie des Lupus und der Hautkrankheiten 
mittels Röntgenstrahlen. 

Von Dr. R. Hahn und Dr. Albers-Schönberg. 

(Schluss.) 

Aus diesen 14 Krankengeschichten ist der gute und heilende 
Einfluss der Röntgenstrahlen auf die ekzematös erkrankte Haut 
zu ersehen. Nässende Ekzeme trockneten nach ein- bis vier¬ 
maliger Bestrahlung und blieben trocken, bei juckenden Ekzemen 
blieb oft schon nach einmaliger Bestrahlung das lästige, oft Jahre 
lang vorhanden gewesene Jucken dauernd fort. Ebenso wurden 
die trockenen Ekzeme überaus günstig beeinflusst. Durchschnitt¬ 
lich nach der vierten Sitzung trat eine, geradezu auffallende Ver¬ 
änderung ein. Die bis dahin wie abgestorben aussehende Stelle 
bekam ein frischeres Aussehen, als ob sie zu neuem Leben er¬ 
wacht sei, die Rhagaden waren verschwunden, die Fläche glatt, 
etwas geröthet, Borken hatten sieh nicht wieder gebildet. 
Kleinere Ekzemstellen waren nach wenigen Bestrahlungen be¬ 
reits geheilt und konnten unbehandelt bleiben, grössere bedurften 
einer etwas längeren Bestrahlung. In allen Fällen, auch in den 
hartnäckigsten, erreichten wir zunächst einen günstigen Erfolg. 
Freilich war derselbe auch hier, wie beim Lupus, nicht immer 
ein definitiver, da auch in den Ekzemfällen Recidive auftraten. 
Hierbei machten wir dann die Beobachtung, dass die Wirkung 
der X-Strahlen, je häufiger die Recidive wiederkehrten, ent¬ 
schieden geringer wurde. Das recidivirte Ekzem wurde nicht 
mehr nach den allerersten Sitzungen sofort günstig beeinflusst, 
sondern es bedurfte einiger Sitzungen mehr; die Recidive re- 
agirten nicht mehr so prompt. 

Dagegen vermochten eventuelle Medicamente, die vorher 
absolut wirkungslos gewesen waren, wieder ihre Wirkung zu ent¬ 
falten und vollendeten die durch die Röntgenstrahlen eingeleitete 
Regeneration, so dass also indirect doch eine gute Beeinflussung 
der Bestrahlung constatirt werden konnte. 

Uebereinstimmend gaben alle Patienten an, dass das Jucken 
bereits nach den allerersten Sitzungen aufhörte und dauernd 
fortblieb. Am auffallendsten war dies in dem Falle No. 7 des 
Herrn A., der an einem Ekzema scroti litt, das ihm viele Nächte 
hindurch während einer Reihe von Jahren die Nachtruhe geraubt 
hatte. Dasselbe hatte bereits nach der ersten Bestrahlung an 
Intensität verloren und war nach der dritten Bestrahlung ver¬ 
schwunden, um erst nach 4 V 2 Monaten mit dem Recidiv wieder 
zu erscheinen. Auch das Recidiv wurde wieder durchaus günstig 
beeinflusst. 

Interessant war noch Fall 14, insofern nämlich wohl, als dass 
das Ulcus cruris umgebende Ekzem und das Oedem abheilte, das 
Ulcus selbst aber wenig beeinflusst wurde. 

Einen definitiven Haarausfall haben wir nicht erlebt Ob¬ 
wohl in einigen Fällen der Schädel an den bestrahlten Partien 
glatt wie eine Billardkugel war, kamen die Haare nach Aus¬ 
setzung der Behandlung in alter Stärke wieder. 

Von anderen Hautkrankheiten haben wir behandelt: 

15. Knabe A. Favus des Kopfes. Die ganze, etwa der Calotte 
entsprechende Oberfläche des behaarten Kopfes ist von der Affec- 
tton eingenommen. 

Besteht seit 4 Jahren. 

15 mal bestrahlt. 

Nach 15 maliger Bestrahlung reactive Röthung der bestrahl¬ 
ten Partien. Unter zunehmender Reactlon lassen sich die Haare 
21 Tage nach Beginn der Behandlung mühelos ansziehen. 

Nach 3 y 2 Monaten wachsen die Haare wieder und sind überall 
fest. Nach ca. 1 Jahr ist die Haut der bestrahlten Partien weich, 
der normalen Haut ähnlicher, als die nicht behandelten Theile des 
Kopfes, auch zeichnen sich die bestrahlten Partien durch reich¬ 
licheren Haarwuchs aus. 

16. Lehrer Z„ 62 Jahre. Seit mehr als 30 Jahre bestehende, 
immer wieder recidivirende Sycosis non parasitaria der Oberlippe, 
die in Folge dessen etwas elephantiastisch verdickt Ist 

Bereits nach 2 maliger Bestrahlung erscheint die Oberlippe 
weniger dick, die Pusteln sind eingetrocknet. Nach 12 maliger Be¬ 
strahlung Reaction in Gestalt von Röthung der Oberlippe. Nach¬ 
dem die Reaction abgeheilt, ist auch die Sycosis verschwunden. 
6 Wochen später stecknadelkopfgrosses Pustelchen auf der Ober¬ 
lippe, das elektrolytisch behandelt wird. 

4* 

Original from 

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No. 11. 


304 MÜNCHENER MEDICINISOHE WO(’HENSCHRIFT. 


4 Monate hindurch Alles hell, die Oberlippe von vollkommen 
normaler Figuration, dann wieder pfennigstückgrosse Stelle unter 
dem Septum, in derselben einzelne sleekuadelkopfgrosse Eiter- 
knötclien. Nach einer energischen Pinselung, auch des Nasen- 
iitnern, mit Tinct. jodi zunächst Alles heil. 

Auch in diesem Falle zunächst eine vorzügliche Wirkung, 
später aber wieder Recidiv, vom Naseninuern ausgehend, das aller¬ 
dings bis jetzt durch keine Eingriffe im Zaum gehalten werden 
konnte. 

17. und 18. 2 Fälle von Psoriasis vulgaris: 

Knabe K.. 11 Jahre, seit II Jahren bestehende Psoriasis vulgaris 
am rechten Ellenbogengeleuk von Handtellergrösse, links von 
Markstückgrösse. 

Nach 7 maliger Bestrahlung haben sich die breit aufliegenden 
Schuppen gelöst und können abgehoben werden ohne jegliche 
Blutung, nach 12 maliger Bestrahlung trat eine Excoriation der 
bestrahlten Partie ein, die zunächst feucht, dann mit der Barde 
lebe n’sclien Brandbinde (Wismutld behandelt wurde und schnell 
abheilte. 

4 Wochen nach der Heilung bildeten sich am Rande der Ex- 
coriatiou frische bis linsengrosse Psoriasisflecken. Gleichzeitig be¬ 
gann eine Pigmentverschiebung vom Centrum der exeoriirt ge¬ 
wesenen Partie nach der Peripherie zu. die sich in den nächsten 
Wochen vermehrte und erst nach 0 Wochen abzublassen begann. 
Nach einem Jahr ist die bestrahlte Stelle selbst nicht reeidivirt. 
wohl aber sind am Rande innerhalb der ephelidenartig piginen- 
tirten Zone von Zeit zu Zeit kleine Herde von Psoriasisplaques auf¬ 
getreten. Die gelblich-braune Pigmentirung wesentlich zurück¬ 
gegangen, aber immer noch kenntlich. 

Martha O.. 13 Jahre. 

Leidet seit 2 Jahren an Psoriasis vulgaris der Ellenbogen¬ 
gegend und Kniegelenke über Patella. Nach 5 maliger Bestrahlung 
stossen sich die Schuppen ohne Blutung ab, neue Schuppen bilden 
sich nicht wieder. Dagegen tritt eine Pigmentirung in Gestalt von 
gelben Flecken besonders am Rande der bestrahlten Partie auf. 
Nach 11 maliger Bestrahlung Aussetzen der Behandlung. Nach 
14 tägiger "Unterbrechung Beginn der Bestrahlung der Kniegelenke. 
An einem Ellenbogen hat sich über dem Olekranon eine geröthete 
Stelle gebildet, die leicht exeoriirt. Die Excoriatiou heilt in 
8 Tagen unter Borsalbe. Nach 4 Wochen Kniegelenke geheilt. Am 
Rande der bestrahlten Partien überall die schon mehrfach be¬ 
schriebenen Pigmentverschiebungen. 

Die Erfolge bei diesen beiden Psoriasisfällen sind nicht 
gerade sehr ermuthigend. Es besteht entschieden eine erhöhte 
Disposition der psoriatischen Stellen zur Excoriation. Auch die 
Pigment.Verschiebung scheint bei der Psoriasis eine stärkere zu 
sein. Bei weiteren Versuchen müssen die Psoriasisfälle jedenfalls 
mit äusserster Vorsicht behandelt werden. Auch eignet sich das 
Verfahren ja nur für kleinere eircumscripte Stellen. 

Als letzten möchten wir dann noch einen Fall mittheilen, 
in dem die Röntgenstrahlen differentialdiagnostisch den Aus¬ 
schlag gaben. 

19. Herr P. An der linken Seite der Nase, vom inneren Augen¬ 
winkel abwärts, ein groschengrosses Geschwür, dessen Ränder 
wallartig aufgeworfen und zerfressen, dessen Grund mit spär¬ 
lichem Eiter bedeckt. Das Ulcus wurde von specialärzriieher Seite 
und von einem pathologischen Anatomen für tuberculös erklärt. 
Wir hegten Zweifel an der Diagnose Lupus, obwohl luetische 
Infection stricte geleugnet und auch Jodkali in grösseren Dosen 
vergeblich verordnet worden war. Ein Thierimpfversuch viel 
negativ aus. Auf Wunsch des behandelnden Arztes Röntgen¬ 
bestrahlung. 

Nach 8 maliger Bestrahlung keine Spur von Veränderung. 
Nach nochmaliger Rücksprache mit dem behandelnden Arzte unter¬ 
zog derselbe den Herrn einer energischen Mercurialcur und nun¬ 
mehr heilte das seit Jahr und Tag bestehende und vielfach recidi- 
vlrte Geschwüre innerhalb 14 Tagen vollkommen ab. Patient ent- 
sann sich nun auch einer einige Jahre zurückliegenden extra¬ 
genitalen Infection. 

Es wurde also bestätigt, was auch Kümmell schon betont 
hat, dass die Röntgenstrahlen auf luetische Ulcerationen im 
Gegensatz zu den lupösen keinen heilenden Einfluss ausüben. 

Von allergrösster Wichtigkeit für die Erzielung guter Re¬ 
sultate ist ausser Erfahrung und Uebung eine gute und zuver¬ 
lässige Technik. Trotzdem widerholt auf diesen Punkt hin¬ 
gewiesen worden ist, begegnet man immer wieder der bedauer¬ 
lichen Thatsache, dass mit Hintansetzung aller Sachkenntnis 
Besitzer von Röntgenapparaten Behandlungen, ja selbst Durch¬ 
leuchtungen zu diagnostischen Zwecken vornehmen, welche mit 
schwere Verbrennungen und Schlimmeren enden. 

Wer heutzutage bei der Abkürzung der Expositionszeit, 
welche für Beckenaufnahmen z. B. zwischen 20 Secunden und 
10 Minuten schwankt, in Folge längerer Bestrahlungen Ver¬ 
brennungen etc. erzielt, der thiite besser, sich mit der Röntgen¬ 
technik nicht zu beschäftigen. Bei sachgemässer Anwendung 
der X-Strahlen können Schädigungen durch Verbrennungen etc. 
bei diagnostischen Untersuchungen mit Sicherheit vermieden, bei 


therapeutischen Bestrahlungen auf ein Minimum herabgemindert 
worden. 

Wenn K a p o s i sagt, wir bedienten uns bei der Röntgen¬ 
therapie eines Mittels, dessen Natur wir nicht kennen uud dessen 
schädigende Nachwirkungen nicht mit Sicherheit vermieden 
werden könnten, so steht dieses mit dem Thatsüchlichen nicht im 
Einklang. Bei genauer Dosirung, und gerade diese lässt die 
Röntgenbehandlung wie keine andere Methode zu, können wir 
sehr wohl die schädigenden Momente vermeiden. Wer allerdings, 
um einen zu reichlichen Haarwuchs vom Handrücken zu ent¬ 
fernen, letzteren dermassen bestrahlt, dass Gangraen entsteht, 
der verfügt eben nicht über die erforderlichen Sachkenntnisse. 
Seit Jahren in der Lage, mit Röntgenstrahlen zu arbeiten, habe 
ich wiederholt in Folge Benutzung meiner Hände als Testobject 
für die Strahlenintensität leichte Reactionen auf dem Hand¬ 
rücken gehabt mit dem unfreiwilligen Erfolg einer absoluten 
Enthaarung des letzteren, mir eine schwerere Verbrennung zu¬ 
zuziehen, habt* ich mich indessen wohl gehütet. 

Wer ferner, wie uns dieses bereits vorgekommen, die Be¬ 
handlung mit dem Röntgenapparat in die Hände von Schwestern 
oder anderem Krankenpflegepersonal legt, kann sieh ebenfalls 
nicht wundern, wenn er die unerwünschten Ereignisse 
mit in den Kauf nehmen muss. Man überträgt doch auch der 
Hebamme nicht die Anlegung der Zange. Bei der Röntgen¬ 
behandlung hat man vielfach völlig den richtigen Standpunkt 
verloren. Es ist eben kein Senfpapier, das applicirt wird, 
sondern ein eingreifendes Mittel, vergleichbar mit der Ilol- 
lä n d e Eschen Heissluftkauterisation und anderem, das richtig 
gebraucht, grossen Nutzen stiftet, falsch angewendet unter Um¬ 
ständen für Patient und Arzt schweren Nachtheil im Gefolge 
haben kann. 

Ein anderer iivs Gewicht fallender Punkt ist schliesslich der, 
dass sowohl zu viel als auch zu wenig des Guten gethan werden 
kann. In letzterem Falle wundert man sich, die gerühmten Re¬ 
sultate nicht zu beobachten und ist geneigt, die Methode zu unter¬ 
schätzen, während doch nur ungenügende Technik am Miss¬ 
erfolge Schuld war. 

Um zunächst einen Grundfehler, der oft gemacht wird, zu 
besprechen, so ist es falsch, in der Behandlung des Lupus und 
anderer Hautkrankheiten so lange und so intensiv zu bestrahlen, 
dass eine Excoriation resp. Dermatitis entsteht. Eine Dermatitis 
darf absichtlich höchstens dann erzeugt werden, wenn es 
sieh um kleine eircumscripte Krankheitsherde resp. Lupusknoten 
handelt und auch in solchen Fällen würden wir es, schon allein 
vom praktischen Standpunkte aus, vorziehen, elektrolytisch oder 
nach der U n n a’schen Spickmethode zu verfahren. Die Röntgen¬ 
behandlung hat ihr Gebiet in der Behandlung grösserer Flächen, 
nicht einzelner isolirt stehender Knötchen. Sollte wirklich bei 
einem kleinen Herde je Dermatitis resp. Gangraen eintreten, so 
hat man die Behandlung eben wegen der Kleinheit der Affection 
doch viel mehr in der Hand als bei grossen flächenhaften Schä¬ 
digungen. In der Behandlung grosser Lupuspartien, um es zu 
präcisiren, von ca. Einmarkstückgrösse an, soll jede Dermatitis 
ängstlich vermieden werden, da sie für den Verlauf überflüssig, 
in vielen Fällen zwar unschädlich, in vielen dagegen 
geradezu schädlich sein kann. Die Dermatitis lässt sich 
nach unseren Erfahrungen bei der nöthigen Vorsicht 
vermeiden, wenn man genau auf die Zeichen der beginnenden 
Reaction achtet. Nach einer gewissen Anzahl von Sitzungen 
empfindet der Patient ein leichtes Jucken und Wärmegefühl 
resp. ein leichtes Brennen. Dieses ist das erste Zeichen der be¬ 
ginnenden Reaction und in diesem Moment ist die Behandlung 
auszusetzen. 

Bei fortgesetzter Bestrahlung röthet 9ich das bestrahlte 
Feld, worauf die Reaction eingetreten ist. Im Zeitpunkt der be¬ 
ginnenden Röthung muss die Bestrahlung unter allen Um¬ 
ständen ausgesetzt werden und zwar so lange, bis letztere völlig 
abgezogen und weder Jucken noch Wärmegefühl mehr vorhanden 
ist. Es wird bei diesem Verfahren die cumulative Wirkung in 
Berücksichtigung gezogen, welche die Reaction noch einige Zeit 
Ansteigen lässt. Ist rechtzeitig aufgehört, dann wird auch die 
cumulative Wirkung nicht mehr zur Dermatitis führen. In 
diesem Stadium fälschlich fortgesetzte Bestrahlung führt zur 
Excoriation, Dermatitis, Gangraen u. s. w. 

Von grösster Wichtigkeit sind ferner folgende Punkte: 
1) Röhrenqualität; 2) Röhrenabstand; 3) Stromspannung des 


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13. März 1900. 


MÜNCHENER MED1CINISCHE WOCHENSCHRIFT. 



iiidueirten Stromes; 4) Zahl der Unterbrechungen; ö) Dauer der 
Sitzungen; ß) Schutzvorkehrungen. 

Zur Behandlung kann man sowohl sogenannte weiche 
(contrastreiche) wie harte (eontrastsehwaehe) Köhren benutzen. 
Die letzteren sind wesentlich wirksamer auf die Haut als die 
ersteren, was sich daraus ohne Weiteres erklärt, dass sie Strahlen 
grösserer Intensität produeireu. Am zweck in lässigsten verwendet 
man gute, neue Köhren, welche bezüglich ihrer Intensität etwa 
für Keckennufnahmen ausreichen. Die Köhre muss absolut 
stellen, d. h. gleichmüssig und ohne auszusetzen arbeiten. Alte, 
abgenutzte, für die Röntgenographie bereits untaugliche Köhren 
sollten zur Behandlung nicht benutzt werden. 

Ein Nachtheil dieser Köhren bestellt darin, dass sie im Ge¬ 
brauch schnell hart werden, man thut daher gut, Köhren mit 
Kegulirvorrichtung zu nehmen. 

Letztere ermöglichen die Herstellung des erforderlichen 
Yaeiiiuns ohne besondere Mühe. Die Firma C. II. F. M üller 
in Hamburg hat auf unsere Veranlassung eine Köhre hergestellt, 
welche in Folge ihrer vorzüglichen Kegulirvorrichtung zu 
Behandluugszwecken empfohlen werden kann. 

Die Wahl des KöhrenabstaIldes von denn zu behandelnden 
Körpertheil ist von ausserordentlicher Wichtigkeit. Je weiter 
die Köhre entfernt wird, um so geringer wird die Wirkung. 

Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass der Anfänger 25 bis 
30 ein grosse Abstände, der Geübte 5 bis 25 cm vorziehen wird. 
Bei nahem Abstand ist die Wirkung eine wesentlich sicherere, 
schnellere und intensivere, es kommt daher hier besonders auf 
genaue Beobachtung an, um den Zeitpunkt des Eintrittes der 
Keaction nicht zu übersehen. Indessen möchten wir doch, um 
sicherere und schnellere Resultate zu erzielen, die nahen Ab¬ 
stände besonders empfehlen. Die Rühre wird genau nach den¬ 
selben Prineipieii, wie bei der Röntgenographie eingestellt, d. h. der 
Platinspiegel ungefähr parallel dem zu bestrahlenden Kürper- 
theile. Als Stromquelle verwenden wir den von den Elektricitäts- 
werken gelieferten Lichtstrom. Die der Primärrolle zugeführte 
Stromstärke beträgt ca. 3—4 Ampere und 30 Volt. 

Wir bedienen uns vorwiegend eines Inductors von 30 cm, 
bisweilen eines solchen von 40 cm Funkenlänge. Bei der An¬ 
schaffung eines neuen Behandlungsapparates würden wir einem 
40 cm- event. auch 50 cm-Apparat den Vorzug geben. Jedoch 
müsste ein solcher Apparat den höchsten Anforderungen gerecht 
werden. * 

Zunächst ist zu verlangen, dass er sowohl mit Iig-Motor 
wie mit dom elektrolytischen Unterbrecher dauernd seine volle aus¬ 
bedungene Funkenlänge gibt, wobei der Fabrikant den jeweiligen 
Stromansebluss (Lichtleitung oder Accuinulatoren) zu berück¬ 
sichtigen hat. Ein solcher Inductor muss einer ausserordent¬ 
lichen, stundenlangen täglichen Beanspruchung gewachsen sein. 
Die Dauer der Einzelbenutzung wird |§ Stunde kaum über¬ 
schreiten. Der Hg-Motorunterbrecher darf ebenfalls an Stabi¬ 
lität dem Inductor wegen der grossen Beanspruchung nicht 
nachstehen, wichtig ist ein möglichst geräuschloser Gang. Sehr 
zweckmässig und für die Mobilität der Behandlungsapparate 
von Bedeutung dürfte die Anordnung aller Einzelapparate auf 
einem fahrbaren Tisch sein. Man kann alsdann von allen Seiten 
bequem an den Patienten herankommen, ferner kann man die 
Behandlung bald in diesem, bald in jenem Zimmer, event. auch 
im Hause des Kranken vornehmen. 

Als Unterbrecher dient uns der gewöhnliche Hg-Motorunter¬ 
brecher mit einer Unterbrechungszahl von ca. 35—50 Touren in 
der Secunde. 

An dieser Stelle ist auf den neuen elektrolytischen Unter¬ 
brecher von W e h n e 11 hinzuweisen, welcher unseres Erachtens 
berufen sein wird, später eine Rolle in der Behandlung zu spielen. 
Für das erste ist die erforderliche Röhre, welche den Wirkungen 
des genannten Unterbrechers dauernd Stand hält, noch nicht 
construirt worden, immerhin sind wir in der Lage, durch Ver¬ 
suche an der eigenen Person eine sehr erhebliche Steigerung 
der Einwirkung auf die Haut constatiren zu können. 

Die Dauer der täglichen Sitzungen bemessen wir verschieden. 
Im Beginn, d. h. den ersten und zweiten Tag, wird im Allgemeinen 
nicht länger als 10 Minuten bestrahlt, um eine event. gesteigerte 
Empfindlichkeit des Patienten nicht unberücksichtigt zu lassen. 
Verhält sich die Haut nach diesen Probeversuchen normal, so 
verlängern wir die Sitzungen auf 20 Minuten bis zu % Stunde. 


Dieses ist die höchst zulässig«- Dauer der Einzelsitzung, längere 
Sitzungen sind absolut zu vermeiden. 

Die Gesammfzeit der Behandlung ist entsprechend den zu 
behandelnden Krankheiten eine verschiedene. Am längsten 
muss, wie dies in der Natur der Sache liegt, der Lupus behandelt 
werden. Fis dürften unter allen Umständen Monate erforderlich 
sein, wobei die Pausen bei oingetretener Keaction mitzurechnen 
sind. Eine kurze Behandlung verlangen die Ekzeme, 12—20 
Sitzungen werden vielfach vollständig genügen. Gerade bei den 
Ekzemen muss vor dein Zuviel gewarnt werden und auch hier 
dürften Pausen einzuschalten sein (event. empfehlen sich nur ein 
um den anderen Tag vorgcnonimene Behandlungen). Bei zwei 
juckenden Ekzemen s. o. bessorte sieh das Jucken bereits nach 
einmaliger viertelstündiger Bestrahlung bei 20 em Abstand und 
»erscbwand völlig nach einigen weiteren Sitzungen. 

Bei der Restralilung von Psoriasis wird man, was hier bei¬ 
läufig bemerkr werden mag, die Beobachtung machen, dass schon 
nach ca. viermaliger Bestrahlung die Schuppen, ohne zu bluten, 
sich leicht abheben lassen. Ist dieses der lall, dann empfiehlt 
sich eine Pause, da gerade die psoriasiskrankc Haut besonders zu 
Excoriation unter Röntgenbestrahlung neigt. Die bei dieser Be¬ 
handlungsweise nothwemlig werdenden Pausen verwendet man 
am besten zur Application von Lanolin- oder Vaselin verbänden, 
die nach 24 Stunden durch Amylum- oder Lycopodium-Streu- 
pulvervcrbiinde ersetzt werden. Die genannten Salbenverbände 
erleichtern in vielen Fällen die Röntgenbehandlung vermöge ihrer 
die Haut erweichenden Wirkung wesentlich. 

Die sorgfältige Abdeckung der nicht zu bestrahlenden 
Partien, eine eigentlich selbstverständliche Vorsicht, wird nicht 
selten zum Schaden des Patienten ausser Acht gelassen. Die 
Folge davon ist Keaction, Dermatitis, Defluviuin capillitii am 
falschen Ort. Wir bedienen uns z. B. bei Bestrahlungen des 
Armes eines senkn-cht stehenden, mit mehrfachen Lagen 
Stanniol beklebten Pappsehiraios, unter welchem der Arm des 
Patienten durehgeschoben wird, die übrigen Theile des Patienten 
sind also vollständig vor der Strahlenwirkung geschützt. Auf 
den Arm wird ein zweites der Form desselben angepasstes Stanniol- 
Pappschild aufgelegt, aus welchem entsprechend der Grösse der 
Affeetion ein Loch ausgeschnitten ist. Bei Bestrahlungen des 
Kopfes rosp. Gesichts kommen grosse Stanniolpappmasken oder 
Bleischilder zur Anwendung. Letztere überragen weit nach oben 
die Stirn und bilden dadurch eine Art Kappe zum Schutze der 
Haare. Brust und Hals sind ebenfalls durch Pappschilder 
gedeckt. 

Die Herstellung dieser Masken, welche ein Buchbinder nach 
Maass für jeden Patienten extra anfertigt, ist äusserst einfach 
und billig. 

Vielfach kommen auch Maskenschilder aus dünnem Blei zur 
Verwendung; wir haben dieselben wegen der Schwere und der 
Wärme, namentlich im Sommer, bisher wenige r zur Anwendung 
gebracht. Es ist uns bis jetzt noch keinmal eine reactive 
Röthung u. s. w. einer durch Stanniol-Pappe-Schutzvorrichtung 
gedeckten Stelle zur Beobachtung gekommen, was um so ver¬ 
wunderlicher ist, als die Röntgenstrahlen bei Controle mittels 
des Bainumplatincyanürschirms die mit Stanniol gedeckte Pappe 
in nur unwesentlichem Grade abgeschwächt durchdringen. Viel¬ 
leicht dürfte dieses Phänomen bei Erklärungsversuchen der Haut- 
einwirkungen der Strahlen mit in Betracht zu ziehen sein. 

Die Lösung dieser und anderer Fragen in dem noch vielfach 
völlig dunklen Gebiete der physiologischen Wirkungen der 
Röntgenstrahlen wird erst nach Beibringung einer sorgfältig 
zusammengetragenen (’asuistik, wie solche durch die von der 
Redaetioii der „Fortschritte auf dem Gebiete der Rüntgen- 
strahlen“ begonnenen Sannnelforschung angestrebt wird, er¬ 
wartet werden können. 

Schlussfolgerung e n. 

1. W i r besitz e n i n d e n R 5 n t. g e n s t r a h 1 c n 
ein Mittel, w e 1 c h e s auf Lupus u n d n u d c r c 
II a u t k r a n k h c i t e n sic li e r u n d g ü n s t i g wirk t. 

2. Es beseitigt absolut sicher das den Lupus 
b e g 1 ei t e n <1 e E k z c m u n d d i e d u r e h d e n s e 1 b e n 
entstandenen e1ep ha n t i a s tis c h e n Verdick- 
u n g e n u u <1 e i g n e t sich i n F o 1 g e dessen 

3. z u r F 1 ii c h o n b e h a n d 1 u n g und Behand¬ 
lung grössere r Partie n. 


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366 


No. 11. 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


4. R e c i d i v c sind bei dieser Methode eben- 
so wenig ausgeschlossen wie bei jeder anderen 

Behandlungsmethode. 

5. Die Behandlung mit Röntgenstrahlen 
s e h 1 i e s s t durchaus nicht andere Bella n d - 
1 u n g s in c t h o d e n aus, sie ergänzt viel m ehr die 
letzteren oder lässt sieh zweckmässig mit 
i li n e n e o m b i n i r e n. 

6. Was vom Lupus gesagt ist, gilt in erste r 
Linie a u e h v o m E k z e m, f e r n e r v o ti einer Reiht 
n o e li näher bezüglich dieses Punktes zu stu- 
d i r e n d e r Hautkrankheiten. 

7. B e i geeigneter I) o s i r u n g und genügen¬ 
der technischer Fertigkeit kann man s c h ä d - 
liehe Nebenwirkungen wie z. B. I) e r m a t i t i s, 
E x e <i r i a t i o n e n , Gangraen u. s. w. sicher v e r - 
m ei d e n. 


Dr. Ottmar Hofmann f. 

Warmen Sonnenschein und milde Lüfte sandte die vom 
Winterschlaf wiedererwachendc Natur auf das Grab eines ihrer 
liebsten Söhne, eines ihrer begeistertsten Verehrer. Begleitet von 
seinen tief trauernden Freunden, College» und Amtsgenossen 
wurden die sterblichen Ueberreste des am 22. Februar verlebten 
Regierungs- und Kreismedicinalrathes I)r. O ttmar Hof- 
m a n n der Mutter Erde wieder übergeben, auf welcher er bis zu 
seinem 65. Lebensjahre gerne gelebt und segensreich gewirkt 
hatte. Ein Menschenleben hat hiermit seinen würdigen Abschluss 
gefunden, welches werth ist, in seinen einzelnen Momenten näher 
betrachtet zu werden, den Ueberlebenden zum Tröste und freund¬ 
schaftlichen Gedenken, der heranwaehsenden Generation zum 
leuchtenden Beispiele ehernen Fleisses und seltener Berufstreue. 
Der Verlebte war Arzt und Naturforscher; nach beiden Rich¬ 
tungen hat er sich grosse Verdienste erworben. Sein Leben als 
Naturforscher wird auf einem anderen Blatte beschrieben werden. 
Hier soll vorwiegend der Arzt geschildert werden, wie er seit 
nunmehr 4 Decennien unter uns gelebt und gewirkt hat. 

Ottmar II o f m a n n war geboren zu Frankfurt a. M. 
am 20. September 1835 als der ältere Sohn eines Beamten der 
fürstlich Thum und Taxis’schcn Reichspostverwaltung. Nach 
deren Ablösung wurde sein Vater als Rechnungsrath zur fürst¬ 
lichen Verwaltung nach Regensburg versetzt, wo sieh der talen- 
tirte Knabe bald zum hoffnungsvollen Jüngling entwickelte. Das 
Gymnasium zu Regensburg wurde von dem fleissigen Schüler mit 
bestem Erfolge im Jahre 1853 absolvirt, und dann die Universität 
Erlangen zum Studium der Medicin bezogen. Schon als Knabe 
entwickelte sich in II o f m a n n eine ausgesprochene Neigung 
zu den Naturwissenschaften, speciell zur Entomologie, angeregt 
durch die gleiche Neigung seines Vaters, welchen er und sein 
jüngerer Bruder auf den Wanderungen durch die schöne Um¬ 
gebung Regensburgs begleiteten, soweit es Zeit und Studium 
erlaubten. Mächtig gefördert wurde diese Neigung durch den 
Verkehr mit dem berühmten Entomologen Dr. Herr ich - 
Schäffer, welcher belehrend und aneifemd auf die jungen 
Forseher einwirkte und nicht wenig zur späteren Lebensrichtung 
unseres Hofmann beigetragen hat. Sein Eifer im Studium 
machte ihn bald zum Liebling seiner Lehrer in Erlangen. Die 
Vertreter der naturwissenschaflichen Fächer, Will, Schniz- 
lein, Rosenhauer, wurden auf den strebsamen Jüngling 
aufmerksam und zogen ihn zu ihren speciellen Arbeiten herbei, 
neben welchen er jedoch das Hauptstudium, die Medicin, in keiner 
Weise vernachlässigte, sondern mit dem ihm angeborenen Fleisse 
und Wissensdurst eifrigst verfolgte. Seine Lehrer G e r 1 a c h, 
Dietrich, Th i e r s c h , lernten den liebenswürdigen Schüler 
hochschätzen, der neben einem ernsten Studium immer noch Zeit 
fand, einem fröhlichen Studentenleben im Corps Bavaria nicht 
ferne zu bleiben. Nach rühmlich bestandenen Prüfungen brachte 
Hofmann auch das damals erforderliche Biennium praeti- 
ruin in Erlangen zu, während welcher Zeit er sich auch in den 
naturwissenschaftlichen Fächern weiter ausbildete und von Prof. 
Will als Assistent der vergleichenden Anatomie verwendet 
wurde. Im Jahre 1859 absolvirte Hofmann auch das Physi- 
katsexamen, wie es bei seinem Fleisse nicht anders zu erwarten 
war, mit der ersten Note, und promovirte zum Doctor medicinae 

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mit einer naturwissenschaftlichen Dissertation: „Ueber die 
Naturgeschichte der Psychiden“. Von der k. Staatsregierung 
mit einem Reisestipendium bedacht, besuchte Hofmann im 
Jahre 1860 die Hochschulen in Berlin, Prag und Wien, überall 
neben seinem Fachstudium die sich ihm bietende Gelegenheit zur 
weiteren Ausbildung in seinem Lieblingsfache, der Entomologie, 
benützend. 

Wir haben an unserem verlebten Freunde einen sprechenden 
Beweis von der segensreichen Wirkung eingehender Beschäfti¬ 
gung mit der Mutter Natur und ihren Werken auf den ganzen 
Menschen, wie speciell auf den Arzt. Das eifrige Studium der 
Naturwissenschaften oder eines Zweiges derselben veredelt den 
Charakter, schärft die Sinne und das Beobaehtungsvermögen und 
gibt dem ganzen Geistesleben eine mehr ideale Richtung, dein 
Urtheil Klarheit, dem Forschersinne das Streben nach Wahr¬ 
heit, lauter Eigenschaften, welche den damit Begabten gewiss 
auch zum tüchtigen, rationellen Arzte befähigen müssen. LTiul 
alle diese Eigenschaften haben wir in unserem H o f m a n n in 
schönster Harmonie vereinigt gefunden. Er hat als Natur¬ 
forscher im In- und Auslande einen wohlverdienten Ruf erlangt ; 
er hat auch als Arzt sowohl in den schweren Jahren praktischer 
Thätigkeit auf dem Lande wie in seinen amtlichen Stellungen 
Hervorragendes geleistet und damit gezeigt, wie bei ungewöhn¬ 
lichem Fleiss und Ausdauer sich auf beiden Gebieten Grosses 
erreichen lässt, auf dem Gebiete der Beobachtung der Natur und 
ihrer Werke einerseits, wie auf dem Gebiete des Studiums der 
menschlichen Natur, ihrer Gesundheit und ihrer krankhaften 
Veränderungen. 

Seine ärztliche Thätigkeit begann Hofmann in Regens¬ 
burg, von wo er bald seitens der k. Regierung zur Verwesung der 
ärztlichen Stelle in Kastei in der Oberpfalz beordert wurde. 
Dort musste er eine Infectionskrankheit, den AbdomLnaltyphus 
durchmachen, eine Krankheit, gegen welche er später als Amts¬ 
arzt oft und erfolgreich anzukämpfen Gelegenheit hatte. Nach¬ 
dem er noch eine Zeit lang das Physikat in Neunburg v. W. ver¬ 
west hatte, liess er sich 1862 als praktischer und Hüttenarzt in 
Bodenwöhr nieder, woselbst er auch seine Familie gründete, 
welcher er zeitlebends ein treubesorgter Vater gewesen ist. Auch in 
Bodenwöhr brachte er den klimatischen Verhältnissen sein Opfer, 
indem er an Intermittens erkrankte. Im Jahre 1864 siedelte er 
nach Marktsteft in Unterfranken über, wo er in angestrengter 
praktischer Thätigkeit, geliebt von der Bevölkerung, bis zum 
Jahre 1873 segensreich wirkte, und einen tiefen Einblick in die 
schwierigen Verhältnisse des ärztlichen Standes thun konnte, 
welcher ihm für seine spätere amtliche Thätigkeit von hohem 
Werthe gewesen ist. 

Im Jahre 1873 berief ihn die k. Staatsregierung als Bezirks¬ 
arzt nach Obernburg, und schon 2 Jahre später nach Würzburg, 
und bewies er auch in den vielen Jahren seiner amtlichen Thätig¬ 
keit seine ausserordentliche Befähigung, seine unermüdete 
Arbeitskraft, seinen klaren Blick für die hygienischen Bedürf¬ 
nisse der ihm zugewiesenen Amtsbezirke. 

In Würzburg hatte Hofmann reichlich Gelegenheit, 
seinen durch die Naturstudien geschärften praktischen Sinn auf 
dem weiten Gebiete der Hygiene bestens zu bethätigen. Von der 
IJeberzeugung ausgehend, dass zur Bekämpfung der Volkskrank¬ 
heiten in erster Linie deren genaue Kenntniss nach ihrem zeit¬ 
lichen und räumlichen Auftreten nöthig sei, führte er in der 
Stadt Würzburg eine regelmässige, erschöpfende medicinisrhe 
Statistik ein, welche noch heute, getreu nach dem treffliehen 
Muster, fortgeführt wird. Die Jahrgänge 1871—1875 sind in 
den Verhandlungen der physikaliseh-mediciiiischen Gesellschaft 
gedruckt erschienen. Weiters veranlasste er Beobachtungen des 
Grundwassers, der Bodentemperatur, der Niederschlagsmengen 
u. dergl., welchen Arbeiten er sich mit grosser Gewissenhaftigkeit 
und bedeutendem Zeitaufwand zum Theil selbst unterzog. Die 
Höhe der Kindersterblichkeit in Würzburg veranlassten ihn, eine 
regelmässige Milchcontrole einzuführen. Auch die animale 
Impfung wurde von Hofmann eingeführt und nicht mehr ver¬ 
lassen. Grosse Aufmerksamkeit widmete er den WohnungsVer¬ 
hältnissen in den vielen engen, luft- und lichtarmen Strassen 
und alten Häusern und brachte möglichste Erweiterung der 
ersteren, Entwässerung und Reinigung des Bodens, Herstellung 
spülbarer Canäle, allgemeine Einführung der Wasserolosets in 
Anregung. Auch eine sorgfältige Ueberwachung der Kostkinder 
wurde eingeführt. Nur 4 J ahre blieb Hofmann in dieser Stel- 

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367 


13. Marz 1900. 


MÜNGHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


lung, hat aber in der kurzen Zeit so viel Segensreiches für die 
Stadt geleistet, dass er heute noch dort in bestem Andenken steht 
und sein Ableben tief beklagt wird. Die k. Staatsregierung er¬ 
kannte die vorzügliche Befähigung des Würzburger Bezirksarztes 
zur amtlichen Thätigkeit, und berief ihn schon im Jahre 1881 
auf die, durch die Pensionirung des Medicinalrathes Dr. Hassel- 
w a n d e r erledigte Stelle eines Kreismedicinalrathes der Ober¬ 
pfalz, welche Stelle er bis zu seinem Tode in der vorzüglichsten 
Weise verwaltete. Auch hier bot sich seinen hygienischen Be¬ 
strebungen ein noch viel grösseres Feld segensreicher Thätigkeit, 
und was er in den 19 Jahren seiner angestrengten Wirksamkeit 
im Regierungsbezirke Oberpfalz alles geleistet, das aufzuzählen 
würde den Rahmen dieser Zeilen weit überschreiten. 


Den schönsten Beweis für seine allgemeine Beliebtheit bot 
die grosse Trauer bei seinem Hinscheiden, die herrlichen Worte 
des Nachrufes, welchen ihm der k. Regierungspräsident Lutz 
am Grabe widmete. Er war für alle Aerzte des Kreises ein hilfs¬ 
bereiter, wohlwollender Berather, die amtlichen Aerzte konnten 
sich keinen besseren Vorgesetzten wünschen, und seine Erfah¬ 
rungen über die Mühen und Lasten des ärztlichen Berufes, 
namentlich auf dem Lande, verliehen ihm warme werkthätige 
Theilnahme für alle Klagen der Aerzte, ein gefühlvolles Herz für 
die Bestrebungen der ärztlichen Standesvertretungen nach He¬ 
bung des ärztlichen Standes, Verbesserung seiner materiellen 
und socialen Stellung. Reiche Gelegenheit hiezu war ihm ge¬ 
boten durch seine Stellung als Vorsitzender des ärztlichen Be¬ 
zirksvereines für Regensburg und Umgebung, welche er vom 
Jahre 1881 bis zu seinem Tode bekleidete. Allen dort verhandel¬ 
ten Fragen hat er stets reges Interesse und warme Theilnahme 
.entgegengebracht und das ärztliche Vereinsleben nicht nur in 
Regensburg, sondern auch im Kreise möglichst zu fördern ge¬ 
wusst durch die Veranstaltung jährlicher Kreisversammlungen 
der oberpfälzischen Aerzte, woselbst er manchen interessanten 
Vortrag hielt und für jeden Collegen ein offenes Ohr hatte. Auch 
den jährlichen Zusammenkünften der Aerztekanmier wohnte 
Ho f m a n n als Regierungseommissär mit grossem Interesse 
bei, und unterstützte die Verhandlungen durch seine reiche Er¬ 
fahrung und seinen trefflichen Rath. Aber der ärztliche Verein 
war nicht der einzige, der den fleissigen, bewährten Mann mit dem 
klaren Blick, dem ruhigen Wesen und dem liebenswürdigen 
Charakter an seine Spitze stellte. Der naturwissenschaftliche 
Verein, die botanische Gesellschaft, der Gartenbauverein sahen 
in dem berühmten Naturforscher ihren selbstverständlichen 
Führer. Der Verein für Feriencolonien hat den bewährten 
Hygieniker seit seiner Gründung an seine Spitze gestellt. Fast 
war es zu viel der Arbeit für den gewissenhaften Beamten, der 
dabei auf seinem erwählten Specialgebiete der Naturforschung 
unermüdlich thätig blieb, und seinem Namen eine im In- und 
Auslande weit verbreitete Berühmtheit erwarb. Selbst auf seinen 
Dienstreisen im Kreise, wenn der Tag mit angestrengter amt¬ 
licher Arbeit reichlich ausgefüllt war, wusste der Unermüdliche 
noch einige Stunden für die Durchforschung der Umgebung nach 
seinen Lieblingen zu erübrigen. In seiner Stellung als Medicinal- 
beamter des Kreises waren es vorwiegend hygienische Arbeiten, 
die er mit Vorliebe förderte. Eine Morbiditätsstatistik der In- 
fectionskrankheiten wurde mehrere Jahre von den Aerzten des 
ganzen Kreises auf seine Anregung hin bearbeitet, worüber er 
zusammenstellende Berichte lieferte. Die örtlichen Gesundheits¬ 
verhältnisse Regensburgs fanden in ihm einen eifrigen Be¬ 
obachter, und alle auf ihre Verbesserung gerichteten Bestre¬ 
bungen einen warmen Förderer. Aus seinen vielen Arbeiten auf 
diesem Gebiete möchte ich nur seine Abhandlung „Ueber Fluss¬ 
verunreinigung und Selbstreinigung der Flüsse“ hervorheben, 
welche er gelegentlich der Frage über die Einleitung der Fäcalien 
in die neue städtische Canalisation verfasst hat, und welche im 
Jahresberichte des naturwissenschaftlichen Vereines veröffentlicht 
wurde. Seine literarische Thätigkeit bewegte sich mehr auf 
naturwissenschaftlichem Boden, speciell in der Entomologie, 
worin er Grosses geleistet und weitgehendste Anerkennung ge¬ 
funden hat. 


Ein reiches, mit Früchten der Arbeit gesegnetes Menschen¬ 
leben liegt abgeschlossen vor uns. Es war durchweht vom Geiste 
aufopfernder Nächstenliebe, von seltener Berufstreue und echter, 
stets hilfsbereiter Collegialität. Ein Mann ist von uns geschieden, 
den Jeder, der mit ihm in irgend welche Berührung gekommen, 
hochachten und lieben musste, ein Mann, auf welchen der ärzt¬ 
liche Stand stolz sein kann, welchen di^. Wissenschaft freudig 


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inn, welcnen die 1 

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als einen ihrer treuesten Jünger preist. Seine irdische Hülle 
ruht in heimathlicher Erde; sein Geist aber wird fortleben unter 
uns in seinen Werken und nach seinem edlen Vorbilde werden 
die Zurück bleibenden sich bestreben, weiter zu arbeiteii auf dem 
Gebiete der Naturwissenschaften sowohl wie im Kampfe um die 
Interessen des vielgeprüften ärztlichen Standes. Er ruhe in 
Frieden! Dr. Brauser. 


Referate und Bücheranzeigen. 

Kräpelin: Die psychiatrischen Aufgaben des Staates. 

Verlag von G. Fischer in Jena. 1900. Preis 1 M. 

Für die Psychiatrie ist nicht nur die einzelne Anstalt, son¬ 
dern auch die gesummte öffentliche Organisation des Irrenwesens 
ein hochwichtiges Stück der Therapie. Jedem, der für psych¬ 
iatrische Fragen Interesse hat, muss ein sachverständiges Urtheil 
über die staatliche Aufgabe in der Irrenfürsorge willkommen 
sein. Der rege Beifall, der dem Vortrag K r ä p e 1 i n’s bei der 
letzten Versammlung der südwestdeutschen Irrenärzte zu Theil 
wurde und sich auch in der ausgedehnten Debatte wiederspiegelte, 
wird sicher jetzt, nachdem die Ausführungen in erweiterter 
Form der Oeffentlichkeit zugänglich geworden sind, ein lebhaftes 
Echo finden. Die Grundzüge des Buches sind folgende: 

Da die Geisteskranken eine Gefahr für die Gesellschaft dar¬ 
stellen und ihrerseits des weitestgehenden Schutzes bedürftig 
sind, bildet das Irrenwesen eine öffentliche Angelegenheit. Der 
Staat kann seine Fürsorge zunächst durch Verringerung der 
Zahl der Erkrankungen bethätigen. Am wirksamsten wird in 
dieser Hinsicht die Einschränkung des Alkoholmissbrauches sein, 
der oft die Krankheitsursache von 25 Proc. der männlichen An¬ 
staltsaufnahmen bildet, der ferner eine degenerirte, idiotische 
Nachkommenschaft der Trinker zur Folge hat und der auch in 
der Form des Rausches ausserordentlich viel Conflicte hervorruft. 
Bei den 640 673 Einwohnern des nördlichen Badens kamen 1898 
nicht weniger als 119 Unglücksfälle und Strafthaten auf Grund 
des Rausches vor, während nur 20 Fälle der Art (ausser Suicid) 
wegen sonstiger Geistesstörungen festgestellt werden konnten. 
Bedeutsam ist ferner der staatliche Kämpf gegen die Syphilis, 
da wir in ihr die Ursache der Paralyse zu sehen haben. 

Für die Versorgung der minder bemittelten Geisteskranken 
sind, schon wegen der bei der Irrenbehandlung unumgänglichen 
Einschränkung der persönlichen Freiheit, staatliche Anstalten 
am zweckmässigsten; diese Fürsorge Privatunternehmern, auch 
geistlichen Standes, zu überlassen, wie es vielfach noch geschieht, 
ist unwürdig und gefährlich. An staatlichen Einrichtungen für 
Epileptiker und Idioten fehlt es leider noch fast ganz; eine Folge 
davon ist der Tiefstand der wissenschaftlichen Idiotenforschung. 
Wenn auch Privatanstalten für bemittelte Patienten nicht zu 
umgehen sind, sollte doch mit der Concessionirung weit strenger 
verfahren werden als bisher, da nur in der Person eines erprobten, 
zuverlässigen ärztlichen Leiters die Gewähr für befriedigende 
Leistungen liegt. Da die Zahl der Geisteskranken, vor Allem 
aber die Zahl der Anstaltsbedürftigen bei unseren modernen 
Lebensverhältnissen schneller wächst als die Zahl der Bevölke¬ 
rung, können die bestehenden öffentlichen Anstalten dem An¬ 
drang gewöhnlich nicht genügen. Vor Allem ist für grössere 
Plätze die Errichtung von Stadtasylen, die für plötzlich erkrankte 
Irre leicht zugängliche Unterkunft bieten können, im höchsten 
Grade nothwendig. Die Aufnahmeformalitäten sind fast durch¬ 
weg so verwickelt, dass zwischen Erkrankung und Eintritt in 
sachgemässe Behandlung viel Zeit verstreicht und Wichtiges ver¬ 
säumt wird; in Folge dessen erreicht der Selbstmord von Geistes¬ 
kranken eine ausserordentlich hohe Ziffer. Der Gefahr einer 
widerrechtlichen Freiheitsberaubung würde hinlänglich wirksam 
durch Erschwerung des Festhaltens eines Kranken in der An¬ 
stalt vorgebeugt. Werthvoll ist in dieser Hinsicht eine bessere 
Unterweisung der Staatsärzte in der Psychiatrie, ferner eine 
nähere Bekanntschaft der Juristen mit der forensischen Psych¬ 
iatrie, vor Allem aber die regelmässige Ueberwachung der An¬ 
stalten von behördlicher Seite, jedoch unter Mitwirkung eines 
erfahrenen Irrenarztes. 

Schliesslich ist es Sache des Staates, die Pflege wissenschaft¬ 
licher Beobachtung und Erfahrung zu ermöglichen, in der wir 
die feste Grundlage der ganzen Irrenfürsorge zu erkennen 
haben. Die heute vielfach noch bestehende Personalunion von 
Professor und Anstaltsdirector hemmt die Fortentwicklung der 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



308 


No. 11. 


MÜNCHENER MEDIOINLSCHK WOCHENSCHRIFT 


wissenschaftlichen Psychiatrie, die am besten in selbständigen, 
gut ausgesiattetou Kliniken gedeihen wird. 

W eypandt - Würzburg. 

Stabsarzt Lambertz: Die Entwicklung des mensch¬ 
lichen Knochengerüstes während des foetalen Lebens. Ham¬ 
burg. L. Gräfe & S i 11 e m , 1900. Preis 12 M. 

Das vorliegende Heft — Ergänzungsheft I der bekannten 
„Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen“ — ist der 
Anfang von einem Atlas der normalen und patho¬ 
logischen Anatomie in typischen Röntgen- 
b i 1 d e r n. Neue Thatsachen bringt der Text auf diesem so 
viel durchforschten Gebiet begreiflicher Weise nicht; dagegen ist 
die Sorgfalt und Genauigkeit rühmend anzuerkenneu, mit welcher 
Verfasser jeden Knochen und jedes Knöchelchen von der ersten 
Anlage au verfolgt. Das Wesentliche an dem Atlas sind die 
photographischen Aufnahmen theils einzelner Gliedmassen, theils 
ganzer Foeten. Was langathmige Beschreibungen nur schwer 
deutlich machen können, lehrt ein Blick auf diese künstlerisch 
ausgeführten Tafeln, welche — wie z. B. Tafel II, III, V und 
VIII — durch glücklich gewählte Nebeneinanderstellungen sofort 
die Entwicklungsphasen der Knochen der Extremitäten, de; 
Brustkorbs u. s. w. veranschaulichen. Mit besonderer Sorgfalt 
ist die Entwicklung des Felsenbeines mit dem Gehörapparat be¬ 
handelt, und gerade hieran ist der Werth des Atlasses zu Studien¬ 
zwecken zu ermessen. Mit wie grossem Vortheil der gerichtliche 
Sachverständige das Werk verwerthen kann, braucht kaum be¬ 
sonders erörtert zu werden. 

Von weiteren Heften sind zunächst in Vorbereitung: 
J oaehimsthal, angeborene Verbildungen der oberen Ex¬ 
tremitäten; Jodlicka, topographische Anatomie des Ellbogens; 
M. Schede, angeborene Luxation des Hüftgelenks; Schjer- 
ni n g , Schussverletzungen; Sick, Entwicklung der unteren 
Extremität nach der Geburt. 

Wer mit mir die Bedeutung der Anatomie für den Arzt 
weniger in der descriptiven, systematischen Behandlung sieht, 
als darin, dass ihm stets das innere Gefüge der menschlichen 
Maschine anschaulich vor Augen stehe, der wird mit Sympathie 
das Erscheinen dieses Sammelwerkes verfolgen. An den kaum 
mehr zu übertreffenden Bildern kann sicherlich ein Jeder seine 
normal- wie pathologisch-anatomischen Vorstellungen eontroliren 
und corrigiren. B u 11 e r s a c k - Berlin. 

Salzmann: Durchschnitt durch das menschliche Auge. 

2 farbige Tafeln in Folio mit Text. Breslau 1899. J. M. K e r n’s 
Verlag, bildet das 18. lieft der rühmliehst bekannten Magnu s’- 
seben augenärztlichen Unterrichtstafeln. 

Die 1. Tafel: Horizontaldurchschnitt durch das normale er¬ 
wachsene Auge gibt ein gut übersichtliches, die anatomischen 
\fnasse genau wiedergebendes Bild, doch vermisst man ungern 
die Vasa vorticosa, auf welche ein Horizontalschnitt allerdings 
nicht trifft. Bei der sehr schematischen Darstellung würde es 
doch wohl angängig gewesen sein, sie einzuzeichnen. Die 
2. Tafel, den Iriswinkel und seine Umgebung darstellend, eignet 
sich für den Unterricht vorzüglich und gibt insbesondere gut die 
Bündel der Zonulafasern. Seggel. 

C. Cohn: Cursus der Zahnheilkunde. Ein Hilfsbuch für 
Studirende und Zahnärzte. II. Auflage. Fischer’s medic. 
Buchhandlung. Berlin 1900. Preis M. 13.50. 

In sehr knapper, schöner Form wird, mit Berücksichtigung 
aller neuen Erscheinungen und Forschungen, dem Leser des 
Buches Alles geboten, was der Zahnarzt aus dem Gesammtgebiete 
derMediein wissen soll: Histologie; normale, vergleichende, patho¬ 
logische Anatomie; Entwicklungsgeschichte; Physiologie; Arznei¬ 
mittellehre; Bacteriologie: allgemeine Chirurgie; Zahn- und 
Mundkrankheiten. Die prägnante Zusammenfassung erleichtert 
das Studium bedeutend und ist «las Buch gerade dcsshalb auch 
als Repetitorium dem SUidirenden und Arzte bestens zu 
empfehlen. B r uba c h e r. 

Neueste Journalliteratur. 

Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 9. 

C. Hübscher- Hasel: Streckmetall, ein neues Schienen- 
material, besonders für kriegschirurgische Zwecke. 

II. empfiehlt das Streckmetall imeial dßplo.ve), ein seit 
neuester Zeit in (1er Balltechnik viel benutztes, gitterförmig ge- 

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stauztes Blech, zur Herstellung jeder Art von Schienen und Lage-; 
rimgsvorbändcn, da es sieh sehr leicht der Quere nach rinnen 
föimig biegen lässt lind sieh den Körperfonnen gut anpasst. - 
Die Schienen können event. über die Kleider angelegt werden. 
Für die untere Extremität schneidet mau in entsprechendem 
Alistand vom unteren Ende auf je V.\ der Breite beiderseits ein 
und bringt den so entstehenden Fusstheil rechtwinklig nach olien. 
Besonders in Verbindung mit Gipsbrei gibt das Streckmetall sehr 
feste Verbände. Mau legt über das gepolsterte Glied weitmaschige 
Paekleiuwaml, darüber die den Körperfonnen naeh zurechtge- 
sehnitteue und angeschmiegte Schiene, die von der Packleiinvalid 
muh allen Richtungen überragt wird, so dass die nach oben um 
geschlagenen Ränder auch aut ihrer Riickfläehe völlig gedeckt 
sind. In die Maschen des Gitterbleches wird nun dickflüssiger 
Gipsbrei eingerieben, auch die Ränder der Leinwand noch mit 
cinbezogeii. Hei gutem Gips und heissem W asser mit etwas Alaun 
ist der grösste Lagerungsverbniid. z. R. bei einer Wirbelsäule 
Verletzung in wenigen Minuten fertigzustellen. 

Als Nachtheil erwähnt H. nur, dass man sich leicht am Blech 
schneidet, mau wird desshalb beim Schneiden desselben Leder¬ 
handschuhe auzieheu. Sehr. 

Archiv für Gynäkologie. 1900. ÖO. Bd., 1. Heft. 

1) W\ Va ssmer-Hannover: Heber einen Fall von Persistenz 
der Gart ne r’schen Gänge in Uterus und Scheide mit cystissher 
Erweiterung des in der linken Vaginalwand verlaufenden 
Abschnittes des G a r t n e r’schen Ganges. 

Bei einem 14 Tage p. p. verstorbenen Mädchen wurde der 
rechte G a r t n e Esche Gang in der Uterusmuseulatur gefunden, 
der linke wurde verfolgt vom Parametrium bis in die obere Partie 
der Portio und dann, nach einer Unterbrechung, in der seitlichen 
W'aml der Scheide Indien dem Seheideugewölbe bis zum uutereu 
Drittel der Scheide, wo er blind endigte. Der Scheidenabschnitt dos 
Ganges ist cystiscli entartet und zeigt neben ein- und zweischich¬ 
tigem Epithelbelag deutliche Inseln von typischem geschichteten 
Prlasterepithel. V. gibt noch eine erschöpfende Literaturangabe. 

2} Friedrich Schatz: Die Gefässverbindungen der Pia- 
centakreisläufe eineiiger Zwillinge, ihre Entwicklung und 
ihre Folgen. III. Die Acardii und ihre Verwandten, pl. Forts.» 

Sch. bespricht die Entstehung von Aeurdie durch Verengung 
der Allantoisvene (in früher Zeit) oder der Nabelschmirveue (in 
späterer Zeit), ferner durch starke Asymmetrie des beiden Zwil¬ 
lingen gemeinsamen dritten Kreislaufes. Bei den Mcmincardii* 
wird ein Tlieil des Gefässsystoms vom Blutstrom des gesunden 
Zwillings oceuplrt und dieser eiiidringendo Blutstrom kam» durch 
das Herz des überfallenen Zwillings hindurch in dess?u Verna, 
ein treten. 

3) Wilhelm P o n f i c k : Zur Anatomie der Placenta praevia. 
(Aus dem pathologischen Institut zu Breslau.) 

An den Obductionspräparateu von einer Kreissenden und 
2 Frischentlmudencn fanden sieh eine Placeuta praevia totalis mal 
2 Placentae praeviae laterales und diese beiden letzteren sassen mit 
ihrem unteren Rande auf Cerviealsehleimbaut fest, waren also 
sogen. „Orvicalplacenteu”. In der Literatur sind erst 2 solche 
Fälle bekannt. 

P. sagt: Jede Placeuta praevia ist eine riacenta cervicalis im 
weitesten Sinne, entweder primär als Plac. cervicalis lateralis, oder 
seeundär. indem eine Plac. praevia totalis in der zweiten Hälfte 
der Schwangerschaft eine cervieale Ilaftfiäche erhält. Jedoch 
braucht nicht jede Plac. cervicalis auch „praevia” zu sein, da sic 
von der zweiten Schwangersehaftshälfte an sieh immer mehr nach 
öl en verzieht und schliesslich aus dem Bereich des Halscalials 
rücken kann und doch auf Schleimhaut desselben aufsitzt. 

4) Ludwig Piek : Ueber die epit'ielialen Keime der Adeno- 
myome des Uterus und ihre histologische Differentialdiagnose. 
(Aus Prof. Landau*» Frauenklinik in Berlin.» 

In den äussersten Muskellagen des Corpiisdorsum eines etwas 
metritiscli vergrösserten Uterus fanden sieh eine kleine Anzahl Do 
lirter und verstreuter Epithelbildungen, umschlossen von typischem 
lyiuphadenoideu Stroma. Nach P. soll nun eine solche Hülle aus 
cjtogenem Bindegewebe um ganz isolirt versprengte drüsige oder 
eystIsche Epithelbildimgcn in der ITeruswand diese Epithel 
bildimgen „zweifellos“ als Derivate der .M ii 11 e Eschen Gänge 
charakterlsireu — gegenüber dem W o 1 f f scheu Gang, den C'anäl 
eilen des \V o 1 f f*scheu Körpers oder Abkömmlingen des Keim¬ 
oder Bauchfellepithels. Doch bleiben auch damit noch „Falle 
genug” genetisch indifferent, da einerseits cytogenes Bindegewebe 
um Derivate der M ii 11 e r*schon Gänge nicht ausnahmslos vor¬ 
handen zu sein braucht, dagegen andererseits bei Urircivnrpitlieli« v 
die Neigung zur Production des eytogenon Gewebes als Stroma 
in gleichem Schritt wächst mit der Lebhaftigkeit der Drüsenver 
mehrung. Dr. A. H onggo - München. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 9. 

1) A. P r o k e s s - Ofen-Pest: Sectio caesarea in moribunda. 
Lebendes Kind. 

P. machte die Operation bei einer 25 jährigen 1. Para, die he 
wusstlos in das Spital gebracht wurde. Das Kind, ein frühreifer, 
lebender Knabe, wurde mittels fundalem Querschnitt nach 
Fritsch entwickelt und blieb am Leben: die Mutter starb 
8 Stunden nach der Operation. Die Sectiou ergab Sinusthroinbose. 
Encoplialoinnlacie und Luiigeiioedein. 

2) S n o g u i r e f f - Moskau: Weiterer Beitrag zur Anwen¬ 
dung von Rennthiersehnenfäden als Nabt- und Ligatarmaterial. 


Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



13. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


369 


Die schon früher von S. empfohlenen Rennthiersehnenfäden 
als resorbirbares Naht- und Ligaturmaterial (cf. das Referat in 
d. Bl. 1899, No. 27, S. 1898) haben sich ihm seither ständig bewährt. 
Von 150 Laparotomien, die damit behandelt wurden, verliefen 105 
ohne Complication, 34 mit Temperatur Steigerungen und 11 letal. Zu 
keinem der Fälle waren die Fäden Ausgangspunkt der Infection. 
Die sonst nach Laparotomie häufig beobachteten Infiltrate und 
Fisteln blieben aus. Als weitere Vorzüge des Materials nennt S. 
seine Festigkeit, ferner die Verwendung grosser Mengen (bis zu 
100) der Fäden in Folge ihrer vollkommenen Sterilisirbarkeit, end¬ 
lich das Fortfallen der Entfernung der Nähte. S. glaubt, dass erst 
mit Einführung der Sehnenfädeu als Naht- und Ligaturmaterial 
..das Ideal des aseptischen Principes in der Höhlenchirurgie er¬ 
reicht“ sei. (? Ref.) 

3) F. \V a 1 z e r - Köln: Ueber Complication von Myom und 
Schwangerschaf t 

35 jährige Frau, die einmal abortirt hat, kam im 6. Monat der 
Gravidität mit grossen Myomen in W.’s Behandlung. Spontaner 
Abort. Andauernde Blutungen, die zur supravagmalen Uterus¬ 
amputation führten. Heilung. Als Quelle der Blutung erwies sich 
die fest adhaerente retinirte Placenta. 

Der Fall lehrt, dass Myom an sich kein Grund zur Sterilität 
ist. Den künstlichen Abort bei Myom und Schwangerschaft hält 
W. für indieirt, wenn das Kind auf natürlichem Wege nicht oder 
nur mit grosser Gefahr für Mutter und Kind geboren werden kann 
und die Mutter die Sectio caesarea durchaus ablehnt. 

4) K o b 1 a n c k - Berlin: Nochmals zur Narkose. 

Wiederholung der schon früher gemachten Angaben (cf. d. 

Bl. 1900, No. 1, S. 90). J a f f 6 - Hamburg. 

Archiv für Kinderheilkunde. 28. Band, 1. u. 2. Heft. 

Klinische Beiträge aus dem Kaiser und Kaiserin Friedrich- 
Kinderkrankenhaus in Berlin. 

I. A. Baginsky: Ein Beitrag zu den secundären In- 
fectionen der Kinder. 

Die Fälle sind: Infection mit Bacillus pyocyaneus (Ecthyma 
gangraenosum). — Mischinfection von Bacillus proteus und Strepto- 
cocceu. — Mischinfection mit Diplococcen und Streptococcen. — 
Secundärinfection bei Scharlach. — Morbilli bullosi. — Pemphigus 
mit Morbilli auf tuberculöser Basis. — Mischinfection mit Strepto¬ 
coccus pyogenes. Die 0 Krankheitsfälle sprechen dafür, dass secun- 
däre Invasionen von Bacterien sich auch klinisch bei jungen Säug¬ 
lingen scharf charakterisireu können; sie bieten Interesse durch 
ihren Verlauf, klinischen, pathologischen und bacteriologischen Be¬ 
fund, und muss iu Bezug hierauf auf das Original verwiesen 
w erden. 

II. Prof. Benno B a g i n s k y - Berlin: Zur Pathogenese der 
acuten Ertaubungen. 

Ein 13 jähriges Mädchen erkrankte plötzlich mit Allgemein¬ 
erscheinungen und wmrde in’s Spital gebracht; es traten Schmerzen 
im Genick und Hinterkopf auf, Nackensteifigkeit und Verdauungs 
Störungen; dabei zunehmende Schwerhörigkeit. Nach einem Monai 
an urde das Kind genesen, aber mit completer Taubheit, die bis zum 
Tode bestehen blieb, entlassen. 3 Monate später erkrankte es an 
einem malignen Oberlippencarbunkel und starb. Die Gehörorgane 
wurden nach der Obduction conservirt und mikroskopisch unter¬ 
sucht. Der Hauptbefund war eine beiderseitige Endostitis ossifl- 
cans beider Ohrlabyrinthe mit Neubildung von Bindegewebe und 
Knochengewebe. Aus den hieran schliessenden ausführlichen Er¬ 
örterungen des Verfassers sei nur hervorgehoben, dass eine beider¬ 
seitige acute Erkrankung der Felsenbeine, Ostitis und Endostitis, 
einen früher ausschliesslich der Meningitis cerebrospinalis zuge¬ 
schriebenen Symptomencomplex erzeugen kann. 

III. W. B 1 o c li und P. Sommerfeld: Beiträge zur Patho¬ 
genität des Löfflerbacillus. 

Bacteriologische Studien und Versuche über die morpho¬ 
logischen und biologischen Eigenschaften des Löfflerbacillus, über 
kurze und lange Formen, über die Lebensfähigkeit des Diphtherie¬ 
bacillus. Nie Avurde der Löfflerbacillus in Reincultur, sondern 
immer mit anderen Arten, besonders Streptococcen, zusammen ge¬ 
funden; ebenso findet er sich mit anderen Arten zusammen inner¬ 
halb der Körpersäfte und -Organe. Bei sogen, septischen Fällen 
kann man aus den bacteriologischen Befunden noch keine Schlüsse 
auf den Verlauf ziehen. Durch die vereinigte Wirkung von Strepto¬ 
coccen und Diphtheriebacillen mit ihren Stoffwechselproducten 
tritt eine Virulenzsteigerung beider ein. Ueber die Details der zahl¬ 
reichen Versuche conf. Original. 

IV. W. Bloch: lieber den Pemphigus acutus malignus 
neonatorum (non syphiliticus). 

Nach Baginsky wird eine benigne und eine maligne Form 
des Pemphigus unterschieden, die beide mit Lues nichts zu thun 
haben. Ueber die maligne Form verbreitet sich Verfasser an der 
Hand von 15 genau verarbeiteten Fällen; sie endet meist letal und 
stellt eine septikaemische Erkrankung dar. Wenn auch im Inhalt 
der Blasen Stapliylococcen gefunden werden, so kommt die haupt¬ 
sächlich deletäre Rolle doch dem Streptococcus pyogenes zu, der 
von B. in jedem Falle im Blut gefunden wurde und sich auch für 
Thiere höchst virulent erwies. Die Art des Eindringens in den 
Organismus ist nicht aufgeklärt. Während therapeutisch für 
benigne Fälle Salbenbehandlung genügt, werden bei malignen täg¬ 
liche Bäder mit Eichenrindeuabkochuugen angeAvendet. mit nach- 
heriger Anwendung A^on Trockenpulvern (Zink und Talcum). Da 
die Erkrankung gefährlich und leicht übertragbar ist. ist eine 
gesetzliche Anzeigepflicht wüuscheuswerth. Differentialdiagnos¬ 
tisch kommen in Betracht Verbrühungen, ferner Pemphigus folia- 


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ceus (C a z e n a v e), als welcher Pemphigus malignus fälschlich be¬ 
schrieben wird, und Dermatitis exfoliativa (Ritter), welche oft 
mit Pempli. ac. mal. neonat, identisch ist. 

V. C. Lachmanski: Beiträge zum acuten und chro¬ 
nischen Gelenkrheumatismus des Kindesalters. 

Auf Grund der 112 Fälle, die das Spital In 8 Jahren aufwies, 
erschöpfende Behandlung des in Frage stehenden Krankheitsbildes, 
seiner Häufigkeit, verschiedenartiger Formen des Auftretens. 
Locallsationen, Complicationen; zuletzt 3 chronische Fälle mit Aus¬ 
gang in Arthritis deformans. 

Bericht über die Münchener Naturforscher- und Aerzte- 
versammlung 1899. L i c h t e n s t e i n - München. 

Zeitschrift für Hygiene nnd Infectionskrankheiten. 

Bd. xxxm, Heft 1. 

1) J. Thomann - Zürich: Untersuchungen über den gegen¬ 
wärtigen Stand der Frage der Verunreinigung der Limmat durch 
die Abwässer der Stadt Zürich. 

Die von den Gesundheitsbehörden der Stadt Zürich geforderte 
neuerliche Untersuchung über die Verunreinigung der Limmat 
sollte ergeben, Avie stark die Verunreinigung jetzt sei, in welchem 
Maasse eine Selbstreinigung heute noch stattflndet und wie Aveit 
sich eventuell das Gebiet derselben stromaufwärts ausgedehnt 
habe, im Gegensatz zu den Ergebnissen gleicher Untersuchungen, 
die \*or 10 Jahren A r on Schiatter ausgeführt wurden. 

Die Untersuchungsstrecke in der Limmat betrug jetzt ca. 
20 km und reichte bis zum Kloster Wettingen, da sich alsbald 
herausstellte, dass die Selbstreinigung der Limmat nicht schon 
nach einem 10 km langen Lauf wie vor 10 Jahren erfolgt Avar. 

Die Wasserentnahme geschah von Zeit zu Zeit von einem Schiff 
aus und wurde während eines ganzen Jahres hindurch fortgesetzt. 

Thomann fand als Resultat seiner Untersuchungen, dass 
die Verhältnisse nicht mehr so günstige sind, wie Schiatter 
sie vor 10 Jahren vorfand. Das Limmatwasser zeigte nur in einem 
Falle, 15 km unterhalb der Durchmischungsstelle, wieder ungefähr 
die bacteriologische Beschaffenheit wie oberhalb der Canaleinlässe. 
Avährend Schiatter bereits 10 km unterhalb der Canaleinlässe 
eine Selbstreinigung constatirt hatte. 

Der Keimgehalt nimmt allmählich bis 15 km unterhalb der 
jetzigen Einmündungsstelle der Siele in die Limmat ab, zeigt aber 
in Weddingen Avieder ein Anwachsen, das auf die besondere Be¬ 
schaffenheit des Flussbettes zurückzuführen sein dürfte. 

Bei der Selbstreinigung der Limmat spielt die Sedimen- 
tirung zweifellos die grösste Rolle, während die Belichtung nur 
zeitweise von vresentlichein Einfluss sein kann. 

2) Vincenzo C o z z o 1 i n o - Neapel: Ein neues Fadenbac- 
terium, eine pseudoaktinomykotische Erkrankung erzeugend. 

Aus einem aktinomykotischen Geschwür, welches 
zuerst hinter dem Ohr, später nach scheinbarer Heilung auch am 
Hals und im Rachen auftrat, züchtete Verfasser einen Organismus, 
der Aveder echte noch unechte Verzweigungen auf wies, dagegen 
Eigenbewegung und ausserordentlich resistente Sporen zeigte. Er 
färbte sich nach Gram, verflüssigte langsam Gelatine, bildete kein 
Indol und erzeugte auf Agar eine zuweilen dicke, faltige, weisse 
bis gelbliche Auflage. 

Für Meerschweinchen und Hausmäuse erwies sich der Or¬ 
ganismus als pathogen, dagegen waren weisse Mäuse und Ka¬ 
ninchen immun. Seiner systematischen Stellung entsprechend 
scheint er zur Subtilis- oder Milzbrandgruppe zu gehören. Es muss 
hervorgehoben werden, dass dieser Fall wieder ein Beweis dafür 
ist, dass auch, wie Sawtschenko und Krassnobajew 
berichten, ein Organismus aus der Kategorie der Bacillen aktino- 
mykoseartige Geschwülste hervorbringen kann. 

3) A. P f u h 1 - Hannover: Ueber das S c h u m b u r g’sche 
Verfahren zur Wasserreinigung. 

S c hum b u r g setzte irgend einem Wasser, welches zu Trink- 
und GebrauchszAveckeu geeignet gemacht werden sollte, freies 
Brom zu, das dann nach 5 Minuten durch Beigabe von kohlen- 
saurem resp. schAvefelsaurem Natron gebunden wurde. Er kam 
dabei zu dem Resultat, dass mit 1 kg Brom sich 16 000 Liter 
Wasser keimfrei machen Hessen und dass man solches Wasser nach 
der Bromirung als TrinkAvasser anstandslos geniessen könne. 

Verfasser prüfte nun das genannte Verfahren nach, Avobei er 
sich von rein praktischen Gesichtspunkten leiten Hess und nur 
„natürliche“ Wässer berücksichtigte. Zur Untersuchung diente ihm 
Leitungswasser der städtischen Wasserleitung, Wasser aus der 
Ihme, der Leine, aus zwei verschiedenen Teichen und Wasser von 
tiberschAvemmten Wiesen. Von pathogenen Keimen verwandte er 
Cholera, Typhus und Staphylococcus pyogenes aureus. 

Im Ganzen verfügte Verfasser über 61 Versuche und 53 Con¬ 
trolversuche, welche in ihrer Gesammtheit als zufriedenstellend 
bezeichnet Averden müssen. Am ungeeignetsten zur Keimfrei 
maehung scheinen die Wässer mit erheblicher organischer Ver¬ 
unreinigung und zahlreichen Härtegraden zu sein, da zAA'eifellos 
eine Menge Brom durch Ammoniak sofort gebunden wird. 

Nach dem S eh umbur g’schen Verfahren genügen 0,2 ccm 
einer Lösung a t ou 21,91 Brom, 20 Bromkali, Wasser ad 100, um 
1 Liter Flusswasser bis auf wenige unschädilche Bacteriumarteu 
zu reinigen. Das Brom wird gebunden durch Zugabe einer 
Tablette aus 0,095 Natr. sulfurosum und 0,04 Natr. carbon. siccum. 
wobei in der Praxis zu berücksichtigen ist, dass das Wasser nach 
Beigabe des Broms gut durchgerührt werden muss. Pfuhl ein 
piiehlt, jedem W’asser, dessen chemische Beschaffenheit man nicht 
kenne, mehr als 10 cem Stammlösuug pro Liter zuzusetzeu; jeden- 

Qriginal frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



370 


MÜNCH KN KR M KDICINISCHK WOCHKNSCHRIFT. 


No. 11. 


falls so viel, dass die Gelbfärbung des Wassers 2—3 Minuten 
bestehen bleibt. Dabei muss darauf Acht gegeben werden, dass die 
Bromirung möglichst beschleunigt wird, weil, wie Versuche gezeigt 
haben, der Bromgehnlt bei Offenstehen der Stammlösung sich er¬ 
heblich vermindert. Bei einer Dauer des Verfahrens vou über 
i; Minuten hinaus müssen daher unbedingt grössere Mengen der 
Staininlösung zugegeben werden. 

Den Schluss seiner Arbeit bildet eine Besprechung der prak¬ 
tischen Ausführung dieses Verfahrens im Kriegsfälle. 

4) Friedr. K r a u s e - Vietz: Auf welche Ursachen ist der 
Misserfolg der Tuberculintherapie des Jahres 1891 zurück- 
zuführenP 

Nach Durchsicht des im Jahre 1SP1 erschienenen Materials 
über die Tuberculinbebandlung kommt Verfasser zu dem Schluss, : 
dass die Misserfolge ausschliesslich auf Rechnung der fehler¬ 
haften Anwendung des Mittels zu setzen seien, und zwar liegen die 
Fehler in der mangelhaften Auswahl geeigneter Fülle und in der 
unrichtigen Dosirung des Tuberculins. Es sei zu wünschen, dass 
dies Mittel nach den jetzt gütigen Indicatioueu in ausgedehntem 
Maasse wiederum geprüft würde, wobei man zu ganz anderen Re¬ 
sultaten kommen werde wie damals. 

5» Reinhard H o f f m a n n - Braunschweig: Ueber das Vor¬ 
kommen und die Bedeutung des Koch-Week s’schen Bacillus. 

Nach Berücksichtigung der in der Literatur bekannten Augen¬ 
orkrankungen durch den K o c h - W e e k s'schen Bacillus, er¬ 
wähnt er eine grosse Reihe von Fällen, die in seine Behandlung 
kamen und bei denen stets der K o e li - W e e k s'sclie Bacillus 
gefunden wurde. Ein grosses Gontingent dieser Erkrankten stellte 
eine liegend an der westpreussisclien Grenze: gegenüber von Strass¬ 
burg, wo die betreffende Bacillenconjunctivitis vielleicht endemisch 
vorkommt. Das klinische Bild war immer dasselbe und stellte 
stets eine acute, nicht selten croupöse, sehr contaglöse Bindehaut¬ 
entzündung dar, die in den meisten Füllen zwar leicht zu beseitigen 
ist, aber auch bei chronischem Verlauf erhebliche papilläre Hyper¬ 
trophien der Bindehaut hervorrufen kann. Die Züchtung der 
Bacillen gelang ihm am besten auf einem Nährboden aus Glycerin¬ 
agar. dem Ascitesflüssigkeit und Menschen- oder Hammelblut zu¬ 
gesetzt war. Sie hielten sich 10—12 Tage lebensfähig und Hessen 
sich in einem Falle bis zur 25. Generation weiterzüchten. 

i;m die Contagiositäi der gefundenen Organismen zu prüfen, 
impfte er sowohl Reincultureu als auch Secret Kaninchen, Meer¬ 
schweinchen, weissen Mäusen, Hunden, Kälbern, Ferkeln, sowie 
einer Gans und einem Pferd in den Conjunctivalsack. jedoch ohne 
Erfolg. Dagegen bekam er bei einem Selbstimpfungsversuch und 
zwei Herren, die sich freiwillig Baeterien inoculireu Hessen, eine 
heftige typische Augenentzündung, die nach 8 Tagen wieder ge¬ 
heilt wurde. 

0) Scheurlen: Die Verwendung der selenigen und 
teilurigen Säure in der Bacteriologie. 

Eine kurze Notiz, in der Verfasser die selcnige Säure als 
Mittel zur Beobachtung der Reductiousvorgänge bei den Baeterien 
empfiehlt. 

7) Ad. K 1 e 11 : Zur Kenntniss der reducierenden Eigen¬ 
schaften der Baeterien. 

Bisher bediente man sich, um die reducirenden Eigenschafteu 
der Baeterien kennen zu lernen, fast ausschliesslich verschiedener 
Farbstoffe, wie Lakmus, Methylenblau u. s. w. Da dieselben aber 
wegen ihrer leichten Veränderlichkeit hie und da bei der Beurthei- 
lung der Keductionsvorgünge im Stich lassen, so scheint die vom 
Verfaser angewandte seien i ge und tellurige Säure zu 
diesem Zweck bei Weitem geeigneter zu sein. Diese hehlen che¬ 
mischen Agentien, in ihrem Natriumsalz angewendet, werden durch 
alle (27t untersuchten Arten Baeterien zu Selen und Tellur redueirt 
und färben dabei die betreffenden Oolonien r o t li resp. sch w a r z. 
Nach des Verfassers Ansicht müsse mau wohl allen Baeterien eine 
reducirende Kraft zuschreiben, deren Wirkung aber nicht auf 
Rechnung der gebildeten Stoffwechselproducte zu setzen ist. son¬ 
dern von der Bacterienzelle selbst geleistet wird. Auf Wachst hum, 
Fortpflanzungsfähigkeit und Virulenz hat der Zusatz von selenig- 
und tellurigsaurem Natron keinen nennenswerthen Einfluss. 
Aehnliehe »Salze wie Natron sulfurosum, phosphorosum eigneten 
sich nicht zur Feststellung der reducirenden Eigenschaften der 
Baeterien. R. O. N o u m a n n - Berlin. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In 
fectionskrankheiten. 1900 Bd. XX VH., No. 0, 7, 8.. 

1) M. L ü h e - Königsberg: Beiträge zur Kenntniss der 
Bothriocephaliden. III. Die Bothriocephaliden der landbewohnen¬ 
den Reptilien. 

Arbeit systematischen Inhalts. 

2) W. G enerslch - Ofen-Pest: Typhusepidemie. Durch 
Typhusbacterien inficirtes Trinkwasser. 

Verfasser berichtet über eine Typhusopidemie, die in der Frei¬ 
stadt Poes nach einem iiusserst trockenen Herbst plötzlich in 
einem Stadt heil, welcher durch zwei Cist erneu mit Wasser versorgt 
wurde, ausbrach. Die Vermuthung. dass das Wasser der Cisternen 
au der Epidemie Schuld sei, bestätigte sich sowohl durch die bae- 
tei iologisehe Untersuchung, wie auch dadurch, dass nach Sperrung 
der Cisternen die Epidemie; nach kurzer Zeit verlöschte. 

Die Untersuchungen wurden in der üblichen Weise mittels der 
Pia Heilmethode vorgenommen und es gelang, aus 157 verdächtigen 
Guliuren 22 zu isoliren, welche die bekannten morphologischen 
Eigenschaften des Typhus auf wiesen und auch bei der Serurn- 
prüfung sich als echte Typhuscolonien herausstellten. Dieses Re¬ 
sultat verdient insofern Beachtung, weil cs bekanntlich oft zu den 


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schwierigsten Aufgaben gehört, den Typhusbacillus aus ver¬ 
unreinigtem Wasser zu isoliren. 

3) F. Fajardo - Rio de Janeiro: Die Haem&tozo&rie des Beri- 
Beri im Gehirn. 

Die schon früher vom Verfasser gemachten Beobachtungen 
über das Vorhandensein von Protozoarieu im Gehirn bei Beri-Beri 
stützt er neuerdings durch 2 Fälle, die bei der Section in der 
braunen Hirnsubstanz wirklich parasitäre Formen aufwiesen. Um 
seiner Sache sicher zu sein, verwandte er zur Untersuchung nur 
Fälle, bei denen ein Uoberstohen der Malaria ausgeschlossen war, 
da feststeht, dass Malaria ebenfalls ähnliche Hirnersehei innigen 
hervorbringen kann. 

4) W. Hesse- Dresden: Ein neuer Culturgläserverschluss. 

Um die schnelle Austrocknung der Nährböden zu verhindern, 

überzieht Verfasser die mit Watte gestopften Reageuseylinder mit 
einem Cofferdammblatt. R. O. N e u m anu - Berlin. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 10 . 

1 ) H. O p p e n li e i m - Berlin: Zur Encephalitis acuta non 
purulenta. 

Bei einem an chronischer purulenter Otitis leidenden 17 jühr. 
Gymnasiasten trat unter hohem Fieber ganz acut ein Hirnleiden 
ein, das sich durch corticale Epilepsie, Monoparesis faciobrachial. 
dextr. mit Hypaesthesie und complete motorische Aphasie mani- 
festirte. Unter Gebrauch heisser Bäder erfolgte Besserung. Die 
motorische Aphasie wurde durch systematische Laut- und Sprech¬ 
übungen bis zu einem gewissen Grade gebessert; auch wurde 
Patient angehalten, mit der linken Hand zu schreiben, um ein 
rechtsseitiges Spraeheentrum zur Ausbildung zu bringen. Die 
Diagnose auf Gehirnabseess, Meningitis etc. war auszuscliliosseii. 
O. findet, das hier vorhandene Syndrom charakteristisch für acute, 
kaemorrliagische, nicht eiterige Encephalitis, von der er bisher 
5 Fälle gesehen hat. Ob die Affection hier mit der Otitis zu- 
sammenhängt, ist nicht sicher. 

2) O. R o s e n b a c h - Berlin: Zur Pathogenese und Therapie 
der sogenannten Fissura ani. (Schluss folgt.) 

3) Scheele- Wiesbaden: Ueber Glasbläsermund und seine 
Complicationen. (Schluss folgt.) 

W o 1 f f - Berlin: 2 Fälle von sehr ausgedehnter Angio- 
elephantiasis. 

Bei dem ersten 25 jühr. Patienten besteht eine continuirliehe, 
unterhalb des rechten Rippenbogens beginnende angiomatöse Ver¬ 
änderung. welche von hier ab die ganze rechte untere Körperhälfte 
mit Einschluss von Penis und Praeputium umfasst und ein dif¬ 
fuses Gavernom darstellt. Diese Hauterkrankung wurde für den 
Patienten die Todesursache, indem er rasch an einer Thrombo¬ 
phlebitis veuae l’emoral. dextr., welche eine Embolie der r. Lunge 
zur Folge hatte, zu Grunde ging. Eine nähere Untersuchung des 
Nervensystems fand nicht statt. In dem zweiten initgel heilten 
Fall erstreckte sich das Angioin über den ganzen r. Arm, über die 
obere Hälfte des Rückens bis zur Haargrenze, über einen Theil 
des Halses und der Brust. Verfasser stellt ähnliche Fälle aus der 
Literatur zusammen. 

5) G a s s e 1 - Berlin: Nephritis ohne Albuminurie bei jungen 
Kindern. 

Gfr. Referat pag. 240 der Münch, med. Wocheuschr. 1800. 

Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 9. 

1) Ernst L e v y und Hayo Bruns: Ueber die Frühdiagnose 
der Lungentuberculose. (Aus dem hygienischen Institut der 
Universität Strassburg.) 

Im Anschlüsse an die vou B r i e g e r und N e u f e 1 d in 
No. 0 der Deutsch, med. Woehensehr, gebrachte Abhandlung wird 
hier die Heranziehung des Thierexperimentes zu diagnostischen 
Zwecken warm befürwortet, insbesondere für den Nachweis mini¬ 
maler Tuberkelbacillenmengeii. Gewicht wird ferner darauf gelegt, 
stets die ganze innerhalb 24 Stunden produeirte Menge von Aus¬ 
wurf zur Untersuchung zu verwenden, da das Sputum besonders in 
den lnilialfällen nicht zu allen Tageszeiten TuberkelbaciHeil ent¬ 
hält. 

2) Eduard W e i s z - Bad Pistyan: Eine neue physikalische 
Unter8Uchungsmethode. (Aus der II. mediciuischen Universitäts¬ 
klinik in Ofen-Pest.) 

In Form einer vorläufigen Mittheilung macht W. aufmerksam 
auf die sogenannten ..phonatorischen Vorwölbungen“, d. h. die 
während des Sprechens in den Intereostalräumen deutlich sicht¬ 
baren mehr oder weniger stark hervortretenden Hervorwölbungen 
der Brustwand, welche sich in dem Bereich der beim Sprechuct 
in einer gewissen Druckspannung befindlichen Lunge abspielen. 
und hierdurch eine diagnostische Wichtigkeit für die Bestimmung 
der Lungengrenzen besitzen. Dieselben sind nicht mit oxspira- 
torischen Ausgleichungen und Muskelcoutractioneu zu ver¬ 
wechseln. 

3) B ä h r : Ein Beitrag zur Pathologie und Therapie des 
Schiclitstars. (Aus der Augenheilanstalt von Prof. Dr. Hirsch- 
b e r g in Berlin.) 

4) E. v. Düring und T r a n t a s - Constantinopel: Ophthal¬ 
moskopische Befunde bei Leprösen. 

Mittheilungen von mehr spceialärztlicliem Interesse. 

5) Hans II e r z - Breslau: Ueber die aetive Dilatation des 
Herzens. (Schluss aus No. 8.) 

Eingehend*-* Besprechung dos klinischen Bildes, sowie d«*r 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



371 


13. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Prognose und Therapie der activen Diastole und activen Dilatation 
ohne destructive Erkrankung des Herzens. (O. R o s e n b a c h.) 

F. Lacher- München. 


Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 9. 

1) G. Lotheissen - Innsbruck: Zur Blasennaht beim hohen 
Steinschnitt. 

In dem 1. der 3 beschriebenen Fälle war die Blase der 18 jähr. 
Kranken von einem runden, harten Concrement fast ganz aus¬ 
gefüllt, wesshalb die Sectio alta mit nachfolgender Lithotripsie 
gemacht wurde. Die Blasenwand wurde durch 11, die Schleimhaut 
nicht mitfassende Knopfnähte vereinigt und reactionslose Heilung 
erzielt. Im 2. Falle (53 jähr. Fabrikarbeiter) stellte der Stein eben¬ 
falls einen vollkommenen Abguss der Blase dar. Naht der Blase 
in 3 Etagen. Einlegung eines Knierohres nach v. D i 11 e 1. Die 
Binsennaht hielt vollkommen, der Kranke ging aber später an 
Nephritis und Pyelitis zu Grunde. Auch im 3. Falle (20 jähriger 
Bauernsohn), totale Vernühung der Blasenwuude mit Einlegung 
eines Dauerkatheters. Guter Erfolg. Im Anschluss an diese Fälle 
bespricht L. noch die verschiedenen Methoden der Naht, die er 
übrigens hauptsächlich für Fälle von Fremdkörpern und Steinen 
reservirt. Eine Contraindication der Blasennaht sollen Nieren¬ 
veränderungen abgebcu. 

2) H. L e w k o w i c z - Krakau: Zur Biologie der Malaria¬ 
parasiten. (Schluss folgt.) 

3) E. Itybiczka- Wien: Therapeutische Studien über das 
Sanatogen. 

Die betreffenden Versuche wurden an der Schrotte r’sehen 
Klinik bei Blutkrankheiten, bei nervösen Depressionszuständen, 
bei Erkrankungen des Magendarmcanals im Allgemeinen mit gutem 
Erfolge angestellt, indem meist rasche Gewichtszunahme durch die 
Darreichung von 2—5 Kaffeelöffeln Sanatogens erzielt wurde. 
Das Präparat erwies sich als reizlos, leicht verdaulich, ohne pro- 
noncirten Geschmack, beeinflusste die Appetenz günstig, ebenso 
auch nervöse Beschwerden, wie Schlaflosigkeit bei Neurastheni¬ 
kern, ebenso auch in einigen Fällen den Haemoglobingehalt. 

Dr. Grassmann - München. 

Wiener klinische Enndschan. 1900. No. 8 u. 9. 

A. B r a b e c - Prag: Ueber malignes Oedem. 

Zweck der Arbeit, welche sich an einen auf der M a y d l’schen 
Klinik beobachteten Fall anschliesst, ist die genauere Abgrenzung 
zwischen Anthrax, Rauschbrand und malignem Oedein. Das 
typische maligne Oedem ist ein Oedem mit haemorrhagischer Bei¬ 
mischung ohne Gasbildung, welche stets auf Mischinfection 
beruht, und ohne Eiterung. Milztumor fehlt, der Urin bleibt el- 
weissfrei. Die Ausbreitung des Proeesses geht in den Zwisehen- 
bindegewebsriiumen vor sich. Der Bacillus des malignen Oedems 
findet sich im Blut nicht, ist absolut anaerob. Durch beide Eigen¬ 
schaften unterscheidet er sich vom Anthraxbacillus. Rauschbrand 
kommt beim Menschen so gut wie nicht vor, der Krankheitserreger 
ist noch unbekannt. 

Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 5 u. 6. 

A. Margulißs - Prag: Ueber das sogenannte Bel l’sche 
Phänomen bei centraler Facialislähmung. 

M. hat auf der P i c k’schen Klinik drei Fälle von halbseitiger 
bezw\ doppelseitiger Körperlähmung beobachtet, bei denen auch der 
oberste Ast des Facialis central gelähmt war. Das Bel Fache Phä¬ 
nomen, welches bei peripheren Facialislähmungen sehr augen¬ 
fällig zu sein pflegt und auch dem Gesunden zukommt, fehlte 
bei genannten Kranken, so lange beim Schliessen der Augen die 
Lider klaffend blieben; später stellte sich daun das Phänomen 
wieder ein. Unter Vorbehalt weiterer Beobachtungen schliesst 
Verfasser daraus, dass das Bell’sche Zeichen als eine vom 
Grosshiru beeinflusste Mitbewegung anzusehen ist, welche eine 
intacte Willensbahn für den Lidschluss voraussetzt. Mit Unter¬ 
brechung der letzteren schwindet diese Mitbewegung und tritt 
bei deren Wiederherstellung wieder auf. 

Ibidem No. 6. 

K a p os i - Wien: Epicarin, ein neues Heilmittel. 

Das Epicarin ist nach den bisherigen Versuchen bei Scabies, 
Herpes tonsurans und Prurigo im Stande, das ^-Naphthol, dessen 
Derivat es ist, zu ersetzen. Es bleibt hinter diesem an Wirksamkeit 
nicht viel zurück, zeichnet sich vor ihm durch Reizlosigkeit und 
Ungiftigkeit aus (Kinderpraxis). Für die meisten Fälle empfiehlt 
sich die Salbenform; eine Reihe von Receptformeln ist beigefügt. 
Für Ekzembehändlung ist Epicarin ungeeignet, bei Psoriasis 
wirkungslos. 

Ibidem No. 8 und 9. 

R. Bloch- Zborowitz: Weitere Mittheilungen über die prak¬ 
tische Verwendung von Naftalan. 

Es sind sehr vielseitige, meist günstige Erfolge, von denen 
Verfasser weiter berichtet (cf. d. Wochenschr. 1899, pag. 720). 

Wir heben diejenigen bei Herpes zoster, bei verschiedenen 
Exsudaten (acute und chronische Pleuritis, Geleukergüsse) und bei 
phlegmonösen Entzündungen hervor. Auch granulirende Wunden 
sollen günstig beeinflusst werden, bei Ulcus cruris machte sich in 
einzelnen Fällen starke Schmerzhaftigkeit störend geltend. 


Ibidem No. 9 und 10. 

B. Gomperz -Wien: Zur Function des Gehörorganes nach 
der Radicaloperation. 

Wenn der Heilungsprocess soweit geführt hat, dass die Mucosa 
tympani durch eine blasse, reizlose, narbige und epidermlsirende 
Auskleidung der Paukenhöhle ersetzt ist, lässt sich das Hörver¬ 
mögen öfters durch ein sog. künstliches Trommelfell erheblich 
verbessern. Dieses pflegt G. durch geeignetes Einblasen von Bor¬ 
säurepulver herzustellen. Der grösste Werth bei der Ausführung 
der Stack e’schen Operation ist aber auf möglichste Erhaltung 
und Schonung des Steigbügels zu legen. Die speciellen technischen 
Vorschriften können hier nicht besprochen werden. 

Ibidem No. 10. 

J. S c h n i t z 1 e r - Wien: Verletzung der Blasenschleimnaut 
durch Contusion der Unterbauchgegend. 

Ein 15 jähriger Bursche musste einen schweren Karren in der 
Weise ziehen, dass der Zuggurt über die Unterbauchgegend ge¬ 
spannt war. Er erkrankte unter Schmerzen und Blutharnen 
und es fanden sich an der vorderen Blasenwand zwei linsengrosse 
Schleimhauteinrisse. Verfasser vertritt die Auffassung, dass in 
diesem Fall nicht ein Unfall, sondern eine Erkrankung während 
der Arbeit vorliege. Bergeat - München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität Breslau. Januar und Februar 1900. 

1. II e r r m a n n G.: Beitrag zur couservirenden Behandlung ent¬ 
zündlicher Adnexerkrankungen. 

2. .1 a h u August: Ueber Urachusfisteln. 

3. II au sehn er Isidor: Ueber die F ü r s t u e r’sehe pseudo- 
spastische Parese mit Tremor und verwandte Krankheit« 
formen. (Mittheilung von 4 Fällen.) 

4. Sieber Richard: Ueber die Befestigung des Rectums nach 
Nikoladoui, ein Beitrag zur Technik der Mastdarmopera- 
tionen. 

5. W e 1 c h a r d t Wolf gang: Die Verbreitung der Diphtherie durch 
leblose Objecte. 

Universität Erlangen. Januar nichts erschienen. 

Februar 1900. 

1. Werner Heinrich: Der Vegetarismus im Gegensätze zur 
modernen Ernährungstheorle. 

2. Mayer Otto: Experimentelle Untersuchungen über das Vor¬ 
kommen von Tuberkelbacillen im Blute und der Samenflüssig¬ 
keit von an Impftuberculose leidenden Thieren, besonders bei 
loealisirter Tuberculose. 

Universität Freiburg. Februar 1900. 

1. II aber li auf fe Gustav: Ueber Syphilis gravis. Unter Zu¬ 
grundelegung zweier in der hiesigen Klinik für Hautkrank¬ 
heiten beobachteten Fälle. 

Universität Greifswald. Januar nichts erschienen. 

Februar 1900. 

1. O strowitzki Hieronymus: Ueber den intermittirenden 
Exophthalmus. 

Universität Heidelberg. Februar 1900. 

2. Loch manu Felix: Zur Anatomie und Physiologie der Um- 
bilicalgefässe. 

3. Ilormuth Philipp: Beiträge zur Lehre von den hereditären 
Sehnervenlehleii. 

Universität Jena. Januar nichts erschienen. 

Februar 1900. 

1. Brandt Friedrich M.: Ueber Schleimhautlupus mit besonderer 
Berücksichtigung der Mundschleimhaut. 

2. L i e p e 1 d Conrad: Ueber den Einfluss von Antipyrin und Chi¬ 
nin auf den Gaswechsel des gesunden Menschen. 

3. Schmidt Max: Zur Casutstik des primären Lungenkrebses. 

4. Schultze Otto: Ueber den Würmehaushalt des Kaninchens 
nach dem Wärmestich. 

5. Stiihlinger Ludwig: Ueber die Einwirkung einiger anti¬ 
pyretischer Mittel auf den Wärmel^iushalt gesunder und 
kranker Thiere. 

Universität Königsberg i. Pr. Januar 1900. 

1. R a di 1 o w s k i Mendel.: Beitrag zur Therapie schwerer Sko¬ 
liosen. 

2. Kreis Samson: Experimentelle Beiträge zur Lehre von deu 
Wirbelluxationen. 

Universität Strassburg. Februar 1900. 

0. Tolkiemit Alfred: Ueber Anwendung des Kolpeuryntev 
auf Grund von Beobachtungen an der Strassburger Universi¬ 
täts-Frauenklinik. 

7. Duhamel Joseph: Ueber die Erweiterung der Flexura sig- 
moidea coli, insbesondere die angeborene Erweiterung. 

8. Köhler Franz Xaver: Ueber Geburten nach überstandener 
Uterusruptur. 

Universität Tübingen. Februar 1900. 

G. Lebküchner Friedr. Zwei Fülle von weit fortgeschrittene!' 
Tuberculose im frühesten Kindesalter, nebst literarischen Nach¬ 
weisen übel* congenitale Tuberculose. 


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372 


No. 11. 


MÜNCHEN EH MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


7. Werner Johannes: Zur Casuistik des angeborenen Coloboms 
der unteren Augenlider. 

S. Herbert Adolf: Untersuchungen über das Vorkommen von 
Tuberkelbaellleu in der Marktbutter. 

!>. A li s c li ü.t jsW illy: Phosphorvergiftuug oder acute gelbe Leber- 
atropli ie? 

10. Helot ins Ayold: Casuistische Beiträge zur Lehre von den 
Zwangsvorstellungen. 

Universität Würzburg. Februar 1900. 

10. Aldegarmann Heinrich: Ein Endotheliom des Magens. 

11. Anselm J.: Heber Jodaufspeicherung im thierischen Körper 
nach Jodfütterung. 

12. Barth Christian: Zur Behandlung der Struma mit Thyreoidin. 

13. Baum Julius: Beitrüge zur Kenntniss der Muskelspindeln. 

14. Binder Romanus: Die eonservative Behandlung der Coxitis 
und ihre Resultate, Insbesondere die Conservativbehandlung 
mittels portativer Apparate. 

15. B r e u n i g Carl: Retention der Zähne. 

10. Den ne Paul: Veränderungen der Myome während der Gra¬ 
vidität und Einfluss derselben auf die Geburt. 

17. Ehrsam Alexander: lieber Substanzen, welche im Stande 
sind, unsere Geschmacksempfindung zu l>eeinflussen. 

18. Fell Josef: Schicksale der Bromsalze im thierischen Organis¬ 
mus. 

19. Flörsheim Ernst: Ueber interlobäre Pleuraexsudate. 

20. Schäfer Carl: Die Biudegewebsentwicklung in der Leber 
bei der cyanotischen Cirrliose. 

21. Strauss Sally: Ueber Pseudohypertrophie der Muskeln. 


Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 7. März 1900. 

Herr Sturmann : Ein Fall von Rhinosklerom. 

Demonstration dieses seltenen Falles, der neben den Ver¬ 
änderungen in der Nase auch solche im Kehlkopfe zeigt, und 
der sogen. Rhinosklerombaclllen in Cultur und Deckglaspräparat. 

Herr Brühl: Zur Anatomie der Nebenhöhlen der Nase. 

Vortragender hat nach einem schon früher von ihm ver¬ 
öffentlichten Verfahren die Nebenhöhlen der Nase mit Metall 
ausgegossen, nachdem der Knochen durch Entkalkung, Härtung 
und Aufhellung durchsichtig gemacht worden war. Er bespricht 
die aus diesen hervorragend instructiven Präparaten gewonnenen 
Mittelzahlen der Grössen Verhältnisse der Höhlen und verschiedene 
klinische Details, für welche die ausführliche Publication ein¬ 
zusehen ist. 

Herr Jul. Wolff: Demonstration von Röntgenbildern der 
Knochenarchitectur am Knochenapparat. 

Demonstration der für das von A1 b e r s und Schönberg 
herausgegebene Werk angefertigten Röntgenbilder, welche be¬ 
zwecken, das von J. Wolff aufgestellte Trausformationsgesetz 
der Knochen zu illustriren. Hans K o h n. 


Verein für innere Medicin in Berlin. 

(Eigener Bericht.) 

Herr B e n d i x : Demonstration der Agglutination von 
Tuberkelbacillen durch das Serum Tuberculöser nach der Methode 
von Arloing und Courmonts (s. diese Wochensehr. 1899). 
An Gesunden konnte Vortr., der diese Nachprüfung der franzö¬ 
sischen Angaben auf der Klinik v. Leyde n’s vornahm, diese 
Reaction nicht auffinden, dagegen an einer grösseren Zahl von 
Tuberculösen, und zwar auch schon im Anfaugsstadium. Die Re- 
netion trat auf bei Verdünnung von 1:5—15, ausnahmsweise 
sogar bei 1:50. In einem besonders schweren Falle war die Re 
actiou eine gegentheilige. d. h. das Serum schien eine die Agglu¬ 
tination hemmende Wirkung zu besitzen. 

Das Maraglia« o'sche Serum besitzt starke agglutinirende 
Eigenschaften; nicht jedoch das K o c lrsche alte Tuberculin; das 
neue wurde nicht untersucht. 

Somit ist nach des Vortr. Meinung diese Reaction von dia¬ 
gnostischer Bedeutung, vielleicht auch von Belang für die Beur¬ 
teilung der Schwere des Falles. 

Herr Blumenthal: Heber Sidonal, ein neues Heil¬ 
mittel. 

Die bisherigen G i c h t m i 11 e 1 waren im Wesentlichen 
darauf berechnet, die in den Gelenken abgelagerte Harn¬ 
säure zur Lösung zu bringen, wie Piperazin, Lysidin, Urocedin. 
Die Erfolge, welche mit diesen Mitteln erzielt wurden, waren 
jedoch geringe, da die Verhältnisse im Organismus doch andere 
sind, als im Iicageiisglas. Nun hat neuerdings Weiss in 
B u n g e\s Laboratorium fest gestellt, dass die Chinasäure 
im Stande ist, die Bildung von Harnsäure im Körper 
zu v e r in i n d c r n, sich dieselbe also prophylaktisch bei Gich- 
tikcrn verwertlt-en lassen könne. Die Firma J a f f e und Dar m- 


Städter suchte diesem Zweck zu dienen durch Verbindung der 
Chinasäure mit dem Piperazin, und dieses chinasauere 
Piperazin-Sidonal hat Vortragender auf Leyden's 
Klinik an einigen Patienten, von welchen aber keiner echte Gicht 
hatte, versucht. Er konnte mit der Einnahme von 5,0—8,0 pro 
die chinasauren Piperazins eine geringe Abnahme der Harnsäure 
und dafür Auftreten von Hippursäure feststellen. 

Durch diese Mittheilungen wolle er zu praktischen Ver¬ 
suchen bei Gicht ermuthigen. 

Dlscussion: Herr v. Leyden hat in der Privatpraxis 
einige Versuche mit dem Mittel gemacht und kaun sagen, dass 
das Mittel gut vertragen wird und in einigen Fällen eine Ab¬ 
kürzung der Anfälle zu bemerken sei. Man müsse sich jedoch 
natürlich vorsichtig äussern. 

Herr Jaques Meyer: Derselbe hat in Karlsbad auf Wunsch 
der Fabrik Versuche an gestellt und kann das Mittel neben der 
Bruuneneur empfehlen. 

Herr Ewald: Er habe zwar keine echte Gicht damit be¬ 
handelt, aber einige Fälle von Harngries und vermuthliehen Nieren¬ 
reizungen, und zwar mit Erfolg. 

Herr Goldseheider: In zwei Fällen von echter Gicht hat 
das Sidonal. die Anfälle schneller verschwinden lassen. 

Hon* Edmund Meyer: In einem von B. Fraenkel an sich 
selbst beobachteten Gichtaufall wurde durch Sidonal eine Ab 
kürzung des Anfalls constatirt. dessgleichen in einem von M. be¬ 
obachteten. 

Herr C. Benda :' Zwei Fälle von metastasirender 
Aktinomykose. 

In einem Falle war von einer actinomykotischen Erkrankung 
des Processus vermiformis aus ein aetinomykotischer 
Leberabscess und von diesem ein Durchbruch in die Leber¬ 
vene mit Dissemination in Lungen und Nieren erfolgt. 
Im zweiten kam es vom Pericard und einem grossen actlno 
mykotischen Herzabscess aus zum Einbruch in die 
Corona r veno und Aussaat iu die Blutbahn. (Demon¬ 
stration der seltenen Präparate.) H. Koli n. 


Berliner Briefe. 

Influenza. — Krankenhausnoth. — Weibliche Aerzte bei 
Krankenkassen. 

fteit mehreren Wochen stehen wir andauernd im Zeichen der 
Influenza; es gibt kaum eine Familie, in der sich nicht ein oder 
mehrere Patienten befinden, und der Arzt, soweit er nicht als 
Specialist in seinem Sprechzimmer der kommenden Patienten 
harrt, sondern als Vertreter der weitverbreiteten Speeies „medicus 
practicus“ die Strassen bevölkert, hat wie ein Briefträger Trepp 
auf Trepp ab zu wandern und ist froh, wenn er nach gethaner 
Arbeit die Wirkungen des Influenzabacillus nicht im eigenen 
Körper entdeckt. Da wir uns sonst im Allgemeinen nicht gerade 
über Ueberbiirdung zu beklagen haben, so wird den Meisten die 
Ausdehnung ihrer Thätigkeit nicht unangenehm sein, wenn auch 
Manchen und besonders den Cassenärzten der Segen allzu reich¬ 
lich erscheinen mag. Hand in Hand mit dem grösseren Kranken¬ 
stand ging auch eine Ueberfüllung der Krankenhäuser, welche 
zeitweise sogar die Bedeutung einer öffentlichen Calamitiit an- 
nahm, die zu einer Besprechung in der Stadtverordnetenver¬ 
sammlung Veranlassung gab. Durch x\uf Stellung von Baracken 
in den Krankenhäusern wurde dem Uebelstande theilweise ab¬ 
geholfen, und sehr bald hatte das Anwachsen des Krauken- 
bestandes auch seinen Höhepunkt überschritten, die Hochflutli ist 
vorüber, und damit sind die Klagen über die Krankenhausnoth 
auch verstummt. Bei dieser Gelegenheit hatte sich eine Ein¬ 
richtung der Rettungsgcsellschaft sehr gut bewährt. Die Centrale 
wird täglich über die Anzahl und Art der in jedem einzelnen 
Krankenhaus an dem Tage verfügbaren Betten benachrichtigt; 
und während es früher zu Zeiten grösserer Morbidität nicht selten 
vorkam, dass mit einem Kranken erst Reisen rund um Berlin 
von einem überfüllten Krankenhause zum andern unternommen 
werden mussten, bedarf es jetzt nur einer telephonischen Anfrage 
bei der Centrale der Rettungsgesellschaft, um sofort zu wissen, 
wo der Kranke Aufnahme finden kann und nÖthigenfalls auch 
binnen höchstens einer halben Stunde einen Krankentransport- 
wagen zur Stelle zu haben. Es wird daher sowohl von Seiten der 
Aerzte wie des Publicums von dieser Einrichtung der ausge¬ 
dehnteste Gebrauch gemacht. 

In den weitesten Kreisen der Künstler und des gebildeten 
Publicums überhaupt herrscht zur Zeit eine grosse Aufregung 
über die geplanten Bestimmungen der Lex Heinze, und von allen 
Seiten werden Protestrufe gegen die drohende Vergewaltigung 
der Kunst laut. Die Wissenschaft hat vorläufig nichts zu bc- 


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13. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


373 


fürchten. Der wissenschaftlichen Besprechung und auch der 
ärztlichen Behandlung des nackten Körpers droht kein Verbot und 
keine Strafe und von Gesetzes wegen darf sogar ein männlicher 
Arzt mit profaner Hand einen weiblichen Körper heilen. Doch 
aber gibt es Cassenvorstände, die von solchem Ereigniss Gefahren 
für das Seelenheil ihrer weiblichen Mitglieder befürchten und 
sich moralisch verpflichtet glauben, diesen ärztliche Hilfe durch 
weibliche Hand zur Verfügung zu stellen. Das ist bei dem Hilfs¬ 
verein für weibliche Angestellte der Fall, und obwohl dem Vor¬ 
stand wohl bekannt ist, dass die Anstellung von im Ausland 
approbirten Aerztinnen gesetzlich nicht zulässig ist, so wird die 
Einrichtung einfach per nefas beibehalten. Schon früher hatte 
der Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine 
beim Polizeipräsidium als der Aufsichtsbehörde darüber Be¬ 
schwerde erhoben, und cs wurde ihm damals der Vorwurf ge¬ 
macht, dass sein Vorwurf nicht ganz gentlemanlike sei und den 
Beigeschmack des Denunciantenthums habe. Dieser Vorwurf ist 
aber ganz ungerechtfertigt, es ist vielmehr die Aufgabe des Ge¬ 
schäftsausschusses als des Vertreters der ärztlichen Standesinter¬ 
essen, auf bestehende Verstösse gegen die gesetzlichen Rechte 
des ärztlichen Standes mit aller Energie hinzuweisen, und es ist 
darum nur folgerichtig und correct gehandelt, wenn er jetzt von 
Neuem beim Polizeipräsidium darüber Beschwerde geführt hat. 
dass im Aerzteverzeichniss der f raglichen Krankeneasse die 3 in 
der Schweiz approbirten Aerztinnen noch immer aufgeführt sind. 
Darob aber entstand eine mächtige Erregung und zwar nicht so 
mhr unter den Cassenmitgliedern, als unter den Führerinnen der 
Frauenbewegung. In einer vom Verein für Frauenstudium ein¬ 
beruf enen öffentlichen Versammlung wurde die Beschwerde des 
Geschäftsausschusses streng kritisirt, aber — und das ist sehr 
charakteristisch für die Art, wie solche Fragen agitatorisch be¬ 
handelt werden — die gesetzliche Grundlage der Beschwerde 
kaum berührt. Aber um so eindringlicher wurde die Nothwendig- 
keit betont, dass den weiblichen Cassenmitgliedern weibliche 
Aerzte zur Verfügung stehen müssen. Jeder Arzt, der auch weib¬ 
liche Personen oft zu behandeln Gelegenheit hat, und das ist 
die Mehrzahl aller Aerzte überhaupt, weiss, dass die Frauen mit 
wenigen Ausnahmen keinerlei Bedenken haben, sich einem Arzt 
anzuvertrauen. Wie der menschliche Körper für den Künstler 
nuy den Ausdruck des vollendet Schönen darstellt, so ist er für 
den Arzt nichts Anderes, als der Gegenstand, an dem er seinen 
humanitären Beruf bethätigen kann. Vereinzelte Ausnahmen 
ändern an dieser Thatsache nichts, und die Vorwürfe, welche 
gegen Aerzte erhoben worden sind, weil sie sich Uebergriffe gegen 
Weibliche Patienten haben zu Schulden kommen lassen, rühren 
meist von hysterischen Personen her und halten einer sachlichen 
Prüfung nicht Stand. Die überwiegende Mehrheit unserer weib¬ 
lichen Clientei weiss das auch ganz gut und hat nach wie vor 
Vertrauen zum Arzt. Aber jede Agitation, wenn sie nur lärmend 
genug in Scene gesetzt wird, findet auch einen fruchtbaren Boden, 
und nachdem es ihnen immer wieder und wieder im Brustton der 
Ueborzeugung vorgetragen ist, glauben schliesslich die armen 
Cassenmitglieder selbst, dass der Zustand, wie er bei ihnen 
früher und bei fast allen anderen Cassen auch heute noch besteht, 
unerträglich sei, und dass ihr zeitliches und ewiges Heil schwer 
gefährdet sei, wenn sie gezwungen wären, ärztliche Hilfe bei 
einem Arzt zu suchen. So schloss denn auch jene Versammlung 
mit einer Erklärung, in welcher die Nothwendigkeit der Anstel¬ 
lung weiblicher Aerzte ausgesprochen wurde. Diese Erklärung 
steht im Grunde genommen gar nicht im Widerspruch mit der 
Auffassung des Geschäftsausschusses, zum mindesten betrifft sie 
den Kern der Sache nicht. Denn von weiblichen Aerzten ist gar 
keine Rede gewesen, schon aus dem einfachen Grunde, weil es 
solche im Sinne des Gesetzes in Deutschland nicht gibt. Alle 
Zeichen deuten darauf hin, dass die Zeit nicht fern ist, wo auch 
in Deutschland Aerztinnen approbirt werden, und dann wird der 
Geschäftsausschuss ebenso wie jeder Arzt nichts dagegen ein¬ 
zuwenden haben, dass bei den Krankencassen oder bei anderen 
Instituten weibliche Aerzte mit amtlichen Functionen betraut 
werden. So lange aber sollte der Verein für Frauenstudium sich 
gedulden. K. 


Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 23. Januar 1900. 

Vorsitzender: Herr Wiesinger. 

Schriftführer: Herr II ä r t i n g. 

Herr Lochte berichtet im Anschluss an die Vorstellung 
eines Falles von Intermittirender Lymphschwellung des Scrotums 
in der vorigen Sitzung des Vereins durch Herrn Lauensteiu 
über einen Fall von Filaria sanguinis. 

Der 29 jährige Matrose war Anfang Januar auf der Abtheilung 
des Herrn Dr. E n g e 1 - R e i in e r s hier mit der Diagnose Syphi¬ 
lis aufgenommen worden. Der Kranke sprach nur spanisch, 
stammte aus Porto Rico, war in einem sehr elenden Zustande. 

Körpergewicht 8S Pfund. Kein Fieber. 

An der Diagnose Syphilis wurde zunächst festgebalten. Es 
fand sich eine thalergrosse Uceration mit schmierigem Grunde 
auf dem r. Fiissrticken, kleinere an der Innenseite der r. Wade. 
Die Innenseite des r. Kniegelenkes war aufgetrieben, geröthet, 
schmerzhaft, an einzelnen Stellen oberflächlich ulcerirt. Ein 
boluiengrosses Ficus befaud sich in der Mitte des 1. Unter¬ 
schenkels. 

Pat., der angab, vor 4 Jahren einen Schanker gehabt zu haben, 
dessen Residuen in Gestalt einer weissen Narbe links auf dem 
Aussenblatt des Präputiums noch sichtbar waren, hatte in beiden 
Leistenbeugen zahlreiche mandelgrosse, schmerzlose, leicht promi- 
nirende, aber relativ weiche Lymplidrüsen. 

Schmerzhafte Schwellung am Kopfe des r. Nebenhodens, die 
rechte Tibia anscheinend in toto verdickt. Die inneren Organe 
waren gesund. Es bestand keine Milzschwelluug. Es schien sich 
also um ulceröse Syphiliden an den Beinen und gummöse Infiltrate 
am r. Knie und r. Nebenhoden zu handeln. Haemoglob. 90 Proe. 

Der Harn, der am ersten Tage fast völlig klar entleert worden 
war und deutliche Eiweissrcaction gab, zeigte an folgenden Tagen 
eine sehr auffallende Beschaffenheit. Er war in normaler Menge 
entleert, sauer, spec. Gewicht 1012, aber vollkommen milchig trübe, 
opalescireud und gerann im Glase zu einer durchscheinenden 
gelatinösen Masse unter Absclieklung einzelner weisser Fibrin¬ 
fäden. 

Im eentrifugirten Harne fanden sich keine Oylinder, dafür 
reichliche, z. Th. stark in Verfettung begriffene Leukocyten. 

Der Harn enthielt 4 proiu. Alb. im Esbach, ausserdem, wie 
eine nachträgliche Analyse ergeben hat, 0,2 proe. Fett, also 2 g 
im Liter. Es lag demnach eine Cliylurie vor, deren Ursache noch 
zu erweisen blieb. Filarien waren im Harn nicht gesehen worden. 
Als indessen der erste Tropfen Blut unter das Mikroskop gebracht 
wurde, waren sofort 4 Filariaembryouen sichtbar, die sich ähnlich 
wie Essigiilchen iin Blute bewegten. (Demonstration.) Zur Ent¬ 
scheidung der Frage, ob der Kranke neben seiner Filariaerkrankung 
noch an Syphilis litte, wurde er einem erneuten anamnestischen 
Examen miterzogen. 

Dasselbe ergab, dass Pat. bis vor 2 Monaten völlig gesund 
gewiesen war. Er hatte nach dem Schanker niemals Seeundär- 
erseheinungen gehabt, war überhaupt noch niemals einer Schmier¬ 
ern* unterwarfen w r orden. Vor 2 Monaten hatte er Porto Rico ge¬ 
sund verlassen und w T ar 20 Tage vor seiner Ankunft in Hamburg 
mit einer Anschwellung des r. Beines erkrankt. Es waren ausser¬ 
dem „Beulen“ entstanden, die unterwegs geöffnet w r urdeu und sich 
in Geschwüre umgew’andelt hatten. 

Dennoch w T ar es wahrscheinlich, dass es sich bei dem Kranken 
gar nicht um Syphilis handelte, sondern um Lymphabscesse, die 
gespalten waren; für diese Annahme sprach auch, dass sämmtliche 
UlceratIonen am r. Bein im Verlaufe der V. saphena sassen. 

Während der weiteren Beobachtung des Kranken haben sich 
irgend welche Zeichen von Syphilis nicht finden lassen, wohl aber 
sind die Ulcerationen unter indifferenter Behandlung völlig geheilt. 

Es handelt sich demnach um eine reine Filariaerkrankung. 

Herr L. führt kurz das über den Infectionsmodus, das Vor¬ 
kommen etc. der Krankheit Bekannte an. 

Der Fall verdient Interesse, weil diese tropische Krankheits¬ 
form überhaupt selten hier zur Beobachtung kommt, andererseits, 
weil differentialdiagnostisch Syphilis mit in Frage kam. 

Von Interesse ist auch ferner, dass die Filariaembryonen zuerst 
am Tage im Blute gefunden wurden. Wir haben diesen Be¬ 
fund wiederholt erleben können, auch ohne dass der Kranke vorher 
geschlafen hatte. Die Filarien sollen ja zumeist Nachts im Blute 
vorhanden sein. Bei einer Untersuchung, die Abends um 9 Uhr 
vorgenommen wurde, fand sich erst im 4. Blutpräparat ein Parasit. 

Die Prognose des Falles muss bei den dürftigen Ernährungs¬ 
verhältnissen des Kranken als zweifelhaft angesehen werden. 

Herr G e i p e 1 demonstrirt eine im dritten Monat der Gravi¬ 
dität ausgeräumte Blasenmole, von einer 44 jährigen Frau stam¬ 
mend. — Makroskopisch zeigte dieselbe das gewöhnliche Bild, 
mikroskopisch konnten neben den degeuerativen Veränderungen 
des Zottenstromns besonders hochgradige Wucherungen im Gebiet 
der Langhan s’sclien Zellschicht sowie des Syncytiums con- 
statirt werden. Herr G. geht auf die Verhältnisse beider Zellarten 
zu einander in seinem Falle näher ein. Er konnte ausserdem aller¬ 
dings erst nach langem Suchen im Stroma vereinzelter kleinerer 
Zotten ausserordentlich grosse Zellen mit mehreren Kernen von 
syncytlaler Herkunft nachweisen, wie sie zuerst von S c h m o r 1 
und Neumann beobachtet wurden. An der Hand aufgestellter 
mikroskopischer Präparate bespricht er die Details des Ein- 
w’ueherns der syncytialen Elemente in die Zotte, hervorhebend. 


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374 


MUNCH KN KR MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


dass sämmtliclie Befunde nur an S e r i e n s c li n i 11 o n erhoben 
wurden. Er bespricht schliesslich die Beziehungen dieser Zotten- 
erkrankung zu den syncytinlen Tumoren. 

Herr Prochownik hat in den letzten Jahren mit seinen 
Assistenten eine Serie von Blasenmolen mikroskopisch verarbeitet. 

Er hat mehrfach das Eindringen syncytialer Schollen in den 
Zottenleib, wie in den vorliegenden ITilparaten gesehen, sogar 
mehrere derselben, wie N e u m a n u , im Stroma einer Zotte 
l>eobachtet. Er vermag jedoch diesem an sich höchst interessanten 
und noch der Klärung bedürftigen Phänomen durchaus nicht den 
Charakter der Malignität zuzuerkennen. Es fand sich sowohl bei 
gutartigen als bei bösartigen Blasenmolen, eher noch bei erstertn. 

I)a die Zugehörigkeit des Syucytium zu Mutter und Embryo 
noch nicht geklärt ist und da die Anfänge der Placeutarbildung 
ganz besonders schwer zu deutende und mannigfaltige mikro¬ 
skopische Befunde aufweiseu, darf nach seiner Meinung vorerst nur 
das nachgewiesene deutliche Eindringen von syneytialen Massen, 
gefolgt voll Langlmnszellen, in die aufgefaserte Muskelschicht 
als maligne gedeutet werden, und selbst dann muss mau noch 
vorsichtig sein. 

Herr G e i p e 1 stellt die Frage an Herrn I*., ob die mikro¬ 
skopischen Befunde ebenfalls an Serienschnitten erhoben worden 
wären. Das Eiuwandern syncytialer Massen in die Zotte sei auf 
jeden Fall als etwas Fremdartiges aufzufassen, gleichviel ob das 
Syucytium mütterlicher oder kindlicher Herkunft sei und gleich¬ 
viel, ob einer derartig veränderten Blasenmole ein syncytialer 
Tumor folge oder nicht. Die Diagnose der Malignität einer Mole 
sei natürlich am ausgeschnittenen Uterus leichter zu 
stellen, als an einer a u s g e s t o s s e u e n Blasenmole. 

Herr Prochownik hat nicht am ausgeschnittenen Uterus, 
sondern an Ausschabestückchen die Diagnose auf Eindringen in die 
Musculatur gestellt, bezw. zu stellen versucht. Hinsichtlich seiner 
Untersuchungen bemerkt Herr Pr., dass dieselben nicht an 
Serienschnitten erhoben wurden. 

Herr G e i p e 1 l>emerkt zum Schluss, dass Herr P r o c li o w - 
n i k hinsichtlich seiner Untersuchungsbefunde allerdings einzig 
dastehe. 

D i s c u s s i o n über den Vortrag des Herrn Sänger: 

Ueber Hirnsymptome bei Carcinomatose. 

Herr B o e 11 i g e r hebt hervor, dass nach den bisher zur 
Sprache gebrachten Beobachtungen Uarciuommetastasen im <ie- 
hira besonders leicht auftreten beim Sitz der Carciuome in der 
Brusthöhle; er sah selbst 2 einschlägige Fälle, die vom Media¬ 
stinum resp. dem Oesophagus ausgegangen waren. —• Besonderes 
Interesse beanspruchen die von Herrn Säuger geschilderten, 
im Verlauf der Carcinomatose auf tretenden Cerebralsymptome 
vom Charakter der Herderkrankungen, ohne deutlichen anatomi¬ 
schen Befund. B. weist auf die Analogie auch mit den apoplecti- 
formen und epileptiformen Anfällen der Dementia paralytica hin. 
Ueber das Vorkommen von epileptiformen Anfällen bei Carcinoma¬ 
tose ist er nicht orientirt, hält dasselbe a priori aber für durchaus 
möglich. Was die von Herrn Sänger gefundenen leichten In¬ 
filtrationen der Hirnhäute mit Krebszellen betrifft, so kann B. sich 
nicht vorstellen, dass in diesen der Ausgangspunkt und die Ur¬ 
sache für schwere Hemiplegien etc. zu suchen sein soll, wenn man 
bedenkt, wie hochgradige Infiltrationen bei anderen Krankheiten 
an den gleichen Stellen bestehen können ohne die mindesten 
ähnlichen Symptome. Diese Infiltrationen seien zur Erklärung 
auch kaum nötliig. Vortr. weist auf die kolossal ausgedehnten 
Halbseitenlähmungen der Paralyse hin. die Hemiplegie. Hemi- 
anaesthesie, Hemianopsie in grösster Totalität zeigen können, 
und zwar in durchaus passagerer oder auch persistiremler Weise, 
ohne jeden grob anatomischen Befund. Wie wir hier gezwungen 
sind, wohl parenchymatöse Veränderungen von vorläufig selbst 
mikroskopisch nicht nachweisbarer Natur anzunehmen, so wird 
es wohl auch für die entsprechenden Symptome der Carcinomatose 
notliwendig sein, und zwar wird es sich sicherlich, das geht aus 
dem ganzen klinischen Verlauf hervor, uni Veränderungen in der 
Hirnrinde handeln. 

Es ist nun gestritten worden, ob die Ursache dieser Ausser 
functionsetzung ganzer motorischer Gebiete, ja fast ganzer Hemi 
Sphären in toxischen Einflüssen oder in clrculatorischen Störungen 
zu suchen sei. B. glaubt, dass es nicht angängig ist, hier von „ent- 
weder—oder** zu sprechen, dass vielmehr beide Momente gleichzeitig 
und noch weitere Momente mehr gemeinsam in Betracht kommen. 
Er stimmt Herrn Sä nger zu, dass die Annahme rein toxischer 
Wirkungen, und zwar so electiver Wirkungen auf bestimmte mo¬ 
torische Centrcn nur einer Seite sehr gezwungen erscheint und 
wenig befriedigen kann. Er glaubt aber ebenso wie Herr Nonne, 
dass das Vorhandensein einer Autoiutoxication, wahrscheinlich mit 
giftigen Stoffwechselprodueten des Körpers oder der Carcinom 
knoten immerhin eine conditio sine qua non ist. und dass ohne diese 
die anderen wohl noch einwirkenden Schädlichkeiten nicht Sym¬ 
ptome der fraglichen Art hervorrufen würden. Zu diesen anderen 
Schädlichkeiten gehören wohl in erster Linie eirculatorische. wo¬ 
rauf wieder die Analogie mit den paralytischen Anfällen hinweist, 
bei denen der Einfluss von Hube resp. Bettbehandlung und Be¬ 
wegungen. von der Demenz oder Agitation etc. auf die Häufigkeit 
der Anfälle mehrfach betont worden ist. Vielleicht halten auch 
statische Momente Einfluss auf die jeweilige Loealisation der 
apoplektiformeu Insulte. Schliesslich ist nicht ausser Acht zu 
lassen, «lass die toxischen und clrculatorischen Schädlichkeiten 
wohl kaum hinreichen würden, solche schweren Symptome hervor? 

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zurufeu, wenn sie nicht ein ln seiner Vitalität recht erheblich 
hi rabgesetztes CentruInervensystem beträfen. 

Herr T r ö m u e r hält die Möglichkeit toxischer Herderkran¬ 
kungen aufrecht und weist auf die Epilepsie und gewisse Gifte als 
Beispiele hin. so z. B. Hyoscin. ferner Santonin, welches optische. 
Chinin, welches acustisclie Reizerscheinungen mache. In der 
Rinde Carcinomatöser habe er selbst pathologische Veränderungen 
der zeitigen und gliüsen Bestandteile gefunden. Dass anatomische 
Befunde an sich noch nicht genügen zur Erklärung gewisser Herd 
erscheinungen, zeigten u. a. Paralyse und Dementia senilis. Trotz 
deutlicher diffuser Veränderungen würden hier anatomische Herd¬ 
befunde häufig vermisst. 1 lesshalb könne im einzelnen Falle nur 
genaue mikroskopische Untersuchung Aufschluss geben. 

Herr C. Lauenstein warnt vor der Annahme der Ein¬ 
wirkung von toxischen Substanzen. Er berichtet über einen Fall, 
eine Frau mit Mammacarciuom betreffend, die nach einer plötzlich 
eintretenden Hemiplegie starb. Die Frau kam leider nicht zur 
Seetion, doch glaubt Herr C. L a u e n s t e i n bestimmt, dass es 
sich um eine Carcinommetastase im Gehirn gehandelt habe. Er 
weist auf G u s s e n b a u e r’s Untersuchungen von Achseldrüsen 
hin. in denen man carcinomatöse Zellen findet, ohne dass diese 
Drüsen klinische Erscheinungen bieten. Das Gehirn dagegen 
müsse Ihm seiner grossen Reizbarkeit bei selbst geringen ana¬ 
tomischen Veränderungen klinisch starke Symptome auslösen. Er 
glaubt, dass die Untersuchungen der Gehirne bei Carcinomatose 
viel exacter durchgeführt werileu müssen und dass mau dann sehr 
häufig pathologische Veränderungen finden werde. 

Herr E n g e 1 m a u n bemerkt beiläufig zu den Ausführungen 
des Herrn T r ö m n e r. dass die acustlscheu Reizerscheinungeil 
bei Gebrauch von Chinin nicht auf einer Reizung des Gehirns, 
sondern des Ohrlabyrinths beruhen. 

Herr Sänger betont nochmals, dass die Annahme, es handle 
sich um toxische Einflüsse l»ei den Hirnsymptomen nach Carci¬ 
nomatose, vollkommen in der Luft schwebe und unglaubwürdig sei; 
denn bei toxischen Einflüssen müsse man doppelseitige 
Liihmuugcu und Reizerscheinungen haben, und doch finde man 
stets nur einseitige. Die toxischen Lähmungen, die wir kennen, 
sind doppelseitige, so z. B. die Arseniklähmungen, die Lähmungen 
nach Diphtherie. 

Bei Encephalopatliia saturuina kommt es mitunter auch z»; 
halbseitigen Lähmungen, doch sind diese nicht toxischen, sondern 
anderen Ursprungs. Nach alledem komme man vielmehr dazu, 
anzunehmen, dass es sich um embolisclie Processe Im Gehirn 
handle, nicht um toxische. 

Herr Sänger betont nochmals, dass man das Gehirn ganz 
anders untersuchen müsse als bisher, um zu einem Resultate zu 
kommen. Unsere jetzigen Untersuchungsniethoden des Gehirns 
reichen jedenfalls noch nicht aus, um die pathologischen Verände¬ 
rungen im Gehirn alle nachwelsen zu können. 

Nach alledem ist die ganze Frage der Hirnsymptome bei Carci¬ 
nomatose noch nicht spruchreif. 

Vortrag des Herrn Edlefsen: Ueber eine neue Harn- 
und Zuckerreaction. 

Vortragender berichtet über eine Ilarnreaction mit Per¬ 
manganat in alkalischer Lösung, die durch Anwesenheit von 
Zucker im Ilarn in der Weise beeinflusst wird, dass es mittels der¬ 
selben gelingt, selbst sehr geringe Mengen von Zucker im nor¬ 
malen Harn naehzuweisen, indem man, je nach dem Zuckergehalt 
desselben, eine bald grössere, bald kleinere Zahl von Tropfen zu 
dem Reagens (1 Tropfen lproc. Permanganatlösung in 5—7,5 ccm 
stark verdünnter Natronlauge) hinzufügt. Tliatsächlich hat E. 
auf diese Weise in allen Tagesportionen seines Harns mit Aus¬ 
nahme des aus den letzten Nachtstunden stammenden Morgen¬ 
harns Zucker nach weisen können. Im Gegensatz zu allen anderen 
reducirenden Substanzen, bei deren Einwirkung es immer zur 
Ausscheidung eines braunen Niederschlages von Mangansuper- 
ox.vdhydrat kommt, bleibt dieses bei Gegenwart von Zucker in 
genügender Menge in der Flüssigkeit gelöst, die demnach dauernd 
eine klare Beschaffenheit bewahrt. Das Mangansuperoxyd muss 
also in einem der bei der Einwirkung von Oxydationsmitteln 
in alkalischer Löspng entstehenden Oxydationsproducte des 
Traubenzuckers (Gluconsäure, Zuckersäure, Tartronsäure oder 
Glykolsäure) löslich sein, und in der That fand E., dass der bei 
der Reduction des Permanganats durch zuckerfreien Ham ent¬ 
stehende braune Niederschlag sich in dem Filtrat von der (nur 
mit Kupfersulfat und Natronlauge angestellten) Tromm er¬ 
sehen Probe, das ja sämmtliche Oxydationsproducte des Zuckers 
enthalten muss, bei gelindem Erwärmen vollständig löst. Zum 
Schluss weist der Vortragende noch auf die Möglichkeit hin, 
dass dieses Filtrat ebenso wie die bei der Reduction des Per¬ 
manganats durch Traubenzucker entstehende klare braune 
Flüssigkeit wohl auch Oxalsäure als letztes Oxydationsproduct 
des Zuckers enthalten könne, und bemerkt dazu, er habe soeben 
noch constatiren können, dass sich das frisch gefällte Mangan- 
superoxydhvdrat in Oxalsäurelösung mit Leichtigkeit schon in 
der Kälte löse, woraus jedoch vorläufig noch keine sicheren 

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13. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


375 


Schlüsse zu ziehen wären. Weitere Einzelheiten lassen sich in 
einem kurzen Keferat nicht mittheilen. Der Vortrag wird an 
anderer Stelle veröffentlicht werden. 


Medicinisch-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena. 

Sectlon für Heilkunde. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 23. Januar 1900. 

1. Herr Wagenmann stellt einen Fall von multiplen 
Melanosarkomen des Körpers, besonders der Haut, vor, bei dem 
eigenartige C o m p 1 i c a t i o n e n von Seiten der beiden 
Augen in Erscheinung getreten waren. 

Der 28 jährige Landwirtk F. kam zuerst am 7. April 1899 
in die Jenaer Augenklinik wegen einer seit 3 Wochen bestehenden 
heftigen, von selbst entstandenen Augenentzündung mit starken 
Schmerzen im Auge und im Kopf. 

Der Patient berichtete, dass er im September 1898 eine fieber¬ 
hafte Krankheit mit Kopfschmerzen durchgemacht habe und seit¬ 
dem an grosser Mattigkeit leide. Bis dahin sei er vollkommen ge¬ 
sund gewesen: er sei seit einigen Jahren verlieiratliet und habe 
ein gesundes Kind. Nach der Erkrankung im Herbst habe er an 
mehreren Stellen der Brust und des Gesichts kleiue, zum Tlieil 
blauscliwarze Knoten bemerkt. Einige habe er aufgekratzt und 
dann sei dickes, schwarzes Blut ausgetreten. 

Bei der Aufnahme fand sich am linken Auge eine s e h w ere 
Iridocyklitis mit Drucksteigerung und Bildung 
eines flachen, sichelförmigen, pigmentirteu 
Tumors im Kammerwinkel. Es bestand Lidoedem, 
starke Lichtscheu. Thrünenträufeln, hochgradige Ciliarinjection, 
Stippung des Hornhautepithels und rauchige Trübung der Horn¬ 
haut. Die Pupille war erweitert, die Linsenkapsel mit feinen 
braunen Beschlägen und grauem Exsudat bedeckt, die Iris erschien 
graubrüunlicli verfärbt, die Ciliarkörpergegend stark druck¬ 
empfindlich und der Augendruck deutlich erhöht. Nach unten 
aussen sah man eine flache. 5—Ö mm lange, 2 mm breite, braun¬ 
schwarze, tumorartige Verdickung der Iris aus dem Kammer¬ 
winkel hervorragend mit einer kleinen Haemorrliagie am unteren 
Rand. Mit dem Augenspiegel war nur wenig rother Reflex zu er¬ 
halten, daneben' aber die Andeutung von wolkigen Glaskörper¬ 
trübungen. Das Sehvermögen war bis auf Fingerzählen in 2 m 
Entfernung herabgesetzt. Das andere Auge war vollkommen nor¬ 
mal, die Irisfarbe heliblaugrau. 

Auf der Brust, am Hals, in der Ohr- und Scliläfengegend 
fanden sich in und unter der Haut zahlreiche kirschkern- bis j 
niandelgrosse Knötchen. Ein Tlieil der Tumoren zeigte blau- 
scliwarze Farbe, ein Theil war nur wenig pigmentirt, die tiefer¬ 
gelegenen Hessen zum Theil keine Farbe durehsclieinen. 

Die Körperorgane des kräftig gebauten Mannes waren voll¬ 
kommen gesund, der Urin frei von Eiweiss und Zucker. 

Zur anatomischen Untersuchung wurde ein Knoten aus der 
Haut der linken Schulter excidirt. 

Der Patient wurde aufgenoinmen. Unter Behandlung mit 
Pllocarpineintiüufeluugeu, warmen Umschlägen und innerlichen 
Gaben von Arsen in steigender Dosis nahm die Erkrankung am 
linken Auge einen unerwartet günstigen Verlauf. 

Die Hornhaut hellte sich auf, die Pupille wurde enger. An¬ 
fangs nahm die Exsudation in der Pupille noch etwas zu. auch 
traten breite hintere Synechien nach oben, sowie feine, pigmentirte 
Beschläge an der Hornhaut auf. Dann aber nahm die Entzündung 
ab, die Drueksteigerung ging auf regelmässige Pilocarpiueinträufe- 
lung zurück. Bereits nach 5 Tagen war das Sehvermögen auf r ’/ 3 - ( 
gestiegen. 

Ende April konnte folgender Status erhoben werden: Das linke 
Auge ist bedeutend abgeblasst, der Augendruck nur noch wenig 
erhöht, die Pupille besitzt noch geringe Neigung zur Erweiterung. 
Die Iris hat sich stark bräunlich verfärbt. An der I) esceine t’- 
schen Membran und auf der Linsenkapsel sind noch massenhafte 
feine, braune, punktförmige Beschläge. Der Knoten im Kammer- 
wiukel erscheint deutlich etwas kleiner und flacher, von bräunet 
Farbe. Das Sehvermögen ist auf */,„ gestiegen. Das Allgemein 
befinden ist besser; die Knoten in der Haut sind noch sämmtlich 
vorhanden, w’eun auch zum Theil etw'as kleiner; neue sind niehl 
sicher auf zu finden. 

Weiterhin nahm der Tumor in der Iris ziemlich stetig und 
schnell ab, auch verselnvanden die Pigmentbeschläge der I> e s - 
cenie t’schen Membran und der Linsenkapsel nach und nach so 
gut wie vollständig. Das Auge blasste weiter ab. Der Glaskörper 
hellte sich auf, so dass der Augenliiutergrund ganz gut mit dem 
Augenspiegel untersucht werden konute. Die Papille erschien ge- 
riithet und die Venen ausgedehnt, auch fand sich eine grössere, 
spindelförmige Netzhautblutung nach der Macula lutea zu; im 
Uebrigen w'ar der Augenhintergruud normal. Von den Haut¬ 
knoten verschwenden mehrere vollständig, andere nahmen zu. 

Bei der Entlassung am 21. Mai war das Auge vollkommen 
frei von Entzündung, die Pupille rund und reagireml, die 
Hornhaut klar und frei von Beschlägen. 

Die Iris wer in toto graubraun verfärbt, die Zeichnung aber 
deutlich. Der Tumor im Kammerwinkel war voll¬ 
kommen verschwunden. 

Das Sehvermögen betrug mit — 2 D 6 / 7 , B . Der Augenhinter¬ 
grund erschien vollkommen normal. 

Bei der Vorstellung Mitte Juni wer der Augenbefund derselbe. 
Am Arm wurden neue Tumoren erkannt. Die pathologlscli-ana- 


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tomische Untersuchung des excidirten Tumors ergab den Befund 
eines stark pigmentirteu Rundzellensarkoms. Eisenreaction blieb 
negativ. 

Am 11. November kam Patient wieder mit der Klage ül>er 
Abnahme des Sehens am linken Auge, über Flimmern am rechten 
Auge, sowie über Verschlechterung des Allgemeinbefindens (Mattig¬ 
keit, Schwindel, Kopfschmerz, Erbrechen). 

An dem entzündungsfreien linken 'Auge erschien die Iris 
atrophisch, gleichmässig braunschwarz pigmentirt. der Augen 
diuck normal, die Pupille mittelweit und reactlonslos. Im Glas¬ 
körper fanden sich zahlreiche flottirende Glaskörpertrübungen, 
besonders nach unten und inueu. die zum Tlieil membranartig, zum 
Tlieil als kleine, dunkelbraune Flocken und Punkte gestaltet waren. 
Von einem Tumor war im Augenhintergrund nichts zu sehen. Das 
Sehvermögen betrug B /», das Gesichtsfeld war allseitig eingeengt. 

Das rechte Auge erschien äusserlich, wie früher, normal. Im 
Glaskörper fanden sich zahlreiche Trübungen von eigenartigem 
Aussehen. Man sali einzelne, tlieils scharf abgesetzte, tlieils in¬ 
einander übergehende membranöse Trübungen von glänzend-gelb- 
liclier Farbe, in denen graue und bräunliche Streifen lagen, und 
daneben zahlreiche feine, dunkelbraune Fleckchen, tlieils vor, theils 
auf den Membraneu. die sich besonders bei Einstellung im auf¬ 
rechten Bild als Pigmentklümpclien erwiesen. Dabei trat überall 
die Peripherie des Augenhintergrundes vollkommen klar mit der 
normalen rothen Farbe hervor. 

Das Sehvermögen betrug 7„,— r 'A-.-. - zeitw eise sogar voll 6 /.. 

Die Melanosarkome der Haut hatten überall am Körper ganz 
erheblich an Zahl und Grösse zugenommen, wenn auch einzelne der 
früher constatirten versclnvunden waren, wie der Vergleich mit 
den damals aufgenommenen Skizzen ergab. An den Augenlidern 
waren confluirende Tumoren neu auf getreten. Allein am Ober 
und Unterarm konnten beiderseits je 70 Tumoren gezählt w r erden, 
darunter Tumoren von 3—4 cm Durchmesser. Auch die Hände, 
Fiisse etc. waren übersät mit Tumoren. Einzelne der oberfläch¬ 
lichen Geschwülste im Gesicht waren offenbar durch Kratzen 
ulcerirt und mit Borken belegt. Aber nicht nur an der äusseren 
Haut, auch an den Schleimhäuten konnten Melanosarkome nacli- 
gewieseu werden. 

Am Boden der Mundhöhle fand sich unter dem 2. 
rechten Schneidezahn ein linsengrosser Tumor, ferner eine 2—.3 cm 
lauge, ca. 0111 breite, dunkelbraun gefärbte knotige Verdickung, 
in der Mitte des linken Arcus p a 1 a t o g 1 o s s u s . so¬ 
dann ein erbsengrosser, deutlich prominirender harter, blau durch¬ 
scheinender Tumor in der / u n g e. etw’as rechts von der Mittel¬ 
linie und ca. 3 cm hinter der Spitze. Da der Patient auch über das 
rechte Ohr klagte, wurde er zur Untersuchung in die Ohrenklinik 
geschickt. Wie der I. Assistent, Herr Dr. Ru pp recht, mit¬ 
theilte, fand sich am rechten Trommelfell ein e 
Trübung und ein 1 mm grosser, braunschwarzer, 
leicht erhabener F 1 e c k. 

Das Allgemeinbefinden w ar merklich verschlechtert. Der Manu 
war mager, das Fettpolster stark geschwunden. Au den Ivörper- 
organen war aber nichts Besonderes zu finden, Lungen, Herz, 
Leber etc. ohne nachweisbare Veränderung. Die von Herrn Pro¬ 
fessor M a 11 h e s ausgeführte Blutuntersuchung ergab ausse: 
einer geringen Herabsetzung des Haemoglobingelialtes normale 
Verhältnisse. 

Der Patient klagte über Kopfschmerzen und Schwindel. Er 
halte einen deutlich taumelnden Gang. Erbrechen trat Anfangs 
nicht auf. 

Die Veränderungen der beiden Augen nahmen rasch zu. 

Am 22. November trat links plötzlich wieder starke 
Ciliarinjection ein. Die Hornhauthinterflächc 
zeigte sich über Nacht über sät von feinsten 
dunkelbraunen, scharf umschriebenen P i g - 
n» e li t f 1 e c k c h e n. Die Pupille w r ar weit, der Druck beträcht¬ 
lich erhöht. Im Glaskörper sah man ebenfalls zahlreiche, offen¬ 
bar frische, flockige Trübungen, die sow’eit im aufrechten 
Bild bei directer Einstellung auf die Flocken zu erkennen war, 
als braune Pünktchen erschienen. Das Sehvermögen war gesunken 
bis auf Flngerzählen in 4 in Entfernung und nahm innerhalb der 
nächsten Tage bis auf Fingerzählen in 2 in Entfernung ab. 

Am rechten Auge nahmen ebenfalls die Glaskörperverände- 
rungen dauernd zu. lieber dichteren Membranen von ziegelgelber 
leuchtender Farbe mit braunen Streifen von gitterförmiger Zeich¬ 
nung und mit breiten, dunklen Flecken fanden sich zahlreiche 
feinste, braune Pigmentpünktchen. Im aufrechten 
Bild konnte man die einzelnen Flocken und Membranen auf das 
schärfste erkennen. Die Glaskörpersubstanz zwischen den Flocken 
war vollkommen durchsichtig; von Blutungen nichts zu finden. 
Die Veränderungen nahmen nur die mittleren Partien des Glas¬ 
körpers ein. Die peripheren Tlieile erschienen normal. Die hyp?r- 
aemische Papille war noch zu erkennen, ein Tumor aber nirgends 
zu finden. Das rechte Auge blieb andauernd blass und behielt 
eine Sehschärfe von 3 /io- 

Die Entzündung am linken Auge nahm langsam wieder ab, 
die Pigmentboschlüge blieben unverändert. 

Ende November traten heftige Kopfschmerzen mit ver¬ 
mehrtem Schwindelgefühl auf. Im Sputum zeigte sich etwas 
Blut. Anfangs December stellte sich heftiges Erbrechen ein. mehr 
mals wurde auch Blut gebrochen. Die Magengegend war auf 
Druck nirgends schmerzhaft, von einem Tumor im Magen nichts 
zu fühlen. Offenbar hat sich aber irgeticBvo in der Schleimhaut 
ein Tumor entwickelt. 


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No. 11. 


MÜNCHENEI? MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Die Veränderungen an den beiden Augen sind als inetastatische 
Froccsse aufzufassen. Höchst auffallend erscheint, dass der am 
linken Auge im April beobachtete, mit deutlich exsudativer 
Irhlocyklitis und mit Drucksteigerung einhergehende Tumor in der 
Iris in so kurzer Zeit vollständig verschwand, und dass eine gleich- 
massige braune Pigmentirung an der ganzen Iris zurückblieb. 

Die im November beobachteten Veränderungen des linken 
Auges ünden am leichtesten ihre Erklärung darin, dass sich 
irgendwo im Auge, wahrscheinlich im Ciliarkörper, wieder eine 
Geschwulst gebildet hatte, von der aus die plötzliche, wieder mit 
Entzündung und Drucksteigeruug einhergehende I T eberschwem- 
mung des Auges, besonders der vorderen Kammer, mit Pigment 
stattgefunden hat. Die plötzlich aufgetretenen massenhaften 
Pigmentbeschläge der Hornhaut stellen einen höchst ungewöhn¬ 
lichen Befund dar. 

Die Veränderungen des rechten Auges sind nur so zu er¬ 
klären, dass von irgend einem nicht sichtbaren Punkt des inneren 
Auges aus Geschwulstzellen ln den Glaskörper gelangt sind und 
dort zu wuchern begonnen haben. Die gelben Membranen sind als 
theils unnigmentirte, theils schwach pigmentirte Wucherungen 
anzusprechen. 

Die kleinen braun pigmentirteu Flocken sind entweder als 
Conglomerate von Pigineutzellen oder als Klümpchen freien Pig¬ 
mentes aufzufassen. 

Beachtenswert!! erscheint auch, dass am rechten Auge jede 
Entzündung der Augenhäute und entzündliche Verdichtung des 
Glaskörpers fehlten, so dass das Sehvermögen trotz der hoch¬ 
gradigen Veränderungen auffallend wenig herabgesetzt war. 

Eine Vorstellung über die Art der Veränderungen am rechten 
Auge kann man sich am leichtesten verschaffen durch den Ver¬ 
gleich mit der Synchysis scintillans, nur dass die glitzernden 
Punkte hier durch etwas weniger stark flottirende, braune Pigment¬ 
punkte und die dabei fast nie fehlenden grauen, zarten Membranen 
liier durch compactere, ockergelbe Massen mit brauner gitter¬ 
förmiger Zeichnung ersetzt waren. 

2. Herr B. Grohe deinonstrirt ein 10jähriges Mädchen mit 
Duplicitas intestini crassi cum utero et vagina dupl. An der 
Hand einer Reihe von Skizzen und Zeichnungen bespricht Vor¬ 
tragender die topographisch-anatomischen Verhältnisse und die 
ent wicklungsgeschichtliche Deutung des anscheinend einzig da¬ 
stehenden Falles. 

Der Befund wurde in der chirurgischen Klinik bei einer La¬ 
parotomie gemacht, welche neben mehreren anderen operativen 
Eingriffen vorgenommen wurde, um die hochgradigen Defaecations- 
störungen zu beseitigen, was auch völlig erreicht wurde. 

Das Nähere bleibt einer ausführlichen Veröffentlichung Vor¬ 
behalten. 

3. Herr Langemak bespricht kurz einen Fall von dop¬ 
pelter linksseitiger Niere, welcher später genauer mitgetheilt 
werden soll. 


Physiologischer Verein in Kiel. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 4. December 1899. 

Herr Helferich: Zur Biologie der Knochen. 

Der Vortragende referirt in Kürze über den heutigen Stand 
der Frage von dem Längen wachst hum der langen Röhrenknochen 
und demonstrirt sodann an einer grösseren Anzahl von Präparaten 
die Störungen, welche experimentell durch totale oder partielle 
Wegnahme eines Intermediärknorpels an wachsenden Thieren 
beobachtet werden. Wenn derartige Eingriffe an dem unteren 
Ende der Ulna eines jungen Kaninchens vorgenommen werden, 
so entstehen typische Verkrümmungen, sowohl nach der Fort- 
nahme des Intermediärknorpels allein, als bei Eortnahme des¬ 
selben mit den anliegenden Knochenthcilcn. ln einer grösseren 
Versuchsreihe wurde zur Entscheidung gebracht, ob die Trans¬ 
plantation des Intermediärknorpels an wachsenden Thieren mög¬ 
lich sei. Wenn unter der Anzahl der Präparate die positiven 
zusammengestellt werden, so ergibt sich mit Sicherheit, dass die 
Transplantation resp. die Replantation des völlig exeidirten 
Stückchens an der gleichen Stelle möglich ist und ein weiteres 
Wachsthum des Kuochens vor sich geht, wenn auch nicht ohne 
geringe Störungen. Diese Störungen beziehen sich darauf, dass 
auch bei den bestgeluiigenen Präparaten der Knochen um ein 
freilich nur Geringes kürzer bleibt als auf der gesunden Seite, 
und ferner, dass diese Waclisthumsproduction nicht allein durch 
eine dem normalen Vorgänge analoge Veränderung der Dia- 
physe zu Stande kommt, sondern auch eine relative Vergrösserung 
der betr. Epiphyse an der oporirten Seite eintritt. Immerhin 
lässt sich die normale Verlängerung der Diapliyse makroskopisch 
sehen und messen, so dass an der Thatsache der Transplantations¬ 
möglichkeit nicht gezweifelt werden kann. Der Vorgang ist 
interessant, weil er zeigt, dass selbst so complicirte Vorgänge, 
wie sie bei dem Wachsthum der langen Röhrenknochen sich ab¬ 
spielen und wie sie histologisch durch die bekannten Veränder-. 


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ungon an dem Iutermediärknorpei und an seiner Verkalkungs¬ 
zone etc. bekannt sind, auch nach der Transplantation des betr. 
Stückes ohne wesentliche Störung vor sich gehen können. 

Herr v. Starck: Zur Diagnose der angeborenen Herz¬ 
fehler. 

(Erscheint im Archiv für Kinderheilkunde.) 

Herr v. Starck stellt 1. einen Fall von Urticaria pigmen¬ 
tosa hei einem 1 jährigen Kinde vor (näher beschrieben in der 
Münch, med. Wochonsohr. No. 38, 1899). 

einen Fall von Aneurysma der Arter. pulmonalis bei einem 
47 jälirigou Manu (wird veröffentlicht in der Münch, med. Wochen 
sein-.). 

Herr Fischer demonstrirt eiue grössere Zahl von Blut- 
präparaten, die nach Romano w s k y unter Anwendung einer 
von N ocht angegebenen Modification gefärbt sind, H&lteridium 
sowie die Parasiten des Tertian- und des Tropen-Malariafiebers 
in ihren verschiedenen Entwicklimgsstadien und bespricht im 
Anschluss hieran die neuesten Malariaforschungen, namentlich 
soweit sic sich auf die Entwicklung der Malaria- bezw. der malaria 
ülmlichen Parasiten der Vögel im Körper der Stechmücken be¬ 
ziehen. 

Herr Deet Jen: Demonstration von Blutpräparaten. 

Im Anschluss an die früher iiiitgetlieilten Untersuchungen 
über die Blutplättchen suchte Redner die Lebensbedingungen dieser 
Körperchen weiter zu verfolgen. Es ergab sich, dass auf einen» 
Agar, dem nur 0,0 Proc. Na CI zugesetzt waren, die Blutplättchen 
rasch zu Grunde gingen, wenn dagegen noch ausserdem metaphos¬ 
phorsaures Natron, Na PO a , zugefügt wurde, so konuteu sie für 
längere Zeit (4 Stunden bei Körpertemperatur, über 24 Stunden 
bei Zimmertemperatur) am Leben erhalten und ihre lebhaften 
amoeboiden Bewegungen beobachtet werden. Ein weiterer Zusatz 
von etwas Dikaliumphosphat erweist sich bisweilen als zweck¬ 
mässig, um die Bewegungen lebhafter werden zu lassen. Doch ist 
für die Erhaltung des Lebens selbst nur das Metaphosphat von 
Bedeutung. Mit keinem anderen Salz konnte ein ähnliches Re¬ 
sultat erzielt werden. Eine Erklärung für dieses merkwürdige 
Ergebniss könnte vielleicht darin gesucht, werden, dass durch das 
Metapliospliat der rasche Zerfall der Kernsubstanz der Blutplätt¬ 
chen verhindert wird, was auch desslialb als möglich erscheinen 
könnte, als nach Lieber mann das Nuclein als eine Verbindung 
von Eiweiss und Metaphosphorsäure aufzufassen ist. Im mit 
Osmiumsäure tixirten Präparat gelingt der Nachweis des Kerns 
mittels llaematoxylinfürbung leicht, vorausgesetzt, dass noch keine 
Degenerationserscheimingen aufgetreten waren, da alsdann der 
Kern rasch sich in Körner auflöst. Der Iveru scheint aus einem 
Chromatinglomerat und einer weniger färbbaren und weniger leicht 
brechenden Zwischensubstanz zu bestehen. 

Es werden Blutpräparate, in denen die Kerne der Blutplättchen 
luit Haematoxyliu gefärbt sind, demonstrirt. 

Weiterhin werden Präparate vorgezeigt, aus denen, w ie schon 
früher vom Redner berichtet war, die Anwesenheit einer die rothen 
Blutkörperchen umgebenden glashellen, aber färbbaren Hülle sich 
ergibt. 

Die Möglichkeit der Färbung hängt nur von der Dauer der 
Fixirung durcli Erhitzen der Trockenpräparate (nicht ganz 2 Stun¬ 
den bei 120° oder 3 Minuten bei 100°) ab. Darauf wrird mit 
2 proc. Gelatineviolett unter geringem Erwärmen über der Flamme 
gefärbt. 

An den so hergestellteu Präparaten erkennt man, dass die 
rothen Blutzellen sich überall berühren, während das nie der Fall 
ist an den auf die bisher übliche Weise fixirten und gefärbten Prä¬ 
paraten. Um gute Resultate zu bekommen, ist es notliwendig, 
sehr vorsichtig das Blut auszustreiclieu. Die Hülle umgibt dann 
die rothen Blutzellen als schmaler Saum, die einzelnen Körperchen 
briiekenartig verbindend. Streicht man das Blut weniger sorg¬ 
fältig aus, so erscheint die Hülle unnatürlich breit. 

Die Frage ist aufzmverfeu, ob die so sichtbar werdende Hülle 
nicht ein Kunstproduct sein könne, es w ürde sich dann nur um 
einen QuellungsVorgang handeln können. 

Dies ist aber auszuschliessen aus folgenden Gründen: Zw T ei 
Präparate werden in gleicherweise hergestellt, das erste 8 Minuten, 
das zweite 3 Minuten bei 160° erhitzt. Das erste wird mit Gentiana 
unter Erwärmen gefärbt — die Blutzellen berühren sich scheinbar 
nirgends — das zweite wird zunächst mit destillirtem Wasser allein 
erwärmt — die Blutzellen berühren sich ebenfalls nicht — wohl 
aber, wenn sie darauf mit Gentiaualösung gefärbt werden. 
Es müsste also diese Quellung durch deu Farbstoff bewirkt sein, 
was unwahrscheinlich ist. Vor Allem spricht aber gegen Quellung 
die Form der Hülle, die brückenartig die einzelnen Zellen verbindet, 
und das Aussehen derselben, wenn sie durch unvorsichtiges Aus 
streichen nach einer Seite verschoben ist. 

Auch am frischen Präparat, besonders gut bei der Unter¬ 
suchung auf Agar, ist die Hülle als glashelle Substanz, welche das 
Haemoglobin in ^schmaler Schicht umgibt, erkennbar. Nahe bei 
einander liegende Zellen kleben mittels dieser Hülle zusammen; 
entfernen die Körperchen sich ln Folge von Strömung von einander, 
so zieht sich die Hülle lang aus und reisst schliesslich durch. 

Die Annahme, dass die rotheu Blutzellen von einer Hülle 
oder Membran umgeben sind, erklärt am leichtesten den osmo¬ 
tischen Austausch zwischen den Körperchen und dem umgebenden 
Medium. 


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13. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


377 


Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Offieielles Protokoll.) 

Sitzung vom 6. Februar 1900. 

Vorsitzender: Herr C u r s c h m a n n. 

Schriftführer: Herr Brau n. 

Herr W. Müller demonstrirt eine Kranke mit angeborener 
Fissura stemi. 

Discussion über den Vortrag des Herrn Braun : 

Ueber das chirurgische Naht- und Unterbindungsmaterial. 

(S. vorige Sitzung.) 

Herr Göpel stimmt den Ausführungen des Redners über 
den Werth des lmprägnirten und durch die Imprägnation seiner 
Imbibitionsfiihigkeit beraubten Nahtmaterials auch nach seinen 
Erfahrungen bei, glaubt indess nicht, dass dasselbe das durch seine 
Resorbirbarkeit ausgezeichnete Catgut entbehrlich machen wird. 
Insbesondere möchte er auf die Anwendung des letzteren nicht ver¬ 


zichten: 

1. bei Operationen, welche ihrer Natur nach oder aus sonstigen 
Gründen nicht aseptisch gestaltet werden können: 

2. in Gegenden der Operatiouswunde, welche durch Tamponade 
oder Drainage mit der Aussenwelt. in Verbindung gebracht werden 
sollen; 

3. zur Abschliessung von Hohlorganen, Harnblase, Gallenblase 


etc. gegen das Lumen derselben: 

4. als Nahtmaterial bei Operationen, bei welchen die nachträg¬ 
liche Entfernung der Nahtfäden aus örtlichen Gründen für Arzt 
und Patienten besondere Schwierigkeiten bereitet, z. B. bei der 
Uterusexstirpation per vaginam. 

Der Einwurf, dass das Catgut schwerer sterilisirbar sei. oder 
steril in die Wunde versenkt den daselbst vorhandenen Keimen 
zum Nährboden diene und dadurch zu Wundstörungen führen 
könne, wird durch die tägliche Erfahrung widerlegt. 

Was die Methoden der Catgutsterilisation anlangt, so empfiehlt 
Redner auf Grund seiner 4 jährigen Erfahrung das Sterilisations¬ 
verfahren von Hofmeister, welches nach seiner Meinung eine 
weitere Verbreitung verdient, als solche demselben bisher zu Tlieil 
geworden ist. 

Das Gelingen der im Uebrigeu bekannten Methode hangt 
im Wesentlichen davon ab, dass das Catgut unter starker Anspan 
nung des Fadens der Einwirkuug des Formalins. dem Auskochen 
etc. unterworfen wird. An der unvollkommenen Erreichung dieses 
Zieles scheitern vielfach Versuche, auf dem genannten Wege ein 
brauchbares, zugfestes Material zu erlangen. Redner hat (lesshalb 
bereits vor Jahren kleine Metallplatten *) (siehe Figur) construiren 
lassen, welche ein Auf wickeln der Fäden in starker Anspannung 
dadurch leicht gestatten, dass der Anfangs- und End tlieil des 
Fadens an kleinen, an der Platte angebrachten Vorrichtungen fest- 
gekuotet werden kann, und welche ausserdem den Faden in ein¬ 
facher, freiliegender, leicht zugänglicher Schicht tragen. Der¬ 
artige Fadenträger, auf deren jeden etwa 4—8 m Catgut autzu- 
wickeln sind, werden in grösserer Zahl der Sterilisarion unter¬ 
worfen und in 4 proc. Carboialkohol nach der Vorschrift Hof¬ 
meister^ aubewahrt. Während der Operation werden nur 
soviel Platten aus der Flüssigkeit herausgehoben, als unmittelbar 
verbraucht werden. 



Herr Volkmann theilt mit. dass er seit % Jahr den von 
Herrn Braun empfohlenen Collodiumzwirn als ausschliessliches 
Fadenmaterial für Nähte und Unterbindungen benutzt und sehr 
zufrieden damit ist. Er hat ferner beobachtet, dass der Zwirn auch 
in septischen Wunden ohue Störung (‘inheilt. Bei einer Laparo¬ 
tomie waren die Fascien durch 24 versenkte Zwirnälite vereinigt 
worden. Es entstand bei sonst normalem Verlauf ein Bauchdeckeu- 
abscess, der die Oeffnung der Hautwuudc nötliig machte, so dass 
die Schlingen der tiefen Nahtreihe frei zu Tage lagen. Trotzdem 
brauchten nur zwei dieser Schlingen wegen tlieil weiser Nekrose 
des von ihnen gefassten Gewebes entfernt werden, alle übrigen 
22 Nähte heilten ein. . 

Herr K r ö n i g: Zwei wichtige Zugeständnisse sind von dem 
Herrn Vortragenden in der vorigen Sitzung gemacht worden, ein¬ 
mal wird es als feststehend angenommen, dass eine sichere Des- 
infection der Hände mit den zur Zeit gegebenen Methoden unmög¬ 
lich ist und dass daher mit event. in die Wunde eingetragenen 
Bacterien stets gerechnet werden muss, und zweitens wird zu- 
gegeben, dass Fadeneiterungen bei versenkter Seide keineswegs 
selten, ja die Regel sind, wenn in einem nicht aseptischen Geläut# 
Seide versenkt ist. 

Es ist durchaus folgerichtig von Herrn B r a u u , wenn er 
unter der Annahme der stets möglichen Infectiou mit Bacterien 
sein Augenmerk besonders darauf richtet, den Fremdkörper, d. h. 
also in diesem Fall das Naht- oder TJnterbindungsmaterial möglichst 
ungünstig für die Aufnahme oder die Weiterentwicklung von Iu- 


fectiouserregern in der Wunde zu machen. Je weniger inbibitions- 
fähig das Nahtmaterial ist, um so weniger wird es sich mit den 
Infectiouskeimen, welche in der Wunde auch bei strengster Hand¬ 
habung der Asepsis Vorkommen können, beladen. Herr Braun 
konnte bacteriologiscli bei durchgreifenden Nähten nachweisen, 
dass in der Tliat diejenigen Fäden, welche am stärksten sich imbi- 
biten, auch am häufigsten, nach einer gewissen Zeit aus der Wunde 
herausgezogen. Bacterien enthalten, dass dagegen diejenigen, 
welche sich nicht mit Flüssigkeit imbibiren, entschieden günstiger 
dastelien. Entfernte er Drahtnähte nach einer gewissen Zeit, so 
konnte er in 80 Proc. der Fälle Keimfreiheit des Materials nach¬ 
weisen, dagegen z. B. beim Catgut, welches viel imbibitionsfähiger 
ist, nur in 00 Proc. Herr B ra u n übertrug diese Erfahrung auch 
auf die versenkte Naht und meinte, dass Auseiterungen von Fäden 
im Allgemeinen entsprechend diesem Vorhandensein von Infektions¬ 
erregern ceteris paribus häufiger Vorkommen bei imbibitions¬ 
fähigtun als bei nicht aufnahmsfähigem Material. 

So gern Herr K. dem Vortragenden darin beipflichtet, dass man 
für die Sticheaualeiterung der Hautnaht in einem gewissen Sinne 
wohl eine derartige Folgerung ziehen darf, so wenig kann er ihm 
darin beistimmen. wenn er dies überträgt auf die versenkten Nähte. 
Hier kommen nach seiner Meinung wesentlich andere Momente, vor 
allem die Resorptionsfähigkeit des Materials, auch noch in Frage. 
Man muss hier die von Kocher zuerst aufgestellte Differenz 
zwischen Contaetinfection und Implantationsiufection berück¬ 
sichtigen. 

Koch er sagt Folgendes: „Wird in eine Wunde mit dem In- 
feetiouserregor gleichzeitig ein Fremdkörper eingetragen, so sind 
die Infectionserreger gegen die directe Einwirkung der bacteri- 
ciden Kräfte des Organismus und der Wunde bis zu einem ge¬ 
wissen Grade geschützt, der Fremdkörper wird zum Brutherd der 
pathogenen Keime; es bildet sich um den Fremdkörper ein Eiter¬ 
herd und der Organismus ruht gewöhnlich nicht eher, als bis er 
den Eiterherd und den Fremdkörper ausgestossen hat.“ Bei der 
Contaetinfection kommen die Bacterien direct mit den abwehren¬ 
den Kräften des Serums in Verbindung und werden schneller 
vernichtet. Wenn man dies auf das Nahtmaterial überträgt, so 
kann die viel schwerere, lang anhaltende Implantationsinfeetion 
bei Verwendung von nicht resorbirbarem Material entstehen, da¬ 
gegen kann nur die leichte Contaetinfection beim Catgut dess- 
wegen eintreten. weil der Fremdkörper innerhalb kurzer Zeit re 
sorbirt wird und damit auch sehr bald die Infectiouserreger vom 
Organismus überwunden werden. Die Folge davon ist. dass eine 
Auseiterung von Fäden, wie bei Anwendung von versenkter Seide, 
bei Catgut überhaupt nicht beobachtet wird. 

Die Fadeneiterungen, welche von K. sehr oft beobachtet wur¬ 
den. haben vorzüglich die Veranlassung gegeben, als Unter- 
bindungs- und Nahtmaterial fast ausschliesslich Catgut zu ver¬ 
wenden. 

Herrn G ö p e 1 gegenüber möchte K. pro domo sprechen. 
Herr Göpel hat bei Verwendung von Catgut in erster Linie die 
Sterilisation nach Hofmeister fFormaldehydmethode) empfoh¬ 
len. Nach den Untersuchungen von S t i c h an seinem Festigkeits¬ 
prüfer ist es aber erwiesen, dass gerade durch diese Methode die 
Festigkeit des Catguts sehr wesentlich, besonders in den dünneren 
Nummern, einbüsst. Bei der von Iv. angegebenen Sterilisation 
des Catgut in Cumol bei 1(»0-—170° C. ist das Resultat der 
Stic h’sehen Prüfungen viel günstiger: gegenüber dem Roh¬ 
material ist hier nur eine sehr geringe Einbusse an Zugfestigkeit, 
zu coiistatiren. Aus diesem Grunde glaubt K. seine Methode 
mehr als die von II o f m e i s t e r angegebene Sterilisationsmethode 
empfehlen zu sollen. 

Herr Braun: Herrn Krönig möchte ich erwidern, dass 
Catguteiterungen doch unzweifelhaft beobachtet worden sind und 
zum Tlieil gewiss darauf zurückzuführen sind, dass die auf ge¬ 
quollene Catgut Substanz, ebenso wie im Hautstichcanal, auch in 
der Wunde das Wachsthum vorhandener Bacterien erleichtert und 
so eine Implantationsinfeetion im Sinne Kocher’s ebenso leicht 
wie Seide vermittelt. Ich habe bereits in meinem Vortrag darauf 
hingewiesen, dass es vielleicht Catgutsorlen gibt, welche diesem 
Vorgang weniger zugänglich sind, und dass vielleicht die von 
O r 1 a n d i n i und Popp e r t nachgewiesene chemotactiselie 
Eigenschaft mancher Catgutsorten hierbei eine Rolle spielt. Die 
einmal infieirte Catgutsubstanz zerfliesst allerdings ausserordent¬ 
lich schnell, das kann man bei Hautcatgutnähten leicht beobachten. 
Dies ist der Vortheil des Catguts vor der Seide. Wirklich em- 
geheiltes Catgut fand aber Mine r v i n i*) noch nach 125 Tagen 
zum Theil unresorbirt im Gewebe vor. Draht und anhydrophiler 
Zwirn heilt auch in septische Wunden ein. Herrn \ olknianns 
Beobachtung ist dafür ein lehrreiches Beispiel. Herrn G ö p e l 
muss ich zugeben, dass es Fälle gebeu kann, wo gelegentlich ein 
resorbirbares Nahtmaterial von Vortlieil sein kann, namentlich 
(hum. wenn eine notliwendige nachträgliche Entfernung andetei 
Nähte durch örtliche Umstände erschwert wird. H«*rru Göpels 
Metallrähmchen für Formalincatgut habe ich lange Zeit verwendet ; 
sie sind ausserordentlich praktisch und zweckmässig. Trotzdem 
habe ich seiner Zeit das Aufgeben des Catguts als eine Erlösung 
empfunden, und glaube, dass der Vortlieil, ein einheitliches, sehr 
einfach zu handhabendes, für alle Zwecke verwendbares lauen- 
material zu besitzen, namentlich für die ausserhalb der Hospitäler 
sich abspielende chirurgische Thiitigkeit der Aerzte. ein so grosser 
ist, dass mau sich seiner nicht entrathen soll. Die gewöhnliche 


*) Zu beziehen von Alexander S c h ä d e 1. Instrumenten¬ 
macher, Leipzig, 


') Deutsch. Zeitsehr. f. Chir„ Bd. 23, II. 1. 


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No. II. 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT 


Solde ist, darin stimme ieli Herrn K rö n i g vollkommen bei, nicht 
geeignet, einen Ersatz für das Catgut zu bilden. 

Herr Buchbinder hält einen Vortrag: Experimentelle 
Untersuchungen am lebenden Thier- und Menschendarm, ein 
Beitrag zur Physiologie, Pathologie und Bacteriologie des 
Darms. 

Der Schluss des Vortrages wurde auf die nächste Sitzung 
verschoben. Ein Referat wird alsdann erstattet werden. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Soci6t6 de Chirurgie. 

Sitzung vom 24. J a n u n r 1900. 

Heber Sauerstoffwasser und dessen Anwendung bei Phlegmone. 

Chanvel berichtet über einen Fall hartnäckiger Phlegmone 
in Folge einer Verletzung am Fusse, welche trotz zahlreicher In- 
eisionen nicht zur Heilung kam, bis Auswaschungen mit Sauerstoff¬ 
wasser den schon in Gangraen übergehenden Process zum Still¬ 
stand brachten. 

Terrier hat schon vor Jahren den guten Erfolg dieses 
Mittels bei gangraenöser Phlegmone gesehen; nach Roux wirke 
dieses Wasser hei septischen Affeetioneu und besonders auf Wun¬ 
den, welche anaerobische Bacterien enthalten. 

Champlonnifro sieht das Sauerstoffwasser als eines der 
wirksamsten antiseptischen Mittel an. .7 n 1 a g u i e r hat es be¬ 
sonders erprobt gefunden bei gnngraenosen Eiterungen des Wurm¬ 
fortsatzes. Nach Albarran wird es im Spital Neeker seit 
mehr wie einem Jahre gegen die Fälle von Gangraen angewandt, 
welche von Harainfiltration herrühren, lind zwar mit vorzüglichem 
Erfolg. Er glaubt, ebenso wie der folgende Redner, Q u e n u , 
dass das Sauerstoffwasser ein Specifieum gegen die Anaerobien 
sei. wie es gegen die meisten septischen Wunden wirke; letzterer 
wandte es in Fällen diffuser Phlegmone an. welche in Folge Ab¬ 
tragung von Mastdarmenreinomen sich einstellten. 

T u f f i e l* führt schliesslich eine Kategorie von Fällen an. 
wo das Sauerstoffwasser völlig eontraindicirt sei, nämlich bei Wun¬ 
den der Lungen. 

Marchant berichtet über di) Fälle von praecoecaler 
Adenitis, welche Appendfeitis vortäusehen könne und wahrschein¬ 
lich tuberculösen Ursprungs sei. 

Q u 6 n u über Fälle von Paraappendicitis, deren Svmptomen- 
bild ebenfalls jenem der Appendieitis ähnle, deren Ursache aber 
eine perlcoeeale Adenitis mit partieller Peritonitis sei; in solchen 
Fällen dürfe man sieh also nicht mit der Entfernung des Wurm¬ 
fortsatzes begnügen. St. 

Soci£t& de Th6rapeutique. 

Sitzung vom 2. Februar 1900. 

Zur Anwendung des Orthoforms. 

B a r d e t führt 2 Fälle von schmerzhafter Fissur der Brust¬ 
drüsen an. wo Orthoformpulver vollen Erfolg hatte. Tn solchen 
Fällen, wo Schmerzhaftigkeit ohne offene Stellen besteht, kann 
das Pulver nicht eindringon und ist durch eine Lösung (Orthoform 
H.O. Ol. amygdal. dulc. 20.0. Aethcr sulfur. g. s.) zu ersetzen. 
Wäscht man die Brust vor jedem Snugact mit 20 proc. alkoholischer 
Lösung, so ist jede Möglichkeit einer Tntoxieation durch den Säug¬ 
ling ausgeschlossen. Das Orthoform ist gleicher Weise sehr nütz¬ 
lich gegen die durch die trockenen exeoriirten Haemorrhoiden oder 
die Analfissurcn hervorgerufenen Sehinerzen; es wird hier in Form 
einer Salbe (Zine. oxyd., Ol. olivar. dulc.. Gerat, alb. aa 20,0, Balsam, 
peruv. gtt. X, Orthoform. 10,0) oder als Pulver, zu gleichen Theilen 
mit Jodoform, zweckdienlich gegeben. 

F-- 

Zur therapeutischen Anwendung der Bierhefe. 

Goirre konnte durch ein specielles Verfahren die intefcellu- 
läreii Zymasen oder löslichen Fermente aus der Bierhefe extrahiren 
und zwar aus der trockenen, erst uräparirten. Diese Fermente, 
ebenso wie die durch alkoholischen Niederschlag gewonnenen Dia- 
stasen werden sehr rasch unwirksam, so dass vom therapeutischen 
Standpunkt aus nicht diese Extracte. sondern nur die Bierhefe 
selbst, frisch oder getroeknol. in Betracht kommt. 

Adrian wandte ebenfalls ein lw*stimmtofc Verfahren an. um 
die Zymasen aus der Bierhefe und darnach den alkoholischen Ex- 
traxt zu gewinnen und gibt auch eine praktische Methode an, um 
die Bierhefe im frischen Zustand zu erhalten. 

B o 1 o g n e s i machte Versuche mit den Präparaten 
Adrian’s: demnach haben die Zymasen einen gewissen thera¬ 
peutischen Einfluss, der aber langsamer wie d u* der Bierhefe 
selbst ist, auf die Dermatosen. Die Zvmasen scheinen aber die 
leielit abführenden Wirkungen der Bierhefe nicht zu haben, 
während der alkoholische Extraet gleicher Weise auf die Derma¬ 
tosen wie abführend wirkt. Ster n. 


Aus den italienischen medicinischen Gesellschaften. 

Medicinisch-cliirurgische Gesellschaft zu Bologna. 

Neue Beobachtungen über einen essentiellen Hydrops 
anasarca unabhängig von irgend einem Organleiden theilt 
Mazzoti ln der Sitzung vom 23. November 1S99 mit. 


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In dem ersten Falle handelte es sich um eiuen 23 jährigen 
Mann, bei welchem sieh das Oedem unter geringen Symptomen 
an beiden Extremitäten einstellte (das Scrotum blieb verschont», 
daun nahm es die Seitcutheile von Abdomen und Thorax ein. 
darauf die Arme und Hände lind erreichte seiue grösste Intensität 
am Gesicht. Die Krankheit dauerte ca. 20 Tage und endete spon¬ 
tan mit reichlicher Diurese. Im 2. Falle, einen 45 jährigen Mann 
betreffend, dauerte der Hydrops drei Monate, verlief mild und ohne 
Fieber und nahm die unteren Extremitäten des Scrotum, die 
Seiten des Abdomens uml den Rücken und die Schultern ein, zu¬ 
gleich war ein leichter Pleura- und Peritonealerguss zu be¬ 
merken. 

In summa bestehen derartige Fülle, wie sie jetzt schon von 
mehreren Autoren erwähnt sind, in einer Anschwellung des sub- 
cutanen Bindegewebes, welches nie allgemein, aber über grosse 
Körperpartien ausgedehnt ist und oft mit seröser Ausschwitzung 
verläuft. Dieselbe verläuft ohne Fieber, ohne schmerzhafte Er¬ 
scheinungen, kann tägliche Schwankungen machen und heilt spon¬ 
tan innerhalb 2—3 Wochen bis zu einigen Monaten. Das constante 
Factum ist die grosse Ausdehnung des Hydrops und das Fehlen 
aller Ursachen, welche sonst Hydrops zu machen pflegen. 

Die Affection findet sich meist hei Männern. Die Pathogenese 
wird begründet durch I n t o x i c a t i o n o n. Toxische Agentien 
sollen auf die vasomotorischen Cent reu und auch auf die kleinen 
Blutgefässe und Capillaren wirken. 

In der Discussion Ist Vital! mehr geneigt, doch eine In- 
suffleienz der Nierenfunction anzunehmen. Wenn der Urin auch 
frei von Albumen und der Harnstoffgehalt normal sei, so könnte 
doch durch irgend eine peripherische oder centrale Ursache die 
wasserausscheidende Thätigkeit der Nierenepithelien gestört sein. 

Hager- Magdeburg-N. 


XVIII. Congress für innere Medicin zu Wiesbaden. 

Ausser den auf S. 138 bereits mitgethellten sind noch folgende 

V o r trüg e angemeldet: 

Herr X e u s s e r-Wien: Zur Klinik des Malariafiebers (mit 
Demonstration/). Herr W e n k e b ach- Utrecht: lieber die physio¬ 
logische Erklärung verschiedener llerz-Puls-Arliythmlen. Herr 
Türk-Wien: Ueber die Haemamoeba L ö w i t’s im Blute Lou- 
kaomisebor. Herr Jv. G r u b e - Neuenahr-London: Ueber ein dem 
Goma diabeticum analoges künstlich hervorgerufenes Coraa (De¬ 
monstration). Herr v. Noorden - Frankfurt a. M.: Zur Arznei¬ 
behandlung des Diabetes mellitus. Herr Kohnstamm - Königs- 
stein i. T.: Die abführenden Kleinhirnbahnen und ihre klinische 
Bedeutung. Herr S o n n e n b e r g e r -Worms: Beiträge zur Aetio- 
logie der acuten Verdauungsstörungen, insbesondere der Gholera 
nostras des Süiiglingsalters. Herr Edgar G a n s - Karlsbad: Die 
G a d e’sche Methode (1er quantitativen Harnstoffbostimmung. 
Herr S c li ii c k i n g - Pyrmont: Die physiologischen Wirklingen 
der Alknlisaccliarate. Herr L e n n 6 - Neuenahr: Die Eiweiss¬ 
zufuhr in der Diahotikerdiät. Herr Aug. lloffmann - Düssel¬ 
dorf: Zur Pathologie der proxysmalen Taehyeardie. Herr Herrn. 

V I e r o r d t - Tübingen: Ueber Gyanose. Herr Bettmann- 
Heidelberg: Ueber eine besondere Form des chronischen Ikterus. 
Herr Gumprecht - Jena: Ein neuer Bestandthell der normalen 
Spinalflüssigkeit. Herr Karl B o r n s t e i n - Bad Landeck: Ueber 
die Mittel zur Hebung des Eiweissbestandes im Organismus. 
Herr A. Smith- Schloss Marbach: 1) Ueber einige neue Methoden 
zur Bestimmung der Herzgrenzen. 2) Ueber objective Verände¬ 
rungen des Herzens unter dem Einflüsse localer und allgemeiner 
Elektrisation. Zugleich ein Beitrag zur Lösung der Frage: Beruht 
die Wirkung der Elektricität beim Menschen auf Suggestion oder 
nicht? Herr Boas-Berlin: Klinische Studien an 200 Fällen von 
intestinalen Gareinomen. A. Poehl - St. Petersburg: Die organ- 
therapeutischen Mittel bei Autointoxicationen. Herr Emil Kraus- 
Prag: Züchtung des Typhusbacillus aus dem Stuhle. Herr Walko- 
Prag: Ueber den therapeutischen Werth lind die Wirkung der Blut- 
entziehung bei Uraemio und Pneumonie. Hon’ Q u e i r o 1 o - Pisa: 
Die Magengrenzen lind ihre Veränderungen, sowie ein neues Ver¬ 
fahren (Q u o i r o 1 a - L a n d i), dieselben zu bestimmen. Herr 
A. S t r u b o 11 - Breslau: Ueber eine neue Methode der Urin- und 
Blut Untersuchung. Herr W. Ilis jr. und Theodor Paul: Ver¬ 
halten und Renctionen der Harnsäure und ihrer Salze in Lösungen. 
Herr B e li 1 a - Luckau N. L.: Ueber Gancer ä deux. 


Verschiedenes. 

Das K o p 1 i k’sehe Früh Symptom der Masern be¬ 
steht bekanntlich in einer charakteristischen Veränderung der 
Wangenschleimhaut: rothe, unregelmässige Flecke, in deren Con- 
trum sich winzige b 1 ä u 11 c h - w e 1 s s e Punkte befinden: 
die letzteren sind das Wesentliche (Epitkelabschilferung). Meist 
finden sich die Flecke auf dem den unteren Backzähnen gegen¬ 
überliegenden Tholl der Waugensehleimhaut. Michael Cohn- 
Berlin hat das Symptom unter 22 frischen Fällen 10 mal be¬ 
obachtet. (Tlierap. Monatsh. 11, 1899.) K r. 

Therapeutische Notizen. 

Die von der W ilbodi-Apotheke in Bremen hergestellte Nico- 
tianaseife ist nach Marcuse - Mannheim in erster Linie 
ein gutes Mittel gegen die Scabies. Die Seife enthält 
5 Proc. Tabakextract, 5 Proc. Sulfur praecipitatum, 90 Proc. über- 


Qriginal fforn 

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13. März 1900 



fettete Seife. Der Patient wäscht Früh und Abends den Körper 
mit warmem Wasser ab und schäumt sich vom Halse beginnend 
mit der Seife ein. In 3—4 Tagen ist die Wirkung erreicht und ein 
warmes Vollbad bescliliesst die Cur. M. erzielte in 32 Fällen einen 
tadellosen Erfolg (Ther. Monatsli. 32, 1800). Sehr günstige Er¬ 
folge sah M. auch bei Pityriasis versicolor, Herpes tonsuraus, Urti¬ 
caria und Prurigo incipiens. (Ein Stück der Seife kostet 75 Pf.) 

Kr. 

Therapeutische Verwendbarkeit des Pilo¬ 
carpins. St. Harnsberger-Catlett beschreibt einige 
Fälle von Orchitis, in welchen ihm das Pilocarpin (0,0073 p. dosi) 
iu Verbindung mit Codein sehr gut Dienste leistete und empfiehlt 
dessen Anwendung insbesondere auch bei Gallen- und Nierenstein¬ 
koliken, bei Zwerehfellkrampf, hartnäckiger Darmobstruction, bei 
Strieturen, endlich versuchsweise auch bei Tetanus. Die krampf- 
stillende und beruhigende Wirkung desselben ist eine auffallende. 
(Philadelphia med. Joum., 20. August 1809.) F. L. 

Tagesgeschichtliche Notizen. 

München/ 13. März 1900. 

— Am 8. ds. Mts. fand die Generalversammlung 
des Herausgebercollegiums der Münch, med. 
Wochenschrift für das Jahr 1900 statt. Nach Erstattung 
des Jahresberichtes über das abgelaufene Jahr durch den Re¬ 
dact eur wurde beschlossen, wie in den Vorjahren aus den Ueber- 
scliüssen eine grössere Summe ärztlichen Wohlfahrtseinrichtungen 
zuzuwendeu. Es wurden bestimmt: 2000 M. dem Pensiousverein 
für Wittwen und Waisen bayerischer Aerzte, 1000 M. der Ver- 
sieherungscasse für die Aerzte Deutschlands in Berlin, 500 M. 
dem Verein zur Unterstützung invalider hilfsbedürftiger Aerzte 
in Bayern, 500 M. dem Sterbeeasseverein der Aerzte Bayerns 
und 220 M. l'iir zwei bedürftige Arztwitt wen. 

— Die Zulassung d e r R e a 1 g y m n a s i a l a b i t u- 
r i e n t e n zum m e d i c i n i s e h e u und juristischen 
Studium wurde nun auch im preussisclieu Abgeord¬ 
net e n h a u s e angeregt. Der Abgeordnete v. Knap p erhoffte 
bezüglich der Zulassung zur Medicin nach den neiilicheu entgegen¬ 
kommenden Erklärungen des Staafssecivtärs Grafen v. Posa- 
ilowsky im Reichstage eine baldige befriedigende Lösung und 
sprach sich auch für die Zulassung zum juristischen Studium aus: 
hervorragende Juristen hätten sich günstig darüber geäussert; die 
Einführung des neuen bürgerlichen Gesetzbuches erfordere in 
erster Linie praktische, in den Verhältnissen des täglichen Lebens 
erfahrene Männer und solche versprächen die Realgymnasialabitu¬ 
rienten in höherem Maasse zu werden, als die Abiturienten 
der humanistischen Gymnasien. Nach der Erwiderung des 
Ministerialdirectors Althoff ist diese Frage noch nicht abge¬ 
schlossen, zunächst hat sich vielmehr die preussische Regierung 
bezüglich des mediciniSchen Studiums mit anderen Regierungen 
in Verbindung gesetzt und die Zulassung unter der Voraussetzung 
einer Ergänzungsprüfling im Lateinischen .***- anstatt wie bisher 
im Lateinischen und Griechischen — angeregt; auf die Zulassung 
zum juristischen Studium ging er, da nicht zu seinem Ressort ge¬ 
hörig. nicht ein. 

lieber die Petition mehrerer Studentinuen der Medicin lim Zu¬ 
lassung zur Immatriculation und zu den Staatsprüfungen ging der 
Reichstag nach kurzer Debatte zur Tagesordnung über, da die 
Zulassung der Frauen zur Prüfung als Arzt, Zahnarzt oder Apo¬ 
theker bereits durch Beschluss des Bundesrathes vom 24. April 1800 
geregelt sei, im Uebrigon die Coinpetenz des Reichstages mangele. 

I >ie vom Abgeordneten () e r t e 1 vertretene Petition um Wiederein¬ 
führung der Prügelstrafe fand, wie nicht anders zu er¬ 
warten war, die gleiche Erledigung. 

Der Gesetzentwurf über die Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau hat im Reichstage die zweite Lesung über¬ 
standen. Trotz der ausdrücklichen Erklärung der Regierungsver- 
treter, dass es sich lediglich um ein hygienisches Gesetz zum 
Schutze der Gesundheit des deutschen Volkes handle, verquicken 
die Vertreter der agrarischen Interessen mit dieser Frage ein¬ 
seitige wärthseha apolitische Zwecke mul verlangen u. a. das Ver¬ 
bot der Fleiseheiufuhr aus dem Auslande nach dem 31. Deeemher 
1903. Das Zustandekommen des Gesetzes ist hiedurch sehr ge¬ 
fährdet. 

Der „F a 11 N e i s s e r“ wurde in der Sitzung des preussisclieu 
Abgeordnetenhauses vom G. ds. vom Abgeord. v. Pappenheim 
abermals zur Sprache gebracht, wobei es. w r ie schon in der Sitzung 
vom 11. März v. .Ts., zu heftigen Angriffen auf Neisser kam. 
Bei genauerer Kenntniss des Falles, w r ie sie bei unseren Lesern 
durch den Artikel des Prof. v. Düring in No. 25 vor. Jahrgangs 
vorausgesetzt werden kann, kann man sich die gegen Professor 
Neisser zum Ausdruck gelaugte Erregung nur als durch ein 
Missverständnis verursacht erklären. Man stellt sich unter den 
N e i s s e r’sehen Impfungen, nach Analogie der Schutzpocken¬ 
impfung, offenbar die Uebertragung eines zwar abgeschwächten, 
aber immerhin krank machenden Virus vor, während es sieh doch 
nur um Einspritzungen von nicht infeetiösem, toxinfreiem Blut¬ 
serum handelte. Auch der von Virchow gebrauchte Vergleich 
mit den Tuberculinimpfnngen stimmt nicht; denn das Tuberculin 
enthält, w r enn es auch nicht iufectiüs ist, doch die Toxine des 
Tuberkelbacillus und vermag ernste Krankheitserscheinungen her¬ 
vorzurufen. Von den Immunsera weiss man jetzt aus vieltausend¬ 
fältiger Erfahrung, dass sie keine nennensw r erthen Krankheits¬ 
erscheinungen hervorgerufen. Die Inlectlonen von Diphtherie-, 

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Tetanus-, Typhus-, Cholera- uud Pestseruhi, w'ie sie jetzt auf der 
ganzen Welt im grössten Maassstabe geübt werden, haben, wenn 
auch nicht iu allen Fällen die Wirksamkeit, so doch die völlige 
Unschädlichkeit dieser Sera dargetlian. Tliatsücklich sind auch 
die von Neisser uusgeführteu lnjectionen von Syphilisserum 
unschädlich gewesen. Das ganze Verbrechen N e i s s e r’s reducirt 
sich also darauf, dass er seine Kranken nicht vorher ausdrücklich 
lim die Erlaubnis» zu seinen Versuchen fragte. Da mit denselben 
weder erheblicher Schmerz noch sonstiges Risiko verbunden, 
w'ohl aber im günstigen Falle viel zu gewinnen war, so würde er 
nach vorheriger Darstellung des Sachverhaltes freiwillige Ver- 
suchsobjecte genug gefunden haben. Wir wollen Neisser 
wegen dieser Unterlassung nicht entschuldigen, wir haben ja 
wiederholt die Notliweudigkeit der Zustimmung des Patienten zu 
jedem ärztlichen Eingriff betont, so gravirend scheint sie uns aber 
nicht zu sein, dass sie jelzt noch, nach so vielen Jahren und einem im 
Uebrigen so verdienten Manne gegenüber, das fortgesetzte Rufen 
nach dem Disciplinarricliter rechtfertigen würde. 

— Man schreibt uns: ».Apotheker Seil iu Osterhofen ver¬ 
sendet an die Aerzte einen Probetiegel eines von ihm erfundenen 
„Heilmittels für schmerzhafte Fussloiden“. Er fordert in einem 
Begleitschreiben auf, ihm Urtheile zukommen zu lassen und er¬ 
klärt sich bereit, von der bisherigen „Specialpackung“ des Mittels 
zur „offenen Packung“ überzugehen, „wenn das ärztliche Inter¬ 
esse entsprechend erweitert würde, so dass sich eine mit tech¬ 
nischen Schwierigkeiten verbundene Aenderung meines Geschäfts¬ 
betriebes auch lohnt“. Er versichert schliesslich, „dass der Haupt¬ 
bestandteil des Heilmittels ein rein ausschliesslich von 
mir hergestelltes chemisches Präparat bildet“. Wir wissen über 
den Werth dieses angepriesenen Mittels nichts, wenn freilich uns 
der (»ine oder andere Arzt bekannt ist, der es thatsächlieh schon 
verordnet hat. Aber das wissen wir, dass ein hohes Maass von 
Lhiverfroreiilieit dazu gehört, die Mitwirkung der Aerzte zur Ver¬ 
breitung eines Geheimmittels zu erbitten. Wir geben uns der 
Hoffnung hin, dass die Aerzte einen solchen Versuch, das Geschäft 
einer Apotheke zu heben, gebührend zurückweisen.“ 

— Pest. Japan. Die Gesammtzahl der seit dem ersten Auf¬ 
treten der Seuche in Japan festgestellten Erkrankungen an Pest 
wird nunmehr auf 70 beziffert, 00 derselben sollen tödtlich ver¬ 
laufen sein. — Philippinen. Im Laufe des Januar sind in Manila 
mehrere Personen an einer Krankheit gestorben, welche von ein¬ 
zelnen Aerzten für Bubonenpest gehalten wird, während andere 
versichern, (lass es sich nicht um Pest, sondern um einheimische, 
den Amerikanern bisher wenig bekannte Leiden, namentlich Beri- 
beri handele. Der Gesundlieitsbehörde (board of health) waren 
bereits am 13. Januar täglich Dutzende von pestverdächtigen 
Fällen gemeldet worden, und w’urden dementsprechend strenge 
gesundheitspolizeiliche Maassregeln in der Stadt ergriffen. Vom 
6. bis 22. Januar sollen zu Folge einer amtlichen Auskunft von 
letzterem Tage 5 Fälle von Pest, darunter 4 mit tödtlichem Aus¬ 
gang und 5 pestverdächtige Fälle vorgekommen sein. 

— In der 8. Jahreswoche, vom 18. bis 25. Februar 1990, hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬ 
keit Rostock mit 47,5, die geringste Kaiserslautern mit 8,2 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb au Masern in München; an Diphtherie und Croup 
in Plauen. 

— Die neunte Versammlung der Deutschen Otologi- 
sehen G e s c 11 s c li a f t. wird in diesem Jahre am 1. und 2. Juni 
in Heidelberg stattlinden. Vorträge oder Demonstrationen sind 
bis 30. April bei Prof. Dr. S l e b e n m a n n in Basel anzumeldeu. 

— Am 20. und 27. Mai d. J. findet die 25. Versammlung 
der s ii d w o s t d e u t s e h e n N e u r o 1 o g e n und Irren- 
ä r z t e in Baden-Baden statt. Aus Anlass der 25. Wiederkehr 
dieser Versammlung wird eine Festsitzung abgehalteu, zu der die 
Damen eingeladen werden. Geschäftsführer sind: E r b - Heidel¬ 
berg, F ü r s t n e r - Strassburg, F i s c li e r - Pforzheim. 

— Der 0. Congress der italienischen Gesellschaft für Geburts¬ 
hilfe und Gynäkologie wird im October zu Pa via stattfinden. 

(II o c h s c h u 1 n a c h r i c h t e n.) 

M a r b u r g. Der Professor für pathologische Anatomie an 
der Universität Zürich, Dr. Hugo Ribbert, hat einen Ruf als 
Ordinarius nach Marburg erhalten und angenommen. 

W ü r z b u r g. An Stelle des nach Berlin übersiedelndeu 
Prof. v. Michel wurde Prof. II o f m e 1 e r zum Rector der Uni¬ 
versität gewählt. 

Moskau. Als Priviitdocent.cn haben sich habilitirt: Dr. 
P o 11 j e w t k o w für Kinderkrankheiten, Dr. B e r e s t n e w 
für Bacteriologie uud Di*. W. P o 1 j a k o w T für Krankheiten der 
Athmungsorgaue. 

R e i m s. Der Professor der chirurgischen Pathologie und 
operativen Medicin Dr. A. P o z z i wurde an Stelle des verstorbenen 
Prof. D e c e s zum Professor der chirurgischen Klinik ernannt. 

(T o d e s f ä 11 e.) 

Dr. Theodor Sauer, Assistenzarzt am pathologischen In¬ 
stitut in Bonn, in Folge von Blutvergiftung, die er sich hei einer 
Section zuzog. 

Stabsarzt Dr. Steinbach von der Kaiser Wilhelms- 
Akademie für das militärärztliche Bildiingsweson. 

Durch Suieidium endete der Privatdocent für Augenheilkunde 
an der Universität Krakau, Dr. Franz Seoczynski. 

In seinem 9G. Lebensjahr starb am 1. März d. J. der Medicinal- 
ratb Dr. Nieberding in Varel. Mit ihm dürfte der Senior der 
Aerzte Deutschlands aus dem Leben geschieden sein. 

Senator Professor Lorenzo Bruno ln Turin. 

Original frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 




MÜNCHEN'KR MKniCINISCIIK WOCH ENSCH RIET. 


No. H. 


SSO 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Karl Plrazzl in Schlüsselfehl. 

Verzogen: Pr. Heinrich Held von Regensburg nach Berneck. 

Abschied bewilligt: Dem Generalarzt Pr. Bau m ann, 
Corpsarzt des 11. Armeecorps, unter Verleihung des Ritterkreuzes 
1. ('lasse des Militärverdienstordens, mit der gesetzlichen Pension 
und der Erlaubniss zum Tragen der Uniform mit den für Ver¬ 
abschiedete vorgeschriel»enen Abzeichen: dem Assistenzarzt Paul 
I f tner der Reserve (Erlangen) behufs l’ebertritts in die Kaiser¬ 
liche Marine. 

Befördert: Per Bezirksarzt I. (Masse Pr. Adolf Dorff- 
meister in Augsburg auf die erledigte Stelle eines Regierungs¬ 
und Kreimedicinalrathes bei der Regierung, Kammer des Innern, 
der Oberpfalz und von Regensburg. 

Quiescirung: Per Bezirksarzt I. CI., Mediciualrath Pr. Julius 
B e r t r a in in Regensburg, seiner Bitte entsprechend, wegen nach¬ 
gewiesener physischer Gebrechlichkeit unter Anerkennung seiner 
langjährigen, treuen und erspriessliehen Dienstleistung in den 
dauernden Ruhestand. 

Versetzt: Per Assistenzarzt Pr. Lutz des 1. Feld-Art.-Reg. 
zur Reserve des Sanitätscorps. 


Correspondenz. 

Mit Bezug auf den Artikel „S c h u 1 ä r z t e“ von Pr. A. 
\V e i s s in No. 9. d. W. sendet uns Herr Pr. H. Sterufeld 
eine längere Zuschrift, der wir Folgendes entnehmen: 

Was mich dazu veranlasste, die Schularztfrage gerade jetzt 
..nachträglich“ in der „öffentlichen“ Presse zu besprechen, hat seinen 
natürlichen Grund darin, dass eben jetzt die Sache „öffentlich“ zur 
Sprache gebracht war, indem am 25. Januar d. J. die Schularzt¬ 
frage im hiesigen Gemeindecollegium verhandelt wurde und die 
Münchener Neuesten Nachrichten bereits v o r meinem Artikel 
einen diesbezüglichen in No. <59 gebracht hatten. Mit demselben 
Rechte aber, mit dein seiner Zeit (im Monat Juli» der Beschluss 
des ärztlichen Bezirksvereins in den M. N. N. veröffentlicht wurde, 
mit demselben konnte ich jetzt zur passenden Gelegenheit und 
Zeit dieselbe Zeitung davon benachrichtigen, «lass dieser Beschluss 
durchaus nicht einstimmig gefasst wurde und die Gründe meiner 
Opposition i m A 11 g e m eine n tim Speziellen wollte ich mich in 
einem politischen Blatte nicht in die Frage einlasseu und habe dess- 
lialb nur TliatSachen gebracht) darlegen. Pass ich „zufällig" in der 
Minorität geblieben, konnte mich allerdings nicht dazu veranlassen, 
meine Anschauung in der Frage der Schulärzte zu Gunsten der 
Majorität aufzugeben oder zu ändern. 

Wenn Herr Pr. Weiss ferner sagt: „Per Deutsche Aerztetag 
habe einstimmig erklärt, dass die bisherigen Erfahrungen die Ein¬ 
setzung von Schulärzten allgemein als dringend erforderlich er¬ 
scheinen lassen“, so muss doch daran erinnert werden, dass diese 
Erklärung durchaus nicht unwidersprochen geblieben ist. wenn sie 
auch schliesslich einstimmige Annahme fand.. Pass München 
einer gesonderten Beiirtheilung bedürfe, ist für Jedeu „eriindlich“, 
der die hiesigen Verhältnisse kennt und weiss, dass die Austeilung 
von Schulärzten wohl dem Einzelnen, der angestellt werden wird, 
aber nicht dem Ganzen zu (inte kommen kann. Penn daran wird 
Niemand zweifeln, dass mit einer alle 14 Tage stattfindenden 
Sprechstunde von 11—12 Uhr, deren „erste Hälfte zu einem 
j ( v lo—ir» Minuten dauernden Besuche von 9—5 Classen dient, in 
Iler s ä m in fliehe Kinder der betreffenden Classen einer äusseren 
Besichtigung unterzogen werden" (Dienstordnung für die Schul¬ 
ärzte in Frankfurt), oder mit einem „allmonatlich mindestens ein¬ 
mal" stattfindenden Besuche, wobei auf „alle für die Gesundheit 
der Kinder und Lehrer getroffenen Einrichtungen zu achten ist, 
vor Allem auf Erwärmung, Lüftung. Beleuchtung. Reinigung der 
Räume, auf Schulbänke, Aborte, Turnsäle und Schulbäder“ (Nürn¬ 
berger Dienstordnung) den Forderungen des Deutschen Aerzte- 
tags nicht im Mindesten entsprochen ist. „Pass „die Schule unter 
ständige fachmännische Aufsicht gestellt wird", dagegen habe ich 
mich durchaus nicht ausgesprochen; ich habe im Gegentheil darauf 
hingewiesen, dass den Amtsärzten gesetzlich die P f 1 i c h t 
der Beaufsichtigung der Schule und Schulkinder in hygienischer 
Beziehung obliegt; wenn es denselben jedoch „gänzlich unmöglich“ 
geworden ist. dieser Pflicht nachzukoinmeu, so muss eben diesem 
Mangel durch entsprechende Vermehrung der amtlichen Stellen, 
eventuell durch vom Staate zu ernennende amtliche Schulärzte, 
denen a u s s c li 1 i e s s 1 i c li diese Function zu übertragen wäre, 
al»geholfen werden. 

Wenn Herr Pr. Weiss mir zum Schlüsse den Vorwurf macht, 
dass ich deiiSatzTliicrsch’s nicht richtig citirt, bezw. so angeführt 
habe, dass daraus zu entnehmen gewesen wäre, derselbe habe sich 
gegen die Schulärzte ausgesprochen, so muss ich darauf erwidern, 
dass sich m ein Artikel an das h l o s i g e Publicum 
gewendet, das sich unter einem Schularzt nur das ver¬ 
stellt, was dort dem Satze vorangestellt ist und sich 
auf das Wort „derartige“ bezieht, nämlich einen 
Arzt, der „täglich in der Schule anwesend ist, die Classen- 
zinnuer revidirt, den Gesundheitszustand der Kinder überwacht, 
regelmässige Untersuchungen derselben vornimmt und darauf hält, 
dass keine Ucbcrbürdung eintritt“. 

Ich kann nach dem Gesagten die grosse Bedeutung 
der Schulärzte für München in dem Sinne, wie 
es geplant ist, nicht einselien und stimme auch 


hier mit dbn Worten Thicrscli’s (a. a. O.) über¬ 
ein, welche lauten: „Die Schule muss sich beständig re- 
formireu. Unterrichtsplan und Lehrmethode verbessern, aber 
diese Entwicklung vollzieht sieh ganz von 
selbst, jedenfalls viel besser ohne ärztliches 
Z u th u li ; dies würde nur Schaden stiften. Es kann 
desswegen Aufgabe der Aerzte nur sein, die äusseren Lebens¬ 
bedingungen der Schule zu überwachen, ihr gewissermaassen den 
Boden bereiten, in dem sie sich gesund entwickeln kann, alle 
Schädlichkeiten von ihr fernhalten.“ Dies ist aber Aufgabe der 
Hygieniker und der erst vom Staate zu diesem Zwecke zu 
ernennenden amtlichen Aerzte. Pr. Hugo Sterufeld. 


Generalrapport über die Kranken der k. bayer. Armee 

für den Monat Januar 1900. 


Iststärke des Heeres: 

63805 Mann, 16 Invaliden, 210 Kadetten, 146 Unteroff.-Vorschüler. 







Unter- 



Mann 

Iuvali- 

den 

Kadetten 

Offlaier- 

vor- 

schüler 

1. Bestand waren am 





31. Deeember 1899: 

1340 

2 

— 

1 

I 

im Lazareth: 

2024 

— j 

1 

40 

2. Zugang: j 

im Revier: 

5371 

— 

36 

— 

[ in Summa: 

7395 

_ i 

37 

40 

Jin Ganzen 

sind behandelt: 

8735 

2 

37 

41 

°/oo der Iststärke : j 

136,8 

125,0 

176,2 

280,8 


dienstfähig: 

6019 

— 

27 

32 


ü /oo der Erkrankten : 

689,1 

— . 

729,7 

780,5 


gestorben : 

10 

— 

— 

— 

3. Abgang: 

°/oo der Erkrankten : 
invalide : 

1,1 

18 

z 

— 

— 


dienstunbrauehbar: 

55*) 

— 

— 

3 


anderweitig : 

207 

— 

— 

— 


in Summa: 

6309 

— 

27 

35 

4. liest and 
bleiben am 
31. Jan. 1900. 

[ in Summa: 

2426 

2 

10 

6 

°/oo der Iststärke : 

1 davon im Lazareth: 

[ davon im Revier: 

38,0 

1453 

973 

125,0 

2 

47,6 

1 

9 

41,1 

6 


Von den in Ziffer 3 aufgeführten Gestorbenen haben gelitten 
an: Scharlach (mit Nierenentzündung) 1, Grippe 1, eiteriger Hirn¬ 
hautentzündung (welche in einem Falle nach einer eiterigen Mandel¬ 
entzündung, in dem anderen Falle im Gefolge einer Schussver¬ 
letzung des linken äusseren Ohres aufgetreten war) 2, Lungenent¬ 
zündung 2, Herzklappen- und Rippenfell-Entzündung 1, innerem 
Darm Verschluss (bei chronischem Darmkatarrh) 1, Darmeinklemmung 
(durch Bindegewebs-Strangbildung bei chronisch-entzündlichen Ver¬ 
änderungen des Bauchfelles) 1, eiteriger Blinddarm- und allgemeiner 
Bauchfellentzündung 1. 

Ausserdem endeten 5 Mann durch Selbstmord, davon 4 durch 
Erschlossen, 1 durch Erhängen. 

Der Gesammtverlust der Armee durch Tod betrug demnach ini 
Monat Januar 15 Mann. 

*) Darunter 14 gleich bei der Einstellung. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten flir München 

in der 9. Jahreswoche vom 25. Februar bis 3. März 1900. 
Betheil. Aerzte 279. — Brechdurchfall 5 (6*), Diphtherie, 
Croup 16 (10), Erysipelas 14 (14), Intermittens, Neuralgia interm. 
— (—), Kindbettfieber — (2), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 
404 (409), Ophthaimo - Blennorrhoea neonat. 2 (6), Parotitis epidem. 
5 (2), Pneumonia crouposa 21 (10), Pyaemie, Septikaemie — (1), 
Rheumatismus art. ac. 37 (39), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarl&tina 
4 (4), Tussis convulsiva 23 (16), Typhus abdominalis 2 (1), 
Varicellen 8 (7), Variola, Variolois — (—). Summa 641 (527). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 9. Jahreswoche vom 25. Februar bis 3. März 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000. 

Todesursachen: Masern 34 (30*), Scharlach 1 (1), Diphtherie 
und Croup — (2), Rothlauf 1 (2), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) 1 (—), Brechdurchfall 3 (2), Unterleibstyphus 
1 (1), Keuchhusten — (—), Croupöse Lungenentzündung — (—), 
Tuberculose a) der Lungen 32 (45), b) der übrigen Organe 8 (5), 
Acuter Gelenkrheumatismus 1 (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 9 (10), Unglücksfälle 3 (3), Selbstmord 6 (3), Tod durch 
fremde Hand 1 (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 294 (267), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 33,0 (30,0), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 19,6 (21,4). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


Gö'gi? 


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Luhmami in München. 


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MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 

Ch. Banaler, 0. Bolllnger, H. Curschmem, C. Gerhardt, W. i. Heineke, 8. Merkel, J. i. Michel, H.». Ranke, F.». Wlnckel, H. ?. Ziemseen, 

Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen. Nürnberg. Würzburg. München. München. München. 


M 12. 20. März 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Aus dem physiologischen Institut und der medicinischen Klinik 
zu Heidelberg. 

Eine Methode zur Bestimmung der gebundenen Salz¬ 
säure im Magensaft. 

Von Dr. Otto Cohn he im und Dr. H. Krieger. 

In Folgendem sollen in Kurzem die Resultate einer Unter¬ 
suchung mitgetheilt werden, die den Zweck hatte, eine kli¬ 
nisch brauchbare genaue Bestimmung der ge¬ 
bundenen Salzsäure im Mageninhalte zu ermöglichen. Bekannt¬ 
lich läuft der Verdauungsvorgang im Magen in folgender Weise: 

Auf einen ihr zugehenden Reiz sondert die Magenschleimhaut 
ein Secret ab, das neben Pepsin und Lab Salzsäure enthält. 
Werden nun Speisen und Getränke in den Magen eingeführt, 
so tritt einmal eine mechanische Vermischung mit dem Secret 
des Magens und damit eine Verdünnung der Salzsäure ein, 
ausserdem läuft aber auch eine chemische Reaetion ab. Denn 
die Eiweisskörper der Nahrung wie ihre Verdauungsproduete 
sind Basen, welche die Salzsäure des Magensaftes neutralisiren. 
Dieser Vorgang wurde früher als eine „Verdeckung der Salz¬ 
säure durch das Eiweiss“ und ähnliches aufgefasst; es ist vor¬ 
nehmlich das Verdienst S j ö q v i s t’s l ), klar erkannt zu haben, 
dass die salzsauren Eiweissstoffe echte Salze sind, und dass es 
sich hier um einen gewöhnlichen Neutralisationsvorgang handelt, 
genau so wie Natronlauge durch Salzsäure neutralisirt, und 
damit in das neutrale Kochsalz verwandelt wird. Dass diese 
Erkenntniss sich so lange verzögerte, liegt daran, dass die salz- 
sauren Albumosen zwar im chemischen Sinne neutrale Salze 
sind, auf unsere gewöhnlichen Indicatoren: Rosolsäure, Phenol¬ 
phthalein und Lackmus jedoch sauer reagiren. Es ist dies nichts 
Aussergewöhnliches, da z. B. auch kohlensaures Natron: Na, CO, 
alkalisch reagirt wie Natronlauge, und liegt nur daran, dass 
hier die Kohlensäure eine so schwache Säure, dort die Albu¬ 
mosen so schwache Basen sind, dass die genannten Indica¬ 
toren früher abgesättigt werden als sie selbst. Für eine Reihe 
von anderen Indicatoren: Congoroth, Tropaeolin, Phloroglucin- 
Vanillin, reagiren die salzsauren Albumosen aber neutral, wie sie 
es in Wirklichkeit sind; bei ihrer Verwendung werden im Magen 
die salzsauren Albumosen nicht als Säure titrirt, sondern nur 
die wirklich freie, nicht neutralisirte Salzsäure, und sie dienen 
daher zur Bestimmung der freien Salzsäure allein. 

Man bestimmt die Salzsäure im ausgeheberten menschlichen 
Mageninhalte, um sich über die Functionstüchtigkeit der Magen¬ 
schleimhaut aus der Menge der abgesonderten Salzsäure zu ver¬ 
gewissern. Dazu gehört, dass man beide Arten von Salzsäure be¬ 
stimmt, die neutralisirte, wie die noch freie. Sjöqvist 2 ) hat 
diese Verhältnisse kürzlich eingehend auseinandergesetzt, und 
kommt zu dem Schlüsse, dass es für die Kenntniss des Magen¬ 
chemismus erforderlich sei, die Gesammtmenge der Salzsäure zu 
kennen. 

Nun stiess die Bestimmung der gebundenen Salzsäure aber 
auf grosse Schwierigkeiten und es hat sich die klinische Praxis 


*) J. Sjöqvist: Skandin. Archiv 1\ Physiol. V, p. 277. 1894 
und VI. p. 205, 1895, sowie 

*) .T. Sjöqvist: Zeitschr. f. klin. Med. XXXIT. p. 451, 1890. 

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| herausgebildet, dass in der Regel nur die Gesammtacidität und 
die freie Salzsäure bezw. das Salzsäuredeficit ermittelt werden. 
Wenn die Verhältnisse der Untersuchung gleich gewählt werden, 
lassen sich aus diesen beiden Werthen verwerthbare Schlüsse 
ziehen; immerhin beweist die grosse Anzahl von Methoden, welche 
I im Laufe der Zeit für die Bestimmung der gebundenen Salzsäure 
angegeben worden sind, dass sich in einer Reihe von Fällen das 
Bedürfniss nach dieser Bestimmung geltend macht. 

Betreffs der Kritik der hierfür angegebenen Methoden, von 
Leo, M a r t i u s und L ü 11 k e u. A. sei auf die citirte Ab¬ 
handlung von Sjöqvist verwiesen. Die einzige Methode, 
welche wirklich verlässliche Werthe liefert, ist die von Sjöq¬ 
vist s ), aber sie ist, wie wohl allgemein zugegeben wird, zu 
complicirt und zeitraubend, als dass sie einer allgemeinen An¬ 
wendung fähig wäre. Wir haben uns ihrer und zwar in der 
Modification von Salkowski-Fawizky 4 ) als Controle 
für das zu erprobende Verfahren bedient. Zu diesem verwen¬ 
deten wir die Eigenschaft der Albumosen wie auch anderer Ei- 
weisse, dass sie durch Phosphorwolframsäure oder andere Alka- 
loidreagentien aus sauren Lösungen gefällt werden. Die aus¬ 
führliche Begründung unserer Methode, die nähere Besprechung 
dieser Reaetion, sowie der Eigenschaften der salzsauren Albu¬ 
mosen und ihrer hydrolytischen Dissociation wird in einer aus¬ 
führlicheren Mittheilung in der Zeitschrift für Biologie er¬ 
scheinen. Hier sei nur das Hauptergebnis unserer Versuche, 
sowie die Art der Anwendung unserer Methode zu klinischen 
Zwecken mitgetheilt. 

Fügt man zu einer salz3auren Eiweisslösung Phosphor¬ 
wolframsäure, oder ein Salz derselben, so tritt folgende Um¬ 
setzung ein: 

salzsaures Eiweiss + Phosphorwolframsäure = phosphorwolfram¬ 
saures Eiweiss + Salzsäure 
bezw. 

salzsaures Eiweiss + phosphorwolframsaures Natron = phosphor¬ 
wolframsaures Eiweiss -f- Chlornatrium. 

Das phosphorwolframsaure Eiweiss ist unlöslich und fällt 
aus. Dabei tritt nun ein Aciditätsverlust ein, dadurch, dass das 
vor der Fällung in Lösung befindliche salzsaure Eiweiss, wie 
oben angeführt, sauer reagirt, das bei der Fällung gebildete Chlor¬ 
natrium neutral; das ausgefällte phosphorwolframsaure Eiweis9 
kommt für die Reaetion nicht mehr in Betracht, Wurde die 
saure Reaetion vorher nur durch das salzsaure Eiweiss bedingt, 
so wird die Flüssigkeit nachher neutral reagiren, waren hingegen 
sonst noch Salzsäure oder andere Säuren zugegen, so wird sie 
um so viel weniger sauer sein, als der Acidität des salzsauren Ei- 
weisses entspricht. Diese wird durch deren Salzsäure bedingt; wenn 
entspricht. Diese wird durch deren Salzsäure bedingt; wenn 
man also vor und nach der Fällung mit einem neutralen phosphor- 
wolframsauren Salz die Acidität bestimmt, so wird die Differenz 
genau dem Werthe der durch das Eiweiss, bezw. die Albumosen 
im Mageninhalt neutralisirten Salzsäure, mit anderen Worten, 
der gebundenen Salzsäure entsprechen. Bei reinen Eiweissen und 
Albumosen wird durch die starke hydrolytische Dissociation des 
salzsauren Eiweisses eine bedeutende Complication eingeführt, 
bei dem Gemenge der Albumosen und Peptone der künstlichen 


3 ) J. Sjöqvist: Zeitschr. f. phys. Ch. XIII, p. 1. 1889. 

*) A. F a w i z k y : Virchow’s Archiv. CXXIII, p. 129. 1891. 

l 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 









382 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


Magenverdauimg, dem sogenannten Wittepepton, ergeben sich 
indessen recht genaue Werthe, die die Anwendbarkeit der Fällung 
zur Bestimmung gebundener Salzsäure beweisen. 

Wir gingen in der Art vor, dass wir eine bestimmte Menge 
Wittepepton in einer Salzsäurelösung von bestimmtem Gehalt 
lösten und dann 1. die Gesammtaciditiit, 2. die freie Salzsäure be¬ 
stimmte n, letztere mit Phloroglucin-Vanillin oder Tropaeolin. 

Zu einer 3. Portion, von ebenfalls 10 ccm, wurde dann neu¬ 
traler phosphorwolframsaurer Kalk zugesetzt, von dem volu¬ 
minösen Niederschlage nbfiltrirt und im Filtrat von Neuem die 
Aciditiit bestimmt: Die Differenz gegen die Gesammtaciditiit 
zeigt die von dem in 10 ccm enthaltenen Wittepepton gebundene 
Salzsäure an. Bei der Wahl der Indicatoren ergab sich die auch 
von T o e p f e ru. A. gefundene Thatsaehe, dass Phenol¬ 
phthalein bei eiweisshaltigen Lösungen stets zu hohe Werthe gibt, 
Rosolsäure umgekehrt eher etwas zu niedrige; doch ist die Ab¬ 
weichung geringer, und es würde sich Rosolsäure daher zu Magen¬ 
inhaltsuntersuchungen wohl eher empfehlen. Indessen ist der 
Unterschied gering und fällt bei gleichen Versuchen natür¬ 
lich heraus. 

Folgende Beispiele mögen unser Vorgehen veranschau¬ 
lichen; die Zahlen bedeuten die Anzahl ccm /,*, Na Oll. die in 
10 ccm Lösung bis zur Endreaction verbraucht werden, multi- 
plicirt mit 10, entsprechend dem Werth für 100 ccm, wie dies 
ja bei Berechnung der Gesammtaciditiit des Mageninhaltes 
üblich ist. 



I 

11 

Gesammtacidität. 

60 

1 104 

Freie Salzsäure. 

24 

50 

Titer nach der Fällung ... 

26 

49 

Titerdifferenz vor und nach der 
Fällung gebund. Salzsäure 

60—26 — 34 

104—49 — 7)5 

Gesammtsalzsäure. 

58 statt 60 

105 statt 104 


Oder bei Anwesenheit von Milchsäure (III.) und ohne dieselbe 
(IV.) III 0 ccm Norm. HC1 + G ccm verd. Milchsäure -}- 2 g Witte¬ 
pepton -f- Aqu. ad 100,0. IV idem, ohne Milchsäure. 



III 

IV 

Gesammtacidität. 

105 

51 

Freie Salzsäure. 

15 

14 

Titer nach der Fällung ... 

68 | 

21 

Gebundene Salzsäure. 

37 

| 30 

Gesammtsalzsäure. 

52 statt 51 

| 44 statt 7>1 


Bei den oben angeführten Beispielen war ein Ueberschuss 
von Salzsäure vorhanden; besteht jedoch ein Salzsäuredeficit, so 
muss dies ermittelt und alsdann mehr Salzsäure zugesetzt werden, 
als zur Deckung erforderlich, so dass freie Salzsäure vorhanden 
ist. Dann wird bestimmt, wie viel gebundene Salzsäure jetzt in 
Lösung ist, und davon das Deficit in Abzug gebracht. Zwei Ver¬ 
suche mit der gleichen Menge Salzsäure und Wittepepton, einmal 
unter Zusatz von Milchsäure, sollen als Beispiel dienen. 

V 2 g Wittepepton -j- 3 ccm Norm. HCl -f- Aqu. ad. 100. 

VI idem 4 4 ccm verdünnte Milchsäure. 



V 

1 VI 

Gesammtacidität. 

24 

1 

77 

Freie Salzsäure . 

Fällung nach Zusatz von 3 ccm 
Norm HCl. Titer nach der 

— 17 

! —17 

Fällung . .. 

22 

| 69 

1 


In dieser Lösung ge¬ 
bundene Salzsäure (24 -f 30) — 22 = 32 (77 + 30) — 6b — 38 
Ursprünglich gebundene 

Salzsäure 32 —17 — 17) 38 —17 — 21 

Gesammtsalzsäure 15 statt 24 21 statt 24 

Die Versuche zeigen, dass die Methode auch hierbei richtige 
Werthe liefert, nur empfiehlt es sich, mehr Salzsäure zuzusetzen, 
als wir m bei V und VI gethan haben, so dass der Ueberschuss 
mindestens 30 beträgt, da sonst die Dissociation stört. 


5 ) G. T o e p f e r : Zeitschr. f. phys. Chemie. XIX. p. 104. 1803. 

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Nachdem einige Beispiele an künstlichen Gemischen an¬ 
geführt sind, handelt es sich darum, die Anwendbarkeit der Me¬ 
thode auch für den natürlichen Mageninhalt darzuthun. Das 
Verfahren gestaltet sich folgendermaassen: 

Es wird im filtrirten Mageninhalt in der üblichen Weise die 
Gesammtaciditiit und die freie Salzsäure in je 10 ccm bestimmt. 
Alsdann werden 10 cein mit phosphorwolframsaurem Kalk gefällt. 
Die Lösung stellt man sieh so dar, dass man von einer käuflichen, 
reinen Phosphorwolframsäure eine 4 proc. Lösung in Wasser her¬ 
stellt und diese in der Siedehitze mit kohlensaurem Kalk neutrali- 
sirt — in der Kälte wird die Lösung nicht neutral — und filtrirt. 
Die Lösung hält sich beliebig lange. Von dieser Lösung genügen 
unter allen Umständen 30 ccm reichlich. Bei der Fällung ent¬ 
steht ein voluminöser Niederschlag, den man durch ein beliebiges 
Filter abfiltrirt. Man muss jedoch, um ein klares Filtrat zu er¬ 
halten, vor dem Filtriren 2—5 Minuten warten; sollten dann die 
ersten Tropfen trüb filtriren, so kann man sie zurückgeben. In¬ 
dessen ist das nur ein Schönheitsfehler und stört die Titriruug 
nicht. 

befass und Filter sind einmal mit Wasser nachzuspülen. Im 
Filtrat wird die Acidität mit Rcsolsäure bezw. Phenolphthalein 
titrirt. Die Differenz gegen die Gesammtaciditiit zeigt die ge¬ 
bundene Salzsäure an. Bei Mangel an freier Salzsäure bestimmt 
man in gewöhnlicher Weise das Deficit, und setzt eine bekannte 
Menge Salzsäure zu, am besten 30—40 ccm mehr, als das Deficit 
beträgt. Von dem für die gebundene Salzsäure gefundenen Worth 
ist der Betrag des Defieits abzuziehen. 

Wir glauben, dass diese Methode auch für die klinische An¬ 
wendung hinreichend einfach und bequem ist; aus der theore¬ 
tischen Betrachtung ergibt sich, dass die Abweichung nicht mehr 
als höchstens 5—10, d. h. 0,5—1,0 ccm l / n Normal-NaOIT pro 
10 ccm Mageninhalt betragen kann. 

Die unten folgenden Beispiele zeigen, dass dies auch im 
natürlichen Magensaft der Fall ist. Sollte sehr wenig Magen¬ 
inhalt zur Verfügung stehen, so kann in demselben 10 ecm freie 
Salzsäure, Gesammtaciditiit und gebundene Salzsäure bestimmt 
werden, selbstverständlich müssen durch Hinzufügen der er¬ 
mittelten Salzsäure werthe die alten Verhältnisse wieder her- 
gestellt. werden. 

Für die Beispiele ist zu erwähnen, dass es uns zunächst nur 
auf die Prüfung der Methode ankam und wir daher die Mageu- 
säfte oft nicht frisch verwendet haben. Ausser bei den ersten 
beiden, wo es überflüssig schien, wurde zur Controle die Salzsäure 
nach Sjöqvist bestimmt. I—II Hyperacidität, Probefrüh¬ 
st ück. LIT—X diverse Magensäfte. XI grosser, fühlbarer 
Magcntumor. 


Tabelle I. 



• 

! 11 i 

III 

IV 

Gesammtacidität 

95 

95 

88 ! 

53 

Freie Salzsaure 

+ 57 | 

470 

426 I 

+ 23 

Titer nach der Fällung 

r>2 

70 

57 ! 

33 

Gebundene Salzsäure 

95—«2 :::: 

95—70 25 

88—67 - - 31 

53—33 20 

Gesammtsalzsäure 
dito nach Sjöqvist 

574:1:! 90 

7U+25 95 

26431 = 67 

43 (?) 

23420 43 

43 


Tabelle H. 



V 1 

V 

VI 

VII 

Gesammtacidität 

79 

79 

68 

75 

Freie Salzsäure 


45 

+ 1 

— 4 

Zusatz von 1K1 


20 

10 

21 

Titer nach der Fällung 

64 

SO 

42 

05 

Gebundene Salzsäure 

79-64 15 

99—80 19 

78-42 - 36 

96—65 31 

Gesammt-llCl 

6415 20 

5+19 — 24 

1+36 — 37 

31 —4-27 

dito nach Sjöqvist 

22 

22 

43 

20 


Tabelle HI. 



vni 

IX 

X 

XI 

Gesammtacidität 

48 

62 

63 

27 

Freie Salzsäure 

-4 

-2.5 

-51 

— 7S 

Zusatz von HCl 

20 

20 

110 

100 

Titer nach der Fällung 

49 

53 

123 

102 

Gebundene Salzsäure 

68-49 19 

S2 —53 --29 

173—123 50 

127—102 25 

Gesamrat-HCl 

19 — 4 — 15 

29—2,5 26,5 

50—51 = — 1 

25—78— - 5 . 

dito nach Sjöqvist 

18 

25 

0 

0 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 















383 


20. März 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Aus der kgl. chirurgischen Klinik zu München. 

Ueber die Indicationen zur Operation bei Appendicitis.*) 

Von Privatdocent Dr. Adolf Schmitt,!. Assistent der Klinik. 

Den Anlass, die chirurgische Behandlung der Appendicitis 
im ärztlichen Verein zu besprechen, gab, wie ich glaube, eine Be¬ 
merkung des Herrn Hofraths Dr. Gossmann; er sprach in 
der Diseussion zu einem Vortrag, den ich kürzlich im ärztlichen 
Verein über die Behandlung der Perforationsperitonitis (mit Aus¬ 
schluss der vom Wurmfortsatz ausgehenden Formen) hielt, als 
das Resultat einer reichen praktischen Erfahrung die Meinung 
aus, „dass in München bei Blinddarmentzündung zu wenig 
operirt werde.“ Ich konnte und kann mich nicht für autorisirt 
halten, zu dieser Bemerkung nach der einen oder anderen Seite 
— in bejahendem oder verneinendem Sinne—Stellung zu nehmen. 
Nur das kann ich thatsächlich anführen, dass wir im Vergleiche 
zu anderen grossen Krankenhäusern verhältnissmässig 
wenige und fast immer ungemein schwere Fälle von 
Perityphlitis bezw. Appendicitis zu operiren haben. Allerdings 
nimmt die Zahl der Fälle von Jahr zu Jahr zu; ich glaube nicht 
etwa desshalb, weil die Zahl der Erkrankungen zunimmt, sondern 
weil die Indication zu einem operativen Eingriffe häutiger ge¬ 
stellt wird. 

Wenn man vom der Therapie bei Appendicitis spricht, ist 
es falsch zu fragen: soll die Krankheit mit internen Mitteln 
oder soll sie auf chirurgischem Wege behandelt werden? 
Kümmell') hat sicher Recht, wenn er sagt, es könne sich nur 
um die Frage handeln: wann hat die interne Behandlung ihre 
Grenze erreicht, wann hat chirurgische Behandlung einzusetzen, 
wenn der Kranke nicht durch längeres Warten Schaden leiden 
soll? Auf die Wichtigkeit dieser Fragestellung weist insbe¬ 
sondere auch Penzoldt 2 ) hin; nirgends hält er die „Personal¬ 
union“, das Zusammenwirken zwischen innerem Mediciner und 
Chirurgen für so nothwendig und segensreich wie auf dem Ge¬ 
biete der Perityphlitis. 

Bei den Fällen dieser Erkrankung, die unserer chirurgischen 
Abtheilung bezw. der Klinik zugewiesen werden, ist häufig die 
Indication zu einem operativen Eingriffe auf Grund eines solchen 
Zusammenwirkens, noch häufiger aber wohl von dem behandelnden 
Arzte, zumeist also dem Internisten, allein gestellt. 

Daraus ergibt sich, dass bei gewissen Formen und Verlaufs- 
arten der Perityphlitis Krankheitsbilder zur Beobachtung kommen, 
welche für jeden der betheiligten Aerzte und insbesondere auch 
für den Internisten eine unstreitige und zweifellose 
Indication zu einem operativen Eingriffe abgeben. 

In anderen Fällen können die Meinungen getheilt sein; die 
Operation erscheint dem einen oder dem anderen Factor nicht 
oder noch nicht angezeigt, so dass sich von selbst zwei 
Gruppen der Indicationen ergeben: eine unbedingte (absolute) 
und eine, bedingte (relative) Indication, wobei natürlich die 
weitere Unterscheidung, ob die Operation während des „An¬ 
falles“ oder nach dessen Ablauf ausgeführt wird oder werden soll, 
ihre besondere Bedeutung hat. 

Dass über die Indicationen zu operativen Eingriffen, die 
früher zu so vielen Controversen Anlass gaben, jetzt eine sehr 
weitgehende, fast vollständige TTebereinstimmung der Ansichten 
zwischen Internisten und Chirurgen herbeigeführt ist, dafür ist 
u. a. auch der von Graser und Penzoldt bearbeitete Ab¬ 
schnitt über Perityphlitis in Penzoldt und Stintzing’s 
Handbuch ein höchst erfreulicher Beweis. Der Standpunkt, 
welcher dort vertreten wird, deckt sich ziemlich genau mit den 
in unserer Klinik bei den Operationen der Perityphlitis befolgten 
Grundsätzen. 

Ein operativer Eingriff erscheint uns unbedingt geboten 
bei allen grossen peri- und paratyphlitischen 
Abscessen. Entsprechend der fast immer (98 Proc. nach 
S y d o w und Lennander) intraperitonealen Lage des Wurm¬ 
fortsatzes liegen diese Abscesse primär wohl regelmässig intra- 
peritoneal; freilich glücklicher Weise sehr oft extra cavum peri- 
tonei in dem Sinne, dass sie gegen die freie Bauchhöhle durch 

u Nach einem Vortrage im Aorztliehen Verein zu München 
am 17. I. 1900. 

Kümmell: Ueber roeidivirende lVrit yplil.ii is. Herl. klin. 
Wochensehr. 1898, No. 15. 

-) Penzoldt im Handbuch der Therapie innerer Krank¬ 
heiten von Penzoldt uml S t i n t z i n g . Abschnitt; Behandlung 
der Erkrankungen des Bauchfelles; 1. LVrityphlitis. p. bs5. 

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einen Wall von Verklebungen und Verwachsungen abgeschlossen 
sind. Die extraperitoneal liegenden Eiterungen sind meist 
secundar dort entstanden, sei es in Folge von Durchbruch durch 
das Bauchfell nach aussen hin in das retroperitoneale Gewebe, 
sei es iu Folge einer Lymphangitis und Phlegmone, welche vom 
erkrankten Wurmfortsatz ausgehend, auf dem Wege des Mesen- 
teriolum proc. vermif. gegen das Mesenterium coli und von hier 
aus weiter im retroperitonealen Gewebe sich verbreitet; in diesem 
kann der Eiter weite Wege zurücklegen hinter dem Kolon gegen 
die Niere, zur Leber, zum Zwerchfell und durch dieses hindurch 
bis in den Pleuraraum, nach abwärts in’s Becken, besonders gegen 
die Blase, den Douglas zu, und unter dem P o u p a r t’schen Bande 
hindurch zum Oberschenkel wandern. 

Auch bei bedeutender Grösse solcher Abscesse kann das All¬ 
gemeinbefinden ein verhältnissmässig gutes sein. Desshalb aber 
die Entleerung des Eiters zu unterlassen, erscheint nicht zulässig, 
da die naheliegende Gefahr, die mit dem Durchbruch einer grossen 
Eiteransammlung in die freie Bauchhöhle hinein verbunden ist, 
doch zweifellos unendlich viel grösser ist, als die meist einfache 
Eröffnung des oft nahe der Oberfläche liegenden Abseesses, Kein 
Mensch kann vorhersehen, ob die Verklebungen in der Umgebung 
des Eiterherdes dem Druck des Eiters Stand halten können, um 
die Bauchhöhle zu schützen; Niemand weiss, ob ein grosser Ab- 
scess so glücklich, in den Darm z. B„ durchbricht, dass der Eiter 
entleert und die Eiterhöhle zur Ausheilung kommen kann. Die 
Entleerung eines solchen grossen Abseesses an der Stelle, wo 
er erreichbar ist, vorne in der Ueocoeealgegend, hinten in der 
Umgebung der Niere, vom Douglas oder vom Rectum aus, er¬ 
scheint uns also als dringende Indication, als eine unbe- 
d i n g t e, auch wenn das Allgemeinbefinden nicht besorgniss¬ 
erregend und relativ gut ist, im Verhältniss zu dem grossen, 
leicht fühlbaren und vielleicht sogar noch durch eine Probe- 
punction sichergestellten grossen Abscess, der, wie gesagt, primär 
meist intraperitoneal, wenn auch abgedämmt gegen die freie 
Bauchhöhle gelegen Lt, aber mit Buchten, Canälen und Gängen, 
durch Senkung, Fortkriechen und Metastasen in die Blutbahn 
(Pvaemie) weithin sich verbreiten kann. 

Ueber diese Indication zu einem operativen Eingriff besteht 
zwischen Internisten und Chirurgen ebenso wenig eine Meinungs- 
versehiedenheit, wie darüber, dass die Operation unbe¬ 
dingt erforderlich ist. wenn der Durchbruch in die 
f r e i e B a u c h höhl e bereits eingetreten ist. Dass in solchem 
Falle die Eröffnung des Abdomens sobald und rasch wie möglich 
gemacht werden muss, um den Eiter zu entleeren, ist selbstver¬ 
ständlich; jede Stunde Aufschub vermindert die ohnehin äusserst 
schlechte Aussicht, «las verlorene Leben vielleicht doch noch zu 
erhalten. Auf den Standpunkt der unbedingten Intervention sind 
wir und Andere durch die Analogie bei Perforationsperitonitis 
aus anderen Ursachen gekommen. Es soll gar nicht geleugnet 
werden, dass durch die Operation an den meist äusserst eolla- 
birten, manchmal fast sterbenden Kranken in einigen Fällen der 
unaufhaltsame Tod vielleicht sogar beschleunigt werden 
kann. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der Chirurg in 
solch’ desolatem Falle ein „zu spät“ ausspricht und die Operation 
ableimt. Dem gegenüber aber sprechen doch jetzt schon recht 
zahlreiche Erfahrungen dafür, dass manches sonst sicher ver¬ 
lorene Leben durch die Eröffnung des Abdomens und Entfernung 
des jauchif*t*i 1 erigen Inhalts, auch bei schon ausgedehnter Peri¬ 
tonitis, noch gerettet wird; freilich ist die Zahl der Erfolge 
kleiner als die Zahl der Todesfälle, aber die letztere würde eben 
alle Fülle umfassen, wenn gar nicht operirt würde. Es ist mir 
wohl bekannt, dass Heilungen bei exspeetativer Behandlung 
immer beobachtet und berichtet werden; da spielt der glückliche 
Zufall, der unberechenbare, eine bedeutende Rolle: nicht in 
allen Fällen entsteht nach erfolgtem Durchbruch des Wurm¬ 
fortsatzes oder «les Abseesses in die Bauchhöhle unbedingt eine 1 
diffuse septische Peritonitis; es kommt, besonders wenn der 
Durchbruch in den* allerersten Kratikheitszeit erfolgt, zuweilen 
zu einem etappenweisen Fortsohreiten, einem zeitweiligen Halt- 
maclicn des Eiters und der Entzündung in der Bauchhöhle, zur 
progredient-eiterigen Peritonitis (Mikulicz), die in der That 
manchmal aushcilen k a n n, so dass man später in Ruhe die ein¬ 
zelnen Eit.eransammlimgen entleeren kann. Aber wer kann und 
darf die Verantwortung auf sich nehmen, zu warten, oh der 
glückliche — und doch immer noch eminent lebensgefährliche — 
Zufall eintrit.t. dass k e i n e diffuse, sondern die erwähnte Form 

1 * 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



384 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 12. 


der Peritonitis entsteht ? Wer kann voraussehen, ob die sich 
bildenden Verklebungen fest genug sein werden, um die noch 
frei Bauchhöhle weiterhin zu schützen? Die Symptome des 
Durchbruches und seine unmittelbaren Folgen sind deutlich und 
bekannt: plötzliche, schwere Verschlimmerung des Allgemein¬ 
befindens und des Gesammtbildes, rasche Auftreibung des Leibes, 
diffuse Schmerzhaftigkeit, Erbrechen (Erscheinungen des para¬ 
lytischen Ileus), Singultus, Leberdämpfung' verkleinert oder auf¬ 
gehoben, Puls sehr klein und frequent, Facies abdominalis, Col- 
laps. Ist auch nur eine ganz geringe Aussicht noch vorhanden, 
dass der Kranke die Narkose und die Operation übersteht, dann 
halten wir diese für unbedingt indicirt. Zu dieser Gruppe 
der unbedingten Indication gehören vielleicht noch die Fälle, 
bei denen die rein örtlichen Erscheinungen gering sind, in 
selteneren Fällen ein Exsudat, eine Eiteransammlung in der Ileo- 
coecalgegend vielleicht gar nicht sicher nachweisbar ist, bei denen 
aber aus dom Allgemeinzustande, besonders auch aus dem Ver¬ 
halten des Pulses und der Temperatur, auf eine allgemeine 
septische Infection oder auf eine chronische Eiterung 
geschlossen werden muss. Die Entleerung einer oft nur nach 
grossen Mühen auf gefundenen, weil äusserst versteckt liegenden 
Eiteransammlung kann hier zuweilen den gewünschten Erfolg 
haben; zuweilen aber wird dieser vereitelt durch multiple Meta¬ 
stasen in den verschiedensten Organen — wir haben erst kürz¬ 
lich einen solchen Fall mit massenhaften allerkleinsten Abscessen 
in der Leber, zwischen den Blättern des Mesenteriums u. s. w. 
beobachtet —; jedenfalls erscheint der Versuch geboten, 
durch Entleerung des oft kleinen, primären und etwa gefundenen 
secundären Eiterherdes, durch Probeincision und Probepunc- 
tion eine Heilung herbeizuführen. 

Weit schwieriger ist unser therapeutisches Handeln zu be¬ 
stimmen gerade in den Fällen, die dem praktischen Arzte wohl am 
häufigsten zur Beobachtung kommen, Fälle, die gleich von An¬ 
fang an unter dem typischen Bilde der Perityphli¬ 
tis schwer e insetzen, wobei der locale Befund deutlich 
ausgesprochen oder im Verhältniss zum Gesammtbilde 
gering sein kann. 

In diesen Fällen ist am meisten das Zusammenwirken von 
Internisten und Chirurgen erwünscht, bei ihnen kommt die ge¬ 
meinsame Verwerthung der beiderseitigen Erfahrungen den 
Kranken am häufigsten zu Gute. Die tägliche Erfahrung zeigt, 
dass die typische Perityphlitis auch bei schwerem Einsetzen der 
Erkrankung und bei prägnantem localen Befunde in der Mehr¬ 
zahl der Fälle in Heilung ausgeht; in sehr vielen Fällen ist es 
freilich nur eine Heilung des Anfalles, nicht eine Ausheilung 
der Krankheit als solcher; das beweist der grosse Procentsatz 
an Kceidiven, die bedingt sind durch das Zurückbleiben der 
Krankheitsursache, des kranken Wurmfortsatzes, an 
welchem, wie die Erfahrung gezeigt hat, eine vollständige Rück¬ 
bildung zur Norm so gut wie niemals eintritt. Jedenfalls aber 
steht fest, und ist durch zahlreiche, ausgedehnte statistische 
Untersuchungen bewiesen, dass in der Mehrzahl der Perityphli¬ 
tiden das zunächst erstrebte Ziel, die Heilung vom acuten An¬ 
fall, durch eine exspectative, interne Behandlung erreicht wird. 
Allein ebenso ist durch die zahlreich während des Anfalles vor¬ 
genommenen Operationen bewiesen, dass bei einigermaassen 
schwerem Local- und Allgemeinzustande immer Eiter vor¬ 
handen ist; was aus dem ursprünglich localen Eiterherde in der 
Folge werden wird, das eben ist das Unberechenbare und desshalb 
Unheimliche. Der Eiter liegt wohl meist, aber nicht immer, in 
der Umgebung des Wurmfortsatzes; er kann aber auch in 
diesem selbst sich gebildet haben — Empyem des Wurmfort¬ 
satzes —- er braucht nicht durchzubrechen in die Umgebung und 
kann doch schon schwerste Erscheinungen bedingen durch 
Lyniphangitis und Phlegmone, ausgehend vom kranken Wurm¬ 
fortsatz, dessen oft ulcerirte, wenn auch noch nicht perforirte 
Wandungen für die in ihrer Virulenz gar nicht zu taxirenden 
Jnfectionserreger durchgängig geworden sind. Tritt aber, wie 
ja meist, eine Perforation des Processus ein, dann spricht wieder 
eine Reihe schwer zu beurtheilender Factoren ein gewichtiges 
Wort: die Menge und Art der aus dem Wurmfortsatz austreten¬ 
den Flüssigkeit, ob Gas die rasche Verbreitung dünnen, kothig- 
jauchigen Eiters befördert, die so variabele Lage des Processus, 
ob von einem etwa vorausgegangenen Anfall Verlöthungen be¬ 
stehen oder nicht — Umstände genug, die dem behandelnden 
Arzte schwere Sorgen und schwere Entscheidungen auferlegen 
können. 

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Bei der Thatsache, dass oft nach sehr schwerem Ein¬ 
setzen des Anfalles ein rascher, guter Verlauf folgt, während 
ebenfalls sehr häufig nach leichtem Beginn eine rapide Ver¬ 
schlechterung eintritt, kann man es dem Chirurgen nicht 
verdenken, wenn er in schweren, aber zweifelhaften 
! Fällen die Operation vorschlägt, um der drohenden Gefahr vor¬ 
zubeugen, insbesondere um einen grossen Eiterherd zu ent¬ 
leeren, dessen durchbrechender Inhalt sofort die ganze Bauch - 
hölile mit einer gewaltigen Eitermenge überschwemmen würde. 
Besonders schwierig zu beurtheilen ist die drohende Gefahr 
des Durchbruches; dafür gibt es keine charakteristischen, ein¬ 
deutigen Einzelsymptome, ausschlaggebend ist hier nur 
der Allgemeinzustand. Zu dieser Anschauung ist im 
Laufe der letzten Jahre auch die Mehrzahl derjenigen Chirurgen 
gekommen, die früher bei jeder schwer einsetzenden Perityphlitis 
mit einigermaassen deutlichem Localbefunde eine Indication zu 
operativem Eingriffe für gegeben erachteten. Die drohende 
Gefahr einer Perforation und das Fortschreiten der entzünd 
liehen Reizerscheinungen am Bauchfell rechtzeitig zu erkennen, 
ist die Aufgabe — und die Kunst — des Arztes in solchen Fällen. 

Burckhärdt') präcisirt diesen Standpunkt, wie mir 
scheint, sehr gut, wenn er sagt: „Nicht die Heftigkeit des 
Schmerzes, nicht die Grösse der subjectiven Beschwerden, vollends 
nicht der Nachweis und die Art des Exsudates sind für die Beur- 
theilung dieser Fälle ausschlaggebend, sondern es ist das Be¬ 
stehenbleiben oder die Verschlechterung des ominösen abdomi¬ 
nalen Habitus des Kranken und eine weitere Verschlechterung 
des Pulses.“ Auch Sahli*) legt auf die Beurtheilung des Ge¬ 
sammtbildes den grössten Werth und hebt insbesondere noch das 
Verhalten des Pulses, die Facies abdominalis, die Auftreibung des 
Abdomens (die er in ihrem Wechsel regelmässig mit dem Centi- 
metermaass zu controliren vorschlägt), das Auftreten von Schmerz¬ 
punkten oder Resistenzen an entfernteren Stellen des Abdomens, 
sowie das Auftreten von Erbrechen hervor. 

Irgend ein Schema kann demnach für die Beurtheilung 
solcher Fälle unmöglich aufgestellt werden. 

Das Bestehen bleiben ernster und schwerer localer und All- 
gemeinerscheinungen beschränkt sich bei sehr vielen Fällen von 
Appendicitis gewöhnlich auf wenige Tage; man kann desshalb 
vielleicht im Allgemeinen sagen: Fälle, die nicht inner¬ 
halb kurzer Zeit (3—8 Tage) unter sachgemässer in¬ 
terner Behandlung deutlich und zweifellos gebessert 
werden, so dass sowohl die localen, wie die allge¬ 
meinen Erscheinungen gleichmiissig, in gleichem 
Schritte, sich bessern, sollen operirt werden; ist 
der Gesammteindruck, den der Kranke nach 3—4 Tagen 
macht, ein besserer und ist die Besserung nach 8 Tagen in jeder 
Beziehung eine deutliche, dann kann man auf die Operation ver¬ 
zichten, vorausgesetzt, dass nicht ein neuer, plötzlicher Vorschub 
eintritt. 

Graser (1. c.) macht noch auf einige besonders wichtige 
Punkte aufmerksam: Fortbestehen hohen Fiebers über die ersten 
3 Tage hinaus. Kleinerwerden des Tumors bei zunehmender Auf¬ 
treibung des Leibes, Fortbestehen schwerer localer und allge¬ 
meiner Erscheinungen, obwohl ein Durchbruch in Darm, Blase 
oder Scheide anzunehmen ist, ferner auf die Zeichen allgemeiner 
septischer Infection: hohe Pulsfrequenz, Schüttelfröste, Be¬ 
nommenheit des Sensoriumß, Delirien, Albuminurie und Ikterus. 
Dass beim Auftreten von Heus, der ein mechanischer (in Folge 
von Verwachsungen oder Compression durch das Exsudat) oder 
ein paralytischer (Darmlähmung in Folge Peritonitis, Sepsis) sein 
kann, sofort operativ eingegriffen werden muss, ist selbstverständ¬ 
lich; ebenso erscheint die Operation sofort und unbedingt iu- 
dicirt, wenn der ausschlaggebende Allgemeinzustand, das Ver¬ 
halten des Pulses und Fiebers, sowie der locale Befund ein Be¬ 
stehenbleiben oder gar eine V erschlechterung 
des schweren Zustandes erkennen lassen. 

Die Hauptgefahr für den Kranken ist immer der drohende 
Durchbruch in die freie Bauchhöhle und die allgemeine septische 
Infection; die Operation ist am gefährlichsten, wenn man lange 
nach einem versteckt liegenden Eiterherd suchen muss und dabei 
die etwa noch freie Bauchhöhle inficiren kann; je oberflächlicher 
gelegen und sicherer zu localisiren demnach der Abscess ist, desto 

*) Cit. nach Graser in Penzoldt und Stintzing’s 
Handbuch. 

*) Referat auf dem Gongress für innere Medidn, München 1895 
und Correspondenzblatt f. Schweizer Aerzte 1892. 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


385 


leichter wird man das Vorhandensein einer unbedingten In- 
dication für die Operation bei schweren Allgemeinerseheinungen 
annehmen; die Berücksichtigung dieser in erster und des localen 
Befundes in zweiter Linie werden also je nach Lage des Falles 
eine unbedingte oder bedingte Indieation auf stellen lassen, be¬ 
dingt in dem Sinne, dass man einige Zeit hat, den Verlauf ab¬ 
zuwarten, dass man sich aber in schweren, zweifelhaften 
Fällen eher der Operation zuneigt. Das aber muss man hervor¬ 
heben, dass auch sehr eifrige Operateure in den letzten Jahren 
bei Weitem nicht mehr so leicht und so häufig die unbedingte 
Indieation zu einem operativen Eingriff während des An¬ 
falles stellen wie früher. (Cf. die Verhandlungen auf dem 
Ohirurgencongress 1899.) Insbesondere* hat die Zahl der auf 
einer nur bedingten Indieation beruhenden „F rühopera- 
t i o n e n“ erheblich abgenommen; obwohl man gerade bei den 
Frühoperationen die Erfahrung machte, dass sich schon sehr bald 
(24 Stunden) nach Beginn des Anfalles und fast regel¬ 
mässig Eiter findet, ist die Giltigkeit des Satzes „ubi pus, ibi 
evaeua“ gerade bei der Appendicitis erheblich und, wie ich glaube, 
auf ein richtiges Maass eingeschränkt worden, auf die Fälle, die 
als unbedingte Indieation zur Eiterentleerung eben besprochen 
worden sind. Wenn inan auch nicht annehmen kann, dass von 
dom Absccssinhalte allzuviel durch Resorption beseitigt wird, so 
stellt doch fest, dass in sehr vielen Fällen der Eiter eingedickt 
und abgekapselt werden und ohne sonderlichen Schaden so ver¬ 
harren kann. Das sind die Fälle, welche vom acuten Anfall ge¬ 
nesen und zuweilen dauernd, zuweilen für eine längere oder 
kürzere Zeit — bis das Recidiv kommt — gesund bleiben. Aber 
eine gewisse Gefahr bildet das Zurückbleiben des eingedickten 
und abgekapselten Eiters eben doch. Wenn sich ein solcher Eiter¬ 
herd durch ständig vorhandene locale Schmerzhaftigkeit, durch 
Störungen des Allgemeinbefindens, der Stuhl- und manchmal 
der Urinentleerung, durch leichte Temperaturerhöhungen, durch 
das gleichmässige Bestehenbleiben einer druckempfindlichen Re¬ 
sistenz oder eines Tumors bemerkbar macht, dann kann seine 
Entleerung augezeigt sein, und der Kranke wird sich um so 
leichter zu der Vornahme eines Einschnittes entschliessen, wenn 
eine positive Probepunction ihm das Vorhandensein von Eiter 
ad oeulos demonstrirt; das Missliche der Probepunction liegt 
alKT gerade darin, dass sie nur bei positivem Ausfall volle Be¬ 
weiskraft hat. während ein negatives Ergebniss, wenn sonst die 
Zeichen stimmen, wohl nicht den Arzt, aber den Kranken schwan¬ 
kend machen kann. Die Entleerung eines solchen Eiterherdes 
wird unter Berücksichtigung der ebengenannten Erscheinungen 
auf Grund einer bedingten Indieation nach Ablauf des 
acuten Anfalles gemacht. 

Stellt sich nach kürzerer oder längerer Zeit, von dem ur¬ 
sprünglichen Krankheitsherd aus, ein Recidiv ein. so werden bei 
diesem dieselben Gesichtspunkte für die Operation zu berück¬ 
sichtigen sein, wie beim ersten acuten Anfall; man wird nur 
aus den bestimmten Indieationen auf der Höhe des Anfalles 
nperiren, sonst aber den Anfall ausklingen lassen, um sich zu 
riehtierer Zeit die Frage vorzulegen, ob und wann bei reeidi- 
v i r e n d e r Appendicitis in der a n f a 11 s f r e i e n Zeit, 
„im freien Intervall“ eine Operation ausgeführt werdeu soll, die 
mit der Entfernung der K r a n k h e i t s u rsac he die Krank¬ 
heit selbst dauernd zu heilen im Stande ist. Bei jeder Form 
der Appendicitis können Reeidive auf treten, bei der einfachen 
katarrhalischen so gut wie beim Empyem, bei ülceration und 
Perforation des Wurmfortsatzes, die sich wieder schliessen und 
einen abgesackten Abseess und mehr oder weniger ausgedehnte 
Verlöthungen zurücklassen kann. Statistische Untersuchungen 
lehren, dass etwa in 20 bis 25 Proc. aller Fälle Reeidive eintreten, 
die nach ihrer Zahl ebenso verschieden sein können wie nach 
ihrer Schwere und nach den Erscheinungen, welche in den an¬ 
fallsfreien Pausen auftreten; die Intervalle sind von ganz ver¬ 
schiedener Dauer, bald folgen innerhalb weniger Wochen und 
Monate die Anfälle aufeinander, bald liegen viele Monate und 
Jahre dazwischen; zuweilen sind die Kranken in den Zwischen¬ 
räumen so gut wie völlig beschwerdefrei, zuweilen aber auch nie 
ganz frei von Belästigungen aller Art. Oft sich wiederholende 
Stiche in der Ilcocoecalgegend, Kolikanfälle, Stuhlbeschwerden, 
Appetitlosigkeit, Abgesehlagenheit, bei Frauen Menstruations¬ 
störungen sind die gewöhnlichen Klagen. Die Kranken werden 
ihres Lebens nicht raehr froh, ihre Leistungsfähigkeit wird ver¬ 
mindert, sie leben in ständiger Angst vor einem Recidiv. das bei 
No. 12 

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irgend einem Diätfehler, einer Erkältung, einer stärkeren An¬ 
strengung wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebt. Wer 
kann wissen, ob der erste Anfall auch der letzte war, ob nicht bei 
einem zweiten oder dritten Anfall die lebensgefährliche Per¬ 
foration in die Bauchhöhle eintritt! Besonders wenn schon 
mehrere Anfälle vorausgegangen sind und wenn die Schwere der 
Anfälle zunimmt, sitzen die Kranken auf einem Pulverfass, das 
jeden Augenblick explodiren kann. Wenn man einen solchen be¬ 
ständig bedrohten, in seinem Lebensgenuss und seiner Leistungs¬ 
fähigkeit stark beschränkten Menschen völlig gesund machen, ihn 
von allen Beschwerden und besonders von jeder Gefahr befreien 
kann, dann erscheint wohl ein operativer Eingriff in vielen Fällen 
nicht bloss gerechtfertigt, sondern oft auch geboten. Damit soll 
durchaus nicht gesagt sein, dass man gleich nach dem ersten 
schweren Anfall operiren soll; hier wäre die Operation nur dann 
angezeigt, wenn schon nach dem ersten Anfall stärkere Be¬ 
schwerden, dauernder Schmerz, das Exsudat, die Verhärtung Zu¬ 
rückbleiben. ln der Mehrzahl der Fälle wird man den zweiten, 
oft sogar noch mehrere Anfälle vorübergehen lassen, ehe man mit 
gutem Gewissen dem Kranken den Rath gibt, sich operiren zu 
lassen. Der Rath wird um so dringender sein, wenn die Anfälle 
rasch oder in immer kürzer werdenden Zwischenräumen auf¬ 
einander folgen, wenn die Schwere der Anfälle zunimmt und 
wenn die Beschwerden in der anfallsfreien Zeit wachsen. Bei 
solcher Sachlage rathen heute nicht nur die meisten Aerzte zur 
Operation, sondern viele Kranke kommen auch von selbst zum 
Chirurgen, da die Kenntniss von den segensreichen Erfolgen der 
Operation im freien Intervall schon recht weit in’s Publicum ge¬ 
drungen ist. Die Schwierigkeiten, welche die Operation bieten 
kann, lassen sieh, auch bei genauester Anamnese und Unter¬ 
suchung, niemals vorher berechnen; sie können sehr gering, sie 
können aber auch sehr gross sein, wenn ausgedehnte Verwach¬ 
sungen der Därme, des Netzes, des Bauchfelles, wenn abgesackte 
Eiterherde das Vordringen und die Orientirung erschweren. Die 
Prognose ist, nach den bisherigen Erfahrungen, bei geübten 
Operateuren eine äusserst günstige. Aber wenn auch Küm- 
m e 11 (1. c.) unter 104 Operationen im freien Intervall, unter 
denen sich viele schwere Fälle befanden, keinen einzigen Todes¬ 
fall hatte, so handelt sich doch immer um keinen ganz 
kleinen und harmlosen Eingriff — es bleibt immer eine Laparo¬ 
tomie, aber um einen Eingriff, der zu den segensreichsten von 
allen modernen Operationen gehört. Zweck und Aufgabe der 
Operation im, freien Intervall ist es ja, den Wurmfortsatz und 
damit den Ausgangspunkt der primären und secundären Er¬ 
krankungen zu entfernen. Es ist dabei am zweckmässigsten, 
mit Rücksicht auf die fast immer intraperitoneale Lage der 
Appendix, sogleich in die freie Bauchhöhle einzugehen, von einem 
Schnitte aus, der die Verbindungslinie zwischen Spina anterior 
superior und Nabel an einem gut 2 Querfinger breit nach innen 
von der Spina gelegenen Punkte kreuzt, einige Centimeter ober¬ 
halb dieser Linie beginnt und schräg nach innen unten ver¬ 
laufend einige Centimeter oberhalb des Poupar t’sclien Bandes 
endigt. Die Fascie des Muse, obliquus externus und die Fasern 
der tieferen Muskel schichten durchtrennnt man am besten scharf, 
möglichst entsprechend dem Verlaufe der Muskelfasern, ebenso 
scharf die tiefe Fascic. Bei der Eröffnung des Bauchfelles muss 
man recht vorsichtig zu Werke gehen und auf Verlöthungen der 
Därme mit dem Bauchfell gefasst sein. Die oft recht festen 
Adhäsionen zwischen Darm, Netz und Bauchfell bieten manchmal 
rocht grosse Schwierigkeiten, ebenso die Verlöthungen, die den 
Wurmfortsatz direct umgeben und ihn in der verschiedensten 
Lage und Form fixiren können; manchmal ist er auf das Innigste 
mit der Wandung des Coecums verlöthet und muss äusserst vor¬ 
sichtig ausgelöst werden. Sind die Verwachsungen und Stränge 
meist durch doppelte Unterbindung gelöst, so wird auch das 
Mescnteriolum des frei gemachten Wurmfortsatzes zunächst nahe 
seiner Basis unterbunden, was am besten nach Vorlagerung des 
Coecums vor die Bauchwunde geschieht, und der Wurmfortsatz 
abgetragen, indem man nach circularer Umschneidung nahe 
seinem Ursprung aus der Serosa und Muscularis eine Manchette* 
bildet, diese etwa einen Centimeter weit zuriickpräparirt, dann 
den Schleimhautschlauch mit einem dünnen Faden (wir nehmen 
meist Seide) unterbindet und mit dem Thermokauter durch¬ 
trennt. Ueber den Stumpf wird die gebildete Manchette gestülpt 
und durch einige Serosanähte geschlossen. Unter aseptischen 
Verhältnissen wird die Bauchwunde sogleich durch Etagennaht 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


3(Si i 


geschlossen; ist ein Herd von abgekapseltem Eiter gefunden und 
entleert worden, ist es angezeigt, die Wundhöhle für einige Tage 
zu tamponiren und die. gleich bei der Operation eingelegten 
Nähte secundär zu knüpfen oder secundär zu nähen. 

Sehr verschieden können die Schwierigkeiten der Operation 
im Anfalle sein. 

So leicht es im Allgemeinen sein wird, einen grossen, viel¬ 
leicht dem Durchbruche nach aussen nahen perityphlitischen Ab- 
scess durch einen einfachen, die Bauchdecken stets schichtweise 
durchtrennenden Schnitt zu entleeren, so schwierig kann die 
Operation sich gestalten bei einem kleineren, tief liegenden, seiner 
Lage nach nicht sicher zu bestimmenden Eiterherd. Man wird 
am besten einen Schnitt machen, der es gestattet, sowohl intra- 
wie extraperitoneal vorzudringen, so dass der Schnitt oberhalb der 
Spina anterior superior und möglichst nahe dem Darmbeinkamm, 
von welchem die Muskeln abgelöst werden, beginnend, in leichtem 
Bogen nach unten innen, bis oberhalb der Mitte des P o u p a r t’- 
schen Bandes verläuft. Findet sich extraperitoneal kein Eiter, 
oder ist neben diesem auch eine intraperitoneale Eiteransamm¬ 
lung nachweisbar, was meist der Fall sein wird, so wird das Peri¬ 
toneum vorsichtig eröffnet und mit aller Sorgfalt darauf geachtet, 
die Yerlöthungen, welche den Eiterherd von der freien Bauch¬ 
höhle abschliessen und so diese schützen, zu erhalten und zu 
schonen. Eine nach Spaltung der Bauchdecken deutlicher wie 
vorher fühlbare Resistenz, eine leichte oedematöse Schwellung des 
Bauchfelles, eine hier ausgeführte Probepunction, nach welcher 
die Nadel als Wegweiser liegen bleiben kann, erleichtern das Auf- 
finden des intraperitonealen Eiterherdes. Soll man nun unter 
allen Umständen den Wurmfortsatz aufsuchen und entfernen? 
Seine Entfernung ist zweifellos das Ideale, seine Auffindung aber 
ist oft durch kaum überwindbare Schwierigkeiten erschwert, 
würde öfter die Lösung der lebenswichtigen, das Bauchfell 
schützenden Verlöthungen nöthig machen, so dass wir ihn für ge¬ 
wöhnlich nur dann entfernen, wenn dies ohne allzu grosse 
Schwierigkeit und Gefahr möglich ist, d. h. wenn der Wurm¬ 
fortsatz leicht zu finden und zu lösen ist. Manch¬ 
mal findet man ihn desshalb nicht, weil er eigentlich nicht mehr 
existirt; er kann in fast ganzer Ausdehnung durch Gangraen 
zerstört sein. 

Man wird, natürlich mit aller Vorsicht, den oft weit nach 
oben und unten sich erstreckenden Eiterbuchten und -gängen 
nachgehen, wird multiple Abscesse eröffnen müssen, selbst unter 
Verletzung von schützenden Adhaesionen, wobei die Bauchhöhle 
durch sorgfältiges Tupfen und Tamponiren geschützt wird, und 
wird tief liegende Eiteransammlungen nach dem Douglas hin 
drainiren, vom Rectum aus eröffnen. Ein primärer Verschluss 
der Wunde ist unter solchen Verhältnissen natürlich unzulässig; 
die Wundhöhle muss sorgfältig mit Jodoformgaze tamponirt und 
lange offen gehalten werden, wobei sich auch die tiefen Buchten 
und Gänge allmählich reinigen. Hat man den Wurmfortsatz 
zurücklassen müssen, so können sich von ihm aus recht un¬ 
angenehme Kothfisteln bilden, die zuweilen nur durch eine 
weitere Operation, die vor Allem die Appendix zu entfernen 
sucht, beseitigt werden können, zuweilen aber auch spontan sich 
schliessen. Häufig entstehen, wenn man die Wunde nicht ver- 
schliessen durfte, Bauchbrüche, die als oft recht lästige, nach¬ 
trägliche Complieation ebenfalls noch eine Operation bedingen 
können. 

Bei der Operation nach erfolgtem Durchbruch in die 
freie Bauchhöhle stellt der Operateur vor einer ebenso schwieri¬ 
gen, wie verantwortungsvollen und leider meist sehr undankbaren 
Aufgabe. Erlaubt der meist sehr schlechte Zustand der Kranken 
noch eine Operation, so hat diese nur bei frühzeitigster und 
raschester Ausführung einige Aussicht auf Erfolg. Meist wird 
sic sich beschränken müssen auf Entleerung des oft riesigen 
eitrigen Ergusses und etwaiger abgesackter Eiterherde unter 
Schonung der noch nicht inficirten Bauchabschnitte; gelingt es, 
den Ort des Durchbruches selbst festzustellen und die Appendix 
zu entfernen, um so besser; ist dies nicht möglich, ist ausgiebige 
Tamponade der Bauchhöhle mit sterilen Compressen angezeigt, 
Ausspülungen aber zu widerrathen. 


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Aus der Kgl. chirurg. Universitätsklinik zu Königsberg i. Pr., 
Prof. Frlir. v. Eiseisberg. 

Zur Casuistik der Rückenmarksverletzung durch Wirbel- 
fractur nebst Beschreibung eines Gehverbandes für 
Patienten mit Lähmung beider unterer Extremitäten. 

Von Dr. Hans Lengnick, Volontär-Assistent der Klinik. 

Die Behandlung von Wirbelbrüchen mit Rückenmarksver¬ 
letzung gehört immer noch zu den schwierigen und hat vor 
Allem dabei die Operation noch ganz inconstanten Erfolg. So 
gut es ihr gelingt, Besserung zu erzielen durch Entfernung eines 
drückenden Wirbels, wenn ausschliesslich Compressionsmyelitis 
vorliegt, so erfolglos wird der Eingriff werden, wenn durch das 
Trauma ein Riss des Rückenmarkes selbst erfolgt ist. Nicht 
selten sind beide Verletzungen mit einander combinirt, so dass 
durch den Eingriff keine oder nur geringe Besserung erfolgen 
kann; auch bei Compressionsmyelitis wird er nur dann überhaupt 
Besserung erzielen, wenn nicht zu lange damit gewartet wird. 

Im Nachstehenden erlaube ich mir ausführlich über einen 
einschlägigen Fall zu berichten, der in der Königsberger chirur¬ 
gischen Klinik beobachtet und im Verein für wissenschaftliche 
Heilkunde am 8. Mai 1899 von Herrn Prof. v. Eiseisberg 
vorgestellt wurde. 

Am 30. November 1897 wurde ein 26 jähriger, lediger Zimmer¬ 
mann, Friedr. J., mit folgender Anamnese eingeliefert: 

Patient will am 27. Deeember d. J. von einem 14 m hohen 
Kirchthurmgerüst heruntergefallen sein; er schlug dabei mit dem 
Rücken auf einen ca. 3 m vom Erdboden entfernten, horizontal 
liegenden Balken auf und kam mit den Ivuieen auf den Boden zu 
liegen. Die gröste Wucht des Sturzes wurde durch das Auf¬ 
schlagen auf den Balken gebrochen, wodurch sie bei dem An¬ 
langen auf dem Erdboden wesentlich abgeschwächt war. Be¬ 
wusstlosigkeit trat nicht ein, ebensowenig hatte Patient besondere 
Schmerzen, doch konnte er die Beine nicht bewegen 
und w ar jedes Gefühl aus ihnen geschwunden. 

Nach sofortiger Ueberführung in ein Krankenhaus will er dort 

2 mal mittels eines Apparates durch Zug am Kopfe gestreckt 
worden sein. Gleich nach dem Unfall zeigte es sich, dass Patient 
den Urin nicht entleeren konnte, wesshalb er sofort und auch 
während der nächsten 4 Wochen katheterisirt werden muste; nach 
dieser Zeit ging der Urin spontan ab. Patient hatte die Fähigkeit 
verloren, ihn zuriickzulialten, so dass beständiges Harnträufeln 
bestand, der Stuhl war sehr angehalten; zur Entleerung mussten 
starke Abführmittel gebraucht werden. Ausserdem bestand auch 
Unfähigkeit, den Stuhl zurückzuhalten; nach Verlauf der ersten 

3 Wochen empfand Patient einen dumpfen Schmerz im Rücken; 
zu welcher Zeit die hinten am Steiss lind an den Beinen befind¬ 
lichen Wunden auf getreten sind, wusste Patient nicht mit Be¬ 
stimmtheit anzugebeu, er glaubte jedoch, dass sie ca. 3 Wochen 
beständen. 

Status praesens. Mittelgrosser, gutgenährter Mann, der eine 
ruhige Rückenlage einnahm; Brust- und Bauchorgane boten keinen 
abnormen Befund. Der Umfang des linken Beines war in seiner 
ganzen Ausdehnung bedeutend grösser, als der des rechten; die 
Schwellung war lediglich auf die Haut beschränkt, Fingerdruck 
blieb bestehen. Beide Füsse standen in Spitzfussstellung, der linke 
nach aussen, der rechte nach innen rotirt. Die Sensibilität für alle 
3 Qualitäten war an den unteren Extremitäten fast völlig auf¬ 
gehoben. Die Grenzen sind auf umstehender Figur gezeichnet. 
Die Schmerzempfindung w^ar am weitesten geschwunden. Patient 
vermochte die Beine in keiner Weise zu bewegen. Das Becken 
w r ar stark verbreitert, sehr flach, die Trochanteren standen weit 
ab, der Schenkelhals hatte beiderseits bei ganz gerade gerichteten 
Füssen völlig horizontale, ja sogar nach hinten divergirende Rich¬ 
tung, so dass man die Trochanteren von hinten und vorne breit 
umfassen konnte. Typus des rhachitisch platten, w r eibliehen 
Beckens. 

Ueber dem Os. sacrum befand sich ein handtellergrosser De¬ 
cubitus mit unterminirten Rändern bis auf den Knochen reichend. 
Ueber dem Malleolus extern, links befand sich ebenfalls ein ca. 
zehnpfennigstückgrosser Decubitus; an der Aussenseite des linken 
Unterschenkels 3 von derselben Grösse. An der rechten Ferse und 
an der Hinterseite des Unterschenkels waren ebenfalls ausgedehnte 
Hautdefecte vorhanden. 

In der Höhe des 11. und 12. Brust- und 1. Lendenwirbels war 
die Wirbelsäule nach vorne in einen stumpfen Winkel geknickt. 
Die nicht veränderten Processus spinosi der genannten Wirbel 
standen stark vor. der Dornfortsatz des 12. Brustwirbels prominirte 
am weitesten; eine Druckempfiudlichkeit an dieser Stelle bestand 
nicht. Der Harn träufelte beständig ab, war stark getrübt und hatte 
einen stechend ammoniakalischen Geruch. 

Zunächst wurde versucht, durch entsprechende Bauchlage des 
Patienten eine Besserung der verschiedenen Hautdefecte zu be¬ 
wirken. Als die Geschwüre etwas gereinigt waren, wmrde am 
6. Deeomber (also ca. 0 W r ochen nach dem Sturze) zur Operation 
geschritten, in der Hoffnung, ein abgesprengtes Fragment welches 
den Inhalt des Wirbeleanales in der Lendengegend comprimirte. 
zu entfernen. Nach subcutaner Injection von 0,015 Morph, mur. 

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20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


ÖS7 


und sorgfältiger Desinfection im Operationsgebiete wurde in Nar¬ 
kose B i 11 r o t h’scher Mischung von Herrrn Prof. v. Eiseis¬ 
berg die Laminectomie vorgenommen. Nach einem Längsschnitt, 
welcher über die Processus spinosi vom 10. Brust- bis 2. Lenden¬ 
wirbel in sagittaler Richtung geführt wurde, liess sich die Muscula- 
tur mit dem Raspajorium leicht unter massiger Blutung ab¬ 
schieben; es folgte die Durchineisselung des hinteren Bogens des 
11. Brustwirbels medial von den Processus articulares. so dass der 
Processus spinosus entfernt wurde, dasselbe wurde am 12. Brust¬ 
wirbel vorgenommen. Hierbei zeigte sich, dass an der linken 
Bogenhiilfte eine spaltförmige Continuitätstrennung in schräger 
Richtung bestand, die Fragmente waren aneinander beweglich, 
das laterale Stück sprang stark nach dem Lumen des Wirbelcanales 
vor, wodurch das Rückeumark comprimirt erschien. Der Bogen 
selbst war in seiner ganzen Ausdehnung an der Dura adhaerent. 
Ein grosses Stück des Bogens, vor Allem das ganze, nach dem 
Lumen des Wirbelcanales zu vorspringende Stück wurde vorsichtig 
entfernt. Die Dura zeigte* sich entsprechend dem oberen Rande 
des Bogens des 12. Brustwirbels verdickt und leicht orangegelb 
verfärbt, nach oben von dieser Stelle war die Dura normal gefärbt 
und configurirt, Pulsation war sicht- und fühlbar; nach abwärts 
war eine Veränderung des Wirbelcanalinhaltes nicht sichtbar, da¬ 
gegen erschien die Pulsation aufgehoben. Bei vorsichtigem Ver¬ 
suche, mit den Fingern an der Dura vorbei die Wirbelkörper zu 
touchiren, fand sich, dass eine deutliche Prominenz der Wirbel¬ 
körper bestand, die jedoch wegen starker Verdickung der Dura 
nicht blossgelegt werden konnte. Beim Versuch, dies zu bewerk¬ 
stelligen, entstand stärkere venöse Blutung, die jedoch auf Jodo- 
formgazecoinpression bald stand. Nunmehr wurde die Dura weiter 
in der Mediallinie gespalten, sie zeigte sich auf der rechten Hälfte 
wenig, auf der linken etwas mehr mit der Arachnoidea verwachsen, 
wesshalb rechts die Adhaesionen leicht, links überhaupt nicht zu 
durchtrennen waren. Am Rückenmark selbst war eine gelbweisse, 
quere Narbe deutlich sichtbar. Nach Verlängerung des Dural¬ 
schlitzes zeigten sich nach oben und unten normale Verhältnisse. 
Die Dura wurde durch 2 Catgutnähte vereinigt; an Stelle der 2 ent¬ 
fernten Processus spinosi wurden Jodoformgazetampons eingelegt 
und dann eine exacte Muskel- und Hautnaht gemacht. 

Somit waren bei der Autopsie in vivo 2 Befunde aufgenommen, 
deren jeder für sich die schwere Nervenstörung zu erklären im 
Stande war. Das comprimirende Wirbelstück konnte entfernt 
werden und damit wurde das Rückenmark vom Druck befreit. 
Aus der queren gelbweissen Narbe in der Dura und dem Marke 
musste jedoch geschlossen werden, dass hier durch die Verletzung 
eine ausgedehnte Quetschung des Wirbelcanalinhaltes eingetreten 
war. Die Folgen der letztgenannten Verletzung waren natürlich 
nicht zu beseitigen. Die Entfernung des drückenden Wirbel¬ 
stückes schien doch einen günstigen Einfluss zu haben, indem* 
sich später die Functionen der Blase und des Mastdarmes besser¬ 
ten. Wenn mau für die Besserung nicht Angewöhnung oder 
Erziehung aunehmen will (was nicht von der Hand zu weisen ist), 
so könnte man glauben, dass durch das entfernte Wirbelbogen¬ 
stück des 12. Brustwirbels das Reflexcentrum für Blase und Mast¬ 
darm entlastet wurde, welches vorher comprimirt war. 

Anfänglich klagte Patient über Schmerzen in der Operations¬ 
wunde und über geringen Brechreiz, die Temperatur, welche auf 
38° gestiegen war. fiel bald ab. Zur besseren Fixation der Wirbel¬ 
säule erhielt Patient ein Gipscorset über den ganzen Thorax. Am 
10. XII. wurde zum ersten Mal durch ein eingeschnittenes Fenster 
ein Verbandswechsel an der Operationswunde vorgenommen. Die 
Wunde war reactionslos geheilt, es konnten die Tampons entfernt 
werden. Nur einmal war der Verband, beim dritten Verbands¬ 
wechsel, reichlich mit Cerebrospinalflüssigkeit durchtränkt. Durch 
öfteres Umlagern wurden auch die verschiedenen durchgelegenen 
Hautpartien zur Heilung gebracht. Am 17. I. 1898 stellte sich 
unter heftigem Schüttelfrost ein. von einem Decubitus am rechten 
Fuss ausgehendes Erysipel ein. welches nach einigen Exacerba¬ 
tionen am 16. II. 1898 abgeklungen war. 

Im Laufe der nächsten Wochen verheilte die Wunde voll¬ 
kommen, ein operativer Erfolg in Bezug auf die Wiederherstellung 
der Functionen der Beine trat nicht ein — nach wie vor war der 
Kranke hier total gelähmt. 

Eine Verzögerung der Bemühungen, den Patienten wenigstens 
für einige Zeit ausser Bett zu halten und Gehversuche anzustellen, 
wurde dadurch herbeigeführt, dass er sich am 18. V. beim Baden 
eine Verbrennung dritten Grades der 4. und 5. linken Zehe zuzog. 
Er war mit dem linken Fusse in die Nähe des Heisswasserzuflusses, 
dessen Röhre nicht ganz dicht schloss, gelangt und hatte sich, 
ohne eine Empfindung davon zu haben, diese für den weiteren Ge- 
nesungsprocess zum mindestens sehr störende und denselben sehr 
verlangsamende Verletzung zugezogen. Erst am 1. VII. 1898 waren 
die Brandwunden mit theilweiser Verwachsung der beiden Zehen 
vernarbt, und es konnte versucht werden, den Patienten auf die 
Beine zu bringen. 

Es wurde desshalb ein nach Art der T h o in a s’schen Lage¬ 
rungsschiene bezw. des Bonne t’schen Tragkorbes gebauter Appa- 
rat dem Patienten angewickelt und er damit aufgestellt. Der Ver¬ 
such gelang ausgezeichnet. Patient wurde vollständig durch den 
Apparat gestützt und aufrecht erhalten, doch musste er wegen 
Schwindelgefühls bald wieder hingelegt werden. Am nächsten 
Tage wurde der Versuch mit demselben Erfolge wiederholt. 

Nachdem nun noch des Oefteren ein starkes Oedem beider 
Beine die Anwickelung der Schiene gehindert hatte, gelang es im 
September 1898 zum ersten Male dem Patienten, sich mit Hilfe 
des Apparates und eines V o 1 k m a n n’schen Bänkchens durch 



den ganzen ca. 15 m langen Saal fortzubewegen. Die Uebungen 
wurden nun energisch fortgesetzt, aber erst Ende April 1899 konnte 
Patient ca. 3—4 Stunden mit seinem Apparate ausserhalb des 
Bettes zubringen. Es bestand völlige Schmerzlosigkeit, die Ope¬ 
rationsstelle war völlig reactionslos geblieben, es hatte au dieser 
Stelle keine Krümmung der Wirbelsäule stattgefunden. Am 
5. IX. 1899 wurde Patient auf seinen Wunsch nach Hause ent¬ 
lassen. Er war im Stande, sich selbständig auf ebenem Boden 
beliebig lange fortzubewegen, und erreichte dabei auch schon eine 
gewisse Geschwindigkeit. Auf einer Seite stützte den auf den 
Apparat aufgewickelten Mann ein Volk m a n n’sches Bänkchen 
auf der anderen Seite hatte er die Hand frei. Er hielt sehr gut 
die Balance und klagte niemals über grosse Last von Seiten seiner 
Schiene. Den Beginn der Absonderung der Faeces und des Qrins, 
welche erstere ohne besondere Abführmittel von statten ging, 
merkte Patient ca. 1 Minute vorher und konnte auch etwas den 
Abgang zurückhalten. 

Der Apparat besteht aus 2 starken, ca. 5 cm breiten Stäben 
aus Schmiedeeisen, welche, den Körperformen des Kranken genau 
angepasst, von der Schulterblattgegend bis zur Ferse laufen, wo 
sie mit einer grossen, ebenfalls aus Eisen bestehenden, fest¬ 
genieteten Sandale jederseits verbunden sind. 

In der Beingegend befinden sich je 4 krallenartige, halbkreis¬ 
förmige, festangenietete Stützen, welche zur besseren Fixation 
für Ober- und Unterschenkel, sowie zur Verhinderung seitlichen 
Ausbiegens dienen. Verbunden werden diese einfach construirten 
Stangen durch 3 im Abstand von 15 bis 20 cm von einander 
angebrachte, festgenietete Querstangen von derselben Qualität, 
wie oben angegeben, welche ähnlich den Beinstützen krallenartig 
den Oberkörper von hinten und seitlich umgeben. Entsprechende 
Achselriemen aus Leder, welche die Spitzen der langen Eisen¬ 
stange mit den Spitzen der ersten Querstange verbinden, vervoll¬ 
ständigen den Apparat. In Bauchlage des Patienten über dem 
Querbett wird die Stütze, welche selbstverständlich sehr exact 
gepolstert ist, auf die Rückseite des Liegenden aufgepasst und 
dann mit Flanellbinden angewickelt. Die oberen Lederriemen 
werden aufgeknöpft und der Kranke stellt sich dann selbst auf. 

~ Die Wirbelsäule wird völlig entlastet, und 

a\ /i Patient geht mit Hilfe eines Bänkchens 

«fj _ fw herum. 

I—I ü-L Der besseren Orientirung wegen, gebe ich 

1 1 I I ff J nebenstehend Abbildungen des Apparates 

allein, und nach seiner Anlegung. 

T:jj f [IJ Er hat den nicht zu unterschätzenden Vor- 

7/ / I® theil, dass er von jedem Dorfschmiede leicht 

ausführbar ist. Ausserdem hat er den Vorzug 
j~r ) der Billigkeit. Leichter könnte er gemacht 

i / I werden dadurch, dass man, ähnlich wie beim 

(Ttlyj Rahmengestell des modernen Zweirades, platt- 

// \X gedrückte, gezogene Röhren verwendet: doch 

LLj. würde dadurch der Apparat wesentlich theurer 
werden. 


In der chirurgischen Klinik ist in letzter Zeit ein zum Trans¬ 
port von Patienten, welche an der Wirbelsäule verletzt sind, be¬ 
stimmter Apparat construirt worden. Er unterscheidet sich von 
der oben beschriebenen Maschine dadurch, dass die Theile, welche 

2 * 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


die Beine stützen, verlängert resp. verkürzt werden können. Es 
gleitet eine ausziehbare, schmale Schiene in der breiteren, welche 
erstere durch eine Schraube in der gewünschten Stellung be¬ 
festigt wird; in derselben Weise lassen sich die Rückenquerstücke 
verschieben, ausserdem befindet sich nach oben ein bogenförmiger 
Fortsatz zur Befestigung einer G 1 i s s o n’schen Schwinge be¬ 
hufs Extension. Es müsste dann natürlich dieser Apparat bei 
einer frischen Verletzung je nach der Lage des Patienten an¬ 
gewickelt werden. Ein vorsichtiges Unterschieben würde in der 
Regel auch leicht gelingen, ohne eine Verschiebung der Wirbel 
und dadurch eine eventuelle stärkere Verletzung des Rücken¬ 
markes hervorzurufen. 

Es ist fraglos, dass durch diesen Apparat dem Patienten 
sehr viel genützt wurde. 

W agner und Stolper schreiben pag. 548: 

„Die Gipspanzer, oder dafür eintretende Corsets, oder maschi¬ 
nelle Apparate müssen so fest und schwer hergestellt werden, 
dass die Patienten kaum damit gehen können. Es handelt sich 
ja immer um erwachsene, meist kräftige Personen. Bei nicht 
ganz solider Anfertigung ist jedenfalls die Immobilisirung sehr 
wenig, die Entlastung des lädirten Wirbelkörpers aber so gut wie 
nie gewährleistet.“ 

Dieser Fall, welcher ca. 2 Jahre in der Klinik beobachtet 
und behandelt wurde, ist zum mindesten eine glückliche Aus¬ 
nahme von den oben angeführten Angaben, da, wie schon er¬ 
wähnt, eine völlige Entlastung der lädirten Wirbel eintrat und 
auch Patient wieder eine gewisse Bewegungsfähigkeit erlangte. 
Jedenfalls erscheint dieser Apparat in seiner einfachen Con- 
struction und überaus leichten Handhabung als eine ausge¬ 
zeichnete Hilfe für die unglücklichen Menschen, welche nach 
Wirbelsäulen Verletzung, complicirt mit Rückenmarkslaesion und 
ihren Folgen, einem schrecklichen Martyrium in ewiger Bettruhe 
und Unmöglichkeit der Fortbewegung anheimfallen würden. 

Zum Schlüsse sage ich Herrn Prof. Dr. Frhrn. v. Eiseis- 
b e r g, meinem hochverehrten Lehrer und Chef, für die liebens¬ 
würdige Anregung und gütige Unterstützung bei meiner Arbeit 
meinen besten Dank. 


Aus der k. Üniversitäts-Frauenklinik München (Director: Ge¬ 
heimrath v. W i n c k e 1). 

Versuche mit localer Alkoholtherapie in der 
Gynäkologie. 

Von Dr. Ludwig S e i t z , Assistent der Klinik. 

Auf der 71. Versammlung Deutscher Naturforscher und 
Aerzte in München hielt Professor Hans Büchner einen 
Vortrag „Natürliche Schutzeinrichtungen des Organismus und 
deren Beeinflussung zum Zweck der Abwehr von Infections- 
proeessen“ und wies darin auf die mächtigen Heilfactoren hin, 
die uns in den Körpersäften, speciell im Blute, zur Verfügung 
stehen und die von ihm als „proteolytische Enzyme“ erkannt 
worden sind. 

„Als meine heutige Aufgabe“, sagt er wörtlich, „betrachte 
ich es nämlich, die weitesten Kreise innerhalb der praktischen 
Heilkunde eindringlich zu Versuchen über die Anwendung des 
Blutes zur Bekämpfung bacterieller Infectionsprocesse anzu¬ 
regen. Schon jetzt ist zweifellos zu erkennen, dass in dieser 
Richtung ein bedeutendes Gebiet für die praktische Medicin 
erobert Werden kann, das bisher fast ganz unbeachtet dage¬ 
legen war.“ 

Den Effect will Büchner durch vermehrte Blutzufuhr 
und Blutversorgung erzielen und nennt verschiedene Mittel und 
Verfnlmingsarten, um dies zu erzeugen. Die Wirkung beruhe 
darin, dass „die Gewebe in der Zeiteinheit mit mehr Blut als 
gewöhnlich in Üontact gebracht werden, also ein stärkerer localer 
Blutweclisol stal l findet“; hier handelt es sich hauptsächlich um 
die arterielle Hyperaemie; in anderer Weise, unter Umständen 
aber ebenfalls sehr günstig, wirke die venöse Hyperaemie und 
die gemischte. 

Diese Ausführungen von berufenster wissenschaftlicher 
Seite und die bisher gemachten günstigen Erfahrungen brachten 
mich auf den Gedanken, die bactericide Wirkung des Blutes auch 
bei den Erkrankungen der weiblichen Geuitalorgane praktisch 
zu prüfen. Die Versuche wurden an dem Material der hiesigen 
k. Frauenklinik mit gütiger Erlaubnis** meines hochverehrten 

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No. 12 

Chefs und Lehrers, Herrn Geheimrath v. W inekel, ausge¬ 
führt, dem ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten 
Dank auszusprechen mir erlaube. 

Von der venösen, von der Stauungshyperaemic war von 
vorne herein keine heilkräftige Wirkung für die Infectionen 
der Genitalien zu erwarten; denn von den Infectionen mit 
Staphylo- und Streptococcen weiss man schon längst, dass 
venöse Stauungen ihr Wachsthum ausserordentlich begünstigen, 
und man versucht daher mit allen Mitteln die Anstauung des 
venösen Blutes in der Chirurgie, Gynäkologie, in der ganzen 
Medicin zu verhüten. Auch bei der gonorrhoischen Infection, 
die bei den weiblichen Genitalorganen eine so grosse Rolle spielt, 
wird Stauung nach Möglichkeit vermieden und dafür Sorge ge¬ 
tragen, dass nicht durch zu starke Füllung der Blase, durch An¬ 
häufung der Kothmasscn, durch lange« Sitzen venöse Hyperaemie 
in den Beckenorganen eintrete. 

Auch die g e m i s c h t e Hyperaemie scheint für die gonor¬ 
rhoischen Erkrankungen nicht ganz gleichgiltig zu sein; deim 
vielfach kann man nach starken Anstrengungen, heftigen Bc- 
wegungen, so Cohabitation, eine erhebliche Verschlechterung 
des Zustandes beobachten. Offenbar handelt es sieh hier nicht 
um reine Formen der venösen Hyperaemie. 

Nach diesen Betrachtungen allgemeiner Natur war cs klar, 
dass venöse und gemischte Hyperaemie nicht geeignet erschien, 
therapeutisch bei Genitalerkrankungen verwendet zu werden. 
Dagegen sprach gegen die active Hyperaemie bisher noch keine 
Erfahrung und es erschien wohl möglich, dass das arterielle 
Blut durch seine antibacterielle und resorptive Leistungsfähig¬ 
keit heilend zu wirken vermag. 

Diese arterielle Hyperaemie sollte, wie Büchner selbst 
angegeben hatte, mit Alkohol erzielt werden. Derselbe kann, um 
auf die weiblichen Genitalorgane zu wirken, einmal äusserlich 
von den Bauchdecken — denn auch durch diese hindurch ent¬ 
faltet nach den Untersuchungen Bucliner’s der Alkohol noch 
seine Wirkung — und dann von der Vagina aus angewendet 
werden. 

Die Application auf die Bauehdeeken geschah in der Weise, 
dass eine Lage Watte mit Guttapercha und einem dünnen Tuch¬ 
stoffe überzogen, die Watte gehörig mit 96 proc. Alkohol getränkt 
und dann das Ganze nach Art einer Schürze über das Abdomen 
gut anliegend festgebunden wurde. Zuerst machte ich einen 
Versuch an mir selbst. Nach der Application des Uebersehlages 
stellte sich alsbald das Gefühl der Wärme ein, das offenbar durch 
die vermehrte Blutzufuhr entstand und allmählich eine aus¬ 
gesprochene Hyperaemie der Haut bedingte. Wenn durch die 
Athemziige ein rascherer Luftdurchzug und damit eine raschere 
Verdunstung des Alkohols stattfand, so wurde das als eine an¬ 
genehme Kühle empfunden. Irgend eine Beeinflussung der 
Darmthätigkeit konnte nicht beobachtet werden, auch bei den 
Frauen nicht, bei denen der Alkoholverband längere Zeit an¬ 
gewendet wurde. Von den Frauen, die alle in stationärer Behand¬ 
lung standen, wurde der Verband sammt und sonders gerne 
getragen und von einigen sogar später ungern entbehrt. Nach 
2—4 tägiger Anwendung stellte sich unter mässigeu Juckerschei¬ 
nungen fast regelmässig eine oberflächliche Abstossung der Epi¬ 
dermis ein. In einem Falle konnte ich beobachten, dass nach 
3 Tagen ein etwa zwei markstückgrosser, sehwarzbrauner Fleck 
entstand, der auf eine Sugillation zurückzuführen war. Zuerst 
wandte ich den Alkohol nur von den Bauehdeeken aus an in 
Fällen, die mir dazu geeignet schienen. Nachtheilige Folgen 
konnte ich bei dieser Anwendungsweise niemals constatiren. 
allein ich war auch nicht im Stande, irgend etwas Yortheil- 
haftes zu entdecken. 

Die so behandelten Fälle waren 6 : 2 Retroflexionen, 1 peri- 
pararnetrancs Exsudat, 2 mal doppelseitiger Adnextumor, 1 mal 
Tubereulose des Bauchfells. Bei den Retroflexionen ging ich von 
der Anschauung aus, dass die durch die Abkniokung vorhandene 
Circulationsstörung durch die vennehrte Blutzufuhr wieder in 
besseren Gang gerathen könnte, bei dem peri-parametranen Ex¬ 
sudat war es mir um eine raschere Resorption durch die ge¬ 
rühmten Eigenschaften des Alkohols zu thun, und bei der doppel¬ 
seitigen Adnoxerkrankung, die gonorrhoischer Natur war, suchte 
ich die bactericide Wirkung auszunützen. Bei den beiden Rüek- 
wärtsverlagerungen war • gar keine Veränderung in dem 
Befinden der beiden Patientinnen trotz 8 tägiger Appliction 
zu erkennen, die Resorption des peri-parametranen Exsudats ging 

Original fram 

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20. März 1900. 


MÜNCHENRR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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nicht rascher vor sich, und auch bei der Adnexerkrankung war 
keine Besserung zu constatiren. 

Am meisten geeignet erscheint mir die Alkolioltherapie noch 
bei der Tuberculose des Peritoneums zu sein; es handelte sieh um 
eine Frau*von 28 Jahren (F. L., No. 154, 1899), die über beiden 
Lungenspitzen tuberculose Veränderungen auf wies, und eine 
Tubereulose der Uterusadnexe und des Bauchperitoneums hatte, 
die au letzterem namentlich in Form zweier derber Infiltrate auf¬ 
getreten war. Laparotomie am 7. VI. 1899 mit Entleerung des 
massigen Ascites und Bepuderung der Darmschlingen mit Jodo¬ 
formpulver. Nach Abnahme des ersten Verbandes Ueberschläge 
mit 96 proc. Alkohol, die auch nach der Entlassung noch regel¬ 
massig fortgesetzt wurden. Am 23. VII. 1899 wieder vorgestellt. 
Veränderungen in den Bauchdecken und an den Genitalien die 
gleichen, subjeetives Befinden unverändert, Körpergewicht 1 kg 
zugenommen. Bei der Vorstellung am 16. Januar 1900 war der 
Zustand wesentlich gebessert, das Aussehen der vorher blassen 
Patientin war frisch, ihr Körpergewicht hatte sich in der 
Zwischenzeit um 14 Vs kg gehoben, in den Bauchdecken nirgends 
mehr eine Resistenz zu fühlen, auch der Genitalbefund erheblich 
gebessert, doch waren die Ovarien immer noch wallnussgross, die 
Tuben verdickt und der Uterus noch leicht vergrössert. Es lässt 
sich wohl noch hoffen, dass auch die Veränderungen an den 
Genitalorganen sich noch weiter zurückbilden, zumal das Be¬ 
finden der Patientin, wie sie vor Kurzem auf eine schriftliche 
Anfrage mitgetheilt, andauernd ein sehr gutes ist. Schwierig ist 
natürlich hier die Entscheidung der Frage, welche von den ein¬ 
geschlagenen Methoden den Erfolg bewirkte, die Laparotomie, 
die erfahrungsgemäss vielfach zur Ausheilung tuberculöser Pro- 
cesse am Peritoneum führt oder der Alkohol. Der allgemeine 
Eindruck war der, dass die Alkoholtherapie doch günstig auf 
die Ausheilung eingewirkt habe, zumal die Rückbildung der 
tuberculösen Veränderungen sich zuerst an den Bauchdecken, 
durch die hindurch der Alkohol durch die eintretende Hyper- 
aemie wirken konnte, eingestellt hatte. Weitere Versuche in 
dieser Richtung erscheinen immerhin angezeigt, um eine Klärung 
in die Frage zu bringen; am besten würden sie, ehe man sich zur 
Laparotomie entschliesst, angestellt, da dann die Beeinflussung 
durch die sonst übliche Therapie ausgeschlossen werden könnte. 

Eines Falles möchte ich noch erwähnen, den Herr Geheimrath 
v. W i n c k e 1 selbst behandelte. H. kam mit hohem Fieber in 
die Anstalt und gebar spontan ein macerirtes Kind im 7. Monat. 
Daran sich anschliessend eine Peritonitis, der Patientin nach 
4 Wochen erlag. 98 proc. Alkoholumschläge wurden auf das 
Abdomen applicirt, die Schmerzen steigerten sich aber allmählich 
so, dass schon nach 3 Tagen dieselben wieder entfernt werden 
mussten, ohne dass nur eine Spur von Linderung oder Besserung 
sich gezeigt hatte.. 

Da die Erfolge mit der Alkoholanwendung von den Bauch¬ 
decken aus negative waren, versuchten wir die vaginale Anwen¬ 
dung, in der Hoffnung, dass von hier die Wirkung eine en¬ 
ergischere und günstigere sein würde. 

Die Versuche wurden von Anfang an mit einer gewissen 
Vorsicht begonnen, um den Kranken nicht zu schaden, und zuerst 
nur Tampons mit 30 proc. Alkohol getränkt benützt. Dieser Ver¬ 
such wrnrde an 4 Frauen im Alter von 26, 28, 40 und 60 Jahren 
angestellt, die keine Erkrankungen der Scheide aufwiesen und 
vorher nicht mit Spülungen, Tampons, die eine allenfallsige Ver¬ 
änderung des Epithels bewirkt haben könnten, behandelt worden 
waren. Schon nach V4 stündigem Liegen des Tampons war die 
Scheide trocken, die Wände verloren ihre Schlüpfrigkeit. 

Bei allen trat leichtes Brennen in der Scheide auf, das aber 
schon nach einigen Minuten verschwand. Nach 12 stündigem 
Liegen des Tampons nur sehr geringe Vermehrung der Secretion 
und leichte Röthung. Nur bei der 23 jährigen war die Schleim¬ 
haut mit reichlichen abgestossenen Epithelien bedeckt, so dass sie 
wie mit Mehl bestäubt aussah. Hierauf nochmals Einlage eines 
30 proc. Alkoholtampons, der wieder 12 Stunden liegen blieb. Bei 
der 28 jährigen Patientin trat eine erhebliche Hyperaemie der 
Scheidenschleimhaut ein, einzelne leicht sugillirte Stellen von 
streifenartigem Aussehen. Bei den beiden älteren Patientinnen 
war die Hyperaemie noch stärker, zahlreiche Ecchymosen, da¬ 
runter auch ein pfennigstückgrosses subepitheliales Haematom, 
das beim Darüberfahren mit dem Wattetupfer platzte und das 
Blut ergoss. Da subjectiv ausser geringem Brennen keine Be¬ 
schwerden vorhanden waren, wurde vom 30 proc. zum 45 proc. 


No. 12. 

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Gck igle 


Alkoholtampon übergegangen; dabei konnte beobachtet werden, 
dass sich eine weitere Veränderung in der Scheide nicht mehr ein¬ 
stellte. Die Hyperaemie blieb bestehen, bei der 28 jährigen 
Patientin erfolgte keine Abhebung des Epithels, bei den anderen 
Fällen nahm der Blutaustritt nicht weiter zu, das Brennen war 
trotz 2 tägigen Fortsetzens des Experimentes nur ein sehr 
massiges. Während also die Vaginalschleimhaut auf die erste 
Application des Alkohols sehr lebhaft reagirt hatte, trat eine all¬ 
mähliche Gewöhnung an das Mittel ein, ausser der Hyperaemie, 
die übrigens auch nicht mehr so stark wie anfangs war, zeigte 
die Schleimhaut keine weitere Veränderungen mehr. Alkohol 
in noch concentrirterer Form anzuwenden, schien uns wegen 
seiner energischen Wirkung auf die Schleimhaut nicht angezeigt. 

Nach diesen orientirenden Voruntersuchungen, durch die 
wenigstens ein Nachtheil der Alkoholanwendung nicht an den 
Tag getreten war, glaubte ich mich berechtigt, auch bei Erkran¬ 
kungen der Genitalorgane den Alkohol vaginal zu versuchen. 

Ich ordne die behandelten Fälle in Gruppen nach den Er¬ 
krankungen. 

I. Chronische Metritis. 

II ier konnte man vielleicht hoffen, dass der Alkohol durch 
seine stark wasserentziehende Eigenschaft, durch Regelung der 
Cireulation heilend wirke. 

F all 1. E. R., 45 Jahre. Chronische Metritis, Endometr. 
fungosa; y 2 Jahr lang Blutungen; nach Curettement und Atmo- 
kausis Auf hören der Blutungen; doch bestand noch eine sehr starke 
schleimig-wässerige Secretion fort, die Patientin erheblich be¬ 
lästigte und sie an’s Bett bannte. Einlegung von 45 proc. Alkohol¬ 
tampons, die ohne Beschwerden ertragen werden, die Secretion 
ist nur mehr sehr minimal, Vagina trocken. Bei Anwendung von 
Iehthyolglyeerintampous wieder Auftreten einer enorm starken 
Secretion, die nach Aussetzen der Ichthyoltherapie noch fortdauert 
und erst durch erneuten Alkoholgebrauch sich wieder beheben 
lässt. Diese secretionshemmende Wirkung lässt Sich durch die 
wasserentziehenden und austrocknenden Eigenschaften des Al¬ 
kohols erklären, irgend eine specifische, sei es nun die Cireulation 
befördernde, sei es eine antibacterielle Wirkung konnte ich in der 
Versuchszeit nicht constatiren. 

Ungünstiger ist der 2. Fall: M. St. 23. X. 1899. Metritis 
chron. und Endometr. glandul., die vorher mit Ichthyol und Jod¬ 
kaliglycerintampons, Vaginalspülungen und Scariticationen der 
Portio ambulatorisch behandelt worden war. Am nächsten Tage 
nach der Einlegung eines 45 proc. Alkoholtampons klagte sie über 
erheblich grössere Schmerzen als sonst; die Schleimhaut der Vagina 
löste sich in ziemlich grossen Fetzen ab, war stark geröthet und 
zeigte 2 pfennigstückgrosse haemorrhagische Stellen. Unterleib 
bei der Untersuchung ziemlich schmerzhaft. Sofortiges Aussetzen 
des Alkohols, Einlegen eines sterilen Borsalicyltampous. Nach dem 
Verlassen der Klinik trat starkes Frieren ein, angeblich sogar 
Schüttelfrost, so dass Patientin kaum mehr in ihre Wohnung 
gehen konnte. Frieren dauert von Vormittags 11 bis Nachmittags 

4 Uhr an, dann Erleichterung. Am folgenden Tage (20. X. 1899) 
weist die ganze Vagina noch Erosionen auf, die stellenweise einen 
grauweisslichen Belag haben und landkartenähnliche Form zeigen. 
Der Epithelverlust ersetzte sich nur langsam, noch längere Zeit 
Hessen sich gelbliche Stellen liachweiseu. 

II. Gonorrhoische Erkrankungen. 

Th. Gr., 36 J. Leichte Salpingitis gonorrh. duplex. 40 proc. 
Alkoholtamponade; keine wesentliche Besserung; am 3. Tage der 
Anwendung Abends kleine Temperatursteigerung auf 38.2°; nach 

5 Tagen die Schmerzhaftigkeit bei der Untersuchung geringer; auch 
hier traten in der Scheide die weissgelblichen Flecken auf. Ob 
die Temperatursteigerung eine Folge der Alkoholanwendung war, 
liess sich nicht sicher sagen, doch sprachen spätere Erfahrungen 
eher dafür als dagegen. 

Fall 2. M. S., 36 J. Linksseitiger Adnextumor (ambula¬ 
torische Behandlung). Am nächsten Tage nach Einlegen des 
45 proc. Alkohols Brennen und grössere Schmerzen. 

F a 11 3. Th. W., 45 Jahre. Linksseitiges Exsudat, chronische 
Metritis. Nach Alkoholanwendung so starke Schmerzen wie kaum 
zuvor, „dass sie sich kaum mehr rühren konnte“. Als Patientin 
nach 3 Tagen — der Tampon war 24 Stunden gelegen — wieder 
kam, war sehr beträchtliche Schmerzhaftigkeit des Abdomens zu 
constatiren, auch rechts liess sich im Lig. sacrouterinum eine In¬ 
filtration nachw r eisen. 

Fall 4. M. M. t 39 Jahre. Grosses, 3 Finger breit über die 
Symphyse emporragendes peri-parametranes Exsudat. 40 proc. 
Alkohol. Daraufhin leichte Erosionen der Scheidenschleimhaut; 
am 2. Tage der Application Abends Temperatursteigerung auf 
38,4 °. Trotz länger dauernder Anw endung in Form von Scheiden¬ 
tampons und Ueberschlägen auf das Abdomen machte die Re¬ 
sorption des Exsudates keine rascheren Fortschritte, erst bei der 
Rückkehr zu den alten bewährten Methoden erfolgte raschere 
Schrumpfung. 

Ebenso erfolglos blieb die vaginale Alkolioltherapie bei einem 
Fall von Retroflexion und bei einer Kranken mit subacuter ascen- 
dirender Gonorrhoe. 

a 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


Die Resultate der localen Alkolioltherapie 
bei gynäkologischen Leiden sind also, um zum 
Schlüsse ein Rcsume aus den gemachten Erfahrungen zu ziehen, 
abgesehen vielleicht von den tuberculösen Processen des Bauch¬ 
fells, nicht recht befriedigende gewesen. Denn 
was man nach den B u c h n e r’schen Versuchen von dieser 
Therapie hätte erwarten sollen, eine Regelung der Cir- 
culation, eine raschere Resorption von Exsudaten, eine 
bactericide Wirkung in Folge der Hyperaemie, hat sie keines¬ 
wegs gehalten. Ja, wird man vielleicht einwenden, aus 
diesen paar Versuchen kann und darf noch kein allgemein gütiger 
Schluss gezogen werden. Und doch! Denn wenn schon einige 
Versuche ausreichen, die Nichtigkeit einer Therapie darzuthun, 
wozu dann noch mehrere anstellen? Vielleicht kann man sogar 
den Vorwurf erheben, dass ich zu lange experimentirt habe, da 
die eine oder andere schlechte Erfahrung genügend gewesen 
wäre. Allein gerade die Versuche mit den auffallend schlechten 
Erfolgen waren gerade zu ganz gleicher Zeit angestellt worden 
und dementsprechend traf das Bekanntwerden der Resultate eben¬ 
falls zeitlich zusammen. 

Neben der Wirkungslosigkeit des Alkohols auf infectiöse 
Ilerde und auf Blutstauung, die also nur negative Eigenschaften 
darstellen, kommt noch eine Alkoholwirkung in Betracht, die 
direct schädigend ist, ich meine die Abstossung des Epithels der 
Scheidenschleimhaut, das Auftreten von grösseren und kleineren 
Erosionen in der Scheide, wie sie in fast allen Fällen in mehr 
oder minder ausgeprägtem Maasse sich constatiren Hessen, in 
sehr ausgedehnter Weise bei den Fällen, wo längere Zeit vorher 
schon Vaginalausspülungen, Tamponbehandlung, die immer eine 
leichte Maceration des Epithels zur Folge haben, vorausgegangen 
waren. Dass an diesen Epithelverlusten nicht etwa eine un¬ 
vorsichtige Anwendungsweise, zu concentrirter Alkohol, die 
Schuld trug, geht daraus hervor, dass auch bei 30 Proc. schon 
jene Veränderung der Vaginalschleimhaut sich einstellte und 
weiter konnte man, wenn eine Wirkung überhaupt erwartet 
werden sollte, im Proecntverhältniss unmöglich heruntergehen. 
Das Bedenkliche an den Epithelverlusten ist offenbar das, dass 
durch diese Stellen Infectionserreger irgend welcher Art, wie sie 
in der Scheide sich auf halten oder hineingetragen werden, bequem 
eindringen können. Vielleicht ist die 3 mal beobachtete Tem¬ 
peratursteigerung, stets 2 Tage nach der Anwendung, in der 
Weise zu erklären, vielleicht war dieselbe durch die Aenderung 
in den Circulationsverhältnissen, durch den ziemlich erheblichen 
Reiz zu Stande gekommen. 

Eine günstige Wirkung des Alkohols war nur in einem Falle 
nachweisbar, bei der chronischen Metritis und Endometritis fung. 
mit ausserordentlich starker Secretion. Hier war es aber ledig¬ 
lich die Wasserentziehung, die den Erfolg zeitigte. In solchen 
Fällen scheint eine Alkohol an Wendung ganz geeignet und von 
Nutzen zu sein und mindestens ebensoviel wie andere Methoden 
zu leisten. Auch in anderen Fällen von chronischer Metritis, 
bei denen eine stärkere Abstossung des Schleimhautepithels nicht 
erfolgt, könnte nochmals ein vorsichtiger Versuch gemacht 
werden; ferner erscheint, wie schon erwähnt, eine weitere Prü¬ 
fung bei Fällen von tuberculöser Peritonitis angezeigt. 

Biegsame Aluminiumschienen. 

Von Stabsarzt Dr. S t e u d e 1. 

Aluminiumschienen habe ich bereits im Jahre 1896 in dieser 
Zeitschrift (No. 39) empfohlen, da sie bei genügender Festigkeit 
sich im Krankenbette nach verschiedenen Richtungen biegen 
und nach Belieben abschneiden lassen. Seit dieser Zeit sind die 
Aluminiumschienon und das zu ihrer Vorbereitung zusammen¬ 
gestellte Universalinstrument in mehreren Kliniken und Kranken¬ 
häusern in dauernder Verwendung. 

Der fortgesetzte praktische Gebrauch hat zu ganz wesent¬ 
lichen Verbesserungen und Vereinfachungen geführt, so dass 
das zum Abschneiden und Biegen notliwendige Werkzeug jetzt 
die nebenstehende Form besitzt. (Fig. 1.) 

Die Alumiulumscliieuen sind 3 bezw. 3,5 mm dicke und 10 
bezw. 15 mm breite Stäbe, welche auf einer Breitseite mit Quer¬ 
riefen versehen sind, um den übergelegten Binden mehr Halte¬ 
punkte zu gewähren und um das Biegen und Abschneiden zu er¬ 
leichtern. 

Das neue zum Biegen und Abschneiden dienende Werkzeug 
hat eine schlüsselförmige Gestalt. Am Kopfe des Schlüssels sind 


Oeffuuugen zum Einlegen und Biegen der Schienen angebracht 
und zwar auf der einen Seite ein zur Längsachse des Schlüssels 
etwa senkrecht stehender Schlitz, welcher dazu dient, die Schienen 



Fig. 1. 


über die Fläche zu biegen. Biegungen über die Fläche lassen sich bei 
den Alnminiumschienen schon mit den Händen ausführen, nur für 
scharfwiukelige Biegungen hat man den Schlüssel nothwendig. 
Auf der anderen Seite des Schlüssels sind 2 Oeffnungeu ange¬ 
bracht, passend für die 2 gebräuchlichen Breiten der Schienen; 
in diese Oeffnungeu eingelegt, kann man die Schienen über die 
hohe Kante bis zu einem rechten Winkel und mehr biegen, Indem 
man den Handgriff des Schlüssels als Hebelarm benützt. (Fig. 2.) 
Die schmäleren Schienen lassen sich leicht über die hohe Kante 



Fig. 2. 


biegen; es gelingt dies Ungeübten schon bei dem ersten oder 
zweiten Versuche. Bei den breiteren Schienen ist in der Regel 
einige Uebung erforderlich; dazu ist es gut, folgenden kleinen Vor¬ 
theil zu kennen: Wenn man die Schienen über die hohe Kaute etwa 
um einen Winkel von 10 bis 20 Grad gebogen hat, so zeigen sie 
bei weiterer Biegung die Neigung, nach der Fläche hin auszu- 



Fig. 3. 


weichen; geschieht dies, so muss man die Schienen, bevor man den 
Winkel noch mehr verkleinert, in die Biegungsebene wieder zurück¬ 
bringen. Dieses Ausweichen nach der Flüche hin lässt sich da¬ 
durch am besten vermeiden, dass man beim Biegen über die hohe 


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20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Kante (len Ansatzpunkt des Schlüssels mehrmals lim einige Milli¬ 
meter verschiebt; es entsteht dann nicht ein scharfer Winkel, 
sondern eine Anzahl kleiner Winkel, welche sich zu einer Biegung 
ähnlich der eines Kreisbogens summiren. Ein solcher Kreisbogen 
mit kleinem Radius ersetzt aber im praktischen Gebrauch voll¬ 
kommen eine winkelige Biegung. 

Die Biegung der Aluminiumschienen über die hohe Kante 
ermöglicht es, die Schienen an gebeugten Gelenken, z. B. an recht- 
winkelig gebogenen Ellbogen an der Aussen- und Innenseite an- 
znlegen, während die über die Fläche gebogenen Schienen an der 
Streck- und Beugeseite Verwendung linden können. An manchen 
Ivörpertheilen, z. B. am Fussrücken oder sonst an den Glied¬ 
massen dann, wenn eine Schiene nicht genau ln der Längsrichtung 
des Gliedes angepasst werden soll, ist noch eine weiten» Biegungs¬ 
art erwünscht, nämlich in der Längsachse der Schiene im Sinne 
einer spiralförmigen Drehung der Schiene. Auch diese Biegung 
lässt sich an den Aluminiumschienen sehr leicht ausführen, nur 
sind dazu, wie Fig. 3 zeigt, 2 Schlüssel uotliwendig; der eine davon 
kann eventuell durch eine starke Plattzange oder ein ähnliches 
Werkzeug ersetzt werden. 

Mit Hilfe dieser 3 Biegungsarten kann man die Aluminium- 
schienen überall der KörperoberÜäche anpassen, einige Hebung 
ist dazu allerdings erforderlich. Je nach dem persönlichen Ge¬ 
schick wird der Einzelne dies mehr oder weniger rasch und voll 
kommen erlernen. 

Das Abschueiden der Schienen wird dadurch bewerkstelligt, 
dass die Schienen an dem gewünschten Punkte mit der an dem 
Schlüssel befindlichen kleinen Metallsäge etwas eingekerbt werden; 
hierzu benützt man eine Rinne an der geriefelten Seite. Bei den 
ersten Sägestrichen setzt man die Säge, um ein Ausgleiteu zu vor 
hüten, am besten nicht senkrecht, sondern etwas schräg auf die 


Fig. 4. 

Schiene auf und stellt die Säge erst, wenn sie gefasst hat, senk¬ 
recht. Ist eine Kerbe eingesägt, so wird die Schiene durch kurze 
Biegungen Uber die Fläche mit Hilfe des Schlüssels abgebrochen. 
Die Enden der Schienen werden zweckmässig über die Fläche 
leicht aufgebogen, so dass sie von der Haut abstelien und keinen 
Druck verursachen können. 

Die Aluminiumschienen haben sich am meisten bewährt zu 
Verbänden bei complicirten Fracturen, bei Resectionen und Osteo¬ 
tomien, kurz überall da, wo ein Stützverband uotliwendig ist, da¬ 
neben aber die Möglichkeit gegeben werden soll, bei Erhaltung 
des Fixationsverbandes den Wundverband zu wechseln. Ausser¬ 
dem sind die Aluminiumschienen sehr nützlich als Einlagen in 
Gipsverbände zu verschiedenen Zwecken und zu Improvisationen 
mannigfacher Art. 

Zur Verstärkung von Gipsverbänden werden Aluminium¬ 
schienen hauptsächlich an natürlich schwachen Stellen eingelegt, 
z. B. werden bei einem Gipsverbande zur Fixation des Hüft¬ 
gelenkes 1 oder 2 Streifen über die Schenkelbeuge hinweg vorne 
und an der Seite eingefügt, um einem Bruch des Verbandes an 
dieser gefährdeten Stelle vorzubeugen. Man spart durch solche 
Einlagen Gipsbinden und der Verband wird bei grösserer Festigkeit 
und Haltbarkeit leichter, was besonders bei Gehverbänden (zur 
Nachbehandlung von Resectionen, Kuocheubrüchen und Gelenk¬ 
erkrankungen) in Betracht kommt. Endlich hat sich die Einlage 
von Aluminiumstreifen sehr nützlich erwiesen bei solchen Gipsver- 

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bänden, bei welchen es für das Hilfspersonal schwer ist, das be¬ 
treffende Glied in der gewünschten Stellung so lauge ruhig zu 
holten, bis der Gipsverband ganz erstarrt ist, z. B. bei Kniegelenks- 
resectionen oder Knochenbrüchen mit Neigung zu fehlerhafter 
Stellung. Ein eingelegter, vorher entsprechend gebogener Alu¬ 
miniumstreifen gibt hier sofort einen guten Halt, wodurch Ver¬ 
schiebungen der Theile in der Zeit bis zur Erhärtung des Gipses 
vermieden werden. 

Bei gefensterten Gipsverbänden verhindert eine eingelegte 
Aluminiumschiene einen Bruch des Verbandes an der durch das 
eingeschnittene Loch geschwächten Stelle. Die Verstärkung des 
Verbandes durch Aluminiumschienen bietet hier den Vortheil, dass 
man die Fenster ohne Gefahr, die Immobilisirung zu beeinträch¬ 
tigen, beliebig gross anlegen kann, was die Uebersichlichkelt 
wesentlich erleichtert und bei stärker secernirenden Wunden die 
Verunreinigung des Gipsverbandes mit Wundsecreten verhindert. 
Sind grosse Wunden bei einem Stütz verbände frei zu lassen oder 
mehrere Wunden in derselben Höhe eines Gliedes, so tritt an Stelle 
eines Gipsverbandes der unterbrochene Verband, wie einige in 
Fig. 4 abgebildet sind. Dabei hat das Aluminium vor dem früher 
meist gebrauchten Eisen noch den Vortheil, dass es nicht rostet 
und ein reinliches, leicht aseptisch zu haltendes Metall ist; man 
kann desslialb die Aluminiumschienen in der Nähe von secer¬ 
nirenden Wunden oder selbst über Wunden weg so in deu Stütz¬ 
verband einfügen, dass die freiliegenden Theile der Schienen der 
Haut des verletzten Gliedes aufliegen und in den Wundverband 
mit eingeschlossen werden. Man braucht also keine Bügel zu 
machen, welche einerseits die Festigkeit des Stützverbandes be¬ 
einträchtigen, andererseits den Wechsel des Wundverbandes er¬ 
schweren. ln einem unterbrochenen Verband liegt das verletzte 
Glied verschieblicher und sicherer, w T enn an verschiedenen Seiten 
3 oder 4 schmale Schienen eingefügt werden, als wenn nur 1 oder 
2 breite Schienen verwendet werden. Es genügen daher für alle 
Zwecke die beiden oben genannten Breiten von Aluminiumschienen. 
Um jedoch allen Bedürfnissen und Wünschen Einzelner gerecht 
zu werden, hat die unten genannte Firma noch Aluminiumschienen 
von 25 bezw. 30 mm Breite und 3,0 bezw. 1,75 mm Dicke hergestellt. 
Die dünneren dieser Schienen sind zur Einlage in Gipsverbände 
fügsamer, die dickeren geben schon einzeln Verbänden, welche 
einen starken Halt erfordern, eine kräftigere Stütze. Diese 
breiteren Schieuen können nicht über die hohe Kante gebogen 
werden: auch sind sie nicht geriefelt, da sie durch ihre breite Ober¬ 
fläche schon ohne Riefelung genügende Angriffspunkte für die Binden 
geben. Für besondere 
Fälle kann man die 
Riefelung an diesen 
Schienen durch Einker¬ 
bungen an den Kanten 
mit der Säge des Schüs- 
sels ersetzen. 

Mit den Aluminium 
schienen lassen sich 
nicht nur mit Gips, son¬ 
dern auch mit allen 
anderen erstarrenden 
Materialien haltbare 
Dauer- und Stütz ver¬ 
bände herstellen. Es ist 
auch leicht, deu Alumi¬ 
niumschienen Gelenke 
einzufügen und dann 
mit Wasserglas oder 
Gips abnehmbare Ver¬ 
bände zu verfertigen, 
welche theuere Apparate 
ersetzen, z. B. Stützver¬ 
bände bei Sclilotterge- 
leuken nach Ellbogen- 
resectionen. Ein beson¬ 
derer Vorzug scheint es 
mir aber zu sein, dass 
man mit den geriefelten 
Aluminiumschienen 
auch mit einfachen 
Stärkegazebinden ge¬ 
nügend feste Sttitzver- 
bäude machen kann. 

Solche Verbände be¬ 
sitzen grosse Leichtig¬ 
keit, was besonders bei 
Verbänden an den obe¬ 
ren Gliedmassen in Be¬ 
tracht kommt. Figur 5 
zeigt einen solchen Ver¬ 
band mit Stärkebinden 
und Aluminiumschienen, 
w r elcher nach der Resec- Fig. 5. 

tion eines tuberculöseu 

Ellbogengelenkes bei einem erwachsenen Manne die ersten 
32 Tage gelegen hat bis zur vollständigen Heilung der Operations¬ 
wunden, welche in dem grossen Fenster frei lagen und ohne Stö¬ 
rung der Immobilisirung und daher ohne Schmerzen für den Ope- 
rirten verbunden werden konnten. Das Gewicht dieses Verbandes 
beträgt 300 g. 

Um Verbände mit Gelenken herstellen zu können, dienen kleine 
Gelenkstücke aus Aluminium, in welche die dazu passenden Alu- 

Original from 3* 


UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







392 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


miniumschienen eingesteckt und durch Aufschlagen mit dem 
Schlüssel oder mit einem Hammer befestigt werden. Die Riefen der 
Schienen prägen sich dadurch so fest in die Hülsen der Gelenk¬ 
stücke ein, dass sie vollkommen festsitzen (Fig. 6). Es lassen sich 
mit Hilfe dieser Gelenkstücke besonders mit Wasserglas sehr 
leichte und doch feste und haltbare, abnehmbare Verbände, z. B. 
bei Schlottergelenken oder zur Nachbehandlung von Ellbogenresec- 
tionen, hersteilen, welche theuere Apparate zu ersetzen vermögen. 



Fig. G. 


Gebrauchte Aluminiumschienen können stets wieder zurecht- 
gebogeu uud wieder verwendet werden; jedoch ist die Biegung 
der Schienen über die hohe Kante an solchen Stellen, an welchen 
sie schon vorher andere Biegungen bestanden hatten, etwas er¬ 
schwert. 

Die Aluminiumschienen und der zum Biegen und Abschnei¬ 
den der Schienen nothwendige Schlüssel werden von den deutschen 
Waffen- und Munitionsfabriken in Karlsruhe hergestellt und ver¬ 
kauft. Der Preis des Schlüssels beträgt 0.50 M. t der Preis der 
Aluminiumseliieneu: 

1. Geriefelte, 10 mm breite, 3,0 mm dicke pro Meter 0,00 Mk. 


o 

15 „ 

n 3,5 „ 

fJ 


„ 0,95 

3. Glatte 

25 „ 

„ 3,0 „ 


n 

n ElO 

4. 

30 * 

„ 1,15 „ 

„ 

„ 

„ 0,75 


Gelenkstücke, zu den 15 mm breiten Schienen passend, pro 
Stück 40 Pf. 

Unbrauchbar gewordene Schienen und der Abfall werden von 
den deutschen Waffen- uud Munitionsfabriken zurückgenommen 
uud je nach dem Marktpreise des Aluminiums bezahlt. 

Ein Fall von acuter Cocainvergiftung. 

Von I)r. Bergmann in Wolfhagen. 

Am 1. Mai 1809 kam in meine Sprechstunde ein 44 Jahre alter, 
grosser, kräftig gebauter und wohlgenährter Landmann J. S. aus 
Bründersen, mit der Angabe, seit 3 Wochen an heftigen Schmerzen 
zu leiden, die von der Gegend des rechten Hüftgelenkes bis in’s 
Kniegelenk und die Aussenseite desFusses ausstrahlten, ihn arbeits¬ 
unfähig machten, namentlich aber die Nachtruhe raubten. Auch 
die geringsten Bewegungen des Beines seien äusserst schmerzhaft, 
selbst ruhige Rückenlage sei wegen Schmerzen im Tuber ischii nicht 
immer möglich. Alle bisher von Laien und Aerzten angewandten 
Mittel („P r i e s s n i t z’sche Umschläge, Sandbäder, Senfteige, 
Pulver, Elektricität“) seien erfolglos gewesen. 

Die objective Untersuchung ergab typische Ischias. Aetio- 
logisch konnte kein sicherer Auhaltpunkt festgestellt werden, Er¬ 
kältungsursachen waren angeblich nicht vorhanden; der Urin war 
frei von Zucker. 

Um dem Patienten baldige Linderung zu verschaffen, machte 
ich ihm eine Coeaininjection in die rechte Hinterbacke und stach 
die Spritze tief bis auf den N. ischiadicus ein. Ich verwandte 
1 ccm einer eben frisch bereiteten 5 proc. Lösung von Cocain, 
muriat., so dass die grösste Einzelgabe des Cocains, 0,05 g, auf ein¬ 
mal einverleibt wurde. Der Erfolg war ein eclatanter. Nach 
5 Minuten empfand der Kranke auch nicht mehr eine Spur der vor¬ 
her so heftigen Schmerzen uud konnte munteren Schrittes seinen 
Heimweg antreten, während er vorher mühsam über das Strassen- 
pflaster hinweghinken musste. 


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Auf Bitten besuchte ich Patienten am nächsten Tage in seiner 
Wohnung. Er war gerade von schwerer Feldarbeit heimgekehrt 
und recht ermattet; nur in der Wade empfand er noch heftige 
Schmerzen und drang desslialb mit Gewalt darauf, ich solle ihm 
nochmals eine Einspritzung machen, da er so guten Erfolg gesehen 
habe. 

Ich injicirte, wenn auch ungern, iu's obere Drittel der Wade 
in der Richtung auf den N. peroneus 0,03 Cocain, also 0,02 g we¬ 
niger als Tags zuvor in den Glutaeus. Der Erfolg war aber ein 
wesentlich anderer. Etwa 3 Minuten nach dem Eingriffe überkam 
Patienten ein Ohnmachtsgefühl, er gab an, es werde ihm schwind¬ 
lig und schwarz vor den Augen und sank zurück. Ich entkleidete 
Ihn mit Hilfe seiner Frau, die über den Zustand in grosser Auf¬ 
regung war, und legte ihn in’s Bett. Dort bekam er sehr heftiges 
Herzklopfen; die Brustwand hob und senkte sich stark der Herz¬ 
gegend entsprechend. Der volle, gespannte Puls zählte 120 Schläge 
in der Minute; die Respiration war beschleunigt (32), keuchend. 
Das Sensorium war etwas benommen, doch gab Patient noch an, 
Kriebeln und Taubsein in den Händen und Füssen zu fühlen. Nach 
etwa 10 Minuten stellten sich klonische Krämpfe in beiden oberen 
und der linken unteren Extremität ein, so dass das Bett erzitterte; 
eigenthümlicli war es, dass das rechte Beiu unbetheiligt blieb uud 
ganz regungslos dalag. Das Gesicht war lebhaft geröthet, die Bulbl 
nach vorne gedrängt, die Pupillen maximal erweitert, die Corneal- 
reliexe erloschen. Die Lider wurden fortwährend geschlossen und 
wieder geöffnet (Nicitationes), die Zunge fortwährend hervor¬ 
gestreckt und wieder zurückgezogen. Das Sensorium war jetzt 
immer nur auf einige Augenblicke frei und nur in diesen Inter¬ 
vallen, während denen auch die Krämpfe sistirten, erhielt ich auf 
Anrufen eine Antwort. 

Nach Application von kalten Umschlägen auf Herzgegend und 
Kopf und Einflössen von starkem schwarzen Kaffee (Amylnitrit 
war nicht zur Hand) war nach Verlauf von y 2 Stunde der Zustand 
des Patienten wieder ein annähernd normaler. Das Herz war 
ruhig, der Puls von mittlerer Fülle und Spannung, die Athemzüge 
tief und langsam. Patient weiss jetzt von dem ganzen Vorfall 
nur, dass er bald nach der Injectlon ohnmächtig wurde, Herz¬ 
klopfen und das Gefühl von Kriebeln in Händen uud Füssen em¬ 
pfunden habe; von den Erscheinungen der Krämpfe will er nichts 
verspürt haben. In der rechten Wade keine Schmerzen mehr. Be¬ 
wegungen des rechten Beines erfolgen ausgiebig; an der Appli- 
cationsstelle des Cocains Gefühllosigkeit; etwas Schwere im Kopf, 
sonst aber Euphorie. 

Patient hatte nach Aussagen seiner Frau eine Stunde nach 
meinem Fortsein das Bett wieder verlassen und sich, abgesehen 
von ein wenig Mattigkeit, ganz gut befunden. Krämpfe seien nicht 
wieder aufgetreten. 

Als ich ihn am nächsten Tage wieder besuchte, empfand er 
nur an der im Uebrigen reactionslosen Einstichstelle geringen 
Schmerz, befand sich aber sonst recht wohl und konnte vor Allem, 
was er mir gegenüber besonders betonte, sein rechtes Bein wieder 
gut gebrauchen. Die iscliiadischen Schmerzen waren vollständig 
verschwunden und sollen bis heute noch nicht wieder aufgetreteu 
sein. 

DieserFall lehrt,dass sich Ischialgien durch Cocaininjectionen, 
wie oben beschrieben, bedeutend lindern, wenn nicht beseitigen 
lassen, dass aber andererseits Mengen, welche die maximale 
Einzeldosis noch nicht erreichen, schon Vergiftungen hervor- 
rufen können, und das ist ja eine schon längst bekannteThatsache. 
Nur ist es zu verwundern, dass bei der Häufigkeit der Application 
des Mittels und der sicherlicli grösseren Zahl von Intoxications- 
erscheinungen, selbst bei Anwendung von noch geringeren Dosen 
als 0,03, so wenig darüber publicirt wird und über die Ent- 
stehungsursache der Intoxication bis jetzt eigentlich nur Ver¬ 
muthungen ausgesprochen sind. 

Ich selbst habe Cocain in Dosen bis zu 0,07 g! zur localen 
Anaesthesie bei den verschiedensten chirurgischen Eingriffen 
subcutan angewandt, ich habe es per os bei Erbrechen und 
Gastralgien mit gutem Erfolge gegeben, bei Augenerkrankungen 
sehr häufig benutzt, ohne jemals auch nur die geringsten Ver¬ 
giftungserscheinungen beobachtet zu haben. 

Im vorliegenden Falle wurden 0,05 g bei intramusculärer 
Einspritzung symptomlos vertragen; am nächsten Tage riefen 
0,03 g, in derselben Weise applicirt, schon bedenkliche Erschei¬ 
nungen hervor! 

Man hat irn Hinblick darauf, dass der Eine eine bestimmte 
Cocainmenge besser vertrage als der Andere, an eine gewisse 
Idiosynkrasie mancher Personen gegen das Alkaloid gedacht 
und auch diese Idiosynkrasie für ein und dieselbe Person 
als an verschiedenen Tagen verschieden gross annehmen zu 
dürfen geglaubt und schliesslich die Möglichkeit einer cumula- 
tiven Wirkung des innerhalb einer bestimmten Zeit mehrmals 
gebrauchten Mittels in Erwägung gezogen. In wie weit diese 
Vermuthungen sich als Thatsache bestätigen, ist meines Wissens 
noch nicht sicher erwiesen worden; es w r ird dies von berufener 
pharmakologischer Seite zu geschehen haben. Im vorliegenden 
Falle glaubte ich die rapide Intoxication zurückführen zu können 

Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


auf eine event. Venenverletzung; wenn dies auch nicht bewiesen 
ist, so ist es doch denkbar, zumal ja in der Kniekehlen- und 
Wadengegend reicli verzweigte Venennetze vorhanden sind, von 
denen ein kleines Stämmchen sehr wohl getroffen sein kann und 
somit wären die günstigsten Resorptionsbedingungen geschaffen 
worden. Durch Application in Venen wirkt ja das Alkaloid 
besonders schnell; vielleicht beruhen darauf auch die häufigeren 
Vergiftungen bei Cocainisirung der Nasenhöhlen mit ihrem 
venösen Plexus. 

Jedenfalls aber besitzen wir im Cocain ein segensreiches 
Mittel und seine Nachtheile werden niemals die grossen Vor¬ 
züge unterschätzen lassen; nur wäre es so interessant wie noth- 
wendig, über die Aetiologie acuter Vergiftungen bei den ver¬ 
schiedenen Anwendungsmethoden Näheres und Sichereres zu 
erfahren. Es wird dies auf experimentellem Wege zu lösen sein. 


Haemorrhoidalknoten im frühesten Kindesalter. 

Von Dr. Burwinkel in Bad Nauheim. 

„Haemorrhoidalknoten werden im Kindesalter nur äusserst 
selten beobachtet“ (Gerhardt, Handb. der Kinderkrankh., 
S. 663). 

Dies bestätigt auch H e n o c h aus seiner reichen, lang¬ 
jährigen Erfahrung; er sah sie „zwar zuweilen, z. B. bei einem 
6- und 7jährigen und sogar bei einem 3 jährigen Kinde“. (Hand¬ 
buch der Kinderkrankh., 9. Aufl., S. 521.) 

Die Veröffentlichung des von mir beobachteten, nachstehen¬ 
den Falles dürfte daher gerechtfertigt sein. 

N. f Apothekerstochter, geboren 12. XI. 1898. Gewicht bei der 
Geburt 3700 g. Künstliche Ernährung mit dem Soxhlet ( J A Milch : 
% Wasser -f- etwas Milchzucker). 

Trotz der besten Pliege wurde das Kind zusehends schwächer 
und dürftiger. Das Körpergewicht nahm beständig ab, wie dies 
die allwöchentlich vorgenommene Wägung zeigte; es betrug am 
Ende der 5. Woche nur noch 3125 g. 

Dabei wurde die Flasche regelmässig und gut genommen; 
Erbrechen bestand nicht, ausser dem üblichen, hier nicht mal 
sonderlich häufigen „Speien“. Der Stuhl war immer fest und 
glich kleinen Knobeln von blassgelblicher Farbe. Man musste 
fast stets mit kleinen Wasserklystieren nachhelfen. Nebenher 
war das Kind recht unruhig, es schrie besonders auch bei Stuhl¬ 
entleerung. 

Schon bald nach der Geburt zeigten sich am After kleine 
Knoten. Die Hebamme erklärte, es seien Haemorrhoiden. 

Am 19. XII. 1898 wurde ich gerufen. Ich fand das Kind blass 
und schlecht genährt, die Haut faltig und pergamentartig; grosse 
Fontanelle etwas eingesunken, ebenso die Augen. Zunge wenig 
belegt, kein säuerlicher Geruch im Mund. Leib nirgends auf¬ 
getrieben und auf Druck anscheinend nicht schmerzhaft. Direct 
ausserhalb des Afterschliessmuskels sassen 2 noch nicht linsen¬ 
grosse Schleimhautknötchen, welche bläuliche Venen durchschim¬ 
mern Hessen. Sonstige Abnormitäten, wie Einrisse, Wundsein 
u. dergl. mehr, fehlten. 

Es handelte sich also um „äussere Haemorrhoiden“, die da¬ 
durch entstanden waren, dass die knobelharten Kothmassen im 
Anfangstheil des Mastdarms lagen und den Abfluss der Mastdarm¬ 
venen mechanisch verhinderten. 

Ich liess das Leibchen 2 mal täglich mit warmem Oel einreiben 
und dann entlang des Dickdarms massiren. Die Aftergegend 
wurde täglich mit Borvaselin eingefettet. Dann wurde die Milch 
weniger verdünnt (ana mit Wasser und etwas Milchzucker) ge¬ 
reicht. 

Verdauung und Ernährung besserten sich nun schnell. Der 
Stuhl erfolgte spontan in breiiger Form. Das Gewicht nahm Jede 
Woche zu, am Ende der 6. betrug es schon 3200, am Ende der 9. 
3525 g. Mit dem y 2 Jahr war es auf 5880 g gestiegen; von dieser 
Zeit an nahm das Kind M u f f 1 e r's sterilisirte Kindernahrung, 
bei der es vorzüglich sich entwickelte. 

Im October 1899, also im 11. Monat, wog das Kind 9550 g; es 
war rund und munter. Der Stuhl war regelmässig und gut ver¬ 
daut. Der Durchbruch von 6 Zähnen war leicht erfolgt und hatte 
nur eine erhöhte WeinerUchkeit für ein oder zwei Tage im Gefolge. 

Die Haemorrhoidalknoten waren ganz verschwunden. 

Wenngleich die Eltern des Kindes leichte Haemorrhoidarier 
sind und eine erbliche Disposition auch hier vielfach ange¬ 
nommen wird, so ist bei diesem Kinde als Krankheitsursache 
das mechanische Stauungsmoment anzusprechen. Dafür bürgt 
der einfache Curerfolg. Dagegen ist es sehr wohl möglich, dass 
der Schwund des submucösen Fettgewebes am After, der bei dem 
allgemeinen Ernährungsrückgang des Kindes unausbleiblich war, 
die Haemorrhoidalknoten leichter zu Stande kommen liess. 

Auch Lannelongue hat beobachtet, dass sich bei einem 
Kinde wenige Tage nach der Geburt Haemorrhoiden entwickelten 
(citirt in Eulenburg’s Realencyklopädje, Bd. IX). Die betreffende 
Veröffentlichung war mir leider nicht!zugänglich. 

Digitizer: Q.QlS- 

N o. 12. ° 


Eine schwere Gefahr ungeeigneter Tripperspritzen. 

Von geschätzter Seite erhalten wir nachstehende Mittheilung 
mit der Bitte um Veröffentlichung: 

Obgleich der Verfasser der nachfolgenden kurzen Mittheilung 
dem einschlägigen Fache ferne steht, hält er es doch für seine 
Verpflichtung, die im Folgenden geschilderte Beobachtung an die 
Oeffentlichkeit zu bringen, da dieselbe eine, seines Wissens, bis 
jetzt imbeachtet gebliebene Gefahr aufzudecken im Stande ist, 
welche in der Praxis tausendfach wiederkehrt und welche unter 
begünstigenden Umständen Gesundheit und Leben der Be¬ 
troffenen in Frage stellen und auch für den behandelnden Arzt 
eine schwere Verantwortung bilden kann. 

Da die Erkrankung an einem meiner Verwandten gespielt 
hat, so mag es mir in diesem Falle gestattet sein, ungenannt zu 
bleiben. 

Bei den vielfachen gemüthlichen Aufregungen, welche die 
schwere Erkrankung in der Familie gebracht hat, wurde es auch 
damals von mir unterlassen, Notizen über den Verlauf anzu¬ 
stellen und ich referire denselben aus der Erinnerung. 

Der 21 jährige Patient hatte sich, als ich zum erstes Male von 
der Erkrankung erfuhr, vor 3 Wochen eine Gonorrhoe zugezogen 
und wurde seitdem von dem Arzt, an den er sich zuerst gewenaet 
hatte, mit injectionen einer leichten Zinklösung behandelt, deren 
Ausführung ihm theiiweise selbst überlassen war. 

Erst als sich plötzlich eine schmerzhafte Epididymitis ein¬ 
stellte, wurde ich als Verwandter von der Infection benachrichtigt. 

Hohes Fieber hatte sich eingestellt, die Epididymitis spielte 
mehrere Wochen. 

Dann entwickelte sich eine durch Palpation nachweisbare 
schmerzhafte Prostatitis. 

Eines Tages, circa 2 Monate nach der Infection, trat plötzlich 
ein schwerer Schüttelfrost auf, während fortdauernd Temperatur- 
Steigerungen bis zu 39—40” bestanden. 

Einige Tage darauf entleerten sich zuerst unter brodelndem 
Geräusch Flatuse durch die Harnröhre, dann ein Theil des Urins 
durch das Kectum. 

Allmählich bildete sich auch aussen am Damm eine starke 
Geschwulst in der directen Nachbarschaft des Anus. 

Die Temperatur blieb immer ziemlich hoch febril, und die 
Palpation per rectum wies eine andauernde starke Schwellung der 
Prostata nach; Stuhlgang konnte Monate lang nur durch Klysmata 
mit hoch hinaufgeführtem elastischen Rohr erzielt werden. 

Da sich im 3. Monat der inzwischen so ziemlich versiegte 
Ausfluss aus der Harnröhre in geringem Maasse wieder einstellte, 
so verordnete der seit längerer Zeit zugezogene Consüiarius wieder 
Injectionen in die Harnröhre, und wir Hessen den Patienten unter 
unseren Augen eine Einspritzung machen. 

Die Spritze, welche er zum Vorschein brachte, hatte an ihrem 
Ende die bekannte und vielfach in den Instrumentenläden ausge¬ 
stellte Form einer abgerundeten Eichel, um einer Verletzung der 
Harnröhre beim Selbstgebrauch vorzubeugen. 

Es zeigte sich bei der Handhabung des Patienten, dass es ihm 
nicht möglich war, bei der Schlaffheit des Penis die Oeffnungeu 
der Spritze und der Harnröhre genügend genau aufeinander zu 
fügen, und Pat. äusserte, dass er überhaupt nur ganz ausnahms¬ 
weise bei seinen früheren Manipulationen das sichere Gefühl vom 
Eindringen der Flüssigkeit in die Harnröhre gehabt habe. 

Er zeigte uns nun, wie er sich gewöhnlich geholfen hatte. 
Um die Eichel der Spritze besser anzuschliessen, hatte er das 
ziemUch stark phimotische Präputium über dieselbe herüber¬ 
gezogen und auf der Spritze mit den Fingern ringsum angedrückt 
Als er nun injicirte, wurde das ganze Präputium bis zur Gorona 
glandis kugelförmig durch die eindringende Flüssigkeit aufge¬ 
trieben. 

Als wir diese Manipulation sahen, griffen wir alle Drei gleich¬ 
zeitig nach der Spritze, um ihn an dieser Art der Injection zu 
hindern, welche er offenbar bereits oft vorher geübt hatte. 

Mir selbst hatte sich im Moment, als ich dieses Vorgehen sah, 
die ganze traurige Aetiologie des schweren und ungewöhnlichen 
Krankheitsverlaufes in furchtbarer Deutlichkeit aufgeklärt. 

Einige Wochen vorher hatte ich nämlich einmal beim stär¬ 
keren Zurückschieben des phimotischen Präputiums eine grössere 
Ansammlung von Smegma rings um die Corona glandis bemerkt, 
wie sie sich ja als ziemlich regelmässiger Befund in diesem Alter 
bei irgend ausgesprochener Phimosis vorflndet. Bei der Auf¬ 
blähung des Präputialraums durch den Spritzenstrahl mussten 
nothwendig diese Massen emporgewirbelt werden. Wenn nun zu- 
fäUig die Spritzeneichel nicht gerade die Harnröhrenöffnung ver¬ 
deckte, so konnte unter Umständen einmal die im Präputium an¬ 
gesammelte Flüssigkeitsmenge, wenn gleichzeitig der Spritzen¬ 
druck audauerte und der Sack wasserdicht abschloss, in die Harn¬ 
röhre hinaufgelaugen. Das war es jedenfalls, was der Pat. unter 
dem ausnahinsweisen Gelingen der Manipulation verstanden hatte. 
Dass auf diesem Wege kleinere und grössere Partikeln der alten 
zerfetzten Epidermismassen, aus welchen das Smegma praeputii 
besteht, mit allen ihren Sepsis- und Fäulnisskeimen, Smegma- 
baciUen etc. bis hoch in die Harnröhre hinauf geschwemmt werden 
können und müssen, das liegt auf der Hand. 

Auch der Gedankengang der Collegen scheint ein ähnlicher ge¬ 
wesen zu sein, wie ich aus ijiren erschreckten Mienen schliessen 



394 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12 


durfte. Ohne dass weiter ein Wort darüber fiel, wurde von da an 
ganz von der Spritze abgesehen. 

Der weitere Verlauf war noch ein sehr schwerer und lang¬ 
wieriger. Auch auf der anderen Seite entwickelte sich später eine 
viele Wochen dauernde Epididymitis. Die Urethro-Rectaliistei war 
sehr weit geworden, so dass sich Monate lang der Harn aus¬ 
schliesslich durch den Anus entleerte. Die Geschwulst am Damm 
vergrösserte sich ganz langsam im Lauf mehrerer Monate uud 
zeigte schliesslich, 7 Monate nach Beginn der Erkrankung, in der 
Tiefe Fluctuation. 

Bei der Eröffnung derselben in Narkose durch einen hinzu¬ 
gezogenen Vertreter der Chirurgie entleerte sich eine ziemlich reich¬ 
liche Menge Eiter. Eine directe Verbindung dieses Abscesses mit 
dem hochliegenden, Harnröhre und Rectum miteinander verbinden¬ 
den Prostataabscess liess sich durch Sondirung nicht nachweisen. 

Als noch während der Narkose der Zeigefinger möglichst hoch, 
bis über 10 cm, durch das Rectum hinaufgeführt wurde, entleerte 
sich plötzlich eine grössere Menge stinkenden, jauchigen Eiters 
und Gewebsfetzen neben dem Finger. Die Oeffnung des Prostata- 
abscesses in das Rectum musste demnach so hoch gelegen sein, dass 
sie bei der vorher ohne Narkose oftmals vorgeuommenen Palpation 
mit dem Finger nicht erreichbar gewesen war. 

Dagegen hatten sich täglich Eiter uud fibrinöse Fetzen, zeit¬ 
weise in geradezu erstaunlicher Menge, beim Uriniren durch das 
Rectum und nach dem Klysma entleert. Die Eiter und Fibrin¬ 
mengen bildeten zeitweise die Hälfte bis zu zwei Drittel des Urins 
und mussten als das Product einer schweren eitrigen Cystitis, viel¬ 
leicht auch Pyelitis angesehen werden. 

Bei einem Versuch, eine Injection durch den doppelläufigen 
Katheter zu machen, floss von der injicirten Flüssigkeit, trotzdem 
eiue ziemlich grosse Menge zur Verwendung gekommen war, nichts 
ab; offenbar hatte sich die Flüssigkeit in den oberhalb der Prostata¬ 
geschwulst liegenden Theil des Rectums entleert. Es wurde dess- 
halb von der weiteren Verwendung des Katheters abgesehen. Zeit¬ 
weise entleerte sich der Harn tropfenweise auch durch die neben 
dem Anus angelegte künstliche Abscessöffnung, so dass eine enge 
Verbindung desselben mit dem Prostataabscesse angenommen 
werden musste. 

Die Temperatur war während des ganzen Krankheitsverlaufes 
febril, zeitweise hoch febril. Noch über einen Monat nach der Er¬ 
öffnung des Abscesses stieg sie bis zu 40 und stellten sich auch 
noch zweimal schwere Schüttelfröste ein. Während der ganzen 
Zeit war der Appetit sehr gering und nur mit der grössten Um¬ 
sicht war genügende Ernährung zu erzielen. Der Kranke war bis 
zum Skelett abgemagert. 

Im 9. Monat der Erkrankung endlich wurde die eitrige Sedi- 
meutirung des Harnes geringer und sank die Temperatur allmäh¬ 
lich auf die Norm. 

Es stellte sich nun, auch ohne dass der Katheter weiter zur 
Verwendung gekommen war, wieder etwas Abträufeln von Urin 
durch die Harnröhre ein, welcher Bich bis dahin ausschliesslich 
durch das Rectum entleert hatte. In den nächsten Tagen wurde 
der auf dem natürlichen Wege entleerte Urin successive reich¬ 
licher, bis einige Wochen später die Communication mit dem 
Rectum ganz unterbrochen war und aller Urin im Strahl sich 
wieder durch die Harnröhre entleerte. 

Von da an erholte sich der Kranke rasch und ist nunmehr 
seit vielen Monaten gesund; weitere Störungen scheinen nicht 
zurückgeblieben zu sein. 

Eines besonderen Commentars bedarf dieser Fall nicht. 

An dem oben angegebenen aetiologischen Zusammenhang 
zwischen der unzweckmässigen Verwendung einer ungeeigneten 
Spritze und den schweren geschilderten Folgezuständen kann 
meines Erachtens kaum ein Zweifel bestehen. 

Möge dieser Fall für künftig den Collegen als Warnung 
dienen, auch anscheinend geringfügige Manipulationen nicht dem 
Kranken zu überlassen, sondern selbst unter ihrer steten Ueber- 
wachung zu behalten! 


Casuistische Miscellaneen aus dem Gebiete der Ge¬ 
burtshilfe und Gynäkologie. 

Von R. Kossmann in Berlin. 

(Schluss.) 

V. Continuirlicher Blutabgang von der Bauchhöhle her durch 
Tuben und Uterus. 

Zwar ist über eine Anzahl von Fällen berichtet worden, in 
denen eine Blutung aus den Genitalien darauf zurückgeführt 
worden ist, dass das in die Bauchhöhle geflossene Blut sich 
seinen Ausgang durch Tuben und Uterus gesucht hatte. Es sind 
jedoch diese Fälle nicht so genau beschrieben worden, dass sich 
ein Irrthum, insbesondere ein Uebersehen einer Tubenschwanger¬ 
schaft, mit Sicherheit ausschliessen liesse. In dem von mir be¬ 
obachteten Falle scheint mir ein Irrthum vollständig ausge¬ 
schlossen. 

Frau M. suchte am 19. VI. 1899 meine poliklinische Sprechstunde 
auf, weil sie seit ä^Wbchen einen ziemlich starken, vor Allem aber 

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durchaus continuirlichen Blutabgang durch die Genitalien erlitten 
hatte uud sich dadurch in hohem Grade geschwächt fühlte. Die 
Patientin sah in höchstem Grade anaemisch aus und hatte einen 
sehr kleinen, sehr beschleunigten Puls. Bei der Untersuchung 
wurde der Uterus nicht wesentlich vergrössert gefunden, dagegen 
fand sich links neben und hinter ihm eine grössere, nicht scharf 
umschriebene, ziemlich harte Geschwulst. 

Da der Gedanke an eine Tubeugravidität sehr nahe lag, wurde 
die Patientin sofort in die Klinik aufgenommen und am folgenden 
Morgen die Laparotomie ausgefühit. Der Tumor erwies sich, wie 
erwartet, als ein, durch Verklebung mit Darmschlingen unter¬ 
einander sowie mit der linken Tube und dem Uterus abgekapseltes, 
Haemato in, das mit zum Theil geronnenem, zum Theil flüssigem 
Blut gefüllt war. Nach Ausräumen der Blutgerinnsel zeigte sich, 
dass die Blutung aus einem Riss in einem Foilikelhaeinatoin des 
linken Ovariums herstammte und zur Zeit noch fortdauerte. Es war 
nicht möglich, das Ovariuin aus den Verklebungen herauszu¬ 
schälen, ohne einen ziemlich grossen Defect im Peritoneum des 
linken breiten Mutterbandes zu verursachen, und da sich die 
Schliessung dieses Defects durch Naht als überaus schwierig und 
unsicher erwies, entschloss ich mich, den defecteu Theil des 
Mutterbandes sammt der Tube abzutragen. Ich bin dadurch iu 
die Lage versetzt gewesen, die Tube selbst einer genauen Unter¬ 
suchung zu unterwerfen und konnte feststellen, dass sie in ihrem 
ganzen Verlaufe normal war und nirgends eine Erweiterung oder 
sonst ein Zeichen von Extrauteringravidität aufwies, dass ihr 
Ostium abdominale offen war und ihr Lumen auf eine Strecke von 
etwa 1% cm makroskopisch sichtbar Blut enthielt, ohne jedoch an 
dieser Stelle irgend eine Erweiterung erfahren zu haben. 

Da überdies die Auskratzung des Uterus normale Schleimhaut 
ohne Spuren von Haemorrhagien ergeben hat, scheint mir die That- 
sache i'estzustehen, dass es das aus dem geplatzten Follikelhaema- 
tom herrührende Blut gewesen ist, welches durch die linke Tube 
und den Uterus abfiiessend, als continuirliche Blutung der Gebär¬ 
mutter wahrgenommen wurde. 

VI. Paralyse des nicht schwangeren Uterus. 

Keineswegs selten ist in der gynäkologischen Literatur von 
Fällen berichtet worden, in denen selbst durchaus geübte Spe- 
cialisten den Uterus mit der Sonde oder der Curette perforirt 
zu haben glaubten, ohne dass der Patientin daraus irgend ein 
nachweisbarer Nachtheil erwachsen war. 

Mir ist dabei immer räthselhaft gewesen, wie die Sonde oder 
eine einigermaassen stumpfe Curette, nachdem sie die Musculatur 
durchdrungen hat, auch die Serosa durchbohren oder auf eine 
Strecke von vielen Centimetern von der Musculatur abheben kann, 
wenn nicht eine ganz unverständige Gewalt angewendet wird. 

Vor 2 Jahren erst ist über diesen Punkt ein Meinungsaus¬ 
tausch zwischen Beuttner und Odebrecht gepflogen 
worden 15 ).Ersterer hat 2 Fälle, in denen er mit der Sonde bezw. 
mit einem Dilatator in einen vorher kaum vergrösserten U terus 
13—14, sogar 20 cm weit eindringen konnte, durch „Erschlaffung* 4 
des Uterus erklärt, während Letzterer entschieden behauptet, 
BeuttnePs Fälle seien ebenfalls Beispiele von Perforation ge¬ 
wesen. 16 ) 

Von anderer Seite ist für solche Fälle auch auf die Möglich¬ 
keit eines unbeabsichtigten Eindringens der Sonde in die Tube 
hingewiesen werden. Biedert”) hat sie an der Leiche nach¬ 
gewiesen. Bischoff“) und Lehmann 1 *) haben in Fällen, 
wo die Sonde 17 bezw. 28 cm eingedrungen war, ein sehr weites 
Ostium uterinum tubae nachgewiesen. Doch ist das Eindringen 
der Sonde in eine normale Tube ohne Anwendung grosser Gewalt 
sicher unmöglich, und vollends 6 ö n n e r’s ") Meinung, sogar den 
scharfen Löffel in die Tube eingeführt zu haben, gewiss ohne 
Weiteres zurückzu weisen. 

Zur Aufklärung dieser Streitfrage dürfte der nachfolgend« 
Fall beizutragen geeignet sein. 

Er ereignete sich bei einer Patientin, die ich auf dem Opera¬ 
tionstische liegen hatte, und bei der ich im Begriff war, einer 
Kolpotomie die Abrasio mucosae vorauszuschicken. Ich hatte in der 
Narkose den Uterus ein wenig retrovertlrt, aber mit vorderem 
Knickungswinkel, kaum nachweislich vergrössert, gefunden. Ich 


“) Beuttner: Ueber ein eigentümliches Verhalten de« 
Uterus beim Einführen von Instrumenten. Oentralbl. f. Gynäko¬ 
logie 1897, S. 1271. 

Odebrecht: Bemerkungen zu dem Aufsatz „Ueber ein 
eigentümliches Verhalten u. s. w. Ebenda S. 1442. 

*•) Dass dies auch dem allermodernsten Standpunkte ent¬ 
spricht kann man z. B. aus der Bemerkung Döderleln's ln 
Veit’s Handbuch der Gynäkologie, Bd. II, 1897, S. 350 ersehen: 
Uebrigens braucht eine Perforation des Uterus mit der Sonde... 
nicht von weiteren Nachteilen gefolgt (sic!) zu sein.** 

,T ) Berl. klin. Wochenschr. 1877, No. 41 u. 42. 

18 ) Correspondenzblatt Schweizer Aerzte 1872, No. 19. 

19 ) Nederl. Tijdsehr. v. Geneesk. 1871, 1, p. 201. 

») ibid. 1891, No. 1. Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDTCINTSCHE WOCHENSCHRIFT. 


895 


spritzte, wie ich es gewöhnlich thne, eine 5proc. Formalinlösung 
in den Uterus und führte dann die von mir modiflcirte stumpfe 
Roux'sehe Curette. deren Löffel eine Breite von etwa 1 cm hat. 
ein. Ich bemerke, dass ich dabei den Zeigefinger etwa 6 cm von 
der Spitze des Instruments entfernt fest aufzusetzen pfletre. so 
dass letzteres zunächst unmöglich tiefer als 6 cm in den Utenis 
elndringen kann. Dabei halte ich selbst mit der linken Hand die 
Kugelzange, die die vorderen Muttermundslippen fixirt. Erst wenn 
die Curette. in der eben geschilderten Weise geführt, den inneren 
Muttermund passirt hat. schiebe ich sie. indem ich sie ganz lose 
mit 2 oder 8 Fingern führe, langsam bis an den Fundus vor. Ich 
brauche nicht zu sagen, dass ich dabei auch den allergering- 
ffigigsten Widerstand unbedingt wahrnehmen muss. Tch würde cs 
für unmöglich halten, in dieser Weise einen Beutel von zartestem 
Tfillgewebe mit meinem Instrumente zu durchstossen. ohne einen 
Widerstand wahrzunehmen. Meine Turette drang jedoch ohne 
den geringsten Widerstand zu finden bi«* fast an den Griff. d. h. 
33—14 cm weit vor. Ich zog nun das Instrument zurück, unter¬ 
suchte nochmals, und fand, nachdem ieh mit • den Fingern der 
linken Hand im hinteren Scheidengewölbe hoch emporgedmngen 
trar. d“n TTtems wieder profleetirt. etwas retrovertirt. und kaum 
über die Norm vergrössert. Tch führte die Curette wieder ein, 
fühlte jetzt deutlich den Widerstand nachdem sie 7 cm weit eiu- 
eedmngen ^nr. und konnte die Auskratzung ohne irgend welche 
besondere Wahrnehmungen ansführen. 

Tch war nun natürlich darauf gefasst, nach Ausführung der 
flolnotomie die Oobürirrntterwand au irgend einer Stell« veriptzt 
zu finden. Zufälliger Weise — und ich kann sagen glücklicher 

Wet*®«_handelte es sich um einen Fall mit ziemlich beträchtlicher 

uVffPhlafTnpg der Bandgunarp+n dc~ TTteru«. s« dass es nach Aus¬ 
führung der Colnotomie nnd Vorwälznng dps Uterus möglich war. 
rdeht etwa nur die vordere Roito des TTterus und de« anstossenden 
Theils der breiten Mutterhiinder sondern aueh die Hinterseite der 
Gebärmutter ^nd der angreuzepdon Partien bis weit übe»* da« Peri¬ 
toneum des D o u g 1 a s’sojien Baumes zu übersehen: die Gebär- 
nintter konnte soweit vorgezogen werden, dass man das Ovum 
Dnnsrlnsl hätte photngrnphiren kennen. wenn ein Apnara* zur Stelle 
gewesen Wärp. Unter-diesen Umständen hätte ein« Perforation 
des Uterus melden und meiner Herren Assistenten Aueen unmdg- 
l*eh entgehen können, und selbst wenn man annehmen wollte, 
dlass die Uurette nur die Muskelwand durchbohrt und das Peri¬ 
toneum lediglich abgehoben hätte, so würde doch irgendwo diese 
Abhehnng sich durch Erguss von Blut, oder seröser Flüssigkeit 
oderdnrek o*n lockereres Aussehen dp«Perimetriums gekenuzeio^net 

lmben. Nichts von alledem war wahrzunehmen: di« Serosn über¬ 
zog Überall Prall und spiegelnd die gAn*0 Oberfläche der Ophär- 
juntter Andererseits waren die Tuben von ganz normaler Stärke 
und gingen wie gewöhnlich in annähernd rechtem Winkel von der 
Gebärmutter ab. - , 

Nach dieser Erfahrung kann ich mich zu keiner anderen 
Annahme entschliessen. als zu der. dass auch an dem nicht 
schwangeren TTterus eine plötzliche Paralyse der Musculatur ent- 
stehen kann, in Folge deren sieh das Organ gleichsam in einen 
schlaffen Beutel verwandelt, dessen Wandung man mit einer 
Ronde oder mit einer stumpfen Curette sehr beträchtlich dehnen 
kann. Tch würde in diesem Falle annehmen, dass der Reiz durch 
die Formalineinspritzung, verbunden mit dem durch die Ein¬ 
führung der Curette. eine solche plötzliche Paralyse hervorgerufen 
hat. und es würde, wenn diese Annahme richtig ist. wohl auch zu 
vermuthen sein, dass ein ganz erheblicher Theil sowohl der ver¬ 
meintlichen TTterusperforationen. in denen der Onerateur den 
Sondenknopf unmittelbar unter dem Bauchfell gefühlt hat, als 
auch der vermeintlichen Tuhensondirungen. wohl auch nur auf 
einer solchen Paralyse der TJterusmusculatur beruht, hat. 

Die Möglichkeit beider Ereignisse will ich natürlich nicht, be¬ 
streiten. Was aber Odebrecht’s Mittheilung anbetrifft, dass 
er eine selbstverursachte Perforation mit der O r t h m a n n’schen 
Sondenzange bei einer Laparotomie direct nach weisen konnte, 
so ist sie wenig geeignet, gegen Beuttner in’s Feld geführt zu 
werden. Auch mir ist es bei einer vorderen Colpotomie möglich 
gewesen, direct zu beobachten, wie der Sondenknopf dieses Instru¬ 
mentes zwar nicht das Perimetrium seihst, wohl aber die ganze 
Muscularis durchdrang. Man muss sich aber bewusst, bleiben, 
dass mit. dem Instrument eine Hebelwirkung ausgeübt wird, 
die es dem Operateur ganz unmöglich macht, sich von der auf die 
Uteruswand direct einwirkenden Gewalt Rechenschaft zu 
gehen. In dem Odebrech Pechen Falle war überdies die 
Uteruswand so degenerirt, dass die Silkwormfäden durch¬ 
schnitten ! 

In meinem Falle war von einer Degeneration der Uteruswand 
durchaus nicht die Spur vorhanden. Es war eine dicke, derbe, 
unter der Curette laut knirschende Muscularis vorhanden. Auch 
handelt es sich bei der zu erklärenden Erscheinung durchaus 
nicht, wie Odebrecht zu glauben scheint, um eine mecha¬ 
nische Dehnung, die bei einem dünnwandigen Uterus leichter, 

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als hei einem dickwandigen erfolgen könnte, sondern sicher um 
eine Paralyse der Musculatur, ein plötzliches Aufhören des 
Muskeltonus. Jedem, der kleine Abortreste mit der Curette zu 
entfernen pflegt, ist diese Erscheinung vermuthlich bekannt. 
Der Uterus kann, wenn der Abortrest sehr klein ist und nicht 
etwa im Cervicalcanal steckt, zeitweilig gut contrahirt sein; aber 
es genügt schon ein geringer Reiz, um Paralyse und Blutung her¬ 
beizuführen. Veranlassen üns diese Blutungen oder die Erschei¬ 
nungen der Endometritis zur Auskratzung, so beobachtet man 
meist sofort beim Einführen der Curette, wie der Uterus schlaff 
wird, und alsbald beginnt auch die Blutung. Sobald der letzte 
Brocken dann herausgeholt ist, contrahirt sich der Uterus wieder und 
bleibt contrahirt. Geht man aber in diesen contrahirten Uterus 
unnöthiger Weise nochmals mit der Curette ein, so wird 
er sofort wieder paralytisch, das Instrument dringt 15,20,25 cm weit 
ein, ohne Widerstand zu finden, und eine neue Blutung erfolgt. 
Zieht man die Curette wieder heraus, so contrahirt sich das 
Organ sofort, und die Blutung steht. Neu ist an unserer Be¬ 
obachtung also nur das, dass es auch für den nicht schwangeren 
bezw. puerperalen Uterus Reizzustände oder Reizmittel gibt, die 
solche Atomen oder Paralysen hervorrufen. 

VH. Zwei Todesfälle in Folge von Gonorrhoe. 

Die beiden Fälle, über die ich zu berichten in der bedauer¬ 
lichen Lage bin, werden zur Erledigung einer der wichtigsten 
Streitfragen der modernen Gynäkologie zwar nicht genügen, aber, 
wie ich denke, erheblich beitragen. 

Diese Frage ist — ganz allgemein gesprochen — die, ob die 
reine Gonococceninfection nur locale oder auch diffuse, event. 
direct tödtliche Erkrankungen herbeiführen kann. 

Der erste der beiden Fälle erweist als directe Todesursache 
mit grosser Wahrscheinlichkeit die Einwirkung einer Strepto- 
cocceninfection, während wohl als Ausgangspunkt eine rein 
gonorrhoische Peritonitis angesehen werden muss. 

Frau G. aus K., 49 Jahre alt, klagt, dass vor einem Viertel¬ 
jahre bereits der Leib gespannt und druckempfindlich geworden ist. 
Die Brüste schwellen an und es treten heftige Schmerzen darin auf. 
Jetzt starke Kreuz- und Bauchschmerzen. Die seit 3 Jahren un¬ 
regelmässige Blutung seit 2 Monaten ganz fortgeblieben. Starker 
Fluor, Constipation, Appetitlosigkeit. 

Befund: Descensus der hinteren Scheidenwand, Uterus pro- 
flectirt, Cervicalcanal aufgerissen, Ectropion. Anheben der Portio 
und Druck auf die Adnexe schmerzhaft, linke Adnexe verdickt, 
Blutabgang. 

Diagnose: Pelviperitonitis subacuta, Endometritis haemor- 
rhagica. 

Da die den arbeitenden Classen angehörende, seit Monaten 
in ärztlicher Behandlung befindliche Patientin ein eingreifendes 
Verfahren mit Aussicht auf baldige Wiederherstellung der Arbeits¬ 
fähigkeit dringend wünscht, wird nach Auskratzung des Uterus 
und Aetzung der Wundfläche mit 10 proc. Formalinlösung die vor¬ 
dere Elytrotomie (Eröffnung der Bauchhöhle zwischen Blase und 
Uterus) vorgenommen. Die ausgedehnten Verwachsungen der 
Genitalien, insbesondere der linken Adnexe, werden mit dem Finger 
gelöst, ein Theil des cystisch entarteten linken Eierstocks wird 
resecirt. Nach Schluss der Elytrotomie wird die hintere Elytror- 
rhaphle (Excision und Vemähung der hinteren Scheidenwand) nach 
Sänger ansgeführt. 

Ausser einer mässigen venösen Staut ? zeigte sich an den 
Tuben nichts Abnormes; ein Eiterherd > irde nirgends wahr¬ 
genommen. 

Noch am Tage der Operation steigt di« Temperatur von 36,7 
auf 38,8 °, am folgenden Tage auf 39,6 °. Z leich etablirt sich zu 
jeder Seite der Lendenwirbelsäule ein fast 1. ldtellergrosser. tiefer 
Decubitus. Dabei bleibt das Abdomen schlaff und frei von Druck- 
empfindlichkeit. und es erfolgt, 48 Stunden p. o., spontaner Stuhl¬ 
gang. Es wird desshalb die Prognose nicht für ungünstig ge¬ 
halten. Zwar steigt Abends die Temperatur noch auf 39,8°, doch sinkt 
sie in der Nacht zum 4. Tage auf 38,2 °. Im Laufe des 4. Tagee^ 
erhebt sie sich wieder bis auf 40° und erreicht am 5. Tage Mor¬ 
gens sogar 40,2°. Es wird eine lihksseitige Parotitis fe-^gestellt. 
Nunmehr schwankt die Temperatur während einer ganz< Woche, 
vom 5. einschliesslich bis zum 11. Krankheitstage, Im Ga m lang¬ 
sam steigend, zwischen 38,4° und 40,4°, während kein ei peri- 
tonltische Erscheinungen sichtbar sind, insonderheit a h jeden 
2. Tag normale Stuhlentleerung stattfindet Am 11. Tc erfolgt 
mit starkem Schüttelfrost ein plötzliches Ansteigen «ler Tem¬ 
peratur bis zu 41.8° mit Auftreten einer rechtsseitigen Iritis, die 
sich alsbald als Thellerschelmmg einer eiterigen Panophthalmitis 
erweist. Am 12. und 13. Krankheitstage sinkt die Temperatur 
wieder stark, auf 38,6° bezw. 36,6° herab. Am 13. wird eine In- 
cision in die Parotis ausgeführt ohne dass Eiter angetroffen wird. 
Am Abend des 13. Ist die Temperatur wieder auf 39.5 0 angelangt 
Sie sinkt über Nacht nochmals bis 38,1 0 nnd steigt dann ccMtinnir- 
lich, bis sie am 15. Tage Abends 40,5° erreicht. Am .nd 15. 
Stuhlentleemng, kein Meteorismus, keine DruckempEndlichkeit 

Original frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDTCINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12 


dos Leibes. Vom 15. Tage an Coma, am 17. Krankhettstage bei 
41.2 # Exitus letalis. 



Eine vollständige Section wird nicht gestattet, doch wird das 
vereiterte Auge, so gut es geht, enucleirt und die per primam 
intentionem verklebte Bauchwunde geöffnet. Im Bereich der 
rechten Adnexe findet sich eine abgekapselte Peritonitis aposte- 
inatica; der Eiter gleicht in Farbe und Consistenz einer sehr blassen 
Mayonnaisensauce. Sonst ist das Peritoneum spiegelnd und nicht 
injicirt. 

Das Eigenthümliche ist nun, dass dieser Eiter in der Bauch¬ 
höhle eine absolut reine Gonococcencultur darstellt, während der 
panophthalmitische Eiter eine Reincultur von Streptococcen ohne 
Beimischung von Gonococcen enthält. 

Dass die eiterige Peritonitis auf der Recrudescenz eines 
älteren gonorrhoischen Processes beruhte, ist nach Anamnese, 
Befund vor und bei der Operation, und Sectionsergebniss mit 
grösster Sicherheit anzunehmen. Andererseits zeigt der Ver¬ 
lauf auch wieder an einem deutlichen Beispiel, wie leicht sich die 
gonorrhoische Peritonitis localisirt und wie wenig sie dann die 
Darmthätigkeit schädigt. 

Wie erklärt sich jedoch das sofortige enorme Ansteigen der 
Temperatur noch am Operationstage? Der schon nach 36 Stun¬ 
den manifeste Decubitus Hesse an eine pyaemische Embolie 
denken; aber wie merkwürdig, dass diese ganz symmetrisch zu 
beiden Seiten der Lendenwirbelsäule aufgetreten ist! Macht diese 
Symmetrie nicht eine nervöse trophische Störung viel wahrschein¬ 
licher? Nimmt man aber diese an, woher dann die hohe Tem¬ 
peratur ? 

Am 5. Tage tritt bei Fortdauer des Fiebers die Parotitis auf. 
Es ist hier nicht der Ort, die interessante Frage nach dem Zu¬ 
sammenhang zwischen Ovarialoperation und Parotitis wieder ein¬ 
gehend zu erörtern. Man neigt neuerdings ja entschieden dazu, 
die Parotitis nach Operation als septischen Process zu deuten 21 ). 
Wie merkwürdig aber, dass in unserem Falle, wo doch das Auge 
innerhalb von ca. 2 Tagen vollständig vereiterte, die Parotis- 
incision am 8. Tage nach Auftreten der Schwellung keine Spur 
von Eiter ergab! 

Die Panophthalmie müsste wohl nach allen früheren Er¬ 
fahrungen auf eine Embolie der Chorioides zurückgeführt werden. 
Panophthalmien nach Gonorrhoe sind schon öfters beobachtet; 
sie sind, da stets, wie in unserem Falle, nur Streptococcen in dem 
das Auge zerstörenden Eiter gefunden wurden, aus Mischinfec- 
tionen erklärt worden. Nun aber enthielt der Eiter der Bauch¬ 
höhle unbedingt keine Streptococcen, sondern ausschHesslich 
Gonococcen. Auch war bei der allerdings nicht sehr gründHchen 
Section von einer septischen Phlebitis im Operationsgebiet nichts 
zu finden. 

Dass sich an die septische Panophthalmitis eine septische 
Meningitis anschloss, die zum Tode führte, ist nicht weiter auf¬ 
fällig. 

Die Gesammtheit der Wahrnehmungen in diesem Falle lässt 
es also zwar zweifelhaft, ob der unglückliche Ausgang der Opera¬ 
tion auf der Recrudescenz der Gonorrhoe beruhte, aber mindestens 
ebenso zweifelhaft, ob er auf eine daneben laufende Pyaemie zu¬ 
rückzuführen ist. Wohl aber sind triftige Gründe vorhanden, 
den symmetrischen Decubitus und die nicht abscedirende Paro¬ 
titis auf trophoneurotische Störungen zurückzuführen. Dann 
aber liegt es natürlich nahe, auch die Panophthalmitis nicht aus 
einer EmboHe, sondern aus einer neurotischen Ischaemie abzu- 

21 ) Rüttermann: Parotitis nach Ovariotomie. Dlssert. 
Berlin, 1893; daselbst eine Literaturübersicht. 

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leiten, und die Streptococceninvasion als eine secundäre Compli- 
cation aufzufassen; wenigstens scheint mir, wenn wir eine pyae¬ 
mische Embolie als das Primäre annehmen, der aseptische Ver¬ 
lauf der Parotitis und die Symmetrie des Decubitus fast unbe¬ 
greiflich. Für solche multiple Ischaemien nun würde wieder 
eine toxische Ursache wohl mit Nothwendigkeit angenommen 
werden müssen; und die Intoxication kann Angesichts des vom 
ersten Augenhlieke an bestehenden hohen Fiebers doch nur als 
eine auf bacillärer Basis entstandene gedacht werden. Bedenken 
wir nun weiters, dass dieses Fieber erst nach der Operation ein¬ 
setzt, dann aber innerhalb weniger Stunden bis 38.8°, am fol¬ 
genden Tage bereits bis 39,6" ansteigt, und dass bei der Section 
im Operationsgebiet nur eine Gonococcenreincultur gefunden 
wurde, so ist wohl die Vermuthung sehr nahe, liegend, dass bei 
und nach der Operation eine beträchtliche Aufnahme von Gono- 
coccentoxinen in’s Blut stattgefunden und durch Beeinflussung 
des Centralnervensystems jene Circulationsstörungen hervor¬ 
gerufen hat, die sich einerseits in der Temperatursteigerung, 
andererseits in den ischaemischen Processen äusserte. Wäre diese 
Vermuthung richtig, so würde der Gonococcus in diesem Falle, 
wenn auch nicht auf dem Wege der Embolie, so doch auf dem 
der generellen Intoxication den ungiinstigenVerlauf der postopera¬ 
tiven Periode bis zum Auftreten der Panophthalmie bedingt 
haben. Letzte Todesursache würde allerdings die Streptococcen- 
infection des erkrankten Auges und weiter der Meningen sein. 
Doch scheint nach den bisher vorliegenden Erfahrungen bei 
jeder Panophthalmitis der Streptococcus dieselbe Rolle zu 
spielen; und diese kann doch gewiss eher durch die TThiquität 
des Streptococcus, der sich eben in jeder vereiternden Nekrose 
(z. B. auch in den Furunkeln der Diabetiker) ansiedelt, erklärt 
werden, als durch die Annahme, dass Embolien der Chorioides 
ausschliesslich, wenn sie Streptococcen enthalten, zur Pan¬ 
ophthalmie führen. 

Viel einfacher, aber gleichwohl einzig in seiner Art ist der 
zweite Fall, über den ich zu berichten habe. 

Frl. Z., 22 Tnhre alt. kommt in Behandlung wegen Unterleihs¬ 
schmerzen. bei anders links, und Kreuzschmerzen, die seit einem 
Fall vor 4 Tagen sehr stark sind und die Patientin arbeitsunfähig 
machen. Hymen nicht mehr intact. Uterus profiectirt. Anheben 
der Portio schmerzhaft, beiderseitige Adnexe stellen druckempfind¬ 
liche Tumoren dar. von denen der linke etwa gfinseeigross erscheint 
und der Gebärmutter dicht anliegt. Starke Erosionen am Mutter¬ 
munde. 

Nach Ausführung der vorderen Elvtrotomie macht es erhebliche 
Mühe, die zu je einem Klumpen verklebten Adnexe durch Lösung 
der Adhaeslonen zu entfalten. Das rechte Ovarium. das mikro- 
eystisch degenerirt ist. wird mehrfach punctirt. das linke, hühnerei¬ 
grosse wird nbgpbnnden und abgetraven. Die Tubon sind picht 
ausgedehnt, noch versehlossen. es zeigt sich kein Eiter im OsUum 
abdominale. Nach Vollendung der Elvtrotomie werden die Ero¬ 
sionen mit dem Thermokauter behandelt. 

Die Temperatur hält sich zunächst auf normaler Höhe und 
steigt erst am 3. Tage post operatlonem Abends auf 38.1 •. 
Am 4. Tage erfolgt bei unempfindlichem. nicht auf ge¬ 
triebenen Leib spontane Stuhlentleerung. Danach steigt 
die Temperatur zum Abend auf 39°. um bis zum 6. Tage 
Morgens wieder auf 37.fi 0 zurückzu gehen. Im Laufe desselben 
Tages aber steigt sie steil bis auf 39.6°; es treten starke Schmerzen 
ln den Hvpoehondrien bezw. im unteren Theile des Thorax auf. 
Am 7. Tage Abends erreleht die Temperatur 40.0°. am 8. Tage 
Mittags 40.fi °. wobei der Puls schlecht wird. Es wird ein Bad ge¬ 
geben. In Folge dessen die Temperatur auf 37.0° heruntergeht. 
Am 9. Tage Morgens ist die Temperatur wieder auf 39 0° gestiegen, 
füllt aber spontan auf 3fi.7°. Es tritt vollständige Euphorie ein: 
der Leib ist müsslg gespannt, nicht druckempfindlich. Bel an¬ 
dauernder subjectiver Euphorie steigt die Temperatur wieder an. 
erreicht am 10. Tage Vormittags 39.fi °; der Puls ist schwach ge¬ 
worden. die Anwendung von Analepticis ist erfolglos, und der 
Exitus tritt um 12 Uhr Mittags ein. 

Die Eröffnung des Ab¬ 
domens ergibt : Ausbrei¬ 
tung eines einer blassen 
Mayonnaisensauce höchst 
ähnlichen Eitors über das 
gesammte Peritoneum, ohne 
Verklebungen und ohne e r - 
h e b 1 i c h e n Meteorismus. 

Die bacteriologische Unter¬ 
suchung erweist eine Gono- 
coeeenreincultur. Der Eiter 
ist reich an Fibrin, relativ 
arm an Leukocyten; in 
diesen vielfach Gonococcen: 
nirgends eine Spur anderer Mikroorganismen. 

Soviel mir bekannt ist, ist dies der erste Fall einer durch 
die Section und die bacteriologische Untersuchung nachgewiesen 

Original frarn 

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20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


397 


irein gonorrhoischen diffusen Peritonitis; und, sofern man 
eine andere Todesursache, obwohl die Section keine vollständige 
gewesen ist, mangels irgend welcher Symptome mit Wahrschein¬ 
lichkeit ausschliessen kann, auch der erste Fall von reiner Gonor¬ 
rhoe als directer Todesursache. Das Vorkommen diffuser gonor¬ 
rhoischer Peritonitiden ist schon früher von Veit”) und 
Bröse") behauptet worden; doch hat keiner der von diesen 
Forschern beobachteten Fälle zur Laparotomie oder zum Tode ge 
führt. Es konnte daher die Möglichkeit einer Mischinfection nicht 
ausgeschlossen werden”). Diese wurde auch in der Discussior 
über BrÖse’a Vortrag von mehreren Rednern betont. Auch 
B u m m *), eine hervorragende Autorität auf diesem Gebiet, be¬ 
richtet in seiner jüngst publicirten Monographie von keinem ein¬ 
zigen Falle tödtlicher gonorrhoischer Peritonitis und meint, in 
den tödtlich endigenden Fällen von Pyelitis, Nephritis und Rup¬ 
tur einer Pyosalpinx handele es sich gewöhnlich um Misch- 
infectionen. 


Die Ausstellung für Krankenpflege in Frankfurt a. M. 

Von Dr. Julian Marcuse in Mannheim. 

Die in Verbindung mit dem Congress der balneologischen Ge¬ 
sellschaft vom 8. bis 18. März in Frankfurt a. M. abgehaltene Aus¬ 
stellung ist die zweite derartige Veranstaltung, welche die Be¬ 
strebungen und Maassnahmen der modernen Krankenpflege vor 
Augen zu führen bestimmt ist. Die erste Ausstellung für Kranken¬ 
pflege fand bekanntlich gelegentlich des internationalen Tuber- 
culosecongresses in Berlin statt. Die Bedeutung der Stadt Berlin in 
wissenschaftlicher wie industrieller Beziehung — Momente, die 
leider auf dem Gebiete der Krankenpflege noch oft genug zu¬ 
sammenfallen — hat natürlich In der Reichhaltigkeit und Fülle 
des Dargebotenen gegenüber Frankfurt einen grossen Vorsprung 
gehabt nichtsdestoweniger darf auch diese Veranstaltung als ein 
abgerundetes Bild auf begrenztem Gebiete gelten und vollen An¬ 
spruch auf wissenschaftliche Würdigung und Werthschätzung er¬ 
heben. 

Zu bemängeln wäre nur, dass die praktische Durchführung 
so wenig mit der schematischen Eintheilung des Fataloges im Ein¬ 
klang stand: der Catalog tlieilte in folgerichtiger Weise die Gruppen 
der Aussteller nach ihren Beziehungen zu den einzelnen Aeusse- 
rungen und Verhältnissen des Kranken ein. so gab es eine Grupne 
„Krankenzimmer“. „Krankenbett“, eine Gruppe „Der Kranke“ (Er¬ 
nährung. Bewegung. Hautpflege. Kleidung. Arzneidnrreichung etc.), 
ferner Kinderkrankenpflege. Wöchnerinnenpflege, chirurgische 
Pflege n. s. w„ allein dies Alles stand sehr übersichtlich im Cata¬ 
log. während in praxi diese TTebersIcht völlig fehlte und die ver¬ 
schiedensten Gruppen ineinander verschmolzen waren. Nun. dies 
sind Mängel, die eben aus dem oft allzu industriellen Charakter 
der Aussteller heraus geboren werden und die sich so leicht vor¬ 
läufig wohl nicht werden eHmlniren lassen. Greifen wir aus dem 
mannigfach Dargebotenen Einiges heraus, was einer Besprechung 
werth erscheint, so ist es vor Allem ln der Gruppe ..Krankenbett“ 
eine Erfindung einer Frankfurter Fabrik, die entschieden den Ein¬ 
druck einer Verbesserung eines bisherigen TTebelstandes hervor¬ 
ruft. Es handelt sich nämlich um hygienisch zerlegbare Sprung¬ 
federmatratzen. die derart construirt sind, dass sie mittels eines 
Handgriffes In 2 Theile — einen Obertheil (Polster'» und ln die 
eigentliche Sprungfedermatratze — zu zerlegen und in Folge dessen 
änsserst leicht Im Innern zu reinigen und zu deslnficiren sind. 
Selbst die Bezüge des Obertheiles sind mit Leichtigkeit abzulösen, 
so dass auch das Polster selbst, das aus Rosshaar oder indischen» 
Capock besteht, einer Reinigung unterworfen werden kann. Die 
Mechanik functionirt sehr gut. die Matratzen machen dabei einen 
sehr soliden und gefälligen Eindruck. Zum Inventar des Kranken¬ 
bettes gehören auch all* die In Form von Lese- und Schreib¬ 
pulten etc. daran zu befestigenden zusammenlegbaren Tische, die 
in zahlreicher Menge vertreten sind. Complete Krankenbetten mit 
allem Zubehör haben eine Reihe von Krankenhäuser, so das 
städtische Krankenhaus Frankfurt a. M., Offenbach, die Dia- 
conissenanstalt Frankfurt etc. ausgestellt, während das medi- 
cinlsche Specialhans Cassel in Frankfurt ein ganzes Kranken¬ 
zimmer mit allen der Neuzeit entsprechenden Einrichtungen in s^hr 
hübscher und praktischer Form zur Darstellung gebracht hat. Das 
Capitel „Ernährung des Kranken“ nimmt natürlich einen weiten 


“) J. Veit: Frische Gonorrhoe bei Frauen. Lassar’s der- 
matol. Zeitschr. I, 1893, S. 165. 

*) Bröse: Ueber die diffusse gonorrhoische Peritonitis. 
Verhandl. d. Berl. med. Gesellsch. 1896, II, S. 281 flf. und I, S. 94 
(Discussion). 

■*) Nach Niederschrift dieses Aufsatzes ersehe ich aus einem 
kurzen Referat in der Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 45, 
S. 1510, dass Muscatello (II policlinico, 15. Aug. 1899) eine 
diffuse rein gonorrhoische Peritonitis bacteriologisch festgestellt 
habe. 

*) B u m m : Die gonorrhoischen Erkrankungen der weib¬ 
lichen Harn- und Geschlechtsorgane. Veit’s Handbuch d .Gynäkol. 
I, 1897, S. 501. 

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Raum ein; all’ die unzähligen, theils verwerthbaren, theils minder 
guten Präparate, mit denen die moderne Chemie uns in der Neu¬ 
zeit beglückt hat, sind vertreten und blenden durch ihren ge¬ 
schmackvollen Aufbau. Da finden wir sämmtliche Kindermehle. 
Kinderzwiebacke, Milchpräparate, da die Somatose, das Sanatogen. 
den Nährstoff Heyden, das Toril; mannigfache Fleischconserven, 
die unvermeidlichen Blutpräparate, alkoholfreie Getränke, Nähr- 
cacaos, selbst Kathreiner’s Malzkaffee wird in einer niedlichen 
Osteria ausgeschenkt und zwar in zweierlei Formen, für die 
„Asceten“ rein, für die Compromissmenschen zu gleichen Theilen 
mit Bohnenkaffee gemischt. Bemerkenswerth ist die Ausstellung 
von Rademann, dem bekannten Kindermehlfabrikanten, hin¬ 
sichtlich einer Reihe von Präparaten, die er ausser seinem Kinder¬ 
mehl darstellt. Da finden wir ein sehr schmackhaftes Mandelbrod 
für Diabetiker, ein eigentliches Diabetikerbrod mit 18 Proc. El- 
weissstoffen, 22 Proc. Fett und nur 20 Proc. Kohlehydraten, einen 
zuckerfreien Champagner, der in Wohlgeschmack wie Preis dem 
französischen gleicher Art weit vorzuziehen ist. eine Brodart, die 
durch Zusatz von präparirter. die Peristaltik des Darmes anregen¬ 
der Cellulose bei chronischen Obstipationen indicirt ist etc. Auch 
verschiedene Cacaoarten für Diabetiker wie für Magendnrmkranke 
— in lezteren Fällen mit Aufhebung der verstopfenden Wirkung — 
sind vertreten. Für Körperruhe und -beweguug finden wir eine 
Reihe von Lagerungs- und Bewegungsapparaten, für Hautpflege 
und Reinlichkeit alle Arten von Badutensilien, von der einfachen 
Wanne bis zum elektrischen Lichtbad. Die Deutsche Thermophor¬ 
gesellschaft in Berlin hat eine grosse Reihe ihrer Thermophore in 
Metall und Gummi vorgeführt, deren praktische Bedeutung un¬ 
verkennbar und deren weiteste Anwendung bei der Application von 
Wärme nur zu wünschen ist. Diese ständige Wärmeerzeugung Ist 
als entschiedener Fortschritt überall da zu benützen, wo wir von 
der Wärme als therapeutisches Agens Gebrauch machen, oder wo 
wir sie aus anderen Gründen benöthigen. Hier finden wir auch 
einen recht praktischen, in die hydrotherapeutischen Maassnahmen 
einschlagenden Apparat zur Erzeugung von heissen Dampfen für 
locale Behandlung, z. B. des Kopfes: Eine mit einem Inhalations¬ 
apparat in Verbindung gebrachte grosse Glasglocke — beides ist 
auf einem hölzernen Stativ befestigt — ermöglicht die directe Zu¬ 
leitung der Dämpfe auf den betreffenden Körpertheil. Die Beklei¬ 
dung des Gesunden und Kranken bringt zahlreiche Modelle von 
hygienischen Corsetts. Reformkleider für die Frauenwelt. Ver¬ 
besserungen des Schuhwerkes. Die eigentliche ärztliche Behand¬ 
lung des Kranken ist durch eine grosse Collection von chirurgischen 
Instrumenten. Gummiwaaren, orthopädischen Apparaten etc. ver¬ 
treten: praktisch erscheint ein kleiner Eisspalter. der bezweckt, 
ohne Geräusch zu verursachen, das Eis zu zerkleinern: sauber und 
elegant gearbeitet ist das urologische Instrumentarium, das ein 
Wildunger Instrumentenmacher ausgestellt hat: Oneratlons- und 
Instrumententische. Thermometer in den verschiedensten Formen 
und Arten, von der renommirten Fabrik Wilhelm U e b e in Zerbst 
ausgestellt. Verbandstoffe von Hartmann in Heidenheim. 
Eisbeutel neuen Stiles — ein gestricktes Gewebe umschllesst den 
Gummibeutel — und viele andere ln dies Gebiet einschlagende 
Artikel mehr schliessen diese Abtheilung. 

Ganz vortrefflich sind die Grupne B Kriegskrankenpflege und 
die sich daranschliessenden gemeinnützigen und Krankenpflege¬ 
vereine vertreten. Die Ausstellung der Krankenhäuser haben wir 
bereits oben erwähnt, hier finden wir ausserdem noch die Vereine 
vom Rothen Kreuz, die Samaritervereine. Sanltätscolonnen. die 
Frankfurter freiwillige Rettungsgesellschaft, welch’ letztere eine 
Rettungswache mit allen Einrichtungen im Betrieb vorführt. Die 
Samariter- und Rothe Kreuzvereine zeigen ihr vorzügliches Lehr¬ 
material. ihr Kriegsinstrnmentarium. ihre Krankenutensilien, 
während die Sanitätscolonne der Kriegerkameradschaft die feld¬ 
ärztliche Improvisationstechnik in sehr anschaulicher Weise zur 
Darstellung gebracht hat: da sehen wir alle Arten von Wagen zum 
Verwundetentransnort. improvisirte Tragbahren, Nothfeldbett- 
stelle, ferner Feldkochapparate, eine Marschküche, einen Feldback¬ 
ofen. die californlsche Bodenheizung für Zelte und Baracken und 
Aehnliches mehr. Die interessanten Vorführungen der Colonne 
finden im Freien statt. 

So stellt sich auch die dieslährige Ausstellung in Ihrer Art 
als eine nach vielen Richtungen hin anregende und belehrende dar 
und wird dazu beitragen, ihren vornehmsten Zweck, der Kranken¬ 
pflege als bisherigen humanitären Pflichterfüllung den wissen¬ 
schaftlichen Boden und die wissenschaftliche Bedeutung, die ihr 
— richtig angewandt — Inne wohnt, zu verleihen, zur Erfüllung 
zu bringen.- ' 


Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Erweiterte Concessionspfljchtigkejt der Privat¬ 
krankenanstalten. 

(§30 der Gewerbeordnung.) 

Der Inhaber einer Naturheilanstalt, welche für Hydrotherapie 
eingerichtet war, hatte den die Anstalt besuchenden Patienten 
während der Zeit der Behandlung am Tage Aufenthalt bei sich 
durch Ueberlassung bestimmter Räume einschliesslich des Gartens 
zur Erholung, sowie vollständige vegetarische Beköstigung ge¬ 
währt. Eine Schlafstelle erhielten die von auswärts kommenden 
Patienten nicht, sondern sie wurden bei einer in der Nachbarschaft 

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UNIVERSiTY OF CALIFORNIA 



398 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


wohnenden Schlaf stellen vermletherin untergebracht, welche Ihre 
Zimmer für eigene Rechnung vermicthete. 

Der Inhaber der Naturhellanstalt hatte sein Unternehmen 
bei der Verwaltungsbehörde nicht zur Concesslonsertheilung an¬ 
gemeldet, da er seine darin geübte Praxis nicht für besonders con- 
cessionspfliclitig erachtete. Trotzdem wurde er eines Besseren 
belehrt durch eine seitens der Staatsbehörde gegen ihn aus § 30 und 
§ 147 No. 1 der Gewerbeordnung erhobene Anzeige, welche eine 
gerichtliche Bestrafung nach sich zog. 

Der Betreffende legte gegen das landgerichtliche Strafurtheil 
Revision zum Reichsgericht ein, dieses verwarf indess die Revision, 
und zwar aus folgenden Gesichtspunkten (4. Strafsenat, Ent¬ 
scheidung vom 7. Juli 1899): 

Es sei der Auffassung des k. preuss. Oberverwaltungsgerichts 
iUrtheil vom 1. April 1897) nicht beizutreten, w r elche eine unter 
§ 30 der G.-O. fallende, besonders concessionspfüchtige Privat¬ 
krankenanstalt nur dann erblicke, wenn Betten für die darin be¬ 
handelten Kranken vorhanden seien und zur Nachtzeit von diesen 
benützt würden. Nach den Vorschriften der neuen Novelle zur Ge¬ 
werbeordnung vom 6. August 1890 sei vielmehr die Eigenschaft 
derartiger privater Anstalten als einer Krankenanstalt im Sinne 
von § 30 der G.-O. nicht dadurch bedingt, dass die Kranken, die 
sich darin behandeln lassen, auch innerhalb des Hauses der An¬ 
stalt w r ohnen. Es fielen auch solche Privatanstalten unter die be¬ 
sondere Concessionspflicht, welche jenes Merkmal (Betten, Wohn- 
und Sehlafriiume für die zu Behandelnden) nicht besässen. Be¬ 
stimmte Anforderungen in Bezug auf Einrichtung Hessen sich an 
Privatkrankenonstalten nicht stellen, die Frage, ob eine solche con- 
cessionspflichtige Anstalt vorhanden sei, Hesse sich nur nach der 
Gesammtheit aller Verhältnisse des einzelnen Falles entscheiden. 
Werde in solchen Anstalten neben ärztlicher Behandlung auch 
Verpflegung auf längere Zeit gewährt, wenn auch ohne Wohnung 
mit Schlafstelle, so falle das Unternehmen unter den gesetzlichen 
Begriff der Privatkrankenanstalt, dürfe ohne vorherige 
Einholung der Concession der höheren Verwaltungsbehörde weder 
begonnen, noch fortgeführt werden, und hätten Unternehmer der¬ 
artiger Curanstalten Beschreibungen und Pläne über die baulichen 
und sonstigen technischen Einrichtungen der Anstalt dem Con- 
cessionsgesuche anzufügen. Seit dem Jahre 1896 seien sogar auch 
solche Privathellunternehmen hiezu verpflichtet, welche nur in 
einem Theil eines auch von anderen Personen bewohnten Gebäudes 
betrieben werden, sofern durch den Betrieb des Unternehmens 
für die Mitbewohner des Gebäudes Nachtheile oder Gefahren her¬ 
vorgerufen werden, oder wenn das Unternehmen gleichzeitig zur Auf¬ 
nahme von Personen mit ansteckenden Krankheiten oder von geistes¬ 
kranken Patienten dient. Immerhin müsse es sich aber um ein 
Unternehmen solcher Art von gewisser Dauer handeln, es müssten 
bestimmte Räume für eine Mehrheit, wenn auch tagsüber 
wechselnder Kranken darin eingerichtet sein und es müsste eine, 
wenn auch sich nicht auf die Nacht erstreckende und bloss zeit¬ 
weilige Aufnahme der Patienten in die Anstalt erfolgen. 
Seien diese Voraussetzungen gegeben, so verbinde sich mit dem 
Unternehmen keine blosse privatä.rztliche Heilanstalt, sondern eine 
Privatkrankenanstalt im Sinne von § 30 der G.-O. Ein ununter¬ 
brochener Aufenthalt in der Heilanstalt werde nicht erfordert zur 
Erfüllung der gesetzlichen Begriffsmerkmale, es genüge voll¬ 
kommen, wenn die Räume der Anstalt für die in derselben ärzt¬ 
liche Behandlung findenden Patienten den örtlichen Sammelpunkt 
bildeten, zu welchem die Patienten stetig zurtiekkehren und wo¬ 
selbst ihr Verhalten und Ihre Lebensweise in Verbindung mit anzu- 
wendenden Heilmethoden geregelt und überwacht würde. 

Dagegen werde durch blosse Aufnahme einzelner Kranker 
in die Wohnung und den Haushalt des behandelnden Arztes das 
Merkmal einer von dem Arzte unternommenen Krankenanstalt im 
Sinne von § 30 der Gewerbeordnung noch nicht begründet. Durch 
derartige vereinzelte Fälle der Cur. Verpflegung und Beherbergung 
des Patienten in der ärztlichen Behausung werde dem Arzte die 
Pflicht zur Anmeldung seiner Praxis als einer zugleich concessions- 
pflichtigen Privatkrankenanstalt nicht auferlegt. 

Findet in obigen Fällen auf Seite des Nichtanmeldenden die 
Anmeldung zur Concessionsertheilung aus rechtsirrthümlicher Auf¬ 
fassung nicht statt, so befreit dies den Unterlassenden nicht von 
Strafe und Kosten. Dr. Karl Schaefer. 


Referate und Bücheranzeigen. 

W. Migula, a. o. Professor an der technischen Hoch¬ 
schule zu Karlsruhe: System der Bacterien. II. Band. Specielle 
Systematik der Bacterien. Jena, Fischer, 1900. 32 M. Com- 
plet 42 M. 

In No. 22 des Jahrganges 1898 habe ich bei der Anzeige 
des ersten aUgemeinen Theiles des grossen vorliegenden Werkes 
Anlage und Ausführung als wohlgelungen bezeichnen können. 
Neben eigenen z. Th. werthvollen Beiträgen waren die Leistungen 
Anderer in maassvoller und sachlicher Kritik zweckentsprechend 
auf geführt. Man durfte mit Hecht gespannt sein, wie der Ver¬ 
fasser — einer der wenigen Botaniker, die sich eingehend und 
specialist isch mit Bacterien beschäftigen — die grosse und schwere 
Aufgabe lösen würde, eine umfassende Darstellung der Systematik 
der Bacterien zu schreiben. 

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Was wir heute vor uns haben, ist das umfangreichste Werk, 
was wir in deutscher Sprache und wohl in irgend einer Sprache 
über specielle Bacteriologie besitzen, 1070 Seiten sind mit Dia¬ 
gnosen gefüllt. 50 Streptococcen, 227 Mikrococcen, 55 Sarcinen, 
302Bacterien, 452Bacillen,79Pseudomonas,7Spirosoma, 63Mikro- 
spira, 16 Spirillum, 5 Spirochätenarten und eine Reihe höherer 
Spaltpilze werden nacheinander abgehandelt. Ein nicht unerheb¬ 
licher Theil steUt neue, von Migula und seinen Schülern auf- 
gestellte und benannte Arten dar; wie weit darin die Migula- 
sclie Schule geht, zeigte mir die Arbeit, welche Stubenrath 
in meinem Institut über Sarcinen ausführte, wobei wir ein gut 
Theil der Migula-Gruberaschen Originalarten kennen, aber 
nicht unterscheiden lernten. Diese wohl mehrere 100 betragenden 
eigenen Arten beschreibt Migula mit den früher von ihm resp. 
den Schülern gegebenen Diagnosen — nur ganz vereinzelt, findet 
sich einmal ein kritisches Wort angehängt, und doch hätte ihm 
eine kritische Untersuchung der zahlreichen Arten nach längerer 
Zeit gewiss zu mancher interessanten Beobachtung Anlass ge¬ 
boten, und wenn es nur Beobachtungen über Variabilität der 
Färbst offnuance und der Verflüssigung gewesen wären. Zu diesem 
Heere neuer Arten kommt nun — möglichst immer in den Worten 
der Originaldiagnose — die Beschreibung aller Arten, die Migula 
in der Literatur als Species mit oder ohne Namen fand, gleich- 
giltig, ob er selbst diese Arten gesehen oder nicht gesehen hatte. 
Sehr bedenklich muss es den, der Bacterien nach dem vorliegen¬ 
den Buche bestimmen will, stimmen, wenn Migula in der Vor¬ 
rede sagt, dass er von 600 Arten (etwa der Hälfte der von ihm 
nicht selbst neu auf gestellten), die er von auswärts erhielt und 
untersuchte, nur wenige den Originalbeschreibungen entsprechend 
fand, die meisten schienen entweder falsch bestimmt oder durch 
die lange Cultur bis zur Unkenntlichkeit verändert! Es finden 
sich offenbar desshalb auch bei den selbst nachuntersuchten von 
Anderen aufgestellten Arten nur sehr wenige kritische Be¬ 
merkungen. 

Ueber die Nomenclatur des Buches, die natürlich streng 
binominal ist, hoffe ich, Zeit zu finden, an anderer Stelle ausführ¬ 
lich zu sprechen, hier kann ich aber zwei Punkte wenigstens nicht 
unerwähnt lassen. Erstens ist die Trennung der geraden Stäb¬ 
chen in unbewegliche Bacterien und bewegliche Bacillen 
eine ganz ausserordentlich unglückliche. Es soll hier nicht unter¬ 
sucht werden, ob die Nomenclaturregeln eine solche Definition 
von Bacterium und Bacillus überhaupt gestatten, es soU nicht be¬ 
klagt werden, dass jetzt der Milzbrandbacillus als Bacterium an- 
thracis Migula und das Bacterium coli als Bacillus coli erscheint 
— das wäre unbequem, aber nicht unerträglich, dagegen heisst es 
aller botanisch systematischen Empfindung in’s Gesicht schlagen, 
wenn der Streptococcus lanceolatus, das Bacterium pneumoniae 
Friedländer und der Bacillus anthracis auf ihre Unbeweg¬ 
lichkeit hin in das Genus Bacterium vereinigt werden, 
während Bacterium coli, die Proteusarten, Bacillus subtilis und 
Bacillus tetani ihrer Eigenbewegung wegen als Ba¬ 
cillus zusammengefasst werden. Ich weiss sehr gut, dass sich 
jeder Zerlegung der Stäbchenbacterien Schwierigkeiten in den 
Weg stellen — sehr zu beklagen ist es aber, wenn von botanischer 
Seite solche absolut unnatürliche Systeme geschaffen werden. 
Unnatürlich, da Jeder weiss, dass in der Coligruppe im weitesten 
Sinn Arten nebeneinander stehen, die in allen Eigenschaften 
ausserordentlich nahe verwandt sind, dabei aber theils geisseilo<. 
theils polar, theils perithrich begeisselt sind. Aehnliches ist in 
der Milzbrandgruppe und in verschiedenen anderen Gruppen zu 
constatiren, ganz abgesehen von den immer zahlreicher werden¬ 
den Beobachtungen, dass von verschiedenen Arten begeisseltc 
und unbegeisselte Rassen Vorkommen. 

Zweitens' ist es mir zweifelhaft, ob es nicht mehr schadet 
als nützt, viele hunderte von Arten mit neuen lateinischen Namen 
zu benennen, ohne die Art selbst untersucht, ja häufig selbst ge¬ 
sehen zu haben. Darunter sehr viele Arten ohne jede charak¬ 
teristische Eigenschaft, Arten, welche Anfänger vor einer Reihe 
von Jahren kurz beschrieben und nur desshalb mit Buchstaben 
und Ziffern bezeichnet hatten, weil sie aus Unkenntnis^, 
Bequemlichkeit oder auch aus Bescheidenheit es nicht versuchten, 
die isolirten Arten mit schon beschriebenen zu identificiren, 
Arten endlich, die heute nirgendwo cultivirt werden. Dass jetzt 
dieser ganze Ballast durch Ertheilung wissenschaftlicher Namen 
in die Wissenschaft eingeführt und Jahrzehnte lang weiter ge- 

Original from 

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20. März 1900. 


MÜNGHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


399 


führt werden soll, halte ich für ein sehr zweifelhaftes Verdienst. 
Ja, wenn versucht wäre, diese Arten natürlich zu gruppiren, sie 
mit bekannten Arten in Beziehung zu bringen, sie in Form 
kritischer Anmerkungen zu erläutern! Aber nichts von alledem, 
sie stehen (ab und zu in ausführlichster Beschreibung) so unter 
den alten genau studirten Hauptarten, dass sie für jede Dia¬ 
gnose die grösste Schwierigkeit bereiten. 

Dies führt mich auf den Hauptmangel des Werkes. Nir¬ 
gends verräth ein Schlüssel, eine Bestimmungstabelle, dass der 
Verfasser versucht hat, sich selbst über die Dignität der mit- 
getheilten Arten und ihre Differentialdiagnose klar zu werden. 
Haben wir durch Beobachtung der Farbstoffbildung und Gelatine¬ 
verflüssigung die entsprechende Gruppe der fraglichen Gattung 
gefunden, so mögen wir nur fleissig Diagnosen durchlesen und 
unter 5—50 Arten, die alle hintereinander das geduldige Papier 
füllen, unseren Entscheid treffen. Ein mühsames und sicher 
wohl oft erfolgloses Beginnen, da uns der Autor so gar nicht 
dabei hilft! — Die zahlreichen Lichtdrucktafeln, fast ausschliess¬ 
lich gefärbte Deckglaspräparate darstellend, dürften in ihrer 
grossen Mehrzahl wenig Nutzen stiften, immerhin bringt ein 
Theil der Bilder seltenere charakteristische Formen, Geissei- oder 
Sporenpräparate, die erwünscht sind. 

Trotz dieser in meinen Augen schweren Mängel, die mich 
beim Lesen sehr oft an Eisenberg’s Zusammenstellung von Bae- 
teriendiagnosen mahnten, soll gerne anerkannt werden, dass der 
Verfasser mit grossem, wenn auch zuweilen einseitigem, Fleisse 
gesammelt, manches Interessante selbst beobachtet und dem 
Specialforscher manche Arbeit abgenommen hat. 

Es mag auch zugegeben werden, dass es weit die Kraft 
eines Mannes übersteigt, selbst nach vieljähriger Coneen- 
tration auf die Arbeit, ein solches umfassendes Werk so zu 
schreiben, wie es dem Referenten vorschwebt, und endlich, dass 
das Buch auch in seiner jetzigen Gestalt dem Specialforscher 
auf dem Gebiete der Bacteriensystematik zum Nachschlagen un¬ 
entbehrlich sein wird. Möge es mit Kritik gebraucht werden. 

K. B. Lehmann -Würzburg. 

Dr. med. Otto Thilo: Sperrvorrichtungen im Thierreich. 

Biolog. Centralbl. Bd. XIX, No. 15, 1. August 1899, 504 S. 

In dieser Arbeit veröffentlicht der Verfasser experimentelle 
Untersuchungen über die Bedeutung der noduli 
Arantii in den Herzklappen. Er fügte ein Stück Darm in 
ein starres Rohr. Aus Falten des Darmstückes bildete er mit 
Hilfe von Nähtchen Taschenventile, nach Art der Herzklappen. 
In der Mitte des freien Randes eines jeden Taschenventiles bildete 
er, gleichfalls durch Vernähen, ein kleines Knötchen, ähnlich 
den Knötchen der Herzklappen (noduli Arantii). Die Knötchen 
waren durchaus erforderlich, um ein schnelles Abspülen der 
Klappen von den Wandungen des Rohres zu ermöglichen und so 
einen schnellen Klappen Verschluss zu bewirken, wenn von oben 
her Wasser in das Rohr gegossen wurde. Klappen ohne Knötchen 
blieben häufig an der Rohrwandung haften und schlossen dann ent¬ 
weder gar nicht oder erst sehr allmählich, während Klappen mit 
Knötchen schnell und sicher schlossen. 

„Diese Versuche bewiesen also, dass die Knötchen der 
Taschenventile des Herzens für den Klappenverschluss ebenso 
wichtig sind, wie jene Anhängsel und Zipfel, die uns das 
Schliessen und Ooffnen unserer Futterale und Taschen so sehr 
erleichtern.“ 

In derselben Abhandlung weist auch T h. nach, dass die Zahl 
der Klappen in den Blutadern von der Stärke des Blutdruckes 
abhängt. Beim starken Drucke des Aortenblutes genügen drei 
Klappen, um schnell und vollständig den Blutstrom abzusperren, 
während beim schwachen Drucke des Venenblutes sehr zahlreiche 
Klappen erforderlich sind, um den Rückstrom des Blutes zu ver¬ 
hüten. Hieraus erklärt sich auch die bisher vollständig unerklärte 
Thatsache, dass bei einigen Fischarten die Herzklappen an der 
Kiemenarterie sehr zahlreich sind. Die Richtigkeit dieser An¬ 
nahme wird bewiesen: 

L Durch Untersuchungen von Grützner, welche fest¬ 
stellten, dass der Blutdruck in der Kiemenarterie der Fische sehr 
schwach ist. 

2. An Pumpen mit sehr schwachem Wasserdruck ist man ge- 
nöthigt, sehr zahlreiche Ventile über einander zu ordnen, wenn 

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man einen schnellen und sicheren Schluss der Ventile erreichen 
will. 

Hermann Cohn: Täfelchen zur Prüfung feinen Farben¬ 
sinns. Berlin 1900. O. Coblentz. 

Die Prüfung mit diesem Täfelchen besteht darin, dass man 
zunächst die auf rothem Grunde stehenden 16 schwarzen Hacken 
offen zeigt, dann mit dem Florpapier bedeckt. Wer nicht ganz 
feinen Farbensinn hat, kann nun die in der Contrastfarbe er¬ 
scheinenden Hacken nicht sehen. Dagegen sieht sie auch der 
Farbenblinde, wenn er sich ein rothes Glas vorhält. Die Probe 
ist sehr fein, denn wer nur etwas schwachen Farbensinn hat, 
besteht sie nicht. Ein Bahn- oder Marinearzt kann einem Be¬ 
werber, welcher sie besteht, mit absoluter Sicherheit bezüglich 
seines Farbensinns für tauglich erklären. S e g g e 1. 

Schulgesundheitslehre. Das Schulhaus und das Unter¬ 
richtswesen vom hygienischen Standpunkte für Aerzte, Lehrer, 
Verwaltungsbeamte und Architecten bearbeitet von Dr. H. Eulen- 
b e r g , geheimer Obermedicinalrath in Bonn und weil. Dr. Theod. 
Bach, Director des Falk-Realgymnasiums in Berlin. Zweite 
umgearbeitete Auflage. Berlin 1900. J. J. Heine’s Verlag. 
10 Lieferungen ä 3 M. 

Die erste Auflage dieses hochinteressanten, weil die ganze 
Materie der Schulhygiene erschöpfend behandelnden Werkes er¬ 
schien im Jahre 1889 und wurde von mir bereits in No. 19 der 
Münch, med. Wochenschr. vom Jahre 1890 besprochen. Die 
grosse Bedeutung dieses Werkes veranlass te bereits im Jahre 
1896 eine zweite, wesentlich umgearbeitete und mit allen Neue¬ 
rungen der fortschreitenden Zeit ausgestattete Auflage, auf deren 
Erscheinen ich in No. 12 dieses Blattes vom Jahre 1897 hin¬ 
gewiesen habe. Nachdem heute mit der 9. und 10. Lieferung 
das Werk abgeschlossen vor uns liegt, dürfte es am Platze sein, 
dasselbe nochmals einer kurzen Besprechung zu unterziehen. Ich 
habe schon mehrfach darauf hingewiesen, wie segensreich, aber 
auch wie dringend nothwendig speciell auf dem weiten Felde der 
Schulhygiene das einheitliche Zusammenwirken der beiden maass¬ 
gebenden Factoren, des Pädagogen und des Arztes, ist, und das 
vorliegende, von 2 hervorragenden Vertretern beider Stände ver¬ 
fasste Werk bietet die glücklichste Illustration zu dieser Be¬ 
hauptung. 

Die Forderungen, welche der Arzt als Gesundheitswächter an 
die Schule stellen muss im Interesse der normalen körperlichen 
und geistigen Entwicklung der heran wachsenden Jugend, diffe- 
riren häufig und intensiv mit den Pflichten des Lehrers, welcher 
einen bestimmten Lehrstoff in abgemessener Zeit zu bewältigen 
hat, und dafür verantwortlich gemacht wird, dass der ihm unter¬ 
stellten Schülerzahl ein gewisses Pensum richtig beigebracht wird. 
Gerade diese Differenz ist es, welche nur durch ein rationelles Zu¬ 
sammenwirken der beiden maassgebenden Factoren ausgeglichen 
werden kann, und welche in dem vorliegenden Werke in der besten 
Art und Weise ausgeglichen worden ist. Wir finden hier ein er¬ 
schöpfendes Compendium über alle in das Schulfach, in die Unter¬ 
richtsfrage überhaupt einschlägigen Materien in klarer. Jedem 
verständlicher Form ausgearbeitet, welches Werk in keiner Schul¬ 
bibliothek fehlen sollte, aber ebenso werthvoll für den Ver¬ 
waltungsbeamten, für den mit Schulbau und Einrichtung be¬ 
schäftigten Techniker und für den Arzt erscheint. Nach einem 
hochinteressanten historischen Ueberblick behandelt das Werk das 
Schulhaus nach allen nur denkbaren Richtungen vom hygie¬ 
nischen Standpunkte aus, vom Untergrund des Bauplatzes bis zur 
completen inneren Einrichtung, der Schulbank, den Vorrich¬ 
tungen für Heizung, Luftzufuhr und Beleuchtung, wobei die 
Abortanlagen einer ausführlichen Prüfung unterzogen werden, 
ebenso wie die Wasserversorgung. Letzterem Abschnitt ist eine 
interessante naturwissenschaftliche Abhandlung über die Wasser- 
thiere und Wasserpflanzen mit Abbildungen beigegeben. Hieran 
schliesst sich die Besprechung der Badegelegenheiten in den 
Schulen mit Plänen und Abbildungen und eine Besprechung des 
Schwimmunterrichtes sowie des Turnunterrichtes, wobei auch die 
Jugendspiele ihre berechtigte Würdigung finden. Im weiteren 
Abschnitte wird die Beziehung zwischen den Gesundheits¬ 
störungen der Schüler und dem Schulbesuch eingehend unter¬ 
sucht, das Lesen, Schreiben, Zeichnen in seinen Einwirkungen 
auf das körperliche Befinden des Lernenden geprüft und hieran 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



400 J 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. ia. 


eine ausführliche Besprechung der Kurzsichtigkeit in den Schulen 
angereiht. Die zweite Hälfte des Werkes beginnt mit einer Auf¬ 
zählung und klaren, auch für jeden Laien verständlichen Be¬ 
sprechung aller denkbaren Schülererkrankungen. Dem Lehrer 
wird dadurch das so nothwendige frühzeitige Erkennen von 
Krankheiten, speciell von Infectionskrankheiten wesentlich er¬ 
leichtert und hiebei auch das Desinfectionsverfahren besprochen. 
Eigene Capitel sind den Augenkrankheiten, den Krankheiten der 
Nase, der Mundhöhle, des Rachens, der Zähne und der Ohren ge¬ 
widmet. Nach dieser streng wissenschaftlichen, aber doch all¬ 
gemein verständlichen Besprechung aller möglichen Erkrankungs¬ 
formen wird die ärztliche Schulaufsicht besprochen, namentlich 
die nothwendige sachverständige Prüfung der Neuein tretenden 
auf ihre geistige und körperliche Befähigung zum Eintritt in die 
Schule und dann die Hygiene des Unterrichtes einer genauen 
Prüfung unterzogen. Den Schluss bildet eine ausführliche Ab¬ 
handlung über das Turnen, die Jugendspiele, das Schwimmen 
und Eisläufen und den Sport überhaupt. Die Angabe der das 
Turn wesen betreffenden Literatur, welche nur einzelne, von den 
Autoren benützte Arbeiten hervorhebt, zeigt, welche wohlver¬ 
diente Wichtigkeit von allen Seiten der körperlichen Ausbildung 
neben der geistigen Erziehung beigemessen wird. 

Diese kurze Inhaltsangabe wird schon genügen, um zu zeigen, 
dass das vorliegende Werk vom vereinigten ärztlichen und päda¬ 
gogischen Standpunkte aus das ganze weite Gebiet der Schul¬ 
gesundheitspflege nicht nur vollkommen erschöpfend behandelt, 
sondern auch die werthvollsten Gesichtspunkte angibt, nach 
welchen Alle, welche mit der Schule beschäftigt sind, Lehrer wie 
Aerzte, Verwaltungsbeamte wie Techniker, ihre Thatigkeit in 
der und für die Schule einzurichten und durchzuführen haben. 
Möchte dem hervorragenden Werke die allgemeine, wohlverdiente 
Verbreitung werden zum Segen der Schule und der heranwachsen- 
den Generation. Hofrath Dr. Brauser. 

Neueste Joumalliteratur. 

Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 9 u. 10. 

No. 9. Rudolph - Magdeburg : Zur Pathogenese der 
cyklischen Albuminurie. 

Der Verfasser bezeichnet die cyklische Albuminurie als eine 
Stauungsalbuminurie. Die constante ausschliessliche Abhängigkeit 
der Eiweissausscheidung von der aufrechten Stellung spricht für 
einen physikalischen Process als Ursache der Albuminurie, nicht 
für eiuen entzündlichen. Die Stauungsursache liegt wahrschein¬ 
lich in der Niere selbst und zwar in den Glomerulusgefässen. Eine 
Anzahl derselben haben durch einen voraufgegangenen entzünd¬ 
lichen Process im Glomerulus eine Alteration ihrer Wände er¬ 
fahren, die in einer Elasticitätseinbusse besteht. Die Gefässe sind 
in Folge dessen zwar noch im Stande, den Blutdruck beim ruhen¬ 
den Menschen zu ertragen, bei stärkerem Druck aber, wie er bei 
aufrechter Stellung des betreffenden Individuums auf ihnen lastet, 
werden sie für Blutserum permeabel. Die Prognose des Leidens 
ist günstig. Die Albuminurie ist allein abhängig von der Lage des 
Kranken, sie erscheint bei aufrechter Stellung und verschwindet 
im Liegen. Eine Therapie besitzen wir nicht. Bettruhe ist un- 
nöthig. Viel zweckmässiger ist es, die Kinder oft in’s Freie zu 
bringen. 

No. 10. Overlach- Greiz: Zur Kenntkiss einiger neuer 
Arzneimittel. 

Verfasser empfiehlt gegen Diarrhoeen ein neues Präparat, 
das Fortoin, welches dem früher öfters gebrauchten Cotoin verum 
ähnlich wirkt Das Fortoin ist ein Formaldehydcotoin, welches 
aus der Cotorinde gewonnen wird. Die Dosis des gelben krystal- 
linischen Pulvers beträgt 3 X 0,25 & täglich für Erwachsene. Der 
Erfolg ist gegen Durchfälle verschiedener Ursache ein sehr guter. 
Die Heilwirkung beruht, wie beim Cotoin, auf einer durch active, 
nicht paralytische Erweiterung der Bauchgefässe gesteigerten Er¬ 
nährung der Darmschleimhaut und dadurch beschleunigten Re¬ 
generation der abgestossenen Epithelien. W. Zinn- Berlin. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 10. 

1) A. E. N e u m a n n - Berlin: Forceps in mortua. Lebendes 
Kind. Bemerkungen über Tod in der Geburt und Entbindung 
in aufrechter Stellung wegen Orthopnoe. 

N. berichtet über zwei Fälle. Im ersten wurde 15 Minuten 
nach dem Tode der Mutter ein lebendes Mädchen mit der Zange 
geboren. Dasselbe blieb am Leben und wurde 20 Jahre später 
selbst mit der Zange entbunden. Im zweiten Falle machte N. bei 
einer 40 jährigen Frau mit Vitium cordis wegen hochgradigster 
Dyspnoe die künstliche Frühgeburt mittels Perforation des Kopfes 
und Extraction. Die ganze Procedur der Entbindung musste in 
stehender Stellung der Frau vorgenommen werden. Die 
Dyspnoe verschwand auch post partum erst, als Incisionen in die 
oedematösen Unterschenkel gemacht wurden. — N. glaubt, dass 
die Frau sofort gestorben wäre, wenn man sie in liegende Stellung 

Digitized by Google 


gebracht hätte, obgleich er selbst die Entbindung einer Frau unter 
so traurigen Umständen in stehender Stellung als „eine Art Grau¬ 
samkeit“ bezeichnet. Ob man nicht durch Incisionen vor der 
Entbindung der Pat. diese Grausamkeit hätte ersparen können? 

2) Ed. P r e i s s - Kattowitz: Ein Metreurynter. 

P. beschreint ein Instrument zur mechanischen Dilatation 
der Cervix, das er seit mehreren Jahren benutzt. Dasselbe be¬ 
steht aus einem Syphonsauger aus Gummi, der an einem Hobl- 
eylinder befestigt ist, welcher aus mit Gummilösung impragnirtem 
Baumwollgeilecht (nach Art der braunen englischen Katheter) 
hergestellt ist. 

P. hat das Instrument bei Eklampsie Mehrgebärender, bei 
Placenta praevia und bei Koeiiotomien zur Hebung des Becken¬ 
bodens mit Erfolg benutzt. J a f f 6 - Hamburg. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 11. 

1) E. P o n f i c k - Breslau: Die Entwicklung der Ent- 
zündungslehre im 19. Jahrhundert. (Fortsetzung folgt.) 

2) YV. K o 11 e - Berlin: budarrika, seine vorherrschenden 
Krankheiten und gesundheitlichen Verhältnisse. 

Cfr. Referat hierüber pag. 135 der Münch, med. Wochen sehr. 

3) N o e b e 1 - Zittau und Löhnberg: Aetioiogie und opera¬ 
tive Radicalheilung der genuinen Ozaena. (Schluss foigt.) 

4) O. R o s e n b a c h - Berlin: Die Pathogenese und Therapie 
der sogen. Fissura ani. 

R. hält es zunächst im Gegensatz zur gewöhnlichen Anschauung 
für höchst wahrscheinlich, dass Mastdarmkrampf nicht mit Fissura 
ani identisch ist und dass es für die Therapie der Affection am 
vv esentlichsten ist, den abnormen Zustand des Muskeltonus 
am Mastdarm zu beseitigen. Chirurgische Eingriffe stehen bei 
diesem Leiden durchaus nicht in erster Reihe, vor Allem muss zu¬ 
nächst die zu Grunde liegende Nervosität behandelt werden, spe¬ 
ciell die perverse Innervation der betreffenden Muskelgebiete. Der 
Mastdarmkrampf rührt von Reizzuständen im Mastdarm her, die 
Grösse der Beschwerden hängt nicht von dem Umfang des Ulcus 
ab, sondern von einer Hyperaesthesie der ganzen Umgebung des 
Anus. Die Wunde heilt nach R. erst nach Beseitigung des 
Krampfes. Letzterer ist also das Primäre. Zur Beseitigung des 
abnormen Verhaltens des Schliessmuskelapparates, durch das die 
chronische Obstipation bei diesen Fällen bedingt ist, empfiehlt Ver¬ 
fasser, den Patienten anzuhalten, die schmerzhaften Theile zu be¬ 
rühren und mit dem eigenen Finger tastend in den Anus einzu¬ 
dringen. Gelingt dies, so wird ein Mastdarmrohr von erst ge¬ 
ringem, später grösserem Durchmesser zur Einführung gebraebt, 
der Stuhlgang durch milde Laxantia geregelt. Stuhldrang muss 
Anfangs stets mit der Einführung des Fingers beantwortet werden, 
um festzustellen, ob der Drang grundlos ist oder nicht. Nach 4—5 
Tagen tritt bereits eine wesentliche Besserung des localen und all¬ 
gemeinen Befindens ein, wie R. an vielen solchen Fällen später 
geheilter Fissura ani gesehen hat. 

5) Scheele -Wiesbaden: Ueber Glasbläsermund und seine 
Complic&tionen. 

Verfasser beobachtete an einem 31 jährigen Glasbläser, der 
wegen epileptischer Krämpfe zur Beobachtung kam, an beiden 
Wangen einen vom Ohr zum Mundwinkel laufenden Strang. Die 
daumendicken Wülste (cfr. die Abbildungen!) fühlten sich luft¬ 
kissenartig an, wie bei subcutanem Emphysem. Bei Druck auf 
die Backe entleerte sich luftgemischter Speichel aus dem Ste- 
noniani’schen Gang, in den beim Glasblasen Luft hineingepresst 
worden war. Die Mundhöhle war kolossal erweitert, das Epithel 
verändert, die Wangenmusculatur rarefieirt, so dass sie sich tra¬ 
bekelartig anfühlte. Zugleich bestand bei dem Manne eine Laby- 
rinthaffeetion. Die Dilatation der Speichelgänge beruht wahr¬ 
scheinlich auf unrichtigem Blasen. Epithel Veränderungen der 
Mundschleimhaut (Plaques opalines) kommen bei Glasbläsern 
öfter vor. Ob die Krämpfe des Patienten mit seinem Berufe zu- 
zusammenhängen, ist nicht zu entscheiden. Die auch bei diesem 
Patienten vorhandene Verunstaltung der Hände (Auftreibung der 
1. Phalangealgelenke von 4 Fingern) findet sich bei Glasbläsern 
nicht selten und hängt mit ihren Hantirungen zusammen. 

Dr. Grassmann -Müuchen. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 10. 

1) Hermes: Ein Fall von gleichzeitiger Extra- und Intra¬ 
uteringravidität. (Aus der chirurgischen Abtheilung des städt. 
Krankenhauses Moabit in Berlin.) 

Die Literatur dieser seltenen Coincidenz ist nicht sehr zahl¬ 
reich. Gutzwiller hat 1893 im Archiv für Gynäkologie 
18 Fälle zusammengestellt, 3 weitere aus deutschen und 4 aus 
amerikanischen Quellen werden angeführt, so dass mit dem hier 
beschriebenen 26 Fälle von gleichzeitig vorhandener Extra- und 
Intrauterinschwangerschaft klinisch beobachtet und veröffentlicht 
sind. 

2) Egbert B r a a t z - Königsberg: Zur operativen Spaltung 
der Niere. 

Interessante Mittheilung über temporäre, 3 Jahre andauernde 
Heilung von heftiger Nephralgie durch operative Spaltung der 
Niere. Wie die später ausgeführte Nephrektomie zeigte, beruhten 
die Nierenschmerzen auf tuberculöser Abscessbildung und waren 
die damals von der Spaltung getroffenen Herde vollständig aus¬ 
geheilt, während eine Weiterverbreitung des tuberculösen Processes 
in den nicht getroffenen Theilen des Organes die spätere Exstir¬ 
pation nöthig machte. 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



20. März 1900. 


401 


MÜNCHRNKR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


3) Gustav K 1111 a n - Freiburg i. B.: Ein vier Jahre lang 
in der rechten Lunge steckendes Knochenstück auf natürlichem 
Wege entfernt. 

Nachdem weder die Laryngoskopie noch die directe Broncho¬ 
skopie ein Resultat ergaben, gelang es durch Anwendung der 
lateralen oberen Bronchoskopie, den Sitz des Fremdkörpers im 
rechten Hauptbronchus zu entdecken und nach einigen vergeb¬ 
lichen Versuchen, denselben auch glücklich zu extrahireu. 

4) G. Z e p 1 e r - Berlin: Beiträge zur orthopädischen Be¬ 
handlung der Lageveränderungen des Uterus. Quere Spreitzung 
des Scheidengewölbes. 

(Schluss folgt.) 

5) A. Eulenburg: Neues Instrumentarium zur An¬ 
wendung der Vibrationsmassage. 

Modlflcation des von Ewer angegebenen Instrumentes nach 
W. A. H i r s c h m a n n. 

Aus der ärztlichen Praxis. 

6) Max Heim- Swinemünde: Ueber das Vorkommen von 
Ascaris lumbricoides und durch dieselbe hervorgerufene 
schwere nervöse Symptome bei Kindern unter einem Jahre. 

Beschreibung zweier Fälle. 

7) F. Leopold: Der Küchenkoller. 

In dieser als „social-medicinisclie Studie“ bezeichneten Ab¬ 
handlung construirt L. analog dem Tropenkoller einen „Küchen¬ 
koller“. Nach Ausicht des Referenten dürfte in den meisten Fällen 
die Diagnose „Hysterie“ zur Erklärung des betreffenden Zustandes 
genügen. Nachdem der Tropenkoller schon als Entschuldigung 
für gewisse Verbrechen angenommen wird, fehlte es gerade noch, 
dass unsere Küchentrabanten sich bei ihren Launen auf einen 
„Küchenkoller“ ausreden könnten. F. Lacher- München. 

Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg 

No. 5. 

F. Siebenmann-Basel: Ueber Ozaena (Rhinitis atro¬ 
ph! ca simplex und foetida). 

Als das Primäre für das ganze, nunmehr abgeschlossene 
Krankheitsbild der Ozaena ist wohl die Metaplasie der Naseu- 
schleimhaut anzusehen. Aber während diese sich häufig, besonders 
bei trockenem Katarrh der oberen Luftwege, findet, ohne Sym¬ 
ptome zu machen, scheint das eigentliche klinische Bild der 
Ozaena (Borkenbildung) bedingt durch das Zusammentreffen der 
Metaplasie mit einer weiten Nase — einer Theilerscheinuug der 
Ckamaeprosopie (Breitgesielitigkeit) — die eine Verlangsamung des 
Luftstroms, eine Becretstagnation bewirkt und die gegenseitige 
Reizung der gegenüberliegenden Schleimhautflächen unmöglich 
macht. Auch die Muschelatrophie (die nicht absolut zur Ozaena 
gehört) ist wohl secundär, vielleicht in Folge ungenügender Blut¬ 
versorgung vom metaplasirten -Gebiet her. Die gefundenen Bae- 
terlen sind nicht die Ursache der Ozaena, sie wurden noch nie im 
Gewebe selbst gefunden. 

Therapie: Salzwasserlnjection mit stossweise wirkender 
Pumpe. 

Johannes S e i t z - Zürich: Darmbacterien und Darmbac- 
teriengifte im Gehirn. (Schluss.) 

Ausführlicher Bericht über 5 Fälle von Darm- (und in 
3 Fällen Bauchfell-) -Entzündung mit sehr schweren allgemeinen 
Gehirnsymptomen (ohne Herdsymptome und ohne speciellen Sec- 
tionsbefund), die tlieils als Coliaemie (2 mal Colibacillen im Gehirn 
bei der Seetion), theils als Colitoxlnaemie erklärt werden. Opium¬ 
darreichung wird widerrathen, um den Verlauf nicht zu trüben. 

lMschinger. 

Ophthalmologie. 

H. K u h n t: Ausgedehnte Tubereulose der Bindehaut und 
Cornea, geheilt durch Auftreten eines Erysipelas faciei. (Zeitschr. 
f. Augenheilk., Bd. III, Heft 2, S. 14(5.) 

Boi einer 9 jährigen Arbeiterstochter fand sich die Bindehaut 
des linken unteren Lides im Bereiche des Tarsus und der Ueber- 
gangsfalte. sowie die Bindehaut der Sklera in der ganzen tempo¬ 
ralen Hälfte in ein grauröthliches Grauulationsgewebe verwandelt. 
Fast über die ganze Cornea zog sich ein pannusartiges Gewebe 
mit kleinsten grauen Knötchen. Die linke Praeaurieulardrüse war 
stark geschwellt und in Abscedirung. ebenso die Subtnaxillar- und 
Sublingualdrüsen. Sowohl die bacteriologische Untersuchung als 
der Impf versuch fielen durchaus positiv für Tuberculose aus. 

Der in Bewegung gesetzte Heilapparat — Ausschabung der 
Drüsen und der Uleera, Jodoform, Massage mit Jodoformvaseline, 
kräftige Ernährung, Kreosot und Jodpräparate innerlich, Bäder — 
blieb ohne jeden sichtbaren Erfolg. Etwa 4 Monate nach Be¬ 
ginn der Behandlung erfolgte der Ausbruch eines Erysipelas faciei. 
Nach Abheilung desselben wurde constatirt, dass die Bindehaut am 
linken unteren Lid zwar noch verdickt und trübe, aber völlig glatt 
und frei von distincten pathologischen Einlagerungen geworden 
war. Auch das Geschwür im Bereich der Conjuuctiva bulbi war 
geschwunden. Mässiges Symblepharon posterius in der tempo¬ 
ralen Hälfte der Foruix. Cornea in toto oberflächlich diffus ge¬ 
trübt, glatt, Pannus tenuis totalls. Mässige schleimige und eiterige 
Secretion. Strahlige Narbe in der Regio praeauricularis. 

Zur Erklärung des Heilprocesses könnte man nach dem Ver¬ 
fasser vermuthen, dass es sich um eine Toxinwirkung handele, 
um einen Vorgang, ähnlich dem bewiesenen Antagonismus 
zwischen Erysipelapstreptococcen und Milzbrandbacillen. Pis könnte 
auch daran gedaeht .werden, dass der -mit dem Erysipel sich ab- 

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spielende Entzündungsprocess an sich so wesentliche Verände¬ 
rungen der Gewebssäfte lierbeiführte, dass diese für den Tuberkel¬ 
bacillus, sei es durch Fern-, sei es durch Allgemeinwirkung den 
Nährboden abgriibeu. Für eine Allgemeinwirkung spricht das 
eclataute Zurückgeheu der Schwellungen und das Vernarben der 
uleerirenden Drüsen. 

S. Bäck: Heilung eines Falles von schwerem Pannus 
trachomatosus durch ein intercurrentes Erysipel. (Klin. Monatsbl. 
f. Augenheilk., Februarheft 1900, S. 97.) 

Die Patientin, ein 22 jähriges Mädchen von ganz ausge¬ 
sprochenem Habitus skrophulosus, war wegen Trachom in Behand¬ 
lung (auf Tuberkelbacillen wurde, wie es scheint, nicht untersucht. 
Der Ref.b Die Hornhäute beider Augen waren mit einem dichten, 
sulzigen Pannus bedeckt, in dessen Mitte sich zahlreiche kleine Ge- 
schwürchen befanden. Die angewandte Therapie: Ausrollung des 
Oberlides mit der K u a p p’sehen Pincette; Touchlrung mit dem 
Cuprumstift; Einträufelungen von Atropin und Cocain konnten nur 
vorübergehend geriuge Besserung erzielen. Da stellte sich plötz¬ 
lich ein Erysipel ein, das ain rechten Nasenwinkel begann und bald 
auch auf linke Gesichtslnilfte und Schädel Übergriff. Als das Ery- 
sipel nach etwa 14 Tagen abgeheilt war, konnte mau bemerken, 
dass der dichte Pannus auf beiden Hornhäuten fast vollkommen 
— bis auf 1—2 kleine Gefässcben —- geschwunden war, dass die 
dichten Hornhauttrübungen sieh bedeutend aufgehellt hatten. Die 
Besserung hat angehalten. 

Verfasser ist der Anschauung, dass der curative Einfluss des 
Erysipels zurückzuführen ist auf das in den Lymplibahnen 
kreisende Erysipeltoxin, das wahrscheinlich durch Einleitung re¬ 
gressiver Metamorphosen (Fettmetamorphose) sich äussert. 

B u 11 o t - Brüssel: Ueber die Impermeabilität des Epithelium 
corneae für Sauerstoff. (Vortrag in der Sociöte beige d’ophthalmo- 
logie in Brüssel am 20. November 1899. Bericht im Ceutralbl. f. 
Augenheilk., Februar 1900, S. 50.) 

In einer früheren Sitzung hatte Vortragender nachgewiesen, 
dass ein enueleirtes Kaninchenauge, für einen Tag in die Peri¬ 
tonealhöhle eingepflanzt, sein Endothel verliert. Wenn dagegen 
au einer Stelle oder überall das Epithel abgekratzt wird, so bleibt 
das correspoudirende Endothel an eben der Stelle erhalten. ' Das 
Epithel übt demnach einen schädlichen Einfluss auf das Eudo- 
tliel aus. Die jetzige Mittheilung erforscht die Ursache dieser Er¬ 
scheinung. Wird ein Auge euucleirt, so bekommt es kein Blut mehr 
zugeführt, also keinen Sauerstoff, keine Nahrung. Wie stirbt das 
Endothel, erstickt oder vor Hunger? Wird ein solches Auge in einer 
feuchten Atmosphäre von 37° im Brutschrank gehalten, so bleibt 
das Endothel am Leben; demnach ist der Mangel an Nahrung nicht 
die Ursache. Die Luft enthält 20 Proe. Sauerstoff, die Peritoneal¬ 
flüssigkeit kann höchstens 3 Proe. enthalten; es ist also wahr¬ 
scheinlich, dass die Permeabilität des Epithels zu gering ist für 
3 proe. Ox.vgen oder weniger. Um dieses zu eontroliren, suspen- 
dirte Vortr. Augen in Blutserum, von denen einige normal, andere 
des Epithels beraubt waren. Iu einigen Experimenten wurde das 
Blutserum gelassen wie es war; in anderen wurde beständig Luft 
durchgeführt; meistens trat Zersetzung durch Infection ein. In 
3 Fällen mit Luftserum nicht, und da schwand das Endothel, wenn 
das Epithel intact war und bliel», wenn es abgeschabt worden. 

Eine andere Versuchsreihe war folgende: es wurden 4 Volum 
Hydrogen mit 1 Volum Luft gemischt; hierin blieb das Endothel 
erhalten, ob (las Epithel vorhanden war oder nicht; bei (3 Hydrogen 
-f- 1 Luft blieb es erhalten, wenn das Epithel entfernt war. sonst 
nicht; demnach wie in der Peritonealhöhle; in nahezu reinem 
Wasserstoff starb das Endothel immer. Wenn in ein Gemenge 
von 0 Wasserstoff -f 1 Luft ein Auge gebracht wird, worauf ein 
Tröpfchen Paraffin oder ein Ginsring gelegt ist, so schwindet das 
Epithel an den entsprechenden Stellen; wird auf ein abgekratztes 
Auge an einer Stelle der Cornea lebendes, abgekratztes Epithel 
gebracht, so schwindet das Endothel in dem entsprechenden Be¬ 
zirk; wird aber das abgekratzte Epithel vorher durch Chloroform 
abgerödtet. so übt es diese Einwirkung nicht mehr aus. Vortr. 
zieht hieraus die Schlussfolgerung, dass das lebende Epithel durch 
seine relative Impermeabilitüt für Sauerstoff den Tod des Endo- 
theils in transplautirteii Augen hervorruft. 

R ö nier: Die conservative Behandlung der perforirenden 
Bulbusverletzungen und ihr Ergebniss. (Zeitschr. f. prakt. Aerzte 
1899, No. 11.) 

Die Statistik umfasst 20(5 Kranke, welche sämmtlich mit noch 
offener Wunde in der Universitäts-Augenklinik in Halle zur Auf¬ 
nahme kamen. Die conservative Therapie wird dort bei allen Ver¬ 
letzungen versucht, wo nicht die Contenta des Bulbus zum 
grössten Theile ausgetreten sind. Selbst das scheinbare Fehlen 
von Lichtschein und Projectiou ist keine Contraindication, weil 
erfahrungsgeniäss die Angaben der Patienten unmittelbar nach 
der Verletzung unzuverlässig sind. Die sofortige Enucleation 
wurde nur bei völliger Zerreissung des Bulbus vorgenommen; 
die s e c u u d ä r e , wenn Pauoplitiiftlmie drohte. 


Das Gesammtresultat ist: 

Zahl der verletzten Augen.2(50 

Verlust des Auges.09 25.93 Proe. 

Mit Erhaltung der Form geheilt .... 33 — 12.40 „ 

Mit Erhaltung von S < 0,1 geheilt ... 36 = 13,53 ,, 


Mit Erhaltung von S r= 0.1—1,0 geheilt . 128 = 48,12 „ 

206 

Michaelsen : Zur Beurtheilung des C r e d <§’sehen Ver¬ 
fahrens bei Neugeborenen. (Acrztl. Sachverständigenztg. 1900, 
No. 2.) 

Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 




402 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


Verfasser hält das C r e d 6’sche Verfahren für segensreich in 
Entbindungsanstalten, für nicht geeignet aber zur Freigabe an 
die Hebammen in der Privatpraxis, sintemalen deren Intelligenz 
und Geschicklichkeit in vielen Fällen ungenügend ist Zur lllu- 
strirung führt Verf. einen forensischen Fall an: eine Hebamme, 
der ihre 2 proc. Höllensteinlösung ausgelaufen war, liess sich 
rasch aus der nächsten Droguerie eine neue Lösung holen und 
träufelte diese wahrscheinlich 20 proc. Lösung l»ei zwei Neuge¬ 
borenen prophylaktisch ein. Bei allen vier so behandelten Augen 
entstanden schwere Anätzungen, die noch dazu in der ersten Zeit 
von der Hebamme übersehen wurden. 

Plaut: Didgangraen im Anschluss an übermässige Eis¬ 
anwendung. (Zehender’s klin. Monatsbl. f. Augenheilk., Januar 
1800.) 

Bei einer 43 jährigen Dienstmagd, der durch 24 Stunden eine 
mit Eis gefüllte Schweinsblase direct auf die Lider applicirt 
worden war, trat ausgedehnte Nekrose des Unterlids und eben¬ 
solche von etwas geringerem Umfang des Oberlids ein. Durch 
Geschwürsbildung wurden die nekrotischen Theile allmählich ab- 
gestossen. Hiebei zeigte sich, dass die Nekrose nur das äussere 
Blatt des Lides betraf, während Tarsus und Conjunctiva heil 
blieben. Die Defecte überkleideten sich von den Rändern her 
vollständig, die Stellung des Lides blieb auch nach der vollendeten 
Vernarbung eine gute. R h e i n - München. 

L .. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 10. 

1) G. H o 1 z k n e c h t - Wien: Das radiographische Verhalten 
der normalen Brustaorta. 

Eingangs seines Artikels, der ohne die dazu gehörigen Zeich¬ 
nungen schwer in ein kurzes Referat zusammengefasst werden 
kann, weist H. darauf hin, dass es unrichtig ist, aus Vorbauchungen 
am Schattenbilde der Brustaorta ohne Weiteres auf Aneurysmen 
der letzteren zu schliessen. Verfasser hat das Verhalten der nor¬ 
malen Aorta bei der Durchleuchtung von allen Richtungen her 
untersucht und reproducirt die so erhaltenen Bilder. Das Er¬ 
gebnis der sagittalen Durchstrahlungeu Ist, dass kein Theil der 
Brustaorta als distincter Schatten im Bilde sichtbar wird, sondern 
die ganze normale Brustaorta durch den Mittelschatten gedeckt ist. 
Bemerkenswert!» sind die bei frontaler und schräger Durchleuch¬ 
tung gewonnenen Bilder (cfr. Original!), auf deren Einzeluheiten 
hier nicht eingegangen werden kann. 

2) Frz. Hansy- Baden b. Wien: Ein Fall von angeborener 
stenogirender Pylorushypertrophie. 

Der 11 jährige Patient zeigte auffallend grossen Leib, eine 
Vorwölbung nach links und unten vom Nabel, öfter Erbrechen 
unverdauter Massen, Symptome von Magendilatation. Die Laparo¬ 
tomie erwies die ganze linke Bauchseite von dem kolossalen dlla- 
tirten Magen eingenommen; der Pylorus zeigte sich als walzen¬ 
förmiger, frei beweglicher, glatter Tumor. Es wurde die Gastro¬ 
enterostomie gemacht, die Ileumschlinge mittels Murphyknopfes 
an die hintere Magemvand fixirt. Verlauf trotz anfänglichen Er¬ 
brechens günstig, das Körpergewicht stieg bald um 7 kg. In thera¬ 
peutischer Hinsicht kamen zunächst methodische Magenspülungen, 
im Uebrigen die Operation in Betracht. Die Laparotomie, sogar mit 
Gastroenterostomie scheint dem Verfasser ein nicht unverhältniss- 
mässlg schwerer Eingriff gegenüber einer ganzen Serie von Magen¬ 
spülungen. Die Resection des hypertrophischen Pylorus dürfte 
selten gerechtfertigt sein. 

3) H. L e w k o w i c z - Krakau: Zur Biologie der Malaria¬ 
parasiten. 

L. konnte binnen 3 Jahren 440 Malariafälle genau beobachten, 
darunter 406 Fälle der gewöhnlichen Tertiana und Quartana, 40 der 
langintervallären Fieber. Zunächst stellt Verfasser literarische An¬ 
gaben über die Abarten der Malariaparasiten zusammen und be¬ 
spricht sodann auf Grund seiner sehr zahlreichen eigenen Unter¬ 
suchungen das Nähere über den Bau der Parasiten. Bezüglich 
der Unität oder Pluralität der letzteren bekennt sich L. zum Uni- 
cismus. Der 2. Theil der Arbeit wird der sorgfältigen klinischen 
Darstellung von 10 Malariafällen gewidmet (mit mehreren Fieber¬ 
kurven); doch muss bezüglich der zahlreichen Einzelangaben auf 
das Original verwiesen werden. Die Mehrzahl dieser Fälle spricht 
für eine 22 tägige Entwickelungsdauer der Parasiten. Letztere 
scheinen nur im menschlichen Blute überwintern zu können. Die 
Vorbeugung der nächsten Malariaepidemie müsste demnach durch 
Heilung der chronischen Fälle wöhrend des Winters bewirkt 
werden. Dr. Grass mann - München. 

Wiener klinische Presse. 1900. No. 11. 

L. Fürst- Berlin : Dassen sich Influenza und deren 
schwere Complicationen coupirenP 

F. bejaht die Frage und empfiehlt, unter Einhaltung möglichst 
strenger Allgemeinbehandlung vom ersten Beginn der Erkrankung 
an täglich dreimal 1 g Salipyrin, nach der Entfieberung bis zur 
völligen Herstellung die Hälfte dieser Gaben zu verordnen. Der 
Verlauf soll dadurch in der Regel sehr gemildert, die Ausbildung 
einer Pneumonie verhindert werden. 

Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 8 u. 9 

H. Kantor-Warnsdorf: Zur Naturheilbewegung. 

Das lesenswerthe Referat gibt u. a. auch Anregung zu Ver¬ 
gleichen zwischen deutschen und österreichischen Verhältnissen. 

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Wir erfahren z. B., dass in Wien Tagesblätter wegen Aufnahme 
curpfuscherischer Inserate conflscirt, dass Vorträge ausländischer 
Curpfuscher verboten wurden u. s. w. 

Ibidem No. 9 u. 10. 

F. Weleminsky - Prag: lieber die mechanische Ge¬ 
winnung bactericider Leukocytenstoffe. 

W. berichtet im Einzelnen über zwölf Versuche Im Hueppe- 
sehen Laboratorium bezüglich dieser strittigen Frage und betont 
zum Schluss die Unregelmässigkeit der Resultate im Gegensätze 
zu der Schärfe rein chemischer Experimente. Pdsitive Ergebnisse 
dürften stets auf nebenhergehender chemischer Reizung beruhen. 
Die intacten Leukocyteu enthalten keine zur Secretlon geeignete 
bactericide Substanz; erst auf bestimmte Reize hin scheint eine 
solche gebildet zu werden. 

Ibidem No. 10. 

R. Herz- Prag: Ueber Gonococcenfärbung mit Neutr&l- 
roth. 

Die Gonococcen besitzen eine gewisse, aber nicht speciflsche 
Affinität zu dem von Ehrlich empfohlenen Neutralrotli. Dieses 
hat speciell für den Nachweis spärlicher extracellulärer Gonococcen 
keinen Vorzug vor den anderen geläufigen Färbemitteln. 

Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 8 u. 9. 

M. K a s s o w i tz-Wien: Kritisches über Diphtheriebacillen 
und Heilserum. 

Eine bedeutende Rolle 4n K.’s Erörterungen, die wir nicht In 
Einzelheiten verfolgen können, spielt die Thatsache, dass viele 
von den diphtherieähnlichen Fällen, bei denen der Löffle rische 
Bacillus nicht gefunden wird, doch einen durchaus schweren, oft 
tödtlichen Verlauf nehmen; solche bacillenlose Fälle weisen auch 
gar nicht selten „postdiphtheritische“ Lähmungen auf. Da weiters 
der genannte Bacillus häufig in der Mundhöhle ganz gesunder 
Kinder vorkommt, bleibt K. dabei bestehen, diesen Bacillus niclu 
als den Erreger der Diphtherie anzuerkennen. 

Ibidem No. 10. 

L. Concetti-Rom: Kasche Methode zur bacteriologi- 
schen Diagnose der Diphtherie. 

Auf Concetti’s Klinik werden Stäbchen, armirt mit steriler 
mit Glucose-Glycerin-Agar-Agar imprägnirter Watte, bereit ge¬ 
halten. Mit diesen werden die Rachenbeläge abgewischt. Auf dem 
Tampon wachsen dann im Thermostaten bereits nach 4—5 Stunden 
eventuell Diphtheriebacillen heran; zu deren mikroskopischen Nach¬ 
weis empfiehlt sich das N e I s s e rische Verfahren. (Methyleu- 
blau-Vesuvin). B e r g e a t - München. 


Vereins- und Congressberichte. 

Berliner medicinische Gesellschaft siehe Seite 406. 

Verein Freiburger Aerzte. 

(Eigeuer Bericht.) 

Sitzung vom 26. Januar 1900. 

1. Herr Geh.-Rath Bäumler: Zur Diagnose der durch 
gewerbliche Staubinhalation hervorgerufenen Lungenverände¬ 
rungen. (Erscheint an anderer Stelle dieser Wochenschr.) 

2. Herr M e i s e 1 stellt ein 22 jähriges Mädchen vor, bei 
welchem von Herrn Hofrath Kraske wegen Drucklähmung 
des Dorsalmarks in Folge von Spondylitis tubdrculosa eine von 
gutem Erfolge begleitete Operation vorgenomihen worden war. 

Zuvor gibt Vortragender einen kurzen historischen Ueber- 
blick über die Behandlung der Drucklähmung überhaupt und 
weist darauf hin, dass die grossen Hoffnungen, welche die Chi¬ 
rurgen nach den ersten glänzenden Erfolgen Macewen’s (1888) 
von der Eröffnung des Wirbeleanals erwartet hatten, durch 
spätere weniger günstige Erfahrungen getrübt wurden. Auf dein 
letzten Congress trat Trendelenburg (1899) warm für die 
nach seiner Meinung mit Unrecht in Misscredit gekommene 
Operation ein. Kraske hält dagegen an seiner auf dem 19, Chi- 
rurgcncongress (1890) ausgesprochenen Ansicht auch heute noch 
fest. Kraske erhob damals auf Grund seiner Erfahrungen ge¬ 
wichtige Bedenken gegen die an sieh rationelle und dahkens- 
werthe Operation. Seiner Ansicht schlossen sich König, 
H o f f a und andere Chirurgen an. Er betonte besonders, dass 
die Operation nur gegen ein Symptom gerichtet sei, während sie 
die ursächliche Erkrankung, die Caries des Wirbelkörpers, un¬ 
beeinflusst lasse. Sie vermöge zwar den schädlichen Druck auf 
das Mark zu beseitigen und zuweilen sehr bald schon, oder erst 
nach Wochen eine Besserung der Lähmung herbeizuführen, aber 
sie gewähre, da sie nicht radical sein könne, keine Sicherheit 
gegen Rückfälle und schädige nicht selten den Kranken in 
seinem Allgemeinzustand. Denn der Eingriff sei schwer, mit 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



20, März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


403 


Blutungen verbunden und mache stets ein längeres Krankenlager 
nothwendig, da die Wirbelsäule durch Resection der Bögen ihres 
Haltes beraubt sei. Eine Besserung der Lähmung aber ohne 
Operation sei a priori nicht auszuschliesson. Denn die Lähmung 
sei in der Mehrzahl der Fälle durch ein epidurales Exsudat, nur 
in 2 Proc. der Fälle durch Dislocation der Wirbelkörper bedingt. 
Kraske steht auch heute noch auf dem damals vertretenen 
Standpunkt. Die seitdem gemachten Erfahrungen haben seine 
früheren Ansichten bestätigt; ausserdem aber hat er inzwischen 
schwere Lähmungen bei indifferenter Behandlung heilen sehen. 
Auch in der Klinik von Herrn Geheimrath Bäumlcr sind solche 
Fälle beobachtet. Eine Zusammenstellung der in der chirurgischen 
und medicinischen Klinik in Tübingen behandelten Fälle ergibt 
nach Eeinert mehr als 30 Proc. Heilungen, bei Extensions¬ 
behandlung sogar über 50 Proc. 

Für indicirt hält Kraske den chirurgischen Eingriff dann 
immer, wenn das epidurale Exsudat nachweislich seinen Ausgang 
von den Wirbelbögen oder von der Umgebung der Wirbel¬ 
säule genommen hat. Ist der Wirbelkörper der Ausgangspunkt, 
besteht ein Gibbus, so ist jedenfalls erst genügend lange eine 
Extensionsbehandlung einzuleiten. Und erst, wenn ein Misserfolg 
derselben eine Deviation der Wirbelsäule als ursächliches Mo¬ 
ment ausschliessen lässt, wenn eine Zunahme der Lähmungs- und 
Reizerscheinungen auf ein sich vergrösserndes Exsudat im Epi¬ 
duralraum hindeutet, hält Kraske den Eingriff für angezeigt. 
Für diagnostisch werthvoll hierbei erachtet Kraske das Be¬ 
stehen von Wurzelsymptomen. Denn während diese bei kypho- 
tischer Deviation der Wirbelsäule zu seltenen Erscheinungen 
gehören (die Intervertebrallöcher werden bei kyphotischer Ver¬ 
krümmung weiter), sind sie bei epiduralen Exsudaten häufig vor¬ 
handen. 

Im vorliegenden Falle waren diese Bedingungen erfüllt. 

Die Kranke hatte beim Eintritt in die Klinik am 18. XII. 1898 
eine spastische Lähmung der unteren Extremitäten, Lähmung der 
Rlase und des Mastdarms, eine Aufhebung der Sensibilität vom 
Nabel abwärts, so vollkommen, dass ein eingewachsener Nagel 
schmerzlos entfernt werden konnte. Der 0. Brustwirbeldornfort¬ 
satz sprang aus der Reihe ca. 3 cm hervor. Drüsen am Hals, alle 
Narben daselbst, eine linksseitige Lungenspitzenschrumpfung und 
Tuberkelbacillen Im Sputum sicherten die Diagnose einer Druck¬ 
lähmung durch Spondylitis tubereulosa. 

Die ersten Erscheinungen einer Wirbelerkrankuug waren vor 
3 Jahren, die ersten Lnhmuugserscheinuugen vor 2 Jahren auf¬ 
getreten. Letztere steigerten sich mit aeuteu Acerbatlonen und 
erreichten allmählich den geschilderten Umfang. Von Anfang an 
bestanden Intercostalschmerzen. Patientin lag 1 % Jahr im Bett 
mit einer Rolle unter dem mittleren Theil der Brustwirbelsäule. 
Diese permanente leichte Extension wirkte auf die localen 
Schmerzen günstig ein, einen Einfluss auf die Lähmung hatte sie 
nicht. (Die Anwendung der G1 i s s o n’schen Schlinge musste 
wegen der Drüsen am Hals aufgegeben werden.) 

Am 10. I. 1899 wurden in Chloroformnarkose der V., VI. und 
VII. Wirbelbogen entfernt und der Wirbelcanal eröffnet. Es 
drängten sich sofort, offenbar unter Druck stehende, blaurothe 
Granulationsmassen vor, welche mit Scheere und Löffel entfernt 
wurden. Jetzt wurde ein Theil des von gesunden Hüllen um¬ 
gebenen Rückenmarks sichtbar . Es erwies sich von mehreren 
grösseren und mehreren kleinen Abscessen und von derben z. Th. 
verkästen Granulationen von vorn und rechts her zu einem 
schmalen, platten Strang zusammengedrückt, welcher auch nach 
Beseitigung des Druckes keine Pulsation zeigte. Die Granulationen 
wurden ausgeräumt, von dem cariösen Wirbelkörper konnten nur 
kleine Theile entfernt werden. Die Wunde wurde mit jodoformirter 
Gaze ausgefüllt und offen gelassen. Die Wundheilung verlief 
ohne Störung, es blieb jedoch noch 2—3 Monate eine Fistel be¬ 
stehen, welche in den Wirbelcanal führte und wässerigen, mit 
Flocken vermischten Eiter entleerte. Allmählich versiegte die 
Seeretion, die Fistel heilte und ist seitdem geschlossen. 

Einen unmittelbaren Einfluss auf die Lähmung hatte die 
Operation nicht; die sensible Lähmung wurde an den Grenzen 
ausgesprochener und es entwickelte sich so rasch ein ausge¬ 
sprochener Decubitus an der Kreuzbeingegend, trotz sorgfältigster 
Lagerung und Schutz vor Durchnässung, dass man geneigt war, 
an eine Schädigung trophischer Centren zu denken. Gleichzeitig 
traten die Intercostalschmerzen mit erneuter Heftigkeit auf und 
stellten sich lebhafte Zuckungen in den Beinen ein. Diese Stö¬ 
rungen wurden jedoch nach etwa 2 Wochen besser. Nach 
5 Wochen kehrte allmählich das Gefühl zurück. Nach 2 Monaten 
kamen die ersten Zeichen der wiederkehrenden Motilität in den 
Beinen. Im 4. Monat stellte sich Continentia urinae ein. Von nun 
an erfolgte rasche Besserung. Im 6. Monat konnte Patientin 
mit Hilfe ihrer Arme sich aufrichten und im Liegen die gestreckten 
Beine heben. Im 11. Monat wurden in einem Gipscorset mit Kopf¬ 
stütze, denn die Wirbelsäule zeigte abnorme Beweglichkeit, die 
ersten Gehversuche gemacht. Jetzt ist die Patientin im Stande, 
Treppen zu steigen. Die Patellarreflexe und Hautreflexe sind 
immer noch gesteigert Die Intercostalschmerzen dagegen sind ver- 

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scliwunden. Ob die Besserung von Dauer sein wird, bleibt ab- 
zuwarten. Ein längerer Lebensgenuss ist der Kranken jedenfalls 
nicht beschieden, da sich während des Krankenlagers die anfäng¬ 
liche leichte Lungenerkrankung verschlimmert hat Immerhin 
hat Patientin nach Beseitigung der Lähmung neuen Lebensmuth 
bekommen, hat sogar an Gewicht zugeuommeu und ist unendlich 
viel besser daran als vor 2 Jahren, trotz Husten, Engigkeit und 
Gipscorset. 

Der Krankheitsfall erläutert deutlich den Werth der Lamin- 
ektomie, er zeigt uns aber auch ihre Gefahren und Grenzen. Es 
trat eine Beseitigung der Lähmung ein, aber erst nach Monaten, 
nach einem schweren, mit Gefahren verbundenen Krankenlager 
(Decubitus bei bestehender Incontinentia urinae!). Die Un¬ 
möglichkeit einer radicalen Operation, schon bei der Operation er¬ 
kannt, wurde durch die länger dauernde Seeretion deutlich er¬ 
wiesen und macht ein Recidiv wahrscheinlich. Die abnorm be¬ 
wegliche Wirbelsäule muss durch ein Corset gestützt werden. 

In der Discussion erwähnt Herr Geheimrath Bäum- 
1 e r, dass in einem der chirurgischen Klinik zur Operation über¬ 
wiesenen Fall ebenfalls Intercostalschmerzen bestanden hätten, 
dass durch die Operation jedoch abnorme Enge des Canals und 
Ausheilung des tubereulüsen Proeesses constatirt worden sei *). Er 
theilt ferner mit .dass in einem in seiner Klinik beobachteten Falle 
die Zuckungen so heftig gewesen seien, dass Curare, und zwar mit 
gutem Erfolg, zur Amvendung gekommen wiire. 

*) Anmerkung des Vortragenden: Die Operation blieb ohne 
Einfluss auf die Lähmung. 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 13. März 1900. 

Vorsitzender: Herr IC ü m m e 11. 

I. Demonstration: 

Herr Kümmell demonstrirt den anatomischen Effect einer 
Behandlung der Prostatahypertrophie nach Bottini an einem 
der Leiche eines y 4 Jahr nach der Operation Verstorbenen ent- 
sraimnenden Präparate. Mit der technischen Vervollkommnung 
der Methode und der Zunahme der bei der Operation gewonnenen 
Kiuzelerfahrungen wird der Erfolg stets besser. So hat K. in den 
letzten 10 Fällen niemals einen Misserfolg gesehen. Früher oder 
später nach der Vornahme des Eingriffes, den K. stets ohne Nar¬ 
kose unternimmt, erfolgte spontane Urinentleerung. In allen 
Fällen wurden die schweren Cystitiden beseitigt und die Residual- 
liarniuciige wurde ganz gering oder blieb dauernd gleich Null. Das 
vorgestellte Präparat stellt die Combination von Prostatahyper 
troplde, Blasensteine und Blasendivertikel dar. 

II. Vortrag des Herrn de la Camp: Resultate 20jähriger 
Krankenhausbehandlung der Lungentuberculose auf ratio¬ 
neller statistischer Verwerthung der Gewichts- und Fieberver¬ 
hältnisse, sowie der Nachforschung über die Entlassenen. 

Die Untersuchungen des Vortragenden bezogen sieh auf die 
in den letzten 20 Jahren im Allgemeinen Krankenhause und im 
neuen Eppendorf er Staatskrankenhause in Behandlung gestan¬ 
denen Fälle von Lungentuberculose. Die Redueirung der An¬ 
fangs zur Verfügung stehenden Summe von 13 000 Kranken¬ 
geschichten auf die den statistischen Erhebungen dienenden 
8406 Fälle geschah durch Anwendung folgender Gesichtspunkte: 
1. Zunächst waren diejenigen Fälle fortzulassen, bei denen die 
Lungentuberculose nur als Begleiterkrankung einer schon be¬ 
stehenden Krankheit, die an und für sich ein letales Leiden dar¬ 
stellte, früher oder später auf trat. 2. Waren somit insbesondere 
diejenigen Fälle auszumerzen, bei denen sich eine tubereulöse 
Erkrankung nur als zufälliger Befund auf dem Sectionstisch 
fand. 3. Diejenigen Fülle, bei denen zu einer bestehenden 
Lungentuberculose ein seinerseits letal verlaufendes Leiden sich 
hinzugesellte, das den Tod selbst herbeiführto oder zum min¬ 
desten in unverhältnissmässig kurzerWeise beschleunigte. 4. War 
es geboten, nur die Fälle vom 15. Jahre an aufwärts zu benutzen, 
um durch Ausschluss der Kindertuberculose ein mit den Heil- 
stätten-Statistiken möglichst vergleichbares Material zu erhalten. 

Die Schlussfolgerungen, zu denen Redner in seinem durch 
eine grosse Zahl von Tabellen und Curven illustrirten Vortrage 
kommt, sind folgende: 

Die aus 8400 Fällen gewonnene Statistik spricht für eine 
Behandlung der Lungentuberculose nicht unter 8 Wochen. 

Die Fieberverhältnisse sind nicht so ungünstige, als man an¬ 
zunehmen geneigt ist. 

Zur rationellen Verwerthung der Gewichtsverhältnisse als 
Index eines Behandlungserfolges ist das dem betr. Pat. nach 
Geschlecht und Alter zukommende Normalgewicht mit in Be¬ 
tracht zu ziehen. 

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404 


MÜNCHENER MEDICINISCHR WOCHENSCHRIFT. 


No. 12 


Daneben müssen als Ergänzung procentuarisehe Berech¬ 
nungen dos Aufnahme- und Abgangsgewic*htes an gestellt werden. 

Die Statistik ergibt eine auffallende Minderbetheiligung der 
Frauen — nicht einmal Mi der Männer. 

Es ist davon Abstand zu nehmen, von „Geheilten“ zu 
sprechen, da erst eine lange Naehbeobachtuug diesen Begriff 
zulässt. 

Es wurde der Versuch gemacht, mit Hilfe der Polizeiregister 
mindestens einen I oberblick über das Schicksal der Entlassenen 
zu erlangen. 

Die Mortalität blieb stets mit annähernd 45 Proc. eonstant. 

Ein besonderer Einfluss spocitischer therapeutischer Perioden 
war nicht festzustellen. 

NB. In anderer Form ist der Vortrag in den Jahrbüchern 
der Hamburgischen Staatsanstalten erschienen. 

I) i s c u s s i o n : Herr Sieveking ist damit beschäftigt, 
die Sterblielikeitsstatistik an Tubereulose im Hainburgiselieu 
Staatsgebiet für die Jahre 1872—98 eingehend zu bearbeiten. Die 
Statistik unterscheidet 2 Gruppen: L u n g e n s c h w i n d s u c li r. 
Miliar- und allgemeine Tubereulose und T u b e r o u 1 o s e 
anderer Organe, wozu Menlugitistuberculose, Skroplni- 
lose, Drüsen- und Unterleibstube reulose gerechnet werden. 
Während sieh in der lebenden Gesammtbevölkerung das Ver- 
hältniss männlieh zu weiblich wie 1:1,05 stellt, verhält es sich 
zur Zeit bei der Sterblichkeit der Lungentuberculose wie 1,55:1, 
der Tubereulose anderer Organe wie 1,25:1. Es hat sieh aber in 
beiden Gruppen im Laufe der Jahre eine bemerkenswert he Ver¬ 
schiebung dahin ergeben, dass sieh allmählich bei der Lungen¬ 
tubereulose das Verhältnis» zu Uugunsten der Männer verändert, 
bei der Tuberculose anderer Organe umgekehrt zu Ungunsten 
der Frauen. Dabei hat die letzte Gruppe an sieh nicht zuge 
nommen. 

Redner demonstrirt eine Anzahl Curven. aus denen vor Allem 
zu erkennen ist, dass von 1829 die Tubereulose dauernd abuimim, 
allerdings in den letzten Jahrzehnten gleiehmiissig stärker, als 
früher. Im Durchschnitt weist der März in Hamburg die höchste 
Sterblichkeitszahl auf. Die Berechnung der Todeszahlen für die 
einzelnen Altersclassen und die Berufsstatistik der Tuberculose 
Sterblichkeit wird S. demnächst publiciren. W erne r. 

Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 11. J anuar 1900. 

Vorsitzender: Herr Sondier. 

Herr Eretschmann spricht über acute Mittelohr¬ 
eiterung. 

Diese Erkrankung ist vielleicht die wichtigste unter allen 
Ohrkrankheiten, weil sie, unrichtig geleitet, in ihren Folgen 
unberechenbaren Schaden für Leben und Gesundheit haben kann. 
Sie ist sehr häufig, befällt jedes Lebensalter und ist wie kein 
zweites Ohrleiden die Domäne des praktischen Arztes. Man 
unterscheidet in den Lehrbüchern einen acuten Katarrh und 
eine acute eitrige Entzündung. Klinisch hat die Scheidung 
manches für sich. Anatomisch ist sie nicht zu rechtfertigen, 
ob auch bacteriologisch, darüber muss die Zukunft entscheiden. 

Wenn man die klinischen Erscheinungen verstehen will, so 
muss man auf die anatomischen Verhältnisse zurückgreifen. 
An Präparaten (Demonstration) erkennt man, dass die pneuma¬ 
tischen Hohlräume, welche mit der Pauke und dem Antrum 
eommuniciren, den ganzen Warzentheil erfüllen, in die Schläfen¬ 
schuppe, in die Pyramide, den Paukenhöhlenboden und in das 
Hinterhauptbein sich erstrecken, und den ganzen knöchernen 
Gehörgang umgreifen. In der medialen Wand der Paukenhöhle 
verläuft der N. facialis in seinem Knochencanal. Die Verhält¬ 
nisse beim Neugeborenen weichen nicht unwesentlich ab. 

Die Symptome gliedern sich in 3 Gruppen: 

1) allgemeine, Fieber, Frost, Pulsfrequenz; 

2) örtliche Entzündungserscheinungen, subjectiver Schmerz 
im Ohr und Umgebung, Schmerz auf Druck, Schwellung in der 
Umgebung des Ohres, Schwellung der benachbarten Lymphdrüsen 
event. Parese oder Paralyse des Facialis; 

3) Erscheinungen von Seiten des Sinnesorganes, Geräusche, 
Gehörabnahme, Schwindel, Autophonie. 

Verlauf und Ausgang können unter den verschiedensten 
Krankheitsbildern auf treten. 

Eigenartig verläuft die Otitis der Neugeborenen. Für die 
Aetiologie ist von Wichtigkeit, dass Individuen mit Tuben¬ 
katarrhen leichter befallen werden, als solche mit gesunden Or¬ 
ganen. Diese Katarrhe werden hervorgerufen durch Hyper- 
' trophien der Nasenschleimhaut, der Gaumen- und Rachen- 

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mandel, durch Nasen- und Pharynxkatarrhe. Operationen in 
Nase und Rachenraum veranlassen zuweilenMittelohrentzündung. 

Für eine grosse Anzahl von acuten Otitiden geben eine ganze 
Reihe von Infoctionskraiikhoitcn die Veranlassung. 

Differcntialdiagnostisch kommen Verwechslungen mit Ge- 
hörgangsfurunkeln in Betracht. Neuralgin tympaniea und 
Kiefergelenkserkrankungen werden nicht zur Verwechslung 
Anlass bieten. 

Die Behandlung ist zuerst antiphlogistisch oder geschieh: 
mit Alumen acet. in Form des Priessnitz. Versagt dies, so er¬ 
folgt Pnrneentcse, event. Eisbeutel. Stellen sieh Complicationen 
ein, so werden sie nach chirurgischen Grundsätzen behandelt. 

Zur Differentialdiagnose führt Herr Richter au, dass es 
in nicht eomplieirten Fällen von acutem Mittelohrkatarrh eine fast 
untrügliche Methode für den Praktiker gibt, die Mittelolirerkrau 
kung von den meist in Frage kommenden Gehörgangsfuriiukeln zu 
unterscheiden. Dies sei der Zug au der Ohrmusehel unter Be¬ 
rücksichtigung des Gehörs. Sei das Gehör nicht wesentlich herab¬ 
gesetzt und ruft» der leichte Zug an der Ohrmuschel Schmerz - 
emptindung hervor, so habe man es so gut wie immer mit einem 
Furunkel zu thun. Dass es bei grossen oder den Geliörgang ver- 
sehliessenden Furunkeln zu erheblicher Schwerhörigkeit kommen 
könnte, miise natürlich in Betracht gezogen werden. Die Lago der 
Trommelfellvorwölbung sei für die Therapie von Bedeutung. 
Starke Ausbauchung der Membrana tiaceida ohne wesentliche Mit 
erkrankung des Oavum tympani erheische wegen drohender Ge 
fahr der Erkrankung der Gehörknöchelchen und des Warzenfort- 
satzes frühzeitige Entlastung, wenn anders nicht möglich, durch 
ausgiebigen Schnitt. Zur Prognose und gegebenen Falls zur Iu- 
dicationsstellung für die Operation sei dringend die wiederholte 
Prüfung des Gehörs mittels Stimmgabeln zu empfehlen. R i o li - 
t e r rätli ferner, den Trommelfellsclinitt nicht liuear, sondern 
lappenförmig anzulegen, da so dem Eiter noch am ehesten dauernde 
Abtlussmöglichkeit geschaffen werde. Wenn unter Erfüllung dieser 
Bedingung die Eiterung höchstens 8 Wochen unvermindert fort- 
bostclie. so sei mit Sicherheit niiziuielimeu, dass die Warzenfon 
satzzellen vereitert seien, und dies fordere stets zur operativen Er¬ 
öffnung der Warze auf. 

Bei der Nachbehandlung habe sich auch ihm das Glutol 
Schleich recht gut bewährt. Das nach der Abheilung der acuten 
Mittelohraffection mit oder ohne Operation liier und da noch fort- 
bcstehende Ohrensausen sei häufig auf Rechnung eines noch nicht 
beseitigten Tubenkatarrhs zu setzen und schwinde dann unter ge¬ 
eigneter Behandlung desselben. 

Herr Meier ist der Ansicht, dass nicht jede aeute Eiterung 
im Warzenfortsatz die operative Eröffnung desselben erfordert, 
vielmehr sah er eine nicht kleine Anzahl von in den Warzenzellen 
ausgebreiteten eitrigen Entzündungen mit profuser Ohreiterung. 
Schmerzhaftigkeit und ausgesprochenem Oedem auf dem Warzen¬ 
fortsatz durch Herbeiführung günstiger Eiterabflussverhältnisso 
durch die Paukenhöhle ausheilen. Zum grossen Theil hängt seiner 
Meinung nach die Ausheilung von der anatomischen Anlage, spe- 
e.ell der Grösse der abhängigen Zellen ab, und bei kleinen Kindern, 
wo nur das Antrum der einzige grössere Hohlraum ist, hat M. eine 
ganze Reihe von Fällen mit starkem Oedem hinter dem Olir durch 
breite Paraeeutese heilen sehen. Gerade bei besonderer Betheili¬ 
gung der Warzenzellen au der Entzündung legt M. die Paraeeutese 
gern in den hinteren oberen Quadrauten an und hat öfter den 
Eindruck gehabt, dass durch diese obere Trommelfellöffmuu: 
besserer Eiterabfluss erfolgte als durch eine gleichzeitig bestehende 
Oeffnung im unteren Quadranten. 

Von der Nachbehandlung eröffneter Warzenzellen mit Glutol 
hat M. bei mehrfachen Versuchen keine so wesentlichen Vortheile 
gesehen, dass er für sie den grossen Naehtheil in Kauf nehmen 
möchte, den Ueberblick, der doch stets und besonders bei so oft 
erkrankt gefundener Dura oder Sinuswand dringend nothwendis 
ist, zu verlieren. Ausserdem kann in den Aditus und Attieus ein 
gedrungenes Glutol Eiterretention herbeiführen. 

Zur Diagnose einer Betheiligung des Labyrinths an der Ent¬ 
zündung hält M. die Stimmgabelprüfung selbstverständlich für 
sehr werthvoll; wie aber aus dem für Labyrinthaffection eharakte 
ristischen Ausfall der Stimmgabelprüfling eine Indiention für die 
Warzenfortsatzaufmeisselung abzuleiten sein soll, ist M. unklar. 
Es weist ja nicht selten die Stimmgabel bei acuten Mittelohr 
eitenmgen Labyrinthaffection nach, und M. hat eine ganze Reihe 
von Fällen beobachtet, wo die höchste oder die hohen Octaven 
nicht gehört wurden, aber er sah diese Labyrinthaffectionen auch 
oft sich wieder während und nach Heilung der Mittelolireiterung 
zurückbilden; für eine operative Eröffnung des Warzenfort satze- 
hat M. aus Stimmgabelbefunden nie eine Indication entnehmen 
können. 

Herr Richter stimmt Herrn Meier darin bei, dass die 
acute Eiterung des Antrum sehr häufig von selbst heile, wenn der 
Eiterabfluss durch das Trommelfell hindurch ungehindert sei: er 
habe bei seinen Ausführungen natürlich die abhängigen Zellen des 
Warzenfortsatzes gemeint. Seine Forderung nach wiederholten 
Prüfungen des Gehörs gründe sich auf die Thatsaclie, dass der 
Uebertritt der Erkrankung auf das Labyrinth sehr wohl durch 
methodische Stimmgabelprüfuugen erkannt werden könne. Frei¬ 
lich genüge zu diesen nicht die noch vielfach als ausreichend er 
achtete Anwendung einer tiefen und einer hohen Stimmgabel. Für 
die eingehende Erörterung der Prüfungsmethoden fehle es hier au 


Original fro-m 

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'JO. März 1900. 


405 


MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Zeit. Als Hauptsache wolle er nur erwähnen, dass als Ausdruck 
einer Erkrankung des nervösen Apparates die Herabsetzung der 
normalen Perceptionsfähigkeit für die Tonreihe angenommen wird. 

Herr Wolf ro in I bestreitet, dass die Aufmeisselung des 
Processus mastoid. iu jedem Falle nothwendig sei, wenn sich ein 
Abscess in den ersten Wochen einer acuten Mittelohreiterung 
sim Processus zeige. Es genügt oft die einfache lncision bis auf 
den Knochen, um definitive neilung zu erlangen. Ausser anderen 
Fällen aus seiner Praxis führt W. sich selbst als Beispiel au. An¬ 
fang der siebziger Jahre erkrankte er an acuter Mittelohr¬ 
eiterung mit spontaner Perforation am 3. Tage. S.-Rath Dr. 
Boeck, welcher zu Käthe gezogen wurde — nach der Perforation 
— ineidirte einen ca. taubeneigrossen Abscess. welcher sich am 
Proc. mast, gebildet hatte. Der Mittelohrkatarrh und die Eiterung 
aut Proc. heilten in ca. 6 Wochen vollständig aus. Am Trommelfell 
war 1875 (nach ca. 2 Jahren) überhaupt keine Narbe mehr sicht¬ 
bar. und W. hört mit dem erkrankt gewesenen Ohre die feinsten 
Iitmgengeräusche. Eine Empfindlichkeit oder nachträgliche Ent¬ 
zündung ist nie wieder aufgetreten. 

Herr M e i e r verwirft den Standpunkt, bei retroauriculären 
periostalen Abscessen nur diese zu spalten und bei scheinbar nor¬ 
maler Corticalis die Operation abzubrechen und abzuwarten, gänz¬ 
lich. Er glaubt, dass gelegentlich auch bei diesem Verfahren 
Eiterungen ausgeheilt sind, hält aber dasselbe für ein gesunden 
chirurgischen Grundsätzen widersprechendes und würde auf Grund 
der vielen Falle, wo er unter normaler Corticalis schwere Knochen- 
Störungen, selbst mit intracranielleu Complicationen fand, niemals 
sich der Verantwortung gewachsen fühlen, die der Operateur bei 
einem solchen Stehenbleiben auf halbem Wege auf sich lade. 


Unterelsässischer Aerzteverein. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung v o m 3. M ä r z 1900. 

I. Demonstrationen. 

Herr Naunyn: 1) Ein Fall von Tetanus. Ein iui December 
181*9 erkrankter Pferdeknecht zeigte Anfangs nur Scliiefstand des 
Kopfes nach rechts, 14 Tage später erschwertes Kauen und 
Schlingen und das aus der Photographie ersichtliche für Tetauus 
so kennzeichnende Gesicht. Kein Opisthotonus, aber bald 
Starre der Musculatur beider Beine und Unvermögen zu gehen. 
Puls verlangsamt. Tetanusserum ohne nachweisbaren Erfolg. 
Doch schwand nach 3 Wochen erst der Trismus, dann die Starre 
der Halsmusculatur rechts, zuletzt die der Beine. Gleich nach der 
Seruniiiijeotion ein scarlatinaähnliclies Exanthem mit geringem 
unregelmässigem Fieber, 8 Tage lang. ScarlatinaV Serum- 
Exanthem? Auffallend war während der gauzeu Erkrankung 
die massige Schwellung aller Lymphdrüsen, die mit der Heiluug 
verschwand. Nachweis eines Traumas nicht möglich, Infections- 
gefahr bei der Häufigkeit der Tetanuserreger im Pferdedünger 
sehr gross. 

2) Ein Fall progressiver Muskelatrophie, juvenile, myo- 
pathische Form E r b’s. Der vorgestellte Pat, 37 Jahre alt, er¬ 
krankte mit 18 Jahren; die Schultermuseulatur: Trapezius, Rhoiu- 
boideus, Serratus beiderseits atrophisch, seit G Jahren hochgradige 
Pseudohypertrophie der Deltoidei. Arme fast bis zur Horizontalen 
gehoben. Dystrophie der Gesichtsmusculatur nur rechts! (Flamme 
wird nur rechts von der Mittellinie ausgeblasen.) Cyauose der 
Vorderarme, Hände und Unterschenkel; Fiisse mit den mehrfach 
beschriebenen rothen Flecken. 

Herr Wolf f : lieber gewisse Formen von exfoliativer 
Dermatitis. 

1. Pityriasis rubra pilaris universal!» mit 
Recidiv. Arsenik ohne Erfolg. 

2. Psoriasis sehr acuter Natur mit allge¬ 
meiner Localisation, mit nässendem Ekzem in den 
Achselhöhlen und Schenkelbeugen beim Eintritt. 

3. Dermatitis herpetiformis Dühring, pem- 
phigöse Erkrankung gutartigen Charakters, welche der Derma¬ 
titis exfoliativa sehr ähnlich ist. 

Herr Eichel: Exercirknochen von ca. 8 : 4 \U : 1 cm aus 
dem Deltoideus eines Rekruten mit raschem Wachsthum. 

II. Vorträge. 

Herr Bruns: Ueber Zimmerdesinfection mit Formalin. 

Vortragender berichtet einleitend über die bisherigen Ver¬ 
fahren, Formaldehyd zwecks Zimmerdesinfection zu erzeugen 
und bespricht dabei ausführlicher die Seherin g’sche Tri- 
oxymethyleiipastillenmethode, die L i n g n e r’sche Glykoformal- 
Rietliode und das F 1 ü g g e’sche, sog. Breslauer Verfahren. Hier 
hat Professor Förster ein etwas modificirtes Verfahren ein¬ 
geführt, bei dem zur Erzeugung von Formaldehyd die gewöhn¬ 
liche Formalinlösung verdampft wird. Anfangs tritt in 
dieser Lösung beim Erhitzen wohl Polymerisation ein, doch zer¬ 
fällt das gebildete Paraformaldehyd bei weiterem Erhitzen in 
feuchtigkeitsgesättigtem Raum wieder zu Formaldehyd. B. hat 
mit sämmtlichen Methoden eine brauchbare Zimmerdesinfection, 
d. h. ein Absterben der für die Praxis in Betracht kommenden 
pathogenen Keime erzielen können; doch muss man dabei auf 
folgende Punkte besondere Rücksicht nehmen: 1. Genügende 
Alnlichtung des Zimmers. 2. Herstellung einer maximalen Luft- 

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feuchtigkeit. 3. Herstellung einer gleichmiissig kühlen Tem¬ 
peratur des ganzen Zimmers. 24 Stunden vorher soll die Heizung 
ausser Betrieb gesetzt werden, ferner längere Zeit hindurch 
Thüren und Fenster geöffnet bleiben. 

Die Fähigkeit mancher Körper, Formalin an der Oberfläche 
zu absorbiren, bedingt nur eine Oberflächenwirkung desselben. 
Vortragendem erseheint es darum zweckmässig, wenn ausser der 
Zimmerdesinfection durch Verdampfen der Formalinlösung auch 
noch die Desinfection von Kleidungsstücken, Bettwäsche, Vor¬ 
hängen u. s. w. mit strömendem Wasserdampf herangezogen wird. 
Ausserdem wird empfohlen, den Boden und alle sichtbar verun¬ 
reinigten Stellen noch besonders mit Carbollösung abzuwaschen, 
um so mehr, als in der Umgebung der Formalinapparate stets eine 
Erwärmung des Fussbodens statthat, welche hier die Conden- 
sation von Wasserdampf und Formalin verhindert und in Folge 
dessen eine Desinfectionswirkung nicht aufkommen lässt. Nach 
den geschilderten Principien tritt demnächst in Strassburg eine 
neue Desinfectionsvorschrift in Kraft. 


Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht.) 

Wien, 17. März 1900. 

Ein neuer Unterstützungsverein für Aerzte. — Leber¬ 
neuralgie. — Spinale Schweisse und Schweissbahnen. — Eine 
Haematommole. 

In Wien ist ein neuer Unterstützung«verein der Aerzte ge¬ 
gründet worden, dessen Aufgabe sein wird, den Angehörigen ver¬ 
storbener Vereinsmitglieder unmittelbar nach deren Ableben 
eine einmalige Unterstützung zuzuwenden. Jedes Mitglied 
zahlt einen kleinen Betrag, sagen wir 2 Kronen, ein; stirbt ein 
Mitglied, so erhalten dessen Angehörige die von allen Mit¬ 
gliedern eingezahlte Summe abzüglich des geringen Betrages für 
die Verwaltung. Sofort müssen sämmtliche Mitglieder den 
gleichen Betrag einzahlen. Je grösser die Zahl der Mitglieder, 
desto höher ist naturgemäss die Summe, welche ausbezahlt werden 
kann; das Verhältniss kann sich so günstig gestalten, dass man 
nicht jedesmal eine Neueinzahlung wird verlangen müssen, viel¬ 
mehr nach jedem 2. oder 3. Todesfälle. Die Schwierigkeit be¬ 
steht, nach Ansicht der Fachmänner, in der Art und Weise, wie 
die Eineassirung bewerkstelligt werden könne, ohne dem Vereine 
grössere Spesen zu verursachen. Hoffentlich findet die rege Lei¬ 
tung, die ja ähnliche Vereine in anderen Erwerbskreisen vor sich 
hat, einen praktischen Modus der Eineassirung, damit der neue 
Verein recht bald seine Thätigkeit beginne. Er scheint ja noth- 
wendig zu sein .da immer wieder praktische Aerzte Wiens sterben, 
ohne dass die Hinterbliebenen auch nur die Begräbniskosten be¬ 
streiten können. Jedenfalls ist diese Neugründung auch ein 
trauriges Signum temporis! 

Im Wiener medicinischen Club berichtete jüngst Dr. Theo¬ 
dor Fuchs über einen Fall von Leberneuralgie. Die Kranke, 
51 Jahre alt, ist stark abgemagert, weist jetzt bloss 37 kg Körper¬ 
gewicht auf. Sie leidet seit etwa 4 Jahren an anfallsweise auf- 
tretenden, sodann sehr heftigen Schmerzen in der Magen- und 
Lebergegend; der Schmerzanfall dauerte meist Stunden lang, 
kam in verschieden langen Intervallen, selbst 1—2 mal wöchent¬ 
lich; öfters trat dabei Erbrechen auf. ^ Der unterhalb des Rippen¬ 
bogens tastbare Leberrand war hart und derb, ausserdem war etwa 
3 cm oberhalb des Nabels, rechts von der Mittellinie, eine nach 
rechts verlaufende, derbe Geschwulst zu palpiren, die beweglich 
und ziemlich druckempfindlich war. Milchdiät, Carlsbader Cur, 
Opiate etc., alles vergeblich. Wegen der starken Abmagerung 
wird eine Probelaparotomie gemacht. Man sieht und fühlt den 
harten, plumpen Leberrand, der einen ziemlich derben SchnÜT- 
lappen zeigt, die Gallenblase vollkommen normal; sonst keine 
Veränderung. Naht, aseptischer Wundverlauf. Kurzandauernde 
Besserung, bald stellen sich die häufig von Erbrechen gefolgten 
Schmerzanfälle wieder ein. Nach dem Ergebnisse der Operation 
muss der Fall als eine Leberneuralgie bezeichnet werden. Die 
Vergrösserung der Leber führte der Vortragende auf den Schnür- 
lappen zurück, sowie auf den Umstand, dass im Verlaufe eines 
jeden neuen Anfalles eine Leberhyperaemie eintrat, welche zur 
Bindegewebswucherung führte. 

Einen längeren Vortrag hielt Docent Dr. Herrn. Schle¬ 
singer „über spinale Schweisse und Schweissbahnen“. Redner 
hat zu diesem Studium Krankheiten herangezpgen, welche auf 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



40ö 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


das Rückenmark beschränkt bleiben (traumatische Rückenmarks- 
affcetioiien, Haematomyelie, Syringomyelie, Tumoren). Traten 
bei diesen Erkrankungen im Verlaufe der Affection Schweiss- 
störungen auf und waren dieselben auf Körperabschnitte be¬ 
schränkt, welche auch anderweitige Anomalien in Folge der 
Rückenmarkserkrankung darboten, so nahm Sch. an, dass ein ge¬ 
wisses eausales Verhältnis« zwischen beiden bestünde, welches um 
so wahrscheinlicher wurde, je häufiger sieh die gleichen Störungen 
wiederholten. Die der Literatur entnommenen und die eigenen 
Beobachtungen ergaben, dass bei spinalen Affectionen sich bis¬ 
weilen in grösseren Hautgebieten Anomalien der Sehweisssecre- 
tion (Ilyperidrose oder Anidrose) eiifstellen, welche immer wieder 
die gleiche Stelle der Körperoberfläche occupiren und welche Sch. 
als spinale Sehweissterritorien bezeichnet. Solche sind, soweit 
sich dies bisher überblicken lässt, eine Gesichtshälfte, eine obere 
Extremität, eine obere Rumpfhälfte mit der zugehörigen Hälfte 
des Nackens, Halses und der behaarten Kopfhaut und je eine 
untere Extremität. Die Grenzen dieser Schweissterritorien sind 
oft nicht sehr scharf, sie entsprechen aber doch im Grossen und 
Ganzen den Linien, mit welchen sich die von den einzelnen 
Rückenmarkssegmenten versorgten Sensibilitätsterritorien be¬ 
grenzen ; jedoch sind die spinalen Schweissterritorien viel grösser, 
als die von einem Rückenmarkssegmente versorgten Hautflächen, 
entsprechen vielmehr allem Anscheine nach mehreren zusammen¬ 
genommen. Die Beziehung zur Vertheilung der sensiblen Fasern 
ist also eine nähere, als die Beziehung zur Vertheilung der moto¬ 
rischen Fasern. Die spinalen Schweissterritorien entsprechen 
wahrscheinlich der segmentalen Anordnung der Schweissfasern 
im Rückenmarke, entsprechen also allem Anscheine nach 
mehreren Schweissnervencentren der Medulla spinalis. Wahr¬ 
scheinlich liegen 3 dieser Qentren, namentlich die für die obere 
Körperhälfte nahe beieinander, denn oft erkranken diese 
3 Schweissterritorien gleichzeitig. Es ist möglich, dass sich 
später eine weitere Gliederung segmentaler Natur für die 
Schweissnervencentren wird durchführen lassen, da manche kli¬ 
nische Anzeichen darauf hinweisen, dass nur Theile der früher 
erwähnten Territorien Schweissanomalien aufweisen, resp. von 
denselben verschont bleiben können. 

Die Schweissfasern finden sich nach allen klinischen Er¬ 
fahrungen auf jeder Seite des Rückenmarkes, vom oberen Hals¬ 
marke an bis zum unteren Lumbalmarke, es besitzt also fast jeder 
Theil des Rückenmarkes Schweissfasern. Bezüglich ihres weiteren 
interspinalen Verlaufes ist wohl Folgendes anzunehmen: Die 
Schweissfasern ziehen mit den motorischen Fasern bis zur grauen 
Substanz des Rückenmarkes, schliessen sich aber in ihrem peri¬ 
pheren Verlaufe nicht weit an die motorischen Nerven an, son¬ 
dern versorgen annähernd die gleichen Territorien wie die sen¬ 
siblen Fasern. Es verhalten sich die Sch Weissanomalien ver¬ 
schieden, je nachdem die weisse oder die graue Substanz des 
Rückenmarkes betroffen ist; ist die weisse Substanz lädirt, so 
tritt Schwitzen der ganzen gleichnamigen Körperhälfte, bis zu den 
Zehen nach abwärts auf (ähnlich der Schädigung der langen sen¬ 
siblen Bahnen), ist die graue Substanz betroffen, so treten nur 
partielle Schweisse und zwar in den spinalen Schweissterritorien 
auf — analog den Sensibilitätsdefecten segmentaler Natur bei 
Erkrankungen der grauen Substanz. 

In der Gesellschaft der Aerzte demonstrirte Docent Dr. K.~A. 
Herzfeld ein Präparat von Haematommole. Die 22jährige 
Frau fühlte sich vor ca. IM» Jahren gravid. Mit einem Male, 
nach ca. 2 Monaten, schwanden die Zeichen der Schwangerschaft, 
es stellten sich aber die Menses nicht wieder ein. Selten ein ge¬ 
ringer Blutabgang, welcher auf Erosionen der Portio vag. uteri 
bezogen wurde. Als H. die Frau untersuchte, fand er den Uterus 
vergrössort, sonst keine Anzeichen einer bestehenden Schwanger¬ 
schaft. Die exacten Angaben der Frau Hessen die Vermuthung 
auf Molenschwangerschaft aufkommen, wesshalb II. eine Bougie 
einführte, wodurch thatsächlich das Ei in toto ausgestossen 
wurde. In demselben fand sich der 11 mm lange Embryo. An 
der Innenfläche der Eihäute waren zahlreiche, mit Blutcoagulis 
gefüllte Protuberanzen, Fruchtwasser fehlte. Diesen Befund hat 
Prof. B r e u s als eine typische Erkrankung beschrieben und ihr 
den Namen Haematommole oder subchoriales tuberöses Haema- 
tom der Decidua gegeben. In neuerer Zeit hat jedoch Jul. Neumann 
diese Bildungen als eine Fleischmole angesehen und ihre Ent¬ 
stehung durch primäre Blutungen erklärt. Diesem Autor scheinen 
aber andere Fälle Vorgelegen zu sein, denn H e r z f e 1 d muss 


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sich nach dem heute vorliegenden Präparate für die Richtigkeit 
der Anschauungen von Breus ausspreehen. 


Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 14. März 1900. 

Herr Ewald : Ueber Heilbehandlung. 

Von all’ den Mitteln, welche in den letzten Jahren zur Be- 
Handlung der Lungenphthise empfohlen wurden, hat sich auf die 
Dauer keines einer allgemeinen Anerkennung erfreuen können. 
In den letzten Jahren wurde von Länderer die Zimmtsäure 
und das zimmtsäure Natron („Hetol“) empfohlen und seine Be¬ 
obachtungen von mehreren Autoren bestätigt; aus der E r b’schen 
Klinik (Fritz Fraenkel) kam in den letzten Wochen eine 
über 10 Fälle berichtende Arbeit, i:. der die Erfolge Länderers 
nicht bestätigt werden konnten. 

Vortragender hat schon auf die erste Empfehlung des Peru¬ 
balsams durch Länderer hin, vor 10 Jahren, Versuche mit 
diesem Mittel angestellt, sie aber wegen eines plötzlichen Todes¬ 
falles, denn er als Fettembolie auffassen zu müssen glaubte (was 
die Section übrigens nicht bestätigen konnte) wieder abgebrochen. 
Seit einem Jahre nun behandelt er mit dem von Länderer 
eingeführten Hetol; und zwar 25 Fälle von Lungentuberculnse. 
worunter nur 1 Fall von reiner Kehlkopftuberculose. Alle diese 
waren bei beginnender Behandlung in einem Stadium, das den 
von Länderer auf gestellten Forderungen entspricht. 11 waren 
ganz fieberfrei, 10 hatten längere fieberfreie Perioden, nur 4 
fieberten dauernd. Grössere Cavernen waren in keinem Falle 
nachweisbar, dagegen immer Tuberkelbacillen, bis auf einen, aber 
trotzdem ganz sicheren Fall. Die Behandlungsdauer schwankte 
zwischen 18 u. 300 Tagen. Die Injection nach Landerer’s Angabe 
intravenös, langsam steigend, in maximo 15 mg. Die Technik 
ist einfach; Schädigungen sind niemals beobachtet worden. 

Die experimentellen und theoretischen Mittheilungen 
I. a n d e r e Es seien von Fr. Fraenkel schon beleuchtet; 
er wolle sieh auf den klinischen Theil beschränken. 

Eine besondere Einwirkung auf dass Allgemeinbefinden 
war einmal, wie schon Länderer selbst anführt, eine eigen¬ 
tümliche Neigung der mit Hetol Behandelten zu Haemo- 
p t y s e n , freilich meist allerleichtester ArL Zweitens eine 
merkwürdige Schlafsucht, so dass manche Pat. aufge¬ 
rüttelt werden mussten; wie weit hier das suggestive Moment 
eine Rolle spiele, müsse dahingestellt bleiben. 

Die Färbbarkeit oder Häufigkeit der Bacillen im Sputum 
wurde nicht beeinflusst. 

Ein Einfluss auf die Temperatur war ebenfalls nicht 
zu constatiren, auch nicht auf die Naclitschweisse. Ein 
Pat. führte seinen Tremor auf die Injectionen zurück. 

Die eigentlichen Heilerfolge sind nun: ein entschiedener 
Erfolg in 3—4 Fällen, Besserung, wie man sie auch sonst sieht, 
in 5 Fällen, keine Besserung in 6 Fällen, unaufhaltsames Fort¬ 
schreiten des Processes in 10 Fällen. 

Ein Fall nimmt eine Sonderstellung ein, insofern er nach 
360 Tagen unter den klinischen Symptomen der Lungen- 
tviborculose, mit Bacillen im Sputum bis zum Ende, starb und 
die Section (Obd. Dr. Oesterreich) zwar eine Anzahl 
von Cavernen mit fibrösen Wandungen und starker Verfettung 
des rechten Ventrikels, aber nirgends frische Eruptionen oder 
Ulcerationen, also eine anatomisch geheilte Lungen- 
tuberculose ergab, die zum Tode führte! 

Der Unterschied zwischen seinen bescheidenen Erfolgen und 
den guten Landerer’s sei schwer zu erklären. Sein Material sei 
jedenfalls für die Behandlung sehr günstig, da sich diese Leute 
im Krankenhaus durchweg unter besseren hygienischen Verhält¬ 
nissen befinden, als zu Hause. 

Vortr. schliesst damit: Die Erfolge der Heilbehandlung 
haben nicht den Erwartungen entsprochen, welche man nach den 
Empfehlungen Ländere Es und anderer Autoren erwarten 
konnte. Immerhin sind diese Injectionen so frei von üblen Zu¬ 
fällen, dass sie einer weiteren Prüfung wohl werth sind. Er 
seinerseits werde sie jedenfalls fortsetzen. 

Zur Frage, wie die Erfolge Ländere Es zu erklären, be¬ 
merkt Vortr. noch, dass liier einerseits wohl die günstigen klima¬ 
tischen Verhältnisse in Betracht gezogen werden müssen, anderer¬ 
seits, wie F raenkel hervorgehoben habe, zu bedenken sei. dass 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



*20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 




sich diese Erfolge nicht wesentlich von denjenigen unterscheiden, 
die anderwärts auch ohne Hetol erzielt werden. 

Dicussion: Herr Länderer a. G.: Es sei immer 
zweckmässig, au eine neue Methode nicht mit zu grossen Erwar¬ 
tungen heranzugehen. Zunächst geben Alle, die sieh mit der Hetol- 
behandlung beschäftigt haben — und diese mehren sich ln der 
letzten Zeit — ohne Weiteres zu, dass in vorgeschrittenen Ballen 
mit lletol nichts zu erreichen ist. Eine genaue Statistik ist wohl 
nicht möglich, da ja zu vielerlei Factoren mitspielen; vorläufig 
müsste man wenigstens davon absehen. Doch gestatte ein Be¬ 
obachtungsmaterial von 7-800 Fällen, wie sein eigenes, schou 
einige Schlüsse zu ziehen. 

Die Neigung zu Haemoptyse habe er selbst von Anfang 
an hervorgehoben; ob sie aber grösser sei, als bei nicht mit Hetol 
behandelten, sei schwer zu entscheiden. Die Schlafsucht 
habe er nicht beobachtet, vielleicht habe Ewald die Dosen etwas 
hoch genommen. Zur Temperatursteigerung bemerkt er, dass er doch 
glaube, dass Hetol in vorgeschrittenen Fällen Temperatur¬ 
erhöhung bewirken könne, was vielleicht auf zu hohe Dosen 
zurückzuführen sei. , . 

Dass seine Erfolge wesentlich auf die Sanatoriumsbehandlung 
zurückzuführen seien, glaube er schon desswegen zurückweisen zu 
können, da er 36 Fälle rein poliklinisch behandelt habe, 
von welchen 11 gebessert wurden. Auch andere Autoren hatten 
poliklinisch solche Resultate erzielt. Gewiss sei es gerade bei der 
Tuberculose schwierig, zu entscheiden, ob ein Erfolg der Hetol- 
behandlung zuzuschreiben sei oder auch so gekommen wäre. Doch 
sprächen einzelne Beobachtungen da doch deutlich für 
erstere Auffassung, so z. B.. eiu Herr leidet an doppelseitiger 
Nebenhodentuberculose und Tuberculose des Samenstranges, die 
vorher schon vielfach vergeblich behandelt wurde und unter Hetol 
in einem halben Jahre abheilt. _ . . T , _ 

Aehnlich wenn bei Patienten, die Jahr für Jahr nach Davos 
gehen, trotzdem aber sich langsam verschlechtern, nun unter 
Hetol ein Stillstand eintritt — dann muss man doch an die Wirkung 
des Medicaments glauben. Aehnliches sah er bei alten tuberculosen 

Fisteln. ® r 

Er spreche in eigener Sache und nehme es desshalb Keinem 
Übel wenn er hinter seine Ausführungen ein Fragezeichen setzen 
wolle Aber es seien doch eine solche Anzahl von Bestätigungen 
erfolgt, dass man der Methode eine gewisse Berechtigung nicht 

absprechen^ g . Im Aufträge seines Chefs, des Herrn Ren- 

v e r s. berichtet er über die im letzten Jahre in Moabit mit Hetol 
gemachten Erfahrungen. Es wurden 52 Fälle behandelt, davon 
schied er 7, als nach Länderer ungeeignet, aus. \on den ver¬ 
bleibenden 45 sind 12 erheblich gebessert, 9 gering gebessert, 9 un¬ 
verändert, 15 verschlechtert und zwar davon 9 gestorben. 

Das Resultat: Die Heilbehandlung nach Länderer ist 
unschädlich; dieselbe Vene kann 50—60 mal hintereinander benutzt 

vs von re i n er Tuberculose hat sich ein Ein¬ 
fluss nicht erkennen lassen; der Verlauf ist derselbe, wie er 
auch sonst unter günstigen Verhältnissen beobachtet wird; bei 
Rückkehr in die alten Verhältnisse tritt auch wieder Verschlech¬ 
terung^ eim _ gchinf ection tritt nach 4—6 monatlicher Be 
bandlung ein Einfluss auf die Secretion ein; sie wird spär- 
licher jedoch ohne eine wesentliche Aenderung des Bacillen¬ 
gehaltes. Der Verlauf schien verlangsamt. Ein Einfluss auf tuber¬ 
kulöse Geschwüre konnte in keinem Falle constatirt werden. 

Herabsetzung der Temperatur war nicht zu bemerken, 
wohl aber gelegentlich leichte Erhöhung. 

Von Schlafsucht, wie sie Ewald anfuhrte, konnten sie 

nichts^ tbolo ^ SC k_ ana t om is C her Hinsicht konnte makroskopisch 
kein Einfluss bemerkt werden, mikroskopisch sind die Unter¬ 
suchungen noch nicht abgeschlossen. 

So viel steht fest, dass im Hetol ein speciflsches Heilmittel 

nicM^gegeben Ist.^ ^ ^ ^ n . Vor 9 Jahre ,i wurde ein ihm nahe 
stehender Patient mit anscheinend schwerer Tuberculose von 
Länderer behandelt und überraschend gebessert, was bis zum 
heutigen Tage anhält. Dies war für ihn die Veranlassung, den Ein¬ 
fluss der Zimmtsäure auf den tuberculosen Process vom ana 
tomischen Standpunkt zu studiren. Herr Länderer habe ihm 
auch seine Thierversuche zugänglich gemacht. 

Man sieht an mikroskopischen Präparaten von Kaninchen 
eine fibröse Umwandlung des Tuberkels, wie man dies niemals 
bei spontan ablaufender Kaninchentuberculose zu sehen bekommen. 
Er bestätige durchaus die Angaben Ländere Fs und demon- 
strirt einige mikroskopische Präparate. 

Herr Frank: Seit ein und eiuhalb Jahren wendet er die 
bei Länderer kennen gelernte Hetobehandlung an. Er könne 
nur sagen, dass es vom Standpunkte des Praktikers nur freudig zu 
begrüssen sei, im Hetol ein Mittel zu haben, mit welchem man über¬ 
haupt etwas gegen die Tuberculose ausricliten könne; denn es sei 
nicht möglich, jeden Patienten in ein Sanatorium oder nach dem 
Süden zu schicken. Es genüge, dass keine schädliche Wirkung 

constetirt . In der p 0 iiuiinik der Universität wurden 

20 Fälle mit Hetol behandelt. Eine schädliche Wirkung wurde 
nicht constatirt. Er habe nicht intravenös, sondern intramusculär 
(Glutäen) injicirt, was schmerzlos sei. Neigung zu Blutung wurde 
nicht bemerkt Die Versuche würden fortgesetzt. 


Digitized b" 


■V Google 


Demonstr ation: 

Herr A1 b u: eine Patientin, die nach Operation eine seit 
10 Jahren bestehende Lebergallenfistel zurückbehielt. 

Hans K o h n. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 


Soci6t6 mädicale des höpitaux. 

Sitzung vom 26. Januar und 2. Februar 1900. 
Häufigkeit der Tuberculose bei den Eingewanderten in Paris. 

Die Statistik von Barbier umfasst 431 Tuberculose, 292 
Männer und 139 Frauen. Davon waren blos 131 — 30,4 Proc. in 
Paris geboren, die übrigen eingewandert. Ungefähr 40 Proc. der 
Letzteren ziehen sich die Krankheit in den ersten 10 Jahren zu 
und fast alle sind erblich nicht belastet, sie werden also durch An¬ 
steckung tuberculös. Der Alkoholismus ist sehr verbreitet unter 
ihnen. Gewisse Gegenden (Departements) Frankreichs, wie die 
Bretagne, Normandie und die centralen Theile liefern einen relativ 
hohen Procentsatz. 


Typhus ohne Fieber und mit Serumreaction. 

E t i e n n e - Nancy berichtet über einen Fall von Typhus mitt¬ 
lerer Schwere, wo sämmtliclie Erscheinungen ausser Fieber und 
Roseola vorhanden waren: die Serumreaction war sehr deutlich, 
die Agglutinationskraft sogar eine sehr hohe. 

Wldal erlebte zwar nie einen wirklich fieberlosen Typhus¬ 
fall, aber gegen Ende der Krankheit oft eine Art Dissociation der 
Erscheinungen, so dass die Allgemeinsymptome bestehen blieben 
und das Fieber nach regelmässigem Abfall völlig schwand oder 
auch umgekehrt letzteres bestehen blieb und der Patient sich sonst 
eines guten Befindens erfreute. W. hält es wohl für möglich, 
dass bei besonders disponirten Personen (Idiosynkrasie) die Dis¬ 
sociation bis zum Aeussersten geht und von Beginn der Krankheit 
an das Fieber fehlt. 

In der weiteren Discussion machen Siredey, Glenard, 
Chauffard auf die Möglichkeit von Irrthtimern bei der Tem¬ 
peraturmessung aufmerksam; dieselben können auf Nachlässigkeit 
des Wartepersonals zurückzuführen sein, ferner müsse die Mes¬ 
sung alle 3 Stunden und zwar rectal vorgenommen werden, um so 
wichtige Fragen zu entscheiden. 


Die Organsafttherapie mittels des vom Hunde entnommenen 
Magensaftes. 

Le Gendre fügt den von L a n n o i s und Barth mit- 
getheilten Fällen 6 weitere hinzu, wo Patienten mit allen möglichen 
Magenaffectionen primärer oder secundärer Natur (mit Hypo- oder 
Apepsie) rasch durch das G a s t e r i n geheilt wurden, während alle 
anderen Mittel vorher versagt hatten. Noch 3 weitere Fälle von 
anderen Aerzten anführend, so dass nun mit jenen von F r 6 m o n t 
13 positive Resultate vorliegen, spricht Le Gendre die Ueber- 
zeugung aus, dass der nach Frßmon t’s Methode gewonnene 
Magensaft in allen Fällen von Magenaffectionen, mit Ausnahme 
der carcinomatösen, zu versuchen ist. Er wird fast immer Besse¬ 
rung, oft sogar Heilung bringen in Fällen, gegen welche wir bis 
jetzt kein wirksames Mittel gekannt haben. 

Linossier glaubt, dass diese guten Resultate nur der 
Wirkung von Salzsäure und Pepsin zuzuschreiben sind, die eben 
in dem Magensaft des Hundes in weit grösserer Menge enthalten 
sind, wie in den gewöhnlich den Dyspeptikern verordneten Medica- 
menten. Mangels dieses Hundemagensaftes, der ein sehr theures 
Mittel sei, könnte man eine sehr wirksame Salzsäurepepsinmedi- 
cation mit den Salzsäureeiweisslösungen in hoher Dosis, wie sie L. 
vorgeschrieben habe, einleiten; immerhin besitze jedoch ein natür¬ 
licher Magensaft eine gewisse Superiorität über die pharma- 
ceutischen Producte. 


Verschiedenes. 

Entscheidungen des R e I ch sve r s i ch e r u n g s a m t e s: 

1. Verlust des Restes der Sehkraft auf einem von früher her 
schadhaften Auge Ist mit einer niedrigeren Rente (20 Proc.) zu 
entschädigen, als wenn das verletzte Auge vorher normal war. 
R.-E. vom 23. VI. 1898. Pr.-L.-No. 3401/98. 

2. Für den Verlust eines Auges und Herabsetzung der Seh¬ 
schärfe des anderen auf “/, bei gesteigerter Empfindlichkeit des 
letzteren gegen äussere Reize sind 50 Proc. der Vollrente ange¬ 
messen. R.-E. vom 31. V. 1899. 

Entfernung von Blutflecken. Blutflecken können, 
wenn das Eiweiss noch nicht durch Anwendung von heissem 
'Wasser u. s. w. ausgefällt ist, nach J. T. Ru gh sehr leicht durch 
unverdünntes Wasserstoffsuperoxyd entfernt werden. Bei älteren 
Flecken ist wiederholte Anwendung und Reiben nöthig. Die Ge¬ 
webe erleiden durch das Mittel keinerlei Veränderung. (Phila¬ 
delphia med. Journ., 12. August 1899.) F. L. 

Therapeutische Notizen. 

Jodopyrln Ist ein Antipyrin, in welchem der eine noch sub 
stituirbare Wasserstoff im Pyrazolonkern durch Jod ersetzt ist 
Es ist völlig geruch- und geschmacklos, in Wasser und kaltem Alko¬ 
hol schwer löslich. Zahlreiche Versuche haben eine antifebrile, 
autiseptische und schmerzstillende Wirkung des Präparates er¬ 
geben. 


Original frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



408 MÜNCHEXEI? MKDTCIXISCHE 


Spcciell hat es sich als sicheres, angenehmes und relativ un¬ 
gefährliches F i e b e r in i 11 e 1. ferner als antirheuumtisches 
Mittel bei Muskelrheuniatismus, acutem und chronischem 
Gelenkrheumatismus, als schmerzstillendes Mittel bei 
Gicht, als Speeiüeum gegen In f 1 u e n z n bewährt. Seine anti¬ 
neuralgische Wirkung kam zur Geltung bei Ischias, Intercostal- 
neuralgien, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, lancinirenden Schmer 
zen bei Tabe s. Bei M e n s t r u a t i o n s k o 1 i k e n hörten die 
Schmerzen bei der Anwendung von 0.5—1,0 als Suppositorium, 2 bis 
3 stündlich, prompt auf. Auch die Dolores osteocopi 
Syphilitischer wurden beseitigt. Hier, wie bei Asthma bronchiale, 
ist die günstige Wirkung auf das Jod zurüekzuführen. 

Die Verabreichung geschieht zweckmässig trocken in Pulver¬ 
form mit Nacht linken von Wasser oder Milch. Die Einzelgabe ist 
bei Erwachsenen 1,0 3—4 stündlich, bei Kimlern von 1—10 Jahren 
o.l--0.5. bei älteren Kindern %— :; j g 3 mal täglich. Ungünstige 
Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. 

i J u n k e r s : Ueber die therapeutische Verwendung des Jodo- 
pvrins IJodantipvrin]. Therap. Monatsh. 1800. November.* 

1t. S. 

Unter dem Namen Nectria nin stellten Bra und Mon- 
g o li r , die eifrigen Verfechter der parasitären Theorie des Carci 
lioms, aus Nectria ditissima, dem Krebsparasiten der Yegetabilien. 
ein flüssiges Präparat her, welches speciflsche Wirkung g e g e n 
C a r c i n o m haben soll. Bei Thieren und Menschen, welche 
Träger careinotnatösor Neubildungen sind, tritt bei subcutaner In¬ 
ject ion von 5 ccm des Mittels ausgesprochene Allgeineinroaction 
(Temperaturerhöhung um 1 — 2 Grad. Pulsbesrhleunigung. Herz¬ 
klopfen, Kopfschmerzen u. s. w.) ein, während bei gesunden Thieren 
keinerlei Keaction sich einstellt. Bra und Mo ligour wandten 
nun das Nectrianin in 14 Fällen von inoperablem Gebärmutter-. 
1 von ditto Magenkrebs und 1 Fall von Gesichtsepitheliom au. 
Die unmittelbaren Folgen waren stets Verminderung oder völliger 
Nachlass der Haomorrhagien und des eiterigen Ausflusses, manch¬ 
mal Neigung der Neubildung zur T'eberhäutung und zeitweise 
völliger Stillstand im Wachsthum. Die Besserung hält nur an. so 
lauge die Injectionen gemacht worden und ist das Aufhören der¬ 
selben stets von neu auftretenden Schmerzen, blutigem Ausfluss 
u. s. w. gefolgt. Diese so günstigen 1 o c a 1 e u Erfolge haben je¬ 
doch bei keinem Kranken eine Besserung des Allgemeinzustandes 
herbeigoführt. vielmehr magerten Diejenigen, welcher in voller 
Kachexie waren, weiter ab und es trat schliesslich der Tod in 
Folge der allgemeinen Intoxication ein: bei anderen, welche noch 
nicht so heruntergekommen waren, hielt sich der Allgemeiuzustand 
wie am Beginn der Behandlung. Das Nectrianin ist daher als eiu 
rein locales, mehr symptomatisches Mittel anzusclien, welches 
wegen seiner hervorragend schmerzstillenden Eigenschaften vor 
Allem den Morphiumgobrauoh bei Carcinom einzuscliränkeri be¬ 
rufen scheint. (Revue mtklicale No. 295. 28. Februar 1900 . i St. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 20. März 1900. 

— Durch eine Ende des vor. Jahres ergangene Allerhöchste 
Verordnung ist der Vollzug des Impfgesetzes neu ge¬ 
regelt worden. Die Bestimmungen dieser Verordnung — wir 
bringen sie an anderer Stelle dieser Nummer zum Abdruck — 
die auf Beschlüssen des Bundcsrathes beruhen und im ganzen 
Reiche im Wesentlichen gleichlautend zur Einführung gelangen, 
bezwecken eine schärfere Controle des Impfgeschäftes behufs 
besserer Sicherung des Erfolgt s der Impfung und möglichster Ver¬ 
hütung von Impfschädiguugeii. Dass eine solelie Controle nicht 
überflüssig ist. wird zugegeben werden müssen, wenn man sieh 
erinnert, dass gewiss«* impfgegnerische Aerzte sich öffentlich ihrer 
zahlreichen Fehlimpflingen gerühmt haben und dass jeder Fall 
von Impfscbädigung als Argument gegen die Impfung ausgebeutet 
wird. Dagegen bringt die Controle für die Aerzte. die bisher ihre 
Impfungen vollkommen frei auszuüben gewohnt waren, manche 
Unbequemlichkeiten mit sieh und namentlich ältere Aerzte, die 
seit vielen Jahren erfolgreich geimpft haben, scheinen es, wie wir 
aus uns zu gegangenen Zuschriften ersehen, nicht glauben zu wollen, 
dass sie nun plötzlich noch -- nach $ 3 Abs. 2 der Verordnung — den 
Nachweis erbringen sollen. ..dass sie mindestens zwei öffentlichen 
Impflings- und ebenso vielen Wiedcnmpfungsterminen beigewohnt 
und sich die erforderlichen Kenntnisse über Gewinnung und Er¬ 
haltung der Lymphe erworben haben“. Es sind aber, wie wir in 
Beantwortung mehrerer Fragen hiermit feststellen, nach der Fas¬ 
sung der ungezogenen Bestimmung auch jene Aerzte. welche bisher 
schon das Impfgcschäft ausgeübt haben, von der Erbringung des 
geforderten Nachweises nicht entbunden. Es wird jedoch die Be¬ 
schaffung dieses Nachweises keinen besonderen Schwierigkeiten 
begegnen; die Bei wohnung bei mindestens zwei öffentlichen 
und ebenso vielen Wiederimpfungsterminen kann nöthigenfalls 
nachgeholt werden, und bezüglich des Ausweises der erforder¬ 
lichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der Lymphe 
werden die Behörden sich mit einem amtsärztlichen Zeugnisse 
begnügen und von einem solchen des kgl. Centralimpfarztes ab- 
sehen können. 

Es ist kein Zweifel, dass die Aerzte im Interesse der einwand 
freien Durchführung der Impfung sich in diese ungewohnten aber 
immerhin geringfügigen Beschränkungen gerne fügen werden. 

— In Berlin hat sich unter der Zustimmung der Mehrzahl der 
Docenten der Zahnhellkunde an den preussischen Universi 


WOCHENSCHRIFT. Xo - 

täten ein Comit6 von Zahnärzten gebildet, dessen Zweck Ist, di»* 
gegenwärtigen Promotionsverhiiltnis.se d e r Z a h n - 
iirzte in günstigere Bahnen zu lenken. Das Connte, au dessen 
Spitze die Herren Dr. Katz. Mamlock und Misch stehen, 
beabsichtigt, zunächst an die medicinisclien Facultäten und die in 
Betracht kommenden Ministerien eine Eingabe zu richten, worin 
gebeten werden soll, einen dem Studiengang und der Berufsthätig- 
keit der Zahnärzte entsprechenden eigenen Doctorgrad zu schaffen. 

— Für die Abtheilung für innere Medicin der 72. Natur- 
fcrscherversammlung in Aachen werden die Herren Prof. Wcsc- 
n e r lind San.-Rath II o m m e 1 s li e i m als Einführende fungiren. 
Bei denselben sind Vorträge und Demonstrationen, die für die ge¬ 
nannte Abtheilung bestimmt sind, bis spätestens Ende April anzn- 
nieldeii. 

— Das Comite des 1. internationalen Congresses für 
ä r z 11 i e he S t a n d e s a n g e 1 e g e n heit e li und Deonto- 
1 o g i e. der vom 23. bis 28. Juli in Paris stattftnden soll, gibt l>e- 
kannt. dass die französischen Eisenbahneu eine Preisermiissigung 
von 50 Proc. für die Congressmitglieder eintreten lassen. Di«* zu 
der Erlangung der Ermässigung liüthigen Nachweise werden gleirh 
zeitig mit der Mitgliedkarte abgegeben. Die Gebühr für letzter»* 
lx-trägt 15 Fr. und ist vor dem 20. Juni an den Schatzmeister des 
Uongresses. M. Pierre Massen. 120, Boulevard Saint-Gerinain. 
Paris, einzusenden. Die Giltigkeitsdauer für die zu ermässigren» 
Pieise gelieferten Fahrkarten Ist vom 20. Juli bis 20. August. 

— P e s t. Portugal. In das Krankenhaus von S. Antonio 
zu Porto wurde am 12. Februar ein Kranker uufgeuommeii. dessen 
Leiden sich nachträglich als Pest erwiesen hat. Nach Erklärung 
der dortigen Behörden handelt es sich um einen deutlich gekenn¬ 
zeichneten Einzelfall, von dem für den allgemeinen Gesundheits¬ 
zustand keinerlei Gefahr entstehen könne, «la die Absperrung mit 
allen Vorsichtsmatissivgeln erfolgt ist und das Haus, in welchem 
der Kranke wohute, gründlich desinficirl worden ist. — Kapluud. 
Im Hafen von Kapstadt sind am 7. März 3 Pestfälle auf einem aus 
Rosario eingctroffeneii Schiffe amtlich festgestellt. — Argentinien. 
Nach einer Mittheiluug des Gesundheitsamtes zu Buenos Air.** 
waren in Rosario bis zum 8. Februar 27 Personen an der B«*ul«*n- 
pest erkrankt, yud zwar alle in einem bestimmten Tb»*ile der 
Stadt, welcher allein als Pest heul gilt. Von d«*u Erkrankten 
starben 18: die Obductionen der Leichen haben es ausser Zweifel 
gelassen, dass Beulenpest die Todesursache gewesen ist. Am 
3. Februar befanden sich noch 9 Kranke im Isolirhospital. seither 
waren neue Erkrankungen an der Seuche bis zum S. Februar nicht 
vorgekommen. — Brasilien. Die Stadt Sao Paulo ist am 12. Fel>r.. 
nachdem seit 20 Tagen kein Pestfall mehr vorgekommen ist. fih¬ 
rem erklärt, die sanitären Sieherheitsmaassregeln sind in Folge 
dessen wieder aufgehoben. — Paraguay. Vom 17. bis 22. Januar 
sind in Asuncion nach Angabe des dortigen Nationalgesundheits¬ 
raths weder Erkrankungen noch Todesfälle an der Pest beobacht«*?, 
am 23. Januar aber wurden 2 neue Pesterkrankimgen festgestellt. 
— Neu-Ualedonien. Vom 9. bis 21. Februar sind in Numea 13 Er¬ 
krankungen und 7 Todesfälle an der Pest gemeldet. (V. d. K. G.-A.i 

— In der 9. Jahreswoche, vom 25. Februar bis 3. März P.mü. 
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste 
Sterblichkeit Freiburg i. B. mit 51.0. die geringste Schöneberg mit 
11,0 pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehnttd aller 
Gestorbenen starb an Masern in München; an Scharlach in Alteu¬ 
dorf: an Diphtherie und Croup in Brandenburg. 

— Von der russisch-holländischen Sanitäts- 
a htlieilung. welche in Laurenzo-Marquez schon vor einiger 
Zeit angekommen war. fehlen seit dieser Zeit jegliche Nachrichten, 
da ihre Telegramme bisher einfach zurückgehalten worden sind. 
Wie die ..Diina-Ztg.“ von eompetenter Seite erfahren hat. ist di** 
russisch-holländische Ambulanz von den portugiesischen Behörden 
in Lourenzo-Marquez widerrechtlich zurückgehalten worden. s<* 
dass die russische und die holländische Regierung gebeten werdtm 
mussten. di<* nöthigon Schritte zu thun, damit die Ambulanz di»* 
Weiterreise nach Prätoria antreten kann. Petersb. med. W. 

— Von der Kunst- und Verlagsanstalt Th. K ö n i g in Müncli«*n 
erhalten wir zur Anzeige an dieser Stelle eine grosse Pliotogravüiv 
des bekannten Bildes von Gabriel Max: ..Christus als 
A rzt". Das Bild stellt die Wiedererweckung des Töchterlein d«\< 
Jairus dar uml zeigt den Erlöser am Bettrande des auf dem Lager 
leblos ruhenden Kindes sitzend, den Blick voll tiefsten Mitgefühls 
auf die rührende Gestalt geheftet. Das Gemälde ist eines der 
Meisterwerke des Künstlers und hat wesentlich zur Begründung 
seines Weltrufes beigetragen. Auch die Reproductiou ist vortreff¬ 
lich gelungen: die Bildgrösse ist 09:47 cm. die Papiergröss. 
100 : 72 cm. Der Preis des Blattes beträgt 30 M. Näheres findet 
sich in einem der heutigen Nummer beiliegenden Prospect. dessen 
Ausführungen wir darin vollkommen beistimmen, dass das Bild 
einen passenden und vornehmen Wandschmuck für j«*de ärztlich«' 
Wohnung bilden wird. 

(Hoehsehuluachrlchten.) 

Giessen. Dr. Friedrich Best aus Wermelskirchen in der 
Rheinprovinz hat sich als Privatdocent für Augenheilkunde 
habilitirt. 

Greifswald. Prof. S t r ü b i li g wurde zum ordentlich« -» 
Professor und zum Director der modiciuischon Poliklinik ernannt. 

H a 11 e a. S. Am 10. März liabilitirte sich Herr Dr. K. F r a n z. 
ein Würzburger, mit der Schrift: ..Bncterhdogisehe und klinisch«* 
Untersuchungen über leichte Fiebersteigerungen im Wochenbett- 
für Geburtshilfe und Gynäkologie. 


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2 *. März 19UÜ. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


409 


Heidelberg. Der a. o. Professor der Pharmakologie 
Z. Oppenheimer erhielt den Titel eines Hofrathes. 

Marburg. Herr Geheimrath Prof. Dr. K ti s t e r ist an 
einer Cholecystitis erkrankt und musste sich einer Operation unter¬ 
ziehen. 

Athen. Dr. Protopoulos wurde zum Professor der 
Dermatologie und Syphiligraphie ernannt. 

Catania. Habilitirt: Dr. O. M o d i c a , bisher Privat- 
docent an der med. Facultät zu Bologna, für gerichtliche Medicin. 

Cork. Der Professor der Materia medica Dr. C. Yelverton 
P e a r s o n wurde an Stelle des verstorbenen Prof. O’Sullivan 
zum Professor der Chirurgie am Queens College ernannt. 

Genf. Der a. o. Professor Dr. H. Oltramare wurde zum 
ordentlichen Professor der Klinik und Poliklinik für Haut- und 
Geschlechtskrankheiten ernannt. 

Innsbruck. Privatdoeent Dr. H. M a 1 f a 11 i wurde zum 
ausserordentlichen Professor der gerichtlichen Chemie ernannt. 

Kopenhagen. Der Professor der Pharmakologie Dr. 
H. C. J. Gram wurde zum Professor der Medicin ernannt. 

Zürich. Als Nachfolger des nach Marburg berufenen Prof. 
P. I b b e r t wurde einstimmig Prof. Dr. Paul Ernst, z. Z erster 
Assistent des pathologischen Instituts in Heidelberg, ein geborener 
Züricher, vorgeschlagen. Derselbe hat den Ruf bereits erhalten 
und angenommen. 

(Todesfälle.) 

Mit schmerzlichem Bedauern verzeichnen wir heute das Hiu- 
seheiden eines Mannes, den der ärztliche Stand, und die bayerischen 
Aerzte besonders, mit Stolz den Ihrigen genannt hatten, des Kreis- 
medicinalrathes Dr. Friedrich Ernst A u b. Er wurde am 14. ds. 
in der Abgeordnetenkammer von einem apoplectischen Anfalle be¬ 
troffen, dem er am IC. ds., im G3 Jahre seines Lebens, erlag. Mit 
ihm verlieren die deutschen Aerzte einen ihrer fähigsten Köpfe und 
einen Mann, der wie kein x\nderer seine Zeit und Kraft für sie ein¬ 
setzte. A u b hatte 2 Interessen, in denen er ganz auf ging, die 
nationalliberale und die ärztliche Sache. Vermöge seiner hervor¬ 
ragenden parlamentarischen Begabung schon frühzeitig, wie in den 
Landtag, so auch in die ärztlichen Standesvertretuugen delegirt, 
hat er in diesen, und zwar sowohl in seinem engeren bayerischen 
Vaterlande, wie im deutschen Aerztevereinsbunde bald maass¬ 
gebenden Einfluss gewonnen und eine überaus fruchtbare Thätig- 
keit entfaltet. Es ist der beste Beweis für das hohe Ansehen, das 
A u b bei den deutschen Aerzten genoss, dass nach G r a f’s Tode 
die Leitung des Aerztevereinsbundes fast selbstverständlich ihm 
zufiel. Man wird ihn hier schwer vermissen; unersetzlich aber 
wird er für die bayerischen Aerzte sein, denen noch besonders sein 
weitreichender Einfluss im Staat und ln der Kammer zu Gute kam. 
Fast 30 Jahre lang ununterbrochen als Landtagsabgeordneter 
thätig, ist er in der Kammer stets ein energischer Vertreter der ärzt¬ 
lichen Interessen gewesen. Schon in nächster Zeit, bei Berathung 
des Gesetzentwurfs, die ärztlichen Ehrengerichte betreffend, dessen 
berufener Vertreter er gewesen wäre, wird sich sein Fehlen für die 
Aerzte schwer fühlbar machen. Es ist ein tragisches Geschick, 
dass es ihm nicht vergönnt war, den glücklichen Abschluss dieses 
Werkes, das ihm so sehr am Herzen gelegen war, zu erleben. Zu 
besonderem Dank ist Aub der Aerztliche Bezirksverein München 
verpflichtet. Früher ziemlich einflusslos, ist dieser Verein unter 
A u b’s Leitung einer der grössten und bedeutendsten Standes¬ 
vereine Deutschlands geworden, der oft in wichtigen Fragen der 
öffentlichen Gesundheitspflege oder des ärztlichen Standes ein aus¬ 
schlaggebendes Wort gesprochen hat. Am Sonntag den 18. ds. 
wurde Aub zu Grabe getragen. Trotz eines heftigen Schnee¬ 
sturmes hatte eine zahlreiche Trauerversammlung, darunter Ab¬ 
ordnungen des deutschen Aerztevereinsbundes und vieler baye¬ 
rischer Bezirksvereine, sich eingefunden, um von der Verehrung, 
die sie dem Verstorbenen zollten, Zeugniss abzulegen. Sein Name 
-wird von den deutschen Aerzten stets in Ehren gehalten werdeu. 
Eine eingehende Würdigung der Persönlichkeit und der Lebens¬ 
arbeit A u b’s behalten wir uns für eine spätere Nummer vor. 

Am 10. ds. der Geheime Medicinalrath Dr. v. M o s e n g e i 1, 
a. o. Professor der Chirurgie in Bonn. 

William Maeneill Whistler in London, bekannter eng¬ 
lischer Laryngologe. 

Dr. Leroy, Professor der internen Pathologie an der med. 
Facultät zu Lille. 

Dr. A. v. Tschurtscheuthaler, fr. Professor der all- 
meinen Pathologie und der Pharmakologie zu Innsbruck. 

Dr. E. L. Holmes, Professor der Ophthalmologie und 
Otologie am Rush Medical College zu Chicago. 

(B e r i c h t i g u n g.) In der Arbeit des Herrn Dr. A v e 11 i s 
in No. 10 ist zu lesen auf S. 322. Sp. 1, Z. 10 v. u. „Verwach¬ 
sung“ statt „Vermehrung“ und auf S. 323. Sp. T, Z. 5 v. o. 
„untereinander“ statt „mit dem Hammer“. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung. Dr. Gottfried Clos in Erkheim, B.-A. Mem¬ 
mingen, appr. 1900. 

Verzogen. Dr. Max H a y 1 e r von Erkheim, unbekannt 
wohin. 

Erledigt: Die Bezirksarztsstelle I. Classe für den Verwaltungs¬ 
bezirk der Stadt Augsburg ist in Erledigung gekommen. Bewerber 
um dieselbe haben ihre vorschriftsmässig belegten Gesuche bei der 


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ihnen Vorgesetzten k. Regierung, Kammer des Innern, bis zum 
30. März 1. Js. einzureiclien. 

Die Bezirksarztsstelle I. Classe in Regensburg ist in Erledi¬ 
gung gekommen. Bewerber um dieselbe haben ihre vorschrifts- 
mässig belegten Gesuche bei der ihnen Vorgesetzten k. Regierung, 
Kammer des Innern, bis zum 30. März 1. Js. einzureichen. 

Auszeichnung. Der Verdienstorden vom hl. Michael 4. Ci. 
dem Hofstabsarzte Dr. Gustav v. H ö s s 1 i n. 

Verliehen: den Generalärzten Dr. II e 1 f e r i c h und Dr. 
Ritter v. An ge rer, beide ä la suite des Sauitätscorps, danu Dr. 
8 e g g e 1, Vorstand des Operationscurses für Militärärzte, der 
Rang als Generalmajor. 


Amtliches. 

(Bayern.) 

No. 2SG17. 

Königlich Allerhöchste Verordnung, den Voll¬ 
zug des Impfgesetzes betreffend. 

Im Namen Seiner Majestät des Königs. 
Luitpold, 

von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. 

Wir haben Uns bewogen gefunden, die Kgl. Allerhöchste 
Verordnung vom 24. Februar 1875, den Vollzug des Impfgesetzes 
vom 8. April 1874 betreffend, einer Revision zu unterstellen, und 
verordnen hienach auf Grund des § 18 Abs. 2 genannten Gesetzes 
was folgt: 

§ 1. Jede Districtspolizeibehörde bildet für ihren Verwaltungs¬ 
bezirk die zum Vollzüge des Impfgesetzes zuständige Behörde, in 
der Haupt- und Residenzstadt München die k. Polizeidireetion. 

§ 2. Jede einer Kreisregierung unmittelbar untergeordnete 
Stadtgemeinde und im Uebrigen jeder Amtsgerichtsbezirk bilden 
für sich einen Impfbezirk. 

§ 3. Der für den Impfbezirk aufgestellte amtliche Arzt (Be¬ 
zirksarzt oder bezirksärztlicher Stellvertreter) ist für diesen Bezirk 
der zuständige lmpfarzt, für den Stadtbezirk München der Central¬ 
impfarzt. 

Im Uebrigen hat jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft pri¬ 
vatim oder öffentlich austtben will, den Nachweis darüber zu er¬ 
bringen, dass er mindestens zwei öffentlichen Impfungs- und eben- 
sovielen Wiederimpfungstermlnen beigewohnt und sich die erfor¬ 
derlichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der Lymphe 
erworben bat. 

Eine ausdrückliche Inpflichtnahme der Impfärzte, welche bei 
den amtlichen Aerzten mit der dienstlichen Verpflichtung überhaupt 
zu verbinden ist, hat bei Uebernahme des Impfgeschäftes statt¬ 
zufinden. 

§ 4. Die Districtspolizeibehörde hat auf Antrag des Impfarztes 
die Impforte festzusetzeu und dabei Sorge zu tragen, dass jeder 
Ort seiner Lage nach thunlichst berücksichtigt und jede grössere 
Entfernung vermieden wird. 

An Orten, an welchen ansteckende Krankheiten, wie Schar¬ 
lach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Flecktyphus, roth-* 
lauf artige Entzündungen in grösserer Verbreitung auf treten, Ist 
<lie Impfung In öffentlichen Terminen während der Dauer der Epi¬ 
demie nicht vorzimelimen. 

Erhält der Impfarzt erst nach Beginn des Impfgeschäftes 
davon Kenntniss, dass derartige Krankheiten im Orte herrschen 
oder zeigen sich dort auch nur einzelne Fälle von Impfrothlauf, so 
hat er die Impfung an diesem Orte sofort zu unterbrechen und der 
einschlägigen Orts- und Districtspolizeibehörde davon Anzeige zu 
machen. 

§ 5. Bei der Impfung hat der Impfarzt im Einvernehmen mit 
der Ortspolizeibehörde für die nöthige Ordnung zu sorgen. 

Ein Polizei- oder Gemeindediener oder ein sonstiger Beauf¬ 
tragter der Ortspolizeibehörde hat im Impftermine für diesen 
Zweck zur Stelle zu sein. Auch hat die Gemeinde entsprechende 
Schreibhilfe sowie zur Vornahme des Impfgeschäftes geeignete 
Räume bereit zu steilem 

Bei der Wiederimpfung und der darauf folgenden Nachschau 
soll ein Lehrer anwesend sein. 

Die gleichzeitige Anwesenheit der Erstimpflinge und der 
Wiederimpfliiige in Einem Local ist thunlichst zu vermeiden. 

§ 6. Der Tag, an welchem die ordentliche öffentliche Impfung 
und die am gleichnamigen Tage der darauf folgenden Woche statt- 
flndende Nachschau der Impflinge vorgenommen wird, ist von der 
Districtspolizeibehörde im Benehmen mit dem Impfarzte zu be¬ 
stimmen und nebst dem Orte und der Stunde des öffentlichen Impf¬ 
geschäftes in den unmittelbaren Städten zur Kenntniss der Bevöl¬ 
kerung zu bringen, in den übrigen Gemeinden aber den Ortspolizei¬ 
behörden bekannt zu geben und von letzteren mindestens acht Tage 
vor der öffentlichen Impfung in der Gemeinde und bezw. ln allen 
zu derselben gehörigen Ortschaften zur allgemeinen Kenntniss 
zu bringen. 

Während der Zeit der grössten Sommerhitze (Juli und August) 
sollen öffentliche Impfungen nicht stattflnden. 

§ 7. üeber das, was in Bezug auf die Beschaffung und Ge¬ 
winnung von Lymphe zur Impfung, die Aufstellung der Impflisten 
und die Verwendung der sonstigen Formulare, die Ausführung der 
Impfung und die Nachschau der Impflinge von den einschlägigen 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 12. 


410 


Behörden, den Impfärzten sowie auch den Angehörigen der Impf¬ 
linge zu beobachten ist. werden von dem Staatsministerium des 
Innern nähere Vorschriften erlassen. 

§ 8. Ausser den nach § 1 des Impfgesetzes zur Impfung Ver¬ 
pflichteten sind sämmtliche Bewohner des Impfbezirkes berechtigt, 
zur Zeit der öffentlichen Impfung vom zuständigen Impfarzte un¬ 
entgeltlich sich impfen zu lassen. 

Auch erst im Laufe des Jahres Geborene dürfen zur ordent¬ 
lichen öffentlichen Impfung zugelassen werden. Kinder unter 
3 Monaten jedoch nur dann, wenn Gefahr auf Verzug vorliegt. 

§ 9. Ausserordentliche öffentliche Impfungen haben stattzu¬ 
finden. so oft in einem Orte die Blattern (Variola oder Variolois) 
ausbrechen. 

ln diesem Falle sind alle Kinder, somit auch die im Laufe des 
fahres geborenen, impfpflichtig, soferne denselben nicht die gänz¬ 
liche oder vorläufige Befreiung von der Impfung zukommt. 

Auf die Anzeige vom Ausbruch der Blatternkrankheit ist durch 
die Distiictspolizeibehörde im Benehmen mit dem Impfarzte ohne 
Verzug auf Grund des Art. 67 Abs. 2 des Polizeistrafgesetzbuches 
für Bayern vorn 26. December 1871 eine Impfung in den zu be¬ 
stimmenden Gemeinden anzuordnen. 

Die Wiederimpfung der von der aufgetretenen Blatterinkrank- 
heit zunächst Gefährdeten kann von der Districtspolizeibehörde 
angeordnet werden, insoferne dieselben in den letzten 5 Jahren 
weder die Blattern überstanden haben, noch mit Erfolg geimpft 
worden sind. 

§ 10. Die Districtspolizeibeliörden haben, sobald ihnen nach 
dem Schlüsse des Kalenderjahres die Impflisten zugegangeu sind, 
dieselben zu prüfen und bezüglich der ohne gesetzlichen Grund von 
der Impfung Weggebliebenen die Eltern. Pflegeeltern oder Vor¬ 
münder nach § 12 des Impfgesetzes aufzufordern, binnen einer be¬ 
stimmten Frist mittels der vorgeschriebenen Bescheinigung den 
Nachweis zu führen, dass die Impfung ihrer Kinder und Pflege¬ 
befohlenen erfolgt oder aus einem gesetzlichen Grunde unter¬ 
blieben ist. 

Wird dieser Nachweis geliefert, so ist die Impfliste zu er¬ 
gänzen. wird derselbe nicht erbracht, so ist der betreffenden Staats¬ 
anwaltschaft hievon Anzeige zu machen und den Betheiligten eine 
Frist zur Nachholung der Impfung nach § 4 des Impfgesetzes vor¬ 
zusetzen. 

§ 11. In Bezug auf die Deckung der durch Vollzug des Impf¬ 
gesetzes vom 8. April 1874 erwachsenden Kosten hat es bei den 
seitherigen Bestimmungen der Verordnung vom 28. April 1875. die 
Bestreitung der Impfkosten betreffend, sein Verbleiben. 

Die Anschaffung der gedruckten Formulare erfolgt durch die 
Districtspolizeibehörde, welche dem Impfarzt die zum Vollzüge des 
öffentlichen Impfgeschäftes nöthige Zahl derselben unentgeltlich 
zuzustellen hat. 

§ 12. Wird eine wiederholte Ausfertigung der im § 10 des 
Impfgesetzes aufgeführten Bescheinigungen verlangt, so ist die¬ 
selbe gegen Entrichtung einer Gebühr von 1 M. von dem zu¬ 
ständigen Impfarzte auf Grund der Impflisten oder zweifelloser 
Impf- oder Blatternarben auszufertigen. 

Im letzteren Falle kann auch jeder andere Arzt des Aufent¬ 
haltsortes zur Ausstellung der Bescheinigung gegen Entrichtung 
der gleichen Gebühr angegangen werden. 

Ist der Impfungsnachweis weder durch die Listen, noch durch 
unzweifelhafte Impf- oder Blatternarben zu liefern, so darf der 
Impfschein nur nach vorgenommener Impfung ausgestellt werden. 

Für Privatimpfungen, zu welchen auch die von den Impfärzten 
ausserhalb der öffentlichen Impfung vorgenommenen Impfungen 
zählen, dürfen die Aerzte, falls nicht eine Vereinbarung mit den 
Betheiligten hierüber stattgefunden hat, die in der ärztlichen Ge¬ 
bührenordnung festgesetzten Gebühren beanspruchen. 

§ 13. Die Beaufsichtigung der Impfärzte wird den k. Bezirks* 
ätzten und für jene Bezirke, in denen der Bezirksarzt selbst Impf¬ 
arzt ist, sowie für den Stadtbezirk München den Kreismedicinal- 
rüthen übertragen. Dieselbe besteht in einer an Ort und Stelle 
auszufiihreuden Revision eines oder mehrerer Impftermine. 

Die Geschäftsführung der Impfärzte ist alle 3 Jahre einer Re¬ 
vision zu unterziehen. Diese Revision hat sich in erster Linie 
auf die Impftechnik und die Festsetzung des Impfcrfolges, sodann 
auf die Listenführung. Auswahl des Impflocales, Zahl der Impf¬ 
linge u. s. w. zu erstrecken. 

Auch die Impfungen der Privatärzte sind der Revision zu 
unterstellen, soweit sie nicht von denselben als Hausärzten in den 
Familien ausgeführt werden. 

Die Beaufsichtigung der k. Centralimpfanstalt erfolgt durch 
das Staatsministerium des Innern, welches in Bezug auf eine tech¬ 
nische Ueberwachung der Thierlymphegewinnung durch in ent¬ 
sprechenden Zeiträumen wiederkehrende Revisionen weitere An¬ 
ordnungen treffen wird. 

§ 14. Gegenwärtige Verordnung, durch w r elehe die Verord¬ 
nungen vom 24 Februar 1875 und 25. März 1896 aufgehoben werden, 
tritt mit 1. Januar 1900 für den ganzen Umfang des Königreiches 
in Wirksamkeit. 

München, den 17. December 1899. 

Luitpold, 

Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser. 

Frhr. v. Feilitzsch. 

Auf Allerhöchsten Befehl : 

Der Gencra 1 secretiir: 

Ministerialrnth v. Iv o p p 1 s t ii t t. e r. 


No. 28617. 

K. Staatsministerium des Innern. 

Bekanntmachung, Vollzug des Impfgesetzes betreffend. 

Auf Grund des § 7 der Allerhöchsten Verordnung vom 17. De¬ 
cember 1899, den Vollzug des Impfgesetzes betreffend, w T erden nach¬ 
stehende Vorschriften erlassen: 

A. Vorbereitung der Impflisten. 

Die ordentliche öffentliche Impfung wird auf Grund der all¬ 
jährlich herzustellenden Verzeichnisse sämmtlicher Iinpfpfliehtigen 
eines jeden Impfbezirkes vorgenommen, wobei Nachstehendes zu 
beachten ist: 

I. Die Verzeichnisse für die erste Impfung (§ 1 Ziff. 1 des Impf¬ 
gesetzes) sind von der Districtspolizeibehörde für jeden Impfbezirk 
nach Formular V anzufertigeu; hiebei ist in folgender Weise zu 
verfahren: 

a) In den mittelbaren Gemeinden. 

Die Districtspolizeibehörde übergibt den im Impfbezirke be¬ 
findlichen Standesbeamten bis zum 15. Januar jeden Jahres so viele 
Formulare der Impfliste, als im Standesamtsbezirke Gemeinden 
vorhanden sind. 

Der Standesbeamte füllt die Liste, in welcher die Impfpflich- 
tigen in alphabetischer Reihenfolge aufzuftihren sind, in den Spal¬ 
ten 1—5 einschliesslich aus und übersendet dieselbe bis spätestens 
15. Februar jeden Jahres der Ortspolizeibehörde, welche dieselbe 
durch Eintragung der Zugezogeuen, der Kostkinder u. s. w\ zu er¬ 
gänzen hat. 

Zerfällt eine Gemeinde in mehrere Standesanitsbezlrke, so hat 
der von der Districtspolizeibehörde angegangene Standesbeamte 
die Impfliste vor deren Uebersendung an die Ortspolizeibehörde 
den mitbethelügten Standesämtern zur Ergänzung zuzustellen. 

Die Ortspolizeibehörden haben die von ihnen vervollständigten 
Listen spätestens bis zum 1. März jeden Jahres der Districtspolizei¬ 
behörde vorzulegen, welche ihrerseits die Vollständigkeit der Iinpf- 
listeu prüft, durch Aufschreibung der von der Impfung des Vor¬ 
jahres zur Impfung des treffenden Jahres Verwiesenen ergänzt, 
•lie in den Impflisten eingetragenen Impfpflichtigen nach alpha¬ 
betischer Reihenfolge der Gemeinden des Impfbezirkes mit fort¬ 
laufender Nummer versieht, die Spalte 6 der Listen ausfüllt und 
dieselben bis zum 1. April jeden Jahres dem zuständigen Impf¬ 
arzte übergibt. 

1>) In den unmittelbaren Städten. 

Die Standesbeamten haben die von der Districtspolizeibehörde 
ihnen zugestellten und von ihnen nach Maassgabe obiger Vor¬ 
schriften ausgefüllten Formulare bis zum 1. Februar jeden Jahres 
an die bezeichnet^ Behörde wieder einzusenden. 

Diese Behörde hat die Impfliste in der oben bezeichneten Weise 
festzustellen und bis zum 1. April jeden Jahres an den zuständigen 
Impfarzt abzugeben. 

II. Die Verzeichnisse für die spätere Impfung (Wiederimpfuue 
nach § 1 Ziff. 2 des Impfgesetzes) haben die Vorsteher der öffent¬ 
lichen Lehranstalten und der Privatschulen nach Formular VI 
unter Ausfüllung der Spalten 1 bis 6 einschliesslich in alpha¬ 
betischer Reihenfolge der Impf pflichtigen herzustellen und bis zum 
1. April jeden Jahres dem zuständigen Impfarzte zu übergeben. 

Für die Volksschulen sind diese Listen von den betreffenden 
Lehrern oder Oberlehrern herzustellen und derart einzurichten 
dass in denselben die Schulkinder zunächst gemeindew'eise, inner¬ 
halb der Gemeinden aber alphabetisch vorgetragen werden. 

In den nach Absatz 1 und 2 hergestellten Listen sind von 
dem Impfarzte die nach den Listen des Vorjahres zu übertragenden 
Impflinge noch nachzutragen. 

B. Beschaffung und Gewinnung der Lymphe. 

§ 1. Die Impfung ist mit Thierlymphe vorzunehmen. Menschen- 
lymphe darf sowohl bei öffentlichen als auch bei Privatimpfungeu 
nur in Ausnahmefallen verwendet werden. 

I. Verwendung von T h i e r 1 y m p h e. 

§ 2. Die Thierlymphe darf für alle Impfungen nur aus staat¬ 
lichen Impfanstalten oder deren Niederlagen oder aus solchen 
Privatimpfanstalten, welche einer staatlichen Aufsicht unter¬ 
stehen, bezogen werden. 

§ 3. Die Impfärzte erhalten für die öffentlichen Impfungen 
ihren Gesammtbedarf an Lymphe unentgeltlich und portofrei aus 
der staatlichen Centralimpfanstalt. 

§ 4. Der Impfarzt hat — zutreffenden Falls unter Angabe der 
Nummer des Versandtbuchs der betreffenden Impfanstalt -— aufzu¬ 
zeichnen, von wo und wann er seine Lymphe erhalten hat. 

II. Verwendung von Menschenlymphe. 

§ 5. Die Impflinge, von welchen Lymphe zum Weiterimpfeu 
entnommen werden soll (Ab-, Stamm-, Mutter-Impflinge), müssen 
zuvor am ganzen Körper untersucht und als vollkommen gesund 
und gut genährt befunden werden. Sie müssen von Eltern 


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20. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


411 


stammen, welche an vererbbaren Krankheiten nicht leiden, ins¬ 
besondere dürfen Kinder, deren Mütter mehrmals abortirt oder 
Frühgeburten überstanden haben, als Abimpflinge nicht benutzt 
werden. 

Der Abimpfling soll wenigstens 6 Monate alt, ehelich geboren 
und nicht das erste Kind seiner Eitern sein. Von diesen Anforde¬ 
rungen darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn über 
die Gesundheit der Eltern nicht der geringste Zweifel obwaltet. 

Der Abimpfling soll frei sein von Geschwüren, Schrunden 
und Ausschlägen jeder Art, von Kondylomen an den Gesässtlieilen, 
an den Lippen, unter den Armen und am Nabel, von Drüsen¬ 
anschwellungen, chronischen Affeetionen der Nase, der Augen und 
Ohren, wie von Anschwellungen und Verbiegungen der Knochen, 
er darf demnach kein Zeichen von Syphilis, Skrophulose, Rhachitis 
oder irgend einer anderen constitutionellen Krankheit an sich 
haben. 

§ 6. Lymphe von Wiedergeimpften darf nur im Nothfall und 
nie zum Impfen von Erstimpflingen zur Anwendung kommen. 

'Die Prüfung des Gesundheitszustandes eines wiedergeimpften 
Abimpflings muss mit besonderer Sorgfalt nach Maassgabe der im 
§ 5 angegebenen Gesichtspunkte geschehen. 

§ 7. Jeder Impfarzt hat aufzuzeichnen, von wo und wann 
er seine Lymphe erhalten hat. Insbesondere hat er, wenn er 
Lymphe zur späteren eigenen Verwendung oder zur Abgabe an 
andere Aerzte auf bewahren will, den Namen der Impflinge, von 
denen die Lymphe abgenommen worden ist, und den Tag der er¬ 
folgten Abnahme aufzuzeiclineu. Die Lymphe selbst ist derart zu 
bezeichnen, dass später über die Abstammung derselben ein 
Zweifel nicht entstehen kann. 

Die Aufzeichnungen sind bis zum Schlüsse des nachfolgenden 
Kalenderjahres aufzubewahren. 

§ 8. Die Abnahme der Lymphe darf nicht später als am 
gleichnamigen Tage der auf die Impfung folgenden Woche statt- 
findeu. 

Die Blattern, welche zur Entnahme der Lymphe dienen sollen, 
müssen reif und unverletzt sein und auf einem nur mässig ent¬ 
zündeten Boden stehen. 

Blattern, welche den Ausgangspunkt für Rothlauf gebildet 
haben, dürfen in keinem Falle zum Abimpfen benutzt werden. 

Mindestens eine Blatter muss am Impfling uneröffnet bleiben. 

§ 9. Die Eröffnung der Blattern geschieht durch Stiche oder 
SchDittchen. 

Das Quetschen der Blattern oder das Drücken ihrer Um¬ 
gebung zur Vermehrung der Lymphmenge ist zu vermeiden. 

§ 10. Nur solche Lymphe darf benutzt werden, welche frei- 
■\\ illig austritt und, mit blossem Auge betrachtet, weder Blut noch 
Eiter enthält. 

Uebelriechende oder sehr dünnflüssige Lymphe ist zu ver¬ 
werfen. 

§ 11. Nur reinstes Glycerin darf mit der Lymphe vermischt 
werden. Die Mischung soll mittels eines reinen Glasstabes ge¬ 
schehen. 

C. Ausführung der Impfung und Wiederimpfung. 

§ 12. Die zu impfenden Kinder sind vom Impfarzte vor der 
Impfung zu besichtigen; auch sind die begleitenden Angehörigen 
von ihm über den Gesundheitszustand der Impflinge zu befragen. 

Kinder, welche an schweren acuten oder chronischen, die Er¬ 
nährung stark beeinträchtigenden oder die Säfte verändernden 
Krankheiten leiden, sollen in der Regel nicht geimpft und nicht 
wieder geimpft werden. 

Ausnahmen sind (namentlich beim Auftreten der natürlichen 
Pocken) gestattet und werden dem Ermessen des Impfarztes an- 
lieimgegeben. 

§ 13. Die Impfung ist als eine chirurgische Operation anzu¬ 
sehen und mit voller Anwendung aller Vorsichtsmaassregeln auszu¬ 
führen, welche geeignet sind, Wundinfectionskrankheiten fern¬ 
zuhalten; insbesondere hat der Impfarzt sorgfältig auf die Reinheit 
seiner Hände, der Impfinstrumente und der Impfstelle Bedacht zu 
nehmen; auch ist der Lymphevorrath während der Impfung durch 
Bedecken vor Verunreinigung zu schützen. 

Hat der Impfarzt einzelne Fülle ansteckender Krankheiten 
in Behandlung, so hat er in zweckentsprechender Weise deren 
Verbreitung bei dem Impfgeschäfte durch seine Person zu ver¬ 
hüten. Auch dürfen die Loealitäten in dieser Beziehung keine 
Gefahr bieten. 

§ 14. Die Thierlymphe ist thunlicbst bald nach dem Empfange 
zu verimpfen, bis zum Gebrauch aber an einem kühlen Orte und 
vor Licht geschützt aufzubewahren. Die Lymphe darf durch Zu¬ 
sätze von Glycerin, Wasser oder anderen Stoffen nicht weiter ver¬ 
dünnt werden. 

§ 15. Zur Impfung eines jeden Impflings sind nur Instru¬ 
mente zu benützen, welche durch trockene oder feuchte Hitze 
(Ausglühen, Auskuchen) oder durch Alkoholbehandlung keimfrei 
gemacht sind. 

Die jedesmal für den Gebrauch nothwendige Menge von 
Lymphe kann entweder unmittelbar aus dem Glasgefässe mit dem 
Impfinstrument entnommen oder auf ein keimfreies Glasschälchen 
gebracht werden. Belm Gebrauche von Haarröhrchen kann sie 
auch unmittelbar aus einem solchen auf das Instrument getropft 
werden. 

§ IG. Die Impfung wird der Regel nach auf eiuem Oberarme 
vorgenommen und zwar bei Erstimpflingen auf dem rechten, bei 
Wiederimpfungen auf dem linken. Es genügen vier seichte 

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Schnitte von höchstens 1 cm Länge. Die einzelnen Impfschnitte 
sollen mindestens 2 cm von einander entfernt liegen. Stärkere 
Blutungen beim Impfen sind zu vermeiden. Einmaliges Ein¬ 
streichen der Lymphe in die durch Anspanneu der Haut klaffend 
gehaltenen Wunden ist im Allgemeinen ausreichend. 

Das Aufträgen der Lymphe mit dem Pinsel ist verboten. 

Uebrig gebliebene Mengen von Lymphe dürfen nicht in das 
Gefäss zurückgefüllt oder zu späteren Impfungen verwendet 
werden. 

§ 17. Die Erstimpfung hat als erfolgreich zu gelten, wenn 
mindestens eine Pustel zur regelmässigen Entwickelung ge¬ 
kommen ist. Bei der Wiederimpfung genügt für den Erfolg 
schon die Bildung von Knötchen oder Bläschen an den Impf¬ 
stellen. 

§ 18. Der Impfarzt ist verpflichtet, etwaige Störungen des 
Impfverlaufs und jede wirkliche oder angebliche Nachkrankheit, 
soweit sie ihm bekannt werden, thunlichst genau festzustellen 
und an zuständiger Stelle sofort anzuzeigen. 

§ 19. Die Vorschriften der §§ 5 bis 18 unter Lit. B und G 
gelten auch für Privatimpfungen. 

D. Verhaltungsvorschriften für die Angehörigen der Impflinge. 

a) Vorschriften für die Angehörigen der 
Erstimpflinge. 

§ 1. Aus einem Hause, in welchem ansteckende Krankheiten, 
wie Scharlach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Fleck¬ 
typhus, rothlaufartige Entzündungen oder die natürlichen Pocken 
herrschen, dürfen die Impflinge zum allgemeinen Termine nicht 
gebracht werden. 

§ 2. Die Eltern des Impflings oder deren Vertreter haben 
dem Impfarzte vor der Ausführung der Impfung über frühere 
oder noch bestehende Krankheiten des Kindes Mittheilung zu 
machen. 

§ 3. Die Kinder müssen zum Impftermine mit rein ge¬ 
waschenem Körper und mit reinen Kleidern gebracht werden. 

§ 4. Auch nach dem Impfen ist möglichst grosse Reinhaltung 
des Impflings die wichtigste Pflicht. 

§ 5. Der Impfling soll womöglich täglich gebadet werden, 
wenigstens versäume man eine tägliche sorgfältige Waschung nicht. 

§ 6. Die Nahrung des Kindes bleibe unverändert. 

§ 7. Bei günstigem Wetter darf das Kind in’s Freie gebracht 
werden. Man vermeide im Hochsommer nur die heissesteu Tages¬ 
stunden und die directe Sonnenhitze. 

§ 8. Die Impfstellen sind mit grosser Sorgfalt vor dem Auf¬ 
reiben, Zerkratzen und vor Beschmutzung zu bewahren; sie dürfen 
nur mit frisch gereinigten Händen berührt werden; zum Waschen 
darf nur ein reiner Schwamm oder reine Leinwand oder reine 
Watte verwendet weiden. 

Vor Berührung mit Personen, welche an eiternden Ge¬ 
schwüren, Hautausschlägen oder Wundrose (Rothlauf) erkrankt 
sind, ist der Impfling sorgfältig zu bewahren, um die Ueber- 
traguug von Krankheitskeimen in die Impfstellen zu verhüten; 
auch sind die von solchen Personen benutzten Gegenstände von 
dem Impflinge fernzuhalten. Kommen unter den Angehörigen 
des Impflings, welche mit ihm denselben Haushalt theilen, Fälle 
von Krankheiten der obigen Art vor, so ist es zweckmässig, den 
Rath eines Arztes einzuholen. 

§ 9. Nach der erfolgreichen Impfung zeigen sich vom vierten 
Tage ab kleine Bläschen, welche sich in der Regel bis zum neunten 
Tage unter mässigem Fieber vergrössern und zu erhabenen, von 
einem rothen Entzündungshof umgebenen Schutzpocken ent¬ 
wickeln. Dieselben enthalten eine klare Flüssigkeit, welche sich 
am achten Tage zu triibeu beginnt. Vom zehnten bis zwölften 
Tage beginnen die Pocken zu einem Schorfe einzutrocknen, der 
nach drei bis vier Wochen von selbst abfällt. 

Die erfolgreiche Impfung lässt Narben von der Grösse der 
Pusteln zurück, welche mindestens mehrere Jahre hindurch deut¬ 
lich sichtbar bleiben. 

§ 10. Bei regelmässigem Verlaufe der Schutzpocken ist ein 
Verband überflüssig, falls aber in der nächsten Umgebung der¬ 
selben eine starke breite Röthe entstehen sollte, sind kalte, häufig 
zu wechselnde Umschläge mit abgekochtem Wasser anzuwendeu; 
wenn die Pocken sich öffnen, ist ein reiner Verband anzulegen. 

Bei jeder erheblichen, nach der Impfung entstehenden Er¬ 
krankung ist ein Arzt zuzuziehen; der Impfarzt ist von jeder 
solchen Erkrankung, welche vor der Nachschau oder innerhalb 
14 Tagen nach derselben eintritt, in Kenntniss zu setzen. 

§ 11. An dem im Impftermine bekannt zu gebenden Tage er¬ 
scheinen die Impflinge zur Nachschau. Kann ein Kind am Tage 
der Nachschau wegen erheblicher Erkrankung, oder weil in dem 
Hause eine ansteckende Krankheit herrscht (§ 1). nicht in das 
Impflocal gebracht werden, so haben die Eltern oder deren Ver¬ 
treter dieses spätestens am Termintage dem Impfarzt anzuzeigen. 

§ 12. Der Impfschein ist sorgfältig aufzubewahren. 

b) Vorschriften für die Angehörigen der 
Wiederimpflinge. 

§ 1. Aus einem Hause, iu welchem ansteckende Krankheiten, 
wie Scharlach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Fleck¬ 
typhus, rothlaufartige Entzündungen oder die natürlichen Pocken 
herrschen, dürfen die Impflinge zum allgemeinen Termine nicht 
kommen. 

§ 2. Die Kinder sollen im Impftermine mit reiner Haut, 
reiner Wäsche und in sauberen Kleidern erscheinen. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




412 


MÜNCHENER MEDICINISCHE VVOCH EN SC H RIFT. 


No. 12. 


§ 3. Auch nach dein Impfen ist möglichst grosse Reinhaltung 
des Impflings die wichtigste Pflicht. 

§ 4. Die Entwickelung der Impfpusteln tritt am 3. oder 4. Tage 
ein und ist für gewöhnlich mit so geringen Beschwerden im All¬ 
gemeinbefinden verbunden, dass eine Versäumniss des Schulunter¬ 
richts desslialb nicht nothwendig ist. Nur wenn ausnahmsweise 
Fieber eintritt, soll das Kind zu Hause bleiben. Stellen sich vor¬ 
übergehend grössere Röthe und Anschwellungen der Impfstellen 
ein, so sind kalte, häufig zu wechselnde Umschläge mit abge¬ 
kochtem Wasser anzuwenden. Die Kinder können das gewohnte 
Baden fortsetzen. Das Turnen Ist vom 3. bis 12. Tage von Allen, 
bei denen sich Impfblattern bilden, auszusetzen. Die Impfstellen 
sind, solange sie nicht vernarbt sind, sorgfältig vor Beschmutzung, 
Kratzen und Stoss, sowie vor Reibungen durch enge Kleidung 
und vor Druck von aussen zu hüten. Insbesondere ist der Verkehr 
mit solchen Personen, welche an eiternden Geschwüren, Hautaus¬ 
schlägen oder Wundrose (Rothlauf) leiden, und die Benützung der 
von ihnen gebrauchten Gegenstände zu vermeiden. 

§ 5. Bei jeder erheblichen, nach der Impfung entstehenden 
Erkrankung ist ein Arzt zuzuziehen; der Impfarzt ist von jeder 
solchen Erkrankung, welche vor der Nachschau oder innerhalb 
14 Tagen nach derselben eintritt. in Ivenntniss zu setzen. 

§ 6. An dem im Impftermin bekannt zu gebenden Tage er 
scheinen die Impflinge zur Nachschau. Kann ein Kind am Tage 
der Nachschau wegen erheblicher Erkrankung oder weil in dem 
Hause eine ansteckende Krankheit herrscht (§ 1), nicht in das 
Impflocal kommen, so haben die Eltern oder deren Vertreter dieses 
spätestens am Termintage dem Impfarzt anzuzeigen. 

§ 7. Der Impfschein ist sorgfältig aufzubewahren. 

E. Vorschriften, welche bei der Ausführung des Impfgeschäftes 
amtlich zu befolgen sind. 

§ 1. Bereits bei der Bekanntmachung des Impftermins hat die 
Ortspolizeibehörde dafür Sorge zu tragen, dass die Angehörigen der 
Impflinge gedruckte Verhaltungsvorschriften (s. Lit. D) für die 
öffentlichen Impfungen und über die Behandlung der Impflinge 
während der Entwicklung der Impfblattern erhalten. 

In Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern ist es zulässig, 
die gedruckten Verhaltungsvorschriften für die Angehörigen der 
Ersttrapflinge erst im Impftermin an die Angehörigen zu vertheilen, 
unter der Voraussetzung, dass die §§ 1 und 3 der fraglichen Vor¬ 
schriften in der öffentlichen Bekanntmachung des Impftermins 
zum Abdrucke gelangt sind. 

§ 2. Treten an einem Orte ansteckende Krankheiten, wie 
Scharlach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Flecktyphus, 
rothlaufartige Entzündung in grösserer Verbreitung auf, so werden 
die öffentlichen Impf tennine ausgesetzt. Die Ortspolizeibehörde 
hat den Impfarzt davon rechtzeitig zu benachrichtigen. 

Aus einem Hause, in welchem Fälle der genannten Krank¬ 
heiten zur Impfzeit vorgekommen sind oder die natürlichen Pocken 
herrschen, dürfen Kinder zum öffentlichen Termine nicht gebracht 
werden, auch haben sich Erwachsene aus solchen Häusern vom 
Impftennine fern zu halten. Der Termin darf in solchen Häusern 
nicht abgehalten werden. 

Impfung und Nachschau von Kindern aus solchen Häusern 
müssen getrennt von den übrigen Impflingen vorgenommen 
werden. 

§ 3. Für die öffentliche Impfung sind helle, heizbare, ge¬ 
nügend grosse, gehörig gereinigte und gelüftete Räume bereit zu 
stellen, welche womöglich auch eine Trennung des Warteraums 
vom Operationszimmer gestatten. Wirthschaftslocalitäten sollen, 
wenn thunlich, nicht benützt werden. 

Bei kühler Witterung sind die Räume zu heizen. 

§ 4. Ein Gemeinde- oder Polizeidiener oder ein sonstiger Be¬ 
auftragter der Ortspolizeibehörde hat im Impftermine zur Stelle 
zu sein, um bn Einvernehmen mit dem Impfarzte für Aufrecht¬ 
haltung der Ordnung zu sorgen. 

Entsprechende Schreibhilfe ist bereit zu stellen. 

Bej der Wiederimpfung und der darauf folgenden Nachschau 
soll ein Lehrer anwesend sein. 

§ 5. Eine Ueberfiillung der Impfräume, namentlich des Opera¬ 
tionszimmers. ist zu vermeiden, wesshalb auf die Zahl der Impf¬ 
linge und die Grösse der Impf räume Rücksicht zu nehmen ist. 

§ 6. Es ist thunlichst zu verhüten, dass die Impfung mit der 
Nachschau bereits früher Geimpfter zusammenfällt. 

Jedenfalls sind Erstimpflinge und Wiederimpflinge (Revae- 
cinanden, Schulkinder) möglichst von einander zu trennen. 

Bei den Wiederimpfungen sind Knaben und Mädchen getrennt 
zu halten und ist die Entkleidung der Kinder zum Impfen auf das 
Erforderliche zu beschränken. 

§ 7. Es ist darauf hinzuwirken, dass die Impflinge mit rein¬ 
gewaschenem Körper und reinen Kleidern ztim Impftermin 
kommen. 

Kinder mit unreinem Körper und schmutzigen Kleidern können 
vom Impftermin zurüekgowiesen werden. 

§ 8. Ist ein Impfpflichtiger auf Grund ärztlichen Zeugnisses 
von der Impfung zweimal befreit worden, so kann die fernere Be¬ 
freiung nur durch den zuständigen Impfarzt erfolgen (§ 2 Abs. 2 
dos Tmpfgesetzes). 

Kinder, denen eine Impfung als erfolgreich unrechtmässig be¬ 
scheinigt ist, sind nach Lage des Falles als ungeimpfte oder als er¬ 
folglos geimpfte Kinder zu behandeln. 

§ 9. Bei ungewöhnlichem Verlaufe der Schutzpocken oder bei 
Erkrankungen geimpfter Kinder ist ärztliche Behandlung soweit 
thunlieh herbeizuführen: in Fällen von angeblichen Impfschiidi- 


gungen ist sofort an die Districtspolizeibehörde Anzeige zu er¬ 
statten. Von dieser sind Ermittelungen einzuleiten, und ist über 
deren Ergebnisse der k. Regierung, Kammer des Inuern, Bericht zu 
erstatten; in geeigneten Fällen ist eine amtliche öffentliche Richtig¬ 
stellung unrichtiger, in die Oeffentlichkeit gelangter Angaben zu 
veranlassen. Dem k. Staatsministerium des Innern, sowie dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamte ist über solche Vorkommnisse mit 
thunlichster Beschleunigung Meldung zu machen. 

Den Leichenschauern ist aufzugeben, jeden Todesfall, welcher 
als Folge der Impfung gemeldet wird, der Ortspolizeibehörde s o - 
fort anzuzeigen. 

F. Behandlung der Impfformulare. 

§ 1. Bei der Erstimpfung hat der Impfarzt in der Impf liste 
nach Form. V die Spalten 7 bis 14 einschl. und bei der Nachschau 
die Spalten 15, 16 und 17, überdiess aber auch, insoweit ihm Auf¬ 
schlüsse hiezu geboteu werden, die Spalten 18 bis 24 einschl. aus¬ 
zufüllen. 

§ 2. Bei der Wiederimpfung sind in der Liste nach Form. VI 
die Spalten 7 bis 14 einschl. und bei der Nachschau die Spalten 15. 
10 und 17, dann, soweit es die gebotenen Anhaltspunkte ermög¬ 
lichen, die Spalten 18 bis 25 einschl. vom Impfarzt auszufüllen. 

§ 3. Die Liste der bereits im Geburtsjahre zur Impfung ge¬ 
langten Kinder ist nach dem Form. VII herzustellen und durch¬ 
gängig von dem Impfarzt auszufüllen. 

§ 4. Die Impflisten (Form. V, VI und VII) sind sofort nach 
Schluss des Kalenderjahres an die Districtspolizeibehörden ab¬ 
zugeben, welche die Listen zu prüfen und bezüglich der ohne gesetz¬ 
lichen Grund von der Impfung Weggebliebenen nach den Bestim¬ 
mungen des § 10 der Allerhöchsten Verordnung vom 17. Decem- 
ber 1809 zu verfahren, veranlassten Falls in der Liste V unter 
Spalte 25, sowie in der Liste VI unter Spalte 26 Eintrag zu machen 
uud iu diesen beiden Listen die vom Impfarzte etwa nicht aus¬ 
gefüllten Spalten 18 bis 24, bezw. 18 .bis 25 einschl. soweit nöthig 
zu ergänzen hat. 

§ 5. Auf Grund der festgestellten Impflisten hat die Districts¬ 
polizeibehörde die Uebersicht über das Ergebniss der Impfungen 
und Wiederimpfungen für jeden Impf bezirk nach den Formularen 
VIII und IX anzufertigen und der Königlichen Regierung, Kammer 
des Innern, vorzulegen, von welcher die Listen nebst zwei für den 
Regierungsbezirk herzustellenden Hauptübersichten an das Staats¬ 
ministerium des Innern einzusenden sind. 

§ 6. Bei der Herstellung der Listen V, VI und VII sind die 
Bemerkungen, welche den Formularen vorgedruckt sind, genau 
zu beachten. 

§ 7. An dem für die Nachschau der Impflinge bestimmten 
Tage hat der Impfarzt über jede Impfung nach erfolgter Fest¬ 
stellung ihrer Wirkung den Impfschein gemäss § 10 Abs. 1 des 
Impfgesetzes nach dem Formular I oder II und zwar die Impf¬ 
scheine für erste Impfungen (§ 1 Ziff. 1 des Impfgesetzes) auf 
Papier von röthlicher Farbe und die Impfscheine für spätere Im¬ 
pfungen (Wiederimpfungen nach § 1 Ziff. 2 des Impfgesetzes) auf 
Papier von grüner Farbe auszufertigen. 

§ 8. Die nach § 10 Abs. 2 des Impfgesetzes auszustellenden 
Zeugnisse über gänzliche oder vorläufige Befreiung von der Im¬ 
pfung sind nach dem Formular III oder IV und zwar auf weisaem 
Papier auszufertigen. 

§ 9. Die im Anhänge beigedruckten Impfformulare haben bei 
den im Jahre 1900 stattfindenden Impfungen zum ersten Male in 
Anwendung zu kommen, wobei übrigens bemerkt wird, dass an 
den Formularen I bis VI einschl. Aenderungen nicht vorgenommen 
wurden. 

Für den Bezug der Impfformulare wird auf die Ministerialent- 
schliessung vom 12. Deeember 1878 (Amtsblatt S. 424) hingewiesen. 

Insoweit etwa vorräthige Formulare von No. V bis IX einschl. 
noch benützt werden wollten, müssten dieselben nach den dazu 
erfolgten Aenderungen vorerst richtig gestellt werden. 

§ 10. Für die Erstattung der Jahresberichte über die Schutz¬ 
pockenimpfung bleibt gesonderte Entschliessung Vorbehalten. 

Im Uebrigen tritt gegenwärtige Bekanntmachung gleichzeitig 
mit der Allerhöchsten Verordnung vom 17. Deeember 1899 in Wirk¬ 
samkeit. 

München, den 21. Deeember 1899. 

Frhr. v. Feilitzsch. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 10. Jahreswoche vom 4. bis 10. März 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000. 

Todesursachen: Masern 19 (34*), Scharlach — (1), Diphtherie 
und Croup — (—), Rothlauf — (1), Kindbettfieber — (1), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (1), Brechdurchfall 2 (3), Unterleibstyphus 
1 (1), Keuchhusten 1 (—), Croupöse Lungenentzündung — (—), 
Tuberculose a) der Lungen 34 (32), b) der übrigen Organe 5 (8), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (1), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 8 (9), Unglticksfälle — (3), Selbstmord 1 (6), Tod durch 
fremde Hand 1 (1). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 230 (294), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 25,8 (33,0), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 17,0 (19,6). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche 


VerD* V'M» j. H. Lehmann in München. — Druck von E. Mühlthaler’n Bnoh- und Kunstdruckerei A.Q., München. 


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Gowgle 


Original fro-m 

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W# Mfinoh. Med. Wochenachr. erscheint wÄchentl. TIÄ"~| TTkT/ff FT ■ il'VT I jVI 1 Zusendungen sind su adressiren: Für die Redaction 

In Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen. IV| I J l\ * < ri II t l\ p i Ottostrasse i. — Für Abonnement an J. F. Leh- 

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MEDICINISCHE WOCHENSCH RIF T 

(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. ", 

Horausgegeben von 

Ch. Biunler, 0. Bolllnger, H. Csrschmann, C. Gerhardt, W.». Hefneke, G. Merkel, J.». Michel, H. i. Ruhe, F. i. Wleckel, H. t. Zlenssei, 

Freiburg 1. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg. München. München. München. 


„12718. 27. März 1900. 


Redaction: Dr.( B. Spats, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Aus dem hygien. Institut der Kgl. L.-M.-Universität München. 

Ueber Agglutinine. 

Von Privatdocent Dr. Martin Hahn und Dr. Richard 
Trommsdorff. 

Von G r u b e r ist bereits festgestellt worden, dass die Agglu- 
tinine der Typhus- bezw. Cholerasera bei der Reaction verbraucht 
werden. In einer Reihe von Versuchen konnten wir diese An¬ 
gaben bestätigen. Ein Typhusserum z. B., das noch in einer Ver¬ 
dünnung 1 :1600 sofort deutliche mikroskopische Agglutination 
zeigte, wurde, nachdem es 4 Stunden mit Typhusbacterien bei 
37* gestanden hatte, von den agglutinirten Bacterien abcentri- 
fugirt und mit frischen Typhusbacillen versetzt: erst bei einer 
Verdünnung 1 :400 trat nunmehr sofort deutliche Agglutination 
mikroskopisch ein, und in 1 :800 war die Agglutination erst in 
einer Stunde deutlich. Es hatte also entschieden ein Verbrauch 
von Agglutinin stattgefunden. Auch in specifisch bactericiden 
Versuchen nach der B u c h n e r’schen Plattenmethode, die aller¬ 
dings nicht ganz so klar ausfielen, weil die Aussaatmenge in den 
Proben von Typhusserum, die bereits mit Bacterien in Berührung 
gewesen waren, stets grösser war, wie in den frischen Typhus¬ 
serumproben, konnten wir fentstellen, dass die Antikörper jeden¬ 
falls durch die Berührung mit Typhusbacterien in ihrer Quantität 
gemindert werden. 

Es lag nahe anzunehmen, dass die Bacterien selbst (bei dem 
Processe der Agglutination) die Agglutinine an sich reissen, d. h. 
also, dass eine Bindung, bezw. Absorption der Agglutinine durch 
die Bacterienleiber stattfindet. 

Um dieses im chemisch-physikalischen Sinne nachzuweisen, 
musste es aber vor Allem gelingen, die Agglutinine von den Bac¬ 
terien wieder zu trennen. 

Wir versuchten demnach zunächst, durch frisches und in- 
aetivirtes Serum der gleichen Thierspecies, sowie auch fremder 
Thierspecies den agglutinirten Typhusbacillen die Agglutinine 
wieder zu entziehen, d ,h. wir befreiten die agglutinirten Bacillen 
durch Centrifugiren und Waschen mit Kochsalzlösung von den 
Resten des specifischen Serums und digerirten sie dann mehrere 
Stunden lang bei verschiedener Temperatur mit Kaninchen-, 
Hunde-, Ziegen-, Rinder- und Pferdeserum. Nur bei Rinder¬ 
serum ergab sich insofern ein positives Resultat, als das Serum, 
welches mit den agglutinirten Bacillen in Berührung gewesen 
war, noch in einer Verdünnung 1 :40 nach 1 Stunde deutlich 
makroskopisch agglutinirte, während frisches Rinderserum in 
gleicher Verdünnung erst nach 1 Stunde beginnende mikro¬ 
skopische Agglutination zeigte. 

Nach diesen Versuchen erschien es angezeigt, auch die Ein¬ 
wirkung einfacher chemischer Reagentien auf die agglutinirten 
Bacterien zu versuchen, und als ein solches wählten wir zunächst 
Yu» Normal-Natronlauge, die wir in abgemessenen Mengen auf 
die agglutinirten, vom Typhusserum sorgfältig befreiten Bac¬ 
terien schichteten, durchschüttelten und 1 Stunde bei 37 w mit 
denselben digerirten. In dieser Zeit sank in der Regel eine Masse 
von Bacterien zu Boden, aber es blieb doch eine dauernde Trübung 
der Natronlauge, selbst nach dem Centrif ugiren, bestehen, die, 
wie die mikroskopische Betrachtung ergab, nicht mehr aus deut¬ 
lich agglutinirten Massen, sondern aus trüben, nicht differenzir- 

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baren Schollen bestand. Diese leicht getrübte Flüssigkeit wurde 
von den agglutinirten Bacterien wieder getrennt und abermals 
mit frischer Typhusemulsion in steigenden Mengen verdünnt: 
selbst bei einer Verdünnung der Natronlauge mit Emulsion auf 
1 :10 trat deutliche Agglutination mikroskopisch sofort, makro¬ 
skopisch nach Vj—1 Stunde ein. Controlproben mit entsprechend 
verdünnter V 100 Normallauge fielen bei der von un3 für diese Ver¬ 
suche benützten Typhuscultur negativ aus. Nur bei einer weniger 
virulenten Typhuscultur sahen wir in l / m Normallauge (unver¬ 
dünnt) einmal Agglutination eintreten. 

Dass die alkalische Reaction keine Rolle bei der Agglutina¬ 
tion spielt, konnte übrigens dadurch mit Sicherheit nachgewiesen 
werden, dass man die agglutininhaltige Lauge auch neutralisiren 
kann, ohne die Wirkung auf die Bacterien irgendwie zu beein¬ 
trächtigen. 

Es ist uns ferner auch gelungen, wenn wir die von der „spe¬ 
cifischen Lauge“ agglutinirten Bacterien abermals mit Lauge 
behandelten, nochmals eine, wenn auch schwach agglutininhaltige 
Flüssigkeit zu gewinnen, und selbst eine dritte Extraction der von 
der zweiten Lauge agglutinirten Bacterien lieferte noch eine 
schwach wirksame Flüssigkeit. 

Die Wirkung der agglutininhaltigen Lauge war übrigens eine 
specifische: Colibacillen wurden von derselben nicht agglutinirt. 

Auch aus menschlichem Typhusserum gelang die Extraction 
der Agglutinine. 

Fast ganz gleich verliefen Versuche, die wir mit Cholera¬ 
serum und Cholerabacterien anstellten. Auch hier gelang es, mit 
V 100 Norruallauge, die an sich keine agglutinirende Wirkung auf 
unsere Cholerabacillen ausübte, die agglutinirten Bacillen bei 37 0 
in kurzer Zeit zu einer schleimigen Flüssigkeit völlig löste, eine 
agglutininhaltige Flüssigkeit zu gewinnen, die noch auf das 
zehnfache verdünnt wirksam war, d. h. mikroskopische und makro¬ 
skopische Agglutination hervorrief, und auch nach der Neutrali¬ 
sation, bei der ein starker flockiger Niederschlag entstand, noch 
wirkte. 

Nicht agglutinirte Cholerabacillen, die sich in der '/ M Normal¬ 
lauge übrigens leicht lösen und sicher eine für Immunisirungs- 
versuche sehr geeignete Flüssigkeit ergeben, liefern kein Agglu¬ 
tinin bei der Behandlung mit Lauge. 

Als beinahe ebenso geeignet, wie die Lauge, für die Ex¬ 
traction der agglutinirten Cholera- und Typhusbacillen erwies 
sich V 100 Normal-Schwefelsäure. 

Auch hier konnte man die Säure nach der Extraction neu¬ 
tralisiren, ohne dass die agglutinirende Wirkung wesentlich be¬ 
einträchtigt wurde. 

Physiologische Kochsalzlösung erwies sich als ungeeignet 
für die Extraction der agglutinirten Bacterien. 

Wir können demnach feststellen, dass es gelingt, durch 
l / 100 Normalnatronlauge bezw. Normal-Schwefelsäure die aggluti¬ 
nirende Substanz aus den agglutinirten Bacillen zu extrahireu. 

Es läge nahe, an diese Feststellung im Zusammenhang mit 
den Untersuchungen von Kraus, Seng, Di neu r, Ni¬ 
co 11 e, Winterstein Erörterungen über die Theorie der 
Agglutininwirkung zu knüpfen. Es soll aber vorläufig noch da¬ 
von abgesehen werden, bis es uns bei weiterem Studium dieser 
relativ reinen Lösungen von agglutinirender Substanz gelingt, 
auch die chemische Natur der reagirenden Körper, vor Allem die 
Kraus’sche Reaction etwas weiter aufzuklären. 

Original frer 1 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





414 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


Mit diesen Untersuchungen, sowie mit der Uebertragung 
unserer Versuchsmethode auf die haemolytischen Körper, welche 
so viele Beziehungen zu den agglutinirenden aufweisen, sind 
wir gegenwärtig noch beschäftigt und behalten uns vor, darüber 
zu berichten. 


Aus der medicinischen Poliklinik zu Marburg. 

Zur Kenntniss des Pseudomucins aus den Eierstocks¬ 
cysten. 

Von Dr. Zängerle, Assistenzarzt. 

Nachdem esFr. Müller gelungen war, aus dem Mucin des 
schleimigen Sputums, sowie aus dem Submaxillarismucin die 
durch Säuren abspaltbare reducirende Substanz rein darzustellen 
und als Glucosamin zu erkennen *), und nachdem im gleichen 
Laboratorium J. Seemann 2 ) aus Eieralbumin und aus Ovo- 
mucoid die nämliche Substanz gewonnen hatte, lag es nahe, diese 
Untersuchungen auch auf das Pseudomucin der Eierstockscysten¬ 
geschwülste auszudehnen. 

Die Anschauungen über die Natur des Pseudomucins haben 
Im Laufe der Zeit manche Wandlungen erfahren; Scherer*) 
entdeckte diesen Stoff in dem zähflüssigen Inhalt von Ovarial¬ 
kystomen und nannte ihn Metalbumin. Er betrachtete ihn als 
einen besonderen Ei weisskörper und als einen Uebergangsstoff 
vom Eiwei88 zum Mucin oder der Colloidsubstanz. Hichwald 4 ) 
theilt die Proteinstoffe, welche in Elerstockscolloiden Vorkommen, 
in zwei Reihen, In Eiweisskörper und Schleimkörper. 

Im Jahre 1882 untersuchte Hammarsten 5 ) das Metalbumin 
genauer und stellte fest, dass es kein einfacher Eiweisskörper ist, 
indem es sich von diesen durch seinen geringeren Stickstoffgehalt 
(1(1—11 Proc.) und durch sein Verhalten gegenüber den Eiweiss- 
reagentien unterscheidet; es hat grosse Aehnlichkeit mit dem 
Mucin, besonders darin, dass es beim Kochen mit verdünnten 
Mineralsäuren eine reducirende Substanz liefert; jedoch unter¬ 
scheidet es sich dadurch vom Mucin, dass es von Essigsäure nicht 
gefällt wird. Die Reductionsprobe gestattet nach Hammarsten 
den Nachweis des Pseudomucins und zwar muss dabei in folgender 
Weise verfahren werden: Die aus der Eierstockscyste erhaltene 
Flüssigkeit wird zum Sieden erhitzt, vorsichtig mit Essigsäure ver¬ 
setzt, und das etwa auftretende Eiweisscoagulum wird durch Fil¬ 
tration entfernt. Das Filtrat wird auf dem Wasserbad eingeengt 
und mit reichlichem Alkohol gefällt. Waren in der ursprünglichen 
Flüssigkeit kleine Mengen von Zucker vorhanden, so bleiben diese 
gelöst, während das Pseudomucin sich als flockiger Niederschlag 
ausscheidet. Dieser Niederschlag wird mit Alkohol gewaschen, 
ausgepresst, dann in Wasser eingetragen, wobei er sich zu einer 
opalescirenden Flüssigkeit löst. Diese Flüssigkeit gibt, mit der 
T r o m m e r’schen Probe untersucht, keine Reduction; man ver¬ 
setzt sie mit so viel Salzsäure, dass sie etwa 5 Proc. davon enthält 
und erhitzt sie auf dem Wasserbade bis zur Braunfärbung. Nach 
dem Erkalten neutralisirt man mit concentrirter Natronlauge und 
macht dann die T r o m m e r’sche Probe. Ist Pseudomucin vor¬ 
handen, so muss eine Reduction des Kupferoxyds eintreten. 

Pfannenstiel *), der in einer sehr sorgfältigen und ein¬ 
gehenden Arbeit die Untersuchungen von Hammarsten nach¬ 
geprüft hat, kommt zu dem Schluss, dass allein die Trommer- 
sehe Probe, auf die oben beschriebene Weise angestellt, ausschlag¬ 
gebend sei für den Nachweis des Pseudomucins. 

In neuester Zeit hat Panzer 7 ) Untersuchungen über das 
Eierstockscolloid und speciell über die reducirende Substanz daraus 
angestellt. Er versuchte die Isolirung derselben auf einem ziemlich 
umständlichen Wege und erhielt eine hygroskopische gelbe amorphe 
Masse, welche nicht zum Ivrystallisireu zu bringen war; sie re- 
ducirte stark, vergohr mit Hefe nicht und drehte die Ebene des 
polarisirten Lichtes nicht. Es konnte daraus ein Osazon vom 
Schmelzpunkt 166° dargestellt werden. Die Furfurolreactionen, 
welche auf eine Pentose hinwiesen, fielen negativ aus, ebensowenig 
gelang die Laevulinsäuredarstellung, die für eine Hexose beweisend 
gewesen wäre. Nach der von Schmiedeberg*) für die Dar¬ 
stellung der Chondroitinschwefelsäure angegebenen Methode er¬ 
hielt Panzer eine Substanz, von der er es für unwahrscheinlich 
hält, dass sie mit dem genannten Derivat des Knorpels iden¬ 
tisch sei. 

Katharina Mitjukoff 9 ) untersuchte die Colloidsubstanz 
einer grossen Ovarialcyste, welche allerdings nach der Elementar¬ 
analyse und nach ihrem Verhalten gegen die verschiedenen 


*) Sitzungsberichte der Gesellschaft z. Beförderung der ge- 
sammten Naturwissenschaften zu Marburg. 1898, No. 6. 

*) Archiv für Verdauungskrankheiten. 1898, Bd. IV. 

*) Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesellschaft 
zu Würzburg. 1852, pag. 214 u. 278, sowie Zeitschrift f. rationelle 
Medlcin. N. F. Bd. 7, 8, 10, 12, 14. 

4 ) Würzburger medlcin. Zeitschrift 1804, V, pag. 270. 

') Zeitschrift für physiolog. Chemie. Bd. VI. 

*) Archiv für Gynäkologie. 1890. 3. 

0 Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. 28. 

*) Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. 
Rnnd 28. 

s ) Archiv für Gynäkologie. Bd. 49, pag. 278. 

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Elweissreagentlen von dem Pseudomucin Hammarsten’s ver¬ 
schieden war und den sie Paramucin nannte. Ihre Versuche, eine 
reducirende Substanz daraus darzustellen, oder das thierische 
Gummi Landwehfs daraus zu erhalten und zu analysiren, 
oder ein Osazon zu gewinnen, BChlugen fehl. 

Als Ausgangsmaterial zu meinen Untersuchungen diente der 
schleimig-flüssige, Inhalt eines grossen Eierstockkystoms, der mir 
in dankenswerther Weise von der hiesigen Universitäts-Frauen¬ 
klinik zur Verfügung gestellt wurde. Das Pseudomucin wurde 
daraus in üblicher Weise durch Alkohol ausgefällt, nachdem zu¬ 
vor die nur in geringer Menge vorhandenen Ei weisskörper bezw. 
Nucleoalbumine unter Zusatz von Essigsäure entfernt worden 
waren. Das in faserigen Flocken ausgefallene Pseudomucin 
wurde auf einem groben Colirtuch gesammelt, mit Alkohol aus¬ 
gewaschen, dann mit Aether extrahirt, getrocknet und zerrieben. 
Es resultirten 323 g eines staubfeinen grauweissen Pulvers. Von 
diesem wurden je 30 g in einem geräumigen Kolben mit immer 
500 ccm verdünnter Salzsaure verschiedener Concentration unter 
Durchströmung mit Dampf auf einem Sandbad 3 Stunden lang 
erhitzt. Dieses Durchströmen mit Dampf, der in einer anderen 
Flasche erzeugt und mittels eines bis nahe an den Boden des 
Kolbens reichenden Rohres eingeleitet wurde, erwies sich als nütz¬ 
lich, um das Schäumen der Pseudomucinsalzsäuremischung zu 
vermeiden. Die Flüssigkeit färbte sich dabei braun. Nach dem 
Erkalten wurde mit Natronlauge die Salzsäure neutralisirt, dann 
mit Essigsäure schwach sauer gemacht, von dem entstandenen 
Eiweissniederschlag abültrirt und die Flüssigkeitsmenge ge¬ 
messen. Durch Titration mit F e h 1 i n g’scher Flüssigkeit wurde 
sodann der Gehalt an reducirender Substanz bestimmt. Dabei er¬ 
gab sich, dass bei Anwendung einer Salzsäurelösung von 10 bis 
20 ccm officineller Salzsäure auf 90 bezw. 80 cem Wasser die 
grösste Ausbeute an reducirender Substanz erhalten wurde, näm¬ 
lich 9 g aus 30 g Pseudomucin (= 30 Proc.), während beim 
Kochen mit einer Mischung von 5 ccm Salzsäure auf 100 nur 3 g, 
also 10 Proc., und mit einer solchen von 30 ccm Salzsäure auf 100 
nur 4,8 g, also 16 Proc. erhalten wurden l0 ). Mit dem auf diese 
Weise ermittelten Optimum der Salzsäuremischung wurden dann 
auch die übrigen Portionen Pseudomucin gekocht. Die filtrirte 
braungelbe Flüssigkeit wurde von den noch darin vorhandenen 
Albumosen zum grössten Theil dadurch befreit, dass Eisenchlorid¬ 
lösung eingetragen wurde, bis eine tief burgunderrothe Farbe re- 
sultirte, dann wurde mit Natronlauge genau neutralisirt, auf¬ 
gekocht und filtrirt. Eine weitere Ausfällung der Albumosen 
wurde miterlassen, nachdem Seemann gezeigt hatte, dass eine 
solche überflüssig ist und erhebliche Verluste an reducirender 
Substanz mit sich bringt. Das Filtrat, welches hellgelbe Farbe 
darbot, wurde nach der B a u m a n n’schen Vorschrift") benzo- 
ylirt, indem es in grossen Glasflaschen mit 40 ccm Benzoylchlorid 
(von Kahlbaum bezogen) und 200 ccm 20proc. Natronlauge 
kräftig geschüttelt wurde, wobei auf häufige Kühlung in Eis 
Bedacht genommen wurde. Von Zeit zu Zeit wurde geprüft, ob 
die Reaetion noch alkalisch war; reagirte die Flüssigkeit sauer, 
so wurde durch Zusatz neuer Natronmengen wieder alkalische 
Reaetion hergestellt. Wenn der stechende Geruch des Benzoyl- 
chlorid« verschwunden war, was meistens nach einer halben 
Stunde der Fall war, wurde mit Essigsäure neutralisirt und von 
den gelbweissen, pulverigen, harzig sich anfühlenden Benzoyl- 
verbindungen abfiltrirt. Zeigte dann das Filtrat noch eine 
nennenswertlie Reduction, so wurde es einer abermaligen Ben- 
zoylisirung unterworfen. Die Benzoylverbindungen wurden 
durch Absaugen getrocknet, dann in heissem Alkohol gelöst und 
möglichst heiss filtrirt. In dem erkaltenden Filtrat fiel zunächst 
ein Sediment aus weissen Krümmein aus, in welchem nach 10 bis 
14 Tagen massenhaft feine Büschel von Krystallnadeln auf¬ 
traten. Diese wurden durch wiederholtes Auflösen in heissem 
absolutem Alkohol, Fiftriren und langsames Abkühlen des Fil¬ 
trats umkrystallisirt und von den beigemengten amorphen, krüm- 
meligen Massen getrennt. Es wurden zum Schluss feine, seiden¬ 
artig glänzende Nadeln von der Länge bis zu einem Centimeter 
erhalten, die entsprechend den B a u m a n n’schen Angaben für 
Tetrabenzoylglucosamin einen Schmelzpunkt von 196° zeigten. 
Müller und Seemann hatten für ihre, viel häufige: um- 

10 ) F. Müller erhielt aus Sputum-Mucin eine Ausbeute an 
reducirender Substanz bis zu 37 Proc., Seemann aus Ovomucoiö 
von 35 Proc., aus Eieralbumin nur von 9 Proc. 

u ) Berichte der Deutschen chemischen Gesellschaft. Bd. Yx 
Seite 3218. 

Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


415 


krystallisirten Präparate von Tetra- und Pentabenzoylglucosamin 
einen etwas höheren Schmelzpunkt gefunden, nämlich 203 bis 
212°. Eine Elemcntaranalyse meiner, offenbar auch als Tetra¬ 
oder Pentabenzoylglycosamin anzusehenden Präparate konnte 
wegen der geringen Menge nicht ausgeführt werden, war auch 
deswegen nicht nöthig, weil die Reindarstellung des salzsauren 
Glucosamins selbst aus den übrigen, nicht krystallinischen Ben¬ 
zoylestern gelang. Zu diesem Zwecke wurde die Benzoy lverbin- 
dung nochmals in warmem Alkohol gelöst und unter fortwähren¬ 
dem Umrühren in eine grosse Menge destillirten Wassers ein¬ 
getragen; sie fielen dabei als milchige Trübung aus, die sich bald 
zu Klumpen zusammenballte. Diese Reinigung ist nothwendig, 
weil nur auf diesem Wege die anorganischen Salze, besonders 
das Chlornatrium entfernt werden können, welche später beim 
Auskrystallisiren und der Reinigung des salzsauren Glucosamins 
sehr störend wirken. Die so gereinigten Benzoylester wurden so¬ 
dann in Röhren eingeschmolzen, welche zu Dreivierteln mit Salz¬ 
säure vom spec. Gewicht 1 :100 gefüllt worden waren. Unter 
häufigem starkem Schütteln wurden die Röhren in einem Wasser¬ 
bad 30 Stunden lang auf 100 0 erhitzt. Nach dem Erkalten werden 
die Röhren geöffnet, die Flüssigkeit von den massenhaft ausge¬ 
schiedenen Benzoesäurekrystallen sowie der Kohle und den 
Resten unzersetzter Benzoylverbindungen abgesaugt und dreimal 
mit Aether ausgeschüttelt zur vollständigen Entfernung der 
Benzoesäure. Hierauf wurde die stark salzsaure Flüssigkeit in 


flache Schalen gebracht und diese in Vacuumexsiccatoren über 
gebrannten Kalk gestellt. Dadurch, dass die Exsiccatoren in 
einem Brutschrank auf 35—40 0 erwärmt wurden, liess sich die 
Vertreibung des Wassers und der Salzsäure sehr beschleunigen. 

Nach mehreren Tagen war ein bräunlicher Sirup zurückge¬ 
blieben, in welchem in grosser Menge glitzernde Krystalle von 
rhomboedrischer Form auf traten. Durch Alkohol, in welchem 
sich der Sirup, nicht aber die Krystalle lösten, wurden die letz¬ 
teren reingewaschen und durch Filtration gesammelt. Wieder¬ 
holtes Umkrystallisiren aus Wasser, dem eine Spur Salzsäure bei¬ 
gemischt war, lieferte ca. Va g schön ausgebildeter, blitzender 
Krystalle, von 1—3 cm Durchmesser. Herr Dr. Schwantke, 
Assistent des hiesigen mineralogischen Instituts, hatte die grosse 
Liebenswürdigkeit, diese Krystalle einer krystallographischen 
Untersuchung zu unterziehen. Er berichtet darüber Folgendes: 

„Die woblausgebildeten Krystalle zeigen ausser den vor¬ 
herrschenden Formen c (001), p (110), q (011), e (101), welche von 
den früheren untersuchten Krystallen des salzsauren Glucosamins 
bereits bekannt waren, noch o (111) und die Symmetrieebene b (010). 
Indem diese Flächen nur an dem einen Ende der b-Achse auf treten, 
erhalten die Krystalle eine deutlich hemimorphe Gestalt. In der 
Tabelle sind die aus der Messung von fünf Krystallen erhaltenen 
Mittelwerthe mit den an anderer Stelle mitgetheilten Winkel - 
werthen der Messung an Krystallen des salzsauren Glucosamins 
aus Hummerpanzern, aus Sputummucin und aus Eleralbumin zu¬ 
sammengestellt. 



p:p 

110 : 110 

c: r 

1 001:101 

c: q 

001:011 

c:p 

001:110 

6 : P 

101:110 

e: q 

101:011 

p : q 

110 :011 

p:q 

110:011 

Salzsaures Glu oosamin aus 

Hummerpanzern 

670 48 ' 

670 oi' 

35° 33' 

590 55' 

65° 20' 

_ 

84° 38' 

43° 09'J 

n yy v 

Sputummucin 

67° 46' 

67° 04 ' 

35° 18' 

59° 53' 

i65°49' 

710 40' 

84° 68' 

,42° 39' 

n n » 

Eieralbumin 

67° 57' 

66° 56' 

35° 29' 

59* 44', 

j—* 

— 

j > _ 

420 58 ' 

Krystalle aus Pseudomu/.in 


67° 53' 

67° 08' 

35° 25' 

59° 56' 

I 

* 650 31 ' « 

71° 35' 

[84° 52'; 

42° 49' 


Die Krystalle aus Pseudomucln stimmen also in den krystallo¬ 
graphischen Winkel werthen vollkommen mit den früher ge¬ 
messenen des salzsauren Glucosamins überein und ebenso auch 
hinsichtlich der vollkommenen Spaltbarkeit nach r (101) und in 
dem optischen Verhalten.“ 

Die Krystalle waren in Wasser sehr leicht löslich, die Lösung 
zeigte Rechtsdrehung, gab bei der T r o m m e r’schen Probe starke 
Reduction und entwickelte, mit Alkalilauge gekocht, reichlich 
Ammoniak. Es kann nach diesen Befunden mit Sicherheit aus¬ 
gesprochen werden, dass die erwähnten Krystalle, welche der 
reducirenden Substanz aus Pseudomucin entsprachen, salzsaures 
Glucosamin darstellten, also identisch waren mit der reducirenden 
Substanz, welche F. Müller aus dem Mucin des Sputums und 
der Submaxillarisdrii.-o und Seemann aus Ovomucoid und 
Eieralbumin erhalten hatte. 

Da nun, wie Pfannenstiel gezeigt hat, das Pseudo¬ 
mucin 1er Eierstockscysten ein Product von Becherzellen ist, 
welche die Wand der Kystome auskleidcn, und da ferner auch 
das Mucin der Respirationswege und der Speicheldrüsen, sowie 
auch das Eiereiweiss mitsammt dem Ovomucoid ein Product der 
Drüsenthätigkeit ist, so bilden also alle diese Glucoproteide, als 
deren kohlehydratartiger Paarling das Glucosamin nachgewiesen 
werden konnte, eine Gruppe von Körpern, welche sich dadurch 
auszeichnet, dass sie als Secretionsproduct von Zellen, und zwar 
von drüsenartigen Zellen, aufzufassen sind. Es wird Gegen¬ 
stand weiterer Untersuchungen sein, ob auch aus solchen eiweiss¬ 
artigen Stoffen, die nicht einer eigentlichen Secretion entstammen, 
Glucosamin gewonnen werden kann. 

Zum Schluss ist es mir ein Bedürfniss, meinem hochver¬ 
ehrten Lehrer und früheren Chef, Herrn Prof. Fr. Müller, 
jetzt in Basel, der mich zu dieser Arbeit veranlasst und dabei 
mit Rath und That unterstützt hat, meinen besten Dank aus- 
zusprecl ?n. 


lieber nervöse Störungen des Herzens und ihre 
Beziehungen zum Militärdienst. 

Von Prof. J. Bauer. 

Auf Wunsch unseres Vorsitzenden erlaube ich mir ein Thema, 
das bereits bei der letzten Naturforscherversammlung von mir, 
in Verbindung mit Herrn Stabsarzt Dr. Wolffhügel, einer 
Besprechung unterzogen worden ist, nochmals zum Gegenstand 

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einer kurzen Erörterung zu machen, indem ich heute einige 
Punkte besonders betonen möchte, die voraussichtlich auch Ihr 
Interesse in Anspruch nehmen können. Zunächst bemerke ich, 
dass ich mein Thema begrenzen und gewisse nervöse Störungen 
ausser Acht lassen werde, da dieselben eben beim Militärdienste 
kaum jemals in Betracht kommen werden, ferner, weil manche 
derselben und gerade die schwersten Affectionen theilweise doch 
mit substantiellen Erkrankungen des Herzens Zusammenhängen: 
so gewisse Fälle von Bradycardie und Tachycardie. Ueber das 
Vorkommen rein functioneller oder nervöser Störungen des Her¬ 
zens theile ich die Ansicht jener Beobachter, welche ihre grosse 
Häufigkeit nachdrücklichst betonen und darauf hinweisen, dass 
sie entschieden häufiger Vorkommen, als wirklich substantielle 
Erkrankung des Herzens. Ohne Zweifel findet man bei manchen 
Menschen eine geringe Leistungsfähigkeit des Herzens von Ge¬ 
burt an, also auf hereditärem Wege entstanden. Wenn man oft¬ 
mals hört, dass Herzfehler erblich seien, und dass dement¬ 
sprechend in dieser oder jener Familie Herzleiden auffallend 
häufig betroffen würden, so handelt es sich hierbei wohl in der 
Regel nicht um Klappenfehler des Herzens, sondern um die eben 
erwähnte geringe Leistungsfähigkeit des Herzmuskels, die ent¬ 
weder auf einer wirklichen Dünnheit der Herzwandung, oder aber 
auch auf abnormer Innervation beruhend gedacht werden kann. 
Um sich hierüber ein Bild zu machen, braucht man nur eine 
grössere Schaar von Kindern bei ihrem Spiel zu beobachten, in¬ 
dem die einen nach einem tollen Lauf kaum kurzathmig er¬ 
scheinen, während bei einigen andern nach wenigen Sprüngen 
Kurzathmigkeit und Herzklopfen sich einstellen. Aehnliches 
beobachtet man auch im späteren Leben; würde man die jungen 
Rekruten unmittelbar nach ihrer Aushebung und ohne vorherige 
Ausbildung den Strapazen eines Feldzuges oder selbst nur eines 
Manövers unterwerfen, so würde ein nicht geringer Theil dieser 
Mannschaften alsbald erliegen. Recht lehrreich erscheinen mir 
in dieser Beziehung die Erfahrungen, welche die Aerzte einerseits 
im amerikanischen Bürgerkriege, andererseits im Feldzuge 1870 
gemacht haben. Bei den ungeübten Mannschaften der ameri¬ 
kanischen Armeen wurde die Entstehung von Herzaffectionen 
in Folge der Strapazen recht häufig beobachtet; bei den aus¬ 
gebildeten und geschulten Truppen im deutsch-französischen 
Kriege waren derartige Herzaffectionen eine Seltenheit. Auch 
das von Geburt her weniger leistungsfähige Herz kann, in Folge 

1 * 

□ riginiBl from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







416 


MftNOHENER MKIMCINISOHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 18. 


zweckentsprechender Uebung, allmählich erstarken. Auch bei 
jenen Berufsarten, welche schwere Körperarbeit erheischen, muss 
die Leistungsfähigkeit des Herzens durch successive Uebung all¬ 
mählich gesteigert werden. Man darf hierbei wohl für alle Fälle 
voraussetzen, dass die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Herzens 
einer thatsächlichen Erstarkung der Herzwandung zuzuschreiben 
ist. Man hat in früherer Zeit eine derartige physiologische Er¬ 
starkung der llerzwand nicht scharf genug von Hypertrophie 
des Herzens geschieden und auch Hypertrophie und Dilatation 
in einen Gegensatz zu einander gestellt, der thatsächlich nicht 
existirt. Nach meiner Ueberzeugung, der ich ja bereits anderen 
Orts Ausdruck gegeben habe, gibt es keine Herzhypertrophie 
ohne Dilatation, denn concentrische Hypertrophien und solche 
ohne Erweiterung der Herzhöhlen, wird man sicher niemals an¬ 
treffen, ausser im Zusammenhang mit Schrumpfniere. In letz¬ 
terem Fall aber ist die Eutstehung der Herzhypertrophie eine 
complicirte und nicht einfach aus mechanischen Gründen herzu¬ 
leitende Anomalie. Meine Anschauungen, dass bei dilatativer 
Hypertrophie eine Ueberdehnung des Herzens dauernder Art 
das Primäre sei und erst secundär eine Verdickung der Herzwand 
im Gefolge habe, hat nur bei Wenigen Widerspruch gefunden; 
von Letzteren wurde eingewendet, dass es schwer verständlich sei, 
wie eine Dilatation zur Hypertrophie führen soll, wobei aber die 
Bedeutung der II e r z r u h e für die allmähliche Erkrankung 
der Herzwand nicht genügend in Anschlag gebracht worden ist. 
Man hat nicht so ganz selten die Gelegenheit, die Entstehung 
einer Herzhypertrophie im Anschluss an Dilatation thatsächlich 
zu verfolgen. In der mit Hypertrophie verbundenen Dilatation 
des Herzens ist die pathologische Bedeutung dieser Verände¬ 
rungen begründet, da die Erweiterung der Herzhöhlen die Herz¬ 
arbeit dauernd, und zwar auch in der Ruhe, vergrössert. Für ge¬ 
wisse Klappenfehler ist es denkbar, dass von Seiten der durch 
die Klappenlaesion belasteten Herzabschnitte eine gewisser- 
maassen ideale Anpassung zu Stande kommt, indem die be¬ 
treffende Herzwand genau in dem Maasse erstarkt, als es zur 
Bewältigung der grösseren Widerstände nöthig erscheint, ohne 
dass eine Erweiterung der betr. Herzhöhle erfolgt. Eine öfters 
wiederholte oder dauernde Ueberdehnung des Herzens zu ver¬ 
meiden, das ist einer der wichtigsten Momente bei allen Arten 
von Herzgymnastik, welche eine Erstarkung der Herzwand ohne 
Dilatation bewirken sollen. Auch bei der militärischen Aus¬ 
bildung der jungen Mannschaften muss dieser Gesichtsp'mkt im 
Auge behalten werden, und gerade in dieser Hinsicht sind die 
functioneilen Störungen des Herzens sehr beachtenswerth; denn 
innerhalb gewisser Grenzen kann die körper¬ 
liche Uebung von günstigem Einfluss sein, 
andererseits die Ueber ans t rengung eine 
dauernde Schädigung zur Folge haben. In 
jedem einzelnen Falle das zulässige Maass von Körperanstrengung 
von vornherein richtig zu bemessen, ist keineswegs eine leichte 
Aufgabe. Der Grad der Störungen, in der Ruhe einerseits und 
bei Anstrengungen anderseits, aber auch eine möglichst genaue 
Berücksichtigung der Entstehungsweise, geben wichtige Anhalts¬ 
punkte. 

Was die verschiedenen Entatehungsursachen von functio- 
nellen Störungen betrifft, so lassen sich bei vielen Fällen directe 
Schädlichkeiten ausfindig machen: ungenügende oder unzweck¬ 
mässige Ernährung, mangelnde Körperbewegung, geistige Ueber- 
anstrengung und Nachtwachen, Excesse in Baccho et Venere, 
Masturbation. In anderen Fällen handelt es sich um die an¬ 
dauernde Einwirkung von Giften, von denen namentlich Tabak, 
Morphium und Alkohol zu nennen sind. Ein grosses Contingent 
bilden ferner diejenigen Fälle, bei welchen die nervösen Herz¬ 
störungen im Zusammenhang mit allgemeiner Nervosität, Neur¬ 
asthenie und Hysterie auftreten. Bei diesen beobachtet man 
auch am häufigsten neben Herzpalpitationen und abnormer 
Erregbarkeit des Herzens allerlei abnorme Sensationen in 
der Herzgegend und auch wirkliche Herzschmerzen. Die 
allergrösste Vorsicht erheischen ohne Zweifel die Fälle, 
bei welchen functioneile Herzstörungen im Zusammen¬ 
hang mit anderen Krankheitsprocessen auftreten, so im Ge¬ 
folge von Anaemie, vor Allem aber im Gefolge verschie¬ 
dener Infectionskrankheitep. Nicht selten be¬ 
darf es geraumer Zeit, bis die im Gefolge von Infectionskrank- 
heiten entstandene Herzschwäche gewichen ist, und vorher 
können Anstrengungen des Körpers sehr weitgehende schädliche 
Folgen nach sich, ziehen. 

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Nicht ganz selten scheint es mir ferner zu sein, dass Stör¬ 
ungen von Seiten des Herzens mit einer abnormen Thätigkeit 
dos Magens und der Verdauungsorgane überhaupt im Zusammen¬ 
hang stehen. Verlangsamte Entleerung des Magens mit abnormen 
Gährungen einerseits und beschleunigte Herzthätigkeit mit 
Druck in der Herzgegend, mit Angstgefühlen und selbst wirk¬ 
lichen Herzschmerzen anderseits während der Dauer der Ver¬ 
dauung betrifft man nicht selten zusammen. 

Aus dem Gesagten dürfte zur Genüge hervorgehen, dass 
keineswegs alle jungen Männer, bei welchen functioneile Stör¬ 
ungen des Herzens bestehen, dieserhalb zum Militärdienst un¬ 
tauglich erscheinen, ja im Gegentheil, für manchen derselben 
wird die zweckmässige und allmähliche Ausbildung der Muskeln 
auch das Herz kräftigen und somit direct zum Heilmittel werden. 
Wo die Grenze des Zulässigen gegeben erscheint, lässt sich frei¬ 
lich oft erst bemessen, wenn man einige Zeit hindurch die Wirk¬ 
ungen gesteigerter Muskelthätigkeit beobachtet hat. Von grossem 
Werthe dürfte cs für die Aerzte sein, über hereditäre Verhält¬ 
nisse, ferner über vorausgegangene Krankheitsprocesse, eventuell 
über das ganze Vorleben der betroffenen Individuen möglichst 
genauen Aufschluss zu erhalten. Auch hier dürfte es sich 
wiederum bewähren, wenn die Aerzte stets geneigt sind, wahr¬ 
heitsgetreue Beobachtungen von Collegen in thunlichster Weise 
zu achten und mit in die Wagschale zu legen. 


Ueber epileptische Aequivalente.*) ££ Jj§ 

Von Privatdocent Dr. Ernst Schultz e. 

In der Jahressitzung des Vereins der deutschen Irrenärzte 
zu Bonn im verflossenen Jahre berichtete ich über 3 Fälle, die 
dem von Charcot „automatisme ambulatoire“ genannten 
Symptomencomplex entsprachen. (L ä h r : Allgemeine Zeit¬ 
schrift für Psychiatrie, Band 55, Heft 4, pag. 748—779.) Dieser 
besteht darin, dass bei den Kranken periodisch mehr oder weniger 
plötzlich ein Reisefieber erwacht und ebenso aufhört; auf diese 
Weise kommen Reisen zu Stande, die ohne äusseren Grund, 
zweck- und sinnlos oder gar sinnwidrig unternommen werden, 
für die nachher eine fast völlige oder nicht erhebliche Ge¬ 
dächtnislücke bestand. Obwohl ausgesprochene epileptische 
Anfälle nur bei einem der 3 Kranken, und auch da nur ein 
einziges Mal, beobachtet worden waren, war ich doch geneigt, 
die verschiedenen ausgeführten Reisen als epileptische Aequi¬ 
valente aufzufassen; denn es Hessen sich nicht nur in jedem 
Falle epileptische Erscheinungen anderer Art (periodischer Kopf¬ 
schmerz, periodische Erregungen mit nachheriger Amnesie, peri¬ 
odische Depressionen mit ausgesprochener Selbstmordneigung, 
Schwindelanfälle, Dipsomanie) naehweisen, sondern auch Mo¬ 
mente, denen wir in der Aetiologie der Epilepsie eine besondere 
Bedeutung beizumessen berechtigt sind, wie gleichartige Here¬ 
dität und Kopfverletzung. 

Bei dieser Gelegenheit und Angesichts der schon früher von 
mir betonten relativen Armuth der deutschen Literatur an ähn¬ 
lichen Beobachtungen kann ich es nicht unterlassen, einen 
weiteren vierten einschlägigen Fall an dieser Stelle kurz mit- 
zutheilen; seine Kenntniss verdanke ich der Liebenswürdigkeit 
des Herrn Geheimrath Dr. N ö t e 1, des früheren Directors der 
Andemacher Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt. Dieser Fall ver¬ 
dient schon um desswillen eine besondere Beachtung, weil er von 
Seiten des Gerichtes zu einer Untersuchung des Geisteszustandes 
Veranlassung gab. 

Der schon mehrfach vorbestrafte, 37 Jahre alte Schreiner X. 
wurde eines Tages, bald nachdem er sich 2 fremde Uhren ange¬ 
eignet hatte, verhaftet; er gab die Uhren heraus und räumte ohne 
Weiteres den von ihm begangenen Diebstahl ein. Es war ihm 
noch ein weiterer Diebstahl zur Last gelegt, in dessen Ausführung 
er 100 M. rechtswidrig an sich genommen haben sollte. 

Es wurde Anklage gegen den X. wegen dieser 2 Diebstähle 
erhoben. Da erhielt der Staatsanwalt vom Vater des X. die Mit¬ 
theilung, dass dieser bis zu seinem 13. Lebensjahre den Eltern nur 
Freude bereitet habe; er sei dann an einem heftigen Scharlachfieber 
erkrankt und biete seit der Zeit zeitweise Anzeichen von Geistes¬ 
störung; „es kam manchmal über ihn, als ob eine innere Macht ihn 
gewaltsam forttriebe“; er habe keine Rast und Ruhe, „als wenn eine 
teuflische Macht ihn von Ort zu Ort Jage“; „dann lief er einige 
Tage planlos umher und wenn er zurückkam, gab er auf an ihn 
gestellte Fragen an: „Er wisse selbst nicht, wesshalb er wegge¬ 
gangen sei“. Wenn man ihm bei der Rückkehr Vorwürfe gemacht 
habe, habe er sich dnitipf brütend an den Tisch gesetzt, den Kopf 


*) Nach einem in der 04. Sitzung des psychiatrischen Vereins 
der Rheinprovinz am 11. XI. 99 gehaltenen Vortrage. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




27. Marz 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


417 


ln die Hand gestützt und nach längerem Drängen nur die Worte 
hervorgebracht: „Ich kann nicht anders, ich kann nicht dafür *. 
Er sei verhelrathet, sei ein guter und liebevoller Familienvater; 
auch nach seiner Heirath sei er häufiger verschwunden gewesen, 
„dabei war er kein Trinker und in seinen ruhigen Stunden ein 
tüchtiger Arbeiter“. Die Verhältnisse der Eltern und der Ge¬ 
schwister seien derartig, dass X. es nicht im Mindesten nöthig habe, 
sich umherzutreiben; an Unterstützung werde es ihm nicht fehlen, 
wenn er etwa arbeitslos sei. 

Daraufhin wurden verschiedene Zeugen vernommen, die im 
Wesentlichen die Angaben des Vaters des X. bestätigten. 

So berichtet u. A. der Ortsgeistliche, er könne sich den Um¬ 
stand, dass X. des Oeftercn, heimlich, ohne jeden Grund seine 
Familie verlasse, nur durch die Annahme eines krankhaften 
Geisteszustandes erklären. 

Der letzte Arbeitgeber betonte, dass X. sich stets fleissig und 
ordentlich betragen habe, dass er nicht die mindeste Neigung zum 
Stehlen gezeigt habe, aber fast jeden Monat sei er ohne Entschul¬ 
digung mehrere Tage von der Arbeit fortgeblieben und in der 
Welt umhergeirrt, ohne dass jemand etwas von seinem Verbleib 
gewusst habe; er müsse zeitweilig wohl nicht den vollen Verstand 
haben, den er sonst zeige. 

Da X. auch beim Militär mehrfach desertirt war. wurden die 
diesbezüglichen Acten eingefordert. 

Danach hielt er sich bei der Truppe etwa 18 Monate lang leid¬ 
lich gut; er erhielt nur wegen kleinerer Vergehen einige Strafen, 
zuletzt 2 Tage Mittelarrest, weil er sieh bei der Heimkehr um 
2 Stunden verspätet hatte. Er hatte kaum diese Strafe verbüsst, 
als er die Kaserne ohne Urlaub verliess: kurz vor dieser Desertiou 
war X. seinen Kameraden durch sein scheues Wesen aufgefalleu 

Nach 18 Tagen kehrte er wieder. Bei dem am nächsten Tage 
stattfindenden Verhör räumte er ein, die Kaserne ohne Erlaubnis* 
verlasseu zu haben. Er habe schon vorher des Oefteren einen 
unwiderstehlichen Wandertrieb gehabt und sei dann 4—5 Tage 
von zu Hause weggeblieben: genau so sei es ihm auch diesmal 
wieder ergangen. Er verzichtete auf jede Vertheidigung und wurde 
zu 3 Monaten Gefängnis* verurtheilt. 

Ein halbes Jahr später desertirte X. von Neuem, nachdem er 
noch ganz kurz vorher seinen Eltern gegenüber sich darüber aus¬ 
gelassen hatte, wie gut es ihm bei der Schwadron gehe uud wie 
wohl er sich bei ihr fühlt*. Die Stubenkameraden beobachteten 
an ihm, bevor er desertirte. ein nachdenklich-grüblerisches Wesen 
und einen scheuen Blick. Nach etwa 3 »/„ Monaten war er frei¬ 
willig zurückgekehrt. Er sei, gab er beim Verhör an, wieder seinem 
unwiderstehlichen Drange zum Opfer gefallen: er wisse gar nicht, 
warum er desertirt sei. Wenn er sich in der Folge nochmals oder 
gar mehrere Male wieder aus dem Dienste entferne, so könnt* er 
nichts dafür: auch mit Aufwendung der grössten Mühe sei es ihm 
nicht möglich, den Wandertrieb zu unterdrücken. An dem be¬ 
treifenden Abend habe er die Werkstätte, in der er sich zur vollen 
Zufriedenheit seiner Vorgesetzten längere Zeit beschäftigt hatte, 
verlassen müssen; er sei in der Stadt umhergeirrt und schliesslich 
nach M. gefahren, habe liier seine Militärkleider gegen Civilkleider 
umgetauscht und sei weiter nach Luxemburg gefahren. Ein Be¬ 
kannter habe ihm zugeredet, doch wieder zur Garnison zurfiek- 
zukehren, er sei aber, seinem unwiderstehlichen Drange folgend, 
weitergefahren nach Antwerpen und habe dort ein Schiff bestiegen. 
Erst auf hoher See sei er zum Bewusstsein seiner Timt gekommen. 
Da er kein Geld zur Heimreise gehabt habe, habe diese sieh ver¬ 
zögert. 

Im Militärla^areth, wohin man X. zur Untersuchung auf seineu 
Geisteszustand gebracht hatte, konnte man während seines 
14 tägigen Aufenthaltes nichts Krankhaftes bemerken. 

Das Gutachten führte an, dass „eine allgemeine Geisteskrank¬ 
heit“ nicht vorhanden sei und dass ebenso wenig von einer zeit¬ 
weiligen Aufhebung der Freiheit seines Handelns zur Zeit der 
That die Rede sei. Man könne wohl an larvirte Epilepsie denken, 
aber einmal seien die Anfälle, wie das tagelange Umherirren von 
zu langer Dauer, uud dann sei das hauptsächlichste Merkmal der 
epileptischen Geistesstörung nicht vorhanden: das Fehlen des Be¬ 
wusstseins. X. erinnere sich an alle Vorgänge aus der Zeit, 
während derer er von dem angeblich krankhaften Wandertriebe 
beherrscht sei, und desshalb könne man das Bestehen eines epi¬ 
leptischen Zustandes nicht annehmen. 

X. wurde zu einem Jahr Gefängniss und zur Versetzung ln die 
2. Classe des Soldatenstandes verurtheilt. 

Späterhin liess X. sich dann, wie schon oben gesagt wurde, 
zwei Diebstähle zu Schulden kommen; zur Beobachtung auf seinen 
Geisteszustand wurde er der hiesigen Anstalt übergeben. 

Nach der körperlichen Seite bot er nichts Bemerkenswerthes, 
abgesehen davon, dass sich rechterseits, etwa dem vorderen unteren 
Winkel des Seitenwandbeines entsprechend, in der Haut eine von 
unten nach oben verlaufende circa 3 cm lange Narbe be¬ 
findet. Diese Stelle ist bei Beklopfen ausserordentlich empfind¬ 
lich; jedesmal zuckt X. beim Beklopfen schmerzhaft zusammen, 
während sich die übrige Partie des Schädels als völlig unempfindlich 
erweist. X. will sich an der betreffenden Stelle eine Verletzung 
durch einen Fall in seiner Jugend zugezogen haben. 

Auch hier gab er an, dass er, seitdem er ein schweres Schar- 
laehfleber durchgemacht habe, die eigenartigen Anfälle habe; schon 
aus der Schule sei er oft weggelaufen und in Dorf und Wald um¬ 
hergedöst. ohne etwas zu wissen, und ebenso später während seiner 
Lehrzeit bei einem Schreiner; da habe er die Arbeit plötzlich liegen 
lassen müssen und sei ohne Zweck und Ziel y 2 —1 Tag in der 
Gegend seines Wohnortes umhergestreift Auch beim Militär und 
später sei es so Über ihn gekommen, ohne jegliche Veranlassung. 
Die letzten 2 Jahre habe er eine Stelle als Kutscher innegehabt: 

*n. 13 

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aus ihr sei er ebenfalls grund- uud planlos für 1—2 Tage weg- 
gegangen. 

Vor diesen Anfällen habe er 1—2 Stunden lang heftigen 
Kopfschmerz; er habe das Gefühl, als ob mit Messern in seinem 
Kopf umhergearbeitet werde; es sei nicht zum Aushalten. Ab und 
zu trete auch die Empfindung auf, als ob etwas aus seinem Magen 
herauf steige; zuweilen sehe er vor den Augen „Sternchen“ oder es 
sei ihm schwindelig. Dann beginne die Wanderung. Nach einiger 
Zeit komme er zu sich; es sei ihm dann gerade so, als ob er auf- 
wache; er schäme sich, dass ihm das schon wieder passirt sei, und 
er frage sich dann oft genug: Was hast du da nun wieder ge¬ 
macht? 

Er habe nicht immer, nur selten gewusst, was er in der Zeit 
des Umhertreibens aufange; davon habe er erst später durcli 
Andere gehört. Wann und wie oft er solche Anfälle gehabt habe, 
könne er nicht mehr genau angeben; er habe eben ein schwaches 
Gedüchtniss für solche Sachen. 

Ein Trinker sei er durchaus nicht, wenn er auch nicht leugnen 
könne, ab und zu etwas getrunken zu haben, doch habe dies mit 
seinen Anfällen nichts zu tlnin. 

Krampfanfälle habe er, soviel er wisse, nie gehabt 

Nach wie vor behauptete X. auch hier, den ersten der ihm 
zur Last gelegten Diebstähle nicht begangen zu haben, wenn er 
auch desshalb steckbrieflich verfolgt sei. Sollte er zur fraglichen 
Zeit, wie man vernmthet habe, nicht bei sich gewesen sein, so 
könne er die That doch auch nicht eiuräumen. 

Dass er die Uhren an sich genommen habe, müsse er ja zu¬ 
geben; warum er das eigentlich gethan habe, könne er nicht genau 
sagen; solches Handeln verstosse gegen das Gesetz und er werde 
die verdiente Strafe gerne ertragen. Bei einer anderen Unter¬ 
redung meinte er, er könne aus Noth gehandelt haben; in Wirk¬ 
lichkeit hatte X. zur Zeit seiner Festnahme über 7 Mark bei sich, 
welcher Betrag mehr als hinreichend war zur Beschaffung des 
nöthigen Eisenbahnbillets. 

Für gewöhnlich legte X. ein ruhiges und geordnetes Wesen an 
den Tag; unbefangen und freien Blickes gab er Auskunft über seine 
Angelegenheiten; was er sagte, erwies sich durchaus als zutreffend. 
Nur bei der Wiedergabe von Ereignissen aus der Militärzeit, be¬ 
sonders soweit sie die beiden Desertionen betrafen, liess er sich 
manche Uebertreibungen und Entstellungen zu Schulden kommen. 
Es war ihm selbst ebenfalls aufgefallen, dass sein Gedächtnis* 
für die Schulkenntnisse Einbusse erlitten hatte. 

Während seines Anstaltsaufenthaltes, der 6 Wochen währte, 
hatte er zwei Schwindelanfälle. Sodann hatte er Zeiten, in denen 
er weniger frisch war, träge antwortete, ausserordentlich leicht 
ermüdete. Er war dann auffallend gedrückter Stimmung; trüb¬ 
selige Vorstellungen, die unbegründet waren, bemächtigten sich 
seiner: ganz im Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten fuhr er 
beim geringsten Anlass zornig auf. X. selbst wusste, dass er in 
diesen Perioden ein noch schlechteres Gedäcbtniss hatte als sonst, 
und dass er sich während ihres ^pstehens nicht einmal auf ganz 
geläufige Dinge zu besinnen vermochte. 

Das Gutachten führte aus, dass X., wenn er bisher auch keine 
typischen epileptischen Anfälle dargeboten habe, dennoch als 
Epileptiker anzusprochen sei, und dass insbesondere jene Wande¬ 
rungen als epileptische Dämmerzustände aufgefasst werden 
müssen. Von einer eingehenden Beweisführung kann an dieser 
Stelle füglich Abstand genommen werden, da sie doch nur auf 
eine Wiederholung des bereits früher Erörterten hinauslaufen 
w'ürde. Periodisch, ohne jede Veranlassung, erfasste den X. die 
Wanderlust; vorher erschien er seiner Umgebung verändert; 
Stunden lang vorher hatte er Kopfschmerzen oder andere Stö¬ 
rungen, die unschwer als Aura gedeutet werden konnten; nachher 
fast völlige Amnesie. Ausserdem wurden bei ihm anderweitig 
nicht begründete Scbwindelanfälle und anfallsweise auftretende 
psychische Abnormitäten beobachtet. Ursächliche Momente, nach 
denen erfahrungsgemäss Epilepsie sehr oft auf tritt, liegen auch 
vor: hereditäre Belastung, die Kopfverletzung, für die nicht so¬ 
wohl die Angabe des X., als besonders die Narbe und die hoeli- 
gradigeDruckempfindlichkeit sprechen, und das schwere Schar¬ 
lachfieber in seinem 13. Lebensjahr. 

Mit Bezug auf letzteren Punkt sei hervorgehoben, dass 
B i n s w a n g e r, Lemoine, P. Marie in dem Ueberstehen 
von Infectionskrankheiten im Kindesalter eine der wichtigsten 
Ursachen der Epilepsie sehen; und auf die ursächliche Bedeutung 
gerade des Scharlachfiebers haben beispielsweise Wildermuth 
und A 11 h a u s aufmerksam gemacht. 

Nur der Vollständigkeit halber theile ich das Ergebniss des 
diesseits geforderten gerichtsärztlichen Gutachtens mit. Da 
nachgewiesen war, dass X. an Epilepsie leidet, musste betont 
werden, dass die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen war, 
dass X. auch zur Zeit der strafbaren Handlungen sich in einem 
epileptischen Dämmerzustände befunden haben konnte. Für den 
ersten Diebstahl war das desshalb wahrscheinlich, weil X. von 
ihm nicht das Mindeste zu wissen angab; was den zweiten Dieb¬ 
stahl angeht, so spricht seine Angabe, dass er aus Noth gehandelt 
habe, sicher nicht zu Gunsten seiner völligen geistigen Klarheit; 

2 

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418 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. lb. 


er hatte genug Geld, sogar noch mehr als das, um die Reise in 
seine Heimath bestreiten zu können, und zudem wusste er auch, 
dass die Seinigen ihn jetzt ebenso, wie schon früher des Oefteren 
unterstützen würden. 

Dass der vorliegende Fall den früher mitgetheilten drei Fällen 
ausserordentlich ähnelt, in einzelnen Punkten eine geradezu frap¬ 
pante Uebereinstimmung mit ihnen zeigt, wird ohne Weiteres 
Jeder zugeben, der sie mit einander vergleicht. 

Damals hatte ich auch das Verhalten des Bewusstseins der 
Kranken zur Zeit der von ihnen vollführten Handlungen berührt. 
Es ist sicherlich zu bedauern, dass auch in diesem Falle eine fach¬ 
männische Beurtheilung gerade zur fraglichen Zeit fehlt. Ich er¬ 
innere mich aber eines weiteren Falles, der, wenn er auch nicht 
so rein ist, wie die mitgetheilten, doch mit ihnen viele Berühr¬ 
ungspunkte hat, und daher dennoch nach der Richtung hin Ver- 
werthung finden darf. Der Kranke, der in ganz ausserordent¬ 
lichem Maasse gegen Alkohol intolerant war und an typischen 
epileptischen Anfällen litt, machte ebenfalls ungewollt und 
unbewusst grössere oder kleinere Reisen. Auf einer solchen Fuss- 
tour, die ihn vom Niederrhein bis in die Gegend von Strassburg 
i. E. führte, besuchte er auch mich, den er von einem früheren 
Anstaltsaufenthalte her kannte. Ich unterhielt mich längere Zeit 
mit ihm und konnte an ihm nicht das mindeste Auffallende be¬ 
merken, weder nach der psychischen noch nach der somatischen 
Seite; sein ganzes Benehmen und Verhalten glich ganz dem in 
gesunden Tagen. Er gab mir aber später, als ich ihn wieder traf, 
zu meinem grossen Erstaunen an, von der ganzen Reise und ins¬ 
besondere von jener Unterhaltung mit mir auch nicht das Min¬ 
deste zu wissen. 

Wir sind, wenn Augenzeugen fehlen, bei der Beurtheilung 
des Verhaltens des Bewusstseins auf den Ausfall oder das Vor¬ 
handensein der Rückerinnerung angewiesen, und dass hierbei 
alle Reserve durchaus und sehr geboten erscheint, ist mehr als 
selbstverständlich. 

Darin sind sich alle Sachverständigen einig, dass das Nicht¬ 
vorhandensein einer völligen Amnesie für sich nicht zur Aus- 
scliliessung der Diagnose eines epileptischen Dämmerzustandes 
berechtigt. So sehr ein solcher Standpunkt auch durch viele ein¬ 
wandsfreie Beobachtungen gestützt wird, so muss er doch immer 
wieder betont werden, da er anscheinend noch nicht Allgemein¬ 
gut geworden ist. 

Das militärärztliche Gutachten kommt, wenigstens in dem 
vorliegenden Falle, zu dem Ergebnis«, dass es sich bei X. nicht um 
psychische Epilepsie handeln könne, da ausser echten epileptischen 
Anfällen vor Allem die Amnesie fehle. Keiner aber wird sich 
dem Eindruck zu entziehen vermögen, dass die Mehrzahl der 
Psychiater, wenn sie über die Anwendbarkeit des § 51 (St.-G.-B.) 
auf die Desertionen sich äussern sollten, zu einem entgegenge¬ 
setzten Resultat gekommen wären und ihr Gutachten damit be¬ 
schlossen hätten, dass auf X. der genannte Paragraph zutreffe. 

Jeder Militärarzt, der ein psychiatrisches Gutachten über 
wiederholte und kopflose Desertionen zu erstatten hätte, sollte 
vorher die Westphal’schc Arbeit (Superarbitrium über den 
wegen unerlaubten Entfernens ira wiederholten Rückfalle an ge¬ 
klagten Musketier, Vierteljahresschr. f. gerichtl. Medicin, Bd. 39. 
1883, pag. 198) lesen. Die Kenntniss dieses mustergiltigen Gut¬ 
achtens würde ebenso der aus 3 oberen Militärärzten bestehenden 
Commission die Begutachtung des ersten der früher von mir mit¬ 
getheilten Fälle (1. c. 753) erleichtert haben, und vor Allem wäre 
die zeitraubende, vom Generalauditoriat angeordnete Vernehmung 
weiterer Zeugen und die Erstattung eines Obergutachtens unter¬ 
blieben. 

Es musste auffallen, dass in einem der von mir früher be¬ 
schriebenen Fälle sich eine so gute Rückerinnerung naehweisen 
liess; erhebliche Lücken in seinem Gedächtnisse waren nicht zu 
ermitteln, wiewohl die Ausführung der betreffenden Reisen eine 
längere Zeit in Anspruch genommen haben musste. Es ist 
sicherlich voreilig, daraus den Schluss zu ziehen,, es habe über¬ 
haupt keine Erinnerungslücke bestanden. Ist es doch schon bei 
einem geistig Gesunden fast unmöglich, nach längerer Zeit alles 
das, was er während eines oder mehrerer Tage erlebt hat, so genau 
festzustellen, dass lediglich aus seinen eigenen Angaben ein bis 
in alle Details naturgetreues Bild der verflossenen Tage reeon- 
struirt werden kann. 

Dieser Fall gab Veranlassung, dem Verhalten des Bewusst¬ 
seins und der Erinnerung bei Epileptikern zur Zeit ihrer Kran- 

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kenperioden eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Mit 
Absicht wurden solche Kranke ausgewählt, bei denen die Diagnose 
der Epilepsie über jeden Zweifel erhaben war und die epilepti¬ 
schen Anfälle oder vielmehr deren Aequivalente eine nur kurze 
Zeit in Anspruch nahmen, da diese begreiflicher Weise die Con- 
trole erleichterte. 

Man ist nur selten in der Lage, einen epileptischen Anfall 
zu beobachten, der von dem echten und typischen Anfall nur in¬ 
sofern abweicht, als das Bewusstsein gar keine oder doch keine 
erhebliche Beeinträchtigung erlitten hat; den wenigen bisher in 
der Literatur niedergelegten Beobachtungen (Ball, B i n s - 
wanger, Bombarda, Höring, Lemoine, Maheim, 
Nothnagel, Ogle, Oliver, Roller u. A.) können keine 
neuen zugefügt werden. 

Wohl gilt das von dem epileptischen Aequivalente oder, eor- 
roctor ausgedrückt, von dem abortiven Anfalle, wie ich schon 
früher andeutete (1. c. 775). Es erübrigt mir, die damals in Aus¬ 
sicht gestellten Beobachtungen in Folgendem kurz mitzutheilen. 

I. Vor etwa 3 y s Jahren wurde der Bonner Anstalt ein junger 
Mensch zugeführt, der ungefähr 18 Jahre alt war und bereits seit 
2 Jahren an Epilepsie litt. Nach seinen Angaben hörte er vor den 
Anfällen des Oefteren Stimmen, die ihm von der gleichen sinn¬ 
lichen Deutlichkeit erschienen, wie die der sich mit ihm unter¬ 
haltenden Umgebung; direct im Anschluss an diese Gehürshallu- 
cinatlonen wurde er schwindelig und bekam seinen Anfall. 

Ich veranlasste meinen Kranken, mir alle Beobachtungen ül>er 
seine Hallucinationen, sowie über seine Anfälle überhaupt, auf¬ 
zuschreiben, mit anderen Worten, sein eigenes Krankenjournal zu 
führen; dieser Aufforderung kam er in der gewissenhaftesten 
Weise nach. In seinen Notizen finden sich u. a. folgende Bemer¬ 
kungen: „Heute Morgen wurde mir gesagt, dass ich einen Brief 
für den Kranken B. schreiben sollte; da w'ar es mir gerade so, als 
w r enu zu mir gesprochen w r ürde: „Du musst dich auch immer an 
Anderer Sachen stören“, wobei ich einen Anfall bekam.“ 

Er brachte einem Mitkranken, der auf einer anderen Station 
lag, die Zeitungen, um die er ihn gebeten hatte: „Da war es mir, 
als wenn zu mir gesprochen würde: „Was hast du auch auf den 
anderen Stationen zu thun?“, wobei ich einen Anfall bekam.“ 

„Diesen Morgen, beim Waschen in der Küche, w r ar es mir ge¬ 
rade so, als w r enn zu mir gesprochen würde: „Nun willst du wieder 
der Erste sein, der fertig ist“; da w f urde es mir so schwindelig, 
und ich war gerade im Begriff, mich zu setzen, als ich schon fiel.“ 

Eines Tages fragte er den Oberpfleger, ob es ihm nicht ge- 
gestattet sei, mit dem Kranken D. spazieren zu gehen; er wurde an die 
Aerzte verwiesen. „In dem Augenblicke war es mir, als wenn zu 
mir gesprochen würde: „Du meinst nun wieder, dieser Herr könnte 
dies aus sich gestatten“, wobei es mir so schwindelig im Kopf wurde, 
und ich war gerade im Begriff, mich zu setzen, als ich schon einen 
Anfall bekam.“ 

„Diesen Morgen, als ich aufstehen und mich ankleiden wollte, 
w'ar es mir, als wenn zu mir gesprochen würde: „Bleibe mir ruhig 
liegen, sonst bekommst du einen Anfall“; einen Augenblick nachher 
kam der Pfleger S. in unser Schlafzimmer und fragte mich, warum 
dass ich nicht aufstände? Da hörte ich, wie ihm der E. zur Ant¬ 
wort gab: dass ich die Krankheit wieder bekommen hätte. 

Heute Abend, kurz vor dem Essen, kam es mir so vor. als 
wenn zu mir gesprochen würde: „Nun meinst du wieder, der Erste 
am Tisch sein zu müssen“, worauf es mir so schwindelig wurde, 
und ich auch einen Anfall bekam. 

Beim Spielen mit anderen Kranken ist es mir häufig so. als 
wenn Einige sprächen und sagten zu mir: „Du willst auch wohl 
immer gewinnen“, und danach bekam ich einen Anfall. 

Heute Vormittag war ich am Lesen, und da w T ar es mir einen 
Augenblick so, als wenn zu mir gesprochen würde: „Du willst auch 
Alles lesen.“ Da wurde ich einen Augenblick von Krämpfen be¬ 
fallen und das Buch entfiel meinen Händen. 

Ich hatte mich heute Vormittag auf einen Stuhl gesetzt, und 
da wurde zu mir gesprochen: „Wenn du etw*as siehst, dann meinst 
du, du müsstest es auch haben“, da wurde es mir so schwindelig 
im Kopfe und ich war gerade im Begriff, mich auf einen Lehn¬ 
sessel zu setzen, als schon der Anfall kam, welcher schnell vortil»er- 
ging.“ 

Aura in der Form von Sinnestäuschungen sind schon lange 
bekannt; aber bei einer sensoriellen Aura ist vorwiegend der 
Gesichtssinn betheiligt, und wenn Störungen von Seiten des Ge¬ 
höre vorliegen, was selten ist, so handelt es sich in den wenigsten 
Fällen um deutliche Hallucinationen. Bekannt ist der Fall von 
H a m m o n d, dessen Kranker vor dem Anfall 10—15 mal seinen 
Namen rufen hörte. 

Auch in unserem Falle liegen echte Hallucinationen vor; 
es ist aber bemerkenswerth, nicht nur dass der Kranke sieh ihrer 
nach dem Uebcrstehen des Anfalls ganz genau erinnerte, mehr 
noch, dass er über den Hallucinationen steht und nicht an ihre 
Realität glaubt. Auch der Umstand verdient hervorgehoben zu 
werden, dass die einzelnen Hallucinationen inhaltlich einander 
ausserordentlich ähneln: immer wird der Kranke von der Stimme 
oder auch von den Stimmen (er hört ab und zu mehren* Per- 

Original ffom 

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27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 419 


sonen zu sieh spreehoii) angc redet und ihm irgend eine Mahnung 
oder ein Tadel erlheilt, der oft genug in recht naher Beziehung 
zu den zufälligen äusseren Begebenheiten oder seiner momentanen 
Beschäftigung steht. Diese Beobachtung lässt unwillkürlich an 
die von Franz Fischer (Berl. klin. Wochenschr. 1888. 8) her- 
vorgehobene photographische Gleichheit der psychischen Aura der 
einzelnen Anfälle bei demselben Kranken denken. 

Es kommt aber danach nicht immer zu dem ausgesprochenen 
epileptischen Anfall, sondern oft nur zu einzelnen Zuckungen 
in umschriebenen Muskelgebieten oder nur zu einem Schwindel; 
den Kranken verlässt das Bewusstsein nicht eine Secunde, und er 
kann nachher genau über die Vorfälle mündlich und schriftlich 
berichten, und die späterhin angestellren Nachforschungen er¬ 
gaben jedesmal die Richtigkeit seiner Schilderung. 

Eines Tages hatte beispielsweise ein Mitkrauker meinen 
Kranken zur Rede gestellt, weil er angeblich gelauscht habe; „nach¬ 
her war es mir“, so schreibt er selbst, „als wenn zu mir gesprochen 
würde; ,Nun regst Du Dich doch wieder darüber auf. worauf ich 
auch die Krämpfe in die Füsse bekam; als ich da aber ruhig sitzen 
blieb, ging es rasch vorüber und zu einem Anfall kam es nicht.“ 

„Diesen Abend nach dem Essen hatte ich mich ein wenig au 
den Ofen gestellt, als es mir plötzlich schwindelig wurde, und ich 
war gerade im Begriff mich zu setzen, da war es mir. als wenn zu 
mir gesprochen würde: ,Du denkst gar nicht an’s Fallen*; einen 
Anfall würde ich auch sicher bekommen haben, wenn ich mich 
nicht direct gesetzt hätte. 

Wir spielten, da war es mir plötzlich schwindelig, und es war 
mir, als wenn zu mir gesprochen würde: ,Du gedenkst auch wohl 
immer zu gewinnen*; als ich nun aber ruhig sitzen blieb, ging der 
Schwindel, so rasch wie er gekommen, auch wieder vorüber. 

Diesen Morgen hatte ich mich ein wenig auf die Bank an s 
Fenster gesetzt, da war es mir, als wenn zu mir gesprochen würde: 
.Nun denkst Du wieder an nichts Anderes, als an den Besuch 
Deines Vaters*; unterdessen wurde es mir schwindelig; der Schwin¬ 
del war aber nicht schlimm, sondern ging rasch vorüber.“ 

Schliesslich liess sich feststellen, dass Gehörshallueinationen 
ganz isolirt und ohne Verbindung mit irgend einer weiteren patho¬ 
logischen Erscheinung auftraten. Ich bin geneigt, in diesem 
Fall die Ilallucinntioncn als Abarten eines epileptischen Anfalles 
anzusehen, und ich halte mich zu einer solchen Auffassung für 
um so berechtigter, als jene mit den Hallueinationen, die die 
sensorielle Aura des Anfalles bilden, inhaltlich, ja wörtlich völlig 
iihereinstimniten. Das war dem Patienten selbst nicht entgangen; 
so findet sich unter seinen Aufzeichnungen die Notiz: Beim 
Spielen war es mir so, als ob zu mir gesprochen würde: „ Du willst 
auch immer der Erste sein“. Der Kranke, der sich selbst genau 
beobachtet und gewissenhaft Alles zu Papier brachte, erwähnt 
aber keinen Schwindel noch Anfall, und ebensowenig wusste die 
Umgehung hiervon zu melden. 

Ich seihst war des Oeftoren in der Lage, den Kranken zu 
beobachten, gerade zu der Zeit, als sich bei ihm die erwähnten, 
vereinzelt auftretenden und äusserst schnell vorübergehenden 
Hallueinationen einstellten. In Nichts wich er dann von seinem 
sonstigen Gebahron ab, er gab auf jede Frage hin die zutreffende 
Auskunft, schilderte die Gehörstäuschung peinlich genau und ver¬ 
mochte nachher von Allem, was passirt war, zu berichten. 

In der Literatur findet sich wenig über diese „epileptiformen 
Hallueinationen“, wie sie A. Kühn genannt hat. der drei zu¬ 
gehörige Fälle gesehen hat (Berl. klin. Wochenschr. 1883, 17). 

I> e r g e r, der seine Arbeit in Mendel II, pag. 265 referirt 
hat, findet die Fälle nicht ganz einwandsfrei und macht auf 
4 eigene Beobachtungen aufmerksam: er nennt diese' momen¬ 
tanen, in wenigen Secunden wieder verschwindenden Ilalluci- 
liationcn epileptoid und lieht hervor, dass sie gewöhnlich ängst¬ 
licher Art waren. Anderweitige psychopathische Erscheinungen 
waren nur in einem Falle nachweisbar. Dem Kranken fehlte 
jede Erinnerung an Alles das, was während der 10—15 Secunden 
dauernden Ilalluciuntion um ihn herum vorging. 

Andere Anfälle dos von mir beobachteten Kranken waren 
durch eine psychische Aura eingeleitet und zwar durch eine Gc- 
dächtnissstörung. 

Entweder war es ihm so. als ob er bei uns in der Anstalt 
bereits gewesen sei; Alles erschien ihm bekannt; die Aerzte. Pfleger, 
Mitkranken waren ihm nichts weniger als fremd, auch die Räume 
mit dem gesaminten Mobiliar, mit aller Ausstattung glaubte er 
von früher her wieder zu erkennen, und während er wähnte, Alt¬ 
bekanntes nochmals zu erleben, setzte der Anfall ein und machte 
seinem Irrthum ein jähes Ende. 

Oder er glaubte, das, was er vorher gelesen hatte, nun mit aller 
Deutlichkeit zu erleben, vor sich zu sehen oder au ihm wesentlich 
betheiligt zu sein. So entsinne ich mich, dass er mir eines Tages 
berichtete, er habe geglaubt, in Berlin su sein, worüber er wenige 
Stunden vorher gelesen habe; es wäre ihm so gewesen, als ob er 

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unter den Linden gewesen sei, als ob er das alte Schloss, die Uni¬ 
versität, das Zeughaus und die Schlosebrücke mit ihren Statuen vor 
Augen gehabt habe. Die Wache sei aufgezogen, und viel Volk habe 
sich hin- und herbewegt; auf einmal sei Alles zu Ende gewesen, 
da der Anfall gekommen sei. 

Die gleichen Störungen, die, wie gesagt, das erste Symptom 
des drohenden epileptischen Anfalles sein konnten, traten auch 
ganz losgelöst von jeder anderen pathologischen Erscheinung, vor 
Allem ohne jede nachweisbare Bewusstseinsstörung für kurze 
Zeit auf und verschwanden dann, indem die Wirklichkeit in ihre 
Rechte trat. 

Dass die Störungen gedachter Art gar sehr an die identifi- 
cirenden und assoeiativen Erinnerungsfälschungen Kräpe - 
1 i n’s erinnern, darauf sei nur nebenbei hingewiesen. 

Sie kommen bekanntermaassen nicht selten bei den Epi¬ 
leptikern vor, deren Geisteszustand das leicht erklärlich macht. 
Dennoch möchte ich die gleichen Störungen bei unserem Kranken 
anders deuten und in ihnen eine forme fruste des epileptischen 
Anfalles erblicken; zu Gunsten dieser Anschauung spricht der 
weitere Umstand, dass sie nur attackenweise auftreten und ebenso 
schnell vorühergehen, wie sie kommen, ohne jemals von dem 
Kranken weiter verarbeitet oder venverthet zu werden. 

Schon J ackson und später Fere, Dutil, sowie Binswanger 
machen darauf aufmerksam, dass vor dem Anfall Erinnerungs¬ 
bilder der verschiedensten Art auftauchen und so eine Aura aus- 
muclien können. Aehnliches berichteten vor Kurzem W inkler 
(ref. L ä h r, Bd. 55, pag. 15. Literaturber.) und N. C. Thomson 
(ref. Centralbl. f. innere Med. 1898, pag. 1011); nach dem letzt¬ 
genannten Autor hatte der Kranke vor dem Anfall ein seltsames, 
undefinirbares Vorgefühl, das oft begleitet war von plötzlicher 
Erinnnerung an allerhand gleichgiltige, geringfügige Dinge 
seiner Kindheit, während das Gedächtnis.^ an kürzlich geschehene 
Dinge ihn verlässt. 

Bei einer dritten Reihe von Anfällen klagte der Kranke dar¬ 
über, dass er, bevor er schwindelig werde und den Anfall be¬ 
komme, doppelt sehe, und zwar dann, wenn er nach rechts sehe. 
Einzelne Male trat nach dem Doppeltsehen nur das Gefühl von 
Schwindel ein. In anderen Fällen konnte ich weiterhin, da ich zu¬ 
fällig auf der Abtheilung war, die unser Kranker bewohnte, fest¬ 
stellen, dass während dieses ganz schnell vorübergehenden An¬ 
falls von Doppeltsehen sich nicht die mindeste Veränderung, weder 
nach der psychischen, noch nach der körperlichen Seite, au ihm 
nach weisen liess. Er selbst gab mir ganz genau und bestimmt 
an, wann das Doppeltsehen begann und wann es aufhörte; diese 
Zeit konnte nach meiner Schätzung höchstens eine Minute betragen. 
Einige Male glückte es mir dabei, mit aller Sicherheit nachzu¬ 
weisen, dass das Doppeltsehen auf eine Lähmung des rechten 
MuscuUis externus zuriiekzuführen war. 

(Schluss folgt.) 

Aus dem Neuen allgemeinen Krankenhaus, Hamburg-Eppendorf 
(medic. Abtheilung: Oberarzt Dr. Rumpel). 

Klinische Beiträge zur Tuberculose. 

. Ein Beitrag zur Frühdiagnose der Lungentuberculose — die 
Punction der Lunge zum Nachweis der Tuberkelbacillen. 

Von Dr. med. M. Henkel, Assistenzarzt. 

Für den Nachweis der Tuberkelbacillen sind zahlreiche 
Methoden angegeben, die fast alle den Vortheil haben, dass sie 
recht gut und vor Allem einfach und praktisch sind. Die erste 
Forderung aller dieser Methoden ist aber die, dass Untersuchungs¬ 
material vorhanden ist, sei es Stuhl, Urin, Sputum, Eiter oder 
sonst etwas. Dem Gewinnen dieses Materials ist bisher wenig 
Wichtigkeit beigemessen worden, weil es in den meisten Fällen 
diese Excremente ja erst waren, die den Verdacht einer tuber- 
culösen Erkrankung erweckten. 

Eine besonders wichtige Rolle spielt der Nachweis der 
Tuberkelbacillen im Sputum. In vielen Fällen wird er ja 
nur der Schlussstein der exacten Diagnose „Phthisis pulm.“ 
sein, in anderen aber wird er von entscheidender Wichtigkeit sein; 
denn es ist durchaus nicht gleichgiltig, ob ich einen fraglichen 
Lungenkatarrh einfach als solchen, oder als einen schon auf tuber- 
culöser Basis beruhenden anzusehen habe. Gewiss wird man bei 
einem einseitigen Lungenspitzenkatarrh trotz fehlenden bacillären 
Befundes im Sputum an eine tuberculöse Erkrankung denken, 
denn „Catarrhus uniiis. lateris non et catarrhus“, Die Praxis 
lehrt aber, dass die Lungentuberculose durchaus nicht immer in 
einer Spitze beginnt, sondern auch an anderen Stellen, z. B. im 
Unterlappen einer oder beider Lungen beginnen kann, und das 

2 * 

Original fro-m 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No- 13 


sind die Fälle, deren Frühdiagnose unter Umständen grosse 
Schwierigkeiten bereiten kann. 

Husten, Auswurf, Stiche in der Brust, zeitweise Nacht- 
schweisse, Mattigkeit, das sind so in grossen Zügen die Beschwer¬ 
den, die fast alle Phthisiker äussern. Kommt nun noch der 
Habitus hinzu, so wird die Diagnose kaum noch Schwierigkeiten 
bereiten. 

Der Husten, oder häufig auch nur etwas „Anstossen oder 
Hüsteln“ fehlt eigentlich nie. Es gibt aber Fälle, wo der Auswurf 
monatelang fehlen kann, trotz oft manifesten klinischen Be¬ 
fundes. 

So haben wir z. B. einen 20 jährigen Matrosen auf der Ab¬ 
theilung, der nach keiner Richtung hin hereditär belastet, bis 
4 Wochen vor seiner Aufnahme ln das Eppendorf er Krankenhaus 
stets gesund gewesen war, dann fühlte er sieh unwohl und hustete 
dann und wann, ohne angeblich je Auswurf gehabt zu haben. Der 
Aufnahmebefund ergab: Mittlerer Ernährungszustand. Kein Ha¬ 
bitus phthisicus. Keine Driisenschwellung: chronische, doppel¬ 
seitige, trockene Rhinitis, rechtsseitige chronische Mittelohreiterung 
(non tuberculosa), am Herzen normaler Befund, an den Hungen 
wurde geringgradiges Emphysem und links hinten, etwa in der 
Mitte, ein feuchter Katarrh mit mittelgrossblasigen Rassel¬ 
geräuschen und geringer Schallverkürzung festgestellt. Die ganze 
Art des Katarrhs Hess den Verdacht rege werden, dass es sich um 
eine Lungentuberculose handeln könnte. Die Temperaturen waren 
nun bei der weiteren klinischen Beobachtung allabendlich über 
37° bis 37,8°. Auswurf war nie vorhanden, so dass wir nicht in 
der Lage waren, ein sicheres Urtheil über die Art der Erkrankung 
zu gewinnen. Auf 0,005 Tuberculin (altes K o c h’sches) reagirte 
der Patient nicht, worauf ich besonders aufmerksam machen 
möchte. 

Ich machte nun an der Stelle, wo die katarrhalischen Lungeu- 
geräusche am ausgesprochensten waren, eine Punctiou mit der 
Prava z’schen Spritze, ln der Absicht, Tuberkelbacillen in der 
AspirationsfUissigkeit nachzuweisen; und dies gelang. Im Deck- 
glaspräparat, nach Ziehl-Neelsen gefärbt, fanden sich zahl¬ 
reiche Tuberkelbacillen. Einige Tage darauf wurde von Neuem 
aspirirt, um ein Meerschweinchen intraperitoneal impfen zu 
können. 

5 Wochen nach der Impfung wurde das Thier getödtet. Es 
bot das ausgesprochene Bild einer Peritonealimpftuberculose mit 
Freibleiben der Lungen. Der Patient hat nun weder nach der 
Tuberculiniujection, wie das von anderer Seite behauptet wird, 
noch nach den Lungenpunctionen Auswurf gehabt. 

Ein einziges Mal. 3 Monate nach seiner Aufnahme, wurde 
ohne besondere Veranlassung etwas Sputum ausgehustet, und auch 
In diesem gelang der bacterioskopische Nachweis der Tuberkel¬ 
bacillen. Seit der Zeit bis heute fehlt jeder Auswurf. 

Häufig und zwar nur bei incipienten Lungenphthisen haben 
wir nur während der ersten Tage ihres Krankenhausaufenthaltes 
Auswurf erhalten. Wir haben denselben jedes Mal sofort unter¬ 
sucht und durch den positiven bacillären Befund unsere klinische 
Diagnose sicherstellen können. Dann schwand der Auswurf, oft 
lediglich durch Bettruhe und hat sich oftmals trotz monatelangen 
Hierseins nicht wieder eingestellt. 

Die Temperaturcurven fast aller dieser Fälle zeigten nun 
stets dasselbe Bild: Constante, ganz geringe allabendliche Tem¬ 
peratu rerhebungen über 37—37,8 °, kaum je einmal höher. Das 
ist eine Beobachtung, auf die meines Wissens zuerst Turban 
aufmerksam gemacht hat, eine Beobachtung, die fast stets auf 
eine ineipiente tuberculöse Lungenaffection hindeutet. 

Wir haben hier Patienten gehabt, die bei der Aufnahme über 
nichts als über allgemeine Mattigkeit geklagt haben; wir haben 
keinen Organbefund erheben können. Aufmerksam wurden wir 
aber, als die Temperaturcurve die eben geschilderte Form an¬ 
nahm. Weiterhin, oft auch erst nach Wochen, konnten wir dann 
erst einen physikalisehen Lungenbefund erheben, später die 
Tuberkelbacillen im Sputum nachweisen. 

Klempcrer sagt in seiner klinischen Diagnostik (6. Auf¬ 
lage) : „Die ersten physikalisch wahrnehmbaren Zeichen der 
Lungentuberculose sind: deutliche Dämpfung über einer Spitze, 
vesiculäres At.hmen, mit verlängertem, verschärften Exspirium 
oder unbestimmtes Atlimen, kleinblasige, klanglose bezw. brou- 
chitische Rasselgeräusche.“ 

Wir haben nun die Erfahrung gemacht, dass die ersten 
physikalischen Symptome gewöhnlich gerade nicht über der 
Spitze mit einer Dämpfung zumal auf treten; viel häufiger haben 
wir gefunden, dass die ersten physikalisch nachweisbaren Erschei¬ 
nungen, die die Phthisis pulm. incip. hervorruft, lediglich aus- 
eultntoriseher Art sind, und dass ihr Sitz in der überwiegenden 
Zahl der Fälle die Fossa supraspinata. infraspinata, die Gegend 
zwischen den Schulterblättern (Uilusgegond) ist, und dass sie 
vorn in der Fossa infraclavieularis zuerst auf treten. 

Hinten hört man auf einer Seite, während sonst In- und • 
Exspirium noch unverändert sind, ein trockenes, giemendes oder | 

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knarrendes Geräusch von tonartigem, musikalischem Charakter, 
meist am Ende des Exspiriums. Dieses trockene, hohe und charak¬ 
teristische Geräusch, welches constant an der gleichen Stelle 
über Monate, selbst auch nach glücklichem therapeutischen Ver¬ 
lauf, gehört wird, vergleicht Turban nicht mit Unrecht mit 
dem ..Winseln junger Hunde“. 

Neben diesem physikalischen Frühsymptom der Lungeu- 
tuberculose spielt, wie Turban ebenfalls hervorhebt, das ab¬ 
geschwächte Vesiculärathmen und das abgeschwächte rauhe, 
id est unreine Vesiculärathmen eine wichtige Rolle. 

Nach unseren Erfahrungen leiten sie aber schon den Ueber- 
gang zu den etwas mehr vorgeschrittenen Fällen ein, denen sich 
dann das erste Auftreten percussorischer Differenzen ansehliesst. 
Treten feuchte Rasselgeräusche, Knisterrasseln und Rasselge¬ 
räusche gröberen Calibers auf, so dürfte man wohl kaum noch 
von einer incipienten Phthise reden. 

Diesen klinischen Frühsymptomen der Lungenphthise haben 
wir von jeher besondere Aufmerksamkeit gewidmet; sie fanden 
ihre anatomische Begründung durch die Resultate der B i r c h - 
Hirschfel d’schen Untersuchungen, veröffentlicht auf dem 
Tuberculose-Congress in Berlin. 

Lampadarios -Athen (Med. News, III, 99) gibt an, 
dass die ersten Geräusche über Lungenspitzen bei Rückenlage 
auscultirt werden müssen, um überhaupt wahrgenommen zu 
werden. 

Seine theoretischen Erklärungen dieses Phänomens klingen 
etwas künstlich und messen meines Erachtens der Wichtigkeit 
des Zwerchfells bei der Beeinträchtigung der Luugenspitzeii- 
athmung eine zu grosse Bedeutung bei. 

Wir haben von den Erfahrungen L.’s Gebrauch gemacht, 
müssen jedoch gestehen, dass wir eindeutige Resultate bislang 
nicht gehabt haben; das kann jedoch auch am Material liegen. 

Einfacher will es mir scheinen, dem Patienten in sitzender 
oder stehender Haltung eine elastische Binde um die unteren 
Thoraxabschnitte zu legen, eine Methode, die schon längst zu 
lungengymnastischen Zwecken angegeben ist, und die den Zweck 
hat, die Lungenspitzenathmung zu begünstigen, und dann zu aus- 
cultiren. 

Es liegt auf der Iland, dass, zumal unter den heutigen Ver¬ 
hältnissen, wo die Therapie der Lungentuberculose in ein ganz 
neues Stadium getreten ist und einen ungeahnten Aufschwung 
genommen hat, der Nachweis der Tuberkelbacillen, und zwar der 
möglichst frühzeitige Nachweis, sowohl für die Prognose des 
Falle«, sowie auch für seine Beurtheilung im Sinne der modernen 
Unfalls- und Invaliditätsgesetzgebung, von ausserordentlicher 
Wichtigkeit und weittragender praktischer Bedeutung ist. 

Neben den malignen Tumoren kennen wir wohl kaum ein 
Krankheitsbild ,wo die Aussichten der Heilung zwischen dem 
Frühstadium und der vorgeschrittenen Entwicklung sich so dia¬ 
metral gegenüberstehen wie bei der Tuberculöse, insbesondere 
der Tuberculöse der Lungen. Dies lehrt zur Evidenz ein Fall 
unserer Abtheilung, über den ich kurz berichten will. Hier ge¬ 
lang es lediglich durch den Thierversuch, die Tuberculöse nacli- 
zuweisen, nachdem alle anderen Methoden, die Bacillen im 
Sputum liachzuweisen, versagt hatten. (Die Punetio pulmonis 
gelangte damals noch nicht zur Anwendung.) 

Der betreffende Patient kam In einem Alter von 25 Jahren 
1895 wegen Fungus des linken Kniegelnkes auf die chirurgische 
Abtheilung des Eppendorfer Krankenhauses. Nach der damaligen 
Krankengeschichte: Normaler Luugenbefund. keine hereditäre Be¬ 
lastung. Habitus neurasthenicus — Resection des erkrankten Ge¬ 
lenkes. Locale neilung. Ueber Husten und Aiiswurf keine 
Notizen. August 1898 plötzlich epileptiforuie Anfälle, die sich 
wesentlich auf die rechte Oberextremität beschränkten und mit 
secundenlanger Aufhebung des Bewusstseins endeten. Diese An¬ 
fälle wiederholten sieh bis Anfangs 1899 in grössereu und kleineren 
Intervallen. Ausserdem bestand neben schwerer allgemeiner 
psychischer Depression eiu massiger trockener Husten und spär¬ 
licher Auswurf, der zeitweise ganz sistirte. Da eine schwere 
Hysterie in erster Linie das Krankheitsbild beherrschte, so wurde 
diese, zumal da jegliches nachweisbare organische Leiden fehlte, 
als das Gruudleiden augesproehen, lind die Behandlung auch von 
diesem Gesichtspunkte aus geleitet. 

Mit Ausnahme weniger Wochen befand der Patient sich 
dauernd während der 4 Jahre in Krankenhausbehandlung. 

Im Mai 1899 kam der Patient mit einer schmerzhaften 
clremnscripten Anschwellung in der Bliuddarmgegend auf unsere 
Abtheilung. 

Nel>eu einer Perityphlitis w'urde eine motorische Schwäche im 
Bereich des ganzen rechten Armes eonstatlrt. Eutartuugsreaction 
fehlte. Reflexe sämmtlich gesteigert. Lunge und Herz mit nor- 

Qriijinal fro-m 

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27. März 1900/ 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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malem Befund. Ophthalmoskopisch nichts Besonderes; etwas 
Husten und ganz spärlich Auswurf, in dem tiuctoriell Tuberkel¬ 
bacillen nicht nachgewiesen werden konnten. 

Die weitere Beobachtung und die Durchmusterung der alten 
Temperaturcurven lenkte nun wegen der allabendlichen leichten 
Temperatursteigerungen (cfr. oben) den Verdacht auf eine wahr¬ 
scheinlich central sitzende Lungentuberculose. Mit dem Sputum 
wurde ein Meerschwein intraperitoneal geimpft. Das inzwischen 
stark abgemagerte Thier wurde 5 Wochen später getödtet und bot 
den für Impftuberculose charakteristischen Befund. Darauf argu- 
mentirten wir nun so: Centrale Lungentuberculose, Solitärtuberkel 
in der Mitte der linken vorderen und hinteren Centralwindung 
(gegen die Rinde vorstossend) und Tuberculose des Coecums. 

Das geimpfte Thier war schon längst getödtet, als es uns end¬ 
lich gelang, in dem spärlichen Sputum nun auch tinctoriell die 
Tuberkelbacillen nachzuweisen. Allmählich entwickelte sich auch 
über den Lungen ein physikalischer Befund, der mit inconstantem, 
sakkadirtem Athmen begann und zwar zuerst in der rechten Fossa 
inf raclavicularis (cfr. Turban); dann wurde das von uns 
charakteristisch genannte bronchitische, trockene, musikalische Ge¬ 
räusch auf der Höhe des Exspiriums im Bereich der linken Fossa 
supraspinata wahrgenommen. Danach stellte sich abgeschwächtes, 
rauhes Vesiculärathmen ein, erst auf der linken, dann auf der 
rechten Seite. Dann nach Wochen, wurde fast gleichzeitig über 
beiden Lungenspitzen geringe Schallverkürzung constatirt. Mit 
dem Auftreten feuchter, anfangs kleinblasiger, später grösseres 
Kaliber annehmender klingender Rasselgeräusche wurde der Zer- 
störungsprocess in den Lungen immer ausgedehnter und breitete 
sich über die ganzen beiden Lungen aus. Später traten noch sehr 
interessante hallucinatorische Erscheinungen und psychische Ver¬ 
wirrungszustände bei dem Kranken ein, über die jedoch später im 
Zusammenhang mit den durch die Lungentuberculose hervorge¬ 
rufenen physischen Veränderungen von anderer Seite berichtet 
werden wird. Der Patient starb im December 1899. 

Die Section ergab: Blinddarm tuberculose, sehr ausgedehnte 
doppelseitige Lungentuberculose, den Solitärtuberkel an der ange¬ 
gebenen Stelle, ausserdem jedoch noch mehrere kleinere cortical 
und subcortical gelegene Solitärtuberkel an anderen Stellen. 

Als Koch seine grundlegende Arbeit über den Erreger der 
Tuberculose veröffentlicht hatte, da bildete sich vielfach sehr bald 
die Annahme heraus: Findet man in dem Sputum eines Lungen¬ 
kranken tinctoriell fortgesetzt keine Tuberkelbacillen, so handelt 
es sich nicht um Phthisis pulm. Später kam man dahinter, dass 
es oft recht schwierig sei, tinctoriell die Tuberkelbacillen nach¬ 
zuweisen. Es wurde der Thierversuch, die verschiedenen Sedi- 
mentirungsverfahren und neuerdings auch das Cultur- 
verfahren von Hesse hinzugezogen. Wohl in allen Fällen, wo 
überhaupt tuberkelbacillenhaltiges Sputum vorhanden ist, wird 
es heute gelingen, mit Hilfe dieser Methoden die Tuberkelbacillen 
nachzuweisen. In den seltenen Fällen aber, wo der Auswurf fehlt 
und wo die klinische Beurtheilung einer Lungenerkrankung un¬ 
klar bleibt (cf. unten), da wird man berechtigt sein, die Aspi¬ 
rationsmethode anzuwenden. Es liegt mir ferne, behaupten zu 
wollen, dass jeder Versuch mit diesem Verfahren sofort von Er¬ 
folg gekrönt sein wird; mir ist es auch nicht in jedem Falle beim 
ersten Male gelungen. Der Werth der Methode und ihre Berech¬ 
tigung wird sich erst nach grösseren Erfahrungen ermessen 
lassen. 

Es sei mir nun gestattet, noch Einiges über die Indication 
der Aspiration von Lungengewebssaft und über die dabei von uns 
angewendete Technik zu bemerken. Vorausschicken will ich, 
dass wir ebensowenig wie bei der Spinalpunction je eine schädi¬ 
gende Wirkung erlebt haben. Grundbedingung ist strengste 
Asepsis. Die betreffende Hautstelle wird (event. nach vorherigem 
Rasiren) mit sterilen Wattebäuschen, Seifenspiritus und Aether 
ausgiebig behandelt, die gutziehende P r a v a z’sche Spritze in 
destillirtem Wasser (grösseres Reagensglas) ausgekocht. Sterili¬ 
sation der Hände, Abspülen derselben mit sterilem Wasser oder 
Kochsalzlösung. 

Die Aspiration muss langsam und in kleinen Pausen aus¬ 
geführt werden. Zur bacteriologischen Untersuchung genügen 
minimale Mengen Aspirationsflüssigkeit. 

Kaum je haben wir es erlebt, dass das nächste Sputum san¬ 
guinolent gefärbt war, und auch dann nur ganz vorübergehend; 
nie haben wir wirkliche Lungenblutungen beobachtet. Manch¬ 
mal ist im Anschluss an die Aspiration eine mässige, vorüber¬ 
gehende Temperatursteigerung eingetreten, über deren Bedeu¬ 
tung wir bis jetzt noch keine sicheren Vorstellungen haben. Trotz¬ 
dem möchten wir doch die Indication nach Möglichkeit auf die 
Fälle beschränken, wo es auf keine andere Weise gelingt, ein 
sicheres Urtheil über die bestehende Lungenerkrankung zu ge¬ 
winnen. Hierher rechnen wir in erster Linie diejenigen Fälle, 
die den oben beschriebenen gleichen. 

Zu grossen differentialdiagnostischen und prognostischen 
Schwierigkeiten könneo^miimhe Fälldlvon croupöser Pneumonie 

No. iBÜgitizEd' by VjÖÖQ 


führen, die nicht in Resolution übergehen, sondern allgemach 
einen käsigen, id est tuberculösen Charakter annahmen. Gerade 
hierfür ist es allgemein bekannt, wie selten es gelingt, in dem 
hier vorhandenen, oft reichlichem Sputum Tuberkelbacillen nach¬ 
zuweisen. 

So entsinne ich mich eines Falles z. B. aus meiner patho¬ 
logisch-anatomischen Assistentenzeit her, wo fast die ganze eine 
Lunge vollständig verkäst war, wo klinisch an Tuberculose ge¬ 
dacht war, wo unzählige Male auf Tuberkelbacillen mit negativem 
Erfolge das Sputum untersucht worden war, und wo ich auf Ver¬ 
anlassung meines Chefs noch auf dem Leichentisch aus einem 
mittelgrossen Bronchus den Inhalt zur mikroskopischen Unter¬ 
suchung entnahm; trotz Anfertigung einer recht stattlichen Zahl 
von Präparaten konnte ich Tuberkelbacillen nicht nachweisen. 
Der Grund, dass man die Tuberkelbacillen in diesen Fällen nicht 
findet, ist wohl einfach der, dass das Sputum in überwiegender 
Menge gar nicht aus den Alveolen, sondern aus den katarr¬ 
halisch erkrankten gröberen Athmungswegen stammt, und dieser 
Katarrh ist eben nicht tuberculöser Natur; die tuberculösen, 
käsigen Massen aber bleiben an Ort und Stelle liegen, weil meist 
der Tod schon vor der Resolution eintritt. Es liegt nahe, anzu¬ 
nehmen, dass man gerade in diesen Fällen von der Aspirations¬ 
methode gute Erfolge erwarten darf. Neben diesen käsigen Pneu¬ 
monien, die zu den erwähnten diagnostischen Schwierigkeiten 
Veranlassung geben können, stehen bezüglich ihrer Diagnostik 
die nicht ganz seltenen Fälle von Streptococcenpneumonie, 
namentlich, wenn dieselben zu einer dichten Infiltration mit 
Dämpfung im Oberlappen führen. Mir ist es in einem solchen 
Falle, dessen Beurtheilung längere Zeit Schwierigkeiten machte, 
wo ich lange Zeit in dem eigenartigen, eitrigschleimigen, ge¬ 
legentlich sanguinolenten Sputum vergebens (auch unter Heran¬ 
ziehung des Thierversuchs) auf Tuberkelbacillen gefahndet hatte, 
gelungen, durch die Aspiration von Lungengewebesaft den Strepto¬ 
coccus pyogenes auf Glycerinagar und in Bouillon in Rein- 
culturen nachzuweisen. Auch bei Lungentumoren, Aktino- 
mykose und Echinococcen der Lunge, wenn ihr Sitz entsprechend 
ist, mag es vielleicht gelingen, in diagnostischer Hinsicht Einiges 
durch die Aspirationsmethode zu erreichen . Eigene Erfahrungen 
über diesen letzten Punkt fehlen mir jedoch noch einstweilen. 

Der günstigste Ort der Lungenpunction wird immer der sein, 
wo die physikalischen Erscheinungen am ausgesprochensten 
sind. 

Oftmals mag es auch gelingen, mit der Punctionsnadel durch 
das Gefühl dos Widerstandes sich ein Urtheil über den Infiltra¬ 
tionsgrad der Lunge zu verschaffen, wenn eine alte Pleuraschwarte 
auszuschalten ist. 

Meinem verehrten Chef, Herrn Oberarzt Dr. Rumpel, 
erlaube ich mir verbindlichsten Dank auszusprechen für das rege 
Interesse, das er mir bei Anfertigung dieser Arbeit entgegenge¬ 
bracht hat. 

Aus der inneren Abtheilung des St. Vincenzhauses in Köln. 

lieber Morbus Addisonii.*) 

Von Dr. L. II u i s m a n s, Oberarzt. 

Mehrere Fälle von Morbus Addisonii, welche ich im Laufe 
eines Jahres im Vincenzhause zu beobachten Gelegenheit hatte, 
veranlassen mich, unter Demonstration der zugehörigen Prä¬ 
parate Ihnen einen Bericht über den Verlauf der Erkrankungen 
zu geben. Ich möchte aus den Krankengeschichten nur das Wich¬ 
tigste herausgreifen, andererseits aber unter Berücksichtigung 
der neueren Literatur einige Bemerkungen über den Morbus 
Addisonii hinzufügen. 

Fall I. Herr H. kam im April 1898 in’s Vineenzhaus wegen 
einer „nervösen Dyspepsie“. Er hatte 1897 das Manöver mitgemacht 
und sich während desselben mit seinen Vorgesetzten nicht ver¬ 
tragen. Fortwährender Aerger, sowie ein durch seine Civilstellung 
nicht befriedigter Ehrgeiz waren ihm angeblich „auf den Magen 
geschlagen“. Es bestand seit dem Manöver fast vollständige 
Appetitlosigkeit, sowie häufiges Erbrechen. Landaufenthalt und 
Roborantien aller Art hatten den rapiden Kräfteverfall nicht auf- 
lialten können. 

In der Familie starke tuberculose Belastung: mehrere Ge¬ 
schwister sind schon an Tuberculose gestorben. 

Bei der Aufnahme bestand normale Temperatur, die unver¬ 
ändert bis einen Tag vor dem Tode blieb. Pat. sieht sehr kach- 
ektisch aus, Backenknochen stark vorstehend, wachsgelbes Haut- 
cclorit. Auf der Lunge ausser einer geringen Retractlon der linken 

*) Vortrag, gehalten im allgemeinen ärztlichen Verein in Köln 
nrn 27. xx. 99. Original from 3 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 18. 


Spitze mit abgeschwäelitem Athemgeräusch und leichter Dämpfung 
von vielleicht 5 cm Durchmesser nichts Abnormes. Sämmtliche 
übrigen Organe ohne nachweisbare Anomalie. 

Der Leib war stark eingezogen, die Magenaufblähung ergab 
keine Ektasie, ein Tumor nicht palpabel, freie Salzsäure vor¬ 
handen. Dagegen bestand stark angehaltener Stuhl und täglich 
mehrmaliges Erbrechen. Falls dasselbe einmal mehrere Stunden 
aussetzte, fand sich bei einer Magenspülung kein Speiserest. 

Pat. vertrug noch am besten Kephir, auch schien eine tägliche 
Magenausspülung ihm Erleichterung zu verschaffen. 

Indessen liess sich der weitere Verfall der Kräfte nicht hint¬ 
anhalten. Pat. war fortwährend in einer weinerlichen Stimmung 
und suggestiv in keiner Weise zu beeinflussen. 

Als sich nun bei Gelegenheit einer Lungenuntersuchung über 
der linken Spina scapulae eine hellbraune Stelle von ca. 2 cm 
Durchmesser fand — an der Schleimhaut des Mundes war nie eine 
Pigmentirung nachweisbar — gewann die Diagnose eine bestimmte 
Form: die hereditäre Belastung, der kleine Herd in der 1. Spitze, 
das andauernde Erbrechen ohne wesentliche pathologische Verände¬ 
rung des Magens und endlich die erwähnte Pigmentirung der Haut 
Hessen mich einen Morbus Addisouii annehmen. 

Am Tage vor dem im Juli 98 erfolgten Tode stellte sich eiue 
beiderseitige hypostatische Pneumonie mit hohem remittirenden 
Fieber ein. Bei der Section fanden sich ausser letzterer über der 
linken Spitze starke pleuritische Verwachsungen und ein keil¬ 
förmiger, durch Narben von dem übrigen Lungengewebe abge¬ 
schlossener tuberculöser Herd; sonstige Lunge vollkommen normal. 

Vereinzelte retrobronchiale und retroperitoneale tuberculöse 
Lymphdrüsen von Bohnengrösse. 

Sämmtliche Organe ohne pathologische Veränderung. Rechte 
Nebenniere vollkommen geschrumpft und nicht auffindbar, die 
linke Nebenniere 2 cm lang, 0,3 cm breit, stark atrophisch, in einem 
Pol derselben ein stecknadelkopfgrosser tuberculöser Herd (Demou- 
stration). 

Jejunum, Ileum und Kolon im Zustande stärkster Contraction, 
in demselben knollige, harte Kothmassen, die dem Ganzen das 
Aussehen einer Perlenschnur geben. Magen sehr klein, ohne 
Inhalt. 

Auffallend ist bei diesem Falle der langsame Beginn, welcher 
zunächst den Addison nicht erkennen liess, ferner die enorme 
Schrumpfung der Nebennieren mit einem kleinen tuberculösen 
Herd in einem Nebennierenpol, endlich die starke Contraction 
des gesammten Tractus intestinalis, welche man wohl mit 
Leichtenstern als Inanitionscontraction bezeichnen muss. 
Sie ist „ein Verharren des Muskels in dem Zustande der elasti¬ 
schen Kräfte, wie er durch die Contraction herbeigeführt war“ 
(Leichtenstern). In früherer Zeit hätte man das Erbrechen 
sicher auf die Contraction geschoben, und von einem Heus spas- 
modicus gesprochen. 

Fall II. Morbus Addlsonil, Phthisis pulmon. Im Bereich des 
ganzen oberen linken Lungenlappens der Befund einer tubercu¬ 
lösen Pneumonie mit Cavernen, über der rechten Spitze ein 
trockener Katarrh. Hohes hektisches Fieber. Diazoreaction nach 
Michael i'scher Vorschrift negativ. Im Urin nichts Abnormes. 

Haut stark schilfernd. 14 Tage vor dem Tode nimmt dieselbe 
eine olivengrünliche Farbe an, Mundschleimhaut ohne Pigmen¬ 
tirung. Zugleich setzt häufiges Erbrechen ein, die Untersuchung 
des Magens ergab keine secretorische oder motorische Anomalie. 

Pat. stirbt im Collaps. Ich stellte intra vitam die Diagnose 
Phthisis pulmon. und Morbus Addisonii. Die Section bestätigte 
dieselbe. Es fand sich eine Vergrösserung der Nebennieren auf 
r: cm Länge und 4 cm Breite rechts, auf 4 cm Lange und 2 cm Breite 
links, sowie ausgedehnte Tuberculöse derselben. Vereinzelte ver¬ 
käste retrobronchiale und retroperitoneale Lymphdrüsen. 

An sümmtlichen übrigen Organen nichts Pathologisches. Der 
Darm war wieder stark contrahirt. In der Magenschleimhaut, 
sowie im obersten Theile des Duodenum fanden sich massenhaft 
graue hirsekorngrosse Erhabenheiten, die zunächst den Eindruck 
von miliaren Tuberkeln machten, bei mikroskopischer Unter¬ 
suchung sich aber als geschwollene Follikel erwiesen (Demon¬ 
stration). 

Fall III. Fräulein R. kam am 13. IX. 98 mit einer ausge¬ 
dehnten Lungentuberculose, hohem remittirenden Fieber In’s 
Hospital. Es entwickelte sich allmählich Amyloid der Leber, 
Milz und Nieren, starkes Anasarka. Die Zungenschleimhaut zeigte 
dann typische Addisonpigmentirung. Zugleich trat unstillbares 
Erbrechen ein, die Pat. wurde sehr weinerlich und energielos. 
Ich dachte auch hier an einen secundären Morbus Addisonii und 
bin fest überzeugt, dass die Section, welche verweigert wurde, 
meine Annahme bestätigt haben würde. Eine Uraemie konnte ja 
nicht alle Symptome erklären. 

Fall IV. Am 12. VII. 99 wurde G. wegen „gastrischen 
Fiebers“ aufgenommen. Der Leib war leicht meteoristisch, keine 
Roseoie, Zunge typhös, Fieber remittirend, Milz nicht palpabel. 
Es bestand Verstopfung, kein Erbrechen. 

Linkes H y p o c h o n d r i u m auf Druck sehr 
empfindlich. 

Lungen vollkommen normal, untere Grenzen derselben bei 
der Athmung gut verschieblich. 

Nirgends eine Pigmentirung. Pat. stirbt am 26. VII. im 
plötzlichen Collaps. 

G. hatte bis zu seiner Hospitalaufnahme als Bäcker gearbeitet. 
Eine Anamnese war nicht aufzunehmen, weil G. fortwährend 

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srark benommen war und auf Fragen nicht reagirte. Er delirirte 
sehr stark und verliess zeitweise vollkommen verwirrt das Bett. 

Die Section ergab vollkommen normale Lungen. Dann¬ 
schlingen stark gebläht. In dem serösen Ueberzug der Blase ver¬ 
einzelte miliare Tuberkel, viscerales Peritoneum an einzelnen 
Stellen leicht gerötliet und mit dünnen fibrinösen Massen belegt. In 
der Zwerchfellkuppel zwischen Milz, Diaphragma und linker Niere 
ein gänseeigrosser, dickwandiger, mit käsigen Massen gefüllter 
Abscess, mit demselben communicirt ein wall nussgrosser tubercu¬ 
löser Herd der linken Nebenniere. Rechte Nebenniere ohne Ano¬ 
malie. Ganglion coeliacum makroskopisch nicht verändert (Demon¬ 
stration). 

Bei diesem Falle sind auffallend: 1. die Tuberculöse der 
linken Nebenniere muss bei G. schon lange bestan¬ 
den haben. Darauf deutet die enorme Verdickung der 
Kapsel des subphrenischen Abscesses hin. Wenn G. trotzdem 
längere Zeit arbeitsfähig blieb, so wird man wohl ein vicari- 
irendes Eintreten der r. Nebenniere annehmen müssen. 

2. Es traten bei G. jene terminalen Delirien auf, welche schon 
von Ebstein und Anderen beschrieben sind und uns im Verein 
mit dem remittirenden Fieber, der typhösen Zunge und dem 
Meteorismus zunächst an einen Typhus denken Hessen. 

3. Ebstein (Deutsch, med. Wochen9chr. 1897, No. 47) will 
gerade in manchen „peritonitisartigen Symptomen im End¬ 
stadium der A d d i s o n’schen Krankheit“ etwas Charakte¬ 
ristisches und auf die Diagnose Führendes erblicken. Bei G. 
bestand kein Erbrechen. — Ein anatomisch ganz analoger Fall 
ist von Z a n d y (Zeitschr. f. klin. Medicin, Bd. XXXVIII) 
beschrieben worden. 

Fall V. Endlich hatte ich noch Gelegenheit, einen fünften 
Fall zusammen mit Herrn Oollegen Drees mann zu beobachten. 
Der Pat. kam mit der Diagnose Tumor eerebrl zwecks Operation 
zu uns. Er war fortwährend benommen und reagirte nicht auf 
Fragen. Irgendwelche Herdsymptome bestanden nicht. Die Pu¬ 
pillen reagirten, kein Schielen, keine Stauungspapille. Kein Fieber; 
zeitweises Erbrechen. Lungen normal. 

Haut stark schilfernd, von bräunlich-gelbem Colorit, ohne um¬ 
schriebene PIgmentirungen. 

Als der Pat. starb, war das Krankheitsbild ein unklares ge¬ 
blieben, am wahrscheinlichsten schien uns doch noch ein Tumor 
(Tuberkel ?) im Kleinhirn oder im Centrum semiovale. Die Mög¬ 
lichkeit eines Morbus Addisonii wurde auch erwähnt. 

Die Section ergab eine Verkäsung der linken Nebenniere und 
klärte so mit einem Schlage das ganze Krankheitsbild. Rechte 
Nebenniere ohne makro- und mikroskopische Veränderungen 
(Demonstration). 

In allen secirten Fällen war makroskopisch am Sympathicus 
und Ganglion coeliacum keine Veränderung. Auch fand sich nie¬ 
mals jene ausgedehnte, schon intra vitam palpable Verkäsung 
der Glandulae coeliacae, welche Leichtenstern im Falle 
Balkiewicz 1891 für eine directe Laesion der die Neben¬ 
nieren beherrschenden sympathischen Bahnen verantwortlich 
macht. Wir fanden als anatomisches Substrat Tuberculöse und 
Schrumpfung der Nebennieren. In drei Fällen war gleichzeitig 
Lungen- und sonstige Tuberculöse vorhanden, in den anderen zwei 
fanden wir die Tuberculöse auf die Nebennieren localisirt und 
einseitig. 

Man hat bei Addison die verschiedenartigsten anderen Pro- 
cesse gefunden. Brüchanow (Zeitschr. f. Heilkunde, Bd. 
XX) untersuchte in Prag 33 Fälle und sah ein kugeliges, von der 
Marksubstanz ausgehendes Neurofibrom mit Ganglienzellen, ein 
Lipom, Sarkome, Carcinome, überwiegend ausser Tuberculöse 
„einfach hyperplastische Strumaknoten“. Nebenbei erwähnen 
will ich noch, dass man in der Ureterenwand offenbar durch die 
Entwickelungsgeschichte erklärbare, versprengte Nebennieren¬ 
reste gefunden hat. 

Rein functionell betrachtet Neusser (Nothnagel’s spe- 
eielle Pathologie und Therapie, Bd. XVIII) bekanntlich die 
Nebennieren als Drüsen mit innerer Secretion und der Aufgabe, 
toxische Stoffwechselproducte, wie sie z. B. bei der Muskelaction 
entstehen .(Goetze, Dissertation, Berlin), zu entgiften und eine 
für die Ernährung und Erhaltung des normalen Tonus des sym¬ 
pathischen Systems unentbehrHche Substanz synthetisch dar¬ 
zustellen. 

Der Morbus Addisonii ist nach Neusser bedingt entweder 
durch Erkrankung der Nebennieren oder durch Erkrankung der 
ihre Function beherrschenden Leitungsbahn, welche vom 
Rückenmark durch die Splanchnici und das Ganglion coeHacum 
geht. Dadurch entsteht L eine functioneile Schädigung des sym¬ 
pathischen Systems, 2. eine allgemeine Intoxication. 

In den letzten Jahren sind nun wiederum die verschieden¬ 
artigsten Theorien über die Art der Intoxication aufgestellt, und 

Original fro-m 

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27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


428 


zwar gingen manche Autoren aus von der Broncefärbung in 
Nebennierenrinde und Haut, die ja schon Y i r c h o w auf der¬ 
selben Ursache beruhend und identisch annahm. Während nun 
die Meisten den vasoular-trophisehen Ursprung des Pigmentes 
anerkannten und besonders v. Kahlden den Farbstoff als einen 
veränderten Blutfarbstoff ansprach, Riehl denselben als Folge 
von Gefässveränderungen und Blutextravasation mit Zerfall der 
rothen Blutkörperchen auf fasste, huldigt Mühlmann (Deutsch, 
med. Wochenschr. 1896, No. 20) der Ansicht, dass aus einem von 
Blut und Nebennierenrinde herstammenden Material im Marke 
der Drüse Brenzcatechin gebildet wird. Die Pigmentirung der 
Nebennieren auf der Grenze zwischen Mark und Rinde entsteht 
nach ihm durch directe Einwirkung des Brenzcatechins auf die 
nächstgelegencu Epithelzellen der Rinde. Mühlmann glaubt 
ferner, dass nach Ueberschwemmung des Körpers mit Brenz¬ 
catechin aus demselben Grunde Pigmentirungen an prädispo- 
nirten Stellen, z. B. im Rete Malpighi entstehen, und setzt auch 
alle anderen Symptome des Addison auf Rechnung des Brenz¬ 
catechin. Eiue Ueberschwemmung des Körpers mit diesem Stoffe 
erfolgt, wie er sagt, entweder durch Ueberproduction oder durch 
eine mangelhafte Unschädlichmachung desselben nach Schädi¬ 
gung der sympathischen Ganglien des Markes oder des Sympathi- 
cus selbst. 

Gegen diese Brenzcatechintheorie sprechen folgende That- 
sachen: 

1. Das Brenzcatechin findet sich auch schon in der Neben¬ 
nieren rinde. 

2. Man hat häufig (z. B. F 1 e t c h e r und Kent Spender) 
die Nebennieren total fehlend gefunden und trotzdem Hautpig- 
mentirung gesehen, was nicht möglich wäre, wenn das i m 
Nebennier e n mark gebildete Brenzcatechin die Ur¬ 
sache der Pigmentirung wäre. 

3. Ebstein und Müller (Virchow’s Arch. 1875, Bd. 
XVII) beobachteten lange Zeit eine Brenzcatechinurie bei einem 
Knaben ohne irgend welche Erscheinungen von Morbus Addisonii. 

4. Eine wesentliche Brenzcatechinausscheidung findet sich bei 
Morbus Addisonii nicht, man hat auch noch nie eine Nachdunke- 
lung des alkalisch gewordenen Urins beobachtet, wie sie bei An¬ 
wesenheit von Brenzcatechin eintreten würde (Ebstein). 

Das Brenzcatechin entsteht nach Preusse im Darm in 
Folge der Fäulniss aus der in Pflanzen weit verbreiteten Proto- 
catechusäure und wird ausserdem präformirt in den Körper ein¬ 
geführt. Man wird die Möglichkeit, dass es den Nebennieren 
hauptsächlich zugeführt und hier mit anderen Körpern um¬ 
gewandelt wird, Mühlmann zugeben, aber seine Production 
in der Nebenniere aus oben angeführten Gründen abstreiten. 

Mühlmann gibt ja nun selbst an, dass mit dem Brenz¬ 
catechin „keineswegs alles erschöpft ist, was die Nebenniere an 
wirksamer Substanz enthält“. Er gewann das Brenzcatechin, 
indem er einen durch langwierigen chemischen Process aus der 
Nebenniere hergestellten Körper mit Salzsäure kochte und so in 
Brenzcatechin und eine andere Substanz trennte. Letztere hielt 
er für eine Säure. Diese Thatsache bringt mich auf einen 
anderen Gedankengang. Schon Caussade (Union medicale 
No. 26) versuchte eine Trennung der Symptome nach ihrer Aetio- 
logie. Die Asthenie, die Darm- und Herzerscheinungen führt 
er auf eine Intoxication von den Nebennieren aus zurück, während 
er die Hautpigmentirung auf eine seeundäre Erkrankung des 
abdominellen Sympathieus schiebt. Ich will nicht näher auf 
diese Theorie eingehen, möchte aber meinerseits Folgendes an¬ 
führen. 

Wie oben schon erwähnt, trennte Mühlmann das Brenz¬ 
catechin aus einem Körper, den er für eine Verbindung desselben 
mit einer Säure hielt. Wenn man nun bedenkt, dass in der 
Nebennierenrinde Phosphorsäure und Milchsäure in reichlicher 
Menge nachgewiesen sind, Stoffe, welche bei der Arbeit des 
Muskels gebildet werden, wenn man sich zugleich die Folgen 
der Ueberladung des Körpers mit diesen alten P r e y e Fsehen 
„Ermüdungsstoffen“ in Folge einer mangelhaften Thätigkeit der 
Nebennieren vorstellt, dann bekommt in erster Linie die Ver- 
muthung eine bestimmtere Unterlage, ob es sich nicht bei der von 
Mühlmann nachgewiesenen, mit Brenzcatechin verbundenen 
Säure um Milch- oder Phosphorsäure gehandelt hat — das 
könnten natürlich nur weitere chemische Untersuchungen exact 
beweisen. In zweiter Linie würden aber auch die charakte¬ 
ristischen klinischen Symptome der Adynamie und Aboulie zu- 

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rückgeführt werden können auf eine Ueberladung des Körpers 
mit diesen „Ermüdungsstoffen“ in Folge der ausgefallenen Neben- 
nierenthätigkeit. Das Nebennierenmark ist beim Morbus Ad¬ 
disonii in seiner Function gestört und besorgt die Umsetzung der 
in der Nebennierenrinde befindlichen toxischen Stoffe nicht mehr. 
Thatsächlich finden sich auch die Veränderungen beim Addison 
zunächst im Mark der Nebenniere. 

Die Thatsache, dass bei ausgesprochenem klinischen Bilde 
des Addison häufig nur eine Nebenniere erkrankt ist, spricht nicht 
gegen diese Annahme, denn erstens sind unsere anatomischen 
Kenntnisse noch nicht so weit vorgeschritten, dass wir in jedem 
Falle eine anscheinend gesunde Nebenniere für wirklich 
gesund halten müssen; zweitens setzt sich die Krankheit ja sehr 
häufig auf das Ganglion coeliacum und den Sympathieus fort, 
so dass wir immer noch eine Ausschaltung der anscheinend ge¬ 
sunden Nebenniere durch Laesion der sie beherrschenden Sym- 
pathieusbahnen annehmen können. Andererseits steht nichts 
im Wege, bei einseitiger Nebennierenerkrankung ohne Pigmen- 
tirungen und ohne wesentliche Erscheinungen des Addison zu¬ 
nächst ein vicariirendes Eintreten der anderen Nebenniere an¬ 
zunehmen. 

Nach meiner Auffassung also bestände die eine Aufgabe 
der normalen Nebennieren darin, gewisse bei der Darmfäulniss 
(z. B. Brenzcatechin) und bei der Muskelaction (z. B. Phosphor¬ 
säure, Milchsäure etc.) entstandene toxische* Stoffe an sich zu 
ziehen und dieselben — vielleicht, nachdem sie zu dem von 
Mühlmann dargestellten Körper verbunden wurden — in 
unschädliche Substanzen überzuführen und für die Ausscheidung 
durch den Urin vorzubereiten. Beim Addison erfolgt eine In¬ 
toxication des Körpers mit diesen Stoffen und dadurch entsteht 
speciell die Adynamie und Aboulie. 

Wer Gelegenheit gehabt hat, etwas häufiger Morbus Adisonii 
zu beobachten, wird mir Recht geben, wenn ich behaupte, dass 
ein Addisonkranker in seiner Hilfslosigkeit und Benommenheit 
besonders im terminalen Stadium geradezu den Eindruck 
einesSchwervergifteten macht. Er unterscheidet sich 
dadurch wesentlich z. B. von einem an allgemeiner Schwäche 
leidenden essentiell Anaemischen. Ich glaube daher auch, dass 
Christomanos (Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 42) sehr 
zu Unrecht die Adynamie und Aboulie auf eine einfache abnorme 
Blutvertheilung im Gehirn zurückzuführen versucht. 

N e u s s e r nimmt nun ferner eine functionelle Schädigung 
des Sympathieus an. Indessen würde es mich zu weit führen, 
heute auf die Folgen derselben ausführlich einzugehen. Ich 
möchte nur noch erwähnen, dass auch die fast immer vorhandene 
Schilferung der trockenen, rauhen Haut neben der Pigmentirung 
auf vascular-trophische Störungen zurückzuführen ist. 

Christomanos (Berl. klin. Wochenschr. 1899, No. 42) 
nimmt in gewissen Fällen des Morbus Addisonii eine Stauung 
grosser Blutquantitäten im Splanchnicusgebiete in Folge Aus¬ 
schaltung der nervösen Apparate und Herabsetzung des Tonus 
der Bauchgefässe an. Dadurch entsteht nach ihm eine Oligaemie 
der peripheren Gefässe und es wird den peripheren Geweben in 
Folge dessen weniger Flüssigkeit zugeführt. „Dadurch aber, dass 
die zur Ernährung der Gewebe dienende Plasmamenge einer ge¬ 
ringeren Quantität Blut entspricht, wird dieses eingedickt und 
erscheint bei der Untersuchung blutkörperchenreicher.“ 

Gegen die Stauung im Splanchnicusgebiete und dadurch be¬ 
dingte periphere Oligaemie ist wohl nichts einzuwenden. Wenn 
aber Christomanos die grössere Anzahl der rothen Blut¬ 
körperchen in den Hautgefässen auf eine vermehrte oder doch 
wenigstens normale periphere Aufnahme des Plasmas schiebt, 
so spricht der wohl immer herabgesetzte Turgor der schlaffen, 
wasserarmen Haut beim Morbus Addisonii gegen diese Annahme. 
Selbst wenn auf diese Weise nur in den peripheren Gefässen eine 
Vermehrung der rothen Blutkörperchen vorübergehend erfolgt 
wäre, dann würde das schnell kreisende Blut sofort einen Aus¬ 
gleich herbeiführen. 

Andererseits muss man Christomanos Recht geben mit 
seiner Ansicht, dass nicht in allen Fällen die Vermehrung der 
rothen Blutkörperchen beim Addison durch eine einfache Ein¬ 
dickung des Blutes in Folge des Erbrechens und der Diarrhoeen 
(N e u s s e r u. A.) zu erklären ist — er zählte bis zu 7 200 000 
rothe Blutkörperchen im Cubikcentimeter bei Fällen, in welchen 
keine Diarrhoeen bestanden, selten gebrochen, wurde un.d die 

3* 

Original frorn 

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424 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13- 


Flüsigkeitkaufnahme per os et anum (Serumklystiere) eine 
normale war. Es wird weiteren Untersuchungen überlassen 
bleiben müssen, festzustellen wie weit neben der Nierenthätigkeit 
die Perspiratio sensibilis und insensibilis für die Lösung dieser 
Frage in Betracht kommt. 

Die Therapie war eine rein symptomatische. Leider gehöre 
ich nicht zu den therapeutischen Optimisten, im Grunde ge¬ 
nommen glücklichen Naturen, und habe desshalb auch nicht das 
Nebennierenextract, übrigens eine durchaus nicht indifferente 
Substanz, angewendet. Francis (Brit. med. Joum. 1896), 
To-noli, Janes (Brit. med. Journ. 1898) sahen nach Ein¬ 
führung derselben vo rübergehende Besserung. In diesei 
Fällen und besonders bei den sogen. Heilungen muss man immei 
bedenken, dass spontane Remissionen, z. B. mit zeitweisem 
Schwund der Broncehaut, schon mehrfach beobachtet sind, dass 
diese Heilungen sicher wohl nicht nach ärztlichem Zeugniss 
weiter bestanden und dass die Section in manchen Fällen die 
objective Sicherheit der Diagnose bedeutend erhöht. 

Ich will nicht zu weitschweifig werden und meinen Vortrag 
zu Ende führen. Der Morbus Addisonii ist in der letzten Zeit 
häufig Gegenstand der Discussion in der medicinischen Literatur 
gewesen und so eine Krankheit geworden, die im Gedankenkreis 
des Arztes eine dauernde Stelle errang. Wenn man nun einerseits 
sagen muss, dass Krankheiten, deren specifisches Wesen eigent¬ 
lich nur in ihrem heuen Namen besteht, verdient haben, von der 
Bildfläche der Literatur möglichst bald wieder zu verschwinden, 
so erwirbt man sich nach meiner Ansicht andererseits ein, wenn 
auch vielleicht kleines Verdienst, indem man durch Publication 
aller beobachteten Addisonfälle die Anschauung lebendig erhält, 
dass der Addison durchaus keine seltene Krankheit ist — ein Be¬ 
weis für letztere Behauptung ist die mir gebotene Möglichkeit, 
Ihnen aus dem innerhalb eines Jahres vorhandenen Kranken- 
material der inneren Abtheilung des Vincenzhauses 5 Fälle von 
Morbus Addissoni vorstellen zu können. 


Aus dem städtischen Barackenkrankenhaus in Düsseldorf. 

Beitrag zur operativen Freilegung des Herzens nach 
Rotter wegen Schussverletzung.*) 

Von Dr. Carl Stern, Oberarzt. 

Unter dem Titel: „Die Herznaht eine typische Operation“ 
theilt R o 11 e r in No. 3 dieser Wochenschrift eine Methode der 
Freilegung des Herzens auf Grund von Leichenversuchen mit 
und empfiehlt dieselbe als typische Operation. Ich hatte Gelegen¬ 
heit, die Methode am Lebenden anzuwenden und dabei eine Reihe 
von Beobachtungen zu machen, die mir wichtig erscheinen für 
die Beurtheilung der Methode sowohl, als auch für die Frage der 
Herzverletzungen überhaupt. Bei der noch spärlichen Casuistik 
dieses neuerdings so hervorragend interessant gewordenen The¬ 
mas erscheint auch eine Einzelbeobachtung der Mittheilung 
werth. 

Am 31. Jan. d. J., Morgens 6% Uhr, wurde der 20 jährige St. K. 
in’s Krankenhaus eingeliefert mit einer Schussverletzung in der 
Brust. Nachdem er am Abend vorher seine Braut zu erschiessen 
versucht hatte, brachte er Bich Morgens 5 Uhr, um der drohenden 
Verhaftung zu entgehen, eine Schussverletzung mit dem gleichen 
Revolver bei. Nach Angabe der ihn einliefernden Polizeibeamten 
hatte er im Bette liegend mit der rechten Hand unter der Bett¬ 
decke den Revolver abgedrückt. Um 7 Uhr sah ich den Patienten, 
2 Stunden nach der Verletzung. 

Ich fand ihn hochgradig blass mit blauen, kalten Lippen und 
Nasenspitze im Zustande ängstlichster Athemnoth sich unruhig 
hin und her werfend. Am rechten Sternalrand, 1 cm nach der 
Mittellinine zu, entsprechend der Höhe des V. Intercostalraumes 
zeigte sich eine schwarzgeränderte, I cm im Durchmesser ein¬ 
nehmende Einschussöffnung, aus der sich langsam sickernd 
dunkles, dünnflüssiges Blut entleerte. Das Hemd des Patienten 
zeigte sich stark mit Blut besudelt. Der Patient klagte in 
den zeitweiligen klaren Momenten über hochgradige Athemnoth 
und erheblichen Durst, gab dabei auch an, dass er uns wohl höre, 
aber nicht sehe Die Untersuchung der Lungen ergab überall, 
sowohl hinten, wie vorne, normale Percussionsverhältnisse und 
überall, speciell auch hinten in den abhängigsten Partien, deut¬ 
liches Vesiculärathmen. In der Gegend der Herzdämpfung war 
in ganzer Ausdehnung synchronisch mit dem Herzschlag ein eigen- 
thümlieh brausendes, plätscherndes Geräusch zu hören. Man hatte 
deutlich den Eindruck, dass das Herz in einer Flüssigkeit und in 
Luft arbeite. Die Herzdämpfung war nach links hin gering, nach 
rechts etwas mehr verbreitert, jedoch war die Dämpfung keine 


*) Nach einem Vortrage im Verein der Aerzte Düsseldorfs 
am 12. Febr. 1900. 

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absolute, sondern hatte einen tympanitischen Beiklang. Das Ge¬ 
räusch über der Dämpfung war so deutlich, dass es schon bei einer 
Entfernung von etwa 50 cm gehört werden konnte. Die Hand 
fühlte in der Gegend der Herzdämpfung ein Vibriren, der Spitzen- 
stoss war undeutlich. 

Der Puls an der Radialis war eben noch fühlbar, zeitweise 
aussetzend, etwa 120 in der Minute. 

Beim Schlucken klagte Patient über heftige, krampfartige 
Schmerzen in der Magengegend. 

Die Diagnose einer Herzbeutel Verletzung war nach dem Be¬ 
funde ohne Schwierigkeit zu stellen, es war aber auch aus dem 
eigenthümlich plätschernden Geräusch zu entnehmen, dass eine 
Blutung in den Herzbeutel stattgefunden habe. Bei vorsichtigem 
Lagern auf die linke Seite liess sich nach einigem Zuwarten eine 
deutliche etwa 2 cm hohe Dämpfungszone links an der medialen 
Lungenbegrenzung percutiren, die bei Rückenlage verschwand. 

Ich beschloss zunächst abzuwarten, ob der Zustand sich ändere 
und liess bei absoluter Ruhelage Morphium, Kampher und Aether 
injiciren bei Excitantien per os. 

Allein der Zustand wurde rasch bedrohlich schlechter, die 
Athemnoth steigerte sich, der Mann wurde zusehends blasser und 
unruhiger, verlor zeitweise völlig das Bewusstsein. Der Puls wurde 
kleiner und zuletzt kaum nachweisbar. 9 Uhr Vormittags war der 
Zustand des Patienten unter unserer Beobachtung derart, dass 
wir uns zu einem Eingriff entschliessen mussten, wenn wir den 
Patienten nicht unter unseren Augen verlieren wollten. 

In vorsichtiger Chloroformnarkose (Chloroform Anschütz) 
machten wir denn zunächst die von R o 11 e r auch empfohlene 
kleine Voroperation, d. h. wir erweiterten die Einschussöffnung 
medialwärts, wobei wir nachweisen konnten, dass das Sternum 
von einem Schusscanal von rechts seitlich nach links hinten durch¬ 
setzt war. Eine vorsichtig vorgeschobene Sonde gelangte durch 
die Schussöffnung in einen Canal, der nach links hinten verlief; 
dabei blutete es wieder stärker aus der Schussöffnung. 

Ich entschloss mich daher das Herz freizulegen und führte 
genau nach Rotter einen Querschnitt vom linken Sternalrand 
entsprechend dem unteren Rand der dritten Rippe 10 cm nach 
auswärts. Der Endpunkt dieses Schnittes wurde mit dem nach 
aussen verlängerten Explorativschnitt verbunden, so dass ein 
viereckiger Lappen mit medialer Basis entstand. Die Schnitte 
wurden sofort bis auf die Rippen geführt; der senkrechte Schnitt 
eröffnete hierbei in der Mitte seines Verlaufes die Pleura. Die 
Blutung war gering, an dem unteren Schnitt war eine Klemme; 
erforderlich. Nach vorsichtiger Lösung der Pleura wurden die 
beiden vorliegenden Rippen mit der Knochenscheere rasch durch 
trennt, der ganze Lappen mit den Rippen medial umgebogen, wobei 
die Rippen am Sternalrand luxirten. Sofort erschien in der Wunde 
die lebhaft hin- und hergehende I. Lunge. In die eröffnete Pleura¬ 
höhle wurde ein grosser Tampon lose eingeführt und hiermit vom 
Assistenten die sich vorblähende Lunge zurückgehalten. Im 
unteren Theil der Wunde wogte sehr übersichtlich im Herzbeutel 
das Herz. 

Der Herzbeutel wurde nunmehr mittels Pincette aufgehobeu 
und schräg in der Richtung des Sectionsschnittes eröffnet Sofort 
stürzte mit zischendem Geräusche reichlich hellrothes, schaumiges 
Blut hervor und es lag das wogende Herz zu Tage. Auffallend war 
uns eine starke Unruhe des Herzens, besonders in der oberen 
Hälfte. Der Herzbeutel wurde mit Fadenschlingen angeschlungen 
und vom Assistenten auf diese Weise bequem offen gehalten. Die 
Uebersicht der Vorderfläche des Herzens war nach ausgiebiger Er¬ 
öffnung des Herzbeutels eine ziemlich gute, wurde aber gestört 
durch das immer noch nachfolgende schaumige Blut Eine Ver¬ 
letzung an der vorderen Wand der Ventrikel war nicht zu con- 
statiren, jedoch konnte der tastende Finger die Schussöffnung als 
deutliches Loch an der medialen Wand des Herzbeutels fühlen. 
Da nach Lage des Schusscanales mir eine Verletzung des Herzens 
zweifellos erschien, dieselbe jedoch an*der vorderen Wand nicht 
zu finden war, nahmen wir an, es handele sich um einen an der 
hinteren Ventrikel wand befindlichen Streifschuss des Herzens. 
Um bei der fortschreitenden Blutung die Wunde zugänglich zu 
machen, schob ich vorsichtig zwei Finger unter das lebhaft pul- 
sirende Herz, um es eventuell etwas vor und seitlich zu heben. 
In diesem Momente wurde der nur schwach narkotisirte Patient 
plötzlich unruhig, stöhnte und presste in dem Augenblick das Herz 
mit der Spitze aus der Pericardöffnung heraus. Sofort wurde die 
Athmung und die Herzthätlgkeit unregelmässig. Ich liess desshalb 
von weiteren Versuchen, die Hinterfläche des Herzens sichtbar zu 
machen, ab; da mir dies unmöglich erschien. Da die Blutung von 
hinten kam, so führte ich — in der Absicht, vielleicht eine Tam¬ 
ponade der blutenden Stelle zu ermöglichen — einen Jodoformgaze¬ 
streifen hinter das Herz und aus dem unteren Wundwinkel heraus. 
Der Rest der Wunde wurde mit tiefen Nähten vereinigt. Allein 
schon während dieser Arbeit musste uns klar werden, dass wir 
vergeblich gehofft hatten. Puls und Athmung wurden rasch 
schlechter und schlechter und eine halbe Stunde nach der Ope¬ 
ration erfolgte der Tod. 

Die Section ergab ein interessantes Resultat. 

Das Geschoss hatte im rechten Vorhof seitlich ein¬ 
geschlagen, hatte das Septum atriorum perforirt, dann den linken 
Vorhof links hinten wieder verlassen, war nach Perforation des 
Pericardium in den unteren Lungenlappen gedrungen und sass 
links hinten unten unmittelbar unter der Pleura visceralis. Im 
linken Pleuraraum war ein mässiger Bluterguss, im Perieardial- 
raum ein erheblicher zu constatiren. ' 

Der Schusscanal verlief also von rechts vom oben am rechten 

Original from 

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.. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. _ _ 4 2& 


Sternalrand nach links hinten unten, quer durch die beiden Vor¬ 
höfe. Das Geschoss hat einen Durchmesser von 7 mm. 

Der Fall bietet trotz seines negativen Resultates eine Anzahl 
interessanter Momente. 

Die Diagnose der Herzverletzung war nach Lage der 
Einschussöffnung und dem auffallenden, sehr charakteristischen 
Geräusch über der Herzdämpfung wohl zu stellen. Es war weniger 
ein metallisches, als vielmehr das so passend als „Mühlrad¬ 
geräusch“ bezeichnete Gischen und Brausen, das darauf hin¬ 
wies, dass ausser Luft auch Flüssigkeit im Herzbeutel vorhanden 
war. Die hochgradige Anaemie liess Mangels anderer Zeichen 
die Annahme einer Blutung in den Herzbeutel als gerechtfertigt 
erscheinen. Der auffallende Gegensatz der hochgradigsten 
Athemnoth zu dem negativen Befund über den Lungen bei 
fehlendem Bluthusten wies auf eine Erschwerung der Herz- 
thätigkeit hin, die somit durch directe Verletzung des Herzens 
oder durch Luft resp. Blutansammlung bedingt sein konnte. 
Die Richtung des Schusscanales sprach für directe Herzver¬ 
letzung. 

Schwierig war die Entscheidung, was zu thun sei, und ob 
ein Eingriff gerechtfertigt sei. Es wird in solchen Situationen 
bei einem mit dem Tode ringenden Patienten bei immer mehr 
zunehmender Anaemie und schlechter werdendem Puls auf die 
Individualität des betreffenden Arztes ankommen, ob er nach 
seiner Gesammterfahrung den Fall als definitiv verloren ansieht 
oder ob er den Versuch einer Rettung für gerechtfertigt halten 
wird. Wenn man bedenkt, dass nach Rehn') weniger wie 10 Proc. 
aller Herzverletzungen zur Heilung gelangen und dass die Schuss¬ 
verletzungen des Herzens von den Verletzungen die ungünstigste 
Prognose geben, so wird man sich sagen müssen, dass weitere 
operative Maassnahmen zur Rettung der Patienten gerechtfertigt 
sind, wenn die Beobachtung des Falles, speciell mit Rücksicht auf 
die bestehende Blutung eine rasche Zunahme der bedrohlichen 
Erscheinungen ergibt. Ohne unser Eingreifen war der Patient 
zweifellos verloren, während wir im günstigen Falle die Möglich¬ 
keit hatten, die Herznaht auszuführen. Ii o 11 e r stellt die Herz¬ 
naht als „typische Operation“ der Tracheotomie und Herniotomie 
an die Seite, die eventuell jeder Arzt auch in den schwierigsten 
Verhältnissen machen müsse. Wir stimmen ihm, was die An¬ 
wendung der Methode anbelangt, bei, denn es war geradezu über¬ 
raschend, wie leicht, schnell und übersichtlich die Methode von 
R o 11 e r es uns ermöglichte, den Herzbeutel und das Herz frei¬ 
zulegen. Die Blutung ist in der That eine minimale, die Ueber- 
sicht ist eine gute. Die unvermeidliche Eröffnung der Pleura 
schien uns durch rasches Anschlingen der Pericardialblätter und 
Herüberziehen der Schlinge nach oben und aussen nicht von allzu 
grosser Bedeutung, die Lunge collabirt keineswegs, wie man viel¬ 
fach meint, beim Eintritt von Luft in den Pleuraraum. Sie zieht 
sich etwas zurück, konnte aber von uns in ihrem medialen Rand 
immer gut übersehen werden. 

Die Uebersicht über die vordere Fläche des Herzens war in 
unserem Falle eine durchaus gute und es wäre uns nach Entfernen 
des Blutes ohne Zweifel möglich gewesen, eine etwa hier befind¬ 
liche Verletzung, wie wir sie nach der Lage des Schusscanales an- 
nahmen, zu nähen und zu versorgen. Dagegen würde ich es — 
und damit stimme ich wohl mit allen Beobachtern am Lebenden 
überein — für ausgeschlossen halten, solche Verletzungen des 
Herzens dem Auge und der Naht zugänglich zu machen, welche 
an der hinteren Seite des Herzens gelegen sind. Auch Wunden 
der Vorhöfe dürften sich, wenn sie nicht ganz vorn liegen, in 
Folge der unregelmässigen Gestaltung dieses Ilerztheiles nur 
schwer zugänglich machen lassen. In unserem Falle wenigstens 
entzogen sich die seitlich gelegenen Schussöffnungen der Be¬ 
obachtung, wenngleich zugegeben werden soll, dass wir vielleicht 
zu ausschliesslich auf die grosse, breit sichtbare Fläche der Ven¬ 
trikel unsere Aufmerksamkeit gerichtet haben. 

Uebrigcns hätte in unserem Falle ja auch das Auffinden der 
einen vorderen Oeffnung nicht viel genutzt, denn wir konnten uns 
überzeugen, dass die Blutung von hinten her kam, da immer 
wieder aus der Tiefe des Herzbeutels uns Blut entgegen kam. 
Die Naht der Ausschussöffnung am hinteren unteren Pol des 
linken Vorhofes halten wir nach unserer Beobachtung für ausge¬ 
schlossen. 


*) Verhandl. d. Deutsch. Gesellsch. f. Chir. 1897. 20. Congr. j 

S. 151 ff. i 

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Es kann sich füglich die Frage erheben, ob man denn über¬ 
haupt bei Schussverletzungen des Herzens berechtigt 
ist, einen Eingriff zu wagen. Dass man bei Stichverletz¬ 
ungen des Herzes, die ja in der überwiegenden Mehrzahl der 
Fälle wohl von vorne entstehen, und bei den Fällen, die nicht in 
kürzester Zeit sterben, wohl nur die vordere Wand treffen, ein- 
greifen soll, beweisen die erfolgreich behandelten Fälle von 
Rehn 2 ), Pagenstecher*) und von italienischen Chirurgen. 
Bei Schuss Verletzungen des Herzens ist zur primären Blut¬ 
stillung, so viel ich sehe, nur von Bardenheuer*) der Ver¬ 
such gemacht worden, direct einzugreifen. B. berichtete auf der 
Münchener Naturforscherversammlung über den ebenfalls nega¬ 
tiv verlaufenen Fall. Allerdings hat er den Herzbeutel nicht er¬ 
öffnet, es entging ihm daher „die an der Wand des linken Herzens 
gelegene Verletzung, die tief in die Substanz des Herzens hinein¬ 
ging, ohne jedoch die Kammer selbst eröffnet zu haben“. Zweifel¬ 
los lag in diesem Falle die Verletzung für eine Naht geeignet, 
aber es erhebt sich doch die Frage, ob diese Herzverletzung allein 
die Ursache der „acutesten Anaemie“ war, die zum Eingriff Ver¬ 
anlassung war. Es wird bei Herzschuss Verletzungen immer 
schwer sein, die Frage zu entscheiden, weil wir über die Durch¬ 
schlagkraft der Geschosse im Allgemeinen eine nicht ganz aus¬ 
reichende Vorstellung uns machen. In dem Bardenheue lo¬ 
schen Falle fanden sich in der Pleurahöhle sowohl bei der Opera¬ 
tion „mindestens 2 Liter Blut“, als auch nachträglich „wiederum 
2 Liter Blut in der Pleurahöhle“ angesammelt. Man könnte an 
die Möglichkeit denken, dass die enorme Blutung aus einer gleich¬ 
zeitigen Lungenverletzung resp. GefässVerletzung gestammt hätte, 
da die Herzkammer eben „nicht eröffnet“ gefunden wurde; jeden¬ 
falls wird man bei Schussverletzungen immer an die Möglichkeit 
von Neben Verletzungen denken müssen. 

Dieser Umstand, sowie der weitere, dass es im einzelnen 
Fall unmöglich sein wird, zu entscheiden, ob nur eine einfache 
oder eine mehrfache, d. h. das Herz durchbohrende Verletzung 
vorliegt, lässt doch die Frage auf werfen, ob wir bei Herzver¬ 
letzungen durch Schuss Aussicht haben werden, durch operatives 
Vorgehen die Chancen der Heilung zu vergrössern. Wie ich 
schon hervorhob, war es in unserem Fall unmöglich, die Ausschuss¬ 
wunde am linken Vorhof zu Gesicht zu bekommen und damit der 
Naht zugänglich zu machen. Wir mussten uns, ohne die dia- 
gnosticirte Herzwunde gesehen zu haben, trotz der fortbestehen¬ 
den Blutung auf die Tamponade beschränken, die nach Lage der 
Verletzung unwirksam bleiben musste. Für die Beurtheilung der 
Schussverletzungen des Herzens kommt weiter hinzu, dass es 
doch, wie gute Beobachter angeben, zweifellose Fälle gibt, in 
denen trotz nachgewiesener oder zum mindesten im höchsten 
Grade wahrscheinlich gemachter Herzverletzung der Ausgang ein 
günstiger gewesen ist. So theilte Sendler 5 ) auf dem 26. Chi- 
rurgcncongross einen Fall mit, bei dem eine durch die Entwick¬ 
lung eines Haemopericards wahrscheinlich gemachte Ventrikel¬ 
verletzung trotz hochgradiger Anaemie in Heilung ausging unter 
cxspectativer Behandlung. 

Bardenheuer theilte auf demselben Congress einen Fall 
mit, in welchem die 14 Tage nach der Verletzung vorgenommene 
Section das in der hinteren Wand des linken Ventrikels einge¬ 
heilte, von vorn eingedrungene Geschoss nachwies. Auch 
Ii a u e n s t e i n ö ) theilte Beobachtungen mit, bei denen der Ein¬ 
schuss innerhalb der engeren Herzdämpfung lag, die er auch nach 
den klinischen Erscheinungen als Herzvcrletzungen ansah, und in 
denen trotzdem Genesung eintrat. Auch in der von Eichel 7 ) mit- 
getheilten Casuistik der „Herzbeutelschüsse“ finden sich einzelne 
Fälle, z. B. No. 10, in denen neben der Herzbeutelverletzung eine 
Verletzung des Herzens nach den klinischen Erscheinungen zum 
Mindesten nicht ausgeschlossen ist. Vergegenwärtigen wir uns 
also, dass wir in einer Anzahl von Herzschussverletzungen über 
die z\rt und Schwere der Neben Verletzungen im Un¬ 
klaren bleiben werden, dass wir weiter selbst bei ausgiebigster 
Freilegung des Herzens nur bei einer beschränkten Zahl von 
Fällen die Herzverletzung ausreichend dem Auge resp. .-J# Naht 

6 ) cf. Verhandl. d. Deutsch. Gesellsch f. Chir. 1897, Bd. 2<>. 
Seite 76. 

•) 1. c. 

7 ) Archiv f. klin. Chir., 59. Bd. Die Schussverletzungen des 
Herzbeutels. 

2 ) 1. c. 

*) Deutsch, med. Woehensclir. 1899. No. 22. 

*) cf. diese Woehensclir. 1899. No. 40, S. 1Ö12. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. J3. 


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zugänglich machen können, weil es sich um perforirende 
Verletzung handelt, bedenken wir ferner, dass gute Beobach¬ 
tungen vorliegen, in denen selbst erhebliche Schussverletzungen 
des Herzens in Genesung ohne Operation übergegangen sind, so 
müssen wir zugeben, dass die Frage, ob wir zur primären 
Blutstillung bei Herzschussverletzungen das Herz frei 
legen sollen oder nicht, noch weiterer Erwägungen und Er- 
Jahrungen bedarf. Da wir in der Methode von Kotter eine 
Möglichkeit haben, rasch und übersichtlich das Herz in seiner 
vorderen Flüche der Naht zugänglich zu machen, so wird bei 
Stich ff r 1 e t z u n g o n die Frage zu Gunsten des früh¬ 
zeitigen Eingreifens zweifellos zu entscheiden sein, ob bei Schuss¬ 
verletzungen in gleicher Weise, wagen wir heute noch nicht zu 
entscheiden. 

Pflicht aber dürfte es sein, alle einschlägigen Beobachtungen 
auf diesem Gebiete, das der Klärung bedarf, mitzutheilen, auch 
wenn sie nicht von so glänzendem Erfolg gekrönt sind, wie die 
Fälle von Kehn und Pagenstecher und Anderen. 

Wie Pagenstecher*) ganz richtig sagt, liegt die 
„Haupt Schwierigkeit für die Weiterentwicklung der Herz¬ 
chirurgie in der mangelhaften Diagnostik“ und es ist zur Be¬ 
seitigung dieser ,jeder Baustein beizutragen“. Wenn er weiter 
fortfährt, „ebenso, wie wir heute die Bauchhöhle öffnen, wo der 
Verdacht einer Darmverletzung vorliegt, werden wir in Zukunft 
das Herz blosslegen müssen, wo wir eine perf orirende Wunde an¬ 
nehmen oder Blutung und Infection uns zwingen“ — so liegt 
in dieser Mahnung, so weit sie sich auf Stichverletz¬ 
ungen bezieht, wohl die Richtung, in der sich unser Handeln 
bewegen muss, angegeben; bezüglich der Schussverletz¬ 
ungen — das möchten wir aber nochmals betonen — liegt die 
Frage doch wohl nicht so einfach. Den Darm können wir vorziehen 
und ihn nach jeder Richtung hin dem Auge zugänglich 
machen, das Herz jedoch selbst durch die beste Methode der 
Freilegung vorläufig nur in beschränktem Umfange. 


Ueber_Hernia epigastrica.*) 

Von Stabsarzt Dr. Eichel in Strassburg i. E. 

M. H. 1 Auch auf die Gefahr hin. Ihnen zum grössten Theil 
Bekanntes zu bringen, will ich mir erlauben, im Folgenden unter 
Demonstration einiger einschlägiger Fälle das, was wir über die 
Hernia epigastrica wissen, vorzutragen. 

Um Ihnen zunächst einige Daten über die Geschichte der 
Krankheit zu geben, so sei erwähnt, dass nach der Abhandlung 
des Göttinger Chirurgen August Gottlieb Richter 1 ) zuerst 
II. G a r e n g e o t in den Memoires de TAcademie de Chirurgie 
de Paris eine Arbeit darüber veröffentlicht hat. Garengeot 
und seine Landsleute waren wegen der hervortretendsten Be¬ 
schwerden, die diese Bruchform hervorrief, wegen der Schmerzen 
im Magen und des Erbrechens, der Ansicht, dass der Magen selbst 
der Bruchinhalt sei und bezeichneten sie daher als Gastrocelen. 

Richter trat dieser Ansicht mit aller Entschiedenheit 
entgegen und bezeichnete es als unmöglich, dass der Magen in 
den kleinen Brüchen liege. Die Magenbeschwerden erklärt er 
als per consensum entstanden. Bei der Schilderung der Sym¬ 
ptome wird es an der Zeit sein, auf die Erklärung der hoch¬ 
gradigen Beschwerden, die derartige Brüche machen, einzugehen. 
Um in dem historischen Ueberblick fortzufahren, so waren die 
Hemiae epigastricae den Chirurgen zu Anfang unseres Jahr¬ 
hunderts und der Neuzeit sehr wohl bekannt, es waren auch ein¬ 
zelne casuistische Mittheilungen über dieselben gemacht; ich er¬ 
wähne nur die von L ü c k e *) über 2 im Jahre 1887 operirte Fett¬ 
hernien wegen Gastralgic; in den Lehrbüchern der Chirurgie so¬ 
wohl wie in denen der inneren Medicin fand man jedoch verhält- 
nissmässig wenig über sie. Erst durch 2 fast gleichzeitige Ver¬ 
öffentlichungen von Witzei 3 ) in Bonn und von Roth 4 ) aus 
der Bergman n’schen Klinik wurde die Aufmerksamkeit 


8 ) 1. c. 

*) Nach einem vor dem unterelsässischen Aerzteverein ge¬ 
haltenen Vortrage. 

*) Dr. August Gottlieb R1 c h t e r’s Abhandlung von den 
Brüchen. Göttingen 1785. 

2 ) Operative Beseitigung von sogenannten Fetthernien wegen 
Gastralgie von Prof. Dr. Lücke. Centralbl. f. Chlr. 1887, S. 69. 

■) Leber den medianen Bauchbruch , von Oskar W i t z e I. 
Volkmann’s Sammlung klinischer Vorträge. 

*) Feber die Hernien der Linea albn, von Dr. Roth, Archiv 
für klinische Chirurgie, Band 42, Seite 1. 


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Gck igle 


weiterer Kreise dem Leiden mehr zugewandt. Beide Autoren be¬ 
tonen die ausserordentliche Wichtigkeit der Kenntniss dieser 
Bruchform, deren Beschwerden, da der Bruch seiner Kleinheit 
wegen häufig nicht entdeckt wird, so oft anderen Ursachen zuge¬ 
schrieben werden und zu den verhängnissvollsten diagnostischen 
Irrthümem führen. 

Die Hernia epigastrica sitzt zwischen Processus xiphoideus 
und Nabel meistens genau in der Mittellinie, mitunter weicht sie 
jedoch auch um ein Unbedeutendes nach rechts oder links ab. 

Der Bruch bildet in dieser Gegend eine mehr oder weniger 
starke Vorwölbung, deren Grösse meistens recht gering ist. Die 
Geschwulst ist in den allermeisten Fällen kaum haselnussgross, 
häufig nur erbsengross, selten sind Fälle, wo sie Apfelgrösse er 
reicht oder gar wie in dem von Terrier*) beschriebenen und 
abgebildeten zweifaustgross ist. 

Die anatomische Betrachtung, die nebenbei bemerkt 
hauptsächlich aus den Beobachtungen bei der Operation unserer 
Hernien gewonnen ist, zeigt 2 verschiedene Bilder. In der einen 
Reihe von Fällen liegt der durch eine Oeffnung in der vorderen 
Bauchwand ausgetretene Bruchinhalt frei unter der Haut, in 
der anderen ist er von einer Peritonealausstülpung überkleidet. 
Ueber die Ursache dieser Verschiedenheit werden wir bei der 
Entstehung sprechen. Die Bruchpforte bildet eine senkrecht 
oder quergestellte, meistens scharfrandige Oeffnung in der vor¬ 
deren Bauchwand, die ja an dieser Stelle nur von der vorderen 
und hinteren sich in der Mittellinie vereinigenden Rectusscheide 
gebildet wird. 

Mit dieser Bruchpforte, die fast stets nur klein, selten mehr 
als wenige Centimeter laug ist, ist der ausgetretene Bruchinhalt 
sehr oft mehr oder weniger fest verwachsen. 

Der Bruchinhalt selbst bestand in den operirten Fällen vor¬ 
wiegend aus Netz; dasselbe kann in Folge der Verwachsungen 
und der gestörten Ernährung derartig verändert sein, dass erst 
eine genaue Präparation, durch die das unmittelbare Uebergehen 
in das in der Bauchhöhle befindliche Netz nachgewiesen wird, das 
vorliegende Gewebe als Netz erkennen lässt. 

Seltener ist eine Darmschlinge als Inhalt einer Hernia epi¬ 
gastrica festgcstellt, nie aber ist der Magen, der, namentlich von 
französischer Seite, als Inhalt des Bruches angesehen wurde, 
weder durch Autopsie noch durch Operation in demselben ge¬ 
funden worden. 

Die Hernia epigastrica kommt in jedem Lebensalter vor, 
ausserordentlich selten im Kindesalter, wird sie am häufigsten 
im Alter von 20 bis 40 Jahren gefunden. Während nach früheren 
Statistiken die Frauen häufiger befallen sein sollten, sind nach 
den Angaben von Roth unter 44 Fällen 29 Männer und 
15 Frauen, auch Bohland*) sah das Leiden 37 mal bei Männern 
und nur 3 mal bei Frauen. 

Für die Entstehung kommen, abgesehen von den sehr 
seltenen Fällen, in denen ein congenitaler Defect der vorderen 
Bauchwand vorhanden war, in der Hauptsache 2 Möglichkeiten 
in Betracht. In der einen Kategorie der Fälle soll ein properi 
toneales Fettklümpchen durch ein präformirtes (Gefässlücke) oder 
allmählich entstandenes Loch (durch Abmagerung) in der vor¬ 
deren Bauchwand, die ja in der Linea alba nur von der Rectus¬ 
scheide gebildet wird, durchsclilüpfen und allmählich das Peri¬ 
toneum nach sich ziehen. Der ausgestülpte Peritonealtrichter 
wird dann mit dem Bruchinhalt angefüllt. In der zweiten Kate¬ 
gorie wird durch irgend ein grösseres oder geringeres Trauma 
eine subcut ane Zerreissung der vorderen Bauch wand hervorge¬ 
rufen. Entweder reisst dabei das Peritoneum mit, dann ist das 
austretende Eingeweide nicht von einem Bruchsack bedeckt, oder 
das Peritoneum bleibt erhalten und stülpt sich allmählich aus 
dem Riss der Bauchwandungen heraus, dann hat der Bruch auch 
einen echten Bruchsack. Die traumatische Entstehung der Her¬ 
nia epigastrica ist namentlich in jüngster Zeit für eine Reihe von 
Fällen sicher erwiesen. Auch bei den 3 Patienten, die ich im 
letzten Jahr beobachtet habe, wird 2 mal mit Sicherheit eine Ver¬ 
letzung als Entstehungsursache angegeben, während der Dritte 
kein bestimmtes Trauma anzugeben vermag. Bei der trau¬ 
matischen Entstehung sind 2 Möglichkeiten geboten. Einmal 
kann, und das ist das gewöhnliche, zunächst nur der subcutano 

■) F. Terrier: Hernies epigastriques et ombilicales. Revue 
de Chirurgie 1886, S. 993. 

*) Ueber die Hernia epigastrica und ihre Folgezustftwle. vou 
Dr. Iv. Bohland. Berlin, klin. Wochensohr. 1884, S. 77.4. 

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•27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDTCINTSCHE WOCHENSCHRIFT 


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Riss in der vorderen Bauchwand durch die Verletzung gesetzt 
werden, ohne dass ein Eingeweide durch den Riss aus der Bauch¬ 
höhle heraustritt. Dies Heraustreten bleibt einem zweiten Trauma 
oder einer späteren, meist ganz unbedeutenden Schädlichkeit, 
einem Hustenstoss oder etwas dem Aehnlichen, Vorbehalten. Ein 
gutes Beispiel für diese Art der Entstehung ist der erste Fall, 
den ich operirt habe. 

Der Mann bekam im Mal 1898 einen Bajonettstoss beim Con¬ 
trafechten gegen den durch einen Fechtschurz geschützten Bauch 
etwa oberhalb des Nabels. Er verspürte sofort danach heftige 
Schmerzen, die jedoch am nächsten Tage verschwanden. 2 Tage 
darauf that er allen Dienst mit. Da fühlte er beim Turnen, nach¬ 
dem er den Rückenaufzug gemacht hat, von neuem einen heftigen 
Schmerz an der getroffenen Stelle, der nun nicht mehr schwindet. 
Er meldet sich krank und es wird eine Hernia epigastrica gefunden. 
Es ist also bei dem muskelkräftigen Mann, der vorher vollkommen 
gesund war, durch den Bajonettstoss zunächst ein subcutaner 
Einriss in die vordere Bauchwand gesetzt. Der Riss, der, wie sieh 
bei der Operation zeigte, zur Linea alba senkrecht gestellt war, 
ist durch die Ueberstreckung der Bauchmuskulatur beim Rücken¬ 
aufzug zum Klaffen, vielleicht auch zum weiteren Einreissen ge¬ 
bracht; beim tiefen Athemholen, nachdem der Körper die Höhe 
des Querbaums erreicht hat, ist sodann ein Netzstück in den 
Einriss hinein getrieben und von der engen Bruchpforte fest¬ 
gehalten. 

In einer anderen Reihe von Fällen tritt gleich, nachdem der 
Riss in der vorderen Bauchwand entstanden ist, ein Netztheilchen 
heraus und wird an der Stelle festgehalten. 

So war es bei meinem 3. Patienten. Der Mann verspürte Im 
Frühjahr 1897 beim Heben einer schweren Kiste plötzlich einen 
Schmerz etwas oberhalb des Nabels, der ihn zwang, die Kiste ab¬ 
zusetzen. Er fühlte, als er unmittelbar darauf auf den Abort ging 
und sich nach der schmerzenden Stelle fasste, ein Knötchen, das 
seitdem bestehen geblieben ist. Ebenso sind die Schmerzen bei 
der geringsten Anstrengung an der Stelle unverändert vorhanden. 

Die Symptome, die die Hernia epigastrica macht, treten je 
nach ihrer Entstehungsart allmählich oder plötzlich auf. 

Die Patienten der ersten Kategorie, bei denen das Leiden 
ohne nachweisbares Trauma entstanden ist, kommen meist mit 
Klagen über Magenbeschwerden zum Arzt. Sie haben Schmerzen 
in der Magengegend, die bald nach dem Essen stärker werden, 
bald von der Nahrungsaufnähme unbeeinflusst sind. Im weiteren 
Verlauf tritt Aufstossen und Erbrechen hinzu. Die Kranken 
werden appetitlos, sie fangen an abzumagern, werden unlustig 
zu jeder Arbeit, verlieren allen Lebensmuth. Am Leibe ist 
meistens beim Anblick nicht viel zu entdecken, selten sind die 
Fälle, in denen schon durch den Gesichtssinn eine Geschwulst 
wahrgenommen werden kann. Dagegen fällt beim Betasten eine 
starke Druckempfindlichkeit des Leibes oberhalb des Nabels auf. 
Meistens ist der Schmerz auf eine ganz circumscripte Stelle be¬ 
schränkt und hier findet man bei aufmerksamer Untersuchung 
ein Knötchen, das kaum Bohnengrössc erreicht. Wird die kleine 
Geschwulst nicht entdeckt oder wird ihr, wie so häufig, nicht die 
nöthige Beachtung geschenkt, so werden die Beschwerden auf 
ein Magenleiden bezogen. Der Kranke trotzt den verschiedensten 
Behandlungen, er reist von einem Arzt zum anderen, bis er end¬ 
lich vor die rechte Schmiede kommt und. durch eine ungefährliche 
Operation seine sämmtlichen Beschwerden mit einem Schlage be¬ 
hoben sind. 

Ist ein Trauma den geschilderten Beschwerden unmittelbar 
oder kurze Zeit vorhergegangen, so wird eine eingehende Unter¬ 
suchung der vorderen Bauehwand die grössere oder kleinere Ge¬ 
schwulst finden und dieselbe richtig deuten lassen. Als Regel 
für die Untersuchung derartiger Kranker stellt schon Richter 
den Grundsatz auf, dass man sie nicht in der gewohnten Rücken¬ 
lage, sondern mit nach vorwärts geneigtem Oberkörper unter¬ 
suchen soll. In der Rückenlage verschwindet bei reponibler Hernie 
der Bruchinhalt in der Bauchhöhle, bei nicht reponibler wird 
durch die Erschlaffung der vorderen Bauchwand der ausgetretene 
Bauchhöhleninhalt nicht so stark von den Bruchpforten gedrückt 
wie bei aufrechter Körperhaltung, daher wird die Betastung der 
Geschwulst weniger schmerzhaft, dieselbe kann der Beobachtung 
leichter entgehen. 

Dass ein stärker ausgebildeter Panniculus adiposus die Ent¬ 
deckung der Geschwulst erschwert, braucht wohl kaum hervor¬ 
gehoben zu werden. 

Aas den geschilderten Symptomen, der Druckschmerzhaftig¬ 
keit im Epigastrium, der gestörten Eunction des Magens und des 
Darmcanals lässt sich bei dem Vorhandensein einer.subeutanen 
Geschwulst in der Mittellinie zwischen Processus xiphoideus und 

e 


Nabel die Diagnose einer Hernia epigastrica mit aller Bestimmt¬ 
heit stellen. 

Wie erklären sich mm bei der Kleinheit der Geschwulst, bei 
dem Fehlen von Magen und Darm in ihr, in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle die vorhandenen schweren Störungen des Ver- 
dauungstractus ? Entweder durch directen Zug des mit der Bruch¬ 
pforte verwachsenen Netzes, das bei jeder Bewegung und 
stärkeren Erschütterung des Bauches beim Gehen, Husten, 
Niesen am Magen zerrt. In diesen Fällen ist es begreiflich, 
dass bei der ruhigen Rückenlage die Schmerzen verschwinden, 
dass die Mahlzeiten besser vertragen werden, wenn nur geringe 
Mengen auf einmal dem Magen zugeführt werden, und eine Zeit 
lang nach der Mahlzeit die Rückenlage innegehalten wird. Ist 
jedoch die Fixation des Magens durch das Netz an die Bruch¬ 
pforte keine so kurze, dass ein directer Zug auf ihn ausgeübt 
werden könnte, so lassen sich die Beschwerden nur auf dem 
Wege der Nervenbahnen oder, wie Richter sagt, per consensum 
erklären. 

Mag das eine oder das andere der Fall sein, für die Therapie 
besteht die Indication, die Patienten von ihren Beschwerden zu 
befreien. 

Zu dem Zwecke sind Bruchbänder der verschiedensten Art 
empfohlen. 

Ich halte den Gedanken, auf eine Hernia epigastrica ein 
Bruchband appliciren zu wollen, vom chirurgischen Standpunkt 
aus für verfehlt. Abgesehen davon, dass ein Bruchband an der 
Stelle überhaupt nicht sitzt, dass es sich bei der geringsten Be¬ 
wegung verschiebt, ja sogar schon bei einer etwas tieferen Ath- 
mung seine Lage verändern muss, scheint es mir überhaupt ir¬ 
rationell, ein Bruchband anzulegen. Bei der Durchsicht der ein¬ 
zelnen Veröffentlichungen über operirte Hernia epigastrica habe 
ich fast in allen Fällen gefunden, dass das ausgetretene Netz oder 
das vorliegende „subseröse Lipom“ mit der Bruchpforte mehr oder 
weniger fest verwachsen, auch nach der Freilegung irreponibel 
war. Es ist allgemeiner chirurgischer Grundsatz, ein Bruch¬ 
band nur dann anzulegen, wenn der Bruch zurückgebracht ist. 
Der Schaden, der durch ein auf einen irreponirten Bruch ange¬ 
legtes Bruchband hervorgerufen wird, ist jedenfalls grösser als 
der. den man anrichtet, wenn man gar keines anlegt. Es erscheint 
mir daher nicht im Interesse der Kranken zu liegen, wenn wir 
ihnen, um sie psychisch zu beruhigen, ein Bruchband geben. That- 
sächlich helfen wir ihnen durch dasselbe nicht; die einzige wirk¬ 
liche Hilfe, die wir ihnen angedeihen lassen können, ist die 
durch die Operation. Freilegung der Geschwulst, sorgfältige 
Präparation der Bruchpforte, Durchtrennung aller Verwach¬ 
sungen mit oder ohne Resection des vorgefallenen Netzes, Naht 
der Bruchpforte, Hautnaht, das ist der einfache chirurgische 
Eingriff, der unter der jetzt üblichen Asepsis eine sichere Heilung 
gewährleistet. 

Treten bei einer Hernia epigastrica Erscheinungen auf, die 
auf eine Einklemmung eines im Bruch etwa vorhandenen Darm- 
t.heiles sehliessen lassen, so versuche man keinenfalls, auch wenn 
der Patient auf das Bestimmteste angibt, dass der Bruch früher 
vollständig reponibel gewesen sei, die Taxis. Der eingeklemmte 
Darm wird, das beweisen alle veröffentlichten Fälle, sehr schnell 
nekrotisch, so dass es eben so noth wendig ist, ihn durch den Gesichts¬ 
sinn zu controliren wie bei der eingeklemmten Cruralhernie des 
Mannes, die ja auch in sehr viel kürzerer Zeit zur Darmnekrose 
führt wie die Leistenhernie. 

Liegt Grund vor, neben der Hernia epigastrica ein schwereres 
Leiden des Magendarmcanals zu vermuthen, so erweitere man 
die Oeffnung in der Bauchwand, wie W i t z e 1 es empfiehlt, 
um den Magen zu inspiciren. Im Allgemeinen wird es genügen, 
die Bruchpforte soweit nach oben und unten zu spalten, dass 
man sich sicher von der Durchtrennung aller Verwachsungen 
überzeugen kann. Auch wenn die Oeffnung, wie in meinen 
beiden operirten Fällen, quergestellt ist, kann man sie, wie ich 
es gethan, längs vernähen. 

Durch die Operation verschwinden mit einem Schlage alle 
Beschwerden, wohl hat mein zweiter Patient ebenso wie der 
zuerst operirte, noch einige Zeit eine gewisse Empfindlichkeit 
in seiner Narbe gehabt, die Schmerzen im Innern des Leibes 
sind jedoch von der Stunde der Operation ab verschwunden, er 
ist im Stande zu laufen und zu springen wie vorher in gesunden 
Tagen, so dass ich hoffe, dass er, ebenso wie der zuerst operirte, 

4* 

Original from 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


428 


im Stande sein wird, sich allen Anstrengungen des Dienstes zu 
unterziehen. 

B., 21 Jahre alt, auf genommen am 2. Juni 1898, entlassen am 
19. September 1898, stammt aus gesunder Familie und war selber 
bisher stets gesund. 

Mitte Mai 1898, den Tag vermag er nicht mehr genau anzu- 
goben. bekam er beim Bajonettiren einen Stoss gegen den Unter¬ 
leib, etwas oberhalb des Nabels. Er verspürte sofort Schmerzen, 
doch legten sich dieselben am nächsten Tage, so dass er seinen 
Dienst weiter versehen konnte. 2 Tage danach stellten sich nach 
einem Rüfkenaufzug am Querbaum wieder heftige Schmerzen ein, 
die so stark wurden und gegen Ende des Monats auch beim (leben 
und in der Ruhe den Mann so belästigten, dass er sich am 80. Mai 
krank meldete. Er wurde seinem Bataillonsarzt. Herrn Stabsarzt 
S p a m e r, vorgestellt, der sofort eine Hernia epigastrica fest¬ 
stellte und mir den Mann zur Operation überwies. Am 2. Juni er¬ 
folgte seine Lazarethaufnähme. 

Status praesens: Der im Uebrigen gesunde Mann klagt über 
Schmerzen im Leibe zwischen Nabel und Brustbein. Die Schmerzen 
sind stets vorhanden, gleicligiltig, ob Patient gegessen hat oder 
nüchtern ist. Nach körperlichen Anstrengungen, besonders nach 
starkem Rumpf vorwärtsbeugen, sollen dieselben stärker sein. Drei 
Finger breit oberhalb des Nabels, ein Finger breit nach rechts von 
der Mittellinie, befindet sich unter beweglicher, nicht entzündeter 
Haut eine haselnussgrosse Anschwellung von ziemlich fester Be¬ 
schaffenheit, die auf Druck schmerzhaft ist. Die Geschwulst bietet 
keinen Darmton, sie lässt sich nicht in die Bauchhöhle zurück¬ 
bringen, hat jedoch einen deutlichen Stiel nach derselben hin. Er¬ 
brechen besteht nicht, Stuhlgang und Winde In Ordnung. 

Am 10. Juni wird in Chloroformnarkose die Geschwulst durch 
einen 10 cm langen Schnitt freigelegt. Dieselbe ist nicht von Peri¬ 
toneum bedeckt, sie besteht ans Netz, das durch einen 2 cm langen 
quergestellten Riss im rechten geraden Bauchmuskel aus der 
Bauchhöhle herausgetreten Ist. Beim Anziehen des heraus¬ 
getretenen Netztheiles sieht man, dass dasselbe durch einzelne 
Stränge mit der Bruchpforte verwachsen ist Die Stränge werden 
doppelt unterbunden und durchtrennt. Nunmehr gelingt es leicht, 
das Netz in die Bauchhöhle zu reponiren, der eingeführte Finger 
fühlt die Bruchpforte vollständig frei. Naht der Bruchpforte. 
Hautnaht, aseptischer Verband. 

Die Heilung war eine ungestörte: am 17. Juni wurden die 
Hautnähte entfernt, die Wunde war durch erste Vereinigung ge¬ 
heilt. Patient verliess das Bett. Die Schmerzen, von denen der 
Mann geplagt gewesen, waren seit dem Tage der Operation ver¬ 
schwunden; wohl hatte er In der ersten Woche etwas ..Brennen“ 
in der Wunde, doch gab er selbst an, dass dies Gefühl ein ganz 
anderes sei und mit dem früheren gar nicht zu vergleichen. Am 
7. Juli wurde er mit vollständig fester, unempfindlicher Narbe in 
das Genesungsheim 15. Armeecorps geschickt, er blieb daselbst 
bis zum 31. August und hat dann den Rest des Manövers ohne 
irgend welche Beschwerden mitgemacht. 

S.. 21 Jahre alt, aufgenommen am 25. October, entlassen am 
25. November. Der Vater des Patienten soll an einem Lungen¬ 
leiden, die Mutter im Wochenbett gestorben sein. Eine Schwester 
sei gesund. Bruchschäden seien seines Wissens in seiner Familie 
nicht vorgekommen. Er selbst sei bisher immer gesund gewesen. 
Am 20. dieses Monats Vormittags habe er. als er nach beendigtem 
Einzelexoreiren sich in seiner Gasernenstube aufhielt. Schmerzen 
ir. der mittleren Bauchhöhle verspürt, die seitdem In sich gleich¬ 
bleibendem Maasse fast dauernd fortbestehen und namentlich bei 
stärkerem Strecken und Beugen des Rumpfes, beim Husten und 
Pressen auftreten sollen. Erbrechen will er nicht gehabt haben, 
auch eine Zunahme der Beschwerden nach dem Essen sei nicht, 
auf getreten. An den nächsten 2 Tagen habe er keinen Dienst ge¬ 
habt und sich daher erst he^te krank gemeldet, nachdem er gesteru 
auf Wache gewesen war. Er selbst habe zuerst am 22. dicht ober¬ 
halb des Nabels eine kleine druckempfindliche Geschwulst bemerkt, 
die ihm der Hauntsitz der Ursache seiner Beschwerden zu sein 
schien. Hinsichtlich des ersten Auftretens der Schmerzen welss 
er sich nicht einer stärkeren, gewaltsamen Körperbewegung, weder 
bei dem Exerciron (am 22.1 selbst, noch beim Forttreten, noch beim 
Herauflaufen der Treppe zu seiner im ersten Stockwerk gelegenen 
Gasernenstube zu erinnern. 

Befund: Kleiner, kräftig gebauter Mann mit gering entwickel¬ 
tem Fettpolster. Etwa 2 Ouerflnger breit oberhalb des Nabels 
fühlt man In der weissen Linie eine umschriebene, halbflache Her¬ 
vorwölbung unter der Haut. Die kleine Geschwulst ist sehr druck¬ 
empfindlich. etwa von Kirschgrösse. 

31. Oct. Operation in Ghloroformnarkose. 5 cm langer Ein¬ 
schnitt in der weissen Linie über die Geschwulst. T>or«eibe führt 
auf eine etwa kirschgroße Fettmasse, die keinen deutlichen Peri¬ 
tonealüberzug besitzt. Der Stiel der Geschwulst geht deutlich in 
die Bauchhöhle, es gelingt jedoch nicht, die Fettmasse in die Bauch¬ 
höhle zurückzubringen. Als die quergestellte Bruchpforte erweitert 
ist. zeigt sich, dass an ihr die Geschwulst, die In das in der Bauch¬ 
höhle normale Netz übergeht, ringsum verwachsen ist. Die Ver¬ 
wachsungen werden nach doppelter Unterbindung getrennt, der 
Riss in der vorderen Bauchwand durch Knnpfnähte In der Längs¬ 
richtung geschlossen. Hautnaht. Aseptischer Verband. 

7. Nov. S. ist seit der Operation vollkommen frei von Be¬ 
schwerden. Ein Temperatursteigen nach der Operation Ist nicht 
vorhanden. 


Anmerkung bei der Gorrectur: Der Mann hat seit Januar 
allen Dienst ohne Beschwerden mitgemacht. 

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Die Wunde ist durch erste Verklebung verheilt, die Umgebung 
sowie die Stichcanäle völlig reizlos. Ein Theil der Nähte entfernt. 

11. Nov. Der Rest der Nähte entfernt. Steht auf. 

20. Nov. Seit 8 Tagen ohne Beschwerden ausser Bett. 

N., 20 Jahre alt, aufgenommen am 23. Nov., entlassen am 
30. Nov. Der Vater des Patienten an Lungenentzündung ge¬ 
storben. Mutter und 2 Schwestern leben. Ob Bruchschäden in der 
Familie vorgekommen sind, kann er nicht angeben. Er selbst 
will früher nie erheblich krank gewesen sein. Im Frühjahr 1897 
habe er als Arbeiter in einer Corsettfabrik an einer schweren 
Kiste heben müssen und hierbei einen plötzlichen Schmerz etwa* 
oberhalb des Nabels verspürt, der ihn zwang, die Kiste abzusetzen. 
Er ging kurze Zeit darauf zum Abort und fand beim Hinfühler, 
nach der schmerzenden Gegend eine kleine Geschwulst oberhalb 
des Nabels, die ln demselben Umfange bestehen geblieben Ist. Seit 
dieser Zeit will er bei allen stärkeren körperlichen Arbeiten 
Schmerzen an der bezeichneten Stelle bemerkt haben. Einer ärzf 
liehen Untersuchung oder Behandlung hat er sich nicht unter¬ 
zogen. Verdauungsbeschwerden hat er nie gehabt. Entsprechend 
der vermehrten körperlichen Anstrengungen hat er die oben er 
wähnten Schmerzen seit seinem Diensteintritt häufiger empfunden. 
Er meldete sich desshalb krank und wurde dem Lazareth über¬ 
wiesen. 

Befund: Kleiner, schwach gebauter Mann, von blasser Haut¬ 
farbe. Musculatur und Fettpolster gering entwickelt. 

In beiden Leisten ziemlich weite, für den Zeigefinger bequem 
durchgängige Bruchpforten. die im Uebrigen frei sind. 

Dicht oberhalb des Nabels, an der vom Kranken als Sitz der 
Schmerzen bezeichneten Stelle fühlt man. in der weissen Linie, 
einen erbsengrossen, ziemlich derben, druckempfindlichen Knoten, 
der sieh gegen seine Unterlage nicht verschieben lässt, während 
die Haut darüber frei beweglich Ist. 

30. Nov. In der Ruhe sind die Schmerzen geringer geworden. 
P. verweigert einen operativen Eingriff, wurde als dienstunbrauch 
bar entlassen. 

Ist die Zeiss-Thoma’sche'Zählkammer wirklich 
vom äusseren Luftdruck abhängig?' 

Von Dr. C. F. Meyer, z. Z. dirig. Arzt der Basler Heilstätte 
Davos-Dorf. 

Während der Ausarbeitung meiner Dissertation: „Ueber den 
Einfluss des Lichtes im HöÜenklima auf die Zusammensetzung des 
Blutes“ erschien in No. 40 des Jahrganges 1899 dieser Zeitschrifi 
eine Arbeit von Gottstein in Berlin: „Die Vermehrung der 
rothen Blutkörperchen Im Hochgebirge“, welche als Experimentum 
crucis die auch von Meissen und Schröder angenommene 
Thatsache erhärten sollte, dass die Ursache für die Vermehrung 
der rothen Blutkörperchen im Höhenklima nicht ln einer Verände¬ 
rung des Blutes selbst zu suchen sei, sondern in der Veränderung 
des Messapparates. Diese Autoren behaupten nämlich, dass die 
Zeiss-Thom a’sche Zählkammer vom äusseren Luftdruck ab¬ 
hängig sei und zwar insofern, als der verminderte Luftdruck das 
Deckglas dem Boden der Zählkammer weniger nahe bringe, das 
Volumen der Kammer dadurch vergrössere und so eine scheinbare 
Vermehrung der rothen Blutkörperchen verursache, während er 
höhter Luftdruck das Gegentheil bewirke. 

Gottstein sagte sich nun, dass, wenn er bei einer Auf 
8chwemmung von todten Hefezellen in der Höhe unter verminder¬ 
tem Luftdruck höhere Zahlenwerthe erhalte als ln der Ebene, 
diese Veränderung unmöglich auf eine Vermehrung des todten 
Zellmaterials zurückgeführt, sondern einzig und allein dem fehler¬ 
haften Zählapparate zugeschrieben werden könne. Er fand denn 
auch in der That seine Annahme auf Grund seiner Versuche be¬ 
stätigt und gelangt zum Schlüsse, dass die geistreiche Theorie von 
M i e s c h e r von der physiologischen Bedeutung der Vermehrung 
der Blutzellen im Hochgebirge nicht haltbar sei. Damit erklärt 
also Gottstein sämmtliche Arbeiten, welche von den Schülern 
Miescher*s und anderen Forschern erschienen sind, für werthlos. 
weil alle diese Autoren mit demselben fehlerhaften Apparate ge¬ 
arbeitet haben und nothwendiger Weise zu demselben fehlerhaften 
Resultate kommen mussten. 

Da auch meine Untersuchungen über den Lichteinfluss des 
Höhenklima auf die Zusammensetzung des Blutes mit der Zeiss- 
Thom a’schen Zählkammer angestellt worden waren, und nun 
ebenfalls durch die G o 11 s t e i n’sche Veröffentlichung ln Zweifel 
gezogen worden sind, so benützte ich meine zweite Anstellung in 
Davos und einen vorübergehenden Aufenthalt in Basel dazu, die 
Versuche von Gottstein nachzuprüfen. Bei solchen Control- 
versuchen ist es natürlich von grösster Wichtigkeit, dass die Unter¬ 
suchungen möglichst analog gemacht werden. Da aber die Be¬ 
schreibung seiner Versuche sehr knapp ist. und manche für die 
Beurtheilung und Nachprüfung dieser Untersuchungen wichtige 
Fragen offen lässt, wandte Ich mich brieflich an den Berliner 
Gollegen und bat ihn um nähere Auskunft, welche mir denn auch 
in liebenswürdigster Weise erfheilt wurde und wofür ich ihm an 
dieser Stelle nochmals meinen verbindlichsten Dank ausspreche. 

Genau nach seinen Angaben stellte Ich mir nun eine Auf¬ 
schwemmung von frischen Hefezellen in einer 5proc. Lösung von 
Formalin her und verdünnte dieselbe so lange, bis ich eine Lösung 
erhielt, deren Goncentration ungefähr der G o 11 s t e i n’solien 
Mischung für die Höhe von Davos entsprach. Da Gottstein 
selbst In seiner brieflichen Mitthellung diese Lösung als zu zollen 
arm bezeichnete und die grösseren Schwankungen der Werthe der 

Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


429 


Einzelzählungen diesem Umstande zuschreibt, so machte ich noch 
eine zweite concentrirtere Mischung. Eine Färbung der Hefe¬ 
zellen, wie sie Gottstein mit Jod, Methylenblau und Fuchsin 
vergebens probirte, schliesslich mit Haematoxylin leicht zu Stande 
brachte, versuchte ich nicht, da ich dieselbe für überflüssig hielt. 
Dass die Lösung wirklich eine constante war und blieb, davon 
konnte ich mich an zahlreichen vorher gemachten Präparaten über¬ 
zeugen und ist auch aus den unten zusammengestellten Werthen 
ersichtlich, welche ich in einem Zeitraum von mehreren Wochen er¬ 
hielt. Die Herstellung der Zählpräparate erfolgte nun so, dass ich 
zunächst den Inhalt der Flasche tüchtig, mindestens 2 Minuten 
lang, schüttelte und zwar unter Vermeidung von Luftblasen au 
der Oberfläche der Flüssigkeit und dann sofort nach Beendigung 
des Schütteins den Tropfen entnahm. Dazu bediente ich mich 
Anfangs, da ich besser darauf eingeübt war, des Mölangeurs, dessen 
Kugel ich mit der vorher gut geschüttelten Lösung füllte und den 
ich vor jeder Kammerfüllung regelmässig wieder ca. 3 Minuten 
drillen liess. Gottstein benützte keinen Melangeur, sondern 
ein Glasstäbchen, das er unmittelbar nach dem Schütteln ein¬ 
tauchte. Ich war Anfangs über die Genauigkeit der Methode im 
Zweifel, konnte mich aber später davon überzeugen, dass mit 
einiger Uebung die gleich guten Präparate wie mit dem Mölangeur 
zu erzielen sind. Zur Controle habe ich ab wechslungsweise die 
Hälfte aller in Rechnung gezogenen Kammerfüllungen mit dem 
Glasstäbchen, das ich unten etwas ausziehen und mit einem kleinen 
Knöpfchen versehen liess, die anderen mit dem Mölangeur ge¬ 
macht. Ebenso wechselte ich mit den Zählkammern ab, indem ich 
einmal die Meisse n’sche Schlitzkammer, dann wieder die 
Zeiss-Thom a’sche Kammer benützte, ohne aber deutliche 
Unterschiede zu erhalten; bald bekam ich bei der einen, bald bei 
der anderen Kammer die höheren Werthe. 

Um jede Autosuggestion möglichst zu vermeiden, machte ich 
alle Zählungen mit Hilfe eines Assistenten, dem ich jeweilen die 
Summe der in 4 (bei der zellenärmeren Lösting der in 25) Feldern 
enthaltenen Zellen dictirte und der dann erst am Schlüsse der 
Zählung die Addition der ihm dictirten Zahlen vornehmen durfte. 

In meiner Arbeit wurden sämmtliche Präparate in Berechnung 
gezogen, welche keine Luftblasen, aber deutliche Newto n’sche 
Ringe und bei schwacher Vergrösserung eine gute Vertheilung der 
Zellen zeigten. In jedem Präparate wurden 200 Felder gezählt. 
Eine Auswahl fand also nicht statt, sondern 
die unten angeführten Zahlen sind die Resul¬ 
tate einer ununterbrochenen Reihe von Zäh¬ 
lungen. Eine solche Auswahl, auch wenn sie ohne bestimmte 
Tendenz getroffen ist, würde die Glaubwürdigkeit und Zuver¬ 
lässigkeit der Resultate doch erheblich einschränken. Dass manche 
Präparate mitgezählt worden sind, bei welchen die starke Ver¬ 
grösserung eine weniger günstige Vertheilung der Zellen zeigte, ist 
hauptsächlich Schuld an den relativ grossen Differenzen der Einzel¬ 
zählungen und an dem entsprechenden mittleren Fehler von 
1,7 Proc. Der mittlere Fehler in meiner Dissertation betrug bei 
ca. 500 Kammerfüllungen mit verdünntem Blut 0,27 Proc. Eine 
gute Vertheilung der Zellen ist überhaupt trotz langem und sorg¬ 
fältigem Schütteln und genauer Herstellung der Präparate bei den 
Hefezellen viel schwieriger zu erreichen als bei den Blutkörperchen, 
da sich die ersteren viel leichter aneinander legen. 

Nachdem ich in Davos von der ersten Lösung eine Reihe von 
12, von der zweiten concentrirteren Lösung eine solche von 11 Prä¬ 
paraten hergestellt hatte, machte ich in Basel ungefähr eine gleiche 
Anzahl von Zählungen mit denselben Apparaten und nach der 
gleichen Untersuchungsmethode. Um zu sehen, ob die Zellauf¬ 
schwemmung sich wirklich mit der Zeit auch nicht verändert habe 
und ferner zur Controle meiner Erstuntersuchungen, machte ich 
nach der Rückkehr nach Davos weitere 10 Präparate, welche mir 
in der That die nämlichen Resultate ergaben. 

Das Ergebniss meiner Untersuchungen war nun folgendes: 


Davos (1600 m). 

Zählungen vom 22.—24. December 1899. 
Lösung I. Lösung H. 

Zahl der Hefezellen in 200 Feldern. 


Alt« Kammer 

Schlitzkammer 

410 

409 

411 

401 

411 

389 

397 

396 

399 

407 

394 

409 


Arithmetisches Mittel aller 
mit Lösung I gemachten 
Präparate: 

402,7 


Alte Kammer 

Schlitzkammer 

962 

953 

945 i 

915 

975 

921 

932 

954 

945 

953 


913 


Arithmetisches Mittel aller 


mit Lösung II gemachten 
Präparate: 

942,5 


(Fortsetzung der Ergebnisse der Untersuchungen s. nächste Spalte.) 

Die Tabellen bestätigen also die von Turban in der Münch, 
med. Wochenschr. 1899, No. 24 auf gestellten Sätze auf’s Neue: 

Die Zeiss-Thom a’sche Zählkammer ist vom 
äusseren Luftdruck unabhängig; denn: 

e 


N,, in 


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v Googl 


Basel (265 m). 

Zählungen vom 28.—31. December 1899. 
Lösung I. Lösung H. 

Zahl der Hefezellen in 200 Feldern. 


Alte Kammer 

Schlitzkammer 

426 

416 

423 

444 

426 

404 

392 

451 

393 

413 

433 

397 


Arithmetisches Mittel aller 


mit Lösung I gemachten 
Präparate: 

418 


Alte Kammer 

Sohlitzkammer 

953 

927 

916 

954 

925 

942 

905 

936 

919 


909 


946 



Arithmetisches Mittel aller 
mit Lösung H gemachten 
Präparate: 

930 


Davos (1600 m). 

Zählungen vom 8. und 9. Januar 1900. 
Lösung I. Lösung H. 

Zahl der Hefezellen in 200 Feldern. 


Alte Kammer 

Schlitzkammer 

Alte Kammer 

Schlitzkammer 

402 

391 

920 

950 

412 

402 

956 

928 




960 

1 

1 


917 


Arithmetisches Mittel der Arithmetisches Mittel der 

4 mit Lösung I gemachten 6 mit Lösung H gemachten 

Präparate: Präparate: 

402 938 

Eine constante Aufschwemmung von Hefe¬ 
zellen er-gibt zuerst in einer Höhe von 1600 m, 
dann bei 265 m und schliesslich wiederum bei 
1600 m die gleichen Zeilenzahlen. 

Meisse n’s Schlitzkammer ist keine Verbes¬ 
serung der Zeiss-Thom a’schen Kammer. Mit bei¬ 
den Zählkammern erhält man die gleichen Re¬ 
sultate. 


Bemerkungen zu Sch rüde r’s Entgegnung auf meinen 
Aufsatz: Die Blutkörperchenzählung im Hochgebirge 
und die Meissen’sche Schlitzkammer. 

Von Dr. K. Turban in Davos. 

Auf Grund von Blutkörperchenzählungen, die von Soko- 
1 o w s k i und Kündig in Davos, sowie von Karcher in Basel 
ausgeführt waren, erbrachte ich in No. 24 des Jahrg. 1899 dieser 
Wochenschrift den Beweis, dass die Zeiss-Thom a’sche Zähl¬ 
kammer vom äusseren Luftdrucke unabhängig ist. Da die Re¬ 
sultate mit Hilfe der von Miescher angegebenen Verfeinerungen 
der Lyon-Thom a’schen Untersuchungsmethode gewonnen 
waren, sprach ich die Vermuthung aus, dass diejenigen Autoren, 
die zu entgegengesetzten Ergebnissen gekommen waren, in der 
Untersuchungstechnik oder in der Anordnung des Versuchs Fehler 
gemacht hätten. Ich machte darauf aufmerksam, dass meine Ge¬ 
währsmänner mittels des von Miescher angegebenen M61an- 
geurs den in der Lyon-Thom a’schen Technik liegenden „wahr¬ 
scheinlichen Fehler“ stark herabsetzten *), dass sie den Fehler, 
mit dem sie selbst arbeiteten, bestimmten, dass sie ferner eine 
scharfe Selbstcontrole übten, indem sie bei der Erlernung der Me¬ 
thode jeweils 2 verschiedene Mölangeurs füllten, aus jedem eine 
Kammer beschickten und aus diesen 2 Zählungen das Mittel 
nahmen. 

Ich wies darauf hin, dass bei Gottstein, Meissen und 
Schröder die Belege für die Art ihres Arbeitens fehlen*), und 
erinnerte an den Rath Miesche r’s, jeder Beobachter auf diesem 
Gebiete möge sich erst an defibrinirtem Schweineblut u. s. w. ein- 
üben, „bis ein durch weitere Uebung nicht mehr erheblich zu ver¬ 
kleinernder Werth des wahrscheinlichen Fehlers erreicht wird“. 

Gegen diese meine Ausführung wendet sich Schröder in 
No. 40, 1899 dieser Wochenschr. Anstatt aber nun einmal für seine 
weiteren Untersuchungen die vollkommenere Technik M i e s c h e Fs 
und seiner Schüler zu verwenden und so seine eigenen früheren 
Resultate kritisch zu prüfen, klagt er über „unberechtigte Ueber- 
hebung“ meinerseits und beschuldigt ohne Grund meine Gewährs¬ 
männer eines ganz groben technischen Fehlers, nämlich der Nicht- 


0 Wahrscheinlicher Fehler bei Lyon und Thoma (Vir- 
chow’s Arch., Bd. 84, 1881, S. 131) 1,82 bis 2,71 Proc., beiSoko- 
1 o w s k i z. B. 0,6 Proc. 

*) Aus dem Zusammenhang geht klar hervor, dass ich dabei 
die Miesche Fschen Verbesserungen im Auge hatte, nicht die 
selbstverständlichen fundamentalen Angaben von Lyon und 
Thoma (1. c.), auf welche Schröder sich beruft. 

Original from 5 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



480 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


beachtung der N e w t o n’schen Farbenringe beim Anfertigen des 
Präparates, eines Fehlers, dessen Vermeidung jedem Anfänger 
als conditio sine qua non beim Handhaben der Kammer zuerst ein¬ 
geschärft zu werden püegt. Mit dieser ebenso willkürlichen als 
überraschenden Vermuthung gibt sich Schröder dann völlig 
zufrieden und bleibt von der Zuverlässigkeit seiner eigenen Unter¬ 
suchungen nach wie vor überzeugt. Irgend einen anderen Einwand 
gegen meine Beweisführung vermochte er nicht aufzufinden. Da 
nun tliatsächlich meine Gewährsmänner kein einziges Präparat 
ohne sorgfältige Beachtung der N e w t o n'schen Hinge hergestellt 
haben, so fallen damit alle Schlussfolgerungen S c h r ö d e r’s in 
Nichts zusammen. 

Wie wenig sich Schröder mit der ganzen, allerdings recht 
schwierigen Materie vertraut gemacht hat, geht aus seinen eigenen 
Ausführungen deutlich hervor. Er rühmt sich, genau nach den 
Angaben von Lyon und Thoma verfahren zu sein, während doch 
M i e s c h e r seine Verbesserungen gerade desshalb eiuführte, weil 
die Lyon-Thom a’sche Technik für die Beobachtung der Ver¬ 
änderung des Blutes bei geringer Höhendifferenz nicht subtil genug 
erschien. Schröder meint ferner, die Entstehung der New- 
t o n’schen Ringe setze eine gewisse Durchbiegung des Deckglases 
voraus; dickere Deckgläser machen nach Schröder die Bildung 
der N e w t on 'sehen Hinge unmöglich, Präparate mit solchen seien 
„eo ipso werthlos“. Nun kann sich aber ein ganz ungeübter Be¬ 
obachter leicht überzeugen, dass sich selbst mit dem von mir ein¬ 
geführten dicksten Deckglase (3,3 mm), bei welchem von einer 
Durchbiegung gar keine Hede sein kann, die Hinge auf der Z e i s s - 
Thom a’schen Kammer unschwer erreichen lassen. Merkwürdiger 
Weise hatten Schröder und Meissen selbst früher die Ver¬ 
wendung solcher dicker Deckgläser erwogen und nur davon Ab¬ 
stand genommen, weil sie glaubten, die nothwendige starke Ver- 
grösserung una der dadurch bedingte geringe Objectivabstand er¬ 
laubten kein dickes Deckglas. Auch das ist ja wieder ein physi¬ 
kalischer Nonsens: mit schwachem Objectiv und starkem Ocular 
lassen sich Bliutkörperchenzählungen bei einem ‘Objectivabstand 
von ca. 6 mm leicht und sicher machen. 

Dass ln den von mir veröffentlichten Untersuchungen von 
Sokolowski, Kündig und K a r c h e r die Vernachlässigung 
der N e w t o n’schen Hinge nicht in Frage kommen kann, hätte 
Schröder bei einem flüchtigen Blick auf meine Tabellen er¬ 
kennen können: so genau übereinstimmende Zahlen sind ja gar 
nicht denkbar, wenn das Deckglas nicht absolut gleichmässig, d. h. 
mit Erzeugung der Ringe, aufgelegt wird. 

Ich möchte nun Schröder nochmals — zum letzten Male — 
dringend rathen, zuerst die verfeinerte Methode M i e s c h e r’s und 
seiner Schüler zu erlernen 8 ), namentlich aber, ehe er mit neuen 
Beobachtungen an die Oeffentlichkeit tritt, beim Einüben sich 
zweier Miescher’scher Mölangeurs in der von Karcher, 
V e 111 o n und Suter angegebenen Art und Weise zu bedienen. 
So lange er sich dazu nicht entschliessen kann, muss er es sich ge¬ 
fallen lassen, dass der Werth seiner Untersuchungen angezweifeit 
wird. 


Otto Leichtenstern. t 

Um die Mittagsstunde des 23. Februar d. J. entschlief nach 
siebentägigem Krankenlager an einer Influenzapneumonie des 
linken unteren Lungenlappens der Geheime Sanitätsrath Prof. 
Br. Otto Leichtenstern. Ein heftiger krampfartiger 
Katarrh der oberen Luftwege quälte ihn schon seit mehreren 
Wochen, aber trotz der Mahnung der Familie und der Freunde 
schonte er sich nicht, weil eine ausgedehnte und gerade durch 
schwere Erkrankungen sich auszeichnende Influenzaepidemie 
seine Thätigkeit ganz besonders beanspruchte. Am 16. Abends 
kehrte er mit hohem Fieber von einer auswärtigen Consultation 
zurück. Am 17. war eine infiltrirte Stelle links hinten unten 
nachzuweisen, die sich allmählich auf den ganzen linken unteren 
Lappen ausdehnte; die Lösung blieb aus, das Herz versagte; — er 
schied aus dem Leben, den traurigen Ausgang vorherahnend. Der 
langjährige Lehrer und Freund, Prof. Br. Liebermeister 
aus Tübingen war herbeigeeilt und musste den treuen Freund 
sterben sehen. Bie starke und gesunde Körperbeschaffenheit 
Leichtenstern’s, welche vor 5 Yz Jähren eine ganz bedroh¬ 
liche septische Infection, die zur Resection des linken Schulter¬ 
gelenks führte, gut überwunden, vermochte dieser Infection nicht 
Stand zu halten; die Krankheit, für deren Erkenntniss und Be¬ 
handlung er als ein Meister galt, brachte ihm den Tod. Am 
Morgen des 27. Februar haben wir ihn zur letzten Ruhe gebracht; 
nach einer ergreifenden Trauerrede des Pfarrers, in welcher 
Leichtenstern und der ärztliche Beruf die höchste An¬ 
erkennung fand, bewegte sich der nicht enden wollende Leichen¬ 
zug durch die Strassen der Stadt Köln; die Aerzte, die städtische 

•) Die einschlägigen Angaben über die Apparate und die Tech¬ 
nik finden sich ln M lescher’s histochemlschen und physio¬ 
logischen Arbeiten, II. Bd., Leipzig 1897, S. 356 ff. (Miesche r) 
i-rd fi. ff, (Karcher. V o U 1 ou und Bote t ). 

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Verwaltung und Vertretung, die Spitzen der Behörden, die 
Freunde, die Bürgerschaft — alle waren erschienen, um diesem 
geliebten Manne die letzte Ehre zu erweisen; der Kränzft und 
Blumen waren so viele, dass man sie in besonderen Wagen zum 
Friedhofe bringen musste. 

Nicht nur die Aerzte der Stadt Köln und der näheren und 
weiteren Umgebung, denen er ein treuer Berather war, nicht 
nur die Bürgerschaft, bei welcher er durch seine grosse con- 
sultative Thätigkeit ein beliebter und populärer Mann geworden, 
nicht nur die städtische Verwaltung, welche immer mit Stolz 
auf den Leiter der medicinischen Abtheilung der städtischen 
Hospitäler blickte, nein, die gesammte deutsche Medicin hat allen 
Grund, um den Heimgang Otto Leichtenster n’s zu 
trauern, denn er war der besten Einer. 

Sein Lebensgang ist folgender: Am 24. October 1845 war 
L. in Ingolstadt geboren, sein Vater ein Officier, Hauptmann, 
der im Kriegsjahre 1866 am Typhus starb. Im Gymnasium, 
einer Klosterschule, zeigte sich L. schon als ein hochbegabter 
Schüler; mit Liebe und Lust widmete er sich nach Abgang vom 
Gymnasium dem Studium der Medicin; er studirte hauptsächlich 
in München (ein Semester in Würzburg, später einige Zeit in 
Paris). 1869 unterzog er sich in München der theoretisch-prak¬ 
tischen Faeultätsprüfung. Unmittelbar darauf wurde er als 
klinischer Assistenzarzt an der medicinischen Klinik des Ober- 
medicinalraths Prof. Br. P f e u f e r und nach dessen Tode in 
gleicher Eigenschaft an der medicinischen Klinik des Prof, 
v. Lindwurm angestellt. 

Nachdem er 1871 den medicinischen Staatsconcurs in Mün¬ 
chen mit der ersten Note absolvirt hatte, übernahm er nach dem 
Tode des Prof. J. v. Niemeyer die Assistenzarztstelle an der 
medicinischen Klinik in Tübingen, mit welcher die Venia legendi 
verbunden war. Für das Sommersemester 1871 wurde ihm die 
provisorische Leitung der medicinischen Klinik übertragen, auch 
wurde er mit der Abhaltung einer propädeutischen Klinik beauf¬ 
tragt. Als im Herbst 1871 Prof. Liebermeister die medici- 
nische Klinik übernahm, verblieb Leichtenstern in seiner 
Stellung als Assistenzarzt und hielt zugleich Curse über physi¬ 
kalische Biagnostik, Vorlesungen über Biagnostik, Uebungen in 
den medicinischen Untersuchungsmethoden. Am 22. Juli 1875 
hielt er im Festsaale der Universität eine Antrittsrede „über die 
neuere Auffassung des Wesens der Lungenschwindsucht", in 
welcher er die damals nur von Wenigen getheilte Ansicht vertrat, 
dass die Tuberculose aufzufassen sei als eine contagiöse chro¬ 
nische Infectionskrankheit. Im Jahre 1877 wurde ihm der Titel 
und Rang eines ausserordentlichen Professors ertheilt, zugleich 
mit dem Lehrauftrag für Biagnostik; dabei blieb er zunächst 
noch in seiner Stellung als erster Assistenzarzt der medicinischen 
Klinik und gab diese erst auf, als er 1878 sich verheirathete. 

Im Juli 1879 nahm er seine Entlassung von der Universität 
Tübingen, nachdem er zum Oberarzt der medicinischen Abthei¬ 
lung des städtischen Hospitals in Köln erwählt worden war. San 
Vorgänger war Prof. Riegel, der einem Rufe als ordentlicher 
Professor nach Giessen folgte. Gewiss war der Abschied von der 
akademischen Laufbahn ein schmerzlicher, denn L. war ein aus¬ 
gezeichneter, bei den Studenten sehr beliebter Lehrer, aber sein 
Arbeitsdrang, seine Schaffensfreudigkeit sehnte sich nach einem 
Krankenhause mit reichem Materiale, und seine Lehrthätigkeit 
ruhte auch nicht vollständig; denn nicht nur seinen Assistenz- 
und Volontärärzten, sondern auch den Collegen im ärzt¬ 
lichen Verein und den Collegen am Krankenbette blieb er stets 
der allseitig anerkannte Lehrer. Es ist aber in der That auf¬ 
fallend, dass L. bei seinem hervorragenden Fleisse und Wissen, 
bei seinem seltenen Lehrtalent nicht wieder in die akademische 
Laufbahn zurückberufen wurde. 

Im Jahr 1880 erfuhr L. den herben Schmerz, seine erste 
Gattin an Unterleibstuberculose zu verlieren. Sein häusliches 
Glück begann aber wieder, als er im Jahre 1885 Anna v. E i c k e n 
als Gattin heimführte, die er am Krankenbette ihrer Schwester 
kennen gelernt. Bas Familienglück — seine Frau schenkte 
ihm zwei Töchter und einen Sohn — war für L. die Quelle 
seiner heiteren, frischen Gemüthstimmung; alle Sorgen, aller 
Aerger des Berufs und des Lebens schien gebannt, wenn er 
Frau und Kinder um sich sah. 

Ueberbliekt man L.’s Thätigkeit in Köln, so zeigt sich die¬ 
selbe als eine ungemein vielseitige: Oberarzt der grossen medi- 
cinischen Abtheilung; Leiter des Hospitalweaens; ««in» £in- 
Original fram 

UNIVERSITtf OF CALIFORNIA 



5)7. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


481 


Wirkung auf die Hospitalbauten; consultirter Arzt nicht nur 
in Köln, sondern weit über die Grenze der Stadt hinaus wurde 
er bis in die entferntesten Orte der westlichen Provinzen, Holland 
und Belgiens gerufen. Er war der Mittelpunkt des allgemeinen 
ärztlichen Vereins, arbeitete auf dem Gebiete der öffentlichen 
Gesundheitspflege. Wo er nur thätig war, überall trat seine 
enorme Arbeitskraft hervor. Geht man seiner wissenschaftlichen 
Arbeit nach, so erstaunt man, wie ein Mann, der über 20 Jahre 
inmitten einer praktischen Thätigkeit stand, der von Morgens 
früh bis zum Abend als Krankenhausarzt und consultirter Arzt 
angestrengt thätig war, noch Zeit gewinnen konnte zu den vielen 
wissenschaftlichen Arbeiten. Wir wissen nicht, ob das nach¬ 
stehende Verzeichniss von L.’s Arbeiten vollständig ist und da¬ 
bei sind die vielen Arbeiten seiner Assistenten, zu denen er die 
Anregung gab, nicht mit aufgeführt. Es finden sich in dem 
Verzeichnisse viele kleine Mittheiluugen, besonders aus patho¬ 
logisch-anatomischem Gebiete, aber wie viele grosse classische 
Arbeiten treten uns entgegen: 

Schon die Jugendarbeiten in München: Ueber Abdominal¬ 
typhus, über das Volumen der ausgeathmeten Luft (Voit), Bemer¬ 
kungen zu Luschka’s Lage der Bauchorgane, überDarminvagina- 
tion, über asthenische Pneumonien, Diagnose der Hernia diaphrag- 
matica, — sodann die Arbeiten aus der Tübinger Zeit: Physi¬ 
kalisch-diagnostische Phänomene, Untersuchungen über Haemo- 
globingehaltes des Blutes, Vorkommen und Bedeutung der super- 
numerären Brüste und Brustwarzen; aus der Kölner Zeit: 
Ueber Ponserkrankungen, Hirnkrankheiten, Scharlach, Hühner- 
tubereulose, Ankylostoma, Anguillula, Myxoedem, Psittakosis, 
Nierenhypertrophie u. s. w. Sodann die grossen Arbeiten in den 
Handbüchern von Gerhardt : Parotitis epidemica, Pleura¬ 
krankheiten, von Ziemssen: Verengerungen etc. des Darmes, 
Klinik des Leberkrebses, Balneotherapie; von Nothnagel: 
Influenza und Dengue, von Penzoldt und Stintzing: 
Krankheiten der Gallenwege, Behandlung der Leberkrankheiten, 
der B auchs peicheldrüse, der Darmschmarotzer. 

Die ZeTt zu allen diesen wissenschaftlichen Arbeiten war 
die Nachtzeit; bis tief in die Nacht, ja bis zum Morgen hin 
arbeitete er und liess sich von den Bitten seiner Frau, die stets ihm 
zur Seite sass, nicht so leicht bestimmen, die Nachtruhe aufzu¬ 
suchen. Das Verzeichniss seiner veröffentlichten Arbeiten gibt 
auch noch kein Bild seiner wissenschaftlichen Thätigkeit: die 
ganze Literatur wurde durchstudirt und in stenographischen Auf¬ 
zeichnungen excerpirt; für jedes Organ, für jede wichtige Krank¬ 
heit hatte er sein besonderes Heft; in seinen gedruckten Arbeiten 
machte er stets Nachträge und Anmerkungen; seiner Arbeit über 
die supernumerären Warzen hat er z. B. im ganzen Leben die Auf¬ 
merksamkeit geschenkt, indem er alle von ihm beobachteten Fälle 
notirt hat. Mit welchem Eifer, ja mit Aufwendung vieler Kosten, 
hat er die Ankylostomafrage studirt! Durch Versprechungen und 
Geld holte er die Ziegelarbeiter in’s Krankenhaus, zahlte für sie 
Pflegekosten, suchte sie später wieder auf, um Controlunter¬ 
suchungen anzustellen. 

Alle Arbeiten Leichtenster n’s — kleine und grosse 
— zeichnen sich durch klare Darstellung aus; was er 
zum Druck gab, war reiflich durchgesehen, auf Ausdrucks¬ 
weise und Stil legte er Werth. Eine grosse Zahl unvol¬ 
lendeter Arbeiten findet sich in Leichtenster n’s Arbeits¬ 
tisch. Durch unausgesetzten Fleiss, bei hoher Begabung hatte 
Leichten stern ein vorzügliches Gedächtniss sich angeeignet; 
er war ein Vielwisser auf allen Gebieten der inneren Medicin, 
auf allen Grenzgebieten und noch weiter wusste er Bescheid; 
man konnte sich bei ihm stets Auskunft holen, er beherrschte 
die ganze deutsche und ausländische Literatur der inneren Medi¬ 
cin. Mit diesem Wissen verband er ein gründliches Können; er 
war ein Meister in den verschiedenen Untersuchungsmethoden, in 
den physikalischen, chemischen, elektrischen, bacteriologischen; 
er laryngoskopirte, ophthalmoskopirte mit grosser Gewandtheit; 
er war ein vorzüglicher pathologischer Anatom, so dass die 
städtische Verwaltung die Anstellung eines besonderen patho¬ 
logischen Anatomen, eines Prosectors ruhig vertagen konnte. Auf 
sein Betreiben wurde vor 2 Jahren im Augustahospital ein be¬ 
sonderes bacteriologisches Institut eingerichtet, bis dahin war 
Leichtenstern Bacteriologe. Mit allen diesen Eigen¬ 
schaften ausgerüstet, war Leichtenstern ein vorzüglicher 
Diagnostiker; er wusste die Untersuchungsresultate zu einem 
Gesammtbilde zusammenzufassen, Lücken und Unklarheiten er- : 

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kannte er offen an, und versuchte dieselben auf wissenschaft¬ 
lichem Wege oder auch durch Erfahrungsgrundsätze zu erklären. 
In der Therapie war er skeptisch, aber er legte die Hände nicht in 
den Schooss, im Gegentheil, was Wissenschaft und Erfahrung an 
die Hand gab, benutzte er. Am Krankenbett wusste er in muster* 
gütiger, beueidenswerther Weise mit den Kranken umzugehen, 
gegen Jedermann freundlich, aufheiternd; mit vielen kleinen 
Mittelchen wusste er den Kranken Linderung zu verschaffen, 
Hoffnungen zu erwecken; mit seinem köstlichen süddeutschen 
Humor hat er so manchem Kranken glückliche Augenblicke be¬ 
reitet. Leichtenstern war das Ideal eines praktischen 
Arztes, sowohl im Krankenhaus als bei Consultationen in den 
Familien. 

Für das Krankenhaus war er aber nicht allein der Arzt, son¬ 
dern er zeigte sich als ein vorzüglicher Kenner des ganzen 
Hospitalwesens in hygienischer und wirtschaftlicher Beziehung. 
Die Pavillonbauten des Augustahospitals sind sein Werk; die 
Journalführung, die Kostordnung verstand er meisterhaft. Mit 
seinen Assistenten, mit dem Verwaltungs- und Pflegepersonal 
lebte er stets in Harmonie, wenn er auch seine Forderungen be¬ 
stimmt geltend machte. Die Kölner Hospitalbauten hat er zu¬ 
letzt in der Festschrift für die Versammlung des Deutschen 
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 1898 beschrieben; jetzt 
war ihm die Aufgabe gestellt, für den Bau der an der Sieg zu 
erbauenden Heilstätte für Lungenkranke mit thätig zu sein. 

Im allgemeinen ärztlichen Verein, dessen Vorsitzender er 
viele Jahre hindurch war, hatte er Gelegenheit, seine Meisterschaft 
in der mündlichen Darstellung zu zeigen; alle Vorträge und 
Demonstrationen gab er in wissenschaftlich klarer, in sprachlich 
vollendeter Form. Auch als Vorsitzender verstand er die Dis- 
cussion richtig zu leiten und zu einem nützlichen Ziele und Ab¬ 
schluss zu führen. Welche Thätigkeit Leichtenstern 
im ärztlichen Verein entwickelte, mag die Mittheilung beweisen, 
dass er im Geschäftsjahre 1881/82 über 30 verschiedene Gegen¬ 
stände gesprochen, unter diesen allerdings viele kleine patho¬ 
logisch-anatomische Demonstrationen, aber auch neben vielen 
Vorträgen ein ganzer Cyclus von Vorträgen über Scharlach. 
Auch in anderen ärztlichen Vereinen des Bezirkes und der Pro¬ 
vinz Vorträge zu halten war er stets bereit, und mit steter Auf¬ 
merksamkeit hingen die Collegen an seinem Munde. Auf dem 
Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege arbeitete er gerne mit: 
Das Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege hat manche 
hervorragende Arbeiten von ihm gebracht. In jüngster Zeit be¬ 
theiligte er sich auch an der Bewegung für Errichtung der 
Lungenheilstätten, wenn er auch vor übertriebenen Hoffnungen 
stets und ernst warnte. Noch in jüngster Zeit hielt er einen 
öffentlichen Vortrag über Wesen und Verbreitung der Tuber- 
culose, dem ein nach Tausenden zählendes Publicum in lautloser 
Stille zuhörte. 

Die Aerzte schenkten dem Collegen nicht nur in wissen¬ 
schaftlicher Beziehung ihr volles Vertrau ri nein, sie wussten 
auch, dass alle ärztlichen Interessen in seinen Händen gut auf¬ 
gehoben. Als im Jahre 1887 in Preussen die Aerztekammem 
eingeführt, wählten die Aerzte des R.-G. Köln ihn sofort als Mit¬ 
glied der Kammer; er verblieb in derselben bis kurz vor seinem 
Tode; bei der Neuwahl Ende 1899 bat er, von seiner Wiederwahl 
Abstand zu nehmen, da es ihm in der That an Zeit fehlte, dieses 
Ehrenamt voll wahrzunehmen. 

In den wenigen Stunden, die ihm frei blieben, oder für welche 
er sich frei machte, zeigte er sein Interesse für Wissenschaft 
und Kunst; in den Vorträgen das Naturhistorischen Vereins, zu 
dessen Vorstand er gehörte, fehlte er selten. Für alles Hohe, 
Schöne und Gute war er begeistert; die mächtigen Eindrücke der 
Naturschönheit liess er gern auf sich wirken, ebenso wie die Werke 
der Kunst. Leichtenstern war ein freisinniger, freidenken¬ 
der Mann ,durchglüht von Liebe zum deutschen Vaterlande, voll 
Begeisterung für Deutschlands Grösse und Machtstellung. 

Jeder, der mit Leichtenstern in Wissenschaft und 
Praxis in Berührung getreten, wird diesem trefflichen Manne 
seine Sympathie zugewandt haben, glücklich aber Der, welcher mit 
diesem seltenen Menschen in näherer Beziehung gestanden, 
welchem er seine Freundschaft geschenkt. Ein edler, wohl¬ 
wollender Mann, voll Herzensgute und Aufopferung. Er war eine 
milde Natur; wohl konnte er in Aufregung und Zorn gerathen, 
wenn ihm Unrecht, Unwahres, Verleumdung zu Ohren kam, aber 
der Sturm dauerte nicht lange. Leichtenstern war kein 

5* 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



432 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


streitlustiger Mann, er liebte es nicht, sein unzweifelhaftes Recht 
zu verfolgen, auch wenn es ihn innerlich vielleicht tief geschmerzt. 
Leichtenstern war eine gemüthvolle, heitere Natur, er 
konnte sich kindlich freuen und herzlich lachen. Ein glück¬ 
liches Familienleben erhielt sein heiteres Gemüth; hier im Hause 
und in seinem Krankenhause durchlebte er die glücklichsten 
Stunden des Lebens. Wenn er am Krankenbette der ärmeren 
Leute sass und ernste Untersuchung und Beobachtung abwechseln 
liess mit leutseligen Plaudereien mit den Kranken, so fühlte er 
sich glücklich. Zu viele Consultationen in der Stadt oder aus¬ 
wärts machten Leichtenstern unruhig, er sehnte sich immer 
wieder nach den stillen Räumen des Krankenhauses und des 
Familienheims zurück. 

Mitten aus dem kräftigsten Mannesalter, mitten aus einer 
seltenen Arbeitsfähigkeit und Schaffensfreudigkeit ist uns 
Leichtenstern genommen. Der Gattin, tief gebeugt durch 
den Schmerz, für den es keinen Trost gibt, wurde ihr Liebstes, 
ihr Alles entrissen; den Kindern fehlt der liebe, immer 
sorgende Vater. Noch lange Zeit werden seine Freunde 
in aufrichtiger Trauer ihre Gedanken auf den Grab¬ 
hügel lenken, den jetzt noch Blumen und Kränze schmücken, 
die Liebe und Dankbarkeit dort aufgehäuft. Wir werden ihm ein 
treues Andenken bewahren; die Geschichte der Medicin aber 
schreibt mit goldenem Griffel den Namen Otto Leichten¬ 
stern auf die Ehren- und Gedenktafel, auf welcher die unver¬ 
gesslichen Aerzte und Wohlthäter der Menschheit verzeichnet 
stehen. 

Köln, März 1900. Eduard Lent. 


Leichtenstern’s literarische Thätigkeit. 

Ueber Ikterus gravis (aus der Münchener Klinik). Zeitschr. f. 
rationelle Medicin von H e n 1 e und P f e u f e r. Bd. 36. 1869. 

Versuche über das Volumen der unter verschiedenen Umständen 
ausgeathmeten Luft Zeitschr. für Biologie. Bd. VII, 1871. 
Sitzungsbericht der Bayer. Akademie der Wissenschaften 1871, 
Heft 2. 

Ueber Abdominaltyphus. Inaugural-Abhandlung, München 1871. 

Ein Fall von Endocarditis ulcerosa mit Embolie der Art. fossae 
sylvil sinistra. Württemberg. Correspondenzblatt 1873. 

Ueber Endocarditis ulcerosa. Deutsch, med. Wochenschr. 1883, 
No. 10. 

Physikalisch-diagnostische Bemerkungen zu H. v. Luschka’s 
„Lage der Bauchorgane des Menschen“. Deutsch. Klinik 1873. 

Ueber asthenische Pneumonien. V o 1 k m a n n (Samml. klin. Vor¬ 
träge 1874, No. 82. 

Zur Diagnose der Hernla diaphragmatica. Berl. klin. Wochen¬ 
schrift 1874, No. 40. 

Parotitis epidemica. Gerhardts Handbuch der Kinderkrankheiten, 
n. Bd., 1877. 

Ueber einige physikalisch - diagnostische Phänomene. Deutsch. 
Archiv f. klin. Medicin 1878, Bd. XXI. 

Die Krankheiten der Pleura. Gerhardts Handbuch f. Kinder¬ 
krankheiten 1878, Bd. III. 

Ueber Haemoglobingehalt des Blutes. Rede auf der Naturforscher¬ 
versammlung in München 1877. ^ 

Ueber den Haemoglobingehalt des Blutes in gesunden und kranken 
Zuständen. Württemberg. Correspondenzblatt 1877. 

Untersuchungen über den Haemoglobingehalt des Blutes in ge¬ 
sunden und kranken Zuständen. Leipzig 1878. C. Nagel. 

Verengerungen, Verschliessungen und La ge Veränderungen des 
Darms. Ziemssen’s Handbuch der speciellen Pathologie und 
Therapie. Bd. VII. 2. Aufl. Leipzig 1878. (Auch in das Eng¬ 
lische, Russische etc. übersetzt.) _ 

Darminvagination von 11 monatlicher Dauer. Deutsch. ArchivT 
klin. Medicin 1873. 

Ueber Darminvagination. Prager Vierteljahrschrift 1873, Bd. 118 
und 119. 

Ueber Pathologie des Ileus. Verhandl. d. VIII. Congr. f. inn. Med. 
1889. Wiesbaden b. Bergmann. 

Ueber das Vorkommen und die Bedeutung supernumerärer (acces- 
sorischer) Brüste und Brustwarzen. Virchow’s Archiv f. path. 

Anat. 1878, Bd. 73. 

Ueber Tastsinnprüfungeu bei Nervenkrankheiten. Archiv f. Psy¬ 
chiatrie 1878, Bd. IX, L 

Klinik des Leberkrebses. Ziemssen’s Handbuch d. spec. Path. u. 
Therap., Bd. VIII, 1880. 

Ueber die Diagnose der Thrombose des Hirnsinus. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1880, No. 17. 

Die plötzlichen Todesfälle bei pleuritischen Exsudaten. Deutsch. 
Archiv f. klin. Med. 18S0, Bd. XXV. 

Allgemeine Balneotherapie. Ziemssen’s Handbuch f. allg. Ther. 
Bd. II, 1. Leipzig 1881. 

Zur Symptomatologie der Brtickenerkrankungen und über die 
conjugirte Deviation der Augen bei Hirnkrankheiten. Hun- 
nius-Leichtenstern 1881. Bonn. 

Ueber die conjugirte seitliche Deviation der Augen bei Hirnkrank¬ 
helten. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 44. 

Ueber Nierenhypertrophie. BerL klin. Wochenschr. 1881, No. 34. 


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Gck igle 


Zur Kenntnlss in Entfernung vernehmbarer Herz- und Lungen 
geräusche. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 43. 

Ueber einen Fall von Myxosarkom des Peritoneum. Deutsch. me<l. 
Wochenschr. 1881, No. 43. 

Ueber Ponserkrankungen. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 39. 
Ueber Hufeisenniere. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 7. 
Ueber Hemichorea posthemiplegica. Deutsch, med. Wochenschr. 
1881, No. 3. 

Ueber einen Tumor des vorderen Mediastinum und Stenose der 
Art. thorac. super. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 9. 
Ueber die 1880 und 1881 in Köln herrschende Scharlachepidemie. 

Deutsch, med. Wochenschr. 1882, No. 13 ff. 

Ueber Scharlachtherapie. Deutsch, med. Wochenschr. 1882. 
No. 45 ff. 

Ueber Gallenstauungscirrhose der Leber. — Ueber Magengeschwür 
bei Typhus. — Ueber weisse Milz. — Ueber isolirte Dickdarm 
tuberculose und Darmtuberculose. — Ueber Diphtherie des 
Rachens und Kehlkopfs. — Carcinom der Glandul. thyreoidea. 

— Ueber gutartige Pylorusstenose. — Stenosis valvulae mitral is 
ohne Geräuschbildung. Deutsch, med. Wochenschr. 1882, No. 22 
und 53. 

Ueber Nierencarcinom. — Ueber Cysticercus cellulosae des Herzens. 

— Ueber Pericardium- und Oesophaguskrebs. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1882, No. 22. 

Demonstration eines Falles von totalem Situs viscerum inversus. 

Deutsch, med. Wochenschr. 1882, No. 22. 

Ueber die Genese der diversen posthemiplegischeu Bewegungsano¬ 
malien. Deutsch, med. Wochenschr. 1881, No. 2. 

Ueber die Lehre der Ansteckungsfähigkeit der Schwindsucht im 
Alterthum, im Mittelalter und der neueren Zeit. Correspondenz¬ 
blatt des ärztl. Vereins in Rheinland, Westphalen und Lothringen 
1833 April, No. 31. 

Ueber 16 Fälle von Trichinosis. Deutsch, med. Wochenschr. 1883. 
No. 51. 

Ueber Leukaemie. — Ueber relative Aorteninsufficlenz. Deutsch, 
med. Wochenschr. 1883, No. 43. 

Ueber traumatische Fractur des Körpers und Zahnes des Epi 
stropheus. — Ueber Pankreascarclnom mit Verschluss des Duc¬ 
tus choledochus. Deutsch, med. Wochenschr. 1883, No. 42. 
Ueber Tuberculose bei Hühnern. Deutsch, med. Wochenschr. 
1883, No. 33. 

Ueber einen durch einfache Punction und Aspiration geheilten 
Fall von Ecchinococcus liydatidosus. — Ueber haemorrhagisches 
primäres Nierensarkom. Deutsch, med. Wochenschr. 1883, 
No. 11. 

Ueber 2 Fälle von Chorea permanens adultorum (Huntington 
sehe Chorea). Deutsch, med. Wochenschr. 1883, No. 11. 

Ueber primären Leberkrebs in einer cirrhotischen Leber. — Ueber 
autochthone wandständige Thrombenbildung im aufsteigen 
den Aste der Aorta. Deutsch, med. Wochenschr. 1883, No. 11. 
Ueber Aktinomykose. — Ueber primären Leberkrebs. — Ueber 
Titrosarkoadenomyom der Gallenblase. Deutsch, med. Wochen 
schrift 1883, No. 10. 

Ueber Morbus Addisonii. — Ueber Zottenkrebs der Gallenblase. — 
Plötzlicher Tod bei Diphtheritis. — Embolische Narbenniere. — 
Tuberculöse Schrumpfniere. Deutsch, med. Wochenschr. 1883. 
No. 5 und 10. 

Ueber Aneurysma der Aorta thoracica. — Ueber endotonsillärc 
Diphtheritis.— Ueber Lebercirrhose.— Ueber Carcinoma flexurae 
sigmoldeae ohne klinische Symptome. Deutsch, med. Wochenschr. 
1883, No. 5. 

Beitrag zur Casuistik der Kali chlorium-Vergiftung. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1884, No. 4 und 20. 

Berichtigung gegen Mendelsohn, „die infectiöse Pneumonie“. 

Zeitschr. f. klin. Med. 1884, Bd. VII, H. 6. 

Ueber totale cystöse Degeneration der Nieren. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1884, No. 51. 

Ueber Uebertragung des Typhus durch Milch. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1884, No. 47. 

Ueber Hyperidrosis universalis. Deutsch, med. Wochenschr. 1884. 
No. 52. 

Ueber progressive pemieiöse Anaemle bei Tabes. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1884, No. 52. 

Ueber Morbus Basedowii. Deutsch, med. Wochenschr. 1884, No. 47. 
Ueber Scharlachniere. — Ueber irreguläre, atypische Scharlach¬ 
formen. — Ueber scarlatinöse Lymphadenitis colli ohne Diph 
therie des Rachens. — Synositis scarlatinosa. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1884, No. 2. 

Ueber conträre oder paradoxe Chininwirkung. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1884, No. 52. 

Ueber Ankylostoma duodenale. Deutsch, med. Wochenschr. 18S5. 
Ueber das Vorkommen von Ankylostoma duodenale bei den Ziegel¬ 
arbeitern in der Umgebung Kölns. Centralbl. f. klin. Medicin 

1885, No. 12. 

Einiges über Ankylostoma duodenale. Deutsch, med. Wochenschr. 

1886, No. 11/14. 

Weitere Beiträge zur Ankylostomafrage. Deutsch, med. Wochen 
sehr. 1887, No. 26/32. 

Ueber Ankylostoma duodenale. Internat klin. Rundschau 18SS. 
Ueber Ankylostoma duodenale. Wien. klin. Rundschau 189S. 

No. 23/27. Centralbl. f. Bact XXIV, 1898. 

Zur Ankylostomaanaemie. Deutsch, med. Wochenschr. 1899, No. 3. 
Ueber Anguillula intestinalis. Deutsch, med. Wochenschr. 189S. 
No. 8. 

Ueber Taenia nana in Deutschland. Deutsch, med. Wochenschr 
1802, No. 25. 


Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. MSrz 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


483 


Ueber Oharcot-Robln’sche Krystalle in den Faeces. Deutsch, 
med. Wochenschr. 1892, No. 25. 

Bemerkungen zu Dr. B ü c k 1 e r*s Artikel: Ueber den Zusammen¬ 
hang der eosinophilen Zellen im Blute und der O h a r c o t’schen 
Krystalle in den Faeces von Wurmkranken. Münch, med. 
Wochenschr. 1894, No. 7. 

Zur Lehensgeschichte der Anguillula iutestinalis. Centralbl. f. 
Bacteriol. 1899, XXV, No. 6. 

Ist Chloroform ein Bandwurmmittel ? Therapie der Gegenwart 
1899, September. 

Ueber epidemische Cerebrospinalmeningitis in Köln. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1885, No. 23 und 31. 

Die epidemische Genickstarre (Meningitis cerebrospinalis epi¬ 
demica) in Rheinland und Westphalen, mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Epidemie 1885 in Köln. Festschrift des Nieder- 
rheinschen Vereins für offentl. Gesundheitspfl. zum 50 jährigen 
Doctorjubil. M. v. Pettenkof er’s 1893. Bonn, C. Strauss. 

Ueber Pyopneumothorax subphrenicus und subphren. Empyeme. 
Deutsch, med .Wochenschr. 1885, No. 16. 

Ueber therapeutische Anwendung der Ueberosmiumsäure. Deutsch, 
med. Wochenschr. 1885, No. 1. 

Das Bürgerhospital, das Barackenhospital in der Neustadt. L e n t’s 
Festschrift für die Naturforscherversamlung in Köln 1888. 

Das Bürgerhospital, das Augustahospital, die städtische Kranken¬ 
anstalt Lindenberg in Köln in hygienischer Beziehung. Len t’s 
Festschrift für die XXIII. Versammlung des Deutschen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege in Köln 189S. 

Ueber Darmverschliessung. Deutsch, med. Wochenschr. 1888, 
No. 12. 

Anatomische Demonstration nebst klinischer Epikrise. Deutsch, 
med. Wochenschr. 1889, No. 26. 

Mittheilungen über das Koc h’sche Heilverfahren gegen Tuber- 
culose. Deutsch, med. Wochenschr. 1891, No. 1. 

Beitrag zur Pathologie des Oesophagus. Deutsch, med. Wochen¬ 
schr. 1891, No. 14/15. 

Ueber intravenöse Kochsalzinfusion bei Verblutungen.. Volk- 
mann’s klin. Vorträge 1891, No. 25. 

Bemerkungen zur subfebrilen und afebrilen Form der acuten 
allgemeinen Miliartuberculose. Deutsch, med. Wochenschr. 
1891 S 979. 

Besprechung von R e i n e r t’s Zählung der Blutkörperchen und 
deren Bedeutung für Diagnose und Therapie. Deutsch. Arch. f. 
klin. Med. 1891, Bd. 48, 8. 446. 

Ueber Morbus Addisonii. — Ueber primäre acute haemorrhagische 
Encephalitis. Deutsch, med. Wochenschr. 1891/92, No. 52/2. 

Ueber Schreibweise Linkshändiger; Senkschrift und Spiegelschrift. 
Deutsch, med. Wochenschr. 1892, No. 42. 

Bin mittels Schilddrüseninjection und Fütterung erfolgreich be¬ 
handelter Fall von Myxoedema operativum. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1893, No. 49/51. 

Ueber Myxoedem. Deutsch, med. Wochenschr. 1893, No. 49/51. 

Ueber Myxoedem und über Entfettungscuren mit Schilddrüsen¬ 
fütterung. Deutsch, med. Wochenschr. 1894, No. 50. 

Ueber Erfahrungen mit dem Diphtherieheilserum (mit Wendel¬ 
sted t). Münch, med. Wochenschr. 1895, No. 24. 

Influenza und Dengue. Spec. Pathol. u. Therap. v. Nothnagel 1896, 
Wien, bei Haider. 

Behandlung der Darmschmarotzer. Handb. d. spec. Therap. innerer 
Krankheiten von Penzoldt und Stintzing 1896, Bd. IV, S. 618. 

Ueber Influenza. Centralbl. f. allg. Gesundheitspfl. 1897, S. 253. 

Ueber Miliartuberculose der Haut bei allgemeiner acuter Miliar¬ 
tuberculose. Münch, med. Wochenschr. 1897, No. 1. 

Eröffnung des bacteriologischen Instituts in Köln. Centralbl. f. 
allg. Gesundheitspfl. 1898, S. 174. 

Ueber Harnblasenentzündung und Harnblasengeschwulst bei Ar¬ 
beitern in Farbfabriken. Deutsch, med. Wochenschr. 1898, 
No. 45. 

Behandlung der Erkrankungen der Gallenwege (innere Behand¬ 
lung). Handb. d. Therap. innerer Krankh. v. Penzoldt u. 
Stinzing 1898. II. Aufl. 

Behandlung der Krankheiten der Leber (innere Behandlung). 
Handb. d. Therap. innerer Krankh. v. Penzoldt u. Stintzing 1898, 
II. Aufl. 

Behandlung der Krankheiten der Bauchspeicheldrüsen (innere Be¬ 
handlung). Handb. d. Therap. innerer Krankh. v. Penzoldt u. 
Stintzing 1898, II. Aufl. 

Ueber Venenthrombose bei Chlorose. Münch, med. Wochenschr. 
1899, No. 48. 

Ueber infectiöse Lungenentzündungen und den heutigen Stand der 
Psittakakosisfrage: Werden durch speciflsch erkrankte Papa¬ 
geien bösartige Lungenentzündungen beim Menschen hervor¬ 
gerufen? Centralbl. f. allg. Gesundheitspfl. 1899, H. 7/8. 


; Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Land- und forstwirthschaftliche Berufsgenossenschaft 
und Arzt 

_Von Dr. Deppisoh in Pottenstein. 

Trotz der einschneidenden Wichtigkeit der socialen Gesetz¬ 
gebung auf alle Verhältnisse des ärztlichen Standes und trotz der 
grossen, kaum zu bewältigenden Literatur, welche schon die Un¬ 
fallversicherung in der kurzen Zeit ihres Bestehens brachte — 

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T h i e m ! ) allein hat ein Verzeichniss von 18 Druckselten — liegen 
hierüber zusammenfassende Aeusserungen aus der Praxis nur 
spärlich vor und was in dieser Wochenschrift in den letzten 
12 Jahren darüber zu finden ist, geht nicht über den Kreis aka 
demischer Erörterungen oder theoretischer Erwägungen oder prak¬ 
tischer Vorschläge hinaus — die hauptsächlichsten Mittheilungen 
stammen von K r e c k e 1889, Möbius und Seeligmüller 
1890—91, Strümpell 1895, J o 11 y und Böttiger 1897, Van- 
selow, Grassl und Breitenbach 1898 — statistische An¬ 
gaben fehlen ganz, und doch bietet die Statistik die einzige Grund¬ 
lage zur richtigen Beurtheilung aller hier in Betracht kommenden 
Fragen; hiezu einen wenn auch kleinen Beitrag zu liefern, ist der 
Zweck der nachfolgenden Untersuchungen und Erörterungen, deren 
Veröffentlichung ich auch aus dem Grunde für angezeigt erachte, 
weil damit zugleich die Wirkungsweise des bisherigen land- und 
forstwirtschaftlichen Unfallgesetzes gekennzeichnet wird, während 
durch die dem Reichstage gegenwärtig vorliegende und ohne 
Zweifel angenommen werdende Novelle zu diesem Gesetze wieder 
neue Verhältnisse geschaffen werden, deren Wirkungsweise für die 
Zukunft sich jetzt noch gar nicht überblicken lässt. 

Von 1000 (928*) Unfällen, die im Jahre 1898 auf ganz Ober¬ 
franken trafen und zur Anzeige gelangten, kamen auch diesmal 
wieder 100 (100) = 10 Proc. auf den Bezirk Pognitz-Potteustein, 
von diesen aber wieder 61 = 61 Proc. auf Pottenstein selbst und 
nur 39 - 39 Proc. auf Pegnitz; bei den 19 Bezirksämtern des Re¬ 
gierungsbezirks dürften aber nur 52,6 (48,8) - - 5,26 Proc. bei gleicli- 
mässiger Verteilung hierher fallen; die absolute Zunahme beträgt 
72 — 7,8 Proc.; die Stabilität ist noch nicht erreicht; unser Bezirk 
marsehirt der Zahl der Unfälle nach auch diesmal wieder an der 
Spitze sämmtlicher oberfränkischer Bezirksämter; darum ist es 
auch schon das „Unfallbezirksamt“ oder „Bruchbezirksamt“ ge¬ 
nannt worden und man mühte sich bisher von allen Seiten vergeb¬ 
lich ab, den Grund hiefür zu finden. 

In 68 (68) Fällen, wovon 26 (31) neu und vorher noch nicht 
von mir begutachtet, 42 (37) aus früheren Jahren und schon wieder¬ 
holt begutachtet, wurden 90 (109) Gutachten abgegeben (dazu 
kommen noch 1 Gutachten ftir’s Schiedsgericht, 6 für’s k. Forst¬ 
ärar und 3 für die b. Baugewerksberufsgenossenschaft, so dass im 
Ganzen 106 Gutachten für die Berufsgenossenschaften im Berichts¬ 
jahre abgegeben wurden). — 1899 trafen von 1014 Unfällen in Ober¬ 
franken 83 auf’s Bezirksamt und von diesen wieder 37 auf den 
Amtsgerichtsbezirk Pegnitz, 46 auf Pottenstein; Gutachten wurden 
abgegeben für die land- und forstwirthschaftliche Berufsgenossen¬ 
schaft 101, für’s Schiedsgericht 1, für’s Landesversicherungsamt 1, 
Baugewerksberufsgenossenschaft 3, mittelfräuk. Berufsgenossen¬ 
schaft 1, so dass sich die Verhältnisse im Allgemeinen gleich 
blieben. 


Nur einmal im Laufe des Jahres wurden davon begutachtet 
47 (49), zweimal 17 (8), dreimal 2 (5), viermal 1 (2), fünfmal 1 (3), 
sechsmal — (1); diese wiederholt begutachteten Fälle waren solche, 
die z. Th. noch auf Kosten der Berufsgenossenschaft in Behand¬ 
lung Ständen, z. Th. erst kurz aus dersell>en entlassen waren und 
noch Schonung bedurften, wo also ein Schlussgutachten noch nicht 
möglich und wiederholte Begutachtung nöthig war. 


Von den 68 Fällen waren 
männlich 48 (50) 
weiblich 20 (18) 
verheirathet 49 (39) 
ledig 19 (29) 

über 16 Jahre 67 (64) 
uutor 16 Jahren 1(4) 


70,58 Proc. (73,5 Proc.) 


29,42 

72,05 

27,95 

98,52 

1,48 


(26,5 
(57,3 
(42,7 
(94,1 
) 5,9 


Das höchste Alter betrug 73 Jahre, das jüngste 11 Jahre. 

Es hatten Verletzungen 

1. An Kopf und Augen .... — (1) — 0 ^ Proc. ( 1,5 Proc.) 


Armem 


Brust 2 und Rippen . .4 6 (9) — 8,82 

Schulter3 u. Schlüsselbein 3 —- 6 (4) — 8,“ 
Oberarm u. Ellbogen 3(9)1 
Unterarm . . . .9 — | _ 

Hände.«(11) 

Finger.15(12)1 

Rücken.-2 

Hüften .: . 2 

Becken (-Bruch).1 

Unterleib (Hernie).1 

Beinen: Oberschenkel 1 
Unterschenkel 9 
Fuss] .... 4 
Zehen .... 1 


(13,2 

( 5,9 


35 (32) 51,5 o/o (47,15 °/o) 


( 0 ) 

( 1 ) 

( 1 ) 


(-) - 1,5 


2,9 Proc. (— Proc.) 
2,9 „ (1,5 „ ) 

1,5 * (1,5 „ ) 


(- 


) 


(14) 

( 6 ) 


— 15 (20) 22,1 (29,5 Proc.) 


Die Verletzungen bestanden ln 

1) Augenverletzung durch Einspringen von Fremdkörpern, 

2) Quetschungen und Rippenbrüche, 

3) Quetschungen, 2 Schulter-, 3 Schlüsselbeinbrtiche, 

4) Verstauchungen, Absprengung eines Knochenstückes: 
5 Armspindel-, 2 Ellenröhrenbrüche; 5 Schnitt- und Hiebwunden 
der Hand, meist Maschinen Verletzungen, 1 Hautabschürfung; die 
Fingerverletzungen bestanden in Quetsch-, Schnitt- und Riss¬ 
wunden, 


*) Handbuch der Unfallerkrankungen von Dr. Carl T h I e m , 
Stuttgart 1898. 

♦) Die eingeklamraerten Zahlen bedeuten durchaus diejenigen 
des Vorjahres. 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


5) Erschütterung und Quetschung durch Fall, 

6) Quetschungen durch Fall (1 traumat. Ischias), 

7) Beckenbruch durch Fall, 

8) Wasserbruch, 

9) 1 Oberschenkel-, 4 Uuterschenkelbrüche; 5 Quetschungen 
und Hautabschürfungen; 3 Quetsch- und Stichwunden des Fusses; 
1 Abquetschung der Kleinzehe, 1 Quetschung der 4. Zehe. 


Von den Unfällen ereigneten sich 


1898: 13 (—) "m 

19,2 

Proc. ( — 

Proc.) 

1897 : 21 (18) — 

30,9 

„ (26,5 

„ ) 

1896 : 21 (23) =r- 

30,9 

, (33,8 

* ) 

1895: 7 (17) 

10,3 

„ (25 

„ ) 

1894: 2 (5)^ 

2,9 

„ (7,4 

» ) 

1893: 2 (4) — 

2,9 

„ (5,8 

* ) 

1892: 2 (1) — 

2,9 

n (1,5 

• ) 


Von den 68Verletzten trieben Pfuscherei 38 (37) — 55,9 Proc. 
Hessen sich sogleich ärztlich behandeln 30(31) 44,1 „ 


Von den 96 (109) Untersuchten hatten 

gepfuscht. 56(71) —58,3 

den Arzt sogleich gebraucht .... 40(38) 41,7 „ 

Von den 56 (71) Pfuschern zeigten bei 
der Untersuchung 

Uebertreibung und Simulation . . . 31(43) - 55,3 „ 

Besserung und Heilung. 30(33) - 46,4 „ 

keine Besserung.12(—)—21,4 „ 

Von den 40 (38) ärztlich Behandelten 
zeigten bei der Untersuchung 

Uebertreibung. 29(19) — 72,5 „ 

Besserung und Heilung. 26(25)- 65,1 „ 

keine Besserung.5(—)^12,5 „ 


(54,4 Proc.) 


(45,6 

(65,1 

(34,9 


(60,5 „ ) 
(53,5 fj ) 


(50,0 
(65,8 
( - 


n 

n 


) 

) 

) 


Dass von den Verunfallten die männlichen und verhelratheten 
die weiblichen und ledigen weit, hier fast um’s Dreifache tiber¬ 
troffen, ist eine auch sonst bekannte That Sache und liegt in der 
Natur der Verhältnisse begründet; der männliche Theil der hier 
ausschliesslich Landwirtschaft treibenden Bevölkerung wird eben 
stärker zur Arbeit herangezogen als der weibliche, die Verhei- 
mtheten arbeiten angestrengter und ausdauernder für den oft 
schlecht bestellten häuslichen Herd als die Ledigen; ebenso ist 
es bei den über 16 Jahre alten Arbeitern gegenüber den jugend¬ 
lichen Arbeitern und Kindern; von Kindern — bis zu 14 Jahren — 
kam diesmal nur 1 zur 'Begutachtung. Hier bemerke ich, dass 
ich es nach meinen Beobachtungen im Interesse des Ganzen für 
besser hielte, Kinder bis wenigsten 12 Jahren von der Versicherung 
und jeglichem Rentenbezuge ganz auBzusehliossen und vom 12. 
bis 14. Jahre nur einen ganz geringen, den thatsiichlichen Verhält¬ 
nissen entsprechenden, Arbeitsverdienst von höchstens 50 —60 M. 
jährlich anzunehmeu; denn was können denn solche Kinder im 
land- und forstwirtschaftlichen Betriebe leisten und was leisten 
sie? Im Sommer einige Stunden des Tages Gänschen oder Ziegen 
hüten, Aehren lesen, beim Ackern Vieh antreiben, beina Heu- 
nmchen etwas nachrechen: das Ist Alles und berechnet sich nach 
Geldeswerth so nieder, dass es für den Betrieb nicht In Betracht 
kommen kann; und doch Ist auch für diese Kinder ein Jahres¬ 
arbeitsverdienst von 200 M.! angenommen, während für erwach¬ 
sene männliche, in der Vollkraft ihrer Leistungsfähigkeit stehende 
Arbeiter ein den tatsächlichen Verhältnissen absolut nicht ent¬ 
sprechender, viel zu niedriger Verdienst von nur 330 M. — also 
nur 130 M. mehr als bei 6 jährigen Knaben und Mädchen! — an¬ 
gesetzt ist. Fast alle Unfälle der Kinder passiren beim Maschinen- 
l>etriebe, wozu sie weder gross noch stark genug sind, noch die ge¬ 
hörige Uebersicht und Selbstbeherrschung haben, ja dem sie durch 
ihre Unbeholfenheit nur hinderlich sein können; und doch bekommt 
so ein Kind, wenn es ohne gehörige Aufsicht gelassen, in die im 
Gange befindliche Maschine fällt, eine hohe Rente. So ein 7 jähr. 
Knabe in St., dem das Schwungrad der Futterschneidmaschlne 
beim Hineinfallen den Fuss im Sprunggelenk mit glatter Durch- 
sclineidung des Sprungbeines fast bis zur Ferse durchtrennt hatte. 
Alle Amtsärzte, die viel mit Militärdienstbefreiungs- und Zurück- 
Stellungsgesuchen aus Familienrücksichten zu thun haben, werden 
mir auch zugeben, dass regelmässig diese Kinder ln den von den 
Gemeindebehörden bestätigten. und befürworteten Gesuchen nicht 
als geldbringende Stützen, sondern als grosse Unkosten verur¬ 
sachende und bei der Arbeit hindernde Lasten aufgeführt sind, 
ja dass selbst Mädchen von 15—16 Jahren als kaum für die Arbeit 
in Betracht kommend, angesehen werden; und doch müssen auch 
nach den gegenwärtigen Bestimmungen seit mehreren Jahren 
einem nun 11 Jährigen, nicht besonders kräftigen Mädchen in St. 
für eine leichte, aber wie gewöhnlich vernachlässigte Ellbogen¬ 
verletzung mit nachfolgender Tuberculose hohe Renten ausbezahlt 
werden. So wie hier, wird es wohl auch anderswo sein und Ich 
sebUe8se mich daher rückhaltslos den Ausführungen GrassTs 2 ) 
von der gesetzlichen Festlegung eines Mindestalters an, wobei 
mir aber die oben angegebenen Grenzen als richtig erscheinen; 
der jetzige Zustand liefert nur crasse Beispiele dafür, wie 
eine an sich gute Sache durch Ziehung der äussersten Conse- 
quenzen in ihr directes Gegentheil umgekehrt wird. Wie hoch 
beziffern sich die Summen, die alljährlich für so verunfallte Kinder 
ausgegeben werden müssen; wie demoralisirend muss es auf diese 


*) Ueber die Ursachen der vielen Unfälle mit Versicherungs¬ 
pflicht ln der Land- und Forstwirtschaft. Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1896, S. 828. 


selbst wirken, wenn sie, um hohe Renten zu erlangen» von den 
Eltern zum Lügen und zur Simulation angehalten werden; was 
geht dadurch den anderen verloren, wie werden die Cassen ge¬ 
schädigt und die Beiträge bezw. Umlagen dadurch erhöht? Ein 
grosser Theil der Unzufriedenheit des Volkes rührt von diesem 
Zustande her. In diesem Sinne sprach sich auch der Vorsitzende 
der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für 
Schwaben in seinem Jahresberichte für 1898 aus, wie unten noch 
näher erörtert werden wird. 

Was nun die Häufigkeit der Verletzungen anlangt, so treffen 
auf den Arm und seine einzelnen Theile mit 51,5 Proc. (47,15) heuer 
allein mehr als die Hälfte aller Übrigen Verletzungen, die Finger- 
verletzungen betrafen 22,1 Proc.; das stimmt im Allgemeinen mit 
den statistischen Angaben von Kaufmann 3 ) überein, wonach 
in Oesterreich suif Arm und Hände 17 Proc., auf die Finger 31 Proc., 
also insgesammt 48 Proc. treffen; für Deutschland treffen nach 
derselben Statistik auf deu ganzen Arm nur 31,75 Proc.; bei der 
relativ kleinen Zahl der hier in Betracht kommenden Fälle gegen¬ 
über jenen eines ganzen Reiches müssen sich solche Unterschiede, 
da in einzelnen Bezirken auch Zufälligkeiten eine gewisse Rolle 
spielen, immer bemerklich machen; im Grossen und Ganzen treffen 
wir aber hier ein getreues Spiegelbild der Gesammtstatistik; denn 
auch die Beinverletzungen weichen mit 22,1 Proc. nicht viel von 
25,7 Proc. in Oesterreich und etwas mehr von 31,91 Proc. In 
Deutschland ab (Kaufmann S. 404). 

Die Brüche (Hernien) machten bis vor wenigen Jahren einen 
ziemlich hohen Procentsatz der Unfallentschädigungen unseres 
Bezirkes aus, daher auch früher der Name „Bruchbezirksamt“; 
eigentliche Unfälle wurden dabei gar nicht, aussergewohnliche 
Anstrengungen nur selten nachgewiesen; (damit stimmt auch 
überein, was G o 1 e b i e w s k i *), S. 97 sagt, dass nämlich „die 
Brüche in der grössten Mehrzahl der Fälle keine Unfälle sind“, 
wenn sie auch noch nach neuerer Auffassung sich als Endprodnct 
einer fortgesetzten Reihe kleiner Einzel Unfälle darstellen, als 
welche auch das immerwährende Andrängen des Darmes nach 
der Bruchpforte aufzufassen ist; seitdem aber auf diesen Voraus¬ 
setzungen bestanden wird, hören die Meldungen fast ganz auf. 

Es ist natürlich, dass die meisten begutachteten Uufiille aus 
dem Berichtsjahre und den unmittelbar vorhergehenden Jahren 
stammten, während die aus noch früheren Jahren z. Th. noch Aus¬ 
sicht auf Besserung bietende, z. Th. alte Querulanten, z. Th. der 
Simulation Verdächtige waren, die man noch zu überführen hofft; 
bei Einem gelang dies auch vortrefflich. 

Einen der traurigsten, für die Aerzte betrübendsten und die 
Berufsgenossenschaften schädlichsten Punkte des ganzen Unfall- 
Gesetzes, um den sich schliesslich seine Existenzfähigkeit dreht, bil¬ 
det die (Kurpfuscherei; so lange nach deu gegenwärtigen gesetzlichen 
Bestimmungen die Behandlung Verunfallter durch gewerbsmässige 
Curpfuscher erlaubt und demnach auch nach der bekannten Ent¬ 
scheidung des Reichsversicherungsamtes keinen Einfluss auf die 
Höhe der Rente hat, noch weniger sie ganz ausschliesst, ist hierin 
keine Besserung zu erwarten, ja es ist sicher zu l>efürollten, dass 
die Fälle sich mehren, bei denen in der Absicht kein Arzt ge¬ 
nommen wird, um sich nicht durch eine baldige und gute Heilüng 
mit völliger Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit die gehoffte 
und erwartete Rente zu kürzen oder ganz zu vereiteln; Ich habe 
einige solche Fälle beobachtet, bei denen man nach den Um¬ 
ständen zu dieser Annahme gezwungen war, bei denen auch die 
Umgebung diesbezügliche Aeusserungeu fallen liess, die sich aber 
unter dem gütigen Beistand der Unfallwinkeladvokatur — 
S c h m i d braucht dafür den Ausdruck „Commissionsbureaux“ — 
wieder schön herauslogen; wer will denn die strafbare Absicht 
beweisen, wenn sie der Verletzte nicht selbst eingesteht? Das 
thut höchstens der Zufall. 

Von den 68 Verunfallten vom Jahre 1898 triebem Pfuscherei 
38 (37) = 55,9 (54,4) Proc., von den 96 Untersuchten 56 (71) — 58,3 
(65,1) Proc., also sowohl der absoluten als relativen Zahl nach mehr 
als die Hälfte; von diesen Pfuschern zeigten Besserung oder Hei¬ 
lung 53,5 (46,4) Proc., Uebertreibung oder Simulation 53,3 (60,5) 
Proc., keine Besserung 21,4 Proc., während von den sogleich ärzt¬ 
lich Behandelten 65,0 (65,8) Proc. Besserung und Heilung und nur 
12 Proc. keine Besserung zeigten; Uebertreibung zeigten dagegen 
auch bei den Behandelten eine grössere Zahl; immerhin aber blie¬ 
ben die Pfuscher hinsichtlich der Besserung und Heilung (= völ¬ 
lige Wiederarbeitsfähigkeit) weit hinter den ärztlich Behandelten 
zurück, übertreffen auch die keine Besserung zeigenden fast um’s 
Doppelte. Ist es denn da noch ein Wunder, wenn die Aerzte ein¬ 
stimmig verlangen, dass die ärztliche Behandlungspflicht sogleich 
mit dem Unfall gesetzlich festgelegt und das Pfuschen Verunfallter 
verboten bezw. mit Rentenausschluss bestraft werden möge? Klar 
sprechen dies auch aus G r a s s 1 (S. 828). G o 1 e b i e w s k I (S. 37), 
T h 1 e m (S. 2), Kaufmann (S. 124). Gerade unsere schwie¬ 
rigsten Fälle, die der Berufsgenossenschaft die grössten Kosten 
und meiste Arbeit verursachten, entstanden durch anfängliche 
Pfuscherei und Vernachlässigung und zwar waren es solche, die 
durch sofortige sach- und fachgemässe Behandlung voraussichtlich 
würden wieder vollständig hergestellt worden sein ohne die ge¬ 
ringste Einbusse an Arbeitsfähigkeit. Dem Antrag auf Spital¬ 
behandlung, wo sie noch nothwendig war, wurde in anerkennens- 


*) Kaufmann: Handbuch der Unfallerkrankungen. Stutt¬ 
gart 1897. 

4 ) E. Golebiewski: Aerztlicher Oommentar zum Unfall- 
veraicherongsgefietz. Berlin 1866. 


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27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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werther Weise von der Berufsgeuossenschaft stets sogleich statt- 
gegeben und die Verunfallten meist in die chirurgische Klinik nach 
Erlangen geschickt; allein es war dies immer auch erst nach 13 
Wochen der Fall, während für eine sofortige TJebernahme der Be¬ 
handlung die Berufsgenosseuschaft wegen der noch z. Th. entgegen- 
srehendeu gesetzlichen Bestimmungen keine Lust zeigte. Wir 
können in Bezug auf die Curpfuscherei in unserem Bezirk sagen: 
ohne sie käme ein gut Theil der Verunfallten gar nicht, der grösste 
Tlieil aber nur zu einer zeitweisen Entschädigung; Dauerrenten 
würde nur ein sehr geringer Theil beziehen. Der Ehre Einzelner 
zu Liebe sei’s noch gesagt, dass sie die Noth und Furcht vor den 
Kosten abhält, sogleich einen Arzt zu llilfe zu rufen. 

„In einem gewissen Sinne neigen die Unfallverletzten alle zur 
Uebortreibung“, „die Unfallgesetze züchten Simulation“, „Exacte 
Angaben über die Häufigkeit der Simulation existiren jetzt nicht* 4 
(Kaufmann S. 145, Thiem VIII). Das sind die Grundtöne, 
in welche alle Berichte über Simulation und Uebertreibung der 
Unfallverletzten ausklingen (vergl. G o 1 e b i e w s k 1 S. 243 u. A.); 
ioli habe in meinem Berichte und meiner Statistik nur die Fälle au¬ 
geführt, die sicher überwiesen werden konnten, und das auch 
jedesmal in den seinerzeitigen Gutachten unter genauer Begrün¬ 
dung angegeben; wo nur Verdachtsmomente Vorlagen, habe ich 
auch diese nach meiner Ueberzeugung und Pflicht hervorgehobeu, 
aber auch zugleich darauf hingewiesen, dass hier ein Beweis 
nicht vorliege, dass die Sache sich vielleicht doch den Angaben 
gemäss verhalten könne, und demgemäss pro entschieden bezw. 
begutachtet. Das, was Grassl, Breiteubach. Vanse- 
1 o w von den „kleinen Renten“ sagen, trifft auch hier durchaus 
zu; nicht die wegen grosser Unfälle eine hohe Rente Beziehenden 
waren es, die manchmal unter den gemeinsten Verdächtigungen, 
Verläumdungen und persönlichen Angriffen aller Art immer wieder 
Itecurs ergriffen, wenn ihre Rente wegen wesentlicher Besserung 
abgemindert oder eingezogen wurde, sondern die „auf der Schneide 
der Begutachtung Stehenden“; Simulation wurde in 8 Proc. der 
I’älle sicher erwiesen. (Thiem: rund 10 Proc., Bonner Berufs¬ 
genossenschaft 6—2 Proc.); die hieher gehörigen sehr interessanten 
Fälle bleiben des Raummangels wegen weg. 

Namentlich ein Fall zeigt uns, wie Recht Breitenbach 
bat, wenn er den Vorschlag auf Einführung von Controlärzten 
macht; In einem gewissen Sinne wird die Controle ja jetzt schon 
\on den Aerzten selbst geübt, wie Breitenbach ausführt und 
es auch hier geschieht, auch manchmal von der Berufsgenossen- 
s.*haft veranlasst wird; es liessen sich aber bei systematischer 
Durchführung strengerer Controle jedenfalls mehr Simulanten ent¬ 
larven und in zweifelhaften Fällen eher Endurtheile abgeben. 

Auf’s Innigste mit der erfolgreichen und segenbringendeu 
Anwendung des Gesetzes verbunden ist dessen richtige Ausführung 
durch die berufsgenossenschaftlichen Organe; dazu gehört zuerst 
die richtige und rechtzeitige Abfassung des Unfallsprotokolls und 
der Unfallanzeige; was in dieser Beziehung manchmal von den 
zuständigen Gemeindebehörden und den sie meist beeinflussenden 
Gemeindeschreibern geleistet wird, ohne dass sie dafür in Strafe 
gezogen werden, ist kaum glaublich; offenbaren Unwahrheiten, 
falschen Daten, Uebertreibungen des Zustandes und seiner Folgen 
begegnet man häufig; es gibt einzelne als Gemeindeschreiber fun- 
girende Personen, die eine grosse Ehre darein setzen, möglichst 
viele Unfälle „durchzubringen“; die auch sofort bei Abweisung 
oder Rentenminderung mit seitenlangen Berichten an die Ite- 
cursinstanzen bei der Hand sind, worin es au Seitenhieben 
auf den Arzt oder wer sonst dem gewünschten Zweck 
entgegenstand, gar nicht fehlt, um sich bei ihrem Publi¬ 
cum beliebt zu machen und ihre Privateiukünfte nicht 
zu schmälern, andererseits aber auch die in ihre Ungnade Ge¬ 
fallenen vernachlässigen, soweit sie nicht von Aufsichts wegen 
zur Pflichterfüllung ungehalten werden können; diese haben 
namentlich in solchen Fällen die ganze Gemeinde, die Alles be¬ 
zeugt, für sich, wo es sich darum handelt, einem sonst der Armen¬ 
pflege oder einem einflussreichen Vetter zur Last Fallenden den 
„Unfall“ zu verschaffen; dass gerade in dieser Beziehung das Ge¬ 
setz demoralisirend wirkt, unterliegt für den Eingeweihten auch 
nicht dem geringsten Zweifel; namentlich die sogen. Auszügler 
werden von ihren Unterhaltungspflichtigen, denen sie lästig fallen, 
oft gezwungen mit allen Mitteln nach der Erlangung eines „Un¬ 
falls“ zu streben; diesen von der Noth doppelt Getriebenen ist dann 
auch kein Mittel schlecht genug, um ihren Zweck zu erreichen. 
Ob durch districtive Versicherungsinspectoren, die Grassl vor¬ 
schlägt, alle Uebelstände beseitigt würden, wenn man nicht 
strenger gegen die ihre Pflicht vernachlässigenden Gemeindebe¬ 
hörden Vorgehen will, das möchte ich nicht bejahen; aber bessern 
würden sich die Zustände unter allen Umständen, wenn auch der 
„Unfallassessor“ dadurch nicht in Wegfall käme; denn die Auf¬ 
sicht über diese neuen Beamten würde er ja doch haben, in seinen 
übrigen Amtsgeschäften würde er jedoch bedeutend entlastet 
werden. Der gegenwärtige Zustand würde den Anforderungen 
schon mehr genügen, wenn von der Strafbefugniss des § 124 reich¬ 
licher Gebrauch gemacht würde; wenn dann nur, was wir als bal¬ 
dige gesetzliche Forderung sicher erwarten, von dem behandelnden 
Arzte sogleich mit der Unfalluntersuchung ein Befundbericht mit 
Angabe über den Zusammenhang mit dem Unfälle und Vorhersage 
Leigegeben würde, so böten sich für die späteren Gutachten selten 
solche Schwierigkeiten, wie sie jetzt manchmal entstehen, und dem 
Schwindel würde die grösste Handhabe entzogen. Bezeichnend ist 
auch die Klage des Gewerbe-Inspectors von Unterfranken in seinem 
Jahresbericht für 1898 darüber, dass „die Beachtung der Anzeige- 

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Pflicht bezüglich der Unfälle von Seite derürtspolizeibehürden immer 
noch viel zu wünschen übrig lasse (W. G. A. v. 15. II. 99). Durch 
die Novelle, welche hierüber schärfere Bestimmungen enthält, wird 
sich dies hoffentlich ändern. 

Der im Jahre 1898 in d. Wochensclir. durch Vauselo w entfachte 
Streit darüber, wer die Gutachten für die Berufsgenossenschaften 
ausstellen soll, dürfte von fast allen Aerzten im Sinne Grassl'» 
und B r e i t e n b a c h’s entschieden worden sein; Gewissenhaftig¬ 
keit und Berufstüchtigkeit setzen ja auch diese wie alle übrigen 
Aerzte als conditio sine qua non des Gutachters voraus; kommt 
dazu noch die Einhaltung der richtigen Form und die nöthige Sorg¬ 
falt der Ausarbeitung, dann hat sicher die Berufsgenossenschaft 
keinen Grund, über ein solches Gutachten eines praktischen Arztes 
zu klagen, aber auch dieser sich nicht über die Zuweisung von zuwenig 
Gutachten, wenigstens über solche Fälle, die er selbst in Behänd 
luug hatte, zu beschweren; Bezirksarzt Dr. M ü 11 e r - München 
kommt in seinem Aufsatze „über ärztliche Zeugnisse“ zu dem 
Schlüsse: „ . . . unnachsichtig gegen uns und Andere ... so wird 
auch wieder eine Zeit kommen, in der den ärztlichen Zeugnissen 
die gebührende Achtung von allen Seiten zu Theil werden wird“; 
diese allgemeine Forderung lässt sich auch unmittelbar auf die 
Unfallversicherungspraxis übertragen. Solche Gutachten ver¬ 
lieren dann nie ihren Werth und können und müssen auch Im 
Gegensatz zu jenem berüchtigten Falle, den Thiem in seiner 
Einleitung erzählt, jeder Zeit unter Eid aufrecht erhalten werden; 
so habe ich es in strittigen Fällen schon mehrmals gethan. Dass 
allerdings ausser den oben angeführten Eigenschaften ein sehr 
grosses Maass persönlichen Gleichmuthes, eine unerschütterliche 
Ruhe, grosse Charakterfestigkeit und viel Tact dazu gehört, um 
allem Drängen und Stürmen, allen Lockungen und Widerwärtig¬ 
keiten eines Gutachters von der exponirten Stellung eines Arztes 
namentlich auf dem Lande, dessen übrige Praxis manchmal sehr 
durch einen „Unfall“ beeinträchtigt wird, zu begegnen, das möchte 
ich auch hier nochmals in Anlehnung an die 3 Streiter vom Jahre 
1898 hervorheben, sowie auch betonen, dass sowohl durch mündliche 
wiederholte Rücksprache, als durch schriftlichen Gedankenaus¬ 
tausch mit dem Herrn Vorsitzenden der Berufsgenossenschaft für 
Oberfrauken, Herrn Regierungsrath Mayer, völlige Ueberein- 
stimmung über alle wichtigen Fragen erzielt wurde und so hier 
das gegenseitige Verhältniss ein sehr gutes ist und zur Nach¬ 
ahmung dienen könnte. In Anlehnung an Strümpei Ps herr¬ 
liche Ausführungen suchen wir aber durchaus von vorneherein 
keinen Gedanken au eine Unfallkrankheit aufkommen zu lassen, 
veranlassen die Verunfallten möglichst frühzeitig zur Arbeit und 
setzen unter gerechter Würdigung aller Umstände des Falles und 
wobei die gleichen Unfälle nicht Entschädigungspflichtiger zum 
Vergleiche herangezogen werden, die Rente nicht zu hoch; denn 
das ist ja die ganze Aufgabe des Arztes bei Durchführung des 
Unfallgesetzes: Dem Verletzten die verlorene Gesundheit und Ge¬ 
brauchsfähigkeit seiner Glieder wieder zu geben und dazu bei¬ 
zutragen, dass der in seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit durch 
den Unfall Beschränkte die ihm gebührende Rente, nicht weniger, 
aber auch unter keinen Umständen mehr, erhalte; Simulanten, 
Renteuspeculanten und sonst das Gesetz unrechtmässiger Weise 
auszunützen Versuchende aber die gebührende Zurückweisung er¬ 
fahren. Dabei halte ich aber im Gegensatz zu manchen Anderen 
den Arzt zur Abschätzung der procentualen Erwerbsunfähigkeit 
für mindestens ebenso begabt und berufen, als den Herrn Arbeit¬ 
geber X. und den Herrn Arbeitnehmer Y. oder bei den Gewerben 
Herrn Maurermeister, Zimmermeister, Fabrikant X. und Herrn 
Gesellen, Mörtelträger, Thüranstreicher Y; dass beide Factoren 
mitwirkeu müssen bei der rein sachverständigen Thätigkeit des 
Arztes, ist klar. Ob bei den berufsgenossenschaftlichen, schieds¬ 
gerichtlichen und reichsversicherungamtlichen Entscheidungen ein 
Arzt Sitz und Stimme haben soll, wie Viele wünschen, Manche nicht, 
darüber lässt sich discutiren; wer auf dem Standpunkt rein sach¬ 
verständiger Thätigkeit steht, wird den Entscheid und damit die 
Verantwortung getrost den Instanzen überlassen; insoferne als in 
den Urtheilen fachwissenschaftliche Gründe allein den Ausschlag 
geben sollten und wo sie es sonst für nöthig halten, ziehen diese 
ohnehin einen Arzt als sachverständigen Berather bei. 

Die Honorirung der Gutachten hat auch schon oft Anlass zu 
Erörterungen in ärztlichen Kreisen gegeben; kein billig denkender 
Mensch wird es einem Arzte verübeln, wenn er für seine oft saure 
Arbeit auch eine entsprechende Bezahlung verlangt; was soll man 
aber dazu sagen, wenn manche Berufsgenosseuschaften seitenlange 
gedruckte Formularien senden und „möglichst genaue Beschrei¬ 
bungen“ und ausführliche Beantwortung der Fragen verlangen, 
auch Schemata zur Einzeichnung des Befundes vorlegeu und 
schliesslich bei der Liquidation auf die alte bayerische Taxordnung 
mit ihren 1, 3 und 10 M., welch’ letztere fast nie bezahlt werden, 
verweisen? Ein nur eiuigermaassen erschöpfendes, genaues Gut¬ 
achten erfordert zu seiner Ausarbeitung mit Untersuchung des Ver¬ 
letzten, Actenstudien und den Einträgen, die man sich selbst zu 
machen hat, wenigstens 1 Stunde Arbeit und darüber; für ein 
solches Gutachten gebühren wenigstens 5 M., da man es auch mit 
gutem Rechte ein motivirtes nennen könnte; ein Gutachten, das 
mit ungefähr 30—50 Worten, mit: Ja, Nein, 30 Proc., G Monat, 
Bewegungshinderung, keine etc. abgethan ist, und dem man schon 
gleichsam von aussen den Grundsatz ansieht: „Wie die Bezahlung, 
so die Arbeit“, kann sich allerdings mit 2—3 M. begnügen; manch¬ 
mal wird aber dann der Gutachter selbst nicht viel höher ge- 

6 ) Bayerisches ärztliches Correspondenzblatt 1899, No. 1. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 18. 


schätzt Es wird auch hier mangels allgemein gütiger und durch¬ 
geführten Normen Sache des Einzelnen sein, seine Gutachten und 
damit seine Beziehungen zur Berufsgenossenschaft so zu gestalten, 
dass er von vorne herein auch der entsprechenden Houorirung 
sicher ist; lieber nichts begutachten als schlecht, und lieber nichts 
liquidiren, als durch taglöhnerartige Forderungen sich selbst und 
den Stand beschämen. 

Was sind nun die Ursachen der so häutigen land- und forst- 
wirthschaftlichen Unfälle unseres Bezirkes und ihrer schlimmen 
Folgen? Ich habe sie wiederholt in meinen Berichten hervor¬ 
gehoben, und sie decken sich vollständig mit denen, die Grassl 
anführt: 1. Die Gefährlichkeit des fast ausschliesslich landwirt¬ 
schaftlichen Kleinbetriebes und schlechtes Arbeitspersonal; 2. die 
ungünstigen gebirgigen Terrainverhältnisse; 3. die Ausseracht- 
lassung der Sicherheitsvorschriften, Fahrlässigkeit und Unkennt- 
niss beim maschinellen Betriebe; 4) Curpfuscherei und Vernach¬ 
lässigung: a) absichtlich, b) aus Gleichgiltigkeit; 5. verspätete und 
mangelhafte Unfallanzeige und -Untersuchung; 0. Rentenspecu- 
lation: a) durch Uebertreibung, b) Simulation. 

Dass die Verhältnisse auch in anderen Kreisen ähnlich gelagert 
sind wie hier, geht aus dem sehr lesenswerten Jahresberichte 
des Herrn Reg.-Raths S c h m i d - Augsburg hervor, den dieser in 
der Generalversammlung der schwäbischen land- und forstwirt¬ 
schaftlichen Berufsgenossenschaften erstattete; er führt als Ur¬ 
sache folgende 9 Gründe an, die ich ihrer Wichtigkeit wegen mit- 
teile: 

1. In der Beihilfe, welche so manche Ortsvorstände den 
Rentenbewerbern leihen, indem sie glauben, für ihre Ortsange¬ 
hörigen eintreten zu müssen, statt gründliche Untersuchung zu 
führen; 

2. in dem Bestreben von Armenpflegern, ihre Hilfsbedürftigen 
auf den „Unfall“ abzuwälzen; 

3. in den verspäteten Untersuchungen der Unfälle; 

4. in einer übermässig wohlwoüenden Begutachtung der Ren¬ 
tenansprüche seitens einzelner Herren Aerzte; 

5. in dem in manchen Bezirken noch bestehenden Mangel an 
ordentlichen Krankenhäusern; 

6. in der ansteckenden Wirkung, welche der Bezug einer Rente 
auf Andere ausübt und die damit vom moralischen Standpunkte 
aus bedauerliche, wachsende Skrupellosigkeit in der Wahl der 
Mittel; 

7. in der Unterstützung solcher Bestrebungen durch Com- 
missionsbureaux, welche sich des „UnfaUes“ immer mehr be¬ 
mächtigen; 

8. in der Kostenlosigkeit des Verfahrens für den Renten¬ 
bewerber vor dem Schiedsgericht, womit sich die Beschwerden zu¬ 
sehends mehren; und endlich 

9. in der Entwicklung der obersten Rechtsprechung, welche 
sich von dem Gedanken immer mehr entfernt, dass als Betriebs¬ 
unfälle nur solche Unfälle zu verstehen sind, denen Jemand durch 
seine Berufstätigkeit in einem das Risico des gewöhnlichen 
Lebens übersteigendem Maasse ausgesetzt ist und heute als Be¬ 
triebsunfälle auch Unfälle anerkennt, welche mit einer landwirt¬ 
schaftlichen Thätigkeit nur in einem fernen Zusammenhang stehen 
und nur als solche des gewöhnlichen Lebens zu betrachten sind. 
(Durch die Novelle zum Unfallversicherungsgesetz wird eine solche 
Unterscheidung aber fast zur Unmöglichkeit. Ref.) 

Diese Ausführungen unterschreiben wir gerne, weisen aber 
bei Punkt 4 auf die schwierige Stellung des Arztes zwischen den 
beiden Parteien hin: nur in den seltenen Fällen, wo Versicherter 
und Versicherung mit einander zufrieden sind, wird er sich wenig¬ 
stens keine Feindschaft zuziehen; unter Umständen muss er aber 
als Sündenbock für Beide herhalten und wehe ihm dann, wenn auch 
nur das Geringste an seinem Gutachten auszusetzen ist; es wird 
möglicher Weise von Beiden als Waffe gegen ihn selbst benützt; 
in der Kammer der Abgeordneten wurde vor einigen Jahren und 
erst jüngst wieder den Aerzten der gegentheilige Vorw’urf, der zu 
strengen Beurtheilung gemacht; wer sich an unsere oben auf ge¬ 
stellten Forderungen hält, wird wohl selten einen der beiden 
schwerwiegenden Vorwürfe zu hören bekommen, wenigstens keine 
begründeten, und sich auch immer mit seinem guten Gewissen 
trösten können; einen nachhaltigen Schaden wird ihm ein solch* 
unbegründeter Vorwurf auch nicht bringen. Einen Punkt möchte 
ich aber doch noch hier kurz streifen, nämlich die Mittheiluug des 
ärztlichen Gutachtens oder einzelner Theile desselben seitens der 
Genossenschaft an die Versicherten, die dem Arzt manchmal in 
seiner Praxis grossen Nachtheil bringt: setzt hier der Arzt seine 
ganze Person ein für den Werth seines Gutachtens, so kann und 
muss er auch billig erwarten, dass ihn die Genossenschaft dem 
Versicherten gegenüber nicht schädigt und unter gleichzeitigem 
Hinweis auf den Obergutachter nur die Punkte hervorhebt, die 
zur Begründung ihres Entscheides unbedingt nöthig sind; diplo¬ 
matische Sprache hat ja im Zeugniss oder Gutachten, welches nur 
2 Forderungen kennt, nämlich Klarheit und Wahrheit, gar keinen 
Werth, wie Müller mit Recht sagt; thut aber der Arzt oft mit 
grosser Selbstverläugnung seine rflicht, so werde ihm auch sein 
zur Selbsterhaltung nöthiges Recht! 

Die Mittel endlich zur wenigstens theilweisen Abhüfe der ge¬ 
schilderten Missstände ergeben sich aus dem Gesagten von selbst; 
ich schlug folgende vor: 

1. Strenges Einhalten der gesetzlichen Vorschriften betreffs 
Anmeldung und genaue und gewissenhafte Untersuchung des Un¬ 
falles; hohe Ordnungsstrafen; 2. Uebemahme des Heilverfahrens 
bei schlecht Bemittelten sogleich nach der Verletzung durch die 

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Berufsgenossenschaft; 3. ausführliche Gutachten und niedere 
Renten; 4. Verbot der Curpfuscherei bei Rentenausschluss; Ein¬ 
führung des gesetzlichen Arztzwanges; 5. häufigere Controle. 

Herr Reg.-Rath S c h m i d macht folgende Vorschläge: 

1. Ist mit nachdrücklicher Strenge auf rechtzeitiger Anzeige 
der Unfälle zu bestehen, da bei rechtzeitigem Eingreifen der Ge¬ 
nossenschaft manches Uebel geheüt und der Verschlimmerung vor¬ 
gebeugt werden kann. 

2. Mit gleichem Nachdruck ist auf der rechtzeitigen Vornahme 
der Unfalluntersuchung zu bestehen, welche gemäss § 57 des Ge¬ 
setzes sobald wie möglich vorgenommen werden soll. (Die Novelle 
macht dies zur Vorschrift.) 

3. Bei Vorlage der Verhandlungen ist darauf zu achten, dass 
die Unfalluntersuchung mit der erforderlichen Umsicht und Gründ¬ 
lichkeit gepflogen worden ist. 

4. Soferne aus der Unfallanzeige hervorgeht, dass der Ver¬ 
unglückte keinen Arzt gerufen oder sich in die Hände eines 
Pfuschers begeben hat, soll die Anzeige seitens des Vertrauens¬ 
mannes unverzüglich an den Vorstand kommen, damit dieser 
weitere Verfügung trifft. 

5. Die Aerzte werden gebeten, dass sie in den Fällen, in 
welchen sie die Ueberzeugung gewinnen, dass ernstere Unfalls¬ 
folgen nur durch Krankenhausbehandlung vermieden werden 
können, hierüber dem Genossenschafts Vorstand sofort Kenntniss 
geben. In besonderen Fällen soU bei Todesfolge die Section der 
Leiche vorgenommen -werden. 

6. Damit die Genossenschaften nicht die Kosten eines öffent¬ 
lichen Verfahrens in frivolen Beschwerdesachen zu tragen haben, 
dürften die Schiedsgerichte gesetzlich zu ermächtigen sein, Be* 
schwerden ohne nähere Begründung auf dem Bureauwege abzu¬ 
weisen mit der Belehrung, dass der Abgewiesene innerhalb einer 
bestimmten Frist seinen Antrag auf Anberaumung einer öffent¬ 
lichen Verhandlung erneuern kann, dann aber im Falle des Unter- 
liegens auch die Kosten der Instanz zu tragen hat. 

7. Es wäre die Vornahme allgemeiner Rentenrevisionen durch 
eine eigene Commission in Erwägung zu ziehen. (J. R. u. G. B. 
No. 263 und 64, 1898.) 

Diesen Vorschlägen haben wir nicht das Geringste hinzu¬ 
zufügen, insoferne es sich um die gegenwärtigen gesetzlichen Be¬ 
stimmungen handelt; wir wünschen und hoffen aber zuversichtlich, 
dass auch No. 4 unserer Vorschläge, die sich ja im Uebrigen voll¬ 
kommen mit denen des Herrn Reg.-Raths decken, in Bälde in Er¬ 
füllung geht, zu Nutz und Frommen der 3 Factoren des ganzen 
Gesetzes: Berufsgenossenschaft, Versicherter und Arzt 


Referate und Bücheranzeigen. 

M. Wilms: Die MischgeschWülste . Heft I: Die Misch¬ 
geschwülste der Niere. Heft II: Die Mischgeschwülste der 
Vagina und der Cervix uteri (traubige Sarkome); Anh a ng : 
Mischgeschwülste der Blase und des Vas deferens. Leipzig 1899. 
Verlag von A. G e o r g i. Preis pro Heft Mk. 4.—. 

Nicht leicht auf einem Gebiete der pathologischen Anatomie 
besteht eine so beklagenswerthe Unklarheit der Auffassung und 
Ungleichmässigkeit der Bezeichnung ab in dem Gebiete der sog. 
Mischgeschwülste. Wilms hat die schwierige und 
überaus dankensworthe Aufgabe unternommen, auf Grund ge¬ 
nauer Kenntniss und Verwerthung der zum Theil erst in neuerer 
Zeit festgestellten entwicklungsgeschichtlichen Thatsaehcn der 
Frage nach der Entwicklung dieser Tumoren, welche sich aus 
drüsigen Elementen, glatter und quergestreifter Musculatur, 
Knorpel, Fett, elastischem, myxomatösem und fibrösem Gewebe 
aufbauen, näher zu treten. 

Zunächst wendet sich der Verfasser den Mischgeschwübten 
der N i e r e zu, welchen Birsch-Hirschfeld den Namen 
der „sarkomatosen Drüsengeschwülste“ oder „embryonalen Drüsen¬ 
sarkome“ beigelegt hatte. Dieser Autor hatte festgestellt, dass 
regelmässige drüsige Bildungen in diesen Geschwübten Vor¬ 
kommen; auf Grund dieses Befundes hatte er dieselben zu einer 
einheitlichen Gruppe zusammengefasst und ihre Genese von dem 
Wo 1 f f’schen Körper abgeleitet. 

Im Allgemeinen konnte W. in den von ihm selbst beobachteten 
Fällen dieselben wechselnden Gewebscomponenten nachweisen, wie 
Birch-Hirschfeld und andere frühere Untersucher, aber 
in der Deutung derselben weicht er von seinen Vorgängern be¬ 
trächtlich ab, indem er dieselben zurückführt auf die Verspreng¬ 
ung eines gemeinsamen indifferenten Keimgewebes mesodermalen 
Ursprunges, welches die Fähigkeit der Ursegment- und Urnieren- 
blastembildung noch in sich vereinigt und daher gleichzeitig epi¬ 
theliale Bildungen wie die Drüsenschläuche, sowie Derivate des 
Myotoms und des Mesenehyms zu erzeugen vermag. 

Wir müssen es uns leider versagen, auf die höchst inter¬ 
essanten Einzelheiten der entwicklungsgeschichtlichen logischen 
Beweisführung des Verfassers naher einzugehen, können aber die 

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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 


437 


27. Märe 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Leetüre der weit über den Kähmen casuistischer Mittheilungen | 
hinausgehenden Arbeit Jedem auf’s Wärmste empfehlen, der sich 
für den Ausbau und die Weiter ent wicklimg des schwierigen Ge¬ 
bietes der Onkologie interessirt. Der Verfasser hat hier zum 
ersten Mal in wirklich rationeller Weise die Thatsachen einer 
Verlagerung embryonaler Keime im Cohnhei m’schen Sinne 
nachgewiesen. Die Frage, ob eine solche einfache Verlagerung 
genügt, um einen Tumor zu bilden oder ob noch bestimmte Be¬ 
dingungen erfüllt sein müssen, damit die verlagerten Zellen in 
das unbegrenzte, geschwulstartige Wachsthum errathen, hält er 
noch nicht für spruchreif. 

Im II. Heft wendet sich der Verfasser zunächst den ebenfalls 
im frühen kindlichen Alter auf tretenden polypösen Schei¬ 
densarkomen zu, welche sich aus verschiedenen Formen des 
Bindegewebes, lockerem, myxomatösem und derbem fibrösem 
Gewebe, sowie aus glatter und quergestreifter Musculatur auf¬ 
bauen. Auch hier vertritt er wieder die Ansicht, dass die Tumoren 
mesodermale Bildungen sind. Die quergestreifte Musculatur 
welche in diesen Scheidensarkomen vorkommt, leitet sich vom 
Myotom her, während die übrigen Elemente vom Mesenchym ab¬ 
stammen. Da aber letzteres als Sklerotom seinen Ursprung vom 
Myotom nimmt, so glaubt W i 1 m s, dass die Keimversprengung, 
welche zur Bildung der polypösen Scheidensarkoms Veranlassung 
gibt, in sehr früher Zeit der foetalen Entwicklung vom Myotom 
erfolgt. 

Ebenso fasst W. die gewöhnlich erst im späteren Leben in 
Erscheinung tretenden polypösen Cervix mischtumoren als an¬ 
geborene Neubildungen auf, d. h. ihre Entwicklung ist zurück¬ 
zuführen auf eine im frühesten Entwicklungsstadium bei Tren¬ 
nung der Keimblätter eingetretene Keimversprengung. Diese 
Keimversprengung ist nicht eine Verlagerung fertiger Zell¬ 
elemente, sondern eine Verschiebung von noch undifferencirten 
Mesoderm- oder Mesenchymzellen, die erst an ihrem späteren Ent¬ 
wicklungsort die verschiedenen Gewebe, immer correspondirend 
mit der normalen embryonalen Differencirung, aus sich heraus¬ 
bilden. Diese Zellcomplexe werden von ihrem ursprünglichen 
Entwicklungsort am Ursegment durch das Wachsthum des 
Wolf fischen Ganges nach hinten in die Genitalien verlagert. 
Ebenso sind complicirte Mischgeschwülste der Blase beim Manne, 
welche sich durch das Vorkommen von Knorpel und quer¬ 
gestreifter Musculatur auszeichnen, ebenso wie die beim Weib 
vorkommenden Scheiden- und Cervixtumoren auf Versprengung 
vom Myotom und Sklerotom oder Mesoderm der hinteren Körper¬ 
region zu beziehen. Die Versprengung des Keimes in die Region 
der Blase erfolgt ebenfalls durch das caudalwärts gerichtete 
Wachsthum des Wolf Fschen Ganges. Aehnliche Verhältnisse 
gelten für die Mischtumoren, welche am Vas deferens beim Manne 
beobachtet sind. D ü r c k - München. 

H. Schameihont: L’hopitalisation des phthisiqnes 
ndcessitenx et la prophylaxie de la tuberculose anx iles Sri tan- 
niques. Anvers. J. E. Buschmann 1899. 76 S. 

Die Fürsorge für bedürftige Lungenkranke ist in England 
vielfach verschieden von der deutschen. Es existiren grosse und 
in vieler Hinsicht trefflich eingerichtete (private) Hospitäler für 
Tuberculose, doch zugleich, ohne Trennung, für andere Krank 
heiten; vor Allem in London selbst, ferner auf dem Lande, an 
der Küste. Dann giebt es „poor law infinnaries“ für chronische 
Kranke und Reconvalescentenheime, beide ebenfalls bisher ohne 
Trennung der Tuberculösen. Die Anstalten behandeln vielfach 
zugleich eine sehr grosse poliklinische Klientel. Die Luftcur 
ist noch nicht gleichmässig durchgeführt, am besten in Craig- 
leith (D. F i 1 i p). Die mögliche Aufenthaltsdauer ist allgemein 
viel zu kurz; 4—6 Mahlzeiten; in der sehr zurückhaltenden 
medicamentösen Behandlung spielt der Leberthran eine grosse 
Rolle. 

Der 2. Theil handelt von prophylaktischen Maassnahmen. 
Berechtigter Weise wird in England auf die Belehrung des 
Volkes ein besonderer Werth gelegt. Durch zahlreiche muster¬ 
hafte Bekanntmachungen, Memoranda etc. wird in den Anstalten. 
Polikliniken, durch Gesellschaften auf das Wesen und die Be¬ 
kämpfung der Lungenschwindsucht hingewiesen. Ja ein Memo¬ 
randum wird an die Hinterbliebenen an Tuberculose Verstor¬ 
bener gesendet und die sehr zahlreich verlangten Desinfectionen 
beweisen, wie sehr die Belehrung berücksichtigt wird. 

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Schliesslich folgen Bemerkungen über Infectiosität von 
Milch und Fleisch, über die verbesserungsbedürftigen Schlacht¬ 
hauseinrichtungen und -Berichte in England, über die Frage der 
Anzeigepfiieht der Tuberculose. Die Arbeit enthält zahlreiche 
interessante Ergänzungen zu dem grossen trefflichen Werk: 
„Sanatoria for consumptives“ von F. R. Walters und zu des¬ 
selben Autors Vortrag auf dem Berliner Tuberculose-Congress, 
und bildet durch die vielfach wiedergegebenen Memoranda, durch 
Eingehen auf viele Details mannigfache Anregung. 

Pischinger. 

Graefe-Saemisch : Handbuch der gesammten 
Augenheilkunde. 2. neubearbeitete Auflage. Leipzig 1900. 
W. Engelmann. 

Die neuerlich erschienenen Lieferungen No. 14 und 15 
bringen als XX. Capitel: Die Blindheit von Dr. E .Fick und 
als VIII. Capitel die Entwicklungsgeschichte des menschlichen 
Auges von Prof. M. Nussbaum. 

Fick wirft zunächst die Frage auf, ob der Blinde in der 
That so bedauemswerth sei, als dies im Allgemeinen angenommen 
wird, geht dann auf die Häufigkeit und Ursachen der Blindheit 
ein und verbreitet sich noch über die Verhütung der Blindheit 
und die Blindenfürsorge, alles Wissenswerthe in anregender 
Schreibweise und mit umfassendem Blick in kurzen Zügen dar¬ 
stellend. 

M. Nussbaum hatte bei der Darstellung der Entwick¬ 
lungsgeschichte des menschlichen Auges ein vortreffliches Vor¬ 
bild in Prof. M a n z, welcher dieses Capitel in der 1. Auflage 
bearbeitet hat. N. konnte nun die neueren Forschungen be¬ 
nützen und gibt eine gedrängte, alles Wesentliche berührende, 
durch viele Abbildungen, von denen allerdings einzelne bis zu 
5 mal wiederholt sind, veranschaulichte Darstellung, wobei 
er wegen des noch sehr mangelhaften menschlichen Materiales 
vielfach auf das Gebiet der vergleichenden Embryologie sich be¬ 
gibt. Er zieht nun nicht nur die der Wirbelthiere sondern auch 
die der Wirbellosen heran, indem er gleich in der Einleitung 
darauf hinweist und dann weiter den Beweis durchführt, dass 
Wirbellosen und Wirbelthieren die Abstammung der empfindenden 
und lichtbrechenden Theile — Retina und Linse — vom Ektoderm 
gemeinsam ist, da das Medullarrohr, welches den Mutterboden für 
die Augenblase abgibt, vom Ektoderm abstammt. Während aber 
bei den wirbellosen Thieren Linse und Retina aus einem von 
dem Ektoderm abgeschnürten Bläschen sich entwickeln, dessen 
proximale Zellen erst später mit dem Kopfganglion durch den 
Nervus opticus in Beziehung treten und dessen distale Zellen 
die Linse (als Zellenseeret) erzeugen, entsteht bei den Wirbel- 
thieren Linse und Retina jedes für sich, die Retina aus den Zellen 
einer vom Hirnrohr abstammenden, gestielten Blase, die Linse aus 
einem zweiten, später als die Augenblase auftretenden und vom 
Ektoderm der Augengegend abgeschnürten Hohlkörper. Gerne 
würde Referent sich noch über andere anregendere Gedanken des 
Verfassers äussern, wenn ihm nicht Beschränkung geboten wäre. 

S e g g e 1. 

Neueste Joumalliteratur. 

Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 11. 

Z. H I r o t a : Noch einmal zur Kakke der Säuglinge. (Aus 
der pädiatrischen Klinik zu Tokio.) 

Verfasser bestätigt die früher von ihm mitgetheilten Beobach¬ 
tungen über Kakke der Säuglinge. Die durch die Milch der au 
Kakke leidenden Mutter verursachte Krankheit der Säuglinge, 
deren wesentliche Symptome mit denen der acuten schweren Kakke 
der Erwachsenen ttbereinstimmen. Ist nichts Anderes als Kakke 
der Säuglinge. Aussetzen der Mutterbrust bewirkt beim Säugling 
Heilung der Krankheit, während im anderen Falle die Prognose 
ungünstig ist. Die Erscheinungen von schwerer Kakke können bei 
Säuglingen nicht nur bei leichtester Kakke der Mutter, sondern 
auch sehr frühzeitig schon in der Zeit auftreten, wo die Mutter noch 
vollkommen frei davon zu sein scheint. Die Indicanreaction, die 
eine sehr constante Erscheinung der Kakke der Erwachsenen ist, 
konnte wiederholt Im Harn der Mutter als einziges Zeichen der Ab¬ 
weichung vom normalen Zustande nachgewiesen werden. Einige 
sehr Interessante Krankengeschichten werden mitgetheilt. Bel der 
Verbreitung der Kakke unter Erwachsenen und Säuglingen in 
Japan sind die Beobachtungen des Verfassers von grosser Be¬ 
deutung. W. Zinn- Berlin. 

Monatsschrift füFGeburtshilfeund Gynäkologie. Bd. XL 

Heft I (Januar). (Festschrift für Schauta.) 

1) Oscar Bürger: Die Ovariotomie an der Klinik Schauta. 

Die Arbeit stellt die Erfahrungen, die in einem Zeitraum von 

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438 


MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


12 Jahren gewonnen wurden, zusammen; die Zahl der Fälle be¬ 
trägt 394, hievon wurden 334 auf abdominalem Wege operirt. 

Es wird die vaginale Operation als Concurrenzoperation gegen¬ 
über der abdominalen Ovariotomie besprochen. 

Zu den Contraindieationen für die Ovariotomie auf dem Wege 
von der Scheide aus werden gerechnet in erster Linie ausge¬ 
dehnte Verwachsungen mit der Nachbarschaft, ferner 
Stieldrehung, zu starke Grösse der Cyste. Malignität 
der Geschwulst und endlich c o 11 o 1 d e r, zähflüssiger In¬ 
halt der Cyste. Die Diagnose dieses, soweit es sich um kleinere 
Cysten handelt, dürfte allerdings kaum möglich sein. 

Bei einfachen Fällen dagegen, in denen es sich um gut beweg¬ 
liche, nicht maligne cystiselic Geschwülste handelt, sei der vaginale 
Weg vorzuziehen, und zwar aus folgenden Gründen: 

1. Der Eingriff ist ungefährlicher, da die Bauchhöhle nicht in 
so grossem Umfange eröffnet wird, wie bei der Laparotomie. 

2. Es treten geringere Störungen der physiologischen Vor¬ 
gänge auf (Menstruation). 

3. Keine Bauchhernien mehr. 

4. Keine Entstellung durch Narben. 

5. Die oft nöthig werdende Drainage ist einfacher und wirk¬ 
samer. 

6. Die Operation lässt sich leicht mit anderen Operationen ver¬ 
binden. 

7. Beconvalescenz und Heilung erfolgt rascher. 

8. Das spätere Befinden ist in einem grösserem Procentsatze 
ein günstigeres. 

2) Eduard Frank : Beitrag zur Indicationsstellung der 
Sectio caesarea. 

F. will die Anzeige zum Kaiserschnitt auch bei bedingter 
Anzeige im Gegensatz zur Perforation erweitert wissen. Er steht 
auf dem Standpunkt, dass zur Sectio caesarea die besondere Zu¬ 
stimmung der Gebärenden nicht einzuholen ist. 

3) Albin H a b e r d a : lieber den anatomischen Nachweis der 
erfolgten Defloration. 

In den Untersuchungen IT.’s hielten die Fälle, in denen ein 
nur unbestimmtes Gutachten abgegeben werden konnte, jenen, in 
denen es zu positiven Schlüssen kam. fast die Wage. 

Für ein untrügliches Zeichen von verheilter Einreissung des 
Hymen hält er die völlige Unterbrechung des Hymensaumes an 
einer oder mehreren Stellen durch eine durchgreifende Narbe, deren 
Ränder deutlich klaffen, so dass in ihrem Grunde die Scheiden¬ 
wand, wenn auch nur in äusserst geringer Ausdehnung, bloss liegt. 

4) Josef H a 1 b a n : Uterusemphysem und Gassepsis. 

H .veröffentlicht einen Fall von Utenisemphysem. bei dem die 
Krankheit schon bei Lebzeiten richtig erkannt wurde. Es wurden 
Reineulturen des speclfischen Erregers dargestellt. 

H. bespricht die einschlägigen Veröffentlichungen. 

5) Josef H a 1 b a n : Ueber die Enderfolge der operativen 
Behandlung der Retroversio-flexio uteri. 

In 7 Jahren stellten sich 4000 Frauen mit Retroversio oder 
Retroflexio uteri vor. Von diesen wurden 147 operirt. 

Die besten Erfolge gab die Ventrofixation (87.5 Proe.), ihr zu¬ 
nächst kommt die Vaginofixation (80 Proc.). an welche sieh die 
vaginale Verkürzung der Lig. rot. (70 Proc.) anschliesst. 

Die objectiven Ergebnisse der 3 erwähnten Wege sind an¬ 
nähernd gleich. 

6) Fritz Hitschmann : Decidualer Polyp des Uterus. 

Der Tumor ist am normalen Ende einer ungestört verlaufenen 

Schwangerschaft spontan p. p. abgegangen. Er besteht fast aus¬ 
schliesslich aus Drüsen, die zum Theil der Norm entsprechen, zum 
Theil decidual verändert sind. Sie sind von einer aus Decidua- 
zellen bestehenden Oberflächenmembran umkleidet. Nirgends 
atypische Zellwucherungen. Der Tumor hatte keine Verbindungen 
mit dem Chorion eingegangen. 

7) Otto Th. Lindenthal : Beitrag zur Therapie der Extra¬ 
uteringravidität. 

Innerhalb eines Zeitraumes von 9 Jahren wurden von 251 
Fällen von ektopischer Schwangerschaft 118 durch Operation mit 
Eröffnung der Bauchhöhle behandelt. Die angegebenen Zahlen¬ 
reihen sprechen für die Ansicht, dass die extra uterine Schwanger¬ 
schaft in den grösseren Städten häufiger vorkommt, als in den vom 
Verkehr abseits liegenden kleineren Provinzstädten. Es werden in 
der Arbeit hauptsächlich die Fälle besprochen, in welchen die 
Operation und die anatomische Untersuchung die Diagnose sicher¬ 
gestellt hatten. Die Tndicationen zur Operation und die Dauer¬ 
erfolge werden mitgetheilt. Die Arbeit bringt die Stellung der 
Klinik Schauta in einzelnen noch offenen Fragen in der Behand¬ 
lung der Graviditas extrauterina. 

8) Ludwig Mandl : Klinische und anatomische Beiträge 
zur Frage des completen Tubarabortes. 

M. beschreibt 2 Fülle von completem Tubarabort, bei denen 
Blutung in die freie Bauchhöhle statt hatte. Das Krankheitsbild 
wurde durch zunehmende Colinpsersoheinungen und bedrohliche 
Anaemie eröffnet. In beiden Fällen konnte makroskopisch nicht 
entschieden werden, in welcher Tube das Ei seinen Sitz gehabt 
hntte. Nur im ersten Falle Hess er sich durch die mikroskopische 
Untersuchung nachweisen. Im zweiten Falle fand sich der 
Embryo in Blutgerinnseln. 

Der erste Fall wurde vom Abdomen aus operirt, der zweite 
aus äusseren Gründen von der Scheide aus (Totalexstirpation). 

Auch an der S c h a u I a’sehen Klinik wird der Standpunkt 
vertreten, dass der für die Operation einer Extrauterinschwanger¬ 
schaft einzuschlagende Weg der abdominelle sein soll. 

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Der anatomische Abschnitt der Arbeit eignet sich nicht zu 
kürzerem Referat. 

9) Sigmund M i r a b e a u : Beitrag zur Lehre von der foetalen 
Cystenniere. 

M. erörtert auf Grund eines beobachteten Falles von foetaler 
Cysteuniere die Herkunft. Er kommt zu dem Ergebniss, dass 
alle Fälle von echter Cystenniere beim Erwachsenen sowohl als 
bei dem Neugeborenen auf embryonale Missbildung zurückzuführen 
sind. 

Es würde zu weit führen, die Gründe, die M. bestimmen, 
anzuführen und zu besprechen, da die entwickluugsgesehichtliehe 
Grundlage durchaus nicht geklärt ist. 

19) Julius N e u m a n n uud Hugo Ehrenfest : Eine neue 
Methode der inneren Beckenmessung an der lebenden Frau. 

11) Dieselben: Ueber die Bestimmung der Beckenneigung 
an der lebenden Frau. 

In beiden Arbeiten werden neue Instrumente vorgeführt, deren 
Beschreibung ohne Zeichnung unverständlich sein würde. Soweit 
ohne Nachprüfung eine Beurtheilung möglich, lässt sich sagen, 
dass die mltgetheilten Instrumente ihren Zweck zu erfüllen 
scheinen. 

12) Oscar P i e r i n g ; Ueber manuelle Behandlung (Thure 
Brandt-Schauta) in der Gynäkologie. 

Der Verfasser bespricht in der Arbeit die Technik. Anzeigen 
und Gegenanzeigen der Massage. Es wird darauf eingegangen, in 
wie weit Fälle sich zu der Behandlung In der Hand des praktischen 
Arztes eignen. 

Die Erfolge in der Schaut a’schen Klinik werden als „sehr 
gute“ bezeichnet. 

13) H. S c h m i t : Zur Kenntniss des Carcinoma psammosum 
corporis uteri. 

Im Uterus einer 73 jährigen Frau fand sich eiu Zottenkrebs 
(Papilloma earcinomatosum uteri Kttrsteiner) mit Entwick¬ 
lung von Kalkconcrenienten aus Epithelien. Dieser Vorgang 
wiederholte sich in den Tochtergeschwülsten, die in beiden Ovarien 
und in der Umgebung der Tuben vorgefunden wurden. Die Frau 
überstand die Operation, erkrankte aber später an einem Reeidiv. 

Auch dieser Fall weist auf die Nothwendigkeit hin, bei jedem 
Oorpuscarcinom die Ovarien mitzuentfernen. 

11) H. Schralt : Bericht über die an der Klinik Schauta 
ausgeführten peritonealen Prolapsoperationen mit besonderer 
Berücksichtigung der Dauerresultate. 

Die Ergebnisse der eingeschlagenen Operationswege werden 


in Folgendem zusammengefasst: 

bei der vaginalen Totalexstirpation.58 '{% Proc. 

„ „ Vaginofixation. 78,26 „ 

„ „ Fixation der Lig. rotunda. 66 2 jz „ 

„ „ Verkürzung der Lig. rotunda.75 „ 

„ „ „ der Lig. rotunda und sacrouter. . 50 


Auch andere Operationsmethoden erfahren eine Besprechung. 
6 Fälle, die Schauta im Sinne des F r e u n d’schen Vorschlages 
(Einlagerung des Uterus in das Septum ves. vag.) operirte, blieben 
bis heute reeidiv frei. 

15) Ludwig Skorscheban: 44 Fälle künstlicher Früh¬ 
geburt und deren Enderfolge. 

Die Arbeit liefert eine anerkennenswerthe Beigabe zu der 
immer noch so kleinen Statistik der künstlichen Frühgeburt 

16) Lucius Stolper: Untersuchungen über Tuberculose 
der weiblichen Geschlechtsorgane. 

Die Arbeit enthält die Ergebnisse von Untersuchungen, die, 
an einem grösseren Material ausgeführt, sich auf die anatomischen 
und histologischen Kennzeichen der Genitaltuberculose beziehen 
und in aetiologlseher und klinischer Hinsicht interessante Auf¬ 
schlüsse ergeben. 

Es wurden die Genitalien von 34 Kranken untersucht die an 
Tuberculose irgend eines anderen Organs erkrankt waren. Unter 
diesen fand sich 7 mal Genitaltuberculose. 

Die allgemein gütige Häufigkeitsreihenfolge der Erkrankung 
an den einzelnen Abschnitten des Genitalapparates wird bestätigt. 
(Tube, Uterus, Ovarien, Cervix, Vagina.) Uebergang der Tubercu¬ 
lose vom Bauchfell auf die Tuben wurde als der gewöhnliche Vor¬ 
gang beobachtet. Am häufigsten tritt die Genitaltuberculose im 
20.—40. Lebensjahre auf, doch bleibt weder das Kindesalter noch 
das Greisenaltcr verschont. 

Die im Einzelnen vorgeführten Fälle sind sehr interessant. 

Der Untersuchung dienten ferner eine Reihe von Spiritus- 
präparaten und von Präparaten, die bei Operationen gewonnen 
wurden. 

Der anatomische Befund der Tuberculose der Vulva, der 
Vagina, der Portio und des Uterus, der Tuben und des Ovariums 
wird auf Grund des vorliegenden Stoffes kritisch besprochen. 

Endlich wird auch der Diagnose der Genitaltuberculose ein 
Abschnitt gewidmet. 

17) Franz Torggler : Ueber Melanosarkom der weiblichen 
Schamtheile. 

Den 18 beschriebenen Fällen von Melanosarkom der weiblichen 
Schamtheile worden 2 weitere hinzugeftigt. 

Es folgt eine eingehende Erörterung des Krankheitsbildes, 
der pathologischen Anatomie, der Diagnose und der Therapie. 

18) Edmund Wald stein: Ueber periphere Tubensäcke 
und ihre Bedeutung für die Aetiologie der Tuboovarialcysten. 

Durch genaues Studium vieler Fälle kommt W. zu dem Ergeb¬ 
niss, dass es Tuboovarialcysteu gibt, die von Haematoceleu her- 

Original frarri 

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27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


geleitet werden müssen. Eine Auflassung, die von verschiedenen 
Gynaekologen früher schon verfochten wurde. 

Nach W. bilden die „peripheren TubensUcke“, cystische Ge¬ 
bilde mit bindegewebiger Wand, die sich am abdominellen Tuben- 
ende entwickelt haben und als Ueberrcste alter Haematocelen auf¬ 
gefasst werden, ein wichtiges Vorstadium der späteren Tuboovarial- 
cysten. 

Dem Tuboovarialabscess soll eine selbständige Stellung neben 
den Tuboovarialeysten und den peripheren Tubensücken einge¬ 
räumt werden. 

19) E. Werthheim: Beiträge zur Ureterenchirargie. 

W. vermehrt die Literatur der Ureterenchirargie um einige 
Fälle. Er betont in der Arbeit einzelne Punkte schärfer, als es 
bisher geschehen, ohne sich in Gegensatz zu den augenblicklich 
geltenden Ansichten zu stellen. A i c h e 1 - Erlangen. 

Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 16. Band. 
3. und 4. Heft. (Mit 7 Abbildungen im Text und 3 Tafeln.) 

4) Nebelthau: Heber Syphilis des Centralnervensystems 
mit centraler Gliose und Höhlenbildung im Bückenmark. 

Da in dem vorliegenden Fall die Seetion eine ganz zweifellos 
syphilitische Erkrankung des Gehirnes ergab, so hält es Verl', nicht 
nur für berechtigt, sondern auch für das Naheliegendste, auch die 
centrale Gliose mit Höhlenbildung als auf syphilitischer Basis 
entstanden, anzusprechen. 

5) v. Bechterew - Petersburg: Ueber paradoxe Pupillen- 
reaction und über pupillenverengernde Fasern im Gehirn. 

Yerf. beobachtete bei einem Patienten, bei dem noch andere 
Symptome auf eine syphilitische Gerebralaffeetiou hindeuteten, 
die als paradoxe Pupillenreaction bezeichnete Erscheinung, welche 
darin bestand, dass die vor der autisyphilitisehen Cur ganz starren 
Pupillen im Laufe der Behandlung wieder Lichtreactiou zeigten 
und zwar derart, dass sich die eine Pupille sowohl bei directem 
Uchte in fall wie auch bei Belichtung des anderen Auges erweiterte. 
Am anderen Auge trat die paradoxe Reuetiou nur bei directer Be- 
leuchtuug ein und liess sich nur zwei- bis dreimal hintereinander 
bervorrufen, worauf die Pupille wieder für einige Zeit starr wurde 
und erst später wieder die genannte Reaction gab. Die primäre 
Störung der Pupillenreaction erklärt Verf. aus einer Affection 
in den Oeulomotoriuskernen, speciell im Centrum der Iris. Die 
paradoxe Keaction fasst er auf als ein Zeichen von leichter Ermüd¬ 
barkeit der in Regeneration begriffenen, aus Elementen des Iris¬ 
centrums entspringenden Pupillenfaserii, welchen zu Folge bei 
mässiger Beleuchtung, z. B. bei Tageslicht, die Pupille sich nur 
in geringem Grade verengert, während bei intensiverer Beleuch¬ 
tung der durch Lichteinwirkung auf die Retina angeregte Pupillen- 
reiiex schon ganz im Beginne aufhört und die Thätigkeit des 
Pupillencentrums zeitweilig mehr oder weniger vollständig herab¬ 
gedrückt wird. 

6) v. Bechterew- Petersburg: Ophthalmoplegie mit peri¬ 
odischer, unwillkürlicher Hebung und Senkung des oberen 
Lides, paralytischer Ophthalmie und einer eigenartigen op¬ 
tischen Illusion. 

7) Lapinsky: Zur Frage von der Degeneration der Ge- 
fäs8e bei Laesion des N. sympathicus. (Aus dem Laboratorium 
von Prof. H. Oppenheim - Berlin.) 

Zusammenstellung der einschlägigen Literatur und Mit¬ 
theilung der eigenen Versuche. Einzelheiten müssen im Original 
nachgesehen werden. 

8) Heiligenthal - Baden-Baden: Beitrag zur Kenntniss 
der chronischen ankylosirenden Entzündung der Wirbelsäule. 
(Aus der Abthellung des Herrn Dr. Schlesinger - Wien.) 

Verf. bespricht die einschlägige Literatur und theilt dann 
die Krankengeschichten von 5 die genannte Erkrankung in mehr 
oder weniger ausgeprägter Form auf weisenden Fällen mit. Verf. 
erörtert eingehender die Frage, ob es sieh bei dieser Krankheit 
um einen einheitlichen Krankheitsproeess oder um mehrere in 
ihren Enderscheinungen übereinstimmende, an und für sich ver¬ 
schiedene Affectionen handelt, ferner, ob zwischen den von Bech¬ 
terew einerseits und von Strümpell -Marie andererseits be¬ 
schriebenen Formen ein principieller Unterschied auzunelimen sei. 
Die Schlussfolgerung aus seinen Beobachtungen lautet: Die chro¬ 
nische Steifigkeit der Wirbelsäule mit Betheiligung der grossen Ge¬ 
lenke Ist ein Syiuptomeucomplex, der im Verlaufe verschiedener 
zu chronischen Gelenkveründerungen führender Kraukheitsformen 
sich ausbilden kann und stellt somit keine in sich abgeschlossene 
von anderen nach Aetiologie, Verlauf und Loealisation streng zu 
scheidende Krankheit dar. 

9) Wappen sehmidt: Ueber L a n d r y’sche Paralyse. 
(Aus dem patholog. Institut München.) 

Einer Zusammenstellung der Literatur über den als Landry- 
sche Paralyse bezeiehneten Symptomencoinplex mit genauerer Mit- 
theilung der einzelnen klinischen und anatomischen Befunde folgt 
die ausführliche Beschreibung eines Falles eigener Beobachtung 
mit Krankengeschichte. Sectionsprotokoll und Bericht über die 
mikroskopischen Befunde am Rückenmark und den peripheren 
Nerven. Der vorliegende Fall zeigt zwar klinisch deutliche Er¬ 
scheinungen einer Neuritis, welche jedoch keine anatomische Be¬ 
stätigung fand. Es handelte sich um eine rein spinale, aufsteigende, 
zuletzt die Medulla oblongata ergreifende Erkrankung. Auf Grund 
seiner Beobachtung hält sich Verf. zu der An nah wie berechtigt, 
dass es sich in vielen Fällen von „buibärer“ Form der Landry- 
schen Paralyse um eine Infection bezw. Intoxieation handelt. 

10) Besprechungen. Heller- Erlangen. 

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489 


Archiv für Hygiene. Bd. XXXVI, Heft 2. 

Johann Schneider: Zur Desinfectionswirkung des Giyc«- 
formals unter Anwendung des L i n g n e r’schen Apparates. 

(Aus dem hygienischen Institute der deutschen Universität in Prag; 
Vorstand: Prof. H u e p p e.) 

Die Untersuchung ergab, wie die zahlreicher anderer Unter¬ 
sucher, dass man durch Zerstäuben der L i n g u e r’scheu Formalin- 
glyeeriuniischung in einer mehr als 3 ständigen Einwirkung 
sichere Obertiäckendesinl'ection in Zimmern erhält. Der Glyceriu- 
zusatz ist aber dabei ganz uunülhig und belästigend, mit 40 proe. 
wässeriger Forinaldehydlüsung lässt sich das Gleiche erreichen 
und die Verschmierung der Objecte durch das Glycerin lallt weg. 
Die einfachen Zerstäubungsapparate von Flügge, O z a - 
p 1 e w s k i und Pr a u s u i t z thun die gleichen Dienste wie der 
kostspieligere und complieirtere von Lingner. 

Stanislaus Epstein: Untersuchungen über das Dunkel¬ 
werden der Zuckerrübensäfte. (Alis dem hygienischen Institute 
der deutschen Universität in Prag.) 

Die Dunkelfärbung frischer Rübensäfte beruht: 

1. Auf Oxydationsprocesseu, denn sie bleibt bei Sauerstoff- 
abschluss, d. h. wenn der Presssaft unter Oel aufgefangen wird, 
aus. 

2. Nicht auf BacterienWirkung, denü sie tritt sofort beim Ein¬ 
pressen in Aether und Chloroform auf. 

3. Auf der Anwesenheit eines Üxydationsfermeutes einer Oxy- 
dase. Als Beweis dafür wird angeführt: Blausäure, welche alle 
Fermentwirkimg aufhebt, verhindert auch das Dunkelwerden des 
►Saftes trotz Luftzutritt. Gekochter Saft gibt mit Wasserstoffhyper- 
oxyd keine Sauerstoft'eutwieklung, wohl dagegen frischer. Nicht 
allgestellt scheint der Versuch, gekochten Rübensaft mit kleineu 
Mengen frischen Saftes zu impfen und dadurch seine Dunkelfär- 
buug zu veranlassen. 

4. Tyrosin scheint nicht die Muttersubstanz, aus der die Oxy- 

dase den dunklen Farbstoff abspaltet. . 

Stanislaus Eps'tein: Untersuchungen über * die Berscht 
oder Barszcz genannte Gährung der rothen Bäiben. (Aus dem 
hygienischen Institute der deutschen Universität in Prag.) 

Diese Gährung kann durch 3 verschiedene Bacterien hervor¬ 
gebracht werden, welche allein oder zusammen thatig sein können 
und Milch- und Essigsäure bilden. Auaerob ist die Säurebilduug 
etwas geringer als aerob. 

Konrad Mann: Zur Cellulosebestimmung im Kothe. (Aus 
dem hygienischen Institut in Würzburg.) 

Bestimmt man nach der Weender Methode Cellulose im Koth, 
so ündet man zuweilen mehr als in der eingeführten Nahrung. 
Die Weender Rückstände enthalten wesentliche Mengen Stickstoff, 
was zu der Ueberzeugung führt, dass auch gewisse albuminoide 
Körper den Verdauungsferineiiten und der Weender Kochung 
widerstehen. Ein solcher Körper ist das Elastiu. Unter der An¬ 
nahme, dass der N-Gehalt des nach der Weender Methode ge¬ 
fundenen Kothrüekstaudes auf Eiweiss und der Rest auf Cellu¬ 
lose zu beziehen ist, gelangt von der Cellulose des feinen Weizen- 
brodes etwa die Hälfte im menschlichen Darmcanal zur Lösung. 

Konrad Mann: Ueber das Verhalten des Elastins im 
Stoffwechsel des Menschen. (Aus dem hygienischen Institut in 
Würzburg.) 

Von dem nach den besten Methoden gereinigten Elastin wies 
Mann in sorgfältig ausgeführten Stoff Wechsel versuchen nach, 
dass es im Stande sei, bei gemischter Nahrung von einer 103 g be¬ 
tragenden Eiweissration wenigstens für kurze Zeit % zu ersetzen, 
ohne dass dadurch das Stickstoffgleichgewicht gestört wird. 

Das Resultat ist besonders auch desswegen interessant, weil 
der Versuch nebenbei gezeigt hat, dass die Stickstoffausselieiduug 
im Koth an den Elastintagen etwas erhöht, im Harn dagegen 
etwas vermindert ist. Das Stickstoffgleichgewicht ist also uube- 
eiutiusst geblieben, obwohl etwas weniger Stickstoffsubstaiiz re- 
sorbirt scheint. Elastin gewinnt durch diese Beobachtung für die 
Ernährung des Menschen etwa dieselbe Bedeutung wie Leim. 

E. L e v y und Hayo Bruns: Zur Hygiene des Wassers. 
(Aus dem hygienischen Institut der Universität Strassburg.) 

Die Verfasser haben in Erkenntniss der Schwierigkeit, mit 
Hilfe directer oder moditieirter Plattencultur spärlicher vorhandene 
pathogene Mikroorganismen aus verdächtigem Brunnen- oder 
Leitungswasser zu gewinnen, nach Verbesserung der Methodik ge¬ 
strebt. Sie versuchten u. a. Typhusbacterien dadurch nachzu- 
weisen, dass sie 100 ccm Wasser mit 1 Proe. Pepton und 1 Proe. 
Kochsalz versetzten und nach 48 stüud. Bebrüten von demselben 
auf Kaninchen übertrugen und im Serum Agglutinine suchten. 
Selbst bei ziemlich reichlicher .Anwesenheit von Typhusbacterien 
im Wasser misslang diese Methode. Dagegen wiesen die Verf. 
virulente Coli- und Proteusstämme dadurch nach, dass sie wieder 
100 ccm des Wassers mit 1 proe. Pepton und Kochsalz versetzt 
48 Stunden bebrüteten; gab nun 2 ccm iutraperitoneal zum Tode 
eines Meerschweinchens (oder 2 ccm intravenös zum Tode eines 
Kaninchens) Veranlassung, so waren virulente Stämme nachge¬ 
wiesen, wie sie nach den Autoren in reinem Wasser nie Vor¬ 
kommen. Ca. 50 Coli resp. 120 Proteus in 100 Wasser sind nach 
der Anreicherung, selbst wenn sehr viele Wasserbacterien daneben 
vorhanden sind, so noch nachweisbar. 

Verfasser berichten zum Schluss über eine eisüsser Typhus- 
epidemie von einem Brunnen ausgehend. Typhusbacterien waren 
zwar im Brunnen nicht uachzuweisen, wohl aber aashaft stinkende 
Proteusculturen aus ihm zu gewinnen, obwohl der Brunnen ein 

Original fro-rri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



440 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


4 Meter tief eingeschlagener Abyssinier war, dessen Inspection 
nichts Auffallendes ergeben hatte. In der grobkiesigen, oft nur 
dünne Humusdecken zeigenden Rheinebene sind die Abyssinier 
am besten etwa S Meter tief zu schlagen. 

Heinrich Wolpert: Ueber den Einfluss der Luftfeuchtig¬ 
keit auf den Arbeitenden. (Aus dem hygienischen Institut der 
Universität Berlin.) 

Die sehr zahlreichen Versuche am Menschen ergaben etwa 
Folgendes. 

Es wird ausgeschieden pro Stunde: 


I. ln trockener Luft: 


Temperatur 

Ruhe 

Mittlere ‘Arbeit 

Ö000 mkg pro Stunde 

Sehr schwere Arbeit 
15000 mkg pro Stunde 

15° 

50° 

i 55 

55 

20° 

G0 0 

1 GO 

70 

25° 

65° 

105 

150 

30° 

100' 

145 

220 

35° 

j 1G0° 

170 

—• 


II. in 

feuchter Luft: 



Mittlere Arbeit 

Sehr schwere Arbeit 

Temperatur 

Ruhe 

j 5000 mkg pro Stunde 

15000 mkg pro Stunde 

1 

15° 

20'’ 

25 

25 

20° 

25° 

50 

— 

25° 

35° 

85 

— 

30° 

G5 U 

110 

-— 

Wo jZah 

len fehlen, 

war es unmöglich, 

die entsprechenden 


Werthe zu bestimmen. 

Hieraus folgt, dass mittlere, ja schwere Arbeit bei Tempera¬ 
turen von 15—20 0 ohne wesentlichen Einfluss auf die Wasser¬ 
abgabe ist, in trockener Luft tritt erst bei 25 °, in feuchter von 20 u 
ab eine deutliche Steigerung der Wasserabgabe auf und zwar 
steigert starke Arbeit mehr als mittlere. Während zwischen 20 
und 30° die Wasserabgabe von Grad zu Grad bei Arbeit stärker 
zunimmt als bei Ruhe, übersteigt die Wasserabgabe bei Arbeit 
zwischen 30 und 35° die bei Ruhe wieder in viel geringerem 
Maasse. Dies lässt sich unter Berücksichtigung des subjectiven 
Befindens auch ausdrücken: 

Der Wasserdampfzuw r achs aus Arbeit gegenüber Ruhe ist da 
am geringfügigsten, wo die Arbeit zu keiner Schweissbildung führt, 
und da am grössten, wo für die Ruhe zwar keine Schweisssecretion 
statt hat, letztere jedoch alsbald durch die Arbeit erregt wird. 
Schwitzte die Versuchsperson schon In der Ruhe stark (extreme 
Temperatur), so war die Wasserausscheidung durch Arbeit be¬ 
sonders schwach vermehrt. 

Für die Kohlensäureausscheidung findet Wolpert die auf¬ 
fallende Thatsache, dass es scheint, als ob die Kohlensäuren us- 
scheidung bei hohem spec. Gewicht des Menschen in feuchter Luft 
vermehrt sei gegenüber trockener, während für Menschen mit 
niedrigem spec. Gewicht gerade in feuchter Luft eine Abnahme 
eintrete. 

Von besonderem Interesse ist der Fund, dass es eine zweite 
„obere“ chemische Wärmeregulation gibt. Bei extrem hohen Tem¬ 
peraturen geht mit starkem Steigen der Wasserausscheidung in 
trockener wie feuchter Luft die Kohlensäureausscheiduug sehr 
stark zurück. 

Als zweckmässigste Feuchtigkeit bezeichnet Wolpert 
schliesslich für den Ruhenden: 

Bei 15 0 etwas feuchtere Luft bis gegen 70 Proc., da sie wärmer 
empfunden wird als trockene, Luft von 15 u und 30 Proc. wirkt ent¬ 
schieden belästigend durch Austrocknung der Schleimhäute. 

Bei 18—20° 40—00 Proc. relat. Feuchtigkeit, in Hemdärmelu 
event. auch bis 70°. 

Bei 25—30 ° 30—40 Proc. relat. Feuchtigkeit. Die Luft trocknet 
nicht mehr so stark aus wie bei niedrigerer Temperatur, feuchtere 
Luft behindert Wasserabgabe und wird als schwül empfunden. 

Für den Arbeiter liegen die Verhältnisse ähnlich — nur wlnl 
überall eher grössere Lufttrockenheit wünschenswerth sein — 
wenn Irgend möglich sollte bei der Arbeit keine Schweisssecretion 
eintreten. 

Heinrich Wolpert: Heber die Grösse des Selbstlüftungs- 
coefficienten kleiner Wohnräume. (Aus dem hygienischen In¬ 
stitut der Universität Berlin.) 

1. Die Selbstlüftung der üblichen kleinen Wohnräume in Gross¬ 
städten ist ungeachtet der heutigen leichten Bauweise, auch für 
den grössten Theil der kalten Jahreszeit eine geringe, weit ge¬ 
ringer als man bisher annahm. (Sie betrug im Mittel der Versuche 
nur (».308 Raumtheile, bei 12,6° Temperaturdifferenz zwischen 
Zimmer und Freiem, woraus 0,025 für 1° Temperaturdifferenz). 

2. Die Selbstlüftung ist für kleine Wohnräume relativ grösser 
als für grosse Wohnräume. 

3. Die Küche lüftet zumeist relativ weit besser von selbst als 
die anderen Räume der Wohiiung, einmal sicher desshalb, weil 
sie nicht tapezirt zu sein pflegt; dann wohl auch, weil sie regel- 

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mässig kleiner ist; und drittens vielleicht, weil sie üblicher Weise 
nur einfache Fenster hat, die Wohnräume dagegen meistens mit 
Doppelfenstern versehen sind. 

4. Die Selbstlüftung einer Wohnung in der kalten Jahreszeit 
ist bedeutend grösser, wenn sie sich in einem schlechten baulichen 
Zustand befindet. Verwahrloste Kellerwohnungen zeigen daher 
im Winter eine vorzügliche Selbstlüftung. 

5. Die Selbstlüftung eines Wohnraumes ist um so geringer, 

je mehr er eingebaut ist. Die Selbstlüftung der Hofzimmer ist 
daher wesentlich geringer als jene der Vorderzimmer (sie betrug 
im Mittel der Versuche nur zwei Drittel der Lüftung der Vorder¬ 
zimmer); und es ist anzunehmen, dass auch die Selbstlüftung der 
Wohnungen auf dem Lande und in kleinen Städten grösser sein 
wird als in der Grossstadt. K. B. Lehmann -Würzburg. 

Centralblatt für ßacteriologie, Parasitenknnde und In- 
fectionskrankheiten. 1900. Bd. XXVH., No. 9. 

1) Bruno Galli-Valerio - Lausanne: Notes de p&raaito- 
logie. 

Einige Notizen über Trichomonas caviae bei Meer¬ 
schweinchen, Totanus chalidris und Botriocephalus 
cristatu s. 

2) A. Celli und G. Delpino-Rom: Beitrag zur Er- 
kenntniss der Malariaepidemiologie vom neuesten aetiologischen 
Standpunkte aus. (Vorläufige Mittheilung.) 

Im Anschluss an ihre erste Mittheilung über das Auftreten der 
Malaria, welche vom März bis 31. August auf dem Gute Cerveletta 
bei Rom beobachtet wurde, theilen die Verfasser die Ergebnisse 
der Beobachtungen mit, die sie vom September bis Februar gemacht 
haben. Es kommen während dieser Zeit doppelte und auch drei¬ 
fache Infectionen vor, und besonders herrscht die Epidemie Im 
dritten Viertel des Jahres; doch treten neue Fälle auoh bis in den 
folgenden Januar hinein auf. Dies erklärt sich dadurch, dass im 
August und September noch eine Menge Larven im Wasser, und 
Mücken in der Luft leben, die nach den heftigen Regengüssen 
Ende September merklich abnehmen. Die noch später auf tretenden 
Fälle werden als Recidive erst unbemerkt gebliebener lnfection 
angesehen oder sie sind die Folge von Stichen der in den 'Woh¬ 
nungen verbliebenen Stechmücken. 

Eine Zusammenstellung der Malariafälle in den Kranken¬ 
häusern zu Rom und Mailand lässt erkennen, dass in den kälteren 
Klimaten das Minimum der Malariafieber im Februar und März ist, 
in Rom und anderen wärmeren Plätzen dagegen im Juni. 

3) Robert B e h 1 a - Luckau: Ueber neue Forschungswege der 
Erebsaetiologie. 

Verfasser bespricht in seiner Abhandlung alle jemals be¬ 
tretenen Wege zur Erforschung der Krebsaetiologie, den der 
Speeulation, der Uebertragung, der experimentellen Erzeugung, 
der parasitären Forschung, ferner in wie weit durch statistische Er¬ 
hebungen, durch Ermittelung der Bevölkerungsdichtigkeit, der 
Nahrungsweise, der Trinkverhältnisse, des Berufes, der constitutio- 
nellen Krankheiten, der meteorologischen, geologischen und geo¬ 
graphischen Verhältnisse zur Ermittelung der Aetiologie des Car¬ 
einoms beigetragen wurde. 

Der neuerdings mehrfach ausgesprochenen Ansicht, der Krebs 
sei eine durch Sporozoen erzeugte Krankheit, glaubt Verfasser nicht 
beitreten zu können, sondern nimmt vielmehr an, dass*4ie Krebs- 
infectionskeime aus dem Pflanzenreich und zwar aus dem Pilzreich 
stammen müssten. 

4) Ludwig Cohn- Königsberg: Zur Systematik der Vogel¬ 
taenien IV. R. O. Neumann - Berlin. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 12. 

1) L i e b e r m e i s t e r - Tübingen: Ueber Antipyrese. (Säcu- 
larartikel.) 

L. gibt einen kurzen Rückblick auf die früheren Anschau¬ 
ungen über das Wesen des Fiebers und besonders über die Frage, 
ob es zweckmässig sei, die Temperatur künstlich herabzusetzen. 
Da die Functionen lebenswichtiger Organe, namentlich des Herzens 
und Gehirnes, durch hohes Fieber schwer gestört werden, so hat 
die neue Zeit die frühere Anschauung beseitigt, dass das Fieber 
als etwas Heilsames überhaupt nicht bekämpft werden dürfe. 
Die Anwendung kalter und kühler Bäder führt L. mit der Absicht 
herbei, um ausreichende Remissionen continuirlich hoher Fieber 
zu erzielen, da schon hiedurch der schädliche Einfluss des Fiebers 
gemildert wird und zwar gibt L. die Bäder Nachts, wo die Tem¬ 
peratur an sich zur Remission neigt. Die medlcamentöse Anti¬ 
pyrese ist nicht ganz zu entbehren. 

2) Schaper-Berlin: Die Heilerfolge bei Lungentuber- 
culose in der Charitö während der letzten 10 Jahre. 

Wird in den Berichten über die Sitzungen der Charitö-Aerzte 
referirt. 

3) B. F r ä n k e 1 - Berlin: Das Tuberculin und die Früh¬ 
diagnose der Tuberculose. 

Fr. empfiehlt die probatorische Anwendung des Tuberculins 
als eines sehr empfindlichen Reagens auf Tuberculose mit dem 
erneuten Hinweis, dass Irgend eine dauernde Schädigung durch 
das Mittel ausgeschlossen sei. Verf. beginnt bei Erwachsenen mit 
0,001 und steigt unter 3—4 Tagen Pause auf 0,01. Wer bei diesem 
Verfahren keine Reaction zeigt, hat keine Tuberculose. Besonders 
bei der Frühdiagnose der Tuberculose versagt das Tuberculin nie¬ 
mals. Wichtig ist die probatorische Anwendung desselben, ins- 

Qriginal frorri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


441 


besondere bei zweifelhaften Fällen von Chlorose, ferner bei Skro- 
pb illose. 

4) E. P o n f i c k - Breslau: Die Entwicklung der Entzün¬ 
dungslehre im 19. Jahrhundert. (Säcular-Artikel.) 

(Fortsetzung.) 

5) N o e b e 1 - Zittau und Löhnberg: Aetiologie und 
operative Kadicalheilung der genuinen Ozaena. 

(Schluss folgt.) Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 11. 

1) J o 11 y : lieber einen Fall von doppelseitiger Facialis- 
lähmung. (Aus der Nervenklinik der Königl. Charitö in Berlin.) 

Vortrag mit Demonstration, gehalten im Verein für Innere 
Medicin am 19. Febrar 1900. Referat siehe diese Wochenschrift 
No. 9, pag. 306. 

2) A. L u c a e : Zur physikalischen Feststellung einseitiger 
Taubheit, resp. Schwerhörigkeit. 

Erwiderung auf die von R ö h r in No. 2 dieses Jahrganges der 
Deutsch, med. Wochenschr. veröffentlichten Kritik des Lucae’- 
sehen Verfahrens zur Feststellung einseitiger Gehörstörungen. 

3) Gerber- Königsberg: Ein Doppeldiaphanoskop zur 
Durchleuchtung der Himhöhlen. 

Das hier beschriebene, aus zwei V o h s e n’schen Lampen be¬ 
stehende Instrument scheint für specialärztliche Zwecke in der 
Rhinologie grosse Vorzüge zu besitzen, doch erfordert der Ge¬ 
brauch desselben grosse Uebung. 

4) A1 b u - Berlin: Die diätetische Behandlung der Magen¬ 
erweiterung. 

Durch die neueren Untersuchungen ist nachgewiesen, dass für 
die Nahrungsaufnahme weit weniger die Resorption von Seite des 
Magens, als die Fähigkeit desselben, die Ingesta in den Darm zu 
entleeren, in Frage kommt. Flüssigkeiten werden am raschesten 
ausgetrieben, darnach breiige Speisen, am längsten verweilen 
naturgemäss die festen Nahrungsmittel. Dies gilt ebensowohl für 
den gesunden wie den kranken Magen. Angesichts dieser That- 
sache ist die Trockendiät bei den verschiedenen Formen der Magen¬ 
erweiterung entschieden zu verwerfen und stellt A. eine haupt¬ 
sächlich aus flüssigen Nahrungsmitteln bestehende zweckent¬ 
sprechende Diät zusammen. In erster Linie kommt die Milch in 
Betracht, welche in verschiedenen Formen, mit oder ohne Zusätze, 
verwerthet wird, daneben Eier, die künstlichen Eiweisspräparate 
(Plasmon), feine Gemüse (Spinat, Spargel, Blumenkohl u. s. w.), 
gewiegtes oder gehacktes Fleisch, Gehirn, Thymusdrüse u. s. w. 
Die Vertheilung der Mahlzeiten ist so einzurichten, dass jeweils 
nur ganz geringe Mengen, aber in kurzen Zwischenräumen ge¬ 
geben werden, so dass bei Aufnahme der folgenden Mahlzeit der 
Magen die erst gegebene bereits In den Darm entleert hat. Durch 
Massage und Faradisation des Magens wird dessen Function unter¬ 
stützt. 'Werthvoll ist ferner im Anschluss an die event. täglich vor¬ 
zunehmende Magenspülung die Eingiessung einer grösseren Quan¬ 
tität leicht resorbirbarer Nährflüssigkeit vorzunehmen. 

5) G. Z e p 1 e r - Berlin: Beiträge zur orthopädischen Be¬ 
handlung der Lage Veränderungen des Uterus. — Quere Spreiz¬ 
ung des Scheidengewölbes. (Schluss aus No. 10.) 

Z. empfiehlt an Stelle der bisher üblichen Pessare eine quere 
Spannung der Scheide in ihrem oberen, blindsackförmigen Ende, 
dem Scheidengewölbe, durch eine entsprechende Modification der 
biegsamen Mutterringe. Der hier gemachte, auf anatomische 
und klinische Beobachtungen gestützte Vorschlag wird, sobald 
genügendes Material vorliegt, in ausführlicher Weise behandelt 
werden. F. Lacher - München. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 11. 

1) V. Eisenmenger -Wien: Ueber die sogenannte peri- 
carditische Pseudolebercirrhose (Fr. Pick). 

Verf. wendet sich gegen die von Fr. Pick erfolgte Auf¬ 
stellung der oben genannten Krankheitsspecies mit einer Reihe 
formeller, besonders aber klinischen und pathologisch-anatomischen 
Thatsachen entstammender Einwände und zieht aus seinen Er¬ 
wägungen folgende Schlüsse: Es ist richtig, dass im Gefolge einer 
adhaesiven oder schwieligen Pericarditis verhältnissmässig häufig 
hochgradiger Ascites ohne Beinoedem entsteht, was bei latenter 
Pericarditis Aehnlichkeit mit Lebercirrhose hat. Dieser Sym- 
ptomencomplex beruht aber nicht auf den von Pick angeführten 
Gründen, sondern bei den verschiedenen Fällen auf verschiedenen 
Ursachen, z. B. Zerrungen, Compression, Knickungen der unteren 
Hohlvene, mediastinalen Schwielen, Peritonitis an der Leber¬ 
pforte etc. Der P i c k’sche Symptomencomplex kann daher nicht 
als einheitliches Krankheitsbild betrachtet, sogar der ihm von 
Pick beigelegte Name kann nicht acceptirt werden. 

2) E. T o f f - Braila: Haematokolpos und Haematometra 
in Folge von Atresia hymenalis congenita. 

Die 13 jährige Patientin zeigte einen rundlichen Tumor, ähn¬ 
lich einem Uterus im 5. Monat der Gravidität, das Becken war 
durch eine fluctuirende, fast kindskopfgrosse Masse ausgefüllt, 
zwischen den Labien erschien ein dunkelblaurother Tumor. Nach 
Incision desselben entleerte sich circa 1 Liter dunkelbraunrothe 
Flüssigkeit. Unter Spülungen mit schwacher Sublimatlösung 
baldige Heilung. Eine Tante der Patientin hatte an dem nämlichen 
Uebel gelitten. Verf. glaubt, dass es sich bei den Fällen von 
Atresie nicht um zufällige Störungen, sondern um tiefere Eigen- 
thümlichkeiten der Organisation handelt. T. bespricht noch die 

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klinischen Symptome der Anomalie. Für die Entleerung durch 
Punction ist zu berücksichtigen, dass der Inhalt in Eiterung über¬ 
gehen und Pyometra, Pyosalpinx entstehen kann. Periodische 
Dilatation der gemachten Oeffnung ist angezeigt. 

3) V. B 1 u m-Wien: Zur Diagnostik der Oesophagusdivertikel. 

Der 66 jähr. Patient klagte über Schlingbeschwerden (Stecken¬ 
bleiben im Halse), besonders bei Aufnahme grösserer Bissen; bei 
Druck auf den Hals entleerten sich Speisen zurück in die Mund¬ 
höhle. Der Zustand wurde zurückgeftihrt auf eine durch Ver¬ 
schlucken eines Knochens erzeugte Verletzung des Oesophagus. 
Mit der Sonde konnte das Bestehen eines Divertikels erwiesen 
werden, dessen Form sich mittels Röntgenstrahlen (Verabreichung 
einer 5 proc. Wismuthmixtur, oder Einführung eines mit concen- 
trirter Bromkalilösung gefüllten Ballons in den Sack) fesstellen 
liess. Das Divertikel gehörte der hinteren Oesophaguswand an. 

Dr. Grassmann - München. 


Englische Literatur. 

W. Edgar M a c h a r g : Eine Analyse von 57 Fällen von 
puerperaler Infection. (Brit. Med. Journ., 17. Febr.) 

Verf. beobachtete diese 57 Fälle im Belvedere Fieber Hospital 
zu Glasgow während einer Periode von 18 Monaten. 31 hälle 
starben, 21 wurden secirt. In einer Tabelle werden sehr übersicht¬ 
lich die Befunde bei den Sectionen angegeben. Von den tödtlieh 
verlaufenden Fällen waren über die Hälfte I. Parae und zwar war 
meist Kunsthilfe bei der Geburt nöthig gewesen. Die Krankheit 
begann gewöhnlich schon am 2. Tage nach der Entbindung und 
wurde meist nach 2 Wochen tödtlieh. Ich übergehe die zahlreichen 
interessanten statistischen Bemerkungen des Verf. und verweise 
zu deren Studium auf das Original. Was die Behandlung anlangt, 
so wurden in jedem Falle zweimal täglich antiseptische Uterus¬ 
spülungen vorgenommen und der Uterus in der Zwischenzeit lose 
mit Jodoformgaze tamponirt. Ausschabungen wurden schlecht ver¬ 
tragen, führten zu Schüttelfrost und Wiederaustieg des Fiebers, 
so dass man später von ihnen nur noch Gebrauch machte, wenn 
(was nur zweimal vorkam) in der Uterushöhle zurückgebliebene 
Reste der Placenta und Eihäute sich befanden. Grosse Dosen 
von Chinin hatten keinen guten Einfluss. Antistreptococcenserum 
(Burroughs und Wellcome) wurde 9 mal angewendet und zwar nur 
in Fällen, in denen Streptococcen bacteriologiseh nachgewiesen 
werden konnten. 7 mal fand man nur Streptococcen, 2 mal Strepto¬ 
coccen und Bacter. coli. 6 Fälle wurden durch die Behandlung 
überhaupt nicht beeinflusst; in 1 Falle trat nach den Einspritz¬ 
ungen Abfall der Temperatur ein, doch starb die Kranke, in 1 Falle 
handelte es sich um zweifelhaften und nur in 1 um einen scheinbar 
sicheren Erfolg. Einmal wurde Ausschlag nach den Einspritz¬ 
ungen beobachtet, im Allgemeinen hatten dieselben keine Neben¬ 
wirkungen, Verf. verspricht sich aber von ihnen auch keinen Er¬ 
folg. Einen Erfolg sieht er nur in der Weiterausbildung der chi¬ 
rurgischen Behandlung und zwar in der frühzeitigen abdominalen 
Totalexstirpation des Uterus und unter Umständen der Anhänge. 

H. W. Webber: Fall von Puerperalfieber, in dem eine 
einmalige Seruminjection Heilung brachte. (Ibid.) 

Das Studium der beigegebenen Fiebercurve ergibt, dass die 
Temperatur schon vor der Einspritzung von 10 ccm Antistrepto¬ 
coccenserum etwas gefallen war, immerhin besserte sich das All¬ 
gemeinbefinden der benommenen und fast sterbenden Frau sofort 
nach der Einspritzung. , _ .. 

Alex J. Anderson: Erysipel und Puerperalfieber und ihre 
Behandlung mit Antistreptococcenserum. (Ibid.) 

Krankengeschichten von 2 Erysipelfällen und 1 Fall von 
Puerperalfieber, bei denen die Serumbehandlimg, 10 ccm alle 
24 Stunden, eine sehr rasche Besserung und Heilung herbeiführte. 

Alfred H. H u t h : Heirathen zwischen Blutsverwandten 
und Taubstummheit. (Lancet, 10. Febr.) 

Es kann hier nur auf das Original verwiesen werden, da die 
fast ausschliesslich aus statistischen Tabellen bestehende Arbeit 
sich nicht gut referiren lässt. Verf. kommt übrigens zu dem 
Schlüsse, dass Heirathen unter Blutsverwandten in keiner Welse 
für die Geburten taubstummer Kinder verantwortlich gemacht 
werden können. Besteht allerdings in einer Familie Belastung 
zur Taubstummheit, so wird die Wahrscheinlichkeit eines taub¬ 
stummen Abkömmlings grösser, wenn 2 Mitglieder dieser Familie 
sich heirathen und Vater und Mutter belastet sind. 

C. B. Lockwood: Die Vorbereitungen zu asepUschen 
Operationen und einige Ursachen der Misserfolge bei den¬ 
selben. (Brit. Med. Journ., 24. Febr.) 

Verf., der Chirurg am St. Bartholomew’s Hospital ist, gibt uns 
in diesem Aufsatze einen Ueberblick über seine Operationstechnik, 
die in einer Mischung aus Asepsis und Antisepsis besteht, wie 
sie jetzt in so vielen Kliniken gehandhabt wird. L o c k w o o d 
ist der Autor des Hauptwerkes über Asepsis und Antisepsis, das 
in England erschienen ist und er hat alle seine Verfahren genau 
geprüft und zahlreiche Culturversuche angestellt. 

Seit längerer Zeit hat er bei jeder Operation Culturen von 
seinen eigenen Händen, sowie von den Händen der Assistenten 
und Schwestern, von der Haut des Kranken, von Tüchern, 
Schwämmen, Instrumenten und Nahtmaterial gemacht und 
schliesslich am 8. oder 10. Tage nach der Operation die Wunde 
bacteriologiseh untersucht. Nur viermal gelang es ihm, völlige 
Sterilität aller beschickten Röhrchen und Platten zu erzielen. Sein 
Hauptbestreben ist möglichste Eiufachheit, alle complicirten 
Apparate, wie Pedalöffner der Verbandkästen, Waschkrahnen etc. 
verwirft er. Die Haut des Kranken bereitet er in folgender Weise 

Original from 

UNIVERS1TY OF CALIFORNIA 



442 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. .13 


vor. Männern wird etwa eine Stunde vor der Operation, bei Frauen 
und Kindern erst In der Narkose, die Haut rasirt und mit Wasser 
und Seife gewaschen. Dann wird das Fett mit Terpentin oder 
Benzin entfernt und schliesslich die Haut des Operationsfeldes 
2 Minuten lang mit einer Lösung von Binijodidqueeksilber in 
Spiritus (1:500) getränkt. Es ist nicht gut, schon am Tage vor der 
Operation zu desiuficiren und einen feuchten Verband tragen zu 
lassen, da die Ilaut leicht ekzematös wird und der Verband oft 
störend auf die Nachtruhe einwirkt. (Das Quecksilberjodid ist in 
Wasser unlöslich, bildet aber mit Jodkali ein sehr lösliches Doppel- 
salz. Es Ist wahrscheinlich viel weniger giftig als Sublimat, dabei 
aber hat es doch eine bedeutendere Wirkung auf die Baeterien, da 
es Eiweiss nicht fällt und desshalb tiefer in die Gewebe eindritigen 
kann. In Lösungen, die nicht stärker sind als 1:2000 wirkt es 
nicht corrodirend auf die Instrumente ein; auch wird es von der 
Haut der meisten Menschen gut vertragen, Ref.). Seine Hände 
desinficirt Look wood nach Reinigung der Nägel und Waschen 
mit Seife ebenfalls mit Binijodidqueeksilber in Spiritus (1:500). 
Die Culturversuclie, die er nach dieser Desinfection an seinen 
eigenen und seiner Assistenten Hände austollte, ergaben nur selten 
ein positives Resultat. Zum Reinigen der Hände während der 
Operation dient eine wässerige Lösung desselben Quecksilbersalzes 
von 1:4000. 

Die Instrumente werden, wie üblich, gekocht und dann In 
1 y 8 proc. Carbollösung gelegt. Als Nahtmaterial verwendet er mit 
Vorliebe „fishing gut“ und auch Seide. Beides wird gekocht und 
dann in 5 proc. Carbollösung aufbewahrt. 

Catgut kommt nur bei verdächtigen oder sicher inficirten 
Wunden zur Verwendung. Das Rolicatgut wird auf flache Bretter 
aufgespannt und gründlich mit Seifenwasser und Bürste bearbeitet. 
Danach kommt es auf mindestens 24 Stunden in Aether; steigen 
keine Fetttröpfchen mehr auf. so wird .es in eine wässerige Lösung 
des Binijodidquecksilbers 1:250 übertragen, in der es mindestens 
72 Stunden liegen bleibt. Nach dieser Zeit ist das Catgut ge¬ 
brauchsfähig und kann für unbegrenzte Zeit in der Q-uecksilber- 
lösung aufbewahrt werden. 

Zum Abtupfen des Blutes benutzt L o c k w o o d ausschliess¬ 
lich Schwämme und zwar stets wenige zu einer Operation. Nach¬ 
dem der Schwamm durch Klopfen und Waschen von Sand gereinigt 
ist, werden etwaige Muschel- und Korallentheilcheu durch Be¬ 
handeln mit dünner Schwefelsäure gelöst. Dann wird die Säure 
durch Soda neutralisirt und etwaiges Eiweiss auf diese Weise ent¬ 
fernt. Schliesslich wird der Schwamm in 20 proc. Lösung von 
schwefliger Säure in Wasser desinficirt und gebleicht. Vor dem 
Gebrauche wird ein Schwamm in eine Lösung von Quecksilber- 
binijodid ln Wasser (1:4000) gelegt und nach dem Tupfen in ihr 
ausgedrückt. Ein Schwamm genügt für einen Assistenten und 
eine Operation. Da das genannte Quecksilbersalz Eiweiss nicht 
eoagulirt, so bleibt der Schwamm sehr aufsaugefähig und elastisch. 
Tücher, die zum Bedecken der um das Operationsfeld liegenden 
Theile dienen, werden mit den Instrumenten in Sodalösuug aus¬ 
gekocht und entweder in Carbol oder der oft genannten Queck¬ 
silberlösung ausgedrückt. Wie Verfasser betont, ist das hier ge¬ 
schilderte Verfahren auch von den übrigen Chirurgen des St. Bar- 
tholoinew-Hospitales mit bestem Erfolge seit längerer Zeit an¬ 
gewendet worden. 

Der Report der indischen Pestcommission über die Haff- 
k i n e’schen Schutzimpfungen. (Brit. Med. Journ., 24. Febr.) 

In Anbetracht der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes hat 
sich die Commission entschlossen, schon vor Vollendung des Ge- 
sammtreportes den Abschnitt zu veröffentlichen, der sich mit den 
H a f f k i n e’schen Schutzimpfungen befasst. Nach genauer 
Besprechung der Gewinnungsweise der Vaccine durch Haffklne, 
drückt sich die Commission ungünstig über die ungenügende 
Sterilisation der Vaccine aus, noch mehr tadelt sie die ganz 
mangelhafte Bestimmung des Immunisirungswerthes. Haff¬ 
klne selbst benutzt eine Schätzungsmethode, die auf Genauigkeit 
keinerlei Anspruch erheben kann, obwohl er nun auf den Flaschen 
einen Immunisirungswerth angibt, so verlangt er doch von Jedem, 
der Impfungen vornimmt, dass er selbst an den ersten 20 geimpften 
Individuen durch Fiebermessungen die Stärke der Vaccine be¬ 
stimmt, dieses ist aber bei den Localverhältnissen nach der Meinung 
der Commission ganz unmöglich. Trotz dieser Mängel des Impf¬ 
stoffes konnte die Commission nicht nacliweisen, dass der Gebrauch 
desselben schädliche Wirkungen ausübe; die an verschiedenen 
Orten sehr verschiedenen Resultate werden auf Verschiedenheiten 
der Vaccine bezogen und eine genauere Bestimmung der Stärke 
des zu verwendenden Impfstoffes in jedem Falle verlangt. Die 
Impfung beschränkt in merklichem Maasse die Häufigkeit der 
Festfälle unter der geimpften Bevölkerung (es erkrankten etwa 
4 mal mehr Ilngeimpfte). Der Schutz ist jedoch kein absoluter, 
denn es erkranken selbst Leute, die 4 mal innerhalb von 2 Jahren 
geimpft waren, in Bulsar erkrankten etwa 8 Proc. der geimpften 
Bevölkerung. Die Mortalität unter den geimpften Pestkranken ist 
viel geringtu' wie unter den L’ugelmpften, und zwar sterben von 
Letzteren etwa 10 mal mehr, wie von Erst ereil. Die Schutz wirkung 
tritt in jedem Falle erst einige Tage nach der Impfung auf und 
hält sicherlich mehrere Wochen, vielleicht sogar mehren? Monate 
an. Nach ihren Erfahrungen hält die Commission es für wünscliens- 
werth, die Ausführung von Impfungen in grösstem Maassstabe 
in jeder Weise zu begünstigen; doch betont sie zugleich die 
Schwierigkeiten, die sich diesem Vorschlag entgegenstellen. Nach 
ihren Erfahrungen wird es. wenigstens vor der Hand, kaum ge¬ 
lingen, die Bevölkerung noch uuverseiichter Bezirke zur Impfung 
zu bringen, ln jedem Falle muss aber auf genaue Sterilisation 


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der Vaccine, auf genaue Stärkebestimmung derselben und auf 
aseptische Vornahme der Impfungen gedrungen werden, dann 
werden nach der Meinung der Commission die Resultate bedeutend 
bessere werden. 

Easter C r o o k : Die Ausscheidung des Harnstoffes durch 
die Haut des Gesunden. (Scottish Medical and Surgical Journal, 
Februar 1000.) 

Verfasser suchte durch eine Reihe von Versuchen ain eigenen 
Körper festzustellen, ob die Haut des Gesunden wesentlich zur 
Harnstoffaussclieidung benutzt wird. 19 Tage lang lebte er genau 
nach eiuer bestimmten Diät. Er fand, dass während dieser Zeit 
die Menge des mit dem Harne ausgeschiedeneu Harnstoffes ab¬ 
hängig war von der geleisteten Muskelarbeit Mangel an Arbeit 
vermehrte jedes Mal die Ausscheidung. 5 Stunden langes Tanzen 
verminderte die Harnstoffaussclieidung des folgenden Tages be¬ 
trächtlich. Kalter Nordost wind und Schnee vermehrte die Aus¬ 
scheidung; machte er jedoch bei diesem Wetter grosse Spazier¬ 
gänge. so war die Vermehrung nicht so beträchtlich. In den Faeces 
wurde während dieser ganzen Zeit fast kein Harnstoff ausge¬ 
schieden. Wischte Verfasser, wenn er ganz ruhig dasass, mit einem 
feuchten Tuche über seine Stirne, so konnte er nur Spuren von 
Harnstoff am Tuche nach weisen; machte er denselben Versuch 
nach heftiger Arbeit oder im heissen Bade, so fand er beträcht¬ 
liche Mengen von Harnstoff. Als er im heissen Bade grössere 
Mengen Schweiss von der Stirn tropfen Hess und sammelte, fand 
er, dass der Schweiss Morgens 0,1 Proc., Abends 0,2 Proc. Urea 
enthielt (auch der Harnstoffgehalt des Urins erreicht am Abend 
seinen Höhepunkt). Nach dem Schwitzen fiel der Harnstoffgehalt 
des Urins stets unter die Menge, die er vor dem Bade zeigte. 
Während heftiger Muskelarbeit stieg der Procentsatz des Schweisses 
an Urea, der des Urins blieb unverändert; in den folgenden 3G Stun¬ 
den sank der Harnstoffgehalt des Schweisses, während der des 
Urins stieg. Verfasser glaubt, dass während der Muskelarbeit 
Eiweiss zerfällt und dass der hierdurch gebildete Harnstoff zuerst 
durch den Schweiss, an den folgenden Tagen auch durch den Urin 
ausgeschieden wird. 

W. Murray; Ein Fall von durch Antitoxin geheiltem 
Tetanus. (Brit. Med. Journ., 3. März.) 

Der 10 jährige Knabe hatte sich eine unbedeutende Verletzung 
des Fusses zugezogen und erkrankte 0 Tage später an sehr heftigem 
Tetanus. Verfasser sah ihn 9 Tage nach der Verletzung und fand 
Starrheit aller Muskeln mit heftigen und sehr häufigen Krampf¬ 
anfällen, die bei der geringsten Berührung auftraten. Unfähigkeit, 
den Mund zu öffnen uud starker Opisthotonus. Die Wunde wurde 
exeidirt und man spritzte 10 ccm Antitoxin ein. Am folgenden 
Tage blieben die Krämpfe aus, doch bestand die Rigidität weiter, 
da der Kranke nicht schlucken konnte, wurde keine Nahrung auf- 
genonimen. Es wurden wieder 10 ccm Antitoxin eingespritzt und 
unter Chloroformnarkose gelang die Ernährung durch die Nase. 
Am folgenden Tage war eine merkliche Besserung vorhanden, der 
Kranke konnte schlucken; von nun an wurde er täglich besser, 
doch erhielt er im Ganzen 9 Einspritzungen von je 10 ccm. Die 
Einspritzungen wurden stets in der Narkose vorgenommen. 2 Tage 
nach jeder Einspritzung erschien ein erythematöser Ausschlag, der 
von der Stichstelle ausging und allmählich verschwand. Es ist 
noch zu bemerken, dass vom 3. Tage an Chloral gegeben wurde. 
Die Temperatur war während der ganzen Krankheitsdauer sub¬ 
normal, der Puls betrug 80—100. Die Rigidität bestand noch lange 
nachdem der Kranke schon wieder ziemlich wohl schien. Verfasser 
glaubt die Heilung auf die Antitoxiubehandlung schieben zu 
müssen. 

W. D y s o n : Ein Fall von traumatischem Tetanus, der 
geheilt wurde. (Lancet, 24. Februar.) 

15 jähriges Mädchen erkrankte nach 12 tägiger Incubation an 
schwerem Tetanus mit Trismus und Opisthotonus. Es wurde erst 
17 Tage nach der Verletzung in das Hospital auf genommen, wo 
man die Wunde excidirte und die Kranke mit grossen Dosen von 
Chloral und Bromkali behandelte. Nach einer Woche besserte sich 
der Zustand und die Kranke genas. (Hätte man in diesem Falle 
Antitoxin eingespritzt, so wäre die Heilung sicherlich diesem Ver¬ 
fahren zugeschrieben worden. Ref.) 

Fr. Evelyn Place: Die Behandlung des Tetanus der Pferde 
mit grossen Dosen von Carbol. (lbid.) 

Verfasser, ein Veterinär ln Bombay, hat seit 2 Jahren zahl¬ 
reiche Pferde, die an Tetanus erkrankt waren, mit Carboleinspritz¬ 
ungen behandelt und gehellt. Er injicirt während der ersten 
32 Stunden 2 stündlich 4,0 der officinellen Cnrbolsäurelösung am 
Halse und den Schultern. Später werden die Einspritzungen 
seltener gemacht. Als Nebenwirkung beobachtet mau das Auf¬ 
treten einer starken Schwellung am Urte der Einspritzung. Die¬ 
selbe verschwindet erst allmählich während der Reconvalescenz 
und hinterlässt, wenn sie während des Höhepunktes der Erkran¬ 
kung gemacht wurde, keinerlei Spuren. Macht inan sic dagegen 
im Stadium des Abfalls, so tritt oft starker Haarausfall am Oru* 
der Einspritzung auf. Verfasser hat bis zu 144 g in 84 Stunden 
verbraucht und das kranke Pferd, einen 14 jährigen Araber, ge¬ 
heilt; niemals hat er in einem erfolgreichen Fall weniger als (14 g 
verbraucht, und er glaubt, dass die tetanuskranken Thiere ein«* 
besondere Toleranz gegen die Carbolsäure haben, die ihnen sonst 
in viel kleineren Dosen tüdtlich werden kann. Verfnsser erwähnt 
noch, dass Dr. Hendcrson seine Behandlung mit dem besten 
Erfolge beim Menschen angewendet hat. (Referent hat mehrfach 
über Tetanusfälle und Pestfälle referirt sowie auch über Car- 
bunkel, die nach dieser Weise behandelt und geheilt wurden.) 


Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



■ 


GALERIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER. 

-- 



Heilage zur Münchener medicinischen Wochenschrift 
Verla« von J. F. LEHMANN in München 



































































27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 443 


R. T. W i 111 a m s o n : Verlust des Kniereflexes bei groben 
Verletzungen des Lobus praefrontalis. (Glasgow. Med. Journ.. 
November 1899.) 

Verfasser zeigt an Beispielen, dass bei Tumoren und Abseesseu 
des Lobus praefrontalis die Kniereflexe zuweilen ebenso wie bei 
Kleinhirntumoren fehlen, ohne dass man irgend einen anderen 
Grund für diesen Verlust auffinden könnte. (Äehnliche Fälle sind 
1890 im Brain veröffentlieht worden.) Bei den Tumoren oder Ab- 
seessen anderer Himabschnitte wird Fehlen der Kniereflexe 
äusserst selten beobachtet, so bei 30 Tumoren der Rolandsgegend 
nur einmal und in diesem Falle war die Geschwulst sehr gross und 
hatte die Basalganglien ergriffen. Häufig ist bei Geschwülsten der 
Rolandsgegend der Kniereflex auf der dem Tumor gegenüber¬ 
liegenden Seite verstärkt. 

A. Symons E c c 1 e s : Die Frühsymptome des Brust&neu- 
rysmas. (West Lond. Medic. Journ.. Januar 1900.) 

Bel 4 näher beschriebenen Fällen gaben die intelligenten Pa¬ 
tienten an, dass sie schon viele Jahre vor der Diagnose Aneurysma 
Schmerzen in der linken und noch häufiger in der rechten oberen 
Extremität verspürt hatten, die nach Anstrengungen jeder Art sich 
verschlimmert hatten. Dazu kam ein Gefühl von Schwindel und 
Schwäche, sobald die Kranken den Kopf zurückbogeu (was E c - 
des auf die dadurch vermehrte Spannung der Blutgefässe zu¬ 
rückfühlt) und ein unbestimmtes Angstgefühl, das z. B. einen der 
Kranken, einen Arzt, hinderte, Im Wagen zu fahren, ein anderer 
Herr wagte es nicht mehr, die Eisenbahn zu benutzen. Alle diese 
Symptome wurden zu einer Zeit beobachtet, wo die Patienten und 
ihre Aerzte noch gar nicht an ein Aneurysma dachten. 

Arthur J. Hall: Dermatitis herpetiformis (Hydroa gesta¬ 
tionis). (Quarterly Medic. Journ., Nov. 1899.) 

Die interessante Arbeit bringt die genaue Krankengeschichte 
einer 40 jährigen Frau, die bei 7 Schwangerschaften an dieser 
seltenen, durch vorzügliche Abbildungen illustrirten Krankheit litt, 
ohne in ihrem Allgemeinzustand dadurch zu leiden. Da Patientin 
im Ganzen 13 mal gebar, so blieb sie bei fast der Hälfte ihrer 
Schwangerschaften frei von Ausschlag. Das Hauptkennzeichen 
des Ausschlages sind seine Schmerzhaftigkeit, die schon vor dem 
Entstehen d^r Eruption bemerkt wird und anhält, bis etwa ge¬ 
bildete Blasen platzen. Der Ausschlag hat einen vielseitigen Cha¬ 
rakter; neben den sehr auffallenden grossen Bullae bemerkt man 
zahlreiche, unregelmässig vertheilte Haufen von kleinen Vesiculae. 
Daneben finden sich Flecke von erythematösem Aussehen, die nach 
ihrem Abheilen stark pigmentirt sind und namentlich am Bauche 
Vorkommen, hier findet man auch Papeln. Der Ausschlag ist sehr 
recidivirend und zwar tritt er häufig während jeder neuen 
Schwangerschaft und nach jeder Entbindung auf; ausserdem treten 
auch längere Zeit hindurch Nachschübe au vorher ergriffenen oder 
bisher freigebliebenen Körpertheilen auf. In den Zwischenräumen 
zwischen den Schwangerschaften verschwindet der Ausschlag, der 
während seiner Anwesenheit mehr oder weniger symmetrisch ist. 
Die Bläschen, wie auch die grossen Blasen haben die Tendenz, In 
Gruppen zusammen vorzukommen, doch findet man auch verein¬ 
zelte, dann meist sehr grosse Blasen. Die Behandlung besteht in 
Bettruhe, guter Ernährung und Fernhaltung jeden Reizes, jede 
locale oder allgemeine Therapie bleibt erfolglos, wenn auch von 
manchen Seiten dem Arsenik ein gewisser Nutzen nachgerühmt 
wird. 

J. M. Anders: öallensteincrepitus als ein diagnostisches 
Merkmal. (Internat. Med. Magaz., Deeember 1899.) 

Verfasser gibt die Krankengeschichten von 3 Fällen, in denen 
er beim Palpiren deutlich die Gallensteine aneinander reiben und 
dieses Reibegeräusch auch mit dem Hörrohr feststellen konnte. 
Die Untersuchung wird am Besten in der Rückenlage mit ange¬ 
zogenen Beinen vorgenommen, indem man versucht, mit den 
Fingerspitzen den Fundus der Gallenblase zu umgreifen und nach 
oben zu schieben. (Referenten gelang dies unter zahlreichen, 
später operirten Fällen nur einmal und zwar in einem mit Gallen- 
blasencarcinom complicirten Falle von Cholelithiasis, das Geräusch 
war aber äusserst deutlich.) 

T. G. M a c L a g a n und Fr. T r e v e s : Gallensteinbeschwer¬ 
den, vorgetäuscht durch Wanderniere. (Lancet, 6. Januar.) 

Die Verfasser geben mehrere genaue Krankengeschichten, 
welche zeigen, dass die Anfälle, welche von Ikterus begleitet waren, 
allerdings w'ohl kaum für etwas anderes als für Gallensteinkoliken 
gehalten werden konnten. Bei der Operation fand man aber jedes¬ 
mal eine allerdings prall gefüllte Blase, aber keine Steine im 
Gallensystem; dagegen liess sich jedesmal feststellen, dass die 
rechte, sehr bewegliche Niere den Ductus eysticus comprimirte. 
Nephropexie brachte dann auch in jedem Fall Heilung. 

G. A. Sutherland: Ueber die Differentialdiagnose zwi¬ 
schen Mongolismus und Kretinismus der Säuglinge. (Lancet, 
6. Januar 1900.) 

Unter Mongolismus versteht Verfasser mit Langdon- 
D o w n eine Form des Blödsinns, die in Irrenhäusern gar nicht 
selten angetroffen wird und die in England jedenfalls viel häufiger 
ist, als der spontane Kretinismus. Der Name kommt von gewissen 
Eigenthümlichkeiten der Schädelbildung, die dem Gesicht etwas 
Mongolisches geben, ln beiden Störungen findet man Zurück¬ 
bleiben der geistigen und körperlichen Entwicklung, geringe 
Lebensfähigkeit, subnormale Temperatur und grosse Empfindlich¬ 
keit gegen Kälte. Die Zunge ist massig und steht aus dem Munde 
hervor, der Nasenrücken scheint eingefallen, die Fissurae pal- 
pebrales sind auffallend klein, der Bauch Ist dick und oft findet 
sich eine Nabelhernie; der Stuhlgang Ist oft verstopft, die Fonta¬ 
nelle schliesst sich spät und die Zähne brechen spät durch, sind 

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schlecht entwickelt und gehen rasch wieder zu Grunde; die Sprache 
ist sehr schlecht ausgebildet, meist werden nur thierische Laute 
ausgestossen. Schliesslich besteht grosse Muskelschwäche, ohne 
ausgesprochene Lähmung. Betrachtet irran nun die Unterschiede 
zwischen Kretinismus und Mongolismus, so treten beim Kretinis¬ 
mus die charakteristischen Symptome selten vor dem (>. Lebeus- 
mouat auf, während der Mongolismus sie schön bei der Geburt 
zeigt. Die Kretins sind äusserst passive, mürrische Kinder, die an 
Nichts Interesse zeigen und meist mit ausdruckslosem, kröten¬ 
gleichem Gesicht daliegen, ohne sich zu bewegen. Die Mongolisten 
dagegen sind lebhafte Kinder, mit stets lachendem, oft Grimassen 
schneidendem Gesichte, die zwar scheu sind, aber doch Antheil 
nehmen, beobachten und nachahmen. Bei den Kretins ist die 
Haut geschwollen, trocken und von Schuppen besetzt. Der Hals 
ist fettreich, das Haar grob und spärlich, alle diese Zeichen fehlen 
den Mongolisten, die dafür eine sehr typische Schädelbildung auf¬ 
weisen, ihr Kopf ist von vorne nach hinten abgeplattet, brachy- 
cephalisch, ihre Lidspalte i s t schmal und schrägestellt, die Lider 
sind nicht geschwollen, der Epicantlms ist markirt. bei den Kretins 
scheint die Lidspalte schmal, weil die Lider geschwollen sind, 
der Epicautlius fehlt. Die Zunge ist bei beiden gross und vor¬ 
stehend, bei den Kretins auch geschwollen wie auch ihre Lippen 
unbeweglich, geschwollen und evertirt sind, während die der 
anderen Kinder beweglich und aufwärts gezogen sind. Die Kretins 
haben Finger, deren relative Grösse normal ist. während bei den 
anderen der kleine Finger und der Daumen auffallend kurz sWd; 
bei ihnen sind im Gegensätze zu den Kretins congenitale Herz- 
erkrankungen sehr häufig. Da ihre Schilddrüse normal ist, so 
bringt Tliyreoidbehandlung, die bei den Kretins von grösstem 
Nutzen ist, ihnen keine Besserung. Die Differentialdiagnose ist 
bei genauer Beachtung des Gesagten leicht, am meisten bezeich¬ 
nend ist das lethargische, bewegungslose Dahindämmern des 
Kretins. 

Hugli Kerr: Recidivirendes Irresein. (Glasgow Medical 
Journal, Deeember 1899.) 

Verf. benutzte zu dieser Studie 450 nach einander in seine An¬ 
stalt aufgenommene Fälle. Von 200 Männern waren 39, von 250 
Frauen 50 (19,5 resp. 20 Proc.) wegen recidivirenden Irreseins auf¬ 
genommen worden. Zieht man von den 450 noch die unheilbaren 
Fälle wie Dementia paralytiea, epileptischer Blödsinn etc. ab, so 
bleiben 405, von denen 89 zum wiederholten Male aufgeuommeu 
wurden; zieht man noch die congenitalen Fälle ab, so findet man. 
dass von 327 an heilbaren Formen des Irreseins Leidenden 89 schon 
öfters in einer Anstalt gewesen waren. Meist handelte es sich um 
Leute des mittleren Lebensalters, bei denen erbliche Belastung, 
Alkoholismus und Influenza eine aetiologische Rolle gespielt zu 
haben schienen. Von den 89 Kranken litten die meisten an Manie 
oder an Selbstmordgedanken; Hallucinationen des Gesichtes und 
Gehörs waren sehr häufig: in den zur Heilung kommenden Fällen 
verschwanden sie bald. Die Prognose dieser recidivirenden Fälle 
ist gut, von den 89 Fällen Jes Verfassers genasen 71.8 Proc. der 
Männer und 62 Proc. der Frauen; bei letzteren wird die Prognose 
schlechter, so bald sich die Kranken den Wechseljahren nähern. 

J. P. zum Busch - London. 


Vereins- und Congressberichte. 
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte. 

V. Sitzung zu Köln am 3. X^e c e m b e r 1899. 

Herr H o p m a n n: Vorstellung eines wegen Nasenrachen- 
flbrom operirten Patienten. (Im Bericht der IV. Sitzung be¬ 
schrieben und diese Wochenschrift No. 36.) Patient, der am 
21. März operirt worden war, zeigte Ende Mai an der rechten 
Choane ein Recidiv, welches nach derselben Methode beseitigt 
■wurde, wie die Hauptgeschwulst. (Die entfernten Tumorstücke 
wurden vorgezeigt.) Seitdem hat sich an keiner Stelle neues Nach¬ 
wachsen gezeigt, wie durch genaue Untersuchungen im August 
lind heute nochmals festgestellt wmrde. Das Gewicht des Knaben 
hat sich seitdem um 4 kg vermehrt, indem es von 26 kg im Juni 
auf 30 kg heute gestiegen ist. 

Herr Moses: Vorstellung eines Falles von Sarkom der 
Tonsille. 

Der gemeinsam mit Dr. Albershelm - Köln von mir be¬ 
obachtete Patieut ist ein kräftiger junger Mann von 27 Jahren, 
angeblich nie ernstlich krank gewesen und nicht hereditär be¬ 
lastet. Als derselbe sich zuerst vor ca. y 2 Jahr vorstellte, klagte 
er über leichte Schluckbeschw erden der linken Seite; bei der Unter¬ 
suchung zeigte sich die Oberfläche der linken Tonsille leicht 
ulcerirt, auch der Rand des Gaumenbogens ulcerirt und granu- 
lirend. Keine Drüsensclrwellung. alle übrigen Organe gesund. 
Wenngleich Lues negirt wurde (Pat. Ist verheirathet und Vater 
eines gesunden Kindes), w r urde Jodkali verordnet, worauf die Er¬ 
scheinungen wesentlich zurückgingen. 

Patient wurde nun in’s Asyl aufgenommen und einer 
Inunctionscur unterivorfen. es wurde ein Stück der Tonsille ex- 
stirpirt, doch zeigte der mikroskopische Befund nur Grauulations- 
gewebe. Da das Befinden sich wesentlich besserte, auch das 
Ulcus auf der Tonsille bedeutend zurückging und die Schluck- 
besetnverden abnahmen, entzog sich Pat. für längere Zeit der Be¬ 
handlung und ging seinem Beruf wieder nach. 

Als Pat. sich wieder einstellte, hatte das Bild sich wesentlich 
geändert; der Tumor hatte sich bedeutend vergrössert, war un¬ 
regelmässig zerklüftet und zeigte graugelbliche Partien, der 
Gaumenbogen war verdickt, speckig, stark ulcerirt, die ganze linke 


Original frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 




444 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


Gaumeuliillfte derb inflltrirt; an der Unken Halsseite mächtige 
Drüsentumoren, die sich vom Processus mastoideus bis zum 
Sternum erstreckten; weitere Drüsensehwellungen waren nicht 
zu constatiren; ein mikroskopisch untersuchtes Stück der Tonsille 
ergab das typische Bild eines Rundzellensarkoms. 

Pat. klagte über starke Schluckbeschwerden; Körpergewicht 
und Allgemeinbefinden waren nicht wesentlich verändert. 

Da der Fall (auch nach Ansicht eines Chirurgen) inoperabel 
erschien, wandten wir Arsenik an: der Erfolg war Anfangs 
evident: das nekrotische Gewebe stiess sich ab, die ulcerirte 
Obertläche reinigte sich, auch die Schluckbeschwerden wurden 
etwas geringer; auf die Drüsenschwellung hatte das Arsenik 
keinen Einfluss, auch längere Zeit angewandte Injectionen von 
25 proc. Jodipinlösung blieben ohne Erfolg. 

Zur Zeit ist der Zustand des Patienten wesentlich ungünstiger; 
die Kräfte haben abgenommen; Arsenik wird nicht mehr ver¬ 
tragen; die Nekrose ist nach oben und unten rapid vorgeschritten, 
die Infiltration erstreckt sich bereits über die linke Hälfte des 
barten Gaumens; auffallender Weise ist der Drüsentumor er¬ 
heblich weicher geworden, ohne dass irgendwo Fluctuation zu 
consta tiren ist. 

Herr Röpke: Casuistische Beiträge zur Schwierigkeit 
der Diagnose endokranieller otogener Erkrankungen. (Der 
Vortrag ist in No. 10, S. 319 dieser Wochenschrift abgedruckt.) 

^ Dlscussion: Herr Reinhard- Duisburg stimmt den 
Ausführungen Röpke’s vollkommen bei. Schon Schwa rtze 
hat vor mehr als 10 Jahren darauf hingewiesen, dass bei den 
otogenen Hirnerkrankuugen die Schwierigkeit In der Diagnose 
liege. Reinhard ist der Meinung, dass man sich von event. 
Misserfolgen in der Diagnose otogener Gehirnerkrankungen, wie 
sie auch ihm und wohl Jedem Ohrenarzte nicht erspart bleiben, 
nicht abschrecken lassen soll, auch weiterhin chirurgisch vorzu¬ 
gehen. Wenn nach ^iner Aufmelsselung des Warzenfortsatzes das 
Fieber nicht weicht, so ist nach den heutigen Anschauungen der 
Ohrenarzt verpflichtet, die weitere Umgebung des Ohres nach einer 
Ursache für das bestehende resp. neu auftretende Fieber zu unter¬ 
suchen und wenn auch nur zu diagnostischen Zwecken, eine event. 
Nachoperation, sei es den Erscheinungen gemäss eine Sinus¬ 
freilegung oder Punction des Schläfelappens oder des Kleinhirnes, 
nicht lange aufzuschieben. 

Herr Schneider: Demonstrationen: 

a) Galvanokaustischer Universalgriff mit bei der Verwen¬ 
dung als Schlingenschnürer sich selbstthätig einschaltendem 
Rheostat, so dass Verbrennen resp. Zerreissen der Schlinge bei 
deren Verkleinerung verhindert wird, In 2 Typen. 

b) Durch Glühhitze sterilisirbare Brenner, Polnadeln, 
Schlingenführer etc. nur aus Metall und Glas bestehend. 

c) Vereinfachte kalte Schlinge. 

Der galvanokaustische Universalgriff mit selbstthätig ein¬ 
schaltendem Rheostat ist wie die meisten modernen galvano¬ 
kaustischen Universalgriffe eine Anlehnung an den bekannten 
Schlingenführer von Hartmann und Krause. Die zwei Ringe 
für Zeigefinger und Mittelfinger befinden sich oben und unten am 
Schieber, ebenso der Contact, letzterer wird vom Goldfinger bedient, 
der dritte Ring beweglich am unteren Ende. Um das hölzerne 
cylindrlsche Mittelstück ist ein Rheostat in Spiralform gewickelt, 
auf dem das röhrenförmige Schieberstück schleift. Der Schieber 
wird in seiner Bewegung gesichert durch eine seitlich liegende 
Gleitstange. Wird de» Griff als einfacher Contragriff benützt, so 
wird durch Feststellung des Schiebers an einem beliebigen Punkte 
der Gleitstange diese selbst eingeschaltet, der Rheostat Ist neben¬ 
geschaltet und also ausser Thätigkeit. Löst man aber den Schieber, 
so ist die Leitung durch die Gleitstange aufgehoben und der Strom 
wird gezwungen, den Rheostaten zu passiren. Die Stahl- resp. 
Platinschlinge, mit der der Schlingenführer armirt ist, bleibt vom 
Anfang bis zum Ende in gleicher Gluth. Die Rheostaten sind 
eventuell auswechselbar. 

Der Umstand, dass die galvanokaustische Schlinge das Gewebe 
eigentlich gegen Ende hin weniger durchschneidet als durch¬ 
quetscht, und dass dann die Schlinge häufig wegen der dabei an¬ 
gewendeten Kraft durchreisst, führte zur Veränderung der galvano¬ 
kaustischen Schlingenführer in der Weise, dass derselbe sich mehr 
der kalten Schlinge anlehnt, auch als solche verwendet werden 
kann. Die moderne kalte Schlinge stellt in ihrer Endwirkuug, wo 
die Schlinge in der Röhre verschwindet, eine modificirte Scheere 
dar, welche aus einer Mittelbranche, der Drahtschlinge und 
zwei in einander zusammenlaufenden Seitenbranchen der 
Röhre besteht, auf welch’ letzterer dann das Gewebe, ganz analog, 
wie von einer Scheere durchschnitten wird. Durch geeignete 
Anbringung der übereinander stehenden Rohröffnungen des gal¬ 
vanokaustischen Schlingenführers innerhalb einer einseitig offenen 
Röhre, die in geeigneter Weise isolirt ist, wird die Scheerenwirkung, 
genau wie bei der kalten Schlinge, durch Vorsinken der Schlinge 
in der Halbröhre und Durchschneiden auf den Seitenbranchen er¬ 
reicht, andererseits dadurch, dass der Draht (wegen des Ueber- 
einanderstehens der Röhre) etwas länger bleibt, das Durchbreunen 
verhindert. 

Die lästige Reibung der Drähte der kalten Schlinge in der 
Röhre führte bereits zu verschiedenen Aenderungen, speciell hat 
man das kleinere Schlingenende in geeigneter Weise an einen 
dickeren Führungsdraht mit einer Oese angehakt (Krause). Dies 
Verfahren ist nicht durchaus sicher, da sehr häufig die Häkchen 
ausreissen, die Oese bricht oder andere verschiedene Störungen auf- 
treten. 


Meine kalte Schlinge besteht aus einem soliden Schlingen¬ 
führer aus massivem, starkem Draht in Stärke der verwendeten 
Schlingenröhre, an dem seitlich an geeigneten Punkten ein paar 
Oesen angebracht sind, durch die der Schlingendraht geleitet wird. 
Der Schlingenführer ist an der Spitze konisch gefeilt und an der 
Seite abgeplattet. Auf diese Spitze wird ein Stück Schlingenrohr 
von beiläufig 3—3y 2 cm Länge gesteckt, wodurch die Schlinge durch- 
geführt ist. Die Reibung wird dadurch auf ein Minimum be¬ 
schränkt, die Schlinge kann nach dem Gebrauch sehr leicht wieder 
entfaltet werden, wenn durchgerissen, rasch erneuert. dem 
Schlingenführer kann Jede Form und Länge, unbeschadet der 
Wirkung, gegeben werden. 

Die sterilisirbaren Brenner werden in 2 Typen angefertigt. 
Alle bestehen ausschliesslich aus Metall und Glas. Das Glas als 
Isolirmaterial ist durch Metall gedeckt und einerseits gegen Zer¬ 
störung geschützt, andererseits wird durch das Deckmetall die Ver¬ 
bindung der Schenkel untereinander bewirkt Dieses Deckmaterial 
besteht bei dem einen Typus aus Löthzinn, bei dem anderen aus 
Silberloth und Kupferdraht. Während der erstere Typus wie alle 
anderen Instrumente aus Glas und Zinn durch Auskochen etc. 
sterilisirt werden kann, gestattet der Typus 2 die Sterilisation durch 
Ausglühen in der Stichflamme. Die äussere Form entspricht allen 
Anforderungen; an Zierlichkeit und Festigkeit Übertreffen die¬ 
selben sogar die früheren, nicht sterilisirbaren Modelle. 

Dasselbe gilt mutatis mutandis von den sterilisirbaren 
Schlingenführern etc. 

Herr Hirschmann: a) Entfernung eines Korallen knöpf es 
aus der Paukenhöhle nach Ablösung der Ohrmuschel und Ab* 
meisselung der hinteren Gehörgangswand. 

Eine junge Frau hatte sich beim Waschen den an einem Ohrringe 
befestigten und locker gewordenen Korallenknopf v.c.4mm Durch¬ 
messer, den ich Ihnen hier mitgebracht habe, in das 1. Ohr hineinbe¬ 
fördert; der Modus, wie sie das zu Stande gebracht, war ihr selbst 
nicht ganz klar. Sie lief in ihrer Aufregung zu dem in ihrer Nähe 
wohnenden Hausarzte, dem es aber trotz mehrfacher Versuche nicht 
gelang, den Fremdkörper zu entfernen, so dass er sich veranlasst 
sah, die Patientin mir zu überweisen. Ich constatirte folgenden Be¬ 
fund: Aus dem linken Ohre sickert blutig gefärbte, seröse Flüssig¬ 
keit; die Haut des Gehörganges ist an einzelnen Stellen excoriirt. 
Nach Abtupfen des Blutes ist in der Tiefe ein röthlicher Fremd¬ 
körper zu sehen, der sich bei der Berührung steinhart anfühlt. 
Derselbe ist so festgekeilt, dass weder mit einer vorsichtig ein¬ 
geführten Sonde, noch mit dem von Hartmann für Entfernung 
von Fremdkörpern aus dem Meatus empfohlenen Hebel auch nur 
die geringste Verschiebung aus seiner Lage möglich ist. Obwohl 
der Fremdkörper, hinter der Ebene des Trommelfells liegend, in 
den hinteren unteren Abschnitt der Paukenhöhle hineingezwängt 
ist und somit nach vom und oben eine schmale Zone des Gehör- 
ganglumen freilässt, sind doch Details vom Trommelfell oder von 
der Paukenhöhle nicht zu erkennen. Unter diesen Umständen 
erwies sich jeder Versuch, den Fremdkörper per vias naturales 
zu entfernen, als erfolglos; und ich stand auch sehr bald davon ab, 
um nicht noch eine stärkere Reizung der verletzten Theile herbei¬ 
zuführen. Ich war nun vor die Alternative gestellt, entweder abzu¬ 
warten, in der Hoffnung, dass vielleicht in der Zukunft günstigere 
Bedingungen zur Extraction des Fremdkörpers eintreten würden, 
oder auf operativem Wege durch Ablösung der Ohrmuschel etc. die 
Entfernung zu erwirken. Ich entschied mich für das Letztere 
und zwar aus zwei Gründen: erstens war bei der Natur des Fremd¬ 
körpers eine Verkleinerung desselben ln der Folge ausgeschlossen, 
so dass also eine Verbesserung der Chance für die Entfernung 
durch den Gehörgang höchstens in der Abschwellung der lädirten 
Theile lag, eine Hoffnung, die bei der festen Einkeilung des Fremd¬ 
körpers in die von knöchernen Wänden umschlossene Paukenhöhle 
wenig bedeutete. Und zweitens Hess der Sitz des Fremdkörpers 
in der Paukenhöhle zum mindesten den Eintritt einer heftigen, 
jedenfalls eiterigen Entzündung des Mittelohrs erwarten, wobei 
das Auftreten gefahrdrohender Symptome durch Weitergreifen 
der Entzündung auf die Nachbarschaft durchaus nicht auszu- 
schliessen war. Es konnte also in der Zukunft die Operation doch 
nothwendig werden; und dann war, unter dem Zwange der ge¬ 
schilderten Eventualität, die Prognose derselben zweifellos un¬ 
günstiger, als in dem frischen Zustande der Verletzung. Da sehr 
bald heftige Schmerzen folgten, willigte die Patientin ohne Wider¬ 
streben in den Vorschlag ein. Die Operation, welche ich mit 
Hilfe des Collegen, selbstverständlich ln Narkose, vornahm, ge¬ 
staltete sich folgendermaassen: Nach Ausführung des für die 
Aufmeisselung überhaupt üblichen bogenförmigen Schnittes am 
Ansatz der Ohrmuschel und Abhebelung des Periostes wird der 
häutige Gehörgangsschlauch aus seiner Verbindung mit dem 
Knochen gelöst und möglichst weit innen, also etwa dicht vor dem 
Uebergang in das hier nicht mehr vorhandene Trommelfell cir¬ 
cular durchschnitten. Sobald jetzt die Ohrmuschel sammt 
häutigem Geliörgange nach vorne geklappt und das Lumen des 
knöchernen Gehörganges durch Abtupfen des Blutes freigelegt Ist. 
wird die Koralle mit einem grossen Theile ihrer Oberfläche sicht¬ 
bar; indess dieselbe ist so fest in die Paukenhöhle eingeklemmt, 
dass sie sich nicht aus ihrer Lage bringen lässt. Erst nachdem ein 
Theil der hinteren Gehörgangs wand abgemeisselt und es so mög¬ 
lich geworden ist, ein stumpfes Häkchen von oben her hinter den 
Fremdkörper einzuführen, lässt sich derselbe aus seiner festen 
Einkeilung befreien und nach aussen rollen. Nach genauer Re¬ 
position des häutigen Gehörganges in seine ursprüngliche Lage 
wird die Hautwunde hinter der Ohrmuschel vernäht, und nach 
Tamponade des Gehörganges der Verband angelegt. Die Heilung 


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27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


445 


ging glatt von Statten. Bei dem am 6. Tage nach der Operation 
vorgenommeuen ersten Verbandwechsel war die vernähte Wunde 
bereits per primam verschlossen und der häutige Meatus hatte sich 
gut angelegt. In einem Zeitraum von im Ganzen ungefähr 
5 Wochen war die annuläre Gehörgangs wunde epidermisirt, der 
Gehörgang hatte sein früheres weites Lumen, an Stelle des 
Trommelfells hatte sich eine neue bindegewebige Membran ge¬ 
bildet, die wie ein Ersatztrommelfell das Mittelohr nach aussen 
völlig abschloss, und es war ein Rest von Hörvermögen zurück¬ 
geblieben, der in Anbetracht des Vorauf gegangenen nicht unbe¬ 
deutend war: Die Flüstersprache wurde bis auf eine Entfernung 
voü etwa 2—3 Fuss verstanden. Diese Verminderung der Func¬ 
tion und die schmale strichförmige Narbe hinter der Ohrmuschel 
erinnern noch an die stattgehabte Verletzung. 

Aus Anlass des vorgetragenen Falles habe ich die mir zu 
Gebote stehende Literatur durchgesehen und gefunden, dass die 
Zahl der Veröffentlichungen über die Operation gleichartiger Fälle 
eine relativ spärliche ist. Indess, ob daraus der Schluss gezogen 
werden darf, dass auch die Zahl der vorgenommenen Operationen 
eine kleine ist, wage ich nicht zu entscheiden; vielleicht wird die 
heutige Discussion einen Aufschluss darüber gewinnen lassen. 

In den gebräuchlichen Lehrbüchern wird die in Rede stehende 
Operation als sehr lange bekannt hingestellt und auf Paul von 
Aegina (660) zurückgeführt; indess ist das operative Verfahren, 
welches dieser sowie andere ältere Aerzte zur Entfernung von fest 
im Ohr eingekeilten Fremdkörpern empfohlen haben, meines Er¬ 
achtens keineswegs mit dem unsrigen identisch, sondern es handelt 
sich dabei jedenfalls nur um den halbmondförmigen Einschnitt ln 
den knorpeligen Gehörgang dicht hinter dem Ansatz der Ohr¬ 
muschel, um so auf kürzerem Wege und unter besserer Beleuch¬ 
tung an den Fremdkörper zu gelangen. Die ersten hierher zu rech¬ 
nenden Operationsfälle stammen aus den siebziger Jahren von 
Schwärt ze 1 ), dessen Vorgehen allerdings sich immerhin noch 
wesentlich von dem heutigen unterscheidet; denn nach seiner Be¬ 
schreibung hebelte er den häutigen Gehörgang nicht vollständig 
aus seiner knöchernen Umgebung heraus, sondern er trennte den 
knorpeligen Gehörgang möglichst nahe an seiner Verbindung mit 
dem knöchernen Theil bis auf die vordere Wand durch, also diese 
letztere sollte offenbar geschont werden; und zweitens rieth 
Schwartze von einer partiellen Abnieisselung der knöchernen 
hinteren Gehörgangswand aus Furcht vor danach zurückbleibenden 
narbigen Stenosen des Gehörganges dringend ab. In dieselbe Zeit 
fällt ein von Langenbeck 2 ) operirter Fall, bei welchem im 
Gegensatz zu den oben erwähnten ersten Schwartz e’scheu 
Fällen die Heilung per primam intentionem erfolgte. Aus (1er 
Literatur der letzten 10 Jahre, soweit mir dieselbe zur Verfügung 
stand, konnte ich 15 einschlägige Publicationen zusammenstellen. 
In der Mehrzahl derselben gleicht die Beschreibung der Ausführung 
der im vorliegenden Falle. Die heutige Methode unterscheidet sich 
von der von Schwartze angegebenen dadurch, dass der häutige 
Gehörgang am weitesten nach innen und circu-, 
1 ä r, also ohne Schonung der vorderen Wand durchtrennt 
wild, und dass zweitens, fals es zur Befreiung des fest¬ 
gekeilten Fremdkörpers nöthig erscheint, eine Abmeis- 
s e 1 u n g der knöchernen hinteren Gehörgangswand 
ohne Sehen vorgenommen wird. Eine bei der Vernarbung 
zurück bleibende Stenose haben wir nicht zu befürchten, ein Um¬ 
stand, der nach Stackes 3 ) Ansicht der peinlichen Durchführung 
der Asepsis zuzuschreiben ist. Stacke betrachtet die Ablösung 
der Ohrmuschel mit Auslösung des häutigen Gehörganges, die je 
die typische Voroperation für die sogen. Radic-aloperation bildet, 
als einen einfachen, harmlosen und ungefährlichen Eingriff. Und, 
wie wir Alle wissen, mit Recht. Damit steht jedoch scheinbar im 
Widerspruch die Prognose der in Rede stehenden Operation, wie 
sie sich aus der Statistik ergibt. Unter den 15 Fällen, die ich aus 
den letzten 30 Jahren sammeln konnte, hatten 4, also mehr als 
25 Proc. einen letalen Ausgang, und zwar ist im Einzelnen als 
Todesursache erwähnt in dem Falle von Schmiegelow 4 ), wo 
der Fremdkörper ein Stein war, Tetanus, der am 0. Tage nach 
der Operation zum Tode führte; in dem von Boecke 5 ), wo es sich 
um ein Maiskorn handelte. Meningitis, die 14 Tage nach der 
Operation den Exitus herbeiführte; in einem Falle von Voss“) 
(Johannisbrodkern) Conm und Krämpfe, die nach 2 Tagen tödtlich 
endeten und schliesslich in dem von B r ü hl 7 ) beschriebenen Fall 
von eingedningenem Stein: Thrombophlebitis und pyaemisehe Pleu¬ 
ritis. Indess ist der ungünstige Ausgang in allen diesen Fällen 
nicht der Operation, sondern den bereits vor der Operation ein¬ 
getretenen Veränderungen zur Last zu legen; denn es bestand in 


*) Schwartze: Lehrbuch der chirurgischen Krankheiten 

des Ohres. 

*) Berl. klin. Wochensehr. 1876. 10. April, erwähnt von 

Schwartze cf. 1. 

*) Stacke: Die operative Freilegung der Mittelohrräume etc. 

1897. 

4 ) Sehmiegelow: Corns ötranger dans la cavitß tympa- 
nique. Rev. d. lar. et ot. 1899. No. 5, referirt in Zeitschr. f. 
Ohrenheilk. Bd. 26. pag. 223. 

*) Boecke: Operative Entfernung eines in der Paukenhöhle 
befindlichen Fremdkörpers. Sitzungsbericht d. Ges. d. Ungar. 
Ohren- u. Kehlkopfärzte. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 28, pag. 141. 

") Voss: Ueber Fremdkörper im Ohr etc. Petersb. med. 
Wochenschr. No. 23, ref. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 28, S. 73. 

*) Brühl: Ein Todesfall nach Fremdkörperextraction. Mon. 
f. Ohr. No. 2, 1898, ref. Zeitschr. Bd. 33, S. 71. 

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allen diesen Beobachtungen bereits ein eitriger Entzündungsprocess 
im Mittelohr, welcher erst durch die damit in Zusammenhang 
stehenden Gefahren zu der Operation gedrängt hatte. Es dürfte 
wohl hier der Platz sein, die Iudication zu der uns hier be¬ 
schäftigenden Operation einer Besprechung zu unterziehen. Nicht 
bloss in den erwähnten 4 tödtlich abgelaufenen Fällen, sondern in 
der Mehrzahl der publicirten Beobachtungen hat ein bereits ein¬ 
getretener Entzündungsprocess, resp. die durch denselben bediugte 
Gefahr eines Weitersehreitens auf den Schädelinhalt, die Iudication 
für die Operation abgegeben. Damit in Uebereinstimmung em¬ 
pfehlen die gebräuchlichen Lehrbücher in den Fällen, in welchen 
der Fremdkörper durch Spritzen oder durch instramentelle Maass¬ 
nahmen durch den Gehörgang nicht entfernt werden kann, zu¬ 
nächst ein exspectatives Verfahren. Erst wenn gefahrdrohende 
Erscheinungen eintreten, die mit der bei Verweilen eines Fremd¬ 
körpers in der Paukenhöhle wohl ziemlich sicher zu erwartenden 
Entzündung des Mittelohrs Zusammenhängen, sei die operative 
Entfernung dringend indicirt. Es muss allerdings zugegeben wer¬ 
den, dass in manchen Fällen durch ruhiges Abwarten die Be¬ 
dingungen für die Entfernung eines in die Paukenhöhle hinein¬ 
gelangten Fremdkörpers mit der Zeit günstiger werden können 
und zwar daun, wenn der Fremdkörper kraft seiner Beschaffen¬ 
heit einer Verkleinerung oder Schrumpfung fähig ist. Sind dann 
im Laufe einiger Tage durch geeignetes ruhiges Verhalten des Ver¬ 
letzten die lädirten Theile des Gehörganges abgeschwollen, so kann 
die unmittelbar nach der Verletzung unmögliche Entfernung per 
vias naturales doch noch erfolgen. In Erinnerung bleibt mir nach 
dieser Richtung ein Fall, in dem eine in das Ohr gelangte Kaffee¬ 
bohne durch Extractionsversuche halbirt, zur Hälfte entfernt und 
zur anderen Hälfte in die Paukenhöhle hineinbefördert wurde; 
mehrere Collegen hatten sich vergebliche Mühe gegeben, diese 
Hälfte durch den Gehörgang zu entfernen, und so war, da in¬ 
zwischen sehr heftige Schmerzen und sonstige subjective Be¬ 
schwerden eingetreten waren, die operative Entfernung nach Ab¬ 
lösung der Ohrmuschel etc. bereits geplant. Dieselbe wurde je¬ 
doch unnöthig, da es mir, als mich Pat. etwa 14 Tage nach der 
Verletzung consultirte, gelang, die in das Mittelohr gelangte 
Hälfte mit der Curette zu entfernen, ein Instrument, das ich bei 
dieser Gelegenheit für solche Fremdkörper, die eine derartige Con- 
sistenz haben, dass ein Abgleiten durch theilweises Eindringen des 
Instrumentes in die Substanz des Fremdkörpers unmöglich ist, wie 
Bohnen, Erbsen, Maiskörner, warm empfehlen möchte. Das Trommel¬ 
fell heilte in diesem Falle vollkommen und auch die Function des Ohres 
wurde eine recht gute. Ich bin überzeugt, dass Sie die gleichen Er¬ 
fahrungen nach dieser Hinsicht gemacht haben. Indess dürfte 
ein solch’ günstiger Ausgang immer nur ein Zufall bleiben und 
auch nur dann zu erwarten sein, wenn der Fremdkörper eine Ver¬ 
änderung seiner Form und Grösse eingelien kann. Aber selbst in 
diesem Falle ist die Gefahr der doch wohl unfehlbar eintretenden 
Mittelohrentzündung in der Zeit bis zur Entfernung nicht zu unter¬ 
schätzen, eine Gefahr, die um so grösser ist, als der Fremdkörper 
eben durch seinen Sitz den Abfluss der Secrete nach aussen verlegt, 
und so geradezu die Bedingungen für das Auftreten lebensgefähr¬ 
licher Complicatiouen geschaffen sind. Wird später die Operation 
doch nothwendig, so sind die Chancen derselben nur schlechter ge¬ 
worden. Aus einer etwa primär vorgenommenen, prognostisch ab¬ 
solut günstigen Operation Ist, wenn sie secundär durch in¬ 
zwischen eingetretene lebensgefährliche Complicatiouen noth¬ 
wendig geworden, eine solche mit dubiöser Prognose geworden. 
Demnach dürfte es meiner Ansicht nach keinem Zweifel unter¬ 
liegen, dass das vorher von mir umschriebene Gebiet der Indication 
etwa dahin zu erweitern ist, dass, falls ein Fremdkörper, dessen 
Natur eine Veränderung nach Form und Grösse nicht erwarten 
lässt, in die Paukenhöhle gelaugt ist und per vias naturales nicht 
entfernt werden kann, dessen sofortige Entfernung auf operativem 
Wege angezeigt erscheint. 

Im Anschluss daran möchte ich Ihnen noch kurz einen Fall 
von Fremdkörper im Ohr mittheilen, der wohl als ein Unicum gelten 
kann. 

In dem Fläschchen, das ich hier herumgebe, sehen Sie eine 
ganze Zahl von sogen. Kellerasseln in den verschiedensten Ent¬ 
wicklungsstufen. Diese habe ich einem Dienstmädchen vor einigen 
Jahren aus dem Ohre entfernt. Dieselbe consultirte mich mit der 
Klage, dass sie seit einiger Zeit ein unangenehmes Krabbeln im 
linken Ohre verspüre. Ich war erstaunt, als ich bei der Unter¬ 
suchung 2 Kellerasseln im Meatus vorfand, die ich durch Aus¬ 
spritzen leicht entfernte. Um so mehr erstaunt war Ich, als die 
Patientin am Nachmittag desselben Tages wieder bei mir erschien 
und ich wiederum 2 solche Thierchen entfernen konnte. Mein Er¬ 
staunen wuchs aber immer mehr, als sich dieses Spiel 8 Tage lang 
in der gleicher» Weise wiederholte. Bei jeder Untersuchung waren 
2 oder auch 3 von diesen sauberen Gästen zu finden. Dabei war 
das Trommelfell intact. Das einzige, was die Untersuchung ergab, 
war eine hügelige und bei Berührung schmerzhafte Vorwölbung 
an der unteren Gehörgangs wand, durch die der vor dem Trommel¬ 
fell gelegene buchtartige Sinus der Beobachtung entzogen war. 
Mein erster Gedanke war natürlich, dass die Patientin, um sich 
interessant zu machen, wie man Aehnliches ja bei Hysterischen 
wiederholt beobachten kann, die Thierchen selbst in den Meatus 
brachte. Indess abgesehen davon, dass die Person nach allem 
Andern als nach einer Hysterica aussah, konnte ich diese Diagnose 
nicht aufrecht erhalten, da ich nach bestimmter Art eingelegte 
Tampons am nächsten Tage genau in gleicher Weise, wie ich sie 
eingeftihrt wieder vorfand und dahinter den üblichen Logirbesuch. 
Erst als ich eine Sublimatlösung in den Meatus einträufeln Hess, 

Original fro-rri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



No. 13 


44fi 


MUXOHKXKR MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT. 


verschwanden die Kellerasseln auf Nimmerwiedersehen. Auf Be¬ 
fragen, wie der merkwürdige Spuck wohl */u erklären sei, gab die 
Patientin an, dass sie längere Zeit vor der Beobachtung in einem 
alten Schloss gedient halte, wo sie wiederholt aus einem Keller 
Schutt in Körben, die sie auf der linken Schulter trug, an’s Tages¬ 
licht zu befördern hatte. Es ist nun auzunehmen, dass bei dieser 
Gelegenheit eine von den Kellerasseln, die nach ihrer Angabe dort 
in zahlloser Menge sich vorfanden, in den Meatus hineinkroch und 
sich dort so häuslich einrichtete, dass sie ein Depöt von Nach¬ 
kommen begründete, die später dann in der geschilderten Weise 
zum Vorschein kn men. 

(Fortsetzung folgt.) 


(Berliner medicinische Gesellschaft und Verein für innere 
Medicin zu Berlin siehe S. 448.) 

Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung v o in 6. Februar 1900. 
Vorsitzender: Herr D u n b a r. Schriftf.: Herr H ä r t i n g. 

Herr E rieben demoustrirte Cystennieren eines Neu¬ 
geborenen. Die stecknadelkopfgrossen Cystchen fanden sich über 
die ganze Oberfläche verstreut, wurden aber auch iu den tiefer ge¬ 
legenen Theilen der Rinde nicht vermisst. Eine Atrophie der papil¬ 
lären Ansführungsgänge war an zahlreichen mikroskopischen 
Schnitten nicht zu erkennen; die Ursache der Cystenbildung bleibt 
daher im vorliegenden Falle unerklärt. Im Uebrigen deckt sich der 
Befund mit den zahlreichen Beschreibungen der verschiedenen 
Autoren, welche über diesen Gegenstand gearbeitet. Die Cystchen 
stellen c 1 reumscripte Erweiterungen schon vorhandener Hain- 
canälehen dar und können an jeder Stelle ihres Verlaufes auf- 
treten. Auch die Kapselräuine selbst können den Ort für die 
Bildung solcher cystischer Erweiterungen abgeben, wie aus dem 
Befunde eomprimirter. nach einzelnen Autoren noch injicirbarer 
Glomeruli an der Wand der Cysten mit Sicherheit hervorgeht. 

Die meisten der Cysten des vorliegenden Falles zeigen ein 
abgeplattetes einfaches Epithel auf einer dünnen Tunica propria: 
einige grössere Cysten zeigen noch Reste von Scheidewänden, 
die ursprünglich zwei nebeneinander gelegenen Cysten angehörten, 
durch den gegenseitigen Druck aber zum Schwund gebracht 
wurden. 

Der Inhalt solcher Nierencysten besteht aus einer Flüssigkeit, 
die stets Harnbestandtheile enthält. Er kann durch Blutungen, 
Vereiterungen. Eindicken, durch Resorption seine ursprüngliche 
klare, wässerige Beschaffenheit einbüsseu. Meist ist er eiweiss¬ 
haltig. 

Man nimmt allgemein an, dass die Cystennieren Erwachsener 
aus solchen congenitalen Bildungen hervorgehen. Die Befunde, 
welche man bei ihnen erheben kann, entsprechen durchaus den¬ 
jenigen der congenitalen Cystenniere bei Neugeborenen. 

Herr W i e s i n g e r bemerkt, dass es sich in diesem demon- 
strirten Falle um Cysten bei Neugeborenen handle; diese Cysten 
sind doppelseitig. Es gibt aber auch Cystennieren bei Erwach¬ 
senen; diese sind meist einseitig und sehr oft mit Sarkom com- 
binirt. Ein derartiger Fall ist in Berlin auf dem Ohirurgen- 
cougress vorgestellt worden. 

D i s e u s s i o n zu Herrn £ d 1 e f S e n’s Vortrag: Ueber 
eine neue Harn- und Zuckerreaction. 

Herr V n n a machte den Vortragenden nach Schluss der vorigen 
Sitzung darauf aufmerksam, dass die Bacteriologen die Löslichkeit 
des Mangansuperoxyd-Xiedersehlags in Oxalsäure wohl kannten, 
da bald narb dem Bekannt werden der Lustgarte «'sehen 
Methode, den Syphilisbacillus zu färben, A 1 v a r e z uud Tavel 
sich der Modification bedient haben, die schweflige Säure darin 
durch Oxalsäure zu ersetzen. Herr Edlefsen machte dann 
brieflich Herrn Unna die Einwendung, dass bei seiner Harn- 
probe es sich nicht um eine Reduction des Mangansuperoxyds 
handle, sondern wahrscheinlich um eine Doppelsalzbildung der 
Oxalsäure mit einem Alkali und Manganoxydui. Diese Möglichkeit 
möchte U u n a nach daraufhin mit Herrn Dr. R u n g <■ angestellten 
Versuchen bestreiten. Abgesehen davon, dass, ehe es zur Doppel- 
snlzbildung kommt, das Mangansuperoxyd doch vorher zu Mangan- 
oxydul reducirt sein muss, also im m er vorhergehend 
e i n e lt e d u c t i o n concurrirt. sind die Doppelsalze des Mangans 
in kochendem Wasser löslich, die zuckerhaltige braune Lösung in 
der E d 1 e f s e n’schen Probe wird aber zersetzt beim Kochen: 
es entsteht ein Niederschlag, der alles Mangan enthält und das 
Filtrat ist manganfrei. 

Ein zweiter Einwurf, den Herr E (liefst* n macht, ist wich¬ 
tiger, dass nämlich die Oxalsäure in alkalischer Lösung überhaupt 
nicht oder nur äusserst langsam reducire. Das ist richtig: Keil¬ 
st e i n gibt an. dass bei sehr hohem Kalizusatz die Reduction auf¬ 
hört. Aber, wie sich F n n a überzeugt hat. ist sie bei relativ 
nicht allzuhohem Kalizusatz für Kali hypermanganicmn immer 
noch vorhanden, und wo sie nicht bis zur Stufe des Mnngnnsuper- 
oxyd geht, finden wir doch wenigstens die unvollständige Reduc¬ 
tion zur grünen Lösung des mangansauren Kalis. 

V n n a glaubt also den Schluss ziehen zu müssen, dass eine 
R e d u c t i o n des Kali hyper m a n g anic u m durc li 
Oxalsäure auch bei der E d 1 e f s e n’sehon Probe trotz des 
Natronzusatzcs nicht absolut auszuschliessen sei, falls Oxalsäure 
überhaupt als Oxydatiousproduct des Zuckers odi*r als normaler 

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Bestandtheil des Harns in Betracht komme. Nothweiwlig sei die** 
Annahme aber nicht. Herr Runge habe ihn darauf aufmerk¬ 
sam gemacht, dass die beobachteten Erscheinungen sich einfach 
erklären Hessen unter der Annahme, dass sich bei der E d 1 e f s e 
Probe ein Mangansaccharat bilde. Diese Verbindung (wie auch das 
Eisensaccliarat) werde jetzt vou Dieterich und Helfen borg 
im Grossen hergestellt. Dieses Mangansaccharat löst sich iu 
kaltem Wasser zu einer braunen Flüssigkeit, die beim Kochen all 
mählich alles Mangan flockig uusfalleu lässt, zeigt also dieselben 
beiden Eigenschaften, wie der braune Körper in der E d 1 e f s e n - 
sclien Harnprolie. 

Herr Vogel glaubt nicht, dass es Oxalsäure ist, welche sich 
hei der E d 1 e f s e n’schen Reaction aus dem Zucker bildet, da 
eine ganze Reibe anderer Substanzen, vor Allem Glycerin, durch 
Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung iu Oxalsäure über¬ 
geführt werden unter gleichzeitiger Ausscheidung von Mangan- 
snperoxydliydrat. Ihm ist es wahrscheinlicher, dass der das Klar¬ 
bleiben der Lösungen bedingende, aus dem Zucker sich bildende 
Körper Tartronsäure, oder eine dieser chemisch nahe stehend** 
Verbindung sei. Es scheint jedenfalls festzustellen, dass bei der 
Oxydation des Zuckers durch alkalische Kupferlösung in der 
Hauptsache Tartronsäure entsteht, und Herr Edlefsen hat ja 
bereits experimentell festgestellt, dass frisch gefälltes Mangan 
superoxvdhydrat in den bei der T r o m m e r’sehen Probe erhal¬ 
tenen Filtraten, welche die Tartronsäure also enthalten, löslich ist. 
Dass sich unter den bei der E d 1 e f s e n’schen Reaction vorliegen¬ 
den Bedingungen ein lösliches Mangansaccharat bilden kömn. 
scheint mir bei der leichten Ox.vdirbarkeit des Traubenzucker- 
einerseits und den starken oxydirenden Eigenschaften des IVr 
manganats andererseits nicht möglich zu sein. — Ich habt* die Ein 
Wirkung von Permpngnnat auf eine Reihe anderer von Trauben 
zucker verschiedener Substanzen wie Harnsäure, Harnstoff. Gly¬ 
cerin. Aceton, Pepton unter den vou Edlefsen angegebenen 
Bedingungen geprüft und stets Niederschläge, also negative Rc- 
actionen erhalten. Aus den genannten Körpern könnte ein«» Sul» 
stanz von der Zusammensetzung der Tartronsäure. von Glycerin 
abgesehen, auch kaum entstehen, und wie ich vou Herrn E d - 
1 e f s e n erfahren habe, hat er thatsächlicli zuweilen mit Glycerin 
positive Roactionen erhalten. 

Was die Empfindlichkeit der E d 1 e f s e n’schen Reaction an- 
belangt. so scheint sie mit der N y 1 a n d e r’sehen etwa auf einer 
Stufe zu stehen. .Jedenfalls konnte ich mit beiden Reacllonen noch 
0,02 Proc. Zucker im Harn mit Sicherheit, erkennen. Dabei waren 
bei der Prüfung nach E d 1 e f s e n 20 Tropfen Harn zur Erzielmi” 
einer klaren Lösung erforderlich. Der Hauptvorzug der Edlef- 
s e n’schen Reaction vor den gewöhnlichen Reduet ionsproben be¬ 
stellt wohl darin, dass sie durch andere reducirondo Substanzen 
des Harns nicht gestört wird, weil sie eben auf der Bildung tosen¬ 
derer Substanzen beruht, die nur aus Zucker hervorgehen können. 

Bemerken möchte ich noch, dass sich die klaren bei Anwesen¬ 
heit von Zucker entstehenden Lösungen bei längerem Stehen ar. 
der Luft unter Ausscheidung von Mangansuperoxydliydrat zer- 
setzen, ein Umstand, der die Beurtheilung des Ausfalles der Ro 
aetion in keiner Weist» unsicher macht. 

Herr Edlefsen (Schlusswort): Ich habe mich sehr gefreut, 
meine Angaben durch einen Vertreter der Chemie im Wesentlichen 
bestätigt gefunden zu 1 iahen. Ich glaube jetzt nach dem Ergebnis.« 
meiner fortgesetzten Untersuchungen die Grenze für die Empfind 
lielikeit der Reaction sogar noch etwas erweitern zu dürfen und 
möchte behaupten, dass man. wenn ein Harn überhaupt Zucker ent 
hält, immer auf ein dauerndes Klarbleiben der Probe wird rechnen 
dürfen, wenn man nur genügende Mengen des Harns (eveut. bis zu 
1 y s ccm) zn der Reagensttüssigkeit zusetzt. Auch bei der Verwen¬ 
dung reiner Traubenzuckerlösung wird dies nur erreicht, wenn 
man die zugesetzto Mengt» richtig abmisst. Von einer 3 proc. 
Traubenzuckerlösung ist z. B. y 4 ccm erforderlich, um mit einem 
Tropfen IVrmauganatlösung eine dauernd klare, blassbraun gefärbte 
Flüssigkeit zu erhalten. Es ist ja auch klar, dass die Menge der 
entstellenden lösenden Substanz in einem bestimmten Verhältnis- 
zu der Menge des der Oxydation unterworfenen Traubenzuckers 
stehen muss. 

Auf das daue r n de K 1 a r b 1 e i b e n der Probe mochte ich 
doch einiges Gewicht legen, da wir nur darin einen ganz sicheren 
Maassstab für das Gelingen der Zuckerprobe und besonders für die 
Beurtheilung der Menge, in welcher der Zucker im Harn enthalten 
ist. besitzen. Allerdings spricht die nachträgliche Entstehung eines 
braunen Niederschlages in der Anfangs völlig klaren Probe keines 
wegs gegen die Anwesenheit von Zucker. 

Meine weiterem Untersuchungen haben mich darüber belehn, 
dass unter allenroduclrendcnSubstanzen, die inFrage kommen, sich 
nur das Glycerin dem Zucker ähnlich verhält. Wenn ich 3 Tropfei. 
Glycerin zu der Reagensfliissigkeit. zusetzte, blieb die Probe für 
mein- als 12 Stunden klar. Dann bildete sich freilich ein spärlicher 
körniger, brauner Niederschlag. Genauere Untersuchungen behalte 
ich mir vor. Da nun, wie Herr Vogel mir privatim mittheilr. 
unter den Oxydationsproducten des Glycerins die Tartronsäure ein** 
Hauptrolle spielt, würde das dem Traubenzucker analoge Ver 
hallen desselben es nur wahrscheinlich machen, dass eben diese 
Säure das Lösungsmittel für Mangansuperoxydliydrat in meiner 
Zuekerprobe bildet 

Von der Annahme, dass es vielleicht die Oxalsäure sein könnt* 
die die Lösung bewirkte, bin ich sehr bald zurückgekommen. da ich 
fand, dass das Mangansuperoxyd sich zwar leicht in Oxalsäure 
lösung. aber nicht in oxalsaurem Natrium bei Gegenwart vor. 
freiem Alkali löst, wie es in den Permanganat proben vorhanden 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



März 1900. 


M UN'CH KN KR MKDK-INISCHK W OCH KN SCHRIFT. 


447 


sein müsste. Uebrigens wird auch die Lösung des Mangausuper- 
oxyds in Oxalsäure im Lauf einiger Zeit vollständig entfärbt. 

Zum Schluss will ich noch betonen, dass sich die neue Reactiou 
nur zum Studium der physiologischen Glykosurie 
eignet, während für den Nachweis des Zuckers bei patho¬ 
logischer Glykosurie die alten Zuckerproben vollkommen 
ausreichen. 

Vortrag des Herrn C. Laiienstein: Zur Catgutfrage. 

(Krscheint ausführlich in dieser Wochenschrift.) 


Aerztlicher Verein München. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 18. October 1899. 

Herr Adolf Schmitt : 

a) Die operative Behandlung der Perforationsperitonitis. 

b) Mittheilungen zur Nierenchirurgie. 

Discussion. Herr Decker: Bezüglich des von Herrn 
(N »liegen Schmitt erwähnten Falles von Ulcusperforatiou 
möchte ich bemerken, dass wohl mit Sicherheit angenommen 
werden kann, dass die Perforation ca. 4 Stunden vor der Operation 
erfolgt ist. Die Patientin, die schon früher an Ulcus gelitten, be¬ 
kam an dem betreffenden Tage früh einen Magenkrampf, der aber 
wieder nachliess, so dass sie Morgens und Nachmittags noch aus- 
giug und Abends 7 Uhr erst heimkehrte. y a 8 Uhr wurde sie wieder 
von heftigen Magenschmerzen befallen, so dass sie zu Bett ge¬ 
bracht werden musste. Als ich Abends >/ 2 10 Uhr hinzugerufen 
wurde, fand ich die Patientin stark eollabirt. den Leib stark ge¬ 
spannt, über dem ganzen Abdomen diffuse hochgradigste Schmerz¬ 
haftigkeit, Puls sehr klein und ausgesprochener abdomineller 
Typus. Die Diagnose eines perforirten Magenulcus unterlag dem¬ 
nach keinem Zweifel. Die baldige Vornahme der Operation nach 
eirolgter Perforation hat daher mit zu dem erfreulichen Resultat 
vollständiger Genesung beigetragen. Von besonderem Interesse 
in diesem Falle war auch der Umstand, dass die Operation im 
Schock vorgenommeu wurde. Bekanntlich ist die Ansicht der 
Chirurgen über die Frage, ob während des Schocks operirt werden 
oder ob man denselben zuerst Vorbeigehen lassen soll, eine ge¬ 
teilte. Unser Fall scheint denen Recht zu geben, die für sofortiges 
Operiren sind. 

Herr Gossmann vermisst bei dem Vortragt» über Per¬ 
forationsperitonitis ein Eingehen auf die für den praktischen Arzt 
so wichtigen und nicht selten rasch letal verlaufenden Fälle von 
Feritonitis, welche vom Wurmfortsatz ausgehen. Sie kommen dem 
praktischen Arzte häufiger vor. als die Fälle von Perforationsperi- 
touitis in Folge von einem Trauma, welche ja ohnehin regel¬ 
mässig in ein Krankenhaus gebracht werden. Gerade diese trau¬ 
rigen Fälle von foudroyanter Peritonitis, welche vom Wurmfort¬ 
satz ausgehen, scheinen nach G o s s m a n n’s Erfahrung die 
Chirurgen, selbst wenn sie frühzeitig beigezogen werden, nur un¬ 
gern anzugehen im Gegensatz zu ihrem schneidigen Vorgehen bei 
der durch ein Trauma bedingten Perforationsperitonitis. 

Herr Krecke: Herrn Schmitt gebührt ganz besonders 
Dank dafür, dass er von der aus einer Fehldiagnose unternom¬ 
menen Operation so offenherzig Mittheilung gemacht hat. Gewöhn¬ 
lich werden ja derartige Erlebnisse nicht veröffentlicht, und doch 
sind sie am allermeisten geeignet, zur Belehrung beizutragen. 

Iv. kann von einem ähnlichen Fall erzählen, der ihm durch 
die private Mittheilung eines auswärtigen Chirurgen bekannt ge¬ 
worden ist. Bei einem Kranken war auf Grund von Eiweiss- und 
Tuberkelbacillenbefund im Harn, Vergrösserung der rechten Niere 
die Diagnose — mit vollem Recht — auf Tuberculose dieser Niere 
gestellt. 

Nephrektomie. In der exstirpirteu Niere keine Spur von 
Tuberculose, wohl aber die Zeichen eiuer chronischen parenchyma¬ 
tösen Nephritis. Der Tuberkelbacilleubefund wnr dadurch zu 
Stande gekommen, dass der betr. Assistent gebrauchte Deck¬ 
gläschen benutzt hatte, auf denen von einer früheren Unter¬ 
suchung her noch Tuberkelbacillen vorhauden waren. 


Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht) 

W i e n . 24. März 1900. 

Gegen die Distanzbehandlung. — Eine sehr empfindliche 
einwandfreie Ei weissprobe. — Rhythmische Verengerung des 
Racheneinganges bei Aorteninsufficienz. — Zwei Fälle von 
Papillom der Blase. 

Tm Verein der Aerzte in Niederösterreich wurde, wie das 
officielle Protokoll'mittheilt, jüngst „die schmutzige und unver¬ 
antwortliche“ Distanzbehandlung besprochen und betont, dass 
die Distanzbehandlung von Kranken, die im Sanitätsgebiete eines 
Collegen wohnen oder von einem anderen Arzte behandelt werden, 
mit allen Mitteln bekämpft werden müsse. Um jedoch Irr- 
thümern vorzubeugen und sich nicht ungerechten unangenehmen 
Diseiplinarvorhandlungcn auszusetzen, wird die Aerztekammer 
ersucht, den Begriff „Distanzbehandlung“ genau zu präeisiren 
und mögen insbesondere zwei Fragen Beantwortung linden: 

Digitized by Goosle 


a) Ist es Distanzbehandlung, wenn man, für den Augenblick ver¬ 
hindert, dem Kufe sogleich Folge zu leisten, und bei anderweitig 
nicht vorhandener ärztlicher Hilfe, unterdessen ein Medicament, 
z. B. ein schmerzstillendes, verabreicht oder für zweckdienlich ge¬ 
haltene Rathschläge ertheilt, bis die Visite möglich ist? — b) Ist 
es Distanzbehandlung, wenn man einem eigenen in Behandlung 
stehenden Patienten während dessen Krankheit, auf mündliche 
Nachrichten hin, Medicamente und Rathschläge gibt, unbeschadet 
der sonst noch erfolgenden Visiten und Untersuchungen? Das 
Protokoll theilt mit, dass dieser Antrag einstimmig angenommen 
wurde. Wir denken, dass es der Kammer nicht schwer fallen 
wird, die obigen zwei Fragen zu beantworten und den Begriff 
der „schmutzigen und unverantwortlichen“ Distanzbehandlung 
zu umgrenzen; wir zweifeln aber sehr, dass man schon damit 
dem Unwesen der inserirenden Aerzte („auch brieflich“) ein 
Ende bereiten werde, da hiezu eine Abänderung unseres Kammer¬ 
gesetzes unbedingt erforderlich ist. 

Der Nachweis des Eiweisses im Harn bildete einen Theil de« 
Vortrages, welchen Dr. A. J oll es jüngst im Wiener medicini- 
schen Doctoren-Collegium hielt. Er wies darauf hin, dass die 
Essigsäure-Eerroeyankaliumprobe unter Umständen durch die 
intensive Gelbfärbung, welche durch die Anwesenheit von Ni¬ 
triten im Harn bedingt sein kann, eine zuverlässige Beobachtung 
nicht gestattet. Bezüglich der Kochprobe machte J. darauf auf¬ 
merksam, dass die Coagulation des Serumalbumins im Harne 
durch die gleichzeitige Anwesenheit von Salzen begünstigt wird, 

I so dass es sich empfiehlt, jedem Harne vor dem Ansäuern und 
| Kochen etwas Kochsalz oder Natriumsulfat hinzuzusetzen. So 
| werthvoll die Kochprobe als orientirende Probe ist, so ist sie doch 
zur Constatirung von quantitativ nicht mehr bestimmbaren Ei- 
weissmengen in vielen Fällen unzulänglich, und für viele Fälle 
ist die Anwendung einer sehr empfindlichen, einwandfreien Probe 
angezeigt. Dr. J. empfiehlt seine bereits vor mehreren Jahren 
vorgeschlagene Probe, an der er eine kleine Modification in der 
Zusammensetzung des Reagens vorgenommen hat, in folgender 
Ausführung: 4—5 ccm von dem vorher filtrirten Harne werden 
mit 1 ccm Essigsäure (30 Proc.) angesäuert, hierauf 4 ccm von 
dem Reagens hinzugefügt und geschüttelt. Das Reagens be¬ 
stellt aus Hydrargyr. biehlor. eorros. 10 g, Acid. succinie., Natr. 
chloraf. ana 20 g, Aq. destill. 500 g. In einem zweiten Reagens¬ 
glase versetzt man 4—5 cem Harn ebenfalls mit 1 ccm Essigsäure, 
fügt aber statt des Reagens die entsprechende Menge (4 ccm) 
destillirtes Wasser hinzu und schüttelt um. Durch Vergleichung 
beider Proben lassen sieh noch mit Sicherheit Eiweissspuren con- 
statiren, die durch die Fcrrocyankaliprobe absolut nicht zu er¬ 
kennen sind. Ein Vorzug der Probe besteht auch darin, dass sich 
mittels tierseihen Muein und Nucleoalhumin von Albuminspuren 
sicher differenziren lassen. Diese Probe ist im Laboratorium der 
mediein. Klinik zu Wiirzburg von Dr. Gaston Graul einer ein¬ 
gehenden Prüfung unterzogen worden, und in einer Dissertation, 
betitelt: ^Untersuchungen über die Verwerthbarkeit des neuen 
Eiweissrengens von Dr. A. Jolle s“ bezeichnet Graul die 
Probe als besonders geeignet für den Nachweis sehr geringer 
Mengen von Albumin und Albumosen im Harne. 

Im Anschlüsse an die Eiweissproben empfiehlt Dr. J. die 
Koch probe, sofern dieselbe nur Phosphate angezeigt hat, mit 
der Bestimmung des Säuregehaltes? des Harnes zu combiniren, 
indem er wiederholt hei schwerer Neurasthenie und Gehirn¬ 
erkrankungen ein Ausfallen von Phosphaten aus stark sauren 
Ilarnen beim Kochen beobachtet hat, und er hält es für wün¬ 
schenswert^ dass diese Erscheinung auf Kliniken auf ihren ev. 
diagnostischen Werth untersucht werde. 

Im Wiener medioinisehen Club stellte jüngst Doeent Dr. 
II. Schlesinger einen Fall von Aorteninsufficienz mit rhyth¬ 
mischer Verengerung des Rachei leinganges vor. Der Kranke leidet 
an einer typischen Insufficienz der Aortenklappen mit den ge¬ 
wöhnlichen Folgeerscheinungen am Circulationsapparate, erheb 
lieber Hypertrophie des linken Ventrikels und einer aneurys- 
matisclien Erweiterung des Bogens der Aorta. Der Kopf dis 
Kranken wird rhythmisch von rückwärts nach vorne synchron 
mit der Herzaetion bewegt. Der Kehlkopf macht ebenfalls rhyth¬ 
mische Bewegungen in der Richtung von unten nach oben und 
anscheinend auch von rechts nach links; Druck auf den Kehl¬ 
kopf sistirt die Bewegungen. Das Gaumensegel und die Uvula 
werden im Momente der Ilcrzsystole gesenkt, die seitliche 
Rachenwand wölbt sich gegen die Rachenhöhle zu vor, der 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



No. 18. 


MÜNCH KN KI? MKOICINISCIIK WOCHEXSCH RIFT. 


4 48 


Zuugengrund wird mit jeder Systole ziemlieh stark gehoben. 
Durch diese combinirten Bewegungen, welche theils durch Puls 
in kleinen Gefässen, theils durch die Pulsation der Aorta ver¬ 
anlasst wird, entstellt eine rhythmische, mit der Herzsystole syn¬ 
chron auftrötende Verengerung der Rachenhöhle, besonders ihres 
Einganges. Auch der Unterkiefer macht rhythmische Be¬ 
wegungen. 

ln der Gesellschaft der Aorzte stellte jüngst Assistent 
Th'. Pen dl einen Fall von Papillom der Harnblase vor, bei 
welchem seit Monaten Ilaematurie und zuletzt auch Ilarn- 
hesehwerden bestanden. Die Cystoskopie lies* ein der rechten 
Blasenwand aufsitzendes Papillom diagnostieiren. Dieses erwies 
sieh bei der Operation (Sectio alta) als wallnussgross, breit ge¬ 
stielt aufsitzend. Excision, Vereinigung der Wundränder mittels 
(’atgutnaht. Da die Blutung vollständig stand, wurde auch die 
Blase in 2 Etagen vernäht, darüber die Hautwunde bis auf eine 
Drainageöffnung für den praevesiealen Raum geschlossen. In die 
Blase ein Verweilkatheter. Aus diesem entleerten sieh bald dar¬ 
nach einige Tropfen blutigen Drins, es stellten sich nach wenigen 
Stunden starker Harndrang, Schmerzen im Unterbauche etc. ein. 
Die Blase bis zum Nabel ausgedehnt, prall gespannt, offenbar in 
Folge Nachblutung. Es wurde die Blasenwunde neuerlich ge¬ 
öffnet, eine Masse coagulirten Blutes aus der Blase entfernt, und 
da sich die Nähte an der Excisionsstelle vollkommen suffieient 
zeigten, die Wunde verkleinert, der Rest derselben drainirt. 
Glatte Heilung. Am Ende der dritten Woche war die Blasen¬ 
fistel geschlossen, der Kranke konnte das Bett verlassen. 

Soll man nach endovesicalen Eingriffen die Blasenwunde 
vollständig sehliessen oder nicht! 1 Diese in jüngster Zeit venti- 
lirte Frage liesse sieh mit Hinweis auf obstehenden Fall in dem 
Sinne beantworten, dass es vielleicht besser sei, eine Drainage- 
Öffnung in der Blase zu etabliren. In diesem Falle presste der 
Operirte nach dem Erwachen aus der Narkose so fest, dass es zu 
der heftigen Nachblutung kam. 

Eine Woche später stellte Prof. W e i n 1 e e h n e r der Ge¬ 
sellschaft ebenfalls einen Mann vor, welchem er ein Papillom der 
Blase auch mittels hohen Schnittes entfernt hatte. Dieser Kranke 
litt seit: ca. 6 Wochen an Blasonblutungon und zeigte auch die 
F’rscheinungen eines heftigen Blasenkatarrhs. Das Papillom war 
mandelkerngross, auf einem Stiele aufsitzend. Die Blasensehleim- 
haut fühlte sieh mosaikähnlich, flachhöckerig an, wesshalb W. 
die Blasenwunde nur mit der Haut vernähte, die Wunde offen 
liess, mit Tanninjodoformgaze ausfüllte und in die Blasenwunde 
öfters Alaunpulver streute. Verweilkatheter. 4 Wochen später 
war die Wunde geschlossen, eine sieh später einstellende Fistel 
durch Wiedereinlegen des Verweilkatheters etc*, rasch beseitigt. 

An der Hand zahlreicher anderer Erfahrungen, welche Prof. 
W. aus seiner Operationspraxis eitirt, beantwortet er auch die 
von Dr. Pen dl aufgeworfene Frage der Blasennaht nach der 
Sectio alta in folgender Weise: Es spielt hiebei die Beschaffenheit 
des Harnes resp. der Blase eine grosse Rolle. Ist der Harn voll¬ 
kommen normal, die Blase gesund, kann man eine Primaheilung 
an streben und erwarten. Bei massigem Blasenkatarrh mag die 
Blase vollständig genäht und am unteren Ende drainirt werden, 
um dem Harne freien Abfluss zu verschaffen, falls die Naht iu- 
sufficient würde. Ist die Blase aber stark katarrhalisch afficirt 
lind wären mehrere Papillome zu entfernen, so möge man die 
Blase mit der Haut vernähen, die Bauchwunde aber offen lassen, 
selbst auf die Gefahr hin, dass sich eine zeitweise Narbenharn- 
fistel einstellt, was in dem heute von W. demonstrirten Falle auch 
beobachtet wurde. 


Berliner medicinische Gesellschaft. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 21. März 1900. 

Herr Albu: Zur Physiologie und Pathologie der Gallen- 
secretion. 

Die Zahl der beim Menschen beobachteten permanenten 
Gallenfisteln ist keine sehr grosse. Vortragender konnte eine 
solche längere Zeit beobachten und zu physiologischen Unter¬ 
suchungen benutzen. 

Die 58 jährige Frau litt früher an Gallensteinen und wurde 
desswegen zweimal operirt, jedoeli ohne dass ein Stein gefunden 
worden wäre; hingegen bildete sich eine permanenteGallen- 
f i s tel, die jetzt schon 9 Jahre besteht. Die Patientin ist davon 
jedoch wenig belästigt, wenn sie alle 2 Stunden die Galle abfliessen 
lässt; wartet sie länger, dann empfindet sie Schmerzen. Der E r¬ 


n ä h rungszusta nd ist ein sehr guter geblieben. Man sieht 
unterhalb des Rippenbogens die lippenförmige Fistel, welche 10 
bis 11 cm nach oben und hinten zu verfolgen ist. Die Patientin 
kann diese Sondining selbst sehr gut vornehmen. 

Die abfliessende Galle ist ganz klar, goldgelb; ganz selten, in 
der Regel nur nach längerer Retention, mit einzelnen Schleiin- 
tiöekehen gemischt: von geringem specifischem Gewicht; kurz sie 
bietet alle Zeichen der Lebergalle zum Unterschiede von der eon- 
eentrirteren Gallenblasengalle. Die tägliche Menge 327—490 eeni. 
Der Stein sitzt vemuithlich im Choledoehus. 

Während der einjährigen Beobachtung des Vortragenden ist 
die Galle gleichgebliebeu. 

An den meisten Tagen fand er den Stuhl ganz acholisch, 
doch manchmal leicht gefärbt und einmal konnte er Urobilin naeh- 
weisen; niemals fand er Urobilin im Harn. 

Es ergab sieh kein Einfluss der Quantität oder (.Quali¬ 
tät der X u h r u n g auf die Gallensecretion; die Ausnutz¬ 
ung d e s F e t t e s im Darmcanal war eine sehr gute*, der nor¬ 
malen sich annähernde, dessgleichen die F e 11 s p a 11 u n g. Vor¬ 
tragender benutzte die Gelegenheit zum Studium des Einflusses 
der sog. Cholagoga und fand, dass alle, Karlsbader Salz. 
-Brunnen, salioylsaures Natron, Olivenöl, Fel Tauri inspiss., 
ohne jeglichen Einfluss seien, dass es also cholagoge Mittel mehr 
gäbe. Der Einfluss dieser Mittel bewegte sieh, wie schon S t a - 
d e 1 m a n n hervorgehoben, durchaus innerhalb der normalen 
Schwankungen. Frühere, entgegengesetzte Angaben seien viel¬ 
leicht darauf zurüekzufiihren, dass man nicht zwischen ver¬ 
mehrter Bildung und vermehrter Ausscheidung unter¬ 
schieden habe; wie z. B. die Laxantien eine vermehrte Ausschei¬ 
dung, aber nicht Bildung bewirken. 

Die der Galle früher nachgesagte, aber jetzt zumeist nicht 
mehr anerkannte antiseptische Wirkung der Gail«- 
konnte tu* in seinem Falle ebenfalls nicht bestätigt finden, 
wenigstens soweit sich die Dannfäulniss an der Menge der 
Aethersclnvefelsäureii im Harn messen lasse. 

Discussion: Herr Stadel mann: Er freue sieh der 
Uebereiustimmung zwischen den Beobachtungen des Vortragenden 
lind seinen Experimenten; nichtsdestoweniger könne er seine Be¬ 
denken gegen die ersteren nicht unterdrücken. Er bezweifele, 
dass die Kranke wirklich eine complete Gallenfistel habe, sondern 
halte es nicht für ausgeschlossen, dass ein gewisser T heil 
der Galle doch in den Darm gelange. Das könne ja 
kein Mensch mit Sicherheit entscheiden und darum können 
die Beobachtungen A1 b u*s nicht den Werth be¬ 
anspruchen, den Dieser ihnen beizulegen geneigt ist. Di# 
Unters u e h u n g de r F a e c e s sei durchaus nicht aus¬ 
schlaggebend. Es ist bekannt, dass nach der Ansicht vieler 
Autoren die helle Farbe des Stuhles nicht vom Fehlen der Galle, 
sondern vom Reichthum an Fett herrührt. Man beobachtet solche 
helle Stühle bei Diabetikern mit ganz normaler Gallensecretion. 
Es ist auch enorm schwierig, dieGegenwart von Galle in den Faeces 
naclizuweisen. Auch müsse man, worauf er früher hingewiesen, 
den sogen. Kreislauf der Galle in Rücksicht ziehen, d .h. «lass ein 
grösserer Theil derselben im Dann wieder zur Resorption kommt. 
Es kann also in dem A 1 b u’schen Falle ein ganz erheblicher Theil 
von Galle in den Darm gelangen, ohne in den Faeces nachweisbar 
zu sein. Und dieser Umstand würde dann die gute Fettresorprion. 
die gute Fettspaltung u. s. w. ganz einfach erklären. Er li a b f 
selbst viele Untersuchungen an Gallenfisteln 
beim Menschen angestellt, er würde dieselben 
aber niemals veröffentlichen, weil er all«- 
weitergehenden Schlüsse daraus für unstatt¬ 
haft li a 1 t e. Von einem Kranken mit Gallenfistel, der zu solchen 
Untersuchungen verwendbar sein soll, müsste man verlangen. 
1. dass es eine jugendliche Person ist: 2. die Gallenfistel muss 
chronisch sein; Galle, welche kurze Zeit nach der Operation nb- 
fliesst., ist ganz ungeeignet; 3. die Fistel muss complet sein: der 
Ductus choledoclms muss unbedingt und einwandsfrei verschlossen 
sein; 4. dieser Verschluss darf aber nicht durch einen malignen 
Tumor erfolgen, wegen dessen Einfluss auf den Stoffwechsel: 
5. die Leber muss vollständig normal sein. 

Diesen Anforderungen wird aber kein Fall entsprechen. 

Er frage endlich noch, ob auch die gallensauren Salze keinen 
Einfluss hatten, die nach seiner Meinung das wichtigste Chola¬ 
gogum seien. 

Herr Jaques Meyer: Das Karlsbader Wasser übt, wie er 
auf dem Congress für innere Medicin ausgeführt habe, einen Ein¬ 
fluss auf die Gallenabscheidung aus. 

Herr Rosenberg: Er schliesst sich Stadelmann be¬ 
treffs der Bew'erthung des Alb u’schen Falles an. Von einem 
Cholagogen Mittel solle man nicht verlangen, dass es die 24 stün- 
dige Menge erhöhe, es genüge, wenn in einem gegebenen Moment 
die Ausscheidung und dadurch der Druck gesteigert werde, um 
etwa einen Stein auszutreiben. 

Herr Albu: Die Möglichkeit, dass die Fistel nicht compM 
sei, muss zugegeben werden, doch ebenso auch das Gegen theil. 

Die gallensauren Salze waren ebenfalls ohne Einfluss. 

Hans K o b n. 


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Gck igle 


Original from 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


449 


27. MSra 1900. 


Verein für innere Medicin in Berlin 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 19. März 1900. 

Herr A. Fraenkel: Demonstration zum Asthma bron¬ 
chiale. 

Vortr. demonstrirt mikroskopische Präparate und Zeichnungen 
eines Falles von Asthma bronchiale mit tödtlichem Aus¬ 
gang, die nach seiner Ueberzeugung geeignet sind, endlich eine 
Klärung der Frage herbeizufUhren, auf welche Welse und aus 
welchem Material die Ourschman n’schen Spiralen sich 
entwickeln. 

Schon lange hat man dem Auftreten von Cylinderzellen 
im Sputum der Asthmatiker Aufmerksamkeit geschenkt (B. Lev y) 
und im vergangenen Jahre stellte Vortr. Präparate eines tödtlich 
verlaufenen Falles von Asthma in diesem Verein vor, in welchem 
sich eine hochgradige Desquamation der Cylinder¬ 
zellen, bis zur völligen Verstopfung der Bronchiolen mit solchen 
constatiren Hess, Eine weitere Bedeutung gewannen diese Zellen, 
als Berkhardt im Sputum der Asthmatiker Cylinder¬ 
zellen mit langausgezogenen Fäden auffand und 
aus diesem Befund den hypothetischen Schluss zog, dass die 
Spiralen aus solchen schleimig entarteten, langausgezogenen 
Cylinderzellen entstehen. 

In dem vorliegenden Falle gelang es nun A. Fraenkel, den 
Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese zu erbringen. 
Man sieht an den ausserordentlich gut gelungenen Präparaten 
(Färbung nach Biondi-Haidenhain, Nachfärbung mit 
Jodgrün) auf Querschnitten der Bronchien die schleimige Spirale 
im Centrum des Bronchus und von allen Seiten zu ihr hinstrebende 
Schleimfäden, welche direct aus den Cylinderzellen hervorgehen 
und zwar in der Weise, dass die Zellen schleimig degeneriren und 
durch den Luftstrom zu langen Schleimfiiden ausgezerrt und zur 
Spirale aufgequirlt werden. Verschiedene Präparate demonstriren 
die verschiedenen Grade. Diese Farbendifferenzirung entscheidet 
nach Vortr. auch besser als die Thioninfärbung die Frage nach 
der chemischen Natur der Spiralen, die also aus Schleim 
bestehen. 

Weiterhin zeigen die Präparate neben den Asthmakristal¬ 
len noch die im Asthmasputum bekannten eosinophilen 
Zellen, und zwar beide sowohl im Lumen des Bronchus, als 
auch in der Submucosa und die Zellen auch auf der Durch Wande¬ 
rung nach dem Lumen begriffen. 

Dass nicht beim einfachen Bronchialkatarrh das gleiche ana¬ 
tomische und klinische Bild zu Stande kommt, dürfte einerseits 
auf die zähe Beschaffenheit des Schleims beim Asthma und be¬ 
sonders auf den dabei vorhandenen Bronchospasmus zurück¬ 
zuführen sein. 

Den Centralfaden der Spiralen, über dessen Wesen so 
viel debattirt wurde, ist er geneigt für einen einfachen Schleim¬ 
faden, hervorgegangen gleich den andern aus einer ausgezerrten 
Zelle, zu halten. Damit dürfte die Frage über die Natur der 
Spiralen zu einem gewissen Abschluss gekommen seien. 

Discussion: Herr v. Leyden. Er ist geneigt, den Aus¬ 
gangspunkt des Processes nicht in die Bronchiolen, sondern in das 
Infundibulum und die Alveolen zu verlegen. Den Beginn 
der Spiralenbildung sehe er ln einer Transsudation der Um¬ 
gebung, was auch den Austritt der eosinophilen Zellen besser er¬ 
klären würde. Die Epitheldegeneration könnte auch 
secundär sein und er hält es für unwahrscheinlich, 
dass diese Zellen Schleim secerniren können. 

Herr A. Fraenkel: Er sei in der glücklichen Lage, an 
den vorgestellten Präparaten beweisen zu können, dass in den 
Alveolen nichts von Exsudat zu finden; auch die eosino¬ 
philen Zellen sind nicht in den Alveolen, sondern in den Bron¬ 
chiolen und deren Wandungen. Endlich die Bildung des Schleims 
aus den Cylinderzellen betreffend, so redeten die Präparate 
eine Sprache, die keinen Widerspruch duldet Er stehe 
hier nicht auf dem Boden der Hypothese, sondern der Thatsachen. 

Demonstrationen. 

Herr Ewald: 1) Präparat des Rückenmarks eines Tabikers 
mit Aneurysma racemosum der Art spin. ant und in geringerem 
Grade auch post 

2) Präparat von Oesophaguscarcinom, in welchem eine Zeit 
lang die Ernährung mit der R e n v e r s’sehen Dauercanüle voll¬ 
zogen wurde. Die Speiseröhre war zeitweise auch für Flüssigkeit 
nicht durchgängig gewesen; nach Einführung der Canüle nahm 
Pat in 8 Tagen um 7 Pfd. zu. 

Das Leichenpräparat zeigte, dass die Canüle nur den An¬ 
fang der Stenose passirt hatte; trotzdem functionirte sie gut. — 
Zeitweise wurde Pat. nur mit Nährklystieren erhalten und Vortr. 
benutzte diese Gelegenheit zu einer Untersuchung über die Auf¬ 
saugung des Eiweisses aus denselben. Das Resultat war sehr 
günstig, wenngleich es nicht möglich ist, damit in allen Fällen ein 
Gleichgewicht des Eiweissbestandes hervorzurufen; in der Mehr¬ 
zahl findet keine Unterernährung statt 

Die Technik der Canüleneinführung sei einfach; doch hat er 
ln seinen Fällen keine so günstigen Resultate gesehen, wie 
Curschmann sie neuerdings beschreibt. Manchmal mache 
die Canüle Druck und Schmerzen; auch glaubt er, dass sie den 
Zerfall des Careinoms beschleunigen kann. 

Herr Renvers: Als er vor 15 Jahren auf der Leyden- 
schen Klinik, angeregt durch die Mittheilungen von englischer 
Seite, die ersten Versuche mit der Dauercanüle machte, über¬ 
zeugte er sich bald, dass zwar das Einlegen der Canüle sehr ein- 

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fach sei, nicht immer aber das Wiederherausnehmen. Die 
Canüle wird nämlich morsch und wenn man sie entfernen will, 
dann reissen die Fäden den Rand ab und die Canüle bleibt stecken. 
Dies sah er mehrmals. Es geht nur Flüssigkeit durch die Ca- 
nülen; selbst Brei verstopft sie. 

Er wendet sie daher jetzt nur noch in bestimmten Fällen an, 
nur bei Patienten, welche sonst der Verhungerung ausgesetzt sind, 
also namentlich beim Scirrhus in der Cardia, und zwar bei jenen 
an der Bifureation sitzenden, in die Trachea durcbgebrochenen 
Krebsen, die zu fortwährendem Verschlucken Veranlassung geben. 

Man soll die Canüle alle 8 Tage durch eine neue er¬ 
setzen. 

In anderen Fällen hilft man sich besser durch Bekämpfung 
des Spasmus mit Hilfe von Cocain oder Morphium und 
Spülung des oberhalb der Strictur erweiterten Oesophagus. 

Beim jauchigen zerfallenden Carclnom empfiehlt sieb wegen 
der Gefahr der arteflciellen Perforation in die Pleura die Gastro¬ 
stomie zu machen. 

Herr v. Leyden: Der psychische Eindruck, den das ewige 
Wechseln der Canüle und die Erfolglosigkeit der Bemühungen auf 
den Patienten machen, Ist kein günstiger; er hat desshalb auf 
seiner Abtheilung die Methode wieder verlassen. Was die Nähr- 
klystiere anlangt, so sei es ausser allem Zweifel, dass sie einen 
hohen Werth besitzen. 

Herr Rosenheim : Die Begeisterung Curschman n’s 
für die Dauercanüle sei keineswegs berechtigt; er habe die Me¬ 
thode oft versucht; man komme auf dem zweiten von Renvers 
erwähnten Weg meist viel weiter. 

Herr A. Fraenkel hat die Methode ebenfalls verlassen. 

Herr J. Lazarus hat einen Fall von Magengeschwür 
3 Wochen allein mit Nährklystieren ernährt. Hans K o h n. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Aoadömie de m6decine. 

Sitzung vom 30. Januar und 6. Februar 1900. 
Sauerstoffmedicatioji durch intratracheale Injection von Saner- 
stoffwasser (WasserstoffSuperoxyd). 

Die gewöhnliche Art, Kranke mit Sauerstoff zu behandeln, ist 
die der Inhalation, wozu es vor Allem nöthig ist, dass die In- 
spirationskraft des Patienten noch eine genügende ist und das Gas 
leicht frei werde. Da nun diese Bedingungen oft nicht vorhanden 
sind, so wählte Mendel obige Art der Injection. Dieselbe wird 
mit einer 3 ccm enthaltenden Spritze, an die eine entsprechend 
gebogene Canüle befestigt ist, ausgeführt und zwar werden 3—4 
Spritzen Sauerstoffwassers (von 10 Volumen) in jeder Sitzung 
ohne Zuhilfenahme des Kehlkopfspiegels injicirt; es können täg¬ 
lich 2 Sitzungen vorgeuoinineu werden. Im Verein mit der In¬ 
jection ätherischer Oele hat der Sauerstoff vorzügliche Resultate 
bei Lungeutuberculose gegeben (1 Injection Sauerstoff¬ 
wassers auf 4—5 Sitzungen der Oelinjeetionen). 12 Phthisiker 
verschiedener Grade wurden auf diese Welse behandelt und 
11 derselben haben im Laufe von 3 Monaten eine Besserung in 
jeder Beziehung (Kräfte, Appetit, Verdauung, Athmung) erfahren. 
Die längere Beschreibung seines Verfahrens schliesst M. mit der 
Ueberzeugung, dass dasselbe, welches so einfach sei und gut ver¬ 
tragen werde, nicht nur bei der Lungeutuberculose, sondern in 
allen pathologischen Zuständen, wo Sauerstoffdarreichung indicirt 
sei, gute Dienste thue. 


Loc&lisation und Ursprung des Arseniks im thieri sehen 
Organismus. 

G a u t i e r hat seine bezüglichen Untersuchungen fortgesetzt 
(siehe diese Wochenschrift No. 8 d. J., pag. 105) und kam sur Auf¬ 
stellung folgender Tabelle: 

Arsenik in Milligramm auf 100 g des frischen Organs; 


Spuren in abnehmender 
Reihenfolge 


Schilddrüse 0,75 mg 

Brustdrüse 0,13 „ 

Gehirn sehr wechselnde Menge oder — Null 

Thymus nicht wägbare Menge 

Nägel, Haare und HoriiRubBtanz 
Haut 
Milch 
Knochen 

Dieser normale Arsenik kommt theils von gewissen vegeta¬ 
bilischen Nahrungsmiteln: Kohlrüben, Kohl, Kartoffeln, Cerealien 
aus schwefelkieshaltigem Terrain; auch einige animalische 
Nahrungsmittel, wie Milch, Thymus, Haut, Gehlru, können einen 
sehr leichten Arsenikring liefern. Es Ist vom gerichtsärztlichen 
Standpunkt aus von Wichtigkeit, dass ausser In den oben ange¬ 
führten Organen in den anderen thierischen Organen und Säften 
keine Spur Arsenik sich findet, besonders nicht in jenen, welche die 
Hauptmasse des Körpers ausmacbeu, wie Muskeln, Leber, Milz, 
Blut u. s. w„ sei es dass er daselbst wirklich nicht vorhanden ist 
oder dass seine Menge weniger als 1 Zwanzigmillionstel des unter¬ 
suchten Organes beträgt, bis wohin die Grenze der Untersuchungs- 
möglichkeit geht. Wenn also der Experte in den als arsenikfrei 
bezeichneten Organen Spuren dieses Metalloids findet, so muss das¬ 
selbe zu Lebenszeit entweder als Medicament oder zu criminellen 
Zwecken gegeben worden sein. 

Lancereaux hebt das auffallendeWaclisthum der Nägel 
unter dem Einfluss von Arsenik hervor, H a y e m die Möglichkeit, 
dass Arsenik ln den Lungen vorkomme; G a u 11 e r wird bei 
seinen nächsten Analysen die letzteren speciell berücksichtigen. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



450 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


Aus den englischen medicinischen Gesellschaften. 

Pathological Society of London. 

Sitzung vom 20. Februar 1900. 
lieber die Formen und Bedeutung der im Urin auftretenden 
Proteine. 

Prof. Halliburton sagte: Die Substanzen, um welche es 
sich hier handelt, hüben ein grosses Moleculargewicht, und diese 
beträchtliche Grösse der Molecüle erklärt es, dass sie, abgesehen 
von ganz geringen Spuren, das normale Niereuepithel nicht durch¬ 
dringen können. Im Allgemeinen findet sich Albumin eher im 
Urin als Globulin. Ein erheblicher Globulingehalt deutet auf eine 
starke Entartung der Nierenzellen hin. Fibrin kommt noch sel¬ 
tener als Globulin im Urin vor, und sein Molecül ist wahrschein¬ 
lich auch ein grösseres als das des letzteren. H. hob ferner den 
Unterschied zwischen Peptonurie und Albumosurie hervor. Erstere 
Bezeichnung ist auf solche Fälle zu beziehen, bei denen durch 
Bacterienwirkung Eiweisszersetzungen Vorkommen und die Pro- 
ducte derselben durch die Nieren ausgeschieden werden. Es 
findet sich dabei nicht ein echtes Kühn e’sches Pepton, sondern 
Deutero-Proteose. Albumosurie kommt vor bei Osteomalacie 
und anderen Knochenleiden. Genauer gesagt, handelt es sich um 
das Auftreten von Hetero-Albumose im Urin. Es sind bisher nur 
wenige derartige Fälle beschrieben. 

Bradshaw sprach über myelopathische Albumosurie, wo¬ 
von 11 Fälle bisher in der Literatur verzeichnet sind. Bei seinem 
eigenen Falle wurde das Eiweiss oft spontan gefüllt, und der Urin 
sah dann wie Milch aus. Charakteristisch waren die Fällung bei 
einer Temperatur unter 60° C. und durch Salpetersäure und Salz¬ 
säure in der Kälte, wobei der Niederschlag durch Kochen stets 
mehr oder weniger wieder gelöst wurde. Das durch Kochen er¬ 
haltene Präcipitat wurde durch Sodalösung (1:1000) vollständig 
gelost Praktischen Werth hat diese Erscheinung als allererstes 
Symptom bei Ergriffensein der Rumpfknochen und ist somit von 
übelster prognostischer Bedeutung. 

P a v y: Albuminurie kann functioneil, d. h. ohne histologische 
Veränderungen an den Nieren, auftreten, physiologisch ist sie aber 
nie. Das Molecül des Zuckers ist sehr klein, demnach muss, falls 
Zucker im Blut vorhanden ist, derselbe sich im Urin zeigen, auch 
ohne Steigerung des Blutdrucks. Zur Entstehung der Albuminurie 
dagegen ist eine Steigerung des Blutdrucks erforderlich wegen der 
Grösse der Molecülen. Daraus erklärt sich das Auftreten des Urin- 
elweisses nach grösseren Anstrengungen und in der cyclischen 
Form. Zuweilen genügt ja schon das Aufstehen aus dem Bett, 
um den Blutdruck hinreichend zu erhöhen. Aus der Schleimhaut 
der Harnwege stammt eine Abart der Proteide, das Nucleoalbumin 
her, das in normalem Urin Vorkommen kann und leicht zu Täu¬ 
schungen Anlass gibt 

Philipp!- Bad Salzschlirf. 


Aus den italienischen medicinischen Gesellschaften. 

Medicinische Akademie zu Turin. 

Aus der Sitzung vom 22. December 1899 erwähnen wir eine Mit¬ 
theilung von F a b r i s über eine cavernöse Degeneration der 
Leber. Der Tod war unter den Symptomen einer Lebereirrhose 
mit Ascites erfolgt. Die Leber war klein; ihr Anblick erinnerte 
au das schwammige Aussehen einer Plaeenta; sie war sehr blut¬ 
reich und enthielt eine grosse Menge von Bluträumeu, die von 
Trabekeln mit normalen Leberzellen begrenzt waren, welche 
letztere ein vollständig normales Ansehen boten. Die Leber zeigte 
sich in der angegebenen Weise in ihrer Totalität verändert und F. 
glaubt, dass sich diese Veränderungen in einer congenital deformen 
Leber entwickelt haben. 

Die histologische Untersuchung konnte den Mechanismus 
dieser cavernösen Degeneration der Leber nicht erklären. 

Medicinisch-chirurgische Gesellschaft zu Bologna. 

Aus der Sitzung vom 22. December 1899 erwähnen wir die 
Experl mentalunter such un gen von Deila Rovere über den Tod 
durch Erfrieren. Er legt das Hauptgewicht nicht auf die Con- 
gestionserscheinungen innerer Organe, sondern auf die Befunde 
in den Nervenelementen des Centralnervensystems: Chromato- 
lyse der Nervenzellen der Gehirnrinde wie der Ganglienzellen des 
Rückenmarks und Veränderungen der chromatischen Substanz des 
Protoplasmas. Die motorischen Centren sollen weniger ver¬ 
ändert sich erweisen als die sensitiven. 

Der Erkältungstod erfolge nicht durch Veränderung der rothen 
Blutkörperchen, nicht durch Intoxication mit nicht ausgeschiedenen 
Stoffwechselproducten, sondern durch Veränderung der Nerven¬ 
zellen der Centralorgane, daher die schnelle Betäubung, die Para¬ 
lyse der motorischen Apparate der Herzinnervation und der Re- 
spirationscentren. Hager- Magdeburg N. 


Verschiedenes 

Aus den Parlamenten. 

Der bayerische Landtag hat in der Wohnungsfrage 
einen bedeutsamen Beschluss gefasst, indem er einstimmig der 
k. Staatsregierung einen Betrag von 6 000 000 M. zur Verbesserung 
der WohnungsVerhältnisse der Beamten, Bediensteten und Arbeiter 
der Staatseisenbahnverwaltung durch Herstellung von Wohn¬ 
gebäuden nnd Gewährung von Baudarlehen zur Verfügung stellte. 

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Im preussischen Abgeordnetenhaus wurde in 
der Sitzung vom 15. ds. bei Berathung des Medicinaletats das neue 
Kreisarztgesetz scharf kritisirt Alle Redner (Endemann, 
Martens, R u e g e n b e r g) stimmten darin überein, dass mau 
sich mit diesem Gesetz auf die Dauer nicht zufrieden geben könne 
und dass eine ausreichende Reform in allen Instanzen des Medi- 
cinalwesens ein immer noch zu erstrebendes Ziel sei. Namentlich 
wurde es bemängelt, dass noch keine Mittel zur Durchführung 
des Gesetzes in den Etat eingestellt sind. Der Minister, Dr. Studt, 
musste zugebeii, dass die wegen des Gesetzes herrschende Miss¬ 
stimmung durchaus erklärlich sei, da die Erwartungen des ärzt¬ 
lichen Standes durch dasselbe ihre Befriedigung nicht gefundeu 
hätten. Bezüglich des Inkrafttretens des Gesetzes erklärt er, dass 
dasselbe nicht eher ausgeführt werden könne, bevor nicht das Er¬ 
forderniss einer gründlichen und einwandfreien Durchführung der 
Vorarbeiten in vollem Umfange erfüllt sei. — ln derselben Sitzung 
wurde auch über das Postulat für den Neubau der medicinischen 
Klinik in Kiel berathen. Gefordert wird die 3. Rate, obwohl, wegen 
der bekannten Verhältnisse, mit dem Bau überhaupt noch nicht be¬ 
gonnen wurde. Abg. Barth- Kiel konnte nun mittheilen, dass 
neuerdings Aussicht vorhanden sei, die dem ersten (von Prof. 
Quincke befürworteten) Project entgegenstehendeu Schwierig¬ 
keiten doch noch zu überwinden. Er stellte daher den Antrag: 
Das Haus der Abgeordneten ersucht die Königl. Staatsregierung: 
1. Erneut zu prüfen, ob das in dem Etat 1898/99 beschlossene Pro¬ 
ject nicht zur Ausführung geeigneter ist, als das im vorigen Jahre 
angenommene (von Quincke beanstandete), und erklärt im 
Voraus seine Zustimmung zu der Ausführung dieses Projekts, 
wenn die erneute Prüfung zu Gunsten dieses früheren Projects aus- 
fallen sollte; 2. bis zur Herstellung des Neubaus der medicinischen 
Klinik durch Herstellung eines provisorischen Hörsaals den 
dringendsten Bedürfnissen des klinischen Unterrichts abzuhelfen. 
Dieser Antrag fand Annahme. 

Der R e i c s t a g erlebte In der vergangenen Woche eine 
heftige Fehde für und wider die Maassregeln, welche sich gegen 
die Prostitution, das Unzüchtige und was, ohne unzüchtig zu sein, 
das Schamgefühl gröblich verletzt, richten sollen. Ob auch ein¬ 
mal ärztliche Demonstrationen und medicinische Bücher — wir 
denken gerade an die Psychopathia sexualis, meist die erste gericht- 
lich-medicinische Lectüre der Juristen — unter die Strafbestim¬ 
mung der Lex Heinze fallen können, macht uns noch kein Kopf¬ 
zerbrechen, da die Weiterberathung des Gesetzes wegen der dring¬ 
lichen Erledigung des Etats vorläufig von der Tagesordnung ab¬ 
gesetzt ist; auch den Homunculus moralis normalis zu construireu, 
wird andereu als ärztlichen Sachverständigen Vorbehalten bleiben. 
Dagegen haben wir Aerzte an der sonstigen Behandlung dieser 
Fragen ein grosses Interesse; wir sehen nur zu oft die Gefahren 
der Prostitution, der Unzucht und der Ausschweifung für die 
geistige und körperliche Gesundheit und allen vernünftigen Maass¬ 
regeln reden wir, wie sonst in der Hygiene, gerne das Wort. Mit 
Stumpf und Stiel lässt sich nun aber einmal die Prostitution nicht 
ausrotten; das weiss jeder Naturforscher, jeder Menschenkenner, 
und auch Denen, die sich den Begriff der Erbsünde zu eigen ge¬ 
macht haben, sollte dies so klar seiu, wie die andere alte Erfahrung, 
dass selbst mit den drakonischsten Gesetzen die Verbrechen nicht 
zu verhüten sind. Dagegen lässt sich durch polizeiliche Maass¬ 
regeln die Prostitution zurückdämmen, in gewissen, wir möchten 
sagen, normalen Grenzen halten und vor Allem überwachen und 
wir müssen es als Aerzte billigen und wünschen, wenn die Ver¬ 
führung und Belästigung von der Strasse fern gehalten wird und 
alle wirklich der Prostitution ergebenen Frauenzimmer nicht 
bloss einer Sicherheit»- und sittlichkeitspolizeilichen Controle, son¬ 
dern auch einer regelmässigen und sorgfältigen sanitätspolizeiliehen 
Untersuchung unterstellt werden; hier bleibt noch viel zu thun. 
Dagegen versprechen wir uns recht wenig Erfolg, wenn kleinliche 
polizeiliche Maassregeln alles Unzüchtige oder, ohne unzüchtig zu 
sein, das Schamgefühl Verletzende aus dem Wege räumen wollen. 
Mit der sittlichen Gesundheit geht es wie mit der körperlichen Ge¬ 
sundheit; man muss gesund nicht nur scheinen, sondern es auch 
sein und ein Hauptzeichen der Gesundheit ist die Widerstands¬ 
fähigkeit. Bei einer anderen Volkskrankheit, der Tuberculose, 
lernen die Aerzte immer mehr erkennen, dass der Schwerpunkt der 
Prophylaxe nicht darin liegt, die immer und überall gegenwärtigen 
Krankheitskeime zu beseitigen und zu vernichten, sondern die 
Widerstandsfähigkeit des einzelnen Individuums zu erhalten und 
zu kräftigen. Ganz die gleichen Gesichtspunkte haben auch zu 
gelten für die moralische Gesundheit. Mit keiner Zwangsmaass¬ 
regel bewahren wir den Alkoholisten vor dem Trinken, wenn es 
uns nicht gelingt, seine moralische Willenskraft zu stärken, und 
wo nicht die persönliche Willenskraft vor der Hingabe an das Un¬ 
züchtige schützt, da nützen auch keine polizeilichen Maassregeln; 
sie lassen eher die verbotene Frucht interessanter und begehrens- 
werther erscheinen oder drängen auf perverse Bahnen. Beides 
aber führt zur Erschöpfung des Nervensystems, zur Untergrabung 
der geistigen und körperlichen Gesundheit, die wir eben schützen 
wollen. 

(Bädernachrichten.) Nordseebad Lako 1 k auf Röm. 
Zu den bisher schon bekannten und besuchten Nordseebädern hat 
sich In den letzten Jahren ein neues gesellt, Lakolk, auf Röm, der 
nördlichsten der nordfriesischen Inseln, gelegen. Nach der uns vor¬ 
liegenden Schrift erfreut sich der neue Badeort eines kräftigen 
Wellenschlages und eines besonders schönen, aus feinem, festen, 
Sand gebildeten Strandes. Die Unterkunft der Badegäste findet 
nicht ln grossen Hotels, sondern in kleinen, in den Dünen gelegenen, 
in norwegischem Stil erbauten Blockhäuschen für je eine bis zwei 

Original ftom 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



27. März 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


461 


Familien statt, die zu mässigen Preisen, von 25 M. pro Woche an, 
vermiethet werden. Ueberhaupt soll sich das Leben in L. durch 
Billigkeit auszeichnen. Im ersten Jahre seines Bestehens (1898) 
war L. von etwa 300 Badegästen besucht. Zu erreichen ist L. von 
Hamburg aus über Scherrebek in 7—8 Stunden. 

Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher. 
Der heutigen Nummer liegt das 101. 'Blatt der Galerie bei: Otto 
Leichtenstern. Nekrolog siehe Seite 430. 

Therapeutische Notizen. 

Die Phototherapie ist bekanntermaassen von Finsen* 
Kopenhagen in ganz methodischer Weise ausgebildet worden. 
Ueber die Grundlagen der Methode gibt in No. 1, 1900 der Therap. 
Monatsh. B i e nähere Auskunft. Die therapeutische Verwendung 
des Lichtes beruht auf seinen zwei Eigenschaften: 1. Entzündung 
auf der Haut hervorzurufen, 2. Bacterien zu tödten. Die Fähigkeit 
des Lichtes. Hautentzündung hervorzurufen, beruht im Wesent¬ 
lichen auf den ultravioletten Strahlen. Schliesst man diese Strahlen 
aus, so muss man auch die Intensität einer bereits bestehenden 
Entzündung herabsetzen zu können . Auf dieser Voraussetzung be¬ 
ruht die Behandlung der Pocken mit rothem Licht (rothe Vorhänge 
u. 8. w.), die jetzt bereits an 150 Kranken durchgeführt ist. Kom¬ 
men die Patienten vor Beginn des Suppurationsstadiums in das 
rothe Licht, so kommt es überhaupt nicht zur Eiterung, die Narben¬ 
bildung bleibt aus. Auch der ganze Verlauf soll ein leichterer sein. 
Aehnliche Erfolge dürften sich auch bei Maseru, Scarlatina, Ery¬ 
sipel (?) erzielen lassen. 

Im Gegensatz zu dieser negativen Phototherapie soll die 
positive Phototherapie bei bacteriellen localen Hautkrankheiten 
angewandt werden. In Uebereinstimmung mit anderen Autoren 
hat B 1 e nachgewiesen, dass die bactericide Wirkung des Lichtes 
fast ausschliesslich auf den blauen, violetten und ultravioletten 
Strahlen beruht. Ausserdem ist es nothwendig, ein möglichst 
starkes Licht anzuwenden, das möglichst wenig Wärmestrahlen 
enthält, und schliesslich muss in dem zu beleuchtenden Theile 
Ischaemie hervorgerufen — Blut absorbirt die bactericiden Strahlen 
— und Verbrennung vermieden werden. Zu diesem Zwecke hat 
Finsen bestimmte Apparate construirt, die von B i e genauer be¬ 
schrieben werden. 

Die meisten Versuche mit dieser Behandlungsmethode wurden 
bei Lupus vulgaris angestellt. Von 400 behandelten Lupuskranken 
haben alle ein befriedigendes Resultat aufzuweisen. Wenn man 
den Photographien glauben darf, so sind die Erfolge in der That 
ausgezeichnet. In letzter Zeit wurde die Phototherapie der Zeit- 
erspamlss wegen mit Pyrogallolbehandlung combinirt. 

Recht gute Resultate hat auch die Behandlung der Alopecia 
areata gegeben. 

F i n s e n’s medicinske Lysinstitut wurde im Jahre 1890 von 
mehreren Privaten gestiftet und wird jetzt von drei gemeindlichen 
Behörden unterhalten. K r. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 27. März 1900. 

— Am Sonnabend, den 17. d. M., fand eine Sitzung des Aus¬ 
schusses des deutschen Aerztevere i nsbundes 
iu Berlin statt. Dem so plötzlich verstorbenen Vorsitzenden 
Collegen A u b wurde ein kurzer Nachruf gewidmet und be¬ 
schlossen, die Neuwahl eines Vorsitzenden nicht vorzunehmen, so 
«lass die Geschäfte bis zum Aerztetage von dem zweiten Vor¬ 
sitzenden Prof. L ö b k e r geleitet werden. — Der Aerzte tag wird, 
wie bekannt, am 22. und 23. Juni in Freiburg abgehalten werden. 
Die Tagesordnung ist noch nicht definitiv festgesetzt, doch wurden 
mehrere Berathungsgegenstände in Aussicht genommen. Ueber 
das auf dem vorigen Aerzletag vertagte Thema: das Samariter- 
und Rettungswesen wird Herr College II e n i u s referiren. Seine 
Thesen sind in der 2. Märznummer des „Aerztlichen Vereins¬ 
blattes“ veröffentlicht und werden Gegenstand der Berathung in 
der nächsten Sitzung des Geschäftsausschusses der Berliner ärzt¬ 
lichen Standesvereine bilden.— In Aussicht genommen ist ferner die 
Berathung eines von Berlin aus angeregten Themas: die Organi¬ 
sation der Vermittlung von ärztlichen Vakanzen im Auslände. Als 
Referenten werden fungiren die Herren Joachim- Berlin und 
P i z a - Hamburg. — Endlich soll noch die obligatorische Leichen¬ 
schau nach einem Referate von Becher- Berlin zur Discussion 
gelangen. (Berl. Aerzte-Corr.) 

— Die Generalversammlung des Sterbecassavereins 
der Aerzte Bayerns, die am 22. ds. in München stattfand, 
wählte zum 1. Vorstand Herrn ITofrath Dr. Schöner, zum 
2. Vorstand Herrn Hofrath Dr. Daxenberger. Die übrigen 
Stellen blieben unverändert. 

— Auf sämmtlichen deutschen Eisenbahnen können 
fortan die Mitglieder von Krankencassen, die von den Cassen in 
eine Heilanstalt oder in Erholungs- und Curorte gesandt werden, 
in der dritten Wagenclasse für den Militärfahrpreis mit 25 kg Frei¬ 
gepäck fahren. Die Zugehörigkeit der Casse und der Zweck der 
Fahrt ist durch eine Bescheinigung des Cassenvorstandes und der 
Ortsbehörde nachzuweisen. Die Begleiter solcher Kranken ge- 
niessen indessen keine Fahrpreisermässigung. 

— Die Pharmazeuten hatten bisher die Wahl, ihrer activen 
einjährig-freiwilligen Dienstzeit entweder ganz mit der Waffe oder 
ganz als einjährig-freiwillige Militärapotheker in einer Lazaretliapo- 

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theke zu genügen. Nach einer Kriegsministerialbekanntmachung 
vom 3. März d. Js. dürfen nun Apotheker, Apothekergehilfen und 
Lehrlinge In ähnlicher Weise, wie dies bei den Mediclnern der 
Fall ist, ihre active Dienstpflicht ein halbes Jahr mit der Waffe 
und, wenn sie sich während dieser Zeit gut geführt haben, nach 
bestandener Prüfung als Apotheker ein halbes Jahr In einer 
Lazarethapotheke als einjährig-freiwillige Apotheker ableisten. 

— Nach der amtlichen Bekanntmachung des Reichskanzlers 
über die im Prttfungsjahre 1898/99 erfolgten Approbationen 
von Aerzten, Apothekern etc. sind im Deutschen Reiche 
1364 Aerzte approbirt, d. i. ungefähr eben so viel wie im Durch¬ 
schnitt der sechs voraufgegangenen Jahre. Die Höchstzahl war 
im Jahre 1890/91 mit 1570 erreicht. Auf Preussen entfallen 631, 
auf Bayern 377 Approbationen. Die Zahl der approbirten Zahn¬ 
ärzte betrug 115. 

— In Baden wurden durch Erlass des grossherzogl. Cultus- 
ministeriums Frauen, welche das Reifezeugniss eines deutschen, 
staatlich anerkannten, Gymnasiums bezw. in den hiefür bestimmten 
besonderen Fällen eines derartigen Realgymnasiums oder einer 
derartigen Oberrealschule vorlegen und im Uebrigen die erforder¬ 
lichen Nachweise für die Immatriculation erbringen, zunächst je¬ 
doch nur Versuchs- und probeweise, zur Immatriculation an den 
badischen Laudesuniversitäten zugelassen. 

— Die schlesische Aerztekammer ist in einer Resolution für 
die Zulassung der Realgymnasial-Abiturienten 
zum medieinischen Studium eingetreten. falls 
diesen alle übigen Facultäten offen stehen. Die 
Resolution wurde dem Cultusminister und Reichstag übersandt. 

— Pest. Britisch-Ostindien. In der Stadt Bombay wurden 
an Pesterkrankungen vom 17. bis 30. Januar 1318 gemeldet, doch 
hat nach neueren Nachrichten aus der zweiten Hälfte des Februar 
die Zahl der Peststerbe fälle seitdem wieder beträchtlich zuge¬ 
nommen. In Kalkutl a starben in der am 27. Januar endenden 
Woche 65, dagegen in der am 17. Februar endenden Woche 199 
Personen an der Pest. Im Bezirk P a t n a waren bis zum 27. Januar 
im Ganzen 330 Personen der Seuche zum Opfer gefallen, in der am 
3. Februar endenden Woche aber erforderte die Krankheit dort 
weitere 620, in der am 10. Februar endenden Woche fernere 675 
und in der am 17. Februar endenden Woche noch 966 Opfer. — 
Vereinigte Staaten von Amerika. Am 30. Januar kam in Port 
Townsend (im Staate Washington am Stillen Ocean) ein Schiff 
an, das 2 anscheinend an Beri-Beri leidende Personen an Bord 
hatte. Als der eine dieser Kranken starb, wurde das Schiff in 
Quarantäne gelegt; in der Leiche wurden bacteriologisch Pest¬ 
bacillen nachgewiesen. Die Thatsache wurde telegraphisch allen 
Haferfbehörden der V. St. mitgetheilt und zur Vorsicht bei der Dia¬ 
gnose von Beri-Beri aufgefordert. Auf dem Schiffe sind im Ganzen 
17 Erkrankungen mit 3 Todesfällen festgestellt. (V. d. K. G.-A.) 

— Nachdem die portugiesische Regierung die P e s t ln Oporto 
officiell für erloschen erklärt hat, hat Herr Professor Dr. S c hot¬ 
te 1 i u s in Freiburg die von ihm mit Unterstützung der badischen 
Regierung beabsichtigte Forschungsreise nach Portugal aufge¬ 
geben und sich nach Bombay eingeschifft. 

_In der 10. Jahreswoche vom 4. bis 10. März 1900, hatten von 

deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit 
Mülhausen i. E. mit 38,2, die geringste Kottbus mit 11,3 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbeen starb an Diphtherie und Croup in Kaiserslautem, Offeu¬ 
bach. 

— Das Centralcomitö der deutschen Vereine 
vom Rothen Kreuz entsendet am Sonnabend, 24. März, eine 
dritte Abordnung nach Südafrika, die als Ablösung oder Er¬ 
gänzung der bereits dort befindlichen Verwendung Anden soll. Sie 
besteht aus den beiden Aerzten Dr. Strehl, Assistent der kgl. 
chirurgischen Universitätsklinik in Königsberg, Dr. St harn er, 
Assistent der kgl. chirurgischen Universitäts-Poliklinik in Leipzig 
und 5 Krankenpflegern. Die Abordnung wird sich am 29. März In 
Neapel auf dem Dampfer „Herzog“ einschiffen. Die sehr um¬ 
fangreiche Materialsendung wird ebenfalls in Neapel an Bord 
des „Herzog“ verladen und gelangt gleichzeitig mit der Abordnung 
nach Lourengo Marques. 

— Zu dem Tuberculosecongress, der vom 25. bis 
28. April In Neapel abgehalten werden wird, hat das deutsche Cen- 
tralcomitö zur Errichtung von Lungenheilstätten die Herren 
v. Leyden und P a n n w 11 z als Vertreter bestimmt. 

_ Der italienischen Kammer wird demnächst eine Vorlage 

betreffend das Verbot der Praxis fremder Aerzte 
zugehen; von der Commission ist der Entwurf bereits angenommen. 
Er verbietet den fremden Aerzten die Ausübung ihres Berufes in 
Italien schlechthin, mit der Ausnahme, dass nur ihre Landsleute 
von ihnen behandelt werden dürfen, oder dass sie im ausschliess¬ 
lichen Dienst einer Person oder Familie stehen, oder ferner als 
Specialisten für einen besonderen Fall nach Italien berufen worden 
sind. Das Gesetz, an dessen Annahme nicht zu zweifeln ist, be¬ 
zweckt nichts anderes, als den italienischen Aerzten unbequeme 
Concurrenten vom Halse zu schaffen. Namentlich viele deutsche 
Aerzte werden von der Maassregel hart getroffen, denn es bleibt 
Ihnen nichts anderes übrig, als ihr Examen noch einmal vor einem 
italienischen Collegium, also vor eben den Concurrenten zu machen, 
die die Maassregel beantragt haben. Das Ministerium kann aller¬ 
dings fremde Diplome, wie Titel etc., bestätigen, dürfte aber nicht 
immer dazu geneigt sein, besonders, weil ein in dieser Hinsicht 
besonders willfähriger Minister sich auf heftige Angriffe gefasst 

Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



452 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


machen müsste. Durch die geplante Neuerung, die bald Gesetzes¬ 
kraft erhalten dürfte, wird daher eine nicht geringe Zahl von Aus¬ 
ländern, die seit geraumer Zeit in Italien leben und sich eine Exi¬ 
stenz geschaffen zu haben glaubten, überaus hart getroffen. (Ailg. 
Zeitung.) 

— Dr. Unna’s Dermatologische Preisaufgabe 
für 100 0 lautet: Es soll untersucht werden: Die feinere Ar- 
chltectur der primären Hautcarcinome und insbesondere die bei 
ihnen obwaltenden verschiedenen Beziehungen zwischen Epithel¬ 
wucherung und Bindege webswdderstand.“ Die Bewerbung ist un¬ 
beschränkt. Der Preis beträgt M. 300__ Die Arbeit ist bis Anfang 

December 1900 bei der Verlagsbuchhandlung Leopold Voss in 
Hamburg, Hohe Bleichen 34, einzureichen. Sie ist mit einem 
Kennwort (Motto) zu versehen; das gleiche Kennwort ist auf der 
Hülse eines beizulegenden Briefes, welches Namen und Adresse 
des Verfassers enthält, anzubringen. Die Herren Professoren 
Hauser- Erlangen, Nauwerck - Chemnitz und Orth- Göt¬ 
tingen haben es übernommen, die einlaufenden Arbeiten zu prüfen. 

— Herr Dr. Würzburger, dirlgirender Arzt der Heil¬ 
anstalt Herzogshöhe bei Bayreuth, ersucht uns gegenüber der in 
ärztlichen Kreisen verbreiteten, irrthtimlichen Auffassung, dass 
seine Anstalt eine confessionelle sei, festzustellen, dass in Herzogs¬ 
höhe seit dem Jahre 1889 Kranke jeder Confession Aufnahme 
finden. 

— Dr. med. J. Schwoererin St Blasien wurde zum Grossb. 
Badearzt in Badenweiler ernannt und wird seinen Dienst dort 
Anfang April übernehmen; die ärztliche Leitung des von ihm bis¬ 
her dirigirten Luisenheim geht an Dr. Determann und van 
O o r d t, mehrjähriger Assistent von Gehelmrath Erb, über; 
Letzterer wird als Hausarzt im Luisenheim wohuen. 

(Hochschulnachrichten.) 

Heidelberg. Geheimrath Gegenbaur ist von der 
Berliner Akademie der Wissenschaft zum eorrespondirenden Mit¬ 
glied ernannt worden. 

Leipzig. Dr. Homberg, a. o. Professor für innere Me- 
dicin an der Universität und 1. Assistent der medicinischen Klinik, 
ist als o. Professor au die Universität Marburg berufen worden. 
Er übernimmt dort als Nachfolger Prof. K r e h l’s die Leitung 
der medicinischen Universitäts-Poliklinik. 

München. Der Assistent am anatomischen Institut, Dr. 
Ludwig Neumayer wurde als Privatdocent in die medicinische 
Facultät aufgenommen. 

Graz. Prof. Dimmeriu Innsbruck wurde zum Ordinarius 
für Augenheilkunde in Graz ernannt. 

Odessa. Die neue Universität erhält im kommenden Sqmmer 
eine medicinische Facultät. 

Prag. Privatdocent Dr. Ewald Hering wurde zum a. o. 
Professor für allgemeine und experimentelle Pathologie ernannt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Dr. Andreas Schuppach, appr. 1898; Dr. 
Heinrich Peters, appr. 1899, beide in München. — Dr. Adolf 
Bach, geb. 1872, appr. 1900, in Thannhausen, B.-A. Krumbach. 

Ernannt: zu Corpsärzten die Generaloberärzte und Divisions¬ 
ärzte Dr. Stadelmayr (4) von der 2. Division beim II. Armee¬ 
corps und Dr. Zollitsch (3) von der 4. Division beim III. Armee¬ 
corps, unter Beförderung zu Generalärzten; zu Divisionsärzten die 
Oberstabsärzte 1. Classe und ltegimentsärzte Dr. Fischer vom 
4. Feld-Art.-Reg. bei der 2. Division, Dr. Kratzer vom G. Chev.- 
Reg. bei der 4. Division und Dr. Fink vom Inf.-Leib-Reg. bei der 
6. Division, unter Beförderung zu Generaloberärzten: zu Regiments- 
ärzten der Oberstabsarzt 2. Classe Dr. E y e r i c h, Bataillonsarzt 
vom 1. Train-Bat., im lnf.Leib.-Reg. unter Beförderung zum Ober¬ 
stabsarzt 1. Classe, dann die Stabs- und Batailionsärzte Dr. Osann 
vom Inf.-Leib.-Reg. im 1. Ulanen-Reg., Dr. Brückl vom 1. Jäger- 
Bat. im 2. Chev.-Reg. und Dr. F i n w e g vom 11. Inf.-Reg. im 
G. Ohev.-Reg., unter Beförderung zu Oberstabsärzten 2. Classe; 
zu Bataillonsärzten der Stabsarzt Dr. Schlier vom 15. Inf.-Reg. 
im 22. Inf.-Reg., dann die Oberärzte Dr. Martius vom 1. Feld- 
Art-Reg. im Inf.-Leib-Reg., Dr. D r e i s c h vom 2. Ulanen-Reg. 
Im 4. Inf.-Reg., Dr. W i 11 w e r im 11. Inf.-Reg., Dr. Rothen- 
a i c h e r im 16. Inf.-Reg. und Dr. W ö s c h e r vom Sanitätsamt 
I. Armeecorps im 1. Train-Bat. unter Beförderung zu Stabsärzten, 

Der einjährig-freiw illige Arzt Paul L e d e r 1 e des 22. Inf.-Reg. 
zum Unterarzt in diesem Regiment und mit Wahrnehmung einer 
offenen Assistenzarztstelle beauftragt. 

Gestorben: Dr. Oskar Beck in Neu-Ulm, GG Jahre alt. 


Correspondenz. 

Zu unseren Bemerkungen in No. 3 d. W. über die Aus¬ 
führungen des Staatssecretärs Grafen Posadowsky betreffend 
die Zulassung der Realschulabiturienten zum 
Studium der Medicin drückt uns Herr Collega Henke in 
Braunschweig seine Zustimmung in dem nachstehenden 
Carmen aus, das wir gerne hier zum Abdruck bringen 
als einen Beweis für unsere Anschauung, dass es Aerzte 
genug gibt, denen die Sprachen der Alten in Fleisch und 
Blut übergegangen sind. Das Gedicht zeigt in der That 
eine so vollkommene Beherrschung der Form und Sprache des 


H o r a z , wie sie selbst ln philologischen Kreisen nicht häufig sein 
dürfte. 

Controversi. 

Scriptis cur Studium magis 
Auctorum veterum impendere classicis 
Nec non codicibus velis 
Antiquorum operaui, die mihi, sumere, 

Linguae quid potius tibi 
Cordi sint vetulae exstinctaque jam diu 
Sermonis gravis Itall 
Seu Graeci facilis blanda locutio, 

Quam Germana, licet scabra, 

Cunctis vox aliis uberlor bona 
Vatum laude recentium et 
Scriptorum copia nobilium Inelyta? 

Spernantem patrium nefas 
Sermonem propriis tollere litteras 
Neglectis nimis exteras 
Et vernacula quae, temnere vilia. 

Nostri nec logici carent 
Subtil! ingenii judicio neque 
Doctrinae auxiliis gravis. 

Curare indlgenas satque superque sit! 

Ilaerebit medlcis nota 
Censorina, probo quae data ab arbitro: 

..Non traetant nisl lusui 
Doctrinam medici classicam inutilem.“ — 

„Nostrue versa scholae retro 
Saecll temporibus pensa novissimis. 

Antiqul ingenii statum et 
Linguarum veterum notitiam haud opus 

Censent esse, datum quibus 
In prolem Imperium sunimum hodie virl. 

Fastidit, sapientia 
Arctus consilio qui puer intim». 

Fertaesusque in inutilis 
Ingratis studiis haeret initii. 

Vir mox obruet Invido 
Non comprensa odio, stet licet altius. 

Liuguarum minlmo tenus 
Doctum grammaticas et logicas vias 
Antiqul ingenii juvat 
Versa re adsidua relliquias manu. 

Culturae variat modus. 

Sunimum nactura hodie cras nihili putet 
Emersus modo quispiam, at 
Is solus sapiens, qui sapere ausus est. 

Non oblivia ago patrum 
Virtutis. Propria voce superbiens 
Delector veterum, memor: 

Quod stulti reprimunt corrigere est nefas. 

Sit doctus medicus, decet, 

Doctor multivii consilii potens. 

Subvertas elementa quae, 

Doctrinamque simul cum medico rues!“ 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 11. Jahreswoche vom 11. bis 17. März 1900. 

Betheil. Aerzte 279. — Brechdurchfall 13 (4*), Diphtherie, 
Croup 11 (18), Erysipelas 20 (16), Intermittens, Neuralgia interm, 
2 (1), Kindbettfieber 1 2), Meningitis cerebrospin. — (2), Morbilli 
257 (271), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 2(2), Parotitis epidem. 
G (1), Pneumonia crouposa 11 (21), Pyaemie, Septikaemie — (—), 
Rheumatismus art. ac. 24 (35), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlaiina 
5 (4), Tussis convulsiva 10 (15), Typhus abdominalis 2 (4), 
Varicellen 3 (7), Variola, Variolois —• (—). Summa 367 (403). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 11. Jahreswoche vom 11. bis 17. März 1900. 

Bevölkeningszahl: 463 000 

Todesursachen: Masern 13 (19*), Scharlach—(—), Diphtherie 
und Croup 5 (—), Roth lauf — (—■), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 2 (2), Unterleibstyphus 
1 (1), Keuchhusten — (1), Croupöse Lungenentzündung — (—), 
Tuherculose a) der Lungen 31 (34), b) der übrigen Organe 6 (5), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 9 (8), Unglücksfälle 1 (—), Selbstmord 1 (1), Tod durch 
fremde Hand — (1). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 218 (230), Verhältnisssahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 24,5 (25,8), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 18,0 (17,0). 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche 


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GöT.gte 


Le hm a nn in Manchen. — Prack von X. Mählthaler'i Buch- and Kunatdruoksref LQ , i 

UNIVERSiTY OF CALIFORNIA 





Dl« Mftnch. Med. Wochonschr. erscheint wflchontl. TI/TT TTTB'\TTj^T3 Zusendungen sind zu nüressiren: Für die Redartion 

in Nummern von durchschnittlich 4-5 Bogen. VI II |\ i y I I II j \ rL IN, Ottostrasse 1. — Für Abonnement an J. F. Fob- 

Preis In Deutschi. u. Oest.-Ungam vlerteljährl. 6 Jt, v-r -i-l v/ mann, Heustrasse 20. — Für Inserate und Beilagen 

ins Ausland 7.50 JL Einzelne No. 60 an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16. 

MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BIATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgegeben von 


Cb. Bäumler, 0. Bollinger, H. Cursehmann, G. Gerhardt, W. r. Heinehe, 6. Merkel, J.«. Michel, H. v. Ranke, F.». Wlnckel, H.». Zlemssen, 

Freiburg i. B. München Leipzig. Berlin Erluugen. Nürnberg. Wiirzburg München. München. München. 


M 14. 3. April 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
L Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Die Ursachen der klimakterischen Blutungen.*) 

Von Dr. A. T h e i 1 h a b e r. 

Bei den* Mehrzahl der Frauen pflegt in der Zeit, die dem 
definitiven Verschwinden der monatlichen Blutausscheidung aus 
den Genitalien vorausgeht, die Menstruation allmählich seltener 
und schwächer zu werden, um sieh nach einigen Jahren dieses 
unregelmässigen Erscheinens gänzlich zu verlieren. Ein nicht 
ganz kleiner Procentsatz der Frauen zeigt jedoch Abweichungen 
von diesem Typus, bei einem Theilc derselben werden die men¬ 
struellen Blutungen häufiger oder reichlicher oder sie dauern 
länger als gewöhnlich an. Nicht selten sind auch starke Blut¬ 
verluste, lange Dauer und häufige Wiederkehr der Menorrhagien 
eombinirt. 

Untersucht man solche Patientinnen, so findet man zunächst 
in zahlreichen Fällen O arci n o m der Vaginalportion 
oder der Cervicalschleimhaut, weit seltener Carei- 
nom des Corp. uteri. Nicht selten finden sieh auch Schleim- 
polypen als Ursache der Blutungen; ein sehr seltener Befund 
sind Sarkome des Uterus. Entzündungen der Ad¬ 
nex a, die bei jüngeren Frauen recht, häufig zu abnormen Blu¬ 
tungen führen, werden im vorgerückteren Lebensalter ziemlich 
selten gefunden. Die durch die eben erwähnten Anomalien be¬ 
dingten Blutungen der präklimakterischen Zeit unterscheiden 
sich in der Regel weder bezüglich der Art das Zustandekommens, 
noch bezüglich des Verlaufs von den Menorrhagien junger 
Frauen. Nicht das Gleiche gilt von den vielen Formen von ab¬ 
normen Blutungen, die man bei Myomkranken in den 
Wechseljahren findet, wie ich das später noch ausführen werde. 

Bei einer recht erheblichen Anzahl von Patientinnen in den 
vorgerückteren Lebensjahren, die uns wegen abnormer Blutungen 
consultiren, findet sich jedoch keine Neubildung, keine Adnex- 
orkrankung; dabei dauern die Blutungen zum Theil sehr lange 
an, zuweilen mehrere Wochen, ja manchmal auch mehrere Monate 
lang. Ich habe Frauen gesehen, die 4 und 4Vs Monate lang un¬ 
unterbrochen recht stark geblutet hatten, bis sie in meine Behand¬ 
lung kamen. Charakteristisch ist für die hier zu beschreibende 
Form der präklimakterischen Blutungen der Umstand, dass sich 
zuweilen zwischen den Menorrhagien blutungsfreie Pausen von 
ungewöhnlicher Länge finden, die Pausen zwischen den Blu¬ 
tungen betragen manchmal 6, 8 Wochen, auch nicht selten eine 
Reihe von Monaten. Unter diesen Frauen zeigte etwa ein Drittel 
folgenden Untersuchungsbefund: Schwund des Fettes in den 
Labien und Runzelung derselben, Atrophie der Schleimhaut der 
Vagina, manchmal gepaart mit Descensus derselben, Atrophie 
der Ovarien, daneben aber bedeutende Verlängerung des 
F t e r u s , der 9—12 cm Sondenlänge aufweist, meist gleichzeitig 
Verbreiterung des Uteruskörpers; in Folge von Erschlaf¬ 
fung seiner Bänder ist der Uterus sehr beweglich; der Uterus¬ 
körper fühlt sich häufig weich an, oft wie ein schwangerer Uterus 
im dritten Monat. Die Höhle ist oft auffallend weit, die Vaginal¬ 
portion dabei häufig klein und atrophisch, zuweilen derb und 
hart, meist von normaler Schleimhaut bedeckt, selten Erosionen 
aufweisend. In der blutungsfreien Zeit ist die Secretion aus der 

*) Nach einem im Aerztlichen Verein in München gehaltenen 
Vortrage. 

So. 14. 

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Uterushöhle fast null. Führt man nach Laminariadilatation den 
Finger in die Uterusliöhk- ein, so findet man dieselbe gewöhnlich 
leer, ohne Neubildung; nimmt man den scharfen Löffel zu Hilfe, 
so entfernt man mittels desselben auffallend reichliche Massen 
von hyperplas! iseher Schleimhaut. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung derselben ergibt bald das Bild der interstitiellen, bald 
das der glandulären Entzündung, manchmal sind auch beide 
Formen eombinirt. 

In einer grossen Gruppe anderer Fälle, bei annähernd glei¬ 
chem Verhalten der Blutungseurve, zeigen sich nicht bloss Scheide 
und äussere Genitalien im Zusand der beginnenden Atrophie, 
sondern auch am Uterus finden wir das gleiche Verhalten, er ist 
klein, schmal, seine Wände sind dünn, ebenso atrophisch ist die 
Portio. Seine Schleimhaut zeigt meist nur geringfügige Ab¬ 
weichungen von der Norm, oder ist vollständig normal, oder be¬ 
reits im Stadium der beginnenden Atrophie. 

Zwischen den beiden hier geschilderten Typen finden sich 
nicht selten auch Laibergangsformen, in denen der Uterus bezüg¬ 
lich Grösse und Breite sich annähernd wie ein normaler verhält. 

Bei der ersten Form, der wohl am passendsten die Bezeich¬ 
nung „Hyperplasia uteri pracklimakterica“ gegeben wird, Hesse 
sich das Auftreten der Menorrhagien vielleicht durch die Hyper¬ 
plasie der Schleimhaut allein schon erklären, .schwer erklärlich 
jedoch ist es, dass Frauen, bei denen sich an der Schleimhaut 
des Uterus keine wesentlichen Veränderungen zeigen, bei denen 
der Uterus normale Grösse hat oder sogar schon atrophisch ist, 
bei denen auch sonst keine Abnormität in den Genitalien vorliegt, 
dass hier derartige profuse Blutungen vorhanden sind. 

In den vorhandenen Lehrbüchern der Gynäkologie ist die 
Aetiologie und Symptomatologie dieses Krankheitsbildes fast gar 
nicht berücksichtigt. Dagegen linden sich in der sonstigen Litera¬ 
tur eine Reihe von Mittheilungen, in denen versucht wird, eine 
Erklärung für diese räthselhaften Blutungen zu geben. 

Kisch (Eulenburg’s Realencyklopädie) nimmt Auf- 
lockerungdes TT terusgewebes als Ursache an, ausser¬ 
dem Stauungen im Gebiete der Vena cava asoendens. Be¬ 
züglich des letzteren Punktes kann ich Kisch nicht beistimmen, 
ich habe in der weitaus überwiegenden Mehrzahl meiner Fälle 
absolut keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Stauung der 
Hohlader gefunden, ebenso wenig einleuchtend ist mir die Er¬ 
klärung von Boerner (Die Wechseljahre der Frauen, Stutt¬ 
gart, Enke, 1886), der vasomotorische Störungen 
als Ursache mancher dieser Blutungen bezeichnet. 

Mehr Anhänger fand die Lehre von der Äther omatose 
der Blutgefässe als Ursache der klimakterischen Blu¬ 
tungen. Schon S c a ii z o n i ( Krankheiten der weiblichen Sexual¬ 
organe, T, S. 359) nimmt als Grund der präklimakterischen Blu¬ 
tungen in vielen Füllen die senile Rigidität ui^d Brüchigkeit der 
Gebännuttergefässe an, welche nicht im Stande sind, dem auf ihre 
Wände einwirkendem Blutdruck den nöthigen Widerstand zu 
leisten. Die Lehre von der Starrheit der TJterusgefässe als Ur¬ 
sache vieler präklimakterischer Blutungen fand in neuester Zeit 
wieder Vertheidiger in Simmonds (diese Wochensehr. 1900, 
No. 2), Reinicke (Arch. f. Gyn., Bd. 53. H. 2), P i c h e v i n 
et P e t i t (Gaz. mcd. 1895, p. 557), M a r c h o s i (ref. Centralbl. 
f. Gyn. 1897, No. 25), Cholmogoroff (Monatsschr. f. Ge- 
burtsh. u .Gyn. 1900, März) und Anderen. S i m m onds meint, 

1 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






454 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


dass man „in allen Fällen, wo starke Gefässalterationen angc- 
troffen werden, berechtigt ist, diese mit den Menorrhagien in Zu¬ 
sammenhang zu bringen“. Rein icke fand vor Allem Ver¬ 
dickung der Tunica media der Gefässe und glaubt ebenfalls an 
einen Zusammenhang der Veränderungen der Gefässwände mit 
den Menorrhagien. 

Meines Erachtens wird die Bedeutung dieser Verdickungen 
der Gefässwände des Uterus für die Entstehung von Menorrhagien 
überschätzt. Nach den Untersuchungen von Dittrich (Prager 
Zeitschr. f. Heilk. 1889, Bd. 1), B a 1 i n (Areh. f. Gyn., Bd. 15, 
S. 157) und nach einzelnen eigenen Beobachtungen linden sich 
hochgradige Verdickungen der Gefässe sehr häufig schon bei 
20 jährigen und jüngeren Frauen, vorausgesetzt, dass dieselben ge¬ 
boren haben. 

Ich glaubt', man muss bezüglich des Baues der Wände der 
Uterusgefiisse folgende Stadien auseinanderhalten: Den Uterus 
infantilis, den Uterus virginnlis (i. e. Nulliparae), den Uterus gra- 
vidus, den Uterus puerperalis, den Uterus der Frau, die vor 
längerer Zeit geboren hat, den Uterus praeklimakterieus und den 
Uterus senilis. Der Bau der Gefässe muss in diesen verschiedenen 
Lebensphasen ein ganz verschiedener sein. Immer wird das Blut 
in den Uterus durch 2 Arterienpaare hereingeschafft, durch die 
beiden Spermaticae und Uterinae. Allein die Länge und 
Weite der einzelnen Aeste variirt , ebenso wie die in 
ihnen befindliche Blutmenge ganz kolossale Schwankungen 
aufweist: Der Uterus infantilis ist sehr klein und 
arm an Blut, während der Pubertät wächst er rasch, 
seine Gefässe nehmen an Länge und Weite erheblich zu. Die 
grösste Metamorphose machen aber die Gefässe in der Schwanger¬ 
schaft durch; der gleiche Ast der Uterina z. B., der bis jetzt nur 
ein 5 cm langes Stück der Uteruswand zu versorgen hatte, muss 
nach 9 Monaten ein etwa 25 cm langes Segment des Uterus 
mit Blut versehen. Im Puerperium schrumpft dieser Ast nach 
einigen Monaten wieder auf seine alte Länge ein, das Lumen 
vieler seiner Zweige muss sich beträchtlich verengern; manche 
müssen obliteriren. Dieser Process setzt sich nun in der prä¬ 
klimakterischen Zeit noch weiter fort; im senilen Uterus ist dann 
die Blutversorgung beinahe ebenso spärlich, w T ie in der Kindheit. 
Es muss also dann eine ungeheure Zahl von Gefässästen steno- 
sirt und obliterirt sein. Diese Verengerung geht einher mit Ver¬ 
dickung der Wand, sie kann sich auch mit anderweitigen re¬ 
gressiven Vorgängen, Kalkablagerung z. B„ combiniren; sic ist 
die Folge der jetzt eingetretenen A n a e in i e des Organes. Dass 
diese Verdickung wesentlich zur Entstehung der abnormen Blu¬ 
tungen beiträgt, halte ich für höchst unwahrscheinlich. Sie ist 
ein physiologischer Vorgang und sollte nicht „Atheromatose“ 
genannt werden. 

Einzelne Autoren wollten nun auch die „A p o p 1 e x i a 
uteri“ für manche Fülle von präklimakterischen Blutungen 
verantwortlich machen. Dieselbe, schon von Cruveilhier, 
Rokitansky und K 1 o b beschrieben, ist uns in neuester Zeit 
wieder durch die Arbeiten von v. Kahlden (Zieglers Beitr., 
Bd. 23) und S i m m o n d s (l. c.) in Erinnerung gebracht worden. 
Es handelte sich in den beschriebenen Fällen um Prooos sc in der 
Uteruswand, die grosse Aehnlichkeit mit den haemorrhagischen 
Tnfarcten besitzen. 

Bis jetzt sind ähnliche Veränderungen von den Klinikern 
noch nicht constatirt worden, trotzdem ja schon häufig Uteri 
wegen präklimakterischer Blutungen exstirpirt und einer genauen 
anatomischen Untersuchung unterzogen wurden. Es ist im 
höchsten Grade wahrscheinlich, dass es sieh in den beschriebenen 
Fällen wohl fast immer um präagonale Processe gehandelt, hat. 
Die gefundenen Blutherde waren auch meist recht frischer Natur. 
In den physiologisch stenosirten Gefässen kam es in Folge der 
sinkenden Ilerzkraft der Sterbenden zur Gerinnung des Blutes 
mit den gewöhnlichen Folgeerscheinungen. Jedenfalls glaube ich, 
dass die präklimakterischen Blutungen recht selten oder nie durch 
Apoplexia uteri bringt sind. 

Ziemlich viele Anhänger besitzt auch die von B re n n ecke 
(Areli. f. Gyn., Bd. 20, H. 3) auf gestellt«' Theorie, mit der er 
manche Formen der zu Menorrhagien führenden Schleimhaut¬ 
hyperplasie, vor Allem die präklimakterische, zu erklären ver¬ 
sucht. Fr stützt seine Hypothese auf die P f 1 ü g offsche 
Theorie. Nach Pflüger w r ird die Menstruation dadurch aus¬ 
gelöst, dass das Wachsthum der Follikel zu einer Reizung der im 
Ovarium verlaufenden Nervenfasern führt. Wenn die Summe 

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dieser Reize eine bestimmte Höhe erreicht hat, so soll als re- 
fieetorischer Ausschlag eine starke Congestion nach den Genital¬ 
organen erfolgen, die das Bersten des G r a a Eschen Follikels und 
die menstruell« Blutung zur Folge hat. Brenn ecke glaubt 
nun, dass dem Wachsthum und scliliesslichen Platzen der Follikel 
zuweilen ein Hinderniss bereitet wird (z. B. im höheren AJter 
durch Verdickung der Albuginea etc.), dass dann die Congestion 
eine weniger hochgradige sei, die reflectorische Hyperaemie der 
Uterusschleimhaut führt dann nicht zur menstruellen Haemor- 
rhagie, es bleibt statt dessen vielmehr bei der Hyperaemie mit 
consecutiver Schwellung der Uterusmucosa. 

Neuere Forschungen haben gezeigt, dass die Pflüge Esche 
Theorie sich mit vielen anatomischen Befunden durchaus nicht 
vereinigen lässt. Der Einfluss der Ovarialnerven auf das Zu¬ 
standekommen der normalen Menstruation, wie der Menorrhagien 
ist meines Erachtens schon sehr bedeutend überschätzt 
worden; es ist aber im höchsten Grade unwahrscheinlich, 
dass die geringfügige Reizung der alternden Ovarialnerven eine 
derartige Abnormität, wie die climacterischen Menorrhagien her¬ 
vorzurufen im Stande sind. Diese „Endometritis ova* 
r i a 1 i s“ ist von manchen Autoren zusammengeworfen worden 
mit einer anderen Form von Uterusblutungen, auf deren häufiges 
Vorkommen C z e m p i n (Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gyn. 1886) mit 
Recht aufmerksam gemacht hat. Durch Entzündungen der Ad- 
nexa werden in Wirklichkeit häufig Menorrhagien verursacht, 
meines Erachtens dadurch, dass im Uterus sich collaterale 
Hyperaemie und consecutives Oedem mit 
Parese der Uterusmusculatur und starker Blut¬ 
überfüllung bildet — dies ist wohl zu unterscheiden von 
Brenneck e’s Endometritis durch gestörte Ovarialfunction. 

Nach dem eben Angeführten liegt meines Erachtens in der 
Mehrzahl der Fälle von präklimakterischen Blutungen die Ur¬ 
sache nicht in dem Verhalten der Schleimhaut, nicht in 
der veränderten Beschaffenheit der Gefässe, auch nicht 
in der anormalen Function der Ovarien. Ich glaube, 
die Ursache der Blutungen liegt in dem abnormen Ver¬ 
halten der Uterusmusculatur. Die Functionen der 
Musculatur des graviden und puerperalen Uterus sind sehr ein¬ 
gehend studirt worden, nicht das Gleiche gilt von den Lebens- 
äusserungen der Uterusmuskeln in der übrigen Lebenszeit und 
doch glaube ich, dass die Kenntniss der normalen und anormalen 
Thätigkeit der Gebärmuttermuskeln uns manches bisher dunkle 
Phänomen erklären wird. Vor Allem wird sie uns Aufschluss 
geben über viele bis jetzt aetiologisch unerklärte Ursachen von 
Menorrhagien. Nach meinen Beobachtungen befindet sich der 
nicht puerperale und nicht gravide Uterus meist im Zustande 
einer m i t 11 e r e n (’ o ntractio n. Von da aus kann er 
in mehr oder weniger hochgradige Erschlaffung über¬ 
gehen, so dass es oft nicht möglich ist, das Corpus deutlich zu 
palpiren, andererseits kann er sich sehr fest und tetanisch 
contra liiro n. Während des Höhepunktes der menstrualen 
Blutungen ist der Uterus gewöhnlich erschlafft. Die menstruale 
Hyperaemie und Blutung wird beseitigt durch die zunehmenden 
('ontruetion des Uterus, ebenso wie die Hyperaemie des puer¬ 
peralen Uterus und seine blutigen Ausscheidungen (Lochien), 
z. Tb. zum Schwinden gebracht werden durch die Contraction 
des Uterus. Sind die Contractionen ungenügend, so kommt es 
zu lange andauernder Hyperaemie des Organs, in Folge davon 
häufig zur Schwellung des Organs. Mit oder ohne Anschwellung 
desselben kann es aber auch zu lange dauernden Menorrhagien 
kommen, ln der postklimakterischen Zeit ist die Musculatur 
des Organs atrophisch, zum Theil durch Bindegewebe ersetzt. 
Dieser Process leitet sieh schon Jahre vorher ein; die Menopause 
setzt nicht plötzlich ein. Sie sowohl wie die mit ihr einher¬ 
gehenden anatomischen Veränderungen des Genitalapparates, 
auch die Atrophie der Uterusmuskeln, entwickeln sich allmählich. 

Gewöhnlich ist beim Eintritt dieser Atrophie der Uterus¬ 
muskeln schon eine beträchtliche Stenosirung der Gefässe vor¬ 
handen, so dass es trotz der verminderten Contraction der Mus¬ 
keln zu spärlichen Blutausscheidungen kommt. Tritt aber die 
Atrophie der Musculatur ein zu einer Zeit, in der 
die Stenosirung der Gefässe noch nicht genügend vorgeschritten 
ist, so ist die Uterusmusculatur nicht im Stande, die Hyperaemie 
zu beseitigen, es kommt in Folge der Atonie der Uterus- 
m uii'ulatu r zur Blutüberfüllung, zu lange dauernden Menor- 

Original ffom 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


455 


rhagien, manchmal auch zum Oedem des Organs, zur Verlänge¬ 
rung und Verdickung seiner Wandungen („ityperplasia Uteri 
praeklimakterica“); letzterer Zustand ist ein Analogon zur „Sub- 
involutio Uteri postpuerperalis“, die ebenfalls eine Folge der 
Atonie des Uterus ist. 

Auf die gleiche Ursache, auf die Atonie der Musculatur, 
führe ich eine Reihe anderer sogenannter „essentieller Uterus¬ 
blutungen“ zurück, so die Menorrhagien sehr junger Mädchen 
(bei ihnen ist die Musculatur des Uterus noch nicht genügend 
entwickelt), die Blutungen der Bleichsüchtigen, Phthisischen 
und der Reeonvaloscentinnen von schweren fieberhaften Krank¬ 
heiten (hier handelt es sich um Schwäche der Muskeln des Uterus 
ebenso wie des Herzens). 

Ein ähnlicher Causalnexus dürfte auch manchmal vorliegen 
bei den so häufig in der präklimakterischen Zeit auftretenden 
Menorrhagien von Myomkranken, die vorher trotz ihrer Myome 
viele Jahre lang normal menstruirten: Gerade beim myomatosen 
Uterus ist ja die functionsfähige Musculatur schon reducirt; 
wenn nun auch noch der Rest vom Muskelgewebe zu atrophiren 
beginnt, so wird leicht die Dauer der menstrualcn Hyperaemie 
verlängert, es kommt zu einer Hyperaemie der Mucosa, und in 
Folge davon zu der sogenannten Endometritis fungosa 
und deren Folgeerscheinungen, den Menorrhagien. Es kann 
aber auch durch die Blutüberfüllung des Uterus dazu kommen, 
dass der Tumor gerade in dieser Zeit viel rascher wächst wie ge¬ 
wöhnlich, eine Erscheinung, die jeder beschäftigte Gynäkologe 
in der präklimakterischen Zeit oft zu beobachten Gelegenheit 
hat. Aber noch ein Drittes in dieser Zeit häufiges Vorkommniss 
findet durch die Atrophie der Musculatur seine Erklärung, näm¬ 
lich der Umstand, dass so oft Myome in der Wechselzeit polypös 
werden. Wenn heim interstitiellen Myom die Uterusmusculatur 
atropliirt, so wird das Myom je nach seiner Lage in den äusseren 
oder inneren Schichten der Uterusmusculatur dann entweder 
nach dem Peritoneum zu sich entwickeln, also subserös werden 
oder nach der Schleimhaut hinwachsen, in das Cavum hinein¬ 
ragen oder später sogar vielleicht gestielt werden. 

(Die Begründung dieser Sätze wird in einer demnächst er¬ 
scheinenden Monographie erfolgen.) 


Aus der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath v .L e u b e 
zu Würzburg. 

Zur Embolie der Mesenterialarterien. 

Von Dr. Ott, Oberarzt im 14. Inf.-Reg., commandirt zur Klinik. 

Die Embolie der Mesenterialarterien ist bekanntlich ein 
ausserordentlich seltenes Ereigniss, wenn cs auch jedenfalls 
häufiger vorkommt als darüber berichtet wird. In der 1875 er¬ 
schienenen Arbeit von F a b e r sind 20 Fälle von Embolie der 
Arteria mesaraica superior, darunter 4 eigene, zusammengestellt. 
Die im gleichen Jahre etwas früher erschienene Arbeit von 
Litten bringt ausserdem nur 2 Fälle von der noch selteneren 
Embolie der Art. mes. inf., darunter nur einen auf die Art. mes. 
inf. allein beschränkten Fall von Hegar, während der andere 
von Gerhardt zugleich eine Embolie der Art. mes. sup. zeigt. 
Soweit mir die Literatur nach dem Jahre 1875 zugänglich war — 
und das war sie nahezu vollständig —, fand ich nur einige wenige 
Fälle von Embolie der Mesenterialarterien. Die meisten be¬ 
ziehen sich auf die Art. mes. sup., nämlich je 1 Fall von G r a - 
witz, Moyes (bei G r a w i t z erwähnt), Lochte, Kar- 
Cher und K ö 8 t e r; 2 Fälle von Kaufmann. Ein weiterer 
Fall von Jürgens, bei dem die Embolie der Art. mes. sup. 
eine Theilerscheinung der Embolie der Aorta abdomin. bildete, 
kann schliesslich auch dazu gerechnet werden. Von Embolie der 
Art. mes. inf. findet sich ein Fall von A d e n o t') berichtet. Es 
kann desshalb als ein ganz besonders günstiger Umstand ange¬ 
sehen werden, dass ich Gelegenheit hatte, auf der Abtheilung des 
Herrn Geheimrath von Leube, dem ich für die gütige Ueber- 
lassung der Fälle an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aus¬ 
spreche, in den letzten 2 Jahren je einen Fall von Embolie der 
Meeenterialarterien zu beobachten. Wenn auch eine Obduction 
nicht stattfand, weil keiner der beiden Patienten starb, so ist doch 
der ganze Verlauf der Erkrankung so charakteristisch, dass er 
an Durchsichtigkeit meines Erachtens nichts zu wünschen übrig 
lässt. 

’) Revue de m6d. 1890, No. 3. 

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Unter den von Gerhardt und Kussmaul für die Dia¬ 
gnose dieser Krankheit geforderten Symptomen: Nachweis einer 
Quelle für Embolie, Darmblutung, Sinken der Körperwärme, 
kolikartige, unter Umständen sehr heftige Schmerzen im Unter¬ 
leib, Spannung und tympanitische Auftreibung desselben, et¬ 
waiger Nachweis eines Exsudats in der Bauchhöhle, vorherge¬ 
gangene oder gleichzeitige Embolien in anderen Gefässgebieten, 
Fühlbarwerden von Blutsäcken zwischen den Platten des Mesen¬ 
terium, sind die meisten und besonders die ausschlaggebendsten 
in meinen beiden Fällen vorhanden. Ich lasse gleich beide mög¬ 
lichst zusammengefassten Krankengeschichten folgen: 

I. Philipp R., 42 jähriger Maurer. Erbliche Belastung nicht 
nachweisbar. Mit 8 Jahren Brustfellentzündung, mit 13 Jahren 
Typhus durchgemacht. Seit Jahren Athembeschwerden. ln den 
Jahren 1897 und 1898 je einmal wegen lnsufficieuz der Mitralis, 
chronischer Nephritis, chronischem Bronchialkatarrh und Lungen- 
emphysem längere Zeit im Juliusspital. Jetziger Eintritt, der am 

11. IX. 98 erfolgte, durch heftige Athemnoth, Anschwellung der 
Beine und des Leibes veranlasst. 

Statuspraesens: Massig reducirter Ernährungszustand. 
Leichte Cyanose des Gesichts. Starkes Oedem der Beine. 

Hintere untere Lungengrenzen beiderseits am Proc. spiu. des 

12. Brustwirbels, nicht verschieblich, Auf beiden Lungen hinten 
unten reichliche Rasselgeräusche. 

Spitzenstoss im 7. lutercostalraum in der vorderen Axillar¬ 
linie. Eplgastrlsehe Pulsation. Rechte Herzgrenze reicht nahezu 
bis zum rechten Sternalrand. Herzthätigkeit sehr beschleunigt 
(128 p. ui.). Geräusch bei der iiusserst beschleunigten Athmung 
und Herzthätigkeit nicht zu differeuziren. Puls klein, weich. 

Bauclideckeu massig gespannt. In der Bauchhöhle freie 
Flüssigkeit durch Palpation and Percussion nachweisbar. 

Unterer Leberrand reicht in der Mammillarlinie bis zur Nabel¬ 
höhe herab. Consistenz der Leber vermehrt. 

Milz eben fühlbar. 

Urin von gelber Farbe, klar, enthält Elweiss. In dem spär¬ 
lichen Sediment zahlreiche granulirte Cylinder, denen stellenweise 
Epithelien aufliegen. Ganz vereinzelte rothe Blutkörperchen. 
Urinmenge zunächst normal. 

Ordiu.: Milch und Mehlspeisen, Ivalomel 0,1 täglich, Fol. Digit, 
als Stuhlzäpfchen 5 X 0,1, Ol. camphor. duplex stündlich 1 Spritze, 
Wernarzer Wasser, Sherry. 

13. IX. Oedem der unteren Gliedmassen vollständig zurück¬ 
gegangen. Ascites noch in geringem Grade nachweisbar. 

Herzbefund der gleiche. 

14. IX. Frequenz der Herzthätigkeit bedeutend zurückge¬ 
gangen (68), dagegen ist leichte Arhythmie der Herzthätigkeit vor¬ 
handen. 1. Ton an der Spitze von einem deutlichen Geräusch be¬ 
gleitet, 2. Pulmonalton verstärkt. 

Digitalis bleibt weg, dafür Coffein, natr.-salicyl. 3 X 0,2. 

15. IX. W T ährend der vergangenen Nacht heftiger Schüttel¬ 
frost, der Jetzt (bei der Morgenvisite) noch andauert und im An¬ 
fang von zweimaligem leicht galligem Erbrechen begleitet war. 
Während der Visite nochmals ebensolches Erbrechen. Klagt über 
Schmerzen lm Unterleib. Gesicht und periphere Körpertheile cya- 
notisch. Radialpuls verschwunden. Frequenz der Herztöne 
äusserst beschleunigt: 156. Systolisches Geräusch an der Spitze 
wieder weniger deutlich. 

L. h. u. zwei Querflnger breite relative Dämpfung, klingendes 
Rasseln, Broncliopkonie und leichtes Reiben. Kein charakte¬ 
ristisches Sputum. Temperatur: 40 0 p. r. 

Ordin.: Ol. camphor. duplex, halbstündlich 1 Spritze, Coffein, 
natr.-salicyl. als Zäpfchen 3 X 0,2 täglich. 

Nach einiger Zeit wird der Puls wieder fühlbar, ist aber klein 
und weich. 

Ferner erfolgen im Laufe des Nachmittags etliche diarrhoische 
Stühle, denen Schleim und Blut beigemengt ist, letzteres von 
dunkelrother Farbe und zunächst ln geringer, später etwas 
grösserer Menge. Im Ganzen wird etwa % Liter Blut entleert. 

Die Temperatur fällt im Laufe des Tages auf 38,7 0 C„ bis zum 
nächsten Morgen auf 36,5 °. 

18. IX. Relative Dämpfung 1. h. u. noch vorhanden, ausser¬ 
dem Knisterrasseln. 

19. IX. Spitzenstoss lm 5. Intercostalrauni, etwa 2 cm ausser¬ 
halb der Mammillarlinie am stärksten anschlagend. Puls voll. 
Frequenz 50. Weder Schleim noch Blut lm Stuhl. 

Diese Grenze des Herzens nach links, die gegen den Eintritt 
eine bedeutende Verkleinerung darstellt, bleibt fortan bestehen 
und deutet also den bleibenden Grad von Hypertrophie des linken 
Ventrikels an, während dadurch gleichzeitig der vorhergehende 
Zustand als acute Dilatation des insufficienten Herzmuskels ge¬ 
kennzeichnet ist 

Von jetzt ab steigt auch die Urinmenge, die vom 15. IX. ab 
sehr verringert war, auf über die Norm bis 3800. 

Vorübergehend treten am 7. X. wieder einmal Stauungserschei¬ 
nungen in Folge von lnsufficieuz des Herzmuskels ein, die aber 
dem Gebrauch von Digitalis in 3 Tagen weichen. 

Das systolische Geräusch an der Herzspitze wurde mit zu¬ 
nehmender Kräftigung des Herzmuskels immer lauter und erwies 
sich also dadurch und durch die Verstärkung des 2. Pulmonaltons 
als ein durch organische Insufficienz der Mitralis bedingtes, wie 
dies ja schon beim früheren Aufenthalt festgestellt wurde. 

1 * 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



No. 14. 


456 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Am 31. X. 98 wird Pat. als gebessert entlassen. 

II. Johann 1L, 50 jähriger Dienstkuecht, eingetreten am 
9. XI. 99. Beide Eltern starben angeblich an Sehlaganfall. Pat. 
hatte als Kind häutig über Kopfschmerz zu klagen. Später war 
er immer gesund, besonders nie luetisch inticirt. Gestern bemerkte 
Pat., dass plötzlich eine grosse Schwäche in seinem linken Bein 
und Arm eintrat, so dass er sich setzen musste, um nicht zusammen 
zustürzen. Ein selbständiges Bewegen des linken Armes war ihm 
gar nicht möglich. Das Bewusstsein war keinen Augenblick ge¬ 
stört. Mässiges Potatorium. 

Status praesens: In der rechten Ellenbeuge und vor 
dem linken M. cucullaris geschwellte Lymphdrüsen, ebenso in 
beiden Leistengegenden. 

Lungenbefund, soweit dies ohne Aufrichten des Pat. festge¬ 
stellt werden kann, pereutorisch und auscultatorisch normal. 

Spitzenstoss im 5. Intercostalraum, 1 cm ausserhalb der Main- 
millarlinie, deutlich sicht- und fühlbar. Hechle IIerzgrenze am 
linken Sternalrand. 1. Ton an der Basis dumpf. Kein Geräusch. 
2. Pulmonalton nicht verstärkt, dagegen deutlich der 2. Aortentou. 
Art. radial, und brach, stark geschlängelt und hart. Ophthalmo¬ 
skopisch wird eine geringe Sklerose der Netzhautarterien fest ge¬ 
stellt. (Herr Dr. A p e t z.) 

Von Seiten der Unterleibsorgane nichts Abnormes. Urin voll¬ 
ständig normal. 

Obere und untere linke Extremität schlaff gelähmt. (Eine 
vollständige Wiedergabe des Befundes am Nervensystem unter¬ 
lasse ich als hier unwesentlich.) 

16. XI. Morgens klagt Pat. über heftige Schmerzen in der 
Reg. hypogastriea. Der auf Einlauf erzielte Stuhl enthält 
neben einigen Ivothballen reichlich reines, dunkles Blut. Nach 
V-, Stunde wiederholt sich der Abgang von Blut. Etwa 1 Stunde 
darauf ündet ein besonders starker Abgang ebenfalls dunkeln 
Blutes statt. Pat. wird dabei ganz blass, der Puls für kurze Zeit 
unfühlbar. Die Untersuchung mit dem Mastdarmspiegel ergibt, 
dass die Quelle der Blutung im Rectum nicht zu suchen ist. Bis 
das Gesichtsfeld soweit frei ist, dass die Beschaffenheit der Mast¬ 
darmschleimhaut überblickt werden kann, sind eine Unmasse von 
Tampons uöthlg, da das Blut beständig nachquillt. Ein Theil des¬ 
selben strömt in das Bett. Die Gesummtmenge des entleerten 
Blutes kann nicht genau bestimmt werden, doch ist 1 Liter sicher 
nicht zu hoch geschätzt. Temp. 36,G p. ax. 

Ordin.: Kost 0. Eisstückchen zum »Schlucken, Eisblase auf 
den Unterleib, Morphiuminjectionen 3 X 0,01. Inf. secal. com. 
5:150, zweistündlich 1 Esslöffel. Tamponade des Rectum. Sherry. 
Abends: Nach Herausnahme des Wattetampons entleert sich noch 
eine grössere Menge Blut. Temp. 36,4Einlegen eines neuen 
Tampons. Tannigen 2 X 1*0. 

18. XI. Gestern Morgen Entfernung des Tampons. Weder 
unmittelbar darnach noch bis jetzt eine Entleerung von Blut oder 

Faeces. 

20. XI. Gestern Abends auf Einlauf von % Liter Wasser ganz 
geringe Mengen gleichmässig schwärzlich gefärbten Stuhls entleert, 
der chemisch und mikroskopisch Blut nachweisen lässt. 

25. XI. Nur noch einzelne Blutpuukte in Ivothballen eiuge- 
schlosseu, ausserdem wenig Schleim isolirt. 

27. XI. Stuhl vollständig frei von Blut. 

Beweglichkeit des linken Beines zurückgekehrt; nur ist das¬ 
selbe noch schwach. Stehen unmöglich. Beweglichkeit des Armes 
wenig besser. 

11. XII. Kann mit Stock Im Zimmer umhergelieu. 

Gegenwärtig — 28. I. 1900 — wird das linke Bein beim Gehen 
noch nachgeschleift. Der linke Arm, der im Ellenbogen in Beuge- 
contractur steht, kann bis zur Horizontalen erhoben werden. 

Am Rumpf, besonders an der Rückseite, ferner an den Ober¬ 
schenkeln, verschiedene stecknadelkopf- bis liusengrosse Ekchy- 
mosen. 

Während der ganzen Zelt nie Störungen von Seiten der Ver¬ 
dauungsorgane. Stuhl, der wiederholt untersucht wird, immer 
vollkommen normal. 

Urin, der sowohl im Anfang, als auch während der letzten 
8 Tage täglich auf Eiweiss und Cylinder untersucht w r ird, immer 
von beidem frei. 

Betrachten wir nun die beiden Fälle näher in Bezug auf das 
Vorhandensein der von (1 e r h a r d t und K u s s in a u 1 für die 
Diagnose auf Embolie der Art. mesaraica auf gestellten Sym¬ 
ptome. 

Bei K. (Fall 1) konnte die Embolie sowohl durch einen 
in Folge der schlechten Herzthätigkeit erst gebildeten Pfropf als 
durch eine von der erkrankten Mitralis losgerissene Auflagerung 
verursacht sein. 

Erstcres ist das Wahrscheinlichere, da der Process an der 
Klappe schon alt ist und früher nie zu Embolien geführt hat, 
andererseits die Insufficienz des Herzmuskels eine ausgesprochene 
ivar. Interessant ist. nun in diesem Fall, dass kurz vor Eintritt 
der Embolie die Herzthätigkeit, die vorher sehr elend war, sich 
bedeutend gebessert hatte. Wir haben zwar noch leichte Arythmie, 
aber «‘inen in der Frequenz bedeutend verminderten (gegen vor¬ 
her) und vor Allem kräftigeren Puls, so <la<s Digitalis nach Ver¬ 
abreichung von 1,2 g weggelassen werden konnte. Als der sicht¬ 
barste Ausdruck für die Besserung der Herzthätigkeit fand sich 

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der Rückgang der Stauungserscheimmgen. Und nun auf dem 
besten Wege zur Reconvalescenz treten auf einmal am 15. XI. 
die geschilderten stürmischen Erscheinungen auf, wobei gleich¬ 
zeitig die Herzthätigkeit wieder äusserst schlecht wird. Wir 
haben hier vielleicht einen Fall vor uns, wo durch die Anregung 
der Herzthätigkeit durch die kräftigsten Herzmittel: Digitalis, 
Kampher, Wein eines der vorher bei der miserablen Herzthätig¬ 
keit im linken Herzen gebildeten Gerinnsel hinausgeschleudert 
wurde, das bisher wegen der schwachen Herzthätigkeit liegen ge¬ 
blieben war. 

Das wird uns aber selbstverständlich nicht abhalten, in 
gleichen Fällen — dem Standpunkt L e u b e’s folgend — ebenso zu 
handeln, d. h. die Kräftigung der Herzthätigkeit um jeden Preis 
herbeizuführen zu trachten. Denn einerseits ist es bei der dar- 
niederln gendeii Herzthätigkeit, wenn dieselbe nicht rasch ge¬ 
ändert wird, im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Ge¬ 
rinnselbildung immer mehr vor sich geht, während andererseits 
durch Anspornung der Herzthätigkeit dieselbe verringert wird, 
bezw. nicht zu Stande kommt. Ferner glaube ich annehmen zu 
dürfen, dass wenn sich Gerinnsel gebildet haben, je stärker die 
Herzthätigkeit, desto grösser die Wahrscheinlichkeit ist, dass 
ein hinausgeschleudertes Gerinnsel in möglichst kleine Stücke 
an den verschiedenen Theiluugsstellen der Arterien zerschellt. 
Ein Pfropf, der bei schwacher Herzthätigkeit in einer grossen 
Arterie liegen bleibt, kann bei der angeregten Herzthätigkeit so 
weit geschleudert werden, dass er nur mehrere kleine Aeste dieser 
Arterie verstopft. Und das ist viel günstiger. Wir wissen, dass 
die Summe der Querschnitte von den Aesten einer Arterie grösser 
ist, als der Querschnitt der betreffenden Arterie selbst. Um also 
denselben Raum einzuiiehinen wie im Ilauptstamm, wird der 
Pfropf nur einen Theil der Aeste desselben benöthigen, also einen 
kleineren Theil der arteriellen Blutzufulir berauben und der In- 
farcirung aussetzen. Dazu kommt nun noch, dass alle diese kleinen 
Pfropfe bei der verstärkten Herzthätigkeit fest in die Gefäss- 
wandungen hineingepresst werden, während bei der schwachen 
Herzthätigkeit der grosse Embolus gerade so weit kommt, da~s er 
ein grosses Gefäss eben ausfüllt. Oder vielleicht thut er dies 
nicht einmal und der freigebliebene Theil wird durch autocli- 
tlioiie Thrombose verstopft, der Thrombus also grösser. 

Ferner ist zu berücksichtigen, dass, wenn auch die Art. mes. 
sup. wegen der im Verhältnis» zu ihrem grossen Gefässgebiet sehr 
geringfügigen Anastomosen functioneil einer Endarterie gleich¬ 
zusetzen ist (Litt e n), diese Anastomosen doch eher genügen 
können die Cireulation wieder herz ns teilen, wenn nur kleinere 
Aeste der Art. mes. sup. verstopft sind. 

So existiren in der That verschiedene Fälle von Embolie der 
Art. nies, sup., deren Heilung später durch die Section bestätigt 
wurde, nämlich je 1 Fall von V i r c h o w, Cohn 5 ), Jürgens, 
Karelier, Köster; ausserdem 1 Fall von Moos 2 ), dessen 
Heilung zwar nicht durch die Section bestätigt wurde, dessen Be¬ 
weiskraft aber wegen der charakteristischen Erscheinungen von 
keinem der ihn berichtenden Autoren angezweifelt wird. 

Aus all’ diesen Gründen gebt die Berechtigung des Stand¬ 
punktes von Leube hervor, nämlich, dass man sich nicht 
scheuen soll, in solchen Fällen die Herzthätigkeit anzuregen. 

Wir haben also, um nach dieser kleinen Abschweifung zu 
unserem Fall zurückzukehren, bei unserem Fall I im Herzen 
eine zweifellose Quelle für Embolie. Wir haben ferner gleich¬ 
zeitig Erscheinungen von Seiten der Lunge, die mit der grössten 
Wahrscheinlichkeit, auch wenn sie allein vorhanden wären, d. h. 
ohne Erscheinungen von Seiten des Darmes, zu der Annahm« 1 
eines haemorrhagischen Infarcts der Lunge führen würden, d. h. 
zu der Voraussetzung, dass wie aus dem linken, so auch aus dem 
rechten Herzen Gerinnsel in die peripheren Arterien hinaus¬ 
geschleudert wurden, nämlich an einem schmalen Bezirk 1. h. u. 
relative Dämpfung, Bronchophonie, klingendes Rasseln, leichte* 
Reiben. Und das Alles trat unter heftigem Schüttelfrost, Er¬ 
brechen und hoher Temperatursteigerung (40 °) ein. Diese 
Temperatur ging schon bis zum Abend bedeutend zurück (auf 
38,7") und am nächsten Morgen war sie normal, währeml die 
übrigen physikalischen Symptome noch einige Tage fortbe¬ 
standen. Nur das blutige Sputum fehlte. Man kann sieh dies 
ganz gut, dadurch erklären, dass, nachdem die Infareirung eben 
vollendet war, auch schon eine Anastomose der Pulmonalarterien 
mit den Art. bronchiales und pleurales und damit die Resorption 

2 ) Bei Faber. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


457 


angebahnt wurde. Der Fall steht ja in dieser Beziehung nicht 
vereinzelt da. 

Gleichzeitig mit den Morgens aufgetretenen stürmischen 
Erscheinungen : Schüttelfrost, Temperatursteigerung, Herz¬ 
schwäche, waren heftige Schmerzen im Unterleib aufgetreten, 
für die sich zunächst eine Erklärung nicht bot. Das Erbrechen 
konnte als Reflexerscheinung, durch den haemorrhagischen 
Lungeninfarct veranlasst, aufgefasst werden. Erst während des 
Nachmittags nun traten die blutigen Stühle auf. Wenn es auch 
im Ganzen verhältnissmässig sehr wenig Blut war, was an diesem 
und den folgenden Tagen entleert wurde, so spielt meines Er¬ 
achtens die Menge des ergossenen Blutes, wenn die begleitenden 
Umstände in so hohem Grade zur Annahme einer Embolie der 
Mesenterialarterien förmlich zwingen, die weniger wichtige Rolle. 

Wir müssen bedenken, dass wir es mit einem vorher und 
nachher darmgesunden Manne zu thun gehabt haben, der unter 
den beschriebenen Erscheinungen von Seiten des Darmes plötz¬ 
lich erkrankt. Einfache Stauung von Seiten des insufficienten 
Herzens ist dadurch ohne Weiteres ausgeschlossen. Ebenso 
kommt eine Blutung, wie sie sonst bei chronischer Nephritis an 
verschiedenen Stellen des Körpers Vorkommen kann, nicht in Be¬ 
tracht, weil einmal sonst nirgends Blutungen vorkamen, und 
dann wegen der eigenartigen Begleiterscheinungen. 

Was das Darmgeschwür anlangt, so wissen wir allerdings, 
dass Darmgeschwüre unter Umständen lange Zeit latent bleiben 
können, so dass sie weder dem Patienten subjectiv sich bemerkbar 
machen, noch vom Arzt, der vielleicht, z. B. bei Tubereulose, 
besonders darauf fahndet, objectiv nachgewiesen werden können. 
Trotzdem wäre es doch höchst seltsam, wenn ein lange latent ge¬ 
bliebenes Geschwür gerade zu einer Zeit Symptome machen sollte, 
wo an Embolie der Mesenterialarterien, so selten dieselbe ist, viel 
eher zu denken ist. Und noch seltsamer wäre es, wenn diese Er¬ 
scheinungen so rasch wieder verschwänden und Blutungen später 
auch nicht in Spuren sich gezeigt hätten. Ja auch dann, wenn 
nachher vielleicht noch Zeichen zurückgeblieben wären, die auf 
Darmgeschwüre bezogen werden könnten, so würde uns dies noch 
nicht berechtigen, anzunehmen, dass dieselben von vornherein be¬ 
standen haben. Denn wie leicht könnten in einer haemorrhagisch 
infarcirt gewesenen Darmwand Geschwüre Zurückbleiben! 

Ueber das Verhalten der Temperatur werde ich mich beim 
Vergleich mit dem Fall II näher auslassen. 

Forschen wir bei unserem zweiten Fall zunächst nach einer 
Quelle für Embolie, so wird uns dies schon schwieriger als beim 
ersten Fall. Der Mann kommt mit acut cingetretener links¬ 
seitiger Hemiplegie auf die Abtheilung. Nun hat ja bekanntlich 
Bamberger gesagt, dass es meistentheils unmöglich sei, zu ent¬ 
scheiden, ob eine Apoplexie durch Embolie oder Haemorrhagie 
veranlasst ist. Dies triflt besonders für ältere Individuen zu. 
Wenn man aber sich an eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose wagen 
will, so muss sich einem, wenn man diesen Mann untersucht und 
die Hypertrophie des linken Ventrikels constatirt, ferner die Ab¬ 
wesenheit von Geräuschen und die deutliche Verstärkung des 
2. Aortentones, natürlich sofort der Gedanke an die altbekannte 
Reihenfolge von Symptomen aufdrängen: chronische Nephritis, 
mangelhafte Ausscheidung von Harnsubstanzen und dadurch Er¬ 
höhung des Blutdrucks, in Folge davon Hypertrophie des linken 
Ventrikels und Arteriosklerose und durch das Zusammenwirken 
dieser letzten 3 Factoren Haemorrhagie. 

Aber mit den feinsten Methoden konnte ich im Urin weder 
Eiweiss noch specifische Formbestandtheile auf finden, obwohl der¬ 
selbe sowohl im Anfang als in der allerletzten Zeit 8 Tage hinter¬ 
einander und ausserdem ziemlich häufig untersucht wurde. Es 
bleibt also in Anbetracht des sonstigen Befundes nichts übrig, als 
die Hypertrophie des linken Ventrikels auf eine primäre Arterio- 
' sklerose zurückzuführen. Die durch Arteriosklerose allein ver¬ 
ursachte Hypertrophie des linken Ventrikels ist ja von verschie¬ 
denen Autoren anerkannt. Was eine etwaige Hypertrophie durch 
anstrengende Arbeit betrifft, so hat Patient nach seiner eigenen 
Aussage nie anstrengenden Dienst gehabt. 

Eben wegen der an den peripheren Arterien deutlich nach¬ 
weisbaren Arteriosklerose und der Hypertrophie des linken Ven¬ 
trikels war ich im Anfang eher geneigt, die Gehirnerscheinungen 
auf eine Haemorrhagie zurückzuführen, bis sich dann die Darm¬ 
blutung einstellte. Diese als durch Berstung eines Astes der 
Mesenterialarterien verursacht aufzufassen, geht nach meiner An¬ 
sicht nicht an, da eine derartig profuse Blutung, wie sie in diesem 

v 1L 

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Falle stattfand (es wurde mindestens 1 Liter Blut entleert), doch 
schon eine grössere Arterie betreffen müsste und dann einmal 
bei der tiefen Lage der grösseren Gefässe die Blutung fast eher 
in die Bauchhöhle stattfinden konnte als durch die intacte 
Schleimhaut in das Darmrohr und ferner bei den mechanischen 
Insulten, denen der Darm ständig ausgesetzt ist, es nicht gut 
denkbar wäre, dass aus so hochgradig erkrankten Gefässen keine 
weitere Blutung erfolgt, entweder aus diesem Gefässe oder aus 
anderen Aesten der Mesenterialarterie. So schreibt denn auch 
Nothnagel, dass als Ursache von Darmblutung die Berstung 
eines arteriellen Aneurysma oder isolirten Varix „erst dann in 
Erwägung zu ziehen ist, wenn die genaueste Untersuchung und 
Abwägung aller Umstände gar kein aetiologisches Moment er¬ 
kennen lässt.“ 

Eine Annahme, die wegen der vorhandenen Arteriosklerose 
ebenfalls in Betracht kommen könnte, wäre die einer autoch- 
tlionen Thrombose der sklerotischen Arterien — sowohl des Me¬ 
senteriums als des Gehirns. Dafür ist aber erstens der Eintritt 
der Erscheinungen sowohl von Seiten des Gehirns als des Darms 
zu stürmisch. Allerdings berichtet Litten über einen Fall von 
autochthoner Thrombose der Art. mes. sup., bei dem die Erschei¬ 
nungen ebenfalls plötzlich auftraten. Aber die Regel wird 
dies doch nicht sein. Es wird vielmehr der Bildung eines Col- 
lateralkreislaufs noch mehr Zeit geboten sein als in den un¬ 
zweifelhaften (durch die Section bestätigten) Fällen von Heilung 
der acuten embolischen Verstopfung der Mesenterialarteriell. 
Wenn man aber doch annehmen wollte, dass die theilweise Ob¬ 
literation eines Astes der Mesenterialarterie bis dahin ganz ohne 
Symptome verlaufen wäre und solche in ihrer ganzen Wucht auf¬ 
getreten sind, sobald die noch vorhandene kleine Oeffnung voll¬ 
ständig verschlossen wurde, so müsste cs einen doch wundern, 
wenn nicht in absehbarer Zeit auch andere Aeste derselben Ar¬ 
terie thrombosiren. Und ferner könnten wir an den Gehirn¬ 
arterien den gleichen Process schon gar nicht annehmen. Es gilt 
hier in noch Köherem Grade als für den Darm, dass, wenn Gehirn¬ 
arterien so hochgradig degenerirt sind, dass autoehthone Throm¬ 
bose dort entsteht, erstens Vorboten dagewesen sein müssten und 
ferner, dass der weitere Verlauf eine ständige Vers Iilimmerung 
zeigen müsste, statt wie hier nicht bloss keine Verschlimmerung, 
sondern sogar eine Besserung aufzuweisen. 

Ich komme also, indem ich weiterhin aus denselben Gründen 
wie bei Fall I auch eine durch Darmgeschwüre verursachte Blu¬ 
tung ausschliesse, zu dem Schluss, dass eine Embolie im Gebiet 
der Mesenterialarterien vorliegt. Daraus lässt sich nun rückwärts 
schliesson, dass die vorhergegangene Apoplexie des Gehirns sehr 
wahrscheinlich ebenfalls auf eine Embolie zurückzuführen ist 
und dass die Embolie hier wie dort in Anbetracht des Befundes 
am Circulationsapparat — reine Herztöne, nur der 1. Herzton 
dumpf, 2. Aortenton verstärkt, deutliche Arteriosklerose — auf 
Atherom der Aorta und der übrigen grossen Gefässe zurück¬ 
zuführen ist — eine Diagnose, die nur dadurch gestellt werden 
kann, dass eben von den einzelnen Symptomen des ganzen vor¬ 
handenen Symptomencomplexes eines das andere stützt. 

Auch die in der letzten Zeit bemerkbaren ziemlich zahlreichen 
Ekchymosen am Rumpfe und den Oberschenkeln sind wohl als 
eapilläre Embolien aufzufassen, ähnlich wie bei der Sepsis. Auch 
in diesem Fall traten heftige Schmerzen auf. Dieselben wurden 
in die Reg. hypogastr. verlegt und waren dem durch Einlauf er¬ 
zielten, reichlich mit Blut vermischten Stuhl nicht lange, kaum 
eine Stunde vorhergegangen. Die Blutung war nun im Gegensatz 
zu Fall I sehr massig und förderte flüssiges, dunkles Blut zu 
Tage. Der Collaps war dabei ausgesprochen. Auch in der Tem¬ 
peratur kommt dies, wenn auch in geringem Grade, zum Aus¬ 
druck, indem die Abendtemperatur (36,4") niedriger ist als die» 
Morgentemperatur (36,6 °), die bereits vor dem Eintritt der 
Blutung bestimmt war. Wahrscheinlich war die Temperatur 
Abends, wo der Patient schon wieder einen viel besseren Eindruck 
machte, gegenüber der Temperatur zur Zeit der Blutung wieder 
gestiegen. Eine Messung direct nach der Blutung wurde leider 
nicht gemacht. Jedoch ein wesentliches Symptom für die 
Diagnose der genannten Erkrankung ist das von Gerhardt 
und Kuss maul erwähnte Sinken der Körpertemperatur ja 
nach der ausführlichen von F a b e r gemachten Zusammenstel¬ 
lung jedenfalls nicht. In F a b e Fs 20 Fällen ist nur 3 mal 
Sinken der Körpertemperatur notirt und ausserdem findet sich 
einmal rasches Steigen der Temperatur erwähnt. 

2 

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458 


MÜNCHENER MED1CINISCME WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


Von unseren beiden Fällen zeichnet sich in Bezug auf die 
Temperatur Fall I mit der geringen Darmblutung und dem 
gleichzeitigen Lungeninfarct durch hohe Temperatursteigerung 
(40 °) unter Schüttelfrost aus; der andere mit der profusen Darm¬ 
blutung hatte aus dem oben ausgeführten Grunde, wahrscheinlich 
zur Zeit der Blutung eine abnorm niedrige Körpertemperatur. 

Das Fieber bei Embolie ist bekanntlich einmal vorhanden, 
ein anderesmal nicht. Wo es gleich im Anfang bei einem nicht 
septischen Embolus vorhanden ist, ist es vielleicht als Reflex- 
erscheinung aufzufassen, die dann ausbleibt, wenn, wie bei pro¬ 
fusen Blutungen, der Collaps zu gross ist. 

Eine Anhäufung von Blut zwischen den Platten 
des Mesenterium, die in den von F a b e r beschriebenen 
Fällen einige Male gefühlt wurde, konnte nicht gefunden 
werden. Es ist auf dieses Symptom übrigens weniger Werth 
zu legen. Wo nicht eine ganz oberflächliche Palpation genügt, 
diese Platten festzustellen, wird man sich auch wohl hüten, ledig¬ 
lich im diagnostischen Interesse, obwohl man mit den sonstigen 
Symptomen auskommen kann, darnach zu suchen. In den we¬ 
nigsten Fällen aber wird eine ganz oberflächliche Palpation 
genügen. 

Was den Sitz der Blutung anlangt, so lasse ich es im Fall I 
vollkommen dahingestellt, in welche Gegend des Darmes derselbe 
zu verlegen ist. Denn da das erste Blut erst Nachmittags ent¬ 
leert wurde, nachdem Vormittags bereits die Schmerzen im Leib 
auf getreten waren, kann die Farbe des Blutes, die dunkel war, 
keinen Anhaltspunkt mehr geben. Man hätte ja, wie im Fall II 
(s. u.), durch den Mastdarmspiegel sich überzeugen können, ob 
die Mastdarmschleimhaut ganz in Ordnung ist und bei Vorge¬ 
fundenen Veränderungen vielleicht eine Embolie der Art. mesar. 
inf. diagnosticiren können, von der ja der letzte Theil des Dick¬ 
darms vom Kolon descendens an versorgt wird. Aber selbstver¬ 
ständlich wird man diese Untersuchung lediglich in diagno¬ 
stischem Interesse einem Kranken, der sich in einem solchen 
Zustand befindet, nicht zumuthen, und in therapeutischem Inter¬ 
esse war dieselbe nicht geboten. 

Dagegen lag der Fall II ganz anders. Hier war bei dem 
starken Blutabgang die Untersuchung per rectum dringend ge¬ 
boten, um zu sehen, ob wenigstens die Möglichkeit vorhanden 
sei, dieselbe direct zu bekämpfen. Dabei zeigte sich die Mast¬ 
darmschleimhaut vollkommen normal. Wir können also ganz von 
dem Umstand absehen, dass hier zwischen dem Auftreten der 
Schmerzen und dem Eintritt der ersten Blutentleerung keine so 
lange Zeit lag (etwa 1 Stunde), dass auch aus den untersten Darm¬ 
partien stammendes Blut schon hätte verändert sein können, dieses 
aber doch schon sehr dunkel war. Auch der am 19. XI., also 
3 Tage nach der Blutung, entleerte Stuhl, welchem das Blut 
gieiehmässig beigemengt war, spricht weiter dafür, dass die 
Quelle der Blutung nicht in den alleruntersten Darmpartien zu 
suchen ist. 

Was nun die Therapie betrifft, so konnten wir im Fall I, 
wo eine Insuffieienz des Herzmuskels die Ursache der Embolien 
und das Gefässsystem dabei intact war, leicht der Hauptindica- 
tion zu genügen suchen, nämlich den arteriellen Druck zu er¬ 
höhen, damit er womöglich über das Hinderniss hinwegkommt. 
Dies geschah denn auch reichlich durch Kampher und Digitalis. 
Anders lag der 2. Fall. Die geschilderte Beschaffenheit der Ge- 
fässe legt natürlich Vorsicht auf. Man wird gegen den Collaps 
natürlich auch Analeptica geben, aber nur so viel als nothwendig 
ist. Dies geschah in diesem Fall durch Verabreichung von etwas 
Sherry. Eine so profuse Blutung, wie sie in diesem Falle statt¬ 
gefunden hat, wirkt ja, sobald nicht weitere zum Tode führende 
Blutungen nachfolgen, selbst als gutes Heilmittel, indem sie 
den Druck im venösen Abflussgebiet bedeutend verringert und 
damit die Intensität der Infarctbildung herabsetzt. 

Die Anwendung von Kälte auf den Unterleib, die beim 
II. Fall, wo die Blutung eine so profuse war, in Form eines Eis¬ 
beutels geschah, findet scheinbar wenig Anklang. Sowohl 
v. L e u b e, als N othnagel und Penzoldt erwarten von 
der Anwendung der Kälte keinen Nutzen; in Form von häufig 
gewechselten Eiscompressen kann sie nach den letzten beiden 
Autoren durch Anregung der Peristaltik sogar schaden. 

Bei Winternitz sind sehr schöne Versuche von E s - 
march und Schlikoff angeführt, bei welchen die Einwir¬ 
kung von Kälte auf die Temperatur tieferer Theile sehr bequem 
controlirt werden konnte. Die Versuche wurden nämlich gemacht 

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an Leuten mit Sequestrotomien, Thoracocentesen, Darmfisteln, 
bei welchen die Temperatur in den bezüglichen Höhlen festge¬ 
stellt wurde. Es wurde da auch in grösseren Tiefen starke Herab¬ 
setzung der Temperatur bewirkt (z. B. bei E s m a r c h in einer 
3—5 cm von der Applicationsstelle des Eisbeutels entfernten 
Knochenhöhle nach 8 Stunden um 4,3°, nach einer weiteren 
Stunde um im Ganzen 10° C.). Allerdings ist damit noch nicht 
gesagt, dass der Herabsetzung der Temperatur auch eine Ver¬ 
minderung der Gefässfüllung entspricht. So sind z. B. die Mus¬ 
keln von Versuchskaninchen, denen Eis auf den rasirten Bauch 
gelegt wurde, sehr hyperaemisch gefunden worden. Aber die 
Haut und die Eingeweide wurden dabei anaemisch gefunden 
und es lässt sich desslialb im gegebenen Fall das Auflegen eines 
Eisbeutels schliesslich verantworten. 

Ferner wurde bei Fall II ein Wattetampon möglichst hoch in 
den Mastdarm eingeführt. Man könnte dieser Manipulation vor¬ 
werfen, dass sie den Sitz der Blutung ja doch nicht erreicht habe, 
und dass der Tampon nur geeignet sei, die Peristaltik anzuregen 
und dadurch der Stillung der Blutung entgegen zu wirken. Wenn 
aber, wie sich dies von selbst versteht, gleichzeitig entsprechende 
Dosen von Morphium gegeben werden, so genügen dieselben wohl 
auch, trotz vorhandenen Tampons den Darm ruhig zu stellen 
und das oberhalb des Tampons sich ansammelnde Blut kann dann 
durch seine eigene Masse auf die blutende Stelle eventuell tam- 
ponirend wirken. 

Ueber den Werth der Gelatineinjectionen, die behufs Stei¬ 
gerung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes von Lancereaux 
zuerst zur Behandlung des Aortenaneurysma empfohlen wurden 
und dann von verschiedenen anderen Autoren zu demselben Zweck 
gegen Blutungen aus Magen und Darm, aus der Lunge und bei 
Purpura haemorrhagica angewandt wurden, gehen die Ansichten 
noch auseinander. Wollte man einen Versuch damit machen, so 
müsste man sie zur Vermeidung jeder Anregung der Perstaltik 
und zur Erzielung einer rascheren Wirkung natürlich in einem 
solchen Fall subcutan geben, nicht per rectum. Solange aber 
üble Zufälle bei diesen subcutanen Injectionen nicht vollständig 
ausgeschlossen sind, begnügen wir uns mit unserem übrigen medi- 
camentosen Schatz, der ja einige gute Mittel bietet, wenn den¬ 
selben Zeit gegeben wird, einzuwirken, d. h. wenn sich Patient 
nicht zu rasch verblutet. 

D a g e g e n ist natürlich alle Therapie ohnmächtig. 

Benützte Literatur: 

1. F a b e r: Die Embolie der Art. mesaraica superior. Deutsch. 
Areh. f. klin. Med., Bd. 10. — 2. G r a w i t z : Ein Fall von Embolie 
der Art. mesaraica superior. Virchow’e Arch., Bd. 110. — 3. H e - 
gar: Embolie der Lungenarterie und Arteria mesaraica inferior. 
Virchow’s Arch., Bd. 48. — 4. J ü r g e n s : Ein Fall von Embolie 
der Aorta abdominalis. Münch, med. Wochenschr. 1894, No. 43. — 
5. Karcher: Ein Fall von Embolie der Art. mesar. super. Cor- 
respondenzbl. f. Schweizer Aerzte 1897. — 6. Kaufmann: Ueber 
den Verschluss der Art. mesar. super, durch Embolie. Virchow's 
Arch., Bd. 116. — 7. Köster: Zur Casuistik der Thrombose und 
Embolie der grossen Bauchgefässe. Deutsch, med. Wochenschr. 
1898, No. 21. — 8. Lochte: Eigenbericht dieser Zeitschrift aus 
dem ärztlichen Verein zu Hamburg. — 9. Nothnagel: Die Er¬ 
krankungen des Darms und des Peritoneum. — 10. Penzoldt: 
Handbuch der Therapie innerer Krankheiten. 0. Abth. — 11. Se- 
maine mCdicale 1899, No. 1, 14, 21. — 12. W i n t e r n i t z : Hydro¬ 
therapie. 


Aus dem Laboratorium der medicinischen Klinik zu Bonn. 

Ueber den Nachweis von Gallenfarbstoff in den Faeces, 
in Sonderheit mit der Ad. Schmidt’sehen Probe, 
und Uber die klinische Bedeutung des Vorkommens 
von Bilirubin in denselben. 

Von Rudolf Schorlemmer. 

In der schwierigen und praktisch wichtigen Frage, ob bei 
Durchfällen resp. Enteritiden nur der Dickdarm oder gleichzeitig 
auch der Dünndarm erkrankt ist, spielt der Nachweis von unver¬ 
ändertem Gallenfarbstoff in den Faeces eine ausschlaggebende 
Rolle. Von Nothnagel 1 ) ist der Satz formulirt worden, dass 
das Vorkommen von unverändertem Gallenfarbstoff in den Faeces 
auf eine Betheiligung des Dünndarms an dem Krankheitsprocesse 
hinweise und dass, wenn dabei Gallenfarbstoff an Schleim- 

*) Beiträge zur Physiologie und Pathologie des Darmes. 
Berlin 1884, p. 97 u. 157 ff. S. auch: Die Erkrankungen des Darmes 
und Peritoneums. Wien 1898. p. 115. 

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3. April 1900. MÜNCHEN KR MEDICTNTSCHE WOCHENSCHRIFT. 459 


theilchen hafte, dieser Process ein Katarrh sei. Diese Auf¬ 
fassung, welche sich einerseits auf klinische Beobachtungen, 
andererseits auf das physiologische Verhalten der Gallenfarbstoff - 
reaction im Darminhalt — nach N o t h n a g e 1 ist dieselbe in den 
untersten Theilen des Dünndarms normaler Weise nicht mein* 
deutlich — stützt, ist, wie es scheint, von allen Autoren auf dem 
Gebiete der Darmkrankheiten aceeptirt worden. 

Nothnagel bediente sich, wie übrigens auch alle späteren 
Untersucher, zum Nachweise des Gallenfarbstoffes in den Faeces 
der G m e 1 i n’schen Reaetion. Da bei vielfachen im hiesigen 
Laboratorium ausgeführten Faeocsuntersuchungen sich gewisse 
Mängel der G m e 1 i n’schen Probe herausgestellt hatten, habe ich 
auf Veranlassung von Prof. Ad. Schmidt die Frage der dia¬ 
gnostischen Bedeutung des Bilirubinnachweises in den Faeces 
einer Nachprüfung unterzogen und mich dabei speciell der von 
Schmidt 5 ) empfohlenen Sublimatprobe bedient. Eine aus¬ 
führliche Mittheilung über meine Untersuchungen wird im Archiv 
für Verdauungskrankheiten erscheinen. Hier seien nur kurz die 
Ergebnisse derselben, soweit sie praktisch von Bedeutung sind, 
zusammengestellt. 

Während im Urin die G m c 1 i n’sche Probe in den ver¬ 
schiedenen Modifikationen bekanntlich ausgezeichnete Resultate 
liefert, erweist sie sich bei der Kothuntersuehung als unzu¬ 
reichend hinsichtlich des Nachweises einzelner, mikroskopisch 
kleiner, gallenfarbstoffhaltiger Bestandteile, unzuverlässig in¬ 
sofern, als sie, makroskopisch angewendet, manchmal einen grünen 
Farbenton auch dort ergibt, wo tatsächlich kein Bilirubin vor¬ 
handen ist. Es wird zwar von verschiedenen Autoren angegeben, 
dass die G m e 1 i n’sehe Reaetion auch unter dem Mikroskope 
gute Resultate gäbe, aber diese Behauptung muss lebhafte Be¬ 
denken erregen, wenn man sieht, dass selbst ein so ausgezeichnete:- 
Forscher wie Nothnagel 8 ) durch sie zu dem zweifellos fal¬ 
schen Schlüsse gelangt ist, dass in normalen Stühlen verschiedene 
Gebilde, nämlich die Muskelfaserreste, ferner gelbe Kalksalze und 
Hefezellen durch Bilirubin gefärbt sind. Ich selbst möchte nach 
häufiger Anwendung dieser Probe behaupten, dass sie nur dort 
im mikroskopischen Präparate zuverlässige Resultate ergibt, wo 
sie auch makroskopisch unzweideutig positiv ausfällt. Die 
makroskopische Anwendung kann in verschiedener Weise ge¬ 
schehen und es kann dabei Vorkommen, dass man je nach dem 
Modus, den man wählt, zu verschiedenen Ergebnissen gelangt. 
Wenigstens habe ich beobachten können, dass beim Zusammon- 
bringen der mit Wasser zu Brei verrührten Faeces mit der Sal¬ 
petersäure die Dicke der Faecesschicht von Bedeutung für den 
Farbenton ist. 

Dem gegenüber bietet die von mir benutzte S c h m i d t’sche 
Sublimatprobe eine Reihe von Vortheilen. Diese Probe wird in 
der Weise ausgeführt, dass man von den möglichst frischen 
Faeces einen 2—3 ccm grossen Brocken mit concentrirter, 
wässeriger Sublimatlösung in eim*r Glasschale verreibt und das 
Gemisch, nachdem man es in einem gedeckten Glasschälchen 
24 Stunden hart stehen lassen, makroskopisch und mikroskopisch 
auf das Vorhandensein grüner Theilchen untersucht. Ihr Vorzug 
besteht zunächst darin, dass sie unbedingt zuverlässig ist; denn 
auch nach tagelanger Einwirkung des Sublimats geht die Oxy¬ 
dation des Bilirubins niemals über die Stufe des Biliverdins 
heraus. Täuschungen sind ausschliesslich durch chlorophyllhaltige 
Pflanzenbestandtheile möglich, die aber, wie bekannt, leicht zu 
erkennen sind. Sodann ist die Probe sehr scharf, sie zeigt die 
bilirubinhaltigen Theile in der Contrastfarbe der Grundsubstanz, 
indem gleichzeitig alle hydrobilirubinhaltigen Bcstandtheile der 
Faeces roth gefärbt werden. Dieser gleichzeitige Nachweis des 
Hydrobilirubins, der, wde Schmidt gezeigt hat, auf der Bil¬ 
dung des Quecksilberchloridsalzes des Hydrobilirubins beruht, 
ist ein weiterer Vortheil der Probe. Schliesslich ist sie ausser¬ 
ordentlich einfach und sauber und verdirbt, was für die mikro¬ 
skopische Untersuchung von Bedeutung ist, nicht die Structur 
der oft sehr kleinen bilirubinhaltigen Theile. Auf Grund mehr¬ 
jähriger Erfahrungen, welche mit dieser Probe in unserer Klinik 
gemacht wurden, darf wohl behauptet werden, dass die Sublimat¬ 
probe z. Z. die beste und praktisch brauchbarste Methode zum 
Nachweis des Gallenfarbstoffes in den Faeces ist, und zwar sowohl 

*) Verhandlungen des Congresses für innere Medlcin 13 (1895), 
p. 320. 

*) 1. o. p. 157. 

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des unveränderten, als auch des durch Reduction veränderten. 
Wie aus dem Folgenden hervorgellt, ist sie gleichzeitig geeignet, 
unsere diagnostischen Schlüsse zu erweitern, da sie uns häufig 
auch dort noch das Vorhandensein bilirubinhaltiger Theilchen er¬ 
kennen lässt, wo die G m e 1 i n’sche und alle anderen Gallenfarb¬ 
stoffproben versagen. 

Meine Untersuchungen erstreckten sich zunächst auf eine 
grosse Anzahl normaler Faeces. Bei der Auswahl derselben bin 
ich mit grösster Sorgfalt verfahren. Wo immer subjectiv oder 
objeetiv irgend eine Störung der Darmthätigkeit vorhanden 
war, oder wo die Untersuchung der Faeces Anhaltspunkte für 
eine solche ergab, wurden die Faeces nicht mehr als normale an¬ 
gesehen. Das Ergebnis« dieser Versuche bestätigt den allgemein 
anerkannten Satz, dass in wirklich normalen Faeces bilirubin¬ 
haltige Bestandteile regelmässig fehlen. Eine Ausnahme bil¬ 
den nur vereinzelte pflanzliche Zellmembranen und gewisse 
glasige, wie es scheint, aus Seifen bestehende Schollen, die ich 
unter 21 normalen Kothproben verschiedener Herkunft 4 mal bei 
der mikroskopischen Untersuchung ganz schwach grünlich ge¬ 
färbt fand. Auch Nothnagel erwähnt das ausnahmsweise 
Vorkommen von gallenfarbstoffhaltigen Pflanzenbestandtheilen 
und „amorpher Klümpchen“ in normalen Faeces. In diesem 
Punkte muss ich ihm also beistimmen, während ich, wie erwähnt, 
Muskelfaserreste, gelbe Kalksalze und Hefezellen stets nur hydro- 
bilirubinhaltig gefunden habe. 

Pathologische Faeces wurden von 47 verschiedenen Fällen 
von Verdauungsstörungen, in der Regel in mehreren Einzelproben, 
untersucht. Es befanden sich darunter 5 Fälle ausschliesslicher 
Magen affection, bei denen weder subjective noch objective Stö¬ 
rungen der Darmthätigkeit nachweisbar waren. Bei diesen ver¬ 
hielten sich die Faecas ganz wie bei Gesunden, d. h. ich fand nur 
ausnahmsweise bilirubinhaltige Pflanzenzellen und Schollen im 
mikroskopischen Präparat. 

Die Fälle mit Darmstörungen setzten sich zusammen aus 

9 Fällen von acuter Enteritis resp. Gastroenteritis, 

15 Fällen von chronischer Enteritis resp. Gastroenteritis, 

6 Fällen von Typhus abdominalis, 

5 Fällen von Ikterus, 

3 Fällen von Colitis, 

3 Fällen von schwerer Anaemie mit Verdauungsstörungen, 

1 Fall von Darminvagination. 

Es mag ausdrücklich betont werden, dass es sich bei diasen 
47 Fällen nicht jedesmal um Durchfälle handelte, auch nicht bei 
den Fällen von chronischer Enteritis resp. Gastroenteritis. Bei 
diesen letzteren wechselte mit den übrigen Erscheinungen auch 
das Verhalten der Faeces in Bezug auf die Anwesenheit von Bili¬ 
rubin. Ich habe den Ausfall der Sublimatprobe auch dann als 
positiv bezeichnet, wenn sie bei wiederholter Untersuchung nur 

1 mal deutlich vorhanden war. 

Wenn ich zunächst von der Art der bilirubinhaltigen Theil¬ 
chen absehe, so wurde dieser Farbstoff unter den auf gezählten 
Fällen nur 4 mal völlig vermisst. Zu diesen negativen Fällen 
rechne ich auch die, wo das Bilirubin ausschliesslich an spärliche 
Pflanzenreste oder Seifenschollen gebunden war. Wenn man 
dieses Gesammtresultat mit dem an normalen Fällen und bei 
reiner Magenerkrankung gewonnenen vergleicht, so darf man 
sagen, dass Bilirubin in den Faeces bei Störungen der Darm¬ 
thätigkeit ebenso constant vorkommt, wie cs bei Abwesenheit der¬ 
selben vermisst wird. 

Meist gelang es nur unter dem Mikroskope bilirubinhaltige 
Partikel aufzufinden. Nur in 6 Fällen (4 mal bei acuter Enteritis, 

2 mal bei Colitis) fiel die Sublimatprobe auch makroskopisch posi¬ 
tiv aus. Man darf nach dem oben Gesagten annehmen, dass bei 
Verwendung der Gmeli n’schen Probe wahrscheinlich diese 
6 Fälle allein ein positives Resultat ergeben haben würden. Der 
bedeutende diagnostische Werth der Sublimatprobe dürfte danach 
ohne Weiteres verständlich sein. 

Wenn man die Verschiedenartigkeit der Fälle berücksichtigt, 
bei denen sich mittels der Sublimatprobe bilirubinhaltige Theile 
fanden, so muss es von vorneherein zweifelhaft erscheinen, ob man 
mit Nothnagel in jedem unserer Fälle eine Störung der 
Dünndarmthätigkeit annehmen soll. Es ist mir leider nicht mög¬ 
lich, hier auf die einzelnen Fälle näher einzugehen, doch will ich 
nicht unerwähnt lassen, dass in einem Falle von Colitis, welcher 
zur Soction kam, die Untersuchung diese Zweifel bestätigte. Falls 

2 * 

Original fro-m 

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460 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. No * 14 - 


die Ansicht Nothnagel’s zutrifft, dass schon normaler Weise 
irn untersten Dünndarminhalt keine Gallenpigmentreaction mehr 
vorhanden ist, so würde man allerdings nur dann das Erscheinen 
von Gallenpigment in den Faeces erwarten dürfen, wenn eine 
schnellere Passage des Chylus durch das untere Ileum stattfand. 
Aber auch gegen diese Behauptung Nothnagel’s lassen sich 
wichtige Einwände erheben und zwar wiederum durch die Ergeb¬ 
nisse der Sublimatprobe. Schmidt 4 ) hat daiauf hingewiesen, 
dass bei der Untersuchung frischer Därme mittels der Subli¬ 
matprobe eine Itothfärbung durch Hydrobilirubin sowohl im In¬ 
halt wie in der Darmwand in der Regel erst unmittelbar unter¬ 
halb der B a u h i n’schen Klappe gef unden wird. Und diejenigen 
Forscher, welche Gelegenheit hatten, normalen Fistelkoth aus dem 
untersten Ende des Beums zu untersuchen 8 ), haben überein¬ 
stimmend Bilirubin darin nachweisen können. Man muss also 
sagen, dass auch eine reine Dickdarmaffection, indem sie den 
Koth so wie er oberhalb der B a u h i n’schen Klappe vorhanden 
ist, durch den Anus nach aussen befördert, hinreicht, bilirubin¬ 
haltige Theile in den Faeces erscheinen zu lassen. 

Es fragt sich unter diesen Umständen, ob vielleicht die Art 
der Bestandtheile, an denen das Bilirubin in den Faeces haftet, 
einen sicheren Schluss auf das Vorhandensein einer Dünndarm¬ 
aff ection gestattet. Wenn wir von den Celluloseresten und Seifen¬ 
schollen absehen, so fand sich das Bilirubin in unseren Beobach¬ 
tungen am häufigsten an Schleimtheilchen der verschiedensten 
Art gebunden (31 mal), sehr viel seltener an Muskelresten, Binde- 
gewebsfetzen oder anderen Nahrungsbestandtheilen. An sich sind 
weder die einen, noch die anderen für eine Dünndarmaffection be¬ 
weisend. Die Muskelreste können nur dann Verdacht erwecken, 
wenn sie ungewöhnlich zahlreich und wenig verändert erscheinen. 

Hinsichtlich der diagnostischen Bedeutung des Schleims 
für die Localisation enteritischer Störungen gehen die Ansichten 
auseinander. Bekanntlich hat Nothnagel gewisse Erschei¬ 
nungsweisen des Schleimes in den Faces als charakteristisch für 
einen Dünndarmkatarrh angesprochen, darunter besonders die von 
ihm so genannten „gelben Schleimkörner“. Nach den Untersuch¬ 
ungen von Schmidt 6 ), denen ich mich nach eigenen Beobach¬ 
tungen ansehliessen muss, bestehen diese gelben Körner nicht aus 
Schleim, sondern aus einer ei weissartigen Grundsubstanz. Sie 
müssen hier also ausser Betracht bleiben. Von den übrigen Er¬ 
scheinungsweisen des Schleims in den Faeces können grössere, 
glasig durchscheinende Flocken nach der Ansicht aller auf diesem 
Gebiete erfahrenen Autoren unmöglich aus dem Dünndarm 
stammen, da eine derartige Hyperproduction rein schleimigen 
Secretes auf der Dünndarmschleimhaut bisher überhaupt nicht be¬ 
obachtet ist. Wenn also diese gallig gefärbt sind, so ihüssen sie 
den Farbstoff im Diekdarm aus dem gallehaltigen Kothe aufge¬ 
nommen haben. Als aus dem Dünndarm stammend kommen über¬ 
haupt nur ganz kleine, innig mit dem Kothe gemischte Flocken 
und Fetzehen in Frage. Viele derselben sind nur mikroskopisch 
zu erkennen. Wie Schmidt gezeigt, hat, können gelegentlich 
in diesen Fetzen halbverdaute Zellen mikroskopisch erkannt 
werden, die vielleicht einen Fingerzeig für die Herkunft dieser 
Theile aus dem Dünndarm abgeben können. Bei näherer Be¬ 
schäftigung mit diesem Gegenstände habe ich wiederholt Zell¬ 
trümmer dieser Art, oft nur Zellkerne in charakteristischer An¬ 
ordnung in kleinen bilirubinhaltigen Schleimfetzen auffinden 
können. Manchmal enthielten dieselben auch Bilirubinkörner als 
Krystalle in zellförmiger Anordnung. Die Structur des Schleimes 
war noch deutlich erhalten, aber die Grundsubstanz war völlig 
durchsetzt mit Mikroorganismen, Detritusmassen und Nahrungs¬ 
resten, ganz im Gegensatz zu der gewöhnlichen Erscheinungsweise 
des Dickdarmschleimes. 

Man darf annehmen, dass auf solche Schleimtheilchen noch 
die Verdauungssäfte eingewirkt haben und ich glaube, dass dieser 
Umstand mehr für ihre Herkunft aus dem Dünndarm spricht, als 
ihre Imbibition mit Bilirubin. Besonders häufig finden sie sieh 
in Typhusstühlen. Immerhin würde ich nur dann wagen, sie für 
die Diagnose eines Dünndarmkatarrhs zu verwerthen, wenn gleich- 

4 ) 1. c. und Archiv f. Verdauungskrankheiten IV (1898), p. 151. 

a ) M a c f a d y e n , N e n c k i und Lieber, Archiv f. exper. 
Pathol. u. Pharmac. 28 (1891), p. 311 ff. — Ewald, Vlrchow's 
Archiv 75 (1879). p. 409. — Ciechowski und J a w o r s k i, 
Arch. f. klin. Chirurgie 48 (1894). p. 136. — Schmidt. Arch. f. 
Verdauungskrankh. IV (1898), p. 136. 

4 ) Zeitschr. f. klin. Med. 32 (1897). 

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zeitig andere in demselben Sinne verwerthbare Zeichen (reichliche 
Muskelfaserreete, isolirte Stärkekömer, starke Gährung der 
Faeces u. dergl. mehr) vorhanden sind. 

Aus der Heidelberger Universitäts-Poliklinik. (Director Prof. 

O. V i e r o r d t.) 

lieber den Einfluss des Ichthalbin auf den Stoff¬ 
wechsel und die Darmthätigkeit der Kinder. 

Von Dr. R o 11 y, I. Assistent der Klinik und Dr. S a a m, ehe¬ 
maliger Assistent am pharmakologischen Institut. 

Nach den bisher vorliegenden Publicationen über Ichthalbin, 
eine Eiweissverbindung des Ichthyols, wurde dasselbe bei man¬ 
cherlei Krankheitszuständen empfohlen. Der Muttersubstanz, 
dem Ichthyol, wurden bekanntlich so mannigfache und vielseitige 
Wirkungen zugeschrieben, dass der unbefangene Leser nicht ohne 
Misstrauen diesem Mittel begegnete. So wurde dem Ichthyol 
von dem Einen eine gefässverengende, vom Anderen eine anti- 
septische Wirkung und wieder von Anderen eine günstige Beein¬ 
flussung des Stoffwechsels zugesprochen. 

Alle diese Arbeiten schienen nicht beweisend und entbehrten 
z. Th. noch einer exacten wissenschaftlichen Grundlage. 

Nachdem einige gelegentliche Versuche mit Ichthalbin in der 
hiesigen Poli- und Kinderklinik gut, einzelne überraschend gut 
ausgefallen waren, entschloss sich Herr Prof. Vierordt, exacte 
Prüfungen über die Wirkungsweise des Ichthalbins vornehmen 
zu lassen. 

Um eine objective Grundlage für die Beurtheilung der Wir¬ 
kungsweise des Ichthalbins zu gewinnen, stellten wir einerseits 
Stoff Wechsel versuche bei gesunden Personen an, um den Einfluss 
auf die Ernährung zu studiren, andererseits machten wir bei 
Darmkranken mit gesteigerten Fäulnissvorgängen Aether- 
scliwefelsäurebestimmungen, welche uns über die Vorgänge im 
Darm, besonders die Abnahme der Darmfäulniss durch Ichthalbin 
aufklären sollten. 

1. Die Ernährung (Stoffwechselversuche). 

Bei dem ersten dieser Versuche sollte zunächst der Einfluss 
grosser Dosen Ichthalbin auf den Eiweisszerfall untersucht wer¬ 
den; denn es ist bekannt, dass manche Medicamente schädlich auf 
den Stoffwechsel einwirken, und bei der Prüfung eines Heilmittels 
kommt es vor allen Dingen darauf an, ob dasselbe schädlich ist 
oder nicht. Wir erprobten daher von kleinen Dosen anfangend 
immer grössere Mengen und gelangten dabei zu dem Resultate, 
dass auffallend hohe Dosen keinerlei Schaden erkennen lassen. 
Nach diesen ersten Stichproben gingen wir dann zu den St o f f - 
wechselversuchen bei Gesunden über. Wir reichten 
zunächst sehr hohe Dosen, 8 g pro die (4 mal je 2,0); im zweiten 
Versuche gaben wir 3,0 pro die, d. h. diejenige Menge, welche 
bei schweren Darmkatarrhen von uns als Normaldosis fest¬ 
gestellt war. 

Die Anwendung war die übliche, beide Versuche erstreckten 
sich über einen Zeitraum von 4 Wochen, nachdem schon vorher 
8 Tage lang die gleiche Diät gereicht war. 

Der Speisezettel war in beiden Fällen folgender: 

7 Uhr: 1 Tasse dünner Malzkaffee mit Zucker, sowie Brödchen 
und Butter. 

10 Uhr: % Liter warme Milch mit Brödchen. 

Vz 1 Uhr: y 4 Liter warme Milch mit Brödchen, Butter und 
Schinken (in Würfel geschnitten). 

4 Uhr: y 4 Liter warme Milch mit Brödchen. 

7 Uhr: 1 Tasse dünner Malzkaffee mit Zucker, Schinken und 
Brödchen. 

Im Ganzen wurden pro Tag gereicht: 

% Liter Milch, 120 g Schinken, 350 g Weissbrod, 20 g Butter, 
20 g Zucker, oder 

87,17 Eiweiss laut Analysen (13.62 N x 6,4) 

57,53 Fett 255,04 Kohlehydrate, berechnet nach den König- 
schen Tabellen, in Leyden’s Handbuch der Emährungstherapie, 
zusammen 1800 Calorien. 

(Tabelle siehe nächste 8eite.) 

Um eine genaue Stickstoffbilanz aufstellen zu können, wurden 
alle einzelnen Nahrungsmittel wiederholt von uns auf Stickstoff 
analysirt. Hieraus ergab sich als Mittelwerth 13,62 g N pro Tag. 
Für das im Ichthalbin enthaltene Eiweiss wurde während der Ieh- 
thalbinperiode die entsprechende Menge Schinken bei der Tages¬ 
ration in Abzug gebracht. Das tägliche Abwägen der Nahrung 
besorgten wir selbst auf einer genauen Wage. 

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3» April 1900. 


4G1 


MÜNCHE NS MEDICINI SCHE WOCH ENSCHRIFT. 

Tabelle der Stoffwechsel versuch e. 

1. Versuchsperson I 2. Versuchsperson 


Einnahme 


Harn- Koth- 


N pro N im 
die Mittel 


13.62 

+8.0 

Ichthalbin 


0.94 — — 

0.99 13.32 -f-0.30 

1.31 13.68 -0.06 1 

1.31 13.86 —0.24 | 

1.33 13.48 -0.14 


*> 7 1 13.62 ( 

I 81 +3.0 
3 9 Ichthalbin I 


| ° Ichthaibin 

I 17 [ 

Ü 18 vollo 
^0 Wirkung 

20 


| 26.90 | 22 

I 26.95 | 23 
. 27.00 £ 24 
®! 27.00 £25 

I — ä 26 


f 12.68 
I 12.72 
12.69 
12.76 


-f-0.il ) 

+0.23 I l n AQ 
+0.10 09 
—0.08 J 

+0.17 

--0.03 

+0.47 

+0.95 

0.76 

0.59 

0.65 

0.90 + 
0.94 0.87 


0*97 102 

+ 1.01 


3.04 +0.5 
3.05 +0.5 


13.41 +0.21 

13.46 --0.16 Licl 

13.47 +0.15 " t " ü10 
13.52 --0.10 


, Der Harn wurde täglich bis zum anderen Morgen 7 Uhr ge¬ 
sammelt und sofort auf N analysirt, dio Kothabgrenzung ge¬ 
schah durch Kohle, da der neuerdings bei StofTwechselversuchen 
zur Kothabgrenzung vielfach übliche und auch in der Klinik bei 


solchen Gelegenheiten öfter angewandte Käse bei Vorversuchen 
häufig zu Durchfällen geführt hatte. Der Koth wurde unter Zu¬ 
gabe von Alkohol zur Trockene gedampft, fein gepulvert und dann 
analysirt. 



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Die Versuchspersonen waren 2 Knaben aus Heidelberg im 
Alter von 13 Jahren, beide nach genauer Untersuchung für ge¬ 
sund befunden; sie standen unter fortwährender Aufsicht und bei 
völlig gleichmüssiger Beschäftigung in der Klinik, wodurch die 

S °‘ 14 " Digitized by CjQOQIC 


auffallend geringen Schwankungen im täglichen Stoffumsatz zu 
erklären sind. 

Die Versuche sind ganz normal verlaufen und als völlig ge¬ 
lungen zu bezeichnen, denn beide Personen befanden sich in Vor- 

Qrigiral frer 8 

UNIVERSITY ÖF CALIFORNIA 







































462 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


und Nachperiode im Stickstoffgleichgewicht. Mit der Wirkung 
des Ichthalbins, welche am 3. bis 4. Tage deutlich wird, beginnt zu¬ 
nächst die Ausscheidung von Harnstickstoff geringer zu werden. 
Am 4. Tage ist in beiden Fällen der Harnstickstoff bereits um 
ein volles Gramm gesunken, d. h. es werden unter dem Einfluss 
des Ichthalbin täglich ca. 6,4 g Eiweiss im Organismus weniger 
verbrannt als sonst. Vom 5. bis 6. Tage ab macht sich noch eine 
zweite Wirkung geltend; es tritt nämlich eine bessere Ausnützung 
des Nahrungseiweisses im Darm ein, denn der Kotlistickstoff sinkt 
von 1,5 auf 0,6, resp. von 0,8 auf 0,5. Die Ausnützung des ein¬ 
geführten Eiweisses (Gemisch aus Kuhmilch-, Fleisch- und 
Pflanzeneiweiss) ist während der Ichthalbinperiodc eine so hohe, 
wie sie bisher unseres Wissens überhaupt kaum beobachtet wurde. 
Eine gewisse Menge des Kotlistickstoff es rührt bekanntlich von 
den Darmsecreten her. (Siehe Rieder : Zeitschr. f. Biol., 2, 
1884, 378.) 

Diese erhöhte Eiweissaufnahme kommt dem Körper aller¬ 
dings nicht sofort, sondern erst nach Verlauf mehrerer Tage zu 
gute; denn zunächst wird der Ueberschuss an auf genommenem 
Eiweiss in der Blutbahn verbrannt, so dass er als Harnstickstoff 
wieder zur Ausscheidung kommt, wie dies bekanntlich stets bei 
grösserer Eiweisszufuhr der Fall ist. (Plötzliches Wieder¬ 
ansteigen der Hamstickstoffcurve am 5. Tage). Erst nach weiteren 
5 Tagen vermag die eiweisssparende Kraft des Ichthalbins auch 
den Ueberschuss an auf genommenem Nahrungsei weiss im Körper 
zurückzuhalten. Nach ca. 10 Tagen vom Beginn der Ichthalbin- 
medication an ist dann die volle Höhe der Wirkung errreicht, so 
dass nun die tägliche Stickstoffbilanz einen Durchschnitt von 
-f- 1,54, resp. -f-1,02 aufweist. 

Nach Aussetzen des Ichthalbins sinkt die Bilanz schnell 
wieder auf das normale Stickstoffgleichgewicht herab. 

Aus diesen beiden Versuchen ergibt sich ein ausgesprochener 
günstiger Einfluss des Ichthalbin auf den Stickstoffwechsel, ähn¬ 
lich wie dies bereits sowohl Zülzer als Helmers auf Grund 
ihrer Stoffwechselversuche aussprachen. 

Die Kinder, welche während der langen Vorperiode (im 
Ganzen 14 Tage) mit ihrer Nahrung zufrieden waren, klagten 
bald nach Darreichung des Mittels wiederholt über Hungergefühl 
und hätten gern grössere Rationen genommen, wie wir dies bei 
einem Theil der anderen klinischen Fälle, die wir mit dem Mittel 
behandelten, in gleicher Weise beobachten konnten. 

Die erste Versuchsperson nahm in der Vorperiode 350 g an 
Körpergewicht ab und stieg dasselbe dann während der Ichthal- 
binperiode, also bei immer gleicher Nahrung allmählich und ganz 
regelmässig um 450 g. Bei der zweiten Versuchsperson wurde 
das Körpergewicht nicht jeden Tag, sondern nur am Anfang der 
einzelnen Perioden bestimmt. In der Vorperiode fand eine Ab¬ 
nahme um 200 g statt, in der Ichthalbinperiode eine Zunahme um 
500 g. Nach Abschlüsse der Versuche wurden die Knaben noch 
14 Tage lang in der Klinik behalten, indem ihnen wiederum 
etwas Ichthalbin, die Nahrung aber nach Belieben, soviel sie 
wollten, gereicht wurde. Beide Knaben nahmen während dieser 
2 Wochen um ca. 1500 g an Körpergewicht zu. 

Bei Versuch 1 haben wir ausser dem Stickstoff auch noch den 
Schwefel im Harn und Koth bestimmt, um über die Resorption 
des Ichthalbins Aufschluss zu erhalten. Es zeigt sich, dass fast 
aller Schwefel zur Aufnahme gelangt und durch den Harn aus¬ 
geschieden wird. Von der Wiedergabe der ensprechenden Tabellen 
sehen wir als zu weit führend ab. 

Die Darmfäulniss. 

(Aetherschwefelsäurebestimmungen.) 

Nach den exacten Untersuchungen Baumann’s (Zeitschr. 
f. physiol. Chemie 1886, 123; siehe auch R o v i g h i , ebenda 
1892, S. 20) lässt sich aus der Menge der Aetherschwefelsäure 
des Harns ein directer Schluss auf die FäulnissVorgänge im Darm 
ziehen. Bei diesen Untersuchungen ist indessen bekanntlich auf 
gleiches Verhalten der Stühle zu achten; so hat Morax gezeigt, 
dass Kalome! beim Menschen nicht als Desinficiens, sondern ledig¬ 
lich als Purgans zur Geltung kommt und dadurch den Darm 
reinigt, kleine Dosen, die keinen Durchfall erzeugen, hatten 
keinen Einfluss auf die Darmfäulniss, während es .bei Versuchen 
am Hunde in grossen Dosen in der That die Fäulnissvorgänge 
und damit die Aetherschwefelsäure unterdrückt. Zu gleichen 
Ergebnissen kam R. S t e i f f an der Klinik von Prof. Ger¬ 
hardt, Berlin, Zeitschr. f. klin. Med., 16, 311. 

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No. 14. 


Es sind bereits eine grosse Anzahl Substanzen auf ihre des- 
inficirende Kraft im Darme mit Hilfe der B a u m a n n’schen 
Methode untersucht worden, aber fast alle wurden als nicht oder 
nur schwach wirksam befunden, so Salicylsäure, Wismuthsalze. 
Dermatol, Kamplicr, Naphthalin etc. Deutlich herabgesetzt 
wurde die Fäulniss aber durch Jodoform, Menthol und das 
C r e d e’sche Silbersalz Actol. Von Jodoform und Actoi sind die 
wirksamen Mengen viel zu gross, um therapeutisch brauchbar zu 
sein. Siehe hierüber die Arbeit M o s s e’s (Zeitschr. f .phys. 
Chemie 1897, S. 160), woselbst sich auch Literaturzusammen¬ 
stellung findet. 

Für Ichthyol liegen derartige Untersuchungen noch nicht 
vor. Wir hielten es daher für wichtig, diese Prüfung bei Ichthal¬ 
bin vorzunehmen. Die beifolgenden Tabellen und Curven ent¬ 
halten die Resultate der von uns angestellten 4 Versuche. Wir 
wählten dazu schwere Fälle von chronischer Enteritis. Die Stühle 
blieben während der kurzen Versuchsdauer nahezu unverändert, 
ferner wurde die gleiche Nahrung an den Vor-, Ichthalbin- und 
Nachtagen gegeben. Die Menge des gereichten Eiweisses wurde 
so gross gewählt, dass eine eventuelle Herabminderung der Aetlior- 
schwefelsäurc im Harn deutlich zum Ausdruck gelangen musste. 


Aetherschwefelsfture-Bestimmungen. 


Versuch 1 u. 2. Marzenell. 

Versuch 3. Fischer. 


Dat. 

g Aether¬ 
schwefelsäure 


Dat. 

g Aether¬ 
schwefelsäure 

Vortage 

12 6 
13.6 

0.3478 

0.2989 

Vortage 

23.6 

246 

01635 

0.1489 

1. Ichthalbin¬ 
periode j 
3,0 pro die j 

14.6 

15.6 
16 6 

01680 

0.0966 

0.0791 

Ichthalbin¬ 

periode 

3,0 pro die 

256 
26 6 
27.6 

0.1684 

0.0953 

0.0304 

Ichthalbin 

ausgesetzt 

17-22.6 

23.6 

0.2651 

Nachtage 

28.6 

29.6 

0.1126 

0.1802 

2. Ichthalbin¬ 
periode 

246 

25.6 

26.6 
27.6 | 

0.16*2 

0.1860 

0.1360 

0.0953 

Versuch 4. Hartmann 

Vortage 

3.11 

4.11 

0.1053 

0.1053 


Ichthalbin¬ 

periode 

3,0 pro die 

5.11 

6.11 

7.11 

8.11 
9.11 

0.1112 

0 0941 
0.0588 
0.0694 
0.0629 

Nach tag 

10.11 

0.1338 


jterAerscAwrfeisä'u-re cccrvc n. . 



Der 1. und 2. Versuch wurde bei Patient M. vorgenommen, 
der am 9. VI. in die Klinik auf genommen war. Derselbe litt seit 
ca. 3 Jahren an hartnäckigen Diarrhoeen, Husten etc., welche 
Erscheinungen sich in den letzten 14 Tagen verschlimmerten. 
Klinisch wurde dieser Fall als ein schwerer Dünn- und Dick¬ 
darmkatarrh mit Verdacht auf Tuberculose auf gefasst, jedoch 
wurden Tuberkelbacillen weder im Stuhl noch im Sputum ge¬ 
funden. Es wurde der Einfluss des Ichthalbins auf die Darm¬ 
fäulniss hier so geprüft, dass zunächst an 2 Vortagen Aetlier- 
schwefelsäurebestimmungen ausgeführt und dann 3 Tage je 3,0 
Ichthalbin gereicht und währenddem ebenfalls die Menge der 
Aetherschwefelsäure bestimmt wurde. Es wurde nun eine Woche 
pausirt und dasselbe Experiment beim gleichen Patienten noch¬ 
mals angestellt. 

Die beiden anderen Fälle betrafen Patienten, die an chro¬ 
nischer Enteritis mit chronischer, wahrscheinlich tu bereu loser 
Peritonitis litten. Hierbei wurde nur je eine Ichthalbinperiode 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



468 


3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


eingeschaltet und ausser dieser Zeit .sowohl an den beiden vorher¬ 
gehenden wie nachfolgenden Tagen die Bestimmungen aus¬ 
geführt. Wie man aus der Tabelle sieht, sinkt die Menge der 
Aetherschwefelsäure bei allen 4 Versuchen stets prompt bei Ich- 
thalbingebrauch innerhalb dreier Tage auf Mi bis % des ursprüng¬ 
lichen Werthes herab, um beim Aussetzen des Mittels wieder zu 
steigen. Es weist dies darauf hin, dass zwar während der kurzen 
Versuchsdauer (3—4 Tage 1 ) die Fäulnissvorgänge nicht dauernd 
aufgehoben, wohl aber während der Ichthalbinperiode so abge¬ 
schwächt wurden, dass die Menge der resorbirten Fäulnisspro- 
ducte sehr gering wird. Erst durch länger fortgesetztes Dar¬ 
reichen von Iehthalbin konnte, wie die Krankengeschichten zei¬ 
gen, in vielen Fällen eine bleibende Besserung, resp. Heilung des 
Katarrhs erzielt werden. 

Trotzdem so in diesen Fällen nachgewiesen wurde, dass die 
Menge der Aetherschwefelsäure durch Iehthalbin schnell herab¬ 
gesetzt wird, behielten doch die Stühle ihren stinkenden Charakter 
auch bei anderen Patienten öfters längere Zeit bei, was uns vor¬ 
derhand nicht erklärlich ist, besonders da die klinischen Erfolge 
hierbei befriedigend waren, wie später aus den Krankengeschich¬ 
ten zu ersehen ist. 

Leider war es bisher nicht möglich, bei einer noch grösseren 
Anzahl geeigneter Fälle Aetherschwefolsäurebestimmungen aus¬ 
zuführen. Die gute Uebereinstimmung der 4 ausgeführten Ver¬ 
suche scheint aber zu beweisen, dass die Herabminderung der 
Darmfäulniss durch Iehthalbin ebenso prompt erreicht wird, wie 
durch Jodoform oder in anderem Sinne durch Kalomel. Es wäre 
dringend wünschenswerth, wenn auch von anderer Seite derartige 
Versuche angestellt würden, um daraus allgemein gütige Schlüsse 
ziehen zu können. Würden derartige Untersuchungen auch in 
unserem Sinne ausfallen, so könnte man Kalomel in der 
Ivindorpraxis überall dort durch Iehthalbin er¬ 
setzen, wo nicht gleichzeitig eine purgirendo Wirkung er¬ 
wünscht ist. Letzteres hätte vor dem Kalomel vor Allem den Vor¬ 
theil. «lass es unbegrenzt lange Zeit gereicht werden kann, indem 
es den Kräftezustand nicht durch Erregung von Durchfall 
schwächt, wie es bei Kalomeldarreichung die Regel ist. 


Aus dem Luisenhospital zu Aachen (Innere Abtheilung: Prof. 

Dr. D i n k 1 e r). 

Ueber die Wirkung des Dormiol, eines neuen Schlaf¬ 
mittels. 

Von Dr. Peters, Assistent an der inneren Abtheilung. 

Neben den Antipyrctica und Nervina spielen in der neueren 
inedicinisch-chemischen Industrie unzweifelhaft die Hypnotica 
eine hervorragende Rolle; die Zahl der in den letzten 2 Decennien 
in den Handel gebrachten Schlafmittel ist ebenso erheblich, wie 
ihre Wirkung ungleichmässig und schwankend. A priori ist es ja 
mit Rücksicht auf die ausserordentlich verschiedene Ursache der 
Schlaflosigkeit begreiflich, dass es ein Hypnoticum xat 1 iCoxy*, 
wie es das Chinin als Malariamittel oder das Salicyl als Anti- 
rheumaticum ist, nicht geben kann und wird. 

Welche Anforderungen sind nun an ein brauchbares Schlaf¬ 
mittel zu stellen? 

Unseres Erachtens muss dasselbe möglichst allgemein mit 
Erfolg verwendbar sein, es darf keinerlei unangenehme Neben¬ 
erscheinungen herbeiführen und nicht theurer als die concur- 
rirenden Mittel sein. 

Wenn wir auch zweifellos in dem Paraldehyd, Amylenhydrat, 
sowie dem Trional u. a. recht brauchbare Verbindungen besitzen, 
so ist an ihnen doch manches, wie der hohe Preis, der schlechte 
Geschmack etc. auszusetzen. 

Wir sind desshalb an die Prüfung eines neuen Hypnoticum, 
welches aus Bestandtlieilen zweier längst erprobter Schlafmittel 
von Dr. Fuchs zusammengesetzt ist, gerne herangetreten und 
haben das von seinem Darsteller Dormiol genannte Medicament 
seit % Jahren an einer grossen Anzahl der verschiedensten Fälle 
geprüft. Das Dormiol besteht aus einer Verbindung eines Mole- 
ciiles Chloral mit einem Molecüle Amylenhydrat, ist eine ölige, 
farblose Flüssigkeit von spec. Gewicht 1,24, eigenem, kampher- 
artigem Gerüche und kühlend brennendem Geschmacke. 1 ), *) 

*) Fuchs und Koch: Versuche über die sedative und hypno¬ 
tische Wirkung einiger Schlafmittel. Münch, med. Wochensehr. 
1898, No. 37. 

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Dormiol wird von der chemischen Fabrik Kalle & Cie., 
Biebrich, als reines Dormiol oder in lOproc. wässeriger Losung 
(andere Lösungen werden wegen der schwierigen Bereitung nicht 
versandt) oder in Gelatinekapseln von verschiedenem Gehalte 
geliefert. 

Wir sind bei unseren Beobachtungen derart vorgegangen, 
dass wir die an Schlaflosigkeit leidenden Kranken fast aus¬ 
nahmslos mehrere Nächte beobachteten, gelegentlich gaben wir, 
um die Möglichkeit einer rein suggestiven Wirkung des Dormiol 
auszuschliessen, vorher Aqua dest.-Injectionen und verordneten 
dann erst das Dormiol. 

Das Krankenmatcrial war ein möglichst vielseitiges, wir 
gaben Dormiol bei Erkrankungen des Nervensystems, sowohl 
functioncller, wie organischer Natur in 20, der Lunge in 3, des 
Herzens in 1, des Darmtractus in 1, der Niere in 5, der Leber in 2, 
des Peritoneums in 1, der Genitalorgane in 2, der Knochen und 
Muskeln in 5, des Blutes in 1, bei chronischen Intoxicationen 
in 2, in der Reconvalescenz nach acuten Infectionskrankhoiten 
in 2 Fällen. 

Im Ganzen verfügen wir über 45 Fälle. Unter den funetio- 
nellen Neurosen befanden sich solche mit hartnäckiger und schon 
lange bestehender Schlaflosigkeit. Die organischen Erkrankungen 
des Nervensystems bestanden in je einem Fall von Hemiplegie, 
Encephalopathia saturnina, Morbus Basedowii und Tabes dorsalis. 
Bei den Lungenerkrankungen handelte es sich um Schlaflosigkeit 
bei vorgeschrittener Phthisis pulm. und Emphysema pulm., bei 
den Erkrankungen der anderen Organe um Enteritis chronica, 
Vitia cordis, sowohl primärer, wie secimdärer Natur (im An¬ 
schlüsse an chronische Nephritiden und Arteriosklerose), Peri¬ 
tonitis tuberculosa, Lebercirrhose, Arthritis deformans, Muskel¬ 
rheumatismus, Pseudoleukaemie, sowie um Schlaflosigkeit, die 
als Abstinenzerscheinung in Folge von Abusus spirit. auf getreten, 
sowie um solche, die in der Reconvalescenz nach acuten Infec- 
tionskrankheiten — Influenza und Scarlatina — zurückgeblieben 
war. Genommen wurde das Mittel von den Kranken ausnahmslos 
ohne Widerwillen und zwar entweder in Form einer lOproc. 
wässerigen Lösung in Milch oder in Gelatinekapseln von 0,5 g 
Gehalt. Der Geschmack war den Kranken nie unangenehm, einige 
gaben an, dass das Schlafmittel nach Ammoniak oder Aether 
schmecke. 

Unangenehme Nebenwirkungen sind in 
keinem Falle aufgetreten. Die Angaben, dass nach 
der ersten Dormiolgabe in einem Falle Trockenheit im Munde, 
in einem anderen beängstigende Träume, Uebelkeit, Durchfall etc. 
aufgetreten seien, erwiesen sich bei weiterem Dormiolgebrauch 
als falsch, denn die angegebenen Störungen wiederholten sich 
nicht. Eine objectiv nachweisbare Nebenwirkung auf Herz, 
Niere (auch bei bestehender Nephritis), Blase etc. wurde nie be¬ 
obachtet. 

Bei den 45 Fällen trat in 7 Fällen keine besondere 
Wirkung hervor, doch handelte es sich bei diesen um Kranke, 
welche von 1,0 g Trional, 4—6 g Amylenhydrat etc. auch keine 
gleichmässig schlafmachende Wirkung hatten. Der Erfolg von 
Dormiol in Gaben von 2,0 g war auch in diesen Fällen dem der 
anderen Hypnotica ebenbürtig. 

In 84 Proc. der Fälle trat ein mehr oder weniger tiefer 
Schlaf ein. Der Erfolg war wie bei den anderen Schlafmitteln 
in den meisten Fällen ein rein palliativer; bei einigen Kranken 
wurde jedoch die Agrypnie zweifellos gebessert, so blieb bei einer 
Neurose nach schwerem Trauma, wo die Schlaflosigkeit schon 
lange bestanden, der Schlaf auch nach Aussetzen des Dormiol 
dauernd ein guter. 

Besonders gute Dienste leistete das Dormiol bei der Schlaf¬ 
losigkeit im Gefolge functioncller Neurosen. Selbst in Fällen, 
wo die Schlaflosigkeit ganz in den Mittelpunkt der neurasthe- 
nischeu Beschwerden gerückt war, gelang es, durch verhält- 
nissmässig geringe Gaben von Dormiol (bis zu 1,0 g) günstig auf 
die Agrypnie einzuwirken. Unter den organischen Erkrankungen 
wurde Dormiol sowohl bei cerebralen, wie spinalen Leiden ver¬ 
sucht und mit einer einzigen Ausnahme bewährt gefunden. Bei 
einer Paralysis agitans, wo sich nach der geringsten psychischen 
Erregung Schlaflosigkeit einstellte, brachte Dormiol in Gaben 

*) Fuchs: Ueber Dormiol (Dlmethyl-aethyl-cnrbinol-chloral). 
Vortrag, gehalten in der Octobersitzung des Aachener Bezirks- 
Vereines deutscher Chemiker. Erschienen: Zeitschr. f. angewandte 
Chemie 1899, H. 49. 

3* 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



464 


MÜNCHEN HK MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


von 0,5 g baldiges Einschlafen zu Stande. Bei einer Encephalo- 
pathia satumina mussten Gaben bis zu 1,5 g gegeben werden, um 
dann allerdings festen, dauernden Schlaf zu erzwingen. Ebenso 
wurde Schlaflosigkeit bei Morbus Basedowii durch 1 g Dormiol 
günstig beeinflusst. Bei Tabes dorsalis blieb nach abendlichen 
Gaben von 0,5 g Dormiol der Schlaf dauernd gut. 

Ebenso war die Wirkung bei den Erkrankungen der anderen 
Organe; des Herzens, der Lunge, des Magens, Darms, der Leber, 
Niere etc. eine ausreichende. Erwähnenswerth ist noch, dass 
zur Bekämpfung der Schlaflosigkeit bei chronischen Nephritiden 
(mit uraemischen Erscheinungen) Gaben von 0,5 bis 1,0 g voll¬ 
ständig ausreichten. Dass Dormiol bei vorgeschrittener Lungen¬ 
phthise nicht gewirkt hat, ist nicht auffallend, denn hier kommen 
wegen des Hustenreizes und der dadurch bedingten Schlaflosig¬ 
keit zunächst die Narkotica in Frage. 

Als Anfangsdosis, die in den meisten Fällen ausreichte, 
wurde gewöhnlich 0,5 g Dormiol gegeben. Die schlafmachende 
Wirkung trat durchschnittlich nach einer halben bis einer Stunde 
ein. Meistens genügten Gaben von 0,5 bis 1 g, selten trat die 
NothWendigkeit hervor, mit der Dosirung bis auf 2,0 g zu steigen. 
Noch höher zu gehen, lag kein Grund vor, doch darf man auf 
Grund der F u c h suchen Experimente erwarten, dass auch höhere 
Gaben ohne unangenehme Nebenwirkungen vertragen werden. — 
Die bei allen Schlafmitteln gemachte Erfahrung, dass mit der 
Zeit eine Gewöhnung an eine bestimmte Dosis eintritt, liess sich 
auch beim Dormiol nicht verkennen. 

Eine Gegenüberstellung der Preise einiger Schlafmittel er¬ 
gibt, dass von 

Amylenhydrat 1,0=M. 0,10, also die schlafmachende Dosis 3,0 M. 0,30 
Trional 1,0~M.0,25, „ „ „ „ 1,0=M.0,25 

Paraldehyd 1,0=M.0,05, „ „ „ „ 4,0= M. 0,20 

Dormiol 1,0=M.0,10, „ „ „ „ 0,5 —1,0 = 

0,05—0,10 

kostet, so dass sich also der Preis für Dormiol, weil nur geringe 
Gaben in Betracht kommen, wesentlich biliger stellt. 

Im Ganzen haben wir den Eindruck gewonnen, dass Dormiol 
thatsächlich empfohlen werden kann, weil es leicht zu nehmen 
ist, in Dosen von 0,5 bis 2,0 g keinen Schaden anrichtet, billiger 
als die übrigen Hypnotica ist, und zum Mindesten ebenso erfolg¬ 
reich wirkt, wie Paraldehyd, Amylenhydrat und Trional. Den 
Empfehlungen anderer Autoren, wie Schultze - Andernach, 
Meitzer - Colditz etc. (siehe Deutsch, med. Woclienschr. 1899) 
können wir uns nach unseren über % Jahre ausgedehnten Be¬ 
obachtungen anschliessen. 


Tannopin (Tannon) als'Darmadstringens. 

Von Dr. Eugen Doernberger in München. 

Dass man mit der bisher üblichen Behandlung der Darm¬ 
katarrhe und -entzündungen gute Wirkungen erzielt hat, dass 
man namentlich bei Kindern durch Reinigung des Darmes mit 
Ka 1 ome 1 und nachfolgende Adstringirung durch Wismuth- 
präparate Erfreuliches leistete, ist gewiss. Seltener wandte man 
bei Kindern das Tannin an, weil es bei diesen noch leichter die 
unangenehmen Erscheinungen macht wie häufig auch bei Er¬ 
wachsenen, nämlich Magendrücken, Appetitlosigkeit, directe Reiz¬ 
erscheinungen der Magenschleimhaut. Ausserdem schmeckt es 
herb, tintig. 

Zur Wirkung und Resorption gelangt es grösstentheils schon 
im Magen und oberen Darmabschnitt. Das Bestreben, ein Tannin¬ 
präparat zu schaffen, das den Magen möglichst intact verlässt 
und erst im Darracanal seine Thätigkeit entfaltet, hat in den 
letzten Jahren verschiedene Medicamente zu Tage gefördert, die 
alle diese gewünschte Eigenschaft besitzen: das Tannalbin, Tan- 
nigen, Tannocol, Tannoform und Tannopin. Sie alle kommen 
erst im alkalischen Darmsaft langsam zur Spaltung und Lösung. 
Die zwei letzteren Mittel haben zudem das gemeinsam, dass der 
sich im Darm von der Gerbsäure abspaltende Component des- 
inficirend wirken soll. 

Während Tannoform ein Condensationsproduct. aus Gallus¬ 
gerbsäure und Formaldehyd ist, ist Tannopin ein solches aus 
Tannin und dem in der TTrotherapie als antibacteriell empfoh¬ 
lenen Urotropin. Der Name Tannon wurde später für das gleiche 
Medieament gewählt, um einem etwaigen Irrthum, es handle sich 

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um eine Mischung mit irgend einem Opiat von vorneherein zu 
begegnen. 

Die den neuen Präparaten nachgerühmten Vortheile sind be- 
beachtenswerth und verdienen, auf die Probe gestellt zu werden. 

Unter den genannten neuen Mitteln wählte ich das von 
Schreiber, Fuchs, J oachim, Landau, Brestowski 
empfohlene Tannon und versuchte es im Sommer und Herbst 
1898 und 1899 bei Kindern und Erwachsenen, von denen 28 genau 
controlirt werden konnten. Folgende tabellarische Uebersicht 
gibt über Art der Erkrankung und deren Verlauf bei Tarinopin- 
behandlung Aufschluss. 


Alter 
in Jahren 

Zahl 

Diagnose 

ge¬ 

nesen 

ge¬ 

bessert 

nicht 

ge¬ 

bessert 

g«*il 

storbenl 



Chron. Erkrank.: 


1 



20—30 

3 

Cat. intest, chron. 

l 

1 l*).l 

_ 

_ 

0—1 

27* 

o 

1 

»» » » 
Tnbercul. intest, 
und peritonei 

Acnte Erkrank.: 

- 

2 

— 

1 

17 


68 

1 

Cat. intest, acut. ■ 

1 

__ 

_ 

_ 

20—50 

4 

M » » 

l‘)3 

_ 

__ 

_ 

5—10 

1 


1') 

_ 

__ 


1—5 

1 



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1 

_ 

*/2—1 

2 


1 

_ 

1 

_ 

o-V* 

2 


l 3 ).l 

_ 


_ 

Va—1 

1 

Enterit. acuta 

_ 

_ 

l 4 ) 

_ 

40—50 

2 

Cat. gastr. intest, ac. 

2 

_ 


_ 

72-1 

1 

_ 

_ 

l b ) 

_ 

10-7* 

5 


3 

_ 

l 4 ).l«) 

_ 

3 

1 

Cholera nostras 

— 

— 

1*) 

_ 

7* 1 

1 


- 1 

— 


V) 


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15 

! 4 

7 

2 


Zur Illustri rung der Wirkung des Mittels mögen einige Bei¬ 
spiele dienen: 

1. Dr. med. A., 28 Jahre. Cat. intestin. chron. 

Seit y 2 Jahre an etwa 5 Tagen der Woche je 3—4 dünne 
Stühle bei völlig gutem Magen. 3 mal täglich 1,0 g Tannopin. im 
Ganzen Dos. XX. Nach einigen Pulvern 1 mal täglich normaler 
Stuhl, der normal bleibt. 

2. Frau W., 29 Jahre. Cat. intest, chron. 

Anaemie, Ulcera lntestini? In früheren Jahren häufig Diar 

rhoeen. 

2. VI. 1899. Täglich 3 wässerige Entleerungen unter Leib 
schmerzen. 

3. VI. 3 X 0,5 T. Diät. 

4. VI. 2 X 0,5 T. Stühle dicker. 

5. VI. 2 X 0,5 T. 4 dünne Stühle. 

6. VI. 3 X 0,5 T. 2 geformte Stühle. 

7. VI. K e i n T. 2 geformte Stühle. 

8. VI. Kein T. 3 Diarrhoeen! 

9. VI. 2 X 0,5 T. Diarrhoeen. 

10. VI. 3 X 0,5 T. Kein Stuhl. 

11. VI. Iv e i n T. 1 geformter Stuhl. 

3. Kind C. 11 Mon. Cat. Intest, e li r o n. 

a) Seit 9 Tagen Appetitmangel, blasses Aussehen, 7—8 gelb¬ 
grüne, dünne, mit Schleim gemischte Stühle. 

9. VI. 3 X 0.5 T. Diät, 7 Stühle dünn. 

10. VI. 3 X 0,5 T. 3 braune, breiige Stühle. 

b) 10. IX. Seit 14 Tagen 6—8 dünne Stühle pro Tag. 

0,5 Tannopin Dos. VI, 2 stündl. 1 St. Diät. 

14. IX. und weiters. 2 dicke, normale Stühle pro Tag. 

4. Frau H., 48 Jahre. Cat. gas t r. in t es t i n. acut. 

17. V. 99. Seit 8 Tagen 5—6 mal täglich Durchfall, 2—3 mal 

gallig gefärbtes Erbrechen. Völliger Appetitmangel. Schlechtes 
Aussehen. Allgemeine Mattigkeit. Dick belegte Zunge. 

17. V. 3 X 0,5 T. Diät. 

18. V. 3 X 0,5 T. 5 dünne Stühle. Kein Erbrechen. 

19. V. 3 X 0,5 T. 2 breiige Stühle. 

20. V. Kein T. 1 normaler Stuhl. 

5. Kind S., 4 Wochen. Cat. gastr. intest, acut. 
Ernährt mit 2 T. Gerstenschleim, 1 T. Milch. 

26. V. 98. Nach jeder Mahlzeit Erbrechen. Täglich 6—7 grüne, 
schleimige Stühle. Intertrigo. Atrophie. 

26. V. 3 X 0,5 T. Diät. 

27. V. 3 X 0,5 T. 5 Stühle. Erbrechen hält an. 


*) Nach Aussetzen des Tannon bald Rückfall. 

2 ) T. ohne Einwirkung. 

*) Bei vorheriger HgCl- und Bism.-Behandlung Verschlimme¬ 
rung. 

4 ) Genesen unter Bism.-Behandlung. 

5 ) Genesen bei Diät ohne Medieament. 

p ) Genesen bei HgCl- und Bism.-Behandlung. 

7 ) Bismuthbehandlung. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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28. V. 3 X 0,5 T. 5 Stühle dicker. Kein Erbrechen. 

29. V. 3 X 0,5 T. 2 Stühle weich. 

30. V. 3 X 0,5 T. Dicke, breiige Stühle. 

31. V. Kein T. 1 Stuhl, normal. 

6 . Kind B., 5 Mon. Cat. intest, acut. 

Vor 1 Woche dünne, häufige Stühle unter Geschrei. Besserung 
bei Kalomel- uud nachfolgender Bismuthordination nebst Diät. 
Nach Ende des Medicaments Rückfall, der anhält bei stricter Diät 
ohne Medication. 

13. VII. 98. Bismuth. 


14. VII. 8 weiche, grünliche, mit Schleimfetzen gemischte 
Stühle. 

15. VII. 2 X 0,5 T. 

16. VII. 3 X 0,5 T. 

17. VII. Kein T. Von da ab 2—3 normale, breiige Stühle. 

7. Kind F., 6 Jahre. Cat. intest, acut. 

Seit 8 Tagen 3—4 dünne, schleimige Stühle Tags, ebensoviel 
Nachts unter Leibschmerzen. 

30. V. 99. 3 X 0,5 T. 

31. V. 2 X 0,5 T. 1 dicker Stuhl. 

4. VI. Rückfall! 3 X 0,5 T. 

5. VI. 2 X 0,5 T. 

6. VI. 2 mal täglich normaler Stuhl. 

8. Kind K., 10 Mon. Enteritis acuta. 

4. VII. 98. Bis vor 14 Tagen Brust. Dann y 2 Eichelkaffee, 
y 2 Milch, Fleischsuppe, Milchsemmelsuppe. Seit 3 Tagen ca. 7 Stühle 
pro Tag, viel auf einmal, bald wässerig, bald gestockt, grünlich, zu¬ 
weilen mit Schleim und etwas Blut gemischt. Vor der Defaecation 
Schmerzensäusserung. Kein Erbrechen. Kein Fieber. Gutes Aus¬ 
sehen. 

4. VII. Kalomel. Diät. Abends Erbrechen. 

5. VII. 9 Stühle. 2 X 0,5 T. 

6. VII. 4 Stühle. 3 X 0,5 T. 

7. VII. 3 weiche, braune Stühle mit wenig Schleim. 2 X 0,5 T. 

8. VII. 3 breiige Stühle. 2 X 0,5 T. 

9. VII. 3 wässerige Stühle. Völliger Appetitmangel. 
Bismuth. 

10. VII. 2 Stuhlgänge. 

11. VII. 1 normaler Stuhl. 

Die Dosirung anlangend haben ganz kleine Kinder 
(s. Fall 5) Einzeldosen von 0,5 und Tagesgaben von 1,5, auch bei 
nicht intacter Magenfunction recht wohl ohne irgend welchen 
Nachtheil ertragen. Erwachsene nahmen 3 mal täglich 1,0 längere 
Zeit ohne Beschwerde. Ein 3 jähriges Kind mit acutem, heftigem 
Darmkatarrh dagegen erbrach die Vormittags und Nachmittags 
gereichte Dosis von 0,5 baldigst nach der Einnahme. Das an 
Cholera nostras verstorbene 3 monatliche Kind hatte bei 2 stünd¬ 
licher Darreichung von 0,5 Tannon die ersten 2 Pulver behalten, 
dann jedes weitere erbrochen. Ein 4 monatlicher Patient mit 
acutem Magendarmkatarrh, dem 5 Pulver ä 0,5 in 2 stündlichen 
Pausen gereicht werden sollten, erbrach die ersten 4, behielt das 
5. und genass dann bei strenger Diät ohne weiteres Medicament. 

Nach diesen Erfahrungen wollte ich einem 6 monatlichen, 
ebenfalls an Magendarmkatarrh Kranken nur 3 mal täglich 0,25 
geben. Die 3 Pulver wurden erbrochen. Das Kind wurde bei 
stricter Diät, ohne weiteres Medicament, gesund. 

Wir sehen, dass die Dosirung nicht genau festgestellt werden 
kann, sondern individualisirt werden muss. Andererseits werden 
wir doch mit der Ordination des Tannopin bei Mitbetheiligung 
des Magens recht vorsichtig sein, wenn auch J o a c h i m recht 
befriedigende Resultate bei Cholera nostras zu verzeichnen hat 
und auch wir bei einigen Magendarmkatarrhen prompten Erfolg 
erzielt haben. 

Als sicher adstringirend, stopfend hat sich das Tannon bei 
acuten Diarhoeen in den meisten meiner Fälle erwiesen. Es 
ist jedoch räthlich, um Rückfälle (s. Tabelle) zu vermeiden, das 
Mittel nicht gleich nach Besserung des Zustandes auszusetzen. 
Dies dürfte noch mehr von den chronischen Affectionen gelten. 


Wie weit die angegebene desinfieirende Kraft sich im Darm 
geltend macht, ist noch nicht genügend erwiesen. Vielleicht 
möchte es doch gerathen sein, ehe man zu stopfen, zu adstringiren 
wünscht, namentlich bei Kindern, wie früher Magen und Darm 
durch Kalomel zu reinigen. Darin, dass man unter Umständen 
von dieser Maassnahme absehen muss, wenn Kinder durch mehr¬ 
tägige Durchfälle fast collabirt sind, und dann lieber zu einem 
Adstringens, wie dem Tannon greift, das im Darm zugleich zu 
desinficiren verspricht, stimme ich Joachim bei. 


Einen grossen Vortheil für die Kinderpraxis hat das Mittel 
schliesslich, weil es völlig geschmacklos, aber auch einen grossen 
Nachtheil, dass es sehr theuer ist. Ein Vergleich ergibt Folgendes. 
Die Preise verstehen sich nach unserer bayerischen Taxe, ein¬ 
schliesslich Angabe und SchachteL 
N". 14. 

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gle 


Es kosten 10 g Tannin 38 Pfg., Tannoform 68 Pfg., Tan- 
nalbin 138 Pfg., Tannigen 178 Pfg., Tannopin 218 Pfg.; 10 Pul¬ 
ver ä 0,5 von Tannoform 95 Pfg., Tannalbin 146 Pfg., Tannigen 
180 Pfg., Tannopin 195 Pfg. So lange der Preis derartig hoch 
ist, wird das Mittel schwer in die allgemeine Praxis Eingang 
finden können, es müsste denn alle ähnlich wirkenden Präparate 
an Güte übertreffen. 


Literatur: 

1. Brestowski: Pharmazeut. Centralhalle 1897, No. 49. — 

2. Schreiber: Deutsche medicin. Wochenschr. 1897, No. 49. — 

3. F u c h s : Die Heilkunde 1898, 11. Heft. — 4. Jo a c h i m : Allg. 
medie. Centralz. 1898, No. 65.-5. Landau: Die Heilkunde 1898, 

12. Heft. 


lieber epileptische Aequivalente. 

Von Privatdocent Dr. Ernst Schultze. 

(Schluss.) 

Es handelte sich bei dem Kranken somit um eine periodische 
Abducenslälimung, und man geht wohl kaum fehl in der weiteren 
Annahme, dass sie ein paralytisch-motorisches Aequivalent der 
Epilepsie sei. 

Soviel mir bekannt ist, haben Paterson, Ormerod 
und Halms Spieer, G. E. de Schweinitz eine recidivirende 
Abducenslähmung beschrieben. Ihre Arbeiten sind mir nicht zu-* 
gänglich, ebensowenig die Mittheilung Nieden’s über periodische 
Facialis- und Abducenslähmung. 

Periodische Oculomotoriuslähmungen sind weniger selten; 
ich erwähne die Arbeiten von Charcot, Gubler, Mauth- 
ner, Möbius, Oppenheim, Remak, Senator u. A. 
Manche Autoren sind nach C-harcot’s Vorgang geneigt, diese 
periodischen Oculomotoriuslähmungen in einen ursächlichen Zu¬ 
sammenhang mit der Migräne zu bringen. Man könnte Angesichts 
dessen und bei den nahen Beziehungen zwischen dem N. abducens 
und dem N. oculomotorius geneigt sein, bei einer recidivirenden 
Abducenslähmung eine gleiche Grundlage anzunehmen oder doch 
wenigstens zu vermuthen. Ich glaube, eine solche Annahme für 
den vorliegenden Fall von der Hand weisen zu dürfen, da der 
Krankt; nichts von den Symptomen darbet, die man sonst bei der 
Migräne findet, wie halbseitigen Kopfschmerz, Erbrechen u. s. w.; 
ich glaube vielmehr, man wird auf die Epilepsie als den ursäch¬ 
lichen Factor zurückgreifen müssen. 

Thomson hat vor Jahren in der Berliner psychiatrischen 
Gesellschaft einen Fall von periodischer Oculomotoriuslähmung 
bei einem Epileptiker vorgestellt; so viel aus dem kurzen Referat 
im Archiv für Psychiatrie XVI, p. 281 hervorgeht, war er ausser 
Stande, ein bestimmtes gegenseitiges Verhältnis zwischen den 
epileptischen Anfällen und den Anfällen von Oculomotorius¬ 
lähmung zu ermitteln. 

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass neben 
reinen und echten, typischen Anfällen sich auch solche bei unserem 
Kranken befanden, bei denen vorzugsweise oder fast nur der 
rechte Arm Zuckungen zeigte; das Bewusstsein war dabei auf¬ 
gehoben. Nach dem Anfall liess sich eine deutliche Parese des 
rechten Armes von kurzer Dauer nachweisen, auf die der Kranke 
schon spontan die Aufmerksamkeit gelenkt hatte. In ganz ver¬ 
einzelten Fällen stellte sich ohne jede psychische Veränderung 
vorübergehend eine Lähmung des rechten Armes ein, ohne dass 
ein Anfall oder auch nur ein Schwindel sich vorher gezeigt hätte. 

Solche paroxysmal auf tretende Lähmungen epileptischer Na¬ 
tur hat H i g i e r vor Kurzem (Mendel, Neurolog.Centralbl.1897, 
No. 4, cf. Deutsch. Zeitsclir. f. Nervenheilkunde 1899, XIV) zum 
Gegenstand eines eingehenden Studiums gemacht und auf ähn¬ 
liche Beobachtimgen von Daly, Löwenfeld und P i t r c s 
hingewiesen; ich führe weiterhin noch F e r e, Wilderm u t h 
und Witkowsky, sowie aus der jüngsten Zeit J. W. Mac 
Connel (cf. Mendel, 1900, pag. 266) an. 

Der Einwand, dass es sich im vorliegenden Falle um J a c k- 
s o n’sche Epilepsie handeln könnte, liegt zu nahe, als dass er 
unbeachtet bleiben dürfte. Es liess sich aber kein weiteres Mo¬ 
ment ermitteln, welches zu Gunsten dieser Diagnose verwerthet 
werden könnte : im Gegentheil, alle anderen klinischen Erschei¬ 
nungen sprachen vielmehr für das Vorhandensein einer genuinen 
Epilepsie. Ebenso wenig vermochte nach der aetiologischen Seite 
hin irgend ein Moment die Diagnose einer symptomatischen Epi¬ 
lepsie zu stützen. Insbesondere musste die im Beginn der Krank- 

4 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


heit erwogene Diagnose: Hirntumor bald verlassen werden. 
Schliesslich zeigten sich bei dem Kranken Anfälle, in denen der 
linke Arm das gleiche Verhalten zeigte wie früher der rechte; 
auch der linke Arm liess eine zeitweilig auftretende Lähmung, 
übrigens gleichfalls ohne Sensibilitätsstörung, erkennen. 

II. Ebenso wurde in der Bonner Provincial-Heil- und Pflege¬ 
anstalt ein Mädchen verpflegt, welches Erscheinungen bot, die den 
oben mitgetheilten verwandt sind. 

Das Mädchen, das von Jugend auf intellectuell wenig gut 
beanlagt war und sich in ihrer Einfalt Manches weiss machen 
liess, erkrankte mit dem 17. Lebensjahr an Epilepsie in der Form 
der echten Anfälle, nach denen sie heftig war und wirr redete. 
Unter dem Einfluss der sich mehrenden Anfälle nahm ihre Intel¬ 
ligenz weiterhin ab, so dass sie nicht einmal bei der Hausarbeit 
verwendet werden konnte. Sie wurde zugleich zunehmend er¬ 
regter, so dass sie der Anstaltspflege übergeben werden musste. 

In der Anstalt hatte sie vielfach Anfälle, die in nichts von 
den typischen Anfällen abwichen; sie schrie auf. fiel hin, war be¬ 
wusstlos, hatte tonische und klonische Zuckungen, verfiel in Schlaf 
und erwachte aus ihm mit völliger Amnesie für das Geschehene. 

Eine Reihe von Anfällen war aber dadurch gekennzeichnet, dass 
die Kranke, kurz bevor der Anfall einsetzte, ein eigenartiges, mit 
ihrem sonstigen Verhalten contrastirendes Benehmen zur Schau 
trug. Sie entblösste sich, hob ihre Kleider ohne jede Scham, ohne 
die mindeste Rücksichtnahme auf ihre Umgebung, bis unter die 
Arme hoch, oder sie suchte sich an dem gerade zur Verfügung 
stehenden Nachtstuhl oder Aborte Faeces zu verschaffen, um Kopro- 
pliagie zu treiben; nur mit Mühe konnte sie von diesen Handlungen 
abgehalten werden. Bald darauf trat der Anfall ein, der auch seine 
Vorläufer in die nachherige Amnesie einschloss. 

Vor anderen Anfällen konnte man wahrnebmeu, dass sich die 
Kranke den wunderbarsten Fragestellungen hingab, die mehrfach 
in das metaphysische Gebiet hinüberspielten, aber neben den über¬ 
irdischen auch recht menschliche Probleme berührten, wie: Warum 
gibt es einen Gott? Gibt es einen Gott? Gibt es eine Hölle? Komme 
ich in die Hölle? Gibt es einen Himmel? Oder sie legte sich die 
Frage vor: Wie kommen die Kinder in die Welt? Dann kam der 
Anfall, und nachher bestand eine völlige Gedächtnisslücke. 

Der Anfall, der den geschilderten Erscheinungen ein Ende 
setzte, war indess nicht immer gleicher Art. Oft genug glich er 
in allen Punkten dem typischen Anfall; dann wieder traten die 
motorischen Erscheinungen sehr zurück; zu anderen Zeiten be¬ 
stand nur eine Verwirrtheit, dann wieder nur eine leichte Be¬ 
nommenheit. Schliesslich aber fehlte auch diese, und das. w r as 
oben als Vorbote von vielen Anfällen geschildert war, beherrschte 
das ganze Krankheitsbild oder machte es vielmehr zu der Zeit 
allein aus, indem sonst nichts Krankhaftes nachzuweisen war. 
Die Kranke also quälte sich beispielsweise vorübergehend mit 
Fragen der Art, wie sie oben angegeben sind, und legte die gleichen 
Fragen auch ihrer Umgebung vor. Bis bestand dann keine Amnesie; 
sie schämte sich vielmehr nachher sehr ob der von ihr begangenen 
obseönen Handlungen; sie wusste, dass sie sehr anstössig seien, 
und bat um Verzeihung. Sie wisse selbst nicht, wie sie dazu 
komme, sich zu entblössen, sie könne nicht anders, meinte sie; 
und was die Koprophagie anlangte, so entsetzte sie sich sehr schon 
in dem blossen Gedanken daran, dass sie sich diese habe vorher 
zu Schulden kommen lassen; das sei ja schrecklich, geradezu 
scheusslich, das wisse sie recht wohl, auch w^enn sie es thue, aber 
sie könne nicht anders, sie müsse es thun. 

Es ist berechtigt, diese anstössigen Handlungen dem Gebiete 
der Zwangshandlungen einzuverleiben und sie somit auf eine 
Stufe mit den Zwangsfragen zu stellen, die ja ebenfalls bei ihr 
zur Beobachtung kamen. 

Dass solche Phänomene die Aura eines epileptischen Anfalls 
ausmachen, ist bekannt und von Bins w a n g e r beispielsweise 
hervorgehoben. Ebenso erwähnt Mendel in einem Vortrag 
über präepileptisches Irresein (Arch. f. Psych., XVI, p. 282/283), 
dass Zwangsvorstellungen, Zwangshandlungen den epileptischen 
Anfall einleiten können. 

Der vorliegende Fall verlangt aber nach meiner Ansicht doch 
eine Sonderstellung, da die Zwangshandlungen und Zwangsvor¬ 
stellungen auch ohne nachfolgenden epileptischen Anfall sowie 
ohne jede weitere Störung zu Tage traten, dann allerdings eben¬ 
falls immer nur für kurze Zeit und während dieser mit einer 
nicht gewöhnlichen Intensität. 

Das muss umsomehr hervorgehoben worden, als Häm¬ 
in o n <1, C u 1 1 e r r e (Ann. medico-psych. 1890, Januar). JI a c k 
Tuke (Brain 1894). Kussel (The british inedie. Journ. 1879) 
u. A. darauf hingewiesen haben, dass man bei Epileptikern oft 
genug Zwangsvorstellungen finden könne. In dem Fall ent¬ 
springen beide Symptome, der epileptische Anfall auf der einen, 
die Zwangsvorstellung auf der anderen Seite, einem und dem¬ 
selben Boden. Sie bilden nur verschiedene gloiohwerthige Sym¬ 
ptome eines und desselben (Vrebralleidons; hier aber besteht ein 
noch innigerer (Vomex. Die Zwangsvorstellungen und Zwangs- 

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handlungen machen nicht nur die Aura eines epileptischen An¬ 
falls aus, sondern der Anfall kann auch einzig und allein aus 
dieser Aura bestehen. 

An dieser Stelle sei auf eine, mir im Original nicht zugäng¬ 
liche Mittheilung Binswanger’s (Verhandlungen der Natur¬ 
forscherversammlung, Eisenach 1882) hingewiesen. Sie betrifft 
Anfälle von Zwangshandlungen, die sogar mit auraartigen Er¬ 
scheinungen einhergehen, ohne dass epileptische Antecedentien 
vorliegen. 

Die Kranke hatte sich auch zu Hause entblösst. Zum Ent¬ 
setzen ihrer Hausgenossen war sie eines Tages ohne jede Beklei¬ 
dung im Esszimmer erschienen. Da sie zur fraglichen Zeit nicht 
benommen war und andererseits sich des Geschehenen noch sehr 
genau erinnerte, war ihre Familie nicht geneigt, die Unarten als 
Aeusserung einer Krankheit aufzufassen. Man gab ihr Prügel; 
dass diese mechanische Therapie wenig fruchtete, kann uns nicht 
Wunder nehmen. 

III. In der hiesigen Anstalt befand sich vor einiger Zeit eine 
weibliche Kranke, die an reinen epileptischen Anfällen litt- ICs 
passirte hier aber mehr als einmal, dass sie im Gespräch mit ihren 
Mitkranken oder den Aerzten plötzlich im Gesicht bleich wurde 
und dann den Urin unter sich gehen liess; sie wusste ganz genau 
Alles, was um sie her vorging, sie merkte, dass sie den Urin nicht 
mehr halten konnte, und ehe sie den Abort erreicht hatte, war 
das Unglück bereits geschehen. Die gleichen Störungen eröfTneten 
auch den epileptischen Anfall, und die Kranke wusste nachher von 
ihnen ebensowenig wie von dem epileptischen Insult. 

Auch das ist, soweit mir die Epilepsieliteratur zugänglich 
ist, kein alltägliches Vorkommniss; ich finde Aehnliches erwähnt 
bei B i n s w a n g e r , Fere, G o w e r s (citirt bei Bins- 
wange r), Paul Kowalewsky. 

Die vorliegende casuistische Mittheilung glaube ich nicht be- 
schliessen zu dürfen, ohne noch eines sicherlich nicht gewöhn¬ 
lichen Falles zu gedenken, der sich seit Jahren in der Bonner 
Anstalt befindet. 

IV. Der Vater dieses Kranken litt in den letzten Jahren 
seines Lebens beständig an Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, 
eines Tages fand man ihn todt in der Badewanne, anscheinend 
in Folge einer Hirnblutung. Die Grossmutter mütterlicherseits 
starb geisteskrank. Mehrere Geschwister des Kranken zeigen 
eine ausgesprochene Neigung zur Schwermuth, die sich bei ein¬ 
zelnen bis zu einer typischen Melancholie steigerte. 

Der Kranke selbst wurde Techniker, hatte neben seiner amt¬ 
lichen Stellung noch eine ausgedehnte Privatthätigkeit, so dass 
er sehr überanstrengt wurde. Auch er hatte, gleich seinen Ge¬ 
schwistern. .mehrfach eine melancholische Verstimmung dureh- 
zumachen. Gelegentlich einer solchen fand man Ihn vor ca. 12 
Jahren eines Morgens auf seinem Schlafzimmer bewusstlos, in 
seinem Blute schwimmend. Neben ihm lag ein Revolver, in dem 
3 Kugeln (7 mm Durchmesser) fehlten; die rechte und die linke 
Schläfeseite Hessen eine Verletzung erkennen; Erscheinungen von 
Hirndruck, vor Allem langsamer und aussetzender Puls; Mund 
schwer zu öffnen; Zunge kann nicht vorgestreckt werden; Vor¬ 
treten des rechten Bulbus, das rechte Auge meist krampfhaft ge¬ 
schlossen. Blutung aus Nase und Mund. Heilung der Wunden 
in 3—4 Wochen; allmähliche Rückkehr der Sprache, diese haesi- 
tirend: vielfach Unfähigkeit, den richtigen Ausdruck zu finden. 
Im heimathlichen Krankenhnusc weitere Besserung der körper¬ 
lichen Symptome. Genaue Notizen liegen bedauerlicher Weise 
nicht vor. 

Wegen intensiven Stimmungswechsels lind zeitweiliger Er 
vegung wurde er in eine Irrenanstalt gebracht, in der er sich leid¬ 
lich hielt: der Versuch der Entlassung missglückte, so dass er 
von Neuem in eine Austalt. und zwar zu uns, gebracht wurde. 

Das psychische Verhalten, das er bei uns bot. ist höchst eigen¬ 
artig, sehr interessant, aber nur schwer, und vor Allem nicht mit 
wenigen Worten zutreffend zu schildern; es kann lim so mehr hier¬ 
von Alistand genommen werden, als es für die vorliegende Frage 
nicht von wesentlichem Belange ist. 

Ab und zu trat bei dem Kranken, der vor dem Selbstmord¬ 
versuch nie Symptome von Morbus saeer hatte erkennen lassen, 
ein epileptischer Anfall auf; verschiedene hatte ich selbst zu be¬ 
obachten Gelegenheit. Der Kranke unterhielt sieh, schrie auf und 
fiel mit einer kolossalen Wucht auf den Fussboden; die Zuckung *u 
stellten sich recht bald eiu, und nachdem der Anfall vorüberge 
gangen, machte sieh eine mehr oder weniger erhebliche Ab ge¬ 
schlagen heit bei dem Patienten bemerkbar. 

Schon nach einem der ersten Anfälle machte er spontan da¬ 
rauf aufmerksam, dass er ein so sonderbares, eigenartiges Gefühl 
im Gesicht habe, und wies dabei auf die linke Gesichtshälfte hin: 
er bezeichnet? es als unangenehmes Krabbeln und verglich es mit 
dem Gefühl, als ob etwas über sein Gesicht gelegt sei. Die Unter¬ 
suchung ergab eine völlige Anaesthesie im Bereiche des ersten und 
zweiten Astes des linken Trigeminus: keine Berührung fühlte er; 
man konnte an den Haaren seines Schnurrbartes und der Augen 
brauen kräftig ziehen, ohne dass er hiervon die mindeste Empfin¬ 
dung hatte. Der Corneareflex war völlig erloschen, und ebenso 
konnte man ihn linkerseits in* der Nase kitzeln, ohne ein Niesen 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


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auszniösen. Dies Verhalten der Reflexe sprach dafür, dass that- 
süchlich eine Störung in dem genannten Nervengebiet vorlag. Ein 
noch weiterer objectiver Beweis für das wirkliche Vorhandensein 
der Trigeminusaffection, wenn es dessen noch bedurft hätte, wurde 
dadurch erbracht, dass sich in dem Gebiete des ersten und zweiten 
Astes die Haut an mehreren, umschriebenen, verschieden grossen 
und ungleich gestalteten Stellen in Form von Quaddeln über ihre 
Umgebung erhob; die Haut war an diesen Stellen meist ganz weiss, 
fast schneeweiss, während sonst keine Aenderung des Colorits 
nachzuweisen war. Nur erschien im ganzen Bereich der afficirten 
Partie die Haut gedunsen im Vergleich zu den anderen Regionen 
des Gesichtes. 

Diese Lähmung im Bereich der oberen zwei Aeste des linken 
Trigeminus hielt einige Stunden an und verschwand dann ziemlich 
schnell. 

Tflinigrp wenige Male kündete die gleiche Störung den bald da¬ 
rauf eintreteuden Anfall an. 

Schliesslich aber wurde mehr denn einmal festgestellt, dass 
diese Nervenlähmung auftrat, ohne dass nachher ein Anfall oder 
eine andere Störung, die als Abart eines solchen gedeutet werden 
musste, den Kranken befiel und ohne dass etwas derartiges vor¬ 
hergegangen war. Es bestand mithin die ganze episodische, mit 
einem Anfall gleichwertige Attaque bei dem Epileptiker in dieser, 
wenige Stunden anhaltenden, plötzlich eintretenden und allmählich 
abklingenden Trigeminuslähmung. Psychisch war er zu der frag¬ 
lichen Zeit derselbe, der er auch sonst war; er war nicht im min¬ 
desten benommen, machte er doch vielmehr immer auf die die 
Lähmungen begleitenden Paraestliesieen spontan aufmerksam. Die 
Rückerinnerung an solche Vorkommnisse war bei ihm die gleiche, 
wie auch für sonstige neue Begebenheiten. 

Fragt man sich nach der Pathogenese der Störung, so liegt 
es ja sehr nahe, anzunehmen, dass eine der Kugeln den linken 
Trigeminus da verletzt haben kann, wo der erste und zweite Ast 
noch beisammen sind, der dritte aber bereits selbständig ver¬ 
läuft, oder dass die Kugel in ihrem Verlauf den ersten, sowie auch 
den zweiten Ast lädirt haben könnte. Ist dem so, dann leidet der 
Kranke an einer „Reflexepilepsie“, und insofern widerspricht der 
vorliegende Fall nicht den bisherigen klinischen Ergebnissen, 
als unter den peripheren Nerven, deren Verletzung eine Reflex¬ 
epilepsie im Gefolge hat, neben dem Ischiadicus der Trigeminus 
eine bevorzugte Stellung einnimmt. Handelt es sich aber um eine 
reine Reflexepilepsie, dann darf die obige Störung, die periodische 
Trigeminuslähmung, nicht mehr so auffallend erscheinen. 

So streng aber auch nach der aetiologischen Seite die Reflex¬ 
epilepsie von der gewöhnlichen Epilepsie getrennt werden muss, 
so muss doch auf der anderen Seite hervorgehoben werden, dass 
nach unseren heutigen Erfahrungen vom klinischen Standpunkte 
eine derartige scharfe Sonderung späterhin nicht mehr durch¬ 
geführt werden kann. Dies wird dann der Fall sein, wenn sich 
unter dem Einfluss der peripheren Nervenstörung diejenige Ver¬ 
änderung im Gehirn ausgebildet hat, auf die man das Zustande¬ 
kommen der Epilepsie heute zurückführt. Von dem Zeitpunkte 
ab wird die operative Entfernung der am peripheren Nerv etwa 
wirkenden Noxe erfolglos sein, die Epilepsie wird nach dem Ein¬ 
greifen des Chirurgen vielmehr noch fortbestehen, da auch die 
epileptische Veränderung des Gehirns fortbesteht. Vor deren 
Ausbildung hätte der chirurgische Eingriff dem Kranken freilich 
vielleicht Besserung oder gar Heilung bringen können. 

Die Schwere der epileptischen Anfälle, die der Trigeminus¬ 
lähmung vorausgingen, widerlegt sicherlich nicht die Annahme, 
dass sich die, kurz gesagt, epileptische Veränderung des Gehirns 
bereits entwickelt hat. In gleichem Sinne kann man auch fol¬ 
gende Erwägung verwerthen, wenn ihr auch eine bindende Be¬ 
weiskraft sicherlich nicht zukommt: bei der Reflexepilepsie geht 
dem Anfall eine Störung in dem betreffenden Nervengebiet 
meistens voraus, sie leitet den Anfall ein; hier aber war vorzugs¬ 
weise das Umgekehrte der Fall. Nebenbei gesagt sind auch sonst 
prä- und postepileptische Störungen bei demselben Individuum 
beobachtet worden, die einander völlig gleichen. 

Ebensowenig darf die Trigeminuslähmung in Parallele ge¬ 
setzt werden zu dencireumscripten Anaesthesieen, die man hie und 
da nach epileptischen Anfällen gefunden und als Zeichen der Er¬ 
schöpfung gedeutet hat. Diese Auffassung trifft hier schon dess- 
halb nicht zu, weil sich ja die gleiche Affection im Gebiete des 
Trigeminus auch vor den Anfällen zeigte. Auch das darf nicht 
ausser Acht gelassen werden, dass der Kranke echte epileptische 
Anfälle ohne jede vorhergehende oder sich anschliessende Tri¬ 
geminusstörung bot. 

Damit würde man meines Erachtens nicht viel weiter 
kommen, wenn man etwa annähme, dass eine Schussverletzung des 
Gehirns die Epilepsie ausgelöst habe, denn diese allein würde die 
B< theiligung des Trigeminus kaum erklären können, und man 

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würde genüthigt sein, diesem aetiologischen Moment noch die 
obige Ursache hinzuzufügen. 

Der Kranke ist durchleuchtet worden; die dabei zu Tage ge¬ 
förderten Skiagramme weisen die Annahme nicht von der Hand, 
dass sich im Schädel des Kranken noch eine Kugel an der suppo 
nirten Stelle befindet. Es steht noch die fronto-oceipitale Durch¬ 
leuchtung aus, die allein uns darüber Aufschluss verschaffen 
kann, ob sich die Kugel in der rechten oder linken Hirnhemi¬ 
sphäre findet. Aber selbst wenn die Skiaskopie ergebnislos ver¬ 
liefe, so würde damit die Richtigkeit obiger Ausführungen nicht 
in Frage gestellt werden. Die Kugel kann ja doch en passant 
den Trigeminus an der betreffenden Stelle verletzt haben! 

Der Kranke leidet auch an Folie de toucher; er fasst bei¬ 
spielsweise die Thürklinken nur mit dem Zipfel seines Rock¬ 
schosses an, er gibt Keinem die Iland, ohne sie sofort nachher ab¬ 
zuwischen. Wenn dies auch mit der Epilepsie an und für sich 
nichts zu thun hat, so sei es doch in Hinsicht- auf die obigen Er¬ 
örterungen erwähnt. 

So bemerkenswert!! und eigenartig auch die nervösen Stö¬ 
rungen bei dem letztgenannten Kranken sind, so gebe ich doch 
den Fall preis für die beabsichtigte klinische Verwerthung. Denn 
gleichgiltig, ob es sich um eine Reflexepilepsie handelt, oder ob 
die Epilepsie auf eine Verletzung des Gehirns zurückgeführt 
werden muss, oder ob es sich jetzt um eine echte Epi¬ 
lepsie handelt, oder eine Combination dieser Zustände, der 
Einwand wird immer zu Recht bestehen, dass es sich in letzter 
Instanz um eine traumatisch bedingte Epilepsie handele, und 
dass das, was für sie gelte, nicht ohne Weiteres auch auf die Lehre 
der gewöhnlichen Epilepsie übertragen werden könne. Ein der¬ 
artiger Analogieschluss wird auch dann nur mit aller Vorsicht 
und unter aller Reserve gezogen werden dürfen, wenn die trau¬ 
matisch verursachte Epilcfjsie noch so sehr in ihren klinischen 
Entäusserungen der gemeinen Epilepsie nahe kommt. 

Um so mehr lassen sich die anderen Beobachtungen nach der 
gewollten Richtung hin verwenden. 

An der Diagnose Epilepsie in ihrem gewöhnlichen Sinne 
kann kein Zweifel bestehen. Der Alkohol spielt in keinem der 
publicirten Fälle eine Rolle. Eine Reihe von Anfällen wird 
durch die verschiedenartigsten Symptome angekündigt ; es ist dies 
entweder eine motorische oder psychische Aura. Von einer beson¬ 
deren Berücksichtigungder vasomotorischen Störung kann Abstand 
genommen werden, da diese neben den anderen einhergehen und 
das Krankheitsbild weniger beherrschen. Diese Aura zieht ent¬ 
weder einen echten Anfall mit all’ seinen verschiedenen Zeichen 
nach sich, oder es stellt sich nach ihr nur eine umschriebene 
Zuckung, ein Schwindelanfall, eine psychische Veränderung ein, 
oder es bleibt einzig und allein bei der Aura. Es findet sich also 
eine lückenlose Scala von dem echten Anfall mit seinen sattsam 
bekannten Symptomen bis herab zu einem Anfall, der auf die 
Aura beschränkt bleibt. 

Während der Dauer der Anfälle der letztgenannten Art unter¬ 
hält sich der Kranke mit dem Arzte wie auch sonst; die associa- 
tiven Vorgänge haben keine nachweisbare Einbusse erlitten, die 
Orientirung über Zeit und Ort ist nicht gestört, nach Ablauf der 
Aura ist eine genaue Rückerinnerung möglich, nicht nur für sie 
selbst, sondern auch für die sie begleitenden Nebenumstände. 

Trotz alledem wird diese vorübergehende Störung für einen 
epileptischen Abortivanfall erklärt werden müssen. Denn solche 
Störungen machten sich erst geltend, nachdem das Individuum 
bereits epileptisch geworden war, und die gleichen, oft geradezu 
congruenten Störungen orüffneten den Anfull und bewies -n somit 
auf das evidenteste ihre Zugehörigkeit zum epileptischen Anfall 
und somit zum Wesen der Epilepsie. Ich meine, dass desshalb den 
mitgetheilten Beobachtungen eine Beweiskraft nicht versagt 
werden kann. Es geht aus ihnen hervor, dass kurze Aequivalcnte 
eines epileptischen Anfalls nicht immer von einer, ich will mich 
recht vorsichtig ausdrüeken, nachweisbaren Bewusstseinsstörung 
begleitet sind. 

Dass ein solcher Standpunkt in der Lehre der Epilepsie auch 
für die gerichtliche Psychiatrie nicht gleichgiltig ist, das braucht 
kaum des Näheren auseinandergesetzt zu werden. 

Je mehr ich mich in der unermesslichen Literatur über Epi¬ 
lepsie umsehe, desto mehr sehe ich, dass von vielen anderen Seiten 
epileptische Anfälle oder ihnen entsprechende Störungen bc- 
obachtt sind, die ohne eine besonders beträchtliche oder ohne 
jede Bewusstseinsstörung einhergehen. 

4* 

Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


Doch kann ich mir nach der anderen Seite hin nicht ver¬ 
hehlen, dass nicht alle solche Mittheilungen mit bindender Be¬ 
weiskraft für die Beantwortung der Frage verwerthet werden 
dürfen, ob zeitweilige Störungen eines Epileptikers, deren epi¬ 
leptische Natur unzweifelhaft feststeht, ohne eine erhebliche Be¬ 
wusstseinsstörung sich abspielen können. 

Wenn beispielsweise von Anfällen von Zittern, von Speichel¬ 
fluss, Gastralgie, Hunger, von Wortwiederholungen, von 
plötzlichem Hinfallen etc. berichtet, und bei ihrer Er¬ 
wähnung besonderes Gewicht darauf gelegt wird, dass 
sie, obwohl sie bei einem Epileptiker auftreten, dennoch 
nicht mit Bewusstseinsstörung verbunden waren, so vermag 
uns das bei der Beantwortung der uns beschäftigenden 
Frage wenig zu fördern. Das Gleiche gilt auch von den Anfällen 
von Herzklopfen, Angst, Apathie u. s. w. bei den Epileptikern. 
Und dass den Psychosen der Epileptiker nicht immer eine stärkere 
Bewusstseinsstörung als anderen Seelenstörungen eigen ist und 
dass ihnen nicht immer die obligate Amnesie folgt, ist schon 
lange bekannt; ich erwähne nur F ü r s t n e r , Gnauck, 
Samt, Westphal und hebe hervor, dass Wildermuth 
das Verhalten des Bewusstseins — Fehlen oder Vorhandensein 
von Bewusstseinsstörungen — gerade seiner Classification der 
epileptischen Psychosen zu Grunde legt. So sehr es auch wahr¬ 
scheinlich ist, dass die zeitweilig auftretenden Störungen der 
Epileptiker einen mit den Anfällen gleichen Ursprung haben, 
so ist dies doch nicht immer mit aller Sicherheit erwiesen, da 
wir doch auch ausserhalb der Epilepsie periodischen Störungen 
begegnen. 

Solche Affectionen, die sicherlich geeignet sind, mit anderen 
Umständen zusammen die Diagnose der Epilepsie zu stützen oder 
zu erhärten, sind mir natürlich bekannt, aber ich habe von ihnen 
ganz absehen zu müssen geglaubt, da sie für die Beantwortung 
der vorliegenden Frage durchaus nicht eimvandsfrei und aus¬ 
schlaggebend sind. 

Ich glaube, oben nachgewiesen zu haben, dass meinen Beobach¬ 
tungen der Vorwurf kaum gemacht werden kann, dass die epilep¬ 
tische Natur der Störungen nicht erwiesen sei. 

Ich unterliess dennoch nicht die vorliegende Publication, 
weil ich mich für verpflichtet hielt, was ich früher versprochen, 
nun auch zu halten; und ich meine, dass die eigenartige klinische 
Beschaffenheit der beschriebenen Störungen mich weitor zu ent¬ 
lasten vermag. 

Während der Niederschrift dieser Zeilen kommt mir der 
Aufsatz von Jul. Donath: „Der epileptische Wandertrieb, 
Poriomanie“ (Arch. f. Psyeh., 32. Bd., 2. Heft) zu Gesicht, der 
sich auf 3 eigene Beobachtungen stützt. Er erwähnt auch meinen 
Vortrag und fährt fort: „Worin ich von Schul tze abweiche, 
ist das, dass ich bei diesen Zuständen eine obligate Bewusstseins¬ 
störung oder einen Erinnerungsdefect nicht anerkenne. In An¬ 
betracht der zahlreichen oben genannten epileptischen Merkmale 
könnte die Anerkennung oder Nichtanerkennung eines derselben 
bedeutungslos erscheinen, mit Rücksicht aber darauf, dass es sieh 
um das Symptom der Bewusstseinsstörung und der Amnesie 
handelt, welche bisher allgemein als Cardinalsymptnmc der Epi¬ 
lepsie galten, ist diese Unterscheidung von fundamentaler patho¬ 
logischer Wichtigkeit. Für mich ist di e e p i 1 e p t i s e h e 
Poriomanie ein psychisches A e q u i v a 1 e n t b e - 
soliderer Art, welches sich von dem gewöhn- 
1 i c h e n d a d u r c h u n t c r sc hei d e t, d a s s di <• B o - 
w u s s t sein s s tö r u n g e n t w ed e r g ä n z1ie h fehlt, 
"der durch ihre G c r i n g f ii g i g k e i t i n d e n 
Hintergrund tritt *)“. 

Ich freue mich, constatiren zu können, dass die Differenz in 
unseren Anschauungen gar nicht so gross ist, wie es den An¬ 
schein hat; sie stimmen vielmehr recht gut überein. Da Do n a t h 
auf mein kurzes Autoreferat in dieser Wochenschrift 1898, No. 41 
angewiesen war, so ist es verständlich und begreiflich, wieso er 
mich in einem Punkte missverstehen konnte. 

Ehen desshalb, weil hei den auf Epilepsie zurückzuführenden 
Wanderungen nicht immer die erwartete Amnesie eintrat, habe 
ich darüber berichtet; da griff auch damals die Discussion ein 
und mahnte zur Vorsicht in der Diagnose Epilepsie. 

Das halte ich für durchaus berechtigt, und bei der durch un¬ 
zählige Beobachtungen gestützten Thatsache, dass im epilep- 

*) Audi im Original gesperrt gedruckt. 

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tischen Anfall oder während der ihm gleichwertigen Erschei¬ 
nungen ein Verlust des Bewusstseins besteht, der eine Gedächt- 
nisslücke nach sich zieht, habe ich die Diagnose Epilepsie erst 
nach längerem Erwägen,- ich will nicht gerade sagen, wider¬ 
strebend gestellt, und habe ich mich mit aller Vorsicht darüber 
ausgelassen. Das war umsomehr geboten, als einige Male die 
Dauer der Zeit, für die das Vorhandensein oder Fehlen einer 
Bewusstseinsstörung naehgewiesen werden sollte, eine recht erheb¬ 
liche ist, und die fragliche Zeit vielfach schon recht weit in die 
Vergangenheit zurückreichte. Dass unter diesen erschwerenden 
Umständen ein stringenter Beweis für das Vorhandensein oder 
hehlen einer Bewusstseinsstörung kaum erbracht werden kann, 
liegt auf der Hand. Zudem beweist eine Amnesie nicht im Min¬ 
desten, dass während oder in der Zeit, für die keine Erinnerung 
besteht, eine Bewusstseinsstörung bestanden haben muss, und 
ebensowenig ist die Erhaltung der Erinnerung ein sicheres Kri¬ 
terium dafür, dass damals keine Bewusstseinsstörung bestanden 
hat. Und ob die gewöhnliche persönliche Beobachtung, ohne Zu¬ 
hilfenahme verfeinerter Untersuchungsmethoden genügt, das Vor¬ 
handensein jeglicher Bewusstseinsstörung mit Sicherheit auszu- 
schliessen, erscheint weiterhin fraglich. 

Trotz aller dieser Erwägungen hielt ich meine Wanderer für 
Epileptiker und glaubte darauf besonderes Gewicht legen zu 
müssen, dass während der in einem epileptischen Dämmerzustand 
unternommenen Wanderungen das Bewusstsein keine so erheb¬ 
lichen Störungen erlitten hatte, soweit hierauf überhaupt auf 
Grund der eigenen Schilderungen der Kranken geschlossen werden 
durfte. Um sicher zu gehen, untersuchte ich eben andere Epi¬ 
leptiker, und das erzielte Ergebniss liegt hier vor. Daraus aber 
resultirt, in Uebereinstimmung mit vielen Mittheilungen von 
anderer Seite, dass es auch ausser der „Poriomanie“ noch andere 
Aequivalente bei Epilepsie, psychischer sowohl wie somatischer 
Natur gibt, die dadurch gekennzeichnet sind, „dass die Bewusst¬ 
seinsstörung entweder gänzlich fehlt oder durch ihre Gering¬ 
fügigkeit in den Hintergrund tritt“. 

Es ist somit dies Verhalten des Bewusstseins kein allein für 
die sogen. Poriomanie charakteristisches Merkmal, sondern trifft 
vielmehr auch für andere psychische Aequivalente der Epi¬ 
lepsie zu. 


Eine Reise in das russische Hungergebiet. 

\ on Dr. C. A. Lehman n in München. 

Im Mai vorigen Jahres machte ich gemeinsam mit einem 
russischen Privatgelehrten eine Reise nach Central- und Ostruss- 
land, um mich über die Zustände im sogen. Hungergebiet an Ort 
und Stelle zu informiren. Mein Begleiter, als Nationalökonom 
vom lach, iuteressirte sich hauptsächlich für die wirtschaftliche 
Lage, während ich mich speciell mit dem Studium des Hungers 
und der daraus entstandenen Krankheiten befasste und die photo¬ 
graphischen Aufnahmen machte. Das Ergebniss unserer Reise 
werden wir demnächst in einem Buch veröffentlichen. Hier 
mochte ich nur in Kurzem eine Schilderung derjenigen Verhält- 
nbse geben, die speciell den Mediciner interessiren. 

Die Reise ging von Berlin über Petersburg, Moskau nach 
Niselmi-Nowgorod und von da per Schiff nach Kasan. Dort be¬ 
theiligte ich mich an dem gerade tagenden Congress der Piro- 
go ffsehen Gesellschaft, wo mich speciell die Lepradebatte und 
die dabei vorgestellten Kranken interessirten. Von Kasan ging 
die Reise wieder per Schiff die Wolga hinab und die Kama hinauf 
nach Mursicha, einem kleinen Ort im Kreise Spassk, und von dort 
per Wagen nach Romodan, wo wir beim Popen, bei dem wir durch 
einen Kasaner Journalisten eingeführt wurden, vorläufig unser 
Standquartier aufschlugen. In den folgenden Tagen gingen wir 
auf zahlreiche Dörfer, theils mit russischer, theils mit tatarischer 
Bevölkerung, und fanden in Bezug auf das Elend unsere höchsten 
Erwartungen übertroffen. 

Ein russisches Dorf macht auch in guten Gegenden und in 
Nicht-Hungerjahren keinen sehr freundlichen Eindruck. In sehr 
breiten Strassen (50—100 m) stehen niedrige, mit Stroh oder 
Rinden gedeckte Blockhäuser; neben dem Wohngebäude ist ein 
Hof, der mit einem hohen Weidengofiecht eingezäunt ist. Weder 
vor noch hinter dem Haus findet sich etwas Grünes, sehr selten ein 
Baum oder gar ein Garten. Die Strasse selbst ist je nach der 
Witterung entweder eine staubige Sandwüste oder ein schwarzer 
Sumpf. Die Gegend ist meist flach und in Folge der zunehmen- 


Qrigiraal from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


4H9 


den Waldverwüstung überaus monoton. Das heutige Bild ist aber 
noch um Vieles trauriger. An vielen Häusern (wenn man die sich 
nach allen Himmelsrichtungen neigenden Blockhütten so nennen 
darf) fehlt das Dach ganz oder theilweise. War es von Stroh, 
so wurde es bei dem zunehmenden Futtermangel an das Vieh ver¬ 
füttert, war es von Rinden, so hat es im langen Winter der Ofen 
verschlungen. 

Treten wir in eines dieser Häuser ein, so müssen wir uns 
zuerst an die schwüle, verpestete Luft gewöhnen, die in dem 
niedrigen, engen, nie gelüfteten und durch kleine Doppelfenster 
schlecht beleuchteten Raum herrscht. Dieser Raum dient der 
ganzen Familie als Wohn-, Koch- und Schlaf raum. Ein grosser 
Theil des Zimmers wird von dem riesigen, niemals erkaltenden 
Ofen eingenommen, der zum Kochen, Backen und Heizen dient, 
und auf dem mehrere Personen ihre Schlafstellen haben. Wände, 
Decke und Fussboden wimmeln von den bekannten schwarzen 
und braunen Käfern, die man je nach der eigenen Nationalität 
„Schwaben“, „Preussen“ oder „Russen“ nennt. Unter Hunderten 
von Häusern fand ich kein einziges, wo diese Thiere fehlten. 

Zu diesen an sich schon äusserst unhygienischen Verhält¬ 
nissen kam nun noch die Noth, die seit October 1898 langsam aber 
sicher einsetzte und speciell die 4 Gouvernements Kasan, Ssamara, 
Ssimbirsk und Ufa mit einer Bevölkerung von ca. 10 Millionen 
betraf. Nimmt man dazu noch die ebenfalls stark betroffenen 
Gouvernements Nischni-Nowgorod, Wjatka, Saratow, sowie Perm 
und Orenburg, so umfasst das Nothstandsgebiet eine Bevölkerung 
von 20 Millionen Seelen! Die direete Veranlassung der Noth war 
die vörangegangene Missernte, es spielen aber noch eine Reihe 
anderer complieirter Verhältnisse mit, die wir an dieser Stelle 
nicht erörtern können. Durch die Missernte wurden die Bauern 
ihres hauptsächlichsten Nahrungsmittels, des Getreides, beinahe 
vollständig beraubt. Die Bevölkerung schlug sich mit dem 
Wenigen so gut es ging durch, d. h. sie hungerte. Bald zeigten 
sich die verheerenden Wirkungen dieser chronischen Unter¬ 
ernährung. Die Todesfälle an „Anaemie“ mehrten sich, Scorbut 
und Flecktyphus traten auf. Der Flecktyphus, der speciell in 
Kasan und Ssamara während des Winters heftig gewüthet hatte 
(Mortalität 90 Proc.), war im Mai beinahe erloschen, und das ist, 
wie mir viele der dortigen Aerzte versicherten, jedes Jahr der 
Fall. Offenbar spielt hier die intensive Besonnung eine Rolle 
und ausserdem der Umstand, dass die Menschen beim Beginn 
der wärmeren Jahreszeit sich mehr im Freien aufhalten und nicht 
mehr so eng beisammen leben. Der Flecktyphus befällt auch besser 
Situirte, während der Skorbut sich auf die hungernde Bevölke¬ 
rung beschränkt. In Mensilinsk, im Gouvernement Ufa, sah ich 
im Kreisspital einen Studenten, der sich bei der Pflege mit Fleck¬ 
typhus inficirt hatte. Er starb einige Tage später, wie wir in 
Ssamara erfuhren, und die Zustände im dortigen Spital haben 
ihm wohl die letzten Stunden abkürzen helfen. 

Anders verhält es sich mit dem Skorbut. Er trat langsam 
auf und nahm gewaltige Dimensionen an. Während schon in 
früheren Jahren da und dort von einzelnen Fällen berichtet 
wurde, machte im Februar 1898 Dr. Tresswiatski dem 
Sanitätsbureau in Kasan Mittheilung, dass unter den Tataren 
der Skorbut aufgetreten sei. Es wurde dem Bureau ausserdem 
auf privatem Wege von 300 Einzelfällen Mittheilung gemacht. 
Das Bureau sandte darauf eine Delegation, um Studien zu 
machen und die Hilfe zu organisiren. Diese Delegation be¬ 
richtete nun, dass die Ausbreitung der Epidemie eng verbunden 
sei mit Lebensweise, Beschäftigung und Wohlstand; es ist dess- 
halb, wie wir später sehen werden, auch klar, warum die tatarische 
Bevölkerung früher davon betroffen wurde als die russische. Nach¬ 
dem durch energisches Eingreifen des Kreissemstwos in Ssamara 
diese Epidemie unterdrückt war, kam die Missernte des Jahres 
1898 und damit auch wieder der Skorbut, aber diesmal hart¬ 
näckiger und ausgebreiteter. Da die Behörden sich ihrer Auf¬ 
gabe nicht gewachsen fühlten, so versuchte man es erst eine Zeit 
lang mit dem dort ortsüblichen Mittel des Todtschweigens. Der 
Censor waltete seines Amtes. In Moskau wurde das Wort 
„Hunger“ überhaupt verboten und anderwärts wurden die Be¬ 
richte über die „Zinga“ (= Skorbut) erheblich beschnitten oder 
auch ganz unterdrückt. 

Auf die Dauer Hess sich jedoch dieses Vertuschungssystem 
nicht durchführen, und die Regierung sah sich allmählich ge- 
nöthigt, den Vertretern der einheimischen Presse den Zutritt in 

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die Hungerdistricte zu gestatten. Es wurde dann auch von den 
grossen Zeitungen in Petersburg und Moskau sehr viel Geld ge¬ 
sammelt und dem Wunsche der Regierung gemäss an die Central¬ 
stelle des „Rothen Kreuzes“ abgeliefert, wobei freiUch ein grosser 
Theil des Geldes in Form von enormen Gehältern in die Taschen 
der Verwaltungsbeamten wanderte. Ein weiterer Theil ging 
den Hungernden dadurch verloren, dass die Commissäre die Ein¬ 
käufe bei ihren Verwandten und Freunden besorgten und für 
schlechte Waare sehr hohe Preise bezahlten. 

Von allen Krankheiten nahm natürlich der Skorbut, 
wegen der ungeheuren Zahl der Krankheitsfälle, das grösste In¬ 
teresse in Anspruch. Im Kreise Spassk, im Gouvernement Kasan, 
wurde die Zahl der Erkrankten allein auf 20 000 geschätzt und 
diese Zahl scheint mir nicht übertrieben zu sein, da wir selbst 
in einzelnen Dörfern Hunderte von Kranken zu Gesicht bekamen. 
Der Skorbut tritt hier unter klinischen Formen auf, die sehr 
oft von dem Verlauf, wie er in unseren Lehrbüchern geschildert 
wird, abweichen. Diese Wahrnehmung wurde mir auch vom Col- 
legen Dr. Gran, Kreissanitärarzt in Ssamara, bestätigt. Die 
Kranken werden immer matt und abgeschlagen, und das ist nicht 
wunderbar, wenn man den chronischen Hunger als aetiologisches 
Hauptmoment annimmt. Fieber fehlt in den meisten Fällen, 
kann aber auch sehr hoch sein. 

Die Hauptsymptome: Gingivitis, Contracturen und Haemor- 
rhagien können einzeln oder vereint und in jeder beliebigen 
Reihenfolge auftreten. Oft findet man, besonders bei jugend¬ 
lichen Individuen, als einziges Symptom zwischen zwei Zähnen, 
mit Vorliebe am Unterkiefer, einen schreibfederspitzenförmigen 
dunkelrothen Streifen im Zahnfleisch. Kommt man aber einige 
To ge später, so sieht man an mehreren Stellen erbsen- bis hasel¬ 
nussgrosse Geschwülste von livider Färbung, die im weiteren Ver¬ 
lauf ulcerös zerfallen und aus dem ganzen Mund eine einzige 
Jauchehöhle bilden und es beinahe unerträgHch machen, mit dem 
Kranken in einem Raum zu leben. An die Aufnahme fester 
Nahrung ist in diesem Zustande — auch wenn sie vorhanden 
wäre — natürlich nicht zu denken. 

Die Contracturen kommen, ganz ohne Rücksicht auf den Grad 
der Zahnfleischaffection, in allen Stadien vor. Das Kniegelenk 
macht, so viel ich beobachten konnte, immer den Anfang, dann 
kommen Fussgelenk, Ellenbogen, Hüftgelenk, in schwereren 
Fällen sind auch die Kinnladen davon betroffen. 

Im Anfang findet man Schwellung und Druckempfindlich¬ 
keit, später vermehrte Schwellung und leichte Contracturstellung. 
Noch später: Starre Contractur; Schwellung von einem Gelenk 
zum anderen; die Haut ist prall gespannt und glänzt wie Por¬ 
zellan. Jede geringste Bewegung ist furchtbar schmerzhaft. 

Die Haemorrhagien treten zuerst in den Schleimhäuten auf, 
wir sehen sie also zunächst im Mund und in der Conjunctiva. 
Bald aber wird auch die äussere Haut davon betroffen, zunächst 
die Haut über den contrahirten Gelenken und dann die Streck¬ 
seiten der Extremitäten. In schwereren Fällen bleibt kein Körper- 
theil davon verschont. Im Anfang sieht man rothe Punkte um 
die Haarfollikel auf der glänzenden, prall gespannten Haut, oder 
auch ein feines Geäst, das dem Verlauf der Blutgefässe ent¬ 
spricht; dann wird die Blutung profus und wir sehen oft masern- 
ähnliche, meist aber grosse und scharf begrenzte dunkelrothe bis 
violette Flächen. In der Reconvalescenz verschwindet der Glanz 
und die Haut wird regenbogenfarbig. Die haemorrhagischen 
Partien fühlen sich an wie festes Glanzleder, und die Temperatur 
ist von der der Umgebung nicht verschieden. 

Allen Skorbutkranken gemeinsam ist das stark ausgeprägte, 
subjective Krankheitsgefühl. Man sieht kräftige Männer mit 
weit aufgerissenen Augen stöhnend und ächzend auf ihren 
Pritschen liegen. Ihr einziger Wunsch ist, dass der Tod sie von 
ihren Leiden erlösen möge. 

Der Puls zeigt ausser dem anaemischen Typus nichts Beson¬ 
deres, auf den Brustorganen konnte ich auch nie etwas finden, 
was sich auf den Skorbut hätte zurückführen lassen. Nephritis 
ist häufig. Ob da andere Ursachen mitspielen, weiss ich nicht, 
der Bezirksfeldscheer vom Romodan versicherte mir aber, dass die 
Zahl der Fälle seit der Skorbutepidemie bedeutend zugenommen 
habe. Der Appetit liegt völlig darnieder. Das wurde mir ausser 
von den Kranken von den Vorstehern der Spitäler und den Hilfs- 
comitös übereinstimmend versichert. Der Stuhlgang ist, wenn 
man von den Störungen durch die verringerte Nahrungsaufnahme 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14 


absieht, im Allgemeinen wenig alterirt, im vorgeschritteneren 
Stadium kommen allerdings profuse Diarrhoeeu vor. Milz¬ 
tumor konnte ich nirgends nachweisen. 

Da es mir aus verschiedenen und darunter sehr triftigen 
Gründen unmöglich war, eine Anzahl Fälle von Anfang bis zum 
Ende zu überwachen, so ist meine Schilderung des Skorbut 
natürlich sehr unvollkommen. Es gelang mir auch nicht, von 
den Aerzten und nicht einmal von den Universitätskliniken in 
Kasan genaueres Material aufzutreiben. Bacteriologisehe Unter¬ 
suchungen sind z. B. keine gemacht worden, und nicht eine einzige 
Section wurde ausgeführt. Wenn man die mangelhafte Ver¬ 
sorgung mit Aerzten in Betracht zieht, so ist das allerdings ent¬ 
schuldbar. 

Dr. Eitschers, der im Aufträge des Sanitätsbureaus in 
Ssamara verschiedene Dörfer besuchte, gibt als Ursache des Skor¬ 
buts an: Nahrungsmangel (quantitativ und qualitativ), Woh- 
nungsnoth (Mangel an Luft und Licht), Ansteckung. 

Unter dem N ahrungsmangel leidet die tatarische 
Bevölkerung noch ärger als die russische, weil ihr Menu aus ritu¬ 
ellen Gründen (die Tataren sind Muhamedaner) viel monotoner 
ist, als das der russischen Bauern. Der Küchenzettel eines ta¬ 
tarischen Bauern lautet wie folgt: Zum Frühstück hat der 
Keiche: Thee, Milch und Weissbrod, der Arme: Thee und 
Schwarzbrod oder Mehlplätzchen, die ohne Hefe gebacken werden. 
Mittags: Ein dünner Brei mit Nudeln aus Roggenmehl, sehr 
selten mit Hammelfett oder Fleisch (= Ssalma). Abends: Thee 
mit Brod. Der Speisezettel ist immer derselbe, nur in schlechten 
Jahren gibt es weniger Fett und Fleisch oder gar keines. Gemüse 
wird gelegentlich an den Landungsplätzen gekauft. Die Tataren 
betrachten es als Luxus, und essen meist, den ganzen Vorrath 
sofort auf. Dazu fiel das grosso Fasten Ramadan, das einen 
Monat dauert, vom 12. Januar bis 12. Februar, gerade in die 
Zeit, wo die Vorräthe schon ziemlich aufgezehrt waren. Den 
ganzen Tag über essen die Tataren nichts und bringen die Zeit 
unter eifrigem Beten in der Moschee zu. Abends hatten sie nicht 
viel zum Essen, und als sie sich nach Beendigung der Fastenzeit 
erholen wollten, war gar nichts mehr vorhanden. 

Die Untersuchung der Wohnungen gab folgendes Re¬ 
sultat. Es kommen durchschnittlich 18,2 Oubikarschin -= 9 cbm 
Luftraum pro Kopf. Das für Russland angenommene, wissen¬ 
schaftliche. Minimum beträgt 2 Cubikssaschen = 54 Cubikar- 
sehin = 19,34 cbm. Das Verhältniss von Licht- zur Bodenfläche 
schwankt von 1 : 9, bis 1 :14. Bei Berechnung der Lichtfläche ist 
zu bemerken, dass im Winter noch ein Drittel der Fenster mit 
Stroh bedeckt sind und an den übrigen Fenstern oft Kleider 
hängen, so dass in Wirklichkeit in einer Reihe von Wohnungen 
ein Verhältniss von 1:63 gefunden wurde. Dazu kommt noch, 
dass im Winter sehr oft 3 bis 4 Familien zusammen wohnen, um 
Heizungsmaterial zu ersparen. 

Herr Alexander Nowikoff, der jahrelang Semski Na- 
tschalnik (Landeshauptmann) war, also ein Amt bekleidete, dem 
richterliche und Polizeigewalt über die Bauern zusteht, und in 
Folge dessen, wie auch als Gutsbesitzer, in nächsten und an¬ 
dauernden Beziehungen zu dem Bauernthum stand, gibt folgende 
Schilderung: 

„Noch jetzt wird die Hälfte der Isbas (Bauemhütten) 
„schwarz“ geheizt (d. h. so, dass der Abzug des Rauches durch 
den Schornstein gehindert wird). Das will heissen, dass am 
Morgen, wenn geheizt wird, die obere Hälfte der Isba voll Rauch 
ist, der durch die Spalten abzieht oder durch ein besonders zu 
zu diesem Zwecke gemachtes Loch, meistens durch die geöffnete 
Thür. Während dieser Zeit legen oder setzen sich die Einwohner 
auf den Boden, um dem Rauche zu entgehen. Durch die Thür 
dringt 20° Kälte. Ist man mit dem Heizen fertig, so wird Alles 
zugesperrt und in der Isba wird es heiss wie in einem Dampfbad. 
Gegen Morgen aber gefriert oft das Wasser in der Wohnstube. 
Vom Hauche sind die Decke und die Wände mit einem schwarzen 
Ueberzug bedeckt, der manchmal in Zapfen herunterhängt. Hier 
haust eine Familie von vielleicht 8 Personen: Hier der greise 
Bauer mit seinem Weibe, hier auch der verheirathete Sohn, ein 
erwachsenes Mädchen, die Kinder. Hier isst man, hier ist das 
Slrohlager für die Nacht; hier gebären die Frauen, hier spinnen 
sie und weben; hier ist auch das Kalb, die Lämmchen, manchmal 
Ferkel, Hühner. Hier ist ein unerträglicher Gestank; zum Licht¬ 
spenden wird hier eine Lampe ohne Glas verwendet, die scheuss- 

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lieh blackt oder gar nicht brennt, wenn kein Geld da ist, um 
Petroleum zu kaufen.“ 

Ueber die Ansteckungsgefahr des Skorbuts lässt sich 
nicht viel sagen, sie ist keinesfalls gross. Es sind zwar einige 
Fälle bekannt, es handelt sich aber um Erkrankungen von Warte¬ 
personal, die sich vorher schon durch ungenügende Ernährung 
und Ueberanstrengung widerstandslos gemacht hatten. 

Die Therapie besteht selbstverständlich in der Haupt 
sache in der Ernährung und zwar kommt man mit jeder ge¬ 
mischten Kost zum Ziel. Man hat sehr complicirte Theorien auf¬ 
gestellt über den Werth der frischen Gemüse zum Zweck der 
Zufuhr von Kalisalzen, dann wieder wurde den Pflanzensäuren 
ein hoher therapeutischer Werth zugeschrieben, und zu diesem 
Zweck ganze Wagenladungen von Citronen zu Limonaden ver¬ 
arbeitet. Es half Alles nichts, die Leute brauchten Eiweiss. 
Fett und Kohlehydrate: einfach Nahrung. Wo sie 
gewährt werden konnte, trat rasch Genesung ein, fehlte sie. 
so folgte das Recidiv auf dem Fusse. 

Massage wurde da, wo ein Arzt oder Pflegepersonal war, an¬ 
gewandt und dabei die Beobachtung gemacht, dass nach jeder 
Massage die Temperatur des Patienten im Laufe des Tages oft 
um 2—3 Grad stieg und am folgenden Tag wieder normal war. 
Gegen die Z ahnfleischaffectionen wurde manchmal mit Myrrhen- 
tinctur gepinselt. In den meisten Fällen geschieht aber gar 
nichts. 

Ausser dem Skorbut grassirt im Winter hier regelmässig der 
Flecktyphus. Dann stehen allen anderen Krankheiten weit voran: 
Syphilis, Trachom, Tuberculose (hauptsächlich der 
Knochen und Gelenke) und Malaria. Eine stattliche Anzahl 
von Fällen sind dann immer noch: Dysenterie, Anaemie (das 
scheint in Russland ein sehr vielseitiger Begriff zu sein, wie ich 
mich später überzeugte, ist es meist Lungentuberculose), schwere 
Conjunctivitiden, Influenza, Pocken, Milzbrand, Abdominal¬ 
typhus, Erysipel, Keuchhusten, Hemeralopie und Echinococcus 
der Leber. Dazu kommen noch die gelegentlich auch hier auf- 
tretenden Epidemien von Masern, Diphtherie und Scharlach, und 
neuerdings auch die Pest. Also kurz: eindurch und durch 
verseuchtes Volk. Und dieser Ansicht ist der oben er¬ 
wähnte, sicher unparteiische Zeuge, Herr N o w i k o f f, offen¬ 
bar auch. Er sagt: 

„Eines der eingewurzelten Vorurtheile über unser Volk be¬ 
steht darin, dass es ungemein gesund und kräftig sei. Wenn 
man die Bauernhöfe auf sucht, so findet man selten eine Familie, 
die gesund ist. Denselben Eindruck erhält man bei der Rekruten¬ 
aushebung. Was nun die Frauen betrifft, so sind sie sämmtlich 
krank, nur mit wenigen Ausnahmen. Das Vorurtheil, von dem 
ich sprach, kommt von der bewundemswerthen moralischen 
Widerstandsfähigkeit des Muschik (Bauern): Er hört nur dann 
auf zu arbeiten, wenn er sich buchstäblich nicht mehr auf den 
Beinen halten kann — sonst erträgt er jede Krankheit im Gehen 
und zwar während der Arbeit. Ich habe u. a. folgenden Fall 
beobachtet: Der Muschik erklärt, er sei krank, er habe Kopf¬ 
schmerzen. Er wird gemessen: 41°. Man frägt nun: „Ist die 
Hitze schon lange?“ — „Seit einer Woehe, Euer Wohlgeboren — 
aber es lässt sich nicht mehr ertragen.“ Es stellt sich heraus, 
dass er im Gehen und mit der Sense in der Hand den Typhus 
erträgt .... 

„Und die Hygiene der Kranken? Gar keine! Im besten Fall 
fährt man den Kranken zum Arzt, um eine Medicin zu erhalten. 
Sonst aber liegt der Kranke, stöhnt und wartet — Tod oder 'Ge¬ 
nesung. 

„Die Hygiene der Wöchnerin? Sie gebiert irgendwo unter 
dem marternden Beistand einer unwissenden alten Frau, sofort 
nach der Geburt klettert sie auf den Ofen (das ist obligat), trinkt 
Branntwein (ebenfalls obligat); am fünften, ja am vierten und so¬ 
gar am dritten Tage manchmal geht sie zum Garbenbinden auf'.- 
Feld.... 

„Die Hygiene des Kindes? Es lutscht an einem Schnuller 
von Schwarzbrot, der selten gewechselt wird, von Mund zu Mund 
geht und Syphilis verbreitet. Isst Alles, was gerade zutrifft und 
stirbt meistens an Dysenterie.... 

„Ist es nun unter diesen schrecklichen Lebensbedingungen 
und bei dieser Unwissenheit verwunderlich, dass man überall eine 
Unsumme von Kranken findet — dass fast alle Frauen an 

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3. April I9u0. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


471 


Fm iiftnlcrftrikVi ftiten und Hysterie leiden, dass die Kinder, auch 
die erwachsenen, absterben wie die Fliegen im Herbst?“ 

Zum Schluss möchte ich noch einige kurze Zahlen anführen, 
welche den derzeitigen Stand der ärztlichen Hilfe im Gouverne¬ 
ment Ssamara zeigen sollen. In den Spitälern kommt in den 
Städten: 1 Bett auf 303 Einwohner, auf dem Land: 1 Bett auf 
4469 Einwohner. Folgende Tabelle zeigt die Entfernung der 
Dörfer vom nächsten Arzt in Werst (1 W erst = 1065 m). Es sind 
entfernt: 


0—5 Werst 
6—10 
11—15 
16—20 
21—25 
26—30 

Uebw30 


160 (6,6 °/o) Dörfer 
258 (10,8%) 

385 (16,1 o/o) 

381 (16 0/o) 

354 (14,8 °/o) 

276 (11,5 o/o) 

571 ( 23,9 °/o) 


mit 30 855 (6,1 °/o) Einwohner. 
„ 209 310 (9,6 o/o) 

„ 364 362 (16,8 %) 

„ 347 162 (16 °/o) 

„ 300 766 (13,9 o/o) 

, 246 695 (11,4%; 

„ 400 534 ( 18,5 %) 


Als Norm wurde vom Semstwo festgesetzt ein Medicinal- 
district mit einem Radius von 15 Werst = 707 Quadratwerst und 
einer Einwo hn erzahl von 15—20 000. Es kommt aber in Wirklich¬ 
keit ein Arzt auf 1780 Quadratwerst (31,4 Dörfer) mit 32 933 Ein- 
woliner. Der kleinste District hat 13 387 Einwohner, der grösste 
69 228. Von einer Ueberfüllung mit Aerzten wird also liier in 
der nächsten Zeit noch nicht gesprochen werden können. 

Diese Aerzte (Semski Wratsch) beziehen vom Semstwo 
t Kreis Verwaltung mit gewählten Vertretern) ein sehr bescheidenes 
Gehalt. An wissenschaftlicher Schulung und positiven Kennt¬ 
nissen übertreffen sie das Gros der französischen, englischen und 
italienischen Aerzte durchaus.. In den entlegensten Spitälchen, 
denen ein Arzt Vorstand, fand sich ein gutes Mikroskop mit den 
nöthigen Reagentien für klinische und bacteriologische "Unter¬ 
suchungen; die aseptische Wundbehandlung war allen geläufig. 
Freilich kam es in diesen Dingen, wegen der gänzlich unzureichen¬ 
den Geldmittel, sehr oft nicht weit über den guten Willen hinaus. 
Eines aber war den wackeren Collegen im fernen Osten Europas 
gemeinsam: die freudige Hingabe an ihren Beruf und eine oft 
geradezu beispiellose Selbstaufopferung. Es hat dies wohl seinen 
Grund in dem stark ausgeprägten Mitgefühl, das in despotischen 
Ländern allen Bevölkerungsschichten eigen ist. Für den Arzt 
ist dieses echte Mitgefühl zweifellos eine sehr werthvolle Eigen¬ 
schaft. Dazu kommt noch, dass die russische „Intelligenz“ eine 
sehr grosse Achtung vor der westeuropäischen Wissenschaft hat, 
und beinahe sämmtliche deutsche medicinische Lehrbücher in’s 
Russische übersetzt sind. Und Wissen und Mitgefühl sind das 
Holz, aus dem man überall die besten Aerzte schnitzt. 

Wenn aber die übrigen Zustände in Russland dieselben 
bleiben, dann werden auch die allerbesten Aerzte nicht verhindern 
können, dass nach jeder Missernte Hundert tausende von 
Menschen an „A n a e m i e“ sterben. 


Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Zum Vollzüge des Impfgesetzes. 

Bei der wichtigen hygienischen Bedeutung der Impf frage möge 
es gestattet sein, zu den neuen bayerischen Vollzugsbestimmungen 
zum Impfgesetz (s. No. 12 d. Wochenschr.) einige Bemerkungen zu 
machen. 

Ganz gewiss finden in ärztlichen Kreisen alle diejenigen 
Maassnahmen Billigung, welche auf möglichste Venneidung und 
sorgfältige Registrirung der Iinpfschädigungen, auf den aus¬ 
schliesslichen Bezug der Thierlymphe ans staatlichen Impf¬ 
anstalten oder aus staatlich beaufsichtigten Privatanstalten und 
auf die Ueberwaehung der öffentlichen Impfungen abzielen. Da¬ 
gegen muss man sich füglich wundern über die strengen Maass 
regeln, die den praktischen Aerzten gegenüber für nothwendig be 
1 unden wurden. § 3 Abs. 2 der Verordnung bestimmt nämlich: 

M _Im Uebrigen hat jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft 

privatim oder öffentlich ausüben will, den Nachweis darüber zu 
erbringen, dass er mindestens 2 öffentlichen Impflings- und ebenso 
vielen Wiederimpfungsterminen beigewohnt und sich die erforder¬ 
lichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der Lymphe 
erworben hat.“ 

Zunächst hätte man billiger Weise erwarten dürfen, dass die 
neue Vorschrift keine rückwirkende Kraft erlange und auf die be¬ 
reits prakticirenden Aerzte keine Anwendung mehr finde; es muss 
einen Arzt, der seit einer Reihe von Jahren alljährlich Impfungen 
vornahm, doch sonderbar berühren und kränken, wenn er nun die 
Qualifikation zu dieser lang geübten ärztlichen Thätigkeit sich erst 
noch einmal durch Beibringung der erforderlichen Nachweise und 
eine Art Specialexamen erwerben muss. 

Aber auch formale gesetzliche Bedenken sind einzuwenden. 
Das Reichsimpfgesetz gewährt ausser den Impfärzten allen appro- 


dieselben keinerlei Beschränkung auf und bedroht in dieser Hin¬ 
sicht nur die unbefugte Impfung durch Nichtärzte und die fahr¬ 
lässige Ausführung der Impfung mit Strafe, macht somit nach dem 
Grundsätze, dass Reichsrecht über Landesrecht geht, eine entgegen- 
stehende landesrechtliche Bestimmung rechtlich unwirksam. Eine 
gemäss § 18 Abs. 2 des Impfgesetzes von einem Bundesstaat ge¬ 
troffene Ausführungsbestimmung darf aber das Grundgesetz nicht 
einengeu. 

Die geschichtliche Entwicklung dieser für Bayern neuen Vor¬ 
schrift geht zurück auf die Beschlüsse der vom 30. October bis 
November 1884 in Berlin tagenden Commission von Impf sach¬ 
verständigen. welche in der vorwürfigen Frage folgende Beschlüsse 
fasste: 

VII. Beschlüsse, betreffend die technische Vor¬ 
bildung der Aerzte für das Impfgeschäft. 

1. Hinsichtlich der technischen Vorbildung für die Ausübung 
des Impfgeschäftes sind folgende Anforderungen zu stellen: 

a) Während des klinischen Unterrichts ist den Studirenden 
eine Unterweisung in der Impftechnik zu ertheilen. 

b; Ausserdem hat jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft pri¬ 
vatim oder öffentlich ausüben will, den Nachweis darüber zu 
bringen, dass er mindestens 2 öffentlichen Vaccinations- und ebenso 
vielen Revaccinationsterminen beigewohnt und sich die erforder¬ 
lichen Kenntnisse über Gewinnung und Conservirung der Lymphe 
erworben hat 

2. Bei der ärztlichen Prüfung ist die Kenntnis» der Impf- 
teclmik und des Impfgeschäftes zu verlangen. 

Mit diesen Beschlüssen erklärte sich der Bundesrath einver¬ 
standen und änderte in der Folge die Bestimmungen über die 
ärztliche Approbationsprüfung durch Beschluss vom 31. März 1887 
dahin ab, dass der Caudidat vor der Zulassung zur Prüfung den 
Nachweis darüber zu erbringen habe, dass er ..am praktischen 
Unterricht in der Impftechnik tlieilgenommen und die zur Aus¬ 
übung der Impfung erforderlichen technischen Fertigkeiten er¬ 
worben hat“, dass er ferner in dem hygienischen Prüfungs¬ 
abschnitte „über die Schutzpockenimpfling einschliesslich der Impf¬ 
technik und des Impfgeschäftes zu prüfen“ sei. In diesen Be¬ 
stimmungen über die Approbationsprüfung hätte auch die Aus¬ 
führung der Commissionsbeschlüsse unter I b ihren richtigen Platz 
gefunden und es wäre nichts dagegen zu sagen, wenn die Candi- 
daten der Medicin gelegentlich des Impfunterrichtes auch an 2 
öffentlichen Impflings- und ebenso vielen Wiederimpfungsterminen 
beizuwohnen hätten; durchführen Hesse sich dies ja noch leichter, 
wenn in den 3 bayerischen Universitätsstädten die öffentlichen 
Impfärzte, bezw. in München der Centralimpfarzt, mit der Er- 
tlieiluug des Impfunterrichtes betraut würden. Wohl aber er¬ 
scheint bei dem geprüften und mit dem Approbationsscheine ver¬ 
sehenen Arate eine solche Bestimmung unnöthig und bedenklich. 

Bedenklich ausser dem voraus Aufgeführten vor allen Diugeu 
desshalb, weil sich hiedurch ungeahnte Perspectiven eröffnen. Bis 
jetzt war vom gewerbs-polizeilichen Standpunkte aus jeder Arzt in 
jedem Gebiete des ärztlichen Wissens und Könnens zu jedem ärzt¬ 
lichen Eingriffe berechtigt, wir kannten noch keine Specialexamen, 
die ihm eine ausschliessliche Befugniss zu gewissen specialärzt- 
lichen Verrichtungen gewähren oder Andere, nicht Geprüfte, davon 
ausscliliessen. Auf diesem Gebiete thut die neue Verordnung Ein¬ 
bruch, wonach ein Arzt Impflingen nur dann vornehmen darf, 
wenn er sich nochmals einer Art von Speciaiexamen unterzieht. 
Als seiner Zeit die Einspritzungen mit dem Koc loschen Tuhercu- 
lin aufkamen, bezeichnete es eine Ministerialbekanntmachung als 
notliweiidig, dass die Aerzte sich vor der Anwendung desselben 
durch Selbstanschauung über die Einzelgaben des Mittels, über 
die Methode und über die Wirkungen an einer Anstalt, welche das 
neue Mittel bereits in versuchsweisem Gebrauch genommen hatte, 
unterrichteu sollten. In analoger Weise müsste nach gesetzlicher 
Vorschrift der Arzt immer von Neuem au die Brüste der Alma 
uiater angelegt werden, so oft wichtigere neuere Heilmittel oder 
neue Heilverfahren eiugeführt werden. Es müsste sich aber nicht 
nur sonderbar ausnehmen, es würde zweifelsohne das Ansehen 
des einzelnen Arztes schädigen und müsste die ganze Stellung des 
ärztlichen Standes untergraben, wenn die Aerzte bei jedem neuen 
therapeutischen oder prophylaktischen Verfahren sich immer erst 
eine specielle Qualification erwerben müssten. Das Zutrauen 
dürfte man den Aerzten schenken, dass sie nur solche Eingriffe 
unternehmen, die sie verstehen und beherrschen oder die von Fach¬ 
leuten genügend geprüft sind. 

Dr. Carl Becker. 


Referate und Bücheranzeigen. 

Jules S 0 U r y, Directeur d’etudes ä Fecole pratique des 
hautes etudes ä la Sorbonne: Le systdme nerveux central, struc- 
ture et fonctions, histoire critique des thSories et des doc- 
trines. Paris. CarreetNaud. 1899. 2 Bände. 1863 Seiten. 
Preis 50 Fr. 

Der Verfasser verfügt über eine Belesenheit in der alten und 
neuen Literatur, die nicht nur für einen Franzosen bemerkens- 
werth ist. Er referirt über alles Wichtige, was in Bezug auf die 
Auffassung der Psyche, den supponirten Zusammenhang 
zwischen Gehirn und Seele und über die Anatomie des Gehirns 


as Reichsimprgesetz gewarnt ausser eien impiarzien unen appiu- i - — r _ 

birten Aerzten die Befugniss. Impfungen vorzunehmen, stellt für der Menschen und der anderen Wirbelthiere geschrieben worden 


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Original frn-m 

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472 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


ißt. Hiebei finden die griechischen Philosophen und Aerzte so 
gut Berücksichtigung wie Ramon y Cajal und Bethe, auch das 
Mittelalter kommt nicht zu kurz. Die Referate werden alle in 
einer sehr hübschen, leicht und angenehm lesbaren Form ge¬ 
boten, wie sie nur selten ein diesseits der Vogesen erscheinendes 
Werk wird auf weisen können. Sie sind nach Materien zusammen¬ 
gestellt und in jedem Abschnitt frei zu einem Ganzen vereinigt, 
das formell vollständig dem Verfasser des Buches angehört, ohne 
dass die Rechte der benützten Autoren zu kurz kämen. Hervor¬ 
zuheben ist auch, dass die nicht französischen Citate und Lite¬ 
raturangaben, die bekanntlich eine sehr schwache Seite der 
meisten französischen Bücher bilden, hier durchweg correct ge¬ 
schrieben sind. 

Wenn man an dem Buche etwas aussetzen wollte, so wäre 
es etwa der fast vollständige Mangel an Figuren, ohne die man 
in der Hiraanatomie keine festen Begriffe erwerben kann. Dann 
ist auffallend, dass die Aphasie, das wichtigste und vielleicht das 
einzige einigermaassen klare Bindeglied zwischen Körperlichkeit 
und Seele nicht im Zusammenhang und durchaus nicht er¬ 
schöpfend behandelt ist. Eine eigentlich subjective Kritik der 
Theorien tritt trotz des Titels sehr in den Hintergrund: es werden 
meistens die Ansichten der verschiedenen Forscher neben ein¬ 
ander gestellt, was dem Referenten übrigens mehr ein Vorzug 
als ein Nachtheil zu sein scheint. Leider fehlt dem grossen 
Nachschlagebuch ein Sachregister, das durch die bei den Fran¬ 
zosen übliche table analytique des matieres nicht ersetzt werden 
kann. 

Das sehr schön ausgestattete Buch wird Manchem eine an¬ 
genehme und höchst interessante Lectüre bieten, da wohl selten 
Jemand auf all’ den verschiedenen behandelten Gebieten nichts 
Neues zu lernen haben wird. Bleuler - Burghölzli. 

Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens. Einzeldarstel¬ 
lungen für Gebildete aller Stände. Herausgegeben von Dr. med. 
L. Loewenfeld und Dr. med. H. Kure 11 a. I. Heft. 
Loewenfeld: Somnambulismus und Spiritismus. Wies- 
baden, Bergmann, 1900. 57 Seiten. Preis 1 M. 

Loewenfeld gibt zunächst in knappem, klarem Stil das 
für die Frage nach der Existenz von ungewöhnlichen oder „über¬ 
natürlichen“ Fähigkeiten Bedeutsame und charakterisirt kurz die 
verschiedenen Formen des Somnambulismus, das Schlafwandeln, 
den hysterischen und den hypnotischen Somnambulismus, dann 
kommt eine Darstellung und Kritik des über aussergewühnliche 
Erscheinungen Bekannten: Hellsehen, Sinnesverlegung, räum¬ 
liche© Fernsehen, übersinnliche Gedankenübertragung (Tele¬ 
pathie), zeitliches Fernsehen (Clairvoyance). Reden in fremden 
Zungen. 

L. kommt als nach beiden Richtungen vorsichtiger Kritiker 
zu dem Schluss, dass es eine Anzahl nach allem menschlichen Er¬ 
messen durchaus beglaubigter, Facta gibt, die sich mit unseren 
bisherigen Kenntnissen nicht erklären lassen; die Annahme der 
Spiritisten aber, dass Geister der Verstorbenen hei allen diesen 
Dingen thätig seien, ist eine durchaus in der Luft stehende und 
zudem ungenügende und an verschiedenen Widersprüchen leidende 
Hypothese. — Wie es von L. nicht anders zu erwarten ist, bleibt 
er ganz objectiv und seine kritischen Ausführungen im positiven 
wie im negativen Sinne werden kaum zu widerlegen sein. 

Bleuler - Burghölzli. 

Alfred Denker, Ohrenarzt in Hagen i. W.: Vergleichend 
anatomische Untersuchungen über das Gehörorgan der Säuge- 
thiere nach Corrosionspräparaten und Knochenschnitten. Mit 

17 Tafeln. Leipzig, Verlag von Veit & Comp., 1899. 

Nachdem Denker seine Präparate auf verschiedenen Con- 
gressen demonstrirt und bei Anatomen sowohl wie bei Ohren¬ 
ärzten uneingeschränkte Anerkennung gefunden hat, hat er das 
Ergebniss seiner fleissigen und zielbewussten Untersuchungen 
in dem vorliegenden monumentalen Werke niedergelegt. Das 
Werk ist die Frucht 9 jähriger Arbeit und auf Anregung Prof. 
B e z o 1 d’s entstanden, dem es auch gewidmet ist. 

Denker hat bei der Herausgabe die Unterstützung der 
Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin erhalten. Es ist 
wohl das erste Mal, dass einem ohrenärztlichen Werke diese Ehre 
zu Theil geworden ist. 

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Der Verfasser hat mit Hilfe von Corrosionspräparaten und 
Knochenschnitten von jeder Säugethierordnung ein oder zwei Re¬ 
präsentanten untersucht und gibt die Beschreibung und die Ab¬ 
bildung der Präparate, wobei die Knochenschnitte und die Cor- 
rosionspräparate sich gegenseitig ergänzen. 

Zur Untersuchung kamen Gorilla, fliegender Hund, Igel, Eis¬ 
bär, indischer Leopard, W asserseh wein, Ameisenfresser, rot lies 
Känguruh, Pferd, Rind, Schwein, grönländischer Seehund und 
Walross. Zum Vergleich sind auch die entsprechenden Präpa¬ 
rate vom Menschen abgebildet. 

Der Beschreibung sind vergleichende Schlussbemerkungen 
angefügt. Den wichtigsten Theil des Buches bilden die Tafeln, 
welche von Krapf ausgeführt und ganz vorzüglich gelungen 
sind. Abgesehen von den Tafeln ist auch die übrige Ausstattung 
eine vortreffliche. 

Es ist hier nicht der Ort, auf die interessanten Einzelheiten 
näher einzugehen. Kein Zoolog, Anatom oder Ohrenarzt, welcher 
sich für das Gehörorgan der Säugethiere interessirt, wird die 
Arbeit Denket entbehren können. Scheibe*. 

Neueste Joumalliteratur. 

Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 12. 

H. J. Hamburger-Utrecht: Untersuchung des Harns 
mittels combinirter Anwendung von Gefrierpunkt- und Blut¬ 
körperchenmethode. 

Verfasser gibt eine genaue Beschreibung seiner Methode und 
erläutert ihren Werth an mehreren Beispielen. Die Bestimmung 
beruht auf dem von H. früher angegebenen Verfahren, um mittels 
rother Blutkörperchen den osmotischen Druck von Flüssigkeiten 
zu ermitteln. W. Z i u n - Berlin. 

Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 12. 

A. B. Tichonowitch: Zur Frage von der operativen 
Behandlung der Neuralgie des Nerv, trigeminus. (Aus dem 
Cabinette für operative Chirurgie und topographische Anatomie 
von Prof. A. J. Dudukalow- Charkow'.) 

T. gibt vom anatomischen Gesichtspunkte aus eine ver¬ 
gleichende Kritik der Resectionsverfahren des Ganglion Gasseri. 
die er 1) in temporale Methoden (Operation von Hartley- 
Krause, Modiflcation von C o e 1 h o) und 2) in sphenoidale (Ver¬ 
fahren nach Rose, Doyen, Poirier, Jakob, Qu&nu und 
S & b i 1 e a u) eintbeilt, von den Letzteren liegt bei dem einen Grund¬ 
verfahren (Rose) und dem temporobasalen Verfahren, bei dem 
auch provisor. Resection des Arcus zygomat. und Proc. coronoideiis 
ausgeführt wird, der Weg zum Ganglion G. zwischen den Muskeln 
in einem sehr gefässreiehen Gebiet, bei dem Verfahren von J a k o 1» 
(provisor. Resection des Arcus zygomat. nebst äusserer Hälfte des 
Jochbeins mit dem anliegenden Processus frontalisi und dem Ver¬ 
fahren von Quönu und Söbiieau (provisor.Resection desAmi> 
zygomat.) liegt der Weg zum Ganglion G. zwischen der Schädel¬ 
basis im Gebiet des Planum infratemporale und ihrem Periost 
(ausserhalb der Muskeln und Gefüsse). 

T. glaubt, dass die Verfahren von Hartley -Kraus** und 
C o e 1 b o (mit beschränktem Zutritt zum Ganglion) zur Verletzung 
des Gehirns nöthigen und Zerreissung der Art. meningea med. be¬ 
günstigen und deren Unterbindung erschweren, während di** 
sphenoidalen Methoden den Zutritt zum Ganglion erleichtern und 
einen geraden Weg zu demselben schaffen; auch die Verfahren 
von Rose, Doyen, Poirier seien schwierig, da sie zahlreich** 
provisor. Kuochenresectionen erfordern, die neben einander ver¬ 
laufenden Muskeln zu trennen nöthigen und damit Gefahr von 
Gefässverletzung bedingen, während das Verfahren von Q u e n u 
und Söbiieau deren günstige Seiten besitzt, d. h. weniger zu 
Gehirnverletzungen führt, ohne deren ungünstige Seiten zu haben. 

Bei dem Quönu-Söbilea u’schen Verfahren wird di** 
provisor. Resection des Proc. coron. durch eine einfache Oeft'nuu.^ 
des Mundes ersetzt, w r obei der Proc. coron. nach unten geht mul 
den Zutritt zur Schädelbasis ermöglicht und ausserdem ist dabei 
die Unterbindung des Stammes der Art. meningea med. leicht, 
so dass T. dieses Verfahren, das die Vortheile der temporalen und 
basalen Verfahren vereinigt, als das zweckmässigste bezeichnet 
werden kann wegen der relativ einfachen Technik und des gefahr¬ 
losen Weges zum Fora men ovale. Sehr. 

Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. XI. 

Heft 2 (Februar). 

1) J. Veit- Leiden: Ueber die Dystocie durch den Con- 
tractionsring. 

Das Vorspringen des Contractionsrlnges in die Gebärmutter¬ 
höhle ist eine Erscheinung, die nur während einer Wehe eint ritt 
und setzt einen Inhalt in der Uterushöhle voraus. Dass der Con- 
traetionsring ein Ilindemiss vor einem auszustossenden Thelle 
bildete, Ist von Veit nur bei Zurückhaltung des Fruchtkuchens 
beobachtet worden. Wenn angegeben wird, dass der Contractlons- 
ring das Tiefertreten des vorangehenden Kindstheiles verhindert 
habe, so fasst Veit derartige Fälle als mangelhafte Erweiterung 
des inneren Muttermundes bei vorzeitig gesprungener Fruchtblase 
und fehlender Wehenthätlgkeit auf. Der Contractionsring kann 

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3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


473 


ein Geburtshindernlss bilden, wenn Theile der Frucht (Kopf, 
Schultern) bereits durch ihn hindurch getreten sind. Auch hier ist 
der Contractionsring als Vorsprung nur während einer Wehe zu 
fühlen. 

Bildet der Contractionsring ein Hinderniss, so kommen zur Be¬ 
handlung nur ruhiges Abwarten und Narkotiea in Betracht. 

2) Ö. v. Herff-Halle a. S.: Kann die Stelle des Auftretens 
des Contractionsphänomens auf rein anatomischem Wege „ein¬ 
wandsfrei“ bestimmt werden ? 

Verfasser ist nach seinen Beobachtungen und Untersuchungen 
der Ansicht, dass die Stelle des Contractlonsringes durch ana¬ 
tomische Untersuchungen allein nicht bestimmt werden kann, son¬ 
dern nur dann als einwandsfrei und als voll bewiesen bewerthet 
werden kann, wenn eben diese Stelle zuvor unverrückbar am leben¬ 
den und thätigen Organ gekennzeichnet worden ist. 

3) W. L a n g li a n s - Jena: Heber den fibrinösen Placentar- 
polypen. 

Der Polyp entstammte einer an Typhus verstorbenen Kranken. 
Tn ihm fanden sich keine foetalen Bestandteile, wohl aber 
Deeiduazellen. Die Grundlage des Polypen entsprach wohl der 
ganzen Placentarstelle. Inmitten des Polypen fanden sich zahl¬ 
reiche knäuelförmig gewundene Arterien mit stark verdickter Ad- 
ventitia und gewucherter Intima. Die äusseren Schichten des 
Polypen waren offenbar die älteren, die inneren die jüngeren, so 
dass die Vergrösserung des Polypen jedenfalls auf Blutungen aus 
den Arterien in seiner Mitte zurückzuführen war. Verfasser 
nimmt an, dass die Entstehung derartiger Polypen vielleicht auf 
das Zurückbleiben von Arterienstücken, die für gewöhnlich mit 
der Placenta ausgestossen werden, an der Placentarstelle zurück¬ 
geführt werden könnte. (Es dürfte sich empfehlen, derartige 
Polypen als „fibrinöse“ zu bezeichnen, als „Placentarpolyneu“ aber 
solche zu bezeichnen, deren Kern ein Placentarrest bildet, auf 
welchen sich dann Fibrinniederschläge auflagern. Ref.) 

An dem ausgestossenen Ei konnten keine Typhusbacillen nach¬ 
gewiesen werden. 

4) H. K e n t m a n n - St. Petersburg: Tetanus puerperalis. 
Verfasser beobachtete einen Fall von Tetanus nach Abort im 

3. Monat. Am 7. Tage traten die ei-steu Erscheinungen auf und 
die Kranke erlag trotz Seruminjection am 3. Tage der Erkrankung. 

Verfasser hat aus der ihm zugänglichen Literatur seit dem 
Jahre 1885 44 Fälle von Tetanus puerperalis zusammengestellt. 
30 mal ging eine Geburt am regelrechten Ende der Schwanger¬ 
schaft voraus. Von 34 Fällen, in denen sich Angaben hierüber 
finden, hatte 20 mal ein Eingriff bei oder nach der Geburt statt¬ 
gefunden. Durchschnittlich traten die Krnnkheitsorsohoinungen 
am f). Tage auf, die längste Zeit betrug 19, die kürzeste 4 Tage. 
Verfasser berechnet aus den von ihm zusammengestellten Fällen 
eine Sterblichkeit von 92.4 Proc.. der Tod trat im Mittel nach 4 mal 
24 Stunden ein. frühestens nach 24 Stunden, die längste Dauer der 
Erkrankung betrug 18 Tage. 

Von 10 mit Serum behandelten Fällen genas nur einer, hier 
war die Erkrankung erst spät aufgetreten und verlief von vorne- 
berein mehr chronisch. Schwere Fälle von Tetanus puerperalis 
werden also von Serum oder Antitoxin nicht beeinflusst. 

5) A. L i m n e 1 - Helsingfors: lieber zwei Fälle von Fibro- 
sarkom in dem Ligamentum latum. 

Beide Fälle (35 und 51 jährige Frauen) waren als Geschwülste 
des Eierstocks vor der Operation angesehen worden. Die Ge¬ 
schwülste Hessen sich ohne besondere Schwierigkeiten aus dem 
Beckenbind egew ehe ausschäleu. Beide Frauen genasen und 
waren noch nach 4 und 3 Jahren gesund. 

Für beide Fälle wird angenommen, dass die Neubildung un¬ 
mittelbar vom Bindegewebe des Ligamentum latum ihren Ausgang 
genommen habe. 

0) R. v. Steinbüchel- Graz: Zur Verwendung des heissen 
Wasserdampfes in der Gynäkologie (Atmo- und Zestokausis). 

Verfasser berichtet über die Erfahrungen, die er an 72 Fällen 
sammeln konnte. 

Die Behandlung soll niemals bei entzündlicher Erkrankung der 
Gebärmutteranhänge vorgenommen werden. Sie kann die Aus¬ 
schabung der Gebärmutterschleimhaut nicht ersetzen, wohl aber 
ihre Wirkung unterstützen. Fast in der Hälfte der Fälle ging der 
Anwendung des Dampfes die Ausschabung voraus. 

Das Verfahren wurde mit gutem Erfolge ausgeführt bei Dvs- 
menorrhoe. Endometritis mit Blutungen, mit starkem Ausfluss, bei 
subacuter und chronischer Uterusgonorrhoe, bei Subinvolutio uteri, 
bei Myomen, die die Uterushöhle nicht unregelmässig gestalteten, 
bei Carcinomen. bei Blutungen nach Abortus, bei putrider Endo¬ 
metritis nach Abort. 

Bei septischer Endometritis waren die Erfolge befriedigend. 
Soll eine Verödung der Uterushöhle erreicht werden, so ist eine An¬ 
wendung des heissen Dampfes von 110—115° über 2 Minuten lang 
nothwendig. Der Dampf darf in anderen Fällen nur 7—10 Secunden 
in Anwendung kommen, der Erfolg ist dann zwar weniger sicher, 
aber die Bildung von Stenosen wird dadurch vermieden. 

A. Gessner - Erlangen. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 11 u. 12. 

Karl A. H e r z f e 1 d -Wien: Zur Decapitation mit dem Karl 
Brau n’schen Schlüsselhaken. 

Ibid., 1900, No. 12. 

Richard v. B r a u n - F er n w al d-Wien: Bedarf der Karl 
v. Brau n'sche Decapitationshaken einer VerbesserungP 

Beide Arbeiten vertheidigen den alten Brau n'sehen Schlüssel- 

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haken besonders gegen die Angriffe von F ii t h (cf. dieses Bl. 1900. 
No. 3, S. 90) und Zweifel. Dieselben sind zu kurzem Referat 
nicht geeignet. J a f f 6 - Hamburg. 

Jahrbuch für Kinderheilkunde. Band 51, Heft 3. 

12) Sasueliin: Die Rachitismilz. (Aus Prof. G u n - 
d o b i n’s Kinderklinik in Petersburg.) 

Bei der Rachitis finden sich constant mikroskopische, charak¬ 
teristische Veränderungen des Ge weites der Milz, oft schon im 
frühen Alter bei Brustkindern, von langer Dauer. Sie bestellen 
in Bindegewebswueherung. Verengerung des Linnens der Arterien. 
Atrophie der M a 1 p i g h i’sclien Körperchen, wie sie. übrigens bei 
Lues und Tuberculose von S t i 11 i n g nachgewiesen, nach 
v. Stare k durch complicirende Erkrankungen der Athmungs- und 
Verdauungsorgane bedingt werden. 

13) Seibert : Das Ichthyol in der Scharlachbehandlung. 
(Aus der New-York-Kinder-Poliklinik.) 

Empfehlung von alle 0 Stunden zu wiederholender Einreibung 
des ganzen Seharlaehpatienteu mit 30—90 g einer 10 proc. Ichthyol¬ 
salbe, die mindestens eine halbe Stunde jedesmal dauert. Auf 
diese Weise sollen die in den Wandungen der eapillaren Blut- uud 
Lymphgefässe eingenisteten Bacterien wirksam vernichtet werden. 
Die Scharlachangina wird bekämpft durch eine Jodcarboilösung 
von Tinct. JodI 2.0. Kal. jod. 1.0. Aqu. dest. 120. Acid. carbolic. 
gtts N, stündlich (!) einen Tlieelöffel, ausserdem durch Tilg lind 
Nacht alle 0 Stunden wiederholte Durchspülung des Mundes von 
beiden Nasenlöchern her mit einer 5 proc. Tehthyollfisung in 
grösseren Mengen bei einem Druck von 3 Fuss Wasserliöhe. In 
allen Fällen sträuben sich die Kinder und bei den Eltern bedarf 
es sehr energischen Auftretens, um diese Therapie zu erzwingen, 
(ln Deutschland wird letzteres von keinem Arzt versucht werden 
dürfen. Ref.) 

14) A. Epstein: Heber „faule Ecken“, d. i. geschwürige 
Mundwinkel bei Kindern. 

Sehr zeitgemüsse Mittheilung über das jedem Arzt bekannte, 
aber bisher namenlose Mundwinkelgesehwiir der Kinder, dessen 
Abhandlung in Mont i's Einzeldarstellungen vom Referenten be¬ 
reits in No. 22, Jahrgang 1898 dieser Woehenschnift vermisst 
wurde. Ausser der von E. empfohlenen Behandlung mit Salicyl- 
pflastermull möchte Referent warm das von Comb y empfohlene 
Betupfen mit Jodtinctur oder aber mit 1 proc. Argent. nitr.-Lösung 
empfehlen. 

15) R. F 1 s c h 1 : Heber chronisch recidivirende exsudative 
Anginen im Kindesalter. 

Referirt in No. 40, S. 1547. Jabrg. 1899. 

10) Goeppert: Heber Harnsäureausscheidung. (Aus der 
Universitäts-Kinderklinik in Breslau.) Fortsetzung folgt. 

17) Hecker: Neueres zur Pathologie der congenitalen 
Syphilis. (Aus dem Ambulatorium für Kinderkrankheiten „Mün- 
clien-Nord“.) 

Referirt in No. 40, S. 1549. .Talirg. 1899. 

18) Rille: Heber die Behandlung des Ekzems im Kindes¬ 
alter. 

Referat, erstattet in der Abtheilung für Kinderheilkunde auf 
der 71. Naturforscherversammlung in München am 19. September 
1899. Referirt in No. 44. S. 1477. 1899. 

Literaturbericht. — Besprechung. 

S i e g o r t - Strassburg. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 13. 

1) C. L. Schleich- Berlin: Localanaesthesie und Narkose. 
(Säknlnr- # \rtikel.) 

Die Forderung, die locale Anaestliesie auf ein möglichst grosses 
Gebiet aiiszudehnon, w r ird besonders auch dadurch gestützt, das« 
ca. 75 Proc. aller Chloroformtodesfülle bei den sog. „kleinen“ 
Operationen Vorkommen. Die Localanaesthesie führt auch die 
Möglichkeit herbei, viele Operationen schon w r eit früher nusführen 
zu können, als bei allgemeiner Narkose. Auch entzündete Theile 
können vom Gesunden aus gut infiltrirt werden. Die regionäre 
Anaesthesie (Oberst) ist nach Verfasser im Grunde nichts 
Anderes als eine Inültrntionsanaesthesie. die nur langsam eintritt 
und kann durch die S c li 1 e i c h’sclie Methode vollauf ersetzt 
werden. Erst aus dem Misslingen der localen Anaestliesie sollte 
die Indieation zur Allgemeinnarkose abgeleitet w r erden. Für 
letztere selbst sind die temperirten Siedegemisehe von Aetliyl- 
elilorid. Chloroform. A et her anzuwenden. 

2) L. Brleger - Berlin: Heber die diagnostische und thera¬ 
peutische Bedeutung der Tuberkelbacillen und anderen Bac¬ 
terien im Auswurf. 

B. empfiehlt, das Morgens durch Räuspern entleerte Sputum 
in einer Petri’schen Schale sammeln zu lassen und mehrmals 
durch Aufscliw'emmon von umgebendem Schleim zu reinigen. Die 
reine Localtuboronlose verläuft fast immer fieberfrei; Fieber wird 
meist durch Misehinfeotion bewirkt; das hektische Fieber mit 
Sehweissen ist meist durch Streptococcen bedingt. Zu wenig be¬ 
achtet ist. dass im tnhercnlösen Soutum auch Influenzabacillen 
Vorkommen. Die Influenzainfiltration kann unter dem Einfluss 
tubereulöser Herde in käsige Metamorphose übergehen. Wird im 
Sputum der Mikroooccus tetragenus gefunden, so ist die Prognose 
ouoad vitam trübe. B. hat beobachtet, dass die MIschinfeetion mit 
Pneumocoecen und Influenzabaeillen manchmal Monate lang ohne 
schwerere klinische Erscheinungen verläuft. Für die Prophvlaxe 
der Mischinfpot.ionon ist die Mundpflege von ausserordentlicher 
Bedeutung. Kreosot und Derivate hissen die Tuberkelbncillen 
ungestört, bessern aber in grossen Gaben das Allgemeinbefinden. 


Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



No. 14. 


MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT. 


Günstiges sali Verfasser auch von der Inhalation aroinallschor 
Gele, besonders des Pfeffermiuzöls. Das Verhalten der Nieien- 
secretion ist dabei zu controliren. 

3) M. Michaelis- Berlin: Ueber die diagnostische und 
prognostische Bedeutung der Diazoreaction bei Phthisikern. 

Diese Ueaction erscheint nie im Ham des Gesunden. So gut 
wie nie kommt sie vor bei Processen, welche mit acuten oder chro¬ 
nischen bacteriellen Tnfectionen nichts zu thun haben; ihr Vor¬ 
kommen bei Diphtherie und Pneumonie darf auf Complicationen 
gefasst macheu. Gewöhnlich tritt sie auf bei Typhus abdorn. 
und bei Masern. Bei Tuberculose zeigt die Ueaction speeiellcs Ver¬ 
halten. Länger dauernde Diazoreaction bei fieberlosen Kranken 
deutet meist auf Tuberculose. Die Diazoreaction erscheint fast 
ausnahmslos Ihm acuter käsiger Pneumonie und Miliartuberculose. 
Phthisen mit ausgesprochener Diazoreaction geben, wie Verfasser 
statistisch begründet, eine absolut, schlechte Prognose. Als Re¬ 
agens benutzt Verfasser das ursprüngliche, von Ehrlich em¬ 
pfohlene; die Anstellung der Reactlon ist im Original genau an¬ 
gegeben. Leichtem Fälle von Phthise zeigen selten Diazoreaction. 
Tritt die Reactlon im Harne von Phthisikern auf. so tritt meist in 
% .Talire der tödtliehe Ausgang ein. So starben von 111 Kranken 
mit zeitweiser oder dauernder Diazoreaction KO im Krankenhause. 
M. vertritt den Standpunkt. Phthisiker mit positiver Diazoreaction 
von der Aufnahme in Volksheilstätten auszusehliessen. 

4) E. P o n f i c k-Breslau: Die Entwicklung der Entzündungs¬ 
lehre im 19. Jahrhundert. fSSikulara rtikel.) 

Zu kurzem Referate nicht geeignet. P. fasst ln seinen 
Schlusssätzen die Entzündung auf als eine „Störung, welche, her¬ 
vorgerufen durch eine Erschütterung des Gewebsgloichgewiehts, 
eingeleitet mit einer Alteration der Gefässwandungen. besteht in 
einer Ausschwitzung flüssiger wie geformter Blutbestandtlieile und 
begleitet wird regelmässig von fonnativen, häufig zugleich von 
degenerativen Wandungen au den Zellen des Grundgewebes.“ 

5) N o e b e 1 - Zittau und L ö li n b e r g : Aetiologie und 
operative Radicalheilung der genuinen Ozaena. 

Die Verf., welche auch die Operationsmethoden in ihrem um¬ 
fänglichen Artikel eingehend besprechen, stehen auf dem Stand¬ 
punkte der „Herdtheorie“. Die meisten als Ozaena imponirenden 
Nasen ei terun gen beruhen darnach auf Erkrankungen der Keil- 
und Siebbeinhühleu . Hm rationelle Behandlung der Ozaena kann 
erst erwartet werden, wenn für den betreffenden Fall ihre primäre 
Ursache aufgedeckt ist. Da letztere meist, in Keil- oder Siebbein- 
hühlenempyem liegt, so ist die Therapie chirurgisch oder erfolglos. 

Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 12. 

1) Erich H a r n a c k - Hallo: Bemerkungen zum Entwurf 
der Pharmacopoea Germanica IV. 

Zu kurzem Referat nicht geeignet. 

2) Theodor Strupple r: Heber einen Fall von primärer 
isolirter Laesion des Sprachcentrums nach Trauma (Haemato- 
encephalie) und secundärer J a c k s o n’scher Bindenepilepsie 
mit Rückgang der Erscheinungen ohne Trepanation. 

Gasuistische Mittheilung aus der II. medioinischen Universitäts¬ 
klinik in München. 

3) Heinrich Gramer: Der Mekoniumpfropf des Neuge¬ 
borenen. (Aus der Universitäts-Frauenklinik zu Bonn.) 

Angaben über einen dem Mekonium vorliegenden und pfronfen- 
ähnlieh den After versclillessemlcnKörper finden sich schon bei So- 
ranus und Aristoteles. In der neueren Zeit ist diese Beobachtung 
in Vergessenheit gerathen und macht G. auf diesen in der Regel 
aus Schleim. Epithel und Detritus bestehenden Mekonpfropf auf¬ 
merksam. dessen Vorhandensein ein sicherer Beweis dafür ist. 
dass noch keine Mekoniumontleemng stnttgcfunden hat. Für 
forensische Zwecke ist dessen Befund nur als Wahrscheinlicb- 
keitsbeweis für das Lel»en des Kindes post partum verwendbar. 

4) Bruno L e i c k : Primäre Diphtherie der Vulva. 

Gasuistische Mittheilung aus der medlclnisclien Universitäts¬ 
klinik In Greifswald. 

5) A. Eulenb urg: Ueber die Wirkung und Anwendung 
hochgespannter Ströme von starker Wechselzahl. (d'Arsonval- 
Tesla-Ströme.) 

Vertrag und Demonstration im Verein für innere Medicin 
zu Berlin am 5. Februar 1000. Schluss folgt. Referat siebe diese 
Wochen sehr. No. 7. pag. 241 und No. 0. png. 300. 

C») N o c li t- Hamburg: Die Umgestaltung des Hamburger 
Seemannskrankenhauses zu einem Institut für Schiffs- und 
Tropenhygiene. F. L a c li e r - München. 

Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg. 
No. C>. 

S i d I e r - H u g u e n i n - Zürich: Ueber die Einwirkung der 
Sterilisationsverfahren auf Cocainlösungen und über die beste 
Methode, Cocain- und Atropinlösungen steril aufzubewahren. 
(Mittheilung ans der Universitäts-Augenklinik in Zürich.) 

Die unglcif'lmiässige Wirksamkeit der Gocainlösungen hängt, 
wie durch Versuche an 50 Patienten dargethan wird, nicht von ver¬ 
schiedenen Gocainsorten ab - - vorausgesetzt, dass nur Cocain von 
der besten Qualität verwendet Avird — sondern vielmehr A*on dem 
Storilisntionsverfahren: dabei zeigt sich, «lass die seliAvächeren 
Lösungen das Sterilisircn Aveniger gut ertragen, als die melirpro- 
centigen. Di« 1 bisherige Art der AufheAvahrung von sterilen Gooain- 
und Atropinlös urigen in den gebräuchlichen Tropfgläsern ist nicht 
"uverlässig. (Schluss folgt.) 

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S c h o 1 d e r - Lausanne: Der Arthromotor. 

Verfasser beschreibt eine von ihm constrnirte Maschine zur 
Behajidlung der Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungs¬ 
apparates, die für die verschiedenen Gelenke der Extremitäten 
soAvohl aetiv als passiv verwendet werden kann (im Gegensatz zu 
den bisherigen Apparaten, die fast durchwegs aetlve sind): die 
Construction des Apparates ermöglicht, sowohl die Ausgiebigkeit 
der Bewegungen, als deren Tempo genauesteus zu dosiren. Beilage 
von 12 Abbildungen. Hammelbacher. 

Dermatologie und Syphilis. 

W. S c li o 11 z (Arcli. f. Dermatol, u. Syph. 40, 1), theilt. Ver¬ 
such«* uud Beobachtungen als Beiträge zur Biologie des Gono- 
coccus mit, aus denen sich folgende Resultate ergeben: Die besten 
uiul zuverlässigsten Gonocoecennährböden bilden Gemische von 
serösen menschlichen Flüssigkeiten mit Agar resp. Bouillon. Auf 
Thiere Avirken die Gonoco«*c«'n nicht infectiös, wohl al>er toxisch, 
am besten bei intraperitonealor Iujection am Meerschweinchen. 
Abgetödteto Gonocnceen rufen in der menschlichen Urethra vor- 
tibergehende Eiterung hervor. Dasselbe ist aber auch bei Staphylo- 
coceen und P.voc.vmikmis der Fall. T T nter Umständen kann sich der 
Gonococcus auch Im BindegeAvebe ansiedeln und daselbst Entzün¬ 
dung und Eiterung, ja selbst echte Phlegmonen erzeugen. In nicht 
zu seltenen Fällen Avird er auch auf dem Wege der Blut- und 
Lymplibnhnen in entferntere Kürpergegenden verschleppt und führt 
zu Endo- und Myoearditis, sowie Metastasen ln den Gelenken. 
Sehnenscheiden und der Haut. 

L ö av e n b a e h (Ibid. 40. 1) hat einen j^ner seltenen Fälle be¬ 
obachtet. welche von Kaposi unter dem Namen Akne urticata 
beschrieben sind. Auf Grund der klinischen Beobachtung einer¬ 
seits, der mikroskopischen Untersuchung anderseits kommt er zn 
dem Schlüsse, «lass «lie bei Akne urticata auftretende Efflorescenz 
in ihrem Beginne der Urticaria, perstans, in ihrem weiteren Ver¬ 
lauf der Akne nekrotfea nahestehend sei: sie beginnt als Quaddel, 
verläuft mit Nekrose und endet als Narbe. Es wäre dieser Er¬ 
krankung also eine Mittelstellung zAvisehen Akne nekrotica und 
Urticaria chronica perstans anzuAA*eisen. 

A. Huber (ibid. 40. 1) beschreibt aus Rona’s Klinik einen 
interessanten Fall von universellem Ekzem, bol dem sich als Com- 
plication eine perifolliculäre pustulöse Dermatitis, und aus dem 
Zerfall solcher Pusteln liervorgehende Vegetationen ein¬ 
stellten. Avelclie Avahrseheinlieli durch Eitermikrol>en bei einem 
dazu prädisponirten Individuum (17 jähriges junges Mädchen) lier- 
vorgerufen waren. Prognose ist günstig, die Heilung erfolgte unter 
antiseptischer Thorapia localis. 

Auf Grund zweier histologisch genau untersuchter Fälle von 
Naevus sebaceus unterstützt B a n d 1 e r (ibid. 40, 1) die bereits 
früher von Ja d a s s o h n vertretene Ansicht, dass es Avirkliche, auf 
«•ongcnitaler Anlage beruhende Talgdrüsennaevi gibt. In B.’s 
Füllen handelt es sich mn Neubildungen, die von Talgdrüsen aus- 
gehen. und einer congenitalen Anlage ihre Entstehung verdanken: 
si«* sind streng halbseitig: die Neubildung ist scharf begrenzt und 
impnnirt schon änsseiiich als Naevus. Als wesentliches Moment 
der histologischen Beschaffenheit in beiden Fällen finden Avir die 
kolossal«* Ausbildung von Talgdrüsen normaler Strictur. In dieser 
Thatsnehe liegt das Avcsentlichc Moment zur Abgrenzung des 
Naevus so b a c e u s gegenüber der am häufigsten beschriebenen 
benigiHMi Neubildung der Talgdrüsen, dem A d e n o m a s e b a - 
<* e u m. t 

A 1 m k v i s t (ibid. 40. 2. 3) lM*richtet über einen Fall von durch 
Gonococcen verursachter Phlegmone. Fälle gonoriiioischer sub * 
cutaner Metastase sind bis jetzt nur in geringer Anzahl bekannt 
geAvorden. In dem vorliegenden Falle handelte es sich um eine 
mehr diffuse Phlegmone mit der Tendenz zur progrossWen Aus¬ 
breitung mittels Gängen in verschiedenen Richtungen . Durch dir* 
bncteriologisclio Untersuchung des Eiters Avurde der Nachweis 
der gonorrhoischen Natur dieser Phlegipone auf’s bestimmteste 
erbracht. 

Oa ss m a n n (ibid. 40. 2, 3) bringt die Beschreibung von 
Aveii ereil Fällen kleincircinärer Psoriasis nebst Bemerkungen zur 
Differentialdingnose dieser atypischen Formen. 

W inte r n i t z (ibid. 40. 2. 3) hat bei zwei Melkerinnen, 
«lie mit kranken Kühen zu thun hatten. Blaseneruption, Entziin- 
«lungen d«*s TTit(»rhautzelIgeAvebes und solide Geschwülstchen 
(Knotenbildungen) beobachtet, für Avelclie er einen wahrschein¬ 
lichen Zusammenhang mit einer Zoonose (Maul- und Klauen¬ 
seuche) vermutlich 

B e r n a r d (ibid. 40, 2. 3) hatte Gelegenheit aus der Abtei¬ 
lung von A. Elsenberg in Warschau z/wei Fälle A T on Sarcoma 
idiopathicum multiplex pigmentosum cutis (Kaposi) histo¬ 
logisch zu untersuchen. Die Untersuchungen sind desshalb bo- 
merkensAverth. Av«‘il sie an Knötclieneruptionen der allerfrübesten 
Stadien vorgonommen sind, und so vielleicht einen gewissen Rüek- 
schluss auf «li«' Genese dieser Tumoren, die In den angezogenen 
Fällen SpindelzollonKarkonu* Avaren. gestatten. Verfasser denkt an 
eine rhnmisehe liifcotionskrankhcit und an eine Entstehung der 
Spindelzellen ans dem P(*rithelium der Gefässe. Die Annahme des 
Verfassers, dass die in den Kreislauf des Blutes eindeingenden 
Bnci«*rien vor Allem ihren Halfepunkt in den vom Herzen ent¬ 
fernt <mi Stellen suchen, avo «lie Gireulationsbedingungen geAvöhnlich 
herabgesetzt sind, und dass in Folge «les liiedurcli hervorgerufenen 
Reizes die Wucherung des Perithels «1er Blutgefässe beginnt hat 
viel B«*steehendes. Leider fehlen uns noch die Beweise für das 
primäre Moment, «las mikroparasitäre Agens. 


Original from 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



3. April 1900. 


475 


MÜNCHENS MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT 


Einer Studie von Bettmann (ibid.) über eosinophile Zellen 
im gonorrhoischen Eiter, entnehmen wir die Thatsaclie, dass es 
dem Verfasser gelungen ist, auf experimentellem Wege durch In- 
jection von Cantharldin (4,0 : 10 000) in die Urethra von Individuen, 
welche an einer erstmaligen 8—10 Tage zurückliegenden Tripper- 
infection litten, und welche bisher nicht behandelt worden waren, 
eine ausgesprochene reichliche Eosinophilie im Eiter zu erzeugen, 
der sich vorher als frei von eosinophilen Zellen erwiesen hatte, 
oder doch solche nur in verschwindender Zahl enthielt. Von 14 
Versuchsfiilleu reagirten allerdings nur 0 in dieser Weise. Auch die 
vom Verfasser unternommenen Versuche einer Deutung dieses 
Phänomens und die sich daran anschliessenden Erwägungen thera¬ 
peutischer Natur sind, wie Verfasser selbst ohne Weiteres zuge¬ 
steht, noch zu sehr hypothetisch, als dass man daraus jetzt schon 
praktische Schlüsse zu ziehen in der Hage wäre. 

Wä 1 s c li (ibid.) beobachtete drei aus weichen Naevis hervor¬ 
gegangene bösartige Geschwülste. In den untersuchten Fällen 
hatte man es zu thuu mit epithelialen Geschwülsten, die sich ent¬ 
wickelten aus prüexistirenden Anlagen epithelialer Naitur, die dann 
in dem Aussehen und dem Aufbau der zeitigen Elemente voll¬ 
ständige Uebereinstimmung zeigten mit dem schon von Hause aus 
pathologischen Mutterboden. W. erblickt darin, wie uns scheint 
mit Hecht, einen Beweis für die Richtigkeit der <' o li n li e i m’sclien 
Theorie über die Entstehungsweise mancher Geschwülste. 

Rona (ibid.) hegt die Ueberzeugung, dass dem Frisch'- 
selien Kapselbacillus eiue aetiologiselie Bedeutung in der Patho¬ 
logie der Rhinoskleromkranklieit zukommt. Aus Ungarn 
stammen bis heute mindestens 21 Fälle sicheren Rhiuoskleroms. 
Ein in extenso mitgetheilter Fall eigener Beobachtung war von 
einer bedeutenden regionären Lymphdriisenschwellung begleitet, 
die mikroskoiüsclie Untersuchung dieser Bymphdrüseu zeigte einen 
subacut entzündlichen Process. Die aus den exstirpirten Drüsen 
mit aller Vorsicht entnommene Lymphe lieferte üppige Rliino- 
skierombacillenculturen. Cultinversuehe mit der Lymphe und dem 
Blute aus der gesunden Nachbarschaft des Khinoskleromgebietes 
verliefen steril. Die haematologische Untersuchung des Blutes 
und Autoinoculationsversuche gaben ein negatives Resultat. Vor¬ 
läufig ergibt sich daraus, dass die regionären Lymplidrüsenschwel- 
lungen zum specifischeu Process gehören, den Charakter der meta- 
statischen Erkrankung an sich tragen. Der bei Rhinosklerom 
schliesslich sich einstellende Marasmus dürfte nicht auf eine All- 
gemeininfection des Blutes, sondern auf mangelhafte Ernährung 
und Luftzufuhr zurückzuführen sein, doch sind weitere Unter¬ 
suchungen in dieser Richtung noch nothwendig. 

Joseph (ibid.) ist auf Grund histologischer Untersuchungen 
einschlägiger Fälle zu dem Schlüsse gelangt, dass zwischen dem 
wahren Keloid, dem Narbenkeloid und der hypertrophischen 
Narbe bedeutende Differenzen, bestehen. Den daran geknüpften 
therapeutischen Bemerkungen entnehmen wir, dass gelegentlich 
vorgenommene frühzeitige operative Eingriffe, aber auch Skari- 
ficationen, Elektrolyse und Massage gute Erfolge geben können, 
doch muss man sich vor Verallgemeinerungen hüten, wahrschein¬ 
lich ist die Herkunft des Keloids von Bedeutung für die Frage des 
Recidivirens. Das Aknekeloid ist jedenfalls, wie die Unter¬ 
suchungen von Leder mann und Kaposi erwiesen haben, 
streng von den hier besprochenen Keloiden zu trennen. 

Aus den Untersuchungen Kauf m a n n’s (ibid.) über die 
Aetiologie der Impetigo contagiosa ergibt sich, dass in allen Aus¬ 
strichpräparaten von Impetigo contagiosa-Blaseninhalt stets die¬ 
selben Mikroorganismen gefunden wurden. Die Impfung der 
künstlich gezüchteten Mikroorganismen auf Menschen hat bei 
Beobachtung aller Cautelen Blasen und Bläschen hervorgerufen, 
die denen der Impetigo contagiosa vollständig glichen. Die aus 
diesen Inoculationsblasen gewonnenen Mikroorganismen glichen 
makro- und mikroskopisch den aus echten Impetigo contagiosa- 
Blasen gezüchteten. Vergleichende Impfungen derselben Culturen 
auf verschiedene Personen ergaben eine verschiedene Empfänglich¬ 
keit und Verschiedenheiten bezüglich Grösse der entstandenen 
Blasen. Somit dürfte im Sinne der bekannten Forderungen Robert 
Koch’s der Erreger der Impetigo contagiosa gefunden und seine 
Reincultur erreicht sein. 

Kaposi (ibid.) beobachtete einen sehr interessanten Fall 
von Hyperidrosis spinalis superior (vielleicht auf Hydromyelie 
im unteren Hals- und oberen Brustmark beruhend), bei welchem 
die Hyperidrosis insbesondere durch Kültereize auslösbar war. Der 
Auslösungspunkt für den die Hyperidrosis veranlassenden Reiz 
scheint in diesem Falle in den vasomotorischen Centren des unteren 
Hals- und oberen Brustmarkes, vielleicht noch höher zu liegen. Für 
diese Annahme spricht die Beiderseitgkeit der Ilyperidrosiszoue 
und ihre Begrenzung vorwiegend auf das Ausbreitungsgebiet der 
aus dem Plexus cervicalis inferior, Plexus brachialis stammenden 
und den angrenzenden 3—5 thoracisclien Spinalnerven, wobei auch 
die theilweise Betheiligung des zugehörigen Trigeminusgebietes 
durch Betheiliguug der ihnen beigesellten Sympathicusfasern ver¬ 
ständlich ist. Dafür spricht auch die erwiesene reflectorische Er¬ 
regbarkeit der Hyperidrosis durch periphere Reize, und das Er¬ 
gebnis der ausführlich mitgetheilten Pilocarpin-Atropinversuche, 
die von Interessenten im Original einzusehen sind. 

Die Untersuchungen Adrian's (ibid.): „Zur Kenntniss des 
venerischen Bubo und des Buboneneiters“, beschäftigen sich mit 
der vielumstrittenen Frage der Häufigkeit sogen, virulenter Bu¬ 
bonen, und den daraus resultirenden bacteriologischen Problemen. 
Adrian, der in genannter Richtung ein grosses klinisches Mate¬ 
rial benützen konnte, kommt dabei zu folgenden Schlüssen: 1. Die 
im Gefolge von weichem Schanker auftretenden Vereiterungen von 
Inguinullymphdrüsen kämmen ausnahmslos zu Stande durch das 

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Eindringen des D u c r e y’schen Bacillus in die Lymphdrtisen. 
2. Derselbe findet sich bei genauerem Suchen im Eiter des frisch 
punctirten oder iucidirten, sich nachträglich als virulent oder aviru- 
lent herausstellenden Bubo fast ausnahmslos. 3. Im Eiter des viru¬ 
lenten sowohl wie des avirulenten Bubo finden sich neben typischen 
Streptobacilleu Formen von Bacterien, Coccen und Diplococccn 
von verschiedener Grösse, zum Theil intracellulär, über deren Her¬ 
kunft nichts Bestimmtes ausgesagt werden kann, die unter Um¬ 
stünden auf den gewöhnlichen Nährböden cultivirbar sind. 4. Diese 
Bacterien scheinen uns die Rolle einer accidentellen secuudüren 
Infection, vielleicht einer Miscliinfection zu spielen, jedenfalls ist 
ihre Anwesenheit ohne Einfluss auf den weiteren Verlauf des Bubo. 
5. Jeder Bubo nach Ulcus molle trägt schon durch das Eindringen 
des Streptobacillus in die Lymphgefüsse und Lymplidrüsen allein, 
den Keim des Virulentwerdens in sich. 0. Die Schwankungen der 
Temperatur in der Bubohöhle selbst, vor der Eröffnung derselben, 
sind in erster Linie maassgebend für den späteren klinischen Ver¬ 
lauf, i. e. für die spätere Virulenz oder Avirulenz desselben. 7. Der 
virulente Buboeiter, subcutan iujieirt, kann locale Entzündung und 
Eiterung liervorrufen, dabei aber seiner Virulenz verlustig gehen, 
ebenso wie die darin enthaltenen Streptobacilleu ihre Tinctions- 
fühigkeit einbiissen können. Der Entzündungsherd selbst kann der 
Resorption anheimfallen. Dasselbe gilt auch für avirulenten Bubo¬ 
eiter. 3. Die Inoculationsfäliigkeit des frisch entleerten Buboeiters 
ist selbst in den Fällen, die sich später als virulent herausstellen, 
nicht coustant. Es gelingt unter keinen Umständen, durch irgend 
welche Mittel (Kälte, Wärme, Punetion mit und ohne folgende 
Einspritzungen) mit Sicherheit einen vereiterten oder nicht ver¬ 
eiterten, aber schmerzhaften Bubo künstlich avirulent zu machen. 

Piciardi (Arc-h. f. Dermat. 50,1) berichtet über einen Fall von 
Syphiloderma haemorrhagicum adultorum, der jedenfalls zu den 
Seltenheiten gehört, während bei der hereditären Syphilis haemor- 
rhagisclie Exantheme relativ oft beobachtet werden. Dieses Haut¬ 
syphilid zeigt sich beim Erwachsenen vorwiegend an solchen 
Stellen, wo Circulationsstörungen prüexistiren und entsteht das¬ 
selbe auf dem Boden eines kleinzelligen Inflltrationsprocesses der 
Gefässe des Donna und Hypoderma, sei es durch Wanderung der 
Blutelemente durch die degenerirten Gefässwände, sei es durch Zer¬ 
reissen der schwer veränderten Capillaren. 

(Schluss folgt.) 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 12. 

1) R. Kretz-Wien: Ueber Lebercirrhose. 

Nachdem Verfasser sich mit der Bestimmung des Begriffs 
der Lebercirrhose befusst hat, erörtert er zur Entscheidung der 
Frage nach der Identificiruug der Lebergewebsgrauula mit den 
Leberaciuis zunächst die anatomischen Kriterien, welche die Er¬ 
kennung der Acini gestatten; dann beschreibt er das Structurbild 
der cirrhotischen Leber in mikroskopischer und makroskopischer 
Hinsicht sehr eingehend, worauf hier nicht eingegangen werden 
kann. Die Lebercirrhose kann nach K. weder ohne Weiteres den 
interstitiellen Entzündungsprocessen eingereiht, noch einfach als 
chronische Atrophie bezeichnet werden; sie ist ein herdweise 
localisirter, recidivirender, chronischer Degenerationsprocess mit 
eingeschobenen Regenerationen des Parenchyms. Bemerkenswerth 
ist die Anschauung des Verfassers, dass der Process der Leber¬ 
cirrhose durch Ausbleiben neuer Zellschüdigungeu in jedem 
Stadium zum Stillstand kommen kann. 

2) A. P i 1 c z - Wien: Ueber einige Ergebnisse von Blutdruck¬ 
messungen bei Geisteskranken. 

Die Untersuchungen sind mit dem G ä r t n e r’scheu Tono¬ 
meter angestellt, das recht zuverlässige Werthe liefert Paralytiker 
zeigten im Verlaufe ihrer Krankheit ein immer stärkeres Sinken 
des Blutdrucks. Dadurch wird auch ein Licht auf die Pathogenese 
des Decubitus bei Geisteskrankheiten geworfen. Mehrmals gelang 
es dem Verfasser, aus dem Tiefstände des Blutdrucks den baldigen 
Exitus Paralytischer richtig vorherzusagen. Das Gros der Para¬ 
lytiker zeigte Blutdruckzahlen von 100—110 Hg; ein Ansteigen 
des Blutdruckes Hess sich während der Remissionen beobachten. 
Bezüglich der an Hebephrenie leidenden Kranken kam P. zu keinem 
sicheren Resultat. Bei melancholischen Zuständen beobachtete er 
immer hohe Werthe. Wenn ein Angstparoxysmus eintrat, stieg der 
Blutdruck noch höher. Bei circulärem Irresein zeigten sich 
während der manischen Phase niedrige Drucke, während der 
melancholischen hohe. Mehrere Ivatatoniker zeigten normalen 
Blutdruck. Bei einem Epileptischen fand P. im Anfall hohen, 
nach dem Anfall verminderten Druck, mehrere Stunden später 
wieder Ansteigen des letzteren. Verfasser berichtet noch über die 
Resultate anderer Autoren. Dr. Grassmann - München. 

Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 9—11. 

M. M o h r - Ofen-Pest: Ueber die mit Influenza zusammen¬ 
hängenden Augenkrankheiten. 

Sammelreferat mit folgenden allgemeinen Ergebnissen: Die 
Influenza kann das ganze Auge mit Ausnahme des Linsensystems 
in Mitleidenschaft ziehen, tlieils durch Uebergreifen der katar¬ 
rhalischen Erscheinungen auf das Auge, theils muss eine Ansiede¬ 
lung der Bacillen im Auge vorgenommen werden, wenn auch solche 
bisher noch nicht nachgewiesen werden konnten. In letzterem 
Sinne sind zu deuten der Herpes corneae mit folgender Keratitis 
dentritica, Keratitis punctata, Entzündung der Teno n’schen 
Kapsel und des retrobulbären Bindegewebes, gewisse Formen von 
Iritis und Muskellähmungen. Der Verlauf . ist kein charakte- 

ungirai Tro , m 

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No. 14. 


476 MÜNCHENER MKDIClNISt IlK WOCHENSCHRIFT. 


ristlsclier, meist, abgesehen von einzelnen sch\vereil Fällen, mild 
und ohne dauernde Schädigungen. 

Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 12. 

E. Slalmer - Laibach: Die Behandlung der Spina bifida, 
mit besonderer Berücksichtigung der Heteroplastik. 

Nach einem historischen Rückblick beschreibt Verfasser zwei 
erfolgreich operirte Fälle, wo er sich zum Defectverschloss F r ä n - 
k e 1'scher Celluloidplatten liediente, welche auch glatt einheilten. 
Das idealere Verfahren ist immer, wo anwendbar, die Osteoplastik. 

Ibidem, No. 13. 

S. 1) o r f - Klein-Mob rau: Bemerkungen zu dem Artikel 
des Herrn Docenten Dr. Julius Schnitzler „Verletzung der 
Blasenschleimhaut durch Contusion der Unterbauchgegend“. 

Bezüglich des in dieser Wochenschr. 1!KX), pag. 370 referirten 
Falles tritt Verfasser im Gegensatz zu Schnitzler in längerer 
Begründung dafür ein, dass er nicht eine „Erkrankung während 
der Arbeit“, sondern einen wahren Betriebs u n fall darstelle. 

B e r g e a t - München. 

Amerikanische Literatur. 

(Schluss.) 

13) Reginald H. Fitz-Boston: Beobachtungen über den 
Abdominaltyphus. (Boston medical and surgical Journal, 23. No¬ 
vember 1890.) 

Vorliegende Arbeit bringt eine Analyse sämmtlicher seit 1821 
im Massachusetts General Hospital zur Beobachtung gekommenen 
Fälle von Unterleibstyphus. Interessant ist, dass die Mortalität in 
«Uesen 78 Jahren keine wesentlichen Schwankungen zeigt. Der 
Vortrag wurde im October 1800 in der New-York State Medical 
Association gehalten und möge der Kürze halber hier gleich über 
die beinerkenswertlieren übrigen Arbeiten, die dasselbe Thema be¬ 
handeln und in genannter Versammlung zur Discussion gelangten, 
berichtet werden. 

E. G. J a n e w a y - New-York (Medical News, 0. Dec. 1800) 
sprach über seltene C o m p 11 c a t i o n e n des Typhus, 
und erwähnt unter anderem 3 Fälle von Tetanie, ferner mehrere 
Fälle von Psychose, Ikterus und Purpura haemorrliagica. 

A. Alexander Smith- New-York (Ibidem) bringt eine kli¬ 
nische Studie über 87 Fälle aus dem Bellevue-Hospital mit beson¬ 
derer Berücksichtigung der D i ä t f r a g e. 

W. Osler- Baltimore (New-York medical Journ., 4. Nov. 1809) 
spricht über die Diagnose, Symptome und Differentialdiagnose des 
Typhus. 

A. Jacob! verbreitet sich über den Abdominaltyphus bei 
Kindern, W. K e e n - Philadelphia über die Behandlung der 
Darmperforation bei Typhus. (Journal of the American medical 
ussoclation, 11. Nov. 1899.) 

Als hierher gehörig sei endlich noch erwähnt der Aufsatz von 
Hermann M. B i g g s - New-York (Medical News, 11. Nov. 1899) 
„Die Fortschritte und der jetzige Stand unserer Kenntnisse 
über das Wesen des Typhus“. 

14) L. H. C o r i a t - Boston: Die Phenylhydrazinprobe auf 
Zucker im Ham. (Boston medical and surgical Journal, 23. No¬ 
vember 1899.) 

Die vergleichenden Versuche, welche C. mit der Phenylhydra- 
zinprobe anstellte, berechtigen zu dem Schlüsse, dass dieselbe eine 
äusserst empfindliche und absolut verlässige Reaction gibt. Eine 
vorhergehende Eiweissfällung ist nicht nötliig. Der krystalliuische 
Niederschlag der verschiedenen Zuckerarten ist für jede Form ein 
verschiedener und leicht differenzirbarer. Die normalen llarn- 
bestandtheile sowohl, wie diejenigen, welche bei Anwendung des 
Xylande rischen oder F e h 1 i n g’schen Reagens einen zweifel¬ 
haften Niederschlag ergeben, haben auf die genannte Probe 
keinerlei Einfluss. 

15) A. E. A u s ti n - Boston: Ueber den Nährwerth der Ei¬ 
weisspeptone. (Boston medical and surgical Journal, 30. Novem¬ 
ber 1899.) 

Das Resultat der an Hunden durch Fütterung mit Peptonen 
angesteilten Versuche lässt sich dahin zusammenfassen, dass 
Pepton allein zur Ernährung nicht ausreicht, dass aber durch Zusatz 
geringer Mengen von Kohlehydraten der Stickstoffverlust sehr be¬ 
schränkt wird. Pepton ist also unter gewissem Bedingungen im 
Stande, das Körpereiweiss zu ersetzen und den Eiweissansatz 
sogar zu vermehren. Eine Störung der Magendarmfunctionen wird 
durch dasselbe nicht bewirkt. 

10) Charles L. D a n a - New-York: Vertebrale Ankylose. 
(Medical News, 25. November 1899.) 

Interessante, mit verschiedenen Abbildungen versehene Ab¬ 
handlung über verschiedene Formen der Ankylose der Wirbelsäule, 
speciell der Bechtere w’schen Kyphose und der Mari e’schen 
„Spondylosis rhizomelica“ mit Beschreibung einiger neuer Fälle. 
Was speciell die letztere Form betrifft, so betrachtet sie I)., ent¬ 
gegen der Ansicht von C h a r c o t und Mari e, welche darin ein 
neues specifisclies Krankheitsbild erblicken, als eine Form der 
Arthritis deformans. 

17) II. Stuart MacLean - Rlehmond: Ueber den Werth der 
Blutuntersuchung in chirurgischen Fällen. (Medical News, 
2. December 1899.) 

Die Untersuchung des Blutes hat für manche chirurgische 
Fälle differeiitialdiagnostischen Werth, so z. B. bei Verdacht auf 
innere Blutung die mikroskopisch«* Untersuchung des Blu1«*s auf 
di«* Anzahl der rothen Blutkörporcluui und die Bestimmung des 
llacnmglobingehaltes. Insbesondere aber wird auf <lh* Bozi«*hiingeu 

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der Leukocytose zu Eiterungsprocessen aufmerksam gemacht, bei 
Abseediruugen innerer Organe, Appendicitis, Pyosalpinx und Osteo¬ 
myelitis. Das Fehlen derselben ist speciell von Werth bei Ver¬ 
dacht auf Tuberculose und zur Unterscheidung des Nervenschocks 
von dem Schock iu Folge von Blutverlust, wegen der eventuellen 
Indication zur Transfusion. 

18) R. C. Kemp- New-York: Ueber die Wirkung der ver¬ 
schiedenen Anaesthetica auf die Nieren. (New York medical 
Journal, 18. und 25. Nov., 2. Dec. 1899.) 

In dieser ausführlichen Arbeit berichtet K. über seine experi¬ 
mentellen Untersuchungen über die Wirkung und den Einfluss d«*r 
zur Zeit zur Narkotisirung und Anaesthesirung üblichen Mittel. 
Auf die Details kann hier wegen Raummangel nicht näher ein¬ 
gegangen werden. 

19) C. E. S k 1 n n e r-Richmond: Die therapeutische Wir¬ 
kung der trockenen Hitze. (New York medical Journal, 2. und 
9. December 1899.) 

Die Anwendung hoher Grade von trockener Hitze ist nach S. 
für eine grosse Anzahl von Leiden ein schmerzstillendes Mittel 
par excellcnc«* und wirkt sehr oft auch direct heilend, z. B. bei 
Rheumatismen, Verstauchungen, varicösen Geschwüren, septischen 
Entzündungen seröser Häute, auch bei Pneumonie kann sie manch¬ 
mal mit Erfolg angewendet werden. Ihre Hauptwirkung besteht 
in einer Reizung der Gewebe und Anregung der Circulation, Herab¬ 
setzung des Schmerzes und günstiger Beeinflussung der Herz- 
thätigkeit. 

20) Max Meyer: Mikrococcus intertriginis Bossbach. 
(New-York me«lical Journal, 10. December 1899.) 

M. beschreibt einen neuen, aeroben Mikrococcus, den er zu 
Ehren seines Lehrers den R o s s b a c Irischen Bacillus nennt, als 
specifisehen Erreger des Intertrigo. Derselbe ist mit wässerigen 
Anilinlösungen leicht färbbar, und wird durch G r a nrische Flüssig¬ 
keit tlieilweise entfärbt 

21) Charles F. C r a i g - Havana: Geiselformen jler Malaria¬ 
plasmodien. (New-York medical Journal, 23. Dec. 1899.) 

C. beobachtete auf Cuba und an Soldaten, welche von den 
Philippinen zurtickkamen, zwei neue Varietäten bei Tertian- und 
namentlich Aestivoautumnalflebern. Dieselben werden ausführ¬ 
lich beschrieben und durch Abbildungen illustrirt. 

22) B. S h e r w o o d - Du n n - Boston: Pruritus ani. (Journal 
of the American medical association, 11. Nov. 1899.) 

D. macht darauf aufmerksam, dass sieh in einer grossen An¬ 
zahl der Fälle von chronischem Pruritus ani als Krankheitsursache 
kleine oberflächliche Schleimhautulcera, welche ihren Sitz zwischen 
dem inneren und äusseren Sphiucter ani haben, naebweisen lassen. 
Durch Behandlung derselben nach der üblichen Methode ver¬ 
schwindet meist auch das lästige Jucken. 

23) A. R a v o g 1 i - Cincinnati: Ueber die Natur und Behand¬ 
lung der Hautcarcinome. (Journal of the American med. associat, 
18. Nov. 1899.) 

Bezüglich der Aetiologie erkennt R. der ständigen Reizein¬ 
einwirkung auf gewisse Hautpartien ein wesentliches ursächliches 
Moment zu. Syphilis scheint die Virulenz der Krebsinfeetion 
abzuschwächen, während andererseits die chronischen Hnutulcera- 
tionen derselben mit «lern allmählichen Abnehmen der syphilitischen 
Infection einen günstigen Boden für das Auftreten des Carcinoms 
schaffen. Die Therapie soll in der möglichst gründlichen und 
frühzeitigen Zerstörung des krebsigeu Gewebes bestehen und gibt 
nach R.’s Erfahrungen das Formalin hier die besten Resultate. Er 
wendet 4—10 proc. Formallnlösungen, später sogar das reine For¬ 
maldehyd au, und zwar In Form von Aotzpasten. Verschiedene 
Fälle werden beschrieben. 

24) John B. S h o b e r - Philadelphia: Anwendung des Brust- 
drüsenextractes in der Gynäkologie. (Philadelphia medical Journ., 
11. Nov. 1899.) 

Autor berichtet über die Resultate der Organotherapie im All¬ 
gemeinen und speciell der Anwendung des Mammaextractes bei 
Metro- und Menorrhagie, sowie bei Uterusfibroiden, und rühmt 
deren Erfolge. 9 Fülle eigener Beobachtung werden beschrieben. 
Für manche Fälle empfiehlt sich eine comblnirte Anwendung des 
Brustdrüsen- und Thyreoidealextractes. 

25) A. O. J. K e 11 y - Philadelphia: Zur Pathogenese der Ap¬ 
pendicitis. (Philadelphia med. Journ., 25. Nov. 1899.) 

Längere, umfassende Abhandlung über das Wesen und die Be¬ 
handlung der Wurmfortsatzerkraukungen, auf deren Details hier 
wegen Raummangel nicht näher eingegangen werden kann. 

26) W. T. H o w a r d - Cleveland: Trichlnosis. (Philadelphia 
med. Journ., 2. Dec. 1899.) 

Durch den hier beschriebenen Fall von Trichinose, ln welchem 
eosinophile Blutkörperchen und zwar in den befallenen Muskeln 
und der Mucosa des Magendarmcanals, nicht aber im cireulirenden 
Blute nachgewiesen werden konnten, wird die patbognomonische 
Bedeutung des Befundes von Eosinophilen Im Blute, wie sie erst 
jüngst von Brown und G w y n behauptet wurde, widerlegt. 

27) R. S. W o o d s o n : Die Behandlung der Lepra mittels 
des C a 1 m e 11 e’schen Serums. (Philadelphia med. Journal, 
25. Dec. 1899.) 

Interessante Mittheilung eines Falles von Lepra, welcher durch 
zweimonatliche Behandlung mit dem Calmette’schen Serum, 
47 Injectionen von insgesammt 500 ccm. wesentlich gebessert 
wurde, wie auch die der Abhandlung beigefügten Photographien 
deutlich ersehen lassen. Da die Behandlung aus anderweitigen 
Gründen sistirt werden musste, Ist der Mlttlieilung zwar keine 

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3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


477 


Beweiskraft zuzusprechen, Immerhin dürfte sie Anregung zur Fort¬ 
setzung dieser Versuche ergeben. 

28) William P. Munn - Denver: Treber die Abnahme der 
Diphtheriesterblichkeit seit Einführung des Heilserums. (Journal 
of the American med. association, 10. Dec. 1899.) 

Die von M. In Denver aufgestellte Statistik weist folgende 
ohne Commentar sprechende Daten auf: Herabsetzung der Mortali¬ 
tätsziffer der Diphtherie in den 4 Jahren seit Einführung des Heil¬ 
serums auf weniger als */», und zwar sind hier alle Fälle einge¬ 
rechnet ohne Rücksicht auf deren Behandlung. Hievon sind 007 
Fälle mit Heilserum behandelt, Mortalität ca. 5 Proe.; 570 Fälle 
nach anderen Methoden behandelt, Mortalität 18,6 Proe. 

Der Vortrag wurde gehalten in der Section für Hygiene auf 
dem vorjährigen Congress der American Medical Association zu 
Columbus-Ohio und wurde in der Discussion dieses Themas ein¬ 
stimmig der Werth der Serumbehandlung anerkannt. 

F. Lacher- München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität Kiel. Januar und Februar 1900. 

1. Sostmann Bernhard: Ein Fall von Durchbruch eines Leber- 
Echinococcus in die Bauchhöhle (1899). 

2. Dam manu Ludwig: Ein Fall von primärem Gallengangs¬ 
krebs der Leber. 

3. Meyer Erich: Ueber Evacuatlo bulbi. 

4. Naegele Otto: Ueber Zungensarkom mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung des Kindesalters. 

5. Richter Bruno: Beitrag zur Wirkung der subacuten Koch¬ 
salzinfusion bei Kindern mit Magendarmkatarrh (1899.) 

0. Hinz Gottfried: Experimente l-Untersuchungen zur Frage 
der Verwendbarkeit des Formaldehydgases zur Desinfection 
von Kleidungsstücken und von Wolinräumen. 

7. Meyer Richard: Neun Fälle von Blasentumoren. 

8. Simon Otto: Ein Fall von Aorteninsufticienz bei Tabes 
dorsalis. 

9. R i e m s c h n e I d e r Karl: Beitrag zur Kenntniss der Wir¬ 
kung des Strychnin. 

10. Jeddeloh Otto zu: Ueber knotige Tuberculose des Herzens. 

11. Oberwinter Hermann: Ueber einen seltenen Fall von 
Tremor. 

12. Luther Adolf: Ueber zwei Fälle von Nabelhemieu. 

Universistät Rostock. December 1899. 

21. v. Brunn Walter: Ein Beitrag zur Kenntniss von den ersten 
Resorptionsvorgängen. 

22. Cohen Friedrich: Beiträge zur Histologie und Histogenese 
der Myome des Uterus und des Magens. 

23. Doerfler Julius: Ueber Arteriennaht. 

Januar bis Februar 1900. 

1. M i 11 i e s Wilhelm: Beiträge zur Statistik der Ohren-, Nasen- 
und Kehlkopfkrankheiten auf Grund des in der Grossherzog¬ 
lichen Ohren- und Kehlkopfklinik zu Rostock vom 17. Nov. 
1894 bis 1. October 1899 beobachteten Materiales. 

2. "Wacker Helmuth: Ueber Coincidenz zweier acuter Infections- 
krankheiten bei demselben Individuum. 


Vereins- und Congressberichte. 

Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte. 

(Bericht des Vereins.) 

Y. Sitzung zu Köln am 3. December 1899. 

(Fortsetzung.) 

Discussion: Herr Schmithuisen berichtet über 
3 Fälle seiner Beobachtung. 

Ein 9 jähriger Junge hatte schon seit Jahren ein Griffelstück 
im Ohr. Er war aus einem Spitale entlassen worden mit der An¬ 
gabe, es wäre kein Griffel zu finden. Der Fall ereignete sich vor 
19 Jahren. Der ganze Gehörgang sass voller polypöser Massen. 
Nach Entfernung derselben fühlte man einen harten Gegenstand 
und konnte bei weiterer Freilegung einen Griffel erkennen. 

Er lag im Mittelohr quer hinter vorderer und hinterer Gehör¬ 
gangswand eingekeilt. Er hatte ein dünneres, etwas zugespitztes 
und ein dickeres Ende. Um seine Achse liess er sich drehen. Die 
Bemühungen, ihn mit starken zahnärztlichen Instrumenten zu holen 
oder eventuell zu brechen, waren vergeblich. Ich holte mir nun 
vom Zahnarzt einen Bohrer und bohrte an der dünneren Seite so 
weit, dass der Haken den Griffel durchbrach und die 2 Stücke 
gleichzeitig mit hervorkamen. 

Das Trommelfell heilte in kurzer Zeit zu und das Hörver¬ 
mögen wurde trotz der langen Anwesenheit des Fremdkörpers 
im Mittelohr sehr gut. 

Bei dem zweiten Falle handelte es sich um einen Johannis- 
brodkern, welcher einem Kinde in einem hiesigen Spitale bei Ex¬ 
tractionsversuchen durch das Trommelfell gerathen war. Ich 
wurde zugerufen und konnte noch die Spitze des Kernes ln der 
Trommelfellspalte erblicken. Es gelang mir, mit dem D a v 1 e i’- 
schen Löffel eines gerade anwesenden Augenarztes den Kern durch 
den Trommelfellschlitz herauszuholen. 

Vor zwei Jahren wurde ein sechsjähriges Mädchen aus einer 
benachbarten Stadt gebracht, bei dem im dortigen Spitale nach 

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Ablösung der Ohrmuschel Extractionsversuche eines in der Tiefe 
des Geliörganges befindlichen Maiskornes mit dem Erfolge gemacht 
waren, dass das Korn durch das Trommelfell gestossen wurde. 
Der Gehörgang war vorscbwollen. Die frischen Nähte lagen noch 
hinter dem Ohr. Alles schien durchaus aseptisch. Das Kind war 
wohl, ohne Schmerzen und ohne Fieber. Ich wartete einige Tage, 
der Gehörgang schwoll ab, aber es zeigten sich einige Granula¬ 
tionen rund um die Trommelfellöffnung. Sie wurden entfernt, 
daun sah ich durch die grosse Oeffnung das gelbe Maiskorn. Mit 
einem lö ff eiförmigen Instrumente kam ich dahinter und brachte 
es heraus. Es mussten bei der Nachbehandlung noch kleine 
granulöse Massen weggeätzt werden, dann folgte glatte Ver¬ 
heilung. 

Vor der Entlassung des Kindes bat mich die Mutter noch, 
»las andere Ohr zu untersuchen. Es fand sich ebenfalls ein Mais¬ 
korn vor dem Trommelfell. Es hatte gar keine Beschwerden ge¬ 
macht und wurde mit dem Häkchen lierausgeholt. 

Die drei Fälle beweisen, dass man auch ohne operative Frei¬ 
legung des Oavum tymp. Fremdkörper aus demselben entfernen 
kann. Man sollte desshalb unter günstigen Verhältnissen Immer 
erst diesen Versuch machen. 

Bezüglich der Fremdkörper im äusseren Gehörgang will ich 
noch bemerken, dass es mir möglich war, alle mit dem einfachen 
Wiener Häkchen oder auch durch Ausspritzen herauszuholen. 

Herr Reinhard- Duisburg berichtet über einen Fall, der 
Aehnlichkeit hat mit dem vorher erwähnten, und betrifft die Ent¬ 
fernung einer etwa 4 mm im Durchmesser fassenden kleinen Perle 
(Reinhard lässt dieselbe circuliren). die aus der Paukenhöhle 
eines 7 jährigen Knaben erst mich Ablösung der Ohrmuschel und 
Abmeisselung des medianen Tlieiles der hinteren und oberen knö¬ 
chernen Gehörgangswand erreicht werden konnte. 

Der Fall war folgender: 

Der 7 jährige Bernard H. hatte sich die oben erwähnte Perle 
Anfangs October 1899 in das linke Ohr eiugeführt Erst 3 Wochen 
danach, am 21. X.. kam derselbe in Begleitung der Eltern in 
Dr. Reinhard's Behandlung. Angeblich wurden von den El¬ 
tern und von einem Collegen Extractionsversuche vorher gemacht, 
jedoch alle ohne Erfolg. 

Der Befund war am 21. X. folgender: Der Gehörgang intact. 
der Fremdkörper sitzt mit dem uuteren Theile im Trommelfell 
eingekeilt, so dass jede Bewegung des Fremdkörpers trotz Spritzen 
und Anwendung des Z a u f a l’schen Hebels unmöglich ist. Es 
wird daher noch am selben Tage auf blutigem Wege der Fremd¬ 
körper entfernt. In Narkose wird unter strengster Asepsis die 
Concha abgelöst, die hintere Gehörgangswand durchtrennt und 
auch jetzt konnte erst durch Abmeisselung des medialen Theiles 
der hinteren und oberen knöchernen Gehörgangswand die Ex¬ 
traction der Perle folgen. Der Hammer blieb in situ. Das 
Trommelfell war in den beiden unteren Quadranten rupturirt. 

Es folgte der Operation eine leichte Mittelohreiterung, die 
jedoch bald sistirte, und Pat. konnte ganz geheilt entlassen werden, 

Reinhard betont hierbei die Wichtigkeit der Verhütung 
einer Narbeustenose des häutigen Gehörganges in der Nachbe¬ 
handlung. 

Herr Hopmann bringt den Fall nochmals zur Sprache, 
den er Frühjahr 1898 vorgestellt hat. Ein Johannisbrodkern. den 
eiu Schüler sich in den rechten Gehörgang gesteckt, war durch 
fehlerhafte Extractionsversuche fest in die Paukenhöhle eingekeilt 
worden, was, wahrscheinlich durch gleichzeitig erfolgte Verletzung 
des Labyrinths, eompleten rechtsseitigen Gehörverlust bewirkt 
hatte. Auch als nach Ablösung der Muschel und Heraushebung 
des knorpeligen Gehörgangs der Kern aus seiner Haft befreit 
werden konnte, stellte sich das Gehör nicht wieder ein und ist biß 
heute nicht wiedergekehrt, obschon die Heilung ohne wesentliche 
Stenosirungen erfolgt ist. 

Als unbedingte Indication zum operativen Einschreiten sieht 
H. entzündliche Erscheinungen des Gehörgangs oder Mittelohrs 
an, welche fast immer dann entstehen, wenn der Fremdkörper 
durch das Trommelfell hindurchgestossen ist. Fehlt jede entzünd¬ 
liche Erscheinung, dann ist es statthaft, abzuwarten; man kann 
dann wiederholt passende Ausspülungen versuchen, muss aber 
jedenfalls das Ohr von Zeit zu Zeit untersuchen. Da immerhin 
die Operation der Auslösung der knorpeligen Gehörgänge unge¬ 
fährlich ist, so ist sie auch ohne unmittelbare vitale Indication 
erlaubt. 

Herr Hirsch mann hebt ausdrücklich hervor, dass er die 
beschriebene Operation nur in den Fällen für indicirt halte, in 
denen der Fremdkörper bereits in die Paukenhöhle gelangt 
und aus den bereits näher erörterten Gründen |Ter vias na¬ 
turales nicht zu entfernen ist. 

Herr Hirschmann: b) TJeber Fremdkörper im Larynx. 

Die praktische Wichtigkeit des Gegenstandes mag entschul¬ 
digen, wenn Ich mir erlaube. Ihnen heute über einige Fremdkörper 
im Kehlkopf zu berichten, die ich in letzter Zeit zu entfernen Ge¬ 
legenheit hatte; denn diese Fälle gehören unstreitig zu den auf¬ 
regendsten Vorkommnissen In der Sprechstunde des Specialisten. 
Sind doch die beiden charakteristischen Symptome: die Athemnoth 
und die Behinderung der Sprache, die ja nach dem Sitz und der 
Grösse des Fremdkörpers mehr oder minder erheblich sind, ge¬ 
eignet, den Betroffenen In eine angstvolle Situation zu versetzen, 
aus der er nicht rasch genug befreit werden kann. Von diesem 
Gesichtspunkte aus dürfte meines Erachtens die Mittheilung dies¬ 
bezüglicher reichlicher Casulstik gerechtfertigt sein. 

Zunächst sei erwähnt ein 3 jähriges Kind, dem beim Essen 
von Suppe ein Knochen in die falsche Kehle gerathen war. Das 

Original fro-m 

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478 


MÜNCHENER MEDICINTSCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


Kind, welches mir von einem f'ollegen zugeschiokt wurde, war 
vollkommen stimmlos und litt an den Zeichen höchster Athemnoth, 
so dass mein erster Gedanke die Tracheotomie war. Von Ein¬ 
führung eines Spiegels war bei der Sachlage keine Rede; ich griff 
mit dem Finger in den Hals und fühlte dicht hinter der Epiglottis 
einen weichen Knochen. Da derselbe, der, wie Sie sehen, ein sieb¬ 
beinartiges Gefüge hat, sich mit seinen stellenweise scharfen Rän¬ 
dern in die Schleimhaut des Larynx eingepresst hatte, musste ich 
ihn mit der gekrümmten Fingerspitze förmlich herausgraben. 
Das Kind war noch einige Tage heiser, ist aber in kürzer Zeit wieder 
völlig hergestellt gewesen. 

Auffallend wenig Beschwerden hat im Gegensatz dazu diese 
Hasenrippe verursacht, die ich vor einigen Tagen einem alten Herrn 
aus dem Halse entfernte. Derselbe kam nach dem Mittagessen zu 
mir mit der Angabe, dass ihm beim hastigen Verspeisen von Hasen¬ 
pfeffer ein Knöchelchen in der Kehle stecken geblieben sei. Bei 
der Spiegeluntersuchung sah ich einen ziemlich breiten, glatten 
Knochen, der quer in frontaler Richtung im Kehlkopfeingang lag. 
Um so mehr erstaunt war ich, als ich mit der Zange diese ganze 
Hasenrippe, deren scharfes Ende sich in die seitliche Larynxwand 
eingebohrt hatte, herauszog. 

Als dritten Fall will Ich erwähnen eine Stecknadel, welche in 
der Hinterwand haftete. Einer Frau war beim Kuchenbacken 
eine Stecknadel aus dem Kleid in den Teig gefallen und unglück¬ 
licher Weise bekam sie gerade das Stück Kuchen, in dem die Nadel 
eingebacken war. Sie spürte sofort heftigen Schmerz und war 
seitdem am Sprechen recht behindert, während das Athmen relativ 
wenig gestört war. Ich wurde Nachts gerufen und sah die Nadel, 
welche sich mit ihrer Spitze tief in die hintere Wand eingebohrt 
hatte, so in den Innenraum des Kehlkopfes hineinragen, dass bei 
jeder Phonation die Stimmbänder mit dem zwischen ihnen liegenden 
Nadelkopf in Berührung kamen. Nach Cocainisirung gelang es 
mir mit der Zange, die Nadel erst durch einen kräftigen Zug nach 
unten aus ihrer Befestigung an der hinteren Wand und dann durch 
Zug nach oben in’s Freie zu befördern. 

Das meiste Interesse dürfte der letzte von mir mitzutheilende 
Fall beanspruchen: Einem Manne gelangte ein Fünfpfennigsttiek, 
das er zur Belustigung seines Kindes in den Mund steckte, beim 
Lachen während der Inspiration in den Kehlkopf. Als er mir kurz 
darauf zugeführt wurde, rang er mühsam nach Athem und war 
unfähig zu sprechen. Die Untersuchung, die dadurch, dass der 
Pat. In seiner Aufregung ein Brechmittel genommen hatte, recht 
erschwert war. ergab, dass das Geldstück in horizontaler Lage so 
zwischen den Stimmbändern eingekeilt war, dass die Fünfpfennig¬ 
seite nach oben lag. Nur ganz hinten in der Gegend des Aryknorpel 
war ein'winziger freier Spalt, durch den der Pat. die Luft ein- 
athmete. Unter diesen Umstünden war die Entfernung, auch 
nach wiederholter Cocaiueinspritzung. recht schwierig, zumal da 
Pat. fast beständig Würgbewegungen machte. Mit den gewöhn¬ 
lichen zur Entfernung von Fremdkörpern benutzten Instrumenten 
war selbstverständlich nicht beizukommen; nur mit Hilfe einer zu 
dem Zweck am Ende hakenförmig gebogener Sonde war es mir 
möglich, durch den erwähnten Spalt hinten unter das Geldstück zu 
gelangen, dasselbe um seine Frontalachse zu drehen und nach oben 
zu schieben. Indess, als ich glaubte, es vollkommen aus dem Be¬ 
reiche des Kehlkopfs herausbefördert zu haben, war dasselbe plötz¬ 
lich verschwunden. Pat. konnte indess sofort wieder sprechen und 
frei athmen; die unmittelbare Erstickungsgefahr war zwar beseitigt, 
aber der Fremdkörper befand sich jedenfalls noch im Körper. 
Zwei Möglichkeiten lagen vor: entweder hatte Pat. das Geldstück, 
als es über den Kehlkopfeingang hinausgehoben war. verschluckt 
und dann war ziemlich sicher anzunehmen, dass es dereinst nach 
Passage des Darmtractus ohne Schaden wieder zum Vorschein 
kommen werde; oder aber es war in die Trachea resp. in einen 
Bronchus gerutscht. Die letztere Möglichkeit war durchaus nicht 
von der Hand zu weisen, denn ein Fünfpfennigstück hat 38 mm 
Durchmesser und findet demnach in der Trachea, die beim Manne 
2—2.7 cm Breite im Durchmesser besitzt, bequem Platz und kann 
auch noch In den beiden Hanptbronchi Unterkunft finden, von 
denen bekanntlich der rechte wegen seiner Weite und 
seines gestreckten Verlaufes für das Hineingelangen von Fremd¬ 
körpern der geeignetere ist. Zu einem sicheren Resultate gelangte 
Ich jedoch nicht, denn sowohl die Spiegeluntersuchung der Trachea, 
soweit sie mit dem Laryngoskop möglich ist. als auch die Durch¬ 
leuchtung mit Röntgenstrnhlen hatte ein negatives Ergebniss. Da 
der Pat. jedoch bisher — es sind fast 5 Monate seit dem Ereigniss 
verflossen — von jeder Beschwerde frei geblieben ist, so dass er 
jede Frage nach seinem Befinden für überflüssig erachtet, lässt 
sich annehmen'; dass der Fremdkörper bereits längst auf dem 
langen, aber sicheren Wege des Darmcanals den Körper ver¬ 
lassen hat. (Schluss folgt.) 


(Berliner medicinische Gesellschaft siehe S. 481.) 

Naturhistorisch-Medicinischer Verein Heidelberg. 

(Medicinische Section.) 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 16. Januar 1900. 

1. Herr Hoffmann : Vorstellung eines Falles von heredi¬ 
tärer atactischer Paraplegie (combinirte Systemerkrankung des 
Rückenmarks; cerebellare hereditäre Ataxie?) 


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2. Herr Ernst: Ungewöhnliche Verbreitung einer Knorpel¬ 
geschwulst in der Blutbahn. (Enchondrom der Wirbelsäule, Ein¬ 
bruch in die Venen, Ausfüllung der Vena cava, der Venae renales, 
suprarenales, phrenicae, spermatlca sin. Transport und Fort¬ 
wucherung des Geschwulstgewebes in dem Stamm und den Ver¬ 
zweigungen der Pulmonalarterie, ohne Lungenmetastasen.) 

Sitzung vom 30. Januar 1900. 

1. Herr Bruno: Vorstellung eines Falles von progressiver 
Muskelatrophie ohne Entartungsreactlon und fibrilläre Zuckungen. 

Der Fall betrifft einen 29 jährigen Patienten, welcher erblich 
nicht belastet ist, früher stets gesund war und seit 2 Jahren er¬ 
krankt Ist. Als ursächliches Moment kommt schwere Muskelarbeit 
in Betracht, welche vorzugsweise im Tragen schwerer Lasten berg¬ 
auf bestand. Die Erkrankung beschränkt sich auf die Musculatur 
des Schultergürtels, Beckengürtels und des Rumpfes. Die Mus¬ 
culatur dieser Theile ist hochgradig atrophisch und zwar sind fol¬ 
gende Muskeln von der Atrophie ergriffen: Pectoralis major. 
miuor, M. Latissimus dorsi, Rhomboidei, Serratus anticus major. 
Trapezius, ferner die langen Rückenmuskeln, Sacrolumbalis, 
Longissimus dorsi, die Bauchmuskeln, die Glutaei. Auffallend ist 
die Betheiligung eines Theiles des M. deltoideus, sowie der elavicu- 
laren Portion des M. sternocleidomastoideus. An den Ober- und 
Vorderarmen Ist die Musculatur völlig normal, auch die Hand¬ 
muskeln. Ebenso verschont von der Atrophie ist die Musculatur 
der unteren Extremitäten. Der Atrophie der Muskeln entspricht 
die hochgradige Functionsstörung. Es besteht das Symptom der 
losen Schultern. Fibrilläre Zuckungen sind nicht vorhanden.. Ent- 
artungsreaction ist nicht nachzuweisen. Sensibilitätsstörungen 
fehlen. Bulbäre oder sonstige Hirnnervenerscheinungen nicht vor¬ 
handen. Blasen-, Mastdarm-, Geschlechtsfunction normal. Innere 
Organe ohne pathologischen Befund. Urin frei. 

Der Symptomencomplex entspricht trotz einiger kleiner Ab¬ 
weichungen der von Erb beschriebenen myopathischen Form der 
progressiven Muskelatrophie. Von der spinalen progressiven Amyo- 
trophie. der Syringomyelie, der amyotrophischen Lateralsklerose, 
der neurotischen Muskelatrophie ist die Erkrankung leicht ab¬ 
zugrenzen. Von den verschiedenen Formen der Dystrophie handelt 
es sich hier um die juvenile. 

2. Herr Jordan: Ueber die osteoplastische Fussresection 
nach Mikulicz. 

3. Herr Petersen: Ueber Epithel Veränderungen durch 
Temperatureinflüsse (zur Theorie der Riesenzellen). 

Sitzung vom 13. Februar 1900. 

Herr K n a u f f: Ueber die Pest. 


Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln. 

(Bericht des Vereins.) 

Sitzung vom 16. October 1899. 

Vorsitzender: Herr Leichtenstern. 

Schriftführer: Herr Dreesmann. 

1. Herr Hirsch: Erzielung tragfähiger Stümpfe durch 
Nachbehandlung. Mit Vorstellung von Amputirten aus dem 
Bürgerhospital. 

Das Problem der Gewinnung tragfähiger Diaphysenstümpfe 
ist früher immer nur durch Verwendung einer besonderen 
Operationstechnik zu lösen versucht, worden. Die Versuche mit be¬ 
sonders widerstandsfähigen Weiehtheillappen und die mit Periost- 
weichtheillapppen sind alle erfolglos gewesen; erst die B i er’sche 
osteoplastische Methode hat tragfähige Diaphysenstümpfe ge¬ 
schaffen. 

Bei den vorge^tellten Fällen handelt es sich um Amputirte 
(zwei Unterschenkelamputationen, eine Unterarmamputation), 
deren Knochen im Bereich der Diapliyse glatt durchgesägt und 
hernach mit einfachen Hautlappen bedeckt worden sind. 

Nach Pleilung der Amputationswunde verblieben die XJnter- 
schenkelamputirten zunächst noch weiter im Bett mit hocli- 
gplagertem Stumpf; letzterer wurde täglich 2mal massirt. Der 
Patient hatte periodische Tretübungen gegen eine Holzkiste aus¬ 
zuführen und hiernach — wie auch nach dem Massiren — jedes¬ 
mal energische Freiübungen mit dem verstümmelten Gliede ans- 
zuführen. Später machte der Patient Stehübungen auf weicher 
und auf harter Unterlage. So wurden, durch Nachbehandlung, 
die gewöhnlichen Diaphysenstümpfe im Lauf weniger Woehen 
schmerzfrei und tragfähig. 

Der Vortrag ist ausführlich veröffentlicht; Deutsch, med. 
Wochensohr. 1899, No. 47. 

Die Anfrage des Herrn Craraer, warum die Stümpfe nicht 
spitz werden, beantwortet Herr Hirsch mit dem Hinweis auf 
die Belastung. 

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3, April 1900. 


479 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2. Herr Keller: Ueber die Ergebnisse der neueren Unter¬ 
suchungen über Hörreste bei Taubstummen, sowie die hierauf 
begründete Reform des Taubstummenunterrichts. 

Der Vortragende führte, in Kürze berichtet. Folgendes aus: 
So lange überhaupt ein Taubstummenunterricht besteht, ist die 
Thatsache bekannt, dass bei einer nicht unbedeutenden Schüler¬ 
zahl noch merkliche Hörreste bestehen; dieselben wissenschaft¬ 
lich festzustellen, fehlte es bisher an einer Methode; erst Be- 
z o 1 d - München ist dies durch die Verwendung seiner conti- 
nuirlichen Tonreihe gelungen, welche die gesummte vom mensch¬ 
lichen Ohr normaler Weise gehörte Tonscala von der Subcontra- 
octave an 11 Octaven aufwärts umfasst, und zwar durchweg in 
der Aufeinanderfolge von halben Tönen, welche von genügender 
Stärke und obertönefrei sind. Unter den 156 Gehörorganen der 
78 Zöglinge der Münchener Taubstummenanstalt fand B. (1895) 
an der Hand dieser Untersuchungsw’eise nicht weniger als 108, 
bei welchen mehr oder weniger umfangreiche Hörreste bestanden. 
Vortragender bespricht sodann die von B e z o 1 d gewählte Classi- 
ficirung der Befunde und die in spracliphysiologischer Hinsicht 
interessante Beobachtung, dass in allen Fällen von, wenn auch 
nur in geringem Maasse, erhaltenem Vocal- resp. Wortverständ- 
niss sich ausnahmslos die Hörstrecke von b‘—g“ erhalten zeigte; 
fehlte dieselbe oder war die Hördauer der Töne eine zu geringe, 
so fehlte stets auch jegliches Sprachverständniss. Ferner wurde 
die interessante Beobachtung B e z o 1 d*s angeführt, dass in den 
Fällen von erhaltenem Vocalverständniss die durch II e 1 m - 
h o 11 z bezw. Hermann bekannten Eigen töne der Vocale sich 
fast ausnahmslos unter den Hörresten des betreffenden Gehör¬ 
organs befanden. Unter den verschiedenen von Bezold auf¬ 
gestellten Gruppen interessirt besonders eine dadurch, dass trotz 
bedeutender Hörreste, die zum Theil fast die normale Scala 
darstellten, und trotz fast die Norm erreichender Hördauer, spe- 
ciell im Gebiete der oben charakterisirten Strecke b‘—g“, dem 
zu Folge wiederholt sämratliche Vocale und Zahlworte nach¬ 
gesprochen wurden, die betreffenden Individuen dennoch nicht 
die Sprache vom Ohr aus hatten erlernen können. Bezold 
glaubt auf Grund von Untersuchungen über .Gleichgewichts¬ 
störungen, anamnestischen Daten und örtlichen Ohrbefunden für 
diese Fälle eine Labyrintherkrankung ausschliessen zu dürfen, 
neigt vielmehr der Annahme zu, dass es sich hier weniger um 
periphere Hörstörungen, als vielmehr um centrale Sprach¬ 
störungen handeln müsse. Da aber der später eingeleitete Sprach¬ 
unterricht vom Ohr aus auch bei diesen Fällen sehr befriedigende 
Resultate aufweisen konnte, wird eine weitere Beobachtung und 
Prüfung zur Klärung der Frage erforderlich sein. Wenn auch 
bisher schon die Gehörresto im Taubstummenunterricht von den 
Lehrern beachtet und verwerthet worden sind, so geschah dies 
gleichwohl nicht in der methodischen, zielbewussten Weise, wie 
solche neuerdings von Bezold auf Grund obiger Unter¬ 
suchungen, denen zu Folge mehr als 20 Proc. der Schüler Sprach¬ 
verständniss aufwiesen, als eine unabweisliche Forderung für den 
Taubstummenunterricht aufgestellt und von ohrenärztlicher Seite 
nicht nur, sondern auch von einer Reihe von Taubstummen¬ 
lehrern als berechtigt anerkannt worden ist. Von principieller 
Bedeutung ist dabei die Auffassung B e z o 1 d’s, dass der Sprach¬ 
unterricht vom Ohr aus nicht etwa eine Hörverbesserung, eine 
Vergrösserung der bestehenden Hörreste bezweckt, sondern ledig¬ 
lich eine bessere Verwerthung dieser Hörreste durch den Taub¬ 
stummen erzielen soll; desshalb wählt Bezold auch statt des 
Namens „Hörübungen“ die Bezeichnung „Sprachergänzungs- 
unterricht“ für seine Methode. Die Durchführung der letzteren, 
welche den bisherigen Unterricht mittels des Gesichts und Ge¬ 
fühls in keiner Weise beschränken will, verlangt Trennung der 
zum Unterricht vom Ohr aus geeigneten Schüler von den total 
Tauben, sowie Vermehrung der Lehrkräfte; zudem bedarf es der 
thätigen Mithilfe von specicll mit der Untersuchung Taub¬ 
stummer mittels der continuirlichen Tonreihe vertrauter Ohren¬ 
ärzte behufs Auswahl der passenden Schüler. Hierzu ist aber 
fortdauernde staatliche peeuniäre Unterstützung unerlässlich, 
von deren Bewilligung es in erster Linie abhängen wird, ob die 
angeregte Reform lebensfähig sein wird. Die bisherigen Er¬ 
folge ermuntern zu weiterer energischer Anregung seitens der 
dazu berufenen Kreise. 


Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Ofticielles Protokoll.) 

Sitzung vom 20. Februar 1900. 

Vorsitzender: Herr Curschmann. 

Schriftführer: Herr Braun. 

Herr Buchbinder beschliesst seinen in der letzten 
Sitzung begonnenen Vortrag: Experimentelle Untersuchungen 
am lebenden Thier- und Menschendarm, zugleich ein Beitrag 
zur Physiologie, Pathologie und Bacteriologie des Darmes. 

Die Ergebnisse der bacteriologischen Bruchwasserunter¬ 
suchungen haben eine wesentliche Stütze für die Annahme der 
leichten Durchlässigkeit der Darmschleimhaut für Mikroorganis¬ 
men gebildet, obwohl sie als einwandsfrei nicht gelten können. 
Da auf dem bisher nicht üblichen Wege der experimentellen 
Untersuchung eine Anzahl von Fehlerquellen nicht ausschaltbar 
waren, auch die bactericiden Eigenschaften des angesammelten 
Bruchwassers zu wenig berücksichtigt waren, versuchte B. dio 
Frage in der Weise einwandsfrei zur Erledigung zu bringen, dass 
er zunächst eine Methode ausarbeitete, die es ermöglichte, den 
Darmtractus ausserhalb der Bauchhöhle unter normalen Verhält¬ 
nissen der directen Beobachtung und experimentellen und bac¬ 
teriologischen Untersuchungen zugänglich zu machen. Er lagert 
die Darmschlingen in einem 38° C. messenden, durch Ueber- 
hitzung möglichst wasserarm mid durchsichtig gemachten Dampf¬ 
spray. Dadurch war es möglich, künstliche Incarcerationen am 
Thierdarm ausserhalb der Bauchhöhle anzulegen, die Ausbildung 
der Circulationsstörungen beliebig lange zu beobachten und das 
Transsudat gleich nach dem Erscheinen auf der Serosa zwecks 
bacteriologischer Untersuchung abzunehmen. Durch verschieden 
starke Abklemmungen von Dünndarmschlingen werden alle 
Stadien der Einklemmung Iberbeigeführt. Bei der Abnahme und 
Untersuchung wurde das Kruse ’sche Tuschpinsel verfahren 
angewandt und die Durchwanderung bestimmter, dem Darm¬ 
lumen auf verschiedenen aber sicheren Wegen einverleibter 
Keime beobachtet. Auf einwandsfreie Weise konnte dargethan 
werden, dass die Darmwand nur im Zustand ausgebildeter Gan- 
graen für pathogene Keime durcldässig wurde. 

Bei der Beweisführung, dass diese Methode der extraabdomi¬ 
nalen Untersuchung des Darmtractus eine Beobachtung des¬ 
selben unter normalen Verhältnissen gestattet, wird die Prüfung 
der functionellen Eigenschaften der Damimusculatur und die 
Wirkungsweise künstlich auf die Serosafläche applicirter Reize, 
besonders des elektrischen, erläutert. Die vom Thierdann ge¬ 
wonnenen Erfahrungen bildeten die Veranlassung, eine Prüfung 
der elektrischen Erregbarkeit der Damimusculatur auch am 
Menschen vorzunehmen, und führten zu der Erkenntniss der für 
den Menschendarm geltenden Gesetze. Es wurde erwiesen, dass 
das Pflüge r’sche Gesetz der polaren Erregbarkeit der quer¬ 
gestreiften Musculatur für die glatte Musculatur nicht gilt, und 
dass auch am Menschendarm ein Unterschied in den physio¬ 
logischen Eigenschaften zwischen der Ring- und Längsmusculatur 
besteht. 

Die typische und charakteristische Reactionsart des Darmes 
auf faradische Reize bildete zugleich ein einfaches Mittel, an der 
offenen Bauchhöhle des Menschen die Richtung des Darmes ohne 
Weiteres erkennen zu können. 

Bei der extraabdominalen Beobachtung künstlicher Incar¬ 
cerationen am Thierdarm konnten zugleich Betrachtungen über 
die functioneilen Störungen der abgeklemmten Darmschlinge, 
über den Eintritt von Darmlähmung und vor Allem über die 
Rückkehr der Functions- und Reactionsfähigkeit nach der Lö¬ 
sung der Einklemmung angestellt werden. Es ergab sich, dass 
alle Darmstücke, die innerhalb der ersten halben Stunde ihre 
functioneilen Eigenschaften wieder erlangten, sich lebensfähig 
erwiesen, anderenfalls der Gangraen anheim fielen. Damit war 
ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt für die Beurtheilung der 
Lebensfähigkeit der gelösten Darmschlinge gefunden. 

An 3 eingeklemmten Leistenbrüchen liess sich am Menschen 
analog die Rückkehr der normalen Reactionsfähigkeit der Darrn- 
inusculatur innerhalb der ersten 10 Minuten constatiren. 

Die extraabdominale Beobachtung künstlicher Incarcera¬ 
tionen ermöglichte weiterhin ein genaues Studium des Mechanis¬ 
mus der Brucheinklemmung. Es konnte gezeigt werden, dass die 
Theorien von Roser, Busch und Lossen auf den lebenden 


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480 


MÜNCHENER M EDI CIN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Darm nicht anwendbar waren, und wie eine Kothstauung, Koth- 
einklemmung und eine elastische Einklemmung vor sich geht. 

Herr Paessler demonstrirt einen Kranken, dem früher 
wegen eines Empyems eine sehr ausgedehnte Resection der 
linken Thor&xseite gemacht worden ist. Die Herzthiitigkeit 
kann daher direct beobachtet werden. 

Herr Müller demonstrirt ein 0 jähriges Kind mit Rachitis 
und abnormer Knochenbrüchigkeit. 

Herr Curschmann zeigt der Gesellschaft das im Jakobs- 
hospital neu eingerichtete Institut für Hydrotherapie und ver¬ 
wandte Methoden. 


Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg. 

(Ofücielles Protokoll.) 

Sitzung vom 25. Januar 1900. 

Vorsi tzender: Herr S e n d 1 e r. 

Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Siedentopf 
2 wegen Erkrankungen des Corpus entfernte Uteri, in denen eine 
beginnende maligne Erkrankung durch Dilatation, Austastung und 
Entnahme eines Stückes des erkrankten Gewebes mittels Curette 
festgestellt wurde. Im ersten Falle handelte es sich um eine 
dl jährige Patientin, bei der seit einiger Zeit gelblicher Ausfluss 
bestand, der zuletzt einen starken Geruch angenommen hatte. Der 
Uterus war etwas vergrössert, sonst waren bei der Untersuchung 
keine Veränderungen zu fühlen. Nach der Dilatation fühlte man 
auf der Innenfläche der Uterushöhle mehrere Knoten, von denen 
einer an der vorderen Wand der Gebärmutter völlig erweicht war. 
Es handelte sich um submucös entwickelte Myome und der er¬ 
weichte Knoten zeigte eine sarkomatöse Degeneration. Der Uterus 
wurde vaginal entfernt. 

Im 2. Falle handelte es sich um ein die halbe Uteruswand 
durchsetzendes Carcinom bei einer 45 jährigen Virgo. Bei dieser 
Patientin wurde die vaginale Operation trotz ausgedehnter Söhei- 
dcndammincision durch die Enge und Rigidität der Vagina sehr er¬ 
schwert. 

Ein 3. Präparat ist ein cystisch entartetes Myom. Das Myom 
war von der linken Seitenkante des Uterus ausgegangen, hatte das 
Ligament, latum und das Mesosigma entfaltet, den Uterus nach 
oben, rechts und vom verdrängt und den ganzen Beckenboden aus¬ 
gefüllt. Der obere Theil des Myoms war cystisch degenerirt, ragte 
bis zum Sternum und hatte den Leib ad maximum ausgedehnt. 
Erst starke Oedeme der Beine hatten die Kranke veranlasst, zum 
Arzte zu gehen. Der Tumor hatte etwa die doppelte Grösse eines 
graviden Uterus ain Ende der Schwangerschaft. Seine Entwick¬ 
lung war nach Entleerung des flüssigen Inhaltes recht schwierig 
und die Blutung aus dem Boden des Geschwulstbettes Anfangs 
reichlich. Dieselbe licss sich durch Etagennähte des Ligarn. lat. 
und des Mesosigma stillen. Der Stiel des Myoms nach dem Uterus 
zu war atrophirt. 

Ein 4. Präparat stellt ein maunskopfgrosses Rundzellensarkom 
des rechten Ovariums vor, gleichfalls mit cystischer Degeneration. 
Sarkome des Ovariums sind seltene Tumoren, besonders aber 
Rundzellensarkome, meistens findet man Spindelzellensarkome, 
deren Consistenz ziemlich fest ist und deren Grösse selten die einer 
Faust überschreitet. Der demonstrirte Tumor war stielgedreht 
und lag links vom Uterus. Er füllte das kleine Becken vollkommen 
aus und erstreckte sich nach oben bis zur Nabelhöhe. 

Das letzte Präparat ist eine kindskopfgrosse Dermoidcyste, 
die von S. wegen der Geburtsstörungen, welche sie verursacht hat, 
demonstrirt wird. S. wurde zu der Geburt zugezogen, weil trotz 
stundenlanger kräftiger Wehenthätigkeit bei einer Erstgebärenden 
der Kopf über dem Becken stehen blieb und das Becken durch eine 
Geschwulst verengt sei. Er fand den Kopf über der Symphyse, 
den Muttermund am oberen Hympliysenrande, die hintere Scheiden¬ 
wand stark vorgewölbt und das Becken von einer glattwandigen 
eystischen Geschwulst ausgefüllt. In tiefer Narkose und ent¬ 
sprechender Lagerung der Kreissenden, sowie durch Zuriick- 
seliieben des Kopfes gelang nach längeren Versuchen die Reposition 
der Geschwulst nach oben. Die Geburt musste wegen Wehen¬ 
seh wache mit der Zange beendet werden. 

Alle demonstrirten Fälle sind ohne jede Störuug genesen. 


Aerztlicher Verein in Nürnberg. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 20. April 1899. 

Vorsitzender: Herr Goldschmidt. 

1. Herr Burgl demonstrirt pathologisch-anatomische Prä¬ 
parate eines Falles von subcutaner Zerreissung von vier inneren 
Organen in Folge von Ueberfahren. 

2. Herr v. R a d demonstrirt Fälle von Muskelatrophie aus 
verschiedenen Ursachen: 

a) In Folge von Bleiintoxieation, 

b) als Theilersebeinung von Syringomyelie, 

c) als Symptom von amyotrophischer Lateralsklerose. 

3. Herr Landau berichtet über einen Fall von laryngo- 
trachealer Dyspnoe mit mantakalisehen Störungen bei seitlichem 
abscedirendem Halsdrtlsentumor. 


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No. 14 

• Sitzung vom 4. Mai 1899. 

Vorsitzender: Herr Carl Koch. 

1. Herr Simon: Ueber Inversio uteri. 

2. Herr Landau: Die Tablettenfrage. (Der Vortrag er¬ 
schien ih dieser Wochenschrift.) 

Sitzung vom 25. Mai 1899. 

Vorsitzender: Herr Carl Koch. 

1. Herr B u r g 1 demonstrirt das durchschossene Herz eines 
Selbstmörders und spricht über die Diagnose und Erscheinungen 
des Nahschusses. 

2. Herr Carl Koch stellt einen Knaben vor, welcher von einer 
Kreuzotter gebissen wurde und tlieilt den Verlauf des Falles mit. 

Derselbe berichtet ferner über einen Fall von Aktinomykose 
des Unterkiefers und bespricht einen Fall von Hypospadia bei 
einem 8 Wochen alten Kinde. * 

Sitzung vom 1. Juni 1899. 

Vorsitzender: Herr Carl Koch. 

1. Herr Simon demonstrirt: 

a) ein von ihm exstirpirtes Uterusmyom, 

b) einen längere Zeit schon abgestorbenen lind im Uterus 
zu rückgeh alteuen Foetus und bespricht im Anschluss daran ähn¬ 
liche von ihm beobachtete Fälle und deren Behandlung mit 
Chinin. 


VII. Versammlung süddeutscher Laryngologen 

am Montag den 4. Juni in Heidelberg. 

Zur Discussion steht das Referat des Herrn Avellis- 
Frankfurt a. M. von der 0. Versammlung: Stimmermüdung und 
Stimmhygiene. 

Bis jetzt angemeldete Vorträge: 1. Herr J u r a s z - Heidel¬ 
berg: Ueber die pbonatorisebe Thätigkeit der Mm. crieoarytae- 
lioidei postici. — 2. Herr Iv i 11 i a n - Freiburg 1. B.: Thema Vor¬ 
behalten. — 3. Herr M a g e n a u - Heidelberg: Ueber die sog. Ver- 
tebra prominens im Nasenrachenraum. — 4. Herr Mülle r-Heidel¬ 
berg: Demonstration einer eigenthümlichen Anomalie im Nasen¬ 
rachenraum. — 5. Herr Seifert - Würzburg: Das Lymphosarkom 
der Gaumen- und Zuugentonsille. — G. Herr Hedderich - Augs¬ 
burg: Ueber complicirtes Schleimhauterysipel. 


Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht.) 

Wien, 31. März 1900. 

Ileotyphus in Wien. — Interviews der Professoren. — 
Die Humanitätsinstitnte des Doctoren-Collegiums. — Kranken¬ 
verein der Aerzte Wiens. — Gesellschaft der Aerzte. — + Pro¬ 
fessor Hofmokl. — Reform des Apothekerwesens. 

Die Zahl der Typhusfälle hat in Wien im Verlaufe der letzten 
14 Tage stark zugenommen, sie ist viel höher, als sie während der 
letzten zwei Decennien zur Beobachtung kam. Unser Stadt - 
physikus beantragte darum die sofortige Vornahme der chemi¬ 
schen und bacteriologischen Untersuchung des Trinkwassers, was 
der Bürgermeister einzuleiten versprach, wiewohl er das An¬ 
wachsen des Typhus den schlechten Witterungs Verhältnissen zu¬ 
schrieb. Dieser Meinung sind aber nicht die Aerzte. Professor 
\V e i o h s e 11) a u m z. B. äusserte sich einem Interviewer gegen¬ 
über, dass die Typhusfälle in Wien vorerst eingeschleppt wurden, 
dass von leichteren, nicht sonderlich beobachteten Fällen direct 
oder durch Wäsche, Lebensmittel etc. die Anstockung, somit da* 
Auftreten schwerer Fälle erfolgte. Nachweisen lässt, sich dies 
freilich auch nicht. Professor Dräsche — ebenfalls inter¬ 
viewt — sagte, er habe seit 1880 nicht so viele Typhusfälle in 
Wien gesehen, wie gerade jetzt; von einer Typhusepidemie könne 
gleichwohl keine Rede sein. Die Fälle nehmen zumeist einen 
gutartigen Verlauf. Der gegenwärtig sanitätswidrige Zustand 
unserer Strassen könne wohl keinen Typhus hervorrufen (auch 
das war behauptet worden), jedoch könne hiedurch die Wider¬ 
standsfähigkeit gegen diese Krankheit herabgesetzt werden. Im 
Weiteren berührte Dräsche die Grund wasserschwa iik ui ige n, 
welche nach Pettenkofer mit dem Auf treten von Typhus 
in grossen Städten in enger Beziehung stehen. 

So erfährt auch der Laie Alles, was die Medicin und Hygiene 
nur irgendwie berührt, aus seinem politischen Tagblatte. Kaum 
taucht eine solche Frage auf, so wird eine ärztliche Capacitiit 
interviewt und sie äussert ihre Ansicht, entweder derart, dass sic 
vorgolegte Fragen einzeln beantwortet oder dass sie eine kleine 
Abhandlung zum Besten gibt, die das Thema ausreichend be¬ 
spricht. Manche Capaeitüt lässt sich auch von zwei ix>litischen 
Journalen an einem Abend interviewen so dass man ihre An- 

Qriginal fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



3. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


481 


sicht zugleich von zwei verschiedenen Zeitungen studiren kann. 
So gut all’ dies wäre, so hat es bloss den kleinen Nachtheil, dass 
die erhaltene „Aufklärung“ vom lieben Publicum sehr oft miss¬ 
verstanden wird, zu komischen oder ärgerlichen Irrthümern 
führt, daher weiterer Aufklärungen bedarf, welche dann der 
praktische Arzt in aller Stille geben muss, wenn er mit seiner 
„gelehrten“ Clieutel sein Auskommen finden wird. Halb- und 
Viertelwisser sind ja bekanntlich viel unangenehmer zu behan¬ 
deln als die sogenannten Nichtswisser. 

Das Ergebniss der Generalversammlungen der sog. humani¬ 
tären Institute des Wiener medicin. Doetoren-Collegiums ist 
auch im heurigen Jahre ein überaus günstiges. Die Wittwen- 
und Waisen-Societät zählte Ende 1899 372 Mitglieder, sie zahlte 
an 184 zur Pension Berechtigte die Summe von fast 130 000 fl. 
aus. Das Gesammtvermögen der Societät betrug 2,7 Millionen 
Gulden. — Das Pensions-Institut zählte 192 Mitglieder, zahlte 
an 22 Mitglieder die Pension von 600 fl. jährlich aus (ca. 13 000 fl.) 
und besass Ende des Vorjahrs ein Vermögen von ca. 600 000 fh — 
Das viel ältere Unterstützungsinstitut hatte Ende 1899 ein Ver¬ 
mögen von ca. 200 000 fl., besass 237 Mitglieder, zahlte an 14 Mit¬ 
glieder in 18 Fällen 3700 fl., seit dem Bestände des Instituts an 
414 Mitglieder mehr als 133 000 fl. und ausserdem an 6 Mit¬ 
glieder die dauernde Unterstützung von jährlich 400 fl. aus. Dass 
jedes dieser Institute viel zu wenig Theilnehmer besitzt, dass die 
Aerzte in der Fürsorge für die Zukunft viel zu lässig sind, das 
haben wir an dieser Stelle schon oft betont. 

Der Krankeriverein der Aerzte Wiens hält heute seine Gene¬ 
ralversammlung ab. Der VII. Jahresbericht constatirt mit Ver¬ 
gnügen die grossen materiellen und moralischen Erfolge dieses 
Vereines. Im Vorjahre wurden an 75 kranke Mitglieder (4 fl. 
täglich) 8894 fl. ausbezahlt. Der Vermögens*tand betrug Ende 
1899 nahezu 33 000 fl., die Zahl der Mitglieder 386, zu welchen 
schon im laufenden Jahre 12 hinzukamen. 

Auch die Gesellschaft der Aerzte hielt letzthin ihre feierliche 
Jahressitzung ab. Der Seeretär Professor Bergmeister er¬ 
stattete den Bericht über das zu Ende gegangene 63. Vereinsjahr. 
Die Gesellschaft zählte Ende des Vorjahres 555 ordentliche Mit¬ 
glieder. In 29 Sitzungen wurden 21 Vorträge, 90 Demon¬ 
strationen und 6 vorläufige Mittheilungen abgehalten. Die Bib¬ 
liothek der Gesellschaft besitzt fast 14 000 Einzelwerke, ca. 600 
Zeitschriften; von letzteren befinden sich 275 abgeschlossene und 
321 fortlaufende Nummern. Zahlreiche, sehr werthvolle V erke 
werden der Bibliothek alljährlich von wirklichen und correspon- 
direnden Mitgliedern geschenkt. Die Gesellschaft erhielt im 
Vorjahre auch ein Mikroskop, Herr Karl Reichert in Wien 
widmete aus Anlass der Vollendung seines 20 000. Mikroskops 
dieses Instrument der Gesellschaft der Aerzte. In dieser 
Sitzung hielt Professor E. Zuckerkandl seinen angekün¬ 
digten Vortrag: „lieber die Epithelkörperchen des Halses“. 

In dieser Woche verschied in Wien ein sehr bekannter 
Chirurg, Hofrath Professor Dr. Johann II o f m o k 1, Primar¬ 
arzt im Allgemeinen Krankenhause, erst 60 Jahre alt. Ein 
Schüler Dumreiche r\s, war H ofmokl überaus literarisch 
thätig, veröffentlichte zahlreiche, fachwissenschaftliche Arbeiten, 
deren bekannteste betitelt war: „Experimentelles über das mecha¬ 
nische Moment bei der Brucheinklemmung.“ Weitere grössere 
Arbeiten bezogen sich auf die Callusbildung, auf den intra¬ 
capsulären Bruch des Radiusköpfchens, auf chirurgische Sta¬ 
tistik etc. Hof mokl war viele J ahre lang an einem Kinder- 
spitale als Chirurg thätig und besass darum bei den Aerzten 
Wiens grosses Vertrauen als „Kinderchirurg“, vollführte mit 
Glück zahllose Tracheotomien bei Diphtherie, Gelenksopera¬ 
tionen u. dergl. in., war ein sehr beliebter College, dessen plötz¬ 
liches Hinscheiden von Aerzten und Kranken in gleicher Weise 
lebhaft bedauert wird. 

Zur Berathung einer Reihe von Fragen, welche die Reform 
des Apothekerwesens betreffen, beabsichtigt das Ministerium des 
Innern in nächster Zeit eine Enquete pharmazeutischer Fach¬ 
männer einzuberufen, an welcher ausser den Mitgliedern des 
pharmazeutischen Comite’s des Obersten Sanitätsrathes sowohl 
Vertreter der Apothekergremien, als auch der conditionirenden 
Pharmazeuten theilnehmen werden. 


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Berliner medicinische Gesellschaft 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 28. M ä r z 1900. 

Herr K r ö n i g: Das percussorische Frühsymptom der 
Lungenspitzentubereulose. 

In der Berl. klin. Wochenschr. 1889 hat Vortr. beschrieben, 
wie er durch leise Percussion die Höhe und Breite der 
Lungenspitze bestimmt, um aus einer ev. Verkleinerung der¬ 
selben auf Schrumpfung oder atolektatische Herde schliessen 
zu können. Die normaler Weise sehr scharfen Grenzen sind 
bei der Tubereulose weniger scharf und unregelmässig wegen 
der erwähnten Atelektase, und der Blähung anderer kleiner Be¬ 
zirke. Vortr. hält auch heute diese Methode für besonders ge¬ 
eignet zur Frühdiagnose. 

Discussion: Herr B. Fraenkel: Die klinische und 
bacteriologisehe Diagnose, bezw. diejenige mit Hilfe der proba- 
torischeii Tubercuiininjection seien nicht zu trennen. Die bacterio- 
logischen geben jedenfalls erheblich grössere Sicherheit. Bezüg¬ 
lich der physikalischen Untersuchung aber sei die Auscultation der 
Percussion doch entschieden überlegen; denn das erste Symptom 
sei der Katarrh an der Spitze; Schnurren und Pfeifen sind die 
ersten Zeichen, welche darauf hinlenken, auch die übrigen Me¬ 
thoden zu Hilfe zu nehmen. 

Herr Senator stimmt B. Fraenkel bezüglich der Ueber- 
legeuheit der Auscultation bei. Hierbei bediene er sich gerne des 
Kunstgriffes, erst bei gewöhnlicher, dann bei forcirter Athmung 
über die Ausdehnungsfähigkeit der Lunge Aufschluss zu be¬ 
kommen. 

Herr V i r c li o w : Die von Kroenig angeführten Abbil¬ 
dungen B i r c li - H i r s c li f e 1 d’s betreffen nicht die ersten An¬ 
fänge der Spitzentuberculose; diese sind früher zu suchen in den 
s u b miliaren Schleimhauttuberkeln der Bronchien. Diese 
ersten Erkrankungen führen aber noch nicht zu Secretbildung und 
darum auch nicht zu Kasselgeräuschen. Bacillen können natürlich 
erst bei Eintritt von Uleerationen zum Vorschein kommen. Diese 
oben von ihm als Anfangsstadium der Tuberculose bezeichueten 
Affeetionen werden sich aber wohl durch keine Art von Aus- 
eultatiou nach weisen lassen, man wird höchstens den Verdacht 
haben, aber keinen Beweis erbringen können. 

Herr Kroenig: Es ist selbstverständlich, dass heutzutage 
der bacteriologisehe und physikalische Kliniker nicht zu trennen 
seien; jedoch gestatte eben die physikalische Untersuchung früher 
ein Urtheil. Er könne sich auch nicht auf den Standpunkt 
B. F r a e n k e l's und Senate r’s stellen, dass die Auscultation 
früher zum Resultat führe; diese ergebe nur Zeichen eines Katar- 
rhes, ohne etwas über dessen Natur auszusagen. Man müsse sich 
jedoch bei der Percussion der von ihm beschriebenen leisen und 
die ganze Lungenspitze umfassenden Percussion bedienen. 

Herr Levy-Dorn: Zur Untersuchung der Brust mittels 
Röntgenstrahlen. 

Da die Röntgendurchleuchtung immer vergrösserte Bilder 
ergibt wegen der Differenz der von der Lichtquelle kommenden 
Strahlen, so verschiebt man den Körper so, dass die Strahlen 
senkrecht auf die Grenze des zu untersuchenden Organs auf¬ 
fallen und bedient sich Vortr. eines Kunstgriffs, um die Strahlen 
auf parallelen Einfall prüfen zu können; er lässt sie durch ein 
kleines Röhrchen fallen und prüft, ob das Lichtbild kreisrund 
oder verzerrt ist. Dann markirt er mit einem eigens construirten 
Stift die Grenzen auf dem Thorax. 

Demonstration verschiedener Bilder. Hans ICohn. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Sociötö mödicale des hopitauz. 

Sitzung vom 9. Februar 1900. 

Ueber die Methoden, welche zur Schätzung der Nierenfunctionen 
dienen. 

Nachdem schon ln früheren Sitzungen dieses Thema, besonders 
in Bezug auf die Anwendung von Methylenblau, ausführlich 
besprochen worden war, fasst Vaquez seine Ansicht dahin zu¬ 
sammen, dass beim gegenwärtigen Stand unseres Wissens keine 
Methode sichere prognostische Schlüsse über die Insufttcienz der 
Nieren zulässt. Im Allgemeinen kann ja die Urinuntersuchung 
und die Methylenblau Verwendung die Undurchgängigkeit der 
Nieren erkennen lassen (verminderte Harnstoff- und Salzmenge, 
verlangsamte Passage der färbenden Substanz), aber das Fe h 1 en 
dieser Reactionserscheiniingen beweist nicht, dass eine Nieren- 
insuflicienz vorhanden ist oder in drohender Bälde eintritt. Die 
Herabsetzung des Coagulationspimktes des Urins, während der¬ 
jenige des Serums der gleiche bleibt oder zunimmt, lässt beinahe 
mit Sicherheit auf Undurchgängigkeit der Nieren schliessen, das 
Fehlen dieser Erscheinung steht aber keineswegs im Gegensatz 
zur Insuffieienz. Die Cryoskopie, das Studium der osmotischen 
Vorgänge im Nierenparenchym, dürfte nach Va q u e z noch am 
ehesten geeignet sein, bei ihrer weiteren Entwicklung unsere 
Kenntnisse über die Nephritis und deren verschiedenen Arten zu 
fördern. 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



482 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 14. 


Beruard hat aus der gepflogenen Discussion die Ueber- 
zeugung gewonnen, dass man uraemlsclie Symptome beobachten 
kann, während die Durchgängigkeit der Nieren nach den ver¬ 
schiedensten Untersuchungsmethoden sich erhalten zeigt. Es 
können dieselben (urnemischen) Symptome bei vorhandener 
Insuffieienz oder, wenn die Durchgängigkeit der Niere völlig er¬ 
halten ist, bestehen. Zwischen Uraemie, Niereuinsufticienz und 
-undurchgängigkeit ist also zu unterscheiden und sind diese drei 
Begriffe nicht synonym. B. spricht auch den osmotischen Erschei¬ 
nungen den Werth ab, welchen Vidal und Yaquez bezüglich 
der toxischen Kraft des Urins und den Untersuchungen darüber 
ihnen beigelegt haben. 

In Fortsetzung der Discussion über das (last rin (aus dem 
Magensaft des Hundes gewonnen) führt II a y e m aus, dass das¬ 
selbe ziemlich verschieden vom normalen Magensaft des Hundes 
und wegen seiner grösseren Menge an freier Salzsäure als eine 
etwas stärkere Salzsäurelösung anzusehen sei. H. wandte das 
Mittel bei einigen Kranken an. kann sich aber vorläufig weder für 
noch gegen dasselbe aussprechen, da man bei Magenleideu, wenu 
sie nach einem Mittel gebessert sind, nie genau sagen könne, 
ob die Besserung diesem allein zuzuschreiben sei. 

M a t h i e u hält die Anzahl der behandelten Fälle noch für 
zu gering für ein abschliesendes Urtheil, I, a u n o i s führt hin¬ 
gegen einen sehr beweiskräftigen Fall au. 


Verschiedenes. 

Der neue Entwurf eines Seuchengesetzes. 

Der Entwurf des Gesetzes betreffend die B e- 
k ä m p f u n g ge m e i n ge f ä li r 1 i ch e r Krankheiten, 
der dem Reichstage zugegangen ist. zerfällt in <> Abschnitte. In 
dem ersten Abschnitte über die Anzeigepflicht wird bestimmt: § 1. 
„Jede Erkrankung und jeder Todesfall an Aussatz (Lepra), Cho¬ 
lera (asiatischer), Fleckfieber (Flecktyphus). Gelbfieber, Pest 
(orientalischer Beulenpest), Pocken (Blattern), sowie jeder Fall, 
deY den Verdacht einer dieser Krankheiten erweckt, ist der für den 
Aufenthaltsort des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen 
Polizeibehörde unverzüglich auzuzeigen. § 2. Zur Anzeige sind 
verpflichtet, 1. der zugezogene Arzt, 2. der Haushaltungsvorstand, 
3. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten be¬ 
schäftigte Person, 4. Derjenige, in dessen Wohnung oder Be¬ 
hausung der Erkraukuugs- oder Todesfall sich ereignet hat, 5. der 
Leiehenschauer. Die Verpflichtung der unter No. 2—5 genannten 
Personen tritt nur dann ein. wenn ein früher genannter Ver¬ 
pflichteter nicht vorhanden ist.“ Die Ermittelung der bezeichneten 
ansteckenden Krankheiten (Abschnitt 2 des Entwurfes) ist dem 
zuständigen beamteten Arzt übertragen, den die Polizeibehörde, 
sobald sie von dem Ausbruche oder dem Verdachte des Auftretens 
einer der zu meldenden ansteckenden Krankheit Ivenntniss erhält, 
zu benachrichtigen hat. Iu Nothfällen kann aber der beamtete 
Arzt die Ermittelungen auch vornehmen, ohue dass ihm eine Nach¬ 
richt der Polizeibehörde zugegaugen ist. Die höhere Verwaltungs¬ 
behörde kann Ermittelungen über jeden einzelnen Krankheits- oder 
Todesfall anordnen. So lange eine solche Anordnung nicht ge¬ 
troffen ist, sind nach der ersten Feststellung der Krankheit von 
dem beamteten Arzt Ermittelungen nur im Einverständnisse mit 
der unteren Verwaltungsbehörde und nur Insoweit vorzuuehmen, 
als dies erforderlich ist, um die Ausbreitung der Krankheit örtlich 
und zeitlich zu verfolgen. Dem beamteten Arzte ist der Zutritt zu 
dem Kranken oder zur Leiche und die Vornahme der zu den Er¬ 
mittelungen über die Krankheit erforderlichen Untersuchungen zu 
gestatten. Auch kann bei Cholera-, Gelbfieber- und Pest verdacht 
die Oeffnung der Leiche polizeilich angeordnet werden. Der be¬ 
handelnde Arzt ist berechtigt., den Untersuchungen, insbesondere 
auch der Leichenöffnung, beizuwohnen. Bei Gefahr im Verzüge 
kann der beamtete Arzt schon vor dem Einschreiten der Polizei¬ 
behörde die zur Verhütung der Verbreitung der Krankheit er¬ 
forderlichen Schutzmaassregeln treffen. Aus dem 3. Abschnitte 
über die Schutzmaassregeln sind hervorzuheben: § 12. Kranke oder 
krankheits- oder austeckungsverdäcktige Personen können einer 
Beobachtung unterworfen, auch zu diesem Zwecke, sofern sie ob¬ 
dachlos und ohne festen Wohnsitz sind, oder berufs- oder gewohn- 
heltsmiissig umherziehen, in der Wahl des Aufenthalts oder der 
Arbeitsstätte beschränkt werden. § 13. setzt die Meldepflicht für 
zureisende Personen, die aus Seuchengegenden kommen, fest. Von 
grundlegender Bedeutung ist § 14. der lautet: Für Kranke und 
krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen kann eine Ab¬ 
sonderung angeordnet werden. Die Absonderung kranker Personen 
hat derart zu erfolgen, dass der Kranke mit anderen als den zu 
seiner Behandlung und Pflege bestimmten Personen nicht in Be¬ 
rührung kommt und eine Verbreitung der Krankheit thunlichst 
ausgeschlossen ist. Werden auf Erfordern der Polizeibehörde in 
der Behausung des Kranken die zu diesem Zwecke nothwendigen 
Einrichtungen nicht getroffen, so kann, falls der beamtete Arzt 
es für unerlässlich und ohne Schädigung des Kranken für zulässig 
erklärt, die Ueberführung des Kranken in ein Krankenhaus oder 
in einen anderen geeigneten Unterkunftsraum ungeordnet werden. 
Dasselbe gilt, wenn die Absonderung nach dem Gutachten des 
beamteten Arztes in anderer Weise nicht durchführbar ist. Woh¬ 
nungen oder Häuser, in welchen erkrankte Personen sich befinden, 
können kenntlich gemacht werden. In § 18 und § 19 wird fest¬ 
gestellt. dass im Interesse der Bekämpfung ansteckender Krank¬ 
heiten die Räumung von Wohnungen und Gebäuden und die Des- 
infection von Gegenständen und Räumen angeordnet werden darf, 


die zuständige Landesbehörde kann die Gemeinden und im Falle 
iiirer Leistungsunfühigkeit die weiteren Communalverbände dazu 
anlialten, diejenigen Einrichtungen, die zur Bekämpfung der ge¬ 
meingefährlichen Krankheiten nothwendig sind, zu treffen. Die 
Aufbringung der erforderlichen Kosten regelt sich nach dem 
Landesrecht. Von grundlegender Bedeutung ist § 28 über Ent¬ 
schädigungen. Er lautet: Für Gegenstände, die in Folge einer 
u»ch Maassgabe des Gesetzes polizeilich angeordneten oder über¬ 
wachten Desinfeetion derart beschädigt worden sind, dass sie zu 
ihrem bestimmuugsmässigen Gebrauch nicht mehr verwendet 
werden können oder welche auf polizeiliche Anordnung vernichtet 
worden sind . . ., ist auf Antrag Entschädigung zu gewähren. Aus 
den „Allgemeinen Vorschriften“ sind hervorzulieben: „§ 34. Die 
dem allgemeinen Gebrauche dienenden Einrichtungen für Ver¬ 
sorgung mit Trink- oder Wirthschaftswasser und für Fortschaffung 
der Abfallstoffe sind fortlaufend durch staatliche Beamte zu über¬ 
wachen. Die Gemeinden sind verpflichtet, für die Beseitigung der 
Vorgefundenen gesundheitsgefährlichen Missstiinde Sorge zu 
tragen. Sie können zur Herstellung von Einrichtungen der im 
Absatz 1 bezeichneten Art, sofern dieselben zum Schutze gegen 
übertragbare Krankheiten erforderlich sind, jederzeit angehalten 
werden. Das Verfahren, in welchem über die hiernach gegen die 
Gemeinden zulässigen Anordnungen zu entscheiden ist, richtet sich 
nach Landesrecht. § 35. Beamtete Aerzte im Sinne dieses Gesetzes 
sind Aerzte, welche vom Staate angestellt sind oder deren Anstel¬ 
lung mit Zustimmung des Staates erfolgt ist. An Stelle der be¬ 
amteten Aerzte können im Falle ihrer Behinderung oder aus 
sonstigen dringenden Gründen andere Aerzte zugezogen werden. 
§ 30. Die Anordnung und Leitung der Abwehr- und Unter- 
drückungsmaassregelu liegt den Landesregierungen und deren Or¬ 
ganen ob.“ Die Hauptmeldestelle für ansteckende Krankheiten 
ist das kaiserliche Gesundheitsamt, bei dem ein Reichsgesundheits- 
ratli neu eingerichtet wird. Den Schluss des Entwurfes bilden 
die Straf Vorschriften. (Voss. Ztg.) 

Aus den Parlamenten. 

Am 28. März d. J. wuir im Wirthschaftsausscliusse 
der bayerischen Abgeordnetenkammer der Antrag 
auf Abminderung der Unfall rentelasten zur Dis¬ 
cussion gestellt. Referent Karl S c h m i d beantragte Uebergang 
zur Tagesordnung, Convfereilt Dr. Hauber beantragte Ab¬ 
wertung der Unfallrente u n t e r 20 Proc. Im Laufe der lebhaften 
Discussion beantragte ferner Abgeordneter Geiger eine strengere 
Coutrole und Abgeordneter Aichbicliler Uebernahme der Voll¬ 
rentequote auf das Invalidenversicherungsgesetz, bezw. dessen Ver- 
siclierungseasse. 

Correferent Dr. Hauber trat energisch den theils offenen, 
theils verblümten Angriffen gegen die Aerzte entgegen. Br be¬ 
gründete seinen Antrag damit, dass 50 Proc. aller Unfallrenten- 
bezügler auf die Rente unter 20 Proc. entfallen, dass somit eine 
wesentliche Erleichterung für die zahlende Lnndwirthscliaft nur 
durch eine derartig eingreifende Maassregel überhaupt gegeben 
werden könne. Zudem träfe die Rente unter 20 Proc. nur jene Be¬ 
schädigte, Tvelche ihre Rechte mehr auf anatomische Defecte als 
wirkliche Arbeitsfähigkeitsbeeinträchtigung gründen können. That- 
sächlich sehen wir ja derelassige Rentenbezügler ebenso arbeiten, 
als wenn ihnen überhaupt nichts fehle. 

Ein weiterer Debattegegenstand, die Entschädigung der 
Kinder, wurde wohlwollend behandelt. Viele ärmere Leute 
brauchen ihre Kinder als Hirten, Kartoffelerntearbeiter, Aehren- 
leser etc. und es w f ürde hier als der Intention des Gesetzes zuwider 
erklärt werden müssen, wenn von einer Entschädigung Abstand 
genommen würde, olnvolil diese eine nicht unerhebliche dauernde 
Belastung der Unfallcasse bewirken. 

Es wutrden vorläufig defiuitive w r eitergeheude Beschlüsse nicht 
gefasst, da die zu erwartende Gesetzesnovelle die Versicherungs¬ 
pflicht eher ausdehnen als einschränken will. 

Therapeutische Notizen. 

Zur Behandlung der Epilepsie. Dr. Kothe in 
Friedrichsroda fasst am Schlüsse einer Arbeit im Neurol. Centralbl. 
No. 6 seine Methode der Epilepsiebehandlung in folgende Sätze zu¬ 
sammen: 

Ich behandle jetzt jeden Epilepsiefall, gleichgiltig ob frisch 
oder veraltet, ob leicht oder schwer erscheinend, von vornherein 
mit einer mehrwöchigen Bettruhe, w r elche nur ein-, höchstens 
zweimal wöchentlich durch ein kurzdauerndes lauw r armes Bad 
unterbrochen werden darf. Selbstverständlich muss das hygienisch¬ 
diätetische Regime streng geordnet sein. Medicamente lasse ich 
Anfangs gar nicht nehmen, erst nach Ablauf mehrerer Wochen, 
am passendsten im Anschluss an einen Anfall und unter mindestens 
einwöchiger Fortdauer der Bettruhe setze ich mit der Brom- bezw. 
Bromipinbehandlung ein. Ich beginne mit 15 g Bromipin, zumeist 
rectal injicirt, und steige innerhalb 6—7 Wochen auf 30, selbst 40 g, 
aber immer nur bis zu jener Dosis, welche genügt, um die Convul- 
sionen und etwaige psychische Aequivalente zum Verschwunden 
zu bringen. Auf dieser Höhe bleibe ich dann mindestens 2—3 
Wochen stehen, um dann in den nächsten 6—7 Wochen zur ur¬ 
sprünglichen Dosis zurückzukehren. Diesen ungefähr viertel¬ 
jährigen Turnus, den ich aber durchaus nicht als unabänderliche 
Regel hinstellen will, lasse ich je nach dem Fall verschieden oft 
wiederholen, aber ohne die einleitende mehrwöchige Bettruhe. Auf 
diese Weise habe ich Erfolge erzielt, welche ich früher nicht ge¬ 
kannt habe. Ob das Bromipin, speciell In der von mir bevorzugten 


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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



3. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 483 


Form der rectalen Injection, daran einen wesentlichen Antheil hat 
und ob dasselbe wirklich den Vorzug vor den auderen Bromverbin¬ 
dungen hat, den ich nach den kurzen Erfahrungen glaube annehmen 
zu dürfen, das müssen erst weitere Versuche lehren. Der Haupt¬ 
werth jeder Epilepsiebehandlung liegt meines Erachtens in der 
ganzen strengen Methode und ln der genügend langen Dauer der 
Behandlung. 

Ichthoform bei Darmtu berculose. Nach den 
Mittheilungen von F. S c h H f e r - München erweist sich das 
Ichthoform in der Dosis von 0,5—2,0, dreimal täglich intern 
verabreicht, als das beste und bisher einzige Mittel, die mit der 
Darmtuberculose verbundenen Diarrhoi*eu und den Stulilzwang zu 
sistiren. Giftige Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Die Wir¬ 
kung des Präparates beruht nach Aufrecht- Berlin in der in 
Statu nascendi entstehenden Abspaltung vou Formaldehyd. Be¬ 
richt über acht Fälle eigener Beobachtung. (Therapeutische Bei 
läge No. 2 der Deutsch, med. Wochenschr.) F. L. 

Als Ersatz für Bromkali empfehlen Tischer und B e d d i e s 
(Allg. med. Centralzeitung 1809. No. 85) die Bromeiweissverbin¬ 
dungen, Bromeigone, welche von der chemischen Fabrik 
Helfenberg nach dem von Dieterich angegebenen Ver¬ 
fahren hergestellt werden. Sie behandelten mit den Präparaten 
Falle von Epilepsie, Neuralgie. Neurasthenie, Sclilnfloslgkeit etc. 
Es zeigte» sich 0,12 Br in 1.0 Bromeigon physiologisch und thera¬ 
peutisch höherwerthig als 0.38 Br in 0.5 Bromkalium. Bromakne, 
Rromsclinupfen, Bromexautheme wurden nicht beobachtet, ln 
den Handel kommen ein wasserlösliches Bromeigon und ein lös¬ 
liches Pepto-Bromeigon ,die am besten in Tablettenform (zu 0,1. 
0,5 u. 1,0) in denselben Dosen wie die Bromalkalieu gegeben 
werden. Ausserdem stellt die Fabrik noch einen Liqu. Ferro- 
Mnngani bromo-peptonnti mit 0,0 Proc. Fe, 0,1 Proc. Mn und 
0.1 Proc. Br her. K. S. 

Die von Dieterich hergesteliteu Jod- Eigone sind Jod- 
eiweissverbinditngeu. die das Jod f e s t gebunden enthalten und 
eine b e s t i m in t c» Menge Jod gebunden haben. Zur äusserlichen 
Verwendung als Wundstreupulver gelangt das « -Eigon, ein stark 
antipyretisches Pulver, das schnell reinigend und desodorirend 
wirkt und in jeilet - Hinsicht dem Jodoform vorzuziehen ist. Als 
Ersatzmittel für Jodkalium bezw. Jodnutrium oder -Ammonium 
werden zwei Präparate hergestellt, das » -Eigonnatrium (Natrium 
jüdoalbuminatum) und J-Eigon (Pepton jodatum). Dies. Iben 
führten zu denselben Heilerfolgen wie das Jodkalium bei Syphilis 
und Skrophulose, ohne die unangenehmen und störenden Erschei¬ 
nungen des Jodismus hervorzurufen. (Chrzelitze r: Feber 
die therap. Anwendung der Eigone. Monatsh. f. prakt. Derma¬ 
tologie 1899.) K. S. 

Gegen Affeetionen der Nasenschleimliüute, hochgradigen 
Schnupfen, Ozaena empfehlen Tischer und B cd di es als 
speeifisch wirksames Mittel eine Mischung von 


Bromeigon 

50.0 

Jodeigon 

5.0 

Amyliim 

50,0 

Natr. bicarb. 

5,0. 


(Allg. med. Centralzeitung 1800, No. 85.) R. 8. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

M ü nchen/ r 3. April 1900. 

— Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die 
Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, 
ist dem Keichstag jetzt zugegangen. Derselbe soll sofort nach den 
Osterferien zur Berathung kommen. Wir tlieilen weiter oben den 
wichtigsten Inhalt des Entwurfs mit. Derselbe unterscheidet sich 
von dem Entwurf des Jahres 1893 (Beilage zu No. 7, 1893 d. W.) 
vor Allem dadurch, dass Erkrankungen an Darmtyphus, Diph¬ 
therie, Rückfallfieber, Ruhr und Scharlach nicht anzeigepflichtig 
sein sollen. Der Entwurf beschränkt sich vielmehr auf Cholera, 
Flecktyphus, Gelbfieber. Pest und Pocken. Es entspricht dies den 
Beschlüssen des Geschäftsausschiisses des Deutschen Aerztevereins- 
bundes vom 5. März 1893 (d. W. 1893. No. 10); für weitere Krank¬ 
heiten Bestimmungen zu treffen, soll den Landesbehörden Vor¬ 
behalten bleiben. Den genannten Beschlüssen entspricht cs ferner, 
dass nur eine einfache Anzeige (an die Ortspolizeibehörde, nicht 
auch eine solche an den Amtsarzt) stati zu finden hat. Andere 
Wünsche der Aerzte sind dagegen unberücksichtigt geblieben, so 
der, dass Curpfusclier nicht zur Anzeige verpflichtet werden sollen 
und vor Allem der, dass ein derartiges Gesetz einer eingehenden 
Berathung durch die ärztliche Stiudesvortretung unterstellt werde. 

— Die Verordnung, den Vollzug des I m p f g e s e t z e s 
betreffend, die wir in No. 12 zum Abdruck gebracht haben, scheint, 
wie wir aus verschiedenen Zuschriften ersehen, die bayerischen 
Aerzte in hohem Grade zu erregen. Es wird geradezu als eine 
Kränkung empfunden, dass Aerzte, die seit Jahren geimpft haben, 
nun noch den Nachweis erbringen sollen, dass sie ..mindestens 
zwei öffentlichen Impfungs- und ebenso vielen Wiederimpfungs¬ 
term Inen beigewohnt und sich die erforderlichen Kenntnisse über 
Gewinnung und Erhaltung der Lymphe erworben haben". Wie wir 
schon in No. 12 bemerkt haben, beruht die genannte Verordnung 
auf Bundesratlisbeschluss (vom 28. Juni 1899): wie wii nun aber 
aus dem Vergleich mit deu entsprechenden Verordnungen anderer 
Bundesstaaten ersehen, scheint gerade die beanstandete, für die 
Aerzte so lästige Bestimmung eine bayerische Eigenthümlichkeit 
zu bildou. Der preussische Ministerinlerlass vom 28. Februar ent¬ 
hält lediglich die Bestimmung: „Auch die Impfungen der Privat- 

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iirzte sind je nach Bedürfnis» der Revision zu unterwerfen, insofern 
sie nicht von deu Privatärzten in ihrer Eigenschaft als Hausärzte 
in den Familien ausgeführt werden. Es wird sich dabei im Wesent¬ 
lichen um die in öffentlich ausgeschriebenen Terminen vorge- 
nouimeuen Impfungen handeln". Und die uns ebenfalls vor¬ 
liegende Hamburger Vorschrift enthält überhaupt nichts von Con- 
trolmaassregcln gegenüber den praktischen Aerztcu. Unter diesen 
Umständen ist die Missstimmung unter den bayerischen Aerzten 
allerdings begreiflich und cs ist die Frage berechtigt, aus welchem 
Grunde dieselben schlechter gestellt wurden als ihre Collegen im 
Reich. 

Der Preis, zu welchem Lymphe aus königi. Anstalten an 
Aerzte abgegeben wird, wird durch den preussischen Erlass vom 
28. Februar auf 20 Pfg. für eine zu einer Einzelimpfuiig und 00 Pfg. 
für eine zu 5 Impfungen ausreichende Menge festgesetzt; in den 
Apotheken beträgt der Preis 30 I*fg.. bezw. 1 M. Auch hier Ist ein 
wesentlicher Unterschied zu Ungunsten unserer bayerischen Ver¬ 
hältnisse (Preis für die Einzelportion 1 M.) auffallend. 

— Feber die W a li 1 b e r e c li t i g u n g der p r e u s s. 
S a n i t ii t s o f f i c i e r e Jl 1 a suite iles Sauitätscorps 
gegenüber den Aerzteknmmern ist jetzt eine Entscheidung des 
Kriegsininisters erfolgt, die dadurch hervorgerufen wurde, dass 
Zweifel darüber entstanden waren, ob Geh.-R:ith v. Bergmann, 
der Generalarzt ü la suite des Sanitätscorps ist, in die Aerzte- 
kammer eintreten könne. Der Kriegsminister hat entschieden, 
dass die Wahl Prof. v. Bergmann'» zulässig Ist, und dass ins¬ 
gemein Aerzte, die als Universitätslehrer oder Privatärzte thätig 
sind und daneben il la suite des Sauitätsofticiereorps gestellt sind, 
in Hinsicht auf die aetive und passive Wahlberechtigung zur 
Aerztekammer nicht als „Militär- und Marineärzte“ im Sinne der 
Verordnung von 1899 nnzusehen sind, und desslialb sowohl wahl¬ 
berechtigt als auch wählbar sind. Es ergibt sich daraus noch die 
weitere Folgerung, dass die Sauitätsofttciere ä la suite des Sanitiits- 
officiercorps, soweit sie an erster Stelle als Privatärzte thätig sind, 
im Gegensätze zu den übrigen Militär- und Mariueärzteu auch von 
der Zuständigkeit der staatlichen Ehrengerichte für Aerzte nicht 
ausgenommen sind. 

— Um über die Verbreitung der Geschlechtskranke 
li e i t e u in Preusseu einen Uebcrblick zu gewinnen, wird vom 
Cultusministerium mit Unterstützung der Aerztekammem eine 
Umfrage bei den Aerzten in Preussen veranstaltet. Es soll fest- 
gestellt werden, wie viele mit derlei Krankheiten behaftete Per¬ 
sonell an einem bestimmten Tage — gewählt ist dafür der 30. April 
— sich in ärzlicher Behandlung befinden. Es wird für die Auf¬ 
nahme eine kurz und dabei übersichtlich gehaltene Zählkarte ver¬ 
schickt. auf der vou den Aerzteu im ergiebigsten Falle acht Zahlen 
zu vermerken sind. Verschickt werden die Zählkarten von deu 
Vorsitzenden der einzelnen Aerztekammem, an die auch die Karten 
am 1. Mai znrückgesandt werden sollen. 

- Der verstorbene Krcismedieinalratli Dr. Aul) hat dem 
Verein zur Unterstützung invalider, hilfsbedürftiger Aerzte in 
Bayern ein Legat von 10 000 M. vermacht. 

— I»er Vorstand der Deutschen Heilstätte f ii r 
minderbemittelte Lungenkranke in Davos ver¬ 
sendet den Bericht über seine Thätigkeit im Jahre 1899. Dem 
Baufonds wurden Fr. 90 375, dem Freibetteufonds Fr. 173 zugefügt; 
der ersten 1 beträgt jetzt Fr. 311312, der letztem Fr. 120 890. Ein 
landschaftlich bevorzugter Bauplatz, auf geschütztem, sounen- 
reicliem. zum grössten Theil vou dichtem Nadelwald bestandenem 
Gelände gelegen.wurde erworben und am 22. October auf dem¬ 
selben der Grundstein gelegt. Wie sehr die Heilstätte einem Be¬ 
dürfnisse entspricht, beweist die grosse Zahl vou minderbemittelten 
Reichsdeutschen, die Davos alljährlich zur Wiederherstellung Ihrer 
Gesundheit aufsuchen. Der internationale Hilfsverein in Davos 
hatte im Jahre 1897 Reichsdeutsche mit Fr. 11000 lind im Jahre 
1898 mit Fr. 9190 zu unterstützen. Leider fehlt noch eine be¬ 
deutende Summe — Fr. 90 000 — zur Vollendung des Baues und 
zur Beschaffung der inneren Einrichtung. Möge der Appell, den der 
Vorstand von Neuem au den Wohlthätigkeitsslun aller Freunde 
der Anstalt richtet, auf fruchtbaren Boden fallen! 

— Pest. Argentinien. Vom 8. bis 15. Februar sind in Rosario 
angeblich 2 Fälle von Pest und ein verdächtiger Erkrankuugsfall 
beobachtet worden. — Paraguay. Vom 2-1. Januar bis zum 
2. Februar wurden in Asuncion nach Angabe des dortigen Natioual- 
gosundheitsraths noch 5 Erkrankungen (die letzte am 1. Februar) 
und 4 Todesfälle an der IVst (der letzte am 30. Januar) beobachtet. 

— In der 11. Jahreswoche vom 11.—17. März 1900 hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬ 
keit Freiburg i. B. mit 30.2, die geringste Cottbus mit 11,3 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb an Diphtherie und Croup in Köuigsliütte. 

— Den Theilnehmom am Congress zur Bekämpfung der Tuber- 
culose in Neapel wird auf den italienischen Eisenbahnen eine Fahr- 
preisormässigung von 30—50 Proc. (je nach der Entfernung) eiu- 
geriiumt werden. Ebenso wird freier Eintritt in die Museen von 
Neapel, in Pompei und Ilerculanum. sowie Gelegenheit zu freier 
Fahrt nach Pompei lind auf dem Golf gewährt werden. Um die 
zur Erlangung der Vergünstigungen nöthigeii Dociimente recht¬ 
zeitig zu erhalten, ist die Beitrittserklärung, sowie der Mitglieds¬ 
beitrag von 20 Lin» baldigst dem Secretär des Comltö, Professor 
Alfredo Rubino (klinisches Hospital Neapel) einzusenden. 

— Zu den zahlreichen Congresseu. die gelegentlich der Welt¬ 
ausstellung in Paris siattiindeu. tritt noeh ein ..internationaler Con¬ 
gress für medieinisehe Elektrologie und Radiologie“. Derselbe 
wird von der französiehen Gesellschaft für Elektrotherapie organi- 
sirt und soll vom 27. Juli bis 1. August stattfinden. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



484 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14 


— In Rad Krankenhell-Tölz wurde eine neue jod- und 
schwefelwasserstoffhaltige Quelle erbolirt. — In Rad Nauheim 
haben die Remiihungeii um Erschliessung einer neuen Soolquelle zu 
dem glücklichen Resultat der Auffindung eines neuen, sehr reichen 
Sprudels geführt. 

(H o c h s c h u 1 n a c h richte n.) 

Heidelberg. Die philosophische Facultiit In Göttingen 
hat den alle 2 Jahre zur Vertheiluug gelangenden Hamburger Preis 
der Vahlbruchstiftung (12 000 M.). welcher für die beste natur¬ 
wissenschaftliche Arbeit bestimmt ist, diesmal Herrn Geh. Rath 
Prof. Dr. Karl Gegen baut* von unserer Universität zuerkannt, 
und zwar für eine Abhandlung über vergleichende Anatomie. 

(Todesfall e.) 

Am 31. v. Mts. verschied in Wien der Mitbegründer der 
wissenschaftlichen Ohrenheilkunde, der berühmte Ohrenarzt Prof. 
Dr. Joseph G r u b e r. im Alter von 73 Jahren. Nebst zahllosen fach- 
wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte Gr über ein Lehr¬ 
buch der Ohrenheilkunde, welches in mehrere Sprachen übersetzt 
wurde. Seine praktischen Ourse waren, zumal von ausländischen 
Aerzten, stark frequentirt. Als er von der Leitung der otiatrischen 
Klinik zurücktrat, behielt er im Allgemeinen Kraukenhause noch 
ein Ambulatorium, welches Tausenden von armen Kranken Hilfe 
bot. Professor G r u b e r war auch ein wohlwollender Collega 
und ein überaus woliltliiitiger Mensch. In ihm verliert die Facultät 
einen Lehrer, der ihren Weltruf mitbegründen half. 

In Wien starb, 00 Jahre alt, der Professor der Chirurgie, Hof- 
rath Dr. H o f m o k 1. 

Dr. M. H. Saxtorph, früher Professor der chirurgischen 
Klinik zu Kopenhagen. 

Dr. ,T. A. M urphy, früher Professor der Medicin am Miami 
Medical College zu Cincinnati. 

Dr. A. Murillo, Dccan der mediciuisehon Facultät zu 
Sautagio in Chile. 

Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 12. Jahreswoche vom 18. bis 24. März 1900. 

Betheil. Aerzte 285. — Brechdurchfall (5 (13*), Diphtherie, 
Croup 18 (11), Erysipelas 15 (20), Intermittens, Neuralgia interm. 
2 (2), Kindbettfieber 2 (1), Meningitis cerebrospin — (—•), Morbilli 
213 (257), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 2 (2), Parotitis epidem. 
5 (6), Pnetimonia crouposa 16 (11), Pyaemie, Septikaemie — (—), 
Rheumatismus art. ac. 42 (24), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
12 (5), Tussis convulsiva 11 (10), Typhus abdominalis — (2), 
Varicellen 12 (3), Variola, VarioTois — (—). Summa 356 (367). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Mülle r. 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoclu*. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Dr. Scheppach (nicht Schupp ach. 
s. No. 13) in München. Dr. Xaver Gründling in Landstuhl. 

Verzogen: Dr. Perl m litte r von Bayreuth nach München. 
Dr. Luxenhofer von Wittersheim nach Walsheiiu. Dr. 
E b n e r von Altenglan. 

Befördert: zum Generalarzt (überzählig) der Generaloberarzt 
Dr. Schlichting (1), Divisionsarzt der 5. Division; zu General¬ 
oberärzten (überzählig) die Oberstabsärzte 1. Classe und Regiments¬ 
ärzte Dr. Ilelferich im 1. Inf.-Reg., Dr. Dessauer im 3. Inf.- 
Reg., Dr. Leitenstorfer im 4. Inf.-Reg. und Dr. Schiller 
im 3. Fekl-Art.-Reg.; zu Oberstabsärzten 1. Classe (überzählig) der 
Oberstabsarzt 2. Classe Dr. Hofbauer der Commandantur 
Nürnberg, die Oberstabsärzte 2. Classe und Regimeutsärzte Dr. 
F r u t h im 2. Inf.-Reg.. Dr. K r a in p f im 6. Inf.-Reg., Dr. S ö n - 
ning im 9. Inf.-Reg. und Dr. II e ring im 2. Schweren Reiter- 
Reg.; zu Stabsärzten die Oberärzte Dr. Schuster la suite des 
Sanitätscorps und Dr. Lalble im 1. Train-Bataillon; zu Ober¬ 
ärzten (überzählig) die Assistenzärzte Dr. Zapf im 3. Inf.-Reg., 
Dr. Sy mens im 8. Inf.-Reg., Dr. Boy im 12. Inf.-Reg., Dr. 
Klio 11 im 13. Inf.-Reg., Bodensteiner im 1. Feld-Art.-Reg.. 
Dr. Kapfer im 4. Feld-Art.-Reg. und Dr. M a y e r Im 2. Tmin- 
Bataillon: zum Assistenzarzt der Unterarzt Dr. Franz Müller 
vom 18. Inf.-Reg. im 4. Inf.-Reg. 

Abschied bewilligt: im Beurlaubtenstande: dem Assistenzarzt 
Baptist Noder der Reserve (I. München) behufs Uebertrltts in 
die Kaiserliche Marine. 

Ein Patent des Dienstgrades verliehen: dem Generalarzt Dr. 
Bestelmeyer (2), Chef der Medicinalabtheilung im Kriegs¬ 
ministerium. 

Gestorben: Hermann Ilaug, appr. Arzt in Lindau. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 12. Jahreswoche vom 18. bis 24. März 1900. 

Be Völkern ngszahl: 463 000 

Todesursachen: Masern 26 (13*), Scharlach 1 (—), Diphtherie 
und Croup 2 (5), Rothlauf 1 (—), Kindbettfieber — (1), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 1 (2), Unterleibstyphus 
1 (1), Keuchhusten — (—■), Croupöse Lungenentzündung 1 (—), 
Tuberculose a) der Lungen 29 (31), b) der übrigen Organe 6 (6), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—■), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 5 (9), Unglücksfälle 2 (1), Selbstmord 1 (1), Tod durch 
fremde Hand —- (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 235 (218), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 26,4 (24,5), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 16,1 (18,0). 


Morbiditäts-Statistik der Infections-Krankheiten im Königreiche Bayern im Jahre 1899') 

a) nach Regierungsbezirken. 


Regierungs¬ 

bezirke 

Brech¬ 

durchfall 

Diphtherie, 

Croup 

Erysipelas 

Interm., 
Neur. interm. 

Kindbetttleber 

Meuingitis- 

cerebrospin. 

Morbilli 

Ophthal. 
Blenn. neon. 

Parotitis 

epidemica 

Pneumonla 

crouposa 

Pyaemie, 

Septicaemie 

3 

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© 

Typhus 

abdominalis 

Varicellen 

Variola, 

Variolois 

Summe 

Durchschnitt¬ 
liche Zahl dei 
berichtenden 
Aerzte 

Zahl der Aerzt 
überhaupt 

Bevölkerung 
nach der 
Zählung von 
189.) 

Oberbayern . . 

2 830 

2 299 

1 625 

410 

123 

19 

1 954 

321 

1 »«86 

3 195 

66 

2 «41 

30 

665 

2 083 

151 

1 103 

1 

2)397 

514 

851 1186 950 

Niederbtyern . 

1 163 

745 

512 

196 

82 

12 

505 

26 

181 

2 263 

37 

821 

12 

160 

327 

121 

115 

1 

7 288 

110 

180 673 523 

Pfalz 


2 217 

1 201 

561 

95 

97 

14 

2 305 

55 

133 

2 743 

35 

8)4 

14 

160 

836 

321 

242 

— 

11 883 

133 

287 765 991 

Oberpfalz 


1 096 

700 

413 

93 

45 

8 

232 

21 

247 

1 718 

29 

816 

7 

665 

800 

76 

164 

— 

7 029 

86 

155 546 *34 

Oberfranken 

1 250 

1 672 

539 

54 

45 

14 

2 028 

13 

196 

2 162 

32 

699 

8 

695 

732 

109 

209 

- 

10 362 

126 

192 : 586 Oöl 

Mittel franken . 

2 539 

1 6)3 

766 

110 

60 

16 

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25 

90 

3 549 

21 

1 428 

8 

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[ 1773 

100 

729 

_ 

22 543 218 

342 737 181 

Unterfranken 

1 406 

1029 

433 

20 

28 

17 

4 773 

5 

135 

l 819 

21 

568 

6 

470 

762 

211 

190 

2 

11 887 

128 

291 632 588 

Schwaben 


2 114 

1 189 

792 

124 

100 

21 

449 

89 

362 

2 805 

60 

1 4'3 

5 

211 

1 890 

100 

313 

1 

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2*5 , 689 416 

Königreich 


14 005 

10 443 

5 54t 

l 102 

585 

120 

21 457 

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24 0 

‘20 249 

294 

9 189 

89 

3 237 

8 208 

1 189 

3 082 

6 

j 102 437 

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! 2 586 IÖ 8 H 544 

Hievon in 

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103 

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3 109 

43 

2 924 

22 

1 259 

3 129 

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1 687 


33 102 

683 

933 ! 

1 '1 









b) nach jahreszeitlichem Auftreten. 








Januar . 


II 4«2 

1 336 

479 

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67 

io 

639 

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1 752 

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Februar . 


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1 061 

103 

379 

— 

7 748 H 2 270 

2 2 

März 


602 

997 

534 

181 

55 

25 

670 

57 

310 

3 180 

35 

995 

2 

290 

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77 

328 

— 

9 274 

2 549 

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April . 


620 

803 

603 

92 

50 

13 

692 

63 

220 

2 472 

19 

1 018 

17 

310 

610 

49 

230 

2 

7 7881 
7 622) 

2102 

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Mai . . 


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694 

41 

263 

2 110 

21 

891 

12 

230 

640 

73 

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1 

2181 


Juni . 


I l 62t 

i 612 

4 ,4 5 

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1 694 

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62 

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8 6701 

2 970 

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Juli . . 


2 191 

| 470 

4 • 7 

72 

23 

8 

1 801 

41 

193 

l 032 

21 

651 

8 

225 

609 

80 

166 

_ 

8 018 

3205 

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,*!§! * 

August 


3 332 

553 

392 

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| 62 

6 

7>6 

47 

81 

847 

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594 

17 

220 

683 

111 

79 

— 

7 897 

6 703 1 

2 532 

September 


1 2 039 

723 

3t >3 

65 

40 

11 

l 181 

39 

51 

747 

20 

4*4 

9 

230 

436 1 

141 

68 

1 

1 982 

t® c 2 ** 

October 


10*25 

982 

4 5 

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63 

7 

3 910 

41 

105 

1 162 

27 

559 

1 

2ti 5 

391 

130 

124 


9 317 

11 461 

3 109 

SSl £ 

November 


696 

1 158 

1 507 

(•5 

i 43 

7 

6 284 

53 

175 

1 479 

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303 

480 | 

129 

269 

1 1 

4 890 


Dezember 


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1 072 

401 

1 66 

; 55 

7 

3 552 

30 

367 

1 776 

29 

751 

8 

239 

489 

76 

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18 955 

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74 

8 030 

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13 

4 446 

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2 716 

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1 824 

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1 307 

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2 

27 481 

9 931 i 

er (TZ'«'*' 


*) Zusammenstellung der von den Amts- und praktischen Aerzten dem K. Statistischen Bureau monatlich angezeigten ärztlich behandelten Erkr&nkungsfAlle 
mit Berücksichtigung von Nachträgen und bezw Berichtigungen, welche wegen verspäteter Anmeldung in den Monatsübersiehten keine Aufnahme mehr finden konnten. 


Digitized by 


Verlag von F. Lehmann in München. — Druck von E Mühlthaler’s Bach- und Kuas'druckerel AG., München. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


Verlag von J. F. L 

Gck igle 









p!e Münch. Med. Wocheuschr. erscheint wöehentl. 
in Nummern von durchschnittlich 4—5 Bogen. 
I*rcls in Deutschi, n Oest.-Ungarn vierteljährl. 6 Jt, 
ins Ansland 7.50 JL Einzelne No. 60 -f. 


MÜNCHENER 


Zusendungen sind zu adressiren: jPtir die ltednnloü 
Ottosira«se 1. - Für Abonnement an J. F Leh¬ 
mann. Fleustrasse 20. - Für Inserate und Bellacren 
an Rudolf Mosse, Pmmenadeplatz 16. 


MEDICOTSCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


llcrausgegcbcn von 


Ch. Signier, 0. Bolliiger, H. Curschmann, C. Gerhardt, W. r. Helneke, G. Merkel, J. i. Michel, H.». Ranke, F. t. Wlnckel, H, r. Zlenssen, 

Freiburg i. B. München. ^ Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


Ai 15. 10. April 1900. 


ßedaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
»Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Die neuesten Kriegserfahrüngen über die Gewehr¬ 
schusswunden. 

Von Prof. Dr. v. Bruns. 

Schon seit dom Jahre 1888 hat sich die Einführung der 
kleinkaliberigen Armeegewehre in fast allen Heeren der 
europäischen und aussereuropiiischen Staaten vollzogen, und 
noch immer hat es an Kriegserfahrüngen mit der neuen 
Waffe gefehlt. Denn aus den Kriegen des letzten Jahr¬ 
zehnts, in welchen kleinkaliberige Gewehre zur Verwendung 
kamen, sind keine authentischen kriegschirurgischen Be¬ 
richte geliefert worden, wie aus dem chilenischen Bürgerkriege, 
dom spanisch-amerikanischen Kriege, dem englischen Sudanfeld- 
znge, während in dem japanisch-chinesischen und griechisch¬ 
türkischen Kriege die kleinkalibcrigen Gewehre wenig Ver¬ 
wendung gefunden haben. 

War unsere Kenntniss über die Wirkung der modernen 
Handfeuerwaffen also bisher lediglich auf die Sehiessversuche 
gegen menschliche Leichen und lebende Thiere begründet, so 
mussten wir mit Spannung einem Kriege entgegensehen, welcher 
die Bestätigung oder Widerlegung jener experimentellen Ergeb¬ 
nisse liefern konnte. Meine Versuche aus dem Jahre 1889 haben 
zu dem Resultate geführt, dass die kleinkaliberigen Mantel¬ 
geschosse im Vergleich zu den früheren Bleigeschossen eine ge¬ 
ringere Sprengwirkung auf weisen und einen engeren Sehuss- 
eanal, sowie kleinere Ein- und Ausschussöffnungen bewirken, 
so dass die Wunden eher den subcutanen Charakter wahren und 
glatt zur Heilung gelangen können. Hieraus ergab sich, dass trotz 
der enormen Vervollkommnung der Waffe ihre Wirkung auf den 
menschlichen Körper nicht entsprechend verderblicher, sondern 
im Gegentheil weniger grausam geworden war. In diesem Sinne 
habe ich für die Kleinkalibergewehre die Bezeichnung „humane“ 
Waffe gebraucht, eine Bezeichnung, welche vielfach Anfechtung 
und Widerspruch erfahren hat. Der Grund hiefür scheint mir 
wesentlich darin zu liegen, dass viel zu ausschliesslich die Schuss- 
verletzungen der compacten Knochen mit ihrer ausgedehnten 
Splitterung in Betracht gezogen wurden, während doch die harm¬ 
losen Weichtheilschüsso an Zahl weit überwiegen. Selbst die im 
Grossen angestellten Untersuchungen des Kgl. preuss. Kriegs¬ 
ministeriums durch v. C o 1 e r und Sch jerning haben zu dem 
Resultate geführt, dass „die Ansicht von dem humanen neuen 
Geschosse unwiderbringlich verloren sein muss“. 

Es ist desshalb im Sinne der Menschlichkeit freudig zu be- 
grüssen, dass die Erfahrungen in dem gegenwärtigen südafri¬ 
kanischen Kriege den humanen Charakter der klein- 
kaliberigen Vollmantelgeschosse endgiltig 
bestätigt haben. In diesem Urtheile stimmen alle ärzt¬ 
lichen Berichte vom Kriegsschauplätze überein, ja sie geben 
sogar dem Erstaunen über die unerwartet günstige Beschaffen¬ 
heit der Schusswunden lebhaften Ausdruck. Wird doch die Wir¬ 
kung der Mausergeschosse von den englischen Aerzten als „wirk¬ 
lich human“, ja sogar als „human im Extrem“ bezeichnet. 

Es sei hier daran erinnert, dass die Buren mit dem Mauser¬ 
gewehr (von 7 mm Kaliber) und Vollmantelgeschossen bewaffnet 
sind, die Engländer mit dem Lee-Metford-Gewehr von 7,7 mm 
Kaliber und Patronen Muster II mit Kupfernickelvollmantel¬ 
geschoss. Nur die ersten nach Südafrika verschifften englischen 
Divisionen waren mit Patronen Musteir IV und V versehen, also 
No. 15. VjÖ 


mit den von mir sogenannten Hohlspitzengeschossen, deren grau¬ 
same Wirkung ich durch Schiessversuche auf menschliche Lei¬ 
chen und ein lebendes Pferd nachgewiesen habe. 1 ) 

Von grösstem Belang sind die Berichte der englischen Chi¬ 
rurgen Sir William MacCormac, Watson Cheyne, 
und T r e v e s, welche als consultirende Chirurgen auf dem 
Kriegsschauplätze wirken. Namentlich darf MacCormac) 
als classischer Zeuge gelten, der auch während des deutsch-fran¬ 
zösischen Krieges 1870—71 auf dem Kriegsschauplätze thätig 
war. Er schreibt: „Man ist geradezu verblüfft über die verhält- 
nissinässige Harmlosigkeit der Verwundungen durch die Mauser¬ 
geschosse im Vergleich zu den schweren Verletzungen, die man 
bei den Zündnadelgewehren und den Chassepots zu sehen gewohnt 
war. Wer diese letzteren einigermaassen kennt, dem erscheinen 
manche Wunden durch Mausergeschosse fast wie Nadelstiche.... 
Die Verletzten, welche ich nur wenige Stunden nach ihrer Ver¬ 
wundung sah, zeigten sämmtlich Wunden mit kleiner Ein- und 
Aussohussöffnung. Dieselben waren fast alle spontan verklebt 
und bluteten nicht. Es ist erstaunlich, wie rasch die Wunden 

heilen oder unter dem Schorf sieh schliessen.Wenn ich die 

Verwundeten 8—10 Tage nach der Verwundung sah, waren sie 
zum grossen Theil geheilt... ln der That hat eine recht grosse 
Zahl der Verwundeten den Dienst wieder angetreten und eine 
Anzahl Verwundeter, die ich sah, war zum zweiten Mal bei 
einem neuen Treffen verwundet.“ 

In demselben Sinne spricht sich T r e v e s 8 ) aus: „Das 
Mausergesehoss ist wirklich gutartig; auf 1500—2000 Yards 
dringt es wie eine Nadel auch durch Knochen ohne Splitterung 
hindurch. Auf nahe Entfernungen bis 500 Yards zersplittert es 

die Röhrenknochen. Wegen dieser Verletzungen durch 

Mausergeschosse sind Amputationen verhältnissmüssig sehr selten 
aiisgeführt worden.“ 

Von besonderem Interesse sind die Erfahrungen über die 
Brust- und Bauchschüsse. In voller Uebereinstimmung wird der 
günstige Verlauf der Brustschüs'se immer wieder hervor¬ 
gehoben. „Was mir unauslöschliches Erstaunen verursacht, 
schreibt MacCormac, sind die zahlreichen Lungenschüsse, 
in vielen Fällen beide Lungen durchsetzend, welche oft gar keine 
Erscheinungen oder nur unbedeutenden Bluthusten veranlassen.“ 

Auch die Prognose der Bauchschüsse hat sich viel 
günstiger herausgestellt, als man bisher annahm, indem 
man das einzige Heil derselben in der möglichst früh¬ 
zeitigen Laparotomie sehen zu müssen glaubte. Haben 
doch v. C o 1 e r und Sch jerning die Befürchtung aus¬ 
gesprochen, „dass die durchbohrenden Bauchschüsse im Zukunfts¬ 
kriege bedeutende Opfer, vielleicht mehr als früher, fordern 
werden, wenn es nicht gelingt, durch möglichst frühzeitige La¬ 
parotomie einzelne dieser Schwerverwundeten dem Leben zu er¬ 
halten“. 

MacCormac und T r e v c s bezeichnen es nun als eine 
höchst bemerkenswerthe Erscheinung, dass eine auffallend grosse 

\) Heber die Wirkung der neuesten englischen Armeegeschosse 
M. IV (Hohlspitzengeschosse). 2. Aufl. Tübingen 1899. 

Es verdient an dieser Stelle Erwähnung, dass der Bericht¬ 
erstatter des British Med. Journal (March 3, 1900) in Bezug auf 
die Nachricht, dass bei einem verwundeten Buren Mausergeschosse 
mit Einschnitten im Mantel gefunden worden seien, entrüstet 
schreibt: „Diese Brutalität verdient die strengste Verdammung.“ 

2 ) Lancet, Jan., Febr., March 1900. 

*) British Med. Journ., Jan. Febr., Maj*c}j 1900. 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 










486 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


Zahl von Bauchschüssen ohne ernste Erscheinungen und ohne 
operativen Eingriff zur Heilung gelangt sind. Wenn auch in 
einzelnen Ausnahmefällen die Baucheingeweide der Perforation 
entgangen sein können, so wurde in anderen die Perforation 
des Darms durch Blutabgang mit dem Stuhle bewiesen. Hier 
wird zur Erklärung des günstigen Verlaufes die zufällige 
Leerheit des Darmcanals, sowie die Kleinheit der Oeff- 
nung in der Darmwand durch das Mauseigeschoss heran¬ 
gezogen. Möglich, dass die kleine Oeffnung im Darm sich 
sofort wieder schliesst, ohne dass Darminhalt austritt. In drei 
Fällen, bei welchen MacCormac derartige Wunden bei der 
Laparotomie sah, schien es durchaus denkbar, dass solches Vor¬ 
kommen kann und wirklich vorkommt. 

Durch diese Erfahrungen sah sich MacCormac zu einer 
Beschränkung des operativen Eingriffes bei Bauchschüssen ver¬ 
anlasst, denn „entweder sind die Verletzungen so schwer, dass 
eine Operation hoffnungslos ist, oder sie sind derart, dass die Hei¬ 
lung ohne Folgen für den Verwundeten glatt von Statten geht“. 
MacCormac stellt daher die Forderung auf, dass die Indi- 
cationen für die explorative Laparotomie in solchen Fällen voll¬ 
ständig revidirt werden müssen. Auch T r e v e s ist auf Grund 
derselben Erfahrungen zur Einschränkung der Laparotomie ge¬ 
langt und findet unter den zahlreichen Fällen von Bauchschüssen 
nur wenige zur Operation geeignet. 

Nachdem ich bisher die Erfahrungen englischer Chirurgen 
wiedergegeben habe, bin ich in der Lage, in dieser wichtigen Frage 
auch die übereinstimmenden Erfahrungen meines Assistenz¬ 
arztes Dr. K ü 11 n e r, der als Mitglied der Expedition des 
Deutschen rothen Kreuzes auf dem Kriegsschauplätze thätig ist, 
mitzutheilen. Derselbe theilt mir in einem Briefe aus Jakbs- 
dal vom 23. Februar Folgendes mit: .... „Augenblicklich haben 
wir natürlich alle Hände voll zu thun. Das Hospital ist, trotz¬ 
dem wir evacuiren, was wir können, stets überfüllt, und wenn 
die modernen Verwundungen nicht so günstig wären und so wenig 
operatives Eingreifen erforderten, so wüsste ich nicht, wie wir 
fertig werden sollten. Wir haben jetzt der Kriegslage ent¬ 
sprechend, sehr viel mehr Engländer als Buren zu behandeln und 
haben uns dabei grossen Entgegenkommens sowohl der englischen 
.Militärbehörden als auch der Verwundeten selber zu erfreuen, 
welch’ letztere sämmtlieh angenehme und dankbare Patienten 
sind. Kriegschirurgisch ist mir in letzter Zeit bei den grossen 
Mengen von Verwundeten fast Alles durch die Hände gegangen, 
was wohl überhaupt Vorkommen kann. Es bestätigt sich auch 
liier wieder, was Sie immer vorausgesagt haben, nämlich dass 
die Prognose der modernen Schussverletz¬ 
ungen im Allgemeinen eine auffallend gün¬ 
stige, die Therapie eine ausgesprochen eon- 
scrvative ist. Am schwersten sind nach wie vor die 
Schädel- und Gehirnverletzungen, welche auch am häufigsten ein 
operatives Eingreifen erfordern, auffallend günstig sind die 
Brustschüsse. Gut verlaufen sahen wir auch eine Anzahl 
Schüsse, bei denen die Kugel in Mund oder Nase eingedrungen 
und am Hals oder Rücken wieder ausgetreten war; trotz der 
Verletzung des Pharynx, und der Lunge heilten diese Wunden. 
Auch die Bauchschüsse sind besser, als ich Anfangs dachte. 
Wir haben eine grössere Anzahl jetzt bei rein conservativer 
Behandlung durchkommen sehen, und unsere Erfahrungen 
stimmen mit denen überein, welche die hier anwesenden 
englischen eonsul tirenden Chirurgen MacCormac und 
W u t s o n C li e y n e gemacht haben, nämlich, dass die Bauch¬ 
schüsse durchkommen, wenn man sie in Ruhe lässt und sterben, 
wenn man sie operirt. So viel ist jedenfalls sicher, dass man 
mit primärer Laparotomie nicht mehr durchbringen würde, als 
ohne dieselbe durchkommen, und dann muss man nur einmal 
selbst dabei gewesen sein, um sagen zu können: es ist absolut 
unmöglich, auch bei kleineren Mengen von Verwundeten die 
Bauchschüsse zu laparotomiren. Nie bekommen wir übrigens 
Leberschüsse zu sehen; dieselben scheinen alle auf dem Schlacht- 
fehle zu sterben, Nierenschüsse sind häufiger und günstiger. 
Interessant ist eine Section, welche wir bei einem auf dem 
Schlachtfelde an Verblutung verstorbenen Leberschuss gemacht 
haben; die Därme waren aus der Bauchdeckenwunde prolabirt, 
aber kein einziger Darm war verletzt, ein Befund, der mir von 
principieller Bedeutung zu sein scheint und unsere klinischen 
Erfahrungen bestätigt. Verletzungen grosser Gefässe haben wir 
mehrfach gesehen, die Verwundeten sind meist sehr ausgeblutet, 
schliesslich pflegt aber die Blutung, wenigstens bei kleinen Haut- 

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Öffnungen, zu stehen, und es kommt nicht gar selten zur Bildung 
von Aneurysmen. Nervenverletzungen sehen wir häufig, ein 
Theil bleibt stationär, ein anderer Theil geht ganz oder theil- 
weise zurück. Weichtheilschüsse und Fracturen sind ausser¬ 
ordentlich häufig, wir sehen grosse Ausschussöffnungen bei Nah¬ 
schüssen auch durch Epiphysen und Gelenke, wodurch die Pro¬ 
gnose derselben bei der meist schweren Zertrümmerung recht ver¬ 
schlechtert wird. Die Fern Schüsse durch Epiphysen und Ge¬ 
lenke sind ausserordentlich günstig und heilen fast immer ganz 
glatt. Fernschüsse durch Diaphysen werden, wenn die Haut¬ 
öffnungen klein sind, selten inficirt, heilen aber, wenn die Zer¬ 
splitterung stark ist, langsam und gehen häufig in Pseudarthroseu 
aus. Ist die Zersplitterung gering, so verläuft die Heilung glatt. 
Nahschüsse mit grossen Ausschussöffnungen, die aber nie grösser 
als fünfmarkstückgross sind, sind der Infection stark ausge¬ 
setzt“ . . . 

«Nachtrag siehe Seite 523.) 


Aus dem orthopädischen Ambulatorium der Kgl. chirurgischen 
Klinik zu München. 

Ueber periostale Sehnenverpflanzungen bei 
Lähmungen.*) 

Von Privatdocent Dr. Fritz Lange. 

M. H. I Die Sehnen Verpflanzung ist die jüngste Errungen¬ 
schaft der modernen Orthopädie. Ausgeführt ist sie seit dem 
Jahre 1882 wiederholt von N i c o 1 a d o n i 1 ) u. A., eine allgemeine 
Verwendung in der Orthopädie hat sie aber erst in den letzten 
3 Jahren erfahren. Mich selbst veranlasste eine Arbeit von 
D r o b n i k “), die im Jahre 1896 erschienen ist und über 16 Fälle 
berichtete, die Operation aufzimehmen. 

Die Sehnenverpflanzung hat den Zweck, 
einen Ersatz für die verloren gegangene Func¬ 
tion eines gelähmten Muskels zu schaffen, und 
ist bisher fast ausschliesslich in der Weise ausgeführt worden, 
dass man einen gut erhaltenen Muskel ganz oder theil weise mir 
der Sehne des gelähmten Muskels vernähte. 

Wenn z. B. der Extensor digit. am Fusse gelähmt ist, so kann 
man seine Function dadurch wiederherstellen, dass man von der 
Sehne des Tibial.antic. die Hälfte der Sehne abspaltet und mit d r 
Sehne des Extensor digitor. vernäht, wie es Fig. 1 zeigt. Oon- 
trahirt sich dann der Muskelbauch des Tibiah antic., so übt er 
natürlich nicht nur auf den stehen gebliebenen Rest der Tibialis- 
sehne, sondern auch auf den verpflanzten und mit der peripheren 
Partie des Extens. digit. vernähten Theil einen Zug aus, und be¬ 
sorgt auf diese Weise die Functionen des ursprünglichen Tibial. 
antic. und des ursprünglichen Extens. digit. gleichzeitig. 

Es gibt noch eine Menge Variationen der Vernähung und 
Spaltung, auf deren Auf zählen ich keinen besonderen Werth lege; 
gemeinsam ist allen diesen Operationen, dass 
ein neuer Muskel gebildet wird, der an seinem 
centralen Theile aus gesunder Muskelsub¬ 
stanz, in seiner peripheren Partie aber aus 
einer, durch die Lähmung mehr oder weniger 
geschwächten Sehne sich zusammensetzt. Die 
Verwendung einer atrophischen Sehne war mir, wie ich offen ge¬ 
stehen muss, von vorneherein nicht sympathisch. Ich fürchtete, 
dass diese atrophische Partie unter dem Einfluss der Oontrac- 
tionen sich verlängern würde und dass auf diase Weise der Er¬ 
folg der Operation schliesslich in Frage gestellt werden könnte. 
Meine Erfahrungen zeigten jedoch, dass diese Bedenken nicht 
durchweg gerechtfertigt waren. Für eine Anzahl von leichteren 
Deformitäten erwies sich die Benutzung einer atrophischen Sehne 
als unbedenklich. Bei schwereren Deformitäten versagte aber die 
Methode, weil die atrophische Sehne sich, nach der Verband - 
abnahme unter dem Einfluss der Muskelcontractionen verlängerte. 

Dadurch sah ich mich veranlasst, ein Verfahren, das in einem 
Falle — aber ohne den gewünschten Erfolg — bereits von Drob- 
n i k angewendet worden ist, und das ich vereinzelt schon im 
Jahre 1897 zur Anwendung gebracht habe, weiter auszubilden, 
und soweit als irgend möglich an Stelle der alten Methode zu ver¬ 
wenden. 

*) Vorgetragen im ärztlichen Verein zu München im Februar. 
1900. 

9 Arch. f. klin. Chir., Bd. 27. 

5 ) Deutsche Zeltschr. f. Chir., Bd. 43. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


10. April 1900. 


487 


Das Wesen der neuen Operation, die ich als 
periostale Sehnen Verpflanzung bezeichne, besteht 
dann, dass der kraftspendende Muskel nicht mit 
der gelähmten Sehne, sondern direct mit dem Periost 
v e r n ä h t w i r d. Es werden also Muskelansätze am Knochen 
geschaffen, welche unter normalen Verhältnissen gar nicht 
existiren. 


Am schnellsten wird sich mein Vorgehen durch ein Beispiel 
erläutern lassen! Nehmen wir an, es handelt sieh wieder um eine 
Lähmung des Extensor digit. Nach dem alten Verfahren wäre 
die abgespaltene Partie des Tibial. antie. mit der Sehne des Ex- 
tensor verbunden worden; nach der periostalen Methode wird 
sie direct mit dem Periost vernäht. Für die Wahl der Stelle ist 
maassgebend, welche Function der neugebildete Muskel ausüben 
soll. Die wichtigste Aufgabe des Extens. digit. ist die, den Fuss 
dorsal zu flectiren und gleichzeitig nach aussen zu drehen. Um 
dieser Aufgabe zu genügen, wird das Endo der abgespaltenen 
Sehne mit der Dorsalseite des Cuboideuin vernäht, wie es Fig. 2 
zeigt. 



Der Vorzug der periostalen Verpflanzung gegenüber der 
alten Methode ist ein doppelter: Einmal gewinnt das Resultat 
wesentlich an Sicherheit, weil bei der Bildung des neuen 
Muskels keine atrophische Sehne verwandt wird und daher eine 
nachträgliche Dehnung der Sehne unter dem Einfluss der Con- 
tractionen ausgeschlossen ist. In schlagender Weise kann ich 
Ihnen die Ueberlegenheit der neuen Methode in dieser Beziehung 
an den nachher vorzustellenden Quadricepslähmungen beweisen, 
deren Ersatz nach der alten Methode bisher stets missglückt war. 

Einen zweiten Vorzug der periostalen Sehnenverpflanzung 
sehe ich in der Freiheit, welche der Chirurg in der Wahl 
des Ansatzpunktes für den neuen Muskel bekommt. Man kann 
dadurch der ausserordentlich verschiedenen Aufgabe, welche die 
Behandlung der Deformitäten stellt, in viel präciserer Weise ent¬ 
sprechen, als dies nach der alten Methode möglich war. Ich gebe 
zu, dass die Aufstellung des Operationsplanes dadurch schwieriger 
geworden ist. Man hat oft lange zu überlegen, welcher Knoehen- 
pimkt sich wohl am besten für die Insertion des neuen Muskels 
eignet; aber ich meine, die grössere Schwierigkeit darf uns nicht 
vor einer Methode zurückschrecken, die bessere Resultate ver¬ 
spricht. Auch davon hoffe ich Sic durch die späteren Demon¬ 
strationen zu überzeugen. 


Ueber die Technik der Op e r a t i o n bemerke ich 
Folgendes: 

Im Allgemeinen sind grosse Hautschnitte und ein weites Frei¬ 
legen des kraftspendeuden Muskels auzurathen, damit dieVerlaufs- 
riehtung des neuen Muskels möglichst geradlinig wird. Zur Naht 
benutze ich ausschliesslich starke Seide, die unmittelbar vor der 
Operation in Sublimat 1:1000 abgekocht ist. Den Seidenfaden ver¬ 
flechte ich mit der Sehne in ähnlicher Weise, wie es Fig. 4 a zeigt. 
Die beiden Enden des Fadens werden an dem Periost, das auf eine 
Lauge von 1—2 cm gespalten und etwas abgehebelt wird, fest ver¬ 
näht. Der springende Punkt in der ganzen Tech¬ 
nik ist die Erzielung der zweckentsprechenden 
Spannung. Je grösser die Spannung ist. unter der sich der neue 
Muskel befindet, desto grösser ist die Kraft, mit der er später ar¬ 
beitet. Desshalb muss nach möglichst starker Spannung gestrebt 
werden; andererseits darf aber die Spannung des vielfach auf weite 


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Go igle 


Strecken isolirten Muskels nicht so gross sein, dass dadurch die 
Ernährung beeinträchtigt wird. 

Die Hautwunde vernähe ich und führe in den einen Wund¬ 
winkel einen .Todoformdocht ein, der nach 3—5 Tagen entfernt 
wird. Ueber den Wund verband kommt ein gefensterter Gips ver¬ 
band, der in der Regel 2 Monate liegen bleibt. Die Benützung des 
kranken Beines gestatte ich erst 4 Wochen nach der Operation. 

Ausser der Sehnenverpflanzung werden nicht selten Ver¬ 
längerungen oder Verkürzungen der Sehne in der 
Orthopädie nothwendig. Die Verlängerungen führe ich, wenn 
nicht die einfache Tenotomie in Frage kommt, nach dem Vor¬ 
gang von Bayer aus, indem ich die Sehne treppen förmig durch¬ 
schneide und in der bekannten Weise wieder vernähe (Fig. 3). Ist 
eine Sehne bei einer Deformität zu lang und dadurch zu schlaff 
geworden, so verkürze ich sie dadurch, dass ich mit einem starken 
Seidenfaden in der durch Fig. 4 gezeigten Weise die Sehne 
durchfleehte, die durchfloehtene Sehnenpartie über dem Faden 
in Querfalten zusammenschiebe und dann die beiden Enden des 
Seidenfadens fest verknüpfe. 



Fig. 3. Fig. 4. 

Die Zahl der Sehnenplastiken, die bei den verschiedensten 
Leiden in den letzten Jahren ausgeführt worden sind, ist jetzt 
schon eine ganz beträchtliche. Ich selbst verfüge bereits über 
mehr als 50 derartige Operationen und V u 1 p i u s , der sich 
um die Empfehlung und Ausbildung der Methode ein ganz be¬ 
sonderes Verdienst erworben hat, konnte auf dem Chirurgen- 
congress 1899 sogar über mehr als 80 Ueberpflanzungen be¬ 
richten. 

Das dankbarste Gebiet für die neue Operation ist die Kinder¬ 
lähmung. Dieses Leiden war bisher eine Domäne der Bandagen¬ 
orthopädie und die meisten Apparate, die heute noch zahllosen 
Kranken das Leben verbittern, werden aus dieser Ursache ge¬ 
tragen. 

80—90 Proc. dieser Apparate werden — so hoffe ich sicher — 
durch die Sehnenverpflanzung überflüssig werden. Nur für Beine, 
die vollkommen gelähmt sind, wird auch fernerhin ein Apparat 
nicht zu umgehen sein. In diesen Fällen muss man das ganze 
Bein durch künstliche Versteifung des Kniegelenkes in eine trag¬ 
fähige Stelze verwandeln und es gelingt auf diese Weise, Kinder 
zum Gehen zu bringen, bei denen beide Beine völlig gelähmt sind, 
die ohne Apparat keine Secunde frei stehen, geschweige denn 
gehen können. Auch in dieser Beziehung haben wir in den letzten 
Jahren wesentliche Fortschritte gemacht! Wir haben gelernt, 
sehr einfache, sehr leichte und sehr billige Apparate aus Celluloid¬ 
stahldraht herzustellen, mit denen die gelähmten Kinder viel 
schneller das Gehen erlernen als mit den früher meist üblichen 
schweren Hessin g’schen Hülsen. 

Ich lege Ihnen, um den Gewichtsunterschied, der bei den 
schwachen Beinchen der gelähmten Kinder eine grosse Rollo 
spielt, zu zeigen, einen Celluloidstahldrahtapparat und eines 
Hessin g’sche Bandage vor; der erste wiegt 335 g, der andere 
1400 g. ’ : 

Nach diesen Vorbemerkungen gestatten Sie mir, an prak¬ 
tischen Beispielen die Verwendbarkeit der Sehnenverpflanzung 
zu zeigen! 

1. Der 20jährige Herr H. hat eine Lähmung 
des Tibial. a n t. und Extens. digit. in F o 1 g e einer 
Poliomyelitis erlitten. Die Muskeln, welche den Fuss 
dorsal flectiren, waren gelähmt und in Folge dessen war ein 
ganz hochgradiger Spitzfuss entstanden, welchen Sie 
hier im Gipsabguss sehen (Fig. 5 a). 

Die erste Aufgabe war. aus dem Spitzfuss eine normale Fuss- 
form zu schaffen. Zu dem Zweck habe ich im October 1899 die ver¬ 
kürzte Achillessehne durchtrennt und den Fuss redressirt. Es 
war eine schwere Arbeit, aber das Resultat ist ein vollbefriedigen¬ 
des, und es ist wohl an sich von Interesse, welche schweren Spitz- 
fiisse mit den heutigen Methoden auch bei Erwachsenen noch heil¬ 
bar sind. (Fig. 5 b.) 

Mit dem Redressement war aber nur die eine Hälfte der Auf¬ 
gabe gelöst. Um ein Recidiv des Spitzfusses zu verhindern, musste 
ein Dorsalflector gebildet werden, und ausserdem musste ein 
Gegengewicht gegen die beiden noch erhaltenen Peronei geschaffen 
werden. Die Peronei heben den äusseren Fussrand; sie bringen 

Origiralfmr 1* 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






488 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


den Fuss in Valgus-, d. h. in Plattfussstellung, und durch diese 
Stellung werden, wie Sie von schlecht geheilten Malleolenbrüchen 
her wissen, leicht Plattfussbeschwerden ausgelöst. In der Zeit vor 
der Sehnen Verpflanzung waren die Resultate der Spitzfussoperation 
dadurch schwer beeinträchtigt. Der cosmetisclie Erfolg war aller¬ 
dings auch damals schon befriedigend; in Folge der Valgusstel- 
lung stellten sich aber häutig Plattfussbeschwerden ein und diese 
hinderten die Patienten am Gehen und Stehen mehr als vorher der 
unschöne Spitzfuss. 



Fig. 5. 


Um einem solchen Misserfolg vorzubeugen, habe ich den Pero¬ 
neus longus am äusseren Fussrand durchschnitten, ihn dann bis 
zur Mitte des Unterschenkels losgelöst und schräg über die Fibula 
und die Vorderseite des Unterschenkels hinweg zum inneren Fuss¬ 
rand geführt und am Naviculare festgenäht. 

Durch diese Verlagerung musste der Peroneus longus eine 
ähnliche Wirkung wie der verloren gegangene Tlbial. antic. er¬ 
halten. Es war zu erwarten, dass er den Fuss dorsal flectiren und 
gleichzeitig eine Senkung des inneren Fussraudes verhüten würde. 
Der Peroneus longus durfte zu dem Zwecke unbedenklich geopfert 
werden, weil der Peroneus brevis erhalten blieb und für die He¬ 
bung des äusseren Fussraudes sorgte. 

Das Resultat ist jetzt, da erst 6 Wochen seit der Verband¬ 
abnahme verflossen sind, noch beeinträchtigt durch die ver¬ 
minderte Beweglichkeit im Talo-crural-Gelenk. Aber Sie sehen 
wenigstens, dass der Fuss in den Grenzen, in denen er überhaupt 
bewegt werden kann, in guter Mittelstellung zwischen Supi¬ 
nation und Pronation auf- und abwärts geführt wird. 


2. Bei dem 12 jährigen Mädchen F. A., das ich Ihnen jetzt 
vorstelle, ist ebenfalls der Peroneus longus als Ersatzmuskel ver¬ 
wandt worden. Das Kind ist vor 3 Jahren von mir operirt und 
bereits vor 2 Jahren au dieser Stelle von mir gezeigt worden. Ich 
habe es heute mitgebracht, um Ihnen ein Endresultat vorzuführen. 

B ei dem Kinde war g e 1 ä li m t der G astro- 
c n e m i u s. Dadurch hatten die Dorsalfleetoren das Uebergewicht 
bekommen und es war ein Hackenfuss entstanden. Weiter 
bestand eine Parese des Tibial. antic. und die Folge davon 
war, dass der Fuss ganz nach aussen umgeknickt 
war. Das Kind war durch diese Deformität so schwer geschädigt, 
dass es nur etwa 15 Minuten hintereinander gehen konnte. 

In diesem Falle habe ich, wie bei dem ersten Kranken, den 
Peroneus longus von der Mitte des Unterschenkels bis zum äussern 
Fussrand losgelöst, daun aber anstatt 
nach v o r n zum Ersatz für die ge- 
Gasirocnemius lähmte Achillessehne nach hinten 
(gelähmt) geführt. Hätte ich ihn nach der alten 
Methode direct mit der gelähmten 
Sehne vernäht (Fig. G), so hätte ich 
Peroneus longus vielleicht einen ganz guten Strecker 
bekommen, aber der neue Muskel 
hätte bei seiner Verlaufsrichtung von 
aussen her, den Fuss noch mehr in 
Valgusstellung gebracht. Das wäre 
verhängnissvoll gewesen, weil diese 
Calcancus Stellung den Kranken meist starke 
Beschwerden verursacht. 

Um diese Wirkung zu ver¬ 
meiden, führte ich den Peroneus lou- 
gus zwischen der Achillessehne und dem Knochen hindurch und 
vernähte ihn auf der Innenseite des Calcancus mit dem Periost.. 



Der Fall zeigt, wie nothwendig es sein kann, in der Wahl 
des Ansatzpunktes freie Hand zu haben und veranschaulicht die 
Ucberlegenheit der periostalen Methode gegenüber dem bis¬ 
herigen Verfahren. 

Wie Sie sehen, wird der Fuss sehr kräftig, nicht nur plantar- 
wärts, gestreckt, sondern auch gleichzeitig supinirt. Von der 
früheren Valgusstellung ist nichts mehr zu sehen; der frei 


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Gck igle 


hangende Fuss steht im Gegentheil zu sehr in Klumpfussstellung 
und es scheint der erstrebte Effect im Uebermaass eingetreten 
zu sein. Wenn das Kind aber mit dem Fusse auftritt, so sehen 
Sie, dass der Fuss mit voller Sohle auf die Erde aufgesetzt wird. 
Eine solche UTebercorrectur muss man bei dem paralytischen Pes 
valgus stets anstreben, da bei der Belastung durch das Körper¬ 
gewicht die Gefahr besteht, dass der Fuss in die alte Valgus¬ 
stellung zurückgedrängt wird. 

Der Nutzen, den die Kleine von der Operation gehabt hat, 
geht am besten daraus hervor, dass sie vorher kaum 10 Minuten, 
jetzt dagegen stundenlang hintereinander zu gehen vermag. 

Bei den 3 nächsten Kindern ist nicht ein ganzer Muskel 
zum Ersatz der Lähmung verwandt worden, sondern nur eine 
Hälfte desselben, ln allen 3 Fällen waren der Extens. digit. conmi. 
und die beiden Peronei gelähmt, also Muskeln, die einmal den 
Fuss dorsal flectiren und ausserdem den äusseren Fussrand heben. 
Die Folge davon war, dass der erhaltene Gastrocnemius und der 
Tib. ant. das Uebergewicht erhalten und den Fuss in schwere 
Spitzklumpfussstellung gebracht hatten. 

Um einen Muskel zu schaffen, welcher dieser Deformität ent¬ 
gegenarbeitete, habe ich den Tib. ant. vom Lig. annulare bis zu 
seinem Ansatz am ersten Keilbein gespalten, die laterale Hälfte 
unten am Knochen abgelöst, aus dem Fach des Ligamentum 
cruciatum herausgezogen und unter der Haut des Fussrückens 
so weit nach der Seite verschoben, dass das Ende der abgespal¬ 
tenen Sehne über die Dorsalfläche des Cuboideum zu liegen kam. 
Dort habe ich es mit dem Periost vernäht. Es war zu erwarten, 
dass die Contraction des Tib. ant. künftighin in diesen Fällen 
nicht nur den innern, sondern auch den äussern Fussrand gleich¬ 
zeitig heben und dass der Fuss in guter Mittelstellung zwischen 
Supination und Pronation dorsalflectirt würde. 

Nun die Resultate! 

3. Der 14 jiilirige Knabe .T. hat — wie Sie am Gipsabguss sehen 
— an einem sehr schweren Spitzklumpfuss gelitten. Er ist durch 
das Redressement, das am Februar 181)9 vorgenommen wurde, nicht 
nur von seiner Deformität befreit worden, sondern er hat auch 
durch die Sehnen Verpflanzung gelernt, den Fuss ganz in der er¬ 
warteten Welse auf- und abwärts zu bewegen. Trotzdem ist die 
Function des Fusses nicht als ganz normal zu bezeichnen; denn der 
Knabe kann die Fussspltze weder nach innen, noch nach aussen 
drehen. Die durch das Messer gebildeten 2 Portionen des Tiblal. 
antic. arbeiten also nicht gesondert von einander, sondern 
nur gemeinsam. In praktischer Beziehung hat dieser Aus¬ 
fall an Beweglichkeit keine Bedeutung, das zeigt der gute Gang 
des Knaben, wobei der Fuss mit ganzer Sohle aufgesetzt wird. 

4. Das 13 jährige Mädchen M. S., das vor % Jahren von mir 
operirt worden ist. zeigt ebenfalls eine ideale Heilung des Spitz- 
klumpfusses, der früher allen Maschinen, auch den von Hessing 
angelegten, widerstanden hatte. Der Fuss wird ebenso wie bei dem 
Knaben in normaler Weise auf und ab bewegt. Ausserdem kann 
aber auch der Fuss willkürlich supinirt und prouirt werden. 
Fig. 7 a und b gibt den Fuss in diesen beiden Stellungen wieder. 



a b 

Fig. 7. 

Nicht nur für den Chirurgen, sondern auch für den Internisten und 
den Physiologen Ist die Tliatsaclie von Interesse, dass in diesem 
Falle die durch die Operation geschaffenen beiden Tlieile des Tibial. 
antic. gelernt haben, unabhängig von einander zu arbeiten. Wie 
Sie sehen, bewegt das Kind mit der stehen gebliebenen Partie 
des Tibial. antic. den Fuss nach innen und jetzt mit der auf das 
Cuboideum verpflanzten Hälfte nach aussen. 

Ich habe diese gesonderte Function der abgespaltenen Muskel¬ 
partie bisher nur beim Tibialis anticus beobachtet, während bei 
anderen Muskeln die verpflanzten Thcile stets nur gemeinsam 

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10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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mit dem stehengebliebenen Rest arbeiteten. Bei Kranken, bei 
welchen von der Fussmusculatiir z. B. nur der Gastrocnemius er¬ 
halten war, habe ich wiederholt das mediale und laterale Drittel 
der Achillessehne als Ersatz für den gelähmten Tibialis anticus 
und Extensor digitorum nach vorn verpflanzt und mit dem Fuss- 
riicken vernäht. Ich habe aber bisher niemals in diesen Fällen 
eine gesonderte Function der verpflanzten Partien feststellen 
können, sondern der verpflanzte Theil und der stehen gebliebene 
Rest contrahirten sich stets gleichzeitig, so dass der Fuss ähn¬ 
lich wie nach einer Arthrodese versteift war. 

Ich habe desshalb auch die nach einer Spaltung de“r Tibialis 
anticus auftretende gesonderte Supination und Pronation etwas 
skeptisch betrachtet und an die Möglichkeit, dass andere Muskeln 
dabei betheiligt sein könnten, gedacht. Allein ich habe immer 
wieder durch die Palpation der Sehnen mich überzeugt, dass die 
beiden Theile des Tibialis anticus sich entsprechend der Supi¬ 
nation und Pronation gesondert contrahiren. Auch lässt die 
Thatsache, dass diese Bewegungen in den ersten Monaten nach 
der Verbandabnahme nicht möglich waren, trotzdem keine Ge¬ 
lenksteifigkeit bestand, und erst ganz allmählich unter dem Ein¬ 
fluss von Hebungen sich eingestellt haben und von Monat zu 
Monat kräftiger und ergiebiger geworden sind, keine andere 
Deutung zu. 

5. In noch vollkommener Weise sehen Sie die gesonderte 
Function der abgespaltenen Muskelpartie bei dem 8 jährigen 
Knaben B., den ich Ihnen jetzt vorstelle. Im Uebrigen gilt das 
(»leictae von ihm, wie von dem eben vorgestellten Mädchen. Er 
wurde vor iy 2 Jahren nach der besprochenen Methode von mir 
operirt; das Resultat ist von Monat zu Monat besser geworden, und 
Sie werden mir zustimmen, wenn ich behaupte, an Stelle des ehe¬ 
maligen paralytischen Spitzklumpfusses findet sich jetzt ein nach 
Form und Function normaler Fuss vor. Fig. 8 a und b zeigt den 
Fuss in der willkürlich eingenommenen Supinations- und Pro¬ 
nationsstellung. 



a 1) 

Fig 8 


Die drei letzten Kinder kann ich ebenfalls gemeinsam be¬ 
sprechen. Von den an den Füssen bestehenden Lähmungen und 
den an dieser Stelle ausgeführten Sehnenverpflanzungen sehe 
ich ab, um Ihre Geduld nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen, 
und beschränke mich auf die Besprechung der am Oberschenkel 
ausgeführten Operation. 

Die 3 Kinder litten sämmtlich an einer Lähmung des Qua- 
driceps. Der Quadriceps ist der Muskel, der für das Stehen und 
Gehen am wenigsten entbehrlich ist. Ist er gelähmt, so ist die 
Streckung des Unterschenkels unmöglich und die Kinder brechen, 
wenn sie trotzdem den Versuch ohne künstliche Stütze machen, 
meist im Knie zusammen und fallen zu Boden. Um dies zu 
vermeiden, müssen die Patienten meist eine Maschine tragen, 
welche das ganze Bein versteift und welche sie zeitlebens zu 
Sclaven eines Apparates macht. 

Bei keiner Lähmung war der Ersatz des gelähmten Mus¬ 
kels durch eine Sehnenverpflanzung so wünschenswerth wie bei 
der Quadricepslähmung. Aber alle Versuche, die von \ u 1 p i u s, 
Iloffa und mir in dieser Richtung angestellt wurden, waren 
bisher gescheitert. In meinen 2 Fällen war ich im Jahre 1898 
so vorgegangen, dass ich den Biceps und den Semitendin., welche 

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die dem Quadriceps entgegengesetzte Wirkung haben und den 
Unterschenkel beugen, an ihrer Insertion am Knochen ablöste und 
subcutan nach vom führte, 
den Biceps auf der lateralen, 
den Semitendin. auf der me¬ 
dialen Seite. Auf diese Weise 
kamen die Sehnen der beiden 
verpflanzten Muskeln auf der 
Vorderfläche des Femur zu 
liegen (Fig. 9). Dort habe ich 
sie zunächst miteinander und 
dann mit der darunter lie¬ 
genden Sehne des gelähmten 
Quadriceps vernäht. Die 
Opferung dieser beiden Mus¬ 
keln war unbedenklich, da als Beuger des Unterschenkels der 
Semimembranosus und der Gastrocnemius verblieben. 

Diese Operation war nutzlos für die beiden Patienten ge¬ 
wesen, denn sie lernten nicht den Unterschenkel strecken; aber 
nutzlos für die Entwicklung der Operation waren diese miss¬ 
lungenen Versuche nicht. 

Gerade bei diesen Operationen lernte ich, dass für schwie¬ 
rigere Aufgaben eine gelähmte Sehne bei der Sehnenverpflan¬ 
zung nicht verwendet werden darf; denn die Quadricepssehne 
war in den 2 besprochenen Fällen so morsch und so zunderartig, 
dass die durchgelegten Fäden zum Theil durchschnitten und 
nicht einmal eine exacte Vernähung mit der verpflanzten Sehne 
möglich war. 

Diese beiden Misserfolge hielten mich über 1 Jahr lang von 
einer operativen Behandlung der Quadricepslähmung zurück. 

Aber der Wunsch, den an einer Quadricepslähmung leidenden 
Kindern zu helfen, Hess mir keine Ruhe und im Juli vorigen 
Jahres machte ich einen neuen Versuch, der zwar zuerst etwas 
phantastisch aussah, dessen Berechtigung aber jetzt durch die 
Thatsache erwiesen ist. 

Meine Absicht war, die periostale Methode, 
die mir am Fuss so ausgezeichnete Resultate 
geliefert hatte, auch auf den Oberschenkel zu 
übertragen. Wie bei meinen früheren Operationen ver¬ 
pflanzte ich zunächste den Biceps und den Semitendin. nach vorn. 
Da nun die Sehnen der verpflanzten Muskeln viel zu kurz waren, 
als dass sie direct mit dem Periost der Tibia hätten verbunden 
werden können, bildete ich eine künstliche Sehne aus Seiden- 
faden. Ich durchflocht die Enden vom Biceps und Semitendin. 
mit einer Anzahl stärkster Seidenfäden, führte dieselben sub¬ 
cutan zwischen Patella und Haut zum Unterschenkel und ver¬ 
nähte sie dort mit der Tuberositas tibiae. Meine Hoffnung war, 
dass die Seidenfäden einheilen, sich mit einer bindegewebigen 
Kapsel umgeben und die F^unction einer normalen Sehne über¬ 
nehmen würden. 

Die Versuche, die von Gluck und K ü m m e 11 vor Jahren 
schon bei traumatischen Selineiidefeeten angestellt wurden, 
Hessen ein solches Vorgehen berechtigt erscheinen. 

Meine Hoffnung hat mich nicht getäuscht. Die künstlichen 
Sehnen aus Seidenfäden sind bei allen drei Kindern, die nach 
dieser Methode operirt sind, eingeheilt, und ich bin in der glück¬ 
lichen Lage, Ihnen die Resultate zeigen zu können. 

(1. Das (»jährige Mädchen B. D. litt seit einer im 1. Lebensjahr 
(lurchgemnchten Poliomyelitis an einer völligen Lähmung des 
rechten Quadriceps. Ich habe sie im Juni 1801) nach der be¬ 
schriebenen Methode operirt. Die Sehne aus Seidenfäden ist glatt 
eiugeheilt und als ein etwa bleistiftdicker Strang auf der Knie¬ 
scheibe zu fühlen. 

Von Interesse ist, dass diese künstliche Sehne unter dein Ein¬ 
fluss der Bewegung und Benutzung des Beines sich ausserordent¬ 
lich verdickt hat. Als ich das Kind kürzt* Zeit nach der Verband¬ 
abnahme einigen Besuchern der Naturforscherversammlung im 
September 1890 vorstellte, war die Sehne genau so dick, wie nach 
der Operation und hatte Stricknadelstärke. 

Innerhalb der letzten (> Monate ist sie aber offenbar durch das 
herum wachsende Bindegewebe so stark wie ein dicker Bleistift 
geworden. Dieses Wachsthum der künstlichen 
Sehne gibt die beste Gewähr für die Dauer¬ 
haftigkeit des Resultates. Denn selbst wenn im Laufe 
der Zeit die Seidenfäden einmal ausgestossen werden sollten, so 
reicht zweifellos der neugebildete Bindegewebsstrang hin, um die 
Functionen der Sehne zu übernehmen. 

Das Kind vermag, wie Sie sehen, bei Seitenlage den Unter¬ 
schenkel bis zu einem rechten Winkel zu beugen und fast bis zu 
180 Grad zu strecken. 

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No. 15 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Beim Stehen wird es ihr noch schwer, diis gestreckte Bein 
hochzuheben. Doch vermag sie für kurze Zeit, es Dis zu einem 
Winkel von etwa 45 Grad zu führen. Der Muskel ist also bei 
Weitem nicht so kräftig, wie ein normaler Quadriceps; dass der 
Kleinen aber durch die Operation wesentlich genützt worden ist, 
sehen Sie am besten aus dem Gange. Das Kind ging vor der Opera¬ 
tion so, dass es die Hand auf den gelähmten Oberschenkel stützte, 
um ein Einbrechen im Knie zu verhüten; trotzdem kam es alle 
Augenblicke zu Fall. Jetzt geht das Kind frei und sicher und fällt 
— wie mir die Mutter mittlieilt — auch zu Hause nicht mehr hin. 

7. Das 11 jährige Mädchen J. M., das ich Ihnen jetzt vorstelle, 
zeigt den Nutzen der beschriebenen Sehnen Verpflanzung bei ausge¬ 
breiteten und schweren Lähmungen. Das Kind hat im 6. Jahre 
in Folge einer Poliomyelitis schwere Lähmungen an beiden Beinen 
erlitten. Ueber 2 Jahre lang konnte das Kind überhaupt nicht 
gehen. Durch einfache Maschinen, welche das Knie versteiften 
und welche von Prof. v. A n gerer angeordnet w'urden, kam das 
Kind wieder zum Gehen. Als Herr Prof. v. Angerer mir die 
Patientin im vorigen Herbste überwies, war es noch fraglich, ob 
dieselbe von ihren Maschinen wieder befreit werden konnte, denn 
der rechte Quadriceps war völlig gelähmt und an beiden Füssen 
fehlten die Dorsaltiectoren. Ich empfahl aber einen Versuch mit 
der Sehnenverpflanzung zu machen. 

Das Kind ist am 11. November 1899 in der beschriebenen 
Weise von mir operirt "worden. Der Zweck der Operation ist er¬ 
reicht, das Kind geht ohne Maschine und geht jetzt schon, trotz¬ 
dem noch nicht 2 Monate seit der Verbandabnahme verflossen sind, 
wesentlich besser und sicherer als vorher mit den Maschinen. 

Die Kleine vermag ebenfalls, wie Sie bei der Seitenlage am 
besten sehen, den rechten Unterschenkel in annähernd normalem 
Umfange zu beugen und zu strecken und kann ebenfalls das völlig 
gestreckte Bein schon bis 45 Grad hoch heben und in dieser Lage 
willkürlich den Unterschenkel beugen und strecken. 

9. Ein noch vollkommeneres Resultat zeige ich Ihnen in dem 
7 jährigen Knaben St. Er ist von seiner kgl. Hoheit dem Prinzen 
Ludwig Ferdina n d nach der beschriebenen Methode am 
14. October 1899 operirt worden; der Verband ist erst seit 0 Wochen 
entfernt; trotzdem nähert sich die Kraft des neuen Streckers be¬ 
reits der eines normalen Quadriceps. Der Knabe vermag im Sitzen 
den gestreckten Unterschenkel kürzere Zeit völlig horizontal frei 
zu halten, und im Stehen kann er das ausgestreckte Bein in der 
Weise, wie es Fig. 10 zeigt, lange Zeit hintereinander so ruhig und 
so sicher halten, dass die Herstellung einer Photographie mög¬ 
lich war. 

Die künstliche Sehne aus Seide hat in dem Falle die be- 
merkeuswerthe Länge von 15 cm. 



Fig. 10. 

M. H.! Dass die vorgestellten Kranken von der Selmenüber- 
pflanzung Nutzen gezogen haben, wird Niemand in Zweifel ziehen. 
Wie ausserordentlich segensreich aber die Operation für die un¬ 
glücklichen Geschöpfe ist, die an den Folgen einer Kinderlähmung 
leiden, das kann nur Der recht ermessen, der die Kinder vor der 
Operation gekannt hat. Man muss diese gelähmten Glieder gesehen 
haben, wie sie früher kalt, blauroth verfärbt, schlaff und schlot¬ 
trig waren und wie sie als ein nutzloses Anhängsel des Körpers 
mitgeschleift wurden, und man muss die Wiederkehr des Lebens 
und der willkürlichen Beweglichkeit, die rasche Zunahme der 
Musculatur und der Kraft, und die Verbesserung des Ganges nach 
einer solchen Operation beobachtet haben, um die Freude und die 
stets sehr grosse Dankbarkeit dieser kleinen Patienten nach¬ 
empfinden zu können. 


Ich bin am Schluss meiner Ausführungen. Nicht ohne Ab¬ 
sicht habe ich das Capitel der Selmenüberpflanzung gewählt, um 
Ihnen einen Einblick in die Arbeitsweise der modernen Ortho¬ 
pädie zu geben. 

Die Orthopädie befindet sich heute in demselben Stadium, 
in dem sich vor Jahrzehnten die Chirurgie befunden hat. Wie 
die Chirurgie einst den Badern, so muss die Orthopädie heute den 
Bandagisten, den Gymnasten nud anderen Curpfuschern entrissen 
werden. 

In diesem Kampfe bilden die Erfolge der Sehnenverpflan¬ 
zungen eine mächtige Waffe für die wissenschaftliche Orthopädie. 
Denn nichts kennzeichnet besser die Fortschritte, die wir in den 
letzten Jahren gemacht haben, als die Behandlung der Läh¬ 
mungen. Früher war man zufrieden, wenn man einem ge¬ 
lähmten Kinde durch schwere, lästige Maschinen ein kümmer¬ 
liches Gehen ermöglichte. Heute ist unser Ziel, Ersatz für die 
gelähmten Muskeln zu schaffen, die Kranken von ihrer Maschine 
zu befreien und aus den Krüppeln Menschen mit gesunden, nor¬ 
malen Gliedern zu bilden. 

Der Weg, auf dem dieses Ziel im einzelnen Falle erreicht 
wird, zeigt besser, als viele Worte, dass die Orthopädie kein Hand¬ 
werk mehr ist, sondern eine Wissenschaft — eine Wissen¬ 
schaft, die eine ebenso gründliche und ebenso 
umfassende ärztliche Durchbildung erfordert, 
wie jeder andere Zweig unserer Heilkunde. 


Zur Behandlung des Pes valgus. 

Von Prof. Dr. A. Hoffa in Würzburg. 

Wir haben in den letzten Jahren gelernt, vom eigentlichen 
Plattfuss den Pes valgus sensu strictori zu trennen. Dieser Pes 
valgus oder wie man ihn auch wohl nennen kann, der Pes abduetus 
oder pronatus oder X-Fuss oder Knickfuss ist gewöhnlich eine 
Vorstufe des wirklichen Plattfusses; er kann aber auch dauernd 
für sich bestehen bleiben und vermag seinem Träger heftige 
Schmerzen zu bereiten. 

Der Knickfuss ist dadurch charakterisirt, dass er in un¬ 
belastetem Zustand völlig normale Formen hat, dass namentlich 
auch die Fusswölbung völlig erhalten ist. Im belasteten Zustand 
ändert sich dagegen die Sache. Die Fusswölbung kann zwar noch 
erhalten sein, der Fuss aber wird in starker Pronationsstellung 
aufgesetzt, so zwar, dass der ganze Vorderfuss stark abducirt steht 
und der Malleolus internus stark nach innen vorspringt. Letzterer 
rückt dabei stets recht erheblich nach unten, während der Malleo¬ 
lus externus nur etwas nach vorn steht. Auch der ganz gesunde 
Fuss macht in beschränkten Grenzen eine ähnliche Drehung, so¬ 
bald er aufgesetzt und belastet wird. Erst die Uebertreibung 
dieser normalen Bewegung führt zum richtigen Knickfuss. Knick¬ 
fuss nenne ich einen solchen Fuss erst dann, wenn bei der Be¬ 
trachtung des belasteten Fusses von vorne her der Fuss unter¬ 
halb des inneren Knöchels geradezu wie abgeknickt erscheint. 
Man kann diese Abknickung auch messen. Ich zog zu diesem 
Zweck eine Linie gerade über den Fussrücken von der Spitze des 
Malleolus externus zur Spitze des Malleolus internus. Von der 
Mitte dieser Linie aus zog ich dann eine Linie durch den dritten 
Metatarsus hin zur dritten Zehe. Normaler Weise schliessen 
diese beiden Linien einen rechten Winkel ein. Man zieht sich also 
diese beiden Linien zunächst an dem unbelasteten Fuss, am besten 
mit einem gut zeichnenden Blaustift; dami lässt man den Patien¬ 
ten auftreten und zieht nun wieder eine Linie von der Mitte der 
Verbindungslinie der Malleolen nach der dritten Zehe hin und 
wird nun finden, dass durch die Pronation des Fusses dieser 
Winkel ein bedeutend kleinerer nach der Aussenseite des Fusses 
hin geworden ist. 

Genauere Messungen verdanken wir L o v e 11 und Cotton. 

Wie ich eben aus einer Arbeit dieser beiden Autoren ersehe 
(Transactions of the American Orthopedic Association, Vol. XI. 
1898), haben dieselben den Pronationswinkel beim Knickfuss 
durch möglichst exacte Messung zu bestimmen gesucht, nachdem 
Dane (Transactions of the American Orthopedic Association 
1897) schon früher einschlägige Versuche gemacht hatte. 

Durch anatomische Studien hatten L o v e 11 und Cotton 
gefunden, dass der Grad der vorhandenen Pronation sich propor¬ 
tional dem Grad der vorhandenen Drehung des Talus verhält. Da 
es nun ungemein schwer fällt, den Grad der Pronation richtig zu 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


bestimmen, haben sie direct die Rotationsstellung des Fusses 
gemessen. Sie bedienten sich dazu einer Klammer, die den 
Malleolus externus an seinem hinteren Rande, den Malleolus in¬ 
ternus aber an seinem vorderen prominenten Rande umfasste. 
An den seitlichen Armen dieser Klammer waren 2 Stäbe befestigt, 
die eine Verlängerung der Verbindungslinie der beiden genannten 
Punkte an den Malleolen darstellten. Von diesen beiden Stäben 
aus wurden auf einer papierenen Unterlage des Fusses 2 Senk¬ 
rechte in Form von je einem Loth (Faden mit Bleikugel) projicirt. 
Die Punkte Du. 0., an welchen das Loth die papierene Unterlage 
berührte, wurden markirt und beide Punkte dann durch eine Linie 
verbunden. Nun wurde ein Lineal an den inneren Fussrand ge¬ 
legt und längs desselben wiederum eine Linie A—F gezogen. Da¬ 
durch. dass diese letztere Linie A—F die Linie D—C bei B schnei¬ 
det, entsteht der Pronationswinkel A B C. Der so entstehende 
Winkel beträgt beim normalen Fuss etwa 50 Grad, beim Knick- 
fuss wächst er dagegen und zwar um 10 bis 20 Grad, erreicht also 
hier 60—70 Grade. So haben wir ein Maass für den Grad der vor¬ 
liegenden Deformität. (Fig. 1.) 



Fig 1. 

Betrachtet man den Knickfuss von hinten, so sieht man deut¬ 
lich eine Abknickung der Ferse nach aussen. Der Malleolus in¬ 
ternus springt stark hervor und die Achillessehne verläuft jetzt 
statt in einer geraden Linie nach aufwärts, in einem nach innen 
concaven Bogen vom vorderen Theil der Wade aus nach dem 
Tuber calcanei. 

Die Pedes valgi machen ihren Besitzern oft sehr erhebliche 
Beschwerden. Die Patienten ermüden sehr bald beim Stöhen und 
Gehen und haben daneben noch mehr oder weniger erhebliche 
Schmerzen, die an die verschiedensten Stellen des Fusses, in die 
Ferse, die Fusssohle, an die für den Plattfuss typischen Schmerz¬ 
punkte und nicht selten vorn an die Basis der Zellen verlegt 
werden. Ein grosser Theil der Patienten, bei denen die Diagnose 
auf eine sogen. Metatarsalgia anterior (M o r t o n’s 
Disease) gestellt wird, leiden an nichts Anderem, als einem ein¬ 
fachen Pes valgus. Die Patienten gehen mit stark nach auswärts 
gestellten Vorderfüssen und daraus kann der Geübte schon auf 
den ersten Blick die Diagnose stellen. 

Ursache des Leidens ist wohl stets schlechtes Schuh¬ 
werk. Bei den mittelspitzen Schuhen und hohen Absätzen, die 
gegenwärtig fast allgemein getragen werden, muss der normale 
Fuss nothwendiger Weise allmählich in Pronationsstellung über¬ 
gehen. 

Dann tritt aber auch bald eine Schwäche der Unterschenkel¬ 
muskeln überhaupt ein, namentlich aber der Muskeln, welche die 
Bestimmung haben, das Fussgewölbe in normalen Grenzen zu er¬ 
halten. Die Engländer nennen unser Leiden daher geradezu 
„We a k and e“. 

Es besteht dabei sicher auch eine gewisse Schlaffheit in den 
Ligamenten, aber noch keine Veränderung in den Knochen. Am 
meisten hat sicher der Musculus tibialis posticus ge¬ 
litten, denn dieser Muskel wird nicht nur schwächer, sondern er 
befindet sich auch bald in einem Zustand passiver Deh- 

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nung. Sobald das Fussgewölbe einsinkt, muss ja die Länge des 
Tibialis posticus unbedingt zunchmen. 

Gelänge es, diese passive Dehnung des Mus¬ 
culus tibialis posticus zu beseitigen, so wäre da¬ 
mit sicher auch der Pes valgus behoben. Dieser 
Gedankengang schwebte mir öfters vor und es hat sich mir dann 
die Richtigkeit desselben gezeigt in einem Falle von schwerem 
Pes valgus bei einem 12 jährigen Knaben. Ich habe in diesem 
Falle eine Verkürzung des Musculus tibialis 
posticus vorgenommen und dadurch eine 
völlige Heilung des Leidens erzielt. 

Ehe ich auf diesen Fall cingehe, möchte ich kurz noch unsere 
bisherige Therapie des Pes valgus erwähnen. 

Wenn wir annehmen, dass schlechtes Schuhwerk die Grund¬ 
ursache des Leidens ist, so werden wir vor allen Dingen dafür 
sorgen, dass die betreffenden Patienten rationell gebaute Schuhe 
erhalten. In einer kleinen Schrift: Der menschliche Fuss und 
seine Bekleidung (Würzburg, Verlag von Stahel, 1899) habe 
ich ausführlich die Schäden des heute modernen Schuhwerks, 
namentlich auch die Entstehung des Plattfusses durch dasselbe 
auseinandergesetzt. Ich kann hier auf diese Schrift verweisen, 
in der ich auch auf Grund von zahlreichen Röntgenunter¬ 
suchungen die zweckmässigste Art und Weise, wirklich normale 
Schuhe und Stiefel herzustellen, lehrte. Der normale Schuh muss 
vor allen Dingen so gebaut sein, dass der Fuss auch wirklich in 
ihm Platz hat. Er soll an der Innenseite am längsten sein und es 
soll das Oberleder nicht über einen symmetrischen Leisten ge¬ 
arbeitet werden, sondern über einem Leisten, der einem normalen 
Fuss wirklich entspricht, der also auch seine grösste Höhe am 
inneren Fussrand hat. Der Absatz soll dabei niedrig und breit 
gebaut sein. 

Derjenige, der von Jugend auf solche richtig gebaute Schuhe 
und Stiefel trägt, ist sicher geschützt vor dem Auftreten des Pes 
valgus. 

Ist dieser aber schon vorhanden, so muss man zu seiner Be¬ 
handlung unrationelle Schuhe sofort beseitigen und dem Patien¬ 
ten normale Schuhe anfertigen lassen. In hochgradigeren Fällen 
ist es sogar zweckmässig, schon durch den Schuh eine TTeber- 
correctur vorzunehmen. Dazu eignet sich am besten der B eel y 9 - 
sche Plattfussschuh. Dieser ist dadurch ausgezeichnet, dass der 
Absatz an seiner inneren Seite erhöht und gleichzeitig nach innen 
und vorn verbreitert ist. Ein solcher Absatz (die Abbildung findet 
sich in meinem Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie, IH. Auf¬ 
lage, S. 800) zwingt den Fuss in Adductionsstellung aufzutreten. 

Ist schon grössere Neigung zur Plattfussbildung vorhanden, 
so muss in den Schuh noch eine Plattfusseinlage eingefügt 
werden, wie ich solche in No. 49 und 50 dieser Wochenschrift vom 
Jahre 1893 beschrieben und abgebildet habe. 



Fig. 2. Fig. 3. 

Sieht man, dass durch diese einfacheren Mittel der Fuss nicht 
in richtiger Stellung gehalten wird, dass der Patient ihn vielmehr 
trotzdem noch in Valgusstellung aufsetzt, so muss man seine Zu¬ 
flucht zu einem kleinen Schienenapparat nehmen. Zuerst ver¬ 
suchte ich als solchen meine Plattfusssohle, an die ich eine ein¬ 
fache innere Schiene anbrachte. Bald erkannte ich aber, dass 
dies nicht ausreicht, dass man die Plattfusssohle mit einer dop¬ 
pelten, einer inneren und einer äusseren Schiene versehen muss, 
um einen vollen Erfolg zu erzielen. So entstand der in Fig. 2 ab- 

2 * 

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No. 15. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


gebildete Apparat. Derselbe wird in den Schub eingelegt und mit 
dem Schuh angezogen. Ist die Schiene dann oben am Unter¬ 
schenkel festgeschnallt, so ist ein Ausweichen des Fussos in Ab- 
ductionsstellung sicher verhütet. 

Hand in Hand mit dieser mechanischen Behandlung geht die 
Behandlung des Kniekfusses und des Unterschenkels mit Massage 
und Gymnastik. Es werden hier dieselben Uebungen ausgeführt, 
wie ich sie in dem oben genannten Aufsatz auch für den Platt- 
fuss beschrieben habe. 

In der eben geschilderten Weise gestaltete sich unsere bis¬ 
herige Behandlung des Kniekfusses. Dieselbe hatte im All¬ 
gemeinen recht befriedigende Dauererfolge, nur war die Zeit, die 
zu völliger Heilung des Leidens nothwendig war, eine sehr lange. 
Konnte man die Behandlung nicht schon in frühester Jugend be¬ 
ginnen, so war die Gefahr eines Recidivs namentlich nach 
grösseren Anstrengungen immer vorhanden. 

Ich glaube nun, dass ich durch Einführung der Ver¬ 
kürzung der Sehne des T i b i a 1 i s p e s t i e u s einen 
grossen Fortschritt in die Behandlung des Kniekfusses eingeführt 
habe. Cessante causa ccssat morbus! 

Der Fall, den ich operirt habe, ist folgender. L. F. aus E.. 
12 Jahre alt, wird am 5. VI. 1899 in meine Heilanstalt aufgenom¬ 
men. Patient leidet an hochgradigen Beschwerden des linken 
Fusses; er kann nur ganz kurze Zeit gehen und bekommt dann 
heftige Schmerzen. 

Status praes. : Gesunder Junge. Der linke Fuss steht 
in hochgradiger Valgussteilung: dabei ist die Fusswölbung schon 
herabgesunken, doeli ergibt der Russabdruck immer noch das Vor¬ 
handensein einer Wölbung. Die Wadenmuscnlatur ist links 
schwächer ausgebildet als rechts. Der rechte Fuss steht auch in 
Valgusstellung; dieselbe ist jedoch hier geringer als links: am 
rechten Fuss werden keine Beschwerden geklagt. Unter dem 
Eindruck der überaus günstigen Erfahrungen, die ich mit der 
Sehnentransplautation bei der Behandlung der verschiedensten 
Lähmungsdeformitäten erzielt habe, und auf Grund der theo¬ 
retischen, vorher auseinandorgosetzten Betrachtungen, dass es im 
Wesentlichen die Schwäche und der passive Dehnungszustand des 
M. tibialis posticus ist. der den Knickfuss entstehen lässt, beschloss 
ich in dem vorliegenden Fall, den M. tibialis posticus aufzusuchen 
und ihn zu verkürzen. 



Fig. 4. 

Operation: 0. VI. 1899. Durch einen 2 '/ 2 cm langen 
Schnitt suchte ich mir die Sehne des Tibialis posticus unterhalb des 
Malleolus internus auf. Die Sehne ist hier sehr leicht zu finden. 
Sie wurde hervorgeholt, zwischen zwei Schiebern durchschnitten, 

die Enden bei möglichster 
Uebercorrectur des Fusses 
möglichst stark aneinander 
vorbeigeschobeu und dann 
in ihrer neuen Stellung unter¬ 
einander mit Seidennähten 
fest vernäht. Die so erzielte 
Verkürzung betrug minde¬ 
stens 3 cm. Als der Fuss los¬ 
gelassen wurde, stand er in 
guter Adductionsstellung. 
Naht der Hautwunde mit 3 
Seidennähten. Keine Drai¬ 
nage. Aseptischer Verband. 
Gipsverband in adducirter 
Stellung des Fusses. 

9. VI. 1899. Nähte ent¬ 
fernt. 

21. VI. 1899. Völlig pri- 
Fjg. 5. märe Heilung: es wird noch¬ 

mals ein Gipsverband angelegt, in dem Pat. bis zum 10. VII. herum- 
geht. Dann Entfernung des Gipsverbandes und Entlassung des Pat. 
mit der oben beschriebenen Doppelschiene. Diese Schiene trägt 
Patient 2 Monate, dann wird sie fortgelassen und nur eine einfache 
Einlage in dem Schuh weiter getragen. 


Bei einer Nachuntersuchung des Patienten am 15. I. 1900, also 
0 Monate nach der Operation, ergibt sich ein ausserordentlich 
befriedigendes Resultat Der operirte Fuss hat eine völlig normale 
Stellung. Fig. 3 zeigt den Patienten vor der Operation. Fig. 4 
fi Monate nach der Operation. Besonders instructiv ist. die Fig. 5. 
Bei Betrachtung des Fusses von hinten ergibt der operirte Fuss 
völlig normalen Stand der Ferse: der Malleolus internus springt 
nicht mehr hervor. Am rechten Fuss sieht man dagegen deutlich 
noch die Valgusstellung der Ferse und das Vorspringen des Malle¬ 
olus Internus. Dabei ist zu bedenken, dass vor der Operation die 
Valgusstellung links noch stärker ausgeprägt war als rechts. 

Der Junge hat dabei alle Beschwerden links verloren. Er 
läuft und springt jetzt stundenlang umher, fährt Rad, kurzum er 
ist wieder völlig hergestellt. 

Tn Anbetracht der hier erzielten Resultate möchte ich dazu 
auffordern, in ähnlichen Fällen die gleiche Operation zu ver¬ 
suchen. 


Asepsis contra Antisepsis? 

Von Dr. Otto La nz, Docent für Chirurgie in Bern. 

Zur Zeit besteht eine gewisse Gefahr, dass die Parole aus¬ 
gegeben wird: hie Asepsis, hie Antisepsis, dass sich die beiden 
Begriffe zu einer Art von Gegensätzen entwickeln. Vor einem 
allzu principicllen Betonen des A und Anti, ich möchte sagen 
vor einem „Glaubensbekenntniss“, wie es dem Einen oder Anderen 
gar zu gern über die Lippen schlüpft, ist aber entschieden zu 
warnen. 

Untersuchungen, die ich gemeinsam mit Dr. F 1 a c h 1891 
bis 1892 an der Berner chirurgischen Klinik ausführte und da¬ 
mals im Langenbeck’sehen Archiv mittheilt:?, führten uns zu 
dem Schlüsse, die Asepsis kröne eie Antisepsis. Sie soll aber 
eine Krone bilden, die dem Körper der Antisepsis aufsitzt; von 
diesem Mutterleibe losgelöst wird ihr Glanz rasch sieh trüben. — 
Diese Untersuchungen (L a n z und Fl ach: Die Sterilität asep¬ 
tisch und antiseptisch behandelter Wunden unter aseptischen und 
antiseptischen Verbänden, v. Langenbeck’s Archiv, Bd. 44, II. 4) 
hatten die an 300 bacteriologisch geprüften Wunden, an den sie 
schliessenden Nähten, sowie an den dieselben bedeckenden Ver¬ 
bünden gewonnenen Resultate zur Frucht. Da sie den Aus¬ 
gangspunkt für die vorliegenden Ausführungen bilden, möchte 
ich kurz einige der damals experimentell von uns erreichten Er¬ 
gebnisse. recapituliren. 

Bei Paralleluntersuchungen des Blutcoagu- 

I u m s aus der Drai n r ö h r e und des Wundblutes aus 
d er Tiefe der Wunde, wobei mit geglühter Platinöse bei 
der Entfernung des Glasdrains 24 Stunden p. op. ein Partikel des 
Goagulums, sowie etwas Blut entnommen und verimpft wurde, 
zeigte es sich, dass von 20 untersuchten Fällen das Coagulum 

II mal, das Wundblut 4 mal bacterienlialtig war. 

In einer 2. Untersuchungsreihe verimpften wir die 
Glasdrain r ö h r e n selbst aus 18 Wunden, die mit S u b 1 i - 
m a t gespült und 24 Wunden, die nicht s u b 1 i m i r t worden 
waren; wir wollten daraus den Schluss ziehen, ob es möglich sei. 
die eingedrungenen Keime zu vernichten, d. h. durch die anti- 
septische Wundirrigation eine primäre Desiufection der Wunde 
zu erzielen. Die Parallele ergab 7 Fälle von Bacterienwaclisthmn 
bei sublimirten, 3 bei den nicht sublimirten Wunden, neigte also zu 
Gunsten der reinen aseptischen Behandlung frischer 
Operatlouswunden. Von Schi m in elbusch, Messner, 
II e n 1 e und Reichel sind unsere ersten diesbezüglichen Ver¬ 
suche in der Folge auf genommen und weiter verfolgt worden. 

Eine 3. Untersuchungsreihe von 101 Fällen sollte 
uns die aufgeworfene Frage beantworten, ob die Prognose 
d e r W u n d h e i 1 u n g nach 24 Stunden aus der Thatsaehe ge¬ 
stellt werden könne, dass im Glasdrain ein Coagulum, oder nur 
flüssiges Blut vorhanden. Diese Entscheidung fiel negativ aus: 
wohl aber fanden wir,- in Uebereinstimmung mit Welch und 
T a v e 1. dass eine Infection der Wunde — wenn sie meist auch erst 
später manifest wurde — stets vorlag. wo aus dem Drain Culturen 
von Staphylococeus pyogenes aureus oder Streptococcus pyogenes 
angingen. Dieses Factum wäre wohl für die Frage der Behandlung 
aecidenteller Wunden, z. B. complieirter Fraeturen sehr wichtig 
und es müsste eigentlich aus jeder aeeidentellen Wunde geimpft 
werden zur Entscheidung der Frage, wie ihre Behandlung geleitet 
werden solle. Allein leider entwickelt der Staphylococeus aureus 
seinen Farbstoff erst zu einer Zeit, wo das wichtigste Stadium 
der Wundbehandlung und damit das' Schicksal der Wunde ent¬ 
schieden ist. Immerhin dürfte der Befund von Tetanusbacillen 
(H a e g 1 e r) in frischen aeeidentellen Wunden von einschneldenster 
Bedeutung sein. 

Parallelimpf ungen aus dem distalen und dem 
centralen Osti um der Drainröhren ergaben die doppelte Zahl 
der positiven Befunde distal, was uns für die Frage der Secun- 
därinfection von Wichtigkeit schien. Zur Entscheidung 
dieser Frage des seeundären Eindringens der Keime verimpften 
wir in 50 Fällen die Fa den bei der Wegnahme am 1., 2. und an 
späteren Tagen, sowie in weiteren 40 Fällen Stücke aus der die 



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10. April 1900. 


MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Wunde direct bedeckenden sterilen Gaze, Sublimat- 
Kaze und Jodoformgaze. Wir fanden, dass aus der sterileu 
Gaze immer, aus dem Sublimatfaden und der Sublimatgaze in 
einem Drittel der Fülle, aus der Jodoformgaze nur ausnahmsweise 
Keime zur Entwicklung gelangen. 

Diese Untersuchungen habe ich seither, bald eifriger, bald 
lässiger, hauptsächlich nach 2 Richtungen hin weitergeführt: 
einmal in dem Bestreben, die prophylaktischen aseptischen Maass- 
nahmen gegen das Eindringen der Keime möglichst zu sichern, 
andererseits in der Absicht, die in der Mehrzahl der aseptisch 
angelegten Wunden gefundenen Staphylococcusarten zu differen- 
y.iren. Die letzteren Untersuchungen hatten als einziges prak¬ 
tisch verwerthbares Resultat die Beobachtung, dass ein in der 
ersten Generation ganz als Coccus epidermidis auswachsender 
Staphylocoecus in der 2. oder 3. Generation zum typischen Sta- 
phylococcus pyogenes albus werden kann, dass er also doch durch 
die antiseptischen Maassnahmen zu einer Degenerationsform 
abgeschwächt worden war. 

Ueber meine Bestrebungen nach der Richtung der Erreichung 
einer möglichst idealen Asepsis will ich in Folgendem referiren. 

Dabei beschränke ich mich auf das Herausgreifen einiger 
springender Punkte aus einer im Sommer 1897 geschriebenen, 
breiter angelegten Arbeit; die Freude an diesem ganz speciellen 
Arbeitsgebiet ist nämlich in der Zwischenzeit über so viele bac- 
teriologiseh geschulte Chirurgen gekommen, dass meine da¬ 
maligen Ausführungen zum grössten Theil von anderer Seite her 
bereits bekannt sind. 

Unsere Instrument e, unsere V erbau d Stoffe 
haben wir durch die jetzt allerorts geübte thermische 
Sterilisation definitiv beherrschen gelernt; bleiben als 
unsichere Glieder in dem Ringe, wenn w’ir von der Luft absehen, 
die Hand des Chirurgen, die Haut des Patienten und die ein¬ 
gelegten Ligaturen. 

Damit sind die drei Fehlerquellen gegeben, welche uns ge¬ 
legentlich einen Strich durch die Rechnung ziehen, die Prima¬ 
heil ung beeinträchtigen können. 

In erster Linie muss also dieser Begriff der prima in¬ 
te n t i o fixirt werden, denn mit demselben wird noch bis zur 
Stunde viel Missbrauch getrieben: Prima oder Prima sind noch 
heute ganz verschieden ausgelegte Qualitäten. Sobald sich nach 
Verlauf der ersten 24 oder 2 mal 24 Stunden und nach der Ent¬ 
fernung einer eventuellen Drainröhre später noch irgend welche 
Secretion zeigt, so ist der Wundverlauf ein gestörter und kann 
nicht mehr als Prima, als unmittelbare, reactioslose Verklebung 
bezeichnet werden. Was soll das heissen: „Prima in 10, in 14 
in 20 Tagen? Das ist doch ein offenkundiger Widerspruch! Ich 
habe an einer chirurgischen Klinik dem ersten Assistenten, der 
das ganze Semester hindurch fast lauter Primaheilungen gesehen 
hatte, entgegenhalten müssen, ich hätte in derselben Zeit keine 
einzige tadellose Prima gesehen: .... So weit auseinander gehen 
die Begriffe über eine' p rima intentio ! An diese Quali- 
fication ist aber doch wohl gewiss der histologische Maassstab der 
unmittelbaren Verklebung auch bei ausgedehntester 
Verletzung zu legen. Dieselbe kann gestört sein durch ein Hae- 
matom in Folge mangelhafter Blutstillung und in diesem Falle 
ist es wohl noch erlaubt, von einer Prima mit Haematom zu 
sprechen, da man sich gewöhnt hat, die prima intentio als asep¬ 
tischen Wundverlauf in Gegensatz zu stellen mit der secunda, 
bei welcher infectiöse Processe im Spiele sind. Nur kurze Zeit 
bleibt das Haematom als fiüssiges Blut in der Wunde, es sei denn, 
dass es sich um einen grossen Bluterguss handelt; sieht man sich 
gezwungen, die Ansammlung in späteren Tagen zu entleeren, so 
zeigen sich dunkle, fast schwarze Blutcoagula, in seltenen Fällen 
klares Serum. Ist aber das Haematom von schmutziger Farbe, 
oder das Serum trüb, dann handelt es sich nach meinen Unter¬ 
suchungen immer um infectiöse Vorgänge, auch wenn man ge¬ 
legentlich im Strichpräparat oder bei Verimpfung einer geringen 
Quantität aer Flüssigkeit keine Mikroorganismen findet. In 
diesem Falle hört natürlich das Recht, von Prima zu sprechen, 
auf, wenn die Iufection auch noch so geringen Grades ist. Eben¬ 
sowenig darf von einer prima intentio gesprochen werden in 
Fällen, wo man die Wunde nicht durch eine Naht hermetisch ver- 
schliesst, oder wo die Drainröhre länger als 1 oder 2 mal 24 Stun¬ 
den liegen bleibt, also noch anderen als der rein mechanischen 
Indication der Ableitung des primär ergossenen Blutes genügen 
muss. * 

Glücklicher Weise sind wir über das Stadium acuter Infec- 
tionen im Anschluss an die Operation mit seltenen Ausnahmen 


No. 15. 

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hinaus; ebenso kommen Sticheanaleiterungen in guten Verhält¬ 
nissen nicht mehr zur Beobachtung. Allein auch nach einer 
ununterbrochenen Reihe von tadellosen primären Verklebungen 
kommt es doch trotz bester Einrichtungen, trotz Autoelaven, 
trotz Glas und Eisen, trotz aller Malicen und Chieanen eines 
schönen Tages sporadisch oder auch einer schönen Woche gehäuft 
vor, dass Patienten, nachdem sie bereits das Bett oder das Spital 
verlassen haben, wiederkommen mit einer kleineren oder einer 
grösseren Resistenz oder Fluctuation unter der roaetionslos ge¬ 
heilten Hautnarbe, und daran schliesst sich dann die Elimination 
einer oder mehrerer Ligaturen, ein höchst langweiliger Vorgang, 
der zwar glücklicher Weise gewöhnlich den Chirurgen mehr quält 
als den Patienten, der aber gelegentlich auch das Recidiv einer 
radicaloperirten Hernie bedeuten kann. 

Gegen die chemotaetischen Anschauungen P o p p e r t’s 
möchte ich bei dieser Gelegenheit entschieden Front machen; 
wenn auch nicht immer direct im Strichpräparat, so sind doch 
culturell, ich möchte sagen, ausnahmslos Bacterien nachzuweisen, 
gelegentlich allerdings auf Gelatine nicht, wohl aber auf Agar 
im Thermostaten. Ich erinnere da an unsere Beobachtung, wo 
zwar weder aus der serösen Schicht, noch aus den letzten sich ent¬ 
leerenden Tropfen leicht trüber Flüssigkeit einer solchen 6 Wo¬ 
chen p. op. zur Function kommenden Verhaltung, noch aus dem 
Faden, der wahrscheinlich der Ansammlung zu Grunde lag, wohl 
aber au9 den unter allen Cautelen mit geglühtem scharfen Löffel 
dem Fadenlager entnommenen Granulationen Culturen von 
Staphylocoecus pyogenes angingen (1. c. pag. 10); ich erinnere 
an die analoge Beobachtung II a e g 1 e r’s (Centralbl. f. Chir. 1899, 
No. 5), der in dem serös-eiterigen Secret keine Bacterien nach- 
weisen konnte, während Schnitte durch den Fadenknoten selber 
zeigten, dass zwischen den einzelnen Seidenfasern zahllose Keime 
eingelagert waren. So war ich bei 300 Radicaloperationen von 
Hernien gewiss sehr oft in der Lage, die Pfeiler sehr energisch zu 
schnüren und habe dieselben sogar gelegentlich fortlaufend mit 
Seide übernäht ; eine durch Nekrose bedingte Eiterung, wie sie 
P o p p e r t für die Radiealoperation haben will, wesshalb er vor 
energisch ausgeführter Pfeilernaht warnt, habe ich indess noch 
nicht kennen gelernt; denn als Regel gilt eben doch, dass all¬ 
fälliges nekrotisches Gewebe durch Resorption weggeschafft wird, 
wenn keine infectiösen Einflüsse mit im Spiele sind. 

Es sind also diese Fremdkörpereitcrungen, lmplantations- 
infectionen (Kocher), oder kurzweg Fadenabscesse, eigentlich 
der einzige Infectionsmodus, welcher von der heutigen Sterili¬ 
sationstechnik noch nicht überwunden ist. Durch Anwendung 
von Catgut, dessen Sterilisation wir ja zur Stunde wohl be¬ 
herrschen, kann diese Klippe mehr oder weniger umschifft werden. 
Die Seide hat aber vor dem Catgut so ungemein viele Vortheile 
voraus, dass der Gebrauch von Catgut im Allgemeinen eigentlich 
schon ein Compromiss bedeutet. Zur Sicherung des nicht 
resorbirbaren Materiales ist der wohl von Brunner zuerst ge¬ 
gebene Rath, das Naht- und Unterbindungs¬ 
material nicht aseptisch, sondern mit desinficirenden 
Lösungen getränkt antiseptisch zu verwenden, jedenfalls 
von capitaler Bedeutung; derselbe ist von Haegier experi¬ 
mentell gestützt worden und ich habe dem gleichen Gedanken 
vor Jahren schon mit dem Satz Ausdruck gegeben „man sollte 
ein Antiseptieum spinnen können“. Um dafür zu sorgen, dass 
die Ligaturseide mit keinen anderen als mit den Händen des 
Operateurs in Berührung kommt, habe ich mir seit dem Jahre 
1895 „Ligaturkugeln“ machen lassen, deren Modell, An¬ 
fangs weniger praktisch, nach verschiedenen Umwandlungen all¬ 
mählich die nebenstehende Form gefunden hat (cf. Fig. 1). Da 
das kochende Wasser nicht in die Tiefe der Spulen dringt, die 
tieferen Seidenschichten auf Spulen also nicht direct vom 
kochenden Wasser umspült werden, wickle ich die Seide ohne 
irgend welchen soliden Kern zu einer lockeren Schale auf, wie 
man eine Packschnur aufwickelt, doch nur in kleine Bündel. 
Diese werden in die nussförmige, aus Glas oder Porzellan ver¬ 
fertigte, aus zwei ineinandergreifenden Halbkugeln bestehende 
Ligaturkugel gelegt, die Fadenenden zu den polaren Enden 
herausgeleitet und das Ganze in Sublimat gekocht. Damit das 
kochende Wasser recht durchstrudeln kann, besitzen die beiden 
Hälften correspondirende Oeffnungen nahe dem Rande, die beim 
Herausnehmen der Kugel durch Verschieben der beiden Halb¬ 
kugeln gegen einander geschlossen werden. Diese Ligatur¬ 
nuss leistet mir so vortreffliche Dienste, dass ich sie nicht warm 
genug empfehlen kann und z. B. bei Strumaoperationen, wo 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


manchmal trotz Doyen eben doch viele Ligaturen nöthig sind, 
gar nicht mehr entbehren könnte. Jeder Zwischenkörper ist 
dadurch ausgeschlossen, es wird viel Zeit gewonnen und ich habe 
nachgerechnet, dass ich bei einer Struma mit der Kugel 10 mal 
weniger Seide brauche, als wenn ich mir die Ligaturfäden ab- 
gesehnitten zureichen lasse. 



Der einzige Nachtheil, die Seide 10—15 Minuten lang in 
1 prom. Sublimatlösung kochen zu müssen, ist der, dass sie da¬ 
durch entschieden in ihrer Festigkeit leidet. Je weniger zerreiss- 
lich die Seide aber ist, desto dünner kann die Seidennummer ge¬ 
wählt werden, und je feiner diese ist, desto leichter ist sie zu 
sterilisiren, desto besser wird sie von der Wunde vertragen, desto 
weniger wirkt sie als Fremdkörper I 

Es ist also, abgesehen vom Aerger, den das Heissen der Seide 
verursacht, durchaus nicht irrelevant, ob man schwächere oder 
stärkere Seide hat, weil man dementsprechend dünnere oder 
dickere Nummern wählen muss. Gestützt auf die Untersuchung 
von C h r i s t e n’s (Mittheil, aus Schweiz. Kliniken, III. Reihe, 
2. lieft), wonach der rotlie Kartoffelbacillus, der 2 Stunden langes 
Kochen vertrug, die Wirkung des gespannten Dampfes bei 140° 
während einer Minute nicht aushielt, habe ich desshalb versucht, 
die Seide durch kurzen Aufenthalt in gespanntem Dampf und 
nachheriges, nur eine Minute lang dauerndes Kochen in Sublimat 
möglichst wenig zu schwächen. Allein zwei Proceduren statt 
einer sind eben eine ComplicationI Vorbereitet wird die 
Seide durch Entfettung mit Aether und Alkohol; allein schon 
diese Einleitung greift die Seide entschieden an, mehr als ein 
kurzes Kochen in 1 proc. Sodalösung. Leider ist es nicht räthlich, 
die Seide unentfettet zu gebrauchen, obgleich sie in diesem Zu¬ 
stande ungemein viel stärker ist; wenigstens waren in dahin 
gehenden Versuchen, bei denen ich das eine Mal die Seide ohne 
weitere Vorbereitung einfach in Sublimat kochte, das andere 
Mal dieselbe zuerst entfettete, die Fasciennarben bei Laparo- 
tomirten im ersten Falle im Allgemeinen resistenter und druck¬ 
empfindlicher als mit entfetteter Seide. 

Da mir die Sicherheit der Seide als das Punctum saliens 
meiner antiseptischon Maassnahmen erscheint, habe ich mir die 
Mühe genommen, einen Seidenbehälter mit „anti- 

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s e p t i s c h e m A b s c h 1 u s s“ zu construiren (cf. Fig. 2, 3 und 
4). Die nebenstehende Fig. 2 zeigt den Seidenknäuel, geschützt 
1. durch den überhängenden Glasdeckel, 2. durch eine Sublimat¬ 
schicht, 3. durch ein Uhrglas mit centraler Oeffnung zur Ent¬ 
nahme des Fadens, 4. durch das Sublimat, in welchem die Seide 
selbst liegt. In diesem „Seidenglas mit Sublimat¬ 
abschluss“ 1 ) wird die Seide gekocht und kommt aus diesem 
Kochgefäss heraus gleich in die Wunde. Aus Fig. 3, sowie aus 
dem Durchschnitt (Fig. 4) geht am deutlichsten hervor, in welcher 
Weise die Seide gegen die Randberührung geschützt ist. Es 
liesse sich auch daran denken, die obere Abtheilung meines 
Seidenglases mit Jodoformäther zu beschicken; auf diese Weise 
würde die in Sublimat gekochte Seide en passant gleich noch mit 
Jodoform imprägnirt! 


; 

I 



Fig. 2. 

Eine weitere, dahin gehörende und für den exacten Ausbau 
der Asepsis nicht ganz gleiohgiltigc Frage ist die : Sollen die 
Arterienklemmen jeweilen, nachdem eine bestimmte Zahl der¬ 
selben gelegt ist, von Zeit zu Zeit durch Ligatur ersetzt werden, 
oder thut man besser, die Schieber hängen zu lassen und die 
Ligaturen als Schlussact alle zusammen auszuführen? Für 

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ersteres Verhalten spricht der Umstand, dass einzelne Schieber 
während der fortgesetzten Operation losgehen können und somit 
gelegentlich ein blutendes Gefiiss unberücksichtigt übersehen 
werden kann. Die Rücksicht auf die Asepsis dagegen erfordert 
wohl kategorisch das Zusammenhängen der Ligaturen in einen 
Schlussact. Denn die während der Operation bereits gelegten 
Ligaturen werden in der Folge gewiss leichter inficirt, als wenn 

') Ligaturnuss und Seidenkochglas und Mütze sind von C. Fr. 
Hausmann, Sanltütsgeschllft, St. Gallen, zu beziehen. 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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sämmtliche Ligaturen zusammen am Schluss der Operation in 
einem Tempo besorgt werden, wobei die Seide direct dem 
Sublimat, in dem sie gekocht worden ist, entnommen wird. 

Die Meinung, dass die Seide als solche durch mangelhafte 
Sterilität spätere Störungen im Sinne einer eigentlichen 
Implantationsinfection bedinge, besteht meiner Ansicht nach 
nicht zu Recht; übrigens wird die von uns zur Zeit vertretene 
und experimentell gestützte Anschauung, dass bei Fadenabscessen 
nicht das eingelegte Ligaturmaterial als solches inticirt war, 
sondern dass die dasselbe legende Hand es inticirt hatte, von 
Mikulicz und Anderen getheilt. Was also die subjective 
A s e p s i s, die Hand des Chirurgen, anbetrifft, so ist hier selbst¬ 
verständlich von einer Asepsis im principiellen Sinne des Wortes 
keine Rede, weil wir leider unsere Hände weder kochen, noch 
üben* der Flamme ausglühen können. Es sei denn, dass vom 
Stamme der Chirurgie nicht nur die Abdominalchirurgie, als 
Gynäkologie sich abzweigt, sondern eine weitere Trennung in 
antiseptische Chirurgie und aseptische Chirurgie stattfindet. 
Ja, wenn ein Chirurge nur Kröpfe, Radiealoperationen und 
saubere Laparotomien ausführen, seine Hände jeder Infec- 
tionsgelegenheit fernhalten könnte, dann wäre die Sachlage eine 
andere, dann wäre gewiss mit warmem Wasser, Seife und Bürste 
auszukommen. Da wir aber zur Zeit nicht soweit sind, sollte der 
Chirurge, bewusster als dies jetzt geschieht, sich der strengsten 
Prophylaxe befleissigen, einer Prophylaxe, die ganz instinctiv 
werden muss. Schliesslich sind ja doch die „chirurgischen Infec- 
tionskrankheiten“ eben nichts anderes als die gewöhnlichen 
„internen Infectionskrankheiten“: Scharlach, Typhus, Gelenk - 
rheumatimus, welche letzteren gewiss immer mehr auch als 
„Wundinfection“ erkannt werden, insofern als lädirtes Haut¬ 
oder vielmehr Schleimhautepithel dem Feind die Festung des 
Körpers öffnet. Für die operativen Wundinfectionen haben wir 


durch die Arbeiten der drei letzten Jahrzehnte den Infections- 
modus, die Transplantationsinfection, kennen gelernt. Nehmen 
wir nun nur ein rein äusserliches Beispiel und berücksichtigen 
wir, wie viel Zeit und Müho es bringt, nach einem Gipsverband 
mechanisch die groben Gipspartikel, den makroskopischen 
Schmutz von den Händen weg zu fegen, dann werden wir uns 
entschieden klar werden, dass es eines der ersten Gebote des Chi¬ 
rurgen ist, seine nände nicht zu verunreinigen, nicht zu in- 
ficiren. Aus diesem Bestreben heraus habe ich mir, ganz unab¬ 
hängig von Mikulicz, das heisst 2 Jahre vorher, gleich nach¬ 
dem der Mosetigbattist in den Handel kam, bis an die Ellbogen 
reichende „Ballhandschuhe“ für septische Operationen, Verbände 
und zum Präpariren der Jodoformgaze machen lassen, nachdem 
ich mich schon im Jahr 1893 erkundigt hatte, ob und zu welchem 
Preise solche aus Condomstoff angefertigt werdon könnten, von 
Instrumentenmacher Schärer aber immer wieder negativ be- 
schieden worden war. Die neueren Gummihandschuhe von 
Friedrich und Anderen setzen uns in die glückliche Lage, 
unsere intacte Haut und damit den Patienten, unsere verletzte 
Haut und damit uns selbst vor Infection zu bewahren. Da die 
Condomhandschuhe etwas plump sind, habe ich in der letzten 
Zeit bei Operationen an der Leiche gelegentlich gewöhnliche 
Tricothandschuhe einfach mit Oel oder dickem Seifenschaum 
imprägnirt, um sie undurchlässiger zu machen. 

Ein weiteres, neben der Abstinenz von infectiösem Material 
nicht genug zu betonendes Postulat der Prophylaxe wäre das- 

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jenige, falls doch einmal eine Verunreinigung der Hände statt¬ 
gefunden hat, dieselben möglichst rasch und möglichst genau, 
so exact wie wenn man gleich vor eine aseptische Operation 
gestellt würde, zu desinficiren, damit die Infectionskeimo nicht 
haften bleiben, sich in den Nagelfalzen nicht häuslich nieder¬ 
lassen und fortentwickeln können, nicht in die tieferen Theile 
der Haut eingerieben werden. Bei der mechanischen Reinigung 
ist genau darauf zu achten, dass die Haut nicht von einer 
reizenden Seife oder vom Antisepticum angegriffen wird, denn 
eine rauhe, zerrissene, von Schrunden durchlüftete oder gar 
ekzematöse Hand ist — abgesehen vom Schmerz, den das Putzen 
in diesem Falle verursacht und der die Gründlichkeit der Rei¬ 
nigung entschieden auch beeinflusst — nicht mehr aseptisch zu 
beherrschen. Es ist ja gewiss leichter, eine Marinorplatto zu 
reingen, als eine Baumrinde; die Bürste darf dcsshalb nicht so 
hart sein, dass sie die Haut aufreisst. 

Bürste, höre ich Schleich verwundert fragen! 

Mit seiner Kritik derselben hat ja Schleich durchaus nicht 
Unrecht; ob sich dieselbe indess durch seine Marmorstaubseife 
ganz ersetzen lässt, wird die Zukunft weisen. Jedenfalls erscheint 
mir die Entnahme seines Impfmateriales mit der Platinöse von 
den Händen, sowie der Gebrauch von Gelatine statt Agar allzu¬ 
grosse Fehlerquellen in sich zu schliessen, als dass ich mich von 
seinen Impfresultaten vorderhand überzeugen Hesse; ich erinnere 
nur daran, wie oft bei unseren Impfungen die Gelatineculturen 
steril blieben, während die Agareontrolimpfungen positiv aus¬ 
fielen. 

Schleie h’s Kampf gegen die Bürste scheint mir also bei 
Reinigung der Hände in fliessendem Wasser und richtiger Be¬ 
handlung der Bürsten durch Auskochen nur sehr cum grano salis 
berechtigt zu sein. Bin ich doch vor Jahren gelegentlich eines 
Falles von Olenitis tuberc. mit der Anwendung der Bürste so 
weit gegangen, dass ich sie statt des scharfen Löffels zum Zweck 
kategorischer Reinigung des Gelenkes brauchte. Wenn auch das 
„Auskratzen“ niemals einen sehr befriedigenden chirurgischen 
Act darstellt, so bleibt es eben doch ab und zu das Einzige, was 
zu thun übrig ist; schon die römischen Chirurgen kannten ja 
den Vo 1 k m a n n’schen Löffel, was jedem Besucher des Museo 
nazionalc in Neapel erinnerlich sein wird. — Stellte sich also eine 
Patientin, der ich wegen einer schweren tuberculösen Olenitis 
mit Fisteln vor Jahren schon zur Resection gerathen hatte, mit 
so weit gediehener Erkrankung wieder vor, dass sie selbst die 
Amputation wünschte, und eine solche in diesem Zustande kaum 
hätte als Kunstfehler taxirt werden können. Trotzdem versuchte 
ich die Resection, fand das Oleeranon nekrotisch abgelöst im 
Gelenk liegen und Knochen und Weichtheile so ausgedehnt zer¬ 
stört und erweicht, dass ich gar nicht wusste, wo mit der 
C o o p e Eschen Scheere aufhören. Statt zum scharfen Löffel, 
der mir bei dieser Ausdehnung der Erkrankung als ein Spielzeug 
erschien, entschloss ich mich daher zur „scharfenBürst e“, 
seifte das offene luxirte Gelenk mit einer Handvoll Schmierseife 
ein und behandelte es kategorisch mit einer gekochten Hand¬ 
bürste. Am liebsten hätte ich zum Schlüsse noch die Bürste mit 
Jodoform beladen und damit weiter gefegt, wenn der elende All¬ 
gemeinzustand das Jodoform nicht contraindicirt hätte. Der 
Erfolg übertraf die kühnsten Erwartungen; zwar waren die 
Schmerzen während der ersten Nacht, offenbar der Schmierseife 
wegen, ungewöhnlich intensiv, allein nicht nur wurde die prima 
intentio durch den Gebrauch der Bürste in keiner Weise gestört, 
sondern ein Vierteljahr später sah die vorher ganz kachektische, 
auf’s Aeusserste ausgemergelte Person, deren Lebenskraft in den 
letzten Jahren durch die multipeln Fisteln herausgeflossen war, 
geradezu blühend aus und jetzt — 3 Jahre post operationem — 
erfreut sie sich einer recht befriedigenden Function ihres re- 
secirten Ellbogengelenkes. Die Bürste erscheint mir also nicht 
als so verwerflich, und wenn es zwar recht ist, dass auf die Ge¬ 
fahren. die von ihrer Seite drohen, aufmerksam gemacht wird, 
so darf man das Kind doch nicht mit dem Bade ausschütten. Zur 
Zeit reinige ich mir also meine vor jeder suspecten Berührung 
mit Gummihandschuhen geschützten Hände */£ Stunde lang in 
fliessendem heissen Wasser, mit Servatolseife Hausmann und 
mit Bürste, nachher mit Alkohol, 1 prom. Sublimatlösung und 
schütze mich vor den Folgen haftenden SubHmats durch Ab¬ 
waschen desselben mit 1 proc. Lysollösung. Die mit gekochtem 
Wasser präparirten Lösungen werden in gekochten Schüsseln ge¬ 
reicht, in denen gekochte Loofalappen Hegen. Ob man statt des 

3* 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


theuren Alkohols nicht als Einleitung zur Entfettung der Hände 
Sodalösung brauchen könnte, müssten Experimente lehren. 

Nicht warm genug kann ich das von Kocher geübte Ver¬ 
fahren empfehlen, den geringsten Epitheldefeet an den Händen 
gleich mit Jodtinctur zu verschorfen; seit ich diesen Rath be¬ 
folge habe ich nie mehr ein Panaritium zu verzeichnen gehabt. 

M i k u 1 i c z gebührt das Verdienst, mit dem Tragen von 
Handschuhen bei aseptischen Operationen, wenn nicht den An¬ 
fang, so doch den ersten consequent durchgeführten Versuch 
gemacht zu haben; seit 1. März 1897 hat er bei allen aseptischen 
Operationen das Operiren in Zwirnhandschuhen durchgeführt. 
Wölf 1er, Trendelenburg-Perthes, Zoege von 
Manteuffel haben zu gleicher Zeit wie Mikulicz Ver¬ 
suche mit Operationshandschuhen angestellt, und auch ich bin im 
Winter 1896/97 absolut unabhängig von Mikulicz, auf eine 
Anregung von Prof. Kocher hin, auf die gleichen Zwimhand- 
schuhe gekommen. Nachträglich ist bekannt geworden, dass 
Halsted diesen Vorschlag bereits 1891 gemacht hat. Dieses 
Zusammentreffen so vieler Chirurgen in der gleichen Frage be¬ 
weist jedenfalls das Eine, dass der von Mikulicz zuerst be¬ 
stimmt formulirte Vorschlag aseptischer Operationshandschuhe 
die abfällige oder geradezu wegwerfende Kritik nicht verdient, 
die er vielerorts erfahren hat. 

Wenn es auch verfehlt wäre, nun das Tragen der Handschuhe 
zum „clou“ der aseptischen Maassnahmen zu machen, so halte 
ich doch dafür, dass mit den Handschuhen ein grosser 
Schritt vorwärts zum Ziele einer idealen Asepsis gemacht worden 
ist, und ich habe mich trotz der Experimente D ö d e r 1 e i n’s 
und Brunne r’s niemals davon überzeugen können, dass die 
Zwirnhandschuhe eine V erringerung der Asepsis statt 
ihrer Erhöhung bedeuteten. Es wird damit doch eine ge¬ 
wisse Trennung der W T unde von der stets unsicheren Hand er¬ 
reicht und zum Anlegen der Ligaturen sind mir wenigstens die 
Zwirnhandschuhe so gut zum Bedürfniss geworden, wie der 
Fingerhut der nähenden Frauenhand. Einerseits kommt es ge¬ 
rade bei der implantirten Seide in höchstem Maasse auf genaue 
Asepsis an, andererseits kenne ich seit dem Handschuhgebrauch 
die lästigen Nadelschrunden und Fadeneinschnitte an den 
Fingern nicht mehr, und das Legen der Ligaturen mit dem Hand¬ 
schuh geschieht sicherer, indem die Seide weniger gleitet. Auch 
die glatten Instrumente, ein Kropf, ein Bruchsack gleiten, mit 
dem Handschuh gefasst, viel weniger aus, als mit der blossen 
Hand, und das stumpfe Operiren ist ebenfalls ungleich bequemer. 
Sind die Handschuhe mit Blut durchtränkt, so werden sie ge¬ 
wechselt, und für den Act der Ligaturen oder für den Act der 
Bauchdeekennaht bei Laparotomien werden stets neue Hand¬ 
schuhe angezogen. 

Diesen Maassnahmen zur Sicherung der operirenden Hand, 
des eingelegten Ligatur- und Nahtmateriales reihen sich als 
nächstwichtiges Moment die Proceduren zur antiseptischen Be¬ 
herrschung des Operationsfeldes an. Um die in den tieferen 
Schichten der Haut sitzenden, directer mechanischer Entfernung 
unzugänglichen Mikroorganismen zu entfernen, habe ich in 
schwieriger zu reinigenden Gegenden seiner Zeit das ganze 
Operationsfeld mit einem Jodanstrich bedeckt, dieses Vorgehen 
aber schon seit dem Jahre 1894 wieder verlassen, indem ich 2 mal 
nacheinander bei Radicaloperirten Ekzeme auftreten sah, die wohl 
der Oombination von Jod und Sublimat ihre Entstehung ver¬ 
dankten. Gelegentlich habe ich auch den Versuch gemacht, den 
Ilautsehnitt direct durch das gekochte Decktuch hindurch anzu¬ 
legen, die Wundlippen gleich an den Schnitträndem des Deck¬ 
tuches mittels einiger Knopf nähte fixirt und das Operationsfeld 
in dieser höchst einfachen Weise isolirt, d. h. exact auf die 
klaffende Wunde beschränkt. Man könnte auch daran denken, 
das desinficirte Operationsfeld etwa mit Jodoformtraumaticin 
zu imprägniren und auf solche Art die unsicheren tieferen Theile 
der Haut auszuschalten. Die Gefahr der Stichcanaleiterung halte 
ich indessen für überwunden, weil ich nie in die Lage komme, 
eine solche zu sehen; es beruht dies wohl nach Aufschlüssen der 
Ha e g 1er’ sehen Arbeit auf der Verwendung anti- 
s e p t i s c li e r , nicht bloss aseptischer Seide. 

Von der Liste r’schen ITeberschätzung der Gefahren, die 
der Wunde von der umgebenden Luft drohen, ist man zurück- 
gekommen. Indess wird man nach Erfahrungen des letzten Jahr¬ 
zehnts gut thun, die Luftinfection doch nicht ganz ad acta 
zu legen, den bekannten V o 1 k m a n n’schen Satz nicht mehr 
zu unterschreiben. Dass die klinisch Operirten im Allgemeinen 

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einen grösseren Procentsatz von gestörter Wundheilung auf- 
weisen, rührt meines Erachtens wohl ebenso sehr von der Sprech¬ 
luft des docirenden Lehrers her, als von der durch das Auditorium 
beunruhigten Zimmerluft. Untersuchungen über die Sprech¬ 
luft, die ich, von der Beobachtung einer durch die Anwesenheit 
von Mundbacterien baeteriologisch gesicherten Spreehluft- 
infection ausgehend, begonnen hatte, sind in der Zwischenzeit in 
originellerer Weise durch in den Mund genommene Prodigiosus- 
aufschweramung von Flügge ausgeführt worden. Als Facit 
meiner diesbezüglichen Untersuchungen hatte ich bereits den 
Schluss gezogen, dass man während einer Operation den Mund 
möglichst zu halten hat und hatte mir für Laparotomien und 
länger dauernde Operationen die nebenstehende Maske (Fig. 5) 
machen lassen, um die Sprechluft einigermassen zu filtriren. Die¬ 
selbe schützt die Wunde zugleich vor Haar und Bart. Den 
letzteren dem Chirurgen abzuerkennen, wäre zwar zweifellos ein¬ 
facher und correcter, doch weiss ich nicht, ob dieser Schauspieler¬ 
oder Kellnertypus dem Chirurgen so leicht zu dictiren wäre, ob 
es nicht Chirurgen gibt oder gegeben hat, die Michelangelo 
nachempfanden, der vor seinem Moses stehend den Ausspruch 
that: „Der Bart ist das Göttlichste am Menschen“. Ich möchte 
nun mit dieser Mütze lieber den Spott nicht allzu sehr heraus¬ 
fordern ; allein so lange es dem Operateur gestattet ist, Bart und 
Schnurbart zu tragen, hat er die Pflicht, diese Attribute männ¬ 
licher Schönheit unschädlich zu machen. 

Die Resultante aller dieser, dem einen oder andern, auf 
überlegenem Standpunkte stehenden Leser wohl kleinlich er¬ 
scheinender Bemühungen ist die mehr oder weniger grössere 
Keimfreiheit der Wunde. Wie bereits daran erinnert, haben wir 
die ersten bacteriologischen Untersuchungen ausgeführt in der 
Richtung, ob es möglich sei, eine Wunde durch antiseptische Be¬ 
handlung zu desinficiren, nachdem uns Hunderte von Unter¬ 
suchungen gelehrt hatten, dass die grosse Mehrzahl aseptisch an¬ 
gelegter, per primam heilender Operationswunden eben gleich¬ 
wohl nicht aseptisch war. Zu der Ansicht, dass die Desinfection 
aseptisch angelegter Wunden zwecklos, ja sogar schädlich sei, weil 
sie die Gewebe in ihrer bacterienvernichtenden Vitalität schädigt 
und die Secretion vermehrt, waren wir bereits vorgedrungen zu 
einer Zeit, wo die chirurgische Praxis noch von der antiseptischen 
Wundspülung beherrscht. Nur da, wo die aseptische Prophylaxe 
nicht ganz sicher ist, kann eine a n t i septische Irrigation der 
Wunde einen Zweck haben, weil sie die eingedrungenen Bac- 
terien zwar nicht vernichtet, aber, wie ich experimentell nacb- 
gewiesen habe, geeignet ist, dieselben in ihrer Entwicklung zu 
hemmen, oder doch wenigstens in ihrer Virulenz abzuschwächen. 
Die Ausschwemmung der Wunde mit steriler physiologischer 
Kochsalzlösung als Schlussact der Operation scheint mir sehr 
zweckmässig zu sein, weil sie die Wunde in schonendster Weise 
mechanisch reinigt, von Blutcoagula befreit. Wo das Spülwasser 
aber nicht ganz sicher steril, ist wohl das Ländere Psche 
Princip der trockenen Wundbehandlung das gegebene. 

Die Drainage hat nur einen mechanischen Sinn; sie ist 
überflüssig, wo eine breite Vereinigung der Hautränder oder 
Etagennaht die Höhlenbildung vermeidet. Resultirt aber z. B. 
von einer Strumaoperation eine Höhlenwunde, so thut man 
besser, durch einen für 24 Stunden eingelegten Drain das sich 
ansammelnde Blut abzuleiten, welches das Aneinanderliegen und 
die primäre Verklebung der Gewebe in der Tiefe hindert. Durch 
eine solche Trockenlegung beraubt man auch am besten die 
Mikroorganismen ihres Nährbodens und zwingt dieselben zum 
Kampf mit der lebenden Zelle, indem man ihnen das todte Ma¬ 
terial entzieht. 

Von dem S c h e d e’schen feuchten Blutschorf ausgehend, 
habe ich vor Jahren Salicylgelatine und, als diese sich nicht be¬ 
währte, Jodoformagar geprüft, um ein antiseptisches, resorbir- 
bares, plastisches Material zu gewinnen und gelegentlich einem 
Allzuviel von Ligaturen oder einer Tamponade aus dem Wege 
gehen zu können. Meine an Hunden nach Thyreoidektoinie da¬ 
mit gemachten Erfahrungen waren aber ungünstig; es bleibt ab¬ 
zuwarten, ob das Schleie h’sche G1 u t o 1 diesem Zwecke 
dienstbar werden wird. 

Vor principieller Asepsis muss man sich also wohl eben so 
fern halten wie vor exclusiver Antisepsis. Obschon bei asep¬ 
tischen Operationen ausschliesslich nur Seide, keine Strange 
Catgut in Gebrauch gezogen wurde, ist mir zur Stunde wieder 
eine ununterbrochene Reihe von 100 Operationswunden ohne 
jede Reactioü, ohne einen einzigen Fadenabscess geheilt, darunter 

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.10. April 1900. 


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eine grössere Zahl von Kröpfen mit einer Masse von Seiden¬ 
ligaturen. Ein solches Resultat lässt sich wohl nur erreichen, 
wenn man beständig die Gefahr vor sich sieht, dass es wieder 
anders kommen könnte, wenn man nicht müde wird in der 
Controle und Kritik seiner a- und antiseptischen Maassnahmen. 


Ueber die Einschränkung des aseptischen Feldes bei 
Operationen.*) 

Von Dr. G. W a 1 c h e r. 

Es wird nichts zur Mode, was nicht übertrieben werden kann, 
nicht nur in der Tracht der Menschen, sondern leider auch in der 
Wissenschaft, in der Medicin. Und wie der Mensch, der in seiner 
Kleidung die Mode nicht mitmacht, und mag er noch so zweck¬ 
mässig und geschmackvoll gekleidet sein, von den Modefreunden 
als nicht auf der Höhe der Zeit stehend betrachtet wird, so läuft 
auch der Mediciner Gefahr, als nicht auf der Höhe der Zeit 
stehend betrachtet zu werden, wenn er nicht mit der modernsten 
Strömung schwimmt, sondern unbekümmert um die Mode seine 
eigenen Wege zieht. 

Ein Modeartikel war in den letzten Jahren die Aseptik im 
Gegensatz zur Antiseptik. Ich habe diesen Unterschied nie recht 
verstehen können, denn ob ich einen Gegenstand mit Hilfe der 
Hitze desinficire oder mittels eines Desinficiens aseptisch mache, 
erscheint mir völlig gleich. Die Hitze ist eben ein vorzügliches 
Antisepticum, das aber leider den grossen Nachtheil besitzt, nur 
für einen Moment wirksam zu sein. Sobald die Gegenstände aus 
dem Desinfectionsraum genommen sind, sind namentlich Baum- 
woll- und Le inen Stoffe nicht nur der Neuinfection wieder aus¬ 
gesetzt, sondern zeigen sogar eine erhöhte Fähigkeit, darauf 
niederfallenden Keimen als kräftiger Nährboden zu dienen. 

Beide Methoden verfolgen doch nur das gleiche Ziel: die 
Mikroorganismen möglichst vom Operationsfeld fern zu halten 
lind sie so zu depraviren, dass, wenn sie doch in Contact mit dem 
Gewebe kommen, das Gewebe bald mit ihnen fertig wird — denn 
eine Aseptik im Sinne der Bacteriologie scheint überhaupt in 
praxi unmöglich zu sein. 

So haben uns in letzter Zeit die Laboratoriumsversuche über 
die Händedesinfection merkwürdige Ergebnisse geliefert und 
dabei ist zu bemerken, dass sich manche Dinge in der Theorie 
prächtig ausnehmen, sich aber in der Praxis nicht bewähren, weil 
man in der Theorie nicht mit allen Factoren gerechnet hat. 
An einem interessanten Beispiel möchte ich Ihnen dies erläutern: 
Man hat, um die Bauchdecken für eine Laparotomie möglichst 
gründlich zu desinficiren, 12 oder 24 Stunden vor der Operation 
Carbolpriessnitz über den Leib gemacht, in der Ueberzeugung, 
die Carbolsäure werde alle Fugen der Haut durchdringen und die 
darin anwesenden Mikroorganismen vernichten. Auch ich habe 
dies Verfahren geübt, bis vor einem Jahre. Da geschah es, dass 
ich bei zwei Kaiserschnitten und bei der Operation geplatzter 
Extrauterinschwangerschaften wegen Mangels an Zeit dieses 
Verfahren nicht anwenden konnte. 

Die ganz ausgezeichnete Heilung der Wunden und Stich* 
canäle in diesen Fällen machte mich stutzig an der Beurtheilung 
des Werthes des vorangehenden Carbolpriessnitzes und ich liess 
ihn seitdem mit vorzüglichem Erfolge weg. Wenn man bedenkt, 
dass unter feuchtwarmen Umschlägen selbst mit Carbolsäure und 
Sublimat Ekzeme entstehen, in deren Pusteln sich massenhaft 
Streptococcen befinden, so ist es einleuchtend, was wir mit 
unserem präliminaren Carbolpriessnitz erreichten: nämlich eine 
Neuzüchtung der in der Haut liegenden und bei trockener Haut 
sich ruhig verhaltenden Mikroorganismen, also geradezu das 
Gegentheil des Gewollten. 

In gleicher Weise hat man in den letzten Jahren verschiedene 
Verfahren zur Erreichung einer möglichsten Aseptik vorge¬ 
schlagen, die zunächst theoretisch einwandsfrei erschienen, in der 
Praxis aber sich als unhaltbar erwiesen. Ich erinnere nur an den 
Siegeslauf der baumwollenen Operationshandschuhe. 

Dass aber noch andere solche Maassnahmeu in der Praxis 
bedenklich erscheinen, wenn sie auch, theoretisch betrachtet, auf 
den ersten Blick bestechen, soll der Zweck dieser Worte sein. 

In Verfolgung des Ziels einer möglichsten Aseptik hat man 
meines Erachtens in jüngster Zeit weit über das Ziel hinaus- 
geschossen. Man hat bei den Operationen das aseptische Feld, 


*) Vortrag im ärztlichen Verein In Stuttgart am 8. XII. 
No. 15. 

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darunter verstehe ich alle Gegenstände, die als „keimfrei“ be¬ 
trachtet werden dürfen, immer weiter vergrÖssert. Von der 
Sterilisation der Operationsröcke ging man zur Sterilisation des 
Operationstisches, der Operationsluft und schliesslich des ganzen 
Operationssaales. Wie wenn es überhaupt möglich wäre, einen 
Operationssaal auch nur eine Secunde lang aseptisch zu erhalten! 
Auch wenn sich Mancher, der dieser Mode huldigt, sagt, dass zwar 
der Operationssaal nicht ganz aseptisch gemacht werden kann, 
so tröstet er sich doch mit der Ueberzeugung, das Möglichste ge- 
than zu haben, um die Mikroorganismen fern zu halten 
und fühlt sich behaglich in dem „angenehmen Gefühl der 
Sicherheit“, überall nur aseptische Gegenstände um sich zu 
sehen. 

Aber, meine Herren, gerade dieses angenehme Gefühl der 
Sicherheit ist es, das niemals über den Chirurgen kommen darf, 
falls er die Asepsis zur möglichsten Vollendung führen will. 

Damit kommen wir zur Frage der Erziehung in der 
Antiseptik. 

Ein junger Operateur, der im aseptischen Operationssaal, 
im aseptischen Rock, mit der Bartbinde und aseptischer 
Zipfelmütze gepanzert den feindlichen Mikroorganismen heraus¬ 
fordernd entgegentritt, im Bewusstsein der sicheren Niederlage 
des Feindes, übersieht im Gefühl seiner Sicherheit gar bald die 
Wege, auf denen seine kleinen Feinde in Menge seine aseptische 
Burg erstürmen. Wer sich die Mühe nimmt, solche junge Chi¬ 
rurgen während ihrer Arbeit genau zu beobachten, der sieht, dass 
sie nicht fühlen, wenn sie ihren Operationsrock mit den Händen 
berühren, ihren Operationsrock, der in der Hitze des Gefechtes 
mit allen möglichen Gegenständen, die nichts weniger als 
aseptisch sind, in Berührung kommt. 

So kommt z. B. ein Assistent, nachdem er einen Kranken 
vom Operationstisch auf die Bahre gelegt, an den Waschtisch 
und reibt seinen Rock an dessen Rand. Gleich nach ihm wäscht 
sich ein anderer zu neuer Operation und reibt seinen Rock an 
derselben Stelle, ohne dass die Stelle vorher desinficirt wurde, 
und dennoch gilt der Rock als aseptisch. 

Ja ich habe schon Assistenzärzte gehabt (zu ihrer Ehre sei’s 
gesagt, jetzt sehr tüchtige Antiseptiker), die fortwährend ihre 
Hände am Rock abputzten, wie sie es von früher her gewohnt 
waren. 

Ich glaube, es nicht nöthig zu haben, diese Verhältnisse durch 
weitere Beispiele zu erläutern, aber es ist ohne Weiteres klar, dass 
je mehr Gegenstände bei einer Operation als aseptisch gelten, 
desto mehr Gefahr vorhanden ist, dass diese Gegenstände eben 
nicht aseptisch sind und dass die Furcht der Operirenden vor 
eventueller Infection immer mehr schwindet und das aseptische 
Gewissen nicht gehörig geschärft wird. Die Hilflosigkeit von 
solcher Art geschulten Aerzten, wenn sie in der Praxis ohne asep¬ 
tische Operationssäle stehen, kann sich Jeder denken und die 
Gefahr liegt nahe, dass sie mit dem grossen aseptischen Ap¬ 
parat die Aseptik überhaupt verlieren. 

Der Einwand, dass etwa grosse Krankenhäuser und Spitäler 
keine Erziehungsanstalten für junge Aerzte seien, sondern dem 
Selbstzweck dienen, fällt in sich zusammen, weil immer junge 
Aerzte und sonstiges Hilfspersonal darin thätig ist und nicht nur 
in der Aseptik erzogen, sondern auch darin erhalten werden 
muss. 

Wie aber sind wir im Stande, das aseptische Gewissen zu 
schärfen und die jungen Collegen für die Praxis als tüchtige 
Aseptiker zu erziehen, und wie erreichen wir den höchstem. Grad 
von Aseptik und damit die besten Resultate? Meines Erachtens 
nur dadurch, dass wir das aseptische Feld bei der Operation mög¬ 
lichst einschränken und zwar so weit, dass es der Operateur noch 
übersehen kann. 

Lassen Sie mich Ihnen als Beispiel in Kürze mittheilen, wie 
wir bei unseren Operationen, z. B. einer Laparotomie, verfahren: 

Im Kreisssal, wo unter Assistenz von 6 bis 8 Schülerinnen 
hinter einer spanischen Wand vielleicht eben eii;e Gebärende 
ihr Kind zur Welt bringt, steht der Operationstisch mit einem 
frischgevvaschenen Leintuch bedeckt, auf das die zu Operirende 
gelegt wird. Nach gründlicher Desinfection der rasirten Bauch¬ 
decken mit Seife, Aether und Sublimat werden über die Schenkel 
bis zum Mons veneris herauf und über den Magen herunter bis 
ca. zum Nabel in Sublimatlösung liegende Handtücher gelegt 
und mit aseptischen Schliessnadeln befestigt. Dieses Feld allein 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


gilt als aseptisch, ebenso die Hände und Unterarme der Operiren- 
den nebst 3 Schalen, in welchen die Instrumente und Näh¬ 
materialien liegen, sowie die Schwämme in Sublimatlösung. 
Alles andere: Operationsröcke, Tische, Unterlagen, Servietten 
etc. sind zwar rein, gelten aber als septisch. Jede Berührung mit 
diesen Gegenständen verlangt neue Desinfection und wird von 
den geschulten Betheiligten auf’s Lebhafteste empfunden. 
Streift ein gereichter Faden an irgend einen Gegenstand, so wird 
er weggeworfen (während ich in aseptischen Operationssälen 
schon gesehen habe, wie die Fäden über allerhand Gegenstände 
weggezogen worden sind — es kümmerte sich Niemand darum, 
es war ja in den Augen der Operirenden Alles aseptisch. 

Die Luft in einem Operationsraum als Träger der Infections¬ 
keime scheint mir, für die Wunde selbst, so ziemlich gleichgiltig 
zu sein. Das lebende Gewebe scheint den frei aus der Luft her¬ 
einfallenden getrockneten Keimen gegenüber sehr widerstands¬ 
fähig zu sein und lässt sich mit einer Platte Agar und Nähr¬ 
gelatine nicht vergleichen, wie denn überhaupt die ganze Frage 
der chirurgischen Anti- und Aseptik erst ihre definitive Lösung 
finden wird, wenn die beiden dunklen Capitol der Virulenz und 
Disposition etwas geklärt sein werden. Viel bedenklicher ist wohl 
die Einwirkung der Luft auf sterilisirte, etwas feuchte Gewebe, 
wie Operationsröcke, Compreesen und dergl., wo sich die Keime in 
kurzer Zeit entwickeln und dann in Massen den Wunden zuge¬ 
führt werden können. 

Entscheidend in diesen Fragen sind ja zweifellos allein die 
Erfolge, und hinsichtlich dieser dürfen wir uns in der Landes- 
Hebammenschule unserer glänzenden Resultate erfreuen, nicht 
nur auf der gynäkologischen Abtheilung, sondern auch auf der 
unter den gleichen Principien geleiteten geburtshilflichen Ab¬ 
theilung, wo wir mit Einem Todesfall an Sepsis auf 8000 Geburten 
von allen deutschen Entbindungsanstalten die besten Verhält¬ 
nisse auf zu weisen haben, während wir in den letzten Jahren unter 
eiligen 100 Laparotomien nur 2 Fälle an Sepsis verloren haben, 
nach einer Omphalectomie und nach Entfernung einer Extra¬ 
uterinschwangerschaft, wo beide Male die Sepsis nicht von aussen 
zugetragen worden ist. 

So erscheint es denn viel wichtiger, mit möglichst kleinem 
aseptischem Feld zu operiren, weil wir, und das scheint das Aus¬ 
schlaggebende, damit die grösste Sicherheit für unsere Kranken 
erreichen und weil wir mit unserem einfachen Apparat nicht an 
Operationssäle gebunden sind, die Hunderttausende kosten und 
doch nicht mehr leisten, sondern aseptisch operiren können zu 
Hause oder auf dem Schlachtfelde. 

Wenn ich vielleicht Manchem an’s Herz gegriffen habe, indem 
ich seine schönen Einrichtungen zwar bewundere, aber für über¬ 
flüssig, ja sogar für schädlich halte, so mögen sie es mir ver¬ 
geben um der Wahrheit willen. 


lieber das chirurgische Naht- und Unterbindungs¬ 
material*) 

Von Dr. H. Braun, Privatdocent in Leipzig. 

Die moderne Wundbehandlung stellt von Tag zu Tag grössere 
Anforderungen an die operirenden Chirurgen und chirurgischen 
Anstalten. Die letzten bacteriellen Keime, welche noch in die 
Wunde gelangen können, sollen vernichtet werden, absolute Keim¬ 
freiheit soll erstrebt werden. Man operirt in Handschuhen, man 
controlirt in strengerer Weise als früher die Bedingungen, welche 
Keimfreiheit schaffen, man schenkt der Luftinfection, deren Be¬ 
deutung für die Wunde bis dahin geleugnet wurde, erneute Auf¬ 
merksamkeit. 

Trotz aller dieser Vorkehrungen lässt der Erfolg zu wünschen 
übrig; die menschliche Haut lässt sich, wenn überhaupt, so doch 
nur ausnahmsweise keimfrei machen, und wenn eine Wunde, die 
auch nur eine massige Zeit unseren chirurgischen Manipulationen 
ausgesetzt war, bacteriologisch untersucht wird, so enthält sie 
meistens Keime, und zwar nicht bloss unschuldige Saprophyten, 
sondern oft genug auch virulente, pathogene Bacterien (Fränkel, 
Pfuhl, Brunner, Riggenbach, Schloffer u. A.) 1 ). 
Woher sie kommen oder kommen können, soll hier nicht weiter 
erörtert werden, es soll nur constatirt werden, dass sie da sind 
und dass wir mit ihnen rechnen müssen. Bemerkenswerth ist, 

*) Vortrag, gehalten ln der Medicinischen Gesellschaft zu Leip¬ 
zig am 23: Januar 1900. 

*) Literaturverzeichniss am Schluss der Arbeit. 

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dass auch in Wunden, welche ohne alle klinischen Zeichen einer 
Infection heilen, solche Bacterien gefunden werden. Sie 
brauchen sich also nicht anzusiedeln — ein Ver¬ 
halten, das bei allen Infectionskrankheiten wiedergefundeu 
wird — aber sie können das thun, sie können eine Infection 
im klinischen Sinn hervorrufen, wenn sie in sehr grosser Zahl 
und Virulenz vorhanden sind, oder wenn sie, auch bei kleiner 
Zahl und geringer Virulenz, in der Wunde einen geeigneten 
Nährboden finden, dem gegenüber die Schutzkräfte versagen, 
welche dem lebenden Organismus gegen eine Bacterien in vasion 
zu Gebote stehen. Das kann bedingt werden durch Umstände, 
die den Allgemeinzustand des Körpers oder die besondere Be¬ 
schaffenheit einzelner Körpertheile und Organe betreffen: man 
weiss, dass Wunden bei Diabetikern und geschwächten, anaemi- 
schen Kranken besonders leicht inficirt werden, man weiss, dass 
gewisse Körpertheile oder Organe, z. B. Lippen, Gesicht, Peri¬ 
toneum an und für sich widerstandsfähiger gegen Bacterien 
sind, als andere. Ferner aber können in der Wunde selbst locale 
Bedingungen geschaffen werden, welche vorhandenen Bacterien 
die Ansiedelung und damit das Hervorrufen einer Störung der 
Wundheilung möglich machen oder erleichtern. Hiezu gehören 
Blutergüsse, welche die Wundflächen auseinanderdrängen, todte 
Räume in der Wunde, ferner zu intensive Verwendung ätzender 
antiseptischer Lösungen, nekrotische, stark gequetschte oder 
sonst in ihrer Ernährung beeinträchtigte Gewebstheile, endlich 
Fremdkörper, welche in der Wunde zurückgelassen wurden: 
Ligaturen und versenkte Nähte. Die Vermeidung solcher Schäd¬ 
lichkeiten, soweit sie möglich ist, die Assanirung der Wunde, 
ist eben so wichtig wie die Asepsis oder Antisepsis, so lange 
nicht mit Sicherheit überall und unter allen Verhältnissen alle 
Keime von den Wunden ferngehalten oder unschädlich gemacht 
werden können. Von diesem Ideal sind wir heute noch weit 
entfernt. 

Unvermeidlich sind bei der Wundbehandlung Unterbindungs¬ 
fäden und versenkte Nähte, und es erhebt sich nun die Frage, 
ob jedes primär keimfreie TTnterbindungs- oder Nahtmaterial 
gleichwerthig ist, um in einer Wunde die Ansiedelung von Bac¬ 
terien zu erleichtern, oder ob gewisse Eigenschaften des ver¬ 
wendeten Fadenmaterials in dieser Hinsicht günstige oder 
weniger günstige Unterschiede bedingen. 

Hierüber kann die klinische Beobachtung und die bacterio- 
logische Untersuchung von Hautnähten leicht Aufschluss geben. 
Der Stichcanal einer Hautnaht ist eine Wunde, die sich unter 
sehr ungünstigen Verhältnissen befindet, die fast stets der Ge¬ 
fahr einer Infection von Seiten der Hautoberfläche oder der 
tieferen bacterienhaltigen Hautschichten ausgesetzt ist. Ein 
Nahtmaterial, von dem gefunden wird, dass es unter solchen Ver¬ 
hältnissen selten oder nie isolirte Entzündungen und Eiterungen 
des Stichcanals verursacht, und dessen im Stichcanal gelegener 
Nahtschlingentheil sich in der Regel als bacterienfrei erweist, 
von dem kann a priori auch angenommen werden, dass es, unter 
weit günstigeren Umständen, in der Tiefe der Wunde liegend, 
in der Regel keinen Boden für eine Bacterienentwicklung ab¬ 
geben, sondern ohne Störung einheilen wird. Umgekehrt wird 
ein Faden, bei dessen Verwendung häufig Stichcanaleiterungen 
entstehen und dessen Nahtschlingen sich stets als bacterien- 
haltig erweisen, obwohl sie primär keimfrei waren, als ein Fremd¬ 
körper angesehen werden müssen, welcher einer Infection Vor¬ 
schub leisten kann. 

In der Zeit der aseptischen Wundbehandlung pflegt die 
Keimfreiheit und leichte Sterilisirbarkcit der Fäden als wesent¬ 
lichstes Kriterium eines brauchbaren Nahtmaterials zu gelten, 
fast gleichgiltig erscheint es, woraus der Faden besteht. In der 
älteren vorantiseptischen Zeit war es aber bekannt, dass die 
Fähigkeit, leicht und ohne Eiterung in den Geweben einzu¬ 
heilen, von der Art des Fadens abhängig war. Man beobachtete 
ferner, dass feine Fäden überhaupt besser einheilten, als starke, 
dass Wollfäden stets Eiterung erregten, dass hingegen Metall¬ 
fäden besonders gut vertragen wurden. 

Bereits Fabricius ab Aquapendente bediente sich 
(nach O 11 i e r) der Metallfäden, welche nachher von Dieffcn- 
bach, Simpson, Sims und vielen Anderen aus dem an¬ 
gegebenen Grunde zur Naht empfohlen wurden. 

L e v e r t beschäftigte sich 1829 experimentell mit der 
Sache, indem er 21 Hunden die Carotis theils mit Fäden 
aus Metalldraht, theils mit solchen aus organischem Material 
unterband. Es zeigte sich dabei, dass selbst unter den damaligen 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


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Verhältnissen die Metallfäden, mochten sie nun aus Blei, Silber, 
Gold oder Platin bestehen, im Gewebe reactionslos einheilten, 
während in der Umgebung der organischen Fäden Abscesse ent¬ 
standen. In vortrefflicher und für jene Zeit erschöpfender Weise 
hat 1862 O 11 i e r die Frage experimentell am Menschen geprüft, 
indem er IVz Jahre lang jede Wunde, die er zu behandeln hatte, 
gleichzeitig mit Seide, Zwirn und Metalldraht vernähte, aber 
nur solche Nähte in ihrem weiteren Verhalten miteinander ver¬ 
glich, welche unter ganz gleichen Verhältnissen sich befanden, 
gleich tief lagen, unter gleicher Spannung standen und dergl. 
Er fand ebenfalls, dass die Metallfäden, einerlei aus welchem 
Metall, in hohem Grade den Seiden- oder Zwirnfäden überlegen 
waren. Denn während bei letzteren stets Eiterung der Stich- 
canäle beobachtet wurde, wurden die Metallfäden selbst in schwer 
inficirten Wunden längere Zeit gut vertragen. O 11 i e r be¬ 
zeichnet die grössere Feinheit des verzinnten Eisendrahtes, den 
er gewöhnlich benutzte, und andererseits die Imbibitionsfähigkeit 
der Seiden- und Zwirnsfäden für sich zersetzenden Eiter als Ur¬ 
sache dieses verschiedenen Verhaltens. Irrig wäre nun die An¬ 
nahme, dass uns diese Versuche heute gar nicht mehr inter- 
essiren könnten, weil wir jetzt eben alle Fäden, die wir zur 
Naht und Unterbindung brauchen wollen, keimfrei machen 
können. 

Wir können vielmehr noch heute, wenn auch weniger grob, 
diese Differenz im Verhalten des Materials bei Hautnähten be¬ 
obachten, weil sie weniger bedingt ist durch den primären 
Keimgehalt der Fäden, als durch eine Secundärinfection des 
Fadens und des Stichcanals von der keimhaltigen Haut aus, die 
wir noch nicht zu verhüten im Stande sind. 

Seidenfäden verursachen bekanntlich nicht selten Sticli- 
canaleiterungen und die Regel, dass man Seidennähte nach 6 
bis 10 Tagen entfernen soll, gründet sich darauf, dass die Stich¬ 
canäle bei längerem Liegeidassen der Fäden in der Regel doch 
nicht reactionslos bleiben, sondern allmählich anfangen sich zu 
röthen, mit Granulationen auszukleiden, zu eitern, bis der Faden 
entfernt wird. Nur ausnahmsweise bleiben vergessene Seiden¬ 
nähte ohne diese Erscheinungen reactionslos auch lange Zeit im 
Hautstichcanal liegen. Feine Metallfäden aber pflegen, auch 
unter den überaus ungünstigen Verhältnissen einer Hautnaht, 
fast regelmässig völlig in dem Gewebe einzuheilen, und man 
kann nach Wochen gelegentlich sehen, dass über dem extracutan 
gelegenen Schlingentheil sogar das Epithel hinübergewachsen ist 
und den Fremdkörper völlig unsichtbar gemacht hat. 

Dass man dies Material nicht allgemein und ausschliess¬ 
lich zu Naht verwendet, hat seinen Grund lediglich in gewissen 
Unbequemlichkeiten, welche dem Gebrauch der starren Metall- 
drähte anhaften. 

Ein ähnlich günstiges Verhalten in den Stichcanälen wie 
die Metallfäden, zeigen die glatten, drahtartigen Seidenwurm¬ 
fäden, welche vielfach empfohlen (P e t e r s e n) und erprobt, 
doch ihrer Starrheit und auch Kostspieligkeit wegen niemals sich 
haben allgemein einbürgem können. 

Genauere Auskunft über die Ursache dieses verschiedenen 
Verhaltens gibt die bacteriologische Untersuchung der Faden¬ 
schlingen. 

Zunächst kann vorausgesetzt werden, dass die Fäden jeder 
Art gewöhnlich primär keimfrei sind. Es ist keine Schwierig¬ 
keit, einen Faden keimfrei zu machen und zu verwenden. Auch 
eine Catgutfrage existirt nach dieser Richtung hin nicht mehr, 
da wir eine Anzahl von Sterilisirungsmethoden besitzen, die uns 
ein sicher keimfreies Catgut liefern. Werden nun aber steril 
gewesene Fäden bacteriologisch untersucht, nachdem sie einige 
Tage in einem Stichcanal gelegen haben, so werden sie mehr oder 
weniger häufig inficirt, je nach dem Fadenmaterial, was zur Ver¬ 
wendung kam. 

Systematische, vergleichende Versuche dieser Art hat meines 
Wissens zuerst Haegier angestellt. Er fand, dass die Naht¬ 
schlingen der Seiden- und Catgutfäden fast stets inficirt, die 
der Metallfäden fast ausnahmslos steril geblieben waren. 
Ebenso fand Gottstein, dass von 93 Seidennähten 80 
inficirt waren, wobei aber nur 13 mal eine manifeste Stichcanal¬ 
eiterung sich eingestellt hatte. 

Eingehend beschäftigte sich mit dieser Frage T r o 11 e r. 
Er ging, um vergleichbare Werthe zu erhalten, in ähnlicher Weise 
vor, wie früher Olli er und vernähte Wunden gleichzeitig mit 

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sterilen Fäden aus Seide, Catgut, Aluminiumbroncedraht und 
endlich einer nach Schaeffer mit Guttapercha imprägnirten 
Seide. Nach Entfernung der Fadenschlingen prüfte er ihren 
Keimgehalt. Derselbe war unter Anderem durchaus abhängig 
von dem verwendeten Material, und zwar ergab sich als wich¬ 
tigstes Resultat, dass imbibitionsfähige, poröse, quellungsfähige 
Fäden, wie Seide und Catgut, ausserordentlich viel ungünstiger 
gestellt sind, als solide, nicht imbibitionsfähige Fäden, z .B. 
Setola, Draht und Seide, welche durch Guttaperchaimprägnation 
impermeabel gemacht waren. Während in einer der Versuchs¬ 
reihen Trolle Fs die subcutan gelegenen Schlingentheile der 
Seide und des Catgut ausnahmslos inficirt waren, blieben die 
gleichzeitig angelegten Setola- und Guttaperchaseidennähte in 
60 Proc. steril. Ein anscheinend noch günstigeres Resultat er¬ 
gab in der gleichen Versuchsreihe die Schlinge aus Aluminium¬ 
broncedraht. In anderen Versuchsreihen aber war die Zahl der 
sterilen Drahtschlingen im Verhältniss zur Zahl der sterilen 
Seiden- und Catgutnähte sogar kleiner (Draht 84,4 Proc., Seide 
30,7 Proc., Catgut 25 Proc.) als in der zuerst erwähnten Versuchs¬ 
reihe die Zahl der sterilen Setola- und Guttaperchaseidennähte 
im Verhältniss zur Zahl der sterilen Seiden- und Catgutnähte. 

Die Keime, die von Troll er an den Nahtschlingen gefunden 
wurden, waren in der Mehrzahl solche, welche als gewöhnliche 
Hautbewohner bekannt sind (Staphylococcus pyog. albus, Mikro- 
coccus tetragenes). Wiederholt fand er aber auch in Ueberein- 
stimmung mit Gottstein den Staphylococcus pyogenes aureus. 
Stichcanaleiterungen hatten etwa die Hälfte der baeterienhal- 
tigen Darmschlingen verursacht. T r o 11 e r schliesst mit Recht, 
dass die Bacterien von der Oberfläche der Haut oder ihren tieferen 
Schichten stammen müssen. Daher nimmt auch die Zahl der 
bacterienhaltigen Nähte ab, wenn die Haut zuvor sehr energisch 
desinficirt und die Nahtlinie mit einem aus trocknenden anti- 
septischen Pulver bedeckt wird. 

Die Infection der Fäden muss nach Trollerin den ersten 
24 Stunden geschehen, denn frühzeitiges Herausnehmen der 
Nähte änderte nicht das Zahlenverhältniss der inficirten und 
nicht inficirten Fäden. Sie erfolgt aber in der Regel jedenfalls 
nicht beim Einlegen der Naht, denn keimfreie Hanfzwirnfäden, 
die ich durch die mechanisch, ohne Antisepticum gereinigte Haut 
zog und auf Agarplatten übertrug, blieben keimfrei, während der 
rohe, nicht gewachste Hanf zwirn ein ausserordentlich schlechtes 
Nahtmaterial ist, insofern nicht nur die Nahtschlingen einige 
Tage nach dem Einlegen fast ausnahmslos voll von Bacterien 
sind, sondern auch sehr häufig manifeste Stichcanaleiterungen 
verursachen. Uebrigens gibt es auch festgedrehte, namentlich 
gewachste Hanf- und Flachszwirne, welche der Seide an Brauch¬ 
barkeit in keiner Weise nachstehen und auch von manchen Chi¬ 
rurgen zur Naht verwendet werden. 

Es handelt sich also meistens um eine Secundärinfec¬ 
tion der Nahtschlingen von der Haut aus; selbstver- 
ständlich kann ein Stichcanal beim Eintritt einer tiefen Wund¬ 
eiterung auch von da inficirt werden. 

Das praktisch wichtigste Ergebniss dieser Untersuchungen 
ist das, dass nicht bloss die primäre Keimfreiheit, sondern auch 
die physikalische Beschaffenheit eines Fadens seinen Werth als 
Nahtmaterial bestimmt, dass ein impermeabler Faden weit 
seltener secundär inficirt wird, als Seide und Catgut, dass daher 
die Verwendung eines solchen Fadens wesentliche Vortheile be¬ 
sitzt, und endlich, dass aus einem schlechten Faden, wie roher 
Hanfzwirn, ein guter gemacht werden kann, wenn er mit einer 
erstarrenden Masse durchtränkt wird, welche ihn anhydrophil 
macht. 

Wir stellen uns vor, dass der poröse, mit Wundsecret ge¬ 
tränkte Seiden- und Zwirnfaden und die auf gequollene Catgut¬ 
substanz einen Nährboden bilden, auf dem sich Bacterien leicht 
ansiedeln und eine Iraplantationsinfection (im Sinne Koche Fs) 
der Wunde — hier des Stichcanals — veranlassen können, 
während der porenlose Setolafaden, der mit Guttapercha durch¬ 
tränkte, nicht hydrophile Seidenfaden, die Drahtschlinge als 
gleichgiltige Fremdkörper im Stichcanal liegen und etwaige an 
ihrer Oberfläche befindliche Keime den Schutzkräften des Orga¬ 
nismus leichter zugänglich sind und unschädlich gemacht werden 
können. 

Wir wollen an dieser einen Thatsache festhalten und 
eine andere Frage nur flüchtig berühren, weil sie noch 
nicht spruchreif ist; nämlich die, ob die Secundär- 

4* 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


500 


infection der Fäden auch verhindert werden kann, wenn 
man ihnen antiseptische Eigenschaften verleiht. Eine Durch¬ 
tränkung des porösen Seidenfadens mit einer antiseptisehen 
Flüssigkeit kann naturgemäss, wie auch T r o 11 e r’s Unter¬ 
suchungen bestätigen, nur einen sehr vorübergehenden Einfluss 
auf die Keimentwicklung haben, und kann die Secundärinfection 
nur selten verhindern. Viele Chirurgen sind ja sogar der Ansicht, 
dass eine solche antiseptische Behandlung der Fäden schädlich 
sei. Ob Dauerantiseptica, z. B. Jodoform oder metallisches Silber 
mehr leisten, muss durch weitere Untersuchungen festgestellt 
werden. Haegier und T r o 11 e r glauben, dass antiseptische 
Eigenschaften des Aluminiumbroncedrahtes neben seiner Imper- 
meabilität bestimmend sind für seine bacteriologisch und kli¬ 
nisch festgestellte geringe Neigung, Sticlieanalinfectionen zu 
verursachen. Ich halte es aber für noch nicht erwiesen, dass 
Aluminiumbroncedraht in dieser Hinsicht besser gestellt ist, als 
z. B. verzinnter Eisendralit, der schon von Olli er als vorzüg¬ 
liches Nathmaterial erkannt wurde, obwohl dem Zinn und Eisen 
nach Behring jede antiseptische Wirkung abgeht, oder wie 
Setola, die überall, wo man sie verwendete, sich trefflich bewährte 
oder wie in bestimmter Weise physikalisch veränderte Seiden- 
und Zwirnfäden. 

Ein gutes Nahtmaterial muss anhydrophil, muss widerstands¬ 
fähig gegen Sterilisation durch Hitze oder chemische Substanzen 
sein, cs muss sich leicht einfädeln lassen und muss mit möglichst 
grosser Feinheit möglichst grosse Festigkeit verbinden. Es 
erscheint selbstverständlich, dass ein Fremdkörper um so leichter 
unschädlich einheilt, je kleiner er ist: Dun hat dies in Betreff 
der Unterbindungsfäden auch experimentell beweisen können. 
Man wird also überall die feinsten Fäden verwenden, die ihren 
Zweck noch erfüllen. Bei weiteren Untersuchungen auf dem von 
T r o 11 e r eingeschlagenen Wege müsste übrigens darauf ge¬ 
achtet werden, dass alle zu prüfenden Fäden gleich stark sind. 

Die geforderten Eigenschaften vereinigt sämmtlich der Draht. 
Der S o c i n’sche Aluminiumbroncedraht besitzt noch in Stärke 
von 0,13—0,15 mm sehr grosse Festigkeit und Zähigkeit, lässt 
sich in dieser Feinheit wie Seide knoten und kann für alle Arten 
von Weichtheilnähten, auch für fortlaufende Nähte, und selbst für 
Gefässunterbindungen gebraucht werden. Die Nachtheile des 
Drahtes sind bekannt: Starrheit und Knickbarkeit seiner Fäden, 
Zurückbleiben starrer Spitzen im Gewebe, wenn er zu verlorenen 
Nähten und Unterbindungen benutzt wird. Ich beobachtete nach 
einer Leisterbruchoperation Neuralgien des Samenstrangs, ver¬ 
ursacht durch die Spitzen einer der zur Fasciennaht verwendeten 
Drahtschlingen. Setola ist ebenso unbequem wie Draht zu hand¬ 
haben und theuer. Als bis auf Weiteres bestes Nahtmaterial 
dürften daher mit einer erstarrenden Masse getränkte Seiden¬ 
oder Zwirnsfäden zu betrachten sein. Der Erste, der Fäden prä- 
parirte, in der Absicht, ihnen ihre Imbibitionsfähigkeit zu 
nehmen und dadurch Stichcanaleiterungen zu verhüten, war 
meines Wissens Schaffer. Er imprägnirte Seidenfäden mit 
Guttapercha. T r o 11 e r’s Untersuchungen haben gezeigt, wie 
zweckmässig das ist. Zur gleichen Zeit (1898) empfahl Guba- 
r o f f, Lcinenzwime ihrer unangenehmen Eigenschaft, im nassen 
Zustande aufzuquellen, sich aufzudrehen, zu verwickeln und 
schwierig sich einfädeln zu lassen, dadurch zu berauben, dass 
man sie mit Cclloidin oder Photoxylin tränkt und trocknen lässt, 
um auf diese Weise gleichsam künstliche Setolafäden zu ge¬ 
winnen. Er rühmt die Billigkeit und bequeme Handhabung 
dieses Materials und seine geringe Neigung, Stichcanaleite¬ 
rungen zu verursachen. 

Seit etwa einem Jahre endlich ist im Handel ein vortreff- 
siches Nahtmaterial zu haben, ein auf Pagenstecher’s Em¬ 
pfehlung mit Celluloid durchtränkter und dadurch völlig imbi¬ 
bitionsunfähig gemachter Hanfzwirn. Eine kurze Publication 
über diesen Celluloidzwirn liegt bisher nur von Schlutius 
vor. 

Ich habe seit der Mittheilung G u b a r o f f’s einen mit Collo- 
dium imprägnirten Zwirn verwendet, den ich mir selbst herstelle. 
Später habe ich über ein Jahr lang Alles mit Draht genäht, bin 
aber wieder zu dem Zwirn zurückgekehrt, weil ich eben zu der 
Ueberzcugung gekommen bin, dass er dem Draht nicht nachsteht 
und die beiden gemeinsame Impenneabilität für Flüssigkeiten 
und Bacterien der hier hauptsächlich in Frage kommende Fac¬ 
tor ist. 


Ich will zunächst die Herstellung dieses Nahtmafcerials 
schildern. 

Es erscheint fast selbstverständlich, dass man als Grundlage 
des Fadens nicht Seide nehmen soll, da geeignete Zwirnsorten 
viel billiger, dabei bei gleicher Stärke fester und gegen Hitze 
und chemische Einflüsse weit widerstandsfähiger sind als Seide, 
und der Faden, der schliesslich nach der Imprägnation zu Stande 
kommt, im Uebrigen die gleichen Eigenschaften besitzt, mag er 
aus Seide oder Zwirn bestehen. 

Das Mittel zur Imprägnation muss eine erhärtende Substanz 
sein, welche die Fasern des Fadens miteinander verklebt, ohne 
ihn oder die Gewebe des Körpers zu schädigen, und welche Siede¬ 
hitze verträgt. Collodium, Celloidin, Guttapercha sind geeignet. 
Celluloid besitzt einen Nachtheil, auf den ich noch zurückkomme. 
Ich benutze gewöhnliches Collodium, und habe keinen Grund, 
von ihm abzugehen. 

Als ein für unsere Zwecke besonders geeignetes Fanden- 
material erwies sich ein französicher, in Lille hergestellter Flachs¬ 
zwirn, der unter der Bezeichnung „Fil de Lin P. & L.“ — hier 
wenigstens — in allen grösseren Zwimgeschäften in zahlreichen 
Stärken zu haben ist. Er kommt in kleinen, locker gewickelten 
Röllchen mit Papierhülse in den Handel. Jedes Röllchen enthält 
55 m Zwirn und kostet 7—10 Pfg. Ich verwende No. 300 mit 
einem Fadendurchmesser von 0,28 mm, No. 100 von 0,35 mm, 
No. 20 von 0,5 mm. Zum Vergleich sei angeführt, dass die 
feinste Seide No. 000 einen Fadendurchmesser von 0,25 mm be¬ 
sitzt, also nur wenig feiner ist, als die genannte feinste Zwiru- 
sorte, welche letztere aber auch wesentlich fester ist. 

Die Imprägnation des Zwirns mit Collodium habe ich früher 
in der primitivsten und einfachsten Weise bewerkstelligt. Eines 
der Röllchen wurde von seiner Papierhülle befreit, aus¬ 
gekocht und sorgfältig wieder getrocknet, 24 Stunden 
in Aether, hierauf in einer weithalsigen Flasche einige 
Tage in dünnes, dann einige Tage in dickes Collodium ge¬ 
legt. In Folge der losen Wickelung der Röllchen dringt das 
Collodium überall leicht ein. Nachdem dies geschehen, wird auf 
die Flasche ein durchbohrter Kork aufgesetzt, das Ende des 
Fadens durch das Loch hindurchgesteckt und der ganze Faden 
aus dem Collodium herausgezogen und gleichzeitig auf einen 
Garnwiekel apparat oder über die Lehnen zweier auseinander ge¬ 
rückter Stühle aufgewickelt, wo er zum Trocknen einige Stunden 
verbleibt. 

Das Auskochen der Fäden vor der Imprägnation hat nur 
den Zweck, die Wachsappretur dieses Zwirns zu entfernen, welche 
der Durchtränkung mit Collodium hinderlich ist; andere, nicht 
gewachste Zwirn Sorten, z,. B. die von Gubaroff empfohlenen 
und sehr geeigneten sogenannten englischen Leinenzwirne, be¬ 
dürfen dieser Procedur nicht. Die Sterilisation des Fadens er¬ 
folgt, nach der Imprägnation. 

Später habe ich mir zur grösseren Bequemlichkeit den bei¬ 
stehend abgebildeten Wickelapparat machen lassen. Derselbe be¬ 
steht aus einer aus Metallstäben bestehenden Rolle (A), welche 
mit Hilfe eines Glasstabes auf ein Metallgestell befestigt werden 
kann, das seinerseits wieder in einen Glaskasten (B) hineingestellt 
werden kann. An dem Glaskasten ist ferner ein grosser Wickel 
aus Holz (C) angebracht und eine (auf der Abbildung nicht sicht¬ 
bare) Vorrichtung zum Abstreifen des überschüssigen Collodiums, 
die aus 2 mit Gummiringen elastisch zusammengehaltenen Glas¬ 
stäben besteht. Der Zwirn wird auf die Rolle A gewickelt, die 
Rolle aus ihrem Gestell herausgenommen, wenn nöthig ausgekocht 
und getrocknet, für 24 Stunden in ein passendes Standgefäss 
wird auf die Rolle A gewickelt, die Rolle aus ihrem Gestell 
herausgenommen, für 24 Stunden in ein passendes Standgefäss 
mit Aether, dann ebenso lange in ein Gefäss mit Collodium ge¬ 
legt. Dann wird sie aus dem Collodium herausgenommen, sofort 
auf ihrem Gestell befestigt, das Gestell mit der Rolle in den Glas¬ 
kasten gesetzt, das Fadenende zwischen den erwähnten Glas¬ 
stäben durchgezogen, an den Wickel C festgebunden und auf 
letzterem nun der ganze Zwirn rasch aufgerollt *). Er bleibt 
einige Stunden zum Trocknen stehen und kann dann in beliebiger 
Weise weiter verwendet werden. 


’) Wickelapparat und Zwirn liefert auf Wunsch Alexander 
S c li a e d e 1 in Leipzig, Reiehsstr. 14. 


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10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


50i 



Man erhalt durch die Imprägnation mit Collodium einen 
glatten, völlig anhydrophilen, soliden Faden, der sich, auch nass 
gemacht, nicht aufdrieselt, und in Folge einer gerade geeigneten 
Starrheit leicht einfädeln und sehr bequem handhaben lässt. 
(Schluss folgt.) 


Zur Catgut-Frage.*) 

Von Oberarzt Dr. Carl Laucnstein. 

Die Catgutfrage ist eine der wichtigsten Fragen der 
modernen Chirurgie, eine Frage, für die sich der Chirurg, der 
1 faktische Arzt, der Chirurgie treibt, und der Bacteriologe in 
gleicher Weise interessiren. Die Cat gutfrage geht Hand in Hand 
mit der Entwicklung der neueren Chirurgie. Hat uns doch kein 
Geringerer als L i s t e r selbst, der Schöpfer der antiseptischen 
Wundbehandlung, mit dem Catgut beschenkt, einem Material, 
das in Gestalt von Darmsaiten schon seit den ältesten Zeiten 
bekannt war, dessen Verwendung jedoch als Naht- und Unter¬ 
bindungsmaterial als vollkommen neu gelten musste. 

Ausgezeichnet in erster Linie durch seine Resorbirbarkeit, 
entsprach dieses Naht- und Unterbindungsmaterial dem hervor¬ 
ragendsten Grundsätze der Liste r’schen Wundbehandlung — 
dem „to be let alone“. 

Im Beginn der antiseptischen Wundbehandlung spielte die 
Catgutfrage als solche keine besondere Rolle. I)io Resultate 
waren durch die Liste r’sche Behandlung so viel besser ge¬ 
worden als früher, dass man sich um mehr oder weniger gering¬ 
fügige Störungen des Wundverlaufes nicht kümmerte, wurde 
doch jetzt in der Regel die Heilung des Patienten erreicht, im 
Gegensatz zu der vorantiseptischen Aera, wo der Pat. leider sehr 
oft eine selbst geringfügige Operation mit dem Leben bezahlen 
musste. 

Erst etwa 10 Jahre nach der Einführung der antiseptischen 
Wundbehandlung wurde man aufmerksam auf gewisse Störungen 
der Wundheilung, Abscesse der Nahtlinie, der Stichcanäle etc., 
die man geneigt war, dem Catgut Schuld zu gehen. Das damals 
noch ausschliesslich gebrauchte ursprüngliche Liste r’sche 
Carbolöl-Catgut wurde von verschiedenen Seiten geprüft, und 
das Ergebniss dieser Prüfungen war, dass einerseits Zweifel 
im Carbolölcatgut pathogene Mikrobien fand, während anderer¬ 
seits von Robert Koch festgestollt wurde, dass manche Anti- 
septica — und speciell Carbolsäure — in öligen Vehikeln ihre 
antiseptische Kraft zum Theil cinbiissten. 

In dieser Zeit ereignete es sich, dass Kocher eine Kranke 
nach Strumaoperation, bei der er Carbolölcatgut zu den Liga¬ 
turen verwendet hatte, an Sepsis verlor. Als er die noch übrigen 
Catgutproben öffnete, hatten sie alle einen fauligen Gestank. Dies 
war für Kocher der Ausgangspunkt von sehr eingehenden und 
sorgfältigen Untersuchungen über die antiseptische Kraft der 
ätherischen Oele. Das praktische Ergebniss derselben w*ar das 

*) Vortrag, gehalten im biologischen Verein zu Hamburg 
am G. Februar 1900. 


„Juniperusölcatgut“, ein ganz entschiedener Fortschritt auf dem 
Gebiete der Catgutzubereitung. 

Dies J uniperuseatgut K o c h e Fs spielte eine Rollo in der 
Chirurgie bis Ende der 80er Jahre, wo Kocher selbst zu der 
Ueberzeugung gelangte, dass auch dies Catgutpräparat nicht 
den Anforderungen entspräche, die man bei der grossen Verant¬ 
wortlichkeit des Chirurgen an dasselbe stellen müsste. 

K o c h e r ist im Jahre 1888, wie er selbst ausgesprochen hat, 
vollkommen vom Cat gut abgegangen und hat sich zunächst — 
wie lange, vermag ich nicht genau zu sagen — zu Ligaturen und 
Nähten ausschliesslich der Seide bedient bei allen seinen Opera¬ 
tionen. Die Seide, ebenfalls ein animalischer Stoff (Chitin), hat 
von vornherein vor dem Catgut den entschiedenen Vortheil voraus 
gehabt, dass sie durch Auskochen einwandsfrei aseptisch gemacht 
werden konnte. Ferner bildet sie, in die Körpergewebe versenkt, 
nicht in derselben Weise, wie das Catgut, einen günstigen Nähr¬ 
boden für Mikrobieu. Aber die Seide steht dem Catgut darin 
entschieden nach, dass sie nicht resorbirbar ist oder doch in sehr 
viel geringerem Maasse als jenes. Trotz der Sicherheit, mit der 
wir sie aseptisch machen können, ist und bleibt sie ein Fremd¬ 
körper, der im menschlichen Körper nicht immer mit Sicherheit 
dauernd einheilt. Trotz strengster Asepsis und trotz einwands¬ 
freier Heilung durch prima intentio stossen sich gelegentlich 
Ligaturen und Suturen aus Seide nachträglich aus, oft noch nach 
Monaten, und bilden so eine höclist unangenehme Zugabe für Pa¬ 
tienten und Arzt nach dem vermeintlichen Abschluss der Be¬ 
handlung. 

Wir selbst haben vor ca. 5 Jahren eine ähnliche Periode 
durchgemacht. Wir haben 8 Monate lang das Catgut vollkommen 
aufgegeben und zu Ligaturen und Nähten nur Seide gebraucht. 
Wir sind aber, als das nachträgliche Abstossen der Ligaturen 
und der versenkten Nähte begann und in einzelnen Fällen nicht 
eher wieder auf hörte, als bis alle Fäden fort waren, dauernd 
zu der Anwendung des Catgut zurückgekehrt, allerdings erst, 
nachdem wir uns vorher nochmals eingehend mit der Catgut¬ 
frage beschäftigt hatten und ein einwandsfreies Catgut gefunden 
zu haben glaubten. 

Noch im Jahre 1895 hegte man begründeten Verdacht gegen 
das Catgut als primären Träger von Infectionskeimen. Ich selbst 
konnte 1 ) im Jahre 1895 unter 216 Proben von Naht- und Unter¬ 
bindungsmaterial, die ich bacteriologisch untersuchte, in 149 
Proben von sogenanntem „sterilen Catgut“, wie es im Handel 
cursirte, 35 mal entwicklungsfähige Keime nachweisen. Ich ge¬ 
langte in dieser Arbeit zu dem Schluss, dass, solange das im 
Handel vertriebene, sogenannte „sterile“ Catgut noch entwick¬ 
lungsfähige Keime enthielte, es nicht frei sein würde von dem 
Verdachte, dass cs Wundinfection veranlassen könne. 

Es ist nun seitdem durch unablässige Thätigkeit auf dem 
Gebiete der Catguterforschung, an der sich Bactcriologen, Gynä¬ 
kologen, vor Allem aber Chirurgen bethoiligt haben (siehe das an¬ 
gehängte Literaturverzeichniss), das nicht mehr anzuweifelnde 
Resultat erreicht worden, dass cs jetzt in der That eine Reihe von 
Zubereitungsmethoden gibt, die ein keimfreies Catgut gewähr¬ 
leisten. 

Unter diesen führe ich folgende an: 

1. v. Bergmann's Sublimatcatgut: 1. Entfettung, 2. Ein¬ 
legen in 1 proc. Sublimatalkohol (80 Alkohol, 20 Wasser), in dieser 
Lösung wiederholt umgelegt. 

2. B r uuner: a) 1. Entfettung (1—2 Tage Aetlier), 2. 3 Stun¬ 
den im Dampfsterilisator in Xylol kochen, 3. Auswaschen in Al¬ 
kohol, 4. Conserviren in Sublimat 1,0, Alkohol 900,0, Glycerin 100,0. 
b) 1. Kaliseife, 2. y g Stunde Aether, 3. 12 Stunden 1 proc. Sublimat, 
4. Conserviren in Sublimatalkoholglycerin. 

3. Dowd (1893): 30 Minuten lang in siedendem 97 proc. Al¬ 
kohol im Wasserbade kochen. Die von ähnlichen Gesichtspunkten 
ausgehende Sau l’sche Zubereitungsmethode erwdes sich bei der 
Marke W i e s s n e r ausreichend, nicht aber bei dem Genfer Catgut¬ 
material der Tübinger Klinik. 

4. Cumol-Catgut (Krönig-Zweifel). 

5. Jodoform-Catgut (Rosenbach-Jacobi, Körte). 

I) 3 Monat Juniperusöl, 2) 2—24 Stunden Auswaschen in Aether 
oder Alkohol, 3) 5—8 Stunden Durchtränkung mit Jodof. Aether 
Alk. Glyc. (5,0 zu 50,0 zu 50,0 zu 20,0). 

G. Hofmeister 1) 4 proc. Formalinlösung (Härtung 24 Std. 
lang), 2) Kochen im Wasser bis 10 Minuten, 3) Nachhärtung und 
Aufbewahrung in Alkohol mit Zusatz von 5 Proc. Glyc. und 1 Prom. 
Sublimat. (Auf die Entfernung der massenhaft sich ausetzenden 
Luftblasen ist beim Einlegen in die Formollösung zu achten. 

J ) Siehe das Literaturverzeichniss. 


No. 15. 

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Original fram 

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502 MÜNCHENER MED1CINISCHK WOCHENSCHRIFT. No. 1 5 . 


Ferner muss das Cat gut oxact gewickelt. resp. unter Spannung 
gelallten werden und nach der F.-Eösung gut gewässert werden.) 

7. 1 4 -I 1 selbst bin seit über 4 Jahren zu der Benutzung folgenden 
Catguts übergegangen, zu dessen Zubereitung ich nach verschie¬ 
denen Versuchen gelangt bin: 

Das entfettete und auf trockenem Wege sterilisirte C. wird 
S Tage lang in ">u proe. Creolinvasogene gelegt, ln dieser üusserst 
bacterioiden Flüssigkeit quillt das C. sehr stark auf, so dass es 
von der Creolinvasogene vollkommen durchdrungen wird, dann 
wird es in '1 proe. Salicylspiritus mit 3b IToe. (Uycerinzusatz ge¬ 
bracht und in dieser Flüssigkeit wiederholt um gelegt. Es gewinnt 
hierin »eine alte Consistenz und Festigkeit. Vor dem Gebrauche 
wird es in >/ a proe. Formalinspiritus eingelegt. Dieses C. habe ich 
zu meiner vollen Zufriedenheit jetzt seit 4 Jahren gebraucht. Ueble 
Erlebnisse habe ich seit dessen Anwendung nicht mehr gesehen. 
Die l'ntersuchung dieses C. durch bacteriologische Prüfung, die 
Herr L’rof. Dun bar im hygienischen Institute hierseihst die 
Güte gehabt hat. ausführen zu lassen, hat vollkommene Keimfrei¬ 
heit ergeben. Diese Zubereitung scheint mir ebenso einfach wie 
sicher zu sein. 

Die Mehrzahl der modernen Catgutpräparationen hat nun 
das Bestreben, nicht nur ein aseptisches Catgut herzustellen, 
sondern auch dem Catgut antiseptische Eigenschaften zu ertheilen, 
und dies ist sicherlich durchaus rationell; denn alle Unter¬ 
suchungen und Erfahrungen der neueren Zeit haben ergeben, dass 
sowohl die Haut des Kranken, als auch die Hände des Opera¬ 
teurs und der Krankenpfleger nur äusserst schwierig keimfrei 
gemacht werden können. Manche andere Körpergebiete, wie be¬ 
stimmte Schleimhäute, so z. B. des Mundes und Schlundes, der 
Vagina und des Rectum, gelingt es überhaupt nicht annähernd 
zu sterilisircii aus naheliegenden Gründen. Ich selbst habe im 
Jahre 1896 eingehende Untersuchungen angestellt über die Mög¬ 
lichkeit, die Haut des zu operirenden Kranken keimfrei zu 
machen. Wir untersuchten im Ganzen 147 Hautproben auf ver¬ 
schiedenen .Nährböden. Unter 102 Fällen von ein- und mehr¬ 
tägiger Desinfeetion der Haut gelang es 58 mal nicht, dieselbe 
keimfrei zu machen. Kur 44 mal gelang es. Unter diesen 44 
Malen war 12 mal die Desinfeetion 1 mal und 32 mal mehrtägig 
ausgeführt. Unter 58 Fällen einer mehrtägigen Desinfeetion 
der Haut gelang es 24 mal überhaupt nicht, dieselbe keimfrei zu 
machen, und unter diesen 58 Fällen sind alle Fälle von entzün¬ 
deter Haut ausgeschlossen worden. 

Bei diesem Stande der Frage müssen wir annehmen, dass, 
falls hei Verwendung von keimfreiem Catgut doch Infectionen 
entstehen, die von den Fäden ihren Ausgangspunkt zu nehmen 
scheinen, die hier wirksamen Inf ec t ionser reger erst secundär, 
nach der Entnahme aus dem einwandsfreien Catgutbehälter, hinzu¬ 
gelangt sein müssen, und zwar 1. entweder durch unsere Hände, 
oder die Luft oder aber 2. durch die Berührung mit dem Körper 
des zu operirenden Kranken selbst (Haut, Schleimhaut, Darm¬ 
canal etc.). 

Wir müssen uns den Vorgang dieser secundären Catgutinfec- 
tion so vorstellen, dass das Catgut, das ursprünglich aus Binde¬ 
gewebe und Muskelfasern besieht und das oft durch die darauf 
angewendete Hitze zum Theil schon in Leim übergeführt ist, 
innerhalb des Körpers quillt, indem es sich mit Serum, Lymphe, 
Blut anfüllt. Diese Flüssigkeiten bilden nun einen vorzüglichen 
Nährboden für die hineingelangenden Mikroorganismen, da sie 
ausgcsehaltet aus dem Stoffwechsel des Körpers wie eine feuchte 
Kammer in der Körpertemperatur wirken. 

Zweierlei Dinge sind es nun, die trotz dieser unabänderlichen 
Eigenschaften des Catgut es befördern, einen günstigen Wund- 
vcrlauf zu erzielen: 

1. Dir Ertheilung mitiseptischer Eigenschaften an dasselbe. 
2. Eine peinliche Asepsis bei allen Operationen und eine besondere 
Rücksichtnahme in der Verwendung des Catgut hei jeder einzelnen 
Operation. 

Ks soll nach Möglichkeit vermieden werden, das Catgut mit 
den Fingern zu berühren. Insbesondere soll der Operationswärter 
den Catgutfaden mit der Bineettc gefasst herreichen; er kann 
ihn auch mit der Pincette einfädeln. Es genügt vollkommen, 
dass der Chirurg allein den Faden anfasst. (Die Fähigkeit der 
Aerzte, sieh zu desinficiren, ist im Allgemeinen grösser, als die 
der Wärter.) 

Wir thun gut, bei den Patienten, die wir operiren, zu unter¬ 
scheiden zwischen dringenden und nicht dringenden Fällen. Die 
nicht dringenden Fälle kann mail meistens mehrere Tage vor- 
hereiten und so zu einer wesentlich besseren Reinlichkeit der Haut 
gelangen, als in dringenden Fällen (Ileus, ITerniotomic, Tracheo- 

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tomie, compl. Fracturen). In solchen Fällen kann man mit 
Sicherheit eine keimfreie Haut nicht erzielen, man thut daher 
gut, in allen solchen Fällen die tiefen Nähte von der Haut aus 
nach Möglichkeit zu vermeiden. Schon durch die Einführung der 
Nadel, die erst die Haut passirt und dann in die übrigen Gewebe 
dringt, geht eine richtige Impfung vor sich. Der Impfung folgt 
unmittelbar auf dem Fusse die Einführung des Nährbodens in 
den Stichcanal (Catgut -f- Lymphe) und man muss sich eigentlich 
von rech Uwegen über jeden Fall wundern, in dem ein bei nicht 
vollkommen keimfreier Haut in die Tiefe gelegter Catgutnaht- 
faden nicht eitert. Es spielen übrigens bei dieser Catgutinfection 
noch andere Momente eine Rolle, die jedem Chirurgen geläufig 
sind, so vor Allein die Festigkeit, mit der die Nahtfäden ange- 
zogen werden. Fest angezogene Nähte geben, wie jeder Chirurg 
weiss, überhaupt sehr viel leichter Veranlassung zu Vereiterungen 
als lose geknüpfte Nähte. Dass man dies bei Catgutligaturen 
eigentlich so gut wie nie beobachtet, muss doch wohl direct auf 
den Gehalt der Haut an Mikrobiell geschoben werden. I 11 vielen 
Fällen ist die Naht überhaupt als eine Klippe zu betrachten, au 
der Mancher namentlich im Beginn seiner Thätigkeit scheitert. 
Wer an einem reichlichen Verletzungsmaterial viel und ohne 
Ueberlegung näht, wird manche Nackenschläge bekommen. Wenn 
von zwei Aerzten, die an demselben Orte thätig sind, der eine alle 
Wunden nälit, der andere die Naht aber nur mit Vorsicht und 
Auswahl an wendet, sich auch nicht scheut, gelegentlich eine 
Wunde, die ihm dafür geeignet zu sein scheint, offen zu lassen, so 
wird binnen wenigen Jahren der Letztere dem Erstereu bei Weitem 
den Vorrang abgelaufen haben. 

Auch die einzelnen Körpergebiete sind mit Bezug auf die 
Indieation der Naht verschieden und zwar wegen ihrer wechseln¬ 
den Versorgung mit Blut- und Lymphgefässen, wegen der An- uml 
Abwesenheit von Sehnenscheiden etc. Schon in der vorantisep¬ 
tischen Zeit nähte man unbedenklich die Schmisse im Gesichte. 
Aber wesshalb die alten Chirurgen solchen Respect hatten vor 
der Anlegung von Nähten in Gegenden wie der Kopf schwarte, 
der Hohlhand und der Fusssohle, ist uns ohne Weiteres verständ¬ 
lich. 

Seit Jahren schon habe ich es gänzlich aufgegeben, tiefe 
Nälite von der Haut aus zu legen und helfe mir mit grossem 
Vortheil für meine Kranken mit versenkten Catgutnähten. Auch 
die oberflächlichen Nähte, die der Cutis und der Epidermis, kann 
man vollständig unterlassen, wenn man nur die übrigen Schichten 
gut genäht hat. Man kann es durch Uebung leicht dahin bringen, 
dass die Hautränder trotz Fehlens oberflächlicher Nähte glatt, 
an einander liegen, und dass die spätere Narbe nichts an Festig¬ 
keit einbüsst. Bei der Vereinigung von Dammrissen vermeide 
ich es grundsätzlich, in die Schleimhaut der Vagina und des 
Rectum Catgutnähte einzulegen. Man kommt hier vollkommen 
aus mit der para- oder submucösen Naht, wie ich sie schon 
vor 15 Jahren empfohlen habe. 

Ich kann diese Bemerkungen über die Catgutfrage nicht 
schließen, ohne den Gesichtspunkt zu erwähnen, den O r 1 a 11 d i 
und Poppert hervorgehoben haben, über die chemotactisclion 
Vorgänge, die zuweilen durch das Catgut, resp. die ihm inne¬ 
wohnenden chemischen Körper, die theils als antiseptische Stoffe, 
theils als Ptomaine bezeichnet werden, hervorgerufen werden. Es 
sind dies Einwirkungen auf das umgebende Gewebe, die sich theils 
als Irritation, theils als Mortification, theils als Coagulutions- 
nekrose darstellen, zum Theil in einer Beförderung der Auswande¬ 
rung weisser Blutkörperchen sich äussern. Diese Vorgänge sind 
wohl in Parallele zu stellen theils mit den Wirkungen derjenigen 
Stoffe, die, wie Crotonöl, bestimmte Säuren und Quecksilbersalze, 
eine Eiterung ohne Mikrobien hervorrufen können, theils mit den 
Vorgängen, wie sie Büchner neuerdings experimentell fest- 
gestellt hat, dass z. B. die Stoffwechselproduete des Gälirungs- 
pilzes ohne den Gährungspilz selbst im Stande sind, Gährungs- 
vorgänge hervorzurufen. Wenn diese Parallelen richtig sind, so 
würde es am nächsten liegen, die von O r 1 a n d i und Poppert 
hervorgerufenen Erscheinungen auf die Ptomaine zurüekzu- 
führen, die von den ursprünglichen „Catgutbaeterien“ herrührend, 
nachträglich von den Catgutfäden aus ihre Wirkung auf die Ge¬ 
webe entfalteten. 

Ein Resume über meine Bemerkungen würde folgender- 
niaassen lauten: 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


503 


1. Die Catgutfrage ist im Laufe der letzten 20 Jahre insofern 
zu einem gewissen Abschlüsse gelangt, als eine ganze Reihe von 
Zubereitungsmethoden gefunden worden sind, die uns die Gewähr 
eines keimfreien Catgut bieten. 

2. Kommen bei Verwendung solchen keimfreien Catguts doch 
Infeetionen vor, so müssen sie auf seeundiire Tn feet ion bezogen 
werden. Diese kann theils vor der Operation (Hände, Luft), theils 
im Körper des Operirten zu Stande kommen (Haut, Schleim¬ 
haut). 

3. Daher muss bei Verwendung des Catgut in jedem Falle 
vor Allem die Asepsis auf das allerstrengste gehandhabt worden. 
Dazu verdient es in jedem Einzelfalle Berücksichtigung, w i e die 
Oat.gutnaht am zweckmiissigsten anzuwenden sei. 

4. Vom wissenschaftlichen wie praktischen Standpunkte er¬ 
scheint es durchaus rationell, dem aseptischen Catgut noch anti- 
septisclie Eigenschaften hinzuzufügen. 

5. Die erwiesene Möglichkeit, das Catgut keimfrei zu machen, 
zusammen mit der unschätzbaren Eigenschaft seiner Resorbirbar- 
Ixoit sichern ihm einstweilen als unübertroffenem Unterbindungs- 
imd Nahtmaterial Bestand in der operativen Mediein. 

6. Soweit man es bis jetzt übersehen kann, würde das keim¬ 
freie Catgut, wie wir es heute besitzen, in Zukunft nur ühertroffen 
werden durch ein gleichfalls resorbirbares Fadenmaterial, das 
aber weder die Eigenschaft hätte, in den Geweben des lebenden 
Körpers aufzuquellen, noch seihst ein guter Nährboden für Mi 
krobien wäre. 

Literatur verzeichniss. 

1. B. G. Klcberg: Arcli. f. klin. Chir., Heft 4. 1879. — 
2. Kocher: Zubereitung von antiseptischem Catgut. Centralbl. 
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Mittli. aus dem Kaiser!. Gesundheitsamt, Bd. I, 1881. — 4. v. Bes¬ 
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Heteroplastik. Virehow’s Arch., Bd. XCV, Heft 2. — 5. C. Roux: 
Note sur la prßparation du C. et de la voie antiseptique. Revue 
med. de la Suisse romaine (1884), IV, No. 3. — 0. v. Schröder: 
Feber die fortlaufende Catgutnabt bei plastischen Operationen. 
Darmnaht und Kolporrhaphie. Zeitschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII. 
p. 213. — 7. Observatlons on the surgery of the vasculur System: 
Aneurysm, varix, loss of blood. by John Dune a n. Centralbl. f. 
Chirurg. 1889, p. 882. — 8. C. Brunner: Ueber Catgutinfection. 
62. Naturforscher- und Aerzteversammlung Heidelberg 1889. 
Edinburgh medical Jounial, XXXI, p. 897. April 1880. — 
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— 14. v. E s m a r c h : Der Milzbrand als Testobject. Zeitschr. f. 
Hyg. Bd. V. —15. E. B r a a t z: Zur Catgutfrage. St. Petersb. med. 
Wochenschr. 1889, No. 10 .— 10. A. Döderlein: Experiment. 
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chenschr. 1890, No. 4. — 17. J. G e p p e r t : Ueber Dcsinfect.-Mittel 
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ring: Ueber Desinfection. Zeitsehr. f. Hyg. Bd. IX. 1890. — 
19. Teuscher: Beiträge zur Desinfection mit Wasserdampf. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. IX, 1890. — 20. L e w i t li : Ueber die Unters, 
der Widerstandst der Sporen gegen hohe Temperaturen. Arch. f. 
exp. Path. Bd. XXVI, 1900. — 21. Dr. P. K 1 e m m - Riga: Uebev 
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Chirurg. XLI, 4, pag. 902, 1S91. — 22. E. Braatz: Bacteriol. 
und krit. Untersuch, über die Zubereit, des Catgut. Beiträge zur 
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33. E. A. Tscherning: TIosp. tidende 1893, 48. — 34. Max 
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Kranken zu desiufleiren. Arch. f. klin. Chirurg. 1896, Bd. 53, H. 1. 
— 41. R. Schaffer: Ueber Catgutsterilisation. Berl. klin. 
Wochenschr. 1896, No. 30, 31. 33. 34. — 42. II a 1 b a n und II1 a v a - 
cek: Wien, ldin .Wochenschr. IX, 18, 1896. — 43. R. ICoss- 
mann: lieber steriles Catgut. Berl. klin. Wochenschr. 1896. 
No. 37. — 44. Saul: Zur Catgutfrage. Berl. klin. Wochenschr. 

1896. No. 42. — 45. Poppert : Ueber Eiterung durch keimfreies 
Catgut. Deutsch, med. Wochenschr. 1896, No. 48. — Orlandi- 
Turin: Ueber Eiterung des keimfreien Catgut. Centralbl. f. Chir. 

1897. No. 6. — 47. O. J acobi : Experimentelle Beiträge zur 
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Journ.. Januar 1897. — 49. Thomalla : Ueber eine vollk. anti- 
sept Nähseide und Catgut. Berl. klin. Wochenschr. XXXV. 15, 

1898. — 50. B 1 o ch-Kopenhagen: Sur !e catgut pheniqu6 alcoolise. 
Revue de chir. 1898. Xo. 5. — 51. Cal mann empfiehlt die sog. 
epieutane Naht. Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 21. 

52. C. II a r rinpton : A simple method for the Sterilisation of 
catgut. Americ. Journ. of the med. Sciences, Mai 1898. 

Aus dem bacteriologischen Laboratorium der Deutschen Uni- 
versitäts-Frauenklinik (Vorstand: Prof. Sänger) zu Prag. 

Bacteriologisches zur mechanisch-chemischen Des¬ 
infection der Hände. 

V on Dr. Ferdinand Sehen k und Dr. Gustav Zaufal, 
Assistenten der geburtshilflichen Klinik. 

Die Frage der Händedesinfection durch chemische Mittel ist 
trotz jahrelanger Bemühungen zahlreicher Forscher und trotz 
heftiger Kämpfe einer Lösung noch nicht entgegengebracht 
worden. 

Mit der Methode von Eiir br i nger-K iimmell, der Alko¬ 
hol-Sublima tdesini’ertion, der wir jahrelang — allerdings bei den 
besten Resultaten — das grösste Vertrauen eiitgegengebraeht 
haben, schien eine Zeit lang das Problem, Keinifreiheit der Haut, 
gelöst zu sein und nur einzelne Autoren (Landsberg 1 ) haben 
von Anfang an dem Alkohol nicht die grosse Bedeutung beigelegt, 
wie sie ihm von F ürb ringer zugesprochen wurde. Bacterio- 
1 ogi sehe Nachprüfungen aus der jüngsten Zeit, von Gottstein 
und B 1 u m b e r g ') in der Weise vorgenominen, dass die Finger¬ 
spitzen der zu prüfenden Ilaud in Petrischalen mit 1 cm hoher 
Agarschicht eingedrückt wurden, haben in der That sehr schlechte 
Resultate ergeben. Es fanden sich 61,3 Proc. keimhaltiger Hände 
und der Procentsatz stieg auf 75, wenn das Sublimat mit 
Schwefelammoniuni ausgefällt wurde. 

Eine sehr grosse Rolle spielt die Desinfection mit Alkohol 
seit der Einführung des Alkohols unter die gebräuchlichen Des¬ 
infectionsmittel durch F ürbringer. Ursprünglich nur wegen 
seiner fettlösenden Eigenschaft von ihm empfohlen, wurde ihm 
bald von verschiedenen Seiten eine erhöhte Aufmerksamkeit 
als Desinficiens gewidmet und man warf die Frage auf, welche 
von den promiscuo verwandten Mitteln (Alkohol, Sublimat, Car- 
bolsiiurc) das eigentlich wirksame oder wirksamste sei. Von 
vielen Forschern auf diesem Gebiete hat sich besonders 
nachhaltig Ahlfeld mit der Alkoholdesinfeetion befasst 
und ist in mehr als 10 Publicationen bis in die jüngste 
Zeit ’) für dieselbe („Hoisswasseralkoholdesinfectioii“) als beste 
und allen anderen überlegene Methode unentwegt eingetreten. 

Paul und S a r w c y 4 ) welche als die Letzten sich mit der 
bacteriologischen Nachprüfung der Hcisswasseralkoholdcsinfcc- 
tion beschäftigen und welche auch ausführliche Literaturangaben 
über diesen Gegenstand bringen, kommen aber gleich vielen 
Anderen wieder zu dem Ergebniss, dass im Gegensätze zu A li 1 - 
fei d’s Aufstellungen die Hände mittels ITeisswasseralkoholdes- 
mfection nicht keimfrei gemacht werden können. 

Auch andere, weniger gebräuchliche chemische Desinf<x‘tions¬ 
verfahren konnten strengeren bacteriologischen Nachprüfungen 
nicht Stand halten und wir müssen Sänger 6 ) Recht geben, 
wenn er sagt, dass wir an einem Punkte angelangt sind, wo liin- 

*) Zur Desinfection der menschlichen Ilaut mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung der Hände. I.-D., Breslau 1888. 

2 ) Inwieweit können wir unsere Hände sterilisiren? Berl. klin. 
Wochenschr. 1899, No. 34. 

s ) Der Alkohol als Desinfieiens. Monntssehr. f. Geburtsli. u. 
Gynäk. 1899. Bd. X. 

6 Experimental - Untersuchungen über Händedesinfection. 
Münch, med. Wochenschr. 1899. 

°) Aphorismen über mechanische Desinfection etc. Antritts¬ 
rede. Prager med. Wochen sehr. 1900, Nil 2. 

Original frorr^* 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




504 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


sichtlich einer Wahl unter den chemischen Desinficientien förm¬ 
lich Rathlosigkeit besteht. 

Eines fundamentalen Theiles der Händedesinfection müssen 
wir bei dieser Einleitung noch Erwähnung tliun, nämlich der 
Vorbereitung der Hände, ehe sie der chemischen Desinfection 
unterworfen werden. Hier bestellen grosse Verschiedenheiten, 
namentlich in subjectiver Beziehung und unter der Herrschaft 
eines Requisits, das in seiner Bedenklichkeit längst erkannt ist, 
und dessen Beibehaltung für die Händedesinfection künftig an 
besonders strenge Bedingungen geknüpft sein wird, die Hand¬ 
bürste, welche hauptsächlich als Werkzeug zur mechanischen 
Bearbeitung der Haut diese Aufgabe mit einem anderen Ver¬ 
fahren zu theilen haben wird, dem in Zukunft sogar die Ueber- 
legenlieit zugesprochen werden dürfte, nämlich dem Gebrauch des 
Quarz- und Marmorsandes in Verbindung mit Seifen, wie es 
durch Sänger und Schleich zuerst geübt wurde und jetzt 
einer zunehmend grösseren Verbreitung entgegensieht °). 

Welche Consequenzen werden nun aus der gewiss sehr un¬ 
erfreulichen Thatsache der Unzulänglichkeit der chemischen Des- 
iufection gezogen? Hie Einen geben das Factum zu, tröstbn 
sieh aber mit den guten Erfolgen, die sie trotz keimhaltiger 
Hände erzielen, und lassen Alles beim Alten. Andere glauben 
einfach nicht an die unvollkommenen Hesinfectionsergebnisse, 
operiren mit ihren in gewohnter Weise desinficirten Händen und 
beruhigen sich, wenn der, mit in ganz ungenügender Weise ab¬ 
genommenem, Impfmaterial beschickte Nährboden steril ge¬ 
blieben ist, oder sie folgen dem Vorschläge von Wölfler, 
Mikulicz und Döderlein und operiren mit Handschuhen, 
deren Gebrauch gewiss den Keimgehalt der Haut gegenstandslos 
macht, aber keine Lösung der obschwebenden Frage bedeutet. 

Das allein Richtige kann schliesslich doch nur das Bestreben 
sein, an Stelle der noch immer unzulänglichen Desinfections- 
methoden andere zu setzen, die mehr leisten sollen. Lange schon, 
bevor noch auf die Unzulänglichkeit der gebräuchlichen chemi¬ 
schen Methoden hingewiesen worden war, hat Sänger bereits 
betont, dass es von der grössten Wichtigkeit sei, die Haut so 
energisch wie möglich mechanischzu bearbeiten, und hat sich 
zu diesem Zwecke vorwiegend des Quarzsandes, theils für sich 
allein, theils in Verbindung mit verschiedenen Seifen bedient. 
Der mechanischen Reinigung wurden für gewöhnlich auch che¬ 
mische Desinfectionen mit Sublimat (1 prom.), Alkohol und Subli¬ 
mat oder Kalium hypermanganicum mit Oxalsäure u. a. nachge¬ 
schickt, es wurden jedoch auch Operationen ohne chemische Des¬ 
infection nach blosser Sandseifenwaschung vorgenommen, wobei 
der Gedanke, an Stelle der chemischen Desinfection die mecha¬ 
nische zu setzen, zum Ausdruck kam. Auf dem gleichen Wege 
ging vor Jahren auch Schleich*) vor, erst mit einer einfachen 
Marmorstaubseife, nunmehr mit einem auf Grund theoretischer 
Erwägungen zusammengesetzten mechanisch-chemischen Ge¬ 
mische, der „Marmorstaubsteralceralseife“, welche die Mikroben 
nicht abtÖdten, sondern unter Zusammenziehung der Procedur in 
einem Act sie fortschwemmen und Aufnahme frischer ver¬ 
hindern soll. 

In seiner Antrittsvorlesung hat Prof. Sänger die Auf¬ 
stellungen Schleie h\s einer eingehenden Kritik unterzogen 
und u. a. die Art und Weise der bacteriologischen Untersuchung 
der desinficirten Hände, wie sie von Schleich geübt wird, mit 
Recht als nicht einwandsfrei bezeichnet. Schleich hat vom 
ausgestreckten Zeigefinger mit einer weichen Platinöse abgeimpft 
und will hiebei bis zu 97 Proc. keimfreie Hände erzielt haben. 

Vergleichen wir die nun zu immer grösserer Feinheit und 
Exactheit ausgebildeten bacteriologischen Prüfungsmethoden der 
Haut der auf diesem Gebiete bekannten Autoren mit dem von 
Schleich geübten legeren Verfahren, so ergibt sich ohne 
Weiteres die Unzulänglichkeit desselben im Gegensatz zu diesen, 
ob sie nun in Abschabung der Epidermisschuppen mittels scharfer 
Instrumente oder mittels Holzstäbehen oder im Wegziehen von 
sterilen Seidenfäden unter den Fingernägeln und in Reiben der¬ 
selben zwischen den Händen u. a. bestehen. Tiefer gelegene 
Keime können dabei überhaupt nicht erreicht und damit auch 
nicht nachgewiesen werden. 


•) 1. c. S. 16. 

T ) Neue Methoden der Wundheilung. Berlin 1899. 

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Einen Finger zu prüfen, ist auch völlig unzulänglich. Mit 
Recht betonen Gottstein und Blumberg 8 ), dass es für 
praktische Zwecke richtiger sei, wenn man beide Hände einer Per¬ 
son als Einheit betrachtet und die Desinfection nur dann als ge¬ 
lungen bezeichnet, wenn beide Hände sich als keimfrei erweisen. 
Zum Mindesten muss verlangt werden, wenigstens eine Hand 
ganz zu prüfen. 

Auf Anregung unseres Vorstandes, Prof. Dr. Sänger, sind 
wir daher daran gegangen, die so günstigen bacteriologischen Re¬ 
sultate S c h 1 e i c h’s mittels einer strengeren Methode nachzu- 
priifen. Wir verwendeten hiezu flüssige Nährböden (Bouillon). 
Bei der Prüfung wurde seitens des Betreffenden selbst mit 
scharfem Messer die Epidermis der einen Hand an den ver¬ 
schiedensten Stellen kräftig abgeschabt, während eine andere Per¬ 
son die so gewonnenen Hautschuppen unter langsamem Ueber- 
giessen mit Bouillon in die mit gleicher Nährflüssigkeit gefüllte 
Schale hinabsehwemmte, wobei stets der Deckel der Schale über die 
Hand gehalten wurde. Vor der Prüfung wurden die desinficirten 
Hände jedesmal gründlich mit sterilem Wasser abgespült. Wir 
prüften die Hände so wie sie waren und haben sie zuvor nur in 
wenigen Fällen mit Bacterien (Bacillus prodigiosus und Bacillus 
subtilis) inficirt. 

Die Forderung K r ö n i g J s “), dass vor der Desinfection solche 
Bacterienarten auf die Hautoberfläche gebracht werden, welche 
auf den zur Aussaat verwendeten Nährböden günstige Wachs¬ 
thumsbedingungen finden und welche nachher leicht ident ificirt 
werden können, können wir als allein giltige Prüfungsmethode 
nicht für nöthig und berechtigt anerkennen. So tief als sich die 
Keime in der Epidermis überhaupt vorfinden, kann man weder 
nichtpathogene noch pathogene Keime in die Haut einreiben. 
Resistente Keime finden sich genug in der Epidermis und cs ist 
gewiss schon das blosse Eintrocknenlassen von Milzbrandbacterien 
auf der Hautoberfläche riscant genug, vom energischen Einreiben 
derselben nicht zu reden. Zur Prüfung verwendeten wir haupt¬ 
sächlich unsere eigenen Hände und ab und zu noch die Hände 
solcher Personen, von denen wir annehmen konnten, dass sie die 
Technik der Desinfection gründlich beherrschten und auch beim 
Abschaben der Epidermisschuppen ihre Hände nicht allzu sehr 
schonten. 

Die neue Methode der Hautuntersuchung mit dem nicht 
billigen Apparat von Paul und Sarwey 10 ) ist gewiss exacter 
als die unserige, doch kann auch bei unserem einfachen Verfahren 
die Luftinfeetion gewiss keine Rolle spielen und glauben wir, 
dass es sich gerade für praktische Zwecke eignet, insofern, als cs 
ohne viele Umstände auch zur Selbstcontrole benützt werden 
kann. 

Es würde uns sehr befriedigen, wenn Paul und Sarwey, 
die alle gebräuchlichen Methoden der Händedesinfection in ihrem 
Apparate nachuntersuchen zu wollen in Aussicht stellen, auch 
unsere Versuche und Vorschläge einer Prüfung unterziehen 
würden. 

Die Resultate unserer Untersuchungen, deren Details aus den 
beigegebenen Tabellen ersichtlich sind, sind folgende: 

In 20 Fällen haben wir die Desinfection ausschliesslich mit 
Schleieh’scher Seife vorgenommen und hiebei in allen 
Fällen die Haut keimhaltig gefunden. Bei der Waschung 
hielten wir uns streng an die Vorschriften Schleieh’s, die Toi¬ 
lette der Nägel geschah in der exactesten Weise und der Umstand, 
dass auch bei diesen Versuchen nur die besonders gut gepflegten 
Hände von erfahrenen Aerzten geprüft wurden, wird uns hoffent¬ 
lich vor dem Einwand bewahren, dass die Desinfection nicht 
gründlich genug vorgenommen wurde. (Tabelle I.) 

Wesentlich besser waren die Erfolge, wenn wir der Waschung 
mit der Schleichseife noch eine chemische Desinfection mit 
heisser lprom. Sublimatlösung durch 3—5 Minuten folgen Hessen. 
Bei 15 derartigen Versuchen erzielten wir in 11 Fällen (73 Proc*.) 
keimfreie Hände. (Tabelle n.) 

Daraus können wir schon jetzt mit Berechtigung den Schluss 
ziehen, dass die mechanische Desinfection mit der Schleichseife 

8 ) In wie weit können wir unsere Hände sterilisiren? Berl. 
klin. Wochenschr. 1899, No. 34. 

•) Welche Anforderungen sollen wir an bacteriologische Unter¬ 
suchungen über Händedesinfection stellen? Centralbl. f. Gynäk. 
1899, No. 45. 

10 ) Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 49. 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



10. April 1900. 


605 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


allein die Haut nicht keimfrei zu machen im Stande, sowie 
dass eine nachherigo chemische Dcsinfection 
unerlässlich ist. 

Es handelt sich für uns weiter darum, zu prüfen, ob zur Er¬ 
langung dieses Resultates gerade die Marmorstaubceralseife noth- 
wendig und ob man nicht mit der einfacheren und billigeren 
Sandseife von Sänger dieselben Resultate zu erzielen im Stande 
sei. Analog angestellte Versuche mit Sandscife allein, auf deren 
Zusammensetzung wir weiter unten des Näheren ein gehen, hatten 
denn auch dasselbe Ergebniss, wie wir es mit der Marmorstaub¬ 
ceralseife gewonnen hatten. (Tabelle III.) Ja, badeten wir nach 
gründlicher, 3—5 Minuten lang währender, mechanischer Des- 
infection die Hände 3—5 Minuten lang in heisscr 1 prom. Subli- 
matlösung, so erzielten wir unter 36 Versuchen 29 m a 1 
keimfreie Hände, d. i. 80 Proc., also einen noch besseren 
Procentsatz, als mit Schleie h’schcr Seife. Hie Sublimat¬ 
lösung verwenden wir möglichst heiss, da die bactericide Kraft 
derselben eine grössere ist, wenn sie höher temperirt verwendet 
worden, wie die Untersuchungen von H e i d e r ll ) gelehrt haben. 
Die Angabe von Sänger, dass die Haut durch die Waschung 
mit der Sandseife in keiner Weise angegriffen wird und „trotz 
mehrmaligem täglichem Gebrauch glatt und geschmeidig und so 
gut wie gefeit gegen das berüchtigte chirurgische Ekzem bleibt“, 
können wir nur vollauf bestätigen. Wir haben forcirte Wasch¬ 
ungen mit der Sandseife vorgenommen und nie den geringsten 
nachtheiligen Einfluss auf die Haut wahrgenommen. Allerdings 
muss betont werden, dass die Haut sich erst an diese Art von 
Waschung gewöhnen muss, was aber rasch geschieht. Hat man 
sich erst einige Zeit mit Sandseife gewaschen, dann kann man 
sich förmlich nicht mehr recht an die Waschung mit Seife und 
Bürste zurückgewöhnen. (Tabelle IV.) 

Was die Frage der Bürsten anbelangt, so haben wir bei 
unserem Desinfectionsverfahren nicht ganz darauf verzichtet. 
Von grosser Wichtigkeit ist, dass die Bürsten mit Blut und 
Secreten überhaupt nicht in Berührung kommen sollen, dass also 
ein Unterschied gemacht werde zwischen dem Process der Ab- 
biirstung zu deeinfectorischen und zu reinigenden Zwecken. Zu 
ersteren soll die Bürste aseptisch sein, die Reinigung der Haut 
von Blut und Secreten geschehe am besten ohne Bürste in Soda¬ 
oder Weinsteinlösungen, sowie mit Sandseife. Wird z. B. für die 
Fingerspitzen eine Bürste benützt, so muss dieselbe dann un¬ 
bedingt als inficirt angesehen werden. Das erste Stadium der 
Desinfection einer neuen oder gebrauchten Bürste muss die Aus¬ 
kochung in 1 proc. Sodalösung sein, um sie von dem massen¬ 
haften Schmutz zu befreien. Es hat sich aber bei unseren Prü¬ 
fungen ergeben, dass die nachherige Einlegung in 1 prom. Sub¬ 
limatlösung sie noch nicht sicher keimfrei mache, dass dies aber 
geschah, sowie die Bürste einer zweimaligen fractionirten Steri¬ 
lisation, theils durch gespannten Dampf (Lautenschläger 
jo 1 Stunde), theils im Trockenofen (V\—Vs Stunde) unterworfen 
wurde, worauf dann erst die Bürste in die frisch bereitete Sub¬ 
limatlösung gelegt wurde. 

Mit W i n t e r n i t z 1J ) befinden wir uns insofern in Ueber- 
einstimmung, als auch er gegenüber Schleich die Ansicht ver¬ 
tritt, dass die Bürsten nicht, ohne Weiteres vermisst werden 
können, so lange kein passender Ersatz für sie gefunden sei. 
Derselbe schlägt vor, die Bürste durch 10 Minuten langes Aus¬ 
kochen in 1 proc. Sodalösung keimfrei zu machen und die aus¬ 
gekochten Bürsten in lprom. Sublimatlösung, wie bisher üblich, 
aufzubewahren. Das Auskochen vertrügen die Bürsten beliebig 
lange Zeit und beliebig oft. Wir können letzteres nicht bestätigen. 
Wenn wir eine Bürste öfter als fünf- bis sechsmal eine Viertel¬ 
stunde lang kochten, so wurde sie unbrauchbar, die Borsten 
wurden weich und biegsam. Ausserdem wurden die Bürsten, 
die wir in der Weise auf ihren Keimgehalt prüften, dass wir sie 
ganz in ein mit Nährbouillon gefülltes Gefäss brachten und 
mehrere Tage lang im Thermostaten hielten, durch einmaliges 
halbstündliches Auskochen in 1 proc. Sodalösung nicht immer 
steril. Die trockene Sterilisation vertrugen die Bürsten wider 
Erwarten sehr gut. 


ll ) Ueber die Wirksamkeit von Desinfectionsmitteln bei höheren 
Temperaturen. Centralbl. f. Bacteriol. u. Parasitenk. 1891, Bd. IX. 

**) Bacteriologische Untersuchungen über den Keimgehalt und 
die Sterllisirbarkeit der Bürsten. Berl. klin. Woehensehr. 1900, 

No. 9. 


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Gck igle 


Wir benützten sie dann in der Sublimatlösung fast nur noch 
zur Reinigung der Fingerkuppen resp. des Untcrnagelraumes. 
Folgt man Sänge Fs Vorgang, die Unternagelräume durch Weg¬ 
schneiden der Nagelränder und der angrenzenden Haut zu eli- 
miniren — es gehört dazu längere Gewöhnung und grosse Un¬ 
empfindlichkeit — dann kann man in der Tliat auf die Bürsten 
gänzlich verzichten, da sich die Fingerkuppen dann leicht mit 
Sandseife oder Jutte bezw. Holzfaser mit Sandseife bearbeiten 
lassen. 

Es handelt sich hier eben auch darum, inwieweit der Arzt 
glaubt, die Bürstenboarbeitung zu Gunsten der geschilderten 
mechanischen Desinfection entbehren zu können, wobei wohl zu 
beachten ist, dass es möglich ist, sowohl ungebrauchte wie (nicht 
zu oft) gebrauchte Bürsten thatsächlich keimfrei zu machen. 
Ganz abgeschafft unter den Aerzten werden die Bürsten gewiss 
nicht so bald werden; man denke nur, welche Bedeutung die ver¬ 
schiedenen bürstenartigen Werkzeuge im menschlichen Haus¬ 
halt einnehmen. 

Für ärztliche Zwecke muss es vorerst genügen, zu zeigen, 
wie der Gebrauch der Handbürsten möglichst eingeschränkt und 
durch die mechanische Sanddesinfection ersetzt werde, wobei zu 
betonen, dass auch im Bürgerhause des Arztes sehr wohl die 
Bürste durch Auskochen im Dampf topf, durch trockene Erhitzung 
im Ofen und Aufbewahrung in einem Gefäss mit Sublimat keim¬ 
frei gemacht und erhalten werden kann. 

Die Herstellung der Sänge r’schen Sandseife, deren Liefe¬ 
rung die Firma F. A. Müller Söhne in Prag-Karolinenthal 
übernommen hat, geschieht auf folgende Weise: 

Der zur Bereitung der Seife zu verwendende Sand muss eine 
scharfkantige Körnung besitzen und soll möglichst frei von 
blätterigen, lehmigen und staubartigen Beimischungen sein. Ge¬ 
wöhnlicher Flusssand ist aus diesem Grunde unverwendbar. In 
dieser Beziehung ist bei der Auswahl des Sandes sehr rigoros vor¬ 
zugehen, da ein lehmhaltiger Sand eine schleimige Seife gibt, 
bei deren Verwendung man gerade das Gegentheil des ange¬ 
strebten Zweckes erreichen würde. 

Der Sand wird vorerst durch ein gewöhnliches Sandsieb ge¬ 
worfen, um denselben von den gröberen Theilen zu sondern und- 
hierauf in einen Bottich geworfen, mit reinem Wasser vermischt, 
welches durch Einführen eines Dampf Strahles zum Kochen ge¬ 
bracht wird. 

Das Schmutzwasser wird abgegosson, durch reines Wasser 
ersetzt, und das Aufkochen so lange wiederholt (meist 5—6 mal), 
bis das Wasser keine Trübung mehr zeigt. 

Der nasse Sand wird dann auf Blechplatten geschüttet, unter 
welchen sich eine Heizschlange befindet und auf diese Weise 
sorgfältig getrocknet. Hierbei soll der Sand durch längere Zeit 
einer Temperatur von 100° C. ausgesetzt werden. Der trockene 
Sand wird hierauf neuerlich durch ein feinmaschiges Sieb ge¬ 
siebt, um eine gleichförmige Körnung zu erzielen. 

Nun wird ganz reine, ungefällte Natronseife in circa dem 
doppelten Quantum Wasser gelöst und die Lösung im Duplicator 
zum Sieden gebracht. Ist die Lösung so weit eingedampft, dass 
die Seife sich wieder auszuscheiden beginnt, so wird etwas Am¬ 
moniak zugesetzt und lässt man hierauf in diese kochende Seifen¬ 
lösung den Sand mittels eines Trichters langsam einregnen, wo¬ 
bei die Seife sehr energisch gerührt werden muss. Man kann — 
dem Gewichte nach — circa das 7—8 fache der Seifenmenge an 
Sand einrühren. Was den Zusatz von Ammoniak zu der Lösung 
anbelangt, so folgen wir darin dem Vorschläge S c h 1 e i c h’s 1S ); 
auch wir konnten Kaliseifen nicht verwenden und haben, um die 
Seifenmischung alkalisch zu machen, Ammoniak zugesetzt. In 
entsprechender Menge schadet es in der Tliat der Consistenz der 
Mischung nichts und erfüllt seinen Zweck besser als der Zusatz 
von Kalilauge. 

Ist die Seife so weit fertig, so wird noch etwas Soda zuge¬ 
setzt, der Heizdampf abgesperrt und unter stetem Umrühren 
die Masse langsam abgekühlt. Ist die Temperatur entsprechend 
gesunken, so lässt man nochmals etwas Ammoniak einträufeln 
und fährt mit dem Umrühren und Kühlen so lange fort, bis die 
Seife eine breiartige Consistenz angenommen hat. In diesem Zu¬ 
stande wird die fertige Seife in die Dosen eingefüllt und sol! 
nach dem vollkommenen Erstarren eine Consistenz annehmen. 


1K ) 1. c. p. 103. 


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506 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15 


welche zwar nicht teigig, aber doch so weich ist, dass man die¬ 
selbe mit den Fingern leicht herausheben kann. 

Wenn man schon, wie unsere Versuche gezeigt haben, einer 
chemischen Desinfection nicht entrathen kann, dann bleibt 
noch die Frage, welches Desinficiens am besten hiezu zu verwenden 
sei t Wir haben in einigen Fällen der mechanischen Desinfection 
mittels Sandseife und Mormorstaubseife eine Waschung in 96proc. 
Alkohol folgen lassen, waren aber mit den bacteriologisehen Be¬ 
funden nicht zufrieden. 

Auch mit dem übermangansauren Kali, dem nach K r ö n i g 
und Paul M ) noch in verdünnten Lösungen eine starke des- 
iiificirende Wirkung zukommt, hatten wir keine befriedigenden 
Erfolge. 

K r ö n i g und Paul haben gezeigt, dass die Desinfections- 
kraft einer Kaliumpermanganatlösung von einer gewissen Con- 
ccntration durch eine entsprechende Menge von Salzsäure derart 
gesteigert werden könne, dass schon nach 2 Minuten Eimvirkungs- 
zcit auch ziemlich resistente Milzbrandsporen getödtet werden. 

Kelly 15 ) verwendet starke Lösungen von Kalium perman- 
ganicum und hat dieses Mittel auch experimentell geprüft. Er 
erzielte damit unter 50 Versuchen 45 mal keimfreie Hände. 

Itei nicke 18 ) hat diese günstigen Erfolge nicht bestätigen 
können. 

Herr Stabsarzt Kamen, der sich im bacteriologi sehen In¬ 
stitut von Prof. Pal tauf mit einschlägigen Untersuchungen 
befasst und mit diesem Desinficiens ebenfalls sehr günstige Re¬ 
sultate erzielte, hat uns in dankenswert her Weise einige der von 
ihm angegebenen doppelten Pastillen (1. Kaliumpermanganat und 
Kochsalz, 2. Kaliumsulfat) zur Verfügung gestellt. Wir haben 
bisher allerdings nur wenige Versuche mit diesen Pastillen ange¬ 
stellt, können aber schon mit Gewissheit sagen, dass die Resultate 
ungünstig sind. 

Besonders wichtig ist cs, wie bereits betont, die Sublimat- 
lüsilng möglichst heiss zu verwenden, ebenso wie man darauf 
achten muss, dass die Hand gänzlich von Seife befreit ist, bevor 
sic in die Sublimatlösung gebracht wird. Dadurch wird auch 
die Bürste, die, wie erwähnt, am vortheilhaftesten in der Sub¬ 
limatlösung zur Reinigung der Fingerkuppen verwandt wird, 
möglichst wenig verunreinigt. 

Bevor wir unsere Ausführungen schliessen, wollen wir noch be¬ 
merken, dass die Desinfection mit Sandseife und Sublimat seit 
einiger Zeit sowohl auf der geburtshilflichen wie auch auf der 
gynäkologischen Klinik eingeführt wurde mit durchaus befrie¬ 
digendem Erfolg. Auf der geburtshilflichen Klinik wird neben¬ 
bei statt des Lysols, welches zum Schlüpfrigmachen der Hände 
diente, sterilisirte 5 proc. Bor-Glycerinlösung, welche in ge¬ 
schlossenen Doppelschalen auf bewahrt wird, verwendet. Auf der 
Frauenklinik wird die neue Methode sowohl zur subjectiven als 
auch zur objectiven Desinfection, die letztere besonders bei allen 
Coeliotomien mit den besten Erfolgen geübt. 

In der letzten Zeit angestellte Versuche der Händesterili¬ 
sation nach F ürbringer mit unseren trocken steri- 
1 i s i r t e n Bürsten haben es uns wahrscheinlich gemacht, dass 
die vielfach berichteten ungünstigen Resultate der Für¬ 
bringe rischen Methode hauptsächlich auf Rechnung der un¬ 
reinen Bürsten zu setzen sind; man hat, offenbar beruhigt durch 
die ausgiebige chemische Desinfection, der sonstigen Reinigung 
einen zu geringen Werth beigelegt. 

Wenn wir auch die chemische Desinfection nicht entbehren 
können, so legen wir doch neben allen anderen prophylaktischen 
Maassnahmen den Hauptwerth auf gründlichere mecha¬ 
nische Reinigung und erblicken darin einen Fortschritt gegen¬ 
über den bisher geübten Methoden der Händedesinfection. 

Tabelle I. *) 

Versuche mit Schleieh’seher Sandseife allein. 

1. Prof. Sänger. V.-A.: 10 Min. S c h 1 e i c h’s Sandseife, 
Abspülen, Abschaben. B.: Schon nach 24 Stdn. einzelne Trübungs- 

u ) Die chemischen Grundlagen der Lehre von der Giftwirkung 
und Desinfection. Zeitschr. f. Hyg. u. Infectionsk. 1897, Bd. 25. 

ll ) Händedesinfection. Amer. Journ. of obstetr. a. dis. of wom. 
n. childr. 1891, citirt nach Löhlein aus Veit’s Handbuch d. 
Gynäk., Bd. I. 

*•) Untersuchungen über die Desinfection der Hände. Archiv 

*) V.-A. “ Versuchs-Anordnung. B. = Bacteriologisches 
f. Gynäk., Bd. L. 

(Bouillon). E. = Ergebniss. -j- positiv. — = negativ. 

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zonen um Epidermisschnppen. Mikroskopisch : Grössere 
Traubencoccen -f kurze, dicke, unbewegliche Bac. Agar: Opake 
Colonien von grösseren Traubencoccen -f- durchscheinende, graue 
Colonien von unbeweglichen Bac. E.: -j- 

2. Dr. S c h e n k. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reichliche 

Triibungszouen um Epidermisschuppen. Mikroskopisch: 
grössere Traubencoccen -j- kurze dicke unbewegliche Bac. Agar: 
Trockene, weissliche Colonien von Staphylococc. JPR -{-• E.: -f- 

3. Hebamme Fr. W. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. spär¬ 
liche Trübungszonen. Mikroskopisch: Nur grössere Coccen 
in Traubenform. Agar: Opake Colonien von Traubencoccen. 
JPll -f. E.: -f- 

4. Dr. Böhm. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stunden spär¬ 
liche Trübungszonen. Mikroskopisch: Grössere Coccen in 
Traubenform. Agar: Opake Colonien von grossen Trauben¬ 
coccen. Jrit -f. E.: +. 

5. Prakticant. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reichliche 
Trübungszonen. Mikroskopisch: Grosse Coccen in Trauben¬ 
form. Agar: Opake Colonien von grossen Traubencoccen. JPR -f. 
E.: +. 

6. Dr. Lichtenstern. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. 
spärliche Trübungszonen. Mikroskopisch : Kleine Trauben¬ 
coccen -f- einzelne Hefezellen. Agar: Durchscheinende, graue 
Colonien von sehr kleinen Coccen -f- weisse Hefe. E.: -j— 

7. Dr. Sitzenfrei. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. 
keine Trübungszonen. Nach 48 Stdn. mehrere solche. Mikro 
s k o p i s c h : Nur Hefe. Agar: Feuchtglänzende, weisslichgraue 
Colonien von Hefe. E.: -f. Ca. eine halbe Stunde vorher Desinfec- 
tiou nach Fürbringer. 

8. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: nach 24 Stdn. starke 
Trübung. Mikroskopisch : Tetracoccen -f kurze, dicke Bac. 
ohne Eigenbewegung. Agar: Grauweisse, schleimige -f- opakere 
Colonien. Die ersteren enthalten schlecht tingirbare Kurzstübcheu, 
die letzteren grosse Coccen in Traubenform. E.: -f. 

9. Dr. Zauf al. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stunden starke 
Trübung. Mikroskopisch : Kleine Coccen in Haufen 4 - 
sclieiufadenbildende Bacillen. Agar: Trockene, weisse Colonien 
von scheinfadenbildenden Bacillen mit Eigenbewegung. JPR -f. 
E.: +. 

10. Dr. Z a u f a 1. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stunden reich¬ 
liche Trübungszonen. Mikroskopisch: Grössere Coccen in 
Traubenform. Agar: Weissliche, dichte Colonien von grossen 
Coccen in Trauben form. E.: 

11. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reich¬ 
liche Trübungszonen, später eigenthümliehe, grünlich-schwarze 
Verfärbung der Bouillon. Mikroskopisch : Kurze Bac. ohne 
Eigenbewegung. Agar: Durchscheinende, graue Colonien mit 
deutlicher schwarzgrüner Verfärbung des Nährbodens. Mikro¬ 
skopisch: Kurze, unbewegliche Bac. E.: -f-. 

12. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. reichliche 
Trülmngszouen. Mikroskopisch : In langgestreckten, diffe- 
reneirten Häufchen liegende, kurze Bac. mit zoogloeaartiger Hülle. 
Agar: Schleimige, grauweisse Colonien mit starker Gasbildung. 
Bouillon: Gasbildung. Schleimig-wolkige Trübung. E.: -)-• 

13. Dr. S c h e n k. V.-A.: 10 Min. S c h 1 e i c h’s Sandseife, Ab¬ 
spülen, kein Abschaben. B.: Nach 24 Stdn. diffuse Trübung. 
Mikroskopisch : Tetracoccen -f- lange Bacillen. Agar: 
Grauweisse Colonien von längeren, unbeweglichen Bac. JPR -f. 
E.: +. 

14. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. diffuse 
Trübung mit Bildung eines ausgedehnten Mykoderms. Mikro¬ 
skopisch: Kurze Bac. mit mittelständigen, ovoiden Sporen. 
Agar: Trocken glänzende, graue Colonien von unbeweglichen, 
kurzen Bac., nach 2 Tagen Sporenbildung. JPR —. Im Agarstich 
w'urzelförmige Ausläufer. E.: +. 

15. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. leichte 
Trübung. Netzförmiges Mykoderm. Mikroskopisch : Schein¬ 
fadenbildende Bac. Agar: Trockene, weisslieh-graue Colonien 
von längeren Bac. Mykoderm. auf dem Condenswasser. E.: -j— 

16. Dr. Lichtenstern. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. 
diffuse wolkige Trübung. Mikroskopisch : Kurze, plumpe 
Bac. mit Eigenbewegung. Agar: Trockene, spröde, graue Colo¬ 
nien von plumpen, beweglichen Bacillen. Gasbildung. E.: -f-. 

17. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. leichte 
Trübung. Mikroskopisch : Grosse Coccen -f- längere, dünne 
Bacillen Agar: Weisslichgraue, grosse Colonien von Coccen 
-f- kleine durchscheinende, graue Colonien von kurzen, beweglichen 
Bac. E.: +. 

IS. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. keine 
sichtbare Trübung. Nach 48 Stdn. leichte Trübung. M lkro- 
s k o p i s c h : Coccen in Traubenform lange Bac. ohne Eigen- 
bew’egung. E.: 

19. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Stdn? diffuse 
Trübung. Mikroskopisch : Grosse Coccen in Trauben form. 
E.: -f. 

20. Prakticant. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Stdn. sehr 

schwache Trübung. Mikroskopisch : Nur Hefezelleu. 
Agar: Gelbe Hefe. E.: Vorher mehrmalige Desinfection nach 

Fürbringer. 

Tabelle II. 

Versuche mit Schleie h’scher Sandseife und 
Sublimat. 

1. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Minuten Sandseife, 3 Minuten Subli¬ 
mat, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 5 dies steril. Agar, steril. 
E.: —. 

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10. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 507 


2. Dr. Zfluf a 1. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Stdn. 2 Trü- 
bungszonen lim Epidermisscliuppen. Mikroskopisch: Grosse, 
hefeartige Cocoen. Agar: Gelbe Hefe. E.: -f-. 

3. Dr. Z a u f a 1. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 5 dies keiue sicht¬ 
bare Trübung. Agar: steril. E.: —. 

4. Dr. Werner. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 4 dies steril. 
Agar: steril. E.: — 

5. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 2 dies keine Trü¬ 
bung. Agar: Mehrere (3) Colon, von grauer Farbe. Mikro¬ 
skopisch: Kurze unbewegliche Bac. E.: -(-. 

6. Dr. Böhm. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 4 dies keine Trü¬ 
bung. Agar: steril. E.: —. 

7. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 4 dies keine Trü¬ 
bung. Agar: steril. E.: —. 

8. Dr. Sitzenfrei. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies keine 
Trübung. Agar: steril. E.: —. 

9. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. Nach 24 Std. zwei Trübungs¬ 
zonen. Mikro sk.: grosse Hefe. Agar: Rosa Hefe. E.: -f. 

10. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 5 dies steril. 
Agar: steril. E.: —. 

11. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach S dies keine 
Trübung. Agar: steril. E.: —. 

12. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. diffuse, 
wolkige Trübung. Mikrosk.: Grössere Coccen in Traubenform. 
A gar: weisse Colon, von Tetracocceu. W e i s s e Maus I nach 
24 Std. E.: -f. 

13. Dr. Schenk. V.-A.: 10 Min. Sandseife. 5 Min. Sublimat. 
Abspülen, kein Abschaben. B.: Nach 5 dies steril. Agar: steril. 
E.: —. 

14. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
steril. Agar: steril. E.: —. 

ir>. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 2 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
steril. Agar: steril. E.: —. 

Tabelle III. 

Versuche mit Siinger’s Sandseife allein. 

1. Dr. Zaufal. V.-A.: 10 Min. Saudseife, Abspülen, Ab- 
sehaben. B.: Nach 24 Std. reichliche Trübungszonen und Epklermis- 
schuppen. Mikroskop.: Hauptsächlich lange, dicke Bac. ohne 
Eigeubewegung, vereinzelt grosse Doppelcoccen. Agar: Grosse 
graue Colon, mit buchtigen Rändern, dann opake, gelbliche Colon, 
ln ersteren lange, dicke Bac., in letzteren grosse Coccen in Haufen. 
E.: -f-. 

2. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. starke 
Trübung. Mikrosk.: Bewegliche Kurzstäbchen. Agar: Grauer 
Ueberzug von kurzen Bac. E.: 

3. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. diffuse 
Trübung. Mikroskop.: Vorwiegend Coccen in Traubenform, 
JPR -}-» daneben kurze, plumpe Bac. Agar: Grauweisse, trockene 
Colon, von kurzen Bac. und weisse, grosse Coccencolonien. E.: -f. 

4. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. Nach 24 Std. leichte, 
nach 48 Std. stärkere Trübung. Mikrosk. Meist Bac. ver¬ 
schiedener Form, einzelne Stäbchen mit Knopfbildung an einem 
Ende. Agar: Grauer Ueberzug von längeren Stäbchen und weiss- 
liche Coccencolonien. E.: -f. 

5. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 24 Std. starke 
Trübung und Geruch nach faulem Obst. Mikrosk.: Verschieden 
artige Bacterien, vorwiegend Bac. Agar: Verschiedene Colon, 
meist Bac. Gasbildung. E.: -}-. 

Tabelle IV. 

Versuche mit Siinger’s Sandseife und Sublimat. 

1. Dr. Schenk. V.-A.: 10 Mlu. Snndseife, 5 Min. Sublimat. 
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 48 Std. steril. Agar: steril. 
E.: —. Nachträglich in den Nährboden eingebrachte Bacterien 
wachsen anstandslos aus. 

2. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril. 
Aga r: steril. E.: —. 

3. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat. 
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 2 dies steril, ebenso nach 3 dies. 
Agar: steril. E.: —. 

4. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril. 
Agar: steril. E.: —. 

5. Dr. Fischer. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies einzelne 

Trübungszonen. Mikrosk.: Grosse Coccen in Haufen. Agar: 
Weisse, grosse Colon, oder Coccen in Haufen. JPR -{-. E.: -f-. 

G. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 2 dies keine Trü¬ 
bung. Agar: steril. E.: —. Wie oben. 

7. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 2 dies keine Trü¬ 
bung. Agar: steril. E.: — 

8. Professor. V.-A.: Dieselbe. Nach 2 dies keine Trübung. 
Agar: steril. E.: — 

9. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Std. sechs 
Trübungszonen um Epidermisschuppen. Mikrosk.: Grosse Coccen 
in Traubenform. Agar: Grauer Ueberzug von dünnen Bac., so¬ 
wie weisse, grössere Colonien von Hefe. E.: -j-. 

10. Dr. Zaufal. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies keine Trü¬ 
bung. Agar: steril. E.: —. 

11. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 48 Std. diffuse Trübung. Mikro¬ 
skopisch: Coccen in Traubenform und Kurzstäbchen. Agar: 
Bac. Agar: Schleimiger Ueberzug von schlecht tingirbaren 
Bac. Grosse Coccen. E.: -j-. 


12. Dr. H inckley. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 48 Std. starke 
Trübung. Mikrosk.: Verschiedenartige Bacterien, vorwiegend 
Bac. Agar: Schleimiger Uebergang von schlecht tingirbaren 
kurzen Bac., sowie weisse Hefecolonien. E.: -f. 

13. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Snndseife, 5 Min. Sublimat. 
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies starke Trübung. Mikro¬ 
skopisch: Grosse Coccen und lange, dünne Bac. E.: -f. 

14. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat. 
2 Min. Fingerkuppen mit Bürste. Abspülen, Abschaben. B.: Nach 
4 dies steril. Agar: steril. E.: —. 

15. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril. 
Agar: steril. E.: —. 

10. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies steril. 
Agar: steril. E.: —. 

17. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat. 
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies steril. Agar: steril. E.: —. 

18. Dr. Schenk. V.-A.: Dieselbe. B.: Nach 3 dies starke 
Trübung. Mikrosk.: Grosse Coccen und scheinfadenbildende 
Bac. Agar: Grauer Ueberzug von scheinfadenbildenden Bac. 
E.: +. 

19. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 

2 Min. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschabeu. B.: Nach 

3 dies keine Trübung. Agar: steril. E.: — 

20. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat, 
keine Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies keine Trübung. 
Agar: steril. E.: —. 

21. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
keiue Trübung. Agar: steril. E.: —. 

22. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Keine Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies keine Trü¬ 
bung. Agar: steril. E.: —. 

23. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
keine Trübung. Agar: steril. E.: —. 

24. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Keine Bürste, Abspiilön, Abschaben. B.: Nach 3 dies keine Trübung. 
Aga r: steril. E.: —. 

25. Dr. Schenk. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 2 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen uiit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Dasselbe. 
E.: — 

20. Dr. Schenk. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, nicht abspülen, abschaben. Sofortige 
Einimpfung von Tetragenus. B.: Nach 2 dies starke Trübung. 
Mikrosk. Tetrag. Agar: Mikroc. tetragen. E.: -j-. Positiv 
durch die Beschickung des Nährbodens mit Tetragenus! 

27. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
keine Trübung. Agar: steril. E.: —. 

28. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste. Abspülen, Abscliaben. B.: Nach 3 dies 
keiue Trübung. Agar: steril. E.: —. 

29. Dr. Zaufal. V.-A.: 3 Min. Sandseife, 3 Mim Sublimal. 
Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies kein Wachsthum. Agar: 
steril. E.: —. 

30. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
keine Trübung. Agar: steril. E.: —. 

31. Praktikant. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
keine Trübung. Agar: steril. E.: —. 

32. Praktikant. V.-A.: 5 Min. Sandselfe, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
keiue Trübung. Agar: steril. E.: —. 

33. Praktikant. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. B.: Nach 3 dies 
keine Trübung. Aga r: steril. E.: —. 

34. Dr. Zaufal. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspiilen, Abschaben. B.: Nach 2 dies 
keine Trübung. Agar: steril. E.: —. 

35. Prof. Sänger. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. Die Desinfection 
vorgenommen nach Exploration eines jauchenden Cervixcarcinoms. 

30. Dr. Schbnk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 5 Min. Sublimat. 
Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. 

Tabelle V. 

Versuche der Sterilisation von Handbürsten. 

1. V.-A: Handbürste im gewöhnlichen Gebrauch; in Sublimat. 
1:1000. Abspülen in sterilem Wasser. Einlegen in ein Gefäss mit 
Bouillon. B.: Nach 48 Stdn. starke Trübung der Bouillon; Geruch 
nach ranzigem Fett. Mikroskopisch : Bacterien verschie¬ 
dener Form. Agar: Schleimig-grauweisse Colonien mit starker 
Gasbildung. Pathogenese: Weisse Maus, 1 ccm intraperi¬ 
toneal injicirt. f 10 Stdn. Peritonitis, Sepsis. Im Herzblut und 
Peritonealexsudat kleine, kurze Bacillen, Kapselreaction gelingt 
nur an einzelnen Bacillen. E.: -f. Die Bürste war einige Tage in 
Gebrauch gewesen. 

2. V.-A.: Handbürste, nicht gebraucht, y g Std. in 1 proc. Soda¬ 
lösung gekocht. B.: Bouillon: Mykoderm und Trübung, reich¬ 
lich sborentragender Mucor. E.: -j-. 

3. V.-A.: Handbürste von No. 1. Trocken sterilisirt y a Std. bei 
140°. B.: Bouillon: Nach 3 Tagen sehr spärliches Wachsthum 
von kurzen, sowie längere Scheinfäden bildenden Bacillen. E.: -}-. 

4. V.-A.: Handbürste, ca. 14 Tage in Gebmuch, in Sublimat 


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508 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


1: 1000 aufbewahrt. Abspiilen mit sterilem Wasser. B.: Bouil¬ 
lon : Nach 24 Stdn. reichliche diffuse Trübung und starke Gas¬ 
bildung. Mikroskopisch : Gleichartige, ziemlich lange, dicke, 
bewegl. Stäbchen, Coccen in Traubenform. Pathogenese : 
Meerschweinchen 1 ccm iutraperitoneal iujieirt, bleibt gesund. 
K.: 

5. V.-A.: Handbürste, nicht gebraucht, 2 mal hintereinander 
durch 1 Std. trocken sterilisirt bei 116°. B.: Bouillon : Steril. 

E.: — 


0. V.-A.: Handbürste vou No. 4 einmal trocken sterilisirt durch 
1 Std. bei 110°. B.: Bouillon: Nach 24 Stdn. leichte Trübung, 
welche auch nach 3 Tagen nicht stärker wird. Mikroskop.: 
Kurze Bacillen mit Vacuolen. E.: -|-. 

7. V.-A.: Handbürste von No. 5, von 12 Praktikanten benützt, 
dann 2 mal hintereinander durch je 1 Std. bei 110" trocken sterili- 
sirt. B.: Bouillon: bleibt steril. E.: —. 

8. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt eine Stunde in 

strömendem Dampf, eine halbe Stunde trocken bei 110". B.: 

Bouillon : bleibt steril. E.: — . 

0. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt wie No. 8. B.: 

Bouillon: bleibt steril. E.: —. 

10. V.-A.: Handbürste, durch 24 Sdn. häufig gebraucht, sterili¬ 
sirt wie No. 8. B.: Bouillon: Nach 3 Tagen schwache Trü¬ 

bung. Mikroskopisch: Keine Mikroorganismen. E.: — . 

11. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt wie No. 8. B.: 
Bouillon: bleibt steril. E.: —. 

12. V.-A.: Handbürste, in Gebrauch, sterilisirt wie No. 8. 


Tabelfe VI. 


Versuche mit Sänger*s Sandseife und Kalium 
permanganicum. 

1. I)r. Kohn. V.-A.: 5 Min. Sand 4- Seife, 3 Min. Kalium 
permang. 1 :1000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Ab- 
schaben. B.: Nach 24 Stunden leichte Trübung, nach 
48 Stdn. deutlicher. Mikroskopisch : Coccen in Haufen. 
Agar: Grosse weisse Colouien von Coccen. E.: -J-. Die ver¬ 
wendeten Bürsten jedesmal trocken sterilisirt. 

2. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sand -f- Seife. 3 Min. Kalium 
penuaug. 1:1000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülon, Abschabeu. 
B.: Nach 48 Stdn. keine starke Trübung. Agar: Grosse, weisse 
Colonien von Coeeen. E.: 

3. Dr. Kraus: V.-A.: 5 Min. Sand 4-Seife. 3 Min. Kalium 
permang. 1:1000. Fingerkuppen mit Bürste. Abspülen, Ab¬ 
kuppen mit Bürste. B.: Nach 24 Stdn. dichtes Wacbstbuin. E.: -f-. 

4. I>r. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sand + Seife. 3 Min. Kalium 
permang. 1: 4000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. 
B.: Nach 24 Stdu. geringes Wachsthum. Agar: Zahlreiche Co¬ 
lonien von Staphylococcen. E.: -f. 

5. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Saud-f Seife. 3 Min. Kalium 
permang. 1:4000. Fingerkuppen mit Bürste, Abspülen, Abschaben. 
B.: Dasselbe. E.: -f. 

6. Dr. Schenk. V.-A.: 5 Min. Sandseife, 3 Min. Kalium per- 
mang. Fingerkuppen mit Bürste, Abspiilen, Abschaben. B.: Nach 
24 wolkige Trübung. Mikroskopisch : Grosse Coccen und 
dünne Bacillen. Agar: Diffuser grauer Ueberzug von dünnen, 
unbeweglichen Stäbchen. E.: 


Ein Taschensterilisirapparat. 

Von Dr. med. B o f i n g c r in Creglingen. 

Wer öfters in der Lage ist, kleinere und grössere Operationen 
ausserhalb des Sprechzimmers, zum Theil in weit entfernten 
Orten nuszuführen, hat es gewiss schon öfters als Uebelstand 
empfunden, dass man, um die Sterilisirung der Instrumente au 
Ort und Stelle vorzunehmeu, so vielerlei einzeln mit sich nehmen 
muss: Spiritus, Spiritusbrenner, Gefäss zum Auskochen, Soda 
u. s. w. abgesehen von Instrumententasche und Verbandmaterial. 
Und so manchmal hat man das Unglück, besonders wenn man in 
dringendem Fall gerufen wird, irgend etwas von den vielerlei 
Dingen zu vergessen, und auf den meisten DdVfern gibt es ja 
kaum Brenuspiritus zu kaufen. Diese Uebelstände haben mich 
veranlasst, einen Apparat construiren zu lassen, der in möglichst 
handlicher Form alles zum Sterilisiren der Instrumente Noth- 
wendige, sammt kleinem Instrumentarium selbst in sich vereinigt, 
und ich möchte in Kürze denselben beschreiben. 

Der fertige Kasten, aus Zinkblech gearbeitet. Hat eine Hänge 
von 17 Vs» cm, eine Breite von 0 % cm und eine Höhe von 4 em. 
Die Grösse wurde bo bemessen' dass sich gewöhnliche Zahn- 
zangen in dem Apparat noch auskochen lassen. Die Instrumente 
sind in einer einfachen Scgeltuchtasche untergebracht, die sich 
zusammcnklappcu lässt (s. Fig. 1). Es dürfte sich erübrigen, die¬ 
selben einzeln aufzuführen, es sind dieselben, die jede gut aus¬ 
gerüstete Verbaudtasche enthält und können andererseits von 
Jedem nach Belieben ergänzt oder vermindert werden. Unter der 
»Segeltucktasche befinden sich in einem ubgetheilten Rühmen, der 
leicht lierauszuuehmen ist, zwei Spiritusbrenner und eine Flasche 
für Brenuspiritus mit Sehniubeuschluss ts. Fig. 2). In einer Ab¬ 
teilung befindet sieh ausserdem eine Spritze von 2—3 ccm Inhalt 
für subcutano Injectiou und für Intiltmtionsanaostliesie. ln dem 
uuf der Zeichnung noch leeren Raum in der oberen rechten Ecke 


lassen sich noch einige Gegenstände unterbringen; so habe ich 
drei Glasröhren mit Sublimatpastillen, mit ltotteriupastillen und 



Fig. 1. 



mit Soda gefüllt untergebracht. Auch für sonstige Medlcamente 
und Materialien, z. B. Nähseide, Tabletten für Morph.- etc. -Injcc- 


Fig. 2. 



tionen ist in dein Kasten oder in der Segeltuchtasche noch ge¬ 
nügend Raum, ohne dass derselbe übermässig beschwert würde. 


Fig. 3. 

Die Verwendung des Apparates zur Sterilisirung ist ganz ein¬ 
fach und aus Fig. 3 ohne Weiteres ersichtlich. Der Rahmen, 


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10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


509 


welcher durchlöchert ist, wird herausgenommen und verkehrt 
wieder eingestellt, falls man in strömendem Dampf sterilisiren will, 
anderenfalls lassen sich auch die Instrumente im siedenden Wasser 
direct auskochen, falls man den Rahmen ganz entfernt. Mittels 
der beiden Lampen wird das Wasser innerhalb 5 Minuten zum 
Sieden gebracht. 

Ich selbst habe den Apparat schon seit 2 Monaten im Ge¬ 
brauch und derselbe hat mir inzwischen gute Dienste geleistet, 
so dass ich ihn nicht mehr missen möchte. Das an sich so berech¬ 
tigte Verlangen, dass vor jeder Morphiuminjection, vor jeder Zahn¬ 
extraction die Instrumente sterilisirt werden sollten, lässt sich mit 
Hilfe dieses Apparates leicht erfüllen und vor Allem bin ich immer 
wieder entzückt davon, wie bequem ich jetzt mein nöthiges Ma¬ 
terial zusammenbriuge, wenn ich zu einer Wundnaht oder etwas 
Aehnlichem über Land gerufen w r erde. So wie ich den Kasten 
in Gebrauch habe, mit einem ziemlich reichen Instrumentarium 
wiegt derselbe ein wenig über 1 kg. 

Der Kasten wird von der Fabrik A. Schweickliardt in 
Tuttlingen angefertigt und ist von dort mit oder ohne Instrumente 
direct zu beziehen. Musterschutz ist angemeldet. 


Ueber die Bestimmung der wahren Grösse von Gegen¬ 
ständen mittels des Röntgen-Verfahrens. 

Vorläufige Mittheihmg von Prof. Dr. Moritz. 

Die Anordnung der wirksamen Strahlen beim Röntgen ver¬ 
fahren ist ganz analog der von Lichtstrahlen, die von einer kleinen 
Lichtquelle, z. B. einem kleinen Kerzenlicht, ausgehen. Hier 
wie dort breiten sich die Strahlen von einem Punkte nach allen 
Seiten radienförmig aus. Wegen dieser Divergenz der Strahlen 
ist es unmöglich, aus der Grösse eines Schattenbildes, wie es ja 
auch beim Röntgen verfahren erzeugt wird, ohne Weiteres auf 
die Grösse des Gegenstandes, der den Schatten erzeugt, einen 
Schluss zu machen. 

Der Schatten wird immer grösser sein, als der Gegenstand, 
und zwar wird, wie eine einfache IJeberlegung lehrt, die Ver- 
grösserung (V) direct proportional der Entfernung des Gegen¬ 
standes (Eg) von dem Projectionssehinu, und umgekehrt pro¬ 
portional der Entfernung der Lichtquelle (El) von diesem sein. 
Ei? 

V = vr. • Sollte eine Vergrösserung wegfallen, also Y = 0 

n 

werden, so wäre dies nur möglich, wenn entweder Eg = 0 würde, 
d. h. der Gegenstand in die Fläche des Projeetionsschirmes 
rückte, oder wenn El = würde, d. h. die Lichtquelle in die 
Unendlichkeit rückte und damit ihre Strahlen parallel würden. 

Der erstere Fall ist bei körperlichen Gegenständen in genauer 
Weise weder für Licht noch für Röntgenstrahlen zu erzielen. Der 
zweite Fall ist für Licht bei der Sonne gegeben. Für Röntgen¬ 
strahlen ist auch er nicht realisirbar. Wohl aber kann man sich 
beim Röntgenverfahren dadurch helfen, dass man die ein¬ 
zelnen Punkte des Umrisses des aufzunehmen¬ 
den Gegenstandes nacheinander derart be¬ 
stimmt, dass der Ausgangspunkt der Kathoden- 
strahlen jeweils bei der Projection eines 
Punktes sich genau senkrecht unter diesem be¬ 
findet. 

Ein solches Verfahren habe ich ausgearbeitet. Zu dem¬ 
selben ist zweierlei nöthig. Erstens muss die Stellung 
des aufzunehmenden Gegenstandes zur Röhre successive 
geändert werden und zweitens muss eine Markirung ange¬ 
bracht werden, welche es ermöglicht, festzustellen, ob der 
Ausgangspunkt der Kathodenstrahlen jeweils genau senkrecht 
unter dem aufzunehmenden Punkt des Umrisses steht. Die erste 
Bedingung kann entweder dadurch erfüllt werden, dass man den 
aufzunehmenden Gegenstand verschiebt oder dadurch, dass man 
die Verschiebung an der Röhre vornimmt. Ich habe den letzteren 
Weg gewählt, weil eine exacte Verschiebung der Röntgenröhre 
leichter zu bewerkstelligen ist, als eine solche des menschlichen 
Körpers, um den es sich für uns doch zunächst handelt. Die 
Markirung des senkrechten Kathodenstrahles habe ich Anfangs 
mit Hilfe eines Glasröhrchens bewerkstelligt, dessen Querschnitt 
offenbar nur dann kreisrund (nicht verzogen) auf dem Durch¬ 
leuchtungsschirm erscheint, wenn seine Achse gerade auf den 
Ausgangspunkt der Kathodenstrahlen gerichtet ist. Ist demnach 
das Röhrchen vorher senkrecht und dann so gestellt, dass sein 
Querschnitt kreisrund erscheint, so muss es die Lage des senk¬ 
rechten Kathodenstrahles angeben. Später habe ich aus tech¬ 
nischen Gründen zur Markirung einen Bleiring verwendet, der 
mit Hilfe eines Lothes senkrecht auf den Kathodenpunkt ein¬ 
gestellt wird. Die Verschiebung der Röntgenröhre geschieht in 
horizontaler Ebene. Ursprünglich benutzte ich gleitende Ver¬ 
schiebung, später eine solche in Pendelaufhängung, um schliess- 

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lieh bei einer Verschiebung auf Walzen, als der technisch besten, 
stehen zu bleiben. 

Der Patient liegt unter dem feststehenden Fluorescenzschirm 
auf einem Durchleuchtungstisch. Die Röhre bewegt sich unter 
ihm. Die Aufzeichnung der Umrisspunkte geschieht mit einer 
eigenen einfachen Vorrichtung auf Pauspapier. Es gelingt auf 
diese Weise in kurzer Zeit, in wenig mehr als einer halben Mi¬ 
nute, ein richtiges Umrissbild, z. B. des menschlichen Herzens, 
zu erhallen. Für die Bestimmung der Herzgrösse in Fällen, 
wo die Percussion versagt (z. B. Emphysem), vor Allem aber auch 
für die Controlirung und eventuelle Berichtigung der Percussion 
überhaupt, ergibt sich damit eine aussichtsvolle Perspective. 

Ich habe die Methode am 6. Februar dieses Jahres der Gesell¬ 
schaft für Morphologie und Physiologie zu München unter De¬ 
monstration des Apparates und mit demselben erhaltener Herz¬ 
bilder vorgetragen. Die ausführliche Publication soll demnächst 
erfolgen. Ich habe mich zu dieser vorläufigen Mittheilung ent¬ 
schlossen, weil ich aus einem kurzen Referat in der vorigen 
Nummer dieser Wochenschrift, S. 481 ersehen habe, dass Levy- 
D o r n am 28. März vor der Berliner ined. Gesellschaft eine 
ähnliche Methode besprochen hat, bei der er sich allerdings der 
Verschiebung des Körpers (nicht der Röhre) zu bedienen scheint. 


Biegsame Aluminiumschienen. 

Von Dr. A. Schanz in Dresden. 

Im Anschluss an Steudel’s Empfehlung biegsamer Alu- 
miuiuuischienen in No. 12 dieser Wochenschr. zur Verstärkung 
flxirender Verbände möchte Ich mit wenigen Worten über eine 
weitere Verwendbarkeit dieser Schienen berichten. Es stellen die¬ 
selben nämlich ein äusserst handliches Material dar zur Anferti¬ 
gung von Modellen für orthopädische Schienen. Wenn wir Schienen 
oder Sehienentheile direct nach dem Körper dresslren müssen, 
z. B. Hüftbügel. so erleichtern wir uns die Arbeit sehr, wenn wir 
die betreffende Form zunächst in einem leichter als Stahl zu hand¬ 
habenden Material lierstelleu und dem Stahlarbeiter überlassen, 
nach diesem Modell die eigentliche Schiene zu schmieden. Man 
benutzt zu diesem Zwecke allgemein biegsame Stäbe aus einer 
Mischung von Zinn und Blei. Diese Stäbe haben den Nachtheil, 
dass sie z u biegsam sind. Mau braucht sie nur einmal vom Tisch 
fallen zu lassen und sie sind total verbogen; ja schon die Eigen¬ 
schwere und die beim Nacharbeiten nöthigen Manipulationen ge¬ 
nügen, um Formveränderungen herbeizuführen. 

Dem gegenüber bieten Alurainiumschienen bei genügender Ge¬ 
schmeidigkeit den Vortheil völlig genügender Fixirung der ihnen 
gegebenen Biegungen. Kleinere Vortheile sind die Möglichkeit, die 
Aluminiumschienen öfter zu gebrauchen, sowie die grössere Sauber¬ 
keit derselben. Ich verwende zu besagtem Zweck glatte Schienen 
von 10 nun Breite und .‘I mm Dicke. 


Briefe von der Deutschen Ambulanz des Rothen 
Kreuzes in Südafrika. 

Herrn Geh. Rath v. Esmarch. Exc., sind wir für freundliche 
Ueberlassung der nachstehend und in nächster Nummer zum Ab¬ 
druck kommenden, von Herrn Stabsarzt I)r. Hildebrandt, 
früherem Assistenten der Kieler Chirurg. Klinik, der mit der ersten 
Expedition des rotlien Kreuzes von Berlin nach Transvaal ging, 
au ihn gerichteten Briefe zu lebhaftem Danke verpflichtet. 

I. 

Jakobsdal, den 21. Januar 1900. 

Ew. Excellenz erlaubte ich mir bei unserer Abreise aus 
Bloem fontein mitzutheilen, dass wir im Begriffe seien, uns 
nach Jakobsdal zu begeben, um dort, nicht weit ab von Kimberley 
und den Schlachtfeldern an der Westgrenze des O. V. S. ein Feld¬ 
lazarett! zu errichten. Nach 3 tägiger Wagenfahrt durch die öde 
Steppe sind wir am 16. December hier wohlbehalten angekommen 
und konnten am 19. d. M. ein schon vorher von den Aerzten des 
Freistaates errichtetes Lazaretli mit einem Kraukenbestande von 
39 Personen, darunter 35 grösstentheils bei Scholz Neck Ver¬ 
wundeten übernehmen. Eine Schilderung der Laz&retheinricli- 
tungen kann ich wohl unterlassen, da hierüber ein genauer Bericht 
von Herrn Stabsarzt Dr. Mathiolius an’s Rothe Kreuz ab¬ 
gegangen, der für die Veröffentlichung bestimmt ist. 

Ich will mich daher darauf beschränken, einige Mittheilungen 
über unsere Thätigkeit, sowie die Art der Verwundungen, insbe¬ 
sondere der durch das kleinkaliberige Geschoss verursachten, zu 
machen. 

Die ersten Tage nach der Uebernahme des Lazarethes durch 
uns war überreichlich zu thun, da einestheils der Zustand eines 
grossen Tlieiles der Patienten ein derartiger war, dass er eine so¬ 
fortige Operation erheischte, anderentheils fast alle Verbände er¬ 
neuert werden mussten. Die Aerzte aus dem Freistaate, in deren 
Behandlung die Verwundeten gew r esen, schienen keine grosse Vor¬ 
bildung in der Chirurgie genossen zu haben, wenigstens waren die¬ 
selben nicht im Stande gewesen, einigermaassen gut sitzende Ver¬ 
bände, insbesondere Streck verbände zu machen, noch viel weniger 
vermochten sie den Zustand einer Wunde zu beurthellen, die noth- 
wendigen Operationen vorzunehmen. Sie hatten sich im Wesent- 

Original fram 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


liehen darauf beschränkt, an den Betten der Verwundeten zu sitzen, 
sie zu trösten und ihnen innerliche Mittel, Narkotica, Laxantia 
n. dergl. zu verabfolgen, wie denn hier in Südafrika die Verordnung 
von grossen Mengen Medien mente eine grosse Rolle spielt. 
Sümmtliche Aerzte haben hier Apotheken, aus denen ihnen nach 
dem allgemeinen Urtheile ein grösseres Einkommen zufliesst, wie 
aus ihrer Privatpraxis. Die Folgen der von unseren südafrika¬ 
nischen Oollegen eingeschlagenen Therapie konnten wir denn auch 
beim Beginne unserer Thittigkeit recht deutlich sehen. Der grosse 
Tlieil der Wunden eiterte maasslos unter dem Verbände, in anderen 
Fällen wiederum hatte ein zu fest sitzender Verband schweren De¬ 
cubitus erzeugt, in einem anderen Theile der Fälle, die wir über¬ 
nahmen, ich meine hier hauptsächlich die Hirnschüsse, waren 
Complicationen (Hirnabscess) eingetreten, die eine Operation hätten 
indieirt erscheinen lassen; nun war der günstige Zeitpunkt für eine 
Operation verstrichen. Es kostete uns denn auch Anfangs ziem¬ 
lich viel Mühe, einigermaassen hierin Wandel zu schaffen, sämrnt- 
liclie Verbände zu erneuern, die Patienten zur Vornahme der noth- 
wendigen Operationen zu bewegen, zumal da diese im Anfänge 
von grossem Misstraueu gegen uns erfüllt waren, das wohl 
grösst eiltlieils auf die Bemühungen der englisch gesinnten Aerzte 
zurückzuführen war, die uns gewichen. Schliesslich sahen aber 
dann unsere Patienten ein, dass sie in bessere Hände geratlien. 
das Misstrauen wich bald einem grossen Zuvertrauen, so dass wir 
jetzt mit leichter Mühe Alles erreichen können; ja ich kann wohl 
sagen, dass sich unser Lazareth hier im Lande eines grossen Re- 
nommes erfreut; dies beweisen nicht nur die vielleicht etwas über¬ 
triebenen Lobeserhebungen in den hiesigen Zeitungen, sondern vor 
Allem auch die grosse Zahl von Patienten, die trotz des Krieges zu 
uns kommen, sich untersuchen resp. ein altes Leiden behandeln zu 
lassen. 

Der Bestand an Kranken, den wir bei der Ilebernahme des 
Lazarethes vorfanden, enthielt, da die leicht Verwundeten nach 
Bloemfontein, woselbst ein grösseres Lazareth vorhanden, evaeuirt 
waren, meist Schwerverletzte, sowie einige innerlich Kranke. Das 
ist dann im Laufe des 1. Monats unserer Thätigkeit anders ge¬ 
worden; es kamen hinzu eine ganze Anzahl leichter Verwundeter, 
insbesondere durch Granaten und Shrapnell verletzter Mann¬ 
schaften, dazu noch eine nicht unbeträchtliche Zahl Typhus¬ 
kranker, so dass wir bald gezwungen wurden, die Aufnahme der 
letzteren sehr einzuschränken und die Regierung des O. V. S. zu 
veranlassen, ein anderes Lazareth für diesen besonderen Zweck am 
Orte zu errichten, da anderenfalls unsere sämmtlichen Betten 
(65 an der Zahl) bald besetzt gewesen wären. 

Der grösste Theil der Verwundeten, die zu sehen und be¬ 
obachten wir Gelegenheit hatten, war durch das kleinkaliberige 
Geschoss (Lee Metford 7,6 mm, Mauser 7 mm) hervorgerufen; ich 
habe hier im Lazareth 34 Verletzungen durch dasselbe verursacht 
gesehen, ausserdem einige mehr ausserhalb desselben. Die meisten 
derselben waren, wie schon erwähnt, schwerer Natur, hatten die 
Knochen durchbohrt, eine der grossen Körperhöhle eröffnet, reine 
Weichthellschüsse haben wir nur 8 an der Zahl gesehen: dieselben 
verliefen sämmtlich glatt und ohne Störung, so dass die Patienten, 
um Raum zu schaffen, meist schon nach kürzerer Zelt in ein 
anderes Lazareth evaeuirt werden konnten. 

Diese Weichtheilscliüsse boten sämmtlich keinerlei Ab¬ 
weichung von den bis jetzt beobachteten, resp. durch Experimente 
festgestellten. Die Einschussöffnung war meist klein, oftmals 
ganz regelmässig, rund, auch oval; in 2 Fällen, wo das Geschoss 
als Querschläger den Körper getroffen, grösser, unregelmässig: 
die Ausschussöffnung war meist wohl etwas grösser, doch nicht 
erheblich, nur in den Fällen, in denen das Geschoss aus nächster 
Nähe den Körper getroffen (in Folge Unvorsichtigkeit beim Putzen, 
meist jedoch durch Absicht, um sich dem Kriegsdienste zu ent¬ 
ziehen) fand sich eine grosse Ausschussöffnung beim Weiclitheil- 
schusse. 

Von diesen Zelfschoots (accident, wie dieselben ironisch ge¬ 
nannt werden) haben wir 7 im Lazareth zu sehen bekommen; die 
grösste Anzahl davon (5) erhielten wir in der 2. Woche nach dem 
blutigen Gefecht bei Scholz Neck, als eine Schlacht grösseren Stils 
erwartet wurde: nun da dieselbe ausgeblieben, hier im Gegentheil 
mit Ausnahme des ziemlich unschädlichen englischen Artillerie¬ 
feuers grosse Stille herrscht, fallen auch diese Unglücksfälle weg. 
Von diesen 7 Verletzungen waren 4 reine Weichtheilscliüsse, hier¬ 
von hatte zweimal sich der Patient seine Wade als Zielobject aus¬ 
gesucht; es fand sich dann ein runder, kleiner, dem Kaliber ent¬ 
sprechender Einschuss, die Ränder geschwärzt; der Ausschuss da¬ 
gegen sehr gross, die Ränder zerfetzt, die Musculatur zerrissen. 
Beide Fälle machen einen langwierigen Ileilungsprocess durch, 
jauchten Anfangs stark und machten Drainage nothwendig. Die 
beiden anderen reinen Weichtheilscliüsse aus der Nähe betrafen 
Hand und Fuss; der Schuss in den letzteren hatte nur oberflächlich 
die Kuppen zweier Zehen gestreift, die Verletzung der Hand 
(kleiner Einschuss, grosser Ausschuss) hatte eine Sehnenscheiden¬ 
phlegmone zur Folge, die jedoch nach ausgiebiger Incision gut¬ 
artig verlief. Von den übrigen 3 Nahschüssen hatten 2 als Ziel die 
Hand, 1 den Fuss gehabt; sie zeigten alle kleinen Einschuss, z. Th. 
recht grossen Ausschuss. Der Knochen war in diesen Fällen mir 
gestreift, nur in dem einen derselben in grösserer Ausdehnung 
verletzt. 

Zu den schwersten Verwundungen, die wir zu sehen bekamen, 
gehörten die Schädel Verletzungen durch Kleinkaliber; von den 3, 
die wir hier in Behandlung bekamen, sind dann auch 2 ln Folge 
Hirnabseesses gestorben: sie alle betreffen Streifschüsse und sollen 
angeblich zuerst, ohne jede Erscheinung einer Hirnverletzung resp. 
Blutung verlaufen sein. Als wir dieselben jedoch in Behandlung 
nahmen (8 Tage nach der Verletzung) zeigten dieselben sämmtlich 


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deutlich ausgesprochen das Bild des Hirnabseesses, hohes Fieber, 
Hirndruckerscheinungen, z. Th. auch ausgesprochene Herdsym¬ 
ptome. Bei einem der Fälle schien jede Operation aussichtslos: 
die beiden anderen wurden operirt, bei einem derselben war die 
Wunde äusserlieh schon völlig verklebt, die Umgebung jedoch 
stark geschwollen und sehr druckempfindlich, in der Tiefe Fluc- 
tuation; bei dem anderen Falle war die Wunde fest zugenäht, die 
Nähte waren trotz aller schweren Erscheinungen von den behan¬ 
delnden Aerzteu nicht entfernt worden. Bei der Operation fanden 
sich beide Male als Ursache Knochensplitter, die z. Th. 6 cm tief 
in ? s Gehirn hineiugeschleudert waren. Trotz der Eröffnung des 
Abscesses und anfänglicher Besserung starb der Patient nach 
10 Tagen, der andere ist jetzt ausser Gefahr und sieht der plasti¬ 
schen Deckung des Scliüdeldefectes entgegen. 

Weitere Fälle von Schädelverletzung durch Kleinkaliber habeu 
wir nicht in Behandlung bekommen, insbesondere keine pene- 
trirenden Schädelschüsse; nach den Angaben der bei den käm¬ 
pfenden Truppen verweilenden Aerzte sollen dieselben mit geringer 
Ausnahme tödtlich gewesen sein; ich selbst sah in Prätoria im 
dortigen Spitale einen penetrirenden Schädelschuss, der schon ein¬ 
mal wegen Hirnabseesses operirt war und damals die Symptome 
eines neuen Abscesses an der gegenüberliegenden Seite bot, dessen 
Zustand mir ebenfalls ziemlich hoffnungslos erschien. Sonst habe 
ich nur von einem derartigen Fall Kenntniss erhalten, der genesen 
sein soll. Ob von den Engländern, die von den Buren mit grosser 
Sicherheit auf nähere Entfernung in den Kopf geschossen wurden, 
derartig Verletzte mit dem Leben davon gekommen, vermag ich 
nicht zu sagen; auf den Schlachtfeldern sollen dieselben massen¬ 
haft mit Kopfschüssen todt umhergelegen haben. 

Von schweren Gesichtsschüssen sahen wir hier einen Patien¬ 
ten. dem durch das Lee Metford-Geschoss ein Theil des Unter¬ 
kiefers und Oberkiefers völlig zertrümmert war; der Einschuss ging 
durch die Oberlippe, die schlitzförmig aufgerissen war, der Aus¬ 
schuss, ca. thalergross, befand sich vor dem Ohre, war gerade durch 
die Parotis gegangen, die in grosser Ausdehnung verletzt. Eine 
starke Blutung aus einem Aneurysma der Arteria maxillaris interna 
machte die Unterbindung der Carotis externa nothwendig; der 
Patient starb jedoch an Sepsis in Folge der mächtigen Wunde ini 
Munde. 

Die Brustschüsse mit Eröffnung der Pleura, resp. die voll¬ 
ständig perforirendeu nahmen während der Spitalbehandlung 
sämmtlich einen günstigen Verlauf; in 3 Fällen, die ich Gelegenheit 
hotte zu sehen, mit vollständiger Durchschiessung des Brustkorbes, 
in welchen eine meist nur geringfügige Blutung zu Anfang be¬ 
stand, waren wir gleich nach TTebernaiime des Lazarethes in der 
Lage, die Verwundeten in ein weiter heimwärts gelegenes Spital 
zu evaeuiren. einer der Patienten ist jedoch 4 Wochen darnach, 
als er als völlig genesen in die Ileimath entlassen, nach einem an¬ 
strengenden Ritte plötzlich In Folge einer Blutung gestorben. Ein 
weiterer Fall befindet sich wegen eines Pyopneumothorax, der ope¬ 
rirt, in dem das Geschoss deutlich durch Röntgenstrahlen auf der 
anderen Brustseite nachgewiesen, noch in unserer Behandlung, 
zeigt jedoch Besserung. 

3 Bauchschüsse, die noch in unserer Behandlung sind, wurden 
von uns beobachtet, darunter einer, der das Peritoneum eröffnet 
hatte. Der Einschuss klein, neben dem Nabel, schon verheilt, als 
wir den Patienten übernahmen; der Ausschuss befand sich über der 
rechten Crista ossis ilei; durch ihn entleerte sich fast sämmtlicher 
Koth, nur sehr wenig durch den natürlichen After. Später auf¬ 
tretende Kothabscesse machten wiederholte Operationen noth- 
weudig. Das Geschoss (Lee Metford) war angeblich aus einer Ent¬ 
fernung von ca. 1800 Yards abgefeuert worden. Der zweite Fall 
betrifft einen Schuss aus einer Entfernung von ca. 400 Yards: Ein¬ 
schuss klein, in der rechten Papillarlinie, dicht unterhalb des 
Rippenbogens: Ausschuss ebenfalls klein, links vom 10. Brust¬ 
wirbelfortsatze. Die Wunden waren schon lange verheilt, als er 
wegen hohen Fiebers und allgemeiner Abgeschlagenheit sich wieder 
in unsere Behandlung begab. Die Untersuchung ergab einen sub¬ 
phrenischen Absccss, der sich bei der Operation als ein Kothabscess 
entpuppte. Es wurde späterhin noch eine Operation nothwendig; 
jetzt ist Patient auf dem Woge der Besserung. Ob der Schuss 
auch die Leber durchbohrt hat, ist noch fraglich; es erscheint jedoch 
zweif eilos, dass der Darm verletzt war, wahrscheinlich das Querkolon. 
Der dritte Fall ist wohl der interessanteste; er betrifft einen Schuss 
durch den rechten Oberarm mit Querfractur des Humerus (Streif¬ 
schuss der Diapliyse), Eröffnung des Thorax (rechtsseitiger Haemo- 
thorax), Verletzung der rechten Niere (Haematurie). Sämmtliche 
Ein- und Ausschüsse klein. Der Schuss traf den Patienten, 
während er den rechten Arm an den Thorax angelegt hatte; der 
Verletzte ist beinahe, ohne jede Operation, genesen. 

Es sind hier im Lazareth noch mehrere Bauchschüsse in Be¬ 
handlung gewesen: eine Verletzung der Leber endete, einen Tag vor 
der Uebernahme des Lazarethes durch uns, tödtlich, mehrere 
Darmschüsse nach der Schlacht bei Scholz Neck bald nach dem 
Transport und der Ankunft im Spital. 

Von Verletzungen der grossen Röhrenknochen habeu wir eine 
Anzahl Schussfracturen des Femur durch das kleinkaliberige Ge¬ 
schoss zu beobachten Gelegenheit gehabt; es betreffen davon 
5 die Diaphyse, 1 die Epiphyse. Letztere Verletzung war auf¬ 
fallend leicht; wir bekamen den Mann zu sehen, als dieselbe schon 
verheilt und der Betreffende Beschwerden von dem stecken ge¬ 
bliebenen Geschosse fühlte. Der Einschuss war schon verheilt, 
klein, handbreit unter der Mitte des Leistenbandes; die Kugel war 
leicht zu fühlen zwischen Trochanter und Sitzknorren, hatte also 
den Trochanter durchbohrt. Der Patient hatte kaum Blutverluste 
gehabt, war noch im Stande weiter zu fechten und ritt dann selbst 
zum Verbandplätze. Von uns wurde unter Localanaesthesie ein 

Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



10. April 1900, 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


511 


völlig unversehrtes Lee Metford-Geschoss extrahirt. Die Dia- 
physenschüsse zeigten im Röntgenbilde sämmtlich ausgedehnte 
Splitterung, theilweise hingen die Splitter noch mit dem Knochen 
zusammen, zum Theil schienen sie völlig losgelöst in den Weich- 
theilen zu liegen; in allen Fällen waren Tlieile des Geschosses 
naclizuweisen, in 2 Fällen war das Geschoss stecken geblieben. 
In einem dieser Fälle musste wegen starker Eiterung eine Revision 
der Wunde vorgenommen werden; neben mehreren Splittern 
wurde das vollständig deformirte Geschoss extrahirt, der Mantel 
hatte sich ganz vom Kern getrennt, beide waren völlig zerrissen. 
Trotz der schweren Zertrümmerung des Knochens ging in 3 Fällen 
die Heilung glatt vor sich; 2 haben eine Revision der Wunde noth- 
weudig gemacht; beide, der oben erwähnte, sowie ein zweiter, 
betreffen Engländer, die Tage laug auf dem Schlachtfelde ohne 
Hilfe gelegen. Bei den Buren war die Hilfe, bei den sehr geringen 
Verlusten, die sie bisher erlitten, bald zur Stelle; spätestens am 
Abend des Gefechtstages waren ihre Verwundeten versorgt, 
meistens schon während des Gefechtes, da es Pflicht der nächst 
liegenden 2 Kameraden, den Verletzten aus der Linie zu tragen. 
Trotz der schweren Oberschenkelfractur ist noch einer der Ver¬ 
wendeten, dem später ein wenig defonnirtes Geschoss extrahirt 
werde, im Stande gewesen, einmal auf’s Pferd gehoben, selbst zu 
dem 1000 m entfernten, in Deckung befindlichen Verbandplatz zu 
reiten. Die Blutung war in allen diesen Fällen auffallend gering; 
der Einschuss klein, der Ausschuss grösser, doch nicht auffallend 
gross. 

Unterschenkelschüsse wurden bei demselben Menschen 2 be¬ 
obachtet; ein Epiphysenschuss, der offenbar das Kniegelenk ge¬ 
öffnet, lochförmig; ein Diaphysenschuss mit Splitterung dicht über 
den Knöcheln. Der erstere heilte reactionslos, im 2. Falle trat eine 
gutartige Eiterung auf. 

Von Oberarmschüssen wurde ausser den schon oben erwähnten 
ein Epiphysenschuss beobachtet, der gleichzeitig die Scapula durch 
bohrt hatte. Es handelte sich um einen Lochschuss, der reactionslos 
heilte. 

Von platten Knochen wurden noch getroffen einmal die Sca¬ 
pula bei einem Brustschusse, in mehreren Fällen ausserdem Rip¬ 
pen; sämmtliehe heilten reactionslos, es handelte sich offenbar um 
Lochschüsse. 

Fast sämmtliehe der durch das kleinkaliberige Geschoss Ver¬ 
wundeten waren im Stehen resp. Laufen, Gehen getroffen, nur un¬ 
gefähr y 2 Dutzend im Liegen. Ich erwähne darunter einen Weicli- 
theilschuss, dessen Einschuss dicht über der r. Glavicula über der 
Grenze des mittleren und äusseren Drittels, dessen Ausschuss unter 
der Scapula (Lungenverletzung nicht erwiesen) sich befand. Er 
wurde Nachts bei Scholz Neck von seinen eigenen Kameraden, 
als er sich auf Brandwache (Vorposten) befand, in Folge falschen 
Alarms angeschossen. Bei dieser Gelegenheit wurde -wahrschein¬ 
lich noch ein Bur tödtlich verwundet, der erst später gefunden; 
der Schuss war in den Bauch gegangen. Ein Schotte wurde liegend 
verwundet; das Geschoss ging durch linken Hinterbacken und 
inneren rechten Fussrand. Diese eigenthümliclie Schussrichtung 
erklärt sich aus der Lage, in der ein Theil der Schotten schiesst: 
auf der Hinterbacke liegend, den rechten Fuss angezogeu. 

Auffallend gering ist in allen den genannten Fällen die Blu¬ 
tung gewesen; auch auf dem Schlachtfelde ist von den dort 
thätigen Aerzten dasselbe beobachtet worden. Wie ich erfahren 
habe, soll sich kaum ein Bur verblutet haben; es sollen allerdings 
eine Anzahl Engländer mit Extremitätenschüssen todt auf dem 
Schlachtfelde gefunden sein, die in einer grossen Blutlache, die 
eingetrocknet, lagen. 

Schmerz haben angeblich die meisten Verwundeten im Augen¬ 
blicke der Verletzung wenig gefühlt; ein grosser Theil derjenigen, 
die Lochschüsse erhalten, hat noch weitergekämpft und ist erat 
später zum Verbandplätze gegangen resp. geritten. Vielleicht wäre 
die Zahl dieser Personen noch grösser gewesen, wenn nicht die 
meisten der kämpfenden Buren die Verwundung als willkommene 
Gelegenheit auf fassten, sich möglichst schnell dem Kampfe zu 
entziehen. Wunderbar ist dagegen wiederum, dass ein Theil der 
Verwundeten trotz schwerer Verwundung mit grosser Energie 
aushielt und weiterschoss. Ich will hierbei noch erwähnen, dass 
ein Theil der durch das Kleinkaliber anscheinend schwer ver¬ 
wundeten Pferde trotzdem weitergeritteu werden konnte. Ich 
sah das Pferd eines deutschen Arztes, das 2 Schüsse, den einen 
durch den Beckenknochen, einen durch den Hals unter ihm erhielt, 
welches keineswegs zusammenbrach, sondern gleich nachher 
weiterlief. Ein anderes Pferd erhielt einen Lungenschuss, wurde 
trotzdem w'eitergerltten, bis es am Schlüsse des Gefechtes im Lager 
plötzlich zusammenbrach. Derartige Fälle sind keineswegs die 
Ausnahme gewesen. 

Die hier erwähnten Fälle von Verletzung durch Kleinkaliber 
haben wir mit Ausnahme der Nahverletzungen (Selbstschüsse) 
und einigen ebenfalls schon älteren Verwundungen schon bei der 
Uebernahme des Lazareths gefunden, während wir die Verletz¬ 
ungen durch Geschosse grösseren Kalibers erst im Laufe unserer 
Thätigkeit frisch bekamen. 

Seit ungefähr 6 Wochen schweigt vor Kimberley und hier bei 
Scholz Neck das Gew’ehrfeuer fast vollständig, dafür hören wir 
jedoch mit grosser Regelmässigkeit Morgens und Abends den 
Donner der Kanonen; meist fallen jedoch nur etwa ein Dutzend 
Schüsse von Seiten der Engländer jeweilig, die von keiner Be¬ 
deutung sind und Niemanden verletzen. Ab und zu eröffnen jedoch 
die Engländer, die scheinbar den grössten Theil ihrer Truppen 
von hier fortgenommen, unT diese Thatsache zu verschleiern, ein 
Digitirsc by VjöÖSK 


länger dauerndes Bombardement auf die Stellungen der Buren, 
namentlich die Artillerie, die diese bei dem gänzlichen Mangel an 
weittragenden Geschützen nicht erwidern. Man muss sich nur 
immer wieder wundern, wie geringfügig die Wirkung des Bom¬ 
bardements ist; so richteten vor einigen Tagen die Engländer ca. 
400 Schüsse auf das Lager des Comman«lanten der O. V. S.-Artil- 
lerie, Major A 1 b r e c h t, und haben Niemanden verletzt, trotzdem 
die Granaten dicht bei den Zelten crepirten. 

Um die Lager der Buren, die ca. 10—15 000 Yards von Station 
Modderriver, der Stellung der Engländer, in der Nähe von Jacobs- 
dal, entfernt sind, wirksam beschlossen zu können, bedient sich der 
Feind meist der grossen Schiffskanonen, die 15 cm Lydditbomben 
schiesseu. Diese bestehen aus Stahlblech, explodireu, sobald sie 
den Boden berühren, einmal, nach mehreren Secuudeu nochmals, 
da sich in ihnen eine Kugel mit Zünder befindet. Meist schlagen 
sie ein fast metertiefes Loch in den weichen Sandboden, ohne 
weiteren Schaden anzurichten, oder explodireu gar nicht, so dass 
man massenhaft Blindgänger finden kann. Auch wenn sie explo- 
diren, scheinen sie, wie schon erwähnt, nur wenig Schaden anzu- 
riehten; so bekamen wir 2 Verletzte in Behandlung, die während 
des Bombardements ruhig ihre Abendmahlzeit trotz Verbots hinter 
der Schanze kochten; die Bombe platzte auf der Feuerstelle, trotz¬ 
dem sind die Leute mit dem Leben davougekommen. Die Gase, die 
das Lyddit bei der Explosion entwickelt, sind giftig; die Leute, 
welche sich in der Nähe befinden, bekamen meist Uebelkeit und 
Kopfweh, das Trinkwasser in den Wassersäcken schmeckte ganz 
bitter und völlig ungeniessbar. Die Aasgeier, welche die Ca- 
daver der durch Lydditbomben getödteteu Pferde gefressen, sollen 
davon massenhaft crepirt sein. 

Von den Verletzungen durch Granaten, meist, wie erwähnt, 
von Lydditbomben, bekamen wir bis jetzt 13 in Behandlung, daran 
ist einer (ein Engländer) bis jetzt gestorben. Es handelt sich hier 
um einen Schädelschuss, in dessen Gefolge ein Himabscess auf¬ 
trat. Derselbe wurde operirt, trotzdem trat nach kurzer Zeit der 
Tod ein. Ein weiterer schwerer Gesichtsschuss, der eine schwere 
Zertrümmerung des Unterkiefers zur Folge hatte und die mehr¬ 
fache Naht desselben notliwendig machte, erregte erst grosse Be¬ 
sorgnis^ namentlich da der Patient auf keine Weise zu ruhigem 
Verhalten zu bewegen war, scheint jedoch jetzt auf dem Wege zur 
Besserung zu sein. 

Ferner ist ein Verwundeter in Folge einer Granat Verletzung 
vor einigen Tagen, ca. 5 Wochen nachher, gestorben, bei dem die 
Schusswirkung noch nicht völlig aufgeklärt erscheint. Es handelt 
sich um einen Buren, über dessen Kopf eine Bombe platzte, 
während er selbst kauernd auf dem Boden sass. Er wurde im Ge¬ 
sicht leicht verletzt, fiel um, und zeigte von diesem Augenblick 
eine vollständige Lähmung der unteren Extremität, des Mast¬ 
darms und Blase, sowie fast völlige Anaesthesie der unteren 
Körperpartien. Wir hatten Gelegenheit die Section zu machen; 
es fand sich ein Bruch des 2. Brustwirbelbogens mit Dislocation 
eines Splitters in den Wirbelcanal, der das Mark comprimirt hatte. 
Da der Patient auf völlig ebenen, sandigen Boden gefallen, ist die 
Erklärung vielleicht die, dass durch den Luftdruck der Mann ge¬ 
waltsam vornübergeschleudert und dabei durch Muskelzug eine 
Rissfractur des Bogens entstanden. Eine äussere Verletzung war 
nicht nachzmveiseu. 

Die übrigen Fälle haben weniger Interesse. In 2 Fällen war 
eine schwere Verbrennung des 3. Grades an einzelnen Stellen 
des Körpers eingetreten; der Zustand eines dieser Verletzten er¬ 
regte Anfangs einige Besorgniss, doch trat auch hier Besserung 
ein, so dass Genesung mit starker Trübung der Hornhaut des 
r. Auges und vorderen Synechien zu erwarten. Ein Fall von Zer¬ 
schmetterung eines Beines resp. Unterschenkels machte die Ampu¬ 
tation des Oberschenkels nothwendig. Die restirenden Fälle be¬ 
treffen meist Weiclitheilverletzungen, einmal eine Scapula- und 
Rippenfractur, sowie subeutane Lungen Verletzung, ein anderes 
Mal eine Rippenfractur mit Emphysem. 

Von sichergestellten Shrapnellverletzungen haben wir 8 in 
Behandlung genommen; hiervon ist ein Patient gestorben. Es 
handelt sich auch hier um einen Schädelschuss, der in Folge Hirn- 
abscesses zum Tode führte. Verursacht wurde dieser durch einen 
grossen, tief in den Hiuterhauptslappen eingedrungenen Splitter. 
Die Operation konnte keine Hilfe mehr bringen. Von den übrigen 
betreffen 4 Knoclienfracturen, darunter einer einen Bruch des 
rechten Oberarmes mit nachfolgender Radialislähmung, der die 
Freilegung des Nerven und Entfernung des Geschosses nothwendig 
machte, 3 Weichtheilverletzungen. 

Der noch übrige Theil der von uns behandelten Kranken be¬ 
steht aus inneren Patienten, z. Th. auch aus chirurgischen, bei 
denen kleinere Operationen nothwendig. 

Unser Kranken- resp. Verwundetenmaterial ist demnach kein 
allzureichhaltiges gewesen, doch sind wir im Stande gewesen, 
sämmtliehe Fälle genau zu untersuchen und zu beobachten. Na¬ 
mentlich hat uns der Röntgenapparat, den wir mitgenommen, 
werthvolle Dienste in Bezug auf die Erkennung der Geschoss¬ 
wirkungen gegeben, wenn auch kaum ein Einfluss dadurch auf die 
einzuschlagende Therapie ausgeübt wurde. 

Hoffentlich wird die nächste Zeit uns mehr Gelegenheit geben, 
Beobachtungen zu machen und Erfahrungen zu sammeln, nament¬ 
lich hoffen wir auch, dass unsere bisherigen Beobachtungen durch 
Thätigkeit auf dem Schlachtfelde ergänzt werden. 

. Dr. Hildebrandt. 

Original frn-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


512 


Referate und Bücheranzeigen. 

E. B a s s : Mittel und Wege zur Schaffung und Erhaltung 
eines entsprechenden Sanitätshilfspersonals für die Militär¬ 
sanitätsanstalten und die Truppen im Frieden und Kriege. 

Vom k. und k. Militärsanitätscomite gekrönte Preisschrift. Wien. 
Josef S a f ä r. 1900. Mit 9 Tabellen und 3 Beilagen. Preis 
M. 3.20. 

Die Vorschläge des Verfassers, die sich ausschliesslich auf 
die Verhältnisse im Österreichischen Heere beziehen, bestehen im 
Wesentlichen in der Bildung eines systemisirten, stabilen 
Sanitätshilfspersonals. Iliefür ist eine Aenderung in der seit¬ 
herigen Ausbildungs- und Verwendungsweise der Sanitätsgehilfen 
nothwendig, sowie insbesondere die Einführung von Truppen¬ 
krankenpflegern, die dauernd als solche zu belassen sind, Bildung 
einer Blessirtentriigercompagnie bei jeder Divisionssanitäts¬ 
anstalt aus Truppenblessir teil trägem und Schaffung von Hilfs- 
blessirtenträgern analog unseren Hilfskrankenträgern, ferner 
Auswahl der Sanitätsgehilfenschüler schon gleich nach der Re¬ 
krutenausbildung und erst im Wintersemester des zweiten Dienst¬ 
jahres praktische und theoretische Schulung und Verwendung 
als Krankenpfleger in einem grösseren Spitale, endlich Verlegung 
der rein militärischen Ausbildung der Mannschaft der Sanitäts¬ 
truppe zur Infanterie während des ganzen ersten Dienstjahres. 
Wegen der Details der Ausführung dieser Vorschläge, des Kosten¬ 
punktes, des Programmes der Ausbildung muss auf das Studium 
des Originals verwiesen werden. Dieudonne- Würzburg. 

J. Schöfer: Leitfaden der Militärhygiene für den 
Unterricht der Einjährig-Frei willigen-Aerzte. Zweite, umge¬ 
arbeitete Auflage. Mit 9 Abbildungen. Wien. Josef S a f ä r. 
1900. Preis M. 2.50. 

Das innerhalb Jahresfrist in zweiter Auflage erschienene 
Werk schildert in gedrängter Form die wichtigsten Grundsätze 
der Militärhygiene (Ernährung, Wasserversorgung, militärische 
Unterkünfte, militärische Bekleidung, militärische Uebungen 
und Infectionskrankheiten). Im letzteren Capitel sind ent¬ 
sprechend ihrer Wichtigkeit die Maassnahmen gegen ansteckende 
Krankheiten ausführlicher besprochen. Auch die einfacheren 
Untersuchungsmethoden (insbesondere des Wassers) sind genauer 
beschrieben, für die complicirteren aber, die sich nur in Labora¬ 
torien ausführen lassen, ist meist nur das Princip derselben an¬ 
gegeben. Das klar und übersichtlich geschriebene Buch, das für 
den Unterricht der Einjährig-Frei willigen-Aerzte bestimmt ist, 
eignet sich vorzüglich zur raschen Orientirung über die wichti¬ 
geren militärhygienischen Fragen. 

Dieudonne - Würzburg. 

Dr. S t e m p e 1: Die Untersuchung und Begutachtung der 
Invalidenrentenanwärter. Jena. G. Fischer. 1899. Preis 
4 M. 

Nach einer kurzen Vorbemerkung, welche auf die Noth- 
wendigkeit einer objectiven ärztlichen Begutachtung hinweist, 
bespricht St., ehemaliger Hilfsarzt der schlesischen Ver¬ 
sicherungsanstalt, die für den Arzt wichtigsten gesetzlichen Be¬ 
stimmungen, z. B. Kreis der Versicherungspflichtigen, Definition 
der Erwerbsunfähigkeit, Uebernahme des Heilverfahrens durch 
die Versicherungsanstalt, Anrechnung von vorübergehenden 
Krankheiten, Wochenbetten und geschlechtlichen Erkrankungen 
als Beitragszeiten u. s. w. Es ist zu bedauern, dass das Buch kurz 
vor Erlass des neuen Invaliditätsversicherungsgesetzes zur Aus¬ 
gabe gelangte und dadurch die nunmehrigen, zum Theil ab¬ 
weichenden Bestimmungen unberücksichtigt lässt. Der zweite 
Theil behandelt die allgemeinen Untersuchungsmethoden und 
bringt, für den an eine systematische Untersuchung gewöhnten 
Arzt nichts Neues. Im letzten, ausführlichsten Abschnitte werden 
bei den einzelnen Krankheitsformen mit Ausschluss der eigent¬ 
lichen Geisteskrankheiten die für die Beurtheilung seitens der 
Versicherungsanstalten wichtigsten diagnostischen Merkmale, 
die Arbeitsunfähigkeit und die Uebernahme des Heilverfahrens 
in zweckmässiger Weise besprochen. Dr. Carl Becker. 

Neueste JoumaUiteratur. 

Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1900. 54. Bd., 5. u. 6. 
Heft, Februar. Leipzig, Vogel. 

23) Weber: Zur Casuistik der subphrenischen Abscesse 
nach Appendicitls. (Moabit Berlin [Sonnenburg].) 

Unter 600 auf den Sonnenburg’sehen Abthellungen ope- 
rlrten Fällen vefi "Blinddarmentzündung befinden sich 850 Fälle 
Digitizea by VjOÖQIC 


mit Abscessbildung, und unter diesen 9, bei denen eine Oomplication 
mit subphrenischem Abscess vorlag. Von diesen 9 Kranken wurden 
7 operirt mit 3 Todesfällen, 2 nicht operirte starben beide. In 
G Fällen fand sich der erkrankte Wurmfortsatz nach oben ge¬ 
schlagen. Die Entwicklung des perityphli tischen Abscesses war 
in den meisten Fällen eine intraperitoneale. 

Die Zeichen des subphrenischen Abscesses traten in den 
meisten Fällen erst nach Ablauf der eigentlichen Appendicitis auf, 
das erste Symptom war in der Regel das Ansteigen der Tem¬ 
peratur. 

24) L i p p m a n n : Ueber die echten Cysten der lieber. 
(Evangel. Krankenhaus Düsseldorf.) 

In dem mitgetheilten Fall handelte es sich um eine kinds¬ 
kopfgrosse Cyste der unteren Leberfläche bei einem 14 jährigen 
Mädchen. Die Cyste wurde angenäht, nach einigen Tagen er¬ 
öffnet und die obere Kuppe abgetragen. Es blieb eine nur wenig 
absondernde Schleimfistel zurück. 

Der Cysteninhalt bildete eine gelbbräunliche Masse, in welcher 
sich viel Schleim und Eiweiss vorfand. Alle Bestandteile eines 
Echinococcus fehlten. Die bindegewebige Cystenwand war mit 
einem hohen Cylinderepithel ausgekleidet. Der äussere Theil der 
Wand zeigte ein System verzweigter, gewundener Canälchen, wahr¬ 
scheinlich Gallengänge. 

L. theilt die Lebercysten ein in: 1. Gallenstauungscysten, 
2. Flimmerepithelcysten, 3. Dermoidcysten, 4. epitheliale Cystome. 
5. Lympheysten. 

Der vom Verfasser beschriebene Fall kann wie mehrere andere 
aus der Literatur bekannte Fälle nicht sicher classiflcirt werden, 
da der Mutterboden unbekannt ist. 

24) Martin- Köln: Beitrag zur Symptomatologie des ein¬ 
geklemmten Hamblasenbruches. 

Bisher ging die allgemeine Lehre dahin, dass bei einge¬ 
klemmten Blasenbrüchen immer die Symptome der Darmeinklem¬ 
mung aufträten. M. beobachtete nun einen Fall, wo nur Blasen- 
einklemmuugserseheinungen, aber keinerlei charakteristische 
Darmincarcerationssymptome vorhanden waren. Er hat darauf 
die in der Literatur niedergelegten Beobachtungen noch ein¬ 
mal genau geprüft und gefunden, 1. dass das Vorkommen des 
ausgesprochenen Bildes der Darmincareeration bei reinen Blasen- 
hemien zum Mindesten sehr zweifelhaft ist, und 2. dass das Vor¬ 
kommen von Blasensymptomen bei der incarcerirten Blasenhernie 
durchaus nichts Seltenes ist. Der Irrthum der verschiedenen 
Autoren erklärt sich dadurch, dass die allgemeinen Erscheinungen 
der Blaseneinklemmung einen der Darmincareeration ähnlichen 
Symptomencomplex darstellen können; die Zeichen der unter¬ 
brochenen Darmpassage werden immer vermisst. Die Symptome 
der spcciellen Blaseneinklemmung sind von den allgemeinen wohl 
zu trennen. 

2G) S u b b o t i c - Belgrad: Beiträge zur Pathologie und 
chirurgfischen Therapie der Milz. 

6 Fälle von Milztumor, zum Theil combinirt mit Wandermilz. 
Die in allen Fällen vorgenoinmene Spleneetoinie führte 4 mal zu 
gutem Ausgang; die 2 Todesfälle traten In Folge septischer Peri¬ 
tonitis, die in einem Falle schon vor der Operation bestanden hatte, 
in dem 2. Falle durch zu frühes eigenmächtiges Aufstehen des 
Kranken und in Folge davon eingetretenem Riss der Bauehwand 
entstanden war. 

Bei 4 von den 6 Tumoren fand sich eine Stieltorsion, 2 mal 
um 180 °, 2 mal um 360 °. 

2 Fälle von grossen perisplenischen Blutcysten wurden incidlrt 
und drainirt. 

27) Husemann - Göttingen: Weitere Beiträge zur chi¬ 
rurgischen Anaesthesie im Mittelalter. 

Der durch seine Arbeit über die Schlafschwämme den Chi¬ 
rurgen auf’s beste bekannte Verfasser macht uns in vorliegender 
Arbeit mit weiteren Ergebnissen seiner historischen Studien be¬ 
kannt, die für die Geschichte der Anaesthesie von hoher Bedeutung 
sind. Der arabische Augenarzt Jesu II a 1 y (um 1500) erwähnt, 
dass er zur Trichiasisoperation den Kranken einschlafen lässt; 
II. nimmt an, dass das Schlafmittel die Mandragora gewesen ist. 
Sogenannte Opiumtrochisken zur Narkose werden von M e s u 6 
dem Jüngeren (Anfang des 13. Jahrhunderts) erwähnt; dieselben 
enthielten Papaver, Mandragora, Jusquiamus, Lactuca und Lu¬ 
pinen. Ein Poinum somniverum wird von Arnoldus Villo- 
novanus (um 1200) beschrieben; bei demselben handelt es sich 
um ein Macerat von Opium und verschiedenen Pflanzen thei len 
(Mandragora, Hyoscyamus, Levisticum), das vermittels eines in 
dasselbe eingetauchten Handtuches auf den grössten Theil des Ge¬ 
sichtes applicirt wird. Ein mittelenglisches Schlaftrankrecept ist 
von Eawnrdus im Jahre 1328 aufgezeichnet worden; dasselbe 
enthält Schweinegalle, Schierling, wilde Rübe, Lactuca, Mohn. 
Hyoscyamus, Essig. Mit Hilfe desselben, heisst es, kann man den 
Kranken getrost schneiden. 

Ein Sehlafschwammrecept aus dem 16. Jahrhundert beweist, 
dass auch den Autoren dieser Zeit die entsprechenden Mittel nicht 
unbekannt geblieben sind. Ein Sehlafschwammrecept des Nicolaus 
Myrepsos (13. Jahrhundert) führt ausser den gewöhnlichen 
Mitteln noch den Kampher und den Succus Nenufarls (Seerose) 
auf. Ein weiteres ltecept. aus dem 14. Jahrhundert zeigt eine 
grosse Aehnlichkeit mit dem des Nicolaus Salernitanus. 

Einathmen von Bilsensamendämpfen war im Anfang des 
16. Jahrhunderts im südlichen Frankreich gegen Zahnschmerzen 
gebräuchlich. H. fand, dass das Mittel in England schon mehrere 
Jahrhunderte vorher angewendet wurde. 

28 ) Wildbolz-Bern: Gasulstifiohe und experimentelle 

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10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Beiträge zur chronischen Osteomyelitis. (Chirurg. Klinik 
Bern.) 

W. hat bei 5 Fällen von chronischer Osteomyelitis Thierver¬ 
suche angestellt, um den Virulenzgrad der betreffenden Infections- 
erreger zu bestimmen. In allen Fällen fand sich der Staphylo- 
coccus, 3 mal der aureus, 2 mal der albus. Bei allen war die 
Lebensfähigkeit sehr abgeschwächt, in einem Falle so sehr, dass 
nicht einmal 4 ccm einer frischen Bouilloncultur, intravenös in- 
Jicirt, das Versuchsthier zu tödten vermochten. Eine genaue Pa¬ 
rallele war aber zwischen dem Virulenzgrade der Infections- 
erreger und der Heftigkeit der Kraiikheitserscheinuugen beim 
Menschen nicht nachzuweiseu, was vom Verfasser auf die 
Schwierigkeit der Dosirung und die verschiedene Widerstands¬ 
fähigkeit des betreffenden Individuums zurückgeführt wird. 

20) J. Riedinger - Würzburg: Die Varität im Schulter¬ 
gelenk. S. d. W. 1890, S. 1050. 

30) Klapp : lieber einen Fall von ausgedehnter Knochen¬ 
transplantation. (Chirurg. Klinik Greifswald.) 

Bei einer 30jälirigen Patientin wurde die ganze sarkomatüs 
erkrankte Humerusdiapliyse reseclrt. In den Defect brachte Bier 
ein etwas längeres Periostknochenstück aus der Vorderfläche der 
Tibia. Nach Abstossung eines corticalen Sequesters trat voll¬ 
kommene Consolidation ein, und das Röntgenbild zeigte, dass sich 
eine vollkommene Humerusdiapliyse wieder gebildet hatte. 

K. glaubt in diesem Falle die Knochenneubildung mit Be¬ 
stimmtheit auf das überpflanzte Periostknoclieustück zurückfülnvn 
zu müssen. 

31) R. v. B a r a c z - Lemberg: Retrograde Netzincarceration 
mit Torsion in der Bauchhöhle. 

Bei der Operation eines Xetzbruches fand sich oberhalb der 
Bruchpforte in der Bauchhöhle ein stark verdicktes, hochgradig 
venös hyperaemisclies, einige Male um seine Achse gedrehtes Netz. 
Ein ähnlicher Fall ist von Baye r beschrieben, mit dem Unter¬ 
schiede, dass bei Bayer der umgedrehte Netzklumpen im Bruch¬ 
sack lag, während er bei Verfasser in die Bauchhöhle geschlüpft 
war. Die Torsion wurde beide Male dadurch ermöglicht, dass das 
Netz am Bruchsack angewachsen war. 

32) W a i t z : Ein Fall von Heilung einer Peritonitis nach 
Magengeschwürperforation durch Laparotomie. (Vereinsliospital 
Hamburg.) 

25 jähriges Mädchen. Operation 21 Stunden nach der Erkran¬ 
kung. Schnitt vom Rippenrand bis zur Symphyse. Exeision des 
Ulcus, Naht. Ausspülen der Bauchhöhle mit warmer Kochsalz¬ 
lösung und sorgfältige Reinigung, keine Drainage. Heilung. 

33) Martens: lieber eine diagnostisch interessante Blut¬ 
gefässgeschwulst an der oberen Brustapertur. (Charitö Berlin.) 

Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose war, in der Annahme, dass 
es sich um eine lufthaltige Geschwulst handle, auf Lungeuhernie 
gestellt. Der Tumor wurde beim Pressen zwischen den beiden 
Köpfen des Sternoclehlomastoideus vorgedrängt. Bei der Operation 
fand sich ein eavemöses Anglom. K r e c k e. 

Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. XI. 

Heft 3 (März). 

1) B. Krönig und J. F e u c h t w a n g e r - Leipzig: Die 
orthopädischen Besultate der Alexander-Adams’schen 
Operation. 

(Schluss im nächsten Heft.) 

2) A. T h e i 1 h a b e r- München: Zur Aetiologie und Therapie 
des Genitalprolapses. 

(Siehe Besprechung diese Zeitschrift 1809, Seite 1437.) 

3) U n t e r b e r g e r - Königsberg: Betroflexio uteri gravidi 
partialis incarcerata. Urachusfistel. 

Ein 23 jähriges Mädchen erkrankte nach einem Sturz mit 
ITnterleibsbeschwerden und Fieber. Etwa 4 Monate später konnte 
der Urin nicht mehr entleert werden bis mit einem Male eine Plnt- 
leerung des Urins durch den Nabel zu Stande kam. In der Folgt' 
blieb diese Urinfistel bestehen und es stellten sich nun die Er¬ 
scheinungen eines schweren Blasenkatarrlies, schliesslich auch Ab¬ 
gang von Fetzen der Blasenschleimhaut ein. In diesem Zustande 
wurde die Kranke dem Verf. zugeführt, der eine Retroversio-flexio 
uteri partialis incarcerata annahm. Durch das Wachsthum des 
schwangeren Uterus trat die Aufrichtung ohne ärztliches Zuthun 
ein, dann aber abortirte die Kranke. Die Urinfistel heilte rasch, 
dann auch unter der gewöhnlichen Behandlung der Blasenkatarrh. 

Verf. nimmt an, dass es im Beginne der Schwangerschaft 
durch den Sturz zu einer Pelveoperitonitis gekommen sei, die zu 
Verwachsungen der Gebärmutter im Cavum Douglasii führte, so 
dass es beim weiteren Wachsthum der schwangeren Gebärmutter 
zu einer theilvveisen Aussackung des Fruchthalters und Einklem¬ 
mungserscheinungen kam. (Uebrigens ist ein sicherer Beweis für 
eine Retroversio-flexio uteri partialis nicht erbracht, es kann sich 
sehr "wohl auch nur um eine Retrottexio fixata gehandelt haben, 
die sich durch das Wachsthum des schwangeren Uterus unter 
Dehnung der Verwachsungen aufrichtete!) 

Verf. nimmt au, dass eine theilweise Durchgängigkeit des 
Urachus bestand, durch die starke Ausdehnung der Blase drang 
der Urin in den Urachus und brach schliesslich durch den Nabel 
durch. Einige Fälle von Offenbleiben des Urachus werden aus 
der Literatur angeführt. 

4) A. H a rtz - Karlsruhe: Ein Fall von Missed Labour bei 
Myom des Uterus und Placenta praevia. 

Bei einer 38 jährigen Kranken, bei der vor über 2 Jahren 
ein Myom am Uterus festgestellt worden war. sprang am Ende 
der 2. Schwangerschaft ohne Wehenthätigkeit die Blase, nachdem 

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kurz vorher eine geringe Blutung vorangegangen war. Der innere 
Muttermund war eben für die Finger durchgängig, man fühlte 
den Rand der Placenta. Die Geburt kam nicht in Gang. Das 
Myom lag dicht am Beckeneingang und brachte den vorliegenden 
Kopf des Kindes etwas zum Abweichen. Ohne dass nennenswerthe 
Wehen aufgetreTen wären, war das Kind nach 3 Tagen abgestorben. 

Nachdem nun 18 Tage nach dem Blasensprung keine eigent¬ 
liche Geburtsthätigkeit aufgetreten war, wurde wegen der Gefahr 
der Infectiou der Gebärmutterhöhle beschlossen, die Geburt zu 
beendigen. Bei der Untersuchung fand sich durch die Wehen¬ 
thätigkeit das Myom in den wenig erweiterten Muttermund zum 
Tlieile hineingedrüngt. so dass es ein völliges Geburtshiuderniss 
abgab. Die Geschwulst wurde unter Verkleinerung ausgeschält, 
der Muttermund eingeschnitten. Da am Kopfe der stark mace- 
rirten Frucht die Ausziehung nicht gelang, wurde ein Arm heraus¬ 
geholt, an dem jedoch die Entwicklung der Frucht ebenfalls un¬ 
möglich war. Jetzt wurde der Arm abgesetzt, ein Bein herabge¬ 
streckt und hieran die Ausziehung bewerkstelligt. Ein Cervixriss 
wurde durch die Naht vereinigt, nachdem die zum Theile fest- 
liaftende Placenta entfernt war: fieberlose Heilung. 

5i O. Kaufmann- Hüstpn: Zur Kolpeuryntherfrage. 

Verf. empfiehlt auf Grund von 7 Beobachtungen die An¬ 
wendung des Kolpeuryntliers in allen Fällen, in denen eine An¬ 
regung der Wehenthätigkeit oder eine Beschleunigung der Ge¬ 
burt notliwendig ist. Es wurde immer die Einlegung über den 
inneren Muttermund angewandt. Dies Verfahren ist das Beste 
zur Einleitung der künstlichen Frühgeburt. 

G) 8. C h o 1 w o g o r o f f - Moskau: Sklerose der Uterin- 
arterien. 

In drei Uteri«, von denen zwei wegen unstillbarer Blutungen 
einer wegen Careinom entfernt worden waren, fand Verfasser eine 
hochgradige Sklerose der Arterien, vergesellschaftet mit einer 
starken Bindegewebsentwicklung in der Uteruswand. Diese ist 
wohl als eine Folge der Veränderungen an den Arterien aufzu¬ 
fassen, deren Ursache selbst unaufgeklärt blieb. 

Verfasser macht darauf aufmerksam, dass event. mehrere 
schwer zu stillende Gebännutterblutungon auf derartige Verände¬ 
rungen zurückzuführen sein dürften, die sich allerdings an der 
Lebenden niemals mit Sicherheit feststellen lassen. Wenn die ge¬ 
wöhnlichen Mittel versagen, ist man in derartigen Fällen berechtigt, 
die Entfernung dos Uterus vorzunehmen. 

7) E. Meusel- Gotha: Eine Laparotomie mit ausser gewöhn¬ 
lich grosser Schwierigkeit der Asepsis. 

Bei der 50 jährigen Kranken war 5 / 4 Jahre vorher versucht 
worden, durch die Laparotomie ein papilläres Kystom des Ovari- 
uins zu entfernen. Wegen starker Verwachsungen wurde der Ver¬ 
such aufgegeben, die papillären Massen in der Cyste wurden 
grosseutlieils entfernt, die Cyste selbst in die Bauch wunde ein- 
genälit. Natürlich wuchsen die Massen wieder nach, es stellte sich 
Jauchung in der Höhle ein und die Kranke kam sehr herunter. 

Verfasser umsclmitt die Wunde nach gründlicher Reinigung 
des Hohlraumes, nähte unter Einkrempelung der Haut die Oeff- 
nung sorgfältig zu. Nun wurde mehrmals Alles gründlich des- 
inficirt und die Bauchhöhle über der oberen Kuppe der Geschwulst 
eröffnet. Die Verwachsungen wurden ohne besondere Schwierig¬ 
keiten durchtrennt und die Neubildung entfernt. Die grosse Bauch¬ 
wunde liess sich nicht vollständig schliessen, wesshalb sie theil¬ 
weise tamponirt werden musste. Nach 5 Monaten war vollständige 
Heilung eingetreten. A. Gessner - Erlangen. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900, No. 13. 

1) F. Ahlfeld: Die Behandlung des Nabelschnurrestes. 

Gegenüber den Vorschlägen Marti n’s, die Nabelschnur mit 

einem Seidenfaden zu unterbinden und den Rest mit einer Gliih- 
scheere abzutragen, empfiehlt A. nochmals seine Methode, die er 
seit 3—4 Jahren in über 1000 Fällen benützt hat, und wobei er 
weder Infectionen noch Nachblutungen erlebte. Das Verfahren ist 
in der letzten Auflage von A.’s Lehrbuch ausführlich beschrieben 
und besteht, kurz gesagt, in Kürzung des Nabelschnurrestes auf 
das erlaubte Minimum, Betupfen des Restes nebst Umgebung des 
Nabels mit OOproc. Alkohol und Auflegen einer Lage steriler 
Watte, die nur gewechselt wird, wenn sie durchnässt worden ist. 

Die Marti n’schen Vorschläge hält A. für nicht unbedenklich. 

2) M e n g e - Leipzig: Schwangerschaft nach Hysterokolpo- 
kleisis. 

Der sehr interessante Fall, für den M. in der Literatur nur 
ein Analogon (von L a n e) aufzufindeu vermochte, betraf eine 
35 jährige Frau, die vor 3 Jahren wegen einer grossen Blaseu- 
Cervix-Selieideufistel von Zweifel operirt worden war. 
Z. machte zuerst einen Verschluss der Fistel vom Abdomen aus. 
wobei er die rechte, noch wegsame Tube mit einem Seidenfaden 
ligirte. Da G Tage später die Blase wieder incontinent wurde, 
machte Z. nunmehr die Hysterokolpokleisis. Jetzt blieb Patientin 
dauernd trocken. In Hinblick auf die Hysterokolpokleisis, Unter¬ 
bindung der rechten und Verschluss der linken Tube wurde Patien¬ 
tin gesagt, eine Gravidität sei für die Zukunft ausgeschlossen. 
3 Jahre später kam Patientin im G. Monat der Schwangerschaft 
wieder in die Klinik; zum vorgeschlageneu Porro kam es nicht, 
da schon im nächsten Monat spontaner Abort durch die gesprengte 
Kolpokleisisnarbe stattfand. Wochenbett normal. Die Blase blieb 
trotz der Geburt continent. 

Ueber den Weg, den die Spermatozoen gemacht haben können, 
um das Ovulum zu befruchten, stellt. M. verschiedene Ver- 
inuthungen auf. auf die hier nicht eingegangen werden soll. Der 
Fall lehrt überdies wiederum, dass eine selbst feste Ligirung der 


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MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 15 


Tube mit. Seide nicht genügt, um sie für die Spermatozoon un¬ 
wegsam zu machen. J a f f e - Hamburg. 

Archiv für Hygiene. Bd. XXXVI, Heft 3. 

Laurenz K e d z i o r : Ueber den Einfluss des Sonnenlichtes 
auf Bacterien. (Aus dem hygienischen Institut der Universität 
Berlin.) 

Aus der kleinen Arbeit sei erwähnt, dass bei Sauerstoff¬ 
abschluss die keimtödtende Wirkung des Lichtes nicht aufgehoben 
und vermindert ist. dass Milzbrandsporeu in 1 Stunde 40 Minuten 
nach der Bucline Eschen Methode sogar im Januar getödtet 
werden, dass in Flüssigkeiten die Bonnenwirkung schwächer ist. 
als nach Büchner mit Platten geprüft (nach 5 Stunden und 
mehr waren 1—5 ccm Culturen der verschiedensten Bacterien nicht 
steril). Im Fluss- und Cloakemvasser hatte die Abtödtung nach 
7—0 Stunden aus unendlich vielen Keimen nur 127—052 am Leben 
gelassen, was der Autor als „ziemlich unbedeutende Wirkung“ 
bezeichnet. Eine 1 mm dicke Erdschichte hemmte die Sonnen¬ 
wirkung stark, gab aber doch nach 5 Stunden eine Keimverminde¬ 
rung auf V- 5 . bei 2 mm war die Wirkung noch schwächer, aber 
immer merklich. 

B I e n s t o c k - Mülhausen i. E.: Untersuchungen über die 
Aetiologie der Eiweissfäulniss. 

Durch die vorliegende erfreuliche Arbeit hat Bien stock 
seinen bereits von der Wissenschaft, als nicht mehr aufzutinden zu¬ 
rückgewiesenen trommelschlegelsporigen Bacillus putrifleus in 
überraschender Weise reliabilitirt und seine Bedeutung dargethan. 
Die Arbeit muss als die selbständige Leistung eines praktischen 
Arztes besonders hoch geschätzt werden. 

Es wollte Bienstock nicht gelingen, durch 24 Bacterien, 
die in der Literatur als Fäulnisserreger angesehen werden, inclusive 
die Proteusarten, eine Lösung von Fibrin zti Stande zu bringen. 
Wohl trat Gestank auf, stets aber behielt das sterilisirte Fibrin 
seine Form, eine Thatsaehe. die bei dem höchst energischen Ver- 
flüssigungsvermügeu vieler Proteusarten für Gelatine sehr merk¬ 
würdig ist. Dagegen gelang es Bienstock, durch Infection von 
Fibrinproben mit allerlei Substanzen, namentlich Strassenkoth, diese 
zu typischer Fäulniss zu bringen, d. h. zu Auflösung unter pene¬ 
trantem Gestank. Die faulenden Gläschen zeigten stets Köpfchen¬ 
sporen. Die Oulturversuche zeigten, dass diese Könfchensporen 
einer streng anaeroben, nicht immer leicht zu isolirenden Art ange¬ 
hören, welche ausführlich beschrieben wird, leider ohne den Ver¬ 
such einer Differentialdiagnostik von den anderen anaeroben Arten, 
von vielen von denen er sich durch vollkommenen Mangel an Patho¬ 
genität für Thiere unterscheiden soll. In Misehculturen wächst der 
Bacillus unter Unterstützung zahlreicher aerober Arten sehr gut. 
auch ohne Sauerstoffabschluss, sehr interessant ist, dass Bac. coli 
und lactis aerogenes umgekehrt in dem Sinne antagonistisch ein¬ 
wirken. dass sie wohl nicht die Vermehrung, aber die ordentliche 
Ausbildung der Fiiulnissprocesse hemmen. Dieser noch weiter zu 
verfolgende Antagonismus findet auch im menschlichen Darm 
statt. Weitere Studien zeigten Bienstock die Richtigkeit 
früherer Angaben von N e n c k i und Anderen, dass gewisse An¬ 
aeroben stinkende Eiweissfäulniss zu bedingen vermöchten — Bac. 
oedematis maligni, Rauschbrand und Clostridium foetidum wirk¬ 
ten ganz ähnlich auf Fibrin. Auch auf chemischem Gebiet hat 
Bien stock einige Resultat* 1 mitgetlieilt. von denen nur erwähnt 
sein mag, dass der Bac. putrifleus kein Indol bildet. Den Klein’- 
selien Bacillus cadaveris sporogenes und den v. Tave l’schen 
Pseudotetanusbacillus möchte Bienstock für nächst verwandt 
oder identisch mit seinem Organismus halten. 

K. B. Lehmann- Würzburg. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenknnde und In- 
fectionskrankheiten. 1900. Bd. XXVIL, No. 10 u. 11. 

1) v. S t it li 1 e r n - St. Petersburg: Beitrag zur Bacteriologie 
der lobären Typhusnneumonieen. 

Verfasser berichtet über 2 Fälle, bei einem 20- und einem 
29 jährigen Manne, bei denen während eines gleichzeitigen Abdomi- 
naityphus eine Pneumonie bestand. Es fanden sieb das eine Mal 
Typliusbaolllen im Sputum, das andere Mal dieselben bei der Soe- 
tion iiri Lungensnft. Nebenbei konnten auch irn ersten Falle 
Pneumococcen naebgewlesen werden. Die Oulturversuche ergaben 
sowohl morphologisch, wie biologisch, wie durch die Serumreaction 
die Identität mit dem echten Tvphushaeillus, wodurch der erneute 
Beweis geliefert wurde, dass Typhusbacillen sich bei Abdominal 
typhus auch in der Lunge ansiedeln können. 

2) K. Land steiner - Wien: Zur Kenn tu iss der anti¬ 
fermentativen, lytischen und agglutinirenden Wirkungen des 
Blutserums und der Lymphe. 

Vorliegende Arbeit liefert Beiträge zur Seruindingnostik der 
Fermente, zum Vorkommen antifermentativer Substanzen im Orga¬ 
nismus, zur Vortlioilung der baeterieiden Stoffe in den Körper- 
fliissigkeiton und zur Kenntuiss des chemischen Verhaltens der 
Lvsine, Agglutinine, Antifermente. Es kann an dieser Stelle in 
Kürze nicht näher darauf eiugegangcn werden. 

3) v. L i n s t o w - Göttingen: Tetrabothrium cylindraceum 
Rud. und das Genus Tetrabothrium. 

Artikel polemischer Natur. 

4) C. B a 1 f o u r St e w a r t-Liverpool: Apparatus for heating 
cultures to separate spore bearing micro-organisms. 

Kleiner Apparat für oonstante Temperatur zwischen 70—80°. 

R. O. Neiimann -Kiel. 


Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 14. 

1 ) Biiumlor - Freiburg i. Br.: Die Behandlung der Tuber- 
culose im 10. Jahrhundert. 

Sücularartikel, dessen historischer Inhalt sich nicht zum Re¬ 
ferate an dieser Stelle eignet. 

2) S a 1 g e und Stoeltzner- Berlin: Eine neue Methode 
der Anwendung des Silbers in der Histologie. 

Bereits pag. 00 der Müneli. rued. Wochensclir. 1. J. besprochen. 

3) M. P o r g e s - Marienbad: Experimenteller Beitrag zur 
Wirkung und Nachwirkung von Schildrüsengift. 

P. beobachtete an einem Stoffweehselhund, der mit Schilddrüse 
gefüttert wurde, neben den bekannten Erscheinungen von Fett- 
einsehmelzmig und Eiweisszerfall noch ein eigentümliches 
weiteres Vergiftungssymptom, nämlich eine Laevulosurie bis 0,5 
Proc. in der Hauptperiode, welche die Eingabe der Schilddrüsen 
um eine beträchtliche Reihe von Tagen überdauerte. Auch beim 
Menschen ist Glykosurio bei Darreichung von Schilddrüse öfter 
beobachtet. 

4) St. M i r e o 1 i - Genua: Ueber den pyogenen Ursprung 
der Chorea rheumatica und der rheumatischen Frocesse. 

M. möchte gegenüber mehreren deutschen Publicationen über 
dieses Thema seine Priorität wahren. Nicht nur bezüglich der 
Streptococcen, welche in den Ergüssen bei Gelenkrheumatismus 
gefunden werden, sondern auch betreffs des Staphylococeus hat 
M. schon früher den pathogenetischen Zusammenhang mit rheu¬ 
matischen Processen behauptet. Tu 17 bacteriologiseh untersuchten 
Choreafüllen wurden 14 mal Strepto- resp. Staphylococcen ge¬ 
funden. für die einzelne Organe, besonders die Nieren und das 
Ilerz, in Folge ihrer biochemischen Zusammensetzung gute Nähr¬ 
böden darstellen. Der Gelenkrheumatismus ist eben als scbwach- 
gradige Pyaemie aufzufassen, die Gelenkaffectionen sind nicht 
das Wesentliche. 

5) Aus No. 12 der Berl. klin. Wochensclir. W. Gessner- 
Halle wahrt gegeutiber den Ausführungen von Prof. A. Martin 
über die Versorgung des Nabels der Neugeborenen seine Priorität 
hinsichtlich der Methode, ausser der üblichen Ligatur des Nabel¬ 
stranges noch eine zweite, direct central von dem Nabelring anzu- 
logou. G. schlägt vor, den Nabelstrang erst mit einer Formalin¬ 
lösung zu bepinseln, um baeterieid zu wirken und denselben zu 
härten. Dadurch kann der Wundverlauf abgekürzt und die Re¬ 
sorption aus dem Strangrest reducirt werden. 

Dr. Grassmann - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 13. 

1) P. Grawitz: Ueber Adenocarcinome. (Aus dem patho¬ 
logisch-anatomischen Institute der Universität Greifswald.) 

Vortrag, gehalten im Greifswalder medieinischeu Verein am 
3. Februar 1900. Referat siehe diese Wochenschrift No. 10, p. 338. 

2) II. Riese: Schenkelkopfexstirpation bei veralteter 
intracapsulärer Schenkelhalsfractur. (Aus dem Kreiskranken¬ 
hause des Kreises Teltow in Britz.) 

Der Fall betrifft eine 59 jährige Frau und wurde der Erfolg 
der Operation durch Vorstellung derselben in der freien Ver¬ 
einigung der Chirurgen Berlins demonstrirt. 

3) IT. Ostermann -Hamburg: Zur Behandlung der Ge- 
bärmutterblutungen. 

(Schluss folgt.) 

4) A. Eulenburg: Ueber die Wirkung und Anwendung 

hochgespannter Ströme von starker Wechselzahl (d’Arsonval- 
Tesla-Ströme). # 

Schluss aus No. 12. Referat siehe diese Wochenschrift No. 7 
und 9, p. 241, bezw. 30G. 

5) A. S c h o 11 - Berlin: Ein Fall von Flantarluxation des 
Nagelgliedes der rechten grossen Zehe. 

Casuistischer Beitrag nus der ärztlichen Praxis. Die Ver¬ 
letzung ist eine iiusserst seltene und sind ln der Literatur bisher 
nur neun Fälle von Verrenkung im Zwischengelenke des Hallux 
bekannt. 

6) Bernhard R a w i t z : Medicinisch - klimatologische Er¬ 
fahrungen im Eismeer. 

Der lesenswerthe Aufsatz enthält unter anderem interessante 
Mittbeilungen über die Gewinnung des Leberthrans. 

F. Lacher - München. 

Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXX. Jabrg. 

No. 7. 

1) Alb. K o e li e r: Ueber Complic&tionen der Cholelithiasis. 
— Wann soll man bei Cholelithiasis operirenP (Aus der Chirurg. 
Klinik von Professor Dr. Kocher in Bern.) 

An der Hand von vier ausführlichen Krankengeschichten 
werden mit besonderer Berücksichtigung verschiedener diagnosti¬ 
scher Anhaltspunkte einzelne folgenschwere Complicatiouen von 
Cholelithiasis beschrieben. Im Hinblick darauf wird die Noth- 
weiuligkeit einer möglichst frühzeitigen (also noch vor dem Ein¬ 
tritt von Complicatiouen) Operation betont. 

2» S 1 d 1 e r - H u g u e n i n - Zürich: Ueber die Einwirkung 
der Sterilisationsverfahren auf Cocainlösungen und über die 
beste Methode, Cocain- und Atropinlösungen steril aufzube¬ 
wahren. (Schluss.) 

Zusatz von antiseptischen Flüssigkeiten eignet sich nicht für 
die sterile Aufbewahrung wegen der damit verbundenen Reiz- 
erscheinungen; zur Herstellung von Cocain- und Atropinstamm- 
lösungen empfiehlt sich Alkoholzusatz. Zur Aufbewahrung werden 
vom Verf. eigens construirte Fläschchen angegeben, die nameut- 


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10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. r > 15 


lieh das sonst notliwendige Sterilisireu der Kautsehiikhütehen er¬ 
sparen. 

3) E. Bärri-Jonen: Fremdkörper der Lunge und dessen 
Diagnosenstellung mittels Böntge n’scher Strahlen. 

Eiukeihing einer „verschluckten" Nadel mit haselnussgrossem 
Kopf im linken Bronchus; Versuch der Extraction; Tod durch 
Pneumonie. Hammelbacher - Planegg. 

Oeiterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 13. 

1) J. H o c h e n e g g - Wien: Ein Fall intraabdomineller 
Netztorsion. 

Die Diagnose wurde bei der Selteuheit der Erkrankung erst 
bei der Operation gestellt. Der 41 jährige Kranke, der an einer 
leicht reponirbaren rechtsseitigen Leistenhernie litt, bekam einige 
Zeit nach Riicksehiebung derselben heftige Bauchschmerzen, Er¬ 
brechen, Auftreibung des Leibes, zeigte verfallenes Aussehen, auf 
der rechten Bauchseite bildete sich ein grosser Tumor, der auf Ex¬ 
sudatbildung zuriiekgeftihrt wurde. Die Operation zeigte ein 
mächtig geschwelltes Netz, dessen dünn ausgezogener Stiel mehr¬ 
mals torquirt war. Abtragung des Netzes, Exstirpation des Bruch¬ 
sackes sammt dem atrophischen Hoden, glatte Heilung. Die Stiel¬ 
torsion war vollkommen iutraperitoueal, bei leerem Bruchsacke, 
entstanden, das Netz zeigte nirgends Verwachsungen. Die Drehung 
war wohl durch die Manipulationen, welche Patient beim Zuriiek- 
scliieben der Netzhernie gemacht hatte, zu Stande gekommen. 

2) W. Türk- Wien: Ueber die Haemamoeben L ö w i t’s im 
Blute Leukaemischer. 

Der Kern dieser vorläufigen Mittheilung besteht darin, dass 
die Haemamoeben L ö w i t’s eben keine Parasiten, sondern Kunst- 
producte aus Mastzellengranulationen darstellen, in Folge dessen 
auch die Argumentationen L ö w 1 t’s bezüglich Uebertragungsver- 
suchen der Leukaemie illusorisch sind. T. konnte die „Amoeben“- 
Bllder auch aus dem Blute von Menschen erhalten, welche nicht 
an Leukaemie litten. Der Einwurf L ö w i t's, die Färbung der 
Mastzellenproducte, welche T. anwendete, sei nicht „säurefest“, 
ist hinfällig. 

3) A. Hecht-Wien: Zur Semiotik des 2. Pulmonaltones. 

II. untersuchte die Stärke des 2. Pulmonaltones, namentlich 

im Verhältniss zu jener des 2. Aortentones, mit Hilfe des Bettel- 
lieim-üärtne r’schen Sthetophonoineters. Neben der schon 
anerkannten Thatsache, dass die Stärke des 2. Pulmonaltones von 
vielen Factoren abhängen kann, die auf Seite des Untersuchten 
liegen, betont II. vor Allem auch, dass der Untersucher verschieden 
stark percipiren kann, z. B. nach dem Mittagessen weniger als vor 
demselben. Per 2. Pulmonalton ist normal ca. % stärker als der 
2. Aortenton. H. fand, dass die Nahrungsaufnahme den 2. Pul¬ 
monalton stark in die Höhe treibt, dass also eine Drucksteigeruug 
im kleinen Kreislauf erfolgt, ebenso auch bei abdominalen Affec- 
tionen. Für die Ursache der physiologischen Pulmonaldrucksteige¬ 
rung nach der Mahlzeit hält Verfasser die Verdauungshyperaemie. 
Bei ausgesprochenen Fällen von Influenza war der 2. Pulmonal- 
tou jedesmal sehr laut, vielleicht durch Wirkung der Iufluenza- 
toxiue; lad der Pleuritis gingen die ermittelten Wertlie weit aus¬ 
einander. Emphysem verstärkt den 2. Pulmonalton. Bei Pneu¬ 
monie fand sich subnonnaler Blutdruck und andererseits sehr hohe 
Pulmoualtonzahleu. Bei Herzschwäche durch Myocarditis fand 
Verfasser schwachen 2. Pulmonalton; das Nachlassen des letzteren 
hat bisweilen ominöse Bedeutung, in anderen Fällen geht es mit 
einer Besserung der Kreislaufstörung einher. Verfasser berichtet 
noch über mehrere Fälle fuuctioneller Herzinsufficienz, bei denen 
der 2. Pulmonalton meist laut war, sofern er nicht durch einen 
verstärkten 2. Aortentou gedeckt wurde. 

Dr. Grassmann - München. 


Vereins- und Congressberichte. 

Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte. 

(Bericht des Vereins.) 

V. Sitzung zu Köln am 3. Deeember 1899. 

(Schluss.) 

Herr Lenzmann - Duisburg: Demonstration zweier Prä¬ 
parate, welche eine hochgradige Stenose des Athmungscanals 
bewirkt hatten. 

M. H.! Gestatten Sie mir, Ihnen zwei Präparate vorzulegen, 
welche jedenfalls Ihr Interesse beanspruchen können. Beide haben 
eine hochgradige Verengerung des Athmungsrohres bewirkt, der 
Sitz dieser Verengerung und die Art, wie dieselbe zu Stande kam, 
sind aber durchaus verschieden von einander. Das eine stellt einen 
Tumor dar, welcher seinen Sitz in dem Athmungscanal, und zwar 
unmittelbar unter der Glottis, hatte, das andere einen solchen, 
welcher im hinteren Mediastinum ausserhalb des Athmungsrohres 
lag und eine zur Erstickung führende Verengerung dieses letzteren 
hervorbrachte, dadurch, dass er den linken und später auch den 
rechten Bronchus zusammenpresste. 

Die Krankheitsgeschichte des Patienten, von welchem das 
erste Präparat stammt, ist kurz folgende: Anfangs September d. J. 
wurde der Schlosser B. in unser Krankenhaus aufgenommen. Er 
litt an Aphonie und hochgradiger Athemnoth, verbunden mit Stri¬ 
dor, der offenbar einem im Kehlkopf liegenden Athrnungshinder- 
niss seine Entstehung verdankte; der Allgemeinzustand des Pa¬ 
tienten war ein sehr reducirter. Als Ursache dieser Symptome 

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ergab sich bei der laryngoskopisehen Untersuchung ein unmittel¬ 
bar unter der Glottis liegender Tumor, der von der hinteren Wand 
des Kehlkopfausgangs und an der vorderen Cominissur der Stimm¬ 
bänder nur einen kleinen von der vorderen Larynxwand und dem 
vorderen Ende des Tumors begrenzten Kaum liess, durch welchen 
der Patient mühsam sein Luftbedürfniss befriedigte. Die Stimm¬ 
bänder, sowie die Larynxschieimhaut waren — offenbar in Folge 
eines acuten begleitenden Katarrhs — geröthet und geschwollen. 

Um der lndicatio vitalis zu genügen, machten wir die Tra- 
cheotomia inferior. Die später vorgenommene genaue laryngo- 
skopische Untersuchung liess erkennen, dass der Tumor mit dem 
linken Stimmbande, das vollständig unbeweglich war, verwachsen 
war. Das rechte Stimmband functionirte, berührte aber, beim 
Phonationsversuch, das linke Band nicht. 

Die mikroskopische Untersuchung von auf endolaryngealem 
Wege entfernten Gesellwulsttheilelien ergab keine abnorme Wu¬ 
cherung epithelialer Elemente, dagegen liess die Betastung mit 
der Sonde eine ziemlich harte und widerstandsfähige Masse er¬ 
kennen, so dass an ein festes Fibrom oder Chondrom gedacht 
werden musste. 

Da der Patient allmählich nach Abschwellung der gerötheten 
und geschwollenen Larynxschieimliaute und der htinimbander auf 
natürlichem Wege wieder atInnen konnte, so verweigerte er die 
Operation des Tumors und verlangte, nach Verheilung der Tra¬ 
cheotomiewunde, entlassen zu werden. 

Vor vierzehn 'lagen trat der Zustand ein, den wir ihm bei 
seiner Entlassung scheu prognostieirt hatten. Er kam mit 
schweren Suftocatioiiserschemiingen in s Krankenhaus zurück und 
willigte jetzt in die Kadiealoporation ein, welche ich am 21. Nov. 
ausfuhrte. Prophylaktische Tracheotomie, Tamponcanüle, La- 
ryngofissur und Entfernung dieses grossen Tumors, den ich nier 
zeige. Derselbe ging von der hinteren breiten Fläche des Riug- 
kuorpels aus und haftete fest an dem linken Stimmband. Es 
handelte sich, wie Sie sehen, um ein echtes Eccliondrom. Der Pat. 
athmet jetzt frei und ist last ohne Beschwerde. Ich werde Ge¬ 
legenheit nehmen, Ihnen denselben bei unserer nächsten Zu¬ 
sammenkunft vorzustellen. 

Das zweite Präparat, das ich bei einer Autopsie gewonnen 
habe, sehen Sie hier. Es handelt sich um ein Aneurysma der ab¬ 
steigenden Aorta. 

Aus der langen Leidensgeschichte des Patienten, von welchem 
dieses Präparat stammt, will ich kurz Folgendes hervorheben: 

Der Patient, ein Gymnasiallehrer im Alter von 43 Jahren, 
litt seit dem Jahre 1890 an Pharyngitis und Laryngitis sicca. 
Gegen diese Affectionen wurden Pinselungen mit Jod-Jodkalium 
lösung angewandt; unter dieser Behandlung blieb das Leiden in 
erträglichen Grenzen, so dass der Patient seinen Beruf als Lehrer 
ohne besondere Beschwerde ausfüllte. Im August des Jahres 1894 
erkrankte er unter den Symptomen eines Ulcus ventriculi: Heftige 
Magenschinerzen, welche sich besonders nach dem Essen zeigteu, 
Schmerz bei Druck in der Pylorusgegeud, Hyperacidität, Er¬ 
brechen. 

Wegen dieser Beschwerden suchte Patient die Heilanstalt 
einer anerkannten Autorität für Erkrankungen des Magens auf, 
welche auch die Diagnose Ulcus ventriculi stellte und die ent 
sprechende Cur einleitete. Gebessert, aber nicht geheilt, kehrte 
der Patient zurück. Regellos auftretende Magensehmerzen und 
dyspeptische Beschwerden zeigte derselbe noch immer, dagegen 
war objectiv ein vergrüsserter Salzsäuregehalt nicht mehr nach 
zuweiseu. Der Patient blieb sehr mager und kraftlos trotz der 
vorzüglichsten Ernährung. Urin frei von Eiweiss und Zucker. 
Pulmones gesund. Kein Fieber. 

Da erkrankte Patient im Herbst 1807 an einem diffusen Bron- 
chialkatarrli mit zähem, oft borkigen Schleimauswurf; dieser 
Katarrh trotzte allen Mitteln, so dass der Kranke vom Mai bis 
Herbst 1898 im badischen Schwarzwald verweilte. 

Als er von dort zuriiekkehrte, zeigte sich eine Veränderung 
im Krankheitsbild. Zwar bestanden der Bronchialkatarrh und die 
bedeutende Abmagerung nach wie vor, die Magenbescbwerden 
traten aber mehr zurück, es war jetzt aber ein hochgradiges 
Lungenemphysem uachzuweisen und an der ganzen linken Brust¬ 
seite war das Athmungsgeräusch deutlich abgeschwächt, was dem 
Patieuten als Symptom eines pleuritischen Exsudats erklärt worden 
war. Um dieses letztere konnte es sich aber wohl nicht handeln, 
da jede Abdämpfung des Percussionsschalls fehlte, geschweige 
dass eine Dämpfung vorhanden gewesen wäre. 

Das Phänomen der Abschwächung des linksseitigen Athmuugs- 
geräusches konnte nur erklärt werden durch die Annahme einer 
Verengerung des linken Bronchus. Bald zeigte sich bei der immer 
mehr steigenden Athemnoth des Patienten auch ein eigentüm¬ 
licher Stridor, der. wie deutlich zu hören war, in der Tiefe der 
Brust erzeugt wurde und den armen Kranken zwang, bei jeder 
geringsten Anstrengung und Bewegung nach Luft ringend stehen 
zu bleiben. Kehlkopf — abgesehen von eiuer geringfügigen trocke¬ 
nen Laryngitis — gesund, vor Allem waren die Stimmbänder frei 
beweglich, sowohl die Oeffner, wie die Schliesser der Glottis func- 
tionirten normal. 

Die Diagnose musste jetzt lauten: Verengerung des linken 
Bronchus, hervorgebracht höchst wahrscheinlich durch einen Tu¬ 
mor im linken Mediastinum; welcher Art dieser Tumor war, die 
Entscheidung war schwer zu treffen. Lues bestand sicher nicht, 
zu denken war an ein Sarkom oder au Tuberculose der Bronchial¬ 
drüsen. Die Radiographie ergab nur einen Schatten vor der 
Wirbelsäule in der Herzgegend. Zu den Symptomen fortschrei¬ 
tender Athemnoth, die sich zu einzelnen qualvollen und besorgniss- 

Qriginal frn-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



MÜNCH KN ICH MKD1CINISCHK WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


510 


erregenden Anfällen steigerte, des immer schwächer werdenden 
Athmungsgeräusches, nicht nur links, sondern auch rechts, des 
immer mehr gesteigerten eigeuthüinlichen Stridors, der zunehmen¬ 
den Abmagerung gesellten sieh Anfangs October d. J. zwei eigen- 
thiimliehe Erscheinungen. Die erste bestand darin, dass Patient 
während des Schluckactes eine Erstiekungsnoth bekam, welche 
ihn zwang, nach jedem »Schlucken, besonders eines festen Bissens, 
zu pausiren und mühsam sein Athmuugsbedürfuiss zu befriedigen, 
die zweite zeigte sich in blitzartig auftretenden Schmerzen in den 
unteren Extrendtäten. 

In der Nacht vom 3. zum 4. Nov. starb der Patient unter den 
fürchterlichsten Qualen der Erstickung. Die Obductiou ergab 
dieses Präparat. 

Die Einigen sind hochgradig emphysematisch, im Uebrigen 
aber gesund, die Schleimhaut der Bronchien ist stark hyperaemiseh 
und etwas gelockert. 

Die Ursache des über fünf Jahre sich erstreckenden Leidens, 
das zuerst als eine Magenerkrankung sich äusserte und erst iiu 
Laufe der Jahre auf eine Verengerung des luftzuführenden Ath- 
mungsrolires hin wies, ist hier dieses 10 zu 12 cm im Durchmesser 
haltende Aneurysma der Aorta descendens. Es beginnt an der 
Aorta dort, wo sie sich gerade mit ihrem Bogen über den linken 
Bronchus geschlagen hat, es liegt unmittelbar hinter diesem und 
war geradezu zwischen Herz und Wirbelsäule im hinteren Me- 
diastinalraum eingeklemmt. 

Der Aneurysmasack ist, wie Sie sehen, mit diesem kolossalen 
Fibringerinusel ganz ausgefüllt, so dass dasselbe einen getreuen 
Abguss des Innern des Sackes darstellt. Wenn ich nach Auf- 
klappen dos Sackes den Thrombus herausuehme. so sehen Sie, dass 
in demselben an seiner vorderen Fläche eine Rinne für den Blut 
ström frei geblieben ist. 

Alle Beschwerden, welche der Patient zeigte, sind in letzter 
Instanz durch den erst kleinen, aber immer mehr sich entwickeln¬ 
den und vergrösserndeu Tumor zu erklären. 

Der Magen zeigte makroskopisch keine Veränderungen, vor 
Allem keine Narben von etwa früher vorhandenen Magenge¬ 
schwüren. Die früheren Magenbeschwerden des Patienten, welche 
mit zwingender Nothwendigkeit auf ein Ulcus hinwiesen und -- 
da. der Tumor keine anderen Symptome machte — gar nicht anders 
gedeutet werden konnten, sind offenbar entstanden durch einen 
Druck des sich entwickelnden Tumors auf den linken Vagus. Sie 
sehen, wie dieser Nerv durch die (Jeschwulst vollständig zusammen¬ 
gedrückt, wie er auch bedeutend dünner ist, als sein rechter 
Partner. 

Der linke Vagus verläuft bekanntlich in der Brusthöhle mit 
der Carotis communis zum Arcus aortae. tritt vor denselben und 
dann hinter den linken Bronchus, um an der vorderen Fläche der 
Speiseröhre weiter zum Durchtritt durch*« Zwerchfell zu ziehen. 
Zwischen dem linken Bronchus und der (Jeschwulst war der Nerv 
also vollständig eingeklemmt. Der erstere ist ganz platt gedrückt, 
wie eine Säbelscheide, so dass man nur mit einiger Kraft ver¬ 
mittels des Fingers, den man in ihn von der Luftröhre aus ein¬ 
bohrt, die platten Wände von einander entfernen kann. Auch der 
rechte Bronchus ist schon sehr verengt durch das Wachsthum des 
Tumors, so dass dem Patienten kein genügender Athmungsweg 
mehr blieb. 

Die Magenbeschwerden (Schmerzen, Erbrechen) und die ob- 
jectiven Befunde am Magen «Ilyperacidität» sind offenbar zurück¬ 
zuführen auf den Reiz, den der erst noch kleine Tumor auf den 
linken Vagus ausübte. Später trat wohl eine Lähmung und Func¬ 
tionsuntüchtigkeit ein, welche sich aber nicht auf den Recurrens 
erstreckte; so weit reichte eben der Tumor nicht, um eine Lähmung 
dieses Nerven, der sich ja links um den Aortenbogen herumschlägt, 
zu Stande zu bringen. 

Der Bronchialkatarrli war ein Stauungskatarrh, denn der 
Tumor drückte auch auf die Lungenvenen; das Emphysem ist er¬ 
klärt durch die Aufblähung der Lungen in Folge von Unfähigkeit 
derselben, den Exspirationsstrom durch die verengte Passage des 
Luftrolires hindurchzutreiben. 

Der Oesophagus verläuft an der Stelle des Sitzes des 
Tumors noch an der rechten Seite der Aorta. Sie sehen, wie er 
durch denselben nach rechts verlagert ist und zwischen Tumor 
und rechtem Bronchus geradezu eingeklemmt liegt. Dadurch kam 
es, dass der ratient in der letzten Zeit beim Essen, besonders beim 
Verschlucken fester Bissen, Erstickungsanfälle höchsten Grades 
zeigte. Wenn der Bissen an der Stelle der Speiseröhre anlangte, 
die zwischen Tumor und rechtem Bronchus liegt, dann wurde 
dieser letztere erst recht zusammengepresst, denn der Tumor 
konnte nicht mehr ausweielien, da er fest gegen die Wirbelsäule 
lag. So ging beim Schluckact dem Patienten die letzte noth- 
dürftigste Luftpassage verloren. 

Die oben erwähnten blitzartigen Schmerzen in den Unter¬ 
extremitäten endlich werden erklärt durch die Reizung der hin¬ 
teren Rüekenmarksstrünge, denn das Aneurysma hatte die linke 
Hälfte der Wirbelkörper des 111. und IV. Brustwirbels vollständig 
usurirt, so dass hier das Periost und au einer Stelle die Pia frei lag. 

Herr Lenzmann- Duisburg: Zur Nachbehandlung ope- 
rirter chronischer Stirn- und Kieferhöhleneiterungen. 

M. II.! Uns Allen ist bekannt, wie langwierig die Nach¬ 
behandlung der chronischen Eiterungen der Stirn- und Kiefer¬ 
höhlen sein kann. Monate- und jahrelange Nacheiterungen der 
Ilöhlenschleimhaut sind nichts Seltenes, so dass die Methoden, 
welche eine möglichst ausgiebige Freilegung und totale Entfer¬ 
nung der erkrankten Schleimhaut bezwecken, immer mehr An¬ 
wendung finden. 

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In der letzten Zeit habe ich bei meinen Fällen von Stirn- und 
Kieferhöhleneiterungen nach Eröffnung der Höhlen eine Behand¬ 
lung eingeschlagen, welche dem Eitemngsprocess derselben be¬ 
deutend abzukürzen mir geeignet erscheint und welche Ihnen dess- 
halb zur Nachprüfung empfohlen sei. 

Ich will von vornherein bemerken, dass meine Erfahrung mit 
der neuen Behandlungsmethode noch nicht auf genügend zahl¬ 
reichen Fällen beruht, als dass ich ein endgiltiges Urtheil abgeben 
könnte, dass auch weiter — wie ich glaube — meine Behandlung 
nicht in allen Fällen die Radicaloperation ersetzen kann: die 
5 Kieferhöhlen- und 2 Stimhölileneiterungen aber, welche ich nach 
meiner Methode behandelt habe, verliefen so auffallend rasch — 
durchweg in 2 bis 3 Wochen — zur Heilung, dass ich schon jetzt 
glaube, zu einem im Allgemeinen günstigen Urtheil über meine 
Behandlungsmethode berechtigt zu sein. 

Dieselbe besteht darin, dass ich, nachdem ich in Chloroform¬ 
narkose die eiternde Höhle augebohrt und durch Ausspülung das 
Secret entfernt habe, in jene strömenden Wasserdampf einlasse, 
eine Behandlungsweise, welche unter der Bezeichnung Atmokausis 
(«/^uoU «s= Dampf, Autotf Brennen, Verbrennen) in die Gynä¬ 
kologie n der jüngsten Zeit von Suegire w und P i n c u s ein¬ 
geführt wurde und welche von verschiedenen Seiten jetzt zur Be 
hundlung mancher Formen der Endometritis, der klimakterischen 
Blutungen, des putriden Aborts etc. mit Erfolg angewandt wird. 

Der Wasserdampf, welcher in einem zweckmassig und ge¬ 
nügend stark moutirten Kessel (zu beziehen vom Medicinischen 
Waarenhaus-Berliu oder der Firma Hahn & Löchel - Danzig» 
erzeugt wird, hat in demselben eine Temperatur von 105—112“ C. 
Ich leite ihn durch einen am Kessel angebrachten Schlauch ver¬ 
mittels dieses mit Gummi überzogenen Röhrchens aus Neusilber 
in die Höhle ein und lasse ihn 10—20 Secunden wirken. Dass 
durch feuchte Watte oder Gaze die Umgebung vor der Einwirkung 
des Dampfes zu schützen ist, versteht sich von selbst, ebenso ist 
es selbstverständlich, dass das eingefiihrte dampfleitende Röhrchen 
die Operatiousöftnung nicht hermetisch verscliliessen darf, damit 
neben demselben das warme, blutige Gondenswasser in die uuter- 
gelegte Watte abfiiesseu kann. 

Durch den Dampf, welcher in alle Buchten und Winkel der 
erkrankten Höhle eindringt, wird die eiternde Schleimhaut in ihrer 
oberflächlichen infiltrirten Schicht verbrüht, sie stösst sich nach 
einigen Tagen in kleinen Fetzen ab und so wird aus der soge¬ 
nannten pyogenen Membran eine reine Wundfläche, welche bald 
zur Vernarbung gelangt. 

Der Eiugrifr selbst wird in Chloroformnarkose ausgeführt, 
die Nachschmerzen sind nicht grösser, wie bei einer Operation 
ohne Atmokausis. Die weitere Nachbehandlung besteht in Offen- 
halten der Operatiousöffnnng vermittels eines Nagels und in täg¬ 
lichen Ausspülungen mit steriler physiologischer Kochsalzlösung. 

Meine Resultate sind bis jetzt so nur tallend günstige bezüg¬ 
lich der Dauer des Heilungsvorganges, dass ich die Behandlungs¬ 
methode weiter verfolgen werde und sie Ihnen zur Nachprüfung 
nur empfehlen kann. 

I) i s e u s s i o n : Herr Hopmann hält das geschilderte 
Verfahren als ein pr obntoris c li e s Heilmittel für annehmbar, 
spricht aber auf Grund der von ihm bei zahlreichen bretteu Auf- 
meisseluugen der Gesichtshöhlen, besonders auch der Highmors- 
hölile, erhobenen Befunde seine Ueberzeugung dahin aus, dass die 
Mehrzahl der chronischen Empyeme durch heisse Dämpfe nicht 
zur Ausheilung gebracht werden kann. 

Herr Röpke bemerkt, dass das Verfahren sicher nicht bei 
den Fällen angewandt werden könne, die mit Siebbeinzelleneim- 
rimgen complieirt sind und bei denen die Oberkieferhöhle zugleich 
das Abflussrohr für die Siebbeinzellcneiteruug bildet. 

Herr Lenz m a n n : Ich habe auch nicht behauptet, dass 
nun jede Radicaloperation überflüssig werden würde. Wenn z. B. 
eine Erkrankung der Siebbeinzellen die Höhleneiterung complieirt. 
so wird die Freilegung der erkrankten Partien selbstverständlich 
uothwendig sein. Ich möchte aber doch hier jetzt schon die An¬ 
sicht aussprechen, dass wir in der Anwendung der Atmokausis ein 
Mittel besitzen, welches geeignet ist, in vielen Fällen den Verlauf 
der Nachbehandlung wesentlich abzukürzen und unter Umständen 
auch die Radicaloperation (Weguieisselung der ganzen vorderen 
Wand und Entfernung der erkrankten Schleimhaut) zu ersetzen. 

Herr Keller fragt den Vortragenden, ob nicht wenigstens 
für die ersten Stunden nach Application der Dämpfe eine schmerz¬ 
hafte Reaetion eintrete, Schwellung der Wange oder dergl. Bis 
jetzt ist nichts derart beobachtet worden. 

Herr Moll thellt eine Beobachtung mit, die die Beziehungen 
zwischen Nase und weiblichen Genitalien betrifft. Bei einer Pa¬ 
tientin wurde ein Empyem längere Zeit mit Durchspülungen von 
Formaldehydlösung vom Processus alveolaris aus behandelt und 
schien fast geheilt zu sein. 

Plötzlich wurde die klare Flüssigkeit trübe, eiterartig und 
sogar foetid; nach ungefähr 10 Tagen wurde die Absonderung 
unter Anwendung derselben Lösung wieder klar und geruchlos; es 
fanden sich nur ein Paar Schleimflocken im Wasser; nach 
3 Wochen wurde die Flüssigkeit wieder trübe. 

Es wurde nun klargestellt, dass jedesmal beim Eintreten der 
Menstruation die eitrige Absonderung sich wieder einstellte; es 
ist dies die einzige derartige Beobachtung, die Moll machte. 

Herr Schmithuisen: Grosses Tuberculom im Nasen¬ 
rachenraum mit Nekrose von Theilen des Keil- und Hinterhaupt¬ 
beines. 

Tuberculöse Tumoren des Nasenrachenraumes sind als selten 
zu bezeichnen. Professor K o e n i g thut Ihrer in einem Buche 


Original frorri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


517 


keine Erwähnung. Von Dr. Seifert sind im Handbuch für 
Laryngologie und Rhinologie mehrere Fälle aus der Literatur der 
letzten Jahre zusammengestellt. Das Tuberculom von Hajek 
sass der hinteren Fläche des weichen Gaumens auf, das von 
Tonton beschriebene ging breit vom Septum uasi aus. K o 
schier beobachtete zwei grosse tuberculöse Geschwülste, von 
der Schleimhaut des Rachendaches ausgehend. Der von A v e 11 i s 
beschriebene Tumor drang bis unter das Velum vor. 

Mein Fall betraf einen 45 jährigen Schlosser St. aus Kreuzau. 
Er ist hereditär nicht belastet, war nie geschlechtlich krank, hat 
5 gesunde Kinder. Seine Frau hat keinen Abortus gehabt. 

Er ist nie ein starker Mann gewesen, erfreute sich aber immer 
einer guten Gesundheit, bis er in den letzten 2 Jahren mit dem 
Halse zu schaffen bekam. 

Er erkältete sich leicht und wurde zeitweise heiser. Im letzten 
Jahre traten Schluckbeschwerden hinzu; die Nasenathmung wurde 
immer mehr behindert. Starke Kopfschmerzen benahmen ihm den 
Schlaf lind machten ihn arbeitsunfähig. Aus Nase und Rachen 
föetide Absonderung. Die Untersuchung ergab einen der hinteren 
Rachenwand aufsitzenden Tumor von dunkelrother Farbe mit 
Intacter Schleimhaut, oberhalb des Gaumensegels an Dicke zu¬ 
nehmend, den ganzen Raum ausfüllend und die Choanen lteinahe 
vollständig verschliessend. Man hatte im Rachen das Bild einer 
aufsitzenden Doppelsohle am Stiefel. Zwischen der glatten Ge¬ 
schwulst und den beiden seitlichen Rachenwänden verblieb eine 
kleine gleichmässige Rinne. Die geschwulstförmige Erhebung 
war auf der Wirbelsäule beweglich. Der Zunge gegenüber war die 
Rachenschleimhaut normal. Nach unten ging sie ebenfalls in eine 
hügelige Verdickung über bis zum Oesophaguseingang. 

Beim Abheben des welchen Gaumens fliesst Eiter ab und 
zeigt sich noch oben eine schmutzige Rinne, den oberen Theil des 
Tumors in zwei gleiche Theile tlieilend. 

Die Nackendrüsen waren nicht zu fühlen. Nur die linke Sub- 
maxillardrüse war geschwollen. 

Ferner bestanden Strumaschwellungen vorne und an der 
rechten Seite des Halses. 

Bei obigem Befunde musste man zunächst an Sarkom und 
Carcinom denken, wie es vor mir auch schon einige Collegen ge- 
than hatten. In diesem Sinne wurde er auch an Professor 
B a rdenlieue r verwiesen, welcher Jod verordnete. 

Syphilis musste auch in Betracht gezogen werden. 

Ein zur Sicherstellung der Diagnose» herausgeschnittenes 
Stück wurde von Herrn Professor D i n k 1 e r an dem hiesigen 
Louisenhospital untersucht und ergab Riesenzellen und Tuberkel¬ 
bacillen. 

Ich rasirte die ganze Geschwulst im oberen Theile ohne er¬ 
hebliche Blutung ab. Nun kam die Ueberraschung. 

In der oben beschriebenen Rinne sah man eine schwarze Masse 
und bei der Soiulirung kam man in eine lange Höhle und fühlte 
muhen Knochen. Ich ging nun mit einem Löffel durch die Nase 
an der mittleren Muschel vorbei und ttel nur so in die Keilbein¬ 
höhle. Dies Häuflein von Knochenstiickeu brachte ich zu Tage. 
Der grössere ist in seiner Form als dem Hinterhauptbein an¬ 
gehörig zu erkennen. Diese ausgedehnte Knochennekrose machte 
mich in der Diagnose stutzig. Ich dachte an die Möglichkeit einer 
Doppelinfection und zwar so. dass sich auf dem ursprünglich syphi¬ 
litischen Knochenherde eine tuberculöse Invasion in der Umgebung 
etablirte. Ich wurde zu dieser Annahme gedrängt durch die That- 
sache, dass ich bei meinem nicht kleinen Beobachtungsmaterial 
von Nasen tuberculöse wohl zuweilen Usur der Knochen, aber nie 
ein nekrotisches Knochenstück gesehen habe. Ich liess den Pa¬ 
tienten, der sich sichtlich erholte und von seinem Leiden befreit 
glaubte, schmieren. Die Cur blieb ohne jeden Erfolg, bekam ihm 
schlecht, so dass ich bald davon Abstand nahm. 

3 Monate nachher ist der Patient an allgemeiner Phthise rasch 
zu Grunde gegangen. Wahrscheinlich hat bei dem langen Bestehen 
des Herdes vom Nasenrachen aus eine Invasion in die Mediastinal- 
drüsen stattgefunden und ist von hier aus die tödtliche ARgernem- 
infection erfolgt. Wir haben also den Tumor, sowie die aus¬ 
gedehnte Nekrose als rein tuberculöser Natur anzusehen. Die 
gleichzeitige Nekrose am Keil- und Hinterhauptbein Ist bis jetzt 
bei einem Tuberculom des Nasenrachenraumes noch nicht be¬ 
obachtet worden. 

Ob eine primäre tuberculöse Knochenerkrankung vorliegt 
oder die Schleimhaut zuerst erkrankt war, darüber lassen sich nur 
Vermuthungen aufstellen. Die Möglichkeit der ersteren ist jeden¬ 
falls nicht von der Hand zu weisen, da Hinterhaupt und Keilbein 
entwicklungsgcschichtlich Wirbelkörper darstellen und diese häufig 
von primärer Tuberculöse befallen werden. Ebenso sehen wir an 
allen übrigen Gesichts- und Schädelknochen gelegentlich Tuber¬ 
eulose mit Necrose auf treten. 

Ausser dem vorgetragenen Falle beobachtete ich noch 3 Tu¬ 
bereulome au der hinteren oberen Rachenwand, aber von bedeutend 
kleinerem Umfang. Die Patienten, alle in den mittleren Jahren 
stehend, wurden davon gehellt und leben noch. Zwei waren mit 
Naseutul erculose vergesellschaftet, die Diagnose machte keine 
Schwierigkeit. Der 3. Fall war von bekannten Berliner Aerzteu 
dem Herrn Dr. Feibes in Aachen zur Inunctionscur überwiesen. 
Nach (> wöchentlicher vergeblicher Cur wurde ich zugezogen, ln 
der Höhe des Zäpfchens auf steigend fand sich ganz in der Mitte 
der hinteren Rachenwand eine halbkugelige Erhebung, deren Spitze 
wie abgeknppt schien. Die Stelle des Defectes war kein Ulcus 
und schien auch von Epithel bekleidet. Die Untersuchung eines 
grösseren ausgeschnittenen Stückes ergab Tuberkel und einige 
Bacillen. Das Tuberculom wurde abgetragen und es erfolgte Hei- 

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lung. 4 Jahre vorher hatte derselbe Patient eine locale Darmtuber- 
culose und war ihm von Dr. II a h n in Berlin ein 12 cm langes 
Stück Dann resecirt worden. 

Tubereulome und Syphilome werden in der Hals- und Nasen¬ 
gegend nicht immer sicher unterschieden werden können. Die 
mikroskopische Untersuchung wird häufig zu Hilfe genommen 
werden müssen. Doch kann man im Allgemeinen sagen, dass bei 
zerfallenem Ulcus auf infiltrirtem Grunde die Syphilis immer eine 
grössere Mischinfection aufweist: das Ulcus ist schmutziger, das 
Gewebe tiefer mortificirt als das tuberculöse. 

D i s c u s s i o n : Herr L ü n e n b o r g : Einen ähnlichen 
Fall, wie der von Herrn Collegen Lenzma n n demonstrirte, 
beobachtete ich als Assistent des Herrn Sanitiitsrathos II o p - 
m a n n, der sich des Patienten jedenfalls noch erinnern wird. Es 
handelte sich damals (im Jahre 1801) um einen ca. 45jälirigen, 
sehr kräftig gebauten Mann mit pfeifendem Atlimungsgräusehe 
und ziemlich starker Cyanose des Gesichtes. Durcli die Unter¬ 
suchung liess sich nur ein mässiger Kehlkopf- und Bronchialkatarrh, 
sowie erhebliches Emphysem nachweiseu. Es wurde die Tracheo¬ 
tomie gemacht, jedoch ohne dicAthmung zu erleichtern. Ungefähr 
8 Tage darauf ging der Patient plötzlich und unerwartet an einer 
starken Haemoptoe zu Grunde. Die Section ergab ein in die 
Trachea durchgebrochenes Aortenaneurysma. Das Aneurysma 
hatte bei Lebzeiten des Patienten durch Druck auf den untersten 
Theil der Trachea die Stenose und das consecutive Emphysem her¬ 
vorgerufen. 

Herr Keller hatte die Gelegenheit, den Fall längere Zeit 
schon zu beobachten, bevor derselbe in die Behandlung von Soli m. 
überging. Es bestand damals eine taubeneigrosse Geschwulst an 
der rechten Pharynxseite mit geringer Schwellung der rechts¬ 
seitigen Halslymphdriisen; Schlucken etwas erschwert. Auf längere 
Jodkalibehandlung schwand der Tumor ganz, jedoch entwickelte 
sich in verhültnissmüssig kurzer Zelt die Nasenrachengeschwillst, 
deren weiteren Verlauf der Vortragende schilderte. Vielleicht lag 
doch eine Lues zu Grunde- zu welcher später die tuberculöse 
Affection hinzutrat. 

Herr Hopmann hält ebenfalls eine spätere Ansiedelung der 
Tuberculöse auf syphilitischer Grundlage hier nicht ausgeschlossen 
und erinnert bezüglich der auf mikroskopische Untersuchung basir- 
ten Unterscheidung von nicht zerfallenen Gummis und Tubercu- 
lomen auf die nahe histologische Verwandtschaft beider Bildungen. 

Tertiäre Geschwülste des Nasenrachenraumes bezw. der Nase 
operirt er, auch ohne dass Zerfall vorliegt, unter gleichzeitiger 
Anwendung grosser Jodkaliumdosen und hat von dieser Be¬ 
handlung immer die besten Erfolge gesehen. 

Herr Lenzmann: Ich muss dem Collegen Hopman n 
beistimmen, dass es Symptome von Lues gibt, welche nur auf Jod¬ 
kali reagiren, und nicht auf Quecksilber. Dazu rechne ich vor Allem 
die im sogen, tertiären Stadium auftretenden Neuralgien. Ich habe 
sowohl Trigeminusneuralgien, wie ischiatische Schmerzen be¬ 
obachtet. welche erst dann wichen, als grosse Dosen Jodkali ge¬ 
geben wurden. Die Schmiereur war in diesen Fällen ohne Erfolg. 

Moses- Köln. 


(Verein für innere Medicin zu Berlin siebe S. 521.) 

Berliner Briefe. 

Erhebungen über die Verbreitung der Geschlechtskrank¬ 
heiten. — Blätter zur Bekämpfung des Curpfuscherthums. — 
Das TJmlagerecht der Aerztekammern. — Die Infectionsclausel 
ir den Dnfallversicherungspolicen. — Schulärzte. 

Das Reichsseuchengesetz, dessen Entwurf jetzt veröffentlicht 
ist, lässt unsere einheimischen Volksseuchen, wie Tuberculöse und 
Syphilis, unberücksichtigt; dagegen ist zur Bekämpfung der vene¬ 
rischen Krankheiten von der Staatsregierung eine Enquete ein¬ 
geleitet worden, welche einen Ueberbliek über die Verbreitung 
dieser Krankheiten geben soll. Für die dazu nothwendigen sta¬ 
tistischen Erhebungen ist dem Minister die Mitwirkung der 
Aerztekammern zugesagt worden, und dementsprechend ist dieser 
Tage jedem Arzt des Bezirks eine Zählkarte zugegangen, auf der 
nach einem sehr einfachen Schema aiiziigobeu ist, wie viele ge- 
schleehtskranke Patienten in der Zeit vom 1. bis 30. April bei dem 
betreffenden Arzt in Behandlung gestanden haben. 

Die ganze. Gruppirung zerfällt in männliche und weibliche 
Patienten und in die 3 Rubriken: Gonorrhoe nebst Folge¬ 
zuständen, Ulcus molle, Syphilis [a. primäre und sccundüre, 
b. tertiäre]. Es ist nicht zu verkennen, dass ein so einfaches 
Schema einen schnellen und sicheren Dein r bl ick- gibt, aber anderer 
seits wird man sich zu vergegenwärtigen haben, da*s das Ergebniss 
dieser Zählung kein wirkliches Bild von der Verbreitung der 
venerischen Krankheiten geben wird. Die Neigung der Ge¬ 
schlechtskranken, von einem Arzt zum andern zu wandern, ist 
bekannt, sei es, dass er mit Wissen oder auf Wunsch des zuerst 
behandelnden einen Specialarzt eonsult irt, sei es, dass er das¬ 
selbe hinter dessen Rücken thut oder überhaupt alle 14 Tage 
seinen Arzt wechselt. Diese Erfahrung wird so häufig gemacht, 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



518 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


dass man oft schon bei der TTebernahme der Behandlung mit der 
That sache rechnet, dass man nicht der erste und nicht der letzte 
Arzt des Patienten in dieser Krankheit ist. 

Es wird somit, nicht zu vermeiden sein, dass eine ganze An¬ 
zahl venerisch Erkrankter doppelt und mehrfach gezählt werden, 
zumal da auch für die Fälle, wo die Zuziehung eines underen 
Arztes bekannt ist, eine Rubrik für eine diesbezügliche Ein¬ 
tragung fehlt. Schwerer als die doppelt Gerechneten fällt aller¬ 
dings die Zahl der gar nicht Gezählten in’s Gewicht. Im wei¬ 
teren Verfolg ihres Wandertriebes fallen die Patienten früher 
oder später in die Hände der Ourpfuscher, und nur wenige von 
ihnen kehren wieder in ärztliche Behandlung zurück. Auf diese 
Weise wird aber ein grosser Theil der Geschlechtskranken jeg¬ 
licher zahlenmässiger Schätzung entzogen. Es zeigt sich hierbei 
wieder einmal die verderbliche Wirkung der Curpfuschert.hätig- 
keit. Wie soll eine Volksseuche erfolgreich bekämpft werden 
können, wenn schon der erste vorbereitende Schritt hierzu, die 
statistische Erhebung über ihre Ausbreitung, durch das Cur- 
pfuscherthum illusorisch gemacht wird. Dieses ist eben mit die 
schwerste Volksseuche; sie verschlingt die meisten Opfer, aber 
zu ihrer Ausrottung oder Einschränkung ein Gesetz zu erlassen, 
fehlt der Regierung der Wille und den ärztlichen Standesorganen 
die Macht. 

Was bisher von behördlicher oder privater Seite zur Be¬ 
kämpfung der Curpfuseherei versucht wurde, hat wenig oder 
nichts geholfen; jetzt wird ein neues Kampfmittel in Foim eines 
eigenen Organs, „Blätter zur Bekämpfung des Curpfuscher- 
thums“ versucht. Die Zeitschrift wird von zwei Collegen redi- 
girt und soll alle 14 Tage erscheinen. Sie gehen von dem Ge¬ 
danken aus, dass die wilde Medicin ihre Verbreitung zu einem 
wesentlichen Theil der Propaganda verdankt, welche mit Hilfe 
des gedruckten Wortes für sie gemacht wird; und da sie in der 
politischen Tagespresse zupi Theil Anhänger findet, zum Theil 
nur sehr lau bekämpft wird, so sollen die „Blätter“ dazu dienen, 
Material zu sammeln, durch welches die Gemeingefährlichkeit 
des Curpfuscherthums erwiesen wird, und dieses nicht nur Aerz- 
ton, sondern auch Laien immer wieder vor Augen zu halten. Es 
soll also die Curpfuseherei mit einer Waffe bekämpft werden, 
die sie selbst, wie man anerkennen muss, mit Erfolg zu führen 
versteht. 

Mit Befriedigung wurde die Entscheidung des Kriegs¬ 
ministers aufgenommen, dass die ä la suite des Sanitätscorps 
stehenden Universitätslehrer und Privatärzte bezüglich des ac- 
tiven und passiven Wahlrechts nicht als „Militär- und Marine¬ 
ärzte“ im Sinne der Verordnung von 1899 anzusehen, sondern 
den Privatärzten gleich zu setzen sind, mit noch grösserer Be¬ 
friedigung die an diese Entscheidung geknüpfte Bemerkung des 
Oberpräsidenten, dass die bezeichnete Gruppe von Aerzten, so 
weit sie an erster Stelle als Privatärzte tliätig sind, auch der 
Jurisdiction der staatlichen Ehrengerichte unterstehen. Gerade 
die Ausnahmestellung, die den beamteten und Militärärzten in 
dem Gesetz angewiesen wurde, war es, welche den heftigsten 
Widerspruch gegen das Gesetz selbst hervorgerufen hatte, und 
durch die ministerielle Entscheidung werden wenigstens die 
Aerzte, für welche die Zuständigkeit des Ehrengerichts nach dem 
Wortlaut des Gesetzes zweifelhaft erscheinen konnte, demselben 
Gericht unterstellt wie ihre Collegen, mit. denen der Beruf sie 
alltäglich in Berührung bringt. Aber auch den entschiedensten 
Gegnern der staatlichen Ehrengerichtsbarkeit war ein Abschnitt 
des erlassenen Gesetzes fast ausnahmslos willkommen und sym¬ 
pathisch, das ist der über das Umlagerecht der Aerztekammern. 
Die praktische Ausführung dieses Rechtes wird jetzt in den Ver¬ 
einen viel discutirt, und dabei zeigt es sich, dass diese. Ange¬ 
legenheit. von sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus ange¬ 
sehen werden kann. Es ist. logisch, dass der für eine abge¬ 
schlossene. Berufseiasse geschaffenen Besteuerung, also gewisser- 
maassen einer Gewerbesteuer, nur dasjenige Einkommen unter¬ 
worfen werden kann, welches aus diesem „Gewerbe“ gewonnen 
wird, aber es ist nicht zu verkennen, dass eine solche auf das Ein¬ 
kommen aus der Praxis beschränkte Steuer nur sehr wenig er¬ 
giebig ausfallen lind zur Deckung der nothwendigsten Bedürf¬ 
nisse nur dann ausreichen würde, wenn die Steuerquote eine 
recht hohe ist, so hoch, dass sie die mit Glücksgütern sonst nicht 
gesegneten Oollegen allzusehr belasten würde. Darum findet im 
Allgemeinen der Gedanke mehr Anhänger, dass das Gesammt- 

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einkommen, auch das aus Privatvermögen, der Besteuerung unter¬ 
worfen werde. Wir sind eben in Wirklichkeit nicht Gewerbe¬ 
treibende, sondern Berufsgenossen, die mit allen ihren Mitteln 
und jeder Einzelne nach seinem Können für einander eintreten 
sollen. Aus demselben Grunde wird auch der Modus der progres¬ 
siven Besteuerung als der geeignetste angesehen, wenn auch von 
einzelnen Seiten geltend gemacht wird, dass einerseits die Ermitt¬ 
lung des richtigen Einkommens mit Schwierigkeiten verbunden, 
andererseits es Manchem unangenehm ist, wenn dem lieben Nach¬ 
bar seine materiellen Verhältnisse bekannt sind. Es fehlt daher 
nicht an Stimmen, welche nicht nur einen gleichmässigen 
Proccntsatz, sondern einen gleichen Steuerbetrag für alle Aerzte 
event. unter Befreiung der niedrigen Einkommen, befürworten. 
Allein auch in diesem Falle müsste die Quote hoch gegriffen 
werden und also für Viele drückend sein, da ja die bedeutenden 
Einkommen unter den Aerzten leider selten sind. Es werden sich 
wohl Wege finden lassen, um über die genannten Schwierig¬ 
keiten hinwegzukommen und wenn sie auch in einzelnen Fällen 
vorhanden sein sollten, so fiele doch die Ungerechtigkeit weit 
mehr in’s Gewicht, die darin läge, den jungen Anfänger in 
gleicher Weise zu den Standeslasten heranzuziehen wie den in 
der Praxis aurea ergrauten und begüterten Collegen. 

Wie auch immer die Entscheidung über diese Fragen aus¬ 
fallen mag, die Umlage wird für’s Erste nur die Mittel ergeben, 
um der dringenden Noth, in die ein Arzt geräth oder in der er 
seine Hinterbliebenen zurückgelassen hat, zu steuern. An eine 
auch nur annähernd ausreichende Versorgung, wie sie etwa den 
Pensionsverhältnissen der Beamten entspricht, ist dabei nicht zu 
denken. Es wird daher bis auf Weiteres Sache des Einzelnen 
sein, durch private Versicherung für seine Hinterbliebenen oder 
für die Zeiten eigener Erwerbunsfähigkeit zu sorgen. 

In letzterer Beziehung, bei der Unfallversicherung, ergaben 
sich für die Aerzte nicht selten Schwierigkeiten, wenn sie in 
Folge einer Infection arbeitsunfähig wurden. In wie weit, eine 
Infection ein Unfall ist, war nicht genau präcisirt. Die ent¬ 
standenen Streitigkeiten führten zur Aufnahme der Bestimmung 
in die Police, dass auch Blutvergiftungen in Folge äusserer Ver¬ 
letzungen unter den Begriff des Unfalls fallen. Eine äussere 
Verletzung nachzuweisen, ist aber nicht immer möglich, auch 
wenn sie schon aus theoretischen Gründen als vorhanden an¬ 
genommen werden kann. Nach längeren Verhandlungen wurde 
daher die Aufnahme der sogenannten Moria n’schen Clausei 
durchgesetzt, nach der die Gesellschaft auch für die Folgen 
einer acuten oder chronischen Infection haftbar ist, wenn die¬ 
selbe zu einer unbedeutenden Haut Verletzung, einer Schramme 
oder Schrunde, gleichviel aus welcher Ursache sie entstanden 
sein mögen, hinzutritt; doch muss das vorherige Vorhanden¬ 
sein derselben durch eidesstattliche Versicherung nachgewiesen 
sein. Diese letztere Bedingung aber ist häufig nicht zu erfüllen; 
denn wenn auch der Sachverständige häufig nicht zweifeln wird, 
dass eine Infection nur erfolgen konnte, wenn eine Hautver¬ 
letzung bestanden hat, so kann doch die Eingangspforte so mini¬ 
mal sein, dass der Betroffene sie nicht bemerkt hat, also auch 
nicht in eidesstattlicher Versicherung behaupten kann. Ja das 
wird sogar die Regel sein, denn wer eine Hautverletzung an sich 
wahrnimmt, wird sich von infectiösen Stoffen fern halten. Die 
Schwierigkeiten dieser Frage sind nun durch anerkennenswerthes 
Entgegenkommen einer grossen Unfallversicherungsgesellschaft, 
der Kölnischen, gelöst. In ihren Policen lautet der betreffende 
Passus: „In den Versicherungsvertrag sind alle localen oder all¬ 
gemeinen Infectionskrankheiten, z. B. Blutvergiftung, Syphilis. 
Tubereulose, Rotz, Hundswuth u. s. w. und deren Folgen einge¬ 
schlossen, bei denen der Ansteckungsstoff durch äussere Ver¬ 
letzungen (gleichviel, in welcher Weise und wann dieselben ent¬ 
standen sind) also nicht durch die natürlichen Eingangspforten 
in den Körper gelangt sind.“ Diese Form entspricht allen billigen 
Forderungen und kann als mustergiltig angesehen werden. Sie 
gab daher dem Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen 
Standesvereine Veranlassung, an alle grösseren Unfallversiche¬ 
rungsgesellschaften das Ersuchen zu richten, den bei ihnen ver¬ 
sicherten Berliner Aerzten (und weiterhin würde das auch für 
alle anderen Aerzte Geltung haben) die Infectionsclausel der 
Kölnischen Unfallversicherungsgesellschaft zu bewilligen. Es 
steht, wohl zu erwarten, dass die Gesellschaften diesen Wunsch er¬ 
füllen werden, so dass der weitere Beschluss des Geechäfts- 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



10. April 1900. 


MÜNCHEN KI? MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT. 


519 


ausschusses „im Falle der Ablehnung des Gesuches den Mit¬ 
gliedern der Standesvereine zu empfehlen, bei geeigneter Gelegen¬ 
heit den Vertrag mit der ablehnenden Gesellschaft zu lösen und 
einen solchen auf Grund der neuen Bedingungen mit der Köl¬ 
nischen abzuschliessen“, einer Verwirklichung nicht bedürfen 
wird. 

l)ie Schularztfrage hat sich nachgerade zu einem Schmerzens- 
kinde der Stadtverwaltung ausgewachsen. Als nach langwierigen 
Debatten und Commissionsberathungen endlich der Beschluss ge¬ 
fasst war, probeweise 20—24 Schulärzte anzustellen und einem 
Arzte nicht mehr als 4 Schulen zu überweisen, schien die Sache 
vorläufig erledigt. Bei der Etatsberathung entstanden jedoch 
wieder Zweifel darüber, ob der Beschluss so aufzufassen sei, dass 
20—24 Aerzte für je 1—4 Schulen oder ob für 20—24 Schulen 
Aerzte anzustellen seien. Der Magistrat musste sich daher noch¬ 
mals mit der Frage befassen und hat sich für die letztere Auf¬ 
fassung entschieden. Es wird der Stadtverordnetenversammlung 
empfohlen, die Anstellung von 10 Aerzten zu genehmigen, von 
denen jedem 2 Schulen übertragen werden. Die Aerzte sind be¬ 
reits von der Schuldeputatiou gewählt worden. Da Berlin ca. 230 
Gemeindeschulen besitzt, so muss dieser Versuch als ein äusserst 
zughafter bezeichnet werden. Doch ist vom Magistrat zugleich 
die Ansicht ausgesprochen, dass wenn die Einrichtung sich be¬ 
währen sollte, sie in wenigen Jahren auch auf die anderen 
Schulen ausgedehnt werden wird. K. 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 27. März 1900. 

Vorsitzender: Herr Kümmell. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr P1 u d e r demonstrirt 1) einen Fall von multipler 
Fibrombildung der Lippen und Wangenschleimhaut bei einer 
Kranken, deren Vater und Schwester die gleichen Geschwulst¬ 
bildungen In Gestalt theils polypöser, theils plateauartiger Wülste 
gehabt haben sollen. Histologisch handelt es sich um gefässreiche 
Fibrome. Die Aetiologie der seltenen Affection ist dunkel. 2) Einen 
Fall von Carcinom des linken Stimmbandes, das er auf dem 
laryngoskopischen Wege chirurgisch angreifen will. 

2. Herr F. Krause - Altona stellt einen Fall von operativ 
geheilter Epilepsie vor. 

Das erblich nicht belastete jetzt 22 jährige Mädchen hat im 
Alter von 2 Jahren eine schwere Gehirnentzündung überstanden. 
Im 4. Lebensjahre traten allgemeine Krämpfe auf, die weiterhin 
sich immer häutiger einstellten; sie sollen stets in der linken Ge¬ 
sichtshälfte, im linken Arm oder im linken Bein begonnen haben, 
blieben auf diese Theile beschränkt oder wurden allgemein. Nach 
den Krämpfen blieb das Bewusstsein oft stundenlang, später so¬ 
gar tagelang geschwunden. Das früher sanftmütliige Kind wurde 
widersetzlich und faul, allmählich trat eine geistige Zerrüttung 
ein, die bis zur vollkommenen Idiotie sich steigerte. Im letzten 
Jahre vor der Operation hatte die Kranke oft stundenlang an¬ 
haltende Zuckungen im linken Arm und in der linken Gesichts- 
hiilfte. Auch das körperliche Befinden hatte durch die Krämpfe 
stark gelitten. 

Am 7. Nov. 1893 wurde die Kranke aufgenommen. Bei dem 
kräftig gebauten Mädchen war der linke Arm und namentlich die 
linke Hand wesentlich schwächer als die andere Seite. Die Mus¬ 
keln waren atrophisch, Lähmungen bestanden nicht, ebenso wenig 
Sensibilitätsstörungen, Reflexe normal. Die Bewegungen der linken 
Hand und der Finger waren unsicher, ataktisch. Beim Beklopfen 
des Kopfes erwies sich die ganze rechte Kopfhälfte als schmerz¬ 
haft, sonst klagte die Kranke nur über geringen Kopfschmerz. 
Keine Stauungspapille; keine Hemianopsie, soweit letztere Unter¬ 
suchung bei der äusserst mangelhaften Intelligenz möglich war. 
Die Kranke erweckte den Eindruck einer Blödsinnigen. Neun Tage 
lang wmrden die Anfälle beobachtet. Sie dauerten etwa eine 
Minute, begannen zuweilen mit einem Schrei und hinterliessen 
vollkommene Bewusstlosigkeit. Die Zuckungen stellten sich zu¬ 
erst im linken Vorderarm und in der linken Hand ein, setzten sich 
dann auf den linken Oberarm, das linke Bein, zuletzt auf den 
ganzen Körper fort. Täglich 1—2 Anfälle. 

16. XI. 93. Operation in Chloroformnarkose. Nach Bestim¬ 
mung des Ortes der Centralfurche am rasirten Schädel wurde ein 
sehr grosser W a g n e r’sclier Lappen gebildet, dessen Basis über 
dem rechten Ohr, dessen Rundung nahe dem Sinus longitudinalis 
gelegen war. Die Dura mater wölbte sich stark vor, die Venen 
waren strotzend gefüllt. Nach Durchtrennung und Ablösung der 
Dura entlerte sich aus den Arachnoidealräumen klare Flüssigkeit 
in reicher Menge. Die vordere Centralwindung lag frei. Durch 
elektrische Reizung Hessen sich links sehr prompt Zuckungen im 
unteren Facialisgebiet und in der Schulter, sowie im Oberarm aus- 
lösen; dagegen waren das Centrum für das Bein und den oberen 
Facialis nicht zu erreichen. Die Punction des Gehirns mit einem 
mittelstarken Troicard entleerte etwa 300 cm wasserklarer seröser 
Flüssigkeit, ln den Punctionscanal wurde ein Drain eingeführt. Es 

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handelte sich offenbar um eine encephalitische Cyste. 
In den durch das Zurücksinken des Gehirnes zwischen diesem 
und dem Knochen entstandenen Hohlraum wurde ein Streifen Jodo- 
formgnze eingefühlt, dann der Haut-Knochenlappen zurück¬ 
gelagert und festgenäht. Die Wundheilung erfolgte ohne Störung, 
es traten keine Lähmungserscheinungen auf. 

Am 17. XI. 2 epileptische Anfälle wie vor der Operation; am 
19. machte die Kranke einen geistig regeren Eindruck, sie ant¬ 
wortete schneller und fragte viel. 20. XI. Jodoformgaze entfernt, 
27. XI. auch das Drain. 29. XI. beschäftigte sich die Kranke mit 
Lesen und Nähen, sie fing an das Einmaleins zu 
lernen, behielt die Zahlen gut und antwortete auch auf alle 
Fragen. 2. XII. war die Kraft der linken Hand stärker als vor 
der Operation. 9. XII. Krampfanfall von kürzerer Dauer, 13. XII. 
typischer Anfall wie vor der Operation, 14. XII. zwei Anfälle, 
16. XII. ein Anfall, 19. XII. mit geheilter Wunde entlassen. In der 
letzten Zeit hatte mit den Anfällen die geistige Entwicklung wieder 
erhebliche Rückschritte gemacht, bei der Entlassung war die 
Kranke ebenso blöde, wie vor der Operation. Es fehlten aber die 
Zuckungen im linken Arm. 

Nach der Entlassung traten nur noch zw r ei Anfälle auf, einer 
nach 8 Tagen, der andere nach 3 Wochen; seitdem ist die Kranke 
bis heute, also 6 y 4 Jahre, völlig frei von Anfällen und Zuck¬ 
ungen geblieben. Während im December 1893 sich der geistige 
Zustand wieder verschlechterte, trat vom Januar 1894 an eine 
rasche und dauernde Besserung ein. Das Mädchen beschäftigt sich 
jetzt wie eine Gesunde mit häuslichen Arbeiten, liest Zeitungen 
und leichtere Zeitschriften (z. B. die Gartenlaube), geht In’s Theater 
und in Gesellschaften und nimmt daran regen Autheil. Die Mutter 
rühmt sie als sauber und ordentlich, als „sehr bedachtsam“ in 
jeder Beziehung, als willig und gehorsam. Das Mädchen erweckt 
den Eindruck einer mittelbegabten, etwas langsam denkenden, aber 
geistig durchaus normalen Person. Körperlich ist sie blühend 
gesund. Von nervösen Störungen stellt sich zuw r eilen ein leichtes 
Kribbeln im linken Handteller für einige Augenblicke ein; der linke 
untere Ast des Facialis ist paretisch, was aber nur beim Lachen 
in die Erscheinung tritt. Die linke Hand ist wesentlich kräftiger 
geworden, die früher atactischen Bewegungen werden jetzt genau 
so ordentlich wie von der anderen Hand ausgeführt. Allerdings ist 
der Druck der linken Hand immer noch schwächer als der der 
rechten. 

II. Herr L. Voigt: Die neuen Impfbestimmungen. Er¬ 
läuterungen zu den neuen Vorschriften, die vor Kurzem in Kraft 
getreten sind. 

In der Discussion wird auf Herrn ünna’s Anfrage die 
Frage ventilirt, ob an Ekzem leidende Kinder von der Impfung 
zurückgestellt werden. Herr V o i g*t ist auf Grund einer aus¬ 
gedehnten Erfahrung der Ansicht, dass Ekzemkinder sich nicht 
zur Impfung eignen und man zur Vermeidung eventueller Impf¬ 
schäden besser thut, die Heilung des Ekzems vorher anzustreben. 

III. Herr E. Eraenkel: Demonstrationen über Abdomi¬ 
naltyphus mit dem Projectionsapparat. 

Einleitend gibt F. statistische Belege für die Abnahme der 
Typhusmortalität in den letzten Jahren. In den letzten 7 Jahren 
(zusammengerechnet) ist die Typhusmortalität im Eppendorfer 
Krankenhause nicht so gross, wie im Jahre 1889. F. demonstrirt 
Mikrophotogramme von Typhusbacillen mit Geisselfärbung, sowie 
in Schnitten von Milz, Mesenterialdrüse, Leber (sogen. Lym¬ 
phom), Roseolen etc. Werne r. 


Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 8. Februar 1900. 

Vorsitzender: Herr Hirsch. 

Herr Bleucke hält einen Vortrag: lieber orthopädische 
Apparate und deren Anwendung, mit Demonstrationen. 

Er theilt die Apparate in Reductions-, Retentions- und Er¬ 
satzapparate ein und demonstrirt, nachdem er die einzelnen For¬ 
derungen, die man an diese, sowie an die orthopädischen Apparate 
überhaupt stellen muss, besprochen hat, zunächst ein Hessing’- 
sches Stoffcorset, gedenkt dabei Hessing’s und. seiner Ver¬ 
dienste um die Apparatotherapie, tritt aber zugleich auch den 
falschen Ansichten, die sich um H.’s Hamen gebildet haben, ent¬ 
gegen, dass nämlich er es gewesen sei, der eine vollkommen neue 
Aera auf diesem Gebiet herbeigeführt habe und dass es ihm nur 
allein möglich sei, derartige Apparate exaet und gut sitzend zu 
arbeiten. Auch Corsete aus Celluloid und Hornhautleder zeigt 
der Vortragende, diese will er bei schwereren Skoliosen und bei 
der Spondylitisbehandlung angewendet wissen. Er betont aus¬ 
drücklich, dass es genug Fälle von Skoliosen gäbe, bei denen man 
ohne Corsete mit einer anderen geeigneteren Behandlung sehr 
wohl zum Ziele komme, dass aber auch auf der anderen Seite bei 
schwereren Fällen dieselben unentbehrlich seien. Sie dürften aber 

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520 


MÜNCHENER MEDIOIN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


nie als einziges Heilmittel angesehen werden. Immer müsse man 
ausserdem noch geeignete Gymnastik und Massage verordnen. 

Sodann kommt B. auf die Behandlung der Spondylitis zu 
sprechen und empfiehlt im tioriden Stadium der Erkrankung die 
Anwendung des Gipsbettes und später nach Ablauf dieses den 
l "ebergang zur ambulanten, d. h. zur Corsc-tbehandlung und zwar 
mit Corseten aus starrem Material, die noch in gewissen Fällen 
mit einem Jurymast, bezw. mit einer Hoff a’sehen oder II e u s - 
n c Eschen Cravatte versehen werden müssen. 

Ferner demonstrirt der Vortragende dasselbe Stoffcorset mit 
sogen. Trochanterbügeln, das er bei der Nachbehandlung gewisser 
Fälle von congenitalen Hüftluxationen anwendet, oder bei älteren 
oder bei solchen Patienten, bei denen eine Operation aus irgend 
einem Grunde nicht gerathen erscheint oder bei solchen, bei denen 
die Eltern dieselbe nicht zulassen. Heilen lassen sich mit solchen 
Apparaten diese Leiden nicht, wohl aber mit der Loren z’schen 
bezw. Hof f a’schen Operation, Methoden, auf die dann der Vor¬ 
tragende noch mit einigen Worten näher eingeht. 

Nachdem dann Bl. noch eine von H o f f a angegebene Bauch¬ 
binde, die analog dem unteren Thoile des Stoffcorsets gebaut ist, 
gezeigt hat, kommt er auf die orthopädischen Apparate der 
unteren Extremitäten zu sprechen, hält für die besten die sogen. 
Schienenhülsenapparate und hebt deren Vorzüge gegenüber den 
alten Gurtbandagen hervor. Er wendet dieselben bei den Gelenk¬ 
tubereulosen der unteren Extremität an, bespricht die guten Re¬ 
sultate, die man mit diesen Apparaten erzielen kann, auch wenn 
sich bereits Deformitätsstellungen entwickelt haben, und 
empfiehlt bei dieser Methode trotzenden Erkrankungen die Opera¬ 
tion. Um Deformitäten beseitigen zu können, bedarf es natürlich 
noch verschiedener Vorrichtungen, die je nach dem Fall und je 
nach der Deformität an dem Apparat in geeigneter Weise an¬ 
gebracht werden müssen. So z. B. demonstrirt Bl. Vorrichtungen 
zur Beseitigung der Flexions-, Ab- und Adductionsstellungen im 
Hüftgelenk, der Flexionsstellungen im Kniegelenk u. a. m. und 
demonstrirt an Patienten, wie leicht und schnell, wie gut und wie 
bequem letztere beseitigt werden können. 

Bl. zeigt dann noch eine ganze Reihe anderer Apparate, die 
man in leichten Fällen von Genu valgum, bei Schlottergelenken, 
bei paralytischen Deformitäten etc. anwendet und kommt dann 
noch zum Schluss auf die Annoncen von Nichtärzten in der medi 
einischen Fachliteratur zu sprechen, in denen den Patienten auch 
die „Heilung der schwersten Deformität“ „ohne Operation, ohne 
Bettliegen“ versprochen wird. Es sei dies einfach nicht möglich 
und nicht wahr, da weitaus die grosse Mehrzahl der Deformitäten 
nicht durch Apparate, sondern nur durch die Operation beseitigt 
werden könne. 

An der i) i s c u s s i o n bethciligt sich II ei necke, der d *n 
Vortragenden fragt, ob er den congenitalen Klumpfuss auch mit 
Apparaten behandle. 

B 1 e n <■ k e ivdressirt den Klumpfuss. macht bei schweren 
Fällen die Tenotomie und tixirt das erreichte Resultat durch einen 
(lohgipsverband; später gibt er «‘inen von Stoff eonstruirten Ap¬ 
parat zur Nachbehandlung. 

Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht.) 

Wien, 7. April 1900. 

Zwei Aerzte als Kläger. — Triste Zustände in unseren 
Kinderspitälern. — Mittel zur Abhilfe. — Oesterreichisches 
Aerztekammerblatt. — Typhus in Wien. 

Ein Proeess, der Ende der Vorwoche vor den Wiener Ge¬ 
schworenen stat t fand und in welchem zwei Aerzte, der Primär¬ 
arzt Dr Josef Heim und dessen Assistent Dr. Fritz Melzer, 
einen Schriftsetzer auf Ehrenbeleidigung klagten, nahm einen 
wahrhaft sensationellen Verlauf und bildete sogar den Vorwurf 
fiir Leitartikel der politischen Tagesblätter. Besagter Setzer 
hatte eine Broschüre verfasst und in 15 000 Exemplaren verbreiten 
lassen unter dem Titel: „Zur Warnung für Eltern!“ Opfer der 
Wissenschaft!“ In dieser Broschüre wurden die obgenannten 
Spitalärzte, sodann die Einrichtungen des St. Joseph-Kinder- 
spitales, die Behandlung und Pflege daselbst in einer Weise ge¬ 
schildert, dass die Aerzte und Pflegerinnen als roh und gewissen¬ 
los hingestellt und dass dem Publicum von der Einwirkung des 
Heilserums bei Diphtheritis wahrhaft«. Schauergeschichten er¬ 
zählt wurden. Der angeklagte Schriftsetzer war Gründer und 
Herausgeber eines Familienbla t tos für Naturheilkunde, die 

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klagenden zwei Aerzte hielten daher dafür, „dass mit der inerimi- 
nirten Broschüre die Naturheilkunde gegen die Wissenschaft, 
gegen die staatlichen Einrichtungen und gegen die graduirten 
Aerzte einen Verstoss wage, der sich mit der Verletzung ihrer 
Ehre bloss zufällig verknüpft habe.“ 

Es ist nicht lange her, dass das Publicum durch gerichtlich 
constatirte Fälle von Misshandlungen armer wehrloser Kinder 
seitens der Eltern bis in’s Innerste erregt wurde. Als nun in 
diesem Processe neuerdings eine grosse Reihe von Zeugen auf- 
marsehirte, deren Kinder im genannten Spitale und von den ge¬ 
nannten Aerzten und geistlichen Pflegerinnen angeblich roh 
behandelt wurden, da waren mit einem Male die Aerzte nicht 
mehr die Kläger, sondern die Angeklagten, auf welche die ganze 
Wucht der mit heuchlerischem Pathos vorgebrachten Beschwerden 
niederging. Man denke bloss: Einen Gummikeil habe man den 
Kindern behufs Untersuchung in den Mund gesteckt; die Lüftung 
sei sogar mit Oeffnung der Fenster (nicht bloss der Ventilation) 
erfolgt, so dass die armen Kleinen froren; die Auskünfte über das 
Befinden der Kinder seien unzuverlässig gewesen; man habe oft 
erfahren, es gehe besser, während das kranke Kind an demselben 
Tage gestorben sei; man habe einer Mutter die Auskunft darüber 
verweigert, was ihr 4 Jahre altes Kind, bevor es im Spitale starb, 
gesprochen, verlangt, ob es nach Mama gefragt habe etc. 

Die Zeuginnen, zumeist Mütter verstorbener Kinder, weinten 
und schluchzten vor den Geschworenen, überhäuften die Aerzte 
noch jetzt mit Flüchen und Verwünschungen und so kam es, dass 
die 12 Volksrichter den Angeklagten von fast allen Anklagc- 
punkten frei sprachen und nur wegen des Vorwurfes, die Aerzte 
hätten desshalb die Herausgabe des todtkranken Kindes ver¬ 
weigert, weil sie wissenschaftliches Material für den Secirtisch 
haben wollten (!), mit 8 gegen 4 Stimmen als schuldig erkannten. 
Der geklagte Schriftsetzer wurde zu einer Geldstrafe von 50 fl. 
verurtheilt. 

Nach Ablauf des Processes kamen wieder allerlei Artikel über 
die Unzulänglichkeit unserer Kinderspitäler und die obligaten 
Interviews berühmter Kinderärzte. Professor Dr. Kassowitz 
rechtfertigte öffentlich die Anwendung der sog. Mundsperre, resp. 
des Mundkeils, die selbst der humanste Arzt zuweilen anwenden 
müsse, die er selbst sehr oft in Gebrauch gezogen habe. Das 
Oeffnen der Fenster in Krankenzimmern sei gewiss oft sehr ge¬ 
rechtfertigt; reine, wenn auch kühlere Luft, schade nicht. Die 
Kinder sollen mit der Decke geschützt werden. Natürlich müsste 
das Wartepersonal in ausreichender Zahl im Zimmer vorhanden 
sein. Dass man ein krankes Kind ausnahmsweise und für kurze 
Zeit in ein Bett legte, aus welchem eben ein anderes Kind ge¬ 
nommen wurde, dass eine Mutter mit ihrem kranken Kinde von 
»Spital zu Spital wandern musste, ohne Aufnahme zu finden, das 
falle nicht diesem Spitale, noch weniger diesen Aerzten zur Last. 
Die Gesammtheit (Staat, Land, Gemeinde) habe die Pflicht, durch 
Erbauung neuer Krankenhäuser und durch Erweiterung der be¬ 
reits bestehenden dieser Misere abzuhelfen. Unsere Kinder¬ 
spitäler (6 mit einem Belagraum von 506 Betten) werden nicht 
etwa vom Staate oder der Gemeinde erhalten, dieselben verdanken 
vielmehr der privaten Wohlthätigkeit ihre Entstehung und werden 
auch so erhalten. In allen diesen Spitälern sind in Folge der 
unzureichenden Geldmittel die Vorstände gar nicht, die Sub¬ 
alternärzte sehr kärglich bezahlt. Also mehr Aerzte, mehr Wärte¬ 
rinnen, alle besser bezahlt! Ausser dem leitenden Director sollte 
in jedem Spitale eiii älterer und erfahrener Arzt sesshaft sein, 
welcher einerseits das Wartepersonal fortwährend zu beauf¬ 
sichtigen in der Lage wäre, andererseits den jüngeren Aerzten 
durch sein Beispiel als Mensch voranleuchten müsste. Das hiezu 
erforderliche Geld müsste unbedingt aufgebracht werden. Soweit 
Professor Kassowitz. 

Für das Unhaltbare der Zustände mögen noch folgende 
Ziffern dienen: In Wien werden jährlich ca. 55 000, Kinder ge¬ 
boren, sterben jährlich 15 000 Kinder im Alter von 1—15 Jahren; 
es erkranken und sterben jährlich an Infectionskrankheiteil mehr 
als 25 000 Kinder. Und solchen Zahlen gegenüber steht die Zahl 
von 506 Betten in allen Kinderspitälem Wiens, sammt Poliklinik! 

Am 1. April erschien die erste Nummer des „Oesterr. Aerzte¬ 
kammerblatt“, amtliches Organ der österreichischen Aerztc- 
kammern. Vorläufig erscheint das Blatt am 1. und 15. eines jeden 
Monats. Herausgegeben von Dr. Franz Brenner in Brünn, be¬ 
theiligen sich jetzt die Kammern von Kämthen, Krain, Mähren 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




10. April 1000. 


521 


MÜNCH KN KR MKDICINISCHR WOCHENSCHRIFT. 


(deutscher Antheil), Niederösterreich (ausser Wien), Salzburg, 
Schlesien und Deutsch-Tirol an dem Erscheinen desselben. Den 
Inhalt des Blattes sollen bilden: Die Verlautbarungen der 
Kammern an ihre Aerzte; die Berichte über die Sitzungen der 
Kammern; die Bericht© über die Verhandungen der Kammertage; 
ausführliche Berichte und Abhandlungen über Standesfragen; 
Erlässe und Entscheidungen, Ausweis über freie Stellen, ver¬ 
schiedene Mittheilungen. Die uns vorliegende Nummer ist gut 
ausgestattet. 

Der niederösterreichische Landessanitätsrath beschäftigte 
sich in seiner jüngst abgehaltenen Sitzung mit der Frage des 
häufigeren Auftretens des Typhus in Wien. Die sofort vorge- 
nommencn Untersuchungen schliessen jeden Verdacht einer Ver¬ 
unreinigung des Wiener Trinkwassers aus. Auch die bisherigen 
Untersuchungen der Milch und anderer Nahrungsmittel lassen 
dieselben vorläufig als Infectionsquellen ausschliessen. Die 
Nachforschungen werden fortgesetzt und besondere Aufmerksam¬ 
keit dem Lande und der Einfuhr von Lebensmitteln aus ver¬ 
dächtigen Gegenden zugewendet werden. Aelmliche vorüber¬ 
gehende Steigerungen der Zahl der Typhuserkrankungen wurden 
wiederholt, und ganz besonders 1883 und 1893 (December 143 
Fälle) beobachtet. Für die Krankenaufnahme ist vorläufig in den 
Spitälern vorgesorgt, doch dürfte, da der Krankheitscharakter 
einen längeren Aufenthalt in den Spitälern bedingt, eventuell die 
Gemeinde für die Unterbringung dieser oder anderer sich häufen¬ 
der Fälle von Infectionskrankheiten herangezogen werden müssen. 


Verein für innere Medicin in Berlin 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 2. April 1900. 

Der grösste Theil der Sitzung ist ausgefüllt von der ordent¬ 
lichen Generalversammlung mit ihren geschäftlichen Angelegen¬ 
heiten. Die wichtigste derselben ist die vor einem halben Jahre 
beschlossene und ausgeführte Ueberführung der Bibliothek 
des V e r e i n s in ein eigenes Heim. Durch die Lage des¬ 
selben (Schönebeiger Ufer 11) und die Einrichtung des Dienstes 
ist mit diesem Institut in dankenswerther Weise dem Bedürfnisse 
der im Westen Berlins wohnenden Aerzte nach einer Bibliothek 
Rechnung getragen. 

Demonstrationen. 

Herr v. Leyden: Einen 41 jährigen Mann, der in Folge 
einer Hemiplegie aphasisch geworden ist, aber trotzdem im Staude 
ist, Lieder zu siugen, und zwar nicht bloss die Melodie, wie 
dies mehrfach beschrieben ist. sondern auch den Text. Im ge¬ 
wöhnlichen Besprach ist er nicht im Staude die kurz vorher ge¬ 
sungenen Worte nuszusprechen. 

Herr Paul Meyer: Einen Kranken mit Achylia gastrica. 
Behandlung desselben mit dem von P.a w 1 o w in Petersburg ein¬ 
geführten reinen Magensaft. Derselbe wird in Petersburg 
schon in grösserem Maassstab nach folgender Methode herge- 
stellt: Einem Hunde wird der Oesophagus quer durehtrenut und 
die beiden Enden in die Hautwunde eingenülit; darauf Gastrostomie. 
Wenn nun der Hund frisst, so fallen die Speisen durch die Haut¬ 
wunde aus dem oberen Ende des Oesophagus wieder heraus, ohne 
in den Magen gelangen zu können; nichtsdestoweniger erfolgt 
eine ausgiebige Absonderung vom Magensaft, der durch die 
Magenwunde abfliesst und aufgefangeu wird. Er ist ganz klar 
und schmeckt leicht sauer. Der curative EfFect ist im vorliegenden 
Falle gut. Viel fache Versuche von französischer Seite sprechen 
ebenfalls dafür. Meyer stellte gleichzeitig Stoff Wechsel versuche 
an seinem Kranken an, welche normale Ausnutzung des Fettes, 
aber Herabsetzung der Stickstoffresorption ergaben. Seine Be¬ 
schwerden hatten vor der Behandlung lediglich in D u r c li - 
fällen bestanden. Jetzt, nach der Behandlung, Gewichts¬ 
zunahme. 

Herr Paul Jakob: Mittheilung des Herrn Prof. M a ri¬ 
ll e s c u über die Veränderungen von Pyramidenzellen im Verlauf 
der Paniplegie. (Demonstration.) H. Ko liu. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Soci6t6 mSdicale des hopitaux. 

Sitzung vom 1(1. u u d 23. Februar 1900. 

Klinische Zeichen der Schmerzen beim Aneurysma. 

H u c h a r d hat einen Kranken beobachtet, der mit einem 
Aortenaneurysma behaftet war, welches lange Zeit unbemerkt ge¬ 
blieben war; Pat. litt 4 Jahre hindurch an sehr heftigen Schmerzen 
bn 9. u. 10. 1. Zwisclienrippenraum (Intercostalneuralgie). Bei ge¬ 
nauer Untersuchung bemerkte H. in einem 2. Fall ein Aneurysma der 
Bauchaorta, auf welches seine Aufmerksamkeit durch die heftigsten 
Schmerzen am Oberschenkel gelenkt worden war. Ersterer Pat. 
war auch Syphilitiker und seit mehr als 4 Jahren war bei den 
Acrzten die ständige Diagnose: hartnäckige Intercostalneuralgie. 

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H. bespricht sodann die Diät bei Patienten mit Aneurysma, wobei 
es vor Allem auf die Qualität der Getränke und Speisen an 
komme und Alles zu vermeiden sei, was die Gefässspannuug ver¬ 
mehre. Fette Suppen, Fleischsaft, Wildpret, Seefische, Fleisch- 
conserven, Käse u. s. w. sind zu vermelden, Milchdiät entweder 
ausschliesslich (3—4 Liter pro Tag) oder gemischt (mit Gemüsen, 
Eiern, Früchten, besonders Trauben, wenig oder kein Fleisch) an¬ 
zuordnen. In weniger wie einem Monat haben bei ersterwähntem 
Patienten nur unter dieser Diät die arterielle Spannung bedeutend 
abgenommen, der Aneurysmasaok sich deutlich zurückgezogen 
und die Schmerzen aufgehört. Jodkali konnte wegen völliger 
Intoleranz des Patienten gegen Jod nicht gegeben werden. 

Ileudu, Lion, Gaillard und Bayern berichten über 
eine Reihe ähnlicher Erfahrungen wie II ucha r d. In dem Falle 
von H a y e m hatte das lange Zeit nicht erkannte' Aneurysma sein- 
heftige Magenschmerzen verursacht und die Diagnose irre ge¬ 
führt; der Kranke starb plötzlich. 

Die E r n ä h r u n g der T y p li u s k r ankon war der 
Gegenstand einer ausführlichen Discussiou; nach der Ansicht der 
meisten Redner sollen Milch und Bouillon die llauptuahnmgs- 
mittel, kalte Bäder das wichtigste therapeutische Mittel sein. In 
der Dosis von 3 Litern wird Milch iiu Allgemeinen gut vertragen 
und ist auch eine genügende Nahrung; wird sie. was sein* selten 
ist. nicht gut vertrügen, so kann mau zu Bouillon, zu Fleischgelöe 
greifen (Vi d ab. 

Ueber die Cacodylsäure und deren Anwendungsart. 

Da lebe hat das Natr. caeodyl. in Pillenform angewandt 
und bis zu 7,5 cg gegeben, ohne dass Zufälle eiutrateu; er wählte 
Kranke, deren Verdauiingsapparat und Nieren in tuet waren. Eine 
gewisse Zahl der Patienten haben rasch an Gewicht zugenommeu. 
Bei den Tuberculöseu hat D. keine Besserung der stethoskopisclien 
Symptome coustatirt, jedoch in einigen Fällen eine beträchtliche 
Gewichtszunahme und Besserung des Allgemeinbefindens; bei 
anderen jedoch hat sich die Krankheit verschlimmert, ohne dass 
eine Intoleranz für das Mittel vorhanden war. In der Privat¬ 
praxis hat I). bessere Resultate erzielt als in der Spitalpraxis. In 
vielen Fällen war die hypodermatische Einverleibung vorzuzielien; 
bei den meisten der Kranken der Harnstoff beträchtlich vennehrt. 
I). scliliesst seine mit einer Reihe von Fällen belegten ausführ¬ 
lichen Darlegungen mit der Ueberzeuguug, dass das Natr. caeodyl. 
in vielen Fällen wirklichen Nutzen bei der Lungentuberculoso 
stiften kann, besonders wenn es möglich ist, gleichzeitig alle 
strengen hygienischen und anderen therapeutischen Vorschriften 
zu befolgen. 

H a y e m und D a n 1 o s halten es für besser, das Natr. 
caeodyl. liypoderma tisch einzuverleiben. Letzterer gab bei Psoriasis¬ 
kranken auf diese Weise täglich 0,4 und sogar 0,8 cg. ohne Zufälle 
zu erleben. G a 11 i a v d hingegen, dessen Erfahrungen bei Lungen- 
tiiberculose ähnliche sind wie die I) a 1 c li (Vs, konnte per os 0,2 
bis 0,4 cg ohne Schaden geben. Merklen bestätigt auf Grund 
eines Falles, dass zur Toleranz des Mittels Leber und Nieren in 
gutem Zustande sein müssen. 


Aus den englischen medicinischen Gesellschaften. 

Leeds and West Ei ding Medico-Chirurgical Society. 

Sitzung vom 2. Februar 1900. 

Anzeigepflicht bei Phthise. 

S.Cameron empfiehlt die Einführung einer solchen Anzeige- 
Pflicht als sehr nützlich. Die dagegen erhobenen Einwände seien 
hinfällig. Eine Verletzung des Berufsgeheimnisses sei leicht zu 
vermeiden, indem man sich die wohl selten versagte Genehmigung 
des Patienten erwirke. Späterhin werde wohl die Tubereulose 
in dieser Hinsicht dieselbe Ausnahmestellung einnehmen wie 
Typhus und andere Infectionskrankheiten. Der Werth der An¬ 
zeige sei ein vielfacher: 1. es kann daun vom Amtsarzt die peri¬ 
odische Desinfection der vou Phthisikern bewohnten Räume vor- 
genonnnen werden. 2. Es wird auf diese Weise eine gewisse Iso- 
lirung von besonders virulenten Fällen ermöglicht. 3. Der Amts¬ 
arzt ist in der Lasre. auf Abbestellung von etwaigen iusauitüren 
Zuständen in der Wohnung hinzuwirken. 4. Das Publicum wird 
über die Uebertragbarkeit des Leidens allmählich immer mehr auf¬ 
geklärt. 5. Es ist Gelegenheit geboten, den Modus der Infection 
kennen zu lernen. Praktische Erfahrungen hat man in dieser Hin¬ 
sicht ln der Stadt Carlisle gemacht, wo wenigstens ein gewisser 
Procentsatz der Fälle gemeldet werden. 

Ni ve n berichtet über die Martssregeln. welche in dieser Hin¬ 
sicht seit September vorigen Jahres in Manchester getroffen sind, 
bei den in diesem Zeitraum gemeldeten 500 Fällen. Nachdem der 
ärztliche Beirath zuerst die nöthigen Anweisungen gegeben hat, 
wird die weitere Controle und Beihilfe von weiblichen Inspeetoren 
geleistet. Bei wenigstens der Hälfte der Fälle konnte man eine 
Uebertragungsgelegenheit nachweisen. 

Epidemiological Society. 

Sitzung vom 16. Februar 1900. 

Arbeiterwohnungen. 

Hope schildert die diesbezüglichen Verhältnisse in Liver¬ 
pool und bespricht eingehend die Schwierigkeiten der Frage. Es 
Kind dort, namentlich in Folge der getroffenen gesetzlichen Be¬ 
stimmungen während der letzten 15 Jahre nicht weniger als 4500 
ungesunde „HofWohnungen“ abgetragen und durch sanitäre Go- 

Original fro-m 

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522 


MÜNCHENER M ED IHN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


1 müde ersetzt worden. Immerhin bleiben dort noch <*n. 5000 der¬ 
artige Behausungen übrig. Dieselben bestehen meist aus 3 über¬ 
einander gebauten Stuben, welche durch Treppen oder Leitern ver¬ 
bunden sind. Trotz aller Bemühungen der Behörden, sanitär 
bessernd einzugreifen, beobachtet man hier Mortalitätsziffern von 
40 Ins (50. sogar 75 Prorn.. während in den neuen, von der Stadt er¬ 
richteten Wohnungen die Zahl etwa 21 bis 22 l’rom. betrügt. Die¬ 
selben sind zu 1 bis 4 Zimmern eingerichtet, sind durchaus hygie¬ 
nisch und ergeben immerhin eine Verzinsung des Capitals zu 2»4 
bis 4V'> Proe. Weitere noch verbesserte Anlagen sind in Aussicht 
genommen. 

S. M nrpliy sieht den Grund der angeführten Verminderung 
der Sterblichkeit mehr in den persönlichen Gewohnheiten der Be¬ 
wohner (Trunksucht, Verwahrlosung der Säuglinge) als in den 
SanitätsVerhältnissen der Wohnungen. 

Willoughby empfiehlt die Vermeidung eines jeglichen 
Luxus (Tapeten) bei Berücksichtigung der Gose'ze der Ileinbchke’t, 
Hygiene und des Anstandes für Proletarierwohnnngen. Dieselben 
dürfen dem reichlicher verdienenden Handwerker oder auch nur 
dem besser gestellten Arbeiter nicht begehrenswerth erscheinen. 

Philipp!- Bad Salzschlirf. 


Verschiedenes. 

Den elektrischen Ileissluftapparat zur localen 
Behandlung von Gicht. Gelenkrheumatismus, Ischias etc. empfiehlt 
angelegentlichst L i n d e m n n n - Helgoland-Hamburg (Therap. 
Monatsh.,3, 1000). Die Vortheile desselben gegenüber den durch 
Spiritus und Gasflammen geheizten Heissluftapparaten bestehen in 
der absoluten Trockenheit. Reinheit., genauen Regulirbarlceit der 
durch elektrische Heizkörper erzeugten heissen Luft. Tempera¬ 
turen von über 100° O. werden in dem Apparat leicht ertragen, an 
den Händen wurde in einem Falle eine Temperatur von 105° G. 
ohne Beschwerden zu verursachen angewandt. Nach der An¬ 
wendung der Hitze muss eine kurze Abkühlung der erhitzten Par¬ 
tien durch Douche folgen. Der Apparat ist zu beziehen von Leo¬ 
pold Marcus’ Nachf., Hamburg, Ifflandstr. 47. Kr. 

Erfolg der Impfung auf Portorieo. Fnter dem 
stolzen Titel: „Vaccinating a nation“ veröffentlicht George 
G. G r o f f in Medical News. 25. November 1800. den Bericht über 
die Resultate der von den Vereinigten Staaten verfügten und durch 
das Sanitätscorps der Occupationsnrmee mit Hilfe der ein¬ 
heimischen Aerzte durchgeführten Zwangsimpfung auf Portorieo, 
woselbst die Blattern seit Jahrzehnten endemisch waren. Die 
Kosten dieses Verfahrens betrugen 32 000 Dollars, innerhalb 
3 Monaten wurden 700 000 Personen geimpft; seit Beginn der 
Impfung. Januar 1890, war kein Fall von Blattern mehr vorge¬ 
kommen. F. L. 

Therapeutische Notizen. 

Otitis externa. Zur Beliandung .der Furunculose des 
äusseren Gehörgamrs wird von Laman, Oxel und Müller 
in der Revue de Ther. Med.-Chir. vom 1. August 1800 folgende 
Methode empfohlen: Der Gehörgang wird zunächst mit einer Lysol¬ 
lösung (20 Tropfen auf ein Glas Wasser) ausgespritzt und dann 
mittels einer Sonde ein cylindriseher Wattetampon, welcher durch 
wiederholtes Erwärmen und nachfolgendes Eintauchen in folgende 
Sa Ibencom position: 

Rp.: Zino. oxvd ‘ 3.0 
Aeirl. carbol 0.5 
Vaselin alb. ad. 30 0 
m. f. ugt. 

genügend durebtriinkt ist. in denselben eingeführt Die erste Ein¬ 
führung ist ziemlieli schmerzhaft, umsomehr als der Tampon einen 
gewissen Druck ausüheu soll. Hat der Schmerz nach 3 Minuten 
noch nicht nachgelassen, ist ein Tampon von geringerem Durch¬ 
messer einzuführen. Derselbe soll nicht über den äusseren Gehör¬ 
gang hinausragen und ist nach 24 Stunden zu entfernen, das Ohr 
wiederum auszuspritzen und ein neuer Tampon, aber von ge¬ 
ringerem Volumen einzuführen. In ca. 90 Proc. der Fälle genügt 
eine dreimalige Wiederholung dieser Procedur. F. L. 

Blepharitis m a r g I n a 1 i s. C a r r a empfiehlt das 
Schwefelsäure Antimon zur Behandlung der Liderkrankungen und 
zieht dasselbe wegen seiner schmerz- und reizlosen Wirkung d m 
Mercur- und Ichthyolpräparaten vor. Er verwendet dasselbe in 
folgender Form: 

Rp • Antimon sulf 5 0 
Vaselin flav. 10.0 
Lanolin ad. 30 0 
m. f. ugt. 

Abends die Augenlider damit einzureiben. Morgens mittels 
eines in warmes Wasser getauchten Gazebausches abzuwischen. 
(Medical News. 30. December 1899.) F. L. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 10. April 1900. 

— Das preussische Staatsministerium hat. oftieiöseu Nach¬ 
richten zu Folge, beschlossen, einem Antrag auf Zulassung 
«1 e r A b i t u r tont e n d e r R c a 1 g y m n a s i e n z u m Stu¬ 
dium der Medici n zuzustimmeu unter der Bedingung, dass 

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diese im Lateinischen den Anforderungen genügen, welche an die 
Abiturienten an den humanistischen Gymnasien gestellt werden. 
Feber die Zulassung der Abiturienten der Realgymnasien zu an¬ 
deren Studien, namentlich dem juristischen, soll kein entscheiden¬ 
der Beschluss gefasst worden sein . Da vorauszusehen ist, dass 
lTeusscn mit seinem Votum im Bundesrnthe durchdringen wird, 
so wird wohl bald zur Thatsache werden, was seit Dccennien vom 
ärztlichen Staude einmiithig bekämpft wurde, dass die Pforten 
der medicinischen Faculläten sich den Abiturienten der Realgym¬ 
nasien öffnen. Weiche Folgen dieser Schritt für den ärztlichen 
Stand haben wird, ist nicht abzusehen. 

— Mit Bezug auf die neuen Verordnungen zum Vollzug 
d e s I in p f g e s e t z e s werden wir darauf aufmerksam gemacht, 
dass auch die betreffenden Verordnungen Badens und Sachsens 
die dem § 3, Abs. 2 der bayerischen Verordnung gleichlautende 
Bestimmung enthalten, dass ..jeder Arzt, welcher das Impfgeschäft 
privatim oder öffentlich ausüheu will, den Nachweis darüber zu 
erbringen hat, dass er mindestens drei öffentlichen Iwpfungs- 
und ebensovielen Wiederimpfungstenninen beigewohnt und sieh 
die erforderlichen Kenntnisse über Gewinnung und Erhaltung der 
Lymphe erworben hat“. Fnsere auf Grund eines Vergleiches mit 
der betreffenden preussischen und Hamburger Verordnung, wo 
ein solcher Passus fehlt, ausgesprochene Befürchtung, dass diese 
Bestimmung eine Eigenthiimliclikeit der bayerischen Verordnung 
sein möchte, bestätigt sich somit nicht. Die qu. Nachweise wurden 
sogar, was den meisten bayerischen Collegen unbekannt sein 
dürfte, in einer ganzen Reihe von Bundesstaaten, so in Sachsen, 
Württemberg, Baden u. a. schon bisher auf Grund der 
Bundesrathbeschlüsse vom 18. Juni 1885 gefordert. Allerdings 
erfuhr die Fassung des betreffenden Bundesrathsbeschlusses, die 
mit dem oben eitirten § 3. Abs. 2 der bayerischen Verordnung 
gleichlautend ist, in einigen Staaten eine Abmilderung. So 
war in Sachsen der Nachweis nur „auf Erfordern dos 
Bezirksarztes“ beizubringen; in Mecklenburg wurde er nur von 
solchen Aerzten verlangt, die bis dahin das Impfgeschäft im Iu- 
lande noch nicht ausgeübt hatten, dies aber von da an aiisüben 
wollten; in Reuss ä. L. waren nur diejenigen Aerzte zu dem Nach¬ 
weis verpflichtet, die die ärztliche Praxis im Fürstentlimn erst 
n a c li dem Erlass der Verordnung begannen. In Preussen aller¬ 
dings ist der Nachweis von schon approbirten Aerzten überhaupt 
nicht verlangt worden. Die Stellung Preussens zu dem Bundes- 
rathsbeschluss gellt aus der nachstehenden Stelle eines Rund¬ 
schreibens des Reichskanzlers vom 21. Juli 1890 (Guttstadt, 
Deutschlands Gesundheitswesen, 1891, II. Theil, S. 272) hervor: 

„Was die Frage anlangt, in welcher Weise der unter No. 7 1b 
des Bundesrathsbeschlusses vom 18. Juni 1885 erforderte Nachweis 
der Theilnahme an Impfterminen und der Kenntnisse über Gewin¬ 
nung und Oonservirung der Lymphe zu erbringen ist. so liat die 
Königlich preussische Regierung dahin Anordnung getroffen, dass 
die Studirenden während des Impf Unterrichts zu Impfteminen zu- 
gezogen werden und entsprechende Zeugnisse erhalten, während 
die bezeielmeten Kenntnisse mit zum Gegenstände der ärztlichen 
Prüfung gemacht werden. Zu diesem Behufe ist in Preussen Für¬ 
sorge getroffen, dass die mit dem Unterricht in der Impfteclmik 
betrauten akademischen Lehrer zu Impfiirzten bestellt werden, 
wodurch dieselben die Möglichkeit erlangen, selbst Impftermine 
abzuhalten. 

Diese Maassregeln scheinen mir zweckmässig zu sein, da 
durch sie die Durchführung jenes Bundesrathsbeschlusses in ein¬ 
facher und wirksamer Weise sichergestellt wird.“ 

Hoffentlich ist es erreichbar, dass auf ähnliche Weise auch 
für Bayern der lästigen Bestimmung die rückwirkende Kraft 
genommen wird. 

— Der preussische Ehrengerichtshof wird folgendermaasse» 
zusammengesetzt sein: L e n t - Köln, K ö r n e r - Breslau. Lie- 
v i n - Danzig. L ö bker - Bochum: vom König ernannt: Bartels 
und Witte- Berlin: deren Stellvertreter: Becher- Berlin. 
Ende m a n n - Kassel, Landsberger - Posen , Sondier- 
Magdeburg: vom König ernannt: Sei borg und Strauch- 
Berlin. Pen Vorsitz wird der Dirigent der Medicinalahtheiluug 
des preussischen Cultusministoriums, Geh. Oberregierungsrath 
Pr. F ö r s t (* r und in dessen Behinderung der Geh. Regierung*- 
und Vortragende Rath in diesem Ministerium, Freusburg, 
führen. 

- - Zwischen der B e t r i e b s - K r a n k e n c a s s e d e r 
s ä c li s i s c li e n S t a n t s e i s e n b a li n e n in Dresden und 
de» dortigen Gassenärzteu ist es jetzt zu einer Eini¬ 
gung gekommen, indem sich der Cassenvorstaml einstimmig 
mit einem von den Vertretern der ärztlichen Bezirks- 
vereine unter Verzicht auf ihre weitorgehenden Forde¬ 
rungen neuerdings gemachten Vergleichsvorschlag einverstanden 
erklärt hat. Danach ist die Balincasse verpflichtet, den Cassvn- 
ärzten vom 1. Juli 1901 ab 1 M. für den Besuch in der Wohnung 
des Kranken lind 75 Pf. Kilometergebülir bei auswärtigen Be¬ 
suchen (in Ausnahmefällen auch 75 Pf. für den Sprechstunden - 
besuch und 1 M. Kilometergebühr) zu gewähren, doch soll sie be¬ 
rechtigt sein, falls es sieh herausstellt, dass die Casse das erhöhte 
Aerztehonorar nicht zu zahlen im Stande ist. vom 1. Juli 1902 ah 
wieder eine Ermässigimg der gedachten Sätze zu beanspruchen. 
Bis Ende Juni 1901 setzen die Aerzte ihre Thätigkeit zu den alten 
Bedingungen fort, und diejenigen Cassemirzte in Dresden, die ihr 
Amt niedergelegt haben, werden wieder eingestellt. 

- Die Oberbayerische Versicherungsanstalt hat durch Be¬ 
schluss vom 24. Februar d. Js. „die Febernahme von zwei Drittel 
der Kosten für Zahnersätze und Reparaturen, 

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10. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


528 


welche die Stumm* von 10 Mark übersteigen, im lTineip vorbehalt¬ 
lich der Würdigung und Bescheidung im einzelnen Falle genehmigt“. 

— Pest. Britiseh-Ostindien. ln der Stadt Bombay ver¬ 
stürben Im Monat Februar 24.‘37, dagegen in den 4 Woehen vorher 
h*2l Personen. Die Zahl der während des Monats Februar ge¬ 
meldeten Erkrankungen au Pest betrug in der Stadt Bombay 21)44; 
während der 4 unmittelbar vorher gegangenen Woehen waren 
deren 2324 gemeldet. Auch in der Stadt Kalkutta und im District 
Patna hatte die Pest im Laufe des Februar Fortschritte gemacht; 
in Kalkutta, woselbst iu der am 17. Februar endenden Woche 
199 Personen der Seuche erlegen waren, starben in den beiden fol¬ 
genden Wochen 201 und 441 Personen an der Pest und int District 
Patna. woselbst in der am 17. Februar endenden Woche 000 Per¬ 
sonen der Post erlegen waren, forderte sie in den beiden folgenden 
Wochen noch 1444 und 1382, zusammen 2820 Opfer. — Vereinigte 
Staaten von Amerika. Im Chinesenviertel von San Francisco sind 
laut einer Anzeige vom 24. März die Leichen von 3 Chinesen unter 
Anzeichen vorgefundeu, welche nach einer Erklärung des dortigen 
Gesundheitsamtes darauf sehliosseu lassen, dass Beulenpest die 
Todesursache sei. — Argentinien. Vom 10. bis 22. Februar sind in 
Rosario von der dortigen Ortsbehörde 3 Pest fülle und 2 verdächtige 
Erkrankungen verzeichnet worden. In Buenos Aires schien nach 
einer Mittheilung vom 14. Februar die Seuche erloschen zu sein. — 
Paraguay. Vom 3. bis 21. Februar wurden in Asuncion nach An¬ 
gabe des dortigen Nationalgesundlicitsraihs 4 Erkrankungen und 
4 Todesfälle an der Pest gemeldet hier letzte 'Todesfall mul die 
letzte Erkrankung am 17. Febriian. I de gegenwärtige Einwohner¬ 
zahl von Asuncion wird auf OtMH hi beziffert. — Neu-Caledonieu. 
Vom 5. bis 12. März sind in Xumea 2 Erkrankungen und 1 Todes¬ 
fall an der Pest zur Anzeige gelangt. V. d. Iv. G.-A. 

— In der 12. Woehe vom IN. 24. März 1900 hatten von 
deutschen Städten über 4000 Einwohner die grösste Sterblichkeit 
Borbeck mit 38,0, die geringste Mülheim a. Uh. mit 11.5 Todes¬ 
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Drittel aller 
Gestorbenen starb an Masern in München, an Scharlach in Duis¬ 
burg. 

— In der heutigen Nummer sind wir in der Lage, Briefe der 
beiden Aerzte der ersten deutschen A m b u I a n z des rothen 
Kreuzes nach Transvaal, Dr. II i 1 d e b r a u d t und Dr. Ktitt- 
ner, zum Abdruck zu bringen. Dieselben werden um so grösseres 
Interesse finden, als sic die ersten ärztlichen Mittheilungen vom 
südafrikanischen Krieg von burischer Seite bilden. Die Briefe 
zeigen, dass unseren College» dort grosse und schwer«* Aufgaben 
ztigefaJlen sind, die sic zur Ehre des deutsehen Namens gelöst 
haben. Dass die Ausrüstung und Thätigkeit der deutschen Am¬ 
bulanz eine mustergiitige ist, wurde bekanntlich auch von engli¬ 
scher Seite anerkannt, so von Lord K o b e r t s selbst, aber auch 
von MacCormac und anderen Aerzteu in ihren Berichten an 
englische Fachblätter. 

Von den neueren Nachrichten aus S ii d a f r i k a interessiren 
uns besonders das heftige Auftreten und Umsichgreifen epi¬ 
demischer Krankheiten unter den gefangenen Buren inSimonstown. 
Es scheint sieh um Abdominaltyphus. vielleicht auch um Fleck¬ 
typhus zu handeln. Viele Todesfälle sind bereits erfolgt. Es kann 
keinem Zweifel unterliegen, dass die Zusammenpferchimg der 
Gefangenen auf Schiffen die Ausbreitung solcher Krankheiten in 
hohem Maasse begünstigen muss. Es wäre eine Ehrenpflicht der 
englischen Behörden und Aerzte ihren Kriegsgefangenen gegen¬ 
über alle jene Maassnahmen zur Unterdrückung der Seuchen zu 
treffen, die sicher getroffen werden würden, wenn es sich um 
englische Truppen handeln würde. 

— Von Eulonburg’s Realeucy klop iidfe der ge¬ 
summten Heilkunde ist jetzt der 22. Band der 111. Auflage 
erschienen. Derselbe umfasst die Artikel „Schleimstoffe“ bis 
„Spirometrie“. Von hervorragenderen Arbeiten, au denen auch 
dieser Band überaus reich ist, neunen wir „Schultergelenk“ von 
Kirchhoff (an Stelle des* verstorbenen Gurlt); „Schwanger¬ 
schaft“ von Kleinwächter; „Scrofulose“ von A. B a - 
ginski und L. Bernhard; „Sepsis“ von v. Kahlde u; „Spiual- 
lähmung“ von liemak. Auch dieser Band ist reich illustrirt. 

— Von dem von G. Buschau hemusgegebenen Biblio- 
graphisolieu Semesterbericht der Erschein¬ 
ungen auf dem Gebiete der Neurologie und 
Psychiatrie (Jena, G. Fisch e r) ist soeben die 1. Hälfte des 
V. Jahrganges, 1899, erschienen. Der Band verzeichnet auf 223 
Seiten die gesummte einschlägige Literatur der ersten Hälfte des 
al»gelaufenen Jahres. Der Preis beträgt (> Mark. 

— „The Medical Review“ (Medical and Surgical Review of 
Reviews) nennt sich eine in London erscheinende Zeitschrift, 
welche sich zur Aufgabe stellt, zusammeuzufassen. was für den 
praktischen Arzt Wissenswertlies in den medieinischeu Zeit¬ 
schriften aller Länder enthalten ist. Von der Revue liegt uns 
der 2. Jahrgang (1899) in einem elegant ausgestatteten Bande vor. 

(Hochschulnachrichten.) 

Giessen. Zum ordentlichen Professor der Chirurgie und 
Director der chirurgischen Klinik an der Universität (Ressen ist 
d«*r dortige bisherige ausserordentliche Professor Dr. Peter 
P oppert ernannt worden. Er tritt an die Stelle des Professors 
Bose, der aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand ge¬ 
treten ist. 

Göttingeu. Zum Director der hiesigen Irrenanstalt lind 
Nachfolger des verstorbenen Psychiaters Professor M e y e r wurde 
Professor Gramer hier ernannt. 

Halle. Mit dem 1. April übernahm Prof. Frhr. v. Mering 
die Leitung der kgl. medieinischeu Klinik, während Geheimrath 

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Weber die der medieinischeu Poliklinik. An dieser wird Herr 
Prof. Dr. Nebelt Ii a u aus Marburg wohl in die Stellung als 
Oberarzt kommen. Herr Privatdocent Dr. Reinebotli hat mit 
gleichem Datum seine Stelle als Oberarzt der kgl. medicinischen 
Klinik uiedergelegt. 

Heidelberg. Der Privatdocent der Anatomie Dr. F. 
G oppert ist zum ausserordentlichen Professor ernannt worden. 

M ii n c h e n. Geheimrath v. Rothm u n d legt mit Ende 
dieses Sommersemesters sein Lehramt nieder. 

W ii r z b u r g. Als Nachfolger Prof .v. M i c ii e Ts ist dem 
Vernehmen nach Prof. Iv u h n t in Königsberg in Aussicht ge¬ 
nommen. 

Bologna. Habilitirt: Dr. T. Secehi für Dermatologie 
und Syphilis, I>r. A. B r u s c li e t t i n i und Dr. Fl. Brazzola 
für Hygiene. 

K i e w. Habilitirt: Dr. N. N e i e 1 o w für Geburtshilfe und 
Gynäkologie. 

N e a p e 1. Habilitirt: Dr. L. Cbinnl für Anatomie, Dr. B. 
Baculo für Pädiatrie, Dr. F. P i c c i n i n o für Elektrotherapie. 

Paris. Die Akademie der Wissenschaften wählte den Prof, 
der Physik II i 11 o r f in Münster (den Erfinder der mit Unrecht 
in der Regel „C r o o k e s’sche genannten Röhren) ztiin corre- 
spondirenden Mitglied. 

St. P e t e r s b u r g. An der militürmediciuischen Akademie 
lmbilitirten sich Dr. S. V a k o w 1 e w und Dr. Abramits c li e w 
für Dermatologie und Syphilis, Dr .V. Hubert für Paediatrie. 

Prag. Dem Privatdoeentcn für pathologische Anatomie 
an der ezechischen Universität Dr. R. Kimla wurde der Titel 
eines a. o. Professors verliehen. 

R o m. Habilitirt: Dr. G. P a r 1 a v e c o h i o für chirurgische 
Pathologie. 

Sie» a. Habilitirt: I>r. V. Martini für chirurgische Patho¬ 
logie, Dr. L. S i in o n e 11 a für experimentelle Hygiene. 

T u r i n. Habilitirt: Dr. R. G a 1 e a z z i und Dr. B. N i g r i - 
soll für Chirurgie und operative Medicin, Dr. A. Biagini und 
Dr. C .Mensi für Pädiatrie, Dr. F. Abba und Dr. C. Mazza 
für Hygiene, Dr. V. T i r e 11 i für gerichtliche Medicin. 

Utrech t. Habilitirt: Dr. Kohlbrugge für Tropen¬ 
krankheiten. 

W arseba u. Dr. V. N i k o 1 s k i. Privatdocent an der med. 
Facultät zu Kiew, wurde zum a. o. Professor der Dermatologie 
und Syphilis ernannt. 

Zum Artikel des Prof. v. Bruns: „Die neuesten 
Kriegserfahrungen über die Gewehrschusswunden“ 

auf Seite 485^ dieser Nummer. 

Nach Schluss des Blattes sendet uns Herr Prof. v. Bruns 
zu seinem obigen Artikel noch folgenden Nachtrag: 

In einem späteren Briefe aus Jakobsdal vom 3 .März schreibt 
Dr. K ii t t ii o r: „Wir haben die Verwundeten aus Cronje’s Lager 
am Modderfluss übernommen und die Sehwerverwundeten im Ho¬ 
spital behalten. Was diese vorher auszustehen hatten, spottet 
jeder Beschreibung. Aerztlielie Hilfe fehlte. So lagen die armen 
Verwundeten 10 Tage lang in den Büschen am Modderfluss, mit 
Tabaksblättern auf ihren Wunden, und Mancher von ihnen wurde 
noch nachträglich durch die Granaten getödtet oder zum zweiten 
Male verwundet. Während wir mit den Verwundeten, welche* 
frisch in unsere Hiiude gelaugten (aus den Gefechten bei Jakobs¬ 
dal, am Riethfluss, bei Klippdrift imd der ersten Schlacht bei 
Paardeberg) sehr günstige Erfolge erzielten und nur sehr wenige 
verloren haben, lag die Sache mit den Verwundeten aus Cronje’s 
Lager ähnlich wie hei denen, welche wir nach Magersfontein er¬ 
halten haben: fast alle Wunden waren mehr oder weniger inficirt. 
Während wir sonst nur ganz wenige Eingriffe vorzunehmen hatten, 
haben wir jetzt täglich viele Wunden zu operiren gehabt, haben 
amputiren müssen, was wir bisher nicht liöthig hatten, und viele 
Todesfälle an Sepsis uud einzelne auch an Tetanus erlebt“. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Ernannt: Der functiouirende Hausarzt bei^ dem Strafvoll- 
streckungsgcfäiigniss in München, l)r. Max Emauuel G r u b e r, 
zum Bezirksarzt I. (-lasse in provisorischer Eigenschaft. 

Niederlassung: Dr. Johannes L u e b (Kneipparzt) in Augs¬ 
burg. 

Verzogen: Dr. Anton Obermaier von Augsburg (unbe¬ 
kannt wohin). 

Charakterisirt: als Generaloberärzte die Oberstabsärzte 
1. Classe Dr. Baumbach, Chefarzt des Garnisonslazareths Neu- 
Ulm und Dr. Schuster, Doceut am Operationscurs für Militär¬ 
ärzte. 

Enthebung: Der ordentliche Professor an der k. Universität 
München, k. Geheimer Rath Dr. August v. Rothmund, wurde 
seinem Ansuchen entsprechend vom 1. August 1. J. an von der 
Verpflichtung, Vorlesungen abzuhalten, sowie von der Vorstand¬ 
schaft der ophthalmologischon Klinik enthoben und demselben bei 
diesem Anlass in nllerliuldvollster Anerkennung seiner langjährigen 
treuen und ausgezeichneten Dienstleistung der Verdienstorden vom 
heil. Michael 2. Classe verliehen. 

Versetzt: die Oberstabsärzte 1. Classe Dr. Patin, Regiments¬ 
arzt vom 1. Ulanen-Reg., zum Kriegsministerium und Dr. II e nie, 
Regimentsarzt vom 2. Chev.-Reg., iu gleicher Eigenschaft zum 
4. Feld-Art.-Reg.; die Stabs- und Bataillonsärzte Dr. Langer 

Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 15. 


524 


vom 22. Inf.-Reg. zum 1. Jäger-Bataillon mul l>r. Wind vom 
4. Inf.-Reg. zum 3. Pionier-Bataillon, beide in gleicher Eigenschaft; 
die Oberärzte I>r. Glas vom 3. Feld-Art.-Reg. zum Sanitätsamt 
I. Armeecorps, Dr. Tüshaus vom 9. Inf.-lieg, zum Sanitätsamt 
III. Armeecorps, Dr. Voigt vom 4. Inf.-Reg. zum 14. Inf.-Reg. 
und Ca u di n us vom 1. Ulanen-Reg. zum 1. Feld-Art.-Reg.; die 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 13. Jahreswoche vom 25. bis 31. März 1900. 

Betheil. Aerzte 272. — Brechdurchfall 7 (0*), Diphtherie, 

Croup 0 (18), Erysipelas 16 (15), Intermittens, Neuralgia interm. 

1 (2), Kindbettfieber 2 (2), Meningitis cerebrospin. — (—■), Morbilli 
170 (213), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 4 (2), Parotitis epidem. 
6 (5), Pneumonia crouposa 22 (16), Pyaemie, Septikaemie 1 (—), 
Rheumatismus art. ac. 19 (42), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
8 (12), Tussis convulsiva 8 (11), Typhus abdominalis 3 (—), 
Varicellen 6 (12), Variola, Vario’ois — (—). Summa 279 (356). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


*) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


Assistenzärzte Freiherrn Schoben von Cronfeld vom 
3. Fuss-Art.-Reg. zum 11. Inf.-Reg., I)r. Reichel vom 1. Chew- 
Reg. zum 2. Ulanen-Reg., Dr. Ivetterl vom 8. Inf.-Reg. zum 
3. Feld-Art.-Reg. und Pr. Scheuerer vom 2. Jäger-Bataillon 
zum 2. Pionier-Bataillon. 

Gestorben: Pr. Georg Egger, 43 Jahre alt, in Tittinoning. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 13. Jahreswoche vom 25. bis 31. März 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000 

Todesursachen: Masern 28 (26*), Scharlach — (1), Diphtherie 
und Croup 1 (2), Rothlauf 3 (1), Kindbettfieber 1 (—), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (—), Brechdurchfall 2 (1), Unterleibstyphus 
— (1), Keuchhusten — (—), Croupöse Lungenentzündung — (—), 
Tuberculose a) der Lungen 43 (29), b) der übrigen Organe 5 (6), 
Acuter Gelenkrheumatismus 2 (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 7 (5), Unglücksfälle 1 (2), Selbstmord — (1), Tod durch 
fremde Hand — (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 240 (235), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 27,0 (26,4), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 18,2 (16,1). 


Morbiditätsstatistik der Infectionskrankheiten in Bayern: Januar') und Februar 1900. 


Regierungs¬ 

bezirke 

bezw. 

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über 30,0001 


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40 

17 

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18 

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286 

133 

Oberpfalz 

51 

50 

60 

64 

40 

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37 

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122 

72 

1571 

139 

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78 

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12 

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Oberfrank. 

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8 

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162 

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26 

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24 

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Mittelfrank. 

60 

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169 

93 

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140 

101 

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2 

103 

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Unterfrank. 

28 

37 

85 

83 

44 

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21 

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11 

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19 

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2951 

253 

2 

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21 

111 

138 

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2 

33 

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281 

179 

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376 1012 

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468 

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92 131 

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4364|3828 

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Bevölkerungsziffern: Obcrbnyern 1,186,950, Niederbayern 673,623, Pfalz 766,991, 
Oberpfalz 646,831, Oberfranken 586,061, Mittelfranken 737,181, Unterfranken 632,588, 
Schwaben 689,416. — Augsburg 81,896, Bamberg 38,940, Kaiserslautern 40,828, 
Ludwigshafen 46,000, München 411,001, Nürnberg 193,890, Regensburg 41,471, Würz- I 
bürg 68,747. 

Einsendungen fehlen aus den Aemtern Bruck, Rosenheim , Bogen, DingoL | 
fing, Eggenfelden, Neumarkt. Neunburg v/W., Hof, Dinkelsbühl, Eichstätt, Er¬ 
langen, Rothenburg a/T., Ebern, Königshofen, Kitzingen, Augsburg, Kempten, i 
Nördliugen und Oberdorf. 

Höhere Erkrankungszahlen (ausser von obigen Städten) werden gemeldet 
aus folgenden Aemtern bezw. Orten: 

Diphtherie, Croup: Stadt- und Landbezirk Schwoinfurt 28, Aemter 
München TI 37, Wegscheid 25 behandelte Fälle 

Morbilli: Fortsetzung der Epidemien in den Aemtern München II (293 
behandelte Fülle, hievon 179 im A.-G Wolfratshausen), Schrobenhausen (im 
ganzen Bezirke, 18 behandelte Fälle), Kusel (weitere Ausbreitung in Schellweiler 
und Lohnweiler), Erding (Abfall der Epidemie), Landau i. Pf. (in Queichheim), 
Forehheim (noch in 3 Gemeinden), Pegnitz (neuerdings im Ahornthale), Hilpolt- ! 
stein (29 behandelte Fälle im mittleren Theile des Bezirkes, dagegen im nörd- i 
liehen und südlichen Theile erloschen), Hersbruck (noch häufig, 26 behandelte | 
Fälle), Seheinfeld (ausgebreitete Epidemie in Iphofeu, gutartig), Karlstadt (in 
Himmelstadt; 118 behandelte Fälle, 21 .Sterbefälle, Ende des Monats überall er¬ 
loschen), Sehweinfurt (neu in Hirschfeld, erloschen in Reichmannshausen und i 
Pfundhausen), Donauwörth (in Marxheim Anfangs Februar 50 Schulkinder er- | 
krankt, in Neuhausen Hin 16. die Hälfte der Schulkinder, Schulschluss; Ende 
des Monats erloschen), Günzburg iin Offingen), Neu-Ulm (Fortsetzung in der 
Stadt, im ganzen Bezirke 60 behandelte Fälle), Würzburg, Land (98 behandelte 
Fälle). Epidemien ferner in den Aemtern Friedberg (in Mering; 104 behandelte 
Fälle), Miesbach (im Schulbezirke Neukircheu), Wasserburg (iu Rott a. I., 30 be¬ 
handelte Fälle), Bergzabern |(heftig in Niederhorbach und Birkenhörde), Burg¬ 
lengenfeld (in Dauching), Weissenburg (in Walting, keiue ärztliche Behandlung 1 , 
Neuburg a/D. (in 4 Orten; 46 behandelte Fälle), ferner in der Stadt Memmingen. 
Stadt- und Landbezirk Kulmbach 37, Aemter Kronaoh 42, Zweibrücken 35, 
Bamberg 1. 45, Landau a. J., Pfarrkirchen und Fürth-Land je 24, ärztlicher Bezirk- 
Pasing (München I.) 30 behandelte Fälle. 

Rubeolae: Epidemie im A.G. Dahn (Pirmasens); Stadt Nürnberg 13 be¬ 
handelte Fälle. 

Parotitis epidemica: Fortdauer der Epidemie in der Stadt Günzburg, 
auch in der Stadt Amberg noch häufige Erkrankungen, 17 behandelte Fälle; 
Amt München II 31 behandelte Fälle. 

Scarlatina: Zahlreiche Erkrankungen in Neuhofen (Ludwigshafen), 18 be¬ 
handelte Fälle. 

Tussis convulsiva: Fortdauer der Epidemie im ärztlichen Bezirke 
Nchwandorf Burglengenfeld), 45 behandelte Falle; auch im Amte Pegnitz ist die 
seit November bestehende Epidemie noch nicht vollständig erloschen. Be¬ 
ginnende Epidemie in Baierfeld (Donauwörtb), zahlreiche Fälle in der Stadt 
Schwahach sowie in Plattling (Deggendorf) und Umgebung. 

Typhus abdominalis: 3 weitere Fälle in Laudenbach B.-A. Karlstadt 
(im Vormonate 6 und 5 in Thüngen), 1 Sterbfall; B.-A. Marktheidenfeld 4 Fälle. 


Influenza: Fortdauer der Epidemien in den Bezirken Altötting (allent¬ 
halben verbreitet, 472 behandelte Fälle; häufig Neuralgien mit Herzschwäche im 
Gefolge), Berchtesgadeu (Höhe Mitte Februar,daun Abnahme; 12t behandelte meist 
leichte Fälle ; später die Seitenthäler ergriffen), Dachau (64 von 2 Aerzteu be¬ 
handelte Fälle gemeldet), Erding (Akme der Epidemie), Garmisch («89 behandelte 
Fälle, meist respirat. und nervöse Form, Pneumonien, Ikterus eat. als Compli- 
cationen), Laufen (83 behandelte Fälle im A-G. Laufen; im A.-G. Tittmoning 
mehr als 20 Proc. der Einwohner erkrankt, häufig consec. Pneumonie), München II 
(A.-G. Wolfratshausen ca. 100 behandelte Fälle; Abnahme in Dietramszell), 
Wasserburg (Rott aü, 60 heb. Fälle, meist neuralgische, auch intestinale Form , 
Wcilheim (ca. 100 behandelte Fälle, meist respir. Form; einzelne intestinale 
Formen mit Ikt. catarrh. complieirt; nicht selten Trigeminus-Neuralgie an- 
j schliessend), Vieehtach (besonders in der 2. Hälfte des Monats; hauptsächlich 
bronch. und muse. Erscheinungen, auch nervöse, selten gastr. Form, milder 
Verlauf), Stadtsteinach (in 8 Ortschaften, leicht), Teuschnitz (wieder 3t Schiefer¬ 
arbeiter von Lehesten behandelt), Donauwörth (sehr verbreitet in Stadt uud 
Land, 102 behandelte Fälle; jetzt gastrische Formen häufiger; bei kränklichen 
Leuten öfter Tod durch Herzlähmung), Günzburg (Pandemie, gutartig), Neu-Ulm 
(ausgedehnte Verbreitung iu Stadt uud Land). Epidemien ferner in den Bezirken 
Aichach, Ebersberg (75 behandelte leichte Fälle im ärztlichen Bezirk»* Kirchseeon). 
Freising (besonders von Mitte Februar ab ; 184 behandelte Fälle), F iedberg (im 
ganzen Bezirke; von 2 Aerzten 51 behandelte Fälle, meist katarrhalische Form, 
öfter mit complieirdr. Pleuritis), Landsberg (in allen Gemeinden des ärztlichen 
Bezirkes Egling; 121 behandelte Fülle), Miesbaeh (sehr verbreitet, häufig Pneu¬ 
monie im Gefolge), Mühldorf (195 behandelte Fälle, davon 69 im ärztlichen Be¬ 
zirke Buehbach; hier und in Kraiburg ausgedehnte Epidemie), Pfaffenhofen 
(heftig in Pfaffenhofen, Wolnzach und Umgebung; 62 behandelte Fälle), Schon¬ 
gau (sehr ausgebreitet, ca. 100 behandelte Fälle), Schrobenhausen (im ganzen 
Bezirke), Traunstein (ärztlicher Bezirk Rnhpolding in der 2. Hälfte des Monats 
75 behandelte Fälle), Deggendorf (hier und in Plattling), Grafenau (grosse Ver¬ 
breitung im Februar), Ludwigshafen (im ganzen Bezirke), Landau i. Pf. (heftig in 
der 2. Hälfte des Mts ), Bergzabern (besonders in Bergzabern selbst), Pirmasens 
(im A.-G. Dalini. Pegnitz (im A.-G. Pottenstein, Höhe 18. II., dann Rückgang , 
Hilpoltstein (allgemein verbreitet, gutartig), Illertissen (zahlreiche Erkrankungen 
iu Illertissen und Umgebung), Mindelheim (60 behandelte Fälle von einem Arzte 
angomeldet), Neuburg a. I). (im ganzen Bezirke). Städte Augsburg 2078. Nürn¬ 
berg S91, Bamberg 59 Stadt- und Landbezirke Ansbach 50, Amberg 36 und 10. 
Bayreuth 76 und 16, Aemter Tölz 70, Cham 29, Zweibriickeu 28, Füssen 12ü, 
Dillingen 211 (hievon 157 ärztlicher Bezirk Lauingen), ärztliche Bezirke Schwan¬ 
dorf (Burglengenfeld) 31, Pasing (München I) 45 behandelte Fälle. 

Im Interesse möglichster Vollständigkeit vorliegender Statistik wird um 
regelmässige und rechtzeitige Einsendung der Anzeigen (ev. Fehlanzeigen) dringend 
ersucht. Insbesondere wäre auch wünschenswerth, dass sog. Sammelkarten ohne 
Rücksicht auf allenfalls ansstehende Anzeigen bis längstens 20. jeden folgenden 
Monats abgeschlossen und eingesandt würden. Verspätet zur Anzeige gelangte 
Fälle könnten dann in der Karte des folgenden Monats, durch rothe Tinte oder 
sonst wie als Nachträge gekennzeichnet, Aufnahme finden. 

= Portofreie Postkartenformulare für vorliegende Statistik sind 
durch die zuständigen Herren k. Bezirksärzte zu erhalten, welche sich im 
Bedarfsfälle unter Angabe der Zahl dersich betheiligenden Aerzte 
an das K. Statistische Bureau wenden wollen. 


*) Einschliesslich einiger seit der letzten Veröffentlichung (No. 10) eingelaufencr Nachträge. — 9 ) Im Monat Januar einschliesslich der Nachträge 1412. — 
*) 1. mit 6. bezw. 6. mit 9. Jahreswoche. 


Verlag vou J. F. I^hmaiin In München. — Druck von K Mühlthaler’s Buch- und Knns’druckerel A.G., München 


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Die Münch. Med. Wochennchr. erscheint wBchentl. “M/| "I 7 "VJ TT 17^ 1VT 1 f) /n«ciH!nnpi-u sfnd zu n<M«^sirni Für «lir r:> <’»<• f«»n 

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ins Ausland 7.60 JL Einzelne No. 00 4- an Rudolf Mnsso, rromenadcplntz Kl 

MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

OltGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 

Herausgegeben von 

Cli. Biomler, 0. Bollinger, H. Gurschmann, G. Gerhardt, W. r. Helneke, 6. Merkel, J. i. Michel, H. i. Ranke, F. i Wlnckel, U.». Ziemssen, 

Freiburg i. B. München. Leipzig. Berlin. Erlangen. Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


M 16. 17. April 1900. 


ftedaction: Dr. B. Spatz, Ottostrasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Zur Diagnose der durch gewerbliche Staubinhalation 
hervorgerufenen Lungenveränderungen.*) 

Von Geh. Rath Prof. Dr. Bäumler in Freiburg i. Br. 

M. H.! Wer als Hospitalarzt oder in der Privatpraxis viel ' 
der arbeitenden Classe angehörige Kranke zu behandeln hat, 
kennt die nicht so selten vorkommenden Fülle, in welchen das 
Krankheitsbild dem einer gewöhnlichen chronischen Lungen- 
tubereulose sehr ähnlich ist, aber trotzdem die Störungen, welche 
den Kranken veranlassten, ärztliche Hilfe zu suchen, einen auf¬ 
fallend raschen günstigen Ablauf nehmen. Die klinische Be¬ 
obachtung und eingehendere Berücksichtigung der Anamnese 
führen zu dem Schluss, dass es sich dabei um Vorgänge handelt, 
bei weichen tubereulose Veränderungen in den Lungen 
entweder gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. 

Gewöhnlich sind es Kranke mittleren oder vorgerückteren 
Alters, vorwiegend männlichen, zuweilen auch weiblichen Ge¬ 
schlechts, bei denen neben Husten und Auswurf, geringem oder 
fehlendem, nur selten im Anfang heftigerem Fieber, Ver¬ 
dichtungserscheinungen in dem oberen Theil einer oder beider 
Lungen und mehr oder weniger ausgebreiteter Bronchialkatarih 
vorhanden sind. Diese Erscheinungen, sowie der eitrig-schleimige 
Auswurf, die schlechte Ernährung, die mangelhafte Bluteircu- 
lation erwecken den dringenden Verdacht auf Lungentuberculose, 
aber wiederholte sorgfältige Untersuchung des Auswurfs lässt 
keine Tuberkelbacillen auffinden. 

Bei ruhigem, zweckmässigem Verhalten und entsprechender 
Ernährung erholen sich solche Kranke oft ganz überraschend 
schnell, indem anfänglich vorhanden gewesenes Fieber ver¬ 
schwindet und die katarrhalischen Erscheinungen bis auf geringe 
Reste zurückgehen. Nur gewisse Verdichtungserscheinungen 
bleiben unverändert fortbestehen. 

Wieder und wieder können derartige Kranke mit den 
gleichen Beschwerden in Behandlung kommen und immer wieder 
können sie nach einiger Zeit arbeitsfähig aus derselben entlassen 
werden. Im Lauf der Jahre aber treten dann in manchen Fällen 
mehr und mehr die Erscheinungen des Lungeuemphysems und 
der chronisch gewordenen Bronchitis, oder Kreislaufstörungen 
mit Kurzathmigkeit, Cyanose und Herzklopfen in den Vorder¬ 
grund. Das Krankkeitsbild kann sich zu dem eines chronischen 
Herzleidens gestalten und die Kranken können, wie bei einem 
solchen, hydropisch zu Grunde gehen. Die Autopsie weist dann 
neben Lungenemphysem und den bei diesem gewöhnlich vor¬ 
handenen Herzveränderungen (vorwiegend Hypertrophie und 
Dilatation des rechten Herzens) mehr oder w e n i g e r a u s- 
gedehnte Pleuraverwachsungen und alte 
schwielige Induration in einer oder beiden 
Lungenspitzen auf. Die Anamnese aber hatte bereits 
ergeben, dass der Kranke längere Zeit, vielleicht schon vor vielen 
Jahren, in einer Beschäftigung gestanden hatte, bei welcher 
er der andauernden Einathmung von Staub 
ausgesetzt gewesen war. 

Die unter dem Namen der Pneumonokoniosen zusammenge¬ 
fassten Veränderungen, welche bei längere Zeit fortgesetzter Ar- 

*) Nach einem am 26. Januar 1900 im Verein Freiburger Aerzte 
gehaltenen Vortrag. 

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beit in staubiger Luft bei Steinhauern, Schleifern, Müllem und 
Bäckern, bei Arbeitern in Kohlenbergwerken, Glasschleifereien, 
Tabakfabriken, Flachs- und anderen Spinnereien u. s. w., sich 
früher oder später einstellen, sind seit lange bekannt, und wurden 
besonders in den 60er Jahren durch Virchow, Zenker, 

H. Merkel, Arnold u. A. genauer studirt. Wie Ihnen be¬ 
kannt, werden Staubpartikelehen verschiedenster Art in den 
Lvmphbahnen der Bronchen und des Lungengewebes bis zu den 
bronchialen und mediastinalen Lymphdrüsen befördert und 
kommen dort, wie auch im interalveolären und subpleuralen 
Bindegewebe zur Ablagerung. Hier wie dort können dadurch 
chronisch-entzündliche Veränderungen mit Bindegewebsneu¬ 
bildung und Schrumpfung hervorgerufen werden, und wie wir 
in der Pleura fibröse, von einem Pigmenthof umgebene Knör- 
chen oft in grosser Menge vorfinden, so können auch einzelne der 
genannten Lynvjdidriisen in mehr oder weniger pigmentirte, ge¬ 
schrumpfte Knoten umgewandelt werden. Von ihnen aus kann 
auch der chronische Eutzündungsprocess auf benachbarte Theile, 
z. B. den Oesophagus, wodurch Tractionsdivertikel entstehen, 
oder auf den Nervus recurrens, wodurch, wie ich in einem Falle 
gesehen und beschrieben x ) habe, linksseitige Stimmbandlähmung 
hervorgerufen wird, übergreifen. 

Die nächsten Folgen der Staubinhalation sind Bronchial¬ 
katarrhe in Anfangs seltenerer, später immer häufiger werdender 
Wiederholung und immer längerer Dauer. Unter ihrem Einfluß 
entwickelt sich Emphysem der Lungen. Von Zeit zu Zeit, bei 
heftigerem Katarrh, treten bronchopneumonische Entzündungen 
auf, mit starker Betheiligung des interstitiellen Gewebes und 
Ausgang in Schwielenbilduug und Schrumpfung. Dazu kommt . 
Entzündung der Pleura, mit oder ohne reichlicheres Exsudat, 
aber meist sehr derbe und oft flächenhafte Verwachsung zurück¬ 
lassend. Während bronchopneumonische Processe und Atelek¬ 
tasen in einem Unterlappen oft Bronchiektasien zurücklassen, 
finden sich in den Lungenspitzen meist mehr oder weniger ausge¬ 
dehnte schwielige Indurationen mit Schrumpfung, unter Anderem 
gleichfalls erweiterte Bronchen einschliessend. Früher oder 
später kann Tubereulose hinzutreten. Manche 
Kranke gehen, nachdem sie viele Jahre lang an nichttubercu- 
lösen Processen gelitten, schliesslich an rasch fortschreitender 
Luiigentuberculose zu Grunde. 

Putride Bronchitis und Bronchopneumonie kann sich bei. 
sackförmigen Bronchiektasien durch Stagnation des Secrets, sie 
kann sich aber auch bei Einathmen putriden Staubes primär 
entwickeln, wie wir wiederholt u. a. bei Pflasterern, die im heissen 
Sommer auf staubigen Strassen gearbeitet hatten, beobachteten. 

In Fällen der letzterwähnten Art kann Ausheilung mit schwie¬ 
liger Narbenbildung erfolgen. 

Bei Kranken mit Pneumonokoniose, bei welchen frühzeitig, 
nach den ersten ernsteren Zufällen, die ungesunde Arbeit mit einer 
anderen vertauscht wird, kann ein durch Jahre hindurch bedenk¬ 
lich gewesenes Krankheitsbild sich so günstig umgestalten, dass 
nur eine grössere Neigung zu Katarrhen zurückbleibt. Ueber- 
reste jener früher durchgemachten schweren entzündlichen Ver¬ 
änderungen können aber dauernd Zurückbleiben und bei genauer 
Untersuchung stets nachgewiesen werden. 

Dies sind dann solche Fälle, wie ich sie Eingangs geschildert 
habe, bei welchen ein frischer Katarrh oder eine beschränkt blei- 

*) Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 37, S. 233. 

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MÜNCHENER MED1CINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


bonrte acute Bronchopneumonie vorübergehend das Krankheits¬ 
bild einer fortschreitenden Lungentnberculose Vortäuschen kann. 

Ich brauche Sie kaum daran zu erinnern, dass auch bei von 
vorne herein an T über cu lose der Lungen Leidenden, bei 
welchen S t a u bin h a1a t i o n keine ursächliche 
Rolle gespielt hat, auf Bindegewebsneubildung und 
Schrumpfung beruhende Veränderungen Vorkommen können, 
und dass die H e i 1 u n g s v o r g ä n g e bei der T u ber¬ 
eu 1 o s e gerade auf solchen Veränderungen b e- 
r u h e n. Die Ursache eines derartigen Verlaufs der Tuberculose 
muss in den Verhältnissen der Constitution des betreffenden 
Kranken, in einer besonderen, darin begründeten Art, auf den 
Reiz der sieh einnistenden Tuberkelbucillen und anderer Ent¬ 
zündungserreger zu reagiren, gesucht werden. Es ist daher längst 
als prognostisch günstig angesehen worden, wenn bei einer etwas 
ausgebrei toteren Lungen tuberculose Erscheinungen der Schrumpf¬ 
ung, und damit der Vernarbung, auf treten. Ja es legen manche 
Fälle den Gedanken nahe, dass eine tubereulöse Lungenerkran¬ 
kung in einem früheren Stadium bei vorausgegangener Reizung 
der Lunge durch andauernde Staubinhalation wegen der Neigung 
der letzteren, Bindegewebsneubildung hervorzurufen, günstiger 
verläuft, als es in sonst analogen Fällen ohne diese Oompli- 
eation der Fall ist. 

Dem Gesagten zu Folge ist es also von grosser diagnostischer 
und insbesondere auch von prognostischer Wichtigkeit: 

1. Fälle von durch Staubinhalation entstandener Luugen- 
erkrankung ohne gleiclizeitig vorhandene Tuberculose richtig zu 
deuten und 

2. in Fällen von langsam fortschreitender Tuberculose mit 
gleichzeitig vorhandenen Erscheinungen von bindegewebiger 
Schrumpfung, in welchen vielleicht vor Jahren einmal Staub¬ 
inhalation eine Rolle gespielt hat, oder in denen dies niemals 
der Fall gewesen ist, die indurativen Veränderungen nach ihrer 
Stellung im Krankheitsverlauf richtig zu würdigen und pro¬ 
gnostisch abzuschätzen. 

Unter den Erscheinungen der bindegewebigen Schrumpfung 
möchte ich neben der längst in ihrer Bedeutung für Diagnose 
und Prognose gewürdigten Verkürzung der einen oder 
a n d e r e n Lungenspitze Sie heute besonders auf die 
percussorisch nachweisbare Retraction des 
einen oder anderen, oder auch beider vorderer 
Lungenränder in deren oberen Theilen als auf 
ein werthvolles Zeichen für die Diagnose solcher Veränderungen 
aufmerksam machen. Ich habe, seitdem ich vor Jahren auf 
dieses. Zeichen aufmerksam geworden war, in einer Anzahl von 
Fällen, theils mit, theils ohne gleichzeitige Verdichtung einer 
Lungenspitze, dasselbe gefunden. In der Mehrzahl dieser Fälle 
handelte es sich um Veränderungen durch Staubinhalation ohne 
gleichzeitig nachweisbare Tuberculose, ohne Fieber und ohne 
Tuberkelbacillen im spärlichen katarrhalischen Auswurf. Zu¬ 
weilen war neben emphysematoser Vergrösserung der übrigen 
Lunge lediglich am linken Sternalrand vom Stemoclavicular- 
gelenk abwärts ein schmaler Dämpfungssaum neben und z. Th. 
auf dem Sternum nachweisbar. Ein sehr lehrreicher Fall dieser 
Art befindet sich zur Zeit auf der medicinisehen Klinik. Die bei 
demselben nachweisbaren Percussionsverhältnisse auf der vor¬ 
deren Brustseite zeigt die Figur"). 

Der Kranke K. H., ein 
59 jähriger Dienstmann, 
wurde vor Kurzem wegen 
heftiger diffuser Bronchitis 
in die Klinik aufgenommeu. 
Mit dem ausgesprochenen 
Habitus eines Emphyse- 
matikers ist er ausser¬ 
ordentlich kurzathmig mit 
vorwiegend exspiratori- 
scher Dyspnoe. Er hustet 
sehr viel mit Anfangs rein 
schleimigem, jetzt schlei¬ 
mig-eitrigem Auswurf, 
welcher weder Influenza-, 
noch Tuberkelbacillen ent¬ 
hält. Dabei ist er jedoch 
f i e b e r 1 o s , bei einer 
Pulsfrequenz von 72—90 
und einer Athmungsfre- 
quenz von 48—56. Allent- 
* • '! 

-) Die unterbrochene Begrenzungslinie ist die bei stärkerer 
Percussion erhaltene Dämpfungsgrenze. 


halben über den Lungen sind laute Rhonehi sonorl und sibllantes 
hörbar. 

Ein Herzspitzenstoss ist weder sieht- noch fühlbar. Das Herz 
etwas vergrössert, die Leber theils durch Tiefstand, theils durch 
Vergrösserung weiter in das Abdomen herabreicbend, ln letzterem 
geringer Ascites nachweisbar, llaru ehveisshaltlg. 

Die Percussion des Thorax ergibt nicht die gewöhnlichen Er¬ 
scheinungen eines Luugenemphysems. Zwar reicht hinten beider¬ 
seits der übervolle Percussionsschall bis zur 32. Rippe, vorne aber 
sind die Lungenränder unten zurückgedrüngt durch das verbreiterte 
Herz, oben retrahirt durch alte Veränderungen in den Lungen. 
Dadurch, und vielleicht zum Theil auch durch die Erweiterung 
der grossen daselbst l>eiindliehen Venen, treten die Lungenränder 
so weit zurück, dass das vordere Mediastinum in 
seiner ganzen Ausdehnung von Lunge unbe¬ 
deckt bleib t. 

Feber der r. Lungenspitze findet sich eine geringe Dämpfung. 

Dieser Manu hatte in früherer Zeit viele Jahre lang In Paris 
als Oonditor, also in sehr stauberfüllter Luft, gearbeitet, hatte dort 
im Jahre 1808 zweimal heftiges Blutspucken bekommen, so dass 
er 10 Wochen im Hospital zubriugen musste. Er hat darauf hin 
die Arbeit als Oonditor aufgegeben. 

Offenbar hat er damals, als das Blutspucken auftrat, eine wohl 
auf tubereulöser Basis entstandene Affection dar r. Lungenspitze, 
deren Ueberrestc noch durch Dämpfung des Percussiousschalles 
sich kund geben, und zu gleicher Zeit die entzündlichen Processe 
durchgemacht, welche Retraction des oberen Tlieiles, nicht nur 
des r., sondern auch des 1. vorderen Lungenrandes zuriickgelassen 
haben. Gleichzeitig und in weiterer Folge hat sich dann allmäh¬ 
lich das hochgradige Emphysem mit den secundären Kreislauf¬ 
störungen und Herzveränderungeu entwickelt, welche jetzt das 
Krankheitsbild beherrschen. 

Die Häufigkeit, mit welcher nach meinen Erfahrungen bei 
Stau bi nhalationskrankhei teil der Lungen eine derartige mehr 
oder weniger ausgedehnte Retraction der vorderen Lungenränder 
sich findet, 1 ii s st c i n o genaue topographis e h c 
Percussion d o r b c 1 1 r. Gegend als von g r o s s e r 
praktischer Wichtigkeit erscheine n. Ein der¬ 
artiger Befund ist werthvoll nicht bloss für die Diagnose rein 
pneumonokoniotisolier Veränderungen in den Lungen, sondern 
insbesondere auch bezüglich derartiger, eine L u n g e n t u ber¬ 
eu 1 o s e complieirender Processe, insoferne als solche Retraction 
in das Gebiet der einen Heilungsvorgang bei Tuberculose dar¬ 
stellenden Veränderungen gehört. 

Ihnen gegenüber, m. H., die Sie grossentheils in praktischer 
Thätigkeit sich befinden, brauche ich nicht hervorzuheben, 
dass es bei der Entwicklung, welche die praktische Seite der 
Tubereulosenfrage in neuester Zeit gewonnen, noch um vieles 
wichtiger geworden ist, als es früher schon war, dass dev Arzt 
sich in jedem Fall von Lungenerkrankung ein möglichst genaue- 
Bild von den pathologisch-anatomischen Vorgängen und Ver¬ 
änderungen in den Lungen zu verschaffen suche. Denn davon 
ist zu einem grossen Theil die prognostische Beurtheilung eine 
Falles abhängig. 

Leider sind wir ja der Tuberculose* gegenüber nicht in der 
glücklichen Lage wie bei der Diphtherie, bei welcher es genügt, 
die Diagnose der spezifischen Infection zu stellen, um dann in 
vielen Fällen durch das specifische Heilserum auch die Heilung 
herbeizuführen und gefährlichen Zwischenfällen und Nachkrank¬ 
heiten vorzubeugen. Der Nachweis der Tuberkelbacillen in einem 
Fall von Lungenerkrankung hat, so überaus werthvoll, ja aus¬ 
schlaggebend er im einzelnen Fall für die Diagnose sein kann, 
doch für Prognose und Behandlung lange nicht die Bedeutung, 
wie der Nachweis des Diphtheriebacillus für die Diphtherie, da 
wir eben eine entsprechend wirksame specifische Behandlung* 
methode der Tuberculose gegenüber nicht besitzen. Die erfolg¬ 
reichste Behandlung der letzteren ist die indirecte, durch 
Beeinflussung der Gesammtconstitution des Kranken und mög¬ 
lichste Behütung der kranken Lunge vor Schädlichkeiten, vor 
Allem vor unreiner Luft, während des Ablaufs der in derselben 
sieh abspielenden entzündlichen Processe. 

Durch die mächtige Bewegung, welche diese bewährte aber 
langwierige Behandlungsmethode auch den ärmeren Bevölke- 
rungsclassen, die am meisten unter der Krankheit zu leiden 
haben, zugänglich machen will, sind dem praktischen Arzt neue, 
verantwortungsvolle Aufgaben erwachsen. Denn bei der von 
ihm geforderten Beurtheilung Lungenkranker mit Bezug auf die 
Wahrscheinlichkeit einer Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähig¬ 
keit spricht das Ergebniss einer genauen Untersuchung der Brust - 
organe, welche ein möglichst annäherndes Bild von den vor¬ 
liegenden verschiedenartigen Veränderungen in allen Theilen der 
Lunge geben soll, eine Hauptrolle. Die Veränderungen aber, auf 



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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


17. April 1900. 


welche ich heute Ihre Aufmerksamkeit habe lenken wollen un i 
die hei Tuberculö ;en ebenso Vorkommen wie bei den mit 
Pneumonokoniose Behafteten, sind, weil sie Zeiehen eines Ver~ 
narbungsproccsses darstellcn, oft von ganz besonderer pro¬ 
gnostischer Wichtigkeit. 

Ueber die Ursachen der Herzhypertrophie bei Nieren¬ 
krankheiten. 

Von Dr. August Bier, Professor der Chirurgie in Greifswald. 

Ueber die Entstehung der Herzhypertrophie bei Nierenkrank- 
beiten gehen die Ansichten der Aerzte noch weit auseinander. 

Zwei Theorien sind es besonders, welche den grössten Beifall 
gefunden haben. 

Traube liess die Hypertrophie durch folgende beiden Ur¬ 
sachen entstehen: 1) Sollte bei frischen Nierenentzündungen 
die entzündliche Schwellung, bei Schrumpfnieren die narbige 
Schrumpfung zahlreiche kleine Gefässe veröden oder unwegsam 
machen. Dadurch sollte das Gefiissgebiet verkleinert werden, 
wodurch bei gleichbleibender Blutmenge eine Erhöhung des 
Druckes auf treten müsste. 2) Sollte die verminderte Flüssig¬ 
keit sabgabe durch die Nieren den Inhalt des Gefiisssystcms ver¬ 
mehren und so in demselben Sinne wirken. 

Die Theorie ist endgiltig widerlegt. Wir wissen, dass die 
Verödung oder Sperrung weit zahlreicherer und grösserer Ge¬ 
fiisse, als bei Nierenkrankheiten in Frage kommen, ohne jeden 
dauernden Einfluss auf den Blutdruck bleibt. 

Und diejenige Nierenkrankheit, welche in allererster Linie 
die Herzhypertrophie verursacht, die Sehrumpfniere, führt nicht 
zu einer Verminderung, sondern im Gegentlieile zu einer bedeu¬ 
tenden Vermehrung der Flüssigkeitsabgabc. 

Es kommt hinzu, dass W o r in M ii 11er und L esse r 
Tiachgewiescn haben, dass der Blutdruck in hohem Grade un¬ 
abhängig ist von Schwankungen der Fliissigkeitsmenge, und 
dass auch eine sehr bedeutende Vermehrung dos Gelassinhaltes 
keineswegs eine dauernde Steigerung des Blutdrucks zur 
Folge hat. 

Und schliesslich findet überschüssiges Wasser noch ganz 
andere Wege, den Körper zu verlassen, als den Durchgang durch 
die Nieren. 

Ueberholt ist die Theorie T r a u b es durch eine Ansicht, 
die schon B r i g h t vertrat, .T o h n s o n aber erst genauer ent¬ 
wickelte. Diese lässt die Herzhypertrophie durch Verhaltung 
von Auswurfstoffen im Körper entstellen, welche die kranken 
Nieren nicht in normaler Weise bewältigen können. Sie nimmt 
eine Vergiftung des Körpers durch die zurückgchaltenen Harn- 
bestandtheile an. Diese sollen all’ die kleinen Körpergefässe, 
insonderheit die kleinen Arterien, zur Zusammenziehung reizen, 
den Blutdruck dauernd erhöhen und damit eine Arbeitshyper- 
tiophic des Herzens hervorbringen. 

Aber auch gegen diese Theorie spricht die Thatsache, dass 
eine Herzhypertrophie besteht bei zahlreichen Fällen von 
Schrumpfniere, welche niemals zu einer Verhaltung von Aus¬ 
wurfstoffen im Körper geführt haben. 

Zahlreiche andere Theorien lehnen sich mehr oder weniger 
an diese beiden an, oder sie setzen entzündliche Vorgänge voraus, 
welche nicht nur die Nieren, sondern auch das Herz, die Gefässc 
oder beide zusammen betreffen sollen. Auch sie sind keineswegs 
im Stande, die Erscheinungen zu erklären, und theilweise sehr ge¬ 
künstelt und gezwungen. 

Die Traube’sehe Theorie schliesst die Auffassung derHerz- 
vergrösserung als compensatorisehe Hypertrophie schon in sich. 
Die Anhänger der Bright-J ohnso n’schen Theorie dagegen 
haben meist von dem Gedanken einer Oompcnsation abgesehen. 
Sie sehen in den Veränderungen des Herzens und der Gefässe die 
Folge einer chronischen Vergiftung. Indessen ist auch hier von 
Einzelnen, besonders von O. Israel die Herzhypertrophie als 
ein Compensationsvorgang auf gefasst, ohne dass ihre Ansichten 
sich allgemein Geltung verschafft hätten. 

Ich sehe in der Herzhypertrophie und den sie begleitenden 
Gefässveränderungen eine rein compensatorisehe Hypertrophie, 
also etwas Nützliches und Nothwendiges, und glaube, dass ohne 
sic ein Weiterleben nicht möglich wäre. Ich will versuchen, 
dies in Folgendem zu begründen, und alle im nierenkranken 
Körper auftretenden Herz- und Gefässveränderungen auf ein- 

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fache und anerkannte physiologische und physikalische Thai- 
sachcn zurückführen: 

Die Ludwig’sehe Ansicht, dass die Niere ein einfaches 
Filter darstellt, ohne eigentliche Absonderung von Seiten der 
Epithelien, gilt als widerlegt. Aber unbestritten ist, dass für 
die ITarnabsonderung die Filtration die hervorragendste Rolle 
spielt, dass mit dem Steigen des Blutdrucks in der Nierenarterie 
die Hurnmenge zunimrnt, beim Fallen abnimmt, und dass beim 
Ilernbsinkcn des Blutdrucks unter eine gewisse Höhe die Harn- 
absonderung ganz aufhört. 

Betrachten wir desshalh zunächst einmal der Einfachheit 
halber die Niere als Filter. Jode Nierenentzündung verkleinert 
durch Zugrundegehen oder Verlegung von Gefässen dies Filter 
ganz erheblich. Uebersehreitet diese Verkleinerung des Filters 
eine gewisse Grenze, so kann der Rest nur dann noch genügend 
arbeiten, wenn der Filtrationsdurck erhöht wird. 

Genau du-selbe muss der Fall sein, wemi auf andere Weise 
Nierensubstanz in grosser Menge zu Grunde geht, oder wenn 
sich dem filtrirten Harn Hindernisse in den Weg stellen. So hat 
man denn auch bei Ilarnstauuug durch unvollkommenen Ver¬ 
schluss der Harnleiter, bei Cystenniere, Hydronephrose etc. eine 
Ilerzhypi rtrophie beobachtet. 

Man sollte annelnnen, dass auch künstliche Entfernung 
einer Niere Herzhypertrophie oder wenigstens vorübergehende 
Elutdriickcrhühung hervorrufen müsste, wenn diese Vorgänge 
wirklich eompeiisatorisch wären, ln der Timt hat man an, ;• in der 
Regel nach dieser Verstümmlung keine Blutdruck«! : gerung und 
keine Herzhypertrophie beobachtet. Dies wird ohne' Weiteres klar, 
wenn wir bedenken, dass 1. wir überall mit einem grossen lleber- 
chu-s von Gewebe über das not luvend igste Mindest maass hinaus 
arbeiten. Dies scheint mir in der Niere in besonders hervor¬ 
ragendem Maasse der Eall zu sein. Man rufe sich nur in Erinne¬ 
rung. was Sanier, welche täglich 10—15 Täter Bier zuweilen Jahre 
und Jahrzehnte lang ihrem Körper einverleiben, ihren Nieren zu- 
nmthen ! Und 2. ist die übrig bleibende gesunde Niere fähig zu 
liypert rophireii. und somit das verkleinerte Filter wieder zu er¬ 
setzen, während die besonders die Herzhypertrophie verur¬ 
sachende Selmimpfniere diese Fähigkeit nicht hat. sondern im 
Gegeiltbeil meist unaufhaltsam weiter schwindet. 

Gegen die Auffassung der Herzhypertrophie als Compcn- 
sation könnte man nun einwenden, dass dagegen doch mit grosser 
Deutlichkeit die weit über die Norm vermehrte Ilarnmenge der 
Sehrua.j filiere .-präche. Dass eheint mir in Wirklichkeit ahm* ers 
recht auf eine (’ompensation zu deuten. Denn welcher Theorie 
über die Harnabsonderung wir auch huldigen mögen, immer stellt 
Geh heraus, dass (‘in Vermehrung des Harnwassers entweih r natür¬ 
lich ist oder mi:- nützlich sein kann. Lassen wir z. B. den Harn von 
vornherein als Salzlösung allsgeschieden werden, so weiss Jeder¬ 
mann, da>s eine verdünnte Salzlösung viel schneller durch ein 
Filter läuft, als eine concentrirtere. Das schadhaft gewordene 
Filter wird dadurch geschont werden und gleichzeitig mehr leisten. 
Lassen wir mit L u d w i g die Epithelien der Harneanälchen den 
stark verdünnt ausgeschiedenen Harn eindicken, so erklärt der 
Verlust zahlreicher Harneanälchen und Epithelien, dass die Ein¬ 
dickung nicht in normaler Weise erfolgt. 

Indessen sind, wie oben erwähnt, diese Ansichten veraltet. 
Wir müssen neben der Filtration mit Bowman und Hei¬ 
de n li a i n annehmen, dass die Zellen der gewundenen Harn- 
eanälchen die Auswurfstoffe aus dem Blute auf nehmen und in die 
Canülehen absondern. Aber dann ist erst recht ein sehr reich¬ 
liches Harnwasser nothwendig, denn von der normalen, abson¬ 
dernden Zeilenzahl ist nur noch ein Bruehtheil übrig, der die Ar¬ 
beit der verschwundenen Zellen mitübernehmen muss. Ein raseii 
und i n grosser Menge vorbei rieselndes Hamwasser wird die Zellen 
viel schneller und wirksamer auslaugen, als ein langsam und spär¬ 
lich fl iessendes. Dadurch werden die überarbeiteten Zellen vor 
Ueberlndung mit giftigen Auswurfstoffen und vor verhängnis¬ 
voller Ermüdung geschützt. 

Diese Annahme steht mit Thatsaehen der Physiologie und 
Pathologie im Einklang. Wir wissen, dass selbst die gesunden 
Nieren nur im (Stande sind, eine Salzlösung von gewisser Con- 
centration nach oben hin auszuscheiden, dass also eine reichliche 
Auslaugung der gesunden Zellen nothwendig ist, und nach reich¬ 
lichem Salzgenusse oder nach erheblichem Stoffumsatz mahnt 
uns der quälende Durst, dem salzreichen Blute die nöthige 

1 * 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16 


Wassermenge zuzuführen, weil die Nierenepitlielien nicht, im 
Stande sind, die Salze ohne die nöthige Wassermenge schnell zu 
entfernen. 

Bei der Sehrumpfniere kommt aber zuweilen, trotzdem man 
noch vorher reichliche Harnausscheidung bemerkt hatte, wie ein 
Dieb in der Nacht, der uraemisohe Anfall plötzlich über den 
Kranken, und die Harnausscheidung hört selbst gänzlich auf. 

Es ist mir desshalb wahrscheinlich, da-s gerade die über die 
Norm vermehrte Wasserausscheidung bei der Schrumpfniere die 
Componsation darstellt, und dass wir desshalb gerade bei dieser 
Krankheit so häufig und in so hohem Grade die Hcrzhypertropliie 
beobachten. Diese ist also keine missliche und unangenehme 
Folge von Zugrundegehen von Gefässen, von Vergiftung des Kör¬ 
pers und von Entzündungen des Herzens und der Gefiis.se. son¬ 
dern im Gegentheil, sie stellt einen ausserordentlich nützlichen 
lind nothwendigen Compensationsvorgang dar, ohne welchen der 
Kranke nicht weiter leben könnte. 

Freilich, die Natur bedient sieh eines verzweifelten Mittels, 
um das bedrohte Leben zu retten. Denn es ist bekannt, wie sehr 
der übrige Körper unter der für die Harnausscheidung noth¬ 
wendigen Bl utdru oksteigerung und der Herzhypertrophie zu 
leiden hat. Aber es ist das einzige physikalisch denkbare Mittel, 
welches überhaupt zu Gebote steht. Ebenso wenig wie wir im 
Stande sind, in dem weit verzweigten Röhrcnnotze einer 
städtischen Wasserleitung, deren Hähne offen stehen, den Druck 
in einem Hahne zu erhöhen, ohne dass dies auch gleichzeitig in 
allen anderen geschieht, ebensowenig kann der Körper in der 
Hauptarterie einer seiner Provinzen dauernd den Druck erhöhen, 
ohne dass die sämintliehen anderen auch davon betroffen werden. 

Die weitere Ueberlegung zeigt, dass die Blutdruckerhöhung, 
hei der Schrumpfniere insbesondere, für den Körper eine unge¬ 
heuere Arbeitsleistung darstellt, welche keineswegs nur das Herz, 
lind die grösseren Gefässe, welche ja naturgemäss stärker gespannt 
werden, sondern das ganze arterielle Gefässsystem bis in die Ca- 
pillaren hinein betrifft. 

Die Natur verfährt hier gerade so, wie wir es — um in 
dem oben erwähnten Vergleiche zu bleiben — mit der Wasser¬ 
leitung machen müssen, wenn wir einen Hahn unter grösserem 
Drucke wollen laufen lassen. Hier sehliessen wir die anderen 
ganz oder vollständig und dort verengt der Körper seine kleineren 
Gefässe anderer Provinzen, um den nöthigen Blutdruck herzu¬ 
stellen. Die Verengerung der Gefässe sämmtlicher anderer 
Körpertheile ist auch schon desshalb nöthig, weil sonst der er¬ 
höhte Blutdruck in einzelne, nicht an der Zusammenziehung 
betheiligte Gebiete Blut im Ueberfluss hineinpressen würde. 

So erklärt sieh meiner Ansicht nach auch die mehrfach be¬ 
schriebene Hypertrophie der kleinen Gefässe: sie ist ebenfalls 
eine echte und nothwendige Arbeitshypertrophie. 

Bedenkt man, dass der Mensch mit Schrumpfnieren zuweilen 
noch Jahrzehnte lebt, so versteht man, welch’ eine gewaltige Ar¬ 
beit derselbe fortdauernd mehr leisten muss, als ein normaler 
Mensch. Sein ganzes arterielles Gefässsystem ist dauernd über¬ 
arbeitet. Da ist es kein Wunder, dass, wie schliesslich das hyper¬ 
trophische ITerz, so auch die Gefässe versagen, und sieh Ent¬ 
artungszustände bei ihnen herausbilden, wie wir das ja von 
anderen dauernd überlasteten hypertrophischen Geweben wissen. 

Ich glaube, dass man hier vielfach Ursache und Wirkung 
verwechselt hat, indem man krankhafte Gefässe als gemeinschaft¬ 
liche Ursache von chronischen Nierenentzündungen und Herz- 
hjpertrophie beschuldigte, während umgekehrt die Krankheit der 
Gefässe erst die versagende Hypertrophie darstellte, welche so 
lange das Nierenleiden eompensirt und verdeckt hatte. Damit 
will ich keineswegs behaupten, dass nicht auch Gefässkrankheiten 
die Ursache von Schrumpf niere sein können. 

Wir hätten nach dieser Anschauung also Herz- und Arterien¬ 
hypertrophie als etwas Nützliches zu betrachten. Gleichzeitig 
aber zeigt das Krankheitsbild der chronischen Nierenentzündung 
auf das Schönste die Schädlichkeit dauernd erhöhten Blutdruckes 
und beweist ferner, welche gewaltige Kraftentwicklung noth- 
wendig ist, um den erhöhten Druck auch nur in einem einzigen 
kleinen Körpertheile auf traten zu lassen. E]s ist eben unmöglich, 
ihn auf diesen zu beschränken, sondern es folgt aus einfachen 
physikalischen Gesetzen, dass man in einer verzweigten Rohr¬ 
leitung, welche d«#ch ein Pumpwerk gespeist wird, nicht au einer 

□ igitizedby CjOOQlC 


einzelnen Stelle den Druck erhöhen kann, ohne dass die ganze 
Leitung davon betroffen wird. 

Diese Ueberlegung war für mich der Grund, mich überhaupt 
mit den mir als Chirurgen ferner liegenden Ursachen der Herz- 
hypertrophie bei Nierenentzündungen zu befassen. Ich habe mich 
bemüht, die Ansicht der Chirurgen, dass nach Sperrungen grosser 
Arterien und nach anderweitigen Störungen des arteriellen 
Zuflusses lediglich eine Drucksteigerung — die sogenannte 
collaternle Wallung — dem geschädigten Körpertheile 
das nothwendige Blut zuführt, zu widerlegen. Der Kör¬ 
per bedient sieh hier eines ganz anderen und viel wirk¬ 
sameren Mittels: er setzt die Widerstände für den Blut¬ 
kreislauf vor Allem in den kleinen Gefässen (hier liegt der 
Hauptwiderstand) des geschädigten Gebietes je nach Bedürfnis*, 
im Nothfalle sogar bis aufs Aeusserste herab. Dadurch entfaltet 
er für den Blutzufluss und den Blutumlauf in diesem Theile 
eine viel grössere Kraft, als sie die im Bereich des physiologisch 
Möglichen liegenden Drucksteigerungen jemals hervorbringen 
können. Ferner kommt die ganze Kraft dem geschädigten Theile 
zu Gute, während eine Drucksteigerung, die dasselbe erreichen 
soll, wie wir sehen, eine ungeheuere Kraftverschwendung darstellt 
mit Schädigung des ganzen übrigen Körpers, welcher diese Steige¬ 
rung nicht nöthig hat. 

Dies sind eben 2 grundverschiedene Dinge: In dem zuletzt ge¬ 
schilderten Falle, bei Störung des arteriellen Zuflusses, bedarf es 
nur einer reichlichen Durchströmung des geschädigten Theile* 
mit frischem Blute, aus dem die hungernden, vergifteten und er¬ 
stickenden Zellen sich die Nahrung auswählen und in das sie ihre 
Auswurfstoffe abgeben. Strömung aber wird durch Druck¬ 
differenz erzeugt. Dort in der geschädigten Niere dagegen 
soll in höherem Grade filtrirt werden. Filtration aus den Ge¬ 
fässen aber bedarf einer gewissen absoluten Druckhöhe. 
Widerstandsherabsetzung in den kleinen Gefässen würde im 
Gegentheil den Druck erniedrigen und schädlich wirken. Druck¬ 
erniedrigung würde hier nur einen Sinn haben, wenn sie in den 
harnableitenden Wegen stattfände. Die aber sind nach ihrem 
Bau ganz und gar nicht dafür eingerichtet. 

Es wäre nun noch die Frage zu erledigen, wodurch denn die 
compensatorische Herzhypertrophie hervorgerufen wird. Hier 
haben wir uns zunächst zu erinnern, dass wir eigentlich über die 
Ursachen der compensatorischen Hypertrophie überhaupt nichts 
weiter wissen, als dass sie eintritt, wo sie nöthig ist. Immerhin 
aber helfen wir uns bei den gewöhnlichen Fällen dieser Art da¬ 
durch, dass wir sagen, der erhöhte Stoffwechsel, den die vermehrte 
Thätigkeit des geschädigten Organs hervormfe, lasse die Theile 
hypertrophisch werden. 

Wollen wir diese Umschreibung der Thatsaehen wirklich als 
Erklärung gelten lassen, so lässt sie sich ohne Weiteres auch auf 
die in Rede stehende compensatorische Herzhypertrophie an- 
wenden. Denn es ist eigentlich nicht richtig, wenn wir sagen, 
allein die Niere bereite den Harn. Ausser der Secretion ist. wie 
bereits auseinandergesetzt, eine Filtration nothwendig, und diese 
wird in erster Linie nicht durch die Nieren, sondern durch das 
Herz bewirkt. Niere und Herz scheiden also den Harn aus. 
und bis zu einem gewissen Grade kann das eine Organ das andere 
vertreten. Der Reiz des vermehrten Stoffwechsels wird also 
gleichzeitig auf beide wirken. 

Wir kennen nun aber nur zweierlei Reize für unsere Gewebe 
und Organe, physikalische und chemische. Dass rein physikalische 
Reize, ausgehend von einer Wasserüberfüllung des Körpers, oder 
Zugrimdogehen von Gefässen, bei der in Rede stehenden Herz¬ 
hypertrophie im Spiele sind, ist, wie bereits auseinandergesetzt, 
im höchsten Grade unwahrscheinlich, es blieben also nur che¬ 
mische übrig. Und da liegt ja in der That am nächsten, die 
zurückgehaltencn Harnbostandtheilc als diese Reizmittel anztt- 
sehen, zumal wir ja wissen, dass einzelne derselben blutdrook- 
erhöhende und harntreibende Stoffe sind. Man braucht desshalb 
noch lange nicht eine Vergiftung des Körpers durch zuriick- 
gchaltenc Tfarnbestandtheilc anzunehmen. Ist die Herzliypor- 
trophie soweit ausgehildet, dass sie, wie bei vielen Fällen von 
Sehntnn»fniere mfrifft. völlig alle diese Stoffe aus dem Körper 
entfernt, so können wir hier ebenso wenig von einer Harnvergif¬ 
tung. wie hei einem völlig compensirten Herzfehler von einer 
Kohlen säure Vergiftung sprechen. Die Vergiftung tritt in beiden 
Fällen erst ein, wenn die eompensirende Hypertrophie versagt. 

oder an der Grenze des physiologisch Möglichen angelangt ist. 

DiTgiral mfrn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Höchst interessant ist die in neuerer Zeit von R. Tiger¬ 
stedt im Skandinavischen Archiv für Physiologie (8. Band) be¬ 
schriebene Entdeckung des Benins. So nannte Tigerstedt 
einen Stoff, welchen er aus Nieren herstellte, und welcher in das 
Blut eingespritzt sehr wesentlich den Blutdruck erhöht. Der 
Stoff verursacht diese Erhöhung in erster Linie durch Ein¬ 
wirkung auf die peripheren Gefässnerveneentren. Tigerstedt 
macht darauf aufmerksam, dass das Benin „von Bedeutung für 
die theoretische Erklärung der bei gewissen Nierenleiden auf¬ 
tretenden Herzhypertrophie sein könnte“. Nachdem der Gedanke 
„der inneren Secretion“ von Brown- Sequard immer mehr 
zur Anerkennung gelangt ist, und nach den merkwürdigen Er¬ 
fahrungen, welche wir an der Schilddrüse gesammelt haben, ist 
ja eine solche Auffassung auch durchaus berechtigt. 

Aber, wie bereits erwähnt, wir sind über die eigentlichen Ur¬ 
sachen compensatorischer Vorgänge durchaus noch nicht aufge¬ 
klärt und nicht viel weiter, als J. Hunter vor langen Jahren war, 
welcher sagte, der Stimulus necessitas schafft sie, sie treten ein, 
wo sie nöthig sind. 

Ich beabsichtige auch durchaus nicht, diese weittragende und 
dunkle biologische Frage zu behandeln. Ich wollte zeigen, dass 
es höchst wahrscheinlich ist, dass eine compensatorische Druck¬ 
steigerung in den Gefässen der Niere für das Weiterleben der 
Nierenkranken dringend nothwendig ist, und dass diese Druck¬ 
steigerung nach einfachen pysikalischen Gesetzen sich gar nicht 
anders herstellen lässt, als wir es im nierenkranken Körper finden. 

Neue Beiträge zur Pathologie der Speiseröhre. 

Von Professor Dr. W. F 1 e i n e r in Heidelberg. 

Seit meiner ersten klinischen Mittheilung über jene ange¬ 
borenen Formveränderungen der Speiseröhre, welche Fr. Arnold 
und Luschka als zufällige Leichenbefunde erwähnt und als 
Vormagen oder Antrum cardiacum bezeichnet haben, 
gaben mir 6 neue Fälle dieser Art Gelegenheit, die specielle Patho¬ 
logie und Therapie dieser sehr merkwürdigen Zustände weiter 
auszubauen. 

Die ausführliche Wiedergabe der Krankheitsgeschichten 
aller dieser Fälle ist hier nicht am Platze, dagegen möchte 
ich an einem besonders typischen Falle die Krankheits¬ 
erseheinungen und an zwei Sectionsbefunden diepatho- 
logischen Verhältnisse schildern, mit welchen wir es 
hier zu thun haben. Im Uebrigen verweise ich auf die Disser¬ 
tation NettePs (Arch. f. Verdauungskrankheiten, TV. II. 1898), 
auf meine Referate in der Münch, med. Wochenschr. 1899, No. 7 
und im Centralblatt f. Chirurgie 1899, No. 49, endlich auf eine 
demnächst erscheinende Arbeit von Vogelsang (Schuls- 
Tarasp), welche auch die einschlägige Literatur eingehend be¬ 
rücksichtigen wird. 

• 

I. Pathologische Verhältnisse. 

Den ersten Sectionsbefund verdanke ich Herrn Dr. Fisch¬ 
bach in Karlsruhe. Er wurde erhoben bei einer an Peritonitis 
Dach Durchbruch eines Gallenblasenempyems verstorbenen 53 jähr. 
Frau, welche schon von jungen Jahren an an Schluck¬ 
beschwerden, M a g e n k r ä m p f e n, Würgen und 
Wiederkäuen gelitten hatte. Schon aus den Schilderungen 
des Leidens, welche mir die nervöse Tochter jener Frau machte, 
als sie ein ähnliches Leiden wie ihre Mutter zu haben fürchtete, 
liess sich ein Vormagen bei der Mutter vermuthen. In der 
That fand sich, wie Herr Dr. Fischbach mir auf eine dies¬ 
bezügliche Anfrage mittheilte, dicht über der Cardia 
ein schlaffwandiger, flaschenbauchähnlicher 
Sack von der Grösse einer starken Mannesfaust. 
Die Cardia selbst war normal structurirt, aber 
ziemlich enge. Vergl. die nebenstehende schematische Zeich¬ 
nung. Fig. 1. 

Auf einen zweiten, zufälligen Sectionsbefund hatte Prof. 
E r n s t die Freundlichkeit, mich aufmerksam zu machen. 

Es handelte sich um eine 47 jährige Frau, welche seit vielen 
Jahren krank war und an einem complicirten Herzfehler, an 
Knochentuberculose, an tuberculöser Peritonitis, Darmgeschwüren, 
Verwachsungen zwischen Gallenblase und Kolon und endlich an 
einer Darmfistel gelitten hatte. Besondere Krankheitserschei¬ 
nungen, welche auf die Speiseröhre hinwiesen, waren in der 


Krankengeschichte nicht erwähnt. Dass solche aber da waren, 
ist zweifellos, nur sind sie wahrscheinlich neben den vielen 
anderen Klagen der Kranken nicht besonders beachtet oder anders 
gedeutet worden. Genauere Nachforschungen bei Angehörigen 
oder früheren Aerzten der Kranken konnte ich leider nicht an¬ 
stellen. 

Bei der Autopsie der Brusthöhle dieser Frau zeigte sich 
unmittelbar oberhalb des Zwerchfells ein bläu¬ 
lich verfärbter, schlaffwandiger Sack, welcher anscheinend Luft 
und Flüssigkeit enthielt. Nach der Herausnahme von Speise¬ 
röhre und Magen im Zusammenhang erwies sich dieser Sack als 
eine spindelförmige Erweiterung der Speise¬ 
röhre, ein Vormagen. 

Die Grösse des Vormagens entspricht derjenigen eines kleinen 
Apfels. Seine Wandung ist viel dünner als diejenige der übrigen 
Speiseröhre und des Magens; weder am oberen noch am unteren 
Pole der Spindel findet sich eine Einschnürung oder sonstwie 
gekennzeichnete scharfe Abgrenzung. Da wo die Speiseröhre 
sich ampullenförmig auszuweiten beginnt, tritt die Längs- 
musculatur der Speiseröhre bündelförmig aus¬ 
einander und lässt sich in Gestalt weisslicher 
isolirter Streifen in der Wand der Ampulle 
nach abwärts verfolgen. Gegen den unteren Pol zu 
treten diese isolirten Muskelbündel näher zusammen und bilden 
vom Zwerchfell an wieder eine gleichmässige Schicht. (Siehe 

Fig. 2.) 



Fig. 1. Fig 2. 

( 2 / 3 der natürlichen Grösse.) 

Die Wandung der Speiseröhre ist oberhalb der spindel¬ 
förmigen Erweiterung nicht verdickt, die Musculatur also nicht 
hypertrophisch. Auch an. der Cardia ist die Wandung nicht 
dicker anzufühlen, als an einer anderen Stelle des Magens. Eine 
Schlundsonde mittlerer Dicke stösst weder am oberen noch am 
unteren Pole der Ampulle auf ein Hinderniss. 

Ueber das Verhalten der Schleimhaut kann ich leider keine 
Angaben machen, da das Präparat unversehrt gehärtet und der 
Sammlung des pathologischen Instituts einverleibt wurde. Leider 
hat es bei der Härtung viel von seiner Form verloren, auch die 
Grössenverhältnisse treten nicht mehr so deutlich zu Tage, 

Aus letzterem Grunde wäre zu empfehlen, solche Präparate 
in gefülltem oder aufgeblähtem Zustande zu conserviren. Wahr¬ 
scheinlich würde man auch häufiger auf solche Befunde stossen, 
wenn man, wie schon Kussmaul es anrieth, in zweifelhaften 
Fällen noch in situ Speiseröhre und Magen mit Wasser oder 
Luft anfüllte, oben und unten unterbände und dann in toto 
aus der Leiche nähme. 

In diesen beiden Fällen haben wir spindelförmige 
Erweiterungen im untersten Abschnitt des Brusttheils der 
Speiseröhre dicht über dem Zwerchfell vor uns: wirk¬ 
liche Vormagen. Nun gibt es aber auch noch Ausbuchtungen 
und spindelförmige Erweiterungen der Speiseröhre unterhalb 
des Zwerchfells. Diese sind kleiner und anscheinend auch 
seltener als jene. 

Nach Luschka besitzt die Pars abdominalis der Speise¬ 
röhre, d. h. der Abstand vom Zwerchfell bis zur oberen, durch 
die Ora serrata gekennzeichneten Magenmündung nur eine ge¬ 
ringe, höchstens 3 cm betragende Länge. Im Allgemeinen hat 
sie eine trichterförmige Gestalt. Nur der linke Theil der Basis 


Vo 16. 

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2 

Original fro-m 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


530 


des Trichters pflegt durch eine Rinne deutlich vom angrenzenden 
Blind sacke des Magens geschieden zu werden. Ausnahmsweise 
findet jedoch eine deutliche Abgrenzung des ganzen Umfangs 
der Pars abdominalis der Speiseröhre vom Magen durch eine 
vollständige Ringfurche statt, so dass der Bauchtheil 
des Oesophagus als eine annähernd ovale Auftreibung erscheint. 
Jene Ringfurche kann, wie dies schon Blasius vor mehr als 
200 Jahren gesehen hat, (cit. bei Luschka) so tief und die Auf¬ 
treibung so beträchtlich werden, dass die Pars abdominalis der 
Speiseröhre wie ein eigener, sackartig erweiterter und abge¬ 
schnürter Anhang des Magens aussieht. 

In drei von meinen Fällen schien nach den Sondirungs- 
ergebnissen nicht nur eine Erweiterung der Speiseröhre, son¬ 
dern oberhalb von einem Vormagen noch eine zweite, ja sogar 
eine dritte spindelförmige Erweiterung der Speiseröhre vorhanden 
zu sein. 

Es ist möglich, dass solche höher gelegene Erweiterungen 
sich erst später, in Folge der durch ein Antrum cardiacum oder 
durch einen Vormagen bedingten Stauung, entwickelt haben. 
Die sehr interessanten Mittheilungen Mehnert’s machen es 
aber wahrscheinlich, dass ebenso wie ein Vormagen oder ein 
Antrum cardiacum, jene höher gelegenen Speiseröhrenerweite- 
rungen angeboren oder wenigstens in der Anlage ange¬ 
boren sind. Sie können, wie das nebenstehende Schema von 
M e h n e r t zeigt, an vielen Stellen der Speiseröhre Vorkommen. 
(S. Fig. 3.) 

Nach M e h n e r t präsentirt 
sich der primitive Schlunddarm 
(die spätere Speiseröhre) als eine 
rosenkranzähnliche Röhre. Jeder 
zwischen zwei Einschnürungen 
oder Engen gelegene Spindel¬ 
abschnitt entspricht einer meta- 
meren Darmeinheit und muss als 
Enteromer bezeichnet werden. 
Die Zahl (Maximalzahl) der En- 
teromere entspricht der Zahl der 
Wirbel, die Zahl der Engen der 
Speiseröhre entspricht der Zahl 
der Zwischenwirbelscheiben. 

Die erste Einschnürung oder 
die oberste Enge liegt am Ring¬ 
knorpel. Die letzte ist jene Ring- 
furchc, welche das Antrum car¬ 
diacum vom Magen abgrenzt. 

^*8* Ueber dem Zwerchfell liegen 11 

Spindelabschnitte, unterhalb derselben nur ein einziger (Meh¬ 
ner t). Dieser letztere Abschnitt kann sich zum Antrum car¬ 
diacum erweitern, während die dicht oberhalb vom Zwerchfell 
gelegene Erweiterung den Vormagen bildet. 

Höher gelegene Erweiterungen der Speiseröhre befinden sich 
oberhalb von einer sog. physiologischen Enge. Die be¬ 
kanntesten unter den letzteren entsprechen dem Ringknorpel, 
dem Aortenbogen, der Trachealbifurcation, dem linken Bronchus, 
dem Hiatus oesophageus. Die den physiologischen Engen der 
Speiseröhre entsprechenden Stellen erkranken am leichtesten und 
werden auch am häufigsten zum Sitze von Verätzungsstricturen 
(v. Hacke r). 

Was die Grösse der tiefsitzenden Speise¬ 
röhrenerweiterungen anbelangt, so ist dieselbe, wie kli¬ 
nische Beobachtungen lehren, sehr verschieden, ja sogar bei einem 
und demselben Individuum grossem Wechsel unterworfen. In 
den vorhin erwähnten Leichenbefunden hatte das eine Mal der 
Vormagen die Grösse einer starken Mannesfaust, das andere Mal 
diejenige eines kleinen Apfels. In einem dritten, mir durch eine 
persönliche Mittheilung KuasmauTs bekannt gewordenen 
Falle, war bei einer älteren Frau die Speiseröhre, von einem Vor¬ 
magen ausgehend, in einen Sack verwandelt, dessen Grösse der¬ 
jenigen des zusammengeschrumpften Magens gleichkam. 

In der schlaffen Wandung dieses Speiseröhrensackes waren 
noch Ausbuchtungen secundärer Art, welche Nischen und 
Buchten für sich bildeten und an ein ähnliches Verhalten der 
überdehnten Harnblase (Vessie ä colonnes) oder an die Haustra 
des Kolon erinnerten. 

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Bei allen klinisch behandelten Fällen habe ich von Zeit 
zu Zeit den Rauminhalt der Speiseröhrenerweiterungen ge¬ 
messen und im Beginne der Behandlung ganz andere Zahlen er¬ 
halten, als bei der Entlassung oder später, nach länger fort¬ 
gesetzter Selbstbehandlung. Die nebenstehende Tabelle gibt einen 
Ueberblick über diese Zahlenverhältnisse. 


Rauminhalt tiefliegender, angeborener Erweiterungen der 
Speiseröhre . 



Diagnose 

Im Beginn 
der 

Behandlung 

Bei der Ent¬ 
lassung 

Fall J. 

7 jähr. Knabe 

Antr. cardiac. 

I 

| 75 ccm 

20—30 ccm 
bisweilen leer 

Fall H. 

41 jähr. Mann 
(cf. Netter) 

tiefsitzende 
spindelf. Erweiterung 
der Speiseröhre 

angeblich 

1 bis 

1000 ccm 

200-100-50 ccm 

Fall K. B. 
30 jähr. Mann 

Vormagen 

| 400 ccm 

140—100 später 
30—25 ccm 
bisweilen leer 

Fall J. A. 

23 jähr. Mann 

Vormagen 

! fast 

500 ccm 

250—180 ccm 

Fall M. 

25 jähr. Frau 

Vormagen 

■ 250 ccm 

! 

50—30 ccm 
bisweilen leer 


Fast möchte ich sagen, dass nach diesen Zahlen 
auch die Beschwerden der Kranken sich be¬ 
messen lassen, denn je grösser das Volumen der in der 
Speiseröhre angestauten Massen ist, desto schlimmer ist auch das 
Leiden. Jede durch die Behandlung erzielte Verminderung der 
Anstauung bedeutet ein Kleinerwerden des Sackes und eine 
Besserung im Befinden. Gelingt es, die Durchgängigkeit der 
Speiseröhre wieder so weit herzustellen, dass eine ausreichende 
Nahrung in den Magen gelangt, ohne dass nennenswerthe Mengen 
im Speiseröhrensacke zurückbehalten werden, so hat die Behand¬ 
lung die Grenzen der Möglichkeit erreicht und es kann dann 
Wohlbefinden bestehen: Allerdings bleibt die Dis¬ 
position zu Rückfällen oder besser gesagt zu Verschlim¬ 
merungen zeitlebens und zwingt die Träger von an¬ 
geborenen Form Veränderungen der Speiseröhre zu dauernder 
Vorsicht im Essen und Trinken und zu man¬ 
cherlei Entsagungen. 

Annähernd richtige Vorstellungen von der eigent¬ 
lichen Grösse eines angeborenen Vormagens gibt uns nun 
das kleinste Maass der nach der Durchführung 
einer kunstgerechten mechanischen und diätetischen 
Behandlung zurückbleibenden Erweiterung 
der Speiseröhre. Meine vorhin gegebene Tabelle zeigt für solche 
nach der Behandlung restirende (also auch ursprünglich da¬ 
gewesene) Ausbuchtungen Zahlenwerthe von 20—50 ccm Raum¬ 
inhalt. Rechnet man hinzu, dass nicht alle Flüssigkeit oder Luft 
aus dem Vormagen mit Hilfe der Sonde zu entnehmen war, so 
dürfte der Rauminhalt um 10—20 ccm grösser sein, also ein 
V ormagen 30—70 ccm fassen. Ueber diese Zahlen erhebliche 
hinausgehende Werthe deuten auf Vergrösserungen eines 
Vormagens durch Stauung. 

Die Form angeborener Speiseröhrenerweiterungen ist in 
der Regel s p i n d el i g. Auch in meinen secirten Fällen hatten 
die Vormagen regelmässige, spindelige Gestalt. Diese Regel¬ 
mässigkeit scheint sich aber mit Zunahme der Ausweitung der 
Speiseröhre verlieren zu können, wenn an Stellen der Speise¬ 
röhrenwandung, wo die Muskelbündel weiter auseinander¬ 
getreten und dünner sind, durch Stauung eine stärkere Dehnung 
stattfindet, als an anderen. Ein gleiches Verhalten ist bei der 
Rückbildung eines grösseren Sackes möglich, wenn der muskel¬ 
kräftigere Theil seiner Wandung sich rascher und energischer 
zusammenzieht, als der muskelschwächere Theil. Durch solche 
ungleichmässige Dehnung oder ungleichmässige Zusammen¬ 
ziehung nimmt der dehnbare Abschnitt der Speiseröhre bei seiner 
Füllung eine unregelmässige Gestalt an, welche die Sondirung 
ausserordentlich erschwert. Auf Grund meiner Sectionsbefunde 
und unter Zuhilfenahme einer grossen Zahl von Sondirungen 
habe ich die beistehenden schematischen Figuren hergestellt, 
welche erklären sollen, warum oftmals — trotz weiter Durch¬ 
lässigkeit der Cardia — die Sondirung der Vormagen so grosse 
Schwierigkeiten bietet. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


531 


Fig. 4 a zeigt die regelmässige Spindelform eines Vormagens; 
cier obere und untere Pol der Spindel liegt in der Achse der 
Speiseröhre. Die Sondirung. d. h. die Einführung einer weichen 
Sonde in den Magen gelingt leicht und regelmässig, wenn sie mit 
guten Instrumenten schonend und vorsichtig ausgeführt wird. 

Bei einer Form des Vormagens, wie in Fig. 4 b, kann die 
Sondirung ganz verschiedene Ergebnisse haben, einmal leicht ge¬ 
lingen, das anderemal grosse Schwierigkeiten machen, sogar ver¬ 
sagen. Die Sonde gelangt leicht in den Magen, wenn sie längs 
der wenig ausgebuchteten — rechtsseitigen — Wand des Vor¬ 
magens hinabgleitet. Das Sondenende stösst aber auf Wider¬ 
stand, fängt sich und biegt sich um, wenn es längs der stark 
ausgebuchteten — linksseitigen — Wand herabgleitend von der 
Speiseröhrenachse abweicht. Eine halbharte Sonde leistet in 
solchen Fällen oftmals bessere Dienste, als eine weiche. 



Fig. t 


Die Fig. 4 c lässt erkennen, dass durch vorwiegend einseitige 
Ausbuchtung der Speiseröhrenwandung der Vormagen eine sack¬ 
förmige, divertikelähnliche Gestalt angenommen hat und die Aus¬ 
mündung dieses Sackes in den Magen ganz aus der Achse der 
Speiseröhre hinausgerückt ist. In Fällen dieser Art, auch bei 
dem am meisten divertikelähnlichen, halbseitigen Antrum cardiac. 
(Fig. 4 d) erfordert die Sondirung die grösste Vorsicht und Ge¬ 
schicklichkeit. Mit nicht zu weichen Sonden muss zuerst die 
Lage des Eingangs in den Magen aufgesueht werden, wobei 
Schluckbewegungen und bestimmte, je nach dem einzelnen Falle 
verschiedene Stellungen des Kopfes, der Hals- und Brustwirbel¬ 
säule und Schluckbewegungen erleichternd mithelfen können. 
Auch die halbweichen französischen Schlundsonden mit stumpf¬ 
winkeliger Knickung des Sondenendes, welche ich mir nach dem 
Vorbilde des Mercierkatheters hersteilen liess, sind für solche 
Fälle sehr zweckmässig. (Ausführlicher über die Sondirung wird 
Vogelsang in seiner Arbeit berichten.) 

Die Aehnlichkeit zwischen sackförmigen Erweiterungen der 
Speiseröhre ober- und unterhalb vom Zwerchfell mit Divertikeln 
führt zur Frage, ob nicht überhaupt ein Vormagen, ein Antrum 
cardiacum und ein tiefsitzendes Divertikel ganz gleichwerthige 
Bildungen seien. Eine bestimmte Antwort lässt sich beim Mangel 
genügender anatomischer Belege zwar nicht geben, doch neige ich 
zur Bejahung dieser Frage aus folgenden Gründen: Die letzte Ur¬ 
sache eines spindelförmigen Vormagens oder eines regelmässig ge¬ 
stalteten Antrum cardiacum ist nicht immer eine abnorme 
(physiologische) Enge an der Cardia oder am Hiatus oesophagi. 
Ebenso gut und ebenso häufig kann sie in einer abnormen Nach¬ 
giebigkeit oder Dehnbarkeit der Wandung eines Mehner t’schen 
Speiseröhrenspindelabschnitts oder Enteromers liegen, die durch 
ein Auseinandertreten der Muskelbündel (wie in Fig. 2) bedingt 
ist. Nur im ersten meiner Sectionsbefundo ist von einer ziem¬ 
lich engen Cardia die Rede, in allen anderen Fällen bestand 
keine organische Stenose und die Sondirung wurde stets mit 
Schlundsonden üblicher Weite (J a q u e’s Patent No. 20—22) aus¬ 
geführt. Im Falle H., den ich durch Netter beschreiben liess, 
benutzte der Patient einen ganz ungewöhnlich weiten Schlauch 
von 60 mm Umfang, der ohne alle Schwierigkeiten in den Magen 
binabglitt. Weil ich das eigenthümliche anatomische Verhalten 
der Muskelschicht damals noch nicht aus Anschauung kannte, 
führte ich die aussergewöhnlich starke Speiseröhrenerweiterung 
jenes Falles auf oesophageale Atonie zurück. Die Schlaffheit 
lind abnorme Dehnungsfähigkeit der Speiseröhren wandung war 


aber vermuthlich nicht eine functionelle Schwäche, son¬ 
dern eine organische. Findet nun ein Auseinandertreten 
einzelner Müskelbündel gleichmässig im ganzen Umfang eines 
enteromeren Speiseröhrenabschnittes statt, wie in Fig. 2, so ent¬ 
steht eine spindelförmige Erweiterung, beschränkt 
sich dagegen jene musculäre Schwächung nur auf einen Theil des 
Anfangs eines Speiseröhrenenteromers, so entsteht eine um¬ 
schriebene, sackförmige Ausbuchtung, ein Divertikel. 

(Schluss folgt.) 

Aus dem städtischen Krankenhause in Kiel. 

lieber die Glycosurie der Vaganten. 

Von G. Hoppe-Seyler in Kiel. 

In den letzten Jahren sind im städtischen Eirankenhause in 
Kiel mehrere Fälle von vorübergehender Glykosurie bei Leuten 
zur Beobachtung gekommen, welche vor der Aufnahme ein un¬ 
regelmässiges Wanderleben geführt, sich während dieser Zeit 
schlecht ernährt und vielen Strapazen ausgesetzt hatten. 

Da vorübergehende (transitorische, passagere) Glykosurien, 
welche nicht auf der Einwirkung von Giften beruhen, ein gewisses 
Interesse darbieten, so möchte ich auf diese Fälle hier näher ein- 
gehen, zumal in der Literatur, so viel ich weiss, diese Vaganten- 
glykosurie bisher noch nicht beschrieben ist. 

Es handelt sich hauptsächlich um folgende 5 Fälle: 

1) L. O., 34 Jahre alt, Handschuhmacher. Will seit 19 Jahren 
öfters an Magenbeschwerden (Druckgefühl, Appetitlosigkeit, Sod¬ 
brennen, sauerem Aufstossen etc.) leiden. Vor 3 Jahren und vor 
% Jahren Magenblutung. Oefters Herzklopfen bei Anstrengung. 

Am Tage vor der Aufnahme Marsch von 55 km. In der letzten 
Zeit überhaupt starke Märsche, wobei die Nahrung fast nur aus 
Brod und Kartoffeln bestand. 

Status bei der Aufnahme am 8. Juni 1899: Mittlere Grösse, 
gute Musculatur, Haut zum Theil dunkel pigmentirt (in Folge 
von Pediculi und Unreinlichkeit), Füsse wund und geschwollen. 
Lungen: nichts Abnormes. Herz: relative Dämpfung etwas 
vergrüssert, 1. Ton an der Spitze etwas unrein. Leber: ver- 
grössert, etwas härter als normal, besonders der linke Lappen. 
Urin enthält 0,7 Proc. Zucker, kein Eiweiss, kein Indoxyl. 

Schon am nächsten Tag kein Zucker mehr im Urin, obwohl 
Patient die gewöhnliche, reichliche Mengen von Kartoffeln, Brod, 
Hülsenfrächten etc. enthaltende Krankenhauskost genossen hat. 

Am 11. Juni erhält Pat. 100 gTraubenzucker Morgens 
nüchtern, ohne dass danach Zucker im Urin auf tritt. 

Die Urinmenge schwankte zwischen 1100 und 2200 ccm 
pro Tag, das specif. Gewicht zwischen 1012 und 1023. 

Am 23. Juni geheilt entlassen. 

2) Kr. F., 37 Jahre alt, Schneider, trinkt angeblich nur selten 
Schnaps. Keine venerischen Erkrankungen. 1868 Typhus. Seit 
i897 öfters Krampfanfälle, anscheinend epileptischer Art. 1898 
Diphtherie. 

Seit einigen Tagen heftiger Durst, Abmagerung, Obstipation, 
heftige Schmerzen im Abdomen und Brust. In der letzten Zelt 
grosse Märsche, hauptsächlich vegetabilische Kost. In den letzten 
Tagen kein Krampfanfall. 

Status am 17. Aug. 1899. Kräftig gebauter, grosser Mann. 
Lungen: Emphysem. Herz: relative Dämpfung: 5,5 cm nach 
rechts, 14 cm nach links die Mittellinie überragend; Töne rein. 
Leber: vergrössert. Meteorismus. Urin: etwa 0,5 Proc. 
Zucker. 

Am 18. Aug. kein Zucker mehr im Urin, reichlich Indoxyl, 
kein Eiweiss. 

Am 24. Aug. Morgens nüchtern 200 gTraubenzucker. 
Danach reducirt nur der eine halbe Stunde später gelassene Urin 
etwas stärker als normal, dann fehlt aber der Zucker vollständig. 

Am 4. Sept. entlassen. 

3) Sehr. H., 44 Jahre alt, Arbeiter. Trinkt % Liter Schnaps 
täglich. 1887 Gonorrhoe. Seit einem Fall auf das linke Knie im 
October 1898 häufig Schmerzen und Schwellung daselbst. Zieht Im 
Lande umher und hält sich bald hier, bald da seines Knieleidens 
wegen In Krankenhäusern auf. Seit dem 21. Aug. 1899 wieder auf 
Wanderschaft, kommt er am 15. Sept. 1899 wegen Beschwerden im 
Knie zur Aufnahme. 

Status: Mittelgross, blass, schlecht genährt. Temperatur 
38°. Etwas Hydrops und Crepitiren im linken Knie. Lungen: 
Emphysem. Herz: relative Dämpfung 6,5 cm nach rechts, 
12.5 cm nach links die Mittellinie überragend; Töne leise, rein. 
Leber: vergrössert, überragt um 7 cm den Rippenbogen in der 
rechten Mammillarlinie. Urin: deutliche Zucke rreaction, quan¬ 
titativ nicht genau bestimmt. Jedenfalls über 0,5 Proc.; reichlich 
Indoxyl, kein Eiweiss. 

Am 16. Sept. kein Zucker mehr im Urin, er tritt auch nicht 
wieder auf. 

Am 18. Sept. Morgens nüchtern 100 gTraubenzucker, 
es tritt danach kein Zucker im Urin auf. 

Am 1. Nov. entlassen, kehrt Pat. am 3. Nov. wieder. Im Urin 
kein Zucker. Nach Probefrühstück eine Stunde später fast gar 
nichts mehr im Magen. 

2 * 


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Original frorri 

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532 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16- 


4) R. J., 21 Jahre alt. Maurer, Trinkt seit 1 Jahre täglich für 
10 Ffg. Schnaps und ausserdem 0 Flaschen (zu % Liter) Bier. 

Seit 14 Tagen auf Wanderschaft, hat Pat. täglich grosse 
Strecken zurückgelegt und sich dabei nur mangelhaft ernährt. 

Wegen allgemeiner Schwäche, starken Durstes, Appetitlosig¬ 
keit, wunder Fiisse, Brustschmerzen und Husten am 15. Dec. 1899 
auf genommen. 

Status: Mittelgross, kräftig gebaut, blass. Temperatur 
normal. Lungen: etwas Emphysem und diffuse Bronchitis. 
Herz: Stöss verbreitert, hebend; absolute Dämpfung 5 cm hoch, 

7 cm breit ; relative reicht 6 cm nach rechts, 14 cm nach links über 
die Mittellinie; systolisches Blasen an der Spitze und im 2. linken 
Intercostalraum. Starker Meteorismus. Obstipation. Leber: 
stark vergrössert. deutlich palpabel, resistenter, als normal; linker 
Lappen reicht 9,5 cm über die Mittellinie nach links, unterer Rand 
überragt um 4.5 cm den Rippenbogen in der rechten Mammillarlinie. 
M a gen: etwas dilatirt. Urin: gibt deutliche Zucker reaction 
(T r o m iner' sehe, O - Nitrophenylpropiolsäure-, Gährungsprobe), 
enthält 0,2—0,3 Proc. Zucker (Fehling), kein Eiweiss, mässige 
Mengen von Indoxyl. 

Am 16. Dec. kein Zucker mehr nachzuweisen. Urinmenge: 
1860 ccm, ßpcc. Gewicht 1022. Zucker fehlt von da an im Urin. 

Am 18. Dec. Morgens nüchtern 100 gTraubenzucker. 
Kein Zucker danach im Urin. 

Nach Probefrühstück 1 Stunde später, nach Probemahlzeit 
3 Stunden später kein Mageninhalt zu erhalten. 

Am 30. Dec. entlassen. 

5) Kl. F., Seemann, 43 Jahre alt. Trinkt täglich für 15 bis 
20 Pfg. Schnaps und etwas Bier, ist 28 Jahre zur See gefahren, 
hat 1885, 1887 und 1889 Malaria, 1894 Gelbfieber gehabt, 1896 
Rippenfellentzündung, wobei 4 Liter klarer Flüssigkeit rechts ent¬ 
leert worden sein sollen. Seit 3 bis 4 Wochen starker Durst, sehr 
guter Appetit, reichliche Urinentleerung, allmählich zunehmende 
Schwäche. Auf der Reise von Hamburg schwollen die Füsse an, 
daher Aufnahme am 22. Juli 1898. 

Status: Schlecht gnährt, blass. Oedem an den Knöcheln. 
Lungen: über dem rechten Unterlappen etwas Dämpfung des 
Schalles. Herz: relative Dämpfung nach beiden Selten ver¬ 
grössert, systolisches Geräusch an der Spitze, regelmässige Herz¬ 
action. Leber: vergrössert, überragt in der rechten Mammillar¬ 
linie um 3 Querflnger den Rippenbogen. Milz: deutlich ver¬ 
größert, palpabel. Urin: 3 y 2 Proc. Zucker (112 g pro die), 
kein Eiweiss, keine Acetessigsäure, wenig Indoxyl, Menge 3200 ccm, 
spec. Gewicht 1008. 

In den nächsten 3 Tagen Ist noch Zucker im Urin nachzu¬ 
weisen, dann verschwindet derselbe, obwohl der Pat. immer die 
gewöhnliche Krankenhauskost (Kartoffeln, Graupen, Grütze, Brod 
etc.) isst. Im Blute nichts Abnormes. Urinsecretion bleibt bis zur 
Entlassung am 10. August immer sehr gross (bis zu 4100 ccm), 
doch zeigt sich nie wieder Zucker. 

Am 1. Nov. Wiederaufnahme. Organbefund derselbe ungefähr 
wie im Juli. Im Urin kein Zucker, viel Indoxyl. Nach Eingabe 
von 100 g Traubenzucker Morgens nüchtern kein 
Zucker im Urin. 

Am 22. Nov. entlassen, kommt er am 29. März 1899 wieder, 
nachdem er als Gelegenheitsarbeiter an verschiedenen Orten ge¬ 
arbeitet hat, wegen Schwellung des rechten Fusses, Kopfschmerzen 
etc. Ernährung besser als bei der ersten Aufnahme, Leber etwas 
vergrössert, Herz ebenso wie früher. Urin zuckerfrei, Menge 
1200—2200 ccm, spec. Gewicht 1012—1021. Auch nach 100 g 
Traubenzucker Morgens nüchtern tritt kein Zucker auf. 

Am 29. Mai entlassen, kehrt er am 28. Aug. zurück wegen 
Schmerzen im Rücken und Brust und schmerzhafter Anschwellung 
der Leistendrüsen. Ernährungszustand mässig, etwas Emphysem 
und Bronchitis. Am Herzen die Symptome der Mitraünsufflcienz. 
Leber nicht mehr deutlich vergrössert, auch Milz nicht mehr 
palpabel, nur wenig vergrössert (Dämpfung 13,5:9 cm). Im Urin 
kein Zucker, Menge 1700—3000 ccm pro die. 

Am 16. October entlassen. 

Ausser diesen 5 Fällen fanden sich unter den früheren 
Krankengeschichten noch einige, wo bei der Aufnahme der be¬ 
treffenden Kranken geringe Mengen von Zucker vorhanden waren, 
die rasch verschwanden. Auch hier handelt es sich um Leute, 
die mehr oder weniger lang auf Wanderschaft waren, also den¬ 
selben Schädlichkeiten, wie die vorerwähnten ausgesetzt waren. 
Doch ist damals nicht so genau auf die Glykosurie geachtet 
worden, es fehlen Angaben über die Art des Zuckernachweises 
und vielfach auch über den Befund an den inneren Organen. 

♦9 Sch. A., 47 Jahre alt, Schlosser. Potator. Kommt wegen 
Ischias am 5. Nov. 1897 zur Aufnahme. 

Gross, kräftig gebaut. Lungen und Herz nichts Abnormes. 
Leber: vergrössert. Urin: spec. Gewicht 1023, Spur Zucker, 
kein Eiweiss oder Indoxyl. Auch am 8. Nov. noch eine Spur 
Zucker im Urin (Menge 1250 ccm, spec. Gewicht 1017), dann 
nicht mehr. 

7) S. F., 41 Jahre alt, Arbeiter, hat sich auf der Wanderschaft 
die Füsse wund gelaufen, desshalb am 27. Dec. 1897 aufgenommen. 

Gross, stark gebaut. Temperatur normal, Urin enthält eine 
geringe Menge Zucker, y 2 Prora. Eiweiss, Menge 1700 ccm, spec. 
Gewicht 1017. Am 3. Januar 1898 bei gewöhnlicher Kost kein 
Zucker mehr. 

8) Br. II., 58 Jahre alt, Arbeiter, auf der Wanderschaft, kommt 
wegen wunder Füsse am IS. Febr. 1898 zur Aufnahme. 


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Massiger Ernährungszustand. Etwas Emphysem. Im Urin 
geringe Mengen Zucker und Eiweiss. Zucker später nicht mehr 
nachweisbar. 

9) W. R., 60 Jahre alt, Schneider, seit 28. Febr. 1898 auf 
Wanderschaft, kommt am 5. April 1898 wegen Schwellung der 
rechten Hand (leichte Erfrierung) zur Aufnahme. 

Im Urin geringe Menge Zucker, kein Eiweiss, kein Indoxyl. 

10) R. A., 54 Jahre alt, Arbeiter, auf der Wanderschaft, kommt 
wegen wunder Füsse am 19. April 1898 zur Aufnahme und zeigt 
im Urin etwas Zucker, kein Eiweiss. 

Es handelte sich bei allen diesen Fällen, von denen ich das 
Hauptgewicht auf die 5 ersterwähnten legen möchte, um Leute, 
welche längere Zeit ein unstetes, unregelmässiges Leben geführt 
hatten, dabei wohl eine schlecht zubereitete, viefach ungenügende 
und schwerverdauliche Kost genossen und sich dabei allerhand 
körperlichen Strapazen ausgesetzt hatten. 

Gemeinsam ist allen: die Anwesenheit von Zucker im Urin 
bei der Aufnahme in’s Krankenhaus, das rasche Verschwinden 
dieser Glykosurie bei einer gemischten, kohlehydrat reichen 
Nahrung, ferner der Umstand, dass der Zucker auch nicht wieder¬ 
kehrte, wenn nach einigen Tagen grössere Mengen von Trauben¬ 
zucker (100 bis 200 g) Morgens nüchtern gegeben werden, obwohl 
diese Mengen auch bei Gesunden, in dieser Weise verabfolgt, zu 
Glykosurie führen können [Worm-Müller 1 )]. 

Es liegt daher keine reine alimentäre Glykosurie vor, keine 
dauernde Herabsetzung der Assimilationsgrenze für Kohle¬ 
hydrate, sondern eine vorübergehende Störung des Kohlehydrat- 
stoffwechsels. Diese verliert sich ohne irgend welche thera¬ 
peutische oder diätetische Maassnahmen. 

Eine solche Glykosurie konnte auf vorübergehende Stö¬ 
rungen in der Medulla oblongata oder in anderen Theilen des 
Centralnervensystems zurückgeführt werden. Doch waren bei 
den betreffenden Kranken keinerlei Symptome vorhanden, die 
diese Annahme stützen könnten. In dem Falle 2 könnte die 
Epilepsie herangezogen werden, weil nach epileptischen Anfällen 
manchmal Zucker im Urin beobachtet worden sein soll (L a 11 i e r 
u. A.). Aber die neueren Autoren haben dies nicht bestätigt 
gefunden (M i c h 6 a, Bond [nach Naunyn 1 )], van 
O o r d t *), auch Naunyn nimmt einen solchen Zusammenhang 
nicht an. Der betreffende Kranke hat übrigens in der letzten 
Zeit vor der Aufnahme gar keine Anfälle gehabt. 

Latenten Diabetes bei diesen Leuten anzunehmen, liegt auch 
kein Grund vor, da die im Krankenhaus gereichte gewöhnliche 
Kost so reich an Kohlehydraten ist, dass dann die Zuckerausschei¬ 
dung länger angedauert hätte oder wiedergekehrt wäre, besonders 
nach der Traubenzuckerdarreichung. Einige Fälle von solchem 
latenten Diabetes, die im Krankenhaus zur Beobachtung kamen, 
zeigten bei dieser Kost immer zeitweise Zucker und nach Trauben¬ 
zuckereinnahme reichliche Glykosurie. 

Eine erbliche Anlage zu Diabetes liess sich bei unseren 
Fällen nicht feststellen, kommt wohl auch bei dem Charakter der 
Glykosurie wenig in Betracht. Acute Betrunkenheit, Delirium 
alkoholicum, reichlicher Biergenuss kurz vor der Aufnahme war 
nie vorhanden. Es handelte sich also nicht um eine alimentäre 
Glykosurie, wie sie unter diesen Umständen vielfach beobachtet 
wurde [Sauvage, Kratsclimer 4 ), Moritz*), Strüm¬ 
pell 0 ), K r e li 1 T ), Strauss'), Bessler*), A r n d t lu ) 
u. A.]. Chronischer Alkoholgenuss, der ja bei mehreren Fällen 
vorlag, scheint nicht häufig zu alimentärer Glykosurie zu führen 
[Strauss ”), Arndt 1S )]; es würde, wenn dieser in Betracht 
käme, dann auch nach Traubenzuckereingabe Zucker aufgetreten 
sein. 

Dagegen liegt es nahe, Störungen der Verdau¬ 
ungsorgane, der Leber und des Pankreas, so¬ 
wie der Ernährung überhaupt in ursächlichen Zu¬ 
sammenhang mit der Vagantenglykosurie zu bringen. 

Die unregelmässige und schlechte Beköstigung, die wohl oft 
das Nahrungsbedürfniss nicht deckt, der Genuss von schlechten. 

’) PflügeFs Arch., Bd. XXXIV und XXXVI. 

a ) Naunyn: Der Diabetes melltus. Wien 1898. 

*) Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 1, S. 2. 

4 ) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1886. S. 257. 

°) Münch, med. Wochenschr. 1891, S. 132. 

°) Berl. klln. Wochenschr. 1896, S. 1019. 

T ) Centralbl. f. innere Med. 1897. No. 40. 

8 ) Deutsch, med. Wochenschr. 1897, No. 18/20. 

•) Diss. Erlangen 1896. 

,n ) Deutsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897, X, P. 419. 

n ) 1. c. 

1. c. 

Original frn-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


533 


alkoholreichen Getränken, verbunden mit körperlicher Ueber- 
anstrengung, Unreinlichkeit, Witterungseinflüssen, denen der¬ 
artige Leute ausgesetzt sind, all’ das ist geeignet, solche Stö¬ 
rungen zu erzeugen. Und so ist vielfach der Ernährungszustand 
gering, die Leute sehen blass aus, Magen- und Darmkatarrh sind 
bei ilmen meist dauernd vorhanden. Im Darm findet leicht eine 
abnorme Zersetzung der Nahrung statt, daher ist oft eine reich¬ 
liche Menge von Indoxyl im Urin zu constatiren, es bestehen viel¬ 
fach Meteorismus und Störungen der Stuhlentleerung. 

Man könnte nun an eine beschleunigte Fortbewegung der 
Speisen im Darm und Resorption des Zuckers aus dem Dünndarm 
durch die Chylusgefässe denken, so dass dann auf dem Wege 
des Ductus thoracicus dem Blute der Zucker unter Umgehung der 
Leber zugeführt würde [Nauiiyn“)]. Wohl habe ich bei 
derartigen Vaganten oft eine abnorm rasche Entleerung des 
Magens beobachtet, die nun von ebenso rascher Beförderung 
der Speisen in den Dünndarm gefolgt sein könnte, aber in diesen 
Fällen habe ich sonst Glykosurie auch nach reichlichen Mengen 
von Kohlehydraten nicht constatiren können. Auch in Fall 3 
und 4 liegt anscheinend eine solche Ilyperkinese des Magens vor; 
denn nach Probefrühstück und Probemahlzeit war in kurzer Zeit 
(1 bezw. 3 Stunden) der Magen leer. Kommt diese Anomalie der 
Magenentleerung aber in Betracht für die Entstehung der Gly¬ 
kosurie, so muss sie nach Eingabe von grösseren Mengen von 
Traubenzucker eintreten. Dies fand aber in beiden Fällen 
nicht statt. 

Die Leber ist bei allen Fällen, bei denen spociell auf sie 
geachtet wurde, vergrößert; meist erscheint sie derber als nor¬ 
mal, lässt sich daher gut palpiren. Doch bestanden nie die 
Zeichen einer stärker entwickelten Oirrhose. Die Oberfläche war 
immer glatt, Stauungserschoinungen im Pfortadergebiet, die auf 
die Leber zurückzufüliron wären, fehlten. Unsere Fälle sind 
daher nicht zu dem Diabetes mit Lebercirrhoso zu rechnen 
(M urchiso n 14 ), C o 1 r a t 1 "), Coutourie r” 1 ), Q u i n ck e 1T ), 
Ha not und Chauffard iS ) u. A.). 

In dem Fall 5 wäre an die Möglichkeit der Verbindung von 
Diabetes mit Malariaveränderungen zu denken, da der Kranke 
öfters Malaria gehabt hat. Doch hätte Patient dann auch auf 
Traubenzuckereingabe reagiren müssen, was nicht der Fall war; 
auch lag die letzte Malariaerkrankung ziemlich weit zurück. 

Die Veränderungen der Leber, die in unseren Fällen zu con¬ 
statiren waren, sind wohl neben beginnender eirrhotischer Binde¬ 
gewebsneubildung hauptsächlich auf Blutstauung und Fettinfil- 
tration zurückzuführeu. N a u n y n findet häufig Herzfehler¬ 
leber 15 ) bei Diabetes und glaubt an einen Zusammenhang der 
Leberveränderungen, wie sie sich bei solchen Kranken finden, mit 
Circulationsstörungen, Alterationen der Gefässwand etc. 50 ) 

Bei der Obduction von Leuten, die ein Vagantenleben ge¬ 
führt haben, findet sich meist Fettleber, ferner sehr häufig Blut¬ 
stauung und gewöhnlich auch Vermehrung des interstitiellen 
Bindegewebes. Dabei mag der Alkohol eine gewisse Rolle spielen, 
namentlich aber die Aufnahme von allerhand toxisch wirkenden 
Zersetzungsproducten der Nahrung, die aus dem Darm in die 
Pfortader gelangen. Die Blutstauung erklärt sich ungezwungen 
aus den Störungen, die am Herz zu constatiren sind. Dasselbe 
ist fast immer vergrössert, häufig sind Geräusche daselbst zu 
hören, die auf Klappenfehler der Mitralis oder relative Insuffi- 
cienz derselben zurückzuführen sind. Hauptsächlich handelt 
es sich wohl um chronische myocarditische Processe, die die Herz- 
thätigkeit beeinträchtigen und so die Circulation erschweren. 
Dies wird bei stärkeren Strapazen besonders hervortreten. Da¬ 
durch kann aber im Verein mit der Wirkung der Unterernährung 
das schon vorher in Folge des Ueberganges schädlicher Stoffe 
aus dem Darm und durch den Alkohol geschädigte und veränderte 
Leberparenchym so ungünstig beeinflusst werden, dass seine 
Eigenschaft, den Zuckergehalt des Blutes zu reguliren, vorüber¬ 
gehend gestört wird. Dafür würde sprechen, dass in dem Fall 5, 
wo die Glykosurie am stärksten war und am längsten anhielt, 
die Leber auch am stärksten alterirt war, und zwar wohl in Folge 


**) Diabetes melitus S .19. 

“) Clinical lectures on diseases of the liver 1877. 
“) Lyon m&llcal 1875 (nach N a u n y n). 

“) Thöse de Paris 1875. 

1T j Berl. klin. Wochenschr. 1876. 

“) Revue de mödecine 1882. 

") L c. S. 4L 
*) L c. S. 88. 


?o. 16 


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von Malaria, Alkohol und Mitralinsufficienz mit Myocarditis 
neben der Einwirkung der ungünstigen Lebensweise. Später ist 
die Leber kleiner und weicher geworden, wie dies sich bei den 
mehrmaligen Wiederholungen seines Krankenhausaufenthaltes 
constatiren liess. Glykosurie trat nie wieder auf. 

Ferner wäre noch an Alterationen des Pankreas zu 
denken bei der hohen Bedeutung dieses Organes für 
den Kohlehydra tstoffwechseL Interstitielle Veränderungen, 
Wucherung des Bindegewebes könnten sich in ihm entwickelt 
haben, wie ich sie bei Störungen der Circulation beobachtet und 
in Analogie mit Schrumpfniere gebracht habe 20 *). Man sieht ja 
bei parenchymatösen und interstitiellen Erkrankungen in der 
Leber häufig zugleich entsprechende Veränderungen im Pankreas¬ 
gewebe. Auch könnten vom Darm aus pathologische Processe 
sich auf den Pankreasgang und so auf das Parenchym der Drüse 
ausgedehnt haben. Doch können das nur Vermuthungen sein, 
da mir Sectionsbefunde bei meinen Fällen nicht zu Gebote 
stehen. 

Das Hauptgewicht wird man bei dieser Vagantenglykosurie 
wohl auf die Unterernährung des Körpers zu legen haben, 
auf die Schädigung des Parenchyms der Organe und da werden 
sowohl die Leber, als auch das Pankreas in Betracht zu ziehen 
sein. Dass mangelhafte Ernährung durch Herabsetzung der Assi¬ 
milationsgrenze für Zucker Diabetes erzeugen kann, zeigten die 
Beobachtungen Hofmeisters al ) bei schlechternährten Hun¬ 
den. Zu dieser Form des Diabetes wird wohl die Glykosurie der 
Vaganten in naher Beziehung stehen, und es wird daher die Vcr- 
muthung Nauny n’s, dass manche Glykosurie beim Menschen 
eine Aeusserung dieses „Ilungerdiabetes“ darstellt, wohl zum 
Theil für unsere Fälle zutreffen. Diese Glykosurie tritt nur bei 
Unterernährung auf, nicht bei vollkommener, länger dauernder 
Inanition, da dann die Zuckerbildung und Resorption im Darm 
Noth leidet. 

In wie weit ein Sauerstoffmangel der Gewebe, 
namentlich der Muskeln der nach den Untersuchungen von 
F. Iloppe-Seyle r“), Ar a k i”) u. A. zu Uebertritt von Gly- 
kose und Milchsäure in den Urin führt, bei der Entstehung dieser 
Glykosurie in Betracht kommt, lässt sich noch nicht entscheiden. 
Weitere Beobachtungen, Untersuchung des Urins auf Milchsäure, 
wie ich sie bisher noch nicht anstellen konnte, bei einschlägigen 
Fällen, werden darüber wohl mehr Klarheit bringen. 

SchlechteErnährungistes aber wohl nicht allein, die 
die Glykosurie der Vaganten erzeugt, sondern es werden patho¬ 
logische Veränderungen (Circulationsstörungen, interstitielle und 
parenchymatöse Erkrankungen) der Leber und des Pankreas bei 
der Entstehung derselben eine Rolle spielen, und darauf wird es 
auch zurückzuführen sein, dass die Glykosurie nicht bei allen 
schlecht ernährten Individuen, sondern nur bei einem gewissen 
Theil der Vaganten auf tritt. Hofmeister hat ja auch bei 
seinen Hunden individuelle Schwankungen bei derselben Ver¬ 
suchsanordnung gefunden. 

Aus der medicinischen Klinik des Herrn Professor 
Dr. Fr. Schultze in Bonn. 

I. Ein verändertes Sedimentirungsverfahren zum mi¬ 

kroskopischen Nachweis von Bacterien. 

II. Ueber den Nachweis von Tuberkelbacillen in den 

Faeces. 

Von Privatdocent Dr. J. Strasburger, Assistenzarzt 
der Klinik. 

I. Wenn man eine kleine Menge Faeces, etwa von der Grösse 
einer halben Erbse, mit einigen Kubikcentimeter Wasser verrührt 
und mit Hilfe einer Centrifuge ausschleudert, so dauert es nur 
kurze Zeit, bis sich am Boden des Spitzgläschens die gröberen 
Bestandtheile gesammelt haben. Ueber diesen steht eine trübo 
Flüssigkeit, welche ausser etwas feinem Detritus bloss Bacterien 
enthält. Auch bei lange Zeit fortgesetztem Centrifugiren ge¬ 
lingt es nur einen kleinen Theil der Mikroben zum Absetzen 
zu bringen. 


*>*) Deutsch. Arch. f. klin. Med., LII, S. 171. 

“) Arch. f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. 1890, Bd. 26, 
S. 355 ff. 

”) Beiträge zur Kenntniss des Stoffwechsels bei Sauerstoff¬ 
mangel. Festschrift für V1 r c h o w. 

*•) Zeltschr. f. physlol. Chemie, Bd. 15, S. 335, 546. 

3 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



534 


mi'tnchener medicinische Wochenschrift. 


No. 16. 


Der Clruixl für dieses Verhalten liegt offenbar in dem ge¬ 
ringen speeifischen Gewicht der Bacterien, welches das desWassers 
mir wenig übersteigt. 

In noch höherem Maasse muss sich dieser Umstand beim 
Sedimontiren von schwereren Flüssigkeiten, etwa Urin, bemerk- 
lich machen; es ist klar, dass, falls Bacterien und umgebende 
Flüssigkeit das gleiche specitische Gewicht aufweisen sollten, 
die stärkste (Vmtrifugalkraft, resp .die längste Aufbewahrung im 
einfachen Spitzglas die Mikroben nicht veranlassen könnten, 
ihren Platz zu wechseln. 

Will man also aus Flüssigkeiten, welche nur wenig Bacterien 
enthalten, ein reichlicheres Sediment gewinnen, so ist es vor 
Allem erforderlich, diesen Flüssigkeiten ein geringes specifisches 
Gewicht zu verleihen. Durch Zusatz von Alkohol lässt sich 
dieser Forderung leicht gerecht werden. Aus einer Anzahl an- 
gestellter Versuche schien mir hervorzugehen, dass es zweckmässig 
Ft, eine n Theil der Untersuchungsflüssigkeit mit zwei Theilen 
'X> proc. Alkohols zu verdünnen. (Das spec. Gew. von 1 Theil 
Wasser und 2 Theilen Alkohol abs. beträgt bei 15 0 C. 0,8975.) 

Um die Brauchbarkeit dieses Verfahrens zu demonstriren, 
können wir von der Eingangs erwähnten Faecesaufschwemmung 
ausgehen: Giesst man nach Ausschleudern der gröberen Bestand¬ 
teile die trübe Flüssigkeit ab und verdünnt sie in genannter 
Weise mit Alkohol, so genügt es, etwa eine lialbeMinute zu centri- 
fugiren, um der Flüssigkeit die Durchsichtigkeit des Wassers 
zu verleihen, während die Bacterien als Bodensatz angesammelt 
sind. Verfertigt man jetzt aus diesem Sediment ein Trocken¬ 
präparat, so lässt sich erkennen, dass die Färbbarkeit der Bac¬ 
terien in keiner Weise gelitten hat; ausserdem ist als besondere 
Annehmlichkeit anzuführen, dass das Präparat in Folge seines 
Spi ritusgeh altes sehr viel schneller trocknet, als dies bei gewöhn¬ 
lichen, aus wässerigen Flüssigkeiten gewonnenen Sedimenten 
der Fall ist. 

Der Vorschlag, Alkohol zum Absetzen zu benutzen, ist nicht 
neu, wie sich mir bei Durchsicht der Literatur ergab. Kamen [1] 
rieth, das nach der B i e d e r t’schen Methode zur Untersuchung 
auf Tuberkelbacillen vorbereitete Sputum mit Alkohol soweit zu 
verdünnen, bis das specifische Gewicht des Wassers erreicht sei. 
Hierzu ist eine Alkoholmenge erforderlich, die ’/„—des Ge¬ 
wichts der Auswurffliissigkeit beträgt. 

Mein Verfahren geht einen Schritt weiter. Es bringt ent¬ 
schieden Vortheil, durch Zusatz von mehr Alkohol, das specifische 
Gewicht noch weiter herabzusetzen. Auch A 1 b u [2] erwähnt, 
«lass er dem Urin vor dem Centrifugiren Alkohol hinzugefügt 
habe, um einen Niederschlag zu erzeugen. Das Verfahren habe 
sieh für die gewöhnlichen zelligen Bestandteile wenig, für Bac¬ 
terien besser geeignet. Die Verringerung des speeifischen Ge¬ 
wichtes, in der ich den Schwerpunkt der Methode erblicke, er¬ 
wähnt A1 b u nicht. 

Obgleich das Alkohol verfahren einer ausgedehnteren Ver¬ 
wendung fähig ist, hat es in den klinisch diagnostischen Lehr¬ 
büchern bislang keine Beachtung gefunden. Ich halte es aus 
diesem Grunde nicht für überflüssig, etwas ausführlicher über 
dasselbe zu berichten. 

So konnte ich in einem durch Lumbalpunction gewonnenen 
Liquor cerebrospinalis Tuberkelbaeillcn nachweisen, die durch das 
bislang übliche Sedimentirungsverfahren allerdings auch, aber 
nur mit viel mein* Mühe aufzufinden waren. Es machte sieb 
dabei vorteilhaft bemerkbar, dass in Folge des Alkoholzusatzes 
eine feinflockige Ausfüllung von Eiweiss erfolgte. Dieselbe trug 
offenbar dazu bei, alle Bacterien aus der Flüssigkeit mit nieder- 
zureissen. Hat doch E. d e V o s [3] mit Erfolg zu Urinen 
Eiweisslüsung zugesetzt und gekocht, um mit den ausfallenden 
Flocken die Tuberkelbaeillcn zu Boden zu reissen. Bei stärkerem 
Eiweissgelialt der Flüssigkeit, etwa hei plouritischen Exsudaten, 
wird allerdings dass Sediment zu massig, so dass die Bacterien 
in demselben für den Nachweis verloren gehen. 

Für Urin, falls er eiweisshaltig ist, gilt das eben Angeführte. 
Auch in eiweissfreiem Harn, besonders von höherem speeifischen 
Gewicht, erfolgt nach Alkoholzusatz eine Ausfällung verschie¬ 
dener Salze, welche, in massigem Grade, das Sedimentirungs- 
verfahren unterstützt (Br. Krüger [4]), in grösserem wohl 
etwas störend wirkt. Indess gelang es mir auch hier, stets zu¬ 
friedenstellende Resultate zu erhalten. 

Als ich bei einer Anzahl Urine die Kesultate der Ausschleu¬ 
derung mit und ohne Alkohol verglich, zeigten sich, wie zu er- 

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warten war, die geringsten Unterschiede bei Harn, der viel Eiter¬ 
zellen und Epithelien enthielt: denn diese verhältnissmässig 
schweren Körper fallen auch in unverdünnter Flüssigkeit leicht 
aus, und nehmen die Bacterien mit sich. Ganz überraschend 
waren aber die Differenzen in Urin, der wenig oder keine zelligen 
Elemente führte. Wenn ich zu klarem Ilarn Streptococcen. 
Bacterium coli commune oder Hefe in fein vertheiltem Zustand 
zusetzto und gleich lange centrifugirte, theils mit, theils ohne 
Alkohol, so waren im ersteren Fall die angefertigten Trocken¬ 
präparate von Bacterien übersät, wenn in letzterem nur spär¬ 
liche Keime sichtbar wurden. 

Da das Absetzen des Sediments nach Zusatz von Spiritus 
viel rascher als ohne ihn erfolgt, so kann auch der praktische 
Arzt, dem keine Centrifuge zur Verfügung steht, das Verfahren 
mit Vortheil verwenden. Im einfachen Spitzglas ist mit Hilfe 
des Alkohols oft schon nach einer halben Stunde reichliche- 
Sediment vorhanden, während nach der alten Methode ein ganzer 
Tag gewartet werden muss, ehe brauchbare Präparate verfertigt 
werden können. 

II. Die mikroskopische Betrachtung der Bacterien im Stuld 
Erwachsener hat bisher nur geringe praktische Bedeutung er¬ 
langt. Dieser Satz gilt auch im Gegensatz zu allen sonstigen 
Befunden für das Aufsuchen von Tuberkelbacillen. Am leich¬ 
testen gelingt es noch, in Schleim-, Blut- und Eiterflöckehen, 
welche in den dünnen Entleerungen an Darmphthisc leidender 
Patienten gefunden werden, Tuberkelbaeillen nachzuwcisen. Das 
Auf suchen dieses Krankheitserregers in geformten und normal 
aussehenden Stühlen wird aber allgemein als eine mühsame und 
wenig aussichtsvolle Aufgabe angesehen. Im ersten Fall kann 
man mit ziemlicher Sicherheit eine Darmtuberculose annehmen; 
im zweiten Fall wird aber die aufgewandte Mühe nicht einmal 
entsprechend belohnt; muss man doch immer an die Möglichkeit 
denken, dass die gefundenen Bacillen nicht aus dem Darm 
stammen, sondern von verschlucktem Auswurf herrühren können. 
Die letztere Annahme geht von der bekannten Thatsaclie aus, 
dass Tuberkelbaeillcn sieh gegen die verschiedensten Einflüsse, 
besonders die Angriffe der Verdauungsfermente und der Fäul- 
niss sehr resistent verhalten. 

Experimentell ist die Frage, ob im Stuhl gefundene Tuberkel- 
baeillen aus dem Auswurf stammen können, soweit ich festsrtellcn 
konnte, nur von B o d o [5] geprüft worden. Dieser Autor unter¬ 
suchte den Darminhalt von 9 Phthisikerleichen und fand in 
3 Fällen Tuberkelbacillen, ohne dass eine entsprechende Erkran¬ 
kung des Darms aufzufinden war. In einem Falle konnten die 
Bacillen sogar sehr zahlreich angetroffen werden. Der Erfolg 
dieser Untersuchung ist der, dass sich die meisten Lehrbücher 
recht vorsichtig über die diagnostische Verwerthung des Tuberkel- 
baeillenbefundes im Stuhl äussern. So lässt v. J a k s c h [6] eine 
sichere Diagnose auf ulceröse Darmtuberculose nur dann zu, 
wenn sich bei wiederholten Untersuchungen in den Faeces 
Tubcrkelbacillen finden, und zwar vor Allem in grossen, Rein- 
culturen entsprechenden Gruppen. Ausserdem müssen die 
übrigen Erscheinungen, Eiter etc. auf geschwürige Processe 
deuten. Es ist nun wohl sicher, dass wir unter diesen Cautelen 
nur Tuberculose der unteren Darmtheile diagnosticiren können, 
denn Eiter, Blut, Schleim und grosse Gruppen von Tuberkel- 
lacillen, gelangen, sehr profuse Diarrhoen abgesehen, aus den 
höher gelegenen Darmpartien nicht in den Stuhl. 

Auch das kürzlich von J. M. R o s e n b 1 a 11 [7] angegebene 
Verfahren kann nur für den unteren Dickdarm in Betracht 
kommen. R. sucht durch innerliche Verabreichung von Opium 
die Faeces in feste Form zu bringen. Diese streifen mit ihrer 
Oberfläche Bacillen von den Darmgeschwüren ab, welche leicht 
nachzuweisen sind. 

Es steht nun fest, dass tubereulöse Geschwüre im Darm be¬ 
stellen können, ohne sich durch klinische Zeichen bemerkbar zu 
machen; und doch wäre es in prognostischem Sinne wichtig, 
hierüber Kenntniss zu erbalten, denn die Aussichten auf Heilung 
sind für Darmtuberculose viel ungünstiger als bei einer uncompli- 
cirten Lungenerkrankung. Für diese Fälle müsste die Unter¬ 
suchung der normalen, festen oder diekbreiigen Stühle heran- 
gezogen werden, wenn nicht einerseits die Schwierigkeit des 
Nachweises, anderseits die Unsicherheit in der Deutung der Be¬ 
funde hiervor abschreckte. 

Was den zweiten Punkt betrifft, so ist gewiss die Möglich¬ 
keit, dass Bacillen aus dem verschluckten Sputum in den Faeces 

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17. April 1900. MÜNCHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


erscheinen können, nicht in Frage zu stellen. Es ist aber dess- 
l.i'lb nicht gestattet, die von B o d o an Phthisikerleichen ge¬ 
sammelten Erfahrungen ohne Einschränkung auf klinische An¬ 
schauungen zu übertragen: Ein richtig instruirter Phthisiker 
schluckt seinen Auswurf nur aus Versehen und auch dann nur in 
geringen Mengen herunter, so lange sein Kräftezustand ein leid¬ 
licher ist. Denn nur ausnahmsweise wird es Vorkommen, dass 
das Sputum im Schlund hängen bleibt und einen Schluckact aus- 
h'ist. Dieses ganze Geschehen lässt sieh daher in keiner Weise 
mit dem vergleichen, was ein Moribunder thut, wenn er zu 
schwach und somnolent zum Aushuslen ist. Letzterer producirt 
auch an sich schon mehr Sputum und schluckt von diesem dann 
wohl den grössten Theil herunter. 

Was nun die Schwierigkeit des Nachweises von Tuberkel- 
hacillen in solchen Stühlen betrifft, welche weder Schleim noch 
Kiterflöckehen enthalten, so habe ich den Versuch gemacht, diese 
Schwierigkeit mit Hilfe der Alkoholcentrifugirmethode zu be¬ 
wältigen. Ich bekomme auf solche Weise Präparate, welche 
schnell trocknen, fast nur Bacterien enthalten und diese sehr 
dicht aneinander gelagert zeigen, während in den gewöhnlichen 
Faccospröparaten die Verunreinigungen einen grossen Theil des 
Gsichtsfeldes einnehmen. 

Um den Werth der Methode zu prüfen, wurden 20 Stühle von 
Lungenphthisikern untersucht und zwar in der Weise, dass eine 
beliebige Partie aus der Mitte der Faeces gewählt wurde. Das 
Resultat war folgendes: Bei 2 Kranken mit klinischen Sym- 
Ttoraen von Darmphthise waren Tuberkelbacillen reichlich zu 
finden, auch bei Wiederholung der Untersuchung. Bei einem 

2. Kranken konnten zuerst keine Bacillen entdeckt werden, fanden 
sich aber nach einigen Tagen in massigen Mengen. 

In 2 klinisch fraglichen Fällen fehlten Tuberkelbacillen. 
Bei 10 Patienten, welche keinerlei Darmerscheinungen boten, 
wurden 5 mal die Keime vermisst, 2 mal je ein Bacillus fest- 
gestellt. Bei den 3 übrig bleibenden ergab sieh aber ein ab¬ 
weichendes Verhalten. Obwohl die Stühle gut geformt waren, 
keinen Schleim oder sonstige abnorme Bestandteile auf wiesen, 
gelang es leicht, Tuberkelbacillen aufzufinden. Bei 2 Patienten 
konnte die Untersuchung wiederholt werden und ergab einmal 
wieder positives, einmal negatives Resultat. 

Besonders interessant scheint mir der eine Fall zu sein: 

Es handelt sich um einen jungen Mann mit massig vorge¬ 
schrittener Lungenphthise. Rasselgeräusche sind in beschränkter 
Menge zu hören. Dementsprechend wird mehrere Tage kein Aus- 
wnrf zu Tage gefördert. Der Kranke versichert bestimmt, kein 
Sputum zu verschlucken. Der Allgemeinzustand ist ziemlich 
schlecht. Im Stuhlpräparat lassen sich in Zeit von 10 Minuten 
15 Tuberkelbaeillen auf linden, die theil weise zu zweien zusammen- 
liegen. Einige Tage später finden sich ebenfalls Bacillen, wenn 
auch in geringerer Menge. 

Es dürfte in die-ern Falle wohl sehr nahe liegen, eine Tuber- 
eulose der oberen Darmwege zu dingnostieircu und dement¬ 
sprechend die Prognose zu stellen. 

Bei der Verwerthung positiver Befunde ist daran zu denken, 
dass es noch andere Bacterien gibt, welche sich in gleicher oder 
ähnlicher Weise gegen entfärbende Einflüsse verhalten, wie die 
Tuberkelbacillen. Gerade bei dem R o s e n b 1 a t t’schen Ver¬ 
fahren liegt es nahe, eine Verwechselung mit Smegmabacillen, 
welche am After Vorkommen, in ? s Auge zu fassen. Man thut 
daher gut, sich in zweifelhaften Fällen durch 10 Minuten 
dauerndes Entfärben in absolutem Alkohol zu schützen. 

In neuester Zeit wächst aber die Zahl der Bacterien bedenk¬ 
lich an, welche gegen Säure und Alkohol gleich resistent wie 
die Tuberkelbaeillen zu sein scheinen. Bei Durchsuchung von 
f. Stühlen, die sicher nicht von Tuberculösen stammten, gelang 
es mir in der That zweimal, je ein Stäbchen aufzufinden, das 
die specifisehe Färbung angenommen hatte, aber kürzer, dicker 
und stärker gekrümmt war, als man dies sonst bei Tuberkel¬ 
bacillen beobachtet. Eine Verwechselung mit Sporen, die oft 
zahlreich in den Faeces erscheinen, ist in Anbetracht der ganz 
verschiedenen Form ausgeschlossen. 

Die kleine Zahl meiner Versuche nicht natürlich nicht aus, 
um darüber Aufklärung zu bieten, wie weit negative Befunde 
gegen die Annahme von Darmtuberculose zu verwerthen sind. Ich 
lege auf diese negativen Resultate auch viel weniger Gewicht, 
als auf die positiven. Letztere sollen vor Allem dazu dienen, die 
Brauchbarkeit der angewendeten Methodik zu illustriren. 

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Als Ergebniss meiner Ausführungen möchte ich daher den 
Satz aufstellen, dass es mit Hilfe der verbesserten Sedimen- 
tirungsmethode ohne Mühe gelingt, einschlägigen Falles auch 
in üusserlich ganz normalen Stühlen Tuberkelbaeillen naclizu- 
weisen. Es lohnte sich, das Verfahren häufiger anzuwenden, da 
man bei vorsichtiger Abwägung aller in Frage kommenden 
Momente mit viel Wahrscheinlichkeit Darmphthisen erkennen 
kann, welche sonst der Diagnose entgangen wären. 

L i t. e r a t u r. 

t. K a w e li : Interne klin. Rundschau 1892, No. ltf. 

2. A 11) u : Berl. klin. Wochensehr. 1892, p. 531. 

3. E. d e V o s : Inaug.-Dissert. Rostock 1891. 

4. Br. Krüger: Zeitsehr. f. Hyg. 1889. p. 109. 

5. Bodo : Gazzetta mediea di Torino 1891, No. 34, ref. in Baum¬ 
garten’s Jahresbericht Bd. 7, p. 823. 

6. v. Jak sch: Klinische Diagnostik, 4. Aufl. (1890), p. 250. 

7. J. M. R o s e n b 1 a 11: Centralbl. f. innere Medicin 1899, No. 29. 

lieber Kehlkopferkrankungen im Verlaufe des Diabetes. 
(„Laryngitis diabetica“.) 

Von weil. Otto L eicht enstern in Köln a. Rh.*) 

Bei Durchsicht der nachgelassenen Aufzeichnungen und 
Schriften unseres hochverehrten Chefs und Lehrers, des Herrn Ge¬ 
heimrath Professor Dr. Otto Leichtenstern fand sich unter 
Anderem die vorliegende Arbeit. Da der Verstorbene sich des 
Oefteren über das darin behandelte Thema uns gegenüber ausge¬ 
sprochen und ihm augenscheinlich diese Arbeit am Herzen gelegen 
hat, glaubten wir dieselbe der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten 
zu dürfen, obgleich die Ausarbeitung schon nahezu ein Decennium 
zurückliegt. Da nur wenig Aenderungen nöthig waren, so kann 
diese Arbeit als das ureigenste Werk Otto Leiehtenstern’s 
gelten. 

Dass die Laryngologie, wie zahlreiche andere Specialitäten, 
Zweige eines und desselben Baumes, der Medicin, sind, deren ge¬ 
meinsamer Stamm und Mutterboden das Leben und Gedeihen der 
verschiedenen Disciplinen bedingt, ist eine besonders in unseren 
Tagen mit berechtigter Vorliebe ausgesprochene und unbe¬ 
strittene Wahrheit. 

Ein Blick auf das Heer der „secundären“ Larynxcrkran- 
kungen lehrt, dass der Kehlkopfspceialist, wenn er Herr seines 
örtlich kleinen, pathologisch aber, insbesondere aetiologisch um 
so umfangreicheren Gebietes sein will, Kenner der verschieden* 
artigsten acuten und chronischen Krankheiten, vor Allem der 
Lungen-, aber auch der zahlreichen Infektionskrankheiten, dass 
er Neurolog, Syphilidolog, Dermatolog, mit einem Worte uni¬ 
versell gebildeter Arzt sein muss. 

Andererseits sind sowohl die primären, als auch die im Ver¬ 
lauf der verschiedensten Krankheiten seeundär auftretenden 
Kehlkopfaffectioneu von so grosser Wichtigkeit für die allge¬ 
meine ärztliche Diagnostik und die Therapie, dass zum Mindesten 
die Fähigkeit der Erkennung aller dieser Localerkrankungen des 
Larynx, die Beherrschung der laryngoskopischen Untersuchungs- 
methoden als unerlässliches Requisit eines jeden Arztes ange¬ 
sehen werden muss. 

Es bedarf keines tieferen Eindringens in den Gegenstand, 
um zu erkennen, dass die Laryngologie als „Specialität“ weit 
mehr ein Nebenzweig der Chirurgie als der sogen, „inneren Medi¬ 
cin“ ist, dass sie als Specialität in engerem Sinne erst mit der 
operativen Technik beginnt, mit der Aneignung zahl¬ 
reicher, zum Theil subtiler manueller Fertigkeiten, wie sie zu 
localen, instrumenteilen, insbesondere zur chirurgisch-operativen 
Behandlung einzelner Kehlkopferkrankungen erforderlich sind. 
Fertigkeiten, die nicht in Jedem veranlagt sind oder die nicht 
Jeder sich anzueignen die Zeit und Gelegenheit, resp. den inneren 
Antrieb hat, Fertigkeiten, deren Ausbildung bis zur künst¬ 
lerischen Vollendung („Virtuosität“) die vollste Anerkennung 
verdient. 

Solche trivial erscheinende Wahrheiten zu wiederholen mag 
höchst überflüssig erscheinen. Indessen angesichts der in 
unserem specialistischen Zeitalter sich häufenden Erscheinung, 
dass strebsame Aerzte bereits wenige Monate, mitunter nur 
Wochen nach ihrer Verabschiedung von der Alma Mater und 
nach einer oft nur sehr kurzen Lernzeit unter der Leitung von 
Meistern der Laryngologie sieh als Specialärzte in dieser Dis- 
eiplin — nicht selten mit dem unter solchen Umständen gewiss 

*) Herausgegeben von Dr. Th. Welscher, Assistenzarzt 
am Augustahospital zu Köln a. Rh. 

3* 

Original frem 

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536 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16, 


auffallend erscheinenden Zusatze „Specialarzt für Lungenkrank¬ 
heiten“ — etabliren, mag es gestattet sein, immer wieder auf’s 
Neue zu betonen, dass zur Erkenntniss der Ursachen und dem zu 
Folge zur rationellen Behandlung zahlreicher Kehlkopfkrank¬ 
heiten ausser der Handhabung des Laryngoskops und der Beherr¬ 
schung der laryngo-operativen Technik noch andere, durchaus 
nicht nebensächliche, freilich langsamer und mühsamer zu er¬ 
ringende Kenntnisse und Erfahrungen von Nöthen sind. 

Auch die ätiologisch specifische Form von Laryngitis, die 
Laryngitis diabetica, wie ich sie der Kürze halber nennen will, 
gehört zu jenen zahlreichen Kehlkopferkrankungen, welche nach 
Aetiologie und Pathogenese, Diagnose und Therapie ganz und 
gar in das Gebiet der „inneren Medicin“ fallen. Es handelt sich 
hierbei zweifellos um seltene Vorkommnisse, wie mich die eigene 
Erfahrung und das fast gänzliche Stillschweigen lehrt, das über 
dieselben in den Lehrbüchern der speciellen Pathologie und 
Therapie, in den Abhandlungen über Diabetes nicht minder als 
in der laryngologischen „Special“-Litoratur — soweit mir dieselbe 
zu überblicken möglich ist — beobachtet wird. 

Ich bin aber überzeugt, dass die hierher gehörigen Mitthei¬ 
lungen sich allmählich häufen werden, wenn die „Specialisten“ 
in aetiologisch dunklen Fällen von „acuter primärer submucöser 
Laryngitis“, von „idiopathischem Kehlkopfabscess“, von „pri¬ 
märem umschriebenen Larynxoedem“, von „primärer eitriger 
Perichondritis“, von „Laryngitis phlegmonosa idiopathica“ etc. 
ausser den gewöhnlich dabei discutirten aetiologischen Möglich¬ 
keiten auch den Diabetes bei ihren Untersuchungen nicht 
vergessen, ganz besonders aber, wenn die Aerzte in Fällen von 
Larynxaffectionen, die sich im Laufe des Diabetes einstellen, 
wiederholte eingehende Untersuchungen des Kehlkopfs vorzu¬ 
nehmen nicht versäumen werden. 

Zu den Kehlkopferkrankungen im Diabetes übergehend 
liegt es mir selbstverständlich ferne, auf jene allbekannten Fälle 
näher einzugehen, wo sich im Verlauf der Zuckerkrankheit pri¬ 
mär eine bacilläre Lungenphthise und im Gefolge derselben 
früher oder später auch eine tuberculöse Laryngitis entwickelt. 
Hier ist das Krankheitsbild das der gewöhnlichen Larynxtuber- 
culose und der Nachweis von Tuberkelbacillen im Sputum gibt 
uns in solchen Fällen raschen und sicheren Aufschluss über die 
Natur der Erkrankung zu einer Zeit, wo die secundäre 
tuberculöse Laryngitis das Stadium des Katarrhs, der Schleim¬ 
hautinfiltrat ion noch nicht überschritten hat. 

Dagegen möchte ich hier auf eine nicht ganz seltene Form 
einer scheinbar primären, den Larynx, häufig gleichzeitig auch 
den Pharynx betreffenden Affection hinweisen, welche zwar nicht 
Anstoss gebend für mich war, diese Mittheilungen zu machen, 
die ich aber doch gerade ihrer praktischen Wichtigkeit 
halber nicht mit Stillschweigen übergehen kann, schon aus dem 
Grunde nicht, weil die Lehrbücher, Monographien und Abhand¬ 
lungen über Diabetes sowohl, als die laryngologischen hinsichtlich 
jener Affection — zum Mindesten, was die Larynxaffection an¬ 
langt — beharrlich sich ausschweigen, während gerade unter 
dieser harmlosen Maske der Diabetes mitunter zuerst in die Er¬ 
scheinung tritt. 

Es handelt sich um hin und wieder sich darbietende Fälle, 
wo ganz im Beginne des Diabetes mellitus — ich betone das — 
zu einer Zeit, wo ausserdem noch keine anderen Zeichen desselben 
die Aufmerksamkeit des Patienten und vielleicht auch des Arztes 
erregen, gewisse relativ unbedeutende Beschwerden von Seiten 
des Kehlkopfs, häufig, aber durchaus nicht immer, gleichzeitig 
auch des Pharynx den Kranken veranlassen, ärztlichen, in den 
Städten „specialärztlichen“ Rath einzuholen. 

Es ist mir mehr als einmal begegnet, dass solche Kranke, 
welche über nichts weiter klagen, als über „auffallend rasches 
Trockenworden der Kehle beim lauten Sprechen“, über „Ver¬ 
siegen der Stimme und eintretende Heiserkeit“ dabei, oder über 
Gefühl anhaltender Trockenheit im Rachen („Hals“) Wochen 
und selbst Monate lang eine den heutigen Regeln entsprechende, 
ringehende, oft nur allzu energische L o c a 1 behandlung ihres 
Larynx resp. Pharynx genossen haben, bis die wahre Natur ihres 
vermeintlichen Kehlkopf- resp. Rachenkatarrhs bei der ersten 
Sitzung von mir dargethan wurde, nämlich der Diabetes mellitus. 

Das Gesagte an einigen Beispielen erläuternd, will ich haupt¬ 
sächlich solche der jüngsten Zeit aus meinen Journalen auslesen 
und sie so schildern, wie sie die Alltagspraxis in die Hände 
lieferte. 

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1. Fräulein Ida B., eine Sängerin, vielfach auf weiten Wande¬ 
rungen, consultirte mich im Juli 1886 wegen eines seit mehreren 
Monaten bestehenden und von verschiedenen Specialärzten behan¬ 
delten „Kehlkopfkatarrhs“. Derselbe zeigte anfänglich die Eigen- 
tliümlichkeit, dass er sieh nur bemerkbar machte, wenn Patientin 
bei den abendlichen Productionen durch den Beifall des Publicums 
gezwungen „Extraeinlagen“ zum Besten zu geben sich genöthigt 
sah. Ihre Stimme sei im Beginne des Vortrags so vortrefflich wie 
ehedem, als sie ihre ersten Triumphe an einem kleinen Theater 
erntete. Aber das Ausdauern ist ln den letzten Monaten immer 
mehr zurückgegangen, so dass sie in den letzten Wochen auch den 
gewöhnlichen Anforderungen sich nicht mehr gewachsen fühlt 

Ich untersuchte den Kehlkopf und fand, wie ln meinem 
Journale geschrieben steht, „ausser eines auffallend 
trockenen Glanzes der Stimmbänder, welche 
wie lackirt aussahen, nichts Abnormes“. 

Schon hatte ich der Kranken die üblichen Verhaltungsmaass¬ 
regeln, Schonung der Stimme etc., ausserdem eine auf Entfettung 
hinzielende Diät verordnet, als mich ähnliche Erfahrungen mahn¬ 
ten, doch noch auf Diabetes zu fahnden. Vermehrten Durst stellte 
Pat. in Ahrode, doch sei sie während der Vorstellungen, in den 
Pausen, durch ihre „Austrocknung des Kehlkopfs“ ge¬ 
zwungen, grössere Quantitäten Zuckerwasser oder Limonade zu 
trinken, um die Stimme zu erhalten. Die Frage, oh sie abge¬ 
magert sei, wird mit Heiterkeit verneint. Patientin ist von 
grosser stattlicher Figur und erfreut sich eines Pannlculus, der 
zwar noch proportional doch den Grenzen aesthetischer Zulässig¬ 
keit sich nähert. 

Die Untersuchung des Harns ergab ein specifisches Gewicht 
von 1036 und reichlichen Zuckergehalt. Die 24 ständige Harn- 
inengc betrug, Tags darauf bestimmt: 2200 ccm mit 3,2 Proc. 
( - 70,4 g in 24 Stunden) Zucker. Patientin, welche bereits einige 
Tage später Köln verliess, unterwarf sich mit Consequenz der 
angeordneten Diät. Die Folge war gänzliche Sistirung der Melli- 
turie und damit völlige Wiederkehr der früheren Leistungsfähig¬ 
keit der Stimme, was mir Patientin in einem Briefe (dat. Hamborg) 
mit grosser Freude und Dankbarkeit mittheilte. 

2. Herr ,T. S. aus D„ 48 Jahre alt, consultirte mich am 30. März 
1889 wegen einer seit Anfang desselben Jahres beobachteten 
rascheren Ermüdung der Stimme beim Sprechen, verbunden mit 
einem Gefühle der „Austrocknung der Kehle“. Die Stimme. 
Morgens heim Erwachen klar, wurde nach längerem, oft auch 
schon kürzerem lauten Sprechen umflort, belegt. Das war zu¬ 
nächst Alles, 'worüber Pat. klagte. 

Die Untersuchung des Rachens ergab jene bekannte kupfer- 
rothe trockenglänzende, glatte Beschaffenheit der hinteren Phn- 
rynxwaud, welche Manche als Pharyngitis sicca laevis bezeichnen, 
welche mein Lehrer v. P f e u f e r „S i c c i t a s fauciu in** zu 
bezeichnen pflegte, wobei er sich der Schilderung bediente, „dass 
die Rachenschleimhaut wie mit einem Goldschlägerhäutchen be¬ 
deckt aussehe“. 

Auch die Schleimhaut des Gaumens zeigte sich ln geringerem 
Grade und ähnlicher Weise verändert und hot das für die „Siecitas 
faueium“ charakteristische, mitunter zu beobachtende Verhalten 
dar, nämlich: da und dort der Schleimhaut fest anhaftende steck- 
undelkopf- bis linsengrosse, zarte, durchsichtige grauwelsse 
„Schüppchen“, welche sich mit dem feuchten Pinsel aufweiohen 
und entfernen Hessen. Sie erinnerten an Soor, den ich in schwe¬ 
reren Fällen von Diabetes mehrmals beobachtet habe, stellten aber 
nichts Anderes dar, als ausgetrocknete Schleimklümpchen mit reich¬ 
lichen „Loptothrixfäden“. 

Die Untersuchung mit dem Kehlkopfspiegel ergab: die 
Schleimhäute des Larynx nur wenig stärker geröthet als ln der 
Norm. Die wahren Stimmbänder zeichnen sich durch einen auf¬ 
fallend trockenen Glanz aus, das sonst feucht glänzende Aus¬ 
sehen hat sich mehr in's Graue verändert, indessen fehlen alle 
Zeichen von stärkerer Injection, von Hyperaemie derselben. Keine 
Borkenbildung. Die scharfen Ränder der Stimmbänder erscheinen 
wie abgerundet, mehr saitenartig als membranös; trotzdem sind sie 
nicht deutlich schmäler als in der Norm. 

Hinsichtlich der Bewegung der Stimmbänder sind Verände¬ 
rungen nicht erkennbar, abgesehen von einem feinspaltförmigen 
Klaffen der Glottis ligamentosa bei der Phonation. 

Die Stimme, im Anfänge des Consiliums noch klar, war nach 
kurzer Unterhaltung mit dem Kranken matt, belegt, verschleiert. 
— Husten besteht angeblich niemals. 

Patient, der bis dahin an einem „chronischen Rachen- und 
Kehlkopfkatarrh“ in zweckmässiger Weise behandelt worden war. 
gab auf Befragen an, dass er seit ca. 10 Wochen wegen der 
häufigeren Austrocknung der Kehle wohl zu häufigerem Trinken 
genöthigt sei, dass er aber im Uebrigen nicht an gesteigertem Durst 
leide. Eine Vermehrung der Urinmenge, Abnahme der Schweiss- 
secretion stellt er bestimmt in Abrede, dessgleichen auch Ab¬ 
magerung. 

Die Untersuchung sämmtlicher Organe des sich im Uebrigen 
vollkommen gesund fühlenden und vortrefflich ernährten Mannes 
ergab sonst keinerlei Anomalien, insbesondere auch keine der 
Lungen. 

Der Rachen-Kehlkopfbefimd und die ganze Krankengeschichte 
mahnten mich auf Grund zahlreicher ähnlicher Erfahrungen, so¬ 
fort den Urin des Kranken zu untersuchen. Derselbe zeigte eine 
reichliche Menge Zucker. Die quantitative Untersuchung, Tags 
darauf vorgenommen, ergab 4,2 Proc. Die tägliche Harnmenge des 
Kranken Ist mir nicht bekannt geworden, da mich derselbe nur 
einmal in meiner Sprechstunde besuchte. Ich unterrichtete den 

Original frorn 

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17. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 537 


Patienten über die Natur und Behandlung seiner Krankheit und 
schickte ihn nach Carlsbad. 

3. Herr Oberlaudesgerichtsrath B. in H. consultirte mich am 
28. Juni 1880 wegen eines Haemprrhoidalleidens. Gegen Schluss 
des Consiliums ersuchte er mich, auch seinem Kehlkopfe noch 
einige Augenblicke zu schenken. Kr bemerke seit y 2 Jahre eine 
auffallende Trockenheit der Kehle mit Belegtsein der Stimme. 
Dieser Zustand trat regelmässig ein, wenn er in seinem Berufe 
als Jurist Vorträge zu halten hatte. So habe er jüngst als Vor¬ 
sitzender beim Schwurgericht eine solche immer wiederkehrende 
Austrocknung des Kehlkopfes bemerkt, dass er während des ganzen 
längeren Vortrages fortwährend Wasser und zwar in „kolossaler 
Menge“ hätte trinken müssen, um nur einigenuaasseu „die Stimme 
auf ihrem Klange“ zu erhalten. Im Uebrigen sei er ausserhalb der 
Sitzungen, wenn er sein Stimmorgan schonen könne, frei von allen 
Beschwerden im Kehlkopf. Vermehrten Durst stellt Patient in 
Abrede, auch sei er durchaus nicht abgemagert. 

Ich untersuchte Rachen und Kehlkopf und fand alles normal, 
konnte wieder einen Rachenkatarrh, noch Siccitas faucium, noch 
deutliche Veränderungen an den Stimmbändern constatiren. Der 
Kranke behielt während des längeren Consiliums seine klare 
Stimme bei. Dennoch veranlasste mich die Schilderung des 
Kranken auf Grund analoger Erfahrungen, den Urin zu unter¬ 
suchen. Derselbe hatte ein spec. Gewicht von 1032 und enthielt 
eine reichliche Menge Zucker; zu einer quantitativen Bestimmung 
hatte ich in der Sprechstunde keine Zeit. 

Auch in diesem Falle bestanden ausser dem Symptom einer 
raschen Ermüdung der Stimme mit Austrocknung der Kehle bei 
lautem Sprechen keinerlei Zeichen, welche Arzt und Patient auf 
die Möglichkeit eines Diabetes gewiesen hätten. Ich rieth dem 
Kranken eine Cur in Carlsbad an. 

4. Herr A. K. aus K., 63 Jahre alt, consultirte mich am 10. Juli 
1889 wegen eines seit Herbst 1888 bestehenden, ziemlich acut auf- 
getretenen „chronischen Rachen- und Nasenkatarrhs“ in Verbin¬ 
dung mit häutig sich einstellendem Belegtsein und Heiserkeit der 
Stimme. Er schildert seine Empfindungen als „Austrocknung des 
hinteren Rachens und der Nase“. Die Untersuchung ergab eine 
auffallende Trockenheit, bei glatter Beschaffenheit und etwas 
dunklerer Röthe der Schleimhaut der hinteren Rachen wand, so¬ 
wie der Naseuschleimhaut, während die Mundschleimhaut ihr 
völlig normales feuchtes Verhalten darbot. 

Ein ähnliches Bild der Trockenheit zeigten die Schleimhäute 
des Kehlkopfs, besonders die markweissen, trocken glänzenden 
Stimmbänder. 

Patient, dessen chronischer Nasenrachenkatarrh bis dahin an¬ 
haltend energisch, aber erfolglos local beliaudelt worden war, half 
sich schliesslich „auf den Rath von Freunden“ damit, dass er stets 
Candisz ucker mit sich führte und reichlich genoss. 

Die Untersuchung des Hains ergab eine Sehr grosse Menge 
Zucker (7,5 Proc). 

Mit der Ursache seines Leidens bekannt gemacht, gab Pat. 
an, dass sein Urin im November 1887 gelegentlich einer leichten 
Erkrankung einmal untersucht und vollkommen normal befunden 
worden sei. 

Der Arzt, welchen Pat. in der letzten Zeit consultirte. ein sehr 
erfahrener und tüchtiger College, versicherte mir, was mit den 
mir gemachten Angaben des Kranken vollständig übereinstimmt, 
dass er bei dem vorzüglich genährten, fettreichen und sich im 
Uebrigen vollkommen wohl fühlenden Patienten keinerlei auf Dia¬ 
betes hinweisende Symptome, weder vermehrten Durst, noch Poly¬ 
urie, noch Abmagerung etc. beobachtet habe, so dass er gleich 
seinen Vorgängern in der Behandlung des Kranken den von diesen 
diagnosticirten chronischen Pharynxkatarrh einfach anzunehmen 
sich berechtigt sah. 

Von Interesse ist der weitere Verlauf der Krankheit, welche 
ich in diesem Falle in continuo zu beobachten die Gelegenheit 
hatte. Mit der Einleitung der antidiabetischen Diät schwand 
zwar der Zuckergehalt des Harns bis heute nicht vollständig, ver¬ 
minderte sich aber von 7,5 bis auf 0.9 Proc. (am 14. October 1889), 
also sehr beträchtlich. Gleichzeitig damit verloren sich die den 
Kranken Unsserst quälenden Symptome von Seiten des Rachens, 
der Nase, die lästigen Gefühle der Trockenheit daselbst. Was eine 
frühere, Monate lang fortgesetzte Localbehandlung nicht erreichen 
konnte, hat eine auf richtiger Erkenntnlss der Krankheitsursache 
auf gebaute Therapie innerhalb weniger Tage zu Stande gebracht 

Ich könnte mich mit diesen wenigen Mittheilungen aus der 
Praxis begnügen. Sie begründen zunächst praktisch die Auf¬ 
forderung, in Fällen von „trockenem Rachen- und Kehlkopf¬ 
katarrh“, namentlich aber in gewissen Fällen von „Siccitas fau¬ 
cium, narium et laryngis“, wo uns vielleicht bei temporär sogar 
normalem objectivem Befunde über „rasche Ermüdung der 
Stimme, über Trockenheitsgefühl in der Kehle beim Sprechen“ 
etc. geklagt wird, ausser anderen aetiologischen Möglichkeiten 
auch der des Di a b e t e s zu gedenken, auch dann, wenn die 
übrige Anamnese keinen Anstoss zu einer derartigen Verrauthung 
gibt. Es ist dies vielleicht mehr eine Mahnung für die Sprech¬ 
stunde viel beschäftigter Aerzte und überfüllter Polikliniken, 
als für Hospitäler, wo ja die selbstverständliche Regel besteht, 
bei jedem Kranken, gleichgültig was ihm fehlen mag, wiederholte 
Harnuntersuchungen nach allen Richtungen hin vorzunehmen. 
Hier, im Hospitale, wird eher der entgegengesetzte Fehler ein- 
No. 16. 

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treten können, dass, wenn einmal die Diagnose Diabetes gas teilt 
ist, den relativ unbedeutenderen Symptomen von Seiten des 
Pharynx und Larynx, gewissermaassen als „selbstverständlichen“, 
weniger Gewicht beigelegt wird. 

Abgesehen von diesen vielleicht trivial erscheinenden prak¬ 
tischen Erörterungen und, wiewohl die Entstehungsursache der 
geschilderten Zustände als selbstverständlich auf der Hand zu 
liegen scheint, kann ich doch nicht umhin, bezüglich der Patho¬ 
genese Einiges anzuführen. Ich zielte den nichts präjudicircnden 
Namen Siccitas laryngis oder Laryugoxerosis *) diabetica vor, 
wobei ich einräumen will, dass der Ausdruck Xerosis, der be¬ 
kanntlich für diverse schwere anatomische Gewebsveränderungen, 
indurirende, sklerosirende Processe gebräuchlich ist, leicht die 
Vorstellung erwecken könnte, als ob es sich dabei um ähnliche 
Vorgänge im Larynx handle. Das ist nun nicht, vielmehr das 
Gegentheil der Fall. Es handelt sich nicht einmal um eine 
„Laryngitis“; die Stimmbänder bieten keine Zeichen einer 
solchen dar, weder Ilyperaoinie, noch Schwellung, noch. ver¬ 
mehrte oder qualitativ veränderte Secretion (z. B. Borkenbildung, 
wie bei der sogen. Laryngitis sicca). 

Aus denselben Gründen kann auch nicht von einem 
„trockenen Katarrh“ die Rede sein, wiewohl ich diese Bezeich¬ 
nung an und für sich ihrer, übrigens nur etymologischen Contra- 
diction halber nicht scheuen würde. Schon der temporäre Cha¬ 
rakter der Funotionsst drang spricht laut genug gegen die An¬ 
nahme einer Laryngitis. 

Es handelt sich vielmehr bei unserer Laryugoxerosis dia¬ 
betica um eine Keeret ionsanomalie und zwar eine Hypo- 
s e e r e t i o n und dadurch bedingte Neigung zu m 
T r o c k e n w e r d e n der Stimmbänder, welche eben da¬ 
durch bewirkt wird, dass in Folge des Diabetes einmal die Se¬ 
cretion im Kehlkopf, sodann vielleicht auch der durchschnittliche 
Wassergehalt der Stimmbänder auf einer gewissen niedrigen 
Stufe sieh bewegt, so dass die gesteigerte Wasserabgabe, welche 
mit jedem anhaltenden Sprechen einhergeht — wesshalb man 
Rednerpulte mit einem Glas Wasser auszustatten pflegt — als¬ 
bald einen solchen Grad erreicht, dass die Schwingungsfähigkeit 
der Stimmbänder darunter leidet, Asthenophonie, Mogiphonie, 
Dysphonie oder wie man den Zustand aetiologisch auch nennen 
kann: „Xeroplionic“') (oder auch Xeraphonie) ist die Folge 
davon. 

Ich möchte aber nicht leugnen, dass die beschriebene Affec- 
tion nach längerem Bestände „entzündliche“ Gewebsstör- 
ungen herbeiführen kann, so dass man von einer „Laryngitis“ 
zu sprechen berechtigt wäre; ich halte es selbst a priori nicht 
ausgeschlossen, dass atrophirende, sklerosirende Processe sich 
schliesslich daraus entwickeln können, aber es fehlt für eine 
derartige Aufstellung bislang noch jede Beobachtung, klinische 
und anatomische. 

Dagegen führt die analoge Pharyngoxerosis diabetica, wie 
die mitgetheilten Fälle 2 und 4 lehren, häufig zu einer wirk¬ 
lichen Pharyngitis (sicca, laevis), denn bei der dunkeln Kupfer- 
rötlie der Rachenschleimhaut, wie wir sie antrafen, kann die 
Bezeichnung Pharyngitis wohl zugelassen werden, wenn auch 
der entzündliche Charakter dieser durch klinische Inspection 
wahrgenommenen Veränderung anatomisch histologisch nicht 
dargethan ist. 

Man wäre versucht, bei dieser Gelegenheit auf die Excesse 
einzugehen, welche mit der Bezeichnung „Pharyngitis“ nicht 
selten begangen werden und es kann nicht schwer fallen, auf 
Grund der so leicht gehandliabten Kriterien, welche oft genügen, 
eine Rachenschleimhaut für „entzündet“ zu erklären, den Be¬ 
weis anzutreten, dass für Manche der entzündete Rachen die 
Regel, der gesunde eine sehenswerthe Ausnahme sein muss. 

Die Laryngo- und Pharyngoxerosis diabetica ist eine aetio- 
logisch speeifische. Was ihr anatomisches Verhalten betrifft, so 
unterscheidet sie sich in nichts von der durch Wasserverlust 
aus dem Blute und secundär aus den Geweben bedingten Laryngo- 
xerosis bei profusen Brechdurchfällen, bei acuten schweren Blut¬ 
verlusten, erschöpfenden Sehweissen etc. Während man aber 
bei den zuletzt genannten Ursachen, so besonders bei der Laryngo- 
xerosis cholerica, in Anbetracht der weitaus intensiveren und 
brüskeren Wasserentziehung aus den Geweben des Kehlkopfs 

*) Etymologisch richtiger Laryngoxerasis von &Qa<n{ =s Trocken¬ 
heit. 

2 ) = „mit trockene»-, rauher Stimme“. 

4 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



538 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


wohl annehmen kann, dass die dabei beobachtete Aphonie nicht 
allein eine mechanische, durch die gestörte Schwingungs¬ 
fähigkeit der trockenen Stimmbänder bedingte, sondern auch 
eine „myogene“ und „neurogene“ Functionsstörung ist, be¬ 
ruhend auf der Wasserentziehung aus den Muskeln und Nerven 
des Kehlkopfs, dürfen wir wohl ohne Widerspruch die diabe¬ 
tische Laryngo-glossoxerosis als eine rein mechanische 
in dem oben genannten Sinne bezeichnen, wofür die ganze Art 
der Functionsstörung als einer zwar bei jedem längeren lauten 
Sprechen wiederkehrenden, aber oft ebenso rasch wieder ver¬ 
schwindenden zur Genüge spricht. (Schluss folgt.) 

•j£Zur Psychologie der Stimmermüdung. 

Von Professor Dr. Max Breitung in Coburg. 

In seinem auf der VI. Versammlung süddeutscher Laryngo- 
logen in Heidelberg gehaltenen, sehr anregenden, an neuen Ge¬ 
sichtspunkten reichen Vortrag über die Stimmermüdung hat 
Herr Avellis eines Vorfalles Erwähnung gethan, welcher 
vielleicht Anspruch erheben darf, etwas genauer skizzirt zu 
werden. 

Herr Avellis sagt: Breitung erzählte mir voriges 
Jahr eine auf den ersten Blick recht merkwürdige Geschichte. 
Der Schauspieler B., dessen glänzende Stimmmittel wir heute 
noch in Frankfurt bewundern, kam eines Abends im Verlauf 
der Vorstellung, welcher der Herzog beiwohnte, zu Breitung 
gestürzt: seine Stimme sei zu Ende. Er sei absolut nicht mehr 
im Stande, seine Rolle zu Ende zu führen. 

Breitung verabreichte ihm eine Portion Sect und ver¬ 
hinderte durch dieses angenehme Heilmittel einen Zusammen¬ 
bruch der Vorstellung. 

Der hier erwähnte Vorgang spielte sich folgendermaassen ab*: 

Es handelte sich um die erste Vorstellung der „Jungfrau von 
Orleans“ in Meiningen, welche später für viele Tausende von 
Kunstfreunden auf den Gastspielen der „Meininger“ eine Quelle 
reinsten Genusses wurde und In Berlin einen wahren Taumel des 
Entzückens hervorrief. 

Wie immer an solchen grossen Tagen, war die ganze Presse 
der Welt In Meiningen versammelt, wo der gastfreie Hof des Her¬ 
zogs an die Zeiten von Tasso in Ferrara erinnerte. Den Lyonei 
spielte ein mir bis dahin noch unbekannter junger Künstler, Herr 
B„ der mich bei seinem Auftreten durch die Ueberschüttung mit 
allen Mitteln der Darstellung geradezu fascinirte. Man hatte einen 
solchen Lyonei noch nicht gesehen und begriff, wie die Jungfrau 
ihm gegenüber — in Verlegenheit kommen konnte. Die Vorstel¬ 
lung nahm einen glänzenden Verlauf. 

Nach Schluss des 4. Actes erschien ein Lakai des Herzogs 
bei mir und richtete mir aus, der Herzog lasse mich bitten, doch ein¬ 
mal nach dem Herrn B. zu sehen, er sei stockheiser. — Ich ging 
sofort in die Garderobe des Herrn B. und fand diesen zur Fort¬ 
setzung der Vorstellung so geeignet wie eine Mumie des Königs 
Nebueadnczar. Hier war nun guter Rath tlieuer. Da ich keine 
Anhaltpunktc für die Annahme einer belangreichen materiellen 
Laesion fand, glaubte ich die ganz plötzlich aufgetretene Stimm¬ 
losigkeit auf psychisches Gebiet verlegen zu sollen und entschloss 
mich, zu verlieren war nichts, als eine Art Swengali die Zauber¬ 
künste der Suggestion spielen zu lassen. In grösster Ruhe erklärte 
ich, der Zwischenfall sei belanglos, man möge die Pause etwas ver¬ 
längern. Herrn B. Hess ich In eine wollene Decke wickeln, gebot 
absolutes Schweigen und liess ihn schnell eine halbe Flasche Sect 
trinken. Dann ging ich fort mit der Erklärung: So! — Wenn es 
so weit Ist, machen Sie sich fertig! Probiren Sie Ihre 
Stimme vorher nicht! Sie gehen einfach her¬ 
aus und spielen fertig! Es geht! Ich übernehme die 
Verantwortung! Auf Wiedersehen! 

Ich will mir keine Mühe geben, den Grad von Herzklopfen zu 
beschreiben, mit dem ich nach einer Viertelstunde das Klingel¬ 
zeichen hörte und Herrn B. erwartete. Herr B. kam — spielte 
wundervoll zu Ende, unter einem Beifall, der das alte ehrwürdige 
Hoftheater erschüttern machte. 

Niemand im Theater, ausser dem Herzog, Chronegk, B. und 
mir, hatte eine Ahnung, was sich hinter den Coulissen zwischen 
dem 4. und 5. Acte dieser denkwürdigen Vorstellung in Meiningen 
abgespielt hatte. 

Vielleicht ist man Herrn Avellis zu Dank verpflichtet, 
dass er mir durch seinen Vortrag Gelegenheit geboten hat, diese 
immerhin ärztlich ebenso merkwürdige als interessante Episode 
zu erzählen. 

Wie schon gesagt, habe ich seiner Zeit den Erfolg als den 
einer kräftigen Suggestion betrachtet, wie ich ihn namentlich 
bei jungen Künstlern, auch sonst wohl nicht selten erreicht habe. 

Avellis sagt: „Breitun g\s Heilerfolg ist aber durch 
physiologische Experimente gut erklärt und zugleich ein schöner 
Beweis, dass die functionelle Stimmermüdung ein centraler Vor¬ 
gang ist.“ 

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Ausserdem hat ja auch Sahli wissenschaftlich experi¬ 
mentell bewiesen, dass geringe Dosen Alkohol eine rasche Er¬ 
holung des ermüdeten Muskels herbeiführen und zwar meist so 
schnell, innerhalb weniger Minuten, so dass an einen Ersatz ver¬ 
brauchter chemischer Stoffe nicht gedacht werden kann. 

Der Alkohol wirkt ebenso, wie in anderen Fällen die Bouillon, 
deren unmittelbar belebende Wirkung auf das Nervensystem be¬ 
zogen werden muss. 

Herr B. ist mittlerweile ein Stern erster Grösse am Himmel 
der dramatischen Kuust geworden und wird mir verzeihen, wenn 
er zufällig von der Preisgabe dieser Erinnerung als einer in ge¬ 
wissem Sinne historischen, im Interesse der wissenschaftlichen 
Erkenntni88, erfahren sollte. 

Vermuthlieh war dieser Tag der einzige für 20 Minuten 
stimmlose seiner ganzen erfolgreichen glänzenden Künstler¬ 
laufbahn. 

Ueber das chirurgische Naht- und Unterbindungs¬ 
material. 

Von Dr. H. Braun, Privatdocent in Leipzig. 

(Schluss.) 

Ich habe nun mit Hilfe des von Stich construirten Appa¬ 
rats Zugfestigkeitsbestimmungen verschiedener Fadenmaterialien 
und verschieden imprägnirter und behandelter Fäden vorge¬ 
nommen 2 ) und will die Ergebnisse dieser Versuche in einigen 
Sätzen zusammenfassen. 

1. Man muss unterscheiden zwischen Zugfestigkeit 
und Knotenfestigkeit eines Fadens. Unter Knoten¬ 
festigkeit verstehe ich die Zugfestigkeit an der Stelle eines 
Knotens. Wir bestimmten sie, indem wir in der Mitte des zu 
prüfenden Fadens um ein Filzstreifchen einen einfachen Knoten 
bildeten und dann die Zugfestigkeit feststellten. Die Knoten¬ 
festigkeit ist bei Fäden aller Art geringer als die Zugfestigkeit 
ohne Knoten; sie ist es auch, welche uns Chirurgen allein 
interessirt. 

2. Die Festigkeitsbestimmungen ergaben: 

Fadendurchmesser Zugfestigkeit Knotenfestigkeit 
Collodiumzwirn No. 300 0,28 mm 13Ü0 Gramm 1000 Gramm 

Rohzwirn „ 100| n 1850 „ 1500 „ 

Collodiumzwirn „ 100/ ’ ” 16 OO „ 2200 „ 

Collodiumzwirn „ 20 0,5 „ 4500 „ 3500 w 

Die Zahlen sind Durchschnittswerthe aus je etwa 20 Be¬ 
stimmungen. Man sieht also, dass Zug- und Knotenfestigkeit 
durch die Imprägnation gleichmässig ganz bedeutend gesteigert 
werden. Dies Verhalten ist absolut constant. 

3. Zug- und Knotenfestigkeit des Collodiumzwims werden 
nicht verändert durch beliebig häufiges Auskochen desselben in 
Sodalösung oder Sterilisirung im strömenden Dampf. Ein Col¬ 
lodiumzwirn, der % Jahr in lprom. Sublimatlösung gelegen hatte, 
besass ebenfalls unverminderte Festigkeit. 

4. Gleich starke Seidenfäden besitzen ähnliche Zug- und 
Knotenfestigkeit nur im rohen Zustande, verlieren davon aber er¬ 
heblich durch Sterilisiren oder Aufbewahren in antiseptischen 
Flüssigkeiten. 

5. Die Verwendung von Celluloid zur Imprägnirung des 
Zwirns ist weniger praktisch. Der käufliche Celluloidzwirn No. I 4 ) 
hat einen Fadendurchmesser von0,32mm, also nicht viel weniger als 
meine Mittelsorte, seine Zugfestigkeit ist eine verhältnissmässig 
sehr hohe, 2260 g, aber seine Knotenfestigkeit ist äusserst schwan¬ 
kend, bisweilen ebenfalls hoch, meist erreicht sie nicht 1000 g 
und geht oft zurück auf 500 g. Daher reissen diese Fäden beim 
Knoten leicht, trotz ihrer Zugfestigkeit. Die Ursache dieses Ver¬ 
haltens ist nicht der Faden selbst, sondern das Celluloid, das ihn 
offenbar brüchig macht, denn auch mein Zwirn bekommt eine grosse 
Zugfestigkeit, aber minimale Knotenfestigkeit, die feinste Sorte 
wird daher unbrauchbar, wenn man ihn mit Celluloid imprägnirt. 
Ich kann also die Verwendung des Celluloids nicht für eine Ver¬ 
besserung der älteren Collodium- oder Celloidinmethode G u b 3 - 
r o f f s halten. 

Was nun das Verhalten des Collodiumzwims im Organismus 
bei Hautnähten betrifft, so kann ich nur sagen, dass er sich so 

*) Herr Oberapotheker Dr. Stich hat mich bei diesen Ver¬ 
suchen In der freundlichsten Welse unterstützt und mir bereit¬ 
willigst seinen Apparat zur Verfügung gestellt. 

*) Von Lütgenau & Co. in Krefeld. 

Original frorn 

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17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


539 


verhält wie Draht, Stichcanaleiterungen niemals verursacht, und 
dass die Fadenschlingen, wenn man sie nach dem Herausziehen 
unter entsprechenden Cautelen in Agar bringt, sich fast aus¬ 
nahmslos steril erweisen. Die Fäden bleiben auch wochenlang, 
z. B. unter Gipsverbänden, reactionslos im Gewebe liegen, ebenso 
regelmässig, wie man das bei Setolanähten und Drahtnähten be¬ 
obachten kann. Ich möchte also glauben, dass die Verwendung 
eines solchen Fadenmaterials, ganz abgesehen von seiner Billig¬ 
keit, erhebliche Vortheile vor der üblichen Seidennaht besitzt. 

Zu bemerken ist jedoch, dass bei der Naht mit Zwirn der 
Knoten nicht so fest geschnürt werden darf, wie man es vom 
Seidenfaden gewohnt ist. Seide ist sehr dehnbar, eine fest ge¬ 
knotete Seidenschlinge wird nach wenigen Minuten schlaffer. 
Zwirn aber ist gar nicht dehnbar; hierauf ist Rücksicht zu 
nehmen, um nicht die eingeschnürten Gewebe zu schädigen. 

Ich bin von der Thatsache ausgegangen, dass die Mehrzahl 
unserer Wunden, auch wenn sie per primam intentionem heilen, 
eine Zeit lang bacterielle, häufig auch pathogene Keime enthalten. 

Lässt man also Fremdkörper, wie aseptische Seidenfäden und 
Catgutschlingen bei Gefässunterbindungen oder in Form ver¬ 
senkter Nähte in der Wunde zurück, so pflegen sie da gewöhn¬ 
lich ohne Störung einzuheilen, weil sie sich unter viel günstigeren 
Verhältnissen befinden, als in einem mit der Hautoberfläche com- 
municirenden Stichcanal. Wenn sie aber mit vorhandenen 
Keimen Zusammenkommen, so können sie sich da wohl auch 
nicht anders verhalten als im Nahtstichcanal, sie können auch da 
zur Ansiedelung von Bacterien, zu Secundärinfectionen, zu 
Wundstörungen Veranlassung geben, auch wenn sie steril waren 
und steril in die Wunde hineingebracht wurden. Hier gewinnt 
die Frage, wie solche Secundärinfectionen zu verhüten sind, noch 
grössere Bedeutung. Denn die Stichcanaleiterungen sind, in der 
Regel wenigstens, gleichgiltige Ereignisse, der schuldige Fremd¬ 
körper kann leicht entfernt werden, die Stichcanalinfectionen 
manifestiren sich auch erst zu einer Zeit, wo die Wunde im 
Uebrigen bereits soweit in der Heilung fortgeschritten ist, dass 
kein weiterer Schaden entsteht. Bacterienentwicklung in der 
Tiefe einer Wunde ist selbstverständlich viel bedenklicher. 

Die Wundstörungen, die wir heut zu Tage beobachten, 
machen aber auch ganz den Eindruck, als ob sie in ähnlicher 
Weise zu Stande kämen, wie die Stichcanalinfectionen, durch 
secundäre Ansiedelung von Bacterien an einem Locus minoris re- 
sistentiae. Selten sehen wir, glücklicher Weise, die foudroyanten, 
ganz acut einsetzenden und fortschreitenden Eiterungen früherer 
Tage, viel häufiger entsteht bei ungestörter Heilung der Nahtlinie, 
und oft ohne nennenswerthe Temperatursteigerung, eine Spät¬ 
eiterung aus der Tiefe der Wunde heraus, die uns zur nachträg¬ 
lichen Oeffnung derselben zwingt. Als Ursache der Eiterung aber 
findet sich oft ein Catgutknoten, eine Seidenschlinge, irgend ein 
unabsichtlich zurückgelassener Fremdkörper, eine Gewebsnekrose 
(Poppert). 

Die Meinung, dass da eine secundäre’ Bacterienentwicklung 
in den Fremdkörpern, in den nekrotischen Geweben die Ursache 
der Wundstörung ist, will mir viel wahrscheinlicher und natür¬ 
licher erscheinen, als die Ansicht Popper t’s, dass Catgut, 
Seidenfäden und nekrotische Gewebstheile aseptische Eiterungen 
hervorrufen sollen, insbesondere, nachdem wir wissen, wie leicht 
Catgut- und Seidenschlingen inficirt werden. Den experimen¬ 
tellen Nachweis der fast selbstverständlichen Thatsache, dass in 
ihrer Ernährung beeinträchtigte Gewebe prädisponirt für In- 
fectionen sind, konnte Linser führen. Flüssigkeitsansamm¬ 
lungen in Wunden sind zwar manchmal Anfangs von seröser Be¬ 
schaffenheit und werden erst später eitrig; sie werden auch bis¬ 
weilen keimfrei gefunden (Hahn); das beweist aber nicht, dass 
Bacterien nicht im Spiele bei ihrer Entstehung gewesen sind. 
Gottstein beobachtete bei seinen Nahtuntersuchungen, dass 
die Stichcanäle der Hautnähte bisweilen ein steriles seröses Ex¬ 
sudat absonderten, und doch erwiesen sich die zugehörigen Seiden¬ 
schlingen als inficirt. Auch sonst ist es ja kein ungewöhnliches 
Factum, dass ein durch Bacterien verursachtes Exsudat bacterien- 
frei gefunden wird. 

Ohne Bacterieneinwirkung dagegen entstehen gewiss Flüssig¬ 
keitsansammlungen in Wunden, deren Flächen nicht genügend 
aneinander liegen und todte Räume bilden, besonders leicht 
in der Achselhöhle und hinter der Clavicula. Sie sind aber auch 
klinisch wohl charakterisirt, verschwinden, wenn man sie recht¬ 
zeitig entleert und in geeigneter Weise Compressionsverbände an- 

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legt, und sind kaum als Wundstörungen im landläufigen Sinne des 
Wortes zu betrachten. Anschütz hat ihnen kürzlich eine 
ausführliche Betrachtung gewidmet. 

Dass die chemotactisehen Eigenschaften des Catgut, die von 
O r 1 a n d i und Poppert nachgewieeen wurden, veritable 
Störungen der Wundheilung verursachen könnten, ist eine Hypo¬ 
these, für die eine zwingende Nothwendigkeit noch nicht vor¬ 
liegt. 

Poppert besass ein Catgut, welches, zur Hautnaht ver¬ 
wendet, jeden Stichcanal zur Vereiterung brachte, und er räth, 
ganz im Sinne der vorliegenden Betrachtungen, jede Catgutsorte 
zuvor auf ihr Verhalten Lei der Hautnaht zu prüfen, ehe man sie 
zu Unterbindungen verwendet. Ich glaube nun, dass man noch 
weiter gehen und es auch dann vom Gebrauch aussehliessen soll, 
wenn seine Nahtschlingen regelmässig inficirt gefunden werden. 
Ich besitze ebenfalls ein sehr schlechtes Catgut, welches mit For¬ 
malin behandelt und ausgekocht, also sicher steril, fast jeden 
Stichcanal bei der Hautnaht vereitern lässt; aber so oft ich dessen 
Schlingen auch geprüft habe, so oft waren sie voll von Bacterien. 
Vielleicht begünstigt die chemotactische Wirkung mancher Cat¬ 
gutsorten ihre Inficirbarkeit. 

Störungen des Wundverlaufs aber, welche man — ohne Frage 
in vielen Fällen mit Recht (Klemm, Poppert, Kocher 
u. A.) — den in der Wunde liegenden Catgutschlingen zuge¬ 
schrieben hat, kommen ganz gewiss in der Regel auf gleiche Weise 
zu Stande, wie die Infection der Nahtschlingen in der Haut. 

Dass in eine Wunde versenkte, namentlich starke Seiden¬ 
fäden — abgesehen vom Peritoneum, das vermöge hoch ent¬ 
wickelter natürlicher Schutzkräfte besonders geeignet zur Un¬ 
schädlichmachung von Fremdkörpern und Bacterien ist — häufig 
zu Störungen der Wundheilung, zu Eiterungen Veranlassung 
geben, ist zu bekannt, als dass es hier näher zu begründen noth- 
wendig wäre. Besonders in inficirten Wunden unterhalten Seiden¬ 
fäden eine Eiterung, welche gewöhnlich erst dann versiegt, wenn 
der letzte Faden heraus ist. Das ist wohl auch der Grund, wess- 
halb viele Chirurgen bisher Catgut beibehalten haben. Aseptisch 
eingeheilte Catgutfäden werden zwar ausserordentlich langsam 
resorbirt, Minervini fand noch nach 120 Tagen Catgutreste 
im Gewebe vor, unter dem Einfluss einer Bacterienentwicklung 
aber — in Hautstichcanälen und in der Tiefe bei Wundinfec- 
tionen — zerfliessen die Catgutfäden schnell, die Knoten fallen ab 
und es bleibt kein schädlicher Fremdkörper zurück. 

Die Vermeidung einer gewissen Anzahl von 
tiefen Wundeiterungen fällt zusammen mit 
der V ermei duiig der S tieh canalin fee tion. Fäden, 
die im Stichcanal steril bleiben, werden das in der Tiefe der 
Wunde erst recht thun, Fäden, die, wie sterile Seide und Catgut, 
leicht im Stichcanal inficirt werden, werden diesem Schicksal 
auch in der Tiefe der Wunde nicht immer entgehen. 

Ich will mich auch hier nicht auf die Frage einlassen, wie 
weit Catgut und Seide in dieser Hinsicht verbessert werden 
können, wenn man sie antiseptisch imprägnirt, sondern nur daran 
festhalten, dass anhydrophile Fäden auch ohne antiseptische Wir¬ 
kungen im Stichcanal meist steril bleiben, daher wohl auch das ge¬ 
eignete Material zu Ligaturen und versenkten Nähten sein 
müssen. 

Drahtfäden heilen bekanntlich sehr leicht und sicher ein und 
werden desshalb vielfach jedem anderen Material für versenkte 
Nähte vorgezogen; sie thun aber noch mehr, sie heilen selbst in 
inficirten Wunden ein, wenn das von ihnen gefasste Gewebe 
nicht nekrotisch wird, freilich ein nicht seltenes Ereigniss im 
Verlauf einer Wundeiterung. Ich kann dafür einige Beispiele 
anführen. Ich habe im Laufe der letzten Jahre 55 Radical- 
operationen von Leistenbrüchen gemacht, bei denen die Bruch¬ 
pforte, meist nach B a s s i n i, mit feinem Draht, Silberdraht, 
Eisendraht, Aluminiumbroncedraht, genäht wurde. 49 mal er¬ 
folgte Heilung p. p., niemals ist in diesen Fällen eine der 
Drahtnähte ausgestossen worden, 6 mal entstanden tiefe sub¬ 
acute Eiterungen, die mich zwangen, einen Theil oder die ganze 
Wunde zu öffnen. Ihre Ursache sehe ich, wie Poppert, 
in Fasciennekrosen, die an dieser Stelle besonders leicht 
eintreten. kann aber nicht glauben, dass solche Nekrosen 
direct die Eiterung veranlassen, sondern meine, dass die Bac¬ 
terien, die sich in den nekrotischen Geweben ansiedeln, an der 
Störung des Wundverlaufs schuld sind. 

In den erwähnten 6 Fällen ist 2 mal je eine (von 6—10) 

Original frnm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



MÜNCHENER M EDI« | \ i >: :HE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


540 


Draht naht 4 und 6 Wochen später herausgekommen. 2 mal sind 
je 2 Nähte in den ersten 14 Tagen entfernt worden, weil sie offen 
in der Wunde lagen und das von der Naht gefasste Gewebe nekro¬ 
tisch war, alle übrigen Nähte heilten ein, 2 mal ist trotz völliger 
Oeffnung der Hautwunde kein Draht herausgekommen, so dass 
auch hier die vernähten Faseien in ihrer Lage geblieben und 
das Endresultat erhalten worden ist. Auch bei anderen inficirten 
oder dauernd offen behandelten, per secundam heilenden Wunden, 
z. E. bei manchen Sehneimühtcn nach unreinen Verletzungen, 
bei Hlasennähten nach Seetio alta mit inficirtem Urin und im 
Vebrigen offener Wundbehandlung, kann man das fast regel¬ 
mässige Einheiten voll feinen Drahtnähten beobachten; Seiden¬ 
sehlingen werden unter solchen Umständen wohl stets ausge- 
>1 ossi*n oder unterhalten eine dauernde Eiterung. Auch unter 
selchen Ycrhältniscu worden eben die Stichearnile bei der Ver¬ 
wendung eines geeigneten Nahtmaterials meist ebensowenig in- 
iicirl, \v::■ 1 lautsticlieaniih*, oder die Infection wird überwunden. 

Es ist kaum anzunehmen, dass anhydrophile Fäden anderer 
Art sieh anders wie Draht, dass imprägnirter Zwirn sieh anders 
verhalten sollte wie Setola, welche für versenkte Nähte, nament¬ 
lich auch bei Bruchoperationen, seit langer Zeit und mit Erfolg 
gebraucht wird. 

Collodiumzwirn ist das einzige Fadenmaterial, das ich seit 
% Jahren ausschliesslich auch für Unterbindungen und versenkte 
Nähte — abgesehen von Knochennähten — benutze und ich em¬ 
pfinde das als eine ganz wesentliche Vereinfachung der Wund- 
bthandlung. Die feinste Sorte des Zwirns — No. 300 — ist fein 
genug für die Darmnaht, fest genug für alle nicht spannenden 
Nähte und alle Geflissunterbindungen. Die stärkste Sorte — 
No. 20 — kommt nur ausnahmsweise bei Massenligaturen zur 
Verwendung. 

Ich kann freilich noch nicht mit vergleichbaren Reihen 
gleichartiger Operationen, hier mit Collodiumzwirn, dort etwa mit 
Seide oder Catgut aufwarten; ich kann nur sagen, dass die Faden 
vortrefflich einheilen, keine Störungen der Wundheilung ver¬ 
ursachen und nicht herauskommen, auch in Fällen, wo Ligaturen 
in sehr grosser Zahl liegen bleiben müssen, bei Kropfexstir- 
pationen und Mammaamputationen. Radiealoperationen von 
Leistonbriichon habe ich erst 9 mit Collodiumzwirn ausgeführt, 
welche alle p. p. geheilt sind, ich kann also nicht sagen, wie sich 
da die Fäden beim Eintritt von Eiterung verhalten werden'). 
Bei einer Anzahl von offen behandelten Hand- und Fingerver¬ 
letzungen erfolgte stets Einheilung der Faseien- und Selmennähte. 

Die weitere Frage, ob denn ein resorbirbares Fadenmaterial, 
wie Catgut, für unsere heutige Wundbehandlung nothwendig 
ist, erübrigt sieh dadurch, dass von Jahr zu Jahr mehr Chirurgen 
vom Gebrauch des Catgut ganz abgegangen sind, und gefunden 
haben, dass ihre Wunden dann nicht schlechter, sondern besser 
geheilt sind. Auch ich bin der Meinung, dass wir ein 
resorbirbares Material in der Regel nicht brauchen, ins¬ 
besondere dann nicht, wenn in der Wunde nur Fäden 
zurückgelassen werden, welche nicht, an und für sieh 
Depots von Bacteriencolonien und Ausgangspunkte für 
Wundeitcrungen werden können, und welche auch in septischen 
Wunden ohne Schaden verwendbar sind, nämlich anhydro¬ 
phil e und m ö glichst feine Fäden. Diese Eigenschaften 
dürften wichtiger sein, als ihre Resorbirbarkeit. 

X a e li trag bei der Corro e t u r: Der oben beschriebene 
und abgebildete Apparat zur Herstellung iniprügnirten Zwirns ist 
neuerdings so verändert worden, dass Wickeltrommel und Glas¬ 
kasten getrennt an verschiedenen Enden eines Zimmers aufgestellt 
werden können. Ausserdem hat sieh gezeigt, dass Colloidin- 
löKungen leichter als Collodium in <1 io Zwirnsfäden eliulriiigen. ihre 
Verwendung grössere Sicherheit bietei für die Gewinnung eines 
glatten und homogenen Fadens. Das Auskocheu des Zwirns vor 
der Imprägnation kann hierbei stets wegfallen, was die Kelbstaus- 
fiihrung der Imprägnation vereinfacht. 

Literatur: 

A n s e h ii t z : Feber den primären Wundverschluss ohne Drainage 
und die Ansammlung von Wundseeret in aseptischen Wunden. 
Beitr. z. klin. Fhirurgie. Bd. 25. lieft 3. 

'» in der Diseussion, welche sich dem vorstehenden Vortrag 
ansehloss (s. diese Woehenschr. No. 11. S. 377) erwähnte indessen 
lt. Y o 1 k m a n n einen Fall, wo bei einer Laparotomie die Faseien 
mit 24 Collodiumzwinmiihten vereinigt worden waren und in der 
Folge wegen eines Bauchdeckcnabseesses die llautnaht ge¬ 
öffnet werden musste. 22 Nähte heilten trotzdem ein. 2 wurden 
entfeint wegen Nekrose des von ihnen gefassten Gewebes — wahr¬ 
scheinlich die Ursache der Störung der Wundheilung. 

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Behring: Ueber Desinfection, Desinfectlonsmlttel und Des- 
infectionsniethoden. Zeitschr. f. Hyg., Bd. IX, 1892. 

Brunner: Erfahrungen und Studien über Wundinfectlon und 
Wundbehandlung. Frauenfeld 1898. 

Dun: The eonditions interfering wlth healing of wounds witli 
experiments on lesion, Implantation and infection. Edinb. med. 
Journ. 1895, No. 3. 

F leischauer: Chirurgisches NUhmaterial zu Ligaturen und 
verlorenen Nähten. Diss. Erlangen 1896. 

Gottstein: Beobachtungen und Experimente über die Grund¬ 
lagen der Asepsis. Beitr. z. klin. Chir., Bd. 24, 25 (s. auch bei 
Mikulicz). 

Gubaroff: Ueber Anfertigung eines billigen und für chirur¬ 
gische Zwecke ausreichenden Nahtmaterials. Centralbl. f. Chir. 
1896. p. 1025. Monatssehr. f. Geburtsh. u. Gyn. 1897, p. 213. 

II a e g e 1 e r : Metalldraht aus Aluminiumbronce. Oorrespon- 
denzbl. f. Schweiz. Aerzte 1897, No. 7. 

K 1 e m m : Ueber Catgutlnfeetion bei trockener Wundliehandlung. 
Langenbeek’s Areh.. Bd. 41. p. 902. 

K o e li e r : 24. deutscher Chirurgeneongress 1895. 

L e v (» r t. d e l’A 1 a b a m a: .Toumal de progr&s 1829, Bd. 17. 

LI nser: Feber Gewebslaesionen und die durch sie erzeugte 
Prüdisposition für hifeetioncii. Deutsch. Zeitschr. f. Chir., 
Bd. 51. pag. 465. 

M i k u 1 i e z : Die neueren Bestrebungen, die Wundbehandlung 
zu verbessern. Langcnbeek’s Areh., Bd. 57, p. 250. 

M i n e r v i n i : Zur Catgutfrage. Deutsch. Zeitschr. f. Chir.. 
Bd. 53. p. 1. 

O 11 i e r : Feber die Anwendung des Metnlldrahts in der Chirurgie. 
Gazette hobdotnadaire 1S62, No. 9. 12, 17, 23. 

Orlandi: Centralbl. f. Chirurg. 1897, p. 153. 

Peterscn : Seidenwurmfäden. Festschrift für Esm a r e li 
1893. 

Poppert : Feber Eiterung durch keimfreies Catgut. Deutsch, 
med. Wochensehr. 1896. No. 48 und Centralbl. f. Chirurg. 1890. 
No. 26. 

Poppert: Ueber Seidonfadenetterung. Deutsch, med. Wochen 
sehr. 1897, No. 49. 

Riggenbach: Ueber den Keimgehalt accidenteller Wunden. 
Deutsch. Zeitschr. f. Chirurg., Bd. 47, Heft 1. 

Scliaeffer: Ueber die Verwerthuug der nicht drainlrenden 
Nähseide. Centralbl. f. Gyn. 1896, No. 46. 

S e h 1 o f f e r : Ueber Wundseeret und Baeterlen bei der Heilung 
p. p. Langenbeek’s Areh.. Bd. 57, p. 322. 

S c h 1 u t i u s : Celluloidzwirn nach Pagen Stecher. Cen- 
tralbl. f. Gynäk. 1898, No. 38. 

Simpson: Medical Times 1858. 

S t e 11 i n er : Ueber Nahtmaterial und Nahtmethode bei Koelio- 
tomien. Monatssehr. f. Geburtsh. u. Gyniik., Bd. IV (1896). 

Stieb : Apparat zur Bestimmung der Zugfestigkeit von chirur¬ 
gischem Nähmaterial. Centralbl. f. Chir. 1898. No. 22. 

Troller: T T eber Sticheanalinfeetionen bei HautnUhten und ihre 
Beziehungen zur Art des Nahtmateriales. Bruns’ Beitr. z. klin. 
Chirurgie, Bd. 22, p. 441. 


Briefe von der Deutschen Ambulanz des Rothen 
Kreuzes in Südafrika. 

IX. 

.Takobsdal, den 21. Februar 1900. 

Ew. Exocllenz erlaubte ich mir in einem Briefe vom 21. Januar 
d. J. einen kurzen Bericht über unsere bisherige Thätlgkeit zu tiber¬ 
senden. Zu der Zeit, als Ich dies schrieb, war es hier verhilltniss- 
mässig still; keine grössere Action hatte damals stattgefunden, 
in Folge dessen war unsere Arbeitskraft nicht allzu sehr in An¬ 
spruch genommen, so dass ich sogar noch Zeit hatte, am Abend 
oder am Morgen gleich nach Sonnenaufgang der Jagd obzuliegen, 
um meist hei dem grossen Wildreichthum mit guter Beute zurttck- 
zukehren. Zeitweilig war wohl etwas mehr zu thun, dann, wenn 
eine der englischen Granaten unglücklicher Weise zwischen ab¬ 
kochende Buren geschlagen und krepirt war. Merkwürdiger Weise 
richteten jedoch die Geschütze der Engländer wenig Schaden an, 
trotzdem die Geschosse nicht selten mitten zwischen dichte 
Menschenhaufen schlugen: ich sah selbst, als ich unsern deutschen 
Major A 1 b r e c li t besuchte, nicht weit von uns eine grosse 
Lydditbombe zwischen einen Trupp Kaffee kochender Buren 
erepiren, ohne dass nur ein einziger verwundet wurde. Der ganze 
Monat Januar verlief so verhältnissmilssig ruhig, ebenso wie die 
ersten Tage des Februar. Das wurde daun aber mit einem Male 
gründlich anders. Zuerst gewahrten wir an dem Vorstosse. den 
General F r e n e h mit seiner Kavalleriedivision bei Koedoes Berg 
machte, dass mit der Ankunft von Lord Roberts und 
Kitcliener ein anderer Zug in die Kriegsführung gekommen 
war. Am 1. Februar versuchte, wie Ew. Excellenj? wohl gelesen, 
die englische Kavallerie eine Umgehung der sehr festen, fast un¬ 
einnehmbaren Position der Buren bei Scholz Neck auf der west¬ 
lichen Seite, um so vorbei nach Kimberley zu kommen; dies Mal 
hatten jedoch die Buren auf gepasst. Es kam zu einem mehrere 
Tage dauernden Gefecht, in dem die Buren ausser 7 Todten nur 
10. meist jedoch schwer Verwundete hatten. Ich war mit 
Dr. Kfittner zur Hilfeleistung hinausgeritten und hatte so Ge¬ 
legenheit. einen Theil des Gefechtes mitzuerleben, allerdings nur 
den letzten Art, der hauptsächlich in einem. heftigen Bombarde¬ 
ment der beiderseitigen Artillerie bestand. Ich hatte eine für 
einen Zuschauer sehr geeignete Position eingenommen, so dass Ich 

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UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 


17. Apri 1^1900. 


541 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


«len Gefeclitsplatz s«*ln* gut üborblmken konnte. Störcml war um* 
das lebhafte Feuern der englischen Artillerie, die ab und zu auch 
mal den uns als Standpunkt dienenden Kopje bestrieh. Der An¬ 
griff der Engländer war mal wieder zurückgeschlagen, nun war 
wieder Alles ..still und ruhig”, wie der ofttcielle Bericht des O. F. S.- 
Gouvernements lautete. General U ronj e. <ler Haupteommandant 
der Buren bei Scholz Neck, gab sich wieder seiner gewohnten ltulio 
hin, seinerseits etwas zu unternehmen hatte er keine grosse Nei¬ 
gung; dass die Engländer seine Stellung umgehen könnten, wollte 
ihm nicht, in den Sinn, für ihn stand es fest, «lass ihre Truppen 
nicht von der Eisenbahn wegkonnten. Er sollte aber aus seinem 
Schlafe bald aufgeweckt werden. Am 11. Februar zeigten sich 
nicht weit von Jakobsdal mächtige Staubwolken, die stete Beglei¬ 
tung mnrscliircuder Truppenmassen; gleichzeitig kam von 
mehreren Patrouillen der Buren die Nachricht zu uns herein, dass 
die englischen Truppen zum Theil ihr Enger am Modderriver ver¬ 
lassen hätten und südöstlich zögen. Da die Staubwolken nicht all¬ 
zuweit von uns entfernt, waren, ritt ich noch au demselben Nach¬ 
mittage mit einem österreichischen früheren Oflicier. Graf Stern¬ 
berg nach Griqua Land West zu. um eventuell mir von einem 
hoch gelegenen Kopje die Truppenbewegung anzusehen. Wir 
sahen denn auch nach einstmaligem scharfen Kitte verschiedene 
Kaneerpatrouillen, offenbar Sciiendeckungen und zogen es dann 
vor, uns wieder zu unserem Wohnort«* zurück zu begeben. Am 
Abend desselben Tages, sowie im Anfang der Nacht, bot Jakobsdal 
ein buntbewegtes Bild; fortwährend kamen liurencommandos 
durch, die auszogen, um sich nach Koff.vfontein zu begeben, weil 
man aus irgend welchen Gründen annahm, der Angriff der Eng¬ 
länder gelte nicht dem General (’ronje, sit* seien nicht aus- 
marsehirt, um Kimberley zu entsetzen, sondern hätten die Absicht, 
über den bisher erwähnten Ort hinaus die Bahn nach Bloemfontein 
zu gewinnen. Am andern Tag traf die Nachricht hier ein, es sei 
schon ein lebhaftes Gefecht im Gange; der Landdrost, ein Bruder 
des Präsidenten S te 1 j n . kam zu uns. um uns zu bitten, Ililfe zu 
leisten. Nachdem uns ein angeblich sicherer Führer gestellt war. 
der die Stellung der Buren genau kennen sollte, fuhren Dr. Iv ü 1 1 - 
n e r und ich (t>r. M a t h i o 1 i u s , Marinestabsarzt, war auf einige 
Zeit verreist) mit unseren Ambulanzwagen fort. Wir sollten auf 
dieser Fahrt eine interessante Abwechslung erleben. Nach circa 
2‘/ v , ständiger Fahrt resp. Kitt sahen wir von einem Kopje aus 
Kavallerie, die uns sofort verdächtig vorkam. Wir beschlossen 
aber trotzdem ruhig weiterzufahren, im Vertrauen darauf, dass 
uns die Engländer nicht belästigen würden. Wir fuhren denn 
auch weiter, waren aber auch bald mitten zwischen den 
10. Husaren, die unsere Wagon von fern für Proviantwagen ge¬ 
halten hatten. Der Oberst, zu dem wir gefühlt wurden, wie auch 
die Oftlciere, waren äusserst liebenswürdig gegen uns, Hessen uns 
sofort wieder frei. Da sie seit 1 Uhr Morgens unterwegs waren, 
den ganzen Tag in der glühenden afrikanischen Hitze umherge¬ 
ritten waren (es war 4 Uhr), baten sie uns um Wasser, das natür¬ 
lich bereitwilligst gewährt wurde. Unser Wasser, das allerdings 
auch ausnehmend gut ist, fand ihren grossen Beifall; ich glaube 
allerdings, jedes Wasser hätte ihnen geschmeckt, denn hier in 
Afrika lernt man erst den Durst kennen. Hier trinkt man Wasser, 
das monatelang stagnirt, von dem das Vieh säuft, in dem Menschen 
sich waschen, mit Hochgenuss, sobald man einige Stunden in der 
afrikanischen Hitze geweilt. Recht praktisch sind die Wasser¬ 
behälter hier, in denen gleichzeitig das Wasser gekühlt wird, 
Säcke, die in den Wind gehängt werden. Aussen verdunstet fort¬ 
während die Feuchtigkeit; die Verdunstmigskälte kühlt das im 
Sacke befindliche Wasser auf eine augenehme Temperatur ab. 
Natürlich versorgt man sieh reichlich mit Wasser, wenn man aus¬ 
reitet resp. fährt; so hatten wir denn auch viel des edlen Nasses 
mitgenommen und konnten viele durstige Kehlen laben. 

Was wir so gesehen hatten, das 10. Husaren-Regiment, 
offenbar die Vorhut, hatte den Fluss am Morgen überschritten, 
ohne dass die Buren es gemerkt hatten. Als wir General Cronje 
liluaussagen Hessen, dass die Engländer den Fluss schon über¬ 
schritten härten und offenbar eine Umgehung beabsichtigten, 
lachte er und sagte: „Lassen Sie sie uur kommen, die Englischen.*‘ 
Am 'Tage darauf war noch alles ruhig, nur gewaltige Staub- und 
Rauchwolken am Horizonte zeigten die Truppen Verschiebungen an. 
Am 14. Februar Morgens machte auch unser Ort zum ersten Male 
nähere Bekanntschaft mit englischen Truppen; es zog in den von 
Buren verlassenen Ort das 2. Mounted-Infanterie-Uegiment unter 
Führung des Colonel Henry ein, nahm die öffentlichen Gebäude, 
Telegraphenamt., Landdrost komtoir etc. in Besitz und besah sich 
gleichzeitig unser Hospital. Wir sassen dann noch mit dem Regi¬ 
mentsarzte und einigen Offleieren zusammen, die, ausgehungert, 
wie sie von dem langen Ritte waren, theilweise im Orte früh¬ 
stückten. Auch ihnen blüht«* noch eine Ueberrasclning; sie hatten 
nämlich versäumt, die Morseapparate auf dem Telegraplienamte 
zu zerstören; während sie noch im Orte waren, war auch die Nach¬ 
richt ihrer Ankunft nach General Cronje unterwegs, dessen Truppen 
nur 1 Stunde zu Pferde (ca. 7 engl. Meilen) vor Jakobsdal lagerten. 
Wie der Wind waren denn auch ca. 70—SO Buren hier; es gelang 
ihnen, die Nachhut, unter der sich auch der Oberst befand, noch 
dicht bei Jakobsdal zu erreichen uud nach heftigem Gewehrfeuer ln 
die Flucht zu schlagen. Wenig angenehm war es für lins, dass die 
Buren dicht am Orte lagen und zum Theil noch in den Gärten 
Deckung suchten; denn nun waren die Engländer ihrerseits ge- 
nothigt, den Ort zu bescliiessen, so dass wir das zweifelhafte Ver¬ 
gnügen hatten, ca 1 Stunde dem heftigsten Kugelregen ausgesetzt 
zu sein. Glücklicher Weise wurde Niemand verwundet, da die 
Kugeln die Wände der Häuser grösstentheils nicht mehr durcli- 

No. IC. 

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dringen konnten. Wir haben daun noch nach Ablauf des Gefechtes 
bis zum Morgengrauen zu arbeiten gehabt, die nothwendigen Ver¬ 
bünde gemacht, ohne nur einen Augenblick Zeit zum Essen zu 
haben. Unter den Verwundeten befand sich auch der Oberst 
Henry, den ich noch mitten in der Nacht auf dem Schlachtfelde 
mit 2 Schüssen fand. Wie zu erwarten, rückten die Engländer am 
anderen i’nge wieder gegen Jakobsdal vor, diesmal aber mit ge¬ 
waltiger Uebermaclu, gleichzeitig Geschütze mit sich führend. 
Nun begann ein zweistündiger Kampf um den Ort; Anfangs nur 
mit Kleingewehr, bald zeigte uns aber der dumpfe Ton der Ge¬ 
schütze, «lass es nun Ernst wurde. Glücklicher Weise sahen die 
englischen Artillerie-Ofliciere «lie Rothe Kreuz-Flagge und ver¬ 
mieden nach Möglichkeit, ihr Ziel dorthin zu richten. Trotzdem 
schlug Granate nach Granate ins zu 80 Schritt vom Hospital ein. 
Zugleich ergoss sich über den Ort ein grosser Hagel von Lee Met- 
ford-Geschossen, die nach dem Gefechte überall (so in meinem 
Bette eins) zu ttmlen waren. Mindestens 50—00 schlugen in’s 
Hospital ein, in «las alle Weiber und Kinder geflüchtet waren, 
glücklicher Wt*is«* ohne Jemanden zu verletzen. Im Nachbar¬ 
hause wurde im Zimmer ein Mann durch den Oberschenkel ge¬ 
schossen, unglücklicher Weise Arteria uml Vena femoralis dureh- 
tivnnt; fast morihuiul unterband ich noch beide im Gefechte. 
Der Mann scheint mit Gaugraeu des Beines zu genesen. Glück¬ 
licher \V«‘ise zogen sieh die Buren nach ca. zweistündigem Ge¬ 
fecht zurück, die Engländer nahmen Jakobsdal wieder in Besitz. 
Während der ganzen Zeit war die Situation im Hospital eine sehr 
heikle gewesen, da es galt, die aufgeregten Kranken, noch mehr 
die Frauen und Kinder, zu trösten. 

Noch an demselben Tage rückten mehrere Regimenter In¬ 
fanterie, Kavallerie in Jakobsdal ein, meist, um sich sofort weiter 
zu begehen. Unsere Thätigkeit bestand darin, die verwundeten 
Engländer zu versorgen (Buren hatten keine Verluste), die sehr 
zahlreich waren. Wir hatten damit den grössten Theil der Nacht 
zu tliun, erst gegen Morgen konnten wir uns der diesmal wohl¬ 
verdienten Ruhe hingebeu. Am Morgen <les folgenden Tages 
rückte Lord Roberts mit seinem Stabe selbst in Jakobsdal ein; 
einer seiner ersten Gänge war der Besuch unseres Hospitales. 
Er äusserte sich höchst anerkennend über dasselbe lind Hess 
sofort nach London ein Telegramm absenden, in dem er aus¬ 
sprach, dass seine Verwundeten in dem von uns (Dr. Küttner 
und mir) geleiteten Hospital eine ausgezeichnete Aufnahme ge- 
fuiKlen. Im Laufe «les Tages besuchten uns noch eine Menge 
englischer Aerzte, darunter die berühmten Chirurgen Watson 
Che y u e und MacCormac; Letzterer lässt sich Ew. Exeellenz 
bestens empfehlen. 

Die folgenden Tage haben uns grosse Arbeit uud sehr werth¬ 
volles Material gebracht, so dass wir jetzt wieder völlig beschäf¬ 
tigt sind. Unsere Thätigkeit ist hochinteressant; ich habe viel 
Neues auf kriegschirurgischem Gebiete gesehen, auf dem sich auf 
Grund der in diesem Kriege gemachten Erfahrungen viele An¬ 
schauungen ändern werden. Leider ist das Klima so ungünstig; 
hier herrscht, seit der Zeit, dass ich hier bin, eine tropische Hitze, 
dabei unendlicher Staub. Jeden Tag, meist nach Tisch weht so 
2 Stunden lang ein heftiger Sandsturm, dabei herrscht völliger 
Regenmangel, so dass alles trocken, wie in einer Wüste, hier ist. 
Dass die Verpflegung nicht die allzu beste ist, werden Sich Ew. 
Exeellenz wohl «lenken können. Doch das nimmt mau alles gern 
in den Kauf; glücklicher Weise ist noch Niemand unserer Expe¬ 
dition wesentlich erkrankt (ich sehe ab von ziemlich heftigen 
Darmkatarrhen), trotzdem Typhus, Ruhr und Malaria liier sehr 
stark herrschen. 

. Dr. H i 1 d e b r a n d t. 

Aerztliche Standesangelegenheiten. 

Die neueste Impfverordnung. 

Von Hofrath Dr. Brauser. 

Die königliche Allerhöchste Verordnung 
v o m 17. D e c e m b e r 1899, den Vollzug des Impfgesetzes be¬ 
treffend, welche seitens der Districtspolizeibehörden sämmtlichen 
praktischen Aerzten zur Kenntnissnahme mitgetheilt worden ist, 
enthält in § 3, Abs. II und III Bestimmungen, welche geeignet er¬ 
scheinen, sämmtliche praktische Aerzte auf’s Lebhafteste zu be¬ 
unruhigen, sie in ihrer, durch die staatliche Approbation er¬ 
worbenen Berechtigung zur Ausübung der gesummten Heilkunde 
wesentlich zu beeinträchtigen, und sie dadurch nicht nur materiell 
zu schädigen, sondern auch in den Augen des Publicums bedenklich 
zu discreditiren. Eine leidenschaftslose, objective Betrachtung 
dieser neu eingeführten Bestimmungen über die Impfung durch 
nicht amtliche Aerzte dürfte daher sehr am Platze sein. 

Was verlangt jener Paragraph der Königl. Allerh. Ver¬ 
ordnung? 

Er fordert, dass „jeder Arzt, welcher das Impf¬ 
geschäft privatim oder öffentlich austiben 
will, den Nachweis darüber erbringe, dass er 
mindestens zwei öffentlichen Impflings- und 
ebensovielen Wiederimpfungs-Terminen bei¬ 
gewohnt und sich die erforderlichen Kennt¬ 
nisse über Gewinnung und Erhaltung der 
Lymphe erworben hat“. Weiters wird bestimmt, dass 
eine „ausdrückliche Inpfllchtnabme der Impf¬ 
ärzte, welche bei den amtlichen Aerzten mit 
der dienstlichen Verpflichtung überhaupt zu 

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No. ie. 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


v e r I) i n (1 o n ist, bei der Uebernalime dos Impl'ge- 
s c li ii f t e s st attzu finden li a b e“. 

Diesen in die praktische Thiitigkeit der nicht amtlichen Aerzte 
so tief und empfindlich eingreifenden Bestimmungen ist weder eine 
Motivirung beigegeben, aus welcher zu erkennen wäre, welche Um¬ 
stände die kgl. Staatsregierung zu so strengen Verordnungen ver¬ 
anlasst haben, noch ist Rücksicht genommen auf die Bestim¬ 
mungen der R e i c li s g e w e r b e o r d n u n g , die Bestimmungen 
der Reichsprüfu ngsordnung, auf das Reichsimpf ¬ 
gesetz, sowie auf den ganzen, seit Jahrzehnten üblichen und 
ohne »Störung bethätigten Geschäftsgang der Impfung. Wir wissen 
wohl, dass die gegenwärtige Verordnung auf einem Beschlüsse des 
Bundesratlies beruht, welcher sich unterm 28. Juni 1899 mit den 
Beschlüssen einer Sachverständigencommission betreffend das 
Impfwesen einverstanden erklärte. Dieser Bundesrathsbesehluss 
wird jetzt von den einzelnen Bundesregierungen dadurch in Aus¬ 
führung gebracht, dass jene neuen Bestimmungen in Kraft gesetzt 
werden. Bayern ist hierin durch seine Kgl. Allerhöchste Verord¬ 
nung vom 17. Deeember 1899 voran gegangen. Die mittlerweile 
erschienene kgl. preussisclie Verordnung enthält keine Bestim¬ 
mung über einen von den Impfärzten neuerdings beizubringenden 
Befähigungsnachweis durch das Beiwohnen von amtlichen Impf¬ 
terminen; auch eine Revision der Privatimpfuugeu bestimmt die 
preussisclie Verordnung nur im Bedürfnissfalle, während die ham- 
burgische Verordnung vou beiden Bestimmungen nichts enthält. 
Wenn die kgl. sächsische und grossherzoglich badische Verordnung 
mit der bayerischen gleichlautend sein soll, so zeigt dies nur, dass 
die Bundesstaatsregierungen versäumt haben, in einer so hoch¬ 
wichtigen Frage eonforme Beschlüsse und gleichlautende Bestim¬ 
mungen zu erlassen, was die bereits erzeugte Erregung nur zu er¬ 
höhen vermag. Wir bezweifeln hiebei auch, ob es in der Absicht 
des Bundesratlies gelegen war, diese Bestimmungen rück¬ 
wirkend auf alle, auch die älteren Aerzte zu machen, welche 
nur privatim impfen. Hierüber musste doch vorher zwischen den 
einzelnen Bundesregierungen Uebereinstimmung erzielt werden, 
denn es ist diese Auslegung kaum denkbar. 

Nach § 29 der Reichsgewerbeordnung bedürfen die¬ 
jenigen Personen, welche sich als Aerzte oder mit gleichbedeuten¬ 
den Titeln bezeichnen, oder seitens des Staates oder einer Ge¬ 
meinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Functionen betraut 
werden sollen, einer Approbation, welche auf Grund des 
Nachweises einer Befähigung ertheilt wird. Diese auf Grund 
staatlicher Prüfungen erlangte Approbation berechtigt den Ge¬ 
prüften zur Ausübung der gesammten Heilkunde 
im ganzen Deutschen Reiche, und kann nur dann durch 
die Verwaltungsbehörden wieder zurückgenommen werden, wenn 
nach § 53 der Reichsgewerbeordnung die Unrichtigkeit der Nach¬ 
weise dargethan wird, auf Grund deren die Approbation ertheilt 
wurde, oder wenn dem Inhaber der Approbation die bürgerlichen 
Ehrenrechte aberkannt sind. Diese beiden Fälle liegen nicht vor, 
und doch ist durch obige Verordnung den praktischen Aerzten das 
Recht der Ausübung der gesammten Heilkunde, welches sie durch 
die Approbation erlangt haben, theilweise genommen worden, in¬ 
dem ihnen die Ausübung der Impfung, eines Theiles der prak¬ 
tischen Heilkunde, durch obige Bestimmungen wesentlich er¬ 
schwert, ja unmöglich gemacht worden ist. 

Die Reiclisprtifungsor dnung enthält in ihrer 
neuesten Fassung Bestimmungen darüber, dass der Prüfungs- 
candidat auch von seinen Kenntnissen und seiner praktischen Be¬ 
fähigung auf dem Gebiete des Impfwesens Zeugniss ablegen muss. 
Es bildet die Impfung einen Prüflingsgegenstand, und wer diese 
Approbationspriifung bestanden hat, den hat man bisher, und sollte 
man auch künftig für befähigt halten, die Scliutzpockeuimpfung 
correct auszuüben. Die neuen Bestimmungen fordern aber, voraus¬ 
gesetzt, dass sie wirklich rückwirkende Kruft haben, sowohl von 
den älteren Aerzten, welche zwar aus der Impflehre nicht geprüft 
wurden, aber doch schon seit 10, 20, ja 30 und mehr Jahren mit 
Erfolg und ohne nachweisbare Schädigungen geimpft haben, als 
auch von den bereits In der Approbationsprüfung aus der Impf¬ 
lohre Geprüften weitere Befähigungsnachweise und unterstellen 
ihre Thätigkeit einer amtlichen Gontrole. 

Das Impfgesetz für das Deutsche Reich end¬ 
lich besagt in § 8 ganz deutlich, dass ausser den Impfärzten aus¬ 
schliesslich „Aerzte“ befugt sind, Impfungen vorzunehmen, und 
knüpft fliese Befugniss an gar keine weiteren Bedingungen. So 
lange nun das Impfgesetz des Deutschen Reiches in seinem jetzigen 
'Wortlaute zu Recht besteht, kann, nach unserer unmaassgeblichen 
Anschauung, irgend eine Vollzugsbestimmung keine so ein¬ 
schneidende Veränderung an demselben vornehmen, welche dem 
nicht amtlichen Aerzte das Recht, die Impfung auszuüben zwar 
nicht ganz entzieht, aber doch an solche Bedingungen knüpft, die 
zu erfüllen den meisten Aerzten unmöglich sein dürfte. 

Der praktische Arzt muss auf Grund der neuen Bestim¬ 
mungen. er mag noch so viele Jahre die Impfung ausgeübt haben, 
er mag in der Approbationsprüfung über das Impfgeschäft geprüft 
und für befähigt befunden sein, zwei öffentlichen Impf- und ebenso- 
vielen Wiederimpfungsterminen beigewohnt haben, und muss seine 
fernere Thätigkeit als Impfarzt der Gontrole eines oft viel jüngeren 
Gollegen unterstellen, welcher zufällig kgl. Bezirksarzt ist. Das 
ist für den praktischen Arzt eine geradezu unleidliche Be¬ 
einträchtigung seiner persönlichen Freiheit, seines durch die Appro¬ 
bation erworbenen Rechtes zur Ausübung der gesammten Heil¬ 
kunde, für den kgl. Bezirksarzt eine unangenehme Beigabe 
zu dem ohnehin recht beschwerlichen Impfgeschäft, und für das 
Publicum eine geradewegs unbegreifliche Maassregel, welches 


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seine bisherigen Impfärzte zur Genüge persönlich kennt, und nun 
sehen muss, dass man sie wieder ln die Schule schickt. 

Und was sieht denn der praktische Arzt, der vielleicht schon 
Jahrzehnte privatim geimpft hat, bei der öffentlichen Impfung7 

Befähigt vielleicht die Ernennung zum kgl. Bezirksarzt einen, 
oft viel jüngeren Gollegen. der möglicher Weise wenige Wochen 
vorher selbst noch praktischer Arzt war, plötzlich dazu, dass er 
coiTecter, idealer, sicherer impft als der ältere Gollega? Wird es 
ein collegial fühlender Amtsarzt über sich bringen können, coraui 
publico einem älteren Gollegen, der nur praktischer Arzt ist, Be¬ 
lehrungen und Unterweisungen zu geben 7 Was hilft also diese 
ganze Maassregel, welche den ärztlichen Stand so tief verbittert 
und ihm die Ausübung der Heilkunde, zu welcher ihn die erlangte 
Approbation berechtigt hat, nach einer Richtung so wesentlich er¬ 
schwert und unmöglich macht7 

Das Gleiche gilt von der vorgeschriebenen Controle der 
privatärztlichen Impfung durch die amtlichen Aerzte. Was gibt 
es da zu controliren7 Ist der amtliche Arzt, weil er kgl. Bezirksarzt 
geworden ist, im Stande, besser und gefahrloser zu impfen, als 
seine Gollegen, welche das lmpfgescliäft vielleicht schon Jahr¬ 
zehnte betreiben 7 Was muss sich das Publicum denken, wenn es 
einen erfahrenen älteren Arzt sieht, welcher schon Jahre lang 
selbständig geimpft hat, wie er jetzt bei der öffentlichen Impfung 
Zusehen muss, wenn es sieht, dass der Impftennin des älteren 
Arztes durch den amtlichen Arzt controlirt, <1. li. überwacht 
werden muss. 

Das sind Zustände, wie sie für alle Theile peinlich, für die 
davon getroffenen praktischen Aerzte geradewegs unleidlich sind. 

Diese Bestimmungen werden die Folge haben, dass die einen 
praktischen Aerzte sich einfach nicht daran kehren, die 
anderen, wahrscheinlich der grösste Tlieil, sich der Impfung 
ganz enthalten und ihre Glienten an die öffentlichen Impf¬ 
tennine verweisen. Unterwerfen wird sich diesen Bestimmungen 
kein praktischer Arzt. 

Wer aber wird dadurch geschädigt? 

Nicht allein der praktische Arzt, welchem eine nicht 
unbedeutende Einnahme entgeht, und welcher in die unangenehme 
Lage versetzt wird, seinen Glienten anzukündigen, dass und warum 
er die Impfung ihrer Kinder nicht mehr, wie bisher, privat vor¬ 
nehmen könne; auch der amtliche Arzt erfährt eine recht 
empfindliche Mehrung seiner Arbeit an den Impfterminen, wenn 
sich die praktischen Aerzte in Folge dieser Zwangsbestimmungen 
künftig weigern, Privatimpfungen vorzuuelimen. Am empfind¬ 
lichsten aber, und das ist sehr zu berücksichtigen, leiden diejenigen 
('lassen der Bevölkerung, welche bisher gewohnt waren, 
gegen geringe Opfer ihre Kinder bei ihren Hausärzten impfen zu 
lassen, um sie auf diese Weise den Unannehmlichkeiten der öffent¬ 
lichen Impftermine, dem grossen Andrange, der Gefahr der Ueber- 
tragung ansteckender Krankheiten etc. zu entziehen. Die Impfung, 
welche nun fast ein Jahrhundert in Bayern eingebürgert ist und 
der Bevölkerung, als ein nothwendiges Uebel, nicht mehr lästig, 
sondern förmlich zur Gewohnheit geworden ist, kann durch solche 
unglückliche Bestimmungen recht schnell unpopulär werden, und 
die Wirkung dieser Verordnung, welche die Impfung sicherer 
machen und dadurch deren Gegner wirksamer bekämpfen will, 
wird gerade das Gegentheil sein. Sie wird die Impfung gerade bei 
der Bevölkerung discreditiren und verhasst machen. So arbeitet 
man den Impfgegnern in die Hände! 

Und warum das Alles? 

Motive für die Kgl. Allerhöchste Verordnung vom 17. Decem- 
ber 1899 sind nirgends zu finden. Es kann also nur angenommen 
werden, dass die maassgebenden Behörden sich durch die zu¬ 
nehmende Antiimpfbewegung in Deutschland veranlasst gesehen 
haben, Bestimmungen zu treffen, welche dem Volke eine noch 
grössere Gewähr für die Sicherheit der Ausführung und die Un¬ 
gefährlichkeit der Impfung bieten sollen, als bisher. 

Ob dies auf dem eingeschlagenen Wege erreicht werden wird, 
möchte ich nach allem bisher Gesagten verneinen. 

Undn unnocheine Frage. Mit der staatlichen Organi¬ 
sation der ärztlichen Standes Vertretung durch die Kgl. Allerhöchste 
Verordnung vom 10. August 1871 sind den staatlich organisirten 
Vertretungen des ärztlichen Standes in Bayern, den Bezirks- 
Vereinen und Aerzteka m m e r n schon manche, oft viel 
unwichtigere Gegenstände zur Berathung und Begutachtung vor¬ 
gelegt worden. Warum hat unsere kgl. Staatsregienmg gerade 
in dieser, für die Allgemeinheit wie für den ärztlichen Stand so 
hochwichtigen Frage diesen Weg einzuschlagen unterlassen? Wir 
Aerzte wären gerne bereit gewesen, zur Sicherung der Impfung 
gegen die zunehmenden Angriffe der Antiimpfbewegung Vor¬ 
schläge zu machen, auch O p f e r zu bringen; aber mit der durch 
die Kgl. Allerhöchste Verordnung vom 17. Deeember 1899 einge¬ 
schlagenen Art und Weise der Verfolgung dieses Zweckes können 
wir uns nun und nimmer einverstanden erklären. 


Referate und Bücheranzeigen. 

H. L e o: TJeber Wesen und Ursache der Zuckerkrankheit. 

Berlin 1900. A. II i r s c h w a 1 d. 

Den vorhandenen Theorien des Diabetes mellitus stellt Leo 
auf Grund eigener experimenteller Forschungen eine neue an die 
Seite. Sie erscheint nicht besser und nicht schlechter begründet, 
als manche andere. Ob sie sich als richtig erweisen wird, darüber 
lässt sich füglich noch nicht urtheilen, dazu bedarf es weiterer 

Original frorri 

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17. April 1900. MÜNCHENER MEDJCINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Fntraiuchungcn, die wohl nicht lange auf sieh warten lassen 
worden. 

Als Ursache der Zuckerausscheidung im Harn beim Menschen 
kann bisher nur ein erhöhter Zuckergehalt des Blutes angesehen 
werden. Das Vorkommen eines menschlichen „Nierendiabetes“ 
ist möglich, aber nicht erwiesen. Es ist noch keine einzige That- 
saclie bekannt, welche dafür spräche,dass dieseHypcrglykaemie auf 
einer Ueberproduction von Zucker beruhe. Viel mehr weist Alles 
auf eine Störung im Zuckerverbrauch hin, deren Veranlassung in 
Erkrankung verschiedener Organe gesucht werden kann: der 
Leber (unwahrscheinlich), des Pankreas, des Nervensystems. 
Durch ungenügende Oxydationskraft des Organismus ist der ge¬ 
ringere Zuckerverbrauch beim Diabetes nicht bedingt. In den 
genannten Organerkrankungen erkennt man in einzelnen Fällen 
die Ersuche für den Diabetes. Viel häufiger ist aber eine Erkran¬ 
kung derselben nicht nachweisbar. Für diese Fälle, „in denen 
uns die Einsicht in die Entstehungsweise der diabetischen 
Hypcrglykaemie verschlossen ist“, stellt nun Leo die Hypothese 
auf, „dass die Insufficienz der Zuckerverbrennung in den Ge¬ 
weben und Säften dadurch veranlasst ist, dass ein toxisches Agens 
im Körper eirculirt, welches auf die zum Verbrauche des Zuckers 
nothwendige Function hemmend einwirkt“. Auf das Vor¬ 
handensein eines uns noch unbekannten Giftes im Organismus 
des Diabetikers deutet die Br eine Esche Blutreaction, welche 
das normale Blut nicht gibt und welche nicht durch den erhöhten 
Zuckergehalt des diabetischen Blutes verursacht ist, und ferner 
die diabetische Neuritis hin. Die Vermuthung, dass ein solches 
toxisches Agens bestehen müsse, wird für Leo zur Gewissheit 
dadurch, dass cs ihm gelang, durch Eingabe per os, namentlich 
aber durch subcutane Injection des zuckerhaltigen als auch des 
zuckerfreien Urins von Diabetikern bei Hunden Glykosurie zu 
erzeugen. Diese Glykosurie muss veranlasst sein durch Stoffe, 
welche im diabetischen Harn enthalten sind. Der Stoff wird 
wahrscheinlich im Blute, resp. in den Geweben gebildet, könnte 
aber auch in den Nieren entstehen. Ob er durch die abnorme 
Thätigkeit eines oder mehrerer Organe mit oder ohne Beein¬ 
flussung des Nervensystems gebildet wird, oder ob er das Stoff- 
wechselproduct eines von aussen in den Körper gelangten Mikro¬ 
organismus ist, lässt sich noch nicht entscheiden. 

Im 2. Abschnitt verbreitet sich Leo über die Ursachen des 
Diabetes, wobei er namentlich auf die für einen parasitären 
Charakter der Zuckerkrankheit sprechenden Erscheinungen hin¬ 
weist. Als solche kommen in Betracht: Das Auftreten von Dia¬ 
betes bei Leuten, welche lange Zeit näher mit Diabetikern ver¬ 
kehrt haben (Eheleute, Hausgenossen), der Diabetes acutus mit 
plötzlichem Beginn und Fehlen jeglicher anatomischen Laesion, 
die Analogie mit^der Oystinurie, welche nach Baumann wahr¬ 
scheinlich auf einer Darmmykose beruht, endlich die von Leo 
gefundene Erscheinung, dass durch Producte der Hefegährung 
Zuckerausscheidung veranlasst werden kann. Es können nach 
diesen Versuchen Stoffwechselproducte von Mikroorganismen 
Glykosurie erzeugen und es ist damit ein weiteras Moment für die 
Möglichkeit gegeben, „dass auch die dem menschlichen Diabetes 
zu Grunde liegende Störung des Zucker Verbrauchs auf die Lcbens- 
thätigkeit eines parasitären Mikroorganismus zurückgeführt 
werden kann“. Freilich sind bisher bacteriologische und IJeber- 
tragungsversuche mit Blut, Geweben, Darminhalt von Diabetikern 
negativ ausgefallen (nur Töpfer und Ilammerschlag 
wollen mit Faecesbestandtlieilen positive Resultate erhalten 
haben). Auch die Untersuchung des Harnes auf Ptomaiue und 
Aetherschwefelsäuren hat keine weiteren Anhaltspunkte für die 
parasitäre Theorie der Diabetes ergeben. 

F. V o i t - München. 

Professor Dr. Theodor v. Jürgensen - Tübingen: Er¬ 
krankungen der Kreislaufsorgane. Insufficienz (Schwäche) 
des Herzens. Mit 20 Abbildungen. Verlag von A. Holder, 
Wien 1899. Einzelnpreis 6 M. 

Die Bearbeitung der Erkrankungen der Kreislaufsorgane in 
der von H. Nothnagel herausgegebenen speeiellen Patho¬ 
logie und Therapie hat 6 grosse Haupttheilc vorgesehen: 1. den 
vorliegenden; 2. die angeborenen Herzkrankheiten; 3. All¬ 
gemeines, Endocarditis und Klappenfehler, Hypertrophie, Dila¬ 
tation; 4. Erkrankungen des Herzmuskels und nervöse Erkran- 

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kungen; 5. Erkrankungen des Herzbeutels; 6. Erkrankungen der 
Gefässe. Die Abtrennung eines eigenen Hauptabschnittes, der 
ausschliesslich der Darstellung der Herzschwäche gewidmet ist, 
mag auf den ersten Blick überraschen; denn das, was unter dem 
Ausdrucke „Herzschwäche“ verstanden zu werden pflegt, muss 
auch in dem Inhalte aller übrigen Abschnitte wieder berück¬ 
sichtigt werden und es könnte scheinen, als müsste das zu Wieder¬ 
holungen innerhalb der von mehreren Autoren bearbeiteten 
Hauptabschnitte die Veranlassung bilden. Bei näherem Zusehen 
erscheint die specielle Bearbeitung der Herzschwäche indess so 
berechtigt, dass man sich wundert, warum dies nicht auch bei 
früheren grossen Darstellungen der Erkrankungen der Kreislaufs¬ 
organe allgemein üblich gewesen ist. Jedenfalls wird dieses ein¬ 
leitende Werk von J ürgensen auch in dieser Richtung vor¬ 
bildlich zu wirken berufen sein. Jürgensen erkennt in der 
Insufficienz des Herzens eine allen Herzkrankheiten zukommende 
eigenartige Störung, und es entspricht vollkommen der überall 
zu Wort und Werth gelangenden klinisch-physiologischen Be¬ 
trachtungsweise des Autors, dass er das Einheitliche, was der Arzt 
am Krankenbette Herzkranker zuerst wahmimmt, nämlich das 
Bild der Herzschwäche, zum Ausgangspunkte der ganzen Dar¬ 
stellung der Herz- und Gefässkrankheiten gemacht hat. Viel¬ 
leicht wäre trotzdem nicht dieses originelle Werk entstanden, wie 
es heute vor uns liegt, wenn nicht die besondere Art der Durch¬ 
führung und Darstellung dazu käme. Denn letztere ist von einer 
nicht leicht zu übertreffenden Knappheit und Klarheit, und mir 
will es scheinen, als sei in diesem Werke der Stil wieder einmal 
der Mensch selbst. Das berührt gerade gegenüber der modernen 
medieinkchcn Literatur an diesem Werke so wohlthuend. 

Wie schon angedeutet, ist die Durchführung der hier gestell¬ 
ten Aufgabe von J ürgensen auf eine breite physiologische und 
klinische Grundlage gestellt worden. Die Literatur über die zu 
erörternden Fragen ist bis auf die neuesten Erscheinungen mit 
kritischem Geiste verwerthet und mit einer ausserordentlichen 
Gründlichkeit in das Ganze verarbeitet, soweit sie auf Bedeutung 
Anspruch erheben kann. Gerade in gegenwärtiger Zeit, wo von 
physiologischer Seite so prineipielle Fragen betreffs der Inner¬ 
vation des Herzens, betreffs der physiologischen Zustände und 
Functionen des Blutes, der Lymphe und Gewebeflüssigkeiten u. a. 
in den Vordergrund gerückt wurden, bedarf die Klinik der Herz¬ 
krankheiten oder besser gesagt die systematische Darstellung der¬ 
selben da und dort einer Anpassung an neu gewonnene Vor¬ 
stellungen und mancher Correctur alt überkommener Anschau¬ 
ungen. Nirgends tritt dies deutlicher hervor, als in der jetzt 
überall durchdringenden Abwendung von der früheren Uebung, 
die Klinik der Herzkrankheiten einseitig vom Gesichtspunkte 
des pathologischen Anatomen beleuchten zu wollen, der längst 
nicht ausgereicht hat, die Erscheinungen am Herzen des lebenden 
Menschen, dessen Arbeitsleistung mit ihren fein abgestuften 
Störungen, die Symptome der Herzmuskelermüdung, die nervösen 
Herzkrankheiten u. a. in befriedigender Weise zur Darstellung 
zu bringen. Die Frucht dieser Frontveränderung, welche den 
Kliniker aus dem Lager der Pathologen mehr und mehr zu den 
Physiologen hinübergeführt hat, ist die Erkenntniss von der Be¬ 
deutung der functioneilen Herzstörungen, die früher in der patho¬ 
logisch-anatomischen Aera der Systematik der Herzkrankheiten 
keinen rechten Raum fanden: Der Arzt sah wohl die Störung, 
aber das Mikroskop liess an dem todten Herzen „nichts Rechtes“ 
erkennen. 

Eine Frucht dieses Umschwunges ist auch das vorliegende 
Werk: es ist der Ausdruck der erst jüngst errungenen physio¬ 
logischen Anschauungsweise der Herzkrankheiten, die manche 
klinische Beobachtung viel klarer erhellt, als dies früher vom ein¬ 
seitig anatomischen Gesichtspunkte aus möglich war. Jür¬ 
gensen hat in seiner bedeutungsvollen Studie thatsächlich 
keine Regestenarbeit gethan, sondern Selbstbeobachtetes und Ge¬ 
dachtes auf Grund reicher klinischer Erfahrungen und mit voller 
Benützung der neuen physiologischen Errungenschaften ncu- 
schöpferisch vorgebracht. Höchst werthvoll ist die ausgedehnte 
Einschiebung klinischer Beobachtungen, instructiver Kranken¬ 
geschichten in die Darstellung. Die Bilder am Krankenbette 
müssen eben immer im Mittelpunkte alles Betrachtens bleiben. 
Pathologie, Anatomie, Physiologie dürfen nur Instrumente sein, 
diese Bilder noch näher zu betrachten und zu analysiren. Nur 
ganz gedrängt möchte ich den Inhalt des Werkes andeuten. Nach 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No 16. 


einer kurzen Einleitung über den Begriff der Herzinsufficienz 
besprieht J. in origineller Eintlieilung die Ursachen derselben, 
mit Würdigung fremder und eigener Beobachtungen, woraus ich 
besonders die schönen Ausführungen über die Ueberanstrengung 
des Herzens hervorhebe. Dann werden die klinischen Erschei¬ 
nungen der Herzschwäche im Einzelnen mit meisterhafter Kürze 
erörtert, die Untersuchungsmethode kurz besprochen, eine ein¬ 
gehende Würdigung finden dann die Erscheinungen an den Ge- 
fiissen (mit zahlreichen Sphymogrammen), der Venenpuls in 
seiner diagnostischen und prognostischen Werthung; es folgt die 
kritische Würdigung der neuen Arbeiten über Blut, Lymphe 
ere., besonders die Frage der Blut Veränderungen (Verdünnung 
bei Herzinsufficienz). Eine bei andern Werken über Herzkrank¬ 
heiten selten zu treffende Darstellung hat die Anatomie der 
Lungcngefässe gefunden, um auch hier, wie überall, den Erschei¬ 
nungen, speciell dem Herzasthma, den Bronchialkatarrhen bei 
Herzschwäche etc. auf den Grund zu gehen. Daran reihen sich 
eingehende Darlegungen über die Nierenfunctionen bei Herz¬ 
schwächen, über die Störungen an den Verdauungsorganen, am 
Nervensystem, im Stoffwechsel. Die Behandlung der Herz¬ 
schwäche ist nur in ihren Grundzügen formulirt, die jedoch dem 
Arzte ziemlich sichere Normen an die Hand geben. Ernährung, 
Ruhe, Bewegung, Pflege der Herzschwächen wird kurz und bündig 
besprochen, ausführlich die Nauheimer Bäder- und Bewegungs¬ 
therapie. gewürdigt. Nicht über Oertel’s Methode, die bei ge¬ 
nauer Ueberwaeliung in geeigneten Fällen Gutes schaffen kann, 
aber ül>er Oertel’s Theorien bricht Jürgensen den Stab: 
„Man kann sie auf sich beruhen lassen“. Schliesslich gibt Ver¬ 
fasser noch seine Anschauungen über Venaesection kund und be¬ 
spricht die einzelnen Maassnahmen zur Bekämpfung der Wasser¬ 
sucht. 

Damit wäre diese trockene Aufzählung erschöpft. Alles oben 
Gesagte lässt wohl keine andere Meinung zu, als dass wir den 
Rath geben wollen, das Buch von .Jürgensen selbst zu stu- 
diren. Es gewährt einen Genuss, an der Hand eines Führers, 
der kein Wort zu viel sagt, durch dieses Gebiet zu wandern. 

Dr. Grassmann - München. 

Prof. Dr. H. Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrank¬ 
heiten für Aerzte und Studircnde. Mit 237 Abbildungen. 
2. wesentlich vermehrte Auflage. Berlin, S. Karger. Preis 
23 Mark, gebunden 25 Mark. 

Schon nach Ablauf von 4 Jahren hat das vortreffliche Lehr¬ 
buch () p p e n h e i m’s trotz zahlreicher Wettbewerber die zweite 
Auflage erlebt. Der Erfolg ist den guten Eigenschaften zu ver¬ 
danken, die wir schon bei Besprechung der ersten Auflage (diese 
Wochensehr. 1835, No. 33) hervorhoben: Kürze und Klarheit der 
Darstellung, reiche eigene Erfahrung des Verfassers, Erleich¬ 
terung des Verständnisses durch ausgezeichnete Abbildungen, 
didactisch-zweckmässige Eintheilung des Stoffes. 

In der Hauptsache hat das Werk hinsichtlich seiner äusseren 
und inneren Gestaltung keine Aenderung erfahren. Wohl aber 
ist der Inhalt entsprechend den raschen Fortschritten der Wissen¬ 
schaft reicher geworden, ohne dass dadurch eine erhebliche Zu¬ 
nahme. des Umfanges bedingt wurde (etwa 100 Seiten). Auch 
die starke Vennehrung der Abbildungen kann dem Loser nur 
willkommen sein, umsomehr, als diese grossentheils dem Be¬ 
obachtungskreise des Verfassers entsprangen. 

Der erste allgemeine Theil, welcher sich mit den Unter¬ 
suchungsmethoden und mit der allgemeinen Symptomatologie 
beschäftigt, ist ziemlich unverändert gehlieben. Im speciellen 
Thcile finden wir manche zeitgemässe Vervollständigung, so z. B. 
in der Lehre von der Localisation im Rückenmark ein genaueres 
Eingehen auf die Beziehungen der Rückenniarkssegmciite zu den 
Wirbeln, deren Kenntniss für die praktisch wichtige Niveau¬ 
diagnose unentbehrlich ist, bei der Tabes eine kurze Besprechung 
der Bewegungstherapie (Frenkel), ferner eine Erweiterung des 
Uapitels über eomhinirte Erkrankung der Hinter- lind Seiten¬ 
stränge des Rückenmarks, über Luxationen und Fraeturen der 
Wirbelsäule und ihre sehr fragwürdige operative Behandlung, 
iin Anhang an die Myelitis einen neuen kleinen Abschnitt über 
senile Paraplegie (Greisenlähmung). Ganz neu eingefügt sind 
die Erkrankungen der Cauda equina (und des Conus medullaris), 
in dem Capitol über multiple Neuritis die diabetische und sonsile 
Form, wesentlich erweitert und reicher illustrirt die Abschnitte 

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über Localisation in der Hirnrinde, über die Leitungsbahnen und 
die Gefiisse des Gehirns. Auch die Q u i n e k e’sche Lumbal- 
punction, die in der ersten Auflage noch nicht erwähnt war, 
findet im Anschluss an die acute Meningitis in ihrer diagnosti¬ 
schen und therapeutischen Bedeutung gebührende Berücksich¬ 
tigung. 

Wie die organischen Erkrankungen des Nervensystems, so 
haben auch die folgenden Theile des Werkes, welche die Neurosen, 
Angioneurosen etc. enthalten, eine gründliche Neubearbeitung 
und manche Bereicherung erfahren. So steht Oppenhei m’s 
Lehrbuch wieder ganz auf der Höhe der Zeit und wird daher 
seinem Zwecke hei Studirenden und Aerzten im vollen Maasse 
gerecht werden. Stintzing. 

Chr. Jakob: Atlas des gesunden und kranken Nerven¬ 
systems. II. Auflage. J. F. Lehmann, München 1899. 

Die zweite Auflage dieses Buches ist nicht nur eine er¬ 
weiterte, sondern vor Allem eiue verbesserte. Die Tafeln des 
neuen Atlas heben sich durch ihre naturgetreue Wiedergabe der 
Farben und der Structur in vortheilhafter Weise von den Tafeln 
der I. Auflage ab, die vielfach etwas schematisch gezeichnet 
waren und auch in der Colorirung zu wünschen übrig Hessen. 
Hervorzuhebcu sind unter den neuen Tafeln besonders diejenigen, 
welche die Gehirnoberflüche von allen Seiten wiedergeben; auch 
die meisten Tafeln, welche die topographische; Anatomie des Ge¬ 
hirns illustriren, sind neu. Die Tafeln 28—50 ersetzen durch ihre 
gute Nachbildung wirklich eine Reihe von Serienschnitten durch 
das ganze Centralorgan, besonders die Schnitte durch die Hemi¬ 
sphären und den Ilirnstamm weisen grosse Fortschritte gegen¬ 
über den alten Tafeln auf. Ganz neue Abbildungen finden wir 
im pathologisch-anatomischen Theil, so vom Hydroceph. chron., 
von der acuten haeinorrhagisehen Encephalitis, der embolischen 
Erweichung u. a. Auch der Text hat manche Verbesserungen 
und Erweiterungen erfahren. 

Der Referent hat in den letzten Jahren die I. Auflage stets 
als Nachschlagebuch während der Sprechstunden benützt und 
immer die gewünschte Auskunft erhalten; der Atlas ersetzt natür¬ 
lich nicht das Lehrbuch oder Handbuch, aber als rasches Orien- 
tirungsmittel in der neurologischen Praxis kann er warm em¬ 
pfohlen werden; er gibt nicht nur einen sehr raschen und be¬ 
quemen Ueberbliek über die Anatomie der nervösen Centralorgane, 
die er in einer Anschaulichkeit darstellt, wie sie nur den unter 
dem Deckglas liegenden Gehirn- und Rückomnarksschnittcn 
zukümmt, sondern auch für die ganze Pathologie und Therapie 
des Nervensystems bildet der Atlas ein Buch, welches in Bezug 
auf Uoborsiehtliohkeit und prägnante Darstellung kaum durch 
ein ähnliches Buch vom gleichen Umfang erreicht werden dürfte. 

v. II o c s s 1 i n - Neuwittelsbach. 

R. L o m e r - Hamburg: Zur Beurtheilung des Schmerzes 
in der Gynäkologie. Wiesbaden, J. F. Bergmann. 1899. 

Der Zweck der dankenswerthen Arbeit ist, deu Arzt darauf 
hinzuwoisen, wie häufig bei Frauen hyperaesthetische Bezirke 
in den Bauchdeeken bestehen, die geeignet sind, schwere gynäko¬ 
logische Leiden vorzutäuschen. Verf. wurde hierauf durch Be¬ 
obachtungen bei der Massage hingeleitet. Am häufigsten finden 
sich diese hyperaesthetischen Hautzonen in der Ovarialgegend 
und ein leichter Druck oder Kneifen der Haut genügt hier, um 
die geklagten Schmerzen, oft mit grosser Heftigkeit, auszulösen 
Fast immer lassen sieh in derartigen Fällen hysterische Stigmata 
auf finden, und wenn dies nicht der Fall sein sollte, so beweist 
der oft rasche Erfolg der Therapie (Suggestion, Galvanisation. 
Eisenpräparate) die hysterische Natur des Dudens. Meist auch 
bieten die Kranken die für Hysterische charakteristischen Eigen- 
thümlichkeiten in ihrem psychischen Verhalten dar. 

Gewöhnlich ergibt die Untersuchung «1er Geschleehtstheile 
einen regelrechten Befund, doch finden sich gelegentlich auch 
geringfügige Veränderungen an den Gesehleehtstheilen, die viel¬ 
leicht als Agents provocateurs der latenten Hysterie gewirkt 
haben. 

Verf. bringt eine ganze Reihe von Krankengeschichten der¬ 
artiger Kranken, an denen zum Theile wiederholt schwere opera¬ 
tive Eingriffe ohne jeden Erfolg ausgeführt worden waren, 
während die angegebene Behandlung einen meist raschen Erfolg 
erzielte. 

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17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT. 


545 


Im zweiten Theile versucht Yerf. die Schmerzen im Allge¬ 
meinen in der Gynäkologie klar zu stellen, er bespricht- ihre In¬ 
tensität, Qualität, ihr Aus.strahlen nach entfernteren Körper¬ 
gegenden. Indem er die Schmerzen in traumatische, contraetile, 
entzündliche, neuralgiformc und hysterische ointhoilt, bespricht 
er dann die Schmerzen an den einzelnen Abschnitten der weib¬ 
lichen Geschlechtstheile und macht auch hier besonders auf die 
Häufigkeit der hysterischen Schmerzen aufmerksam. 

Wenn auch sicherlich manche Aeusserung nicht unwider¬ 
sprochen bleiben wird, so wird doch kein Frauenarzt «las Huch, 
ohne reiche Belehrung gefunden zu haben, aus der Hand legen. 

A. G e Sin e r - Erlangen. 

Neueste Journalliteratur. 

Zeitschrift für Tuberculose und Heilstättenwesen. Bd. 1, 
Heft 1. 

v. Ti e y (len : Zur Einführung. 

1) B. F raenkel : Die Tröpfcheninfection der Tubarcu- 
lose und ihre Verhütung. 

Bel früheren ITitersuelniugen der F r a e u k e 1’selien Maske 
wurden immer makroskoplseh besehmutzte Miilltlieile verwendet 
und in ihnen auch immer Tuberkolbacillen gefunden. Jetzt hat 
Verfasser eine Versuchsreihe mit makroskopisch ganz reinen 
Stellen angestellt. 13 Thiere wurden geimpft. 7 starben sehr bald 
nn anderen Iufeetioneu, bei den anderen (I wurde in jedem Falle 
Tuberculose gefunden. Verfasser zieht aus seinen Versuchern di • 
Folgerung, dass nicht das Taschentuch, nicht der <1. e u b e'sehe) 
Wattebausch, sondern die F r ä n k e Ische Maske das beste Schutz¬ 
mittel für die Praxis sei (V Uef.l. Wo sie nicht verweudbar ist, 
sollen Bettschinne aus Elsen und Segeltuch zwischen die einzelnen 
Betten gestellt werden. 

2) Arthur K a n u s o m e - Bournemouth: The Conditions of 
Infection by Tubercle. 

Mit scharfen, aber berechtigten Worten geisselt Verf. die 
nicht einmal vor Familienbanden Halt machende Ansteckuugs- 
furcht. Sie hat Ihre Ursache darin, dass das Volk noch zu wenig 
über die wirklichen Bedingungen einer Infection unterrichtet ist. 
Diese sind folgende: 1. Der Bacillus muss in virulentem Zustande 
sein, was seltener der Fall ist. als man meist anniimnt. 2. Er hat 
zu seinem Gedeihen immer organische Verunreinigungen nöthig; 
die Tuberculose ist eine Schmutzkrankheit. Verf. machte selbst 
Versuche, aus denen die ungeheuere Wichtigkeit von Licht und 
Luft als Bncillenfeinde hervorgeht, die kurz beschrieben werden. 
2. Der Bacillus muss einen dispouirteu Körper vorfiuden b.’zw. in 
grossen Mengen elndringen. 4. Der Bacillus erliegt der Hitze, was 
für Nahrungsmittel-Prophylaxe in Betracht kommt. Zur Ver¬ 
hütung der Infection müssen 1. alle tuberculösen Stoffe zerstört 
werden. 2. alle von Tubereulösen bewohnten Häuser gereinigt 
und desinficirt werden. 3. Ortsgesimdheitsbeliördeii mit Labora¬ 
torien und Desinfeetionsanstalten geschaffen werden; 4. sind die 
Hausbesitzer für die Güte Ihrer Wohnungen verantwortlich zu 
machen. 5. Fabriken, öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel müssen 
durch gesetzlichen Zwang rein gehalten werden. (5. Der Staat soll 
der Bekämpfung der Thiertubemilose l "nterstütznng schenken. Bis 
dahin sind alle thierisehen Nahrungsmittel nur gekocht zu ge¬ 
il iessen. 

3) A r 1 o i n g und C o u r m ont: De Pagglutination du 
hacille de Koch; application au SSrodiagnostic de la tuberculose. 
(Nicht vollendet.) 

4) v. S c li r ö 11 e r - Wien: Zur Heilbarkeit der Tuberculose. 

Verf. verbreitet sieh zuerst über die Berechtigung der For¬ 
derung, die Tuberculösen. soweit möglich, in der Heiniath zu be¬ 
handeln und empfiehlt für Oesterreich eine Reihe geeigneter Orte. 
An einem Falle, der allerdings letal endigte, dessen Verlauf aber 
eine durch die Nekroskopie bestätigte deutliche Besserung während 
der Cur in Allaiid zeigte, beweist Verf.. dass man die Auswahl für 
die Sanatorien nicht auf die Initialfälle beschränken solle (was 
u. A. Geh. San.-ltnth M i c h a e 1 i s zum Congresse betonte. Ref.). 
Man soll jedenfalls so viel Sanatorien schaffen, dass alle Tu¬ 
berculösen aus den Krankenhäusern liinauskommeu. 

5) R a h t s - Berlin: Die Bedeutung der Tuberculose als Ur¬ 
sache des vorzeitigen Todes bei erwachsenen Bewohnern des 
Deutschen Reiches. 

Bei aller Mangelhaftigkeit unserer Statistik können wir doch 
schon mancherlei aus den vorliegenden Angaben ersehen. So 
starben in einem Jahre z. B. in Pretissen 19 030 Land-. IS 234 Stadt¬ 
bewohner männlichen Geschlechtes. Wie anders klingt es aber, 
dass von erstereu 37.1 Proe. über 50 Jahre alt waren, von letzteren 
23.4 Proe.! Tm Alter von 20 5o Jahren starben von obigen auf 
dem Lande 8977. in den Städten 10 499 (45.7 Proe. und 57,0 Proe.». 
Von 100 000 Lebenden starben in einem Jahre in Ostpreussen 132, 
in Westplialen 275. in Sachsen 203. aber es hatten von diesen 
das 00. Jahr überschritten in Ostpreussen y t . in Westplialen y H , 
ln Sachsen V,,,. Hei solcher Prüfung der Statistik findet man 
auch, dass die Tubereuloscsterblichkeit noch nicht abgenoinmen 
hat. Zwar starben in Deutschland 1893 an Tuberculose absolut 
88 654, 1899 nur 83 791 Personen (3.24 u. 2,91 Proin. der Lebenden», 
aber während die Sterblichkeit erwachsener Personen stetig ab¬ 
nahm (1894 starben von je 1000 Gestorbnen 300 über 00 Jahre alt, 
1897 : 399), so erlagen der Tuberculose im Alter von 15—GO Jahren 


1893: 33,0 Proe. aller Gestorbenen. 1897: 33,5 Proe. „Mithin ist 
die Bedeutung der Tuberculose als Todesursache in den letzten 
Jahren noch keineswegs geringer, sondern etwas grösser als 
einige Jahre vorher gewesen.“ 

0) T u r b a n - Davos: Die Vererbung des Locus minoris 
resistentiae bei der Lungen tuberculose. (Schluss folgt.) 

7) G e b h a r d - Lübeck: Die Bekämpfung der Lungen¬ 
schwindsucht und das neue Invalidenversicherungsgesetz. 

Verf. entwickelt den dem alten § 12 und nunmehr den neuen 
§§ 18 ff. des Inval.-Vers.-Ges. zu Grunde liegenden Gedankengang. 
Die Landesversicliorungsanstalt der Hansastädte wird jetzt den 
(von anderen Versicherungsanstalten nicht ohne Bedenken ange¬ 
sehenen) Versuch machen, die Vortheile der genannten Bestim¬ 
mungen auch den A n g e li ö r i g e u der Versicherten zukommen 
zu lassen. Dass die Prophylaxe auf die Kinder angewendet ge¬ 
radezu die ideal«» Verhütung der Tuberculose ist. ist gewiss zu¬ 
zugeben, wie weit der Weg in der Timt möglich ist, wird dieser 
interessante Versuch lehren. 

8» v a n B o g a e r t und K 1 y n e r s - Antwerpen: Diagnostic 
pr€coce de la tuberculose pulmonaire. (Fortsetzung folgt.) 

9) C ornet - Berlin: Ueber einige der nächsten Aufgaben 
der Tuberculoseforschung. (Schluss folgt.) 

Liebe. 

Archiv für experimentelle Pathologie und Pharma¬ 
kologie. 1899. 43. Bd„ 5. u. 0. Heft, 

IS) M. A 1 b a u e s e : Ueber die Wirkungen des 7- und des 
3-Methylxanthins. 

Beide Stoffe erregen hauptsächlich die Körpormusculatur, vlie 
je nach der Thierart von Starre oder dänischen Krämpfen befallen 
wird. Bei vergiftenden Dosen wird das Nervensystem gelähmt, 
während das Herz noch länger weiter arbeitet. Beide Stoffe be¬ 
sitzen wie «lie übrigen methylirten Xamhiue (Coffein und Tlieo- 
bromin) stark diuretisclie Eigenschaften. 

19) R. L a s p e y r e s : Ueber die Umwandlung des subcutan 
injicirten Haemoglobins bei Vögeln. 

Spritzt inan bei Tauben lind Enten subcutan Haemoglidiln ein, 
so wird der grösste Theil unverändert rasch resorbirt, ein kleiner 
führt zu Eisenablagerung in der Haut der Injeetioiisstelle. Das 
resorbirte Haemoglobin wird hauptsächlich in der Leber, ferner in 
der Milz, in geringem Maasse auch in den Nieren als eine Fe-Ver¬ 
bindung abgelagert, die sieh durch Sdiwefelammouium und Ferro- 
eyankaliuni-Salzsäure leicht nachweiseil lässt. Im Knochenmark 
der Vögel findet dagegen keim» Fe-Ablagerung statt. 

20) Iv. S v e li 1 a : Experimentelle Beiträge zur Kenntniss 
der inneren Secretion der Thymus, der Schilddrüse und der 
Nebennieren von Embryonen und Kindern. 

Wässerige Extractc «ler Organe wurden Hunden tnjieirt und 
die Wirkung auf Pulszahl und Blutdruck beobachtet. Tliymus- 
untl Schilddriisenextract bewirkten Pulsbesclileuniguug und Blut- 
druckerniedrigung. Nebeimierencxtract Blutdruckanstieg und Puls- 
besehlennigtuig oder -Abnahme. Die wirksamen Stoffe entstellen 
in den Drüsen zu verschiedenen Zeiten. 

21) N ö 1 k e : Ueber experimentelle Siderosis. 

Bei langsamer subcutauer Zufuhr entfaltet Eisen keim» Gift¬ 
wirkung. selbst nicht in Organen, in welchen es massenhaft auge- 
liiiuft wird. Es verhält sieh in gleicher Weise, wie das aus Haemo¬ 
globin der zerfallenden rotheu Blutkörperchen bei pernieiöser 
Anaemie und anderen Krankheiten abgespaltene und in den Or¬ 
ganen aufgespeielierte Metall. Ist das Eisendepot sehr reichlich, 
so vergehen viele Monate, bis es wieder aus dem Körper aus- 
geschieden ist. 

22) L. L e w i u : Ueber die Giftwirkung des Akrolein. Ein 
Beitrag zur Toxikologie der Aldehyde. 

Akrolein entsteht überall da, wo Fette erhitzt werden, und 
desshalb besitzen L e w i lf s Untersuchungen ein erhebliches prak- 
tif-ches Interesse. Beim Menschen wirken Akroleindämpfe selbst 
in geringer Conoentration stark reizend auf die Conjunetiva und 
«lie Schleimhäute des Rachens. Kehlkopfes und d«»r Bronchien. 
Ferner treten Störungen der Athimmg, Schwindel. Benommenheit 
und Blutandrang zum Kopf ein. sowie Magendrücken und Durch¬ 
fälle. Das Akrolein fällt Eiweisslüsuiigen nur in geringem Gra«le. 
löst aber die rothen Blutkörperchen ras«*h auf. Bei Fröschen, di«» 
mit Akrolein vergiftet waren. li«»l am meisten eine enorme Ilerz- 
v«‘ntrikel«*ontraetion auf. Gleichzeitig st«»llt(»n sieh an den iu- 
jieirten Extremitäten motoilsehe lind sensible Lähmungen ein. Bei 
Warmblütern wurde starke llyperaemie der peripheren Ven«»n. 
Bronchitis, Pm»umonie uml schwere Athemstörungen auch nach 
subcutauer Application beobachtet. Durch ein selbst entdecktes 
Reagens (Piperidin und Nitroprussidnatriumlösiing) konnte L. nucli- 
\\ eisen. dass Akrolein unveräiulert mit der Athemluft wieder aus- 
ges«»hieden wird. 

23) ,T. B o e k : Ueber die Wirkung des Coffeins und des 
Theobromins auf das Herz. 

Am isolirtcn Kaninehenberz bewirkte Zusatz von Coffein und 
Thoobromin zum cireuliremlen Blut eine Erregung der beschleu¬ 
nigenden Herzganglien, wodurch «lie Pulsfrequenz erhöht wird. 
Dabei wird «lie Elasticitiit der Ilerzmuseulatur g«»riuger uu«l das 
Pulsvolum nimmt ab. Grössere Dosen bewirken eonstaut ein 
►Sinken des Blutdrucks, nach kleineren kann ein schwaches An¬ 
steigen des Blutdrucks eintreten. Dagegen bewirkt lnjection von 
Coffein bei Thieren ein länger dauerndes Steigen «los Blutdrucks, 
der durch eine Erregung des vasomotorischen Centrums entsteht. 
Die in «l«»r Z<»iteinl»eit nusgetrieben;» Blu1m»ng» ist «labei ver¬ 
mindert. 


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540 


No. 10. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


24) H. Winterberg : Ueber die Wirkung des Nicotins 
auf die Athmung, nebst einem Anhänge über die Wirkung des 
Nicotins auf den Kreislauf. 

Nicotin wirkt zunächst erregend auf die Athmung (Beschleu¬ 
nigung der Respiration), darauf lähmend (Verlangsamung bis 
Stillstand der Athmung). Bei grösseren Dosen überwiegt die 
lähmende Wirkung. Näheres siehe im Original. 

25) M. Elfstrand: Beobachtungen über die Wirkung 
einiger aliphatischer Kohlenwasserstoffe, verglichen mit der¬ 
jenigen des Aethers, und über das Verhalten der Vaguserregbar¬ 
keit während der Narkose. 

Es wurden die Wirkungen von Pental, Pentan, Cyclopendatiens 
und Aether verglichen. Bei Inhalation narkotisirt Aether am 
raschesten und zugleich mit der geringsten Blutdrucksenkuug. 
Auch subcutane Injection der genannten Stoffe erzeugt Narkose, 
wenngleich später als Inhalation. Während der Narkose schwindet 
die Erregbarkeit des Vagus und kehrt nachher zurück. 

20) O. Neubauer: Haematoporphyrin- und Sulfonal- 
vergiftung. 

Sulfonal und die nah verwandten Stoffe Trional und Tetronal 
rufen durch Zerstörung der rothen Blutkörperchen beim Menschen 
die Ausscheidung von Haematoporphyrin durch den Harn hervor. 
Neubauer konnte feststelleu, dass subcutane Application von 
Haematoporphyrin bei Hunden zu einer bedeutenden Ausschei¬ 
dung dieses Stoffes mit der Galle führt, während der Harn davon 
frei bleibt. Bei Kaninchen liess sich auch durch längere Sulfonal- 
darreichung Haematoporphyrinurie erzeugen. 

J. M ü 11 e r - Würzburg. 

Archiv für Hygiene. Band XXXVI. Heft 4. 

II. Büchner. L. Megele und R. Rapp: Zur Kenntniss 
der Luftinfection. (Aus dem hygienischen Institut München.) 

Büchner macht in der vorliegenden Arbeit einige Prioritäts¬ 
ansprüche gegen Flügge geltend, betr. die Frage der Ablösung 
von Bacterien von feuchten Flächen, ohne die Bedeutung der 
Flügge’sclien Untersuchungen dadurch herabsetzen zu wollen. 
Dass Luftströme von 30m Geschwindigkeit vouWasser und feuchter 
Erde keine Keime ablösen, hat Büchner schon 1880 einwandsfrei 
sichergestellt. Ein Emporschleudern von Keimen bis zur Höhe 
von 10 cm war ebenfalls beim Versickern von Baeterienculturen 
in Sand durch Platzen von Flüssigkeitsbläschen iu den oberen 
Sandschichten nachgewiesen. Von trockenem Staub haben Nägeli 
und Büchner bereits nach gewiesen, dass Luftbewegungen von 
2—3 mm per Secunde ausreichten, Keime fortzuführen und dass 
erst bei %— iy g mm dieser Erfolg unsicher wurde. Es stimmt dies 
sehr gut mit F 1 ü g g e’s Angaben, dass Geschwindigkeiten unter 
1 mm trockene Bacterien bewegen und dass sich trockener Staub 
erst binnen etwa 4 Stunden allmählich zu Boden senkt. — Ueber die 
Geschwindigkeit, die zur Bewegung feinster bacterienlialtiger 
Tröpfchen nöthig ist, hat Büchner zwar auch schon experi- 
mentirt, aber nicht vor Flügge publicirt. Die Experimentatoren 
fanden Geschwindigkeiten von 0,1 mm in engen, von 0,14—0,26 mm 
in weiten Röhren zum Transport in die Höhe ausreichend für 
Bact. prodigiosum, Bierhefe braucht entsprechend ihrer Grösse 
erheblichere Geschwindigkeiten: im engen Rohr statt 0,1 1,3 bis 
1,8 mm. — Die von Nägeli angegebene Formel für die noth- 
wendige Geschwindigkeit zum Transport von Hefezellen gibt etwa 
100 mal zu grosse Werthe. 

R. O. N('ii mann: Der Einfluss grösserer Wassermengen 
auf die Stickstoffausscheidung beim Menschen. (Aus dem hyg. 
Institut Wiirzburg.) 

Die auf 24 sorgfältig durchgeführte, sich direct aneinander 
anschliessende Stoff Wechsel versuche bei absolut constautcr Kost 
und wechselndem Wassergenuss aufgebaute Arbeit beweist zur 
Evidenz, dass die durch vermehrtes Wassertrinken auftreteude 
Vermehrung der Stickstoffausscheidung im Harn unzweifelhaft in 
einem Auswaschen der Gewebe begründet ist. Nur die ersten 
Tage der Wasserperiode (3 Liter) ist die Stickstoffausscheidung 
erhöht, dann sinkt sie trotz weiteren Wassertrinkens zur Norm. 
Hört mau mit dem Wassertrinken auf, so tritt für 2 Tage eine 
subnormale Ausscheidung von Harnstickstoff auf. während der¬ 
selbe offenbar im Gewebe auf gespeichert wird. Sind die Speicher 
gefüllt, so tritt trotz fortgesetzten geringen Wassertrinkens keine 
weitere Ansammlung, vielmehr ganz normale Ausscheidung auf. 
Auch die Literatur ist natürlich berücksichtigt. 

Albr. Burchard- Todenhagen: Beiträge zur Kenntniss 
des Ablaufs und der Grösse der durch Mikrococcus ureae lique- 
faciens bewirkten Hamstoffzersetzung. (Aus dem hygienischen 
Institut zu Rostock.) 

Die Arbeit ist mit dem Mikrococcus ureae liquefaciens Flügge 
augestellt, einem Organismus, den der Verfasser leicht jederzeit 
aus Harn, der mit Bodenproben beschickt war. auf Lakmusliarn- 
gelatine züchten konnte. Die mit blauem Hof sich umgebenden 
Colonien des Organismus waren sehr charakteristisch, werden aber 
leider nur sehr kurz beschrieben und auch leider nichts weiteres 
über das Aussehen anderer Culturen des Organismus beigefügt. 

Die Versuche, die nach verschiedenen Richtungen fortgesetzt 
werden sollen, ergaben das auffallende Resultat, dass in unver¬ 
dünntem Harn viel mehr Harnstoff zersetzt wird. wie in ver¬ 
dünntem, dass im unverdünnten, aber kaum im verdünnten Harn 
der Zusatz von phosphorsaurer Magnesia und schwefelsaurem 
Kalk die Hamstoffzersetzung bedeutend steigert, ohne dass dies 
bis jetzt etwa durch Ammoniakbindung genügend erklärbar wäre. 
Die Theilungsgoschwindigkeit der Keime (unter Annahme, dass 


keine absterben) ergab sich zu 6,5—14,4 Std. 1000 Keime zersetzen 
pro Stunde 0,03—0,17 mg Harnstoff oder 1 g Mikrococcen vermag 
pro Stunde 180—1200 g Harnstoff zu zersetzen. Der Autor findet 
dies mit Recht eine grosse Leistung im Haushalte der Natur. Ich 
glaube, dieses Resultat regt noch einen Gedanken an. Wie gering 
muss der Vortheil (Enorgiezuwachs) durch die Harnstoffzerlegung 
sein, wenn ein Gramm der Bacterien das 1200 fache ihres Körper¬ 
gewichtes in 1 Stunde zerlegen, denn sie besorgen doch höchst¬ 
wahrscheinlich diese Zerlegung nur zu ihrem Nutzen. 

Georg Michaelis: Beiträge zur Kenntniss der thermo- 
philen Bacterien. (Aus dem hygienischen Institut der Universität 
Berlin.) 

In verschiedenen Berliner Brunnenwassern wurden therino- 
phile Arten gefunden, dieselben beschrieben, benannt und gezeigt, 
dass sie merklich thermophil und nicht nur thermotolerant sind. 

Heinrich Wolpert: Ueber die Ausnutzung der körper¬ 
lichen Arbeitskraft in hochwarmer Luft. (Aus dem hygienischen 
Institut der Universität Berlin.) 

Die Arbeit, welche, w r ie wir das bei Wolpert gewohnt sind, 
auf ein sehr grosses, nach strengen Regeln gewonnenes Versuchs¬ 
material gestützt ist, führte zu folgenden Resultaten: 

1. Auch in hochwarmer Luft, d. h. In Luft, deren Temperatur 
nur wenige Grad unter Körpertemperatur liegt, lässt sich ohne 
hygienische Bedenken ebenso viel arbeiten, dieselbe maximale Ar¬ 
beitsleistung wie bei 12 bis 15° erzielen, wenn die Arbeitsbedin¬ 
gungen zweckmässige sind. 

2. Zweckmässige Arbeitsbedingungen für maximale Leistungen 
in hochwarmer Luft sind I. Trockenheit der Luft, II. Ablegen der 
Kleider während der Arbeit, III. Luftbewegung. 

3. Trockenheit der Luft (20—30 Proc. rel. Feucht, oder weniger) 
ist für maximale Leistlingen in hochwarmer Luft die wichtigste 
Vorbedingung, wichtiger als Ablegen der Kleidung. Aber nacktes 
Arbeiten bei Windstille ist unbedenklicher als bekleidetes Arbeiten 
bei 8 m Windgeschwindigkeit. Absolut unbedenklich lassen sich 
bei hoher Lufttemperatur die grössten Arbeitsleistungen nur nackt 
in bewegter trockener Luft, geringere nackt in ruhender trockener 
Luft, noch geringere bekleidet in bewegter trockener Luft, wieder 
geringere bekleidet in ruhender trockener Luft, die geringsten be¬ 
kleidet in ruhender feuchter Luft ausführen. Bekleidet in ruhender 
trockener Luft von 33° (und 24 Proc. rel. Feucht.) kann man un¬ 
gefährdet höchstens halb so viel, bekleidet in ruhender, auch nur 
massig feuchter Luft von 33° (und 60 Proc. rel. Feucht.) nicht 
viertel so viel als nackt in bewegter trockener Luft von 33* (und 
24 Proc. rel. Feucht.) arbeiten. 

4. Ein objeetives Kriterium für die ungefährdete Ausführung 
bezw. Fortführung einer Arbeit in hochwarmer Luft ist der Unter¬ 
schied der relativen Feuchtigkeit der Hautluftschicht und der 
ITmgebungsluftschicht. Ist dieser Unterschied stark positiv zu 
Gunsten der Hautluftschicht, so droht Wärmestauung. 

IC. B. Lehmann- Würzburg. 

Centralblatt für Bacteriologie, Parasitenkunde und In- 
fectionskrankheiten. 1900. Bd. XXVH.. No. 12 u. 13. 

F e i n b e r g - Berlin: Ueber den Bau der Bacterien. 

In Anlehnung an eine Färbemethode, die R o m a n o w s k i 
bei Plasmodien der Malaria anwandtc und damit eine deutlich 
sichtbare Scheidung des Kernes vom Plasma erzielte, versuchte 
Verf. dieselbe bei einer Reihe von Bacterien, darunter Mikro¬ 
coccen, Bacillen, Diphtherie, Tuberculose und 
anderen. Es gelang ihm durch kleinere Modiflcationen der Fär¬ 
bungsmethode bei allen untersuchten Arten, auch bei einer Reihe 
von thierischen Zellen und Amoebeu eine Differenzirung in einen 
roth und einen blau gefärbten Antheil sichtbar zu machen, woraus 
er den Schluss zog, dass auch die Bacterien aus Kern und Plasma 
bestehen müssten. 

De S i m o n i - Cagliari: Beiträge zur Morphologie und Bio¬ 
logie der Mucosusbacillen der Ozaena und über ihre Identität 
mit den Pneumobacillen. 

Die Frage nach der Identität der morphologisch und biologisch 
höchst ähnlichen Pneumonie-, Ozaena-, Rhinosklerom- 
und Mucosusbacillen ist noch nicht vollständig geklärt und 
zwar wohl, wie auch Verf. annimmt, desshalb, weil wirklich in 
die Augen fallende Unterscheidungsmerkmale, die die genannten 
Arten ohne Weiteres trennen liessen, nicht vorhanden sind. 

Des Verf. Untersuchungen erstrecken sich zunächst auf die 
morphologischen und biologischen Eigenschaften des Bacillus 
mucosus im Vergleich zu denen des F r I e d 1 ä n d e r'scbeu 
Pneumoniebacillus, wobei er findet, dass die culturellen Charaktere 
des Bacillus mucosus ganz bedeutend variiren, so dass auch die 
Meinungsverschiedenheiten über die Classification dieses bei der 
Ozaena vorwiegenden Organismus erklärlich erscheinen. S i - 
in o n i verwendet aus über 100 typischen Ozaenafällen isolirte 
Organismen, die er aus Gründen der grossen Veränderlichkeit in 
3 Gruppen bespricht. (Schluss folgt.) 

M. L tt h e - Königsberg: Ergebnisse der neueren Sporozoen¬ 
forschung. 

Im Anschluss an seine Besprechung der Coccidienent- 
Wicklung gibt Verf. eine übersichtliche ausführliche Darstel¬ 
lung des Entwickelungscyelus der Malariapara¬ 
siten. Er geht näher auf M a n s o n’s Mosquitotheorie, B i g - 
n a m i’s Inoculationstheorie ein und wendet sich dann zur 
Beschreibung des Wirthswechsels der Malariaparasiten. Es 
folgt der Generationswehsei der Malariapara¬ 
siten, eine Zusammenfassung des Entwickelungs- 
c y k 1 ii s des. M a 1 a r i a p a r a s i 1 e n , um mit der Syste- 


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GALFRIE HERVORRAGENDER ÄRZTE UND NATURFORSCHER 
















MM" 









































-17. April 1900. 


547 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


matik der Maliiriapsirsisitou abzuschliesseu. Näber 
kann an dieser Stelle auf die interessante Abhandlung nicht ein¬ 
gegangen werden. It. O. Neu m a n n - Kiel. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 15. 

1) r. F r o s c h - Berlin: Die Pest im Lichte neuerer For¬ 
schungen. (Schluss folgt.) 

2) II. Senator- Berlin: Ueber einige ausgewählte Punkte 
der Diagnose und Therapie der Lungentuberculose. (Schluss 
folgt.) 

5) P. J a c o b - Berlin: Beiträge zur Apparatotherapie bei 
Erkrankungen des Centralnervensystems. 

J. publicirt hiewit die Krankengeschichten von 2 Patienten, 
bei denen die Anbringung geeigneter Apparate einen bedeutenden 
Erfolg gehabt hat. Die erstere derselben (33 jühr. Fniuiein) konnte 
in Folge juveniler Atrophie der Fiisse und Hände weder gehen, 
noch greifen. Der Muskelschwund hatte anscheinend spontan be¬ 
gonnen und nach einem Falle rapide Fortseiiritto gemacht. Im 
2. Falle handelte es sich lim sch wen» Motilitätsstörungen durch 
Myelitis luetica, welche durch durale Infusionen von .1 odlösungen 
etwas, bedeutend aller durch Bäder gebessert wurden, in weiche 
die Kranke mittels eigens coiistruirier Hängematte eingebracht 
wurde. Im Bade konnten mehrfach Bewegungen ausgefiihrt 
werden, die ausserhalb nicht möglich waren. 

4) (] O'Aiv K ö vftsi und \V. It o t li - S c li u 1 z - Ofen-Pest: 
Ueber Störungen der wassersecernirenden Thätigkeit diffus 
erkrankter Nieren. 

Die Verfasser suchten die Veränderungen festzustellen, welche 
in der Fähigkeit der Nieren, einen stark diluirten Harn zu bereiten, 
bei verschiedenen diffusen Nierenerkrankungen Vorkommen. Bei 
gesunden Harnen ergab sieh, dass die Oefrierpuuktseruiedrigung 
des Harnes nach reichlichem Trinken schmäl bis 0,10 und noch 
mehr abnimmt. Bei der parenchymatösen Nephritis zeigte sieh 
die wassersecerniremle Kraft der Nieren der Schwere des Falles 
entsprechend herabgesetzt, bei der Sehrumpfniere aber mehr 
weniger vollkommen erhalten, letzteres ebenso bei den Nieren von 
Herzkranken mit erhaltener Kompensation. Die Stauungsnieren 
stehen in dieser Hinsicht in der Mitte zwischen parenchymatöser 
Nephritis mul secundürer Sehruinpfniere. Bezüglich anderer inter¬ 
essanter Kinzelnheiten wird auf das Original verwiesen. 

Dr. G r a s s m a n n - München. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 14. 

1) Heinrich Kühner- Berlin: Zwei Fälle von syphilitischen 
Primäraffecten mit abnormem Sitz, bezw. Verlauf. 

In dem erst beschriebenen Falle sass der Primüraffect am 
Oberschenkel und muss als Ursache der Infection mittelbare An¬ 
steckung durch die einen au der betreffenden Stelle befindlichen 
Furunkel incidirende Lancette, welche mit syphilitischem Virus 
verunreinigt war, angenommen werden. An dem Verlaufe des 
Falles ist ferner interessant (las im Beginn der Erkrankung mit 
den Primürerscheinungeu gleichzeitige Vorhandensein periostl- 
tiseher Symptome während maculo-papulöses Exanthem und Con¬ 
dylome erst später auftraten. Der zweite Fall betrifft eine consti- 
tutionelle Syphilis nach nicht indurirten Primärgeschwüren. Die 
in den beiden Fällen hereinspielende Frage der Verheirathuug 
wird einer ausführlichen Besprechung unterzogen. 

2) Ernst B e u d i x : Zur Serodiagnose der Tuberculose. (Aus 
dem Laboratorium der 1. mediciuiselieu Universitätsklinik zu 
Berlin.) 

Nach einer Demonstration im Verein für innere Medicin zu 
Berlin am 5. März lffOO. Referat siehe diese Wochensclir. No. 11, 
pag. 372. 

3) Ernst Fuerst : Zwei praktisch wichtige Fälle von 
Hysterie. (Aus dem Stadtlazaretli am Olivaer Thor in Danzig.) 

Fall 1: Oesophaguskrampf bei Einführung des Magen- 
sehlauches. Einklemmung der Sonde. Entfernung erst in tiefer 
Narkose möglich. 

Fall 2: Positiver Ausfall der Xuborculinreaction, vorgetäuscht 
durch hysterisches Fieber. 

4) W. Lublinski - Berlin: Die Syphilis der Zungentonsille 
nebst Bernerknngen über ihr Verhältnis zur glatten Atrophie 
der Zungenbalgdrüsen. 

(Schluss folgt.) 

5) G. M. M a 1 k o f f - Petersburg: Beitrag zur Frage der 
Agglutination der rothen Blutkörperchen. (Aus dem Institut für 
lufectionskrnnkheiten in Berlin.) 

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen werden in 
folgende Sätze zusammengefasst: Die agglutinireiide Eigenschaft 
des Serums rührt von einer bestimmten Substanz, dem „Agglutinin“ 
her. Dieses Agglutinin hat zu dem morphologischen Element, 
welches es zur Agglutination bringt, eine specitische Bindungs- 
afflnität, indem es nur von diesem und nichts anderem gebunden 
wird. In einem normalen Serum, (las verschiedene Zellen gleich¬ 
zeitig agglutinirt, existiren so viele verschiedene specitische Ag- 
glutinine, als das Serum verschiedene Species Zellen agglutinirt. 

6) H. östermann - Hamburg: Zur Behandlung der Gehar- 
mutterblutungen. (Schluss aus No. 13 d. Deutsch, med. Wochen¬ 
schrift.) 

O. berichtet über eine Anzahl von 30 Fällen von Meno- und 
Metrorrhagien, bei welchen er das ursprünglich von Labadie- 
Lagrave angegebene Verfahren der intrauterinen Anwendung eines 
Gemisches von Antipyrin und Salol und zwar stets mit Erfolg an¬ 
gewendet hatte. Er verfährt hierbei in der Weise, dass die beiden 

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Medicamente zu gleichen Theilen in einem Reagensglas erhitzt 
werden, es bildet sich eine bräunliche, klebrige Flüssigkeit, welche 
in noch warmem Zustande mit Hilfe eines F r i t s c h’sclien mit 
Watte umwickelten Aluminiumstäbehens in die vorher ausge¬ 
wischte Uterusliölile eingebracht wird. In den meisten Fällen 
genügt nach seiner Angabe die einmalige Vornahme dieser Pro- 
cedur. um die Blutung zum Stehen zu bringen. 

F. Lacher- München. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische_WochenBchrift. 1900. No. J4- 

1) E. E hreudorf er - Innsbruck: Zu Alexanders 
inguinaler Verkürzung und Befestigung der runden Mutter¬ 
bänder bei Rückwärtslagerung des Uterus. 

Verf. bespricht zunächst die Geschichte der Alexande F- 
sclien Operation und gibt dann eine eingehende Beschreibung der 
Technik derselben nach folgenden Hauptmomenten: Stumpfes, vor¬ 
sichtiges Freilegen der äusseren Leist .en ringe, centrales Auf suchen 
der Lig. rotund. nach Spaltung des Leistencanals, möglichst weites 
Vorziehen der freipräpariiten Biimler; ausgiebige Kürzung der 
12—15 cm langen Bänder, bruchsicherer Verschluss des Leisten- 
caunls mich Bassin i und Mitfasseu der Ligamente in ihrem 
natürlichen Verlaufe, exaete Blutstillung, Naht mit dünner Seide. 
Die Methode ist ungefährlich, schafft kein Gcburtshindemiss und 
verdient weitere Verbreitung, als sie speeiell in Oesterreich ge- 
niesst. 

2) F. Schenk und L. Austerlitz- Prag: Weitere Unter¬ 
suchungen über den Keimgehalt der weiblichen Urethra. 

Verf. st (dien ihre neuen zahlreichen Versuche, die iu mehreren 
Tabellen im Original angeführt sind, besonders in Vergleich zu den 
Uiitersiielnmgsresuhnten von Sa vor. der an einem sehr grossen 
Material die Urethra weniger häufig steril gefunden hatte, als S. 
und A. bei früheren Untersuchungen. In 25 nach S a v o r’s 
Methode untersuchten Fällen fanden die Verfasser 2 mal pathogene 
Keime im Vestibulum, 1 mal in der Urethra. Vor Allem hat 
S a v o r andere pathogene Keime gefunden als die Verfasser, be¬ 
sonders den Stapliyloeoecus pyog. alb. Bei Schwangeren und 
Wöchnerinnen findet sich ungefähr in der Hälfte der Fälle die 
Harnröhre frei von Keimen; die nachgewiesenen Keime sind meist 
Saprophyten verschiedener Art. 

3) Fr. P ick- Prag: Erwiderung auf Dr. Eisenmenge r’s 
Aufsatz: Ueber die sogenannte Pseudolebercirrhose (Fr. Pick) 
in No. 11 dieser Wochenschrift und 

4) M. L ö w i t - Innsbruck: Die Haemamoeben im Blute Leu- 
kaemischer 

sind wesentlich kritisch-polemischen Inhalts lind zu kurzem Re¬ 
ferate ungeeignet. Dr. Grassmanu - München. 

Wiener medicinische Wochenschrift. 1900. No. 12—15. 

Fukala-Wieu: Zwei Operationsmethoden zum Einlegen 
künstlicher Augen in Fällen, wo dies bisher unmöglich war. 
Ueber das künstliche Auge. 

Es gibt Fülle, wo von Anfang an das Einsetzen und Tragen 
künstlicher Augen unmöglich ist, andere, wo erst im Laufe der 
Jahre die bis dahin leicht getragene Prothese immer weniger 
„häh" und schliesslich gar nicht mehr getragen werden kann. Die 
Untersuchung stellt fest, dass der Fornix conjunctivae am unteren 
Lid überhaupt fehlt oder ganz seicht geworden, somit der noth- 
weiwlige Falzraum abhanden gekommen ist. Zur Behebung dieses 
Zustandes bedient sieh F. zweierlei Methoden. Bei der ersten 
wird der Tarsus mit der Conjunetiva von der Lkllniut abgetrennt 
und im Ganzen nach unten verlagert und festgenäht. Seitdem F. 
erkannt hat, dass sehr häufig eine Wucherung von Fettgewebe 
zwischen Tarsus und Conjunetiva die Ursache der Verflachung 
des Fornix ist. entfernt er dieses Gewebe von einer Querincision 
in der Bindehaut aus, eventuell mit dem scharfen Löffel, und ver¬ 
einigt in grosser Ausdehnuug die Bindehaut und Lidliaut durch 
Nähte. Die Erfolge sind sehr befriedigend. Weiter geht F. auf 
die richtige Auswahl, auf das richtige Einlegen, sowie auf die 
wegen der Abnützung von Zeit zu Zeit nothwendige Erneuerung 
des künstlichen Auges ein. Bei Kindern, wo das Einlegen einer 
Prothese möglichst frühzeitig erfolgen muss, empfehlen sich Cellu¬ 
loidaugen. ln einer historischen Betrachtung stellt F. schliesslich 
fest, dass nicht dem Christophorus a Vega, Avie auch behauptet 
wurde, sondern Ambroise Pare die Erfindung der künstlichen 
Augen zu danken ist. 

Ibidem No. 14. 

G. K obler- Sarajevo: Zur klinischen Bedeutung der Hara- 
cylinder. 

Es ist eine bekannte Tliatsache, dass bei Erkrankungen, welche 
mit grossen Flüssigkeitsverlusten einhergehen, speeiell bei pro¬ 
fusen Diarrhoen verschiedener Art, gleichzeitig Albuminurie nuf- 
tritt und häufig Cylinder — namentlich hyaline — im Harn nacli- 
zuweisen sind, Erscheinungen, welche mit dem Erlöschen der 
Krankheit versehAvinden, ohne dass man \’ou einer Nephritis 
sprechen könnte. Verfasser hat früher darauf aufmerksam ge¬ 
macht, dass ähnliche Veränderungen in der Beschaffenheit des 
Harnes auch bei Darmerkrankungen auf treten, welche von Obsti¬ 
pation begleitet sind. Eingehendere Beobachtung hat ihm nun 
ergeben, dass nur der iuit lebhaften Schmelzen, mit Koliken ver¬ 
bundenen Obstipation jene Complicatiou zukoramt. Diese Schmer¬ 
zen allein sollen auf reflectorischem Weg die Eiweissausschei¬ 
dungen der Niere hervorrufen. Die naheliegende Annahme, dass 
die Resorption schädlicher Stoffe aus dem stagnirenden Darm- 

Original frorri 

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MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16, 


Inhalt den enlsprerheiiden Beiz nuf die Niere ausiiln*. findet K. 
nicht zutreffend. 

Ibidem Xr. 14. 

J. C a v v a h q u i 11 a : Serumtherapie der Lepra. (Oulhir des 
Leprabacillus.) Ueborsotzung aus dem Französischen. 

C. hat Uulturen des H a nse n'schen Leprabacillus aus dem 
riüssigoii Inhalt von Lepraknötchen auf gestandenem menschlichem 
Serum gezüchtet un<l es gelang ihm auch die Fortzüchtung des¬ 
selben auf menschlichem Serum und Rindsbouillon. Der cultivirte 
Bacillus zeigte lebhafte Beweglichkeit und ist aerob. Diese Re¬ 
sultate weichen in wesentlichen Funkten von den Befunden 
S p r o n e k's ab. 

Ibidem No. IS. 

A. Briefs- Wien: Ueber die Behandlung der Syphilis mit 
Jodalbacid. 

Auf der X e u m a n u* scheu Kliuik wurde genanntes Präparat 
in 25 Fällen verwendet, und führte zu den auch anderwärts ge¬ 
machten Erfahrungen: Wo es gilt, eine länger dauernde Jodciir 
durchzuführen, besitzt das Mittel entschiedene Vortheile vor dem 
.lodkali, welches hingegen bei recenter S.vidiilis und da, wo es sich 
um Erzielung eines möglichst raschen Erfolges handelt, nicht 
zu entbehren ist. Ein nicht ganz einwandsfreies Präparat ver¬ 
ursachte mehrmals Schwindel. Kopfschmerz und ähnliche Be¬ 
schwerden, welche später, als ein verbessertes Präparat verwendet 
wurde, ausblieben. Ein Vortheil besteht in der völligen Geschmack¬ 
losigkeit. 

Prager medicinische Wochenschrift. 1900. No. 13. 

J. B e o k - Prag: Ueber den Sectionsbefund eines letal ver¬ 
laufenen Falles von Aktinomykose des Mittelohres. 

Ohne nuf Näheres einzugehen, sei hier nur angeführt, dass in 
dem besprochenen Fall als wahrscheinlicher Weg, auf dem die 
Infection in das Mittelohr gelangte, die Tuba Eustachi! angenom¬ 
men wird. 

Ibidem No. 14. 

II. C li i a r i - Prag: Beitrag zur Lehre von der intravitalen 
Autodigestion des menschlichen Pankreas. 

C li i a r i stimmt B 1 u ni e und Beneke bei, welche ein 
wichtiges Moment für die intravitale Autodigestion des Pankreas 
in einer localen Ischaomie suchen. Eine Stütze erhält diese An¬ 
schauung dadurch, dass Cli. an den Arterien eines Pankreas, 
welches Ultra vitaler Autodigestion unterworfen gewesen war, 
arteriosklerotische Processe nach weisen konnte. Was die Frage 
nach dem Zusammenhang von Fettnekrose und Autodigestion im 
Pankreas betrifft, so seien diese Vorgänge von einander entschieden 
getrennt zu halten. Die letztere sei der wichtigere Process und 
keineswegs abhängig von der Fettnekrose. 

Ibidem Xo. 11—14. 

Sing e r : Ueber den Schwindel. 

• Zu kurzem Referate nicht geeignet. 

Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 14. 

M. W a s s e r m a n n - Meran: Ueber die Veränderungen der 
Fossa retromaxillaris bei wechselnder Lage des Unterkiefers und 
deren Benützung in der Chirurgie. (Vorläufige Mittheilung.) 

Mit Hilfe einer schematischen Zeichnung legt Verfasser dar, 
dass durch eine gewisse Stellung des Unterkiefers — nämlich 
massige Oeffnung des Mundes und horizontale Verschiebung des 
Unterkiefers nach der entgegengesetzten Seite (KaubeAvegung) — 
der retromaxillüre Raum, der bt*i geschlossenem Munde ziemlich 
schmal und operativ schwer zugänglich ist. eine individuell ver¬ 
schiedene. aber erhebliche Vergrüsseruiig erfährt. Eine Reihe 
von chirurgischen Eingriffen wird namhaft gemacht, bei denen 
man sich diese Stellung zu nutze machen kann. 

Ibidem No. G—14. 

C. E av a 1 d : Erfahrungen an chirurgisch und medicinisch 
behandelten Gallensteinkranken. 

Die Arbeit, Avelelie <41 Krankengeschichten der A 1 b e r t'schen 
Klinik enthält, eignet sich nicht zu kurzer Besprechung. 

Wiener medicinische Presse. 1900. No. 13. 

X e u m a n n - Wien: Zur Uebertragung der Tuberculose 
durch die rituelle Circumcision. 

Wie grosse Gefahren die rituelle Circumcision. ausgeübt von 
Leuten, Avelelie keine inedicinisclien Begriffe haben, in sich 
schliesst, ist oft erörtert. Speciell die Blutaufsaiiguug ist ein 
schlimmer Unfug und ein geeigneter Weg zur Uebertragung der 
Tuberculose. die bei intieirten Kindern oft den Charakter allge¬ 
meiner Bauclituberculose annimmt. X e u m a n n bekam aus einer 
Ortschaft 3 Knaben in Behandlung, welche nachweisbar von der 
Bcschiieidungswimde aus tuborculüs inticirt Avaren. 2 von ihnen 
starben nach kurzer Zeit. Der Beschneider wurde zur Unter¬ 
suchung herangezogen und Avies eine Liingenspitzendämpfung, 
sowie bnellleiilialtiges Sputum auf. B e r g e a t - München. 

Französische Literatur. 

Andr6 L e v i - Paris: Ueber Spondylose rhizom€lique. (Revue 
de medeeino, August, September und October 1890.) 

Seit der ersten Veröffentlichung von Pierre Marie über diese 
Krankheit (1898) wurden 3 weitere Fälle derselben im Bicötre 

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beobachtet, von Avelehen einer die Symptome besonders ausge¬ 
sprochen zeigte und auch zur Scction kam. Vorliegende umfang¬ 
reiche Arbeit bringt im I. Theile die bisher beobachteten Fälle, 
wovon die von L. beobachteten eingehende, mit (22) Zeichnungen 
über Haltung. Gang u. s. av. des Patienten versehene, Beschreibung 
erfahren. Der II. Tlieil der Arbeit behandelt die pathologisch- 
anatomischen Befunde; das Wichtigste und Hauptsächlichste der¬ 
selben ist für L. die knöcherne Degeneration, die Ossification der 
Bänder, besonders jener an der Uonvcxität der Wirbelsäuk*- 
krüinniung mul daneben Hypertrophie und Verwachsungen an den 
ergriffenen Gelenken. Weitere l<i Zeichnungen, davon 4 radio- 
graphische, vervollständigen das pathologisch-anatomische Bild 
der Krankheit. Im Allgemeinen sind dabei nur die Gelenke mit 
Bandscheiben (Menisken) mul Zwischenschichten ergriffen. Der 
III. Tlieil der Arbeit bringt als Schlussergebniss eingehender Stu¬ 
dien eine allgemeine Beschreibung dieser eigentliünilichen Afl'ec- 
tion. Dieselbe bestellt in einer speciellen Ernährungsstörung, 
iiil'oetlösen, toxischen oder allgemein eonstitutionellcn Ur¬ 
sprungs; in keinem Falle handelt es sich um eine organische Er¬ 
krankung des Nervensystems. Die Blutiintersuchungeii ergaben 
bei keinem Patienten abnorme Bestandtheile, bei allen waren die 
Phosphate vermindert, die (’hlorsalze vermehrt. Von den Infec- 
tiouskrankheiten. welche bei der Aetiologie dieser Wirbelerkran- 
kung in Betracht kommen, ist in erster Linie die Blennorrhoe, dann 
die Tuberculose und vielleicht auch Syphilis (1 Fall) zu nennen 
mul zwar, glaubt L., wirken diese auf die Gelenke wahrscheinlich 
nur durch die löslichen Bneterienproduote, die Toxine. Die Krank¬ 
heit ist dem männlichen Geschlecht eigeiithümlich und ZA\ r ar be¬ 
sonders der Jünglingszeit und dem ersten Maunesalter. Die 
S c h m erzen sind fast immer das erste Zeichen der Affection, 
gewöhnlich sitzen sie an der Stelle der zuerst ergriffenen Gelenke, 
an der Lenden-, an der Steiss-, Kreuzbeingegeud oder au den 
Hüften: oft werden diese Schmerzen aufallsAveise durch Kälte 
und Feuchtigkeit gesteigert, aber besonders unerträglich durch 
Druck und eilt sprechende Körperhaltung. Zuweilen erst hinge 
Zeit danach, 2, 3, 4 Jahre später erscheint das Hauptzeichen der 
Krankheit, die Ankylose; sie befällt zuerst den unteren Tlieil 
der Wirbelsäule und die Ansatzstellen (Gelenke) der Unterextreini- 
täten, dann den oberen Tlieil der Wirbelsäule mit (spät und unvoll¬ 
kommen) den Ansatzstellen der Oberextremitäten und zuweilen 
der Kiefergelenke. Je completer die Steifheit und Verknöcherung 
der Gelenke sich gestaltet, desto mehr nehmen die Anfangs so 
heftigen Schmerzen ab, die schliesslich bei A'ölligcr Ankylose ganz 
verschwinden. Entweder im Anschluss an die Periode der 
„unteren Ankylose“ oder auch ein oder mehrere Jahre später 
kommt eine zweite Periode, welche durch sehr heftige Schmerzen 
in der Hnlsgegend sich ankündigt und durch mehr Aveniger pro- 
nonoirte Flexionsankylose des Kopfes eharakterisirt ist. Zu gleicher 
Zeit wie die Halswirbeln av erden auch die Schultern, wenn auch 
meist nur in massigem Grade, ergriffen, ferner die Articulatio 
sternoclavicularis und tomporomaxillaris. Der Process der Anky¬ 
lose kann zum Stillstand kommen, nachdem die ganze Wirlwdsüule 
mehr oder Aveniger vollkommen und die anderen genannten Ge¬ 
lenke iminobilisirt sind; die Bewegungsunfähigkeit bleibt eine de¬ 
finitive, eine Besserung ist nur bei unvollständiger Ankylose mög¬ 
lich. Muskelatrophie ist meist vorhanden, Prüdilectlousstellen 
sind die sacro-lumlmlen, die Gesüss- lind vorderen Schenkel¬ 
muskeln. Die Haltung der Patienten hat 2 typische Extreme, 
die der Flexion lind Extension mit zahlreichen Zwischenfällen. 
Der G a n g vollzieht sich sehr schwer, je nachdem die eine oder 
beide Hüften aukylosirt sind. Die Entwicklung der Krank¬ 
heit ist eine chronische, in Anfällen sich steigernde. Die Krank¬ 
heit selbst führt nicht zum Tode, jedoch intermittirende Affoc- 
tionen. besonders Bronchopneumonie, die eine häutige Folge der 
verschiedenen Brust deformatioueii ist. Diffcrentialdingnostiseh 
kommen in Betracht vor Allem der deformirende chronische Rheu¬ 
matismus, die Paget’sche Krankheit (allgemeine Hypertrophie 
der Knochenl und Myositis osslftcnns. Eine rationelle Behand¬ 
lung der Krankheit gibt es nicht: am Anfänge derselben können 
Aviederhoite Massage und forcirte BoAvegiingeu A*on Nutzen sein. 
Mechnnotlierapie ist auch späterhin noch zu empfehlen, Elektri- 
siren und Hydrotherapie sind von geringem Erfolg begleitet. Von 
inneren Mitteln scheint allein Salol, Avelches nach Ma rie ein Spe- 
citiciini gegen den infectiöseii Pseiidorheumatisiniis ist, wirklich 
von grossem Nutzen zu sein und zwar G mal täglich in der Dosis 
von u, g. pur oder mit der gleichen Dosis Xatr. salicyl. gemischt 
und Wochen hindurch mit zcitweisen Unterbrechungen ge¬ 
nommen. 

C. C a b a n n e s : Die chronische Tuberculose der Herzohren. 

(Revue mödicale, October 1S99.) 

Die Zahl der Fälle von 'Tuberculose des Myocards Ist bis 
jetzt schon ziemlich beträchtlich, unter 53 A'on F u c h s zusammen- 
gestellten sind 12 : _ 22,G Proc., avo die Tuberculose der Herzohren 
vorherrschend und 8 -- 17 Proc., avo letztere allein vorhanden war. 
Männer sind häufiger damit befallen (7 von 12). Der Iv o c h’scho 
Bacillus Avurde in 8 Fällen gefunden. Die Affection besitzt an sich 
keinerlei klinische Zeichen, sie ist meist völlig latent und die Tu¬ 
berkeln der Herzohren sind ein zufälliger Fund bei der Section: 
sie besitzen insofern eine ganz specielle Eigentümlichkeit, als sie 
oft eiu ganz enormes Volumen einuehmeii, wie sie es in den Ven¬ 
trikeln nie haben, ln letzteren sind meist nur kleine, zahlreiche 
käsige Herde eiugelagert, in den Herzohreu mehrere grössere oder 
bloss ein einziger (von 5 cm Länge und 3 cm Breite in einem Falle). 
Das rechte Herzohr, welches den Drüsen des Mediastinums näher 

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17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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liegt als das linke, ist desslialb häufiger befallen und zwar ge¬ 
schieht die Infection entweder durch die Lymphwege von den 
Drüsen aus (per Continuität) oder vom Pericard aus (durch Cou- 
tiguität). 

Zabolotny: Die Pest in Ostmongolien. (Annales de 
rinstitut Pasteur, November 1899.) 

Mitglied der russischen Expedition zur Erforschung der Pest, 
suchte Z. die Pestherde auf, welche in der östlichen Mongolei an¬ 
gezeigt worden waren. Nach localen Mittheilungen herrscht sie 
daselbst seit ca. 10 Jahren, hat in den letzten 3 Jahren ca. 400 Todes¬ 
fälle in einem bestimmten von Z. besuchten Bezirke verursacht 
und die Pestpneumonie soll hier besonders häufig sein. Die Be¬ 
völkerung ist fast ausschliesslich chinesisch und mit allen (Gewohn¬ 
heiten von Schmutz und Unsauberkeit dieser Rasse behaftet, ln 
10 Fällen wurde Heilserum angewandt und gab 4 Heilungen, 
welche Z. ausschliesslich dem Serum zuschreibt. Eine Karten¬ 
skizze illustrirt die von Z. bereisten, sowie die übrigen in Asien 
bestehenden Pestherde. 

Ferdinand Perez, Arzt am Kinder- und französischen Spital 
zu Buenos-Aires: Zur Bacteriologie der Ozaena. (Annales de 
rinstitut Pasteur, Decemlier 1899.) 

I. o e w e n b e r g und A b e 1 (18X4 94 u. 1893 1 hatten schon 
Racterien gefunden, den Uoceobacillus ozaeuai» und den Bacillus 
mucosus, welche sie für die speeitischen Erreger der Ozaena an- 
saheu. Perez fand nun einen Mikroorganismus, den von ihm so 
genannten Uoceobacillus foetidus ozaenae, welchen er für den wirk¬ 
lichen Erreger dieser Krankheit hält. 03 bacteriologisch unter¬ 
suchte Fälle bilden die Basis dieser Arbeit, wovon 32 verschiedene 
Arten von Rhinitis, 22 Fälle von Ozaena und 9 normale Nasen. 
Von den 22 Fällen waren 11 solche von typischer Ozaena mit 
Foetor, die 11 anderen hatten diesen nicht ; 8 mal wurde der Bacillus 
isolirt, 7 inal unter den 11 Fällen von foetider atrophischer Rhi¬ 
nitis. Der Coccobacillus ist unbeweglich, nach Gram nicht färb¬ 
bar. ist pathogen für Meerschweinchen, Mäuse. Tauben und Ka¬ 
ninchen: fast alle seine Culturen entwickeln einen charakte¬ 
ristischen. stinkenden Geruch. Bei lleberimpfuiigen auf die Thiere 
ist die hauptsächlich entstandene Affection hochgradige Hyper- 
aonde und dicke Schleim müssen auf den Nasenmuscheln; auf 
letzteren findet man wieder den überimpfton Bacillus. 1*. glaubt, 
es sei ihm also gelungen, beim Kaninchen die Atrophie, welche seit 
Z ii ii f ji 1 die wahre Ozaena charakterisirt, experi m e n t e 11 
wieder zu erzeugen. Die Specifität des Löwenberg- 
A b e l’schen Bacillus, der zudem mit dem F r i e d 1 ii n d e r’schen 
Riienmobaeillus völlig identisch sei. der keine elective Wirkung auf 
<lie Nasenmuscheln und in Reincultur keinen Geruch habe, müsse 
daher zurückgewiesen werden. (3 Abbildungen.) 

A. C a I m e 11 e und Salimbeni : Bericht über die Pest¬ 
epidemie in Oporto im Jahre 1899 und die Serumtherapie. (Ibid.) 

Ausführlicher Bericht der nach Oporto gesandten französischen 
Commission über Beginn und Verlauf der dortigen Pestfälle mit 
zahlreichen Karten und anderen Illustrationen. Eine Reihe von 
Krankengeschichten der mit Serum behandelten Patienten. Der 
Inhalt vorliegender Arbeit war theilweise schon in Bulletin mödical 
No. 85, 1899 wiedergegeben und in dieser Wochenschrift (No. 48. 
1899, S. 1620) referirt worden. 

D u p 1 a y : lieber die Metatarsalgie (M o r t o n’sche Krank¬ 
heit). (Presse mMicale, No. 89, 1899.) 

I). beobachtete bei einem 33 jährigen Mann einen Fall dieser 
Art, welchen er als typisch ansieht. Die Schmerzen entstanden 
nach einem Sturz vom Pferde, ob in Folge einfacher Contusio oder 
Distorsio. war nicht zu unterscheiden, und nahmen im Verlauf vou 
5 bis 6 Monaten immer mehr zu, ebenso wie die Gehbehinderung. 
Die Schmerzen blieben vollständig auf das Niveau der Artieiilatio 
motatarso-phnlangea der 4. Zehe beschränkt. Im Anschluss au 
diesen Fall beschreibt D. die Symptomatologie der Metatarsalgie 
des Näheren, er unterscheidet eine gutartige, mittelschwere (vor¬ 
liegender Fall) lind schwere Form des Leidens, bei letzterer halten 
die Schmerzen fast ständig an und werden besonders erhöht durch 
(Gehen, Stehen. Stiefeldruck. Die Aetiologie der Affection ist noch 
wenig aufgeklärt, man trifft sie bei Frauen wie bei Männern, meist 
im Alter von zwischen 30 bis 40 Jahren, oft coincidirend mit Rheu¬ 
matismus, (Gicht, nervösen Störungen, wie Hysterie, Neurasthenie: 
directes oder indirectes Trauma, Fall, Distorsio, das Tragen zu 
enger Stiefel geben die Gelegenheitsursache ab. Nach der Theorie 
von Pöraire und Mally entsteht unter dem Einfluss der 
letzteren an einem oder mehreren Metatarsalknötclien eine Osteitis, 
in deren Folgen Deviation nach hinten und innen, woher abnormer 
Druck auf die Gewebe der Plantargegend. Die Therapie umfasst 
Abhaltung der erwähnten Schädlichkeiten, Behandlung der rheu¬ 
matischen oder Gichtdiathese, bei schweren Fällen Resectiou von 
einem oder mehreren Mittelfussknochenköpfchen: letztere hat D. 
in 2 Fällen vollen Erfolg gegeben. 

Masßoulard : Beitrag zum Studium der chronischen 
Mammitis. (Bulletin mMical, No. 92, 1899.) 

Im Anschluss an einen Fall chronischer Rrustdrüsenentzün- 
dung bei einer 32 jährigeu Frau, der mit zunehmenden Schmerzen 
an der 1. Brust begann, zur Entwicklung von zahlreichen, harten, 
Uber die ganze Brust verstreuten Knötchen führte, später auch die 
r. Brustdrüse betraf und mit Amputation derselben endigte, gibt 
M. eine genaue Beschreibung dieser Affection. Meist ist neben der 
Rrustdrüsenentzündung und -Induration geringe Entzündung der 
AchseldrÜ8eu noch vorhanden, heftige Schmerzen, aber keine Se¬ 
kretion. Anatomisch sind diese kleinen Geschwülste aus fibrösem 
(Gewebe zusammengesetzt, welches um die Drüsenelemente herum 


sich entwickelt, deren Epithel proliferirt und mit embryouäreii 
Zellen umgeben ist. DifTercntialdiagnostisch kommen vor Allem 
die Cysten der Brustdrüsen, sowie die sog .Mammitis nodosa in 
Betracht; bei beiden sollen vor Allem die Schmerzen viel geringer 
sein. Von bösartigen Afl'eetioneii unterscheidet sich vorliegende 
dadurch, dass das Allgemeinbefinden stets ein sehr gutes ist. Haben 
die einfachen Behandlungsarten wie Hydrotherapie. Uompression 
ndt elastischen Binden u. s. w. versagt, so ist vollständige Abtra¬ 
gung der Brustdrüse angezeigt (wolil wegen der Gefahr maligner 
Degeneration V). 

L a v a 1 : Die Contusionen der Harnblase ohne äussere Ver¬ 
letzungen. (Bulletin medical, No. RIO u. 101. 1899.) 

L. unterseheidot zwei Ilauptarten von Blaseneontnsion: 1. die 
unvollständige, welche sehr selten ist und 2. die vollständige oder 
Blasenruptur. Zu den prädisponirenden Ursachen gehören einiger- 
maassen gefüllte Blase, jugendliches Alter. Geschlecht (80 -Olt l'roe. 
der Fälle Männert. Alkoholismus. pal lud. Veränderungen, wie De¬ 
generation der Wände. Proslnäahypert rophic, Stricturen der Harn¬ 
röhre. Die dirceten Ursachen können von Aussen kommen (Ge¬ 
waltein Wirkung* oder vom Organismus seihst (heftige Muskeleon 
tractionen während strenger Arbeil. hei der (.Geburt u. s. w.t. Zum 
Zustandekommen einer Ruptur ist stets massige Füllung der Blase 
nöthig. Eingehend bespricht L. Pathogenese und pathologische 
Anatomie der Blasenruptureit: am häutigsten 1 44 l’roe.i sind jene 
nach hinten unten, was mit der anatomischen Fixirung der 
Blase Zusammenhang). Die Symptome der Ruptur sind kleiner, 
raselur Puls, kalter Selnveiss an Gesicht und Händen, heftiger 
Schmerz am unteren Theil des Baurlms; objrctiv ist hier zuweilen 
eine allmählich zunehmende Dämpfung vorhanden, beim Sondiren, 
welches sehr schmerzhaft, ist, fühlt man manchmal das Ende der 
Metallsonde durch die Rauchwand oder per rectum. Verlauf und 
Ausgang sind bei intraperitonealen Blasenrupturen meist tödtlich, 
bei den extraperitonealen beträgt die Sterblichkeit eit. 70,8 Proc.; 
der Tod kann augenblicklich, nach Stunden oder erst nach einigen 
Tagen eintreten. Die Prognose ist daher stets zweifelhaft. Per 
Sitz der Ruptur ist schwer zu unterscheiden. Die Piagnos* gründet 
sich auf 1. Art der Verletzung. 2. auf den Umstand, dass der Ver¬ 
letzte längere Zeit nicht urinirt hat. 3. sonoren Klang der Regio 
hypogastrica, 4. fehlende Harnentleerung (spontan oder per Sonde). 
Die Behandlung muss bei der intraperitonealen Ruptur in so¬ 
fortiger Operation bestellen. Auf die Einzelheiten der Operation, 
sowie die (-omplicationen der Ruptur kann hier nicht eiugegangen 
werden, es sei nur noch auf das reiche, der Arbeit beigegebene, 
Literatur Verzeichnis» hingewiesen. 

Frl. Pr. P o k i t o n e f f : Das Ekzem im frühen Kindes- 
alter. (Annales de medecine et Chirurgie infantiles, No. 15, 17, 22 
[Aug. Nüv.] 1899 und Nu. 1 [1. Jan.] 1900.) 

Sämmtliche Beobachtungen der Verfasserin betrafen Kinder 
im Alter bis zu (5 Monaten und alle waren bis zum Auftreten des 
Hautaussehlages an der Brust genährt. Mit der künstlichen 
Nahrung (Brodsuppen. sterilisirte Milch) trat merkwürdiger Weise 
Besserung des Hautleideus und unter sorgfältiger Behandlung 
(kalte Waschungen statt Bäder, reizmildernde Salben) in relativ 
kurzer Zeit Heilung ein. Im fiebrigen bietet die umfangreiche 
Arbeit wenig Neues. 

Sorgente, Assistent der pädiatrischen Universitätsklinik 
zu Rom: Beitrag zum Studium der bösartigen Nierengeschwülste 
im Kindesalter. (Ibidem. No. 24, 1899 und No. 1. 1900.) 

Bis zum Jahre 1876 waren die bösartigen Neubildungen im 
Kindesalter als eine grosse Seltenheit angesehen worden: seitdem 
D u r a n damals 182 Fälle von malignen Geschwülsten bei Kindern 
(unter 17 Jahren» gesammelt, wurden immer mehr Fälle dieser Art 
bekannt, so dass die relative Häufigkeit maligner Tumoren bei 
Kindern nun allgemein anerkannt ist. Unter diesen nehmen die 
Nierengeschwülste den ersten Rang ein. 8. bringt aus der Klinik 
von Uoncetti 5 Fälle von Nierensarkom, weiche Kinder im 
Alter von 5 und 9 Monaten, von 2 und 7 \/ 2 Jahren betrafen. Ver- 
lauf des Leidens, Operation und histologischer Befund sind bei 
zweien der Fälle genau beschrieben. Eines der operirten Kinder 
kam mit dem Leben davon und zwar sind bereits 4 Jahre seit der 
Operation verschwunden, ohne dass sieh ein Recidiv gezeigt hätte. 
Aus der Statistik anderer Operateure ergibt sieh ebenfalls die 
schlechte Prognose für diese Fälle, welche entweder nach der 
ersten Operation oder an Reeidive zu (Grunde gehen (ca. 90 Proc.). 
In den letzten Jahren scheinen aber die Fälle von definitiver Hei¬ 
lung zugenomtnen zu haben. S. rätli daher dringend, sofort, nach 
gestellter Diagnose stets die Nephroctomie vorzunehmeu. 

N. Jablokoff. Privatdocenl f. Pädiatrie an der Universität 
Moskau: 2 Fälle von Lungenchirurgie bei Kindern. (Ibidem. 
No. 2. 1900.) 

J. führt im ersten Abschnitt seiner Abhandlung die patho¬ 
logischen Zustände an. wo chirurgische Eingriffe an den Lungen 
indicirt sein können; es sind dies Fremdkörper, Lungentubor- 
etilose, Erweiterung der Bronchien, Lungonabseess und -Gangraen 
und schliesslich Eehinococcen der Lungen. Die beiden von J. 
operirten Fälle betrafen einen chronischen und einen acuten 
Lungonabseess; im ersteron Falle trat nach einer ersten Operation 
vorübergehende Besserung und nach einer zweiten allmähliche Ver¬ 
schlechterung des Zustandes und schliesslich der Tod. im zweiten 
Falle, der ein 10 jähriges Mädchen betraf, völlige Heilung ein. 
Tletzterer Fall lehrte auch die Schwierigkeiten der Differential¬ 
diagnose zwischen Lungenabseess und eingekapseltem Empyem, 
die Entdeckung elastischer Fasern im Auswurf kann zuweilen die 
Diagnose erleichtern, besonders aber erhofft J. dies von der An- 


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MÜNCHEN KR MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


Wendung der Röntgenstrahlcn, welche in den vorliegenden Fällen 
nicht möglich war. Stern- München. 

Italienische Literatur. 

In einer Reihe von Experimenten demonstrirt im hygienischen 
Institut der Universität Cagliari Rinaghi die Tliatsnrhe. dass 
in der Frage der Bacteriendichtigkeit der Darmwand das Peri¬ 
toneum ein wichtiger Factor ist. Der Schutz, welchen das Epithel 
der Darmschleimliaiit gegen Aufnahme von Mikroorganismen, 
namentlich des Racterium coli, gewährt, bedarf, um ein voll¬ 
ständiger zu sein, der Mitwirkung des peritonealen Endothels, 
welches die äussere Darmwand umkleidet. Ist die Schlitz- 
w i r k u n g des P e r i t o n e u m s g c brochnn. so wir d 
d i e D a r m w a n d d u r oh g ä n g ig f ii r R a e t e r i e n. ja 
diese letzteren gewinnen ihre verlorene Virulenz wieder und die 
Toxine vermehren sieh. (La riforma med. 1801». No. 2(52 - 2t>4.) 

In einer Mittheilung aus der Turiner Klinik <11 Morgagni, No¬ 
vember *1890) betont Co 11a die Unmöglichkeit einer exacten 
Differentialdiagnose zwischen L a n d r y’scher Paralyse, Poly¬ 
neuritis und Poliomyelitis. 

Rei allen drei Affeetionen handelt es sieh um die gleichen im 
Rillte kreisenden Noxen und die Stelle des peripherischen Neurons, 
welche sie treffen, und die Intensität ergibt das Krankheitsbild. 
Die differentialdiagnostischen Momente. Rotheiligung des Facialis, 
dos Rulbärsystoms. die früh oder spät eintretenden Veränderungen 
der elektrischen Erregbarkeit sind keine absolut sicheren Zeichen. 
Mit der verbesserten Technik der mikroskopischen Untersuchung 
des Nervensystems gelang es auch in Füllen von primitiver Poly- 
neiiritis Veränderungen in den Rüekenmnrkszellon zu finden. 

So wichtig eine Abgrenzung der Krankheftsbilder für die Pro¬ 
gnose ist. so sehr gehen dieselben in pathologisch-anatomischer 
Beziehung in einander über. 

Dass die Symptomenrcihe. welche der sog. Erythromelalgie 
zu (»runde liegt: Schmerz. Schwellung. Rötho und locale Hyper¬ 
thermie der Extremitäten bei Luetikern beobachtet werden 
kann, ist von Weir-Mitchell. C r 0 n i o r und Senator her¬ 
vorgehoben. Personal i beschreibt Rif. med. 1800. No. 222 drei 
Fälle, in welchen das Svmptomenbild der Erythromelalgie 
parallel mit anderen Symptomen der Syphilis auf trat und genau 
wie die anderen Symptome prompt einer speeifisehen Behandlung 
wich. 

Rei einer gesunden Frau ohne neuropathische Heredität, 
welche gegen übermässige Fettanblldnng mehrere Monate lang 
Schilddrüsentabletten bis zu 8 Stück pro Tag genommen hatte, 
stellte sich eine Psychose mit Delirien, perversen Sensationen lind 
ITalhieinationen ein. welche ihre Aufnahme in’s Irrenhaus ver- 
anlassten. Der Geistesstörung waren Sehwindel, Oppressions- 
gcfühl. Schlaflosigkeit, sehr frequente Ilerzthiitigkoit, Ohrensausen 
vorhergegangen. 

Alle Symptome verschwanden mit dem Aussetzen des Mittels. 
(Riforma med. 1899. No. 282.) 

Ueber die von manchen Autoren betonten Beziehungen 
zwischen Kleinhirn und dem optischen Centralnervensystem 
tliellt R o n e a 1 i aus der chirurgischen Klinik Roms ein inter¬ 
essantes experimentelles Factum mit. 

Wenn man einem vorher blind gemachten Hunde das Klein¬ 
hirn. resp. den mittleren Lappen desselben exstirpirt. so ist das 
Thier nach (U Tagen noch nicht im Stande, sieh in aufrechter Stel¬ 
lung im Gleichgewicht zu erhalten. Macht man dasselbe Experi¬ 
ment bei einem Hunde mit intaetem Gesichtssinn, so steht und 
läuft derselbe bereits nach 1—2 Wochen wieder. (II polielinieo, 
15. November 1809.) 

Ueber die Wirkung von Eisen und Arsen auf die Blut¬ 
bildung veröffentlicht Riva (Lo snerimentale anno 53, fase. III) 
eine Reihe von Untersuehungsresnbfib'n. Dieselben sind gewonnen 
an künstlich anaemisch gemachten Hunden. R. will gefunden 
haben, dass die Leber, wenn sie Eisen aufspeichert, sieli auch 
wieder schnell von demselben befreit, wenn der Organismus schnell 
seiner bedarf und wenn die Nahrung kein Eisen enthält. Ferner 
soll zwischen der ITaemoglol»inbilduni r und der Erzeugung von 
Rlutkörperchen ein bestimmter Unterschied bestehen, auch inso¬ 
fern. als einicro Körper, in erster Linie das Arsen, die Bil- 
d u n g von R ln t k ö r p e r e li e n a n r «» g e n. während andere, 
darunter hauptsächlich das Eisen, die Haemoglobin- 
b i 1 d n n g begünstigen. 

Die Wirkling heisser Luft <300 n und mehr) und eomprimirten 
Wassordampfs zur Stilluner parenchymatöser Blutungen, nament¬ 
lich der Leber suchten (’oec herolli und Ganonago ex¬ 
perimentell festzustellen. Sic erzieltem mit beiden Mitteln amte Re¬ 
sultate. Die überhitzte Luft hat den Na t teil einer Eschera- 
bildung. nach deren Entfernung sieh wieder Rlutung einstellen 
kann. Der comprimirtc Wasserdampf hat diesen Nachtheil nicht: 
er bildet ein fast ndhnerirendos Goaguhim. ist leicht und sicher ln 
seiner Anwendung, beeinflusst das ganze Operationsfeld günstig; 
namentlich verbrennt er die etwa gelegten Scidenligaturen nicht. 
(Riforma med. 1899. No. 278.) 

Cysten des behaarten Koofes mit wasserliellom Inhalt lassen 
in ihrer Wand häufig Schweissdrüsen in grosser Zahl erkennen: 
solrhc mil festerem Inhalt Talgdrüsen. In beiden Fällen handelt 
es sich um Dermnidcysten. in welchen entweder eine Secretion des 
einen oder des anderen anatomischen Gebildes überwiegt, unter 
Umständen ein sicheres Unters e h e i d u n g s m erkmnl 
gegen angeborene in e n i n g o c e 1 i s e li e G y s t e n. 
(Gazzetta degll ospedali 1800. No. 130.) 

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Ein neues Tonometer zur Bestimmung des intraoeulären 
Drucks, welches sich durch praktische Brauchbarkeit vor den bis¬ 
her erdachten auszeichnen soll, construirte Prof. Pietro Gra¬ 
de n 1 g o. Es wird angefertigt von Giuseppe Cavlgnato in 
Padua (Gazzetta degli ospedali 1899, No. 148.) 

Von dem Gedanken ausgehend, dass die Heilung operativ 
behandelter tuberculöser Peritonealexsudate wesentlich durch 
Eintritt von Luft ln die Peritonealhöhle bedingt ist, empfehlen 
S a 1 v o 11 n i und C o m a n d i n i die Paracentese dieser tuber- 
culösen Exsudate mit nachfolgender Lufteinblasung und sie be¬ 
richten über sechs auf diese Weise mit gutem Erfolg behandelte 
Fälle. (Clin. med. Italiana 1899. No. 11.) 

Ueber die Ursache der Herzhypertrophie bei Aneurysmen 
veröffentlicht O r 1 a n d i (Clin. med. Italiana 1899. No. 11) Fol¬ 
gendes: Er fand durch wiederholte Messungen des Blutdruckes 
hei einem Aneurysma der Subclavia, dass sich derselbe auf der 
befallenen Seite geringer erwies. Die Hypertrophie des linken 
Ventrikels bei Aneurysmen, so schliesst O.. ist aus dem Bestreben 
des Herzeus herzuleiten, diesen niedrigeren Blutdruck auszu- 
gleichen durch eine vermehrte Anstrengung des Myoeardiums. 

In derselben Nummer der Clin. med. Italiana veröffentlichen 
Colla und Mattirolo Ihre Untersuchungen über künstliche 
Hyperglobulie, welche die Anschauungen Bozzolo’s bestätigen. 

Durch Ligatur eines Gliedes verlangsamt sich der Blutkreis¬ 
lauf: es erfolgt eine Stase. Das Wasser der Gewebe dringt nicht 
mehr in die Venen ein, die Blutmasse verdichtet sich, die morpho¬ 
logischen Bestandtheile des Blutes nehmen zu, das Haemoglobin 
sowohl wie die Zahl der Erythrocyten. 

Ueber die Ursache der Erscheinungen der Gehirn- und 
Bückenmarkserschütterung und die anatomischen Befunde bei 
derselben veröffentlichen Cavicchia und Rosa (II Polielinieo. 
15. December 1899) eine lange Reihe von Thierexperimenten, welche 
beweisen, dass die wesentlichen Erscheinungen der Commotion sich 
am Gefiisssystem abspielen. Die Commotion führt zum Spasmus 
der Blutgefässe und zur Anaemie: auf dieselbe folgt reflectorisch 
Gefässdilatation und Hyperaemie bis zur venösen Stase. 

Die Nervenzellen zeigen sich im Beginn in keiner Weise ana¬ 
tomisch verändert. Sie gerathen durch die Contusion in einen Zu¬ 
stand functionellen Turgors, zu welchem nur die veränderten Ge- 
fässverhältnisse und die durch dieselben gesetzte ungenügende Blut¬ 
versorgung hinzutritt und zu dauernden Veränderungen führen 
kann. 

Bezüglich des Morbus Little betont Mesce (Gazetta degli 
ospedali 1900, No. 3). dass die Annahme dieses Autors von einem 
Zusammenhang dieser spastischen Form der Tabes und Traumen 
intra partum nicht haltbar sei. 

Ferner sei das Krankheitsbild des Morbus Little von der 
Athetose nicht, scharf abzugrenzen, auch sei die Besserung nach 
therapeutischen Eingriffen kein differentialdiagnostisches Merk¬ 
mal. 

Für besonders aetiologisch wichtig hält M. Anomalien Im Ge- 
fässsystem der Pyramidenstränge und der umgebenden Partien. 

Ueber Polyklonie und Chorea bringt die November- und 
December-Nummer von II Polielinieo 1899 eine Abhandlung von 
M u r r i aus Bologna. 

Den Namen Polyklonie schlägt er vor anstatt des von Fried- 
reich gewählten Paramyoklonus Die Beobachtungen Murr Fs 
mit den genauesten neuroskopischen Befunden beweisen, dass bei 
der Polyklonie wfle bei der Chorea die Gehirnrinde ln Ihrer Func¬ 
tion gestört ist. Diese Störung kann materieller, chemischer, func- 
tioneller Natur sein und die weitere Erkennung derselben richtet 
sich nach den die Krankheit einleitenden, sie begleitenden oder 
ihr folgenden Symptomen. Beide Affeetionen, Polyklonie wie 
Ghorea, haben ihren alleinigen Ursprung ln der Roland’schen 
Zone. 

Laesionen dieser Zone, welche keine Hypoklonlen und keine 
Chorea machen, sind schwerer Natur: sie vermindern die Erregbar¬ 
keit der motorischen Elemente und =o kommt es zu Paresen oder 
Paralysen. 

Dagegen setzt das Auftreten von Polyklonien und von Chorea 
die Erhaltung dieser Erregbarkeit voraus und somit einen weniger 
heftigen und weniger intensiven Process. Dieser Umstand erklärt 
auch die häufig negativen anatomischen Befunde. 

Die infantile Chorea oder die Chorea Sydenham ist als eine 
besondere dem Kindesalter eigentümliche Functionsstörung der 
Zona Rolandi zu betrachten. 

Ueber Akromegalie finden sich in der No. 11 der Clin. -med. 
Ital. 1899 zwei Abhandlungen: 

C o 111 n a theilt die Symptome der Akromegalie ln zwei 
Gruppen. Zur 1. Gruppe gehören diejenigen, welche von einer 
veränderten Function der Glandula pituitaria abhängen: 
Knoehenwnobsthum, Impotenz, Hyposthenie, cardiovasculnre 
Laesionen. Stoff weehselstörungen. zur zweiten Gruppe die 
Symptome, welche von einer Veränderung in der Hypophysis 
und einer Localisation in der Sella tureica abhängen: oculare Lae¬ 
sionen. Anosmie, Kopfschmerz. 

Bassi stellt eine infantile Form von Akromegalia cephaliea 
mit loeomotorischer Ataxie auf. Sie sei eine unvollkommene Form 
der classisehen Akromegalie Marie’s. Sie könne sich vergesell¬ 
schaften mit Syringomyelie und mit einer Sklerose der Hinter¬ 
stränge und sei zu den nervösen Distrophien zu rechnen. 

Ueber Gedankenlesen veröffentlicht F i n i z 1 o, Schüler 
V i z i o 1 l’s, eine Interessante Mitteilung (Riform. med. 1899. 
265—267). 

Original frarri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 


17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


551 


Eine hysterische Person, bei welcher im somnambulen Zu¬ 
stande ein Versuch des Gedankenlesens unternommen wurde, 
brachte es allmählich zu einer staunenswerthen Fähigkeit und 
zwar in wenigen Tagen. Auch alle Versuche, welche von anderen 
Aerzten mit der Kranken angestellt wurden, und zwar später ohne 
Handauflegen und ohne Berührung, hatten einen positiven Erfolg. 

F. gibt eine befriedigende Erklärung dieser auf den ersten 
Blick so räthselhaften Erscheinung der psychischen Nervensphäre, 
und meint, dass dieselbe immer mehr alles Wunderbaren ent¬ 
kleidet werde in dem Maasse, als sich die Aerzte mit derselben 
beschäftigen. 

lieber die Ursache des Cretinisinus hat A11 a r a , bekannt 
durch Studien und Untersuchungen auf diesem Gebiet, eine be- 
merkenswerthe Abhandlung im Decemberheft von 11 Morgagni 
veröffentlicht. 

Er fasst den Cretinismus auf als eine Reihe von Entwicklungs¬ 
störungen verschiedenen Grades: Astheuie, Taubstummheit, Kropf, 
Skrophulose, Lymphatismus, Rhachitis, Verrücktheit, fehlerhafte 
moralische Anlage. 

Die bisherigen Theorien über seine Entstehung sind unhalt¬ 
bar: namentlich gilt dies auch vom Fehlen des Jods und Broms 
im Trinkwasser, wie von dem hypothetischen Cretin-Miasma. 

Auch ein Zusammenhang mit Malaria ist nicht zu statuiren. 
Malaria kann mit endemischem Cretinismus gleichzeitig herrschen; 
doch gibt es viele Malariagegenden ohne Cretinismus und um¬ 
gekehrt 

Die Theorie, welche nach dem Verf. in einfacher Weise das 
Räthsel lösen soll, nennt er die hydrotellurische. 

Das Wasser der Cretinismuslocalitäten, auf welches die an¬ 
spruchslosen Bevölkerungen angewiesen sind, soll abnorme Mengen 
unorganischer Substanzen, namentlich Kieselsäure Verbindungen, 
enthalten. Es sollen bei längerem Genüsse Ernährungsstörungen 
und Entwicklungsstörungen im menschlichen Körper folgen, welche 
zu allen Symptomen des Cretinismus führen können. 

Die Ausscheidung der Kieselsäure und ihrer Verbindungen 
aus dem Körper durch den Urin wie die Faeces soll befördert 
werden durch Kochsalz, doppeltkohlensaures Natron, durch 
kohlensaure Wässer, auch durch Genuss von Wein und Bier. In¬ 
sofern ist die Beseitigung der Krankheit auch eine Frage der 
fortschreitenden Cultur und der Wohlhabenheit: und mit dem Zu- 
nehmen beider sieht man sie allmählich verschwinden. 

Das geologische Studium einer Gegend, der Gewässer, welche 
sie durchziehen und ihr Gehalt an anorganischen Substanzen, 
uamentlich an Kieselsäureverbinduugen, ist somit das erste Mo¬ 
ment bei der aetiologiseheu Untersuchung, zu welchem andere, 
wie Armuth der Bevölkerung und fehlerhafte Lebeusgewohnheiten 
als Hilfsmomente hinzu treten. 

Hager- Magdeburg-N. 

Laryngo-Rhinologie. 

1) Wroblewskl - Warschau: Das acute Kieferhöhlen¬ 
empyem. (Empyema antri Highmorl acutum.) (Arch. f. Laryngol. 
u. Rhinol., Bd. 10, Heft 1.) 

Das acute Kieferhöhlenempyem ist eine Infectionskrankheit, 
die „unabhängig vom localen Process, mit mehr oder weniger 
ernsten Allgemeinerscheinungen einhergeht“, und soll desshalb 
nach den Regeln der allgemeinen Therapie behandelt werden: Bett 
ruhe, Antipyretica und Dinphoretica, warme Umschläge auf die 
afücirte Seite und bei Nachlassen von Fieber und Schmerzen Jod- 
kall zur Anregung der Schleimabsonderung und Verflüssigung des 
Secretes. Da bei diesen Fällen meist Spontanheilung eintritt, und 
die Diagnose durch Untersuchung der Nase nebst Durchleuchtung 
fast immer mit Sicherheit gestellt weitlen kann, so hält Autor so¬ 
wohl Probeausspülung Wie öftere Ausspülung der Kieferhöhle zu 
therapeutischem Zweck von der natürlichen Oeffnung aus für über¬ 
flüssig, die Punction der Highmorshöhle von einer künstlich ge¬ 
setzten Oeffnung (unterer Nasengang) aus im acuten Stadium für 
eontraindicirt. 5 Krankengeschichten zur Illustration. 

2) M y g i n d - Kopenhagen: Lupus vulgaris laryngis. (Mit 
6 Abbildungen im Text.) (Ibid.) 

Autor untersuchte 200 an Lupus vulgaris der äusseren Haut 
leidende Patienten aus Finsen’s medicinischem Lichtinstitut in 
Kopenhagen auf etwaige Mitbetlieiligung des oberen Respirations- 
tractus und fand quoad laryngem bei 20 Individuen, also bei 
10 Proe., ein ausgesprochen lupöses Leiden des Larynx. Dem 
Geschlecht nach prüvalirte das weibliche Geschlecht (15 weibliche 
zu 5 männlichen Personen). In Bezug auf das Alter wurde der 
Kehlkopflupus bei jüngeren Individuen unter 30 Jahren doppelt 
so oft constatirt, als bei Personen über dieser Altersgrenze. Mit 
Ausnahme eines einzigen Patienten fand sich bei sämmtlicheu 
Kranken ein ausgesprochener Lupus cavi nasi, ohne dass jedoch 
eine Propagatlo per continuitatem nach dem Larynx sich nach- 
weisen liess. Autor verbreitet sich über Symptomatologie und über 
die verschiedenen durch die laryngoskopische Untersuchung fest¬ 
gestellten Befunde. Da die Epiglottis vorzugsweise den Sitz des 
lupösen Larynxleidens bildet, schildert Verfasser an ihr die ver¬ 
schiedenen Entwicklungsstadien des Leidens, die er in 5 Abthel¬ 
lungen gliedert: 

1. Subepitheliale, knotenförmige und diffuse lupöse Infiltration 
der Schleimhaut 

2. Stadium der Proliferation der lupösen Knötchen über die 
Oberfläche der Schleimhaut. 

3. Ulceration der lupösen Knötchen. 

4. Ulceration des Knorpels selbst („Die Cartilago epiglottidis 


ist der einzige Larynxknorpel, welcher die Neigung hat, durch den 
lupösen Process destruirt zu werden.“) 

5. Stadium der Narbenbildung. 

Die Krankengeschichten der 20 Patienten sind in extenso dev 
Arbeit angefügt. 

3) B. F r a e n k e 1 - Berlin: Bemerkungen über den übelen 
Geruch aus jdem Munde. (Ibid.) 

Zunächst handelt es sich darum, mit Sicherheit die Nase als 
etwaigen Herkunftsort des Foetors auszuschliessen. Dies gelingt 
dadurch, dass man die Exspirationsluft bei fest geschlossenem 
Munde durch die Nase und dann bei zugehaltener Nase durch den 
Mund ausathmen lässt und beriecht. Mittels eines mit einem feinen 
Wattebausch armirten Tamponträgers betupft man die ver¬ 
dächtigen Stellen des Mundes oder Pharynx; der Geruch des an der 
Watte haftenden Secretes lässt uns daun meist den Sitz des Krank¬ 
heitsherdes linden. Für den Foetor ex ore sind in vielen Fällen 
cariöse Zähne verantwortlich zu machen, nach deren sachgemüsser 
Behandlung der üble Geruch rasch verschwindet. In zweiter Linie 
stammt der Foetor aus den in den Krypten und Fossulis der ver¬ 
schiedenen Tonsillen sich ansammelnden Mandelpfröpfen oder 
kleinen käsigen Abscessen im Gewebe. Durch Amputation der 
Mandeln oder Schlitzung der Fossulae, event. Bepinselung mit 
L u g o 1'scher Lösung sind diese Foetorherde zu beseitigen. Als 
dritter Ort kommen die Flica tonsillaris und der Recessus tonsil¬ 
laris in Betracht, die bisweilen ein „in aashaft stinkender Zer¬ 
setzung begriffenes, eingedicktes Seeret“ enthalten. Ist an den 
angegebenen Orten nichts Pathologisches nachweisbar, und.sind 
auch die tieferen Respirationswege und Oesophagus als Ursprungs¬ 
ort des Foetors auszuschalten, „so müssen wir anuehmen, dass 
Secrete der ganzen Schleimhaut in stinkender Zersetzung 
begriffen sind“. In diesem Falle sind wir auf häutige Ausspülungen 
von Mund und Schlund mit bacterieiden, desodorirenden Medica- 
menteu angewiesen. Erwähuenswerth sind noch diejenigen Fälle, 
bei denen nur eine subjeotive Kakosmie ohne objectiv wahrnehm¬ 
baren Foetor besteht, oder bei denen der supponirte, die Umgebung 
angeblich belästigende Foetor nur in der Vorstellung des Kranken 
vorhanden ist, eine Erscheinung, die z. B. bisweilen bei Hypochon¬ 
drie und echter Paranoia als erstes Zeichen der Erkrankung sich 
einstellt. 

4) Lichtwitz und Sabrazes- Bordeaux: Blutbefund bei 
den Trägern adenoider Vegetationen. (Archlves internationales 
de laryngologie etc. 1899, No. 0.) 

Die Autoren untersuchten das Blut einer Anzahl normaler 
Kinder mit unbehinderter Nasenathmung und ebenso einer Reihe 
von Kindern mit hypertrophischer Rachentonsille im Alter von 
4—15 Jahren auf seine Zusammensetzung und fanden folgende 
Differenzen im Mittel: 


Rothe Blutkörperchen 
Weisse „ 

Haemoplobingehalt 
Neutrophile, polynucleäre 
Zellen: 

Grosse, einkernige Zellen 
Lymphoeyten 
Eosinophile Zellen 


Normal Adenoide Vegetationen 
5,073.880 3,929.505 

8,490 9,487 

82 Proc. 74 Proe. 


73 „ 50,96 „ 

2,4 „ 3,33 „ 

20,12 „ 29,11 „ 

3,44 „ 9,99 „ 

Ob die veränderte Blutbeschaffeulieit sich nur bei Kindern 
mit hypertrophischer Rachenmandel findet, oder ob sie sich bei 
jeder Nasenobstruction, unabhängig von deren Sitz, zeigt, des fer¬ 
neren, ob die bei adenoiden Vegetationen gefundene Formel der 
Blutbeschaffenheit nach Exeision der Rachenmandel sich ändert, 
soll einer folgenden Arbeit Vorbehalten bleiben. 

5) Lichtwitz und Sabrazös: Blutuntersuchung bei 
den Trägern adenoider Vegetationen nach deren Excision. (Ibid. 


1900, No. 1.) 

Von den in der früheren Arbeit eitirteu Kindern mit adenoiden 
Vegetationen (cf. lief. No. 4) wurden 14 operirt; wiederholte, in 
Zwischenräumen von je mehreren Wochen nach der Operation vor- 
geuommene Blutuntersuchuugen ergaben, wie auch die im Text 
angegebenen Tabellen erweisen, dass die Zusammensetzung des 
Blutes sieh nach der Operation durchschnittlich im Sinne normaler 
Procentverhältnisse umwaudelt. Da die „adenoide Kachexie“ 
nicht in gleichem Verhältniss zu dem Volumen der hyper¬ 
trophischen Racheutonsille steht, so dürften diese Untersuchungen 
in den Fällen massiger Rachenmandelhypertrophie im Sinne eines 
operativen Vorgehens verwerthet werden. 

6 ) Kr aus-Paris: Ein neues Instrument zur Rhinoskopia 
posterior. (Mit 1 Abb.) (Annales des maladies de l’oreille, du 
larynx etc. 1900, No. 1.) 

„Rhino-Pharyngoskop“ nennt der Autor das von Ihm ange¬ 
gebene und im Text abgebildete Instrument. Dasselbe besteht aus 
einem in stumpfein Winkel abgebogenen Zuugenspatel, auf dem 
mittels Schraube die gewöhnlichen rhinoskopischen Spiegel flxirt 
sind und leicht ausgewechselt werden können. Durch Vereinigung 
dieser beiden, sonst mit je einer Halid zu haltenden Instrumente 
wird die rechte Hand zu etwaigen Sondirungen oder operativen 
Eingriffen frei, ohne dass man der Mithilfe des Patienten oder 
eines Assistenten zur Fixirung der Zunge bedarf. 

7) F e r r e r i - Rom: Schule und Tuberculose der oberen Luft¬ 
wege. (Mit 2 Abb.) (Ibid.) 

Gestützt auf eigene Beobachtungen, verschiedene Arbeiten 
anderer Autoren und offieielle italienische Statistiken weist 
F e r r e r i auf das häufige Vorkommen von Tuberculose unter deu 
Lehrern und Lehrerinnen hin. So zeigt nach einer Statistik der 


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Original U :.m 

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No. 16. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Lehrerstaud <*ino Mortalität au Tub«*rcul<>so von 70 Proc. Unter 
dieser Kern!sel.-isse lindet sieh häutig eine primäre Larynx- 
piithise ohne Miterkrankung der Lunge. Die Lehrerinnen scheinen 
noch einen bedeutend überwiegenderen Procentsatz an Tuber¬ 
eulose im Vergleich zu den Lehrern zu stellen. Die Tuberculose 
der oberen Luftwege beim Lohrerstand — die Folge des Berufes 
und der ungesunden Sohulverhältuisse. namentlich in den italieni¬ 
schen Elementarschulen — bedarf dringend sanitärer Maass- 
naInnen. Autor gil>t der Meinung Ausdruck, dass man bei der 
Fürsorge für die Schüler die Lehrer zu sehr vernachlässige; ge¬ 
rade die Prophylaxe könne hier sehr gute Früchte zeitigen. Be¬ 
züglich der Vorschläge F e r r e r i's. dies von hygienischen Ge¬ 
sichtspunkten ausgehend, der Verbreitung der Tuberculose in den 
Schulen einen wirksamen Widerstand bieten sollen, muss auf das 
Original verwiesen werden. Im Schluss seiner Arbeit, der sich mit 
der Therapie der Larynxphthise beschäftigt, emptiehlt Verf. bei 
uloerntiven Processen Einreibungen von einer gesättigten Lösung 
von .Jodoform in Aether sulfur. Zur Exeision von tuberculüsen 
Granulationen und Tumoren gibt, er den im Text abgebildeten 
(Mi retten, die, in Olivenforin, gefenstert, nur an einer Stelle 
schneidend, eine Verletzung gesunden Gewebes unmöglich machen 
mul gleichzeitig als Receptaculum für das excidirte Gewebe dienen, 
den Vorzug. 

S> M o n c o r g e - Mont-Dore: Ictus laryngis und Asthma, 
tlbid. No. 2.) 

Unter .18 Patienten mit Ictus laryngis litten 12 an Asthma. 
Die genaue Beobachtung einer grossem Reihe von Kranken mit 
AITeetionen des Respiratioustractus führen Autor zu dem Schlüsse, 
den Ictus laryngis als „parastmathisches Phänomen“ aufzufassen. 
1b Krankengeschichten in extenso. 

b) L u b 1 i n s k i - Berlin: Syphilis der Zungentonsille, nebst 
Bemerkungen über ihre Beziehungen zu der glatten Atrophie 
der Zungenfollikel. (Ibid. No. 3.) 

Luetische Secundärerseheinungen linden sieh ebenso, wie auf 
«len Gaumenmandeln auch auf der Zungentousille. Die Plaques 
umqueuses «lm* Zungentousille sind verbreiteter, wie man im All¬ 
gemeinen bisher glaubte; mit Sicherheit lässt sieh jedoch die 
Diagnose erst durch Nachweis weiterer speeitischer Erscheinungen 
(Erythem) stellen. In der luetischen T«‘rtiärperio«le linden sieh 
in der Zungentousille nmlere Formen, nämlich di«* cireumseripten 
gummösen Knoten «mtweder ob«*n in «1er Sehhmnhaut «»der in den 
submiteöst*n und tnuseulären Regionen in der Tiefe. Besprechung 
<l«-r DiftVreütinldingnose mit andetvn 'rumoren dieser Gegend 
itiefen Fibronn*n. Sarkomen, ('areinomen. (’ysten der Zungen- 
basis. accessoris<*hen Scliilddrüs«*uluppeu}. Im atrophischen, 
ule«*rativen Stadium können Verwechslungen mit zerfallenen ma¬ 
lignen 'rumoren oder tuboreulösen Intiltraten in Betracht kommen. 
Auch «li«*s«* werden diftVrentiahliagnostis«-h besprochen. Was nun 
«lie glatt«* Atrophie der Zungeiibasis anlangt, so gibt es entschieden 
eine solch«* ohne* specitisclie Anteeedeiitien, z. B. diejenige «les 
Greisenalters, eine Folge regr«»ssiver Wriindenmgen «les lym¬ 
phatischen Apparat«*«. Dieselbe bi«*t«*t durchaus kein patlioguo- 
moniseln*s Z«‘ieh«*n für Lues. Die auf hu*tiseh«*r Basis beruhende 
glatt« Atrophie, di«* Ftdgt* ule«*rös(*r, skl«*rosir«*nder. gummöser 
Intiltrate. z«*igt imm«*r Narben an <Iies«*n Stellen, und zwar handelt 
«*s si«*h dann immer um tertiär«* Syphilis. Di«* Seciindäraftectiomm 
«lies«*r G«*g«*nd hint«*rlassen uiemnls im Spi«‘g«*lbihl zu diagnosti- 
ciivmle Narb«*n. H e e h t - München. 

Dermatologie und Syphilis. 

(Schluss.) 

Wechsel manu (Arch.f. Dernmt.50, 1) bringt einen kritischen 
und experimentellen Beitrag zur Lehre von den Antipyrinexan- 
themen nach Versuchen von Prof. IL Kühner. Verf. wendet sieh 
zunächst gegen eine Verallgemeinerung einer von A p o laut (nach 
Versueln ‘11 an «1er eig«*nen Person) anfgestellten Behauptung, dass 
für «li«* Entst(*hiing des lix«*u Antipyrinexantheins «Ile Applications- 
weis«* «l«*s Me«lieam«*nts «>1> innerlich od«*r iiusserli«*h — „absolut 
b«*«l«*utungslos“ s«*i. Es ergibt sieh nun aus den V«*rsu«*hen Ivöb- 
n e Fs. «lass «las Antipyrin bei äuss«*r«‘r Anwendung in Snlhenfonu 
nur dann wirkt, <1. h. das Wie«leraufbliihen ein«*s sogen. ..fixen 
Autipyrinexantlu*ms“ h«*rvomift. w«*un «*s r«*sorbirt winl. örtlich 
aber auf gesunder Haut auch bei bestehender Idiosynkrasie gar 
k»*ineii EflVct veranlasst. Di«* von A poia nt gegelumt* Erklärung 
für «li«- Entst«*lmng «l«*s loealisirt«*n Aiitipyriucxiiuthems, ..dasselbe 
kommt in «h*r W«*is«* zu Stand«*, dass das «len Körpersiiften zu- 
g«*fiihrte Antipyrin direct, lähmend auf «li«* Nervenen«ligung«*u der 
kleinsten Gefässe wirkt“, wird als ganz hypotln-tisch und willkür¬ 
lich zurüekg«*wi(‘S(‘ii. Für die wirklieln* Pathog«*nes«*, das p ri¬ 
llt ii re Zustan«l«*kommen «1er localisirten fixen Antipyrinexantheme 
hat auch Apolant nach der Ansicht der V«*rf. nichts Sicheres 
«laig«*than. Ob üb«*rliaupt eine völlig«- Scheidung d«*sselben von 
d«*m vi«*l hiiiitig«*ren univers«*llen. diss«*minirten Exantlumi nicht 
bloss in klinisch«*!* Hinsicht, sondern auch bezüglich der Patho- 
gi-nese begründ« , t ist, bleibt bei <h*m Vorkommen von Uebergangs- 
fäll«*n zwischen beiden eine offene Frage. Ein Einfluss vaso- 
niotorlsclicr (’«*ntren auf die Erhaltung der Antipyrinexantheme 
ist jedenfalls zur Zeit nicht völlig von der Hand zu weisen. 

Wae 1 sch (Ibid.) hat in einem Fall«* von Pemphigus vegetans 
aus dem Inhalt d»*r serösen uml eitrigen Blasen constant kleine, 
ziemlü'h kurz«*, grainb«*stämlig«» Bacillen g«*zü< ht«*t. «li«* er zu den 
Ps<*u<io»liphth<*riebacill«*n r«*«*hin*t. «li«* and«*i’seits aber durch iln*e 
specitisclie Toxicität: gegeuüber Meerschweinchen ein«* grosse Aehn- 
lichkeit mit dem Löffle r*scheu Bacillus zeigten. Die exacte bac- 


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teriologlsclie Prüfung gab für eine Dlfferenzlrang des gefundenen 
Mikroorganismus vom Löffle rischen Bacillus keine genügenden 
Anhaltspunkte. Ob der gefundene Bacillus für Pemphigus vege¬ 
tans pathogene Bedeutung hat. lässt Verf. dahingestellt, da natür¬ 
lich eine Beobachtung in dieser Richtung nicht genügt. Doch 
dürfte bei weiteren Fällen die von W a e 1 s c h gemachte Beob 
aehtung Berücksichtigung heischen, resp. zu Nachuntersuchungen 
auf fordern. 

II i t s c h m a n n und K r e i b i c h (ibid.) geben einen wei¬ 
teren Beitrag zur Aetiologie des Ekthyma gangraenosum. Sit* 
kommen auf Grund früherer und neuerer Beobachtungen, sowie 
im Einklang mit solchen Escheric h’s zu dem Schlüsse, dass 
dem endemischen Vorkommen des Pyocyaneus eine pathologische 
Bedeutung zugesprochen werden muss, zumal es sich beim Ek¬ 
thyma gangraenosum um Locale hamlelt, in denen sich kranke, 
für diese Iufe«*tion prüdisponirte Kinder aufhalten. Der Bacillus 
pyocyaneus ist als Erreger des Ekthyma gangraenosum anzusehen. 
besitzt somit die Eigenschaften eines für den Menschen pathogenen 
Bacteriums. 

Paul Witte (ibid.) hat in einem Falle gonorrhoischer Bpi- 
didymitis mit Abseessbildung, im Inhalt des letzteren Gonococceu 
nachzuweisen versucht. Sowohl auf Grund dieses Befundes, als 
auch aus theoretischen Erwägungen scliliesst sieh W. der Meinung 
Derjenigen an, welche glauben, dass es sich bei der Epididymitis 
gonorrhoica lim eine Fortleitung des speciüschen Erregers de*’ 
Urethralbleuuorrhoe von der Harnröhre her handelt, dass also die 
Epididymitis bei Gonorrhoe durch den Gonococcus selbst erzeugt 
wird. 

In einer grösseren Arbeit von P i n k u s (ibid. 50, 1 u. 2) linden 
wir sehr beachtenswerte Mitteilungen über die Hautverände- 
rungen bei lymphatischer Leukaemie und bei Fseudoleuk&emie. 
Ohne auf die Details der Arbeit einzugehen, dürfte eine kurze 
Wieilergabe der Schlusssätze 1 und 2 wenig Werth haben. Der 
für uns wichtigste Schlusssatz 8 lautet dahin: Der histologische 
Befund der leukaemischen (und pseudoleukaeinischen) Haut- 
tumoren besteht in einer Lyinphocytenauhüufung im Corium und 
im subeutauen Gewebe, welche am Ort des Tumors selbst aus den 
in der Norm schon vorhandenen lymphatischen Geweben ge¬ 
wachsen ist. nicht durch Zufuhr von LymphocyU-n aus der Blut- 
bahn entsteht. Es handelt sich gewissermaassen um eine lymph¬ 
atische Granulationsgesehwulst. Die Möglichkeit ist nicht aus¬ 
geschlossen, dass zu dieser Lymphocyteuanhäufung im Körper 
nicht allein das Wachsthum des lymphatischen Gewebes, sondern 
ausserdem eine verminderte Lymphocyteuzerstörung im Körper 
beiträgt. 

Die Untersuchungen von Spiegler (ibd. 50, 2) über Endo- 
theliome der Haut betreffen einige Fälle seltener Hauttumoreu, 
die sowohl in klinischer als auch in histologischer Hinsicht inter¬ 
essant sind. In klinischer Hinsicht desshalb, weil das Bild, unter 
dem die Tumoren auf treten, ein überaus ungewöhnliches und frap- 
pfrendes ist, in histologischer Hinsicht sind die Tumoren inter¬ 
essant. wegen ihres Baues und wegen der Schwierigkeiten, die sich 
beim Versuch, dieselben zu classiticiren. ergeben. Erhöht wird das 
Interesse dadurch, dass aus den vom Verf. mitgetheilten Beobach¬ 
tungen sich manche wichtige Anhaltspunkte für die Annahm«* 
einer Heredität gewisser Geschwülste ergeben. Wenn auch in der 
Regel gutartig, sind diese Neoplasmen, welche Sp. auf Grund seiner 
histologischen Untersuchungen als Endotheliome erklärt, doch auch 
einer Umwandlung in bösartige Geschwülste fähig. Das äussere 
Bild der vorwiegend auf dem behaarten Kopf localisirten Neubil- 
«lungen (multiple, dicht aneinander gedrängte Tumoren) ergibt sich 
am besten aus den beigegebenen Abbildungen, die Im Original ein¬ 
zusehen sind. 

A 1 m k v i s t (ibhl.) erstattet kurzen Bericht über die Resultate 
der Behandlung der Augenblennorrhoe mit Largin. Weun die 
Fälle frühzeitig, ehe noch die Cornea ergriffen, in Behandlung 
kamen, war «las Resultat ein durchweg günstiges (2 proc. Largiu- 
lösung). (Die früher übliche Behandlung mit Arg. nitr. dürfte 
unter gleichen Voraussetzungen analoge Resultate erzielt haben. 
Refer.) 

l'linta (ibid.) berichtet über eine Schnellfärbung der 
N e i s s e r’schen Diplococcen in frischen, nicht fixirten Prä¬ 
paraten. Die Objeetträger werden mit einer alkoholischen Vs bis 
1 proc. Lösung von Neutralroth (Grübler) benetzt und getrock¬ 
net. Nach Bedarf nimmt man auf ein Deokgläsclieu ein kleines 
Tröpfchen Eiter, legt es auf das früher zubereitete Objectglas, 
drückt an, und untersucht sofort das Präparat Die Gonococceu 
sind fast die ersten morphotisclien Elemente, die in dem mikro¬ 
skopischen Bilde gefärbt erscheinen. Nachprüfungen dieser be¬ 
quemen Methode sind erwünscht 

Himmel hat (ibid. 50, 3) günstige Wirkung der Röntgen¬ 
strahlen auf den Lupus beobachtet und deren Nebenwirkung 
auf die Haut und ihre Anhangsgebilde studirt Wesentlich 
Neues konnten wir in der Arbeit nicht finden. Was die wohl- 
thätigo Einwirkung der X-Strahlen auf den lupösen Process be¬ 
trifft, so meint der Verf., dass die relativ unschädliche (7) Ent¬ 
zündung der Haut, die nach der Wirkung von X-Strahlen entsteht 
sobald sie das Unterhautzellgewebe erreicht, die Bacillen ver¬ 
nichtet, resp. die kranke Haut einer Heilung entgegenführt. Die 
X-Strahlen sind sohin von grossem Nutzen ln der Therapie des 
Lupus vulgaris, seihst redend wie Verf. sagt, wenn keine neuen 
Knötchen entstehen (sie!). 

R o n a veröffentlicht (ibid.) zwei neue Fälle von Epidermo- 
lysis bullosa, welche einhergingen mit consecutiver Hautatrophie, 
Epidermiscysten und Nagel Verkümmerung (trophlsclien L&esionen); 

Original fro-rri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT. 


553 


hinsichtlich der Frage der Identität dieser Krankheitsbilder mit 
denjenigen der einfachen Epidermolysls bullosa hereditaria (Gold- 
scheide Fs) nimmt K. zunächst eine abwartende Stellung ein. 

Pinkus theilt (ibid.) einen Fall von Hypotrichosis (Alopecia 
congenita) mit; er erklärt denselben unter Bezugnahme auf die 
Untersuehungsergebnisse anderer Autoren, speclell mit Berück¬ 
sichtigung der Bonne t’schen Arbeit über die hypotrichotische 
Ziege als eine Hemmungsbildung. 

J uliusberg (ibid.) widmet der zuerst von Jadassobn 
und N e i s s e r beschriebenen resp. demonstrirten Pityriasis 
lichenoides chronica eine eingehende Besprechung unter Bei¬ 
bringung zweier neuer Fälle aus der Breslauer Klinik. J. hält die 
Pityr. lichenoides chronica für eine eigenartige, 
nur auf die Haut beschränkte Krankheit, ohne Zusammenhang 
mit irgend welchen Störungen des Gesammtorganismus und mit 
vollkommen dunkler Aetiologie. Die mikroskopische Untersuchung 
der Prima refflorescenzen (Stecknadelkopf- bis linsengrosse, ganz 
oberflächliche, flache, rothe Erhebungen mit sehr geringer ent¬ 
zündlicher Infiltration, erst glatt, später mit kleienförmiger, zarter 
Schuppenabscossung) ergibt die Combination einer Parakeratose 
mit einer sehr geringfügigen oberflächlichen, umschriebenen Haut¬ 
entzündung. Eine Heilung tritt weder spontan ein, noch gibt es 
sichere therapeutische Erfolge. Subjec-ttve Beschwerden verur¬ 
sacht die Erkrankung nicht. (Referent kann die vom Verfasser 
versuchte Abtrennung dieses Krankheitsbildes gegenüber atypi¬ 
schen Psoriasisformen nicht als genügend fundirt erachten.) 

Einer Arbeit Kreibic li’s (ibid. 2, 3) über die Histologie 
des Pemphigus der Haut und der Schleimhaut entnehmen wir als 
Hauptergebniss, dass der Krankheitsprocess mit einer acuten 
Entzündung, hauptsächlich der oberen Cutishälfte, beginnt. Von 
diesem klinisch als Erythemfleck charakterisirten Stadium kann der 
Process direct zur Rückbildung gelangen oder es kommt zur Bil¬ 
dung einer Blase nach 2 Typen und zwar nach dem ersten und 
häufigsten Typus zur Blasenbildung zwischen Cutis und Epidermis, 
oder nach dem zweiten in der Epidermis selbst. In beiden Fällen 
erfolgt rasche Ueberhäutung der Basis. Im ersten Falle von der 
Peripherie, von Follikelresten oder von zurückgebliebenen Epithel¬ 
zellen aus; im zweiten Falle durch rasche Theilung der stehen¬ 
gebliebenen Epithelzellen. Heber die Ursache dieser acut ein¬ 
setzenden und meist zur Blasenbildung führenden Entzündung gibt 
die Anatomie leider keinen Aufschluss. Speciell haben bacterio- 
loglsche Untersuchungen des Inhalts frischer Blasen stets, wie 
schon früher, ein negatives Ergebniss gehabt. Schnitte von Pem¬ 
phigusblasen, in weichen nicht bloss die oberflächlichen, sondern 
auch die Gewisse der tieferen Cutisantlieile und der Subcutis eine 
bedeutende Ausdehnung zeigen, stellen den Uebergang zu jenen 
Verhältnissen dar, welche für „Pemphigus foliaceus“ 
charakteristisch sind. Die histologischen Veränderungen bei Pem¬ 
phigus foliaceus sind Charakteristik durch eine bedeutende Aus¬ 
dehnung der Blut- und Lympligefiisse sowohl in den oberen als 
auch namentlich in den tieferen Cutisschichten. Als consecutive Er¬ 
scheinung ist zu betrachten die Durchtränkung und Quellung der 
gesummten Cutis und als weitere Folge der Exsudation die voll¬ 
ständige Abhebung der Epidermis. Die Veränderungen beim 
Schleimhautpemphigus entsprechen tlieils demjenigen 
beim Pemphigus vulgaris, theils den bei Pemphigus foliaceus ge¬ 
fundenen Eaesionen. 

Der von O r b a c k (ibid.) mitgetlieilte Fall von Lichen 
(planus) atrophiciis und Vitiligo dürfte nach den Begleiterschei¬ 
nungen als ein neurotisches Hautleiden aufzufassen sein. Die 
locale Therapie (Pyrogallussalbe) hat gute Resultate gegeben. 

Bornstein (Monatshefte f. prakt. Dermat. XXVIII., 1) 
bringt einen casuistischen Beitrag zur Kenntniss des Pemphigus 
neonatorum acutus. Die Fälle scheinen die Contagiosität der Er¬ 
krankung und auch die Uebertraguugsfähigkeit auf Erwachsene 
zu beweisen. 

Unna empfiehlt als Schleifmittel für die Haut, zur Behand¬ 
lung von Akne und Narben eine überfette Kaliseife mit Schleif¬ 
pulver (Marmor- oder Bimsteinstaub) als Sapo cutifricius: Rp. 
Saponls unguinosi 40.0, Cremoris gelanthi 10.0. Pulveris pumieis 
50,0. Die überfettete Kaliseife mit 10 proc. Gelanth für sich stellt 
eine vorzügliche kokosölfreie Rasierseife dar. Man verordnet diese 
Seife zweckmässig in Tuben und etwas parfümirt. mit Ol. resed. 
oder Ol. verban. 

Colombini (ibid. XXVIII., 2) theilt in seinen klinischen 
und histologischen Untersuchungen über einen Fall von idio¬ 
pathischer Hautatrophie eine Beobachtung mit, welcher durch 
die rasche Ausbreitung des Processes über die gesaramte Hautober¬ 
fläche (in 7 Monaten) interessirt (Extremitäten und Rumpf). 

Unter dem Titel „Serotaxis durch Aetzkalilösungen“ theilt 
Frickenliaus (ibid. XXVIII., 3) eine neue Methode zur Dia¬ 
gnose und Therapie von Hautkrankheiten (speeiell des Lupus) mit. 
Dieselbe beruht im Wesentlichen auf der Anwendung verdünnter 
Lösungen von Kali causticum (3,5— 7V 2 Proc.). 2—3 Minuten nach 
der Betupfung eines vorher der deckenden Hornschicht beraubten 
Lupusknötchens entquillt der betupften Stelle Wasserhelles, etwas 
gallertartiges Serum, in welchem bei Lupus vulgaris ganz regel¬ 
mässig Tuberkelbacillen nachgewiesen werden können. Der inten¬ 
siven Serumanlockung durch verdünnte 1—3,7 proc. Kali-caust.- 
Lösung schreibt Verfasser auch eine treffliche therapeutische 
Wirkung zu. Das Verfahren ist schmerzhaft, der Schmerz aber 
von kurzer Dauer. Auch beim Lupus erythematodes, sowie bei 
Trichophytien wird die Methode ausserordentlich gerühmt. Mit 
derselben hat Verfasser beim Lupus erythematodes Mikroorga¬ 
nismen gewonnep, über welche genauere Mittheilungen noch nicht 

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vorliegen, welche er mit der nothwendigen Reserve als möglicher 
Weise speciflscli für diese Erkrankung erklärt. 

Unna und Schwenter-Trachsler berichten in einer 
längeren Arbeit (Monatsh. f. prakt. Dermat. 5— 8 ) über ihre kli¬ 
nischen, experimentellen und bacteriologisclien Untersuchungen 
über Impetigo vulgaris. Eine geschichtliche Betrachtung aller 
derjengen Arbeiten, welche sich seit Anfang dieses Jahrhunderts 
mit den impetiginösen Erkrankungen der Haut beschäftigen, lehrt 
uns, dass diejenige Form, welche als endemische Kinderkrank¬ 
heit von den Verfassern genauer studirt wurde, und die von ihnen 
unter dem Namen Impetigo vulgaris beschrieben wird, von keinem 
Autor in genau derselben Weise beschrieben wurde, wie sie den 
Verfassern erscheint. Bis zu einem gewissen Grade, aber doch 
nicht in allen Punkten, deckt sich das Bild von Impetigo vulgaris 
mit den bekannten Beschreibungen der Impetigo contagiosa 
(Tilbury Fox). Während man nun aber bisher geneigt war, 
die Impetigo contagiosa als eine oberflächliche Pyodermitis, ver¬ 
ursacht durch Eitererreger verschiedener Art (Staphylocoecen und 
Streptococcen) aufzufassen, bringen die Verfasser den Nachweis, 
und zwar sowohl klinisch als bacteriologisch, dass es sich dabei um 
eine Erkrankung sui generis handelt, welche durch einen be¬ 
stimmten Streptococcus bedingt ist, dass aber das klinische Bild 
der Erkrankung nicht selten durch secundäre Infection des 
Bläscheninhaltes mit den vulgären Streptococcen und Staphylo- 
coccen getrübt wird. Die Sonderstellung der Impetigo vulgaris 
gegenüber Ekzem bedarf keiner weiteren Erörterung. Aber auch 
die Impetigo staphylogenes (Bockhart) ist klinisch und bacterio- 
logisch eine Erkrankung für sich, welche allerdings weniger für 
das kindliche Alter von Bedeutung ist. Ivopp. 


Inaugural-Dissertationen. 

Universität Berlin. Januar bis März 1900. 

1. Schwalbe Carl: Die Kriterien des Nahschusses bei Ver¬ 
wendung rauchschwachen Pulvers. 

2. Henning Max: Ein Fall von congenitaler doppelseitiger 
Oberschenkelfraetur mit Nabelschnurumschlingung bei einem 
ohne Kunsthilfe geborenen Kinde. 

3. Kämpfer Reinhold: Die Augenheilkunde des Alcoatim 
a. d. J. 1159 (Theil VII). 

4. Becker Kurt: Ueber Mesenterialcysten. 

5. Schüler Friedrich: 4 Fälle von Orbitalverletzungen. 

6 . Zander Ernst: Ueber Anaesthetica bei Zahnextractionen 
mit besonderer Berücksichtigung von Stickstoffoxydul und 
Bromäther. 

7. Ivirstein Fritz: Ueber das Pyramklon. 

8 . Landau Bruno: Ueber das gestielte Scheidenliaematom der 
Schwangeren. 

9. Fuhrmann Georg: Ueber Harnrührenstricturen und ihre 
Behandlung. 

10. Kckgren Erik: Zur manuellen Therapie in der Gynä¬ 
kologie. 

11. Wltkowski Arnold: Uteruscarcinom und Gravidität. 

12. Pfeiffer Hugo: Zur Aetiologie und Therapie des Caput 
obstipum musculare. 

13. Bronner Wolf: Die Augenheilkunde des Rhases. 

14. Radin Eugen: Die Hysterie bei den Schwachsinnigen. Stu¬ 
dien über den Parallelismus zwischen dem Geisteszustände der 
Hysterischen und der Schwachsinnigen. 

Universität Bonn. Januar und Februar 1900: Nichts erschienen. 

März 1900. 

1. Ebbinghaus Heinrich: Ueber Amputationsneuralgien. 

2. Mengelberg Robert Wilhelm: Die Behandlung der chro¬ 
nischen Sehnenscheidenentzündung und der Ganglien mit Jodo- 
formglycerininjection. 

3. Mut h mann Arthur: Ein Fall von professioneller Parese 
im Peronealgebiet. 

4. Pape Hermann: Der Erfolg der Behandlung von Prostata¬ 
hypertrophie mit Resection der Vasa deferentia in der Bonner 
Klinik. 

5. Runkel Joli.: Ueber die Verwerthung des Heroins in der 
Kinderpraxis. 

6 . Wahl Fritz: Ueber den Gehalt des Tabakrauches an Kohlen- 
ox yd. 

Universität Breslau. März 1900. 

6 . Miodowski Felix: Zur Casuistik der knöchernen Orbital¬ 
tumoren. 

7. Adler Ernst: Beitrag zur Protargolbehandlung der männ¬ 
lichen und weiblichen Gonorrhoe. 

8 . Gebauer Ernst: Beitrag zur Behandlung der Sarkome an 
den langen Röhrenknochen. 

9. Ponf ick Wilhelm: Zur Anatomie der Placenta praevia. 

10. Bartenstein Ludwig: Zur Bekämpfung der Phthise. 

11. Ehrlich Ernst: Stoffwechselversuche mit phosphorhaltigen 
und plioRphorfreien Eiweisskörpern. 

12. Kobrak Erwin: Beiträge zur Kenntniss des Caseins der 
Frauenmilch. 

13. Schluck mann Walther, v.: Die bacteriologische Con- 
trole von Wasserwerken mit Filtrationsanlagen. 

14. Hasse Carl: Klinische Beiträge zur Pathologie des Thyre- 
oidismus und des „atypischen“ Morbus Basedowii. 

15. Kutner Roinhold: Ueber juvenile und hereditäre Tabes 
dorsalis. 

Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



No. IG. 


554 münuiiener Mi:i)iriMsrnr: Wochenschrift 


16. Winter Julius: Die Struma maligna und ihre Behandlung. 

17. Aslilhara Nobuyuki: Ueber das Lupusearcinom. 

18. Sonnen fei d Julius: Ueber die Frequenz und den Mecha¬ 
nismus der durch Ovarialtumoren hervorgerufeuen Sticl- 
torsiouen und Achsendrehungen des Uterus an der Hand von 
323 Ovariotomien. 

Universität Greifswald. März 1000. 

2. Müller Ferdinand: Ein Beitrag zur Casuistik der Fremd¬ 
körper in Corpore vitreo. 

3. Dogs Karl: Ueber Sprachstörungen nach Schädelfracturen. 

4. Mein er s Clemens: Ueber Patellarluxationen im Anschluss 
an einen Fall von habitueller Luxation der Patella. 

Universität Halle. März 1000. 

1. Franz K.: Bacteriologisclie und klinische Untersuchungen 
über leichte Fiebersteigerungeu im Wochenbett. Ilabil.-Schrift. 

April 1900. 

2. L o li s s e Herbert: Ein Beitrag zu der Lehre von der Ein¬ 
wirkung des heissen Bades auf den menschlichen Stoffwechsel. 

3. Sessous Henri: Ueber die therapeutische Verwendung des 
Jodipin. 

Universität Heidelberg. Mürz 1900. 

4. Fraenkel Fritz: Die Behandlung der Tuberculose mit 
Zimmtsüure. 

5. Ollendorff Arthur: Ueber die Rolle der Mikroorganismen 
bei der Entstehung der neuroparalytisehen Keratitis. 

G. GrandliommeFr,: Ueber Tumoren des vorderen Mediasti¬ 
nums und ihre Beziehungen zu der Thymusdrüse. 

Universität Jena. März 1900. 

6. Röpke W .: Ueber Thierse li’sche Transplantationen. 

7. Voll and Karl: Apoplectischer Insult in Folge eines Erwei- 
ehungslierdes in der Brücke und spätere Dementia paralytica. 

8. Enke Paul: Casuistische Beiträge zur männlichen Hysterie. 

9. Dräseke J.: Beitrag zur vergleichenden Anatomie der 
Medulla oblongata der Wirbelthiere, speciell mit Rücksicht auf 
die Medulla oblongata der Pinnipedier. 

10. Sommer Max: Die Brown-Sdquard’sche Meerschwein¬ 
chenepilepsie und ihre erbliche Uebertragung auf die Nach¬ 
kommen. 

Universität Kiel. März 1900. 

13. Berger Arthur: Fünfundvierzig Fälle von Delirium alco- 
holicum, beobachtet im städtischen Krankenhause zu Kiel. 

14. Daub Karl: Ueber Verletzungen des Ciliarkörpers. 

15. Klausa Karl: Ueber die Entstehung des Magencarclnoms 
aus chronischem Magengeschwüre. Ein Beitrag zur Statistik 
solcher Fälle in den Jahren 1891—1900. 

16. Kok Johannes: Ueber Perityphlitisoperationen In der chirur¬ 
gischen Klinik in Kiel im S.-S. 1899. 

17. Krug Otto: Beitrag zur Statistik der Duodenalgeschwüre 
und -Narben. 

18. Ruthendorf-Przewoski Otto v.: Ueber die Befunde 
bei plötzlichen Todesfällen. 

19. P r i e u r Adolf: Ein Fall von Aneurysma traumaticum der 
Carotis cerebralis dextra. 

20. D a m m a n n Carl: Ueber die Behandlung von Bronchitis und 
Asthma mit Pilocarpin. 

21. Custodia Udo: Ueber perforiroude eitrig-jauchige Endo¬ 
metritis bei Cervixkrebs. 

22. Behr Carl: Ueber Angioma caveruosum und Mittheilung 
eines Falles von Angioma eavernosum permagnum regionis 
lumbalis dextrae. 

23. Baur Erwin: Ueber complicirende Bauchfelltuberculose bei 
Lebercirrhose. 

24. Dyck er hoff 'Wilhelm: Ein Fall von angeborener Aplasie 
beider Nieren und streckenweiser Obliteration der TJreteren. 

25. da Fonseca-Wollheim Bruno: Ein Fall von primärem 
Magenkrebs mit schleimproducirenden Metastasen. 

26. Struve Wilhelm: Ueber Kopftetanus. 

27. Rriickmann Otto: Zur Casuistik der Stichverletzungen 
der Arteria subclavia in der M o h r e n h e i m’sehen Grube. 

28. Greisen Lane: Ueber einen Fall von Pankreascyste mit 
den Erscheinungen des Clioledoohusversehlusses. 

29. Maxen Heinrich: Beitrag zur Kenntniss des Alkoholismus. 

Universität Leipzig. Decembcr -1899 bis Februar 1900. 

1. Acliert Rudolf Eugen: Beitrag zur Kenntniss des primären 
Leberkrebses. 

2. Olaussnitzer Hugo William: Ueber kaemorrhagiseke 
Meningitis bei Scharlach. 

3. E sch Peter: Ueber Dystrophia musculorum progressiva. 

4. Kassel Fritz: Beitrag zur Casuistik der Carcinome des 
Pankreas. 

5. Petzold Johannes: Ueber traumatische Knochenneubll- 
dungen im Musculus quadriceps femoris und Musculus tem- 
poralis. 

6. Radike Richard: Beitrag zur Behandlung der Skoliose. 

7. Richter Paul: Ein Fall von Neuritis mit secundärer Be- 
tlieiligung der Medulla spinalis. 

8. Itocca Curt: Ueber die Wirkung von Mioticis auf die medi- 
camentös erweiterte Pupille. 

9. Schwabach Hugo: Beiträge zur Aetiologie und Histo- 
genese der pseudoleukacmiscken Neubildungen. 


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10. Tscliaeche Hugo: Ueber die Beziehungen von Lungen- 
erkrankuugen, chronische Bronchitis und Emphysem besonders 
beachtet, zu Erkrankungen der Nase. 

11. Wolff David: Beiträge zur Lehre von der Rhinitis fibrinosa 
sive pseudomembranacea. 

Universität München. Februar und März 1900. 

G. W r insauer Fritz: Ueber die Einwirkung verschiedener Sub¬ 
stanzen auf Distomum hepaticum. 

7. H e n g g e Anton: Ueber den distalen Tkeil der Wolf f’sclien 
Gänge beim menschlichen Weibe. 

8. Ulrich Hans: Ueber einen Fall von Sarkom der Lenden¬ 
wirbelsä ulc. 

9. S a 1 f f n e r Ottmar: Zwei Fälle von acuter gelber Leber¬ 
atrophie. 

10. Brunhüb n o r Hans: Zur Casuistik der Hirnsarkome (nebst 
Bemerkungen über die DiiTereutialdiaguose der Kleinbirn- 
tumoren). 

*11. W a p p e n s c h m i t t Otto: Aus dem pathologischen Institut 
zu München. Ueber Landry’sche Paralyse. 

12. Seidel Rudolf: Ueber Fremdkörper im Gehirn, insbesondere 
react ionslos eingeheilte Projectile. 

13. II ö s c h Hugo: Ein Gumma im Rückenmark. 

14. Mund Peter: Ein Fall von vergeblich versuchter vaginaler 
Totalexstirpation des Uterus durcli sofortige Coeliotomia ab¬ 
dominalis glücklich beendet. 

15. Stelzle Eugen: Ueber Epidermolysis bullosa (hereditaria?). 

16. Skia re k Bruno: Experimentelle Untersuchungen über die 
reizmildernde Wirkung der Mucllaginosa bei Entzündung. 

17. Arnold Albert: Ueber einen Fall von allgemeiner Melano- 
sarkomatose. 

Universität Strassburg. März 1900. 

Nichts erschienen. 

Universität Tübingen. März 1900. 

11. I) a i b e r Julius: Ueber Hirnabscess. 

12. Grosser Kurt: Ein Fall von primärer Darmtubereulose. 


Vereins- und Congressberichte. 

Altonaer Aerztlicher Verein. 

(Offlclelles Protokoll.) 

Sitzung vom 7. Februar 1900. 

Vorsitzender: Herr W a 11 i c h s. 

Schriftführer: Herr II e n o p. 

Herr Krause stellt vor: 

1. Kehlkopfoperation. Exstirpation der linken Kehlkopf¬ 
hälfte und der vorderen Wand des Oesophagus mit plastischem 
Ersatz. Patient wurde bereits in der Sitzung vom 13. XII. 99 vor¬ 
gestellt. Die damals in Aussicht genommene Nachoperation, An¬ 
frischung und Naht, um das Kehlkopflumen und die noch vor¬ 
handene Oeffnung im hinteren Abschnitt des Mundbodens zu ver¬ 
sohl iessen, ist ausgeführt, doch trägt Patient noch eine Canüle. 
Er ist jetzt im Stande, wie demonstrirt wird, vollkommen normal 
zu schlucken und wenn er die Canüle zuhält, mit zwar heiserer 
aber durchaus verständlicher und lauter Stimme zu sprechen. 

2. Nasenplastik. Der Patient wurde gleichfalls bereits am 

13. XII. 99 vorgestellt. Der Stiel des früher gebildeten Nasen¬ 
lappens Ist nach dessen völliger Auheilung in einer zweiten Sitzung 
durchtreimt und nach Anfrischung des noch vorhandenen Stirn- 
defects in diesen zurückgepflanzt worden. In einer dritten Sitzung 
endlich wurde der den linken Nasenflügel bildende Lappen von 
seiner Verbindung mit der Wangonbaut wieder gelöst und durch 
flächenliafte Abtragung an der Innen- (Nasenloch-) fläche verdünnt, 
um einen der rechten Seite möglichst ähnlichen Nasenflügel zu er¬ 
halten. Der untere Rand des Lappens, welcher das Nasenloch 
bilden soll, wurde etwa y 2 cm eingeklappt lind diese Eiuklappung 
durch Matratzennähte fixirt. Endlich wurde der Lappen seitlich 
wieder durch die Nähte am inneren Augenwinkel und der Wangen¬ 
haut befestigt. Bei der heutigen Vorstellung des Patienten konnte 
völlige Heilung mit durchaus befriedigendem, kosmetischen Re¬ 
sultate constatirt werden. 

3. Blasenektopie bei einem 9 jährigen Knaben. Nach Er¬ 
örterung der heute üblichen Operationsmethoden wird die in 
diesem Falle vorgenommene Operation erklärt. Nach Einführung 
zweier Nelatonkatheter in dieUreteren wurde rings herum 2—3 mm 
von der Grenze der epidermisirten Schleimhaut die Anfrischung 
bis zur Glans penis gemacht, darauf die Blase eingestülpt und 
die Wimdründer unter Vermeidung der Schleimhaut vernäht. Vor 
Schluss der beiden mittelsten Nähte wurden die Katheter ent¬ 
fernt und statt dessen in den oberen Wundwiukel ein Drain, unten 
ein dünner Nelatonkatheter in die Blase geschoben. Ueber der 
Bla^nnaht wurden die Weichtheile in 3 Schichten vernäht und 
zwar zuerst Naht der vorderen abpräparirten und nach hinten uin- 
gesclilagcncn Rectussclieide, darüber Naht des Rectusfleisches und 
endlich Hautnalit. Da die unteren 3 cm in Folge Klaffens der 
Symphyse sich nicht ohne Weiteres vereinigen lassen, wurde der 
knorpelige Ansatz des Rectus am oberen Seiiambelnast beiderseits 
abgelöst und in der Mittellinie vereinigt Der Penis wird ober- 

Qrigircal fro-rn 

, , UN I VERSITY JE CALIFORNIA - - 





17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


555 


fläcblich durch Seidennälite geschlossen. Dauer der Narkose 
3 y 2 Stunden. Der nach der Operation collabirte Patient hat sich 
völlig wieder erholt. Die Blasennaht hat überall gehalten und die 
Yerscliliessung der Harnblase, die früher als tumorartiger Wulst 
zu Tage lag, ist gelungen, die Urethranaht ist Dis auf einen ge¬ 
ringen Theil an der Glans aufgeplatzt und soll demnächst wieder¬ 
holt werden. Der Urin läuft vom unteren Winkel der 
Blasennaht ab. Die Operation ist ein sehr grosser Eingriff und 
daher nur bei älteren Kindern zulässig. 

4. Mesenterialcyste. Der 44 jährige Patient gibt an, seit 1893 
wiederholt einen Blutsturz gehabt zu haben. Im November 1808 
hatte er einen Kolikanfall mul klagt seitdem über ziehende 
Schmerzen im Leibe. Im letzten Vierteljahr bemerkte er eine 
stetig wachsende Geschwulst unter dem linken Kippenbogen. Bei 
der Aufnahme fand sich eine grosse, prall elastische Geschwulst, 
welche sich im Epigastrium von der vorderen rechten Axillar¬ 
linie über die Höhe des Nabels bis zur linken Mammillaiiinie er¬ 
streckte. Die Oberfläche der Geschwulst war glatt, an einigen 
Stellen flach eingezogen, die Haut überall stark gespannt, aber 
nicht mit der Geschwulst verwachsen. Die Laparotomie zeigte, 
dass es sich um eine Cyste des Mesenteriums oder des Pankreas 
handelte. Nach Entleerung der etwa 4',i» 1 betragenden Flüssigkeit 
wurde die Cystenwandöffnung mit dem Peritoneum und der Haut 
vernäht und in die Cyste 2 «licke Drains eingeführt. Die Flüssigkeit 
enthielt sehr viel Cliolestearin, Feit und braunes Pigment, Trypsin 
ist nicht naeligewiesen. Der Zustand des Patienten ist ein guter. 

5. Schwere Maschinenverletzung. Es handelt sich bei dem 
17 jährigen Patienten um eine mehrfache complicirte Fractur des 
Radius und der Ulna an ihrem distalen End«» mit circularer fast 
% «les Unterarms einehmender Abreissung der Haut, so dass 
sämmtliche Streck- und Beugesehnen frei lagen. Nachdem «lie arg 
verunreinigte Wunde aseptisch ge worden war, wurde der grosse 
Hautdefect durch T h i e r s c lösche Transplantationen gedeckt. 
Zur Zeit ist die Wundfläche bis auf eine Fructurstelle, an der noch 
nekrotischer Knochen frei liegt, epidermisirt. Die Knochen sind 
consolidirt, Patient macht Bewegungsübungen. Durch die con- 
smvative Behandlung ist ein Glied erhalten worden, das auf’s 
Allerschwerste verletzt war. 

0. Spina bifida lumbalis. Der jetzt 2 jährige Patient wurde 
kurze Zeit nach der Geburt von anderer Seite operirt. Sehr bald 
nach Heilung der Operationswunde trat ein stetig zunehmender, 
jetzt kolossaler Ilydrocephalus auf, daneben besteht Paraplegie 
beider Beine, Blasen- und MastdarmUihnumg. Die Intelligenz des 
Kindes ist relativ gut. Bei Erörterung der Formen und heute 
üblichen Operationsmirthodeu der Spina bitida betont Krause, 
dass er wiederholt nach Schrumpfung des Sackes, möge sie durch 
Kxcisioii oder durch Einspritzung von Jodlösungen erreicht worden 
sein, Ilydrocephalus hat Auftreten sehen. Ihm scheint die Ein¬ 
spritzung von L u g o l’scher Lösung noch am ersten empfehleus- 
werth. 

7. Spinale Kinderlähmung schwerster Art. Die 18 jährige 
Patientin gibt an, «lass sie s«*it «ler Geburt gelähmt sei. Das linke 
Bein ist völlig gelähmt und im Wachsthum stark zurückgeblieben, 
der Fuss steht in starker Supinations- und leichter Adduetions- 
st«llung. Rechts sind der Extensor cruris und die Peronei er¬ 
halten, der Fuss steht in Pronations- und massiger Spitzfuss- 
stellung. Patientin vermag nur mit 2 Krücken zu geh«*». Rechts 
ist vor Kurzem die Arthrodese des Talo-Cruralgelenks ausgeführt; 
um den vorderen dadurch noch nicht iixirten Theil des Fusses 
brauchbar zu machen, sollen die erhaltenen Peronei mit den Streck- 
sehuen vereinigt werden. Links soll «lie Arthrodese des Knie¬ 
gelenks und zur Verlängerung des Beines die Wladimirow- 
M i k u 1 i c z’sclie Operation ausgeführt werden. 

8. Tuberculose des Ellbogengelenks. Bei der (X) jährigen 
Patientin ist im Juli vorigen Jahres die typische Resection des 
Ellbogengelenks wegen schwerer Tuberculose ausgeführt worden 
und völlige Heilung erzielt. Die passive B«‘weglichkeit ist voll¬ 
kommen frei, dabei b(*st«*lit kein Schlottergelenk, activ vermag 
Patientin die Hand bis zur Nase zu führen, ein Resultat, das als 
gut l»ezeichnet werden muss. B«»i einem intelligenten und energi¬ 
schen Patienten hätte in diesem Falle wohl vollkommene Ge- 
brauclisfähigkeit des Armes erivicht worden können. 

Meyer- Altona. 


Biologische Abtheilung des ärztlichen Vereins Hamburg. 

(Offlclelles Protokoll.) 

Sitzung vom 20. Februar 1900. 

Vorsitzender: Herr I) u n 1> a r. Schriftführer: Herr Drey c r. 

I. Demonstrationen. 

Herr Fraenkel, dem es gelungen ist, den bisher fehlenden 
Nachweis von Typhusbacillen in der Haut bei Roseola typhosa 
zu erbringen, demoustrirt mikroskopisch Schnitte und Mikrophoto¬ 
gramme solcher von 2 Roseolen Typhuskranker und bespricht die 
Methode d«»s Bacillennachweiscs. 

Die Untersuchung« 1 » des Vortragenden haben nicht nur 
die Anwesenheit der Bacillen im G «» w r e b e ergeben, 
sondern auch festgestollt, dass es sich bei der R«>seola typh. 
nicht bloss um eine einfache Hauthyperaemie, sondern um g u t 
sichtbare Gewebsveränderungen handelt. 

Im Einzelnen bemerkt F., dass die Bacillen nicht diffus in 
der von einer Roseoie occupirten Haut zerstreut liegen, sondern 
auf eine ganz umschriebene Stelle beschränkt sind und zwar kommen 
nach den Befunden des Vortragenden Verschiedenheiten vor. 

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Entweder sitzen die Bacillen im Papillarkörper oder in der Pars 
reticularis, wobei die Art der Anordnung genau derjenigen ent¬ 
spricht, wie man sie in anderen von Typhuskranken stammenden 
Organen (Milz, Leber) anzutreffen pflegt. 

In dem orsteu untersuchten Fall linden sich die Bacillen im 
G e f ä s s b e z i r k einer einzigen Papille und zwar einer 
im C’ciitriim «ler ltoseole gelegenen Papille, während die den peri¬ 
pheren Abschnitten der Koseoie entsprechenden Papillen voll¬ 
kommen frei und auch histologisch unverändert sind. Dagegen er¬ 
scheint die die Bacillen beherbergende Papille ganz auffallend ge¬ 
schwollen und sehr viel zellreicher als die benachbarten. Der 
Zellreiclithum ist ausschliesslich auf eine Yergrösseruug und Ver¬ 
mehrung der fixen Biml ege webszellen zu setzen, während Leuko- 
cytenansammluiigeii vollkommen fehlen. Endlich ist im Bereich 
der Baeterienansiedeluiig im Papillarkörper auch der Zusammen¬ 
hang zwischen Oberhaut und Lederhalit gelockert. 

In der von einem z w eiten Fall stammenden Roseoie er¬ 
wies sich der Papillarkörper vollkommen intact, ebenso auch die 
Verbindung zwischt*» diesem und Oberhaut. Hier war die I n - 
v a s i o ii der B a c i 11 e u in die Pars reticularis 
cutis erfolgt und zwar wiederum uur an ganz umschrie¬ 
bener Stelle i m C o ntrum der R o s e o l e. Die Bacillen 
lagen hier in unmittelbarer Umgebung eines Arrector pili, wmderum 
in d«?r für Typlmsbacillen in ander«*» Organen charakteristischen 
Anordnung. Auch liier ist es nur in der unmittelbaren Umgebung 
der Bacterienansl«*dlung zu einer Schwellung der fixen Gewebsele- 
mente gekommen, während Leukoeytenauhäufuugen, ebenso wie 
in Fall I, vollkommen fehl«*». 

Herr F. behält sich eine eingehende Darstellung seiner Be¬ 
funde vor. 

Herr Simmonds: Ueber Trauma und Fettgewebsnekrose 
des Peritoneum. 

M. H.! Vor 2 Jahren stellte ich Ihnen 2 Fälle von disseminirter 
Fettgewebsnekrose des Peritoneum vor, in welchen ein Trauma 
eine wichtige Rolle in der Anamnese spielte. Im ersten Falle hatte 
eine Frau wenige Wochen vor ihrer Erkrankung an Pankreas¬ 
nekrose mit Fettnekrose des Bauchfells einen Fusstritt gegen das 
Abdomen erlitten, im zweiten schloss sich der Proeess unmittelbar 
an eine Scliussveiietzuug des Pankreas an (diese Wochenschr. 1899, 
No. Öl. Heute kann ich Ihnen über eine dritte derartige Beobach¬ 
tung berichten. 

Ein 39 jähriger Mann — Potator — stürzte Ende December 
eine hohe Treppe hinab und erlitt dabei schwere Contusionen, 
deren Rest«* sieh noch auf dem Sectionslisclie in Form von rost¬ 
farbenen llenlen dt*r Hirnrinde nach weisen Hessen. Unmittelbar 
nach dem Sturz empfand er heftige Schmerzen im Rücken und in 
der Magengegend. 4 Tage später wiederholten sich dieselben 
Schmerzen und währten mehrere Stunden. Endlich, am 15. Tage 
nach der Verletzung, stellten sich die Schmerzen wiederum in 
heftiger Welse ein, verschwanden diesmal nicht wieder, sondern 
eombinirten sich mit Erbrechen und schweren Allgemeinstörungen. 
Bei seiner Aufnahme im Krankenhause wies Alles — die Sehmerz- 
haftigk«*it. der Meteorismus, die Obstipation, das Erbrechen, der 
schlechte Allg«»meinzustaiul — auf t*i»e Peritonitis hin. Im Ver¬ 
laufe «ler näehstt ‘11 Woche bildet«* sich «lann allmählich eine deut¬ 
liche Resistenz in der R«*gio «»pigastriea aus. Mau incitlirte und 
gelangte in «»ine grösst*. hinti*r dem Magen gelegene, mit bräunlicher 
Flüssigkeit und Gewebstetzen erfüllte Höhle. Wenige Tage später, 
— 3 Wochen nach Beginn der Erkrankung, 5 Wochen nach dem 
Unfall -- starb der Mann, nachdem sich die Zeichen einer Pneu¬ 
monie hinzugesellt hatten. Die Autopsie bot «las typische Bild einer 
disseiuinirten Fettgewebsnekrose in der Peri¬ 
toneal li ö hie mit G a n g r a e n des Pankrea s. Ueber- 
all war «lie Serosa, «las grössere Netz, besonders aber auch das 
retroperitoneule Fettgewebe dicht besetzt mit kleinsten bis erbsen¬ 
grossen woisse», gelb«*» und zum Theil carmoisiurothen Herden. 
Die eröffnet«* Höhle «nitsprach der Bursa omeutalis, in deren Grund 
das völlig unkenntliche, morsche, sehwurzbraune, brandige Pan¬ 
kreas lag, von welchem nur ein tauboneigrosses Stück am Kopf 
uml Schwunztheil sich intact gelullt«*» hatte. Das umgebende 
retroperitoncale Gewebe war zerfetzt, missfarbig, die angrenzende 
Magensorosa zerstört. Die mikroskopische Untersuchung des frei¬ 
gebliebenen Pankreasrestes ergab normale Verhältnisse, der nekro¬ 
tische Abschnitt zeigte nur Pigineiitsehollen, Detritus und strue- 
turlose Massen. Die bacteriologische Prüfung Hess zahlreiche ver¬ 
schiedenartige Mikroben erkennen. Die Uebertragung eines bran¬ 
digen Gewebstheiles in den Bauchsack eines Kaninchens blieb 
ohne Wirkung. 

Wir hatten es also wiederum hier mit einer Gangraen des Pan¬ 
kreas und disseminirter Fettnekrose des Peritoneum zu thun, die 
sich an ein schweres Trauma allgeschlossen hatten, und es liegt 
da gewiss nahe, an einen Zusammenhang zwischen beiden zu 
«lenken, etwa der Art, dass durch die Verletzung eine Quetschung 
o«ler Blutung oder Gefässverlegung im Pankreas herbeigeführt 
wurde, die w«*iterhjn zu einer ausgedehnten Erkrankung dieses 
Organs mit daran sich anschliessender Fettgcwehsuekrosenblldung 
im Peritoneum führte. Man darf einen solchen Zusammenhang 
um so eher voraussetzen, als auch von anderer »eite Mittheilungen 
über das Auftreten von Fettgewebsnekrose» dos Peritoneum nach 
Verletzungen vorliegen und vor Allem die schönen experimentellen 
Untersuchungen von Katz und Winkler den Beweis dafür 
geliefert haben, dass schwere Laesionen des Pankreas typische 
Fettgewebsnekrosen zur Folge haben können. 

Nicht allein aus theoretischen, sondern auch aus praktischen 
Gründen verdient die aufgeworfene Frage unsere Aufmerksamkeit, 


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No. 16. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


da jeder Zeit ein Gutachten von uns darüber gefordert werden 
kann, ob eine tödtiich verlaufene Fettgewebsnekrose mit einem 
vorausgegangenen schweren Unfall in Verbindung zu bringen sei. 
Ich würde in einem Falle, wie dem vorgetragenen, nicht anstehen, 
diese Frage in bejahendem Sinne zu beantworten. 

Discussion: Herr F r a e n k e 1 bemerkt, dass er im 
Gegensatz zum Vortragenden an der Ueberzeugung festhalte, dass 
bei der Fettgewebsnekrose des Peritoneum die Traumen stets eine 
secimdiire Rolle spielten. 

Herr Rumpf fragt an, ob bei dem demoustrirten Fall sich 
Zucker im Urin habe nach weisen lassen, was Herr S i m m o n d s 
verneint. 

Herr W iesiuger bemerkt zu dem Falle, dass bereits bei 
der Operation sich reichlich nekrotisches Fettgewebe vorgefunden 
habe. 

Herr Lochte stellt einen Kranken mit einem Erythema 
exsudativ, multiforme (Varietät Erythema iris) vor. Gleichzeitig 
bestehen zahlreiche linsengrosse, zum Theil eouiluirende Erosionen 
der Mundschleimhaut, die als Theilerscheinung der Krankheit 
aufzufassen sind. Differentiadiaguostisch kommen Sclileimhaut- 
pemplilgus, Syphilis und Arzneiexanthem in Betracht 

II. Vortrag des Herrn Vogel: Ueber Formalindesinfec- 
tion. 

Vortragender bespricht die Entwicklung der Desinfeetion 
mit Formaldehyd, durch welche nicht nur eine Vereinfachung, 
sondern auch eine Verbesserung des bestehenden Verfahrens 
der Wohnungsdesinfection angestrebt wird. Die Vorzüge des 
Formaldehyds, vor Allem seine energische desinficirende Energie 
und seine Eigenschaft, die Integrität der Desinfectionsobjecte in 
keiner Weise zu verletzen, sichern ihm zweifellos eine gewisse 
Fcberlcgenheit über die anderen bekannten gasförmigen Des- 
inticieut ien. Bei Versuchen im hygienischen Institut zu Hamburg, 
in welchem fast sämmtliclie zur F.-Desinfection empfohlenen 
Verfahren und Apparate auf ihre Verwendbarkeit in der Praxis 
hin geprüft wurden, gingen feine Polituren, auch ganz frische, 
vergoldete, versilberte und broncirte Gegenstände, sowie feine 
Seidenstoffe vollkommen unversehrt aus der Behandlung mit F. 
hervor. Bei diesen Nachprüfungen hat es sich gezeigt, dass die 
im Hamburger Institut erhaltenen Resultate in der Regel wesent¬ 
lich ungünstiger waren, als die von den Erfindern und Construc- 
teuren der betreffenden Apparate publicirten. Nach Ansicht des 
Vortrag, liegt dies wohl in erster Linie an der Verschiedenheit 
der verwendeten Testobjeete, sowie an der Behandlung dieser 
Objecte vor und nach der Desinfeetion. Es wäre entschieden 
zu wünschen, dass man sich bei der Auswahl und Vorbereitung 
der Testobjecte nach bestimmten Vereinbarungen richten würde, 
da nur so vergleichbare Resultate erhalten werden können. Es 
ist durchaus nicht gleichgiltig, ob die verwendete Bacterienart 
auf Stoffläppehen auf gestrichen, an Seidenfäden oder Deck¬ 
gläschen angetrocknet zum Versuche gelangt, oder ob man viel¬ 
leicht auf Nährböden entwickelte Culturen dem Desinfections- 
mittel aussetzt. Ferner ist es für die Resistenz der Objecte von 
der grössten Bedeutung, ob sie, von festen Culturen stammend, 
mittels Oese ausgestrichen werden, oder ob die Läppchen, 
Fäden etc. mit flüssigen Culturen getränkt werden. Die an 
Seidenfäden oder Glassplitter angetrockneten, sowie vor Allem 
die aus flüssigen Culturen stammenden oder nachträglich ange¬ 
feuchteten Testobjeete müssen gegenüber der F.-Wirkung als 
leicht ab t öd t bar bezeichnet werden, während Ausstriche 
von festen Culturen auf trockene Leinenläppehen sich stets als 
schwer a b t ö d t b a r erwiesen. Diese Verschiedenheiten 
gehen (nach Untersuchungen von Herrn Dr. Butten her g) 
zuweilen so weit, dass bei ein und demselben Versuche Milzbrand¬ 
sporen abgetüdtet wurden, an gleichen Punkten deponirte Cho¬ 
leravibrionen dagegen am Leben blieben. Die Bebrütung der 
desinficirten Objecte sollte stets in flüssigen Substraten erfolgen. 
Eine Behandlung mit. Ammoniak ist, wenigstens bei denjenigen 
Verfahren, welche das F. schon nach beendeter Wohnungs- 
desinfection durch Zuleiten von Ammoniak neutralisiren, nicht 
erforderlich. Die Beobachtung der Culturen soll sich auf min¬ 
destens 8 Tage erstrecken, denn es kommt zuweilen vor, dass erst 
5—6 Tage nach der Aussaat Waehsthum cintritt.. 

Im hygienischen Institut sind bei sehr zahlreichen Ver¬ 
suchen geprüft worden: die Lampen von Barthel und 
Krell, der Autoclav von Tr i 11 a t, die Apparate von Rosen¬ 
berg, Schering (Aesculap) und Walther-Schloss- 
man n. Die erzielten desinfectorisehen Erfolge waren, von 
dem Walther-Sc lilossman n’schen Apparate abgesehen, 
durchweg weniger günstig, als die von den Erfindern erhaltenen. 

Es konnten überhaupt die, neuerdings besonders von Flügge 
in klarer Weise dargelegten, Mängel und Nachtheile der ge- 

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nannten Verfahren in jeder Beziehung bestätigt werden. Der 
Lingne r’sehe (W alther-Schlossman n’sche) Apparat 
lieferte in Folge der grossen zu verwendenden Formalinmengc 
ein gutes baeteriologisches Ergebniss, wir empfanden aber, ebenso 
wie viele andere Autoren, die diesen Apparat benutzten, den auf 
den Mobilien entstehenden schmierigen Glycerinüberzug als un- 
gemein störend und lästig. 

Wirklich zufriedenstellende, mit den Resultaten des Erfinders 
gut übereinstimmende Ergebnisse, erhielten wir bei sehr zahl¬ 
reichen Versuchen mit dein F 1 ü g g e’schen Apparat, wenn wir 
die erforderlichen Bedingungen: gute Abdichtung der Räume 
und genügender Wassergehalt der Luft, erfüllten. Der Flügge- 
sclic (Breslauer) Apparat übertrifft an Einfachheit der Hand¬ 
habung und Sicherheit der Wirkung ohne Zweifel alle genannten 
Apparate, wenngleich auch wir die schon von Flügge ausge¬ 
sprochene Ansicht theilen, dass (von den Formalinlampen abge¬ 
sehen) alle erwähnten Verfahren bei Anwendung der erforder¬ 
lichen E.-Menge, bei guter Abdichtung der Räume und ge¬ 
nügendem Feuchtigkeitsgehalte der Luft Zufriedenstellendes 
leisten. Der F 1 ü g g e’sche Apparat wird aber wegen seiner Ein¬ 
fachheit doch vorläufig obenan stehen. 

Herr Professor Dun bar hat den Rüthe-Grüne- 
w a 1 «Eschen transportablen Dampfentwickler bei einer Anzahl 
von Versuchen mit gutem Erfolge als Formaldehyderzeuger ver¬ 
wendet. Bei diesem Apparate werden brennende Flammen, die 
zuweilen doch wohl eine gewisse Feuersgefahr bedingen könnten, 
überhaupt nicht in den zu desinficircndcii Raum gebracht. Die 
Versuche wurden so ausgeführt, dass der Dampfentwickler mit 
den glühend gemachten Bolzen im Zimmer Aufstellung fand, 
und dann von aussen her mittels eines durch das Schlüsselloch 
geführten Gummischlauches Von einer erhöht stehenden Flasche 
nus die erforderliche, in entsprechender Weise verdünnte, For¬ 
malinmenge zugeleitet wurde. So gelingt es, in wenigen. Minuten 
mehrere Liter Flüssigkeit zu verdampfen. Der Desinfections- 
effeet war bei Verwendung der von Flügge angegebenen 
Mengen (2,5 g Formaldehyd pro Kubikmeter bei 7 stündiger 
Einwirkung) ein ebenso guter, wie bei Benutzung des Breslauer 
Apparates. Der Anwendbarkeit dieses Apparates in der Praxis 
steht aber seine geringe Handlichkeit, vor Allem aber die Noth- 
wendigkeit, stets ein starkes Feuer zur Erhitzung der Bolzen 
zur Verfügung zu haben, störend im Wege. 

Mit den Apparaten von Chaplewski, Prausnitz 
und dem combinirten Aesculap (Schering) werden gegen¬ 
wärtig im hygienischen Institute vergleichende Versuche aus¬ 
geführt, die noch nicht abgeschlossen sind. 

E noch hat neuerdings die Oarboformalbriquettes von 
Krell und Elbs zu Desinfectionszwecken empfohlen. Vor¬ 
tragender führt die guten Resultate, welche Enoch erhielt, 
z. Th. auf die geringe Resistenz seiner Testobjeete (Seidenfäden) 
zurück, und hält auch das zur Erzeugung des erforderlichen 
Wassergehaltes empfohlene Ausgiessen von warmem Wasser auf 
dem Fussboden oder das Auf hängen feuchter Tücher in vielen 
Fällen nicht für anwendbar oder ausreichend. 

Die sämmtlichen genannten Apparate werden demonstrirt 
und in Thätigkcit vorgeführt. 

Discussion: Herr Enoch zeigt die Carboformalbriquetts 
Krell-Elbs’ vor, deren Verwendungsweise er kurz darlegt Fester 
Paraformaldehyd, der in einer Kohlehülse liegt, wird durch die 
glimmende Kohle zu Formaldehyd vergast. Die uöthige Menge 
Feuchtigkeit wird den Räumen durch Ausgiessen von warmem 
Wasser oder Aufhängen nasser Tücher mitgetheilt. E. hält diese 
Feuchtigkeitszufuhr nach seinen Versuchen für genügend, da die 
Hygrometer irn Desinfectionsraum auf 95 stiegen. Luftcirculation 
wird durch Auf stellen der Briquotts in verschiedener Höhe des 
Zimmers bewirkt. Die Versuchsergobnisse von E., welche als Con- 
trolen der Nowa c k’schen Arbeit gemacht sind, und desshalb 
auch mit den gleichen Testobjecteu, sind sehr günstige, und glaubt 
E., dass die einfachen Carboformalbriquetts den Immerhin um¬ 
ständlichen, theueren und zum Thell feuergefährlichen grossen 
Formaldehydentwieklungsapparaten recht gut nebengestellt werden 
können. (Vergl. Hygienische Rundschau 1899, No. 25.) 

Herr Dunbar weist darauf hin, dass ein gewisser Wider¬ 
spruch in den Darlegungen des Herrn Dr. Enoch Insofern ent¬ 
halten sei, als Herr Enoch einerseits behaupte, die von ihm 
empfohlene Anwendung der Carboformalbriquetts sei gleich¬ 
wertig mit der F1 ü g g e’scheu und anderen complicirteren 
Methoden, andererseits aber angebe, dass er nur Versuche mit 
leicht abtödtbaren Testobjecten angestellt hätte. Man wisse nun, 
dass leicht abtödtbare Testobjeete auch durch solche Formaldehyd¬ 
apparate abgetödtet würden, die heute als unbrauchbar allgemein 
verworfen würden. Der Vorzug des Flügge’schen Apparates 
und der übrigen von Herrn Dr. Vogel demonstrirten neueren 


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17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


557 


Apparate liegt nun aber, wie D u n b a r darlegte, gerade darin, 
dass neben den leicht abtödtbaren Testobjecten auch die schwerer 
abtödtbaren Testobjecte vernichtet werden. Herr Dr. Bnoch 
habe den Nachweis nicht erbracht, dass dieses durch die Carbo- 
formalbriquetts geschehe. 

Uebrigens sei die in zahlreichen Literaturangaben hervorge¬ 
tretene Meinung irreleitend, als ob man mittels Formaldehyd Milz¬ 
brandsporen mit Sicherheit abtödten könnte. Wie Herr Dr. Vogel 
auf Grund der umfangreichen, unter Dunbar's Leitung aus- 
geftilirteu Untersuchungen mit Recht hervorgehoben hätte, müsste 
man Sporenbildner als der Formaldehyddesinfection nicht sicher 
zugänglich von vornherein ausscheiden. 

Die von Dr. E n o c h empfohlene Wasserverdunstung durch 
aufgehängte feuchte Tücher, welche Dunbar als freiwillige Ver¬ 
dunstung bezeichnen möchte, hält Letzterer für durchaus minder- 
werthig gegenüber der künstlichen Wasserverdampfung, wie sie 
bei dem Breslauer Apparat und anderen neueren Formaldehyd¬ 
apparaten zur Anwendung kommt. D u n b a r glaubt die frei¬ 
willige Verdunstung um so weniger empfehlen zu dürfen, als die 
künstliche Verdunstung des nothwendigen Wasserquantums das 
Verfahren nicht erheblich erschwere oder vertheuere. 

Dunbar weist darauf hin, dass der zur Zeit am meisten 
umstrittene Punkt, betreffend die Grenzen der Anwendbarkeit des 
Formaldehyds In der Frage liege, ob man bei allen Krankheiten, 
wo desinflcirt werden soll, neben dem Formaldehyd auch noch das 
jetzt übliche Desinfectionsverfahren unter Mitnahme bestimmter 
Gegenstände ln die Desinfectionsanstalt zwecks Dampfdesinfection 
beibehalten soll, oder aber ob man nach dem Vorgänge F1 ü g g e’s 
eine bestimmte Krankheitsgruppe (Tuberculose, Diphtherie, In¬ 
fluenza, Scharlach, Masern) festlegen solle, bei denen die Formal¬ 
dehyddesinfection genüge, um sümmtliehe vorhandenen Objecte 
zu desinficiren, bei der übrig bleibenden Gruppe von Krankheiten, 
nämlich Typhus, Cholera, Ruhr, Pocken, Pest, Kindbettfleber, aber 
von der Formaldehyddesinfection überhaupt absehen solle. 

Im Hinblick darauf, dass der Hauptvortlieil der Formaldehyd¬ 
desinfection, wie Flügge sehr treffend hervorgehoben habe, ge¬ 
rade darin liegt, dass bei einer grossen Zahl der Krankheiten 
die ganze Desinfection bei Formaldehydanwendung in den 
Krankenstuben selbst erledigt werden kann, ohne dass irgend 
welche Objecte aus dem Hause entfernt werden, möchte D u n b a r 
die von Flügge vorgeschlagene Begrenzung der Anwendung des 
Formaldehyds für die empfehlenswertheste halten, nicht aber das 
kürzlich von verschiedenen Seiten empfohlene Vorgehen, wonach 
bei allen Krankheiten bestimmte Objecte der Formaldehyddesinfec¬ 
tion, andere aber anderweitigen Deslnfectionsmethoden unterzogen 
werden. 

Herr F r a e n k e 1 ist der Ansicht, dass, da nur sehr wenige 
Infectionskrankheiten sich der Formalindesinfection als zugänglich 
erweisen, die Zahl der nach dieser Methode ausgeftihrten Desinfec- 
tionen eine nur geringe sein werde. 

Herr D u n b a r erwidert, dass nach Ermittelungen von 
Flügge die grösste Zahl aller Desinfeetionen — bis zu 80 Proc. — 
allein schon auf die Diphtherie entfalle und dass demnach In der 
Praxis nur sehr -wenig Desinfeetionen der Formalinmethode sich 
entziehen würden. 


Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln. 

(Bericht des Vereins.) 

Sitzung vom 13. November 1899. 

Vorsitzender: Herr Leichtenstern. 

Schriftführer: Herr Dreesmann. 

1. Herr W o 1 f f bespricht eine von Bardenheuer ange¬ 
wandte Methode, durch die es gelingt, Schlottergelenke der 
Schulter zu beseitigen, wie solche im Anschluss an ausge¬ 
dehnte Resectionen des oberen Humerusschaftes zu resultiren 
pflegen: Die Resectionsfläche des Humerus wird an die angefHsehte 
Cavitas glenoidalis scapulae mit einem langen Nagel angenagelt; 
zwischen den aneinandergenagelten Knochenflächen tritt knöcherne 
Ankylose ein. Derartige Operirte erheben activ den Arm bis zur 
horizontalen Schulterhöhe und noch etwas darüber hinaus, indem 
der Arm durch Vermittlung der mit ihm verwachsenen Scapula 
elevirt wird. Die Methode hat sich in mehreren Fällen bewährt, 
der vorgestellte Patient hebt den Arm activ mit der Scapula bis 
zum Winkel von 120°. 

Bei demselben Kranken ist vor 6 Jahren eine ausgedehnte 
Fussresectiou wegen Caries vorgenommen worden. Das Fuss- 
skelet besteht nur noch aus dem Gelenkstück des Talus und den 
Zehen, alle übrigen Fuss-wurzelknochen, sowie die gesummten 
Mittelfussknochen sind entfernt worden. Auch in diesem Falle 
ist die Grundphalanx der grossen Zehe an den Talus mit einem 
Nagel augenagelt worden; Hallux und Talus stehen in knöcherner 
Verbindung, während im Talocruralgelenk active Bewegungen im 
Siune der Dorsal- und Plantarflexion ausführbar sind. Der Kranke 
kann sich vollkommen fest auf den verkürzten Fuss aufstützen 
und gut damit gehen. 

2. Herr Wallerstein: Vorstellung eines Falles von 
Axillarislähmung. 

Der Vortr. stellt einen 23 jährigen, kräftigen Holzträger vor, 
der auf eigentümliche Weise eine Lähmung des r. N. axillaris 
erworben hat. Der Mann trug am 7. X. 99 einen Stoss Bretter im 
ungefähren Gewicht von 2 Centnern auf der linken Schulter. Zum 
Abwürfen der Last führte er die rechte Hand hinter dem Kopf 
gegen dieselbe und ertheilte ihr aus dieser im Scliultergeleuk über¬ 


streckten Stellung heraus einen kräftigen Ruck. Unmittelbar nach 
dieser Bewegung fiel der rechte Arm schlaff herunter und konnte 
activ seitdem nicht mehr erhoben werden. Passiv konnte der Arm 
unmittelbar nach dem Unfall Im Schultergelenk frei nach allen 
Richtungen bewegt werden. Am folgenden Tag stellte sich im 
rechten Oberarm ein Gefühl von Taubheit und bei Bewegungen 
des Arms auch Schmerzen ein. Die Schmerzen verloren sich nach 
wenigen Tagen. Bei der Vorstellung am 13. XI. 99 bot der Kranke 
folgenden Befund: Die Umrisse der Schulterknochen springen 
rechts deutlicher hervor wie links, der r. M. deltoides fühlt sich 
schlaff an und ist deutlich atrophisch. Der Oberarm kaun activ 
nicht vom Brustkorb entfernt werden, weder nach der Seite noch 
nach vorn oder hinten. Passiv sind alle Bewegungen im Schulter¬ 
geleuk vollkommen frei. Lässt man den bis zur Horizontalen oder 
Verticalen passiv erhobenen Arm los. so fällt er w r ie eine todte 
Masse herunter. Die Drehung des Oberarms nach aussen Ist nicht 
beeinträchtigt, was nicht auffallen kann, da an derselben neben 
dem vom N. axillaris versorgten M. teres minor auch der vom 
N. suprascapularis innervirte M. infraspinatus wesentlich bethei¬ 
ligt ist. Die Beweglichkeit im Ellbogengelenk. Handgelenk, der 
Finger ist durchaus normal. An der Aussenseite des rechten 
Oberarms bis etwas unter die Mitte dessell>en ist die Sensibilität 
für alle Qualitäten wesentlich beeinträchtigt. Es besteht typische 
Entartungsreaction. Diagnostische Schwierigkeiten bietet der 
Fall kaum. Das Vorhandensein einer scharf begrenzten Sensi- 
bilitätsstömng und vor Allem die Entartungsreaction beweisen, 
dass es sich um eine Lähmung handelt, die begründet ist durch 
eine Schädigung des peripheren nervösen Apparates. Erwähnens- 
w'erth ist der Fall einmal wegen der relativen Seltenheit voll¬ 
kommener Axillarislähmungen überhaupt und zweitens wegen der 
eigenartigen Entstehungsweise. 

Herr Wolter erörtert die Frage, wie es komme, dass Patient 
nicht im Stande sei, den Arm über die Horizontale zu erheben 
und zu halten, trotzdem nur von einer Axillarislähmung und nicht 
von einer solchen der Nerven des M. eucullaris und M. serratus 
ant. m. die Rede sei. Bei einer completen Axillarislähmung 
könnte wohl ein geringes Schlottergelenk entstehen und dies 
daher den M. eucull. und M. serr. ant. an wirksamem Eingreifen 
hindern. 

3. Herr Jung: lieber Chorioidealsarkom (Demonstration). 

Bei einer 55 jährigen Frau, welche seit mehreren Monateu 
einen Schimmer vor ihrem linken Auge bemerkte, fand sich bei der 
Augenspiegeluntersuchung eine circumscripte flache und faltenlose 
Netzhautabhebung nach oben vom Sehnerven; letzterer war von 
der Abhebung In seiner oberen Hälfte überdeckt. Die Niveau¬ 
differenz zw ischen Opticus und Netzhautabhebung betrug 6 Diop¬ 
trien, der Durchmesser der Netzhautabhebung ungefähr 10 Papillen- 
durebmesser. Im Bereich der Netzhautabhebung hatte die Ader¬ 
haut einen gelblichen Farbenton, nur an der Peripherie der Ab¬ 
hebung war sie stärker pigmentirt. In der veränderten Aderhaut 
fanden sich einzelne Blutungen, hier und da stärkere Pigment- 
anhäufungen; von neugebildeten Gefässen war nichts zu erkennen. 
Die veränderte Aderhaut lag direct unter der Netzhaut; denn bei 
derselben Einstellung waren die Netzliautgefässe und die darunter- 
llegeude Aderhaut scharf zu erkennen. Entsprechend der Netz¬ 
hautabhebung fand sich bei der Gesichtsfelduntersuchung ein ab¬ 
solutes Skotom für Weiss. Die Sehschärfe dieses Auges betrug die 
Hälfte der normalen. 

Auf Grund des Augenspiegelbildes wurde die Diagnose auf 
Aderhautsarkom gestellt, zumal man auch im Verlaufe der Be¬ 
obachtung constatiren konnte, dass die Neubildung an Grösse lang¬ 
sam zunahm. Nach längerem Schwanken ging die Patientin auf 
die vorgeschlagene Enucleation ein. Diese bestätigte die gestellte 
Diagnose. Entsprechend dem Augenspiegelbilde fand sich im auf- 
gesclinittenen Auge eine flache, festgefügte, graugefärbte Ge¬ 
schwulst, von 2 mm Dicke und 10 mm Flächendurchmesser. Mikro¬ 
skopisch stellte sich dieselbe als ein Spindelrundzellensarkom dar 
mit wenig Gefässen. Interessant w*ar, dass sich am mikro¬ 
skopischen Präparate constatiren Hess, dass die Geschwulst im Be¬ 
griffe war, trotz ihrer Kleinheit, dem Verlaufe eines hinteren Ciliar- 
gefässes entlang, nach aussen durchzubrcchen. Das vorliegende 
Präparat bewies also, wie falsch der Standpunkt eines fran¬ 
zösischen Augenarztes (Ophthalm. Klinik, II. Jahrg., S. 356) ist, mit 
der Enucleation zu werten, bis der acute Glaukomanfall aus¬ 
gebrochen ist. Sicher hätte dann in diesem Falle das Sarkom schon 
die Grenzen des Auges überschritten. 


Medicinische Gesellschaft zu Magdeburg. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 1. März 1900. 

Vorsitzender: Herr S e n d 1 e r. 

Vor der Tagesordnung stellt Herr Brandt einen Fall von 
localer Sklerodermie mit beginnender Sklerodaktylie an der 
linken Hand eines 15 jährigen Mädchens vor. Vom Capitulum 
ulnae über das Handgelenk bis an die Wurzeln des IV. und V. 
Fingers findet sich eine des normalen. Pigmentes beraubte, etwa 
3 cm breite, scharf abgegrenzte Hautstelle vor. In ihrem proxi¬ 
malen Theil zeigt die vitiligoähnliche Hautpartie eine dunkler pig- 
mentirte, rauhe und bei Berührung stark hyperaestlietisehe. etwa 
marksttickgrosse Stelle. Die Schmerzhaftigkeit ist hier so gross, 
dass man fast an das Vorhandensein eines Neuroms glauben 
könnte. Im Interstitium des IV. und V. Fingers ist eine gleiche, 
aber kleinere veränderte Hautpartie deutlich sichtbar, ferner ist 


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558 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16- 


die Haut über dem proximalen Theile des Nagelfalzes geröthet und 
straff, fast wie narbig verändert. 

Die Affection, die zu der Annahme einer trophischen Störung 
der Haut im Gebiete der Nervi digitales dorsales des Ulnaris be¬ 
rechtigt, hat begonnen mit Schwellung und Röthung und rheuma¬ 
toiden Schmerzen an der Ausseuseite des 1. Handgelenks und be¬ 
steht jetzt seit 3 Monaten. 

Herr Schreiber legt dann Celluloidkapseln für Augen¬ 
verbände vor, die nach seinen Angaben angefertigt in den ver¬ 
seil iedensten Augenkliniken viel Anklang gefunden haben. Die¬ 
selben werden mit einem schräg von der Stirn nach der Wange 
des Patienten angelegten Heftpflasterstreifen über dem sterilen 
Trockenverbande befestigt. Eine Binde kann darüber angelegt 
werden, ist jedoch nicht nöthig. Zu beziehen sind die Kapseln 
bei dem Instrumentenmacher Hoffmeister in Magdeburg, 
Tischlerbrücke 3. 

Herr Schreiber hält darauf einen Vortrag: Heber 
Magnetextraction eiserner Fremdkörper ans dem Augen- 
innern. 

Er bedauert, dass seit der Einführung des elektrischen 
Strassenbahnbetriebes in Magdeburg sein A s s m u s’sches Sidero- 
skop bei Tage nicht mehr functionirt, eine Beobachtung, die be¬ 
reits von Linde, H i r s c h b e r g u. A. gemacht ist. Das 
Sideroskop zeigte bereits Störungen, als eine 530 m von dem 
Untersuchungszimmer entfernte elektrische Bahnlinie eröffnet 
wurde. Er setzt dahet jetzt jeden auf eisernen Fremdkörper 
im Augeninnern verdächtigen Fall direct an den grossen 
Magneten und bedient sich des Schlösse r’schen Magneten, 
welcher in einem Gleichstrom von 110 Volt Spannung einge¬ 
schaltet etwa 28 Pfund trägt. Den Hirschberg’schen Ma¬ 
gneten wendet er für Fremdkörper an, welche die Hornhaut per- 
forirt haben oder in der vorderen Kammer oder in der Iris sitzen. 
Auch die Fälle, welche sofort nach der Verletzung mit Eisen im 
Auge in die Sprechstund«' kommen, werden meist mit dem 
Hirschber g’schen Magneten von dein Fremdkörper befreit. 
Für Corpora aliena in der Linse empfiehlt es sich, dieselben ver¬ 
mittels des grossen Magneten in die vordere Kammer zu ziehen 
und dieselben von dort vermittels des Hirschber g’schen 
Magneten nach Eröffnung der vorderen Kammer heraus zu be¬ 
fördern. Auch ein in der Linse seit Jahresfrist eingekapselter 
Fremdkörper folgte prompt dem Zuge des grossen Magneten, 
ebenso ein Corpus alienum von nur Vz mg Gewicht. Die grössten 
Triumphe feierte der S c h 1 ö s s e r’sche Magnet bei der Ent¬ 
wicklung von Fremdkörpern aus dem Glaskörperraum. Zur Er¬ 
härtung dieser Thatsache theilte der Vortragende eine grosse 
Anzahl von selbst behandelten Fällen mit, und stellte geheilte 
Kranke vor. Um den Fremdkörper um den unteren Linsenrand 
herum in die vordere Kammer zu ziehen, bediente sich Sch. 
häufig der Methode, die magnetische Kraft von unten nach oben 
wirken zu lassen, indem er den Schlösse r’schen Magneten mit 
der Spitze nach oben auf einen Drehschemel stellte. Der Pa¬ 
tient musste sich mit beiden Händen auf den Drehschemel 
stützend, das Gesicht nach unten gewendet über den Magneten 
beugen. Der auf der Erde sitzende Operateur führte nun das 
Auge des Patienten an den Magneten heran und controlirte unter 
seitlicher Beleuchtung die Bewegungen des Auges. Da diese Me¬ 
thode den magnetischen Zug mit der Schwerkraft des Fremd¬ 
körpers combinirt, so leistet sie auch bei sehr kleinen Fremd¬ 
körpern vorzügliche Dienste. Der kleinste Fremdkörper, welcher 
auf diese Weise aus dem Glaskörper entwickelt wurde, wog nur 
% mg. Die in die vordere Kammer gezogenen Fremdkörper 
wurden fast ausnahmlos mit dem Hirschber g’schen Ma¬ 
gneten zu Tage gefördert. Die Resultate waren fast durchweg 
hocherfreuliche. 

Nach S c h.’s Ansicht ist der Schlösse Psehe Magnet 
sehr wohl geeignet, die in der Linse sitzenden, wie im Glaskörper 
frei beweglichen eisernen Fremdkörper, auch wenn sie ein Ge¬ 
wicht von nur VL> mg haben, in die vordere Kammer zu ziehen; er 
macht daher den Meridionalschnitt- zur Extraction von Fremd¬ 
körpern aus dem Glaskörperraum fast vollkommen entbehrlich. 
Der Meridionalschnitt ist nur noch anzuwenden bei den ein¬ 
geheilten oder so fest eingekeilten Fremdkörpern, dass der 
Sehl Ö s s e r’sche resp. II a a lösche Magnet dieselben nicht zu 
ziehen vermag. 

Discussion: Herr F. S c h n e i d e r stimmt Schreiber 
darin bei, dass in erster Linie «las II a a lösche Verfahren und erst 
in zweiter Linie das II i r s c h b e r g’sclie in Fragt* kommt, resp. 
dass durch das letztere das erst«‘re ergänzt werden soll. Man wird 
immer gut thun, dasjenige Verfahren zu wählen, welches ohne 
Setzung einer neuen Wunde und unter Vermeidung der Verletzung 
wichtiger Gewebe zum Ziele führt; d. h. mau wird beim H a a b- 


schen Verfahren vor Beschädigung der Linse und der Iris, und 
beim H irschber g’schen vor Herumwühlen im Glaskörper sich 
zu hüten haben. Bezüglich der Diagnose ist Schn, sehr von dem 
A s s m u s’schen Sideroskope eingenommen. Bei der Extraction der 
Fremdkörper empfiehlt Schn., mehr als bisher die Chloroforin- 
narkose in Anwendung zu ziehen; ausschliesslich muss letztere 
natürlich benutzt werden, wenn Verlust an Glaskörper droht. — 
Gegen die ananmestischen Angaben der Patienten hat Schn, sieh 
ein grundsätzliches Misstrauen ungeeignet, da alle Angaben der¬ 
selben. dass z. B, der Fremdkörper gross gewesen wäre, dass er 
wieder abgeprallt wäre etc. zumeist auf subjectiv falschen Vor¬ 
stellungen beruhen. Im Allgemeinen springen die Corpora aliena 
mehr von dem bearbeiteten Gegenstände, als von dem Werk 
zeuge ab. 

Herr Schreiber entgegnet, dass er von der Chloroform- 
narkose den ausgiebigsten Gebrauch macht, wo solche nothwendig 
ist. Bei der Behandlung der Patienten mit dem Riesenmagneteü 
ist jedoch aus technischen Gründen die Chloroformnarkose nicht 
anwendbar. Die Anfrage des Collegen Hager, ob das A s s m u s - 
sehe Sideroskop nicht vielleicht besser functionirte, wenn es in 
der höchsten Etage aufgestellt würde, beantwortete der Vortr. 
dahin, dass nach der Veröffentlichung von Scheudel auch 
Prof. Hirschberg sein A s s m u s’sches Sideroskop, welches 
sich in der III. Etage der Klinik befindet, nicht mehr gebrauchen 
könnte, seitdem durch die Karlstrasse der elektrische Bahnbetrieb 
geführt ist. 


Aerztlicher Verein München. 

(Officielles Protokoll.) 

Sitzung vom 15. November 1899. 

1. Herr Klaussner: Chirurgische Mittheilungen mit 
Demonstrationen. 

2. Herr J. Bauer: Heber functionelle Störungen des 
Herzens und deren Bedeutung für den Militärdienst. (Der 
Vortrag erschien in No. 13 dieser. Wochenschrift.) 

Discussion : Herr Moritz: Behufs Abgrenzung der 
„functionellen“ Störungen des Herzens von solchen auf orga¬ 
nischer Grundlage ist natürlich eine sehr sorgfältige An¬ 
wendung der Hilfsmittel der physikalischen Untersuchungs- 
methoden nöthig. Da wo wir gegenüber der Norm Verände¬ 
rungen im Percussions- und Auscultationsbefunde finden, 
werden wir mit der Annahme bloss functioneller Störungen sehr 
zurückhaltend sein müssen. Ich bin seit längerer Zeit auf ein 
Phänomen aufmerksam geworden, das mir in dieser Hinsicht von 
einer gewissen Bedeutung zu sein scheint. Wenn mau die zu unter¬ 
suchende Person zunächst tief insplriren, dann maximal exspiriren 
lässt, was man durch Druck mit der flachen Hand auf die Brust 
unterstützt, und in maximaler Exspiration den Athem anhalten 
lässt, so kommt nicht ganz selten im 2. Intercostalraum links vom 
Sternum ein systolisches Geräusch zum Vorschein, während sich 
vorher ein solches weder hier noch anderswo am Herzen constatireu 
liess. In anderen Füllen wieder wird ein Geräusch, das an dieser 
Stelle vorher nur andeutungsweise zu hören war, auf diese Weise 
sehr laut. Iu vielen Fällen ferner, wo an der Spitze des Herzens 
ein systolisches, auf Mitralinsufflcienz zu beziehendes Geräusch 
hörbar war, wird mit dem angegebenen Kunstgriff auch im 2. Inter¬ 
costalraum links vom Sternum ein solches vernehmlich. Fast 
immer lässt sich ausserdem in den Fällen, in denen bei tiefster Ex¬ 
spiration ein solches Geräusch wahrnehmbar wird, eine Aceen- 
tuirung des 2. Pulmonaltones constatiren. 

Ich stehe nicht an, diese Geräusche als Zeichen einer Mitral- 
insufficienz aufzufassen. Dass gerade der 2. Intercostalraum links 
vom Sternum als Ort, wo das linke Herzohr der Brustwand nahe 
liegt, für die Wahrnehmung im linken Vorhof entstehender Ge¬ 
räusche, d. i. eben von Insuffieienzgeräuschen der Mitralis, häufig 
sehr geeignet ist, ist ja bekannt. Für cardio-pulmonaler Natur kanu 
ich die in Frage stehenden Geräusche nicht halten. Man hat viel¬ 
mehr durchaus den Eindruck, dass ihr Erscheinen bei tiefster Ex¬ 
spirationsstellung der Lunge durch die Retraction der Lungen¬ 
ränder vom Herzen und dadurch ermöglichte bessere P^ortleitung 
schwacher, im Herzen selbst entstandener Geräusche auf der Brust¬ 
wand bedingt sei. Natürlich denke ich bei der Annahme einer 
Mitralinsufflcienz auf Grund eines derart hörbar gemachten systo¬ 
lischen Geräusches nicht immer an eine endocarditische Klappen 
erkrankung. Es w ird sich sehr häufig um eine „musculäre** In- 
sufficienz der Klappe handeln, d. h. der Klappen m u s k e 1 apparat 
(Papillarmuskeln und Ringmusculatur der Atrio-Ventriculargrenzei. 
der zum völligen Schluss der Klappe ebenso nöthig ist, wie di»* 
anatomische Unversehrtheit der Klappensegel, functionirt nicht ge¬ 
nügend. Der Grund zu dieser musculären Insufficienz kann in 
anatomischen Erkrankungen der Herzmusculatur oder aber auch 
nur in Anaemie, gelegentlich vielleicht auch in Intoxicationou 
(Tabak, Alkohol), wohl auch einmal in körperlicher Ueberanstreu- 
gung, oder schliesslich auch in „nervösen** Störungen liegen. 

Die Prognose ist daher bei dem „Basisgeräusch in 
Exspirationsstellung“ je nach Lage des einzelnen Falles 
ganz verschieden. Man sieht das Phänomen nicht selten nach 
einiger Zeit verschwenden. Ein gemeinsamer Gesichtspunkt für 
alle diese Fälle liegt aber meines Erachtens darin, dass man bei 
einem Herzen, das das Phänomen zeigt, auch wenn subjective 
Herzbeschwerden nicht vorhanden sind, hinsichtlich grossem- 


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17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


659 


Körperanstrengungen Vorsicht walten lassen sollte. Um so mehr 
wird dies aber dann der Fall sein müssen, wenn sieh ausserdem 
Funetionsstörungen von Seiten des Organs (Herzklopfen, Dyspnoe, 
rasche Ermüdbarkeit etc.) geltend machen. Die Grösse der Herz¬ 
dämpfung braucht dabei nicht verändert zu sein. 

Herr S o 1 b r i g dankt vor Allem im Namen der Militärärzte 
Herrn Prof. Bauer für das lebhafte Interesse, welches dieser der 
für die Militärärzte so wichtigen Frage der functioneilen Herz¬ 
störungen in ihrer Beziehung zur Militärdiensttauglichkeit ent¬ 
gegenbringt und für die lehrreichen Winke hinsichtlich ihrer Be- 
urtheilung. Da Prof. Bauer bei gewissen Arten dieser Störungen 
dem Militärdienste mit seiner methodischen körperlichen Aus¬ 
bildung, der Regelmässigkeit in der Verpflegung und Lebensweise 
sogar einen heilsamen Einfluss zuerkennt, so wird das ärztliche 
Gewissen der Militärärzte nicht zu schwer belastet werden, wenn 
sie einen Mann mit nervösen Herzstörungeu zum Dienste heran¬ 
ziehen lassen. 

Was das Zusammenwirken der Civil- und Militärärzte bei der 
Entscheidung der Frage der Dienstfähigkeit von Wehrpflichtigen, 
namentlich von Einjahrig-Freiwilligen betreffe, so werde es von 
Seiten der Militärärzte stets dankbarst begriisst, wenn sie über 
die Vorgeschichte des au Untersuchenden von dem Hausarzte unter¬ 
richtet werden, wobei es von grösserer Wichtigkeit sei, durch ein 
Zeugniss zu bestätigen, dass der Mann z. B. an Gelenkrheumatismus 
behandelt worden, als dass er mit einem Herzfehler behaftet sei, 
den der untersuchende Militärarzt selbst feststellen könne und 
müsse. Sehr zu empfehlen sei, dem Kranken von dem Inhalte des 
Zeugnisses keine Kenntniss zu geben. 

Herr Karl Francke: Die Entscheidung, ob ein funetionelles 
oder ein organisches Herzleiden vorliegt, ist oft ungemein 
schwierig. Man hat eben kein Mittel der unmittelbaren Erkennt¬ 
nis», keine Röntgenstrahlen oder Sonstiges, und gerade die Fälle, 
um die es sich zumeist bei der Diensttauglichkeit handelt, sind die 
weniger ausgesprochenen. Die Fälle aber, die zur Section ge¬ 
langen, sind meist nicht mehr einfach, sondern so complicirt, dass 
man die Anfangsstadien der Erkrankung aus dem Sectionsbefund 
nicht mehr erkennen kann. Da die Auscultation und die Percussion 
oftmals keine Entscheidung ermöglichen, so müssen wir die 
anderen physikalischen Hilfsmittel, die uns zur Verfügung stehen, 
zu Rathe ziehen, besonders auch die Beobachtung des Pulses und 
die Sphygmographie. Letztere wurde bisher nicht erwähnt, jeden¬ 
falls darum, weil der Satz nahezu allgemeine Verbreitung gefunden 
hat, dass die Sphymograpliie für die Praxis von keiner wesentlichen 
Bedeutung sei. Diesem Satz muss ich nach meinen Unter¬ 
suchungen widersprechen. Das Hera schwankt eben in der Grösse 
seiner Leistung ganz ungemein, und zwar tritt auf jeden Reiz hin 
rasch eine Verstärkung der Kammerzusammenziehung auf. Darum 
tritt auch oft eine Aendenmg des Spliymograinmes ein, und man 
kann an ein und demselben Menscheu die verschiedensten Puls¬ 
bilder erhalten. Diese so ungemein häufigen Schwankungen müssen 
bei unseren Untersuchungen durch besondere Maassnahmen aus¬ 
schaltet werden. Geschieht das, so hat sich mir gezeigt, dass d i e 
Sphygmographie für die Praxis recht wohl ver- 
werthbare Ergebnisse liefert. Ich bin in der Lage, 
für diesen Satz Beweise vorlegen zu können. Vielleicht ergibt sich 
bald einmal Gelegenheit, Ihnen die Ergebnisse meiner Untersuch¬ 
ungen hier vorzuführen. Ich hielt es heute Abend für meine 
Pflicht, für die Sphygmographie einzutreten. 

Herr Grassmann hat die von Prof. Moritz erwähnte 
Methode, Herzgeräusche besser hörbar zu machen, ebenfalls bei 
vielen Untersuchungen angewendet. Er kann bestätigen, dass 
bei forcirter Exspiration manche sonst schwach hörbare Ge¬ 
räusche deutlicher oder überhaupt erst hörbar werden. Eine Mitral- 
iusufücienz anzunehmen, sobald neben verstärktem 2. Pulmonal¬ 
ton ein derartiges Geräusch hörbar zu machen ist, kann sich Gr. 
nur relativ selten entschliessen. Denn es zeigte sich, sobald Kranke 
mit derartigem Herzbefund, sogar noch dazu mit starker R.-Ver¬ 
breiterung Wochen und Monate lang bezüglich des Herzens con- 
trolirt wurden, dass eines Tages der Herzbefund ein normaler ge¬ 
worden ist. Gr. hat das bei mehreren hundert untersuchten 
Kranken mindestens zwei Dutzend Mal beobachtet. Es kann sich 
bei diesen Fällen nicht um Mitralinsufficienzen Im gewöhnlichen 
Sinne handeln, sondern eben nur um sog. musculäre Insufflcienzen, 
2 Formen, die überhaupt schärfer geschieden werden sollten. Die 
Rolle der Anaemie und Chlorose dabei hält Gr. für noch nicht ganz 
geklärt, denn derartige Mitralinsufficienzen kommen auch bei an¬ 
scheinend normalem Blutbefuude vor oder stellen sich z. B. ein, 
während der Haemoglobingehalt zunimmt. 

Herr W o h 1 m u t h : Nur mit ein paar Worten möchte ich 
darauf hinweisen, dass nicht jeder nach Ablauf der entzündlichen 
Erscheinungen am Herzen vorhandene organische Klappenfehler 
irreparabel Ist. Ich glaube, beim kindlichen Organismus ist es 
möglich, und einige wenige Fälle aus meiner eigenen Erfahrung 
bestätigen es, dass ein Klappenfehler nach Gelenkrheumatismus 
selbst nach Jahren noch vollständig zum Verschwinden gelangen 
kann, so dass weder subjectiv noch objectiv eine Störung mehr 
nachweisbar ist. Weitere möchte ich noch darauf aufmerksam 
machen, dass öfters Klappengeräusche, welche an dem stehenden 
Patienten nicht wahrnehmbar sind, bei dessen Untersuchung im 
Liegen deutlich zu constatiren sind. 

Herr B ö g 1 e : Bei der klinischen Beurtheilung der Erschei¬ 
nungen von Seite der Herzklappen, besonders der Geräusche an 
den Atrio-Ventricular-Klappen dürfte es vor Allem darauf an¬ 
kommen, welche Vorstellung man sich macht vom Zustande¬ 
kommen des Klappenverschlusses. 

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In einer von mir veröffentlichten Abhandlung „Ueber den 
Mechanismus des menschlichen Ganges und die Beziehungen 
zwischen Bewegung und Form. München 1885. Seite 96—103" 
habe ich nach Analogie der Form Veränderungen der Skeletmuskeln 
während ihrer Actiou bei der Gehbeweguug nachzuweisen gesucht, 
das die Contractionen der Kammermusculatur ein abwechselndes, 
von der Basis zur Herzspitze fortschreitendes Winden und 
Wiederaufdrehen des Herzkörpers veranlassen. 
Durch dieses Zusammenwinden der Iierzmuskelraasse, an welchem 
sich selbstverständlich auch die eigentlichen Heraklappenmuskeln, 
die Papillarmuskeln, betheiligen, werden die Klappenzipfel 
übereinander gedreht und damit die Klappen geschlossen. 
Die Oeffnung derselben geschieht dann wieder durch das Zurtick¬ 
winden während der Diastole. 

Die Sicherheit des Klappenverschlusses hängt also unter sonst 
normalen Verhältnissen von der Energie ab, mit welcher die ge¬ 
summte Herzmuseulatur arbeitet, und es ist auf diese Weise leicht 
einzusehen, dass bei Schwächezuständen, wie Blutarmuth, Bleich¬ 
sucht, Reeonvalescenz von schweren, langdauerndeu Krankheiten, 
wo auch die Leistungsfähigkeit der übrigen Musculatur herabge¬ 
setzt ist, die verminderte Energie des Herzmuskels einen geringeren 
Effect der Torsion, d. h. mangelhaften Verschluss der Klappen und 
das Auftreten von Geräuschen zur Folge hat. 

Wenn man früher bei jedem Geräusch an eine entzündliche 
Auflagerung an den Klappen gedacht und demgemäss einen 
Klappenfehler diagnosticirt hat, so wird man doch auch heute 
noch, wo man die Möglichkeit von Störungen der Function der 
Papillarmuskeln einräumt, so lange geneigt sein, solche Störungen 
auf pathologische Veränderungen an den Klappen selbst zurück-« 
zuführen, als man annimmt, dass beim Schliessungsact der Klappe? 
nur die Papillarmuskeln, nicht aber die Gesammtmusculatur, in 
Betracht kommen. 

Theilt man jedoch die eben gegebene Auffassung, nach welcher 
die Schliessung der Klappen eine Function der 
gesummten Kammermusculatur ist, so wird man 
keinen Grund mehr haben, auf blosse Wahrnehmung von Ge¬ 
räuschen hin sofort eine pathologische Veränderung am Klappen¬ 
mechanismus anzunehmen und wird sich eher dazu verstehen, die 
Erklärung dafür ln verminderter Energie der gesammten Herz¬ 
action zu suchen. 

Herr Tesdorpf bemerkt in Bezug auf die von Herrn Prof. 
Bauer über die Differentialdiagnose zwischen organischen und 
functionellen Herzleiden gemachten Mittheilungen, dass bei vielen v 
Nervösen, insbesondere Neurasthenikern und Hysterischen, die 
herzleidend seien, ein auffallender Widersprach zwischen Herz- 
thätigkeit und Pulsbeschaffenheit bestehe, ein Widerspruch, wie 
Herr T. ihn bei solchen Kranken, die ein organisches Herzleiden be¬ 
sitzen und frei von Nervosität, beziehungsweise Neurasthenie und 
Hysterie sind, nicht beobachtete. Dieser Widerspruch äussere 
sich bei einer Reihe der bezeichneten Kranken darin, dass ge¬ 
legentlich einer Herzuntersuchung die Herzthätigkeit sehr kräftig, 
aber der gleichzeitige Radialpuls von geringer Fülle, Spannung 
und Elasticität sei, bei einer Reihe anderer jener Kranken darin, 
dass neben schwacher Herzthätigkeit gleichzeitig ein unverhält- 
nissmässig voller, gespannter, selbst schnellender Radialpuls zur 
Beobachtung komme. In Fällen ferner, wo bei Nervösen, bezw. 
Neurasthenikern und Hysterischen sich Herzgeräusche fänden, 
ohne dass ein Klappenfehler vorhanden sei, fehle die dem be¬ 
treffenden Klappenfehler entsprechende Pulsform. Dieses Fehlen 
der einem Klappeufehler zukommenden Pulsform bei Vorhanden¬ 
sein des für denselben charakteristischen Geräusches, könne eben¬ 
falls ein Hilfsmittel abgeben, um die Differentialdiagnose zwischen 
organischem Herzklappenfehler und functioneller nervöser Herz- 
affection zu Gunsten der letzteren zu stellen. 

Herr Heller mann führt als Beitrag für die Schwierigkeit 
der Diagnostik der Herzkrankheiten an, dass nach den Erfah¬ 
rungen der Lebensversicherungsgesellschaften Personen, welche 
wegen Herzfehler militärfrei geworden sind, bei der von sehr 
tüchtigen Vertrauensärzten vorgenommenen Untersuchung bezüg¬ 
lich des Herzeus verhältnissmässig häufig als ganz normal be¬ 
funden wurden. 


Aerztlicher Verein in Nürnberg. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 15. Juni 1899. 

Vorsitzender: Herr Carl Koch. 

1. Herr v.Ead berichtet über einen Fall von Tumor (Solitär¬ 
tuberkel) in der rechten Ponshälfte. ✓ 

L. R. aus Schwabach, 29 Jahre alt, stammt aus einer mit ner¬ 
vösen Erkrankungen nicht belasteten Familie. Bei der am 16. XII. 
1898 vorgenommenen Untersuchung machte der Patient folgende 
Angaben: Seit ca. 4 Monaten habe er zeitweise sehr heftige Kopf¬ 
schmerzen, die besondere im Hinterkopf localisirt werden, sowie 
anhaltend ein sehr intensives Schwindelgefühl, auch schwanke er 
sehr stark beim Gehen und zwar stets mit der Neigung nach links 
zu fallen. Er will dabei das Gefühl haben, als w r enn er betrunken 
wäre. Erbrechen habe er nie gehabt. Seit einigen Wochen seien 
der linke Arm und das linke Bein viel schwächer geworden, auch 
habe er an der ganzen linken oberen Extremität ständig ein Gefühl 
von Pelzigsein und Ameisenlaufen und sei die linke Hand fast 
gefühllos. In der letzten Zeit will er zeitweise sehr heftiges 
Klingen und Sausen In beiden Ohren gehabt haben. 

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MÜNCH KN KR MKDICINISCHK WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


500 


Her auf das Aeusserste abgemagerte Patient bietet über beiden 

I.ungen die Erscheinungen einer weit vorgeschrittenen Phthise. 

Beide Bulbi stehen nach links. 

Her rechte Abducens ist gelähmt. Beim Blick nach rechts 
bleibt, auch der linke Musculus internus zurück, während derselbe 
bei Konvergenz sehr gut fuuctiouirt. I)ie übrigen Augenbewe¬ 
gungen sind sämmtliehe frei. Pupillen gleich und von mittlerer 
Weite. Reaetion auf Licht und Konvergenz beiderseits normal. 

Augenhiiitorgrund ohne jeden pathologischen Befund. 

Gehör beiderseits gut. Ohrenspiegelbefund negativ. 

Facialis und Trigeminus beiderseits intact. 

Die Percussion des Kopfes ergibt keinen besonderen Befund. 

Es besteht leichte Nackenstarre und Schmerzhaftigkeit im 
Nacken bei activen und passiven Bewegungen mit dem Kopfe. 

Zunge wird gerade, ohne Zittern herausgestreckt, ist ohne Be¬ 
fund. Sprache nicht gestört. 

Active und passive Bewegungen der oberen und unteren Ex¬ 
tremitäten frei, doch erfolgen die Bewegungen im linken Arme und 
Beine weit schwächer als rechts. Bei leichtem Widerstand gelingt 
es völlig, dieselben zu unterdrücken. Sehnen- und Hautreflexe 
beiderseits in normaler Stärke auslösbar. Beiderseits (links in 
stärkerem Maasse) besteht Ataxie, namentlich bei Augenschluss. 

Die Sensibilität ist am linken Arm und Bein für Berührungs-, 
Schmerz- und Temperaturemptiudung wesentlich herabgesetzt. 
Beweguugsempfluduug nicht wesentlich beeinträchtigt. 

Sehr auffallend vermindert ist der stereognostische Sinn der 
linken Hand. Die in dieselbe bei geschlossenen Augen gegebenen 
Gegenstände werden nicht oder nur ganz unvollkommen erkannt; 
• während dieselben rechts sofort richtig bezeichnet werden. 

Beim Stehen und Gehen tritt sofort sehr starkes Schwanken 
nach links auf. das sich noch beträchtlich steigert bei Augen- 
sehluss und bei plötzlichem Halten und lvehrtmachen. Es wurde 
bei der ersten Untersuchung die Diagnose auf eine tuberculöse 
Affection (Tumor) im Bereiche der rechten hinteren Schädelgrube 
gestellt. Ob Pons oder Oerebelluiu vorzugsweise ergriffen war, 
wurde offen gelassen, ersteres wurde wegen des Fehlens der 
Stauungspapille und des Erbrechens als wahrscheinlicher ange¬ 
nommen. Im weiteren YYrlaufe blieben die rechtsseitige Ab- 
ducensliiInnung und die linksseitige motorische und sensible Hemi- 
paresis unverändert bestehen; dagegen machte die Lungentuber- 
culose weitere Fortschritte. 

Am 8. IV. 99 erlag der Patient derselben. 

Nach der gütigen Mittheilung des Herrn Medicinalraths 
Dr. Lochner in Schwabach ergab die Sectiou in erster Linie 
einen in der rechten Seite des Pons vortreibenden kirschkern- 
grossen. ausschälbaren Knoten (Solitärtuberkel). Meningen, Gross- 
hiru und Kleinhirn waren ohne pathologische Veränderungen. In 
den Lungen fanden sich beiderseits grosse Kavernen mit ausge¬ 
dehnter tuberculöser Infiltration des Lungengewebes. 

Sitzung vom 6. Juli 1899. 

Vorsitzender: Herr Goldschmidt. 

1. Herr Wertheimber demonstrirt Placentarreste von 
einem Todesfälle nach normaler Geburt in Folge von unerklärter 
Auaemie und Lungenoedem, ferner eine Traubenmole. 

2. Herr Neukirch berichtet über einen Fall von Orchitis 
bei linksseitigem Kryptorchismus im Anschluss an acute Gonor¬ 
rhoe. 

3. Herr Marx berichtet über Extraction einer sehr grossen 
Fischgräte aus dem Kectum, die unter Narkose bewerkstelligt 
werden musste. 

Sitzung vom 20. Juli 1899. 

Vorsitzender: Herr Goldschmidt. 

1. Herr P. Giulini berichtet über einen Fall von tubarer 
Extrauterinschwangerschaft, der nach gelungener Operation am 
3. Tage zu Grunde ging durch Embolie der Art. foss. Sylvii in Folge 
von alter Endocarditis. 


Rostocker Aerzteverein. 

(Bericht des Vereins.) 

Sitzung vom 13. J a n u a r 1900. 

Herr Garrfc: Heber Gefässnaht. 

Nach einem kurzen Hinweis auf die Bedeutung der Gefäss¬ 
naht für die conservative Chirurgie geht der Vortragende zu¬ 
nächst auf die V enennaht ein, die 1881 zuerst von Czerny 
an einer V. jugul. ausgeführt wurde, aber zur Thrombose Ver¬ 
anlassung gab. 1892 hat Schede sodann über 25—30 Fälle 
von WlRu! Verletzungen von Venen berichtet, die alle mit Erfolg 
durch die Naht geschlossen wurden. In den letzten Jahren finden 
wir mehr solcher Fälle in der Literatur verzeichnet. Die Erfolge 
sind Dank unserer aseptischen Wundbehandlung fast ausnahmslos 
gute. Die Venennaht hat sich in der Chirurgie eingebürgert. 

Garrö referirt sodann über 2 Venennähte, die er ausge¬ 
führt hat. die eine an der Vena axillaris, aus der ein 
kleiner Krehsknoten (bei Mammacarcinom) an der Abgangsstelle 

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der Vena subseapularis exstirpirt wurde. Blutstillung durch digi 
tale Compression, Naht mit Seide. Reactionslose Heilung, kein 
Oedem. 

Die andere Naht ist ain 8. November 1899 an der Vena 
cava inferior angelegt worden. Bei der Exstirpation eines 
kopfgrossen rechtsseitigen Niereusarkoms bei einer 30 jährigen 
Frau riss die Vena cava nahe der Einmündungsstelle der Vena 
renalis ein. Bissstelle sogleich mit einer Klammer verschlossen. 
Der Tumor ist auch am Winkel der Vena cava und renalis nd- 
haerent; hier entsteht ein 2. kleiner Einriss. Nach Abtrennung 
des Sarkoms wird die Klammer an der Cava, die, seitlich angelegt, 
den 1 cm langen Riss schliesst, durch eine fortlaufende Seidennaiu 
ersetzt. Damit die Vena renalis ligirt werden kann, muss auch der 
Riss an ihrem Einmündungswinkel durch 2 Knopfnähte ge¬ 
schlossen werden. Reactionslose Heilung. 

Diese ist die 2. ausgeführte Naht der Vena cava. Schede 
musste bei einer gleichen Operation einen 2 cm langen Einriss 
der Cava nähen, was ebenfalls glücklich heilte. 

Von grösserer Bedeutung sind die Arteriennähte, vor¬ 
ausgesetzt, dass damit Gefässwunden oder Defecte so verschlossen 
werden können, dass die Circulation keine wesentliche Beein¬ 
trächtigung erfährt. Gegenüber der Venennaht erhoben sich hier 
grössere Schwierigkeiten schon allein durch den hohen intra- 
vasculären Druck auf die Nahtstelle; dementsprechend sind im 
Falle des Misslingens, d. h. beim Einreissen der Naht oder 
Nekrose der Gefässwand die Gefahren sehr bedeutende. An Thier¬ 
experimenten hat es nicht gefehlt; erst seit 1894 sind Arterien - 
nähte an Menschen mit Erfolg ausgeführt von Heidenhain 
(A. axillaris), v. Zoege-Manteuf f el (A. femoralis), Israel 
(A. iliaca), Ssabanjeff (A. fern.), O r 1 o w (A. popl.), Lind- 
ner (A. fern.). Als 7. und 8. Fall schliessen sich diesen die zwei 
vom Vortragenden ausgeführten Arteriennähte an: 

49 jähriger Mann, Januar 1897. Totale Larynxexstlrpation 
wegen Careinom; Februar 1898, Drlisenrecidiv längs der grossen 
Gefässe. Vena jug. sin. wird unterbunden. Krebsknoten hat die 
Wand der Carotis interna durchwuchert, bei der Ablösung entsteht 
ein kleiner Wanddefeet. Digitale Compression, fortlaufende Nabt 
mit Seide. Keine Nachblutung. Arterie pulsirt gut. Heilung. 

22 jähriger Schnitter, 17. Juli 1898. Stich mit einer Heugabel 
dicht oberhalb des rechten Ellbogens. — Aneurysmabildung mit 
Stauung an Hand und Vorderarm, Taubheit der Finger, grosse 
Schmerzen. Operation unter Compression der Art. braehialis, Aus¬ 
räumung der Blutcoagula. Art. brach, in halber Circumferenz auf- 
gerlssen, Lappenwunde, 4 Kopfnähte mit Seide durch die ganze 
Wanddicke. Puls an der Art. rad. und ulnaris erscheint sofort 
nachher. Heilung. 28. Juli entlassen. 

Einen weiteren wesentlichen Fortschritt in der Arteriennaht 
hat neuerdings Murphy inaugurirt. Er hat durch das Ex¬ 
periment bewiesen, dass völlig durchtrennte Arterien durch In- 
vagination des proximalen in’s distale Ende unter Anwendung 
einer besonderen Nahtmethode zur Verheilung gebracht werden 
können unter Erhaltung der Bluteirculation. Die Brauchbar¬ 
keit seines Verfahrens hat er selber erwiesen, indem er bei einem 
29jälirigen Italiener, dem ein Schuss die Art. fern, zerrissen 
hatte, Va Zoll aus der Continuität des Gefässes resecirte und die 
Lumina durch Invagination zur Vereinigung und glücklichen 
Verheilung brachte. Ihm ist Kümmell gefolgt, der auf der 
Münchener Naturforscherversammlung über eine circuläre Naht 
der Art. fern, und eine solche der Vena fern, berichten konnte. 

Bei den wenigen Fällen, die zur Beurtheilung der dabei be¬ 
folgten Technik vorliegen, ist es nicht zu verwundern, dass die 
Anschauungen der Autoren in vieler Hinsicht von einander ab¬ 
weichen. Gar re hat desshalb seinen früheren Assistenzarzt 
Dr. Dörfler veranlasst, experimentell die Frage zu bearbeiten, 
was er in vorzüglicher Weise trotz erschwerender äusserer Um¬ 
stände durchgeführt hat. Seine Arbeit ist soeben in den Bei¬ 
trägen z. klin. Chir. 25. Bd. erschienen. D. hat 16 einfache Ar¬ 
teriennähte an Hunden ausgeführt, von denen ihm 12 gelungen 
sind; von 4 eirculären Nähten mit der M u r p h y’schen Invagi- 
nationsmethode ist ihm nur 1 Fall gelungen. 

Die haupsächlichsten Ergebnisse der Experimente sind kurz 
folgende: Asepsis ist Grundbedingung; bei inficirter Wunde ist 
die Naht zu unterlassen. Gefäss schonend freilegen, Anfassen 
mit Pincetten vermeiden. Abklemmung am besten durch Finger¬ 
druck, event. mit zusammengedrehten Gazestreifen. Naht- 
material am besten feinste Seide; das Mitfassen der Intima 
(also Durchstechen durch die ganze Dicke der Gefässwand) 
schadet nicht. Blutung aus den Stichcanälen steht auf Com¬ 
pression. 

In der Discussion interpellirt Herr Axenfeld den 
Herrn Vortragenden bezüglich des Einflusses des Alters bei der 

Original fram 

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17. April "’IÖOO. 


MÜNCHENER MEDlClNTSfHE WOCHENSCHRIFT. 


661 


Unterbindung der Carotis communis. Herr Gnrrfc sieht den¬ 
selben in der eintretenden Arteriosklerose, so dass dadurch die 
Bildung eines Collateralblutlaufes erschwert werde. 

Herr Langendorff berichtet über die Gofässnaht in der 
Physiologie und führt den E c k’sclieu Versuch bei cntlrberten 
Thieren an. Des Weiteren wird über die Gerinnung und Thrombe- 
sirung discutirt. 

Herr Pfeiffer demonstrirt einen neuen Idchtprüfer für 
Arbeitsplätze von Prof. Hermann 0 ohn - Breslau. 

In der Discnssion über diesen Punkt hält Herr A x o n - 
f e 1 d die nach ähnlichem Priueip construirten B u r c h a r d’selieii 
Punktproben für ebenso werthvoll, jedenfalls für einfacher in der 
Handhabung. Dem scliliesst sieh Herr Langen d n r f f an und 
führt aus. dass das schnelle Lesen nicht nur von der Beleuchtung, 
sondern noch von vielen anderen Factoren abhiinge. Herr G a r re 
macht den Einwand, dass die rauchgrauen Gläser bei heinera- 
loplschen Untersuche™ von besonderer Einwirkung sein würden. 
Herr Axenfeld weist auf den bei Myopen verkommenden 
herabgesetzten Lichtsinn hin. Sodann werden noch die für dunkle 
Zimmer erfundenen Tageslichtretleetoreii (prismatische Fenster 
u. a.) erwähnt. 


Wiener Briefe. 

(Eigener Berichte 

Wien, 14. April 1900. 

lieber die therapeutische Verwendung der Kohlensäure 
und der heissen Luft. — Ueher die Therapie der Tabes. — 
Die Ursache des Geburtseintrittes. 

Im medicinischen Club hielt Docent. T)r. Max Herz einen 
Vortrag über die therapeutische Verwendung der Kohlensäure 
und der heissen Luft. Her Vortragende beschreibt zunächst die 
Eigenschaften der Kohlensäure und weist nach, dass die Scheu 
vor der Inhalation grösserer Mengen derselben, welche einer aus- 
gebreitoten Verwendung dieses Gases bisher sehr hinderlich ge¬ 
wesen, ganz ungerechtfertigt sei. Er seihst habe sieh lange Zeit, 
oft durch Stunden, in einer mit CO., geschwängerten Atmo¬ 
sphäre aufgehalten, ohne auch nur suhjeetiv Schaden zu leiden. 

Hie Kohlensäure wird in gelöstem Zustande oder als freies 
Gas therapeutisch verwendet. Hie gelöste Kohlensäure wird 
sowohl innerlich zu Trinkeuren wie äusscrlich zu Bädern ver¬ 
wendet, zumeist und seit langer Zeit in Ourorten, ausserhalb der¬ 
selben erst in letzter Zeit häufiger in Gestalt des künstlichen 
kohlensauren Bades, Hie mit solchen Bädern erzielten Erfolge 
werden jetzt ziemlich allgemein anerkannt. Has freie Kohleu- 
süuregas dient der Therapie ebenfalls auf zweierlei Art: In 
eomprimirtem (flüssigem) Zustande als Kraftaeeumulator und 
dann als eigentliches therapeutisches Agens, indem es auf die 
Oberfläche des Körpers geleitet wird. Zur erstgenannten Kate¬ 
gorie gehört z. B. der von Hr. J. M ii 11 e r aus Karlsbad domon- 
strirte Inhalationsapparat oder der in jüngster Zeit beschriebene 
Doucheapparat von W i n t e r n i t. z und Gärtner. Aeusserlieh 
wird die freie Kohlensäure als Gashad applicirt. um einen milden 
Reiz auf die gesammte Körperoherfläehe zu setzen. Man hat es 
auch versucht, das Gas in das Innere des Uterus zu leiten, hat 
jedoch auf diese Weise Peritonitiden theilweise sogar mit tödt- 
liehem Ausgange erzeugt. Auf die äusseren weihliehen Geni¬ 
talien und in die Vagina geleitet, soll das Gas — nach ameri¬ 
kanischen Berichten — die Wirkungen eines milden Adstringens 
entfalten. 

Nachdem H. die verschiedenen Formen der Heisslufttherapie 
und ihre Indioationen besprochen hat, beschreibt er seine eigene 
Methode der Anwendung heissen Kohlensäurcgases. zu welcher 
ihn B. Bernstein angeregt hat. Er lässt aus einem mit 
flüssiger Kohlensäure gefüllten Cvlinder das Gas ausströmen 
und in einem Schlangen roh re über Ncusilberdrähtc streichen, 
welche durch den elektrischen Strom erhitzt werden. Has aus- 
tretendo Gas ist heiss und wird nun entweder in geschlossene 
Kästchen geleitet, in welchen sieh die zu behandelnden Tvörper- 
theile befinden, oder man lässt dasselbe frei misströmen und die 
Haut- bestreichen. Gemeinsam mit Hr. Löwi hat Vortr. eine 
grosse Reihe von Kranken auf diese Weise behandelt. Es 
tritt zuerst eine Cutis anserinn, hierauf eine heftige Röthung 
der Haut ein. Fast, immer war eine sofortige schmerzstillende 
Wirkung nachweisbar. Als besonders interessant berichtet H. 
zwei Fülle von langjähriger Ischias, welche allen therapeutischen 
Versuchen Widerstand geleistet hatten und nach Anwendung 
des heissen Kohlensäuregases vollständig heilten, der eine der¬ 
selben allerdings nach einer anfänglich überaus heftigen Steige¬ 
rung der Erscheinungen. 

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In der Gesellschaft der Aerzte stellte Professor Benedikt 
mehrere Tabiker vor, an welchen er nach blutiger Hehnung der 
Tschiadici eine wesentliche Besserung der Geh- und Stehfähigkeit 
herbeigeführt hatte. Hieran anschliessend erörterte B. ausführ¬ 
lich di«» Therapie der Tabes. Er entwickelte vorerst seinen Fun¬ 
damentalsatz von dem ewigen inneren Wechsel zwischen Unter- 
und Ueberspannung in den Geweben, eine biomechanische Be¬ 
trachtungsweise, die uns in unserer Behandlung von Krank¬ 
heiten leiten soll, auf deren Erörterung wir aber hier nicht 
cingchen können, und fährt sodann fort: Entwickelt sich die 
Tal »es subacut oder werden Nachschübe beobachtet, so ist die 
Antiphlogose angezeigt, also absolute Ruhe, Kälteanwendung 
längs der Wirbelsäule, allenfalls blutig«* Schröpfköpfe und Extr. 
>(.‘calis eornuli innerlich. Später, wenn die Zehrung der Gewebe 
fortgeschrit len. ist, muss umgekehrt, die. Blutzufuhr begünstigt 
werden und starke, event. schottische Douchen bewirken dies tun 
besten. Tm Beginne der Erkrankung kommt auch der Galvani¬ 
sation eine grosse Rolle zu, während die Earadisation bei der 
Bekämpfung des S ec und ii rs v in p t on i s der Anaesthesie und als 
örtliches Betäubungsmittel gegen den tabisehen Schmerz in Be¬ 
tracht kommt. Her Kalt wasseren r kommt eine gleichwertige 
Rolle zu, während Thermen bloss milde und kurz angewendet 
werden sollen, da sie sonst schaden. Höchst bedeutsam ist die 
unblutige Hehnung, als wichtigste Methode gilt aber die blutige 
Helmung der Tschiadici, sie soll in jedem Falle in früher Zeit 
und sogar öfters bei den Einzelnen ausgeübt werden. Sie wirkt 
auf die Besserung der Motilität, und das Schwinden der 
Schmerzen unvergleichlich besser als die unblutigen Verfahren. 

Tm Weiteren bespricht B. die TVbungstherapie, mit welcher 
er geringe Erfolge erzielte, die medicamentöse (Quecksilber und 
Jod), durch welche die Kranken sehr oft intensiv geschädigt 
werden, zumal wenn die Ratio dafür fehlt, nämlich die syphi¬ 
litische Grundlage des Leidens. Besteht ein Verdacht auf Lues, 
so macht B. Einspritzungen von Sublimat; erst wenn diese er¬ 
folgreich zu sein scheinen, lässt B. schmieren, mit vorsichtiger 
Steigerung der Bosis von 2,0 aufwärts bis zu 4,0. Wenn Still¬ 
stand der Besserung oder gar Verschlimmerung eintritt, so ist 
diese Behandlung zu unterbrechen oder allenfalls zu ver¬ 
schieben. Beim »Todgebrauch ist die Tagesdosis von 1,0 wohl 
immer genügend und die Wirkung, wie heim Quecksilber, strenge 
zu überwachen. Sind die Schmerzen sehr heftig, so kann man 
Sublimat oder Jod in drei Tagesgaben mit je In eg Morphin 
verabreichen; dieses ist immer noch das beste schmerzstillende 
Mittel, wiewohl andere, wie Jodnatrium, Salicylpräparate, Phen¬ 
acetin eie. zu versuchen sind. 

Wichtig siful noch die Points de feu, welche B. längs der 
Wirbelsäule setzt und wobei er die Wundeiterung durch längere 
Zeit anhallen hisst (Einreihung von TTngt. Mezerei). Sie sind 
von enpitnler Bedeutung für die Behandlung der Crises gastri- 
ques, besonders wenn noch kein Morphinismus besteht. Hier 
wird sogar zuweilen dauernde Abhilfe erzielt. 

Tn derselben Gesellschaft besprach Hr. The neu die Ur¬ 
sache des Gehurtseintrittes. Hie bisher aufgestellten Hypo¬ 
thesen über die Ursache dos Gehurtseintrittes können der Kritik 
nicht. Stand halten, da sie nicht hei jeder Gehurt Geltung haben 
und insbesondere nicht zur Erklärung des Eintrittes der Wehen 
bei extrnuteriner Lage der Frucht herangezogen werden können. 

Wenn das lebende befruchtete Ei mit dem mütterlichen 
Organismus in Verbindung getreten ist, übt es auf denselben 
einen mächtigen Reiz aus, der zur Entwicklung der Sehwanger- 
sehaftsveränderungen führt. Bie Schwangerschaft ist eine 
specifwohe Reaetion des weiblichen Organismus auf den Reiz 
des Eies, Hauer und Verlauf der Schwangerschaft, sind an den 
Fortbestand dt s Reizes geknüpft. Hie bedeutendsten Reactions- 
erseheinungen bietet naturgemäss der Uterus. Has physio¬ 
logische Ende der Schwangerschaft tritt ein. wenn der Reiz 
von Seite des Eies entfällt oder unter die erforderliche Grösse 
sinkl ; dann muss auch der Uterus zu seiner normalen Function 
zurüekkehren, deren erste Aeusserung die Ausstossung seiner 
verändert on Mucosa ist. 

Hie Ursache des Geburt sein trit tes liegt daher nicht im Auf¬ 
treten eines neuen Reizes, sondern im Ausfälle jenes Reizes, 
welcher die Schwangerschaft hervorgerufen hat. Hie am Ende 
der Schwangerschaft bemerkbaren Hegenerationserscheinungen 
an der Plaeenta sind Folgen der physiologischen Rückbildung 

Original from 

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562 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


der letzteren. Die Placentn erhält nämlich nur dasjenige Blut 
als Nälirmaterial, welches den Foetus schon passirt hat. Um die 
30. Woche der Schwangerschaft hat aber dieser schon eine solche 
Ausbildung erlangt, dass das von ihm abströmende Blut schon 
veniger Nährstoffe enthält als früher, und dass daher die Pla- 
centa auch langsamer wächst. In der Folgezeit geräth die 
Plaeenta in Folge der Verschiebung des Verhältnisses zwischen 
ihr und dem Foetus in immer ungünstigere Ernährungsbeding- 
ungen, deren Folgen sich dann im Wachsthumsstillstande (circa 
in der 36. Woche) und nachher in Folge Unterernährung im 
Auftreten der Degeneration äussom. Die Degenerationserschei¬ 
nungen treten vorwiegend an den Haftzotten auf, welche die 
vitale Verbindung vermitteln, da sie nur von Endverzweigungen 
der (lefäsM* versorgt werden, während die Ernährungszotten weit 
.seltener der Degeneration anheimfallen können, da sie vom 
mütterlichen Blute uinspiilt werden und so das nöthigo Nähr¬ 
material aufnehmen können. 

Tn Folge der Degeneration der Haftzeiten erfolgt die physio¬ 
logisch« 1 Trennung von Frucht und Mutter, wodurch sich der 
vom Ei übertragene Beiz immer mehr verändert, bis er schliess¬ 
lich nicht mehr hinreicht, den Uterus in Schwangerschafts- 
ronction zu erhalten. Er kehrt zu seiner normalen Funktion 
zurück und stösst die veränderte Schleimhaut und mit ihr den 
Inhalt aus. Bei der Extrauteringravidität stellt sich derselbe 
Vorgang ein, in Folge der Verlagerung der Haftstelle der Pla- 
oenta zeigen sich aber graduelle Unterschiede in den Schwanger¬ 
schaf fssymptomen des mütterlichen Organismus gegenüber der 
normalen Schwangerschaft. Auch hier erfolgt die Ausstossung 
(ho 1 Docidun nach Ausfall des Beizes d<?s lebenden Eies. Diese 
Hypothese erklärt nicht nur den Geburtseintritt in einheitlicher 
Weise, sondern liefert auch die Aufklärung, warum die Schwanger¬ 
schaftsdauer eine typische ist. 


Aus den Pariser medicinischen Gesellschaften. 

Soci€t6 de Therapeutique. 

Sitzung vom 21. Februar 1000. 

Die Behandlung der Influenza und ihrer Abortivformen. 

Huchard legt besonderes Gewicht auf letztere, da sie zu 
Epidemiezeiten oft nicht erkannt werden. Er unterscheidet solche 
ohne und mit Fieber. Erstere sind gekennzeichnet durch ver¬ 
schiedene Neuralgien, durch allgemeine Nerven- und Muskel- 
sehwächo oder durch Lungencongestion (an der Basis beider 
Rungen), welche ganz latent ist oder nur geringfügige Erschei¬ 
nungen zeigt; auch gibt es Influenzaabortivarten gastrointesti¬ 
naler Art, welche durch einfache Magenaffectiou oder verschiedene 
Magen-Darmstörungen gekennzeichnet sind. ■ Die fieberhafte 
Abortivform der Influenza ist ehnrakterisirt durch manchmal sehr 
hohes Fieber von 42—48 ständiger Dauer, welches von keinen 
Organerkrankungen begleitet, ist und spontan oder nach thera¬ 
peutischem Eingriff zurückgeht. Prophylaktisch sind gegen 
solche Fälle und besonders gegen deren gefährliche Folgen 
strengste Anti- und Asepsis der Haut und dos Mundes (Pinselung 
der tieferen Theile dos Rachens mit Sublimatlösung) zu em 
pfohlen. Therapeutisch wendet H. stets von Beginn der Affection 
Chinin, sulfur. 1.0—1,5 g per Tag, 3—4 Tage hindurch an. 
manchmal zugleich Secale eornut. (0,1 des wässerigen Extracts und 
0.1 Chinin auf 1 Pille, davon 0 Pillen täglich). Da das Antipyrin 
die Nierensecretion vermindert, sollte es nicht zu oft benützt 
worden. Bei hochgradiger Nervenschwäche ist Strychnin von 
Vortheil (2 - 3 mg pro Tag in Pillen oder subcutan). Als ein Mittel, 
welches Antipyretienm ist und zugleich anticongestionell und 
gefässzusnmruenziehend wirkt, sollte das Chinin neben den hygi¬ 
enischen Maassnahmen und der Mundrachenhöhleantisepsis die 
Basis einer prophylaktischen Behandlung sein. 

Stern. 


Aus den englischen medicinischen Gesellschaften. 


Manchester Medical Society. 


Sitzung vom 7. Februar 1900. 

W. E. F o t h e r g i 11 berichtet über die Darreichung von 
Salol und Petroleum bei Diarrhoe der Kinder. Die Fälle sind im 
letzten Sommer in der Poliklinik beobachtet worden. Salol wurde 
bei 35 Fällen gegeben. 2 Kinder starben. 6 erholten sich erst beim 
('»(‘brauche anderer Mittel, während die übrigen 27 unter aus¬ 
schliesslichem Gebrauch von Salol rasch und vollständig genasen. 
Bei 2,2 Kindern wurde eine Emulsion mit 33ft* Proc. Petroleum ge¬ 
geben. Ein Kind starb, 2 erholten sich langsam unter Beihilfe von 
anderen Mitteln, und die tirigen 29 Fälle verliefen unter Behand¬ 
lung ausschliesslich mit der Emulsion schnell günstig. 

P h i 1 i p p 1 - Bad Salzschlirf. 


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Gck igle 


Congress zur Bekämpfung der Tuberculose als Volks¬ 
krankheit 

in Neapel vom 25.-28. April 1900. 

Programm. 

Dienstag, den 24. April, Abends 9 Uhr Begrüssung im 
Palazzo Maddalonf; Mittwoch, den 25. um 10 Uhr Vorm, feier¬ 
liche Eröffnungssitzung in Anwesenheit des Königspaares; An¬ 
sprachen des Ministers B a c c e 11 i, des Bürgermeisters von Neapel 
und der fremden Deiegirten,. 2 Uhr Verhandlungen der Seetion I 
(Aetiologie und Prophylaxe). 9 Uhr Abends Empfang im Rath- 
liause. D o n n e r s t a g, den 26., Vorm. 9 Uhr Verhandlungen der 
Seetion II (Pathologie und Klinik). 8 Uhr Abends Galaoper. 
Freitag, den 27. Vorm. 9 Uhr Verhandlungen der Seetion Ii. 
Nachm. 2 Uhr Seetion III (Therapie). Sonnabend, den 28.. 
Vorm. 9 Uhr Seetion III, Nachm. 2 Uhr Seetion IV (Sana¬ 
torien), 0 Uhr Schluss des Congresses, 8 Uhr gemeinschaftliches 
Diner. Sonntag, den 29. Ausflug im Golf vom Neapel auf einem 
Künigl. Kriegsschiff, Montag, den 30. Ausflug nach Pompeji; 
Frühstück. Wahrscheinlicher Weise wird auch ein Gratisausflug 
nach Palermo zur Besichtigung des F 1 o r i o’sehen Sanatoriums 
Hygiea statttinden. — Die Mitgliedschaft des Congresses wird 
gegen Einzahlung von 20 Lire erworben, theilnehmende Damen 
zahlen den gleichen Preis; die Mitglieder erhalten auf den italieni 
sehen Rahnen und Dampfschiffliuien eine Ermässigung von 
50 Proc.. und.zwar falls die Hinfahrt zwischen 18. und 20. April, 
die Rückfahrt zwischen 25. April und 5. Mai zuriiekgelegt wird; 
der Genuss dieser Ermässigung ist vom Besitz der Mitgliedskart« 1 
abhängig. Auskunft über Reiseangelegenheiten etc. ertlieilt das 
Reisebureau Carl Stange n, Berlin, Friedrlchstr. 72, woselbst 
auch die deutschen Theilmüimer ihren Mitgliedsbeitrag entrichten 
können. 


Verein der deutschen Irrenärzte. 

.T a lm‘ssitzung in Frankfurt a. M. am 20. und 21. April 
1900, Früh 9 Uhr, im S e n k e n b e r g’schen Institute. 

Tagesordnung. 

1. Geschäftliche Mittkeilungen, Rechnungslegung. 

2. Die Prognostik der Geistesstörungen In Bezug auf § 1569 
d«‘s Bürgerlichen Gesetzbuches (Ehescheidung). Ref.: Herr Prof. 
Dr. Lenel - Strassburg. Corref.: Herr DIrector Dr. K r e u s e r - 
Sclnissenried. 

3. Ueber den heutigen Stand der Lehr«» von der Betheiligung 
des Rückenmarks bei der allgemeinen Paralyse. Ref.: Herr Prof. 
Dr. F ii l* s t n e r - Strassburg. 

V o r t r ii g e ; 

1. Herr Privatdocent Dr. Ki rehhoff - Neustadt: Der inelaii 
cliolisch« 1 Gesiehtsaiisdiuck und seine Bahn. — 2. Herr Privat¬ 
docent Dr. B o n h o e f f «» r - Breslau: Die Zusammensetzung «les 
grossstädtischen Bettler- und Vagabundeuthums. — 3. Herr Dr. 
Vogt-Berlin: Zur Grosshirnfaserung. — 4. Herr Prof. Dr. 
S i e m e r 1 i ii g - Tübingen: Ueber Entwickelung der Lehre von d«*u 
geisteskranken Verbrechern. — 5. Herr Dr. S a n d e r - Frank¬ 
furt a. M.: Zur Aetiologie und pathologischen Anatomie acuter 
Geistesstörungen (mir Demonstrationen). — 6. Herr Dr. Raecke- 
Frankfurt a. M.: Einiges über die Veränderungen im Kleinhirn und 
Hirnstamm bei der Paralyse (mit Demonstrationen). — Herr Dr. 
F r i e d 1 ä u d e r - Frankfurt a. M.: Ueber die klinische Stellung 
der sogen. Ereutropkobie. — 8. Herr Dr. Alzheimer- Frank¬ 
furt a. M.: Einiges zur pathologischen Anatomie der chronischen 
Psychosen (mit Demonstrationen). — 9. Herr Geheimrath I>r. 
S c h ü 1 «> - TUenau: Ueber Beschränkung der Heiratbsberechtigimg 
bei Geisteskrankem. — 10. Herr Director Dr. S i o 1 i - Frankfurt 
a. M.: Warum bedürfen die grossen Städte einer intensiveren Für¬ 
sorge für Geisteskranke als das flache Land? — 11. Herr Dr. 
Daune m ann- Giessen: Die Einrichtung eines psychiatrischen 
Städteasyls, mit Demonstration von Plänen. — 12. Herr Pr. 
Kapl a n - Herzberge: Ein neues Mikrotom (Excenter-Rotations- 
Mikrotom „Her/bergc“) von Kaplan und G. Meyer. 

Der Vorstand: 

F ü r s t n e r - Strassburg. — Hitzig- Halle. — J o 11 y - Berlin. 
Krensor - Sclnissenried. ^ Laehr - Zehlendorf. — Pelman- 
Bonn. — Siemens- Lauenburg i. P. 


Verschiedenes 

Aus den Parlamenten. 

1 >as p r e u s s i s e ho Herrenhaus konnte es sich nicht 
versagen, auch seinerseits «len F a 11 N e is s e r (vgl. diese Wochen 
schril't S. 379 1 zu hrkritcln; «»in Redner brachte sogar die Sache in 
Zusammenhang mit der Yivis<*ctiou. Oberbürgermeister Bender 
und Dr. Förster nahmen sich warm der Vertlieidigung 
NeisscFs an mul hoben seine ernsten und verdienstvollen For¬ 
schungen hervor: wenn wirklich einmal ein Mann, der sieh all« 1 
Mülle gebe, die furchtbare Geissei der Menschheit, die Syphilis, aus 
der Welt zu schaffen, dabei einen Fehler begangen haben sollte, 
was noch gar nicht unchgewieseu sei, so dürfe man nicht so hart 
urtheilen. 


Original frnrri 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



17. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICI\ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


563 


Die bayerisc h e K a m m e r der lt e i e h s r ä t k e trat i gutem Erfolge gemacht hat. Da.s Publicum iu Passau glaubt nicht 


den auf S. 347 d. YV. erwähnten Beschlüssen der Abgeordneten¬ 
kammer hinsichtlich Erwirkung eines Reichs-Fleisch- 
lioscbaugesetzes bei. In der Diseussion hob Reichsrath 
v. A u e r den Widerspruch hervor, dass nach diesen Beschlüssen 
auf der einen Seite die Fleischbeschau in gewissen Fällen, nämlich 
hei den sogen. Ilaussehlachtmigen, als vollständig überflüssig hin- 
gestellt werde, auf der anderen Seite dagegen beim ausländischen 
Fleische die Beschau in einer solchen Ausdehnung verlangt werde, 
dass hiedurch seine Einfuhr unmöglich gemacht werde. 

An das bayerische Abgeordnetenhaus gelangte 
eiu Gesetzentwurf über Abänderung und Ergänzung des baye¬ 
rischen Polizeistrafgesetzbuches in Bezug auf den Verkehr mit 
Arznei- und Uehelmmitteln, auf YY r o li n u n g s p o 1 i - 
zei und Baupolizei. Bei dem letzten Punkte handelt es 
sich im Grossen und Ganzen darum, die diesrheinischen baupoli¬ 
zeilichen Vorschriften auch für die Pfalz gelten zu lassen: hin¬ 
sichtlich der Wohnungsfrage soll eine gesetzliche Grundlage ge¬ 
schaffen werden, auf der dann die weiteren Verordnungen, ober- 
nnd ortspolizeilichen Y T orschriften erlassen werden können. Die 
bisher bestehenden Lücken in der Gesetzgebung über den Verkehr 
mit Arznei- und Gehehnmitteln sollen nunmehr ausgefüllt und auch 
Strafbestimmungen gegen die Anpreisung von Geheimmitteln zu¬ 
gelassen werden. Y'on mehreren Seiten wurde hiezu der Wunsch 
ausgesprochen, dass in Bezug auf die Hausmittel, die Tliierarznei- 
mittel und die Handapotheken auf dem Lande nicht zu rigoros 
verfahren werde, und die neuen Bestimmungen nicht zum Nutzen 
der Apotheken ausgelegt werden sollten; auch wurde angeregt, 
dass die Regierung, ähnlich wie in Baden, die Geheimmittel unter¬ 
suchen lassen und das Ergelmiss veröffentlichen solle. Der Ge¬ 
setzentwurf ward zunächst an einen besonderen 14 gliederten Aus¬ 
schuss verwiesen. 

In der gleichen Sitzung befasste sich die Kammer mit der Ab¬ 
änderung tles Gesetzes über die 1 a n d - u n d f orstwirtü- 
schaft liehe Unfallversicherung. Der Antrag Dr. 
Haube Fs, dass Unfälle mit einer Erwerbsbeschränkung unter 
20 Proc. nicht mehr entschädigt werden sollten (s. S. 482 d. W.), 
fand auch im Plenum keine Zustimmung, da eine derartige ein¬ 
seitige Beschränkung für eine Kategorie von Unfallversicherten 
nicht zugelassen werden wollte, dagegen fanden die Anträge des 
YY T irthschaftsausscluisses Annahme, welche eine bessere Controle 
der Rentenempfänger lind eine t heil weise Abwälzung der Unfali- 
versicheruügskosten auf die Invaliditätsversicheruug bezwecken; 
vergeblich wurde auf die Undurchführbarkeit des letzteren An¬ 
trages und die Verschiedenheit beider Gesetze liingewieseu. Inter¬ 
essant war die statistische Feststellung, dass bei der bayerischen 
forst- und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft 2 Drittheile 
der Unfallrenten auf die Betriebsuuternehmer treffen und nur 

1 Drittel auf die Dienstboten. Nach Mittheilung des Ministers 
haben die bisherigen Controlen der Rentenempfänger eine nicht un¬ 
wesentliche Herabminderung der Rentenzahlungen, vereinzelt auch 
eine Erhöhung der Renten zur Folge gehabt; die Controle erfolgte 
meist in der YVeise, dass Vertreter der Berufsgenossenschafteu in 
Begleitung eines bisher unbeteiligten Arztes eine Gemeinde auf¬ 
suchen und dort alle Rentenempfänger sich vorstellen lassen. Ge¬ 
klagt wurde darüber, dass für Vergütung von Unfällen in den land¬ 
wirtschaftlichen Betrieben noch viel zu wenig geschehe. Dass es 
ohne Angriffe auf die ärztliche Behandlung und Begutachtung 
nicht abgehen konnte, ist selbstverständlich. Nach den Mit¬ 
teilungen des Ministers betrugen die Kosten des Heilverfahrens 
ca. 3y 2 , die Kosten für ärztliche Gutachten 4 und die Y r erwaltungs- 
kosten 3 Proc. der ganzen Entschädigungssumme. 

Die k. Staatsregierung projectirte die Errichtung der Stelle 
eines Landesinspectors für das Turn wesen. Der¬ 
selbe sollte als Beirath des Ministeriums das Turnwesen an den 
Mittelschulen und auch an den Volksschulen überwachen, für 
zweckmässige Förderung des Turnunterrichtes und Sicherung 
eines einheitlichen Turnbetriebes wirken, sowie den Turnlehrern 
Anregungen geben. Das Postulat wurde im Finanzausschüsse 
vorläufig abgelehnt, dagegen wurden 1000 M. als Diäten und Reise¬ 
kosten behufs Vornahme von Turn Visitationen bewilligt. 

Der Fall Zehnder. 

Wie aus den Tageszeitungen bekannt Ist, wurde der prakt. 
Arzt Dr. Zehnder in Passau am 23. März Morgens von 

2 Polizeibeamten in seiner Wohnung abgeholt und sofort in die 
Kreisirreuanstalt Deggendorf überführt. 

Auf Veranlassung der k. Regierung von Niederbayern war 
vorher von dem Director der Kreisirrenanstalt Deggendorf ein Gut¬ 
achten über den Geisteszustand des Dr. Zehnder erholt worden. 
Das Gutachten sprach sich auf Grund der Acten dahin 
aus, dass I)r. Zehnder an Verfolgungswahn leide und gemein¬ 
gefährlich sei. Auf Grund dieses Gutachtens wurde vom Stadt¬ 
magistrat Passau die vorläufige Unterbringung des Dr. Zehnder 
in der Kreisirrenanstalt Deggendorf nach Artikel 80, Abs. 2 des 
Pol.-Str.-G.-B. verfügt. 

Die vielen in den letzten Wochen in den Tagesblättern er¬ 
schienenen Mittheilungen über den Geisteszustand des Dr. 
Zehnder können nicht als maassgebend betrachtet werden, 
authentisches Material liegt zur Zeit nicht vor, es muss desshalb 
das Uriheil darüber, ob das polizeiliche Vorgehen materiell 
gerechtfertigt war oder nicht, vorläufig verschoben werden. 

Fest steht einstweilen das Eine, dass Dr. Zehnder bis zum 
letzten Augenblick seine ärztlichen Geschäfte aufs Beste besorgt 
hat. dass er z. B. am letzten Tage eine Uterusexstirpation mit 


an eine geistige Erkrankung. 

Ganz klar auf der Hand liegt die Erkrankung demnach nicht. 

Bei einem so gelagerten Fall muss selbstverständlich erwartet 
werden, (lass ein so folgenschwerer Schritt, wie die polizeiliche 
Einschaffung in die Irrenanstalt für den Betroffenen ist, von der 
ntaassgebemlen Behörde nur gemacht wird unter peinlicher Ein¬ 
haltung der bestehenden Vorschriften. 

Ein Fall, der vor einigen Jahren iu Würzburg spielte und sehr 
unliebsames Aufsehen erregte, veranlasst# das k. Staatsministerium 
des Innern, eine Verordnung d. d. 1. Januar 1895 zu erlassen. Die¬ 
selbe beginnt folgendermaassen: 

„Zum Vollzug des Art. 80, Abs. 2 des Pol.-Str.-G.-B. i n s - 
b e s onde re zur Sich e r un g der Interessen de r 
(l u r e h die b e z ü g 1 i c h e n Maassu a li m e n zunächst 
betroffenen Personen wird Nachstehendes angeordnet": 

§ 2 der YVrordnung lautet: 

„Das dem distrietspolizcilichen Beschlüsse nach ausdrück¬ 
licher Vorschrift des Art. So, Abs. 2 zu Grunde zu legende bezirks¬ 
ärztliche Gutachten ist a u s n a h m s 1 o s a uf G r u n d p e r - 
s ö n 1 i c h e r Untersuchung der uiiterzubringenden, bezw. 
zu verwahrenden Person d u r c li d e n be t re f fenden, zu r 
G u t a c li t e u s a b g a b e v e i*a nlusst e n Amtsa r z t zu 
erstatten.“ 

Diese persönliche Untersuchung durch den begutachtenden 
Arzt hat im Falle Z e li n d e r nicht statt gefunden, sondern das 
Gutachten, welches die Einsehaffung zur Folge hatte, war aus 
schliesslich auf Grund der Acten abgegeben, es war dem Dr. 
Zehnder vor seiner Einsehaffung keine Möglichkeit gegeben, 
sieh zu vertheidigen oder Aufklärungen zu geben. 

Y\ r ir wissen nicht, aus welchen Gründen die persönliche ärzt¬ 
liche Untersuchung im vorliegenden Fall unterblieben ist. YY'ii 
müssen aber das Unterbleiben derselben entschieden verurtheilen. 
Denn Vorschriften, die ausdrücklich zur Sicherung der Interessen 
der betroffenen Personen erlassen sind, müssen unter allen Um¬ 
ständen eingehalten werden, am allermeisten aber von Seite der 
Behörden. 

Eine Aufklärung von zuständiger Seite wäre daher dringend 
nothwendig. 

Wie bekannt, siedelte Dr. Zehnder in voriger Woche au;' 
eigenen Wunsch in die Nervenheilanstalt Neufriedenheim über. 

Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher. 
Der heutigen Nummer liegt das 102.Blatt der Galerie bei: Thomas 
Grainger Stewart. Eiu Nekrolog war bereits in No. io. 
S. 345 enthalten. 

Therapeutische Notizen. 

Zur Therapie der Obstipation. R. 0. Fisher 
bespricht in Texas Medical News, August 1899 die Wirkung der 
Cascara sagrada und äusserst sich dahin, dass die Anwen¬ 
dung derselben als Catharticuin nicht zweckmässig und selten von 
dem gewünschten Erfolge begleitet sei. Ihre Hauptwirkung äussert 
sich bei Darreichung kleiner Dosen in einer tonischen Erregung 
der unteren Darmabschnitte. Da nun eine Kotlistauung in diesen 
Partien in der Regel mit einer mangelhaften Gallenausscheidung 
zusammenhängt, so empfiehlt er für diese Formen eine eombinirte 
Anwendung von Hydrargyr. corrosiv., Strychnin und Sagrada in 


folgender Form: 

Rp. Hydrargyr. corrosiv. 0,1^ 

Strychnin, sulfur. 0,05 

Aq. dest. 30,0 

Extr. cascarae sagradae fluid. 120,0 
Glycerin ad 250,0 


M.D.S. 1—3 Theelöffel täglich. 

Die zur Erreichung einer täglich einmaligen Dar ment leeru ng 
genügende Minimaldosis muss ausprobirt und alsdann längere 
Zeit hindurch regelmässig genommen werden. Von Wichtigkeit 
ist die Gewöhnung und Einhaltung einer gewissen Tageszeit. 

F. L. 

Incontinentia v e s i e a e. Gegen das, namentlich bei 
älteren Frauen häufige Harnträufeln und unwillkürlichen Harn¬ 
abgang bei Husten, Nleasen u. s. w. wird iu der Cincinnati Lancet- 
Clinic vom 4. November 1899 die 3 bis 4 mal täglich wiederholte 
Darreichung von 1 Tropfen Cantharidentinctur iu Wasser em¬ 
pfohlen, wodurch eine Kräftigung des Blasenschliessmuskels er¬ 
zielt werden soll. E. L. 

K y r o f i n ist ein von der Baseler Chemischen Fabrik in 
den Handel gebrachtes Antipyreticum und Antineuralglcuin und 
heisst chemisch Methylglykolsäurephenetidid. Nach Breiten- 
stein (Therap. Monatsh. 3, 1900) setzt dasselbe in Dosen von 
0,5—1,0 die Temperatur schnell herab, ohne die Herzthätigkeit 
und das Allgemeinbefinden zu beeinflussen. Ausserdem bewährte 
es sich in der gleichen Dosis bei allen möglichen Neuralgien, 
auch scheint es gewisse hypnotische Eigenschaften zu besitzen. 

Kr. 

Burophen wird neuerdings von Saalfeld (Thernp. 
Monatsh. 3, 1900) wieder angelegentlich zur Behandlung des harten 
und weichen Schankers empfohlen. In seiner Wirksamkeit stellt 
dasselbe der des Jodoforms in keiner Weise nach, während die 
Mängel des letzteren dem Mittel in keiner Weise anhaften. Kr. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



564 


No. 16 


MUNCHBXKR MKDICIN 

Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 17. April 1900. 

— Mit der Allerli. Verordnung, den Vollzug des Impf¬ 
gesetzes betrelleml, haben sieh jetzt auch die bayerischen 
Standes vereine zu beschäftigen begonnen. So die ärztlichen Be¬ 
zirksvereine von Nürnberg und von Regensburg, die beide sich 
mit Petitionen um Abänderung des § 3, Abs. 2 der Verordnung 
an die Regierung gewandt haben. Der Regensburger Verein hat 
überdies beschlossen, bis zur Verbesclieidung seines Protestes auf 
die Ausübung von Privatimpfuiigen zu verzichten und das Publi¬ 
cum durch die Presse über diese Maassualime zu informiren. Wir 
geben uns noch immer der Hoffnung hin, dass die Regensburger 
(’ollegen nicht in die Lage kommen werden, den Verzicht auf die 
Privatimpfungen, der vielleicht von der Regierung gar nicht ungern 
gesehen würde und jedenfalls eine zweischneidige Waffe wäre, 
durchzuführen, dass vielmehr die Regierung es den Aerzten er¬ 
möglichen wird, auch ohne die Nachweise des § 3 Abs. 2 erbracht 
zu haben, in das bevorstehende Impfgeschäft einzutreten. Der 
ärztliche Bezirks verein München wird sich in einer Sitzung am 
30. ds. Mts. mit der Impfverordnuug beschäftigen, wobei Herr 
Pr. Carl Becker das Referat erstatten wird. 

— Fes t. Brit. Ostindien. In Karachi beginnt nach Mitthei- 
h iigen vom 15. März die Pest, wieder zuzunehmen; während der 
zweiten Woche des März sind dort täglich lü bis 12 neue Fälle vor- 
gekommen. Seil der letzten Epidemie ist die Stadt nie ganz pest¬ 
frei gewesen; es wurden täglich 1 bis 2 Fälle festgestellt, nur an 

einzelnen Tagen hatten sich keine Neuerkrankuugen gezeigt_Kap- 

land. Hinsichtlich der am 7. März auf einem Dampfer im Hafen 
von Kapstadt festgestellten 3 Pestfälle wird nachträglich berichtet, 
dass das am Morgen des 3. März aus Rosario in der Tafelbai an- 
gokommeiie Schiff mit der gesummten Mannschaft einschliesslich 
der Erkrankten nach der etwa 00 engl. Meilen nördlich von der 
Tafelbai gelegenen Saldanlia-Bai geschickt worden ist, um dort 
so lange in Quarantäne zu bleiben, bis eine Gefahr der Verbrei¬ 
tung der Seuche ausgeschlossen erscheint. Die 3 Kranken wurden 
in ein Lazareth gebracht und dort isolirt, das Schiff wurde des- 
inticirt. Der Kapitän des Schiffes war einen Tag vor Ankunft 
desselben an einer unbekannten Krankheit gestorben. — Argen¬ 
tinien. Vom 23. Februar bis 1. März sind in Rosario 13 Todes¬ 
fälle verzeichnet worden. Die meisten Fälle — etwa 4 von je 5 — 
verlaufen lüdtlieh. Die Kranken werden nach Isolirbaracken ver- 
biacht, die Impfung ihrer Eingebung mit Pestserum, die Des- 
infeclion. die Vertilgung der Ratten und mannigfache andere 
hygienische Maassregeln werden mit verstärktem Eifer betrieben. 
— Neu Süd-Wales. Zu Folge einer Mittheilung vom 27. Februar 
waren in Sydney seit dem 23. Februar zwei neue Fälle von 
Beulenpest, deren einer rasch Lüdtlieh verlief, festgestellt worden. 
Alle Personen, welche mit den beiden Pestkranken in der letzten 
Zeit verkehrt hatten, im Ganzen 30 bis 40, waren auf die Quarau- 
tünestation gebracht. L>ie von ärztlicher Seite vorgeschlagenen 
Versuche, möglichst viele Ratten zu vertilgen, unterblieben an¬ 
geblich, weil nach der Ansicht der beiheiligten Kreise es ganz 
unmöglich sein würde, diese' Tliiere in den Docks und auf den 
Schilfen auch nur einigermaassen auszurotten. — Neu-Caledonien. 
Vom 13. bis 21. März sind in Numea 4 Erkrankungen und 1 Todes¬ 
fall an der Pest zur Anzeige gelaugt. IV. d. K. G.-A.) 

— In der 13. Jahreswoche vom 23. bis 31 März 1900 hatten 
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterb¬ 
lichkeit Elbing mit 38,7, die geringste Schöneberg mit 9,8 Todes¬ 
fällen pro Jahr und ,1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb an Scharlach in Dortmund, Essen. 

—- Das bisher für die Firma Benno J a f f 6 und Darm- 
stiidter in Martinikenfelde bei Berlin eingetragene Waareu¬ 
zeichen „Lanolin“ ist unterm 22. v. M. vom K. Patentamt ge¬ 
löscht worden. Das Urtbeil geht von der Auffassung aus, dass die 
Bezeichnung „Lanolin“ für das gereinigte Wollfett ursprünglich 
nicht den Zweck hatte, als Wortmarke zu dienen, sondern der 
Waare einen Namen zu geben, und führt u. a. aus: „Hätte Lieb¬ 
reich der Allgemeinheit rechtzeitig kundgegeben, dass das Wort 
Lanolin nicht als Name, sondern als Marke Verwendung finden 
solle, so würde der Verkehr in der Lage gewesen sein, gegen die 
Aufnahme des Namens Lanolin sich ablehnend zu verhalten und 
es wäre die Möglichkeit gegeben gewesen, dass ein anderer Name 
dem Producte beigelegt worden wäre. Dadurch aber, dass 
Dr. Braun und Liebreich dem neuen Producte den Namen 
Lanolin beilegten und letzteres der Allgemeinheit kundgaben, ge¬ 
währten sie der Allgemeinheit das unverkürzbare Recht, den 
Namen Lanolin im Verkehr nicht für die von der jetzigen Zeichen¬ 
inhaberin hergestellte Waare, sondern für jede Waare, mochte die¬ 
selbe rechtmässig oder rechtswidrig hergestellt sein, zu gebrauchen 
und sie begaben sich, unter der tbatsäclilich eingetreteuen Voraus¬ 
setzung, dass der Name vom Verkehr aufgenommen wurde, zu¬ 
gleich des Rechtes, das Wort „Lanolin“ für die von ihnen bezw. 
ihren Rechtsnachfolgern hergestellte Waare als Marke in An¬ 
spruch zu nehmen.“ 

— Dr. Max Breitung in Coburg wurde zum Professor 
ernannt 

— Herr Dr. Julius Marcuse in Mannheim wurde zum 
correspondirenden Mitglied der Sociötö Frangaise d’Hygiöne in 
Paris ernannt. 

- - Durch einige bemerkenswerthe Neugründungen ist die 
deutsche Zeltschriftenliteratur in jüngster Zeit bereichert worden. 


ISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Die lebhafte literarische Thätigkeit, die auf dem Gebiete der Tuber- 
culoseforscliung im Gange ist, machte ein besonderes Organ für 
dieses Arbeitsfeld schon lange wünschenswerth. Die im Verlage 
von Veit & Co. in Leipzig erscheinende, von B. Frünkel, 
C. Gerhardt und E. v. Leyden herausgegebene „Zeit¬ 
schrift für Tuberculose und Heilstätteuwesen“ 
entspricht daher einem Bedürfnisse. Das soeben erschienene 
erste Heft enthält Beiträge einer Anzahl der bekanntesten Autoren 
auf diesem Gebiete. Da der Inhalt der neuen Zeitschrift einen 
grossen Kreis von Aerzten interesslren wird, werden wir über 
denselben regelmässig referireu und beginnen damit in der 
vorliegenden Nummer. 

Einem verwandten, aber noch enger begrenzten Gebiet 
dient die im Verlage von J. A. Barth in Leipzig erscheinende, 
ebenfalls im ersten Heft vorliegende Zeitschrift: „L e p r a.“ Sie 
wird von den Lepraforschern E. B e s n i e r, K. Debio, E. 
Ehlers, Annulier Hansen, J. Kevins H y d e, J. Hut¬ 
chinson und A. Neiöser herausgegeben. Sie ist, wie die 
vorgenannte, international; aber während dort ausländische 
Autoren nur zu Gaste sind, während der Charakter der Zeit¬ 
schrift deutsch bleibt, ist hier die Interuationalität streng durch¬ 
geführt. Der Titel ist lateinisch, der Text deutsch, englisch oder 
französisch. Da diese drei Sprachen Gemeingut aller Gebildeten 
sind, so wäre dagegen nichts einzuwenden. Peinlich berührt aber 
die sichtliche Zurücksetzung der deutschen Sprache. Man geht 
darin soweit, dass in dem in Deutschland erscheinenden Blatt 
deutsche Arbeiten von deutschen Referenten in englischer oder 
französischer Sprache rei'erirt werden. Man kann sich denken, 
was dabei herauskommt. Abgesehen von dem ungünstigen Ein¬ 
drücke, den manche dieser Referate wegen der mangelhaften Be¬ 
herrschung der fremden Sprache im Auslande hervorrufen werden, 
könnte man für die deutsche Sprache doch Gleichberechtigung 
mit den beiden anderen und für die deutschen Mitarbeiter Zu¬ 
lassung in ihrer eigenen Sprache verlangen. Im Uebrigeu kann 
dem Inhalte, sowie der Ausstattung des ersten Heftes der „Lepra“ 
nur Anerkennung gezollt werden. 

Eine weitere begrüsseuswertlie neue Zeitschrift ist: „D e r 
V 1 k o h o 1 i s m u s. Eine Vierteljahrsschrift zur wissenschaft¬ 
lichen Erörterung der Alkoholfrage“, herausgegeben von A. B a e r. 
Bölimert, v. Strauss und Torney und Waldscliuiidt. 
Den Verlag hat O. V. Böhmert in Dresden übernommen. Da 
die bisher existirenden, der Bekämpfung des Alkoholismus 
dienenden Blätter vorwiegend agitatorischen Charakter haben, 
eia Organ für die wissenschaftliche Erörterung der Alkoholfrage 
aber fehlte, so entspricht auch diese Zeitschrift einem Bedürfniss. 
Das uns vorliegende erste Heft enthält Beiträge von A. B a e r, 
Böhmert, Grawitz, S n e 11, Schenk u. A. Der Preis 
für den Jahrgang beträgt 8 Mark. 

— In 2. Auflage erschien im Verlag von G. C a r r 6 und 
C. N a u d in Paris „Les Sanatorla. Traitement et 
prophylaxie de la phthisie pulmonaire“ von S.-A. 
Knopf. Dieses vorzüglich ausgestattete und reich illustrirte 
Werk (XV und 493 Seiten gross 8°) ist wohl die umfassendste 
neuere Abhandlung über Heilstätteuwesen und moderne Schwind- 
suchtsbeliamllung. Es erörtert den Stoff nach allen Richtungen; 
der Verfasser beginnt mit einem kurzen Abriss der Geschichte 
der Ileilstüttonbowegung, er bringt statistische Mittheilungen 
über Schwindsuchtssterbliclikeit, bespricht die Heilbarkeit der 
Tuberculose, die Prophylaxe, die Gesetzgebung der verschiedenen 
Länder im Kampfe gegen die Tuberculose etc. Besonders ein¬ 
gehend werden die in den verschiedenen Ländern im Betrieb be- 
befindlichen Heilstätten geschildert unter Beigabe von zahlreichen 
Ansichten und Plänen. Die Freiluftbehandlung. Hydrotherapie, 
diätetische, symptomatische, pädagogische, medicamentöse etc. 
Behandlung wird in gesonderten Capiteln besprochen. Dem Tu- 
bereuliu und der Serumbehandlung ist ein eigenes Capitel ge¬ 
widmet. Das reichhaltige Werk sei Jedem empfohlen, der die 
moderne Seliwindsiiehtsbehandluug eingehender zu studiren 
wünscht. Der Preis beträgt 22 Fr. 

(Hochschulnachrichten.) 

Halle. Privatdocent Dr. R e i n e b o t li hat das Prädieat 
„Professor“ erhalten. Zum Oberarzte an der inneren Klinik ist 
Dr. Hoffmann ernannt worden. 

II e i d e 1 b e r g. Privatdocent Dr. G. Aschaf fenburg, 
Ililfsnrzt der psychiatrischen Klinik, wurde zum ausserordentlichen 
Professor ernannt. 

Paris. Die Academie de mßdecine hat in ihrer letzten 
Sitzung Geheimrath R ö n t g e n in München zum auswärtigen 
Mitglied gewählt. 

(T o d e s f ä 11 e.) 

Dr. Stscherbakow, früher Professor der physiologischen 
Chemie zu Kasan. 

Dr. Th. B. H o o d, Professor der Nervenkrankheiten an der 
Howard-Universität zu Washington. 

In London starb der bekannte Gynäkologe Sir William 
P r i s 11 e y, 71 Jahre alt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Dr. Arnold Vldal, appr. 1889, ln München. 


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Verlag von J. F. L 

Gougle 


ln Mtaohen.— Amok von B. Mühlthaler’i Buch- and Kanatdraokerel A.G., München. 

Original fro-rri 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Die Münch. Med. Wochenschr. erscheint wöchontl. 
in Nummern von durchschnittlich 4—6 Bogen. 
Preis in Deutschi, u Oest.-Ungarn vlertelj-ihrl. ti 
ins Ausland 7.50 JC. Einzelne No. >>0 -j. 



Zusendungen sind zu adressiren: Für die Redaciioü 
Ottostra«se 1. — Für Abonnement an J. F. Leh¬ 
mann, Heustrasse 20. - Für Inserate und Beilagen 
an Rudolf Mosse, Promcnadcplatz 16. 


MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER ÄRZTLICHES INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE. 


Herausgcgoben von 

Ch. Blamier, 0. Bollfeger, H. Curschmian, C. Gerhardt, W. i Heineke, 6. Merkel, J. i. Michel, H.». Ranke, F. ». Winckel, H. t. Ziemssea, 

Freiburg I. B. München. Leipzig. Berlin Erlangen Nürnberg. Würzburg München. München. München. 


.li 17. 24. April 1900. 


Redaction: Dr. B. Spatz, Ottosirasse 1. 
Verlag: J. F. Lehmann, Heustrasse 20. 


47. Jahrgang 


Originalien. 

Aus der kgl. geburtshilflichen Poliklinik der Universität Breslau. 

(Geh.-Rath K ü s t n e r.) 

Die Hystereuryse in der Praxis. 

Von Dr. Deckart, Assistenzarzt. 

Die Hystereuryse als '.Mittel zur Einleitung resp. Beschleu¬ 
nigung der Gehurt ist in den letzten Jahren von verschiedenen 
Seiten warm empfohlen worden und wenn auch noch nicht alle 
Fachmänner sich zu einer ausgedehnteren Anwendung des 
Mittels haben entschlies.M-n können, so ist doch erfreulicher 
Weise zu constatiren, dass die Zahl der Anhänger dieses Ver¬ 
fahrens rasch zugenommen hat. Naturgemäss wurde dieses Ver¬ 
fahren zuerst ausschliesslich in Anstalten geprüft, die Resultate 
waren aber so ermuthigend, dass es bald auch von praktischen 
Aerzten geübt und zur .Nachahmung empfohlen wurde [Füth, 
Ger ich u. A. 1 )]. Selbstverständlich ist das Beobaehtungs- 
mnterial dieser Autoren klein und erlaubt nur in geringem Grade, 
ein Urtheil über die Verwendbarkeit des Hystereurynters im 
Privathause zu geben. Die Miltheilungm aus Gebäranstalten 
verfügen nun ja über grössere Zahlenreihen, al>er ihrem Einfluss 
auf die allgemeine Praxis steht der nicht ganz unberechtigte Ein¬ 
wand, den mancher skeptisch veranlagte Arzt machen wird, ent¬ 
gegen, dass nämlich ein Verfahren, welches in einer Klinik mit 
gutem Wartepersonal, zuverlässiger Assistenz und allem mög¬ 
lichen Comfort ausgeführt, sieh vortrefflich bewährt, desshalb 
doch noch nicht für die Geburtshilfe in einer TagelÖlmers- 
wohnung geeignet sein muss. Dazu kommt, dass vielfach nicht 
nur diese äusseren Verhältnisse, sondern auch die Beschaffenheit 
der Fälle selbst nicht ganz dem Wirkungskreise des praktischen 
Arztes entsprechen. So befinden sieh z. B. unter den 23 Fällen 
Biermer’s 16 künstliche Frühgeburten. Es ist aber klar, 
dass wegen der üusserst verantwortlichen Indieatioiisstellung in 
Betreff des Zeitpunktes, in dem die Schwangerschaft bei höheren 
Graden von Bockenenge unterbrochen werden soll einerseits, 
andererseits wegen der doppelt peinlichen Beobachtung, die man 
einer solchen Geburt naturgemäss angedeihen lassen will, der 
praktische Arzt die Schwangere meist einer Klinik überweisen 
wird — obwohl die Technik der Hystereuryse auch zwecks künst¬ 
licher Frühgeburt so einfach ist, dass sie auch in der Privatpraxis 
ohne Gefahr ausgeführt werden könnte. 

Es dürfte daher dem praktischen Arzte nicht unwillkommen 
sein, wenn im Folgenden die Erfahrungen initgetheilt werden, die 
in den letzten 6 Jahren in der Breslauer geburtshilflichen Poli¬ 
klinik gesammelt wurden; in der Poliklinik spiegeln sich ja die 
Verhältnisse, unter denen der praktische Arzt operirt, am ehesten 
wieder, ja sie sind wohl meistens noch dürftiger. 

Gerade in unserer Klinik ist die Hystereuryse zur Erregung 
von Geburtswehen besonders häufig geübt worden, denn sie ist 
die praktische Verwerthung unserer Anschauungen über die Ur¬ 
sache des Geburtsbeginns, welchen verschiedene aus der K ü s t - 
n e Eschen Schule hervorgegangene Arbeiten von Keilmann, 
Weidenbaum und Knüpfer in neuerer Zeit Bahn ge¬ 
brochen haben. Desshalb wird in unserer Klinik der Hyster- 
curynter prineipiell zur Einleitung der künstlichen Frühgeburt 

»j Centralbl. f. Gynäkol. 1806 und 1897. 

ho. 17. 

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benutzt. Auch in der Poliklinik wurde auf mannigfache In- 
dicationen hin von der Hystereuryse Gebrauch gemacht. Inner¬ 
halb der letzten 6 Jahre kam sie in 42 Fällen zur Anwendung. 
Von diesen Fällen muss man jedoch 7 abziehen, bei denen einmal 
nach einiger Zeit von dem Verfahren Abstand genommen wurde, 
weil der betreffende Arzt sich plötzlich veranlasst sah, sehr rasch 
zu entbinden, den Hystereurynter wieder entfernte und nach 
einigen Cervixineisionen die Zange anlegte. In 6 Fällen er¬ 
eigneten sieh Störungen in der Technik (2 mal Versagen resp. 
Zerbrechen der Spritze, 4 mal Platzen des Hystereurynters), wie 
sie bei dem Erproben eines neuen Verfahrens ja leicht Vorkommen 
können. Trotzdem müssen, wie schon eine flüchtige Durchsicht 
des Journals ergibt, die Versuche recht befriedigend ausgefallen 
sein, denn die Zahl der Hystereurysen nahm jährlich zu: 
1804/95 und 1895/96 wurde sie nur je einmal ausgeführt, im 
jetzigen Jahrgang schon 12 mal. Und umgekehrt lässt sich con- 
statiren, dass die Zahl der combinirten Wendungen, d. i. der¬ 
jenigen Operation, mit der die Hystereuryse am meisten con- 
currirt, erheblich abgenommen hat. Zwar ist sie in dem vorletzten 
Jahrgang mehrfach angewandt worden, indess findet man dann 
stets einen Vermerk, wesshalb man in dem einzelnen Falle die 
Vortheile der Hystereuryse entbehren konnte, meist handelte es 
sich um todte Früchte im 7. und 8. Monat. 

Es ist meiner Ansicht nach ein Hauptvorzug der Hyster- 
ouryse, dass sie dem Geburtshelfer um die Klippe der combinirten 
Wendung herumhelfen kann. Die Hystereuryse ist eine einfache 
Operation, die weder Mutter noch Kind schaden kann, sie lässt 
sich immer ohne Narkose ausführen. Die combinirte Wendung 
ist nicht gleichgiltig für das Kind. Dem Geburtshelfer kann es 
nur allzu leicht passiren, dass er bei dem mühsamen Entgegen¬ 
drücken der Fiisse die Nabelschnur maltraitirt oder die Placenta 
partiell ablöst und dadurch das Kind schädigt. Selbst bei der 
classisehen Wendung, bei erweitertem Muttermunde, lassen sich 
derartige Vorkommnisse nicht immer vermeiden. Bei dieser aber 
fallen sie nicht so schwer in ? s Gewicht, weil man nach derselben 
sofort extrahiren kann. Zweitens aber ist die combinirte Wen¬ 
dung oft sehr schwer, ja oft unmöglich; jedenfalls ist sie nach der 
Meinung vieler Autoren eine Operation, die an das Können des 
praktischen Arztes vielfach zu hohe Anforderungen stellt. Es soll 
damit gar nicht geleugnet werden, dass ein erfahrener Geburts¬ 
helfer mit der combinirten Wendung gute Erfolge erzielen kanu. 
Das ist schliesslich bei jeder Operation der Fall. Dem Arzte 
wird aber immer das Verfahren das liebste sein, das auch in den 
Händen eines nicht routinirten Geburtshelfers leistungsfähig ist, 
und ein solches ist die Hystereuryse. 

Den besten Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung 
geben die Resultate, die wir bei der häufigsten Anwendung des 
Hystereurynters, nämlich bei Placent» praevia, erzielt haben. 
Wir verfügen über 19 Fälle. In zweien davon waren bei der 
Uebernahme der Gehurt die Kinder schon abgestorben. Von 
den restirenden 17 wurden lebend geboren 12, das ergibt also eine 
Mortalität von 30 Proc. Stellt man diesen Ergebnissen die Re¬ 
sultate Anderer gegenüber, welche in neuerer Zeit für die Be¬ 
handlung der Placenta praevia durch die Wendung nach 
Braxton-Hicks eingetreten sind, so ergibt sich ein augen¬ 
fälliger Unterschied, der wohl Jeden für unser Verfahren ge¬ 
winnen muss: Die Mortalitätsziffer der Kinder stellt sich unter 
gleicher Berechnung bei T r e u b (Centralbl. f. Gynäk. 1898) auf 

1 

Original frn-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






666 MÜNCHENER MEDICINISCIIE WOCHENSCHRIFT. No. 17. 


56 Proc., bei R i b b i u s (Centralbl. f. Gynäk. 1897) auf 52 Proc., 
bei Pia tzor (Centralbl. f. Gynäk. 1897) auf 53 Proc. 

Von den 5 Kindern .die intra partuin abstarben, hätte sich 
der Tod des einen vielleicht vermeiden lassen, wenn damals (der 
Fall stammt aus dem 3. Jahrgänge) der Ilystereurynter genügend 
gefüllt worden wäre; so aber wurde die Extraction bei unge¬ 
nügend erweitertem Muttermunde vorgenommen, wobei das Kind 
abstarb und dann erst nach Perforation des nachfolgenden Kopfes 
entwickelt wurde. Ein Kind starb in Folge von vorzeitiger 
Lösung der Planenta, ein drittes durch Verletzung foctaler Pla- 
eentargefässe, 2 an Asphyxie, die einmal noch während der 
Hystereurynterlagc, einmal erst längere Zeit nach dessen Aus- 
stossung begann. 

Die Einführung des Ilystereurynters hat insofern bei der 
Plac. praevia etwas Besonderes, als man dabei die Eihüllen durch¬ 
bohren muss, damit der Ilystereurynter den vorliegenden Pla- 
centarlappen von oben gegen die Uteruswand drücken kann. 
Liegt die Placenta total vor, so dass man nicht zu den Eihäuten 
gelangen kann, so bleibt nichts übrig, als die Placenta selbst mit 
dem Finger oder einem stumpfen Instrument, einem Katheter 
oder einer Kornzange, zu durchbohren. Das bringt mitunter die 
Gefahr mit sich, dass dadurch grössere kindliche Gefässe zer¬ 
rissen werden, wie das in dem oben erwähnten Falle geschehen ist. 
Trotzdem ein solcher Zufall recht bedauerlich ist, halte ich ihn 
nicht für einen hinreichenden Grund, das Verfahren zu miss- 
creditiren. Man vergesse doch nicht, dass wir in der Hyster- 
euryse ein Mittel besitzen, mit welchem wir, ohne die Mutter 
dabei in grössere Gefahr zu setzen, als bei der combinirten Wen¬ 
dung, einen energischen Versuch zur Rettung des Kindes machen, 
während die Anhänger der combinirten Wendung wenig oder gar 
nicht Rücksicht auf das Leben des Kindes nehmen, oder, wie 
II o f m e i e r es ausgedrückt hat, den Muth haben müssen, das 
Kind sterben zu lassen. 

Man könnte dieser Fatalität dadurch zu entgehen suchen, 
dass man den Ilystereurynter zwischen Utcruswand und Placenta 
legte, und das ist auch, freilich nicht mit dieser Ueberlegung, 
mehrfach ausgeführt worden. Aber man würde dabei von der 
Scylla in dieCharybdis gerathen, denn dann können leicht grössere 
Flächen der Placenta abgelöst werden und das Kind, wie in dem 
einen oben erwähnten Falle, asphyktisch werden. Vor allen Dingen 
aber verzichtet der Operateur dabei auf die exaete Blutstillung, 
deren er bei der Einführung i n die Eihöhle sicher ist. Plaeirt er 
nämlich den Ballon ausserhalb der Eihöhle, so kann es leicht 
zwischen Hystereurynter und Placenta bluten. Glücklicher 
Weise wurde dies nur einmal in unbedeutendem Maasse be¬ 
obachtet. Man wird daher auch weiterhin immer die Placenta 
durchbohren und die geringe damit verbundene Gefahr dadurch 
zu vermeiden streben ,dass man nach dem Rathe von Kiestner 
wie in der Leberchirurgie, stetig tastend, allen grösseren Gefässen 
aus dem Wege zu gehen versucht. 

Das Resultat für die Mütter gestaltete sich ausserordentlich 
günstig. Nur eine Frau, die schon im Stadium der schwersten 
Anaemie übernommen wurde, starb eine halbe Stunde nach Be¬ 
endigung der Geburt. In allen Fällen aber (mit Ausnahme 
des im vorigen Abschnitte angeführten, bei dem der Hvster- 
eurynter ausserhalb der Eihöhle lag) stand die Blutung 
prompt. Fast stets traten nach kurzer Zeit, nur selten nach 
längerem Zuwarten kräftige Wehen auf, und bei zweckent¬ 
sprechender Füllung war der Muttermund stets für die eventuell 
nothwendige entbindende Operation genügend erweitert. 

Aus einem besonderen Grunde noch ist das Verfahren für 
die Praxis gerade bei Placenta praevia zu empfehlen, weil es 
nämlich die Geburt zu jeder Zeit in Gang bringen kann, auch 
wenn der Cervixcanal durch Geburtsvorgänge noch nicht, oder 
nur sehr unbedeutend erweitert ist. Demjenigen praktischen 
Arzte, der die Ilystereuryse nicht anwenden will, bleibt im All¬ 
gemeinen nichts weiter übrig, als zu warten, bis er die combinirte 
Wendung ausführen kann und bis dahin eventuell die Scheide 
mit Jodoformgaze zu tamponiren, ein Nothbehelf, der vom Stand¬ 
punkte der Asepsis aus nicht einwandsfrei ist und zudem nicht 
immer die Blutung vollkommen zum Stehen bringt. In einer 
Klinik, wo jedem Falle eine sorgfältige Beobachtung gewidmet 
werden kann, mag man mit diesem Verfahren auskommen. Wie 
gefährlich und verantwortlich das aber in der allgemeinen Praxis 
auch heute noch ist, beweist eine Arbeit von E ü t h (Centralbl. f. 
Gynäk. 1898), in der er eine Statistik der Placentae praeviae des 


Koblenzer Kreises gibt und nachweist, dass dort von 50 Müttern 
19 — 38 Proc. gestorben sind, und zwar 12 an Verblutung und 6 
an Sepsis. 

Erheblich seltener (nämlich 8 mal) als bei Placenta praevia 
erfolgte die Indicationsstellung zur Ilystereuryse bei Querlagmi 
mit unorweitertem Muttermund und vorzeitigem Wasserabfluss. 
Auch liier käme nach dem allgemein befolgten, z. B. im Lehrbuch 
von Rung e angegebenen Grundsätzen nur die combinirte Wen¬ 
dung mit weiterem Spontanverlauf in Betracht. Ein 7. Fall be¬ 
weist recht schön, wie zweifelhaft der Werth derselben gewesen 
wäre. Der Uterus befand sich nämlich in Dauercontraetion. 
Erst längere Zeit, nachdem der Ilystereurynter lag, besserte sich 
dieser Zustand um ein Geringes. Trotzdem fiel aber nach Aus- 
stossung des Ilystereurynters bei vollkommen erweitertem Mutter¬ 
munde die Wendung einem erfahrenen poliklinischen Assistenten 
wegen der Reizbarkeit des Uterus ungemein schwer, so dass das 
Kind währenddessen abstarb. Selbst wenn ihm die combinirte 
Wendung unter diesen erschwerenden Verhältnissen gelungen 
wäre, was er selbst übrigens stark bezweifelte, hätte sie wegen 
des engen Muttermundes nicht das schonendere Verfahren für 
die Mutter dargestellt. In allen übrigen Fällen war nach der 
Ilystereuryse die innere Wendung leicht ausführbar, die Ex¬ 
traction machte nie Schwierigkeiten und die Resultate für 
Mutter und Kind waren durchaus zufriedenstellend. 

Einmal wurde der Ilystereurynter eingeführt, nicht um die 
Wendung zu erleichtern, denn die Wendung war nicht indicirt, 
da es sich um eine todte, 7 monatliche Frucht handelte, sondern 
um die Geburt zu beschleunigen, nachdem während mehr als 
4 ständiger Beobachtung die Schulter noch nicht tiefer getreten 
und der Muttermund noch nicht weiter geworden war. Bald 
nach Ausstossung der Gummibla.se erfolgte die Geburt con- 
duplicato corpore. 

Eine weitere Indieation bildete vollkommener Wehenmangol 
nach vorzeitigem Wasserabfluss. In Kliniken wird man allein 
auf diese Indieation hin nur sehr selten die Geburt einleiten. 
denn eine unmittelbare Gefahr besteht ja weder für Mutter noch 
für Kind, da sieh ohne Wehenthätigkcit keine Dehnungserschei¬ 
nungen am Uterus und keine Störungen im Placentarkreislauf 
bilden können. Es sind ja auch zahlreiche Fälle bekannt, in 
denen ohne schädliche Folgen Tage und Wochen lang vor der 
Geburt das Fruchtwasser abgeflossen ist. Eine Infection wird 
sieb, besonders bei Beschränkung der inneren Untersuchungen, 
immer vermeiden lassen. In der Praxis erfordert aber ein solcher 
Fall viel mehr Aufmerksamkeit, weil man nicht controliren 
kann, ob die Hebammen, wie sie das in ihrer Ungeduld vielfach 
thun, unnüthig häufige vaginale Explorationen vornehmen. Daher 
sind häufige und genaue Temperaturmessungen nothwendig, auch 
muss man durch Percussion die Bildung einer Physometra aus- 
schliessen. Bei etwaiger Temperatursteigerung muss sofort die 
Geburt mittels Ilystereurynter eingeleitet werden. Ja ich halte 
es unter diesen Umständen für vollkommen gerechtfertigt, wenn 
man die Geburt, auch ohne dass bedrohliche Symptome vorliegen, 
einige Tage nach dem Wasserabfluss einleitet, nicht in letzter 
Linie mit Rücksicht auf die Kreissende resp. Schwangere. Ans 
diesem Grunde wurde von uns die Geburt 4 mal eingeleitet, mit 
sehr promptem und zufriedenstellendem Erfolge. 2 Gebuten ver¬ 
liefen spontan, 2 wurden auf weiterhin eintretende Indieationen 
hin operativ beendet. 

Ausserdem wurde noch wogen anderer seltener vorkommender 
Geburtscomplicationen die Ilystereuryse ausgeführt. Einmal 
handelte, es sich um vorzeitige Lösung der normal sitzenden 
Placenta bei einer Luetischen. Nachdem der Ilystereurynter 
überraschend schnell ausgestossen worden war, wurde das in 
Querlage befindliche, todte Kind gewendet und extraliirt. Ein 
anderes Mal bestand hohes Fieber. Der Muttermund war noch 
fast geschlossen, es floss übelriechendes Fruchtwasser ab, der 
7 monatliche Foetus war abgestorben. Die Geburt verlief nach 
der Ilystereuryse spontan, das Fieber fiel bald ab. Einmal wurde 
wegen anhaltender Blutungen in der Schwangerschaft die künst¬ 
liche Frühgeburt resp. der künstliche Abortus eingeleitet. Ferner 
wurde bei einer Fusslage mit markstückgrossem Muttermund und 
frühzeitig gesprungener Blase die Geburt durch Einführung des 
Ilystereurynters beschleunigt, besonders mit Rücksicht auf den 
uraemisehon Allgemcinzustand der Mutter. Die Geburt verlief 
danach völlig spontan, nach der Geburt der Placenta traten 
uraemisch-eklamptische Anfälle auf, ein Ereigniss, das gewiss 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


567 


24. April 1900. 


für die Be reell tigung des Verfahrens spricht. Die Gelegenheit 
zur Ilystereuryse bei Eklampsie hat sieh zufällig in der Poli¬ 
klinik nicht ergeben, da die verhiiltnissmiissig wenigen Eklam- 
ptisehen meist in die Klinik geschafft wurden. Sicherlich würde 
sich aber, wenn bei Eklampsie die Eröffnung des Muttermundes 
zögert, das Verfahren bewähren, wofür einige unserer klinischen 
Beobachtungen, sowie anderwärts gemachte Erfahrungen 
sprechen. Einmal wurde der H.ystereurynter wegen Nabelschnur- 
Vorfalles bei engem .Muttermunde ein geführt, um die digital 
reponirte Nabelschnur zurückzuhalten. Es gelang leider niehr, 
das Kind zu retten, trotzdem glaube ich aber, dass der Fall die* 
Leistungsfähigkeit des Verfahrens beweist, denn es gelang durch 
dasselbe, das Kind, so lange der llystereurynter lag, vor einer 
schweren Asphyxie zu bewahren. Dasselbe starb erst während 
der Wendung ab, die wegen einer Gesichtseinstellung nicht ganz 
leicht gelang. Jedenfalls muntert nicht nur dieser, sondern auch 
ein Fall, den K e i 1 m a n n ') in seiner Habilitationsschrift ver¬ 
öffentlicht hat, zur Wiederholung in geeigneten Fällen auf. Bei 
demselben handelte es sich um das Vorliegen eines grossen Con- 
voluts von Nabelschnurschlingen. K e i 1 m a n n machte in Knie¬ 
ellenbogenlage die Ilystereuryse (sc. unter Schonung der Blase). 
Daraufhin erholten sich die Herztöne. Da sich nach der Ge¬ 
burt des Ilystereurynters die Nabelschnur von Neuem vorlegte, 
wurde die Wendung gemacht und ein asphyktisohes, aber wieder- 
bclebtes Kind extrahirt. 

Des Weiteren möchte, ich mir einige Bemerkungen über die 
Technik der Ilystereuryse, wie sie bei uns gehandhabt wird, er¬ 
lauben. Zwar bin ich mir bewusst, damit viel Bekanntes zu wieder¬ 
holen, möchte es aber doch mit Rücksicht auf einige Modifi- 
oalionen, die von praktischer Bedeutung sind, nicht unter¬ 
lassen. 

Zunächst möchte ich mir eine Bemerkung zur Nomenclatur 
gestatten. Viele Autoren, z. B. auch B i e r m e r, legen den Ballon 
nach Belieben bald in die Scheide, bald in den lTorus ein, nennen 
ihn aber nichtsdestoweniger stets Kolpeurynter. Da aber bei der 
Einführung in die Scheide sich eim* Reihe von Eobelständen 
(ungenügende Erregung von Wehen, mangelhafte Erweiterung 
des Muttermundes, unvollkommene Blutstillung) bemerkbar 
macht, die bei der Einführung in den Uterus in Wegfall kommen, 
da überhaupt zwischen den versehiodenen Amvendungsweisen 
ein fundamentaler Unterschied bestellt, ist es durchaus im Inter¬ 
esse der Sache, wenn man diesen Unterschied auch durch beson¬ 
dere Namen zum Ausdruck bringt. Wir nennen desshalb das 
Instrument stets H y s t e r e u r ,v n t e r. Ich möchte daher den 
Autoren Vorschlägen, um eine Füllt; von Unklarheiten zu ver¬ 
meiden, das Instrument nach seiner jeweiligen Verwendung zu 
benennen: Hystereurynter, Traclielcurynter, Kolpeurynter. 

Wir benutzen das einfachste und billigste Modell, den 
B rau n’schen Kolpeurynter, der mit einem 40—50 cm langen, 
nicht durch Hahn verschlossenen Schlauch versehen ist. Der 
Verschluss wird durch eine gewöhnliche Arterienklemme bewerk¬ 
stelligt. Complicirtere Oonstructionen sind nicht handlicher, 
werden sich auch wohl desshalb nicht in die Praxis einführen, 
weil sie zu theuer sind (eiu von K 1 i e n angegebener Apparat 
kostet 17.50 M.). Ferner gehört zum Instrumentarium eine 
grössere Stempelspritze und eine besonders zu diesem Zwecke 
construirte, mit einer Beckenkrümmung versehene Kolpeuryntcr- 
zange mit glatten Branchen. Die Einführung gelingt zwar auch 
ohne grosse Schwierigkeiten mittels einer gewöhnlichen Korn¬ 
zange, vielfach auch manuell, indessen empfindet man besonders 
bei hochstehender Portio die Beckenkriimmiing der Zange als an¬ 
genehme Erleichterung. Der Hystereurynter wurde in der Poli¬ 
klinik stets unter Führung des Fingers, nie unter Leitung des 
Auges nach Einsetzen eines Rinnenspeculunis eingelegt, was den 
Vortheil bietet, dass man keine Assistenz nötliig hat. Auch ein 
Auhaken der Portio war, da es sich meist um Mehrgebärende 
bandelte und Spuren von Goburtsthätigkoit selion eine geringe 
Erweiterung der Cervix angebahnt hatten, niemals nothwendig. 

Die Gummiblase muss vor ihrer Einführung auf ihre 
Dichtigkeit geprüft werden, dann wird sie in ihrer Längsrichtung 
mehrfach zusammengefaltet, damit sie ein möglichst geringes 
Volumen einnimmt und so in die Zange eingeklemmt, dass die 
Spitze derselben durch die Gummiblase gedeckt ist und keine 

0 Alexander Keilmann : Klinisch - experimentelle Be¬ 
obachtungen über künstliche Erregung von Geburtswehen. Bres¬ 
lau 1898. 

e 


Weichtheilverletzungen machen kann. Bemerken will ich hier¬ 
bei, dass das Zusammenfalten besonders leicht gelingt, wenn 
man den Schlauch des vorher leer gedrückten Ballons zuklemmt. 
Beim Einführen schiebt man den Hystereurynter, event. unter 
mehrmaligem Nachgreifen mit der Zange so hoch wie möglich, 
jedenfalls mindestens so weit, dass %— V» desselben oberhalb des 
noch nicht entfalteten Cervixtheils zu liegen kommen. Indem 
man dann den unteren Theil des Ballons mit dem Finger fixirt, 
lässt man von der Hebamme aufspritzen. Geschieht dieses ge¬ 
nügend langsam, so gleitet stets auch der untere Theil des 
Ilystereurynters in den eiborgenden Raum. 

Zur Füllung wurde in erster Zeit Lysol verwendet, später 
eine verdünnte Sublimatlösung von 1:5000 oder 1:10 000. Da 
man indessen immerhin mit dem Platzen des Ilystereurynters 
rechnen muss, werden wir in Zukunft, wenn irgend möglich, ab¬ 
gekochtes Wasser benutzen. 

Besondere Aufmerksamkeit verwende man auf die Menge 
der Füllung. Sie soll so gross sein, dass der Umfang des Ballons 
ungefähr demjenigen des Kindskopfes gleichkommt, also beim 
ausgetragenen Kinde 32 cm (fronte - occipitaler Kopf umfang, 
Ahlfeld) erreicht. Dazu genügt nach den LI a h n’schen Be¬ 
rechnungen, die sich in der Arbeit von Keilmann finden, eine 
Füllung von weniger als 600 ccm (600 ccm Inhalt entsprechen 
33 ein Umfang). Ist das Kind nicht ausgetragen, so kann man, 
individunlisirond, die Füllung auf 500 oder 450 ccm herabsetzen. 
Weiter herunter gehe man nicht, weil dann die Erweiterung 
des Muttermundes unzureichend wird und man eventuell bei 
der Entwicklung des nachfolgenden Kopfes, wie in dem oben er¬ 
wähnten Falle, Schwierigkeiten hat. Andererseits darf aber die 
Füllung 600 ccm nicht übersteigen. 

Fine Vergrößerung des Umfanges über 33 cm hinaus ist 
zwecklos, zumal (s. Keilman n) jeder weitere Umfangszuwachs 
bei stärkerer Füllung nur durch Injectiori sehr grosser Flüssig- 
keitsmengen zu erzielen ist. Damit stellt man aber an die Gummi¬ 
blase zu hohe mechanische Anforderungen und riskirt, dass sie 
platzt. Nur aus diesem Grunde ist einem Assistenten in früherer 
Zeit, als wir uns über die zweckmässige Menge der Füllung noch 
nicht klar waren, der Ballon zweimal geplatzt. Ferner erhöht 
man durch die maximale Auftreibung durchaus nicht immer die 
wehen erregende Wirkung. Wenigstens ist mir eiu Fall von 
künstlicher Frühgeburt in Erinnerung, bei welchem auch ziem¬ 
lich stark aufgespritzt war und über 24 Stunden lang, abgesehen 
von einigen schwachen schmerzlosen Contractionen, keine Wehen 
auftraten; prompt, nachdem man ein gewisses Quantum der 
Füllung abgelassen hatte, setzten kräftige Wehen ein, die den 
Hystereurynter nach wenigen Stunden austrieben. Vielleicht 
ist das so zu erklären, dass der ad maximum gespannte Ballon 
nur die Kugelform beibehalten kann und sich mit seinem unteren 
Pol nicht der in Entfaltung begriffenen Cervix ansehiniegt, also 
auch nicht im Stande ist, durch Druck auf die paracervicalen 
Ganglien Wehen auszulösen. 

Nachdem der Hystereurynter placirt und die Frau wieder 
in’s Längsbett zurückgelegt ist, wird an den Schlauch eine 
Schnur befestigt, diese über das Ende des Bettes gelegt, nun 
mit einem genügen Gewichte beschwert — wir benutzten faute 
de mieux eine halbgefüllte oder leere Bierflasche (= 700 resp. 
450 g). Jeder stärkere Zug ist bei uns verpönt. Denn wir wollen 
nicht, wie es B i e r m e r in seinem Schlusssatz empfiehlt, die 
Entbindung forciren und den Muttermund in möglichst kurzer 
Zeit grob mechanisch erweitern. Auf eine schnelle, foreirte Er¬ 
weiterung konnten wir in allen Fällen verzichten, selbst bei Phic. 
praevia. 

Wir wollen bei der ilystereuryse so weit wie möglich physio¬ 
logische Vorgänge nachahineu, durch den Druck der Gummi¬ 
blase auf den oberen Cervixabschnitt regelmässig aufeinander¬ 
folgende Weben anregen, ebenso wie es am Ende der Gravidität 
der durch das Wachsthum des Eies und durch die Straffheit der 
Bauchdeck eil tiefer tretende Kopf thut, wir wollen auch die Er¬ 
weiterung de* Cervixrestes der Wehenthätigkeit überlassen. Um 
das zu erreichen, genügt aber ein minimaler Zug, der gerade hin¬ 
reicht, den Hystereurynter auf * den (unteren) oberen. Cervix- 
absehnitt zu fixiren und den Ansatzschlauch stets gespannt zu 
erhalten. Ein starker event. gar manueller Zug, wie er von 
Vielen ausgeführt wird, kann recht erhebliche Complicationen 
zur Folge haben. Zunächst kann sehr leicht der Schlauch an 
seinem Ansatzstück abreissen. Zweitens erzielt mau damit 

1 * 

Original fro-m 

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■y G00gl 




568 


MÜNCHENER MEDICI NISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


durchaus nicht sicher eine genügende Erweiterung des Mutter¬ 
mundes, weil sich nämlich, wie es G e r i c li genau beschreibt, 
der Hystereurynter bei starkem Zuge wurstfönnig auszieht. Dess- 
halb war in dem einen von Ger ich veröffentlichten Falle der 
Muttermund trotz einer recht erheblichen Füllung (800 ccm) nach 
dem Durchziehen des Ballons erst für eine Hand zugängig; bei 
der trotzdessen gemachten Wendung und Extraction entstand 
ein Cervixriss. Vor allen Dingen aber erregt man beim gewalt¬ 
samen Durchziehen keine geordneten Wehen. Dieser Nachtheil 
hisst sich ja schliesslich bis zur Geburt des Kindes noch in Kauf 
nehmen: Ist die Entbindung indicirt und kann der Uterus das 
Kind nicht austreiben, so kann es doch der Geburtshelfer, wenn 
es nur der Muttermund gestattet, am Kopf oder Fuss heraus¬ 
ziehen. Um so übler ist er dafür in der Nachgoburtsperiode 
daran, in welcher er ganz auf die Wehenthütigkcit angewiesen ist. 
Desshalb hat auch G e r i c h in seinen 5 Fällen immer Nach¬ 
geburt sstörungen gehabt, 3 leichtere und 2 schwere. Wir haben 
Atonien in der Nachgeburtsperiode eigentlich nicht erlebt. Aller¬ 
dings ist unter den 35 Fällen 4 mal die manuelle Placentarlösung 
ausgeführt worden. Jndcss bestand in allen diesen Fällen Plu- 
centa praevia, also eine Anomalie, bei welcher in Folge der Kares 
ficirung der Muskelelemente im unteren Uterusabschnitte durch 
die reichliche GefiissentWickelung sehr leicht Störungen in der 
Nachgeburtsperiode eintreten, ganz abgesehen davon, dass wegen 
der vorher schon bestehenden Anaemie eipe vitale Indication zur 
manuellen Lösung viel eher als in anderen Fällen ein tritt. — 
In einem Falle wurde nach vollständiger Beendigung der — 
übrigens ganz spontan verlaufenen — Geburt eine geringe Nach¬ 
blutung beobachtet, die indess nach Darreichung von Cornutin 
und sanfter Uterusmassage schnell gestillt wurde. 

Ferner möchte ich noch kurz auf einige meist nicht schwer¬ 
wiegende Einwände eingehen, die der Hystereuryse hie und da 
gemacht worden sind. — Die Maassnahmen bei derselben sind 
von den gewöhnlichen geburtshilflichen Verfahren etwas ab¬ 
weichend, und der Kreissenden und der Hebamme ungewohnt, 
so dass ich die Vermuthung gehört habe, mancher Arzt könnte 
möglicher Weise aus diesem Grunde von der Hystereuryse Ab¬ 
stand nehmen. Wir können aber im Gegentheil bestätigen, dass 
Hebammen und Kreissende schnell in ein freudiges Erstaunen 
geralhen, wenn sie merken, wie gut der Versuch „künstliche 
Wehen einzusetzen“ gelungen ist. 

Eher mag Mancher auf die Methode verzichten, weil er 
fürchtet, es könnte bis zur Geburt des Hystereurynters zu viel 
Zeit verstreichen. Biermer hebt desshalb in seinem Vorwort, 
indem er implicite die Berechtigung eines derartigen Einwandes 
zugesteht und an die Geduld des praktischen Arztes appollirt, 
gegenüber diesem Missstand die mannigfachen Vortheile des Ver¬ 
fahrens um so dringlicher hervor. Diejenigen, welche trotzdem 
noch diesen Uebclstand als zu lästig erachten, möchte ich noch¬ 
mals darauf aufmerksam matdien, dass % von Bier in e r’s 
Material sich aus künstlichen Frühgeburten rccrutiren, es han¬ 
delte sich also um Frauen, bei denen noch keine Geburtsvorgänge 
aufgetreten waren, um Schwangere. In den Fällen aber, die der 
praktische Arzt in erster Linie mit. der Hystereuryse behandelt, 
werden meist schon, wie bei der grossen Mehrzahl der unsrigen, die 
ersten Eröffnungswehen ihre Arbeit gethan und den während der 
Schwangerschaft nicht zum ei bergenden Kaum benutzten Cervix- 
theil bis auf einen mehr oder minder kleinen Rest aufgebraucht 
haben; man hat also eine Kreissende vor sich und bei dieser hat 
aber der Hystereurynter naturgemäss weniger Arbeit zu leisten 
und wirkt dementsprechend schneller. Die Durchschnittszeit, 
die in unseren Fällen bis zu seiner Ausstossung verstrich, betrug 
3Vs* Stunden. Seine Wirkung war meist eine sehr prompte. 
Während vorher in der Kegel nur objectiv einige leichte, nicht 
schmerzhafte Uteruscontractionen wahrgenommen wurden, traten 
bei der Hälfte der Fälle schon beim Umlegen der Frau in’s Längs¬ 
bett, oder doch innerhalb der ersten V-i Stunde, spätestens aber - - 
mit wenigen Ausnahmen — innerhalb der ersten Stunde kräftige, 
schmerzhafte Wehen auf, die mit dem Tiefertreten des Hyster¬ 
eurynters schliesslich den Charakter der Druckwehen annahmen. 
ln der Mehrzahl der Fälle geschah die Ausstossung sogar schon 
2 Stunden nach der Einführung. Diese Zeit bei einer Kreis¬ 
senden, die sich durch Placenta praevia in Lebensgefahr befindet, 
zuzubringen, wird gewiss Niemanden reuen, zumal man sie dazu 
benutzen kann, um die anaemische Frau wieder zu kräftigen. 
Hat jedoch der Arzt die Hystereuryse bei Wehenmangel und bei 

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Querlagen ausgeführt, so kann er sich getrost, nachdem er den 
Weheneintritt constatirt hat, entfernen und seinen sonstigen 
Geschäften nnchgehoü, bis er von der Geburt des Hystereurynter^ 
benachrichtigt, wird. 

(Schluss folgt.) 

Aus der Universitäts-Poliklinik für Nasen- und Ohrenkranke 
in Bonn. 

lieber Spätdiphtherie im Nasenrachenraum.*) 

Von Privatdoeont Dr. E s c h w e i 1 e r. 

Von den diphtheritIschen Erkrankungen der oberen Luft¬ 
wege ist die isolirte Spätdiphtherie des Nasenrachenraums selten 
Gegenstand der Besprechung gewesen. Ich hatte Gelegenheit, 
im Januar dieses Jahres einen einschlägigen Eall in der Poli¬ 
klinik zu beobachten, dessen Krankengeschichte folgende ist: 

Am 22. Jan. brachte eine Mutter ihr dreijähriges Töchterelien 
zur Klinik und gab an, dass dasselbe schon seit mehreren Tagen 
über Halsschmerzen klage. Vor einer Woche habe es Diphtherie 
Überstunden. Der Hausarzt sei am 25. Dec. zum letzten Male bei 
dem Kinde gewesen und habe dasselbe für geheilt erklärt. Eine 
Heilserum in jection sei nicht gemacht worden. Bei der Unter¬ 
suchung des ganz munteren und nicht fiebernden Kindes ergab 
sieh nur eine leichte Rüthuug des Pharynx und der Gaumen¬ 
mandeln. von denen die rechte in mittlerem Grade vergrössert 
war. Die Rhinoskopia anterior ergab normale Verhältnisse: es 
war nieht möglich, bis in den Nasenrachenraum hinein zu sehen. 
Die Khinoskopia posterior gelang, wie gewöhnlich bei so kleinen 
Kindern, nicht. Da eine Wiederansiedelung von Diphtheri«*- 
bacillon im Nasenrachenraum möglich war, uuterliess ich die digi¬ 
tale Untersuchung des Cnviim pharyngo-nasale. Im Uobrigen 
aber neigte ich mehr zu der Ansieht, dass es sich um katarrha¬ 
lische Residuen der Angina diplitheritiea handle und verordnete 
P r i e s s n i t z’sehen Umschlag und Trinken warmer Getränke. 

Nach zwei Tagen kam die Mutter mit dem Kinde wieder lind 
erzählte, dass am Abend vorher plötzlich Ausfluss aus der Nase 
entstanden sei. 

Es zeigte sich, dass nur aus dem rechten Nasenloch schleimig- 
eitriges Secret entleert wurde. Nach Auswischen des Nasen- 
vorhofs bemerkte man eine dicke gelblich - weisse Membran 
zwischen unterer Muschel und Septum eingeklemmt. Die linke 
Nasenlialfte war ganz frei. Im ltachen war derselbe Befund, wie. 
am ersten Beobachtuugstage. Di«» Diagnose schwankte jetzt 
zwischen drei Möglichkeiten: erstens konnte es sich um einen 
Fremdkörper in der Nase handeln. Dafür sprach die einseitige 
Eiterung mit Bildung membranöser Auflagerungen. Dagegen 
sprach der Untersuchungsbefund von vorgestern, der die recht«* 
Nasenseite frei ergeben hatte — in so kurzer Zeit ruft ein Fremd¬ 
körper selten eine starke reaetive Entzündung hervor. Zweitens 
konnte Naseudiplitherie bestehen und zwar eine spät auftretemh» 
secumläre Diphtherie, oder endlich konnte eine diphtherische 
Membran, die im Nasenrachenraum gesessen hatte, in die Nase 
entleert und dort festgehalten worden sein. 

Zur Piagnosensbdlung führte ich eine sterile Cürette bei 
sorgfältiger Fixation des Kopfes durch den mittleren Nasengang 
nach hinten und versuchte die Membran herauszuholen. Ein 
grösseres Stück von ihr blieb in der Cürette hängen und wurde 
in sterilem Röhrchen zum hygienischen Institut geschickt. Bei 
der Manipulation in der Nase des Kindes floss kein Tropfen Blut. 
Nachdem Aristol iu die Nase eingeblasen war, wurde das Kind 
entlassen. Bei der Untersuchung am nächsten Tage war der Be¬ 
fund fast derselbe. Ich spülte nun mit Hilfe der mit 5 proc. Bor- 
säurelösung gefüllten Ballonspritze die Nase aus, indem ich die 
Olive des Ballons in’s linke Nasenloch einsetzte, so dass der 
Wasserstrahl aus dem rechten austrat, natürlich unter sehr ge¬ 
ringem Druck, um ein Eindringen des Wassers in die Tuben zu 
verhüten. Dabei entleerten sich Membranfetzen, Schleim und Eiter. 
Nachdem auf dieselbe Weise am folgenden Tag der Rest der Mem¬ 
bran entfernt war, blieb die Nase frei von pathologischem Secret 
und Inhalt. 

Die bacteriologischo Untersuchung des entfernten Membran¬ 
stückes nahm Herr Dr. Weissenfeld, Assistent am hygienischen 
Institut vor; er hatte die Liebenswürdigkeit, mir mitzutheilen, 
dass im Deckglaspräparat sich Bacillen fanden, welche als kleine 
Diphtheriebacillen angesprochen werden mussten. Beim Cultur- 
verfahren wuchsen auf der Platte Culturen von echten Diplitherie- 
bacillen, die sich beim Impfversuch als virulent erwiesen. 1 c«*m 
der Botiilloncultur tödtete Meerschweinchen in 30 Stunden. 

Ich glaube in diesem Falle die Diagnose: Spätdiphtherie im 
Nasenrachenraum stellen zu dürfen. Das Erscheinen einer diph- 
theritischen Membran in der Nase wird darauf zurückzuführen 
sein, dass sie aus dem Nasenrachenraum in die Nase hinein¬ 
geschnaubt wurde und dort liegen blieb. Gegen eine wahre 
Diphtherie der Nase spricht die Einseitigkeit der Affection, 
ferner das plötzliche Eintreten und Verschwinden der Nasensym¬ 
ptome und besonders die so leicht gelingende, selbst bei instru- 
mentellor Manipulation unblutige Entfernung der Membran. 

*) Nach einem in der Niederrheinischen Gesellschaft für 
Natur- und Heilkunde in Bonn gehaltenen Vortrag. 

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U. April‘190Ö. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE W0CHENSCHfttE1\ 


569 


Die isolirte Diphtherie im Nasenrachenraum und zwar so¬ 
wohl die acute als auch die chronische ist sicher viel häufiger, als 
den wenigen in der Literatur mitgetheilten Fällen entspricht. 
Es liegt dies daran, dass bei der Schwierigkeit, isolirte Erkran¬ 
kungen im Nasenrachenraum kleiner Kinder nachzuweisen, die 
Diagnose: Diphtherie nicht gestellt wird, oder dass die Diph¬ 
therie erst manifest wird, wenn secundäre Erkrankungen vom 
Nasenrachenraum ausgehen, die dann als primäre Diphtherie an¬ 
gesehen werden. Vielfach wird der Nasopharynx, auch wo es 
möglich ist, überhaupt nicht untersucht. Mit Unrecht, denn es 
liegt auf der Hand, dass die dritte Mandel, die Pharynxtonsille, 
ebenso an Diphtherie erkranken kann, wie die Gaumenmandeln, 
und dass die Erkrankung auf den Nasenrachenraum beschränkt 
bieiben kann. Sicher würden manche Fälle von Fieber ohne 
nachweisbare Ursache, hartnäckige Rhinitiden, Lähmungen diph¬ 
therischer Art ohne constatirte Diphtherie, endlich manche 
schwer verlaufende und zu grossen Zerstörungen führende Mittel¬ 
ohreiterungen in ihrer Entstehung klar sein, wenn eventuell ein 
Nachweis von isolirter Rachenmandeldiphtherie erbracht worden 
wäre. 

Wahrscheinlich sind eine grosse Zahl von sogen, primärer 
Rhinitis fibrinosa diphtheritica nicht in der Nase entstanden, 
sondern im Nasenrachenraum. Wenn wie in unserem Falle die 
Membranen in die Nase entleert werden, so kann natürlich sehr 
leicht eine diphtheritische Rhinitis zu Stande kommen. 

Besonders die einseitige diphtherische Rhinitis möchte 
ich hierhin rechnen. 

Mit den bisher gemachten Erfahrungen über chronische, resp. 
spät wieder exacerbirende Diphtherie der oberen Luftwege stimmt 
unser Fall in den wesentlichen Punkten überein. Zunächst in der 
langen Dauer der Erkrankung vom ersten Auftreten bis zur end- 
giltigen Heilung. Viel citirt wird der Fall von C a d e t de 
Gassicour t 1 ), wo 61 Tage nach der Tracheotomie noch Mem¬ 
branen ausgehustet wurden. Auch von W a 1 b") sind Fälle be¬ 
schrieben, wo noch wochenlang diphtherische Membranen aus 
dem Nasenrachenraum entfernt wurden. Häufiger als eine 
solche Dauerproduction von Membranen ist die Tenacität der 
Bacillen betont worden. Vielleicht hat in diesen Fällen Mem¬ 
branbildung im Nasenrachenraum bestanden, von wo aus der 
Rachenschleim immer wieder mit Bacillen beschickt wurde. Für 
diese Annahme spricht unter anderm der von Abel 3 ) erhobene 
Befund, dass nach Schwinden der Membranbildung bei primärer 
Rhinitis fibrinosa diphtheritica auch in kurzer Zeit die Bacillen 
nicht mehr nachweisbar waren. In unserem Falle wurden 10 Tage 
nach Entfernung der Membran im Nasenschleim keine Diph- 
theriebacillen mehr gefunden. Es würde interessant sein, durch 
locale Behandlung des Nasopharynx nach scheinbar abgelaufener 
Diphtherie festzustellen, ob nicht auf diese Weise ein früheres 
Verschwinden der Diphtheriebacillen aus Nase und Rachen sich 
erzielen liesse. 

Endlich ist bei der Spätdiphtherie in der Regel das All¬ 
gemeinbefinden der Patienten wenig gestört. Auch im vorliegen¬ 
den Fall war die Kleine ganz munter und fieberfrei. Es handelt 
sich offenbar um eine Gewöhnung des Organismus an das Diph¬ 
theriegift, um eine relative Immunität des Individuums, nicht 
aber immer um eine Abschwächung der Virulenz der Bacillen. 
Manche Autoren haben zwar eine gewisse Herabsetzung der Viru¬ 
lenz gefunden — bei Gerber und P o d a c k 4 ), denen wir sehr 
sorgfältige Untersuchungen verdanken, starben die geimpften 
Meerschweinchen meist nach mehr als 30 Stunden, oft nach mehr 
als 3 Tagen — in unserem Falle erfolgte der Tod der Thiere nach 
30 Stunden. 

Uebrigens verlaufen nicht alle Fälle so günstig. Es kann 
besonders bei Constitutionsanomalien der Patienten nicht nur 
schwere Störung des Allgemeinbefindens, sondern auch eine sehr 
ausgedehnte Uleerirung im Nasenrachenraum entstehen, die 
lange Zeit hindurch jeder Therapie trotzt und endlich mit Hinter¬ 
lassung grosser Narben und Defecte heilt. Derartige, auf den 

0 Gazette hebdomad. de möd. et de Chirurgie 1876, citirt nach 
Gerber und P o d a c k. 

*) Ueber chronische Dlphtheritis des Rachens. Berl. klin. 
Wochenschr. 1882, No. 50. 

*) Zur Kenntniss des Diphtheriebacillus. Deutsch, med. 
Wochenschr. 1894, S. 692. 

4 ) Ueber die Beziehungen der sogenannten primären Rhinitis 
fibrinosa u. s. w. zum Diphtheriebacillus. Deutsch. Arch. f. klin. 
Medicln 1895, Bd. 54, S. 262. 

No. 17. 

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nicht direct sichtbaren Pharynx beschränkte Erkrankungen an 
Spätdiphtherie sind zuerst von W alb“) publicirt worden. Mit 
der im Thierexperiment constatirten Virulenz ist erwiesen, dass 
eine Uebertragung der Spätdiphtherie auf andere möglich ist. 
Auch in diesem Falle liess sich hierfür der Beweis erbringen, 
denn die Mutter unserer Patientin gab nachträglich an, dass sie 
zur Klinik gekommen sei, als ihr Söhnchen, welches bis dahin 
von seiner Schwester getrennt gewesen sei und eben erst wieder 
in einem Bett mit ihr geschlafen habe, auch an Rachendiphtherie 
erkrankt sei. 

Das Factum von der Erhaltung giftiger Bacillen so lange 
Zeit hindurch mahnt auf’s Dringendste zu grosser Vorsicht be¬ 
treffs Isolirung der erkrankten Kinder. Hier hatte die Mutter 
geglaubt, nach 4 Wochen sei die Gefahr der Ansteckung vorbei 
und dennoch fand eine solche statt. Die Forderung einer minde¬ 
stens 4 wöchigen Isolirung, wie sie z. B. von Henoch*) gestellt 
wird, ist also noch nicht streng genug. 

Als unterstützendes Moment für das Auftreten der Spätdiph¬ 
therie glaube ich in unserem Falle die adenoiden Vegetationen be¬ 
trachten zu dürfen, welche ich nach dem Verschwinden aller 
acuten Symptome durch Digitaluntersuchung nachwies. Das 
Kind hat im Nasenrachenraum einen vielfach zerklüfteten 
Zapfen von adenoidem Gewebe, der sicher besonders geeignet ist, 
den Diphtheriebacillen einen ungestörten langen Aufenthalt zu 
erlauben. 

Therapeutisch empfehlen sich bei der chronischen Nasen¬ 
rachendiphtherie vorsichtige Ausspülungen des Nasopharynx mit 
der Ballonspritze auf die angegebene Weise. Nur der Arzt darf 
dieselbe vornehmen, da die Bemessung des Wasserdrucks viel 
Geschick erfordert, um ein Eindringen der Flüssigkeit in Tube 
und Mittelohr zu verhüten. Wer sich nicht durchaus sicher im 
Gebrauch der Ballonspritze weiss, nehme lieber einen das Nasen¬ 
loch nicht verschliessenden Ansatz an Stelle der Olive. Auch der 
Irrigator darf unter keinen Umständen den Angehörigen des 
erkrankten Kindes in die Hand gegeben werden. 

Zur Spülflüssigkeit kann ein mildes Antisepticum, z. B. Bor¬ 
säure, verwendet werden. Die Hauptrolle Spielt natürlich die 
mechanische Entfernung der Auflagerungen. Wenn die Kinder 
gurgeln können, so ist es zweckmässig, auch gurgeln zu lassen, 
denn bei Anwesenheit von diphtherischen Membranen im Nasen¬ 
rachenraum wird auch die Gegend der Gaumenmandeln stets 
von bacillenhaltigem Seeret erfüllt sein. Besser noch als Gur¬ 
geln wirkt die Anwendung des Zerstäubers, der besonders aus¬ 
giebig bei kleinen, nicht gurgelnden Kindern zu brauchen ist. 

Wie man sich gegenüber der Serumtherapie bei chronischer 
Diphtherie verhalten soll, möchte ich weder im befürwortenden, 
noch ira verwerfenden Sinne entscheiden. Da eine gewisse Im- 
; munität des Organismus gegen das Diphtheriegift besteht, so 
kann eingewendet werden, dass die künstliche Immunisirung 
nicht mehr nöthig sei. Andererseits ist von der Injection, so 
lange Bildung von Membranen besteht, auf die rasche Abstossung 
derselben ein ähnlich günstiger Einfluss zu erhoffen, wie er bei 
der acuten Diphtherie so oft beobachtet wird. Von Fall zu Fall 
wird man sich entscheiden müssen. 

Nach Abheilung des acuten Processes und nach Ver¬ 
schwanden der Bacillen aus Nase und Rachen ist die Entfernung 
der adenoiden Vegetationen indicirt, besonders auch um eine 
Wiedererkrankung an Diphtherie zu verhüten. Der besprochene 
Fall möge daran erinnern, dass die Hyperplasie der Rachen¬ 
mandel nicht nur dann als eine Schädlichkeit betrachtet werden 
darf, wenn sie Nasenstenose oder Gehörleiden veranlasst, sondern 
dass auch zu prophylaktischen Zwecken die ungefährliche Opera¬ 
tion vorgenommen werden soll. 


Aus der Dr. V u 1 p i u s’schen orthopädisch-chirurgischen Heil¬ 
anstalt in Heidelberg, Abtheilung für Unfallverletzte. 

Zur Casuistik der Sehnenzerreissungen. 

Von Oscar Vulpius. 

Die subcutanen Zerreissungen, resp. Abreissungen von 
Sehnen sind in neuerer Zeit häufiger beschrieben worden, sind 
aber doch nicht gerade alltägliche Vorkommnisse. 

Im Lauf der letzten 3 Jahre gingen unserer Anstalt 7 solche 

s ) 1. c. 

'■) Vorlesungen Über Kinderkrankheiten, 9. Aufl., 1897. 

2 

Original fröm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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MÜNCHENER MEDlCtNlSCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17 


Fälle zu, von denen zunächst 2 die Strcckmusculatur des Vorder¬ 
armes, 1 die Strecker am Unterschenkel betrafen. 

Die Zcrreissungen entstanden hier durch Einwirkung 
stumpfer Gewalt, bedingten schwere functioneile Störungen, 
boten aber im Uebrigen kein besonderes Interesse. 

Zwei weitere Verletzte zeigten eine Abreissung der langen 
Bicepssehne. Bei dem einen derselben war das Bild so charak¬ 
teristisch, dass ich es hier wiedergeben möchte. 

Ein G4 .Tahre alter Schiffstaglöhner war mir wegen der Folgen 
einer anderweitigen Verletzung zur Begutachtung überwiesen. 

Als bei ihm zufällig die Bicepsruptur entdeckt wurde, gab er 
an. dass er vor, 2—3 Jahren ohne bekannte Ursache Schmerzen im 

linken Arm verspürt 
habe und dass er vor¬ 
übergehend beim Aus- 
und Anziehen etwas 
gehindert gewesen sei. 
Er habe aber bald 
wieder arbeiten kön¬ 
nen wie vorher und 
sei nur durch die Ver¬ 
dickung gelegentlich 
daran erinnert wor¬ 
den, dass am Arm 
etwas nicht ganz in 
Ordnung ist. 

Wenn der linke 
Arm ruhig herab- 
liiingt, so bemerkt 
man oberhalb des 
Muskelbauches des 
Biceps eine Delle, die 
rechts fehlt. Dieselbe 
wird bei passiver 
Beugung des Ell¬ 
bogens noch deut¬ 
licher. 

Wird eine active 
krä ft ige Contraction 
des Muskels gemacht, 
so windet sich der¬ 
selbe eigenthümlich 
wie ein Wurm und 
nimmt die wurst¬ 
förmige Gestalt an, 
wie die Fig. 1 sie zeigt. 

Die Palpation lässt erkennen, dass die lange Bicepssehne fehlt, 
während der kurze Bauch sich anspannt Der Muskelbauch hat 
sich offenbar von der Sehne gelöst und ist am Oberarm herab- 
gerutscht. 

Auffallend ist die fast symptomlose Entstehung der Ver¬ 
letzung, die keinerlei functioneile Störungen hinterliess. 

Während diese Zerreissungen des Biceps schon öfters be¬ 
schrieben worden sind, dürfte die bei unserem 6. Patienten con- 
statirte Verletzung des Latissimus eine seltene Localisation dar¬ 
stellen. 

Der 32 Jahre alte Mann wollte beim Turnen am Barren die 
sogen. Kippe ausführen. Bei dieser Uebung muss der Aufschwung 
vom Boden aus mit vorgestreckten Armen gemacht werden. Der 
Latissimus hat dabei, während er passiv gedehnt ist, eine sehr 
energische Contraction zu machen. Im Moment des Schwunges 
fühlte der Turner einen hörbaren Krach, „als ob sein Hemd zer- 
reisse“, dann mässigen Schmerz. Als der musculöse Verletzte nach 
3 Wochen zur Untersuchung kam, war der Muskel angeschwollen, 
kaum druckempfindlich. Bei der Contraction rollte er sich in 
seiner äusseren Hälfte geradezu kugelig zusammen, der Cou- 
tractionswulst rückte weit nach unten, die Lücke in der hinteren 
Axillar wand war sehr auffallend. 

Eine functioneile Störung war so gut wie nicht vorhanden. 
Der Zustand ist seit einem Jahre unverändert geblieben. 

Die eigentliche Veranlassung zu dieser Mittheilung bildete 
indessen der nunmehr genauer zu schildernde 7. Fall, der eine 
doppelseitige Abreissung der Quadricepssehne am oberen Kami 
der Patella darstellt. 

Der beim Eintritt in unsere Anstalt 6G Jahre alte Fuhrwerks¬ 
besitzer F. war immer gesund und ein ungewöhnlich rüstiger Fuss- 
gänger gewesen. 

Bis vor einigen Jahren will er neben seinem Lastwagen her¬ 
schreitend Touren von 10—20 Stunden regelmässig gemacht haben. 
Vor 5 Jahren stieg er eine kleine Treppe hinunter, that dabei mit 
dem rechten Fuss einen ungeschickten Tritt, fühlte ein Krachen 
im Kniegelenk und brach zusammen, als er sich beim nächsten 
Schritt wieder auf das Bein stützen wollte. 

Das stark geschwollene Gelenk wurde mit Umschlägen be¬ 
handelt. Nach einigen Wochen nahm er allmählich wieder die 
Arbeit auf. Die Gehfähigkeit besserte sich sehr, wenn auch etwas 
Hinken zurückblieb. Er konnte wieder ca. G Stunden nach¬ 
einander gehen, Frachtgut abladen u. s. w. 

Am 8. VI. 1897 hatte er wieder einen G stündigen Marsch ge¬ 
macht. Abends stürzte er plötzlich beim ruhigen Gehen auf 
ebenem Boden zusammen. 


Nun schwoll das linke Kniegelenk an, er vermochte nicht mehr 
zu stehen. 

Als er am 7. Tage nach der Verletzung in meine Behandlung 
kam, liess sich bei dem kräftig gebauten, aber fettarmen Manne 
folgender Befund feststellen: 

Der rechte Oberschenkel erscheint abgemagert. Die Knie¬ 
scheibe prominirt stark mit ihrem oberen Rand (vgl. Fig. 2), dar¬ 
über liegt eine tiefe Furche, deren Grund das Femur bildet. 



Der Unterschenkel kann activ bis 150° gestreckt werden, wo¬ 
bei der abgerissene untere Rand des Quadriceps 3 Querfinger über 
der Kniescheibe fühlbar wird. 

Dicke Fascienstränge — der Reservestreckapparat — springen 
beiderseits mächtig vor. 

Bei der Beugung des Kniegelenkes sieht man die Condylen 
des Femur, die Fossa intercondylica bis zu den Kreuzbändern 
geradezu durch die straff angespannte Haut hindurch, die Patella 
rückt weit abwärts. 

Das linke Kniegelenk, dessen Haut sich stellenweise blut¬ 
unterlaufen zeigt, ist durch einen Erguss stark geschwollen. Man 
fühlt, dass auch auf dieser Seite der Quadriceps dicht an der 
Patella abgerissen, aber nur um Fingerbreite zurückgewichen ist 
Active Streckung ist völlig unmöglich. Bei der Beugung ver- 
grüssert sich die Diastase sehr beträchtlich, so dass 3 Querfinger 
in der Lücke Platz finden, wobei man deutlich das verdickte freie 
Ende des Muskels resp. der Sehne fühlt. 

Am 9. Tage nach der Verletzung wurde zur Operation ge¬ 
schritten. Von einem Längsschnitt aus wird die Rissstelle frei¬ 
gelegt. Es zeigt sich nach Entleerung des blutigen Ergusses ein 
Querriss dicht an der Basis der Kniescheibe, aber von da aus auch 
nach beiden Seiten die Gelenkkapsel durchsetzend, so dass das Ge¬ 
lenk in der Hälfte seiner Peripherie eröffnet ist. 

Die abgerissene Quadricepssehne zeigt einen unregelmässig 
zerfetzten Rand und namentlich auf ihrer Innenfläche eine gerade¬ 
zu schwefelgelbe Verfärbung als Ausdruck hochgradiger fettiger 
Degeneration. Nach erfolgter Reinigung der Gelenkhöhle wird die 
Gelenkkapsel mit einer Reihe von Catgutnähten geschlossen und 
mit starkem Catgut die Quadricepssehne mit dem Periost der 
Patella und zurückgebliebenen sehnigen Antheilen fest vernäht. 

Die Hautwunde wird mit Silkworm vereinigt. Die Heilung 
erfolgte unter dem sofort in Strecksteilung angelegten Gipsverbaud 
reactionslos. 

Nach 4 Wochen fing Patient in einem inzwischen construirten 
Schienenhülsenapparat zu gehen an. 

Nachdem er noch einige Tage massirt worden war, ging er 
nach Hause. 

Ich habe 1% Jahre später Gelegenheit gehabt, eine Nachunter¬ 
suchung vorzunehmen, und erfahre jetzt, dass der Zustand auch 
heute noch ein unverändert günstiger ist. 

Der Apparat wurde zu Hause bald bei Seite gelegt, die Berufs¬ 
tätigkeit wieder auf genommen. Der Mann hat kaum mehr Be¬ 
schwerden, er geht wieder andauernd, steigt behende auf den Bock 
u. s. w. 

Die Naht hat durchaus gehalten, das Kniegelenk ist völlig 
frei und kräftig beweglich sowohl in Beugung wie in Streckung 
und zeigt ausser der unbedeutenden Incisiousuarbe keine Ab¬ 
normität. 

Der Fall ist in verschiedener Hinsicht nicht ohne Interesse. 

Was zunächst die Aetiologie angeht, so ist hierüber 
nicht allzu viel bekannt, abgesehen von den wenigen Fällen, wo 
eine directe Gewalt die Sehne trennte. Die Einen glaubcu, 
dass die Zcrreissung im Kniestreckapparat und speciell die Lo¬ 
calisation des Risses am Ligament, innerhalb der Patella oder 
an der Sehne durch die Zugrichtung im Moment der Verletzung, 
durch Hebelwirkung u .dergl. zu erklären ist. Andere halten 
nicht dafür, dass willkürliche Muskelcontraction an und für sich 
eine Ruptur erzeugen kann. 

Anhaltspunkte für einen krankhaften Zustand des Streck¬ 
apparates, der die Zerreissung begünstigen könnte, sind selten 
gefunden worden. M a y d 1 beobachtete 1 mal fettige Degenera¬ 
tion, Hafemann constatirte 2mal Tabes. 

Köhl und Wunsch sahen Knorpelkörper in die Sehne 
eingelagert. Ersterer fand ausser 3 soliden Einlagerungen 
einen analogen freien Gelenkkörper und nahm eine chronische 
Arthritis als Ursache an. Wunsch constatirte die Knorpel- 



Fig. 1. 


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Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY qF_CAUFORNJA 





24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDJCIN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


571 


bildung beiderseits und diagnosticirte mit Wahrscheinlichkeit 
eine Exostosis tendinea. 

In unserem Falle handelte es sich unzweifelhaft um eine sehr 
erhebliche fettige Degeneration. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung eines excidirten Sehnenstückchens stützte diese Diagnose. 
Es liegt nahe, diese Entartung auf die langjährige und ausser¬ 
ordentliche Ueberanstrengung der Beimnuskeln zu beziehen, da 
der Mann ja als Fussgänger geradezu unermüdlich gewesen zu 
sein scheint.. Dafür spricht auch die Art der Entstehung: Beim 
ersten Einriss ein unbedeutendes Fehltreten, beim zweiten keine 
andere Ursache als ruhiges Gehen auf glattem Boden, also nor¬ 
male funetionelle Inanspruchnahme der Sehne. 

Der Rückschluss ist somit wohl erlaubt, dass bei Fällen, wo 
ohne Trauma die Abreissung eintrat, wohl eine ähnliche De¬ 
generation Vorgelegen haben mag, so z. B. bei einem von M a y d 1 
erwähnten Patienten, dem beide Sehnen durchrissen, während 
er ruhig auf einer Treppe stand. 

Die Abreissung der Sehne direct an der Patella, wie in 
unserm Falle, scheint die häutigste Localisation des Quadriceps-" 
sehnenrisses darzustellen. Walz fand sie unter 67 Fällen 25 mal 
am Patellarrand, 13 mal dicht darüber, nur 12 mal im Verlauf der 
Sehne höher oben. 

Dass die Verletzung doppelseitig zu Stande kam, wie bei 
unserem Patienten, ist ziemlich selten mitgetheilt worden, den 
11 derartigen von Walz in der Literatur gesammelten Fällen 
wäre ausser dom meinigen auch ein Patient von Champion- 
niere beizufügen. Gelegentlich tritt die Ruptur gleichzeitig 
au beiden Beinen ein, wie bei dem oben erwähnten Kranken 
M a y d Fs, manchmal erfolgt die Zerreissung auf der anderen 
Seite erst nach Jahren, bei unserer Beobachtung nach 5 jährigem 
Intervall, bei einem von Hafemann citirten Fall erst nach 
6 Jahren. 

Das Krankheitsbild ist so charakteristisch, dass ein 
Verkennen kaum möglich ist, namentlich wenn ein blutiger Ge- 
fenkerguss nicht oder in geringem Maass entstanden oder bereits 
zurückgegangen ist. 

Die Lücke über der Patella, die mehr weniger breit den 
Finger direct auf das Femur gelangen lässt, das kolbig verdickte 
und bei der Contraetion sich hiuaufziehende freie Sehnenende, 
die prominirende Patella, und, was Riedin ger als charakte¬ 
ristisch hervorhebt, das Ilervortreten der Facies patellaris bei 
der Beugung, endlich die Unfähigkeit der activen Streckung — 
diese Reihe von Symptomen springt sofort in dei Augen. 

Die Prognose hängt, wie Wunsch sagt und wie unser 
l all beweist, davon ab, wie weit der Riss sich nach beiden Seiten 
hin ausdehnt und den sogenannten Reservestreckapparat, die 
lateralen Fascienstränge, die sehnigen Ausläufer des Vastus 
medialis und lateralis in Mitleidenschaft zieht. Bei unserem 
Patienten war die erste Verletzung eine auf die Rectussehne 
beschränkte, die Function des Kniegelenkes stellte sich in ge¬ 
nügender Weise wieder her, ebenso wie dies von manchen Fällen 
in der Literatur berichtet wird. 

Reisst die seitliche Kapselwand nicht ein, so bleibt auch die 
Diastase der Sehne meist eine geringe, eine spontane Heilung 
kommt manchmal zu Stande. 

Durchsetzt aber der Riss die ganze Vorderkapsel, so ist und 
bleibt die funetionelle Störung eine sehr erhebliche. Es stehen uns 
dann nur zwei Wege zur funetionellen Wiederherstellung offen. 
Entweder geben wir einen Schienenhülsenapparat, der mit dem 
künstlichen Quadriceps, den über dem Gelenk gekreuzten Gummi¬ 
gurten, versehen ist, in der Weise, wie ihn unser Patient zur 
Sicherung der Sehnennarbe, zur Verhütung starker Beugung 
einige Zeit trug. 

Oder aber wir schreiten zur operativen Vereini- 
8 u ng des Sehnenrisses. Ueber solche Operationen wurde be¬ 
richtet von Liste r, Roxbury, Kaufmann, Midel- 
fast, Köhl, Champion niere (2), Helferich, König, 
denen sich nun mein Fall als 10. anreiht. 

Die Naht wurde in verschiedener Weise ausgeführt. L i s t e r 
nähte die losgelösten Vasti an die Patella bei einem insofern 
dem meinigen analogen Fall, als doppelseitige Zerreissung vor¬ 
lag, nur eine Seite operirt wurde. Helferich spaltete die 
Sehne in frontaler Richtung in zwei Lappen, zwischen welche er 
die Kniescheibe befestigte. Championniere legte durch 
den Muskel einen Drahtring und zog diesen mittels zweier Längs- 

Digitized by Google 


drähte gegen die Patella hinunter. In anderen Fällen gelang, 
wie bei meinem Patienten die lineäre Vereinigung mit starkem 
Catgut, Känguruhsehnen, Silberdraht. 

Die Erfolge waren durchweg günstig, die Streckfähigkeit 
wurde wiederhergestellt, wenn auch nicht immer vollkommen. 
Allerdings wurde die Beugung nicht immer bis zum rechten 
Winkel wieder möglich. 

Der Fall von Champion niere war insofern interessant, 
als er nach einfacher Drahtnaht ein Recidiv erlebte, das er dann 
durch die oben beschriebene complieirtere Naht beseitigte. Das 
Röntgenbild zeigte später, dass die eingeheilten Drähte zwar sich 
gelöst hatten, dass aber inzwischen die Sehne eine genügend 
feste Narbe erhalten hatte. 

Die Dauerhaftigkeit des Resultates ist ebenfalls be¬ 
reits sicher gestellt. Unter anderem constatirte Champion¬ 
niere bei seinem ersten Fall nach 4 Jahren ein unverändertes 
Bestehen des guten Resultates. 

Dass auch mein Patient nach 2% Jahren recidivfrei und 
völlig mobil ist, muss eigentlich Wunder nehmen. Denn die hoch¬ 
gradige Degeneration de« Sehnengewebes liess eine so geringe 
Widerstandskraft des Streckapparates annehmen, dass bei der 
rücksichtslosen Inanspruchnahme des Quadriceps ein erneutes 
Zerreissen fast wahrscheinlich war. Diese glücklicher Weise un¬ 
bestätigt gebliebene Befürchtung hielt mich auch bisher von der 
Mittheilung des stets im Auge behaltenen Falles zurück. 

Freilich kann das Unglück immer noch nachkommen. Sind 
doch Fälle bekannt, wo der spontan geheilte Riss nach 7 % Jahren 
sich wiederholte. 

Immerhin dürfte doch die Reihe gelungener Operationen 
im Hinblick auf die Einfachheit und Ungefährlichkeit des Ein¬ 
griffes dem schon wiederholt auf gestellten Satz zur Unterlage 
dienen: Bei jeder funetionelle Störungen 
machenden Zerreissung der Quadr iceps- 
sehne ist die Sehnennaht i n d i c i r t. 

Dass die, frühzeitig ausgeführte Operation die besten Er¬ 
folge auf weist, wie in unserem Fall, liegt auf der Hand, da hier 
der Quadriceps noch nicht der Atrophie verfallen ist. 

Schliesslich sei noch ein Fall von Zerreissung des Streck¬ 
apparates erwähnt, der wegen der Aetiologie unser Interesse in 
Anspruch nahm. 

Die 51 Jahre alte Frau S. fiel am 23. XII. 1899 im Zimmer hin 
und konnte nicht mehr auf dem Bein stehen. Am 25. XII. wurde 
ich gerufen und fand eine mächtige Schwellung der linken Knie¬ 
gelen ksgegeud mit Erguss in’s Gelenk. 

Die Gegend des Ligamentum patellae war äusserst schmerz¬ 
haft. Suchte mau das Band seitlich zu verschieben, so fühlte man 
Crepitation und als Ursache derselben ein bewegliches Kuocheil- 
stiiek, das der Tuberositas tibiae entsprach. 

Active Bewegung des Beines, Aufheben desselben von der 
Unterlage war unmöglich. 

Die Diagnose lautete demgemäss auf Abreissung des Ligamen¬ 
tum patellae proprium nebst der Tuberositas tibiae. 

Nachdem durch nasse Wickelung, Hochlagerung, Massage der 
Eiguss zurückgebracht. war. ohne dass funetionelle Besserung oin- 
getreten wäre, schritt ich zur Operation, behufs Annähung der ab- 
gesprengten Tuberositas. 

Am 4. I. 1900 wurde das Ligament mit einem seitlichen Längs¬ 
schnitt freigelegt, der grössere Theil derselben war in der That 
mit einer Knochenplatte abgerissen. Zugleich aber zeigte sich 
neben der Sehne vorquellend graues, granulationsartiges Gewebe. 
Per scharfe Löffel gerätli in einen weichen Tumor, nach dessen 
Entfernung im oberen Ende des Schienbeins eine apfelgrosse 
Höhle bestand. Ringsum stand nur eine dünne Knochenschale, 
aus deren vorderer Wand die an der Sehne haftende Knochenplatte 
ausgebrochen war. Oben wurde die Höhle von dem missfärbigen, 
theilweise perforirten resp. usurirten Gelenkknorpel begrenzt. Die 
Höhle wurde möglichst gründlich ausgeräumt, desinfleirt, mit Jodo- 
foimemulsion gefüllt. Von einer Knochennaht wurde Abstand 
genommen. Die Hautwunde wurde völlig geschlossen. 

. Die Heilung erfolgte glatt, ohne jede Störung. 

Die im pathologischen Institute freundlichst ausgeführte 
mikroskopische Untersuchung bestätigte unsere Diagnose: Es 
handelte sich um ein myelogenes Riesenzellensarkom. 

Nachträglich gab nun die Patientin an, dass sie wohl schon 
einige Monate rheumatische Schmerzen im Bein gehabt, aber bis 
zum Unfall den Haushalt geführt habe und ziemlich gut zu Fuss 
gewesen sei. 

Die Einwilligung zu einer radicaleren Operation wurde uns 
zunächst nicht gegeben, die Patientin befindet sich in Beobachtung 
und macht eine Arsenikcur durch. 

Merkwürdiger Weise hat sich die Gelenkfunction unerwartet 
gut wiederhergesteilt. Das Bein wird nicht nur bis zum Rechten 
gebeugt, sondern auch völlig und kräftig gestreckt. Die Frau 

2 * 

Original fro-m 

UNIVERSUM OF CALIFORNIA 



572 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


kann wieder gehen, hat keine Beschwerden und hofft, dass der 
Unfall ein Glücksfall war, indem er die Veranlassung zur Ent¬ 
deckung und Entfernung der bösartigen Neubildung gab. 

Literatur über Zerreissung der Quadriceps- 
sehne: 

1. L. Championniöre: Sur l’emploi etc. Aunales de 
Chirurgie et d’orthopödie 1898, No. 4. — 2. Doebbelin: Behand¬ 
lung Irischer Verletzungen etc. Deutsch, med. Wochenschr. 1899, 
No. 49. — 3. Hafemann: lieber subcutaue Zerreissung etc. 
Dlss. med., Berlin 1889. — 4. Kaufmann: Correspondenzbl. 
f. Schweizer Aerzte 1888, 15. Mai. — 5. Klingel*: Ueber Muskel- 
zerreissung. Dlss. med., Leipzig 1897. — 0. Köhl: Correspondenzbl. 
f. Schweizer Aerzte 1893. — 7. Oberbeck: Zerreissungen der 
Qnadrlcepsselme. Diss. med., Berlin 1888. — 8. Riedinger: 
TJeber Riss Verletzungen der unteren Extremitäten. Monatsschr. f. 
Unfallheilk. 1898, No. 10. — 9. Roxbury: Centralbl. f. Chir. 
1879. — 10. W a 1 z : Zum Mechanismus der subcut. Zerreissungen. 
Deutsch. Zeitschr. f. Chir., Bd. 44, p. 430. — 11. Wunsch: Ab¬ 
riss der Quadricepssehne. Deutsch. Zeitschr. f. Chir., Bd. 43, 
p. 613. 


Ueber Muskel- und Sehnenrisse im Biceps brachialis 

Von Dr. Ernst Pagenstecher, Oberarzt am Diakonissen- 
haus Paulinenstift zu Wiesbaden. 

Im Jahre 1895 veröffentlichte ich in der Berl. klin. Wochen¬ 
schr. No. 16 2 Fälle von Rissen im Biceps brachialis, darunter 
einen von Abriss des langen Kopfes. Seitdem habe ich Gelegen¬ 
heit gehabt, ziemlich kurz hintereinander wieder 2 Fälle zu sehen, 
so dass ich glaube, sie sind nicht allzuselten. In der Literatur 
sind auch, soweit mir erinnerlich, seitdem ebenfalls noch welche 
auf gezeichnet. Trotzdem hat mir gerade der letztbeobachtete 
gezeigt, dass offenbar die Affection vielerorts nicht recht be¬ 
kannt sein muss; daher möchte ich die Aufmerksamkeit hier 
nochmals auf das charakteristische Krankheitsbild lenken. Ich 
beschränke mich auf die Risse des langen Kopfes; es kommen 
auch Risse und Abrisse der gemeinsamen distalen Sehne vor. 
Diese geben natürlich ein anderes Bild. 

Normaler Weise bildet der lange Kopf des Biceps einen 
Wulst von gleichmässiger Consistenz zwischen Ellbogenbeuge 
und Deltaansatz. Der Uebergang in die Sehnen erfolgt ziemlich 
rasch. Bei weniger museulösen Leuten hat der Bauch eine mehr 
cy lind rische Gestalt, bei Athleten bildet er mehr einen derben 
Wulst, der fast kugelig wird; immer aber bleibt charakteristisch, 
dass die Muskelsubstanz nach oben bis an den Delta reicht und 
bei Contraction beide dicht aneinander grenzen nur durch eine 
seichte Furche getrennt. Reisst nun der Kopf ein, so ändert sich 
das. Es kann nun die Sehne selbst reissen oder aus dem Gelenk 
rei8sen. Meist erfolgt der Riss in dem oberen Theil des Bauches, 
da wo die Sehne beginnt. Bei Contraction zieht sich dann der 
Bauch nach der Ellbogenbeuge hin zusammen und bildet einen 
vorspringenden Wulst, oberhalb dessen eine Grube erkenn¬ 
bar wird, welche mehr minder direct auf den Knochen führt. In 
frühen Stadien kann man den erschlafften Bauch durch 
massirende Bewegungen nach oben an seinen natürlichen Ort 
schieben, so dass dann zwischen beiden Armen kaum eine Diffe¬ 
renz besteht. Dies ändert sich dann wieder sofort zu dem vorher 
beschriebenen Bild, sobald wieder angespannt wird. Später 
scheint der abgerissene Theil zu atrophiren, da er keine Function 
mehr leistet, und dann ist das Manöver, ihn nach oben zu schieben, 
nicht mehr auszuführen. Auch wird bei Contraction der Wulst 
kleiner. Merkwürdig ist aber doch, dass selbst nach 2 Jahren 
noch ein Unterschied zwischen Ruhe und Anspannung zu er¬ 
kennen ist. Vielleicht dass die Fasern an Fascientheilen an- 
wachsen und dadurch einen neuen, freilich nutzlosen Stützpunkt 
bekommen. Immer bleibt die Grube bestehen und lässt noch nach 
Jahren erkennen, welche Verletzung seinerzeit stattgefunden hat. 

Ein zweites wichtiges Moment wird durch den eigentüm¬ 
lichen Verlauf der langen Seime bedingt. Sie erreicht durch den 
Sulcus bicipitalis das Schultergelenk, und legt sich über den 
Kopf hinweg, um am oberen Rand der Gelenkpfanne sich anzu¬ 
setzen. Daher gibt sie einen Widerhalt gegen den Kopf und 
presst ihn bei ihrer Anspannung durch Contraction des Muskels 
gegen die Gelenkfläche an. Weim sie nun an irgend einer Stelle 
durchreisst, oder ihr Muskel, und letzterer daher seine Spannung 
nicht mehr auf sie zu übertragen vermag, so hat der Kopf, wie 
schon altere Beobachter hervorheben, die Neigung zu einer Sub¬ 
luxation; er tritt nach vorn und oben. 


Dies Vorkommen ist jedoch nicht die Regel. Es fehlte sogar 
in dem von mir früher mitgetheilten ersten Fall, obwohl dort an¬ 
genommen werden musste, dass die Sehne aus dem Gelenk heraus¬ 
gerissen war. Warum es hier nicht eintrat, ist nicht klar ge¬ 
worden. In anderen Fällen mag das Phänomen desshalb fehlen, 
weil der Riss des Muskelbauches kein completer war. Fiel er so, 
dass zwar die Musculatur sich durchtrennte, aber die Fascie, etwa 
in hinteren oder seitlichen Thcilen erhalten blieb, so hat zwar die 
Musculatur keine Kraft, aber die Sehne genug Spannung, um 
den Kopf noch niederzuhalten. Zu dieser Kategorie gehören wohl 
die meisten Fälle, die man sieht, der zweite, in der früheren 
Arbeit beschriebene, und ein neuerdings beobachteter. 

Er betraf einen muskelkräftigen Herrn, der beim Kegel¬ 
schieben einen plötzlichen Schmerz im Oberarm und seitdem an¬ 
dauernd massige Schwäche und Schmerzen in demselben bemerkt 
hatte. Der Befund war typisch. Der Riss sass im oberen Drittel 
des Muskelbauches. Eine Verschiebung des Kopfes des Oberarms 
bestand nicht. 

In diesen Fällen bleibt also, wie erwähnt, die typische Grube 
oberhalb des abnorm retrahirten Muskels deutlich, aber die Kraft 
und Gebrauchsfähigkeit des Armes ändert sich nur wenig. Es 
treten genügend Muskeln für den einen ausgefallenen Bauch ein. 

Schwerer werden aber die Störungen, wenn wirklich die be¬ 
schriebene Subluxation eintritt. 

Der 67 jährige Patient erlitt die Verletzung dadurch, dass ein 
Kalb, welches er mit der rechten Hand am Stricke hielt, plötzlich 
daran zerrte. Er empfand einen so heftigen Schmerz,, dass er 
sich niedersetzen musste, um nicht ohnmächtig zu werden. Der 
Arm fiel sofort kraftlos herab. Ich sah ihn erst 2 Jahre später, 
nachdem er inzwischen vielfach von Aerzten untersucht worden 
war. Wenn man Patienten von vorne betrachtete, so schien es 
auf den ersten Blick, als ob der Schulterkopf verdickt sei, da die 
äussere Sehultercontour vom Akromion an nicht so steil wie links 
abfiel, sondern sich mehr nach aussen wölbte, auch vorne der 
Kopf stark hervortrat. Als ich dann aber die alte Ruptur des 
langen Bicepskopfes entdeckte, war es mir unzweifelhaft, dass es 
sich nur um eine Verschiebung handelte, zumal eine Verdickung 
von der Hinterfläche des Gelenkes her nicht nachzuweisen w*ar. 
Das Röntgenbild gibt ein unzweifelhaftes gleichlautendes 
Resultat. Der Kopf steht nicht der Gelenkfläche angepasst, son¬ 
dern etwas nach oben verschoben, so dass er dem Schlüsselbein 
genähert ist und bei Aufnahme von vorne her die Schatten von 
Spina scapulae und oberem Theil des Kopfes sich decken.. 

Im Uebrigeu sind die Verhältnisse folgende: Der Arm kann 
ln der Schulter activ kaum bis zur Horizontalen erhoben w r erden, 
weitere, passive Versuche, sowie auch solche der Rotation ver¬ 
ursachen lebhaften Schmerz. Druck auf alle Theile des Gelenkes, 
sowie auf’s Akromialgelenk ist sehr empfindlich. Patient hat leb¬ 
hafte spontane Schmerzen. Es ist möglich, dass er vor seiner Ver¬ 
letzung schon hie und da „Reissen“ im Gelenk hatte, im Wesent¬ 
lichen bestehen die Erscheinungen seitdem, und haben allmählich 
zugenommen. Die verschiedenen Aerzte, die bisher den Patienten 
sahen, diagnosticirten Arthritis deformans. In der That scheinen 
auch gewisse Rauhigkeiten der Gelenkoberfläche des Humerus im 
Röntgenbild darauf zu deuten, 

Die Entstehung liegt nahe. Vielleicht lag eine Disposition vor. 
Pat ist im Alter von 67 Jahren. Es erfolgt ein Riss im Bereich des 
Gelenkes. Der Kopf wird subluxirt und drückt nun fortwährend 
auf das Dach des Gelenkes, presst die Kapsel gegen sich und 
Akromion resp. akroininles Ende der Clavicula. Bei Bewegungen 
schleifen normaler Weise nicht aufeinander passende Flächen 
gegen einander. Bei Abductlon müssen das Collum und die Tuber¬ 
cula früher eine Hemmung erfahren: Momente genug, welche eine 
schleichende chronische Entzündung einleiten konnten, ohne dass 
ich über die specielle anatomische Natur derselben, die ja un¬ 
zweifelhaft besteht, ein strictes Urtheil fällen will. 

Dieser entzündliche Zustand der Schulter trat nun so in den 
Vordergrund, dass die eigentliche Natur der Verletzung gar nicht 
erkannt w urde. Die anaranestischen Angaben sind hier sehr lehr¬ 
reich und haben mich eben zu dieser Veröffentlichung veranlasst 

Zuerst begibt sich Patient am Tag nach der Verletzung zu 
Dr. A. Dieser scheint eine Schulterdistorsion angenommen zu 
haben und legt den Arm in eine Schlinge. Nach einigen Wochen 
sieht Kreisphysikus B. den Patienten, findet eine schwere Schulter- 
gelenksentzündung. Nun kommen aber eine Fluth anonymer An¬ 
zeigen. Welche den Patienten der Simulation beschuldigen, da er 
schon vorher Rheumatismus gehabt, und nach der Verletzung 
wieder gearbeitet habe. Anfangs hält Dr. B. daran fest, dass 
Patient krank sei, dann wird er auch stutzig und schickt den 
Patienten In die chirurgische Klinik zu C., wo man ihn poliklinisch 
untersucht und eine „adhaesive Schultergelenksentztindung“ dia- 
gnosticirt; nachher in die chirurgische Klinik zu D., w t o er von 
Assistenten und Professor untersucht und für an Arthritis de¬ 
formans des Schultergelenkes leidend erklärt wird. Dr. B. sieht 
ihn dann noch öfters und schickt ihn mir schliesslich zur Röntgen¬ 
untersuchung 

Jetzt erst wird festgestellt, was vorliegt und zugleich in un¬ 
trüglicher Weise nachgewiesen, dass überhaupt eine Verletzung 
stattgefunden habe. 


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B73 


24. April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ich muss gestehen, wenn mir das Krankheitsbild nicht durch 
frühere Erfahrungen und Studien näher bekannt gewesen wäre, 
würde ich vielleicht den Muskelriss, den Schlüssel zum Ganzen, an . 
dem mageren Arme auch übersehen haben. Eben desshalb habe ich 
aber die Aufmerksamkeit weiterer Kreise wieder neuerdings dar¬ 
auf lenken wollen. 

Zur Vervollständigung des Ganzen darf ich noch Einiges an¬ 
führen über die Gifferentialdiagnöse und Therapie. Bei ober¬ 
flächlichem Zusehen können Muskelhernien und Haematomo ähn¬ 
liche Veränderungen der Armcontoiiren herbeiführen. Eine 
Blutung muss ja bei jedem Riss erfolgen, doch treten sie gerade 
hei den Bicepsrissen zurück, weil dieselben in der Nähe der Sehne, 
also an gefässarmer Stelle erfolgen. 

Entstehen Iiaematome durch Stoss, Schlag, Zerrung im 
Muskelbauch, so wird anderseits nur ein Tlieil der Fasern ge¬ 
trennt und tritt daher der Effect der Trennung zurück. Oder 
Jlaeiuatome entstehen durch Einrisse der Fascie allein, sind sub- 
oder suprafaseial. Sie bilden circumscripte Vorwölbungen und 
Verdickungen, die bei Erschlaffung wie Anspannung des Muskels 
gleiche Consistenz bewahren und neben denen die normalen 
Muskeleon touren erhalten sind. 

Die Muskelhernien führen um so eher zu Verwechslungen, 
weil man mit diesem Namen früher auch die Muskelriss© be- 
zeichnete. In Deutschland ist wohl letzteres Wort für die da¬ 
durch gut beschriebene Affection in Gebrauch, in Frankreich, wo 
F a r a b e u f ') die Trennung zuerst vornahm, erinnert an die 
einstige Confundirung noch das barbarische Wort pseudo-hernie 
musculaire für Muskelrisse. Während bei den Muskelrissen das 
Verhalten der Fascie ein durchaus secundäres ist, tritt der Fas- 
cienriss bei den echten Hernien in den Vordergrund, ja gerade 
Bedingung ist es, dass die Musculatur unversehrt bleibt. Die 
echten Ilernien entstehen dadurch, dass sieh Muskelfasern durch 
einen Riss der Fascie vorstiilpen. Sie linden sieh daher vor¬ 
wiegend da beobachtet, wo eine stark gespannte Fascie über 
kräftige Muskeln zieht, also am Bein. Ob sie auch am Biceps br. 
gesellen wurden, ist mir nicht einmal bekannt. Als ihre charakte¬ 
ristischen Symptome führen Fara b e u f und Hartma n n *) 
an: Verschwinden der Hernie bei passiver Dehnung, wonach man 
in der Fascie eine Delle, eine Bücke fühlt; Entstehen bei Ruhe¬ 
lage des Muskels; wiederum Verschwinden bei starker Con- 
traction. 

Letzterem Punkt gegenüber berichtet R a w i t z 3 ) von 
2 Fällen, in welchen die Geschwulst bei der Muskelanspannuug 
gerade grösser und härter wurde, ja durch isolirte active Con- 
traction gerade hervorgerufen werden konnte. Jedenfalls besteht 
die Aehnliehkeit mit den Muskelrissen darin, dass man die Con- 
touren des Gliedes durch passives Dehnen des Muskels normal 
machen kann im einen, Ausstreichen des erschlafften im anderen 
Fall von Riss (s. unseren früher publicirten Fall). Die charakte¬ 
ristische Grube aber andererseits entsteht bei Rissen erst bei An¬ 
spannung des Muskels, bei Ilernien wird sie in Folge das Ileraus- 
tretens der Muskelfasern eben dann verdeckt. Endlich bilden die 
Hernien eine wirkliche Geschwulst, bei Rissen tritt nur der 
Muskelstumpf etwas stärker hervor, seine Grösse wird durch die 
Delle über das wirkliche Maass hervorgehoben. 

Gemeinsam ist wiederum der Wechsel der Consistenz, der je¬ 
doch, wio aus Obigem hervorgeht, ganz verschiedene Phasen ein¬ 
hält. Bei der gewöhnlichen schlaffen Haltung ist auch der 
Muskelriss zu sehen, die Hernie verschwunden. 

Therapeutisch ist in leichten Fällen von Riss nichts zu thun, 
weil keine oder nur vorübergehende Funetionsstörungen dadurch 
bedingt werden. Ja es ist sogar auffallend, wie gering sie sind, 
und wie leicht sie durch vicariirende Thätigkeit anderer Muskel¬ 
bäuche und Muskeln ersetzt werden. Dies Verhalten beobachtet 
man sogar bei Abriss des ganzen Muskels von der Tuberositas 
radii. In schwierigen Fällen und bei totalem Riss, besonders 
wenn die Schulterfunction gestört wird, ist die blutige Muskel¬ 
naht anzurathen, welche auch von Manchen, so von Barden- 
heuer 4 ) ausgeführt wurde. Meist wird man aber auf ein ab¬ 
lehnendes Verhalten der Patienten stossen, wie es auch mir in 
allen Fällen ging. In dem letzterzählten beabsichtigte ich wegen 

*) Farabeuf : Bull. d. 1. soe. de chir. 1881, 15. Juni. 

s ) Hartmann: Revue de chir. 1893. 

8 ) R a w i t z : Arch. f. klin. Chir., Bd. 24, p. 382. 

9 Bei den Muskelhernien ist mit Erfolg die Aponeurosennaht 
ausgeführt worden. 

So. 17. 

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der besonderen Verhältnisse die Arthrotomie (die zugleich das 
Verhalten der Bieepssehne klargelegt hätte), eventuell Resetion 
oder Arthrodese. Auch hier weigerte sich der Patient. 

Ueber die Art des Zustandekommens derartiger 
Rupturen habe ich in meiner früheren Arbeit Einiges erörtert, 
dem ich heute nichts zuzufügen habe. 

Schleimkolik und membranöser Dickdarmkatarrh.*) 

Von R. Schütz in Wiesbaden. 

Die Discussion über Colica mucosa und Enteritis 
membranacea, die seit Jahren nicht mehr verstummt ist, 
hat nicht den Erfolg gehabt, die gegensätzlichen Anschauungen 
über das Wesen der Krankheit auszugleichen; vielmehr haben 
sich diese Gegensätze im Laufe der Jahre noch bestimmter 
herausgebildet. Das lehrt ein Vergleich der Darstellungen unserer 
neuesten Lehrbücher mit dem Ergebniss der Erörterungen, die 
s. Zr. im Berliner Verein für innere Medicin über diesen Gegen¬ 
stand stattgefunden haben [1], 

Die Meinungsverschiedenheit betrifft bekanntlich die Frage, 
ob der Proeess als Neurose oder als organische Er¬ 
krankung des Dickdarmes, als Katarrh resp. Entzündung 
aufzufassen ist. Und da finden wir, dass von den 3 fast gleich¬ 
zeitig erschienenen Lehrbüchern aus neuester Zeit das vou 
Nothnagel [2] die grosse Mehrzahl der fraglichen Fälle als 
durchaus nicht entzündlich auffasst, Boas [3] dagegen die 
Schleimkolik am liebsten ganz streichen und die gesammten Fälle 
dem Dickdarmkatarrh zuweisen möchte, während E w a 1 d [4] 
sich reservirtcr ausdrückt und eine Colitis neben einer Colica 
mucosa bestehen lässt, ohne über das Iläufigkeitsverhältniss 
beider Affeetionen sich auszusprechen. 

Unter solchen Umständen erscheint das Interesse an dieser 
Frage keineswegs erschöpft, und ich möchte Ihnen heute über 
einige Fälle meiner Beobachtung in Kürze berichten, die in ver¬ 
schiedener Beziehung beachtenswerth sind. 

Es handelt sieh um 4 E r a u e n resp. Mädchen im Alter 
von 28, 36 ujid 42 Jahren, alle ausgesprochen nervös, beziehungs¬ 
weise hysterisch, eine ausserdem in früheren Jahren Melancholica. 
Bei dreien reicht die Nervosität, und ebenso eine habituelle Ver¬ 
stopfung. zweifellos um Jahre hinter das jetzige Darmleiden 
zurück, bei Fall 4 hat sich anscheinend im Gefolge des letzteren 
die Nervosität entwickelt und ist eine fast acut entstandene Ob¬ 
stipation als di recte Krankheitsursache zu beschuldigen. 

Des Weiteren lässt sich allgemein sagen: dass die Schleim¬ 
abgänge in den Fällen 3 und 4 stets mit den Stühlen, bei Fall 1 
und 2 z. Th. für sich allein erfolgten — betreffs der Eigenschaften 
des entleerten Schleims: dass bei allen Kranken neben typischen, 
wohl ausgebikleten Membranen, grossen häutigen Fetzen, sträng-, 
netz-, z. Th. auch röhrenförmigen Gebilden zeitweise ungeformter, 
glasiger Sclilcim, ferner kleine und grössere Flöckchen und Fetz- 
ehen sich fanden, wie man sie bei jedem Dickdarmkatarrh sehen 
kann — und schliesslich, dass alle Patienten Kolikschmerzen von 
wechselnder, z. Th. sehr bedeutender Intensität allgaben, die von 
wenigeu Minuten bis zu Stunden, bei der 4. Patientin selbst Tage 
anhielten. 

Im Besonderen ist zu bemerken: 

Die 1. Patientin, die wegen nervösen Erbrechens und 
conseeutiver Ernährungsstörung in meine Behandlung gekommen 
war, batte während einer 5 wöchentlichen Beobachtungszeit hei 
wöchentlich 2—3 maliger Controle, stets schleimfreie 
und unter der üblichen Behandlung regel¬ 
mässige Entleerungen. Ganz unerwartet — nachdem das 
Erbrechen längst aufgeliört und der Kräftezustand sich bedeutend 
gehoben hatte — traten in Zeit von 8 Tagen 2 typische An¬ 
fälle von Dickdarmkolik auf mit erheblicher Störung 
des Allgemeinbefindens und gefolgt von der Entleerung 
reinen, z. Th. ungeformten, z. Th. häutigeu und 
netzförmigen Schleims. 

D e r 2. F a 11 ist dadurch besonders bemerkeuswerth, dass im 
Anschluss an eine starke gemütkliche Erregung (Tod einer 
Schwester) die vordem viel selteneren Schleimabgänge im Verlauf 
der letzten % Jahre oft Wochen lang ohne Unterbrechung 
anhielten oder mit Pansen von wenigen Tagen immer wieder auf¬ 
traten, während die Verstopfung wiederholt von längeren Perioden 
z. Th. starker Durchfälle abgelöst wurden. 

Die Diagnose war von verschiedenen Seiten auf chronischen 
Darmkatarrh gestellt. Ich fand innerhalb der ersten 5 Wochen 
bei täglicher Untersuchung in den regelmässig ohne 
alle Nachhilfe entleerten Stühlen auch nicht 
eine Spur Schleim. 

*) Vortrag im Neuen ärztlichen Verein, März 1900. 

3 

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No. 17. 


T)74 Ml'NOHEN ER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Anfangs der 6. Woche setzte nach geringen nervösen Vor¬ 
boten eine 4 w ö e h entliehe Periode ein von sich ständig 
■wiederholenden Schleimabgängen und vorgängigen Dick- 
darmkoliken oder auch unbestimmteren krampfartigen Ko¬ 
lonschmerzen. Ein Heer nervöser Beschwerden leitete meist die 
Scene ein, wie Schlaflosigkeit, Unruhe und psychische Verstim¬ 
mung, Magenbeschwerden, „rheumatische“ Schmerzen in den ver¬ 
schiedensten Muskelgebieten, in der Zunge, den Fersen etc. 
Nach ca. 8 tägiger Pause traten die schleimhaltigen Stühle und 
Kolikanfälle nochmals für 2—3 Tage auf, um dann für den Rest 
der Beobachtungszeit, 6—8 Tage wieder zu verschwinden. 

In beiden Fällen habe ich die Diagnose Schleimkolik 
gestellt. Sie ergibt sich bei beiden Kranken nach meiner An¬ 
sicht mit Nothwendigkeit. Denn es handelte sich beide Male 
um das Auftreten von Schleimabgängen im Anschluss an Dick¬ 
darmkoliken, nachdem in den Stühlen während 
einer Reihe von Wochen vor dem Anfall n i e- 
m als irgend welcher Schleim zu finden ge¬ 
wesen war. Eine Periode fast täglicher Schleimkoliken 
von 4 Wochen Dauer ist allerdings ungewöhnlich — Noth¬ 
nagel [2] spricht von einer Woche —. Allein ein Dickdarm¬ 
katarrh mit reichlicher Schleimabsonderung, die auf 5 Wochen 
vollständig verschwände, um dann ohne jede nachweisbare Ur¬ 
sache wiederzukehren und nach weiteren 4 Wochen zum 2. Male 
zurückzutreten — einen solchen Dickdarmkatarrh gibt es nicht. 
Gegen die Annahme eines solchen lässt sich vielleicht auch der 
Umstand verwerthen, dass das objective körperliche Befinden 
der Patientin in dieser ganzen Zeit sich fortdauernd besserte; 
«las Gewicht in 9 Wochen um fast 28 Pfund zunahm. 

Hätte ich die Beobachtung während der Periode der Schleim¬ 
abgänge begonnen, so wäre ich vermuthlich trotz der Kolik¬ 
schmerzen gleichfalls zur Annahme eines Katarrhs gelangt. So 
aber glaube ich, dass dieser Fall, ebenso wie der 1., 
gegen Boas [3] spricht, der das Vorkommen rein perio¬ 
discher Schleimentleerungcn nicht anerkennen möchte. 

Den beiden ersten möchte ich die Fälle 3 und 4 gegenüber¬ 
stellen, bei denen ich gleichfalls häufig Anfälle von Krampf¬ 
zuständen des Kolon beobachtet habe, mit heftigsten Leib¬ 
schmerzen, starker Druckempflndlichkeit und Coqtraction des 
Kolon descendens, sowie hochgradiger Alteration des Allgemein¬ 
befindens. 

Bei Patientin 3 traten meist sporadisch kurze Schmerzanfälle 
vor den Entleerungen auf; bei der 4. Patientin, die in Folge fort¬ 
gesetzten, willkürlichen Zurückhaltens des Stuhls binnen kurzer 
Zeit eine schwere Verstopfung acquirirt hatte — während vordem 
ihre Verdauung ganz in Ordnung war — beobachtete ich iin Ver¬ 
laufe einiger Monate 4 schwere und sehr -eigenartige Schmerz¬ 
attaquen. Die Kranke machte dabei stets den Eindruck einer 
Schwerkranken, war geradezu collabirt und klagte über üusserst 
heftige Schmerzen, die stets von der Gegend des S romanum und 
Kolon descendens aus nach der Magengegend zu — Kolon trans- 
versum — verliefen, von da in Rücken und Brust, selbst bis gegen 
den Hals ausstrahlten und stets erst nach mehreren, meist 6—8 
Tagen unter massigen Opium- oder auch Morphiumgabeu nach- 
liessen, nachdem zuvor einige Entleerungen meist exquisit 
spastischer Art erfolgt waren. Dabei machte ich gelegentlich 
einer vaginalen Untersuchung — die ich vornahm, um eine event. 
Affection der Beckenorgane nicht zu übersehen — die interessante 
Beobachtung, dass bei Betasten der hinteren Scheidenwand die 
Kranke spontan heftigen Druckschmerz im Mastdarm angab. 

Irgend ein Exsudat im Verlaufe des Kolon, 
eine entzündliche Infiltration und Verdickung desselben war 
niemals nachweisbar, so dass keine Entzündung der Darmwand 
mit Betheiligung des Peritoneums, eine Sigmoiditis entsprechend 
der Perityphlitis, anzunehmen war; auch war in den anfalls¬ 
freien Zeiten die Druckempfindlichkeit nur mässig oder sehr 
gering. 

Wie gesagt, enthielten die Stühle beider Patientinnen nach 
den Kolikanfällen häufig membranösen, auch netz- und strang¬ 
förmigen Schleim; trotzdem glaube ich diese Fälle als chro¬ 
nische Dickdarmkatarrhe auffassen zu müssen, weil, 
auch wenn längere Zeit keine Kolikschmerzen 
a u f t r a t e n, meistens Schleim in irgend einer Form 
und nicht selten gerade ausgesprochen membranöser, sich in den 
Entleerungen fand. Auch schienen die Koliken, wenigstens bei 
Fall 4, nicht allein von dem Schleim herzurühren, indem zu 
wiederholten Malen gerade während und nach der Kolikperiode 
sehr w’enig Schleim ausgeschieden wurde. 

Während bei der ersten dieser 4 Kranken das Urtlieil kaum 
schwanken konnte, zeigen uns die übrigen Fälle die grossen 
Schwierigkeiten, die der Diagnose auf diesem Gebiet entgegen¬ 
stehen können und die unter Umständen nur durch längere Be¬ 
obachtung zu überwinden sind. 


Fragen wir, wie das von den Einen als Enteritis, von den 
Anderen als Coliea aufgefasste Krankheitsbild im 
Wesentlichen sich darstellt, so finden wir den einzelnen A n - 
fall ganz allgemein beschrieben als paroxysmalen kolikartigen 
Schmerz im Bereich des Kolon, der oft äusserst heftig, mit er¬ 
heblicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens verbunden 
ist und init dem Abgang eigenthümlicher Schleimmassen aus 
dem Darm endigt. 

Die Kolikschmerzen können nur angedeutet sein oder ganz 
fehlen, so dass nur der Schleimabgang bestehen bliebe. 

Andererseits kommen (Boas) auch kolikartige Schmerzen 
vor ohne Abgang von Membranen, oder sie wechseln auch mit 
Membranaussehcidiing, und zwar solcher mit Schmerzanfällen 
und ohne sie. 

Im Uebrigen wird das Bild vervollständigt durch den 
nerv ü s e n resp. hysterischen G e s a m m t h a b i t u s 
der meist betroffenen Frauen, was die in den Vordergrund 
stellen, die den Proeess als Neurose auffassen; während die¬ 
jenigen, welche einen K a t a r r h annehmen, besonderen Nach¬ 
druck auch auf o r g a n i s c h e, z. B. Adnexerkrankungen. 
En tc.ro ptose, legen. 

Daraus folgt, dass wir die fragliche Affeetion unter sehr 
ver.schic d e n e n U m s t ii n d e n antreffen, combinirt mit 
allen möglichen Kraiikheitserscheinungen, die mit dem 
Darmlcidcn nicht noth wendiger Weise etwas 
zu t h u n haben und dasselbe in keiner Weif# 
charakterisi rcn. 

M. E. hat gerade das Hervorheben der begleitenden Um¬ 
stände und ausserhalb des Darmes liegenden Erscheinungen 
dazu beigetragen, die Diagnose, wie es heute der Fall ist, zu er¬ 
schweren und zu verwirren. 

Die F r auen stelle n b e kanntlich auch für 
chronische D a r m ka tar r h e und nicht nur für die von 
uns als nervöse Schleimhypcrsecretion aufgefasste Störung das 
11 aupteo n t i n g o n t der F ii 11 e, und zwar naturgemäß 
solche Frauen, die an Unterleibsaffectinnen und EnteropP>-c 
leiden, nervös und verstopf! sind und Missbrauch mit Abführ¬ 
mitteln getrieben haben. 

A 1 s o d ii r f t e d o r n e r v ö sc* A 11 g e m o i n s t a t u s 

n i c li t. f ü r S c li 1 e i in k o 1 i k u n d g e g e n 1) a r m - 

k a t a r r h e n t s c h c i d o n. 

Aber auch der Kolikschmerz ist für Schleimkolik 

gegenüber Diekdarmkatarrh n i c h t u n bedingt charak¬ 
teristisch. Denn derselbe kann einerseits hei ersterer nur 
angedeutet sein oder fehlen, während er auf der anderen Seite 
auch bei chronischer Colitis verkommt. Ich erinnere an die Ver¬ 
wechselung von Kolonsehmerzcn mit denen bei Ulcus ventrieuli 
(Edleffsen [5], Kleiner [6], Schütz [7]). 

Demgemäss kann die exacte Diagnose, ob Katarrh oder Kolik, 
in letzter Linie nur aus der Beobachtung der 
Stühle gestellt werden. Nur die Fälle dürfen, wie Ewald [4] 
treffend sagt, als Secretionsneurose aufgefasst werden, bei denen 
die krankhafte Seeretion von Schleim (im Gegensatz zum wirk¬ 
lichen Katarrh) die ursprüngliche Störung ist. Die Frage- 
Stellung in u s s also laut e n: ist die Schleimabseheidung 
eine r e i n p e r i o d i s c h e, der Stuhl in den anfallsfreien 
Pausen durchaus normal, d. i. sehleimfrei, oder enthält er auch in 
den Zwischenzeiten mehr oder weuiger regelmässig Schleim? Tn 
letzterem Falle handelt es sieh, wie Boas [3] mit Recht betont, 
nicht um eine rein periodische Schleimbildung mit wirklichen 
Intervallen von ganz schleimfreien Entleerungen, sondern um 
einfache Exacerbationen eines sonst wenig beobachteten, weil 
stark reinittircnden Processes. 

Wie leicht die Diagnose „Sehleimkolik“ nach gelegentlicher 
Constatirung einer anscheinend paroxysmalen Schlei men tleerung 
verfehlt werden kann, wird klar, wenn man bedenkt, dass auch bei 
chronischem Diekdarmkatarrh gelegentlich die ganze Dejection 
ausschliesslich aus mächtigen Sehleimmassen bestehen kann lind 
ebenso, was wohl von keiner Seite bestritten ist, Abgang von 
häutigem und röhrenförmigem Schleim vorkommt — allerdings 
nach Nothnagel’s [2] Angabe nur ausnahmsweise. 

Nun, was das Vorkommen membranösen Schleims bei Darm¬ 
katarrh betrifft, so dürfte die Ansicht über dessen Häufigkeit 
schwanken, je nach dem Standpunkt, den man gegenüber der 
Diagnose „Schleimkolik“ annimmt. 


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Original frorri 

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24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


«575 


Ich selbst halte das Vorkommen von Schleimmembranen 
(verschiedener Grösse) bei chronischer Colitis auf Grund der mir 
bisher vorgekommenen und von mir als sichere Katarrhe ange¬ 
sehenen Fälle für ein durchaus nicht ungewöhnliches. 

v. Noorden [8], der gleichfalls betont, dass bei Colitis 
mcmbranähnliche Schleimgebilde unter Kolikschmerzen abgehen 
können, will diese Membranen von denen der Colica mucosa unter¬ 
scheiden in Rücksicht auf die grössere Masse des Ko¬ 
lik s c h 1 e i m s und dessen wesentlich v e r s e h i e d e n c Be¬ 
schaffenheit, insofern er wasserarmer» geweblichen Mem¬ 
branen ähnlich sein soll. Ich glaube nicht, dass sieh diese Unter¬ 
scheidung aufrecht hallen lässt. Denn, wie Verschiedentlich 
betont ist, und wie auch ich beobachtet habe, kann bei zweifel¬ 
loser Schleimkolik neben membranösciu auch ungeformter, 
gallertartiger und wasserreicher Schleim entleert werden und 
andererseits der katarrhalische Schleim genau so wasserarm und 
zäh sein, wie der bei Schleimkolik. Auch die Quantität des ab¬ 
gegangenen Schleims dürfte keinerlei Maassstab für die Diffe- 
rcntialdiagnose abgeben. 

Nach diesen Ausführungen kommen wir also zu dem 
Schlüsse, dass an der Schleimkolik als einer besonderen Darin- 
affection gegenüber dem Darmkatarrh fest.gehalten werden muss, 
dass aber diese Unterscheidung im einzelnen Fall eine überaus 
schwierige diagnostische Aufgabe sein kann. 

Erscheint es aber auch richtig, eine E n t e r i t i s m e in - 
branacea als selbständige, eigenartige» Er- 
k r ankungsfor m v o n der c h r o n i s c h c n (’ o litis 
a b z u z w e i g e n X Ich meinerseits glaube, diese Frage ver¬ 
neinen zu sollen. 

Wie charakterisirt z. B. Boas [3]. der diese Trennung mit 
besonderer Schärfe durchführt, die (’olitis membrauacen '{ In 
erster Linie durch die e i g e n t h ii in licht* S c h 1 c i m b i 1 - 
tl u ng: ii »geformt, structurlos — membranös, tubulös. Indess 
ist gerade bei einfacher chronischer Colitis das Vorkommen der 
verschiedensten Ausscheidung s f o r m e n des 
Schleims nebeneinand e r, darunter der Membranen, 
gar nicht so ungewöhnlich. Zeitweise treten dann diese letzteren 
zurück, zu anderen Zeiten werden sie wieder sichtbar; es würde 
also für die Diagnose, ob einfache oder membranöse Colititis, 
nur darauf ankommen, zu welcher Z(*it diese Fälle zur Unter¬ 
suchung kommen. Und von welcher Grösse der Schleimfetzen an 
soll man membranöse Enteritis annehmen? Sollte sich die Ent¬ 
stehung der verschiedenen Schleimformen bei Katarrhen mit 
reichlicher Schleimabsonderung nicht vielleicht auf einfache 
Weise erklären lassen, nach dem was Marchand [9] über die 
Entstehung der membranösen Bildungen sagt? „In dem bei 
längerer Unthätigkeit zusammen gezogenen 
Dickdarm formt sich der Darm schleim in der 
Tiefe der Längsfalten zu runden Strängen, die 
sich netzförmig verbinden oder verzweigt 
erscheinen und durch Zusammenrollen und 
Verkleben in der Längsrichtung dickere 
Stämme bilde n.“ 

Darnach würde zur Bildung solcher Formen ausser einer ge¬ 
nügenden Menge Schleims nur eine längere V er¬ 
st o p f n n g gehören, sei es in Folge spastischer Zustände oder 
Atome der Darmwand; und der verschiedene Wasserreichthum 
des Schleims, den v.Noorden [8] in difPerentialdiagnostischcr 
Beziehung hervorhebt, würde sich wohl ebenso durch eine ver¬ 
schieden lange Retention im Dickdarm, also eine verschieden 
intensive Wasserentziehung erklären lassen. 

Aber auch das ganze Krank hei tsbild der Colitis mem- 
branacea, wie es B o a s [3] aufstellt, möchte ich nicht als un¬ 
bedingt charakteristisch ansehen gegenüber der gewöhnlichen 
chronischen Colitis, sowohl betreffs des Verlaufs, der da wie dort 
chronisch und schwankend ist, der verschiedenen nervösen Erschei¬ 
nungen und organischen Störungen — eine Feststellung, ob etwa 
eine regelmässige Membranausscheidung bei den Darmkatarrhen 
der Nervösen oder Patientinnen mit Unterleibsleiden und Entero- 
ptose überwiegt, existirt wohl nicht. Auch Obstipation, Druck¬ 
ein pfiudlichkeit des Kolons und schliesslich auch der Kolikschmerz 
sind nicht zu verwerthen; denn wir finden Schleimfetzen bei Ka¬ 
tarrhen ohne gleichzeitige Koliksehmerzen, und 
andererseits kommen, wie Boas selbst sagt, kolikartige 
Schmerzen ohne Abgang von Schleim vor. Wie 
ich schon angeführt habe, fand sich.bei meiner 4. Patientin ge- 

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rade zur Zeit schwerer Kolikanfälle in den Stühlen auffallend 
wenig Schleim, viel weniger als gelegentlich sonst. 

Ich möchte also meine Ausführungen 
dahin präcisiren, dass die Unterscheidung 
einer Schleimkolik vom Dickdarmkatarrh 
st-icli nicht stützen kann auf nervösen A11 - 
g e m e i n s latus, organische Com plicationen etc. 

— d e n n diese können sieh bei beiden A f f e c - 
t i o n e n f i n d e ti. Auch das Bild des einzelne U 
A n f a 11s — K o 1 i k s c h m e r z und S c h 1 c i in a b g a n g 

— ist n i c h | völlig eindeutig — de n n d i e 
g 1 e i c li e ii S c h m e r z e n u nd Arten des Schlei m s 
k o m nt e n b e i in K a t a r r h wie bei der Kolik v o r. 

E i n e <* x a e t e Entscheidung ist vielmehr n u r 
a u s e i n e r 1 ii n g e r e n Beobachtung zu erhalten, 
d u r c h d e n — wie das Litcraturstudiuin zeigt, 
v i e 1 f a e h vernachlässigten Nachweis, ob ei n e 
n u r p e r i o d i s c h e S c h 1 e i m li y p e r s e c r e t i o n vor- 
liegt, ob also in den Zwischenzeiten die Stühle 
wirklich schlei m frei sind. 

B e i Anwendung s o 1 c h ’ systematisch *3 r 
Untersuchung, die f ii r die Ha uspraxis aller¬ 
dings k a u in in Frage kommt, dürfte man m. E. 
dahin gelangen, an der Colica mucosa Noth- 
n a g e 1 ? s , 1. o u b e’s , Ewalds u. A. als einer eigen¬ 
artigen D armaff ection festzu halten, dagegen 
Boas darin Recht zu geben, dass die grosse 
MehrzalilderFällemitmembranöserSchleim- 
a u s s e li e i d u n g wirklich katarrhalischer Na¬ 
tur ist. Diese enteritischen Fälle aber als b e - 
s o n d e r e. Form von der gewöhnlichen chroni¬ 
schen abz u t, r e n n e n, erscheint u n b e g r ü n d e t. 

Literatur: 

1. Verein für innere Medicin Berlin. Deutsch, ined. Woclienschr. 
1882. Desgl. 1893, S. 999. 

2. Nothnagel: Spee. Pathologie u. Tlierap. XVII. 

3. Boas: Darmkrankheiten. 

4. E w a 1 d : Diseases of the intestines, Twentieth Century Prac- 
tice of Medecine, Vol. IX, New-York. 

5. Edleffsen: Diagnostik. 

6. F 1 e i n e r : Krankheiten der Verdauungsorgane I. Berl. klin. 
Woclienschr. 1893, 3 u. 4. 

7. Verhandlungen des Congresses für innere Medicin 1899. 

8. v.Noorden: üeber die Behandlung der Colica mucosa. Zeit- 
sehr. f. prakt. Aerzte. 

9. Citirt nach K i t a g a w a : Beiträge zur Kenntniss der En¬ 
teritis membr. Zeitschr. f. klin. Med., 18. Bd., 1891. 

Ueber gehäuftes Vorkommen von Talgdrüsen in der 
menschlichen Mundschleimhaut. 

Von Dr. Suchannek, Privatdoeent in Zürich. 

Ebenso merkwürdig wie die Duplicität gewisser seltener 
Krankheitsfälle ist der Fund bisher nicht bekannter medici- 
nischer Thatsachen jedweden Speeialfachs, unabhängig, zu 
gleicher Zeit, durch verschiedene Forscher. 

Für dieses Spiel des Zufalls mag meine Beobachtung, dio 
durchaus unabhängig, wenn auch einige Monate später als 
die von Douglas, W. Montgomery und W. G. Ha.y 
(Dermatol. Zeitschr., Bd. VI, Dee. 99, II. 6)'erfolgte, einen kleinen 
Beitrag bilden. 

Ich kenne die erwähnte Arbeit nur aus einem ganz kurzen 
Referat (Berl. klin. Woclienschr. v. 5. II. 00, No. 6, Literatur- 
anzeiger), kann mir also kein definitives Urtheil über die dort 
niedergelegte Beschreibung erlauben. 

Meine Beobnchtung bezieht sich auf eleu 46 jährigen Herrn 
I). aus Zürich, einen mir von früher her durch seine ängstliche 
Selbstbeobachtung bekannten, etwas hypochondrischen Patienten. 
Pat. hat früher eine Pharyngitis überstanden, die allmählich zur 
Atrophie der Bachenschleimhaut führte, ein Process, der sich 
aber auch an der Mundschleimhaut durch die Anwesenheit einer 
dünnen trockenen Mucosa bemerkbar machte. 

Neuerdings sind Herrn D. bei gelegentlicher genauerer Be¬ 
sichtigung seiner Mundhöhle eigentümliche gelbe Flecken auf- 
gefallen, die ihn beunruhigten und über deren Charakter er Auf¬ 
schluss wünschte. 

Die oberflächlichere Inspection der Wangenschleimhaut, wie 
sie gewöhnlich vorgenommen wird, ergab in der That das Vor¬ 
handensein gelber Flecke und zwar hauptsächlich gegenüber der 
Zahnreihe der oberen Molaren und dann noch ein Stück hinauf 
vis-ä-vis deu Gingivae. Ich hielt die gelben, theils punktförmigen. 

3 * 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



576 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


theils hirsekorngrossen gelblichen Tüpfclien für verkalkte Schleim¬ 
drüsen und glaubte damit den Pat. beruhigt zu haben. Diese 
Aeusserung genügte Letzterem aber keineswegs, so dass ich ihm 
zwecks genauerer Diagnose die Excision eines Schleimhautstück¬ 
chens proponirte. Das geschah und die kleine Wunde wurde nach 
Stillung der ganz unbedeutenden Blutung mittels Ferripyrinwatte 
in 2—3 Tagen bei regelmässigen antiseptischen Spülungen des 
Mundes zur Heilung gebracht. 

Bei dem Andrücken der Ferripyrinwatte spannte ich die ge¬ 
summte Wangenschleimhaut ziemlich stark an und mit einem 
Schlage traten mm auch auf den übrigen Stellen der Baeken- 
taschen im interdentalen Raum und vis-ü-vis den Molaren des 
Unterkiefers, wo ich bisher nichts entdeckt, eine sehr grosse 
Menge dieser Gebilde zu Tage. Sie erwiesen sich als ganz leicht 
prominente, aber völlig weiche Plaques von Linsengrösse (und 
darüber) und gelblicher Farbe. 

Die mikroskopische Untersuchung des in 4 proc. Formalin und 
Alkohol gehärteten und in Celloidin eingebetteten Schleimhaut¬ 
stückchens ergab an dem fraglichen Gebilde den Typus ausge¬ 
sprochener Talgdrüsen. Und zwar handelte es sich nicht nur 
um ein bimförmiges Säckchen, sondern um 2—3 oder mehr 
Schläuche oder Bläschen, die in einen Ausführungsgang mün¬ 
deten. Der ganze Drilseueomplex erstreckte sich mehr in die 
Breite als in die Länge und eine Reihe von Messungen ergaben 
die Durchmesser: 0,1250 Mill. : 0.1875 Mill. oder 0,1250:0,2 bezw. 
0,2075, ferner 0,1025:0,25. Einzelne Drüsenbläschen verhielten 
sich wie 0,0875:0,1375 oder 0.1250:0,1500 Mill. 

Die mit Ptlasterepitliel bekleidete Schleimhaut trug wenig 
breite und niedrige Papillen. Das Epithel selbst besass einen 
Durchmesser von 0,0025—0,1250 Mill., war in seinen obersten 
Schichten kernlos, verhornt und hob sich tlieilweis in Lamellen ab. 
Stellenweise besass es kleine 0,05—0,075 hohe, schlanke Ilorn- 
spitzen. 

Am subepithelialen Gewebe fiel eine, der Drüse stellenweise 
anliegende Infiltratiouszone, einem adenoiden Balg ähnelnd, auf. 
Von eigentlichen Entzündungserseheinungen kann ich aber man¬ 
gels weiteren Materials nicht sprechen. 

Der Ausführungsgang, 0,125—0,1875 Mill. breit, war mit dem 
abgesonderten Secret der Talgdrüsen und Talgdrüsenzellen ge¬ 
füllt und durchbohrte die Schleimhaut in schräger Richtung. 

Ich habe nach diesem Befund eine grössere Anzahl jugend¬ 
licher und älterer Personen auf die Anwesenheit von Talgdrüsen 
in der Mundschleimhaut inspieirt, dabei stets die zu unter¬ 
suchenden Theile scharf angespannt — die einzige brauchbare 
Methode, um trügerischen negativen Resultaten zu entgehen — 
und die Gebilde als stecknadelspitz- bis stecknadelkopfgrosse 
gelbliche Stippchen oder Pünktchen an allen Theilen der Wangen- 
und Lippenschleimhaut angetroffen. Dabei war freilich von irgend 
welcher Regelmässigkeit der Anordnung oder einer Gesetzmässig¬ 
keit der Quantität keine Rede. Manchmal konnte ich nur 2—3 
solcher Pünktchen entdecken und dann häufte sich wieder die 
Anzahl. Ihr Auftreten erfolgt in distincter Weise oder in 
Gruppenform und es werden, wie Montgomery und Hay 
sagen, die interdentalen Wangenschleimhautpartien bevorzugt. 
Auch an der Schleimhaut, die den aufsteigenden TTnterkieferast 
überzieht, sah ich mehrmals diese Drüsen. 

Dass man bei Schleimhautstücken, die man Leichen ent¬ 
nimmt, ein Manöver, das sich nicht gut unter der so nöthigen 
Controle vorzüglicher Beleuchtung ausführen lässt (Kiefer¬ 
sperre !) — ganz und gar der Laune des Zufalls unterworfen ist — 
liegt auf der Hand. Nur das satte Roth oder Rosa der lebenden 
Mucosa, verbunden mit scharfer Beleuchtung, unterstützt das 
Auffinden der Drüsen. Kein Wunder, dass ich in 4 Fällen auch 
nicht einer Drüse begegnete. Und zu ausgedehnten Versuchs¬ 
reihen und Serienschnitten mangelt es mir leider an Zeit. 

Bisher glaubte man, dass sich Talgdrüsen höchstens noch im 
Bereich des Lippenroths (Mundwinkel und mittlerer Theil der 
Lippe) vorfinden. Diese Entdeckung ist von Kölliker ge¬ 
macht und der hochverdiente Altmeister der Histologie erwähnt 
ihrer im I. Band seines Lehrbuches (6. Auflage 1889). Sodann 
berücksichtigt sie Ebner (ibidem Bd. III, pag. 4, 1899). 

Dem Neonatus sollen sie nach Wertheimber fehlen. 
Herr Professor R i b b e r t , dem ich den Befund im Anfang 
Jauuar demonstrirte und der sofort dem Gebilde den Charakter 
einer Talgdrüse verlieh, forderte mich auf, Nachforschungen an¬ 
zustellen, ob nicht bisher ein Zusammenhang zwischen diesen 
Gebilden und einem Mundschleimhautkrebs constatirt wäre. 
Er hatte gewisse Arbeiten von Carl S c h u c h a r d t im Auge. 
Ich glaube, dass es sich nur um des Letzteren „Beiträge zur Ent¬ 
stehung der Carcinome aus chronisch-entzündlichen Zuständen 
der Schleimhäute und Hautdecken“ — 1885 — Volkmann’s 
klin. Vorträge No. 257 (Ohir. No. 80) handeln kaun. Dort betont 
S. freilich, dass senile Seborrhoe der Gesichtshaut gewisse 

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Beziehungen zum Krebs besässe, aber ein Ursprung aus den Talg¬ 
drüsen (N. B. der Haut!) war nicht bemerkbar. Es handelt sich 
an letzterer nur um Retentions- und Degenerationsprocesse. Ueber 
die Entstehung der Mundschleimhautkrebse ist nach dieser Rich¬ 
tung hin noch nichts Genaueres untersucht und wenn daher diese 
Publieation eine Anregung zu weiteren Forschungen geben 
sollte, so ist ihr Zweck erfüllt. 


Klinische Beobachtungen über Ichthalbin bei Darm¬ 
krankheiten.*) 

Von Dr. Rolly, I. Assistent der Poliklinik Heidelberg. 

Trotzdem sowohl über Ichthyol als Ichthalbin bereits eine 
Reihe von Publicationen vorliegen *), haben sich diese Präparate 
dennoch einen festen Platz in der Behandlung der Darmerkran- 
kungen bisher nicht erwerben können, was wohl hauptsächlich 
darin seinen Grund hat, dass jene Versuche meist an zu wenig 
einwandsfreiem Material angestellt wurden. 

II o m b u r g e rder als einer der letzten Autoren das Ich¬ 
thalbin an der Poliklinik für Kinderkrankheiten von Dr. Neu- 
ni a n n - Berlin prüfte, beobachtete unter Anderem neben der 
Hebung des Allgemeinbefindens einen günstigen Einfluss sowohl 
auf einfache wie tuberculüse, chronische Darmkatarrhe. Schon 
mehr als ein Jahr vor der Publieation der Homburgc r’schen 
Arbeit waren an unserer Klinik bei Darmkrankheiten Versuche 
mit Ichthalbin gemacht worden, welche sehr zu Gunsten dieses 
Mittels zu sprechen schienen. Ich entschloss mich daher, die 
Wirkung dieser Substanz an einem möglichst umfangreichen 
und ein wandsfreien Material festzustellen. Später wurden dann 
die oben mitgetheilten Stoffwechsel versuche und Aetherschwefel- 
säurcbestimnnmgen 3 ) ausgeführt, welche die hier mitzutheilenden 
klinischen Resultate zu ergänzen und zu erklären bestimmt sind. 

Zur Beurtheilung der Wirkungsweise eines Mittels bei Darm¬ 
katarrhen können natürlich nur solche Eälle herangezogen 
werden, bei denen der Einfluss anderer Heilfactoren wie Diät 
ausgeschlossen ist. Ich ging daher bei den unten mitgetheilten 
Fällen unter den bekannten Vorsiehtsmaassregeln, das heisst so 
vor, dass ich entweder genau dieselbe Diät, die das Kind vorher 
schon bekam, weiter fortsetzte und erst nach einigen Tagen, 
sobald ich über die Wirkung des Ichthalbin ein Bild hatte, eine 
zweckentsprechende Diät einführte, oder ich gab zunächst die 
dem Falle entsprechende Diät und fügte nach einiger Zeit, wenn 
diese sich als wirkungslos erwiesen hatte, ausserdem Ichthalbin 
hinzu. 

Von den Aufzeichnungen, die von mir in der hiesigen 
Kinder- und Poliklinik von subacuten und chronischen Enteritis¬ 
fällen gemacht wurden, will ich in Folgendem 28 Eälle, die in 
der Beurtheilung durchaus einwandsfrei sind, veröffentlichen. 
Die eigentliche Zahl der so behandelten Patienten war eine weit 
grössere; da aber in der Ambulanz viele Patienten sieh d»r 
weiteren Behandlung und genauen Beobachtung entzogen, so 
gingen manche schöne Erfolge der Publieation verloren. 

A. Einfache chronische Enteritis (8 Fälle). 

1. Franz D., 5 y 2 .Talire alt. Diagnose: Chronische Enteritis. 
Anaemle, Pseudoascites. Seit 3>/ 2 Jahren fortwährend Durchfall. 
Haferschleim, Eieheleaeao, Tanuinpräparate etc. hatten nur mo¬ 
mentan Nutzen. Seit 1 y 3 Jahren abnorme Zunahme des Leibes: 
starke Abmagerung etc. 

Da der Zustand sieh nach 22 tägiger Beobachtung nicht 
besserte, während welcher Zeit die Stühle trotz Tannalbins et •. 
immer dünnflüssig, stinkend und zahlreich (3—5 mal täglich) 
blieben, wird am 23. Tage bei gleicher Diät (nur etwas mehr 
Fleisch) 3 X 0.5 Ichthalbin gereicht; darauf am nächsten Tage 
ein geformter, gut verdauter Stuhl. Aussetzen des Ichthalbins 
bewirkt nach weiteren 4 Tagen wieder Durchfall, der auf tägliche 
Gaben von 1,5 Ichthalbin nach 3 Tagen wieder verschwand. Von da 
an regelmässiger geformter Stuhl, Körpergewichtszunahme in 
2 Wochen von 800 g. Bei einer Vorstellung des Patienten nach 
•Ti Jahren sieht Pat. sehr gut aus, hat bedeutend zugenommen, etc.; 
die Eltern geben heute Ichthalbin noch in geringen Dosen zeit¬ 
weilig in Zwischenräumen. 


*) Schluss aus No. 14 dieser Wochenschr.: Rolly und S a a in : 
Ueber den Einfluss des Ichthalbin auf den Stoffwechsel und die 
Darmthätigkeit der Kinder. 

J ) Siehe unter anderm v. Hoffmann und Lange, Therap. 
Mcnatsh. 1889, H. 5; ferner M. Lange, Allg. Med. Centralztg. 
1S97, No. 3; Nussbaum, Therap. Monatsh. 1888, Januar. 

*) Therap. Monatsh. 1899, Juli. 

*) Münch, med. Wochensehr. 1900, p. 401, 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



4. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


577 


2. Margaretha K., 9 Wochen alt. Anamnese: Vor 6 Wochen 
Krämpfe, 1 Tag lang, darnach Durchfall und Erbrechen, letzteres 
lässt dann etwas nach, in den letzten 8 Tagen wieder Erbrecheu 
und Durchfall und Abmagerung. Ernährung: Reisschleim 
und Milch, in den letzten 8 Tagen nur Reisschleim. 

Diagnose: Einfach chronische Enteritis (Dick- und Dünndarw- 
katarrhj. 

Aufnahme: Beibehaltung von Reisschleim, trotzdem in den 
ersten 2 Tagen je 0 sehr schlechte, schleimige, stark fäculent 
riechende Stühle. 

Auf täglich 1,5 lchtlialbin werden nur 2—3 dickbreiige, im 
Anfang noch stinkende Stühle entleert, es wird wieder Milch 
vertragen, Körpergewichtszunahme von 200 g in 14 Tagen. 

3. Luise Z., 8 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis, neben 
Dünndarm- auch schwerer Dickdarmkatarrh. Seit Jahren ab¬ 
wechselnd Durchfall, Verstopfung, Appetitlosigkeit. Aufgenommen 
am 27. II. 99 mit salbenförmigen, hellen, aus viel Schleimfetzen 
und wenig dttnnbreiigem Stuhl bestehenden Defäcationen. 

Therapie: Diät H und Haferbrei. 

6. III. 2,0 lchtlialbin täglich; da seit Aufnahme die Stühle 
nicht besser. 

8. III. Geformte Stühle, bekommt Alles zu essen. 

15. III. Dauernd gute, geformte Stühle, Appetit besser, Ent¬ 
lassung, nimmt draussen 2 X 9,5 lchtlialbin weiter. Der Darm¬ 
katarrh ist, wie eine spätere (Jonsultation bestätigt, geheilt. 

4. R. B., % Jahre alt Seit längerer Zeit Durchfall, Ab¬ 
magerung, Auaemie. Therapie: täglich 3,0 Ichthalbin, nach vier 
Tagen dickbreiige, gute Stühle. 

5. F. B., 1 Jahr alt. Schlechte Stühle schon von Geburt an, 
ln letzter Zeit 10—12 Defäcationen täglich. Bei Beibehaltung der 
Diät und 4,0 Ichthalbin täglich wird nach 3 Tagen die Oeffnung 
nicht mehr so häufig und dickbreiig. Da die Stühle jedoch noch 
schleimig und stark stinkend sind, wird noch eine zweckent¬ 
sprechende Diät verordnet, worauf geformte Stühle in einer Woche 
erfolgen. 

0. S., 2i/ 2 Jahre alt. Diagnose: Enteritis chronic. Bekommt 
sofort täglich 3,0 Ichthalbin. Nach 7 Tagen bedeutende Besserung 
des Darmkatarrhs, dickbreiige Stühle, besseres Aussehen etc. 

7. J„ 5 Jahre alt. Diagnose: Enteritis chronic., Appetitlosig¬ 
keit. Therapie: täglich 3,0 Ichthalbin und Raeahout, nach 5 Tageu 
gute Stühle und guter Appetit. 

8. W., 4 Monate. Diagnose: Enteritis chronic. Fast immer 
Durchfall; seit 3 Tagen wieder täglich 8 bis 12 Stühle. Therapie: 
täglich 3,0 Ichthalbin und nur Schleim. Nach 3 Tagen ein fester 
Stuhl. 

B. Ci li r o n i s c li e E n t c r i t i s in i t Peritonitis 
(3 Fälle). 

War also bei (len 8 oben citirten Fällen von einfacher chro¬ 
nischer Enteritis eine rasche Besserung des Katarrhe« durch 
Ichthalbin zu beobachten, so werde ich in Folgendem 3 Fälle 
von chronischer Enteritis verzeichnen, bei denen gleichzeitig 
ein peritoneales Exsudat und Verdacht auf tuberculöse Peri¬ 
tonitis bestand. 

1. H. H., 4 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis mit schwerem 
Dickdarmkatarrh und mit peritonealem Exsudat, tuberculöse Peri¬ 
tonitis. Eine Schwester des Pat. an Tuberculöse, die Grosseitem 
au Phthise gestorben. Pat. selbst leidet seit ly 3 Jahren abwech¬ 
selnd an Diarrhoe und Verstopfung, ln der letzten Zeit starke 
Zunahme des Leibes unter grosser Abmagerung des ganzen Kör¬ 
pers. Viel Schleim in den Stühlen, vollständiges Darniederliegen 
des Appetits. 

Das Exsudat steht beim Liegen des Pat. 1 Querfinger breit 
oberhalb dos Nabels. Auf Resorciu und Diät, Schmierseifenein- 
reibuug nur vorübergehende, geringe Besserung. Da der Zustand 
wieder schlimmer wurde, wird bei gleichbleibcnder Diät nach drei 
Wochen täglich 3,0 lchtlialbin gegeben. Der Stuhl wird nach einer 
Woche geregelt, dickbreiig, 2—3 mal täglich, der Appetit hebt sich 
in auffallender Weise, so dass Patient fortwährend essen will, 
das peritoneale Exsudat ist geringer geworden. Momentan hat 
Pat. täglich nun noch 1—2 Defäcationen, das Körpergewicht nahm 
in den letzten 5 Wochen 3 Pfd. zu (27 Pfd.), bekommt immer noch 
3 kleine Messerspitzen Ichthalbin. 

Die Bestimmung der Aetherschwefelsäure, die kurz nach An¬ 
fang der Behandlung gemacht wurde, hatte bei diesem Pat. einen 
prompten Rückgang der Darmfäulniss unter Ichthalbinmedication 
ergeben. (Siebe oben, Münch, med. Woehensehr., p. 402, „Hart¬ 
man n“.) 

2. M. M., 514 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis mit peri¬ 
tonealem Exsudat (tuberculöse Peritonitis?). Erkrankung begann 
vor 3 l / 2 Jahren mit Abmagerung, Leibseh merzen, Appetitlosigkeit, 
dünnen lind schleimigen Stühlen. Der Zustand erfuhr zeitweise 
eine Besserung, der Leib war immer aufgetrieben. 

Das Kind war von anderen Aerzten mit Kreosotkapseln, Salz¬ 
bädern, Scbmierseifeneinreibungen, Leibbinde, Diät etc. ohne Er¬ 
folg behandelt worden. Bei der Aufnahme in die hiesige Kinder¬ 
klinik handelte es sich um ein stark herabgekommenes, anaemi- 
sches Kind mit einem beim Liegen bis über den Nabel reichenden 
etwas schwer beweglichem peritonealen Exsudat 

Ordination: Diät II mit viel Schleim und Brei. Auflegen von 
Sapon. virid. auf den Leib. Die Stühle enthalten viel Schleim, sind 
manchmal dick, dann wieder ganz dünn, keine Bacillen. Da der 
Stuhl sich ln den ersten 20 Tagen nicht besserte, der Appetit eher 

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schlechter wurde, die Laparotomie von den Eltern verweigert 
wurde, so wird am 21. Tage täglich 2 X 9,5 Ichthalbin gegeben. 
Am nächsten Tage schon wurde der Stuhl dickbreiiger, 3 Tage 
später geformt. Von da an hat Pat regelmässigen Stuhlgang, 
der Anfangs noch etwas Schleim enthielt, welcher dann später 
auch verschwand. 

Gewichtszunahme von 550 g in den ersten 14 Ichthaibintagen. 

3. Georg Kl., 11 Jahre alt. Diagnose: Chron. Enteritis, fühl¬ 
bare Mesenterialdrüsen, Verdacht auf Tuberculöse. Seit Jahren 
Durchfall, dicker Leib. Nach Aufnahme in die Klinik wurde 
Anfangs Alles versucht, des Durchfalls Herr zu werden, doch 
vergebens; es bestanden die schleimigen, salbigen Stühle weiter. 
Vom 3. XII. 1898 ab bei gleichbleibeuder Diät täglich 3 mal 0,5 
Ichthalbin. Nach 4 Tagen geformte, noch mit etwas Schleim ver¬ 
mengte Stühle, Körpergew’ichtszuuahme vom 7. XII. bis 14. XII. 
1898 800 g. ln der Folgezeit wurden die Stühle zum Theil wieder 
etwas salbenförmig, jedoch nahm Patientin bis 8. I. 1899 um 
weitere 3000 g zu. Leider wurde dieser Fall der weiteren Be¬ 
obachtung entzogen. 

Unter Darreichung von Ichthalbin besserte sich also auch 
in diesen schweren Fällen das Aussehen und Allgemeinbefinden 
der Patienten rasch. Der Stuhlgang wurde regelmässig und ge¬ 
formt. Die Kinder nahmen an Gewicht zu. Dass die Verringe¬ 
rung des Exsudates, welche in 2 von den 3 Fällen beobachtet 
wurde, eine Folge der Ichthalbinmedication war, ist kaum an- 
zunehmen. 

C. Chronische Enteritis mit Tuberculöse 
(5 Fälle). 

»Schon in der Ncuman n’sehen Klinik wurden günstige 
Erfolge von der Darreichung des Ichthalbin bei chronischer En¬ 
teritis, die mit Tuberculöse complicirt war, beobachtet. Kürzlich 
kam mir ein englischer Aufsatz von Kilburn Jones zu Ge¬ 
sicht, der gleichfalls einige Fälle von schwerem chronischen 
Darmkatarrh mit Tuberculöse durch Ichthalbin günstig beein- 
llusst sah. Ich führe in Folgendem 5 derartige Fälle an, über 
die ich genaue Aufzeichnungen besitze. 

1. Seh. L., 2 Jahre . Diagnose: Disseminirte Tuberculöse der 
Lungen, Pleuritis, chron. Enteritis. 13. IX. 1898 3,0 Ichthalbin. 
Nach vorhergehenden wochenlangen Durchfällen hat Pat. auf Ich- 
thalbingabe vou 3,0 täglich 3 Wochen dickbreiige Stühle, bis sodann 
im Februar 1899 der Exitus an Miliartubereulose erfolgte. 

2. Z. P., 1 Jahr. Lungentuberculose. Ichthalbindarreichung 
vou 1,0 täglich besserte die Stühle und den Allgemeinzustand. Pat. 
nimmt sogar in den ersten 2 Wochen um 250 g zu. 

3. G. L., 2 y> Jahre. Bronchialdriisentuberculose. Bei Gaben 
von 1,0 Ichthalbin täglich nahm Pat. in einer Woche 300 g zu. 
nachdem er die vorhergehende Woche 700 g an Gewicht verloren 
hatte. Die Stühle verloren ihren stark stinkenden Charakter und 
wurden dickbreiig. Exitus nach 7 Monaten. 

4. Bei einer erwachsenen Frau (Z.), die an Miliartubereulose 
litt, Mutter vou Pat. 2, bei welcher ich Anfangs Opium und Tannin¬ 
präparate gegen die blutigen Diarrhoen erfolglos anwandte, hatte 
dieselbe Dosis Opium mit 3 Messerspitzen Ichthalbin täglich 
y t Jahr lang gute Erfolge. 

5. B. Th., 2 Jahre. Diagnose: Enteritis chron. mit Bronchial- 
drüsentuberculose. Täglich 3,0 Ichthalbin, nach 2 Tagen geformte 
Stühle, entzog sich nach 10 Tagen der weiteren Beobachtung. 
y 2 Jahr später Wiederaufnahme in die Klinik in ganz desolatem 
Zustande mit Anamnese, dass er noch lange Zeit draussen Ichthal¬ 
bin weiter genommen. Nach 14 Tagen Exitus. Die Section ergab 
allgemeine Miliartubereulose, aber keine Tuberculöse im ganzen 
Darmtractus, noch tuberculöse Peritonitis. 

Dieser Fall wurde von pathologisch - anatomischer Seite 
(Gelieimrath Prof. Arnold) in Anbetracht des Alters als ein 
Unicum von Freibleiben des Darmes bei disseminirter Tuber- 
culose aller anderen Organe erklärt. Der Kranke hatte 7 Monate 
vor seinem Tode mit geringen Unterbrechungen täglich 3,0 Ich¬ 
thalbin genommen. Ob hier eine dauernde, wirksame Desiniec- 
tion des Darmtractus durch Ichthalbin angenommen werden soll, 
welche selbst die Tuberkelbacillen avirulent machte? Diese 
Frage lässt sieh natürlich nicht beantworten, indessen soll der 
auffallende Befund für den Fall analoger Beobachtungen nicht 
verschwiegen werden. 

Wie ersichtlich, wurden auch diese 5 Enteritisfälle, bei denen 
gleichzeitig Tuberculöse anderer Organe bestand, durch Ich¬ 
thalbin temporär günstig beeinflusst und die Patienten nahmen 
theilweise an Gewicht zu. 

D. Subacute Magen- und Darmkatarrhe 
(12 Fälle). 

Aus den oben mitgetheilten 12 Fällen ersehen wir, dass 
Ichthalbin bei chronischer Enteritis selbst dort mit gutem Er¬ 
folg gegeben wurde, wo verschiedentlich andere Mittel versagt 
hatten. Am meisten überraschte mich die gute Wirkung des 

Original frem * 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 



Münchener medicinische Wochenschrift. 


No. 17. 


fe? 8 


Ichthalbins bei der chronischen Peritonitis und der chronischen 
Enteritis bei tuberculösenPatienten. Die Resultate der später aus¬ 
geführten Stoffwechsel versuche aber und besonders die Abnahme 
der Aetherschwefelsäuren, also die Herabsetzung der Darm- 
fäulniss, scheinen mir geeignet, die günstigen Erfolge bei diesen 
Patienten zu erklären. 

Diesen guten Resultaten stehen natürlich auch manche Miss¬ 
erfolge gegenüber. Es schien mir fernerhin von Interesse, fest¬ 
zustellen, ob das Iclithalbin auch auf die subacuten, d. h. ver¬ 
schleppten acuten Magen- und Darmkatarrhe von irgend welchem 
Einfluss sei. Hier waren öfter Misserfolge zu verzeichnen. 
Immerhin habe ich unter meinen Aufzeichnungen 12 Fälle von 
subacutcn Darmkatarrhen, bei denen das Ich thalbin einen 
günstigen Einfluss auf den Verlauf des Darmkatarrhes ausge¬ 
übt hat. Es würde mich zu weit führen, diese Fälle einzeln 
hier anzuführen und ich bemerke nur, dass der Appetit und 
das Allgemeinbefinden dieser Patienten unter Ichthalbin sich 
hoben, die Stühle weniger und besser wurden, so dass die 
Kranken nach 3 bis 8 tägigen Gaben von 3 X 0,5 bis 1,0 Ich¬ 
thalbin als geheilt entlassen werden konnten. 

Bei acuten Enteritisfällen habe ich das Mittel nur wenig 
versucht. Ich stehe davon ab, irgend welche Schlüsse aus den 
entsprechenden Beobachtungen zu ziehen, da ich meist ge¬ 
zwungen war, bei Uebemahme der Fälle sofort eine andere Diät 
einzuleiten, so dass die Wirkung des Mittels nicht rein zu Tage 
treten konnte. 

E. Anaemie und Appetitlosigkeit. 

Der Ausfall der Stoffwechselversuche, sowie die häufige Be¬ 
obachtung über Hebung des Appetits und Zunahme des Körper¬ 
gewichts führten von selbst dazu, das Mittel auch bei anae- 
mischcn Individuen mit damiederliegendem Appetit zu ver¬ 
suchen. Die Zahl der einwandsfreien Beobachtungen, über die 
ich bisher verfüge, ist aber zu gering, um schon jetzt ein sicheres 
Urtheil über die Brauchbarkeit des Ichthalbins als Tonicum 
zu gestatten. Die Beobachtungen sollen an der hiesigen Klinik 
desshalb fortgesetzt werden, und ich werde in einer späteren 
Publication darauf zurückkommen. 

Schlussfolgerungen. 

1) Ichthalbin wurde in Dosen bis zu max. 8,0 pro die ohne 
Schaden lange Zeit gerne genommen. Es bewirkt selbst in 
solchen Dosen keine Verstopfung, noch Reizerscheinungen von 
Seiten des Darmes oder der Nieren. 

2) Es beförderte in unseren Stoffwechselversuchen den Ei¬ 
weissansatz, indem es sowohl die Stickstoffausscheidung durch 
den Ham verringerte, als auch die Ausnutzung der gereichten 
Nahrung erhöhte. 

3) Ichthalbin hob bei unseren Patienten schon in Dosen von 
3 X 0,3—0,5 den Appetit und das Körpergewicht und scheint 
daher als Tonicum wirken zu können. 

4) Es setzte bei unseren 4 Versuchen in täglichen Dosen 
von 1,5—3,0 die Menge der Aetherschwefelsäuren stark herab 
und verminderte somit die Fäulnissvorgänge im Darm, wenn 
auch die Stühle ihren stinkenden Charakter erst allmählich ver¬ 
loren. 

5) Unter gleichbleibenden sonstigen Bedingungen (Diät etc.) 
hatten tägliche Dosen von 1,5—3,0 Ichthalbin einen günstigen, 
theilweise sehr günstigen Einfluss sowohl auf einfach chronische 
Enteritis, als auf solche Fälle, die mit Peritonitis oder Tuber- 
culose complicirt waren. 

6) Die subacuten Magen- und Darmkatarrhe wurden z. Th. 
günstig beeinflusst, hingegen war bei den acuten Erkrankungen 
eine einwandsfreie Wirkung nicht nachzuweisen. 

Dosirung. Bei den chronischen Daraikatarrhen von 
Kindern unter 1 Jahr 3X0,3—0,5, von Kindern über 1 Jahr 
bis zu einem Alter von 5 Jahren 3 X 0,5—1,0, über 5 Jahre 
3X1,0; bei Kindern und Erwachsenen als Tonicum 3X0,3 
bis 0,5. Auch dürfte es sich wegen der Billigkeit empfehlen, 
das Ichthalbin eventuell als Schachtelpulver zu verordnen. 3 mal 
täglich 1 Messerspitze voll. 

Dem Director der Klinik, Herrn Prof. Dr. O. Vierordt, 
sprechen wir für eein dieser Arbeit entgegengebrachtes Interesse 
sowie für seine Rathschläge unseren besten Dank aus. 


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Neue Beiträge zur Pathologie der Speiseröhre. 

Von Professor Dr. W. Flein er in Heidelberg. 

(Schluss.) 

II. Krankheitserscheinungen. 

Angeborene Erweiterungen der Speiseröhre können lange 
Zeit hindurch — in manchen Fällen sogar zeitlebens — latent 
bleiben. Beschwerden geringfügiger oder schwerster Art treten 
gelegentlich einmal auf, wenn Nahrungsbestandtheile im er¬ 
weiterten Abschnitte der Speiseröhre festgehalten werden, können 
aber rasch wieder verschwinden. In schwereren Fällen wiederholt 
sich dieses Ereigniss häufiger, ohne zu erheblichem Schaden zu 
führen. Die schwersten Krankheitserscheinungen werden eben 
hervorgerufen, wenn die Dysphagie lange Zeit hindurch oder 
dauernd bei jeder Mahlzeit sich einstellt. 

Die Anstauung von Nahrungsbestandtheilen in einem Vor¬ 
magen verursacht ganz charakteristische Beschwerden und Krank- 
heitserscheinungen. Bei mässiger Füllung des Sackes besteht ein 
unbehaglicher, „steinerner“ Druck über dem Magen, hinter dem 
Brustbein. Füllt sich der Sack stärker an, so müssen die Kranken 
mit Essen und Trinken aufhören und zuwarten, bis sich die Ent¬ 
leerung des — sagen wir — Vormagens bewerkstelligt hat. Thun 
sie dies nicht, so ruft jeder weitere Schluck odejr Bissen durch 
stärkere Dehnung des Sackes heftigen Schmerz hervor. 

Entleert sich der Sack in den Magen, was bei noch genügen¬ 
dem Tonus der Speiseröhren wand oft ziemlich rasch geschehen 
kann, so verschwindet der Druck oder der Schmerz hinter dem 
Brustbein und bei entsprechender Vorsicht im Kauen und 
Schlucken kann dann eine Mahlzeit ohne weitere Störung ganz 
beendet werden. Ist aber der Zugang zum Magen erschwert, etwa 
weil ein verschluckter Bissen zu gross war, oder weil in Folge 
grösserer Reizung der Wand am unteren Pole einer spindel¬ 
förmigen Speiseröhrenerweiterung ein Spasmus sich eingestellt 
hat, so kommt es zum Regurgitiren. 

Bald treten Regurgitationen ein nur nach dem Verschlucken 
grosser und fester Bissen, bald nach jeder Art von Speise und 
Trank, oft gleich nach dem Schlucken, oft erst stundenlang nach 
der Nahrungsaufnahme. Das Regurgitiren kann spontan er¬ 
folgen und ohne besondere Beschwerden vor sich gehen, ähnlich 
wie das „Speien“ der Säuglinge. Es kann aber auch mit heftigem, 
beschwerlichem Würgen verbunden sein. Dabei kommt entweder 
alles Verschluckte mit Schleim und Speichel vermengt wieder 
herauf, oder aber es werden nur die festen Bestandtheile der 
Nahrung hochgebracht, während die flüssigen in den Magen ge¬ 
langen. Die in grösseren Mengen her auf ge würgten Massen wer¬ 
den gewöhnlich nach aussen entleert, während kleinere Volumina 
hochkommender Nahrung oft wieder verschluckt werden. Mit¬ 
unter wird in solchen Fällen das Regurgitiren zur Gewohnheit 
und wir haben dann eine besondere Art des Wiederkäuens 
oder der Rumination vor uns. 

Einem meiner Patienten, der viel zu trinken pflegte, entleerte 
sich der im Vormagen angestaute Inhalt häufig durch die Nase; 
oft geschah dies des Nachts im Schlafe unbemerkt und erst beim 
Erwachen zeigte ihm das beschmutzte Kissen, was geschehen war. 
Bei dem von mir beschriebenen Kinde mit dem Vormagen (Krank¬ 
heiten der Verdauungsorgane I, S. 109) stellte sich nur Nachts im 
Bette ein eigentümlicher Husten ein, der vermutlich durch 
Aspiration hochgekommenen Vormageninhaltes ausgelöst wurde. 
Audi traten in diesem Falle merkwürdig laute und glucksende 
respiratorische Geräusche in der Brust auf, wie wenn Flüssig¬ 
keit und Luft vom Vormagen her durch die Zwerchfells¬ 
bewegungen in der Speiseröhre auf- und abbewegt würden. Diese 
Geräusche ängstigten die Mutter des kranken Kindes derart, dass 
sie selbst den Schlaf nicht finden konnte oder aus demselben auf¬ 
geschreckt wurde. Kam es nun bei einem stärkeren Hustenanfall 
endlich zum Erbrechen, d. h. zum Ausleeren des Vormagens, so 
hörte der Husten und das Rasseln in der Brust für den Rest der 
Nacht ganz auf, und das Kind schlief tief und ruhig weiter. 

Recht qualvolle Zustände treten auf, wenn in einem Vor¬ 
magen verschluckte Massen oder vom Magen heraufkommender 
Inhalt, Gase oder saurer Speisebrei eingeklemmt werden. 
Solche Incarcerationserscheinungen kommen 
in Vormagen mit entzündeter oder stärker ge¬ 
reizter Wandung häufig zu Stande und zwar dadurch, dass 
ein chemisch oder mechanisch stärker reizender Inhalt die Mus- 

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24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


579 


ciilatur zu spastischer Contractur anregt, wobei sowohl am oberen 
als am unteren Pole des Vormagens ein Abschluss bewerkstelligt 
und ein Entweichen des angestauten Vormagenin halt es nach oben 
oder unten unmöglich gemacht wird. 

Besteht ein solcher Spasmus oder stellt er sich beim Sondiren 
ein, so stösst die Sonde sowohl am oberen als am unteren Ende 
einer Speiseröhrenspindel auf einen Widerstand, der aber lang¬ 
sam und schonend zu überwinden ist. Entleert sich dabei der 
Vormageninhalt durch die Sonde, so hören die vorher furchtbaren 
Beschwerden ganz plötzlich auf. Während der Incarceration 
klagen die Kranken über einen heftigen Schmerz, „wie wenn 
ihnen die Brust auseinandergerissen würd e u . 
Mit diesem Schmerz ist oft auch Angst, Athemnoth und Beklem¬ 
mung verbunden. 

Die Einklemmungserscheinungen treten anfallsweise auf, 
namentlich während der Mahlzeiten. Ein Anfall hält gewöhnlich 
nur kurze Zeit an, einige Secunden, eine oder mehrere Minuten. 
Er endet mit dem Hinabgleiten des Vormageninhaltes in den 
Magen oder mit Herauswürgen desselben. Sehr leicht kehren 
die Einklemmungserscheinungen wieder: die Kranken werden 
desshalb sehr vorsichtig beim Essen, nehmen nur kleine Schlücke 
und kleine Bissen und kauen mit grösster Sorgfalt. Entsteht 
trotzdem eine Oesophagitis oder Gastritis oder ein stärkerer Reiz¬ 
zustand des Vormagens an seinen Polen (Fissuren und Rhagaden, 
Sehleimhautexeoriationen durch unvorsichtiges Sondiren), so 
werden die Kranken gezwungen, ihre Mahlzeiten einzuschränken 
und trotz des Hungers faste Nahrung, Fleisch und Brot 
lind sonstwie reizende Substanzen, namentlich Alkoholica zu ver¬ 
meiden. Es entwickelt sich desshalb rasch ein Zustand der Unter¬ 
ernährung, Abmagerung und Entkräftung, dessen Eintritt noch 
dadurch beschleunigt wird,dasstrotz aller Vorsicht beim Essen und 
Trinken ein Theil der auf genommenen Nahrung in der Speise¬ 
röhre anstaut, diese noch mehr (also auch oberhalb des Vor¬ 
magens) erweitert und schliesslich doch durch Auswürgen dem 
Körper verloren geht. 

Die Gelegenheitsursachen, welche einen Vormagen 
aus seinem Latenzstadium hervortreten machen und das ge¬ 
schilderte Krankheitsbild — in oft sehr merkwürdiger indivi¬ 
dueller Färbung—hervorrufen, können sehr verschiedenartig sein. 
Die an anderem Orte mitzutheilenden Krankengeschichten 
(Vogelsang) werden hierüber Näheres berichten. Ich will 
hier nur einen Fall mittheilen, bei welchem jeweils eine 
Schwangerschaft schwere Krankheitserscheinungen von 
Seiten eines Vormagens hervorrief und zwar dadurch, dass bei 
dem morgendlichen Uebelsein im Anfang der Schwangerschaft 
durch die reflectorisch ausgelösten Brechbewegungen Mageninhalt 
in denVormagen gepresst,dort inearcerirt wurde,ohne dass er nach 
oben entleert werden konnte. Hierzu kam dann noch die Er¬ 
schwerung des Sehlingens, die Anstauung der verschluckten Nah¬ 
rung und die immer grösser werdende Erweiterung der Speise¬ 
röhre oberhalb des eigentlichen Vormagens. 

Frau M. aus R., 27 Jahre alt. über mittelgross, schlank und 
gut gebaut, aber sehr blass und abgemagert, erinnert sich aus 
der Kinderzeit, dass ihr öfters Kirschen im Schlunde 
stecken blieben und wie ein Stein über dem Magen drückten, 
bis sie wieder in den Mund herauf kamen. Im 10. Jahre erkrankte 
sie an D i p h t h e r i t i s und konnte damals einige Tage lang 
gar nichts schlucken. Sogar von den Eissttickchen, die sie in den 
Mund bekam, sei nach einiger Zeit das geschmolzene Wasser 
immer wieder aus dem Halse heraufgekommen. Auch sei da¬ 
mals von Milch oder Schleimsuppe nach einiger Zeit wieder etwas 
in den Mund heraufgekommen und habe einen so 
eigenthü milchen Geschmack gehabt, dass sie diesen 
nie mehr habe vergessen können. Seit dem sie so schlecht 
schlucken könne, empfände sie jenen eigenthttmlichen fad-sauren 
Geschmack fast anhaltend. Als junges Mädchen bekam sie bei 
Aufregunszuständen hin und wieder einmal Schluck¬ 
beschwerden, so dass ihr die Bissen im Halse stecken 
blieben, sonst war sie aber gesund und blühend und verheirathete 
sich mit 21 Jahren. 

In der ersten Schwangerschaft 1894 hatte sie des 
Morgens viel an Uebelkeit zu leiden. Trotz heftiger 
Würgbewegungen kam es aber niemals zum Er¬ 
brechen, nur entstand ein starker Druck über dem Magen und 
dieser steigerte sich zu Schmerzen, „wie wenn alles 
ln der Brust auseinanderrelssen müsste“. Dabei 
wurde ihr ganz schlecht, ohnmachtähnlich, und die Speiseröhre 
brannte den Hals hinauf wie Feuer. Dazu gesellten sich nun 
Schluckbeschwerden, zuerst nur beim Genuss fester 
Nahrung, dann auch bei Flüssigkeiten. Die Bissen blieben über 


dem Magen stecken; Versuche, dieselben mit Flüssigkeiten 
hinunterzuspülen, gelangen manchmal. Oft ging aber auch Alles 
wieder oben heraus, der Druck über dem Magen blieb jedoch be¬ 
stehen und wurde oft furchtbar schmerzhaft. Oft konnte Patientin 
tagelang gar nichts geniessen und magerte desshalb sehr rasch ab. 

In der chirurgischen Klinik zu Tübingen, wo Patientin gegen 
ihr Leiden Hilfe suchte, diagnosticirte Herr Professor Bruns 
ein Divertikel der Speiseröhre. Er sondirte und liess 
auch zu Hause die Sonde weiter gebrauchen. 

Nach der Entbindung besserte sich der Zu¬ 
stand rasch wieder, so dass sich die Patientin gut er¬ 
holte. Bald stellte sich aber die zweite Schwangerschaft ein und 
damit wieder derselbe Zustand, wie das Jahr vorher. 

Diesmal wandte sich Frau R. an Herrn Professor Lieber¬ 
meister in Tübingen, welcher eine spastische Stenose 
der Cardia annahm und während eines mehrwöchentlichen Auf¬ 
enthaltes in der Klinik Sondenfütterung vornehmen liess. 
Mit dem Aufhören dieser Behandlung verschwand die erzielte 
Besserung wieder und der üble Zustand dauerte an, bis nach der 
Entbindung, dann erholte sich Patientin wieder sehr rasch. 

Während der dritten Schwangerschaft 1896 übernahm Herr 
Oberamtsarzt Rush die Behandlung und erhob dabei folgenden 
Befund: Zarte, anaemische Frau mit Blutgeräuschen über Mi¬ 
tralis und Pulmonalis. Lungen frei. Links hinten unten am 
Thorax eine spindelförmige, bis zum 6. Brustwirbel hinauf¬ 
reichende, unten 3 fingerbreite Dämpfung. Beim Einftihren einer 
weichen Sonde (No. 18) fliesst reichliche, sauerriechende, faden¬ 
ziehende Flüssigkeit, mit Speiseresten vermischt, aus der Sonde, 
noch ehe diese in den Magen gelangt ist. Die Sonde gleitet leicht 
in den Magen, auch Sonde 22 lässt sich leicht einführen. Däm¬ 
pfung hinten unten nachher verschwunden. 

Bei der nächsten Untersuchung Unmöglichkeit, die Sonde ein¬ 
zuführen, ein anderes Mal Widerstand beim Herausziehen. 

Auf Grund dieser Befunde diagnosticirte Dr. R.: spasti¬ 
sche Stenose der Cardia, Stauungsectasie der 
Speiseröhre, auch Anätzung der Schleimhaut der ectatischen 
Stelle durch stagnirenden Inhalt. 

Galvanisiren erwies sich ohne Erfolg. Nach der Entbindung 
wurde der Zustand wieder erträglich, bis mit dem Eintritt der 
4. Schwangerschaft, eingeleitet durch die morgendlichen Uebel- 
keiten, wieder so starke Beschwerden sich einstellten, dass bis 
zur Entbindung die Frau 2 mal täglich von ihrem Manne mit der 
Sonde gefüttert werden musste. Nebenher konnte sie nur wenig 
flüssige Nahrung nehmen. 

Trotz der ernstlichen Erkrankung der Mutter bei jeder 
Schwangerschaft sind alle Kinder gesund und wohlentwickelt. 
Keines zeigt Schlingbeschwerden; Eltern und Verwandte der 
Mutter sind auch frei von solchen. 

Nach der 4. Geburt kam wieder eine Besserung, bis mit Ein¬ 
tritt der jetzigen 5. Schwangerschaft der Zustand sich von Neuem 
verschlimmerte. Auf Rath des Dr. R., welchem ich einen ausführ¬ 
lichen Krankheitsbericht verdanke, kam Patientin im 3. Monat 
ihrer 5. Schwangerschaft in meine Behandlung. 

Durch äussere Untersuchungen war nicht Abnormes wahr¬ 
nehmbar, nur schien die Frau mager und blutleer; der Haemo- 
globjngehalt ihres Blutes betrug ca. 50 Proc. (F1 e I s c h 1), im 
Urin war weder Eiweiss noch Zucker. Beim Enführen einer 
weichen Schlundsonde stiess ich an verschiedenen Stel¬ 
len der Speiseröhre auf leichten Widerstand, auf einen 
unüberwindlichen erst 51 cm hinter der Zahnreihe. Während der 
Sondining flössen insgesammt etwa 200 ccm einer trüben, fad¬ 
säuerlich riechenden, mit Speiseresten vermischten Flüssigkeit 
aus der Sonde. Nach der Spülung der erweiterten Speiseröhre 
mit lauwarmem Wasser wurde eine halbweiche Sonde eingeführt, 
welche endlich auch in den Magen gelangte. 

Dabei zeigte sich, dass der Magen selbst auch Flüssigkeit 
enthielt. Diese hatte eine andere Färbung, als die aus der Speise¬ 
röhre heraufgeholte, gab aber keine Salzsäurereactlon. Eine Rein¬ 
waschung des Magens konnte mit der halbweichen Sonde nicht 
erzielt werden. Nach der künstlichen Fütterung mit ca. 600 ccm 
Haferbrei mit Milch verdünnt, wurden die Grenzen des Magens 
bestimmt und dabei gefunden, dass die grosse Curvatur halbhand¬ 
breit unter den Nabel reichte und dass der Magen in grosser Aus¬ 
dehnung plätscherte. Er war also sehr schlaff. Ord.: Bettruhe 
und flüssigbreiige Nahrung, häufiges Trinken kleiner Portionen von 
Vichywasser, um auf die offenbar sehr gereizte Speiseröhren¬ 
schleimhaut mildernd einzuwirken. 

Am 2. Tage ging die Sondirung viel leichter von Statten; die¬ 
selbe weiche Sonde, mit welcher die Speiseröhre gespült worden 
war, glitt nach kurzem Aufenthalt beim Hinderniss 51 cm hinter 
den Schneidezähnen in den Magen, konnte also auch zum Spülen 
dieses Organes und zur Fütterung verwendet werden. 

Wiederum war der Magen Früh nüchtern nicht leer, sondern 
enthielt Nahrungsüberreste von anderer Beschaffenheit, als der 
Speiseröhrensack. 

Abends vor dem Einschlafen wurde von nun an der 
Speiseröhrensack mit einer weichen Sonde durch Ex¬ 
pression täglich entleert (ohne Spülung). Des Morgens fand 
sich dann von Tag zu Tag weniger angestaute Flüssigkeit im Vor¬ 
magen. Der Magen selbst blieb jedoch noch eine Zeit lang mo¬ 
torisch insufficient; enthielt Früh nüchtern eine trübe Flüssigkeit 
und musste vor der künstlichen Fütterung reingespült werden, 
wozu in der Regel 5—6 Trichter Spülwasser nöthig waren. 

Nach 6 Tagen liess ich Patientin, die inzwischen um 6 Vs Pfd. 
zugenommen hatte und sieh beschwerdefrei fühlte, aufstehen. 

4 * 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


Auch wurden Versuche mit fester Nahrung gemacht, mit gekochten 
Mehlspeisen und gewiegtem Fleisch, die gut ausfielen. Des Abends 
wurden aus dem Vormagen 150—100 ccm Inhalt herausgeholt. 
Frühmorgens nur etwa 30 ccm, meist aus trübem Speichel mit viel 
Plattenepithelien bestehend. Im nüchternen Magen war weniger 
Inhalt als Anfangs, leer war er aber immer noch nicht. Zur künst¬ 
lichen Fütterung wurden nun 800—900 ccm Hafergrütze und Milch 
verwendet. Der Stuhl war angehalten, so dass durch Klystiere 
nachgeholfen werden musste, aber gut ausgenutzt und verdaut. 
Schlaf und Appetit gut, überhaupt Allgemeinbefinden vorzüglich, 
da Patientin keine Beschwerden mehr hatte und die gewohnte 
Procedur der Fütterung sie kaum belästigte. 

Erst nach 4 Wochen war die Atonie des Magens soweit, be¬ 
hoben, dass der nüchterne Magen leer und rein war und nur noch 
wegen des vom Vormagen abgeflossenen Inhalts kurzer Spülung 
bedurfte. 

Auch die Stauungserweiterung der Speiseröhre 
ging täglich zurück: Abends selten über 100 ccm angestauter 
Speisereste, Morgens 20—30 ccm trüben Speichels Im Vormagen. 
Einige Male war der Vormagen Früh nüchtern sogar leer. 

Die Spülung der Speiseröhre wurde allmorgendlich 
stufenweise vorgenommen und so ausgeführt, dass man 
30 cm hinter der Zahnreihe kleine Wassermengen (50—75 ccm) 
elnlaufen Hess. Ein Ueberlatifen nach dem Kehlkopf und Husten¬ 
reiz kam selten einmal vor, weil die Speiseröhre sich oben fest 
um die Sonde anlegte und so einen Abschluss bildete. Wenn die 
Speiseröhre voll war, stockte der Zufluss aus dem hochgehaltenen 
Trichter ruckweise. Unter fortwährendem Spülen wurde nun die 
Sonde tiefer geschoben, so dass die Speiseröhrenwand In jeder 
Höhe bespritzt, sozusagen gedoucht wurde. Regelmässig stiess 
man 44 cm hinter der Zahnreihe auf ein kleineres, 51 cm auf ein 
grösseres Hinderniss, die aber beide bei hochgehaltenem Trichter 
und gleichzeitigem Schlucken mit der weichen Sonde überwunden 
werden konnten. 

Ich vermuthe, dass diese beiden 7 cm auseinander stehenden 
Hindernisse dem oberen und dem unteren Pole der Vormagen¬ 
spindel entsprechen. 

In den letzten 2 Wochen ihres Heidelberger Aufenthaltes 
konnte die Patientin die Spülung der Speiseröhre, des Vormagens 
und des Magens, dessgleichen auch die Fütterung Frühmorgens 
selbst ausführen: sie tliat dies stets unter Aufsicht, aber so correct 
und zuverlässig, dass man ihr die Selbstbehandlung auch daheim 
überlassen konnte. Mittag- und Abendessen, aus gemischter, 
fester Nahrung bestehend, dessgleichen die flüssigen Zwischen¬ 
mahlzeiten um 10 Uhr und um 4 Uhr genoss sie ohne Sonde ohne 
Beschwerden. Brechreiz. Regurgitiren oder Herauswürgen kam 
nicht mehr vor. Nur einmal, als Patientin, einem Gelüste fol¬ 
gend. auf dem Markte rohes Obst gekauft und etwas hastig ge¬ 
gessen hatte, empfand sie Druck über dem Magen, bis die Obst¬ 
reste des Abends aus dem Vormagen entfernt wurden. Die vor 
dem Einschlafen aus dem Vormagen mit der Sonde herausgeholtc 
Menge zurückgehaltener Speisereste betrug auch zuletzt immer 
noch 70—90 ccm. 

Dagegen war das Spülwasser von Speiseröhre. Vormagen und 
Magen Früh nüchtern fast ganz klar und reagirte nlcTit mehr sauer. 
Die frei Salzsäure fehlte in einer 3 Stunden nach einem Probe¬ 
mittagessen (Schleimsuppe, Rostbeef und Kartoffelbrei) entnom¬ 
menen Magenlnhaltsprobe; die Acidität des Mageninhaltes betrug 
65, diejenige des Vormageninhaltes 35! — Gekräftigt und blühend 
aussehend, mit einer Gewichtszunahme von 13 Pfund und einer 
Steigerung des Haemoglobingehaltes des Blutes um 20 Proc. (nach 
F1 e i s'c h 1) wurde Patientin nach 6 wöchentlicher klinischer 
Behandlung nach Hause entlassen, um dort die Selbstbehandlung 
in der angelernten Weise bis zur Entbindung fortzusetzen. Sub- 
jectlv fühlte sich Patientin so wohl wie seit ihrer Mädchenzeit nicht 
mehr. Die Schwangerschaft machte ihre keine Beschwerden, 
täglich konnte Patientin Spaziergänge von 2—3 Stunden ohne An¬ 
strengung unternehmen. 

Nach kürzlich eingetroffenen Nachrichten ist die Entbindung 
gut von Statten gegangen — nach dem Wochenbett hat aber Pa¬ 
tientin wieder zur Sonde greifen müssen, um beschwerdefrei zu 
sein. 

Die Diagnose einer Speiseröhrenerweiterung ist aus den 
wohleharakterisirten Krankheitserscheinungen, welche durch die 
Anstauung von Speise, Trank und Speichel oberhalb des 
Magens verursacht werden, leicht zu stellen. 

In manchen Fällen gibt dann die Vorgeschichte der Kranken 
darüber Aufschluss, ob schon in früher Jugend gelegentlich 
Schlingbeschwerden da waren oder ob im Laufe der Jahre 
periodische Störungen auftreten, welche auf angeborene 
Formanomalien der Speiseröhre hinweisen. Endlich müssen die 
Resultate einer oft wiederholten Sondenuntersuchung ergeben, 
dass der unterste Abschnitt der Speiseröhre eine spindel- oder 
sackförmige Erweiterung trägt, ohne dass eine organische Stenose 
durch Narbe oder Neubildung vorhanden ist, die man als Ur¬ 
sache dieser Erweiterung ansprechen könnte. So lange oesopha- 
gitische Reizzustände in dem erweiterten Speiseröhrenabschnitt 
bestehen, welche bei der Sondenberührung die Wandung zu 
spastischen Oontracturen anregen, ist jene Entscheidung nicht 


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immer bestimmt zu treffen. Desshalb wird die sichere Diagnose 
einer angeborenen Speiseröhrenerweiterung oftmals erst im Ver¬ 
ls ufe der Behandlung, und zwar der erfolgreichen Behandlung, 
möglich. 

Grosse Schwierigkeiten bereitet in vielen Fällen die Frage, 
ob die angeborene Erweiterung oberhalb oder unterhalb vom 
Zwerchfell sitzt, ob also ein Vormagen oder ein Antrum 
cardiacum vorliegt. Meine Sectionsbefunde betrafen jeweils 
Vormagen. Man könnte also glauben, dass diese Art ange¬ 
borener Speiseröhrenerweiterungen häufiger sei, als die unterhalb 
vom Zwerchfell gelegenen. Einen gewissen Widerspruch rufen 
aber die Sondirungsergebnisse bei den klinisch behandelten 
Fällen hervor, denn da wurden fast durehgehends die auf die 
unteren Pole der spindelförmigen Erweiterungen bezogenen 
Widerstände sehr tief gefunden, tiefer als man gewöhnlich 
den Hiatus oesophageus anzunehmen pflegt. In solchen Fällen 
werden etwaige Zweifel durch die Untersuchung mit Röntgen¬ 
strahlen beseitigt werden können, nachdem die Patienten ihren 
Vormagen mit einer Wismuthaufschwemmung oder mit einem 
reichlich mit Wismuth gemischten Brei gefüllt haben. 

Die Behandlung der durch einen Vormagen (ein Antr. 
cardiacum, eine spindelförmige Erweiterung oder ein tief¬ 
sitzendes Divertikel der Speiseröhre) hervorgerufenen Störungen 
erfordert ebensoviel Geschicklichkeit, Geduld und Ausdauer vom 
Aizte wie vom Kranken. 

Die erste Aufgabe wird sein, den Kranken an die Ein¬ 
führung der Sonde zu gewöhnen, dann das geeignetste Instru¬ 
ment und die Methode ausfindig zu machen, mit welcher man 
schonend und sicher in den Magen gelangt. Es ist von vorn¬ 
herein ein unschätzbarer Vortheil, wenn man möglichst dicke 
Sonden in den Magen bringt, auch möglichst weiche. Man kann 
dann die Sondenfütterung viel leichter bewerkstelligen, als mit 
dünnen Sonden, grössere Mengen von Nahrung und nicht nur 
flüssige, sondern auch breiige, ja sogar feste, zerkleinerte und 
gemischte Nahrung einführen, also den Bedarf des Körpers 
decken. 

Gestatten es die Verhältnisse, die Sondirung und Sonden¬ 
fütterung dreimal täglich auszuführen und auf diese Weise dem 
kranken oder entkräfteten Körper genügende Nahrungsmengen 
eine Zeit lang einzuflössen, so bilden sich die vorhandenen Speisc- 
röhrenerweiterungen bald zurück, weil bei künstlicher Fütterung 
keine Stauung von Speisen mehr stattfindet. 

Ist aber die Speiseröhre oder der Vormagen katarrhalisch 
entzündet oder staut sich selbst der herabfliessende Speichel dort 
an, so muss vor der Sondenfütterung die Speiseröhren¬ 
spülung vorgenommen werden. Sehr bewährt hat sich mir 
das stufenweise Spülen der Speiseröhre. In der'Regel ge¬ 
nügte hierzu lauwarmes Wasser; es könnten aber auch schwache 
adstringirende oder desinficirende Lösungen (Salicylsaure 1:1000) 
und bei Excoriationen Wismuthaufschwemmungen in Anwendung 
kommen. Ferner lasse ich trotz Speiseröhrenspülungen und 
Sondenfütterungen Tags über in Abständen von Y*—Ys Stunde 
kleine Schlucke eines alkalischen, kohlesäurearmen Mineral¬ 
wassers (am besten Vichywasser), bisweilen auch eine schleimige 
Flüssigkeit trinken (Quittenkernschleim) oder Stückchen von 
Gummi arabicum oder nicht gezuckerte Gummikugeln zerkauen. 

Haben sich die Verhältnisse allmählich soweit gebessert, dass 
die Nahrung auf gewöhnliche Weise, ohne Sonde, eingenommen 
werden kann, so ist es doch zweckmässig — wochen- oder monate¬ 
lang — des Abends vor Schlafengehen eine weiche Sonde in den 
Vormagen einzuführen, um etwa zurückgehaltene Speisereste 
durch Ausdrücken, Aushebern oder noch besser durch rasches 
Ausspülen zu entfernen und dadurch abnormen Zersetz¬ 
ungen, welche die Speiseröhrenwandung reizen, den Geschmack 
und die Magen Verdauung verderben und üblen Geruch aus dem 
Munde verursachen, möglichst vorzubeugen. Der 
Speiseröhrensack bleibt dann wenigstens über Nacht leer und 
kann sich während derselben auf sein engstes Maass zusammen¬ 
ziehen. 

Nach und nach kehrt dann ein Vormagen in sein Latenz¬ 
stadium zurück, in einen Zustand, in welchem er keine Be¬ 
schwerden und keine Störungen verursacht, wenn die Emälirungs- 
und Lebensweise den Locus minoris resistentiae am Ende der 
Speiseröhre berücksichtigt. Völlig verschwinden wird ein ange- 


Qriginal From 

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24. April c 1900. MÜNCHENER MF.DICTNISOHE WOCHENSCHRIFT. 


borener Vormagen nicht, völlige Heilungen haben desshalb die 
internen Behandlungsmethoden nicht erzielt. Bis jetzt hat es 
auch nicht den Anschein, dass hier chirurgische Eingriffe Abhilfe 
schaffen könnten. 

lieber Kehlkopferkrankungen im Verlaufe des Diabetes. 
(„Laryngitis diabetica“.) 

Von weil. Otto Leichtenstern in Köln a. Rh. 

(Schluss.) 

Hie Laryngo- und Pharyngoxerosis diabetica hat, wie die 
angeführten Krankengeschichten lehren, ihre grosse praktische 
Bedeutung darin, dass sie als F r ü h Symptom des Diabetes, als 
ein scheinbar rein locales ITebel in die Erscheinung tritt und 
es erklärt sich hieraus die Erfahrungsthatsache, dass solche Fälle 
oft lange Zeit als rein locale Krankheiten behandelt werden, bis, 
vielleicht rein zufällig einmal, der Diabetes als Ursache auf ge¬ 
deckt wird. 

Es wird mir der Einwurf nicht erspart bleiben, Zustände ge¬ 
schildert zu haben, welche die natürlichen Attribute eines jeden 
Diabetikers seien, und dass eben hauptsächlich auf dieser Aus¬ 
trocknung der Schleimhäute des Mundes, Rachens, Kehlkopfs 
die Steigerung des Durstgefühls bei diesen Kranken beruhe. 

Diesem scheinbar berechtigten Einwurf ist entgegonzu- 
halten: 

1. Gesteigertes Durstgefühl ist durchaus nicht das Attribut 
eines jeden Diabetikers; es gibt zahlreiche Zuckerkranke, welche 
ohne nennenswerthe Polyurie und ohne jegliche auffallende Poly¬ 
dipsie beträchtliche Mengen Zucker ausscheiden. Ob zufällig 
oder nicht, die geschilderten Fälle von Laryngo-Pharyngoxerosis 
diabetica waren sämmtlich solche, welche ohne Steigerung 
des Durstes einhergingen. Gerade das Fehlen dieses Sym¬ 
ptoms und die Latenz der übrigen subjectiven Diabetessymptome 
hatten zur Folge, dass die betreffenden Kranken selbst erfahrenen 
Aerzten als einfache Fälle von chronischem Pharynx- oder 
Larynxkatarrh erschienen. Die betreffenden Patienten antwor¬ 
teten auf meine, nach gestellter Diabetesdiagnose, an sie ge¬ 
richtete Frage, ob sie nicht auch vermehrtes Durstgefühl beob¬ 
achtet hätten, beispielsweise wie Fall 3, der einen hochgestellten 
Juristen betraf: „Ich habe durchaus keinen vermehrten Durst; 
wohl aber zwingt mich die rasche Austrocknung meines Kehl¬ 
kopfes bei längeren Vorträgen sehr häufig zu trinken, um die 
Stimme nothdürftig auf ihrem Stande zu erhalten“. (Vergl. 
Krankengeschichte 3.) Sind derartige Fälle bereits in special- 
ärztlicher Behandlung gewesen, so pflegen sie sich noch be¬ 
stimmter auszudrücken, sie sprechen dann überhaupt nur noch 
von ihrem „chronischen Rachen- oder Kehlkopfkatarrh“ als einer 
erledigten Diagnose. 

Seit Jahren habe ich meine an einer nicht unbeträchtlichen 
Zahl von Diabet&skranken angestellten Untersuchungen mit einer 
gewissen Vorliebe auch auf die Inspection des Mundes, Rachens, 
Kehlkopfs ausgedehnt und dabei Folgendes gefunden: 

Die gewöhnlichen Diabetiker, besonders jene mit lebhaft 
gesteigertem Durstgefühl, schildern auf näheres Befragen ihr 
Durstgefühl ganz ebenso wie beispielsweise eine Patientin von 
Külz*), als ein Gefühl der Dürre des Mundes *), der Lippen, 
des Gaumens. In einigen Fällen, durchaus nicht immer, gibt 
sich diese Xerostomie. wie man den Zustand nennen kann, auch 
objectiv durch eine auffallende Trockenheit („trockene Röthe“) 
der Zähne, des Zahnfleisches, der Wangen- und Gaumenschleim¬ 
haut, der Zunge zu erkennen. Diese Xerostomie, welche auf 
einer verminderten Secretion der Glandulae muciparae und wohl 
hauptsächlich auf einer Verminderung der Speichelsecretion be- 
rnfit, kann, wie ich nicht bezweifle, mit der Pharyngo-Laryngo- 
xerosis verbunden Vorkommen. Aber meine an letzterer Affection 
leidenden Diabetiker klagten, wie die mitgetheilten Kranken¬ 
geschichten lehren, ausschliesslich über Symptome von „Aus¬ 
trocknung des Rachens, der Kehle, oder über rasches Versiegen 

*) Beiträge z. Path. n. Therap. d. Diabetes mellitus. Marb. 
1874, S. 18. 

*) Einzelne Diabetiker locallsirten ihr gesteigertes Durstgefühl 
merkwürdiger Welse auf den Magen. Ich will hier nicht in das 
dunkle Gebiet der Physiologie und Pathologie des Durstgefühls 
einlenken und die schwierige Frage meiden, ob der Durst stets 
„auf einer primären Erregung der Tastnerven des Gaumens durch 
das wasserverarmte Blut beruht“ oder durch dieselbe Blutbe¬ 
schaffenheit auch in anderen Organen, insbesondere direct ln noch 
unbekannten Centralorganen erzeugt werden kann. 


der Stimme beim lauten Sprechen“ etc., während sie die Erschei¬ 
nungen der Xerostomie weder subjectiv noch objectiv darboten. 
Diese Unterscheidung ist von Wichtigkeit, denn, ich scheue nicht 
zu wiederholen, gerade die Beschränkung der Trockenheit auf 
den Kehlkopf oder die hintere Rachenwand oder beide gleich¬ 
zeitig. bei Abwesenheit von Xerostomie, von gesteigertem Durst¬ 
gefühl und allen anderen subjectiven Diabetessymptomen ist es, 
was die Laryngo-Pharyngoxerosis diabetica so oft als einfachen 
„Katarrh“ oder „Pharyngitis sicca“ erscheinen und die Aetio- 
logie, den Diabetes, übersehen lässt. Es erübrigt noch naehzu- 
tragen, dass die Kranken mit Laryngoxerosis diabetica weder 
über Schmerz im Kehlkopf klagen noch Husten darbieten. Dass 
der Kehlkopf einen höheren Grad von Austrocknung erfahren 
kann, ohne dass dadurch Husten erregt würde, beweisen bekannte 
Erfahrungen, z. B. in der Cholera. Von der Laryngoxerosis 
diabetica sind überdies hauptsächlich die Stimmbänder befallen, 
deren Reizung nach bekannten Versuchen keinen Hustenreflex 
aaslöst. 

Was nun die Pathogenese unserer Affection und der mit ihr 
zwar nicht verbundenen, aber auf gleicher pathogenetischer Stufe 
stehenden Xerostomie anlangt, so leuchtet vor Allem ein, dass 
es weder der vermehrte Zuckergehalt des Blutes, noch der ge¬ 
steigerte Was^erverlust aus dem Blute durch die Nieren sein 
kann, der dieser Xerosis zu Grunde liegt. Wäre dies der Fall, 
so müsste jeder Diabetiker mit reichlicher Melliturie und 
Hydrurio die genannten Erscheinungen von Seiten des Mundes, 
Pharynx und Larynx darbieten. Dem ist aber durchaus nicht so. 
Sowohl die Xerostomie als die noch weitaus seltenere Laryngo- 
Pharyngoxerosis diabetica werden mit ihren subjectiven und ob- 
jectiven Symptomen nur bei einem sehr geringen Procentsatz 
der Diabetiker beobachtet: irgend welche Proportionalität zwi¬ 
schen der Intensität des Diabetes (an Zucker -und Wasseraus¬ 
scheidung gemessen) und unserer Affection besteht nicht. So 
werden wir auf andere pathogenetische Vorgänge hingewiesen 
und diese können wir in nichts anderem suchen, als in der Wir¬ 
kung sccretori scher Nerven resp. deren Centren. 

Die directe und indirecte Abhängigkeit jedweder Drüsen- 
secretion vom Nervensystem darf als Axiom betrachtet werden. 
Von diesem Gesetze ist auch die Secretion der Glandulae muci¬ 
parae der Mund-, Rachen-, Kehlkopf Schleimhaut etc. nicht aus¬ 
genommen, mögen auch experimentelle Untersuchungen diese 
Drüsenkategorie betreffend, soweit ich im Augenblick übersehen 
kann, nicht vorliegen. — In den 3 Fällen von Xerostomia dia¬ 
betica beruht die Trockenheit der Mundhöhle wohl der Haupt¬ 
sache nach auf einer Verminderung der Speichelsecretion. Seit 
den Untersuchungen Eckhar d’s, N ö 11 n e r’s, GrützneFs 
ist bekannt, dass am Boden des IV. Ventrikels ein Centrura 
für die Speichelsecretion gelegen ist, dessen zufällige Mitver¬ 
letzung bei der Piquüre in den Versuchen Eckhardt z. B. 
Salivation zur Folge hatte. So ist auch Külz in einem Falle 
von Ptyalismus, den er bei einem Diabetischen beobachtet, ge¬ 
neigt, den Ptyalismus von einem abnormen Reizzustande des 
Centrums für die Speichelsecretion abzuleiten. Wenn aber Rei¬ 
zung dieser Centren vermehrte Secretion zur Folge hat, so steht 
der Hypothese nichts im Wege, dass eine andersartige Störung, 
sagen wir Lähmung oder Ausserfunctionsetzung der betreffenden 
Centren (vielleicht auch Reizung secretionshemmender Centren) 
Verminderung der Speichelsecretion, Xerostomie herbeiführen 
kann. 

Von diesen kaum zu bestreitenden Sätzen aus gehe ich nun 
zur Erklärung unserer i s o 1 i r t auftretenden Laryngoxerosis 
und Pharyngoxerosis einen Schritt weiter und nehme an, dass 
auch die Secretion der Glandulae muciparae des Larynx und 
Pharynx am Boden der Rautengrube in der unmittelbaren Nähe 
der vorhin genannten Centren ein Centrum besitzt, vielleicht ein 
erregendes sowohl als ein hemmendes, von dessen Thätigkeits- 
zastand die Menge und Beschaffenheit des Secrets der Glandulae 
muciparae abhängt. Je nach der Art und räumlichen Ausdeh¬ 
nung der directen oder reflectorischen Störung, die in diesen Cen¬ 
tren im Diabetes stattfinden kann, beobachten wir bald vermehrte, 
bald verminderte Secretion, bald ausschliessliche Xerostomie oder 
ausschliessliche Pharyngoxerosis oder auch ausschliessliche 
Laryngoxerosis, während eine sehr ausgedehnte Störung Xero¬ 
stomie und Pharyngo-Laryngoxerosis gleichzeitig zur Folge 
haben muss. 


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582 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


Don Anstoss zu diesen Erläuterungen gaben aber nicht 
die bisher mitgetheilten Erfahrungen, sondern eine andere, 
wenn auch seltenere, aber weit wichtigere und schwerere Er¬ 
krankung des Kehlkopfs. Es handelt sich um eine acute, 
scharf umschriebene, meist in kurzer Zeit die Stelle 
befallende Entzündung mit Ausgang in Abscess- 
wechselnde, d. h. verschiedene Kehlkopfregionen hintereinander 
b i 1 d u n g, eine Affection, welche mit der diabetischen Haut- 
furuneulose e ) auf gleicher Stufe steht und die ich daher am 
liebsten als Eurunculosis laryngis diabetica be¬ 
zeichnen möchte. 

Diese Erkrankung ist eine ausserordentlich seltene. Unter 
412 Fällen von Diabetes, welche ich in meinen Journalen seit 
dem Jahre 1879 hier, in Köln, gesammelt, ist die Furunculosis 
diabetica laryngis nur in 2 einander völlig analogen Fällen von 
mir beobachtet worden. Ihr aetiologischer Zusammenhang mit 
dem Diabetes ist über jeden Zweifel erhaben. 

Ich will nur den einen dieser Fälle kurz schildern und bevor¬ 
zuge dnbei jenen, welchen ich vor Kurzem mit meinem ver¬ 
ehrten Freunde, dem Herrn Sanitätsrath Dr. A. König, ge¬ 
meinsam mehrere Monate hindurch zu beobachten und zu behan¬ 
deln Gelegenheit hatte. Ich kann nicht umhin, Herrn Sanitäts¬ 
rath Dr. König für die Liberalität, mit welcher er mir die ein¬ 
gehende, fast tägliche Beobachtung dieses Falles gestattete, 
meinen Dank hier auszusprechen. 

Frau K., eine in glänzenden Verhältnissen lebende 50 jährige 
Dame, erfreute sich stets einer vortrefflichen Gesundheit. Im 
Laufe des Jahres 1888 litt sie einige Wochen hindurch an recidi- 
virender multipler Furuneulose der Haut. Am 14. Dec. 1888 er¬ 
wachte Pat, nachdem sie bereits einige Tage hiudurch eine gering¬ 
fügige Heiserkeit bemerkt hatte, mit totaler Stimmlosigkeit. Sie 
schob diese Affection auf eine Tags vorher stattgehabte über¬ 
mässige Anstrengung des Stimmorgans. 

Die nun sofort angestellte Untersuchung des Kehlkopfs ergab 
zunächst das Bild einer acuten diffusen Entzündung des Kehlkopf¬ 
eingangs, beträchtlicher Hyperaemie und Schwellung, besonders 
der Taschenbänder, welche die wahren Stimmbänder vollständig 
zndeckten, so dass letztere sowohl bei Inspiration als Phonation un¬ 
sichtbar waren. Der Kehldeckel normal, die aryepiglottischen 
Falten und die Umgebung des Larynx nicht verändert. 

Unsere Diagnose lautete: Acute Laryngitis, besonders der 
Taschenbänder. 

Nach Einleitung einer energischen Therapie ging die 
Schwellung der Taschenbänder innerhalb weniger Tage zurück, 
so dass die wahren Stimmbänder ihrer ganzen Länge nach be¬ 
quem inspicirt werden konnten. Sie zeigten ausser einer gewissen 
leichten Trübung und matterem Glanze keinerlei Anomalien, waren 
frei von hyperaemiseher Röthung. 

Dagegen bot sich nun, bei Fortdauer der absoluten Stimm¬ 
losigkeit und der übrigen Beschwerden (massiger Schmerzhaftig¬ 
keit., geringer respiratorischer Behinderung) ein sehr interessanter 
und seltener Spiegelbefund: 

Dicht unterhalb der sogenannten „vorderen Commlssnr“ *) der 
Stimmbänder, also in der Regio hypoglottica anterior, von der 
Schleimhaut an der hinteren Fläche der Cartilago thyreoldea aus¬ 
gehend (dem concaven Theile des Winkels entsprechend, welchen 
die beiden Schildknorpelplatten bilden!, präsentirt sich eine in das 
Lumen des Kehlkopfs vorspringende, kugelige, etwas über erbsen¬ 
grosse, glatte, grauweisse, oedematös glänzende, blasige, trans¬ 
parente Geschwulst, von dem bekannten Aussehen des acuten Kehl¬ 
kopfoedems. Indem der oberste Pol der geschilderten Blase 
zwischen den vorderen Enden der Stimmbänder eindringt, ver¬ 
hindert die Geschwulst den Schluss der Stimmbänder bei der 
Phonation. 

Unsere Diagnose lautete nun: Laryngitis acuta hypoglottica 
anterior circumscripta — acutes umschriebenes entzündliches Kehl¬ 
kopf oedem in der Regio hypoglottica anterior. 

Trotz der Geringfügigkeit der Stenoseerscheinungen waren 
wir für gewisse Eventualitäten gerüstet, zogen aber eine zu¬ 
wartende Stellung vor, verordneten Wärme in Form von Kata- 
plasmen und Inhalationen. Schon am nächsten Tage zeigte die 


') Vergl. Prof. C h i a r i : Ueber primäre acute Entzündung 
des submucösen Gewebes des Kehlkopfs. Wiener klin. Wochenschr. 
X. 5. 1897. S. 110. 

•) Eine „Oommissura anterior“ der Stimmbänder gibt es, 
strenge genommen, nur im mikroskopischen, nicht im makro¬ 
skopischen Sinne. Die elastischen und Bindegewebsfasern der 
beiden Stimmbänder kreuzen sich am vorderen Ende der Stimm¬ 
bänder. Eine makroskopische Commissur existirt nicht; wohl 
aber findet sich in der Schleimhaut der Cartil. thyreoldea unmittel¬ 
bar unterhalb der wahren Stimmbänder resp. unter deren 
„vorderer Commissur“ mitunter ein kleines, queres Schleim- 
hautfültchen. welches „nur eine physiologische Abnormität und 
nicht als pathologische Erscheinung, für die es oft gehalten wird, 
aufzufassen ist“. (Vergl. Schrötter: Vorlesungen über die 
Krankheiten des Kehlkopfs. 1887. Lief. I, S. 21.) 

Dem hier geschilderten Fältchen entsprechend lagert unser 
oben beschriebener Abscess. 


oedematöse Geschwulst vermehrte Spannung ihrer Wände und 
eine deutlich gelbe Farbe; der Inhalt der Blase war getrübt, sie 
hatte ihre oedematöse Transparenz verloren, ohne sich wesentlich 
vergrössert zu haben. Kurz bevor wir die beabsichtigte Incision 
des „Ab s c e s s e s“ vorzunehmen gedachten, öffnete sich der 
Abscess während der Nacht plötzlich spontan unter Entleerung 
einer unsere Erwartungen übersteigenden bedeutenden Menge eines 
schleimigen mit Blut vermischten Eiters. Derselbe, mikroskopisch 
untersucht, zeigte das gewöhnliche Verhalten des Eiters. Tuberkel¬ 
bacillen, worauf auch bei den späterhin auftretenden Abscessen 
wiederholt gefahndet wurde, fehlten. 

Sofort mit der Eröffnung des Abscesses an der vorderen Kehl¬ 
kopfwand war der Klang der Stimme wiedergekehrt, wenn diese 
auch noch viel an Reinheit zu wünschen übrig liess. 

Ich will nun den chronologischen 'Verlauf der Kranken¬ 
geschichte unterbrechend, bei diesem ersten Abscesse, dessen 
eigenthiimlichen Verlauf schildernd, etwas stehen bleiben. Der 
Abscess. nach seiner Entleerung eine schlotterige, collabirte. gelbe 
Tasche darstellend, füllte sich Immer wieder auf’s Neue, 
anfänglich schon nach 2—3 Tagen hatte er seine ursprüngliche 
Grösse mit entsprechender Spannung der Wände erreicht, um dann 
spontan oder auf mechanisches Ausdrücken mit der Kehlkopfsonde 
liiu wieder zu collabiren unter Entleerung beträchtlicher Eiter¬ 
mengen. Es bedurfte volle zwei Monate (bis Februar 1889), bis es 
endlich gelang, schliesslich unter energischer Anwendung von 
Höllensteinätzungen solide und dauernde Heilung mit Zurück¬ 
lassung einer narbigen Verdickung an genannter Stelle (s. u.) zu 
erzielen. 

Schon glaubten wir (18.—24. Dec. 1888) einen jener seltenen, 
auch von uns beobachteten Fälle von „idiopathischem Kehl- 
kopfabscess“, von „primärer umschriebener phlegmonöser Laryn¬ 
gitis hypoglottica“ vor uns zu haben, und mein College König 
wie ich durchforschten die Literatur dieses Gegenstandes, ohne aus 
derselben über die Aetiologie auch für unseren Fall den geringsten 
Aufschluss zu erhalten, als uns bei der Untersuchung am 24. Dec. 
ein eigenthiimlicher uns wohl bekannter „Obstgeruch“, chloroform- 
ähnlicher Geruch ans dem Munde der Kranken bei der Spiegel¬ 
untersuchung aufflel und zu denken gab. Wiewohl Patientin alle 
unsere sofort auf Diabetessymptome fahndenden Fragen: Polyurie, 
Polydypsie, Körpergewichtsabnahme, gesteigerten Appetit etc. be¬ 
treffend, entschieden verneinte und die Anamnese T ), abgesehen 
von der uns erst nachträglich mitgetheilten vorhergegangenen 
Furuneulose der Haut, keinen Anlass gab. auf Diabetes zu 
schliessen, so untersuchten wir den Urin, der bei einem spec. Ge¬ 
wichte von 1040 einen Zuckergehalt von 8 Proc. aufwies. 

Nunmehr waren wir, wenige Tage nach Beginn unserer laryn- 
gologischen Beobachtungen, über die Natur des vermeintlich 
„p rimären“ Kehlkopfabscesses aufgeklärt. 

Kehren wir nun zu dem interessanten Verlaufe der Kehlkopf- 
affection zurück. — Nach der spontanen Eröffnung des geschil 
derten Kehlkopfabscesses in der Regio hypoglottica anterior, der. 
wie erwähnt, immer wieder reeidivirte. hielten wir den Process im 
Larynx für örtlich abgeschlossen, als am 30. Dec. plötzlich ein¬ 
tretende erhebliche Beschwerden von Selten des Larynx (Schmerzen 
beim Schlingen, totale Heiserkeit) uns eines Anderen belehrten. Die 
Untersuchung des Kehlkopfes ergab eine bedeutende oedematöse 
blasige Anschwellung in der Gegend des linken Ary- (Santorini- 
schen)-Knorpels mit nicht unbeträchtlicher Respirationsstörung. 
Auch hier wiederholte sich derselbe Verlauf, wie bei dem bereits 
geschilderten Abscesse in der Regio hypoglottica anterior. Die 
oedematöse Geschwulst trübte sich und platzte spontan unter Ent¬ 
leerung einer beträchtlichen Menge schleimig-blutigen Eiters. 

Kurze Zeit darauf (Jan. 1889) wurde ganz in derselben Weise 
die Gegend des rechten Aryknorpels befallen mit dem gleichen Aus¬ 
gang in AbscessbilduDg und spontaner Eröffnung des Abscesses. 
Während die Gegend des rechten Aryknorpels nach Entleerung 
des Abscesses bleibend innerhalb weniger Tage zur Norm zurück¬ 
gekehrt, wiederholte sich die Abscessbildung über dem linken Ary- 
knorpel noch zweimal in längeren (mehrwöchentlichen) Intervallen. 
Im Jan. 1889 wurde endlich auch die Gegend an der hinteren, 
oesophagealen Fläche der Cartilago cricoldea inclus. der Hinter¬ 
fläche der inesoarytaenoidealen Falte von umschriebener Ent¬ 
zündung mit acut oedematöser Schwellung und Ausgang in 
Abscessbildung befallen, eine Localisation, die mit ausserordent¬ 
lich schmerzhafter Dysphagie verknüpft war. 

Schliesslich trat definitive Heilung ein. Seit März 1889 hat 
die volle 3 Monate sich hinziehende multiple Abscessbildung im 
Larynx keine Recidive gemacht. Die Patientin, welche Im Sommer 
einen mehrmonatlichen Aufenthalt theils im Bade Neuenahr, theils 
ln der Schweiz genommen, befindet sich, was Ihren Kehlkopf an¬ 
langt, gesund, von einer geringfügigen Unreinheit der Stimme ab¬ 
gesehen. An der vorderen Commissur der Stimmbänder resp. dicht 
unterhalb derselben, da wo der erste häufig recidivirende Abscess 
seinen Sitz hatte, befindet sich eine weisse, linsengrosse Verdickung 
(Narbe), welche sich auf den oberen Rand des linken Stimmbandes 
fortsetzt. 


9 Nachträglich erzählt Patientin, dass sie seit einem Jahre 
eine unbezwingliche Neigung zu Süsslgkeiten, ganz entgegen ihrer 
seitherigen Gewohnheit, an sich beobachtet habe, so dass sie mit 
Vorliebe auf ihren Wanderungen Conditorläden aufsuchte. Auch 
sei sie einen anhaltenden „süsslicken Geschmack“ nicht los¬ 
geworden. Aehnliche Beobachtungen sind einigemale von Dia¬ 
betikern mir mitgethellt worden und hinlänglich bekannt. 


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24, April 1900. MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 583 


Der Diabetes besteht in geringerem Grade fort. Patientin 
gehört zu jenen Zuckerkranken, welche auch nach Ausschluss aller 
Ainylaceen Zucker (in unserem Fall 1,5—2 Proc.) im Harne aus- 
scheiden, ferner zu jenen Diabetikern, welche weder nennens- 
werthe Polyurie (Harnmenge 1500—2500 in 24 Stunden) noch ge¬ 
steigertes Dur8tgefükl darbieten. Sie erfreut sich bei Fortdauer 
dieser Zuekerausseheidung eines vollkommen normalen Wohlbe¬ 
findens, ist gut genährt, wenn auch im Vergleiche zu früheren 
Zeiten magerer geworden. Lungen- und sonstige Organverände¬ 
rungen fehlen gänzlich. 

Epikritisch möchte ich folgende Punkte unsere Furun- 
c u 1 o s i s diabetica laryngis betreffend nochmals be¬ 
tonen : 

1. Das acute Auftreten der Larynxaffeetion zunächst unter 
dem Bilde eines umschriebenen Larynxoedems, das rasch in Ab- 
seessbildung übergeht. 

2. Die Wiederholung desselben Vorganges hintereinander 
an verschiedenen Kehlkopfregionen, wobei, wie es auf Grund 
meiner zwei Beobachtungen scheint, besonders gerne die Gegend 
der Spitze des Aryknorpels, der hinteren Fläche der Aryknorpel- 
platte incL der mesoarytaenoidealen Falte, die Regio hypoglottica 
befallen wird. 

3. Die für gewöhnlich rasche Heilung des Abscesses 
nach seiner Entleerung, wobei freilich unser eben geschilderter 
hypoglottischer (subchordaler) Abscess an der Vorderwand des 
Kehlkopfes eine sehr bemerkenswerthe Ausnahme bildet. 

4. Das Fehlen von Fieber und die dementsprechend gering¬ 
fügige Alteration des Allgemeinbefindens. 

5. Den Umstand, dass das Perichondrium in unseren 
zwei Fällen stets verschont blieb. 

Ich möchte aber, was diesen Punkt anlangt, nicht bezweifeln, 
dass die Laryngitis phlegmonosa diabetica unter Umständen 
auch ähnlich wie die analogen entzündlichen Processe in den 
Lungen der Diabetiker, zu ernsteren, tiefer greifenden Processen, 
zu Gewebszerfall, Perichondritis mit Knorpelnekrose etc. und auf 
diese Weise selbst zu chronisch ulcerativen Vorgängen 
führen könne. Es fehlen mir hierüber bislang eigene Beobach¬ 
tungen und auch diesbezügliche Mittheilungen in der Literatur 
sind mir unbekannt. 

Mit der Einführung der Laryngitis phlegmonosa diabetica 
G,Furunculosis laryngis diabetica“) in die Larynx- und Diabetes¬ 
pathologie eröffnet sich ein völliger Parallelismus der diabetischen 
Larynx- und Lungenerkrankungen. Letztere anlangend ist kli¬ 
nisch und anatomisch längst bekannt, dass ausser den meist 
sehr chronisch verlaufenden „tuberculösen“ Lungenerkrankungen 
im Diabetes durchaus anders geartete, entzündliche, acut fort¬ 
schreitende Infiltrationen, mit oft rapidem Gewebszerfall (Gan- 
graen) oder mit Eiterung (Abscessbildung) und daraus hervor¬ 
gehende Ulcerationen im Diabetes Vorkommen. Der klinische 
Verlauf dieser Lungenerkrankungen hat lange in der vor- 
bacillären Zeit dieselben von den tuberculösen klinisch scharf 
getrennt. Ich erwähne beispielsweise nur einen derartigen 
Fall, den ich vor nunmehr 10 Jahren beobachtete. 

Ein kräftiger bis dahin völlig gesunder Mann in den besten 
Jahren sollte an acuter floridester Phthlsis erkrankt sein. Die Zu¬ 
nahme der Lungeninfiltration war von Tag zu Tag constatirt 
worden. Schon zehn Tage nach dem Beginne der Erkrankung, als 
ich den Kranken zum ersten Male sah, konnte ich ausser einer 
totalen Infiltration des ganzen linken Oberlappens die Zeichen einer 
umfangreichen Höhlenbildung in diesem Lungentheile nachweisen. 
Der klinische Verlauf liess mich auf Grund ähnlicher Erfahrungen 
an Diabetes denken und die sofort angestellte Untersuchung des 
Harnes ergab einen enormen Zuckergehalt desselben. 

Der Fall verlief in kurzer Zeit tödtlich. 

Aber nicht minder als die Kliniker sind die pathologischen 
Anatomen mit jenen, von der tuberculösen Lungenerkran¬ 
kung himmelweit verschiedenen Pneumonien längst vertraut, 
welche sich meist mit Ausgang in Abscess- und Höhlenbildung 
oder Gangraen im Diabetes zeigen. Von Schüppel, Buhl 
z. B. hörte ich diese specifischen acuten und chronischen Diabetes¬ 
pneumonien schon Anfangs der siebziger Jahre beim Capitel der 
Bronchopneumonien „dissecirende Pneumonien mit Ausgang in 
nekrotischen Zerfall und Cavernenbildung“ (Schüppel) von 
den tuberculösen Veränderungen scharf trennen. 

Mit der epochemachenden Entdeckung R. K o c h’s ist die 
Unterscheidung dieser verschiedenartigen pneumonischen Pro¬ 
cesse im Diabetes klinisch und anatomisch eine ebenso einfache 
als sichere. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Unterscheidung 
der diabetischen Larynxerkrankungen. 

Die diabetische „Laryngitis circumscripta phlegmonosa“ 
pflegt in acuter Weise stürmisch aufzutreten; der scharf um- 

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schriebene entzündliche Process führt rasch zu seröser Exsuda¬ 
tion, das Oedem reift binnen wenigen Tagen zum Abscesse. 

In der laryngologischen Literatur herrscht noch bezüglich 
der Bezeichnung der im „submucösen Gewebe“ auftretenden ent¬ 
zündlichen Vorgänge eine nicht geringe Verwirrung, welche da¬ 
durch hervorgerufen ist, dass man, von dem Bedürfnisse aus¬ 
gehend, für die verschiedenartigen in der Submucosa auftreten¬ 
den Entzündungsvorgänge einen Colleetivnamen aufzustellen, 
in der Wahl eines solchen nicht glücklich war. Man wählte 
Namen wie „Oedema laryngis“, „Laryngitis phlegmonosa“ zu 
Colleetivnamen, welche sich als solche nicht eignen, weil sie eine 
ganz bestimmte Form, ein bestimmtes Stadium der Entzündung 
bezeichnen, ein Stadium, das ebenso gut fehlen, als auftreten 
kann. Auch dem Vorschläge von J ürgensmeyer, die Pro¬ 
cesse zu trennen und mit Cruveilhier und Friedreich 
die „rein entzündliche Infiltration des submucösen Gewebes als 
Laryngitis submucosa“ zu bezeichnen, während „für 
die seröse Durchtränkung dieses Gewebes der Name Oedema 
laryngis“ gebraucht werden soll, kann ich nicht beipflichten. 
Denn die seröse Exsudation, das entzündliche Oedem ist eben 
nichts anderes als eine Laryngitis submucosa, die sich von der 
„einfachen Infiltration“ (laryngoskopisch: Ilyperaemie, Schwel¬ 
lung) nur durch ein Plus von seröser Transsudation unterscheidet, 
wodurch im letzteren Falle das charakteristische klinische Bild 
des Oedema laryngis hervorgerufen wird. 

Das Richtige liegt auf der Hand, nämlich alle in der „Sub¬ 
mucosa“ ablaufenden entzündlichen Processe mit dem Collectiv- 
namen „Laryngitis submucosa“ zu belegen und für gewisse 
Formen und Stadien der Entzündung die Bezeichnungen Oedema 
laryngis, „Laryngitic oedemateuse (Mande), oder wenn es zur 
Abscessbildung kommt „Laryngitis phlegmonosa“, „Abefcessus 
laryngis“, „Laryngitis submucosa purulenta und seropurulenta“ 
(Cruveilhier) etc. zuzulassen. 

Die Specialisten lieben, wie es in der Natur der Sache liegt, 
subtile Eiutheilungen ihrer Krankheitsbilder nach anatomischen 
und klinischen Kriterien, und die Namensgebung hat, wie sich 
am besten an der dermatologischen Nomenclatur zeigen Hesse, 
ein um so grösseres Feld und um so grössere Berechtigung, je 
mehr es an aetiologischen Gesichtspunkten für die Eintheilung 
gebricht. 

Was die Aetiologie unseres Falles anlangt, so steht der Zu¬ 
sammenhang der phlegmonösen Laryngitis mit dem Diabetes 
mellitus wohl ausser Zweifel 

Nachdem es sich um eine Abscessbildung handelt, so ent¬ 
spricht es unseren heutigen Erfahrungen, die Ansiedelung eiter¬ 
erregender Spaltpilze, der ubiquitären pyogenen Staphylococcen 
im Larynx unserer Kranken anzunehmen. Eine bacteriologische 
Untersuchung des laryngealen Abscesseiters unterblieb, weil nur 
eine combinirte und in unserem Falle nicht ausführbare Anord¬ 
nung des Versuches (Desinfection der Oberfläche des Abscesses, 
Aspiration des Eiters mittels sterilisirter Spritze) zu einwands¬ 
freien Ergebnissen hätte führen können. 

Die von uns beobachtete multiple Abscessbildung im Larynx 
einer Diabetischen steht aetiologisch mit der diabetischen Haut- 
furunculose, an welcher auch unsere Kranke einige Monate vor 
der Larynxaffeetion gelitten hatte, auf der gleichen Stufe. Ich 
würde den Ausdruck „Furunculosis laryngis d ia¬ 
het i c a“, da er sofort auf die aetiologische Identität mit der all¬ 
bekannten diabetischen Hautentzündung hinweist, allen anderen 
Bezeichnungen vorziehen, wenn eben nicht der Ausdruck 
Furunkel bisher ausschliesslich für die bekannte von den Haar¬ 
bälgen, Talg- und vielleicht auch Schweissdrüsen ausgehende 
Hautentzündung meist mit Ausgang in Eiterung, partielle 
Nekrose üblich gewesen wäre. Nachdem man aber von einer 
Pachydermia verrucosa laryngis spricht und auf der anderen 
Seite das Ekzem als einen „Hautkatarrh“ definirt, dürfte auch 
die Bezeichnung Furunculosis laryngis (man spricht auch von 
Variola, Ery sipelas, Pemphigus laryngis etc.) nicht mehr allzu 
gewagt erscheinen. 

Die Häufigkeit der Hautfurunculose im Diabetes weist dar¬ 
auf hin, dass die Haut des Diabetikers (ebenso wie nach Typhen *), 

*) Wenn jüngst in einem Artikel über „Furunkel“ (Eulen- 
burg’s Real-Encyklopädie, Bd. VII, S. 373) die Behauptung auf- 
gestellt wurde, dass Furunculosis der Haut „namentlich bei solchen 
Fällen von Abdominaltyphus sich ereignen, die einer intensiven 
Kaltwasserbehandlung unterzogen waren“, so werden wohl Alle, 

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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No 17. 


acuten Exanthemen, die Haut Kaehektischer etc.) besonders dis¬ 
ponibel ist für die erfolgreiche Ansiedelung pyogener Staphylo- 
coccen, dass die, wie Schimmelbusch*) experimentell ge¬ 
zeigt hat, durch Reibung in die Haarbälge und Talgdrüsen ein¬ 
dringendem ubiquitären Staphylococcen beim Diabetiker leichter 
als beim Gesunden (sei es in Folge einer erhöhten Vulnerabilität, 
„Kampfuntüchtigkeit“ der Epithelzellen, sei es in Folge unbe¬ 
kannter Eigenschaften der Lymphwege der Haut in diesen 
Fällen) die Grenze zwischen Epithel und Bindegewebe über¬ 
schreiten und sich erfolgreich, d. h. Entzündung und Abscedirung 
anregend in dem umgebenden Bindegewebe ansiedeln können 1 “). 

Im Gegensätze zu der Häufigkeit der Hautfurunculose im 
Diabetes bildet unsere Furunculosis laryngis diabetica eine grosse 
Seltenheit. Der Larynx setzt, wie ja auch die Seltenheit primärer 
Abscesse desselben zeigt, dem Eindringen resp. der Ansiedelung 
pyogener Staphylococcen einen grossen Widerstand entgegen. Es 
bedarf einer besonderen Vulnerabilität des Larynx, um dieses 
Eindringen zu gestatten, ln dieser Hinsicht ist, was unseren 
Fall betrifft, die mehrtägige „Heiserkeit“, welche der acuten Ab- 
seessbildung vorausging und durch eine Ueberanstrengung des 
Stimmorgans hervorgerufen war, wie ich glaube, von grosser 
aetiologischer Bedeutung. Die.ser ursprünglich geringfügige 
acute Larynxkatarrh dürfte meiner Meinung nach den durch den 
Diabetes bereits praedisponirten Boden in der Weise praeparirt 
haben, dass nunmehr das Eindringen der ubiquitären pyogenen 
Staphylococcen ermöglicht wurde. Mit anderen Worten: Der 
Diabetiker hüte sich vor Larynxkatarrlien, da diese zur phlegmo¬ 
nösen Laryngitis, zur Furunculosis laryngis führen können. 
Auch in dem Fall, dass, was a priori nicht unwahrscheinlich ist, 
die constante Anwesenheit pyogener Spaltpilze in den dia¬ 
betischen Hautfurunkeln dargethan werden sollte, ist die Mög¬ 
lichkeit nicht ausgeschlossen, dass es gewisse, uns unbekannte 
Stoffwechselproducte („Toxine“) im Diabetes sind, welche, viel¬ 
leicht bei ihrer Ausscheidung durch die Talgdrüsen, daselbst 
einen Entzündung erregenden Reiz ausüben mit Ausgang in 
Furunkelbildung (Eiterung -j- Gewebsnekrose), ähnlich wie z. B. 
Jod und Brom bei ihrer Ausscheidung durch die Talgdrüsen die 
unter dem Namen der Jod- und Bromakne bekannte, meist pustu- 
löse Hautentzündung veranlassen, das Brom mitunter umfang¬ 
reiche furunkelartige Knoten, selbst mit Ausgang in Eiterung 
und Geschwürsbildung. Auch hinsichtlich der Jod- und Brom¬ 
akne ist, soviel mir bekannt, die Frage nach der constanten An¬ 
wesenheit pyogener Spaltpilze in den Eiterpusteln noch offen. 
Wenn auch eine Eiterung ohne pyogene Spaltpilze, wie es scheint, 
zu den grössten Seltenheiten gehört, so hat doch auf diesem in 
unseren Tagen so häufig durch forschten Gebiet, die, wie es eine 
Zeit lang schien, gänzlich zurückgedrängte Annahme einer durch 
gewisse chemische Stoffe hervorgerufenen Eiterung neuer¬ 
dings wieder festen und sicheren Boden gewonnen. Selbst wenn 
keiner der zahlreichen Stoffe, mit denen an Thieren experimentirt 
wurde, jemals, bei einwandsfreier Versuchsanordnung, eine Eite¬ 
rung zu Stande gebracht haben würde, so wäre damit selbstver¬ 
ständlich noch nicht bewiesen, dass es überhaupt keine che¬ 
mische Agentien, z. B. pathologische Stoffwechselproducte des 
Organismus (von den Stoffwechselproducten gewisser B ac¬ 
te r i en abgesehen) gäbe, welche Eiterung zu erregen im Stande 
wären. 

Ich beschränke mich auf diese wenigen Bemerkungen, za 
welchen mich ein Blick auf die Aetiologie der diabetischen Haut- 

weiche gleich mir die Kaltwasserbehandlung des Typhus an einem 
grossen Beobachtungsmaterial (mein Material erstreckt sich auf 
weit über 2000 Typhen) durchzuführen in der Lage waren, einer 
derartigen Behauptung als einer durchaus unbewiesenen, ja defini¬ 
tiv irrigen auf das Bestimmteste widersprechen. 

°) Archiv f. Ohrenheilkunde, 27. Bd., XV, S. 252: „Ueber die 
Ursachen der Furunkel.“ 

u ’) Bemerkenswertli ist die zeitliche Häufung der Hautfurunkel 
im Diabetes; der Umstand, dass sich Furunkel innerhalb einer ge¬ 
wissen Zeit hintereinander an den verschiedensten Orten etabliren, 
um dann wieder längere Zeit hindurch gänzlich zu fehlen, trotz 
Fortbestandes des Diabetes. Es weist dies auf temporär ge¬ 
steigerte Disposition zu Furunkelbildung im Diabetes hin. Von 
einer Einsicht in die Ursachen dieser temporären Schwan¬ 
kungen der Disposition resp. Invasion sind wir natürlich noch weit 
entfernt. Auch erkranken bekanntlich lange nicht alle Diabetiker 
an Furunculose. Die Disposition zur Furunculose kommt nur bet 
einer gewissen Zahl (nach einer Angabe 40 Proc.) der Diabetiker 
zum Ausdruck und bei einem und demselben Diabetiker nur zu 
gewissen Zeiten, dann alter erst mit auffallender Multiplicitüt 
der Furunkel. 


furunculose veranlasst hat, die zahlreichen Fragen, die sich hier¬ 
bei auf werfen, sind um so weniger discutabel, als eben der sichere 
Weg der exueten Untersuchung bislang fehlt. 


Das Studium der inneren Medicin in Frankreich, 
England und Deutschland. 

Von Privatdocent Dr. L. R. Müller, I. Assistenzarzt an der 
med. Klinik in Erlangen. 

Während einer mehrmonatigen Studienreise in Frankreich und 
England war es mein Bestreben, neben der Verfolgung wissen¬ 
schaftlicher Zwecke auch deu medicinischen Lehrgang ln dieseu 
Staaten möglichst gut kennen zu lerneu. 

ln folgenden Zeilen soll nun ein Vergleich zwischen dem kli¬ 
nischen Unterricht in diesen Ländern und dem in Deutschland ge¬ 
zogen werden. Und zwar möchte ich nicht so sehr das betonen, 
was an der Ausbildung der Aerzte in England und Frankreich 
weniger gut ist, als das, was mir der Beachtung und Nachahmung 
wertli erscheint. 

Ohne des Chauvinismus geziehen zu werden, können wir sagen, 
dass der theoretisch- wissenschaftliche Unterricht 
in Deutschland besser, ja weitaus besser und gründlicher ist, und 
das wird auch vom Ausland zugestanden. Nicht so ohne Weiteres 
ist das für die klinisch- praktische Ausbildung zu be¬ 
haupten. Doch bevor ich auf Vergleiche näher eingehe, sei kurz 
der ganze Lehrplan in den genannten Ländern besprochen und 
erwähnt, welche Vorbildung zum Medicinstudium dort verlangt 
wird. 

Bei unseren westlichen Nachbarn J ) berechtigt zum eigentlich 
ärztlichen Studium, das mit der Ernennung zum Docteur en 
mödeeine abscliliesst nur das Baccalaureat des lettres, d. h. das 
Reifezeugniss eines staatlichen Lycßums, welches im Wesentlichen 
unseren humanistischen Gymnasien entspricht (9 Jahresclassen, 
Unterricht im Lateinischen und Griechischen). Die Absolvirung 
eines Realgymnasiums gibt nur Erlaubniss zum Studium auf deu 
„Oflicier de Saute”, einen Arzt zweiten Ranges, der etwa unserem 
früheren Wundarzte entspricht 

Im ersten Jahre lässt sich der jugendliche Universitätsstudem 
bei der Facultö des Sciences einschreiben und hört dort Physik, 
Chemie, Botanik und Zoologie. Erst nach dem Bestehen eines 
naturwissenschaftlichen Vorexamens wird er an der Facultd de 
Mödecine immatriculirt und treibt Anatomie und Physiologie. Schou 
im nächsten Jahre, also im dritten Uuiversitätsjahre, beginnt die 
klinische Praktikaiitenzeit (Stage höpitalier), welche während 
dreier Jahre die Anwesenheit der Candidateu in den Kranken¬ 
häusern erfordert. Der „Stagiaire“ hat die Vormittagsvisite mit- 
zumachen und über Kranke, die ihm zugctheilt werden, Journal 
zu führen. Und zwar muss er je ein Jahr an einer medicinischen 
und an einer chirurgischen Klinik bleiben, drei Monate auf einer 
gynäkologischen Station, deu Rest der vorgeschriebenen drei Jahre 
kann er au Spitälern für Kinder-, Haut- und Geschlechtskrank¬ 
heiten verbringen. Im Laufe dieser Zeit hat er sich verschiedenen 
Prüfungen (die erste über Anatomie und Physiologie) zu unter¬ 
werten, deren Bestehen für das Weiterschreiten seines Studiums 
Bedingung ist. Die Nachmittage werdeu durch theoretische Vor¬ 
lesungen und praktische Uebungcn ausgefüllt. Deu Schluss des 
mediciuischen Studiums bildet ein strenges Examen in allen kli¬ 
nischen Fächern. Nach Einreichung der Thöse (Dissertation) wird 
Doctortltel und die Berechtigung zur Ausübung der ärztlichen 
Praxis gleichzeitig ortheilt. 

Mit dieser fünfjährigen Studienzeit wird sich der französische 
Mediciuer im Hinblick auf sein späteres Fortkommen nur aus¬ 
nahmsweise begnügen. Er wird immer darnach trachten, während 
seines Studiums eine Stelle als Externe und, wenn irgend mög¬ 
lich, auch eine solche als Interne des Höpitaux zu erlangen. Die 
Zulassung zu beiden bängt von einem Concurs, einer Prüfung, ab. 
Das Externat ist der Einrichtung unserer Unterassistenten zu ver¬ 
gleichen, die damit im Krankendienst zugebraclite Zeit wird als 
Stage, als Praktikaiitenzeit angerechnet. Die begehrte Stelle eines 
Interne ist bezahlt, bietet Wohnung im Hospital und entspricht 
dem deutschen Assistenzarzt, nur mit dem Unterschied, dass die 
Schlussprüfungen erst-nach dieser Zeit abgelegt werden, die In¬ 
ternes also keine approbirten Aerzte sind. Wegen des grossen 
Zudraugs zu diesen Stellen darf der Interne nicht länger als eilt 
Jahr auf einer Abtheilung des Krankenhauses bleiben. Zur Er¬ 
langung eines Ansehen als Arzt und einer guten Praxis ist es 
sehr wünschenswerth, eine derartige Ausbildung nachweisen zu 
können. Allerdings wird damit die Zeit vom Beginn des Studiums 
bis zur Approbation auf 6—9 Jahre verlängert 

Ganz anders ist der Studiengang in England. Staatliche 
Schulen, die unseren Gymnasien entsprechen, gibt es dort nicht. 
Es wird nicht darnach gefragt, auf welchen der vielen Privat¬ 
schulen (Boarding Schools) die Vorbildung erworben wurde. Der 
Eintritt In eine Medical School hängt lediglich von einer Auf • 


*) Mittheilungen über den französischen Studiengang verdanke 
ich zum Theil Herrn Dr. Schober in Paris, der früher schon in 
der Zeitschrift „Die Heilkunde“ 1898 einen ausführlichen Aufsatz 
über das französische Medicinstudium veröffentlicht hat. In der¬ 
selben Monatszeitung finden wir einen Artikel: „Die ärztliche Er¬ 
ziehung in England“ von zum Busch (Die Heilkunde, Oetober 
1897). 


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24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


585 


nahmsprilfung ab, auf die sieb der zukünftige Mediciner 
meist durch einen Einpauker vorbereiten lässt. Die wohlhabenden 
Studenten verbringen, ehe sie sich dem Fachstudium zuwenden, 
meist einige Semester auf den Universitäten zu Oxford und Cam¬ 
bridge zu philosophischen und anderen allgemeinbildenden Studien. 
Die Medicinsehulen in London (12 au Zahl) sind in enger Verbin¬ 
dung mit den grossen Krankenhäusern und als Privatanstalten 
unabhängig von der Universität. 

Der Mediciner verbringt seine ganze Studienzeit an ein und 
derselben Schule. Ein mit dem Hospital verbundenes Internat 
(resideutial College) bietet der grösseren Anzahl der Studenten 
Wohnung und Verpflegung. 

Natürlich beginnt auch hier der Unterricht mit naturwissen¬ 
schaftlichen, anatomischen und physiologischen Studien. Ertlieilt 
wird derselbe von den Aerzten des Hospitals. Der Student hat 
Gelegenheit, sich in chemischen Laboratorien und auf dem ITä- 
parirsaal die nöthigen Kenntnisse zu erwerben. Nach einem ersten 
Examen über Physik, Chemie und Biologie und einem zweiten über 
Anatomie und Physiologie beginnt der klinische Unterricht. Der 
Candidat wird jetzt zum Krankendienst herangezogen, muss die 
Untersuchungen am Krankenbett vornehmen und Kranken¬ 
geschichten führen, er lernt bei grösseren Operationen zu assistiren, 
kleinere unter Controle bald selbst auszuführen. So wird er im Laufe 
derzeit in den verschiedenen Fächern, so auch in der pathologischen 
Anatomie ausgebildot. Auf regelmässigen Besuch der Hörsäle und 
Krankensäle wird streng gesehen. Die Approbation (Licence) wird 
nicht vom Staate, sondern von privilegirten Körperschaften (z. B. 
Apotheearies Halls, Royal College of Physicians und Royal College 
of Surgeons) ertlieilt, vor denen das Schlussexamen abzulegen ist. 
Mit der Approbation verleihen diese Gesellschaften das Recht zur 
Führung eines Titels, der landesüblich nur mit dem Anfangs¬ 
buchstaben bezeichnet wird. 

Nach dieser kurzen Skizze des Studienganges in den genannten 
Staaten möchte ich etwas eingehender auf die medieiniscli- 
klinische Ausbildung zu sprechen kommen. 

Der englische Student wächst ganz in einem Krankenhause 
huf. Auf der internen Abtheilung hat er 0 Monate als Clinical 
Clerk Spitaldienst zu leisten. Ich konnte mich wiederholt davon 
überzeugen, dass die ausführlichen Krankengeschichten der jungen 
Mediciner von dem Abtheilungsvorstand genau durchgesprochen 
und corrigirt wurden. Im Beobachten, im Untersuchen und in der 
therapeutischen Technik (Functionen, Catheterisiren, Magenaus- 
spülungen u s. w\) ist die Schulung an den englischen Hospitälern 
wirklich ganz vorzüglich. Eine Klinik in unserem Sinne, d. li. eine 
klinische Vorstellung von Kranken im Hörsaal vor grösserem 
Auditorium, findet in England nicht statt. Der klinische Lehrer 
macht mit einer beschränkten Anzahl von Studenten (1(V—15) Visite, 
und am Krankenbett werden einzelne Fülle eingehend besprochen. 
Diese Art des Unterrichts hat den grossen Vorzug, dass Lehrer und 
Schüler sich persönlich näher treten und dass der Student auch 
gleichzeitig den Verkehr mit den Kranken lernt und den Verlauf 
der Krankheit verfolgen kann. Die Medical Schools sind so zahl¬ 
reich und das Krankenmaterial an den mächtigen Hospitälern ist 
so gross (meist bestehen an einem Krankenhause mehrere medi- 
cinische Abtheilungen mit ebenso viel Oberärzten nebeneinander), 
dass niemals eine diesen „persönlichen Unterricht“ störende Ueber- 
fülle von Candidaten eintritt. Es braucht nicht speciell betont zu 
werden, dass der Student am Krankenbett und im Laboratorium 
in allen physikalischen, chemischen und mikroskopischen Untersuch¬ 
ungsmethoden eingeführt wird und dass er auch Gelegenheit hat, 
ln Vorlesungen sich theoretische Kenntnisse zu erwerben. 

Ein wesentliches Hilfsmittel zu diesem praktisch-klinischen 
Unterricht sind dl egrossen reichhaltigen Sammlungen, wie sie be¬ 
sonders schön das Guy’s-, St. Bartholomews-, St. Thomas- und 
Middlesex-Hospital aufzuweisen haben. In grossen, hellen Sälen 
sind dort, leicht zugänglich und gut bezeichnet, Präparate von den 
wichtigsten Orgauerkrankungen aufgestellt; und zwar sind mehr 
die häufigen und typischen Erkrankungen vertreten und geringeres 
Gewicht ist auf seltene Fälle gelegt. Besonders werthvoll für den 
Unterricht erschienen mir unter anderen die zahlreichen, künst¬ 
lerischen Wachsnachbildungen der verschiedenen Hauterkran¬ 
kungen. Der diese Hospitalssammlungen besuchende fremde Arzt 
kann sich überzeugen, dass dieselben eifrig von den jungen Medi- 
cinern zum Studium benützt werden; und dieses wird durch zweck¬ 
mässige Einrichtungen und geschickte und übersichtliche Anord¬ 
nung der Präparate sehr erleichtert. 

Ebenso allgemein zugänglich wie die Sammlungen sind in 
jedem Medical School - Hospital die grossen Bibliotheken, welche 
die medicinische Literatur fast vollständig beherbergen und iu 
deren weiten Sälen auch stets zahlreiche fleissige Studenten zu 
finden sind. 

Neben seinem Studium nimmt sich der junge Mediciner reich¬ 
lich Zeit zu körperlichen Hebungen; alljährlich finden Wettkämpfe, 
Bootsrennen zwischen den Angehörigen der einzelnen Mediein- 
schulen statt. 

Auch im französischen Studienplau des Mediciners ist das 
Hauptgewicht auf die praktisch-klinische Ausbildung gelegt. Von 
den drei Jahren, die der Candidat als Stagiaire an den Kranken¬ 
häusern zu prakticiren hat, trifft eines auf die interne Abtheilung. 
Wie in England ist auch hier der Unterricht im Wesentlichen am 
Krankenbett, nur 2—3 mal iu der Woche versammelt der klinische 
Lehrer seine Studenten im Hörsaal zu einem nach Form und In¬ 
halt gleich sorgfältig ausgearbeiteten Vortrag, zu dem sich dann, 
Jn Paris wenigstens, immer zahlreiche fremde Aerzte einstellen. 

Als Stagiaires, Externes und Internes des Höpitaux haben die 


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Studenten reichlich Gelegenheit, sich im Laufe der Jahre unter 
guter Leitung einen werthvollen Schatz von klinischer Erfahrung 
und praktischer Schulung zu erwerben, so dass sie wohlvorbereitet 
in die Praxis treten. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass die 
theoretisch-wissenschaftliche Ausbildung, besonders die in der 
pathologischen Anatomie, wesentlich hinter der praktischen zu- 
riieksteht. 

Wenden wir uns nun der medicinisch-kliuisclien Ausbildung in 
Deutschland zu. Auch an unseren Universitäten ist ein 
Practiciren vorgeschrieben. Wahrend zweier Semester hat der 
Candidat die medicinische Klinik zu besuchen; er wird im Hörsaal 
an das Bett des vorzustellenden Kranken gerufen und muss bei 
der Besprechung Rede und Antwort stehen. Verdient schon dies 
kaum den Namen des „Practicirens“. so wird es vollends zur reinen 
Formsache in den überfüllten Kliniken unserer grossen Universi¬ 
tätsstädte. Obgleich zu einem einzelnen Fall oft mehrere Studenten 
herangezogen werden, so kommt der Candidat meist nicht öfter 
als 2—3 mal im Semester an die Reihe. Sonst sieht er die Kranken 
nur von seinem, oft recbt entfernten Sitze aus. Bei so grosser 
Anzahl der Praktikanten ist es ganz unmöglich, dass der Lehrer 
den einzelnen kennt, geschweige denn, dass er seine Fragen nach 
dessen Kenntnissen einrichten kann. 

Freilich wird es stets und von allen Seiten als wiinschenswerth 
betont, dass die medicinische Klinik länger als nur die zwei direct 
vorgeschriebeneu Semester besucht wird. Aber bei der grossen 
Anzahl der sonst zu hörenden Vorlesungen, Kliniken und 
Ctirse ist dies in den 4 bis 5 Semestern, die nach dem 
deutschen Studienplan auf das klinische Studium ent¬ 
fallen, schwer möglich. Ein weiterer in’s Gewicht fallender Punkt 
ist der: Das Honorar für die Kliniken ist verliältnissmässig hoch 2 ). 
Der wenig bemittelte Student wird bedauerlicher, aber begreiflicher 
Weise sich scheuen, noch weitere Ausgaben als die dringend noth- 
wendigen zu machen. 

Wann und .wo soll nun der Student mehr Kranke sehen und 
diese untersuchen lernen? Es gibt dazu eine Reihe von Speclal- 
cursen, die wohl jeder Candidat besucht und in denen die Aus- 
cultation und Percussion, das Kehlkopfspiegeln u s. w. gelehrt und 
geübt wird. Zur Erlernung der systematischen Durchuntersuchung 
des ganzen Körpers aber und damit zur Aufnahme eines Status 
hat der Student nur schwer Gelegenheit. 

Die Einrichtung der Famuli oder Unterassistenten würde dies 
bieten. Doch wird von erfahrenen Lehrern und Aerzten den Stu¬ 
denten von der Bewerbung um solche Stellen häufig .abgerathen 
und zwar mit Recht, denn der viertel- oder halbjährige Dienst 
im Krankeuliause hält ihn von dem Besuche wichtiger Vorlesungen 
und Curse ab. die er bei der so kurz bemessenen Studienzeit kaum 
mehr nachholen kann. In den 4—5 Semestern, welche dem kli¬ 
nischen Studium zur Verfügung stehen, ist für den fleissigen Stu¬ 
denten, der in der pathologischen Anatomie, in den theoretischen 
Fächern (Hygiene u. s. w.) und den dringend nothwendigen Fach¬ 
studien, Ophthalmologie, Psychiatrie, Dermatologie u. a. sich ausbil¬ 
den will, fast jede Stunde des Tages belegt, oft mehr als der Aufnahme 
füliigkeit der jungen Leute entspricht; geschweige denn, dass ihm. 
wie seinem englischen Collegeu, Zeit übrig bliebe, seinen Körper 
durch Hebungen in freier Luft zu kräftigen. 

Eine Einrichtung freilich ist in hervorragendem Maasse ge¬ 
eignet, den Candidaten iu die praktische Medicin einzuführen. Es 
ist das die Poliklinik a ). die übrigens in Frankreich und Eng¬ 
land für den Lehrzweck nur wenig ausgenützt wird. Hier bietet 
sich für den Studenten der sehr wertlivolle Verkehr sowohl mit 
dem Lehrer als mit dem Kranken, hauptsächlich dann, wenn die 
Poliklinik ihrem Namen entsprechend eigentliche „Stadt“-Klinik ist 
und der Professor mit seinen Schülern in die Wohnungen der 
Kranken geht, was allerdings nur in den kleinen Universitäts¬ 
städten gut durclizuführen ist und ziemlich viel Zeit erfordert. Es 
ist gerade dies eine Vorbildung für den praktischen Arzt, wie sie 
ihm die Klinik nicht bietet, der Student muss lernen, unter er¬ 
schwerten Verhältnissen doch genau zu untersuchen und seine 
therapeutischen Anordnungen der gegebenen Lage anzupassen. 

Das Prakticiren an den Polikliniken ist aber nicht gesetzlich 
vorgeschrieben und somit wird diese Gelegenheit zu guter prak¬ 
tischer Ausbildung nur von einem Tlieil der Studenten ausgenützt. 
Der Grund dafür liegt hauptsächlich wieder au dem Mangel au 
Zeit. 

So stossen wir immer wieder auf die leidige Zeitfrage. Diese 
kann nur dadurch gelöst werden, dass die klinische Studienzeit, 
verlängert wird. Denn auf Kosten der anderen Kliniken, des 
theoretischen Unterrichtes und der Specialfächer, in denen heut zu 
Tage nothwendiger Weise jeder Arzt bewandert sein muss, kann 
man aus der kurzen bisher vorgeschriebeneu klinischen Studien¬ 
zeit nicht mehr für die intern-medicinisehe Ausbildung heraus- 


-) In Frankreich hat der Student nur 30 Fr. für die Inscription 
in jedem Quartal zu zahlen. Vorlesungen und Kliniken sind frei, 
ähnlich sind die Verhältnisse in Italien. Ebensowenig werden in 
E n g 1 a li d die einzelnen Vorlesungen honorirt, der Student zahlt 
beim Eintritt eine allerdings sehr erhebliche Pauschalsumme an 
seine Schule (100—130 Guineen). In Dänemark ist das medi¬ 
cinische Studium vollständig frei. In Ungarn hat der Medicin- 
studirende für das Semester 30 Gulden zu entrichten und hat damit 
das Recht erworben, alle beliebigen Vorlesungen und Kliniken zu 
besuchen. 

8 ) Die Vorzüge dieses Instituts zu Lehrzwecken hat u. A. 
Penzoldt : Heber den poliklinischen Unterricht (Klin. Jahrbuch 
1802) ausführlich erörtert. 


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586 


MI'NCHKNKK MKOICINISCHK WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


schlagen. Und doch ist für den praktischen Arzt eine gründliche 
Schulung in der internen Medicin unbestritten das Wichtigste. 
Die überwiegende Mehrzahl seiner späteren Patienten ist „inner¬ 
lich krank“. Und auch für den Specialisten, gleichviel welchem 
Fache er angohöre, ist eine gute Durchbildung in der internen Medi¬ 
oin unerlässlich. In unserem jetzigen Studienplan wird die interne 
Medicin, ich will nicht gerade sagen stiefmütterlich behandelt, 
doch ist ihr nicht die Zeit angewiesen, die ihrer Wichtigkeit ent¬ 
spricht. 

Wie die Verhältnisse liegen, müssen wir uns gestehen, dass 
der junge Arzt in Frankreich und England eine wesentlich 
bessere klinische Schulung und Erfahrung von der Universität mit- 
nimint. Unsere Aerzte müssen sich diese zum Theil zu ihrem und 
der Kranken Schaden erst in der Praxis erwerben. Thatsiichlich 
ist das klinische Studium in Deutschland von allen Ländern 4 ) 
das kürzeste. 

Der Mangel in der praktisch-klinischen Ausbildung wird bei 
uns ja allgemein und schon seit Langem empfunden. Zur Abhilfe 
sind verschiedene Vorschläge gemacht worden. Seit einer Reihe 
von Jahren schweben Verhandlungen über eine nach dem Staats¬ 
examen anzuschliessende praktische Schulung. Dass diese Pläne 
so lange nicht in die Tliat uiugesetzt wurden, beweist schon, welche 
Schwierigkeiten der Sache im Wege stehen. Unsere communalen 
Krankenhäuser und deren Leiter haben kein besonderes Interesse 
daran, die letzte praktische Ausbildung der Aerzte zu übernehmen. 
Der andere Vorschlag, Volontäre einem tüchtigen, beschäftigten 
praktischen Arzt zu atlacliiren, ist wohl kaum durchführbar; es 
würde das eine einseitige Bevorzugung der ausgewählten Aerzte 
sein und wer sollte diese Auswahl übernehmen? Ausserdem muss 
eben doch die Approbationsprüfung, die zur Praxis berechtigt, auch 
fertige Aerzte schaffen. 

Was in anderen Staaten durchführbar ist, sollte doch auch bei 
uns möglich sein. Eine Verlängerung des klinischen 
8 t u d i u in s würde allen Schäden abhelfen. Man kann dann ver¬ 
langen, dass die medicinisclie Klinik mehr als 2 Halbjahre be¬ 
sucht wird; im ersten Semester auscultando, in den späteren müsste 
den Praktikanten Gelegenheit geboten werden, auch in den Sälen 
den Verlauf der Krankheiten zu verfolgen und sich dort im Unter¬ 
suchen und in therapeutischen Eingriffen zu üben. Bei einer Ver¬ 
mehrung der klinischen Semester würde dann dem Candidaten un¬ 
beschadet seiner anderen Studien auch Zeit zur Verfügung stehen, 
sich als Unterassistent eine gewisse Erfahrung am Krankenbett zu 
erwerben. Vor Allem aber könnte dann auch der Besuch der Poli¬ 
klinik, in der ein individualisirender Unterricht wie sonst nirgends 
möglich ist. obligatorisch gemacht werden. 

Das Alles müsste aber gesetzlich festgelegt werden; denn was 
nicht direct vorgeschrieben ist, wird sowohl der wenig bemittelte, 
als der wenig strebsame Student nicht immer freiwillig zu seiner 
Ausbildung thun. 

In den theoretisch- wissenschaftlichen Leist¬ 
ungen steht die deutsche Medicin unbestritten an der Spitze der 
Völker. Wollen wir, dass auch unsere Aerzte mit zu den besten 
zählen, so müssen wir mehr Zeit auf ihre praktische Schulung 
verwenden. 

Referate und Bücheranzeigen. 

Behrens: Mikrochemische Technik. Verlag von L. Voss.. 
Hamburg und Leipzig 1900. 68 8. 2 M. 

Behrens hat die mikrochemische Analyse, ver¬ 
möge deren man aus kleinsten Substanztheiloheii Natur und Zu¬ 
sammensetzung von Verbindungen oder Gemengen erkennen 
kann, methodologisch ausgcbildet. Er hat früher herausgegeben 
..Anleitung zur mikrochemischen Analyse“ (anorganischer Prä¬ 
parate) und 4 Hefte „Anleitung zur mikrochemischen Analyse 

4 ) Frankreich und England sind schon erwähnt. 

In Belgien „beansprucht das Universitätsstudium eines 
Modlciners inclusive der Naturwissenschaften in minimo 6 Jahre, 
l'actiscli aber fast ausnahmslos 7 Jahre“. Auf die praktische 
Ausbildung wird nach französischem Muster grosses Gewicht ge¬ 
legt. (N uel : Die praktische Ausbildung der Aerzte in Belgien 
Klin. Jahrbuch 1891.) 

In der Schweiz besucht der Student die medicinisclie Klinik 
2 Semester als Auscultant und 2 Semester als Prakticant. 

In O e s t e r r e i c h muss der Studirende naehweisen, dass 
er die Klinik für innere Krankheiten durch 4 Semester besucht 
hat. (Puschmann: Der klinische Unterricht in Oesterreich. 
Klin. Jahrbuch 1S90.) 

In U n ga r n ist ausserdem vorgeschrieben, dass der Candidat 
bei der Meldung zur Approbationsprüfung eine gewisse Anzahl 
selbst mitgenommener Krankengeschichten vorlege. 

In 11 a 1 i e n „ist die Inscription der mcd. Klinik für 3 J a h r e 
obligat**. (C a t a u i : Der med. Unterricht in Italien. Klin. Jahr¬ 
buch 1890.) 

,.1-1 — 15 Semester ist der Zeitraum, den der dänische 
Mediciucr durchschnittlich für sein Studium verwendet“. (Steen¬ 
berg: Die Ausbildung der Aerzte in Dänemark. Klin. Jahrbuch 
1.899.) 

In Schweden nimmt das Studium der Medicin sogar in 
der Kegel 11 Jahre in Anspruch, von dieser Zelt entfällt ein 
grosser Theil auf den prakt. Dienst in den Kliniken. (Axel Key: 
Die Ausbildung der Aerzte in Schweden. Klin. Jahrbuch 1891.) 


organischer Präparate“. Das vorliegende Heft soll eine Er¬ 
gänzung zu den genannten Werken sein. Es soll einen Leitfaden 
zur Herstellung von mustergiltigen Präparaten mit möglichst 
einfachen Hilfsmitteln darstellen, ln demselben wird das nöthige 
Handwerkszeug und die verschiedenen Verfahren für die Dar¬ 
stellung der Präparate: Sublimireu, Krystallisiren, Fällen, Aus¬ 
waschen, Schleifen, Aetzen, Ei lisch Hessen etc. geschildert. Um 
Missverständnisse zu vermeiden, sei betont, dass in der „Mikro¬ 
chemischen Technik“ Behrens’ keinerlei der vom Mediciner zum 
Nachweis physiologisch-chemischer oder pathologischer Producte 
geübten Methoden berührt werden, dieselbe vielmehr vor Allem für 
den Gebrauch des analytischen Chemikers, des Mineralogen und 
Technikers bestimmt ist. Heinz- Erlangen. 

L. Knapp : Wochenbettstatistik, eine klinische Studie. 
Berlin 1898. F i s e li e r’s medicin. Buchhandlung. Preis M. 2.40. 

Die Arbeit stellt einen Bericht über die Thätigkeit auf der 
Prager deutschen geburtshilflichen Universitätsklinik von 1891 
bis 1897 dar. Es wird eine genaue Beschreibung der Landesgebär- 
anstalt und ihrer Einrichtungen, des ganzen Betriebes, besonders 
auch des Unterrichtes gegeben. Die genaueste Berücksichtigung 
erfahren die Temperaturmessungen. Bei ihrer Besprechuug wird 
ausführlich auf den Werth derartiger Zusammenstellungen, auf 
die vielen Fehlerquellen u. dergl. eingegaiigeii. Die Reetal¬ 
messung wird als nicht nothwendig hingestellt. 

In sehr zahlreichen Tabellen, die mit einem ausserordent¬ 
lichen Fleisse ausgearbeitet sind, wird das ganze reiche Material 
nach den verschiedensten Gesichtspunkten eingetheilt und über 
die gewonnenen Erfahrungen auf den einzelnen Gebieten be¬ 
richtet. 

Nur wer sieh selbst einmal mit derartigen Zusammen¬ 
stellungen befasst hat, vermag zu schätzen, welche Summe von 
Arbeit hier oft in wenigen Zeilen enthalten ist, und doch wie oft 
werden — ganz mit Unrecht — derartige Arbeiten mit einer ge¬ 
wissen Geringschätzung bcurtheilt! 

Wenn man beobachtet, mit wie grosser Genauigkeit offenbar 
die einzelnen Abschnitte durchgearbeitet sind, so wird man auch 
zugestehen müssen, dass derartigen Arbeiten ein hoher Werth bei¬ 
zumessen ist. Würde man sich dahin einigen können, an den ver¬ 
schiedenen Kliniken derartige mühsame Zusammenstellungen von 
einheitlichen Gesichtspunkten aus anzufertigen, so könnte durch 
eine weitere Zusammenstellung und Vergleichung der einzelnen 
Ergebnisse zweifellos noch manches wichtige Resultat gewonnen 
werden. 

Auf Einzelheiten der Arbeit einzugehen verbietet der 
Rahmen dieser kurzen Besprechung, es möge nur hervorge¬ 
hoben werden, dass die Statistik 6226,Wöchnerinnen berück¬ 
sichtigt, dass die Erkrankungsziffer 11,41 Proc. (darunter 9,99 
Proc. Infectionsfälle) beträgt. Die Sterblichkeit betrug 0,88 Proc., 
die an Wochenbettfieber 0,38 Proc. 

A. Gessner - Erlangen. 

Prof. E. Bottini: Die Ischuria prostatica. Verlag von 
L. Nicolai- Florenz. 

In dem vorliegenden Werke hat Prof. Enrico Bottini 
seine Studien über die Ischuria prost atica zusammen¬ 
gefasst. Die von dem Verfasser für die obengenannte Krankheit 
erfundenen Heilmethoden, sowie die glänzenden, sowohl in der 
Klinik der Universität Pavia, als in vielen anderen inländischen 
und ausländischen Kliniken erzielten Resultate sind nunmehr 
Gemeingut der Wissenschaft geworden. Höchst anerkennende 
Urtheile wurden bereits aller Orten ebenso über die leichte Aus¬ 
führbarkeit der thermo-galvanischen Diaeresis der Prostata nach 
dem System Bottini, wie auch über die sofort sich bemerkbar 
machenden heilsamen Wirkungen und die Dauerhaftigkeit der 
therapeutischen Resultate abgegeben. 

B o t t i n i theilt sein Werk in 7 Lectionen ein, weiche fort¬ 
schreitend von der inneren Structur, von der Anatomie, von der 
Topographie und den Vergrößerungen der Prostata handeln. 
Es folgen dann die klinische Physiognomie der I schür io, die 
Therapie, die thermo-galvanischc Diaeresis, die Beschreibung der 
Instrumente etc. Das 215 Seiten starke und mit 16 111 U8trations¬ 
tafeln versehene Werk wird sicher nicht verfehlen, jeden Chi¬ 
rurgen auf’s Lebhafteste zu interessiren. ItaloTonta. 

Rudolf Temesvdry, Frauenarzt in Ofen-Pest: Volks- 
bräuche und Aberglauben in der Geburtshilfe und der Pflege 


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MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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24. April 1900. 


des Neugeborenen in Ungarn. Ethnographische Studien. Mit 
16 Abb. im Text. Leipzig. Th. Grieben’» Verlag. 1900. 
148 p. 8°. M. 2.80. 

Mittels Fragebogen, die von 120 Aerzten und 170 Hebammen 
ausgefüllt wurden, hat der Verfasser ein stattliches Material zu¬ 
sammengebracht. 

Das Buch ist in 8 Hauptabschnitte getheilt: Menstruation, 
Sterilität, künstliche Sterilität. Schwangerschaft, Geburt, 
Wochenbett, Säugegesehäft, das neugeborene Kind. 

In den Volksbräuehen ziehen sieh folgende Charakterzüge 
wie rotlie Fäden, nach des Verfassers Ausdruck, durch sämmt- 
liche Capitel: 1. Glaube an Dämonen (Hexen etc.), 2. mangelnder 
Reinlichkeitssinn, 3. Unkenntnis! der Bedeutung von Blut¬ 
verlusten, sogar günstige Beurtheilung derselben, 4. Misstrauen 
gegen den Arzt und die diplomirte Hebamme, Furcht vor ärzt¬ 
lichen Eingriffen. 

Die in Ploss, das Weib, enthaltenen, auf Ungarn bezüg¬ 
lichen Angaben hat der Autor, wie er selbst hervorhebt, fast ganz 
ausser Acht gelassen. 

Besonders reich sind die Capitel Geburt und Wochenbett an 
interessanten Daten. Wir erfahren hier, dass bei den Magyaren 
eine besondere Schutzgöttin dem Gebäract Vorstand. Das Ver¬ 
sehen der Schwangeren, dem man in neuerer Zeit nach den 
Arbeiten von P r e u s s und v. W e 1 s e n b u r g , auch nord¬ 
amerikanischer Forscher, wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt 
hat, wird ebenfalls ausführlich abgehandelt. 

Es wäre eine dankenswerthe Arbeit, wenn man die Ergebnisse 
unseres Autors mit den "Werken von G rolim a n n (Aberglauben 
und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, I, 1864), Lammert 
1869, H ö f 1 e r 1888, W uttke 1869 zusammenstellend ver¬ 
gleichen wollte. 

Die Abbildungen stellen Lagerstätten für Kinder, Gängel¬ 
apparate etc. vor. Jedem Freund der medicinischen Folkloristik 
kann das gut ausgestattete und billige Buch empfohlen werden. 

J. Ch. Huber- Menrmingen. 

Neueste Joumalliteratur. 

Deutsches Archiv für klinische Medicin. 65. Band, 
1. u. 2. Heft. 

1) Lindemann: Die Concentration des Harnes und 
Blutes bei Nierenkrankheiten mit einem Beitrag zur Lehre von 
der Uraemie. (Aus dem klin. Institut München.) 

Verfasser hat bei den verschiedensten Erkrankungen der 
Niere die Concentration des Harnes sowie des Blutserums unter¬ 
sucht. Zur Ermittelung des Concentrationsgrades bediente er sich 
der Messung des osmotischen Druckes, für den die Bestimmung 
des Gefrierpunktes den Maassstab abgab, da die Gefrierpunkts¬ 
erniedrigung einer Lösung dem osmotischen Druck derselben direct 
proportional ist. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, auf die ein¬ 
zelnen Versuche und die aus ihnen gezogenen Schlüsse näher ein¬ 
zugehen, erwähnt soll nur werden, dass die vom Verfasser erziel¬ 
ten Resultate geeignet scheinen, sowohl in diagnostischer als auch 
prognostischer Beziehung werthvolle Aufschlüsse zu geben. 

2) E b s t e i n - Göttingen: Klinische Beiträge zur Lehre von 
der Herzarhythmie, mit besonderer Rücksicht auf die Myo- 
carditis fibrosa. 

Verfasser bespricht kritisch die verschiedenen über die Gründe 
der Herzarhythmie auf gestellten Theorien und zieht ans den, in 
Tabellen übersichtlich zusammengestellten, auf einer grösseren 
Reihe klinischer und anatomischer Erfahrungen beruhenden Mit¬ 
theilungen den Schluss, dass alle Störungen der rhythmischen 
Thätigkeit des Herzens als der Ausdruck gesteigerter Anforde¬ 
rungen an die Herzarbeit aufzufassen sind, wenn die Herzhöhle 
mit Blut überfüllt ist, und wenn ein Missverhältnis zwischen 
Kreislaufswiderständen und Leistungsfähigkeit des Herzens be¬ 
steht. Dagegen kann aus der Arhythmie des Herzens, welcher Art, 
von welcher Intensität und Dauer sie auch sein möge, ein sicherer 
Rückschluss auf die die Regelmässigkeit der Herzthätigkeit 
störende Ursache nicht gezogen werden. Von den in dieser 
Richtung gewöhnlich als aetiologiseli besonders bedeutungs¬ 
voll geltenden pathologischen Veränderungen des Herzens 
haben die Myocarditis fibrosa, die Myofibrosis cordis (D e li i o), 
die Herzfibrome und die sogen. Kugelthromben eine besonders ein¬ 
gebende Behandlung erfahren. 

3) S t a d e 1 m a n n : Pharmakotherapeutische Bestrebungen 
bei Herzkrankheiten. (Aus der II. medic. Abtheilung des städt. 
Krankenhauses am Urban in Berlin.) 

Verfasser berichtet über seine Versuche mit Erythrophlein, 
Atropin, Nikotin, Pilocarpin und Physostigmin hinsichtlich deren 
Verwendbarkeit bei Erkrankungen des Herzens. Das Resultat der 
Untersuchungen ist das, dass diese Medicamente zur Behandlung 
von Herzkranken nicht herangezogen werden dürfen, hauptsäch¬ 
lich weil die Nebenwirkungen derselben derartig sind, dass thera¬ 
peutisch, wenigstens bei diesen Kranken, davon Abstand ge¬ 
nommen werden muss. 


4) H i s : Die Ausscheidung von Harnsäure im Urin der 
Gichtkranken, mit besonderer Berücksichtigung der Anfalls¬ 
zeiten und bestimmter Behandlungsmethoden. (Mit 11 Curven.) 
(Aus der medic. Klinik in Leipzig.) 

Da die tägliche Harnsäureausscheidung bei Gesunden, wie bei 
Gichtkranken ausgiebigen Schwankungen ausgesetzt ist, so sind 
die Wertlie einzelner Tage oder kurzer Zeitperioden für die Be- 
urtheilimg nicht manssgebeml. Der acute Gichtanfall wird ein- 
geleitet durch eine Verminderung der llarnsäureausfuhr, die dem 
Anfall um 1—3 Tage vorausgeht. Dem Anfall folgt eine Ver¬ 
mehrung der Ausfuhr, die ihr Maximum am 1.—5. Tage erreicht. 
Die mittlere tägliche Harnsäureausscheidung der Gichtkranken 
in den Anfalls- und Ruheperioden zeigt keine typischen Unter¬ 
schiede. Natron bicarbonicum, Faehinger Wasser, Fachinger 
Salz, sowie die Citronencur beeinflussen die Menge der ausge- 
sc-hiedenen Harnsäure nicht nachweislich. Lithion carbouicum 
scheint die Menge der Harnsäureausscheidung constant um ein 
Geringes herabzusetzen. 

5) Reinebot li und Iv o h 1 h a r d t : Blutveränderungen 
in Folge von Abkühlung. (Aus der medic. Klinik in Halle.) 

Die vorliegenden Untersuchungen führen die Verfasser zu 
folgenden Schlüssen: Die Altkühlung schädigt die rothen Blutzellen 
des kreisenden Blutes und führt zur Haemoglobinaemie. Die 
Alteration der rothen Blutkörperchen drückt sich früher im Haemo- 
globinverlust aus, als in der Verminderung der Zahl der rothen 
Blutkörperchen, diese wird erst bei wiederholter Abkühlung er¬ 
heblicher beeinflusst. Man könnte also zuerst von der Erzeugung 
eines chlorotisclien und dann eines anaemischen Zustandes 
sprechen. 

6) Eisenbarth - Köln: Ein Fall von. spontan "geheiltem 
tuberculösem Kehlkopfgeschwür. (Mit 1 Abbildung.) 

Einer kurzen Erörterung der Frage über die Häufigkeit, Aetlo- 
logie und Ausheilungsmöglichkeit der Larynxtubereulose folgt die 
Mittheilung einiger Fälle aus der Literatur und dann der Fall 
eigener Beobachtung mit Krankengeschichte und Sectionsbefund. 
Es fand sich bei der Autopsie ein spontan, ohne jeden thera¬ 
peutischen Eingriff ansgeheiltes tu bereu loses Geschwür, welches 
das ganze rechte und die vordere Hälfte des linken Stimmbandes 
zerstört hatte. Die Lungentuberculose war dabei fortgeschritten 
und hatte den Tod des Patienten zur Folge. 

7) Besprechungen. Heller- Erlangen. 

Zeitschrift für klinische Medicin. XXXIN. Bd., 5. u. 6. Heft. 

18) G u m p r e c h t - Jena: Experimentelle und klinische 
Prüfung des Riva-Eoce i’schen Sphygmomanometers. 

Zunächst wurden durch sinnreiche Versuche die Fehlerquellen 
des Apparates festgestellt, welcher auf Bestimmung des Druckes 
beruht, der nöt.hig ist, um bei circularer Comprossion des Ober¬ 
arms den Radialpuls verschwinden zu machen. Es "wurde ge¬ 
funden, dass zwar die elastische Spannung des comprimirenden 
Schlauches zu vernachlässigen ist, also der Compressionsdruck dem 
Innendruck annähernd gleich ist, dass aber durch den elastischen 
Gegendruck der Arimveiehtheile ein Tlieil des Druckes compensirt 
wird. Das Sphygmomanometer gibt um 30—50 mm Quecksilber 
zu viel an. Ferner zeigt es nicht den mittleren Blutdruck, sondern 
den maximalen Pulsdruck. Da aber die Fehler annähernd constant 
sind und der Apparat sehr handlich ist, kann er trotzdem als sehr 
brauchbar empfohlen werden. Ein besonderer Vorzug ist es, dass 
es gelingt, auch den Seiteudruck der Arterie, nicht bloss ihren 
Enddruck zu messen. Die Blutdruckdifferenz zwischen Art. axil¬ 
laris und brachialis betrug 30—00 mm. 

Eine Reihe klinischer Untersuchungen bestätigen im Wesent¬ 
lichen die bereits von anderen Autoren gefundenen Resultate. 

19) H. Lüthje- Marburg-Greifswald: Stoff Wechsel versuch 
an einem Diabetiker mit specieller Berücksichtigung der Frage 
der Zuckerbildung aus Eiweiss und Fett. 

Von den Resultaten dieser Untersuchungen ist hervorzuheben, 
dass im Gegensatz zu F. Vo i t's lind L o m m e l’s Anschauungen 
es durch Zufuhr grosser Nueleinmengen (Pankreas) nicht gelang, 
Oxalurie zu erzeugen, ebenso wenig Pentosurie. Nach Eiweiss¬ 
zufuhr stieg die Zuckeruusscheidung stets und zwar verhielten sich 
die verschiedenen Eiweissarten nicht gleichwertig. Die Zucker¬ 
ausscheidung war nach Casein- und Pankreasuahrung höher als 
nach Rindfleisch- und Kalbsthyrausnalinmg, am geringsten nach 
Eiereiweissnahrung. Die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens 
der Ei weissarten ist nicht klar. Eine Zucke rbilduug aus Fett 
konnte nicht constatirt werden. 

20) J e 1 1 i n e k - Wien: Heber den Blutdruck des gesunden 
Menschen. (Aus dem k. k. Garnisonsspital. Stabsarzt Dr. Pick.) 

Das Resultat der Untersuchungen, die mit dem Gärtner’- 
selieu Tanometer an mehreren Hundert gesunder, unter gleichen 
Bedingungen befindlicher Soldaten ausgefiihrt wurden, war: 

Die normale Blutdrucksziffer schwankte um über 100 Proe. 
zwischen 80 und 185 mm Quecksilber, am häufigsten waren die 
Wertlie von 100—100 mm. An der rechten Hand war die Blut¬ 
drucksziffer in einem Viertel der Fälle höher wie an der linken. 
Aeussere Einflüsse (Baden, Marschiren, Scharfschiessen, Essen) 
waren von keiner gesetzmässigen Wirkung auf den Blutdruck. Bei 
Personen mit niederem Anfangsdruck waren die Schwankungen 
grösser als bei solchen mit höherem Anfangsdruck. Bei 2 länger 
beobachteten Versuchspersonen fanden sieh die höchsten Blut¬ 
druckziffern Immer in den Nachmittagsstundeu. Eine Beziehung 
zwischen Blutdruck und Pulszahl bestand nicht. 

21) B i a 1 - Kissingen: Ueber Pentosurie. (Aus der I. med. 


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No. 17. 


MÜNCHENER MKDICINISOHK WOCHENSCHRIFT. 


Klinik, Geh.-Rath v. L o y d o n , und der nu»d. Klinik Breslau, Goli.- 
Rath Käst.) 

Zu don bis jetzt bekannten 2 Füllen chronischer Peilt osurie 
ist Verfussor in dor Lage 2 neue zu fügen. 

22) U in her- Berlin: „Sensorielle Krisen“ bei Tabes dorsalis. 
(Aus dor med. Klinik Strassburg.) 

Mit diesem Namen bozeielinot. Verfasser eigenthümliclie, 
höchst widerwärtig«» Sensationen in der Geruchs- und Gesehmacks- 
sphäre, welche bei einem Tabiker anfallsweise regelmässig im 
Anschlus an typische gastrische Krisen auf traten. 

22) v. Decastello und II o f b a u e r - Wien: Zur Klinik 
der leukopenischen Anaemieen. (Aus der II. med. Kliuik, Iiofrath 
N euss e r.) 

Verschiedenartige Anaemien, die mit Vt»rminderung der Blut- 
körperehenzahl einhergingen (Chlorosen, perniciüse Anaemien, 
secundäre Anaemien) zeigten gemeinsam, trotz verschiedener Aetio- 
logie, «»ine constante Veränderung im Procentverhiiltniss der ein¬ 
zelnen Leukocytenfonnen im Sinn einer relativen Zunahme der 
Lymphocyteu. einer relativen Abnahme der neutrophilen l'oly- 
nucleären. Nur bei den Anaemien mit Driisenerkrankimgeu 
(Pseudoleukaemieni war das procentmile Verhiiltniss ein wech¬ 
selndes. Ein prognostisch ungünstiges Symptom (Ehrlich) 
ist die Leukopenie keineswegs, sie ist nur als eine functioneile 
Hemmung der blutbildenden Orgaue aufzufassen. 

24) S t r o g a n o f f - Petersburg: lieber die Pathogenese der 
Eklampsie. (Aus d. kaiserl. klin. Ilebammeninstitut.) 

Auf Grund klinischer und pathologisch - anatomischer Er¬ 
wägungen, hauptsächlich aber auf Grund der Beobachtung, dass 
die Fälle von Eklampsie sehr oft gruppenweise Auftreten, sich 
manchmal zu förmlichen kleinen Epidemien häufen, die als Haus- 
infectionen, von eingeschleppten Fällen ausgehend erscheinen, 
kommt Vorf. zu dem Schlüsse, dass die Eklampsie eine Infections- 
krankheit ist. Der vermut bete Keim ist schwach virulent und 
findet nur selten günstige Bedingungen: er dringt vermuthlicli 
durch die Lunge ein. Die Iucubation ist kurz, beträgt nur wenige 
Stunden, der Keim behält seine Widerstandsfähigkeit einige 
Wochen. Eklampsiekranke müssen daher isolirt worden. 

Das gruppenweise Auftreten der Eklampsiefälle in den Peters¬ 
burger Entbindungsanstalten ist in einer Leihe von Tabellen 
graphisch dargestellt. 

25) M e t z n e r - Dessau: Casuistischer Beitrag zur Frage 
der Peritonitis gonorrhoica. 

Eine Peritonitis, die von einer Tubenerkrankung ausging, 
wurde von Diploeoccen verursacht, die sieh nach G r a m nicht 
färbten und intracellulär lagen. Es handelte sich also mit grosser 
Wahrscheinlichkeit um Gonococeen. 

26) Kritiken und Referate. 

Kerschenstei n e r - München. 

Centralblatt für innere Medicin. 1900. No. 13. 14, lf>. 

No. 13. Ernst v. C z y li 1 a r z und Julius Donath: Ein 
Beitrag zur Lehre von der Entgiftung. (Aus der I. Modle. Klinik 
in Wien.) 

Bei Meerschweinchen wurde eine hintere Extremität möglichst 
weit oberhalb des Knies so fest umsclmürt. dass ein Abfluss von 
Blut oder Lymphe centripetalwärts als ausgeschlossen betrachtet 
werden konnte. Sofort danach iujicirten die Verfasser in die 
derart abgebundene Extremität eine Quantität von Strychnin, die 
sie bei gleich schweren Controlthioren als in 2—5 Minuten absolut, 
sicher letal wirkend erkannt hatten. Nach Ablauf von 1—4 Stun¬ 
den wurde nun die Ligatur vom Oberschenkel des Meerschwein¬ 
chens wieder abgenommen. Es zeigte sich nun, dass alle diese 
'filiere — 12 an der Zahl — obgleich ihnen, wie schon erwähnt, 
eine sonst in einigen Minuten letal wirkende Dosis Strychnin 
injieirt worden war. vollständig gesund blieben und zwar dies 
während einer bei den meisten mehrwöchentlichen Beobachtungs¬ 
dauer. Aus diesen Befunden geht hervor, dass durch das Unter- 
hautzellgewebe, die Musculatur und die in diesen befindliche Blut- 
und Lymphflüssigkeit das Strychnin in irgend einer Weise in vivo 
gebunden bezw. neutralisirt wurde. 

No. 14. 1> L. G r ü n \v a 1 d - München: Die Bedeutung der 

hypeosinophilen Granula. 

Verfasser vertlieidigt seine Befunde über hypeosinophile 
Granula gegenüber Bett mann. 

2) Bettmann - Heidelberg: Erwiderung auf vorstehenden 
Artikel des Herrn Dr. Grünwald. 

Der Verfasser hält seine Ein wände aufrecht. 

No. 15. F r i e d e b e r g - Magdeburg: Einige Bemerkungen 
über Aspirin. 

Aspirin ist ausserordentlich geeignet, in vielen Fällen Salicyl 
voll wert big zu ersetzen. Es empfiehlt sich, in solcheu Füllen, wo 
Nebenwirkungen des Salicyls einem Patienten entweder lästig oder 
schädlich sein können, nicht erst Salicyl zu versuchen, sondern 
von vornherein Aspirin anzuwenden. Das trifft besonders für 
solche Kranke zu, welche einen irritablen Magen besitzen oder 
welche ein Herz- oder Ohrenleiden haben. Ferner ist Aspirin dem 
Salicyl dann vorzuziehen, wenn es sich darum handelt, einen 
schnellen Effect zu erzielen, z. B. bei schwerem acuten Gelenk¬ 
rheumatismus und grösseren serösen Exsudaten. Ein Zeitverlust 
in der Heilung durch öfteres Aussetzeu des Mittels, wie dies bei 
Salicyl meist nötliig. wird Ihm Anwendung von Aspirin erspart, da 
dasselbe, ohne zu schaden, eine Woche und darüber in Tagesdosen 
von 4—5 g gegeben werden kann. Auch gegen Neuralgien ist das 
Präparat von Nutzen. W. Zinn- Berlin. 


Beiträge zur klinischen Chirurgie. Red. von P. v. Bruns. 
Tübingen, Laupp. XXVI. Bd. 1. Heft. 1900. 

Das 1. lieft des 26. Bandes der Beitr. z. klin. Chir. eröffnet 
aus der Tübinger Kliuik eine eingehende Arbeit von H. K ü 11 n e r: 
Ueber das Peniscarcinom und seine Verbreitung auf dem Lymph> 
wege. Eine Bearbeitung des auf 60 Fälle sich belaufenden Beobach- 
tungsmatoriales der betr. Klinik. K. constatirte u. a. das weit über 
die Grenzen des Primürtumors hinausreichende, continuirliche und 
discontinuirliche Vorkommen von Krebsknoten in den Corpora 
cavernosa (in 6.S Proc. der Fälle), das directe Einbrechen der 
Krebszellen in die Venen und die vollständige Ausfüllung von 
Gefässen mit Krebsmassen mit ausgesprochener Rundzellen- 
inliltraiioii der Wandung. Mit anderen Hautkrebsen (Platteu- 
epithelkrebseii) tlieilt das Peniscarcinom die Eigenschaft nur 
selten, in inneren Organon zu metastasiren. Bezüglich des von I\. 
eingehend studirten Lymphgefüsssystems des Penis unterscheidet 
derselbe die oberflächlichen und tiefen Lymphgefässe des Penis und 
das Lynipligefässsystem der Harnröhre. Als Wtirzelgebiet der 
tiefen ist die Haut der Eichel anzusehen, die davon abführenden 
Ilauptstümmo verlaufen zunächst im Sulcus retrugland. und um¬ 
kreisen den Penis, um sich dann der Vena dors. penis subfascial 
anzuschliessen und bis zur I’euiswurzel zu folgen. Das Lympli- 
gefässnelz einer Penishälfte geht eontiniiirlich in das der anderen 
über. Die Mehrzahl der oberflächlichen und tiefen Lymphbahnen 
des Penis führt zu den Leistendrüsen; die kleinen Drüsen an der 
Vorderfläche der Symphyse pflegen in ein aus den tiefen Lymph- 
gefässen des Penis hervorgegangenes Geflecht eingeschaltet zu 
sein uud gibt es zahlreiche Lymphbahnen des Penis, die mit Um¬ 
gehung der Leistendrüsen direct zu den Drüsen im Innern des 
Beckens führen (Lymphogland. iliac. liypogastr. epigastr. inf. vesi- 
cales aut. et lat.). Die Erkrankung der regionären Lymplidrüseu 
kommt besonders in den späteren Stadien der Erkrankung vor, der 
Primärtumor kann dabei auffallend klein bleiben, das Missverhält¬ 
nis zwischen diesem und der Drüsemuetustase zuweilen ein sehr 
grosses sein, so dass derPat. wegen derDriisenschwellung ärztlichen 
Rath aufsucht, das Carcinom oft nicht bemerkte. Zuweilen sind 
aber die Drüsenschwellungen auch rein entzündliche, zumal ln'i 
Uleernt innen und angeborener Phimose. Die Beckendriisen könucn 
primär erkranken, gewöhnlich werden sie erst secundär befallen. 
Bezüglich der Prognose gehört das Peniscarcinom zu den pro¬ 
gnostisch günstigen Krebsen; sich selbst überlassen, führte es 
meist erst nach 4— 6 Jahren zum Tod, meist durch Kachexie oder 
intercui r« nte Erkrankungen (Pneumonie. Sepsis); doch spielt unter 
den Todesursachen auch Blutung aus den von dem Drüsencarclnom 
arrodirten Cruralgefässen eine Rolle. Da das Peniscarcinom 
relativ lange local bleibt, bietet es günstige Chancen für dauernde 
Heilung bei rechtzeitigem Eingreifen; nach lv. wurden 59,46 Proc. 
dauernd geheilt, 40.54 Proc. erlagen ltecidiven, von den dauernd 
geheilten wurden 73 Ihm*, ohne Drüsenexstirpation geheilt. 

II. plaidirt immerhin für 1 »eiderseitige Drüsenausräuinung und 
auch Entfernung leicht erreichbarer Beckendrüsen, bei grossen 
Drüsenmetastasen wird mit der Operation nichts erreicht lind 
K. erklärt die von L e u n n n d e r empfohlenen ausgedehnten 
Dviisenexstirpatiouen (bis zur Iliaca hinauf) für zwecklos; ebenso 
widerrüth K. die Castratiou. 

Ein Drittel der Peuiscarcinome entfällt auf das 6. Jahrzehnt, 
drei Viertel auf (las 5., 6. und 7. Wenn auch in 54,5 Proc. der 
Fälle angeborener Phimose vorhanden war, so wird doch das 
Peniscarcinom auch bei Beschnittenen nicht selten beobachtet. 
Betreffs des klinischen Bildes unterscheidet lv. das papilläre 
Blumenkohlgewächs, das Carcinomgeschwür und den nicht pa¬ 
pillären Krebstumor uud gibt treffende farbige Abbildungen der 
einzelnen Typen; besonders ersterer Typus ist relativ gutartig. 
Schliesslich gibt K. noch eine kurze Uobersicht der betreffenden 
Krankengeschichte. 

O. Hahn schildert aus der gleichen Klinik ein Nabel con- 
crement von Taubeneigrösse bei 43 jährigem Manu uud sammelt 
in Anschluss daran ca. ein Dutzend Fälle von Nabeiconcrementen 
au::, der Literatur. 

R. Plattner beschreibt aus der Iunsbrucker chirurgischen 
Kliuik einen Fall von Aneurysma der Art. brachialis, geheilt 
durch Exstirpation des Sackes. Es handelte sich ln dem be¬ 
treffenden Fall um einen 26jälirigen Mann, bei dem sich gelegent¬ 
lich eines Absturzes bei der Jagd über 4 m hohe Wand der Schuss 
entlud und Patient die starke arterielle Blutung mittels einer 
Hundeleine, die er über Hemd und Rock sich selbst anlegte, stillte. 
Erst nach 12 Stunden gelaugte der Patient in’s Krankenhaus und 
drang bei Lösung der Strangulation wieder hellrothes Blut hervor. 
Die Schussfraetur wurde antiseptisch verbunden uud liess sich nach 
14 Tagen deutlicher Callus constatiren. aber auch eine flachkugelige 
pulsirende Geschwulst an der Innenseite des Oberarmes bemerken, 
die mit plötzlichem Schmerz nach einer „Schmiedearbeit“ sich 
stark vergrösserte. Um den Vorderarm auf die Ausschaltung des 
für ihn wichtigsten Blutweges gewissermaassen vorzubereiten, 
wurde die zuführende Brachialis digital, täglich y 2 Stunde so com- 
primirt. dass der Radialpuls verschwand, später besorgte Patient 
selbst täglich mehrmals diese Compression, so dass deutliche Ab¬ 
nahme der Geschwulst zu constatiren war, als am 12. Tag nach der 
Aufnahme in der Klinik zur Operation geschritten wurde. Die 
Exstirpation des Aneurysma wurde, nachdem eine eigentliche Ge- 
füssscheide wegen Verwachsungen mit den Nachbarorganen nicht 
zu finden war, nach Spaltung in der Längsrichtung und Entfernung 
der geschichteten Thrombusmassen und Aufsuchen des St&mm- 
gefüsses mittels Sonde in der Weise ausgeführt, dass zuerst central, 


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24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


689 


Claim peripher die Geschwulst abgelöst wurde. Im Anfang wurde 
<lie Wunde mit lockerer Jodoformgaze verbunden und der horizon¬ 
tal gelagerte Arm durch Wärmflaschen erwärmt; derselbe war 
noch nach 10 Tagen um 2° kälter. 

Aus der Strassburger Klinik berichtet Scheib über Osteo¬ 
genesis imperfecta, d. h. eine eigenartige Hemmung in der 
TCnochenbildung mit gesteigerter Resorption der spärlich ange¬ 
legten Knochenbälkchen (halisteret. Knochenschwund), wie sie zu 
Spontanfracturen und eigenthlimlicher Verkürzung der Extrem i- 
tä ten führten, so dass die Eltern das mit dicker Lanugo bekleidete 
Kind als „Maulwurfsmensch“ auf Jahrmärkten hatten sehen 
lassen. 

Aus der gleichen Klinik schildert E. Deetz 2 Fälle von 
seltenen Knochenerkrankungen, nämlich eine Knochencyste der 
Tibia und ein subperiostales Haematom der Beckenschaufel, welch’ 
letzteres als Sarkom imponirt hatte. 

Aus dem Neuen allgemeinen Krankenhause zu Hamburg 
schreibt Iv fimmell über circulare Gefässnaht beim Menschen 
und berichtet nach entsprechenden einleitenden geschichtlichen 
Bemerkungen über 2 betreffende erfolgreiche Fälle von Gefäss- 
resection mit circulärer nachfolgender Naht in der Cruralgegend, 
danach lassen sieh 4—5 cm grosse Defecte in der Continuität da¬ 
durch ausgleichen. 

Löwenstein berichtet aus der Heidelberger Klinik über 
mikrocephal. Idiotie und ihre chirurgische Behandlung nach 
Lannelongue und verwirft im Anschluss an eine erfolglose 
Operation eines Falles von Mikröcephalie und Idiotie, combinirt 
mit spastischer Cerebralparalyse, die betreffende Operation, nach¬ 
dem die Hypothese der primären Synostose der Nähte etc. als falsch 
sich erwiesen hat. Bei 111 aus der Literatur gesammelten Fällen 
wurde inl7Proc.Tod nach der Operation, bei 22,5 Proc. völlige Erfolg¬ 
losigkeit (9 Proc. mit geringem Erfolg), bei 21,5 Proc. Besserung 
notirt. 

Wagner berichtet aus dem städt. Krankenhause zu Karls¬ 
ruhe zur Casuistik der Pankreas- und abdom. Fettgewebsnekrose 
und gibt im Anschluss an 3 betreffende Fälle eine kurze Uebersicht 
der seit der K o e r t e’sehen Monographie publicirten betreffenden 
Fälle. 

E. Kalmus gibt aus der Prager Klinik einen Beitrag zur 
operativen Behandlung des Caput obstipum spasticum und schil¬ 
dert im Anschluss an 95 operativ behandelte Fälle (mit 118 Opera¬ 
tionen), die er aus der Literatur zusammenstellt und einem von 
W ö 1 f 1 e r operirten Fall, die verschiedenen Arten des spas¬ 
modischen Schiefhalses, bei denen es sich um unwillkürliche, ruck¬ 
weise, heftige Bewegungen des Kopfes im Sinne der Rotation, 
Flexion und Deflexion oder um krampfhafte schiefe Haltung des 
Kopfes (klonische oder tonische Krampfzustände) handelt. Die 
Prognose ist, abgesehen von den hysterischen Formen, im Ganzen 
ungünstig. Von den zur Heilung unternommenen Operationen, die 
in den Fällen, die anderer Therapie widerstanden, indicirt sind, 
hat die Dehnung des Accessorius wohl geringe Erfolge zu ver¬ 
zeichnen, die Resection des Accessorius (die in G8 Fällen 23 Hei¬ 
lungen, 20 mal grössere oder geringere Besserung, 4 mal nur ge¬ 
ringen Erfolg brachte, während 1 Patient an Erysipel starb) muss 
wohl hauptsächlich in Betracht kommen, ev. ist auch bei Betheili¬ 
gung der von Oervicalästen versorgten Nackenmuskeln, wie in dem 
v. Wölfler operirten Fall typische Resection des hinteren Astes 
des Cerviealis III. angezeigt. 

C. Brunner berichtet aus dem Kantonsspital In Münster- 
1 Ingen über Kropfrecidive und Recidivoperationen und unter¬ 
scheidet eigentlich genuine, locale Recidive, Heranwachsen oder 
Neubildung von Struma nach der Operation aus nicht operirten 
Theilen der Schilddrüse; eigentliche Recidive constatirt Br. In 
18 Proc., solche im nicht operirten Lappen in 23 Proc. der Fälle, 
unter 540 nachuntersuchten Fällen, die er zusammenstellte, liess 
sich bei 168 Heranwachsen und Neubildung von Struma con- 
stotiren, in 31 Proc. der Fälle. Wie u. A. Sulzer nachwies 
stellen sich die Recidive oft erst relativ spät ein; 4—7—12 Jahre 
nach der ersten Operation. Für Br. ist es ausser Zweifel, dass bei 
festen Kröpfen und multiplen Cysten die Exstirpation und Re¬ 
section im Hinblick auf Dauerresultate vorzuziehen ist; Br. macht 
es sich auch (wie auch Roux) zur Regel, bei allen Fällen von 
Enucleation auch bei soliden Cysten mindesten eine der Schild- 
drüsenarterien der betreffenden Seite zu ligiren. Sehr. 

Centralblatt für Chirurgie. 1900. No. 14. 

J. Schoemaker - Nimwegen: Etagennaht ohne verlorene 
Fäden. 

Sch. empfiehlt für die Etagennaht die Kettenstichnaht (wie 
bei den alten Nähmaschinen), bei der jede Schlinge durch die fol¬ 
gende gefasst wird, aber ihren Halt verliert, sobald diese zurück¬ 
gezogen wird, so dass danach demnach der ganze Faden frei wird. 
Das Anlegen der Naht Ist etwas complicirter, als bei gewöhnlicher 
fortlaufender Naht, doch lässt es sich mit einiger Uebung leicht 
machen. Man braucht hiezu eine Nadel mit einem Oehr neben der 
Spitze, ähnlich der Nähmaschine oder eine de M o o y’sche Nadel, 
mit der man die eine Schlinge durch die andere zieht. Ein Vor¬ 
theil dieser Naht liegt darin, dass sie um so leichter entfernt wird, 
je fester sie angelegt war und dass sie die Wundränder miteinander 
in breite Berührung bringt. Sehr. 

Centralblatt für Gynäkologie. 1900. No. 14. 

1) Otto Küstner- Ein operatives Palliativverfahren bei 
inoperablem Carcinoma uteri. 


Das Verfahren K.’s besteht in einer Kolpokleisis rec¬ 
tal I s, d. h. Anlegung einer Reeto-Vaginalfistel und Verschluss der 
Vagina. Hierdurch wird der jauchige Ausfluss in das Rectum 
geleitet, unter Verschluss des Sphincter ani gestellt und Beine Ent¬ 
leerung willkürlich gemacht. Der Hauptvortheil der Operation ist 
die Befreiung der Kranken von dem scheusslichen Gestank. Die 
Ausführung der Operation ist einfach: Anlegung einer breiten 
Communication zwischen Rectum und Vagina. Durchleitung eines 
Fadens durch die Fistel, an dem sich ein in der Vagina liegender 
Alkoholtupfer befindet, Verschluss des Vestibulum vaginae. Der 
Alkoholtupfer wird am 4. Tage aus dem Anus herausgezogen. 

Nähere Angaben über die operirten Fälle macht K. nicht. 

2) Desider S t a p 1 e r - S. Paulo: Hysterectomia rapida. 

St. hat vor 2 Jahren bereits empfohlen, die Blutstillung bei 
der abdominalen Totalexstirpation des Uterus durch besondere 
Klemmen zu besorgen, wodurch die Operation in wenigen Minuten 
beendet werden soll. Angeregt durch die Angiotribe von Doyen 
und T u f f i e r, hat St. jetzt ein neues Schraubenmodell zur Ab¬ 
klemmung der Ligamente eonstruiren lassen, das nach seiner 
Ansicht die Instrumente von Doyen, Thumim, Zweifel 
u. A. weit übertrifft. Als Vortheile seiner „Schraubenklemme“ 
führt St. an: sie ist leicht, kräftig, übt einen hohen Druck aus und 
klemmt das ganze Ligament auf einmal ab, ohne dass das Gewebe 
ausweichen kann. Ausser zur abdominalen Myomotomie soll das 
Instrument auch zur vaginalen Totalexstirpation und zur tem¬ 
porären Blutstillung bei Operation der Tubargravidität geeignet 
sein. An der Lebenden hat St. sein Instrument bisher noch nicht 
erproben können. J a f f 6 - Hamburg. 

Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 16. Band. 
5. und 6. Heft. 

E. A. Meyer: Ein Fall von systematischer Erkrankung 
der Seitenstränge bei Carcinose, klinisch unter dem Bild der 
spastischen Spinalparalyse verlaufend. (Aus dem Krankenhaus 
zu Hamburg-Eppendorf.) 

Bei einer Frau entwickelte sich zu gleicher Zeit mit einem 
Uteruscarcinom auch eine spastische Paraplegie der Beine, als 
deren Ursache eine Degeneration der Pyramideuseitenstrangbahnen 
anzuschuldigen war. M. glaubt dieselbe als durch die specifischen 
Toxine des Careinomes bedingt auffassen zu dürfen und stellt sie 
der syphilitischen Spinalparalyse zur Seite. 

Kirchgässer - Bonn: Beiträge zur Kindertetanie und 
Beziehungen derselben zur Rachitis und zum Laryngospasmus 
nebst anatomischen Untersuchungen über Wurzel Veränderungen 
im kindlichen Rückenmark. 

Wenn auch die Kinder, die an Tetanie und Laryngospasmus 
leiden, in der überwiegenden Mehrzahl rachitisch sind, so gibt 
es doch sicher Fälle, bei welchen trotz strengster Kritik rachi¬ 
tische Veränderungen nicht nachgewiesen werden können. 

In einer grossen Anzahl der an Tetanie leidenden Kinder 
findet sich Laryngospasmus und umgekehrt: bei Kindern mit 
Stimmritzenkrampf besteht in der Hälfte der Fälle manifeste 
oder latente (positives Trousseau’sches Phänomen) Tetanie. 

Bei den anatomischen Untersuchungen des Rückenmarks von 
an Tetanie gestorbenen Kindern konnten mit der March i’schen 
Methode krankhafte Veränderungen an den vorderen Wurzeln 
ln ihrem intramedullären Verlauf constatirt werden. Da aber 
ähnliche, gleichstarke Veränderungen der motorischen Wurzeln 
auch bei Kindern gefunden werden, die an anderen Krankheiten 
gestorben sind, glaubt K. diesem Befund keine specifische Be¬ 
deutung zuschreiben zu dürfen. 

Steinhausen -Hannover: Ueber Lähmung des vorderen 
Sägemuskels. 

Im Anschluss an zwei Fälle von Serratuslähmung, die be- 
merkenswerthe Unterschiede in der Symptomatologie boten, re- 
ferirt St. über die bisherigen Beobachtungen in der Literatur und 
unterzieht das in den letzten 2 Jahren in der Armee gesammelte 
Material über diese Krankheit einer Durchsicht. Auf Grund dieser 
Forschungen kommt St. im Gegensatz zu den bisherigen Anschau¬ 
ungen zu der Ueberzeugung. dass in den meisten Fällen von 
Serratuslähmung eine Erhebung des Armes über die Horizontale 
noch möglich ist. Die Fälle, in denen der Arm bis zur Senk¬ 
rechten erhoben werden kann, l>eruhen nach der Ansicht des Ver¬ 
fassers auf einer partiellen Lähmung des Serratus mit Erhaltung 
seiner oberen Zacken. 

Hirschberg: Zur Lehre von den Erkrankungen des 
Conus terminalis. (Aus der Poliklinik des Prof. Oppenheim.) 

Klinische Mittheilung eines durch Trauma bedingten, typischen 
Falles von Erkrankung des unteren Rückenmarksabschnittes. 
Der Umstand, dass die vom Ischiadicus versorgten Muskeln ln 
Degeneration waren, die Functionen der Blase und des Mastdarmes 
sich aber bald erholten und die Erection und Ejaculatlon nie ge¬ 
stört war, liess den Autor annehmen, dass nur die oberen 
zwei Sacralsegmente durch eine traumatische Myelitis lädirt, die 
unteren Sacralabschnitte dagegen verschont geblieben waren. 

B a 1 i n t: Beiträge zur Aetiologie und pathologischen 
Anatomie der multiplen Sklerose. (Aus der medicin. Klinik in 
Ofen-Pest.) 

Die Krankheitserscheinungen der Sklerosis multiplex traten 
bei der hier beschriebenen Patientin zum ersten Male nach einem 
völlig normalen Puerperium auf und steigerten sich sprungweise 
nach jeder folgenden Entbindung. Bei der Autopsie konnte man 
constatiren, dass das ganze Rückenmark von sklerotischen Herden 
durchsetzt war. Die ganz frischen Plaques boten das Bild der 
subacuten Myelitis mit beginnendem Zerfall der Markscheiden 


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590 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


und reactiven Stützsubstanzwucherung. Die älteren Herde 
entbehren der Markscheiden vollständig, bleiben also bei der 
W e i g e r t’schen Markscheidenfärbung völlig hell. 

Auf Grund dieses Befundes hält der Autor den Process für 
eine durch perivasculäre Entzündung verursachte Markscheiden¬ 
erkrankung, in deren Gefolge die Gliawucherung auf tritt. Welche 
Ursache die „perivasculäre Entzündung“ aber hat, darüber äussert 
sich der Verfasser weiter nicht. 

Preobrashensky - Moskau: Zur Casuistik der Ptomain- 
Paralysen. 

Nach Genuss von verschiedenen Fisch’waaren erkrankten eine 
bis dahin gesunde Frau und ihr 15 jähriger Sohn ohne irgend¬ 
welche intestinale Störungen mit schweren Muskelparalysen. Und 
zwar begann die Erkrankung mit der Lähmung fast aller Muskeln, 
welche von den Gehirnnerven innervirt werden und schritt von da 
in absteigender Richtung auf die Rumpf- und Extremitäten- 
musculatur über. Sensibilitätsstörungen konnten keine nachge¬ 
wiesen werden, die Functionen der Blase und des Mastdarmes 
waren intaet geblieben. Pr. vermuthet, dass es sich um eine 
Ptomainvergiftung handelt und weist darauf hin, dass die Wir¬ 
kung des hypothetischen Giftes in den hier beschriebenen Fällen 
viel Aohnlichkeit mit dem des Cu rar in hatte. Die Vermuthung des 
Autors, dass mancher Fall von Polyneuritis, der bisher als „rheu¬ 
matischer“ auf gefasst wurde, auch durch Ptomaine bedingt war, 
besteht zweifellos zu Recht. 

Brodmann : Kritischer Beitrag zur Symptomatologie der 
isolirten Serratuslähmung nebst Bemerkungen über die erwerbs¬ 
schädigenden Folgen derselben. (Ans der psychiatrischen Klinik 
zu Jena.) 

Auch in diesem Falle von Serratuslähmung war eine Er¬ 
hebung des Armes über die Horizontale fast bis zur Senkrechten 
(bis zu 160°) möglich. Der Serratus war nach der Ueberzeugung 
des Verfassers in seinem ganzen Umfaug gelähmt; in die ver¬ 
loren gegangene Functionsleistung des vorderen Sägemuskels 
tlieilen sich nach seiner Ansicht der mittlere und obere Theil des 
Cucullaris, der Deltoideus und der Infraspinatus. Indem diese 
Muskeln hypertrophisch werden, können sie die Functionen des 
gelähmten Cucullaris völlig übernehmen. 

Kleinere Mittheilungen: 

Krafft-Ebiug -Wien: Ein scheinbarer Fall von Para¬ 
lysis agitans. 

Es handelte sich bei dem hier beschriebenen Kranken um 
einen hysterischen Tremor, der dem Zittern bei der Parkinson- 
sehen Krankheit in frappanter Weise ähnelte. 

Z u e 1 z e r - Berlin: Ein Fall von doppelseitiger Er bischer 
combinirter Schulterarmlähmung nicht traumatischen Ur¬ 
sprungs. 

Strümpell : Historische Notiz betr. die Pseudosklerose. 

Besprechungen. L. R. Müller. 

Archiv für Hygiene. Bd. XXXVH, Heft 1,' lbOO. 

1) Stanislav R u z i c k a - Prag: Vergleichende Studien über 
den Bacillus pyocyaneus und den Bacillus fluorescens lique- 
faciens. 

Im Anschluss an eine frühere Arbeit über dasselbe Thema, 
in welcher Verfasser zu dem Resultat gekommen war, dass es 
nicht immer möglich sei, den Bacillus pyocyaneus vom 
Bacillus fluorescens liquefaciens zu unterscheiden, 
legt er sich nunmehr die Frage vor, ob bei typischen Stämmen 
beider Formen wechselseitige Umänderungen wenigsten? ein¬ 
zelner Eigenschaften auftreten können, die geeignet wären, 
eine bessere Unterscheidung zu ermöglichen. 

Er stellte 2 Versuchsreihen an, indem einmal der Bacillus 
fluorescens „unter parasitäre Verhältniss e“, d. h. 
auf die Haut oder auf Wunden von Mensch oder Thieren gebracht 
wurde, der Bacillus pyocyaneus dagegen „unter saprophy- 
tischen Verhältnissen“ leben sollte. Dabei zeigte sich, 
dass sich der Bacillus fluorescens auf Wunden mehr als 2 Wochen, 
in Reineultur oder auch verunreinigt, halten und dass er ebenfalls 
Anlass zu Elterentwicklung geben kann. Irgend welche morpho¬ 
logisch charakteristische Neuerscheinungen konnten jedoch auch 
dann nicht aufgefunden werden, als Versuche bei höherer Tem¬ 
peratur im Thermostaten angestellt w T urden. Immerhin ist zu be¬ 
merken, und dies tritt auch recht deutlich bei Züchtung des Ba¬ 
cillus pyocyaneus unter saprophytischen Verhältnissen — also im 
Wasser — hervor, dass typische Stämme beider Arten unter den 
gleichen oder auch unter verschiedenen Lebensbedingungen sich 
entweder vollständig oder nur zu einer Uebergangseigenschaft um¬ 
ändern oder endlich, dass sie Eigenschaften acquiriren können, 
welche iil>erhaupt weder für den einen noch für den anderen als 
charakteristisch zu bezeichnen sind. Diese Umänderungen, welche 
sich sehr lange Zeit erhalten können, sollen mit ziemlich grosser 
Wahrscheinlichkeit auf höhere Temperaturen und reichlichere 
Luft zurückzuführen sein. 

Die Quintessenz der Arbeit ist, dass mau im gegebenen Falle 
— falls man nicht die Provenienz des betreffenden fluoreseirendon 
Organismus kennt — nur sehr schwer in der Lage sein wird, den¬ 
selben für einen „Pyocyaneus“ noch einen „Fluorescens“ zu er¬ 
klären, eine Schwierigkeit, die, wie schon Lehmann und Neu- 
mann betonen, durch die grosse Variabilität beider Arten hervor¬ 
gerufen wird. 

2) Otto Kalischer: Zur Biologie der peptonisirenden 
Milchbacterien. 

Die Untersuchungen desVerf. erstrecken sich auf einen sporen¬ 
tragenden Organismus aus der Gruppe des Subtills oder Kartoffel- 


baoillus, welcher nur aerob gedeiht und die Fähigkeit besitzt, das 
in der Milch gefällte Eiweiss wieder aufzulösen. Der Bacillus ist 
im Stande, bei lange dauerndem Wachsthum die Müch vollständig 
zu zersetzen, wobei jedoch das Fett in keiner Weise angegriffen 
wird. 

Am schnellsten und ehesten wird der Milchzucker in 
Mitleidenschaft gezogen, indem er eine stufenweise fortschreitend«» 
Verminderung erfährt. Jedoch bis unter 2,6 Proc. geht der Gehalt 
an Milchzucker nie herab. Als weitere Zersetz ungsproductc 
wurden nur flüchtige Säuren nachgewiesen. 

Bei der Zersetzung des C a s e i n s entsteht zuerst Albumose, 
später Pepton, daneben aber auch Ammoniak, Valerian- und Essig¬ 
säure, Tryptophan, Leucin und Tyrosin. Indol, Skatol und Phenole 
konnten dagegen nicht nachgewieseu werden. Das von den Bak¬ 
terien producirte verdauende Ferment stimmt mit dem Trypsin 
bis auf die Bildung von aromatischen Oxysäuren vollständig über¬ 
ein. Das gebildete Labferment unterscheidet sich von dem gewöhn¬ 
lichen Labferment nicht. 

3) A. Schatteufroh und R. Grassberger: Ueber 
Buttersäuregährung. I. A bhandlung. 

Die viel umstrittene Frage über die Erreger der Buttersäure- 
gähruug wird von Neuem von den Verfassern aufgegriffen und ein¬ 
gehend studirt. Bei ihren Untersuchungen finden sie unter anderen 
einen streng anaeroben sporentragenden Bacillus, der ausserordent¬ 
lich verbreitet ist, bisher aber nicht bekannt war, und zeigen ausser¬ 
dem, dass die Existenz des bisher als Hauptorganismus bei der 
Buttersäurevergährung angesehenen Bacillus butyricus 
B o t k i n angezweifelt werden muss. Der von den Verfassern 
reingezüchtete, mit dem Namen „Granulobacillus sae- 
charobutyricus immobilis liquefaciens“ (!) be- 
zeichnete Organismus wurde mittels des B o t k i n’schen Verfahrens 
aus Milch gewonnen, indem dieselbe einige Zeit dem strömenden 
Dampf ausgesetzt war und dann bei 37 0 aufbewahrt w’urde. 

Der gefundene Organismus wächst am besten bei Bruttem 
peratur, ist streng anaerob, lässt sich zwar auf allen Nährböden 
züchten, doch gedeiht er am vorzüglichsten auf zuckerhaltigem 
Substrat. Ebenso zeigt sich Milch als Nährboden sehr geeignet. 
Die Stäbchen sind dick, nach Gram färbbar und tragen Sporen, 
die am vollkommensten auf Stärkekleisternährböden zur Ausbil¬ 
dung gelangen. Ihre Widerstandsfähigkeit gegen Hitze ist ausser¬ 
ordentlich gross. 

Bei der Gährung entstehen ausser Buttersäure noch Kohlen¬ 
säure, Wasserstoff, Rechtsmilchsäure und geringe Mengen von 
Alkohol. 

Verfasser fanden den „Granulobacillus“ im Boden, im Wasser, 
in Mehl »und Käsearten, im Koth von Menschen und besonders 
häufig im Koth von Rindern. 

Pathogene Eigenschaften konnten nicht nachgewieseu werden. 

R. O. Neumann - Kiel. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1900. No. 16. 

1) W. F 1 e m m I n g - Kiel: Ueber Zelltheilung. Säcular- 
artikel. 

Zu kurzem Referate an dieser Stelle ungeeignet. 

2) K. Brandenburg -Berlin: Erfahrungen über die Vor¬ 
untersuchungen zur Aufnahme in die Lungenheilstätte am 
Grabowsee. 

Verf. schildert die für die Aufnahme in die genannte Heil¬ 
stätte maassgebenden Grundsätze. Die Einweisung der meist 
poliklinisch behandelten Bewerber erfolgt, ohne das Auftreten von 
Tuberkelbacillen im Sputum abzuwarten, hauptsächlich auf Grund 
des physikalischen Lungenbefundes mit Berücksichtigung gewisser 
Ernährungsstörungen (Abmagerung, Mattigkeit, Magenbesehwer¬ 
den, Anaemie, Neigung zu Sclnveissen) und der Familienverhält- 
nisse. Unter den anderen Frtthsymptomen wird besonders die 
initiale Haemoptoe neuerdings betont, sowie Kurzathniigkeit. 
Von der Anstaltsbehandlung werden ausgeschlossen die Kranken 
mit doppelseitigen Affectionen, wenn auch nur auf einer Seite 
die Dämpfung die 2. Rippe überschreitet. Kehlkopf erkrank ung 
bildet keine ausnahmslose Contra!ndication, ebensowenig kleine 
Pleuraexsudate. Schliesslich schildert Br. den von ihm geübten 
Untersuchungsmodus. 

3) H. W o 1 f f - Berlin: Ueber eine neue Untersuchungs- 
methode des Augenhintergrundes im aufrechten und im umge¬ 
kehrten Bilde mit einem neuen elektrischen Augenspiegel. 

Da die Einrichtung des Instrumentes ohne Zeichnung nicht 
wohl verständlich gemacht werden kann, so muss auf das Original 
hingewiesen werden. Mit dem Spiegel kann auch die Autoph- 
thalmoskopie bequem ausgeführt werden. Bei weiter Pupille kauu 
die Sehnervenscheibe und die Macula lutea gleichzeitig und zwar 
in allen Theilen gleich hell gesehen werden. Die Lichtintensität 
ist geringer als bei der sonst üblichen Beleuchtung und daher für 
den Untersuchten schonender. Der sonst so störende Hornhaut¬ 
reflex verschwindet. 

4) H. Senator-Berlin: Ueber einige ausgewählte Punkte 
der Diagnose und Therapie der Lungentuberculose. 

Von den Frühsymptomen bespricht S. zunächst die Haemo¬ 
ptoe. Besonders ist zu beachten, ob man es wirklich mit Blnt- 
h u 81 e n zu thun hat. Es kann gleichzeitig letzteres mit Blut¬ 
brechen stattflnden. Traumatische Einflüsse, bei Kindern Ver¬ 
schlucken von Fremdkörpern, sind zu berücksichtigen, ferner 
CirculationsstÖrungen, Geschwülste, Aneurysmen, Parasiten, die 
sog. haemorrhagische Diathese. Die „vicariirende Haemoptoe“ ist 
nicht ganz von der Hand zu weisen. Hinsichtlich des physi- 


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24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDlClNlSCHE WOCHENSCHRIFT. 


591 


kalischeu Frühbefundes ist wichtig, dass hei Tuberculose die 
Dämpfung wenig oder gar nicht ausgesprochen ist, während die 
Auscultation schon bestimmte Veränderungen aufweist. Die Unter¬ 
scheidung syphilitischer Processe von tuberculösen gelingt nicht 
immer. 

Die Haemoptoe behandelt S. mit absoluter Ruhe, spärlicher 
Ernährung mit flüssiger Kost, Milch, ferner Abkochungen von 
Gelatine (15—20 g auf 200 W T asser), Morphium, bei aufgeregter 
Herzthiitigkeit mit Digitalis, Eisblase. 

Von Seealepräparaten sieht Verf. wenig Wirkung, eher noch 
vom Stypticin subcutan. Ob das Binden der Glieder etwas nützt, 
ist fraglich. Starkes Fieber sucht S. durch Phenacetin, Pyramiden 
zu beeinflussen; die Haut lässt er mit Mentholkampherspiritus ab¬ 
reiben, auch Abends Speckeiureibungen vornehmen. Wirksam 
gegen den Schweiss ist besonders auch stellenweises Pinseln 
mit Formol. Innerlich kommen Atropin, Agaricin, Kainphersäure, 
tellursaures Natron (0,02—0,05) in Betracht, auch Sulfonal. 

5) K. Gumbertz - Berlin: Ueber einen ungewöhnlichen 
Fall von Poliomyelitis anterior acuta adultorum auf infectiöser 
Grundlage. 

Bei einem gesunden, 23 jährigen Mann trat im Anschluss an 
ein gastrisches Fieber plötzlich eine einseitige schlaffe Lähmung 
des oberen Theiles des Plex. brachial., sowie Parese des Beines 
derselben Seite mit Verlust des Kniephänomens auf. Verf. er¬ 
örtert die Berechtigung obiger Diagnose. 

Dr. Grassmann -M ünchen. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1900. No. 15. 

1) L. L e w i n: Heber die toxikologische Stellung der 
Raphiden. (Aus dem pharmakologischen Laboratorium von Prof. 
L. L e w i n in Berlin.) (Schluss folgt.) 

2) D e t e r m a n n - St. Blasien: Ueber die Beweglichkeit des 
Herzens bei Lageveränderungen des Körpers. 

Vortrag, gehalten im Verein für innere Medicin in Berlin am 

26. Februar 1900. Referat siehe diese Wochenschr. No. 10, p. 338. 

3) Richard Müller- Berlin: Zur Indicationsstellung für 

Mastoidoperationen. __ 

M. vertheidigt seinen schon früher präcisirten Standpunkt, 
wonach bei jeder acuten Mittelohreiterung, welche trotz sach- 
gemässer Behandlung nach 14 Tageu noch keine Besserung zeigt, 
die Eröffnung des Antrum mastoideum angezeigt ist. 

4) A. Hesselbach - Halberstadt: Ovarialcyste als Ge- 
burtshinderaisB' durch Colpotomia posterior entfernt. 

Casuistische Mittheilung. 

5) W. Lublinski' Berlin: Die Syphilis der Zungentonsille 
nebst Bemerkungen über ihr Verhältniss zur glatten Atrophie 
der Zungenbalgdrüsen. (Schluss aus No. 14.) 

Die glatte Atrophie der Zungenbalgdrüsen kommt sowohl bei 
der oberflächlichen sklerosirenden, als bei der gummösen ulcerösen 
Erkrankung des Zuugengrundes vor und zwar nur als Tertiär¬ 
symptom. Pathognomonisch ist diese Affection ‘ aber nicht für 
Syphilis, da dieselbe auch unabhängig von dem syphilitischen 
Localprocess im höheren Alter, bei Tuberculose, schwerer Anaemie 
u. s. w. auftreten kann. F. Lacher- München. 

Correspondenzbl&tt für Schweizer Aerzte. XXX. Jahrg 
No. 8. 

1) Albert K o eher: Eine Methode früher Radicaloperation 
bei Perityphlitis. (Aus der Chirurg. Klinik von Prof. K o c h e r in 
Bern.) 

Prof. Kocher wendet seit 1896 bei acut eiteriger Perityph¬ 
litis folgende Operationsmethode (4 Fälle) an: Eröffnung des Ab- 
scesses durch kleinen Schnitt vollständig innerhalb der begrenzen¬ 
den Adliaesionen, Ausspülung, Tamponade, Verband. Am nächsten 
oder zweiten folgenden Tag Exstirpation des Wurmfortsatzes 
nach Schrägschritt am Rectusrand und Eröffnung des Peritoneums; 
Naht des Peritoneums und der Fascie, am nächsten Tag auch der 
Haut. Durch die Methode wird einerseits die Infection des Peri¬ 
toneums (Colibacillen und Pneumococcen sind weit weniger ge¬ 
fährlich als Staphylo- und Streptococcen) verhütet, andererseits eine 
ganz exacte Entfernung des Wurmfortsatzes ermöglicht. Hernien 
an der Stelle der Abscessincision sind allerdings zu erwarten. 

2) C. L e u w : Ein durch Laparotomie geheilter Zwerchfell¬ 
bruch. (Aus dem Cantonsspital Glarus.) 

Bisher der erste Fall mit glücklichem Ausgang. Der Bruch 
war wohl bei früherem Trauma entstanden und machte Symptome 
eines unvollständigen subacuten Darmverschlusses. Die Reposi¬ 
tion des Bruchinhaltes konnte nicht vollständig gemacht werden. 
Anlegung eines künstlichen Afters, der bald versiegte. 

PI s c h i n g e r. 

Oesterreichische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1900. No. 15. 

1) A. E 1 z h o 1 z - Wien: Ueber Beziehungen der Korsa- 
k o f f'sehen Psychose zur Polioencephalitis acuta haemor- 
rhagica superior. 

Verf. erörtert zunächst die polyneuritische Psychose nacli 
Korsakoff mit eingehender Würdigung der darüber vor¬ 
handenen Literatur, besonders auch mit Rücksicht auf die K.’sche 
Theorie betr. der zu Grunde liegenden Toxaemie, um sodann das 
Wesen der W e r n i c k e’schen Polioencephalitis (conjugirte 
Augenmuskellähmungen, Störungen des Ganges, Bewusstseins¬ 


alterationeu u. a.) zu besprechen nebst den Moiiiflcationeu, welche 
spätere Autoren an dem ursprünglichen Krankheitsbilde Vor¬ 
nahmen. Besonders wichtig in letzterer Hinsicht sind die Fälle, 
welche in Heilung ausgingen. In 6 letzterer fand sich eine Com- 
bination des Leidens mit der sogen, polyneuritisclien Psychose. 
Der alkoholischen Polioencephalitis scheint die Tendenz inue zu 
wohnen, sich regelmässig mit der Korsakof f’schen Psychose 
zu combiniren. Der pathologisch - anatomische Befund bei der 
polyneuritisclien Psychose kann mit den Befunden bei der Wer- 
nick e’selien Polioencephalitis im Wesentlichen übereiiistimmeu. 
Näher kann auf den ausführlichen Vortrag hier nicht eingegangen 
werden. 

2) I). P u p o v a c - Wien: Ein Beitrag zur sogen, retrograden 
Incarceration. 

Der Ausdruck, von Maydl stammend, bezeichnet den Zu¬ 
stand, dass der incarcerirte Theil des betr. Organes bauchwärts 
vom inearcerirenden Ringe gelegen ist. Das betrifft hauptsächlich 
Tube und Wurmfortsatz. 

In dem 1. der vom Verf. beschriebenen Fälle (80 jähriger 
Diener, 10 Tage post operat. an Lobulärpneumonie gestorben) 
handelte es sich um ausschliessliche Erkrankung des Process. 
vermiform., dessen peripherster Theil bauchwärts vom Bauchringe 
lag und am schwersten geschädigt war. Der Wurmfortsatz war 
lang und hatte ein freies Mesenterium. Nur 1 ähnlicher Fall ist 
von Rose beschrieben. Im 2. Fall (46 jähriger, operativ ge¬ 
heilter Patient) betraf die retrograde Incarceration das Netz. 
Verf. bespricht noch das Unzutreffende des Ausdrucks „retrograde 
Incarceration“. 

3) R. Sa vor-Wien: Zum Artikel von Schenk und 
Austerlitz: „Weitere Untersuchungen über den Keim¬ 
gehalt der weiblichen Urethra“. (Wien. klin. Wochenschr. 1900. 
p. 319 ff.) 

S. führt gegenüber den Befunden der beiden Autoren aus, 
dass ihre Untersuchungsmethode abweichend von der seinigen 
war, wodurch die erhaltenen Resultate nicht vergleichbar würden. 

Dr. Grass mann - München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität Königsberg. Januar 1900. 

3. Kreis Samson: Experimentelle Beiträge zur Lehre von den 
Wirbelluxationen. 

4. Radilowsky Mendel: Beiträge zur Therapie schwerer 
Skoliosen. 

Februar 1900. 

5. P u p p e 1 Ernst: Beiträge zum Studium der Ausbreitung des 
Gebärmutterkrebses in praeformirten Lymphbahnen. 

6. L i e p m a n n Paul: Ueber das Vorkommen von Talgdrüsen 
im Lippenroth des Menschen. 

März 1900. 

7. Friedenthal Adolf: Beitrag zur Kenntniss der embryo¬ 
nalen Schädelentwicklung. 

8. Neu mann Paul: Ein neuer Fall von Teratom der Zirbel¬ 
drüse. 

9. Schwartz Conrad: Ueber ein Teratoma testis. 

10. Streit Hermann: Ueber Vitiligo. 

11. Collmann Beno: Fünf Fälle von Balantidium coli im Darm 
des Menschen. 

12. S o k o 1 o w s k y Ralph: Beitrag zur pathologischen Anatomie 
der Lepra. 

13. M e n d e 1 s o h n Georg: Ueber Epilepsie in der Schwanger¬ 
schaft. 

Universität Würzburg. März 1900. 

22. Bevermann Willy: Zur toxischen Beeinflussung des Ge¬ 
ruchssinnes. 

23. Bonsmann Fritz: Zur Casuistik der Becken Verletzungen 
bei künstlichen Geburten. 

24. Bramkamp Heinrich: Ein Beitrag zu den Deformitäten 
des Brustkorbes (Pectus obliquum). 

25. Gundert Gustav: Die Häufigkeit des Vorkommens der 
Mastitis puerperalis an der Würzburger Universitäts-Frauen¬ 
klinik in den Jahren 1889—1899. 

26. Heizer Heinrich: Ein Fall von Aneurysma des Truncus 
thyreocervicalis. 

27. Kalkbrenner Paul: Ueber den natürlichen Farbstoff der 
rothen Wurstwaaren. 

28. Kon dring Johannes: Ueber Osteotomia subtrochauterica 
obliqua bei Luxatio coxae congenita. 

29. Kress Hermann: Zur Frage der functioneilen Anpassung. 

30. Pottgiesser Gustav: Acht Fälle von Rhinophym. 

31. Rosenberg Wulf-Wladimir: Beiträge zur Kenntniss der 
Bacterienfarbstoffe, Inbesondere der Gruppe des Bacterium 
prodigiosum. 

32. W o k e n i u s Hugo: Polyneuritis acuta infectiosa. 


Vereins- und Congressberichte. 

29. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 
in Berlin vom 18.—21. April 1900 siehe S. 594. 


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592 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17 . 


Aerztlicher Verein in Hamburg. 

(Eigener Bericht.) 

Sitzung vom 10. April 1900. 

Vorsitzender: Herr Kümmell. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr Kellner demonstrirt das Gehirn eines 12jährigen 
Idioten, der im Leben die typischen Zeichen der Porencephalie 
geboten hatte. Es fand sich eine ganz besonders stark ausge¬ 
prägte Differenz der Entwickelung der beiden Hirnhälften. Das 
Gesammtgewicht des Gehirnes beträgt 905 g, davon betrifft 4 / a 
die eine und nur der 5. Theil wird von der anderen „m ikro- 
c e p h a 1 e n“ Hälfte ausgemacht. 

2. Herr Kümmell stellt einen Patienten vor, bei dem er 
eine extraperitoneale Besection eines Dickdarmcarcinoms mit 
Erfolg ausgeführt hat. 

Bei dem wegen „Mageucareinom“ operirten Kranken fand 
man ein in das Kolon ascendens intussuscipirtes Coecumcarcinom, 
dessen Entwirrung mit Schwierigkeiten gelang. Der Kranke war 
zu elend, um eine ausgedehnte Darmreseetion vorzunehmen. K. 
beschloss, die Bauchhöhle dauernd abzuschliessen und resecirte 
nach Abschluss derselben den nach aussen gelagerten Darm¬ 
tumor. Später wurden die beiden Darmstücke angefrischt und 
durch Darmnaht vereinigt, in einer weiteren kleinen Nachoperation 
wurde die Bauchhaut darüber vernäht In Fällen, in denen der 
Kräftezustand die Vornahme von primären Iieseetionen nicht ge¬ 
stattet, empfiehlt K. diese Methode, die ihm bereits mehrfach 
gute Resultate gegeben hat. 

II. Vortrag des Herrn Eoss (als Gast): Einwirkung des 
Sauerstoffs auf Herz- und Arterienarbeit. 

Ausgehend vom physiologischen Experiment, dass ein Muskel, 
speeiell der Herzmuskel, in Sauerstoff länger und ergiebiger con- 
tractionsfähig bleibt, als in athmosphärischer Luft, hat F. Sauer¬ 
stoff inhalationen in allen solchen Fällen verabreicht, wo ihm ein 
erhöhtes Sauerstoffbedürfniss vorhanden zu sein schien. Dies ist 
vor Allem im heissen Bade der Fall. Die üblen Nebenwirkungen 
heisser Bäder und insbesondere heisser Moorbäder: Angst; Herz¬ 
klopfen, Pulsfrequenz, Schlaflosigkeit sind die Folge der durch 
das heisse Bad verursachten ungenügenden Athmung. Liess F. 
nun Sauerstoff (etwa 3 Bomben pro Bad) inhaliren, so verschwan¬ 
den die lästigen Nebenwirkungen. Um den Erfolg dieses thera¬ 
peutischen Vorgehens, der in 23 Fällen nicht vermisst wurde, zu 
illustriren, hat F. vergleichende Pulscurven auf¬ 
genommen, die er mittels Projeetionsapparat demonstrirt und 
erläutert. Der Vortrag wird ausführlich in der Zeitschrift 
für Krankenpflege erscheinen. 

Discussion : Herr G 1 e i s s bespricht den günstigen 
Einfluss der Sauerstoffiuhalationen bei Chloroformasphyxien. Er 
hat sich 1895 auf Schede’s Veranlassung eingehend mit dieser 
Frage befasst und damals mehrere evidente Erfolge gesehen. 
Auch eine Verstärkung der Pulswelle liess sich sphygmographisch 
nachweisen. 

Herr Kümmell hat nach Schede’s Fortgang die Sauer¬ 
stoffinhalationen bei Narkosezufällen noch mehrere Jahre fort¬ 
setzen lassen, ist aber jetzt ganz davon zurückgekommen, da er 
immer den Eindruck gehabt hat, dass die günstig verlaufenden 
Fälle auch ohne Sauerstoff gerettet wären und er mehrere Todes¬ 
fälle trotz Sauerstoff erlebt hat. Er bespricht kurz die Sauer¬ 
stoffbehandlung localer Asphyxien (beginnende spontane Gangraen), 
die scheinbar einzelne Erfolge aufzuweisen hat. Werner. 


Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln. 

(Bericht des Vereins.) 

Sitzung vom 27. November 1899. 
Vorsitzender: Herr Leichtenstern. 
Schriftführer: Herr Dreesmann. 

1. Herr G r o t h e : Zur Behandlung der habituellen 
Schultergelenksluxation, mit Demonstration. 

(Der Vortrag erscheint ausführlich in dieser Wochenschrift.) 

2. Herr Huismans: Morbus Addisonii. 

(Der Vortrag ist veröffentlicht in No. 13 dieser Wochenschr.) 

3. Herr Goldberg: lieber Prostatitis gonorrhoica. 

Die bisher vorwiegend bekannten Arten der Betheiligung der 

Prostata an der Gonorrhoe, die Prostatitis parenchymatosa und 
die Prostatorrhoe, sind die seltensten Erscheinungsformen der 
Prostatitis gonorrhoica. 

Die Gonorrhoen, welchen durch die Prostataaffection eine be¬ 
sondere Eigenthümlichkeit verliehen wird, lassen sich klinisch 
gruppiren in folgende Arten: 

1. Anscheinend Urethritis anterior, Prostatitis latent; 

2. Urethritis totalis mit Prostatitis, acut und subacut; 

3. vereiternde Prostatitis, Prostataabscess; 

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4. chronische Prostatitis, mit oder ohne Neurasthenie, mit 
oder olme Prostatorrhoe. 

Vortragender bespricht im Einzelnen die Krankheitsbilder. 

Die Prognose der Gonocoeeeninfection der Prostata ist 
im Allgemeinen günstig, wenn auch langdauernde Beobachtung 
und Öftere baeteriologische Untersuchungen des Secrets zu einem 
diesbezüglichen Urtheil erforderlich sind. Die Prognose der Er¬ 
krankung quoad restitutionem ist dagegen stets zweifelhaft. 

Die Therapie erörtert G. sowohl hinsichtlich der einzelnen 
Formen, wie der verschiedenen Technieismen und ihrer Begrün¬ 
dung. 

Herr W a 11 e r s t e i n : Ich möchte mir die Anfrage g»* 
statten, in wie vielen seiner Fälle es dem Gollegen G o 1 d b e r g 
gelungen ist, das Secret der im Anschluss an eine Gonorrhoe ei¬ 
lt rankten Prostata gonoeoccenfrei zu machen. Meines Erachtens 
kommt es wesentlich darauf an, wenigstens für die Frage der 
Infectionsgefahr. Ob das Secret der Prostata sonstwie abnorm 
ist oder bleibt, ob ihm eine mehr oder weniger grosse Anzahl vou 
Eiterkörperchen beigemischt ist, ist ja gewiss nicht gleichgiltlg, 
aber man darf diesem Verhalten doch auch keine übertrieben 
hohe Bedeutung beimessen. Wenn man bedenkt, dass der über¬ 
wiegende Theil unserer männlichen Bevölkerung sich einmal eine 
Gonorrhoe zugezogen hat und dann berücksichtigt, in wie vielen 
Fällen das Leiden zur Ausheilung kommt, ohne dass die Prostata 
einer besonderen Behandlung unterzogen wurde, so möchte Ich 
doch glauben, dass dieser Prostatitis nicht die Gefahr inne wohnt, 
wie man nach den Ausführungen des Herrn Vortragenden an¬ 
nehmen müsste. 

Medicinische Gesellschaft zu Leipzig. 

(Offlcielles Protokoll.) 

Sitzung vom 6. März 1900. 

Vorsitzender: Herr B a h r d t. 

Schriftfülirer: Herr W indscheid. 

Herr J. Lange stellt ein 8 Monate altes, hereditär- 
luetisches Kind vor, bei dem sich im Alter von 19 Wochen im 
linken Stirnbein ein grosser Defect, der fast bis an die Orbita 
reichte, ausbildete. Belm Schreien wölbte sich der Schädelinhalt 
genau wie bei der grossen Fontanelle vor. Gleichzeitig bestand 
eine sehr hochgradige Kraniotabes. Unter Phosphorbehandlung 
bildete sich der Defect spurlos zurück, ziemlich gleichzeitig mit 
der Kraniotabes, so dass nach ca. 7 Wochen nichts mehr nachzu¬ 
weisen war. 0 Wochen später entwickelte sich auf beiden Stirn- 
hülften je eine ca. fünfpfenniggrosse, kreisrunde dellenförmigc 
Vertiefung, die aber den Knochen nicht perforiren, auch keinen 
erhöhten Rand zeigen. Allgemeinbefinden ungestört. 

Die Diagnose bleibt zunächst in suspenso. Der erste Vor¬ 
gang ist wohl als rhaehltisclie Kraniotabes aufzufassen, während 
die Dellenbildung eher der Lues zuzuschreiben ist. (Autoreferat.i 

Herr Schwarz demonstrirt zwei Fälle von trachomatöser 
Hornhautentzündung. 

Herr Eollmann : Eigene Erfahrungen über cysto- 
skopische intravesicale Operation gutartiger Blasengeschwülste 

(mit Demonstration). 

Bisher sind es nur wenige Autoren gewesen, welche eigene 
Erfahrungen mittheilten über Operation von Blasengeschwülsten, 
die vermittels der von N i t z e angegebenen cystoskopischen intra- 
vesiealen Methode ausgeführt wurde. Ausser der bekannten 
grossen Veröffentlichung von Nitze selbst (Centralbl. f. d. 
Krankh. d. Harn- u. Sexualorgane 1896, H. 7 u. 8) und einigen 
kleineren, besitzen wir noch die ausführliche Beschreibung eines 
erfolgreich operirten Falles von Papillom durch Görl (das 
gleiche Centralbl. 1896, H. 3), und 1897 bemerkte Viertel in 
seiner vortrefflichen Darstellung der physikalischen Unter¬ 
suchungsmethoden der weiblichen Blase (Handbuch der Gynäko¬ 
logie von V e i t, 2. Bd.), dass er die Nitz e’sche Methode eben¬ 
falls ausübe. Endlich ist noch L. C a 9 p e r zu erwähnen, der in 
seinem Handbuch der Cystoskopie 1898, bei Gelegenheit der Be¬ 
sprechung des von ihm modificirten Instrumentariums, mittheilte, 
3 Tumoren — darunter ein Carcinom — intravesical operirt zu 
haben. 

Anknüpfend an die im Vorstehenden citirten Publicationen 
berichtete K. über 15 Fälle von Blasengeschwülsten, die er im 
Laufe der letzten 5 Jahre beobachtet hat; einige davon wurden in 
verschiedener Weise chirurgisch behandelt, in 7 Fällen nahm K. 
aber intravesicale Operationen vor. 

In 2 von diesen Fällen handelte es sich um Carcinom; hier 
wurden weitere intravesicale Eingriffe sistirt, nachdem durch die 
Mikroskopie der schon bei der Cystoskopie entstandene Verdacht 
auf das Bestehen einer malignen Geschwulst bestätigt war. 

Der längste Dauererfolg vollständig gelungener intravesicaler 
Operation, den K. vorläufig zu verzeichnen hat, betrifft einen Fall 

Original from 

UNIVERSITtf OF CALIFORNIA 



24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


593 


von wallnussgrossem Papillom bei einem jungen Mann, mit dessen 
Entfernung im Februar 1897 begonnen wurde; die letzte Revision 
wurde 3 Jahre später vorgenommen und zeigte vollständiges 
Fehlen jeglichen Recidivs. Die übrigen Fälle von intravesical 
operirtem Papillom vertheilen sich auf das gleiche und die folgen¬ 
den Jahre, ebenso auch die oben erwähnten Fälle von Careinom. 

Im Ganzen wurden von K. bis zum heutigen Tage etwa 60 
intravesicale Sitzungen vorgenommen, die von Erfolg begleitet 
waren. Blutungen von Belang traten nur nach einer einzigen 
Sitzung auf, aber auch in diesem Falle schwanden sie wieder von 
selbst bei entsprechendem exspectativen Verhalten. Andere Com- 
plicationen hat K. bisher noch niemals beobachtet, vor Allem 
keinen Blasenkatarrh, abgesehen von ganz minimalen und schnell 
wieder verschwindenden Erscheinungen, die hierauf zu beziehen 
wären; von Entzündungen der Prostata, des Hodens oder Neben¬ 
hodens, oder der oberen Harnwege und der Niere wurde aber in 
keinem Fall auch nur die geringste Andeutung wahrgenommen. 

K. muss nach seinen bisherigen Beobachtungen die von 
N i t z e gemachten Angaben in jedem Punkte bestätigen; dag 
Verfahren verdient die Beachtung aller Fachgenossen in vollstem 
Maasse. Leicht ist die dazu nöthige Technik keinesfalls, oft wird 
sie sogar ganz ausserordentlich schwierig; aber in den für die 
Operation passenden Fällen von gutartigem Papillom, vor Allem 
solchen, die frühzeitig diagnosticirt werden, darf die Nitz e’sche 
Methode wohl darauf rechnen, den Kampf mit der Sectio alta 
siegreich zu bestehen. 

Herr Menge: Heber Urinbefnnde nach Nierenpalpation. 

Der Vortrag erscheint ausführlich in dieser Wochenschrift. 

Sitzung vom 20. März 1900. 

Herr Trendelenburg demonstrirt das Epidiaskop 
und die neu erbaute chirurgische Klinik. 

Wiener Briefe. 

(Eigener Bericht.) 

Wien, 21. A p r i 1 1900. 

Eine Warnung. — Die Stellung der Regierung zu den 
Aerztekammern. — Zahl der Mediciner. — Ruptur eines 
Aneurysma der Carotis int. an der Hirnbasis, Unterbindung 
der Carotis communis, Exitus. 

Der Verband der Aerzte Wiens hat jüngst die folgende 
„Warnung" publicirt: „Mit Bezug auf ein vor Kurzem in einem 
Wiener Tagesjournale eingeschaltetest Inserat, durch welches 
eine Meisterkrankencasse mehrere Controlärzte 
sucht, wird seitens des Verbandes der Aerzte Wiens in Erin¬ 
nerung gebracht, dass laut Beschluss des allgemeinen Wiener 
Aerztetages und der Wiener Kammer die Annahme einer solchen 
Stelle standeswidrig ist und einem Verratlie an der Ge- 
sammtheit der Collegen gleichkommt,“ Nun bestehen in Wien 
bereits mehrere Meisterkrankencassen, welche derartige, fix be¬ 
stellte Controlärzte aufweisen, trotz Aerztetag und trotz Aerzte- 
kammer, und hieran wird wahrscheinlich auch die jüngste 
Schöpfung, der sog. „Verband der Aerzte Wiens“ leider nichts 
ändern. Es gibt eben unbotmässige Collegen, die eigene Wege 
gehen, wenn auch die Gesammtheit in moralischer und materieller 
Hinsicht hiedurch intensive Schäden erleidet. 

Dass unsere Behörden bezüglich der Werthschätzung der 
Institution der Aerztekammern und implicite des ärztlichen 
Standes gar sonderbare Ansichten haben, das geht aus einem 
Circular des Präsdenten der Vorarlberg’schen Aerztekammer her¬ 
vor, welches jüngst die Runde machte, d. h. allen Aerztekammern 
Oesterreichs zur Kenntniss gebracht wurde. Die Kammer in 
Vorarlberg hatte gegen zw r ei Aerzte, welche trotz der Bestim¬ 
mungen der Aerztekammer pauschalirtc Cassenstellen ange¬ 
nommen und trotz der an sie ergangenen ehrenräthlichen „Ver¬ 
warnung“ die Stellen beibehielten, ein ehrenräthlichovS Urtheil 
gefällt mit Geldbusse, wogegen die zwei Aerzte an die Statt¬ 
halterei für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck Recurs ergriffen. 
Diesem Recurse wurde Folge gegeben, das ehrenräthliche Urtheil 
aufgehoben, weil der Ehrenrath „die Competenz überschritten 
habe“, dadurch, dass er eine Strafe gegen eine Handlung von 
. Aerzten beschlossen habe, welche in anderen Körperschaften so¬ 
wohl als auch im Krankencassengesetze zulässig, ja sogar durch 
die allgemeinen Strafgesetze nicht einmal verpönt sei. 

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Gegen diese Entscheidung gab's keinen Itccurs, doch existirte 
für die Aerztekammer noch der § 3 des Kammergesetzes, der es 
zulicss, dass sie sich an die Behörde mit einem „Anträge und 
Anliegen“ wende, um authentischen Aufschluss über die Com¬ 
petenz der Kammer und des Ehrenrathes zu erhalten, damit 
in Hinkunft solche ungerechte ehrenräthliche Urtheile nicht 
mehr gefällt werden und damit die politischen Landesbehörden 
nicht mehr beschäftigt werden müssten. Die Frage war ja eine 
principielle und man hätte erwarten sollen, dass das Ministerium 
des Innern diese Gelegenheit gerne ergreifen würde, um die 
Competenz der Aerztekammern Oesterreichs streng zu um¬ 
grenzen. Es kam ganz anders. Nach fast zweij ährigein 
Zuwarten antwortete das Ministerium in einem Erlasse, dass der 
Aerztekammer in diesem Falle das Recht einer — „Berufung“ 
nicht zukomme! Sie hatte ja gar nicht recurrirt, sie hatte bloss 
gebeten, ihre Competenz zu umgrenzen, damit sie und die 
Schwesterkammern in Oesterreich in Hinkunft ihr Vorgehen 
darnach einrichten. In der Antwort des Ministeriums geschieht 
nicht einmal Erwähnung über die gestellte Frage, ob die Aerzte¬ 
kammern competent seien, die Beschlüsse, welche sie einstimmig 
gefasst haben und welche von der Aufsichtsbehörde (Statthalterei) 
nach § 14 des Kammergesetzes nicht inhibirt oder beanstandet 
wurden, auch durchzuführen, oder ob es jedem kammerpflich¬ 
tigen Arzte freistehe, die Beschlüsse der Kammer zu befolgen 
oder nicht. „Somit wäre der Ehrenrath der Aerztekammer — 
so klagt der Präsident der Vorarlberg’schen Kammer — auf 
Gnade und Ungnade der politischen Landesbehörde anheim¬ 
gegeben und gegen solche politische Entscheidungen in Ehren¬ 
rathsachen der Aerzte gibt’s keine weitere Berufung, sondern die 
Kammer hat sich der unfehlbaren Weisheit eines oder mehrerer 
politischer Beamten zu unterwerfen.“ 

Und weiter: „Man sollte vorerst annchmen dürfen, dass 
gegen eine Entscheidung des Ehrenrathes in merito keine Ein¬ 
wendung oder Berufung zulässig wäre, wie solche auch bei der 
Advocatenkammer oder militärischen Ehrengerichten nicht zu¬ 
lässig ist; denn über den Ehrbegriff im ärztlichen Stande 
urtheilt doch die ärztliche Körperschaft, nicht ein politischer 
Beamter, welcher in seinem Stand«' vielleicht andere Ehrbegriffe 
kennt. Es spricht aber auch das Kammergesetz dafür, dass der 
Ehrenrath c o m p o teilt ist, gegen Aerzte, welche ihre Pflichten 
als Angehörige der Aerztekammer verletzt haben, strafend vorzu¬ 
gehen. Damit aber strafend vorgegangen w r erden darf, muss docli 
ein meritorisches Vergehen constatirt sein, über das nur der 
Ehrenrath entscheidet.“ 

Der Schluss lautet: „Das Gesetz ist. unvollständig, mangel¬ 
haft und in keiner Weise den erwarteten Erfolgen entsprechend. 
Eine Abänderung wäre dringend nüthig, aber bei der jetzigen 
Oonstellation wohl aussichtslos.“ Bleibt also bloss die Selbst¬ 
hilfe der Aerzte übrig, um durch Organisation und Consolidirung 
die honorigen Aerzte gegen einzelne renitente Collegen zu 
schützen. 

An der Wiener medicinisehen Facultät waren im abge¬ 
laufenen Wintersemester 2108 Hörer inseribirt, von welchen 
1270 ordentliche, 160 ausserordentliche waren, ferner 661 Fre¬ 
quentanten und 17 llospitantinnen (14 Russinnen). Gegenüber 
dem Wintersemester des Vorjahres ist die Zahl der Mediciner 
gesunken, und zwar hat die Ziffer der ordentlichen Hörer um 112, 
der ausserordentlichen Hörer um 100 a b g e n o m m e n. 

In der Vorwoche demonstrirte Dr. Karplus in unserer 
Gesellschaft der Aerzte das anatomische Präparat eines Falles, 
bei welchem intra vitam die Diagnose auf ein rupturirtes Aneu¬ 
rysma der Carotis interna an der Hirnbasis gestellt und Heilung 
durch Unterbindung der Carotis communis versucht worden war. 
Der ungemein interessante Fall verlief folgendermaassen: 

Eine 69 jährige Frau, anscheinend gesund, wurde plötzlich 
von einem stechenden Schmerze befallen, der vom linken Unter¬ 
kieferwinkel zum Scheitel hinaufzog. Seither heftige Kopf¬ 
schmerzen linkerseits, zugleich ein Rauschen im linken Ohre; zwei 
Tage später leichte Ptosis links, die allmählich an Intensität zu¬ 
nahm, linker Exophthalmus. Doppelsehen beim Emporheben des 
linken Augenlides. An der Klinik Krafft-Ebing’s wurde 
ausserdem constatirt: Arteriosklerose der tastbaren Gefässe, 
Hypertrophie des linken Ventrikels, eine Spur Eiweiss im Harne; 
ferner Parese des linken N. abducens und der äusseren Aeste des 
linken N. oculomotorius. Legte mau das Ohr an den Kopf der 
Kranken, so hörte man ein lautes Geräusch, das rhythmisch, mit 
dem Puls synchron und links deutlicher zu hören war als rechts, 
am lautesten hinter der linken Ohrmuschel. Man hörte das Ge¬ 
räusch auch auf eine Distanz von mehreren Centimetern vom 

Original frnm 

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rM 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


No. 17. 


Kopfe: Cnmpression der linken Carotis communis am Halse 
brachte das Geräusch zum Verschwinden. (legen die anhaltenden 
Kopfschmerzen Eisbeutel und Antineuralgiea mit vorübergehender 
Erleichterung. 

Der Vortragende begründete seine Diagnose auf Ruptur eines 
kleinen Aneurysma der linken Carotis interna an der Hirnbasis. 
Die Kranke willigte in di*» Operation (‘in. welche von Professor 
v. Mosetig vorgenomnion wurde. Nach l’nterbindung und 
Durchsclmeidung der linken Carotis communis am Halse» waren die 
Ivoptschmerzen mit einem Schlage» verschwunden und kehrten nicht 
wieder; das auch von de»r Kranken wahrgenommono Sause»n ver¬ 
lor sich im Laufe» de»s niiehstem Tage»« nach und nach vollkommen; 
ebenso.schwand der Exophthalmus, der Bulbus war nicht empfind¬ 
lich, die» Ptosis und die» Parese gingen zurück, Patientin war über¬ 
glücklich. Leider trat schon Tags darnach Herzschwäche ein, 
welche»! - sich rechtsseitige Hemiplegie mit Aphasie hinzuge»sellton; 
Lobuliirpnemmonie. Exitus nach einigen Tage»n. 

Die» von Prof. W e» i c h s e» 1 b a u m vorgenoiniheno Scetion 
beslät igte die klinische» Diagnose. An eh»r linki»n Carotis im Sinus 
cavernosus ze»igt das Präparat ein sackförmiges. Haches, etwa 1 cm 
langes Aneurysma, welches an der medialen Wand eine» .‘1 cm lange, 
von einem Thrombus verstopft.» Bissstelle aufweist. Der Circulus 
art. 5\ illisii war normal e*nt wickelt, die» basale»» Hirngefässc wenig 
arteriosklerotisch, nirgends thrombosirt: die linke» Ilinihemisphäre 
erweicht, die» Herzmuseailatur fettig elegeiu»rirt, von Seliwielen 
durchsetzt. In einem ähnliche»» Palle» müsste», trotz ele»s Exitus, 
wieder eiu operativer Eingriff in Erwägung gezogen werden. 


29. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. 

Berlin, IS.—21. April. 

Referent: Dr. Heinz Wollige m u t. h - Berlin. 

I. Sitzungstag: Vormittagssitzung. 

Der Vorsitzende, Herr v. B e» r g m a n n - Berlin. be»griisst die 
Versammlung und gibt in kurzen charakteristischen Zügen ein Bild 
vom Standpunkt. de»r Chirurgie» von heute in (Jege;»nübe»rstellung der 
grossen Errungenschaften des vergangenen .lahrlumderts zu dem 
Können im Anfänge desselben. Er betont, wie das vergangene 
Jahrhundert sieh vor Alle»m um die Erforschung el:»r Entstehung 
und Be»handluug der bösartigen Geschwülste verdient gemacht 
hat. der auch die heutige» Vormittagssitzung ge»wielmet ist. Erster 
Vortragender ist 

Herr C z e r n y - Hcid(»lh<»rg über die Behandlung inope¬ 
rabler Krebse. 

Nach de»n Statistiken, so führt Redner aus, seien 75 Proe. aller 
chirurgischen Carcinome» inoperabel. Nach Dülirsscn werde 
von den (’areinomcii des rte»rus nur der lo. Tlu»il geheilt. Das 
ist gewiss ein trauriges Resultat, und er ist. durch diese schlechten 
Resultate zu dem wohlüberlegten Schluss gekommen, dass er einen 
Patienten mit e»iiiem inoperaiüi»n oder schwer zu ope»rirenelen Car¬ 
einom lieb«»r in der Hoffnung, doch noch gesund zu werden, zu 
Grunde» gehen sieht, als dass e»r mit so traurigem Resultat, 
welches die beste Operation oft nicht vermeiden kann, operirt wird 
und seine Hoffnung auf Genesung schwinden sieht L>as Ver- 
ti »uien zum Arzt ist eine Hauptsache gerade» bei den bösartigen 
(Jeschwülstou. Nur durch die Ersehütterung desselben Lallen 
die Patienten oft der (Tirpfuselierei anheim. Hier haben Arzt und 
Publicum zu gleichen Theilen Schuld. Hei letzterem ist es zumeist 
der \\ underglaube an versehie»elene pflanzliche» oder auch sym¬ 
pathische Mittel, der die Schuld trägt, dann aber auch elie Le»ieli*tig- 
keit, mit der heutzutage der Patient andere» Aerzto unter Um¬ 
gehung seines Haus- oder behandelnden Arzte*« fragt. Der Haus¬ 
arzt ist in vielen Fällen nur der dünne sympathische Nervoustraug 
der zum Specialisten liinl(‘ite»t. An den Aerzten liegt die Schuld! 
weil die Diagnose» Careinom für viele ein Horror ist. Viele junge 
Ae'izte» ke»ime»ii lind viele ältere» wollet! damit nichts anfangeu, wenn 
sie den Fall für innpcrahe»l halte*». Doch muss e*r gerade* ein 
Hauptgewicht. auf dieBehandlung diesen* Art von Careinomen le*gen. 
Mit der Diagnose „Krebs“ will er überhaupt „alle* bösartigem Ge¬ 
schwülste bezeichnet wissen, welche we»iter wuchern und durch 
Infcction oder Marasmus seldie»sslk;h zum Tode führen". Soll man 
nun jedem Krebs operiivn: Soweit wie» möglich, ja. sogar bei dem 
so «ehr gefürchteten Carcinoma lenticulare will e»r eine» Exstir- 
patiem weit im Gesunden versucht wissen. Manchmal gelingt cs. 
ihn so zu lu»ile»n. Drei Dinge» sind e»s. die vor Allem bei der Behänd! 
lung de»« Careinoms vermieden werden missen: Blutung. Jauchung 
unel Schmerzen. Als 1’alliativope‘raiion kommt hier manchmal die 
T nte'rbiiielung der zuliihivnden Gefässe in Betracht, wie sie beim 
/unge»iieareinoin sieh nicht selten von gutem Erfolg erweist 
erner die* Aush.tYelimg und das Ferrum candens. Durch Aus¬ 
schabung und Aetzung bringen wir dein Patienten oft Erleichte¬ 
rung und manchmal Heilung. Die» Aetzung soll am besten eine 
chemische sein und hier haben sieh ihm die» 20—50 proe. Chlorzink- 
]"jungen, mit denen Gaze»streifen befeuchtet werden und die» Wund- 
iMüde tamponirt wird, am vortheilhaft(»sten gezeigt. Bei flachen 
(»(»schwuren ist auch eine» Actzpaste am Platze». Be*i den Carei- 
nomen der (Vrvix Uteri le»istet der Thermokauter oder eli » Ileiss- 
luttbeliandlung mit nachfolgender Aetzung gute Dienste, nur soll 
man nicht vergessen, die Scheide» gut einzufetten unel sie» nachher 
1,111 m o proe. Na Cl-LÖsung getauchten Gazestreifen gut auszu¬ 
stopfen. Auch he»i Reetumeareinom hat C. gesehen, da«« nach 
J lllo ^'>‘l< ; itz.ing e»in vorher für inoperabel gelialte»nes Care-inom 
Im»\\ (»glich wurde» und dann exstirpirt werden konnte. Be»i reei- 
djvlrte'iu ( nivinom der Clavieula, des Gesichtes etc. konnte er nach 

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10 öO proe. Chlorainkätzung fast stets einen guten Erfolg am- 
weiseii. Bei 48 I’teruscarcinomen erreichte er nach Ausschabung 
uml Tamponade kein Resultat, dagegen uacli weiterer Chlorzink- 
ätzung Heilung. Vortragender theilt dann noch mehrere Kranken¬ 
geschichten mit, wo z. B. nach Auslöffelung, Abtragung und 
Aetzung mit 8o proe. Chlorzinklösung bei einem von autoritativer 
Se»ite» für inoperabel gehaltenen Careinom Heilung'erfolgt, ist. Er 
hat auch Actzungcii mit Eormalin als 10—30 proe. Umschlag, mit 
Arsenpaste und Sol. Uenvleri als Injection ve*rsucht, doch die'se 
lunchen Entzündungen und Schmerzen, nicht selten auch Vergif¬ 
tungen. Voll Arsen und .Todkali, von dem Caneroin-Adamkiewicz 
hat er ebensowenig wie von den zahlreichen, anderen Injections- 
mitteln und der elektrische»» Behandlung Nutzen gesehen. Aber 
auch die Pflanzeinnilte»l will er nicht vermissen, wenn er sieht, 
dass der Kranke diese Dinge, die ihm heilkräftig dünken oder von 
deren Heilkraft e*r ge»hört hat. erproben will, we»un er auch zu- 
ge'ben muss, dass alle» Versuche, durch allgemeine Behandlung 
Heilung zu erzielen, nutzlos sei. Ein Lichtblick für die Carcinoni- 
behanellung schien e»s zu se»in, als man erfuhr, dass das Erisypel 
auf die Resorption des Sarkoms so vortheilhaft ein wirkte. aber 
auch diese Hoffnung hat sieh nicht erfüllt. Ueberhaupt werden 
wir zu einer rationelle»» Grundlage für die Behandlung des Carci- 
noms e»rst dann gelangen, wenn elie Ursachen selbst des Carcinoms 
erforscht worden sind. Daher ist. die Initiative des Cultusmiui- 
steriums mit Freuden zu begriissen, welches zu einer Snmniel- 
forseliung zur Erforschung des Krebses auffordert und auch die 
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie sollte dies unterstütze»», und 
zur besseren Erforschung, zum gründlicheren Studium sollten di** 
Careinomkranken in besondere Hospitäler kommen. Die Statistik 
hat ge»z(»igt, dass die» Krebsseuche fortwährend zu nimmt, in Eng¬ 
land ist sie auf das Vierfache gestiegen, in New-York soll sie die 
Tuberculose, den Typhus und die Blattern zusammen um das 
10 faclu» übertreffen. Sie ist in Städten häufiger als auf dem 
Lande, elie Erkrankungen sind um so zahlreicher, je enger und 
dichter die Menschen beisammen wohnen. Das spricht für eine* 
von aussen kommende! Ursache. Daher soll man wie in Laudon, New- 
York und in andere»» Städte»» Cancer-Hospitäler bauen mit allen 
Einrichtungen moderne»!* Forschung und Behandlung. Diese Hospi¬ 
täler sollen nicht Sinecuren für alternde Bezirksä rate sein, sondern 
junge Aerzte mit juge»ndliehem Forscherdrang sollen sie leiten: 
denn keine Krankheit forde*re so sehr das Mitgefühl mit den armen 
Leidenden wie das Careinom. 

Di sc u ss io n. Herr F r i e el r i e li - Leipzig betont, dass 
Thierscli schon in den letzten 20 Jahren seines Lebens der para¬ 
sitären Natur für eine gewisse Reihe von Careinomen zug«*- 
lieigt hat. 

Herr II e 1 f e r ich- Kiel tritt für die Chlorainkätzung ein. 

Herr S t e i n t h a 1 - Stuttgart hat sehr schwere Nach¬ 
blutungen nach Abstossung des Schorfes bei Chlorzlukätzungen 
gesehen. 

2. Herr K r ö n 1 e i n- Zürich: Darm- und Mastdarmcarcinome 
und die Resultate ihrer operativen Behandlung. 

Der deutsche Standpunkt der operativen Behandlung des Mast 
elarmeareinoms wie aller anderen Carcinome wird eigentlich nur 
in Deutschland selbst vertreten. Es sprechen dagegen mehrere 
Dingt»: 1. die schlechten Endresultate, 2. die Mortalität bei der 
Operation. 2. die schlechte»» fimctionelle» Resultate». Um einen 
Ueberblick zu gewinnen, hat er das ganze Material der in Deutsch¬ 
land operirten Carcinome von 11 Kliniken gesammelt. Was nun 
elie? Mortalität anlaiigt, see sind von zusammen 881 in den letzten 
2 Deeennien operirten und exstirpirten Fällen von Carcinoma iveti 
10,4 Proe., d. h. V- aller Fälle gestorben, eine Mortalitätsziffer, di«* 
bei den verschiedenen Autoren natürlich bedeutend schwankt. Der 
eine The*il. 0 Kliniken mit 444 Operationen, habe 12,(5 Proe*. Todes¬ 
fälle, ele»r andere, 5 Kliniken mit 487 Operationen, habe dagegen 
2(5.7 Proe. aufzuweisen. Weun man sieh nun nach der Ursache* 
dieser grossen Mortalität erkundigt, so sieht man, dass an Sepsis 
51.8 Proe., d. li. mehr als die Hälfte an Wundinfeetiou, an (’ollaps 
18 Proe.. an Pneumonie, Embolie etc. 12,1 Proe. zu Grunde ginge»». 
In keiner Beziehung zur Operation starben 15 Proe. An diesen 
Resultaten ist wohl in einzelnen Fällen eine zu weit gestellte In- 
dieation zur Operation schuld, in anderen wohl die Methode» der 
Operation. Iv. unterscheidet 2 Ilauptmethoelen derselben: 1. eli«» 
perineale». 2. die dorsale mit oder ohne Voroperution. Die erste 
greift direct den Mastelarm au, die zweite holt erst das iutmte» 
Mastelarmrohr heraus. Diese Operation wurde zuerst von den fran 
züsische»» Chirurgen Den ein v I liier und Verneuil ange¬ 
geben. bei uns heisst sie elie K o c li e r’sche Methode. Danach (rat 
Kraske mit der osteoplastische» Reseetion de*s Kreuzbeins auf. 
Was nun die Wahl der Operationsmethode anlangt, so verfahre»» 
die meisten Chirurgen ecleetiseh, mit Ausnahme von Höchen- 
egg. der die saerale Methode zum Princip erhebt. In Bezug auf 
die» Dauenvsultate ist der Standpunkt bis jetzt ein sehr pessi¬ 
mistischer. doch wird er besser, wenn man diese Resultate vom 
pathologisch - anatomischen Standpunkt aus betrachtet. Axel 
Ivorst» n hat eine Statistik geliefert, nach welcher in operirten 
und nicht operirte»» Fällen bei an Careinom gestorbenen Patienten 
in fast der Hälfte aller Fälle keine Metastasen in Leber. Milz etc. 
nachziiwe*isen. darum wäre vom pathologisch-anatomischen Stand¬ 
punkt dieser Pessimismus picht gerechtfertigt. Wann sollen wir 
nun eine Heilung als Dauererfolg annehmon? Er glaubt, dass 
2 Jahre genug sind und nach seiner Statistik ist nach diesem 
Grundsatz in J /r aller Fälle ein Dauererfolg aufzuweisen. Aber 
er hat auch 18 Spätrecidive unter allen seinen Fällen aufzuwe»isen 
und daher will er nicht von einer Radicalheiluug, sondern nur von 


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24. April 1900. 


MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


595 


Dauererfolgen sprechen. Der Kreis der Indiention zur Operation 
sollte nicht mehr erweitert werden, das Zulässige ist nach seiner 
Meinung schon überschritten. Man soll Halt machen, sobald die 
Nebenorgane ergriffen sind. Die Reseetion der Blase und der Harn¬ 
röhre hat stets schlechte Resultate geliefert. Lieber solle man den 
Ivreis der Indicationen enger ziehen. Die functioneilen Resultate 
betreffen in erster Reihe immer die Continenzfrage. Beobachtungen 
darüber hat er wenig gefunden, daher will er aus Erfahrungen in 
seiner eigenen Klinik sprechen. Die Continenzfrage hat in den 
Augen der Patienten die grösste Bedeutung, grösser noch als die 
Mortalitätsfrage. Daher soll man möglichst conservirend ver¬ 
fahren, nicht rücksichtslos exstirpiren aus Furcht vor Reeidiven, 
im Interesse gründlicher Säuberung. Entweder ganz oder partiell 
soll ein gesunder Anus erhalten werden und wenn auch nur ein 
Schleimhautstreifen den gesunden Anus mit dem centralen Mast¬ 
darmende verbindet. Er hat nie einen Anus sacralis praeter¬ 
naturalis geduldet, sondern ihn stets geschlossen, und hat in seinen 
39 Fällen in 30 Proc. vollkommene Continenz, relative Con 
tineuz in 60 Proc., absolute Ineontinenz in 10 Proc aufzuweisen. 


Verschiedenes 

Realgymnasium und Medicinstudium. 

In der von der „Badischen Landeszeitung** Aeranstalteten Um¬ 
frage (s. u.) äussert sich Geli.-Rath K u s s m a u 1 Exc. wie folgt: 

Von einer schweren Influenza langsam genesend, bin ich erst 
jetzt im Stande, die an mich gerichtete Frage: ob auch den Abi¬ 
turienten der Realgymnasien der Zugang zum medicinischen Stu¬ 
dium an den Universitäten eiTffnet werden solle, kurz zu beant¬ 
worten. 

Vor allen Dingen ist bei Erörterung dieser Frage festzustellen, 
aus welchen Gründen eine weitere Schleuse eröffnet werden soll, 
um den bereits übermässigen Andrang der Jugend zu dem ärzt¬ 
lichen Berufe zu steigern. Au Aerzten fehlt es in Deutschland 
nicht, die Städte sind von approbirten Aerzten iiberfluthet, auch 
in kleinen Städten haben sich bereits Specialisten verschiedenster 
Art niedergelassen, in jedem etwas grösseren Dorfe sitzt min¬ 
destens ein akademisch gebildeter Arzt, sie fehlen nur an den 
ärmsten Orten, wo sie die Mittel zum Lebensunterhalte nicht 
finden, und auch hier hilft häufig der Staat nach und stellt be¬ 
soldete Aerzte an. Bei diesem ausserordentlichen Wettbewerb 
um die Praxis konnte es nicht nusbleiben, dass eine Menge appro- 
birter Aerzte ihr Auskommen nicht finden; in der That sind die 
ärztlichen Zeitungen voll von ernsten Mahnungen und Warnungen 
vor dein Ergreifen des ärztlichen Studiums. Die grossen Ein¬ 
nahmen einzelner hervorragender Aerzte ändern an der traurigen 
Gesammtlage des ärztlichen Standes nichts. 

Bereits ist im Princip auch der weiblichen Jugend diu* Zugang 
zum ärztlichen Berufe unter den gleichen Bedingungen, wie der 
männlichen, zugestanden, und bald werden mit den männlichen 
approbirten Aerzten weibliche mitbewerbend um die Palme ringen, 
wenigstens in der Frauen- und Kinderpraxis. 

Es wäre unrecht, zu bestreiten, dass unsere humanistischen 
Gymnasien im Grossen und Ganzen die Aufgabe erfüllt haben, ihre 
Schüler für den medicinischen Unterricht auf den Universitäten 
genügend vorzubereiten, wenn auch nicht in Abrede gestellt werden 
soll, dass diese Vorbereitung nach manchen Richtungen hin einer 
Verbesserung fähig und bedürftig wäre. Man hat die Schulung des 
Denkvermögens zu ausschliesslich grammatisch-philologisch be¬ 
trieben, es ist zu wenig geschehen für Schärfling der sinnlichen 
Beobachtung, für Uebung von Hand und Auge Im Zeichnen, für 
Erlernung neuer Sprachen und tiefere Erfassung der eigenen 
Muttersprache. Bei gutem Willen wäre da ohne Schwierigkeit ab¬ 
zuhelfen. Für Mathematik, womit es früher an vielen Gymnasien 
schlecht bestellt war, scheint bereits durch bessere Lehrer und 
Benützung besserer Unterrichtsmethoden ausreichend gesorgt zu 
sein. Hätten die humanistischen Gymnasien ihrer Aufgabe als 
Vorschule für die Universitätsstudien und speeiell das medicinische 
so wenig entsprochen, wie es ihre Gegner behaupten, so würden 
unsere deutschen Aerzte das Ansehen nicht gemessen, dessen sie 
sich in der ganzen Welt erfreuen, sie stehen jedenfalls denen keiner 
anderen Nation nach und übertreffen die meisten an gründlicher 
Ausbildung, deutsche Aerzte sind über alle Welttlieile zerstreut 
und überall geschätzt. An diesem Verdienste haben mit den 
Universitäten auch die humanistischen Gymnasien ihr Theil zu 
beanspruchen. 

Es ist allerdings richtig, dass nach meiner und anderer älterer 
Aerzte Schätzung das Ansehen des ärztlichen Standes im All¬ 
gemeinen in Deutschland gegen früher eher gesunken, als gestiegen 
ist, obwohl die ärztliche Wissenschaft und Kunst immer grössere 
Triumphe erringen und die heutigen Aerzte unendlich mehr posi¬ 
tive Kenntnisse und technische Fertigkeiten besitzen als die vor 
einem halben Jahrhundert. Der Grund davon liegt einzig in dem 
Uebermaass von Aerzten, dem erdrückenden Wettbewerb in der 
Praxis um das tägliche Brod, dem Anwachsen eines ärztlichen 
Proletariats, dem sein erwählter Beruf nicht die nöthigen Mittel 
gewährt zu einer würdigen Lebenshaltung und was noch mehr 
bedeutet, zu stetiger Fortbildung. Zu dieser übleren Stellung hat 
unzweifelhaft der Umstand beigetragen, dass der ärztliche Stand 
sich aus der vornehmen Höhe der edlen Künste zum niedern 
Gewerbe degradiren liess, und die Freigelmng der ärztlichen Praxis 
in Jedermanns Belieben, insofern sie nur auf die Verwendung der 
offlciell als giftige Substanzen bezeichneteu Arzneimittel verzichtet. 
Damit ist das Pfuscberthum zu einer vor der Freigebung unbe¬ 


kannten Höhe empor gewuchert und hat namentlich unter dem 
lockenden Aushängeschild der Naturheilkunde den approbirten 
Aerzten vielfach Abbruch getlian. 

Demnach ist es schon aus socialen Gründen bedenklich, durch 
Erleichterung des Zugangs zum medicinischen Studium und der 
staatlichen Approbation den Andrang zum ärztlichen Berufe noch 
zu steigern, denn als Erleichterung dürfte die Zulassung der Abi¬ 
turienten der Realgymnasien angesehen werden. Je ungeinesseuer 
die Zahl der approbirten Aerzte wächst, desto tiefer wird ihre 
Qualität sinken. Die Zulassung der Abiturienten der Realgymn- 
nasien wäre nur dann gerechtfertigt, wenn diese bessere Garantien 
für die richtige Vorbereitung der Jugend zum medicinischen Stu¬ 
dium böten, als die humanistischen, oder mindestens die gleichen. 
Es sind zwar Stimmen in diesem Sinne laut geworden, der Beweis 
dafür aber wäre erst noch zu erbringen und man sollte gewagte 
Experimente nicht ohne Notli unternehmen. Leute von ungewöhn¬ 
licher angeborener Begabung mögen auch bei ungenügender gym¬ 
nasialer Vorbildung ausgezeichnete Aerzte werden, etwa Avie ein 
Faraday ohne physikalische Durchbildung einer der grössten 
Physiker geworden ist, aber Ausnahmen stossen die Regel nicht 
um, und die Schulen sollen ihre Einrichtungen für die Leute von 
Durchschnittsbegabung treffen. Ich habe wiederholt Gelegenheit 
gehabt, Abiturienten von Realgymnasien und ähnlichen Lehr¬ 
anstalten klinisch zu unterrichten und es ist mir aufgefallen, dass 
es Aveit scliAverer hielt, sie in das medicinische Denken einzuführen, 
insbesondere sic das diagnostische Schliessen zu lehren, als ihre 
humanistisch geschulten Uommilitonen. Andere meiner früheren 
Collegen der Strassburger Facultiit haben dieselbe Erfahrung ge¬ 
macht. Dabei kam mir in Erinnerung, Avas mir vor mehr als 
40 Jahren Justus Liebig gelegentlich einer Unterhaltung über 
den Werth der humanistischen Vorbildung für Aerzte und Natur¬ 
forscher mittheilte. Er habe in seinem Laboratorium die Er¬ 
fahrung gemacht, dass die mit dem Reifezeugniss humanistischer 
Gymnasien bei ihm eingetretenen Praktikanten zwar Anfangs 
hinter den anderen, die eine mehr realistische Vorbildung genossen 
hatten, z. B. hinter geübten und geivaudten Pharmazeuten, die 
bereits vorher in Offieinen gearbeitet hatten, zurückgeblieben seien, 
diese aber doch schliesslich überflügelt hätten und brauchbarere 
Assistenten gOAVorden Avären, als jene. 

Es Aväre einseitig und verkehrt. Avie zuweilen ernstlich em¬ 
pfohlen Avird. die Vorbildung der Mediciner desslialb auf ganz 
oder vorwiegend realistischem Boden einzurichten, AVeil die Heil¬ 
kunst sich allmählich in einen reichen Besitz technischer und che¬ 
mischer Untersuchungs- und Heilmethoden gesetzt hat. Sie sind 
doch nur ein Stück Medicin und nicht die ganze. Die psychischen 
Imponderabilien spielen in der Heilkunst keine geringere Rolle, 
als Specula und Reagentien, Bistouris und Sägen. Der vorzüg¬ 
liche Mathematiker. Physiker und Chemiker kann zum Arzte nicht 
taugen, und das rechte Wort zur rechten Zeit aus dem Munde eines 
erfahrenen, human gebildeten Arztes thut oft grössere Wunder, 
als Arznei- und Wassercuren. Wenn die humanistische Schule 
nicht bloss durch Sprachunterricht das Denken zu schärfen be- 
ZAveckt, sondern im Sinne Mola licht ho ns, aus den alten Schrift¬ 
stellern auf Charakter-, Herzens- und Gemüthsbildung der Jugend 
zu Avirken versteht, ihr ethische, historische und ästhetische Inter¬ 
essen einflösst. so verschafft sie dem künftigen Arzte eine allge¬ 
meine Bildung, die ihn weit über eine lediglich auf das Nützlieh- 
keitsprincip basirte ausschliesslich realistische erhebt. Es gibt 
zu denken und spricht zu Gunsten der bisher in Deutschland ge¬ 
übten gymnasialen Bildung, dass die antiseptische Wundbehand¬ 
lung ZAvar von dem Engländer L i s te r erdacht, aber iu Deutsch¬ 
land zuerst allgemein adoptirt und ausgebildet Avurde. 

Aus diesen Gründen scheint es sich mir zu empfehlen, für 
die Zulassung zum medicinischen Studium und Staatsexamen nach 
Avie vor das Reifezeugniss eines humanistischen Gymnasiums zu 
fordern. Von diesem Grundsätze sollte erst daun abgegangen 
Averden, ivenu die Prophezeihung eiugetroffen sein wird, die der 
geistvolle Geh. Oberschulrath Prof. Dr. Hermann Schiller in 
Leipzig (Deutsche Revue, December 1899, S. 322) ausgesprochen 
hat, dass in nicht ferner Zeit beide Schulkategorieu, das huma¬ 
nistische und das Realgymnasium, die gleiche allgemeine geistige 
Schulung und Vorbildung für alle Avissenschaftlichen Berufs¬ 
fächer, nicht für die Medicin allein, gewähren werden. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

München, 24. April 1900. 

— Bezüglich des Beschlusses des preuss. Staatsministeriums 
über die Zulassung der Abiturienten von Real- 
g y m n a s i e n z u m Studium der Medicin (vergl. No. 15 
d. W.) heisst es jetzt in Berliner Blättern, dass es sich dabei nicht 
um die jetzigen Realgymnasien handele, sondern es sei die Zu¬ 
lassung nach einer Verbesserung des lateinischen Unterrichtes an 
den Realgymnasien unter Wegfall des Griechischen in Aussicht 
genommen. An der Thatsaclie, dass die preuss. Regierung bereit 
ist, den Abiturienten von Realgymnasien das medicinische Stu¬ 
dium zu eröffnen, Avird durch diese Fassung nichts geändert. Bei 
der fundamentalen Bedeutung, welche diese» Thatsaclie für den 
ärztlichen Stand besitzt, muss man sich wundern, wie wenig Notiz 
ärztliche Kreise, auch die ärztliche Fachpresse, bisher von dem 
Beschlüsse des preuss. Staatsministeriums genommen haben. Und 
doch dürfte sich in der Stellungnahme des ärztlichen Standes 
dieser Frage gegenüber nichts geändert haben. Erst vor Kurzem 
hat sich ein hochangeseheuer akademischer Lehrer. Professor 


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No. 17. 


596 MÜNCHENER MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


11. B u c li u e r, iu einem sehr lesenswertlien Artikel (in der 
Deutschen Revue; ein Referat erscheint in unserer nächsten 
Nummer) mit aller Entschiedenheit für das Festhalten an der 
humanistischen Vorbildung der Aerzte ausgesprochen und das 
Ergebnis« einer soeben von der „Badischen Landeszeitung“ veran¬ 
stalteten Umfrage bei Aerzten und Professoren geht ebenfalls dahin, 
dass die überwiegende Mehrzahl der Antworten die gestellte Frage: 
„Empfiehlt es sich, für die Zulassung zum mediclnischen Studium nach 
wie vor das Reifezeugnis« eines humanistischen Gymnasiums zu 
fordern?“ bejaht. Unter den von dem Blatte veröffentlichten Ant¬ 
worten (Beilage zu No. 104, 7. April) sind manche recht bemerkens- 
wertlie; Männer wie Ebstein, G e g e n b a u l*, Kocher. 
K u s s m a u 1, Lüblein, Mauz, Schäle, V i e r o r d t, 
W i n c k e 1 und viele Andere geben ihr mehr oder weniger aus¬ 
führlich begründetes Votum in dem angedeutetem Sinne ab. 
Unter der Minderheit, die den entgegengesetzten Standpunkt ver¬ 
tritt. befinden sich auffallender Weise drei Anatomen, H i s, 
Merkel und Wiedersheim; G egen bau r allerdings 
hält das humanistische Gymnasium für „unerlässlich“, da der Arzt 
nicht auf eine niederere Bildungsstufe herabsteigen dürfe. Leider 
mangelt uns der Raum, um eine grössere Anzahl der Antworten 
hier mitzutheilen; wir beschränken uns darauf, die schönen Worte 
eines Mannes anzuführen, den wir Alle als eine ärztliche Ideal¬ 
gestalt verehren und dessen Worten wir daher erhöhte Bedeutung 
beilegen: K u s s m a u l’s; sie finden sich an anderer Stelle dieser 
Nummer (S. 505). 

Wenn hiernach auzuuehmen ist, dass der ärztliche Stand nach 
wie vor an seinem Standpunkte, die humanistische Vorbildung für 
seine Jünger zu fordern, festhält, so wäre es hohe Zeit, dass er von 
Neuem seine Stimme erhöbe und für seinen Standpunkt mit aller 
Entschiedenheit einträte. Dass man die Aerzte um ihre Ansicht 
fragen wird, scheint ausgeschlossen; sie werden sich selbst 
Gehör verschaffen müssen. Wenn aber erst der Bundesrath ge¬ 
sprochen haben wird, wird es zu spät sein. 

_ Der Ausschuss d e r p r e u s s i s c li e n A erzte- 

kanimern tritt am 21. d. M. in Berlin zusammen, um gegen 
den Beschluss der preuss. Regierung betr. die Zulassung der Real- 
schulabiturieuton zum Studium der Medicin Stellung zu nehmen. 

_ Aus Anlass der Vorstellung des ärztlichen B.'zirksvereins 

Nürnberg über die Auslegung des § 3 der Allerhöchsten Verordnung 
vom 17. December v. Js., den Vollzug des Impfgesetzes 
betreuend, hat das Staatsministerium tles Innern sich zu einer 
authentischen Interpretation dieses Paragraphen herbeigelassen. 
Es ist folgende Erschliessung ergangen: 

„Durch die neueren auf Vereinbarung unter den deutschen 
Bundesregierungen beruhenden Vorschriften über den Vollzug des 
Impfgesetzes, wie sie für Bayern in der Allerhöchsten Verordnung 
vom 17. December v. Js. und der Ministerialbekanntmachung vom 
21. December v. Js. unter No. 01 des Gesetz- und Verordnungs¬ 
blattes zum Ausdrucke gelangt sind, wurde weder an den Bestim¬ 
mungen der Reichsgewerbeorduung noch an jenen des Impfgesetzes 
etwas geändert. 

Nach den §§ 8 und 10 des Impfgesetzes sind „ausser den Impf¬ 
ärzten ausschlieslich Aerzte befugt, Impfungen vorzunehmen und 
wird bestraft, wer unbefugter Weise Impfungen vornimmt“. 

Da hienach für die Befugnlss zur Vornahme von Impfungen 
nur die ärztliche Approbation vorausgesetzt ist, so steht es jedem 
Arzte zu, bei der Ausübung ärztlicher Praxis auch Impfungen vor- 
zunehmen; durch den § 3, Abs. 2 der Allerhöchsten Verordnung vom 
17. December 1890 wird der Arzt in dieser Befugnis« nicht be¬ 
schränkt und ist derselbe nicht gehalten, den dort bezeichneten 
Nachweis hiefür zu erbringen. 

Der § 3, Abs. 2 a. a. O. bezieht sich nur auf solche Aerzte, 
welche öffentlich oder privatim allgemeine Impfungen ausführen 
und im Sinne des Abs. 3 jenes § 3 amtlich für die Ausübung des 
Impfgeschäftes in Pflicht genommen werden. Insoweit Aerzte bei 
Ausübung ihrer Praxis ohne amtliche Verpflichtung Impfgeschäfte 
vornehmen, sind sie der Anforderung des § 3, Abs. 2 der Aller¬ 
höchsten Verordnung vom 17. December v. Js. nicht unterworfen. 

Ein Arzt, welcher dieser Anforderung nicht entspricht, kauu 
einer Bestrafung nicht unterliegen, kann aber für die Ausübung 
des Impf geschältes nach Maassgabe des Art. 3, Abs. 3 a. a. O. nicht 
verpflichtet werden.“ 

Es ist höchst dankenswert!», dass das k. Staatsministerium 
nicht gezögert hat, dem beanstandeten § 3 der Verordnung durch 
diese Entschliessung eine Auslegung zu geben, welche die von den 
Aerzten gehegten Bedenken völlig zerstreut. Die praktischen 
Aerzte können hiernach ungehindert, wie bisher, an die Ausübung 
des Impfgeschäftes gehen. 

— Pest. Britisch-Ostindieu. Iu der Stadt Bombay starben 
während der am 3., 10. und 17. März endigenden Wochen 733, 735 
und 727 Personen an der Pest. In Kalkutta und im Bezirke Patna 
hatte zu Folge einer Nachricht vom 22. März die Pest weitere Fort¬ 
schritte gemacht, denn in den oben bezeichneten 3 Wochen betrug 
die Zahl der Peststerbefälle in Kalkutta 411, 001 und 744, im Be¬ 
zirke Patna 1382, 1581 und 2044. — Hongkong. Während der ersten 
Aprilwoche sind in Hongkong 0 Fälle von Pest beobachtet worden. 
—Argentinien, ln Rosario wurden während der beiden Wochen 
vom 2. bis 15. März je 8 neue Fälle von Pest festgestellt. Iu Buenos 
Aires waren bis zum 13. März (seit Anfang dieses Jahres) 52 Er¬ 
krankungen unter pestverdächtigen Erscheinungen beobachtet, von 
denen 18 tödtlich geendet hatten. — Neu-Süd-Wales. Zu Folge 
einer Mittheilung vom 6. März waren in Sklney seit dem 27. Februar 
2 weitere Personen au der Pest gestorben und 3 neue Erkrankungs¬ 
fälle festgestellt, darunter 2 bei Sackträgern in Producten- 


gescliäften. Die 3 bisher verstorbenen hatten durch ihren Beruf 
Verkehr mit Schiffen; der eine war ein Segelmacher, der andere ein 
Stauer und der dritte Sehankwlrtli am Hafen. Die Erkrankten 
wurden mit ihren Familienangehörigen und allen Personen, die 
mit ihnen in der letzten Zeit verkehrt hatten, auf die Quarantäne- 
Station übergeführt, die befallenen Häuser wurden isolirt. Angeb 
lieh wurden die Docks und die Arbeiterstadttlieile am Hafen von 
Sidney auf Anordnung der Regierung gründlich gereinigt und des- 
inficirt; viele Gassen und Häuser daselbst sollen vor Schmutz 
starren; Ratten wurden in grosser Zahl eingefaugeu und verbrannt. 

(V. d. K. G.-A.) 

— In der 14. Jahres woche vom 1. bis 7. April 1900 hatten von 
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit 
Bochum mit 36,7, die geringste Hildesheim mit 7,0 Todesfällen 
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬ 
storbenen starb an Scharlach in Altendorf, Beutlien, Duisburg; an 
Diphtherie und Croup in Bromberg. Kaiserslautern. 

— Die Kölnische Unfallversicherung« - Actieugesellschaft iu 
Köln a. Ith., welche vor Kurzem eine für die Aerzte günstige Iu- 
fectionsklausel eingeführt hat (s. d. W. No. 10), Ist, wie sie uns 
mittheilt, bereit, den sämmtliehen bei ihr versicherten Aerzten auf 
Wunsch durch Nachtrag zur Police die Vergünstigung dieser 
Klausel zuzuwenden. 

(Hochschulnachrichten.) 

Florenz. Der Professor an der medicinischeu Facultät 
zu Siena Pr. I.. G uait a wurde zum o. Professor der oplithalmo- 
logisclien Klinik ernannt. 

Prag. An der tschechischen mediciuischen Facultät habili- 
tirte sich Dr. V. M 1 a <1 e jovs k y für Balneologie und Climato- 
logie. 

(Todesfäll e.) 

Sir A. D o u g 1 a s M a c 1 a g a n. früher Professor der Hygiene 
und gerichtlichen Medicin zu Edinburgh. 

Dr. P. S g r o s s o, Privatdocent der Augenheilkunde zu 
Neapel. 

(B e r i c h t i g u n g.) Der Verfasser der in No. 15, S. 512 ref. 
Arbeit „Ueber die echten Cysten der Leber“ ist Dr. L e p p m a n n 
(nicht L i i> p m a n n) in Berlin. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung: Dr. Adolf Bach, appr. 1897 (nicht 1900, wie 
in No. 13 gemeldet), in Thannhausen. Dr. Adolf Jordan, appr. 
1895, iu München. 

Verzogen: Dr. Heinrich Volk von Rosshaupten (B.-A. Füssen) 
nach Augsburg. 

Versetzt: Der Bezirksarzt I. Classc Dr. Friedrich Böhm in 
Neuulm, seiner Bitte entsprechend, auf die Bezirksarztsstelie 
I. Classe für den Verwaltungsbezirk der Stadt Augsburg. — Der 
Bezirksarzt I. Classe Di 1 . Karl Grasmann in Pfaffeuhofeu 
a. d. Ilm, seiner Bitte entsprechend, auf die Bezirksarztsstelie 
I. Classe iu Regensburg. 

Erledigt: Die Bezirksarztsstelie I. Classe in Neuulm. Be¬ 
werber um dieselbe haben ihre vorschriftsmässig belegten Ge¬ 
suche bei der ihnen Vorgesetzten k. Regierung, K. d. I., bis zum 
7. Mai 1. Js. einzureichen. Die Bezirksarztsstelie I. Classe iu 
Pfaffenhofen a. d. Ilm. Bewerber um dieselbe haben ihre vor¬ 
schriftsmässig belegten Gesuche bei der ihnen Vorgesetzten 
k. Regierung, K. d. I., bis zum 7. Mal 1. Js. einzureichen. 

Gestorben: Hofrath Dr. Guido Jochner, 70 Jahre alt, in 
München. Dr. Leonhard Stern pfle, 28 Jahre alt, in Edesheim 
(Rheinpfalz). Dr. Georg ltupprecht, 45 Jahre alt, in Nürnberg. 


Morbiditätsstatistik d.lnfectionskrankheiten für München 

in der 15. Jahreswoche vom 8. bis 14. April 1900. 

Betheil. Aerzte 522. — Brechdurchfall 5 (4*), Diphtherie, 
Croup 12 (11), Erysipelas 15 (18), Intermittens, Neuralgia interm. 
1 (1), Kindbettfieber 1 (—), Meningitis cerebrospin. — (—), Morbilli 
90 (97), Ophthalmo - Blennorrhoea neonat. 5 (4), Parotitis epidem. 
6 (10), Pneumonia crouposa 16 (16), Pyaemie, Septikaemie 1 (—), 
Rheumatismus art. ac. 23 (28), Ruhr (dysenteria) — (—), Scarlatina 
3 (5), Tussis convulsiva 10 (5), Typhus abdominalis 2 (2), 
Varicellen 7 (9), Variola, Vario^is — (—). Summa 197 (210). 

Kgl. Bezirksarzt Dr. Müller. 


Uebersicht der Sterbefälle in München 

während der 15. Jaliresw'oche vom 8. bis 14. April 1900. 

Bevölkerungszahl: 463 000 

Todesursachen: Masern 10(11*), Scharlach — (—), Diphtherie 
und Croup 1 (—), Rothlauf 1 (1), Kindbettfieber — (1), Blutver¬ 
giftung (Pyaemie) — (2), Brechdurchfall 2 (4), Unterleibstyphus 
1 (—), Keuchhusten — (2), Croupöse Lungenentzündung — (—), 
Tuberculose a) der Lungen 35 (38), b) der übrigen Organe 2 (13), 
Acuter Gelenkrheumatismus — (—), andere übertragbare Krank¬ 
heiten 6 (4), Unglücksfftlle 2 (1), Selbstmord 2 (3), Tod durch 
fremde Hand — (—). 

Die Gesammtzahl der Sterbefälle 212 (228), Verhältnisszahl auf 
das Jahr und 1000 Einwohner im Allgemeinen 23,8 (25,6), für die 
über dem 1. Lebensjahr stehende Bevölkerung 15,6 (15,9). 


*) Die eiugeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche. 


Verla* von J. F. Lehmann ln München - Druck von K MühUhaler « Buch- und Komi’rtrucfcerei A G., München 


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